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Full text of "Rheinisches Museum für Philologie"

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Nheinifches Mufenm 


für 


Philologie. 


Herausgegeben 


von 


F. G. Welcker, F. Ritſchl, J. Bernays. 





—— 


— Neue Folge. 


Seeben 4— 


Frankkurt am Main, 


% D. Sauerländer’s Verlag. 
1850. 


Mufenm 


für 


Philologie. 


Herausgegeben 


von 


F. G. Welcker, F. Ritſchl, J. Beruays. 








Pe £ 


Siebentem Schr aun“ 


Frankfurt am Main, 


% D. Sauerländer’s Berlag. 
1850. 


Namen der Mitarbeiter. 


Herr H. f. Ahrens in Hannover. 
» H. Barth in Berlin. 
» F. Bamberger in Braunfchweig. 
» I. Becker in Hadamar. 
» W. A. Becker in Leipzig. + 
» Ch. Bergk in Marburg. 


» 3. Bernays in Bonn. 
„F. 5. Bothe in Leipzig. 

»» €. Braun in Rom. - 

» H. Brunn in Rom. 

» J. Cäfar in Marburg. 
„ €. Curtius in Berlin. 


„ &. Curtius in Prag. 

Pr H. Dittrich gen. Fabricius in Dresden. 
» 3. ©. Droyfen in Kiel. 

» F. Dübner in Derfailles. 

„ H. Düntger in Köln. 


vi 


Namen der Mitarbeiter. 


Herr G. von Eckenbrecher in Berlin. 


‚A. Emperius in Braunfchweig. + 
&. Engel in Berlin. 
R. Enger in Oftrowo. 
€. G. Firnhaber in Wiesbaden. 
A. FSleckeifen in Weilburg. 
J. Franz in Berlin. 
J. Frei in Bürich. 
W. Freund in Breslau. 
I. Seel in Leyden. 
€. Gerhard in Berlin. 
€. €. Gläfer in Breslau. 
A. W. Göttling in Jena. 
&. F. Grotefend in Hannover. 
F. Haafe in Breslau. 
A. Halm in München. 
IM. Haupt in Leipzig. 
F. Hauthal in Bonn. 
F. Heimfoeth in Bonn. 
W. Henzen in Rom. 
A. F. Hermann in Göttingen. 
M. Hertz in Berlin. 
©. Jahn in Leipzig. 
&. £. Aayfer in Heidelberg. 
G. Keil in Halle, 
A. Lachmann in Berlin. 
Ch. Ladewig in Neuftrelitz. 
H. Fangenfiepen in Barmen. 
A. Lehrs in Königsberg. 
F. Lerfch in Bonn. + 
V. Loers in Trier. 
W. Marckſcheffel in Hirfchberg. + 
P. Matranga in Rom. 
E. Mehler in Leyden- 





Namen der Mitarbeiter. vır 


Herr K. Merkel in Magdeburg. 

» Ch. Hlommfen in Leipgig. 

» T. Mommſen in Kiel. 

» A. Mauck in Keval. 

» F. Ofann in Giefsen. 

» J. Overbeck in Bonn. 

» H. Paldamus in Greifswald. 
» Ch. Panofka in Berlin. 

» EC. Peter in Slleiningen. 

» LG. Preller in Weimar, 

» Ch. Preffel in Paris. 

» C. Prien in fiel. 

» F. Richter in Königsberg. 

» F. Kitfchl in Bonn. 

„ F. Ritter in Bonn. 

= £. Rofs in Halle. 

» BL. Roth in Bafel, 

„ H. Sauppe in Weimar. 

» A. Schäfer in Dresden. 

» A. W. von Schlegel in Bonn. + 
> A. Schleicher in Prag. 

» T. d. Schmidt in Bonn. 

— M Schmidt in Schweidnitz. 
» ©. Schneider in Gotha. 

» FW. Schneidewin in Göttingen. 
» F. ©. Schöne in Herford. 

» €. A. Schwanbeck in Köln. + 
» K. Schwenck in Frankfurt a. M. 
„ IM. Seebeck in Berlin. 

» &. Sintenis in 3erbft. 

» T. Spengel in Alünchen. 

» £. Stephani in Dorpat. 

„ 3. Strange in Urfeld. 

„ &. Studer in Bern. 


a 0 un SC nn ed ERBE BERGE - 
- — — — — ——— 





wu 


Namen der Mitarbeiter, 


Herr W. S. Teuffel in Tübingen. 
» FW. Ullrich in Hamburg. 
» 5. N. Ulrichs in Athen. + 
„ FL. Mrlichs in Greifswal. 
» 3. Ch. Vömel in Frankfurt a. M. 
» $. W. Wagner in Breslau. 
G. Weigand in Mühlhaufen. 
» 8. ©. Welcker in Bonn. 
» F. €. Wer in Schwerin. 
F. Woltmann in Charlottenburg. 
» A. W. Zumpt in Berlin, 
» 3. Zündel in Bern. 


Inhalt. 


Seite 

Ueber die Perſer des Aeſchylus. Von C. Prien 208 
Des Aeschylos Oresteia, herausgegeben von J. Franz, Bon 

Demfelben . 2 . - x ; . 370 

Zur Kritif des Euripides. Bon 8. Kayſer : ; „ 117 
Epigrammatum Graecorum spicilegium quartum. Coll. F. Th. 

Welcker , ; : . 615 

Heraflitifehe Studien. Denis, — 90 


Beiträge zur Geſchichte der griechiſchen Sophiſtik. Von J. — 527 
Ueber die Bedeutung der ÜAn bei Ariſtoteles. Von G. Engel. 391 
Meber Sertus Empirifus’ Schrift noos Aoyızous. Bon 


L. Kayfer . N : 5 191 
Meber den Beriplusg des Be Meeres, Don ©. 
Schwanbed . } : ; ' 331. 481 


Inſchriften von deu Küften des Mittelmeers, Bon 9. Barth. 246 
Snfhriften von Cypern. Von L. Rob. N - 2.512 
Zuſatz. Don % © Welder . ; f : .) 524 


x Inhalt. 


Seite 

Plautiniſche Excurſe. Von F. Ritſchl 314. 472. 555 
Ueber die Seriptores VI. historiae Augustae. Von Fr. 

Richter BE; 


Beiträge zur lateinifchen Grammatik. Bon A. Fledeifen . 271 


Ueber die neuefte metrifche Theorie. Don F. Heimfoeth 622 
Zur Kunſterklärung und Mythologie. Von E. Braun „ABl 
De Hippolyto Troezenio. Ser. L. V. Schmidt F 52 
Antepikritifche Betrachtungen über die polygnotifchen Gemälde 

in der Lefche zu Delphi. Bon J. Overbed £ . 49 


Die Npollogrotte der Akropolis von Athen. Don K. W. 
Böttling . | f 4 


Ueber die friedlichen Verhältniffe zwifchen den Karthagern und 
Hellenen. Don 9. Barth 2 ; B : 63 


Midcellen. 


Litterarhiftorifches. 


Ein neues Zeugniß über den epifchen Cychus. Bon R. L. 
Roth ’ 1 s ' 5 / ” 135 
Zuſätz. Don F. Ritfhl . y $ h 0185 

Todesart des Aefchylos. Bon F. ©. Welder . 139. 285 

Simonides' Aöyoı draxıoı. Don F. Schneidewin . 460 


Sahbalt, xi 


Seite 
Die Kuraparkovres des Protagoras. Bon J. Bernays 464 
Ariftoteleg’ Politien. Don Demfelben . . .. 286 


Handfhriftlidhes. 


Proben Homerifher Scholien aus Cod. Venet, B. in 

ihrer wahren Geſtalt. Von E. Mehler . A 2243 
Prooemium scholiastae in Auct. ad-Herennium 

e cod. Rehdigerano deser. ©. E. Glaeser 3 291 
Scaligeranum. Bon & Mehler s ; 297 


Zur Kritif und Erflärung. 


Zu Hefiodus Bon L. V. Schmidt ; : . 148 
Ueber eine Stelle des Didymus zu Hefiodus Don A. 


Nauck 301 
Zu Sophokles, Euripides. Don F. W. Wagner . 149 
Zu Theokritus. Von K. Schwenck 192 


Nachlefe zu den Babeln des Babrius. Don A. Naud . 153 
Zu Platon. 

Zu Bolybius. 
Zu Stobäus Don %.Bernays : 306 
Zum Plautiniſchen Trinummus. Von M. Saupt . 477 
Zu Plinius. Don F. Schneidewin . £ ..479 
Zu Tacitus. 

Zu Chariſius. 


Analecta critica (in Suetonium, Curtium, Tacitum, 


| Don W. Tenffel ; ; . 468 


| Don M. Herb. ; > . 480 


Nepotem, Virgilium). Ser. Th. Bergk . 156 


Antiquarifches. 


Die Atifhen Schiedsrichter Don Th, Bergk . 130 


xur Schalt, 


Ethnographiſches. 


Phönizier in Argos Von E. Curtius 


Archaͤologiſches. 
Theſeus und Aegle. Von & Gerhard 


® 


® 


Seite 


455 


283 


Die Apollogrotte der Akropolis von Athen. 


Für die Athener war eine Grotte der Akropolis, in wel- 
cher Apollons und Kreufa’s, des Erechtheus Tochter, heimliche Ver— 
einigung vor fih gegangen war, aus welcher Jon entfproß, von 
befonderem heiligen Intereſſe. Denn in derfelben Grotte war der 
Sage nah Jon auch geboren worden !), in derfelben von Kreufa 
ausgefeßt ), und aus berfelben hatte Hermes, auf Apollon's Ges 
heiß, den neugebornen Knaben nad) Delphi gebracht, von wo er 
dann fpäter, auf die bei Euripives erzahlte Weiſe, wieder nad Athen 
fam. Aber diefe Grotte iſt auch uns nicht unwichtig für einige Be— 
fiimmungen ver Topographie des alten Athens, weshalb es ver= 
gönnt fein mag, die Stelle derfelben genauer zu befiimmen, 

Die Gegend diefer Grotte wird von Euripides im Jon viel» 


1) ©. 3.965 des Jon d. Enripides (Herm.) ou Tis koyeveı 0’; 7 
uovn woydeis ıdde; Ko. Movyn zaı' avroov ovıeo ELeiugdnv yauoıs. 
Damit bildet nun freilih V. 16 einen fonderbaren Gegenfaß, wo Sermes 
erzählt: ws d’ 7AHEr 7o0voS, TEZoU 0° Ev olzoıs aid’ annveyzev Boe- 
pos Eis TeiIOv avıgoy, 001EQ nivdosn HEo. Sollte Euripides ver- 
geften haben V. 965, was er B. 17. erzählt Hat? Wie gefährlich wäre es 
überdieß gewefen für Kreufa, im Hauſe zu gebären, während es ganz na= 
türlich erjcheint und von Apollon felbjt begünftigt fein wird, Daß fie in der 
Angit der Mutterwehen ihre Laft in die Grotte trägt, dort ihres Knaben 
genejet und ihn fogleih auch ausjest, nachdem fie die nöthigen Gegenftände 
(noch dazu nicht vollfommen vorbereitet, fo eilig geht Die Sache vor fich, 
2.1434) dazu mitgebradht. Die Stelle B.358, wo Kreufa ihr Schicfal fo 
erzählt, als ob es einer andern widerfahren fei, und dabei den Ausdruck 
gebraucht 70» aid’ Ov Eıezev EEEdnze dwuctov, fpricht, da fie weiter 
auf Genauigfeit feinen Auſpruch macht, nicht für die Darftellung der Sache 
V. 16. Außerdem it in dieſem Prologe noch auffallend, daß Hermes 
V. 54. 55. erzählt, die Delpher haben den Jon, einen namenlofen Frem— 
den, einen Sclaven fogar, wie es den Anfchein Hatte, zum zovoopules 
und zeuias navyrov des Npollotempels gemaht, wovon im Stücde felbit 
feine Spur ift (ein folches Amt hätten die Delpher doch unr einem freien 
Bürger übertragen); im Gegentheil erzählt Jon B.428. felbft, er habe bloß 
7@ &£0 des Tempels zu verwalten und worin feine einfache Bejchäftigung 
beiteht, zeigt er beim eriten Auftreten u, V. 448, 

2). Som: B- 17. 

Muſ. f. Phil, R. 5, VII 1 


2 Die Apollogrotte 


fältig erwähnt und befehrieben, aber, wie es erklärlich erſcheint, doch 
immer nur jo, daß der Dichter die Athener bei feiner Erwähnung 
sor Augen bat, welche das Local ſelbſt aufs genauefte kannten und 
einer beftimmteren Nachwerfung weiter nicht bedurften, Nur das 
ift aus Euripides' Angaben vollfommen ficher , daß die Grotte in 
den Felfen der nördlichen Seite der Akropolis befindfich war ). 
Einige Stellen des Jon fiheinen ferner anzudenten, daß die 
ganze nördliche Seite des Felfens der Akropolis, in welder die 
Grotte fi) befand, den Namen Maxzoar ‚die langen Felfen‘ ge 
führt Habe, und dieß ıft von Meurfins und Yeafe (dieſer redet in 
feiner Topographie von Athen 3. B. ©. 198 von den naxvar ne- 
roaı diefer Gegend) als unzweifelhaft angenommen worden, auch) 
Forchhammer (Hellenica S. 460. 63.) nennt diefe Fellen der Afro> 
polis „die langen Felſen“. Affen man fieht zuerft nicht recht ein, 
warum gerade Diefe nördliche Seite des Afropolisfelfens „die langen 
Felſen“ genannt worden fein foll, da die ſüdliche Felfenfeite wenig— 
ftens ebenſo lang, eigentlich noch länger, von Weften nach Diften 
ſich hinzieht; und dann, wollte man Maxoal mit „steil überfegen, 
wie es an einer andern Stelle bei Forchhammer (S.41.) der Fall 
zu fein feheint, fo müßte fih nachweifen laſſen, daß die ganze nörb- 
liche Seite der Akropolis fteiler gewefen fer als die Südſeite, was 
zwar zu jeßiger Zeit, am Fuße, als richtig erfcheint, wo feit der 
letzten Aufräumung der Akropolis aller Schutt über die ſüdliche 
Mauer binabgeworfen worden ift, weil er an dieſer Seite allein 
feine unten befindlichen Häufer treffen fonnte. Allein im Alterthum 
und auch jest noch Höher hinauf ift die ganze Südſeite keinesweges 
weniger fteil gewefen als die Nordſeite; denn einmal fennt Die To— 
pographie Des alten Athens an dem wirklichen Abhange des ſüd— 
lichen Felfens fein Gebaude, welches bier hätte angebracht werben 
iönnen, während fie an dem Abbange der Nordfeite Doch das Ana— 
feion und das Heiligthum der Agraulos kennt; zweitens zeigt noch 
jest der Augenſchein, daß die Nordfeite leichter zu erflimmen gewe— 
fen fein muß als die Südfeite, wie denn auch die Perſer die Akro— 
polis von diefer Seite beftiegen haben, und endlich ſpricht Das Bei— 
1) Son V. 11. 953. 














der Afropolis von Athen. 3 


wort Endorıog neroa „ver Nachtigallfelſen“, welches Euripides 
(Son V. 1505) der Novdfeite der Afropolisfelfen giebt, in welcher 
die Jongrotte war, offenbar dafür, daß bier vor Alters Bäume 
und Geſträuche geftanden haben müffen, wovon jeßt freilich feine 
Spur mehr vorhanden iſt. Diefe Seite kann alfo nicht vorzugs— 
weile jteil gewefen fen. Es kommt aber noch hinzu, daß fid 
feine Stelle findet, wo der Name uarga! nerge: ſich vollftändig 
nachweifen ließe. An vier Stellen des Jon erwähnt Euripives bloß 
des Namens Maxgur, ohne ergae nur irgend dazu zu fesen, 
Sp 3. 296, 
Maxgal dE ywoos Eoı’ Exel zezAmugvog, 
V. 500. 3 Ilavös Iazyuara zul 
nugavAllovon NETOU 
uvyodenı Maxgais. 
B. 952. — Kezgonlus nerges 
n900ß0900v avıgov ag Margag zırkyozouer. 
V. 1415. Kexgonog Es avıga zal Maxoag nergn0speis. 
In einer fünften Stelle (V. 13.) könnte allein es, nad) der her— 
kömmlichen Lesart, den Anfıhein haben, daß neroas zu uaroag 
gehöre: 
Evda ng00ß09g0v5 neTons 
Jlahladog un’ 049w 175 AInvalov yIovog 
Murgag zahovcı yng üvazres ArIıdos. 
Alleın bei genanerer Betrachtung des Sinnes felbft diefer Wulgata 
nennt fhon Euripides nicht die ganze Ausdehnung der nördlichen 
Felſen Meaxoal, fondern nur einen beitimmten Theil diefer Tele 
fen; er fagt ja: „Phoebus und Kreufa vereinigten fih da, wo 
die Athener die nördlichen Felſen Maxoal nennen”, verſteht alfo, 
ſelbſt nach) diefer Lesart, nur den Theil derfelben unter Mazoar, wo 
die Vereinigung der beiden Viebenden vor fih ging. Die Lesart iſt 
aber nicht einmal richtig und es iſt Kar, dag mit einer yon mir eitte 
gejehenen Pariſer Handichriit (N. 2517.) gelefen werden muß: 
evd@ mo0oßoogoıg nergaıg 
Ilarradog in’ 049w uns Adıvalov zIovoz 
Maxgag »ahovor yig avarres ’Argidog, 


4 Die Apollogrotte 


Denn aus der dritten der angeführten Euripideiſchen Stellen geht 
deutlich hervor, daß man in Athen unter dem Namen Maxoai bloß 
eine Grotte der nördlichen Afropolisfelfen verftand,, nicht dieſe 
Felfen felbft. Die Worte as Muxgag zız)zozouev fünnen ſich 
nemlich nur auf mo6oßogg0» avroov beziehen, nicht auf Kexgontas 
etoas, welches nicht Aceufativ des Pluralis, fondern Genitiv des 
Singularis ift, wie bereits Hermann hervorgehoben hat. Wer aber, 
wie fonft sor Hermann geſchah, o0oßopgor arıgor in Kommata 
einschließt, Fünnte auch nicht aus der Stelle beweifen, daß Die ganze 
nördliche Felfenfeite Maxoar nergaı geheifen, fondern nur daß die 
nördliche Grotte Kezoonını nergaı waroaı genannt worden fer, 
was doch böchft fonderbar wäre. 

Wir dürfen alfo wohl aus Euripides und namentlich aus dem 
Beiworte nerongspels, welches er an der vierten Stelle gebraucht 
(denn das durch richtige Conjeetur hergeftellte uuywdeoı in der 
zweiten Stelle will ich nicht einmal anführen) als ausgemacht an- 
nehmen, die Grotte der nördlichen Seite der Felfen der Afropolis, 
in welcher Son geboren und audgefegt war, hieß Muxgar, ein 
Name, welchen wir fpäter zu erflären fuchen werben. 

Nach der zweiten Stelle des Euripides kann nun diefe Grotte 
nicht weit son der Pangrotte gewefen fein, denn fie wird eine dem 
Sise Pans naoaviılovow genannt, und V. 954. heißt es 3190 
Ilavös avro@ zul Pwuor ne)as, welches doch nur heißen kann: 
„wo die Grotte Vans und feine Altäre nahe find.” Nun erwähnt 
Panfanias ), daß, wenn man von der Afropolis, um in die untere 
Stadt zu kommen, von den Propyläen hinabfteige, eine Duelle fich 
finde, und in ver Nahe, in einer Höhle, ein Heiligtbum des Apollon. 
Diefe Quelle iſt natürlich Die fogenannte Klepfydra, jest zivar, um 
fie zu erhalten, überbaut, aber fo, daß man auf hinabführenden 
Stufen fie ohne Schwierigkeit erreichen fan. Gerade über diejer 
Klepſydraquelle, dicht unter dem nördlichen Flügel der Propyläen, 
im nordweftlihen Abhange des Felfens, innerhalb der alten für- 
liſchen Feftungsmaner, ift noch jest eine bogenförmige, geräumige 
aber flache, natürliche Höhlung, in deren Hinterwand mehrere Fleine 

1, 28,4 


der Afropolis von Athen. 5 


Niſchen Fünftlich eingehauen find, wie fie für Weihungen ex volo 
überall fonft in Griechenland in großer Menge ficy vorfinden. Un- 
ter der einen diefer Nifchen der angegebenen Grotte haben ſich in den 
Selfen noch eingehauen gefunden die Buchftaben IIOA, ein Reſt 
aus AIIOAAS2NI. Es fcheint mir hierans hervorzugehen, daß 
diefe Höhle das von Paufanias erwähnte Heiligtum des Apollon 
jei, eine Vermuthung, welche dadurch beftätigt wird, daß ım Jahr 
1840 am Eingange zur Duelle, alfo dicht unter der Höhle, eine 
Inſchrift gefunden wurde, auf welcher ich folgendes erkannte: 
OVATBIOEDATISTOT 

SIIOAEMA4PXHZASTONENI 

AAOTAPXONTOZEENIAT 

I10AA2NITILAKPAI2 

HKEN. 

d. h. wohl: Iljorußıo; Davorov [viöls norsurgynous 10V 
ent [Ogaov]AA0v woyovros Evriavlröv "Alnoironı “Ynazxoarn 
[eve$]nzer. Der hier vorkommende Archon wird nemlich wohl 
Thrafyllus, der Archon des Jahres DI. COX, %,, fen Es ers 
giebt fih aber aus diefer Infchrift, daß ein Heiligtum in diefer 
Gegend „dem Apollon unter der Burg“ gehörte, und ich zweifle 
auch nicht, daß ein Relief, welches zu derfelben Zeit in derfelben 
Gegend aufgefunden wurde und den unteren Theil einer nackten, 
männlichen, jugendlichen Gottheit mit flatterndem Mantel zeigt, dies 
fen Apollon darftellt. Außerhalb der türkischen Feſtungsmauer 
aber, gerade am Anfange der nördlichen Felfenfeite der Akropolis, 
iſt, etwas tiefer als die Apollogrotte gelegen , eine andere größere 
Felfenhöhlung (mit ven Leberbleibfeln zweier altarförmigen Erhö— 
hungen, die an beiden Seiten aus dem Felfen gehauen find), welde 
mit Necht als die Pangrotte angefehen wird, fo daß jene altarfürs 
migen Erhöhungen recht wohl unter den bei Euripives ) vorkom— 
menden Pouo! verftanden werden können. Nach dem gewöhnlichen 
Terte des Paufanias bei der Beichreibung jener Gegend , welcher 
lautet; zu nAnolov "Anoilwvog 1200 ev onnkalw zal Ilavos 


ka 1) Son B: 954. Daß das Komma nah advre wegfallen muß, feheint 
icher. 


6 Die Apollogrotte 


fönnte es num fiheinen als ob eine und dieſelbe Grotte dem Apollon 
und dem Par gemeinfam heilig gewefen fer, wie dieß auch 3.3. von 
Leafe angenommen worden iſt; allein die hefferen und mehreren 
Handſchriften haben zur Ilaros nah anyAurp gar nicht, fo daß 
es mir wahrfcheinfich erfiheint, daß nach dem Worte vowilovor eine 
Lücke bei Pauſanias anzunehmen ıft, welche ich einftweifen mit &yyüg 
d& zo rov Iluvög avroov ergänzen möchte, wodurch der Text des 
Paufanias mit der Wirklichkeit übereinftimmend erfchiene, welche 
zwei verfchiedene Grotten (Vans und Apollons) nahe bei einan— 
der zeigt. 

Nun fagt Pauſanias unmittelbar vorher, in die ſer Höhle des 
Apollon, über der Klepſydra, ſei Kreufa mit Apollon zufammen ge: 
fommen. Das fann man wohl in fpäterer Zeit geglaubt und feine 
Eregeten mögen e8 dem Pauſanias berichtet haben, aber weder die 
Grotte Apollons, noch die Pangrotte, welche beide fehr flache ni- 
fhenartige Höhlungen von unbedeutender Tiefe find und hell vom 
Tageslichte befchienen werden, waren dazu geeignet jener Mythe 
angepaßt zu werden. Wer viefe Höhlungen felbft gefehen hat, 
müßte es ganz Fächerlich finden, wenn der von Euripides als fo 
ſchamhaft geſchilderte Apollon hier fein Hochzeitlager mit Kreuſa 
hätte aufichlagen follen. Ganz im Gegentheif hiervon nennt Euri— 
pides Die Grotte, wo dieß geſchah, veremoepys ') 5 mit welchem 
wovywöns ziemlich gleichbedeutend iſt, ein Ausdruck der auf folche 
flache Nifihen, wie die des Pan nicht paßt. Es war aber überdieß 
die Grotte der Bereinigung Apoflons und Kreufa's, wie ſchon frü— 
ber erwähnt wurde, ganz beftimmt an der Nordſeite der Akropolis 
gelegen, welches gar nicht auf die befprochene Grotte des Apollon 
und faum auf die Pangrotte paßtz denn die erflere iſt ganz nach 
Weften, die andere nad) Nordweiten gerichtet. Mir fiheint daher 
nicht zu bezweifeln, daß eine ſpätere Zeit als die des Euripides 
nur wegen des Namens der Apoflogrotte die Scene zwifchen Apollo 
und Kreufa dahin verfeste und diefer veränderten Sage ſcheint Pau- 
fanias gefolgt zu fein; denn ber Euripides iſt dieß ganz anders, 
Wenn nun aber dennoch die von Euripides mit dem Namen Maxon 

1) Vgl. zurngeypns zöußos bei Soph. Ant. 8,877. 


der Akropolis von Athen. 7 


bezeichnete Grotte nach diefem Dichter nicht weit von der Pangrotte 
gelegen und doch nicht Diefelbe war mit der eben befchriebenen weft- 
fich gelegenen Apollogrotte, vielmehr eine nördliche Lage hatte und 
tiefer in dem Feljen bineingegangen fein muß: fo können wir nur Die 
ziemlich tief in ven nördlichen Fels Hineingehende, noch im Jahr 1840 
wenigftens nach der Stadt Athen zu, am Abhange, mit einer Mauer 
und Schieffcharten verjehene und oben auf dem Plateau der Akro— 
polis, dicht hinter dem Erechtheum (weſtlich von demſelben), wieder 
zu Tage gehende Höhle als die fogenannte Mazour anfehen. Die 
untere Deffnung diefer Höhle iſt vollkommen nach Norden gerichtet, 
kaum dreißig Schritte von der Pangrotte entfernt und fehr dunkel, 
indem man von der nördlihen Deffnung aus noch jest auf etwa 
zwanzig fleinernen Stufen nad dem Mateau der Akropolis durch 
die obere Deffnung der Höhle aufzufteigen hat. Diefe obere Deff- 
nung meint auch Artftophanes, wo er die Lyſiſtrata fagen läßt, daß 
eine der Frauen, welche ſich von der Akropolis hinwegftehlen wollen, 
son ihr betroffen worden fei an ver Deffnung (or7), wo vie Pan— 
grotte iſt ): 
ınv uev ye nowınv dıiakeyovouv ınr Uν 
zatehaßov, 7 voo Ilavög Eatı radklor. 

Hier kann wie ſchon der Artikel av onnv Hinlänglic darthut, nicht 
son einem Loche die Rede fein, welches jene Frau erjt Durch die 
Mauer zu brechen fucht, wie die Erklärer annehmen, fondern es it 
eine bereits vorhandene, den Athenern wohlbefannte Deffnung ge— 
meint, welche ſich die Entwerchende zu Nutze zu machen gedachte; es 
it eben unfere beiprochene Grotte. 

Denfelden unterirdifchen Gang muß auch Pauſanias ?) meinen, 
wenn er, nachdem er vorher von der Wohnung ?) der beiden pries 
fterlichen Sungfrauen, welche die Athener Arrbephoren ) nannten, 

1) Sf. DB. 721. 

3) | 

3) Es wird auch ein Ort auf der Afropofis erwähnt, wo die Arrhe— 
phoren Ball fchlugen (opeıploroa). Das ift wohl derfelbe freie Platz, 
von welchem GEuripides (Jon V. 509.) jagt, Die Töchter des Kefrops führten 
dert Chöre auf, während von Pans Grotte her Syringenten erfchallte. 

4) Statt Eooygysoovs haben einige Handſchriften des Panfanias 
zuyngooovs. Diefe iſt die allgemeine, aoonyogoı die ſpecielle Bezeich— 


8 Die Apollogrotte 


ganz in der Nähe des Tempels der Athene Polias, gevevet hat, 
fagt, daß diefe Jungfrauen am Fefte der Athene durch einen von 
der Natur felbft gebifveten, nicht durch Kunft ausgehöhlten Gang 
(zu I0dog avrouarn) hinabftiegen, um unten in der Stadt aus 
einem Veribolos nahe beim Heiligthum der Aphrodite in den Gär- 
ten ) gewiffe eingehülfte Gegenftände zu holen, die zum Gottes— 
dienft nothiwendig waren ; denn diefen Gang ſich fo vorzuftellen, 
daß er nicht oben auf der Akropolis, fondern alfein unten in ber 
Stadt gewefen fer und dort nur in den Peribolos geführt habe, 
wie der Ausdruck des Paufanias: za di avrov (nemlich rov ne- 
o1B0L0v) »uFodog Unoyarog avrowarn dem erften Anblie nach an- 
zudeuten fcheint, wäre der Sache nicht angemeffen. Denn Paufa- 
nias redet zuerft von der Wohnung der Arrhephoren in der Nähe 
des Tempels der Polias, erwähnt dann die Priefterin diefer Göttin, 
welche ihnen beim Fefte jene verhüfften Gegenftände zum Tragen 
giebt, und dann gedenft er des Hinabgehens der Arrhephoren; wäre 
nun der Cingang zum Peribolos ein unterivdifcher gewefen , fo 
mußte Paufanias fagen: zul eivodog Es avrov Unöyaıog avTo- 
parn. An diefer Stelle und in folher Verbindung wie bei Paufa- 
nias, fann zaIodos nur von dem Hinabgang der Arrhephoren von 
der Burg aus verfianden werben; de aurov fann daher nichts 
anders heißen als: wdurcd ven Peribolos hindurch (d. h. in ihn 


nung ſolcher priefterlichen Mädchen, welche etwas zum Gottesdienite gehöriges 
zu tragen haben. So ward nicht weit von der Mohnung der fogenannten 
Arrhephoren eine Infchrift aufgefunden, auf welcher vier Dlivenfränge ab- 
„gebildet find. Sn einem derfelben jteht: 
KANHEO 
PHZAZAN 
ETPAYPI 
(0) 
N. 288. der in Athen erfcheinenden Eynusgis apyaodoyırn giebt dafür 
(B. 3) ETIAAYPI (nemlih Zuudevoioıs.) In der Mauer einer Gapelle 
zu Eleuſis fand ich eine ähnliche Infchrift: 
HBOYAH 


/ KANHPON 
PHEAZAN \ 
IZ1AI 
1) Die ältefte Aphrodite in Athen, wie aus Paufan. I, 29, 2. her- 
vorgeht. 


ne 





der Akropolis von Athen. 9 


hinein, in das Innere deffelben) ) führt ein unterirdifcher Weg 
von der Afropolis aus“ oder, mit andern Worten, die Arrhephoren 
haben, um in ihn hineinzufommen, einen unterirdifchen Weg von der 
Burg aus zu betreten. Vielleicht ſtand die Wohnung der Jung— 
frauen fogar neben dem Eingang der Höhle auf der Burg. Das 
Wort zaIodog aber mit Meurfius 2) und O. Mülfer ) mit in 
speluncam oder in antrum zu überfesen, ſo daß die Arrhephoren 
unten in der Stadt in eine Höhle geſtiegen waren , die nicht in 
den Peribolos zu Tage geführt hatte, geht an fich nicht an und 
würde überdieß , mit dı’ avrod verbunden , Feinen irgend paſſenden 
Sinn geben. Es ſcheint ar, daß die Stufen, welche jest bloß noch 
innerhalb der Grotte vorhanden find und durch dieſelbe hinabführen, 
vor Alters noch tiefer fortgefegt waren, damit jene Mädchen mit 
ihrer Laſt auf den Köpfen bequem ihr Ziel erreichen konnten, und 
dann hat der Name Maxgar einen vollfommen gerechtfertigten Sinn, 
wenn wir »Aruazes hinzufuppliven ), und zunächft muß wohl der 
Stufengang bis zum Heiligthum der Agraulos fortgeführt worden 
fein, welches gerade unter der Grotte am Felſen gewefen fein muß. 
Denfelben Weg nahmen offenbar die Perfer, als fie die Akropolis 
son vorn, von den Propyläen aus, vergeblich geftürmt hatten, wie 
Herodot deutlich angiebt >). 

Ich erinnere mich nicht, daß dieſen unterirdifchen Aufgang zur 
Akropolis von neuern Befchreibern Jemand 9) genauer erwähnt hätte, 
außer Forchhammer. Diefer fagt (Hellenica S. 41.): „Soweit über 
das Innere des Erechtheions. Es führte von dieſem Tempel ein 
unterirdiſcher Gang in das Heiligthum der Aglauros an der Nord— 
feite_der fteilen Felfen der Akropolis und ein anderer noch viel wei- 

1) Achnlih Paufan. IX, 39, 5. Eyeoryzaoı de Eeni 17 xonnidı 
OBekoi zei alıoi gakxoi — dia de aurWv Yupas nenoinvraı. 

2) Cecropia c. 23. 

3) Min. Pol. sacr. p. 15. 

4) So Odyſſ. X, 558. Zwv 25 rliuaze ueronv 

5) VII, 53. Zungo09e Wr Tjs dxoonokıos, Onıose SR ıu» nv- 
MMwy, zul Ins dvodov — Teirn dv£dnodv Tıvss zar@ TO loow ıns KE- 
xg0105 Yuyaroos Ayoavkov, zalıoınEo ENOXgNUVOV £öyros TOU Ywgov. 
Die Türken haben, um ähnliches zu verhindern, den Gingang der Grotte 


mit einer Dauer mit Schießfcharten verfchloffen. 
6) Leake (Topogr. p. 200.) ſcheint ihu zu kennen. 


10 Die Apollogrotte 


ter, unter die Stadt hin, bis in die Gärten der Aphrodite und das 
Heiligthum der Herfe am Iliſſos.“ Sch weiß nicht, vb Forchhammer 
hiermit hat fagen wollen, daß von diefem eben beiprochenen- unter— 
irdiſchen Gange ein anderer unterivdiicher Zweiggang nad) dem 
Iliſſus Calfo nach Südoften) durch den ganzen Felfen der Akropolis 
binabführe, oder ob diefer längere unterirvifche Gang anderswo 
münde als in der befprochenen Felfengrotte Maxgar. In dieſer 
legteren konnte ich wenigftens im Jahre 1840, wo ich mehrmals 
hinabgegangen bin bis an die türfifche Mauer und wieder hinauf 
auf die Afropolis, Feinen weitern Zweiggang bemerken. Forchham— 
mer bat aber felbft einen Theil diefes längeren Ganges durch— 
wandert. Er fagt darüber (a. a. D. ©. 63.): „Hören wir den 
Paufanias Cl, 27, 3.) felbft in feiner eigenthümlichen Redeweiſe. 
Nachdem er vom Erechtheion und zulest vom Pandrofeion gefpro- 
hen, führt er fo fort: „„Was mir aber bejonders Verwunderung 
erregt, nicht aber Allen befannt ift, das will ich erzähfen wie es ge— 
fchieht. Zwei Jungfrauen wohnen in der Nähe des Tempels der 
Polias: die Athenäer nennen fie Arrhephoren Cd. h. Herfephoren.) 
Diefe haben eine Zeitlang ihren Aufenthalt bei der Göttin. Wenn 
aber das Feſt Derangefommen iſt, thun fie in der Nacht dieſes: 
nachdem fie auf ihren Kopf gehoben was die Priefterin der Athene 
ihnen zu tragen giebt, weder fie felbft, die gebende, wiffend was 
fie giebt, noch wiffenden Tragerinnen es gebend — es iſt aber ein 
Bezirk in der Stadt, nicht fern von der fogenannten Aphrodite in 
den Gärten und in venfelben (führt) ein unterirdifcher Gang ohne 
Abweg; — durch diefen fleigen die Jungfrauen hinab: unten laffen 
fie das Getragene falfen, nehmen Etwas anderes und bringen es ver 
hüllt herauf. Und diefe Jungfrauen entlaffen fie von jest an, füh— 
ren aber ftatt ihrer andere auf die Akropolis.’ — Was immer die 
Herſephoren getragen haben, foviel erhellet, daß fie etwas in ein 
unteriwoifches Heiligthum der Herfe trugen, welches ſich in dem nie- 
drigften und zugleich dem fruchtbarften Theil der Stadt, in den 
Gärten am Iliffos, befand. Es iſt hier wieder die örtliche Bezie— 
hung des Heiligthums zu dem Character der Göttin, des befruch— 
tenden, in Die Erde eindringenden, nächtlichen Thau’s, unverkennbar, — 


der Akropolis von Athen. 11 


Das Auffallendſte in dieſer Sage erſcheint jener lange unterirdiſche 
Gang von der Höhe der Akropolis bis zum Iliſſos; und der zwei— 
felnden Kritik möchte es gelingen, nachzuweiſen, daß in den Wor— 
ten des Pauſanias nur geſagt ſei, es befinde ſich in jenem Bezirk 
am Iliſſos ein unterirdiſcher Gang, nicht, daß dieſer von der Akro— 
polis dahin führe. Allein der einfache Wortverſtand der Stelle des 
Pauſanias in ihrer ganzen Verbindung wird vollkommen beſtätigt 
durch das wirkliche Daſein jenes unterirdiſchen Gan— 
ges von der Akropolis bis zum Iliſſos. Der Schreiber 
dieſes hat ſelbſt einen Theil deſſelben durchwandert. Der Gang 
dient jetzt und diente ohne Zweifel zu allen Zeiten als Waſſerlei— 
tung für die untere Stadt. Er ſteht in Verbindung mit einer lan— 
gen unterirdiſchen Waſſerleitung, die das Trinkwaſſer für die Stadt 
vom Brileſſos (Pentelikos) längs der ſüdlichen Seite des Turko— 
vuni und des Lykabettos herleitet. Dieſe Waſſerleitung zieht ſich 
unter der ganzen Stadt hin an der Nordſeite der Akropolis und 
mündet in der Nähe des Delwaldes. in anderer Arın ziebt fich 
ſüdlich um die Akropolis. Es ift mir indeß noch zweifelhaft, ob der 
unterirdiſche Strom, der in der Nähe des Iliſſos an deſſen linken 
Ufer dur ein Paar Brunnen und Luftöffnungen fihtbar wird, mit 
jener Wafferleitung in Verbindung flieht. Aus dem Theil der Waf- 
ferfeitung unter der heutigen Stadt, deffen größere Strede ich durch— 
wadete und zum Theil durchkroch, ziehen fih zwei Arme zur Altos 
polis hinauf. Diefe aber waren vor Erde und Schmutz nicht zu 
betreten. Da fie feit lange nicht mehr gebraucht worden, fo tft für 
ihre Erhaltung und Reinigung noch weniger geſchehen als für die 
Wafferleitung unter der Stadt. Doch iſt auch diefe am vielen 
Stelfen verfallen und mit großer Ungeſchicklichkeit durch Säulenftüde 
und Marmorblöfe unterftüst. An einigen Stellen war durch diefe 
Ausbefferungen eingeftürzter Stücke des Gewölbes der Gang fo eng 
geworden, daß beim Durchziehen des Körpers durch die enge Deff- 
nung es faum mögfih war, den Mund, der zugleich als Kandela— 
ber dienen mußte, über den Waffer zu erhalten. Urfprünglich war, 
wie man an den erhaltenen Steffen fah , der aus Backſteinen mei— 
fterhaft gemölbte (kein Beweis gegen fein Alter D Gang über Mannde 


12 Die Apollogrotte 


höhe und hatte zu beiden Seiten des in der Mitte rinnenden Waf- 
fers eine Erhöhung, wie ein Trottoir, breit genug für eine Perfon. 
Auch Die Gänge, die zur Akropolis führen, feheinen diefelbe Weite 
zu haben. Da diefe wegen ihrer fteigenden Richtung nicht das Waf- 
fer zur Afropolis hinauf leiten fonnten, fo haben fie nur dazır dies 
nen können, theild das Waſſer aus den Quellen der Afropolis ab- 
zuleiten, theils in Kriegszeiten, bei dem fparlichen Sprudel jener 
Duellen im Sommer und bei ihrer Salzhaltigfeit, einen ficheren Zus 
gang zum Waffer der Kalirrhoe oder vielmehr jener unterirdifchen 
Wafferleitung zu gewähren.” Sp weit Forchhammer. Bei diefer 
anziehenvden Erzählung bin ich nun vor allen zweifelhaft darüber, 
wo die Mündungen diefes längeren, auffteigenden, unterirdifchen 
Ganges find; denn Forchhammer drüct fich hierüber nicht beftimmt 
genug aus; in der Grotte der Maxoar’ ift Feine. In feinem Falle 
aber entfpricht die Ueberfesung „ohne Abweg“ dem avrouurn des 
Paufanias, welches Nichts anderes ift als: „durch die Natur feldft 
hervorgebracht” und Fünftlich, nicht von der Natur hervorge— 
bracht, muß doch, wie 8. felbft angiebt, der Gang — oder bie 
Gänge — wozu aber ihrer zwei? — gewefen fein, wenn er — 
oder fie — dazu dienen follte, der Befakung ver Afropolis bei Be— 
fagerungen das Waffer von unten zuzuführen. Auch ſcheint es, 
einmal angenommen folche Gänge feien wirklich zu dem angegebenen 
Zwede vorhanden gewefen, was durch zasodos avrouaın des Paus 
fanias bezeichnet fein fol, nun nicht mehr paſſend, den Pauſanias 
auch noch von einem unterirdifchen Heiligtum der Herfe reden 
zu laſſen; entweder er fpricht von einem unterirdiſchen anlrum un— 
ten am Iliſſus, oder von einem unterirdifchen Gange, der da— 
bin führt, beides zugleich Fann nicht in Paufanias Worten liegen. 
Es wären daher weitere Grörterungen diefes auf jeden Fall nicht 
unwichtigen Gegenftandes von Seiten Forchhammers wünſchenswerth. 
Bor der Hand laſſe ich diefen Zweiggang ganz fahren und nehme 
ich einſtweilen bloß, wie mich der Augenfchein lehrte, an: der uns 
terirdifche Gang, welder nach unſerer Darftellung Maxoar bieß, 
führte bloß bis zum Heiligthum der Agraulos, vor welchem er zu 
Tage ausging, und war (auch wenn wir den Paufantas mit feinem 








der Akropolis von Athen. 13 


avrouarn nicht darauf beziehen wollten,) wie der Augenschein lehrt, 
ein von der Natur felbft hervorgebrachter. 

Denn diefes foricht auch Euripives im Son dadurch beftimmt 
aus, daß er der Grotte einen höchſt bedeutenden mythifchen Urſprung 
giebt. Er fagt nemlih '), der Drt, welcher Mezoal genannt 
werde, ſei die Stelle, wo Erechtheus, Kreufa’s Vater, durch Stöße 
des Dreizacks Poſeidons getödtet worden fer, weil er beim Unter— 
nehmen des Krieges gegen die Eleuſinier, um fi einen glüclichen 
Ausgang defjelben zu fihern, Die eigenen Töchter geopfert babe; 
d. h. Doch nichts anderes, als die Grotte iſt durch ein Erdbeben 
entfianden, welches Poſeidon, der Erverfihütterer,, veranlagt haben 
mußte, Durch Pofeidons Stöße iſt nun, nach Euripides, jenes 
zuoua zIovos entftanden, welches nachmals, als die Stufen ange- 
legt wurden, Maxoaı genannt ward, und hier war offenbar das 
Grab des Erechtheus, des Baters der Kreufa, wie aus Euripides 
hervorgeht, während der ältere Erichthonios (welcher von Herodot 
und der Mythe auch Ö ymyerns 'Egeydevs genannt wird, während 
Euripides den Erichthonios genau von Erechtheus frheidet) im Erech— 
theion felbft begraben war 2). Hieraus wird erffärkich, wie Kreuſa, 
indem fie das Andenfen ihres Vaters bei feinem Grabe feierte, 
gerade in dieſer erechtdeifchen Grotte von Apollon betroffen wer- 
den fonnte, Wenn man hiermit die Erzählung des Pauſanias ’) 
vergleicht, welcher jagt, daß nicht weit vom Erechtheion im Felfen 
der Akropolis ein oyyua roraııns zu fehen fer, fo fünnte man zur 
nächſt auf den Gedanken fommen, im Boden der Akropolis fer die 
Form des Dreizads oder drei tiefe, von ihm geichlagene, Löcher zu 
fehen gewefen , die man als Wahrzeichen des poſeidoniſchen Zornes 
betrachtete, wie ein ähnliches Zeugniß der Triina an einem argi» 
sifhen Felfen haftete (Hygin. Fab. 169.). Allein die Vergleichung 
mit Euripides’ Erzählung laßt nicht daran zweifeln, daß eben die 
genannte Grotte das Mahl der Triäna des Poſeidon war, daß eben 
diefes Wahrzeichen noch jest vorhanden it, und daß bei Paufanias 


1) Son ®. 295. 296. 

2) Apollod. Ill, 14, 7. Arnob. VI, 6. Mueller Min. Pol. p. 24. 
Boeckh. Corp. insc. I, p. 264. Forchhammer a. a. DO, ©. 56. 

3) I, 26, 6. 


14 Die Apollogrotte 


flatt zud roualyng Eoriv Ev an nergg oynua zu leſen iſt: zul 
zoatıng Eotiv Ev ın nErog onuaz denn Hegeſias bei Strabo 
(IX, p. 396.) fagt von derfelden Sache: 606 zıyv dx00n0lıv zul 
10 neo zig totalvng &ysı vu omuslov, eine Stelle, welche ohne 
Fehler ift und nur richtig verftanden werden muß: Hegeſias will 
nemlich den göttlichen Urforung Attifas und namentlich die Einwir- 
fungen der beiden Hauptgottheiten Attifas, Athene's und Poſeidons, 
auf die Localität hervorheben; darum ſagt er: 6060 zyv wxgunokıv 
(ich fehe mit Augen die Akropolis, weiche nemlich ein Geſchöpf der 
Athena ift) hierauf: zu TO mege Tag Tgralıng (nemlich Asyo- 
uevov) &y8ı Tı Omuebov; „und auch das was über (Poſeidons) 
Dreizack (d. h. vom Antheil Poſeidons an Athen) gefagt wird, hat 
ein Wahrzeihen (d. h. entweder die Erechtheusquelle, oder unfere 
Grotte, was ich für wahrfcheinlicher halte). 

Sit aber, wie aus Euripives hervorgeht, der Sage nad), die 
Grotte der Mexgar erft mit dem Tode des Erechtheus, des Vaters 
der Kreufa, entftanden, fo kann fie derfelbe Euripives ) nicht auch 
die Grotte des Nefrops (Mexgonos ayroa) nennen. Es muß vie 
Lesart dort nothiwendig in Kexgonı &s avro@ verändert werben, 
worunter eine Grotte der Kefropia, d. h. der Akropolis, zu ver« 
ſtehen ift. 

Noch eins erwähnt endlich Euripides 2) über das Local der 
Meazvaı, welches noch befprochen werden muß. Son jagt nemlich, 
daß die Stelfe der Mazoal durch den Pythier Apollon und die 
pythifhen Blise geehrt werde, Dieß kann allerdings Nichts ande» 
res heißen als daß man, um für heilige Sendungen nach Delphi 
ein gutes Dmen zu haben, von diefer dem Apollo geliebten Stelle 
auf der Akropolis aus nach Blitzen von der Gegend des Parnaffes 
ausſchaute, in gleicher Werfe wie Strabo erzählt (IX, p. 404. eine 
von den Auslegern des Euripides bereits zu Jon V. 298 angeführte 
Stelle) daß man ähnliche Blise vom Altar des Zeus Aftrapäos, 
zwiichen Pythion und Olympieion (f. Forchhammer; Kieler Studien 
&.294), aus, über Harma beobachtete. Strabo fagt, der Altar des 


1) Son V. 1415. 
2) Ion DB. 298, 


der Akropolis von Athen, 15 


Zeus Aſtrapäos fer auf der Mauer zwifchen Pythion und Olympion. 
Ob unter dem Worte Ev m reiyeı die alte Stadtmauer unten in der 
Stadt zu verftehen fer, iſt mir fehr zweifelhaft durch die analoge 
Stelfe des Euripives geworden. Denn wenn einmal für paffend 
und zweckmäßig erachtet wurde, Blitze von der Stelle der Akro— 
polis aus, welche Mazoar genannt ward, zu beobachten, jo fieht 
man nicht recht ein, warum man außerdem einen niedrigeren Platz 
unten in der Stadt zu ähnlichen Operationen auserfehben haben follte, 
Das etwas unbeflimmt ausgedrüdte Ev zo reryes fonnte wohl eben 
fo gut von der Mauer der Akropolis verflanden werden und durch 
ueraäv tov Ilvdlov zul Tov Ohvuniov nur die Stelle der Afro- 
polis - Mauer fo bezeichnet werden, daß wer vom Altar des Zeus 
Aſtrapäos auf der Burg beobachten wollte, feine Blife nach der 
Himmelsgegend zu richten hatte, Die durch die Puncte des Pythion 
und Olympion abgegränzt erſcheinen. Daher Fonnte recht gut von 
Strabo gefagt werben: „man beobachtet vom Altar des Zeus, an 
der Mauer der Afropolis, zwijchen ver Lage des Pythion und Olym— 
pieion hindurch“; man hatte alſo ein Blig-Obfervatorium nach Nor- 
den (die Mazoar) und ein anderes nad Dften (den Altar des 
Zeus Aſtrapäos) beide auf der Afropolis, wie man auch in Rom 
die beveutendften auguriihen Beobachtungen vom Capitol aus zu 
machen pflegte, 
Göttling. 


leber die 
Scriptores VI historiae augustae. 


Obiger Name iſt obwohl ſchon lange gebräuchlich und vielleicht 
aus diefen Schriftftellern felbft entlehnt ), doch weder treffend, noch 
mit ihren eigenen Aeußerungen übereinftimmend. Als nämlich am 
Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrh. alle Autoren der römi— 
ſchen Katjerzeit zufammen edirt zu werden pflegten, fand man bald 
den Coffeftistitel : Scriplores historiae augustae. Er verblieb 
den gefonderten ſechs. Cie felbft jedoch unterfcheiven wiederholt den 
Zeitgefehichtfchreiber vom Biographen und machen nur auf den zwei- 
ten in ihrem Sinne befcheiveneren Namen Anſpruch. Auch in den 
Handſchriften ift der Titel noch: Vilae diversorum et 
iyrannorum — diversis composili. 

Ber Durchlefung der von ihnen erhaltenen Lebensbefchreibungen 
drängen fi) uns die bisher noch unerledigten Fragen auf: in wel- 
chem Zuſammenhang ftehen fie mit einander ? Ergänzte, feste fort, 
benußte oder überarbeitete einer den anderen ? Oder vereinigte die 
Hand eines fpäteren Redakteurs befondere Arbeiten zu einem Gans 
zen? Welche Leben und ob mehr als vorhanden hat ein jeder ge— 
fihrieben @ Und zu welcher Zeit? Seit Salmafius zu raſcher Be- 
hauptung, der zwei aus der Schszahl ganz ausfcheiden wollte, feit 
Dodwells fleifigen und fcharffinnigen, aber zu fpisfindigen und 
ſchwankenden Unterfuchungen ruhte faft jede Prüfung, bis die neufte 
Zeit zwei Schriften über diefen Gegenftand hervorbracte, von Ant, 
Berker ?) und von H. E. Dirffen ?). 

1) Tacitus heißt bei Vopiscus ein scriptor historiae augustae. Tacit. 
ar Observationum in Ser. h. a. Pars prior. Vratisl. 1838. 


3) Die Ser. VI. hist, aug. Andeutungen zur Tertes-Kritif uud Aus: 
legung. Leipz. 1842, 





Ueber. die Scriptores VI historiae augustae. 17 


Erjtere deft einige Irrthümer der Vorgänger auf, theift aber 
mit ihnen den Fehler eines weil aus zu engen Gefichtspunften 
bersorgegangenen, darum auch zu beeilten und gewaltfamen Urtheils; 
festere, obwohl ihr die Löſung jener Fragen nur Nebenfache ft, 
fördert fie doch durch fichere Feitftellung ſchon gewonnener Reſul— 
tate, durch Erweiterung gemuthmaßter und durch Sichtung der Kriterien. 

An völlige Befeitigung alfer Schwierigkeiten hat mich mehr- 
jährige Befchäftigung mit diefen Autoren verzweifeln gelehrt; aber 
auch ich hoffe einige Schritte weiter gekommen zu fein. Mein Gang 
it aber der vom Gewifſeren zum Ungewifferen. 

Flavius Bopiscus der Spraeufier, — wie andere Schriftftel- 
fer diefer Zeit nach) ihrer Heimath benannt ficy finden, Kallıfrates 
Tyrius, Calpurnius Siculus, Litertus Syracuſanus — ſtammte aus 
einer damals angeſehenen Familie. Sein Großvater war ein viel— 
jähriger genauer Freund des Diokletian vor und nach ſeiner Thron— 
beſteigung, und auch ſein Vater ſcheint ſich eines ziemlich vertrauten 
Umgangs mit dieſem Kaiſer erfreut zu haben. Vopiscus ſelbſt lebte 
zu Rom, noch jung, doch im Verkehr mit vornehmen Männern, in 
den Wiſſenſchaften nicht unerfahren und ſelbſtgefällig im Auskramen 
ſeiner Kenntniſſe, Anhänger der alten Religion und Verehrer des 
Apollonius von Tyana, deſſen Leben er auch beſchreiben wollte. 

Er war vielleicht ſchon als Schriftſteller aufgetreten, oder 
hatte ſich doch durch ſeine hiſtoriſchen Studien einen Ruf erworben, 
denn an ihn wendete ſich ſofort einer ſeiner Freunde, der Stadt— 
präfeet Junius Tiberianus, bei Gelegenheit eines Geſprächs über 
den Kaiſer Aurelian, welcher bisher noch keinen lateiniſchen Biogra— 
phen gefunden hatte, und forderte ihn auf das Leben deſſelben zu 
bearbeiten. Und theils aus eigener Luſt und Wißbegierde, theils 
auf Zureden ſeiner Freunde ſetzte er das angefangene Werk bis auf 
Diokletian und ſeine Zeitgenoſſen fort, die er von Anfang an einer 
größeren Erfahrung, ſpäterer Zeit und edlerem Stile vorbehielt, 
zumal da ſie noch lebten. So ſchrieb er hinter einander, wie es 
ſeine vorhererwähnenden und zurückverweiſenden Aeußerungen un— 
zweiſelhaft machen, tm jo raſcher Folge daß er ſich nicht einmal die 
Mühe einer gewählteren Darftellung geben wollte, das Leben des 

Muſ. f. Philol. N. F. VII 2 


18 Ueber die Sceriptores VI 


Aurelian, des Tacitus und Florian, des Firmus, Saturninus, Pro: 
culus und Bonoſus, des Vrobus, des Carus, Numerian und Carinus 
in fünf einzelnen Büchern *), und widmete fie feinen Freunden, von de— 
nen und zwei namentlich befannt find, Celſus oder Eelfinus und Baſſus. 

Die Zeit der Abfaſſung iſt nach der Abdanfung des Diokle— 
tian, welcher ſchon im erjten Buche iam privatus heißt °), während 
der Regierung des Conftantius Cet est quidem iam Constanlius 
imperator, Aurel. c. 44) und vor dem Auftreten des Conftantin 
und ſeiner Mitkaiſer, welche mit Ausnahme des Galerius noch nir— 
gends genannt werden Einige Aeußerungen im Leben des Tacitus 
und Probus deuten darauf hin, daß fie unter der Vorbereitung dev 
bald ausbrechenden Bürgerkriege gefchrieben find). Alſo 305 oder 
306 p- Chr. 

Eine genaue Beſtimmung für die Zeit des erften Planes zu 
feinen Schriften würde Vopiseus uns durch die Erwähnung des 
Junius Tiberianus praef. urbi Tiefern, wenn das uns erhaltene 
fragmentarifche Verzeichniß der Etadtpräfeeten unbevingten Glauben 
verdiente, Dort finden wir einen Präfeeten dieſes Namens a. 291 
und a. 303. Für das erfte Jahr entfcheivet fih Cafaubonus ohne 
zureichenden Grund, und Tilfemont, weil die zugleich genannten 
Hilarien, weil am 25. März gefeiert, nur in jene Präfectur fallen 
fönnen, die vom 18. Febr. 291 bis zum 3. Aug. 292 dauerte. 
Aber auf eine fpatere Zeit führen alle anderen Angaben, fo die 
Erwähnung der Cäfaren Conſtantius und Galerius, des letzteren 
Sieg über die Perfer, des erfteren Beruhigung Gafliens, die Spiele 
des Diokletian und Die nach ihm benannten Thermen, welche erft 
nach jeiner Abdanfung eingeweiht wurden ). Auch war das Leben 
veffelben und feiner Collegen bereits son Claudius Euſthenius, ſei— 
nem GSefretär, veröffentlicht worden, d. h. die Acla feiner Negie- 
vungszeit, Endlich ſpricht Vopiscus, wenn er auch alle vier lobt, 
doch von Diokletian häufig in fo freimutbigem Ton, wie er vom 
wirklichen Negenten ſchwerlich gefprochen haben würde, fehilt des 


4) Vgl. Dirffen. p- 8 u. 9. nn. 14 sqq. 
5) Aurel. c. 49. 

6) Taeit. c. 2. Prob. c. ult. 

7) ©. Orelli Inser. n. 1056, 


nnd ne 


historiae augustae. 19 


Marimian rauhen und graufamen Charafter, preift dagegen vor— 
zugsweife den Galerius und mehr noch den Conftantius, jo daß 
man darin wohl eine fhmeichleriiche Beziehung auf den damaligen 
Katfer vermuthen kann. Andererſeits geht Caſaubonus zu weit, 
wenn er behauptet, daß das Leben des Carus fofort nach dem 
Siege des Galerins über die Perfer gefchrieben fer’); und daß an 
etlichen Stellen Diokletian Auguftus, Galerius und Conſtantius 
Cäſar titulirt wird, iſt nicht zu urgiven, da jenes Wort nicht blos 
den gerade regierenden Kaifer bezeichnet, (Diokletian und Marimian 
beißen z. B. seniores Augusli in ver erwähnten Infchrift) und 
Caesar in diefen Schriftſtellern fih auch fonft noch mit Augustus 
und Imperator gleichbedeutend findet %). Somit fünnen wir die 
Präfectur des Tiberian nicht auf Das Jahr 241 oder 292 beziehen, 
denn es iſt nicht glaublich, das Vopiscus fo Lange geſäumt haben 
follte der Aufforderung feines Freundes zu entfprechen, noch wahr- 
fcheinfich, daß jene Angaben einer fpäteren Zeit aus einer zweiten 
Recenſion herrühren, von welcher auch nicht Eine deutliche Spur 
nachgewiefen werden kann. 

Wir müffen alfo mit Dodwell vermittelnd die anderen am 3. 
November gefeterten Hilarien annehmen, die in des Tiberian zweite 
Präfeetur vom 12. Sept. 303 bis zum 4. Jan. 304 Gineinfallen. 

Die Eonfulate des Furius Placidus 10) und Junius Meffala '') 
geben uns feine Zeitbeftimmung, noch weniger die Namen ver 
Freunde, Baffus und Ceffus. v 

Setzen wir demnach die Vollftändigkeit und Richtigkeit jenes 
Fragments über die praef, urbi voraus, (die Unvollftändigfeit be- 
weifen aber Corfin’s Ergänzungen), fo hätte Vopiseus am Ende 
des Jahres 303 die erfie Aufforderung zu feinen Biographien er- 
halten, aber fie wirklich ausgearbeitet nach der Abdankung des Dio— 
kletian bis zu dem Tode des Conftantius hin, ſei es daß er der 
Aufforderung nicht alsbald nachkommen Fonnte, fer es daß er fo viel 
Zeit zur Materialienfanimlung gebrauchte, während er dann in ver 


8) V. not. ad. Car. c. IX. 

9) 3. 3. Vopisc. Aur, ce. 42. 
10) Aurel, c. 15. 

11) Carin, c. XX. 


20 lleber die Scriptores VI 


feichten und flüchtigen Schreibweife diefer Biographen Die einzelnen 
Bücher ſchnell und ununterbrochen auf einander folgen Tief. 

Doch ift fein Werk wahrlich nicht der Art, daß es ung be- 
vechtigen Fönnte, ein längeres Vorfiudium anzunehmen; es iſt nur 
die Arbeit eines Dilettanten, welcher aus Curiofität einige archiva- 
liſche Nachrichten zufammenbringt, fie mit Excerpten älterer Schrift- 
ſteller Lofe verbindet, Tange und ungehörige Digreffionen hinzugefügt 
und damıt genug getban hat, um in jenen hafbbarbarifchen Zeiten 
einigen Berfall zu gewinnen. Daher möchte sch ihm auch Faum 
eine anderthalbjährige Vorbereitungsfrift zugeftehen, zumal da er von 
den Hilavien wie von den leßtvergangenen ſpricht. 

Es war aber eine möglichſt genaue Zeitbeftimmung zu Vo— 
piscus' Schriften nothwendig, weil er der einzige ift, welder drei 
andere Schriftiteller unferes Corpus erwähnt, den Trebellins Pole, 
Helius Lampridius und Julius Capitolinus. 

Den erften von Diefen drei hebt Vopiscus unter feinen Bor- 
gängern am meiften hervor, den Trebellius Pollio. Ihn erwähnt 
er fhon im Proömium; von ihm entlehnt ev nicht nur den Aus— 
druck: XXX Tyrannen, fondern auch die Weiſe ungefähr gleichzei= 
tige Tyrannen in einem Buche zu vereinigen, wie auch vielleicht 
blutsverwandte Kaiſer; ibn, wenn auch mit andern, ahmt er nach 
in der Mittheilung von beftätigenden Originalbriefen; ihn fucht er 
in Betreff des Todes des Dumtillus und der vormundfchaftlichen 
Regierung der Zenobia zu berichtigen 5; mit ihm ſtimmt er darin 
überein, daß wie jener den Claudius, jo ev den Probus befonders 
zu erheben fucht, beide mit Berüdfichtigung der damaligen Katjer; 
mit ibm bat ev endlich manche befondere Anfpielungen und Wen- 
dungen gemein, auf die Ablunft der Zenobia von der Cleopatra, 
auf den windigen Charafter der Aegypter, auf eine Aeußerung des 
Cicero über das höchſte Pebensalter des Menſchen u. a.: ihn alfo, 
fönnen wir wohl fagen, feste Vopiscus gewiffermaßen bis auf feine 
Zeiten fort, wenn diefes auch nicht gerade von Anfang an fein Plan 
gewefen fein follte. 

Nach feinem Zeugniffe ſchrieb Trebellius Pollio das Leben 
aller Kaiſer, berühmter und unberühmter, von ven beiden Philippen 


historiae augustae. 21 


ab bis zum Claudius und deſſen Bruder Quintillus. Wir haben 
unter ſeinem Namen nur noch die Valeriani, Gallieni, die XXX 
Tyrannen und den Claudius; jedoch iſt zu bemerken, daß feines- 
wegs die Handfohriften über den Verfaffer diefer Biographien über: 
einfommen. Denn die Mehrzahl, daber auch die an ter und 
inneren Werth befferen Codices, der Palatinus und einige der von 
Caſaubonus benusten , fihreiben fie dem Julius Capitolinus zu. 
Mitunter ift einer wohl auch ohne Ueberſchrift, wie der Regius in 
den Valeriani und Gallien: felbft Aelius Syartianus wird in einer 
venetianiſchen Handfchrift welche Egnatius henutzte, als Verfaſſer 
der XXX Tyrannen genannt, während dieſelbe die Gallieni dem 
Sul. Capitolinus beilegt, die Valeriani dem Treb. Pollio; ihm auch 
die XXX Torannen der genannte Regius. Den Claudius endlich 
theift der Eynatianus und auch der Palatinus nad) Gruter dem Pollio 
su, nach Salmafius mit der editio pr. dem Auf. Capitolinus, wie 
demfelben auch alle dieſe Bücher, felbft den Aurelian noch, der Er- 
cerptor Nobertus de Porta. 

Tros dem müffen wir doch alle genannten Stüde dem Treb. 
Pollio zuſchreiben; denn alle vor- und rückbezüglichen Aeußerungen 
Die ſich in ihnen vorfinden 2), zeugen für einen einzigen Autor, 
und dieſer eine kann nur Pollio fein, da ihm allem nach der aus— 
drücklichen Berficherung des Vopisecus die feltfame Jdee und der be— 
fordere Namen der XXX Tyrannen eigenthümlich zufömmt. 

Es muß nur erflärt werden, woher eine folche Abweichung 
in den Handfchriften und von den Handichriften zuläßlich fer, und 
was damit zufammenhängt, warum wir die älteren von Pollio ge- 
fchriebenen Leben vermiſſen. 

Bekanntlich folgen in unferem Corpus historicum auf Ma- 
ximus und Balbinus fofort die beiden Valeriani, fo daß die Biogra— 
phien aller zwifchen Diefen und den dritten Gordian auftvetenden 
Kaiſer ausfallen ; und dieſe hatte ja eben Pollio geſchrieben. Va— 
lerians Leben ſelbſt ift offenbar nur ein Fragment, da es nad fei- 
ner Gefangenſchaft beginnt, und als Fragment giebt es ung au 
der alte Palatinus und die edilio princeps. Jüngere MIf. fegten 


12) ©. Dirffen p. 8. p. 14. 


22 Ueber die Scriptores VI 


aus Eutrop und Viktor dem Tronf einen Kopf an, während die 
gewöhnliche Yesart aus Umftellung und lockerer Verbindung der er- 
baltenen Ueberbleibſel entftanden iſt. Mit Valerians Leben ıft aber 
auch das frühere des Gallien vor der Gefangenfchaft feines Vaters 
verloren gegangen, und auf mehrere worhergefchriebene Bücher be- 
ruft fih nun vergeblich der Verfaffer der XXX Tyrannen, wo er 
yon den älteren zuerſt aufgetretenen handelt. Wenn endlich vie 
genannte Handfchrift felbft im Gallien noch mehrfache Spuren einer 
erlittenen Verſtümmelung nachweiſt, welche auf eine andere und 
ausführlichere Lesart als die jeßt gegebene hinführen, fo wird die 
Meinung des Salmafius genug wahrſcheinlich, daß hier durch ir— 
gend einen Zufall unfere Biographienfammlung einen großen Defect 
erfahren habe; viel wahrfcheinficher als daß der Nedakteur, wollen 
wir einen ſolchen annehmen, oder irgend ein anderer im chriftlich 
frommem Eifer die Deeier und ihre Zeitgenoffen ausgefchieden habe. 
Mit den erften Büchern ging aber auch der Name des Autors 
verloren; und da anfeinanderfolgende Bücher deſſelben Verfaffers 
urſprünglich ohne befonderen Titel gewefen zu fein ſcheinen, wie 
wir es mehrfach in den Mſſ. unferer Seriptores wahrnehmen, im 
Palatinus z.B. bei Vopiscus und in den Leben der Gordiani, des 
Marimus und Balbin nach den Noten des Salmafius, und fonft 
noch nach dem Inder welchen Gruter mittheilt: fo Fonnte es bei 
der hieraus entftandenen Ungewißheit nicht anders gefchehen, als 
daß die fpäteren Abfchreiber meiftens den zuletzt gelefenen Namen 
fortdauern Tiefen, einige auch nach eigenem Gutdünken einen anderen 
festen und mitunter den richtigen trafen, bis endlich Die meiften aus 
der gebräuchlichen Schlußformel: explicit — ineipit wenigftens 
für Claudius im Treb. Pollio ſich vereinigten. 

Ueber Treb. Pollio erfahren wir aus feinen vier erhaltenen 
Büchern — denn die beiden Valeriani und Gallieni bilden nur je 
eines — äußerſt wenig. Wahrſcheinlich nach manchen Anzeichen 
ift es, daß er zu Nom lebte und ungefähr zu derfelben Zeit wie 
Bopiseug, da beider Großväter Zeitgenoffen des Aurelian waren. 
Doch mag Pollio ein wenig älter gewefen fein; denn er fehrieb, 
wahrend noch Diokletian und Maximian Augufti und Galerius und 





historiae auguslae. 23 


Eonftantius Cäfares !’) waren, und alle feine Bücher hatte Wo- 
piseus ſchon vor Beginn feines Werks geleſen. Immer aber nicht 
viel früher; denn auf vie letzten Jahre des Diofletian deuten die 
auch von ihm erwähnten Thermen hin. Beachten wir nun, daß 
das Geſpräch des Präfeeten Tiberian mit Vopiscus ſich fofort auf 
Pollio wendet und daß ver letztere ibn gegen mehrfachen Tadel des 
anderen vertheidigen muß, und halten vamıt zufammen daß Pollio 
eben wegen des Tadels, den feine Schriften bei den Kritifern feiner 
Zeit gefunden hatten, feinen urfprünglichen Plan bis auf Diofletian 
hinab fein Werk fortzuführen "I wahrſcheinlich aufgegeben hatte, 
— und felbft den Claudius fchrieb er nur noch, weil er aus Rück— 
ficht auf den Berwandten deſſelben den Cäſar Conftantins es nicht 
ablehnen Fonnte — : fo können wir wohl mutbmaßen, daß er zur 
Zeit des Vopiscus gerade eine vielbefprochene Titterariiche Novi— 
tät war. 

Ja felbft zwifchen ven beiderfeitigen Freunden finden wir eine 
Art Verbindung. Denn einen vder mehrere Freunde redet Pollio 
in feinen Schriften haufig ar, benutzt ihren Rath, ſchreibt auch 
vielleicht auf ihre Aufforderung, — niemals aber den Cäſar Con— 
ſtantius, ſo daß alſo die Ueberſchrift des Claudius ad Constanti- 
num oder ad-Dioclelianum Aug. gewiß unächt iſt, — und als 
Verwandten dieſer Freunde nennt er einmal einen Herennius Celfus, 
wahrend Vopiscus einem Celfus das Leben des Probus widmete 
und die IV Tyrannen verfprach, die er foäter freilich einem Baſſus 
zueignete. 

Aber abgeſehen von unſicheren Muthmaßungen, wenigſtens 
das eine für Vopiscus gewonnene Reſultat müſſen wir feſthalten, 
namlich die neue Beſtätigung, daß er nicht ſchon a. 291 den Plan 
zu jenem Werfe gefaßt haben kann. Denn nach Erhebung des 
Galerius und Conftantins zu Cäfaren, in den ſpäteren Jahren des 
Divfletian, ſchrieb erſt Pollio, und feine Schriften fonnten alfo un- 
möglich zur Zeit der erfien Präfectur des Tiberian Gegenftand des 
Gefprächs werden. 


13) Claud. c. X. 
14) XXX Tyr. c. 31 


24 Ueber die Scriptores VI 


Diefen Widerſpruch aber durch die allerdings fichtbare dop— 
pelte Necenfion mehrerer feiner Schriften zu evflären dürfte doch 
wohl nicht angehen. Cs hatte nämlich Polo gemäß feinem Plan 
alfe berühmten und unberuhmten Kaiſer von den beiden Philippi ab 
bi8 auf feine Zeit zu behandeln, und dabei nicht in zu große Weit: 
Yäufigfeit zu gerathen, die Eigenthumlichfeit angenommen, daß er 
fo weit es der paffende Umfang eines Buchs erlaubte, mehrere 
blutsverwandte Kaiſer und ungefähr gleichzeitige Tyrannen in Eins zu— 
ſammenzog. Sp hatte er auch alle zur Zeit des Decius, Valerian 
und Gallien aufgetretenen Ufurpatoren vereinigt, und vielleicht einer 
Parallele mit den dreißig Tyrannen Athens zu Liebe glücklich die 
Zahl Dreißig herausgebracht. Nicht die dee, die auch Vopiscus 
in fenen IV Tyrannen nachahmt, wohl aber den Umftand, daß er 
um die Zahl soll zu machen, felbft Frauen in Diefe Sammlung hatte 
aufnehmen müffen, griffen die. damals im Friedenstemyel zufammen- 
kommenden Kritifer an und fpotteten über ihn, der inter Lyrannos aud) 
iyrannas vel Iyrannidas gefest habe; weshalb Pollio auf Erin- 
nerung eines Freundes in einer zweiten Ausgabe noch den Cenforin 
aus fpäterer und den Titus aus früherer Zeit hinzufügte. 

Gegen einen gewichtigeren Vorwurf vertheidigt fih Polo im 
Leben des Claudius. Man verdächtigte nämlich feine Treue als 
Gefchichtfchreiber und beſchuldigte ihn der Schmeichelet zu Gunften 
des Eonftantius, den er durch Erhebung des Claudius, cines feiner 
Borfahren, zu feiern ſuche. Dieſem Vorwurfe zu begegnen, arbei- 
tete Polliv auch diejes Buch wahrſcheinlich um und fügte einige be- 
Vegende Aftenjtüfe Hinzu, aus denen er manche feiner früher für 
übertrieben gehaltenen Angaben vechtfertigte. Sp gewiß nun auch 
eine doppelte Necenfion beider Bücher erfcheint, fo wenig ıft es 
glaublih, daß Die zweite um mehr als zehn Jahre ver erftien nad» 
fiehen follte. Vielmehr folgte wohl Tadel und Aenderung vafıh 
hintereinander, zumal da Tettere in beiden Fällen nur für unbedeu— 
tend angefehen werden kann. 

Che wir zu den übrigen Schriftftelfern übergehen, heben wir 
aus dem Bisherigen ſchließlich noch einmal heraus, dag Pollio und 
Vopiscus gewiſſermaßen ein Ganzes bilden, infofern jener fih An- 


Me 


histioriae augustae. 25 


fang und Ende feiner Arbeiten beftimmt geſetzt hatte und dieſer des 
anderen aufzegebenen Plan wirklich ausführte. Yon den übrigen 
sier unferes Canons nennt Vopiscus beiläufig unter älteren Bios 
graphen noch zwei, den Sul. Capitolinus und Ael. Lampridius, doch 
nicht fo als ftänden fie mit feinen Schriften in näherer Beziehung; 
Pollio, fowert wir willen, gar feinen, wenn wir nicht den Cornelius 
Gapitolinus den er im Leben des Dvenat anführt, mit unferem Ca— 
pitolinus in Verbindung bringen wollen, Werl aber Bopiseus gleich 
nach der Abdanfung des Divfletian gefchrieben bat, fo müßten Lam- 
pridius und Capitolinus unter Diofletian gelebt haben, und arbeite: 
ten fie im Auftrage eines Kaiſers, wie wir es von den übrigen 
Später fehen werden, fo fonnte es nur Diofletian, nicht Conftantin fein. 

Die zweite wichtige Folgerung betrifft die Befchaffenheit der 
Handfopriften und die daraus mögliche Erflärung ihrer vielfachen 
Abweihungen in den Namen der einzelnen Autoren. Denn geben 
wir zur, daß die vor Valerian vorhandene Lücke nur Schuld des 
Zufalls und mehrerer ausgefallfener Blätter iſt, fo müffen wir mit 
Salmaſius auch weiter annehmen, daß alle bis jest benutten Mſſ. 
aus einem und demfelben fchon defekten Exemplar gefloffen find, da 
doch nicht wohl mehrere Handſchriften genau daffelbe Schiefal tref— 
fen Eonnte; ja fogar, daß diefes erfte Exemplar nicht blos an die— 
fom Drte vefect fonderh auch vielleicht am Anfange, und überhaupt 
fhon in einzelne Lagen und Blätter aufgelöft war. Denn falls 
dieſe Autoren in natürlicher Verbindung fteben, indem einer den an- 
dern fortjegte, fo erfahren wir aus ihnen, daß fie von Sul. Cafar 
an ihre Arbeiten begonnen haben; und las aus verfchiedenen Wer- 
fen einzelne Stücke ein zufammenftellender Redakteur aus, fo ift 
immer nicht abzufehen, warum er mit Hadrian den Anfang machte. 
‚Hätte er wenigfteng mit Nerva und Trajan angefangen, fo Fönnte 
man das ganze Werk ald eine Ergänzung des Sueton betrachten; 
und in diefer Meinung fügten auch alte Editoren die Biographien 
diefer beiden Kaifer hinzu. In beiden Fällen ift eg aber eine fehr 
einfache Erklärung, wenn wir auch am Anfange, wie in der Mitte, 
einen Defect flatuiren. 

Chenfo war das Ende nahe daran ein gleiches Schickſal zu 


26 Ueber die Sceriptores VI 


erfahren; denn dem Parifer Codex fehlt das Leben des Carinus, 
die editio princeps beginnt das Teste Buch über Carus, Carinus 
und Numerianus mit den erſt gegen Ende des vierten Capitels 
sorfommenden Worten: Ego vero si ila non esset. Selbſt der 
Palatinus verbindet es ohne neuen Titel unmittelbar mit dem vorher: 
gehenden Buche und giebt das Leben des Carus und Numerianus 
in erftaunlicher Verwirrung. So finden fi) auch an manchen Stel: 
len Spuren von Transpofitisnen mehrerer Blätter, wie” im Marcus 
Antonius, wo c. 5. in den Worten in secundo consulalu iam 
patris sui der Negius das iam unmittelbar verbindet mit ven in 
c. 9. vorkommenden Worten: qui dicebant Marcum velle finiti 
beili gloriam éte.; was offenbar nicht blos das Werk eines läppi— 
ſchen Verbefferers iſt, der freilich fonft in dieſer Handfchrift vielfach 
hervortritt, und von dem Ambrofianifchen Coder den A. Mar ans 
ſah 19, ebenfalls beftätigt wird. Gleiche Umftellungen hatte auch 
A. Politian am Rande feiner Handfchrift angemerkt '%), und Egna— 
tius in feiner Ausgabe aus einer venetianischen. — Im Alerander 
zieht der Negius einige c. 43. gelefenen Wörter: si id oplalo 
evenissel, vermehrt mit anderen in c. 58. zurück; und Salma— 
fing bezeugt, daß in feinen Handfchriften und der Alteften Mailänder 
Ausgabe dies Leben aufs Höchfte verwirrt und ordnungslos fich 
finde; denn häufige Blättervertaufhungen hätten die ganze Tertes- 
ftellung verändert und an vielen Orten Fehler veranlagt, — Im 
Maximin. c. 18. nimmt der Palatinus eine evft in Max. et Balbin. 
c. 3. bingehörige Neihe zufammenhangsios herüber; im gewöhnli— 
chen Text ift der Zufammenhang durch einige Acnderungen herge- 
ftelft und die eine Reihe um vier aus dem anderen Orte vermehrt 5 
und felbft in c. 3. Max. et Balbin. gehört nach anderen Handfchrif- 
ten diefe Stelle nicht hin, fondern erft ıns fünfte Capitel. Dies 
jelben Mff. haben Gordian. c. 9, son der zweiten Periode theils 
gar nichts, theils nur einige Worte, und die Vulgata fcheint mit einiger 
Aenderung aus dem Ende diefes Buchs genommen zu fein. Und fo 
fehlen ihnen auch Max. et Balb. die Schlußperioden des c. 15 und 18, 


15) ©. deſſ. Comm. praev. ad Fronton, p. XVI. n. 5. 
16) ©. Casaub. not. ad h. |. 


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r a nn 


historiae augustae. 27 


Daf wir in dem auf den mittleren Defect zunächft folgenden 
Leben des Gallien oft nur verbeffernde und abfürzende Conjefturen 
leſen, nicht den urfprünglichen Tert, ft aus den Lücken des Palatinus 
und der edit. pr, gewiß. Auch finden fich fonft eine Menge dur 
Auslaffung eines oder einiger Wörter unvollftändiger Sätze, die aus 
feiner Handfhrift ergänzt werden. Sp fehlt Hadr. c. 4, coss. 
nad): Palma et Celso; fo mehreres wahrfiheinfih c. 15. nad: 
quod et forma ostendit et nimia voluptas Hadriani, wo Caſau— 
bonus meint, der Autor ſchweige aus Scham vor einer garjtigen 
Sade. Lüdenhaft ift der zweite Sat in M. Anton. c. 6. und c. 
8. *lictum cum alio parlieipasset. — C. 17. fünnte man aus 
Europ und Viktors Epitome ac suam hinzufügen nad) vestem 
uxoriam. — Ver. c. 4. ift, wie ſchon Dbrecht in feiner Ausgabe 
bemerft, aus der Paralfelftelfe M. Anton, c. 7. a. E. zu leſen: 
lam primum enim Marcus pro ambobus ad milites est loquu- 
us et pro consensu imperii (vicena millia nummum singulis 
promisit. Et initio quidem Verus) graviter se et ad Marci 
mores egit. Lückenhaft feheint nach den Mſſ. der Anfang von 
Avid. Cass. c. 9, Antiochensibus qui A. C. consenserant * sed 
et his et aliis — ignovit, vielleicht auch Did. Iulian. c. 2. di- 
xitque debita reverenlia. — Sever. c. 5, fehlt die Zahl: qui 
eliam * sestertia; und c. 12. Et primo quidem — — vieli 
sunt, könnte man das Wort confliclu ergänzen aus der Parallel- 
ftelfe Albin. c. 9; wie auch c. 17 a. E. aus Aurel. Victor: dis- 
cessit. — c. 21. * qui quidem divinam etc. — Pesc. Nig, c. 
11. (in qua re) similes non habuit. — Carac. c. 1. Getam 
et Bassianum (Antoninos) quorum unum elc. nad der Varalfel- 
ftelfe Sever. c. 19. — Gela c, 6. dicentibus cunclis duobus 
se liberis (Severi) fidem promisisse. — Heliog, c. 7. Lapides 
— — eX proprio templo, (simulacrum) Dianae elc.; c. 10 
eo lempore quo Macrinus (interemptus est), consobrinus etc. 
nach ib. c. 5, Opil. Macrin. c. 45 Alex. Sever. . 1. —C. 
16. a. E. iſt doppelt lückenhaft: Sed milites — — quod sibi 
viderent invidiam * faclaque consp, ad lib. Remp. primum 
conseii (vario) genere mortis * (affecti sunt) ete. — C. 


28 Ueber die Scriptores VI 


28. a. &. Amicos quolidie (ad se vocavit, convivio adhibuil). 
— Alex. Sever. c. 25. Alexandrinum opus — -— primus in- 
stiluit, in Palalio exornalis hoc genere marmorandi *. Gallien. 
a. v. D.— XXX Tyr. c. 8,9. E. dum me et exterae gentes fer- 
rum traclasse suis cladibus recognoscant, * (et... .)in 
Italia, denique omnis Alamannia etc. Cap. 9. in qua se (pu- 
gione transfodit) fcheint Zufag der Alteren Herausgeber. Cap. 21. 
a. E. quasi Iranslerendae ad alium (locum). — Claud. c. 1. 
qui tantam generis sui prolem (reliquit); c. 10, * in veleres 
luis novellis; c. 11, alque in vincula (coniicit), Romam eliam 
mittit, und Ibid. a. &, ab Ilo Troianorum (rege); c. 14, und 
öfters fehlt die Zahl einmal im brevis munerum. — Aurel» c. 
28. Tum illae vestes — tum Persiei dracones (capti sunt). — 
Tacit. c. 11. a. Afg. convivium vero unius gallinacei (exhi- 
buerit). c. 13, quemadmodum (gesserit quam quemadmodum) 
ceperit consulalum ; fo Salmafins aus der betreffenden Stelle 
des Cicero, — Car. c. 1. a. E. XXX eliam prope tyrannorum 
Ceolluvionem) caesa civilium membra sibi vindicanlium. 

Beachten wir endlich noch die feltiame Reihenfolge, in der 
nad) den älteſten Handſchriften die einzelnen Bücher auf einander 
folgen. Es haben nämlich Avidius Caſſius und Divius Julianus 
ihre Plätze gewechfelt, Diadumenus fteht vor feinem Vater, Helio- 
gabal vor beiden, und Clodius Albinus folgt erft nach ſechs Bü— 
hern auf Sept. Severus und Pescennius Niger, Auch diefe felt- 
ſame Ordnung dürfte am Teichteften aus einer Auflöſung des Originale 
aller Handichriften in einzelne Lagen zu erffären fein, da felbft ein 
Redakteur fpäterer Zeit Faum fo unwiſſend oder fo unaufmerkſam 
fein Tonnte, um ſolche Verſtöße zu begehen. Ob aber die wirffiche 
Folge in einer Sonderung der wirklichen Auguſte son den Cäfaren 
und Tyrannen beftanden habe, einer Sonderung Die in dem einen 
Codex, den Egnatius benutzte, allerdings hervortritt, bleibt doch noch 
zweifelhaft. 

Nehmen wir aber an, daß die jeßigen Mſſ. nur Copien eines 
fowert fhon verdorbenen erſten Exemplars find, fo tft, zufammen- 
gehalten mit der Erfahrung daß aufeinanverfolgende Leben veffelben 





EEE SEE ENBEHEEERE 


historiae augustae. 29 


Verfaffers ohne befondere Namensüberfchriften, höchſtens nur mit 
eiusdem bezeichnet gewefen zu fein fcheinen, leicht abzufehen, wie 
die Namen der einzelnen Autoren falfche Steffen einnehmen, und 
wie in der Angabe derjelben eine Differenz entftehen fonnte, Bei— 
fpielsweife: die XXX Tyrannen werden gewöhnlich dem Jul. Capi— 
tolinus zugetheift, weil, wie ſchon gefagt, mit feinen erften Büchern 
auch der Namen des Pollio verloren war und daher der letztge— 
nannte in der Ueberſchrift eiusdcem fortdauerte. Aber im Codex 
des Egnatius, der die Cäfaren und Tyrannen abjonvert, heißen fie 
Ael. Spartiani, weil dem Spartianus auch die vorhergehenden Leben 
zugetheilt waren. Jedoch ift zu bemerken, daß die Differenz ın 
den früheren Leben nicht eben bedeutend ıft. Denn nur in drei 
Büchern weichen, foweit die Bomerfungen der Evitoren reichen, die 
MI. von einander ab, im Leben des Commodus, welches fogar nur 
der Excerptor Robertus de Porta dem Jul. Capitolinus ftatt Ael. 
Lampridius zutbeilt; im Leben des Sept. Severus, welches im Ne- 
gius den Namen des Lamprivius ſtatt Spartianus führt, und end» 
lich im Alexander Severus, wo die genannten beiden umgefehrt den 
Spartianus nennen ftatt des Lamprivins. Ob bieber unterftügßt vom 
Palatinıs, wie Salmaſius fagt, fteht dahın ; denn Gruter der aus 
ihm den vorausgefihiekten Index mittheilt, bezeugt das Gegentheil. 
Freilich würde dieſe Differenz um ein Bedeutendes zu erhöhen fein, 
wenn die von Salmafius und Gruter benugten Excerpla Palalina 
wirklich das wären, wofür fie der erjtere ausgeben will, namlich ein 
Auszug aus den urfprünglichen Büchern des Spartianus allein, und 
nicht- aus einer der Handicehriiten unferes Corpus. Denn dieſe Ex— 
eerpta nennen bis auf die Maximiane bin nur einen Autor, den 
Spartianus. Aber Salmafius gefällt ſich hier in einer argen, nur 
dadurch zu entſchuldigenden Selbfttäufhung, Daß er beide Palatıne 
sehn Jahre vor feiner Edition benutzt und ihre abweichenden Lesar— 
ten an den Nand feines Exemplars gefchrieben hatte. Denn offen— 
bar find jene Excerpla Palalina ein ziemlich fpates Machwerk 
und feineswegs aus dem Spartianus felbft, fondern vielmehr aus uns 
ferer Sammlung entnommen, mit der fie denfelben Anfang von Ha- 
drian ab — und Syartianus hatte doch mit Sul, Cafar begonnen — 


30 leber die Scriptores VI 


und diefelbe fonderbare Reihenfolge der Biographien theilen. Noch 
mehr, fie find wahrfcheinfich aus dem anderen Palatinus gebifvet, 
wie es durch Vergleich der betreffenden Stellen zuerft fo viel ich 
weiß, die erwähnte Differtation Beckers gezeigt hat. Somit ift die 
Autorität jener Cxcerpta für den Autornamen fehr gering; fie wird 
aber ganz annullirt, wenn wir aus Salmafins’ eigener Note fehen, 
daß fie im Inder auch den Marimin unter Syartians Namen auf- 
führen, und aus Gruter daß fie bis ins fechfte Kapitel der Ma— 
ximine wirklich hineingehen. Der Excerptor bat aljo den zuerft ges 
fundenen Namen dur alle folgenden Bücher ftehen laſſen, jo wie 
anderwärts Nobertus de Porta den Namen des Capitolin ſelbſt 
noch für den Aurelianus des Vopiscus; und endigte er in den Ma— 
ximinen nicht, fo würde er noch manche der fpäteren Bücher dem 
Spartianus zugeeignet haben. 

Demnad fallt auch der Hauptgrund fort, weshalb Salmaſius 
zwei Ehriftfteller aus den gewöhnlichen ſechs ftreichen wollte, den 
Ael. Yamprivius und Vulcatius Gallicanus, indem er alle Leben bie 
zu den Mariminen dem Ael. Lamprivius Spartianus, von den Ma— 
ximinen bis zu den Valerianen dem Jul. Capitolinus, die übrigen 
dem Polliv und Vopiscus zufchrieb. Außerdem, hätte es wirflich einen 
Schriftfteller Ael. Yamprivius Spartianus gegeben, bald Ael. Lampridius, 
bald Ael. Spartianus genannt, etwa wie in unferen Seriptores ein 
Ael. Cordus und ein Junius Cordus diefelbe Perfon zu fein ſcheint, fo 
wäre es doch fonderbar, daß in Feiner Handſchrift dieſe Namen fich 
vereinigt finden, fondern obwohl wir fie zweimal mit einander ver 
taufcht finden, in demfelben Codex immer nur Ael. Lamprivins oder 
Ael. Spartianus fteht, jo daß z. B. im Inder des Palatinus auf 
Ael. Spartiani Didius Julianus folgt Ael. Lampridii Commodus; 
abgefehen davon daß der Autor des Cäſar Verus in der Epiftel ſich 
nur Ael. Spartianus fchreibt, Und warum Bulcatius Gallicanus 
durchaus beibehalten werden muß, hat fhon Sf. Voß bemerkt mit 
der fehr richtigen Frage, woher er denn, wenn er gar nichts ge- 
fhrieben hätte, überhaupt bineingefommen fein follte. 

Es wäre alſo nur zuwunterfuchen, ob die vier übrigen Schrift: 
ſteller, Ael. Spartianus, Ael, Lampridius, Sul, Capitolinns und 


U U UL 


historiae augustae. 31 


Vulcatius Gallicanus mit Recht auf die ihnen von den Mſſ. bei- 
gelegten Lebensbefchreißungen Anfpruch machen. Die Kriterien dazu 
dürften folgende fein. 

Zum Grunde alfer Unterfuchungen müffen wir flets die hand- 
Ihriftfichen Angaben legen; denn fobald wir diefe ganz bei Geite 
fegen, wird einer ſchrankenloſen Willkühr Thür und Thor geöffnet. 
Aber wir wiffen ſchon, daß in einigen, wenn auch feltenen Fällen 
die Codices von einander abweichen; wir wiffen ferner die Mög— 
fichfeit, wie felbft die beſten Bücher in einen Irrthum verfallen 
fein fonnen, außer der Namensähnlichkert zwifchen Aelius Lampri— 
dius und Aelius Spartianug , und was Dodwell bemerkt, der Ge- 
wohnheit der Abfchreiber,, Die Titel vorläufig auszulaffen, um fie 
ſpäter mit vother Farbe zierlicher nachzumalen. 

Mit dem Namen des Autors enthalten die Büchertitel ges 
wöhnlich noch den des Kaiſers, dem fie gewidmet find; und biefe 
Widmungen würden das zweite Kriterium abgeben. Denn an fich 
it es ſchon wenig wahrſcheinlich, Daß derfelbe Autor zuerft für 
Diokletian fchrieb, fpäter für Conftantin, wie nad) unferem Corpus 
3. B. Spartianus alle früheren für Dioffetian, den Geta für Con- 
ftantin ; Lampridius den Commodus für Diofletian, vielleicht auch den 
Severus, aber den Heliogabal und Alexander für Conftantin. Ganz 
unwahrfcheinlich wird es aber dann, wenn einer von Dioffetian 
foum zum Conftanlin übergegangen, in einem britten Leben zum 
Dioffetian zurückkehrt; wie z. B. Capitolinus die drei erften Anto— 
nine für Diofletian, den Albin für Conftantin, den Maerinus wieder 
für Dioffetian, und endiich die Marimine und die folgenden wieder 
für Sonftantin gefchrieben haben foll. Denn nit einzelne Bücher 
außer der Reihe, fondern Reihenbiographien Tiegen hier vor ung, 
Freilich iſt es fehr fraglich, ob diefe überfchriflihen Widmungen ächt 
find, und nicht evft von fpateren Abichreibern, felbft Editoren hin— 
zugefügt. Das Leben des Pertinar z. B., des Caracallus, des Dia- 
dumenus benennt feinen Kaiſer; im Hadrian iſt ad Diocletianum 
Aug. entweder gar nicht vorhanden, oder von fpäterer Hand hin— 
zugeichrieben; und wie unbegründet dem Claudius des Pollio ad 
Diocletianum oder ad Constanlinum Aug. vorgefeßt ift, haben 


39 Ueber die Scriptores VI 


wir ſchon oben gefehen. Wir müffen daher diefe Widmungen durch 
die im Leben felbft vorkommenden Anreden der Kater zu unterftü- 
gen fuchen. Dann würde im Antoninus Pius, im Commodus, im 
Sultan der Name des Diofletian Teicht auszufcheiden fein; beftätigt 
wird er im Ael. Verus Cäfar, den Antoninen Marcus und Verus, 
im Avidius Caſſius, Severus, Niger und Macrinus !7); wie der Name 
des Conftantin im Albin, Geta, Helivgabal, Alexander, den Mari 
minen und Gordianen 2). Solche Anreden aber auch als Ein- 
fihiebfel fpäterer Zeit zu betrachten oder gegen die Autorität aller 
Handſchriften Teichthin zu tilgen und zu ändern, tft eine mißliche 
Sache, wozu uns faum die Zufammenhangstofigfert, in der fie öfters 
ſtehen, berechtigen kann, va die Lectüre des Pollio und Bopiseus 
uns ſchon gelehrt haben muß, wie flüchtig diefe Schriftfteller ar- 
beiten, wie gerne fie fich unterbrechen, und wie oft fie vom Spä— 
tern zum Frühern zurüdfehren. Ueberhaupt weiß ich fein Leben zu 
nennen, in dem nicht jene flüchtige Schreibart, die Beſchaffenheit 
und der Gebrauch verfchiedener Quellen, zum Theil auch Corruptio- 
nen der Mil. zur Erflärung der vorkommenden Wiederholungen, 
Unterbrechungen und Widerfprüche völlig hinreichend wäre, muß alfo 
die Hypothefe won der leberarbeitung eines Schriftitellers durch 
einen andern für fehr wenig glücklich erklären. 

Weil es aber immer noch möglich fein Fünnte, daß ein und 
derſelbe Schriftftelfer frühere Leben für Divffetian, fpätere für Con- 
ftantin gefchrieben hätte, fo werden wir uns nach anderen Zeitbes 
ftimmungen umfehen; denn ein zu großer Zeitunterfchied darf nicht 
ftatuirt werden. ES ſchreibt aber Spartianus, der unbezweifelte Au— 
tor des Verus Cäſar, unter der Vierherrſchaft, und vielleicht eine 
geraume Zeit nach der Cäſarenwahl; denn dafür fpricht der Aus— 
trud „wie zu unferen Zeiten von Euren Gnaden Conſtantius und 
Maximianus CAfaren genannt worden find“ 19). Zu unferen Zeiten, 
nicht: jest oder neulich. Unter der Vierherrſchaft wohl auch ver 

17)_Ver. C. c. 1; M. Anton. c. 19; Ver. Imp-e. 11, Ay. Cass. 
c.185 Sever. we. 20; Niger./c, 9; Macrin. ic. 15. 

18). Albin. c. 4; Geta c..1; Heliog.. c, 2. ec,’ 34; Alex. c, 65. c, 


67; Maximin. ce 1; Gordian. ce 1. c, 34, 
19). Ver: Caes, c. 1; 











historiae augustac, 3 


Berfaffer des Pescennius Niger, infofern dort Divffetian maximus 
Augustorum heißt, wie im Cäſar Verus lot principum maximus. 
— Auf diefes Wort maximus als häufigen Beinamen des Con- 
ftantin 20) legt Dodwell befonderes Gewicht und bemerft, daß es 
in Münzen und Inſchriften fi vorzüglich erft feit dem Jahr 312 
finde, ſeitdem nämlich Conftantin nach Befiegung des Maxentius 
in einem Senatsconſult primus Augusiorum genannt worden war. 
Auch Fann man in den Panegyrici veteres beobachten, daß diefer 
Kaifer in dem a. 307 gefchriebenen, ihn und den Marimtan ge- 
wiometen Epithalamium Feinmal, in des Eumenius Lobrede a. 510 
nur einmal, Dagegen in des Nazarins a. 321 zehnmal fo angerevet 
wird. Man Tann alfo fchließen, daß jene Leben in Denen er ma- 
ximus heißt, des Albın, Merander, Marimin und Gordian in 
der fpäteren Zeit feiner Regierung gefehrieben find. Auf diefe Zeit, 
anf Die Zeit feiner Alleinherrſchaft nach Beftegung des Lieinius 
weifen noch einige Ausdrücke hin. Zunächſt wird er fleis allein 
angefprochen, Divfletian aber zuweilen mit mehreren. Ferner er- 
Hart der Verfaſſer des Heliogabal, er wolle bis auf Conftantin 
herab fchreiben, fo daß er noch Licinius, Severus, Alexander und 
Marentius hinzufüge, doch ohne den Ruhm zu fehmälern derer die 
befiegt find 21). Nicht fo deutlich ift es in den Gordianen 22), wo 
erzählt wird, Licinius folle zu ter Zeit, wo er zur Negterung ge= 
fommen, des dritten Gordian Grabmal zerftört haben. Doch läßt 
Me ganze Nedewerfe: Licinius dieitur eo tempore, wohl vermu— 
then, daß dies nicht blos Tange nach der Erhebung des Licinius, 
fondern vielleicht auch nach feinem Sturze gefhrieben fer. Derje- 
nige Schriftiteller alfo der im Auftrage des Conftantin, fer es nun 
Lampridius oder Capitolinus oder beide, wird fchwerlich für Diokletian 
gearbeitet haben. Und doch foll Lamprivius den Commodus und Se- 
verus, Capitolinus die Antonine und den Macrinus für Diokletian 
geichrieben haben. Und doc nennt Vopiscus den Yamprivius und Ca- 
pitolinus unter feinen Vorgängern, alſo zum Wenigften als Schrift— 
fteffer zu Diokletians Zeit. Und wer, frage ich, hat denn über- 


20) Albin. Alexand. Maxim. Gord. 1. c. 
21) Cap. ult. 22) Cap. ult, 


Muſ. fe Philol. N. 5, VII 3 


34 lleber die Sceriptores VI 


haupt von Conftantin den Auftrag empfangen, da auch Spartian 
und Vulcatius unbezwerfelt dem Diokletian ihre Bücher widmeten? 
Aus dieſem Grunde möchte ich bezweifeln, daß ihre Namen in ber 
betreffenden Stelle des Vopiscus echt find. Wenigftens find in 
demfelben Buche Herculius et Maximianus der Feldherrnſchule des 
Probus im Palatinus nur von foäterer Hand zugefchrieben; im Ver— 
zeichniß der Nechtsgelehrten zur Zeit Alexander Severus' find ſechs 
Reihen mit vreischn Namen nach ven befferen Handſchriften zu 
tifgen; und auch fonft finden wir Die Namen der in Rede ftehenden 
Perſonen wahrſcheinlich aus Nandgloffen hinzugefegt. Und ſo könn— 
ten auch dort Capitolinus und Lampridius ſich hineingeſchlichen haben, 
wenn auch die Editoren nichts davon anmerken. Wenigſtens hat 
ja Salmaſius den Palatinus nur zehn Jahre vor feiner Ausgabe bes 
nugt, und Gruterus, wie er felbft fagt, meiſtens nur dann, wenn 
die Mil. tes Cafaubonus irgend einen Zweifel erregten. Ca— 
faubonus aber beachtete faft nur den vielfach interpolirten Regius, 
da von den übrigen meift nur ausgezogene Lesarten ihm zn Gebote 
ftanden. Weshalb bei einer genaueren Anſicht dev Codices wie in 
allen Stüden, fo auch für unfere Frage noch manche Refultate zu 
erwarten find. Denn es dürfte fi) vielleicht eine größere Abwei- 
hung in den Titeln herausſtellen; nur müßten neben ihnen auch 
die vorausgeſchickten Indices und die gebräuchlichen Schlußformeln: 
explicit — incipit forgfältig annotirt werben, und daber vorzüglich, 
welche derfelben außer den obengenannten feinen Autornamen ent» 
halten. Kerner auch, ob überall auch die Apoſtrophirungen ber 
Kaifer übereinftimmen; denn obwohl ich diefelben für einen Einſchub 
eines fpäteren Bearbeiters nicht halten kann, fo könnte Doch immer 
ein Abfchreiber 3. B. zur einem Auguste venerabilis ein Diocle- 
liane oder Constanline unzeitig hinzugeſetzt haben. 

Es find aber unfere Schriftfteller wirklich von den Kaiſern 
beauftragt. Zwar tritt diefes nicht deutlich hervor bei Spartian 
im Verus Cäfar und bei Vulcatius im Avidius Caſſius, welde nur 
fagen, fie fchrieben damit Diokletian aus ihren Büchern alle Augufte 
fennen lerne. Aber der Autor des Heliogabal erklärt, er habe un- 
gern und wider Willen auf den Wunſch des Conftantin dies Buch 


historiae auguslae. 35 


geſchrieben; und der des Marimin, er wolle Fünftighin auch die 
Anordnung beobachten, die Tatius Cyrillus nad dem Willen des 
Eonftantin beobachte, und an einer anderen Stelle, er eile zu ans 
deren Dingen wie es befohlen werde 9). 

Es hindert ferner nichts, daß ein Kaiſer zugleich mehrere be— 
fhaftigt habe, wie ja eben Conftantin neben dem lateiniſchen Bio— 
graphen noch den Senator Tatins Cyriffus griechiſche Bücher in's 
Lateinifche überfesen Tief. Doch mußten die Kaiſer, in deren Auf: 
trag folche Hiftorifer arbeiteten, entweder irgend ein beftimmtes Le— 
ben verlangen, over eine Kortfegung eines unvolfendeten Werks, oder 
alle Cäſaren bis auf ihre Zeit, oder einen gedrängten Abriß der 
ganzen vömifchen Geſchichte. Vom Testen Falle kann bei Biogra— 
phen natürlich nicht die Rede fein. Eben fo wenig verrät) fich iv 
gend ein Buch als eine gefondert daftehende Monographie, vielmehr 
ſcheinen alle aus der Mitte größerer Werfe zu fein. Denn wer 
auf Farferlihe Aufforderung fihrieb, mußte wie Eutrop oder Nufus 
Feſtus den Anfang feiner Arbeit mit einem furzen Vorwort machen, 
in welchem er zuerft feine Aufgabe und dann wie er fie löſen wolle, 
auseinanderfegte. Aehnliche Proömien Taffen fi) auch erwarten, 
wenn in der Mitte des Werks der urfprünglihe Plan irgend eine 
Abänderung oder Ergänzung erleidet, oder wenn die Art und Werfe 
der Ausführung einer Erklärung bedarf, Nur der letzteren Art find 
alfe in unferen Büchern vorfommende. Betrachten wir fie genauer: 
Im Cäſar Verus wendet fih Spartian in der vorausgefchieten 
Epiftel an den Kaiſer Divfletian, mit dem ev nach dem Ausdrucke 
suus in befonderer Verbindung zu ftehen fcheint, — wie aufer den 
beiden von Caſaubonus angeführten Beifpielen auch Fronto an Marc- 
Aurel fi Fronto consul tuus ſchreibt — und erklärt, er wolle 
fernerhin nicht blos Biographien der wirklichen Kaifer liefern, wie 
er bis Hadrian herab getban habe, fondern auch diejenigen, die ent» 
weder blos den Namen Cäſar empfangen hätten und nicht Fürften 
und Augufte gewefen, oder auf irgend eine Art in Hoffnung oder 
insg Gerede zufünftiger Herrſchaft gekommen wären; und von diefen 
fer der erfte Aelius Verus. Und am Schluffe des Buchs; er habe 


25) Maxim, iun, €. 9. 


36 Ueber die Scriptores VI 


darum den Cäfar Berus nicht übergehen können, weil fein Vorſatz 
fer, 1) alfe welche nach dem Diktator Julius wirklich vegierende 
Cäſaren, Augufte und Fürften gewefen, und 2) welche durch Ado— 
ption oder als Terbliche Söhne der Imperatoren oder als Verwandte 
mit dem Titel CAfar geehrt worden feien, in einzelnen und befon- 
deren Lebensbefchreibungen zu behandeln, der eigenen Gewiffenhaf- 
tigfeit zur Genüge, obwohl viele Fein Bedürfniß hatten folches zu 
erforschen. 

Die ferupuldfe Aengftlichfeit jedem Kaiferbetitelten fein Necht 
widerfahren zu laſſen, war den älteren Biographen, Sueton, 
Marius Marimus u. ſ. w. noch fern geblieben ; es mußte erft Ju— 
nius Cordus aufgetreten fein, der vorzüglichen Eifer darauf ver- 
wandte, unbefanntere Fürften ans Licht zu ziehen, Aemilius Par- 
thenianus, der alfe, welche nach der Tyrannis getrachtet, von alten 
Zeiten her zu feinem befonderen Vorwurf genommen hatte, Die 
Cäſaren namentlich in einzelnen Büchern zu behandeln hatten unfere 
Schriftftelfer noch einen befonderen Grund, da in ihrer Zeit diefer 
Name durch die Erhebung des Conftantins und Galerius und durch 
die Theilung des Neihs einen volleren Klang gewonnen hatte, 

Seven Cäfar in einem befonderen Buche wollte ohne Zweifel 
auch der Derfaffer der Antonine Mareus und Verus ſchreiben; denn 
nicht daß er diefe gleichzeitigen Augufte überhaupt getrennt, fondern 
nur warum er abweichend von anderen den Marcus vorangeftellt 
habe, wird von ihm bevorwortet, weil nämlich Marcus früher Kat 
fer geiworden wäre, 

Einen weiteren Pan als Spartian verfolgt Vuleatius Galli⸗ 
canus im Avidius Eaſſius, indem er das Leben aller derer, welche 
den Kaiſernamen geführt hätten, ſei es mit Recht, ſei es mit Un— 
recht, alſo auch der Tyrannen aufzeichnen will. 

Dagegen konnte Niger wohl in dem Plane Spartians liegen; 
denn an ſich war er ebenſo rechtmäſſiger Herrſcher wie Severus, 
kein Rebell wie Avidius Caſſius. Weil aber doch der Sieg ſeines 
Gegners ihn zum Tyrannen gemacht und darum ſein Leben in Dun— 
kel gehüllt hatte, bedurfte er doch einer kurzen Vorrede. 

Wie Mareus vor Verus, ſo iſt auch Caracallus vor Geta 











historiae auguslae. 37 


gefchrieben, weil jener früher geboren und früher zu herrſchen an- 
fing, wenn er auch den anderen überlebte. 

Das Proömium des Geta ift etwas zweideutig. Caſaubonus 
verfteht e8 fo als wenn der Autor fich entfchuldige, daß er Geta 
überhaupt fehreibe, und will darum einige Säge umſtellen. Vielleicht 
ift richtiger, daß er auch Geta unter den Antoninen aufzähle, 

Die Vorrede des Opilius Macrinus erinnert ung an Pescen- 
mus Nigerz denn auch fie handelt von der Dunfelheit der Leben 
derjenigen Fürften oder Tyrannen oder Cäfaren, welche nicht lange 
geherrfcht haben. 

Sm Diadumenus hören wir som Autor, er hätte deſſen Le— 
ben mit feinem Vater verbunden, wenn nicht der Name Antonin 
ihn zu einer befonderen Behandlung veranlaßt hätte. Alſo wollte 
diefer nicht unbedingt, wie etwa Spartian, jeden einzelnen Cäfar in 
einem Buche behandeln, fondern geftattete fich auch eine combini— 
rende Schreibweife. 

Sm Helivgabal erflärt der Verfaſſer, er bätte veffen Leben 
niemals gefchrieben, wenn nicht vorher ſchon Eafigulas, Neronen 
und Bitellier die römische Herrschaft gehabt hätten. Und am Schluffe 
wiederholt er: nur ungern und wider Willen habe er dem Eonftar- 
tin auf feinen Wunſch dies Buch überreiht, wie er auch andere 
vorher überreicht habe. Nun wolle er beginnen die folgenden, 
Alexander, die vielen halbjährigen, jährigen und zwetjährigen Für- 
ften, Aurelian, Claudius, den Stamnivater der Conftantier, von dent 
er die Wahrheit zur fchreiben fich fürchte, damit er nicht Böswilli- 
gen gefchmeicheit zu haben fcheine. (Man wird bier an Treb. 
Pollio erinnert, der fih auch gegen den Vorwurf der Schmeichelei 
von Seiten der Böswilligen im Yeben des Claudius vertheidigt). 
Dann Divkletian und feine Zeitgenvffen, Licinius und die übrigen 
son Conftantin befiegten ; ihn felbft aber — den Conftantin — 
mögen auf vielen Blättern und beredteren jene begleiten denen dies 
eine glücflichere Natur zumerfen werde. (Wie auch Vopiscus Div- 
fletian und feine Zeitgenoffen einem edferen Stile überlieh). 

Am Anfang der Maximine äußert ver Autor: Damit es dem 
Kaiſer Conſtantin nicht zu verdrüßlich würde, Die einzefnen Fürſten 


38 lleber die Seriptores VI 


oder Fürftenfinder in einzelnen Büchern zu Iefen, babe er die Be— 
ſchränkung angewandt, Vater und Sohn in ein Buch zu vereinigen. 
(Auch dies erinnert uns an Treb. Pollio und Vopiscus). Künftig- 
bin wolle er auch diefe Anordnung beobachten, welche Tatius Eyril- 
Yus, der Griechiſches ind Lateinifche überfege, beobachten müffe, und 
nicht etwa nur in einem Buche, fondern in vielen von nun an mit 
Ausnahme der großen Imperatoren, deren Thaten durch größere 
Zahl und Berühmtheit einen längeren Tert erfordern. Nämlich die 
in Heliogabal genannten, Alexander, Aurelian, Claudius und Dio— 
Hetian, fo wie auch Pollio dem Claudius ein befonderes Buch vor: 
behalten wollte. Man vergleiche hiemit noch den ſehr ähnlichen 
Ausdruck im Alex. Severus ce. 64. 

Mit Unrecht wollte Salmafins in der ausgefchriebenen Stelle 
die Vorrede eines neuen Werfs erfennen, Denn ähnlich Tautet es 
in den Gordianen: „ES war zwar mein Plan gewefen, verehrungs- 
würdiger Auguftus, jedweden einzelnen Imperator nach dem Bei— 
fpiel Vieler in einzefnen Büchern Deiner Gnaden zu überreichen. 
Denn fo hatten es Viele gemacht, wie ich theils ſelbſt gefehen, theils 
durch Lectüre erfahren habe. Aber doch fihien es mir unpaffend, 
Eier Liebden einerfeits durch Die Menge der Bücher aufzuhalten, 
andererfeits meine Arbeit durch zu viele Bünde zu häufen. Des- 
halb habe ich die drei Gordiane vereinigt,‘ 

Alſo nirgends das erfte Prodmium eines neuen Werks, überall 
nur Aenderungen oder Nechtfertigungen eines zum Theil fchon aus— 
geführten Planes. Sind aber die gebräuchlichen Autornamen, Spar- 
tian im Verus Cäſar, Vuleatius im Caffius, Lampridius im Helio- 
gabal, Capitolinus in den Mariminen richtig, fo hätte ein jeder eine 
lange Reihe von Katferbiographien fchreiben wollen, die erften bis 
auf Divffetian, die letzteren bis auf Eonftantin herab. Den An— 
fang nennt nur Spartian beftimmt, von Jul. Cäfar ab, Lampridius 
serfichert nur, daß er ſchon andere Bücher ungewiß wie viele ver- 
faßt habe. DVielfeicht berückfichtigen einige unter ihnen gleichzeitige 
- Shriftfteller, wenn fie einige Male erflären, warum fie abweichend 
von Dielen etwas fo oder fo machen wollten. 

Hieraus ergiebt fh aber, daß manches Leben mehrfach von 





historiae augustae. 39 


diefen Schriftitellern bearbeitet gewefen fein mag. Denn mag auch 
einer oder der andere fernen Plan nicht zu Ende geführt haben, 
wie wir 3. B. von Spartian es aus der Nenferung des Vopiscus 
ſchließen fünnen, es habe zu feiner Zeit noch feinen lateiniſchen Bio— 
graphen des Kaiſers Aurelian gegeben, fo mußten doch in den frü> 
heren Leben mehrere zufammentreffen. Sobald wir demnach auch 
darauf achten, welche feiner Bücher jedweder Schriftſteller felbft er- 
wähnt, fo müſſen wir nicht blos, mit Divffen zu reden, „unterfchetz 
den zwifchen denjenigen Vebensbefchreibungen der Katfer, die ein be— 
ſtimmter Biograph als feine bereits vollendete Arbeit ausdrücklich 
bezeichnet, und zwifchen folchen, deren Bearbeitung er für die Zus 
funft in Ausſicht geftellt hat“ , fondern auch Aeußerungen der erft- 
genannten Gattung laſſen immer noch Raum für den Zweifel, ob 
das erhaltene gleichnamige Buch wirflich Eigenthum deſſen iſt der 
es anzufurechen feheint. Es müffen daher noch andere Umſtände ſich 
vereinigen, um die Wahrfcheinlichfeit zu vergrößern; ebenfo wenn 
wir umgefehrt darum einem Autor ein früheres Buch abfprechen 
wollen, weil er es nicht unter feinem Namen eitirt, fondern aus 
einem älteren Schriftftelfer. Denn bier fonnte der betreffende Ges 
genftand ausführliher behandelt worden fein, als in dem eigenen 
Buche. Dergleihen Aeußerungen find aber folgende: 

Spartian, der Verfaffer des Verus Cäſar, fagt nicht blos 
im Alfgemeinen, er babe alle Leben bis Hadrian herab ſchon be= 
fohrteben, fondern beruft fich auch in einer Einzelheit auf fein Leben 
des Hadrian, die wir im unferem wirklich wieder finden 2). Da 
nun alle Mſſ. ebenfalls in feinem Namen übereinfommen, ſo iſt 
kein Grund zur Aenderung vorhanden. 

Dagegen trägt unſere Biographie des Kaiſers Verus, welche 
er gleichfalls verſpricht, den Namen des Jul. Capitolinus und ent— 
hält auch nicht die früher verfprochene weitläufigere Xusführung der 
Gefchlechtstafel, fondern nur ebenfosiel. Doc fünnte Dies immer 
Bergeßlichfeit desfelben Autors fein 2°). 

Sehr wahrfcheinfich it es, daß Marcus und Verus Einen 


24) Vgl. Hadr. c. 20. u. Ver, Caes. ce. 5. 
25) DBgl. Ver. Caes. c. 2; Ver.Imp: ce, 1; 


40 Ueber die Scriptores VI 


Berfaffer haben, wie auch Einer in unferem Corpus genannt wird, 
Denn der Biograph des Verus verfichert nicht allein, Daß er den 
Marcus vorher gefihrieben habe, fondern auch alle Dinge, die er 
dort ſchon beſprochen haben will, laſſen ſich in unferem Leben des 
Mareus nachweiſen, die Macht der Freigelaffenen Geminas und 
Agaklytus, die Vergiftung des Berus, der Germanenfrieg, obwohl 
er dort nicht ausführlicher behandelt ift, wie er es doch fein ſoll 0). 
Es wird ferner im Marens das Leben des Commodus zugefagt und 
die verfprochene Ausführung eriftirt auch in unferem Commodus, 
welcher freilich des Ael. Lamprivius heißt ?). Auch Tefen wir im 
Anfang diefes Buchs: „Ueber des Commodus Antoninus Verwandt- 
Schaft ift im Mareus Antoninus binlänglich geredet worden‘, wor— 
aus wohl folgt, daß der Verfaffer des Commodus vorher das Leben 
des Marcus edirt hatte; ob das erhaltene, bleibt freilich ungewiß, 
ebenfo ob Robertus de Porta um diefer Neuerung Willen den Na- 
men des Capitolinus wieder vorgefchrieben oder aus feinem Eoder 
wirklich entnommen habe. 

Obwohl Bulcatius, wie ſchon gezeigt, alle Kaiſer gerechte und 
ungerechte behandeln wolfte, fo fteht doch fein Avidius Caffius ohne 
alle Berbindung. Ihn ſtellt der Autor des Marcus nirgends in 
Ausficht und Vulcatius beruft fich wiederholt nur auf Marius Ma— 
ximus' Leben des Marcus. 

Bon den drei Zeitgenoffen Severus, Niger und Albinus werden 
die erften beiden unter Ael. Spartiani oder Lampridii ad Diocletia- 
“num Aug., der Teste unter Jul. Capitolini ad Conslantinum ange= 
führt. Trotz diefes doppelten Gegenſatzes haben doc vormals Ca— 
faubonus und Salmafius, neulich noch Dirkſen nur Einen Autor 
anerfennen wollen, aus zwei Gründen, zunächft weil am Ende des 
Pescennius Albins Leben verfprochen wird, was freilich ein jeder 
Reihenbiograph nach Pescennius Tiefern mußte, dann weil der Autor 
des Albin zweimal auf feinen Sever und Niger zurückverweiſt, ber 
Gelegenheiten, die wirklich in unferen Büchern fich vorfinden, nämlich 


26) DBgl. Ver. Imp. ec. 9; c. 10; 11; c.8. mit M. Anton. c. 
195: 0. ‚14; 
27, M. Anton. c. 19; Commod. c, 12. 








historiae augustae, 41 


bei der ftrengen Beftrafung der Rebellen durch Severus und bei einem 
Orakelſpruch 9. Es wäre allerdings noch möglich, daß verfchiedene 
Verfaſſer aus gemeinfamer Quelle daſſelbe entlehnt hätten; doc 
wer ties hervorheben wollte, muß auch andererfeits zugeben, daf 
eine leichte Verſchiedenheit, die fich im diefen Leben worfindet, indem 
der Autor des Severus und der des Albinus eine Prophezeiung, Die 
Severus über den Untergang feines Gegners erhalten hatte, auf Albinus 
beziehen, auf Pescennius dagegen der Autor des Pescennius und 
ſich dabei noch auf andere Bücher bevaft, wo er es auch ſchon ges 
fagt habe, daß diefe Verfchiedenheit, fage ich, auch von der Nad- 
läffigfeit eines und deſſelben Autors herrühren könnte 9. 

Der Biograph des Caracallus beruft fih auf fein Leben des 
Severus und wiederholt darum nicht die Vorfahren deffelben 9), ver— 
foricht auch im Leben des Geta die Vorzeichen feiner Ermordung 
anzugeben und dieſe finden fih auch in unferem Geta. Dagegen 
läßt fih der Name des Verfaffers Syartianus mit dem Empfänger 
Conftantin wohl kaum vereinigen. 

Macrinus und fein Sohn werden verfchiedenen Verfaffern 
zugefchrieben. Es feheint aber ver Biograph des erfteren den Dia- 
dumenus anfangs gar nicht befonders behandeln gewollt zu haben; 
denn er fpricht nicht allein ftets von ihm zugleich mit feinem Vater, 
fondern fagt auch einmal ausdrücklich, es fer in feinem Leben nichts 
bemerkenswerth, außer daß er den Antoninen obwohl unächt zuge- 
fellt fer; und am Schluſſe des Buchs fiheint er zum Heliogabal 
übergehen zu wollen ?). Der Autor des Diadumenus aber beginnt 
deſſen Leben fofort mit ven Worten, nichts fer in demfelben bemer- 
fenswertd, als daß er auch Antoninus geworden fer und erftaunfiche 
Vorzeichen der Herrfchaft gehabt habe; und an einer anderen Gtelfe ’?) 
fügt er hinzu: nur der Name der Antonine habe ihn zu einer be— 
fonderen Behandlung gezwungen, fonft würde er deffen Leben mit 


10 


8) Bol. Sever. c. 9; c. 11. u. Albin. c. 12; Pese. Niger. c. 8; 
Albin. c. 1. 

9) Vgl. Pesc. Nig. c. 9. mit Sever. c. 10; Albin. c. 9. 
0) ©. 1; c 

) Maerin. c. 10. 

) h 


42 Ueber die Scriptores VI 


dem feines Vaters verbunden haben. Ein Vergleich diefer vier 
Aeußerungen läßt trotz dem Widerſpruch der Mſſ. faft denfelben 
Verfaffer vermuthen, und doch wird Dipffetian im Macrinus, Con— 
ftantinus Marimus im Diadumenus angeredet. 

Am Schluffe des Diadumenus wird Heliogabal verfprochen. 
Zwar könnte man aus dem Anfang diefes Buches folgern, der Au— 
tor liefere nur dies einzelne Leben; aber wir haben ſchon oben ge- 
fehen, daß er nach feinen fpäteren Erflärungen ſchon andere vorher 
gefchrieben hatte und alle folgenden bis auf Conftantin herab fehrei- 
ben wollte, darunter namentlich Alerander und die beiden Gordiane, 
von denen jedoch nur Alerander demfelben Verfaffer beigelegt wird. 

Einem und demfelben Biographen fallen auch die drei Ießten 
Bücher zu, die Marimine, Gordiane, Marimus und Balbinus, nach 
den Handfchriften, nach der Gleichheit des Plans und nach einigen 
inneren Anzeichen, infofern außer den Verweiſungen in den Mari: 
minen und Gorbianen unter fich ’°), im erſten Buch auch ſchon das 
dritte über Maximus und Balbinus zugefihert wird *. 

Als ein ferneres Moment ift von Dodwell in feinen Unter- 
fuchungen die Aehnlichkeit oder Verſchiedenheit der Erzählung ge= 
braucht worden. Doch müffen wir hiebei forgfältig erwägen, ob fie 
nicht etwa aus den Quellen entftanden fer, da aus einem einzigen 
Schriftfteller Ausgefchriebenes Gleichlaut, aus mehreren Zufammen- 
getragenes Widerſprüche bewirfen wird. Wie z. B. wenn im 
Marcus Aurelius und Avidius Caffius des lekteren Empörung faft 
mit denfelben Worten gefehildert wird, Dies nicht denfelben Verfaffer 
beurfundet, fondern nur dieſelbe Duelle, des Marius Marimus 
zweites Buch über Marcus. — Sicherer dürften derartige Schlüffe 
fcheinen, wenn wir in beiläufigen und außerwefentfichen Dingen eine 
folche Uebereinftimmung bemerken ; denn gewiffe Digreffionen können 
wohl eher einem befonderen Schriftftelfer eigenthümlich ſein. Und 
doch iſt auch hierin Feine fefte Grenze. Denn z. B. Betrachtungen 
über gute und fchlechte Kaifer, wie fie fih im Alexander vorfinden, 


bietet auch Vopiscus dar ’’). 


33) Max. sen. c. S; iun. ec. 1; Gord. c. 15; c. 18. 
34) Max. sen. a. E. 
35) Alexand. c. 65 sq. Aurelian. c. 43 sq. 











historiae augustae, 43 


Zur erfieren Art gehört die gleiche Auseinanderfeßung der 
Gründe zu dem Beinamen des Pius und der Adoption des Marcus 
und Verus, woraus Dodwell für Hadrian und die drei erfien Ans 
tonine Einen DVerfaffer ermitteln wollte. Aber beides war Sache 
der Quellen, denn einen Theil jener Gründe, die im Hadrian und 
Pius aufgezählt werden, finden wir auch im Heliogabal, im Aur. 
Bietor, im Eutrop, ſelbſt in einem Briefe des Mareus Antoninug; 
ebenfo wie der unferen Schriftftellern gewöhnliche Ausdruck: duo 
pariter Augusti appellali, von Marcus und Verus, auch im Eu— 
trop, Rufus Feftus u. a, wiederkehrt und aus einer in den Faften 
üblichen Bezeichnung feinen Urfprung herleitet. Die Adoption aber 
des Mareus und Verus bildet einen integrivenden Theil der Ger 
ſchichte. Auch findet fi) ein leiſer Unterfchied in der Erzählung, 
infofern bald beide von Antoninus Pius, bald Marcus von Pius 
und Verus von Marcus an Sohnes Statt angenommen fein ſoll; 
ein Unterfchied, der freilich auch auf einer ſchwankenden Benugung 
verfchiedener Quellen von Einen PVerfaffer beruhen kann. Digref- 
fionuen der anderen Art find Urtheile über diefelbe Duelle, z. B. 
über Cordus, woher wir nur anmerfen, daß wiederum Vopiscus 
ganz ähnliche Urtheile zum Theil fogar mit denfelben Worten über 
zwei andere Schriftfteller abgiebt, über Marius Marimus und Aure- 
lianus Feftious 20), — und namentlich die von Dodwell hervorge— 
hobene Aufzählung der Antonine, die in den fpäteren Fürften diefes 
Namens regelmäßig fih wiederholt. Aber auch diefe liegt zum 
Theil in der Natur der Sache, zum Theil in Anderer Vorgang. 
Denn „Antoninus Pius nannte Marcus und Verus fo nach dem 
Nechte der Adoption; durch Erbiehaft überfam den Namen Commo— 
dus, durch Anmaßung Baſſian, durch den Wunfch des Heers Dia— 
dumenus, aus völlig Tächerfihem Grunde Heliogabal“: Worte des 
Aleranter Sever im Senate 57). Aber durch diefe öftere Wieder: 
holung hatte der Name der Antonine alfer Herzen fo eingenommen, 
daß man ohne ihn Feine vömifche Herrfchaft fich denfen Fonnte und 


36) Macrin. c. 1; Gord. ce 21; Max. et Balb. c, 4, vgl. Vopisc. 
Eirı 021. c.:0: 
37) Alex. Sev. c. 6 sq. 


44 Ueber die Scriptores VI 


daß nach Helisgabals Tode der Senat inftändigft in feinen Nach- 
folger drang, auch Antonin ſich nennen zu laſſen. Diefe Wiederho— 
lung deffelben Namens blieb von müffigen und böfen Zungen nicht 
unbemerkt und gab Anlaß zu mancherfer Anecdoten und Spöttereien. 
Was Severus aus Liebe zum Marcus oder zum Commodus, deffen 
Bruder er fih nannte, gethan haben foll, das leiteten andere aus 
einem Drafel ber: nur ein Antonin werde ihm nachfolgen; umd 
als er demgemäß feinen älteren Sohn fo benannt, habe feine Frau 
Julia auch für ihren Sohn Geta den gleichen Namen erbeten. Man 
zählte die Antonine und brachte mit der Zahl Acht einen zu Pius' 
Zeiten vermeintlich gegebenen Prophetenfpruch in Verbindung. Man 
trug Verſe herum auf alle Antonine, in denen man zeigte, wie bie 
fer verehrungsmürdige Namen allmälig in Unehren gekommen fei. 
Selbſt Eommodus follte ſchon verfpottet worden fein, weil er Tieber 
Hereufes als Antonin heißen wollte. 

Demnach war vorzüglich in den Leben nad) Severus Gelegen- 
heit zu einer Aufzählung aller Antonine, und andererfeits fcheinen 
in einer folchen ältere Schriftfteller vorangegangen zu fein, fo daß 
auch diefe Digreffion immerhin mehreren gemeinfam fein könnte. 
Doch iſt zu bemerken, daß fie fich vorzugsweife in den an Conftan- 
tin gerichteten Biographien findet, und daß auch ihr Anlaß Elar 
ausgefprochen wird: Konftantin verehre den Namen der Antonine 
fo, daß er den Marcus und Pius unter den goldenen Bildſäulen 
feiner Vorfahren, der Conftantier und Claudier, aufgeftellt habe *8). 

Ferner können wir die Quellen aus denen gefchöpft ıft, für 
unfere Unterfuchung gebrauchen. Aber auch diefe nur bedingt: denn 
was hilft es 3. B., wenn wir in alfen früheren Leben Marius 
Maximus und ihn faft allein benugt fehen, der wohl befannt genug 
war um jedwedem zur Hand zu fein? Las man ihn doch zu Ammia- 
nus Marcellinus Zeiten allein unter den Profaifern, wie Juvenal 
unfer den Poeten. Dringen wir aber ein in feine innere Einrich- 
tung und Befchaffenheit, fo dürfte auch er ung von Nusen fein. 

Es iſt Hier nit der Ort mic) über Marius Maximus weit 
fäufiger zu verbreiten, und id) verweile zunächft auf das was Dirkſen 

83) Heliog. c. 2. 


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historiae augustae. 45 


über ihn gefagt hat 20). Hinzufügen will ich nur, daß er im 
Alerander Severus nicht mehr Duelle zu fein ſcheint, alfo wohl mit 
Helivgabal fein Werf geendet hatte, Vopiscus am Anfang feiner 
vier Tyrannen ftellt ihn dem gedrängten Sueton entgegen als einen 
ſehr weitfchweifigen Schriftſteller, der ſich in unhiftoriiches Detail 
zu verlieren pflege. Bleibt nun auch ungewiß, wie weit Marius 
Maximus diefen Tadel verdient habe, fo gewinnen wir doch aus 
unferen Schriftftellern die Heberzeugung, daß feine Bücher eine reiche 
Fundgrube von Senatsacten, Brief- und Nedefanmlungen der Kai— 
fer, 3 B. des Marcus, Autobiographien 3. B. Hadriang und Se— 
verus’, Spottverfen und dgl. gebildet Haben müffen. Nun bemerfen 
wir in den erften Leben bis auf Severus herab, daß einerfeits Marius 
Marimus felten und nur in Nebendingen angeführt, andererfeits auf 
mande von ihm mitgetheilte Doeumente verwiefen wird, welche der 
Autor ihrer zu großen Länge wegen unterdrüdte "9%. Der Ver— 
faffer des Commodus giebt zwar am Schluffe einen langen Aus» 
zug aus den Acelamationen des Senats, entſchuldigt es aber auch 
als eine Abweichung von feinem Plane durch hinzugefügten Grund, 
Dagegen wird im Avidius Caffius und Albinus Marius Marimus 
nicht allein als Hanptquelle genannt, fondern aud) nad) der Weife 
des Trebellius Pollio und Flavius Vopiscus der Faden der Erzäh- 
lung gerne dur das belegende Document unterbrochen. Sp aud) 
im Macrinus, Diadumenus, Alerander und den folgenden Büchern, 
die faft alfe an Eonftantin gerichtet find. Weniger vorher im Niger, 

Desgleichen fehen wir in den früheren Leben bis auf Severus 
herab faft nur Marius Marimus gebraucht; denn eine genauere 
Betrachtung läßt fehr bezweifeln, daß Hadriang und Severus' Auto- 
biograpbien wirflih in den Händen unferer Schriftfteffer gewefen 
find, und außer diefen wird nur Duadratus in feiner Gefchichte 
des Parthiſchen Kriegs und Aemilius Parthenianus der Tyrannen- 
biograph erwähnt, deren Autorität fich nicht fehr weit zu erſtrecken 
ſcheint. Aber im Gegenfas zu den früheren Büchern mit Aus— 
nahme des Avidius Caſſius Tefen wir ſpäter Hfters Die ausdrückliche 


39):-B: 0 p! 29. 
40) M. Anton. c. 25; Commod, c. 15, c. 18; Pertin, c. 2. c. 15. 


46 lleber die Scriptores VI 


Erklärung, der Inhalt fer aus mehreren Büchern zufammengetra- 
gen *'), oder auch aus Griechen und Lateinern '?), und bemerfen 
auch deutlich in manchen Biographien ein Conglomerat verfchieden- 
artiger Quellen ). 

Da aber diefe abweichende Behandlung nicht bios die wenigen 
Tyrannen trifft, fo fan zu ihrer Begründung die Notiz des Vo— 
piscus, nach) der Mar. Marimus den Avidius Caſſius im Leben 
des Marcus, Niger und Albinus im Leben des Severus beſprach, kei— 
neswegs ausreichen, fondern wir müſſen im Allgemeinen die frühe- 
ren Leben bis Severus herab als einfache Excerpta aus Marius 
Marimus, die fpätern, und hiebei Severus fchon eingefchloffen, als 
Compilation aus verfihiedenartigen Quellen anfeben. 

Der Gebrauch griehifher Quellen iſt in allen seriplores 
historiae auguslae nicht gewöhnlich; und was der genannte Beder 
am Schluffe feiner Differtation als Thefis aufitellte, Aur. Vietor 
berube nur auf lateinischen Autoren, daß Tiefe fich noch erweitern. 
Wenigſtens von unferen Schriftftellern benust Vopiscus zwar drei 
Griechen, Kallikrates Tyrius, Theoelius oder nah Salmaſius Theo 
Chius und Dnefimus, aber zum Theil nur gedrängt durch den Man- 
gel an Tateinifchen Biographen. Pollio nennt beiläufig einmal Hero- 
dian und zweimal Derippus, dürfte jedoch aus letzterem noch man— 
ches andere gefchöpft haben. Aber in den früheren Leben bis auf 
Severus herab wird weder irgend ein Grieche erwähnt, noch wahr- 
ſcheinlicher Weiſe benutzt. Div Caſſius z. B. ift gar nicht gebraucht, 
mögen auch die Noten der gelehrten Editoren es dem oberflächlichen 
Beobachter glaublich machen. Denn wer ſich erſt in unſere Schrift— 
ſteller eingeleſen hat, wird zu der Ueberzeugung kommen, daß ſie, 
benutzen ſie einmal einen Hauptſchriftſteller, aus ihm ſoviel wie 
möglich faſt wörtlich ausſchreiben, wenn auch mit Abkürzungen und 
Auslaſſungen; und nehmen ſie aus ſekundären Quellen einzelne 
Notizen, ſo verrathen ſich dieſe durch ihre abrupte Stellung. Das 
Letztere bedarf wohl kaum einer Probe; für das Erſtere ſpricht 1) 


41) Niger c. 9; Macrin. c. 1. c. 15, 
42) Albin. c. 12; Heliog. c. 34; Max. et Balb. c. 18. 
43) Befonders Macrin. Maximin, Gordian, Max, et Balb. 


. 


historiae augustae. 47 


der Vergleich) von Paralfelftellen aus gemeinfamer Duelle bei gewiß 
verfchiedenem Verfaſſer, 3. B. über den furor Cassianus im Mar- 
eus und Caſſius; 2) der Vergleich mit den Fleineren lateiniſchen 
Hiſtorikern, 3. B. mit Nur, Victor im Severus c. 17 ff. wo der 
Autor die Exeerpte aus Marius Maximus plötzlich abbricht, weil 
es ihm zu lang wird, und aus einer neuen mit Victor gemeinfamen 
Duelle alles Frühere noch einmal erzählt; mit Eutrop und dem 
anderen Victor im Marcus in den zwifchen den Ereerpten aus 
Marius’ Maximus' erſtem Buch und veffelben zweitem Buch über 
dieſen Kaiſer aus einer anderen Duelle eingefihobenen Capiteln "*), 
in welchen Triumph, Smperatorbenennung und Confulat des Com- 
modus, der Maresmannenfrieg, die Auction der Hofgeräthe, felbft 
der Tod des Marcus fchon voraus erzählt wird; mit Jornandes 
im Anfang des älteren Maximin; 3) der Vergleich mit dem einen 
uns noch) erhaltenen Autor, den fie namentlich anführen, mit Hero— 
dan, z. B. im Macrin c. 9. Marimin c. 10 ff. Wenn aber in 
zufammenhängender Erzählung fich einzelne Anflänge mit dem oder 
jenem Echriftfteller finden, daber aber auch Abweichungen , fo daß 
bald hier mehr, bald dort mehr gegeben wird, fo berechtigt uns das 
nicht auf diefelbe Duelle zu ſchließen; denn die Mühe aus verfchie- 
denen Gefchöpftes in einen Guß zu bringen bat fich feiner unferer 
ſechs Autoren gegeben. Der Art find aber alle aus Div fcheinbar 
entnommenen Stellen: man findet manche Mebereinftimmung , aber 
unmittelbar Damit verbunden auch manche Verſchiedenheit. Sp um 
eine merfwürdigere heraus zu heben: Salmaſius will behaupten, 
daß der Autor des Commpdus, welcher ec. 15 fagt: Appellatus est 
sane inter cetera triumphalia nomina eliam sexcenlies vicies 
palus primus sequulorum, Div beim Abfürzen einer bedeutend 
längeren Stelle mißverftanden oder fchlecht uberfest habe; denn dort 
fieht mowronarog oezovrogwr. Aber alles was Dip in demfel- 
ben Satze noch fagt, fehlt in unferem Biographen, der dagegen bie 
beftimmte, wohl aus den Acten wenn auch nur mittelbar genommene 
Zahlangabe hat, sexcenlies vicies. Was nun auch der Grund fein 
mag, der große Umfang feiner Werke, der entlegene Ort der Vol— 
44) C. 16 his 20., 


48 Ueber die Seriptores VI 


Iendung und die aus. beidem vielleicht entfprungene Seltenheit der 
Abſchriften, oder weil es für diefelbe Zeit cine gleich gute Tateini- 
[he Duelle gab, Marius Marimus, — gewiß ift, daß Div von 
unferen Schriftftelfern weder genannt, noch benutzt ift, zum Wenig- 
ften nicht unmittelbar, wie wielfeicht überhaupt von feinem lateini— 
ſchen Hiftorifer. 

Eine gleiche Bemerkung gilt für Herodian und die früheren 
Bücher unferer Biographen. Denn obwohl er vom Commodus ab 
bis zum dritten Gordian ausgebeutet werden Fonnte, wird er doc) 
zum erften Male genannt im Albin *°) und dann im Diadumenus, 
Alerander, den Mariminen und Marimus nebft Balbınus, Und 
obwohl er ſchon im Albin ſcheinbar als Hauptquelle mit dem Lobe 
der Treue angeführt wird, fo hat er doch in allen Leben vor den 
Mariminen mit Ausnahme des einen Kapitels im Maerin zu fehr 
feeundären Zweden gedient. Denn foweit reichten die zum Excer— 
piren viel bequemeren Bücher des Marius Maximus nebſt ven 
Biographen Aleranders. In den folgenden Leben iſt er viel mehr 
gebraucht, aber auch hier untermifcht mit reichhaltigen Auszügen aus 
Cordus und einem anderen lateinifchen Zeitgefchichtfchreiber, 

Der andere griehifhe Schriftfteller, Dexippus, in feiner 
xo90vı#7 lorogia, die ohne Zweifel allein gemeint fein Tann, über 
deren ungefähren Inhalt uns Zofimus und Syneelfus belehren, Fonnte 
bei feiner großen Kürze überall nur in einzelnen Notizen vienen, 
mit Ausnahme des dritten Gordian, wo alfe mehr Hiftorifch klingen— 
den, unter Angabe der Confuln gelieferten Daten fein Eigenthum 
fein dürften. Citirt wird er im Mlerander, den Maximinen, Gor- 
Dianen, Marimus und Balbıinus. — Der dritte, Arrian oder Ara— 
bian, iſt ftets nur beiläufig erwähnt und fonft auch unbelannt. 

Wir haben ſchon früher in den für Confiantin gefchriebenen 
Büchern manchen obwohl verborgenen Rückblick auf Treb. Pollio 
der Vopiscus bemerken zu müffen geglaubt. Ob aber nad) deren 
Borgange Griechen als Quellen gebraucht worden find, fteht dahin; 
denn einen anderen ebenfo wahrfcheinfichen Grund bietet uns der 
Anfang der Marimine, wo gejagt wird, Conftantin habe durch den 

45) ©. 12. ec. 1. 





historiae augustae. 49 


Senator Tatius Cyrillus Griechifches ins Lateinifche überſetzen laſ— 
fen. Vielleicht alfo benußten unfere Autoren deffen Ueberfegung, 
vielleicht wurden fie dadurch nur auf griechiſche Quellen aufmerffam 
gemacht. 

Hieran will ich noch eine Bemerkung knüpfen. Der Verfaffer 
der Gordiane proteftirt gegen die Unerfahrenheit gewiffer Schrift 
fteffer, welche nur von zwei Gprdianen redeten, da doch Dexippus 
und Arrian drei bezeugten. Wir finden aber Ende des Heliogabal 
das Leben zweier Gordiane verfprochen und auch an anderen Stellen 
der früheren Bücher ift nur von zweien die Rede. Man könnte 
hieraus auf eine Verfchiedenheit des Autors ſchließen, doch rührt 
es vieleicht aus den Quellen her. Denn in den fpäteren Leben, 
wo die genannten Griechen mehr benugt wurden, war ein folcher 
Irrthum nicht möglich, wohl aber in den früheren, welche auf la— 
teiniſchen Quellen berufen. Es gab nämlich gewiſſe Tateinifche 
Schriftftelfer, welche nur von zwei Gordianen ſprachen, wie auch 
unter den erhaltenen Aur. Bietor, indem er ven zweiten und dritten 
Gordian für eine Perſon hält. 

Die Sprache endlich, um auch ihrer zu gedenken, wird ſchwerlich 
ung zur Unterfcherdung der einzelnen Scriplores behülflich fein. 
Denn alle find Römer, leben faft gleichzeitig, fehreiben gleich flüch— 
tig ohne um einen beftimmten Stil fi zu bemühen, und reden in 
dem bei Weiten größten Theile mit der Zunge ihrer Quellen, einer 
freilich oft verftümmelten und lallenden, aber doch auch wieder 
wortgetreuen, wie das früher erwähnte vergleichende Verfahren 
augenfcheinlich darthut. 

Haben wir num auch alle diefe Kriterien angewandt, fo müfe 
fen wir doch eingeftehen, daß fie nur in wenigen Fällen uns ein 
ſicheres Nefultat liefern. Nur folgendes läßt ſich als gewiß oder 
doch fehr wahrfcheintich anerfennen. 

Zunächſt ift in unferem Corpus der fpätere Theil als ein be— 
fonderes Ganze abzufcheiden, infofern Pollio und Vopiscus nach 
eigener Luft für Freunde fehrieben und der letztere des erfteren aufs 
gegebenen Plan zu Ende führte. Die übrigen arbeiteten für Kaiſer, 


für Diokletian Spartian und Vuleatius, für Conftantin, wie es 
Muſ. fe Philol. N, F. VIL 4 


50 lleber die Scriptores VI 


fiheint, Lampridius und Capitolin, Doch mit dem erwähnten Wider— 
foruch jener Stelle des Vopiscus. 

Die beiden erften beabfichtigten alle Karferbiographien zu lie— 
fern, und Spartian nennt ausdrücklich als Anfangspunft ten Difta- 
tor Julius. Endpunkt iſt immer der regierende Kaiſer, deffen Auf- 
forderung fie Folge Teifteten. Bon wo die fpäteren beiden begannen, 
läßt fich nicht beftimmen, da der Berfaffer des Heliogabal nur von 
anderen unbeftimmt wie vielen vorher gefchriebenen Büchern foricht. 

Ungewiß bleibt auch, wie weit ein jeder gekommen, und es 
ift nur ficher, daß Diejenigen welche für Diofletian fchrieben , ihren 
Plan nicht ausgeführt haben; denn es gab zu Bopiscus’ Zeiten noch 
feine lateiniſche Biographie des Aureltan. 

Bulcatius verfolgte einen weiteren Pan als Spartian; er 
wollte auch die Tyrannen behandelt, während jener nur Augufte 
und Cäſaren. Hypothetiſch ft aber, daß er Spartians Werfe ſchon 
vor Augen hatte und darum mit dem zunächft ausgelaffenen Tyran— 
nen anfing. Wo bleiben Piſo, Binder und Antonius, weiche der 
Autor Des Niger und Vopiscus als früfere Tyrannen aufzählen? 40) 

Die einzelnen Bücher einem beftimmten Berfaffer zuzueignen, 
ift ungemein fihwierig. Dem Spartian, der die früheren Leben 
bis Hadrian gefertigt hatte, gebührt ohne Zweifel auch dieſes und 
Verus Cäſar; ob die Dioffetian gewiometen drei Antonine, bleibt 
fraglich. Vulcatius muß feinen Avidius Caffius behalten. Comes 
modus und die beiden folgenden find ohne Anzeichen. Albinus, Dia- 
erinus, Diadumenus, Helivgabal, Alerander, die Maximine, Gordiane, 
Marimus und Balbinus fiheinen von Einem Berfaffer zu fein; denn 
fie find alfe an Conftantin gerichtet, mit Ausnahme des Maerinus ; 
abgefaßt, foweit Die Zeitangaben ausreichen, nach Befiegung des Liei— 
nius; vereinigt durch denfelben Dan, wie er einerjeits im Allgemei- 
nen durch gleihe Aeußerungen bervortritt, andererfeits auch durch 
die Aenderung, die früher ſchon angedeutet, Dann in ihm wirklich 
eintritt, indem von einer fingulären Behandlung der Biographien zu 
einer duplizivenden übergegangen wird; in fich gleich durch gemein- 
fame Digreffion über die Antonine, von der ein Theil noch in den 

46) Niger. c. 9. cf. Alex. Sev. c. 1; Firm. c. 1. 








historiae augustae. 51 


Gprdianen wiederfehrt, und durch den Irrthum über die Zahl der 
Gordiane; harmonivend durch den Gebrauch der Dnellen, griechi— 
her und lateiniſcher. Wer ihr Autor fer, Lampridius oder Capitofin, 
iſt ungewiß; doch ſpricht mehr für Capitolin die Uebereinſtimmung 
in den letzten Büchern. Vielleicht ſind ihrer Zahl noch die in man— 
chen Stücken ähnlichen Leben des Geta und Caracallus wie auch 
des Severus und Niger hinzuzufügen, welche beide freilich für Dio— 
letian geſchrieben ſein ſollen. 

Weil endlich weder der erſte und zweite größere Theil, noch 
die an verſchiedene Kaiſer gerichteten Biographien in einem er— 
ſichtbaren inneren Zuſammenhange als Fortſetzungen oder Ergänzun— 
gen ſtehen, ſo erfolgte ihre Vereinigung durch einen ſpäteren Re— 
dakteur, der aus beſonderen Werfen die paſſenden Stücke auslas, 
um ſo entweder eine Ueberſicht der ganzen Kaiſergeſchichte oder eine 
Fortſetzung des Sueton zu gewinnen. Ob er bei dieſer Vereini— 
gung Bücher deſſelben Verfaſſers auf einander folgen ließ, ob er 
ſie nach der Zeit ordnete, ob er die Auguſte von den Cäſaren und 
Tyrannen trennte, wage ich nicht zu beſtimmen; doch wird jene 
früher erwähnte verwirrte Stellung der Mſſ. ſchwerlich ihm zur 
Laſt fallen. 


Königsberg. dr Richter, 


De Hippolyto Troezenio. 


Hippolylum Troezene cullum antiquilus deum fuisse ') 
primus Bullmannus demonslravil: qui quidem eum deum me- 
dicum, cum Aesculapio coniunelum, fuisse slaluit, ad finem 
aulem disputalionis numen solare proprie fuisse dubilanter et 
fere ludendo conieeit. Hanc ultimam Bultmanni coniecturam 
amplius persecutus est E, Moslius in disserlatione de Hippo- 
Iyto Thesei filio, quae Marburgi prodiit a. 1540. Neque enim 
coniunctionem eius cum Diana ad castilalem proprie et ve- 
nalionem speclare, verum potius inde originem duxisse, quod 
Diana Luna sit cum Sole consociala: pariter eliam Phaedram, 
quae Hippolyto, i. e. sole, frustra poliri studeat, deam lunarem 
intelligendam esse dictam a splendore, quandoquiden Luna 
solem nunquam consequalur. Quod Diana ovv$axog Hippolyli 
adhuc apud Euripidem dicalur, ex eiusdem rei memoria fluxisse 
in templorum cultu conservala: item quod Hippolylus a lauro 
trucidelur, ad "Aoreuv TavoonoAov speclare. Quae an omni 
ex parte probanda sint, malo equidem eis diiudiecandum re- 
linquere, qui in anliquissimas velerum populorum religiones 
penelrare audent: quoniam talia non possunt per se sola 
.enucleari, sed e multorum mylhorum mutua comparatione pen- 
dent. Quanquam in illo vereor ut multorum assensum lalurus 
sit Mostius, quod Phaedram se ipsam suspendisse proplerea 
credit, quia luna in caelo tanquam pendens seque movens 
cernalur, eique rei plures eliam similes fabulas adhibet: soli- 
ium enim esse anliquis hervinis, ut laqueo vilam finiant, res 
est nolissima. Verum illud cerlissime effecit Mostius, Hippo- 


1) Cf. Paus. I, 32, 1; Eur, Hippol. 1424, 





De Hippolyto Troezenio. 59 


Iyli cultum cum multorum aliorum numinum cultu coniunctum 
fuisse: e quibus Aesculapius et Diana iam sunt memorali: 
accedit Venus, quae, quia cum Phacdra artissime est con- 
iuncla, non potest non ei cum Hippolylo quoque aliquis nexus 
intercedere sive amicus sive inimicus, praeserlim quum cam 
Venerem, cui templum Troezenem spectans Phaedra dicavit 
Alhenis, eliam Hippolyleam dictam esse discamus e schol. 
Eur. Hippol. 29. Addidit Mostius Minervam; quanquam quod 
ille inde argumenltum peliit, quod Aelhra, Hippolyli avia, 
Troezene sacra Minervae Apaluriae instiluit, non habet mul- 
Ium momenli: paullo plus ei tribuendum videlur, quod Miner- 
vae Apaluriae zonam ante nuptias dicabant virgines Troeze- 
niae, velut Hippolyto capillos. Unum aulem deum nolim a 
Mostio praetermissum esse, cum quo aliquam certe coniun- 
elionis ralionem intercessisse Hippolyto erediderim, Neptunum. 
Ipsam enim urbem Troezeniam Nepluno sacram fuisse, immo 
Posidoniam olim appellatam esse novimus e Strabonis libro 
VII, 373: unde facile alicui possit in mentem venire, narra- 
tionem de Hippolyli morte a Neptuno effecta eo a principio 
speclasse, ut Neptuni cultum in Hippolytei alicuius sacri locum 
invasisse significarelur. Cui opinioni id quoque potest adiumento 
esse, quod Alhenis Hippolytus filius factus est Thesei , qui et 
ipse filius est Neptuni. Accedit quod equus, Neptunium sym- 
bolum, ut nomini ita etiam personae Hippolyli herois in arlis 
operibus repraesentalae inlime apparet coniunctus : qui aulem 
heros et cultum illum Troezenium instituisse fertur et omni- 
modo cum Hippolyto est consocialus, Diomedes, et ipse cum 
equo est coniunctissimus. Ulut hoc est, certe cum mullis 
numinibus aliquem nexum sive amicum sive inimicum inter- 
cessisse Troezenio illı Hippolyto elucet, unde et potentem 
deum fuisse et late patentem eius cultum aperlissime cogno- 
scitur, Posteriore autem tempore non delela quidem, sed mi- 
nula est eius veneralio: ad quam rem Tfecerunt fortasse 
immigrantes Troezenem Dorienses: ilaque factum est, ut 
Pausaniae aelate Troezenii ipsi sibi viderentur non potentem 


54 De Hippolyto Troezenio, 


deum venerari , verum aurigae signum cocleste. Aliis enim 
locis divinum numen in herois personam decrevit. 

Nimirum Troezene alias in eivilales migravit cullus 
Hippolyti. Alhenas cum Troezene anliquilus arlissime con- 
iunclas fuisse Müllerus demonstravit in Doriensibus vol. I, p. 
84 et 229, et Troezenis filii Anaphlystus et Spheltus Alhenas 
migrasse ibique demos condidisse credebantur teste Pausa- 
nia II, 30, 8. Itaque ut multa in fabulis ulrique  civilali co- 
gnata erant, ila etiam fabulam de Hippolyto Thesei filio deque 
Phaedrae amore Alhenis viguisse res est nolissima: ibique 
ei, ut heroi, rue consecralum erat teste Pausania Il, 22, 
1, Item in Laconica eum cultum esse memoral Pausanias III, 
12, 7. A Troezeniis autem, qui Ol. XV, 1 cum Achaeis Sy- 
barim condiderunt, videlur ille cultus in Magnam Graeciam 
translatus esse, quam rem pluribus perseculus est Klausenius 
in Aenea vol. Il, p. 1264: facit enim co maxime Diomedis 
cultus in illis regionibus vigenlissimus. Indeque haud dubie 
pervenit Ariciam, ubi cum ltalorum Virbio commixlus est 
Hippolytus. 

Tria autem praecipue e deo Hippolyto in heroem fluxe- 
runt: coniunelio cum Diana, unde orlus est venalor Hippo- 
Iytus; oppositio cum Venere, unde orta est fabula de Phae- 
drae amore; oppositio cum Neptuno,, unde orla est narralio 
de Hippolyto a tauro Neptuni trucidato. Rudem vero et'sil- 
vestrem Hippolyli indolem usquequaque deprendimus , quam 
quidem e casco numine in heroem transiisse veri est simil- 
limum: caslilalem contra et pudieiliam , utpote ab antiquis 
religionibus alienissimam, e poclarum et Euripidis imprimis 
ingenio addila esse recle haud dubie Bullmannus et Mostius 
existimarunt. Omnes enim tres fabulae partes in unum con- 
glulinarunt Alheniensium iragici, maxime Euripides, e euius 
dramale secundo, Hippolyto Stephanephoro (prius enim Ca- 
Iyptomenum fecerat), posterior aelas cam narralionem maxi- 
mam parlem lraxisse videlur. Id quod non solum in poelarum 
narrationes cadit, sed praecipue eliam in artis monumenta, 








De Hippolyto Troezenio. 55 


in quibus late eum mythum paluisse vel ex hodiernis reliquiis 
cognoseilur: immo res illae parles fabulae in eis manilesto 
discernunlur. Verum non omnes une modo. Elenim in tanla 
copia monumentorum huc speclanlium unum tanlum aelalem 
Iulit, quod tres fabulae partes uno conspectu compleelalur, 
sarcophagum Agrigentinum dico, quem deseripsi in diarlis 
archaeologieis nr. 5. Huius rei causam Zoega inde repeten- 
dam duxit, quod mortem Hippolyti tanguam !ristius argumen- 
lum non sine verecundia ausi sin! arlifices repraesentare, nec 
tamen videiur summi archacologi sententia seriplorum me- 
moria comprobari. Nam velerum seipforum commemoralione 
duae innotuerunt imagines illud argumentum traclantes, una 
Antiphili, a quo repraesenlalus est in porticu Philippi Hippo- 
Iylus tauro emisso expavescens, ul verba sunt Plinii h. n. 
XXXV, 10, 37, altera ignoti, sed egregii pietoris, quam Phi- 
lostralus describit H, 4. Neque enim Antiphili pieluram, sed 
prorsus ab hac diversam Philostratum deseribere inde colligo, 
quod Plinii verba expavescentem Hippolylum, ilaque vivum 
adhuec et illaesum, dum primum conspecto tauro terrore cor- 
ripitur, denolant: in Philostratea autem imagine iam curru 
deiectus el semivivus est iuvenis, membris ex parte laceralis. 
Ceterum hac oblata occasione paullulum exspaliari libet, ut 
Philostrateam deseriptionem paullo acceuralius perquiramus. 
Etsi enim summa imaginis, qualem adumbrat Philostratus, plana 
est nec obnoxia dubitationi, addidit quaedam sive pielor sive 
rhetor, quae ad enucleandum sunt dilkeillima. Postquam enim 
descripsit sobria oratione imaginem, haec clamat sophista: 
ov dE, wergazıoy OWipoooVrng Eo@v adırn uev Und ng Uun- 
rovias Enadeg, adızarega dE ind Tov nuroVs, wire adVgaro 
zal n yoapn Fonvov Tiva noryrızov Enı o0L Zurdeio@‘ 0%0- 
nial uv yao avraı, di’ wv &Ingas Eiv Aoreimdt, Öguntovrau 
Tu; nmosıag &v eldeı yuvaızor, heiumves 0 Ev wog neıgarıwr, 
oÜc dznodıovg @vöualss, uroalvovom Ent oo Ta ardn, vüu- 
par te al oc Toopol tovrort TOP yo» avaozoVoa! ONAOAT- 


x * [2 m om 
tovoı rag xönas Enoßhvlovoa: mov mal» vdwo. Quae 


56 De Hippolyto Troezenio. 


verba ut omnino miris dilfieullatibus impediunlur, ita Asıuwvag 
certe non personalos fuisse iuvenum specie, verum ipsa prala 
marcenlibus floribus intelligenda esse Welckerus docuit. Toel- 
kenius enim Asıuwvag pulaverat sub iuvenum specie reprae- 
sentari, qui serla marcentia capitibus demoverent, ita ut 
maeror iuvenum marcenlibus sertis exprimeretur, quales qui- 
dem ineplias lali pietori aegre quis impularit. Si necessario 
iuvenes cogitandi essent Aeıumves, cgo saltem flores in Phi- 
lostrati cerebro marcuisse exislimarem: verum sic et ad ni- 
hilum redderetur sentenlia nec Asıuovag omnino verisimile 
est sub iuvenum specie personalos fuisse. Nam quod lahnius, 
qui in symbolis archaeologieis p. 527 Welckeri sentenliam 
oppugnat, appellatiiva nomina nunquam alio nominis genere 
personala fuisse recle animadverlil, inde non sequilur, quod- 
vis nomen suam habere zo00wnonoLJer: Asınavas autem co 
minus credibile est iuvenum speciem induisse , quia vuupag 
Asıuwvıadas cognilas habemus ex Apollonio Rhodio II, 655. 
Additamentum vero illud: &v &o« weıoazlov, hanc vim habel: 
vel in iuvenili aelate marcescunt. Omnino autem hoc enun- 
ciatum non potest per se solum spectari, sed cum omni sen- 
tenliarum nexu coniungi et comparari debet. Tota enim haec 
oratio Philostratea, cuius verba exscripsi, non iam ad descri- 
bendam imaginem, sed ad exprimendam ipsius rheloris men- 
tem perlinet, ut picluram vix exspeclemus accurate adumbrari, 
Quid? quod ipse signilicat Philostralus, ea, quae ad luctum 
Jocorum perlinent, non resera expressa esse in Imagine: ne- 
que enim Jojvov simpliciter dieit zyv yoapnv Evyrıdevaı, sed 
Ionzvov rıya zoınrızov. In quibus verbis noımrızov neces- 
sario opposilum est «ArJırm, maxime aulem co, quod zıra 
addit, verecundiam suam in proloquenda sententia indicat 
sophista. Praeterea quum oxzonıa! el Aeıuoves Oomnino &x 
n00@)kn.ov ponanlur ac prorsus aequali sentenliae conforma- 
tione coniunganlur, eliam in piclura non diversas corum ra- 
tiones fuisse coque neutra personata crediderim. Quaeritur 
autem, quid sit, quod zeoeıas dovnteoda. dicantur speculae. 











De Hippolyto Troezenio, 57 


Solum collium mullifariam laceratum ac suffossum pula, ut 
trislis quidam habitus pieturae exhiberelur: id quod sophisla 
in suam sentenliam ila verlit, ut colles genas planclu lacerare 
dicat tanquam mulieres, Nam &v zider yvraızov hanc vim 
habet: ralione mulierum: cuius loculionis exempla exstant 
apud Aristotelem Pol. I, 4: 6 y&o Önnoeıng Ev O0yavov eider 
als ıdyvaıs Eoriv, el apud Thucydidem II, 62: zarroı oxE- 
waods &v olm eideı &xareooı Huov Tovro EngaSav: quo loco 
&idog non polest per eidog noAırsiug explicari, ul nonnulli 
voluerunt. In Philostrati aulem loco eo magis necessaria est 
haec interprelalio, quia, si mulierum speciem revera speculae 
induissent, dicendum fuisset &v eideı yvrarzav ovoaı: el ea- 
dem quam potest proxime respondel ei quod de pralis dielum 
est: Ev wor weigaxiov: quae quidem halilu monstri marce- 
scere est consenlaneum. Vera aulem prala verosque colles 
intelligenda esse vel eo scriptor significat, quod ad illa addit: 
005 dxnourovg wwouales, ad haec: di’ wv EIyoag Eiv Agıe- 
zuıdı. Quodsi summam senlenliae spectes, qua in illa telluris 
conditione aliquem luctum sibi videtur Philostratus deprehen- 
dere, ea quidem ita est comparala, ut nihil possit contortlius 
cogilari, sed verba summo arlificio concinnala apparent, ul 
omnia quam maxime conveniant declamatori. Jam vero terlia 
pars oraltionis consideranda restat, cuius diversam esse ra- 
lionem vel eo scriptor significat, quod eam particula ze priori- 
bus annectit tolamque immutat constructionem, immo Nym- 
pharum personas a fontibus aperle- distinguit, quo quidem 
discrimen pielurae manifesto significat. Quodsi iam anlea 
colles et prala personata fuissent, hic etiam nnyas dixisset 
simplieiter. Conspieiuntur igitur Nymphae e fontibus emer- 
gentes: si ad Philostrali verba atlendimus, consentaneum est 
non verum Jonjvor esse, sed Yo7r0» rıya noımtızov. Neque 
vel lacrymas fundere vel pectora pulsare sophista significat, 
sed nihil dieit aliud quam crines eas vellere et aquam mam. 
mis defluere. lam quod crines vellunt, potest sane significa- 
tio luctus esse, nec tamen debet necessario: aqua autem e 


58 De Hippoiyto Troezenio. 


mammis scaluriens aegre tanlum ad luctum potest referri. 
Jam quum terra vehementer movealur: Nymphae putandae sunt 
ex aqua prospicere lerrore perculsae, nec lamen lugent, quo- 
niam terror luelum impedit. Crines autem sparsos habent 
manusque eis admovent, praeterea Iympha a corpore defluit 
non solum, quia subito prosiliunt, sed etiam quia hic habilus 
corporis Nymphis maxime convenit. Nam quod in seulptis 
operibus siceis fere corporibus Nymphae comparent , non est 
mirum, quandoquidem et madorem corporis pielura multo con- 
venienlius exprimit quam sculptura et Nymphas e fontibus 
emergentes magis eliam decebat humidas esse: ceterum et 
passi crines el nuda pars corporis superior huic pielurae cum 
sculptura sunt communia et concha statuis Nympharum addita 
demonstrat, ne ab his quidem madoris sienificalionem esse 
alienam. Et admotas cerinibus manus el Iympham defluentem 
pro sua sententia in luctum vertit Philostratus, illud non sine 
specie veri, hoc parum feliciter. Haque habemus in piclura 
regiones omnimodo commolas adventu monstri marini et ler- 
rore replelas: eas pro suo consilio Hippolyli mortem Iugere 
feeit Philostratus. Piclorem videmus egregie munere suo 
funclum esse, sophistam multa quidem absurde commentum, 
nec lamen ut eius declamalio arte vacet rhelorica, maxime 
in componendis et limandis verbis. 

Nec tamen haec imago et Antiphili solae fuisse creden- 
dae sunt, quibus Hippolyli mors est repraesenlata. Quod ut 
per se speclalum facile intelligitur, ita magis confirmalur exem- 
plis anaglyphorum, quae quidem pieluram imilari veri est si- 
millimum,. Quum vero in Italia maxime cultus sit Hippolylus, 
quumque Aricinus ille Virbius vel maxime necalum a Neptuno 
Hippolylum referat, in Italia praecipue frequenlatum esse illud 
argumentum est consenlaneum. Haec autem velocis morlis 
repraesenlalio quam maxime convenit cum Blruscarum urnarum 
tristi granditale, praeserlim quum accedant equi in hoc genere 
monumenlorum acceptissimi. Saepe enim conspieilur in urnis 
Etruscis quadriga equorum in Acheruntis ostium vel veloci 








De Hippolyto Troezenio, 50 


cursu se praceipilantium vel certa mensura progredientium ; 
eaque repraesentatio variis argumentis myllieis uno allerove 
modo est adaplata. In Hippolytea autem fabula paullo immu- 
tari formam erat consentaneum: neque enim progredi in ea 
equos vel eurrere oportcbat, sed pavere et relrorsum exsul- 
tare. Biusmodi urnae hucusque innoluerunt qualluor: duae 
Clusinae editae sunt a Micalio (t. 32, 33): lerlia, item Clu- 
sina, descripla est a Braunio in relatione Clusina anni 1840, 
p. 151: quarta, quae Volaterris asservatur, ab Uhdenio (ser. 
acad. Berol, 1516. 17 p. 35). Quanquam hae duae, quas 
posteriores posui, non quadrigam osiendunt, sed bigam: nec 
minus in exhibendo monstro marino variavil arliieum inge- 
nium, Etsi enim plerumgque taurus est, tamen in secunda 
'arum urnarum, quas Micalius repraesentavit, leonis speciem 
habet: in duabus autem laminis aureis formae semicirculae, 
quas in Museo Brilannico exstare Birchius nuper cum nostra- 
libus communicavit (v. diar. a, 1846, p. 312), Hippolytum de- 
voraul equi Neplunii, ul bie prorsus alia ralione Hippolylum 
cum equo, Neptunio symbolo, coniunelum videamus. 

taque quum in anliauiore arte haud raro Hippolyli mors 
appareat, mirum est, in tanlo numero anaglyphorum Roma- 
norum, quae ad fabulas Hinpolyleas perlinent, tam raro mor- 
tem Bippelyli extressam reperiri. Nam praeler sarcophagum 
Agrigenlinum, qui omnes fabulae partes complectitur el ex 
antiguiore aliquo exemplo Auxisse videtur,, unus tantum in- 
notuit huc speelans in villa Rusconia, cuius descriplionem a 
Zoega factam Welckerus exhibuit in annolatione ad Philostra- 
tum , quem lamen et ipsum deterrimi laboris esse Zoega al- 
firmat. In co exstat quadriga equis consternatis, de qua de- 
eidit Hippolytus: versus eum brachium tendit femina alata, 
fortasse dea aliqua Ilalica in Dianae locum substituta. Quod 
autem lam saepe in Romanorum sarcophagis ipsum argumen- 
tum tractatur, eo consilio haud dubie factum est, ul triste 
Hippolyii fatum animis obducerelur: immo haec ipsa consue- 
Iudo ex urnarum Elrusearum usu manasse videlur, ut magis 


60 De Hippolyto Troezenio. 


mirum sit, summam rei, i. e. letum Hippolyli, non apparere. 
Cuius rei vix aliam causam invenio, quam quod recenlioris 
illius aevi mollities ab huius argumenti severilate abhorrebat, 
qualem quidem Etrusca ars imprimis adamarat. Itaque quod 
Zoega observavit, vilasse veteres arlifices eius argumenli 
Iristitiam, recle se habet, si ad anaglypha Romana spectamus, 
non item, si ad prioris aetalis artem. Vel illud est memoratu 
dignum , quod in sarcophago Agrigenlino, qui ceteris est et 
aetale et arte praestanlior, cerle ex anliquiore aliquo exemplo 
originem duxit, comparet mors Hippolyli, non comparet in ce- 
teris. Qui autem solus praeterea hanc mortem ostendit, ille 
a Zoega deseriplus in villa Rusconia, eius arlifex ipse quo- 
dammodo miligare studuit rei tristitiam addita dea tulelari. 
Immo in ceteris non casu omissam esse Hippolyli mortem vel 
lemporum iniuria eas partes periisse, sed consulto huius re- 
praesenlalionem vilalam esse luculento testimonio est unum 
eorum anaglyphorum , quorum descriptiones a Zoega faclas 
insigni sua humanilale mecum communicavit possessor Wel- 
ckerus. Est sarcophagus in palatio Lepri, cuius menlionem 
Zoega iam iniecerat in libro de anaglyphis Romanis I, p. 230 
et 238: eius in fronte expressa est venalio, qua Hippolylus 
aprum venabulo insequitur, Huic comes est dea tulelaris in 
modum Amazonum vestila, ei dextram praetendens, quam 
Zoega lunonem Amazonum interprelatur. Hippolylum antece- 
dunt duo alii iuvenes equis vchentes, qui aprum non ingre- 
diuntur: prae eis fugit cervus, quem canis insequitur. In al- 
tera parle frontis conspieilu: Hippolytus in vilam revocalus, 
quae res co indicala est, quod latera et crura faseiis sunt 
ligata: ei opposita est Diana, dextra eius peclus tenens: ad- 
ditus est senex equi frenum tenens, Hippolytum intuens, haud 
dubie paedagogus. In latere conliguo cernitur laurus furi- 
bundus, qui casam stramineam cornibus petit. Non est du- 
bium quin intelligendus sit taurus Neptunius, qui Hippolylo 
letum paravit, praeserlim quum additae sint in ulroque latere 
pinus Isthmum Corinthium significantes. Ut manifesto mortem 


De Hippolyto Troezenio. 6l 


Hippolyli in toto opere significare arlifex voluerit, sed ob rei 
tristiliam indicarit tanlummodo , non expresserit: etsi merilo 
quis quaeret hodie, num fasciis ligatus Hippolytus aptius arli 
argumenlum sit quam curru deieclus. Itaque quum labentem 
artem ab Hippolyli morte dedita opera abstinuisse videamus, 
mirum est, eandem non prorsus abslinuisse a cognato argu- 
mento, quod non modo Iriste, sed foedum est, quodque an- 
tiquior aetas merito repudiabat, Phaedrae dico exitium. Sci- 
mus enim in inferorum descriptione Polygnolum non sine 
magna verecundia pinxisse Phaedrae suspendium, quum speciem 
ei oscillanlis tribueret, teste Pausania X, 29, 2: nec novimus 
illud alias repraesentalum fuisse priore aelate. Verum pro- 
diit ex villa Munatia Procula pictura infimae aetatis et laboris 
deterrimi, in qua cum qualtuor aliis feminis mylhicis Phae- 
dra conspicitur laqueum tenens (v. Rochett. peint. ant. pl. 5): 
eamque non solam in suo genere fuisse Rochettlius docuit in 
censura libri Serradifalchiani allato loco Ausonii id. VI, 32: 

Respicit abieclas desperans Phaedra tabellas: 

Haec laqueum gerit, 
Hasce enim ipsas fabulas a suae aelatis imaginibus non alie- 
nas paucis versibus ante significarat Ausonius: 

Tota quoque a@riae Minoia fabula Cretae 

Picturarum instar tenui sub imagine vibral. 
At repulandum est, hoc genus piclurae multo eliam recenlius 
esse anaglyphis Romanis. 

In quibus quidem quo rarius ipsa mors Hippolyli effer- 
iur, eo saepius duae aliae parles fabulae, Phaedrae libido et 
venalio reperiuntur expressae , idque fere ila, ut in sinistra 
parte anaglyphi illa, haec in dextra expressa cernalur. Eius- 
modi anaglyphorum largam messem recensuit lahnius in sua 
de Hippolyto et Phaedra commenlatione inserla illa symbolis 
archaeologieis p. 300—330. Eodem tempore quum ego, in- 
scius Jahniani propositi, de hoc argumento dispularem (diar. 
arch, 5,) illis anaglyphis quae iam in lucem erant edita, alia 
addidi mihi cognila ex eis Zoegae descriplionibus, quas exi- 


62 De Hippolyto Troezenio. 


miae Welckeri humanitati debeo. Ac primum ut de ea parte 
agamus, qua Hippolytus cum Phaedra coniunclus vel polius 
non coniunelus cernitur, in anaglyphis videmus plerumque ab 
una parle sedere Phaedram eircumstantibus feminis, ab allera 
nulricem cum Hippolyto disserentem. Quaeritur aulem, ulrum 
haec duo scorsim cogilanda sint an una scena coniungenda: 
quarum senlenliarum quum ego priorem mean fecerim in 
eoque Euripidem maxime seculos artilices existimarim, alleram 
amplexus est lahnius. Ac video nunc equidem, me meam ex 
Euripide sumplam explicalionem festinantius ad omnia haec 
monunenla retulisse : nam in anaglypho Pisano, quod apud 
Lasinium est numero 75, Hippolylum ipsam Phaedram alloqui, 
eerte eam intueri recte lahnius animadverlit:.. verum in, hoc 
peeuliariter lusit arlikeis ingenium. Omnino enim variarunt 
hie illic artifices inslituli raliones, in quo. genere maxime 
memorabile id est, quod in labula Pompeiana, quam. Zahnius 
repraesenlavit ornam. I, Öl, nulrix dexira manu Hippolylo 
tradit epistolium , sinisira aulem slilum tenet. Quis tamen 
credat propterea in omnibus monumenlis, in quibus diplycha 
comparen!, rem ila intelligendam esse, ut nulrix ob verecun- 
diam rem in labula perscripserit, praeserlim quum hic eliam 
ea explicandi via paleal, ul nulrix responsum ex iuvene pe- 
tere credatur ? Quod aulem ad duas scenas in sinistra parte 
plurimorum anaglyphorum repraesenlalas allinet, cas revera 
duas esse ut iam ex ipsis anaglyphis salis probatur, ita ma- 
gis confirmalur auclorilale ineisi lapidis, quem in Museo Bur- 
bonico exstantem in fine huius disserlationis delineandum 
curavi. Habet enim hoc genus monumentorum illud _proprium, 
quod aliorum operum argumenla arlius conlrahit eogue luci- 
dius aperit arliicum sensa: ilaque in hoc etiam lapide vide- 
mus fabulae summam seilissime adornari. Columna enim in 
duas scenas dividit imaginem, quarum quae dexlra est, in ea 
conspieimus Phaedram "cum nulrice acriter colloquentem, in 
altera Hippolytus, cui opposilus est alius juvenis, cane de- 
leclalur. Non mirum quod in lam pressa composilione equus 


De Hippolylo Troezenio. 63 


desideratur,, qui in maioribus Hippolyto addi solet, praeser- 
lim quum canis salis praebeat atlribuli: sed egregie rem in- 
stituit artifex , quod iuvenem socordem fecit et ludendo in- 
tenium, quasi nescium fali imminenlis. Sed quod vel in lam 
minuta repraesenlatione duas aclionis partes discerni videmus, 
quae quidem in aliis minoris ambilus monumenlis in unum 
eontrahunlur, co fit probabilius, in maioribus eliaım duas sce- 
nas sumendas esse. 

Venalorem Hippolylum plerumque conspieimus in dexira 
parte eorundem anaglyphorum, ubi fere aprum Phliasium, se- 
mel leonem insequitur: ea re internoscitur liippolylus ab aliis 
venatoribus, quod equo vehitur chlamyde volante indutus. 
Permirum autem est, ei fere praeter venatores comiles addi- 
tam esse feminam galeatam, lunicatam, endromidibus indutam, 
quae eum protenso brachio lueri studet. Eam non debebam 
cum Zoega Dianam appellare, ovv9axov et ovyzuVraynv sane 
Hippolyli, ut verba sunt Euripidis: quae opinio omnino relel- 
litur exemplo illius sarcophagi in palatio Lepri. In co enim 
ut alias haec figura venantem Hippolylum comitalur: sed in 
allera parle eiusdem sarcophagi ipsam Dianam cernimus solilo 
habilu expressam, ut diversas personas esse intelligalur. Nec 
videtur tamen dubitandum esse, quin in anliquioribus arche- 
iypis Diana comes addita sit venanti Hippolylo: sed in eorum 
locum Ilalicam aliquam deam subslituerunt Romani, sive ca 
Virtus est sive Roma, sive Iuno Amazonum , de qua Zoega 
eogilavit. Jam quod ad habitum venantis Hippolyli allinet, 
vidimus eum fere chlamyde volante leviter amiciri, praelerea 
equo insidere, quo quidem ab aliis venaloribus discernilur. 
Sic et in sinisira parte eorundem anaglyphorum, ubi cum nu- 
trice colloquilur, equus addi solet cum comitibus, et in duabus 
eliam minoris ambitus tabulis, quarum una in Ihermis Tili est, 
altera Herculani, eguus additus est ad significandum Hippo- 
Iylum. Quam consueludinem equo Hippolytum significandi ex 
anliqua illa religione fluxisse jam supra monui: cuius memoria 
ut in Italia magis quam in Graecia servarelur, fecil lorlasse 


64 De Hippolyto Troezenio. 


Diomedis cultus in Italia vigentissimus. Nec obstat, immo 
opilulalur huic sententiae, quod Virbium nemus Aricinum non 
fas eral equis allingi teste Ovidio Fast. III, 265. 266: 

Hic latet Hippolylus furiis direplus equorum, 

Unde nemus nullis illud initur equis: 

nam amicas rationes cum inimicis in mylhologia saepenumero 
commulalas esse res est nolissima. Eodem speclat quod in 
duabus, quas supra memoravi, laminis aureis Musei Britanniei 


equi devorant Hippolylum. 
L. V. Schmidt. 








Ueber die friedlichen Verhältniſſe zwiſchen 
den Karthagern uud Hellenen. 


Für Seven der fih aufmerffam und innig mit dem Treiben 
der alten Welt befchäftigt, der das Völkerleben derfelben in feiner 
Wahrheit und Lebendigkeit zu erfaffen gefucht hat, muß fie fich zu 
zwei großen Gruppen geftalten, verfchieden in ihren natürlichen Be— 
dDingniffen, verfehteden auch in ihren menfchlichen Verhältniifen. Es 
ift die continentale öftlihe Welt mit ihren gewaltigen Ländermaſſen 
und großen Weltreichen, und die weftliche marttime mit ihren tau— 
fend Gliederungen in buchtenreichen Küftenländern, Halbinfeln und 
Inſeln. Mannichfach freilich greifen fie in einander über und auch 
die weftliche Gruppe erhält durch die Römer eine continentale Maffe. 
Aber doch ergiebt fich jene Anſchauung ganz natürlich von felbft, 
und weit davon entfernt, daß fie auf unferem gegenwärtigen re= 
fleetirenden Standpunft berubete, ift fie gerade den tüchtigften For— 
ſchern des Alterthums felbft eigen und mußte fie eigen fein. Hero— 
dot der die alte Welt in ihrer Frifche und Rüſtigkeit aus lebendiger 
Anſchauung in eifrigſter Wißbegierde erfaßte, er konnte fich nicht 
jene von Völkern des aſiatiſchen Continentes ausgegangene und 
durh die Vermittelung der Joniſchen Schule auch dem Occident 
überfommene Eintheilung der großen Erdinfel in drei Welttheile 
gefallen laſſen, wahrlich nicht aus Eigenfinn, wie man ihm nur zu 
oft vorgeworfen hat, fondern in der vollften lebendigſten Ueberzeu— 
gung, daß dies ein Unding, eine Lacherlichfeit fer. Und der ver- 
dienftwollfte Geograph des Altertbums, Eratosthenes, bei dem man 
meinen follte, fein mathemathiicher Sinn habe die phyfifche Anfchauung 
zurückgedrängt, konnte fi mit der überlieferten Anordnung nicht 
befreunden; er faßte das Baflin des Mittelmeeres als eine Einheit, 


als das große Thalgebiet von Küftenfandfchaften umgeben , deven 
Muf. f. Phil. R, F. VIL. 5 


66 Ueber die friedlihen Verhältniſſe 


verſchiedene Gliederung ſchon er vollfommen zu würdigen verftand, 
indem er die Bielgeftaltung der Europäischen Küfte mit der Ligy— 
hen, Italiſchen und Hellenifchen Halbinfel hervorbob '). Und die- 
fer Anordnung folgt noch in fpater Zeit, als für Die Nömer der 
weſtliche Theil der Ervdinfel ſich auch in feiner Breite aufzufchliefen 
angefangen hatte, zu nicht geringem DVerdienft der Spanier Pom— 
ponius Mela. 

Für die Kunde der Hftlihen Gruppe der alten Welt hat fich 
in den Testen Jahren ein reicher erft in dem Fortichritt der Wiffen- 
fchaft auszubentender Schatz erfchloffen, aber auch für die weftliche 
iſt noch unendlich Biel zu tbun. Das Mittelmeer in feiner phofiichen 
Einheit und in feiner ethnographifchen und ftaatlichen Vielgetheilt— 
heit, die fich doch wiederum durch Tebhaftefte Wechfelwirfung zu einem 
Ganzen geftaltet, darzuftellen iſt noch ein Problem der heutigen 
Behandlung der alten Geographie und Geſchichte. 

Bon dem vielbewegten mannichfachen Leben, das fi) auf die— 
fem durd feine Geftaltungen und feine Bedeutung in der Gefchichte 
der Menſchheit fo intereffanten Baflin entwicelte, wollen wir hier 
nur die friedlichen Beziehungen, die fih zwiſchen den Karthagern 
und Hellenen entwicfelten, in kurze Betrachtung ziehen. 

Die Bewohner der Oftfüfte, da wo das Binnenmeer in tiefer 
Bucht an die Culturlander Mefopotamiens und jene vom Indiſchen 
Meer tief in das Arabifche Hochland eindringende Wafferrinne hin— 
antritt, fie zuerft brachten die rings um das Thalberfen umbergela- 
gerten Küften in Berührung mit einander, und durch fie gehoben 
und angeregt entwickelte ſich allmählig auf ven nahe einandergegemüber- 
liegenden, durch eine lebendige Brücke vielgezackter Inſeln verbundenen 
Ufergeſtaden des ägäiſchen Meeres ein reges Leben, und durch die 
Vermittelung der Phönizier erhielten die Hellenen babyloniſches 
Maaß und Gewicht. Der weſtliche Theil des Meeres von den 
Phöniziern ſchon früh befahren, lag den Hellenen noch verſchloſſen; 

1) Sirab. I, 4, 7. p. 65 C. Sehr intereſſant in Betreff des Era— 
tosihenes find vie Worte Strabos im Anfang feiner Befchreibung Aftens 
Xl, 1. p. 490. C. önso oUr ’Eoaroo#vns &yp’ Öhms ıns olzovusvns 


&notnoe, Tovg'nzuiv Eni ıys Acias noımteov. Und auf diefer phyfiichen 
Eintheilung beruhen auch zum großen Theil die fogenannten Periplen. 





zwifchen ven Karthagern und Hellenen. 67 


denn ein befonderes Baffın fondert fich hier ab, indem von Norden 
wie ein Kiel vorgeſchoben — ein Bild deſſen ſich ſchon Die Alten 
bedienten — die fanggeftrerfte Apenniniſche Halbinfel vorkritt, und 
ihr gegenüber die Libyſche Küfte ihre größte nördfihe Ausdehnung 
erreicht, während zwifchen berven die Trinafrifche Inſel fich ſchiebt. 
Daß einft eine wirklich continentale Verbindung Hier beitanden habe, 
fiheinen die kleinen Inſeln und Felfen und die neuen Erhebungen, 
die hier Statt gefunden haben, anzudeuten ). As noch Hellas 
feine alten Achäiſchen Königshäuſer hatte, firfteten die Phönizier an 
eben diefer Küſte Libyens mehrere Colonieen, fo wie fie ganz Sici— 
lien mit Handelsntederlaffungen umfaumten. Aber noch che fih an 
einem dieſer Punfte das femitifhe Clement zu Fraftiger fraatlicher 
Einheit geftaltet hatte, warfen ſich Die Heflenen in ziveiter gewal— 
tiger innerer Erfihütterung auch nad) Welten und befesten die Süd— 
fpige der apenninifchen Halbinfel, das eigentliche Italien und die 
Dftfüfte eben jener Infel, die den Zugang in das weſtliche Baffın 
beherrscht und zugleich die natürliche Brüde zwiſchen der Libyfchen 
und der Europäifchen Küfte bildet, mit Niederfaffungen, die ven 
Keim frifchen rüſtigen Lebens in fich trugen. 

Diefer denfwürdige Augenblick iſt es zugleih, wo Karthago 
zum erften Mal aus dem Dunfel der Mytbe in das geſchichtliche 
Licht eintritt. Die Phönizier — fagt Thukydides ?) in jener un— 
fhäsbaren Einleitung zur Erpetition der Atbener nach Syrakus, der 
ja alfein wir eine authentiſche Geſchichte Der älteren Zeit Sieiliens 
verdanfen — wichen zurüd vor den Hellenen vom Oſttheil der Inſel 
und zogen fich auf Das Weftende zufammen, theils im Vertrauen 
auf die bier gefiedelte eigenthümliche Völkerſchaft der Elymer, 
theils weil von bier aus die Verbindung mit Karthago am Teichteften 
war. Mag nun der Gefhichtichreiber Hier unter Phönifern auch 
die phönififchen Koloniſten in Karthago mitbegriffen baben oder 
mag, was das Wahrfcheinlichere ift, die Stelle fo verftanden 
werden müffen, daß Karthago damals noch in treuem unfelb- 

1) ©. Humboldt relation III. p. 236. u. examen de l’bistoire de 


la geog. du nouveau monde I. p. 36. 
2) VL. c. 2. 


68 Ueber die friedlihen Verhältniffe 


ftändigen Filtalverbande den Phönikern einen ficheren Rückhalt ge- 
währte; genug bier zuerft tritt Karthago beftimmt vor feinen Schwe- 
fterftädten hevoor und in ein beftimmtes Verhältniß zu den Hellenen. 
Es war eine verhängnigvolle Nähe für den um dieſe Zeit zu eigner 
Thatkräftigkeit fich erhebenden punifhen Staat — dieſe rüftige Hel— 
lenenwelt; unbewußt wurde Karthago durch die Zeitumftände zu einer 
energifchen Handelspolitif bingedrängt, zu der das reiche von uns 
felbftändigen Völferfchaften befegte Land in feinem Rücken die Mittel 
darbot, Diodor hat ung in feiner vnowrızn (ec. 16) dag un- 
ſchätzbare Faftum aufbewahrt, daß die Karthager 160 Jahre nad) 
der Gründung ihrer Stadt die Pityufen ceolonifirten, alſo 15 Sabre 
nad) der Gründung von Syrafus. Aus diefer vereinzelten Angabe 
feben wir, wie die Karthager eben in jenem Andrang der Hellenen 
befliffen waren, ſich die Länder des Weftens und das Meer zu fi- 
chern, und fie wirft Licht in eine Zeit, aus der uns nichts Zuſammen— 
bängendes erhalten ıft. Aber es war auch Noth, daß die Nartha- 
ger mit Eifer an ihre Wohlfahrt dachten, denn die Lage Siciliens 
mußte von felbft die Helfenen in das weftliche Baſſin hineinführen, 
das der Samier Kolaeus, nad) Herodots (IV, 152) naiver Erzählung 
allerdings vollkommen unabfichtlih in feiner ganzen Lange durch— 
fehnitt und fo feinen Landsleuten ten Verkehr mit dem reichen 
Lande Tarfis „der Tartis, dem Yande der Nömifchen Turde- 
tani am unteren Laufe des Baetis, eröffnete, wohin bald die regen 
Phokäer nachfolgten, mit denen dev dortige Fürſt, nach Griechiicher 
Namenänderung, Arganthonios fo innige Freundichaft Schloß, dag er 
fie eingeladen haben ſoll fih bei ıhm anzufiedeln. Aber dazu Fam 
es zum Glück der Karthager nicht, wohl aber faßten die Phofäer 
an der Nordküſte eben des weftlichen Baſſins feften Fuß, unter 
nicht glückfichen Umftanden in Alalia auf Kyrnos, zu ewig blühender 
Handelsftätte in Maſſalia. Es ift bier nicht der Drt, über die 
Schwierigkeiten in Betreff der Feftfeßung dev Zeit diefer Anſiede— 
lung zu Sprechen ). Es iſt befannt, daß tie Karthager fi den 

1) Für mich bleibt in völliger Stärfe der Widerfpruch der Flaren 


Angabe des Thufydides l, 113. — wo nur Dederich (Rh. Muf. IV. p. 110) 
oi Pwozens Maoocklay oixttovres für „die Bewohner von Maſſalia“ 














zwifhen den Karthagern und Hellenen. 69 


Phokäern widerfesten und wiederholt, einmal Wenigftens verbindet 
mit den tyrrhenifchen Agylliern und den Etrusfern, den Kampf mit 
ihnen verfuchten. Uns die wir die friedlichen Verhältniſſe, von de— 
nen fein Schriftfiellee abfichtlich geiprochen, auffpüren wollen, ge— 
nügt e8, das Nefultat dieſes Kampfes anzuführen, daß auch hier 
das frifche Hellenenthum den Steg davon trug. Aus Juſtins Be— 
vicht (XLIII, 5) und aus der allgemeinen Sachlage mußte fchon Jeder 
vermuthen, daß nach der vergeblichen Anwendung von Gewaltmit> 
tefn fich die Nebenbuhler fern zu halten, die Karthager eine Frie- 
denspolitik mit Maffalta angefangen hätten, um fich nicht alle Vor— 
theile entreißen zu laſſen; in unferen Tagen bat uns die 1545 ber 
der anf der Dertlichkert eines alten Tempels ftehenden Kirche della 
mayor zu Marfeille, gefundene Infchrift, die Movers in dem zwei— 
ten Hefte feiner Phöniziſchen Texte fo ausgezeichnet ins Licht geftelft 
hat, darüber sollfommene Gewißhert verfchafft. Aus diefer Urkunde, 
namlich einem auf Befehl der höchften Farthagifchen Behörde ver 
Schoffetin und der Genpffenfchaften ’) im Baalstempel zu Maffalta 
aufgeftellten Defvet, das freilich nur die Anwerfungen für Opfernde 
enthalt 3, jeben wir, daß die Karthager eben in diefer Hellenifchen 
Stadt, deren Gründung fie fich mit folcher Gewalt wiverfest hat- 
ten, einen eignen Tempel mit befonorer Priefterichaft befaßen, alfo 
nach Analogie fo mancher Beifpiele, wie des Phöniziſchen Quar— 
erflären fonnte — mit derjenigen des Timaeus bei Schmnus Chins v. 210 
sq. daß die Stadt ſchon 120 Jahre vor der Schlacht bei Salamis gegrün— 
det ſei. Schwer iſt es jedenfalls den Thukydides eines Irrthums zu zeihen 
jelbjt in Diefen Begebenheiten die er nur ſummariſch erzählt, obgleih man 
anf der anderen Seite, wenn man annehnen wollte, daß die ältere Siede— 
lung verfommen wäre, fo Daß die Stadt durch die geflüchteten Phokäer 
wie von Neuem gegründet Hätte genannt werden fünnen, mit Herodots (I, 
167.) Erzählung in Gollifien geräth, nach der doch jedenfalls nur ein Fleiner 
Theil jener, Phokäer nach Maſſalia gegangen fein Fann- 

1) Daß namli die in der Inſchrift 3. 1, 2 u. 18, 19 genannten 
Schoffetin nicht eine eigene Karthagiiche Behörde in Mafjalia jet, wie de 
Saulıy und Judas annahmen, hat Movers zu zeigen gefucht p- 34 An 
und für fich übrigens fehe ic) nichts Unmügliches darin, wenn wir anders 
Schoffet als das nehmen, was ev urſprünglich war, als Richter. Eigene 
Richter mußten die Karthager natürlid” in ihrem Sandelsquartier haben, 
ebenfogut wie die Hanfen im Mittelalter. 

2) Sp nennt fie Movers p. 24 „die Copie eines für alle publica 
saera erlaffenen Defretes.” Ueber die berſchiedenen Beftandtheile deſſelben 
ſ. Movers p. 19. 


70 Leber die friedlihen Verhältniſſe 


tiers um den Kabiventempel am Aegyptiſchen Kaſion (Sanchoniathon 
p. 28) des befannten Duartiers in Memphis um den Tempel der 
Agooddrn Zewen (Herodot 1, 112.), in Serufalem, in Salyfos auf 
Rhodos (Diod. V, 58.), in Delos (O. J. 1, n. 227), ein Handels- 
quartier, deffen ſchützender Mittelpunkt diefes Heiligthum war, oder 
sielmehr wohl Das der Tanith, deren Eult fich Leicht an den ver 
Epheſiſchen Artemis anfchliegen mußte, wenn er ihm nicht vielleicht 
gar ins Leben gerufen hat. Denn wenn auch in diefer Inſchrift 
nur Baal erwähnt wird, fo fehlte Doch auch wohl hier nicht fein mächtt- 
geres weibliches Prinzip dem er untergeordnet war, Vergl. Movers 
p- 36. Nun fcheint nad) allen außeren und inneren Anzeichen, zu 
welchen letzteren befonders die hoben für die Opferthiere angefesten 
Preife in einer Landſchaft wie Südgallien gehören, diefe Urkunde 
zwar nicht Das vierte Jahrhundert wor unfrer Zeitrechnung zu über- 
fhreiten, ihr Inhalt aber, der neben Andern auch einen neuen An— 
fag der Preiſe ver Dpferthiere im Verhältniß zu den gefteigerten 
Preifen überhaupt und Abftellung beim Opfer eingeriffener Miß— 
bräuche umfaßt, fiellt dies Handelsverhältniß offenbar als ein viel ältres 
dar. Und fiherlich trat es ein gleich nach Beendigung jenes ver— 
geblichen Kampfes von Geiten der Karthager, und iſt wenigfteng 
nicht jünger als jener allberübmte erfte Handelsvertrag, den das 
dur Befreiung von despotiſcher Macht gleich Athen zu neuen 
Aufſchwung fih erhebende und zugleich; mit der Freiheit auch dem 
pffnen Seeleben fich mehr zumendende Nom mit der Libyſchen Han- 
delsitadt ſchloß; ja man könnte vermuthen, daß eben die Mafjalio- 
ten, diefe nach des Trogus Pomperus, der in den Berhältniffen die— 
fer Stadt beffer als jeder Andre unterrichtet fein mußte, auch fonft 
beftätigtem (Strabo IV, 1, 5. p. 180. Diod. XIV, 93.) Zeugnif 
(Suftin XLIII, 3 u. 4) feit den äfteften Zeiten mit Rom verbün- 
deten Freunde e8 Waren, die es mit den Karthagern in Verbindung 
feßten. Aber während wir über die viel unwichtigeren Handels— 
serbäftniffe mit den Römern durch des Polybios Eifer im Allge- 
meinen wohl unterrichtet find, find wir über die mit den Maffalioten 
vollkommen im Unffaren, und doch mußte Die Feftftellung derſelben 
bei Weiten größere Schwierigkeiten haben, da Maffalia ein Han 





CE TEE Zn ce 


swifhen den Rarthbagern und Hellenen. 71 


delsſtaat gleich wie Karthago war. Hatten nun in einem ſolchen 
fremde Kaufleute ihr eignes Etabfiffentent, fo mußten ſehr genaue 
Beftimmungen vorhanden fein, um die Colfifionen zu vermeiden. 
Vorzüglich fommt es darauf an, ob die Karthager von ihrem Em— 
porion aus mit dem Innern des Landes in diveeten Verkehr treten 
oder oh fie nur mit den Maffalioten direct Gefihäfte betreiben 
durften. In Aegypten freilich scheinen die Phönizier son ihren 
Duartier zw Memphis aus den Ni bis an die Außerfien Gränzen 
des Pandes hinaufgefehifft zu fein und ihren Handel ſelbſt betrieben 
zu haben, wie die Phöniziſchen Inſchriften an den Felſen bei vadi 
Halfa und auf einer der Statuen vor dem herrlichen Felfentempel 
des großen Rhemfes in Abu Sfimbel zu zeigen jgeinen, aber daß 
den Karthagern zu Maſſalia daffelbe freigeftanden habe, kann man 
doch wohl Faum annehmen. Höchft eigenthümlich mußte übrigens 
das Verhältniß immer fein. Denn die Maffalioten ſtanden befannt- 
lich durch Gallien und vermittelſt ver Galliſchen Völkerſchaften ın 
Verkehr mit Britannien, deſſen Producte, beſonders den ſo geſchätzten 
2400178905; die Phönizier um Hispanien herum herbeiſchifften. Saß 
nun auch eine Karthagiſche Handelsgilde begünſtigt und geſchützt in 
Maſſalia, wie verhielt ſie ſich zu dieſem Handel? wenn der anders 
in ſo alte Zeiten hinaufreicht, was allerdings der Fall wäre, wenn 
Lelewel mit Recht behauptete (Pytheas P. 30) daß der Bericht des 
Diodor (V, 22. ch. 38.) von jenem Handelsweg durch Vermittelung 
des Timaios aus Pytheas gefloſſen ſei. Sollten die Karthager 
ſelbſt vielleicht jenen Handel hervorgerufen haben ? da für den al— 
ten mit kleinen Fahrzeugen ſchiffenden Handel der Seetransport 
keineswegs dermaßen billiger war als der Landtransport, daß die 
Menge einen großen Umweg aufwiegen konnte, wie für die Athener 
im Peloponneſiſchen Kriege der Seetransport ihrer Korneinfuhr aus 
Euböa theurer war als der Transport zu Lande über Oropos und 
Defeleia (Thukyd. VII, 28), und da in Gallien die Flüſſe, befon- 
ders der tief ins Land einfchneidende Rhodanos fürbernd hinzukamen, 
fo daß die Waaren von dem reglamen Volk der Veneter nur 30 
Tage bis nah Maſſalia gebraugten. Wie nun diefe Annahme 
wohl zu Fühn wäre, fo wäre es auf Der andern Seite eben fo 


19} 


72 Ueber die friedlihen VBerhaltniffe 


Yächerlich zu behaupten, daß die Karthager ihr Quartier nur zu dem 
Zwecke in der Helfenifchen Stadt gehabt hätten um aus den Gal- 
liſchen Wölferfchaften Söldner anzuwerben. 

Mebrigens mußte der Verkehr zwifchen Kartbagern und ven 
Phokäiſchen Eofoniften ſehr bedeutend erleichtert werden durch Die 
Uebereinftimmung des urſprünglichen- Gelvfußes, indem das altägi- 
näiſch babyloniſche befonders durch die Korinthifchen Kolonieen im 
Weften verbreitete Geld mit dem Phöniziſchen vollkommen überein 
ftimmte, da das Didrachmon von 274 pariſ. Gran gleich dem Se— 
tel war. In der befprochenen Urkunde nun aber wird nach einem 
doppelten Sefel gerechnet, dem heiligen wohl dem einheimiſch Kar- 
thagifchen und einem fremden, Secel ser wie er genannt wird, der 
aller Wahrfcheintichfeit nach das durch die in Bezug Setzung mit 
dem Italiſchen Münzfuß auf Y feines Werthes herabgefommene 
äginäiſch korinthiſche Didrachmon ift (S. Movers p. 30). Gegen 
Ende des Aten Jahrhunderts verbreitete fi) auch in dieſe Gegen: 
den der Attifhe Münzfuß. 

Wie nun immer die näheren Beftimmungen des fo eigenthüm- 
lichen Verhältniſſes waren, wir fehen hier Karthager und Hellenen 
im friedlichen Verfehre und die Beziehung konnte, da die letzteren 
Sieger in dem feindlichen Konfliete gewefen waren pacemque vi- 
ctis dederunt, wie Suftin fagt (XLIII, 5.), offenbar nur gegenfeitig 
fein. Außerdem daß alfo die Maſſalioten ihre Kolonieen ungeftört 
über die Küften Galftens und Iberiens ) bis nah Mainafa, dem 
äußerften weftlichen Vorpoften der Hellenischen Welt nach dem Chier 
Sfymnos v. 146 ausdehnen und felbft Entdeckungsexpeditionen wie 
die des nur zu oft verbächtigten Pytheas und des Euthymenes, 
die unter diefer Beziehung erft ihr rechtes Lcht erhalten, in den 
Atlantifchen Ocean hinausſenden konnten, hatten fie unzweifelhaft 
auch Zutritt in Libyen, ja in Karthago felbft wielleicht ein Han— 
delsetabliffement 2). 


1) Im wichtigen Emporiai, das gewiß fehr directe Beziehung zu 
Karthago hatte,"zeigt fi der Cult der Tanith, der ſich gar leicht an ven 
der Ephefifchen Artemis anfchließen konnte. 

2) Zelewel hat in feiner mir nicht zugänglichen Abhandlung über 
den Handel der Karthager mit den Griechen, die im Öfen Bande der frans 





zwifhen den Karthagern und Hellenen, 73 


Wie wir nun an Maſſalia, mit dem die Karthager vielleicht 
zuerft von allen Hellenen in feindlichen Conflict famen, den deutli- 
chen Beweis auch geregelter befreundeter Verhältniffe haben, fo 
tritt uns dieſelbe Erſcheinung auch bei den Sefelistiichen Staaten 
entgegen, obgleich hier die Verhältniſſe unendlich mannichfach und 
verwicfelt waren. Wenn auch den Karthagern, fobald fie zu politi- 
[her Macht gelangten, einleuchten mußte, daß der Befis Siciliens 
eine Eriftenzfrage für fie fer, und wenn auch das Hellenenthum 
augenfcheinfich eine feindliche Macht für fie war: fo hatten fich doch 
theils durch die Natur und die Lage des Eilandes ſelbſt, theils 
durch immer neuen Zufluß von Coloniften und Aufnahme des vers 
wandten ſikeliſchen Namens die helleniſchen Staaten vafelbft zu 
ſchnell entwickelt, als daß fie daran denken konnten fogleich mit Ge— 
walt fie zu unterdrücen ; andrerfeits ftellten fie fi) den Hellenen, die 
fie freifich von der Kategorie der Puoßagoı nicht ausfchloffen, als 
eine fefte wohlgesrdnete und gebilvete Nationalität dar, — fo er— 
fcheint fie bet Ariftoteles nicht nur fondern auch bei Eratosthenes 
(Strab. I, 48.) — in der Theodorus Metochita wohl nicht ganz 
mit Unvecht eine Mifchung des fpartanifchen und athenifhen Cha- 
vafters zu erkennen glaubte. So gefialteten ſich auf Sicilien ganz 
eigenthümliche Verhältniffe, in deren nähere hiftorifche Entwicelung 
wir hier nicht eingehn können, die aber nun ins Umendliche ſich ver- 
wiefelten durch die ungeheure Dscillation, die wir überhaupt in den 
Siciliſchen Angelegenheiten wahrnehmen, und die einerfeits auf den 
verjchtedenen Nationalitäten beruhete, welche bier durch einander 
gewürfelt waren und fich bald in zwei mehr oder minder compaeten 
Maffen einander'gegenüberftellten, als Chalkidiſch Joniſche und Syra- 
fufifch Dorifche Conföderation —, dann auf dem eigenthumlichen 
Charakter, den die Sikelioten annahmen und der fih fo denfwürdig 
in der wandelbaren Gefchichte von Syrafus ausfpricht. 

Die feindliche Berührung mußte natürlich zuerft im weftlichen 


zöftfchen Ueberfeßung feiner Werfe erſcheinen follte, auch aufgeftellt, daß vie 
Maffalioten Smporien in Libyen hatten. In feinem Pytheas, wo er diefelbe 
Anficht erwähnt, führt er dafür aber nur Juftin 43, 5. an, wahrfdjein- 
lich wegen exereitus und piscatores. Der erfte Ausdruck it aber wohl 
nicht fo genau zu nehmen, 


74 Ueber die friedlihen VBerhältniffe 


Theil der Infel Statt finden, wo das Phönififch Punifhe Element 
in feſter Anfievelung, dor die Nähe Karthagos den Rücken deckte, 
begründet und das Helfenenthum am fehwächften war 1), und hier 
mifchte fich dann in den Kampf jener eigenthümlich vomantifche Spar- 
taniſche Charakter, der feines Thrones verluflig gewordene Könige: 
fohn Dorieus, der als entfihieden fanatifcher Feind der Punier nä— 
here Beachtung verdient, Gerodot V, 465 Juſtin XIX, 1. hat dar 
ang einen Arieg der Spartaner und Karthager gemacht), Zur 
felbigen Zeit, in eben jener Periode, wo hier in dem weftlichen 
Baffin eine überaus intereffante Berührung der verfchtedenften Na: 
tionalitäten Statt hatte, lebten die Karthager mit den mächtigen 
Staaten des Dfttheiles der Infel im tiefften Frieden und in den 
freundſchaftlichſten Beziehungen, die ſich fogar auf gewiſſe Epigamie 
erftrecite, wie wir aus dem vereinzelt uns aufbewahrten und und 
um fo unfchäsbareren Factum erfehen, daß Hamilkar eben jener aus— 
gezeichnete Schoffet, der „dann als der Perſiſche Koloß vom Dften 
ber fi auf das Heine Hellas warf, vom Welten nad mir un- 
zweifelhaften Bündniß ) das Hellenenthum anguff, eine Syrafufa- 
nerinn zur Mutter hatte (Herodot Vil, 166: Keoymdornos eo 


$) ach Zuftin XVIII, 7 hatten die Karthager ſchon vor dem Feldzuge 
des Malhus auf Sardinien lange in Sicilien glücklich gefämpft, alſo vor 
550, wenn Beeren (Ideen Ate Anflane P. 67 u. 68 Note) Malhus richtig 
wig es ſcheint anfeßt- 

2) Diefes Bündniß hat viel mehr Wahrfcheinlichfeit, wenn man 
einerfeits bedenkt, daß die Perfer im Beſitz der Mutterftadt waren, daß fie 
die Rhönifer und beffer die Tyrier die fich zur Zeit des Kambyſes gewei- 
gert hatten, gegen ihre Tochterftadt ihre Streitfräfte herzugeben, doch wer 
nigftend zur Bermittelung eines Bündniffes mit dem mächtigen Karthago 
gebrauchen Founten, andrerfeits aber, daß vertriebene Sifelioten Dei dem 
Berferfönige waren, die ihn auf Sifelien aufınerffam machen mußten und 
ihm von allen Verhältniſſen die beite Auskunft gaben. Sp beſonders Der 
von feinen Landsleuten fo unwürdig behandelte Herrſcher von Zankle, Sky— 
thes, der ſchon zu Dareios ging, aber wohl fiher noch unter Xerres lebte, 
da er erft im hohen Alter ftarb (Herodet VI, 24.) Niebuhrs Standpunft 
aber diefer großen punischen Expedition gegenüber, Tie er für eine der fa— 
belhafteften Erzählungen des ganzen Alterthumes hielt und kaum gnädig 
genug war auch nur den Fleinften Hifterifchen Grund als vielleicht möglich 
zuzugeben (ſ. feine Vorlefungen über alte Gef. Hp. 123—125), ift ein 
dermaßen Iyperfritifcher und bier auch wirflich jeden Grundes entbehreuder, 
daß man nur mit tiefem Bedauern den großen tiefdenfenden Mann fich 
fo weit von vorgefaßter Meinung fortreißen laſſen ficht, Sch werde dieſen 
Punkt ansführlich in meiner kritiſchen Gefchichte Karthago's behandeln. 


— —— 








zwifhen den Karthagern und Hellenen. 75 


ng0g naroog untoodev d& Ivoazooıog). Eben diefer Hamilfar 
hatte auch mit dem Tyrannen son Himera Terillos enge Gaſt— 
freundfihaft (Herodot VIL, 165.3. Leider find wir über Die näheren 
Verhältniſſe vollkommen im Unklaren; nur das fehen wir, daß Die 
Karthager ungeheure Bortheife in den Helfenifchen. Emporien hatten 
und fie ganz beberrfihten. Auch das erfahren wir auf indireftem 
Wege aus jener wohl unzwerfelhaft auf hiitorifchen Daten beruhen» 
den Teivenfchaftlichen Nede (roArog Evexeızo) des Fräftigen Syra— 
fufanifchen Gewaltherrſchers Gelon bet Herpdst VII, 158, mit 
der er die Anforderungen der Abgeoroneten der Conföderirten des 
Mutterlandes abweift, ohne Theilnahme am Dberbefehl ihnen feine 
Streitfräfte gegen die Perfer zuzuführen. Hier wirft er ihnen vor, 
daß fie früher als er fi mit ven Karthagern überworfen, feine Auf- 
forderungen zum Beiftand die Emporien frei zu machen (10 Eu- 
nög:a ovveievdegoöv), wobei er fie zugleich an tie zu nehmende 
Rache für den Tod des Dorieus gemahnt habe, unbeachtet gelaffen 
hätten. Daß hier die großen Handelsmärkte von Syrafus, Agri- 
gent, Gela und der anderen öftlichen Staaten zu verftehen find, 
zeigt eines Theils die Sachlage felbit, dann aber die Begründung 
Gelons, daß eben die Helfenen des Mutterlandes aus diefen Em- 
porien fo großen Vortheil zögen (an’ wv Univ ueyahar wgpehlar 
TE zul Enavg£otss yeyovaoı ). Mir fohen alfo deutlich, daß 
wahrlich nicht erſt zur Zeit Dionyſios des Aelteren jenes Verhält— 
niß eintrat, daß die Karthager in ſo überaus großer Anzahl nicht 
allein in Syrakus ſondern auch in andern Städten der Inſel ange— 
ſiedelt waren, daß die Beſchlagnahme ihrer Güter einen ſo bedeu— 
tenden Gewinn gewähren konnte (Diodor XIV, 46.). Es kann 
zum Beiſpiel kaum fraglich ſein, daß der Geloer Sabyllos, der den 
Tyrann von Gela Hippokrates den Vorgänger des Gelon ermor— 
dete, von Karthagiſchem Geblüt war (Herodot VII, 154.). 

Unter Gelon nun, der dem Uebergewicht der Karthager 


1) Daß die Karthager ſchon im Jahre 509; a. u. c. 244. bedeutend 
mehr befaßen als jene drei Dandelspläse im Weiten, geht doch wohl aus 
den Worten des eriten Tractates mit Nom hervor Zızeiter 5 auroi 
Enaoyovow, womit doch ein anfehnliches Stück der Inſel bezeichnet ift, 
eine wirfliche Errroxgte, eine ganze Provinz. 


76 Ueber die frievlihen Verhältniſſe 


entichieden entgegentrat und wohl eben im dieſer Abficht beſonders 
Syrakus ſo gewaltig vergrößerte, wurde das friedliche Verhältniß 
zwiſchen den beiden Nationen in dieſem Theil der Inſel zuerſt wie 
es ſcheint getrüht, aber der Zwiſt wurde beigelegt, nach Gelons 
eignen Worten vortheilhaft für die Hellenen (air ed yao yuiv 
zul Eni 10 Queıwov zar&orn) — während die folgenden Worte 
vov dE Eneidn neoıehAnhvdE 6 noleuog zul anizru 
Es vueag deutlich zu zeigen ſcheinen, daß es wirklich zum Kriege 
gefommen, Auch jener große Kampf, in vem wie befannt die Seli— 
nuntter auf Seiten der Karthager flanden, endete durch ein unglüd- 
liches Mißgeſchick im böchften Grade verderblich für die Letzteren; 
es ward Friede gefchloffen und das alte friedliche Verhältniß trat 
wieder ein, wenn auch wahrfcheinfich mit größeren Beſchränkungen 
der Punier. 

Ein Tebendiger Beweis diefes friedlichen Verkehrs find Die 
Sikeliſch Puniſchen Münzen, gefihlagen wie fie find in ven Puni- 
fchen Städten ver Inſel, nicht allein in Panormos, ſdas bier als 
Machanath erſcheint — nad Gefenius ser. 1. Phoenieiae monum, 
p. 228 ss.: caslra, nach Kopp mit dem Griechifchen Namen über: 
einffimmend: complexus porluum] wie man vor Kopp meinte, 
der im zweiten Bande feiner Bilder und Schriften diefen Gegen- 
ftand berührte, fondern auch in Herakleia Minya, oder vielmehr rus 
Melkartb, und in der nach dem einftimmigen Zeugniß von Diodor 
XIV, 68 und Paufanias Eliac. I, 95, Acht Puniſchen Stadt 
Motye, von Hellenifchen Künftlern '), in Helfenifchen Kunſtgepräge, 
nach dem gangbaren Siciliſchen Münzfuß und nur mit Wunifcher 
Schrift verjeben, offenbar um dem gegenfeitigen Handel mit ven 
beflenifchen Einwohnern der Inſel zu dienen. Denn Karthago, ob- 
wohl als Staat, deſſen Politik nad Divdors wohlgewählten Aus— 
druf Tag zuran)ovrouezeiv war, feineswers arm an Silber 

1) Daß Griechiſche Künstler diefe Münzen bearbeiteten fcheint außer 
der Griechiſchen Schönheit der Kunft auch daraus hervorzugehen, daß die 
Schrift nicht immer confeguent nach dem femitifchen Syſtem behandelt ift, 
(ſ. Gesenius pl.38, IX, 1. el. p.290 Eckhel: nummi veteres tab. II n, 
14) — obgleich das mehr Zufall zu fein fcheint, da wir den Griechifchen 


Stempelfchneidern Faum fo große Kenntniß des Puniſchen zutrauen dürfen, 
um die fremden Buchftaben fo Fritifch zu Behandeln, 








zwifhen den Karthagern und Hellenen. 97 


und Gold fondern — nad) des wohlfundigen Syrafufaners Hermo— 
frates Ausfage in der herrlichen Rede bei Thukydides VI, 14., die 
ficher fo wenig wie die übrigen Reden aus der Luft gegriffen 
ift und fich jedenfalls auf die genaue Kenntniß ſtützt Die der trefflichfte 
aller Zeitgenoffen vom Thatbeftande hatte — der reichfte Staat zur 
Zeit des Peloponnefiichen Krieges, hatte befanntfih nur ein »0- 
wioua Enıywgıov, das Ledergeld, Feine auswärts gangbare Münze. 

Die nun diefe Münzen eine Berudfichtigung der Hellenen 
son Seiten der Punier an den Tag legen, jo zeigen andere den 
engen Anfchluß an viefe von Seiten Jener. Das ift die höchſt ins 
tereffante Erfheinung, daß eine gewiffe Gattung Syrafufiicher 
Münzen Puniſche Schrift aufweifen, die eben nah Gefenius’ 
(mon, Phoen. p. 295) wohlbegründeter Erffärung fie als biefer 
Stadt zugehörig beurfundet, wahrend doc) die Punier, fo oft fie auch 
diefe mächtige ohne ihre unaufhörlichen Bürgerfehden wohl jeder an- 
dern Hellenifchen überlegene Stadt Syrafus belagerten und manch— 
mal nahe genug daran waren es einzunehmen, es nie befeflen haben. 
Auch haben die Münzen einen durchaus acht Sikeliſch einheimiſchen 
Typus nicht wie die Panormitaniſchen, find alſo offenbar son der 
freien helleniſchen Bürgerfhaft von Syrafus des Handels mit den 
Puniern halber gemünzt und zeigen eben die außerordentliche Rück— 
fiht, die man auf die Punier nahm, da eigentlich dieſe dag Geld 
nur wieder im Verkehr mit Hellenen brauchten. 

Außer diefen Har zu Tage liegenden zeigen fi) aber noch 
andere Zeichen dieſes friedlichen Verkehrs zwifchen den beiden Na— 
tionalitäten auf der Inſel. Dahin gehört das zahlreiche Erfcheinen 
von goldenen und filbernen Pentobolen, das Böckh in feinen metro— 
logiſchen Unterfuchungen (S. 329 vgl. ©. 336) aus der Rückſicht auf 
den Aeginäiſch Karthagiſchen Münzfuß erklärt, indem fie zugleich 
balbe Bunifche Drachmen waren. Das Weitere will ich hier nur 
im Allgemeinen berühren, da Böckh felbft gefteht (S. 333) daß bei 
dem, was er den Karthagifhen Münzfuß in Sieilien nennt, unſi— 
here Vorausſetzungen unumgänglich find; theils gehört es nicht 
eigentlich in unfere Betrachtung, wenn anders, wie Böckh (S. 334) ver- 
muthet, die großen Agrigentiniſchen Münzen z. B. welche Aeginäiſch 


78 Veber die friedlihen Berhältniffe 


Puniſchen Fuß aufwiefen, vielleicht zur Abtragung des Tributes an 
Karthago beftimmt waren. In Betreff aber ver höchſt eigenthüms 
lichen, vielbeſprochenen Münzen, die man nach Pelleries (III pl. CX 
n. 33, 34) und Edhels CD. N. I, p. 201) Borgang (vgl. Seſtini 
lettere numism. I ©. 52, Geſenius monum, p. 271 sqq. Böckh 
©. 331) Kamarina beilegte, haben jüngere Forfchungen Raoul— 
Rochette's ein andres Refultat geliefert, die zeigen daß diefe Müns 
zen dem durch feinen traurigen Untergang durch neidiſche Nachbaren 
und durch feine bedeutenden Acht Phöniziſchen Monumente fo interef- 
fanten Phöniziſchen Marathus angehören '). 

Die Betrachtung der Verhältniſſe der Sikeliotiſchen Staaten 
mit Karthago führt uns in mehrfachen Beziehungen nad Athen 
hinüber. Denn Sieilien war es was Athen mit Kartbago in poli- 
tifche Beziebungen brachte. Die ganze Yage und Die ganze Ent- 
wickelung feiner Gefchichte wieß Athen freilich mehr nach jener In— 
felgruppe und den buchtenveichen Küften Klein-Afiens hinüber, aber 
doch hatte Athen fobald es anfing in freiem Aufſchwung fich zu er- 
heben, feine Blide aud nad Italien und Sieilien gerichtet, Athen 
hatte cine zaruıa Zuunayia mit den Challidiſchen Stanten der 
Inſel, wie eine nicht benußte Stelle des Thufydives IH, 86. ſagt, 
und befonders Themiſtokles war 08, der dieſen Meeren feine Blicke 
zuwandte. Nun zeigen die Sitchjchen Münzen, wie Böckh im 22Xften 
Abfchnitt feiner metrologifchen Unterfuchungen machgewiefen hat, 
fhon um Ol. 70—80 den Attifhen Münzfuß, die Karthager alfo 
münzten ihre Sikeliſchen Münzen nach Attiſchem Fuße. Ohne 
Zweifel kamen die Atbener fchon vor dem Peloponneſiſchen Kriege 
mit den Karthagern in Handelsberübrung, daß aber Rarthagifche 
Producte auf den Attifchen Markt kamen befunders ausgezeichnete 
Teppiche — Karthago war bekanntlich wie die Mutterftadt in ver 
Weberei ausgezeichnet, und Polemon der Perieget fchrieb fpäter 


i) R. Roch. sur la croix ansee, Paris 1846 p. 66 fi. R. Rochette 
übrigens hatte diefe Anficht Schon 1853 in einer befondern Abhandlung, Die 
jedoch nicht gedruckt wurde, über die urfprüngliche Gottheit der Aſſyrer und 
Phöniker, wofür er eben das auf diefen Münzen dargeitellte ganz augenjcheins 
ih kosmogoniſche Wefen hielt, aufgeſtellt. S. galerie mythologique 
par Lenormant et de Witte, Paris 1835 p. 59. 





swifhen ven Rarthagern und Hellenen. 79 


ein eigenes Werk neo! zw» ev Kagyndovı nenkov (Athenaeus 
Xil, p. 541 A. vgl. Alra tapetia bei Vopiscus vit. Aureliani c, 
2) — und buntgeftickte Koyffiffen, erfahren wir beftimmt aus den 
Phormophoroi (Athenaeus I, 49 p. 275 Com. frgm. Meinek. p. 
407) des Dichters der alten Komödie Hermippos, des jüngeren 
Zeitgenoffen und heftigen Gegners des Veriffes, den er als Paoı- 
)eug Iarvowv verfpottet. Die Phormophoroi aber wurden auf 
geführt zwiſchen DI. 87, 5 wo der darin erwähnte Ddryferfürft 
Sitalfes Bundesgenoffe der Athener wurde und DL. 89, 1 wo er 
getödtet ward, eine Zeitbeſtimmung, auf die wir uns hernach noch 
wieder berufen müffen. Gewiß famen auf das Weltemporion 
Athens damals außer den erwähnten auch noch andere Gegenftände, 
befonders Sklaven, die Karchedoniſchen Steine und Andres, genug 
es war lebhafte Handelsverbindung zwifchen beiden Städten da. 
Bald nad diefer Epoche nun kamen die Athener durch das Ueberge— 
wicht der eraftirten egoiſtiſchen Partei in ganz andre Beziehung zu 
Karthago. Alkibiades wenigftens und fein Anhang betrachtete Si— 
felten nur als die Brücke und das Mittel (erıdaIoa und epodıa 
700 nokeuov), wie Plutarch (v. Aleibiadis ©. 17 wonit vgl, Thu- 
fod. VI, 15, u. 70:) fo gut fagt, zu größern Unternehmungen, 
die Eroberung Karthagos mit feinen reichen Beſitzungen fchwebte 
ihm klar vor Augen und es nahete fih der Augenblick, wo Die 
Furcht der Karthager, daß ihnen Athen einst auf den Nacken 
fommen würde, in Erfüllung gehn Fonnte. Daß die Karthager, die 
gewiß mit gejpannter Aufmerkſamkeit der Entwicelung der Angele- 
genheiten in Hellas folgten, wirklich dies befürchteten, darüber be— 
fehrt uns ausdrücklich wieder jener trefffihe Ariſtokrat Hermofrates 
in derfelben Rede an feine Landsleute, worin er fie warnt vor der 
Gefahr und ihnen vath fich auch an Karthago um Hülfe zu wenden 
(Thuk. Vi, 34: dozei de nor zul &g Kaoyndova aueırov elvaı 
n&upaı: 0V yao aveinıorov avrois alk ası dia Yoßov Eıol 
un nore AdImvaloı avrols Eni ımv norm EIdwoıv), Aber ganz 
anders ftel das Refultst der fo glänzend unternommenen Expedition 
aus und im erjten ablühlenden Winter des Feldzuges fahen die 
Athener ſich bewogen Karthagos Hülfe in Anfpruch zu nehmen — 


80 Ueber die friedlichen Berhaltniffe 


ein höchſt eigenthümliches Verhältniß, das Taum zu Etwas führen 
fonnte, wie denn auch Nichts von dem Erfolg diefer Geſandſchaft 
gemeldet wird; denn hingeſandt nach Karthago wird wirflich eine 
Athenifche Triere, wohl nicht das erfte Attifche Schiff das die Li— 
byſche Handelsftadt berührt hatte (Thukyd. VI, 88). 

Wire Athens Expedition gegen Sikelien gelungen, fo wäre 
ein Krieg auf Leben und Tod mit Karthago die unausbleibliche Folge 
gewefen; Athen erlitt gänzlihe Niederlage, ward auch in der Hei— 
math gevemüthigt und die friedliche Beziehung zu Karthago Fonnte 
darunter nur gewinnen. Wir haben davon ein vereinzeltes aber 
höchſt merkwürdiges Zeugniß. Das Kyrenärfche Silphion war be- 
fanntlich ein in der alten Mediein außerordentlich geſchätztes Uni— 
verfalmittel, das auch felbft in andrer Zubereitung zur Speife 
diente, Es fam früh nach dem eigentlichen Hellas, wo man ver- 
geblich bemüht war es einheimiſch zu machen. Hermippos in der 
oben angeführten Komödie erwähnt es als Die charafteriftifche 
Waare Kyrene’s und aus den DI. 88, 4, alſo um dieſelbe 
Zeit vielleicht fogar im felben Jahre, aufgeführten Rittern des 
Ariftophanes V. 890 werben wir dur einen etwas derben Spaß 
belehrt, Daß Kleon durd) irgend eine ung unbefannte Mafregel, 
die zu kennen überaus intereffant fein würde, den Preis des Sil— 
phiong bedeutend herabgedrüct hatte, Nun wird im Glaukos, einem 
Stürfe der mittleren Komödie, das mag es nun dem Eubulos vder 
dem Antiphanes gehören, worüber nach dem Widerſpruch des Pollur 
(VI, 67 p. 28 Frel.) und des Athenaus (Cl, 49 p. 63 Dind.), 
dem Eufiathios (ad Hiadem p. 867 , 45) Beitritt, felbft Meinefe 
nicht ganz gewiß iſt Chist. crilica p. 360), etwa um DL. 100 
fallt, das Silphion Furzweg als aus Karthago Fommend angeführt 
(Athen. 1. c.). Ein Irrthum des Komikers iſt unmöglich, das 
Batlu silphion fannte ſchon wohl jedes Hellenifhe Kind in der 
Wiege und wir müffen diefe Erſcheinung vielmehr zu erflären 
fuhen. Hier nun fommt uns Strabo zu Hülfe, der befüm- 
mert wie er ift um Ein= und Ausfuhr mancher Städte, im 17ten 
Buche (c. 3 20 p. 495) angibt, daß die Karthager im Winkel 
der Syrte in Eharax das Silphion aus Kyrenaia heimlich gegen 





zwifhen den Rarthagern und Hellenen. 81 


Wein!) ausgeſchmuggelt hätten. Es ſcheint alſo daß dieſe Schmug— 
gelei in ſo großem Maßſtabe geſchah, daß die Karthager mit dieſem 
ächt Kyrenäiſchen Produkt auch andere Völker verſehen konnten, und 
dies iſt erklärlich, wenn wir bedenken, daß auf dieſes koſtbarſte aller 
ihrer Produkte die Kyrenäer einen ſehr hohen Ausgangszoll geſetzt 
hatten und doch bei der Breite der Gränze, womit das Ländchen 
an Libyen anlag, die Schmuggelei unmöglich verhindern konnten. 
Nur wäre es ſehr intereſſant zu wiſſen, aus welchem älteren Schrift— 
ſteller der Geograph dieſe Nachricht hat; denn von einem längſt 
verfloſſenen Zeitpunkt kann er natürlicher Weiſe nur ſprechen. Um 
eben die Zeit, in welche der Glaukos fällt, müſſen wohl die lang— 
wierigen Land- und Seekriege fallen, die Karthago und Kyrene nach 
Salluſts Erzählung (Jugurtha c. 76 vgl. Valerius Maximus V, 
6. ext. 4 aus andrer Duelle, und Servius zu Virgil Aen. IV, v. 
42) geführt haben, die allerdings von vorn herein nicht fo unwahr- 
ſcheinlich ift, da zwifchen diefen beiven Gränzftaaten, welche das ver 
Kyrenaia eigenthümliche Silphion abgerechnet ungefähr gleiche Pro- 
dufte erzeugten und aus dem Innern des Erotherles faft diefelben 
Gegenſtände berbeiholten, mehr Gelegenheit zu Neibungen als zu, 
friedlichen Verkehr vorhanden war. Daß übrigens die Kyrenäer 
nach den Karthagiſchen Pläsen bandelten, werden wir hernach be— 
ftätigt fehn. 

Um nun auf Athen zurüczufommen, fo haben wir auch eine 
andre etwas nach der erwähnten Zeit fallende Notiz von dem 
Handel der Kartdager mit Athen, und zwar betrifft diefe die Rück— 
fragt, die fie dort nahmen. Der fo forgfältige Skylar nämlich, 
der um DI. 10%, 0; , alſo um die Mitte des IV. Sahrhunderts 
ſchrieb, berichtet in feinem Peripfus (III p. 54 Hudfon p. 248 f. 
Klaufen), wo er von dem intereffanten Handel der Karthager auf 
dem Atlantifchen Kerne Spricht, daß fie den Barbaren unter Anderem 

1) Die Karthager müffen viel Wein gebaut haben. MWenigftens be: 
jprad) der alte Mago, der wenn ev Muße von Kriegen hatte, e3 nicht un: 
ter feiner Würde hielt, ſich mit der Landwirthfchaft zu beſchäftigen, um 
dadurch dem menfchlichen Leben gleichfam feinen Tribut zu bringen (Colu— 
mella XII, 4, 2) in feinem Werfe fehr viel die Behandlung des Meinftocfes 


j..&olum. Ill, 12,.5.,111,,.15,;4 u.,5..1V, 10.,V.5, 4, XII, 39,1 u 2% 
Palladius de re rusti. ed. Mai. VII, 1. 


Muſ. f. Philol. R, 5. VII 6 


82 Weber die friedlichen Berbältniffe 


auch Topfgut zufübrten, welches fie auf dem Attifchen Markt fauf- 
ten, eine keineswegs in Zweifel zuziehente Angabe, wenn wir die 
Berühmtheit der Attifchen Töpferwaare und den auggebreiteten Han— 
del bedenken, der in dieſer Specie betrieben wurde, 

Es ıft nach dem Gefagten durchaus wahrfcheinlih, daß in 
Athen felbft wenigftens in der jüngeren Zeit Karthager angefievelt 
waren, obgleich ſich bis jetzt, während von Phöniziern mehrere Lei - 
henfteine in Athen gefunden find '), die beftimmt anzeigen, daß die 
Phöniker eine befondre Priefterichaft, alfo wohl ein befondres Quar— 
tier bier befaken, ja daß ihnen felbft Epigamie zuftand, Feine fichere 
Urkunde darüber gefunden hat. Das einzige mir bekannte Beiſpiel 
ift der Aufenthalt des Karthagiichen Philoſophen Hasdrubal in Athen 
in der Zeit zwifchen dem zweiten und dritten Punifchen Kriege, wo 
er unter dem Namen Klitomachos als Freund des Karneades einen 
nicht ganz unbedentenden Pas unter den Philofophen der Afademie 
einnabm (Diogenes Laertius IV, 10, 67; Cicero quaestt. academ. 
IV, 31 -und öfter). 

Wenn nun die Kartbager mit den Athenern in folhem Han- 
delsverhältniß ftanden, fo tft fchon von vorn herein anzunehmen, daß 
fie befonders in der alteren Zeit, als noch Korinth das Haupt- 
emporion won Hellas befonders für die ans Dften und Weſten 
fommenden Waaren war, in der Stadt der ihnen verwandten ja 
wohl ficher von ihrem Mutterlande abgeleiteten Aphrodite Urania, 
wo aller Wahrfcheinlichfeit nach ein Phöniziſches Quartier beftand 2), 


1) ©. die 4 Athenienses bei Gefenius ser. I, Ph. monumenta, 
wozu noch eine neue bilingue am Aten Mai 1841 im Peiraieus gefundene, 
yublicirt journal des savans 1842 p. 513 ff. beffer von Movers, Phöniziſche 
Texte I p. 82 nebenher. Das Bhönizifche heißt Inteinifch nad) feiner Er— 
flärung: ego Asaphat filia Esmunsillem Sidonia [nur das jteht in dem 
Griechifhen Tert: Aosmıe Zvusdnuov Zıdwvie]. Quod posuit mihi lit- 
tenbel filius Esmunzalach princeps sacerdotum quorum deus Nergal. 
Hier iſt alfo beſtimmt von einer Bbefondern Priefterfchaft die Rede, alfo 
Phöniziſches Quartier, das auch aus Atheniensis IV fich ergiebt. Aus C. 
I. n. 906 und aus Attica III ergibt ſich Epigamie; denn wenn nicht die hier 
erwähnte Irene in eine Phönizifche Familie verheiraihet gewefen wäre, fo 
würde Fein Grund vorhanden gewefen fein, auf ihren Grabftein neben der 
Griechiſchen auch eine Phönizifche Inſchrift zu feßen- 

2) ©. meine Difſertation: commercii mercaturaeque Corinthiorum 
historia p. 7. 





ul BERN 


m mn an 


— —— — — — — 





zwiſchen den Karthagern und Hellenen. 83 


nicht unbedeutende Beziehungen gehabt haben, wozu ſie ſchon ihr 
Verhältniß zur Tochterſtadt Syrakus führen mußte. Auch hat ſich 
ein kleines Zeugniß für dieſen Verkehr erhalten, was in dieſen dun— 
keln Verhältniſſen, über die kein alter Schriftſteller gefliſſentlich 
geſprochen hat, ausreichen muß. Denn es iſt unzweifelhaft ein gro— 
ber Irrthum, die Vermittelung der Kyrenäer, die nach allen Anzei— 
chen einen ſehr geringen aktiven Handel hatten, in Anſpruch zu 
nehmen um ſich die von Herodot in ſeiner Beſchreibung Libyens 
beiläufig erwähnte (IV, 180.) Erſcheinung der Korinthiſchen Waffen 
bei den Machlyern zu erklären, dieſem Libyſchen Volksſtamm, der 
zwischen Menine und Takape auf Acht Karthagifchen Gebiet jaß, 
das fich Schon zur Zeit der erften romantifchen Expedition des La— 
fonifchen Königsſohnes Dorieus wenigftens bis zum Kinyph, dem 
uad mgar grin, im Dften von Leptis erftveckte. 

Noch vereinzelter in dem Schiffbruch des Lebens der alten 
Welt als jene Notiz von einem Verkehre zwifchen Karthago und 
Korinth fteht die Wahl eines Karthagers Noßa Asıordo Kao- 
zwdorıog zum Prorenen und Euergeten der Böoten auf der Böotifchen 
Tagſatzung, wie fie uns durch eine Inſchrift bezeugt wird (C. 1, 
I,n. 1, 1565). Ift Boeckhs Meinung begründet, daß Diefer Mann 
als Gefandter von Karthago nach Böotien gefandt fei um über ge— 
meinfame Mafregeln gegen die Nömer zu berathen, fo iſt das al- 
lerdings ein ganz befondrer freilich gefehichtlich fehr intereffanter 
Fall, der nicht weitere friedliche Berührungen vorauszufesen braucht z 
es Tiefe fih vie Erfoheinung doch wohl anders erffären. 

Dies find fparliche Andentungen, die uns geblieben find über 
den Verkehr der Rarthager mit dem eigentlichen Hellas, von dem 
die meiften Gelehrten gar Feine Ahnung haben, obgleich ihre man- 
nichfachen Beziehungen ſchon aus der fo unendlich merkwürdigen 
Thatfache erhellen, daß die Karthager ein Schatzhaus in Olympia 
befaßen, hart an dem der Sifyonier und offenbar aus fehr alter 
Zeit, weil Gelon und die Syrafufier es benusten,, um die Werh- 
gefchenfe wegen des Sieges eben über die Karthager darin aufzube- 
wahren (Baufanias VI, 19, 4 wo Nichts zu Andern iſt), eine An— 
gabe, aus der man intereffante Schlüffe ziehen fan, Und wie die 


54 Ueber die friedlihen Verhaltniffe 


Hellenen das den Kartbagern recht eigenthümliche wenn auch ur— 
ſprünglich von ihnen nicht ausgegangene Drafel des Jupiter Am— 
mon befrhicften, jo fandten tie Karthager ihre Theoren den Rath 
des Delphiichen Apollo einzubolen (Diodor XIX, 2,). 

Kartbagifche Künftler arbeiteten in Griechenland, wenigftens 
ift dev Boethos (Pauſanias V, 17, 1.) Kaoyndorıoz, was nicht 
durch oberflächliche Veränderung in Kurzndorıos zu befeitigen ift, 
ein unwiderlegliches Beifpiel, wie ein höchſt merfwürdiges Zufanı- 
mentreffen klar zu Tage liegt. Boethos namlich, d. h. ein Kartbager 
der diefen Griechifchen Namen in der Fremde angenommen hatte, 
arbeitete neben Caelaturarbeiten in Gold (Plinius XXXIII, 12, 55, 
wozu vgl. die Hydria die er machte Cic. Verr. IV, 14; Ps. Virgil. 
Culix v. 66), einem ächt! Phönizifchen Kunftzweig, wie ich ander- 
wärts zeigen werde, auch flatuarifche Werfe, aber auch dies meift 
in edlen Metallen, wieder durchaus acht Phonizifh, und nun war 
außer dem vergoldeten Knaben im Tempel der Here in Olympia 
(Paus. I. c.) befonders berühmt von ihm der die Gang erwürgende 
Knabe von Silber (Plinius XXXIV, 8, 19.). Allerdings ıft wahr- 
ſcheinlich, daß einige der dieſen Gegenftand vorjtellenden Gruppen 
Nachbildungen davon find; aber eben im Karthagifchen Gebiete bei 
Sbaetla, dem alten Sufetula, bat man ein Bruchſtück von Silber 
gefunden eben jener Compofition, das einen durchaus eigenthümli— 
chen Charakter bat. Die Gans beißt den mit ganz furzen Flügeln 
verfehenen mit einer Yorbeerfrone und einer Mitra geſchmückten 
Knaben, der fie lebhaft an fich drückt, jo gewaltig in das linke Ohr 
daß er fchreit und feinen Kopf zurüdzieht. Falbe freilich, der die— 
fes intereffante Bruchftüc in feinen recherches sur la lopogra- 
phie de Carthage pl. V, 2, texte p. 129—32 veröffentlicht hat, 
meint daß es zum Schmuck einer foftbaren Vaſe gehört babe, 
und das iſt allerdings möglich. Jedenfalls aber zeigt es daß eben 
im Puniſchen Lande jener Gegenftand, den ſich Boethos wählte, be— 
liebt war und eben in Silber. 

Wenn nun die Beziehungen zu den Staaten des eigentlichen 
Griechenlandes fo mannichfach waren, ſo mußten diejenigen der 
Karthager zu Großgriechenland natürlich noch viel umfaffender fein. 





swifhen ven Karthagern und Hellenen. 85 


Wie fehr fie diefe Küſten umfchwärmten, ficht man ſchon aus der 
Furcht der Römer, fie möchten fich daſelbſt feftfegen, wie fie fich 
fhon im erften Handelsvertrag ausſpricht. Aber Nichts iſt ung 
erhalten; einige Heine mir befannt gewordene Andeutungen jedoch kann 
ich nicht übergehn , erftlich den Anfauf des berühmten Sybaritiſchen 
Teppichs durd die Karthager, dann den entichteden ausgefprochenen 
unzüchtigen Cult der Affyrifhen Himmelsköniginn, wie er fich im 
Epizephyriſchen Lokroi bei Gelegenheit der Belagerung durch Anaxi— 
fas von Rhegion zeigt (ſ. schol. Pindar. Pyth. 1, 34 u. 58 ı. 
Juſtin XXI, 3, der diefe Belagerung in jüngere Zeiten, in die An— 
wefenheit des Dionyfios hinabrückt), endlich die Beziehung der Kar— 
thager zu den Tarantineın, wie fie fich deutlich im Kriege mit 
Rom ausfpricht, wo die Karthager in eine überaus eigenthümliche 
Lage gerathen waren. Nach dem glaubhaften Zeugnif des Zonaras 
(VI, 6.) und Oroſius (IV, 3.) riefen die Tarentiner die Karthager 
ausdrücklich zum Schutz an. Weitere Nachforfhungen in dieſer 
Beziehung werden noch Manches aufhellen. 

Mit Aegypten hatten die Karthager wohl feit fehr alten Zei- 
ten in Verbindung geitanden, wenn auch mehr durch Landverfehr 
vermittelft des fo außerordentlich bedeutenden Ammonion. Von ih— 
rer Beziehung zum belfenifirten Aegypten iſt uns ein Feines Zeug— 
nis aufbewahrt, indem die Karthager, mit deren Politik die der 
Ptolemäer im Allgemeinen viele Aehnlichkeit bat, nämlich einen ſtets 
gefüllten Schatz zu haben, im Verlauf des erften Punifchen Krieges 
in die Verlegenheit famen, den Ptolemaeus Philadelphus um eine 
Anleihe von 2000 Talenten zu bitten, was er ihnen abſchlug in 
Rückſicht feines freundfchaftlihen Verhältniſſes zu beiden Varteien. 

Nachdem wir fo auf heflenischem Grund und Boden den Bes 
ziehungen der beiden Nationen nachgefpürt, wollen. wir zum Schluß 
kurz unterfuchen, vb nicht in Karthago felbit fih einige 
Spuren dieſes Verhäftniffes finden. Schon im erften 
Vertrage mit Rom 509 wird den Römern befanntlih der Zutritt 
in Rarthago geftattet, und wenn der Handelsverfehr dafelbft unter 
firenge Controffe genommen wird, fo gefchieht das mehr zum Nusen 
ats zur Defchränfung der fremden Kaufleute, Schon oben haben 


86 Ueber die friedlichen Verhältniſſe 


wir bemerkt, daß wir uns das ſo ſehr begünſtigte Verhältniß der 
Karthager in Maſſalia nur unter Gegenſeitigkeit denken können. 
Nun haben wir eine leider ganz vereinzelte, aber doch überaus 
wichtige Notiz. Hekataios nämlich ſprach nach einem Fragment bei 
Stephanus (Ergm. Hecataei 311) von Kybos oder Kybö, einer 
Stadt der Joner im Phöniziſchen Libyen: norız ’Iwvwov Ev Außun 
Dowizov. Dies klingt auf den erften Anblick ungereimt, aber 
vielleicht erfcheint es Manchem in einem andern Lichte, wenn er be— 
denft, daß Hefataios wie ein großer Theil feiner des perfifchen 
Joches überdrüffigen Landsleute fein Augenmerk wohl auf den We- 
ften gerichtet hatte, daß er ſchon den Lizas oder Lixos, den heuti- 
gen Luffos, am Atlantiſchen Ocean nannte und vom Karthagifchen 
Gebiet eine genauere Beichreibung lieferte als irgend ein andrer 
Hellene. Es wäre durchaus möglich, daß die Hellenen wie ın Ae— 
gypten fo auch im Karthagifchen Gebiete einft ein Hellenion gehabt 
hätten. Sonft freitich Taffen fih die vielen Griechiſchen Namen 
befonders im Sfylar und dem fo außerordentlich fchägbaren Jriarte- 
ſchen Stadiasmos, der auf fehr reinen Dnelien beruht, ganz allge 
mein auf großen Berfehr der Hellenen an den Farthagifchen Küſten 
zurücführen, befonders der Kyrenäer, welche diefe Küften viel be— 
fuhren (vgl. Thukyd. VII, 50), und bei der finn- und kritikloſen 
Erzählung des Solinus von der Gründung des ächt Phönikiſchen 
Ubo-Hippo durch Achäiſche inneis brauchen wir ung natürlich nicht 
aufzuhalten. 

Dak nun aber Hellenen in Karthago beſtändig anfäffıg 
waren, erfahren wir aus befferer Duelle in Betreff eben je- 
nes Jahres DI, 96, 1, wo nah Juſtins auf Mißverſtändniß be- 
ruhender leider felbft von Movers (Phöniziſche Texte I, p. 29 
alfgemeinhin angenommener Erzählung (XX, 5.) ein Senatsbefchluß 
gefaßt worden wäre, ne quis postea Carthaginiensis aut lilteris 
Graecis aut sermoni studeret, ne aut loqui cum hoste aut scri- 
bere sine interprete posset, ein Verbot das ſchon Dadurch feinen 
Zweck verfehlt haben würde, weil es ficher fehr viele Sikelioten 
befonders Syrafufaner gab, die Puniſch verftanden. Allerdings war 
Verrath vorgekommen, aber nicht yon Seiten eines Puniers fondern 








zwifchen den Karthagern und Hellenen. 87 


durch Hellenifche zaraoxzonoı; deßhalb eben fegelte nun der Admiral 
Himilko mit verfiegelten Befehlen ab (Diodor XIV, 55). Und 
als nun diefer fo glücklich und großartig unternommene Feldzug in 
Sikelien durch die verhängnißvolle Belt fo unheilvoll endete und die 
Karthager das Unglück des ganzen Staates dem Frevelmuth des 
Feldherrn zufchrieben, der die heiligſt verehrten Heiligthümer der 
alten Sikeliſchen Gottheiten Demeter und Kore im Stadttheil Achra— 
dina geplündert hatte Ce. 63.), befchloß man die fremden Gottheiten 
zu fühnen und da man diefelben nicht hatte Cov nageimpires ev 
1oös iegols ovre Koonv ovre Anyunroa), fo beftimmte man ale 
deren Briefter die angefehenften der Bürger, und nachdem die Kar— 
thager mit aller möglichen Feierlichfeit Die Statuen der Göttinnen 
geweiht hatten, brachten fie ihnen Opfer nach den Brauchen der 
Hellenen dar, zul rw» nug’ wuvrois ovrwv “Eikyvov zoüg 
yagısorarovs EnıheSavres Eni ıyv 10V Fewv Jeganslav erakar, 
Diefe überaus wichtige Stelle, welche die Lächerlichfert der Angabe 
des Juſtin in ihrer vollen Größe biosfegt, zeigt deutlich, daß eine 
anfehnlihe Menge Hellenen damals, gerade zur Zeit des Krieges, 
in Karthago angefeffen war; denn doch wohl nur Angefeffene 
fonnte man zu QTempeldienern machen, Aus der Stelle aber zu 
Schließen, Daß die Hellenen ganz unberechtigt gewefen wären, da 
fie nicht einmal ein Heiligthum gehabt hätten, inden fie, die doch 
naturgemäß zum größten Theil wenigftens aus Sikelioten be- 
ftanden , doch, wohl vor Allem ein Heiligtum der Demeter und 
Kore zum Mittelpunkt ihren Wohnftätte gewahlt hätten, wäre vor- 
eilig. Die Maſſalioten hatten. fiber den Eult ihrer Ephefifchen 


Artemis (Strabo IV, 1, 4 u, 5. P. 179 u. 180) mitgebracht, der 


fih eng an Karthagiſche Culte anfchloß und felbft Sikeliſche Schif- 
fer und Handelsleute mochten an dem Handelsort den Dienft einer 
weniger ftvengen Opttheit vorziehen '). Als befondres Berfpiel aus 


1) Münter Meligien der Karthager) und nach ihm Boetticher, Ge- 
ihichte dvd. 8. P. 79, haben die Meinung aufgejtellt, die Hellenen in Kars 
thage hätten den Apollocult dafelbit eingeführt. Diefe Meinung zu wider— 
legen iſt jegt kaum, mehr nöthig, da Jeder, der ſich mit den altorientalifchen 
Neligienen abgegeben hat, weiß, daß die Griechen auch hier der fremden 
Gottheit — wahrfcheinlih Baal Sſemmim — nur den Griehifchen Namen 
beilegten. 


88 Ueber die friedlichen Verhältniffe 


etwas fpäterer Zeit will ich nur anführen, daß der Großvater der 
durch Herbeiführung des traurigen Geſchickes ihrer Vaterſtadt be- 
fannten Syrafufier Hippofrates und Epifydes, in Karthago für fich 
und feine Nachkommen das Bürgerrecht erwarb (Polybius VII, 
2). Und dies ıft ein ganz nebenher erzählter Fall; wie viele 
Verbannte, wie viele Heimatlofe mögen bier zufammengeftrömt 
fein ). Die Karthager machten früh Befanntfchaft mit der Helle: 
nifchen Literatur; das zeigen ſchon tie frärlichen Bruchſtücke des 
alten würdigen Mago, der bei aller Befchäftigung im Staate und 
im Kriege doch mit inniger Viebe dem Studium des Landbaues 
oblag (Plinius Al, 68). Bon den von Jamblichus aufgeführten 
Karthagiſchen Pythagoreern Leofritos, Miltiades oder vielmehr 
Mytgiades, und Odias ift es bei der Unlauterkeit der Duelle wohl 
beffer zu ſchweigen. 

Vebrigens war jedenfalls Malta für den Berfehr der Kar- 
thager mit den Hellenen ein fehr wichtiger Mas und viele Ger 
ſchäfte wurden ſicherlich dafelbit abgemacht. Das zeigt und das ganze 
phönizifch = griechifche Doppelwefen auf diefer eigenthümlichen Inſel, 
wie wir es bei dem Mangel direeter Nachrichten aus Inſchriften 
und Münzen fennen Ternen, wo bald beide Elemente friedlich neben- 
einander hergeben, bald Das eine der beiden vorwiegend bervortritt ?) 

Blicken wir nun zurück auf das bier nur Angeveutete, fo 
finden wir auch hier die Spuren eines regen frifchen Lebens, das 
fi) aus dem Confliete der verfchiedenen Elemente an den Geftaden 
des Mittelmeers entwicelte, fo daß es nach Zugrundelegung biefer 
materiellen Beziehungen nicht mehr newagt fein fann, auch deren 
viele auf dem Gebiete des Gerites und der Kunft zu finden. Man 
hat Tange genug von der furctbaren Handelspolitif Karthagos 


1) Wie fehr die Karthager die Fremden bei fich achteten, fehen wir 
aus der Art wie fih noch nach) dem 2ten Puniſchen Kriege die Barfinifche 
Partei der Ergreifung des Tyriers Arifton widerfegte, Livins AXXIV, 61. 

2) ©. außer dem einzigen fehr intereffanten Zeugniß über den -Ieb- 
haften Verkehr auf diefer Infel (Diodor V, 12.), den freilich fehr unfriti- 
jchen Onorato Bres, Malta antica ete. 1816 p. 192 ff. und Oründlicheres 
bei Geſenius monum. Phoenie p. 92 sqg. und Franz zu der früher un- 
ter dem falſchen Namen einer tessera hospitalis befannten Inſchrift (C. 1. 
Gr. III, n, 5752 u. 5753). 











zwifhen ven Karthagern und Hellenem. 89 


gelävmt, Wir finden Feine Abfverrung gegen das Ausland ber 
ihnen; freundlich gaben fie dem forfchenden Hervdot, der übrigens 
Karthago felbft wohl nicht befucht hat, Nachricht über jo mande 
Berhältniffe, ja felbft über ihren Handel an der Küfte des Atlan- 
tifchen Deeans, vbgleih der Goldſtoff, wovon fie erzählten, noth— 
wendig reizen mußte (Herodot IV, 106.). Aber auch die Hels 
Venen der damaligen Zeit vermieden entweder freiwillig oder aus 
Zwang durch Ueberfihreitung der Inge des Mittelmeeres wo Tar- 
feton und Maftia ja auch den Nömern im zweiten Puntichen Ver: 
trage als Teste Gränze vorgezeichnet wurde, die Eiferfucht der 
Karthager zu reizen, und Herodot Fonnte troß allen Nachforſchens 
feinen Helfenen ausfindig machen, der den Atlantifchen Decan be— 
fhifft hatte (Herodot II, 115.). Daneben aber gab es befonders 
zu gewiffen Perioden Fälle, wo das helleniſche Wefen in entſchie— 
denen Contraft gegen die fremde Nationalität trat. Als ein folcher 
Charakter ftelt fih dem vbenerwähnten Spartaner Dorieus zur 
Seite der Phokäer Dionyfios, der aus der Seeſchlacht ber Lade 
entwichen von Sikelien aus Seeraub ſyſtematiſch nur gegen Kar— 
thager und Tyrrhener betrieb CHerodot VI, 117.), und folde 
Berhältniffe zeigt ung auch mehr der Poenulus des Plautus, 
deſſen Vorbild doch nicht vollfommen abgefchmacdt doppelten Men— 
fchenraub aus Karthago durch Hellenen verübt des Agoraftofles 
einerfeits und feiner Coufinen der Adelphaftum und Anteraftilis an- 
drerfeits darftelfen Fonnte, während der Befuch des Hanno in Ka— 
lydon wieder ein Beiſpiel des friedlichen Verfehrs iſt. 

Wenn alfo Dionyſios der Aeltere die Karthager als den Hel— 
Ienen im Allgemeinen von Grund aus feindfih darftellt (zadcAov 
tois "Ehhmoıv EyIgoraror Divdor XIV, 45.), fo fpricht er eben 
in einen Augenblick wo er die Syrafufaner zum Kampfe gegen fie 
auffordert. Bon allen fremden Nationalitäten ftellten fih die Kar— 
thager den Hellenen als ihnen am Nächſten geiftesverwandt zur Seite. 

9. Barth. 


Heraflitiiche Studien. 


Schleiermachers Abhandlung: „Herakleitos der dunfle von 
Epheſos“ Mufeum der Alterthumswiffenfchaft von Wolf und Butt- 
mann I, 305—533;5 Werke 3. Abthetfung 2. Bd. 1—146) ') ift 
feit 1808, dem Jahre ihres erften Erfcheinens, vielfach benutzt und 
gelobt, aber nur in Einem wefentlichen Punfte berichtigt, in Feinem 
Dagegen erganzt worden, obgleich Schleiermacher felbft die Lücken 
feiner Yeiftung, deren er fich Har bewußt war, mit deutlichen Wor- 
ten bezeichnet hatte, Weit entfernt von der „Anmaßung die Bruch— 
ſtücke ſchon ganz vollftandig gefammelt zu haben’ iſt er vielmehr 
überzeugt „noch manche Nachlefe übrig zu laſſen für einen, fpäteren 
Bearbeiter” (S. 321) und die „Unterfuhung wer aus dem ur- 
fprünglichen Werf des Herafleitos felbft, wer aber nur aus abge- 
Teiteten Quellen gefchöpft habe“ konnte er „‚allerdings nur fo eben 
anregen und einleiten” (S. 533). Nach diefen Seiten hin wurde 
die Forfchung ſeit Schleiermacher nicht weiter geführt. Der von 
ihm zufammengebrachte Stoff genügte, um den räthfelhaften Ephe- 
fier als einen der fpefulativften unter den vorplatonifchen Denfern 
in immer alfgemeinern Kreiſen erfennen zu laffen, und beſonders 
hat die neuefte deutfche Phrlofophie das Haupt des alten „Dunklen“ 
mit dem Strahlenfchein ihrer Verehrung geziert, da fie in manchem 
feiner Ausjprüche eine willfommene Vorahnung ihrer Sätze begrü- 
fen fonnte 2). Aber auch diefe Hochachtung für den alten Werfen, 
welche fich fait bei jeder neuen Behandlung altyriechifcher Philoſo— 
phie fteigerte, vermochte nicht zu frifcher,, weiter fürdernder Arbeit 


1) Ich citire nach den Seitenzahlen des Muſeums, welche in Der 
Sammlung der Werfe am Nande bemerft find. 

2) „E3 it fein Sab des Heraklit, den ich nicht in meine Logif auf: 
genommen“. Degel Gef. d. Phil. I 328. 





Heraklitifhe Studien. 9 


anzuregen. Nach wie vor wurde der von Schleierinacher geſam— 
melte Schatz heraklitiſcher Sätze und Sprüche nur gelegentlich um 
wenige goldene Wörtlein vermehrt, während die Scheidung der 
Schlafen von dem Golde, die fichtende Prüfung der Berichte aus 
zweiter Hand, gänzlich unterblieb. Gleichwohl hatte Schleiermacher 
allerdings eine beträchtliche „Nachleſe von Bruchſtücken übrig ges 
laſſen“ und dieſe zufammenzuftellen wäre fo Iohnend gewefen wie 
manche andere Fragmentenbemühung. Denn follte es auch mißlin— 
gen, die aus dem Zufammenhang geriffenen Sätze in den herafliti- 
fchen Gedanfenbau an der rechten Stelle einzufügen: fo wird ihnen 
ſelbſt dann noch der Werth in ſich gefchloffener, nach den verſchie— 
denften Seiten hin treffender Sinnfprüche immer verbleiben '). 
Bor Allem nun hat der volleren Erkenntniß heraklitiſcher 
Lehre dieß Schaden gebraht, daß Schieiermacher die Sammlung 
der hippofratifchen Schriften unbenutzt ließ. Durch fein unglückli— 
ches Ueberſehen fonnten auch die, welche fpäter auf feine Arbeit 
geftübt die Lehre des Heraflit darftellten, den Zugang zu jener 
reichen aber nur mit Vorficht auszubeutenden Fundgrube nicht mehr 
finden, obgleich, fhon 60 Jahre vor Schleiermacher, 3. M. Gefner 
die auf hippokratiſche Schriften hinleitenden Spuren deutlich genug 
aufgewiefen hatte. Diefe alfo verfohütteten Spuren abermals aufzu- 
decken und für ven ergiebigften Abfchnitt des Mifchwerfs eur 
diadtng näher zu verfolgen, dem auf folhem Wege gewonnenen 
1) Wie oft würde zu Verbrimung gemeinpläßlicher Gedanfen 3. B. 
folgendes Wort gedient haben: „der Eſel möchte wohl lieber Bündel Futter 
ale Gold”, wenn Schleiermacher es aus feinem nicht gerade abgelegenen 
Fundorte ans Licht gezogen hätte (Eibie. Nicom. K 5 p. 1176 a 6: 
&rega — Lanov ndorn zei zuvös zei dvdounov zadaneo Hodzkeırös 
ynaw: Ovov olouaı üvy Elkodcı udlkov 7 govoor' hdıov 
y@o XovooV Toopy Övoıs). In welcher Verbindung aber ein fo bezie- 
hungsreiches Wort von Heraklit gebraucht worden, wer wird das beſtimmen 
wollen bei dem weiten Gebiete der verfchiedenften Fragen des Wiſſens und 
des Lebens, welche er in feinem Buch umfaßte, und noch mehr bei feiner, 
von Schleiermacher wiel zu wenig. hevvorgehobenen jedoch felbit in den 
Fragmenten noch ftarf fich ausfprechenden, politifchen Tendenz ? Will man 
e3 als eine Nenßerung des Selbittroites auffaflen über die Aufnahme, wel: 
che feiner neuen Lehre bei der Maſſe der Menfchen bevorftehe, und dann 
Mit den Bruchſtücken ähnlichen Suhalts 2—8 ©. 329—332 in Berbindung 


bringen: fo käme es in feiner ftolgen Derbheit dem fünften am nächſten ©. 
330: „auch die Hunde bellen den an, den fie nicht kennen.“ 


09 Heraflitifhe Studien. 


Ertrag mit den fonftber befannten Theilen der heraffitifchen Lehre 
in gegenfeitig fich aufflärende Verbindung zu ſetzen — dieß war bie 
Aufgabe der im vorigen Jahre erfchienenen Schrift: Heraclitea. 
Particula prima. Sollte fie auch nichts Anderes leiſten als daß 
fortan Niemand bei Behandlung des Heraflit die hippokratiſche 
Sammlung unberücfichtigt läßt: fo wäre damit fchon der Weg be- 
fhritten, der zur Abhülfe des einen von Schleiermarher anerkannten 
Mangels feiner Arbeit, der Unvollftändigfeit des Materials, in 
einem der wichtigiten Punkte führen müßte. Für denfelben Zweck 
der Herbeiichaffung neuen Stoffes von nicht minder wichtiger Seite 
ber zu wirken, iſt die Abficht diefer Zeilen. Sie kann jedoch nicht 
erreicht werden bevor die Berechtiaung zu feftem Auftreten durch 
eine Erörterung gewonnen ift, welche ſich auf die Frage von der 
Glaubwürdigkeit fpaterer Berichterftatter einlaffen und alfo hin- 
überftreifen muß in das zweite von Schleiermacher eingeftandener 
Maaßen ungenügend bearbeitete Gebiet. 

Kein Schriftfteller Hat der Schleiermacherfchen Sammlung fo 
viele und bedeutfame Beiträge geliefert ald der in mofaifartiger 
Zufammenoronung von Citaten fi) gefallende Plutarch, trog dem 
daß Schleiermacher bei Benusung deffelben eine gewiſſe zaghafte 
Scen nicht hat überwinden können. Sicherlich ıft es ihm nicht 
entgangen, wie viel mehr eine etwas muthigere Behandlung gerade 
dem Plutarch noch abgewinnen müffe, der, felbft wo er nicht aus— 
drücklich citirt, fo gern in erborgten Worten und Gedanken einher- 
geht. Aber den nöthigen Muth anzuwenden verboten Schleierma— 
chern zwer Nückfichten. Zuvörderſt dieſe allgemeine, welche für 
Beurtherlung und Benukung feiner ganzen bahnbrechenden Leiſtung 
maaßgebend tft, das er durch Darfiellung bloß des unzweifelhaft 
Heraflitifhen eine Grundlage für weitere Forſchung bieten wollte. 
Es fchien ihm daher geratben, alles nicht ausdrücklich unter dem 
Namen des Heraffit Meberlieferte ganz aus dem Bereich der Un— 
terfudhung zu entfernen und auch etwaigen Achten und brauchbaren 
Gehalt Lieber aufzuopfern als duch Vermiſchung von ausdrücklich 
Bezeugtem mit nur combinatorifch Ermitteltem die Sicherheit feiner 
gefammten Ergebniffe in Frage zu ftelfen. Zu viefer allgemeinen 








Heraklitiſche Studien. 93 


Rückſicht nun Fam in Betreff Plutarchs noch eine auf diefen allein 
bezugliche. „Man muß fürchten‘, fagt Schleiermaher ©. 318, 
„Plutarchos habe einer untergefchobenen Schrift geglaubt, wodurch 
denn wieder unficher wird, ob nicht auch manche von ihm angeführte 
Stellen nur folchen angehören”. Ber diefer Anficht von der Glaub» 
würdigfeit des Plutarch iſt es begreiflih, daß Schleiermacher ihn 
fteber zu wenig als zu viel benugen wollte; weniger begreiflich 
freifich, wie er folche Anficht aussprechen und ſomit einen guten, 
wonicht den beften, Theil feiner ganzen Sammlung verdächtigen 
fonnte, ohne den Verdachtgrund genau zu unterfuchen. Der Verdacht 
aber flieg ihm auf „als ev bei Plutarch adv. Colot. Ip. 1115 
(as, daß er eine Schrift des Herafleitos Zorvaftres überfchrieben 
anführt”” (S. 317) d. h. „eine offenbar falfche” (S. 348). Dies 
fen Verdacht haben Nachfolger Schleiermachers weiter verbreitet, 
ebenfalls ohne fich auf Prüfung des Grundes einzulaffen. In neue- 
fter Zeit dagegen hat man fogar nicht angeftanden, jene von Schleier- 
macher für untergejchoben erffärte Schrift Zorvaftres als ein Auße- 
ves Zeugniß für die Verbindung des Heraklit mit parfifcher Prieſterlehre 
begierig zu verwenden (Ztichrft. f. d. Alterth. 1845 ©. 228). Mag 
immerhin wer Luft und Kraft dazu fühlt ſchon jetzt es unterneh- 
men die Frage „ob irgend perfifche Weisheit einigen Einfluß auf 
die Bildung der Lehre des Ephefiers gehabt‘ — mit diefen Wor— 
ten giebt fie Schleiermacher (S. 532) der Erledigung ſpäterer Bear— 
beiter anheim — bejahend zu entfcheiden durch deutliches Aufzeigen 
der inneren Verwandtfchaft beider Lehren. Ber foldem Bemühen 
wird. vor allen Dingen diefe Schwierigkeit binwegzuräumen fein: 
Nah unferer bisherigen Kenntni vom Parfismus rückt er ven 
Zwieſpalt der phyfiihen und moralifchen Gegenfäse in den hell— 
ſten Vordergrund der Lehre fowohl wie des fie ſymboliſirenden Eul- 
tus; die Einheit der Gegenfäße verlegt er in das unbeftimmte Ur- 
wefen, aus dem fie emaniren; und die Erfüllung feiner efihatologi- 
hen Hoffnungen fann er nur erbarren nad Bernichtung des einen 
Gegenfages. Hingegen iſt es der wahre Angelpunkt heraklitiſcher 
Lehre, daß die ewigdauernden Gegenfäke zu der Verwirklichung ih- 
ver wefenhaften Einheit in jedem Zeitmoment binftreben, gleich- 


94 Heraflitifhe Studien. 


mäßig im Spiel der Naturgewalten wie auf dem Gebiete des Gu- 
ten und Böſen ). So lange daher nicht gründlichere Erforfchung 
der Zendbücher die bisher geltende Anficht vom Parfismus als falſch 
nachweift: würde man, wenn überall eine Beziehung zwifchen die— 
fem und dem Heraflit vorhanden, die Beziehung der tiefftgreifenven 
Oppoſition anzuerkennen haben. Mittlerweile aber wird man 
als Auferes Zeugniß für verartige Beziehungen den Titel einer 
beraftitifchen Schrift Zorvafires ferner nicht in Auſpruch nehmen 
dürfen, "Denn jede Spur eines ſolchen Zeugniffes verſchwindet 


1) In dem Sage: „das Gute und das Böſe geht in daffelbe 
zufammen nad) Weife des Bogens und der Leier“ (TO dyadov xai To 
zazoy Es 1adrov Ovvılvaı dizyv Töfov zei Auges Schl. ©. 414) 
Kann Niemand „perfifchen Dualismus’ wittern als wer die Hauptfache, 
nämlich das Prätifat, das ovrıevaı, das Zufammengehen überjehen wollte. 
Durch das von „Bogen und Leier“ hergenommene Bild fucht Seraflit, hier 
und an anderen Stellen, den durch die Gegenſätze der Einheit zuftrebenden 
Prozeß zu verfinnlichen, bloß mit Nückficht auf die äußere Form jener 
beiden Inſtrumente. Bei dem ffythifchen und altgriechiichen Bogen wie 
bei der Keier find ja die beiden Enden (zEgare) ausgejchweift und laufen 
dann durch Krümmung nad Innen in dem Mittelſtück zufammen. So gefabt 
wird die Vergleihung mit dem Gang des Weltprozefies aufchaulih und 
die Zufammenftellung von Bogen und Leier, welche in jüugfter Zeit fo 
viele Erflärungsverfuche hervorgerufen hat, vollfommen verjtändlih. Sie 
findet fich ebenfalls mit bloßer Nüdficht auf die äußere Form in der von 
Ariftoteles als gebräuchlich bezeichneten Metapher Rhet. T 11 p. 1412 b 
35: 5 gonts yaue£v Eorı gyıdın Agtos zei 10509 popuuys 
@zroodos. — Für die heraklitiiche Auffaffung der wejenhaften Einheit 
von Gut und Böfe mögen hier einige von Schleiermacher überfehene oder 
nicht richtig gewürdigte Belege aus Heraclitea, part. I p. 22 u. 23 wier 
derholt werden, egi deeiins T. Ip- 640 ed. Kuehn.: z& utv oUv dv- 
Yownoı £IE0ay ovdenore zura TO wUÜröv &yeı oÜTE 10 00IWsS olTE T« 
un 609wüs, 6200@ dE HEoi &Htoav dei ügHws Eysı zai za Ög- 
905 zai za un 00o40s; Schol. Venet. in lliad. IV, 4: Hodzkeıros 
heysı os 10.ulv HEG zaia navıa zei ayada zai dizare: 
erdownor dE © utv adıza ünelngpaoıy a de dizeıe. Don ſolchen 
und ähnlihen Sägen des Heraklit ift wohl Amelius, der Schüler des 
Plotinus, (ef. Herachit. partic. I p. 28 not.) zu der nur etwas anders 
gewendeten Behauptung fortgefchritten, welche fih in einem Commentar 
des Johannes Philoponus zur Arithmetif des Nifomachus erhalten hat, 
und woraus fte in abgeriffener Form mitgetheilt worden von Mai, Spicile- 
gium Romanum T. Il p. XX.: "Jusluos de, oVx oida oder boumdEis, 
zei Tov zarov ldkus zui Adyovs oleuı napa ıW Yep. Die hera- 
flitifhe Terminologie fcheint noch deutlich durch in Aoyos, auf den fi mit 
ausdrücdlicher Nennung des Heraflit und wörtlicher Anführung aus fr. 47 
©. 482 Schl. (Aöyouv rovde Eörros dei) Amelins auch fonft bezieht, in 
der Stelle bei Euseb. Praepar. Evang. Äl. 18 p. 450 a: zei oVrog doa 
ww 6 Adyos zud iv dei Ovra Ta yırousva &yEyEro, Ws dy zei ü 
“Hodrheıros Eıgaeıe zr). 


u u a 


Heraflitifhe Studien. 95 


gänzlich, und eben fo fpurlos entweicht auch jeder Schein von Vers 
dacht gegen die Glaubwürdigkeit des Plutarch, fobald die Stelle, 
auf welche beide beruhen ſollen, näher angefehen, ja man darf ge- 
troft fagen, ſobald fie nur aufgeichlagen wird. 

Sie findet fih in der Wiverlegungsfchrift des Putarch gegen 
ein Buch des Epifureers Rolotes, welches unter dem Titel ‚Beweis 
daß man nach den Lehren der anderen Phrlofophen nicht einmal le— 
ben kann“ (meol ToV ürı zura Ta Twv akıwv PLlooopwv düy- 
use ovd& Cyv Eorıw Plut. II p. 1107 e) gegen alle nicht 
epifureifchen Philofophen gerichtet war. Bei Gelegenheit feiner An- 
griffe auf die platonifche Speenlehre hatte nun Kolotes die Behaup— 
tung fallen Taffen, jener Lehre des Plato „Seien Artftoteles Keno- 
frates Theophraft und alle Peripatetiker gefolgt”. Plutarch 
greift dieß auf um daran des Kolotes „Sorgfalt und den Umfang 
feiner Kenntniffe zu prüfen‘ und ruft ihm zu (1115 a): „Sn 
welcher Wüftenet haft du dich aufgehalten als du dein Buch fchriebft, 
daß du dort die Schriften jener Männer nicht vorfandeſt und nicht 
in die Hand nehmen konnteſt /oroTorekovg Ta negl ovgavov zal 
Ta neoi wuyng, Osoppustov ÖdE Ta npOg ToVg Wvorzoug, 
Houazksitov dE rov Zwoouortonv, to negli ro» ev 
@ldov, TO neo! mv pvoLzwg anogovuevor, Aızarag- 
yov ÖE Ta meol Wuyis, Ev oig noÜs Ta zvolwzare zul ueylora 
T09 gQvoızav vnsvarııovusvoı ım Illarovı zal unyouero 
dierelocoıw. Kai um to» alkwv negınarnrızavü 
x00vpMIOTaTog Itoarwv zuh. 

3m Berfolg erwähnt dann Plutarch noch mit beſonderer Be— 
ziehung auf die Ideenlehre, von welcher ja Kolotes ausgegangen 
war, daß Ariſtoteles, weit entfernt ſie anzunehmen, vielmehr durch 
alle Gattungen ſeiner Schriften eine Polemik gerade gegen dieſe 
Lehre des Plato fortſetze „auf mehr rechthaberiſche als philoſophi— 
ſche Weiſe wie es Einigen ſcheinen wollte“. 

Es leuchtet ein daß, dem ganzen ſehr deutlichen Zuſammen— 
hang nach, mit den Worten um die es ſich handelt: "louzieırov 
de zov Zwgocorgnv nur ein peripatetifcher Philoſoph kann gemeint 
fein, und von einem ſolchen, fonft unbekannten Peripatetiker Hera- 


96 Herakflitifhe Studien. 


fleitos wollte fie fhon Fabricius (Bibtiothee. Graec, II 626 ed. 
Harl.) verftanden wiffen. Freilich iſt Das ein Nothbehelf; aber 
Schleiermacher hat ihn Durch den ©. 318 erhobenen Einwand fei- 
neswegs unmöglich, und noch viel weniger bat er ihn überflüffig 
gemacht durch feine Anficht von einer dem Epheſier untergefchobenen 
Schrift Zoroaftres. Denn foll wirflich die Lesart Hoaxieirov heftehen 
bleiben, welche auch Wyttenbach noch nicht zu ändern wagte, und 
foll fie obendrein von dem Epheſier verftanden werden: fo wird da— 
mit nicht nur dem Plutarch, welcher im Nachweis fremder Ignoranz 
begriffen ift, der eigene unverzeihliche Schniger aufgebürbet, daß er 
den alten Heraflit zu den Peripatetifern zähle, fondern man fpricht 
dann auch ganz ohne Grund nur von Einem dem Ephefier unter 
gefchobenen und von Plutarh auf Treu und Glauben als ächt bes 
nusten Buch Zorvaftres. Man mußte, um folgerichtig zu verfahren, 
auch noch die beiden anderen Bücher 70 negı ı@» Ev adov und 
TO neol T@v pvoırW@s anognvusvov in dieſelbe Kategorie ſtellen, 
da fie ja Putarch offenbar alle drei zufammen Einem Schrift 
fteffer zufchreibt. Aber gerade diejer Umftand, daß die drei Schrif- 
ten notbwendig Einem Autor angehören müffen, laßt den wahren 
Berfaffer des Zoroaftres, um den es ung zu thun ıft, unzweifel- 
haft ermitteln. Der Zoroaftres fowohl wie das an dritter Stelle 
genannte Bud) reol To gYvoızwg unogovusıwv gehört dem 
Pontifer Heraflides, dem befannten Peripatetifer, ganz fo ficher 
wie ihm das an zweiter Stelle genannte neoı Twv Ev adov gehört, 
welches Diogenes Laertius (V, 6, 56) in dem, übrigens nicht auf 
Bollitändigfeit angelegten, Verzeichniß von Schriften des Heraklides 
ausdrücklich aufführt. Das letztere Buch des Herafliveg neoı rov 
&v adov welches, nach hier nicht weiter auszuführenden Combina- 
tionen, über Scheintod handelte, wird von Plutarch felbft noch an 
einer anderen Stelle ') als ein heraflidifches erwähnt, und dort als 

1) Fragm. I neo: ıwuzis T. V pP. 699 ed. Wyttenb. Oxon. Diefe 
Stelle ift von den Sammlern der heraflivifchen Fragmente (Roulez: An- 
nall. Lovaniens. T. VIII par. U p. 21; Deswert: dissert. de He- 
raclide Pont. p. 81) welche übrigens beide in der Schrift gegen den Ko— 
Iotes Hoezieidov leſen, nicht berückfichtigt worden. Sie lautet nach der 
einzigen jehr fehlerhaften Sarlejanifchen Handfchrift fo: 76 uw yao nevi 





Heraflitifge Studien. 97 


Grundgedanfe des Buchs die Meinung angegeben, daß die Seele 
ein vom Körper trennbares felbitändiges Wefen nicht fer, wodurch 
ilar wird wie Plutarch in der Widerlegung des Kolotes diefe Schrift 
des Vertpatetifers als entgegenftehend der platoniſchen Lehre hervor— 
heben durfte. — Welche philofophiichen Probleme Heraklides in der 
dritten Schrift umfaßte, kann beim Mangel anderer Aufjchlüffe, we— 
nigſtens der deutliche Titel nee! av Pvorzmg wnognvusvov 
im Allgemeinen lehren. Ob ferner die Nachricht des Poſidonius 
bei Strabo (IT c. 3, 5; p- 98, 100 Cas.): „Heraklides Ponti- 
‚tus babe in einem Dialog einen Mager auftreten laſſen der zu 
„Selon gefommen, mit dem Borgeben Libyen umſchifft zu haben‘, 
auf unfere Schrift Zorvaftres zurücfgebe, wie angenommen worden '), 
vieß wird fich, bis weitere Spuren entderft find, eben fo wenig 
entfcheiden Taffen, als c8 zweifelhaft fein kann, daß ein fo veicher 
Stoff wie der Parfismus und fein Stifter einen gewandten und 
vielfeitigen Kopf wie Heraflides auf dag weitefte Gebiet philoſophi— 
fiher Erörterung führen mußte. Befanntfchaft mit perfifcher Lehre 
aber darf uns bei tem Peripatetifer am wentgften Wunder nehmen, da 
vorzugswerfe dieſe Schule es war, welche die Durch Aleranders Züge 
enger gefnüpfte Verbindung mit Perfien zu Erforſchung verfifcher 
Weisheit benuste, dem Beispiel folgend, welches ſchon der Gründer 
der Schule, Ariftoteles ) gegeben hatte. 

1uv Ev @dov Bıpklor eaıygay öuevor, ev M) mv ıuynv 17 Voir N«Q- 
undoyeiv anoyalyeıcı Ö höyos, of uev oUr deivoi To NaOaNav 
Hoazkeidov vouilovoıy, oi de n100$ dytnagss aywynv 1erdydee Twy 
elonutvwv ETEQOLS 7LEOL ovVolas woyis® 0V1w yeygauuevor (oöro de 
yergauusvov (&% Wyttenb.) aytizous ayaıgei ınv 000Lav autijs, Ög TOD 
GWwuuros &yovros Ev aid Tas elonuevas Övrausıs ndoas. Man wird 
freilich nicht umhin Fönnen ftatt oV» dewor mit Wyttenbach zu fegen: 

oud° Eivaı. Aber die Meinung „Siniger“, daß die Schrift nicht von He— 
raklides fei, darf uns um fo weniger beirren, als ihr unmittelbar darauf 
die entgegengefeßte Meinung „Anderer““ gegenübertritt, und die Behauptung 
der Griteren fich nicht auf Weberlieferung zu gründen, fondern nur durch 
den Umſtand ſcheint peranlaßt zu ſein, daß Heraklides in anderen Schriften 
einer anderen Theorie von der Seele gefolgt war. Für dieſen Wechſel 
jedoch bringen die Vertreter der Aechtheit eine genügende Erflärung bei, 
und felbft wenn man diefelbe verwerfen wollte, kann er bei der Beweglichfeit 
des Heraflides und der DVielartigfeit feiner Schriftitellerei nicht im Min— 
deiten befremden. 


1) Roulez 1.1. p. 2 
2 ©. Metaphys. N 4 p. 1091 b. 10 Bek. und das Fragment aus dem 


Muſ. f. Phil. N. F. VII 7 


98 Heraflitifhe Studien. 


Somit wäre denn in der fraglichen Stelfe des Plutarch der 
Name des Pontifers AFoarrerdov durch Zeugniffe des Diogenes 
und Plutarchs ſelbſt fejtgeftellt, und über die Wahrfcheinlichkert einer 
bloß anf Buchftabenähntichfeit fußenden Conjectur ') hinaus zur 
volfommnen Sicherheit erhoben. Dadurch fallen nun auch vie 
Folgerungen weg, welche bei flüchtiger Bernachläffigung des Zufam- 
menhanges auf die frühere faljche Yesart Hoaxkerrov gebaut wur- 
den. Die Parfiftention des Heraklit iſt wenigſtens um ein äußeres 
Anzeichen ärmer, den Verdächtigern des Plutarch aber iſt jeder 
Beweisgrund entzogen. Auf das letztere Ergebniß kommt es ung 
bier vorzugfih an. Denn erft jest, nachdem der Spuk einer un- 
tergefchobenen son Plutarch für heraklitiſch hingenommenen Schrift 
zu hoffentlich ewiger Ruhe gebracht worden ?), können wir, da 


eriten Buch eol yıloooyies bei Divgen. Laert. prooem. $. 8. Das Me- 
yırov, welches Diogenes kurz vorher ohne Verdacht als ariftotelifch an- 
führt, jet der Catalog des Anonymus unter die Wevdentyorge und 
Suidas (s v. Avyrıo9erns) nennt, neben Ariftoteles, noch den Athener und 
den Rhodier Antifthenes, als folche, denen es zugefchrieben werden. Für die 
übrigen Peripatetifer genüge Die Hinweifung auf den Bericht des Eudemos 
bei Damascius, de primis prineipiis ed. Kopp. p. 384; Divg. Laert. 
prooem. 6. und anf die zufammenhängenderen Bejtrebungen des Hermip— 
pus Plin. J—— 

1) Ob ihn Dübner anf Grund von Haudſchriften oder Conjeetur 
aufgenommen läßt ſich bei der Einrichtung feiner Ausgabe nicht ermitteln, 
— Bon den vielen Fällen, wo die Buchttabenähnlichfeit beider Namen zu 
Berwirrung Anlaß gegeben, möge ein erft in jüngfter Zeit befannt gewor- 
dener hier berührt werden. Su den von Gobet hinter Geel's Ausgabe der 
Phöniſſen mitgetheilten neuen Scholien zu Euripides heißt es Alcest. 983: 
6 guoızos 'Hoaz)eidns Eivaı Ovıws gynoi oavidag tıyas "Ooyens 
)&yor 0UTWS: „10 JE 100 Aoyboov za1s028V@0rGı Eni ans Godens 
ei Toü zekovufvou Aluov Onov dry Tivas Ev oaviocıy dvaypaas 
eivai gaoıs“. Bobet hat nun das Hoazkeidns der Handfchrift in Hor- 
zLE1705 geändert, was wegen Inhalt und Stil des Citats, Die beide mög— 
lichſt unheraklitiſch ſind, nur durch die Annahme fich vertheidigen ließe, 
dag der Scholiaft ans einer dem Epheſier untergefchobenen Schrift gejchöpft 
habe. Eine folhe Annahme aber wird widerlegt durch die Abwefenheit 
jeder Spur jonifchen Dialefts in der offenbar wörtlichen Anführung. Man 
wird daher lieber puvoızos ändern in JZovrexös, und gewänne dann eine 
Notiz über Tempelantiquitäten, die fih ähnlichen Fragmenten des Heraflives 
Ponticus (Deswert p. 165) anfchließen würde, 

2) Die gelegentlihe und fehr Furzge Andentung von Krifhe (For— 
ſchungen S 327 Not.) hat diefen Erfolg nicht gehabt, wie das oben ©. 93 
Angeführte hinlänglich beweilt. Es mußte daher hier der Grörterung ein 
Umfang gegeben werden, wie ihn nicht fowohl die Schwierigfeit der Sache 
— als ihre Wichtigkeit und Die Verbreitung des eingeriſſeven Irr— 
thums. 











Heraklitiſche Studien. 99 


fonft fein Anla zu Verdacht vorliegt, ficheren Muthes daran gehen 
aus plutarchiſchen Stellen den heraklitiſchen Gedankengehalt auszu- 
ſcheiden. 
Wir wenden uns zuerſt zu der Troſtſchrift des Plutarch an 
den Apollonius, alfo zu derjenigen Schrift, in welcher er jenes 
Zufammenftücen aus erborgten Sägen und längeren Stellen fo auf 
die Spitze treibt, daß der Fortjchritt des eigenen Gedanfenganges, 
falls folcher bei dem Compilator !) vorauszuſetzen, fih den Blicken 
des Lefers entzieht — eine Gefahr des Moſaikſtils, welcher Plutarch 
in den Moralia viel feltener entrinnt °) als fein neuerer begei— 
fterter DVerehrer Montaigne, ter ihn an Fülle felbfieigener Ge- 
danfen wert überragt. Keine Schrift des Plutarch aber bietet ung 
fo fehr wie diefe Troftfehrift reichen Erfag für folhen Mangel 
durch ausgewählte und umfangreiche Anführungen aus alten, für 
ung, wie es feheint, unwiederbringlich verlorenen Werfen z. B. aus 
dem ariftotelifhen Dialog Eudemus (p. 115 b) und aus einer 
Schrift des Sophiſten Protagoras (118 C)5 nirgends auch iſt man 
mehr als bier berechtigt, felbft da wo das Citat fehlt, auf die un- 
jelbftandigfte Abhängigfeit von Anderen zu fchließen, fobald nur ir- 
gendwelhe Spur dieß wahrfcheinfih macht. Wyttenbach nun, 
der diefes Verhältniß ſehr wohl erfannte, hat alfenthalben, wo ein 
fremdartiger Hauch in Ausdruck oder Gedanken fih fpüren läßt, 
Benugung einer Schrift des Afademifers Krantor „uber die Trauer‘ 
(nE01 nErdovg) angenommen, weil Plutarch in unferer, Troftfchrift 
jenes denſelben Gegenſtand behandelnde Buch des Krantor mehr- 
mals namentlich anführt und weil eine Erzählung über einen Te— 
rinäer Elyfios, welche Plutarh (p- 100) ohne Duellenangabe mit 
theilt, von Cicero (Tusc. 1 48) aus der Schrift des Krantor 
entlehnt wird. Daß jedoch ſolche Thatfachen nicht hinreichen um 
Alles einen fremden Urfprung verrathende einzig aus jener Duelle 


1) Als welchen er fich ſelbſt darstellt im Schlußwort Por121nd: 
TEUTE 000 Ovvayayov, Anokkwoyıe yiktare, zei OuvWFeis use 
nolkns Erriusktias EN EIQ, yaodunv Tor ARORUUFNTıZOV 00. Aöyov. Die 
ovveyoyn it ihm aber beifer gelungen als die auvdenıs. 

2) Wer dieſes allgemeine Urtheil nicht unterſchreiben möchte, kann 
ſich mit Wyttenbachs, durch kein äußeres Anzeichen unterſtützter, Behaup— 
tung helfen, daß Plutarch die Troſtſchrift in früher Jugend abgefaßt habe. 


100 Heraflitifhe Studien. 


abzuleiten, muß ber befonnener Erwägung Jedem einleuchten ') und 
für eines der hedeutendften Stücke, welches als Krantors Eigenthum 
in Anfpruch genommen wurde, find wir im Stande einen ganz an- 
deren Urſprung nachzuweiſen. 

Nachdem Plutarch fir die Anſicht daß „der Tod fein Uebel 
ſei“ Belegſtellen aus tragiſchen Dichtern beigebracht, fährt er fol— 
gendermaßen fort P. 106 d: i 

Ti yao 10 yahenıv Eotı zal TO Övoavımv zal Ev TW TE- 

voavar; Ta yao ToV Iavarov unnore zal klav ovr@ nudv 

ovv7In zal ovupen nakıy ov% 0 Onws dvoakyn dozst 
eivar TU yao Iavuaorov, El TO Tumrov Terumta, & ıD 
5 Ty4ToV TErnKTaL, El TO ZavOToV zExavıal, El TO PIAOTOV 

Epdagraı; nöre yao Ev nulv avrolz; ovx Eorıv 6 Java- 

Tog; zal N pnow "Hoaxrksırog, ıevro T’ Erı Lov zal TE- 

Fynz0g zal 10 £y0ny000G xal Tu zadeVdov zul veor za 

ynoauov‘ tade yao WETanEOOVTa Exreıva Eotı xarelva na- 

10 Aıv weransoovrw ruüra. Ag yao Ex too avrnv nnkod 
dvvaraı rız nlarrov [mu ovyyelv zul nakıy nAarreıv zal 

FvyzElv zal TOVTo Ev nao’ Ev noıelv adınkeintng‘ 0V1W zal 

n picıg &x 175 werng Ülng nakaı pıev TOVG ng0yOVovg FuWv 

av&ozev, Eira GvVEyeig avTolg Eyervyos TOVS naTEoag, EITa 

Id nuas, eit a)kovg En’ ahkoıg dvarvzhyosı. Kal 6 zug ye- 
v&oewg moraudg 0UTog Evdsleywg 0Ewv OVnoTE oTyjostan, zul 
nalıy E& Evarrlag alım 0 rag pIogag eire ’Ayeowv £ite 

Kwzxvrog zaLovusvog önd rav noıntav. "H nowrn ovVv alııa 


c hin Caps x oc ’ — c * ’ J J pour? 
7 deıSaoa nulv TO Ta nklov Pog mn avın zal Tov Copeoov 


2 


20 @dyv aysı. Kal unnore rovde eizav N 6 neol Fuag ano 
Ev nap' &v 7uEoav zal vuxta noıwv Enaywyag Lwng TE 
za $avarov zul vnvov zul 8/07Y000EwS. 

Wer diefe Stelle mit dem Vorhergehenden und dem Folgen- 
den vergleicht, wird, wenn er nicht jede Spürfraft entbehrt, darin 
j 1) Bon ven Vielen, die nah Wyttenbach über jene Schrift des 
Krantor gehandelt, haben dieß jedoch nur hervorgehoben Meier (in einer 
Halle 1840 erjchienenen Gelegenheitsihrift p. 9), und noch beſtimmter, 


Friderich Kaifer (de Crantore Academico p. 36); beide aber ohne für 
Die betreffenden Stellen anderweitige Quellen anzugeben. 


Heraklitiſche Studien. 101 


mit Wyttenbach ') unbedingt übereinftimmen, dag ‚Wörter, Sätze 
und Verbindung derjelben‘‘ von dem fonftigen Stil des Plutarch in 
dieſem Buche merklich abweichen. Die Folgerung aber, zu der die— 
fes unläugbare Verhältniß benust wird, daß nämlich „die Stelle 
aus der Schrift des Krantor adgejchrieben‘‘ ſei, muß mit derfelben 
Entichiedenheit beftritten werden, fobald man fich die philoſophiſche 
Richtung diefes Akademikers und bevorzugten Lieblings von Cicero *) 
vergegenwäartigt und feine durch abfichtliche Glätte der Form be= 
zeichnete Schreibweife fennen gelernt hat aus den kleineren Bruch— 
ftüden bei Putarh und aus der umfangreichen Mittheilung des 
Sextus Empirifus (adv. Math. Al 51—59). Im beiten Bezie— 
hungen ſteht ihm unfere Stelle jehr fern. In Rückſicht des philo— 
ſophiſchen Gehalts: denn dieſer deutet durchweg auf Benutzung vor— 
platoniſcher Phyſik, zu der weder Die Akademie zur Zeit des Krantor, 
noch diefer aus eigenem Antriebe ) ſich hinneigte. In Rückſicht des 
Stils: denn unſre Stelle fällt auf durch abſpringendes Andeuten 
der Gedanken, durch eilige lockere Verbindung, beides Eigenſchaften 
die, nach allen Spuren zu ſchließen, weder dem Stil des Krantor 
mit Recht können zugefihrieben werden, noch auch bei Plutarch ſich 
da finden, wo er unbehindert feinem eigenen Kopfe folgt. Hier 


1) T. VI p. 721 ed. Ox: Haec deinceps ita verbis , dietionibus, 
compositione a reliquo huius libelli stylo differunt, ut ex libro Cran- 
toris descripta censeam. 

2) Acad. pr. II, 44: Legimus omnes Crantoris, veteris Acade- 
mici, de luctu; est enim non magnus verum aureolus et, ut Tuberoni 
Panaetius praecipit, ad verbum ediscendns libellus; Worte, in denen ſich 
der behagliche Genuß ausdrückt, welchen Cicero beim Leſen des ihm gewiß 
finnesverwandten Krantor empfand, und denen wir vorgreifend eine eben jo 
bezeichnende Aeußerung, über die ihm unbequeme Fremdartigkeit des Hera— 
klit zur Seite ſtellen, de nat. deo. 111 14: Heraclitum —, quoniam ‚quid 
diceret intelligi noluit, omitlamus. -— Um die Behanptung Fried. Schnei— 
ders (Ztſchr. = d Nlterth. 1836 ©. 8453), daß alle Gedanfen unferer plus 
tarchifchen Stelle fidy) im eriten Buch der Tusculanen wiederfänden, zu 
widerlegen, braucht man nur auf das Gapitel 38 hinzuweifen, welches 
Schneider für ſich anführt. 

3) Su welcher Weife Krantor Die „alte Philoſophie“  Denußte, 
zeigt eine von Plutarch corsolat. p. 104 d erhaltene Stelle: Tourors (nam: 
lid), v aß alles Menfehliche von Natur vergänglich ſei) —— zai 6 
Kodı og negauudovuer os ent m Tor Tezywrv tehevan ı0v lnnorkee 
qngt: „TAUTE 5 ‚20 1G can goyeie euıy yıloooyfa LEyE TE ZU MRORZE- 
leVEeruı" wVv ei dn u dhho ‚on anodeyousde, 10 ye nolkayn Eiveı 
&oywdn zui ÖdUozoloy 1ov Pioy ayuy dhndes“. 


102 Heraflitifhe Studien. 


jedoch kann fchon das öfter wiederfehrende cher anfnüpfende ale 
verfnüpfende zur zu Anfang neuer Sätze (©. 100 3.7, 15, 20) 
einen aufmerffanern Lefer darauf hinwerfen, daß Plutarch ber feiner 
ovvayoyn von Troftgründen auf Quellen gerathen it, deren er 
nicht ganz Meifter zu werden vermochte, und darum was für feinen 
Zweck paſſend ſchien nur zufammenraffend mitgetheilt bat ohne 
rechte Aneignung. Und was fünnte ung nun ber diefer Yage der 
Sache Triftiges entgegnet werden, wenn wir, felbft ohne weitere 
Begründung, bloß auf die ausdrückliche Nennung des Heraflit im 
Eingang (3. 7.) geftügt, die Behauptung aufftellten, auch 
das unmittelbar Folgende fer ebenfalls aus heraffitiichen Quellen 
hergeleitet ? Auf jeden Fall würde folcher Behauptung ungleich) 
mehr Außeres Necht zuftehen,, als der anderen, welche die ganze 
Stelle auf Krantor zurücführt, deffen Name mehre Seiten im Um— 
freis gar nicht genannt wird, und Nichts von Allem was die Anz 
nahme Frantor’fchen Urfprungs widerräth, weder die Eigenthümlich- 
feit des Inhalts noch Die Art der Darftellung, würde mit der Vor— 
ausfeßung eines beraflitifchen unvereinbar fein. Wir brauchen ung jedoch 
nicht mit jo allgemein gehaltener Bewersführung zu begnügen, fondern 
können Sat für Satz deutliche Zeichen heraffitifcher Lehre verfolgen. 

Nach den einfeitenden Worten daß „der Tod mit den Men- 
fihen verwachfen fer” und der darauf begründeten Frage „zu wel- 
cher Zeit it der Tod nicht in uns?“ findet fih 3. 7 die Anfüh— 
rung des Hevaklit, welche auch Schleiermacher veranfaßte den nächften 
Satz folgendermaßen in feine Sammlung aufzunehmen ©. 454 Ir. 
38: „zal 7 ynow ‘Hoaxkeırog auto 7’ Evı (bi auf beffern 
„Rath Eorı) [or zaı Tedvnxog xal To Eyomyogog zal 
„co zaFEeVdor zal v&ov zal yngaıov' trade yag uera- 
„IEOOYT@ Erelva Eotı zarelva nakıv ueransoovra tarlıa, „„Und, 
„„wie Hevakleitos fagt, daffelbige iſt das lebende und das todte, 
„„das wachende und das fihlafende, das junge und alte’. Denn 
„die noch folgenden Worte mögen wohl fihon zu der Erflärung des 
„Plutarchos gehören, der, wie er es befonders mit Leben und Tod 
‚zu thun hat, und hernach ausführt, daß die Natur aus demfelben 
„Stoff nach dem Tode des Einen wieder einen andern bereite, 


Heraflitifhe Studien. 103 


„Das veov xal yyoaıov, wozu die Erklärung ſich nidt 
„ſonderlich ſchicken will, überſah“. 

Auch im weiteren Verlauf ſeiner Darſtellung läßt Schleierma— 
cher alles im Plutarch Folgende völlig unbenutzt. Daß nun zu An— 
fang ſtatt tavro 7’ Erı zu ſetzen ſei: zavıo 7’ eve „in dem— 
jelben iſt“ Liegt auf der Hand und haben fchon Andere bemerft; 
eben fo Far ıft wohl, daß auch in den von Schleiermacher ausge- 
zeichneten Worten nicht ganz unveränderte heraklitiſche Rede vor— 
fiegt, was Plutarchs 7 pyoır, nicht wie bei wörtlichen Anführun- 
gen: Procv, hinlänglich bewerfen würde, felbft wenn das Verwiſchen 
jonifher Form in dem ja auch fonft verderhten zasro und das 
plötzliche Einfchieben des Artifels vor &yonyogos und zadeudor 
den Abfchreibern zur Laft fiele. Dem Gedanfen nach find jene Worte 
allerdings vollkommen heraklitiſch. Um Nichts weniger jedoch tft es 
auch Das folgende von Schleiermacher zurüdgewiefene: zade yao 
ueransoovra Ersiva £Eotı xazrEelva nahıy WETRNEODVIW 
ravra, „denn dieſe (Alter, Schlaf, Tod) find umgewandelt jene 
(Jugend, Wachen, Leben), und wiederum jene umgewandelt dieſe“; 
und wenn hiermit ähnliche Neußerungen zufanmengehalten werden 
aus der Schrift near drang 1366 ed. Kuechn: puog Znvi, 0x20- 
105 Aldn, paos did, oxorog Zyri gora zul uerazıveitau 
zeiva wds zul zade zEeloe naoyv Won» diangnooöueru 
zelva Te ta ravde Tavra!) Te va zeivo», und dafelbft 
630: Ev TourW (IW vol) wuyn voog poornoıs av&noıs udio- 
org diahAafıg Unvog Eyomyoooıs. TOVTO nurra dıa navrog zv- 
Begva zal ade zul Exreiva oBdExore argeudor: ſo ift es 
wohl gerechtfertigt, auch im jenen kurz zufammenfaffenden Demonftra- 
tiven bei Plutarch: rade, szeiva engeren Anfchluß an ächtherakliti— 
ſche Nedeweife zu vermuthen. Sollte aber wirffich die „Erklärung“, 
welche jene Worte geben, fich weniger „ſonderlich ſchicken“ für das 
Verhältniß zwischen Jugend und Alter als für das Verhältniß zwi— 
hen Leben und Tod und zwilhen Wachen und Schlaf: dann würde 
man nicht allein ſchließen müſſen, daß die „Erklärung“ nur von 
Plutarch herrühre, fondern noch viel mehr, daß die Erwähnung von 

1) ©. Heraclit. part. pr. p. 10, 21. 


104 Heraflitifhe Studien. 


Jugend und Alter in folhem Zufammenhang gar nicht heraklitiſch 
fei. Denn eine andere Erflärung hatte Hevaflit ſelbſt nicht geben 
fönnen, keinesfalls eine fürzer gefaßte, welche auf die drei fraglichen 
Paare von Berbältniffen gleich treffende Anwendung fünde. — Le— 
ben und Tod find, nach beraffitifcher Auffaſſung, nur die nach ven 
Gegenfeiten bingewendeten, innerlihft untrennbaren Aeußerungen 
deffelden Prozefles, der den ganzen Bereich des Werdens beherrfcht, 
mithin auch den Menfchen umfaßt. In dem Menfchen wirft alfo 
die Kraft des Todes wie des Lebens in jedem Augenblick feines 
Dafeins. Die größeren Abfchnitte aber und Fräftigeren Aeußerun— 
gen des Lebens und Sterbens wiederholen fich in Heineren Kreijen 
mit fchwächerer Wirkung dur den Wechfel von Wachen und Schlaf, 
Erfcheinungen des Einzellebens, die mit vem Geſammtleben der Na— 
tur zufammenbängen durch den Umſchwung der Tageszeiten, fo wie 
diefer wiederum in innigſter Beziehung. fteht zu dem „ewigfebenden 
Feuer”, das in ftetem Wechſel aufflammt und verlifcht. Das Ein: 
treten von Leben oder Tod und von Wachen oder Schlaf iit Jedoch) 
nur das fichtbar werdende Uebergewicht, welches je die eine Kraft 
über ihren Gegenfat gewonnen und augenblicklich wieder an dieſen 
zu verlieren anfängt, Wirkfam vorhanden find immer beide Kräfte 
zugleich, da ihr ewiges „Streiten‘‘ weder Sieg noch Unterbrücung 
einer von beiden auf die Dauer zuläßt. Hat nun Heraflit in diefer 
Weife fortwährendes Zufammentirfen und gegenfeitiges Umwandlen be— 
hauptet von Leben und Tod wie von Wachen und Schlaf: fo kann 
es nicht auffallen und muß ebenſo erflärt werden wenn das Gfeiche 
ausgefagt wird von Jugendkraft und Altern, den vorbereitenden 
Kräften des Lebens und Todes. Aber — fünnte man einwenden 
und dieß bauptfüchlih war wohl Schleiermachern anftößig — zu— 
gegeben daß wie im Süngling der Keim des Greifen Liegt ebenfo 
auch im Greifen, jo lange er nicht ganz dem Tode verfallen, im- 
mer noch Jugendkraft zurückbleibe; mag ferner Heraftit dieß in fei- 
ner Weiſe fo ausgedrücft haben: „Jugend und Alter iſt in einem 
und demfelben‘ ; und mag man endlich, ohne verkehrt zu reden, das 
Alter nennen dürfen eine Umwandlung (neransoorta) der Jugend; 
wie will man es" Dagegen rechtfertigen daß die Jugend fei die 








Heraflitifhe Studien. 105 


Umwandlung des Alters? Solcher Einwand hat jedoch nur Statt, 
wenn das Leben des einzelnen Menfchen als ein für ſich abgefchlof- 
fenes gedacht wird; in Feiner Weiſe trifft er die Auffaffung des 
Heraklit, welcher es vielmehr im Zuſammenhang will gedacht wilfen 
mit dem Gejammtieben der Gattung und im innigften, abhängigſten 
Anſchluß an die wandelnden Kräfte des Alle. Und dieß hebt auch 
der im Plutarch folgende Sas mit entſchiedenſtem Nachorud hervor: 
„denn“ — heißt es (3. 10) — „wie einer sus demfelben Thon 
Bilder formen kann und zerfihmelzen, und dann wiederum formen 
und zerfchmelzen, und dieß unaufhörlich thun eines nad) dem andern: 
fo hat auch die Natur aus demfelben Stoffe vor Zeiten unjre Vor— 
säter heraufgebracht, dann hat fie die auf jene folgenden erzeugt, 
unfre Väter, dann ung, und dann wird fie Andere nach Andern 
im reife herauffördern“. 

Die ganze Satzbildung iſt bier unheraklitiſch und natürlich 
gehören auch Yuoıs in dieſer Verbindung und vn fpäterer Ter- 
minologie an. Aber das Gleichniß vom „Thon in der Hand des 
Töpfers“ zeigt ftarf heraflitifche Färbung, und die weitere Anwen— 
dung, welche es wohl im Buch tes Herafiit mag gefunden haben, 
fann die Hier vorliegende auf den Zufammenhang der Menfchenge- 
ſchlechter ficher nicht ausichließen, zumal da die Gliederung dieſes 
Zufammenhanges in je durd Großvater, Sohn und Enfel gebildete 
Abſchnitte, welche unſre plutarchiſche Stelle far genug andeutet, auf 
beftimmte Sätze des Heraflit zurüdgeht, deren früher befannte 
Spuren jest noch durch ein neu hinzugefommenes Zeugnis vermehrt 
werden aus der nur armenifch erhaltenen Schrift Philo's quaest. in 
gen. 118.5 extr. p. 82 Auch, Vol. VI p. 310 ed. Lips.: Triginta 
apprime naturale; sicut enim in unitatis serie trinus est nu- 
merus itain denariis Iriginta idque lunae cyclus collectio sin- 
gulorum mensium plena delineatione. Secundo componitur ex 
qualuor continuatione unilalis ‚horum quadrangulorum 1. IV. 
IX. XVI. triginta conslituentibus. Unde non gralis ac frusira 
Heraclitus generationem id: vocavit quum diceret: ex homine 
in tricennio potest avus haberi, quoniam puberlatem altingit 
quarto et decimo aclalis anno quo seminare potest, semen 


106 Heraklitiſche Studien. 


aulem eius inter annum conleclum iterum post annum (sic) 
quindeeim generat similem sibi. Ex his autem nominibus 
avorum paltrum fillorum natorum sicut et matrum filiarum fi- 
liarumque prolibus complela perfieitur generatio )y. — Wört— 
liche Anführung iſt wohl nur in dem gefperrt gedruckten Theil zu fu- 
chen, der im Griechifchen vielleicht fo Yautete: &x avdgwnov ev 
ToLmzoVTaETLIn Eotı nannov Eye. 

Erhellt es num aus diefen Erwägungen, daß die Anficht von 
wechfelnder Zerftörung und Neubildung des Menfchengeichlechts fo 
wie das hierauf bezügliche Gleichniß in unferem plutarchiſchen Satz 


1) Von diefer philonifchen Stelle ift nur ein flüchtiges und verderb— 
tes Excerpt was bei Gramer Anecdot Paris. | P- 224 ohne Duellenan: 
gabe fi findet: orı 6 A agu Yuos yuorzutarös eorıy. ö yap Er uo- 
vddı 10105 10010 £&v dezdoı Tquuxoviag enEi zei 6 100 unvös Eu 
Gvy£otnzev 2 TEO0dgwv ı0v ano uovados Eins Tergayorwv a’ d' 
ıc'* Ö69Ev oU2 dno 0x20n10U Hodzlsıros yervcav ınv ujvea de 
Aus der Vergleihung des Armenifchen ergiebt fich, daß der Ercerptor erit= 
lich Erneıte welches vor ovv&ornyzev ftand im Lrzei verändert, umgeftellt 
und fo Die zweite Eigenfchaft der Zahl dreißig Durcheinandergewirrt hat 
mit der erften, wahrfcheinlich weil er die Worte nicht verftand, welche auf 
unvos zUzkos folgten und dem Satztheil collectio singulorum mensium 
plena delineatione entjprachen. Sollten es vielleicht dieſe geweſen fein: 
oulloyos dıyougvwv ahygeı Oyjucrı? — Berner fand er im Griechiſchen 
“Hodzısıros yeveavadınv zaktid.h.Tyv ToLezovıdde; ev bezog ed da— 
gegen ſinnlos auf das nächſtvorhergehende md ſetzte daher Tor unve, oder 
wohl gar zav wuijrnr. — Auf eigene Worte des Heraflit fcheint auch 
Genforinns de die nat, 16 p. 42 ed. Jahn. ſich zu beziehen: hoc (triginta 
annorum) lempus yeredy vocari Heraclitus auctor est, quia orbis aela- 
tis in eo sit spatio; orbem autem vocat (fo Lachmann ftatt vocant) aetatis 
dum natura humana a sementi ad semenlim revertitur. — Die früher be— 
fannten Spuren, daß Heraflit den Umfang eines Gefchlechts und die Al— 
tersitufen des einzelnen Menfchen näher beitimmt habe bieten nicht, wie "das 
philoniſche ——— und Cenſorinus, wörtliche Anführung: Plut. de defect. 
orac. p. 415 d: ... . E77 ToLdzovte 1010001 any yeveav 209 Hod- 
zheıtov, dv DO 200vw Yervovıe naofyeı 10V EE Lavroü yeyevauevor 
6 yevvnoas; Plac phil. a a Er Hod@zxkeıros zei oil Zrwızoi 
dogeodar tous dr9gWnous Telsubryzos nEoi ınv devreger EBdoudde 
neoi nv Ö ONEQUaTLzOs zıveitei 00005 - - » » TELEIOS 00V TOIE Av- 
Iown10s- TTEOL d8 Tuv devräger E3doudde Evvore ylvsraı xakoü 1E 
zei 20200 zei 175 dideoxelias alıwr. Schon die Art wie bier der 
zweite Grund, Erfenntniß von Gut und Böſe, locker angefnüpft ericheint, 
kann darauf deuten, daß er eher auf die im Eingang ausdrüclid genannz 
ten Stoifer zurüczuführen fei als auf Heraflit, dem er von Schleierma= 
her ©. 421 und Anderen zugetheilt wird. — Alle diefe Spuren nun ſtan— 
den für Schleiermacher „ganz einzeln“.. Es wird ſich ihnen aber, abgeſehen 
von dem Sufammenhang, in welchen fie ſchon die pintarchifche Stelle rückt, 
noch ein anderer, für den Ausbau des Syſtems nicht minder wichtiger, 
Platz anweifen laffen. 





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Heraflitifhe Studien. 107 


aus heraklitiſcher Duelle berfließe ; dann zwingt die Stellung, wel- 
che nach Heraflit der Menfh gegenüber der Gefammtheit aller 
Wefen einnimmt, zu der Folgerung, was im Wandel der Menfch- 
heit als Geſetz hervortrete, müffe die allgemeinſte Geltung auch ım 
ganzen Gebiete der Natur bewähren. Den Menfchen zu befaflen 
unter das „‚gemeinfame Maaß“ — dieß ift nicht nur der Weg auf 
dem Heraffit die Räthſel zu Töfen glaubt, welche der Menfch dem 
pvorzös als folhem aufgtebt, es ift auch das Band, welches vie 
heraffitifche Phyſik aufs innigfte verfnüpft mit feiner Ethik, wie Diefe 
in den Bruchftücfen durch fpärliche aber Fräftige Umriffe vorgezeich- 
net iſt und zu gefchloffener Geftalt ausgeprägt wurde von ven 
Storfern ). Wird alfo von der Menfchheit behauptet daß fie „aus 
demſelben Stoffe‘ geformt, aufgelöft, und wiederum geformt werde 
„eines um das andere’: fo fügt dieß zu den fehon ſonſt vorhande- 


1) Zu den Belegen, welche die Schleiermacherfhe Sammlung hier: 
für darbietet, fommt folgende bisher nicht ausgebentete Zufammenftellung 
heraklitiſcher Kernſprüche bei Marc. Anton. IV 46: «si zoü "Hoardeıreiou 
ururnodeı — yas Yüvaros ulwo yevkodan, zei Udarogs Havaros 
a£oe yEeveodaı, zai degos. n00, zei Eunebır. Meuvjoder de zei ToÜ 
enıikav$avo uEevov N D sdöos, aysı: zei örtı, m) udhıora dın- 
VERWS öwıkoücı 6y®, To Te ih dioszoörtı, Tour dıey E- 
00YVTaı- zei ois 20 nufoav &yzvooVoı TaUVTe eBTois 
Eve palysraı zai ö11 ou dei WwonEeo zaseu dovrzas moueiv 
zei lEyEıv za oTU oÜ dei naidesg Toz£wrv wy ovz E0Tı ZOTE 
unlov ze9Iorı megsıkn pausv. Der erite, phyſikaliſche, Sas greift hinüber 
in die noch unentwirrte Frage von der Anfeinanderfolge der Berwandlungen. 
Alle anderen Sätze dagegen haben ethifche Bedeutung, und unter ihnen trägt 
der erite daß „man immer wieder vergefle, wohin der Weg führe‘ fchon 
in 6dos deutlich heraflitifchen Stempel. Der zweite: „das Geſetz mit dem 
fie am meiften ohne Unterlaß verfehren, gegen diefes lehnen fie fich auf“ 
ftimmt durchaus mit der Entwickelung in der Schrift egi dreirns, daß die 
Menſchen in allem ihren Thun und in jeglicher Kunft nur das Naturgeſetz 
nachahmen und dieſes dennoch verfennen &. Heraclit. part. pr. p. 14, 
22—25. Der dritte Sas: „worauf fie täglich ftoßen das fcheint ihnen 
fremd“ ergänzt und berichtigt die Anfangsworte von fr. 2, welches Schleier: 
maher & 329 nur nach der verwirrenden Anführung des Clemens Aleran: 
brinus mittheilt. Der vierte Sag: „man muß nicht handeln und reden 
wie im Schlaf” fteht in Beziehung zu dem Schluß von fr. 47 ©. 482. 
Die lebten Morte endlich werden wohl am paſſendſten mit Korais fo ver: 
beflert: ou dei ws neides Tox£wv, tour Zorı zıl. „man muß nicht 
handeln und reden wie ein Kind feiner Eltern‘ und enthalten, wie fon 
der erflärende Zufaß „bloß wie wir es überfommen‘ anzeigt, die Aufforde- 
tung von der Weberlieferung abzulaffen und der neuen Lehre ſich anzu— 


ſchließen. 


108 Heraflitiihe Studien, 


nen !) noch einen Beweis mehr, daß Hevaklit daffelbe Geſetz wech- 
felnder Neubildung und Zerftörung auch für den ganzen #0ouog 
aufftellte. Bekanntlich bat Schletermacher dieß nicht zugeben, und 
mit dialeftiichem Scharffinn die in Frage fommenden Zeugniße theils 
als feien es unzuverläßige zurückweiſen, theils zu Gunſten feiner 
Meimung deuten wollen. Daß aber dieſe Meinung nicht die vich- 
tige fe, bedarf hier um fo weniger näherer Auseinanderfegung, als 
bloß durch unbefangene Würdigung des Schon Schleiermachern be- 
fannten Materials die entgegengefeste Anficht fichergeftellt worden 
von Ritter und DBrandis, worauf fie dann ohne Wivderfpruc in 
die neueren Darftellungen des Heraflit übergegangen iſt. Diefe für 
den Zufammenhang der Lehre beveutungsvolle Einficht ift Die ein- 
zige, welche feit Schletermacher hinzugewonnen wurde, und auf Dies 
felbe follten die Eingangsworte dieſes Auffages hindeuten. Bisher 
ift fie jedoch noch nicht nutzbar gemacht worden zur Aufhellung ein- 
zelner früher, räthfelhaft geblichbener Ausfprüche, und indem wir das 
bier an einem Beiſpiel unternehmen, glauben wir unfere am Faden 
der plutarchiſchen Stelle hinlaufende Erörterung durch Feine unge- 
hörige Abfchweifung zu unterbrechen, da wir zum Verſtändniß eines 
dem plutarchifchen ganz ähnlichen Bildes für diefelbe Sache geführt 
werden. 

In feiner DVerfteigerung der Philoſophen läßt Lucian (vit. 
auct. 14) auch den Heraklit zum Verkauf ausbieten und, ohne daß 
ſich viel verzerrende Parodie hineinmifcht, wird bei diefer Gelegen- 
heit dem Ephefier eine Auswahl feiner hezeichnendften und fremdar— 
tigften Sage in den Mund gelegt. Da fpricht nun Heraflit: „Eines 
und daſſelbe iſt Luft Unluſt, Wiffen Unwiffen, Großes Kleines 
aufwärts abwärts wandelnd und fich vertaufchend in der Weltzeit 

1) Die genauen Zahlangaben freilich, welche fich über das „große 
Jahr des Herakflit nur bei fehr fpäten Sammlern und in verdäcdhtiger 


Zufammenftellung mit Linus finden (Plut. pl. ph. II 32; Stob. eclog. 
phys. I p.264 ed. Heeren-;; Censor. de die nat. 18. p. 55 Jahn.) könn— 
ten leicht feinen. anderen Urfprung haben, al& irgendwelche deutelnde Be— 
rechnung, vielleicht ftoifcher Commentatoren des Heſiod, welche auf Die bei 
Plutarch de oracul. def. 415 c erhaltenen heſiodiſchen Verſe Die herafli- 
tifche Beltimmung der yerc« anwandten. Als wahrfcheinlich wenigſtens 
muß diefe Vermuthung fich aufdrängen bei genauer Erwägung des Dort 
von Plutarch (415 f) Gefagten. 





Heraklitiſche Studien. 109 


Spiel (ev ın tod alwrog nardın)'). Ein Raufluftiger fallt 
mit der Frage ein: ⁊ yao 6 aim» Eorı, worauf Heraflit die 
Antwort giebt: nats nallwr, neoosvov, ovvdıapsoouevog?). 
Von diefen drei Bezeichnungen des alwv ift die dritte vollfommen 
far. Sie faßt das Zufammen- und Ausernanderfireben in ein Wort 
und wird als heraffitifch gewährleiftet durch Plato's Zeugniß (Soph. 
P- 242 ©): dinpegousvov aeı Svugpeoerarn. Für die zweite: reo- 
oerov findet fich allerdings Fein wörtliher Beleg in den jetzt be— 
fannten Bruchftücen ; allein es Tiegt zu Tage, daß das gegenfeitige 
Umwandlen der Gezenfäße und die wechfelnde Stellung, welche da— 
durch je der eine zum andern einnimmt, mit dem DVerfegen der Steine 
im Brettfpiel °) verglichen wird. Nur die Bedeutung des erften 
Bildes, daß der Neon „ein fpielendes Kind’ fer, will fich nicht fo- 
gleich ergeben, gerade weil es nach vielen Geiten bin fchilfert, 
während man bei Heraklit freilich oft derbe aber immer den ganzen 
Gegenftand und nur diefen allein treffende Gleichniffe zu finden ge- 
wohnt ift. Auch des Clemens’ Furzes und obendrein einer Bibel: 
ftelfe tändelnd angepaßtes Citat (Paedag. I 5 p. 111 Sylb.) 
roıavrnv zıva nalleıv naıdıav Tov Eavioe Ara “Houzkeırog 
1£yEı gewährt feinen genügenden Aufſchluß. ES zeigt nur daß Lu— 
cian den heraffitifhen Terminus Zevs mit dem vielleicht auch nicht 

1) Sn dem unmittelbar Vorhergeh enden zal EOTı TWÜTd tegyus ETEQ- 
in, yrwoıs dyvwoin, ueye | uzo0v Evo 2OT@ NEOLYWOEOVTL zei qausi- 
Böuewe iſt regrpıs arsorbin alsheraflitifch nachgewiefen Heraclit. part. pr. p.28, 
yrooıs ayvwoin dafelbit P. 31, xweesw als Bezeichnung von Ödos arm 
2ETO dafelbit p. 11, &s ZUXEWVR TNIAVTE ouveukeerau P- 8. Sm Folgen— 
den deutet der Kaufluſtige mit adzreyvws yoR WONEO Ö „fofias ovdtr 
dnooageis auf fr. 10 ©. 333 Schleierm,: 6 dvek, 05 70 uavreiör 
?otı 10 Ev Aekpois re Akycı oVte zounteı dAka Onueiver, und den 
Heraklit felbit läßt Luceian in den Worten: &yo de »&ho ucı n60ıw Hpn- 
dor oluwleır feinen Ausſpruch über die Ephefier parodiren fr. 46 ©. 
430 Säl.: agıov ’Eyeoioıs yBndov anodaveiv nävı. 

2) Daß jo, und nicht deeyeoousvos, zu ſchreiben ſei beweiſt das 
Scholion: dbıegeoousvos] ovrv dieuayousvos, wie Shen Hemſterhuys ge- 
ichen, Wenngleich! er den heraflitifchen Terminus eben jo wenig erfannte als 
der Scholiaft. Dieſer dachte au Stellen wie Hered. 1 18: 02 MiAyaıoı 
10i6: Xioroı Tov woos ’Foudortovs nöolsuov OuvdıEvsızar. 

3) Euripid. Iph. Aul. 196: zeo0W®v ——— MOGCOGGITG 
n okAunkdzous; Phil. de vit. Moys. | Ds Pre) : TUXnS yao dorayun- 
1618009 oUdev Evo Zei zdarw ıq — NETTEVOU ER 


Plut. de commun. notit. p. 1068 d. nertwv diamv devVoo zdxei 
Tas zoıvas Evvoiag weratıdeis, 


110 Heraklitiſche Studien. 


unheraklitiſchen alwr ') vertaufcht hat. Eher hätte Proklus' An- 
deutung (in Timaeum 101 N): arA0ı de zal zov Ömwovgyov Ev 
Tm #00uovgyslv nalleıy eioyxaocı, za$aneg Hoarksırog 
auf die rechte Spur Ieiten können, wenn nicht Schleiermacher in 
feiner oben berührten Meinung wäre befangen geweſen, und wenn 
die neueren Urheber verfehiedener Erklärungen den Worten des Pro- 
klus das gebührende Gewicht beigelegt hätten, Legen wir ihnen 
aber diefes Gewicht bei, fo befagen fie, verbunden mit den andern 
Zeugniffen, daß Heraflit den Zeus in feiner weltbildenden 
Thätigkeit mit einem fpielenden Kinde verglichen, und ‚halten 
wir das zufammen mit der als beraflitifch beglaubigten Anficht von 
abwechfelndem Neubilden und Zerfiören der Welt, jo brauchen wir, 
um in dem Welten bauenden und zerftörenden Zeus ein fpielendes 
Kind nach heraklitiſcher, d. h. treffender, Bilderfprache zu erfennen, 
uns nur nad) einem auch in Griechenland gewöhnlichen Kinderfpiel 
umzufehen, welches in abwechjelnden Bauen und Wiederzerftören 
fih ergeht. Ein folches Kinderfpiel nun erfcheint als altberfömm- 
lich in der Ilias CO 361) wo von Apollo gefagt wird: 
eoeıne ÖE teiyog "Ayaıwov 

deda uah wg ÖTE Tıg wauadov n als ayyı Yahaconc, 

001’ Enei oVv noınon advouura vynıenom, 

ay avtıs Ovv&ysve nooiv zul 4E00lv advom». 
Hat man aus Plut. de Iside p. 370 (Schleierm. S. 408) erfannt, 
wie Heraflit gerade bei feinen bildlichen Ausdrüden auf Homer Be- 
zug nimmt; fo dürfte ferner diefe Vermuthung nicht für zu fehr 
gewagt gelten, Heraklit habe, in bewußtem Hinblick auf jenes ho— 
merifche Gleichniß vom Apoll, feinen weltbifvenden Zeus als ein 
Sandhäuſer bauendes und zerftörendes Kind dargeftellt, wobei er 
natürlich wenigftens nicht fo Furz verfahren Fonnte als unfere jetzi— 
gen offenbar durch viele Zwifchenhände gegangenen Notizen. Aber felbft 
wenn eine derartige Bezugnahme auf Homer Bedenken erregen 
ſollte, wird ſich Feinesfalis läugnen laſſen, daß dem Heraflit auch 


1) Diog. Laert. Vit. Heracl. IX 8: yevvauset Te aurov (Tov 
’ N x ’ - N x D 
x00u0v) Ex nvoös zei nahıy Lenvoovoder Evahkaf Tov Ovunevte 
ealwvae. 





Heraflitifhe Studien, 111 


ohne fremden Anſtoß eben viefes Kinderfpiel eher als irgend cin 
anderes zur Veranfehaulihung für das Thun feines Zeus in den 
Sinn fommen mußte; wie in der That fpatere Schriftiteller bei 
ihrer Polemik gegen die ftoifche, ganz auf beraflitifchem Grunde fu- 
ende, Lehre von der Ezuvgwors alleverft dieſes „Kinderſpiel“ er- 
wähnen, mit verſteckterer Benutzung der homeriſchen Verſe wie 
Philo de incorrupt. mundi II, 500M.: «u da Oworog (o z00uos, 
nämlich der nah einer Exruigwoıg neugebildete) uurarononog 6 
reyvling ovVdEv zowdn vnnliov naldwv dıap£gwv, ol noi- 
kaxız na0’ alyıal.ois aFVonvVrEgs yauuov yEwkogovs auvı- 
oTa0L!) zul EnsıF Üpuıgovrreg als yE001 nulıv Egei- 
novow, oder mit deutlicher Hinwerfung auf Homer wie Plutarch 
de  Er.p.893.d: EX0Taosıg dE aVroV (Tod ’Anoliwmvog) zal 
usroßokac Eis nvg apıEvrog Eavrov aua naoıyv, @g Akyovan, 
addıg re zarugAıBorrog evraida zal zatareıivortog ?) &is vor 
xal Ia)aooav zul aveuovs zul [wa zul Qvra, zul ra deva 
nadnuara oVd’ axrovsıv Öolov: Mn 10V noLmTıRod naıdüg 
Eotal YuvAotsgog NV Erelvog Ev rırı Vauadm ovrrıdeucın 
zal diaysouevn nahıv op’ Eavrod narllesı nuardıav zavam 
neol Ta Öha Yowusvos del zul TOV x00u0V 00% Ovra nıar- 
rw» 3) ET’ anoAkvmv yevouevor, wo überdieß narleı naudıav 


ganz den Worten des Clemens über Heraflit gleichlautet. 


1) Sp ift ftatt deevıoraor zu jchreiben nad) der Parallelitelle de 
mundo p. 615 M. wie dert auf Grund der hiefigen Stelle w&uuovs zu 
berichtigen in yduuov. 

2) Die in dieſem ganzen Buch gar arg verderbten Handſchriften 
haben: ueraßolas nVo ayıevıos Eavıorv due on GGLV ws Ayovcıw 
audıs TE zuradhißorıos Evriaüde zarereivovıos. Daraus hat Wytten- 
bad) mit Benutzung früherer Berbeſſerungsverſuche gemacht: — — 
no dqıevıos, &avrov dvaOnWVTos ws Aeyovoıv, audıs TE zute- 
IlBovıos Evreide zei xarareivorros. Die oben ver Deutlichkeit we- 
gen gleich in den Tert gefeßten Vermuthungen beruhen auf der früheren 
Stelle in demfelben Buche, auf welche die hiefige deutlich genug zurückblickt, 
p- 388 1.: uereBokais Eavıoö ‚KQsuEros Ghhors utvy Eis niQ arme 
nv puoıvy navyıc ouoıWwoas ndaıv zıl. Auch im Folgenden 
habe ich die Lesart der Handſchriften: zui dy&uovs zei Idee zei Ta dev 
negnuete zei Idwv zei gyurov 000” dxoveıy 60107 durch Umitellung 


und Auslaſſung verändert, ebenfalls nach Anleitung jener früheren Stelle: 


ins d’ eis nveiuare zei udwo zei yav zei GOTOR ui yvıwy [dor 
TE yey£ocıs zgonns zul. 
3) Hiernach ift eine andere Stelle deſſelben Plutarchiſchen Buchs, 


112 Heraflitifhe Studien. 


Sp hätten wir denn in dem fpielenden Rinde, das vom Drang 
etwas zu thun getrieben feine Sandhäufer einveift um fie wieder 
zu bauen, ein Bild erfannt für die abwechfelnd fchaffende und ver- 
nichtende Thätigfert des im Weltftoff wirkenden Weltprozeffes. 
Nur dadurch, dat es nebenbei auch jeden Schein von Teleologie 
ausfchließt '), ganz in Hebereinftimmung mit der alten Phyſik über- 
haupt wie insbefondere mit der des Heraklit, unterfcheidet fich Diefes 
Bild von dem andern, das Plutarch, zu dem wir jet zurücfehren, 
uns in dem Thonbildner nach heraflitifchen Quellen 2) für diefelbe 
Sache vorführt. Aber wie treffend auch eben dieſes Gleichniß vom 
Thonbildner auf einem andern Gebiete gebraucht wird, um das Ver— 
hältniß der Menichheit varzuftellen zu ven unerforfchlichen Rath— 
Ihlüffen des Tebendigen, fürfehenden, feiner Zwecke fih bewußten 
Gottes: von Heraklit kann es nicht zweifelhaft fein, daß er daffelbe 
in Beziehung auf teleologiiche Fragen nur fo aufgefaßt wiſſen wollte, 
wie etwa jener Philoſoph des 17ten Jahrhunderts, der alle Teleolo— 
gie mit Haß und Spott verfolgte gleichſam als einen Götzendienſt, und 
doch ferne Anficht vom Verhältniß ver Menfchheit zu feinem 
Gotte in feine bezeichnenderen Worte glaubte kleiden zu können als 
in diefe: homines in polestate Dei sunt sicut lutum in pote- 
state figuli. 

Beftimmteren Aufſchluß darüber, in welcher näheren Verbin- 
dung jenes Bild bei Heraflit geftanden, giebt Plutarch nicht. In 
Worten, die das Zeichen der Eilfertigfeit an ſich tragen, fpringt er 
über zu einem anderen wo möglich noch mehr heraklitiſchen Bilde. 
3. 15: „Und diefer (2) Strom des Werdens ununterbrochen fließend 
in der Heraflit ausdrücklich genannt wird, zu verbefiern p- 388 d: ws 

YaQ Exeivnv (tuv Te ea dıe ‘0200 u000«y aoyıv) pvkdtiovoer 
€ uev &avıns vor 200u0ov &x de 700 260u0V nıahıy @ü Eavınv ATTO- 
Teheiv avgös m’ dyrausißeodeı TAT [ yoiv 6 'Hodzleıros zei no 
enavıov Won EQ ‚4gQvoov Z9HjuaTe zei Yonudıwy xgu0ÖS zT. Statt 
des finnlofen guAcrrovoev, dem auch Wyttenbachs Zufag E&avryv feinen 
rechten Sinn giebt, ift zu fehreiben : aAdrıovoer. 

1) Hierin, daß es nämlich ‚gegen die Annahme freiwaltenter Vor— 
jehung jtreite” hat man geglaubt den alleinigen Sinn des Bildes fin- 
den zu müljen. 

2) Sollte vielleicht in feiner Polemik ‚gegen die Serafliteer Plato 


Cratyl. p. 440 c mit den Worten: zavıa Woneg zE0«uıe dEL paro- 
dirend auf dieſes Gleichniß anfpielen ? 


* 


— PR 





Heraflitifhe Studien. 113 


„wird nimmer ſtille ftehen, und wiederum ihm entgegen der Strom 
‚der Vernichtung, Acheron oder Kokytos genannt von den Dichtern”. 

Heraflits Wort: „in denfelben Fluß können wir nicht zwer- 
„mal fteigen und feine ähnlichen Ausſprüche vom „Fluß alfer 
„Dinge“ werden feit Plato, von Alten und Neueren fo vft als das 
eigenthümfichfte Kennzeichen feiner Lehre angeführt, daß ein Zwerfel 
darüber, ob die ganze Farbung des plutarchifchen Sabes eine hera- 
Fitifche for, wohl bei Niemanden wird auffteigen können. Fraglicher 
dagegen iſt es und wenigftens durch fonftige Zeugniffe nicht erwies 
fen, ob Heraklit ſelbſt, wie hier in den plutarchifchen Worten gefchieht, 
einen Strom des Werdens und einen Strom der Vernichtung einander ge— 
genübergeftellt habe, ob er nicht vielmehr denfelben Fluß aller Dinge 
zugleich als den des Werdens und Vergehens, und zwar mit nachdrückli— 
cherer Hervorhebung der Vergänglichkeit, aufgefaßt habe, jene Trennung 
aber nur auf einem Mißverſtändniß feiner antithetiichen Redeweiſe 
berube, in das Plutarch oder vielleicht auch defjen heraklitifche Duelle 
verfallen. Ein folhes Mißverſtändniß muß noch deshalb um fo 
eher vermuthet werden, als für den Strom des Werdens fih in 
dem Case des Plutarch ein beflimmter Terminus nicht findet, wähs 
vend es in feiner Werfe unwahrſcheinlich it, daß die Bezeichnung 
des Stromes aller Dinge als Acheron von Heraflit felbft ausge- 
gangen ſei. Tritt es doch noch im unferen Bruchſtücken deutlich 
heraus, mit welcher Vorliebe Heraflit feine philoſophiſchen Grund- 
gedanfen in mothologifche Namen hineinlegte, und wie ödog ara 
und asılwov vg von ihm Zeug genannt wird, Odos zurw und 
das feuchte Prinzip im Gegenfag zum troden fenrigen: "Aldnc !), 
der Sunog Aoyog bald: Alxn bald: 'Eoıvvs, ganz in verfelben Weife 
und auf jeden Fall eben fo yaflend Fonnte er feinen norauog deg 
in Vergänglichfeit voruberraufchenden Werdens wiederfinden im 4yE- 
oo» „Leidenſtrom“, zumal da feine Neigung zu etymologifchent 
Deuten ?) in der Testen Sylbe einen Anflang an feine Theorie vom 

1) Fr. 59 ©. 507 Schl.: ayno Öxcıev uedvVoIH ayeraı Und 
nadog dvyPov opekköusvos, olz Entiov Örn Balve byoyv iv 
wuxy» &yov, verglichen mit fr. 70 ©. 524 würos de Aidns zei A. 
rUv00S, 


2) Die in lächerliche Spielerei nusartende Etymologienſucht der 
Muſ. f. Philol. R, 3 VIL 8 


114 Heraflitifhe Studien. 


„Fließen“ fehen mochte, und in den beiden erften eine Anfpielung 
auf feine trauernde Anfiht vom ewigen „Tode alles Sichtbaren“ 9). 

Plutarch läßt auch Diefes Bild vom Strome raſch wieder 
fallen, und im folgenden Satze ſchimmert abermals heraklitiſche Farbe 
durch, viel verwiſchter freilich als im vorhergehenden, aber doch nicht 
bis zur völligen Unkenntlichkeit. „Die erſte Urſache — 3. 18 — 
alfo, welche ung der Sonnen Tirht gezeigt, diefelde führt auch ven 
dunklen Hades heran“. 

In jeder andern Verbindung würde einem Satz, ſo gefaßt 
wie dieſer es iſt, zu große Ehre wiederfahren, wenn man darauf 
beſtehen wollte ihm einen andern Urſprung als reinplutarchiſchen 
zuzuſchreiben. Nach Allem frühern jedoch und noch mehr nach dem, 
was unmittelbar darauf eng mit ihm verknüpft wird, dürfte wenig— 
ſtens ein Verſuch erlaubt ſein, auch hier einen ältern Gehalt ſeiner 
ſpätern Hülle zu entileiven. Da ſei dann tie ſehr junge „erſte 
Urſache“ dem zurückgegeben, welcher fie hier eingefchwärzt hat, im 
Alöns werde der beraffitifche odos zarm erfannt, deſſen eigentli- 
cher Gegenfab Zeus hier dem gewöhnfichern „Sonnenlicht“ hat 
Pag machen müſſen, und endlich fer vie Vermuthung gewagt, daf 
diefer ganze Sab von der Urfache, welche zugleich Lebenslicht bringt 
und Todespunfel, Nichts geringeres enthalte als eine allerdings fehr 
getrübte Umſchreibung etwa folcher heraklitiſcher Worte: Zeug, 
Atöns avrog, welche trob aller anfcheinenden Kühnheit doch nur 
eine Ueberſetzung in mythologifche Termin geben von dem nach— 
weislich heraklitiſchen Satz: Ödös ar zur win, fo wie biefer 
wiederum nur in notbiwendiger Folgerung auf vie phyſikaliſche Seite 
des Syſtems den allgemeineren, mehr logiſchen Sab anwendet: na- 
Av nuyre Tuvra zal OV tavıq ?). 

Herafliteer geißelt Plato im Kraiylus. Daß Anläffe zu folcher Ausartung 

im Buch Des Heraklit vorlagen, beweift noch jest fr. 56 ©. 503 Schl., 

mehee mit Balcfenaer ‚(Eurip. Phoen. 1168) nad) Eustath. in Il. A p. 

31, 6 zu ſchreiben ift: zo olv Po ovoue „usv Bios, Eoyovy dE Yararog. 
1) Etym. mag. s. v. er öıe Eee dewr. 

2) ©. Heracl. part. pr. p. 2, 1011. — Eine noch näher lie: 
gende Volgerung dieſes Satzes, welche ſehr — Heraklit ſelbſt 
ausgeſprochen, nämlich: eivaı zei un Eivaı Taitov zei oV Teiıoy, greift 


fhon Barmenides an in ofteitirten DVerfen, die jedoch in ihren durchaus 
nicht verſteckten Seitenblicken anf heraklitifche Lehre bis jet unverftanden 


— 


— 





Heraklitiſche Studien. 115 


Wie gewagt immer dieß Verfahren einen älteren Gedanfenin- 
halt von ſpäterer Einfaffung zu befreien gerade in diefem Beiſpiel 
auf den erſten Blick erfiheinen mag: unberechtigt kann es nicht ges 
nannt werden bei aufmerkfamer Erwägung Des folgenden Satzes, 
der fih auch in der Wortverbindung eng an den vorhergehenden 
anfchlieft und ſchon im Eingang durch eine ſchüchterne Partikel 
(ujnore 3. 20) feinen nichtplutarchiſchen Urſprung verräth: „Und 


geblieben find. Auch Mullach (leseotun philos. fragm. Berlin 1846, 
p- 132) hat hievon Nichte geahnt. Die Berfe lauten (P- 114 ed. Mullach.): 
46 auıao Lncır dno ıns (se. ddoü dilyoros Eoye vonue), nv da 

Peoroı eldotes ou dtv 

nhadorre dizoavor‘ dungerin yao lv aitorv 

077; geoıv dUrYEL nleyzıov vcov* ol de gyogovyıcı 

zugpol Öuws tupkoi TE TEInadtEs, AZOITE püke, 

50 OL 10 1 &lkıy TE zai 00% eivaı av 10v vEeyouLoTet 

200 TaVIOV, Idvımv de oliv 109105 Eotı ZELEUFOS. 
„Zweiköpfig“ (dizoevoı B. 47) werden die Herakliteer genannt wegen ih— 
ver antinomifchen Säge wie, um nur auf das nächſtliegende zu deuten, 
außer dem Satz, den Parmenides ſelbſt B.50 berührt, noch: elusv re zwi 
vVz eduey Ir, 72 S. 529 Schleierm. Gine fol che das eben Gefeste gleich 
wieder aufhebende Ausdrucksweiſe geht nach Parmenides aus Rathloſigkeit 
(Zungevin V. 47) hervor, und die Anhänger der angegriffenen Lehre wer— 
den „Nichts wiffende” (eidurzs oVvdtv B. 46) genannt, ähnlich wie Plato 
am Schluß des Kratylus ausführt, daB nach der heraklitiſchen Anſicht vom 
ewigen Fluſſe keine Stetigkeit der Erkenntniß und alſo Fein u mög: 
ih jei. Sn yogouvrer (V. 48) wird wohl auf die Perfon der Herakli— 
teer ihr Sab zavıae peoeodtaı — welche Anfpielung ebenfalls 
PBlato in jeiner Schilderung der Herafliteer nicht verfchmäht hat: Theaetet. 
ae Bl Zt dreyvos; zaTe Ta RER p£eoearrar. Den Aus 
ſpruch: „Sein und Nichtfein ift daſſelbe und nicht dajjelbe‘‘ hebt Barmer 
nides (V. 50) beſonders hervor, weil er au jener Stelle die verſchiedenen 
Lehren vorzugsweife in Beziehung auf die Frage vom Sein durchmuſtert. 
Dah der Sab in Inhalt und Form hevaflitifich jei wird nad) dem oben 
Sefagten eined weiteren Beweifes nicht bedürfen. Die Faſſuug deſſelben, 
wie ſie Darmenides wohl ganz Freu — hat, giebt überdieß Aufſchluß, 
warum Ariſtoteles ſo vorſichtig ſpricht Metaphys. 23 1005 b. 23: ddv- 
VIOV yao Övııvoüv Tabıov Vrro)laußaver give PT} un ‚eivau, ZEIE- 
nEQ9 Tıv&s olovraı Afyeır “Hodzkeırovs 00% Lorı yao avayzaior 
& dis Aysı raüre zai ünoLeußdveiv. Diefe tuv&s überjahen nämlich 
oder wollten überfehen den zweiten Theil der Antinomie, dag zei oV Tavıör. 
— Die allerdentlichfte Anfpielung aber oder, beffer gejagt, einen ausdrücklich 
beraflitifchen Terminus enthalten die legten Worte des Parmenivdes: z «v- 
Twy d& nakivrtoonög Eon »£,8vI05, in denen man die Conjektur zdr- 
Tos für nevıwov welde, fo lange die Anfpielung nicht verjtanden war, 
allerdings nöthig ſcheinen fonnte, ferner nicht wird feithalten wollen, Die 
MWorte find mit ois in DB. 50 zu verbinden und dann zu überfeßen: „und 
denen der Pfad aller Dinge ein ummendender iſt“ d. h. die mit Deraflit 
(Ir. 34 ©. 413 Schleierm. ef, Heracl. part. pr. p. 23) fagen: makly- 
Toonos douori« x00uov. 


116 Heraklitiſche Studien 


ein Bild son dieſem möchte wohl fein die Luft um ung her eines 
um das andere Tag fehaffend und Nacht, Herbeiführungen von Le— 
ben und Tod, von Schlaf und Wachen”, 

Ein Bild von welchem? Dffenbar von dem Verhältniß, wel- 
ches der vorhergehende Satz gefchildert hat, daß aus derſelben 
Duelfe das fonnige Lebensticht und das Dunfel des Todes her- 
firöme. Diefes Verhältniß, heißt es, werde vorgebildet durch die 
Beziehung des Menfchen zur umgebenden Luft, d. b. zu dem, was 
in den Berichten über Heraklit 76 negıeyov genannt wird. Dei 
Tage wo tiefes negıeyov, vom Lebensprinzip des „Feuers“ erfüllt 
und beherrfiht, als ein feuriges den Menfchen umfängt, ift diefer 
eins mit dem „Gemeinſamen“ (Svrov), alfo „bei Sinnen” (Eu- 
powv), wach und lebendig. Im der Nacht hingegen, wo das „Feuer“ 
serlifcht, reißt das Band, welches den Menfchen mit dem „Gemein- 
ſamen“ zufammenhält. Der Menſch fallt dann fich felbft anheim, 
muß „ſich ſelbſt ein Licht anzünden“, finft in Schlaf, wird „ver 
geßlich“ OAnIadog) und tobt. Zum Leben kann er nur wieder ges 
wert werden durch neue Annährung an das Feuer, „wie verlöfchende 
Kohlen, zu heffglühenden gelegt , wieder auflodern in gemeinfamer 
Flamme’, 

Diefe Anficht über die Beziehung von Wachen und Schlaf 
und von Leben und Tod des Menfchen zu dem zegıszov fteht als 
heraklitiſch feſt auf dem unerſchütterlichen Grunde eigener Worte 
des Heraklit, von denen die bezeichnendſten im Vorigen angedeutet 
wurden, wie auf dem gleich ſichern Grunde unverdächtiger Be— 
richte J. Dieſelbe Anſicht enthält in faſt ungetrübter Reinheit der 
eben überſetzte letzte Satz der plutarchiſchen Stelle, und dieſer wird 
ſomit Auch am Schluſſe ein heraklitiſches Siegel aufgedrückt von 
gleicher Unverkennbarfeit und Untrüglichfeit wie im Eingang derfel- 
ben die ausdrückliche Nennung des Heraflit. 

1) Schleierm. ©. 516—521; Heraclit. part. pr. p. 22 et 29. 


(Fortfesung folgt.) 





Zur Kritif des Euripides. 


Um bei der Behandlung der Iyrifchen Fragmente des Euri— 
pides mit einigem Erfolg zu arbeiten, darf man nicht unterlaffen, 
diefelben mit den erhaltenen Chören und Kommoi zu vergleichen. 
Die Analogie Teitet dann zu einem wo nicht immer ganz fichern, 
doch wahrſcheinlichen Ergebniß; fie gibt in zweifelhaften Fällen oft 
eine Entfoherdung an die Hand, wober man fich beruhigen kann. 
Wenn 3. B. Wagner zu Andromed. fr. 6 (aus Stob. 113, 
behauptet, der Vers ovvaAynoov Ss 6 zauvov, dem der dritte ent- 
foricht &ysı zovpornra uoydwv, beftehe aus einem Dochmius und 
Bacchius, fo wird man Durch die übrigen Beiſpiele Alec. 495, 8945 
Suppl. 804, 810, 924 eher beftimmt werden, darın die Verbindung 
eines Bacchius mit jambifcher Fataleftifcher Tripodie zu fehen, da 
fonft der angeblihe Dochmius feine primitive Form gewiß nicht 
überall behalten hätte. Wir erfennen daher die Compofition aus 
Dochmius und Bacchius nur in einer Stelle an, wo diefer durch 
den Moloß vertreten, jener durch Auflöfung der zweiten Arfis un- 
verfennbar ift, nämlich Io 695 grkat, nöreo’ Eum deonorve (der 
ſtrophiſche Vers 676 iſt, wie der folgende 677, verdorben). In 
Erechth. fr. 3 (aus Stob. 55, 4) iſt bis jest der iſchiorrhogiſche 
Jambus yrow ovrorzornv vereinzelt ftehen geblieben. Cine Ver: 
gfeichung son Helen. 1108 uovosia za Iazovg Evilovoar uva- 
Boa«ow oder von 1145 ibid. nravog yao Ev #olnoıs oe Aydag 
ErERV@0E naryo würde auf die wenig davon verfehiedene Form ges 
führt haben: Y70@ ovvorzoinv asıdomı de oreparoıg zuge, die 
gewiß dem Gang des Ahythmus in diefer Strophe beffer entfpricht. 
Was bei Wagner in Philoct. fr. 5 (aus Stob. 120, 10) ein 


Vers ift, adıs & Brora negaıve, nolv rıva ovvruylav, muß in 


118 Zur Kritik des Euripides. 


zwei zerlegt werden, von denen der erfte ein loggaoediſcher 
Anapaeft, wie Alc. 457, der zweite ein dact. penth. iſt. Da- 
gegen ließ man bisher Aeg. Ir. 12 (aus Stob. 7, 2) den einen 
Vers Eorı zal nraloavı' agerav anodeisuosuı Iavarı in zwei 
zerfallen; cv wiederholt fich felbft den Caeſuren nach in Iph. Taur. 
1247 yas nehwgıov TEgug aupene uavreiov zIovıor. Mit 
Recht hat Bothe Andromed. fr. 4 (aus Schol. Aristoph, Thesm. 
1018) oe tus Ev avrooız (nämlih vunpaz avrgıudaz) gefchrie- 
ben, was Wagner ohne Grund in Zweifel 309, vol. Welckers Tra- 
goedien P- 0535 im folgenden Bers wird man beffer thun "4yo 
noch anzuſchließen, und jo die eben angeführte Form aus Alec. 457 
herzuftellen; die dann im dritten fih ergebende Zuſammenſetzung 
aus jambiſcher Dipodie und Tripodie ) iſt nicht ohne Berfpiel; man 
vergleiche Or. 1447 Exajoe 0’ ahkov wirooe oreyns. Zu Phoen. 
Ir. 10 (aus Stob. 38, 14) lieſt man bei Wagner die Note: chori haec 
verba esse vix est, cur moneamus. Mag feyn, aber wir erin— 
nern, daß die bisherige Abtheilung unrichtig zu feyn fiheint, und 
ordnen fo: 
pYovov oV 0Eßw, pYoreiodaı Öd' 
EdEkoıu' av En’ 2o9loiz, 

Der zweite Vers ift wie Bacch. 64 und Aesch. Pers. 70, der 
erfte als Anafreontifer nicht zu verfennen. Zwei Verſe enthält das 
Fragment 4 aus der Alkmene; der erſte, vielleicht nicht vollftändige 
fohfiegt mit @gıororv, den zweiten mag man mit Phoeniss. 655 
Bazyıov yogevua nagderoıı Onßelarg vergleichen, 

Andere Bruchſtücke find vielleicht durch bloße Verſetzung eines 
Wortes oder eine geringe Aenderung zu heilen; wo nicht, wenigftens 
fo zu geftalten, daß man den Eindruck des Euripideiſchen Rhythmus 
erhält. Darunter zählen wir das reizende Lied aus dem Kresphon- 
tes an ten Frieden von Stobaeus (53, P: 567) und Polybius 
(XI, p. 757 ed. Bekk.) aufbewahrt, Darin find V. 4, 6 und 9 

1) Fritzſche fieht darin einen trochaicus ischiorrhogicus, welchem 


no 


die Form — — — — — vorausgehe- Die Annahme eines ſolchen, der 
aber „raro anacrusi caret, quae modo unius syllabae est modo plurium“ 
(vgl. Progr. de Phrygis cantico, p. 4 sq.), ift ebenfo willführlicy als die 
Herleitung des iſchiorrhogiſchen Rhythmus aus dem Cholianiben. 


—— ee 


ee eG 


Zur Kritik des Euripides. 119 


theils unrhythmiſch, theils in einer bei diefem Dichter nicht nach— 
weisbaren Form üderhefert. Die Stelle lautete nach unferer Ver— 
mutbung eher fo: 

dedaıza dE um novorg 

5 Uneoßarn we ynoas 

nolv oav yuolcooav woav no001delv 

zal zakkıyooovg doudasg 

Pikoorepavovg TE xWu0ovg. 


191 uoı norva nokıv xre. 


Her iſt in V. 4 norv vor novorg weggeblieben und das 
durch derfelbe mit V. 11 in Vebereinftimmung gebracht. V. 6 
fchließt fonft mooo1derv woar; aber Euripides liebt es nicht wie 
Sophoffes, choriambifche Reihen in einen Spondeus auslaufen zu 
laffen. Die von ung vorgefiplagene Compofttion kehrt Hipp. 740 
wieder: »0oaı Dagdorrog oizrıo daxovorv. Endlich V. 9 mußte, 
um ein Metrum zu erhalten, für zorrıa vie fürzere Form eintres 
ten, Vgl. Bacch. 370: "Ood« norve Hewv nebft den folgenden 
Verſen uud Herc. 679, 685. Ueber die Anordnung des fr. 4 in 
der Hypſipyla Caus Plut. Mor. 93, d) 

Eis TOv keıuava zad10ag 

Edgenev Eregov Ep’ Ereom 'aloduevos 

aygzvu avdeov ndousra wvya 

Tu vimıov anhmortov Eywr. 
bemerft Wagner: sie versus disposuit Seidl. de vers. dochm. p. 
69. Doc dort iſt Alles anders, den Testen Vers ausgenommen, 
Wie hätte auch Seivler einen fo verpörten Htatus zulaffen fünnen, 
als der in V. 2 1? Er befeitigte ihn auf zwei Arten, worun- 
ter gewiß die, «eıgouevos ftatt aroouerng zu feben, ven Vorzug 
verdient. Sonſt fünnte man auch mit Transpofition helfen und 
fchreiben Ere90» arosuerog Ezp' Ereom. Dies Mittel fcheint im 
fegten Vers angewandt werben zu müſſen, menn ev anders vol- 
ftändig iſt; denn die von Plutarch angegebene Wortftelfung fügt fich 
feinem Metrum; wir vermutßen daher: anınorov 70 vrauov Eyor. 
Eine leichte Anderung im festen Chor aus Phaethon V. 65: 


120 Zur Rritif des Euripides. 


ziv' al9Eo’ 7 yalas Uno xEÜIog upavıov 
ESaunvowIm; 

würde, abgerechnet die Cinleitung mit jambifcher Dipodie, den Vers 
ganz mit Rhes. 527 zivog @ gvkoza; tis aueide Tuv Euav; 
zoor« in Uebereinfiimmung bringen; für die beibehaltene Compo- 
fition fehlt es wenigftens bei Euripides an Parallelen. Von dem 
Fragment 9 (sgl. Schol. Hesiod. Scut. Here, cod. Schellershem. 
in Creuzers Meletem. p. 66.) des Alemaeo in Corinth theifen 
Dindorf und Wagner ©. Hermanns und D. Müllers Emendationen 
mit. Die Anoronung des lebtern 

pikaı ylhaı nooßare uokere 

tis öde nodunos 6 £evog Kooivdıoz 

Euokev @yyıahors, 
fann im erften und dritten Verſe fih auf Feine Analogie ſtützen, 
aber eyzınroıs, was auch Wagner annimmt, it eine annehmliche 
Berichtigung, die übrigens nothwendig Kogırdioıs nach fi) zieht, 
wie G. Hermann ſchrieb. Dadurch fällt der Dochmius am Schluß 
weg, und muß wahrfceinfih mit einem anap. mon, vertaufcht 
werden — vgl. den erften Chor in Phaeth. 49 end yupuar': &ı de 
Tuya rı TEz0ı — indem EuoA’ für Euokev gefeßt wird. 

Neu, aber feineswegs gegründet iſt Wagners Anoronung in 
Alex. 17 (aus Stob. 84, p. 492). Um darüber fprechen zu kön— 
nen, ift es nöthig, die Strophe, wie er fie abtheilt, hier zu wie— 
derholen: 

nE0LOO0ULVFOg Ö A6yog, Euyersiav &ı 
Bgorsıov ev’)oynoouev* T0 yag nakaı 
nowWrov OT’ Eyevousdw 
dia Ö’ Exoıwev a 

5 texoüoa ya Pootovg öuol- 
av yI9ov anaoıy ESenaidevoev 0- 
wır. Idıov oVdEv Eyouerv' 
ula dE yova To T’ gUyevig zal To dvs- 
yev&s“ voum ÖE yavgor ar- 

10 70 zgulvsı yo0vVog. 
To Poovınov EUYEVELT 


* 


Zur Rritif des Euripides. 121 


zal TO ovverov, 0 
geos didwoıv ody 6 nAovrog. 
Dazu fagt die Note: „in consliluendo metro longe ab Her- 
manno ap. Matlh, et Dindorfio recessi. Quamvis enim con- 
fitear, in conslruendis canticis nos facile, ubi antistropha deest, 
falli et admodum lubricam esse disputalionem, tamen ex his 
versibus dochmii tam lucide emicare mihi videbantur, ul non 
possem, quin eos revocarem*. Und doch find diefe Dochmien 
nur in der Phantafie des Herausgebers vorhanden, der, um fie er- 
fcheinen zu laffen, und überhaupt das Melos nach feinem Sinn zu 
formen, nicht weniger als achtmal auseinander rif, was zufammens 
gehört, Weiterhin bezeichnet er ®. 3 als dochmius arsi anle- 
cedente , dergleichen gar nicht exiftirt, 7 als dochm. tribus syl- 
labis brevibus praemissis, was zwar vorkömmt, aber nirgends fo, 
daß der Tribrach mit einer Wortbrechung beginnt; V. 8 foll, was ganz 
unmöglich iſt, ein dim. dochm. feyn, und 112 ein mon, dochm., 
eben fo irrig. Nicht der mindefte Grund it vorhanden, etwas an 
der ber Dindorf ) vorliegenden Nedaktion zu andern, als etwa im 
dritten Vers, welcher vermuthlich iamb. trim. war; man fchreibe 
dort: TO Yyao nalaı zul noWrov, Onor Eyevousda. Wie hier 
fieben fonft unfihtbare Dochmien ang Licht gebracht worden find, 
werden fie anderswo, obgleich kaum ein Zweifel möglich, dennoch 
nicht anerkannt; wir meinen Androm. 8 (aus Stob, Ecl. phys. 1, 
6, 22). Daſelbſt bilden die Worte 
org&geı 0’ aAkovg 
ah)ws Eis aueoar. 

offenbar einen dim. dochm.; aber Wagner verfichert cerli euius- 
dam metri indicia — hoc loco vix reperias. Den vorherge- 
benvden Vers onn uorloas dısSeoyerar hat man ebenfalls in einen 
dim, dochm. durch Einſchiebung von or verwanteln wollen; dag 
ift indeß unnöthig, wie Ale. 873 zeigen fan, 


1) Zu V. 5 öuoiev — öwır vergl. Soph. El. 1241 neoıooov 
yo Erdov yuvaızov 6v det, wo ebenfalls der Bacchius an den iamb, 
dim. ſich anjchließt, zu DB. 6 Androm. 938 und 276, zu V. 7 Or. 1472 
Euskher — Eigos, zu ®. 8 El. 1194, 


122 Zur Kritik des Euripides. 


Das Bruchſtück Aeol. 13 (aus Plut, Mor. 98, e und 059 
d) ift an diefen Stellen mit flarfen Barianten citiet, fo daß die 
metriſche Form unficher bleibt, Ein fehr vorzüglicher Cover, ver 
Pal. 155, hat para nicht, und gibt norzeklas (Sic) nganıdav 
növrov z7Yoriov re, das Uebrige fehlt. Darnach dürfte der Text 
urſprünglich fo gelautet haben: 

7 Boazv or 0FEvog avegog, dkkı 

noızıliy noanidwv 

duuvaraı novrov yIoviov 7’ 

KE0lwv TE nadevunrn 22... 
Der dritte Vers ift derfelbe, wie Hipp. 1385, der vierte unvoll— 
ftändige kann geichloffen haben, wie Alc. 593, oder 403 ibid. 

Wichtige Beiträge aus den Teminiden würden die Sammlung 
diefer Fragmente bereichern, wenn man fich auf Frisfches Urtheil 
verlaffen fünnte, der in feinem Commentar zu Artftophanes Ran, 
p. 408 verfichert: tola haec monodia !) e quattuor strophis con- 
slat, quas ul par eral, ila distinxi. Inlegrum vero carmen — 
paueissimis versibus vocabulisque exceptlis totum Euripidis est. 
Er beruft fich freilich daher auf die Bemerfung des Scholinften: 
paoıv, ws nurıa Talta Ta Enn &x Tiwvog doumarog Eorıv 
Evginidov, der aber fogleich hinzufügt: domimnıadns [JE] napa 
za E85 Ezaßn; Evgınddov Ev wiumosı Ömkovörı. Jenes Zeugniß 
beweift zu viel, alfo nichts. Daß die großen Krallen des Traum- 
gottes von Ariftophanes Erfindung find, erkennt Fritzſche natürlich 
an, eben ſo wenig wird Euripides das tragifomifche Epitheton we- 
Aavovezveiuova gebraucht haben. Desgleichen iſt Alles hier und 
in den folgenden Strophen, die Fritzſche beliebt hat anzunehmen, 
entweder ganz offenbar Perfiflage der Euripiveifchen Monodien über- 
haupt oder kann doch nicht ohne Weiteres für fideres Eigenthum 
des Tragikers gelten. 

Hätten wir die Temenien noch, aus welhen die Worte her- 
ſtammen: aid or augpinoror, dann könnte man fehen, mit wel— 
chem Recht derſelbe Gelehrte behauptet Cl. c. 410): Eximium 
quoddam Aristophanis arlificium in eo cerniiur, quod minima 

1) Namlich Ran. 1331-1363. | 


Zur Kritik des Euripides. 123 


Euripideae poeseos mutatione facta novum plane argumenlum 
Euripidi substiluit, atque id humile, abiectum et lanlum non 
scurrile. 

Wie man aber diefe Zugabe als eine fehr unfichere bezeich- 
nen darf, ift eine andere angeblich aus dem Protefilaus gradezu 
abzulehnen. Dem Favorinus war, wie zu Athen (vgl. Philostr. 
V. S. 207, 13; 490. ed. Ol.) das Unglüf auch in Korinth paſ— 
firt, daß man mit feiner Ehrenſtatue hinterher unglimpflich umging. 
Darüber beffagt er fich, und nicht Div Chryfoftomus (was Empertus 
Yängft in feinem trefflichen Brogramm de oratione Corinthiaca 
falso Dioni Chrysostomo adscripla evwiefen hat) in der 837ten 
unter den dem Div beigefegten Reden, und fagt gegen das Ende 
bin Folgendes: "EAArv dvno (Anaxrarchus) nagedye runtew To 
owum gs zavdvv* jusis 0’ vd nunszwuesv rov avdgiarre yw- 
veveiv, zuv alodaynrar, vor Ö’ 6 niv zosloowv alodjoemg, 
yo dE zara cyv Evoinidov Auodausıav ,„oirz av ngodor 
zalneo awvyov plhov Bovkouar ovv avırov wg alodavouerov 
naguuvInouodar: W Aoymv Eumv alynAöv eidwAov, od palyn;z 
ordE yap 0 700 oovV Aoıorens. Die Bildfäule des Ariſteas wurde, 
nachdem fie die Feinde des Mannes vertilgt hatten, nie wieder her- 
geftefftz dennoch lebt, fagt der Redner, fein Andenfen ewig fort — 
fo fteffe ich denn auch mein Bild ber der Fama auf. Damit trö- 
ſtet er fich und die angerevete Statue. Bedenft man num diefen 
Zufammenhang, fo wird gewiß ver Einfall Hartungs und Wagners 
feinen Berfall finden, einen Euripideifchen Bers der ſophiſtiſchen 
Monodie zu entloden und zu fchreiben: 

© ToV Zumv orym.öv eilwhov hoyor 
vn pavel; 
Ein wirklicher Gewinn für diefe Fragmente fonnte in der neneften 
Ansgabe noch nicht benuät werden, wir meinen die Periphraſe der 
erfien Scenen aus Philoktet, welche Div in feinem 59ten Aoyos 
mittheilt; fie hat durch Die Handfihriften, welche Emperius zuzog, 
weſentliche Berichtigungen erhalten, Gleich zu Anfang ſteht noch 
bei Wagner aAda yag lows yurenov EU0EIV 09TWw WEYyakogoov 


ca ‚ c - e\ ’ x 0 D ‚ J 
au zul gıkorıuoy VTiovVV, 05 ayyg nepvze, obgleich die bei 


124 Zur Rritif des Euripides,. 


Stob. 29, 15 geretteten Worte des Dichters: ovdEv yag ouro 
yavoov, ws avno &pv bie vichtige Lesart, welche nun auch ver 
cod.M. des Div darbietet, an die Hand gaben: os ang n&pvze. 
Ferner tritt im Div S. 2 UTE Ervyev alyuahwrog Anpdseis an 
die Stelle des unpaffenden 05 & und $. 3 wird das ganz ſoloeke 
noaog Eyn durch modog 2ozev erſetzt. Im 6. 4 gibt erft zouov- 
zov (flatt zouzov ovr) den rechten Nachdruck, und der ganze Sat 
befömmt mehr Sinn durch das zavrayj des cod. M. für navre. 
Andere gute Varianten find duanaorör. $, 6 ovrı ye — &im 
da vov — &0 rorvvv 1091. 8,8 n nenovde. $. 10 Eyaıs — Evu- 
noogvundeis. 8. 11 Uno ToV yoovov,. In dem Gefpräch des 
Philoktet mit Odyſſeus werden die Worte ov ya dn — YyEud- 
oıv ($. 8) unnöthigerweife von Hartung und Wagner dem Philoftet 
zugetheilt; noch weniger ift die Conjektur Hartungs ($. 9) zu bil- 
ligen, der roV umdevog anooyousvov Twv yakenwrarwv fihreibt 
und diefen Sat der Frage des Odyſſeus anfchließt, ftatt mit Reiske, 
was jest die Handſchriften beftätigen, @ undevog zu feßen, und fo 
alfe Kraft des Unwillens in der Nede des Phifoftet zufammen zu 
drangen. Eine unglücfliche Abänderung Hartungs, welchen Wagner 
durchaus folgt, iſt auch neo, odumı (ibid.), wie die Lesart des 
M. jeßt zeigt: Jneo oluaı ov, worauf Neisfe ſchon gefallen war. 
Was Wyttenbadh Gu Plut. Mor. 548, c.) gut emendirt hat ($. 7 
avrıza gar ftatt a. uakıora), ift von Wagner überfehen wor- 
den, dagegen gebilligt, was derfelbe Bibl, crit. II, 1, p. 53 un- 
paffend genug vermuthete. $. 10 ozEdov ur ol» Eymye &v Öon 
7984 xudeornzag avıog oda, wo erft die Verbefferung von 
Emperius gründlich aushilft 0. u. d. &v don Eywye y. x. wleroc. 
In den letzten Zeilen bringt der vorzügliche cod. S. die erwünfchte 
Ergänzung reAauwveg re E)zovg avankeor, in den übrigen Hand- 
ſchriften und Ausgaben fehlte der Genitiv bisher. 

Es mögen nun noch einige Bemerfungen über die Fragmente 
folgen, welche den nichtlyrifchen Parthieen entnommen find. 

Im Aegeus darf man wohl noch zweifeln, ob die Lesart des 
cod. A. von Stobaeus zoAdıuos mit Recht der herfömmlichen no- 
AEuLov vorgezogen wird, Von Perfonen bracht Euripides immer 





Zur Kritik des Euripides. 125 


das Femininum dieſes Adjektivs und nur einmal, Suppl. 1191, hat 
er nolgulov navrevylar. 

In der Antigone behauptete vermutblich Kreon: 

avdoog d’ Oowvrog eig Kuvngıv veariov 
apvkarrog 7 Tnomoıg* mv yao pavkog 7] 
TURN, EIS Eowra nag avnO 00PWTEYDG. 

nv Ö’ av nooonru Kungız, ndıorov Außeiv. 

Der Teste Vers ſchließt fih fo eng an das Vorausgehende 
an, daß nicht zu begreifen ıft, wie Wagner bemerfen konnte: ce- 
lerum si quis versum 4 a praecedenlibus seiungendum ducat, 
equidem non magnopere repugnem. Diefe Reſignation feheint 
indeß in dem Gefühl, daß die Erklärung deffelben nicht gelungen 
fei, ihren guten. Grund zu haben. Er findet darin den Sinn: sin 
vero sponte eum Cypris admillat, h. e. ei faveat, ut arlibus 
illis non indigeat, duleissimum est (amore) poliri. Welcher Ge» 
genfab zu dem Gedanken, daß tie Liebe felbft befchranfte Geifter 
ſchlau und geſchickt mache, und dann jedes Aufpaſſen vergeblich fer! 
Eher glauben wir die Meinung des Dichters zu treffen mit folgen- 
dem Vorſchlag: 

nv Ö' av noontar Kungıv, ndıorog Außeir. 
d. h. Wenn die Verkiebthert vorüber ift, fällt es nicht mehr fchwer, 
ihn zu überliſten. 

Uebrigens verwirft Wagner die Annahme Weldfers in Betreff 
diefer Tragoedie, und zieht aus dem Argum. Soph. Anlig. des 
Ariftophanes andere Folgerungen. Für Welders Anftcht durften 
aber. die Fragmente 5, 6 (aus Stob. 67, 135 77, 10) ſprechen. 
Der Einwand gegen das Zeugniß des Grammatikers beruht auf 
falſcher Interpretation des Wortes uvdonorie , welcher bereits ın 
den „Gr. Tragoedien“ S. 564 begegnet iſt. Nur fcheint Ariſto— 
phanes fich deutlicher ausgedrudt und etwa idımım didorar ge» 
fehrieben zu haben. Auf die Ausfage des Scholiaften zu Sophoffes’ 
Antigone iſt darum wenig zu geben, weil er nur das Argum. des 
Ariſtophanes vor ſich gehabt zu haben fcheint, 

In der Antiope, meint Wagner, habe Amphion Iyrae usum 
gelehrt, indem er einen Hymnus fang, quod probabile fit ex 


126 Zur Kritik des Euripides. 


Philostrat. V. 8. 1, 27, 4. Davon können wir nichts entdecken 
in den Worten: werdrng de 6 "Ianodoouog vUTE &V ayom dıiaı- 
Twuevos yulkeı, ovre OdornooWv ovre Ev Oerıahe, akku zal 
zoeitrov 0Aßov zriyum £xaltı alıyv &x wo» Evgımdov 
te vuror zal Auplovos. Dem die Melete hat nichts mit der 
Lyra zu fihaffen. Diefem Hymnus fünnte das von Clemens Alex. 
Strom. IV, p. 536 d erhaltene Fragment angehören ): oAßrog 
botig ıns loroolas Eoye uuymow zıe. Dem Berfaffer der Briefe 
des Krates mögen die von Philoſtrat eitirten Worte ebenfalls vor 
gejchweht haben, wo er ſich Cep. 8) als frei von Reichthum und 
Ehrgeis 70 zosltrov zav anavıov xıruw nennt, 

Das Bruchſtück bei Stob. 68, p. 426: zacı Ö’ ayyeilo 
Booroig EodAmv un avdoov evyern onelosıy rezra hat Mei— 
nefe fo zu verbeffern gefucht, daß «ozav geſetzt wird für ardgwr. 
Dagegen möchten Stellen fprechen wie Heracl. 299 yauelv T’ an’ 
eod.ov, mehr noch Androm, 075 os @llmv udv av yyuarı 
an’ uvdgor. Die hier ausgeſprochene Idee wird Feine andere 
fein als die, daß Edle aus edelem Stamm ſich Nachlommenſchaft 
erzielen. Alſo mag Euripides geſchrieben haben: &. @. d. euyeveiz 
onelosıv Ayn. Vgl. lo 64 zoövıa JE onelgug Adym arezvog Eorı. 

Für die viel behandelten Worte des Fragmentes vom Arche— 
fang, welches Orion Anthol. II, 1, p. 44. ed. Schneidew. ers 
halten bat, machten wir vor längerer Zeit den Vorſchlag, zu leſen: 

nuvıa Öd' avdgwnoıg del 
ev ımde yonuar’, mv Tig evaeßn Henn. 

Vom Chryfippus Ir. 6 wird der erſte Vers auch von Die- 
genes Laertius VIL, 60 eitivt. In fr. 3 mag eg urſprünglich ge- 
heigen haben Yyroumv oopyv uoı — Eye, letzteres nach Stob. 
cod. A. 

Das Fragment der Danae, wo von der Macht der Liebe 
die Rede ift, die fih nur auf reiche Leute erſtrecke, ſchließt mit den 
Worten: ovderg ngooaııwr Blorov n0a09 Byorwv, Ev rois Od 
Eyovom Adnıns nepuz' öde. Wagner führt nicht weniger als 12 
Conjeituren an, worunter zwei von fi, eine frühere ev org 0’ 

1) Musgrave und Hartung feben e8 in die Melayiann ı copn. 





Zur Kritif des Euripides. 127 


Eyovam Eyrgarıg nepvz’ 0de, und, was er jetzt vorzieht, & r. 
d. & 7dv nals n. ö. mit Verweifung auf fr. 14 (Stob. 71, 7), 
ohne Die man freilich Fam errathen würde, was damit gemeint tft, 
Die Vermuthungen von Sealiger, 9. Grotius, Valckenaer, Pierfon, 
Musgrave, Jacobs, Gaisford, Boiſſonade, Luzae, Schwenk, Hartung 
wollen wir, um Raum zu erfparen, hier übergehen, um fo mehr, 
als fie Wagner in der Didotſchen Ausgabe genau referirt hat, und 
nur eine breizehnte hinzufügen: 
ev rois Ö’ Eyovoı deonörng nepvy” ode. 

Dan erinnere fich an das befannte Wort des Sophoffes bei Mato, 
Rep. 329, b; auf die Srage, ob er noch der finnfihen Lebe ſich 
erfreue, erwiederte er: ul — © uvdowne: GOUEVEOTOTE 
uEvTOoL aUTO anepvyov WOonEg Avrravra Tıva zul aygıov deo- 
nornv, 

Zu dem Ir. 1 des Erechtheus Aldıonrav vır EE8owo' Eni 
Ira bemerkt Wazner vihtig, daß Dies nicht von Poſeidon, wie 
Berge annahm (welchem man übrigens die Emendation des Bruch— 
ſtücks verdankt), fondern son Erechtheus ſelbſt im Prolog gefprochen 
worden fer Im Ir. 2 wid man fi aber, trotz Matthias 
und Wagners Einrede Tieber an die Berbefferung des Salmafius 
zov Blenovrog (für Tov Aleneıv Tovs) halten, als mit Wagner 
zo» Puoövrog leſen. War einmal PAenew = Iyv im yoetifchen 
Sprachgebrauch eingeführt, fo binderte nichts un zurwg Pidnwv 
dem za; Tedvnzws entgegen zu ſetzen. 

In der gefangenen Melanippe fr. 13 (aus Stob. 76, 10) 
fpricht die Heldin gegen Adoptionen Tinderlofer Chemänner und 
Ihhegt mit den Gas: 

m yao Heos didwor un pivar terra 

oV yon yzarlslodaı ngög TO Helov, al) Eur. 
Nicht einmal beffagen foll der arexros das Schickſal, welches ihm 
diefe Familienfreuden verfagt? Das kann Euripives nicht gemeint 
haben ; es paßt aber der Gedanfe auch überhaupt nicht in den Zus 
ſammenhang. Für Eyzaleiodaı hat cod. A. Tiedodaı, woraus 
menigftens fo viel erhellt, Daß jenes nur Produft einer Correftur 
it, woher man ſich begnügte ein am ſich verſtändliches Wort an Die 


123 Zur Rritifdes Euripides. 


Stelle zu bringen. Die Adoption aber, als künſtliches Mittel ge- 
gen die vom Schickſal verhängte anaıdia wird paſſend als ein 
teyvaodaı bezeichnet, und dies Wort entfernt fich nicht zu fehr von 
der handſchriftlichen Yesart. 

In Betreff des Ixion und der auf diefe Tragoedie bezüglichen 
Angabe von Philochorus bei Diog. Laert. IX 55 hat fih Wagner 
noch nicht über Elintons Irrthum (F. H. II. p. 365, 377) erhoben, 
und wähnt mit ihm, der Tod des Protagoras falle in eine fpätere 
Zeit als ver des Euripives. Man fehe, was darüber Schill in 
feinen Beiträgen zur Kenntniß der tragischen Poefte der —— S 
112 geſagt hat. 

Wenn im Meleager, wie Welcker es ſehr wahrſcheinlich macht, 
Artemis den Prolog ſprach, fo fällt Fritzſches Conjektur Gu Ari- 
stoph. Ran. 373) odx Eriosv’Aoreum yon felbft weg, und Bergfs 
ov z0IwolwoE uoı hat alle Wahrſcheinlichkeit für fich. 

Ueber die Worte im Dedipus fr. 5 Caus Stob. Floril. 67, 1.) 

lonv yao avdgi ovugpogav eivar Adyo 

TEexvwv #° auagreiv zal nargag zul Yonyuarov 

ahoyov TE zEdvng" OS uU0vov TWv Yonuarwy 

7 x08looov &orı Tavdol, 0@pg0V’ nv kaßn 
urtheilt Wagner; „omnino locus ila depravalus est, ul invesli- 
galu diffieillimum sit, quid poela scripserit, quare intactum 
eum doctioribus reliquimus“ ete. Man kann wenigſtens ficher 
fagen, was der Dichter fihreiben wollte; daß namlich jeden Befis 
eine tugendhafte Frau übertreffe, und Madwig bat diefen Gedanken 
neulich fo hergeftellt: 

BG MOVng Twv yonuaımv 

11 #08l000v &orı Tavdol xre. 
Wir flogen dabei immer noch an der Wiederholung von zonuaror 
an, welches wohl nur durch Nachläßigkeit der Abſchreiber aus dem 
vorhergehenden Vers ſich bier eingefchlichen bat. Dadurch fiel das 
vechte Wort aus, etwa zeıumAuor, vgl. utyıorov Ö’ Er Pım reı- 
unjhıov zglvas 08 ru ınde ng009809uı nolsı. Heracl. 591 
zul’ avıl naldov Eori wor zeıumkıa zul nagdeveiaz xte, 
Demnach würden wir ſetzen: 





Zur Rritif des Euripides, 129 


NS WOVnS zeuumkıov 
oVx Eotı x08l000v tavdgl zre. 

Wo Wagner das Ir. 3 aus Deneus aufführt, ift in den 
Worten des Atbenaeus XV, 6666 mroos rois vızaorv falfch ab— 
geſchrieben, ftatt Tois vızworv. Uebrigens fcheint cs, daß der 
Grammatifer felbft feine Theorie, zorraßog beveute auch den Preis 
bei diefem Spiel, aus dem Schreibfehler zorraßor hergeleitet habe, 
ftatt zorraßov zu leſen. 

Heidelberg. L. Rayfer. 


Muſ. Philol. N. 2 VII. 9 


Miseellen. 


Antiquariſches. 


Die attiſchen Schiedsrichter. 

‘m Corpus Inseript. T. I. n. 172 findet ſich eine Inſchrift, 
son welcher Boeckh mit Necht bemerkt, daß fie weder ein Pryta- 
nenverzeichniß, noch ein gumnaftifcher Katalog ſei; er rechnet Daher 
diefelbe zu den lituli militares. Indeß ſchon der Fundort iſt diefer 
Anficht nicht gerade gunftig: der Stein befindet fih, wie Boeckh 
fagt, in pavimento ecclesiae semirulae in via, quae ex oppido 
in arcem ducit. Dagegen die Infchriften zu Ehren der im Kriege 
Gefallenen waren im Kerameikos aufgeftellt: gerade aber in der un— 
mittelbaren Nahe der Akropolis war man am wenigften um Material 
verlegen, wenn auch fonft Infchriftfteine oft wert verfchleppt find. 
Ferner weicht die Inſchrift darin wefentlih ab, daß überall au 
der Gau- und Vatersname genannt ift, während in allen übrigen 
Dorumenten die zur Klaffe der liluli militares gehören, nur der 
einfache Name des Berfiorbenen fich findet, Daß man aber in die- 
fer Beziehung in der fpateren Zeit, der diefe Inſchrift angehört, 
orgfältiger gewefen fer als früher, iſt nicht wahrſcheinlich. 

Beachtenswerth ift der Neft der Ueberſchrift ZAL; dieſer iſt 
nämlich ‚über die vier Columnen, welde Namen aus den vier 
legten Phylen enthalten, jo vertheilt: 

7 A 7 
KEKPOIIAOZ ITMIIOO2.NTIAOE AILANTIIOE ANTIOXIAOZ 
daß man deutlich fieht, nicht etwa irgend ein Wort von unterge- 
ordneter Bedeutung, Theil einer Tängeren Anfſchrift, etwa ein 
Berbum, fondern ein Hauptbegriff, der Titel der nachfolgenden Per- 
fonen müffe darin enthalten fein. Das Wort muß aber höchftens 


Antiguarifhes. 131 


aus neun Buchftaben beftanden haben, und hier paßt Fein anderes 
als denirnrar, welches fich ungefucht in der Werfe, wie das Frage 
ment der Inſchrift andeutet, unter die zehn Phylen vertheilen Tat. 


A I A I E A IE (vac.) 
Erechth. Aeg. Pand. Leont. Akam. Oen, Kekrop. Hippoth. 
A I 


Aeant. Antioch. 

Roß hat in feiner Schrift über die Demen Air. 5 ©. 20 
eine ähnliche Inſchrift veröffentlicht, welche die durch Volksbeſchluß 
des Sahres O1. 113.4. Jıarryral ot ênt Avuızileovg Goyovrog] 
aredsour orepavrwdertels Uno Tod dnjuov weihen. In dies 
fer Inſchrift werden die Diäteten ganz wie auf Nr. 172 nad 
Reihenfolge der Phylen mit Angabe des Gaues aufgeführt: nur 
der Vatersname fehlt. Allein man darf den Unterſchied dieſer bei- 
den Monumente nicht überjehen. Die Inſchrift bei Roß iſt ein 
Weihgeſchenk, hat mehr einen privaten Charakter; die Inſchrift Nr. 
172 dagegen ift eine Hffentliche Urkunde, das officielle Verzeichniß 
der Diäteten für ein beftimmtes Jahr ), wo ſchon um Verwechſe— 
lungen vorzubeugen, es in der Ordnung war den DVatersnamen 
hinzuzufügen. Iſt aber meine Erganzung vichtig, fo werden auch 
die Anfichten über das Inſtitut der Diäteten, über welches Fürzlich 
9. Meier mit Zugrundelegung der Inſchrift bei Roß in einer eig- 
nen Schrift gehandelt bat, einigermaßen modifieirt werden müffen. 

Ueber die Zahl der Disteten giebt es nur eine fehr probles 
matifche Notiz Ulpians zur Midiana: 70a» yao oi dımmnrai 
TEOOADES val TEOORIAKOVTa 209 Exaornv pvhrv. Meier nimmt 
an, Ulpian habe die Diäteten mit den Gaurichtern verwechſelt; al 
fein um diefe Hypotheſe zu unterſtützen, müßte man doch erft (wie 
fhon Heraldus wollte) fehreiben: dınıznytar TeooeguzeVıa, TEo- 
0ugE5 x09° &xuornv pvArv. Da nun in jener Infehrift bei Roß 


1) Gerade bei den Diäteten war eine Befanntmachnung der jedesmal 
gewählten unerläßlih, da ja nicht etwa blos das Loos oder der Wille der 
Behörde, fondern ebenfo auch die freie Mahl der Parteien den Diäteten be- 
ſtimmte (Harpocrat V. Acırmrei. Demosth. Mid. $. 93. &ou£vous 
dieszninv Zrodıwve). Dazu aber war yollftändige Deffentlichfeit erfors 
derlich. 


132 Miscellen. 


104 Diäteten aufgezählt werden, fo nimmt Roß fowohl als Meier 
an, dieß fei die Gefammtzahl der Schiedsrichter gewefen, und zwar 
wären diefelben ohne Rückſicht auf die Phylen E35 dnavıwv ge= 
wählt worden. Sch kann indef nicht beiftimmen. Schon die Zahl 
104 iſt fo gegen alle Analogie der attiſchen Staatsverhältniffe, daß 
fie nur als zufällige betrachtet werden kann ). Aber auch die, 
daß die Diäteten ohne Befhranfung auf die Phylen gewählt wur- 
den, kann ich nicht zugeben. Freilich auf der Infchrift bei Roß 
findet eine große Differenz Statt zwifchen den einzelnen Phylen; 13 
Schiedsrichter gehören zur Erechtheis, 14 zur Negeis, 12 zur Leon— 
tis, 16 zur Kefropis, 11 zur Deneis, je 9 zu Afamantıs, 
Hippothontis, Aeantis, 8 zur Antiochis, aber nur 3 zur Pandionie, 
Nun ift aber Mar, daß auf diefe Weife Teicht der Fall eintreten 
fonnte, daß eine Phyle gar nicht vertreten war; war aber diefe 
Möglichkeit vorhanden, ward bei der Wahl auf die Phylen feine 
Rücfiht genommen, fo fonnte auch Demosth. in Euerg. et Mnesib. 
p- 1142 nicht fagen: 7 usv yao diua Ev ın 'nlıala mv oi 
yao nv Olvnida zal ınv ’Eosydnida dinıtwvreg EvravIa xud- 
myrar. Aus diefer Stelle gebt eben hervor, daß die Diäteten 
und zwar mit Nückficht auf die Phylen, denen fie angehörten, be- 
ftimmte Locale hatten. Wurden aber die Schiedsrichter aus den 
Phylen, nicht es anavıwv gewählt, fo müffen wir auch nothwen- 
dig für jede Phyle eine gleiche Zahl vorausſetzen, und fo kann die 
Inſchrift bei Roß auch nicht als ein vollftändiges Verzeichniß der 
Diäteten betrachtet werden. 

Roß Teugnet, daß man nur an einen Theil der Diäteten den- 
fen könne, denn dann müffe es nothwendig beifen: to» dıaırz- 
Toy rw» En’ ’Anrız)dovg agyovrog ol oreparwderres. Allein 
abgefehen davon, daß im Laufe des Jahres oder gleich nachher einer 
oder der andere mit Tode abging (waren doch die Diäteten zum 


1) Mit Meiers Gonceffion (S. 9), möglicher Weife fei die Zahl für 
jedes Jahr befonders firirt worden, wird nichts geholfen. Die Zahl der 
Diäteten mag zu verfchiedenen Zeiten eine verfchiedene gewefen fein, aber 
ganz abnorm wäre es, wenn diefelbe jedes Jahr anders beftimmt worden 
wäre, wozu gar fein Grund vorhanden war, da das Bedürfniß ſich doch 
nicht ganz genau im Voraus beftinnmen ließ. 








Antiquariſches. 133 


großen Theil betagte Männer), daß einer und der andere bei der 
Rechenſchaftsablegung nicht beſtand und ſomit auch nicht unter den 
Gekrönten aufgeführt werden konnte, iſt zu bemerken, daß bei ſol— 
chen Anathemen Niemand zum Beitritt gezwungen war, und dennoch 
der Act als von allen ausgehend betrachtet ward. So heißt es 
C. 1. n. 199 Ilavdiovidog novravsıs dvedeouv, aber gleich- 
wohl werden nur 31 namhaft gemacht. Ein anderes Berfpiel bietet 
die Infehrift ber Noß Nr. 2 dar, wo die Prytanen der Erechtheis 
ein Anathem werben; hier fcheinen ebenfalls nicht alle Prytanen 
verzeichnet gewefen zu fein, an einer Stelle ift fogar freier Naum 
gelaffen, wozu Roß auf ©. 18 bemerkt: „Mithin haben wir in 
diefer Inſchrift den merkwürdigen Fall, daß durch Uebereinkunft 
einer Corporation ein Weihgefchenf befchloffen und auch wirklich 
aufgeführt worden war, daß aber, durch Nachläßigfeit oder durch 
unvorhergefehene Hinderniffe (wie etwa plößlicher Tod im Kriege), 
von einigen der Theilnehmer an dem Befchluffe und den Koften 
nicht einmal die Namen in der Urfunde verzeichnet wurden‘, 

Sedenfalls dürfen wir doch nicht allzuviele Diateten von die— 
jer Infchrift bei Roß ausgefchloffen betrachten. Da die 16 Schieds— 
richter der Kekropis die höchſte Zahl bilden, fo war dieß wohl damals 
die Normalzahl für die einzelnen Phylen, fomit die Gefammtzahl 
160, von denen ungefähr zwei Drittel in jener Infchrift aufgeführt 
werden, 

Anders verhält es fich mit der Infehrift Nr. 172. Hier wer- 
den aus der Kefropis und Aeantis je 24 Diateten angeführt, aus 
der Antiochis zwar nur 23, allein da am Schluß ein neuer Gau— 
name Eireacor fteht, fo muß auch notbwendig noch ein Diätet aus 
diefem Demos erwähnt worden fein: wir erhalten alfo auch bier 
die gleiche Zahl. Dagegen werden aus der Hippothontis nur 19 
aufgeführt; allein es ıft wohl auch bier, wie an anderen Stelfen 
des Steines die Schrift verlofehen, und zwar iſt gerade für 5 noch 
Raum übrig, wenn wir annehmen, daß viefe wie der vorhergehende 
19te && Brov waren. Somit würden wir alfo für tiefe Zeit 24 
als Normalzahl der einzelnen Phylen, 240 aber als Gefammtzahl 
annehmen dürfen. 


134 Miscellen. 


Noch mehr gefteigert erfiheint die Zahl der Diäteten bei Ul- 
pian, wonach wir 44 für jede Phyle, zufammen 440 annehmen 
müffen. Sf auch Ulpian im Ganzen ein unzuverläffiger Gewährs- 
mann, fo ift doch hier eigentlich Fein Grund vorhanden, feine Be— 
hauptung zu verwerfen; was er über die Wahl nad Phylen an- 
deutet, hat fich bewährt gefunden, und fo könnten denn auch recht 
gut eine Zeit lang 440 Diäteten gewählt worden fein. Nur braucht 
diefe Feineswegs, wie Meter verlangt, die Zeit des Demofthenes zu 
fein; der Fehler folcher Compilatoren, wie Ulpian, ift meift der, 
daß fie eine am fich richtige Notiz falſch anwenden. 

Sn Allgemeinen laßt fich vermuthen, daß die Zahl der Diäteten 
anfangs geringer war, fpäter vermehrt ward. Das Inſtitut öffentli— 
cher Schiedgrihter in Athen iſt verhältnißmäßig jung; ich glaube 
nicht, daß es unmittelbar mit der Verfaffungsrevifion unter Euklides 
zufanmenhängt, wie Meier annimmt, fondern es ſcheint erſt nachher 
durch ein ſpecielles Geſetz eingeführt zu fein. Da aber das Diäte— 
tengericht beftimmt war die erfte Inftanz für Privatproceſſe zu bil- 
den !), fo dürfen wir uns die Zahl der Schiedsrichter nicht allzu 
gering denken. Die Zahl 160, welche ich aus der Infchrift bei 
Roß ermittelt Habe, ift wohl die urfprüngliche und für die Demofthe- 
nische Zeit als normale zu betrachten. Später mag jene Vermeh- 
rung auf 240 eingetreten fein, die wir in der Boeckhſchen Inſchrift 
antreffen. Es fragt fih, welcher Zeit diefes Document angehört. 
Boeckh Hat fehr Scharffinnig vermuthet, daß dieſe Inſchrift faft 
gleichzeitig fer mit Nr. 94. 2). Diefe Infchrift iſt unter dem Ar- 
chon Theophraftos verfaßt: wir haben alfo die Wahl zwifchen Ol. 
110. 1. und Ol. 116. 4.: ich muß mic für das letztere Jahr ent 
fcheiden, welches der Dekaetie Des Demetrius von Phaleros ange 
hört. Demetrius, der'in confersativem Sinne das. attıifche Staats— 
leben neu ordnete, wird gewiß auch bemüht gewefen fein das Inftitut 

1) Die Worte, welche der Grammatiker binter Photius p. 673, 3 
aus Demetrius Werfe regt ans A9nvnou vouodeoias anführt: Tıo ai 
ErEııo vouos un elodysodaı diznv, € un noötegov L£eraodein ag’ 
Kvrois TO no@yug, beziehe ich eben auf das Organifationsedict. 

2) Vielleicht geht auf denfelben Euthydemus auch die Infhrift n. 


98, die in 01.114. 3 fällt, wo dann zu ergänzen wäre: Zugudnuos [Ei- 
Sudyuov Medırevs], wozu der Raum ausreichend iſt. 





Litterarhiſtoriſches. 135 


der Diäteten, was ſchon damals, wie es ſcheint, an Bedeutung 
eingebüßt hatte (vergl. lex. Rhetor. Hinter Photius '), wieder 
zu heben und ihm im Gegenfag zu den Foftipieligen und dem con- 
fervativen Syſteme nicht eben genehmen Heliaftengerichten neue 
Geltung zu verſchaffen; eine Vermehrung der Diäteten durch Deme- 
trius Scheint alſo gerechtfertigt. 

Später, vielleicht aber erft bei der Vermehrung der attifchen 
Phylen, mag eine weitere Vermehrung der Schiedsrichter ein- 
getreten fein; bejondere Theilnahme fcheint übrigens das Inſtitut 
in fpäterer Zeit nicht gefunden zu haben, vergl. Meier S. 29. 

Wie die Zahl der Diäteten wechfelte, fo mag auch das Lebens— 
alter, welches zur Wahlfähigkeit berechtigte, verfchieden beftimmt gewe— 
fen fein. Die Angaben der Grammatifer ſchwanken zwifchen 50 nnd 
60 Jahren; Meier entfcheivet fih für die letztere Beſtimmung; ich 
balte beide für richtig. Der urſprüngliche Termin war wohl das 
60te Lebensjahr, bei Vermehrung der Diäteten war auch eine Her: 
abfesung auf 50 Jahre gerathen, 

Marburg. Th. Bergf. 


Ritterarbiftorifches. 


— — 


Ein neues Zeugniß über den epiſchen Cyklus. 
Ueber die Zeit der Entftehung d. h. Sammlung des epifchen 
Cytlus hat man bis jetzt nicht viel mehr als Vermuthungen auf- 
geftellt. Für die Zeit des Pıfiftratus ſchienen den Altern Philolo— 
gen die Zeugniffe zu ſprechen, welche die homeriſchen Gedichte durch 
Pififtratus gefammelt fein laſſen; daß ſchon Ariftoteles den Cyklus 
fenne, ſuchte K.W. Müller aus einigen Andeutungen diefes Schrift- 
ſtellers zu erweiſen; für einen Aferandriner (Zenodotus, Kallimachus, 
I) Auch die Belobungen der Diäteten, wie unter Archon Phrynichus 


und unter Antikles (No S. 21) find als Fünftliche Mittel das Inſtitut 
zu beleben anzufehen. 


136 Miscellen. 


Polemon) fpricht die Analogie ähnlicher großer Sammelwerfe, wie 
des f. g. Kanon und der Pleias, ferner die Pinafes, Divasfalien 
u. |. w. In der neueften Zeit fcheinen fich feit Weldfer die meiſten 
Stimmen auf Zenodotus vereinigt zu haben. Zu deffen Gunften 
berief man ſich auf das von Nitfhl aus einem römiſchen Codex 
des Mautus herausgegebene Scholion, worin es heißt: Zenodolus 
Homeri pocmata et reliquorum illustrium poetarum [in unum 
collegit et in ordinem redegit,] und auf Auſonius, der mit ven 
Worten: quique sacri Jacerum collegit corpus Homeri feinen 
andern als Zenodotus gemeint haben könne. Allein fo zweifelhaft 
die zweite Stelle an ſich felbft ift, fo unbrauchbar ift die erfte ge- 
worden, ſeitdem das griechtfche Driginal des Caecius, aus dem der 
italienische Gelehrte fein Scholion gefchöpft hat, gedruckt vor uns 
liegt. Tzetzes bevient fich ftatt der oben eingeffammerten Worte 
feines andern VBerbums als dıoodovV»v, avoodovv oder 0oYovv d. i. 
recensere, emendare. Als Wortfritifer aber kannten wir Zeno— 
dotus längſt und aus beffern Quellen. 

Ans dem plautinifchen Scholion erfuhren wir, daß fich Pıfiftra- 
tus bei feiner Sammlung homerifher Werfe der Thätigfeit vier 
gelehrter Männer bedient habe: videlicet Conchyli, Onomacriti 
Atheniensis, Zopyri Heracleotae et Orphei Crotonialtae. Nedifch 
war hier vor Allem das unerhörte Conchyli; man rieth, da man 
einen Titterarhiftorifchen Namen fuchte, auf Simonidis Coi, auf 
Eucloi Cyprii ; fonft hatten natürlich Namen wie T’oyyvaos, Karv- 
Övrog, Karnvirov u. dgl. näher gelegen. Wie gefpannt mußte 
man nun auf das griechtiiche Original fein, das H. Keil aus einer 
ambrofianifchen Handfchrift in diefem Muſeum Band VI, ©. 108 
ff. hat abdrucken Taffen. Leider fand fih nun auch hier wieder 
zweimal diefelbe Corruptel, einmal im Nominativ Koyxviog, ein» 
mal im Genitiv Koyxviov, ©. 116. 118. Hiezu macht nun Keil 
S. 257 die richtige Bemerkung, daß Tzetzes felbft mit diefem Kon- 
folus nichts anzufangen wußte, fondern das Wort als eine unver— 
ſtandene Hieroglyphe aus feiner Duelle abgefchrieben hat. Derfelbe 
fest nicht nur an der zweiten Stelle vor den erforderlichen Genitiv 
ein ſtörendes End, fondern macht felbft zufammt dieſer Präpofition 





Litterarhiftorifches. 137 


einen Nominatis: Emızoyzurog, ©, 116. Hieraus ergiebt fih nun 
der fichere Schluß, daß das End ein wefentlicher Beftandtheil des 
Eigennamens d. h. desjenigen Wortes, das Tzetzes und fein latei— 
niſcher Ueberfeker für einen Eigennamen angefehen haben, fein müffe. 
Allein es hätte ſchon diefen beiden auffallen ſollen, daß einzig diefer 
nızöyxvAog fein gentile Hinter fih hat, wie die drei andern: 
Ovouazoırog 'A9nvaiog, Zunvoog Hoaxıswrng zul 'Ogpevg 
Kootwriarys, da doch gerade ein fo verfcholfener Name dieſes 
Beiſatzes am meiften bedurfte. Daraus fchließe ih, daß wir hier 
gar fein nomen proprium zu ſuchen, fondern uno lenore EIII- 
KONKYAON zu leſen haben. Hier fpringt nun fogleich die 
richtige Theilung und Befferung ins Auge: EIIIKON KYKAON. 
Sch Hoffe, die Emendation iſt evident. Das zum Sabe gehörige 
tranfitive Verbum ift bei Tzetzes an beiden Stellen ovrdeivaı. 
Denfen wir uns alfo in ferner Duelle, die er ein altes Buch nennt, 
ungefähr folgenden Satz: ovrrederznow eni Ileioıorgarov zov 
Ounoov Enızov xUxkov Ovouaxoırog AImvalos x. T. A. und 
darin den Schreibfehler "Ounoov ernızovxvro» — natürlich alles in 
Majuskelfhrift —, fo läßt fih Leicht denfen, "wie er leſen und verfte- 
ben fonnte: ovvredeizaoıv Ent Ileıoıoroarov Tov "Oungov ’Ent- 
x0y2v1.05, Ovouazoırog x. T. A. Das TEooagES avdoss 00goL 
gab er dann natürlich de suo. Die hier angenommene apksıyla 
des Tzeßes, der in feinen vielen Schriften den Emixög #uxkog 
überhaupt nicht erwahnt zu haben feheint, ıft in diefem Zufammens 
hange um fo fomifcher, da er nach einer jammerlichen Palinodie 
über den in den Scholien zu Homer begangenen Irrthum, wo er 
Zenodotus und Ariſtarchus Sammler ftatt Necenfenten des homeri— 
fhen Corpus genannt hatte, und nach derben Ausfällen auf Helio- 
dorus, der ihn zu jenem Irrthume verleitete, mit vieler Emphaſe 
anfündigt, das Richtige gefunden zu haben und angeben zu wollen, 
«sg 8% TOD xEıuEvov ng nalarag Pißhov TO aAndEg annzgl- 
Boca. Die Hauptfache für uns ift diefe Berufung auf ein aftes 
Buch, mas im Gegenfage zu Heliodorus jedenfalls nicht bedeutungs— 
los fein fann. Gerne freilich möchten wir wiffen, aus welchem al— 
ten Buche er feine beſſere Erkenntniß gefchöpft bat. Dean bat auf 


138 Miscellen 


Asklepiades Miyrleanus gerathen, der wenigftens von Orpheus dem 
Krotoniaten als einem. Zeitgenofien des Pififiratus gehandelt hatte 
(Suidas s. v. Oogyevs). Man Fönnte allenfalls auch an Proklus 
denken, von dem Photius fagt: Asysı zul za odvouare zul Tag 
noroldas TWVv noRyuarevoausvwv TOV Enix0vV KUxAoV. 

Wichtig wird das neuberichtigte Zeugniß des Tzetzes durch die 
Beziehung, in Die durch daffelbe der epifche Cyklus zur priefterlichen 
Poefie tritt (Onomakritos, Zopyros und Drpheus find Namen der 
orphifhen und muſäiſchen Literatur), und es gewinnt an ihm bie 
ältere Anfiht vom epifchen Cyelus (os aoyerar uev Ex vis 
Ovoavov zul Ins wudoroyovucvng wiSews, Proclus) wieder 
eine Stüße. 

Befonders wichtig würde diefes Zeugniß dann fein, wenn die 
Bemühungen der Pififtratiden um den Homer in dem Sinne zu 
verftehen fein follten, daß Homer mit dem epifchen Cyklus ſyno— 
nym Wäre. 

Bafel. RL Roth 


Zuſatz. 

Bei Ueberſendung der vorſtehenden Miscelle äußerte der Herr 
Verfaſſer, die darin vorgetragene Vermuthung ſcheine ihm fo nahe- 
liegend, daß es ihn wundern würde wenn niemand vor ihm auf ſie 
verfallen wäre, und fügte den Wunſch hinzu, daß in dieſem Falle 
eine zuſätzliche Bemerkung darüber gemacht werden möge. Ich weiß 
dieſer Aufforderung nicht beſſer zu entſprechen als durch Wiederho— 
lung deſſen, was über dieſen Punkt in dem Bonner Univerfitätspro— 
gramm des Jahres 1840 Corollarium disputationis de biblio- 
ihecis Alexandrinis deque Pisistrati curis Homericis’ S. 48 ff. 
gefagt wurde. Wenn biernach freilich an den epifchen Cyklus längſt 
gedacht worden ift, fo bleibt doch die von dieſem Gedanfen gemachte 
Anwendung zur Herleitung und Erklärung des Verderbniſſes dem 
geehrten Vorredner eigenthümlich. Folgendes waren damals. unfere 
Worte: Lacera igitur in codice Tzeizae verba aliqua certe ex 
parte sic expedire Cramerus et Hasius conati sunt, ut ille 
poetae quem requirimus nomen in xay litteris, hic autem in 
zaı Ent (voluit credo xzay En!) syllabis quaerendum simulque 
xoyxvAw corruplum e #vxArzm dicerel. Cogitabat Hasius, quan- 
quam non sine summae dubitationis significatione, de Kaoxivo. 
Al vero nec cyclicus is poela fuit sed totus ysveaA0yog, et a 
Pisistratea aelate sine dubio satis remotus, Quodsi commen- 


Litterarhiſtoriſches. 139 


data ab Hasio via tenenda sit, non video quem huc convenire 
e nolioribus hominibus praeter ipsum Cercopem Pythagoreum 
dicam, Onomacriti, Orphei et Zopyri etiam in pangendis 
carminibus Orphicis socium. . . . . Atque non incommode in 
litterarum haec vestigia x«ı zay £&nl quadrare bina vocabula 
SE 
zOL KEOLWNL 

apparet: nam e chartarum labe omnem repetere corruptelam non 
dubitamus. Consequens est ut patria Cercopis lateat in x0yzvAow 
....-Cuias aulem fuerit ille Orphicorum conditor et, nisi 
coniectura fallit, Homericorum dıaserns, assequi divinando 
velle ineptum sit... .. Cramerus autem, qui in solis zay 
litteris latere poetae nomen putabat, ultima illa &rzı zoysvAo 
minime se dubitare ait quin ad enızov zuxAov aut Emızi zUnAm 
revocanda sint: nec improbavit hoc Hasius. Laudabile sane 
invenlum : modo illud explicatius docere non supersedissent, 
qua tandem verborum constructione quove nexu senlentiae 
illa iuncta prioribus cogilassent. Non potest autem ullus ne- 
xus cogilari, nisi excidisse quaedam statueris. Quod si non 
praeter ralionem proposuimus, vix aliam Jlicuerit nisi hanc 
sententiam e residuis litterarum vestigiis redintegrare: Ovo- 
uexoito Adnmvalv xzal |. ie SI ID INHTOECNKEL JUNI ELOL 
zov] ee Ennıx0V oh. Quae coniectura si cerliore 
fundamento nitatur, dici nequeat quam gravi indicio quam 
gravis res ad liquidum ducatur: quippe quo in Pisistratea 
aelate collocetur, quam Alexandrinis praeler F. A. Wolfium 
plerique omnes tribuerunt, cy cli epici composilio., — 
Propositarum a nobis conieclturarum utra utri praestet, suo 
quisque sensu arbitretur: ego nescire me fateor, nec prius 
sciri posse credo quam integrioris codicis fide in planiorem 
viam ducti erimus.’ F. Ritſchl. 


Todesart des Aeſchylus. 


Die Todesart des Aeſchylus in dem Pros Aloyvrov, wohl 
der alteften Duelle (der Grundlage nach) für uns, ift, wie von den 
Alten allgemein, fo auch von den Neueren gewöhnlich als wirkliche 
Thatfache genommen worden, Dafür halten fie Windelmann, Vis— 
eonti, dafür noch Bernhardy (Griech. Litt. I, 745.5 5. A. Wolf 
nennt fie eine Kabel (Vorleſ. über Griech. Litt. S. 249. Auch 
mir iſt nie zweifelhaft gewefen, daß von den Todesarten die Sota— 


140 Miscellen. 


des (unter Ptolemäus Philadelphus) bei Stobäus (Serm. XCVIII, 
9) zufammenftellt, obgleich er fie alfe mit einer ernften Betrach- 
tung über die Ungerechtigkeit der Vorſehung verbindet, außer der 
vorangeftellten des Sokrates nichts wahr fey: 
novkvnoda payov 0 Lıoyevns Wuov TEIvnxev* 
Aloyiho yoaporı! [ti] Enındntwrs yelwvn“ 
Zopoxing oaya yaywv otapvans nvıyeis TeyrnzE‘ 
xuveg oi zara Oodzmv Evginidnv Erowyor‘ 
zov Ielov "Oung0v hıuös zaredanavnoer. 
Nur was zu der Dichtung uber den Tod des Aeſchylus Anlaß ge- 
geben habe, welcher Sinn darin verſteckt fey, war mir dunkel und 
über eine Vermuthung bin ich auch jet noch nicht hinausgekommen. 
Daß der Adler die Schilvfröte hoch aus der Luft auf Felfen 
niederfallen läßt, ift aus der Nefopifchen Fabel bei Babrius u. A. 
befannt ). Wer in Griechenland darauf geachtet hat, in welcher 
Region die Adler fih halten und welche Felfen fich ihnen vort 
überall darbieten um Schilöfröten darauf zu zerfchmettern, der wird 
nicht begreifen, wie ein Greis fich einen Ruheſitz in ſolch einem 
Nevier aufiuchen mochte Im Schreiben traf den Aeſchylus die 
Schildkröte, ſagt Sptades und auch der fihwache Aelian CH. A. 
VII, 16); er faß auf einem Felſen, nach Gewohnheit philofophirend 
und fchreibend , fein Kopf war kahl, der Adler meinte daher der 
Kopf fey ein Felfen, ein andrer Felfen aljo, wonach man den wor— 
auf Aefchylus faß nicht veranlaßt iſt für einen fehr hoben Felfen 
zu halten. Ber DValerius Marimus (IX, 12) fist der Dichter 
fchiefficher aprico in loco, der Adfer erhebt über ihn (ganz aus 
1) Babr. fab. 117. Bei Kuoche Babrii fab. etfragm. p. 176. Wenn 
, das Fragment bei Suidas v. vur de omdEinv mit Recht choliambiſch her: 
geftellt wird, was wohl nicht (mit Bernhardy Suid. p. 1024) zu bezweifeln 
ilt, fo hatte eine andre Mecenfion der Fabel einen andern, erweiterten Aus— 
gang. Aus einer herametrifchen Sammlung ijt bei Schol. Aristoph. Equ. 
934 und Suid. v. orupeliououg — xai Ev Mudızois 
"09 orupeloy Eni nerowv 
ÖOTOR«KÖEVTE TE VOTE zul ayrule yvia XEdoI m. 
Phaedr. II, 6. Avian. 2. Aesopi fab. ed. Cor. 61 p.37. 312. Auf eine 
andre Fabel von Adler und Schilvfröte feheint Achäos im Satyrfpiel Om— 
phale zu deuten: ; 
Hhioxer’ do zul noös dosEvav Tayus 
xui no0s yeluvns aleros Bouyei Ko0v@. 








Litterarhiſtoriſches. 141 


ſeiner Nähe) eine Schildkröte und wirft ſie ihm, getäuſcht durch 
den Glanz des haarloſen Schädels, auf den Kopf. Dieß iſt noch 
lächerlicher als das Andre. Der Künſtler, dem wir die bekannte 
Stoſchiſche Paſte verdanken, hat ſich ſeines Rechts bedient die Sache 
ganz in das Gebiet des Wunderbaren hinüberzuziehen und von aller 
Frage nach dem Möglichen oder Wirklichen zu befreien. Der Dich— 
tergreis ſetzt nemlich eine Trinkſchale an, was ihn in die Stadt, in 
die Nähe wenigſtens einer Wohnung, wo die Adler nicht zu weilen 
pflegen, verſetzt, und zum Grund die Sagen hat, daß Aeſchylus 
ſeine Tragödien vom Wein erwärmt gedichtet habe, von Dionyſos 
im Traum zum Dichten aufgefordert worden fer!) — Sagen die 
ihren Grund wiederum in einer treffenden Bergleichung feiner Poefie 
mit Dionyfifcher Begeifterung haben —, und der Adler hält vor= 
fichtig die Scilvfröte über das kahle Haupt, was freilich mit der 
Erzählung des Valerius übereinftimmt, indem es einem feharfen Zie— 
len des Adlers aus ter Höhe in einer poetifcheren Faſſung ver 
Geſchichte entjpricht, während die verftändigeren Erzähler der Anek— 
dote dem Zufall übertragen konnten daß die Schildkröte gerade 
den fahlen Schädel traf. So heißt es ausdrücklich in dem Leben: 
aerög yag yElmvynv Gonaoas wg Eyroarng yev&odaı ayoug 
0Ux 1OyvoEV, apinoı zura nergwv avınv 0vvIAaowv TO dEgum, 
n 0’ Eveydeloa zara TOD noımod gporevcr arıov. So läßt 
Aeltan den Greis auf einem Felfen fisen. Allein dann müßte dies 
fer fih son Gela um zu dichten und zu fehreiben fehr weit entfernt 
haben: denn Felfen giebt es in der Nähe von Gela nicht, Ich 
will über die Lage des Orts, jest Terranuova, aus meinem Tages 
buch ausziehen was ich ber einem Furzen Aufenthalt niederfchrieb, 


1) Nah Windelmanns Bemerfung P. grav. de Stosch IV, 1, 51; 
Mon. ined. n. 167. Tölfen giebt in feinem erflärenden Verzeichniß der k. 
Preußifchen Gemmenfammlung (worin er leider dem Lefer Rückweiſe auf 
die Stofchifche nicht vergönnt hat) die Balte S. 313 N. 25, von der eine 
Abbildung in VBanoffas Tod des Sfiron und des Patroflos Taf. IV, 8 
eine richtigere Voritellung giebt als die vergrößerte bei Windelmann und 
Visconti lconogr. gr. pl. II, 10. Bei Tölfen folgt N. 26: „Rarneol. 
Aeſchylus halt fitend eine tragifche Masfe auf feinen Knieen und erhebt 
redend die eine Hand. v. St.“, wogegen der von Wincelmann im Katalog 
N. 50 als Aejchylus gegebene Achat: Onyx, ein Kahlfopf mit Reblaub bes 
kränzt, mit Recht eine andre Stelle und Benennung erhalten Hat. 


142 Miseellen. 


„Die Säule eines Tempels, das einzige Monument von Gela über 
der Erde, ift auf dem öftlichen Ende des langen Hügels am Meere, 
den die von Friedrich I gebaute Stadt auf dem Boden der alten, 
nur nicht fo vollftändig, einnimmt. — — Hier hat man num, wenn 
man nah Afrika ſchaut, den einmündenden Gela Iinfs in der Nähe 
und das Meer mit der berühmten Fruchtbarkeit der Ebene, worin 
jest, da Bewaäfferungsfunft angewandt wird, die Preife fehr hoch 
und im Steigen feyn follen; der Halbfreis der nicht fehr hoben 
Berge, ein ſtark bepflanzter Hügel öſtlich gleich hinter dem Fluß, 
endlich die fehöne Höhe der Stadt machen das einfache Bild der 
Lage aus. Die Gräber am andern Ende der jesigen Stadt, auf 
der wefilichen Seite zu fehen, ward es für heute zu ſpät. Sie 
werden aus Mangel am Baufteinen haufig zerſtört. — — Die 
Baufterne holt man jetzt 6—7 Miglien weit her auf Maulthieren 
herbei; wenn gleich auf dem Wege hierher (zu den Grabern) eine 
Telfenfchichte zu Tage Tiegt, fo Scheint doch dieſe nicht weiter zu 
reichen als die Straße und nicht tief zu feym Go wurden alfo 
in Gela die Todten in die Erde verfenft gerade wie die unfrigen, 
nicht tiefer und ohne Hügel, wovon wenigſtens Feine Kunde hier 
iſt, die Gräber nicht größer als die unfrigen, die Särge meiftentheils 
son gebrannter Erde. Uebrigens gedeiht in diefem Strich am beften 
die Indische Feige, der Wein den wir tranfen war fohlecht und 
Bäume find in diefer Nähe Nebenfache, Die Lage von Gela ift 
demnach feineswegs veizend, auch fehlte nem Ort außer den Steinen 
zur Mauer ein Hafen, eine Bucht. Aefhylus muß Athen hier doch 
fehr vermißt haben.‘ 

Das Cpigramm auf dem Grabmal des Aefchylus in einem 
Zufag zu dem Leben: 

vlerod EE dvvywv Posyua tuneis E&Iavor, 

ift gleich fo vielen andern erdichtet. Denn Glauben verdient die 
Nachricht in dem älteren Leben felbft, daß die fchönen zwei Diſti— 
chen, welche Paufanias Cl, 14, 5) und Athenäus (XIV p. 627 d) 
dem Aeſchylus felbft beifegen, an dem Grabmal bei Gela einge- 
fehrieben waren. Zugleich enthält das Leben den Umftand, dem 
Aeſchylus ſey über fein Lebensende der Orakelſpruch gegeben wor— 


Litterarhiſtoriſches. 148 


den; ovoarıoy oe Perog zuraxtarei. Auf dieſen deutet ſelber 
orafelmäßig auch Aelian: 0 derog — apnxev ıjv narelye Jeho- 
vmv, xal Ervye TOO ngosıgnusvov vo P&kog und bei Plinius X, 
3 it die Sache noch weiter dahin ausgefyonnen, daß Aeſchylus ge— 
rade an einem heiten Tage fih dem offnen Himmel auszufegen 
gewagt habe und fo dem Geſchick entgegengelaufen ſey (denn dieß 
und nicht die Vorausfagung eines beftimmten Todestages möchte in 
feiner Duelle gemeint gewefen feyn): quae sors interemit poelam 
Aeschylum, praedielam falis, ut ferunt, eius diei ruinam se- 
cura coeli fide caventem. Durch dieß Drafel wird die Geſchichte 
völlig ahnlich dem Tode des Odyſſeus nach dem Drafel aus dem 
Meer, nemlich durch den Stachel eines Noggen an der Lanze des 
Telegonos. Aber hier iſt die Todesart erfonnen für das Drafel 
und wie durch eine Kluft ift von der mythiſchen Welt die wirkliche, 
welcher Aeſchylus angehörte, gefchieden; in der Erzählung von ſei— 
nem Tod muß umgelehrt dag Drafel das Spätere und zu dem Er— 
eigniß hinzugedichtet feyn. Und in der That fiheint eg in dem Le— 
ben zu einer Erklärung der wunderbaren Erfoheinung, die behauptet 
wurde, angeführt zu werden. Balerius Maximus übergeht es da- 
ber, er bedurfte diefer Erklärung nicht, da er eine andre in der 
Täuſchung des Adlers fuchte, der den glänzenden Schädel etwa für 
einen weisen Kiefelftein verfah, während das Leben (wie auch Sui— 
das) die Kahlköpfigkeit nicht berührt, Viel beffer das Andre. ALS 
eine natürliche Begebenbeit oder bloßer Zufall war die Sache durch— 
aus nicht glaublich, doch war fie berichtet: don Widerftreit zu heben, 
den Anſtrich des Wahrfcheinlichen zu gewinnen, zog man ſich in das 
Gebiet des Wunderbaren zurück: Denn wer nicht alfen Glauben an 
Drafel aufgegeben hatte, mußte auch zugeben was mit einem Drafel 
zufammenhing, wenn es nur nicht naturwidrig war. Das Drafel 
wäre demnach eine Vorausfegung, gemacht zur Erklärung des ſelt— 
famen Berichts. 

SH geftehe daß nach der Vorftellungsart gewiß fehr Vieler 
im Alterthum diefe Erklärung mie mehr zufagt, als die aus neuefter 
Zeit welche K. Lehrs fih ausgedacht hat Cim Rhein. Muſ. 1848 
v1, 70). Er Hält es für reinen Spaß, für einen gutmüthigen 


144 Miseellen. 


Spaß: eine recht derbe Glatze ziemt dem Großvater der Tragödie 
wohl, wie dem Curipides, boshafter gefcherzt, ſolch ein infamer 
Tod, durh Hunde. Sch weiß nicht warum für den Vater der 
Tragödie ein kahler Kopf bezeichnend feyn follte, da er fo viele 
andre berühmte Männer, wie Diogenes, Ariftoteles, Hippofrates, 
Lyſias, Asflepiades und viele unbefannte bedeutende antife Bildniſſe 
auszeichnet, und das Zufammenbringen des kahlen Schädels mit der 
finnreichen Jagd des Adlers gleicht einem Scherz fehr wenig. Auch 
denfe ich mir das Bild des Aefchylus viel zu tief in die Vorſtel— 
lungen feiner Zeitgenoffen, feiner Nachkommen und bald durch Bild- 
niffe in die des ganzen gebildeten Altertfums eingeprägt, als daß 
ih feine Glatze für einen Scherz halten fünnte, die mir vielmehr 
als Hauptmerfmal feines wirklichen Bildes in jener unfchäßbaren 
Büfte des Capitoliniſchen Mufeums gilt, 

Das Herabfallen einer Schilvfröte aus den Klauen des Adlers 
muß vielmehr, wie e8 feheint, als ein Wunderzeichen aufgefaßt wer— 
den. So laßt in der Ilias ein Adler, von Zeus gefendet, bei dem 
Altar des Zeus, an welchem Agamemnon fleht, ein Hirfchfalb nie- 
verfallen zum ermuthigenden Zeichen. Dem Alerander, als er vor 
Tyrus im Begriff war das erfte Opfertbier zu weihen, läßt ein 
Raubvogel einen Stein auf den Kopf fallen, was der Mantis dahin 
deutet, daß er die Stadt einnehmen werde, fich felbft aber an diefem 
Tage zu hüten habe. Wenn Ariftophanes fagte, Finfternig brach 
ein als Aefchylus geftorben war, (Arislid. XIV p. 145) — und 
wenn die Sonne untergebt, fagt Shafefpear, was fann ung anders 
erwarten als Nacht? — Konnte Teicht begeifterte Verehrung auch 
dieſes dichten, daß Aefchylus nicht eines natürlichen Todes geftor- 
ben, jondern durch ein Wunderzeichen dem Leben entrückt worden 
fey, was dann buchftäblih verfianden aus einer Poefie in Sage 
übergegangen iſt. Dioskorides nennt ihn einen der Halbgötter. 
Eine andre Art wie die Götter einen Sterblichen auszeichnen iſt 
die daß der Blitz in fein Grab fohlägt, wie von dem des Lykurgos 
und dem des Euripides erzählt wurde (Plut. Lycurg. 31): dadurch 
wurde der Drt heilig, unzunänglich, quod eum deus sibi dicasse 
videlur, Plin. XV, 15, 17. 3 © Velden 








Handſchriftliches. 145 


Handſchriftliches. 


Proben Homeriſcher Scholien aus Cod. Ven B. in 
ihrer wahren Geſtalt. 


il. B. 305. 

“Huels Ö’ augi neol zonvnv leoovVg zara Pwuovs] ueyoı 
ov, zo dexzurm ÖE noAv alomoousv zVgvayviar, nEgl TOV- 
Twv ıov Enwv nnoonteı 0 'Agıororeing Torgura dia Ti Ö 
Kuryas, & uiv oUdEv mv TEvVag TO yervouevor,, Einyeltaı wg 
1E005° ıı yag Aronov Uno 09EWG OTgOVJoUGg zuredeoda, 7 
ToVvrovg 0xTW Eivar; neol ÖE ToV Aıdov yerdodaı ovdiv Akyeı, 
07V ueyar Ei un agm Eis Tüv anonkovv Eomuaıver, ws Tiveg 
gaoıv. Kai ei un rıs (Vill. uaorvs Cod. HT) eye, zul 
tote aälwg &ese (Vill. &ieys) roVro. öTı oVdE an&dwxer, av 
Ein To TEgac. &varn yag nv n unıno, dexarw de To Ihıov yo. 
pnoiv oVv un Eis Tov voorov &070saı 1a neyi rag unolıdo- 
08w5 Tod Ödoaxovrog, dıo oVd’ Enolmos Aeyorın‘ ovrs yao 

; er » —— ME 
Navreg £yEvovro avooroı, yekolös T' av nv (Will. d’ av zv) 
OVx anoroenwv Tov nA0oV, alla mAEIV NO00T9ENOUEOS, WS 
2drkov za onuela un Enavykev un noı’ oVv @noLl 10 07- 
uelov, TO Aldov yergodaır, Boadvrzrog (Ville Boudv Tovro 
Bekk. Boadvrjrtos) omusiov 7», Önsg ndn zul Eyeyiveı, zul 
oVxEr’ nv poßeoov, EArpdn JE &v (Vill. oVv) Ereoıw Evvea' 
tod dexarov yao ETovg aoyousvov Ey£vero, doıdusl dE Ta 
0)0xAm0@ Ern, worte ovradsı 0o9Wwg 0 ugıduog Twv anoıwAd- 
Toy zul Twv Erwv. 0i dE Ta negl 0lwvıorıRns ns za "Oumoov 
yoawarızs nv ulv veorzlav, @g av En’ axowv (Vill. dxous) 
TyS nAuravov zeındvymv zwv xAadwv (Vill. rov #2adov), oroav 
Evasoov (Vill. evvaerov Bekk. Evvasıın) eirypIal pacı moog 
nv avsuosooav nökıy. rovg Ö’ (Vill. 7’) Evorzovvrag &v avın 
orgovVdoVs oroaTov elvar ahlosIvn. moAhoi yag Enizovgor 
moAhEwV £x nollwv zarwWxovv Tmv noAıy. nımvoi yao dfgı 

DMuf. f Phil. R. 8, VIL. 10 


146 Miscellen, 


uardov 7 zwoa olxsı0regoL. 10 ÖE Zulop r7g nAatavov veagov 
EVRov zur Üdonkov, di’ ov 6 doazwmv Entyeıov (Will. Eniysıog 
Bekk. enıysıosg or) avveı nogslav Emil ToUüg oTpoVJoVg, Edr- 
Aov ovv örı (Vill. et Bekk. decrı) morvg oToarog nooelav 
nomoausvog Jıanovrıov, vrirms (Will. et Bekk. »7v00) neoa- 
005, dıa Tyg ywoag Enıneoslodar zols Towoiv Eurer... 
ernennen. 20 kayveiag'siveza (Vill. Evexza) Tov noAsuov 
&vornoauevor (Vill. Eviorno. Bekk. &vorno.) wonso ı75 A9n- 
vag 18005 0 douxwr. 
(Es folgt hierauf in dem Cod. B. noch ein fehr großes, fpater 
binzugefügtes Stück, zum Theil Wiederholung des in dem Vor- 
ftebenden fchon Gefagten, zum Theil das enthaltend, was in dem 
Scholion zu B. 308 0 douzwv A9nvas ieo0v xre und bei 
Waffenbergb P. 267. in dem Scholion zu V. 311 ftedt.) 
N..T.,65. 

Ovroı] To „ovzoı anoßınT Eori Iewv Eoızvdea (Vill. 
Zgınsodia) Öwga , 0000 #Ev avrol dwoıv, Exav Ö’ ovx av Tug 
Ehoızo® Evavrıokoylav doxel negieyew. Ta Yag un anoßlnta 
dwou, zul uaıa naga E00 ÖwgovVusva zul Eoizeodea, wg 
002 av rıs &Horro; Ava (Vill. Avsraı) nos oVx av dis 
Ehoızo (dieſe 4 Worte fehlen bei Vill.) uazouevars vais (fehlt 
bei Vill.) zar& TO zomwoy Evvoiaıs‘ 7 dE Avoıg: Yeay doo« 
oV uövov a dıdomoıv ayada, aha zal & naoEXovVoL 
xaxa. „doll yao re nı$0ı xzarareiaraı 2v Aiög ovdeı, dw- 
owv oin Jidwaı #urav, Ereoog di Euwrv.“ ware daga zul 
zara, UnEo 00% av TIg Exwvy Ehoızo. dodeıra de oTEoYELY 
avra oyeikcı (Vill. Oysrreı). 7 ün)as Ta don, Önola. urn, 
naoa Yewv (Vill. 9200), pnalv, ovdE anoßknza Eorı, dıq TO 
un (Vill. za) vno nv Vusteonv xElosaı ESovorev (Vill. &. 
x2i09.). TO oVV un Elvaı anoßlmra, unte vn’ &yövzom (Vill. op’ 
&xövzwv) Amnıea, elontaı, 00% OTı Ev 1m Huersgm 2E0vOL% 
xeiraı eis to anoßakeiv 7 Aaßelv. avauoei dE zai (fehlt bei Vill,) 
ERATEOOV TO Ep’ nulv, WS gunte Erov nulv guıa anoßa)eln 
&IeRroa0ı, unte Aupeiv ngogvundeioır, dv TE uyaIa, ap TE 
&vavıia, zal Eortıv 6 Aöyos: & Yeol Jıdoacı dega, xuv Egıxv.- 


Handſchriftliches. 47 


den, zev paöra.n (fehlt bei Vill.) ovre «noßakelv Ep’ nulv 
Eoriv, ovre Aaßeiv Ep’ julv av Ein. TO yao &xwv Ex z0ıwoV 
dsl zul moog TO dnoßakelv axoVoaı, zul no0g TO &keiv. 0v 
yao &xov av rıg zul IElwv anoßakoı., ord’ Exuv av rıg zul 
IEor Aaßoı (Vill. 00 yao rar av rıs za Helv Außor), 
Ev ın Tav zOEITTOVWV zal into nuasg oyrov ESovoin zeltul zre. 
1. T. 276. 
Aguoror&rovg (Will. Tloogvorov) 2.2.0. e. 
Zed zudıore u£yiore, zal aIuvaroı Yeoi ahk0ı, OnmoTEgoL 
moorteonı ünegooxıa (Vill, vnèo deze) anumveian, ndE op 
Eyr&pakos yauadız ogor, wg ode (Will. 60’) orvog. oVx Enıwo- 
xnoav usv own. avaxovoynou⸗ de zul EBhkawav tovg 0g%0vg, 
Enagaroı ovv noav. taura roı zul "Hoga neıgaraı ES avımv, 
@v xarnoaoavro (Vill. zarnoyo.), yeveodaı avrois nv Pia- 
Bnv. eiluuevov yag Exeivov Önnoregoı ngöregoı zre, 7 "Hoa 
avTo Tovro nugarsreverar 17) Asyra, EIFelv & Towwv zul 
Aysaıov pvlonıv alvnv, neıgav 0’ wg ev Toweg Unegrvdarıung 
Ayaroog @oSarres ngortegoı vneodoxıa Inlnooodaı (Mill. 
neıoav Ö’ @g zEvromoıv vnegzvd. Ay., aokayıas noor&govg 
Önto doxıa mr. Ebenfo Bekk.; im Cod. fteht: @s xev tow und 
fpäter a0EY mooregon), zo dE BAayaı odx Eorıv Enıogrnjom. 
T. 379. 

Altag 6 uw Endgovos zarartausvat ueveainov EyyEi 
zahrsıio] Advvarov (Vill. Aıdvuov; ebenſo Belik.; Cod. Aw) 
paoiv eivaı ara 10 Eyzeionue" Eogipn Yag proiv 7dn Will. 
nn ynoiv) To Eyyog. niyIn nuhauımpır Erworov. Ausıar de 
ano zoo &Fovg (Vill. Erovg): dvo yao dogar« YEgeıv Verouıo- 
uevov v wg nolkayoo Atyeı narıov Ö' 05a (Vill. dvo) 
Jodüa zaura 0TOWToV Wyero navın“ m ano TOV zaıgev. oV 
yao Etuye töre anohkouevov (Vill. WnoAr vu.) 70 &yyos, ah 
ni zo "AksSavdgw dnagyor, 0d xuTERvgLEVIT. 

1. .:20, 

Tdalos Ö’ an6oovoe] zarnyogeı zul Tovrov Zwilog (Vill. 
Tod zoıovzon Tonov 6 Z.), örı Alav, pmol, yEerholwg nenolmzev 
(Vill. fest hinzu: 0 noımeng)rov Idolov Gnolınovra Tovg Innovg 


148 Miscellen. 


za To aoua pevyeıv. (Vill. feßt hinzu: dvvuro yag uahkov enirois 
Innos ah.) Omteov ovv (fehlt bei Vill.), örı zaredoge uiv Tov 
Gouaros, ög vneoaonloov m adergn (Vill. Tor adergov). evhu- 
. Bn$eig Ö& ToV nol&uov, eig pvynv woumoev (Vill. eroann). 01 
ÖE Ayovoıv, urı &idwg zo Zhoumdovg pikınnov dıa ToUro && 
Tovg Innovg, Onwg negl wVroVg yerrrat. m OTı 00% En£oneioe 
(Vill. Eneıoe Bekk, &ntornoe) tw ovupeoovrı. al yap wpoeveg 
tagayIeloaı, nugenkaysav zal TOV G0PoV. TOLOVTOg EVgLOHETAL 
nag’ wiro zul 6 AktSavdoog, ayonevog (Vill. eAröwsvog) vo 
To® £YI000 , zal ayyouevog Uno ng x0ovdog (Will. fest hinzu: 
xal T)S N@00VONS OVU0gGS) za ayvowv yonoaodaı ro (Will. 
feßt hinzu: magortı) Eipeı zara Tov nolsutov. 
1.2.811: 

dia U wvouaodn n Adıwa Tlarkas |... : rer. 
oi Ö8 noimtirag yoayarrsg &x ro a&oog (Vill, & zoo "Ale, 
ebenfo Bekk.; im Cod. ſteht «ta) sinov 0 Ilakkadıovy roVro 
zureveytzvar ıW Towi, BaoıLevorrı Dovywv: rovro hhoumdns 
za Odvooevc (Will. 6 00.) :....:2.. En 2 WOAADY 
(Vill. roAAng) Torvvv uerasv xırndevrov (Vill. zıyndeions) 
zul ysvousıng OWlag 2... 2... Önevoovr ÖE dom @o- 
vevonı avrov rov Odvooea zul gYıhovsixnoavres (Vill. pıro- 
vır,) noög alAmkovg anenkevoav. Ongg Ilarradıov avederro 
17  AIyvü.” Eregor dE paoiv, og Ilalkadıwv zovoovuEvon 
&v als ngWorıg Tav TOIMoEDV, or Asnvaioı (Vill. et Bekk. 
’4Sıaroı. Cod. ivaloı) ayaruıara rıva Sulıya ın  Adıma 
»adidovov, wv Ensuekoövro uehhoyreg nkelv. 


Leyden. E. Mehler. 


Zur Kritik und Erklärung. 


Heſiod. 
Wenn man auch über die urſprüngliche Geſtalt der heſiodi— 
ſchen Theogonie am allerwenigſten in römiſcher BıßAlov Eomuig 


Zur Kritik und Erflarung. 149 


eine Vermuthung aufzuftellen wagen wird, fo läßt ſich das doc 
wohl mit Beftimmtheit behaupten, daß die Unform JIoAvuvrız in 
der Aufzählung der neun Mufen (DB. 78) weder dem alten Epos 
noch einer fpäteren Interpolation deffelben angehört haben kann, 
mag man fie nun von wreia oder von vaurogableiten. Cine etwas 
andere Form deffelben Namens bietet die von Alexandre François ge— 
fundene, gegenwärtig in Florenz befindliche Klitiasvoaſe, welche Dr. 
Braun "in dem zunächſt erfcheinenden Hefte der Inftitutsannalen 
herauszugeben beabfichtigt, und welche wegen des Neichtbums und 
der Eigenthümlichfeit ihrer mythologiſchen Namen auch dem vein 
phifologifchen Publikum fehr intereffant fein wird. Unter den auf 
ihr auch vorkommenden Namen der neun Mufen find zwei anders 
geftaltet als fie bei Hefiod und fonft angegeben werden, nämlich 
Styoryoon (für Teowıyoon) und TloAvurıs. Die Choraufftel- 
ferin, Iryoıyoon (wie Irn01%0005), ift ein offenbar älterer, weil 
eoncreterer Name als das abftrafte Teowızoon, und fo haben wir 
denn allen Grund, auch in der Bezeichnung JloAdunıs, die Viel- 
fingerin, (wie von einem Mafeulinum noAvvurng, nokvurns) eine 
alte und gute Form vorauszufegen. Db man auch Iryorz0on an 
der angeführten Stelle des Hefiod (Theog. 75) einzufegen hat, 
mag dabingeftelft bleiben; jedenfalls aber ift Die auf der Vaſe ent» 
deckte Form JToAvuvız geeignet, den profodifchen Anſtoß zu heben, 
wenn gelefen wird: 
Teowıyoon =’ 'Eoarw ze, JloAvunıs T' Ovvarın ıe. 
Rom, December 1845. Leopold Schmidt. 


Zu Spphofles. 


Der Katalog der Sophofleifhen Stufe, der kürzlich durch 
die Befferfche Ausgabe des Pollur um das ſchon von Brund u. N. 
angezweifelte Stüf Zwornges vermindert worden tft, hatte nicht 
gar fange vorher einen Zuwachs erhalten durch Schneidewin's Aus— 


150 Miseellen. 


gabe von Drion’s Antholognomifon. Dort nämlich heißt es V. 9, 
p. 47: &x ro "Houxksiozov ourovgızng (Sic) 

»08lo00» Feols yao n Bootois yagın pegzır. 
und weiterhin VI, 6, p. 47. &2 zoo "Hoaz)eioxov Soporkeovc. 

10v doW@vra yao Te zul naseiv Oyerkerat. 
Wenn fchon die Form Hoazksıozos von Seiten der Grammatik 
Bedenken erregt, daher auch Schneidewin in feinen Bemerkungen 
zum erſten Fragmente ihr ftillfihweigend die Form "Hoaziloxos 
fubftitwirt, fo tritt ihr, wie jeder atderen Deminutivform, noch der 
Umftand entgegen, daß nicht wohl einzufehen ift, was ein Satyr— 
drama, worin ein Fleiner oder junger Herafles aufgetreten 
wäre, wohl hätte enthalten können. Auch muß es billig wunderbar 
ericheinen,, daß gerade nur Drion ein paar DVerfe daraus gerettet 
haben ſollte. Noch bevenklicher aber wird das Deminutiv, wenn 
man die Lemmata etwas genauer anſieht. Schon der Artikel bei 
dem bloßen Namen eines Stückes iſt der Citationgweife der alteren 
Grammatifer und Lerifographen fremd, der Zuſatz owrovvızng aber 
zeigt vollends deutlich, daß diefe Lemmata blos von einem Abfchrei- 
ber herrühren. Drion bat gewiß nur nach gewöhnlicher Weiſe ge— 
fihrieben: SopozAns "Hoarrei oarvg:em. Das Wort oarvoınm 
aber war höchſt wahrfcheinfih in der Handfchrift, welche als Tette 
Duelle für unfer Antholognomikon anziehen ıft, durch ein Com— 
pendium oxm gejchrieben: im oder ftand alfo und zwar vermuth- 
lich in ftetiger Aufeinanderfolge HPAKAEIFKAI, woraus der 
Abfchreiber, indem er Hoazisıozw für ein Wort anfab, mit Uman- 
derung des ganzen Yemma ex rov Howzısiozov machte und dazu 
noch, um feine Gelehrfamfeit zu zeigen, owrovgıry5 fügte. Mög- 
lich übrigens daß, was ich einem Abfchreiber beilege, mehreren 
auf einander folgenden zur Laft fällt. Iſt nun die ausgefprochene 
Vermuthung richtig, fo find die beiden oben angeführten Verſe in 
das bereits aus Pollux VII, 100. X, 1105 Steph. Byz. s. v. zwoa 
bekannte Stüf "Hoaxins owrvoırog des Sophofles, deffen von 
Schneivewin behauptete DVerfchievenheit von einem "Agaxıns Ent 
Tewvaow mir fehr zweifelhaft, um nicht zu fagen unwahrfcheinlich 
erfcheint, zu feßen. 


Zu Euripides. 


Eine fcharffinnige Bemerkung Frigfche's zu Aristoph. Ran. 
1206, daß in Folge des Ariftophanifchen Anxudıov anwrsoev viele 
Prologe des Euripides von deffen Kunftverwandten abgeändert wor- 
den und auf diefen Umftand die von manchen Stücen erwähnten 
doppelten Necenfionen zurüczuführen ſeien, hat Schneivewin Gefe- 
genheit gegeben, (Philolog. IL. p. 533.) nach ver von H. Keil in 


Zur Rritif und Erklärung. 151 


diefem Mufenm VI. ©. 616. aus Tzebes gegebenen Mittheilung 
und dem Schol. Eur. Phoen. 6. folgende Verſe des Euripides: 
Sıdavıov nor’ aorv Kuduog Erlınwr, 
’Aynvogos; naic, JAſße Onßalav zIove, 
Doivıs nepvawg‘ Ex 0’ ausidera yEvos 
Eiinvızov Lıgxalov olzyoag nedorv. 
nd nkF avayzn, nedia Dowieng kınov, 
keyoıwW av‘ noav rosis "Aynvooog »0go1, 
Kırıs, ap’ ov dn Kılızia zırınoxstat, 
DoivıE 9°, 69evnso Tovvou’ n Zwga peget, 
zal Kaduoc. 
als Prolog des erften Phrixus hinzuftellen, obgleich der Scholiaft 
Aristoph, Ran. 1256 fie ganz beftimmt aus dem zweiten ats 
führt. Der Anfang des zwerten Phrirus aber foll in folgenden 
Berfen enthalten fein, weil Tzeges die beiden erften derjelben zum 
Anfange des zweiten Phrivus flempelt:_ 
El usv TOO Hung noW@ToV nv xazovuevm, 
zul un uazoav Ön dıa novwv Evavorokovr, 
sixög opadalsın Tv av, @g veolvya 
nwrov yalıyvov agriwmg dedeyusvov' 
vov d’ außkvs Eu zal xarnotvrog novowr. 
Diefelben Verſe giebt Cicero (Tuse. II, 25, 67) überfeßt mit der 
Bemerkung: Idque indicalur eorum palientia, qui quum multa 
sint saepe perpessi, facilius ferunt quidquid aceidil obduruisse- 
que sese contra fortunam arbitrantur:: ut ille apud Euripidem: 
si mihi nune tristis primum illuxisset dies, 
nec tam aerumnoso navigassem salo, 
esset dolendi causa: ut iniecto equulei 
freno repente laclu exagilanlur novo. 
sed iam subactus miseriis obtorpui. 
Meine Vorgänger, Matthiae und Welcker, wie ich ſelbſt, haben die 
Stelle in den Aeolus gefest (lragm. AXV.) auf Grund von Bekk. 
An. Gr. p. 105, 25: xatnotvx&vaı Eieyovıo ol unzerı Po- 
%v Eyovreg Innoı. Evoıntdng Aloıo. Schneidewin aber meint, 
Tzetzes habe offenbar aus fehr quter Duelle gefchöpft, dagegen dem 
Grammatifer, der fich für zuryorvaevar auf den Aeolus beruft, fer 
die Stelle aus dem zweiten Phrirus nicht gegenwärtig gewefen. 
Allein fowohl nach dem Inhalt der Berfe als nad) Cicero's Worten 
fönnen dieſe Verſe nur am Ende einer Tragödie geftanden ha— 
ben, Schon ver erfie Vers allein mit don Worten zod’ zumo feßt 
Vorhergegangenes voraus; Tzetzes aber ift ein Gewährsmann, dem 
man faft nur dann glauben fann, wenn feine Angaben noch) anderswo- 
ber beftätigt werden. Demnach fehe ich feinen Grund, meine frü- 
here Anficht, daß in den Verfen Fırdwvıov nor’ woru xıa. der 
Anfang des zweiten Phrixus (der vieleicht eine Ueberarbeitung 


152 Miscellen. 


des erſten war, wie der erhaltene Hippolyt) enthalten fei, die Verſe 
& uiv Tod’ zuag zrı. dagegen in den Aeolus gehören, aufzu- 
geben. 

Breslau. Fr. W. Wagner. 


Zu Theokrit. 


Wir leſen in dem ſiebenten Idyllion V. 50 flg. 

Sıuuyıda* zny@ uev, 007 Pikog, &i 101 Wgeoxet 

TooF 6, tı nomv Ev 0081 TO werudgıov ESenovaou. 
Euſtathius zur Iliade (Seite 125 oder 094) las won flatt ev 
doeı, und Heinfius fo wie Valckenaer billigen diefe Lesart, Neisfe 
aber meinte, Euftathius habe aus dem Gedächtniß citirt und fich 
dabei geirrt. Möglich wäre es immerhin, daß Euftathius aus dem 
Gedächtniſſe falfch eitirt hätte; er könnte aber doch auch richtig ci- 
tirt haben, und die Handfchriften eine Lesart geben, die den Ver— 
fuch einer vermeinten Verbefferung enthält. Wenden wir zur Ent- 
ſcheidung über die Aechtheit der einen oder der andern Lesart eines 
der Mittel, welche uns die überlieferten Texte felbft an die Hand 
geben, an, nämlich innerhalb des Textes felbft einen Grund zu fu- 
chen, der uns eine der Pesarten als die wirklich Achte erfennen läßt, 
fo find wir im Stande in diefem Gedichte eine Gewähr für won 
zu finden. Wir Iefen namlich in demfelben Gedichte V. 84 fig. 

xal. Tv, uehıooav 

Knoia gsoßouevog, Eros woLov egenovaoas, 
wo Valdenaer und Brunk ESenovaoag aufgenommen haben für 
Sere)eooag, weil es, von vielen Handfchriften dargeboten und 
som Scholiaften erwähnt, gewählter fey als die Vulgata. Der 
Grund, daß jenes Wort gewählter fey, kann die Entfcherdung 
fchon um deßwillen nicht geben, weil es in der That fo gewählt 
ift, daß es in diefer Verbindung Anftoß erregen kann. Nehmen 





Zur Rritif und Erklärung. 155 


wir aber an, es fiel einem bei wgıov E£erelsooas ein, oben 
©on eSenövaoa gelefen zu haben, fo konnte diefes leicht zur Ver: 
gleihung an den Rand gelangen, und von diefem ift manche falfche 
Lesart in die Texte eingedrungen, fo daß alfo diefes worov für die 
Lesart ©on zeugen würde, und daß aus V. 51 die Lesart Eenü- 
vooas als eine falfche in ihrer Entftehung fich erflären Tieße. 
Sind doch nicht gerade fehr felten Neminiscenzen aus andern Aus 
toren, die an den Rand gefchrieben waren, in Die Texte einge— 
wandert. 
8. Schwend. 


Nachleſe zu den Kabeln des Babrius. 


Fab 6: “Artevg Julasons naoav nova Svwv 

,enım re zakaum vov ylvzuv Biov mon, 

wıxo0v nor’ lyFUv — — nyosvoer. 
Das Imwv des zweiten Verfes iſt nichtsfagend und unhaltbar. Ver— 
muthlich ſchrieb der Dichter: 

henıo TE zahauım Tov yAvzvv Blovomlwr, 
„Das füße Leben friftend“. Aehnlich fab. 76, 9: ro nrevum ow- 
Io» En’ ayvooımı dvoryvog. 
Fab. 9: “Akıevg nıg avkovg eiys zul 00Q@Wg yukeı, 

zul dn nor owov Einioag duoysntwg 

nokv n005 avlov Hdvpwvınv ne, 

10 dizrvov Yeig Ersoetılev EVU0VOWS. 
Sp die Vulgate, an der meines Wiffens noch Niemand Anftoß ge- 
nommen bat. Inzwiſchen kann ich mich nicht überreden, daß der 
erfte Vers in diefer Geftalt von Babrius herrühre. Der Ausdruck 
adrovg eiye iſt mindeftens ungefchickt, die Verbindung von ar.orc 
und mureı hat ſchon an fih etwas armfefiges und ftümperhaftes ; 
hier wird fie noch unerträglicher dur das aviw» im dritten Vers, 
Ohne Zweifel fohrieb der Dichter: 


154 Miscellen. 


“Ahtevg rıs owov nloag auoyInTos 
nb)v n005 aviov nlvpwuin nEkım, 
0 diatvov Hei Eregerilev Eduovowg. 
Die von ung befeitigten Worte avdovg Eye bis zul dm nor’ 
verrathen einen Interpolator, der das Ueberraſchende in dem Fifcher 
als Flötenfpieler irgendwie zu motiviren und zu entfchuldigen fuchte. 
Er that dieß mit wenig Gefchtf und fügte einen Zug bei, der dem 
urfpränglichen Erzähler ganz fremd war. in Späterer mochte ge- 
hört haben, daß die Fiſche den Tönen der Flöte folgten und fchob 
das Miflingen des Verſuchs auf die Unerfahrenheit im Flötenſpielen; 
f. Fab. Aesop. 34. Fur.: “Arıeug ahrıevrıeng (offenbar ift zu 
leſen: arintıxng) ansı00; avaraßwv avkovg zul dixtva, nuoe- 
yEvEto Es nv Falaooav ATA. 
Fab. 11,2: ’Mwnex' &yIoav aund)wv TE zal znnwv 
Eevn dernoas negıßakelv Tıg alzin, 
Tv 4£oxov awas zul Alvov tı noogdnous 
UpnrE peuyeiv. 
Zern im zweiten Vers ift unpaffend oder vielmehr abfurd. Jede 
arzla iſt dem Fuchs eine SEvn, der Feuerbrand war eine neuerfun- 
dene Dual, alfp zuıvn — airin. 
Fab. 17, 4: zov Ö’ 81’ alertwg nivvrig ayrvhoykoyır 
xal TWÜT Exegrounoev 05V PWwvnoac. 
Daß Babrius 05V Pornos gefchrieben, iſt nicht unmöglich, aber 
höchſt unwahrfcheintich, fobald zugegeben wird, daß fich mit Teichter 
Aenderung etwas viel paffenderes feben laßt. Einen befonderen 
Zauber erhält die Thierfabel dadurch, daß neben den geiftigen und 
fittlihen Motiven, welche um die Thierwelt gefehlungen werden, der 
phyſiſche Charakter des wirklichen Thieres in einzelnen individuellen 
Zügen möglichft hell und lebendig bewahrt wird. Auf dieſe feinere 
Zeichnung, welche den trorfenen Schemen ver auftretenden Figuren 
eine frifchere Farbe giebt, Hat ſich Babrius ganz befonderg verftanden 
und die 05. Fabel iſt hiefür mufterhaft. Sp zwerfle ich kaum, daß 
ex auch an unferer Stelle gefehrieben hat: zus Tadr’ Exegroungev 
35 MOac. 





Zur Kritik und Erflarung. 155 


Fab. 18. Beim Streit des Windes und der Sonne um den Man- 
tel des Wanderers heißt es V. 4. flg.: 
Booeng Ö’ Epvoa nowros olog &x Obouxns, 
Pia vowlwv Tov pooovrra ovAnosır. 
6 Ö' oV uedjre, uahhov aka oLywoag 
zal navıa zuxim yEU0l 20u0neda OplySug 
xa970T0, netong vorov E&oyn Alva. 


’ 


Im vierten Vers würde ich vorziehen olo» &x Oorzns. Sodann 
aber ift nothwendig mit Borffonade zu fchreiben: 6 d' oV uednee 
wa))ov, ah,a örywoaz. Die verlangt ver Sinn wie die Wort: 
ftelfung. Daß proſaiſche Erzähler das uarrov ebenfalls mißver- 
ftanden haben, ift für Babrius gleichgültig. 
Fab. 22, 19: 805 parluxoov 7 vea TE yn yoala 
EIny’, &2a0rTn ıwv ToIyWv dnoonwou. 

Beffers Conjeftur &xaoınv durfte nicht in den Tert genommen wer- 
den. Unmöglih wollte der Dichter fagen, daß dem Alten jedes 
Haar bis auf das letzte ausgerauft worden wäre; es fann jemand 
parax005 heißen, auch wenn er noch zwei bis drei Haare auf dem 
Kopfe hat. Babrius fehrieb, wenn ich nicht irre, das einzig mögliche 
exarteon. 
Fab. 70: Oewv yauovvrwv ws Exaorog Elevy9n, 

&p' anaoı Tloreuog Eoyurm naonv xAnom. 

“YBoıv dE ynuas, nv @ons zareılmpa, 

TaVTNS nEgL00W@S, wg Afyovoıy, nouoyn. 
Im dritten Vers iſt Lachmanns Vermuthung 79 gagels zursıın- 
yeı dem Sinn nicht befonders angemeffen. Der Borfchlag von 
Herbberg 79 uornv zareıngei, ift wie die meiften feiner Con- 
jefturen zum Babrius etwas fehr gewaltfam. Sollte vielleicht zu 
fpreiben fein: 7v ao’ vorar' zeirrga? 
Fab. 75: Taroög 7» areyvog. ourog aooWworw 

navrwv Asyorrmv „un dedıdı, 0wdnon‘ 

nasog uEv Eorı yoovıov, aAR Eon dawr“, 

WI’ arsyvng larong einer eichalvwr 

„eroiua del 08 navr' Eyeıv, anosvnoreıs“. 


Der gelehrte und fharffinnige Cobet, der uns neulich in der Oralio 


156 Miscellen. 


de arte interprelandi eine glänzende Probe feiner erfolgreichen 
Bemühungen für Griehifhe Texte gegeben hat, halt unfere Samm— 
Yung der Babrinsfabeln in ihrem Hauptbeftand für ein Flägliches 
Machwerk von Mönchen, die weder viel Verftand noch eine ausrei— 
chende Kenntniß der Griechifchen Sprache befeffen hätten. Wir find 
gefpannt die Gründe diefer wunderlichen Hypotheſe zu vernehmen. 
Einftweilen begnügen wir und zwei Argumente zu befeitigen, die 
Cobet für feine Anficht aus unferer Stelle ziehen wolite. Wenn er 
zunächft die Meffung von dedıdı mit Yanger Venultima für fehler- 
haft hielt Cauch andere haben ſchon vor ihm daran Anſtoß genom- 
nen), fo überfah er den gleichen Gebrauch des Nikauder, Alexiph. 
443: a00a av un deidıdı, ſ. Meinefe Exereitalt. in Alh. Spee. 
Il, p. 42. Dagegen ıft Cobet in vollem Recht, wenn er V. 4 
drsyvns für ungriechiſch erklärt; denn erreyvns und zaxotezvng 
find. Fietionen der Lexicographen. Das areyvns enthält auch einen 
profodiichen Fehler, ja es iſt nicht einmal dem Sinn angemeffen, 
da der Asklepiade fehon im erften Vers als @reyvog bezeichnet wurde. 
Ehe wir indeß den Autor der Fabel anflagen, ift es billig zuzufehen, 
ob nicht eine Abfchreiberfünde ung vorliegt, Die fich durch eine ein- 
fache Verbefferung tilgen läßt; und ich glaube nicht Fehlzugreifen, 
wenn ich den gerügten Mängeln dur den Vorſchlag abhelfe: 
Bd arevng laroos einev Eicsßalvov, 
„fo ſprach ver harte, unerbittliche Arzt beim Eintreten‘ Ueber das 
Wort arsvng handelt unter andern Ruhnken Tim. p. 53 sq. 
Halle. Auguſt Nauck. 


Analecla critica. 


1. Sueton. vit. Tiber. c. 29. 
Dixi et nunc et saepe alias P. C. bonum et salutarem 
prineipem, quem vos lanta et tam libera, poteslate instruxistis, 


zur Kritik und Erflärung. 157 


Senatui servire debere et universis civibus saepe, et plerum-. 
que etiam singulis. 

Tiberii ad Senatum sunt verba, civilitatis speciem affe- 
elanlis. At ut omnia bene convenianl, ‚corrigendum: “senalui 
semper servire debere’. Nam sic demum consummaltum subdoli 
animi arlificium deprehendilur, restituta simul gradatione in- 
versa. 

2. ‚Curlius Rufus L. IV. c. 9. (38) 

“Rex monere, ut salis haberent arma relinere, cetera se 
redditurum: sed üeque consilium, neque imperium accipi po- 
ieral: obstrepebat hinc melus, praelter hunc invicem nutantium 
muluus clamor’. 

Militum Alexandrinorum laborem, cum 'Tigrin traiiciunt, 
Curtius describit, sed neque nutantium, quod Mützellius (in 
edilione altera) frustra conatus est explicare, neque natantium 
convenit, Legas: “praeter hunc invicem hortanlium muluus 
clamor’ et conferas similem descriptionem apud Tacit. Annal. 
L. I. c. 70: “Non vox el mutui horlalus iuvabant, adversanle 
unda: nihil strenuus ab ignavo, sapiens ab imprudenti, consi- 
lia a casu differre: cuncla pari violentia involvebanlur”, 

3.  Tacitus Ann. L. I. c. 15. 

“Inter quae tribuni plebei petivere, ut proprio sumlu ede- 
rent ludos, qui de nomine Augusli fastis addili Augustales 
vocarentur: sed decrela pecunia ex aerario, ulque per circum 
Iriumphalı veste uterenlur: curru vehi haud permissum: mox 
celebratio annum ad praelorem translata, cui inter cives et 
peregrinos iurisdictio evenisset‘, 

Coniiciunt annuum vel annua, quorum neulrum ferri 
potest. Mihi quidem scribendum videlur: Mox celebratio 
agonum ad praetorem translata'. Nam tale quid inslituta sen- 
tenlia flagitat, et vocabulum agonis non alienum ab horum 
scriptorum usu; vid. Sueton. vit. Neron. c. 21: Cùum magni 
aeslimaret canlare, eliam Romae Neroneum agona ante prae- 
slitutam diem revocavit.’ CF. ibid. c. 22 et 23. Plin. Ep. IV, 
22: „Gymnicus agon apud Viennenses ex cuiusdam testa- 


158 Miscellen. 


mento celebrabatur”. X. 79: “Instituendos quinquennales agonas, 
qui Traiani appellentur”. 


4. Tacit. Annal. L; Il.:0: 137. 


“Utrumque in laudem Drusi trahebatur, ab eo in urbe 
inter coetus et sermones hominum obversanle secreta patris 
mitigari. Neque luxus in iuvene displicebat: hue polius in- 
tenderet, diem aedificationibus, noctem conviviis traheret, 
quam solus et nullis voluptatibus avocatus moestam vigilan- 
liam et malas curas exerceret”. 

Locum vario modo tenlatum sie censeo corrigendum: 
“diem daret factionibus, noctem conviviis traheret’. Quae bene 
congruunt cum iis, quae de Drusi moribus Dio Cassius refert 
LVII. c. 14: T7 0oy7 ovrw yahenn &yonto, w@ors zul nAnyas 
innel enıpavel dovvaı zal dia rovro za Kuotwo Enwvuuuov 
Kaßslv- "TH TE EIN Hararoong oVTwg Eyıyvero, Wore nord 
vurrög Eungnoselol Tıoıv Enıxovoroaı era Twv dogvpogwr 
dvayzaodeig, vVdwo ulrwv alıovvrwv, Heguov opıoıw Eyyeaı 
xelevoaı* Tolgte doxmorTalg ourw ng00E&KELTO, worte 
xal oraoıaleıy avrToVG, zul und’ ind av vouwv, 0VG 
o Tıßegıog En’ avrois Evevnmvöyeı, zadoraosar. Adde ‚ipsum 
Tacitum L. I. c. 76: “Edendis gladiatoribus, quos Germanici 
fratris ac suo nomine obtulerat, Drusus praesedit, quanyuam 
vili sanguine nimis gaudens.“ 


5. Cornelius Nepos vit. Aleib. c. 3. 


“Posteaquam robustior est faclus, non minus multos 
amavit, in quorum amore, quoad licitum est, odiosa multa 
delicate iocoseque fecil, quae referremus, nisi maiora potiora- 
que haberemus’. 

Parum verisimile est, Nepotem impotentem Alecibiadis 
superbiam speciosa hac oralione excusavisse, alque nonnulli 
codices odiose exhibent. Corrigendum videtur: "Odiose 
multa, multa delicale iocoseque fecil’; quae a rei verilate 
non recedunt. Geminavi adiect. multa: nam quamvis bra- 
chylogiae usus et Graecis et Lalinis non sit infrequens, ta- 








Zur Kritik und Erflärung. 159 


men si semel hie seripseris multa, duriuscula forel oralio. 
Verba autem, "quoad leitum est’ significant: guamdiu viwit. 


6.. Cornelius Nepos vit. Attici c. 9. 


“Quamdiu adfuit, ne qua sibi stalua ponerelur, restilil: 
absens prohibere non poluit. Itaque aliquot ipsi et Phidiae 
locis sanclissimis posuerunt: hune enim in omni procuralione 
reipublicae actorem aucloremque habebant'. 

De Phidia prineipe Atheniensium nihil omnino compertum 
habemus. Nisi prorsus fallor, seribendum: ipsi et Mi- 
diae’. Midiam enim, Romanis rebus favenlem et ob id ipsum 
ab Aristione palria expulsum , qui deinde una cum Calli- 
phonte a Sulla impeiravit', ul urbe expugnata victis tandem 
aliquando parceretur, consenlaneum est in civitale, quemad- 
modum Sulla conformaverat, principem obtinuisse locum. Con- 
feras de hoc Midia Plutarchum vit. Sull. c. 14: ’Aira yao 
tovro us» Meıdiov zul Karrıyarroc zav guyadwr, deousrw» 
xl ng0xvALVdovuEvmv avrod, TOovuTo de TWu ovyrAntızwr, 
0001 OVVEOTOATEVOV, ESarrovusvov ıyv nokıy, aUTog TE ueaTog 
@v non TIumglas, Eyrmıoy Tı TWv nakaıov AInvalov Eneı- 
nor, Epn, yaoılsodaı nokkovg usv oklyoıg, Llwvrog dE TE- 
$vnx00w; ubi scribendum noAkoig usw oklyovg. — Sed eliam 
quae sequunlur apud Nepolem corrupla sunt: 

“Igitur primum illud munus forlunae quod in ea polissi- 
mum urbe natus est, in qua domicilium orbis lerrarum essel 
imperii, ut eandem et patriam haberet et domum: hoc speci- 
men prudenliae, quod quum in eam se civilatem conlulisset, 
quae anliquitate, humanilate, doctrina praeslaret omnes, unus 
ei ante alios fuit carissimus’. 

‘ Apparet Atticum fortunatum dici, quod Romae nalus sit, 
prudenlem, quod Athenis vixerit: haec enim ei fuit altera 
quasi patria: nullo igitur pacto ad Romam referri possunt 
verba: ut eandem et patriam haberet et domum: nam hoc 
iudicii erat. Quare haec verba sic videnlur lransponenda esse: 
hoc speeimen prudenliae, quod quum in eam se civilalem 


160 — —  Miscellen. 


contulisset, quae — praestaret omnes, unus ei ante alios fuit 
carissimus, ut eandem et patriam haberet et domum.* 
7. Virgilius Cir. v. 92: 

Quare quae cantus medilanti mittere certos 

Magna mihi cupido tribuistis praemia, Divae 

Pierides: quarum castos altaria postes 

Munere saepe meo infieiunt, foribusque hyacinthi 

Deponunt flores. 
Pro certos cum codd. cocos vel coecos exhibeant, doctos 
scribendum puto. Deinde altaria corruplum esse manifestum 
est: sed qui nuper calparia Festi usus glossa coniecit, a vero 
longissime aberravit. Nam ut nihil dicam de opico el inve- 
nusto vocabulo , (dolia enim, non pateras significat) , vinum 
Musis libari parum est probabile: sobriis enim gaudent hae 
deae sacris, vide Polemonem ap. Schol. Soph. Oedip. Col v. 
100: ’49nvaioı te yao Ev tols ToiouTorg Enıuehtig OVreg zul 
Ta nodg Tovg Jeovg Öoloı, vrpakıa utv 1804 Svovoı Mvn- 
uoovvn, Movoaıs, Hot, "Hip, Ierrvn, Nvupaıg, ’Apgodirn 
Ovoaviae. Equidem emendandum esse arbitror: 

quarum caslos alabastria postes 
Munere saepe meo infieiunt. 
Apte enim posles sacelli coronis simul et unguenlis decoran- 
tur; conf. ©. Fr. Hermanni Antiquilalt. Sacr. $. 24. 16. 
Theodorus Bergk. 





Ueber Sertus Empirifus’ Schrift zoos Aoyızovs. 


Was wir von Eertus Empirifus noch befisen ') zerfällt in 
drei Parthieen: 1. die vnorvnwoss; 2, den EVTIOONTIXOG 
.6yog no0g doyuarızongz 3. den ErTıgontızög )0yog n005 U@- 
Inuarızovs. Die zuerft genannten vnorvunwaees ftellen das Wefen 
der ſkeptiſchen Philoſophie in allgemeinen Umriffen dar. Dieſen In— 
halt erläutert ausführlich das zweite Werf, welches nad) der Be— 
fiimmung des DVerfaffers mit dem erfien zufammenhängt, wie 3. B. 
aus Hypot. 1, 21 hervorgeht, wo Sextus fagt: zoırzorov dE AE- 
yeraı Ödıywg TO TE Eig niorıv Unugfew; 7 avunaoltag kKauße- 
vousvov, neol 00 & m avrioomtzw heSousv A0yW; und dag 
erfte Buch von diefem Aoyos beginnt mit einem Rückblick auf die Wr— 
fhule: 6 uEv xaF0Aov rag ozentizng duvauew; zuoazın0o — 
vnodedsızrar, unohsinerar dE &7S zul TV Eniıov zara u£oog 
@urod zomow dıdaozsıy zre. Unabhängig von den vnorvnw- 
osıs iſt die dritte Parthie, worin nad) einander die Grammatıfer, 
Rhetoren, Geometer, Arithmetiker, Aftrofogen und Mufifer ange- 
griffen werden; Doch beruhen die gegen fie angewandten Veweiſe 
meiſtens auf den dort vorgebrachten Aporien. 

Der Aoyog wrtıoontızög noöüg doyuarızaz ſelbſt beſteht eben— 
falls aus drei Theifen, nämlich: 1. dem A. noos Aoyızoug; 2, dem 
no0g pvorzoug; 3. dem o0g nIıxovg, wovon lehterer ein Buch, die 
beiden vorhergehenden je zwei Bücher umfaffen. Inter diefen bedarf der 
1905 koyızovs, fo fehr er auch durch Beklers vortrefflihe Ausgabe 
gewonnen bat, noch am meisten einer Fritiichen Revifion, welche wir 
in der Werfe unternehmen, daß zugleich eine Ueberſicht des Inhalts 
gegeben wird, woraus man beurtbeilen möge, ob die vorgeſchlagenen 


1) Verloren find die Zergızd oder Zunsigıze Önouvnuere, vol. 
adv. Log. I. 202, adv. Gramm, 61. 


Muf. f. Philol. N, 8, VII. 11 


162 Ueber Sextus' Empirikus' Shrift 


Aenderungen den Gedanken des Verfaſſers treffen. Sextus eröffnet 
das Buch mit einer Eintheilung der Philoſophie in Iogifche, phyſiſche 
und ethiſche. Anfänglich war fie nur einfeitig Phyſik, wie die 
Philofophie der Sonter und Eleaten, oder Ethif, wie die des So— 
frates, oder Logik (man ſchreibe F. 13. neod dE T5 Aoyızov uo- 
yov zornveyInoav 1E005) vertreten von den Namen Panthoides, 
Alexinos, Bryſon, Dionyfodoros und Eythydemos. Zur dıusons 
wurde die Philofophie Durch den Kolophonier Xenophanes, der das 
pvoızov und Aoyızov allein eultisirte, und den Athener Archelaus, 
Der pvorzog und 7Yızaz war. Den Neigen derer, die eine pıAooopıa 
roıueons anerkannten und bearbeiteten führt P ato an, ihm folgten 
darin Afademifer, Peripatetifer und Stoifer; weniger entichieden 
Epifur, indem er das Aoyızov zwar nicht ganz aufgab, aber gegen 
die übrigen Theile vernachläffigte. Diefe Dreitheilung veranlafte 
einige Vergleichungen, die von GSertus $. 17—19 und von Dioge- 
nes VI, 40, aber nicht übereinftimmend vorgetragen werden. Ohne 
Abweichung von Sertus ift nur die Vergfeihung mit dem Wein- 
garten bei Diogenes, welche jener mit dem Ausdruck des Misfallens 
anführt: EvIevde anıdavmg Öuoıovar zyv Qıhooopiav nayraonm 
arhon iva ın usv ÜynAörnt TOv pvrwv Eizalntaı TO pval- 
x0v, 0 de vootium tw» zauonwv 10 mIızoV, 17 ÖE dyvoormu 
To» Teıy@ov To Foyızov. In der Mißbilligung derfelben theilt ex 
die Anficht des Pofidonius, der nichts von einer Vergleichung der 
Philofophie mit dem Garten wiffen mochte, da Mauer und Pflan- 
zen nichts mit einander zu thun hätten, die Glieder der Philofophie 
aber organiſch unter einander zufammenbingen '). Er zog vor, 
das pvoızov mit Blut und Fleifh, das Aoyızov mit Knochen und 
Sehnen, das 79ıx0v mit der Seele zu vergleichen. Diogenes, ohne 
den Pofidonius zu nennen, differirt num hier wefentlich: zizalovou 
ds [mm nv gıRLooopiav Vvorols uEv al veugorg 10 Aoyızov 
R9000UDLODVTES, Tolg dE oaoxwdsoı TO „yırovy, ın de wuyn 
TO Qvorxor, aber Bafe (de Posidonio p. 40) feheint richtig um— 

1) Darum wird man and) nicht mit Herveius admodum probabile 
überfegen und mit Menage zu Diogenes eenıdarws (wefür formell allerz 


dings Beffers mısursg vorzuziehen wäre) corrigiren dürfen. Der Sag of 
dt @p — Aoyıza ijt als Rarenthefe zu betrachten, 


no0g koyızovc. 163 


geftellt zu haben zois de omoxzwdsoı 70 pvoızöv, 17 de wuyn 
so 79ı20v, wofern man nicht dem flüchtig excerpirenden Schrift 
jleler eine Nachläßigkeit zutrauen will, die den weſentlichen Inhalt 
jeinev Angabe entftellt. Poſidonius variirte in feiner Vergleichung 
gewiß nicht, und wir vermögen daher Krifches Urtheil nicht zu 
theilen, wenn er in feinem Werfe „die theologiſchen Lehren der grie> 
chiſchen Denker“ bemerkt (S.4): „Der doppelte Lehrzweck“ (d. h. je 
nachdem man Ethik oder Phyſik zuletzt vortrug) „erklärt die vermeint— 
liche Verſchiedenheit in der Vergleichung bei Diogenes VII, 40 und 
Sextus adv. Math. VIE, 19. Bakes Verbeſſerung (Posid. Rh. Reliq. 
D. p. 49) iſt abzuweiſen; ſchloß fich ıbr Hübner sorfchnell an, fo 
mußte ev auch, obwohl ebenfo unrichtig, die bet Diog. 1. 1. umd 
Sext. 1. 1.15 vorliegende Abwerhung in der PVergleichung mit dem 
Ei durch Umftellung heben‘. Auch diefe Confequenz iſt nicht zu ac- 
eeptiren, wenn man fich erinnert, daß bei den Alten Zweifel dars 
über beftanden, vb die junge Brut aus dem Werffen oder aus dem 
Dotter entftche, 

Die Folge: Jımkexrızov (Aoyızov), Yvorzov, nI1x0v bes 
trachtet Sextus als Stoifh, (23) worin hinfichtlih des Chryſipp 
Plutarch (Moral. 1035, a) mit ihm übereinftimmt, nicht aber Dio— 
genes 1. c., bei welchem Zeno und Chryfivp das ,9:207 ang Ende 
ftiellen. Diefe Angrdnung befolgt denn auch Sertus, indem er zuerft 
Die Aoyızor, dann die Pvorzol und zulest die 73ızor hier wie in 
den Hypotypoſen angreift. Andere Syſteme, die nicht mit dem 
10y1r0v beginnen, haben zwar auch etwas für fih, Doch fpricht 
für das hier gewählte am meiften der Cab, daß man, um zur 
Wahrheit zu gelangen, erft der Brauchbarkeit ihrer Kriterien, Zei— 
en und Beweife, Die dazu verhelfen follen, ſich verfichern müffe, 

Hierauf gibt Sextus zunächft die Erklärung des Wortes 201770109 
nach feinen verfchiedenen Bedeutungen, und die Eintheilung des lo— 
giſchen Kriteriums in die drei aus Eypolyp. 1, 16 sqq. fchon be» 
kannten Gattungen, hier, wie gewöhnlich in diefem größern Werk, 
etwas ausführliher (27-37). In $. 85 fcheint Beffer zu wert 
zu gehen, wenn ev anmerft: tolum hoc zgooßoAn zul — zug 
parraolag spurium videlur, mutandumque uno xa9’ 6. Als 


164 Ueber Sertud® Empirikus' Schrift 


lerdings kann xa9’ 5 bier faum fehlen, wenn Sextus auch I. adv. Log. 
261. in der Vorausſetzung vielleicht, daß die Sache ſchon dem Leſer 
geläufig iſt, ſchreibt: zal 01 u8v TO — od wc rov drdgmnon, 
oi d& zo di’ oV ws ıyv alodnoıv zul dıavoıay, 01 dE To wg 
npooßoAnv zusaneo ı7v pavraolar, aber —— wird in un⸗ 
ferer Stelle unnöthigerweiſe wiederholt und xad oyEoız iſt bei der 
zweiten Nennung der noooßoAn, wo e8 allein hingehörte, ausgefal- 
len. Wir vermutben alfo mit Benutzung von Beffers Note, daf 
Sextus feine Einteilung fo außgefprochen habe: Reyovizg To uEv 
Tı eivuı »gırngtov ws op’ ov, To de wg di 00, tu dE wc zug 
d. qꝙ' ov uev ws avdownog, di’ od dE wc alosnoıg, To dE 
Toltov wg m n000ßoAn zul 0y8015 TG parraoiag. 

Auf die Expofition des Kriterion folgt 35—45 ein Abfchnitt 
über ven Unterfchied von «An9Es und aAndeıa nad) ovore, olore- 
oıs und Övvauız; dann werden die Anfichten aller Philofophen 
über das Ariterion dargeftellt, zuerft derjenigen, welche die Eriftenz 
eines folchen Teugneten (47—S3), dann derer, die es bedingt oder 
unbedingt annahmen (SI— 260). Die Auseinanderfesung Teitet Sertus 
mit den Worten ein: molar uv ovv zal noızihar dıintogasıg 
— zura T0v TOONOV GAR Nulv anoyon ngOg TO nao0V 
Aeysır, OTL 0L uEv aveihov TO xo1rnoLor, ol de anekınor. Ganz 
richtig ſchlug Bekker zonov vor; es ift eben das Kapitel über das 
Kriterion, alfo fiherlich Kein zoonoz. Kintheilungen werden aber 
im Folgenden nicht gemacht, fondern die mannichfaltigften Lehrſätze 
über den genannten ©egenftand angegeben; daher ohne Zweifel 
aigeosıs zu leſen if. Mit Beziehung auf $. 47 fagt er weiter 
unten $. 141: 7 wiv ovv rwv nakaıov negl Tod xg1nolov 
175 ahmdeiag iorogla Torwurn tıg nv" antwusda de &E7; zul 
TOV WETAa TOVG Pvoıxovg alg&oewr. Man vergleihe auch Hy- 
potyp. Il, 218: zw» elvaı Heovg dnopnvausvwv oil wiv Toug 
nargilovg vouilovor YEoVg, 0i de ToVGg &v Tuig doyuarızalz 
algEosoıv Avanıaooowsvovg xte, Aehnliche Corruptel in allen 
Handfhriften und den Ausgaben vor Beffer ift I. adv. Log. 975 
diarokovdnocı ftatt dxoAovgnoet. 

Unter den Philoſophen, welche das Kriterion aufhoben, nennt 


n006 Aoyızovg. 165 


Sertus den Xenophanes, Keniades, Anacharfis, Protagoras, Dionyſo— 
doros, Gorgias, Metrodoros von Chios, Anaxarchos den Eudämo— 
nifer und den Eynifer Monimos. Man wird dabei den von Dio— 
nyfodoros immer unzertrennfichen Euthydemos vermiffen; aber man 
darf nicht überfehen, daß Sertus in feinen Citationen nicht die 
größte Genauigfeit beobachtet; fo fehlt in den fonft unter fich fehr 
zufammenflimmenden Parallelftelfen über das paffive Princip, Hy- 
potyp. Il, 30 sq. und I adv. Phys. 360 sq, in der erftern bie 
Erwähnung Platos, in der zweiten die des Ariftoteles, Heraklides 
Pontifus und Strato, fo daß feine von beiden vollftändig iſt. — 
Wer dem Kenophanes die Verneinung des Kriterion beilegte, hielt 
fih) an die befannten und öfters in diefen Büchern citirten Berfe: 
zal to wer OVv oapes ov tig avno Idev, ovdE tız Eotaı eldng 
dupi Iewv TE xal G00a keyw negl navrwv Ei yag zul Ta 
uukıora TUuyoı TeTeheouevov einwv, avrüog Öumg ovz olde, 
Öoxog Ö’ Eni naoı rervzrar, welche unfer Schriftfteller bier inter- 
pretirt, und dabei unter andern erinnert „aupl Yewv* de üno- 
deıyuarızag neoi Tivog twv adnıov. Diefe Erklärung ift felbft 
wieder unverftändlich, wenn man nit @s vor neoe einfchiebt; 
dagegen muß $. 52 Ünoneoelra Orı gelefen werden für Unone- 
oeizaı duorı, vgl. 11. adv. Phys. 124: navıwg Önonesositau, Or 
Ogyeihtı 6 ToL0UTog TO noWToV Nuroradıoy urveıv moWroV zTe. 
Befonders merfwürdig ift die Erfcheinung des Anacharfis als ſkepti— 
fcher Philoſoph, dem hier der Ausfpruch beigelegt wird, daß we— 
der der Künftler noch der Idiot uber Gegenftände der Kunft ein 
Urtheil babe &5—59); ungefähr daffelbe, ohne daß der Skythe 
angeführt würde, findet man Hypolyp. III, 250—265 und adv. 
Eih. 234— 238. Das von Diogenes I, 103 erhaltene Apo— 
phthegma: Iavualeır, nos naoa tois ElAnaıv dymvılovraı uEv 
oi zeyviraı, zolvovor dE 01 un reyvlraı kann dazu BVeranlaf 
fung gegeben haben, dem Anacharfis dergleichen anzudichten. Um 
den Protagoras unter den Philoſophen erfcheinen zu laſſen, die dag 
Kriterion aufheben, wird der befannte Sab marımv yonuarwv 
uEroov Eoriv ar$ownog benußt, indem die Eindrücke der Indivi— 
duen, unter einander mannichfaltig abweichend, zit feiner objeftiven 


166 Ueber Sertus’ Empirifus Schrift 


Auffaffung führen, alfo zu feinem Ariterion: Ereineg Tovıl uev 
zov za’ müra Vnozeıuevwv dozıuaorızov £lvar Bovieran, od 
Te ahmdoüg zul Tov weudovg dtogiorizov Önagyew, 6.d8 ngosıgy- 
uevog dvrg ovre zug’ auro zu Önaoyov ovıe weudog zaralE- 
koınev. Das Bud, worin er feine Theorie vortrug, citirt Sertus 
unter einem Titel, ven die Abhandlungen über diefen Sophiſten bis 
jest übergangen haben; es heißt nämlich v2 xurapaurkovres (ähn- 
lich) den anonvgyilovreg Aoyor des Diagoras, bei Suidas); daß 
es wirklich ein Titel war, Fan man, wenn Jemand zweifeln wollte, 
aus andern Stellen erweiſen; denn wie es hier heißt: Evaoyousvog 
yoöv av Karadarkövraov dvspwynoe nuvıwy yonuurwv xre. 
fagt er von Parmenides weiter unten H. Lil: Evagzöuevog yovv 
TOD negl pVoswg ygoupsı ToP Toonov Tovrov und von Heraklit 
ebenfo: Eraoyozevos ovv (man leſe yorv)!) Twv negl pioewg — 
gnol ze. Dem Protagoras follen fih in der nur relativen Auf- 
fafjung des Wahren Dionyfodorus und Euthydemus angefchloffen 
haben. Diel entfchiedener verfuhr Gorgias, wenn er alles Sein, 
alles Begreifen und Lehren ableugnete. Seine Argumente find, wie 
Foff (de Gorgia. Leonlino, commentalio, p. 107—185) darge— 
than hat, von dem fogenannten Ariftoteles (vgl. Spengel in den 
Münchner Gelehrten Anzeigen 1846, ©. 196. folg.) beffer aufge- 
faßt worden, als von Sextus. In der Darftellung des Lebtern 
wird $. 73 nad TO undev zovrwr ein 0» eingefchoben werben 
müffen; 8 
ovußednzev eival Asvxoig zul owußeßnze Tois kevroig P00- 


$. 77 evrrigire man: Wwoneg yag El Tois YgoVovuEvorg 


veiodaı, oLTw5 El 10I5 poovovuevog ovußeßnde zre. $.84 iſt 
nicht zu verftehen, was der Zuſatz 6 nuereoog zu bedeuten hat. — 
Kürzer als die vorhergehenden Philofophen werden die übrigen oben 
Genannten abgetdan (83), Metrodorus, Anaxarchus und Monimos. 
Dann fommen diejenigen an die Reihe, welche das Kriterion annah- 
nen, Anaxagoras erkannte als ſolches blos den Aoyos, die Pytha— 
goreer führten Alles auf die Zahl zurüd, Xenophanes nahm eine 

1) Denn auch Hypot. III, 246 findet man diejelbe Ausdrucksweiſe: 


rovroię de öuoyv@uovei »ei 6 Xovoınnog: Ev yoüv ın Tlolıreig ynai 
xt&. adv. Gramm. 49: &v ois Jereov zei Tov ’Entzovoov — iv yoüy 
TB negi dWwowv zui ydgıros — neigaıaı dıddoxeıy are. 





n005 Aoyızovg. 167 


do&aorn zuraimyıs an, die nur das MWahrfcheinliche, nicht aber 
das Sichere zum Objekt habe (110), Varmenives dagegen, welcher 
von allen finnfichen Eindrücken abſah, betrachtete nur den emıorr- 
worızög Aöyos als Kriterion. Sextus citirt aus deffen Gedicht 
negi pvosoz eine über vierzig Verfe lange Stelle, deren bedeus 
tende Dunkelheit und theilweis auch ftarfe Korruption von jeher 
die Aufmerffamfeit der Kritik auf fich gezogen hat. Es fheint übri- 
gend nicht immer beachtet worden zu feyn, Daß Sertus das Frag— 
ment merjtens durch feine Periphraſe (112 — 114) interpretirt; 
aus einigen Conjekturen zu Vers 3 ſcheint das befonders hervorzu— 
geben, welchen Sertus mit den Worten umfchreibt: os Aoyog noo- 
nounov Ödwlovos ToonoV Enl nv anurıwv Ödnyel yyooır. 
Empedofles machte yırıa und veizoz, die aktiven Elemente nebft 
den vier pafliven zugleich zu Kriterien, weil Gleiches nur von 
Gleichem erkannt werden fünne; nach Andern hielt er den doYog 
40y05 für dag Ariterion einer Manches, wenn auch nicht Alles, er— 
reichenden Erkenntniß. Heraflit nahın einen zomwog und Felos Aoyog 
an, welchen als außer ung befindlih wir einatmen und dadurch 
vernünftig werden; Diefer galt ihm für das Ariterion der Wahrheit. 
Demofritus aber bob die Untrüglichkeit der Phänomene auf und 
erffärte, nichts an den Dingen fey wahr aufer den Atomen und 
dem Leeren: Anuoxgıros dE Orı uev avaıngel va pawousva taig 
alodn0E0L zul Tovımwv Aeysı undEv palveodaı zart’ alndeıu, 
urra — xerov. Hier ift der Satz unvollftändig und moodedjLw- 
rar oder etwas ähnliches zu ergänzen. Plato verband evaoysın 
und Aoyos. Speuſipp theilte dem Erfonnbaren den Entormuovızog 
Aoyos als Kriterion zu, dem Fühlbaren aber die Emiorzuorızn alo- 
Iraıs. xenofrates nahm drei Wefenheiten Covoraı) an, eine 
aloIntn und (rar?) Euros ovoavov, eine vonnzn und nayrwv 
Twv Exrog oVoarov , drittens eine ovrderos und dofaorn 7 
avrovd zov ovgaron, wahrnehmbar dem Sinn und erfennbar durch 
die Aftrofogie. Den höchften Grad son Sicherheit erhielt Weltngaz 
orora, welcher Zenofrates die Möre Argonog zutheilbz: während 
Krıw9o der wodnTn ,„ und Adysoıs der dosaorn, vorfiehen 
ſollte. p 50 .p mug Anlusgad mi 


168 Leber Sertus’ Empirikus' Schrift 


Arkeſilaos befämpfte die Unterfcheidung der Stoifer, die fie 
zwiſchen emtorzun, 065% und zaralryıs annahmen, indem er bie 
lestere als undenkbar darftellte, weil Feine wahre pavracız gefun- 
den werde, der nicht eine faljche vollfommen ähnlich fey; nehme fie 
der oopos an, fo werde er in die dos@, welche das Gegentheil 
der Entorzun und Eigenthbum des pavros ſey, verfallen; das 
fönne er aber nicht, ohne aufzuhören Weifer zu fein, er müffe 
alfo fein Urtheil zurüchalten, enezew. Vgl. Cie. Acad. II, 21, 
67: si ulli rei sapiens assenlielur unquam, aliquando eliam 
opinabitur; nunquam autem opinabitur ; nulli igitur rei 
assenlielur, In Bezug auf die zu erlangende Eudämonie follte 
die Wahrfcheinlichkeit enticheiven ; fie gewinne der Einſichtige, 
die Einficht bewähre fih aber (Eerderzvvodaı ?) durch gelun- 
gene Unternehmungen, zurogdwuar«; welche näher definirt wer— 
den durch Die Bezeichnung Oreo nouayIEv zUhoyov Eye amv 
anoroylar. Diefelbe geben die Stoifer dem zadnzov, fiehe Diog. 
L. VII, 102, wo Hübner ohne Bedenfen des Menagius Emendas 
tion noazyHEv für mooaydEv aufnehmen und überdieß &vAoyo» 
ioyeı Tov anoroyıowov ftatt EvAoyov te loyeı fchreiben mußte. 
Karneades verwarf ebenfalls jedes Kriterion, wenn es ſichere Wahrs 
heit gewähren folle; jede yarraoıa erflärte er, zeige ſich felbft an 
und das, wodurch fie hervorgebracht werde; jeder yarraoız ferner, 
die wahr fey, ftehe eine andere ihr ganz ähnliche falſche zur Seite; 
was aber jo gut wahr als falich fein könne, dürfe nicht für be- 
greiflih (zerainnrızor) gelten. ‚Dann wird auch ver 26y06 Fein 
Kriterion feyn, denn er ift von der pyarracız, wie dieſe von der 
vernunftfofen Empfindung (420y05 alodyoıs), hervorgebradt. Weil 
aber zur Erwerbung der Glücfeligfeit das Bedürfniß eines leiten— 
den Princips fih uns aufdrängt, fo ftellte Karneades tie Grave 
der garraoıa nıdaryn, anegionaoros und dısSwdevuern auf, 
und gab eine höchſte Stufe der Wahrfcheinlichfeit zu. In diefer 
unterfchied er den objektiven Charakter vom fubjeftiven letzterer 
zerfällt wieder in Eupanıs !) und aneupacıs, zum Vorfchein 


1) Die hier als Zugaoıs bezeichnete pyarıaoia pawouevn dAndns 
im Öegenfaß von . od Yawoueyn dh. ift wohl aud) oben Hypot. II, 





neög Aoyızovg. 169 


fommende und nicht Fommende Qarraoıa. Das nı$avov ſelbſt 
kann, nach feiner Anficht, entweder wahr, oder falfch aber mit dem 
Schein der Wahrheit verfehen fein, oder auch beiden gemeinfchaft- 
lich zufommenz; das Ariterion iſt dann die Emphaſis; wenn diefe 
auch hie und da durch eine wevdns parraoız erfeßt werde, welche 
den täuſchenden Schein der wahren p. annehme, folfe man, lehrte 
Karneades, doch der insgemein wahren nicht mistrauen: ov wevror 
dia Tnv onavıov TaVrnS (der wevdng P.) nug&untwov, hEym 
dE 175 wiuovueıns takes, anıornreov Eotl Tn wg Eni 10 
noAv ahmIevovon. Das Ent ift aus dem unmittelbar folgenden 
Sat zu ergänzen. Da nie eine p. für fich allein erfcheint, fondern 
eine mit der andern verfnupft ift, fo ergibt fih, wenn mehrere 
yarraolaı zufammentreffen, ein höherer Grad von Wahrfchein- 
fichfeit, welcher der Akademiker durch nıdary zul uneoronaorog 
parraoıa bezeichnet, weil fein ftörendes, die Uebereinſtimmung hin- 
derndes Merkmal fich findet. Als Beifpiel werden bie von den 
Aerzten erfannten Symptome angeführt, oder eine Perfon, wie So— 
frates: ÖTı yao oVrog Eorı Iwxourng, niotevVousv dx ToV 
navru aUTW noooelvaı Ta Eiwdora, yomua utyedog oynua 
diarmyır roıdova. Für dıammpıy proponirt Bekker mit Bezug 
auf die allgemeinere Stelle $. 177, wo Aakıas unter den Merk: 
malen des Individuums vorkömmt, hier deakegır. Buchftäblich Tiegt 
noch näher Jıadkewır, und Tiefe fich befeftigen aus Plat. Phaed. 
86, d: diaßrewausvog oVv 6 Iwroarng, Boney ra noAla Eio- 
Jeı zul usıdıcoag xre. Ein weiteres Beifpiel Tiefert Menelaus, 
der in Aegypten feine wahre Helena entdeckt, aber an das im 
Schiff znrüdgelaffene Trugbild gewohnt fich nicht fogleich der arr,- 
Ins parraoıa hingeben fann dı@ To vn’ wling negıonaodaı. 
Vorher in demfelben $. 180 fagt er: zul Or 7 anegionaorog 
112 gemeint, wo Sabricius fehl geht, wenn er an den rhetorifchen Termi— 
nus bei dem Auct. ad Herenn. IV, c. 54, die significatio per consequen- 
tiam erinnernd fagt: Zupenoıs est potestas significandi plus quam verbo 
exprimitur, unde latens in illo ac comprehensum deinde erui ac tanquam 
eonsequens colligi potest. Sertus meint aber etwas ganz Anderes: es 
fei gegen den Augenfchein, daß etwas in fich felbit enthalten fey, und ver: 


wirft darum das dueyogovuevoy, weil font das Anyor, ıdentijch mit dem 
nyovusvyoy, doc) zugleich ala in demfelben begriffen gedacht werde. 


170 Ueber Sextus' Empirikus' Schrift 


gotı ovrdooun TOV niorıv Eumoreiv, pavsoov dno Meveriaov, 
entweder aus Flüchtigfeit, oder fein Text Iautete urſprünglich ans 
ders, etwa z@v niorıv Eunorvoor. Weiter noch als die ane- 
gionaorTog p. geht die ausführliche und genau prüfende, dıeiwdev- 
uevn hier genannt, welche Cicero Acad. II, 11, $ 55 als proba- 
bile ex circumspeclione aliqua el accurala consideratione be» 
zeichnet, Die vorige Art nennt er ib. $ 33: visio probabilis et 
quae non impediatur, Den Unterfchied beider Gattungen erklärt 
Sertus näher in den Worten: end uEv — Tng anegıonaorov 
wıkov Inteitaı 10 umdeulav 1a» Ev ın ovvdgoun Puvraoımv 
wc wevdn nuüs nevionärv, nuoag de Eivaı almdeis Te zul 
yamwouevas zul un anıdavovg, Eni dE Tg xara ınV negiw- 
devuernv ovvdgounv Exaornv TWv Ev ri) ovvdooun Emiorarı- 
zog Öozıualouer. Sie unterfucht mithin alfe Momente jever eins 
zelnen Erfoheinung, den zoo», dag zoıwousrov und alle Bedins 
gungen der zgroıs, ald da find anoormua, dıaoınum, Tonog, 
290v05, toonog, dıaseoıs, Eveoysıa, läßt aber in der nähern 
Beftimmung diefer Momente, wie To usv xolvov, un n oyıg 
zußkvrar u. ſ. w. den roonog weg, daher ſich oben 7001700 nur 
durch Dittographie von zorov eingefchlichen zu haben ſcheint. Uebri— 
gend fteht die Anordnung der drei genannten Species von pavra- 
oia nicht ganz im Einklang mit dem, was Hyp. I, 229 darüber 
angegeben ift, wo als zweiter Grad die nıdavn zal nepıwdev- 
uevn pavraoıa , als dritter erft die mıdarn za negiwdsvuevn 
zal aneglonaorog Yarıcoia ericheint, alſo das Verhältniß um- 
gefehrt wird, 

Nachdem die Sätze der Afademifer vorgetragen worden, folgt 
die Lehre der Cyrenaiker, die nur in dem fubjeftiven Eindruck des 
Individuums Wahrheit und Beftehen des paıvouerov gelten ließen, 
eine Evidenz aber, die das Objekt betreffe, nicht zugeftanden. Dem- 
nach Teugneten fie auch, daß es ein zoıTrg10» zoıvoy gäbe; Ovo- 
uara dE z0ma tideodmı Tois zoluacıw. Das letzte Wort ift 
ſchwerlich Das rechte, da Ariſtippus von Gegenſtänden fpricht, denen 
gewiſſe Attribute beigelegt werden, ohne daß diefe jenen wirklich 
zufommen; fie beruhen eben nur auf der individuellen Vorſtellung 


n005 Koyızova. 171 


des Einzelnen. Sextus Tann ovyzoduaoı gefchrieben haben, val. 
Hypotyp. Il, 56, wie er denn auch gleich fagt: zaya yao yo 
EV OVTW OvyzExgiua ws hevznıvysodaı Üno ToV Eiwdev 1000- 
niarovıog, Eregog dE oVıw zursorevaouernv &ysı nV alodn- 
ow, @g Ereowg diarednvaı, doch näher Tiegt aus $. 198, wo er 
mit dem Gab: worte zoıwa uv juds Ovöuara tıdEvaı Toig 
aoayuaoır, nadn de yes Eysıv Idıa abſchließt, noayuaoır 
aufzunehmen, 

Ganz anders entfchied Eyifur, welcher alle gavraoızı für 
wahr hielt, da, gleichwie dag ;dv won dem 7Juvor, das aAyeırdv 
von dem aAysırov nothwendig hervorgebracht werde, fo auch die 
garraoia in einem ihr entfprechenden Yarraorov ihren Grund 
haben müffe: ovzw zal Enı 1@v Yavracıov na9@v neol nuas 
ouocõy TO MOLmLzOV &2u0T0Ov avrWv nuvım TE zal navımz par- 
Taoıov Eorıv. Hier hat fi) eine Heine Ungenauigfeit eingefchli- 
hen, welche aber fhwerlich von Sertus felbft herrührt; Diefer muß 
nämlich von der Hervorbringung jeder pavraoız, nicht jedes ra- 
Jos rede, man ändere alſo noınrızov Exaorns. 

Ariftoteles und die Peripatetifer erkannten ein doppeltes Kri— 
terion an, die aloInoıs und vonoıs, und hielten dafür, daß eritere 
vorausgehen müſſe, um die zvyum und pavraoıı zu erzeugen, 
woraus dann erft dıavorw und voog, jene pvoeı, dieſer Eveoyesia 
ſich bilde, Iegterer aber bethätigt fich durch Begriff (Evo), Wil 
fenfonaft und Kunſt. Wie die Natur Diefer von der Art ift, daß 
fie fi erft fpater entwickeln, fo auch die der dosa, welche fich der 
vorhergehenden wiodnoıs, vhne die erforderliche Prüfung anzuftel- 
fen, fogleich Hingibt. 

Den GStoifern war die pavraoız zaralnnıızn Kriterion 
der Wahrheit; um dieſes zu erfennen muß die pavraadı betrachtet 
und in ihren Arten erörtert werden, Sie find wahrfcheinfich oder 
unwahrfcheinfich, wahr oder falfch, die wahre iſt entweder zarn- 
Annarızm oder nicht; im letztern Fall zufällig und für den Wahr- 
nehmenden felbft nicht fiher, in erfterem, 9. ano Önaoyorros xal 
zaı’ @UTO TO Ünagyov Evanouswayusvn zal Evancopgwyioueın, 


Önoia oux av yEroıo ano um Önagyovros. (Vgl. Cie. Academ. 


172 Leber Sextus' Empirikus' Schrift 


II, 6, 18: visum impressum ellictumque ex eo, unde esset, 
quale esse non posset ex eo, unde non esset; ib. 24, 77: vi- 
sum — ex eo, quod esset, sicut esset, impressum et signalum 
et effietum). Bemüht, darzuthun, daß eine foldhe pavraoız ge- 
eignet fer, die Wahrheit der Gegenftände zu erfaffen — dxowg 
nıorovgwevor (nicht @. mormvuevor) dyrinntıznv Elvaı ıwv Uno- 


»eıuevov ınyde Tv parraolav — nehmen fie jedes ver obenge- 


nannten Attribute durch und erffären es; vgl. 249252. Die im 


dritten Attribut gebrauchten Ausdrücke evanousuayusvn zal Evan- 
eopgayıouevn gehen darauf, daß die Wahrnehmung mit den 
Gegenftänden in jedem Punft übereinftimmen muß, sg — ol yAv- 
Wels naoı Tois ueveoı ovußarkovoı av Tehovusvov xul 0V 
T90n0v ai [dıa] ı@v dazıviwv opoayidss wel nurrag En’ 
dzgıßes ToVG yaoazınoag Evanouarrovıaı rw now. Das erfte 
Beifpiel ift nicht recht verftandlich, wenn nicht die Lesart geändert 
wird, etwa in ai yAvpal — rw» runovuevov. Zu den eben an— 
geführten Merkmalen der zarainnrızn pavraoıa fügten fpätere 
Stoifer auch noch das der fein Bevenfen zulaffenden (unydEv Eyov- 
cav Evornua) bei. Denn Admet 3. B. konnte, wie Herkules 
ihm feine kurz vorher geftorbene Alcefte wieder zuführte, fo wenig 
trauen, als Menelaus, wenn er ftatt des von Troja mitgebrachten 
Schattenbildes in Aegypten die wahre Helena entveckte, er faßte 
eine Erſcheinung von und nach der Wirklichkeit, die ihm eingeprägt 
und eingedrüct war, auf und doch fraute er ihr nicht, fondern hielt 
diefe Erfoheinung für ein Gefchöpf der Hefate (Eurip. Hel. 558), 
Für ovz eiye dE avıyv wird demnach zu leſen ſeyn 0V moooelye 
de avınz vgl. adv. Log. 1, 371: zwr ın parzaoı Ta ngayuara 
xavovıLovtwv oi uiv 17 zaralmntıxn no008Lyov, 01 dE ın nı- 
3avn, außerdem Hypolyp. I, 21; Il, 37, 46, 575 Beffer wollte 
oVUx Eye d& avınv nıorm, 

Nachdem die Anfichten aller genannten Philofophen über das 
Kriterion entwickelt find, geht Sertus zur Prüfung deffelben an und 
für fi über, und ftellt dag öp’ oo, d. h. ven Menfchen, voran. 
Hier ift er erſtens nicht zufrieden mit der Definition: «v9oondg 
2orı Cmov Aoyızöv Ionıov 100 zal Emiormung dextezov, denn 





\ 
Y 





n005 Aoyızovs. 173 


das ſeien nur Attribute des Menſchen, nicht der Menſch ſelbſt; 
das Attribut könne aber nicht mit dem identiſch ſeyn, deſſen Attri— 
but es iſt, Enerror & un dtapeosı (fol heißen dıepeoev), ov% 
av mv ovußeßnrog, aAh avro Exreivo. Dann werden auch jene 
Merkmale felbft geprüft und als unzureichend verworfen. Gertus 
vertaufcht das Merkmal vov zul emiorzung dexrızov weiterhin 
$. 273 mit Aoyrleodar za Eniornunv Eysıv und fagt dann noch 
einmal $. 275 neol rov Aoyılsodal Te zul Eniornung dextıxov 
eivar, wofür Bekker neol Too voV x. &. d. &. geſetzt hat, darin einer 
zu ftrengen Confequenz folgend, da diefer Schriftfteller es liebt, 
mit homonymen Ausdrücken zu variiren. Demungeachtet fcheint 
doch in $. 289 der Unterfchied zwifchen avzılnnrızor und zara- 
Annrızov in der Weife feftgehalten werden zu müffen, daß nur je- 
nes gelefen wird, wo arrılmufarousrov vorausgeht; wahrfchein- 
lich iſt auch F. 300 was in allen codd, fteht, oVz avrıLaußavor- 
zaı nicht in 0V zararaußavovraı, was Beffer gethan hat, umzu— 
wandeln, fondern, was leichter‘ ift, Too 0y20v zu fihreiben für zov 
oyzorv. ES ift hier die Nede davon, daß der Verftand den Körper 
(öyx05) und die Sinne nicht begreife, weil diefe, als vernunftlofe 
Gegenftände vernunftlos wirfend, den Verſtand felbft vernunftlos 
machen, die Sinne felbft aber noch weniger im Stande find fich 
feld oder einander zu falfen, over den Körper; z. B. der Ges 
fiptfinn nimmt weder den Complex deffen, was den Körper aus— 
macht, als Geftalt, Größe, Farbe wahr, noc, diefe Attribute im 
Cinzelnen. Die Auffaffung des 4720 befteht ja in einer gedachten 
Steigerung von Größen , die mit einem gewiffen Grad beginnen, 
eine Mitte haben und ein beftimmtes Ziel erreihen. Nämlich nicht 
die «con, wie $. 298 verfehrieben fteht, fondern die ueyEdn7 führt 
der Gedanke von Anfang bis zu Ende durch; man lefe daher za" 
IneoIeoıw ag usyed@v; vgl. adv. Phys. I, 408: 00 Aeyorres, 
OTı ErE009 ETEOOV uEyedog Unsorigevres vonoıw kaußavovor 
100 anslg0v uEyEdovg wg OWUoTog nAurW@yTal, Kal LEYLOTOV 
uEv Tı zu’ ünEodeoıy nolhlav usy7EIov Aaußavovom. Wo 
gezeigt wird, daß der Gedanfe die Sinne nicht begreifen könne, 
(305) lieſt man bei Belfer: ws yao TO owua ovV dvvaraı, 


174 Ueber Sextus' Empirikus' Schrift 


[neoı]Aaßeiv m adrn uiv hoyırng uereysw Övvauswg, &xeivo 
JE akoyov eival, 0VTw nal ddwwarnosı taz alotrosızg zara- 
kaußavsodaı, Eneinego ahoyoi Eloıv zre., und in der Note: zara- 
raßsiv? an Außeev 2 Lesteres wäre mit $. 344 dieſes Buches zu 
belegen, doch iſt in der Nähe von zararaußarsodaı wohl feines von 
beiden das Nechte, fondern das oben $. 286 gebraudte Enıßar- 
ev, was freilich auch die Veränderung m owuarı nach ſich zöge. 
Nachdem Sertus erwiefen bat, daß der Menfch weder dur den Kör— 
per die Sinne, noch durch die Sinne den Körper, noch dieſe ein- 
zelm durch fich ſelbſt, oder fie gegenfeitig Durch einander, noch durch 
das Denken Cdıavore) den Körper und die Sinne zu faffen vermag, 
rekapitulirt er Dies negative Nefultat F. 310 in den Worten: dın 
TovVzwv iv dn nagE0Ta0Iw, Orı 6 “rdgmnog ovre dia Tod omw- 
uuros ras wosnosıg Övvaraı Außslv ovre dyanakıy dıa zoV- 
twv TO 0wua, umde avtas n ahımkac. Der feste Satz ge- 
fällt Bekker nicht und er fchlägt vor eiye und& avral avrag n 
ahrrnkas daraus zu machen. ES fonnte auch heißen: oude auzag 
di’ avrov m ahınkor. Ueberſehen hat er aber, daß ein weſentli— 
her Theil der Aufzählung fehlt, nämlich ovre dır zig diavoiag 
10 0@um zul Tas alosyosız , wovon in den $$. 303—309 ge- 
handelt wird. — Der Verſtand kann endlich felbft ſich nicht begreifen; 
er müßte entweder ganz der Begriffene oder der Begreifende feyn, 
in jenem Fall bliebe fein Begreifendeg , in dieſem Fein Begriffenes 
übrig; und nicht beffer wird cs, wenn man annähme, daß er fi 
mit einem Theil von fich begriffe, denn adro yag To uegog Onwg 
&avıo zarahaußarsız Hier wollte ver Herausgeber ſchwerlich au 
nos, wie in der Note fteht, denn n@g genügte, und diefelbe Frag- 
form kehrt fogfeich wieder; wir vermuthen bier einem unbernfenen 
Hellenismus des Sekers, der im Manufeript an nos fand. 
Wollte eine Philoſophie ſich das Kriterion der Wahrheit zu- 
eignen, fo müßte dies durch einen Beweis gefchehen, deffen Sicher— 
heit abermals auf ein Kriterion fi) ſtützen müßte, aber das wird 
eben erſt noch geſucht. Die bloße Behauptung des Dogmatıfers, 
er jei im Beſitz deſſelben hilft ihn nichts, ad de wer’ anodergewng 
RgTngLov wirov anopalınraı, navıwg vyıods. Diefe elfiptifche 





no0g Aoyızovc. 175 


Phraſe Fehrt wieder adv. Log. I, 361 er dE pamwouevoıg zıvel 
(6 A0yos) Ta paıvousva , navrog nıorois; ib. 445 eu d& Aoyov 
nagakaußavovor, navıwg ulndn, aus welchen Stellen ſich er— 
gibt, daß I, 316 der Indikativ herzuftellen ıfl, Canoparverar). — 
Aber das NKriterion muß wiederum bewiefen, und diefer Beweis 
durch einen andern geftüßt werden und fo fort, Unverſtändlich find 
bier die Worte eu de anodsıssı (SC. aSıod Eavrov xyırnguov 
eival) navTW; Enel ünsg TO dEov Eoriv Vyıns n Tolavın ano- 
derkıs. yroı Qaosı Akyeraı 7 anodeiseı, da man fich feinen Be: 
griff von einem Beweis machen kann, welcher mehr als nöthig iſt 
vichtig wäre. Wahrfeheinlich ſchrieb Sextus: unoderzzeon, ori zoriv 
iyıns 9.7. a. So weit (bis 342) geht die Beftreitung des er- 
ſten Kriterion. Das zweite, du ov, behandeln die 68. 343— 370. 
Die Auffaffung der Gegenftände iſt nicht Sache der Sinne, weil 
jene famtlich Zufammenfegungen mehrerer Idiome find, die Sinne 
vermögen aber nichts zufammen zu feßen, dıazo uyre yowun wre 
zuuov une pgavnv eva zıyv ovvdeoıw (diefe Verbefferung hätte 
Bekker unbedenklich in den Tert aufnehmen follen, wo noch das finnlofe 
Enideoıv ftcht), @r uovov avrılmnazn gorıv n alodymıs —; 
fie ıft aber auch nicht Sache des Verſtandes und Geiftes, der, bes 
vor er Anderes unterfucht, über ſich ſelbſt vor Allem im Reinen 
fegn müßte. Den verwirrten Sab $. 348: &yonv — &v m ne- 
pvze wird man vielleicht am beften fo ordnen und ergänzen: Ezomv 
zal zıyv dıavorar, Eineg Ödiargırızn Eotı TOU aAmdoüg zal TOO 
weudovg, noAlm no0rEgov 17 Eavıns Qvoeı Enıßakleır, ovie- 
nıßakısıy dE 17 ovale, es HS Eon, zu Tinm Ev w negvxe, 
roig arkoıg anaoır. Wollte ſich aber auch, führt Sextus fort, ver 
Geiſt zur Erkenntniß äußerer Dinge der Sinne bedienen, fo müßte 
er dennoch darauf verzichten, weil er nur die Eindrücke (nad) 
der Sinne wahrnimmt, die fih von den Gegenftänder felbft unter- 
ſcheiden. Hieran ſchließt fich die Betrachtung des dritten Kriterion, 
des zu9’ 6, enge an, indem durch dieſes das zweite, dı’ oo, bes 
fiimmt und bedingt wird; es muß daher von der zareinnrızm 
parrucıa der Stoifer (370-435) und der nıdarn der Afade- 
mifer (435—439) gehandelt werben, 


176 Meber Sertus’ Empirikus' Shrift 


Die VBorftellung jener von der pavracıa überhaupt ift bei 
Kleanthes anders als bei Chryſippus; Kleanthes betrachtet fie als 
eine TUnwoıg nepl TO nysuovızov, damit ift aber, weil immer 
ein Bild das andere verdrängt, das Gedächtniß, I7owvgıouog pav- 
taoıov, aufgehoben, und zugleich die zEyvn, ein ovorzua xara- 
Anıyeov. Chrofippus macht es noch fehlimmer, wenn er die pyavıa- 
ola ald eine Ereoorworg anfiehtz denn ift diefe ein einfaches madog, 
fo bleibt nichts Feftes in der Seele bei dem Wechſel der Eindrüde, 
ift fie aber eine wirkliche Veränderung, fo gibt die Seele gar ihre 
Weſenheit auf. 

Ferner kann die parraoın, durch die Erſcheinung bervorge- 
bracht, nur etwas diefer Aehnliches und nicht fie felbft feyn und der 
Berftand den Unterfchied zwifchen beiden fo wie den Grad der 
Aehnlichkeit nicht wahrnehmen; fie kann eben fo wenig fich ſelbſt 
und ihr Verhältniß zur Erſcheinung erfennen, ift alſo auch Fein Kri— 
terion. 

Wäre fie es aber auch, fo drängen fih neue Bedenken auf '). 
Es kann nicht blos wahre parraoraı geben; denn wäre jede p. 
wahr und überhaupt alles wahr, fo ware damit auch die Mögliche 
feit des Irrens und mit diefer auch jeder Unterricht, jede Kunft, 
Tüchtigkeit, Wiffenfchaft u. f. w. aufgehoben und die Mühe vor 
Falſchem und Verfehrtem fich zu hüten unnüg: zu naoa pavruoıa 
Eotiv aimdng zal narta Eoriv almdn, ovre ahndEvoig tig 
Eotıv ovre ankarnoia, 0V dıdaozakla 0V nAavnoıg, oV Teyvn 
oV% anödeıdıg, OVx ugern 0Vx @aAlo Tı Twv Towurwv — Ei 
yag n&oa payraoıa Eotiv uhmIng, ovdev Eorı wevdog (394). 
Man fieht, daß oben ou nAurnoız die Reihe der pofitiven Dinge, 
welche durch die Exiſtenz der Gegenſätze allein bedingt würden, 
nicht unterbrechen darf. Sertus fahrt fort: wenn Alles wahr und 
durch fich ſelbſt Har ft, bedarf es nicht ToV umvvorrog To um yt- 
rwoxöusror. Dielmehr 70V umvvoorzog tr. u. y. wie Beffer in 


der Note fordert. Gr durfte das richtigere Tempus auch an meh— 


1) Schr befremdlich ift der Ausdruck Ereows ‚anoowusv für das 
gewöhnliche oronwuer, — vgl. adv. Log. II, 112, 244, 366 u. a. Stel: 
len — wird aber bejtätigt durch Ilypotyp. UI, 13; 201701800» negi toü 
evegyntizov alıloy dıenogjoouer. 











n00g Aoyızovg. 177 


veren andern Stellen verlangen, denn, wie man lieſt adv. Log. I, 
432: eineo ToVTO, 7a0000v got! dıapwvor deltaı TOD z01WoVV- 
Tos aUTo, denosrar zul 7 parraola ToV dozLuuoovrog avrnv 
“al na000T17009705, ETW orzı zaralmntız) £orıv, darf I, 346 
gefchrieben werden: 0ux Eorı. zgırngLov, adika TOV xg1v0oDvTog 
@vro denuevov, ebenfo I, 337: yosuv Es TOD xg1VoVvrog, 
Hypotyp. I, 59: zov enızomovuvrog denoouerov,, endlich adv. 
Log. Il, 392: na00009 avrn yoslav ESsı TOD na0aoTnonvrog, 
welches wohl alle Stellen fein mögen, in denen das Futurum höchſt 
wahrfcheinfich durch Nachläßigfeit der Abſchreiber nicht angewandt ift. 

Wenn alfo nicht blos wahre pavraviaı entſtehen, und noch 
weniger blos falfche, fo muß die Wahrheit ver fogenannten zara- 
Ayarızn parrooia auf etwas Anderem beruhen, als darauf, daß 
fie eben pavraoda iſt. Die Stoifer glauben fie denn auch durch 
ihre Idiome (vgl. oben $. 248 sqq.) erweifen zu können, aber gegen 
diefe Idiome kämpfen mit Erfolg die Afademifer; fie zeigen, wie 
auch der onovdadog, den ſich jene denken, zwei Eier nicht son ein- 
ander zu unterjcheiden vermag, und unter Zwillingen irre wird, 
($. 410: Anweroı yao wevdn yarraolav 6 onovdalog zul 
©5 ano Unagyorrog (wg fcheint bier überflüffig zu feyn) zur 
zur’ avıd 70 vnaoyov — Eywv mv gavraoiev, &uv ano Ka- 
010905 @; ano TloAvdsvzovs parraoıwd7) und überhaupt ein fal- 
ſches visum dem wahren total gleichen kann. Nach vielen andern 
Argumenten gegen diefe Grundlage der ſtoiſchen Philoſophie, 3. B. 
daß Fein Stoifer das Ideal erreichen Fönne, das in dem Gab aus— 
gefprochen ift uovos 0 oopös aAmdeveı, alfo jeder su den pavkoı 
gehöre, mithin alles nicht wiffe (ayvoed) und doch über Gott und 
die Welt Dogmen aufftele, ſchließt Sextus: nuosorı dE, ei rımı 
pihov Eorl, zul Tag ulkas anoolas TÜV KYrsowi@vra, WG 
&3og &yovotv, avrols rolg oxzentixods noooayeır. Bekker ergänzt 
NAGEOTL —- anoglag z0uioet, umd forrigivt dann ag &dog &yov- 
GI avroiz 0L ozenzıxoe ng000yEıv in der Note; follte aber 
nicht der Berfaffer ſchärfer geichrieben haben; man könnte ihnen 
noch andere Aporien beibringen, mit welchen fie fonft die Skepti⸗— 
fer zu bebelligen pflegen, alfo etwas wie dnogiug wvrois T. d. wg 

Muſ. f. Philol. N. 5. VII 12 


178 Ueber Sertus® Empirifus® Schrift 


&I0g Eyovoıv avrol Tolg oxentizods noooaysır? Freilich würde 
noch ein Infinitiv zu 70» arrsowrwvra der Periode mehr Fluß 
erteilen. 

Die nıdarn garracıa ver Afademifer theilt das Schickſal 
der zurainntızn der Stoifer, denn felbft ihr höchſter Grad, das 
dısäwdevuevor, fann mit einer falfchen verwechfelt werden. Hier— 
aus folgt aber, daß die pavraola überhaupt Fein Kriterion der 
Wahrheit ift. Damit fchließt das erfte Buch gegen die Logiker. 


II. 


Mit Aufhebung des Kriterion müßte man eigentlich ſchon auf 
die Wahrheit ſelbſt verzichten, doch widmet Sextus zum Ueberfluß, 
ES Eniuergov, ihr dies ganze zweite Buch gegen die Logiker. 

Zuerft werden die Beftimmungen des Wahren angeführt, wie 
es Plato, Demokritus, Heraklitus, Aenefivemus, Epifurus und die 
Stoifer auffaßten, jene entweder nur im Gedachten over nur im 
finnfih Wahrnehmbaren, diefe legten in Beidem, doch fo‘, daß das 
Eine in Beziehung zum Andern tritt, Wahr ift aber bei den 
Stoifern TO vnaoyov zal :dvrıreiusvov zıvı und falfch 70 un 
Unagyov zul arrızeliusvov rırı (10) So und nicht zur wm 
avrızeiuevov zıvı hat Sertus gewiß gefchrieben ; man vergleiche 
$. 55 und 85 diefes Buches. Zwar wollte Bergk in feiner Ab- 
handlung de Chrysippi libris zer anoparızov (Caſſel 1841, 
p- 31) den $. 88 aus $. 10, wo vulgo un «vrızeiuevo» fteht, 
Bekfer hat 1 eingefchloffen), corrigiren: 0 ur ünugysı umds 
avrizeıtal tırı, aber er überfah dabei, daß dann auch noch $. 85 
entgegenfteht: weudos dE 0 0u% vunagyzeı iv, dvrizsırar dE zmı, 
deſſen Abänderung wohl nicht fo Teicht bewerfftelligt werden kann 
als die im $. 88 fi machen ließ ), und $. 472 der Satz 10 
avrızsıcvov Tovzm weüdog 10 eva anodeıkıy eben die Behaup— 
tung, daß das wevdos feinen Gegenſatz habe, aufhebt. Eben fo 
wenig wird man fich bei der Anficht Bergks beruhigen können, daß 
die Stoifer geglaubt hätten: quod non sit, eliam esse posse, 
verum igilur id esse, quod ei esse ei non esse possil, wo— 


1) Ein ungehöriges u hat Meinefe auch adv. Log. 1, 437 befeitigt, 


no0G koyırovg, 179 


durch die Stoifer fih beinahe in Skeptiker verwandelt haben 
würden. 

Außer den obigen Beftimmungen des Wahren, worin die 
Dogmatifer nicht unter einander harmoniren, gab es auch noch an— 
dere Differenzen '), indem Einige das Wahre im onuaıvousvor, 
Andere in der Ywrr, wieder Andere in der Bewegung des Gedan- 
kens (zivnoıs t7s diavoras) fanden, Die Stoifer hielten fih an 
das erftere, und nahmen es ald das Gedachte, während Tvyzavov 
für fie das Teibhafte Objeft und omuaivov ver es bezeichnende 
Wortlaut war; fie unterfchieden alfo zwifchen dem Objekt als fol« 
chem und ihm als Gedanfending; diefes iſt unförperlih, das 07- 
ualvov und ruyzavov aber kürperlih; Das omuarvöuevov heißt 
überbieß Aszrov. Das Aszrov ift entweder wahr oder falſch; doc 
gilt das nur son ihm, wenn es aurorerds und als ſolches ein 
“Stone, ein Satz iſt; vgl. unten $. 73, wo die Ariome charafteri- 
firt werden: dmeo Aeyorzes n ahmdevouev n wevdousda; noch 
befiimmter erflärt er gleich darauf S. 74: damit etwas wahr oder 
falfch fei, muß es vor Allem cin Aszrov fein, dann auch ein au- 
Tozehes, und auch das nicht ein beliebiges, fondern ein «Slwue, 
denn nur indem wir dieſes ausfprechen, fagen wir die Wahrheit. 
Demnach muß fich der Autor $. 12 fehr nachläſſig ausgedrüdt, oder 
er muß gefehrieben haben: Aszrov Öneg uAndEs te yivaraı 7 weu- 
dog, xzal ToVTo oV xoıy@g nav, akka TO usv eklımög 00, 10 de 
MUÜTOTEAEG, xal TOV @VroTslovg u0Vov TO xakovusvov aslwue. 
Das Arioma definirten die Stoifer nach Hypotyp. II, 104 als 
hextüv avroreits anogurıov 0o0V Ep’ Eavıe, wonach im Diog. 
VII, 65 a&lwoua de &otıv 6 &otıv aAndes n weudog n noaywa 
wVTorehtg unoparıov 000 &p av 7 zarapavıov vie beiden , 
festen Worte zu tilgen fein dürften; wahrfcheinlich Liegt eine Ver— 
wechfelung mit dem Gegenſatz amoparızov 7 zuruparırcv zu 
Grund, der aber nicht Hieher gehört, Der Fehler iſt alt, da er 
fih ſchon bei Suidas vorfindet, woraus aber Divgenes nicht fo 

1) Sertus jagt 7v JE zei Elan nege Tovroıs diaoreos. Gine 


etwas ungenaue Hinweiſung auf die Dogmatifer überhaupt, wofern er nicht 
neoi tovrov ſchrieb. 


180 Ueber Sextus' Empirikus' Schrift 


verbeffert werden follte, wie Cafaubonus vorfchlug und Hübner auf- 
nahm, fondern der handfchriftliche Text des Diogenes, wonach erft 
alioua dE gorıv — 8’ Euvım, @g Ö Xovoınnog pyow £&v 
Tors di@herrıxois 09015 gelefen wird und dann erft folgt: «Siouu 
&orı TO dnopayıov 7 zaraparıov 000 &p’ Euvro, fonnte zei— 
gen, wie aus einem Gloſſem bei ihm das verwirrte Excerpt bei 
Suidas entftanden ift. 

Bevor weiterhin Sertus die Anfichten der Dogmatifer über 
das Wahre prüft, beftreitet er im Allgemeinen die Exiſtenz deſſelben, 
unter andern den Beweis, der von dem yerızwrarov hergenommen 
ift («no rov YEVLAWTATOV Ovrog ſchreibe man für @, T. yEvIRW- 
zarov Tov ovros). Diefes muß wahr over falfch, oder beides over 
feines son beiden fein; dies ıft aber, wie Hypot. II, S6 gefagt 
wurde: TO Ti, Oneo Qaoiv zivar navrov yerızararov; vgl. noch 
ib. 223. Nach diefen Stellen muß hier das Tour. corrigirt wer— 
den. In der Folge ($. 40) macht er den Unterfchied, das Wahre 
müffe entweder fühlbar oder denfbar, oder beides zugleich oder kei— 
nes von beiven fein; das Fühlbare ift ald yervog oder als zudog 
fühlbar, und entweder Allen oder Einzelnen. Daffelbe gilt von 
den Denfbaren, worüber Sextus fich deutlich fo ausfpriht: 77rou 
yao nacı xoıwog Eoraı vontov 7 rıow llwg oure dE naoı 
xoıwog 0l0v TE Eivar vonov To ahmPEs ovre rıoiv idiwg (44). 
Danach iſt vorher das Dilemma fo zu ftellen ($. 72): zınso 
od» alodnTov korı TO ahmdEg, navıwg 7 zowov naow on 
Ev ldıorntı zeluevov Eotaı aloImovV To ahmdes* ovre de z01- 
vov na0lv Eotıy oVre & dıöratı xeiuevov. Auch der Schluß- 
faß über das arosrıov fcheint in Unordnung gevathen zu fein. 
Nachdem jedes finnlich Wahrnehmbare im Einzelnen als nicht wahr 
erwieſen worden, follte er, dächte man, fihließen: odz aoa alo9n- 
Tov TO aAmdEs, Eenel ovdEv Tav alodnrav ahmdEs, und darauf 
den Uebergang machen: zul unv ovdE vonrov Eorıv. Ganz ver- 
fehrt und ungehörig ift hier die Bemerfung 0 nalıv aronov, und 
ſcheint fih aus bedeutender Ferne hieher verivrt zu haben, namlich 
nad) dem erften Satz in F. 30 Asineraı dom Akysıy TO zur Ev 
Te paıvöusvov, zora dE rı adnhov armIEs wird fie vermißt, 





n00g Aoyızovg. 181 


Daß $. 51 die Worte 70 neidov — aua zul vonrnv eine Frage 
ausdrücfen, follte in den Ausgaben bezeichnet fein. 

Hierauf werden Plato, Demokrit und Epifur widerlegt (auch 
Kentades vorher, welcher das Wahre durchaus verneint hatte), um 
nachher defto länger bei den Stoifern zu verweilen. Es gilt dem 
Aezrov, dem aflwum, ontuelov und der anodeıSıs; alfe werden 
im Lauf diefes Buches beftritten, und felten Lehrfäse anderer Phi— 
Iofophen als der Stoifer beruhrt. 

Die Aexra zerfallen in eAAını, und aurorern7; mit jenen hat 
Sertus weniger Beranlaffung ſich zu befaffen als Diogenes; vgl. 
Vi, $. 43 (wo man bei einem genauern Schriftfteller als ver 
Epifurser von Laerte ift erwarten ſollte: Aszrov avroreiwv Ws 
dSıwuarov, zul &klınwov Ws zarnyognuarov) und S. 63. 
An eine ganz falfche Stelle ift F. 64 der Satz oiov zo dia neroag 
scheiv gerathen; er fände eher nach $. 70 eine Unterkunft, wenn 
Diogenes bemerkt hätte, Daß das aogıorov 3, B, ris dia nergag 
rel alsdann falfch fei, wenn man fein worouevov an die Stelle 
feßen önne; wie Sertus adv. Log. II, 297 fagt: ös odv zo 
„ris dıa nergug nAel“* weudog Eorıy, Enel 0U% Evdezerar avTo 
WogLouEvov vmorarreıv aAmdEg TO „odrog dıa nergag nAsl“ 
ovrw; Enel TW „eorı Tı omuslov“ doglorw oVdEv Eyousv wgLo- 
uevov almIEs vVnoratreıv „rodro dE Eorı omuelov* wevdog a0. 
yiveraı TO „eortı Tı Omuelov* zal TO avrızelusvov avro) akn- 
Es 10 „ovdev Eorı omueiov.“ Sind aber die zarnyoonuara 
nach der Angabe des Divgenes EAkınn Aezra, ſo darf man den 
Priseianus nicht zu Hülfe rufen, wo er die adıouara und ovu- 
Bauara zufammenwirft (P- 1118) und Jıwv zegınarei oder 
Howvı uerausieı aus dem eorrupten TO dım neroas nkelv her- 
ausdeuten wollen '), fondern zu dem ausgefallenen ra de naoa- 
ovußauarıe mußten als Exempel einfach personalia und imperso- 
nalia hinzukommen, etwa olo» neoınare? und olov werauehsı, 
denn auch die dee, untın, ovderson erhalten zu Beiſpielen auch 
nur einfache Verba ohne hinzugefügten Caſus; erft unter adcwua 


1) Vgl. Lerſch Sprahphilofophie I, 33; Schmidt Stoicorum gram- 
matica p. 38. 


. 182 Leber Sertus Empirikus' Shrift 


$. 65 folgt olov — Aiov negınarei. Diver follte diefelbe Phrafe 
zugleich als Erempel für zaryyoonue und «Sioua dienen? 

In der Aufzählung der avrorer) Aezra führt Sextus an vers 
ſchiedenen Stellen $.71 und 73, mithin auch als verfchtedene Gattungen 
anogparrıza und aStwuara an, wogegen in den fihon oben citir- 
ten Uypotyp. II, 104 das asioue zum Prädikat das — —— 
erhält. Soll man nun eine Confuſion bei Sextus annehmen, 
die den Sprachgebrauch der Stoiker ganz und gar verwirrte, und 
von der ſelbſt Diogenes frei iſt, wenn er VII, 66 ſagt: «icoua — 
Eotıv, 0 Aeyovrss unopamvöousda Oneg 7 ahmdEs Eorıv 7 weu- 
dog, oder wird es erlaubt fein, ven Gab $. 71 zai dnopavrıza, 
ünso unopawoueva pausv olov 0 Alwv negınarei als Zuthat 
fremder Hand auszufcheiden? Daſſelbe Schickſal dürfte, dießmal 
auf die Autorität der Zeiger und Königsberger Handfchrift die ge— 
ſchwätzige Anmerkung in $. 73 haben: oiov 70 uev rowvzo „Ilgıa- 
widnow Eupsong ö BovxoAog aSlmua Eorıw: 7 yay ahydevouev 
Aeyovreg avıo n wevdousde, und das Beifviel ös Iloraurdnoırv 
Zupsons 6 Bovxökog mit vorausgehenden olov zö ouzwg &yov 
ausreichen für das Aroma wie für dag nAEov rı aSımuarog, 
wofern nicht auch jedem der Vers ITo. &. © PB. beigegeben war. 

Das Arioma halten die Stoifer für ein avvderov, ohne zu 
bedenfen, daß nur Körper ourderu fein Fünnen, nicht aber das 
kexrov, welches nach ihrer Theorie unförperlich iſt; daraus ergibt 
fih indeß, daß fein auroreis; asioua exiftirt (8. 79): Torvur 
oVdEv 8orıv avrvoreiis |noayun oVdE] dErwua. Die einge: 
fchloffenen Worte haben hier feinen Sinn. 

Der Sat, daß das Ariom durch die Dinzufügung der nega- 
tiven Partikel mAsovaleı (80), wird $. 91 durch ein Platonifches 
Argument (Phaed. 103) beftritten; bier Kieft man unter anderem 
tovT’ oVv noookaßndo« — E)aoowv uarkov (92), Uns fiheint 
Davon nichts dem Sextus zu gehören, als: tour’ ou» mooolaßovoa 
n Erveag ung Ervendog ueilwv, ar E)arıov uakkor, wovon 
die dazwifchen fiehenden Worte: od yernosraı nlerwv Twv Evrea, 
Ekartwv ÖE uahkor, ei (17?) yao ngooAmweı tauıng (SC. ac 
uovadog) or yerzosıaı nur eine wenig variirende Wiederholung find. 





no6g Aoyızovg. 183 


Gibt es ein wahres Axiom (eineo rı aAnFEs aSiwuu Eorı, 
nicht sineo To), fo ift es nach den Beftimmungen der Diafeftifer 
entweder einfach oder nicht; in letzterem Fall befteht es entweder 
EE vos afıwuaros dig Aaußavousvov !) oder ES aSıwuarov 
dıupeoörrw», verbunden durch eine oder einige Partikeln; von der 
Art ift auch das Öyıds ovvyuuevov, über welches aber die Defini- 
tionen der Dialeftifer felbft bedeutend differiren, fo daß feine Exiſtenz 
noch in Ungewißheit ſchwebt. Laßt fih nun das oͤ. o. nicht nach» 
weifen, fo fehlt auch die anodeısıs, und da demnach weder das 
einfache noch das zufammengefeste Axiom Wahrheit befist, fällt über- 
haupt Die Aoyızn pavracın weg, nach welcher, zufolge $. 70, die 
Erfcheinung durch die Nede vorgeftellt wird: a9’ vr To par- 
Ta03EV Eotı köyw nagaorzoat. Aus dem dargelegten Zuſammen— 
bang folgt namlich, daß doyuerızn pavracız ($. 123) nicht ver 
richtige Terminus fein kann. Von dem bereits bewiefenen Satz, 
daß nicht einmal die Exiſtenz des einfachen Arioms feftftehe, wird 
weiterhin auf alle nicht einfachen Axiome der Schluß gezogen: eve- 
oraL — and TOVIWv xal eni Ta ovunenkeyusva zal Ent Ta 
dıslevyusva zoıwog Eni Te (fol heißen zoıwws Te en) Tao Aoına 
sidn mv ody aunıav aSımuarwv dıaßadveıv. Dann wird noch 
die Anficht derer kurz widerlegt, welche das Wahre in der ygovr 
oder in dem ziyzua ıng diavorag finden wollten (vergl. $. 69), 
und $. 140 diefer Abſchnitt mit den Worten abgefchloffen: «rıu 
yao dir TOooVLWwv nEgl TE x01Tm0l0v zul aAmIoog (wohl zeol 
roũ #01Tn0L0v #al TaAmIO0g) TO uera TOOTO Orentwuedu zul 
nE0l zov ovvrıdeusvov Epodav ano zov x01Tnolov n00C #u- 
taAmdıv TOV um avrudev Unoninıovrog ahmFovc, Tovrsorı ToÖ 
Te onuslov zul ıns anodeisewg. 

Das Kriterion hatte nur Bezug auf die noodnia, und der 
Sfeytifer mußte in der Befämpfung der Erfennbarfeit derfelben vor— 
züglich das Kriterion angreifen: usdodızwreoov dE eig usv anv 

) Dem jogenannten deapogovusvor, worüber Diogenes I, 69 ſpricht: 
0% me DE ‚gorı Te ovyeorore LE dEisuatos drepogovuevov n € 
aEıwudtov: &E aEımuatos usv diepogovuevov, oiov: EI nulor Eariv; 


Der nothiwendige Zufak zu£oe £otiv fehlt auch noch im Hübnerſchen Text, 
obwohl er in der Note als Emendation von 9. Valefius angeführt wird, 


184 Leber Sextus' Empirikus' Shrift 


Tov Evapyav dnogiav Ö negl zg1mglov Aoyog yulv dnodedo- 
ra. Hier war nicht nur de, fondern auch nedodıizwregov ald 
durchaus ungehörig einzufchließen. Mit den adnıa haben die on- 
uela und dnodsisız zu thun. Das onuelov VnouvnorızoV, wo⸗ 
durch die 7005 zaıoov adnA@ aufgehellt werden, läßt der Empiri— 
fer, als im gemeinem Leben dienlich, gelten, verwirft aber das o7- 
uelov Evdsızrızov, welches die Dinge betrifft, die ihrer Natur nach 
nie unter die Sinne fallen, wie die wuyn (143—158). Das 
Zeichen ift relativ, denn es befteht nur mit dem Bezeichneten, man 
kann aber nicht annehmen, daß das zugleich mit einem Ding Begrif- 
fene fein Zeichen fe CL6LI—175). Auch ftreitet man noch darüber, 
ob das Zeichen ein ſinnlich Wahrnehmbares oder ein denfbares fer; 
fo lange diefe Differenz nicht gehoben ıft, bleibt das Zeichen in der 
Epoche (176— 182). Würde aber auch zugegeben, daß das Zeichen 
entweder wlodnrov oder vonrov fein könne, wäre es immer noch 
unmöglich, feine Exiſtenz darzuthun: Assreov dE Ev uegeı negl 
ExatEvoov zul EVIEWG yE nEgl TOD un aloInTov auTo Tvyyu- 
veıv. iva rolvvv TooF° HuoAoyov 7, del nooovuneparnodaL 
nv 10V wlodnrav ünagkıv za Öuohoyov Elvar nagu naoı 
Toig pvorırois zul Ws ano ÖuoAoyov Tavıng N neol roũ 0m- 
uelov avayırar oxr&wıc. Wenn der Sfeptifer, wie hier in $. 183, 
im Voraus zu beweifen verfpräche, daß das Zeichen nicht «iodnrov 
fei, würde er aus der Rolle fallen und Dogmatifer werden; auch 
darf er dann nicht weiterhin jagen: Damit dieß alſo zugeftanden fei, 
muß vorher das Beftehen der arodnra felbft ausgemacht fein, um 
von diefer Grundlage ausgehend die Unterfuchung über das Zeichen 
anzuftellen. Indeß auch mit der Tilgung der Negation vor alodn- 
zov iſt der Sinn des Sabes nocd nicht völlig berichtigt, fondern 
erft, wenn man fehreibt: meoı roV & aloIyToVv avro ruyyareı. 
— Dann muß er fortfahren, dva zorrwv ToO# ouoroynIn, es foll 
ja evft noch zugeftanden werden, nicht als etwas Zugeftandenes 
gelten, daß das Zeichen ein finnlih Wahrnehmbares fer; eben fv 


heißt e8 unten $. 261: iva — ra Aszıa Ounkoyn9N, anodesısır 
> 7 * 4 2 Gr sc m 
eivaı del zul omuelov, und 8.342: iva — 7 &idızn ouokoynsn, 


mv yerızyv (dei) Eyeım Beßaıor. Den bier ausgefprocenen 











Toog Aoyızovg. 185 


Satz, die Annahme des omusior als eines alodnrov hänge von 
der Erkenntniß ab, daß die alodnra überhaupt eriftiren, wiederholt 
Sertus $. 186: eineo alosnTov eivar HE)ouev TO omuslov, no0 
navıog 0ouoAoynInvar det zul Beßalog nagaorzvar (vielmehr 
nagaotasnvaı) Tnv av alosnrov Önooraoıw. Vorher hat ex 
fhon die ftarfe Disereyanz der Phofifer, namentlich Demofrits, 
Epikurs und der Stoifer darüber aufgedect, indem 3. B. Demo» 
frit behauptete: ovre yAvzv rı neol Tolg Eurög Unaoysır, 00 
(ovre?) nıxo0v xre, die Epifureer dagegen alle alodyra für 
wahr, die Periwatetifer und Stoiker einige für wahr, andere für 
falfh hielten. Stimmten fie aber auch überein, fo wäre Doch noch 
nicht ausgemacht, daß das Zeichen finnfich wahrnehmbar ſei; es 
müßte dann allen, die zara pvoıv fich befinden, daffelbe bedeuten ; 
das iſt aber bei dem Zeichen nicht der Fall, denn in der Mediein 
faßt Diefelben Symptome Erafiftratus anders auf als Herophilus, 
und diefer wieder anders als Asflepiades; hat alfo das Zeichen 
nicht gleiche Wirfung auf Alle, fo ıft es fein wioInror. Aber, 
wendet man ein ($. 192), das vnouvnorızöv omuslov, welches 
die Sfeptifer zugeben, bedeutet auch Verfchiedenes, und doch ift jede 
Bezeichnung richtig, fo fann auch das Erderzrizon, als finnlich 
Wahrnehmbares, Verfchtedenes je nach der Eigenthümlichkeit der Stoffe 
anzeigen. Dabei überficht man, daß die verfchiedenen Wirkungen 
deffeiben Zeichens bereits dur die Erfahrung erfannt feftitchen, 
das Zeichen eines gefuchten Unbekannten hingegen nicht auf mehrere 
onusiwr« gehen kann, ohne Verwirrung zu erzeugen: aSıwoeıe d’ 
av Tıg EvrTaüvda ToVg uw Tn ano ToV nvoog uernßaosı 700- 
uevovg tovrode deizruvar yırousvov Ent ToV Omusiov OnEo zul 
Eni TOV nvoOg yırsodat ovußednrev. Bekker hat dE nach rovzo 
eingefchloffen; da jedoch R und V zourode haben, dachten wir an 
zorovde; dann muß wer geftrichen, und des Gegenfages wegen Er- 
dsizTızoV vor omuslov eingereiht werden. 

Das ſinnlich Wahrnehmbare kann nach der Anficht verer, 
welche bezweifeln, daß die Eindrüde des Dbjeftes mit dieſem über- 
einftimmen, micht einmal fich ſelbſt anzeigen; auch daraus wird ge— 
folgert, daß das Zeichen fein wiodzrov fer, Anders verfahr Aene— 


186 Ueber Sextus' Empirikus' Schrift 


fivemus im vierten Buch der Ilvogwveıoı Aoyor, wo er folgenden 
eomplicirten Syllogismus aufftellte: wenn die Erfeheinungen allen 
gleichmäßig erfcheinen, die gleichmäßig disponirt find (roig ouodos 
di@reıuevors) und die Zeichen Erfcheinungen find, fo erfcheinen die 
Zeichen allen gleichmäßig Disponirten ebenfalls gleichmäßig; nun er— 
feinen aber die Zeichen nicht allen gleichmaßig Disponirten eben- 
falls gleihmäßig, was doch der Fall bei den Erfcheinungen iſt; 
alfo find die Zeichen feine Erſcheinungen. Es ıft nun auffallend, 
daß Sertus die Lehre von den owAloyıouoı avanodsızroı hier 
($. 223—243) einfchiebt, ber Gelegenheit der Frage, vb das Zei- 
chen ein alodnrov fer, indem diefes Capitel, welches hier nur als 
Parentbefe figurirt, mehr Raum einnimmt, als jene Unterfuchung 
ſelbſt. Die avanodsızroı werden übrigens in ankod und ouy 
ankoi unterfchieden ; von jenen zählt Sextus nur drei Arten auf 
(224— 227), in Hypotyp. II, 157, sq. aber fünf, welche auch 
Diogenes VII, 80, sq. hat; es fehlen alfo hier die beiden dis— 
junftiven, wo aus der Exiſtenz oder Nichteriftenz des einen Theils im 
Lemma der Schluß auf Eriftenz oder Nichteriftenz des andern gezogen 
wird. Da man fih nicht denken kann, warum der Schriftfteller 
felbft in der Zahlung Ungenauigfeit fih zu Schulden fommen Tief, 
und $. 282 der disjunftive Syllogismus angeführt ift, mag die 
Auslaffung eher den Abfchreibern beigemeffen werden. 

Das Zeichen ift nad) den Obigen fein alodyrov, es kann 
aber auch Fein voyzov fein, da es als foldes ein Asxzov wäre, 
deffen Eriftenz noch in Frage ſteht; und find die Asxra unförper- 
lich, fo können fie nichts thun, mithin auch die Zeichen nichts be— 
weıfen, uundev de norouvr@ ovde 0d Eori onuela evdeiserar ti 
»al Inkwoeı. Hier iſt re nicht mit Bekker in Ere zu verändern, 
fondern ganz zu ftreichen; e8 rührt aus dem zweimaligen erdeizvv- 
oFal rı ber, was gleich folgt. Ferner fcheitert die Eriftenz des 
Zeichens als eines unförperlichen Aerrov an der Unbeſtimmtheit des 
Öyıtc ovrnuuevor , in welchem es feine Stelle finden muß, airs 
To xara Dilwva Earı TO romwürov elite xara Arödwgo» 7 nv 
Svragznoıv (deutlicher wäre 7 zara ımv 0.) 7 Ahkmg nwg xgL- 
vögevov (man vergl. Hypotyp. II, 110—112). > 











mo0og koyızovg. 187 


Nachdem erwiefen worden, daß die Zeichen weder finnlich 
wahrnehmbar, noch denkbar find, werden verfshiedene Entgegnungen 
von Geiten der Doymatifer angeführt; Die zweite Darunter darf 
nicht mit eimeo d8 eingeleitet werden, fondern mit eimeo re; vgl. 
$. 371 Tovro re 6 vUnoriderar rıg are, wo ebenfalls, wie hier, 
die folgende Einrede mit zau un» eröffnet wird. In unferer Stelle 
beginnt der vierte Einwand mit F. 281, der in doppelter Beweis- 
führung 281, 282 und 283, 254 vorgebracht iſt, mittelft des be- 
fannten Syllogismus: &Ü &orı zı onusdov, Eotı onuelov: eu 
&orı omuelov, &orı omuslov‘ nroı d' ovdEv Eorı omuelov n 
gorıv- 2orıv aoa, Eigentlich follte demnach weder $. 251 nod) 
$. 283 ein Abfag gemacht, oder die drei vorhergehenden SS. müß- 
ten ebenfo von einander getrennt fein 

In der Erwiederung auf den erften Einwand der Dogmatıker, 
daß ver Menfch als vie einzige verftändige Creatur zugleich Die 
Eriftenz des Zeichens darthue, wird bemerkt, daß fo das mehr 
durch das minder Gültige erwiefen werde, denn fein Dogmatıfer 
hebe die Exiftenz des Zeichens auf, wohl aber fer von manchem 
bezweifelt worden 70 vonrıxwg (fo Iefe man flatt moovontızog) 
zarsoxsvaodaı ıov uvdoonor. Und and zugegeben, daß der 
Menich ſich vor den übrigen Gefchöpfen durch Aoyos und ueraßu- 
tızy parraola und ven Begriff von Folgerichtigfeit (für ev ın 
@rorovdig möchten wir Lieber evvorw axoAovdlas ſchreiben, als 
mit Bekker 707 @xorovdie) auszeichne, fo dürfe ſich das doc 
nur auf die znonrızn axorovdıa und nicht auch auf dunkle und 
ewig beftrittene Gegenftände erſtrecken. Daffelbe gilt neoe 75 
axolovFov (wohl aroiovdoVong?) ünouvnosos. Unmittelbar 
vorher find die Worte za duraueva Aeysodaı noog ı0 Evdeızrızov 
onuslov vermuthlich eine Nandbemerfung und Inhaltsangabe; im 
Tert fann man fie fich ebenſowenig erflären, als das ihnen vorge- 
feßte 7usls yao En’ avrois (avrm, Sc. Ünouryorizw omusip) 
zıwovueda zul avahaußavrousv 7 wyun, wodurch offenbar das 
der Erinnerung dienende Zeichen erklärt werden fol. Die dritte 
Einrede behauptete, daß ohne Zeichen fein Iewonzue, und damit 
auch Feine Wiſſenſchaft denkbar fer. Dagegen macht der Sfeptifer 


188 Ueber Sextus' Empirikus' Shrift 


den Unterschied zwiſchen o. önouvnorıxzov und dem o. Endsizrızor 
abermals geltend; jenes habe die parmwouera zum ©egenftand, 
diefes FHläre angeblich die «dia auf, und folhes behaupteten vie 
Dogmatifer dyvoovvres, ürı rn utv vov adnıwv Iewontixng 
teyvns ovdev Eorı FSewonun (291). Sp muß der Sat lauten, 
nicht zov aAlor, wodurch der hier unentbehrliche Gegenſatz ver— 
mischt wird. Endlich Hilft der Beweis, daß es Fein Zeichen gibt 
nichts dazu um darzuthun, daß es ein Zeichen giebt; dafür 
nämlich, daß eines eriftirt, fehlt es an einem pofitiven Zei— 
hen, fo lange diefes nicht zugeftanden iſt und in jedem befondern, 
eonereten Fall das Zeichen bezweifelt werden fann: aovyywonrov 
dE Ovrog ToV £ival' rı omuslov, nos &v Odrog yonoerar (viele 
mehr zonouıo) To omusim ngög niorıv TOD £ivar amuelov; 

Hiermit iſt das Zeichen abyethan, und Sertus fpricht im fol- 
genden, Testen Theil dieſes Buches nur noch vom Beweis (ano- 
deisıs),. Da er im $. 302 die Ayuuara, woraus nebft der 
Enıpooa die anödeıkıs befteht, fcharf von den Ieuara fcheivet, 
möchte man glauben, daß auch bei Divgenes VII, 75 zar« rı rwv 
Anuuorov zu leſen fei für x. 7, r. Yeuarwv. In demfelben $. 
muß wenigftend aus Sertus $. 305 ergänzt werden zıreituı Jiwv, 
negınarei dE HArwr, was Hübner nicht einmal unter ven Varian- 
ten angeführt hat, obgleich die Worte offenbar in den Tert gehören; 
Divgenes Fann fie unmöglich weggelaffen haben. 

Erforderniffe des Bewerfes find, daß er ein Aoyog ſei; rich- 
tig Schließe (ovrazrızög), wahr ſei; fein Schluß etwas Unbefanntes 
enthülle, und diejer aus den Prämiſſen hervorgehe (299— 315). 

Der Gegenftand des Beweiſes gehört zu den Dingen, bie 
nicht offenbar find, aber es werden follen, eben durch ihn. Aber 
das Unflare kann an fich nicht ficher erkannt werden, es ıft höch— 
ftens nur wahrfcheinlich, und hat man es getroffen, fo iſt das feldft 
noch ungewiß. Auch folf jeder Beweis ein Dogma enthalten, jedes 
Dogma ift aber befanntlich beftritten, mithin auch der Beweis, 
Er iſt ferner eben fo relativ als das Zeichen, d. h. immer nur 
in Beziehung zum Bewiefenen, ra de no0g rı el Eorıw Elyrnrau 
wul mohvg nv ö Ayo, an eva avıa. Soll wohl heißen © 





n005 Aoyızovc. 189 


a6yoc, auch kömmt gleich im folgenden $. 336 vor: moAug 6 negl 
zovrov Aoyos (316— 336). 

Der Beweis ald ein noayua adnAov muß fich ſelbſt be- 
weifen können, und die yavızyz anodeısıs zugleich ſich und jede 
eidırn vertreten: Oyeiksı anodederyIaı ; richtiger Tieft man dno- 
deıyInvar (wie $. 346: orı del anodeıyInvaı Tnv nowenv 
anodeıtıv, wuoroynrar); man kann die yerızn anodesıs nicht 
durch die sidızy erweifen, denn was von der Species gilt, trifft 
nicht nothiwendig das genus, aber auch nicht Durch die yavızz, 
denn fo müßte fie jich felbft beweifen (avrn lefen wir für avrn), 
unbefannt und erſt noch gefuht ovx av zn xzaraoxsvaorızy 
EwvIng, NyE xal av Errakvyorrwr (fonft ExzaAvnzovrwv) 
Exonlev (336— 347). 

Demungeachtet meinte Demetrius der Lafone, ein Epifureer, 
die Eriftenz des generellen Beweifes durch die Führung eines be— 
liebigen ſpeciellen hinreichend ftüßen zu können, nicht bedenfend, 
daß die Prämiffen fchon bei jedem Beweis ungewiß find, felbft die 
auf Phänomene fi) gründenden, denn auch über dieſe find Die an- 
gefehenften Philoſophen untereinander im Streit: nugsorıv Enı- 
onuovs ldelv ardgug TOVG Exuorng 0TWoEw; no0E0TWTag dıa- 
pwvovvras. Daß diefes Teste Wort hinzugefügt werden müffe, 
ergibt fi aus der weitern Folgerung wore &av 7 wlodnta za 
knuuara, dıapwva Eotıv (348—366). 

Die Dogmatifer nehmen ihre Zuflucht zulebt zur Annahme 
a priori (e5 vnodeoewg), fie wollen durchaus das wahre Sein 
der Dinge ergründen, aber TO — OrL oU uovov Yarverar aAka 
zul Unöxsırat, IEheIv nagıorav avdom» Eorı un ım uvayaaıı 
ng05 Tnv xoslav agrovusvwv, alla xal TO dvvarov Ovvaona- 
Leıv Eonovdaxorwv (368). Das Mögliche erſtreben zu wollen, 
fann fein Vorwurf fein, und das befteht eben darin, daß man fich 
auf Das paıwousıov befhränft, aber die Dogmatifer ſuchen, nach 
der Meinung des Sfeptifers, das Unmögliche zu erhaſchen; er hat 
natürlich 10 advrarov gefehrieben, die Copiften ließen fih durch 
das gleich folgende zura 10 durarov irre leiten. Vergeblich iſt 
auch ihr Bemühen, etwas a priori (E35 ünodeoewg) Angennmmenes 


190 Ueber Sertus’ Empirikus' Schriftmoos Aoyızovs. 


zur Geltung zu bringen, um Daraus weiter zu ſchließen. Warum 
nebmen fie nicht Lieber das zu Ermweifende felbft a priori an und 
erfparen fich alle weitere Mühe? Ueberbieß fann die Folge richtig 
fein, ohne daß daraus auch die Wahrheit des Vorberfages ſich ev- 
gäbe, denn nach der Theorie der Stoifer folgt auch auf das weu- 
dos das aAnIEs, und nur wenn blos aus dem Wahren wieder 
Wahres hervorginge, fünnte eine ſolche Annahme ſich halten: zu 
usv yao wivov zur’ alrovg oO ahmdel einero ahmdig, ngev- 
Baıwev av!) 6 Aöoyos (369— 380). 

Es folgt noch eine ausführkihe Wiverlegung der Idee des 
Beweifes, die der Definition der Stoiker nach gar nicht eriftiren 
fönne. Diefe Beftreitung ſtützt fih wieder auf die ſchon durchge— 
führte Argumentation gegen pavıao/a und gegen die Aexr«, fer« 
ner gegen das Öyıds ovrmuuevor; die angeblichen vier Fehler des 
Syllogismus fünnen eben deswegen nicht aus dem Begriff der rich 
tigen Verbindung hergefeitet werden; es gibt gar feine anegarroı 
Aoyoı , ift das aber der Fall, fo fehlen auch die megarvorres und 
mit ihnen fallt auch der anoderzrızög Aöyos weg (381 — 461). 
Zum Schluß kömmt auch hier der Beweis, daß die Behauptung, 
e8 gebe feine anodersıg in ihrer Durchführung doch Fein pofitives 
Moment für die Eriftenz derſelben darbiete (462 — 481). Wo 
Sertus die Meinung ver Stoifer vorlegt $. 464, mußte ex 
fohreiben: ei d& anodeızvug To um &ivar dnodasıy — aurodeV 
ÖuoAoynosı to Elvaı anodeısır, nicht wwoAoynae, denn das Fu— 
turum muß wieder folgen auf meorevoeı und Enıoyednosım. 

Hält man den Schluß dieſer gegen die Logiker gerichteten 
Abtheifung mit dem des zweiten Buches der Hypotypofen zufam- 
men, fo zeigt fich ein bedeutender Defeft ; was dort über die De- 
finition, die Eintheilung,, die Sophismen und Amphibolien $. 
205-259 gefagt ift, erwartete der Lefer nach der Analogie des 
Uebrigen hier weiter ausgeführt zu fehen. Hat Sertus dag wirk— 
lich mit Abficht übergangen, oder- find einige Blätter ausgefallen ? 
Dann müßten wir uns nur über die Verftändigkeit des Zufall 
wundern, der gerade noch Die Schlußworte diefes Buches aAAa 
yag TooaUra zul neol Ta» zara Tov Aoyızovy 10n0v Epodwv 
unognoaviss »te erhalten hätte, 

1) Die Partifel fehlt noch bei Beffer. 

Heidelberg. % Rayfer, 








Zur Kunfterflärung und Mythologie. 


1. Helios. 

Zu den feltenen und durch Originalität der Bildung überra- 
fohenden Darftellungen alter Kunft gehört die ſchöne Göttermaske, 
welche mit den Kunftfchägen der Villa Borghefe ') nad) dem Louore 
verfeßt worden iſt und welcher Visconti vorläufig die Benennung 
Hispania zugewiefen hat. Es ftügt ſich diefe Beftimmung auf das 
Borhandenfein eines Thierchens, welches die Alten zur Charafteri- 
firung diefer Provinz allerdings fo angewandt haben wie zur Dar- 
ftelung Afriea's den Elephanten und zur Verfinnlihung der 
klimatiſchen Verhältniſſe Afın’s den Kameelkopf. Man erblickt näm— 
lich links unten in einer Ede ein Heines Nagetbier, welches unge— 
fehieft veftaurirt worden ift, von dem aber nicht gezwerfelt werden 
fann, daß es, wie Viscontt richtig erfannt hat, ein Kaninchen dar- 
ftelft. Bon diefen Thieren nun iſt es ja befannt, daß fie in Spa- 
nien häufig find und daß fie auf Münzen daher oft als das Emblem 
diefer Halbinfel vorfommen. 

Das von Locken reich umwallte Haupt ıft mit Wein- und 
Blumenranken gefhmüct. Auch dies würde für die fruchtbaren 
Pyrenäenthäler fich paffend eignen. Stolz ift der Spanier wohl 
von Alters her gewefen, und dies ift vorzugsweife der Ausdruck 
diefes fchönen Kopfs. Mit allen andern Darftellungen son Ländern, 
Provinzen und Städten hat er faum irgend einen Zug gemein, 
Auch Laßt ſich kühn behaupten, daß in der Zeit, wo man allein zur 
Darftellung der Feltiberifchen Provinz gefehritten fein könnte, die 
Kunft ein foldes Ideal aus freier Hand nicht mehr zu produeiren 
vermochte. Nun könnte man zwar bier fowohl wie bei anderen 

1) Monum. di V. Borghese II, 20. 


192 Zur Runfterflärung 


Gelegenheiten einen bereits vorhandenen Typus zu diefem Zweck 
benußt haben, eine Annahme die uns jedoch der Verpflichtung nicht 
überheben würde, die urfprünglihe Bedeutung diefes Ideals auszu— 
forichen. 

Spwohl durch die ganze Anlage wie durch den Geift, von 
dem diefe ſchöne Bildung erfüllt iſt, gibt fich die Erfindung als ein 
Erzeugniß der alerandrinifchen Epoche Fund, in welcher man gerade 
ſolche Begriffe mit befonderer Vorliebe und mit vielem Geſchick bes 
handelt hat. Ich meine namlich jene poetische Ummodelung alterer 
Idealbildungen und auch die Verſchmelzung verfchtedener Götterfor- 
mationen zu einem Gefammtbegriff , welche der Zeus Serapis am 
vollftändigften vergegenwärtigen fann. 

Es iſt Feine gute Methode bei der Beftimmung neuer oder 
vereinzelt daftehender Götter- und Hervenmwefen einfeitig von den 
Symbolen und Emblemen auszugehen, die mit ihnen in Verbindung 
getreten find. Es iſt dies fo trügerifch wie wenn man bei der 
Analyfe mythologifher Begriffe ohne weiteres mit der etymologi— 
fhen Worterflärung beginnt. Sowie man aud ber diefen von 
den Centralcomplexen des Mythos ausgehen muß, fo tft eine ratio— 
nelfe Kunſthermeneutik zunächft auch auf die ruhige und vorurtheile- 
freie Beurtheilung der Maffen angewiefen, und eine Beftimmung, 
die nicht ohne alle Berückſichtigung des ſymboliſchen Beiwerks be- 
gründet werden kann, ermangelt des jelbftandigen Halts und wird 
nicht blos Fein Zutrauen bei Andern zu erwecken im Stande fein, 
fondern auch dem Ausleger felbft nur einen geringen, manchmal jehr 
zweidentigen Genuß gewähren. 

Betrachten wir nun die erwähnte Maffe, welche fo wenig 
son architeftonifchem Charakter an fich trägt, daß es unbegreiflich 
ift, wie Viſconti hat vermuthen können, fie habe den Schmuck einer 
Stirnziegel abgeben Fünnen, fo würden wir fie auf den erften Blick 
unter die fublimeren Geftalten des dionyfifchen Kreifes einreihen, 
und Niemand würde etwas dagegen einwenden dürfen, wenn wir fie 
Ichlechthin für eine Darftellung des Dionyſos felbft erffären wollten, 
bei dem der mannwerbliche Charakter durchaus nichts Befremdendes 
hat und fogar einen Grund für eine folhe Definition abgeben könnte. 


und Mythologie. 193 


Unterfucht man die Erfeheinung naher, fo zeigt fich indeſſen 
ſehr bald, daß nicht alle Eigenfehaften, die fih in diefem gottvollen 
Antlig fpiegeln, in den baechiſchen Charakter aufgehen. Ja prüft 
man genau, fo wird man fogar zugeftehen müffen, Daß zwifchen ver 
orgiaftifchen Schwermuth, die fogar den verflärteften Geftalten des 
dionyſiſchen Kreifes nicht fremd iſt, die felbft im Dionyſos hervor- 
tritt, und dem offenen Wefen, welches diefer Kopf zeigt, ein deutli- 
cher und fiharfer Gegenſatz vorhanden iſt. Es iſt diefes Haupt von 
dem Glanz der Freiheit umftrahlt und es macht den Eindruck der 
Tageshelfe verglichen - mit dem füßen Zug unausfprechlichen Ern- 
ftes, welcher jedem Charakter, der mit dem bacchiichen Thiaſos in Be- 
rührung gefommen iſt, unauslöfchlich und unverwifchbar aufgedrückt ift. 

Wer fih der Münzen von Rhodos erinnert, auf weichen das 
firahlengefrönte Haupt des Coloffes des Chares von Lindos er— 
ſcheint, wird vielleicht zugeben, daß zwifchen jenem herrlichen Typus 
und dem Charakterausdruck unferes Kopfes eine gewiffe Aehnlichkeit 
obwaltet. Auch läßt das ſchöne Bildniß des großen Mlerander, 
welches ihn als Helios darſtellt, mit dem kühnen, offenen, weithin 
ſchauenden Blick diefes Götterweſens eine unverfennbare Berwandt- 
ſchaft wahrnehmen. 

Ebenfalls im Louvre wird die Statue eines jugendlich gebil- 
deten Helios aufbewahrt, welche, obwohl ein Werk geringeren Nan- 
ges, dem Ausdruck nah, fich unferem Marmor angleicht und zur 
Kenntnig der Sphäre, in welcher ſich die bis zur Idee gefteigerten 
elementaren Begriffe bewegen, wefentlich mit beiträgt. Er hält in 
der Rechten ein Füllhorn mit Trauben und Blumen, wie wir fie 
bier zum Schmuck der Masfe verwendet fehen. Botaniſche Abbil- 
dungen liefern die Symbole alter Kunft nicht, wohl aber bringen 
fie die bedeutungsvollen Züge des Pflanzenfehbens mit wunderbar 
tiefem Naturgefühl zur Anfchauung. Der Traubenfülle des Wein: 
ſtocks wird allezeit die Blüthenpracht “anderer Gewächſe entgegenge- 
ftelft, die wie ein Held im GSiegesfranz ihr Leben verhauchen. Es 
ift daher unnütz die dargeftellten Pflanzen genauer zu beftimmen, 
Der Gattungsbegriff genügt: denn um dieſen allein iſt es dem 
Künftler, der Weltgefege veranfchaulichen will, zu thun. 

Mus. f. Phil. N, 5. VL. 13 


194 Zur Runfterflärung 


Sch würde daher nicht anftehen, die befprochene Masfe na: 
mentlich in vergleichendem Hinblick auf die erwähnte Statue für 
einen Sonnengott zu erklären, wenn auch Fein weiterer Beftim- 
mungsgrund vorhanden wäre, durch welchen fich dieſer Begriff: feft- 
ftelfen ließe. Die Lodenfülle, das Sinnbild ewiger Jugend, der 
weithin fihauende, ſtolze Blick, der. nichts über fich erfennt, die 
Klarheit und Sicherheit feines ganzen Wefens würden auch ohne 
Rückſicht auf die Pflanzenfymbole, die die Außerften Gränzen feines 
Bereichs, die Blüthenfrifhe des Frühlings und Die Wucht der 
Herbftfrüchte, bezeichnen, fi) uns als faßbar und Far verſtändlich 
aufdrängen. 

Nun tritt aber noch ein anderes Symbol aus der Thierwelt 
entlehnt hinzu, welches der Idee gleichſam die Betonung verleiht, 
die nur die Anregung des ethiſchen Begriffs mythologiſchen Gedan— 
ken zu leihen vermag. 

Der Statue des Helios ſind zwei Roßköpfe beigegeben, ein 
Symbol, welches Phidias an dem Giebelfeld des Parthenon zu fo 
meifterhafter, genialer Anwendung gebracht hatte, daß es jedem ver- 
ftändlich fein mußte. Denn auch diefer Umftand wirkte günftig für 
Die geläufige Verbreitung der ſymboliſchen Sprache, alter Kunſt, daß 
man nämlich unwillführlich jedes Sinnbild auf. ein vorzügliches 
Kunſtwerk beziehen Lernte, in welchem es zu befonders beveutungs- 
voller Anwendung gekommen war. 

Die Roſſe veranſchaulichen in dieſem Zufammenhang bie Un— 
ermüdlichfeit, Rafchheit und Geradheit, mit welcher der Sonnengott 
täglich feine weite Bahn durchmißt. Die ganze Bedeutung dieſes 
Symbols fonnte nur, den Griechen in folcher Weiſe verftandlich 
fein, welche mit der Pferdecultur Uebungen praftifcher. Lebensweis- 
heit, Schärfung aller Sinne, Kräftigung des Muthes und die höchſte 
Steigerung des Chrgefühls verbanden. Bei anderen Nationen 
mochte diefes Sinnbild eine tiefere Bedeutung haben, namentlich im 
Drient, von dem fie beides, das Thier felbft und feine folare Be— 
ziehung, erhielten; die Griechen begnügten fich mit der feharfen 
Auffaffung der attributiven Beziehung und mögen auf diefe Weife 
allerdings manche Naturwahrnehmung in der befferen Zeit haben 





und Mythologie. 195 


falfen Yaffen, fowie fie in ganz ſpäter Zeit dann wieder dazu zurück— 
gekehrt find. Aber mit diefem Symbolregen, der dann Feineswegs 
fruchtbar herniederfällt, haben die edleren Erzeugniffe griechifcher 
Kunft nichts zu thun, 

Dem Roffepaar der Helivsftatue des Louvre entfpricht nun 
das Nagetbier, welches an der Heliosmaske halbverſteckt angebracht 
it, und in dem Viſconti fcharffinnig ein Kaninchen erfannt hat, 
Uns ſtellt fih nun die Aufgabe den Zufammenhang oder gar den 
ſymboliſchen Bezug nachzuweiſen, welcher zwifchen dem Sonnengott 
und diefem unfcheinbaren Thierchen angebracht ift. 

Es wird faum eine alte Kunftvorftellung geben, die nicht ih— 
ven Fräftigen Ausdruf der Anwendung des Gegenſatzes verbanft, 
ohne welchen auch in der Natur feine Erſcheinung in’s Leben tritt. 
Zwar wird die Tageshelle, in der Helios feine Macht und 
Pracht entfaltet, Schon durch fein bloſes Auftreten, durch die Dffen- 
heit feines Blicks, durch die Freude, welche fein ganzes Weſen ver- 
fündet, ausgedrückt, allein fowie der Traubenfülle des Herbftes in feiner 
Bekränzung die Blüthenpracht des Frühlings gegenübergeftellt ift, 
fo verlangt die Phantafte auch für die begrifflige Veranfchaulichung 
des dargeftellten Gottes ein Gegengewicht, ohne welches felbft eine 
folhe wahrhaft verkörperte Göttererfiheinung in den endlofen Räu— 
men der Phantafie richtungslos umhergetrieben wird. 

Bevor wir nun aber ein folhes Symbol feinem Werthe und 
feiner Geltung nach feftzuftellen wagen dürfen, ift es unfere Pflicht 
ung nach Beifpielen umzufehen, welche feine Bedeutung unzweideutig 
veranfhaulichen. Ein folches iſt ung zum Glück in der Abbildung 
eines Moſaiks aufbewahrt erhalten, die wir bei einer anderen Ges 
fegenheit (Ann. 1838. tav. agg. O.) zur Vergleihung beigebracht 
haben. Diefe fielt den Sonnenaufgang dar. Während die reiche 
umftrablte Feuerfcheibe Hinter den Bergen im Dften und daher dem 
Beſchauer zur Nechten auffteigt, behauptet am Himmelszelt nur der 
Morgenftern noch feinen Pag: ein Jüngling aber, der ſich ın dag 
falte Bad der Meereswogen binabftürzt, vergegenwärtigt, nad) Ana— 
logie anderer befannter Darftellungen des Sonnenaufgangs, das Er- 
blaffen der Sternenpracht und führt der Phantafie den großartigen 


196 Zur Runfterflärung 


Natursorgang fo vor als wenn fich die nächtlichen Himmelslichter in 
die Meerestiefe binabfenften. Aber auch in dieſer Darftellung hat 
der Künftler die Wirfung nicht unangedeutet laſſen wollen, welche 
das neu beainnende Sonnenleben auf die ganze Schöpfung, vorz 
zugsweife aber auf die animalifche äußert. ES gibt Lichthungerige 
und lichtfcheue Thiere. Zu letzteren gehören alle diejenigen, welche 
ihr Bette in Höhlen und Abgründen haben, die den Strahlen der 
Sonne unzugänglich find, und von diefer Gattung ift das Caninchen, 
welches ja befanntlich den Boden unterwühlt und diefe feine verbor- 
genen Schlupfwintel nur bei Nachtzeit oder verftohlener Weife verläßt. 

In Villa Pamfili befindet fih an der großen halbzirkelförmi- 
gen Mauer, welche die Terraffe des oberen Gartens unterftußt, 
ein wenig beachtetes Relief, welches den Apollo als Hirten darftellt. 
Er werdet Ninder und hält die Perer in der Hand. Auf der ent- 
gegengefesten Seite erfcheint bei einem Baum eine Panisfe, welche 
zu den edelen Formen reiner Menſchlichkeit, die Apollo zeigt, ſchon 
an fi) einen beveutfamen Kontraft darbietet. Der Baumftanım, 
son dem fie einen Apfel zu pflücken fcheint, iſt mit einer Schlange 
ummwunden, welche dem Apollo in dem Sinne des erwähnten Ge- 
genſatzes faft immer beigefügt zu fein pflegt. Am Boden aber er- 
fiheint zu Füßen des Pansweibchens ein Caninchen, welches im Be- 
griff ift zu feinem finfteren Schlupfwinfel zurüczufehren. 

Zwar iſt Apollo fo wenig die Sonne wie Poferdon das Meer, 
oder Minerva der Oelbaum, fondern diefe Elemente und Naturer- 
zeugniffe bezeichnen nur das Bereich der Herrfchermacht diefer Gott- 
heiten. Allein fo viel iſt doc) Har, daß diefe Symbole im Gegen— 
fa& zu feinem lichtgewohnten, folaren Dafein zu denfen find, Es 
ſcheint mir daher auch die Analogie mit der Darftellung, von deren 
Betrachtung wir ausgegangen find, hinreichend Har und bindend 
zu fein. 

Demnach würde ich nicht anftehen das Symbol des Caninchens, 
welches unferer vorausfeglichen Heliosmasfe beigefügt it, fo zu 
falfen, daß es eben das Dafein der großen Schöpfungshälfte an- 
deutet und hervorhebt, welche der Sonne abgewandt iſt und unter 
dem Schutze der Nacht gedeiht. 





und Mythologie. 197 


Daß diefes Symbol in einem Lande aufgefommen fer, welches 
an diefen Thierchen fo reich war wie Spanien will ich gern glau— 
ben; daß es der Feftiberifchen Halbinfel felbft entlehnt fer, glaube ich 
indeffen nicht, da dieſelbe erft dann zu politischer und welthiftorifcher 
Geltung gelangt ift, als die alte Welt kaum noch neue Sinnbilver 
aufgebracht, fondern fich mit den vorhandenen begnügt haben wird, 
Denn auch zur Wahl von Symbolen wird Tieffinn und eine gewiffe 
Friſche der poetifchen Einbildungsfraft verlangt, und diefe mag wohl 
mit dem Kunftgefühl felbft allmählich gewichen fein. Die Zeichens 
ſprache der römiſchen Katfermünzen läßt wentgftens cine Abfchwa- 
hung und Vertrocknung des finnbilvfichen Begriffs fihtlih wahr- 
nehmen. 

Die Anwendung des winzigen Thierchens, welches an der 
Maske ein befcheidenes Pläschen einnimmt und der Darftelfung fo 
viel Seele leiht, würde an einer Statue des Helivs ebenſo wir- 
kungslos geblieben fein, wie bier die Beifügung der Roßköpfe un— 
thunlich und unverfiändlich gewefen fein möchte. Dies kann zum 
Beiſpiel dienen, daß die Symbofe nicht blos nach dem Zufammen- 
bang, in dem fie auftreten, ihre Geltung mwechfeln, und von dem 
Volke und dem Landftrich abhängen, wo fie im Gebrauch find, fon- 
dern auch von den Äußeren Bedingungen, welche das Kunftwerf dar- 
bietet, dem fie beigegeben find. Jedenfalls hat die Erklärung von 
Runftwerfen alle diefe Momente gleichzeitig und gemeinfam in’s 
Auge zu fallen. Denn nur dann ıft eine lebensvolle und tiefer 
dringende Auffaffung eines poetifchen Gedankens möglich, wenn der 
Ausleger von mehreren Seiten ber den Mittelpunkt zu erreichen 
ſucht, in welchen die verfchtedenen Beziehungen wie die Leiter der 
Lebenskraft in die Nervenheerde zufammenftoßen. Trockne Zerle- 
gung des Begriffs führt zu einem trocknen Gehalt und phantaftifche 
Behandlung zu windigen Refultaten. 


198 Zur Runfterflarung 


2. Hyperion, Theia, Helios, Selene, Eos ). 


In der Reihe der Titanen, wie fie die heſiodiſche Theogonie 
aufführt, tritt uns nach dem Okeanos, der die Neihe fo großartig 
eröffnet, zunächft Hyperion entgegen. Er heift der Hochwandelnde, 
weil er über alle anderen Wefen des Himmels und der Erde ftolz 
hinwegfchreitet. Er vermählt fich mit der Theia, welche ihren Na- 
men von der goldgelben Farbe hat, die auch dem Schwefel, befon- 
ders jenen prachtvollen Kryftallen diefes Metalls eigen ift, die die 
Grotten Siciliens mit magifchen Glanz wiederſtrahlen Taffen. 
Durch fie wird der Hochwandelnde zum Lichtgott, und weil der 
Goldſchimmer fih im taufend und abertaufend Karben bricht und 
dem Auge der Sterblichen unter den verfehiedenften Geftalten ent- 
gegentritt, fo heißt fie auch die vielnamige. Daß bei ihr die Farbe 
das charafteriftifche Merkmal bildet, gebt auch daraus hervor, daß 
Pindar den Werth, welchen die Menfchen dem Gold beifegen, von 
ihr abfeitet. 

Damit aber das Licht Leuchte vor den Leuten, muß es an 
einer hohen Stelle. offenbar werden. Die Theia erhält daher durch 
den hochwandelnden Hyperion eine ebenfo viel höhere Bedeutung, 
als diefer durch den Hinzutritt des Goldglanzes. Beide erzeugen 
mit einander die drei Götter, von welchen alfe himmlischen Lichter- 
fheinungen ausgehen, den Helios, die Selene und die Eos. Diefe 
dürfen nicht mit dem Licht verwechfelt werden, welches vom Son— 
nen- und Mondlicht unabhängig, ganz anderen Quellen entflammt, 
aber ebenfowenig mit den Wefen einer höheren Dafeinfphäre, wel- 
che wiederum zum himmlifchen Lichtglanz fich fo verhalten wie diefer 
zu dem Netherlicht. 

Helivs ift der erfigeborne Sohn des Hyperion und der Theia, 
feine Macht wird bei Hefiod durch das Beiwort des Großen hervorge- 
hoben, während Selene die Hare und reine heißt. Ihr geſellt fich 

*) Aus einer zufammenhängenden, der Reihenfolge in der hefiodi- 
fen Theogonie fich anfchließenden Darftellung der griehifchen Mythologie, 


welche der Berfafler zu beliebiger Auswahl einzelner aus ſich ra ver- 
fändlicher Partien der Redaktion mitgefheilt hat. 





und Mythologie, 199 


als treue Schwefter die Göttin der Morgenröthe bei, welche allen 
erdgeborenen Menfchen und den unfterblichen Göttern das Tages- 
licht zuführt. Sie tritt vermittelnd zwifchen den ftrahlenprangenden 
Bruder und die beſcheidene Mondgöttin, welche mit dem Abglanz, 
den diefer ihr zufendet, ſtill vorlieb nimmt. 

Hyperion felbft tritt nun aus feiner Verborgenheit nicht 
hervor. Leibhaftige Geftalt und menſchlich faßbares Wefen gewinnt 
er erft in feinem Sohn, dem Helios, welcher Sonnengott in Wahr- 
beit und in der That iſt. Auch die Phantafie bedarf, jo gut wie 
der wilfenfchaftliche FSorfihergeift, der Zeit, um ſich die großen Er- 
fheinungen des Alltagslebens nad; und nach näher zu bringen und 
zu veranſchaulichen. Helios tft es, der, der Ausdrucksweiſe der äl— 
teſten Griechen zufolge, die Sonnenfugel jeden Morgen aus dem 
fernen Dften zur Höhe des Himmelszelts hinaufführt und jeden 
Abend im dunfelen Westen birgt. Cine derartige kindliche Auf- 
faſſungsweiſe geftattet Feine vorwißige Einrede und begnügt fi 
lange Zeit mit dem einfachen Begriff eines vernunftbegabten Wefens, 
welches mit der werfen Leitung diefes Phänomens betraut iſt. Exft 
allmählich traten andere Begriffe hinzu, und da man ſich mehr und 
mehr gewöhnte die Schnelligkeit und fichere Lenkung für ein Er 
gebniß der Wagenlenferfunft anzufehen, fo fehen wir ſpäter ven 
Gott mit Noffen den Himmel befahren. Daß er nach der Ver 
fihtedenheit der Jahreszeit feine Bahnen wechfele, wurde als em 
Beweis feiner einfichtsvollen Führung angefehen. Da er jeden 
Abend im Welten verfchwand und gleichwohl jeden anderen Morgen 
im Oſten wieder auftauchte, jo mußte auch dafür eine Erklärung 
ermittelt werden, die wenigſtens die Phantaſie befriedigen konnte. 
Stefihoros und Aefchylos Teihen ihm Daher einen von dem Hephä— 
ſtos gezimmerten Becher, in welchem er wie in einem Kahn die 
Wogen des Okeanos durchfchifft und fo zu den Tiefen der Nacht 
gelangt. Die Wiederkehr der Sonne, welche fie fih durd die Ku— 
gelumdrehung der Erde nicht veranfchaulichen Fonnten, wird auf 
diefe Weife indireet aber immer doch in dem Sinne einer kreisför— 
migen Bewegung vermittelt. 

Das Sinnbild des Soknnenwagens iſt nicht blos den Dich— 


200 zur Runfterflärung 


tern fehr oeläufig, fondern es kommt auch bereits auf Kunftwerfen 
der älteren ftrengeren Auffaffungsmweife nicht felten vor. Bald reich- 
ten die feuerfchnaubenden Roſſe, deren Pindar erwähnt, nicht mehr 
hin, den Begriff der Schnelligkeit zu unterftügen. Sie wurden ge- 
flügelt gedacht und gebildet. Namentlich die Vafengemälde mit 
rothen Figuren auf ſchwarzem Grund liefern fehr fchöne Darftellun> 
gen des auf der Duadriga den Himmel durcftürmenden Gottes. 
Er felbft fommt zwar nicht vor, wie er in dem Becher das Meer 
durchfchneidet, wohl aber treffen wir den Herakles in diefer Lage. 
Da ihm der Sonnengott diefen Gefäßnachen zum Geſchenk gemacht 
hatte, fo können wir wenigftens daraus abnehmen, wie fich die Al- 
ten diefes Bild gedacht haben. In dem Inneren einer Trinffchale 
fehen wir den Heraffes abgebildet, wie er in einem jener irdenen 
Weinfäffer, die eine halbrunde Form darbieten, auf den Wogen 
umbertreibt. 

Als die höchfte ethifche Eigenschaft des Helios wird vie Alfichtig- 
feit hervorgehoben. Seinen Blicken und feiner Kunde entgeht nichts, 
Namentlich bleibt ihm feine Schandthat, Fein Frevel verborgen, 
Er gewährt alles entweder felbft oder durch die ihm angehörigen 
Weſen. Götter find fo wenig wie Menfchen vor feinen fpähenden, 
alles durchdringenden Blicken fiber. Daher iſt er der Erzzeuge und 
als folher wird er namentlich bei Betheuerungen und feierlichen 
Eidſchwüren angerufen. 

Helios ift ferner ein Gott der Zeit, welche in feften unab- 
anderlichen Abjchnitten alles das zu Tage fürdert, was die Erde an 
Reichthumsſegen birgt. Dies wird durch das doppelte Bild veran- 
fhaulicht, welches ihn als Heerdengott darftellt. Die fünfzig Wo— 
chen, aus denen das Jahr fih zufammenfegt und von denen jede 
fieben Tage und ebenfoviel Nächte zählt, werden durch fünfzig Schaafe 
und ebenſoviel Rinder veranfchaulicht, die jedesmal eine Heerve bil- 
den. Solcher Heerden aber find fieben. Diefe Heerden find dem 
Werhfel, welchen Tod und Fruchtbarkeit herbeiführen, nicht unter- 
worfen. Niemals mehret fie Anwuchs, nie auch ſchwindet die Zahl. 
Dennoch aber find fie das Bild der üppigften Aruchtbarfeit der 
ſchönen Inſel Trinafria , auf welcher fie werden, Denn in dem 


und Mythologie. 201 


Weidevieh wird der Gehalt des Bodens zu einem höheren Leben 
erhoben. Diefes ift unwandelbar wie die fefte Eintheilung der Jah— 
reszeiten felbft, welche ſolche Güterfülle in ewiger Regelmäßigkeit 
zu bringen fcheinen. | 

Sinnvoll belebt wird dieſes Bild auch noch dadurch, daß 
zwei Töchter des Helios diefen heiligen Heerden zu Schuß beigege- 
ben find. Er bat fie mit der Neaera, der Göttin des Neujahrs, 
gezeugt, und ihre Namen fpielen auf die beiden großen Hälften des 
Sonnenjahrs an. Phaethuſa, die Hellfeuchtende , erinnert an den 
Glanz der Sommerglutb, während Lampetia mehr die ruhige Klar— 
heit eines herbftlichen Tages hervorhebt. Wir werden nicht irren, 
wenn wir der einen die Sommer- und der anderen die Wintertrif- 
ten zuweifen. Diefe werden bei einer anderen Gelegenheit, ale 
Tag- und Nachtweiden bezeichnet. Alle ſolche Borftellungen find 
höchſt zarter Natur und man muß fich daher hüten, die farbenreichen 
Bilder nicht voreilig zu zerflören. Man kann nicht oft genug 
daran erinnern, daß der Mythos fi in dem Ideenkreis der noch 
in jugendlicher Unbefangenheit fchwelgenden Menfchen bewegt. So— 
wie altkluge Kinder einen betrübenden Anblick darbieten, fo ıft auch 
andererfeits der poetifchen Cinfalt der naiven Weltanfhauung nichts 
fo verderblich als die unzeitige Anwendung eines trocdenen Ratio» 
nalismus, der nicht blos mit diefer Auffaffungswerfe in einem 
irrationalen Verhältniß ſteht, fondern auch jede rationelle Behand» 
lungsweife des Sagenftoffs geradezu unmöglich macht. 

Die Sonnenmacht aber nährt nicht blos Heerven groß. Auch 
alferlet verderbliche Kräfte weckt fie zum Leben und leiht ihnen Körper 
in der Fülle giftbauchender, aber mit Farbenpracht umfleiveter 
Pflanzen. Diefe Nachtfeite des üppigften Sonnenwaltens zu ſchil— 
dern, vermählt die Mythologie den Helios mit der Okeanide Perſe 
oder Perſeis, der Verderblichen. Diefe gebiert ihm die Kirfe, in 
deren Händen die Pflanzenſäfte zu mächtigen Zaubermitteln werden, 
mit denen fie ven Menfchen des Bewußtfeins zu berauben und in 
den Abgrund viebiiher Gelüfte hinabzuftoßen vermag, über welchen 
ihn die Vernunft kühn emporgetragen hatte. 

Aus devfelben Ehe tritt aber au ein Sohn Aeetes hervor, 


202 Zur Runfterflärung 


deſſen Name mit Sorge und Weh zufammenzuhängen fcheint. Die- 
fer vermählt fih mit der Okeanide Idyia, der Kundigen, welche 
ihm vie Medein, die Sinnende, gebiert. Wenn in der Kirfe die 
Kräuterkunde nur den verberblichen Zwerfen der Zauberei dient, fo 
ſehen wir fie unter den Händen der Medea fich zur Heilfünde um- 
geitalten. Sie lehrt Uebel heilen, welche diefelben Pflanzenfäfte, 
wenn fie in böfer Abficht oder unverftändig angewandt werden, 
Heroorrafen. Wenn wir den Aeetes als den Mann des Wehs fal- 
jen dürfen, dem fich die Fundige Idyia hülfreich beigefeltt, fo erhalten 
wir in ter Meden eine finnvolle Steigerung des Begriffs der vom 
Schmerz und der Klugheit erzeugten Wiſſenſchaft, welche fi ber 
der Erde durch Die Sonne abgewonnenen Heilfräfte mit ficherem 
Inſtinkt bemächtigt und ſinnvoll zur Anwendung der erworbenen 
Erfahrungen jchreitet. 

Selene, welche von Aefchylos das Auge der Nacht genannt wird, 
gleicht fih ihrem Bruder zwar in allem an umd ihr wird daher 
auch ein Wagen zuertheilt, allein in ver älteren Zeit ſcheint fie we— 
nig beachtet worden zu fein, da alle Elemente fehlten, welche ihre 
Sntfaltung ermöglichen könnten. Auf dem Fußgeſtell des Zeus zu 
Olympia war fie auf einem Pferd oder Mauleſel veitend dargeftellt, 
wodurch fie mit ihrem ſchnell dahinſtürmenden Bruder in einen be- 
merfenswertden Gegenfas geräth. Der Künftler hat dadurch offenbar 
das langſame Dahinwandeln hervorheben wollen. Auch bietet fie 
im Vergleich mit dem von vier feurigen NRoffen gezogenen Sonnen- 
wagen fo eine fehr bejcheidene Ericheinung dar. Damit ftimmt die 
Ausdrucksweiſe der fpäteren Runftwerfe überein, wo ihr Wagen nur 
mit zwei Roſſen befpannt zu fein pflegt, während Helios faft immer 
mit der Duadriga vorkömmt. 

Wenn man die Angaben aller fpateren Dichter zufammen- 
ftellen wollte, jo Tieße fich die Erfcheinung der Selene bunt aus- 
malen. Ueber das Wefen derfelben würden wir dadurch aber nicht 
weiter befehrt werden, Solche Phraſen Haben des Willführlichen 
zu viel als daß man fich ihnen vertrauen dürfte. Bevor man nicht 
zu einer gewiffen Sicherheit im der Auffaffung mythologiſcher Ge- 
falten gelangt ift, muß man fich ſehr hüten über den bunten Far- 





and Mythologie. 203 


benfehimmer, den das der mytholsgifchen Anſchauung bereits entrückte 
foatere Altertfum um diefe Geftalten zu verbreiten liebt, die ſchar— 
fen Umriſſe verfelben zu verlieren, Weſentlich ift es ſich zu erin- 
nern, daß fie als Jungfrau gefaßt wurde. Diefes reicht allein hir 
die Vereinfamung ihrer Erfcheinung zu erflären. Es werben ihr 
zwar Kinder beigelegt, ohne daß dieſelben jedoch jene mythologifche 
Leibhaftigkert gewonnen hätten, welche den Eltern höhere Bedeut- 
famfeit zu leihen im Stande iſt. Selb die Tochter, welde Al- 
fman ihr beifegt, die Erfa, der nächtliche Than, gewährt doch nur 
fehr ſchwache Beziehungen und im Allgemeinen muß man fich ge— 
fteben, daß diefe Geftaft zu Gunjten ihres Bruders in der Mytho- 
logie etwas verfümmert fteyen geblieben ift, was übrigens für die 
fonnenhafte Weltanſchauung des Griechenthums nicht ohne gewichtige 
Rückbeziehung ift. 

Um fo glänzender ıft dagegen die Entfaltung gewefen, welche 
Eos, die Göttin des Morgenroths, im griechifchen Mythus erhalten 
hat. Die Tageshelle der Hemera erfcheint in ihr zur faßbaren Licht- 
geftalt ausgebildet, Aehnlich wie wenn wir die Beftandtheile ver 
Erde in Pflanzen und thieriſche Organismen eintreten fehen, fehen 
wir hier das Licht felbft in eine höhere Weltordnung eintreten. Sie 
erfcheint mit Charakter angethan und bewegt fich ſeelenvoll einher. 
Dur die Leidenfchaftlichkeit ihres Weſens wird fie uns weit näher 
gebracht als felbft Helios. Wir fehen fie in Dichtung und Funft- 
verförperter Sage dramatiic auftreten. Die Liebe feiert in ihr zum 
eriten Mal wundergleiche Triumphe. Aber Feine Schattirung des 
Daſeinsſchmerzes wird ihr erfpart. Sie muß mit der Freude der 
Selbſtvollendung, welche allein die Vereinigung zweier Seelen ge- 
trennten Gefchlechts gewähren Fann, auch alles Weh irdiſcher Ver— 
gänglichfeit auf fich nehmen. 

Sie fteigt wie Helios jeden frühen Morgen aus dem Okeanos 
anf und lenkt ihr ftolzes Noffepaar den Himmelsbogen hinan. Auf 
Bafengemälven ver befferen Zeit ift ihr Wagen mit vier Roffen 
befpannt, deren feurigen Charafter ausdrucksvolle Namen hervorhe— 
ber. An Schnelligkeit übertrifft fie fein Weſen des Univerſums 
und ihr Bruder ſelbſt ſcheint umſonſt bemüht zu fein, ihr im Wett— 


204 Zur Runfterflärung 


rennen den Preis abzuringen. Dieſer ift in einem Vaſengemälde 
durch einen Dreifuß angedeutet, welchen fie als frohes Siegeszei- 
chen hinwegnimmt. Ihre Heberlegenheit verdanft fie nicht blos ihren 
edlen Roffen, fondern ganz befonders der Gewandheit, mit ver fie 
fie zu lenken verfteht. 

Wenn wir die Eos ſchon in diefem Bilde flüchtiger Tages- 
ftunden in voller Individualität auftreten fehen, fo werden wir mit 
ihrem Gemüthsleben doch erft durch die Beziehungen, in welche fie 
zu dem fittlihen Leben tritt, und die fich in Piebesfühnhert und 
Wechſelglück offenbaren, befannt. Bevor wir jedoch es wagen dür- 
jen ihr in jene höheren Regionen zu folgen, müffen wir nod einen 
Augenblick bei ihr als kosmiſcher Potenz verweilen. Als folche of— 
fenbart fie fi in der Berührung mit dem Sohn eines Titanen, 
wie wir gleich fehen werden. Cie läßt elementare Naturerfcheinun- 
gen ing Leben treten, die deutlich zeigen, daß es fich bet ihr nicht 
um eine froftige Allegorie handelt, fondern daß wir es mit dem be- 
grifflich verförperten Morgenroth zu thun haben, welches alle Crea- 
turen mit heifigem Staunen in jeder wiederfehrenden Morgenfrühe 
begrüßen. Solche Erinnerungen find wichtig, weil wir fonft in 
Gefahr gerathen die Geftaltungen der Mythologie für willkührlich 
erfundene Dichtungen zu nehmen, die im beiten Falle die Natur- 
erfcheinungen wie der Epheu einen fihlanfen Baunftamm umranfen 
und ihn in Teidenfchaftlicher Liebe wohl auch erſticken könnten. 
Die mytbenbildende Kraft der hellenifchen Phantafie dringt, wo fie 
fih urfprünglich thätig zeigt, ganz fo wie der echte philoſophiſche 
Begriff in das Wefen der Dinge tief ein und weckt das Leben, wel- 
ches im rohen Alltagsleben zu verfiegen droht. 

Das fieghafte Auftreten der mächtig beichwingten Lichtgöt— 
tin drohte gleichfam das ganze Dafein für fih allein in Beſitz zu 
nehmen. Hätte fie das Schickſal frei walten laffen, fo würde ewi- 
ger Frühling fie umgeben haben. Dies drückt die Sage durch den 
Raub des in wunderbarer Schönheit prangenden Orion aus, beffen 
Name mit dem der Horen, der Göttinnen der Sahreszeiten, ſich ir 
gendwie zu berühren fcheint. Sie entführte ıhm nach Delos, wo 
Apollo als Sonnengott eine worziigliche Verehrung genoß. Da 





und Mythologie. 205 


tritt ihr aber Artemis mißgünftig und feindfelig entgegen und ent- 
wendet ihr den füßen Raub. Artemis bietet in einer höheren Ent- 
wiefelung den Begriff der Mondgöttin und der winterlihen Nacht- 
feite der Natur dar. Wir fehen fie daher mehr als einmal der 
Göttin des Frühlichts und des Frühlings neidisch entgegentreten und 
ihr das theure Pfand mit Falter Lervenfchaft entreißen, was fie für 
immer zu befisen meinte. Sie weiß Drion mit den Lerdenfchaften 
des alternden Lebens, mit Jagdluſt und Weinbegier zu erfüllen und 
er unterliegt dem Schickſal aller Sterblichen, dem der Gott ſchmer— 
zenlindernder Weisheit ihn vergebens zu entreißen fucht. Jugend 
und Unfhuld fehren nie zurüd und ftürmen unaufbaltfam dem Tod 
in die Arme, wenn fie die Grenzen der Kindheit überfchritten und 
aus dem Frühlicht friedficher Beleuchtung des Dafeins in die 
Sonnenpracht des Lebens hinausgetreten find. 

Der glorreiche Augenblick, in welchem Eos in der Frühe aus dem 
nächtlichen Dunkel hervorbricht und zuerft die Spigen ver höchften 
Berge vergoldet, ift eine fo ergreifende Erfcheinung, daß die Phan- 
tafie der Griechen fich nothiwendig veranlaßt fühlen mußte, derfelben 
einen mythologiihen Begriff abzugewinnen und ihr Teibhaftiges We— 
fen zu leihen. Auf dem Gipfel des Hymettos ereilt fie den Kepha— 
los, deſſen Name auf das Haupt der Berge faßlich genug anfpielt, 
und entführt ihn nach dem fernften Dften, was die Sage dadurd) 
ausdrückt, daß fie ihn nach Syrien mit ihr verfegt. Er wurde als 
rüftiger Jäger gedacht und dargeftellt. Auch vies iſt bezeichnend, 
da den Waldmann die Göttin des Morgenroths täglich in Ahnlicher 
Weife überraſcht. Sie zeugt mit ihm in feliger Liebesgemeinſchaft 
den Phaethon, den Lichtglanz, welcher von dem Oſten fich über die ganze 
Erde verbreitet, nachdem Eos den Scheitel des Hymettos gefüßt hat. 

Aber auch diefes Liebesglüf war nur von Furzer Dauer, 
Diesmal wiederum fehen wir die Göttin winterlichen Kaltfinns, die 
Artemis feindlich zwifchen beide treten. Ste rüftet die frühere Ge— 
liebte des Kephalos mit Hund und Jagdſpeer aus, welche feine 
Blicke auf die verlaffene Schöne zurücklenken. Diefe folgt ihm voll 
Eiferfucht und verborgener Liebesgluth auf der Jagd nach und wird 
son ihm, da er ihr Geräuſch für das eines vom Bett auffleigenden 


206 Zur Runftertlärung 


Wilds Hält, erfchoffen, Profris wird die Unglüdliche von der Sage 
genannt, weil vorfchnelfes Urtheilihr tragiiches Ende verurfacht, Voreilig 
war ihre Eiferſucht gewejen und vorfchnelf fein unvorfichtiges Beginnen. 

Dbwohl alle die Mythen von der Liebesfühnheit der Eos 
an fehr verfchiedenen Orten und von einander unabhängig entftanden 
waren, jo ftellen fie doch, theils zufällig, theils durch geſchickte Sa- 
genverfnüpfung, ein Syſtem der Keblichften und_finnvoflften Verhält- 
niffe dar, in denen wir die Schickſale der Seele in einer bedentfamen 
Stufenfolge geſchildert ſehen. Auch des Tithonos bemächtigt fich die 
Göttin des Frühroths durch Raub. Er wird nicht als ein Zögling 
der Paläftra, fondern als ein Liebling der Mufen dargeftellt, Auf 
Bafengemälden, die den Kephalos mit Speer bewaffnet zeigen, er— 
fheint er mit der Leier.. Sein Name auch deutet auf einen zarte- 
ren Pflegling hin. Mit ihm erzeugt fie den Memnon, den Bleiben- 
den, und den Emathion, in welchem ſich der Tag felbft anfündigt. 
Beide find nicht flüchtige Exrfcheinungen wie Phaethon. Aber wäh- 
rend diefer als ein echt poetiſches Weſen von der Aphrodite in ihr 
Inſelheiligthum entrüct wird, fehen wir den Tithonos zwar der 
Gaben eines endelofen Lebens theilhaftig werden, aber, der Reize 
der Jugend verluftig, der fonft fo Liebesfroben Göttin ſelbſt zur 
Laft fallen. Wenn im Glanz des Morgenrothes taufendflimmiger 
Bogelgefang ewige Freude verfündet hatte, fo ſchweigen um Mittag 
Haide und Haine, und wenn der Abend naht Laßt fi) nur das 
Zirpen der Cicaden noch vernehmen, welches endlos aber auch 
freudelos ift wie die Liebesgemeinfchaft der Eos und des zum Greis 
erftarrten Tithonos. Sp ift die Flüchtigfeit Des poetiſchen Lebens 
durch die kurze Dauer der Gaben der Mufen, weldhe den Menfchen 
felten über die Wetterfcheide der Lebensmitte hinaus begleiten, auf— 
gewogen. Das ausdrudsyolle Bild des feines harmonischen Klan- 
ges, feiner buntfarbigen Schwingungen eutffeideten Gefanges, wel- 
ches das Heimchen bot, iſt Beranlaffung gewefen, daß man nachmals 
den Tithonos in dieſes, die Stile des hauslichen Lebens verfinnli- 
hende Thierchen verwandelt glaubte, 

Wenn die Alten den frühen Tod eines fih durch Schön» 
heit oder Gabenfülle als ruhmreich anfündigenden Jünglings 


* 








und Mythologie, 207 


verberrlichen wollten, pflegten fie von ihm zu fagen, es habe ihn 
die Göttin des Frühroths der Erde entrückt und ftellten ihn bald 
unter dem Bilde des Kephalos, bald unter dem des Tithonos dar, 
welchen Teßteren die Göttin in zarten Armen wie ein Kind hinweg 
trägt. Aber die Mythologie hatte dafür auch allgemeimen Aus- 
druck und berichtet vom Kleitos, den Berühmten, daß ihn die hofp- 
entbrennende Eos feiner Schönheit halber zum Sitz der unfterblichen 
Götter entrüct habe, 
Rom, E. Braun. 


Heber die Perfer des Aeſchylos. 


Für die Kritik des Aeſchylos ift längſt der mebiceifche Co— 
der als die Grundlage anerfannt, der für die Perfer, Septem und 
Prometheus, wenn auch nicht, wie für die Oreftie, die einzige, 
doch die Hauptquelfe ift. Ich habe ihn daher vor zwer Jahren 
nochmals verglichen, und feineswegs eine neue Collation überflüf- 
fig gefunden, zumal da man über viele Steffen bisher im Un- 
gewiffen war, auch die Feine und zum Theil verblichene und refert- 
biete Schrift des Codex manches hatte überfehen laſſen, namentlich 
aber auf die zahlreichen Nafuren und vie verfchiedenen Hände der 
Befferer fo gut wie gar Feine Nücficht genommen war. Um ein 
Beifpiel zu geben, fo fteht Pers. 455 von erfter Hand ganz deutlich x020- 
zonovor, ſpäter ift mit blafferer Tinte, al$ die der der erften Hand 
oder der Scholien, an das o ein Strichlein angefügt um © daraus zu ma= 
chen, aber fo, daß man, auch abgefehen von der Farbe der Tinte, 
die ſpätere Aenderung erkennt, Sept. 901 hat ver Med. dalöpgo» 
nicht daipowv, wie man fonft angemerkt findet. Es ift das o faft 
verblihen, aber bei genauer Betrachtung noch erfennbar. Auch 
fieht der Accent nicht uber L, fondern über dieſem verblichenen 
Buchftaben. 

Bei einer umfaffenden Kritif der Perfer würden auch die ans 
dern Handfchriften berückfichtigt werden müſſen; ich werde mich aber 
in diefem Artifel auf den Med., vie Hauptquelle und Grundlage 
unferer dipfomatifchen Kritik, befchranfen. Cine nicht unbeträchtliche 
Zahl von Stellen wird durch die Aufnahme der vom Med. gebote- 
nen Lesarten geheilt, in andern führen die überlieferten Lesarten 
deffelben auf eine eben fo Teichte als fichere Verbefferung. Cben- 
falls wird man über den Dialeft und Sprachgebraud) der Tragifer 











Leber die Perfer des Aeſchylos. 209 


feine fiheren Normen aufitellen können, bevor man die äftefte hand- 
jchriftliche Ueberkieferung genau berücfichtigt und nach den gewon— 
nenen Geſichtspunkten den Tert berichtigt haben wird. Manches, was 
jebt als epische Form und Redeweiſe verworfen wird, muß als all- 
gemeim poetiſche Form und Gebrauch feine Stelle wiederfinden, 
Andererfeits wird attifchen Formen ihr Recht wieder gegen die ſpä— 
ter üblichen eingeräumt werden. So hat man 3. DB. Prom. 120 
und 648 die vom Med. und ven meiften Codd. überlieferten For— 
men Elooıyrsvcıv und nwreVuerar für Correetur eines Gramma— 
tifers oder Schreibers gehalten und dafür Die attifchen Formen 
elooıyrodoıy und nwrounerar herſtellen zu müffen geglaubt, 
Freilich find die Tragifer im Trimeter und Tetrameter dem atti- 
hen Dialeft und Sprachgebrauch gefolgt. Daneben iſt aber auch 
nicht felten die Anwendung epifcher oder ionifcher Formen, 3. B. 
KoVvog, 11E0005, um verſchiedene Sylbenmeſſung zu gewinnen, fowie 
epiſcher Nedewerfen. Beides find Thatfachen, und es bedarf hier 
der richtigen Erklärung. Sp wie es Formen und Nedeweifen giebt, 
die als Eigenthum der Epifer gänzlich der Sprache der Tragifer 
fremd find, fo giebt e8 andere vom Homer auf alfe Dichtgattungen 
und Dichter übergegangene, die mithin Gemeingut aller Dichter und 
folglich nicht mehr epifhe, fondern poetifche zu nennen find. 
Lestere find allerdings dem Attieismus fremd, und bei Dichtern, 
die reines Attifch geben, 3. B. Ariftophanes, findet fih feine Spur 
davon, wohl aber bei den Tragifern. Und das unterfcheidet die ge— 
hobene Sprache der Tragifer von der attiſchen Profa und der Vul— 
gärfprache des Ariftophanes. Um das Gefagte durch ein Beiſpiel 
zu erläutern. Homer gebraucht die Partifel wore ſowohl in Gleich— 
niffen (worte Yeor, wore naldec) als in Nedeweifen wie wore 
dizaroy, wore ovungenes. Beides verfchmähen die Attifer, und 
Ariftophanes fagt daher woneo. Die Tragifer meiden auch den 
festeren Gebrauch, und ſagen nie wore dizarov ') ftatt 5 dizarov 
der @g zo dizarov, aber in wirklichen Gfleichniffen und Verglei— 
chen häufig BoTE Avzog, worte #0gaxEI. Es iſt diefes alſo ein 
1) Sept. 13 beruht die Vulgata wore ovungenes auf bloßer Con— 
jeftur. 
Muſ. f. Philol. N. J. VII. 14 


210 Neber die Berfer 


poetifher Gebrauch und, um auf obige Beifpiele zurückzukom— 
men, es find eiooıyveiv und nwrelodaı ypoetifhe Worte; daher 
werden auch die poetifchen Formen, Die auch in den beften Hand- 
fehriften ung überliefert find, herzuftellen fein, namlih elo oıyrev- 
oıv und nwhevuevaı. Ebenſo beurtheile man Sept. 78 Josv- 
per. Hat man doc) in jüngfter Zeit Pers. 167 yeveode Ilegoaı 
ynoakta nıorwuara, and 309 ausdwv zgWra nogpvoea Pagn 
nicht die Form yr7oukEa und nogpvoge&g gelten laſſen und 
flatt deren nogpvoz und Yngaka ändern zu müſſen geglaubt um 
dem Attrieismus zu genügen. Mit Nichten. Man wird nach dem 
oben Bemerkten die handichriftliche Ueberlieferung nicht andern, und 
die gehobene, poetiſche Sprache nicht ihrer poetifchen Form entkfei- 
den. Mit Necht haben neuere Herausgeber ſchon aus dem Med, 
mandes in diefer Rückſicht hergeftellt 3. B. Prom. 53 eAtvvorr« 
flatt EAıvvvVovza, 833 und 280 Iazog ftatt Yorog, 355 yau- 
yaraloı ftatt yauparnoı, 494 zvion ftatt zvioon 514 ’Eoıwveg 
ftatt ’Eowwvves, Sept. 427 Eönzaouevov ftatt Efeızaouevov, Ag. 
94 yoluaros ftatt zorsuarog und Anderes der Art, Es Teuchtet 
ein, wie wichtig für dieſe ganze Frage, den Dialeft der Tragiker 
in feinem Verhältniß zu den übrigen richtig zu beſtimmen, eine ge— 
naue Beachtung der älteften Handfchriften iſt. In unferer Tra- 
gödie wird man in diefer Hinfiht aus dem Med. zu reftituiren 
haben, Pers. 86 Aon ftatt "Aonv, 389 zehevunrog ſtatt 
ze)evouaros, fowie 417 und 691 doavuuocıv und zAavuu- 
zov, 476 und 483 duyn ftatt diwer, 684 mazıornoa ftatt 
uaxsornoe, 709 zAnomı ftatt zAslouı, 731 1009, 903 alarn 
ftatt alavıv, 409 Epoaouovwg ftatt dpoaduovons (cf. Ag. 
290, 1401. 

Ich will nun zuerft eine Anzahl von Stellen geben, die durch 
Aufnahme der vom Med. gebotenen Lesarten hergeftellt werben. 
B. 55 dewals Baoıkews Uno mounals ftatt ünonounais; 
DB. 114 zavra uov uehayylıwv Ponv duvocereı pößıw ftatt 
wo; V. 119 zul To Kıooılmv noktow ftatt Kiooıvov, deſſen 
Unrichtigkeit Blomfield und Dindorf überzeugend nachgewiefen haben; 
V. 215 airov zWvd’ dnorgonyv tekeiv ſtatt Amßeiv, welches 





des Aeſchylos. 211 


dem Sinne diefer Stelle weit weniger angemeffen ift, und deutlich 
die Hand des Erflärers verräth; V. 278 Irvyvei y’ Ayavaı 
daloug ftatt d’ ... . daoıs; letzteres ift Conjektur, und erfteres 
paßt nicht zu dem in der Strophe ausgefprochenen Gedanken, wie 
unten gezeigt werben wird; V. 289 zıra dE zal nevdnoousv ToV 
@gyerk.iov flatt aoyerawv welches nichts als Correctur iſt. 
Denn wenn auch Asa die Beute bezeichnet, fo kann dies feinen 
Anftoß geben. Die Beute beftand ja bei den Alten meiftens in 
fortgetriebenen Heerden, nichts ift aber häufiger als der Vergleich 
der Kriegsfihaaren mit einer Heerde, und daher apyelsıoı als 
Heerführer ganz gerechtfertigt. Ebenfo ift V. 290 avaozyo» 
tasıv 7oruov Savoy nur Correetur, der das handſchriftliche av a »- 
doov auch dem Gedanfen nach (man denfe nur nicht an Eunuchen) 
vorzuziehen iſt. Ferner fchreibe man V. 295 Iuinrvıov ftatt Iı- 
Ayviov V. 858 veov oripog uEv Ev ororlyoıs roioıv ftatt ori- 
zus, 388 eV Hug ſtatt Eneıra, 301 edraxıog ftatt ev- 
taxrov, Ebenfalls V. 431 entfcheidet die handſchriftliche Auctorität 
für eloygas und dvoxAesorarm uoomw flatt oixrows und 
JvorvzEoTarm noTum. 
V. 452 noAAa EV yao &4 JE0Wv 

m&TgOLCıV NE«O00VT0, To&ıRng T’ ano 

Iowwıyyog lot 2. T. 4. 
ftatt ro&ırng Ö’ ano, 
Berfteht man unter 79a0oovro „getroffene Perſer“ und Epooum- 
JEvres „anftürmende Athener“, fo hat weder ev eine Beziehung, 
noch kommt ein vernünftiges Sachverhältniß heraus. Beides wird 
aber durch die Pesart des Med. (7) gegeben; die Athener find ge— 
meint, fie umftellen die ganze Inſel Pfyttaleia, fo daß die Perfer 
feinen Ausweg zum Entkommen hatten. Anfangs wurden freilich 
viefe von den Steinen und Pfeilen der Perſer getroffen, zuletzt aber 
ftürmten die Athener heran und vernichteten Alles. V. 472 giebt 
Med. vawv JE zayor ftatt ye, und gewiß richtig, denn Häufig dient 
die Vartifel de zur Anreihung einer durch eine Frage unterbroche- 
nen Rede und Erzählung, ein Gebrauch den Hermann ad Vig. p. 
343 erläutert, V. 480 Ayuuldog ftatt Ayaldog, weldhe Form 


212 Ueber die Perfer 


der Med, auch Sept. 23 uns erhalten hat; ebenfalls giebt der Med. 
Ag. 178 und Fl. und Farn. 610 Adyarızög ftatt "Ayuinog, 
was daher auch an diefen beiden Stellen berzuftellen iſt. Mean 
bat V. 508 Evijkkov oder Ernko geſchrieben; und allerdings ift 
das Imperf. oder Aor. I von diefem Verb das übliche. Da indeß 
der Aor. II von aAreoIaı ſicher ſteht Eum 346 uaha yao ovv 
Eroueva , und vie handfchriftliche Ueberlieferung Ev nA ov ift, fo 
wird man diefe Lesart nicht anzutaften haben. Schon Brunck ver- 
muthete V. 527 Ayßararov ftatt Erßaravor, und neuere 
Herausgeber haben die Nichtigkeit Diefer Schreibart nachgewiefen. 
Sie ift beftätigt durch den Med. der allein bier diefe Form erhalten 
bat. Daffelte gilt B. 531 von dıauvdareoıg ftatt din uv- 
Öareoıs. In den folgenden Berfen 553-537 ift aus Mifver- 
ſtändniß, weil man den einen Partieipialfag einem andern Particı- 
pialfase nicht unterorönen zu können glaubte — und doch ift dieſes 
gar nicht felten, da der Gedanfe tes einen dem andern fubjungirt 
ift — ein re eingefchoben. Der Med. hat die Partifel nicht, und 
die Rede gewinnt an Kraft, wenn man die Stelle ſo fehreibt: 

al d’ «ßooyooı Ileooideg avdgwv 

nogeovoaı Ldeiv agrılvyiar, 

hEztowv evvag aßgoyırwvag 

yhıdayns Hrsg TEowıv apeloaı, 

nev30VoL %. T. 4. 
„die Perſerinnen ſehnſuchtsvoll nad ihren jungen Gatten verlan- 
„gend, indem fie ver Ehe Luft einbüßten, fie Magen nun.‘ 

Neuere Herausgeber haben B. 477 ein re eingefchoben, um 
ein dem Ev re Botwrov yYorı entfprechendes Glied zu gewinnen, 
Eine außerlihe Coneinnität ıft hiedurch, und auch fo kaum erreicht, 
da das dıerznegwuev Te dem Ev ve Boiwrov yYori nicht genau 
correſpondirt; was aber den Gedanken anlangt, fo ift diefer viel- 
mehr dadurch entftellt. Streng logiſch gegliedert hätte die Rede 
fo Tauten folfen: das Landheer ward faft ganz aufgerieben, theils 
in Böotien, theils in Theffalien, theils in Macedonien und zwar 
durch Durft oder Hunger und Durft oder durch Ertrinfen im Fluſſe. 
Indem der Dichter aber neben jedem Local auch die Art des 





des Aeſchylos. 213 


Todes anzugeben hatte, fo würde bei obiger Claffifiention eine un— 
erträgliche Steifheit, ja wenn die Landfchaften zwifchen Böotien 
und Macedonien aufzuzählen waren, eine unnatürliche Länge ver 
Periode entfianden fein. Daher varsirte der Dichter in der Form, 
wie der Inhalt und Fortgang des Gedanfens e8 erforderte. Weil 
er die Landfchaften zwifchen Böotien und Theffalten, die zu durch» 
Wandern waren, zu nennen hatte, Tief er nicht gleich dem &v ze 
Bowwrov y3ori ein Ev re Osooaiov nedm folgen, vielmehr ins 
dem er die Art des Todes der in Böotien Umgekommenen angab 
(vor Durft verfhmachtend), Teitet er son da gleich über auf die, 
die bier den Tod überftanden, freilich ſchon erſchöpft weiter gelang- 
ten, und dann in Theffalien ihren Tod fanden. Daß die Rede 
auf diefe Werfe etwas Anakoluthiſches enthalt ift Far, aber gerade 
diefes verfannte man, wodurch und weshalb hier das Anakoluthon 
motivirt iſt. Wir werden daher auch hier die Lesart des Med. 
berzuftelfen haben: 
oroarog Ö’ Ö Anınog Ev re Boiwrwv yıovi 
HLWAArvI? 01 Ev aup! zonvalov yavog 
din novorvres, oi Ö’ Ün’ aosuarog xevor 
dıeznegwuev & Te Dozeov yIoVa@ 2. T. A. 
V. 617 lautet die Anrede des Chors an die Atoffa nach dem Med. ſo: 
oV Ts neune yoas Sahauovs uno yac 
Husis 9 vwors altnoousda 
pYıusvov nounovg 
EvpooVvag Elvar zara yalac. 
und diefes ift der Vulgata zueis d’ und yadav vorzuziehen, erſte— 
res, weil es den Sabbau gefälliger macht, Tebteres weil es dem 
Gedanfen angemeffener iſt. Den von der Atoffa geforderten 200g 
Iahauovs Üno yns entfpricht von Seiten des Chors noumovg 
svpoovaz zara yalas, ahnlich wie es V. 675 heißt: ol xarı 
yI0v05 Yeol. ES kann V. 671 Darius wohl fagen (nach der 
Bulgata): yoas dE ngevuereis EdeSaunv, indeß wie viel Fräftiger 
der Gedanfe wird, wenn man mit dem Med. lieſt: 
ypag dE nosvuerng Edekaumv 
feuchtet jedem ein. Auch B. 657 wird die Lesart des Med. 


214 Ueber die Perfer 


vsorala yao non xara no’ Ohwkev 
ohne Zweifel das vechte, und y75, ynv ftatt zo’ für nichts als 
Eorrectur zu halten fein, um das fonft nicht gebräuchliche zaroi- 
Avuı zu umgehen. Aber es feheint gerade mit Abficht ein fo ftar- 
fer Ausdruck gewählt zu fein ‚gänzlich zu Grunde gerichtet wer: 
den’, um mit befonderem Nachdruck den völligen Untergang ver 


ganzen Jugend zu ſchildernr. V. 696 ff. ift der Perivdenbau viel - 


eoneinner, wenn wir mit dem Med. Yefen: 
os Eug 7’ Ehevooeg avyag jAov IyAwrog wv 
Piorov evalora Ilegouıg ws eds dınyayes, 
vov TE 08 Inka Yavovra, ngiv zaxav idelv Bagos- 
flatt ws Eos EAevoasz denn num entfpricht Ewg ze dem vov ze, 
wodurch der Gedanke in fich vollfommen abgerundet fo lautet: „glück— 
„Selig du, Darios, denn einerfeits fo lange du der Sonne Strahl 
„erblickteſt, führteft du ein beneivenswerth glückliches Leben, andes 
„rerſeits muß ich dich auch jest beneiden, daß du, ehe du dieſes 
„Elend fchauteft, geftorben biſt“. Und gleich darauf giebt der Med. 
V. 699 fo: 
navra yao Angel’ axovosı uvIov Ev Pgayel yoovw 
dionenoosntaı Ta Ilegowv nouyuad” wg einelv Enog. 
weit gewählter, als die Bulgata Adyw, das wegen des folgenden 
wg einslv Enog minder paffend if. Der handſchriftlichen Autori- 
tät gemäß iſt V. 702 ftatt der Bulgata deepdaorar zu fihreiben: 
ovdaums ar” aup "Adıyvag nas zatepdagraı orgarog, 
wie es in gleicher Beziehung fich findet V. 247, 337, 715. Und 
aus demſelben Grunde V. 726: 
Zeig ün&ounwev 1ekevrnv Heoparov 
flatt encounwer. 
Hieher gehört auch V. 726: 

&yo de nov 
dia uarxo0® yoovov rad’ muyovy Extekevrnoeıny Heovc 
denn auch bier ift die Vulgata Erreievryon: an fi) ganz gut und 
richtig. Das verderbte oore und maong der Berfe 748 und 749 

ändere man ſo: 


er 7 J J 2 2 
ES ovye rıumv Zevg avas νο wnaoer, 





des Aeſchylos. 215 


ev ardo’ anaong ’Aoldog umkoroopov 
Tayeiv, %. T. 4. 
erfteres, um der Nede ihre Eleganz zu geben, Teiteres nach dent 
Med., um den Begriff, auf dem der Nachdruck liegt „ganz Aſien“ 
auch hervorzuheben. Weit gewählter iſt V. 781 zoı Aezrov 
wooVusv oroAov als zul Aszıov, was fich offenbar als Befferung 
eines Orammatifers verräth. V. 871 Tieft man vor Ö’ or’z au- 
pyıßolms Feorgsnta ade peoouev. Der Med. giebt @u- 
yırRoyms un Feonoenra, ein Wort, das fonft freilich nicht 
vorkommt, aber ganz richtig gebildet ift (raumoenros, sungentog), 
und deshalb in dieſer Nückficht gefichert. Dem Begriffe nach ift es 
aber ganz angemeffen, und Daher werden wir auch diefes Wort wie 
manche andere felten oder gar nicht übliche, die man bisher aus dem 
Terte verdrangt hat, den Aeſchylos vindieiren müffen. V. 923 
wert das Metrum auf ein Verderbniß hin; bier hat der Med. 
alfein das rechte ung aufbewahrt, oAoovg anehsınor. Noch 
mag dreier Stelfen Erwähnung gefchehen, wo Dindorf mit Unrecht 
die Lesarten des Med. verworfen hat. Erſtens, V. 737 un noAvg 
n)ovrov movos, Dindorf lieſt 26006. Es find ja die mit Mühe 
und Arbeit gefammelten Schäge, deren fchnelfen und ſchmählichen 
Berluft nun Darius befürchtet. Ebenfalls V. 802: 
Teoog yao Eormı nEhavog aluaToopayng 
ng05 yn Illatuıwv 

wo Dindorf die v. 1. zweier Handfhriften eiuaroorayns auf 
genommen hat, an fich weder falfch noch unpaffend für den Sinn. 
Da aber nelavog aluaroopayns fehr gut „die bfutige Niederlage 
bei Plataiai““ bezeichnet (Eurip. El. 92%, 281 heißt es ähnlich alu 
opabsıv und Agam. 1632 aluaros opayn), und fänmtliche 
Handfchriften aiuınroopayns geben, fo muß man auch diefe hand» 
fohriftlihe Lesart beibehalten. Endlich V. 827 Hat Dindorf 
Pauw's Conjectur Yvyn» dudorres Hdovn dem handfchriftlichen 
wuyn Jıdövres ndoyyv vorgezogen, was aber dem Sinne nach 
minder paffend if. Darius fann doch fchwerlich den Chor auffor- 
dern feinen Sinn ganz der Freude hinzugeben. Hingegen die Les— 
art der Hampfchriften, fo interpungirt: 


216 Leber die Perfer 


Ev zaxols Oumg 

wuyn dıdovres ndovnv za9°” nusgan, 
„wenn auch im Unglück, dennoch der Seele Freude gewährend« giebt 
einen dem Zufammenhange fehr angemeffenen Gedanken. Es iſt 
nämlich 2v xarois Öuog zum Folgenden zu ziehen. An andern 
Stelfen kann man nicht mit gleicher Entfchiedenheit und Nothwen- 
digkeit darthun, daß die Lesart des Med, das allein vechte fei. So 
beißt es z. B. 

V. 625 fg. 7 0’ alsı woı uazagiras loodatımv Bacıkevg 

Baoßaoa oapnvn 

iEvrog ... Payuara 
Hier haben alfe Codd. außer Med. wov, welches vollkommen richtig 
und gut ift, und man Fünnte daher fagen woı fey ein Schreibfeh— 
Ver. Andererfeits laßt ſich nicht in Abrede ftellen, daß der foge- 
nannte ethifche Dativgebrauch zu. bier ganz ſchicklich iſt, daß 
nach diefem wor alsvann ivrog Buyuara folgen zu laffen gut grie- 
chifch fey, und daß 400 mehr nah einer Correctur ausfieht, als 
wor. Don folchen Correeturen hat fi der Med. faft ganz frei er- 
halten, und fo Halte ich auch hier or für das ursprüngliche, Aehn— 
lich V. 364: 

Too@ür Eheke zaoI Un’ evVFUuov MoEVOG. 

Die Lesart einiger Handfihriften vn’ EzIuuov ift ganz verftändfich, 
aber auch Un’ eudvuov (nach) dem Med.) iſt fehr paſſend, fo daß 
der Bote, nachdem er die Befehle des durch die Griechen irre ges 
Yeiteten Kerxes mitgetheilt „wie alle Griechen durch feine Anord— 
nung nun follten vernichtet oder gefangen werden“ alsdann hinzu— 
fügt: fo ſprach er nur gar zu wohlgemuthen Sinn's, denn nicht 
ahnete er, was die Götter über ihn verhängt. Die bandfchriftliche 
Auctorität forscht für diefe Lesart; Hiezu kommt, dag das UneosV- 
wov anderer Handfchriften eher auf vn’ euduuov als auf un’ 
exIvuov führt wegen der Achnlichfeit der Buchftaben T und PM). 


1) Nicht zu billigen ift es, daß man auch in folgenden Stellen dem 
Med. folgte: B.498 EÜrvyei de Toı Öorıs Tdyıora wein aneognsev 
Biov. Das euruyns de rot ift weit eleganter. Dver ®. 695 & Poo- 
TOP Nüyıwv UnEVogwv ÖlBov EbrvyH noTuoy (für edrvgei nörum), 


was eine fehr gezwungene und gefehranbte Structur gäbe. Und DB. 706 





des Aeſchylos. 217 


Jetzt mögen einige Beifpiele folgen, Me nach Anleitung der 
vom Med. gebotenen Lesarten Leicht geheift werden. DB. 329 giebt 
die Vulgata Turnebus’ Conjectur: 

nAngovg usv av 0up1o9 Exarı Bagßaoovg 
vavoliv 20RTHOUL. 
Einen Sas mit av erträgt der Sinn diefer Stelle nicht, da der 
Zufammenhang folgenden Gedanfen erfordert: „was die Zahl ver 
Schiffe anlangt, fo war freilich der Sieg auf Seiten der Barbaren, 
aber anders verhängte Die Gottheit”. Auch fehlt in einigen Codd. 
av, in andern ftcht 79; alle Handfihriften geben aber Baopaowr. 
Es ſteckt alfo der Fehler in av. Erinnert man fih nun der häufi— 
gen Verwechfelung von A und ZI, fo lautet die Stelle: 
n\ndovs uev nv oup’ 109 Exarı Baoßaowv 
vavolv 20017001 
und dies giebt den vom Zufammenhang geforderten Sinn. Auch) 
V. 326 ift Turnebus’ Conſectur 70009 rı nAndog beibehalten, Die 
Pesart des Med. nooov führt auf das rechte: 
no0ov O mAndos nv ven» "Eiinvidwv. 
Puttmann erfannte, daß in dem deroun: B. 686 nicht deoumı 
(die Vulgata feit Pauw cf. Herm. ad Vig. p. 845) fondern dro- 
gar, und Hermann, daß V. 780 in vneonwrovg dag rechte Wort 
Uneognorrkovs (die Vulgata iſt Unegxounovg) enthalten ſei. 

Die Bulgata V. 768 beruht auf Conjeetur, und enthält dazu 
einen metrifchen Fehler. Beachtet man aber die Schreibart des 
Med. nais veos ewv ven gooved, ſo wird man Meineckes Ver— 
befferung feine Zuftimmung nicht verfagen: 

Begöng 0’ Euds nuls Eveos @v Evea poorel. 
8. 954 genügt weder die Bulgata aAlo Tı, nod die Lesart des 
Med. aAdo ya dem Metrum; ver Chor wünſcht aber über mehre 
Auskunft von Terxes; daher leſe man: zur umv aAAkovg ye 
nodovuer. V. 529 hat ver Med. allein die ber Herodot am beften 


dınkouy uerwnov mv dvoivy OToaınkaroıy. Nach meinem Gefühl 
würde es befremden hier die beiden Führer der Sande und Seemacht zu 
nennen, da darauf nichts anfam, und Xerres doch immer als das Haupt 
der ganzen Unternehmung erjcheint. Daher fcheint mir hier oroaıev- 
UE@Toe» pafjend, und jenes aus dem Loroerzidısı ®, 703 entitanden, 


218 Ueber die Berfer 


bezeugte, und auch von Stephanos Byz. beglaubigte Form AyBa- 
rava, V. 920 fteht fie in faft allen Handſchriften; man wird da— 
ber auch fein Bedenfen tragen dürfen fie an der dritten Gtelle 
V. 16 zu reſtituiren: 

oite ro Iovowv nd’ Ayßatuvwv. 
Nicht anders verhält es fih mit der Stadt der Kiffter. Die von 
Herodot, Strabo, Heſych, Suidas und Aeſchylos (Chocph. V. 417) 
bezeugte Form Kcootoç hat ung der Med, auch V. 119 erhalten. 
Demnach ſchreibe man auch V. 17: 

zal To nuhaıov Kıooıov Eoxog 
8.245 fcheint @ yas dndons Acıadog nicht falfch zu fein, da 
Aeſchylos oben in den Anapäften und auch V. 576 Aora mit Fur- 
zer erfter und zweiter Sylbe gebraucht. Aber bei näherer Betrach- 
tung der Stellen iſt es ſubſtantiviſch, und weil es dem Metrum 
angemeffen war, in anapaftiichen und lyriſchen Syftemen angewandt. 
Hingegen im Trimeter, als Adjektiv ift die Form "For die übli- 
che. Dieſe findet fih in der ganz Ahnlichen Stelle V. 749 &v’ 
ande’ unaong "Aoıdos, V. 262 yas an’ "Aocıdos, das Metrum 
erfordert fie V. 541 yal’ ’Aois. Demnach wird auch hier zu 
fchreiben fein: 

w yns dnaons "Aoidog noLonare. 

Es iſt Hermann’s VBerdienft erfannt zu haben, daß diefelbe 
Eleganz im trochaiſchen Tetrameter, wie im jambiſchen Trimeter 
ftreng beobachtet it. Aefchylos wendet felten Die Auflöfung an, und 
in folchen Worten oder Verknüpfung eng zufammengehöriger Worte, 
die von Natur mehre furze Sylben enthalten. Daher diefe, wenn 
der Tribrachys in zwei Worten enthalten ft, in ihrer engen Zufam- 
mengehörigfeit gleichfam nur ein Wort bilden. Cbenfalls findet 
die Auflöfung der Länge nur ftatt in der erften Arfis der Dipodie. 
Aus diefem Grunde find V. 214 und 219 metrifch falfch. In er- 
fterer Steffe ift za 7 ayc9° auch nur Correctur. Die Hand» 
fohriften haben rayasar, rayayo, rad’ ayası, in allen das « 
nicht elidirt. Die Lesart des Med. za d’ ayada d’ zeigt Deutlich, 
wie aus dem zur Erflärung binzugefügten Artikel die verſchiedenen 








des Aeſchylos. 219 


Lesarten entſtanden und führt auf die rechte Spur, daß man den 
Vers ſo zu leſen hat: 

ayada Öd’ Exrehn yeveodaı vol rs xal TEexvoıg 089eV. 
Mas die zweite Stelle betrifft, fo habe ich anderswo nachgewiefen, 
daß Aefchylos die Form auavgovodaı nicht Fennt, und ſchon des— 
halb, wozu auch das Metrum nöthigt, zaroya uavoovodar zu Yes 
fen iſt. Noch bietet der doppelte Dativ ya... oxorm einige 
Schwierigkeit. Bedenft man aber wie häufig I und C verwechfelt 
find, fo ergiebt fich Leicht folgende Verbefferung : 

zauınakıy dE oVde yalag zuroya uavoovodaı 0x0TW. 

Es Fünnten diefe Beifpiele noch um etliche aus den Chorgefängen 
vermehrt werben, doc werden biefe beffer ım Zufammenhange be- 
fprochen werden, Es mag dies hinreichen zum Bewerfe, wie fehr 
noch der Tert durch genauere Berüdfichtigung des Med. berichtigt 
werben kann. Auch hat der Med. meiftens wo e8 erforderlich iſt 
dag » Epeixvorızov, fo wie in den Iyrifchen Partien das dorifche 
ã ftatt 7 erhalten, was ich an den betreffenden Stellen nicht wei— 
fer erwähnen werde. 

Eine große Anzahl verderbter Steffen entbehrt folcher Winke 
zur Herftellung, und es hat die Conjecturalkritik ſich daher nad) 
andern Anhaltspunften und Kriterien umzufehen, In den Chorge- 
fängen aber bietet das Metrum, und befonders die künſtleriſche 
Gliederung des Gedanfens eine fihere Norm. In letzterer Rückſicht, 
der Anordnung und Entwicklung des Gedankens, hat Aeſchylos eine 
Geſetzmäßigkeit und Strenge beobachtet, die vergleichbar den ſtrengen 
Stilgeſetzen in der einfach großartigen Kunſtperiode vor Phidias 
einen ſicheren Fingerzeig der Verbeſſerung an die Hand giebt. Wir 
werden hier für die Staſima und Kommatika auf dieſelben Reſul— 
tate geführt, die ich anderswo an evidenten Beiſpielen, der Parodos 
der Eum. und Choeph., ſowie am erſten Staſimon der Eum. auf- 
gezeigt habe. Ich will auch hier der Verszahl folgend zuvor die 
einleitenden Anapäften beiprechen. Gleich zu Anfang V. 13 und 
B.96— 100 find die Anzeichen der Corruptelen ganz ewident, die näher 
anzugeben nicht erforderlich tft. Befonders aber um die erftere Stelfe 
zu verbeffern, wird es nöthig fein den Gedanfengang des ganzen Chor— 


220 Ueber die Perſer 


geſanges anzugeben. Die Beſchaffenheit des Rhythmos und die An— 
ordnung der Gedanken läßt drei Abſchnitte unterſcheiden, wie Hermann 
gezeigt hat. Der erſte, V. 1—65, iſt vom Chorführer recitirt, der 
zweite, V. 66— 113, von einzelnen Theilen des Chors, der dritte, V. 
114— 135, vom ganzen Chor gefungen. Der Chorführer foricht um 
den König und das Heer feine Beſorgniß und bangen Ahnungen aus, 
von denen fein Gemüt) bewegt iſt. Denn die ganze Jugend zog 
fort, und feine Nachricht iſt eingetroffen. Er zählt die Führer und 
Bölfer auf, die ihrem Könige in den Kampf folgten. Solche Blü- 
the des Landes zog aus, um die nun zurückgebliebene Gattinnen 
und Eltern trauern. Jetzt beginnen die Syſteme EI ouolorv in 
einem Rhythmos, der der Gcmüthsbewegung des Chors angemeffen 
iſt. Denn er wendet fih nun zum Zuge und der Unternehmung 
ſelbſt; wohl preiſ't er des Heeres Tapferkeit, kann aber feine Be— 
ſorgniß, daß göttliche Fügung Unheil verhängen werde, nicht zurück 
halten. Denn von der Ate umſtrickt Tießen fi) die Perfer über 
das ihnen geſteckte Ziel hinaus in dieſen Krieg hineinreißen, als 
wäre er ihnen heilſam; aber ich fürchte einen unglücklichen Ausgang. 
Darum, fo beginnt nun der ganze Chor, der ſich zum Geſange ge— 
pronet hat, bewegt Angft mein Herz über das Elend und den Jam— 
mer, wenn die Nachricht käme von dem Untergange des Heer's. 
Denn alles junge Volk verließ uns mit dem Könige, und ſehnſuchts— 
voll harren feiner die Zurückgebliebenen. Der Chorführer fest alfo 
das Sachverhältniß aus einander und fehildert feine  perfönlichen 
Empfindungen, zum Schluß fügt er hinzu, wie nun das ganze Land 
um die Fortgezogenen in banger Beſorgniß lebe. Da iſt es nun 
offenbar ganz unſchicklich gleich zu Anfang den Chorführer, wo er 
von feiner Beſorgniß foriht, feine perſönliche Stimmung 
ausfpricht, fagen zu laſſen: vganz Alten Co erklärt man) murrt 
mit Unwillen über diefen Zug, und fordert feine Bürger zurück“. 
Den Gedanfen, wie fehr man fich nach jenen Geliebten fehne, hebt 
er dagegen ganz ſchicklich zum Schluß hervor, und damit fchließt 
auch paffend der Chorgefang, nachdem der ganze Chor feine Unruhe 
und Angſt über das besorftehende Unglüf des VBaterlandes ausge- 
fprochen hat. Müffen wir alſo zugeben, daß an obiger Stelle V. 





des Aeſchylos. 221 


13 Cabgefehen von den fprachlichen Schwiertgfeiten) jener Gedanfe 
unſchicklich iſt C— und dem Aeſchylos iſt es fremd bloß um des 
Zubörers Gemüth zu rühren zwer Male, und an unpaffender Stelle 
nur zum Zwecke des Effects, einen folchen Ausspruch feinen Perfo- 
nen in den Mund zn legen), fo kommt hinzu, Daß Die Nede alsdann 
auch Feinen vernünftigen Kortfehritt giebt: wich fürchte um das Heer, 
denn die ganze Jugend zog aus; um diefe murrt ganz Aſien; und 
feine Nachricht ift gefommen“,. Vielmehr verlangt der Zufammen- 
bang diefes: wich fürchte um das Heer, denn Die ganze Jugend 
„zog ja aus, und feine fichere Kunde fan ung zu. Aus zogen aber 
ꝛ2c.“ Es paßt alfo ter Begriff Pavleıv hier nicht. Lange und 
Pinzger ergänzten zu Pavler aus dem Vorhergehenden Ivurg; fie 
hatten nur einen Schritt weiter geben follfen und behaupten, daß 
Bavleı an unpaffender Stelfe ftehe. Bedenkt man ferner, daß in 
2 Handſchriften Eorwdev fehlt, fo wird man die Vermuthung nicht 
unwahrfeheinlich finden, daß Eowder und Bavler, welches zuſam— 
mengehörte, im Urcodex ausgelaffen und am Rande nachgetragen 
ward, und daher die falfche Zertrennung und DVerfesung der Worte 
fih erklärt, Hiernach würde Aeſchylos gefchrieben haben : 

»azöuavrıg ayav 0000A0nElTaL 

Ivuos Eowdev te Bavleı, 

Ilaoo yao loyus ’ Aoıaroyevng 

wywrs veov vdoav vo oO —) 

zovre rıg ayyelog x. T. A. 
Alsdann it das Wort Pavlev an feiner Stelfe, und feiner Be— 
deutung nach durchaus paffend, auch Eowdev ganz fchieflich, vgl. Ag. 
437, 964. Daß ferner ein Bersabfchluß durch den Parömiakos vor 
naoa yag Loyus eintritt, wird man ebenfalls nur angemeffen 
finden. 

Die zweite Steffe läßt fih mit Sicherheit herſtellen, und ıft 
auch großentheils fchon von Hermann gebeffert. Verderbt iſt eUns- 
eos, die Corruptelen der Verſe 97 und 95 zeigt das mangelhafte 
Metrum, das Verderbnig von aozvorara bezeugt der Scholiaft, 
und vrreo iſt unverftändfich, An oro. und avrıorg. darf man nur 


1) Oder etwa Qywxs vewy tekkay 7’ aydour. 


222 Ueber die Perfer 


nicht denken, alsdann ergeben fih alle Verbefferungen mit Leichtig- 
feit und Nothwendigfeitt. Daß eunerovs, wie man vermuthet. hat, 
nicht das vechte fer, leuchtet ein, da ardoowv mit dem. Genitiv 
nicht an feiner Stelle ift, und hat auch in Tritifcher Hinficht eben fo 
wenig Wahrfcheinlichkeit, als euzerag der Structur entfpricht. Man 
fohreibe evVmsıng, dag mit dem Genitiv aydnuazog verbunden 
der Structur eben fo fehr als dem Sinne angemeffen ifl. In bei— 
den folgenden Verſen fehlt eine Sylbe, und 70 nowrov lähmt den 
Gedanken. Hier erfannte Hermann’s Scharfblif in oadvovo« 
nagaysı ein Gloſſem, weldes das Wort naogaowivsı yer- 
drängte. Denn da nagaoalveıy ein anas Elomusvov ift, fo lag 
darin einem Grammatifer der Anlaß es zu erflären, und allerdings 
giebt oarvovow nagaysı auch den Begriff ganz richtig. Hier iſt 
aber napaoadveıv, ein gewähltes Wort, durchaus paſſend. In 
feiner sollen Kraft iſt zaga — gefagt „vom Nechten ab“, fo daß 
naoaoaiveıv bedeutet „ſchmeichleriſch vom rechten Pfad abführen”. 
Ganz analog ift Ag. B. 71 nugaderseı. Noch fehlagender ift der 
Beweis für die Nichtigkeit der Verbefferung doxvorara in aoxvag 
ara, das durch Schuld der Abfchreiber entftellt ward. Denn der 
Scholiaſt führt zu unferer Stelle den homeriſchen Vers 11. 9, 505 
anı # 0’ arn oFevaon Te zul agıinog ... Bhanrovo drdew- 
novc. Wie hätte diefe Stelle zum Beleg eines ähnlichen Gedan- 
fens an unferer Stelle angeführt werden fünnen, wenn nicht Die 
urfprüngliche Lesart ara enthielt? Es bleibt nur noch öneo zu 
beffern in vnez, um die ganze Mefode fo zur berichtigen: 

Jolountıv Ö’ unarav Heov 

tis avno Ivarog ahvkeı; 

Tis 6 zooınvy nodi nndn — 

HATOg EUNETHG avaoowpz 

pLlopowv yag nagacalveı 

Boorov eis aoxvasgara, 

ToFEV OUx Eorıv Under Iva — 

Tov akvsayra pvyelr. 
Dei weitem fehtwieriger, und weniger fiher ift Die Verbefferung der 
Epode V. 660—606. Es mangelt auch der Anhalt metrifcher 





Mes ee — 


des Aeſchylos. 223 


Nefponfion. Mit Benutzung der gemachten Berbefferungen,, und 
der vom Med. gebotenen Lesarten vermuthe ich, daß fie fo Tautete: 

© noAvVrAavıs plhoıoı Iavav, 

ti ade dvvara dvvara 

neol ca 0a didvud 

di avomv auagria 

n00@ ya ad’ 

eSepdırzar Tolozakuoı 

VOEL RVass vasc. 
Wenigftens ift der Sinn alsdann dem Gedanken der vorhergehenden 
Strophen angemeffen. Das I. Strophenpaar richtet die Bitte an 
die Götter der Unterwelt, daß der Schatten des Darios erfcheine; 
das I. entwickelt das Lob dieſes fegensreich regierenden Königs; 
das II. enthält die Anrede an ihn felber, daß er erfcheine, und dies 
Elend ſchaue. Daran würde fi) dann die Epode anfchließen: 
„warum o allgeliebter Seliger iſt durch doppelten Fehlgriff folcher 
Sammer für unfer Land gefchaffen 2x 

Wir wenden ung zu den Staſima, deren Neftituirung ung er- 

Veichtert wird theils durch die metrifche Reſponſion, theilg in Nick 
fiht des Gedanfens durch den Umftand, daß jedes Strophenpaar 
mit einem neuen Gedanfen beginnt, oder der Gedanfe der Antiftro- 
phe nicht auch in der folgenden Strophe fortgefegt wird, fondern 
mit dem Strophenpaar abfchließt. Wie Strophe und Antiftrophe 
durch ihre metrifche Nefponfion ein Ganzes bilden, fo auch in Rück— 
ficht des Gedankens. ES gebt eim Leitender Gedanfe durch beide 
hindurch, fo daß auch im diefer Hinficht die innere Zufammenges 
hörigfeit des Strophenpaar's, der Auferen, metrifchen Form ent- 
fprechend, bethätigt ift. Darum Tiebt Aeſchylos auch gleiche Inter— 
punftion der Strophe und Antiftrophe. Die dem erften Stafimon 
vorangehenden Anapaften bedürfen noch einer Verbefferung. Sehr 
ſcharfſinnig entzifferte Hermann das im VA. nach zaregeızouevau 
ftehende uayvad’ indem er uadaı yovades fchrieb. Sp bleibt nur 
anakals und wzogsororaroıg zu berichtigen. Es Liegt klar vor, 
daß zwei Gattungen von Frauen (wie oben mehrfach) genannt find, 
und da V. 539 Ilegoıdes avydowv nodeovomı die Gattinnen 


224 Ueber nnesperfer 


erwähnt werden, fo muß an erfterer Stelle von den Müttern 
die Nede fein. Nun paßt aber auf Iektere nicht amarlurg yeoor, 
auch die v. 1. uraradg deutet auf ein Berderbniß hin, Die Lexi— 
fographen erläutern aber Durch anaros fowohl draros ald dua- 
305, fo daß man wohl annehmen darf, ein Gloffem verbrangte das 
urfprüngliche auakals. Was das dx0080roraroıg anlangt, fo 
fhwächt ver Superlativ eher den Gedanfen, als daß er ihn hebt. 
Auh wird man vor dem x&y@ Tieber den Gedanfen mit einem 
Parömiakos auch rhythmiſch abichließen laſſen. Daher fchreibe man: 

Q Zei BaoıLedv viv [rtwv !)] Ileoowv 

Tov ueyalavywv zal nolvarydowv 

oroarıav 0LEORG 

aorv ro Sovow nd’ ’Ayßararov 

nevFeı Övopsom zaTErgviVag * 

Ilorral 0’ d«uukals yeoot zakuntoag 
xarsgeizousvun ualaı yovadeg 
Jıauvdarkoıg daxgvor x0Anovg 
Teyyovo’ ahyovGg UETEYOVOUL. 

Aı ö’ aßooyooı Jleooides aurdowv 
noseovouı ldElv aorılvyiav 
)Errowv EUvag aßoozırwvag 
yhıdayns HAng TEowır apeloaı 
nev$oroı yooIg AXO00EOTOLC. 

Kayo 2) dE u000v zwv olyouEvoV 
alow Ööxluwg noAvnerdn. 

Sp wird man auf leichte und einfache Weife dieſe anapäftifchen 
Berfe in 4 Spfieme zu vertheilen haben. Was num das erfte 
Strophenpaar anlangt, fo mangelt die Nefponfion des Metrums. 
Das unpaffende demonftrative aid’ V. 551 haben daher alle Her- 
ausgeber mit Necht geſtrichen. Tilgt man dieſes Einſchiebſel, fo ıft 
die avrıorg. dem Versmaaß, wie dem Gedanken nach untadelig; 

1) Um die fehlende Silbe zu ergänzen, ift beifpielsweife zwv eins 
gefeßt; man Fönnte auch O7 oder ToZ oder yag vermuthen. 

2) Hier zayo de in zayoye ändern, hieße den Gebrauch von zei 


en, DE verfennen; mit Necht fehreibt man Eum. B, 65 zei ngooe 7’ 
enooreıoy, weil dort zul , ,., , JE ganz unſtatthaft iſt. 





4 
1 
a 


ar 


rn 


des Aeſchylos. 295 


dagegen fehlt alsdann in der oro. V. 541 eine Sylbe. Betrachtet 
man nun aber auch den Gedanfen, fo ergiebt fih fogleich, daß dag 
Part. Praes. &zzevovuera hier nicht ſtehen kann, da von einem 
vergangenen, in feinen Folgen noch fühlbaren Ereigniß die Rede 
iſt. Das erforderliche Part. Perf. giebt die fehlende Sylbe Exxe- 
»evouera. Metriſche Nückfichten verlangen 70 zors zu ändern in 
tinre, Sinn und Grammatik B. 555 dıa y’ 'Iaovov zeoag und 
V. 558 au nedıyoeıs zu fohreiben. Hienach lauten oro. und 
avTiorg.: 

Nov dn no0naoa uEv oreveı !) 

yal Aois ge el DR 
Be8o&ng uiv ayayev nonot 
Beoäng Ö’ anwaAsoev Torol 
Beoäng dE navi’ Eneone dvopoovwg 
Paoıdeooı novriaıg, 


Tinte Aoosiog x. 1... 


x 


Ilelovg te zal Ialaoolovg 

ÖuontegoL zvavwnıdeg 

vasg u:v ayayov nonol 

vass 0 unwiEoav Toroü 

vasg navwksdooıoıv EußoAals 

dıa y’ Iaovwv yeoas x. T. A. 
Aus dem Versmaaß erficht man ebenfalls, daß auch in dem Anfang 
des folgenden Strophenpaars ein Fehler ftede. Es iſt nämlich der 
erfte Vers um eine Sylbe zu kurz. Da dem Sinne nad) fein Be— 
griff vermißt wird, und in der Antiſtrophe ebenfalls Feine Sylbe 
ausgeworfen werden kann: jo fcheint mir die Annahme am einfach- 
ften, daß die fehlende Sylbe nach nowrouogo: und zwar ein En— 
flitifon ausgefallen fer, welches den Begriff nowrouogor, auf dem 
der Nachdruck Liegt, hervorhebe, zugleich aber an dieſes Wort fi) 

1) Sch halte yao in beiden Verſen für eingefchlichene Erklärungen, 

und habe es daher geſtrichen. Sonſt muß man ſchreiben »Uy yao dy 
nocnaoe utv OTEyE I neoug ydo TE zei Yahaoolovs, wogegen 


rhythmiſch nichts einzuwenden iſt. 
Muſ. Philol. N. FJ. VII. 15 


226 Ueber die Perfer 


anſchließend mit demfelben gleihfam ein Wort bilde. Denn fo er- 
fordert es der entfprechende Vers der Antiftrophe. Da nun ferner 
in diefer Antiftrophe das dev nicht ganz paffend vom Meere ges 
fagt feheint, und der Med. deıva giebt, welches mit Yranroweno: 
verbunden für den Sinn weit angemeffener ift, fo vermuthe ich, daß 
fo zu leſen iſt: 

Toi d’ aoa nowrouog ol yE, pei, 

heipdevreg noog avayzav, WE, 

arras aupl Kvyosiag, ca 

Eogavral x. T. 1. 

& 


Tyanrousvo 0’ ah dEıva, gel, 
ozvAAovraı 005 avavdwv, 78, 
naldwv TüG auıavrov. 00. 
Jlevdel x. T. A. 


Was in den Anapäſten, die dem folgenden Stafimon voran- 
gehen, zu berichtigen ift, haben wir oben ſchon angemerft. In der 
erften Strophe des Gefanges iſt aber V. 650 verderbt. Die An- 
zeichen find, 1) das Versmaaf, indem dıaßoaow o vo vo — — 
nicht dem oiov ovnw — o — S entſprechen kann; 2) der Sinn, 
indem der Begriff vausfchreien“ bier unſchicklich iſt; 3) der Sprach— 
gebrauch, indem. dıaßo«ow nicht Futurform iſt. Dindorf ftatuirt 
daher hier den Conjunctiv, aber von einer fubjeftiven Wahl des 
Redenden kann bier feine Nede fein. Sm Rob. fehlt das Wort, im 
Mosaq. fteht dınßas. Es fommt uns hier zu Statten, daß die alten 
Schriftſteller zur Bezeichnung eines Begriffs das dafür fhieliche 
Wort, wenn derfelbe Gedanfe wiederfehrte, zu wiederhofen fich nicht 
fheuten, und nicht aus falfcher Sucht der Varietät nach minder 
yaffenden Worten hafıhten. Eben zuvor leſen wir aber V. 564, 
565 dußeaoo» ovoarı ayr. Dies genügt zugleich dem Vers— 
maaf, und um num auch Die Periode in Ordnung zu bringen, braucht 
man nur © in au zu verändern, Mithin Iefe man: 

7 0 alcı woı uaxagiraz loodarımv Paoıkevg 
Paoßage oapnpn 





des Aeſchylos. 297 


lEvros Ta navalol al — 

avn Övosooa Bayuara 

navrahav' ayn 

dußoaoaı; 

Neo9ev aoa zAvVeı uov; 
Die Aehnlichkeit der Buchftaben AMB und ZIAB empfiehlt über- 
dies diefe DVerähderung. 

Auch das folgende Strophenpaar bietet einen verderbten Vers, 
und zwar beide fich entfprechende V. 645=648. Indeß iſt die 
Herftellung der Antiftrophe nicht ſchwierig. Der Rhythmos des 
Berfes ift gut, und der Sinn offenbar diefer: Darius Tenfte und 
führte ftets glücklich fein Heer; mithin Teuchtet ein, daß der Fehler 
in enodwzeı fteckt, und das Nechte ſchon Faber und Heath fanden, 
indem fie zodoyeiv, eine von der Schifffahrt entlehnte Metapher, 
bier einfesten. Somit wäre die Antiftrophe hergeftellt: 

Feounortwg Ö’ Exıxknoxero Il&ooaız 

Jeounozwo Ö’ 

Eoxev, Enel OToaTov ev modoyeı. we. 
und nad) diefer Norm die Strophe zu reftituiren. Etwas probables 
weiß ich aber jest nicht zu geben. 

Sn dem dritten Stafımon hat der Genitiv V. 843 evdori- 
wov orgarıas den Herausgebern große Schwierigkeit gemacht. Er 
läßt ſich auch nicht erklären. Die Schwierigkeit ſchwindet aber, 
wenn man den Ausfall eines © vor orgarıas annimmt, und den 
Accent von oroatıag in orgarıaz Ändert: 

n0wTa utv evdoxrluovg orgarıag unepamwvöuss. 
Ebenſo Teicht wird der Fehler am Schluß diefes Gefanges V. 871 
Jeongenta Tab‘ au pegouer gehoben. Bon einem ziweimaligen 
Ertragen diefes Ungemachs Tann vernünftiger Weife nicht die Rede 
fein, daher Andere man augpeoouer: 

yov Ö’ oVx dugılöoywg Jeongenta rad’ aupegouesv 
nohEuntoL %. T. A, 

Die zahlreichften und größten Verderbniffe find aber in den 
in unferm Stücke fo zahlreihen Kommatika. Aber die Fünftferifche 
Tektonik diefer Geſänge, ich meine die ftrenge Geſetzmäßigkeit, die 


228 Ueber die Perſer 


Aeſchylos in der metriſchen Reſponſion, wie in der Gedankengliede— 
rung beobachtet, giebt uns untrügliche Winke an die Hand richtig 
die Fehler zu verbeſſern. Man darf in dieſer Rückſicht feſtſtellen, 
daß 1) ſtrenge, volle und gleiche metriſche Reſponſion ſtattfindet; 
2) daß Aeſchylos es liebt gleich lange Worte, ja oft dieſelben oder 
ähnlich klingende ſich entſprechen zu laſſen, ck. V. 542 sq. = 562 
sq., 641 = 646, 900 sq. = 908 sq., 272 = 278; Reisig. Coni, 
I. p. 134, 193; Herm. Epit. doct. m. p. 276; 3) daß gleiche 
Snterpunftion beobachtet iſt; 4) daß in Rückſicht des Gedankens die 
avrıorg. zur 079, ſich fo verhält, daß fie den allgemeinen Gedan— 
fen der oro. nur im Einzelnen und Speciellen ausführt und erläu- 
tert. An zwei evidenten Beifpielen, wie oben bemerft, der Paro— 
d08 der Eum. und der Choeph. habe ich diefes fchon nachgemiefen; 
die unverderbten Theile diefer Kommatika belegen daſſelbe. Diefe 
Gefichtspunfte werden fih auch durch die nun anzuführenden Bei— 
fpiele beftätigen, oder Fönnen umgekehrt auch ſchon ung leiten bei 
der Berbefferung der Corruptelen. 

Es entforechen fih nicht oro. und avrıoro. V. 252, 253 
= 256, 257. Die Antiftvophe zeigt deutlich den dochmifchen 
Rhythmos, und die Verſe find im jeder Hinficht untadelig, fobald 
man nur das 7 zu Anfang ftreicht, welches entweder aus dem X 
zur Bezeichnung des Perfonenwechfels, oder durch Erflärer entftand, 
Hingegen Tiegt es auf der Hand, dag in die Strophe Verderbniſſe 
durch Gloſſeme einfchlihen. Denn in einigen Todd. findet ſich 
noch nach zuza zwei Mal Avnnoc. Was einfacher, als auch zaxa 
für Zuthat eines Erflärers zu halten? Dann entfprechen ſich voll- 
fommen oro. und «rrıorg. 

"Ayı avıa veozora zul dal ulal 
Jıalveo#e, Il&ooaı, 100’ @yos zAvorreg. 
& 


Maxgoßlorog öde yE, tıs ulwv Epardn 

yeoaols axovsıy üde nıW Geıntor. 
Das folgende Strophenpaar ſchreibe man fo, um die Entfprechung 
berzuftellen: 


OToTozol uarav 





des Aeſchylos. 299 


za nor2a Beien nauuıyn 
N 


orororol pılwv 

nokvdova owund alıßapn 
denn za noAca findet fi) auch Ag. V. 705; arıdova kann des 
Metrums wegen nicht ftehen und arıdva ift fein Wort. Durch 
die Umftellung von adı — und noAv — find alle Schwierigkeiten 
gehoben. 

Im dritten Strophenpaar endlich ift die drzioro. ung uns 
verberbt überliefert, der Nbythmos gut und der Gedanfe vaffend, 
Die oro. hat weder Rhythmos, noch ift der Gedanke irgendwie er> 
träglich. Dover kann der aus Perfern beftehende Chor fprechen: 
„Jammere, denn alles Elend bereiteten die Perfer durch die Vers 
nichtung des Heers“? Es ftritte dies wider alle Vernunft und 
wider den Inhalt unferer Tragödie. Ueberall in unferm Stücke 
wird ja das Mißgeſchick der VWerfer von den Göttern und den von 
diefen unterftügten Hellenen hergeleitet. Sp 3. B. V. 337—340: 

ehr de darımv Tis zarepdsıge oroazor, 

takarra Bgioag ovVz looooonm Turn. 

geol nolım owLovor Ilulkados Heuc. 

V. 506 Kuzwv, & Tleoowıs Eyzarkoınwyev Yeoc. 

Ferner Ilegoaız paßt nicht ins Metrum Wie aber, wenn es ein 
Gloſſem wäre und daroız, wie auch die «vzıoro. hat, verbrängte, 
da diefes wohl einer Erflärung bedürftig feheinen Fonnte? Dann 
wäre auch erflärt, wie es an falfcher Stelle gefest ward. Un aber 
einen fihieffichen Gedanfen zu gewinnen, fihiebe man, nach dem oben 
Bemerften, ein Yeor ein. Sp ergiebt fih oro. und avrıorg. voll 
kommen entfprechend: 

Ivl anoruov daloıg 

dvoauarn Boav 

wo; navra nayzazwg [Heor] 

E3E0av, alal, 0ToaToV PYagEvıos, 

an 
orvyraı y  Asavaı daloıg 


usurzogul Tor nuo® 


230 Ueber die Perfer 


og nolr)ag Tlegoıdwv uarav 
&utioav evrıdag nd’ avavdgovg. 

Ein ähnliches Beifpiel giebt uns das erfte Strophenpaar deg 
nächften Kommatifon VB. 898 ff. Hier iſt die Abfichtlichfeit des 
Gleichklangs entiprechender Worte fo in die Augen fpringend, daß 
niemand fie wird ableugnen können (neuyo neuyo = zhayso 
»AaySo, noAudaxgvv = dogidargvv, nevInTn00g = Ionvnrn- 
005). Verderbt ift aber die avrıore.; denn Aaonadn entfpricht 
nicht dem zuxoparıda, eben fo wenig oeßilwv dem Boav, und vie 
Codd. haben überdies re... . . Te. Das ad (av yoov) ift me- 
triſch unftatthaft und dem Sinne nad matt. Wie nun, wenn av 
yoo», zur Erklärung übergefchrieben, ein feltenes Wort, wie in der 
org. iayav verdrängte, und oeßıLlwv ein Öloffem für oefwv wäre? 
Alsdann entfprächen fi ore. und avrıore. genau: 

n900pF0yyov 00L vOorov Tav 

xaxoparıda Boav xaxoueherov lav 

Mesıavdvvov Honvnrngos 

neuyo neuyo 

noLvdarovv laryav (oder layar). 
wm 


N0w TOL xal navdvorov 

.aonasea 0Eßwv alıruna te Paon 

nOAEWG yEvvag nevFnTn00G 

xlayso »Aayso Ö’ 

aoldaxgvv lvyav (oder layar). 
Was den Sinn betrifft, verftehe ich die Stelle fo: Auonadea Pagn 
ift die Niederlage, die den Perfern von dem Volke der Hellenen 
beigebracht ift, und Amonadea alıruna re Baom bezeichnet nicht 
etwa die Niederlage der Perfer zu Lande und zu Waffer, fondern 
wie im unferer Tragödie das Unglück der Perfer ftets hergeleitet 
wird von dem göttlichen Schug und Beiftand, deffen fi) das Hel- 
lenenvolk erfreute, und oben ihr Land als mit für fie ftreitend be- 
zeichnet ward: fo wird auch hier die große Niederlage hergeleitet 
son dem Bolfe der Athener und ihrem Meer, das ja durch feine 
localen Verhältniſſe den Sieg der Griechen fehr erleichterte, 





des Aeſchylos. 231 


Das zweite Stropbenpaar ift durch die Herausgeber gewaltig 
entftellt, indem fie Ieber in der oro. Worte umftellen und aus- 
ftoßen, als in der avrıoro. den Ausfall eines Wortes annehs 
men wollten. Wilhelm Schmidt (Diatribe in Dithyrambum Ber- 
Iin 1845) bat, geftüßt auf die handſchriftliche Ueberlieferung, den 
Schluß der Strophen fhon in Ordnung gebracht. Es bleibt, um 
volle Refponfion zu gewinten, nur noch übrig, den erften Vers der 
avriorg. zu verbeffern, eine Verbeſſerung die fich nach den oben 
aufgeftellten Bemerkungen mit Leichtigkeit ergiebt in folgender Weiſe: 

Oloıoü Bow zul navı &xnevdov, 

nov dE pihwv ühhog oyAog, 

n00 dE 001 naoaotarat, 

0iog 7v Daoavdarng 

Sovoas, Ileraywov zul JAarauas 
nd’ "Aydaßaras 

Sovorosarng 7’ ndE Vauıus 

Ayßatara kınwv: 


—X 


Otoro Boa nov 00ı Daovovyos 

"Asıöuagdog T’ ayados, 

nov de Sevalıng avas 

n Al)arog einarwo, 

Meugıs, Ouovßıs zu Muoloroas 
urunorg Na 

"Aogrsußagng ıT' nd’ "Toralyuas; 

ade 0’ Enavegouat. 

Befonders leidet das dritte Strophenpaar an großen Ver: 
derbniffen. Unverderbt iſt uns aber die oro. überliefert, und dient 
ung als Norm zur Herftellung der corrupten avrıorg. Denn der 
Begriff dnowurnozeis ift unfchieklich und ficherlich aus dem Scho— 
lion: ivyya zal pıhlav zul Hdoviv av dyadov Eralowv wor 
Tleoowv vünowuvnozeis, der Sinn aber nach der gewöhnlichen 
Interpunftion ganz abgeſchmackt. Denn verbindet man AEyov üno- 
wiuvnoxeis, fo ift der Chor der, welcher über die Niederlage Bes 
vicht abftattet, was der Natur der Sache widerſtrebt. Der Chor 


232 Ueber die Perfer 


befragt ja den Xerxes darüber, und läßt fih von ihm über die ein- 
zelnen Führer Bericht geben. Auch bat ja eben zuvor der Chor 
zum Xerres gefagt: Ileoonıg ayavois xzura noorax« LEYEIG. 
Mithin kann auch hier Aeyov nicht anders, als auf den Xerxes be- 
zogen werden; alfo ift vor 44070 zu interpungiven: »Sehnfucht 
„erweckſt du mir nach den Genofjen ; jenes Ungemach während ich 
„es verfünde, ach! klagt laut mir das Herz im Bufen“. Um die 
fehlende Sylbe B. 953 zu ergangen, wird man mit Nücficht auf die 
son Herm. ad Soph. O. C. 158 nachgewiefene Struftur (ngwra 
GE zExAmUEVog — iO TOLOOOL ake5iu0og0ı ngopavnte woı; Plat. 
Leg. VI p. 286 Ivnrös @v . . . . Oruxg0P Tıya yo0vov novog 
GUTE nagaueveı naunokvs) keinen Anftand nehmen vor uerewv 
ein wor einzufeßen. Alsdann entfprechen fich oro. und avrıoro. 
lo lo woı 
Tag wyvylovg zarıdovreg 
orvyvag "Adavag navreg &vi nırvlo 
22 22 (Dind. 2 &7) 
TAauoVves GonalgovoL yEgom. 


n 


lvyya "nor Int 
ayadav raw vo — —, 
ahaoT' ulaora orvyva nobzaza Aeyav 
Box Bow 
uoı us)dwv EvrooYyEev nrog. 
Hermann befferte araor’ araora, Blomfield EvrooIer, Dindorf 
wor und tilgte Ünowurnoxeis. Es waren alfo zur Herftellung 
diefer Strophe nur die verfchtedenen Verbefferungen zu vereinigen, 
Hier mögen auch einige gute Emendationen, theils von Din- 
dorf theils von Andern gemacht, die Dindorf in den Tert aufge- 
nommen hat, erwähnt werden. 
V. 724 %oyog xgarei oapnvns TOVUTO, KoVx Evi oTdalg 
ſtatt oapmvns, zovro y’ ovx. 
DB. 722 “ouevov woAslv yepvoar yaly dvoiv Levzryorav 
flatt &v Jvoi. 
DB, 620 EAN w yIovıvı daruoveg ayvor 


des Aeſchylos. 233 


ftatt ara yIovı0. — V. 367 Foılvagenogovvorro ftatt dein ov 
Enogovvorro, was metrifch falich if. Der Scholiaſt erflärt Enog- 
GbOVTO xal xareozevalor zul nrolualov evmylav, was auf 
ein anderes Wort als deinvov hindeutet. 
V. 608 ins 7’ allv &v pvAkoıcı Fahkovong loov 

Ends Ehalag vagnog 
ftatt YaArovans Brov. — Mit Necht ftreicht Dindorf den V. 7645 
er hätte zugleich auch B. 753 umfegen follen, wie Siebelis ſchon 
anrietb. Denn offenbar deutet die Bemerfung des Scholiaften dar» 
auf hin, daß der Vers nicht an diefer von den Handſchriften über- 
lieferten Stelle ſtand. 

Mit voller Sicherheit laſſen ſich aber noch folgende beiden 
Stellen berichtigen V. 654 und 291. Es unterliegt keinem Zwei— 
fel, daß Ariſtophanes Ran. V. 1052 0 yooog d’ zug m zeio’ 
wol Evyroovoag einev lavoL auf erſtere Stelle anfpielt, und 
daher zu Schreiben ift: 

urare JSapel’ lavoi, 
Die Scholien zu eben jenem Stücke, denen wir die Verbefferung 
auch anderer Stellen verdanken, z.B. Prom. 9. 6, Ag. V. 111, 
geben B. 291 eine Umftellung der Worte paog Preneı. Diefe 
Umftelfung PAeneı paog ift uns fehr willfommen. Denn abgefehen 
son der» größeren Auctorität, die diefe Scholien mit Necht in An- 
ſpruch nehmen, gewinnt der Vers auch an Eleganz, wenn man lieft: 
HBeoäng utv autos In te zul Pkeneı paoc. 

Denn der Hauptbegriff tritt nun auch in die Hauptitelle der Dipo— 
die, d. h. in die Hauptarfis derfelben. 

Einiger Lücken muß noch Erwähnung gethan werden. Daß 
deren fich befonders am Schluß unferes Stückes finden, erhellt fo- 
wohl aus dem Metrum , da eine Epode, die man V. 1023 fta- 
tuirt, in den Kommatika feine Stelfe hat, als aus dem Gedanfen- 
zufammenhang. Um nur died Eine anzuführen, wie kann der Chor 
zum Schluß fagen: neuyo ro oe Övosoooroın (vder dvosenoıs) 
yooıs, ohne daß Kerres ausgefprochen, daß er abgehe, oder den 
Chor, ihn zu begleiten, aufgefordert hat? 


234 Leber die Perfer 


Zwifchen den Verſen 789, 790: 
xeineo Tal Eoti, nAmFog Exroıtov oToaTod 
keıncı Hevaloıv Einioıv nensıouevog 
wo zu Asincı nothwendig Kerres als Subjekt zu verftehen ift, wird 
die Annahme, daß in einem ausgefallenen Verfe des Königs Er— 
wähnung geſchehen fei, weit probabler fein, als eine ſolche willführ- 
liche, unerhörte Ergänzung. 

Auch nach V. 878 ift etwas ausgefallen. Man verfteht 77vJ’ 
nAızlav aorov meiftens von dem anweſenden, greifen Chor; indeß 
widerfpricht Dies dem Zufammenhange. Xerres jammert über fein 
ſchweres, mit Unglück überfchüttetes Loos, über das harte Geſchick 
welches fein Perfervolf traf, und befennt, daß mit den Seinen in 
der Schlacht umgefommen zu fein ihm viel erwünfchter ware, als fie 
nun überlebt zu haben. Sp der Sinn, ft es num nicht durchaus 
unmöglich, daß Xerxes von diefen wenigen anwefenden Greifen zu 
ihnen felbft rede, und im Gegentheil ganz natürlich, daß er fih auf 
die in der Niederlage bei Salamis gefallene Jugend beziehe. In 
dem Verluſt der Jugendblüthe und Mannesfraft beſteht ja eben das 
Unglüc des Perferreichs, das den Kerres fo tief gebeugt hat. Sollte 
nAıziav ſich hier auf die Greife beziehen, fo hätte Xerxes wenig— 
ſtens erwähnen müffen, daß diefe allein noch übrig fein. Wir 
leſen hier aber nichts von dieſem. Endlich kann man bei einem gu— 
ten Schriftftellfer ein folhes Hin- und Herfpringen von der Nie- 
derlage bei Salamis (und davon ift ja oben Die Nede) auf diefe 
anweſenden Greife, und dann wieder auf die in jener Schlacht Ge— 
falfenen nimmermehr annehmen. Daher wird Man unter 7Aızdar, 
die Blüthe Afiens, die in Griechenland gefallene Jugend zu verfte> 
ben (V. 504 7ßnv gQılraryv), und den Sinn der Stelle fo zu 
faffen haben: „Was erdulde ich Unglücklicher? die Kraft meiner 
Glieder iſt gelöſt, indem ich hinblicke auf das vernichtete Heer. 
Wäre doch auch ich unter jenen Gefallenen», Ein metrifches Kris 
terium kommt hinzu. Die Tragifer pflegen, weil mit &ide etwas 
Neues eingeleitet wird, das Vorhergehende durch einen Parömiakos 
abzufchliegen, natürlich um den Wunfch, nach einer Paufe im Reci— 
tiren, durch ein neu anhebendes Syftem mehr hervorzuheben. Aus 


Des Aeſchylos. 235 


diefen Gründen wird nach Zoudovr' dorwv eine Lücke anzunehmen 
fein von zwei Berfen etwa, in denen der Niederlage ber Salamis 
Erwähnung gefhah. DVergegenwärtigt man fi nun Hermann 
langft gemachte Bemerkung (Opusc. II p. 84), daß die aus den 
Perfern angeführte Stelfe bei Ath. p. S6 B. is dvyrosı rag v7- 
V0OVG vnororoogyovg weder dem Phrynichos noch Epicharmos noch 
einer andern Necenfion unferer Tragödie zuzufchreiben find, fondern 
nnjerm Stüde, daß ferner diefe Worte in feinen andern Rhythmos 
als den anapäftifchen paffen, daß endlich hiemit Salamis, Pſytta— 
leia (V. 439) und andere Niffe (DB. 413, 295) fehr gut bezeich- 
net find: fo wird man obige Annahme gerechtfertigt finden, und die 
Stelle fo leſen: 
"Io 

ÖvoTnvog Eyw orTvyeoas uoloag 

Ticde XVOno00G arexuaororarns, 

os wuopo0vwg dalumv Eveßn 

Ileoowv yevei* ri nado TAnuwv; 

kehvraı yao Eumv yviov oW0un 

zyvÖ’ nAızlav Eoıdovr' dorwv 

[79 In neoi] Tas vnoıroroopovg 

vyoovs [darumv] rıs arioeı '). 

Ei}’ opersv Zev zaus uer’ dvdowv 

Twv oLyouEvwV 

Yavarov zara uoloa zahrıyaı. 
Ich war durch Hermanns Abhandlung (Opusc. II 1. 1.) auf die 
mitgetheilte Verbefferung diefer Stelle geleitet. Später fam mir 
erft Hermann’s eigene Vermuthung in Opusc. VII p. 361 zu 
Geſicht: 

wpelevw Zei xaus uer’ avdoov 

Tov olyousvov 
neol n0V vn00v5 VmolToToopoVS 
Iavarov xara uoloa zakvıyar. 


Sch fehe Feinen Grund, warum die Handfchriftliche Ueberlieferung 


1) Oder eiwa: [oixtoos yrıs negi] res vn00US 
ynouorgöpovs [dnökwkey.] 


236 Leber die Perfer 


&i9 operlev Zeü zu verändern war, da dergleichen fich oft findet, 
vgl. Matth. Gr. ©. 1161. 

Sp viel zur Heilung der verderbten Stellen. Schließlich 
mögen einige angeführt werden, die nur einer Interpunktions- und 
Aecentberichtigung oder befferer Interpretation bedürfen. Man bat 
aber leider gar zu oft diefe einfachen und nothwendigen Hülfsmittel 
verſchmäht, und lieber durch unendlich viele Konjefturen den Text 
entftellt. Auch in dieſer Nückficht bat Hermann, freilich meiftens 
nur gelegentlich, Außerordentliches geleiftet. Ich erinnere in Bezug 
auf unfere Tragödie nur an die Behandlung der Verfe 061, 062 
in Opusc. IV p. 336. Sehr anſtößig find allen Herausgebern bie 
Berfe 208—210, wo Atoffa nach dem Bericht über ihren ängſtli— 
chen Traum ſchließlich ſagt: 

eð yao lote, TE@LG euög 

nousag u:v EU, Iavuaorög av yEroım’ avno. 

zung dE noukag, o"y UnevVdvvog noAdı, 

owdeig Ö’ Öuoiws zngde xoıgavei yIovog. 
Man bat fie vielfach verändert, in neuerer Zeit aber für Flick— 
werf und Zuthat fpäaterer Zeit erklärt; einige haben fich fo weit 
verirrt, daß fie es ganz vergaßen, daß diefe Tragödie nicht in Sufa 
vor dem Perſervolk, fondern vor Helfenen auf helfenifchem Boden 
gegeben und für diefe gedichtet fer. Man bevenfe aber, daß Ae— 
ſchylos feinen mythologiſchen Gegenftand, fondern einen gefchichtlichen 
aus der nächften Vergangenheit entnommen, nicht einen heffenifchen, 
fondern eines barbarifchen Stamms behandelte, einen Gegenftand, 
der in aller Gläubigen Sinn damals fo aufgefaßt ward (und fo 
auch in unferem Stufe), daß die Perfer um ihres nicht maaßhalten- 
den, hochfahrenden Sinns willen (ußgıs) den Zorn der Götter auf 
fich gezogen und dadurch vernichtet ferien '). Diefe Gegenfäße der 
Frechheit und des Uebermuths von Seiten der Barbaren, und der 
son göttliher Huld unterftüsten Hellenen find überall deutlich her— 
sorgehoben, Dazu halte man feft, daß vor Griechen dieſes Stüd 
gegeben, deren Anfchauungswerfe, Lebensverbältniffe und politischen 


1) 3. B. V. 802—808 üpgıs yag 2Eav$0Vo’ ErEonNWoE OTayuy 
arns, ÖIEv neyrkavrov Eauk Epos. 





Des Aeſchylos. 237 


Inſtitute den direkten Gegenfas bildeten zu den Barbaren. Jeder 
Helfene ſchätzte als höchſtes Gut die eben vertheidigte Freiheit des 
Baterlandes, ſchätzte hoch die Sicherheit und Unabhängigkeit, deren 
der Einzelne fich erfreute vor der Beeinträchtigung anderer Mit 
bürger und der Magiftrate, die ihnen verantwortlih; jedem war 
dieſer Sinn der Freiheit und perſönlichen Sicherheit gleichfam ein- 
geimpft. Im Gegenſatz dazu tritt ung der Barbar entgegen, der 
fennt weder diefe Freiheit des Staats noch des Einzelnen, bei ihm 
iſt niemand frei und ficher als fein König und Herr, dem alle un« 
terworfen find, fein König allein bat Gewalt, fein Wille, fein Ue— 
bermuth ja Graufamfeit gift für recht und heilig. Helleniſche Ma— 
giftrate und Heerführer find ihrem Bolfe Rechenſchaft ſchuldig und 
ſtraffällig falls fie gefehlt, bei den Perfern giebt der König nieman- 
dem Rechenschaft, es giebt Fein Gefes, das er verlegen fünnte, fein 
Wille iſt ja Geſetz, er ift ihr Gott auf Erden. Diefe Gegenfäge !), 
die jeder Hellene empfand, fpricht Atoffa hier in Worten aus. Sie 
vertritt die eraffe Anficht des Barbaren und ſpricht es aus, daß des 
Königs Thun über alle Gefege und Verantwortlichkeit erhaben fer. 
Wird es num nicht als trefflich von Aefchylos angelegt gelten müſ— 
fen, daß, wo jeder Zuhörer, feiner Anfchauung und feinen politischen 
Inftituten gemäß, nach den Worten zazws dE roasag erwartete: 
„er wird der Strafe nicht entgehen”, die Atoffa nach Barbaren- 
Anſicht und barbarifcher Staatsverfaffung gerade das Gegentheit 
ausfpricht: wer wird feine Nechenfchaft geben, fondern mit gleicher 
Ehre und Macht Herrfchen nach wie vor“ ? Konnte irgend etwas ge— 
eigneter fein der Zuſchauer Herz und Sinn zu feſſeln und zu heben, 
irgend etwas mehr geeignet die Trefflichkeit Helfenifcher Staatsein> 
richtung zu preifen als diefer Gegenfag? Und wie fehr Ae— 
ſchylos auf politiſche Einrichtungen und Beziehungen anzuſpielen 
liebte, weiß jeder. Man darf ſagen die Oreſteia und die Perſer 
ſind durch und durch politiſch, wenn man es nur nicht ſo deuten 
will, daß damit kleinliche perſönliche Beziehungen und Verhältniſſe 
gemeint ſind. Zum Beweiſe für dieſe Erklärung will ich noch er— 
wähnen, daß ganz in gleicher Weiſe und gleicher Bedeutung der 
1) Die Belege find überall in unſerem Stücke. 


238 Ueber die Perfer 


Ausforuch der Atoffa V. 833—837 uns entgegentritt, wo fie in allem 
Elend, das fie zu beflagen bat, zuerft daran denkt prachtvolle, kö— 
niglihe Gewänder ihrem Sohne entgegen zu tragen, da ihr ein et— 
was unkönigliher Schmuf als das größte Unglüf von allem er- 
fiheint. Aehnlich fordert auch Darius V. 819 fie auf, doch ja dem 
Sohne Föniglihen Schmuck zu bringen, damit er nicht in unfönig- 
lichem Kleid erfcheine. Es deutet alfo Atoffa an unferer Stelfe mit 
jenem Ausfpruch ihre Beſorgniß an, daß nach dem fo Uebles weif- 
fagenden Traumbild noch ein weit größeres Unglüf als das Miß- 
lingen des Feldzugs, ihren Sohn treffen möge, die Beforgniß 
eines perfönlichen Unglüds, der Einbuße des Lebens, oder vielleicht 
des Föniglichen Drnats. 

Ebenſowenig hat man dur Emendationen und alferler Künft- 
lichfeiten den Sinn der Verfe 263 und 269 befriedigend ermittelt: 

zardavovra (SC. 0wuara) Atysıg pEgEoIaL 
naAayrrois Ev dinkaxsoow. 

Man bat bei dınkazsooıv bald an die beiven Meeresufer, bald an 
Ebbe und Flutd von der aber im Mittelmeer feine Nede iſt) bald 
an Planken des Schiffes und vielleicht noch Anderes der Art gedacht. 
AinkaS bezeichnet aber einen prächtigen, großen Doppelmantel, Wie 
zu homerifcher Zeit ſich die Drientalen deffen bedienten, fo tragen 
fie noch heutigen Tags ihren Kaftan. Daher wird man auch in 
diefer Stelle des Aefchylos an die in ihren Prachtmänteln umber- 
treibenden Leichname der Erfchlagenen denfen dürfen. 

Was nüsen in der Antwort des Chors an feine Herrfcherin 
B..169,. 170: 

ev 00’ od, yis avaooa TygdE, um 08 dis poaoaı 

ut Enog unı Eoyor wv av duvayıs nyslodau En. 
Aenderungen G.B, Övvauıs nyelodaı IEhe.), oder künſtliche Er- 
flärungen, wie „wenn du Herrfcherin Führer fein willft« 2? Es hat 
ja alsdann auch das folgende euneveis yao Ovras yuas gar Feine 
Beziehung. Der Chor bezeugt durch Folgeleiftung gar Fein Wohle 
wollen, weil Gehorfam feine Pflicht ft. Aber Svvauıs bedeutet 
auch nur Kraft, Vermögen, Fähigkeit. Kurz dvvamg 7yelodaı 
Jen muß von dem gefagt fein, yon dem die Rede tft, d. h. vom 


— 





des Aeſchylos. 239 


Chor, und der Gedanke fo zu faffen fen: Wiſſe, nicht brauchfi du 
zweimal zu fagen, ſei's Wort ſei's That worin unfer Vermögen 
(Kraft) fih als Führer bewahren will d. h. alles was in unfern 
Kräften ftebt, werden wir zu leiften bereit fein. Wozu man fich 
nämlich als Führer bietet, dem fühlt man in ſich auch die Kraft 
und Fahigfeit Genüge Teiften zu können. 
Wollte man V. 228: 
the noög dvowals avaxıog 'HAlov YYıvaouaıwv 
die Aenderung pIıvaouaoıv gut heißen, fo würde man die Rebe, 
die num Fräftig und gewählt ıft, ganz matt machen, und den Unter- 
fohied der Begriffe dvoun und gAvaoua verkennen. Confequent 
müßte man zulebt auch Odvguarwv Ionvoı, Yonvov odvguura, 
nodwzır o#81@v (cf. Lobeck. Paralip. p. 536) verbannen. 
Nah Pierfon’s Vorgang bat man V. 380 fg.: 
Borg uev nn #ehados Eilmvwv naoga 
099109 Ö’ auu 
avınkakase vnowwrıdog nergag 
jxor. 
neuerdings 7,200 ftatt 727 aufgenommen. Nach meinem Bedünken 
ift dies geradezu falſch. Der Sinn iſt doch: „mit lautem Schall 
ertönte von den Hellenen der Schlachtruf“, und dies bedeutet ja 
7275 dagegen den Wiederhall, das Echo bezeichnet 7x0, und darum 
ift diefes gleich darauf (avımAaruse 77w) ganz an feiner Stelfe, 
zuvor aber unrichtig. 
Auh V. 484 
Mayvnrıxnv dE yalav Es re Maxedovwv 
ywoav ayınousod’ x. T. A, 
ift dem handſchriftlichen &s ze die Lesart des Rob. 7dE vorgezogen, 
da doch die Prapofition fehr haufig zum zweiten Gliede gefest ıft, 
wahrend fie auch zum erften zu beziehen iſt. Es iſt ſchon zu Choeph. 
B. 230 bemerkt, wie ein Verkennen diefer Stellung der Präpoſition 
Anlaß zu falfher Aenderung war. 
Shenfowenig darf man V. 427 ueooiv zax0» in xaxwr, 
der V. 442 Onws Orav veov PIaoEvres E7I00 v700V Ei 
owlorsro in OT’ &x verändern, 


240 Ueber die Perfer 


Dindorf ändert auch V. 63 : 
Tox&eg 7’ aloyol 9 Husoodeydov 
TEIVoVı@ Z00vov TOOuEoVTaLU 
das =’ in d'; gleichwohl ift nicht von einer Gegenüberftelfung ver 
verfnüpften Satglieder die Nede, fondern es wird ein neues, felb- 
ftändiges Glied angereiht, und daher ganz paffend durch ze mit dem 
vorhergehenden verknüpft. 
Daffelbe gilt von V. 19: 
oL uEv Ep Innwv 
oi Ö' Ent vawv, nelol re Badnv 
noAlEuov OTIpog nagEyovreg' 
wo die Aenderung des TE in dE nicht minder unftatthaft ift. Es 
verbindet re die beiden Begriffe Soldaten zu Fuß, und nicht 
zu Fuß, welche lektere in Neiter- und Seefoldaten zerfallen. Nur 
interpungire man nicht nach Padnv, da diefer Begriff mit dem Fol 
genden zu verbinden ift. 
Endlich die vielfach befprochene Stelle V. 43 fg. bedarf, wie 
ich glaube, auch Feiner Aenderung. Dindorf ändert mit Schüg: 
0 T Eninav mneıgoyeveg 
xareyovoıv E9vog, Mnroayasıng 
"Agxıevs T’ ayadog, PaoıLng dıonoı* 
fo daß hiemit die Soner unter zwei perfifchen Satrapen gemeint 
wären, Allerdings müffen die Heinaftatifchen Griechen, die in dem 
Perjerheere dienten, auch erwahnt werden bei diefer Aufzählung, 
indeß wird man fie fchwerlich als Enınav nneıgoyeveg E&$vog bes 
zeichnen, und fo den Lydern gegenüberftellen dürfen. Es wäre der 
Ausdruck ein fchiefer, und vielmehr auf die Lyder pafjend. Aber 
giebt nicht die Lesart der Handfchriften einen guten Gedanken ? 
oBoodıaıav Öd’ Eneraı Avdav 
Oykog, ol’ Eninav nneıgoyevig 
xareyovoıv &9v0g, Toüg Mntooyadng 
"Agxrtevg 7’ aya9og Baoılng dionor- 
„28 folgt die Schaar der weichlichen Lyder, die das ganze kleinaſia— 
tifche Volk umfaffen, diefe befehligen Metrogathes und der wackere 
Arkteus/. Ans Zartheit find Die ioniſchen Griechen nicht namente 


des Aeſchylos. 241 


lich aufgeführt, fondern die Lyder als der Stamm bezeichnet, der 
alle Völkerſchaften Klein-Aſiens, alfo auch die griechiſchen Küſtenbe— 
wohner umfaßte, und in fich begriff. Sowohl zurezeır in Diefer Be— 
deutung ift ohne Bedenken, als der velative Gebrauch) von rovs (wol. 
Pers. V. 864 und Wellauer Lex. H p.81). Daß ferner ein Ad» 
jeftio mit dem Cafus verbunden wird, den das DVerbum vegiert, 
fteht durch zahlreiche analoge Beifpiele feſt z. B. Choeph. V. 25 
Y0a@S n00n0UunOg. 

Dindorf ändert B.639 7 plAog a vno, plAog 04905 in avngo 
um die erforderliche Lange zu gewinnen. Alsdann vermift man 
aber auch den Artifel bei 0905. Es bedarf aber diefer Aenderung 
nicht, da im Iyrifchen Versmaaß avno Die erſte Sylbe verlängert; 
anders verhält es fich im jambifchen Trimeter. 

Derfelbe ſchreibt V. 718 ovV din rıg yEowv flatt od de ug 
yEgov, ebenfalls mit Unrecht. Man überfege nur oudE durch neque. 

Eher Laßt fich hören feine Aenderung V. 739: 

Taüra roı zuxrols Ölav andgaoıy dıdaozerau 

ftatt raura roös, wohl wegen V. 743: oral’ E5 avdowv overdn 
nokkazıg xıUWv zaxwv. it Blomfield verfteht er dies vom 
Mardonios. Darf man nicht aber zugleich auch denken an die aus 
Hellas und Theffalien vertriebenen Herrſcher und Herrfiherfamilien, 
die beftändig am perfifchen Hofe den Haß gegen Griechenland ſchür— 
ten und durch perfifche Hülfe Rückkehr in ihre alte Macht hofften? 
Eine folhe Beziehung ift hier ganz fehieflich, fie war jedem Zuhö— 
rer verftändfich und gewiß gunftig und gefehieft vom Dichter gewählt 
für ein Volk, das für feine politifiche Unabhängigkeit und republika— 
nifchen Inftitutionen fo begeiftert gekämpft hatte, Alsdann iſt das 
handfchriftliche Toös ganz an feiner Stelle, indem es auf jene Allen 
befannten Männer hinwies, 

Es bleibt noch übrig einige Stellen anzugeben, in benen 
eine Berichtigung Der Interpunftion und des Accents, Feine Verän— 
derung der Worte vorzunehmen iſt. In den Berfen 115 — 121 
hat man verfchiedene Fünftliche Mittel angewandt, größere und klei— 
nere Parenthefen, nad) Zovordog und Eooeraı größere Interpun— 
{tion gefeßt, um nudnraı und neon, aber nicht eooeraı, mit gem 

Mus, fe Phi, N. F. VII 16 


242 Leber die Perſer 


verbunden zu betrachten. Und doch findet fich ähnlich um oft mit 
dem Futur und Conjunctiv neben einander, wie z. B. ri nad vi 
dE unoouaı und ri nado Ti dom ri urowuaı. Da giebt es 
num eine Gedanfennüance, die Hermann und die Grammatıfen ev- 
läutern. Der Hauptgrund, warum bier nicht 7 fondern Looerau 
gewählt ift, wird aber nicht bloß in einer vom Dichter beabfichtig- 
ten verfehiedenen Gedanfennüance zu fuchen fein, fondern hat offenbar 
auch in etwas Anderem feinen Grund, Da nämlich alle drei Glie— 
der un nVsytor, um Eoosraı, un kaxn die fehweren, bangen Bes 
forgniffe des Chors ausfprechen Cauf ihnen liegt alfo das Hauptge— 
wicht des Gedanken), fo fordern fie auch für fich die Formen, die 
dem nachdruckoollen Gedanken den beften Ausdrud verleihen, d. h. 
mit andern Worten: je länger die Verbalform defto angemeffener 
dem gewichtigen Gedenken, je kürzer deſto weniger paffend. Der 
Conjunctiv 7 würde faft verfihtwinden neben dem nuInraı, während 
Eoosraı dem Gewicht und Nachdruck, der im Gedanfen Tiegen foll, 
auch durch die längere Form paffend entſpricht. Man interpungire 
daher den Chorgefang fo: 
oTo. Tuevra uov uerayzırwv 

Ponv auvooeruı poßw 

0@ 

Ileo0ız200 oroarevuarog 

rovde, um nökıg nudn — 

tar xEvavdoov uly’ aorv Novordog, 
avrıoıg. Kal ro Kıooıwv nokon 

avıldovnov Eooetaı 

0@ 

roũt' Enog Yyuvalzonım — 

Ing Ouıkog anvov, 

Pvooivorg Ö’ Ev nenloıg neon Aaxıs. 
Viel Bedenken hat den Herausgebern die Beziehung, des Genitiv 
Ilegoızo0 orvarevuarog, vb zu mudntaı oder 0@ oder Poßw, 
endlich auch die Verbindung der beiden Begriffe zorıs und aorv 
gemacht. Indeß die Beifpiele, wo zuvdavsodaı mit dem Genitiv 
ſteht, find ganz anderer Art, als dag fie irgend zum Beleg hier 


des Aeſchylos. 243 


dienen könnten; es gäbe überdieß eine ganz verfchrobene Structur. 
Die Begriffe aozv and morız ferner fichen nicht in Appoſitionsver⸗ 
hältniß zu einander, ſondern noAıs bezeichnet Die Bürgerſchaft, die 
Bürger, aorv die Stadt, fofern fie aus Mauern und Häufern be- 
fteht. Daß man aber Anftoß nahm an der Conftruction gonv 
auvoostnı PORM OTgaTEvVuarog un nokıg nüdntaı x. T. A. hat 
wohl darin feinen Grund, dag man flatt un nous nvdnar 2. 7. 
4. einen andern Inhalt der Beforgniß erwartete, etwa: „daß dem 
Heere ein großes Unheil widerfahren fer“, ftatt deffen bier gleich 
die Folge gegeben tft: „es möchten die Bewohner fih der Männer 
beraubt fehen“. Dies iſt aber allen Sprachen gemeinfam, und fehr 
häufig, daß nach den firengen, einfachen Gefesen der Logif man 
eine Stelle nicht erklären kann und darf, wohl aber durch Verge— 
genwärtigung der Sachlage und der Gemüthsſtimmung, in der der 
Nedende fich befindet, und demgemäß auch fih ausſpricht. Alle Be- 
forgniffe, die im Einzelnen zuvor der Chorführer und einzelne 
Chortheile ausgeſprochen, zufammenfaffend, und das harte Gefchie 
des Baterlandes gleihfam ahnend, beginnt nun der ganze Chor; 
„Darum ift mein Herz von banger Beforgnig um das Heer 
erfrhüttert, e8 möchten die Einwohner vernehmen, männerlos fer die 
Stadt Suſis/. Man wird, denfe ich, es der Sachlage und Stim— 
mung des Chors angemeffener finden, das Meittelglied „daß dem 
Heer ein Unheil widerfahren fer zu übergehen und fogleich die 
Folge deffelben als Gegenftand der Beſorgniß Hinzuftellen „daß die 
Städte fortan ohne Männer feien“, 
Dartus fordert V. 515 den Chor auf den ungeflümen und 
horhfahrenden Sinn feines Sohnes durch Mahnung zu mäßigen 
und zu leiten. Dies erfannte fchon ganz richtig Triflinios, der im 
Farn. fo interpungicte: 
1005 TavT’ ExrElvov OWPgOVElv 2E70NUEVOL, 
nıvvoxer EvA0Y0LOL VOoVdEernuaotLv 
Andaı x. 7. 4. 

und erklärte: zezomuevo] xonlovzes. 

In der Stelle V.73 —80 tilge man die Interpunftion nad Fa- 
Aaoons und nelovonorg, erkläre neLovouoı Epera im Gegenſatz 


244 Ueber die Perfer 


zu &x Te Ia)uoons Eperar „Führer der See- und Landmacht. 
Dann ergiebt ſich dıyoHer von felbft als den Angriff zu Waffer 
und zu Lande bezeichnend. — 3.721 muß man fo accentuiven: &orı 
Tıs owrngla; denn Darius kann nicht fragen: welche Rettung giebt 
es? fondern: giebts no eine Rettung? Und V. 719 @ wereog 
wie Pers. V. 947 und Choeph. V. 930, da e8 Interjection ift 
„wehe” und nicht zur Anrede dient. 

Käme es darauf an alle Stellen anzuführen, die durch Con— 
jeeturen entftellt find, fo ließen ſich dieſe Berjpiele noch bedeutend 
vermehren; ich habe mich aber darauf befchranft nur die zu berüb- 
ven, wo namhafte Kritifer zu ändern für nöthig erachteten. ben 
fo fern liegt mir die Behauptung alle verderbten Stellen berührt 
zu haben. Mande find übergangen, weil fie bereits gebeffert find 
z. B. V. 863 Podov 7’ nds ftatt Kai Podov nd8. — V. 866: 

zul Tag Evzreuvovg zura #700» ’Iaovıov noAvavdgovg 

EAaUVvWwv opersgaug poeolr. 
ftatt ’Iovıov und "Erravwv Exgarvvs, — 

B. 854 "Elkog 7’ aupi nogoV nkariv aoyousvaı 
ftatt adyouevaı oder euyouerau. — 

Porfon nahm gegründeten Anſtoß an V. 313 fowol aus me— 
triſchen Rüdfichten, als weil Artomardos uns als Führer aus The— 
ben (V. 38) befannt ft, Gründe, die weder durch den Gebrauch 
des Nom. prop., noch dadurch, daß man etwa annimmt Artomardog 
fei in Sardes geboren, befeitigt werden. Es kommt hinzu ein 
forachliches Bedenken, daß das Part. Aor. naoaoywv bei jener 
Erklärung ebenfalls nicht beſtehen kann. ine Lücke nun anzuneh- 
men, dem fcheint mir vieles entgegenzuftehen. Man muß vermu- 
then, daß die Corruptel in Ieodeoı enthalten fei, fihon aus dem 
Grunde, weil fowol vorher als nachher von dem den Feinden zuge- 
fügten Schaden die Rede ift, nicht aber von dem den eigenen Ge- 
noffen durch den Verluft der Führer bereiteten Schmerz. Mir 
ſcheint Schneider das Nechte erfannt zu haben, indem er fehreibt: 

6 7’ 209405 ’Agiöuagdog aodeoıv 
NEVFOg na0a0YWV, #. T. I, 
„und Der edle Ariomardos, nachdem er durch feine Pfeile Leid ber 





| 
| 
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des Aeſchylos. 245 


reitet‘, ganz entfprechend wie von Amiftris uad Amphiſtreus zorv- 
zovov Ö0o0v vouorv, und dem Fürften der Kilifer nAsLorov novov 
&yIo0ls nagaoywv geſagt ift. 

Das corrunte dım zyeoog avrois noensı B. 235 änderte 
Brunck in din zeoorv, Elmsley, dem Dindorf folgt, in dıa yeooEv, 
MWellauer vermuthete dıw zeoog oyploıv noeneı. Und letzteres 
bat, wie mir ſcheint, in Eritifcher Hinficht größere Wahrfcheinlichkeit 
als die andern Conjeeturen, Es findet fi) opioıw Prom. V. 479, 
während fonft freifich oprv üblicher ift. — Su der anflöfigen Gtelfe 
B. 35 foheinen mir Lange und Pinzger den Sinn richtig gefaßt zu 
haben, indem fie Sufiffanes als Herrfcher im Quellbezirk des Nils 
deuten, ohne daß ich hiemit ihr nyaoraywv als nomen appella- 
livum gut heiße. PVielmehr wird in dem Ilyyaoraywv der Codd. 
ein Verderbniß ſtecken. Da nun aber fanmtliche Heeresabtheilungen 
und Führer aus Aegypten aufgezähft find nach ihren verfchtedenen 
Gebieten: Arfames aus Memphis, Ariomardos aus Theben, endlich 
die Deltabewohner, und hiebei die Reihenfolge vom Dberlauf zur 
Mündung des Stroms beobachtet tft, fo wird man annehmen dür- 
fen, daß des Sufiffanes Gebiet zu nennen war, und zwar ganz im 
Duellbezirk des Nil. Ob daher zu fehreiben iſt? rayos anyov 
der any&aslanyals)rayav. Verderbt find aber auch einige 
Stellen in der Schlußpartie, verderbt V. 966—69, 844, 836, 
801, 418, wo mit der Lesart des Med. oruwyrs nichts anzufan— 
gen iftz das Verderbniß feheint tiefer zu Liegen, da owoo ftatt 
zweier Synonyme, vielmehr zwei entgegengefeste Begriffe verlangt; 
ferner V. 121, 148. Indeß etwas Befriedigendes weiß ich jeßt 
nicht zu geben. Sch beabfichtigte nur, wo mit Hülfe des Med. und 
der durch Beobachtung aeſchyliſcher Dietion und Fünftlerifcher Com— 
pofition gewonnenen Geſetze verderbte Stellen mit Probabilität ſich 
herftellen Tießen, hiefür einige Beiträge zum befferen Verftändniffe 
unferes großen Tragifers zu geben. Hoffentlich werde ih Muße 
gewinnen bald auch in ähnlicher Werfe zu andern Abſchnitten einige 
Bemerkungen nachfolgen zu Laffen. 

Nom), im März 1848. Carl Prien. 


1) Dem Df. ftanden außer der Mellauerfchen Ausgabe und frühern 
eignen Aufzeichnungen Feine Hilfsmittel zu Gebot, 


Huf Neifen durch Die Küſtenlandſchaften Des 
Mittelmeeres geſammelte Aufchriften, 


13 
Sn den Tempelrumen von Heliopolis im fpäter wohl im 
Juſtinianiſchen Zeitalter hineingehauten Kammer hart bei dem großen 
Abfchlußportal im Hintergrunde der großen Area auf Stucco mit 
other Farbe zum Theil fehr verlöfcht und recht bald wegen des 
Adfallens des Stuceos wohl nicht mehr vorhanden. 


NIIIOOKEI 
NYIIOIAIAMAVPSTEPAFIAVM 
ITPSENOVRKE A Ar 

2 8 

Auf dem Diazoma des wohlerhaltenen Theaters von OÖ abala: 
AIETIETEE HL] 
COAAIHW"PW H 

2b; 

Ebenfalls auf dem Diazoma an andrer Stelle: 
ArnhoH TPN 
37, 


Auf Arados auf einer fehr ſauber gearbeiteten vieredigen 
Bafıs im N. Oft der Inſel: 
OJAHMOF 
AGKMONAAIAION 
JEKMOYTION 
EILAPMONETOAOY 
EYNOLACENEKEN 
4, 
Weiter füdfich auf der Dftfeite find zwer runde Poftamente in 
den Damm verarbeitet, das eine der Art, daß ich nur die beiden 


Snfhriften von den Küften des Mittelmeeres. 247 


Anfangsbuchftaben der anf ihr befindlichen Infchrift KO Tefen fonnte z 
die Inſchrift des andern liegt ziemlich zu Tage. 
HBOYAHKAIOAIHMO|E 
TONJAMINM 
ayoPANOMHFANT«a 
IDBIAOTEIMA2ZE 
TEIMH3KAIEYNOıtas 
XAPIN 
D. 
In Mopfuheftia. 
Auf einem ganz hart am Boden in der Mauer eines Haufes 
im zerfalfenen gegenwärtigen Orte Meffis auf der Weftfeite des 
Pyramos eingemauerten Stein die intereffante Infchrift: 
®IAOKAHE BDIAOKAEOYZTOY 
SX0AAOY ARXITEKTONON 
HAI2BIKAI T2EIAHMA2I 


6. 
In einem andern Haufe: 
NEPOYANTPAIANONKAISAPA 
NTEPMANIKONYIONOEOYos 
BAZTOYHNOAIZ LT 
Te 
Auf dem Gräberhof über dem Orte als Orabftein benugt: 
+TOIEN 
TIAY)OY 
TRIBOY 
NOYKRI 
NAIo 
TOM: 


T 
8 
Da ich augenblicklich nicht wußte, daß die Inſchrift (jetzt n. 
4440 im C. 1.) ſchon längſt copirt fer, da mir die große Mar— 
morplatte, auf der fie fich befindet, welche jest, die Inſchrift nach 


248 Sufhriften von den Rüften 


Unten gefehrt und unverſchämter Werfe auf ven Fuß aufgelegt, den 
Altartifch in der Griechiſchen Kirche zu Adana bildet, als von 
feinem Reifenden berührt angegeben wurde, copirte ich fie mit gro— 
Fer Mühe noch einmal, wozu ich erft mit großen Anftalten und zu 
großem Aergerniß des Patriarchen die Altarplatte abheben Taffen 
mußte. Obgleich für den Inhalt außer für das feftgeftellte zıydou 
fein neues Motiv erwächſt, fo werden doch die Schriftzüge durch 
meine Abfchrift fiher geftellt. 


ONTULCCHCAPETHCAYZENTIEKAITOAGOAYMA 
AEIMACOAIIIOTAMOYXEIMEPIOICLAPOMOIC 
APPHKTONKPHINILAACLAHPOAETOICOEMEAIOIC 
HINYIIEPEYPEIHNGZETANYCCACOAON 
HN110AA0IK AI POCOENAIEIPEICINOOIO 

KYAN AINI NPEIOPM NTEE ANADAYPOTEPHN 
COIAYIIEP Ay AM NAIWNIOCEPPIZU TAI 
KAIIOTAMOCN AHOWNILPHYTEPOCTENL.OH 
AYTOCTHNAETEG®YPANANACXOMENOCTE AECH COAI 
HTEMONOCNHIOOITOYAIILACHMOTATOY 

ODPACEK ATMETOILICOENEXOIKAGOCICONEKEINOIC 
OINGLAOYIIPOXOACZEYZ AN AIIEIPECIOYC 


9. 


Su der großen Gräberſtraße oben in Korykos 1), wohin 
Beaufort der nur die Unter und Inſelſtadt von feinem Schiffe aus 
befuchte, nicht fam, unter vielen leider insgefammt chriftlichen Zei- 
ten angehörigen halb verlöfchten Grabjcyriften auf den Sarfophagen, 
zu deren geſammter Copirung mir es an Luft und Muße fehlte, 
folgende: 

TAPACIx INIOPADOY 
1) Auch in der langen Gräberftraße von Glainfa= Sebafte find viele 


Carfophaginfchriften, Die zu copiven der defperate Zuftand des Landes mir 
feine Muße gewährte. 


des Mittelmeeres. 249 


10. 
+TOYCYCCTCSIATOC 
TONGYTENESTATON 
+ TPAIGZITON + 

11. 

+403 ACEIOGEOC 
ONONOGAGAN 
COMATOPIVI 

= EYCLAQOPEAGION 


12. 
+OHKHISONNSXAAKOTYN® 
YIOYKON®NOCEYTYXHKAIKY 
PIAK® 
13. 


CoMATOOHKH _/ GOEONTIOYNEIKR 
YIgPAATINOY Se ISNBAXXYSAINOIX 


Faft noch jammerlicher aber doch auch wieder intereffant zur Cha- 
rafteriftif des Landes in den ſpäteren Zeiten find die JJI., die ich in 
Seleufeia am Kalyfadnos copirte, als Grabinſchriften über den 
Felsgrotten. 
14. 

ANKIMSCPVN 

TAIREOPIIV 

KYPTSKA+ 

I1IAS 


15. 
+OhKhE@PEI®S 
XAPA Ihl% 


16. 
AUNHWLEION 
OE0ABPOY 
AICIOY':) OSOMGPOV 
1) Das Y fehlt in der Infchrift, 


250 Inſchriften von ven Rüften 


LT. 


IoPACTATII 
NGOV 


18. 
ATIKAGTPTICIONON 
ll cNOY 


19. 
ACAAM 
20. 
RoC 
ANNO 
ATI Io 
DEICOCNEADR 
OloaNFoUE 
NIK®NKAIT 
en 
IIIGAAITIS 
CTEDANOV 
Da: 
AIAVIEKN 
KAVOAKONTIOY 
CTPATIOTOYC 


23. 
+MNHMANAYXAC (vielleicht: HAYAACH 
ILAPGENOY ı 


20. 


Eine lange überaus intereffante Infchrift in Adalia be— 
daure ich Herzlich nicht vollſtändig mittheilen zu können. Sie ıft 
hoch in der Mauer eines Haufes nicht aufrecht, fondern ſeitwärts 
eingemauert und ich befand mich ven Tag fo unwohl, daß ich meh- 
vere Male von der hohen Leiter, auf der ich ftand, herabfteigen und 
zulegt die Beendigung der mit Ausdauer und großer Mühe voll- 
ftändig Tesbaren Infchrift aufgeben mußte, Sp viel mir befannt, 


des Mittelmeeres, 251 


ift fie auch von Daniell troß feines wiederholten zuletzt freilich Durch 
Krankheit gebeugten Aufenthaltes in diefer Stadt nicht copirt. Al— 
ferdings gehört Aufopferung dazır. 
KB.. MOIPM NEILIDONNM N 
XE ENNITOY.. PEIOZMTEITUN 
I1YAAAMHAIHSXEIPAAYKW MHZOIITENHTEN 
SXEPES MATIHPIOYKEYOIKEAILIS 
AAAHE YXIOZMENEAHSABOAOYKIPATOPAE 
Md4AAIL.EB JIOZEIA2NIOZ 
APAAOIIESBAPE>3 YEAR THE 
ATO332IEPMABA PAM.IATATEAI 
PONMOZOOSTEKEN. 2. AIAIPAKTO> 
\ZOYONITOSEANOEOISTIBAAD 
PER KBAPEWSOO...Y 
PAKAIA. OTPEISAYOAEZEIETAAEOPAZI 
VII HNMEAAISEENETHNAETAPOYAIEIE 
NEEXW .HZEAE. METAZZONTED YAAZEN 
OZSANIPAKTOZ F0O2ENH> 
AhhYA KI AOHNAZ 
IZSXEIOSTPEIZ 1) AZEN 
NIAAAAIAAOHNAIHNTPIMAKAPIANTA>Z 
033494 ZKAIZOITAAEAOTNE NAILANTEAEIA 
AEZMHNKAATONO>S 


I1YOIOYAIIOAAWNOZE 
DOIBOYXPHZSMOIZIAEI 


KPONOY 
Die Wörter aus den Seßteren Zeilen, auf die jedoch noch, wenn ich 
nicht irre 20 andere folgen, habe ich nur eben noch als ich zum 
legten Mal halb beſinnungslos die Leiter verließ, als bezeichnende 
berausgegriffen. 
1) Hier habe ich IP ausgelaffen. 


952 Inſchriften von den Küſten 


25% 


Unter den Ruinen des intereffanten Phafelis fand ich zwi— 
fihen den Trümmern des prächtigen Tratantempels ein anderes Stüc 
der Weihinſchrift am Fries, welches fih an das von Fellows mit- 
gebrachte (C. 1. 5334) anſchließt 


Apalanorm \ 
MEPIETONAH 
— N ja 


und folgende fehr unleferliche auf einer in höchſt unglüclicher Stel- 
lung im Gebüfche liegenden gut gearbeiteten Bafıs: 


26. 
NON 
MA 
SAILP SANIA 
IIO Z2 
ANTANI 
OSTIISTON.OSO 
MOZKAIT2N 
ANEY. NITANNIA 
YZ0OIMAZANTAIO 


NOYZSQSKAOEKASTHN 
TRIMHSO .. YTONYII 
02.1104442 
EZSXIMENONTHILATR 
TH2Z2EHZAYTOY 
IMITNTHNTEAEYTH 
NIOYZAQBPEASKA 
..„ THILATPIAIEISTHNAOH 
OPIAZKAIMAN 
NTHZEIZ 
TOZSANA2TAS3I 


Des Mittelmeeres. 253 


IR 


Aus Parge nur folgendes Feine Bruchſtück: 
ION. MEION..... ONMOY 


28. 


Aus Olympos 8 eine zum Brunnendedel dienende Marmortafel: 
IONIIANıuxıÄA 
KAIZENO YLKTONEYAABELTATONKAHPON 
EIMHMONONELAYNATONTONENONKYPINE4IENIIEMOI 


£EH3 ENOLANOOHT OTAO VOYENTO 
POLEXHIFPE TON 
TIN 


Sn Arycanda hoch vben am Bergabhang copirte ich auf 
einem Baume figend mit großer Mühe folgende Infchrift an einem 
der geräumigen aus Duadern aufgebauten jest jedoch meiftentheifs 
zerftörten Gräber: 


29, 


Z2ZINOZEYTYAEOYZLIOMIBRHI2TPO.. AEYE 
TYMBONEAISTIAAAMAISZBEIZK AOOP.. AMEN 
OYRATIIOZILATPIAINIMPO>A! ATIONOZIN 


7AOJOMOKTEXI EPIEYNASTEAESAZ 
IIPGCIOMAOVI ©.. 1149 SHM 
7HABXAPI HAEILATPHAAILANA> 


AEYTEPAPAEIIHZPAPHSSI NOAOYILEPIKPAT. 
QHOAIBSTEDOEBEYZEBIHNTEAESEN 

OSAIIBIIK SBIOTOY®IAIHILPOEAILANTAZ 

AIAO2YNHNATINOITEIM2ENHAEIONDN 


30. 


Dann: 
S0PINKATEBMIEVAMENMEONIASI 


TEDEOYSAISAPYKANAEYE 


254 Inſchriften von den Rüften 


Sl, 

Diefe Inſchrift ift vol. TON [XC 
ftandig. ge 
NH KA 

32. 


Sn Patara habe ich außer ſchon befannten — in der In— 
fprıft im C.I.n. 4293 Tas ih 3.8 APAXMAZF FE — nur eine 
neue aber fehr unvollſtändig copirt: 

T2ENAOMAAAIZEMRD YAAZ 
AMI SEIE TONB2MON 
OPI2 

ENOITOTONE2 
AIZKAYTEKOYPE 
NIIENIIOIZ 
JIEY3ZEBE2 


In der Fieblichften Dertlichkeit von ganz Lylien, Flos, dem uner- 
fchöpflichen Thefauros von Inſchriften, außer alten Guerft in n. 5240 
e. muß das Far in der Tafel ftehende NOANS. . C offenbar feine Er- 
Härung erhalten; dann aber was wichtiger iſt, fehlt in der Fellows'ſchen 
Abſchrift eine ganze Zeile, die vierte der rechten Colonne hinter war 
Trwosvg: KAIKYANKITHC, wodurch alfo die Uebereinſtim— 
mung der Zeilen abgefehloffen und Franz's lange Ergänzung am 
Ende als falfch erwiefen wird, nur das AN — muß ausgefüllt 
werden ; zweitens in n. 4241 fteht EIIOVA wirklich in, ver In— 
ſchrift) enpirte ich folgende, damals wenigftens unedirte: 








des Mittelmeeres, 255 


33. 


\ONENA0EOTA 
IT QALAEA 
HKAIOA|) OTI N 
4I0.. TOYENIQ2 
SKAAOYKATAOOYO.. EAIEL 
TEQS. ALABIOYKA 
TAOZAKAIKBPASI 
TA POTETONIKPA 
TPOLIOHMEPOYOEOY 
XE.. KAI|| EONEIPHNAIOZ 
TOSBEAAEPO®ONTEIQS 
TOYAY. OYZANAPO2. KH 
OSETOPOYAHKAIL 
Y. AN. QNTN2MI 
AOAI. ATN ON 
AEIIEPE ILPOSA 
ANAPATONAN..POTATON 
THZO.ENONZYN ... TPEIN 
AISTAISEYNTEAOYMENA 
AISKAIEYQXIAIZ. TOTO 
TOYKAIT2NAM2NAP 
EKTOYA.MOY.APIN 
PAAEAOMEI...OY 
IIP2QTONRN  PEQZ 
AEISOAIAEAOXOAIIEBOYA 
QPOSAA OMAI 
A APESO ... NONTA 


=> 
A IEPOOYTOYKAI...NT 
(6) TAIAILATHZ 
TAYT2METOY 
SYNAPXIA2KAIT2ENAAABN 
NTA.PAN.ATAKATABAAA 
QNEISKIB2TON 
SEAHD®ONEIPHNAI 


BEAAEPODPONTE 


256 Inſchriften von den Rüften 


Sehr Hoch oben an der aus älterem Material zufammenge> 
würfelten Mauer und deßhalb fehr fchwer zu leſen; auch faft ganz 
nach der Anficht meines griechiſchen Dieners, der mir die einzelnen 
Buchſtaben vordictirte: 


34. 


NO.. KAIOPAADAAFP>3 
NT MITYEIEZIY 
EAIINOFTHN>2 
AODPONSKMOIAO 
AIAOFPTAIK . AIA 
TEONEINZMEFI® 


Su. 
APHIOYIOHNE 
TEIMHME 

TOPO>S 


96. 
TABERNOIHMO> 
KAOIEPS2ZEENEILIEP 
MAIOTABBI2ELdE 
EITEIMOY 


SHZANTIEYZEBE 


By 
Auf einem Stein der zur L. verfehüttet, zur R. abgebrochen 
AYZAFI2ZYIN 
AEKAIZSEBAZIT2N 
AALAAOXHNNIEPoTA 
NEIII®AN®NOTKON 
ONKAIAOANATONEIE 
EIXPONONAYKIOLSE 
YNTEZEISTHNOEc 
SINEILITEAEISOA 
TAZSKAIOYSIASKAI 
STONAIEIXPONON 
AMENOTNOAINIE 
HNTA®E®»NAT 
ENOZEXOYZA 
AIP®HPIZSTE 
NHNEIMEN 
AIILIZETE 
oSTH 


des Mittelmeeres, 257 


In der Gräberftraße von Myra nad Andrifle, die ich ungün- 
ftiger Weiſe paffirte, als das Sonnenlicht den ſchon fo mehr als 
halb verlöfchten Sarkophaginfchriften abgewendet war, nach 7 mir 
augenblicklich ganz unlesbaren Zeilen einer Grabſchrift: 


38, 

AYTHC® 
AONA2NEKHAGEYCHYIO 
ATHTYNI2PYXLAC 

. NOM2CYNX2 
EYOYNEIXAP 
ANILANOY 


39, 


In Myra auf dem Keinen moslimiſchen Gräberhof, Teider 
erft bemerkt als ich Schon aufbrechen wollte, fehr eilig: 


ATAOHTYXH TO,T.NOY 
EAOSETHIBOYAHI SQ2NHNEXON 
KAIT2IIH MAI TOSTOYTEI}OI 
IIPKTANER2NTN2 OYKAITANSKEY 
MHXENEIAIATR2 QONAYTOY 
MIEZEVPIS I1)EYZEIASE 
KEINTPNENIAI MONATAANO 
MYPATIOPOMI TETPAMMENA 
KINS®NEKEINAZ NAOIAKAIOIS 


AN2YNBAINEIEN ANIAIXOPI 
SOY2OAITA2IIPOZ _ ZHONTIN2N 


O4AOY3SMIE3EI EXQONKAM 
'ETEPONIAIANO NON’OSIIANTOE 
OMEY3ZAIMIAEN NAYAOYTOA 
ME..IIOTIZS442 KAIT2NENIAX 
AZM.EANIIOTOYZST AOMON2NEAN 
MTOSTISAIMHZ AETIZAYTO3TO 


HATIOANAPIAKHZE AONNAYAQ2SH 
HO®EIAEZS2T2AH IIPOSO®EIAET2 
MSYILIEKASTOY KAJIAIAOT2TLANTOES 
IJ1AQ0>.. NE3SOY TOYNAYAOYTOA 
SIANEXONTOS2E HYIIOPAIZSAT.T12 
PE3SINAILOSADES IIPO2T... MMEN® 
I1POSTIMION 


Muf, f. Phil. N, F. VII. 17 


258 


Snfhriften von den Küſten 


40, 
Eine fehr verlöfchte Sarkophaginfchrift weftlih von Sarla: 
TOMNHM..A.EZKEXAZTO 


OTAA AIEAEIYHLANOOILIIIA 

.A IIEI®A4AIeMHAO®I 
ToNoILIAITANHIoAI0oI A 

MOYKAIOIOIE 
ANETO HELGAMG 
AEN &ENKHAL 
EII»oOEOIEKO 
NIOEENIODEIAHEKOIoN YoAIN Mo 
XAD NEMONTOEILAN 


IOLTONIOYAOMENOYEAEAEN 
IE ENIT®STPITo MEPEI 
In Telmeffus auf einem großen Quader, der fo eben erft 


durch Zerfiörung eines großen mittelalterlihen Gebäudes zum Bor- 
fihein gefommen war; 


4l. 
TIIOAEM24A E 


SIAZBQNADAPNAKOY 

MAYZ2AOZZN TAZQ@NO>Z 
RAIQNEAYTOYILAY 
KAIMEPIMAYABSAMAY>22AOY 

TONEAYTHZANAPA 
DIAOZTOPTLASENEKEN 

THSEIZSAYTO 

Die reichhaltigen Infehriften von Lindos copirte ich zum Theil, 


fönnte aber wohl zu Roß Leiftungen bei bedeutend längerem Aufent- 
haft Nichts beitragen. 


In den herrlichen Tempelvumen des Dindymeron fand ich 


auf einem der mächtigen, ſchön behauenen Quaderblöcke folgendes 
Bruchſtück in großen ſchön gehauenen Lettern, uber die ich nirgend 
eine Notiz finde: 


1) Das S fteht auf dem Stein, 


ne 


Des Mittelmeeres,. 259 
42, 
IEAleTEN 
Dann auf einem Stein an der Treppe, die in die Kirche des 


gegenwärtigen Heinen Ortes (Jeronda) führt, folgende, Die auch 
nicht publieivt zu fein feheint: 
43. 
HBOYAHKAIOSJHMOS 
ETEIMHZSANDIAISKoN 
ANOAA2NIOYTAMI 
EYZANTAKAINANH 
IYPIAAPXHZEANTAT2b 
MET AA2NATIYMEI 
QN 
44, 
Aus Epheſos ſcheint folgende Kleine Grabſchrift nicht edirt: 
TOMNHMEION 
SODPONOSE SEBAITOY 
ZOEIMOY 
Auf einem höchſt geſchmackvollen Votivaltar in der weitläufi— 
gen Stadtörtlichfeit von Notion Kolophon: 


45. 
KA ESN-YMOY 


KYRELILHN-I2S KALTOIZ 
AAAOIZOEOISEYXHN 
46. 
An einem Brunnen im Heinen elenden Dorfe Hypſile ver 
Dertlichfeit des alten Lebedos: 
NEPITENIJA 
HNKIAIILETHN 
JILEPITENHZ 


260 Inſchriften von den Küſten 
47. 
In der intereffanten Dertlichkeit von Erythrai) copirte 
ich folgende Inſchriften: 
T2AHMP2T2 
ONTOZMYKO 
NHEISE 
T2IOISEDEIKTONAE 
IITAOELAOPHSKEIAILPOZ 
ATIAYTBNEYEPTEZSIAST 
THBOYAHKAIT2AHM2YHNC 
STHNHMEPANTOYILIOKAOHTZHT 
SOEOYAIONYZOYENTHANOISZEIT 
®HB2NKAITOYIEPEBISTA2NIAI 
SANOIEZEERSKAIKAEISERSTOYNE 
OYIEPESZSTIOETIIOYKAIZAIOSKAIZ 
KAIOYMIASOAIKAIAY NITEIIOAI 
ONTOXAIONYZSOYNO. . NTOYZSTEAEXO 
TNOAEBZAEIOYZINEKAZSTOY... OSISTANE 
BAOMHEYXOMENOYZYIIEPTHET..EBSTAKAA 
TONAEEZISTNIOYT2ENIIAHMME.. ZEANTAEIN 
HNKAIAXOINAILZTOJIETR2Y. DIE ENT 
K2TOYZIONYSOYNOMOYTAZINEXON 


48, 
Ein Heines Fragment: 
YAIEKAIN 
EMATATHS) 
1) Sch fürchte hier ift ein Irrthum in meinen Scheden vorgefallen ; 


diefe Infehrift wird von Teos fein. 


Des Mittelmeeres. 261 


49 '), 
HBOYAHKAI 

ETEIM 
KAITYDAINAN 
A2IAZKAHEPE 
TIOAERQSOEOYA 
OYTATEPADMEEI 
STPATONEIKHZ2AI 
AZIAZANA2TH>2A 
ANAPIANTAKAA 
TIEIZS2NINoYTO2N 

50. 

Beftimmt aus Erythrae: 
EZENOKPATHZA4HMOZSIKOYATOPA 
NOMHZAZENIEPONOI2IKAIAI2I 
THNAEYTEPANTETPAMHNON 
TONEPMH:KAITOZYTONKAI 
TAZSTAOMIAT2IAHMA2I 


HP, 
Ar AIgı 
EPYOPAIRNIQAEQDE 
52, 
Sn den Stadtruinen von Samos: 
ıA1.TPITO 
53. 
An der einen Saule der Djam von Burnabat be 
Smyrna, wahrſcheinlich ſchon publicirt 9): 
VMNGOEON 
MEAHTAIIOTAMON 
TONZ2THPAMOY 
TLANTOZAEAOIMOY 
KAIKAKOY 
I1EILAYMENOY 
1) Diefe Inſchrift gehört nach Teos und iſt edirt: Hamilt, n. 240. 
2) [Mehrmals.] 


262 Inſchriften von den Küften 


54, 
Sn Sardes copirte ich alle Inſchriften, drei unedirte: 


Bü 
TON: 


55, 
TATOYEAN 
56. 
und folgende ſpäten Zeitalters: 
+LNTONAIATF 199 HTOIKEZÜNC 
BENTSNANOCIONKMYCCP@NCMH 
N®NILAPAYNICPCXISTSENAOZ2TATS 
PEDESKOLAIKACTTS 
71 OCEICTOToNAPOCTONZENC" 
STTEICTET 


Zu der ſchon im C. J. unter n. 3450 herausgegebenen In— 
fohrift muß ich bemerken, daß die Lücke in der zweiten Zeile ent» 
fprechend mit Hamiltons Abſchrift durch OY auszufülfen fcheint, fo 
daß alſo der Magnete feine Berftimmung dem Befchluffe nicht gege- 
ben habe; obgleich vielleicht ſprachlich und fachlich etwas Auffal> 
lendes dabei iſt. Dann fann der Name in der vierten Zeile wohl 
unmöglich durh APISTOF — ausgefüllt werben, fondern findet 
feine Ergänzung in PIAO —, denn das A iſt ganz deutlich. 


57. 


N. 44 und 47 bei Hamilton gebe ich ganz, da ich viel Abs 
weichendes habe: 


ELNALEA 
AETOYKAI 
ZLIIONTOY 

NIAENADAA 
MIKPALIPE 
PATOPOLTIT 
AELTOYAEI2 
EKYOIKHETO 
PTETHNKAIE 
INTOLKOIN 
JPMOYTOY 
EBALTQBN 








des Mittelmeere®. 263 


58.1). 
QILAMAPISTEBOKONTIE 
SAIZATEAEZTATON 
EPTONEOIIIPAILIZSIN 
TOIAI2ENHZAMENZ 
In Balir, Nacrafa fah ich die beiden ſchon im C. 1. aufge- 
nommenen Snfchriften von Attalos und Nerva Traian nicht wieder, 
fand dagegen drei andere, Die beiden erſten als Schmuckpfoften unten 
zur Seite der in die Djami führenden breiten Treppe im Hofe der— 
felben, aufgeftellt, die dritte auf einem mächtigen nach oben gefehrten 
Quader in der Strafe Legend : 
59, 
EoON 
AYPAXIMEY3ZMAP 
KATELKEYAZENEA 
KAIAYPKPATEINHTH 
NAIKIKAITOILYIOILAYP 
AIOTENEIKAIIOYAIAN»® 
KAIAIO4®eP» KAIMAPK 
EILINAEOYTOIAIOTA®D 
OYEEHOTHELEN 
MNEIAL XAPIN 
60, 
ATAOHTYXH 
NKAI4HMOZ [3 
MHZ AYKMOZ 
NMOSXIANO 
ATAOOXKAIDI 
NAIABIOYZTI 
NTABAANII 
IDAN2STPA 
ANAOYAH>2AH 
APXH>ZANTA 
\MIPOTA 
!AHFIKA 
1) [0. I. I n. 3470.] 


264 Snfhriften von den Rüften 


61. 


IIOKONDIAIZ 
HP® ADIAOTILATPINATo 
OOETHNTYMNAZSIAPXHN 
YTANINANONPOTON2N 
AITAZAOIIIAZAPXASEK 
EITOYPTIASTHILATPIAI 
NIITOSYMIORTATONF 
© NIAIPoNTEAESANTAE 
EY®?NIEANTATHNANO 
IKATANANET2EZXAINA 
ASESTIASEISKAIENI 
OSEISAJHMOTEAEIZIO 
AMENONASIAPNIONT 
IN PASSONTATAKPATIS 
AYILEPITHZILATPIAOE 
ONANAPIANTAEKTeN 
IoNANEOHKENOYATNI 
TPATONEIKHNOYTATH 
VYTOY-APXIEPELAZ 
TYMNASIAPXHE 


62. 
In Aſſos fand ich nur folgendes neue Bruchſtück: 
402 


AMEVAME 


Die ſpäte, jetzt über dem Portal der Moskee angebrachte Ta— 


fel gebe ich auf der folgenden Seite noch ein Mal. 


Sn Betreff der ſchon im C. l. aufgenommenen aber bemerke ich 
zun. 3571, daß in der zweiten Zeile unmöglich 7702 gelefen 
werden kann; das N ift vollfommen Far und wenig unflarer der 


vorhergehende Buchſtabe o- 


265 


des Mittelmeeres. 





* 


— 7 
N \ ) NINE AI ae 
Ne I INOXHSLLELNDDIINHTNONLIAI [OLAOVY N \\ 
MEOLINHOTNSWNYLA 2204 V304dL10)0WIOEN\V N 


DONIALLBYNOWIONDN O1GNEN /# 
: NPLRWLPINOWOUNDNVNH oWwb NOM NO 80 AISOLEN MIN bH IOWYBN>I2NOINHNdOY>oYNIHYN 098 v 2010 PN] 


INURIINDMIHN 
F MJANINMLNMLDW 








“co soll sm 


266 Inſchriften von den Ruften 


In Kios (Gemlik) unwert hinter dem Caftell auf der Strafe 
nach Nikaia an einem Brunnen : 


64. 


KPSUOCFIC 
@lkKdcerPe 
FIHCMeVoG 
FOPCTAPIOG 
XATZMAY 
POAHCKTI 
MEMCWoc 
+KC 


Weiterhin ift die Grabſchrift einer in griechiſchem Geifte über- 
aus geſchmackvollen, im Felſen gearbsiteten Afchennifche zu befchädigt 
um von Nuben fein zu Fünnen: 


65. 
TON NATO 
PAAIAITHIYN 


MNHMH2ZXAPINXAIPE 


In Apollonia ad Rhyndacum war ich fo glücklich mehrere 
Inſchriften zu finden, die felbft Hamiltons Scharfblif entgangen 
waren. 

Die von ihm n. 304 ungenau publieirte Infehrift an dem vierecki— 
gen wahrfcheinfich aus byzantiniſchem Zeitalter ſtammenden Thurm, um 
den man parademäßig die altere Inſchrift an einem mit Bumetopen 
und Guirlanden geſchmückten Fries umhergelegt hat, Tautet vichtt- 
ger fo: 


66. 
KAIZ APTPAIANOE AYITOY|ZTOZOEOY YIOZ 0EOY 
NE THIOAEIKAI 
67. 


Folgende auf großem Piedeftal frei in dem Hofe eines Haufes 





des Mittelmeeres. 267 


KAIZAP 
PATONTOYZEBASTOY 
TION 
OAHMOZ 
ENT2TNPETEIEPTRN 
EISENEYOENTANTLE 
YISS2@NIIMOAAILAOZ 
TPATOYOAYNILAAPXONTOZ 
XPHMAT2NENIMEAHOEN 
T2NTLEPIAPAMOZSTPA 
TONOATNILAAPXONTQ2N 
Folgende drei dagegen waren nur mit größter Mühe zu ent- 
ziffern , befonders Die erfte die man als Schwelle zu einem Maga- 
zin benugt hatte und die troß allen Abwafchens nicht rein werden 
wollte: 


68. 
AEIMOZAYAEPIOE 
AIOYYO3ZNET2N.A 
KEITAISNTHKATA2OYT 
MENH2..®0IA.XAIPE 
69. 

In einem Haufe eingemauert: 
JIEILAOZSZEK 
AHZEIIYITOMNHMA 

EI ISENHTOZYN.,042 
Folgende auf einem Heinen Pieveftal halb in der Erde auf 
dem Kopfe ftehend: 
10; 
KAIAKA 
TOYZEKTOY 
TEZTA23.® 

TEIMOSOENHZ 
AJEAD®OISEKTRNI 
AIBN 


268 Inſchriften von den Küſten 


ur 
In Brufa an dem alten Thor in der Oberſtadt: 
(6) M 
AOHNAIONTEIMOOZS 
IIONTARAINRAZANTAAPISTA 
Höher angebracht iſt eine leider auf den Kopf geftellte In— 
fohrift, son der ich nur folgendes herausbrachte: 


12; 
ALO 
OA 
OEOILTOAEMOZ 
An dem Trottoir daneben ift folgende ſpäte Inſchrift einges 
mauert, hart auf der Erde: 


73. 






COCKAIBEWALPOY 
PMITOKATCEONOY 
Sn Arabia Betraca fohrieb ih im vadi Mofatteb 
eine Menge Infchriften ab und zwifchen den fogenannten Sinattifchen 
auch mehrere, natürlich fehr unbedeutende griechifche, die jedoch der 
Bolftandigfeit halber hierher gehören. 
Nur eine von ihnen ift im C. I. unter n. 4668 f., aber 
ich muß bemerfen, daß die Pefung der letzten Zeile TIaveuov 7 un- 
möglich richtig iſt. Sie Iautet: ITANEMHXIPI. 


74. 


*F 


IM ._K£TOY , ‚MNHCELI:» 
AOYCOY 1@B CAPCIM BAAOC 
ANAKONOYMHOY. 10YA]OY- 
TAHTOYAMN 





des Mittelmeeres, 269 


19% 
BIER 
aa 
76. 
KAIPHPYANOC 
77. 78. 
PPWC BA | | KAPHEYBOY 
TI30A@ 
MIOC 


Das Neue, was ich an griechifchen Infchriften aus dem Nil- 
thal zurückgebracht, befchränft fich, da währenddeffen Alles hier mit 
fo großer Sorgfalt herausgegeben ift, auf ein Minimum, nämlich 
zwei kirchlich-biſchöfliche Inſchriften, deren eine aber vielleicht eini— 
ges Intereffe verdient. 

Diefe befindet fih in einer höchſt eigenthümlichen Dertlichkeit, 
auf einer aus der Wüſte etwa /, Stunden im DOften von Ibrim 
(Nubien) auffpringenden Felshöhe, die offenbar eine Art Wallfahrt: 
ort in den erften chriftlichen Zeiten gebildet haben muß. Da ich 
diefe oben künſtlich fteil abgehauene Kuppe, die mit einer andern 
zufammen eine Eattelhöhe bildet, beftieg, um einen möglichft weiten 
Neberblik über die eigenthümlich wüſte Gegend zu haben, fah ich 
plöglich mit Berwunderung, daß der ganze Fels mit griechiichen In— 
fchriften bevesft fer, die in den fihieferartigen Stein tafelartig ange- 
bracht waren. Jedoch zeigte fih bald, daß es Nichts als Namen 
feten, offenbar von Pilgern, die diefen aus irgend welchem Grunde 
nun verehrten Ort befucht haben. Aber unter den yo Maoıave, 
yo Ilaviov fiel mir folgende auf, Die einiges Intereffe zu verdie— 
nen ſchien: 


270 Snfhriften von den Hüften des Mittelmeeres, 


79. 
ETQXAMIKIH 
WARMKOMOY 
EILICK2TITIOY 
MHTPOINOY% 
JIIAX2MIOY 
Die andere Inſchrift, die möglicherwerfe abfichtlih vom C. 1. 
und Letronnes Sammlung ausgefchloffen fein könnte, befindet fich 
im großen Sfistempel auf Philae ; 
80. 


TOYTOTOEPTON 
ETENETOENITOY 
OEODNECTATOY 
TLATPOCHARQNATIR 
OE0A2POYTOY 
EIIICKONOY 

9. Barth. 





Beiträge zur lateinischen Grammatik. 


J. 


Ueber die Femininform im Nominativus Pluralis 
des Pronomen hic haec hoc. 


Bentley bemerft zu Ter. Andr. I, 1, 99: Haec nomina- 
tivo plurali pro hae saepe apud Plautum et Nostrum usurpari 
iam vel pueris nolum, und belegt die Nichtigkeit diefer Bemerkung 
noch zum Meberffuß durch die Auctorität des Donatus, der an 
verfehiedenen Steffen erffärt; haec pluraliter pro hae; sic enim 
veteres dixerunt. Wie weit oder eng Donatus hier den Begrif 
der veteres gefaßt habe, ift ungewis; daß er aber durchaus nicht 
auf die Zeit des Plautus und Terentius zu beſchränken, fondern 
wenigftens bis zum Zeitalter des Auguftus auszubehnen fer, zeigt 
der Gebrauch des Livius, deſſen befte Hff. an fehr vielen Stellen, 
z. B. 1, 30, 5 haec causae; I, 43, 5 centuriae et haec - fa- 
ctae; Il, 44, 12 haec opes Etruscos armaverant; III, 55, 12 
haec consulares leges, und öfter (vgl. Alſchefski zu XXI, 21. 
p. 85) diefe Form bieten, die der neuefte Herausgeber mit Necht 
in den Text geſetzt hat, ohne fih durd den von Weißenborn 
in den Jahrbb. f. Philol. 1842. Bd. 35. ©. 384 dagegen erhobe- 
nen Widerfpruch beirven zu laßen. Auch in den älteften und beften 
Hff. des VBergilius, dem fragm. Vaticanum und dem Romanus 
findet fih georg. III, 305: Aaec quoque non cura nobis le- 
viore tuendde, nemlich caprae (wogegen im Mediceus: haec... 
„‚tuenda, eine mit Necht verworfene Corruptel, die aber auf die Ur— 
fprünglichkeit der Form haec entſchieden hinweiſt), fowie Aen, VI, 
175 in dem Romanus; haec sacris sedes epulis, an welchen 


272 Beiträge zur lateinifhen Grammatik. 


beiden Stellen die erwähnte Form von den Herausgebern nicht hätte 
verfchmäht werden folfen. In den übrigen drei von Wagner zu 
der erftern Stelle beigebrachten Vergiliſchen Verſen (Aen. Il, 167. 
VI, 853. XII, 849) ift es dagegen zu bilfigen, wenn die nur von 
geringeren Hff. gebotene Form haec gegen die durch die beffern 
Duellen beglaubigte hae zurücgefegt wurde, 

Sollten fich denn nun in dem zwifchen diefen beiden End» 
puneten (dem Plautiniſchen und Augufteifchen Zeitalter) Tiegenden 
Zeitraume feine Spuren von dem Gebrauch der Form haec für 
das Femininum im Pluralis vorfinden? Für Barro ift derfelbe 
bereits durch Müller zu del. Lat, V. $. 98 nachgewiefen wors 
den . Er ift aber auch für Cicero anzuerfennen und dieſes nach— 
zuweiſen ift der Zwer der folgenden Zeilen. Wenn ich mic dabei 
öfter auf noch unbenugte Handfchriften berufen werde, fo verdanfe 
ich dies der Gefälligfeit meines jest nah München zurückgekomme— 
nen Freundes Halm, der mir Die Benugung feines fehr reichhaltis 
gen kritiſchen Aypparats zu den Reden und philofophifchen Schriften 
geflattet hat. Sch habe eigens zu dem Zweck diefer Unterfuchung 
einige umfangreichere Schriften Ciceros durchgelefen, um zu fehn, 
ob ſich nicht mit Hilfe guter und genau verglichener Hſſ. ein be— 
ſtimmtes Prineip in dem wechfelnden Gebrauch der Formen hae 
und haec auffinden laße. Diefe Vermutung hat fih mir freilich 
bis jetzt nicht beftätigt ; ich werde aber Doch unten ein vollftändiges 
Verzeichnis der betreffenden Stellen mit den Varianten der Hſſ. 
geben, weil ſich aus diefer Heberficht einige andere unverächtliche 

1) Der verewigte Müller geht aber wol zu weit, wenn er VI $.73 
auch die handfchriftliche Lesart hie anjtatt As rechtfertigen will: denn hätte 
Varro im Nominativ Plur, des Masculinum die durch das paragogiſche 
ce verftärfte Form gebranchen wollen, fo wiirde er fchwerlich die erwähnte, 
font gar nicht nachweisbare Form gewählt haben, da ihm aus der ältern 
Latinität die von den Komifern häufig gebrauchte, auch auf einer Jufchrift 
von Capua (bei Orelli 2487) vorfommende Form hisce vorlag, eine Form, 
über die nicht nur Priscianus A, 5, 26 (p. 554 Kr.), fondern auch Bent— 
ley zu Ter. Eun. II, 2, 38 im Unflaren waren, die aber durch die Ana— 
logie der Nominative Plur. eeis, eis, ieis (vielleicht auch es, wenn der 
Codex des Charifius p. 108 P. 77. L. in dem Fragment aus Pacuvius 
Medus die richtige Form erhalten hat) und eisdem ftatt ei und eidem (ſ. 
Henzen in diefem Muſ. V. ©. 76. 464 Freund chend, ©, 606) Hinz 
länglich geſchützt wird, 





Beiträge zur lateinifhen Grammatik. 273 


Refultate werden ziehn laßen. Vorher gebe ich aber erſt noch 
einige Beifpiele der von vorzüglich guten und alten Hff. gebotenen 
Form haec aus andern Ciceroniſchen Sihriften als den eben er 
wähnten, wie fie mir beim Lefen ohne eigentliches Suchen danach 
aufgeftoßen find, und da muß ich vor alfen einer Stelle erwähnen, 
in der das Femin. haec längſt im Texte fteht, aber ohne von je— 
mand als folches erfannt worden zu fein: ich meine rhett. ad Her. 
Il, 25, 383: Quorum rationem aliquot de causis improbamus:. 
primum quod in verborum innumerabilium multitudine ridicu- 
Jum sit mille verborum imagines comparare; quantulum enim 
poterunt haec valere, cum ex infinita verborum copia modo 
aliud modo aliud nos verbum meminisse oportebit? Wer fann 
bier an der Beziehung von haec auf das vorausgehende imagines 
zweifeln? Lambin hatte daher auch ae conjicirt, was Schütz in den 
Tert aufgenommen hat und was auch eine hier nicht in Frage kom— 
mende geringere Hſ. Lindemanns wirklich bietet; alle übrigen Hff. 
haben haec, was die Herausgeber irrig als Neutrum faßen und 
auf verborum beziehn, In derfelben Schrift II, 22, 34: immen- 
sae porro cupiditales infnitae et immoderatae sunt: hae pa- 
riunt avariliam gibt der cod. Bamberg. 420 sec. X. haec (vgl. 
Baiters var. lect, im Zürcher Wintercatalog 18°; ©. 18). Fer: 
ner bei Cie. de invent. I, 28, 43 a, S.: ac negotiis quidem 
fere res eae, quae commemoravimus, sunt allributae fieft ver 
Paris. 7774 A. sec. VIII von erfter Hand haec; die zweite Hand 
eorrigierte hae, wie auch zwei andere fehr gute Hff. Baiters ha— 
ben (ogl. den Zürcher Wintereatalog 18/5 ©. 8), ſo daß das 
eae der Texte fehr ſchwach beglaubigt ſcheint. In der Rede pro 
Seslio $.5 a. ©. fieht im Paris. 7794 (nah Madvig opusce. I. 
p. 525): haec tanlae summis in rebus laudes; pro rege Deiot. 
$.26 im Gud. 335 sec. X, Oehlerianus (welcher bisher unver- 
glichene Cover nach Halms Urtheil in diefer Rede der befte iſt), 
Helmstad. und dem unverächtlichen Oxon. H: kaec sunt regiae 
laudes; pro Rose. Amer. $. 67 im Helmstad.: Aaec sunt im- 
piis assiduae domesticaeque Furiae; de divin. II, 34, 72 im 
Erlang.: Aaec sunl igitur aves internuntiae lovis (ſtatt haeo 
Muſ. f. Philol. N, F. VII. 18 


974 Beiträge zur lateinifhen Grammatik, 


die Ausgaben hae ohne Variante, der Gud. 2 aber hee, d. i. eae); 
de fato 18, Al im Gud. 2: cum haec causae non essent in 
nosira potestale (im Erlang. fehlen diefe Worte. Bald darauf 
jedoch 19,45 haben vie beiden genannten Hff. cum hee (d. i. ede) 
causae anlegressae sinl). 

Da in den Hſſ. nichts fo haufig iſt als die Verwechslung 
yon hae und eae (welches in jüngern Hff. faft regelmäßig heae 
oder hee gefchrieben iſt), fo babe ich aus den Ciceroniſchen Schrif- 
ten, die ich, wie oben gefagt, für den Zweck diefer Unterfuchung 
eigens durchgelefen habe, auch alfe die Stellen, in denen unfere 
Terte eae bieten, mit exeerptert, Die erwähnten Schriften find 
die Tusenlanen, die Bücher de finibus und de offieiis. Unter die— 
fen hat bei weitem das günftigfte Gefhief über den Tusenlanen 
gewaltet, indem von dieſer Schrift zwer Hſſ. erhalten find, deren 
anerfannte Vortreflichfeit faft alle übrigen entbehrlich macht: ver 
Parisinus 6332, deffen Bartanten am genaueften und vollftändigften 
in Tregders Ausgabe gegeben werden (wozu die von Wefen- 
berg in den emendalt. Cie. Tusce. part. I. Biborg 1841 p. Isq. 
und part. III. ebend. 1844. p. 1. gelieferten Nachträge und Berich— 
tigungen eine nothwendige Ergänzung bilden), und deſſen Zwillings- 
bruder, der Gudianus 294 sec. VIEL, den ich — Danf der preis- 
würdigen Liheralität Schönemanns — an allen betreffenden Stellen 
ſelbſt habe einfchn Fünnen, Die Stellen nun, an denen diefe bei- 
den Hff. übereinfiimmend haec ftatt des hae der Ausgaben geben, 
find folgende: I, 11, 22 kaec sunt fere de animo sententiae ; 
Ill, 34, 84 haec sunt illae fibrae stirpium; IIII, 16, 36 haec 
tabificae menlis perturbationes (wo aber ſchon Nonius p. 179, 
25 hae citiert); V, 530, 84 haec de finibus — sentenliae, 
Zweifelaft it III, 4, 7 num reliquae quoque perlurbaliones 
animi, formidines, libidines, iracundiae ? haec enim fere sunt 
eius modi, quae Graeci za9 appellant, da haec hier mit glei- 
em Rechte auch als Neutrum gefaßt werden kann. Gegenüber 
diefen vier oder fünf Stellen, an denen der Nominativ Plur. des 
Femin. in den beſten Duellen haec Jautet, wird die gewöhnliche 
Form hae durch dieſelben Quellen nur an zwei Stellen beglaubigt: 








Beiträge zur Iateinifhen Grammatik 275 


I, 17, 40 ut illae (partes) superiores in medium locum mundi 
gravilate ferantur et pondere, sic hae rursum rectis lineis in 
caelestem locum subvolent;, V, 30, 85 Ahae sunt sententiae, 
quae stlabilitalis aliquid habeant. Endlich kommt eae in ber 
ganzen Schrift nur am folgenden fünf Stellen vor: 1, 48, 116 
raliones eae, quae exquisitius a philosophis colliguntur; Il, 
18, 42 eae voluptates, quas supra dixi; 111, 9, 22 temperantia 
sedat appetitiones et elficit, ul eae reclae rationi pareant; III, 
10, 24 offensiones eade, quae sunt eis morbis — contrariae; 
V, 33, 94 multa ab Epicureis disputantur eaeque voluptates 
singillatim extenuantur. 

Wenn fih unter allen diefen Stellen an feiner einzigen eine 
Veranlaßung ergibt, von der handfehriftlichen Ueberlieferung abzu— 
weichen, weil eben die treflichftien Quellen vorliegen, fo geftaltet ſich 
das Berhältnis ganz anders bei den Büchern de finibus und de 
offieiis, zu denen ich jet übergehe. Sch werde die daraus excerz 
pierten Stelfen der Reihe nach zufammenftellen und zwar als Lemma 
(wenigſtens in dem Wörtchen worauf es ankommt) den Orelli— 
fhen Tert voran, und fodann die Varianten meiner Hf. folgen 
laßen mit Berücdfichtigung der Ausgaben von Madvig und Heus 
finger-Zumpt. Zu der erſtern Schrift Tagen mir vor Die Varian— 
ten deg Palat. I (1515), Palat. II (1525), Erlang. und Gud. 2, 
unter welchen Hff. der Palat. I die befte iſt (vgl. Madvigs praef. 
p- IV sq.). Eine höchſt genaue von Prien angefertigte Collation 
beider Palalini ift in Halms Händen; die andern beiden genannten 
Hſſ. habe ich felbft eingefehn, daher man Angaben aus dem Er- 
lang., die von den Madvigſchen abweichen, als Berichtigungen die 
fer anfehn möge, Zu den Büchern de officiis gebe ich die Bartan- 
ten des Gud. 2 (von Heufinger Gud. 1 genannt; auch aus diefer 
Hf. habe ich Gelegenheit gehabt, die Angaben meines Vorgängers 
zu berichtigen und zu ergänzen), Erlang. und Oehlerianus. Diefe 
legte bisher noch gar nicht gefannte Hſ. Hat Halm vollſtändig ver- 
glichen. 

De fin. I, 13, 44 ex ceupiaitatibus odia, diseidia, discor- 
diae,, sediliones, bella nascunlur nec Aae sese foris solum 


276 Beiträge zur lateinifhen Grammatik. 


iactant tantum nec in alios caeco impetu incurrunt, sed intus 
etiam in animis inclusae inter se dissident atque discordant. 
nec eae se Pal. 1; nec eas se Pal. II. Erl.; nec hee sese Gud. 
2. Die Lesart des Pal. I ift natürlich unverändert in den Text zu 
feßen, wie (wenigfiens in Bezug auf eae) von Madvig bereits ge— 
ſchehn ift. 

I, 20, 68 quaeque de virtulibus dicta sunt, quem ad 
modum hae semper voluplatibus inhaererent, eadem de ami- 
citia dicenda sunt. — eae Pal. 1; haec Pal. II. Erl. Gud. Auch 
bier hat bereits Madvig richtig eae hergeftellt. 

ll, 24, 77 mihi quidem eae verae videntur opiniones, 
quae honestae, quae laudabiles, — quae in omni coetu con- 
cilioque profitendae sint. — hae Pal. I (mit andern Hff. und 
alten Ausgg.); ei Pal. I. Erl.; hee Gud. 2. Orelli und Madvig 
heben das richtige eae ım Text. 

II, 27, 89 quibus rebus eflieiuntur voluplates, hae non 
sunt in poteslate sapienlis. — hae Pal. I (mit andern Hff., wie 
es fiheint); hee Pal. II. Erl. Gud. 2. Ob aud hier mit Mad- 
vig gegen die Auctorität des Pal. I (vie aber fo eben in einem 
ganz ähnlichen Falle hat verworfen werden müßen) ede zu fchreiben 
fei, Tann nur durch eine umfaßende Unterfuchung über den Unter- 
ſchied zwiſchen hie und is entfchieden werden, an der es froß man- 
chen löblichen Borarbeiten noch fehlt. Sch möchte mich hier für 
Beibehaltung von hae entfcheiden mit Rücficht auf das von Madvig 
felöft zu de fin. p. 364 und von Wefenberg emendd. Tusce. I. 
p. 19 Bemerkte. 

III, 10, 35 sit igitur perlurbatio , quae nomine ipso vi- 
liosa declarari videtur; nec Akae perturbationes vi aliqua na- 
iurali movenlur; omnesque sunt genere quattuor, parlibus plu- 
res. So Drei mit Davıfius, während in frühern Ausgaben 
omnesque hae sunt, in der Madvigſchen omnesque eae sunt ge- 
lefen wird. — nec ea eperiurbatione sui Pal. I. 1. Erl.; nec 
hee perturbationes wi Gud. 2. — omznesque hec sunt Pal. il. 
Erl.; omnesque hee sunt Gud. 2; im Pal. I fehlt das mittlere 
Wort mit Raſur. Madoig Hat an dieſer fehwierigen Stelle, die 


Beiträge zur lateinifhen Grammatik. 277 


man im Zuſammenhang anfehen muß, überzeugend nachgewiefen, daß 
das Kolon nee — moventur als Gloſſem zu fireichen iſt. Ob aber 
hinter omnesque vom Verfaßer eae oder kae oder haec gefett ge- 
wefen iſt, wird fir jest unentfehieden bleiben müßen, da das Wort 
in der beften Hſ. von einer vorwißigen Hand ausgefrast worden ift. 

IN, 11, 26 quaero igitur quo modo Ähae tanlae com- 
mendaliones a natura profectae subito a sapientia relictae 
sint. — hec Pal I. Erl. Gud. 2 (ver Pal. I reicht. leider nur 
bis III, 7, 16) 5 man wird daher hier der Form haec die Stelle 
im Text nicht vorenthalten dürfen (vgl. die oben aus der Sesliana 
angeführte Stelfe, wo auch haec tanlae verbunden if). 

Il, 23, 77 quasi nihil inter res quoque ipsas, in qui- 
bus peccatur, intersit, ul, quo Ahae maiores minoresve sint, 
eo quae peccenlur in his rebus aut maiora sint aul minora. 
— nec Pal. Il; ne Erl.; hee Gud. 2. Darf man nicht auch hier 
aus dem nec des Pal. H auf haec ſchließen? 

V,8, 21 sex igilur hae sun: simplices de summa bo- 
norum malorumque sententiac. — hee Pal. U. Erl. Gud. 2. 
Dennoch iſt das hae der Ausgaben hier vorzuziehn. 

De off. I, 2,5 sq. Sed sunt non nullae disciplinae, 
quae proposilis bonorum et malorum finibus officium omne 
perverlunt, — — Hae disciplinae igitur, si sibı consentaneae 
velint esse, de officio nihil queant dicere. — hee Gud. 2. Erl.; 
hec Ochl. Ob danach haec aufzunehnen ? 

I, 42, 150 minimeque artes eae probandae, quae mini- 
strae sunt voluptatum. — hee Gud. 2. Erl.; he Ochl. (auch 
viele andere Hſſ. und Auszg. hae, aber entfchieden falſch). 

I, 42, 151 quibus artibus aut prudentia maior inest aut 
non mediocris ulilitas quaeritur, ut medicina, — eae sun! eis, 
quorum ordini conveniunt, honestae, Sp Drelli auf Grund ſei— 
ner beßern Hff. (auch Gud. 2 Erl. hee); andere (auch) Ochl.) 
hae, was nach dem oben zu de fin. IH, 27, 89 Bemerkten an fich 
nicht serwerflich wäre; eine ganz junge Hf., Bern. e sec. XV. 
hat fogar haec. 

1, 43, 152 uam cum omnis honeslas manet a parlibus 


278 Beiträge zur lateiniſchen Grammatik. 


qualiuor, quarum una sit (nicht vielmehr unast?) cognilionis, 
altera communitalis, terlia magnanimitalis, quarta moderatio- 
nis: eae in deligendo officio saepe inter se comparentur ne- 
cesse est. So Drelli aus dem einen eben erwähnten ganz jun- 
gen Bernensis; alfe feine übrigen Hſſ. (auch Gud. 2. Erl. Oehl.) 
geben übereinftimmend haec , was demnach ohne Bedenken in den 
Tert zu feßen ift. 

Il, 2,5 sapientia est — rerum divinarum et humanarum 
causarumque, quibus eae res continenlur, scientia. Sp Drelli 
mit alfen feinen Hſſ. und zwar mit Necht, obgleich Erl. he und 
Oehl, hec hat (im Gud. 2 fehlen die Worte eae res). 

II, 4, 14 ab eisdemque (hominibus) et eae (beluae) quae 
nocent interficiunlur et quae usui possunt esse capiuntur, So 
die Ausgg., aber nur wenige Hff. Cdarunter Gud. 2 und Erl., 
nemlich hee); ver vorzügliche Bern. c dagegen lieſt: eisdemque 
ea quae nocent (auch Oehl. hat ea), andere eisdemque haec 
quae nocent oder ei haec quae nocent, ein Beweis daß, wie auch 
Schon Heufinger vermutete, das eae, ea oder haec als Gloſſem 
gänzlich zu ftreichen ıft, was auch Nonius beftätigt, der P. 330 fo 
citiert: ab isdemque quae nocent interfieiuntur. Ob aber auch 
et mit Nonius und dem Bern. c zu ftreichen fer, bezweifle ich. 

II, 9, 32 atque kae quidem causae diligendi gravissimae: 
possunt enim praelerea non nullae esse leviores. — he Ochl.; 
hee Gud. 2. Erl. die Terte richtig hae. 

II, 13, 46 ut igitur in reliquis rebus multo maiora opera 
sunt animi quam corporis, sic eae res, quas ingenio ac ralione 
persequimur, gratiores sunt quam illae, quas viribus, So rich— 
tig Henfinger und Drelli mit guten Hſſ.z die Altern Ausgg. hae, 
wie auch Oehl.; sit ea res Erl.; sıc res Gud. 2. 

Ill, 6, 32 huius generis quaesliones sunt omnes eae, in 


quibus ex tempore officium exquirilur. — hee Erl.; he Oechl.; 
Gud. 2 läßt das Wort aus, 
IN, 12, 50 eius generis ‚hae sunt quaestiones: — An 


dieſer Stelle, wo der Sprachgebrauch das Demonftratiopronomen 
notbwendig fordert, Hat unter meinen drei Hſſ. Oehl. he, Erl. hee 





Beitrage zur lateiniſchen Grammatik. 279 


und Gud. 2 A’, d. i, haec, welche Form demnach hier vielleicht 
aufzunehmen fein wird, 

III, 16, 67 Marius Sergio vendiderat aedes eas, quas 
ab codem ipse paucis anle annis emerat: eade serviebant; sed 
hoc in mancipio Marius non dixerat. So (oder hee) haben 
Orellis fämtliche Hff., auch Gud. 2; vie ältern Ausgg. hae, auch 
Oehl. he und Erl. A’, d. i. haec. Aber ede ift durchaus richtig. 

II, 22, 87 non igitur utilis illa L. Philippi sententia : 
quas civitates L. Sulla pecunia accepta ex S. C. liberavisset, 
ut eae rursus vecligales essent. Auch hier hat Drelli mit Recht 
eae aus den befern Hff. (auch Gud. 2. Erl. hee) aufgenommenz 
die Vulgate hea, Oehl. he. 

II, 33, 118 iuslilia vacillat vel iacet potius omnesque 
eae virtutes, quae in communilate cernunlur et in socielate 
generis humani. Das vom Sinn gebotene eae ſteht in den mei— 
ften und beften Hff. (auch Erl. hee); Oehl. he; Gud. 2 läßt es aus, 

Ziehen wir jest die Refultate aus diefer ziemlich dürren Zus 
fammenftelfung. Zuerft geht daraus hervor, daß das Femininum 
Pur. des Pronomen hie haec hoc im Nominativ überhaupt ver 
hältnismäßig fehr felten vorfommt, In den dreizehn Büchern, welche 
die mehrerwahnten drei Ciceroniſchen Schriften zufammen ausmas 
chen, ift e8 gerade nur dreizehn (vielleicht vierzehn) mal gebraucht 
worden; wenigftens fteht es nur jo oft ficher von Geiten ber 
handſchriftlichen Beglaubigung und des Sprachgebrauds. Dreimal 
(de fin. 11, 27,80. IIl, 10, 35. de off. I, 42, 151) mufte e8 un- 
entfchieden bleiben, ob die betreffende Form von hie oder is zu 
fhreiben wäre. Ich bemerfe bier zugleich mit, daß die in Rede 
ftehende Form in manchen Schriften Ciceros, zu denen der mir zu 
Gebote ftehende Apparat ſowol durch Werth als durch Umfang am 
bedeutendſten iſt, wie in den vier Catilinarien, den Reden pro 
Sulla, pro Marcello, pro Caelio und im Lälius, gar nicht vor» 
fommt, auch im Catilina des Salluftius') und in den Lebens— 


1) Sm Jugurtha dagegen fommt hae zweimal vor: 71, 1 hae li- 
terae; 85, 30 hae sunt meae imagines, haec nobilitas. Es ift mir Feine 
größere Fritifche Ausgabe des Salluftius zur Hand, daher ich nicht weiß, ob 
nicht auch hier won guten Hſſ. haec geboten wird, Auch eae fommt in 


850 Beiträge zur lateiniſchen Grammatik. 


befhreibungen des Cornelius Nepos nicht; denn an der einzi- 
gen Stelle der letztern, wo alfe unfere Texte hae bieten (Alt. 8, 4) 
ift, wie ich im Philologus Jahrg. 4. ©. 350 bemerft habe, aus 
der beften Hf. quantum eae paterentur herzuſtellen. 

Zweitens berechtigt die obige Zuſammenſtellung zu dem ſichern 
Schluß, daß bei der Entſcheidung, ob am einer beftimmten Gtelle 
hae oder eae zu fihreiben fer, die Hff., wenn fie nicht ein hoch 
hinaufreichendes Alter haben oder durch fonftige Anzeichen zu erfen- 
nen geben, daß fie aus einer alten und unverderbten Duelle abge- 
fchrieben find, nur ein fehr geringes Gewicht in die Wagfchale le— 
gen dürfen. Es findet hier derſelbe Fall fatt wie ber dem Wech— 
fel von hi und ei, his und eis, wo ich kühn behaupte, daß den 
Hſſ., ſelbſt Altern, eine noch geringere Auctorität einzuräumen ift, 
die Enticheidung vielmehr alfemal von einer noch anzuftellenden 
chon oben als wünſchenswerth bezeichneten) Unterſuchung über den 
Unterfchied zwifchen hie und is abhangig gemacht werden muß, bei 
welcher Unterfuhung allein von folhen Formen auszugehn ift, die 


der genannten Schrift zweimal vor: 19, 1. 92, 8. — In den fieben Bü— 
chen Gäfars de bello Gallico, die ich nah Nipperdeys Ausgabe 
durchgelefen Habe, Fommt hae ohne Variante viermal vor: I, 17, 4 hae 
sepes; III, 13, 6 hae (pelles) sive etc. (Diefes hae wirft übrigens, 
vielleicht nicht mit Unrecht, Whitte ganz aus dem Tert hinaus); V, 43, 
2 hae (casae) celeriter etc.; VI, 11, 1 kae nationes. Dagegen findet 
fid V, 15,4: cum hae (legiones) perexiguo intermisso spatio inter se 
constilissent, ftatf hae die Lesart haec außer in einer geringern HT. fogar 
in der beiten, dem Bongars. I, und war daher ohne Bedenken in den Text 
zu feßen. Berner V, 49, 1, wo die frühere Vulgate lautet: Galli — ad 
Caesarem ompibus copiis contendunt: ege erant armatorum eirciter mi- 
lia LX, Nipperdey aber aus der Lesart aller guten Hfj. armatae fehr rich— 
tig armata hergeftellt hat (zu den von ihm pP. 82 angeführten Stellen füge 
man I, 49, 3 hinzu, auch Liv. XXVIII, 2, 4, wo nach den Spuren der 
beßern Bücher quattuor milia scutata jtatt der Bulgata scutatorum und 
ſtatt Gronovs seutati zu leſen ift), beruht eae nur auf fehr fchwacher 
Auctoritätz die beßern Hi. haben hae, was Nipperdey aufgenommen hat, 
die befte, Bongars. I, auch hier haec, gewis die richtige Lesart, aber nicht 
etwa als Neutrum, fondern als Femininum (vgl. Nipperdey a. a. D.). 
Auch III, 10, 1 erant hae difficultates belli gerendi, quas supra ostendi- 
mus, ſcheint hae nicht ganz ficher zu ftehn, da die guten Hſſ. zwifchen 
hecce, heae und ee fcehwanfen. Whitte hat geradezu eae gefchrieben; viel- 
leicht ftecft in dem erwähnten heece des Paris. I die Form haec (val. die 
oben befprochene Stelle Cie. de invent. I, 28,43). Endlich fehwanfen die 
Bücher zwifchen hae und eae VI, 23, 2. 81, 6; eae fteht nur VII, 1, 2 
feher und ohne Variante. 


Beiträge zur lateiniſchen Grammatik. 281 


in den Hſſ. keiner Verwechslung unterliegen, wie hie und is, haec 
und ea, hoc und id, hunc und eum, hanc und eam, huic und 
ein. ſ. w. 

Drittens endlich Tiefert die obige Zuſammenſtellung eine Be- 
ftätigung der ſchon vorher aus vereinzelten Spuren nachgewiefenen 
Erfoheinung, daß das Femininum Pur, des Pron. hie haee hoc 
auch bei Cicero häufig in der Form haec vorkommt Cin dieſer viel- 
Veicht fogar häufiger als in der traditionellen). Unter den erwähn> 
ten dreizehn (vierzehn) Fällen Hat fie fechs (ſieben) mal, nemlich 
Tusc. I, 11, 22, di, 4, 7.11, 34, 84. II, 16, 36. V, 30, 
84. de fin. III, 11, 26, de off. I, 45, 152. eine fo ftarfe hand- 
fchriftliche Beglaubigung, wie man fie für dergleichen Fälfe nur 
wünfchen mag; breimal (de fin. II, 25, 77. de off. I, 2, 6. II, 
12, 50) foheint fie nur in einzelnen jüngern Hff. oder deren Cor— 
ruptelen erhalten zu fein; nur viermal (Tusc. 1, 17, 49. V, 30, 
85. de fin. V, 8, 21. de off. II, 9, 32) ıft die Form hae gut 
beglaubigt. Damit man nun aber richt etwa wähne (wozu bet 
neuen Entderfungen die Berfuchung gar nahe liegt), als müße die 
Veßtgenannte Form, die bisher als die allein giftige daftand, ganz 
und gar ihrer neugewonnenen Schwefter das Feld räumen, fo ziehe 
ih aus den Büchern de re publica zwei Stellen heran, in denen 
e8 wol niemand wagen mag, fie hinauscorrigieren zu wollen: I, 9, 
14 und 20, 33 fteht, ohne daß eine Vartante aus der Hf. bemerft 
it: hae feriae. Auch pro Milone $. 95 muß in dem Turiner 
Palimpſeſt hae voces fiehn, wenn aus Peyrons Schweigen ein 
Schluß gezogen werden darf. 

Nachdem ich fo das Nebeneinanderbeftehn der Fornien hae 
und haec für die Zeit der claſſiſchen Latinität und fpeciell für den 
Gebrauch des Hauptvertreters derfelben rein empiriſch nachgewiefen 
habe, läge es mir von Nechtswegen noch vb, die Cin diefer Fun- 
etion wenigſtens) neu eingeführte Form auch vationell zu begrun- 
den. Indeſſen ich will ciner Fundigen Hand nicht vorgreifen, die 
fürzlich eine Theorie der Etymologie des Pronomen hie haec hoc 
verheißen hat Ch. Ritſchl proleeg. in Plauti Trin. p. CIT. 
CXXXVIN), der außer Bergf (Zeitfehr. f. dv. AI, 1848. ©. 1127) 


282 Beiträge zur lateinifhen Grammatik, 


gewis noch viele andere erwartungsvoll entgegenfehen, und begnüge 
mi, vor der Hand auf die furze Bemerfung Madvigs zu Cic. 
de fin. p. 75 hinzuweiſen, die ſchon ausreicht, um den Gebrauch 
der Form haec auch für das Femininum als einen ſprachgemäßen 
ericheinen zu laßen, 


Weilburg, Alfred Fleckeiſen. 





Miscellem 


Archäologiſches. 
Theſeus und Aegle. 


Auf einem etruskiſchen Carneol den Millin (Pierres grayées 
inedites pl. 26) aus Privatbeſitz eines Herrn Boze herausgab, iſt 
ein nackter Jüngling dargeſtellt, der mit einer halb drohenden halb 
ſchmeichelnden Bewegung einer gleichfalls faſt nackten Frau gegen— 
überſteht, während er die linke Hand flach gegen ſie erhebt, iſt ihr 
linker Arm begütigend gegen ſeine linke Schulter geſtreckt, und wäh— 
rend ein leichtes Gewandſtück unter dem Rücken an einem Ende von 
ihr feſt gehalten wird, ſcheint der Jüngling das andere Ende faſſend 
es ihr entziehen zu wollen. Offenbar iſt ein, bei der alterthümli— 
hen Strenge der Zeichnung Doppelt anſprechender, Liebesſtreit darz 
geftellt ; da aber außer einem hinter dem Jüngling im leeren Naum 
angegebenen Schild jede bildliche Andentung fehlt, fo würde die Be— 
nennung beider Liebenden vahingeftellt bleiben, ware nicht der Name 
der Frau in einer Infchrift erhalten, über deren etrusfifche Züge 
auch Millin fih nicht täuſchte: man lieſt ganz deutlich ITIIA 
das ift Negle, Alyır. Seltſamer Weife findet die Figur bei 
Millin zwar nicht mit diefem Namen, fondern als Venus fich bes 
zeichnet, deren Liebender Mars fer. Mit viel Erudition mythologi- 
[her Wörterbücher wird beigebracht , Aegle fer ein häufiger Name: 
mehr denn Eine Najade, Hefperide, Nymphe, manche Tochter von 
Apoll, Aeſkulap, Helios und die Mutter der Chariten fei fo bes 
nannt; da aber son dem Attributen jener Götter bier Keines fich 
finde, fondern vielmehr das Schild des Jünglings einen (unzweifel- 
haften!) Kriegsgott angebe, fo könne nur Mars gemeint fein; mit 


284 Miscellen. 


Mars, wird weiter vorausgeſetzt, Yaffe wohl nır Venus verbinden 
ſich denfen und es fer demnach Aegle nicht als Eigenname, fondern 
als Appellativ einer „glänzendena Venus zu faffen, zumal auch der 
leuchtende Morgenftern ihr verfnüpft werde. Dabei bleibt Aegle 
als Beiname Aphroditens unerwieſen; Aegle aber als mythifche Per- 
fon läßt wohl noch mit anderen Männern als den Gottheiten fich 
denfen, in deren Verbindung fie zufällig erwähnt ift. 

Unbenust auch in neueren Wörterbüchern, aus Plutarch (Thes. 
20) aber und als Hefiodifches, durch Pıfiftrats attifchen Patriotis— 
mus ausgeftoßenes, Fragment (Hes. fr. 113=123) vielbefannt ift 
der nachfolgende Herameter: 

dewog yap ww Ersiosv Eowg Ilavonnidog Alyans, 
welcher in Aegles Herkunft aus der wild gelegenen und von wilden 
Phlegyern gegründeten Stadt Panopeus (Müller Orchom. ©, 188.) 
vielfeicht auch eine Spur gewährt um die unzärtlihe Weife zu er— 
klären, mit welcher Thefeus, anders als bei Ariadne und felbft bei 
Antiope der Tall war, als Werber der fpröden Gebirgsbewohnerin 
auftritt, Ueberhaupt fordert der Mythos fammt dem nun gewonne- 
nen Beleg daß er auch alten Runftwerfen nicht fremd war zu wei- 
terem Nachdenken auf, theils als neue Hinwerfung auf eine alte 
Verbindung Athens mit Phlegyern und Minyern, wie folhe fchon 
Müller (Orchom. S. 204) bemerft hat, theils wegen der ung un— 
befannten befondern Untreue gegen Ariadne, deren Thefeus durch Die 
Verbindung mit Aegle fih ſchuldig gemacht haben fol. Nicht die 
Zahl ver Thefeusgeliebten, deren Athenaus All, 4 viele aufzählt 
— zulegt nach Hefiod “Iaamv zal Alyınv, dv’ 7V #al ToVg no0g 
’Agıadvnv 6oxovs nageßn, @s pmoı Kegzany — fondern irgend 
ein befonderes Aergerniß jener Liebe zu Aegle muß die Athetefe 
des heſiodiſchen Verſes durch Pıfiftratos, von welcher Plutarch be- 
richtet, veranlaßt haben: dieſes noch aufzufpüren bleibt für die The- 
fensfage wie für das gedachte Gemmenbild zu wünfchen übrig. 

&, Gerhard. 


Litterarbiftorifches. 
Aeſchylos. 


Sn Bezug auf die ©. 139 ff. enthaltene Vermuthung über 
den Adler mit der Schildkröte in den Klauen, die herabfallend den 
Aeſchylos getödet haben fol, theilt mir Herr Prof. Bergk die wei- 
tere ſchöne Bermuthung mit, daß vielleicht ein Bild des Dichters, 
vieleicht auf der Grabftele zu Gela, die häufig von Wanterern 
aufgefucht werden mochte, ein Bild des Dichters mit dem Adler und 
der Schildkröte darüber Anlaß zu der Vorftellung des Steins gege- 
ben haben möge. Der Adler mit der Schilvfröte über dem Dichter 
fer wohl nichts Anderes gewefen als ein Heil und Glück verfün 
dendes Wahrzeichen, wie dergleichen die ältere Kunft zumal anzu= 
bringen liebte, vgl. Plinius 35, 4, 28. „Später, wo man das Ver- 
ſtändniß dieſer Dinge mehr und mehr einbüßte, Tag nichts näher als 
darin eine Anfpielung auf den Tod des Dichters (oder vielmehr den 
Ausdruf einer Todesart) wahrzunehmen. Daß der Adler gerade 
eine Schildkröte, nicht eine Schlange over ein anderes Thier erbeu- 
tet hat, ift wohl von Feiner Bedeutung und mag in der Iocalen 
Anfhauung feinen Grund haben.“ Das letzte iſt mir doch fehr 
zweifelhaft und Das Gemälde des Nikias in der angeführten Stelle 
des Plinius iſt felbft als Ausnahme zu betrachten und unverftänd- 
lich. Pinius fagt: alterius tabulae admiralio est puberem fi- 
lium seni patri similem esse, salva aetalis differentia, super- 
volante aquila draconem complexa. ch vermuthe fogar beftimmt 
eine Lücke hier und daß der Adler nicht zu dem Bilde mit Bater 
und Sohn gehörte. Ueber die Menge der Lüden in allen Hand— 
fohriften des Plinius belehrt uns jest gründlicher J. Sillig in der 
Borrede zu Plinii nat. hist. praefatio etl. XXX p. XLV ss. Nicht 
einmal der Bamberger Handfihrift traut er zu, daß fie ganz frei 
son Lücken fer. Senes Wahrzeichen bedeutet ganz feiner Natur nach 
fonft eigentlich einen drohenden, aber unglücklich ausfallenden An— 
griff, wie in der Jlias (AI, 200), in der Antigone (Allg. Schulzeit, 
1829 N. 25), in der Aeneis CAF, 751) a. a. Dichtern, fo in Ges 
mälden; jedenfalls einen Kampf auf Leben und Tod, Wir finden 


286 Miscellen. 


e8 bei dem Kampf des Ares und eines Giganten (Elite ceramo- 
graph. I, 7), bei dem zwifchen Memnon und Achilleus (de Witte 
Vases de Mr. M. n. 59), und nur tfolirt auf Münzen, Gemmen 
u. f. w. may es meiftentheils von unbeftimmter Bedeutung gewefen 
fein. Daß der Adler einen Hafen, einen Fiſch vaubt, hat nicht den 
gleichen Sinn: denn die Schlange befiegt oft noch in der Luft, uns 
ter feinen Klauen felöft ihren Sieger. Die Schildkröte feheint um— 
gefehrt für den Adler unüberwindlich und do findet er ein Mittel 
ihr beizukommen. Dieſes eigenthümfiche Verhältniß zwifchen der 
Stärfe und den Mitteln beider Thiere hat wie eine Fabel, fo ver- 
muthlich auch ein Wahrzeichen vom beftimmten Sinn veranlaßt, der 
vielleicht noch einmal errathen und in feinem Bezug auf Aeſchylos 
treffend gefunden werden wird. Bor der Hand darf man vermu- 
then, daß das ſymboliſche Zeichen über dem Bilde des feinen Be— 
her leerenden Dichters auf die politiſche Parthei hindeute, welcher 
er, wie unerreichbar und unüberwindfich er nad) der Natur feines 
Geiftes und Charakters in feiner Stellung als Iheaterdichter auch 
ſcheinen mochte, dennoch zu weichen genöthigt wurde; und viefleicht 
ift gar die Myſterienklage nach der Dedipodee, welde DI. 75, 1, 
nicht lange vor Hierons Tod aufgeführt wide, der Adlerliſt gegen 
die wohlgepanzerte Schilofröte verglichen worden. Die Nuhe feines 
hohen Geiftes auch im Unterliegen würde dann der Becher des Fahl- 
föpfigen Marathonfämpfers und Dichters ganz wohl andeuten. 
% G. Welder 





Ariſtoteles' Politien. 


Die Politien des Ariftoteles werden in dem Verzeichniß der 
Schriften deffelben bei Diogenes von Laerte V, 27 unter folgendem 
Titel aufgeführt: moAıreisı noAewv dvolv deovonv Einrovra 
xal &narov nal ldia Ömuoxgarızal, Okıyaoyıral zal Tvgavvi- 
za. Wenigftens in der Zahl 158 ſtimmt hiermit die fonft vffen- 
bar flüchtige und verberbte Faſſung bei dem Anonymus CWesler- 
mann, Vitar. script. p. 404, 69); moAıreiag nohewv ldımrı- 





Litterarhiſtoriſches. 287 


x0v zul Önmuorgarızov zaı Okıyaoyızav Evn. Faſt ein ganzes 
Hundert Staaten mehr nennt unfer Tert der Vita des Ammonius, 
bei gefegentlicher Erwähnung der Politien CWesterm. 1. 1. p. 401, 
85): ausreı zul ovvwdevoev (Agıororeing) avro (AKSarv- 
dom) zul Eow rwv Boayuavov Ev} Eotnosragove nolıreiag, 
wo flatt des unpaffenden Eoryos zu fchreiben it: voroonos, 
nach Anfeitung der alten Tateinifchen Ueberſetzung. composuit hi- 
sioriam ducentarum et quinquaginta politiarum , die zugleich 
durch ihre Abweichung in der Zahlangabe das oVE unferes griechifchen 
Tertes unfiher mat '). Nur 13 Staaten mehr ald Diogenes 
und der Anvaymus bietet das arabifche Verzeichnig ?), nämlich 171. 
Will man nun weder hier noch im Ammonius bloßen Schreibfehler an— 
nehmen, fo laffen fich für die Vermehrung allerlei gleich mögliche 
Anlaffe denken. Es könnte die Sammlung fpäter von fremder Hand 
Zuſätze erhalten haben, und wirklich unterfiheivet Simpfieius 3) zwi— 


1) 250 wie die lateinifche Ueberfeßung hat auch der Armenier Das 
did, welcher den Ammonins, oder — Quelle wie dieſer benutzt, schol. 
in Aristot. ed. Brand. p.24 a 34. „ab Tokueiaı &s LoTognGEr ex 
Tou nolknv yijv neoıchdeiv Aue AkeSavdop Paoıkei, üs &uledwxe 
za1a OTo1yEiov diazocias MEVTNZOVTR OUCRS TOV agıduor. (Sbenfo 
Prolegg. in Porphyr. ibid. p.9 b 26: yeygauusvaı de VID Eli zei 
nokıreieı dıezooıeı nEyTizovte zov doıduoy, &s OVVEYORI)aTO &x To 

nohkyv yav neguchdeiv o0v Aktiivdon 19 PBaorkei. Dagegen fcheint 
Philoponus eine Zahl wie die im griechijchen 2 Text des Ammonius zu meis 
nen ibid. p. 35 b 34: HTokıreicı a ugyi ras v' zei diezooies ovoaı. 

2) Die arabifcheun Worte fiehen bei Wenrich de auctorum grae- 
corum versionibus et commentariis syriacis, arabieis etc., Lipsiae 1849, 
p- 156. Sie lauten in wörtlicher Ueberfeguug: liber cuius signum (litulus) 
regimen urbium, et dieitur zoAıreie (UDxly>), memorat in eo regimen 
nationum et urbium complurium, et numerus nationum et urbium quas 
memorat centum et unum et septuaginta, Freier zufammenziehend Wen— 
rich: de civitatum regimine, zoAıreie, liber I, in quo de complurium 
populorum atque eivilatum regimine traclatur, quarum numerus CLXXI. 
Den Worten liber I entfpricht im Arabischen nichts ausdrücklich. Noch 
mehr verläßt den arabifchen Tert Gafiri (f. Aristot. oper. ed. Buhle Vol. I 
p. 42): de reipublicae regimine liber I, Politia dietus, ubi complures 
nominantur urbes et nationes regendae numero videlicet CLXXI. 

3) in Categ. f. 4. Schol. Arist. ed. Brandis. p. 27 a 38: On. 
oux Godevein Aoyou 10 Eoap &s @UuTOU (23 "A010T01TE8A85) Toig o0vyyodu- 
uaoıy EnEyEvErd.. ‚Inkov zei EEE wv Ev ois EBovindn gayeoraıa Edida- 
Ser ws Ey Tois Metewgoıs zei tois Tonızois zei deis yvnoiaıs 
@üTtou Iokırsicıs, dneo die, 1) #0LY0TE0OV Toy Jengrudıuv 
GapEoTEgoy enayyeikau ovvoude, 10 dE Juraodeı caywos elneiv dn- 
hoi ualıora do ıwoy Enıorokwy üToü K89@zın0 #th. wo nodıreiaıg 


988 Miscellen 


fehen ächten und unächten Politien. Es könnte auch die ariftote- 
liſche Schrift vönıua Bapßagıza von irgend Jemandem mit den 
Politien vereinigt fein, und dafür dürfte man fich auf Das im ara— 
bifchen Titel zweimal wieverfehrende naliones et urbes (E9vn 
zal morsıs) fowie auch auf den Umftand berufen wollen, daß nur 
Berichte über nichtgriechiſche Völkerſchaften, welche fi) neben denen 
über griechifhe Staaten in dem Werfe vorfanden, Anlaß zu der 
Erdihtung geben Fonnten, Ariftoteles habe, als er Alerander auf 
deffen orientalifchen Zügen begleitete, den Stoff zu den Politien ges 
fammelt. Auf feinen Fall Fünnen aber diefe Möglichfeiten die bei 
Divgenes obendrein nicht in Zeichen ſondern in ausgefchriebenen 
Worten überlieferte Zahl 158 für die Acht ariftotelifchen Polttien 
verdächtigen, zumal da eine genauere Betrachtung dieſes ganzen Ti— 
tels bei Diogenes das fihere Ergebniß Tiefert, daß er, wonicht von 
Ariftoteles felbft, doch von Jemandem herrühre, der eine genaue 
Kenntnig des Arifiotelifchen Werks befaß, und Inhalt und Anord— 
nung deffelben in diefem Titel mit gedrängter Kürze angedeutet hat, 
Freilich ſcheinen dieſem Lob der gedrängten Kürze die Worte za 
dıe zu widerfprechen, wenigſtens wie fie gewöhnlich durch el sin- 
gillatim überjegt werden. Denn zugegeben, daß fie dieß heißen 
fönnen und ſynonym find mit den ariftotelifchen Ausdrücken zwg7s 
der zus" Ezaorov: fo geht doch hier Fein allgemein zufammenfaf- 
fender Begriff voraus, der eine Scheidung in Einzelnes verlangte 
oder auch nur zuließe. Suchen wir alfo mit Hilfe der erhaltenen 
Bruchſtücke der Politien die Worte zur din in ihrer fcharfen Be— 
deutung aufzufaffen. 

Aus zwei Bruchſtücken geht deutlich hervor, daß Ariftoteles in 
den Politien fich nicht auf die Verfaſſungen einzelner Städte be— 
ſchränkt, fondern auch. die Füderativ - und Centralverfaffungen als 
folhe abgefonvert bebanvelt habe. Erſtlich wird eine Abtheifung 
der Politien unter der Aufſchrift zoır 7 Ayzadavr noAırEla 
angeführt von Harpofration Ss. v. Mugıoı ev ueyaln noleı],.... 
dielkerror dE negl avıwv nal Agıororeing Ev ın zouwn "Ag- 


Ihon darum nicht mit Ideler (praefat. in Meteor. p. 38) in &miorokais zu 
ändern iſt, weil Simplicius von den Briefen erſt im folgenden Satz als 
yon einer bisher nicht erwähnten Schriftgattung redet., 





Litterarhiſtoriſches. 289 


»adwv noAıreig doyousvos tod Bıßkrov, und zweitens nennt der- 
felbe Harpofration eine zoıy Ocıralav nolıreia S. v. Te 
T9aoxla].... Aguororeing dE Ev rn zoıwn Oerralwv nolıreig end 
"Akzva zov Ilvogov dınonodar pyow Es d' worgas zjv Oer- 
zaltar. Solchen zoıwar norıreiaı treten nun die Sonderverfaf- 
fungen einzelner Staaten, welche nicht oder infofern fie nicht zu 
einem Bunde gehören, als Idımı morıreiaı zur Seite und die Worte 
zal ldie in dem Titel bei Diogenes find demnach, der Anordnung 
des Werkes gemäß, folgendermaaßen zu verbeffern und zu ergänzen: 
nokıreiaı nolewv Jvolv deovouıv E£nxovra zal Exarov z0ıval 
»al ddıaı, Ömuozgarızar zur. Durch welches ungefchickte Miß— 
verftändniß hieraus bes dem Anonymus moAıreiaı nolswv ldıw- 
Tıx@v zal ÖmuoxgaTız®v zul MOLOTOXIATIZWV geworden, ver— 
lohnt nicht die Mühe näher zu beftimmen. Go viel ift gewiß, daß 
Fabrieius’ (Biblioth. Graee. Ill, 400 ed. Harl.) Vorſchlag, für 
dıorızav zu fchreiben: log Tugavrızav, weder an ſich genügend 
noch in Uebereinftimmung ıft mit der Stellung der Tyrannis im 
Spften der arijtotelijchen Poltif, Es träte namlich dann die Ty- 
rannis an die Spige der übrigen Berfaffungen, wahrend fie in dem 
Titel bei Diogenes die feste Stelfe einnimmt, d. h. diefelbe, an der 
fie auch Ariftoteles in der Politif, unter ausdrücklicher Begründung ') 
dieſes Verfahrens, immer abhandelt. — Ebenſo lehrt die Vergleichung 
mit der ariftotelifchen Politik, daß Die Aufeinanderfolge der drei Ver— 
faffungen, Demokratie, Oligarchie, Ariftofratie nicht aufs Gerathe— 
wohl in dem Titel bei Diogenes gewählt ift, fondern ihren Grund 
in der Anordnung der Politien mag gefunden haben. Denn im 
fünften Buch der Politik, alfo in demjenigen, das fich mehr 
als alle übrigen deſſelben Werks auf die vorbereitende Ar— 
beit der Politien ftüßt, befolgt Artftoteles, wo er die Umwälzun- 
gen der Berfaffungen (ueraporad noAıreıwv) im Cinzelnen 2) 

1) Polit. 4 8. p. 1293 b. 27: relsureiov de negi tugavvidog eü- 
koyov 2otı nomoaodeı uvelay die 10 naoWy Hrıore 1avıyv £ivca 

nosıteiav. 

2) p- 1504, b. 19: za9# E&xaoroy £idos nokusias. — Bon der 
Abhandlung über ble owrnole nokıreıwy liegt ung in c. 8—10 deſſelben 
fünften nn der Politif unr der allgemeine Theil vor, obgleich fich be- 


weifen läßt, daß Ariftoteles dieſe Frage fo gut wie Die entfprechende yon 
Muſ. fr Philol. N. F. VII 19 


290 Miscellen. 


behandelt, deutlich diefelbe Ordnung, indem er zuerft im dten 
Capitel die Demokratie befpricht, dann im Gten die Oligarchie 
und im Tten die Ariftofratie. Wird fih nun auch diefer Einthei- 
Yungsgrumd nach den Verfaffungsarten in der angegebenen Neihen- 
folge immerhin bei einem fo wertfchichtigen und mannigfaltigen Stoffe 
mit andern fei es über» oder untergeordneten Theilungsprinzipien 
gefreuzt haben 9: fo darf man ihn Doch wohl nicht, wie bisher ges 
fhehen , bei der Anordnung der Ueberrefte der Politien ganz außer 
Acht laſſen. — Seben wir die Vergleichung unferes Titels bei Dio— 
genes mit dem in der Politik dargeftellten Syftem weiter fort. Daß 
die von Ariftoteles im eigentlichen Sinne fo genannte moAırer« in 
unferm Titel nicht erfcheint,, darf nicht auffallen, weil fie eben das 
in der Wirklichkeit nie erreichte Ideal darftellt. Chen fo wenig 
fonnte unter den noArreinı noAewv das Königthum als eine be- 
fondere Verfaffungsart genannt werden. Das despotifche Königthum 
findet fi nur bei den barbarifchen E97 75 das patriarchaliſche war 
mit den heroifchen Zeiten verfchwunden ; das dictatoriſche (alov- 
wrnreia) fällt mit der Tyrannis zufammen, und endlich „das gefeß- 
lich befchränfte Königthum, wie das Tafedamonifche, bildet feine befon- 
dere Berfaffungsart, da es fowohl innerhalb Demokratie als Arifto- 
Eratie beftehen kann 23.0 Aber allerdings find zvoarvis und nokrreia 
dem Ariftoteles fo unvereinbare Widerfprüche, daß er nie von zolı- 
Telaı rvgavvızal, wie 08 in dem Titel bei Diogenes gefchieht, auf 
einer Linie neben noAıredaı dnwoxvarızal, okıyaoyızal, @01010- 
zoarızar reden Fonnte. Vielleicht Hat dieß jedoch auch der Abfaf- 
fer unferes Titels nicht gewollt, fondern die vielen Ausführungen, 
welde fih, wie noch aus den Fragmenten erfichtlich, über Tyrannen 
in den Politien vorſanden, zufammengefaßt unter der Bezeichnung 
zvoavrıza, was dann, in Tvoawvızal verberht, molırsfaı tvoar- 


den uerapoket auch je nach den einzelnen Verfaffungen (weis) zu erörtern 
vorhatte, 

1) Alyhabetifche Aufzählung wind wohl innerhalb der zu derfelben 
Abtheilung gehörigen Staaten nicht verfchmäht worden fein, und in diefer 
Beſchränkung Fann dann auch das zera« o1Toıyeiov des David (f. oben ©, 
287 N. 1) feine Geltung behalten. 

\ 2) Polit. T, 14 p: 1285 b. 20 und ce. 16 p. 1287 a 3: 6 uev yao 
wara vöuov Baaıkeug our Eorıw Eidos... nokueies, ti 








Handſchriftliches. 291 


vıral ergab, eine Verbindung zweier Wörter welche, um mit Miras 
bean zu reden, hurlent d’effroi de se voir accouples. 


J. Bernays, 


Handjchriftliches. 


Prooemium Scholiastae anonymi ad libros Auctoris 
ad Herennium pertinentis, ex codice Rehdigerano 
descriptum 


a 
C. E. Glaesero. 


Codex Rehdigeranus, ex quo ea, quae infra afferentur, 
transcripla sunt, membranis conslat LXill,. formae quadr. ma- 
ior. (alii eum nominant fol. min.) et ad saec. XIII. vel XII. 
perlinere videlur: nilide quidem ille seriptus, sed propter cre- 
berrimum siglarum usum et litlerarum tenuilatem ad legendum 
satis est dilficilis. Nomen aucloris deest, neque omnino in- 
scriptio addita est ulla, praeterquam quod a manu recenliore 
in libri fronte leguntur haec: Incipiunt seripta super Rhelho- 
ricam TVLLII. In Kranzü Catalogo ms. descriplus est hic 
codex sub n. 131: nunc insignilus 1, 4, 22. Wackler in Li- 
bello „Thomas Rehdiger und seine Büchersammlung zu Bres- 
lau“ p. 41. dieit, praecedere in eo discursum de arte rhe- 
lorica Hanc ipsam huius seripli, quod nondum editum 
est, quod sciam, parliculam speciminis loco editurus hoc 
tantum adiicio, eam bis in illo codice exslare, cum et in 
fronte libri et ad eiusdem calcem invenialur. Quae res non 
sine magna commoditale fuit, quod vel in priore vel in altero 
apographo hie illic nonnulla reclius aut clarius exarala de- 
prehenduntur , unde faclum est, ut paucis verbis exceplis de 
verborum seriptura vix ambigi possit. Hoc vero loco non 
aptum esse iudicavi, quidquid in alterutro apographo vel in 
ulroque perperam est scriptum subiungere, id quod necesse 
est fiat, cum operae prelium me facturum esse viris doclis 
videbitur, si tolum huius scholiastae commenlarium vel ma- 
iorem eius partem edidero. 





1. Tam apud Graecos quam apud Lalinos arlis rhetori- 
cae constat diversos fuisse seriptores. Qui apud Graecos in 
hac arte fuerunt celebres, hi sunt Aristoteles Gorgias ei Her- 


299 Miscellen. 


magoras; qui apud Latinos, Quintilianus, Tatianus et Tullius. 
2. Sieut ergo huius artis rhetoricae diversi fuerunt scriptores, 
ita et diversis modis quid esset ars isla, diversi erant assig- 
nantes, Praeceptor enim Aristotelis et magister , videlicet 
Isocrates,, rhetoricam vim esse persuadendi definivit, quem 
Quintilianus redarguit eo, quod non sola oralione rhelorica, 
immo et donis et blanditiis et virili vullu ac modesto habilu 
persuaderi accidit. 93.Gorgias vero addendo, quod minus di- 
cium est ab isto, ait eam esse vim dicendo persuadendi, adeo 
intelligentiam. 4. Sciendum est, hoc verbum dicere duobus 
modis dici, uno in vulgari loculione, secundum quod ponitur 
cum adiuncto, ut dico hoc vel dico illud; allero in usu ora- 
torum, secundum quod ponilur et poni debet sine adiunclo, 
et isto modo dieilur, quod primum sit oratoris dicere. 5. Se- 
cundum hanc ergo huius vocabuli acceplionem idem est dicere 
quod perorare id est rhetoricam oralionem facere. 6. Et no- 
tandum, quod horum uterque, arlem hanc positurus in genere, eam 
vim dixit ad illorum opinionem accedendo, qui quamlibet ar- 
tem quandam dicebant potestatem , co quod opificem suum 
secundum aliquid reddit potentem. 7. Unde Aristoteles in Topi- 
corum primo: methodum autem perfecle habebis, quando simi- 
Iiter, ut in rhetorica, et in huiusmodi potentüs. Contra vero 
hanc, quae nunc exposila est, delinitionem ita obieiendum, 
quod hoc non est oratoris officium persuadere, immo quid- 
dam est, quod eius officio accidit interdum, inlerdum non. 
8. Nam ut in Topicorum primo testatur Aristoteles: Non sem- 
per medicus sanabit, nec semper orator persuadebit, faciendo 
tamen, quod secundum arlem suam suum est facere; nihil enim 
ex conlingenlibus omitlit. 9. Ad ostendendum ergo quid fa- 
ciendum sit ars rhelorica, dicere non oportet, quod sit vis 
dicendo persuadendi: est enim oralor, qui fortasse nunquam 
dicendo persuadet. Aristoteles dieit, quod ipsa sit scienlia 
inueniendi omnia persuasibilia in omni oratione. 10, Hanc 
definitionem duplieiter reprehendit Quintilianus, primo ideo, 
quod nihil addendo eam dicit esse scienliam inueniendi, cum 











Handſchriftliches. 293 


sit eliam pronunciandi ei memorandi et exornandi scientia, ut 
docebunt sequentia; secundo, quod ait persuasıbilia, cum in- 
venire talia aeque viro bono ut malo competat. Saepe enim 
Verres persuasibilia inuenit, saepe palriae prodilor Catilina, 
talia excogitavit: horum autem neuter dicendus est orator, 
quoniam horum neuter est vir bonus dicendi peritus ete. 11, 
Oportet enim, ut ait Marcus Cato, talem esse oratorem falso 
eliam videre adiunctum hoc aliter dietum “in omni oratione’, 
12. Hoc tamen addidit eo, quod opinalus est, de singulis re- 
bus oratorem persuasibiliter posse dicere, cui etiam opinioni 
accessit Hermagoras, quem Tullius propter hoc in prima rhe- 
torica redarguit, et tamen in libro suo de hac arte postremo 
edito huic opinioni se adiungit, in libro de oratore. 13. En- 
nius dixit hanc artem esse suadelae medullam , Chrysippus 
scientiam recte loquendi, Lal°des vim inueniendi, quod in 
oratione persuasibile est, Critolaus hanc inquit esse non vim, 
non arlem, non scientiam, sed dicendi usum, Ariston, Critolai 
discipulus, scienliam agendi in quaestionibus civilibus per ora- 
tiones persuasionis popularis, Theodates vim dicendi omnia, 
quae auctor velit. 14. Eudorus dixit ipsam esse viam inue- 
niendi et eloquendi cum ornatu credibilia in omni oratione. 
Sed iste definiendo in duobus peccavit, in hoc, quod dixit 
inveniendi et eloguendi, non amplius addens, et in hoc item, 
quod addidit credibilia, cum hoc non sit solius oraloris, ve- 
rum etiam dialectici, 15. Cornelius Celsus ipsam dixit esse 
artem in dubia et civili maleria persuasibilia dicendi: sed hic 
rursum in duobus deliquit. Insufficiens enim, quod ait in ci. 
vili materia, cum etiam de materia alia dicere debeat orator 
el secundum artem propriam possit. Commune quoque nimis 
est, quod dixit persuasibiliter, sicut ex praedictis palam est. 
16. Tatianus quoque ipsam esse artem bene dicendi definivit, 
et hanc definitionem et Tullius et Isidorus cum ceteris huius 
arlis scriptoribus comprobat, quam etiam Quintilianus in libro 
suo, ut melius assignalam, huic arti attribuit. 17. Sed iste 
quod ait bene, cum pondere intelligi voluit: duo enim in hoc 


994 Miscellen. 


comprehendit, dicendi videlicet periliam, quae consistit in or- 
nate et in persuasibiliter et in recie dicendo, et rursus di- 
cenlis conversalionem bonam. 18. Is enim bene dieit, qui 
bonus bona in oralione rhetorica indueit: bonus dico, non 
religiosus, sed bonus, ut legibus obtemperans et legum insli- 
tula observans et iusliliam defendens et iniusliliam obpugnans. 
Is enim bono fine dieit et ideo bene. Nunquam enim eum 
bene dicere dicam, qui ad iniustitiam defendendam et iusli- 
tiam inpugnandam scienter loquitur, quantumcumque disertus 
et eloquens videalur: quo enim hic eloquentior, eo peior. 19. 
Hoc autem ideo maxime diecimus, quod cum Marco Catone 
oratorem lantum virum bonum esse volumus. At forle alicui 
videbilur, quod in hoc non recte dieimus; cum enim aeque 
bene disputet, qui malus est, ut qui bonus , el aeque bene 
numeret aut mensuret, qui malus est, ut qui bonus, et simi- 
liter aeque bene qui malus est, ut qui bonus, perorabit, item 
cum omnium reliquarum disciplinarum opifex possit aeque bo- 
nus esse ut malus, probabile est, quod et huius. 20. Sed 
hoc non negamus: huius enim arlis opifex, sicut et aliarum, 
uno modo polest esse bonus, alio aulem malus, et ideo qua- 
liter sit intelligendum, quod bonus dieitur, nos praediximus. 
21. Sic ergo ex dietis definilionibus quid sit haec ars, facile 
est intelligere, quo intellecto, quid in ea docendum, potest 
quivis altendere. Si enim haec est ars bene dicendi, ut di- 
xerunt, qui eam sublilius intuiti sunt, et in ea docenda bene 
dicere quippe cum [in] omni arte id docendum, quod secun- 
dum ipsam est faciendum. Modus docendi hic est. 22 Offert 
primo loco Tullius quae et qualiter in bene dicendo sint inue- 
nienda, secundo', qualiter ea inuenta sint disponenda, lerlio, 
qualiter haec ipsa inuenta et disposila memoranda, id est, 
tenaci memoriae usque ad tempus elocutionis’ commendanda, 
quarto , qualiter haec ipsa inuenta et disposila et memoriae 
commendala sint pronuncianda, quinto et ultimo, qualiler haec 
sic et sic disposila in pronuncialione sint exornanda. 23. Et 
sic huius arlis quinque dislinguit parles, quarum prima est 





\ 


Handſchriftliches. 295 


inuentio, secunda inuentorum disposilio, tertia inuenlorum et 
dispositorum memoriae commendalio, quarta horum pronuncia- 
tio, quinta horum omnium exornatio. 24. Quid ergo in hac 
arle sit docendum et qualiter sit dictum, intelligatur ad quid- 
dam, ut nunc dicemus, inlelligendum. Habeatur ergo ad cu- 
iuscumque arlis ulililatem percipiendam experientia huiusmodi. 
25. Omnis ars ad hoc est, ut id ex ea sit facile, quod se- 
eundum ipsam est faciendum. Bene dicere vero est idem, 
quod secundum artem hanc, ut dielum est, est faciendum. Ut 
ergo facile possimus bene dicere, docetur haec ars. 26. Cum 
enim alius nalurali ingenio, alius exercilio, aliusque studio 
diulino, alius eliam horum quibusdam vel his omnibus adiulus, 
arlificiose loqualur ad persuadendum, omnes tamen arte indi- 
gent, ut id facilius facere possint. Haec enim omnia per ar- 
iem iuvanlur, quoniam per hanc artem intellectam et eius 
noliliam habitam ad bene persuadendum omnes effieiuntur ex- 
peditiores. 27. Titulus hie est: Rhetoricae: Tullii ad Heren- 
nium liber primus incipit, Ut dieit Isidorus, rhetorica dieitur 
ano Twv OnToowv id est a copia loquendi: haec enim loquendo 
persuadendi copiam praestat. 28. Dicunt tamen alii, quod di- 
eitur rhetorica ab eo, quod est onsız, et interpretantur: or- 
nata locutio. Habent enim Graeci qualiuor nomina finitimae 
el cognalae significalionis: Aoyog, paoız el Adsız et quarlum, 
quod est oyoıs. 29. Aoyog idem est, quod sermo; unde lo- 
gica, id est, sermocinalis scientia, vel secundum aliam nomi- 
nis significationem, rationalis. gaoız idem est, quod proposi- 
tio; unde «nogaoız, proposilio affırmativa, et zarapaoız, id 
est, propositio negativa, A&Sız idem est, quod sermo expeditus; 
unde dialectica, quasi de expedilione sermonis scienlia. Quar- 
tum est önoıg, a quo rhelorica, quoniam, ut praediximus, 
öroız interprelatur ornala locutio; et ornate loqui docet rhe- 
toriea. 30. Dieitur autem in titulo Rhetorice Tulli, ad diffe- 
rentiam aliorum, qui de hac arte scripserunt, ut ex dielis est 
manifestum. Sed is ipse Tullius ter de hac arle dieitur scri- 
psisse. Ideo ad aliorum eius librorum de hac arte scriptorum 


296 Miscellen 


differentiam dicitur ad Herennium , quoniam likrum hunc et 
non alios scripsit ad amicum suum Herennium. 31. Dieitur 
autem in litulo: Liber primus , quoniam sequuntur quinque. 
Ter vero de hac arte scripsit Tullius. In adolescentia enim 
hanc artem rhetoricam docere incepit, sed eam non consum- 
mavit. Docuit enim tunc tantum eius primam, videlicet inuen- 
tionem , et hanc non ad sciendum commode, sed plurimorum 
non altinentium conquisitione, assuendo pannum unum et al- 
terum ad alium, ut sic opus suum latius videretur splendere. 
32, Hoc enim Graeci faciunt, quoniam non sola necessaria, 
sed omnia, quocunque modo altinentia, scribunt, et verborum 
involucro facile docenda tegunt. Et quoniam hoc culpandum 
et mutandum perpendit Tullius, iam secundo arlem eandem in 
virili aelate docere incepit, librum istum, quem prae manibus 
habemus, scribendo, in quo breviter et plene artem istam do- 
cuisse invenilur, omnem diffieultatem vilando et amico suo 
Herennio amice scribendo. 33. Terlio quoque, cum iam in 
senectute esset, rursus eandem artem seripsit, et plurima in 
prima rhetorica dieta damnavit. Aliqua eliam eorum, quae 
in secunda, similiter reprehendit, artemque rhetoricam perfe- 
ctam inslitulionem consummavit, et librum illum De oratore 
inscripsit. 34. Hic etiam cum praediclis notandum, quod erant 
quidam, qui artem istam infamabant et infamando damnabant. 
Alhenaeus enim hanc dieit esse artem fallendi. Aristoteles 
eliam eam nec artem esse nec utilem esse in quodam libro 
invenitur seripsisse. 35. Plato quoque in libro, qui Gorgias 
inseribitur, eam damnans dicit eam non ese artem ulilem, sed 
xaxor&yvnv, id est, arlem prauam: xaxog enim malum, reyvr 
ars; inde xaxoreyvn, id est, ars prava. 96. Hic etiam in eo- 
dem libro dieit, quod haec sit simulacrum eivilitatis parlicu- 
lae. Civilitatem autem appellavit, quiequid ad civitatem luen- 
dam attinet, iura videlicet et leges. 37. Ipsius ceivilitatis autem 
quattuor dixit esse partes, medicinalem primam, quae ad sa- 
nitatem conseruandam et -aegritudinem depellendam operatur ; 
exercilalionem secundam, quae ad agriculturam, ad archite- 








Handſchriftliches. 297 


cturam et celera huiusmodi pertinet. Haec enim omnia civi- 
tali sunt necessaria. 38. Et notandum, quod istae duae par- 
ticulae ad corpus sunt attinentes. Est civilitatis pars terlia 
iuslilia, et quarta legalis scienlia, quae duae ad animam per- 
tinent. Dixit ergo rhetoricam simulacrum esse parlis civili- 
talis, id est, iustiliae, quoniam secundum ipsum, qui orator 
est, iustitiam simulat et simulatam non habet. 39. Ad hoc 
dicendum ne cuiquam ars 'ista praua et inutilis videatur, sie 
Quintilianus in libro suo de hac arte conseripto multipliciter 
ostendit, quod Plato et alii praedicti hanc artem inulilem non 
dicebant propter se ipsam , sed propter eius abusionem, nec 
propter eius auctores, sed propter eiusdem abusores. 40. Sunt 
enim plurimi, qui cum secundum hanc artem dicendi habeant 
peritiam, ea non uluntur, sed polius abutuntur. lustitiam enim 
impugnant, cum defendere debeant, et iniustitiam defendunt, 
quam impugnandam sciunt, 41. Sic ergo Plato et alii prae- 
dieti non hanc artem, sed eius abusionem, non huius aucto- 
res, sed eiusdem abusores reprehendunt. Quod vero hacc ars 
utilis sit dicenda, ex eiusdem opere cuilibet facile potest ap- 
parere, 42. Cuiuslibet enim artis ulilitatem operi eiusdem 
commetiendum. Nam si bonum est illud, ulilis et ipsa; quod 
si non illud, nec ipsa, Bene dicere vero cum sit huius opus, 
utile est. 43. Haec enim primo hominum concordiam facit, 
haec amicitiae foedera instiluit, haec denique omnem inter 
homines iustitiam fecit et factam conservavit, contrariumque 
destruxit. De eius ergo ulilitate non licet dubilare , et haec 
extrinsecus sufficiant. 


Scaligeranum. 

Unter den Schäßen der Leydener Bibliothek finden fich in der 
Rubrik, welche im Kataloge mit Legatum Scaligeranum bezeichnet 
ift, unter n. 31 und 92 zwer Bande mit Autographen von Scali- 
ger, theils Kopien Griechiſcher Texte aus Manuſkripten, theils eigene 


298 Miscellen. 


Arbeiten enthaltend. Der Gefamt Inhalt dieſer Bände ift in dem 
Kataloge mit holländiſcher Genauigfeit vermerkt. Sch gehe daher 
unmittelbar zu dem über, was ich in der vorliegenden Mittheilung 
bezweckte, nämlich aus dem erften der Binde Nro. 31, die Befchrei> 
bung und Proben aus einem mit Ilavdexrng voumv ’"Artızwv 
bezeichneten Werfe zu geben. 

Der Ilavdexıns vouwv ’Arrızov enthält in 55 Kapiteln 
und auf 58 Seiten fol. die vorzüglichften Geſetze des Athenifchen 
Freiftaates, durchaus aus den lauterfien Quellen, vorzüglich den 
Dratoren, gefchöpft und mit deren eigenen Worten vorgeführt. Dazu, 
als dem eigentlichen Terte, kommen eine Art von Interlincar- und 
Marginalfcholien, welche den eigentlihen vouos durch Parallelftel- 
len aus Griechiſchen und Paternifchen Schriftftellern erläutern. Das 
Werk ift offenbar nichts mehr, als ein erftes Concept, in welches 
Alles, was bei der Lectüre ſich bot, an feinem Drte eingetragen 
wurde, um ſpäter geſichtet und zu einem Ganzen verarbeitet zu wer— 
den. Nichts deſtoweniger iſt es nicht intereſſelos, von einem Sca— 
ligerſchen Werke wenn auch nur den erſten Entwurf zu kennen. — Des 
navdsxtng vonov ’Arrızov erwähnt Weſſeling in der Vorrede zu 
den leges Alticae des Samuel Petitus p. VIII: lacet nunc in 
privatos usus compositus et ab H. Grotio, Cunaeo et aliis 
perlectus, in forulis Bibliothecae Lugduno - Balavae. An ver- 
felben Stelle p. 1 befpricht er die Frage ob Petitus die Sealiger— 
fhen Excerpte bei feiner Arbeit benust habe over nicht. Ihm feheint 
Lesteres der Fall gewefen zu fern; doch wird dies kaum mit Sieher- 
heit auszumachen fein. 

Die Ueberfchriften der einzelnen Titel lauten alfo: 
nE0L voumv JLOOIWOEWG. 


* 


vouos Eloayyekrındg. 


+ 


neol aoxWv. 
neol noAToV ÖnuonoLnwv. 


+ 


N ar x ’ 
nEOL ZEVWY Xu UETOIKWV. 
neol dovAmv zul anshevdEoo. 


ng01 avrıdooewg zul Asırovoyıon, 


OTEATIWTIXOL vonot, 


* 





27. 


29, 


sl. 


Handſchriftliches. 


neol yEowv zal dwoswv dnuov. 

neol IewoLxwv. 

neol yauov. 

neol &lonoınwv. 

negl Ononounng zal anokelyewg zal n00180G. 

neol nBwvrwv. 

neol dıadnuns. 

nEgl Eniz)nowv. 

neol #Ln00v0uwv zul dyyiorelac. 

nEgl Enıtoonwo, 

neol EVx00WuS OnLoowv. 

' dızaoıwv. 

i dıaınrov. 

i tod dızalsosaı zul nooauleiodut. 

neol Tod Eenıdızaleodat, 

nEgl UaETVOWV zul Entoanweos. 

neol 0vvInAWV xal ovußolaiwv. 

neol dıakvoswg. 

vouoı Eunogızot. 

TEOl @Y00US #al n0U0EWG. 

vouoL zarnyogızol zul ovzoparrlag. 

neol rwv Ömuoorim opAovrwv. 

nE0l arTıum). 

negl ESovAng. 

NEOL HETOWV. 

neol Bkaßns. 

neol »Aonng, narwoewg zul alkwv dnuocıwv 
uarwv. 

neol vBoEwWeg. 

neo! no0uywyw». 

nEol T@v nEnODEVKOTW». 

1E0l EVX00UlaS Yyvuraoı@mv. 

voor yoı zır0r), 

neol eVzoowlas Piov. 


’ x 7 
vouoı porızol Agaxovros. 


299 


adırn- 


300 Miscellen. 


43. not 2ndovg TWv anoyıvousvav xal nepovevuerwv. 
44. negi alkias. 
45. neol #arnyogiag xal anogorrwv. 


46. neol Twv nogduswv En! Dakaniva — Zokwvog. 
47. xoslaı — oroLyeia. 

U ’ 
48. 6g0ı — xavoveg. 


49. vnplouare,. 

50. dtadnzar. 2 
51. ovyyoapn. 

52, yoapn nagavouwv. 

53. arrwuooia. 

54. Eyaimua. 

55. ormAn. 

Dies die einzelnen Titel. Als Probe gebe ich gleich den er» 
ften derfelben: 

Ilsoi vouwv dioo9woswg. 

Oi HeouodEeraı za Exaorov Evıavrov dıoodovvrwv Ev 
zo Önuoolw Tovg vouovs, axgıB@g ESeraoavreg xal oxewaue- 
vor, &itig dvayeyganıaı vöuog Evarıog voum, zul Uxvgog £v 
Toig xvoloıg, n Einov Eiol vouoı nAslovg EVOg dvayeyoau- 
uevoı negl Exaoıng nousEwg. xuv TI TOLVTOV EVgloxWoL, 
avaysyoapores Ev oavioıw Extıdevrwv no00FEv TOV , Enwvv- 
uwv. ot d& Ilovravsız noıovvrwv ExxAnolav, Enıyoawavreg Vvo- 
uo9erag' Eeniotarng Tov no0&dowv dimysıooroviav dıdorw 
zo drum" zal Tovg Ev avamgeiıw Tov voumv, TOVUG de xura- 
Aeındıw, Onwg av Eis 7 voung, zal un nAsloug negl Exuoung 
noasews. 57. B. (Sam. Pet. p. 186). 

00Awvog. yoapsotaı usv, av TIG TWV ünagyovıwv vo- 
uwv um xaAog Eyeın nyNraı, nagsıop£gsıw Ö’ avrov akhor, 
Ov av udn, Auwv Exeivor: zov dE Ödyuor, axovoavra EhEoIuı 
tiv zgetırw. 296. 145. A. 

Hierzu gehören die am Nande und im Texte felbft zwifchen 
den Zeilen beigefchriebenen Schofien : 

Aelian, nourdng 8. 10: zul Tire Enavoavro "Adnvaloı 








Handſchriftliches. 301 


z0wusvor Toig Agaxovrog. Erahovvro dE Exrsivoı FEouol. uo- 
vovg JE Epviasav TOoVg YorıXoVg avr@v. 

Thomas Magister: "A&ovsg reroaywvoı ovreg &iyov idıw- 
TIXOVG Vouovg Eyyeyomuusvovg. zvoßeıs dE Telywvor oraaı 
eiyov Öyuoolovg vouovg, xal iegonoriag. Idem Ammonius, 
unde accepit, 

Ammonius. &x#Anolav &heyov 0 ’A9mvaloı nv ovvodov 
Tov zara ınv nökıy“ xararımrov ÖE, Önots zul ToVg &r ı@» 
ayo@v Ovvexalovr 190g Eniozewiv usilova TOV noayuaıor. 

Ammonius. TiInoı Ev TOv vouov 6 vouodeıns. Tisev- 
taı Tov vouov 01 dizalovrss al aioovusvor. 

Th. Mag. TiI9n01 T0v vouov 6 zlop&owv, widera de 6 
zvow», ! 

Vide drwuoore. 
Vide rooyesıgorovie. 

Seneca, epistola 094: non probo, quod Platonis legibus 
— nihil ineplius, quam lex sine prologo. 

Worauf die Hinter den einzelnen 26400 ftehenden Zahlen zie— 
len, habe ich nicht ermitteln können. Es iſt nicht fehwer, die Quel— 
len, aus denen Scaliger gefihöpft, zu erkennen; die eitirten Zahlen 
fiimmen jedoch mit Feiner Ausgabe der Dratoren, welche mir zu 
Gebote ftand, überein. 

N E. Mehler. 


Zur Kritik und Erklärung. 


Ueber eine Stelle des Didymus zu Heſiodus. 

Bei Heſiod Theog. V. 126: Tara de Tor noWroV αν Eyeı- 
varo loov Eavrn Oboavov aotEegoevd, iva uıv neol navra x0- 
Aunror, haben alte Interpreten an den Worten loov &avry Anftoß 
genommen, indem fie meinten, der Himmel, welcher die Erde rings 
umfchließe, ſei diefer nicht gleich, fondern bei weitem größer. Ueber 
die verfchiedenen Erflärungsweifen, womit man diefe Schwierigkeit 
zu heben fuchte, geben unfere Scholien folgende Auskunft ; 


302 Miscellen. 


Kourng Unooet, Atyav* „ei yag loov, n&g divaraı zahv- 
nreiv;® Adysı ovv 1009 „ouoov TOD oyyuarı opargosıdh, 
1m neyedei Ö2 dnsiıgonkaoov.* Hidvuog de 10 „00V 
Euvrn rara vöV tig yevvjoswg Aöyov,“ myovv OTı zal al. 
TöG Wwoneo avın Eysvvndn. zal Agıoroparns , Aupırovwv 
yervuLotegov avrov nulda yerıa. Orte Enmvsndn oVvgavög 
KOTEDOELE. 

Zunächſt ift bier die Anficht des Krates vollkommen verftänd- 
lich; Himmel und Erde, meinte er, find einander gleich, zwar nicht 
der Größe, aber doch der Geftalt nad. Didymus dagegen glaubte 
die Worte Zoo» Eavın verftehen zu müffen „rara tov zg yer- 
vrioswg Aöyov.“ Ein fpäterer Scholiaft interpretirt dieß: Orı var 
aM’Tog WonEg avın EyervnIn: ich fage, ein fpäterer Scholiaſt; 
denn unmöglich konnte Divymus felbft die Gleichheit von Himmel 
und Erde darin finden wollen, daß beide einmal entftanden feien. 
Vielmehr zeigen die Worte zara Tov zn; yevvnoswg Aoyov, daß 
er jenes 2000 Eavın auf eine innere VBerwandtfhaft und die homo— 
gene Natur des Himmels und der Erbe deutete; obwohl der Him— 
mel an Größe die Erde bei weitem übertrifft, fo iſt er ihr doch 
2005, d.h. der Natur nach gleichartig und im innerften Wefen ver- 
wandte, fofern er aus ihr hervorgegangen iſt. Durchaus unver- 
ftändlich und offenbar corrupt find nun die folgenden Worte des 
Scholiaſten: za ’Agıoropavyns "Augpırgvwv xıA, in denen Fa— 
brieius ein Citat des Komikers, die neueren Gelehrten eine Anficht 
des Grammatifers Ariftophanes zu entderfen meinten. Die Varian- 
ten bei Gaisford bieten nichts, was dem Verſtändniß irgendwie 
förderlich fein könnte: Ardvuog (andere didvuov) de orı Eyer- 
vn9%. 0v (oVrw) nal Agıoroparns Ev ro Pißkw (PBiw) Akyeıy, 
’Augırovov [dE] acroũ yervanoregov nalda yevva: [avrı Tov] 


r and ’ nt ’ at x 
tore Ennvändn (Dre nV&ndn, Örı Ennvängn) 6 OVgavog aore- 


odeıs — offenbar miflungene Verſuche, den Schäden des Tertes 
nachzuhelfen, die um ſo weniger uns irre leiten Dürfen, da ſchon 
die epitomirten Anfangsworte Advuog dE orı Eyevındn, den fpä- 
tern Urfprung verrathen. Ebenſo unbrauchbar iſt das wunderliche 
Erperiment von Gaisford: „Ex hac varielate scribendum suspi- 


— — 


Zur Kritik und Erflarung. 303 


cor, ovrw zul Agıoroparns &v m devreom (Bowrixov)! AE- 
yeı, Augırgvov yervanorsoov arrod nalda yeryd, 7yovv ÖTe 
ennv&ndn. Ullima verba oYgavos wor. sequenti scholio 
praefigenda sunt.* Im folgenden bemüht fih Gaisford zu zeigen, 
daß Prißrog, Blogs und devreoog leicht verwechfelt werden Tonnten. 
Das letztere ıft zwar an fich evident, leider aber fir unfere Stelle 
überaus gleichgültig. Che Gaisford dazu fortgieng, ul emenda- 
tionem suam exemplo et auctoritate conlirmaret, hätte er billi- 
ger Weife darthun follen, was die Worte gyovv Öre Ennvsrdn 
bedeuten, und was die Erwähnung des Amphitrup mit der vorlie- 
genden Stelle gemein habe; endlich will es ung befremdlich dünfen, 
daß zu der Trivialität Augpırovov yevvanoregov avrovd nalda 
yevva des Ariftophanes Böotifa in Bewegung geſetzt werden. Faft 
noch Fühner verfährt Göttling (praef. Hesiod. edit. alt. p. LXVII.): 
„Ex hoc loco, qui ita corrigendus esse videlur secundum co- 
dieum vestigia: ”Agıorogarng TO Evarriov Akysı (0loov), ws 
za "Augırgvov yEvvaıotegov avıov nalda yeryd, Otı Enmv- 
ErIn oVoavog aoreooeıg, hacc sentenlia elicitur: quemadmo- 
dum igitur fortiorem ei grandiorem filium Herculem Amphi- 
truo progenuit, ila Terra Coelum,* Sollen wir wirflih diefe 
Bermuthung zurücweifen, fo ſcheint es von vorn herein höchft 
bedenklich dem Ariftophanes eine folhe zupmdırgdwaıg beizufe- 
gen, daß er fatt des 2oov friſchweg ein aıoov fubftituirt hätte; 
ſodann würde der Scholiaft in diefem Falle nimmermehr fagen: 
’Aotoroparns TO Evavriov Aysı, fondern: "Agtotoparns you- 
ger aroov. Endlich aber, wenn Ariftophanes wirklich die Heſiodei— 
fchen Worte nad) Göttlings Wunſch auf den Kopf geftellt hätte, 
wozu bedurfte e8 ver Analogie von Heraffes und Amphitruo? 
Berfuchen wir den. Worten Des Schollaften einen Sinn abzu- 
gewinnen, fo bietet wohl die Stelle "Augpırgiov yervanoregov 
avrov (offenbar avrov) nalda yerıa den fiherften Anhalt. Das 
Verhältniß von Amphitruo und Herafles wird offenbar als Analo- 
gen benugt für das von Erde und Himmel, Die Erde wird an 
Größe som Himmel überboten, wie Amphitruv von feinem Cohn 
Herakles. Sofort drangt fih ung ein Doppeltes Bedenken auf, 


# € 


304 Miscellen. 


Einmal was fol das "dororoparns? daß Herakles größer ift als 
Amphitrup, glaubt jeder wohl auch ohne Citat. Sodann aber muf, 
wenn die beigebrachte Analogie irgend ſtimmen fol, gerade das ine 
hervorgehoben werden, was für unfere Stelle maaßgebend iſt, daß 
Amphitrus und Herakles troß der Verfchiedenheit ihrer Größe ein- 
ander gleich find ihrer Natur nach, oder wie Didymus fagt: zara 
zov TnS yervnoswg Aoyov. Beiden Schwierigkeiten gedenken wir 
abzubelfen durch eine vielleicht gewaltfame, in jedem Fall aber zu 
rechtfertigende Vermuthung. Wir gfauben fchreiben zu müſſen: 
zal yaQ ν Pücıv ’Aupırgvwv yeyvaıorsoov @v- 
tod nalda yevva, 0 TE Ennvsndn OVgavög aoTEgüerg, 
oder beffer: ösg yao — yerıa, ovrwg Enmvindn oVgavög 
KOTEDOELG. 

Die urfprüngliche Interpretation des Didymus fcheint alfo 
gelautet zu haben: (00V ERvTrN ara 10V ıng yErvnoswg A0- 
yov. &g yag Loog ıyv Yvow ’Augpıroiwv yEvvaoTEgov aurov 
nalda yerıa, ovrwg Enmvsndn oVgavog dotegosıs. Gegen den 
Sinn dürfte kaum etwas einzuwenden fein; über die paläographi— 
fhe Möglichkeit der vorgefchlagenen Emendation bemerfe ich, daß 
’Asıoroparns und yag 1005 zyv @vow in den gewöhnlichften 


Eompendien einander ziemlich nahe fommen: ZPICT® und TAP 


ic r D. Daß gYvors mit einem bloßen P bezeichnet zu werden 
pflegte, erhellt unter andern aus Schol. Dionys. Thr. p. 648, 9: 
al ya9 uaxgoßıoı vuupar ou dıdaoxorrar, akku Pwg Eyovaı 
zyv Eidmow, wofür pos nothwendig zu leſen ift pvorzwc. 
Welche feltfamen und abenteuerlihen Corruptionen durch faliche 
Trennung und Verbindung von Buchftaben, Sylben und Wörtern 
entftanden find, ıjt niemand unbekannt. Statt anderer Belege diene 
eine Stelle des Proclus in Plat. Polit. p. 359: dyAoF dE zur ra 
Aöyıa noog 10V Yeovoybv Adyovra 0aP@g, DrL aowuara wer 
gotı Ta Jela navıa, owuara dE &v avroig dumv Evexev Evde- 
derat, un Övvausıwv weraoyelv aowuctovg (zu leſen Kowua- 
Tov) ıwv 0wuurov, dia tnv omuarınmv eis yv Evexevrolodn 
ve vom, Das Kreuz weiches der Bafeler Herausgeber den lebten 


Zur Sritif und Erfläarung. 305 


Worten beigefügt hat, zeigt daß er mit der finnfofen Entftellung 
nichts anzufangen wußte. Inzwiſchen laßt fih ohne Aenderung 
auch nur eines Buchſtaben jede Schwierigkeit heben; man leſe: dı= 
Tnv OwuaLızmv ES nv Evsxevrolodnte Qvoı. 

Wie an der von uns befprochenen Stelle aus der Zufammen- 
ziehbung mehrerer Worte ein Nomen proprium fich gebildet hatte, 
fo tritt noch etwas häufiger der umgefehrte Fall ein, daß ein No— 
men proprium aufgelöft und in mehrere Wörter zerriffen wird, 
Einen auffallenden Beleg, der für unfere obige Stelle als paſſendes 
Seitenftüf benust werden kann, bieten biefür die Scholia Clem. 
Alex, p. 105: ravımv 17» ’Agowonv Tivig untega ToV A- 
orAnnıov pœot, rıvzs dE Koowvida' Eorı dE 7 Aoowon Aev- 
xinnov Jvyarno, 7 02 Koogwvis gnoı Aeyovoıv ovVrwg. 
Die durchaus finnlofen Testen Worte könnten ung viel zu fchaffen 
machen, wenn wir aus ihnen allein den Vater der Koronis errathen 
ſollten. est wiffen wir aus anderen Quellen, daß in dem par 
AEyovow ovrws nichts enthalten ift als das Nomen Disyvor. 
Wie die Corruption entftanden ift, wird jeder einfehen, ver in den 
Compendien der Paläographie einigermaagen zu Haufe iſt: grol 
wurde mit einem einfachen P bezeichnet, Acyovorv mit AEy, endlich 
ovrws mit oo. So erklärt fih die Verwechslung von DAE- 
U’YOY und D AEI OY auf dem einfachften Wege. Ueber das 
Compendium von Pror vgl. man Bernhardy Suid. I. 2. p. 1052, 
5. Aus dem Aey (für Agysı, Aeyovor, Asyouevog elc.) entftand 
3. B. die Coprruption in den Scholia Ven. Il. N, 291: a«vdooyv- 
vog zul ET’ okıya „ronvuat E£Eomiod Eywv ng deihlas 0n- 
usia xoVyL Too Hoaoovs“ (Meinefe Fragm. Com. IV. p. 687), 
wo ſtatt zac Er’ oAdya vermuthlich zu Iefen iſt za To Asyöuevor, 
vgl. Meinefe Com. Gr. edit. min. p. XXI. Aehnlich ift die 
Berderbung in den Scholia Vatic. Rhesi 505: Teoueoın zuze, 
vngo wv Dihınnog &v zw negi Kaowr nen oder 
ovyyoaunarı,?) Ppnoiv ovrwg: Teousoov xal Avzov Ackeyag 
yevEodaı Inoiwdsıs ımv pvVom- 1oVrwv d& Tov Tegusgov nö- 
Aıv oixioaı zr)., wo ftatt Askeyas gefchrieben werben muß: AE- 
ypvor. In Betreff des Tegten Punktes genügt es an die faft 

Muſ. f. Phil, N. F. VIL 20 


306 Miscellen 


vegelmäfige Verwechslung von or und orros zu erinnern; vgl. 
Antiatt, p. 101,3: Kodlsır. odrw dev (cod. dei) Yaoı AE- 
yaır, ara zoayaleın n Pour, wo ohne Arage zw Yefen ıft: 
 Kouvyaleıv 00 del, paoı, Ayeın d)ka zualeır BoGy. 


A. Nauck. 





Zu Stobäus. 


nolvuadın xuora uiv Wperke, zaora Ö8 Bkanteı Tov 

Eyovra: @gpelktı ulv Tov delıov ardga, Planreı ÖE 1ov 

dndiog ywvevvyra nav Enog xal Ev narıı drum. yon de 

xa1000 uEro@ eldevar, oopIns Yao Ovrog 0005, vi d} 

5 EEw xa1000 0F0Lv wovoLanV nenvuuevwg aelow. 

oLv 0V napad£yovraı Ev doyin ypwun, altelv Ü' 

Ey0voL uwglag. 

Sp geſchrieben findet fich diefe Stelle in den Geſnerſchen Ausga— 
ben des Anthologifon des Stobäus am Schluß des 34ten Titels 
neol Tovd EVxalgwg Atyaır, Es fehlt bei Gefner jede Angabe 
der Duelle, und wer daher nur dieſe Ausgaben einfehen Fonnte, 
war, um den Verfaffer zu ermitteln, allein auf die deutlichen Spuren 
ionischen Dialefts angewiefen. Gataker (zu Anton. I, 8) dachte 
nun an Demofrit oder Heraflit, und obgleich der allbefannte 
und unbedingt das Bielwiffen verwerfende Ausfpruch des ephefiichen 
Philoſophen noAvuadın voo9 0v gie mit unferen nur ten un 
zeitigen Gebrauch des Vielwiffens tadelnden Worten in Widerfpruch 
fteht: fo hat doch Schleiermacher (Muſ. d. Alterthw. v. Wolf und 
Buttm. I, 344) diefelben als wenigftens zweifelhafte unter den 
berafiitifchen Bruchſtücken aufgeführt. Auf Demofrit rieth. außer 
Valckenaer Cin einer Note bei Gaisford Stob. Vol. IH, p. 45) 
auch Jacobs Canimadverss. in Eurip. ei Stob: p. 246), auf def 
fen Vermuthung J. Conr. Drelli (opuscc. sentenlt. I, 102) unfere 
Stelle unter die demokritiſchen Ueberreſte verfegt hat, obgleich Jar 





Zur Sritif und Erfläarung. 307 


cobs auch noch auf den ſpäten Euſebius, aus dem Stobäus ſo viel 
ioniſch Geſchriebenes mittheift, verfalfen war. Der wirflihe Ver: 
faffee war jedoch ſchon in dem Lemma der Trincavelliſchen Ausgabe 
Avasaoyov angegeben, und ebenderfelbe wird nicht nur in dem 
Parıfer, von Gaisford A bezeichneten Codex genannt, fondern der 
erſte Satz unferer Stelle wird auch von Serenus als Ausſpruch 
des Anaxarchos dem vbenberührten des Heraflit entgegengefegt : 
Append. Stob. ems. Florent. p. 47: &x av Seorrov '). “Hou- 
»Aeırog uEv Eieye nolvuadeıavy voiv un Eunosiv ’AvaSaoyog 
de, noAvuadeıav xuoTa utv Wpersiv, zaota dE PAanreıv. Auf 
dieſe völlig genügenden Zeugniffe hin hat denn auch) Mullach (De- 
moerili fragm. p. 326) unfere Stelfe aus der Reihe demofritifcher 
Sätze geftrihen, und man fieht nicht ein, wie Zeller (Philoſ. d. 
Gr. I, ©. 217 Not.) diefelbe wieder als eine vielleicht demokriti— 
ſche bei einer Bergleichung des Demokrit mit Heraklit in Frage 
ziehen Fonnte, 

Darf nun auch unfere Stelle, da fie von Anaxarchos herrührt 
und gerade feinen fehr eigenthümlichen Gedanken ausſpricht, an fich 
nicht mehr als jede beliebige verderbte Stelle jedes beliebigen Au— 
tors auf eingehende Behandlung Anfpruch machen: fo gewinnt fie 
doch Dadurch ein allgemeineres Intersffe, daß fie im feltener An— 
fhaulichfeit einen Beleg bietet für die Fritifhe Regel, man dürfe 
bei tiefgehenden Verderbniffen,, zumal in Sammelwerfen wie das 
des Stobaus, fiherer Hilfe erwarten von kühn durchgreifender Be— 
handlung des Gegebenen als von behutfam ſchonender Vorſicht, 
welche jedes überlieferte Tütelchen unterzubringen fi) bemüht. Ir 
diefem Sinne ift die Durchmufterung der verfchtedenen Vermuthun— 
gen, mit denen man ſich vorzüglich an dem Testen, durch und durch 
zevrütteten Theil der Anararchifchen Sätze verfucht hat, immer noch 
befehrend, felbft wenn fie ſammt und fonders urkundlich, wie es 
glückficherwerfe hier gefchehen Fann, als durchaus verfehlte dürfen 

1) &s find die dnouvynuoveuuete des Serenus gemeint, aus denen 
Stobäus Floril. X1, 15 eine ähnliche Segenüberftellung miftheilt: ex TWv 
Zegjvov dnOurnuovevugtoy: IIlaıwv uev jJıoroy elyaı Tov drov- 


sudıov anv al)deıav Üeys: TMokkuwv dt, noAv HdıoP TOD Azoveıy 
10 Atyeıy eivau Tann: 


308 Miscellen. 


abgewiefen werden. Zuvörderſt nun hat Schleiermacher ftatt 04 
dE (3. 4.) beffern wollen: 02 dE, auf den erften Blick, obgleich 
der Pariſer A bei Gaisford und danach der Gaisfordſche Tert er 
d& 01 dafür bietet, eben fo richtig als die andere Veränderung von 
alteiv (3. 6) in alıınv, welches letztere obendrein durch den 
Pariſer A beftätigt wird. An allem Uebrigen nahm Schleiermacher 
feinen Anftoß, außer an dem baaren Unfinn (3.5) od naoade- 
zovyrar Ev aoyin yvounv, welchen er glaubt verſtehen zu fünnen, 
wenn er ſtatt Ev aoyın etwa fchreiben dürfe: Ersoyern.: Wie er 
jedoch ein folches svepyein hier verftanden habe, läßt ſich nicht fa« 
gen, da er es nicht überfeßt. — Jacobs dleclionn. Stobenss. p. 70, 
71) will gleich das erſte Wort noAvuasın (3. 1) vertanfchen 
mit noAvuvsın. Denn erftlich fer im Folgenden (3. 3) nicht von 
Bielwiffen fondern von ſacundia' (nav Enog gwreivra) die Nede 
und überdieß paſſe das Vielſprechen beffer zu der Leberfchrift des 
ganzen Titels bei Stobäus: eg! row erzugwg Aeysır. Aber 
abgefehen daß diefe Veränderung das Zeugniß des Serenus gegen 
fih bat, trifft der zweite Grund nicht, weil ja eben in den Worten 
nav Enog povevvra (3. 3) hinlänglich dem Asyeır ver Ueber: 
fhrift, fo wie in zen zawov uEerom eidEraı dem evxargwg der 
felben genügt iſt. Noch weniger ftichhaltig iſt der erfle Grund, 
Denn da das Vielwiffen leicht das Vielreden veranlaßt, fo fann 
Anaxarchos füglich Das unzeitige DVielreden als Beweis dafür ans 
führen, daß Vielwiſſen dem Befiser auch oft Schaden bringe, Sm 
Folgenden (3. 4 hält fih Jacobs an das ei de 0oL.de8 Parifer 
A und fehreibt ftatt &5o zaroor, nach J. Caſp. Orelli's (opusce. 
sentt. I, p. 511) Vorgang: So 00 õ; ferner will er 3. 6 ftatt ou 
nagadeyovram Ev aoyin yvounv Ändern: 0Ov nugfyorzaı £rapyı 
a9@yy7v "non lamen conspicuam opem praebent’, weldem Bor: 
ſchlag vom Standpunkt der bloßen Buchftabenverwechfelung aus, 
auf dem er fih offenbar halten will, wenigftens der Mangel an 
Kühnheit nicht vorzuwerfen iſt. Jedoch das Wahre ift in einer 
noch ganz andern Weiſe kühn, und wer eine folhe Mufterfarte der 
verfehiedenartigften Verberbniffe, wie fie hier wirklich in den Naum 
weniger Zeilen zuſammengedrängt tft, ohne den Rückhalt cines fichern 


Zur Rritif und Erflärung. 309 


Zeugniffes anzunehmen fih erlaubt hätte, der würde für lange Zeit 
auf den Ruf Fritiicher Maaßhaltung haben verzichten müffen. Senes 
Wahre findet fih aber in einer Anführung des Clemens Aleran- 
drinus (Strom. 1, 6 extr. p. 123 S. 337 P. Vol. I, p. 26 Kl.), 
welche bisher nicht zur Berichtigung der Fehler bei Stobaus benußt 
worden: zu yov» zal AvaSaoyos 0 erdaruorızog!) ev tm negl 
Baoıkelag yoapeı“ 

nokvuadsein xagra usv wgehter zZa0tu de Phanreı Tov 

Eyovra* wgehteı usv rov deSıov ovra, PAanteı de Tüv 

endlos powveovra nüv Enog znv navıl dyum. yon de 

x01000 uEroa Eidevar, 00PLnS ya9 ovVrog 0005. 6001 0} 

zul Jvonoıv deidovoıw,n nv nn nenvvuevnv 

deidwoıv oV Tıdeusvor Ev 00pIin, yroumv Ö 

Eyovoı uwmoing. 

Nach der ganzen Art des Citats, weiches bei beiden, dem Sto- 
bäus und Clemens, gleichen Anfang und gleihen Schluß hat, iſt 
es wahrfcheinfich, daß beide aus einem und venfelben älteren Sam— 
melwerf fchöpften; nur hat Clemens entweder eine reinere Abfchrift 
vor ſich gehabt, oder fich forgfältiger vor eigenen Fehlern gehütet, 
wie er ja auch den DVerfaffer Anararchos durch feinen eigenthümfi- 
chen Beinamen genauer als Aleranders befannten Begleiter bezeich- 
net (der als Abderite ebenfo wie Demokrit und Protagoras ioniſch 
fihrieb) und den Titel der Schrift wüber das Königthum“ beifekt, 
welche wohl wie die nleichbetitelte das Arifioteles an den Alerander 
gerichtet war. Diefelbe Genauigkeit des Clemens tritt auch in al- 
fen übrigen Punften hervor, in denen er von Stobäus abweicht, 
außer in den beiden erften, ziemlich geringfügigen, wo des Stobäus 


1) Ueber Ddiefen Beinamen fpricht Babrieius zu Sext. Emp. adv. 
Math, VII, 48. — Bei Plutarch de Alex. virt. p. 331 F: oz (Alttavdoos) 
10v uev do uo vızov Aya&aoyov Evriuoıarov zwov wiloy Evöwıe 
zul. ut wohl nicht, wie Menagius (Diog. Laert. IX, 60) wollte, douovı- 
zov ohne weiteres zu verändern in: eudaruorızöv, fondern eher eine durd) 
Homödteleuton entitandene Lücke zu verminthen, in welcher von Beziehuns 
gen des Mufifers Ariftorenos zu Alerander die Nede war, was jener Stelle, 
wo die Beziehungen Aleranders zu den Philofophen feiner Zeit bis ins 
Einzelne verfolgt werden, vollfommen angemeflen ift. — Re fich bie 
Lücke etwa fo: 10V utv douovızov [’Aororöksvov.. ‚Toy di ®- 
darmoyızo»] ' Ayd£agyoy eyuuoreroy zul. 


310 Miscellen. 


dekıöv avdoa unbedingt dem deSıov ovrm des Klemens vorzu— 
ziehen ift, und das doriſche #7» der Klosifchen Ausgabe des Cle— 
mens (vulgo: zEv) das zar Ev des Stobäus nicht verdrängen kann. 
Aber gleich die folgende Abweichung: 000. de za Iugmow dei- 
dovow 7 nv an nenvvuevnv asidworv bedarf nur noch kleiner 
Befferungen, nämlich: Janeo flatt: 7 nv an, und nenvuueva, wie 
fhon die frühern Ausgaben flatt nenvvueonv der Klotziſchen und 
des Parifer Codex geben, um als das allein richtige anerfannt zu 
werden und zugleich die Beranfaffung aller Irrthümer aufzudeden, 
welche diefen Sattheil bei Stobäus folgendermaaßen verunftalten : 
&i dE 08 (oder: ol dE) EEw xaıgod gn0ıw wovomzyv nenvvue- 
vos aeloworw (aeloovaomw A). Hier find erftlich zwei Wörter 
deidovoıw neo völlig ausgefallen, - dagegen aus den zweien des 
Clemens zul Ivorow diefe vier: Em xa1000 ümoıw uovoıxmv 
in fchrittweife fortgehendem Verderbniß geworben. Zuerſt nämlich 
wurde in KZIOYPHSIN die ioniſche Dativform verfannt und 
PHZIN als befonderes Wort gnyow geſchrieben, das übrigblei- 
bende KAIOY aber, mit Löſchung des Punktes im © und Ein- 
ſchiebung eines P, in zaıgoV verändert, welcher Begriff wegen des 
vorhergehenden yon dE zurg00 uerom eiderau hier durfte er» 
wartet werden '). Nun hatte aber der Genitiv zaıgoV feine Be- 
ziehung, und um diefe fo herzuftellen, daß das vom Zufammenhang 
geforberte Verhältniß der Unzeitigfeit hevwortrete, wurde e50 vor 
zagoV eingefchoben. Endlich fand O7oır, das gewöhnlichen Nede- 
vortrag bezeichnet, mit dem folgenden »Singen+ in Widerſpruch; 
man furhte diefen zu mildern durch ein zur Erklärung beigefehriebe- 
nes wovorznv , welches dann in den Text kam und wohl haupt— 
fachlich zur Verdrangung ver unentsehrlichen, bei Clemens exhalte- 
nen Wörter deidovow yrnsg beigetragen bat. Das affein richtige 
zal Hognow aeidew „auch den Thüren zufingen« ift num aber 
nur eine anfchaufichere Wendung des vorhergehenden nav Enog 
pyureiv xal Ev navıl Örump, vielleicht mit Anfpielung auf den 


1) In ähnlicher MWeife hat die Epitome des Clemens das ihr vor- 
liegende zei Hlgnoıv verderbt in zei FEo0 67017, weil Fo abgetrennt als 
Abbreviatur von E00 gelefen wurde. 





Zur Kritik und Erklärung. 311 


ausgefverrten Liebhaber, der vor verfchloffener Thür fein nagarkav- 
oiFvoov uekog anftimmt. 

Wo möglich noch Flarer ſieht man wie die faft völlig unver- 
derbte Faffung des andern Sabtheils bei Clemens ov zıdeuero: 
Ev oopin, yvaumv Ö’ Eyovoı uwolns übergehen fonnte in die 
gänzlich unverftändliche des Stobäus: ov nagadeyoyraı Ev ap- 
yin yroumv, ailrtınv (altelv) d’ Eyovor uwoing. Die ge- 
wählte Verbindung zıYeuevor Ev wurde namlich durch nagadeyor- 
zar Ev erklärt und dann verdrängt; ferner wurde das ſchon 
durch opn yag ovrog Ögog fichergeftellte ooprn bis zur Un- 
kenntlichkeit in aoyın durch eine bloße Verſchreibung verwandelt, 
vie man allerdings nur darum für möglich halten kann weil fie 
wirffich iſt. Und endlich veranlaßte noch das in dieſer Verbindung 
nicht gerade häufige yrouzv das Gloſſem arrlav, welches neben 
das erklärte Wort in den Text fih einfchlich. 

Hiernach geht alfo aus den verbundenen Anführungen des 
Clemens und Stobäus folgende Schreibung der ganzen Anararchi- 
fihen Stelle hervor: 

norwuadsin zagra utv wpeltsı, zagra de PAanreı Tov 

Eyovra: wgperleı usv zov deSıöv ardon, Bhanreı dE zov 

Ondiws Pwveivra navy Enog zal Ev navıl drum. yon de 

zaıg00 uEerga Eldevar 00pIng yag odrog doog. Hooı JE 

zei YVonow deidovomw, nyneg nenvvusva deidwow, 0% 

tıdeuevor Ev 00PLn Yvaumv Ey0voL !) umglng. 

„Vielwiſſen nützt wohl fehr, ſchadet aber auch fehr dem, der 
es hat, Es nüst wohl dem Eugen Dann, ſchadet aber dem, wels 
cher Seihtyin redet jedwedes Wort vor jedwedem Bolf. Man muß 
aber das Maaß der rechten Zeit fennen. Denn dieß iſt das Wefen 
aller Kunft. Die jedoch welche auch den Thüren zufingen, mögen 
fie immerhin Vernünftiges fingen: nicht zu den Künftlern gerechnet 
haben fie ven Auf der Narrheit.“ 


1) Oder, wenn man das d’ vor &yovos nicht ganz fallen laffen will, 
vielleicht: dezovzeı. 


J. Bernays. 


312 Miscellen. 


Plautiniſche Exeurſe. 
1. 


Daß die altlateinifche Verskunſt daktyliſche Wortformen , die 
es im DVerfe bleiben, nicht orytonirte, wie Prol. Trin. S. CCXXIX 
behauptet wurde, beftätigt fich bei Fritiicher Behandlung fcheinbar 
widerftrebender Stellen immer aufs Neue. Um fo bevenflicher 
muß die Nichtigkeit des Verſes Mil. glor. 27 erfcheinen: 

PY. Quid, brächium? AR, illut d{cere uolui, femur. 

Er erregt aber ein zweites Bedenfen von Seiten des Sprachgebrauch, 
der im typisch geivordenen Phrafen unveränderlich zu fein pflegt bis 
auf die Wortftelfung. Wie die Umgangsfprache das wollt’ ich fa- 
gen’ auszudrücken fich gewöhnt Hatte, zeigen die Beiſpiele Most. 
II, 2, 145. Pseud. I, 4, 21. 1, 2, 55 (bevichtigt aus dem Am- 
brofianus) Rud. II, 4, 9: 

TH. Dörmiunt? TR. illüt quidem, ut coniuent, uolui di- 

cere, — 

CA. "Altuli hunc. PS. quid, ällulisti? CA. adduxi uolui 

dicere. — 

BA. Odös demissis mänibus? CO. peccaui insciens. 

BA. Quidüm ? CO. demissis pedibus uolui dicere, — 

Subuolturium: illüt quidem, subäquilum, uolui dicere. 
Ueberall fteht der Begriff, mit dem der Redende ſich felbft verbef- 
fert, wie bilfig voran, mag er mit einem illut, illut quidem einge» 
führt werden oder nicht; zugleich ft der bequeme DVersfchluß mit 
uolui dicere Gewohnheitsfache geworden, wie auch fonft zu erfe- 
ben, 3. B. Amph. I, 1, 225 (nach Lachmanns Verbefferung) Cas. 
II, 6, 14: 

Nam "Amphitruonis Sösiai me esse uolui dicere. — 

CL. Tibi daretur illa? ST. mihi enim? ah nön id uolui 

dicere. 
Aus diefem Grunde find auch in dem Bruchflüc der Frivolaria bei 
Feſtus S. 297 M. Scaligers, Urfinus’ und Mülfers Ergänzungen 
gleich unftatthaft, und wenigftens der Wortftelfung nach nur eine 
Ausfüllung wie etwa folgende annehmbar: 


Plautiniſche Exreurfe, 313 


[Fraterculabant iam éi] papillae prifmulum :] 
[Nlut, sororiäbant,] uolui dicere: 
wozu die Spatien der Handfchrift vollfommen paſſen. 
So leitet denn Alfes auf eine urſprüngliche Geftalt des frag» 
lichen Milesverfes, wie diefe ware: 
Quid brachium? — Illut, femur, uolui dicere, 
wenn ung femur ftatt eines Pyrrhichius einen Trochäus böte. Den— 
noch muß diefes femur der Sit des Verderbniffes fein, und es 
wird fich verlohnen die Bildung des Wortes felbft fehärfer ins Auge 
zu faffen, als wir ohne dieſe Veranlaffung verfucht fein möchten, 
Zuvörderſt drängt fich die Frage nach dem Verhältniß zweier 
fo ganz paralfel Yaufender Formen auf, wie es femur femoris und 
(femen) feminis find: eine Frage, vie doc wo möglich beantwor— 
tet fein will. Nächſtdem fuchen wir nach einem muthmaßlichen 
Grunde für den Umftand, daß es einen Nominativug femen in ber 
Yateinifchen Sprache nicht gab. Denn dieß, und daß ein folcher 
nur von den Grammatifern für die auf femur nicht zurüczuführens 
den Formen aufgeftellt wurde, iſt mit Sicherheit zu ſchließen aus 
den beftimmten Zeugniffen des Servius zu Aen. X, 344: femur 
dieimus quia leclum est: et declinatur huius femoris. il- 
lius uero ablatiui non inuenitur nominaliuus: laeftus eripit a 
femine; licet Caper in libris enucleati sermonis dicat femen; 
sed non ponit exemplum. ergo aut hoc femur aut hoc fe- 
mor'): nam femus non dieimus penitus ?); und noch un- 
zweideutiger zu N, 788 [laetus eripit a femine]: ut eliam supra 
diximus, secundum Caprum erit nominaliuus hoc femen, 
1) So, femor, ift unftreitig zu verbeffern für femen, was im voll- 
fommenen Widerfpruh zum unmittelbar Borhergehenden ſtände. Auf den 
Wechſel des u und o in femur femoris beziehen fich die Anfangsworte 
des Servins: und darauf Fümmt er fchließlich zurück. — Auch femor, ob— 
gleich ohne Zweifel vor femur in der Sprache vorhanden, fanden doch die 
Grammatifer nicht mehr vor, fondern abftrahirten es nur aus dem Geni— 
tions: worauf die Bemerfung des Phocas ©. 1695 geht: .. - et neutris 
his: hoc ador, hoc marmor, hoc aequor, hoc ebor, hoc robor: quidam 
et hoc femor rationabiliter annumerant. 
3) Und dod) fteht femus (wie peetus, corpus, nemus) zweimal bei 
Ayppulejus Metam. VIH, 31. ©. 590. 591 durch die beiten Bücher feft, und 


hat fich auch in den fchon von Oudendorp angeführten Gloſſarien erhalten : 
un905 femus: ueoounoioy interfemus: (S. 118. 116. Labb. Lond. Ausg.) 


314 Miscellen, 


licet nusquam lectum sit, ut etiam ipse commemorat. Erſt 
hierdurch empfangen das rechte Licht die kurzen Angaben des Cha- 
rifius, S. 17: hoc femur, femoris et feminis; ©. 66: 
hoc femur, huius femoris; sed frequenter huius femi- 
nis, huic femini dielum est et pluraliter [frequentius] fe- 
mina quam femora, ideoque et Tibullus hoc ipsum erudite 
eustodit cum dieit implicuitque femur femini, et Virgilius eri- 
pit a femine; — ©. 105: femini. Tibullus: implicuit femur 
femini. femen enim nominaliuo ut semen necdum legimus 
a veleribus adsertum; — ferner des Marius Victorinus ©. 
2464 9. (19 ©): hoc femur cum nominaliuo per litte- 
ram r dicamus, tamen genitiuo feminis, datiuo femini, 
ablatiuo femine scribite; — endlich des Priscian VI, 10. 
©. 701 (252 Ar.), der, nachdem er von femur femoris, ge- 
fprochen und aus dem Virgiliſchen Verſe eripit a femore angeführt, 
fortfährt: dieitur tamen et hoc femen feminis, cuius no— 
minaliuus raro in usu est, dieſes raro offenbar willkührlicher 
Einbildung entnehmend. Auf welche Autorität die ausdrüdliche An- 
nahme eines Nominativus femen zurücgehen möge, läßt fih aus 
der Gloffe des Paulus Diaesnus S. 92 vermuthen: femur fe- 
moris et femen feminis. War e8 hiernach etwa Verrius 
Flaccus, der femen aufftellte, fo führte doch auch er gewiß feinen 
hiftorifchen Beleg dafür an, weil diefen fonft ohne Zweifel Caper 
gefannt hätte, 

Dringender noch fordert eine dritte Erfeheinung Erflärung: bie 
Duantität vor Seminis, auffallend an fi, doppelt befremdlich neben 
femina feminae, das für ſtammverwandt zu nehmen allerdings nahe 
genug Tag. Als Berbalfubftantio vom Stamme FEO, wie anye- 
nommen zu werden pflegt, fteht ein FEMEN mit furzer Pänultima 
außerhalb aller Analogie des für diefe Nomina geltenden Bildungs— 
gefeßes. Ueberall ft es zwar der kur ze Bindevocal, in älterer 
Geftalt u, im jüngerer i, mittelS deffen der conſonantiſche Stamm 
an die Endung men angefchloffen wird '): teg- leg-u-men, leg- 


1) Dver genauer zu reden (worauf es ung hier nicht ankommt): 
mittels deſſen das alte Paffiv- und Medialparticipium auf menus gebildet 


Plautiniſche Excurſe. 315 


i-men: col- col-ü-men: reg- reg-i-men: spec- spec-i-men; 
aber während für die vocalifchen Stämme die Bildung von ganz 
demfelben Verfahren ausgeht, tritt hier auf zweiter Stufe eben fo 
regelmäßig die im Conjugationsgebiet herrichende Zufammenziehung 
der beiden zufammenftoßenden kurzen Bocale zu einer Länge ein: slä-i- 
men stämen, nö-ı-men (von XOO) nömen, nüa-ı-men numen, 
ne-i-men nemen (wie sö-ı-men semen yon SEO), lenı-ı-men 
lenimen. Alſo fe-i-men femen, in feiner Weifefemen. Wenn einzelne 
Stämme, die in der fertig gewordenen Sprache der E-Conjugation 
zugeiwiefen waren, in einer frühern Periode noch flüffiger Wandelbar- 
feit wie eonfonantifche behandelt worden find, wie doc. doc-,- men, 
MOon- mon-.-men, fo hätte zwar die Sprache auch ein doce-ı- 
men «docemen, mone-ı-men monemen bilden können wenn eg 
ihr beliebt Hatte, nimmermehr aber ein doc&meu monemen, ſo 
wenig wie nemen oder Semen. 

Sit alfo lemen fein Verbalnomen wie die übrigen auf men — 
während femina feminae mit Recht als unmittelbare Pain 
leitung aus fe-1- m nus gefaßt wird, wie alumnus aus al-u- m. 'nus 


— fo mag immerhin eine mittelbare, urfprüngliche Berwanbifchaft 
mit dem Stamm FEO angenommen, oder aber auf eine nachweis— 
bare Ableitung überhaupt verzichtet werden: jedenfalls find wir be- 
vechtigt, zwifchen dem als ganz fingulär ſtehend erfannten feminis, 
von dem ein Nominativ nicht im Gebrauch) war, und dem damit 
parallel Yaufenden femoris einen nähern Zufammendang aufzufuchen. 
Und dieß wird, wenn mich nicht alles täufcht, auf folgendem Wege 
gelingen. Die Inteinifhe Sprache bietet in mehrfachen Beifpielen 
eine eventhetifche Bildung mittels eines eingeſchobenen n dar und 
zwar gleichmäßig im Verbal- und im Nominalgebiet. Dort in da- 
nunt, nequinont, prodinunt, fruniscor , fareino: bier in iter 
it-in-er und lecur ijec-in-oris. Denn wenn auch in den ung 
vorliegenden Sprachdenfmäfern im Nominativ und Aceuſativ gerade 
wurde, von dem die Verbalia auf men ausgingen: teg- tegumenus (noch 


ganz nahe flehend dem ouevos) tegumen: tegimenus tegimen: leua -i-me- 
nus leuamenus leuämen u. ſ. wi nad) der Ichönen Serleitung von Borp. 


316 Miscellen. 


die Yängere Form itiner, neben iteris itere, als die ältere erfcheint, 
während die Laune des jüngern Gebrauchs umgefehrt iter itineris 
eingeführt hat, fo kann doch nicht wohl ein Zweifel fern, daß von 
ire die Sprache urfprünglich iter iteris bildete und daß erft hieraus 
iliner ilineris hervorging. Die Annahme nun einer ähnlichen epentheti- 
fchen Form feminur (oder feminor, möglicher Weife felbft feminus) 
gibt ung den Einheitspunft fir femur femoris und feminis. Indem 
die Sprache, der ja fo haufig das Bewußtfein der Genefis ihrer 
eigenen Bildungen abhanden gefommen iſt, feminur feminoris ale 
urfprüngliche Form behandelte, entftand durch Abwerfung der En- 
dung ur das verfürzte [femen] feminis, woneben femur femoris 
im Gebrauche war wie iter iteris neben ilineris. Eben fo hätte 
fie ilinis oder iecinis bilden können: fie hat es nicht gethan, 
weil fie feine Verpflichtung anerkennt alle Confequenzen ihrer 
Bildungsgefege zu ziehen, fondern nach Zufall oder Eigenfinn bald 
weiter vorgeht bald früher ftehen bleibt und ung überall nur weite 
Umriffe mit theilweiſe ausgefüllten Feldern zeigt. Wenn fie femi- 
nur machte wie iliner, fo hat fie den gleichen Schritt zu dem No- 
minatio jecinur (oder jecinus) nicht gethan, wie fih aus ihren 
eigenen Lehrmeiftern fchließen laßt ); wenn fie jecinoris einführte, 
fo darum noch nicht nothwendig feminoris; wenn feminis, fo des- 
balb nicht femen. Vollſtändig würde fich das Fachwerk der theils 
wirklichen theils nur möglichen Formen fo ausnchmen: 


1) Daß auch ein dreifylbiger Nominativus neben jecur nur eine 
Abitraction analogifirender Grammatifer war, und daß Priscian a. a. D. 
ganz Necht hatte zu fagen: jecur jecoris uel iocineris (fo die be— 
ften Bücher), qui genitinus uidetur a nominatiuo jocinus uenire qui in 
usu non est, zeigen fehr deutlich die drei Stellen des Charifius die auch 
von femur handeln. ©. 17: jecur, quod genitiuum duplicem facit: nam 
et jecoris et iocinoris (fo die Hd), wo alfo von einem befondern 
Nominativus zu der zweiten Senitivform gar nicht die Rede ift. Eben fo 
wenig ift dieß der Fall S. 66: quidam (uocant) in quaestionem, quare 
fur furis et jecur iocineris non cum ratione. (fo ift zu verbiu- 
den, — nap’ avaloyiey.) et qui seruare ralionem uolunt, iecoris de- 
elinauerunt. Nur in der lückenhaften Stelle S. 34 fommen die theoreti— 
firenden Erfinder eines Nominativs zur Grwähnung: [qui]dam dieunt hoc 
iocinus ıocinoris. Auch Phocas S. 1695 fennt nur hoc iecur 
iecoris uel jecinoris. — Der Mechfel der Vorale in der vierfylbigen 
Genitivform it auf den hiefigen Fragepunft ohne Einfluß; nur der Ein: 
fachheit wegen ift im Text die Form Tecinoris gebraucht. 


Plautiniſche Ereurfe. 317 


iter iecur femur 
iteris iecoris femoris 
itiner [ieeinur] ? feminur 
itineris iecinoris [feminoris] 
[iten] fiecen] [femen] 
[ilinis] [ieeinis] feminis 


Zum erwinfchteften Abſchluß käme dieſe Zurechtſtellung werfprengter 
Trümmer, wenn es einem Sprachenvergleicher etwa gelänge peclus 
und pecten auf eine gemeinfchaftliche Abftammung zurüdzuführen und 
fo peclinis in daffelbe Verhältnif zu pectus wie feminis zu femus, 
femur zu fegen. Unmöglich wäre es nicht daß, wie zreig zur Bezeich- 
nung des Kammes, der Hand mit ausgefpreizten Fingern, der Schneite- 
zähne, und felbft der Rücenfeiten angewendet worden, fo auf einer ähnli— 
chen Vergleichung des Bruftfaftens und feines Rippenbaues mit den Zäh— 
nen des Kammes die Benennung peclus beruhte. Sei dem wie 
ihm wolle, einem aus innern Gründen ſich als wahrfcheinfich erge- 
benden feminur dient nun gewiß von außen her zu nicht geringer 
Stüße die Schwierigkeit, dem metrifch und ufuell fehlerhaften Verſe 
des Miles, von dem diefe Betrachtung ausging, auf eine leichtere, 
ja wohl überhaupt auf eine andere annehmbare Weife Hülfe zu 
bringen als fo: 
Quid, brachium ? — Illut, feminur, uolui dicere. 


2 


Noch anſtößiger als daktyliſche find palimbaccheiſche Wortfüße 
mit dem Accent auf der Ultima. Als ein beſonders ſchwer zu beſei— 
tigendes Beiſpiel konnte bisher das praécincdtus aliqui im Mil. 
glor. 1152 gelten. Aber die Stelle ift fo offenbar unheil, daß es 
fhon darum jede Beweiskraft verliert, wie man auch über die Her— 
ftellung felbft urtheilen möge. Denn wo wäre denn in den Worten 
id (palliolum) connexum in humero laeuo expapillato brachio 
Praeeinelus aliqui adsimulalo quasi gubernalor sies 


318 Miscellen. 


überhaupt irgend eine Eonftruction? und wie in Bothes Verände— 
rung Idque connexum humero in laeuo, was er von dem vor- 
ausgehenden habeas (Schon am ſich weder wahrscheinlich noch gefäl- 
fig) abhängig macht, eine irgend erirägliche Verbindung? Ich kann 
nur wiederholen, daß an dem Ausfall eines Verſes ſchwerlich zu 
zweiſeln ift, und zwar eines Verſes mit einem Nomen wozu prae- 
einetis eonftruirt war, fo daß nach dem Verluſt diefes Nomens 
der Mebergang des praeeinclis in praecinelus nach dem auf die- 
fem Gebiet üblichen Hergange faft nothwendig eintrat. Alſo bei» 
fpiefswerfe, wie vorgefchlagen worden, etwa in biefem Sinne: 
"ld conexum in hümero laeuo, expapillato brächio 
[Cönieiens in cöllum, tum autem lümbis subligaculo] 
Praeeinetis, aliqui adsimulato u. f. w. 
nach Capt. IV, 1, 12: coniciam in collum pallium. Das ali- 
qui wird beffer zu adsimulato gezogen, als — ziemlich müßig und 
auch in dieſer Form wenig glaublich — mit subligaculo verbun- 
don. Es ift = aliqua, aliquo modo, “fo gut es gehen will’. 
Uebrigens war conexum nad den deutlichen Spuren 
der guten Bücher zu fehreiben, in Uebereinſtimmung mit der aus» 
drücklichen Ueberlieferung des Gellius 1, 17: wie auch conisus im 
Mil. 29. Gleichmäßig bewahren das einfache n die Palatini in 
conexae Rud. IV, 4, 125, coneclite Most. V, 1, 17 coniuent 
ib. II, 2, 145. Dagegen von der Schreibung coligatus, die 
Gellius mit conexus zuſammenſtellt, bieten diefelben Bücher, fo 
viel mir jeßt erinnerfich, fein Beiſpiel dar; eben fo wenig freifich 
eineg von coll-, fondern ausfchließlih conl-. Noch. weit beftätie 
gender für die Schreibung con- find die (von Bernays vergliche- 
nen) guten d. h. Leydener Handfchriften des Lucrez, in denen beiden 
eonectere mit feinen Formen 16 mal regelmäßig mit einem n er- 
feheinen: I, 634. II, 159 (wo die Vulgate connixa '). 251. 268. 


1) Hier allein führt, eben wegen diefer Abweichung von der Vulgate, 
conexa auch aus den Gottorpſchen Fragment Henrichfen “de fragm. Gott. 
Luer.’, (Othiniae 1846) an; ficher erführen wir daffelbe auch von den übri- 
gen in diefer Handſchrift erhaltenen Stellen, wenn es nicht dem Bergleicher 
fei es bequemer, fei es vationeller gefchienen hätte den Grundfaß zu befol— 
gen: ‘orlhographica raro altigi’, 


Plautiniſche Erceurfe. 319 


478. 522. 700. 704, 712. 716. 726. 1020. Il, 556 (denn im Verfe 
vorher geben fie coniunctius) 691, 740, V, 4425 wentgftens in 
der ältern auch VI, 1009 conexae, wo nur die jüngere nn hat; 
desgfeichen in beiden conibent (für coniuent) V, 776, conubia 
111, 777 (denn V, 1011 if aus der Fabrik des Marulfus oder 
Avancius). — Auch in den Formen mit conl- ftimmen dieſelben 
Lucreziſchen Handfchriften mit der Gewohnheit der Plautinifchen 
überein: conlabefactare, conlaxat, conloquium, conlucet, con- 
lidi, und machen nur (Dieß gegen den Gebrauh im Plautus, wie 
Trin. 791. Mil. 250) die einzige auffalfende Ausnahme, daß fie 
in affen Formen des Verbums colligere eben fo eonftant Aſſimi— 
fation eintreten Yaffen: I, 724. III, 859. 938. VI, 326. 558. 571 
(nur daß VI, 124 con collecta neben einander fteht): wodurch 
das conligat der Handfhriften in I, 1090 als Conjunetiv hinläng- 
fich verdächtig wird, 


3. 


Wenn in den alten Handfchriften mit scriplura conlinua 
UOLUPEST fand und fteht, fo kann darin zwar an fid) eben fowohl 
uolupe est als uolup est fiegen: gleichwohl ift die erfte Form 
mit nichts zu beweiſen, und darum in getrennter Schrift auch nicht 
bolupe St oder uolupest, fondern allein uolup est zu fchreiben. 
Zwar das ift nicht zwerfeldaft, daß uolup ſelbſt nur eine Abfürzung 


son uolupe war, wie facul und difficul von fac le und diffi- 


i 5 i AN 
ee, wie (semol semul) simul son (semole semule) sim le; 


aber die hiftorifche Exiftenz des uolupe, wie überhaupt in der un— 
ferer Kenntniß zugänglichen Litteratur, jo namentlich in der Plautis 
nischen Sprache, wird in den Pericis ohne Autorität und ohne über» 
zeugenden Beleg behauptet, Won uolup, nicht uolupe, als einem 
uerbum uelus fpricht Fronto ©. 135 f. Nieb.; auf uolup, nicht 
uolupe, führt dag UOLUPEST bei Terenz Phorm. IV, 3, 5 Dv- 
natus zurück; uolup war in den grammatifchen Sammfungen, vie 
dem Nonius (S. 187) vorlagen, aus Plautus angemerkt, nicht 
uolupe, was doch, da ein Adjectivum uolupis weiter nicht üblich, 
gerade fo bemerfenswertb gewefen wäre wie jenes. Aus tem 
Plautiniſchen Gebrauche ſelbſt läßt ſich die dreiſylbige Form chen fo 
wenig erweiſen. Alle funfzehn Verſe, in denen das Wort bei dieſem 
Dichter vorkommt, laſſen die zweiſylbige Form zu, keine verlangt 


320 Miscellen. 


die, dreiſylbige, wohl aber fordern, was entfcheidend ift, die zwei— 
folbige Form vier Stellen mit unweigerlicher Nothwendigfeit. Das 
find Diejenigen, die uolup am Ende des Verfes haben: Asin. ca- 
term. 7 

Hic senex si quid clam uxorem süo animo fecit uolup: 
wo uolup von Nonius erhalten, in den Hff. in uoluplatis überge- 
gangen ift. — Casin. IV, 2, 5: 

Ne quis eam abripiat. fäcile uostro animö uolup: 
* UOLUP ver Ambroſianus, uolupe die übrigen Hſſ. — Mostell. 
u I 

Cürsu armis equo. uiclilabam uolup: 

wo uolup der Velus von erfter Hand, uolupe die zweite mit dem 
Decurtatus. — Menaechm. IV, 3, 3: 

M. Scin quid est quod ego ad le uenio? E. scio: tibi ex 

me ut sit uolup: 

wo die Palatini scio ul libi ex me sit uoluptas. ine fünfte 
Steffe, Mil. glor. 724, fallt weg, weil hier uolupe oder uolup nicht 
nur bloße Konjeetur, fondern überdieg vom Standpunfte des Sprad)- 
gebrauch falfche Eonjeetur ift, da uolup, werde es als Neutrum 
oder als Adverbium gefaßt, nur mit einem fachlichen Subject, nicht 
mit einem perfönlichen verbunden wird. In den übrigen elf Stellen 
fehrt gleichmäßig die Verbindung uolup est wieder, auch dieſes 
zweimal, jedoch nur im Vetus, verderbt in uoluptas est Mil. 947 
und 1211. Pier von ihnen, Mil. 747. Poen, V, 4, 20. V, 5, 47. 
Stich. IV, 1,.2 find im Palimpfeft erhalten, und zwar ftets mit 
der Schreibung UOLUPEST: und dieſe Schreibung iſt auch in den 
übrigen Hff. fo entfchieden vorherrfchend, daß ein uolupe est nur Amph. 
Ill, 3, 5. Rud, IV, 4, 132 im Vetus und Rud. IV, I, 1 im De- 
curtatus erſcheint: Ausnahmen die natürlich gerade fo wenig Be— 
weisfraft haben wie uolupe am Schluß des Verfes, Auch bei Te- 
venz, außer Phorm. noch Hecyr. V, 4, 17, ift UOLUPEST, was 
der Bembinus bewahrt, falſch aufgelöft worden in uolupe est. 

An fih hätte freilich uolupe neben uolup ſo gut forteriftiren 
fünnen, wie bei den von Nonius S. 111 (in Nebereinftiimmung 
mit Feſtus ©. 87, 214) angeführten Dichtera ein facile und dif- 
ficile neben facul und difficul. Aber ein folhes Können ge 
währt uns feine Erfenntniß des Factiſchen. Brauchen können 
bätte auch Plautus die Form facul; er hat e8 nicht gethan, wenn 
wir mit einer, der obigen ganz analogen Argumentation aus der 
Sachlage, daß ein facul ftatt lacile (facul est, facilest) zwar in 
manchen Stellen möglich, in Feiner jedoch nothwendig, in nicht we- 
nigen unmöglich ıft, den Schluß ziehen daß facul dem Dichter wirf- 
lich fo fremd war wie feinen Handfhriften. ih 


Bonn, geprunt bei Carl Georgi. 





Heber den Periplus des Erpihraifchen Meeres. 


I. 
Zur Charafterifiif des Periplus. 


Die erfte Sammlung Keiner Griechiſcher Geographen, welche 
1533 in Bafel erfchien, und als deren Herausgeber fich in der De— 
dieation Sigismund Gelenius nennt, enthalt unmittelbar nach 
Arrians periplus ponti Euxini auf 22 Geiten eine Heine Schrift, 
welche hier die Ueberfhrift trägt: Zooıavov neginAovg ing ’Eov- 
Foas IaRa0ong. 

Die Anlage des Werfchens iſt furz die, daß der Verfaffer von 
Myos Hormos aus, dem befannten Aegyptiſchen Hafensrt am Ara= 
bifchen Meerbufen, die Afrikanische Küfte nach Süden hin bis Nhapta, 
dem Testen ihm befannten Punkte, befchreibt, dann fich nach Myos 
Hormos zurücwendet, und nun in derfelben Weife die öftlichen Kü— 
fien bis nach Ceylon Hin durchgeht, auch noch eine Neihe Fürzerer 
Bemerfungen über die jenfeits gelegenen Küſten hinzufügt. Ber der 
Erwähnung Thinas bricht er ab, mit der Erklärung, das Weitere fer 
noch unerforfht. — Das Werk zerfällt fomit in zwer Theile, in die 
Beſchreibung der weftlichen und in die der öftlichen, oder wie es 
ber Berfaffer felbft nennt, der rechts und der links gelegenen Kü— 
ftenländer des Indischen Oceans: der Ausgangspunkt für beide iſt 
Myos Hormys und Berenice '). 

1) Der große Geograph unferer Zeit, dem auch diefer Periplus eine 
ganze Reihe von Aufflärungen verbanft, hat dieſe Gonftruction defjelben 
überjehen, wenn er gegen Mannert bemerkt: „ver Beriplus läßt feinen 
Schiffer nicht direft von Berenice gegen Oft nach Arabien hinüberfesen, 
fondern aus guten Gründen, die dort die Küftenfchiffahrt der alten wie Der 
heutigen Araberfchiffe erheifcht, von Berenice erft von der Linken, d. h. ges 
gen Norden, am Hafen Myos Hormos vorüber, an der Küfte Hinfchiffen, 


und dann erft direft gegen Oſt fich wendend, quer über den Golf, den Ha— 
fen von Leukekome erreichen‘, Ritter, Erdkunde All, 122. Die Worte 


Muſ. f. Philol. N. F. VII. 21 


322 Ueber ven Periplus 


Die erfte Trage, welche man fir) einer folchen Periegefe ge- 
genüber aufwirft, ift wohl die, ob der Perieget Augenzeuge ift oder 
nicht. Der Berfaffer felbft beantwortet fie und. Wo er von der 
Fahrt im Arabifchen Meerbufen fpricht, bemerkt er ganz richtig, wie 
unwirthlich hier Land und Meer find; dort feine Häfen, hier Klip⸗ 
pen und Sandbänke; dann fährt er folgendermaßen fort: dıo zur 
eig nheov TOV uEoov nAovvy zar&yousv zal eis ınv Agaßı- 
znv zwoav uahkovy nag0Svvouev (?) aygı TAGS xutaxexav- 
uevns vn00V !). Er kennt alfo den Arabifchen Meerbufen bis an 
fein Südende als Augenzeuge. Und wenn nun weiterhin fein „wir“ 
mehr vorkommt, fo folgt daraus doch noch Feineswegs, Daß ver Ver⸗ 
faffer aufgehört Habe, Augenzeuge zu fein: hatte er ja auch von 
ver vorhergehenden Fahrt durchweg anfcheinend unbetheiligt in ver 
dritten Verfon gefprochen, und hintendrein doch einmal Durch ein 
„wir⸗, und noch dazu mit dem Präfens, feine Anweſenheit Fundge- 
geben. Er will alſo gar nicht als Augenzeuge fehreiben; nur uns 


dx de ıüy Eiwriuwy Begvizns «no Muog öguov — — dienkeuceryze 
geftatten jene Auffaffung gar nicht. Vielmehr bahnt fi) der Perieget 
mit jener Wendung nur den Uebergang zu der zweiten Hälfte feines Werks; 
er war auch in der erften von Myos Hormos ausgegangen, und hatte 
dann die & T@v defıov ano Begvizns gelegenen Küften befchrieben (BT. 
1435. 9.1); er hat nun fo eben am Schluß diefer Hälfte noch bemerkt, das 
feien die letzten Emporien as &v de£ıois dnno Bepvizns yreioou (BI. 
152. 9. 11.); das &x dt 1wv eumyVuwv Beovixns giebt dazu den Ge— 
genſatz. Es veriteht fich übrigens von felbft, daß Mannerts Auffafjung 
diefer Stelle (VI. 1. 51) noch viel unrichtiger ift, wenn er als den Ab— 
fahrtspunft Berenice betrachtet. — Ich citire den Veriplns nach den Aus— 
gaben, die mir noch Die verbreitetften zu fein fcheinen, nad Blancard 
(BL) und Hudfon (9), Maunerts Geographie der Griechen und Rö— 
mer, wo nicht etwas Anderes bemerkt ift, nach) der erfien Ausgabe, 

1) Bl. 154. 9.12. Bei Gelenius wie allen folgenden Herausges 
bern fieht hier dıo zai Edonkeorıwv uEoov nAoUv zatezouer und auch 
Salmafius, der font den Tert des Periplus mit großer Skepſis be: 
trachtet, führt diefe Stelle ohne DBedenfen fo an. Stud überjfegt: Quam 
ob rem navigantes per medium mare cursum tenemus, magnoque nisu 
Arabiam versus contendimus. Ebenſo fihrieben es ihm Blancard uud 
Hudfon nad. Auch Vincent überfest um nichts beffer: It is for this’ 
reason that on our passage down the gulph we hold our course large 
in the mid-channel towards [Ihe civilized part of] Arabia. ®al. The 
commerce and navigation of the ancients in Ihe Indian ocean. H. 296. 
Was das elankeovrwp bedeuten folle, ſcheint fih Niemand Flar gemacht 
zu haben, Auch das zepofvyouer if ſchwerlich richtig: ich weiß indeß 
feine wahrfcheinliche Conjectur anzugeben, Sollte vielleicht ARGEUFUVOLLEY 
zu leſen fein? 


Des Erythräiſchen Meeres. 323 


willkührlich ft ihm einmal das wire entſchlüpft. Es muß mithin 
die Frage, was er aus Autopfle und was er aus anderen Quellen 
wiffe, nach anderen Indicien entfchieden werden. 

Diefe Liegen nun auch deutlich genug im der ganzen Haltung 
der Darftellung vor, indem dieſe theils zu dem genaueſten Detail 
auffteigt , theils zu ganz wagen und unbefimmten Angaben herab- 
finft. Je greller diefer Gegenfag hervortriti, mit, deſto größerer 
Sicherheit läßt fih aus ihm über den jedesmaligen Standpunkt des 
Berfaffers urtheilen. Zuerft gehört offenbar alles, was ſich auf Die 
Binnenländer bezieht, nicht in den. Bereich deffen, was der Verfaſſer 
als Augenzeuge wei: denn alfe derartigen Bemerkungen find eben 
fo ſpärlich, als fie durch ihre Kürze und Alfgemeinheit von dem 
Mebrigen abftechen. Sodann fragt fi, ob der Verfaffer auch noch 
für die fernen Enopunfte feiner Reiſebeſchreibung als Augenzeuge 
betrachtet werden könne. Geine Schilderung der Afrikaniſchen Küſte 
bleibt bis zum Ende hin gleihmäßig genau: noch über die Sufel 
Menuthias weiß ex fehr ing Einzelne einzugehen: er weiß, es giebt 
dort Bergſchildkröten und Krokodile; er weiß fogar Die Fahrzeuge 
zu befihreiben, die zum Schildkrötenfang dienen, fo wie die fonftige 
Art fie einzufangen. Sp viel fih alfo aus der größeren oder ge- 
yingeren Detaillirung dev Erzählung ſchließen läßt, ift ex hier noch 
Augenzeuge ') — Die Beihreibung von Rhapta zeichnet fich nicht 

1) Bl. 151. 9. 9—10. Bekanntlich ift die Stelle über Menuthias 
ganz ungemein verborben. Sie lautet bei Gelenius fo: dp’ ns Am 
z00v &n’ dvo toü Aıßöos were dvo doouous ————— 
179 duo eirevndimuusvovdeoies anavık »7005. Alle Verfuche, die 
man zur Verbeſſerung diefer Stelle gemacht hat, haben gleich wenig Wahr— 
ſcheinlichkeit. Stuck begnügt ſich, jagen: omnino est mendum, und 
dann eine Bejchreibung Madagaskars hinzuzufügen: ebenfo wenig haben die 
folgenden Herausgeber für dieſe Stelle gethan. Salmaſius fand Die 
Henderung zo’ — nv dücıy J vorov Mevovdids vor; er jelbit 
will .exere. Plin. . 878, leſen: zeo’ euro 70 IIoaoov dzoov &s Ew 
Mevousies, weil 3. fich nicht Ddenfen kann, ber Perieget habe das Vorge— 
bivge Brafum unerwähnt gelaffen. 9. Sacobius: annot. ad philologiae 
evazakvunıyoıov pP. 92. will lejen: eo’ abınv nv duo 8% u vöo- 
zıov Mey. Bincent möchte in eirevndiwu einen von ducıy abhängigen 
Genitiv entdecken. Bd. I. ©. 556. ſchlägt er vor zu leſen: zeo’ auanv 
anv dio ydn vnOioy Mevovdeoies an.v. Burney in den von Bin— 
cent Il. 558—562. mitgeteilten Bemerkungen Ändert wızoov En’ dva- 


toAlnv — — neo’ alımv am» dc Jdıereisovog, n Mevovsius en. v., 
wobei wenigjtens das £’ dyazokzv manches für ſich dat, Die Abhand⸗ 


324 Ueber den Periplus 


gerade durch Weitläufigfeit, aber auch nicht durch eine ungewöhnlich 
fummarifche Haltung aus: es läßt ſich danach alfo die Autopfie des 
Neferenten nicht behaupten, und noch weniger entjchieden in Abrede 
ſtellen. Da indeß Rhapta der einzige jenfeits Menuthias genannte 
Ort ift, fo kommt wenig darauf an, ob wir feine Erwähnung die— 
fes Orts auf feine Autopfie oder auf andere Quellen zurückführen. 

Ganz anders dagegen ift es mit feinen Angaben über die Ins 
difchen und die jenfeitigen Küften. Ueber die ganze Weftküfte, und 
namentlich über Barygaza, Tyndis und Muziris verbreitet er fich 
fehr ausführlich. Auch die Gegenden an der Südſpitze find ihm 


genau genug befanntz er fennt fehr wohl das alte Heiligtum Cu— 


märi, er weiß fogar, daß dort ein Walffahrts- und heiliger Badeort 
ift, daß nach alter Sage eine Göttin dort geweilt und gebadet habe 
— und um folhe Dinge fümmert fich fonft unfer Verieget ganz 
außerordentlich wenig —; er weiß von der Perlenfifcherei, daß fie 
von Verbrechern betrieben wird, daß die Perlenmufcheln an dem 
Geftade zum Faulen aufgehäuft werden; er fennt noch jenfeits der 
Stelle der Verlenbänfe drei Emporien, weiß fogar die einheimifchen 
Benennungen der dort üblichen Fahrzeuge anzugeben, und zwar nicht 
bloß derjenigen, die nach Malabar, fondern auch derer, die nach 
Nordoſt fahren '). Hier alfo muß er Augenzeuge fein, wenn irgend 


Yung von Hafaens: observ. ad locum peripli maris Erythraei de vo- 
cab. strevndiwuusvovdeoies in feiner biblioth, Bremens. VI. 1. p. 189. 
figd. ift mir nicht zu Geficht gefommen. — Man wird am beſten thun, 
ſich zu geftehen, daß in der Stelle nicht Momente genug vorliegen, um 
danach mehr als umherrathen zu Fönnen. Daß der Name Mevovdeoias 
darin enthalten ift, wird durch Steph. Byz, Marcian, Herafl. p. 12. Hudſ. 
und Ptolem. IV. 8. 2. VI. 2. 1. flar Das vorhergehende Wort, deffen 
Schriftzüge übrigens noch am eriten auf Enevevıioy paſſen, wird fi) um 
fo weniger entwirren laflen, da auch das nap’ auıyv ıyv düow minde: 
ftens höchft unficher erfcheinen muß, wenn man die Geftalt dieſer Küften, 
das vorhergehende Iravw Tov Aıßös und die Darftellung des Ptolemäus 
berückfichtigt. — Das folgende dno oradiwy Tis yis WOEi T010200iWv 
ift von Blancard, Hudfon und Vincent in orediwv ano T. y. ge 
ändert. Behlerhaft find aber noch immer die Furz vorhergehenden Worte 
uilygı Tlvoaidwv vyowv zuwns heyouerns Awovyos bei Gelenius, 
Stud, Blancard und Hudfon. Vincent allein hat nach einer Mit- 
theilung von Burney (vol. 1. 558) das Ungufammenhäugende Diefer 
Worte und den Mangel des Artifels bemerft und fehreibt zei 175 zaıwns 
4. 4. Es fcheint vielmehr jtatt zewwns einfach zai zig heißen zu müfjen. 

1) Bl. 175—176. 9. 33—34. Don einzelnen ſehr verborbenen 
Stellen diefes Abſchnitts werde ich anderwärts [prechen, 





des Erythräifhen Meeres. 325 


von dem Verhältnis zwifchen Wertläuftgfeit und Kürze auf die Au— 
topfie oder die Abwefenheit des Berfaffers zu fehlteßen iſt. — Seine 
Beſchreibung von Ceylon iſt ſchon weit fummarifcher: er weiß Feine 
Stadt dort zu nennen, er hat auch fehr falfche Anfichten über die 
Größe und Geftalt der Inſel; aber er kennt Doc neben dem neuen 
auch noch den alten Namen Taprobane, und weiß über die Exporte 
einen, wenn auch für die ntercantilifche Bedeutung der Inſel fehr 
oberflächlichen, Katalog aufzuftellen. Dann aber ſinkt urplötzlich 
feine Befchreibung zu der größten Summarttät herab, Städte au 
der Dftfüfte des Defan Fennt er gar nicht mehr, nur einzefne Land— 
haften und Völker werden flüchtig genannt; als Exporte weiß er 
außer Sindonen und Elfenbein gar nichts zu nennen; Entfernungen, 
die fonft forgfältig bemerkt wurden, beſtimmt er eben fo wenig, und 
die Namen Ganges, Chryfe und Thina, die einzigen, welche noch 
vorkommen, erfceinen in einem ſehr matten Dämmerlicht. Nach 
Thina, bemerkt er felbft, gehe es micht Leicht an hinzufommen, das 
Weitere aber fer unerforſcht. — Erinnert man fich diefer Befchreis 
bung gegenüber, daß derſelbe Schriftiteller, der von diefen unermeßs 
lichen Küftenftrecfen fo wenig zu fagen weiß, fih doch fo weitläufig 
über den Anfergrund bei Barygaza und Neleynda und uber ähnliche 
Dinge verbreiten Tonnte, daß es ferner durch fein eigenes Zeugniß 
feftfteht, daß er theilweiſe als Augenzeuge fihreibt, während er uns 
nur über die Gränze feiner Autopſie im Unklaren Taßt: fo kann 
man fihwerlich umhin, diefe Granze da zu ſetzen, wo fich in feinem 
Bericht der auffallende Sprung von genauer Detailirung zu der 
größten Einſylbigkeit findet, mit anderen Worten, feinen Bericht 
bis zu den Küften Ceylon gegenüber als ven eines Augenzeugen 
zu betrachten, 

Die Ausführung, welche das allgemeine Thema des Werks 
erhalten hat, iſt dem Inhalt wie der Korm nach gleich befremdend, 
Griechische Neifebefchreibungen und damit verwandte oder aug 
folhen gefloffene hiſtoriſche oder geographiſche Werfe tragen, mit 
denen anderer Völfer verglichen, insgefammt ein gleichartiges Ge— 
präge: es giebt gewiffe Verhältniße, auf welche alfe Griechifchen 
Beobachter ihrer Nalionalanfchauung gemäß mehr vder minder ges 


326 Leber den Periplus 


achtet haben. Sie zeigen überall das Streben, raſch einen Ueber— 
biif über die allgemein geographifchen Verhältniſſe der berührten 
Sander zu gewinnen; fie achten weniger auf die neuere, defto mehr 
anf die ältere Geſchichte derſelben, und fuchen in diefer gern An- 
nüpfungspunfte an ihre eigene Urgeſchichte; fie richten ihre Auf— 
merffamfeit auf die Religion anderer Völker, mit der entſchiedenen 
Neigung, in ven fremden Göttern ihre eigenen wiederfinden zu 
wollen; fie faffen fihnefl diejenigen Sitten und Gebräuche auf, die 
son ihren heimifchen recht wert abweichen; fie betrachten endlich 
die fremde Natur mit offenem Birk und ſchildern gern Diejenigen 
Naturerzeugniffe, die dem Griechiſchen Boden fremd find. Andere 
Verhältniſſe des Landes wie des Volkes erhalten dagegen von ihnen 
eine geringe Beachtung: am wenigften pflegen dabei fremde Spra- 
chen und Pitteraturen bedacht zu werden. 

Wenn es ein Work viefer Art geben follte, welches jenen 
nationalen Typus nicht an fih trüge, fo würde man daraus zu 
folgern haben, daß der Verfaſſer ſich entweder abſichtlich oder un- 
wilfführlich in feiner Befchreibung befchranft habe; daß er entweder 
einen beftimmten wiffenfchaftlichen Zweck „der eine beſtimmte Lefer- 
Haffe vor Augen gehabt und darauf feine Darfteffung berechnet habe, 
oder daß er auf einer eigenthümlichen Bildungsſtufe ſtehe. 

Unfer Periplus iſt ein folches Werf, Ueberall tritt in ihm 
eine merfwürbige Befchränfung auf eine gewiffe Summe von Beob— 
arhtungen hervor: es ift nur von folchen Dingen Me Nede, die für 
den Schiffer oder den Kaufmann Intereffe haben. Sp find es 
denn auch mar die Küften - Emporien, denen eine längere Befchrei- 
bung zu Theil wird, und felbft die großen Hauptſtädte treten ge- 
gen diefe gänzlich in den Hintergrund, Die Nefivenz des großen 
Himjaritenkönigs z. B. wird nur gerade ber Namen genannt, wäh- 
vend von ver Hafenftadt Muza und dem Dorfe Eudaimon eine 
weitfänftge Befehreibung negeben wird.  Tyndis, Muziris, und Nel- 
eynda find fehr bevorzugte Punkte; es wird auch gefagt, zu welchen 
Neichen fie gehören: aber e8 genügt dem Verfaffer hinzuzufügen, 
daß die Könige „im Binnenfande» wohnen. Diefe Beſchränkung 
dat nun nicht etwa darin ihren Grund, daß der Verfaffer ſich auf 





des Erythräiſchen Meeres. 327 


eine Küftenveriegefe habe befchränfen wollen: denn bisweilen vers 
breitet er fih in der That weitläufiger über eine im Innern gele- 
gene Stadt; aber wieberum bezieht ſich dann alles, was er über 
fie beißringt, nur auf den Handel, So erhält z. B. Uggaini, 
die im erſten Jahrhundert v. Chr. bis ins Mährchenhafte gepriefene 
Königsftadt von Mälava, eine nähere Befchreibung, aber nicht etwa 
wegen ihrer Hiftorifchen Bedeutung, fondern weil fie ein Stapelplatz 
für den Handel ift: neben der einfolbigen Motiz, fie fer einmal ein 
Königsfig gewefen, fteht ein ganzer Katalog ihrer Exporte und Im— 
porte !). Sp verfchmaht es der Verfaffer nicht, auch zwei Gtäbte 
des inneren Dafhan zu nennen, aber nur, um ſich daher wiederum 
auf Bemerkungen über ihre Handelsthätigfeit zu beſchränken. Es 
geht daraus hervor, daß feine Bevorzugung der Handelsverhäftniffe 
nicht etwa nur zufällig und durch feine Beſchränkung auf die Küften 
hervorgerufen iſt. Aber noch weit feltfamer iſt fein Verhältniß 
der Gefohichte gegenüber. Wenn wir uns einen Griechen venfen, 
der im erften oder vieleicht im zweiten Sahrhundert m, Chr. Die 
Küften des Indiſchen Oceans befährt, fo müßten vor Allem, ſcheint 
es, drei große gefchichtliche Ereigniffe feine befondere Aufmerkſam— 
feit erregt haben; zuerft — um von Megypten und Aethiopien ganz 
abzufehen — der abentheuerliche Zug in den Süden von Arabien, 
den Aelins Galfus auf Befehl des Auguſtus unternahm; ſodann 
der wenn auch zeitlich ferner Tiegende, doc deſto glanzvollere Ale— 
randerzug nach Indiens; endlich die großen Thaten Griechiſch-Bactri— 
fer Fürften. Aber vergebens fucht man bei ihm Darüber Auskunft, 
Er berührt freilich diefe Ereigniffe, aber in einer Weife, die noch 
viel entfcheidender ift, als wenn er gänzlich davon gefehwiegen hätte, 
Die noch viel deutlicher zeigt, dag es ihm für ſolche Dinge völlig 
an Sinn und an Intereſſe fehlt. 

Ueber den Zug des Aelius Gallus fehlt vielleicht jede Be— 
merkung. Leukekome, merfwürdig genug in der Gefchichte jenes 
Zuges, theils weil es der Anfangspunft veffelben war, theils weil 
das erichöpfte Nömerheer Sommer und Winter hier vaften mußte, 
befpricht ev zwar, aber ohne eine Erinnerung an jene Zeiten: jedoch, 

1) 81. 169. 9. 28. 


328 Ueber den Periplus 


daß es gewiffermaßen ein Emporium genannt werden könne, daß 
die einlaufenden Schiffe nicht eben groß find, daß 25 Prozent Zoll 
von den eingehenden Waaren erhoben wird — das weiß der Ver: 
faffer J. Er erzählt weiterhin, das Arabifche Eudaimpn ?) fei von 
Caeſar unterworfen worden 9). Wenn bier wirklich das Wort 
Koioag richtig und damit auf den Zug des Aelius Gallus Bezug 
genommen fein follte, jo würde in diefer Notiz fich doch ebenfo we- 
nig ein Intereſſe für jenen Arabifchen Zug beurfunden: denn nicht 
um der Sache felbft willen theilt der Perieget jene Bemerkung mit, 
fondern nur um damit den Grund anzugeben, weßhalb der Drt 
aufgehört habe, der große Stayelplas für den Indifch = veciventalt- 
fhen Handel zu fein. — Alexanders Zug in den Drient intereffirt 
den Verfaffer zum Befremden wenig, Wiewohl er diefelben Küften 
befchreibt, Yangs welchen Nearch mit der Flotte heimfehrte, tritt bei 
ihm doch nicht die geringfte Erinnerung an jene große Unterneh- 
mung hervor. Wo er von den Gegenden an den Indusmündungen 
fpricht, fucht man den Namen Alexander vergebens: es genügt ihm, 
wie immer, Exporte und Importe aufzuzählen. Erft nachher, wo 
er Barygaza zu befchreiben bat), kommt er nachträglich mit der 
Bemerkung hervor, es gebe auch noch in diefer Gegend Nefte von 
dem Aleranderzuge in alten Altären und Lagerfundamenten und 
großen Brunnen — jeder Leſer muß denfen, er meine bei Barygaza. 
Später erwähnt er beiläufig, von Barygaza aus im innern Lande 
feien die &9vn ıwv "Aoarolwv zul "Payovowv za Tovdaoulov 
xal zus IlooxAldog, Ev ois 5 Bovxspalog ’AleEuvdosıa’); 


1) BL 453.9. 11, 

2) Sch glaube den Namen Eideiuwy nicht durch Arabia felix er: 
feßen zu Dürfen, weil jenes mir eine um der gleichen Bedeutung willen et 
was ftarf veränderte Form des einheimifchen Aden zu fein ſcheint. Arabia 
betrachtet der Periplus offenbar nicht als den eigentlichen Namen, denn 
neben dem zweimaligen Zidaeiumv Agapie BI. 156. 174. 9. 14. 32. — 
an welchem Namen auch die Stellung der beiden Morte zu beachten bleibt 
— fagt er auch einmal Züdaiuwv Aoapızy. B. 156. 9. 15. 

3) 31. 156. 9. 27. 

4) BI. 166. 9. 24. 

5) Bl. 169. 9. 27. Bei Gelenius wie den übrigen Herausgebern 
lautet der dritte Name TevIeodywr. Da die übrigen Namen mit hin- 
reichender Sicherheit zeigen, daß der Perieget von der großen Handelsſtraße 
nach Nordweſten, von den Völfern am obern Indus und in der Bentepo- 





des Erythräiſchen Meeres, 329 


und gleich darauf fpricht er denn wirklich von dem Zuge Alexanders 
im Zufammenhange. Er erzählt namlich, von diefen Gegenden fei 
Alexander aufgebrochen, und vorgedrungen — bis zum Ganges, ohne 
Limynica und den Süden Indiens zu berühren. Man erfieht aus 
diefer albernen Bemerfung, daß der VBerfaffer ebenfo unwiffend in 
der Gefchichte ift, als er ein geringes Intereſſe an allem Hiftori- 
fchen beurfundet: man fünnte fi) nur wundern, wie Alexander über- 
haupt zu der Ehre einer Erwähnung bei ihm gefommen ıft. Die 
unmittelbar folgenden Worten Fären uns die Sache auf: es fommt 
ihm nur auf die Importen von Barygaza an; denn von jener Zeit 
ber, fagt er, können Griechiſche Dramen auf den Markt von Bas 
rygaza. — Der dritte Punkt, den man bei einem ©riechifchen Rei— 
febefchreiber berührt erwarten folfte, iſt die Gefchichte der Griechifch- 
Bactriſchen Könige und ihrer großen Eroberungszüge nach Indien. 
Wir haben befanntlih nur wenige und fehr fragmentarifche Bemer- 
kungen über dieſe in der Griechifchen Literatur, und vermiffen in 
diefem Theil der Gefchichte überall den Bericht eines mit diefen 
Landern autoptifch bekannten Schriftftellers. Der Perieget iſt nun 
ein folcher; er hat von eben den Gegenden zu fprechen, in denen 
einft große Griechiſche Neiche beftanden: von ihm, der fich Grie— 
tamie fpricht, fo ift Faum an ein anderes Volk als an die Gandäräg zu 
denfen, und für das anfangende T ein T, für T’ ein I herzuftellen. Vgl. 
Laſſen: Indifche Alterthumsfunde I. 107. Es wollte fchon Salmafins 
exerc. Plin. P- 698. Tavdagıdav leſen: er Fonnte nicht wiſſen, daß die 
Endung — eiwv noch ——— ſei. Unbefriedigend identiſicirt Benfey 
Halliſche Encyclop. s. v. Indien p- 92. den Namen mit dem Rand'rak'a— 


raca in den Asiat. Res. VIII, 337., weßhalb er auch Paydapayarv ſchrei⸗ 
ben möchte. — TTooxkis entfpricht wahrscheinlich dem Puscala der Inder, 


dem Hevzehe, Tlevzelairıs der Begleiter Aleranders, dem IZToxkais des 
Ptolemäus. Dal. Laffen in der Zeitfehr. |. d. Kunde des Morgenlands 
Il. 197, Sudifche Alterthumsf. 1. 107. Der Perieget nennt den Namen 
fpäter noch einmal in der vielleicht vorzuziehenden Form ZTooxkais BI, 
169. 9. 28. Das in dem Indifchen Wort mangelnde P mag eingefcheben 
fein, um einen Anklang an Griechifche Formen zu gewinnen. — Die Ara 
trier find ohne Zweifel nicht die Arii, wofür man fie früher hielt, fondern 
die Aräfträas Prakrit Kratt'a) der Inder. Merkwürdiger Weiſe bedient 
ſich der Perieget einer Form, die —— der Sanſerit- und der Vulgär— 
Form die Mitte hält. Bol. Wilfon in den As. Res. XV. 106, Laffen 
de pentapot. Ind. 23, Zeitfehr. f. d. Kunde des Morgenlands Ill. 205. 
212. — Schwieriger ift der Name “Peyovooı: jedenfalls aber ift es ge- 
rathener, in ihnen mit Stud und Laffen die Arachofier, ald mit Vin— 
cent die Rärafäs, oder mit Benfey die Bira-röharäg zu vermushen. 


330 Ueber den Periplus 


hifcher Sprache bedient, dürften wir alfo auch Beziehungen auf 
jene Zeiten erwarten. Die einzige Bemerkung dieſer Art aber, 
welche bei ihm vorkommt, befchranft ſich auf die Angabe, daß die 
Dramen, die auf dem Markt von Barygaza curfirten, das Bild 
des Apollodor und des Menander trügen, und diefe felbft bezeichnet 
er ale oi uera ’Arsgavdoov Beßaoırhevrores. — Diefe totale 
Sfeichgüftigfeit gegen alle Erinnerungen der Griechiſchen Gefchichte 
tritt dem Lefer um fo befremdlicher entgegen, da der Verfaffer nicht 
etwa abſichtlich darauf ausgeht, alles Hiftorifche von feiner Dar- 
ftellung auszufcheiden und fih auf das Mercantilifche zu befchrän- 
fen: denn ohne daß er durch die Nücdficht auf den Handel dazu 
genöthigt würde, nennt er eine Neihe ihm gleichzeitiger Könige, einen 
Zoscales, Malichas, Choläbus, Charibael, Eleazos, Mambaris), 
Saraganos, Sandanes, Ceprobotas, Pandion. Zudem beweift er ja 
durch feine Bemerkung über den Zug Aleranders bis angeblich zum 
Ganges, daß er in der That über Diefen alfbefannten Punkt un- 
wiffend iſt. Und welcher Griehe, dem die Gefchichte nicht ganz 
fremd war, hätte wohl für nöthig gehalten, feinen Lefern erſt zu 
bemerfen, daß Alexander nicht nach Malabar und dem Süden In— 
diens gefommen ſei! — Es mag genügen hinzuzufegen, daß er fich 
gegen Alles, was fonft die Aufmerffamfeit eines Griechifchen Beob- 
achters zu erregen pflegt, ganz ebenfo intereffelos zeigt, wie gegen 
die Geſchichte. Ebenſo wenig verräth er aber auch die beflimmte 
Abficht, dieſe Dinge eonfequent aus dem Bereich feiner Darftelfung 
auszufchließen: er übergeht fie ganz unwillkührlich, er hat fie gar 
nicht beachtet. Bisweilen entjchlüpft ihm dennoch eine Angabe die— 
fer Art, und nimmt fih dann ſeltſam genug unter den Schiffernoti— 
zen aus, Sp 3. DB. hat er für die Religion der Inder gar fein 
Auge gehabt: von ihren Göttern, ihren Tempeln, ihren Brahmanen 
weiß er fehlechterdings gar nichts: nur daß Büßer nach dem Heifig- 
thum der Cumäri pilgern Y, iſt ihm aufgefallen; und weit entfernt, 


1) Bl. 179.91 33N Die Stelle ift folgendermaßen zu leſen: Arno 
DJS TeUTnS Eotıy &regos. ‚Tonos T& Koucgeo heyousr 05,87 [9 Toro ie 007 
Eotıy zei kuumv- es öv 08 BovAöuewor Tov uslhovre wvıois Y00vor 
degoi yercodeı, zi00 ulvovow adıoi, Bxei £oyousvoı Enokovoyrar 
TE d «iro xui yuyainss. lorogeirws yaup ızwı Beoy Exei Enuueiyer 


des Erythräiſchen Meeres. 331 


diefen Punkt nun unerwähnt zu laſſen, ſtellt er feine Bemerkung 
darüber ganz unbefangen zwifchen die Angaben über die Häfen von 
Balita und Cumäri und über die Verfenfifcherer. 

Während er ſich nach allen diefen Seiten hin als einen höchft 
einfeitigen und unwiffenden Beobachter fund giebt, giebt er von ſei— 
ner Defchränftheit auch noch ein anderes vofitiveres Zeugniß. Er 
erzählt vom Sachalites - Bufen, unbewacht Tiege der Weihrauch in 
Haufen am Geftade: die Götter ſelbſt behüteten diefen Ort. Ohne 
ihn vom König zu erhalten, könne man ihm nicht ins Fahrzeug brin- 
gen, weder offen noch heimlich; Habe Einer auch nur ein Korn ge 
nommen, fo könne er mit dem Schiffe auf Feine Werfe aus dem 
Hafen kommen ). Das erzählt er ganz trenherzig, wie es ihm bie 
Araber aufgebunden haben. 

Ein ganz anderer Mann ift er hingegen da, wo er von Ger 
genftänden des Handels und der Schifffahrt ſpricht. In diefer Bes 
ziehung zeigt ex fich eben fo aufmerkſam und Fenntnißreich, wie er 
in jeder anderen flüchtig und unmwiffend daſteht. Es ift ein fo lan⸗ 
ges Verzeihnig von Emporien, welches er aufitellt, daß es trotz als 
fer Erweiterung unferer Kenntniß vom Drient noch immer unmögs 
Tich ift, einer nicht unbedeutenden Anzahl derfelden ihre fichere Stelle 
anzumweifen. Ja es hat fi ſchon mehrfach herausgeftellt, daß bis vor 


zard Tıra X00v0v zul anoltlovoder. Der Tert der Ausgaben weicht 
mehrfach hiervon ab. Statt degov ſteht bei Gelenins Pouagor, Stud 
meint: quid, si — legendum? und bei ihm und allen folgenden 
Herausgebern figurirt denn Dies unpafiende yoovgsov im Tert und ca- 
stellum in der Neberfeßung. Das folgende fe00d und det ganze Zuſam— 
menhang ftellt die Richtigkeit von deoov außer Zweifel — Fir droiovor- 
zaı flieht bei Blancard und Vincent Enolvoyrer: deffen ungeachtet 
jehreibt aber Blancard die Stuckſſche Ueberfegung nach: Quem ad lo- 
cum aquis se ibi abluendi et lustrandi gratia commeäre solent illi qui 
omni reliquo vitae suae tempore religiosam atque viduam vitam agere 
cogitant. Mas foll man aber gar fagen, wenn Bincent nicht mur das 
enokvoyrer aufnimmt, fondern daneben überfeßt: This place is frequen- 
ted for the purpose of ablution by those who have dedicated them- 
selves to a religious life, and taken a vow of celibacy ? Das Heißt doch 
deutlich aus dem Lateiniſchen überſetzt! Endlich ſteht bei Gelenius wie 
in alfen folgenden Ausgaben am Sid hluß inv ve0Y ezei Eni Mjvag Hard 
Tıya zo0vov 8zei αν. Das Earl unres wird ebenfo durch 
zar@ dıva Xoövor , wie das folgenbe 2re? durch das vorhergehende wi— 
verlegt. 
1) 21. 160. 9. 19. 


332 Leber den Periplus 


Kurzem unfere moderne Geographie troß aller ihr zu Gebote fte- 
benden Mittel über manche wichtige Localität viel weniger genau 
unterrichtet war, als diefer Griechifche Perieget, und daß manche 
von ihm fchon gefannte und befchriebene Gegend in unferen Tagen 
im eigentlichen Sinn hat wieder entdeckt werden müffen. Ich er- 
innere bier nur daran, wie feine Befchreibung von Cane, der an- 
liegenden Bucht und den Infeln gegenüber ') völlig unverftändlich 
war, bis in Folge der dortigen Küftenaufnahme von Haines und 
Wellſted die bisherige Kartenzeichnung dieſer ganzen Küſtenſtrecke 
völlig unrichtig befunden wurde, während die in dem Peripfus ge- 
gebenen Daten auf eine höchft überrafchende Weife mit der Wahr: 
beit übereinftinmten 2). Eine Menge Heiner und anfcheinend ge- 
ringfügiger Züge, auf die nicht Teicht ein Anderer als ein Seefahrer 
achtet, findet fih ber ihm ſchon notirt: fo die Befchaffenheit des 
Anfergrundes, die Tauglichkeit der Häfen, Sandbänfe, Ebbe und 
Fluth, die Weite der Meeresbuchten, die Zeichen, an denen man 
die Nähe des Landes erfennt ’), die Zeiten, in denen man am be- 
ften diefes oder jenes Emporium befucht, die Stationen für die Ein» 
nahme von Waffer, die einheimifchen Namen der Schiffe u. dal. 
Ebenſo reichhaltig ift fein Bericht in mercantilifcher Hinſicht. 


1). 31. 450.9, 19: 

2) Man vergleiche darüber die lichtvolle Auseinanderfeßung bei Nit: 
ter: Erdfunde, XII. 312. figd. 

3) Er fagt, Seefchlangen wären das Merfmal, daß man fich dem 
Lande nähere. Er wiederholt dies drei Mal, bei der Indusmündung, dem 
Meerbufen von Gafa und der Malabar - Küfte. Bl. 163. 165. 173. 9. 
21—22. 23. 31. Man hat dies früher für unwahr gehalten: es iit aber 
jeit Niebuhr (Neife 1. 452.) für völlig richtig erfannt worden, und noch 
heute fieht der Schiffer an diefen Schlangen, wo er der Sondirungen be— 
darf. ©. Nitter: Erdfunde VI. 1082. Die eine Art, fagt der Berieget, 
hieße yocaı: er meint das Sanferit Wort graha, die Schlange- Su der 
legten der drei genannten Stellen lefen alle Ausgaben: zei zreoi Tolode 
TOUS TonoVS Tois &x nehdyovs Onusloıs &nıßohng Eicıv nooanavTörtes 
Goes. Stuck möchte anftatt deſſen lefen: 775 22 neAayovs Enıßokjs 07- 
usiov ol no. 6yp. Aus den beiden vorhergehenden Stellen deſſelben In— 
halts wird eher wahrfcheinlich, daß nad) reiayovs ein Loyou£voıs ausge: 
fallen, und dem Schreiber die Endung diefes MWorts bei onusiov in die 
Feder gefommen ift. Jene lauten: Onusiov dE Hdn ı7s nepi auıyv yuoav 
(wohl ftatt meod Teurmv any y.) &nıßohis Tois 2x neAcyovg Loyouf- 
voıs 08 NOO«NEVTOPTES Ogpeıs, und! Onusiov D edoiv (jtatt des unge— 
hörigen d’ „eiroiv der Ausgaben) Tois dno neAuyovs Eoyoulvors oi 
NOORTUVTWYVIES Ggpeıg. 


nn 


— 


des Erythraifhen Meeres, 333 


Bei jedem der beveutenderen Emporien oder doch nachträglich bei 
einer Anzahl derfelben bemerft er die Exporte und Importe, giebt 
auch wohl bisweilen die Qualität oder Quantität derfelben an 1): 
und dies zufammen bildet einen weitläufigen Waarenfatalog, zum 
Theil aus den einhe imiſchen Namen beftchend, der fich in gar vie— 
len Punkten noch gar nicht eommentiren läßt. 

Es iſt eine reiche Fülle von Belehrung, die in dieſen einſei— 
tigen und mageren Notizen verborgen Tiegt: was freilich früher viel 
weniger als jest erfannt werden konnte. Während das Werf frü- 
ber für ein Curioſum galt, an dem ſich nur eben deßhalb der ge- 
lehrte Scharffinn verfuchte, hat eine reifere Kenntniß vom Drient 
feinen Werth allmahlig würdigen gelehrt. Es ift deßhalb ganz na- 
türlich, daß das Ende des vorigen Jahrhunderts die Zeit ift, wo 
die Aufmerffamfert der Gelehrten ſich auf das Buch zu richten be> 
ginnt, und feitvem hat jede erneute Unterfuhung nur dazu beigetra- 
gen, feinen hohen Werth in ein hefleres Licht zu fegen. 

Es gehörte ein hoher Grad von Urtheilsiofigfeit dazu, für den 
Berfaffer einer fo auffallend geftalteten Schrift den Arrtan zu hal 
ter. Wenn man fih in der That nicht ſcheute, den floifchen Phi— 
loſophen eine Reife nach dem öftlichen Afrıfa und nach Eeylon an— 
treten zu laffen, um ſich daber auf die Beobachtung der Schifffahrt 
und der Kaufmannsgüter zu befchränfen, fo hätte man doch berück— 
fichtigen offen, daß Arrian ſich nicht fo unwiffend in der Gefchichte 
zeigt, wie der Verfaffer des Periplus, daß er Dagegen über einzelne 
Localitäten weniger unterrichtet ift: daß er weiß, Alexander fer nicht 
bis zum Ganges gefommen, daß er dagegen die Indusmündung ganz 
anders und viel weniger genau als der Perieget fennt. Der ganze 
merkwürdig beſchränkte Standpunkt des DVerfaffers hatte noch drin— 


1) Eine Stelle diefer Art ift fehr verunftaltet. Der Perieget (DI. 
173. 9. 32.) zählt unter, den Importen der Emporien Yon Malabar au 
auf olvos oV nokAus, OwLeı de ToooUVrov 600» &y Baovyadoıs. Stud 
fpricht hier viel von Indiſchem Mein und Vasco de Gama u. A., verliert 
aber fein Wort über das owLeı, läßt die Stelle auch unüberfeßt. Bincent 
abesfent aufs Gerathewohl Hin: a small quantity of wine, but as profi- 
table as at Barugaza. Offenbar ift ftatt owder das bei dem Verfaſſer fehr 
beliebte @oed zu Tefen , an welches aus dem vorhergehenden zzoAus ein Z 
fich angeſetzt hat, 


334 Ueber den Periplus. 


gender abmahnen follen, ihn mit Arrian zu identifieiren. Woffte 
man das alles noch nicht für entſcheidend halten, fo hätte ein Blick 
auf die Sprache und die Darftellung des Periplus hingereicht, jene 
Hypotheſe niederzuſchlagen. 

Die ganze Dietion nämlich tragt fo viele Eigenthümlichkeiten, 
daß fie dadurch ein genaues Gegenftüd zu dem Inhalt abgiebt. 
Sp wie diefer eine feltfame Beſchränkung auf Einzelnes mit Hints 
anfesung oder gänzlicher Vernachläffigung alles Anderen und Wich- 
tigeren aufweift, fo zeigt auch der Ausdruck nur nach einer Seite 
hin einen gewiffen Reichthum, wahrend er im Allgemeinen in höchſt 
ärmlicher Geftalt auftritt. Es find — ganz entfprechenn der eigen- 
thümlichen Befchranfung des Inhalts — die Ausprüde für Schiff— 
fahrt und Handel, welche reichlich vertreten find, wahrend fonft 
überall eine große Aermlichkeit und Einförmigkeit des Lericalen, aber 
auch des Grammatifhen und namentlich Syataftiihen wahrzunehmen 
ift. Ausdrücke jener Art find nicht nur fehr gehäuft, fondern auch 
fireng nach ihrer Bedeutung geſchieden. Synonyme Worte, wie 
Öowuog, Aıumv, Aystpoßälen, 0a105, oder Untoonolıg, noAg, 
&unögiov, xorn, oder yretgos, Yi, XWwo@, yder mAolov, mAoıd- 
gLov, Oxapn, oyEdia — denn 2006 kommt feltfamer Werfe nicht 
vor — werben weit auseimandergehalten. Der Perieget hat fich 
ferner gewiffe Bieblingsworte angewöhnt, die er denn ganz unver- 
hältnißmäßig oft worbringt: fo z. B. dıo, das er ſtets mit zur 
verbindet ), die Compoſita mit Erd und naoa, aygı, »,dn, Sorı zur 
Angabe des Gelegenfeins von Drtfihaften, ouolos, ng0ywa&o und 
UNOZWIGED, OUVAPNG TiVog, Ovveyng, 0VVNIWg , ÜnEgusyE£dng, 
vor allen aber zönog, das außerordentlich oft zur Bezeichnung der 
verfehtedenften Rocalitäten angewandt wid, Wo er die Importe 
und Exporte eines Emporiums aufzählt, da Teitet er regelmäßig das 
eine Glied durch 100700602) oder feltener durch Eionyerar, das 
andere durch ESayeraı , aysrar oder Exp£osrar ein. 'Eoyaı'z 
und Eoyalouaı gebraucht er zur E5oynv son Handelsgefchäften ; 

1) Dies ift zu beachten bei der Stelle: dio zei mapegpularns ydgır 
rei Eis adımy negaljnıns — — anoorelleraı. Bl. 153. 9. 11. 


2) Falſch überfeßt man 3. B. die Stelle: &v Baeovyadoıs makeıei 
7r90xwg000ıy dorzuni Bl, 169. 9: 27. durch) drachmae reperiuntur, 





des Erythrätfhen Meeres. 335 


zur. Angabe der Entfernungen in der Negel Ins do oradıwv auch 
noch mit folgendem Genitiv. Dabei hat er einzelne ganz unerwar= 
tete Abfonderlichkeiten der Dietion. Dahin gehört feine befremdliche 
Unterfiheivung der Wörter Paoıkevs und zuigavvog: jedem Lefer 
muß es auffallen, wie er deu einen Barbarenfürften confequent Pa- 
orhevg, einen andern Tugavvog nennt: erſt eine genauere Verglei- 
hung aller betreffenden Stellen zeigt, daß er unter vIyrann einen 
Bafsllenfürften verfieht ). — 

Wie wenig ihm eine Fülle des Ausdrucks, eine Herrfchaft 
über das ganze Sprachgebiet zu Gebote ſteht, Tann man fchon aus 
den Stellen entnehmen, an Denen er eine früher gemachte Bemer- 
fung zu wiederholen oder doch eine ähnliche zu geben hat. Anftatt 
zum zweiten Mal eine andere Form zu wählen, trägt ex Fein Be- 
denfen, die früher gebrauchten Worte und Wendungen faft ungeän- 
dert in der einförmigfien Weiſe zu wiederholen, Ein Beifpiel die- 
fer Art können ſchon die kurz vorher angeführten Stellen über die 
Seefchlangen geben; ich beſchränke mich darauf, ihnen zwei andere 
hinzuzufügen: 

B86 Bl. 170. H. 29. 


Meıa Oé ravrnv evdews Eoıtv Mera ds Baovyalav evIEw 
7 5 


1) Die betreffenden Stellen find folgende: von den Mofchophagen 
jagt er Bl. 143. 9. 2. zar« zugevvidae veuouevor, von einer Anzahl 
Afrifanifcher Emporien BL. 150. 9. 9. oU Baoıleveraı dE 6 10nos, dhhe 
Tvo@vvoıs Wioıs Eraorov Zunogıov diowreiteı. So ift zu leſen ftatt 
des zu &2@0T0y der Ausgaben: das zere ift in die vorhergehende Zeile 
vor Toy nagdnkovy zurüczufeßen, wo e8 ganz unerläßlich if. Won den 
nomadifirenden Bewohnern der Arabifchen Weitfüfte bemerft er Bl. 153. 
9. 12.-@n0 10v 1vodvvwv zai BaoılEwy ıng Aoußias alyuelwribor- 
zeı. — Entſcheidend find erft die Angaben über den Cholaebus. Diefer 
heißt zuoevvos von dem Mapharitifchen Lande und reſidirt in Save, einer 
nökısz; Charibael dagegen, ſetzt der Perieget jogleich hinzu, it ver &rde- 
cuos Peorkebs der Himjariter und Gabaiter, er regiert in Saphar, der 
untoönoks BI. 154 9. 13: Diefe Titel werden nun bei beiden ſtreng 
gefchieden: es werden die Lurusartifel aufgezählt, die für den „König und 
den Tyrannen‘‘ eingeführt werden, Ocelis gehört zu derſelben „Tyrannis“, 
Eudaimon Arabia zu derfelben Baoıdleie Bl. 156. 9. 14. Ihr Verhältniß 
zu einander läßt fich hieraus noch immer nicht ficher entnehmen: doch die 
Angaben über Azania Eären alles auf. Azania nämlich iſt unterworfen 
Xegıpan) zai ıo Magpugeitn zuodvyp DI. 159. 9. 18., und zwar tes 
giert eg nad) altem Herfommen Unonintovoev ı7 Paoıkeig TyS noWıng 
yıvoußvns Agaßias 6 Magyeageiıns zuoavvos Bl. 152. 9.10, — In ſei⸗ 


* 


ner Beſchreibung Indiens erwähnt er keine Tyrannen, 


336 Ueber ven Periplus 


ovvapns Aoaßızn ywoa, ara  ovvapns Mmnei0og Er TOD 
unxog Eni nohV naoareivovon og&ov Eis TOV vorov mager- 
ın ’Eov9o@ Iahcoon. zeivel. 
Bol. BL. 160. 9. 18. Mera d& Tov Zvaygov x0Anog Eoriv 
ovvapns, En! Bagog Evdvvo eis TnV mneıgov u. N. 
231099. 20, B. 174, 9. 32. 
"Anon)£ovow dE #ura zuoov IlAeovor ÖE eis avımv ol zara 
ol ano ı75 Alyvnıov Eis TO xauvov avayouevo an’ Alyv- 
£unogLov avayouevoı negl Tv nrov neol röv ’lovArov unve, 
’[ovAıov unva, ög 2orıv Enıyi. Ös Eorıv ’Enıgi. 

Die einfache Sachlage hinfichtlich der Perfon des Verfaffers iſt 
nunmehr diefe. Wir haben einen Schriftfteller vor uns, der die Küften 
des Indiſchen Deeans weithin mit einer überrafchenden Genauigkeit, 
ohne Zweifel als Augenzeuge kennt, der aber nichts beobachtet hat, 
für nichts Sinn zeigt, als für Handel und Schifffahrt, der nach die— 
fer Seite hin einen unerwarteten Neichthum des Inhalts bietet und 
fih in dem die Schifffahrt betreffenden Wortvorrath reichlich be— 
wandert zeigt, während in jeder andern Beziehung feine Beobachtun— 
gen ebenfo dürftig und beſchränkt find wie feine Darftellung. Diefe 
Beſchränkung, diefe gänzliche Entfernung von dem allgemeinen Ty— 
pus Griechiſcher Neife- und Länderbeſchreibungen, kann Fein beftimm- 
ter wiſſenſchaftlicher Zweck hervorgerufen haben: das beweift der 
Inhalt felbft wie die armliche Sprade. Die ganze Conftruction 
des Peripfus wird einzig und allein durch die Annahme begreiflich, 
daß der Verfaffer ein feefahrender Kaufmann gewefen ſei. Und 
daß er das gewefen, das erhellt auch noch) aus einer anderen Spur, 
Er fümmert fich fehr wenig um Fürflen und Völfer: um jene nur, 
infofern für fie Lurusartifel importirt werden, um dieſe nur, infofern 
ihre Namen ihm ein Haltpunft für die Topographie find. Dagegen 
find ihm die Kaufleute fehr wichtige und beachtenswerthe Perfonen, 
In Mundu haben fie ihm wenig gefallen: er fagt, fie feien orAr- 
giregoı (Bf, 148. 9. 7.), in Malabar wird nur wenig Getreide 
eingeführt, nur für die rege TO vavzınoıov, denn die Eumogoı 
machen feinen Gebrauch davon (DL. 173. 9. 32.); in Azania find 
die zußegrirar zul yosıazol Araber, die in der Oertlichkeit und 





des Erythräiſchen Meeres. 337 


in der Landesfprache bewandert find (BL. 152. 9. 10.); in Muza 
ift alles voll von Rhedern und Schiffern, alle Anderen treiben Ges 
fhäfte, die wieder vom Handel abhangen: ihre Schifffahrt und ihr 
Handel geht His Africa und Barygaza '). 

Man bat feit Dodwell fehr oft von Reifejournalen gefpro- 
chen, aus denen diefer Vertplus compilirt fein foll — eine ganz 
willführliche Hypotheſe, Die nirgends in dem Werf einen Anhalts- 
punft findet und duch das „wir“ des Verfaffers ſchon fo gut wie 
widerlegt wird. Man würde auf diefe unglückliche Conjeftur gar 
nicht verfallen fein, hätte man nicht die Abfaffung des Werfes durch— 
aus in eine ſpäte Zeit hinabrücken wollen, während doch einzelne 
Angaben in demfelben fehr deutlich auf eine frühere hindeuten, 

Wie Arrians Name zu dem zweideutigen Ruhm gekommen ıft, 
auf den Titel der Schrift zu gerathen, ift erflärlich genug. Arrian 
war der Verfafler eines Peripfus des fchwarzen Meeres, und was 
noch mehr ift, feine Indien enthielten ven Periplus des Nearch über 
einen Theil des Erythräiſchen Meeres. Werke aber von fo be» 
fchränfter Seitenzahl werden in den Handfchriften ebenfo wenig wie 
in den Ausgaben eine felbftandige Eriftenz gehabt, man wird fie, 
wie in hundert ähnlichen Fallen, zufammengefchrieben, zufammengebuns 
den haben. Der Verfaffer des erften Stücks galt dann auch für ven 
’ t) In den Ausgaben it die Stelle (BL. 154. 9. 12.) unverftändlich 
geworden, meiſt Durch. ſchlechte Interpunktion. Sie lautet bei Gelenius 
und Stud: Kai uere ıalıag — — E&unogıov EoTıy vouıluovy NAOR- 
3a)a00ıov Movie, otadiovs anıeyov — — ws eis uvoiovs dıoyıkious. 
To ‚uer ökor, Agcpov, vauzkngızav 22102077 zai vauıızwv. II)eo- 
vasoy de, zai Toig and Eurtooies ngEyueıe zıyeiteı. Zuygguyrau 
yeozı). BeiBlancard und Hudfon im Wefentlichen ebenfo: To ur 
öhor ’Aoaßwv, vavzingızWy yo. x. vavrızav. IIh. de, zei #ri. Bin: 
cent lieft: To usv ölor Aodßor, vauzk. dvdo. #. vauı. nkeovaloy, 
rai Tois do &un. no. x., alfo mit Auswerfung des de Stud, Blan- 
card und Hudion überfeßen: Totum incolitur ab Arabibus, rei nauticae 
et maritimae peritis. Plenum praeterea est atque refertum mercaturam 
facientibus. Nam praelerquam quod transmarinis atque Barygazenis ne- 
gotiationibus utuntur, suas proprias merces habent. Vincent nicht 
beffer: er giebt 70 udv öloy wieder durch the whole (of this part) of 
Arabia. Ohne Zweifel iſt folgendermaaßen zu lefen und zu interpungiren: 
Eunögıov vouıuov nagadakdaoıory Moose , orediovs aneyovr — — 
Ws &ic uvotovs dıoyıklovus‘ 70 usv 0L0v Agapor , yavzangızav dv- 
Yodnar za vaurTızav, TIALoV, naEovyalov dE zei ois ano Eunooiag 


(1@) ngayuaıa zeiten ovyyoortaı yao #7 100 71E0V £oyaoltız zai 
Beovyasov tdtoıs EEaprıouoig. Nur das zeireıe mag unficher fein. 


Muſ. f. Philol. R, F. VIL 22 


338 Ueber den Periptus 


Verfaſſer des zweiten; um ſo mehr, wenn dieſes namenlos auftrat. 
Hat ja z. B. noch Stuck die Worte ad Hadrianum Traianum 
Imperatorem Caesarem Augustum aus dem vorhergehenden Pe— 
vipfus des ſchwarzen Meeres im diefen binübergezogen. Den 
wahren Namen wiederzufinden, wid: ohne handſchriftliche Hülfe 
fihwerlich gelingen: wenigftens iſt unter den bei Ptolemäus vor- 
fommenden Namen von Seefahrern und Periegeten feiner, auf den 
ſich unfer Peripfus num mit der geringften Wahrſcheinlichkeit zurüc- 
führen ließe. 

Daß der VBerfaffer aus Aegypten fer, ergiebt fich ſchon dar— 
aus, daß er fich nicht begnügt, zur Zeitbeftimmung die Römischen 
Monatsnamen zu nennen, fondern daß er diefen regelmäßig den 
Aegyptiſchen Namen beifügt: fo kommt ’Erugpi viermal, OoF zwei- 
mal, Tußl einmal bei ihm vor. Noch beftimmter giebt er feine 
Aegyptifche Herkunft an der Stelle an, wo er den Weihrauch mit 
dem Negyptifchen Gummi vergleicht: er fagt dort ws zul zwr ap’ 
Hulv Ev Alyintw Öevdowv dazgvs To zouı BI. 158. 9. 16. 
Salmafins') will freilich auch das noch nicht für entfcheidend 
halten: ev meint, nao' zudv könne beißen vim Römiſchen Reich 
— eine gefünftelte Interpretation, welche durch Feine Andeutung 
des Periegeten gerechtfertigt, und durch feine Bezeichnung der Mo— 
natsnamen als unrichtig erwieſen wird. 


11. 
Das Zeitalter des Periegeten. 


Nur einmal ift die Zeit der Abfaffung des Periplus einer 
ausführlicheren Prüfung unterworfen worden, nämlich von Do d— 
well in der Abhandlung de aelate peripli maris Erylhraei eius- 
demque auctore, welhe Hudfom in feine Ausgabe der Heinen 
Griechiſchen Geographen (Oxon. 1698. I. 85—105) aufgenommen 
dat. Dodwell hat befanntlich allen den Schriftftellern, welche 
in der Hudfonfchen Sammlung enthalten find, einleitende Ab- 
bandlungen voransgefchiet. Er zeigt hier eben fo viel Belefenheit 


1) Salmafius; Plin. exereit, 835. 


des Erythraifhen Meeres. 339 


als Scharffinn, und ferne Arbeiten find doppelt anerfennenswerth 
für eine Zeit, in welcher alle diefe Schriftfteller fo gut wie vers 
geffen dalagen: man pflegt fie wohl bis jest als Hauptarbeiten 
über diefen Theil der Griechifchen Litteraturgefchichte zu betrachten. 
Deffenungeachtet muß man ber ihm fehr auf feiner Hut fein: ex 
ift ein durchaus unredficher Forfcher, der es Tiebt, mit Aufwenbung 
alles Scharffinns die einfachften und Flarften Dinge in Frage zu 
ftelfen, und der es nicht verfchmäht, zur Erhärtung feiner paradoren 
Aeußerungen ältere wie neuere Schriftfteller unredlich anzuführen 
oder zu benutzen. Je weniger dies allgemein anerkannt iſt, deſto 
mehr mag es erlaubt fein, jenes Urtheil durch ein näheres Cinge- 
ben auf feine Abhandlung über diefen Periplus zu begründen. 

Wie ſchwierig die Frage über das Alter des Periplus fer, ſo 
beginnt er feine Erörterung, laſſe fih daraus entnehmen, daß Sal- 
maſius nicht weniger als drei verfchtedene Anfichten darüber auf- 
geftellt Habe: bald habe er ihn für einen Zeitgenoffen des Plinius 
gehalten, weil er dieſelben Indifchen Könige wie dieſer erwähne; 
bald habe er ihn in eine andere Zeit verfest, weil er von Plinius 
hinfichtlich der Handelsthätigkeit von Muziris abweiche; bald endlich 
babe er ihn für älter als Plinius ausgegeben, weil er die Zer- 
ftörung von Arabia Eudaimon furz vor feine Zeit anfese, und unter 
dem Caefar, der es zerftört, den Auguftus verftehe, 

Schon diefer Eingang iſt fehr bezeichnend für Dodwell's 
Verfahren: er enthält durchweg Unmwahres. Er führt die betref- 
fende Stelfe aus Salmaſius weistih nicht an: er meint aber 
offenbar die Plinianae exereitaliones in Solini polyhistora (Trai. 
ad Rhen. 1689) ©, 835. Salmafius foricht hier von der Ab— 
weihung des Plinius und des Veriegeten über Muziris und fügt 
dann hinzu: et lamen, quod mirere, auctorem eodem quo Pli- 
nium lempore oporlet vixisse, ul necessariis vincilur argu- 
menlis et hoc uno invineibili , und nun beruft er fich darauf, 
daß beide Schriftfteller dieſelben Könige nicht nur bei Muziris, 
fondern auch bei anderen Drten erwähnen. Er fpricht weiterhin 
davon, daß im Peripfus die Unterwerfung von Arabia Eudaimon 
durch einen Caeſar als nicht lange vor der Zeit des Verfaffers ge- 


340 Leber den Periplus 


ſchehen erwähnt werde: dieſer Caefar ſei Auguftus: es erhelfe dar— 
aus, daß der Verfaſſer jedenfalls lange vor Ptolemaus gefchrieben 
habe, obwohl diefer irrig die ſchon von Plinius und dem Periegeten 
erwähnten Könige als feine Zeitgenoffen anführe. — Man fieht, 
Salmafıuns hat über die Zeit des Veriegeten feine feftftehende 
Anſicht: er ıft ihm cin Zeitgenoffe des Plinius. Dodwell hat 
ihm jene fchwanfende Anficht untergefchoben, wohl nur, weil er 
ſchon im Anfang auf Effeft hinarbeitete. 

Jedenfalls, führt er nun fort (S. 85—86.), fer der Verfaf- 
fer jünger als Trajan. Ein Caeſar folle kurz vor feiner Zeit 
Arabia Eudaimon zerftört haben, unter Auguftus gebe es feinen 
Caeſar, der dies gethan, denn als Tiberius in den Drient gezo— 
gen, fer er noch nicht Caefar gewefen, und Cajus Caefar habe nichts 
mit Arabien zu fchaffen gehabt, nur Aelius Gallus fei nach Ara— 
bien gedrungen, solus adhuc nad dem ausdrücklichen Zeugniß des 
Plinius. Nimmermebr könne alfo der Perieget ein Zeitgenofle des 
Plinius fein; und der erfte Caefar fpaterer Zeit, der in Arabien 
gekriegt, fer Trajan; der Verfaffer des Periplus alfo jünger als 
diefer. 

Es fcheint, Dodwell will den Salmafıius nicht verſte— 
ben. Wenn diefer die Unterwerfung von Eudaimon unter Augu- 
ftus anfest, fo meint er natürlich nichts anderes, als den großen 
Feldzug des Aelius Gallus nach Arabien, auf welchem diefer Keld- 
herr ja in der That bis tief in den Süden des Pandes vordrang; 
er meint, der Perieget babe unter dom Namen des Kaifers anfüh- 
ven können, was eigentlich der kaiſerliche Feldherr gethan; er meint, 
zu einer Stadt des füdlichen Arabiens könne eher jener Aelius 
Gallus gedrungen fein, als ein fpäter Imperator, deffen Arabiiche 
Kriegsthaten zumerft auf ruhmrediger Prahlerei beruhen. 

Aber darum befümmert fih Dodmwell nicht: er denkt ſich 
nun einmal den Trajan als ven großen Befieger Arabiens. Tra— 
jan, fagt er, hat Arabien, auch nach dem Zeugniß von Münzen, zur 
Provinz gemacht, er hat eine Flotte auf dem rothen Meer gefchaffen '), 


*” 1) Quod non ita facile fuisset nisi occupata utraque illius maris 


ripa, fest er hinzu Was er ſich wohl bei diefen Worten gedacht haben 





des Erythräiſchen Meeres. 341 


er hat das Römiſche Neich ja bis zum Euphrat ausgedehnt. — 
Es ließe fich mit denfelben Gründen behaupten, daß zu Auguftus’ 
zeit die Deutfchen Dftfecfüften zum Römerreiche gehört hätten, 
Arabien zur Provinz machen, heißt in der Hoffurache des Römifchen 
Imperiums, fich einen Grenzftrich unterwerfen, der den Nanten 
Arabia provincia erhält; eine Flotte auf dem vothen Meer aus— 
rüften, heißt nicht die Südfüfte des Landes unterwerfen, der Eu- 
phrat endlich ift nicht das Erythräiſche Meer. 

Daß der Verfaſſer jünger als Trajan fer, Scheint Dodwell 
noch durch zwei andere Gründe erwiefen (S. 86). Zuerft dadurch, 
daß der Perieget bemerfe, in Leukekome habe ein Nömifcher Cen- 
turiv mit einer Beſatzung geftanden, um einen Einfuhrzoll von den 
Importen zu erheben. Das paſſe ganz für die Zeit nach Trajan: 
denn habe Hadrian auch die Eroberungen feines Vorgängers auf 
gegeben , fo babe er doch die Zugangspunfte behalten Tonnen. — 
Eine jo maaßlos Teichtfertige Argumentation vichtet fich am beften 
durch fich ſelbſt. 

Sch bemerfe gelegentlich, daß Die betreffende Stelle des Peri— 
plus (DI. 153. 9. IL.) von Kommentatoren und Geographen ein— 
ftimmig ebenfo wie von Dodwell auf eine Nömifche Beſatzung bezo— 
gen worden iſt ). Daß fie aber Römiſch gewefen, deutet der Pe— 
rieget mit feinen Wort an: er fagt einfach, es fer ein Zolfeinneh- 
mer und ein Hefatontarch mit einer Truppenabtheilung dahin ge- 
ſchickt. Von wen, fcheint kaum zweifelhaft zu fein: von dem eben- 
genannten Malichas, dem Nabatäerkönig, zu deffen Reich Leukekome 
gehört. Die Ausprüfe Eye — za! auto raSır und weiterhin 
mag! Wenn er unter dem rubrum mare das Erythräifche verfteht, fo hätte 
Trajan am Ende wohl auch Malabar und Barbaria unterwerfen müffen. 
Meint er aber den Nrabifchen Meerbufen, wo denft er fich denn Arabia 
Eudaimon? Hat er nicht etwa das Emporium des Periplus mit den Lande 
der Geographen verwechfelt ? 

1) So 3. B. von Vincent: the commerce and navigation II. 
276. figd, Maunert: Geogr- der Griechen und Römer V1.1.51, Rit— 


ter: Erdfunde X. 122. 126. Die Stelle des Periplus lautet: Aevzn 


zoun, di’ ns (ödos) gotıv Eis Hergev 1008 Merktyav Baoıea Napße- 
Teiwv. Eye dE £un 0gtov Ta zei alro rafıy — —. Aid zei nepe- 
pulazıs zegw zei ers aurmv ‚nagekiauns INS IETGOTNS TOV topEoo- 
uevov Yooptiwv ui Exwroyrdoyns were oTowLEVuRTog EnooTeheıeı, 


Das üdös findet ftch in den Ausgaben nicht. 


342 Ueber ven Periplus 


zal &is aöızv nagaknnıng anooreiktraı beftätigen diefe Deu- 
tung; fie ftelfen Leufefome einem andern Emporium gegenüber, wo 
25 Prozent Zoll erhoben wurde, und dies kann nur das furz vor- 
ber genannte Petra, die Nabatäerftadt fein. Das zar in der zwei— 
ten Stelfe hat freilich nur Gelenius, in den folgenden Ausgaben 
ift es willkührlich geftrichen. DVieffeicht mögen die Worte ca- 
sirum, cenlurio cum exereilu der Stuck'ſchen Ueberfegung eini- 
germaßen mitgewirkt haben, daß man nur an eine Römiſche Befa- 
Kung Dachte. 

Der zweite Grund für die fpäte Abfaffung des Werkes foll 
nach) Dodwell in der Angabe deffelben liegen: Neusraı de av. 
znv nara vı Ölxaıov doyalov vnonintovoav ın Baoıdeıa vg 
noWwrng yıvou8vng Aoußiasg 6 Magpagesirng rigavvog. 
Bl. 151. 9. 10. Dodwell fieht darin nichts Geringeres, als eine 
Bezugnahme auf die fpätere Römiſche Provinzen-Eintheilung in eine 
prima und secunda provincia, und erinnert daran, daß Feftus 
Rufus von Trajans Negierung erzähle Syrias et Arabias provin- 
cias esse faclas. — Um von dem letztern Ausdruck ganz abzuſe— 
ben, es beweift der Periplus ja felbft auf das Deutlichfte, daß das, 
was bier ald nowrn yıroucvn "Agaßia erfcheint, durchaus nicht 
Römische Provinz fein kann. Es wird der einheimische Fürft dieſer 
angeblichen Provinz namhaft gemacht: es ift Choläbus, der „Tyrann“. 
Bl. 154. 9.13. Oder hätten vielleicht die Römer diefen „Tyran- 
nen“ unter ihrer Herrfchaft beftehen laſſen? Auch das iſt unmög- 
lichz denn diefer ift dem großen König der Himjariten und Sabaiten, 
dem Charibael unterworfen ), und beffen Neiche wird doch auch 
Dodwell nicht zum Nömifchen Imperium rechnen wollen. Sein 
ganzes Argument iſt wiederum nichts als ein unredlicher Kunftgriff: 
denn er denkt fi) den Periegeten ja eben fpäter als Trajan, einer 
Zeit angehörig, in der eine Arabia provincia prima im Himjari- 
tenveich auch die kühnſte Conjektur nicht venfen Fann. Wenn das 
ıns nowıng ywoueıns Agaßias überhaupt richtig iſt, weßhalb 
ſoll man flatt der weithergeholten und durch Feine Andentung ge- 


,D DB. 154. 9. 13. Inſofern herrfcht denn Charibael auch über 
Azania Bl. 154. 9. 18. 





bes Erythräiſchen Meeres. 343 


vechtfertigten provincia prima nicht ganz einfach „den erften Theil, 
den Anfang von Arabien“ verftehen, da die angedeutete Localität, 
die Südweſtecke der Halbinfel, zu diefer Auffaffung fo wohl paßt? 
Dodwells Schluß diefer Erörterung: hinc manifestum est, 
auciorem nosirum Traiano cerle fuisse inniorem, iſt alfo durch— 
aus ungerechtfertigt: ex beruht auf den willführlichiten Conjekturen, 
und doch flügt ſich Die ganze nachfolgende Unterſuchung auf diefe 
Baſis. 

Der Verfaſſer, fährt er nun fort (S. 87), könne zu der 
Zeit, wo Trajan Arabien unterworfen, noch gar nicht gelebt haben; 
er ſage, „nicht lange vor feiner Zeit/ fer Arabia Eudaimon zer— 
ſtört, und unter 6 mueregog z00v0g ſei die Zeit von der Geburt 
an zu verſtehen. Da nun die Erpedition Trajans gegen Arabien 
in das Sahr 113 falle, fo könne er nicht lange wor Hadrians Ne- 
gierung geboren fein. Selbſt die Stelle zara zı dızarov agyaiov 
foll das beweifen; denn dies foll auf die Zeit Trajans gehen. — 
Gewiß eine feltfame Interpretation von @ozados! — Daraus folgt 
denn für ihn auch die Verfchiedenheit des Verfaffers von Arrian, 
der ſchon im Anfange der Regierung Hadrians gefchrieben habe, 
Die Berfchiedenhert des Stils bei beiden Autoren ift für Dod— 
welt nicht vecht überzeugend, da ein verfchiedener Stil auch in der 
Anabafis und in der Schrift über Epictet hervortrete. Daß dieſe 
Verſchiedenheit durch den verfehiedenen Gegenftand bedingt, und 
himmelweit von derjenigen entfernt ift, welche die Dietion unferes 
Periegeten von derjenigen Arrians unterfcheidet: dafür ſcheint Dod⸗ 
well feine Augen gehabt zu haben. 

Und in der That, führt er ©. 88. fort, babe ja ſchon Sal— 
maſius felbft bemerft, daß er Fein Zeitgenoffe des Plinius fein könne, 
weil diefer Muziris als ein zu feiner Zeit wenig befuchtes, der Pe— 
vieget dagegen als ein blühendes Emporium erwähne. Nach diefer 
unwahren Behauptung räth er ganz auf's Gerathewohl fo weiter: 
„Denn es iſt wahrſcheinlich, daß in dieſer Zeit die Piraten von 
ven Befagungen der Kauffahrtheifchiffe gebandigt worden find, und 
son ihnen drohte ja die größte Gefahr. Es ıft aber natürlicher, 
daß Dies einer fpäteren als einer früheren Zeit angehören, Es ıft 


344 Leber den Periplus 


Tchwer zu fehen, welche Wahrſcheinlichkeit und Natürlichkeit in die— 
fen willkührlichen Erfindungen Liegen foll. 

Hierauf will er die Zeit noch näher beftimmen, explorare 
adhuc accuralius , wie er es ausdrüdt. Der Himjariten» und 
Sabaitenfönig Charibael, heißt es im Periplus (BL. 154. 9. 13.), 
fei gewefen ovvey&oı ngsoßeiaız zul Öwgoız pikog av Avro- 
xooroowv. Das fann natürlich ebenfowohl auf einander folgende, 
als auf gleichzeitige Kaifer gehen. Das Erftere würde aber Dod— 
well die accuratior exploralio unmöglich machen, deßhalb fcheint 
er anzudeuten, daß mehrere Kaiſer gewefen feien, als ex dies fchrieb«, 
alfo muß der Peripfus unter M. Aurelius und L. Verus, nach 161, 
gefchrieben fein. Dafür hat Dodwell noch ein Argument ganz 
von derfelben Stärfe, wie die früheren. „Damals wäre es am 
paſſendſten für Charibael gemwefen, feine Freundſchaft durch ftete Ge— 
fandfehaften und Gefchenfe zu bethätigen, ald Verus im Drient den 
Parther-Krieg führte, um nicht während des Krieges zweidentig zu 
erſcheinen.“ Daß noch immer einige Hundert Meilen Arabifcher 
Wüſte zwifchen der Reſidenz des großen Himjaritenfönigs und dem 
Kriegsihauplat Tagen, ſcheint er nicht eben buch anzufchlagen. Er 
feßt demnach die Gefandtfchaften des Charibael vor 166, und daß 
der Periplus nicht viel fpäter gefchrieben fer, folgert er daraus, daß 
in ihm die Parther noch als Herren Indiens vorkommen, die doch 
furz vor (Sic) Alerander Severus von den Perfern verbrangt wor— 
den ſeien. Freilich, e8 wird wohl niemand geneigt fein, den Perie- 
geten zu einem Zeitgenoffen der Saffaniven zu machen. 

Salmafius hatte in den Plin. exerc. p. 835. die Behaup> 
tung, der Caeſar des Periplus fei Auguftus, mit folgender Bemer- 
fung begleitet: Peulingeri labula templum Augusli in Limyrice 
Indiae ponit inter Tundim et Muzirim. Man erfieht hier gar 
nicht, Soll das wirklich die Behauptung ftüßen, daß Arabia Eudai— 
mon unter Auguftus zerftört fer, oder ift es nur in Salmaſius po» 
Yohiftorifcher Weiſe an die Erwähnung der Thaten des Auguftus im 
Orient angefügt. Im jenem Fall wäre die Vermuthung freilich 
mißratben genug, und Dodwell hat mit ihrer Wivderlegung Teich» 
tes Spiel, Sodann hatte Salmafins ©, 781 für das höhere 


des Erythräiſchen Meeres. 345 


Alter des Periplus den Umſtand geltend gemacht, daß in ihm bie 
Inſel Ceylon Paläſimundu Heike, während Ptolemäus VI. 4 1. 
bemerfe, fie babe früher (Ilaraı) oıuovvdov !) geheißen, heiße 
jet aber Sakızn. Dodwell fpricht mit Nückficht hierauf ein 
Langes und Breites darüber, daß Arrian deßhalb doch der Verfaſſer 
fein könne: da er dies aber doc felbit nicht annimmt, fo übergehe 
ich das Nähere feiner Auseinanderfegung. Es läßt fih damit im- 
mer nicht die Thatfache bei Seite ſchieben, das Ptolemäus Palai— 
ſimundu als den alten, der angeblich noch fpätere Perieget ihn als 
den neuern Namen ver Inſel im Gegenfas zu dem alten Taprobane 
nambaft macht. Hätte dem Arrian auch der neuere Name unbes 
kannt bleiben fünnen, fo fonnte das doch von einem Zeitgenoffen 
der Antoninen nicht mehr mit der geringften Wahrſcheinlichkeit bes 
hauptet werden. Hier fann nur ein Gewaltftreich helfen; und dazu 
entjchließt fih Dodwell, indem er behauptet, das Palaiſimundu 
(oder Taprobane) des Peripfus fer gar nicht das Palaiſimundu 
(oder Salife) das Ptolemäus — eine Behauptung, zu deren Be— 
gründung natürlich ein fehr bedeutender Raum (S. 91—99.) in 
Anfpruch genommen werben muß. 

Die Hauptpunkte feiner Erörterung find folgende: Plinius h. 
n. VI. 24. befchreibt eine Inſel Taprobane mit einer Hauptftadt 
Palaefimundum, Ptolemäus VII. 4. eine Inſel Tayrobane, deren 
früherer Name Palaiſimundu, deren jetziger Salife fer: im Einzelnen 
weichen die Befchreibungen beider ganz von einander ab, mithin 
fprechen fie von verfchtedenen Infeln. Die erfte Runde von einer 
großen Infel im Süden, Namens Taprobane, fihreibt fih von den 
Begleitern Aleranders ber: deßhalb hielt man die erite große im 
Süden entdeckte Infel für jene, Welche Inſel dies fer, ergiebt fich 
aus derfelben Stelle des Plinius: unter Claudius namlich, fagt die— 
fer, wurde ein Freigelaffener des Römischen Zollpächters Annius 
Plokamus längs der Carmanifchen Küfte verfchlogen, und kam in 
15 Tagen nad dem Hafen Hippurt auf Taprobane. Ptolemäus ſetzt 
an die Weftfüfte Indiens auch eine Inſel, welche die Arme des 


1) Daß die Stelle aus Marcianus von Heraklea in zoortegov ITTa- 
Aaornovydov zu ändern fei, zeigt Laffen: de Taprobane ins. p. 12, 


346 Ueber den Peripius 


Fluffes Nanaguna bilden, eine Stadt Hippocura; beide Namen find 
zu identificiren. Die Inſel, die Hauptftabt, der König — alles 
bieß Palaefimundus. Diefer Name verlor fih, als die Inſel ſpä— 
ter unter andere Herrfchaft Fam: fie wurde num nach einem Wolfe 
benannt. Ptolemäus fest in diefe Gegend Forum Sadıvov (VH. 
1. 6.), dafür iſt Sarıvov zu leſen; es ift derſelbe Name wie 
Sera VI. 4. 1.5 danach) wurde das Nanagıma-Delta Iarızy be- 
nannt. Wegen der Verwechslung diefer Infel mit dem eigentlichen 
Taprobane (Ceylon) ift bei Ptolemaus die Geftalt Indiens fo ver- 
hoben, denn Palaefimundu mußte an einen Endpunkt des Feftlandes 
gebracht werden. Daher kommt es auch, daß man die großen Em— 
porien von Malabar erft fpäter kennen Ternte, dag man zweifeln 
fonnte, ob Taprobane in der That eine Inſel fer. Als man nun 
fpäter das eigentlihe Taprobane (Ceylon) Fennen lernte, da über- 
trug man auf diefes irrthümlich, was eigentlich nur auf das Delta 
des Nanaguna paßte, fo die Namen Palaefimundu und Salike. 
Darin hat Ptolemaus gefehlt wie der Perieget. Diefer befchreibt 
zum Theil Ceylon, zum Theil die Nanaguna⸗Inſel: auf jenes paßt 
die Lage hinter Malabar, auf diefes der Name Palaifimundn, fo- 
dann die Beftimmung, es liege von Indien aus no0g avryv ıyV 
dvav !). Es fehrieb alfo der Verfaffer jedenfalls zu einer Zeit, 


1) Die ganze fehr verborbene Stelle (Bl. 176. 9. 35.) lautet bei 
Gelenius ſo: ITegi dE Toy wei auınv xuoWv 3dn 008 avarolnv 
ToU 7IA00S Enovevovros &is nıekayos Erzeıraı 11008 abımv mv duow 
vn005 Aeyouern RR Sruovydou, age de Tois doyaloıs VUTOV 
Tangoßavn- Tavıns TE usv 1005 Bogea» Zotiv JUEQO, mai dıenhei- 
ze Toig &lg ToV nhovazıorivei, zei oyEdor Eis TO zaı aÜTjs Evu- 
napareiuerov Alevies naonzeı. Das ndkcı oruov»dov ift bei Hud— 
fon in IIekaıoruoupdov geändert, bei Blancard und Bincent unrid)- 
tig in Hekawcıudvdov. Sonft hat man fi) nur bemüht, das unfinnige 
nkıopaxıorivsi zu befeitigen: Salmafius exerc. Plin. 781. lieſt dafür 
fehr willführlich tois botıonenomu£vors ynvoi, Vincent mit Boffius 
dienkeitaı 16 nAEiov Eizoonıvn. So unbefriedigend dieſe Gonjecturen 
auch find, jo würden fie doch nur den Fleinften Theil aller Schwierigfeiten 
heben Fönnen. Dodwell fchlieft aus dem no0s adıyv ıyv duo, daß 
die Inſel weſtlich vom Feſtland liege: er ſagt freilich nicht, daß kurz vorher 
1005 dvaroknv 1. nl). anov. ſteht. Diefe Emähnung entgegengejeßter 
Himmelsgegenden , das font nur paſſiviſch gebrauchte &rxeıreı macht die 
Stelle unverständlich. Anftatt des Lxxeıreı fcheint Zureiver zu lefen: die 
Snfel liegt öſtlich vom —— — erſtreckt ſich aber weit nach Weſten, bis 
faſt nach Azania hin, Der Perieget vergrößert irrthümlich, wie alle Alten, 


des Erythräiſchen Meeres. 347 


wo man Ceylon fehon entdeckt hatte, alfo nicht zu Plinius', fondern 
eher zu Ptolemäus' Zeit. 

Es wäre eine wenig Iohnende Mühe, dies Gewebe eben fo 
willkührlicher als unglücklicher Conjefturen durch feine einzelnen 
Faden zu verfolgen und aufzulöfen. Dodwell gebt davon aus, 
daß die vier Taprobanifchen Lofalnamen bei Plinius nicht mit denen 
bei Ptolemäus fiimmen, als ob das bei zwei von einander unab- 
bängigen Berichterftattern über ein fo fernes und ungenau befanntes 
Land gefordert werben könnte. Wie flimmt denn 3. B. die Be— 
fohreibung Indiens bei unferm Periegeten mit der bei Mela? Nach 
Dodwell’s Argumentation müßten beide verfehiedene Länder im 
Sinn gehabt haben, Paläſimundu foll dieffeits der Malabar - Küfte 
liegen, weil die Griechen von den Emporien der letztern erft ſpäter 
gehört haben, und doch erinnert Dodwell felbft daran, daß ſchon 
die Begleiter Alexanders von Ceylon gehört hatten, ohne doch von 
Malabar etwas zu willen. Das ganze Altertfum wußte es nicht 
anders, als daß Paläſimundu und Taprobane diefelbe Inſel bezeich— 
neten: und die Indiſche Alterthumskunde beweiſt, daß diefe Anficht 
richtig war. Päli-fimänta heißt fie, »das Haupt der (GBuddhiſtiſchen) 
Religion“ '), wie fchon Magafthenes fr. 18. ihre Einwohner Pa: 
laevgont nannte. Ihr fpaterer Name Salike ift das Sinhala-dvipa 
wie namentlich auch Ptolemäus, die Ausdehnung der Sufel: Feiner unter 
ihnen fpricht ald Augenzeuge: fie folgen alle der Indifchen Anficht, welche 
die Größe der Inſel fehr übertreibt. S. Laſſen: Ind. Alterthumskunde, 
1. 200. Anm. 3. Ferner, was ſoll es heißen, die Nordküſte ſei 7usoe, und 
was foll das dıenkeimes, von dem Lande gefagt? ine Andentung für 
die Emendation ift außer dem paläographifchen Element in dem vorherge— 
henden 16 utv noös Bogeur gegeben, wozu der Gegenfag fehlt; dann 
auch in dem folgenden zei ‚0yedor zıh. Der Gegenſatz zu dem noös Po- 
oEey fcheint in dem Es Töv zu liegen, wofür &?s voror zu lefen. Daß 
auch Hier noch von der Ausdehnung der Inſel die Rede iſt, geht aus dem 
folgenden zei ‚oyedov zrA. hervor: aller Wahrſcheinlichkeit nach enthält 
das unverftäindliche rAıo» — azıortveı die Worte nAstov Lxreiveı. Es 
wird nun fein leeres Umbherrathen mehr fein, wenn ich in dem nuege eine 
Tagereife vermuthe, und das Ganze ſo leſe: ITeoi dE zWv uer avın 
zogerv. ndn noös dvenohnv ToÜ nA00S Enoveiovrog &lg eheyos Ex1ei- 
ve 008 auLnVv zny düow vi600S keyouevn ITekaısıuovvdov, naga de 
Tois doyeioıs 217 0077 ‚Tenooßavn. Terms 1@ usv no0S Booeuv EoTiv 
„utoas 10 nAdTos, Ta de Eis vorov (Eri) nısiov drıeivsi zei oysdor 
eis T0 zer’ aurjg Eveınaoazsluevorv Abartas naonzE. 


1) Zaffen: de Taprobane insula. Bonn. 1842, p. 15, Indifche 
Alterthumsfunde I. 200. 


348 Leber den Periplus 


der Inder, „die Löweninfela : der Name mußte im Pali in Sihala- 
dipa übergeben; im Munde des Griechen wurde daraus Nauru, 
Zahıen '), daneben auch Srere-drßa ?), die Araber haben Eeren- 
did, die Neueren Ceylon daraus gemacht. 

Mit allen jenen weitfchweifigen Erörterungen über die beiden 
Taprobane ift Dodwell aber noch immer nicht im Stande zu 
erflären, weßhalb der Perieget, wenn er nach Ptolemäus fehrieb, 
den von Ptolemäus ſchon als veraltet vorgefundenen Namen für 
den zu feiner Zeit üblichen habe ausgeben können. Er fieht ſich 
denn endlich genöthigt, zu folgendem hermeneutifchen Runftgriff feine 
Zuflucht zu nehmen. „Der Verfaſſer“, meint ex, vfagt v7005 ke- 
youevn Ilakaroıuovvdov, naga dE rois aoyaloız avrov Ta- 
ngoßevn; aber er fagt nicht 7 vo» Asyouern, damit würde er 
die neuere Benennung Salike vielleicht (1) ausgefchloffen Haben, 
Alſo (1) — verfteht er varınter Aeyouevn note: er ftellt ven 
Namen Paläſimundu nicht einer neueren, fondern einer alten Bes 
nennung gegenüber. Damit ift aber gar nicht gefagt, daß der Name 
Palafimundu nicht auch fihon habe veraltet fein können; Ptolemäus 
ſelbſt fönnte die ganze Darftellung des Veriegeten unterfchreiben«. 

Nach diefer feltfamen Deduction nimmt Dodwell eg dem Pe- 
riegeten fehr übel, daß er, wie er meint, die Irrthümer feiner Vor- 
gänger nicht aus feinen Zeitgenoffen, das heißt für ihn nament— 
lich Ptolemäus, verbeffert habe. Zu folchen fabulis erroribus- 
que admodum crassis (S. 909) rechnet er zuerft den Namen Irv- 
Jos. Er weiß zwar, daß Plinius nah Megafthenes gleichfalls 
Sindus als den einheimischen Namen angiebt, aber dag Megaftbenes 
und der Perieget, zwei Augenzeugen und unabhangig von einander, 
über diefen Punft eine gewichtigere Stimme haben als Ptolemäus, 
will ihm nicht einleuchten. Bekanntlich ift der einheimifche Name 
in der That Sindu, und nur in alten Zeiten durch das Medium 
der Perfifchen Sprache in ’Irdog übergegangen. Auch die mehr- 
malige Bemerfung des Periplus, daß die Nähe der Indiſchen Küfte 

1) Ptolem. VII. 4. 1, Steph. Byz. s. v. Tengoßervn, Mare. Herakl 


P- 9. 26. Hudſ. 
2) Cosm, Indicopl. bei Montfaucon: colleect. patr. II, 336. 


— 


Des Erythräiſchen Meeres. 349 


duch Meerichlangen angezeigt würde, fiheint ihm eine Fabel: er 
hätte fich ſchon durch Stud eines Beſſeren befehren können. Die 
Erzählung von der göttlichen Obhut über den Sachalitiſchen Weih- 
rauch verräth freilich einen abergläubiſchen Berichterftatter, aber 
doch Feinen ungenauen Compilator. 

Diefe Bemerkungen Dodwells über die angeblihe Nach— 
läſſigkeit des Verfaſſers follen eigentlich zeigen, wie ein GSchriftftel- 
fer, der folche Fehler begehe, immerhin nach Ptolemäus gefchrieben 
haben könne, ohne fih um deffen Werk zu befümmern. Sonft 
denkt er ihm fich durchweg als gedanfenlofen Abfchreiber älterer Bes 
richte, der fich nirgend auf eine Auswahl von Schriftftellern berufe, 
der feinen einzigen Fehler feiner Vorgänger verbeffert habe, der 
nirgend auf feine eigene Autoritat hin etwas anführe, ganz im Ge— 
genfas zu der autoptifchen Haltung des periplus maris Euxini. 
Daß das Buch feinem detaillirten und ungewöhnlichen Inhalt nach 
nur als das Werk eines Augenzeugen begreiflich ıft, daß der Vers 
faffer an einer Stelle auch wirffih in der erften Perſon ſpricht: 
dafür Hat Dodwell feine Augen gehabt. Er kommt auf feine 
Weiſe zu dem unbegreiflihen Ausſpruch: noster sophistae polius 
operam praestilii quam mercaloris, excerploris polius quam 
exeultoris. 

Salmafıns hatte tn den Plin. exerecit. 835. für die frühe 
Zeit des Veriegeten den Umftand geltend gemacht, daß die Könige 
Pandion und Celebotheas ſowohl im Periplus als bei Plinius als 
die damals herrfchenden erwahnt werden. Es war ihm daber nicht 
entgangen , daß gar oft Indifche Könige nach ihrem Volke benannt 
werden, daß mithin ein Königsname Jahrhunderte hindurch fterentyp 
bleiben fonnte ; der Perieget indeß, fo meinte er, habe fich derglei— 
chen Benennungen nicht erlaubt, weil er fonft überall die Eigen— 
namen der Könige, Eleazos, Charibael u. a. anführe: daß auch Ptole- 
mäus gerade tie Namen Kegeßodgog und Tlardiov erwähnt, 
macht ihn in feiner Anficht nicht irre, er fchiebt das auf Die Nach— 
läſſigkeit des Ptolemäus. Dodwell hat Recht, wenn er Diefe 
Meinung bekämpft (S. 100. 104.), und durch jene Namen die 
frühe Abfaſſung des Periplus nicht für erwieſen hält: er erinnert 


350 Ueber den Periplus 


auch daran, daß die Erblichkeit wenigftens des Namens Pandion 
dadurch völlig erwiefen wird, daß ſchon unter Auguftus ein Pandion 
als piAog Auyovorov und von Strabv eine Gefandfchaft des Pan- 
Dion nach Rom erwähnt wird. In der That it Ceralasputra 
der Titel eines Königs von Cerala, von Malabar, und ſchon Tange 
vor Chriſtus geben die Infchriften des Acöca diefen Namen ). In 
Pandion aber iſt der ſchon feit Megafthenes her befannte Volksname 
Pändja enthalten 2). 

Hippalus, meint Dodwell, babe unter Claudius gelebt; 
von da ab feien Die GSeefahrten häufiger geworden, und damit be— 
gännen die Quellen des Periplus. Vieles aber denft er ſich auch 
aus fpäteren Berichten herrührend, denn er nenne blühende Drte, 
die Plinius noch nicht Feune: fo Arabia Eudaimon, fo den Hafen 
von Aromata. S. 103 - 104, — Ich fürchte, wenn man alle die 
von Plinius benußten Schriftfteller, im denen er wichtigere Nach» 
richten übergangen, nad Plinius anfesen müßte, es würden nicht 
eben viele übrig bleiben, die vor feine Zeit zu fegen wären, 

Es iſt im Vorſtehenden die Abhandlung von Dodwell nä—⸗ 
ber berückſichtigt worden, als fie felbft es verdient. Es iſt das 
gefehehen, theils um im Folgenden nicht durch die Rückſicht auf 
feine unhaltbaren und doch von gar Manden angenommenen ?) 
Muthmaßungen behindert zu werden, theils aber auch, um an dies 
fen Beifpiel zu zeigen, wie wenig auf Dodwells Deduetionen zu 
bauen ift, wie er Conjeftur auf Conjeftur häuft und am Ende zu 


1) S. Zaffen: de Taprobane insula p. 8. Ind. Altertyumsfunde, 
1. 154. Sedenfalls ift es unrichtig, wenn Wilfon: Mackenzie collection. 
Caleutt. 1828. 1. S. XCIM. den Namen als Keraspati, K'era-Fürft deutet. 

2) Bol. Laffen: Ind. Alterthumsfunde. I. 156. 

3). Ich erwähne unter diefen nur Heeren in der Abhandlung de 
India Romanis cognita in den Comment. soc. reg. scient. Goetting. 1793. 
XI. 101: Quod ad aetatem attinet, assentior Dodwello, qui in commen- 
tatione apud Hudsonum praemissa abunde ostendit, post Traiani demum 
tempora sub Antoninis, ut videtur, eum compositum esse: quum autem 
ipsum Arrianum stoicum pro auctore habet, qui eum ex aliis peri- 
plis compilaverit, non possum quin ab eius sententia discedam, Das 
hat aber Dodwell nirgend behauptet: feine Deductionen find allerdings ver- 
worren genug, um einen folchen Irrthum möglich zu machen. Vgl. Bd. X. 
&. 423. In den Ideen über die Politik ꝛc. Wien, 1817. 1. 2. ©. 461, 
ift er duch Bincent anderer Meinung geworden. 


Des Erythräifhen Meeres. 351 


ganz unfehlbaren NRefultaten gelangt zu fein glaubt, während er 
Doch von Anfang an durch willkührliche Gewaltftreihe auf falfche 
Bahnen gerathen war. 

Ich kehre nach diefer Abſchweifung zu der Frage über Das 
Zeitalter des Veriegeten zurück. Mehrere alte Schriftfteller ha— 
ben diefen Peripfus benust, aber Keiner eitivt ihn namentlich, wir 
find mithin auch von allen alten Angaben über die Zeit feiner Ab- 
faffung verlaffen, und auf eine Prüfung der in dem Buche felbft 
liegenden Momente angewiefen, aus denen fich Folgerungen über 
die Zeit feiner Entftehung ziehen laſſen. Es kann auf den erften 
Blick befremden, daß fih die Abfaffungszeit nicht fogleich mit völli— 
ger Sicherheit bei einem Werfe beftimmen laßt, das eine folche 
Menge topographifcher und auch beiläufig hiftorifcher Notizen ein- 
ſchließt. Aber die Länder, über weiche es fich verbreitet, fiehen 
ſämmtlich außerhalb der Strömung der allgemeinen Gefchichte: ihre 
Geſchichte zieht aus dem Periplus chronologiſche Angaben, ftatt fie 
zu gewähren. Don Arabien, noch mehr von Afrika, kann in diefer 
Beziehung kaum die Nede fein: Indien aber tritt uns mit einer fo 
lückenhaften und fo unchronologiſchen Geſchichte entgegen, dazu find 
die vielen über das füdliche Indien vorhandenen Loealgefchichten fo 
wenig befannt, daß fich Fein feftfiebendes Datum Indischer Ges 
ſchichte mit einer Angabe des Periplus berühren will. Der Pe- 
vieget giebt eine ziemliche Anzahl von Königsnamen, bei denen man 
über feine Zeit Auskunft fuchen könnte. Aber einige derſelben 
ſchwinden bei näherer Betrachtung zuſammen, die anderen erweiſen 
fih als undefannt, — Bon Pandion und Celebotheas iſt ſchon oben 
die Nede gewefen: es find die Völfernamen Pändja und Cerala 
(putra). Mit dem Namen des Nabataerfönigs, Malichas, verhält 
es ſich ahnlich: er enthalt deutlich genug das Arabifche Wort me- 
fef, der König: ganz wie auch bei Joſephus und Hirtius Nabatäer- 
fönige Malihus und Malchus hießen. Die anderen Königsnamen 
hingegen, Eleazos '), Zosfales, (Mambares), Sandanes, Saraga- 
nos, Charibael, Cholaibos, find der Geſchichte fonft durchaus fremd, 


1) Bei Strabo XVI. p.407. Tauchn, Heißt für die Zeit des Aelius 
Gallus ein Nhamanitenkönig Ilafaros. 


352 Ueber ven Periplus 


Auch in der Stelle über Leukekome hat man bisher vergebens einen 
Bermittlungspunft zwifchen den Angaben des Periegeten und den 
fonft befannten hiftorifchen Daten gefucht, indem man die dortige 
Beſatzung willkührlich für eine Nömifche hielt: man dachte deßhalb 
an die Zeit nah Trajan; man hätte noch paffender an die Zeit 
nach Aelius Gallus denfen können. Indeß die Befakung war ohne 
Zweifel, wie ſchon bemerkt, eine Nabatäiſche. 

Drei Angaben des Periplus beweifen, daß feine Abfaffung 
in die Katferzeit, und zwar nad Auguftus zu feßen iſt. Die 
Stelle, welche man bisher faft ausschließlich zur Ermittlung der 
Abfaffungszeit berückfichtigt hat, iſt Die über Eudaimon Arabia DI. 
156. 9. 14. Der Perieget nennt den Ort, der befanntfich dem 
modernen Aden entfpricht ; eine xwun, zu Charibaels Reich ge 
hörig ): Cudaimon heiße er von jener Zeit her, wo man fich von 
Indien noch nicht direft nach Aegypten, und auch von bier aus 
nicht fernhin gewagt habe, fondern wo der Ort der Mittelpunkt für 
den öftlichen wie den wejtlihen Handel gemwefen, gerade wie zu ſei— 
ner Zeit Alexandria. Nur de, fo fihließt er Diefe Bemerkung, 0ov 
n00 0.00 ıWv jusreowv yocımwv Kaloao avrzv zaTtorgk- 
waro. Es iſt eine vielbefprochene Frage, wer diefer Caeſar ſei. 
Dodwell antwortet, in einer fehr Leichtfertigen Auseinanderfegung, 
Trojan, Vincent (II. 52.) mit wenig befferen Gründen Claw 
dius: er beruft fich auf die angeblich Römiſche Beſatzung in Leu— 
fefone, dann auf Die Angabe des Plinius h. n. Vi. 24,, daß Ans 
nius Plofamus unter Claudius maris rubri vecligal a fisco red- 
emeral. Beide Punkte bewerfen nichts. Man muß e8 geftehen, 
jene Angabe des Periegeten iſt eine völlig unerwartete, welche un 
fere fonftige Kenntniß von den hiftorifchen Verhältniſſen diefer Lan- 


1) Gelenius ſchreibt Eudaluwv ’Aoaßia, zuun eordalaaTLog 
Panıkeins ans aurjs Owogıpßankros, Vouous ur Emimdeiovur — — 
£yovoe. "Hdn dE Ev Goa z0lnov zeıulen 10 Inv Kuoavy Önogyevyem. 
Der Name fteht durch zwei andere Stellen feft (BL. 154. 159. 9. 13. 18.): 
er heißt Xagıßayı. Die folgenden Herausgeber haben deßhalb geändert 
Xagıpank, tous Öouous utv zrı. Es fcheint vielmehr Xagıßankros, 
dguovs wer beizubehalten, ftatt des Unogevyeır das in diefer Verbindung 
a wiederkehrende Unoywoeir zu lefen, und nad) &xovae ein Komma 
zu ſetzen, 





des Erythräiihen Meeres. 353 


der durchfreuzt. Man hat das gefühlt, ohne es beftimmt anzuer- 
fennen: man überfeßt das zareorgewaro überall durch „zerftören“, 
während der Uſus doch durchaus die Bedeutung »unterwerfen« er» 
heiſcht: Dazu ließ auch noch jene Ueberſetzung Unbegreifliches genug 
übrig. Ohne Conjektur iſt nicht zu helfen, wo eine fo unerwar— 
tete Andeutung in der fonft befannten Gefchichte einen Anhaltspunft 
findet. Es iſt fehlechterdings nichts von großen Nömerzügen gegen 
Arabien befannt , feit die Expedition des Aelius Gallus ein fo ab- 
ſchreckendes Beifpiel gegeben hatte: alle nachfolgenden Verfuhe Rö— 
mifcher Imperatoren, wenn auch prahleriſch übertrieben , befchränfen 
fih erwiefener Maaßen auf den äußerſten Nordrand der Halbinfel, 
auf die Stämme des Syrifch » Euphratenfifchen Gebiets I. Aelius 
Gallus alleın kommt bis nach Jemen, nur er fünnte Aden unter- 
worfen haben, wenn man fich nicht aus dem Bereich feftftehender 
Data entfernen und fih auf ein leeres Umberrathen befchranfen 
will. Freilich, große Schwierigfeiten bleiben auch noch bei Diefer 
Annahme übrig, da nach dem Zeugniß des Plinius Ch. n. VI. 32.) 
Aelius nur bis Caripeta vordrang, und da es andererfeits, wenn 
auch nicht unmöglich, doch Feineswegs wahrfcheinfich iſt, daß feine 
Flotte, die mit fo vieler Mühe und fo großem Verluſt fich bis Leu— 
fefome durchgearbeitet hatte, an die fernen Sudgeftade Jemens ge= 
feegelt fein ſollte. Immer aber bleibt jener Zeitpunkt noch der ein= 
zige, welcher für die Notiz des Periegeten eine Anfnüpfung bieten 
würde. 

Gegen die Umverfälfchtheit ver Stelle hat fih noch nie ein 
Bedenfen erhoben, und doch feheinen genug Gründe des Zwerfels 
vorhanden zu fein. Sie fpricht von einer Unterwerfung Adens durch) 
eınen Cäfar, und Doch läßt fich feine Zeit ermitteln, in welche das 
mit einiger Wahrfcheinlichfeit gefegt werben könnte: es iſt noch we— 
niger abzufehen, wie die Stadt deßhalb, weil fie unter Römifche 
Herrſchaft fam, ihren Handel verlieren und zu einem Dorfe herabfinfen 
fonnte. Ausdrücklich bemerft der Perieget felbft, daß fie zum Ge- 
biet des mächtigen Himjaritenfonigs Charibael gehöre, daß diefer 

1) ©. A. Schultens: oratio de regina Sabaeorum p. 24. Rit— 
ter: Erdkunde X. 125. 130, figd. XII. 12. figd, 

uf fe Phil. R. F. VIL 93 


354 Ueber den Periplus 


mit den Römiſchen Kaifern in freundfchaftlichen Beziehungen ftehe. 
Wir haben endlich einen durchweg fehr verborbenen Tert vor ung, 
der überall mit großer Skepſis angefeben fein will: und fremdar- 
tige Nomina propria find ja von jeher der Menderung in befann- 
tere Ausdrücke am meiften ausgejeßt gewefen. ft der Name uns 
richtig, fo ift die Aenderung unzweifelbaft: durch Unterwerfung hat 
Aden feine Blüthe verloren ; es ıft zur Zeit des Veriegeten im Bes 
fi des Charibael: es wäre alfo Xagıßanı ftatt Koioag zu le 
fen. Die Schriftzüge von XA. IBA.A und KAIEA. Avıyv 
ftehen fich nicht fo fern, um eine Vertaufehung beiver Namen un: 
möglich zu machen, Mer diefe Conjeftur nicht annehmen will, 
muß eine Conjeftur über den biftorifchen Thatbeftand machen: jes 
venfalls aber läßt fih dann ohne Willkühr nicht über Aelius Gal- 
us und Auguftus binausgeben, noch weniger die Abfaffung des Pe- 
riplus in eine fpate Zeit verfeken. 

Eine zweite kritiſch nicht anzuzweifelnde Stelle, welche über 
die Zeit des Periegeten einen, wenngleich fehr vagen Aufſchuß giebt, 
ift Die, wo zuerft son Charibael die Rede ift: dieſer, heißt es B. 
154. 9. 33., tft ovreysoı nosoßems zul Öwpoıg plkos tor 
Avdrtoxzoarsowv. Daß diefe Auroxoerogeg gleichzeitig re— 
giert haben, wie Dodwell leichthin annahm, ift zwar nicht un- 
möglich, aber doch auch durch nichts angedeutet: und aus der Gtelle 
folgt nur das, daß der Perieget nach Auguftus gefchrieben haben muß. 

Eine dritte bier zu berückfichtigende Stelle betrifft den Hip— 
palus DL. 174. 9. 33. Früher, fagt der Verfaffer habe man fi 
auf die von ihm beishriebene Rüftenfahrt befchränfen müffen, Hip- 
palus aber habe mit Hülfe des Monfuns einen Weg durch Die hohe 
Ser nad Indien gefunden. Bedenkt man, wie unbefümmert er 
fonft um fernfiegende hiſtoriſche Thatfachen iſt, auch um folche, die 
den Handel näher betreffen, betrachtet man die ganze Haltung jener 
Angabe, berücfichtigt man es endlich, daß er felbft Doch noch wirklich 
die Küftenfahrt gemacht baben muß: jo muß man nothwendig den- 
fen, daß er von einem ihm zeitlich nicht fern liegenden Faktum fpricht. 
Nun füllt aber jene Entdeckung des Hippalus in die Zeit zwifchen 
Strabo und Plinins: alle näheren Beftimmungen beruhen auf unzu— 


des Erythräiſchen Meeres, 355 


verläffigen Conjecturen: dev Perieget Fönnte mithin noch vor Pli— 
nius gefihrieben haben. 

Eine nähere Vergleichung der Angaben des Pertegeten mit 
denen des Plinius und Ptolemäus führt zu neuen Auffchlüffen. 
Zuerſt find die Küften, welche er allem Anfchein nach als Augen- 
zeuge befchreibt, fo ungeheuer ausgedehnt, feine Befchreibung aber fo 
unerwartet detatlirt, daß man nur annehmen Tann, daß ihm Die 
ganze Summe topographifcher Kenntniß zu Gebote ftand, welche in 
feiner Zeit von den Küſten des Erythräiſchen Meeres überhaupt zu 
erlangen war, Auch da, wo er aufhört, Augenzeuge zu fein, merkt 
er noch über die ferneren Lander und Emporien forgfältig an, was 
er gehört bat, und ſo kann man nicht umhin, feiner Berficherung 
daß die jenfeits Nhaptas und Thinas gelegenen Gegenden noch un— 
erforscht feien, vollfommen Glauben zu fihenfen. Er muß um fo 
mehr als der Vertreter der ganzen Kenntniß feiner Zeit von diefen 
fernen Geftaden gelten, als es doch nur eben wieder Schiffernach— 
richten fein könnten, auf welche eine erweiterte Kenntniß fich Hatte 
gründen können: und Schifferberichte fanden ihm ohne Zweifel in 
größerem Umfange zu Gebot, als Männern wie Plinius und Ptos 
lemäus. Es erhebt fich deßhalb die Frage, wie weit fich feine geo— 
graphifchen Kenntniffe im Vergleich zu denen des Plinius und Pto— 
lemäus erſtrecken. Das compilatorifche Werf des Erfleren ver» 
räth durchaus feine erweiterte Befanntfchaft mit den betreffenden 
Küftenftreden. Hinfihtlih der Oftfüfte Afrikas iſt auch die Kennt: 
niß des Ptolemäus vollfommen mit der des Periegeten identiſch: 
wie diefer zählt er Die Emporien bis Rhapta auf und bricht dann 
ab (IV. 7. 19). Er weiß freifih, daß fih der Schiffer Dioskoros 
noch weiter, bis zum VBorgebirge Prafon gewagt habe (1. 9, A), er 
vermeidet es aber, diefen Punkt in feine Befchreibung der Oſtküſte 
aufzunehmen, und erwahnt ihn erft in dem Abfchnitt über das in— 
nere Aethiopien (IV. 9. 1). Ganz anders ift es dagegen mit ſei— 
ner Kenntniß von den transgangetifchen Küften: fie überflügelt die 
des Periegeten bei weitem: nicht nur Coromandel, fondern auch 
Hinterindien, worüber der Perieget noch fehr wenig zu fagen wußte, 
iſt ihm Schon ungleich genauer befannt geworden. Die Verglei— 





356 Ueber ven Periplus 


hung beider Schriftfteller macht bier nothwendig den Eindruck, daß 
der Perieget der frühere ift, und zwifchen ihm und Ptolemäus ſchon 
eine beträchtliche Zeit Liegen muß. Diefe Vermuthung erhebt fich 
zur Gewißheit, wenn man fieht, wie der Name von Ceylon, den 
der Perieget als den neuen einem veralteten gegenüberfteit, von 
Ptolemäus fchon wieder Als antiquirt vorgefunden wurde. Da- 
neben befteht aber ber beiden ein noch viel näheres Verhältniß: fie 
ftimmen in ihren Angaben in einem folchen Maaße überein, daß 
nothwendig der Eine von ihnen das Werf des Anderen benust ha— 
ben muß. Wenn dies aber der Fall iſt, fo kann es nicht zweifel- 
haft fein, daß der Periplus eine Duelle des Ptolemaus war. Höchſt 
auffallend iſt ſchon die Nebereinftimmung des Inhalts bei beiden 
Schriftſtellern. Ber der ungeheuren Länge der Küftenftredfen, welche 
der Perieget befchreibt, bei der dichten Bevölkerung, die wenigftens 
für die Indifchen und einen Theil der Südarabifchen Küften anzu- 
nehmen iſt, können die Drte, die der Perieget nambaft macht, nur 
als ein Heiner Theil derer betrachtet werden, welche zu feiner Zeit 
dort wirklich vorhanden waren. Was find etwa zwanzig Ortfchaften 
für die langgeſtreckten blühenden Küftenlander vom Indus bis Cu— 
märi! Wenn fich aber ein Beobachter aus einer großen Menge von 
Drten eine Heine Anzahl berausgreift, fo waltet dabei Zufall und 
Willkühr, und verfahren zwei Schriftftelfer unabbängig von einan- 
der ebenſo, fo kann die Uebereinſtimmung zwifchen ihnen nur eine 
fehr partielle fein: jeder wird eine Anzahl von Namen aufzahlen, 
die der Andere übergangen bat. Man vergleiche nur etwa die Be— 
ſchreibung der Indusländer bei den Begleitern Alexanders und ber 
Megaftyenes, oder den Katalog Indiſcher Wölfer bei Plimus und 
bei Ptolemäus! Die Abweichung ift da weit größer als die Ueber: 
einftimmung. Oder man denfe an den dritten Berichterftatter über 
die Indiſchen Küften, an den Cosmas! Gr zählt als die Aaunga 
Eunogro Sndiens auf Sindu, Orrhotha, Calliana, Sibor, in dem 
Pfefferlande Male (d. h. Malaja, Malabar) Parthi, Mangarutb, 
Salopatana, Nalopatana, Pudapatana ): dann nennt er Sielediba 


1) Cosmas Indicopl. bei Montfaucon: colleet. patr. IT. 557. Bor 
Kepto it an dieſer Stelle eire zu leſen ftatt For, Sein Pudapatana 


des Erythräiſchen Meitea, 357 


oder Taprobane, endlich die Emporien der Oftfüfte Marallo und 
Caber. Er Hat eine ganz andere Auswahl getroffen: unter feinen 
dreizehn Namen ftimmt nur einer, höchftens zwei zu Denen des Pe— 
ripfus ), und doch wird niemand behaupten wollen, daß alle die 
übrigen Städte erft in der Zeit zwifchen dem Vertegeten und Cos— 
mas entftanden und dagegen die des Peripfus untergegangen feien. 
Ptolemäus giebt nun zwar eine bedeutende Anzahl von Namen, 
welche dem Periplus fehlen, dagegen aber auch ale in dieſem ers 
wähnten: die geringen Ausnahmen davon find kaum der Nede werth, 
Zur Erklärung diefer Erfcheinung kann man fich auch nicht mit Dem 
Auswege helfen, daß alle die von beiden genannten Orte nun ein- 
mal die bedeutendften und erwähnenswertheften gewefen wären. 
Freilich, Namen wie Barygaza mochten jeden befannt werden, der 
fih um Indische Geographie bemühte, aber der Perieget erflärt ſelbſt 
die meiſten Orte, welche er erwähnt, für bloße zozıza Zunogıa, 
viele fogar für bloße zwwuaı. Hätte Ptolemäus ihn uun nicht bes 
nußt, jv wäre es ein wahres Wunder, wenn ihm von dem unges 
beuren Lande gerade auch alle diefe unbedeutenden Orte aus andes 


enfjpricht genau dem ſanſcritiſchen Pudupattana, welches bei Nileewara 
liegt, und die Südgrenze von Cüpa-räg'ja oder Cuva (dem Koüpße bei 
Ptolem.) bilden fol. S. Wilfen: Mackenzie collection. I. S. XXXXV. 

1) Sein Balliana ift das Galliena des Periegeten Bl. 171. 9. 30. 
Es ist befanntlicd) die Stadt Galjäni bei Bombay, „Die glückliche”. Der 
zweite Name bei Cosmas, der einen des Periplus entfprechen fünnte, ift 
Zı800. Er jteht bei jenem unmittelbar nad) Galliana: im Periplus dage— 
gen geht ‚diefem unmittelbar der Name Sovandge vorher. Die Editoren 
fchreiben Araßdoovs, Ovnneoe: es ift Statt deffen unbedenklich Izapd- 
00V, Zovnreoe zu lejen. Es iſt das Zovrzdo@ des Ptolemäus, das Sur 
pära, wohin das Mahävanga den König PVig’ajas fommen läßt, vermuth- 
ih das moderne Surate. Vgl. Yaffen: de Taprobane insula p. 18. 
Aller Wahrfcheinlichfeit nach ift mit diefem Supära auch das Süfära oder 
Sufälah Nrabifcher Geographen zu identificiren, deflen Lage aus den Be- 
jchreibungen nicht ganz genau fejtgeitellt werden kann, das aber jedenfalls 
zwifchen Barog' (Barygaza) und Täna, alfo wohl auch in Surate, zu fuchen 
it. Bal. Gildemeifter: scriptorum Arabum de rebus Indieis loci et 
opuscula. Bonn. 1838. p. 45. 189. Des Cosmas Zıßwo ift vermutlich 
derfelbe Name. Sch vermuthe, daß der Sanferitname Qürpäraca ift, wel= 
ches Mahäb. 11. 1169. XI, 1781. erwähnt und mit Snräftra (d.h. Gu— 
zerate) und Gerala in Verbindung gebracht wird, und daß der Perieget 
jeine Benennung einer Vulgärform Cuppäralca) entnommen hat. Ich darf 
aber dabei nicht unerwähnt laffen, daß Laſſen (Sud. Alterth. I. 537. 
anderer Meinung it, und Cürpäraca als eine entjtellte Form beBieninen 
Worts betrachtet, welchem das Limyrice der Alten entnommen fei 


358 Ueber den Periplus 


ven Quellen befannt geworden wären. Man vergleiche etwa ihre 
Befchreibungen der Indifchen Küfte ſüdwärts von Barygaza, über die 
man doch von verſchiedenen Beobachtern fehr abweichende Berichte 
erwarten foltel Da zähft der Perieget auf: Suppara, Calliena, 
Semylla, Mandagora, Palaipatmai, Melizeigara, Byzantion Topas 
ron, Tyrannosboas, die Sefeereienat = Infeln, die Inſel av Alyı- 
div und rwv Kauverov am Cherfonefos, wo neıoarar find, 
Leuce=nefos, Nitra (ſtatt Naovow zu leſen), Tyndis, Muziris, Nel— 
eynda, Barace, Paralia, das Land des Pandion, Colchoi, Balıta, 
Comar. Damit vergleiche man die Namen des Ptolemaus: Supara, 
Simylla, Mandagara, Baltipatna, Mitizegyris oder Milizigeris, By- 
zanteion, die Infel Aryıdıov und Canathra, Cherfonefos im Lande 
ovdowv Ileıgarav, Leuce-neſos, Nitra, Tyndis, Muziris, Mel 
eynda, Bacarci, Paralia, das Land Pandions, Colchoi, Bammala, 
Comaria, zwifchen denen nur haufig andere eingefchoben find. Der 
Perieget fagt felbft von den meiften jener Städte, fie feien nur 
ronıxa Eunoota, Barace nennt er eine zoum; und wie wenig fie 
auf große Bedeutung Anfpruch machen können, fieht man ſchon dar» 
aus, daß ihre Namen zum größten Theil verfchoffen und bisher nicht 
wieder aufgefunden find. Cine fo auffalfende Uebereinſtimmung des 
Inhalts zweier MWerfe ift kaum denkbar, wenn nicht das eine bei 
dem andern benutzt worden ift. 

Dies Schon an fich fehr bedeutende Argument erhalt indeß noch 
eine beträchtliche Verftärfung dadurch, daß zwiichen beiven Schrift: 
fteffern eine höchſt auffalfende Nebereinftimmung in den verfchiedenen 
Namensformen befteht. Es ıft dies ein Punkt, auf den man auch 
in anderen Fällen in der Negel viel zu wenig Gewicht legt. Durch 
die vorherrſchende Befchäftigung mit der Geographie befannterer 
Länder, deren Ortsnamen in der Griechifchen Sprache eine fefte 
Ausprägung erhalten hatten, war man gewohnt, die meiften Bericht- _ 
erftatter Hinfichtlih dev Namensformen in Lebereinftimmung zu fin» 
den. Die Namen des Periegeten dagegen müſſen aus einem ande— 
ren Standpunft betrachtet werden, weil fie zum größten Theil den 
Griechen durchaus fremd gewefen fein müffen, und aus Sprachen 
entlehnt find, die ein von dem Griechifchen ganz verſchiedenes Laut— 





des Erythräiſchen Meeres. 359 


ſyſtem befisen. Hier wird eime oft wiederholte Hebereinftimmung 
zweier Neferenten zum Beweife, daß der eine den andern, oder beide 
einen dritten benutzt haben. 

Diejenigen Ortsnamen, deren urſprüngliche Form fih am se 
naueften und fiherfien für die Zeit des Periegeten feftftelfen läßt, 
gehören Indien an. Es kommt ber ihnen micht fowohl auf die Sans 
feritformen an, die wir ſchon son Aleranders Begleitern und Mes 
gafthenes nicht mehr genau wiedergegeben finden, fondern auf die 
Namensformen des Prakrit. Man denke etwa an den Namen Ilg- 
gajimi! Auch feine Prakritform Uggeni, wie fie auf Münzen er- 
fcheint, war für das Griechiſche Organ unausfprechbar und mußte 
umgewandelt werden. Dabei waren nun viele Aenderungen mög- 
lich: der Grieche konnte fagen Ovzamma, Ovlevie, "Yin a ſ. f. 
Der Perieget hat zuerſt unter den vielen Namen der Stadt (Avanti, 
Vicäfä, Puspacaramdini) ven Namen Ugg ni ſich herausgegriffen, 
fodann diefen durch "Olyvy wiedergegeben: ganz ebenfo Ptolemäus. 
Man kann fich für diefen Fall freilich noch darauf berufen, die Stadt 
fer hiſtoriſch berühmt und mercantilifch bedeutend gewefen, und zwei 
auch von einander ganz unabhangige Schriftftelfer hatten jene Worts 
form, wenn auch nicht in der Literatur, doch in der Sprache des 
Verkehrs feft ausgeprägt vorfinden fünnen. Es mag das fein: aber 
bei anderen Namen iſt auch das in Feiner Werfe anzunehmen. Gu— 
zerate 3. B. heißt ber beiven Schriftftellern Svoaoroyvn '): beide 
haben hier die Sanferitforn Surästra, nicht das Prakritwort ge- 
wählt, beide haben das urfprüngliche u durch v, nicht durch ov oder 
o wiedergegeben, beide endlich Die Endung ganz unnöthig und wills 
führlich und dennoch übereinftimmend gräcifirt. Der Name Paliſi— 
manta ließ fich im Griechiſchen völlig genau wiedergeben: gefeßt 
aber, zwei Referenten hatten dennoch das Wort andern wollen, fo 
könnten die von ihnen gewählten Namensformen bei der Willführ- 
lichkeit aller möglichen Aenderungen nicht übereinfiimmen: und je 
weiter fie im der Umgeftaltung ver einheimifchen Form gegangen 


1) Der Name heißt bei Gelenius einmal Zvvororoyvn, dann Zu- 
oaoroivn. BI. 165. 167. 9. 24. 25. Natürlich ift in der erfteren Form 
das », in ber zweiten das s unrichlig. Meberhaupt hat der Itacismus 
mehrfach, wie in der legteren Form, auf die Handſchrift eingewirft, 


360 Neber den Periplus 


wären, defto größer müßte die Abweichung zwifchen den gewählten 
Formen fein: zudem handelte es fih bier um eine Pocalität, für 
welche fih in der Griechifchen Litteratur der Name Taprobane feit 
Jahrhunderten firirt hatte. Der Perieget bat nun eine von der 
einheimifchen beveutend abweichende Form gewählt: er nennt die In— 
fel IIakaoıuovndov: veffenungeachtet kehrt bei Ptolemäus genau 
derfelbe Name, wieder, 

Zu den Buchftaben, die im Griechischen fehr verfchieden aus- 
gedrückt werden konnten, und alfo der Willführ freien Spielraum 
Yießen,, gehört namentlich das fanjeritifche und prafritifche u: ee 
Yieß fih durch 0v, durch o und v wiedergeben, Bei dem Namen 
Suraf'tfra wählte der Perieget, wie ſchon erwähnt, das v: ebenfo 
Ptolemäus bei Nggeni v, Ptolemäus desgleihen. Den Namen 
Supära Dagegen drückt der Perieget mittelft eines ov aus (Sovn- 
7000): Ptolemäus wiederum ebenfo. Das u in Cumäri drüden 
beide wieder übereinftimmend dur) 0 aus, wiewohl fie in der En- 
dung des Worts einigermaßen abweichen. Es kann ferner faum 
zweifelhaft fein, daß das Poduce der beiden Schriftfteller in Pudu— 
eotta zu fuchen ift: die Lage paßt ebenfowohl wie der Name. Das 
erfte u bat der Perieget durch 0, das zweite durch ov wiedergege— 
ben: ganz ebenfo willkührlich Ptolemäus: denn wenn wir bei diefen 
zuerft © leſen, fo ift dies wohl nur auf Rechnung der Abfchreiber 
zu bringen. Dergleichen Uebereinftimmungen in ganz willführlichen 
Formen wiederholen fih aber überall: es kann mithin von einem 
zufälligen Zufammentreffen nicht die Nede fein, Für eine beträcht- 
liche Anzahl von Namen läßt ſich das entfprechende Sanferit- oder 
Prafritwort noch nicht nachwerfen. Indeß mögen nun Namen, wie 
Paralia '), Cherfonefos, Divryr, Apocopa, Eiephas eine Ueberſetzung 
der einheimsfchen, oder mögen fie um der Paronomafte willen ftart 
geänderte Formen derfelben fein: immer würde es bei zwei von ein- 
ander unabhängigen Schriftjtelfern räthſelhaft bleiben, wie fie ge- 
vade bei denfelben Namen zu denfelben Ueberfegungen vder zu den: 
jelben ſtark alterivten Formen gefommen fein follten. Bei anderen 


1) Jedenfalls unrichtig ift die Deutung von — als Cerolia, 
Cerala bei Wilfon: Mackenzie collection. I. &, XCIV. 





des Erythräiſchen Meeres. 361 


gräcifirten Rormen, z. B. Colchoi, Byzantion, Diodori infula, Tiegt 
es auf der Hand, daß die einheimischen Namen nur ziemlich abweis 
chend lauten Fonnen: deffenungeachtet gehören jene Formen dem Pe- 
riegeten wie dem Ptolemäus an. Koryoı z. B. entipricht höchſt 
wahrfcheinfich dem einheimifchen Kurfi, dem Namen der älteften 
Hanptftadt des Wan’dja-Reihs ): fo bedeutend die Abweichung der 
Namen auch ift, ift dennoch Ptolemäus mit dem Periplus in Ueber— 
einſtimmung. Die Stellung der Namen, die oft fehr ftark für vie 
Abhängigkeit oder Unabhängigkeit zweier Schriftftelfer von einander 
jprechen kann, giebt im vorliegenden Fall feinen durchweg anwend— 
baren Maaßſtab, weil beide daber nicht willführlich verfahren, ſon— 
dern dem Lauf der Küſten folgen. Daß Ptolemaus den Periplus 
benutzt babe, konnte man zwar daraus folgern, daß er mehrmals 
Städte, die nicht unmittelbar an der Küfte liegen, doch den Küſten— 
ſtädten beizähle, weil fie der Perieget unter diefen erwahnt habe: 
oder auch daraus, daß er die Afrikanische Küfte gleich dem Periege- 
ten nur bis Rhapta verfolge, da er doch von einem noch ferneren 
Küftenort Kenntniß habe, den er ganz inconfequent bei feiner Be» 
fhreibung des Binnenlandes vorbringe. Großer Werth Tieße fich 
jedoch auf ſolche Argumente nicht legen. Eine Stelle beider Schrift- 
ftelfer dagegen ift in diefer Hinficht höchſt merkwürdig, und macht 
die Abhängigfeit des Ptolemaus von dem Periplus höchſt wahrſchein— 
fh. Sch meine die Stelle des Periegeten, wo er vom inneren Des 
fhan fpricht, oder wie er es nach dem prakritiſchen Dakk in äbada 
(ſanſer. Darin’äyata) nennt, von Jayıwaßadns. Aayavog, be— 
merkt er dabei ganz richtig, ſei in der Landesiprache gleich © vorog: 
"er meint das Prakritwort daffinä. Im Innern, fagt er, feten viele 
Länder und Einöden, wilde Thiere in Menge, aber auch viele Völ— 
fer 2. Dann fährt er fo fort: To» de &v adın ın Jazıvapa- 
dsı vo Eoriv Ta dtaomuörara Lunooıa Enıyumvousva, ano 
Baovyalov Eyoyra Hdov nuso@» Ei40ocı nong vorov‘ ano Tav- 
Ins 5 nuEo@v dera mo0og dvarolmv ertgu nölıs Tayaoa ue- 

1) Dal. Wilfon a. a. D. ©. LXXVI. 

2) Die Richtigfeit der Gmendation des unverftändlihen &3vn re 


nheiore zai nolvardonne Ta uEygı 1OU Ouveyyusin &dumTe...... 


ueyoı ToVTayyovs ift nicht unwahrfcheinlich, 


362 leber den Periplus 


ylorn. Karaysıaı dE — — uno u8v MhıYavov dvygivn kı= 
Ha nkeiorn, uno dE Tayagwv 0F0vı0v x. T. A. So, von der 
Snterpunftion abgefehen, alle Ausgaben. Daß die Stelle ung nicht 
unverftümmelt vorliegt, ift klar: man vermißt vorn den Namen einer 
Stadt, der weiterhin in der Form IMıIava erſcheint. Dffenbar 
{ft aber auch dies IMrdava unrichtig: es iſt die berühmte Stadt 
des Gältvähana gemeint, die im Sanferit Pratift äna, im Prakrit 
Pait ana heißt, bei Ptolemäus als Baudara vorfommt, und wie 
ſchon Wilford 1) gezeigt hat, im dem modernen Pythan an der 
Södäpari bei Ahmednayara zu fuchen iſt. Nicht nur der Name, 
fondern auch die Lage son Pait haͤna paßt fehr gut zu der Beſchrei— 
bung des Periegeten: es ift alfo ohne Zweifel anzunehmen, daß - 
anftatt eines urfprünglichen 4 in den Namen hineingeratben ift, 
Es iſt alfo das Wort TTardava , welches oben fehlt, und dagegen 
ift das Entpawvouera nicht nur überflüffig, ſondern ganz unvers 
ſtändlich. Man hat in diefem Wort das ausgefallene Iladavu 
fuchen, und zwar jenes in eIIIDAINO MEN And aufzulöfen, 
und anftatt deffen IlarIava uev ano B. zu leſen, um die ganze 
Stelle fehler- und lückenlos vor fih zu haben, Von diefem Pai— 
thana, fagt der Verieget, Liege Tagara 10 Tagereifen weiter öftlich. 
Seine frühere Angabe über die ziwanzigtägige Entfernung Paithanas 
son Barggaza war vollfommen richtig: wir müffen auch dieſe zweite 
Beftimmung für eine wenigftens im Ganzen genaue halten. Nun 
bat Ptolemäus (VI. 1.82.) diefelben Namen. Ueber Paithana hat 
er noch genauere Nachrichten einziehen können: er nennt nämlich den 
König, deſſen Nefidenz es iſt. Von Tagara weiß er nichts als den 
Namen, Aus dem Periplus ließ fih natürlich nicht entnehmen, 
welche Stelfe der Stadt unter alfen den anderen Städten des ins 
neren Dekhan anzuwerfen war: und Ptolemäus weiß nun nichts An— 
deres mit dem Namen anzufangen, als ihn unmittelbar neben Pai— 
thana, dftlih davon anzuſetzen. Hat bier Ptolemäus ſich nicht 
an den Periplus gehalten, wie will man es denn begreiflich finden, 


1) In den As. Res. I. 369— 375. IX. 199. Er — Pythan Pul- 
tanah. Bol. Wil ſon: Mackenzie collection. I. ©. XI. Laffen: 
Ind. Alterth. I, 177. 


des Erythraiihen Meeres. 363 


daß jener zwei Städte, welche der Perieget fi) aus der ganzen 
Menge Dekhanifcher Städte herausgegriffen hat, und deren weite 
Entfernung er felbft conftatirt, deffenungeachtet wie dieſer Dicht ne 
ben einander ſtellt! 

Die drei bier erörterten Punkte, zuerft die Erwähnung der- 
felben oft höchft unbedeutenden Drtfchaften bet beiden Schriftftellern, 
dann die Uebereinſtimmung beider in denfelben oft fehr willkührlich 
gebildeten Namensformen, endlich die Nebeneinanderftelung der Na- 
men Tagara und Paithana bei beiven genügen vollftändig, um die 
Abhangigkeit des einen der beiven Schriftfteller von dent andern zu 
erweifen. Es verfteht fih dann aber von felbft, daß Ptolemaus nicht 
die Duelle des Augenzeugen gewefen fein kann, fondern daß der 
Peripfus dem Ptolemäus vorgelegen bat. Ich behalte mir vor, an 
einem andern Drte auseinanderzufesen, wie Ptolemäus bei der Ver: 
fnüpfung der Angaben des Periplus mit den ihm außerdem zugäng- 
lichen Nachrichten verfahren ift, weßhalb er einzelne Namen über- 
gangen hat, und wie er durch Die Abweichungen des Periplus und 
feiner fonftigen Quellen mehrmals zur Verdopplung und fogar zur 
Verdreifachung einer Stadt verführt worden ift. 

Auch Marinus fteht zu dem Periplus in einem eigenthümlich 
abhängigen Verhältniß, wie man namentlich aus Ptolemäus I. 17, 
erfieht. Wenn z.B. Ptolemäus nicht begreifen fan, weßhalb Ma- 
rinus den Sachalites-Bufen weſtlich und nicht vielmehr öſtlich vom 
Syagros angefest habe, fo zeigt ein Blick auf den Periplus, daß 
Marinus- feine guten Gründe dafür hatte. Da fih indeß Mari— 
nus und Ptolemäus der Zeit nach fo nahe ftehen, fo fommt für die 
Erörterung über die Zeit des Veriegeten wenig darauf an, ob er 
son jenem benutzt worden tft oder nicht. Noch weniger kann in 
diefer Hinfiht von dem Verhältniß des Beriplus zum Marcianus von 
Heraflea oder gar zu der Pentingerfchen Karte die Neve fein. Won 
vefto größerer Bedentung hingegen tft es, ob er ſchon dem Plinius 
befannt gewefen ift. Der Bericht des Periegeten handelt hauptſäch— 
lich von Dftafrifa, Arabien und Indien. Da, wo Plinius diefe 
Linder beſchreibt, gehört der Periplus entfchieden nicht zu feinen 
Quellen: ja es fehlt an Berührungspunften zwiſchen ven beiden 


364 leber den Periplus 


Berichten faft ganzlich. Defto auffallender wird es, daß an einer 
anderen Stelfe eine merfwürdige Uebereinftiimmung zwifchen beiden 
bervortritt. Da namlich, wo Plinius die füdöftlichen Gegenden des 
alten Perſerreiches befehreibt, findet fich bei ihm zwifchen der Dar- 
ftellung Gedrofiens und Carmaniens eine Epifode eingefchoben VI. 
26. Er fagt, er wolle beiläufig die Fahrt des Onefierit und Nearch 
nach Juba's Befchreibung mittheifen, dein eam navigalionem, quae 
his annis comperta servatur hodie. Er befchreibt nun Nearche 
Fahrt und fchließt mit den Worten: sic Alexandri classis navi- 
gavil. Später fagt er dann, fei man vom Syagros nach Vatale, 
und noch ſpäter von da nach einem anderen Indiſchen Hafen gefab- 
ren: der Name iſt unflar. Er fährt dann fort: Diuque ila na- 
vigalum est, donec compendia invenil mercator lucroque In- 
dia admola est, — — Nec pigebit totum cursum ab Aegyplo 
exponere, nunc primum cerla nolitia patescente. Er befchreibt 
dann den Weg von Alerandria nach Berenice, welches ja auch für 
den Periegeten der Ausgangspunkt iſt. Die folgende Stelle nehme 
ich bier vollftändig auf und ftelle die betreffenden Stellen des Pe: 
riplus daneben: | 


Navigare incipiun! aestale me- 
dia ante Canis orlum aut ab 
exorlu potius, 


veniunlque eireiter XXX die 
Ocelim Arabiae 
aut Canen thuriferae regionis. 


Est et tertius porlus, qui vo- 
catur Muza, quem Indica na- 
vigalio non pelit, nee nisi 
thuris odorumque Arabicorum 
mercalores. Intus oppidum, re- 


Ilheovoı dt eig aurnv oi xuru 
za100v arayouevoı an Alyv- 
ntov neoi tov ’Tovkıov unve, 


95 Eorıv ’Enıyt. 


Dee 
’ ’ ’ 2» * 
Aoador zaun — — Oznkıs—. 
Kavn — ywous kıßaroto- 


pogov. 

Zunootov EOTIV vowıuov na- 
oa$araooıov Movla, 10 uev 
6r0v Aoaßwr, vavrkngızaoy 
VIVWBNWwV ul vavTızwv, niEor. 


“Yneoxresıtaı ÖE wvrng — n0- 
* / 


1) Beſtimmt fagt darüber der Perieget nichts: er bemerft indeß, im 
Juli fahre man von Aegypten ab: in Muza pflege man im September ein: 


zulaufen, in Caue früher, 


des Erythräiſchen Meeres, 365 


gia eius: appellatur Saphar J: Aus Iaun — — xal Iapao 
aliudque Saue. untoonokıg. 

Indos autem petentibus utilis-- — — — —)D 

simum est ab Oceli egredi. 

Inde vento Hippalo navigant  Ilowrog d& "Innakog — Tov 


dıa nerlayovg ESelge nAovV* 
— — no00090uaLleru de ano 
Ins nVoOnYogiag ToV nomrwg 
E5evonxorog rov dianhovv Ar.h. 

diebus quadraginta - — — — 5) 

ad primum emporium Indiae Ela N. zal Tivdız, ta no@- 

Muzirim, a £unogıa 175 Aruvounng: 
zal uera raurag MovLıgıg zar 
al viv n06000v0omı (vielleicht 
NOWTEVOVORL?). 

non expelendum propter vici- Unmittelbar vor der Erwähnung 

nos piralas, qui oblinent locum von Nitra) und Muziris fagte 


nomine Nitrias, der Perieget von Cherfonefos: 
za 0VG Tonovg eloiv neidatal, 

neque est abundans mereibus. Movlıgıs — axrualoven — 
1rAOlOLG. 


1) Die Ausgaben interpungiren: Intus oppidum: regia eius appel- 
latur Sapbar. 


2) Der Perieget nennt Ocelis die zoWrn zareyoyn 1ois Zow dıei- 
oovoır. Sollte das etwa Plinius fo ungenau überfegt haben, oder follte 
gar intus für Indos zu lefen fein? 


- 3) Im Beriplus folgt Bl. 174. 9. 35. auf die Grwähnung des 
Hippalus eine durchaus —A— fie Stelle. Es heißt nämlich überein 
ſtimmend in allen Ausgaben ſo: Ag’ oü —— zwi vüy Tveg wer eusüg 
and Keavn, tıvis dE Eno TWv YHowudıav dipievres,, oi utv eis Auuv- 
oızyv mAEovıes Ei ıkeiov to@ynklsovtes, oi de eis Bagvyalar, oe dE 
els Zrudiey oU nAtioy n Tokis nufous dvreyovoı zul. Das ou nAsioy 
7 zoeis läßt vermuthen, daß auch Die vorhergehenden Sapglieder Zahlen 
enthalten müflen, daß namentlich eine Zahl in dem finnlofen roa@ynAftorıes 
zu juchen iſt. Das den Schriftzügen nod) am nächiten liegende Wort iſt 
TEOOROEKOVTE, womit Plinius denn ganz in Hebereinftimmung fein würde, 
Sm Uebrigen ſcheint od nyον für Erri zdeiov herzuſtellen, und nach 
Beovyalery eine nicht wohl zu beitimmende Zahl einzufchieben. 


4) Im Periplus ſteht Naovog, doch hat auch Pinlemäus Mirge. 
Die Vermuthnug, daß die Stadt Hanayarı (Onore) gemeint fei, it danach 
wenig haltbar. 


366 Ueber ven Periplus 


Praeterea longe a terra abest 
navium statio, 


lintribusque afferunlur onera 
et regerunlur. 


Regnabat ibi, quum proderem 
haec, Gelebothras. 

Alius utilior porlus genlis Nel- 
eindon, qui vocalur Barace. 


Ibi regnal Pandion, 


longe ab emporio mediterra- 
neo dislante oppido, 


quod vocalur Modura ?). 

Regio aulem, ex qua piper 
monoxylis lintribus Baracen 
convehunt, vocalur Coltonara. 


Der Perieget bemerkt Aehnliches 
nicht bei Muziris, aber fogleich 
darauf bei Barace. 

Ta nıoia Eni oa diogule- 


x ’ ’ * 
rar no0g avaknyır Twv Poo- 


tiov '). 

Baoılsiag Eoriv — Knnoo- 

Borov. 

Eréod d8 un 
TEeoa dE — mo0ozeırar Kaum 


x x 
Baoazr, &is nv ano Neirvv- 
dor — noozaraßalvovaı. 

’ 7 —— * 
Badcutuc ÖE garıy ETEoag, ng 
Ilavdıovoz. 

’ \ c n er 
Avrı ds 01 Baoıleis aupore- 
gWwv T@v Eunogiwv &v ın UE- 
onyalm zaroızovanm. 
De£osrar ÖE neneot, umvoyEev@g 
N * 
2 J J ' u: 
Ev vl TOnW, TOVIW ım EuNO- 
wi?) yervousvov, noAV, A&- 
ow(!) y u ’ U, 


’ r ’ 
youcvn Korravaoızn. 


Man fieht, für jede Notiz des Plinius findet fich eine analoge 


im Periplus. Nur die Erwähnung von Madurä, der berühmten 
und deßhalb Teicht zu erfahrenden Pän’dja-Stadt, bleibt jenem aus» 
ſchließlich. Freilich iſt die Uebereinſtimmung nicht wörtlich genau, 
beide Schriftſteller gerathen trotz aller Aehnlichkeit ihrer Angaben 
fogar in direften Widerſpruch; und handelte es ſich um ein befann- 
tes Terrain von geringem Umfange, fo könnte man geneigt fein, 
das Zufammentreffen jener ähnlichen Notizen bei verfchiedenen Er— 
zählern auf den Zufall zu ſchieben. Hier ift das undenfbar: es ft 
nicht möglich, daß zwei von einander unabhängige Neferenten fi) 
aus einer Unmaffe möglicher Angaben übereinftimmend gerade dieſe, 


1) Das Folgende ift zu lefen: die Tor norauov üluara zui 
dienkous &ysıv &Aupoovs ftatt des dıa dE Tov u. &. x. d. &yeı Öl. 

2) So ijt flatt Modusa zu leſen: Mapa ift befanntlich Die Kür 
nigsitadt von Pän’d’ja, 


Des Erythräiſchen Meeres. 367 


großentheifs doch ſehr unbedentenden Daten follten herausgegriffen, 
daß fie fie weſentlich in derſelben Ordnung follten vorgebracht, die 
fremdartigen und willführficher Umgeftaltung unterworfenen Namen 
fo übereinftimmend follten ausgedrückt haben. Es handelt ſich hier 
um ©egenftände, welche der ganzen alten Litteratur fremd find, um 
Namen, welde außer Plinius und dem Pertegeten niemand Fennt, 
als folche, die erweislich aus dem Lesteren gefhöpft haben. Gebt 
doch Plimus felbft jenen Angaben hinzu: quae omnia gentium 
portuumve aut oppidorum nomina apud neminem priorum re- 
periuntur , worüber er fih denn bei ver Meinung beruhigt: quo 
apparet mulari locorum status: da doch alle Abweichung diefes 
Berichts von den frühern nicht fowohl von biftorifchen Umwälzun— 
gen, als von der willkührlichen und einfeitigen Richtung des Refe- 
venten auf Gegenftände des Handels und der Schifffahrt herrührt. 
Was veranlaßt etwa den Plinius, von dem ganzen Indiſchen Kü— 
ſtenlande nur zwei Könige zu nennen, wie der Perieget, für beide 
den Ländernamen ftatt des Eigennamens zu wählen, wie diefer, die 
beiden Namen wie diefer auszufprechen, endlich wie diefer feine Be- 
merfung über diefe Könige gerade bei der Erwähnung der Orte 
Muziris und Barace vorzubringen? Wie follten zwei von einander 
unabhängige Berichterftatter auf die Idee gefommen fein, unter 
den wenigen Namen, die fie fi) aus der Anzahl Indifcher Städte 
berausgreifen, gerade jenes Dorf zu erwähnen, von dem Anferplag 
und der Einfchiffung der Waaren zu forechen, den Cottanarifchen 
Pfeffer zu erwähnen, und gerade dort die Notiz anzufügen, der Kö— 
nig Pandion wohne im Binnenlande ? Sie gehen beide nur darauf 
aus, die Küftenftädte aufzuzählen: wie iſt daber die Willkühr be- 
greiflih, daß fie gerade ber Muza zwei Städte des Binnenlandes 
nambaft machen, beive Namen buchſtäblich übereinſtimmend ausdrük— 
fen, und die eine Stadt als regia oder unroonokıs, die andere 
als oppidum oder zörız bezeichnen? Sogar wörtliche Ueberein— 
flimmungen kommen dazu, wie mediterraneo oppido und &v ı7 
usooyaro, Cane thuriferae regionis und Kavn ywous Aıßaro- 
zopooov. Daß Plinius daneben nicht ganz genau in allem Ein- 
zelnen mit dem Verfaſſer des Periplus ſtimmt, daß er fogar das 


368 Ueber den Periplus 


Gegentheil von dieſem ausfagt, tft bei feiner oberflächlichen, polyhi- 
ftorifchen Art ſehr begreiflich: hat er es ja doch bei Werfen, die 
ungleich lesbarer waren als diefer dürre Periplus, gar nicht anders 
gemacht. Wenn er neque abundans flatt des axualovow des 
Periegeten fagt, als ob er oVx «rualovon herausgelefen, wenn er 
Muziris zum primum emporium Indiae macht, wo der Perieget 
nur von den erften Emporien Limyriees gefprochen, wenn er Nel- 
eynda zu einem Volksnamen macht, weil zufällig in der Stelle, die 
er abfchrieb, zweideutig ftand &ıs zu ano Nelzvvdwr nonzara- 
Barvovor, wenn ev von monoxylis lintribus fpricht, wo im Peripfus 
uovoyevog fteht: fo beftätigt er durch Diefe Abweichungen nur feine 
Abhängigkeit von dem Periegeten, ftatt fie zweifelhaft zu machen. 

Es iſt nicht anders denkbar, Plintus hat aus dem Veriegeten 
gefhöpft, die navigalio, quae his annis comperta servalur ho- 
die ift feine andere als diefe Periegeſe. Damit und durch das 
nunc primum cerla nolilia palescente iſt auch die Zeit der Abfaf- 
fung des Buches genau genug angedeutet: der Perieget iſt Zeitges 
noffe des Plinius, deffen unmittelbarer Vorgänger in der Befchreis 
bung des Erythräiſchen Meeres. Plinius weiß feinen Periplus noch 
nicht anders als zu einer Epifode zu benutzen: fei es nun, daß er 
zwifchen deffen Angaben und den fonftigen Berichten feine Berüh— 
rungspunfte fand, oder feine Befchreibung Afrifas, Arabiens und 
Indiens ſchon vollendet hatte, als ihm der Periplus zu Geficht Fam. 
Alle Schlüffe, die fih aus dem Veripfus felbft über die Zeit feiner 
Abfaffung ziehen laſſen, vereinigen fih damit völlig ungezwungen, 
Seine Benennung Ceylons, feine ungenauere Kenntniß der Süd— 
afrifanifchen und Transgangetifchen Küſten bewies, daß er lange vor 
Ptolemäus und Marinus zu ſetzen war; ferner ging aus ihm her— 
vor, daß die Entdeckung des Hippalus noch neu fein, daß fchon meh» 
rere Avroxoaroges geherrfcht haben mußten: auf die Zeit des 
Pinius treffen alle diefe Momente zu. 

Dazu kommt noch ein anderes Argument. Der Verfaffer ſpricht 
(Bl. 165. 9. 22.) von Seythien und Minnayara, der „Stadt der 
Min“, und fegt dann hinzu: Baoıksvera de uno Ilagdwv ov- 
vexas ahımkovg Erdiwxovrw. Gewiß hat ex den Namen Parther 





des Erythraifhen Meeres. 369 


nicht, wie man wohl früher glauben fonnte, ohne beftimmten Grund 
gefegt und mit dem Namen Scythen verwechlelt : er erwähnt Seythien 
zu oft, als daß er über den eigentlichen Namen hatte in Zweifel 
fein und ihn fo willführlih mit einem andern vertaufchen können. 
Wir wiffen in der That, daß Parther eine Zeit lang in Indien 
berrfchten, Die Bonones- und Vologefes - Münzen zeugen von ihren. 
Indiſchen Eroberungen. Nun weift aber Laſſen ') nach, daß diefe 
Partherherrichaft nur in die legte Hälfte des erften Jahrhunderts v. 
Chr. fallen kann, aus Gründen, die nur der Gefchichte der Parther 
und der Induslander entlehnt find und mit der Zeit der Abfaffung 
des Veripfus nichts gemein haben, Die Zeit des Plinius fallt da— 
mit zufammen ?), 

1) Laſſſen: zur Gefchichte der Griechischen und Indofeythifchen Kö— 
nige ©. 271. 

2) Die Mitte des erften Jahrhunderts ift von Dielen alg die Zeit 
der Abfaffung des Periplus angenommen worden, ohne daß man dies Doch 
je gehörig begründet und erwiefen hätte; theilweife folgte man wohl nur 
Dodwell. So unter Andern Mannert I. 125. figd. V. 162, Udert 
1. 209, Benfey in der Hallifchen Encyelopädie s. v. Indien S. 90, Laf: 
fen in der Zeitfehr. für die Kunde des Morgenlands IV. 198. und fonft, 
auh C. D. Müller in den Göttinger gelehrten Anzeigen 1838. ©. 220. 
Benfey ſcheint auch Gewicht zu legen auf die Auseinanderfeßung in Der 


Franzöſiſchen Ueberfegung des Plinius von Ajaſſon de Grandsagne 
V. 303, die mir indeß nicht zugänglich war. 


(Ein zweiter Artifel folgt.) 
E. A. Shwanbed, 


Muſ. f. Philol. F. N. VII. 24 


Des Aeschylos ®Oresteia von Johan- 
nes Franz. 
(S. 8». VI, 561.) 


Der Beurtheilung diefer Ausgabe will ich einige Bemerkun— 
gen zu der Parodos des Agamemnon folgen Taffen. Gleich im 
Anfang 

V. 192 JeoVg uiv alıo zwrd’ anakkaynv nor, 
poovuag Ereiag UNxoS, 

ift die Interpunftion ) nad 26202 zu tilgen, fo daß Yoovgas 
Ereiag 720g von novwv abhängt die Mühen der jahrelangen 
Wache“. Dadurch wird die Redeweiſe allerdings etwas ſchwerfällig; 
dies ift aber gerade mit Abficht gewählt, um das Läſtige und Drüf- 
ende des Auftrags zu ſchildern. Ueberhaupt ift die Sprache in 
diefem Prologe nicht fo edel und gehoben, wie in andern Theilen 
der Tragödie; ja man wird mande Unregelmäßigkeiten und Freihei— 
ten im Periodenbau, manche Ausdrücke finden, die der Dichter einer 
andern Nolfe nicht in den Mund gelegt haben würde, die aber ge= 
rade dadurch motiwirt find, Daß der Wächter ein Mann niederer 
Herkunft iſt. Am ſtärkſten sieffeicht findet ſich dieſes ausgeprägt in 
der Nolfe der Amme in den Choephoren. Es darf daher eine ge- 
wife Breite der Rede, ja, wenn man den Ausdruck nicht preffen 
will, eine gewiffe Inconeinnität der Perioden nicht befremden, und 


1) Auch die V. 255 u. 254 von 9. Br. aufgenommene Interpunction 
ift unpaffend. Man interpungire vielmehr fo: 
X00. 
Ti yag To mıoröy; Forı TÜVdE 001 Tezuug; 
Kur. 
Zorıv: di D oVyi; un dolwoeyıog Jeov. 
Denn ſonſt hat werer das Zorır B. 254 gehörige Beziehung, noch paßt 
die Antwort der Klytaimneſtra auf die Frage des Chors, 





Des Aeſchylos Drefteia von Johannes Franz. STL 


nicht fofort zur Annahme eines Verderbniffes oder einer Interpola— 
tion berechtigen. Schon der erfte Satz Jeovs ut» alıo..... zal 
vov kann als Beifpiel diefer freieren Rede angeführt werden, da 
dem ev nicht einmal dem Gedanken nach ein dE entipricht. Doch 
will ich darauf fein Gewicht legen, da Aehnliches ſich öfters findet, 
wohl aber darf man hieher rechnen einen Satzbau, wie V. 5—8; 

A0TIWv xaroıda vurriowv Cunyvoıv 

zul TOVG PEgovıog yelua zul FEgog Poorois 

Kaungovg Övvaoras, Eungenovrag alFEgu 

aoreousg, Orav pIVwoıV, avrokug ıe tov '). 
oder die mit dem doppelten Vorderſatze eur’ av de und ra» 0’ 
eingeleitete Periode V. 13—195 aud) die Form Eulwzen, deren ſich 
fonft die Tragifer nicht bedienen, endlich Die Wahl der Sprichwör— 
ter. Kurz die Sprache, die ganze Färbung der Nede, fo wie ihr 
Inhalt Cich erinnere an den Schluß), der nur andeutend des Zu— 
fhauers Gemüth in Spannung fest, wahrend das Nähere erft die 
Klytaimneftra in prächtiger Nede entwickelt — alles verräth den 
gewöhnlichen, gemeinen Mann, deffen Sprache freier, ungebundener 
und daher unregelmäßiger fih ergeht. Und dies iſt mit Abficht, 
wie mich bedünft, vom Dichter fo angelegt. Aus diefem Grunde 
habe ich auch Bedenken getragen, das Euyv B. 14 für verderbt zu 
halten, welches auf den erften Blick allerdings an Diefer Stelle an— 
ftößig iſt, und in der Nede jeder andern Rolle zu emendiven fein. 
würde. Hermann, deffen Ueberſetzung Opusc. V. p. 341 sq. von 
9. Franz zu wenig berückfichtigt ift, überfegt quid tandem? fieft alfo 
zÜ gnv, eine Emendation, die fo leicht und anſprechend an fich fie 
auch iſt, mir nicht nöthig feheint, vielmehr findet dieſes nachgefeßte 
und zu Anfang des Nerfes ftehende Pronomen nah dem oben Be- 
merkten im Charafter der ganzen Nedeweife des Wächters fein 
Rechtfertigung. 

V. 3 fhreibt 9. Fr. arizader ftatt ayzaderv, und dies ift 

1) Uebrigens find hiemit nicht, wie man noch neuerdings erklärt 
bat, Sonne und Mond gemeint, — denn die fennt jeder — fondern die 
Gejtirne nach deren Ericheinen und Verſchwinden die Alten ihre Schifffahrt, 


und Gefchäfte des Ackerbaus vegelten und beftimmten, d. h, Orion, die 
Plejaden ꝛe. 


SR Des Aeſchylos Drefteia 


auch nöthig, wenn man den Begriff „von oben beraba hier erfor 
derlich findet. Denn ayzader, obgleich die Grammatifer irrthüm— 
lich es fo und für iventifch mit drezudev erflären, kann dies nicht 
bedeuten. Alsdann aber ift der Dativ or£yaıs fehr hart, da man 
vielmehr einen Genitiv or&yns oder oreyovg avezader erwartet. 
Beide Aenderungen find nun allerdings nicht groß, allein die Er- 
Härungen der Grammatifer zeigen, daß fie hier ayzadev vorfanden, 
und fo ſteht auch in den Codd. Es iſt alfo fehr alt bezeugt; ent- 
ſcheidend aber ift, daß was den Sinn anlangt diefeg ayxadev ent» 
ſchieden den Vorzug verdient. 

Man darf V. 35 zEoa Paoraoar yeol nicht überſetzen „die 
Hand mit der Hand faffen“. Die antiken Bildwerke, und befonders 
haufig die Wandgemälde zeigen, wie Diener und Begleiter den Un— 
terarm des Geleiteten fügen. Diefes iſt auch hier gemeint. 

In dem erftien Theile der Parodos finden fih wenige Schwie— 
rigfeiten und Verderbniſſe. V. 40 wird wegen der größeren hand» 
ſchriftlichen Auctorität Ilgıaum zu fchreiben fein, und V. 69 mit 
Casaub. ünozarov; denn diefes kommt dem handfchriftlichen 
Ünorrarov weit näher als dnodarwv, und giebt den erforderlichen 
Begriff von „Brandopfer”, der ebenfalls nicht durch Urodaiwv aug- 
gedrückt ift. 

Mit Recht ift V. 72 ariraı aus den Codd. hergeſtellt, 
aber aus der Ueberſetzung „wir aber gedrückt von des Alters Laſt“ 
erfähe man nicht ganz deutlich, wie es verftanden fein follte, wenn 
nicht in den erflärenden Noten hinzugefügt wäre die Gloſſe des He- 
foch: arirng arınos, mit Berweifung auf Lobeck's Erörterung diefer 
Subftantive. Daß man nicht überfeßen darf inhonorali propter 
seneclutem , bedarf nicht der Widerlegung, da ım Altertum das 
Alter hochgeehrt war. Es ift die Neve von tem durch Zeug SE- 
vos angeordneten Rachezuge gegen Troja, an dem der Chor, aus 
Greifen befichend, nicht Theil nehmen Eonnte. Der Zufammenhang 
erfordert alfo diefen Gedanken: jene Flotte von 1000 Segeln ®. 
40 dexarov uev Eros 100’ Enei) zog hin Rache zu nehmen für 
das verlegte Gaftrecht, wir aber (B. 70 Zusig de), die wir wes 
gen Altersſchwäche nicht an dem Rachezuge Theil nehmen Tonnten, 


von Johannes Franz 373 


verweilen bier. Daher Fünnte man mit Bezug auf Heſych's Er- 
Härung arıns arıuaz die Worte arıraı ıng tor’ wowyns vers 
binden und überfesen van der Ehre des Zugs nicht Theil haben, 
nicht Werth geachtet», Dder aber man leitet arizns ab von Tiras 
(Choeph. V. 65. Trrus porog nennyev), fo daß es bedeutete 
nicht Nache nehmend“ (denn diefe Subftantive Fünnen ja active 
und paffive Bedeutung haben, und Hefych Hatte vielleicht Eum. V. 
247 uaroopovog arıras im Sinne, wenn er es erklärte durch 
arıuwonros). Als ein Nachefrieg ift aber diefer Zug oben bes 
zeichnet. Alsdann wird man aber fhieflicher z7s or’ aowyns 
Önorsıpdevres verbinden. Und diefe Erflärung und Verbindung 
ziehe ich deshalb vor, weil fonft Tnoreıpderres als felbftverftänd- 
ich und für fih alfein ftehend fehr matt wäre, Hingegen in dieſer 
Verbindung zjs Tor’ aowyng Ünoreıpäevreg eine paſſende Aus- 
führung des Begriffs arirmı giebt: „wir aber nicht an der Rache 
Theil nehmend, weil unfer Alter uns ausfchloß vom Zuge, verweis 
Yen bier“, 

Durch die Conjectur 6 9° Üneoynows V. 79 ift freilich die 
Härte befeitigt, die die masculine Form ageıwr, auf das Neutrum 
Uneoyrowv bezogen, enthalten würde, indeß jetzt entfteht ein Hia— 
tus yooe: 6 9 üneoy. Die handfihriftliche Lesart ift aber zudı- 
nE0yn005; und diefer kommt viel näher die Vermuthung Martin’s, 
der die Worte als Trage nimmt: 

ti 9 Öneoynowg pvkladog ndn 

KGTaza0pouErVnS;, Toinodag uev Odovs x. T. A. 
Es tritt dem erften Gliede 0 re yao veanpög muverlög das zweite, 
durch die Frage noch fehärfer hervorgehoben, flärfer gegenüber. Und 
diefe Hervorhebung ſcheint mir ganz angemeffen. 

Die Klytaimneftra tritt auf, überall auf den Altären der 
Götter Rauchopfer anordnend. Der Chor fragt, durch welche Nach— 
richt oder Botfchaft fie veranfaßt fer fo zahlreiche Opfer zu bringen. 

ti yoEog; ti veor; vi d’ Enwodouern 
tivog ayyeklas 
neıdoi neoinsunte FVooxEig; 
Afferdings Tann man 786907 verſtehen, und 18 mag daher eine 


374 Des Aefhylos Drefteia 


Aenderung der handfchriftlichen Lesart als ein hyperkritiſches Vers 
fahren erſcheinen. Mich Fpricht aber im Zuſammenhang mit dem 
vorhergehenden ze 20805; zu veov; z. T. A. Der Gedanke: wauf 
Kunde welcher Botfchaft“, d. h. zevYoi, weit mehr an, und da 
bei folgen Aenderungen durchaus die Angemeffenheit des Begriffs 
entfoheiden muß, halte ich zevdor bier für das rechte, Bedenk— 
lich it aber jedenfalls die aufgenommene Conjectur des Turmes 
bus Suoozeis. Db bier der Paroemiacus ftatthaft ift, darüber 
kann man ftreiten, aber die Compofition Yvoozeiv, wenn auch He- 
ſych das Wort anerkennt, iſt nichts weniger als ficher, oder durch 
Analpgien zu erhärten. Sagt man doch nicht daxovgeiv ftatt du- 
zgvgoeiv, gar nicht zu reden von der Form zEw. Lobeck vermuthet 
daher Yvoozoeeıs. Oder ſchrieb der Dichter vielleicht ur oder 
Hvog zıveic? 
Der Chor bittet feine Königin um eine Mittheilung hierüber ; 

diefe Verſe giebt 9. Fr. fo: 

Tovım» AEEao’ OTı zal Övvarov 

zal Jeuıs alvelv, 

nulwv TE yEvoD mode uegluvns, 

n vyiv OrE ev zax0powv TELEFEL 

Tore d’ &4 Yvoıwv, ag avapalveıs, 

Ehnig duiveı pooruid' ankmorov 

Könng, Fvuop$ogov arnv. 
Die Codd. haben ror& uEv .... ror& dE, ferner ayava galveıg 
und z7v Ivuop9ooov vier Jvuoßooov poEva Aunns. Zu der 
erften Aenderung fehe ich feinen genügenden Grund; die zweite aber 
as avagparveız lähmt den Gedanken fo fehr, daß man fi) unmög- 
lich! damit einverftanden erklären kann, der Dichter habe ven Chor 
etwas fo Mattes fprechen laſſen. Biel beffer iſt Triclin's Verbeſ— 
ferung paivovo’, welches da parreır vom Glänzen und Leuchten 
der Sterne gebraucht wird, ein ganz paffendes Bild der EAnis ab» 
giebt (ef. Prom. 535 — 538 To» uaxoov Teiveı Piov Einiou 
parals Ivuov ardatvovoav Ev evpooovvaıg). Die Verbeſſe— 
vung der Schlukworte aber entbehrt allen Haltes. 9. Fr. ſcheint 
Anftoß genommen zu haben an geosra in Verbindung mit Yv- 


von Johannes Frans. 375 


woßogog Avan, fo wie an der vorgefehlagenen Umftellung 0620 
kurns. Aber warum alsdann nicht die handfchriftliche Lesart ganz 
zu Grunde legen: 

Einig auvveı YooVL anımorov 

zyv Hvuoßogov 

kunns poera 
und, weil das Metrum als unvollftändig ſich ergiebt, die Lücke fo 
ergänzen, daß dem zum» re yevov ein zweites mit Ts angereih- 
tes Glied der Periode entfprehe? So etwa: „und banne diefe 
,unn aug meinen Herzen“ 

naıwv TE yErov Tnode weoluyng 

kunns gooa (Ü 2, u v— —). 
Und doch würde Dies nicht das Nechte fein. Es enthielte ja das 
zweite: „banne diefe Trauer aus meiner Bruft« nichts anderes, als 
was oben gefagt ift weoduvng, n vöv zax0p0wv TENEJE, alfo nur 
eine anders gewandte Wiederholung deffelben Gedankens. ft num 
ein folcher matter Zuſatz ſchon der Redeweiſe des Nefchylos fremd, 
fo macht ihn hier vollends unerträglich die Verbindung der beiden 
Saßglieder durch ze .... re Man wird daher mit Hermann 
Schreiben müffen: 

Einis auvveı poovıld' anımarov 

Tas Svuoßogov po&va Avnns. 


An diefe Worte des Chorführers reiht ſich unmittelbar der 
jegt anhebende Gefang des Chors, der näher entwickelt, woher 
diefe weoıuva entftanden, die bald Trauer, bald als Hoffnung 
Freude erwecke. Sie rührt her son einem Teoag der Götter, in— 
dem bei der Abfahrt in Aulis ein Adlerpaar von der rechten Seite 
ber erſchien. Dies war eine Verheißung des Sieges, wenn es 
auch die Beſorgniß, daß ein Unglück das Königshaus treffen könne, 
nicht ausſchloß. Es iſt alfo Har, daß — wie die Anfangsworte 
»vouög eluı Foosiv Ödıov xgarog aloıov dvdoov Exteidov eben- 
falls darauf hinweiſen — der Grund warum der Chor fi 


376 Des Aeſchylos Drefteia 


zum Giegesliede begeiftert und angefpornt fühle, angegeben werben 
muß. Diefen Grund nun giebt H. Fr. in der Ueberfegung fo: 

noch Teiht mir Vertrauen zum ©efange, 

Götterhuld ift’s ! 

die Fraftübende Kampfzeit, 
mit der Erläuterung P. 325 „noch giebt mir der Heerszug Ver- 
trauen zum Geſange, da die Zeit noch nicht abgelaufen ift, welche 
als zum glüclihen Ausgang erforderlich gefchildert wird”. Aber 
können die Worte dIza Svupvros alwv diefes bedeuten, felbft zu- 
gegeben, daß der Chor fchon gefagt, oder die Deutung des Kalchas 
nachher ausfpräche, daß es 10 Jahre dauern werde, ehe die Ver— 
heißung in Erfüllung gede (— es iſt aber von diefer Zeitdauer nir- 
gends die Nede —)? Ich glaube nicht, daß der Dichter dies fo 
dunfel und unverftändlich gefagt hätte, Es bevarf wohl feiner Er- 
wähnung, daß man jene Worte a)r« Zuupvros arwv nicht auf 
den Chor beziehen darf, da es abgefchmackt wäre, ihm eine Entfchul- 
digung in den Mund zu legen, daß er fich noch Fräftig genug fühle 
zum Geſange, auch nicht erffären Tann ara Euupvrog alwv Sc. 
avdoov Exrel&ov, da hiezu das IeoIer nicht paßt. Vielmehr muß, 
wie oben bemerkt, in diefen Worten der Grund ausgefprochen fein, 
warum der Chor fich berechtigt glaubt ein fiegfrohes Led zu fingen, 
mit andern Worten, daß das in Aulıs erfchienene Zeichen zur 
Hoffnung eines fiegreichen Ausgangs dieſes Heerzuges berechtige. 
Darauf führt auch das FeoIer. Und diefen Sinn giebt Hermann’s 
Ueberfesung coepti belli tempus, Steckt alfo das Verderbniß in 
dem alra fo wird man es für ein Gloſſem zu halten haben, das 
ein Wort verbrängte, welches durch arx« erklärt werben Fonnte, 
zugleich aber den Begriff enthielt „Anfang eines Unternep- 
mens“, in folches ift ooum, und daher vermuthe ich, daß Ae- 
ſchylos fehrieb: 

Erı yao IE0dev zartanvelsı 

nsıdw uoiAnag 

ou“ Svupvrog alwr, 

Onws Ayamv x. T. h. 


Durch diefe Nenderung ift die durch den Zufsinmenbang geforderte 


von Johannes Franz. 37— 


Andeutung der Zeit in Aulis gewonnen, woran ſich nun die 
weitere Erzählung des dort gegebenen Zeichens ſelbſt auf die ange— 
meſſenſte Weiſe anſchließt. 

Dieſes Zeichen beſtand ja nun darin, daß ein Adlerpaar, das 
den beiden Königen zur Rechten erſchienen, eine trächtige Häſin töd— 
tete V. 129 avrorozov no0 Aoyov uoysoav nrüza Ivouevor- 
ow. Daſſelbe glaubt man in den Verſen 115 und 116, die bet 
9. Fr. ſo gegeben find: 

Boozousvor Aayıvar Eoızvuova pEeguarı yEyvar, 
Braßevra Aarodılov doouwr. 
ausgedrückt zu finden. Alfein abgefehen davon, daß das Eoızvuora 
nur eine Conjeetur des Trielin iſt, erfcheint jene Erffärung und 
Lesart auch aus andern Gründen unrichtig. ES foll Aayıya yErva 
Häfin bedeuten, und PAußevr@ geſetzt fein no0s To omuaıvousvor, 
„eine Häſin, welche fehr fruchtbar oder ſchwanger iſt durch ihre 
Tracht”, eine Nedewerfe, durch die fehr umſtändlich die trächtige 
Häſin bezeichnet wäre. Indeß heißt Aayıra yerva gar nicht Hafın, 
fondern nur Hafengefihlecht; auch iſt PAafevra auf die Häſin be— 
zogen, unmittelbar nach yevvav gefekt, eine Härte, die jedenfalls 
bedenklich ift. Gehen wir daher von der handfchriftlichen Ueberlie— 
ferung aus. Die guten Codd. geben Eorzunara, ein Wort, wel 
ches wenn es fich fonft auch nicht findet (und dies kann nicht bes 
fremden bei einem ſchon feiner Bedeutung nach nur felten gebrauchten 
Worte) durch Analogien (evowuurog, mokvaruarog, avaluarog 
x.7. 4.) hinlänglich gefichert ift. Diefes Eoıxinara nun mit pEo- 
uora (die Codd. peouarı) verbunden giebt einen durchaus paſſen— 
den Begriff. Sofort erhält das Arupevra ebenfalls feine vechte 
Beziehung. Man fünnte daher fihreiben: Aayivav, £oızuuara 
peouaro, yEvvar, fo daß Eoızvuara peouara Appoſition zu A@- 
yivav yevvar bildete. Da aber ganz ähnliche Beiſpiele (Doeder— 
fein brachylog. p. 12 und Bernhards p. 431) mir nicht befannt 
find, und es jedenfalls etwas breit, und umſtändlich gefprochen 
wäre, fo halte ich für das rechte: 
Boozousvor Aayivuas Eoızunara gEeouara yävvas 
Bhaßsıra AoıadYmw dooum. 


378° Des Aeſchylos Drefteia 


So ordnet fich alles fehr gut; die Veränderungen find gering, und 
zum Theil auf handſchriftlicher Meberlieferung geftüßt. Daß man 
an der Vorausſetzung feft hielt, in diefen Worten müffe gefagt fein 
„die Häſin fei verzehrt” hinderte an der rechten Verbefferung diefer 
Stelle. Es bleibt mir Daher noch übrig, die Annahne zu vechtferti- 
gen, daß diefe Verſe nur fagen: „die Heinen, noch ungebornen Ha- 
fen feien von den Adlern verzehrt. Dies ergiebt fi aber aus 
ver Interpretation der Worte felbft, die Adler tödten und zerflei- 
hen die trächtige Häſin (avzoroxov nruza Hvouevoroın), 
verjchlingen aber die junge zarte Leibesfrucht (Poozouevor). Denn 
mit Abficht hat doch wohl der Dichter Die Ausdrücke fo gewählt, 
daß er von der Mutter fagt IveoIaı und nicht ABdoxeodaı ; 
und an unferer Stelle nicht RösoHal. Auch ift es ja befannt, wie 
die Adler der jungen Brut befonders nachftelfen, und nicht dem als 
ten Wilde, fo daß auch aus diefem Grunde es angemeffener iſt an— 
zunehmen, daß die Adler die Hafın nur ausweiden, und die 
junge Brut verzehren). 

Der Seher deutet diefes Zeichen auf die Zerſtörung Troja’s 
durch die Atriven Zu den betreffenden Verſen 118 sq. 

zedvög dE orgarouarrıg dw» dvo Anyuacı dioooLg 
Arosidas uayiuovs &dan Auyodalrag 

bemerft 9. Fr. P- 325 „die prägnante Nede Ivo Ayumoı dıoooug 
iſt mit Rücficht auf die Zweizahl der Adler und auf deren zweier: 
lei Farben geſagt“. Man fieht, H. Fr. bat ebenfalls an dem dıo- 
oovg Anftoß genommen, und es auf irgend eine Weiſe vertheidigen 
wollen, Mit diefer Erklärung ift aber nichts gewonnen 5; dıooovg 
enthält nur den Begriff der „Zweizahl“ und ift eben deshalb neben 
dem Ivo unerträglich. Auch die Neberfegung: 


1) Die nicht eben feltenen Darftellungen diefes Wahrzeichens auf ans 
tifen Kunſtdenkmälern beftätigen nicht die oben beftrittene Anſicht, find viels 
mehr wenn and) nicht gerade beweijend, doch unferer Erklärung näher ſte— 
hend. Auf zwei Reliefs im Daticanifchen Mufenm fieht man einen Adler auf 
einem Felfen einen Hafen ausweiden, daneben die Schlange einen Baum 
hinan fich windend, um die jungen Vögel aus dem Neft zu vanben. Aehn⸗ 
lich in einem Pompejaniſchen Wandgemälde; und auf einer Vaſe im Mu- 
seo Burbonico ebenfalls ein Adler auf einem Felfen im Begriff einen Ha— 
fen auszuweiden, während zwei Krieger in Rüſtung unten fißend dieſem 
Schauſpiel zufehen, 


von Johannes Franz. 379 


Als num des Heer's Weiffager betrachtet die beiden Atriven 
zwiefach an Muth, da erfennt' er die Hafenverfchlinger, 

giebt einen matten Gedanfen, daß der Seher num die Atriden bes 
trachtet, und dann in ihnen die Hafentödter erfennt. Will man zu 
dor die folgenden Worte Ivo Ayuaoı x. r. A. als Objekt bezie— 
ben, fo erfordert die Logik in dvo Anuaoı dıooovg einen Begriff 
zu ſuchen und zu reſtituiren, der die beiden Adler die Häfin zer— 
flesfchend bezeichne. Biel näher liegt's aber die Stelle mit Lobeck 
cef. Pers. 55 roSovAx@ Amuarı nıorovs) fo zu verbeffern: vo 
Ayuacı nıorovs. Alsdann ift das Objekt zu ıdwv aus dem Vor: 
bergehenden zu fuppliven wie fo häufig gerade idw» beim Homer 
fich findet. Man fchreibe alſo: 

xedvög dE oroarouavrıs Idwv, dvo Aruaocı nıorovg 

Arosidag ueyluovg Edun Aayodalras 

nounovg T’ aoyas. 
„Kalchas aber es gewahrend, erfannte in den beiden Atriden jene 
Haſenverſchlinger“. Falſch iſt ferner die Schreibart V. 125: wol’ 
ahanaseı ftatt uolom Aanuseı. Denn diefes Wort ft nicht nur 
fiber bezeugt und nothwendig Sept. V. 47, 531, und in Compofl- 
tis wie exAanaleı, fondern auch durch ein ausdrückliches Zeugnif 
des Eust. ad Il. 1. p. 65. 23 beftätigt: aoa yovv Aloyvim 
evonraı To Önua ywols tod « und Schol. Venet. Il. $. 178, 
Abgefeben von diefem Zeugniß, find es noch metrifche Gründe 
die Pers. V. 219 zu fehreiten heiſchen: zaroya wavgovodaı. 
Diefes Wort iſt ebenfalls fiher Ag. V. 257, Eum. 8.339. Dem: 
nach find aus dem Afchylifchen Lexikon die Worte alanaleıv und 
auavgovodar auszufheiden. Daß V. 124 dmwonindy = zul 
z:00 noazrogı B, 110 verderbt fer, iſt Mar, da die äſchyliſche 
Strenge der Reſponſion eine folche Freiheit nicht geffattet. Müller 
flug dnaronimdea vor, wogegen man geltend machen kann, 
daß attifhe Dichter nicht dieſe Auflöfung haben eSuppl. 116 iſt 
nicht fiher.) Ob in diefem Gefange, wo fo manche Beifpiele einer 
freieren, poetifchen (d. h. vom Attieismus ſich entfernenden) Spra— 
che ſich finden (zaranveisı, ayoei, Arosidas, alsıov) nicht auch 
dieſe Auflöfung geftattet fer? Dover darf man annehmen, daß ein 


380 Des Aeſchylos Dreftera 


Gloſſem das rechte Wort verdrängte, und etwa zu Iefen ıft dnwuo- 
wvgıa ‚zuvor des Volkes unendlichen Reichthum“? V. 127 ſchreibe 
man oizoı ftatt olzm. 

Nachdem zu diefer Deutung des Zeichens auf ein glückliches 
Gelingen des Unternehmens auch die für das Atrivenhaus bedenkliche 
Seite deffelben hinzugefügt ift, folgt die Epode V. 132, die in der 
Ueberſetzung des 9. Fr. fo lautet: 

Die Holde, fo Tiebreihen Sinn’s 

für zarte Sprößlinge der wilden Löwen 

und für jeglicher Thiere des Bergwald's 

noch bruftlicbende Jungen, 

wünſcht erfüllt ihr froh Wahrzeichen zu fehn im 

glücklichen, aber bedenklichen Fluge der Adler, 

Den Gott num ruf’ ich des Heils, den Päan 

Daß fie den Danaern nicht Fahrtbemmung zufende, 
und hiezu wird bemerft p. 326: „wenn zu alrei etwas hinzuzu— 
denfen ft, fo ift e8 zov Aa. Das Schieffalszeichen hat Zeus ge- 
fandt. Artemis wird von Agamemnon befeidigt. Sie verlangt von 
Zeus, daß das Zeichen vollftändig in Erfüllung gehe”. Die Webers 
fegung giebt einen bier ganz unverftändfichen Gedanken; und jene 
Bemerkung, dag Artemis vom Zeus die vollftändige Erfül- 
lung des Zeichens erbitte, was foll diefes hier? woher weiß 
Dies der Seher ? und wozu dann der gleich folgende Anruf an Apoll, 
die Schwefter möge nicht ihren Zorn gegen die Griechen äußern. 
Betrachten wir den Zufammenhang des Chorgefanges. Kalchas bat 
das Zeichen fo deuten müffen, daß es allerdings eine Vorbedeutung 
des Sieges fer, aber andererfeits auch nicht ausfchliefe, daß Teicht 
ein Unfall das Königshaus treffen könne, weil die Artemis zürne; 
und fehließt die Deutung ab mit allıvov allırov eine, od’ ev 
vızaro. Es folgt obige Stelle; dann zum Schluß ruft er den Apoll 
an, daß die Schwefter nicht durch Windftilfe die Fahrt hemmen 
möge. Was Tiegt nun näher, und was ift zugleich nothwendiger, 
als anzunehmen, daß in den dazwifchenftehenden Verſen der Epode 
auch ein Wunſch enthalten fer, der Wunſch des Sehers, es möge 
die Göttinn das Gute in Erfüllung gehen Yaffen, nicht aber das 








von Johannes Franz. 381 


Schlimme, was auch im Zeichen angedeutet if. Um dieſen Gedan— 
fen berzuftelfen, fönnte man zgavaı, wie der Med. giebt, fehreiben, 
Indeß iſt Zeus doch ver eigentliche Vollender, er von den die 
Shiffalszeigen, aber auch ihre Erfüllung ausgeht; und was foll 
man aus dem alreö machen? Kurz, das Verderbniß ſteckt eben in 
diefem aired, und nach dem oben angedeuteten Gedanfenfortfchritt 
wird das rechte fein: 
zovrov alvol Zvußora zoUrar. 

Statt des in jeder Rückſicht anftößigen oroovdav , ſchreibt H. Fr. 
antov, eine VBermuthung, die er gewiß felber ſchon mißbilligt. Es 
fragt fih, darf man an das aus der Ilias befannte Zeichen der 
Sperlinge, wie es auf den beiden genannten Baticanischen Reliefs 
neben dem Adler fich findet, auch hier denken? Ich glaube nicht, 
Denn zovurwr weift auf etwas bekanntes bin, alfo auf die Adler; 
auch hätte es, wäre jenes Zeichen vom Dichter gemeint, wenigfteng 
einer Andentung bedurft. Es iſt aber nirgendg, weder vorher, noch 
im Folgenden, deifelben gedacht. Ja was die Sache entfcheivet ift, 
daß gleich in dem folgenden B. 146 es ausdrücklich heißt: an’ 
vor dwv odıwv, womit ja doch nur die Adler gemeint fein können. 
Gar Teicht aber erklärt fih, wie diefes Wort aus der Nandgloffe 
eines Erflärers in den Tert Fam. Demnach fchreibe ich Die ganze 
Stelle ſo: 

T00009 nEQ &Vyowv a zahu 

Ö000015 KEnToıg uareowv Aeovrwv 

navıov T’ ayoovoumv QLkouaotoıg 

Inowv OPgızaroıoıy, Tegnva 

zovımv alvol Svußorla #00vau 

deäın usv zarauoupa ÖE puouera. 
Die erforderliche Lange der lebten Silbe in zeonva gewinnt man, 
indem man es auf das Subject = zer bezieht, eine Redeweiſe vie 
feiner Belegftellen bedarf. Der Hiatus am Ende ift gerechtfertigt 
durh den Schluß des dactyliſchen Syſtem's. Der Einn der Stelle 
alfo diefer: „ſo liebreich die Artemis auch fer den jungen Säuglin— 
gen der Thiere, fie möge erfreulich in Erfüllung geben (vollenden) 
Iaffen das Zeichen Diefer Adler, Den Päan aber rufe ich an, daß 


382 Des Aeſchylos Drefteia 


fie nicht Fahrthemmung ausfende ein Opfer fonder Necht und Brauch 
begehrend,, ein entfesliches Opfer (die erfte Andeutung der Opfe— 
rung der Iphigenie), woraus fchwerer Groll, Nache für das Kind 
fordernd, erwachſe“. So Kalchas Deutung, fagt der Chorz darum 
darf man wohl.fagen aidıvov alhıvov eine, To d’ ei vızaro, 
Hiemit wendet fich nun der Chor, ehe er den weiteren Her: 
gang berichtet, in Gebet an den Zeus, wer er auch fein mag, ftatt 
ihn mit dem Epitheton aAssnrroros anzurufen, an ihn, der allein 
helfen fann, an ihn den Urheber der fittlichen Weltorbnung, der 
Die rohen (rauuaym Ioaosı Pgrov) Naturgewalten (Uranos und 
Kronos) ftürzte (V. 157—160), um diefe neue Weltordnung zu 
begründen, Bei jenen Urmächten galt nur rohe Gewalt und Noth— 
wendigfeit, und dann wäre Fein Ende des Conflicts abzufehen. Aber 
diefe find befiegt. Der Sieger ift die Quelle aller fittlihen Ge- 
fege, und fein Wille iſt das Kriterium deffen, was Recht ift. Es 
lautet das ewige Gefes der Gerechtigfeit: doaoavrı nadelv, und 
diefer Satz ift für den Menfchen die Duelle der fittlichen Erkennt— 
nie. Darum preift der Chor den Zeus, als den Gott, der diefen 
feinen Willen dem Menſchen Fund getban, der den Sterblichen auf 
die Bahn des Nechts Teite. Durch die im Menfchen redende its 
nere Stimme weiß der Menſch aljo jest was Recht iſt. Und dieſe 
mahnende Stimme fihresft wegen der Strafe ab vor der vßgıc. 
Wohl eine Gunft und Huld der jeßigen Götterwelt '), die mit Ge— 


1) So, dünft mich, muß man die Worte daruovwy dE nov yagıs 

Pine oELua oEuvov jusvov veritehen. Denn-nicht ohne Kampf ift dies 
jes neue Regiment der Olympier über die alten Naturmächte begründet; 
und diefer Gedanfe, daß das Owpgoveir und yooveiv Booroüs Ödwoarr« 
hier als eine Gunft und Mohlthat der Olympier gepriefen wird, feheint mir 
das Preislied erſt treffend zu befchließen. Darum auch nicht zu billigen 
find zwei andere Erklärungen, die an ſich nicht unpaffend wären: 

deıuorwy dE noV zagıs Picıe 

oeLur 08uvor yulvom; 
„wo giebts noch eine Verehrung der Urmächte (Uranos und Kronos), die 
gewaltthätig (Prom. 215. zo0s Biev deonoosıy) regierten?“ Es Fehrte 
der Chor dann zu dem im Anfang der ayrıoro. ausgefprochenen Gedan— 
fen zurück: Jene Urdämonen find geftürzt, jest gilt nur das fittliche Regi— 
ment des Zeus, daher ich an ihn mich im Gebete wende. Dder die andere 
Erklärung „wo ift eine Gunft und Huld jener Urdämonen, die nur gewalt- 
jam regierten (rauudxp Hocos)?" Solche Wohlthat verdanft man nur 
dem Zeus; haben jene eine ähnliche Mohfthat den Menfchen erwiefen? So 
richte ich mein Gebet an den Zen, ’ 


von Johannes Franz. 383 


walt ſich diefes ihr heiliges ehrwürdiges Regiment erkämpften. Dies 
der Inhalt der Berfe 149 — 170, Es ift diefe Stelle von befon- 
derer Wichtigfeit für die äſchyliſche Theologie, aber auch für das 
Verſtändniß der Prometheustrilogie, jener großen Theodicee ver 
ethifchen Gstterwelt der Hellenen. Wozu aber, fragt man, dieſes 
Preistied auf den Zeus im Gegenfas zu den bezwungenen Urdämo— 
nen? Warum wird der Bericht über den Hergang des in Aulıs 
Gefchehenen hiedurch unterbrochen? Dürfen wir annehmen, daß der 
Dichter fich hier in feine Theologie verſenke ohne nähere Beziehung 
zur gegenwärtigen Handlung, bloß feinen veligiöfen Ueberzeugungen 
zu Liebe, und um dieſe auszufprechen dieſe Epifode eingefügt habe ? 
Wohl nicht. Ber der Erwähnung ver Iphigenie, dieſes graufen 
Opfers, fommt der Chor auf feine goorrız und wegıuva zurück. 
Denn vor nichts mehr muß der Menfch ſich hüten, als vor der 
vpgıs, und die Befürchtung, daß nur nicht durch jenes Opfer eine 
vgıs begangen fei, lag doch fo nahe. Iſt fie begangen, fo ift die 
Strafe unausbleiblich; und dies war für den fagenfundigen Zu— 
ſchauer fhon eine Hindeutung auf den Tod des Agamemnon. Daß 
daneben aber der Sieg der fittlichen Weltordnung über die voben 
Naturgewalten gepriefen ift, darin liegt ebenfalls für die Zufchauer 
die Andentung, das nicht zu einer unlösbaren Kette fih Frevel an 
Frevel, Schuld an Schuld reiben d. h. ein unlösbarer Confliet fich 
entwickeln werde, fondern nach der neuen Weltordnung, die eine 
Handlung nicht nach ihrer äußeren Erſcheinung bloß beurtbeife, fons 
dern nach ihren Motiven, eine Löſung und Verföhnung möglich fer. 
Das alte Regiment hätte nad feinem Grundfa „Blut fordert 
Blut“ feine Verföhnung eintreten laſſen können Cund fo wollen die 
Erinyen entjchieden haben). Sp wird auf eine feine und ſin— 
nige Weiſe gleich zu Anfang der Trilogie die Löſung des Conflictes 
nach der neuen fittlihen Weltordnung fchon im Voraus dem fagens 
fundigen Zuſchauer vorgeführt ). Motivirt iſt aber diefes Preislied 

1) Bedürfen ſolche Andeutungen einer Rechtfertigung gegen Tadel, 
ſo ſei bemerkt, daß ja dieſe Parodos, ſowie der Prolog den Zuſchauer auf 
die darzuſtellende Handlung vorbereiten, eine Spannung in ihm erwecken 
ſoll. Alles iſt darauf bereihnet, und manches mit Abficht nur dunkel an— 


gedeutet, was einem fagenfundigen Aihener nicht unverständlich war, und 
daher von um jo größerer Wirkung. 


384 Des Aeſchylos Drefteia 


bier an diefer Stelfe noch dadurch, daß zwifchen der erften Andeu— 
fung der DOpferung der Iphigenie und dem weiteren Berichte über 
den Hergang hiedurch ein treffender Ruhepunkt gewonnen ıft. In 
tiefer Darlegung des Zufammenhanges findet ihre Widerlegung die 
von H. Fr. gegebene Erklärung der Worte oux E70 ng00sızaoaı 
ahnv Arög x. 1. 4. nenn vergleichen kann ich nichts, wenn ich 
alles auch erwäge, außer Zeus, wenn des Denfens vergeblihe Mühe 
ich mit Recht mir bannen darf. Lin ſolches Raiſonnement „denn 
Zeus kann ich nichts vergleichen als ihn felbft, wenn ich das Den- 
fen, da ich doch nichts anderes finden kann, aufgeben darf”, wäre 
faum für den Euripives erträglich. Nimmt man dagegen mgoaeı- 
»aleıv in der Bedeutung: durch Vermuthung zur Wahrheit gelan- 
gen, heraus bringen, erfunden, fo erhält man folgenden Gedanken ; 
ich wende mich an Zeus, der allein helfen fann, in meinem Gebet, 
da ich es nicht zu erfunden vermag, 05 ich dieſe Sorge als eine 
eitfe in Wahrheit bannen darf. Ferner ergiebt fi, da der Haupt: 
nachdruf auf aAyv os Liegt (d. h. Fein anderer ald Zeus, weder 
Uranos noch Kronos), daß DB. 156 zu fihreiben iſt: 
099° oorıg naooıdEv nV ueyas, 
05 0? Eneit’ Epv x. to A. 
fo daß fih ovre.... d& entfpricht. Zu diefer Erklärung paßt nun 
auch weit beffer wie Hermann die corrupten Worte V. 158 order 
)ESnı verbeffert hat Cer überfest nemlich opem ferel) als die Con— 
jeftur des Herrn Fr. ov Asreseraı. Hermann Tieft alfo wohl: 
oUx alEEeraı noiv we. 

H. Fr. lies auch hier Hermann’s Ueberſetzung unberückſichtigt. Schließ- 
lich war nicht das untadelige nalıooodoıs V. 177 anzutaften, fon- 
dern in der oro. V. 169 Prarws in Blaıa zu verändern; dieſes 
ift aber nicht vgewaltig“, fondern „durch Gewalt”, da die gewalt— 
fame Begründung diefer ethiſchen Götterherrſchaft oben binlänglich 
angedeutet ıft (Totaxrnoog' oryeraı TuyWr V. 160; Enıvizın zAa- 
Sov B, 161). Die Ueberfesung „wallt doch vor das ſchuldbe— 
wußte Herz oft im Schlaf Seelenangſt“ giebt den Sinn der Worte 
orale Ö’ &r P Ümm no0 zuodiag yonoınyuov novog nicht 
genan, An Die Bein des böſen Gewiſſens darf man nicht 











von Johannes Franz. 385 


denken. Es enthalten diefe Worte nur eine Auslegung des obigen 
nase uadog „durch Leid, Lehrer, wie nämlich Zeus durch die 
Strafe die Menfchen zum Befferen Ieite. Und uryoınnuwv no- 
vos kann doch auch nichts anderes bedeuten, als die Angft über das 
erfahrene Leid Cund nicht über das gethane, zugefügte Böſe), die 
den Menſchen abmahnt, nicht von Neuem Fünftig Frevel zu begehen. 

Wir glaubten bis hieher den Gedanfenzufammenhang des 
Chorgefangs näher entwickeln zu müffen, weil davon die rechte 
Berbefferung und Erklärung der fehwierigen Stellen befonders 
abding. Nun folgt die einfache Erzählung des Opfers, die außer 
der Stelle V. 225—225 Feine befonderen Schwierigfeiten bietet. 
Mit Recht ift V. 190 Tor’ ftatt zod’ gefchrieben, aber falfch ift 
V. 205 Poorois ftatt Boorovg. Die Worte: Pia yarırav 7’ 
avavdım uever (B. 219) zieht H. Fr. zum Folgenden, wohl aus 
dem Grunde, um die avrıoro. mit einem Punkt abzufchließen, und 
die neue oro. mit einem neuen Gedanfen beginnen zu laffen. Das 
ber tilgt er V. 220 Ö’ und andert V. 219 7’ in d”. So verfuhr 
auch Trielin, der im Farn, ein langes metrifches und erflärendes 
Scholion beifügte. Daß man ein Strophenpaar mit einem felb- 
ftändigen Gedanfen beginnen läßt, bat feine volle Nichtigkeit ber 
den Stafima und den Parodoi, die die Empfindungen des Chors, 
fein Urtheil ausfprechen. Hier giebt die Parodos eine Expoſition, 
den Zufchauer in die Handlung des Stüds einzuführen. Sie ıft 
daher zum größeren Theil erzählend. Diefer Charakter des Chor— 
gefangs iſt feftzuhalten. Auf diefen darf man nicht die Geſetze der 
lyriſchen Stafima, die die Betrachtungen und Empfindungen des 
Chors uber die Handlung enthalten, anwenden. Einen directen 
Beweis für das Gefagte giebt V. 163 ab. Stehen doch hier vie 
beiden Strophenpaare in fo engem Zufammenhang, daß der in der 
avrıoıg. a begonnene Sag, in oro. 4 fortgefeßt wird (Zyva 
8 zov pooveliv Poorovg Odwonvra). Sy wird man auch bier 
fein Bedenfen haben, wenn die Periode der oro. in der avzıoro. 
zu Ende geführt wird. Was nun aber den Gedanken anlangt, fo 
erfcheint Die von 9. Ar. gewählte Abtheilung unpaffend. Denn der 
Geranfe „doch troß des Hemmzaums, in forachlpfer Kraft wirft 

Muſ. f. Philol. N. 5. VII. 25 


336 Des Aeſchylos Drefteia 


fie das Safrangewand zur Erde“, widerfpricht dem gleich darauf 
son der Art, mie die Iphigenie ihr Schieffal erträgt, vorgeführten 
Bild. Da ift feine Rede von einer Gewalt, fondern von der Er- 
gebung, mit der die Jungfrau fih in ihr Schickſal fügt. Hingegen 
fchließt der Begriff „mit der Zügel Gewalt“ den Satz dixav zı- 
wal00G 2...» haßelv d&odnv, orTouurog re pvlozav zaraoyelv 
pIoyyov dgalov olzoıg nicht nur paſſend ab, fondern ift auch 
durchaus angemeffen zu der oben entworfenen Schilderung dieſes 
unnatürlichen Opfers (Aıras ÖE zul zAndevas nargmWovg 2...» 
na0’ oVdEv EIevro). 

Der Chor hat erzählt, wie die Iphigenie zum Opfertode ge— 
führt iſt. In den Schlußverfen diefes Chorgefangs V. 231—235 
zieht 9. Fr. 70 zıeihov zum Folgenden, fügt ein dE nach zo uEl- 
Aov ein, wirft 70 dE noorAvsıv hinaus, ſchreibt dad yEroır' ar, 
xAveıv, verändert avrais in armıs. Auf diefe Weife wird aber 
jeder vernünftige Gedanfenfortfehritt vernichtet. Ich glaube, daß 

H. Sr: jetzt felber, bei genanerer Erwägung des Zufammenhangs, 
Hermann beiftimmt, der die Stelle ſo lieſt: 

dia dE Tois Ev nadovoı 

undeliv Eniooensı TO uEhhor. 

To nooxAvsıy Ö’ nAvoıw nooyurgerw* 

inov yao TW ngooreveim. 

zooöv yao nEeı Euvagdgov avyais. 
Hierauf begrüßt: der Chor feine Königin; fie felber beginnt mit fol- 
genden Worten: Elvayyehog u:v, WonEo 7 nagoLıa, 

Eaog yEvoro unrgög evlpoovng naoo. 

nevon de ». Tv. A. 

Dies faht 9. Fr. als Wunſch „heilverfündend fer das Mor— 
genroth. Du wirft erfahren“. Dies iſt unverſtändlich. Was foll 
diefer Wunfh? die Klytaimneſtra hatte die Botſchaft ja ſchon vers 
nommen; und für den Chor ift die Siegesnachricht ja doch er— 
freulih, wenn irgend eine. Vor Allem aber,’ wie kann an den 
Wunfh evayysrAog uEev num dag nevon ÖE angereiht werden ? 
Dies fühlte Schüß, der daher überfeste: fieri saepe solet ul me- 
liores nuntii noclu contingant. Dem Sinne nach ganz richtig, 





son Johannes Franz. 387 


denn der Zufammenhang fordert dieſen Gedanken: Morgenroth 
bringt zwar nach dem Sprichtwort gute Kunde, Doch ein Glück weit 
größer, als du es haft hoffen Fünnen, follft du vernehmen. Mithin 
ift zu ſchreiben: 

E05 yEVoLT’ EV UNTOOG EÜPOOVNG naga, 

Tantum. Da die meiften der bisher befprochenen Stellen 
der Art waren, daß die handfchriftlihe Lesart beibehalten war, fo 
mag noch einiger Verbefferungen des H. Fr. Erwähnung gefchehen, 
Die Lücke in den Verfen 941—943 tft fo ergänzt: 

zol noTuog EVIVn0gWV 
avdoog Enuioev [apro 
mokharı Ön noog] apavıov Eoum. 

Diefe Ergänzung giebt Feinen paffenden Gedanken, und ent- 
behrt jeder fihern Bafıs der Kritif, Um die Stelfe zu beffern, 
muß man ausgehen von der Antiftrophe, über deren Sinn Fein Zwei» 
fel fein fann. Der Gedanfe ift diefer: „wer feines Neichthums 
Fülle auf das Maaß zurükführt, der verfinft nie ganz in Unglüd, 
ja Zeus erfebt es durch reichlichen Segen. Doch einmal vergoffe- 
nes Blut, wer ruft es wieder ins Leben? Selbſt Zeus nicht. Nicht 
hätte er gehindert den Asklepios, der es verfuchte, den Todten wies 
der ins Leben zu rufen“. Diefe hypothetiſche Redeweiſe erfordert 
ein «v, welches vor adr' einzufeßen, gewiß Feine Bedenklichkeit hat. 
Hiemit iſt der Gedanke gut und in fich abgefchloffen. Daher ift 
der ungefchicfte Zufas En’ evlaßeie vder En’ aßrapern zu tilgen. 
Er widerſpricht der äſchyliſchen Anficht von dem werfen Negiment 
des Ordners und Lenkers aller Dinge. Müßte man fchon aus die- 
ſem Grunde jene Worte ftreichen, fo laßt ſich nun auch noch aus 
den Scholien darthun, daß fie erft ein Zufas der Byzantiner find, 
Es fteht nämlich im Farn. über V. 956 das Scholisn: rov ’Aorın- 
nı0ov yao £x2200Vvwoev dvaoınoavyra rev InnoAvrov. Dars 
unter als abgefonderte Gloffe über En’ aBraßerz ye aber @ore 
un Erı (oder zu) Praßzvar — alfo eine Erklärung des Trichin, 
der diefe feine Erklärung auch äußerlih von jenem alten Scholion 
durch Interpunction und eine neue Zeile abfonderte. Aus diefen 
Gründen dürfen mir die dvr, mit Sicherheit fo ſchreiben: 


388 Des Aeſchylos Dreftera 


ovdE Tov Ogdodan 
ov pIıusvov avaysın 
Zeic av avT Enavosr. 

Hiernah Fann man nun auch mit Wahrfcheinfichfeit die oro. 
reftituiren. Das Metrum der Evrıorg. giebt und einen Maßſtab, 
wie viel ausfiel; die Ergänzung felbft aber ergiebt ſich aus der 
Vergleichung ähnlicher Stellen. Wie man nämlich zu Zora einen 
näheren Zufag d. h. einen Genitiv erwartet, fo zeigen die Stellen 
Prom. 887 YoAesoor JE Aoyoı nralovo’ &ixn OTvyvnGg no0g 
zvuaoıv arng Eum. 534 tov noiv 0)ßov Eouartı n000- 
Barwv dixag, daß die Afıhylifche Nedeweife jene Vermuthung 
betätigt. Man darf daher mit Wahrfcheinlichfeit die oro. ſo er- 
ganzen: zal notuog EVIUn00WV 

avdoög Enaıoe [noög a- 

zus] apavıov Eoua. 

In den Worten des Herolds B, 520: 
ti d’ ov 

OTEVoVTEg, OU Aayövreg, HuaTog uEQ0g; 
verändert H. Fr. 0U Anyovres in oU Aaoxorres. Dies ıft nicht 
das rechte. Es wäre ja gar nichts Neues durch den Begriff Aa- 
orovreg gejagt, und nad) dem orevovres au durchaus matt. Der 
Herold mahnt den Chor feine Trauer und Betrübniß fahren zu 
Iaffen, und begründet diefes durch eine Vergleichung feiner Lage. 
„Ganz ohne Leiden geht es im Menfchenleben nicht ab — nur den 
Göttern iſt folches vergönnt — aber nach überftandenen Leiden muß 
man nicht mehr des Ueberftandenen und Vergangenen gedenfen und 
fih härmen, fondern des gegenwärtigen Wohlergeheng fich freuen“, 
Dies iſt die Begründung feiner Mahnung. Und ausdrücklich heißt 
es fo V. 531: 1 Tavra nevdeiv del; naporyeraı nvroç, Und 
B.536: Ti .... 10V Corıa Ö’ alyelv yon Tuyng nakıyzorov ; 
Hienach wird man obige Stelle vielmehr fo fehreiben: 

ti 0’ oV 

OTEVovTez, EU Aayovısg, NUnTog uEg0G; 
„wollte ich all dag überftandene Leid aufzählen, da würde ich, auch 
mach dem glücklichen Gelingen unferes Zuges, den ganzen Tag 


von Johannes Franz. 389 


„Hagen und jammern können; doch das the ich nicht; die Noth ıft 
„vorüber za noAla yarosır. Svupooais xurasın (V. 536), 
„Sp mußt auch du nicht fefthalten an dem alten Kummer‘. Dazır 
paßt nun auch die Antwort des Chors: vızwuevog Aoyoroıv oÜx 
avalvouaı. 

Ebenſo ft V. 1198: 

id’ &5 P9000v neoovr. dyado Ö’ auenyouaı 
die Verbefferung 17’ &s PIdoor. neoövra d’ @ö dueiwo- 
ua verfehlt. Hier hat Hermann ſchon vor langer Zeit in ber 
Zeitfehrift für Altertfumswiffenfchaft das allein richtige mitgetheilt: 
it’ &5 p9000V neoovr. &yo Ö’ au Ewouaı 
eine- Berbefferung, die H. Fr. auch anführt, aber ich weiß nicht aus 
welchem Grunde verworfen bat. 

Was die aus dem Farn. angeführten Lesarten betrifft, fo be> 
dürfen dieſe vielfach einer Berichtigung. H. Fr. hätte hier Tieber 
der Elmsleyſchen Colfation, als den ungenauen und unrichtigen An— 
gaben Wellauer’s folgen folfen. Der Farn. giebt nämlich V.7 
dtuv, 80 tornodos, 125 woro aranaseı, 169 de nov, 175 
enkoia, 187 moouoıoıv, 191 neideodaı, 194 nagdevoopayoıoı, 
195 deidgoıs, QI1 Pereı an’ ouuarog pı8l., 226 ayra,... 
avda, 243 EAnioıw, 284 alyıinkazrov, 312 voreıs mit der Öloffe 
aolrovs. Das angeführte zroı noog dednva fteht über agioror- 
ow, 315 olznuaoır, 323 zEodeoıw, 338 zvyn, 229 or (nicht 
001), 353 60°, 424 evunogpoı (nicht evVudgyws) und ExIowWg 
(nicht &yIo@r), 415 naouyyekuaoıv, 446 Eneı T', 476 in za- 
nayavıog ift x, und in deSauode das ar in eine Nafur geſchrie— 
ben, 503 ovxer’, 505 Erdazovsv, 506 nre, 586 rUyng, 624 
vavrızav 7’ Zolnıwv (alfo = Flor.), 718 ouuaoır, 755 n000- 
neı 765 üneodvoov, 766 addnv, 774 avrov, 800 Exnay- 
ykov, 835 Üwılns, 837 zul yav (nicht y7s), 865 nomoooıw 
av, evIagong &y@ (nicht avev Hagoovg), und Anderes der Art. 
Hiernach ſtellt fich affo eine weit größere Gleichheit des Farn. und 
Flor. heraus. 

Dies genüge um zu zeigen, was für die Neftitution des Tex— 
tes ſowie für die Interpretation der Oreſteia durch diefe Ausgabe 


390 Des Aeſchylos Drefteia von Johannes Franz. 


geleiftet ift, und um unfer oben ausgeſprochenes Urtheil über den 
Werth diefer Arbeit zu beftätigen. 

Es fer mir vergönnt eine Bemerkung, die ich bei der Beur— 
theilung dev Eumeniden mitzutheifen vergeffen habe, hier beizufügen. 
Zu Eum. V. 684 bemerft H. Fr. in den Noten p. 417 „ein 
Scholion zu Eur. Alcest. im Cod. Vat. 969 giebt dieſen Bers fo; 

oöto nuh.aıay dıavounv zarapdıvag”. 

Diefes bedarf einer Berichtigung. ES Yautet namlich in je- 
nem Codex zu V. 10 Alc. woraus Önkwoaus mVeoav JE wou 
Jeal das Scholion fo: worpag dmiwoas] "Aroyvrog zuusvıoı 
zoLavı’ Edouaas zul pEonrog Ev douoıg eneioag apıTovg 
eivaı PgoToVg. oVrWw nakuıag Ötavouag zarapdivas, oivo na- 
Onndimoas agyulag Yeas. Der Schreiber diefer Handſchrift fand 
alfo in dem Eoder, aus dem er dieſe Stüde des Euripides ab» 
fihrieb, entweder durch Wurmftih fchon das Wort worgag ausgefal- 
Yen oder wenigftens unlesbar; er ließ daher eine Lücke zwifchen dö— 
woıs und Ereioas. Aus diefem befehädigten Zuftande jenes Cover 
erffären ſich nun auch leicht die andern Fehler zarapdıvas, oürw, 
eivar. Aber das Tiegt doch ganz deutlich vor, daß wir hier ein 
altes Scholion haben, weit älter als alle unfere Aefchyloshand- 
fohriften. Wenn nun aber die handfchriftliche Lesart maruıag dar. 
HOVOG sun: aoyalag Feag, gegründeten Anſtoß giebt, da bie 
» Eringen bier gar nicht gemeint find, fondern nur die Moiren — 
son Denen der doppelte Ausdruf nur. darum. und doy. Feag je 
denfalls läſtig iſt —, fo ıft es um fo erwünfchter, durch dieſes 
Scholion jene Stelle herftellen zu fünnen. Es bedarf nicht anderer 
Gründe, um zu beweiſen, daß die Verſe urfprünglih fo Tauteten 
(Eum. 684. 685): 

cv 701 narlaıaz dıLavoumg zarupdıioag 
oivm naymnarmoag uoyalag Yeac. 


Nom, December 1847. Carl Prien, 


lieber die Bedentung der Un bei Ariftoteles. 


Soviel mir befannt, ift der Begriff der Ariftotelifchen © 
bis jeßt nicht monographifh behandelt worden. Die bisherigen Dar- 
ftellungen deffelben leiden an dem Mangel, daß fie die Vieldeutig— 
feit deffelben, die bei Ariftoteles fo verwirrend iſt, ohne fcharfe 
Sonderung mit hinübergenommen haben und eben darum die Auf- 
gabe nicht löſen, wie diefe Vieldeutigkeit mit der Einheit des Prin- 
cips zu verföhnen fei. Wenn ſich bei einem Philoſophen ein Begriff 
mit einer gewiffen Freiheit und Ausdehnung behandelt findet, fo hat 
die gefchichtfiche Darftellung diefes Philoſophen die Pflicht, gerade 
dies Scharf hervorzuheben; fie hat die Pflicht, das Gefchievdene genau 
zu trennen, denn nur das genau Getrennte kann wahrhaft verbun- 
den werden. Den Begriff der ©An7 diefer Behandlungsweife näher 
zu führen, iſt die Abficht gegenwärtiger Abhandlung. 

Bekannt ift es, daß die v7 nicht ein beftimmtes, feftes Sein 
ift, fondern dag diefe Relativität in ihr Tiegt, in Bezug auf etwas 
Anderes felbft etwas Anderes zu fein, wie z. B. die gleichartigen 
Theile des organischen Körpers var ver ungleichartigen, die ungleich- 
artigen UA des ganzen Körpers find. Es tritt aber die Nelativität 
und DViefveutigfeit der ©ı7 noch in einer andern Beziehung hervor, 
die es ung ſchwieriger macht die Einheit der dA als eines Principe 
zu retten. Es zeigt fich bei genanerer Anficht, daß nicht nur die 
van in ihrer Eonfreten Erſcheinung, fondern daß auch der Gefichts- 
punkt, nach dem bei der Beurtheilung Fonfreter Gegenftände verfah- 
ren wird, um das, was davon or ift, zu erfennen, ein verfchiedener 
ift, und diefe Seite iſt es, die wir näher unterfuchen wollen. 

Die ÜAn ift überhaupt Umoxeriusvov deſſen, deſſen 7 fie 
iſt. Bon den verschiedenen Verhältniſſen, Die Das Urmoxernevov zu 


392 Leber die Bedeutung der vi 


dem, deffen önozeruevov e8 ift, annimmt, heben wir zunächft hervor 
das des yEvog zur diayoge. Ariftoteles felbft nennt ven Gattungs— 
begriff an vielen Stellen UAr desjenigen, deſſen Gattungsbegriff er 
ift. met. 1054, b, 27. „Alles Verfchiedene ift entweder der Gat- 
tung oder der Art nach verfchieden; der Gattung nach dasjenige, 
veffen Ur nicht diefelbe ift und das fein Werben in einander hat, 
wie diejenigen Begriffe, die zu verfchiedenen Kategorien gehören« !), 
Wenn wir bei Ariftoteles Erwähnung desjenigen finden, „deſſen ©%r 
nicht dieſelbe ift«, fo it in der Regel das Individuelle darunter zu 
verfichen, und unter UA das Körperliche, die Materie. Ariftoteles 
nimmt eine Stufenfolge des DVerfchiedenen an: das der Gattung, 
der Art und der ©Ar7 oder der Zahl nach DVerfchiedene. Hier aber 
ift die 0A offenbar etwas ganz Anderes. Cie ift nicht nur dem 
Sattungsbegriff identiſch gefegt, fondern es werden fogar die Rates 
gurien, Ta ngwWra yEyn rov Ovrog, als vr desjenigen betrachtet, 
was ihnen untergeordnet ift. Diefe Beftimmung der CA entwicelt 
nun Ariftoteles fo, daß erſtens das yEevog nicht trennbar ift von 
feinen Unterſchieden, daß zweitens diefe Unterfchiede Beftimmungen 
des Gattungsbegriffes als folchen find, und daß drittens eben darum 
der Unterfchted fchon in fich felbft die Gattung enthält, met. 1038, 
a, 5. „Wenn nun die Gattung fihlechthin nicht iſt außer ven Ar- 
ten, oder, wenn fie ift, ald ©Ay iſt u. f. w.“ 2) met. 1058, a, 
5. „Es wird alfo an fih das Eine ein folches, das Andere ein 
folches Thier fein, 3. DB. das Eine Pferd, das Andere Menſch. 
Nothwendig alfo ift dieſer Unterfchied Andersfein der Gattung. 
Denn ich nenne Unterſchied der Gattung das Andersfein, das diefe 
felbft anders macht’ >). Dies Beftreben, das Verhältniß ver dıe- 
poga zum yEvog nicht als ein äußerliches erfcheinen zu laſſen, fin 


1) nav yag 10 dıepogov dıiapege 7 yevdı n eide, yercı ‚utv 
ov un 2orı zown ji Uln unde yEvsoıs Els dlhnia, 0iov 60wv dLko 
Oyjua TuS *arnyogias. 

5) ed o0v TO y&vos dnkos un Zotı naoa TE ws y£vovs Eid, 
7 El Zotı ‚utv Ws Und’ eotiv. 

3) Earaı dn za ur To uev to1ovdi Cor To de toovdi, 
oiov zo ur innos 10 d dv9Qwnos. dydyan Co@ ıyV dıegpogar Tav- 
ınv Eregörnre 100 yevous eiyaı. yo yao yeyovs dıapooar ETEOO- 
TNTR % ETEOOY TOLLE TouUTo «uro. 


ber Ariſtoteles. 393 


den wir ferner mel. 1024, a, 36. „Gattung wird etwas in dem 
Sinne genannt, wie die Fläche Gattung der beftimmt geformten 
Flächen iſt, denn jede Form iſt theils eine beſtimmte Fläche, theils 
ein beftimmter Körper; Dies aber iſt Das Unoxeruevov der Unter- 
ſchiede. — Dies iſt Gattung als v7; denn weffen der Unter» 
fchted und die Qualität iſt, dies iſt das Tnoxer/usrov was wir An 
nennen‘ 1). Der Unterfchied ift Unterfehied der Gattung, d. h. er 
verhäft fih nicht zu ihr als ein ovußeßnzos, fondern als eine ihr 
eigenthümliche und wefentliche Beftimmtheit. top. 144, a, 25. „Zu 
unterfuchen ift auch, vb demjenigen, das befinirt wird, der Unter— 
ſchied auf accidentelle Weife zufommt. Denn Fein Unterſchied ges 
hört zu den Accidenzen, in derfelben Nückficht, in der auch nicht die 
Gattung dazu gehört; denn nicht iſt es möglich, dag der Unterfchied 
einem zufomme und nicht zufomme” 2). Zwar forscht Ariftoteleg 
bier nicht ausdrücklich von dem Verhältniß des yEevos zur dıapoga, 
fondern von dem Verhältniß einerfeits des yEros, andererfeits der 
dıapoga zur ovora. Wenn aber beide, für fich genommen, in 
feinem aceiventellen Verhältniß zur ovorz ftehen, fo fann auch ihr 
gegenfeitiges DVerhältni Fein aceiventelles fein. Vgl. außerdem an. 
post. 06, D, 35-97, a, 14. — Wenn nun das Verhäftnif des 
yEvog zur deapoga ein fehlechthin immanentes ift, fo fagt Ariftotes 
les mit Recht, daß der letzte Unterfihted die höheren Unterfchiede 
und die Gattung in fich felbft enthalte, met. 1038, a, 19. „Klar 
ift, daß der Teste Unterfchted die Wefenheit und Definition der Sa- 
ehe ift, wofern man nicht vielmals daffelde in den Begriffsbeſtim— 
mungen fagen fol“ 9. Hier legt Ariftoteles für die Beftimmung 


1) &tı dE ws 10 Eninedov av Oynuctov yEvos 1uv Enınldoy 
zei 10 O1EgE0V Tov DTEQEWV: E2a0T0y yao Twrv Oynudıwv 10 ‚utv 
eninedov ToLovdt, 10 de G1EgE0» gotı toovdi. Toüro 0’ Zori 10 Uno- 
zelusvor TaIs dıegogaks. — — 10 ws Üly: ou yao 7 diepogd 
zai 7 noıöTns Eoıi, Tovı’ Lou 10 Unozeiusvoy, ö heyouer Ülnv. 

2) oxoneiv ÖE zei el zara ovußeßnzös üngoyei 10] ögıLouero 
7 diepoge. ovdeute yaQ dıepoge Toy ZaTE ovußeßnxos un eoyörrov 
foti, zadaneg ovdE 16 yEvos: ob yag Erdigeres nv dıryoo«y ündg- 
XSA Tıvi zoi un Undoysw- 

3) pavegov orın te)eurela diaypoga 7 ovale toũ nodyuaros 
EoTaı zwi 6 6g:0u0S , EinEQ u dei nolkdzıs TeiTe Aeyeıy Ev Tols 
80015: 


294 Ueber bie Bedeutung ber vn 


ber ovoi@ das meifte Gewicht auf die duapooe, doch nur, infofern 
in biefer die Gattung fchon mitgedacht wird. Denn andererfeits 
behauptet er wieder, daß die Gattung in höherm Grade das zU Eorı 
ausdrücke, als die dıapoge. top. 128, a, 23. „In Bezug auf die 
Angabe des rd Eorıv ift es geeigneter, die Gattung zu nennen, als 
den Unterſchied. Denn derjenige, der den Menfchen Iwov nennt, 
macht deutlicher, was der Menſch ift, als der ihn neLov nennt‘) *), 
top. 144, a, 15. „Wenn num die Es Gattung der Tugend ift, 
fo iſt Har, daß das Gute nicht Gattung fondern vielmehr Unter 
ſchied ift. Ferner bezeichnet die EErs, was die Tugend iſt, das 
Gute aber nicht, was fie ift, fondern wie befehaffen fie iſt; es 
fcheint aber der Unterfchied ein Dualitativeg zu bezeichnen‘ 9. Das 


1) zarte ınv ToÜ 1 Zorıv dnödooıw uähkor dguörreı 10 yeros 
7 Tnv dıayooav elneiv: 6 yao LWov Eines Tov Ev9ownov udk.ov dn- 
koi 1l £otıv 6 avdownos n 6 nelör. 

*) Es ſei mir geftattet, zu dem Vielen, was über den Unterfchieb 
bes zZ &otı und Ti mv Eivar bereits gefchrieben ift (Trendelenburg, 
Nhein. Muſeum, 1828, 4, 457—483; zu de an. p. 192 ff. 471 ff.; 
und Gefchichte der Kategorien, P- 34 f. Bieſe, Bhil. des Arilt 1, 
243, 366, 427. 1, 35. Heyder, Fritifche Vergleihung und Darjtellung 
der Arift. und Hegelfchen Bhilofophie, I, p. 251 fe. Kuehn, de notionis 
defin. ap. Ar. p. 6 sq. Rassow, Arist. de not. defin. doctr. p 54. 
Waitz zu Organon, 67, b, 12. 94, a, 11. Schwegler zu metaph. IV, 
369 sq.), noch Weniges hinzuzufügen. Der Ausdruck 7 Ti nv eivaı be: 
zeichnet feharf und beitimmt den immateriellen Begriff, der Ausdrud zi 
&orı läßt eg unbeitimmt, ob die odoi« ohne Materie oder mit Materie zu 
denfen fei. Die Schriften des Ariftoteles find, wie ich glaube, nicht von 
ein und demfelben fertigen Standpunfte aus gefchrieben, fondern es verräth 
fi in einigen, wie in den logifchen Schriften und namentlich in den Ka— 
tegorien, ein jüngerer, weniger entwickelter Standpunft, als in der Meta- 
phyftf und den phyfifchen Schriften. Hätte Ariftoteles zu derZeit, als er die 
Kategorien fchrieb, fchon ein deutliches Bewußtfein von dem Gegenfat 
zwifchen eddos und An gehabt, fo hätte er diefen Gegenfab bei der Be— 
handlung dieſes Gegenftandes nicht unberücfichtigt laſſen können. Diefer 
Anfchauung, der der Gegenfaß noch nicht zum Bewußtfein gefommen if, 
gehört der Ausdruck zi Zorı an, wie er fih denn auch namentlich in den 
Kategorien als gleichbedeutend mit der ovor« findet, während das Ti yv 
eivaı in diefer Schrift gar nicht vorfommt. Der fpätern höhern Anfchauung, 
die auf den Gegenfab zwifchen Form ünd Materie refleftirt, gehört der Aus— 
druck TE nv even an. Wie es denn aber gefchieht, daß die weniger Flaren 
Vorſtellungen und Ausdrucksweiſen einer früheren Periode des Bewußtſeins 
fich felten ganz verdrängen laffen, fo findet fich denn auch in den fpätern 
Schriften 72 Zore, obfchon eg, weil feiner Natur nad) unbeftimmt, eigentlich 
verbannt werden müßte. Wo es aber dem NAriftoteles darauf anfommt, den 
immateriellen Begriff ganz feharf hervorzuheben, braucht er den Ausdruck 
U nv eivaı. 

2) ed oü» u Efıs Tag dgerns yEyos, Önhoy Orı teyasoy 00 yEyos, 


De nn ER 


er“ 


* 


—— Eee a el 


ö SEE SERBIEN 2 Dos 3 


bei Arıftoteles. 395 


yEvog ift alfo im Gegenſatz gegen die dınpoge das Gubftantielfe, 
das Unoxeiuevov. Nun kann es aber zweifelhaft feheinen, ob das 
yEvog das Önoxeiuevov des Eldog oder der dıiayogur' fein foll. Hält 
man den Begriff des Ünoxerusvon ſcharf feft, fo ergiebt ſich, daß 
es wohl nur als Önozeruevov der deapoga! gefaßt werben kann, 
und daß diejenigen Stellen, in denen die Gattung als Ünoxeiuerov 
deffen geſetzt wird, deſſen Gattung fie ift, auf einer Ungenauigkeit 
des Ausdrucks beruhen müffen. Vielmehr finden wir das Eidos ale 
Unoxsiusvov des yEvog ausdrüdlich bezeichnet cat, 2, b, 17. „Wie 
fih die erften ovoraı (das Individuelle) zu allem andern verhalten, 
fo verhäft fih auch die Art zur Gattung, denn die Art iſt Vnozer- 
uevov der Gattung, denn die Gattungen werden von den Arten 
ausgefagt, nicht aber die Arten von den Gattungen‘ ). Dem würde 
es geradezu widerfprechen, wenn an andern Stellen die Gattung 
als Subftrat der Art aufyefaßt wurde. Es wiverfpricht aber nicht, 
wenn fie als Subftrat der Unterſchiede geſetzt wird. 

Wir haben hier alfo als © gefest die Onttungsbegriffe, 
höhere und nievere. In gewiffen Sinne fünnten wir aud) die Ma- 
terie bieber ziehen. Denn die Materie, gedacht als das allen Kör— 
pern Gemeinfame und an ſich Formloſe, iſt offenbar Gattungsbegriff 
der beftimmten mit Materie behafteten Körper, infofern bei diefen 
an feine andere Beftimmtheit, als an die der materiellen Unter: 
fchiede gedacht wird eben fo fehr, wie das Dreieef, ohne nähere 
Beſtimmung gedacht, Gattungsbegriff der gleichfeitigen, gleichſchenk— 
ligen Dreiede u. ſ. w. iſt. Etwas Anderes ift aber die Materie, 
infofern fie als das zur Verwirklichung der Kormbeftimmtheiten dies 
nende GSubftrat gefegt wird. In diefem Sinne ift fie nicht Gat— 
tung, denn fie gehört nicht dem zu Eorı an, fomit auch nicht, in: 
wiefern Gattung, Ar. Inwiefern fie in diefem Sinne ausdrücklich 
als das Hyliſche hervorgehoben wird, werden wir weiter unten ſehen. 


FAR) udhkov dıegooa. Erı y utv eis dl for Onueiysı n doeın, T0 
d’ eyagor ob l Eorıy Elke nor: doxei d’ 7 diagoo« Ks Tı O7- 
uaiveıy. 

1) [023 de ye ei ng0TeL oiolaı mo0s 1@ alle reyra !yougıy, 
oiTw zei 10 Eidos zgös To „Evos Eye: Ünizeıar yag ro Eidos ı@ 
yeran a utv rag „ven zar« TWy “eldar zernyootiiwı, 1a dA eidn 
KuLk TWy JErDy 0Ux ayrıorolpeı. 


396 Neber die Bedeutung der dA 


Die Anſchauung der din als yEvos Liegt, zwar nicht aus 
drüclich ausgefprochen, aber doch dem Wefen nach unverkennbar, in 
der Konftruftion der Prineipien vor, die Arifioteles im erften Bud) 
der Phyſik und im dreizehnten der Metaphyſik, abweichend von der— 
jenigen, die ald vorzugsweiſe geltend fich darftelft, unternimmt. Er 
ftellt Hier drei Prineipien auf, das &2dos, die oronoız , das Öno- 
xeiuevov. Diefe, fagt er, find in ven verfchiedenen Dingen ver- 
fchieden. Faßt man nun das Unozerusvov als ein Beftimmtes, 
Konfretes, das nur relativ aogıorov ift, fo läßt fich das Verhält- 
niß des vnozeiuevov zu den Evarrioıs allerdings als ein mehr 
außerfiches vorftellen. Inſofern fie aber Principien find, iſt das 
Unoxeiuevov als reines Unoxeruevov, find die Evavıla als reine 
evavria zu denken. Und auf diefem Punkte wird diefe Anſchauung 
ſchlechthin identiſch mit der einer höchſten fich in fich unterfcheiden- 
den Gattung. Denn wo evavria find, muß ein Gleiches fein, da 
Entgegenfegung ohne einen Punkt der Vergleihung unmöglich ift. 
Nun ift aber nichts weiter zurücfgelaffen, ald das önoxeinevor und 
die evarrıa. Außer diefen Dreien kann das Gleiche und Gemein- 
fame nicht fein, folglich muß es das vnozeiuevov felbft fein. Folg- 
lich ift das unoxeruevov der Gattungsbegriff der evarıln. Es 
ftügt fih alfo unfere Anficht 1) darauf, daß wenn ein vnoxerue- 
vor und zwei Evrarrız Prineivien des Seins find, fie als Principien 
in ihrer Abftraftion gefaßt werden müffen, d. h. als reines Uno- 
»eluevov und reine Evavria, 2) darauf, daß Feine Entgegenfekung 
ohne Gleichheit gedacht werden Fanı, Somit müßte dieſes Gleiche 
entweder noch als ein Viertes außer dem vUnoxeiuevov und den 
evavrioıg gefeßt werden, oder das Unoxeiuevov muß felbft diefes 
Gleiche fein, oder endlich es wäre in den evavrloız felbft noch der 
Unterfchied des Entgegengefegten und des Gleichen verftecft, in wel- 
chem Fall fie aber nicht reine Principien waren. Ariftoteles ſelbſt 
werft übrigens auf diefen Zufammenhang hin, met. 1055, a, 27. 
„Das in derfelben Gattung am meiften Verſchiedene iſt das Entge— 
gengefegte, und das in demfelben Aufnehmenvden am meiften Verſchie— 
dene ift entgegengefeßt, denn das Entgegengefeste hat dieſelbe van" ). 


1) 1& &y talıp yeykı aleioroy dinpegoyra ravayıla ueylory 


bei Ariſtoteles. 397 


de gen. et corr. 324, b, 6. „Den wir fagen, daß für das Ent- 
gegengefeßte auf ähnliche Weiſe diefelbe vAr tft, als vb fie Gattung 
wäre‘), Daß Entgegengefeßtes diefelbe vr oder diefelbe Gat— 
tung habe, wird hier als ganz gleichgeltend betrachtet. Ob etwas 
Unoxstuevov oder yEvos der Evovıla fei, ſcheint nur ein formelfer 
Unterfchied zu fein; das Erfte bat einen mehr metaphufifchen, das 
Zweite einen Iogifchen Klang. 

Nachdem wir gefehen haben, wie Artftoteles die Gattung als 
das Hylifche faßt, geben wir zu einem zweiten Verhältniß über, in 
dem fich der Begriff der %An darftelltz es ift das der Theile oder 
Elemente (uEon, oroıyeia) zum Ganzen (0Aov, ovvFeoıg). „Der 
vn gleichen die Elemente‘, de an. 410, b, 11 2). Ob ver Be 
griff des ororyEdov fo frenge zu befchränfen fer, wie wir es 5. B. 
met. 1014, a, 26, de gen. an. 715, a, 8 und de coelo, 302, 
a, 15 finden, laffen wir dahin geftellt fein. Doc Tegen wir auf 
die Beftimmthert, mit der fich Artitoteles in der letztern Stelle aus» 
fpricht, einiges Gewicht. „Element der Körper fer alfo dasjenige, 
in das die andern Körper getheift werben, fei e$ dem Vermögen 
oder der Energie nach in ihnen enthalten, denn dies tft noch zwei— 
felhaft. Es ſelbſt aber ift der Form nad untheilbar in Beftand« 
theile, die der Form nach verfchteden find. Denn fo wollen Alle 
und in Allem den Begriff des Elements beſtimmen“ 2). Nur 
darauf machen wir aufmerffam, daß an andern Stellen, z. B. de 
gen. an. 715, a, 9 die Theile (wor) ald vr bezeichnet werden *), 
in Bezug auf diefe aber unferes Wiffens ſich eine fo enge Befchran- 
fung nicht findet. Megog wäre fomit als der weitere, oroıyelov als 
7— engere Begriff, beides aber als Un, zu faſſen. de an. 411, 

5 Scheint es, als ob das die oror eb Vereinigende reine Eins 


yao dıeyooe Tovıwv ä TELELOS. zei 1a Ev TaiıD Jerry nAsioToy 
dıep£govıe evarıia A yag UÜnn eu Tois Evayloıs. 

1) uv utv yaQ Ühnv AEyouer Öuolwg ws elneiv 179 av 
eiyaı TOV dyrizeiutvov Ömoregovovy, WOrEO yEvos öry. 

2) öl yao Foıze 1a yE GTo1yEig. 

3) EoTw on OToLYEIOV Tv OWwudTtwv, eis 0 alle Owurte 
dıiaioeitaı, Ev undoyov duydusı mn Evsoyeig: tovTo yag not£eows, Er 
dugpıoßnıijouor. euro d' Eoriv adınigeror Eis EIEOR TO EldEL: TOLod- 
Tov ydo rı 10 ro1yeior ünavtes zei Ev Knaoı Bovkovreı AEyEıy, 

4) Uhn roig woıs Ta ueon. 


398 Ueber die Bedeutung der UA 


beit fer, wonach die beftimmte Qualität der Sache auf die Seite 
der uaeon fallen würde. „Es nennen Einige die Seele theilbar, 
und daß fie mit einem Theile denfe, mit einem andern begebre. 
Was nun hält die Seele zufammen, wenn fie theilbar iſt? Doc 
nicht der Körper, denn es feheint umgefehrt die Seele dem Körper 
zufammenzuhalten. Wenigftens vergeht und verweit der Körper, 
wenn die Seele entflohen iſt. Wenn nun ein Anderes fie eind 
macht, fo ware dieſes vorzugswerfe Seele. Aber auch von diefem 
wird wieder zu unterfuchen fein, ob es eins oder theilbar iſt. Denn 
wenn eins, warum ift denn nicht auch fihon die Seele eins? Wenn 
aber theilbar, fo wird wieder zu unterfuchen fein, mas Jenes zus 
fammenhält, und fo ins Unendliche fort”). Diefem Gedanken, daß 
das Ganze oder der Begriff der Sache reine Einheit ſei, entfinnen 
wir uns fonft nicht im Ariſtoteles begegnet zu fein Auch iſt es 
möglich, daß Ariftoteles an diefer Stelle nicht die begriffliche, ſon— 
dern die reelle Theilbarfeit im Sinne hat, und daß er die Einheit 
der Seele fo vwerfteht, wie er met, H, c. 6 die Einheit des Des 
griffes erflärt. — Ohne nähere Beftimmung, blos als Vereinigung 
son Beftandtheilen zu einem Ganzen finden wir das Verhältniß 
häufig vorgeſtellt, z. B. met. 1070, b, 14. de gen, an. 715, a, 
8. Solche Stellen beweifen aber natürlich nichts. Dagegen fin» 
det fih an andern Stellen hervorgehoben, daß es doch nicht bloße 
Bereinigung fei, fondern daß es wefentlich darauf anfomme, was 
für eine Vereinigung es fei. de p. an. 642, a, 18. „Empedofles 
wird genöthigt zu fagen, daß Wefenheit und Natur der Begriff fer, 
z.B. wenn er den Knochen definirt, denn er definirt ihm weder ald 
eins der Elemente noch als zwei oder drei oder alfe, fondern als 
Begriff ihrer Mifchung” 2). top. 150, b, 22. „Ferner wenn die 


1) AeyovoL In Tiveg uEgLo1yV auenv, zai Eh utv vociv, allm 
Ö — 1t ou» dy notre ouräge TnV ‚buynv, el uegıorn ne 
yuzev; oV yao dn 10 yE Owue. doxsi yao Tolveyrior ua)kov 7 urn 
70 0wu@ gurägew' FEEAdoVonS yoöv drenveitwı zai onneıaı: el our 
&teooy Tı ulev auryv noıti, &xeivo uakıar av Ein wugn. denası de 
zei nalıy xdxeivo Snıeiv , 1018007 vn moluueges- ei er yao &y, 
din Ti oVUr &uIEwS zei n wuyn ev; ei de uEg.0TOV, nakıy Ö „Aoyos In- 
17081 Ti ıo ovr£&yov ExEivo, #@i 0070 dr 10081019 Erti TO EnEıgoV. 

2) —— ÖE nov airn zei Eunedozrhis negınintei, „eyoue- 
vos un’ wüıng zig ahmdeias, zui ı7v OVOLey xai nv yloıy Ayayzd- 


bei Ariftoteles. 399 


Art und Werfe der Zufammenfesung nicht beftimmt ıft. Denn zur 
Erfenntniß genügt es nicht zu fagen: es befteht aus diefen Theifen ; 
denn für ein jedes der zufammengefegten Wefen iſt nicht Das raus diefen« 
fondern das »fo aus dieſen/ Die Wefenheit, wie ber einem Haufe; denn 
nicht auf jede Weiſe zufammengefest, ft es Haus’ '), top. 151, a, 20. 
„Wiederum wenn das Ganze als die Vereinigung dieſer Beftand- 
theife angegeben ift, 3. B. das Thier als die Vereinigung von Geele 
und Körper, ſo iſt erfilich zu unterfuchen, vb gefagt ıft, was für 
eine Bereinigung, wie wenn Fleiſch oder Knochen als die Zufam- 
menfügung von Feuer, Erde und Luft beftimmt iſt. Denn es ge— 
nügt nicht der Begriff der Zufammenfügung, fondern es iſt auch zu 
beftimmen, was für eine. Denn nicht auf jede Weiſe zufammen- 
gefügt, find fie Fleiſch, fondern fo zufammengefügt: Fleiſch, fo: Kno— 
chen‘‘ 2), met. 1002, b, 16. „Daß aber nicht die Zahlen Wefen- 
heiten und Grund der Geftalt find, ift Far. Denn der Begriff ift 
Wefenheit, die Zahl v7. 3. B. in Bezug auf Fleifch oder Kno— 
chen iſt Die Zahl fo Wefenheit: drei Theile Feuer, zwei Theile 
Erde. Und ftets ıft die Zahl in Bezug auf Etwas, entweder feu- 
rige oder erdige oder monadifche Zahl. Aber die Wefenheit ift das 
Spyiel zu Soviel nad der Mifchung. Dies iſt aber nicht mehr 
Zahl, fondern Berhältnig der Miſchung körperlicher oder anderer 
Zahlen‘ 5). Das heißt: die drei Theile Feuer und die zwei Theile 


leraı yparaı zov Aoyov eivaı, olov garoür dnodıdous Te £orıy » oürte 
yao &v Tı TOV grontstor Aeyeı auro oVTE dvo 7 Toi« oVTE NEYIE, 
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elonzE 710: Vürdeais , zaddrteg & 04020 ögıLouevos 2 Sorody anv 
nuoös zai yis za GEOOS ELLE ENTER oÜ ya Enöyon 10 oUyYEoıy 
eineiv, ahıa zei oia Tıs mooodıogı or&ov: oÜ yao dnwooUr Ovrıe- 
HEvıov Toutwy 008 ylveraı, AAN 0UTWOl uty OvrTeseytov 0008, oÜ- 
wol d coroVr. 

3), ori de 0U% of oıduoi oVoiaı oUdE Tjs uooyns ainon, dn- 
kov* Öö yao Aöyos N oücie, 6 Ö' Egg Un. oiov GRgrös 7 soTou 
dgusuos ; oVcie oVım* Toid avgös, ‚yis de duo: zei dei ö dgudung 
üs er n tırar Eotiv, 7 nögwos 7 ynivos 7 wovedırös. dAh ı) olgta 


400 Neber die Bedeutung der vAn 


Erde find vAn des Ganzen; dies‘ Verhältniß von Drei zu Zwei 
aber sft die Wefenheit der Sadıe. 

Daß die ©%n, als eine Vielheit von Elementen angefchaut, 
verfehieden ift von der 97 als Gattung, ift Mar. Zu Elementen 
fann die © erſt werden, wenn fie vorher als Gattung oder als 
unbeftimmtes vnoxeruevov beftimmt worden, wie wir dies auch von 
Ariftoteles geltend gemacht finden met. 1070, b, 11. „Wie viel- 
leicht Anfänge der finnlichen Körperwelt folgende find: als Form— 
beftimmtheit das Warme, als Privation das Kalte, als VA dasje- 
nige, was dem Vermögen nach) an fih und unmittelbar dieſes iſt; 
diefes aber fowohl als das aus diefem Beſtehende, deffen Anfänge 
fie find, ıft Wefenheit, etwa wenn aus Warmem und Kaltem Eins 
wird, 3. B. Fleifch oder Knochen‘ '). , Hiermit halte man zufam- 
men de gen. et corr. 314, b, 17. „Die naIn find die Unter» 
fihiede der Elemente, ich meine z. B. das Warme und Kalte‘ ?), 
de gen. el corr. 329, a, 5. „Daß man nun Necht hat, das Er- 
fie, aus dem durch Veränderung, fer es durch Vereinigung oder 
durch Trennung oder durch irgend eine andere Veränderung, Entfte- 
ben und Vergehen ift, Anfang und Element zu nennen, fei ausge» 
macht. Aber diejenigen, welche außer dem Genannten eine, für 
perliche und für fich feiende %%7 annehmen, find im Irrthum. Denn 
es iſt unmöglich, daß diefe, wenn ein finnlicher Körper, ohne Ge- 
genfag fer; denn notbwentig muß dies Unbegränzte, wovon Einige 
fagen, daß es Anfang fer, entweder Leicht oder ſchwer oder kalt over 
warm fein. — Wir aber behaupten zwar, daß eine ©Ar der finnli= 
chen Körper fei, aber diefe nicht für ſich feien, fondern ftets mit 
einem Gegenſatz verbunden, aus dem die fogenannten Efemente- ent» 
ſtehen. Da jedoch auch auf dieſe Weife aus ver öA7 die erften 


20 1000v0' sivaı noos TOOovde zuıa ımv uisıw: Toito I oVxetı doıd- 
wos ZUR Aöyos uisens aoıdusv Imuauzav 7 ÖnoLwvoUr. 

1) oiov laws Tov alodırav GoMAiTDOV @s uev &idos 70 FE0- 
nor zul @hkov zoönov 70 voor Ü 01Eo701S, Ükn de zo duyausı Taüte 
ngwrov 2a auro, oVoleı de TeUTE TE zui 1a dx — ur doyai 
TRUTE, 7 &i UI &x FEouoU zai wuxgoV yiyveraı Ev, 010V oaos 7 6oToÜy. 

2) za yao nd9n, 209 & ‚yeusv 10010 Ovußaivev, dıapooai 
Tor Groiyeiov elotv. AEyo d oiov JEguov wuygor, JEUROV utkav, 
Froov Üyoor, urkazor GHlngor zei Toy Eehhoy Ezacıor. 


bei Ariftoteles. 401 


Körper find, jo ziemt es und, auch über viefe Näheres zu beſtim— 
men, indem wir glauben, daß Anfang zwar und erfter Anfang die 
© fei, die untrennbar und ven Gegenfägen zu Grunde liegend ift; 
denn weder ift das Warme vA7 dem Kalten, noch diefes dem War- 
men, fondern das beiden zu Grunde Legende. So daß zunächft 
Anfang ift ter dem Vermögen nach finnlich wahrnehmbare Körper, 
fodann der Geyenfaß, z. B. Wärme und Kälte, endlich Feuer, 
Waffer und die fo befchaffenen Dinge”. Nachdem nun Ariftoteles 
gezeigt bat, daß alle urſprünglichen Beftimmtheiten der Körper ſich 
auf vier noch urfprünglichere zurückführen laſſen, führt er fort: 
„Klar iſt nun, daß alle anders Unterſchiede auf die vier erſten zu— 
rücgeführt werden, dieſe aber nicht mehr auf eine geringere Zahl. 
Denn weder iſt das Warme eine Art des Feuchten oder des Trock— 
nen, noch das Feuchte eine Art des Warmen oder des Kalten, noch 
das Kalte und Trockne einander oder dem Warmen und dem Feuch— 
ten untergeoronet, fo daß nothwendig diefe vier es find‘). Nimmt 
man nun doch zu dieſen Stellen Diejenigen, in denen, wie de gen. 
an, 715, a, 8 folgende Gliederung gemacht wird: Die oToıyeli« 
find 027 der gleihartigen Theile, diefe wiederum ©%7 der ungleich 


1) örı uv oüv T@ nowta dozas zei OToryEie ‚zuhös Eye hE- 
yEıy, £oTw Ovrouoloyouuevov, £E wv ustaßakkörıor n zaıc GUyxgı- 
ou zei dizoio 7 zaı' dklmv ucıaBohnv guußadreı ‚yereoıv eiyaı 
zai y9oodv. dh) ol utv noürıes ulav Uhny 1ao@ Ta elgnu£va, 
ıauıny de Souarızıv zei ywyıoryv, dueordvovoıw' ddiyaror ‚y@Q 
dyeu EvavTiscensg eiv @ı 10 Toue ToUTo alo9nrov öv: mn yao xoũg ov 
7 Beov nm Ypuggör n Heguor Eerayzn Eivaı 10 dnEı0ov Toi10, Ö AE- 
yovoi TIyEs eivar Tv Goyiv. — — nusig dE yauser uev eivai Tıya 
Uknv- ruy Gwudıwy Toy «lodıTor , dhhd Teutrv 00 4wgLornv all? 
Bei usı EVvaruıwaeas , &5 NS yiveıan Ta zahouurve oToLyEie. diwor- 
oe dE neoi edıwv Er Ei&cors dZONBETTEOOY. ob unv all eneıdn zai 
7ov Tgönor zoürov Eotıy Ex Ts Ühns Te OWuere 1@ ngWTe, dıogı- 
oTEoy zei n1egi 100TWwV , doynv utv zei noWrnv olouevoıs eiyaı Inv 
ühnv 1mv dyugıoror uev, Unoxeuuernv de Tois &rayrioıs: olTE yao 
To HEquor 547 16 Yvyo® oütE TovVro 10 JEQup, dh TO ‚un oxeiusvoy 
qugoiv. WOTE nowWıovy utv 10 Jurdus Gou@ aloInıov doyn deure- 
00V d ei !varıımosıs, Ayo d’ oior 9eouoıns zei puygörns, 1oiroy 
d’ 7dn nüg zei UÜdwo zai 1a Towüre. — — dnkov Toivuy bl naceı 
ei akkaı die pogei dydyovrau eis 105 ngwıas Terragas. auraı dE 
olzen es eharrous' oU1E yao 10 FEguor Öneg, üygov n OnEQ Engir, 
ou TE 19 dy cor öngo Hguov * ‚orreg vuyoor, oUTE 10 Yuz00r rail To 
022 ee ehhnhe 0U# Uno 10 HEouor zei 10 Öyoov Ego: wor 
arayan TeITEgRS Elyaı TAUTaS. 


Muſ. fe Phil. R, J. VIl. 26 


402 Ueber die Bedeutung der UA 


artigen, diefe endlich vAn des Ganzen '), fo würde ſich Folgendes 
als Grundgedanken ergeben. Die ®ı%n in ihrer princiviellften Faf- 
fung ift höchſte Gattung, unbeftimmtes, leeres Önozerusvor. Dur 
ihre Verbindung mit den oberfien Gegenfägen, dem Warmen, Kal- 
ten u. f. w. entftehen die ororzeia. Nun find diefe wiederum vAn 
für umfaffendere Berfnüpfungen, nnd fo fort. Hätte ſich Ariſtote— 
Yes die Bereinigung diefer beiden Formen des Hylifchen Verhältniſ— 
fes fo gedacht, was wir indeß um fo weniger beflimmt zu behaupten 
wagen, da Ariftoteles die höchſten Gattungen nicht in den materiel- 
Yen, fondern in den ideellen Urgrund, d. h. in die Kategorien, zu 
feßen Kiebt, fo würde doch jedenfalls die Richtung in der Entwicke— 
Yung des Hyliſchen Prineips verlaffen worden fein, Beginnen wir 
mit der vn als Gattung, und erzeugen durch die Gelbfterfüllung 
der Gattung zunachft die Elemente, fo müßten, wenn wir in berfel- 
ben Richtung weiter gehen wollten, dieſe wiederum, ein jedes für 
fih, als Gattungen gefegt werden, und fo fort. Oder wir müßten 
gleich von vorn herein mit der Nielheit der Elemente anfangen und 
daraus die verſchiedenen möglichen Combinationen bis zu den leßten 
und abfihließenden bilden. Die Einheit der Richtung wäre alfo je- 
denfalls aufgegeben, und dies ft es, was wir am Anfang unferer 
Abhandlung die Verfhiedenheit des Gefichtspunftes nannten, nad 
dem die oA jedes einzelnen Dinges zu erfennen fei. Nachdem wir 
diefe Löſung des Problems, wie die Vorftellung der v7 als Gat- 
tung mit ihrer Borftellung als ororyeia und uegn unbefchadet der 
Einheit Des Prineips zu vereinigen fei, ohne fie indeß — wir Wies 
verholfen es — zu der unfrigen zu machen, angedeutet haben, haben 
wir noch eine zweite Bemerkung zu machen. Wir fahen oben, daß 
die bloße Einheit als das der Vielheit der Elemente Entgegenge— 
feste dem Ariftoteles nicht genügt; was für eine Zufammenfügung 
es fei, foll beftimmt werden. Aber Ariftoteles geht noch weiter. 
In den Begriff des Ganzen tritt außer dem Begriff der Einheit 
und der Elemente noch etwas ganz Neues, die ororzei« werden ihm 

1), Üln tois Cwoıs 1« ueon, reyri ur 10 34 T« Erouoıouegn, 


ois O AVOUDLOULEDEOL Ta ouo1ouEgn, zovrorg dt 1G zahoVuera OTOL- 
xeia wur Owudtwr, 


bei Arıftoteles, 403 


- aus dem Ünoxeiuevov einer einfachen Einheit zum ezozeiuevov 
eines vollftändigen aus yevog und dıapoo« beftehenden Begriffs. 
Hiermit iſt ein ganz anderer Ausgangspunkt gegeben, oder vielmehr, 
es iſt zu dem erften materialiftifchen ein anderer ideeller hinzuge— 
fommen. Der Weg, von unten hinauf durch immer neue und hö— 
here Kombinationen zu neuen und höheren Geftaltungen zu kommen, 
ſcheint in feiner Ausfhließlichkeit verlaffen zu fein. Zum mindeften 
ift anzunehmen, daß das Prineip des Verftändniffes und der Auffaf- 
fung der lebendigen Natur dadurch ein anderes geworden tft. mel, 
1043, a, 14. ‚Beim Definiven des Haufes z. D. fagen die Einen, 
es fer Stein und Holz, und geben fo dasjenige an, was dem Ver— 
mögen nach Haus ift, denn dies ift 0%7. Die Andern nennen es 
einen Raum zum Schub für Perfonen und Sachen, vder irgend 
auf ähnliche Weife, und geben die Energie an. Andere endlich, 
dieſes beides verbindend, die dritte und aus diefen beftehende We— 
fenheit. Denn es fcheint De Definition vermittelft der Unterfchiede 
der Form und Energie anzugehören, die aus den Beftandtheifen der 
öhn Y), met, 998, b, 12. „Denn der Begriff der Wefenheit ft 
einer; verſchieden aber ift die Definition dur Die Gattungen und 
die Definition, die die Theile angiebt, aus denen etwas befteht‘ 2), 
In diefen Steffen enthalt der Beguiff als folcher nicht die Theile 
und Elemente der Sache in fih, er ift nicht fchlechthin ihre Ver— 
einigung , fondern als etwas Anderes iſt er ihre Einheit, und wie 
er überhaupt zu jenen Clementen oder wie jene Elemente zu ihm 
fommen, tft Schwer einzufehen. An Beifpielen, wie an dem som Haufe, 
läßt ſich freilich die Sache Teicht deutlich machen; damit iſt aber 
nicht8 gewonnen. Demjenigen, der von der Theorie ausging, von 
unten hinauf aus dem Einfachen das Zufammengefegte zu bilden, 


1) dıo rwr sgrbouevov oi utv hEyoyres ti Eorıv olzie, Otı ki- 
Jor Akvdoı Süle, anv durdusı olziey keyovoıw, Ükn yao Teure: oö 
de a@y yeiov GxEnaotızov Gmudtwv zal zgnucıov, J Tı zei a@4Lo TOı- 
oüToy ngoodevres, Tv Eveoyeig Aeyovoıy- ol d’ dugo Teile OVV- 
Tudevres Inv tglryy zui ınv &x TouIwy ovdiey. Eouze yao 6 utv die 
10v ea Aoyos 1oÜ eidous zei 175 Evegyeias Elyaı, 6 d’ Ex TWv 
ERDE OROR Twy 1ns Ülns udkkoy. 


2) 6 uev yag „Hyos vis oUcies Eis’ Ereoog d' Lareı 6 die Top 
veror ÖaLaWwüs zai 6 Ayar & wr £otıv dvvanoyortwr. 
9% 


404 Leber die Bedeutung der vAn 


wird dieſe Anfchauungsweife plöglich durchbrochen, von einer Seite 
aus, deren Urfprung, deren Berechtigung ihm unbefannt iſt. Diefer 
ganz neue Kreis von Begriffen, der damit entfteht, hat er objektive 
Gültigkeit, iſt er, objektiv betrachtet, ein nothwendiges Element des 
Geienden, oder gebt er nur aus der frennenden und verbindenden 
Thätigkeit des Verftandes hervor, der die Kraft befist, ein und daſ— 
felbe bald unter diefem bald unter jenem Gefichtspunfte zu betrach— 
ten, und durch diefe feine Wilfführ und Verſatilität das Einfache zu 
verwirren, das Fefte ſchwankend zu machen? Wir laſſen diefe Fra— 
gen vor der Hand um fo mehr unbeantwortet, als ung dies Vers 
hältniß der oroıyeda zum OAov auf die dritte Form des Unoxeı- 
mevov führt, die wir als Inhärenz der Subſtanzen in einander bes 
zeichnen möchten. Am Schluffe diefer Abhandlung werden wir auf 
die angeregten Schwierigfeiten nochmals zurückkommen. 

Das Eidos wird als ein dem Begriff nach von der var 
Trennbares bezeichnet, und es wird das Problem angeregt, ob bie 
Definition die UA in fich zu begreifen habe. met. 1064, a, 19. 
„Da aber eine jede Wiffenfchaft ven Begriff kennen und ihn als 
Anfang fesen muß, fo darf nicht unerkannt bleiben, wie der Natur- 
foricher zu definiren und den Begriff ver Wefenheit zu faffen hat, 
ob wie das Krummmafige oder wie das Hohle. Denn der Begriff 
des Krummmafigen wird mit der vAr der Sache ausgefagt, der des 
Hohlen ohne die ÜAy” '). de an. 405, a, 24. ‚Wenn es fi 
aber fo verhält, fo iſt Far, daß die Affektionen Verhältniffe find, 
Die in einer ©%7 find. So daß die Definitionen Beifpielshalber fo 
find: das Zürnen iſt eine Bewegung des fo hefchaffenen Körpers 
oder Theiles oder Vermögens, durch dieſes hervorgebracht, zu die— 
ſem Zweck. Berfchieven aber würden der Phyfifer und der Dialef- 
tifer die Affeftionen definiren, 3. B. den Zorn; der Eine nämlich 
als das Streben, für eine Kränfung fich zu rächen, oder fo ähnlich, 
der Andere als Kochen des Blutes und des Warmen um das Herz. 


1) Enei de To Ti Eorıy „dvayzaiov &zdoım nos Toy Enıormuoy 
eldeyaı zai TOuTW xon09«1 doyn, dei un kavsdvsıy mög ögıortor 10] 
yvorzo zei nos 6 Tis ovalag köyos. Annteog, nö1Egov ds To aruöy 

7 uakkor ws To ‚zolkoy, tovtwr yao 0 utv 100 Gruod Aöyas EIG ıng 
Bine Aeyeraı 100 modyueros, 6 dt 100 zollou zwoig tag Ühns. 


bei Arıftoteles. 405 


Von diefen giebt der Eine die Un an, der andere die Formbeftimmt- 
heit und den Begriff. Denn der Begriff ift die Form der Sache, 
nothwendig ift diefer aber in einer fo befchaffenen An, wenn ex 
fein fol. Welcher von diefen iſt nun der Phyſiker? Derjenige, der 
fih an die ÜRn Hält und den Begriff nicht fennt, oder der, der nur 
den Begriff erfaßt? Oder vielmehr ver, der beides umfaßt? Und 
jene beiden, was iſt cin Seder von ihnen‘ I)? Namentlich aber iſt 
bier son Wichtigfeit met. 1034, b, 20. ‚Da die Definition ein 
Begriff ift, ein jeder Begriff aber Theile hat und ſich der Theil 
des Begriffes zu dem Theil der Sache ähnlich verhält, wie der Be— 
griff zur Sache, fo entfteht der Zweifel, vb der Begriff der Theile 
in dem Begriff des Ganzen enthalten fein muß oder nicht; denn bei 
einigen fcheinen fie enthalten zu fein, bei andern nicht. Denn der 
Begriff des Kreifes enthält nicht don der Abfchnitte, der Begriff der 
Sylbe enthält aber den der Laute, obgleich der Kreis eben fo in 
Abfchnitte, wie die Sylbe in Laute getheilt wird. Ferner: wenn 
die Theile früher als das Ganze, der ſpitze Winfel aber ein Theil 
des rechten und der Finger ein Theil des Thieres iſt, fo wire der 
ſpitze Winkel früher als der rechte, und der Finger früher als der 
Menſch. Es ſcheinen aber diefe früher zu fein. — Aber dies num 
möge fein, wie es wolle; woraus die Wofenheit als aus ihren 
Theifen befteht, dies ift zu unterfuchen. Wenn nun erftens die vAn, 
zweitens die Formbeſtimmtheit, drittens das aus dieſen Beftehende 
ift und wenn alle drei Wefenheit find, fo kann in einem Sinne die 
un Theil von Etwas genannt werden, in einem andern nicht, ſon— 
dern nur dasjenige, woraus der Begriff der Formbeftimmtheit be- 


x 


1) ed oltws &ZEL, dikov ou 1a nad koyoı Evuloi Eloıw * 
WOTE 0L 6901 ToL0UToL oiov 10 „sgrileodau zivnoıs Tıs ToU TolovVdi 
OWuaros 7 uegous 7 Öurausws vno zoüde & Eveza toude. zei dıa 1eüte 
ndn ‚puoızov To HEwojocı 1E0i pugns, y ndons TuS Toreurns. dıe- 
pegorrws d’ av 6olocıyıo p vousbos TE zei diwekeztızos &2a.010v aÜ- 
Iov, oioy ooyn 1t &oriv- 6 uiv yao 008ıy dytihungosog y Tı TOWÜ- 
10V, 6 JE L£oıw Toü neoi zaodiay elueros zul FEQuoD. Tourwv dE 6 
ur ınv Unv anodidwonr, 6 d8 10 &idog zei 10» Aöyor. ö usv yao 
Aöyos Eidos Toü nodyuatos, dveyan Ö eivaı Toütov er ein Toıgdi, 
et Zorn. Tis oUV 6 wuaızös Tovtwy ; öTEgow ö negi Irv Ühnv, zor 
de Aöyoy dyvowv , 7 6 neol To» Aöyov uovor; 7 uühkoy 6 EE au- 
yoiv; &xeiywy de tis Exdteoog; 


406 Neber die Bedeutung der ÜAn 


ſteht; wie 3. B. das Fleifch nicht ein Theil des Hohlen iſt (denn 
dies ift Die 97, an der es Exiftenz gewinnt), wohl aber des Krumme 
nafigen. Und das Erz ein Theil der gefammten Bilvfäule, nicht 
aber der Bildfäule nach ihrer Formbeftimmtheit. Denn ein Jedes 
ift nach feiner Form und infofern es Form bat zu benennen, das 
Hyliſche ift aber nie an fih zu nennen‘ ). In dieſen Gtelfen 
wird, dies halten wir zunächft feft, das erdog als ein ohne die v%7 
Denfbares hingeftellt. In dem Verhältniß der Unterfchiede zur Gat- 
tung, fo wie in dem des Ganzen zu den Theilen würde, mit Aus: 
ſchluß der zufegt erwähnten Faffung dieſes Verhältniffes, diefe Trens 
nung nicht möglich fein. Denn weder ift ein Unterſchied, deſſen 
Weſen darin befteht, einen Gattungsbegriff als ſolchen zu beftimmen, 
ohne diefen Gattungsbegriff, noch iſt eine Vereinigung ohne das, 
was vereinigt wird, denkbar. 

Wir haben dies Verhältnig als Inhärenz der Subftanzen in 
einander bezeichnet. Freilich erfcheint nicht durchweg dasjenige, deſ— 
fen Önoxrelusvov etwas iſt, als Subftanz, z. B. wenn mel, 1022, 
a, 16 die Fläche als vnoxernevov der Farbe bezeichnet wird. Denn 
weder gehört dies Beiſpiel in das Verhältniß der Gattung zu den 
Unterfchieden, da die Fläche nicht, infofern fie Fläche ift, Farbe hat, 
noch konnte Ariftoteles die Farbe als etwas Subſtantielles betrach— 
ten. Es gehört dies Beifpiel zu denen, in welchen Ariftoteles die 


1) Enei de ögLowuös Aöyos, £ori, nüs de Aöyog ufon ‚eret, ds d’ 
ö Aöyos n1g05 10 ngdyue, zei TO uEQos ou Aöyov 005. 10 w£gos 100 
nodyuaros öuolws IE dnogeite nd nö1E00r dei Tov 107 ueoov 
Aoyov Bvundogew Ev 1B 100 Ökov 10y0 3 00: evioy usv yao pai- 
voyraı &vörte , &viov d ov. roÜ usv yaQ zUrhov 6 Aöyos olz eye 
Tov TWOv Tunudıwv, 6 dE zys ovllaßis —— Tov TWv H1017Eiov zai- 
ToL drageitau zei 6 zUrkog EIS Ta Tujuere VOnEg zei N 7 oukkaßn 
eis Ta oT01yeie. Eru d’ 8 nQGTEO“ Ta ueon ToÜ öhon, ins ⸗ 00945 5 
ofsie u£gos zei Ö Ödzruhog ou mov, 710018009 dv ein W öfeie Ins 
00955 zei ö dazrukos 700 avIOWrov. doxsi d Ertiva eivaı AgöTEge. 
u roũro usv epelodw- LE Wr ö nn ovoie WS ueoov, TOVUTO 
Ozenteov. ed oUy Eoti 10 utv öl 16 d’ eidos 100 &% Tovzwv, zei 
oVoie 7 ı1E Ukn zei TO eidos zui To 8x Toitwv, Eotı ‚udv osram” 
Üln u£oos Tvös l&yeraı, garı d’ ws oV, ah LE wry 6 100 eidovs Aöyos. 
0iov ns uer »oL.ÖTnTos 00% ELorı u£oos j odoE (eörn yap n um Ep’ 
ns yiyv eraı), ts de 1 WwörnTos uE£ooS: zei TOD uty Ovvöhou dvdgıdy- 
Tog u£oos ö yuh2os, zo d’ ws eidovs, keyouevov, dvdgıevıos ou. A8- 
»18oy y@o To Eidos zul 7 Eidos Eyeı Eraorov, 19 d' UlıRov obdenotre 
AH UuTO Acrreor, 0 


bei Ariftoteles. 407 


ovVora ald vn und ein ovußeßnxos ober nadog als erdos fafit, 
wie de gen. et corr. 3%0, a, 2. „Es ift aber die UA vorzuge- 
weife das dem Entftehen und Vergeben, gewiffermaßen aber auch 
das den andern Veränderungen zu Grunde Liegende“ '). Entftehen 
und Vergehen beziehen fich auf die ovora, die andern Veränderun— 
gen auf dag 20160, nooov und novd. Das diefen Kategorien zu 
Grunde Legende ift ſtets ovora. Es iſt fomit die odore, infofern 
fie Unoxeruevov des noıov , nooov und nod ift, als ©Rn bezeich- 
net worden. Aehnlich iſt das Beifpiel von der Fläche und der 
Farbe zu verftiehen. Was dann vn genannt wird, tft nur gewif- 
fermaßen ö%n, wie Ariftoteles ſelbſt fich ausdrückt; die hiemit ver: 
wandten Stellen haben alfo weniger Bedeutung. 

Wir ſtützen uns namentlich darauf, daß Artjtoteles die Form— 
beftimmtheit mit der Wefenheit iventifieirt und diefer das Moment 
des vnoxeiuevor zuſpricht. Sp eben hatten wir eine Stelle, in 
der es hieß: „ein Jedes iſt nach feiner Form, und infofern es Form 
hat, zu benennen”, d. h. die Form ift das Wefentlihe, das Sub- 
ftantielfe der Dinge. met. 1017, b, 25. „Es ergiebt ſich alfo, daß 


. die Wefenheit auf zwei Arten zu verftchen iſt, erftens als Tettes 


Subftrat, das nicht mehr von einem Andern ausgefagt wird, zwei— 
tens als dasjenige, das, indem es ein Beftimmtes ift, zugleich für 
ſich iſt; von diefer Art aber ift in Bezug auf jedes Ding die Ge- 
ftalt und Formbeſtimmtheit“ °). Die Unterfuchungen im fechften 
Buch der Metaphyſik, ob die ÜAn7 over das Ti nv eivar oder das 
aus Beidem Beftchende ovor« fei, führen zu dem Nefultat, das rr 
nv eivar als ovora zu feßen. p. 1037, a, 29. ‚Denn die odor« 
ift die infeiende Formbeftimmtheit, aus der in Verbindung mit der 
vn die zufammengefeste ovora if‘ 3). Allerdings finden fich nun 


1) Eotı de Un ualıora utv zei zvolos To Ünozeiuev 0v YEvE- 
0EWS zei p3oods dextızov, 100n0v dE Tıya zwi 1ö Teis dhlaıg ue- 
zaßokais. 


2) Tvupeiveu dn zere duo Toönovs Tnv oVolav AeyEodaı, 10 d’ 
Ünozeiusvov Eoyarov, ö unzetu zer ahkov ‚HHysren, xai 6 av rüde rı 
6» zai XKwoıOToy 7. ToLoVroy dE Exdorov 7 uoogn zei to Eidos. 


3) 5 oVoia yao dot 10 eidog 1ö &vov, E00 zul Ülns Ä oiy- 
oAos Akyeraı 000ia. 


408 Ueber die Bedeutung der vAn 


auch Stellen, in denen es heißt, nur die ovora ourorog fer im 
voffften Sinne des Wortes odora und zworororv. Sp mel. 1042, 
a, 26. „Es iſt aber Weſenheit das Subſtrat, auf eine Art bie 
Ür, auf eine andere der Begriff und die Geftalt, die, ein Beftimm- 
tes feiend, dem Begriff nah trennbar iſt; drittens aber das aus 
diefen Beftehende, das ſchlechthin trennbar iſt; denn die Mefenhei- 
ten nach dem Begriff find es theils, theils nicht“ ). Das Gewicht 
diefer und ähnlicher Steffen tritt aber zurüc gegen dasjenige, was 
fo oft von Ariftoteles geltend gemacht wird, daß das wahrhaft Er- 
fennbare an den Dingen nur die Formbeftimmtheit ohne v7 und 
daß diefe, da alfe Erkenntniß von der Erfenntnif der ovora abhängt, 
die erfte und eigentliche ovoc« fei, Darum glauben wir dies als 
gewiß annehmen zu fünnen, daß Ariftoteles das zÜ 7v eiraı ale 
unzweifelhafte ovorw betrachtet hat. Daraus folgte, daß er ihm 
das Moment des Ünoxzeiuevov nicht abfprechen Fonnte. an. post. 
73,b,5. „An fich feiend nenne ich ferner, was nicht in Bezug auf 
ein Anderes als zu Grunde Piegendes gejagt wird, wie z. B. das 
Gehende, ein Anderes feiend, gehend iſt und das Werke eben fo, die 
ovoi« aber und Alfes, was ein Individuelles bezeichnet, nicht, ein 
Anderes feiend, das iſt, was es ıft’‘?). an. post. 83, a, 1. „Es ift 
vichtig zu fagen: das Weiße geht, und jenes Große iſt Holz, und 
wiederum: das Holz ift groß und der Menfch geht. Ein Anderes 
indeß ift es, auf dieſe Werfe zu fprechen, und auf jene, Denn 
wenn ich fage, das Weiße fer Holz, fo fage ich, dasjenige, dem es 
zufommt, weiß zu fein, fei Holz, nicht aber, daß das Weiße Sub— 
firat des Holzes fer. Denn weder ald Weißes noch als beftimmtes 
Weißes wurde es Holz, fo daß es nicht anders, als auf accidentelle 
Weiſe, iſt. Wenn ich aber fage, das Holz fer weiß, fo fage ich 
nicht, daß ein Anderes weiß iſt und es diefem zufommt, Holz zu 


1) £orı d’ oVole 10 Unoxeluevov , ahlws usv j Uln, dikwg Ü' 
ö Aöyos zei uoggn, 6 ı0de rı Ov ıW Aöyp yo gıoıov £otıy. Toitov 
de 10 Ex Tultwy, ov YEveoıs uövov zei y9oga gon, rei Xu01010Y 
Gnkos: Toy yao xuıa 109 Aöyor oVoıwv ai ulv aid’ ov. 


2) — un ag Unozeiusyoy AEyEraı E.V tırös, olov 10 Pa- 
difov Ereoor u öv Badılov ori zci Aeuzör, 7.0’ oioie, zal 0o« Töde 
Tı Onueiyeı, 00y Eregiy rı övra Eoriv üneo Early. - 


bei Ariſtoteles. 409 


D ’ a 3 ’ 2 
fein, fondern das Holz ift das Subftrat” )). — Da nun die UA 
fiets als vnozeruevov gefaßt wird (wenngleich freilich nicht immer 
als ovor«, fondern oft nur als odora no5; es ift aber ein Unter: 
fehied zwifchen ovor« und vrozeruerov, jene wird hin und wieder 
zum Unterfihied von diefem als Önoze/usvovr worouerov bezeichnet) 
und fo namentlih auch in dem Kreis der Begriffe, von denen es 
fich jest handelt, da ferner die Formbeftimmtheit ohne Ar die We— 
fenheit der Dinge fein foll, da endlich die odvor« als ein in ſich 
ſelbſt Beruhendes gefaßt wird, fo haben wir hier zwei Tmozerueve, 
die auf irgend eine näher zu beftimmende Weiſe mit einander zuſam— 
menhängen. — Es gehören fernerhin diejenigen Stellen bieder, in 
denen Ariftoteles die 927 als dasjenige bezeichnet, aus dem etwas tft, 
met. 1053, a, 31. „Ein Individuelles machen, it: aus dem über— 
haupt zu Grunde Liegenden diefes machen; z. B. ein Erz frumm 
machen, iſt nicht das Krumme oder die Kugel machen, fondern ein 
Anderes, 3. B. diefe Formbeftimmtheit in einem Andern. Denn 
wenn man etwas macht, fo macht man es aus etwas Anderm‘‘ 2). 
Dft wird die v7 ſchlechthin als dasjenige definirt, ES ov Evrvnap- 
zovıog etwas ift. Auf den Bsgriff der Gattung würde diefe Be- 
zeichnung nicht anwendbar fein, denn die Gattung drüdt das ri 
Eorev, nicht das E5 od aus; auf den Begriff der Eon nur dann, 
wenn wirklich die Norftellung son Theilen zu Grunde liegt; dies 
ift aber nicht immer der Fall, 3. B. wenn von der Bildſäule gefagt 
wird, daß fie aus Erz und daß das Erz ihre ÜRr fer. Ferner liegt 
fhon in dem Ausdruck es ov ri Eorı, daß hier zwei Unozer/usra 
vorhanden fein müffen, erſtens das zr/, zweitens das es ou. — So— 

1) Eorı y°g eineiv dAnIws 10 Aeuzov Badizew zei 10 u£ya 
&zeivo Eulov Eivaı, zei nal 10 Eulor ueya eivau zei 1ov Ev9ow- 
zıov Badilsı. &1s00v du 2orı To oũros eirteiv z@i 76 dzeivws. Ötav 
utv yao 10 ksvxor eivaı po Sulov, Tore LEyw On @ Ovußeßnxe heuzg 
eivaı Eukov eotiv,, aa oUx @s 10 Ünoxeiuevov 1m Zul 10 Aeuzöv 
— zei ya oUTE ‚euxov 0v 008 öneg keuzov TU Ey&vero $ulor, 
wor oUz garıy alh N zaıa Suupeßnzös. otev dE 10 Eikov Asuzor Ei- 
va yo, oby ‚ori Eregiv Ti Eorı heuzor, &reivo de ovußeßnre Ein 
eiyaı, dhha 10 Eulov Eori 10 un oxeluevor. 

3) 10 yao ode tı noıeiy &2 ToU Ühwms Unozsiufvov 10dE 14 n0L- 
siv Zotiv. yo Öd’ Grı 107 yahrov G1rg0Yyvkor noıeiv Lotiv oÖ To 


GrooyyuLkov y nv Oyeioav noriy, dh) E1egövy TI, 0:09 10 Eidos 10010 
ev din. el yo o nvıEi, & tıyos @y noı0in Ahkov, 


410 Ueber die Bedeutung der vAy 


dann gehören hieher alle Steffen, in denen es heißt, daß dag eidg 
in der ÜAn oder in dem Ünoxeruevov fei, met. 1025, b, 22. 1035, 
a, 31. 1034, a, 5. 1035, b, 25. 1036, b, 3 und 22. 1037, b, 
3. de an. 414, a, Il und 21. de p. an. 640, b, 28. — Daf 
fowohl das Eidos als die van in fi ſelbſt find, leſen wir phys. 
210, a, 5. ‚Wenn aber der Naum in fich felbft iſt, und dies ıft 
nöthig, wenn er entweder Formbeftimmtheit oder var ift, u. f. 
w.“ i). Ganz beftimmt nannte Ariftoteles die UA etwas Aeciven- 
teffeg in der oben?) angeführten Stelfe mel. 1035, a, 7 „das Hyli- 
ſche ift nie an fich zu nennen‘ met. 1058, b, 21 wird die Anficht 
ausgefprochen, daß das Männliche und Weibliche nicht der Formbe— 
fiimmtheit nach, fondern nur auf accidentelle Weiſe entgegengefebt 
feien, weil der Gefchlechtsunterfchied nur ein Unterfihied ver v7 ſei )*). 
met. 1049, a, 18. „Es fcheint aber das, was wir meinen, nicht 
fubftantiell , fondern accidentell zu ſein, wie das Steuerruder nicht 
Holz, fondern von Holz, und das Holz nicht Erde, fondern von 
Erde. Wenn aber ein Erftes it, was nicht mehr in Bezug auf ein 
Anderes Exeivıvov genannt wird, fo iſt diefes die erfte Ay. Mit 
Necht wird das Exedvıvov fowohl in Bezug auf die © ale in Bes 
zug auf die Affeftionen gefagt, denn beide find unbeftimmt‘ 5) Cef. 


1) ed d’ dv euro 6 Tönos (dei yado, Eineo 7 uoopy % Ükn), 
BEER: 

2) ©. 406, 1. 

3) 10 de dooev zei Inku zou Cwov olzeia utv nd9n, all DW 
zaTa T7v oVoiev, ahh Ev ın Un zei 10 Owuanı. 


*) &3 fcheint freilich dieſe Anficht des Ariftoteles mit der in Wi— 
berfpruch zu ftehen, die er de an, 415, a, 26 und an andern Stellen aus— 
fpricht. „Denn die natürlichite Thätigfeit ift für die lebenden Weſen, ein 
anderes gleichartiges Weſen hervorzubringen, damit fie an dem Ewigen und 
Unfterblichen Theil haben, fo weit fie es vermögen“ +. Wenn die Sort: 
pflanzung und Erzeugung die natürlichite, d. h. die wejentlichite Thätigfeit 
der lebenden Weſen ift, jo kann der Gefchlechtsunterfchied wicht ein hyli— 
cher fein. 

4) pvoizWıerov yao Twv Eoyar Tois Lwoır, 000 1dhcıa Hai 
un nnQWucıe, Z 17» yEvEoıw avroudınv EXEL, 10 noı,0cı ETEOOY oiov 
auTo, iva ToU aei zai ToV JElov uETreywoıy n düvevıaı. 

5) £oıze de © Aeyouev eiyaı oÜ 10de — Exeivıwvov, oiov 10 
zıBwrıov oU Eulov alla Eukıwor, ode 10 £Vlov yn dkha ynivor. — 
— £ dE dl Lotı noWTov, 0) unxerı zeı’ ahkov Ayerau &xelvıvov, TOUTO 
ngarm ülm. — — zei 0o9Ws da oyußaiyeı 10 £xeiyıyov AEyEodaı 
Ku 17V Ulyv zu) Ta nad duype yag Aogıoıa. 


bes Ariftoteles. 411 


phys. 245, b, 6. met. 1033, a, 5). Es iſt diefe Stelle ber 
ſchärfſte Ausdruck dafür, daß die 9% Subſtanz und zwar arciven- 
telle Subftanz fei, fo, daß die Höhere und wefentliche Subftanz, das 
eigentliche zu Eozır, in dem zudog felbft enthalten if. Daß van 
und eudog fich hier nicht mehr zu einander verhalten, wie yEvog und 
dıapoga , oder wie das Unorsiuevov und die Evarıla , ift Mar. 
Ehen fo wenig ift das Verhältniß dem der ueon zur ourdeoıg iden— 
tiſch. Denn faffen wir das Verhältniß ftreng fo find die «con ein 
unentbehrlihes Moment des Begriffs der Sache, wihrend in die— 
fem neuen Verhältniß Alles, was zur Ar gehört, von der Form— 
beftimmtheit und Wefenheit der Sache ausgeſchieden werden foll. 
Nur eben diejenige Auffaffung der ororyeia, in der unterjchieden 
wird zwilchen einer Erklärung der Sache durch vie Theile und der 
Definition durch Gattung und Unterfchted, ſcheint dem jest entwik— 
felten Verhältniß analog zu fein. Es fiheint der Unterſchied nur 
darin zu beftehen, vb man geneigt ift, an der vAr ausdrücklich bie 
Borftellung der Theile hervorzuheben oder nicht. Ein Haus z. DB. 
befteht aus Holz, Steinen u. f. f. Dies find die oroıyeia des 
Haufes. Als ideelle Definition des Haufes ſtellt Artitoteles met, 
1043, a, 16 auf dyyelov o#Ena0Tıx0v Fwuarwv zul zonuaTwv. 
Dies num iſt etwas durchaus Innerliches, ein reines Verhaltnik, dem 
gegenuber das ganze Haus, infofern es ein fihtbares Ganze ift, 
ebenfofehr als © gefaßt werden fan, wie die Theile des Haufes, 
Und umgefehrt, wenn Ariftoteles de an. 414, a, 19 ven Körper 
fchlechthin, ohne Nückficht auf feine Theile, als © ver Seele faßt, 
fo hätte er auch eben fo fehr gleich von vorn herein die Theile des 
Körpers als vr faſſen fünnen. Der Unterfchied iſt nicht objektiv, 
er beruht nur in der individuellen Auffaffung. Es giebt Dinge — 
fo möchten wir den Ariftoteles auszulegen verfuchen —, deren Be— 
griff die ©77 nicht im ſich enthält; bei ihnen ift die © ein aus 
Theilen beftehendes Ganzes, darım eben fo fehr als Ganzes und 
als Eins, wie als Theile zu faffen. de p. an. 642, a, 11. „Da der 
Körper ein Werkzeug iſt (denn fo wie eines Zweckes wegen ein je— 
der der Theile ift, fo auch das Ganze), fo muß er nothwendig fo 
beſchaffen und aus fo beishaffenen Theilen fein, wenn jenes (der 


412 Ueber die Bedeutung der vAy 


Zweck) fein fol” 1). Hienach wäre der Körper als Ganzes vAr 
der Seele, die Theile des Körpers vAr des Körpers. Auch diefe 
Stelle dient und darin zu beftärfen, daß wir das Verhältniß ver 
Theile zum Ganzen, infofern das Ganze als ein in fich felbft feine 
Beftimmungen babendes gefest wird, dem jeßt befprochenen Verhält- 
niß zweier Önoxerueva zu einander ſubordiniren. 

Mit diefem Begriff der © und des zidos hängt die Teleo— 
logie zufammen. Nicht eine jede vAn ift für jedes euidog angemef- 
fen; das eidog ſetzt aus fich felbft, um fich zu realifiren, eine van 
und zwar eine fo befhaffene dan, wie feine eigene Befchaffenheit es 
verlangt; umgekehrt übt aber auch wieder die Befchaffenheit der van 
flörenden oder fördernden Einfluß auf die Befchaffenheit des &ıdoz. 
Siehe namentlih phys. 199, b, 34 sq. In dem Verhältniß des 
yEvog zur dtapoo« und in dem der Theile zum Ganzen geht die 
Uhr dem eldog woraus; nur in biefem läßt fih ein umgefehrtes 
Verhältniß und fomit eine teleologifihe, d. h. nicht materielle, ſon— 
dern begriffliche Nothwendigkeit denfen. 

Es fragt fih nur, wie die Formbeftimmtheit, die doch in fich 
felbft beruht, dazu kommt eines andern Subftrats zu bedürfen. Wir 
finden im Ariftoteles zwei Wege angebahnt, deren weitere Berfof- 
gung uns in den Stand feen Fönnte, diefen allerdings etwas dun— 
keln Punkt zn erbelfen. Erftens namlich heißt es von dem zudog, 
daß e8 die En&oyeıa der vAn fei. de an. 412, b, 4. „Wenn nun 
etwas Gemeinfames von aller Seele gefagt werden foll, fo wäre 
fie die erfte Entelechie des von Natur feienden organischen Körpers. 
Daher darf man auch nicht unterfuchen, ob Die Seele und der Kör— 
per eins find, eben fo wenig, wie vom Wachs umd feiner Form, und 
überhaupt nicht von der ©An und dem, deſſen An etwas iſt“ 2), 
Nehmen wir aber den Jufammenhang des hyliſchen und des ideel- 
len Princips in diefer Weife an, fo läßt fich die begrifflihe Trenn- 

1) Znei 76 OWur doyavov (Er &zd Tıvos yao Eracıov Tor uooiwr, 
duoiws dE zei TO Ökory), dvayrn doa toıordi Eivaı xzui dx Toıwvdi, 
Ei Exeivo Eoreı. 

2) ed dn Tı zowov Eni ndons ıwugis dei Akysır, ein av Evrelk- 
ze 7 NOWIN OWURTOS pvoızoü doyayızoo. dio zai ou der Inreiv ei 
&v 3 Wuyn zei 76 OWu@, BONEQ OUdE Tüy xyp0y zei To Oynum, old’ 
Elws ı7v Exdarov Ulyv zei ıo 00 Uky. 





bei Arıftoteles, 413 


barfert der ideellen Subftanz von der materiellen nicht erklären. Die 
ideelle Subſtanz ift dann nur die Ergänzung und Vollendung der 
materiellen, und ohne fie eben fo wenig auch nur zu denfen, wie 
überhaupt das Erganzende und Abfchliefende ohne dasjenige, was 
ergänzt und abgefihloffen wird. — Einen zweiten Weg bahnt Ari— 
ftoteles an, indem er auch die Wefenheit als mit dem Gegenſatz 
behaftet darftellt. Während er nämlich im Allgemeinen -von der 
ovora den Satz aufftellt, daß ihr nichts entgegengefeßt Er a 
b, 24. met. 1068, a, 10.'1087, b, 1. phys. 189, a, 2 295, 
b, 10), fo fchränft ev andererfeits diefen Satz doch wieder ein, in- 
dem er &2dn annimmt, die mit der Möglichkeit der yErsoız und 
49006 behaftet find. Das höchſte Wefen beftimmt Ariftoteles eben 
ausdrücklich als folhes nnd unterfcheidet e8 dadurch yon den andern 
Wefenheiten, daß es fihlechthin Energie fei, daß für es die Mög— 
lichkeit des Seins oder Nichtfeins nicht ftattjinde (met. 1074, a, 
35. phys. 205, b, 30). Alfes Entgegengeſetzte, behauptet nun 
aber Artftoteles, hat v7 phys. 189, a, 21. „Wenn man vie 
Zahl ver Anfänge begrenzt fest, fo hat es einen Grund, mehr ald 
zwei anzunehmen; denn man kann in Zweifel fein, wie das Dichte 
im Stande ift das Dünne hervorzubringen, oder umgefehrt. Aehn— 
lich auch jeder andere Gegenfag, denn nicht bringt die Rreundfchaft 
den Streit zufammen und macht etwas aus ihm, oder umgefehrt, 
fondern beide fegen ein Drittes voraus‘ '). Verbinden wir biefe 
Anficht mit der, daß es &udn giebt, die die Möglichkeit des Seins 
und Nichtfeins haben, fo folgt, daß in Bezug auf diefe &udn ein 
Unoxeiuevov gefebt werden muß. Doc bleibt e8 auf der andern 
Seite zweifelhaft, ob in Bezug auf die genannten Wefenheiten darum 
die Möglichkeit des Seins oder Nichtfeins flattfindet, weil fie UAn 
haben, over umgekehrt. In dem erften Falle bleibt e8 wiederum, 
wie gefagt, unverftändfich, in welchem Sinne behauptet werden kann, 
daß fie für das Denfen von der UA abtrennbar feien. 

1) &nei de NENEIROUEVEL, 10 war 7LoLEIV duo uövoy &ysı Tıya 
Auyorv" ENOONDELE yao dv Tıs nos nn nuxvorns mv uerötnta 7T01= 
iv TU nequzev n ‚dr mv nuzyöimıe. Öuoiws dE zei @lln önoıeovur 


Eraytorns' od yao i yıkla To veizos ‚Ivrd; 'Eı z@l OEL Tu EE avıov, 
oude To veizog && erelvns, all aupo Kreodr rı rolıor, 


414 Ueber die Bedeutung der ÜAn 


Wenn wir nun die Frage ftellen, wie Ariftoteles diefe drei 
Formen der CAn, ale Gattung im Verhältniß zu den Unterfchieden, 
als Theile im Verhältniß zum Ganzen, und als Inhärenz der Sub— 
ftanzen in einander, zur Einheit bringt, fo meinen wir nicht etwa, 
in wiefern fih in diefen verſchiedenen Verhältniſſen ein Gemein— 
fames erfennen läßt; denn es Liegt auf der Hand, daß in jedem 
derfelben ein Ürozeioguı iſt; fondern wir meinen, wie ev fie in 
die Einheit des Syſtems bringt. Die Einheit des Syſtems aber 
beruht auf der Lehre von den vier Principien. Diefer lauft zwar 
parallel eine Lehre von drei, gewilfermaßen zwei Principienz; daß 
diefe aber nicht die ſchließliche und höchfte Anficht des Ariſtoteles 
ift, läßt fich leicht darthun. Erftens heißt es am Ende des erften 
Buchs der Phyſik, nachdem die Lehre von den drei Prineipien aus» 
einander gefeßt ift: Orte uEv ovv eloiv aoyal', zal rivec, zal no- 
om Tov agıduov, dimgloIw juiv ovrwg nalım dE alınv ao- 
zn» doSauevor Akyouer, Der Nachdruck liegt auf dem odzwg, 
nicht auf diwoiodw. met. 1070, b, 22 wird auseinandergefegt, 
wie es gewiffermaßen drei, gewiffermaßen vier Prineipien gebe, 
Achnlic wird phys. 198, a, 24 eine Vereinfachung der vier Prin- 
eipien verfucht. ES erhellt aus diefen Stellen, daß der Unterfchied 
zwar fein wefentlicher, die genauere Durchführung aber in der Lehre 
son den vier Prineipien enthalten ift. 

Da nun die ©A7 eins diefer vier Prineipien ift, fo fragen wir, in 
welchem Sinne fie als Princip zu denken fei. Da das yEvog ein Beftand» 
theil des zu goru ift, fo kann fie nicht wohl injofern fie yevog ift als ein 
befonderes, von dem &idog verfchiedenes Prineip gefegt werden. Denn 
als yevog ift fie eben ſchon in ihm mitgefegt. Es bleibt alfo nur übrig ans 
zunehmen, daß Ariftoteles innerhalb des erdog ein Verhältniß fand, dem 
der v7 zum &idog analog. Dies beftätigt fich durch die Ausdrücke 
vım ronrn und ÜAn vov sidovg. met. 1023, b, 1. „Aus der finn- 
lich wahrnehmbaren © ift die zufammengefegte Wefenheit; aber 
auch vie Form iſt aug der UAn der Form‘ '), mel. 1045, a, 33. 
„Die Tan iſt theils geiftig theils ſinnlich; und flets iſt der eine 


1) ex dig wlodnıns yag Uns D gurdery oU0fLe, aha zo 10 
Eidos dx 175 Toü eidaus Uns, 








bei Ariſtoteles. 415 


Theil des Begriffs ÜAn, der andere Energie, z. B. der Kreis oyyuu 
eninedov” !). (Daß hier unter der Un vorn der Oattungsbeariff 
zu verftehen ift, bemerkt auch Schwegler zur Metaph. IV, p. 153). 
Andererfeits läßt fih auch in der eigentlich fo genannten vAr ein 
Gegenſatz von yEros und Jdıayogar denken. Nicht nur die Ele— 
mente, fondern felbft viel konkretere Weſenheiten erfcheinen bei Ari— 
fioteles als An. Unzweifelhaft ift die den Elementen zu Grunde 
liegende unbeftimmte Materie yEvos, während die elementaren Grund— 
bejtimmungen die dıayoga! diefes Gattungsbegriffes find Cef. de 
gen. et corr, 329, a, 24). Die Gattung it fomit nicht Van, 
fondern innerhalb der ©An7 und innerhalb des zudog das der vAn 
Analoge, dasjenige nämlich, was innerhalb diefer Prineipien als üno- 
»eiuevov erfceint, wie Ariftoteles felbft met. 1024, b, 3 fie defi- 
nirt: 70 Ünozeruswov tals dıapogads. — Daffelbe gilt von dem 
Berhältnig der Theile zum Ganzen. Indem die Theile von dem 
Ganzen nicht getrennt gedacht werden können, find fie ein wefentliches 
Moment der Begriffsbefiimmtheit felbft. So zufammengehalten zur 
Einheit des Ganzen, find fie das erdos; auseinanderfallend, find fie 
urn, aber vAn Too eidowg. Andererfeits ift auch die materielle 
Seite des Seins nicht ohne das Moment der Idealität. Der Kör- 
per, obſchon als folher dem Materiellen angehörend, tft eine ovv- 
Jeoıg der ungleihartigen Theile, diefe find eine ourdFeoıg der gleich. 
artigen, diefe wieder eine ovvdeoıs der Elemente; in der aurdeoıg 
hiegt aber das Moment der Idealität. Es erhellt alfo, daß auch 
dieſes Verhältniß nicht der eigentliche Ausdruck für den Gegenfaß 
von &udog und vAn iſt, fondern vielmehr innerhalb beiver als ein 
analoges ftattfindet. — Sollen das &ıdos und vie dA wirklich zwei 
von einander verfchiedene Prineipien fein, fo bleibt nur die dritte 
Form übrig, als die für das Syftem entfcheivdende. Beide find ſub— 
ftantieller Natur, das eudos als wefentliche, die 97 als unwefent- 
liche Subftanz. Und die %A7 ift demnach, infofern fie eins der vier 
höchſten Prineipien tft, das Unoxeiusvov eines Seins, das, felbft 
fubftantieffer Natur und in fich feldft begründet, mit einem ihm zwar 


1) &orı DE das Ulms n utv voyın ü g alodnıy zei dei Toü A6- 
En 7 a7 7 
you 10 udv ln 10 evkoyeıd eotıv, olov Ö * — Entnedor, 


a Bu — ——— —— 


416 Ueber die Bedeutung der dA 


untergeordneten, aber ebenfalls in fich feldft ruhenden Sein ver- 
fnüpft iſt. Dies faffen wir als den Kern der Ariftotelifchen Lehre. 

Berwerlen wir ſchließlich noch bei dem Begriff der Inhärenz 
der Eubftanzen in einander, Ariftoteles hat diefen Begriff fo be— 
fiimmt, wie e8 von uns gefchehen tft, als ein Nefultat feiner Be— 
trachtungsweiſe nicht ausgefprohen. Wir heben dies ausdrücklich 
hervor, um dem Mißverſtändniß entgegenzutreten, das uns befchuldi- 
gen fünnte, dem NAriftoteles eigene Gedanken unterzufegen. Zwar 
fpricht Die obenangeführte Stelle met. 1049, a, 18 fehr beftimmt 
für unfer Verſtändniß des Ariſtoteles, aber wir geben zu, daß die 
Art, wie er fih über diefen Punkt äußert, im Ganzen uns nicht 
berechtigt, diefe Confequenz, die wir gezogen haben, als ausdrücklich 
überlieferte Ariftotelifche Lehre auszugeben. Es bedürfte indeß fein 
Philoſoph einer Erffärung und Erläuterung, wenn er das ganze 
Syſtem feiner Ideen zu dem größten erreid;baren Grade von Klar— 
heit und Beftimmtheit gebracht hätte. So wie wir e8 daher für 
gerechtfertigt anfehen mußten, den Gedanken, der uns als der Kern 
der Ariftotelifchen Lehre erichien, aus der verwirrenden Mannigfals- 
tigfeit anderer Beftimmungen abzufondern, fo fiheint e8 und au 
erlaubt, diefen Gedanken auf unfere Art näher zu erlautern. Wir 
faffen ihn aber fo. Die Materie ıft unzweifelhaft nicht etwas Ans 
harivendes, fondern Subſtanz. Wofern fie als der alleinige Träger 
des Seins gefaßt wird, müßte fie auch als ver alleinige Trager 
des Gedanfens gefaßt werden. Man müßte alfo in jeder Defini- 
tion fie als die erfte die andern Beſtimmungen tragende Beftimmt- 
heit ſetzen. Es würde fomit 3. B. der Menſch definirt werden müf- 
fen als ein fo oder fo beſtimmter Körper. Dies aber widerfpricht 
eben fo fehr dem philoſophiſchen Bewußtfein, als dem Inftinft, der 
fih in der Sprachweife des gewöhnlichen Lebens geltend macht. 
Schon bei folhen Dingen, wie ein Haus es ıft, bildet man bie 
Definition nicht fo: ein Körper, der fo oder anders befchaffen iſt, 
viel weniger bei Objeften, wie der Menſch, in denen ganz etwas 
Anderes als das Wefentlihe und Tragende erfcheint. Die Gründe, 
bie den Philoſophen beftimmen, die Körperlichkeit als folche nicht als 
das Erſte und die übrigen Beftimmungen Tragente zu fegen, können 





bei Ariftoteles. 417 


freifich fehr verfchieden fein. Denn der Wivderftand, den ein gewiſ— 
fer Taft des Bewußtfeins dem entgegenſetzt, kann für die Philoſo— 
phie nicht genügen. Doch werden alle Gründe, die angeführt werden 
fönnen, ihren legten Grund immer darin haben , daß das Bewußt- 
fein feiner eigenen Natur nach nicht im Stande tft, irgend etwas 
‚Anderes als das Wefentlihe und Subftantielle zu fesen, als das 
Bewußtfein felbft. — Wenn es nun nothwendig ift, außer der Kör— 
perlichfeit eine andere Subftanz anzunehmen, fo ift es doch zugleich 
unmöglich, die fubftantielle Natur der Materie aufzuheben. Klar ıft 
es, daß, wenn beide Subftanzen find, jedes in verfchiedener Werfe 
Subftanz ift. Der Begriff der Subſtanz ſchlechthin zerlegt fih in 
diefe beiden Kormen, in denen er erfcheint, Materie und Bewußtſein, 
deren jedes in feiner Art Subftanz if. Den Nachweis, warum 
beide nicht unabhängig von einander eriftiren können, iſt, wie wir 
glauben, Ariftoteles uns fchuldig geblieben. Zwar fpricht er von 
Weſenheiten, die eben, weil fie die Möglichkeit des Seins und Nicht- 
feins haben, der Materie zu ihrer Verwirklichung bedürfen. Theils 
ift dies aber ein dunfeler Begriff, theils nimmt Ariſtoteles in der 
Entwirfelung des Gottesbegriffs und des vous Wefenheiten an, die 
ohne ÜAn exiſtiren follen. Der Nachweis wäre fo zu führen gewe- 
jen, daß fich ergeben hätte, daß fowohl der Körper als das Bewußt- 
fein für fic) eben darum, weil jedes von ihmen in feiner Art Sub- 
ftanz ift, nur Momente des Begriffs der Subftanz find, und daß 
- der Begriff der Subftanz ſchlechthin fi) nur in der Vereinigung die— 
fer beiden, die feine Momente find, realifirt, fo daß man alfo auch 
hätte fagen ‚können, Subftanz fohlehthin fer nur die ovo/a ovvorog 
und eben darum fei die Untrennbarfeit der UA und des 8udos. 

Wir fehen Alles, was fich auf die ovor« bezieht, als den 
eigentlichen Mittelpunft der Ariftotelifchen Philoſophie am. Nicht 
nur find die Begriffe des Wefens und der Subftanz überhaupt das 
Centrum der Philofophie, denn die Subftanz erfennen heißt: das 
felbftandige Wefen erfennen; fchlechtbin felbftandig kann aber nur 
ein Wefen fein, denn gabe es mehrere felbftändige Wefen, ſo würde 
die Einheit der Welt aufgehoben, was ein Widerſpruch iſt; die Sub- 
ftanz erfennen, beißt daher das AM erkennen. Nicht nur alſo ıft 

Muh f. Philol. N. F. VII. 27 


418 Meber die Bedeutung der ÖAn bei Ariftoteles. 


dies überhaupt der eigentfiche Gegenftand ver Phifofophie, fondern 
es war dies auch durch die Entwickelung der Philofophie vor Art: 
ftoteles in’s Bewußtſein getreten. Die Hypoftafirung der Ideen bei 
Plato mußte das philofophifche Bewußtfein vor Allem darauf lenken, 
die Bedingungen des felbftäandigen Dafeins zu erfenten; die Will 
führ, mit der Begriffe, deren Natur nicht fubftantiell ift, zu Sub⸗ 
ftanzen erhoben wärden, mußte die Nachfolgenden beflimmen, gerade 
den Begriff der Subſtanz feftzuftelfen. Auch die Löſung des Pro— 
blems war durch das bis dahin in der Philoſophie Geleiftete vorge: 
zeichnet. Nach Plato konnte das Weſen weder in die Materie al- 
fein, noch in den Geift allein gefest werden. So wurde Artftoteles 
von felbft hingetrieben zu der Einſicht, dag tie Subftanz in zwei 
fich gegenfeitig tragenden Formen fich darftellt. Dies iſt das wahr: 
haft Pofitive feiner Lehre, dem das Negative in zwiefacher Bezie— 
hung zur Seite ſteht; indem er theils die Nothwendigfeit des 
Inhärirens nicht nachgewieſen, theils in der Konftruftion des Got— 
tesbegriffes die Hyliſche Seite der Subftanz, die ihm eine unüber— 
windliche Schranke war, aufjegeben hat. Diefe letztere Beziehung 
näher zu entwiceln, behalte ich einer ſpäteren Darftellung vor. 
Berlin. G. Engel. 


Antepikritiiche Betrachtungen 
über die polyguotiichen Gemälde in der 
Lesche zu Delpbi. 


Es unterliegt gewiß feinem Zweifel, daß es für die Wiffen- 
fchaft höchft förderlich ift, wenn einzelne Fragen, von einem hervor— 
ragenden Gelehrten. angeregt, alsbald alffeitig geprüft, beleuchtet 
und durchgefprochen werden, denn, je vielfeitiger die Beſprechung ift, 
um fo mehr werden wir bei fofort begonnenen Erörterungen Zwei— 
fel und abweichende Anfichten ſich auf einzelne Punkte zufammenzte- 
ben, und diefe dem angeregten Intereſſe mit um fo größerer Be- 
ftimmtheit vorlegen fehen: um fo mehr dürfen wir demnach aud) 
hoffen, aus der lebhaften Diseuffton unter Vielen fichere Refultate 
zu gewinnen und den Errungenfchaften beizählen zu können. In 
diefem Sinne hat Rec. mit Freude die „Epikritifchen Betrachtungen 
über die polygnotifchen Gemälde in der Lesche von Delphi, von 
E. F. Hermann“ erfcheinen und Dppofition erheben fehen gegen 
einige weſentliche Punkte der Welckerſchen Abhandlung: „Ueber die 
Compoſition der polygnotifchen Gemälde in der Lesche von Delphi 
in den Abhandll. der Berl. Akad. v. Jahre 1847., und in eben dem 
Sinne, mit dem Wunfche, dazu beizutragen, daß die febhaft ange- 
regte Discuffion fortgefeit werde, unternimmt er es, jener Oppofition 
auf mehren Punkten entgegenzutreten. 

Hr. H., welder ©. 6. die Anficht ausfpricht, daß „felbft die 
neueften Bearbeiter einige Punkte unberücfichtigt oder doch unerör— 
tert gelaffen haben, welche zur allfeitigen und methodiſchen Erledi— 
gung der Sache nöthig fein dürften“, ſtellt ebend. Die Gefichtspunfte 
feiner vepikritiihen Ergänzung“, wie e8 ©, 37. beißt, folgendermas 
Ben zufammmen: „Ich wünſche darzuthun: 


rn nl Zi 


420 Antepifr. Betrachtungen über die polygnotiſchen 


1. daß die Gemälde des Polygnot in der delphifchen Lesche 
zu feinen frübeften Arbeiten gehören ; 

2. daß die Befchaffenheit und bauliche Conftruction der Dert- 
fichfeit, wo fich Diefelben befanden eine allzu große Ausdehnung der- 
felben in die Länge verbietet; 

3. daß die Gemälde beider Wände einander nicht nur in der 
vaumlichen Ausdehnung überhaupt, fondern auch in dem allgemeinen 
Schema der VBertheilung der Figuren und Gruppen in diefem Naume 
entiprechen ; 

4. daß diefes allgemeine Schema am beften dadurch gewon— 
nen wird, daß wir jedes Gemälde in drei horizontale Reihen zerle- 
gen, die von fechs verticalen Streifen in eben fo viele Felder einge- 
theilt werden”. 

Indem nun die methodifche Erörterung die Fragen in diejer 
Reihenfolge befpricht, und zunächft von der Zeit der Bilder in der 
Lesche handelnd nachzuwerfen fucht, daß dieſelben früher feien, als 
die Gemälde in den peifianaftifchen Stva in Athen, und in das 
Jahr 460. oder 468. gefegt werden müffen (©. 13.), wird zunachft 
jeder Lefer ftaunen über die Gründlichfert dieſer Methode, welche 
eine Frage, Die in das Leben des Künſtlers gehört, da erörtert, wo 
e8 ſich um die Compofition zweier Gemälde handelt. Wenn man 
aber das 2. Capitel, welches dem erften jener vorgeftellten Haupt» 
punfte entfpricht, genauer betrachtet, ftellt fich heraus, daß, der Mes 
thode des Hrn. 9. gemäß, diefe Frage auf's Engfte mit den Fragen 
über die Compofition zufammenhangt, zugleich aber zeigt ſich, daß 
dieſe Methode in einem weſentlichen Theil auf einem Cirkelſchluß 
beruht, welcher nur dadurch verhüllt und bedeckt wird, daß Hr. 9. 
feine Unterfuchung nicht in der Ordnung darlegt, wie er fie ange- 
ſtellt, daß er feine Schlüffe umgefehrt Hat. Die Grundanficht Her- 
mann’ iſt nämlich nur theilweiſe in den vorgeftellten Hauptpunften 
enthalten, und zwar im 3. und 4., theilweife ift fie nicht als ſolche 
ausgefprochen und geht erſt aus einem im Laufe der Abhandlung 
mehrfach wiederholten Ausdrucke hervor. Wir ftellen diefelbe er- 
gänzend folgendermaßen zufammen : 

Beide Gemälde in der Lesche haben feine firenggefchloffene 


Gemälde in der Lesche zu Delphi. 421 


Einheit und Centralifation, fondern beruhen nur auf einer gegenfei- 
tigen Entſprechung einzelner Gruppen ; die Compofition beider Ges 
mäfde fpricht fich in einem gleichen Schema, der Eintheilung in 
3x6 Felder aus, welche jede Centralgrupye und fomit auch das 
Welderfche fiebentheilige Schema ausschließt. 

Um dies Fehlen des Centrums und der gefchloffener Einheit 
und die hierauf begründete Sechstheilung nachzuweiſen ıft nun alles 
Andere herbeigezogen, fowohl die Frage nach der Länge der Wand, 
ald auch die nach der Zeit der Gemälde ; diefe beiden Fra— 
gen erfcheinen alfo in der mathematifchen Methode des Herrn 9. 
als Hilfseonftructionen, durften folglich nicht als coordinirte Punfte 
neben die Hauptpunfte der Unterfuchung gefett werden, wodurch nur 
Verwirrung entftehen kann. 

Dies vorausgefandt fünnen wir Hm. 9. auf feinem Wege 
folgen. Wir beginnen alfo mit der Frage nach der Zeit der Ge— 
mälde, in welche wir jedoch nur foweit eintreten, wie dies zum 
Nachweis der pelitio prineipii nöthig ift, deren wir Hrn. 9. be 
fhuldigt haben. Ben ©. 7.—9, im zweiten Capitel werden die 
Anfichten Böttigers (Ideen zur Archäologie d. Malerei ©. 314. 15.) 
und Petronnes (Lellres d’ un anliquaire cet. p. 452. sqq.) über 
das gegenfertige Verhältniß der Gemälde in der Lesche und in der 
Stoa poifile im Athen angeführt; Letronne rückt die Gemälde in 
Delphi in die Jahre 473.— 76. hinauf, und fest die in der Poikile 
um 479, an, giebt alfo der Poifile die Priorität, welches Verhält— 
niß ebenfalls Böttiger ftatuirt, jedoch mit dem Unterſchied, daß er 
beive Malereien als jünger annimmt. Hr. H., welcher diefes Vers 
hältniß umzukehren wünſcht, bemerkt zunächft gegen Böttiger, wel 
cher die Eidabnahme in der Lesche und die Berathung der Fürften 
über Aias Frevel in der Poikile für dieſelbe Scene hielt, mit vol- 
lem Rechte ©. 9. daß dies »bei aller Uebereinfiimmung einiger 
Hanptperfonen doch allzu verfchiedene Situationen waren, um über- 
all aus einer derfelben auf die andere zu fehließen“; was übrigens 
auch ſchon Weldker ©. 35. ausgefprochen hatte. Ferner fagt Hr. 
©. gegen die Wiederholung der Paodife, auf welche Böttiger das 
meifte Gewicht Iegte, ebenfalls richtig, „daß Laodife in Delphi zu 


422 Antepikr. Betrachtungen über die polygnotiſchen 


einer ganz andern Gruppe gehöre, die mit dem Eide des Aias gar 
Nichts gemein hatte“. Soweit fünnen wir Hrn. 9. ganz beiftim- 
men, doc; ift zu bemerken, daß bisher noch Fein Argument für die 
gewünfchte Umfehrung des Zeitverhältniffes beigebracht worden ift. 
Jetzt aber fährt Hr. 9. fort, und bringt damit fein erftes Argument 
bei: „aber auch wenn die Aehnlichfeit beider Srenen größer gewes 
fen wäre, als es der Fall ıft, würde für mich fchon daraus eher 
das umgefehrte Zeitverhältniß folgen, infofern Polygnot, die Laodike, 
wenn er fie einmal unter dem Bilde feiner Geliebten vargeftellt 
hatte, auch auf einem fpäteren Gemälde faum anders als unter dem- 
felben Typus darftellen konnte/ u.f. w.; erfreulich ift an dieſem Satze 
nur Eines, nämlich die Einfchränfung, mit welcher Hr, 9. erklärt für 
ihn folge aus diefen Pramiffen diefer Schluß, denn ſchwerlich wird 
ihm Jemand weder in jenen noch in diefem beiftimmen. Die Haupt- 
face aber kommt jegt, Hr. 9. fährt fort ©. 9. und 10.: wbiefe 
Umfehrung wird mir dann noch Durch zwei andere Ermägungen zur 
böchften Wahrfcheinfichfeit. Einmal namlich) kann ich, weit entfernt 
wie Böttiger in dem größeren Reichthum ver delphifchen Compofi- 
tion einen Kortichritt gegen die einheitliche Handlung des athenifchen 
Gemäldes zu erblicken, letzteres zu erfterer nur in das ähnliche Ver- 
hältniß fegen, wie wir uns die fürzeren aber innerlich abgelchloffe- 
nen Dramen des Aeſchylos und ferner Nachfolger zu den vorherge— 
benden des Phrynichos denken müffen, die nach der fchönen Ausfüh- 
rung von Droyfen (Kieler philol, Studien ©, 43.) nur eine Folge 
von Scenen aus dem nämlichen Mythenfreife ohne höhere Einheit 
des Gedankens an einander gereiht hatten; und je weniger es 
grade nah den neueften Behandlungen möglid fein 
wird, in den Boftandtheilen der beiden delphiſchen Gemälde mehr 
als eine Anzahl ſymmetriſch aeordneter Gruppen und Figuren des 
nämlichen mythologifchen Gebietes (o ja, z. B. in der Nekyia!) 
aber ohne innere Beziehung auf einander zu erfennen, defto ficherer 
glaube ich diefe einer früheren, wenn ich fie fo nennen darf voratti— 
[hen Periode des Meifterg zumwerfen zu dürfen, die wohl zur Be— 
gründung feines Nufes, aber darum noch nicht zu feiner vollen fünft- 
leriſchen Entwirfefung ausgereicht haben wird”, Ich muß des Raumes 





Gemälde in ver Lesche zu Delphi. 425 


wegen baranf verzichten diefen Sat in feinen Einzefheiten zu be 
leuchten, es kommt bier aber auch zunächft nur auf venfelben in 
feiner Gefammtheit als Hauptargument diefes Capitels an. Wie 
nun zunächft Hr. 9. fagen kann, daß es gerade nach den neueften 
Behandlungen unmöglich fein wird, eine innere Beziehung der Grup— 
pen und Figuren auf einander zu erkennen, iſt in ber That vollftän- 
dig unbegreiflich, da gerade die Welderiche Darftelfung der Iliuperſis 
auf der Begründung der einheitlichen Compofition beruht; diefe Ans 
fchauung konnte Hr. 9. zu befämpfen verſuchen, und daß er dies 
theilweife thut, während er an andern Orten innere Beziehungen 
der Gruppen und Figuren fo fehr anerkennt, daß er darüber bie 
äußeren Beziehungen der ſymmetriſchen Gruppirung völlig vergißt 
oder aus den Augen fest, gerade das, fage ich, zeigt und beweift, 
daß es Hrn. H. doch nicht fo ganz unmöglich geworden, Die Einheit- 
fichkeit in Welckers Neconftruction zu erfennen, zugleich aber beweift 
es, daß die angeführten Worte nicht fo lauten dürfen, wie fie Taus 
ten, fondern vielmehr alfo zu ſchreiben find: ! 

Da ih der vorgefahten Meinung bin, daß der Künſtler in 
beiden Gemälden durch ein gleiches mathematifches Schema der 
Compofition genug gethan hat, da ferner dies mathematiſche ſechs— 
theilige Schema ta der Slinperfis fowohl wie in der Nefyia Nichte 
mehr als eine Anzahl fymmetrifher Gruppen und Figuren erfennen 
läßt: fo ſchließe ich hieraus, dag die Gemälde einer früheren, vor» 
attifchen Pertode des Meifters angehören, 

Und da haben wir den Cirkelſchluß, denn die ganze. Frage 
nach der Zeit der Gemälde, ale Argumentation für die frühe Pe— 
riode derfelben ift nur dazu herbeigezogen, um Die Behauptung: die 
innere Einheit fehle auf beiden Gemälden zu unterflüßen. 

Wenn Hr. 9. weiter binzufügt, (S. 10.) Polygnot würde 
fih, falls er ſchon die Poikile gemalt hatte, in Delphi eher als Athe- 
ner, denn als Thafter von Abfunft angeführt haben, fo tft biegegen 
zu bemerken, ‚erftens, daß das Epigramm von Simonides war, daß 
alfo nicht Polygnot fih als Athener over Thafter anfführte, fondern 
von dem großen Dichter bezeichnet wurde, und zweitens, angenommen 
Polygnot habe hierin dem Dichter vorgeſchrieben, daß wir wahrlich 


424 Antepikr. Betrahtungen über die pyolygnotifchen 


nicht im Stande find die möglichen perfönlichen Motive des Künft- 
Yers zu beurteilen, welche ihn bewogen haben mögen, feine wirkliche 
anftatt feiner berühmteren Adoptivheimat zu feiern. Können wir 
dies aber nicht, fo find wir zu dem H.ſchen Schluß auf feine 
Weiſe berechtigt. Was Hr. 9. weiter über die Zeit des Gemäldes in 
der Poifile hinzufügt, können wir billig übergehen, doch ift in Be— 
zug auf die Gemälde in Delphi noch zu bemerfen, daß die mehrfa- 
che Hineinziehung attifcher Intereffen, welche fchon Böttiger (Ideen 
©. 361.) berührt und welche Welder ©. 23. und 65. befpricht und 
ins Licht ſtellt, nicht eben geeignet ift, für eine vorattifche Periode 
des Meifters zu furechen, ebenfo wenig wie zu einer früheren Pe- 
viode, welche noch nicht zur vollen Fünftlerifchen Entwicelung Poly- 
gnots foll ausgereicht haben, das große Lob paßt, welches den Ge- 
mälden von fo manchen Stimmen des Altertfums ertheilt wird, wie 
dies Welcker gleih im Beginn feiner Unterfuchung zufammengeftelft 
bat, in welcher es S. 4. von diefen Gemälden heißt! „fie find ein 
Höchftes in ihrer Art, nicht weniger wie in anderer Compoſitions— 
weife die Giebelgruppen des Parthenon“. Fänden wir biegegen 
nur einen Beweis in den Hermannfchen epifritifchen Betrachtun- 
gen, aber nein, Herr Hermann feßt nur voraus und gründet 
auf diefe Vorausfesungen feine Schlüſſe. — Doch es genügt für 
dies Capitel gezeigt zu haben, zu welchem Zwede Hr. Hermann 
die in jedem andern Betracht weit feitab liegende Frage nach der 
Zeit der Gemälde herbeigezogen, und wie er feinen Zweck er- 
reicht hat. 

Das dritte Capitel, entfprechend dem zweiten vorgeftellten 
Hauptpunkt der Unterfuchung, foll beweifen, „daß die Befchaffenheit 
und bauliche Conftruetion ver Dertlichfeit, wo fih die Gemälde be— 
fanden, eine allzu große Ausdehnung in die Länge verbietet“, wel- 
he der Welckerſchen Neconftruction vorgeworfen wird. Hr. 9. 
meint bier offenbar mit Aeſchylus in Ariftophanes Fröfhen 1200: 

ano Amavdrlov 00v Tovg nooA0yovg dLagyIEow. 

Sehen wir zu. Alferdings findet fih bei Welder keinerlei 
Angabe über das Maß der Wände, Hr. 9. aber rechnet dies fol- 
gendermaßen heraus S. 15.: Polygnot hat in lebensgroßen Figuren 


Gemälde in ver Lesche zu Delphi. 425 


gemalt nach Aelian V. H. IV. 3. (vergl. Jahn in d. Kiefer philol. 
Stud. S. 142., Dfann Syll. inseriptt. p. 246. Boeckh ad C. 1. 
Il. p. 664.), lebensgroße Figuren aber erfordern zwei Fuß Grund» 
linie, folglich müffen wir für die Wände nach Welckers Reconftruetion, 
welche für die Sliuperfis beinahe 50 Verfonen in der unterften Li— 
nie hat, zum mindeften eine Lange von 80’ annehmen. Hr. 9. fragt 
dann ©. 15. „find wir aber zu einer folchen Annahme auc nur 
durch die bauliche Befchaffenheit der Lesche berechtigt?“ Es folgt 
jest eine Reihe von Vermuthungen über die bauliche Conftruction 
der Leschen überhaupt und der Delphifchen insbefondere leider wiſ— 
fen wir über diefe bauliche Conftruction Nichts, die fparlichen Aus: 
drüce der Schriftfteller Taffen der Vhantafie allen Spielraum, wie 
3. B. Athenäus Ausdruck (XI. 84): Inoavgog nıvarwv d. h. zu 
deutfch Gemäfvegalerie, Herrn 9. auf den Begriff eines Schatz— 
baufes () leitet, welcher die Vorftellung eines offenen -Säufen- 
hauſes durchaus ausfchließe. Auch aus den Kombinationen des Hrır. 
Berf. gelangen wir über die bauliche Conftruction der LXesche zu 
durchaus feinem Nefultat; nur auf diefe Folgerung kommen wir 
(S. 18): Hr. 9. fennt jedenfalls für die ganze Bedeutung unfe- 
rer Lesche Feine beſſere Analogie, als den Gemäldeſaal vor den 
athen. Propyläen; diefer hat nach den neueften Meffungen eine 
Länge von 35° auf eine Breite von 30°, mag nun auch die Lesche 
etwas geftresfter (warum nicht auch breiter?) gewejen fein, fo wird 
fie, ſchon um des nöthigen Lichts willen, kaum viel über 50° zu 
Ihäasen fein, zumal wenn man außerdem (I) noch die Enge des ges 
birgigen Terrains und die Genügfamfeit des älteren Griechenthums 
in Anschlag bringt, u. f. w. Was, wenn fchon des nöthigen Lichtes 
wegen die Lesche nicht über 50° fein durfte, die athenifche Gemäl- 
degaferie und ihre Mafe bier follen, ift nicht wohl zu begreifen, fa 
fie wäre beffer herausgeblieben, denn der Schluß von der Größe 
eines Gebäudes auf die eines anderen von ähnlicher Beftimmung 
it gar feiner. Wenn-aber Herr H. diefe feine Combinationen, mö- 
gen fie nun fein wie fie wollen, harmlos in die Welt fentete, Fönnte 
man fie hingehen Taffen, wenn er dagegen folgendermaßen fein Ca— 
pitel endet: »und wern mithin (I) ſchon die raumliche Ausdehnung 


426 Antepikr. Betrahtungen über die polygnotifhen 


der Neftanrationen meiner Vorgänger den Boransfegungen () der 
Dertlichfeit nicht ganz zu entiprechen fcheint“ u. fe w,, fo wird man 
zur höchſten Bewunderung diefer methodiichen und allſeitigen Erfe- 
digung der Sache“ gezwungen. — 

Wir fommen zum 4, dem 3. vorausgeftellten Hauptpunfte 
entfprechenden Eapitel. Hr. 9. fahrt ©. 19, fort: „dazu kommt 
dann aber noch weiter die Betrachtung, daß diesangegebene Figu- 
renzahl in den vorliegenden Neftanrationen fir das Gemälde zur 
rechten Hand felbft eine ungleich Tangere Wand als für das zur 
Iinfen Hand verfangen würde, wo auch die langfte Neihe auf fei- 
nen Fall mehr als 30 Figuren neben einander zulähts. Sonderbar! 
das Gemälde rechts (die Iliuperſis) fol eine ungleich Tangere Wand 
erfordern, und in den Riepenhaufenfchen, Welckers Abhandlung ber- 
gegebenen Nupfertafeln, find die beiden Zeichnungen, bei gleicher 
Größe der Figuren, bei einer gleich vollkommenen Benusung und 


Ausfüllung des Raumes der unterften Linie, auf die es bier an 


fommt, vollfommen gleich fang, Eine nur ein wenig genauere Ver— 
gleichung diefer Zeichnungen hätte alfo Hrn. 9. von der Irrigkeit 
feines Schluffes belehren können; freilich wenn es bei dem Urteil 
über die Verwendung des Naumes in Kunftwerfen auf bloßes Zäh— 
len der Figuren ankäme, möchte Hr. H. Recht haben, aber dieſes 
bloße Zählen der Figuren, ohne Rückſicht auf ihre Stellung, Hand» 
ung, nähere oder weitere Zufammengruppirung führt nimmer zur 
Anſchauung einer Compofition, viel eher zu einem völligen Mißver- 
ftehen verfelben. — Aber weiter: „verbinden wir damit noch über- 
haupt das ganz verfchiedene Gruppirungsgeſetz, das ebenfowohl bet 
Welcker und Jahn als bei Niepenhaufen und Goethe zwifchen den 
zwei parallelen Wänden herrfcht, fo vermiffen wir durchaus den 
Grundtypus der Symmetrie oder des Parallelisınus, der gerade für 
die Werke der älteren Griechiichen Kunſt nenerbings mit fo großem 
Nechte als maßgebend nachgewiefen worden ij“. Da liegt ber 
Hauptgedanfe, welcher in dieſem Abfchnitt weiter ausgeführt wird, 
Hr. 9. fordert für die beiven fich gegenüber ftehenden Gemälde eine 
vollſtändige Symmetrie, einen ftrieten Parallelismus, und beruft fich, 
um diefen als Compofitionsgefes für die Werke der älteren Griech, 





Gemälde in der Lesche zu Delphi. 427 


Kunft nachzumweifen, auf Brunn’s vortrefflichen Auffag: Ueber den 
Parallefismus in der Compyofition altgriechifcher Kunftwerfe im Neuen 
Rhein, Mufeum V. S. 321. ff. und „insbefondere“ auf die Abhand- 
lung Bergk's: Ueber die Compofition des Kaftens des Kypſelos in 
der Arch. Zeitung 1945. Nro. 34.— 36. Dies vinsbefondere« ıft in 
zwiefacher Hinficht merfwürdig, einmal weil der vorher angeführte 
Auffas von Brunn der gefünftelten, ‘von jeder lebendigen Anfchauung 
der bildenden Kunſt und ihrer Gefese entjernten Hypothefe Bergk's 
gradezu widerfpricht, namentlich was die Bermannichfahung der ver» 
fchlungenen Reſponſionsſchemate anlangt, die auch bei Hrn. 9. eine 
Role foielen; und ſodann, weil grade Bergk nur von der Nefpen- 
fion innerhalb eines KRunftwerfs ( einer Flache) handelt, Brunn da— 
gegen von Refponfionen zweier und mehrer Flügel getheilter Kunft- 
werfe. Berges Hypotheſe hat alfo mit der von Hrn. 9. prätendirten 
Nefponfion der beiden Gemalde Nichts zu thun, Im nicht vom Ges 
genftande abzufchmweifen und das Nähere, falls es nöthig werden 
ſollte, künftiger befonderer Erörterung vorbehaltend, will ich hier 
nur kurz bemerfen, daß ich, welentlih mit Brunn einverjtanden, in 
der räumlichen Darftellung der bildenden Kunft, welcher das Mittel 
der Zeitabfolge frhft, nur die einfachiten, auf die körperliche Darftel- 
fung bezründeten Formen der Nefponfion anerfennen fann, und die 
Hebertragung der Modtjicationen diefer Nefponfton aus ver chorifchen 
Lyrik in Die bildende Kunft für eine ebenſo haltlofe wie gefährliche 
Spielerei anfprechen muß. — 

Aber wir fehren zur Forderung des Hrn. 9. are, der Pa⸗ 
rallelismus müſſe fih auf die beiden an zwei Winden einander ge— 
genüber befindlichen Gemälde bis zur Gfeichheit eines gleichfam 
mathematifchen Schematismus erftreden, eines mathematiichen Net» 
208, durch deffen Zugrundlegung der Künftler, wie Hr. 9. ©. 22. 
meint, glauben durfte, für Einheit und Geſetz genug gethan zu ha— 
ben. — Mlerdings fagt auch Welder S. 45. in Bezug auf bie 
Nefyia „in der Anordnung der Bilder mu man eine allgemeine 
Uebereinftimmung mit dem Gemälde gegenüber vorausſetzen“ u. f. w., 
aber W’s. ganze Anordnung zeigt, daß er hiemit nicht an einen 
matbematifchen Schematisinus gedacht hat, ſondern daß cr jedem 


498 Antepifr, Betradhtungen über die polygnotiſchen 


der beiden Gemälde feine eignen Compofitionsprinzipien läßt, ohne 
eine Allgemeine Uebereinftimmung, die Dreizahl der durchlaufenden 
Linien und die Siebentheilung der Hauptgruppen zu verwifchen. 
Aber weiter durfte auch nicht gegangen werden, wenn man nicht die 
künſtleriſche Compofition durch den ftarren Schematismus tödten, ihr 
die eigene Jdecnentwicelung nehmen will. Darauf kommt es aller- 
dings Hrn. 9. nicht an, welcher einmal im Namen des Künſtlers 
für Einheit und Gefes durch ein mathematifches Neg genug gethan 
zu haben glaubt; wenn wir aber den freien Geift des Künftlers, 
der eine fo hohe und herrliche Erfindungsgabe in ſo vielen Einzel- 
beiten zeigt, wovon wir die Einficht namentlich Welcker verdanken, 
wenn wir diefen Geift des Künſtlers nicht von vorn herein in das 
Netz vorgefaßter und durch Vafenbilder, auf denen ohnehin von ma- 
thematijchen Netzen feine Spur ift, immer nur zweifelhaft begründe- 
ter Vorſtellungen einfangen wollen, fo werden wir beftrebt fein 
müffen, aus der Befchreibung des Paufanias und unter genauer 
Berückſichtigung der innern geiftigen Gefese einer finnsolfen Kunft 
für jedes der beiden Gemälde die Compofition zu reconſtruiren, 
welche der dee des Ganzen und der fünftlerifchen Intention, wel- 
che in demfelben Tiegt, am meiften entfpricht. Diefen Weg ift Wel- 
fer gegangen, und auf diefem Wege hat er feine Nefultate erreicht, 
bat er dargelegt, wie, ohne der Vebereinftimmung im Allgemeinen 
zu fhaden, dennoch jedes der beiden Gemälde aus feinem eignen 
Prinzip heraus componirt fei. Freilich mußte danach die Anordnung 
beider Gemälde verfchieden ausfallen, aber ift denn nicht auch die 
Idee in beiden Gemälden eine verſchiedene? In der Iliuperſis geht 
eine beftimmte, einmalige Handlung vor, fie ift tragifch auf einem 
Moment zufammengezogen ua noasız nolvusons, deren Einheit 
Welcker fo ſchön entwicfelt, und zufammenfaffend ausfpriht ©. 27.3 
in der Nefyia dagegen ift durchaus feine beftimmte einmalige Hand» 
lung dargeftellt, noch follte fie es fein, fondern nur dauernde Zu— 
fände der Todten in Hades fehattigem Reich und den Hainen Per- 
ſephoneia's werben ung vorgeführt, Weit entfernt alfo eine ſche— 
matiftifche Gleichmäßigkeit in der Compofition beider Gemälde zu 
fordern, würde ich der audgefprochenen innern Verſchiedenheit der 


Gemälde in der Lesche zu Delphi. 429 


Idee gemäß, wenn denn doch einmal vorausgefegt werden müßte, 
Verſchiedenheit der Compofition fordern, und fehon Deswegen jede 


- auf Gteichmäßigfeit beruhende Neconftruction als verdächtig anfehen. 


Sleihmäßigfeit muß Fehler in beide Gemälde bringen, in die Iliu— 
perfis Trennung in Felder oder umgefehrt in die Nekyia Centrali- 
fation auf eine durch Nichts angedeutete Hauptgruppe. 

Nachdem nun Hr. 9. ©. 20. anerkannt hat, daß ſchon Böt— 
tiger, noch mehr aber die beiden neueften Bearbeiter, Jahn und 
Welcker diefe Forderung (Herr 9. meint die Forderung eines ftren- 
gen Parallelismus, Welder aber und auch Jahn anerfennt nur 
die einer allgemeinen Uebereinſtimmung beider Gemälde) feines- 
wegs überfehen haben, fährt verfelbe alfo fort: „im Ganzen 
laffen fie aber gleichwohl die Confequenz vermiffen, ohne welche fein 
Geſetz, und diefes am wenigften eine Wirffamfeit üben fann, und 
die hier bei zwei Gemälden, die fich einander gleichſam antiftrophifch 
entfprechen gewiß nicht blos in der inneren Anordnung eines jeden 
derfelben für fich, fondern auch in ihrem Verhalten zu einander vor— 
ausgefegt werden darf“. — Was nun zunächft die angebliche „gleich“ 
fam antifirophiiche Entſprechung“ anlangt, fo gehört diefer Ausdruck 
zu denjenigen, welche man nicht präcıs anwenden kann, und welche, 
weil fie, bei einer gewiffen Scheinbarfeit, Feine beftimmten Begriffe 
und Anfhauungen gewähren, Lieber vermieden werden follten. Soll 
fih diefe antiftrophifche Entfprechung auf die Idee und Ffünftlerifche 
Intention der Gemälde beziehen, muß ich nach dem Gefagten die 
Richtigkeit diefer Behauptung in Abrede ftellen, fol diefelbe fich auf 
die Form und Anordnung beziehen, — doc nein, das Fannn nicht 
der Sinn jener Worte fein, denn die Gleichmäßigfeit der Gemälde 
fol ja eben bewiefen werden, darf folglich nicht als Pramiffe „vor— 
ausgefegt‘ werden. Wenn aber Hr. 9. fagt, daß die Confequenz 
des Geſetzes der Reſponſion gewiß nicht allein in der inneren An- 
ordnung eines jeden Gemäldes für fich, fondern auch in ihrem Ver— 
halten zu einander »vorausgefegt“ werden darf, fo dürfen wir mit 
Recht nah Beweiſen für dies „gewiß fragen und muffen Hrn. 9. 
darauf aufmerffam machen, daß er hier, — was wir eben nicht an- 
nehmen mochten, — explieite und mit Gebrauch des eigentlichen 


430 Antepifr. Betrachtungen über die polygnotiſchen 


Wortes juft das „vorausſetzt“ was er beweiſen will. — Hr. 9. 
fahrt aber fort, indem er die Welckerſche Reconſtruction der Nekyia 
als nach einem richtigen Prinzip vorgenommen, ja die Idee der Fel- 
dertheilung als die einzige anwendbare für die Herftellung der po- 
lygnotiſchen Gemälde anfpricht, aber um fo mehr zu bedauern er— 
flärt, daß Welder diefe Feldertheilung nicht auch in der Jliuperſis 
verfolgt, „fondern bier mehr die Pyramidalitellung fefthäft, die an 
ſich ſehr malerifch fein Farm, dem Charakter der älteren Malerei 
aber, wie wir ihn ja zur Genüge (1 aus den Vafenbilvern Fennen, 
eben fo wenig als der Befchaffenheit des Hier gegebenen Raumes 
entſpricht“. Mit dieſem Sase alfo betreten wir die Schwelle einer 
Auseinanderſetzung über der Stil des Polygnot und der älteren 
Malerei überhaupt, der wir folgen wollen, nachdem wir zunächſt 
unfre Uebereinftimmung mit der H.'ſchen Behauptung ausgefprochen 
baben, dag wir für die Iliuperſis nicht wohl eine pyramidale An» 
ordnung annehmen dürfen, „da ein Parallefogramm für feine oberen 
Eden eben fo wohl wie für feine unteren und mittleren Partien 
eine Ausfülfung verlangt, die eine Kunft, welche noch feinen Hinter 
grund, Feine Luftperfpective (was folf die hier bedenten 2) Fannte, 
nur gleichfalls in Figuren Kiefern konnte. S. 21. Ich komme auf 
die Confequenz diefer Berftimmung unten bei der Beſprechung der 
Gemälde im Einzelnen zurück. — 

Im Folgenden wäre nun für Hrm. 9. der Drt gemwefen, uni 
mit alfer Schärfe einer anf umfaffende Kennerfehaft der alten Kunſt 
und eine forgfältige Beachtung der fpärlichen Winfe der Schriftitel- 
fer gegründeten Kritik eine Darftellung des wahrfcheinlichen Stils 
polygnotifcher Malerei zu geben; konnte Hr. 9. für diefe Darftel- 


fung auch nur wenige beftimmte Haltpunfte finden und aneinander» 


reihen, er hätte nicht alfein für feine Reconſtruction der Peschenge- 
mälde eine fichere Grundlage gefchaffen, fondern der gefammten 
Kunftgefihichte einen weſentlichen Dienft geleiftet. Und was finden 
wir? Hr. 9: fährt ©. 21. fort: „je weniger, wie: oben bereits be- 
merkt (9 ja, aber bewiefen, nein!), die Compofition Diefer Zeit noch 
an eine durchgehende Grundidee gebunden war (vergl. Welder ©. 
3. 4, 7., ad Philosir. p. 458.) vefto mehr mußte fie den Mangel 





Gemälde in der Lesche zu Delphi. 431 


an innerer Einheit (der ja immer noch bewiefen werden ſoll, einft- 
weilen aber, und fo bis zum Schluß, »worausgefest“ bleibt) durch 
ein Gleichgewicht der einzelnen Elemente erfesen, deffen eine durd) 
eine Haupt- und Centralfigur bedingte und zufammengehaltene Gruppe 
nicht in gleichem Maße bedurfte‘ Hier wird die angeblich bei Po— 
Iygnot fehlende Grundidee plöslich durch eine Haupt: und Central- 
figur erfest, gleihfam, als ob das fo ganz identifche Begriffe wä— 
ven, und als ob durch das Fehlen einer (einzelnen) Centralfigur für 
das Fehlen der durchgehenden Grundidee und der Einheitlichfeit des 
Ganzen auch nur das Mindefte erwiefen wäre. Freilich, eine ein- 
zelne Figur fonnte nie das Centrum fo ausgedehnter Compofitionen 
fein, wie aber, wenn für die Sftuperfis Welcker in einer Auseinan: 
derfegung, an der Hermanns Epifritif bisher auch nicht ein Sätz— 
chen gerüct hat, eine Steigerung der Intention und des Ausdrucks 
der einzelnen Gruppen nach der Mitte bin nachgewiefen Hat, ver- 
bunden mit der bedeutfamften Reſponſion der beiden Flügel des Ge- 
mäfdes, wenn nach diefem Verfahren zulest zwei Gruppen oder 
Scenen übrig bleiben, welche mehr als alle anderen einen ideellen 
Mittel- und Culmimationspunft der gefammten gleichzeitigen, vielthei— 
Iigen Handlung ausfprechen, zwei Gruppen, welche fich einander 
nicht entfprochen Haben fünnen, ich meine die Eivabnahme und die 
Niederwerfung der Mauer durch Epeios, bei dem zugleich die Duelle 
des ganzen Unheil der dovosıos Innos evfcheint: follten wir da 
nicht genöthigt werden, eine Centralgruppe anzuerkennen, welche für 
die ausgedehnte Compoſition der Iliuperſis diefelbe zufammenhaltende 
Kraft befigt, die in der einzelnen, Fleineren Gruppe eine Haupt- 
oder Centralfigur hat? Ic hoffe unten nachzumweifen, daß wir diefe 
Centrafgruppe nicht allein anerkennen Tonnen, fondern anerfennen 
müffen, fall8 wir nicht gar zu tief in vorgefaßte Meinungen befatt- 
gen an die Betrachtung der Tompofition geben. Hr. 9. fagt weiter, 
nachdem er fich dagegen verwahrt hat, ven Parallelismus als einen 
Vorzug der antifen Kunſt oder gar als fpeeififhe Eigenfchaft oder 
Bedingung ihrer Claffieität geltend zu machen: „aber gleichwie der 
veicheren Compofition der ſtrophiſchen Lyrik das einfachere Gleichge— 
wicht des monoſtichiſchen Versbaues voranging, wie Die regelmäßige 


432 Antepikr. Betrahtungen über die polygnotiſchen 


Wiederkehr gleicher Verfe oder Strophen ein älteres Geſetz fchöner 
Redekunſt war u. |. w., fo wird auch für die malerifche Compofition 
der früheren Periode ein gleichfam mathematifches Gefeß angenom- 
men werden dürfen, das die Vertheilung der Figuren und Gruppen 
ebenfo bedingte, wie es felbft von dem gegebenen Naume abhängiz 
war”, Nachdem Hr. H. oben ſchon auf die Aufſätze Brunn’s und 
insbefondere Bergk's verwiefen hat, welche den Parallelismus und 
die Reſponſion innerhalb der Compofition der einzelnen Kunſtwerke 
behandeln, konnte er fich füglich die Vergleichung mit der Poefie und 
der Nedefunft erfparen, welche an und für fich gewiß keinerlei Bewei— 
fesfraft hat. Aber was demonftrirt uns denn Hr. H.? Daß für 
die malerische Compofition der früheren Zeit ein gleichfam mathe— 
matifches Gefeg angenommen werden dürfe u. |. w. Nun ja, wer 
hat denn, abgefchen von dem Ausdrucke wein gleichfam mathematifches 
Geſetz“ an der Bedeutlamfeit der bilateralen Compofition, des Pa- 
vallelismus innerhalb eines Kunftwerfes gezweifelt? Wahrlich die 
neueften Bearbeiter des Polygnot, namentlich Welder am wenigften ; 
aber hat denn Hr. H. durch diefen Sat, dem gewiß Jeder beiftim- 
men wird auch nur das Mindefte gegen eine Gefammtidee, eine 
Centralgruppe bewiefen * oder verfteht fich das von ſelbſt? ſchließt 
denn das gleichfam mathematische Geſetz die Eintheilung in eine un- 
gerade Gruppenzahl, eine Siebenzahl der Welderfchen Reconftruction 
von vorn herein aus, und ift Dagegen identiſch mit der Eintheilung 
in eine gerade Felverzahl, eine Sechszahl verticaler Streifen? Aber 
Hr. 9. fagt: das mathematiihe Geſetz wird bedingt durch den ge- 
gebenen Raum; nun ja, die Naumerfüllung der Griechischen Kunft 
ift befannt, und zunächft werden uns hier als die augenfälligen Bei» 
fpiele die Giebelgruppen ins Gedächtniß gerufen, deren Compofition 
auf der Refponfion innerhalb der pyramidalen, um eine Centralfi 
gur (Hegineten) oder Gentralgruppe (Parthenon) gefchloffenen Gruppe 
beruht ; aber bedingt denn das Parallelogramm einer Wand eine 
Zweitheilung und fehließt eine ungerade Theilung von vorn herein 
ſo aus, wie fie etwa die pyramidale Gruppirung ausfohließt ? Sch 
denfe nein; denn auch das Parallelogramm hat zwei Enden und 
folglich eine natürliche Mitte, welche auch im decorirenden Bildwerf 





Gemälde in der Lesche zu Delphi— 433 


als folche herausgehoben werden fann. Nur einen Raum, den an— 
tife Kunſt ſchmückte und ausfüllte, giebt es, welcher in fich weder 
Anfangs- noch Endpunfte, folglich an und Für ſich auch Feine Mitte 
bat, das ift das Nreisrund des um Altare, Bafen u. f. w. umlau- 
fenden Bilverftreifen, den das Auge aus feinem Standpunkt in ſei— 
ner Gefammtheit überblien kann, und felbft dies Rund ſchließt eine 
Centralifation nicht aus, wie das erhaltene Bildwerke beweifen. 
Alfo, feldft wenn wir ein rein mathematifches Compofitionsgefes 
innerhalb des Parallelogramms zugeben, haben wir damit noch fet- 
neswegs eine auf ein Centrum gefchloffene Compofition ausgefchloffen. 

Hr. 9. thut ſodann aus verfchtedenen Beiſpielen dar, daß 
das mathematische Verfahren für die Zeiten des erwachenden grie- 
hifchen Getftes eine große Bedeutung hatte, und fchlieft S. 22. 
„warum ſollte nicht auch cin Künftler, der eine ganze Wand mit 
einer Mannigfaltigfeit von Figuren und Gruppen zu ſchmücken hatte, 
für Einheit und Geſetz genug gethan zu haben glauben, wenn er 
jenen ein matbematifches Net zu Orunde legte %’ u. |. w. Iſt durch 
dieſe Frage irgend Etwas bewiefen? und würde der Sat wohl 
richtig fein, wenn wir, ihn in die directe Ausfage umfehrend, ſchrie— 
ben: weil das mathematische Verfahren für die Zeiten des eriva- 
chenden griech. Geiftes von großer Bedeutung war u. f. w., 
deshalb durfte auch ein Künftler wie Polygnot glauben, für Ein— 
heit und Gefeh genug getban zu haben, wenn er der Mannigfaltig- 
feit feiner Figuren und Gruppen ein mathematifches Net zu Grunde 
legte? ch überlaffe dem Lefer die Antwort Hiemit ift die 
Auseinanderfesung über die wahrfcheinlichen Compofitionsprinzipien 
der polygnotifchen Gemälde gefchloffen; was noch folgt iſt eine völ— 
fig richtige Einfchränfung einer allzu ſtrengen Felvertheilung, welche 
aus Paufanias Worten hervorgeht, und welche wir, übereinftimmend 
mit Welder, Hrn. 9. gern zugeben, ohne ung zum Beweife für die- 
felbe auf die Analogie apultfcher und fonftiger, jedenfalls einer fpä- 
tern Zeit angehörigen Vafenbilder zu berufen. Jetzt aber fommt 
Hr. 9. noch einmal auf fein Lieblingsthema, indem er ©. 28. fagt: 
„Ware freilich eine Centralidee überall nachweisiih, fo würde vie 
Dispofition noch viel leichter werden, aber nöthig ift fie zu derſel— 

Muſ. f. Philol. N. 3, VII. 98 


434 Antepyifr. Betrachtungen über die polygnotiſchen 


ben nicht, und weit entfernt, wie Caylus (Hist. de PAcad. T. 
XXVII. p. 35.I e8 voransfegt, um jeden Preis zuvörderſt nach einer 
folchen zu Suchen, würden wir fie felbft erit dann annehmen, wenn 
fie fih aus der Befchreibung ungefucht ergäbe“. Sehr richtig ſcheint 
es mir, daß fih Hr. 9. gegen Caylus opponirt, der „um jeden 
Preis‘ nach einer Centralgruppe fucht, und zwar deshalb richtig, 
weil jede vorgefaßte Meinung, mit der man an die Recpnftruetion 
hinangeht, zu bekämpfen ift; wenn nun aber Hr. 9., der eine Cen— 
tralgruppe anertennen zu wollen erklärt, wenn fie fih ungeſucht er— 
giebt, zunächſt nur die von früheren Bearbeitern angenommenen, von 
fpäteren, namentlich son Welder als irrig nachgewiejenen Central- 
gruppen verwirft (S. 24., vergl. Welder ©, 26. |), dagegen an 
der von MWelder angenommenen Centralgruppe der Flinperfis mit 
den Worten vorübergeht: um fo Meniger befriedige ihn Welckers 
eigene Herſtellung, welche in der Iliuperſis zu einem pyramidalen 
Aufſteigen, in der Nekyia wenigftens zu der ungeraden Giebenzahl 
führe, welches Beides ohne Mittelbild Faum gedacht werben könne, 
fo dürfen wir ung billig über Dies Verfahren verwundern, und wer: 
den geftehen müffen, daß Hr. H. ebenfowohl wie Caylus mit vor- 
gefahten Meinungen an’s Werk gegangen iſt. Gewiß erfordert die 
Welckerſche Reconfteuetion der Iliuperſis eine Gentralgruppe, aber dieſe 
ift ja auch vorhanden, und ausführlich von Welcher begründet 1); diefe Be— 
gründung Welders mußte Hr. 9: alfo zunachft als irrig nachwerfen, um 
fo das Mittelbild zu entfernen, dann erft durfte er die ganze Com- 
pofition als unbefriedigend anfprechen, Freilich verwahrt fi) Hr. 9. 
©. 25. ausdrücklich dagegen, mit vorgefaßten Meinungen an die 
Arbeit gegangen zu fein, „doch wolle man nicht etwa glauben, als 
habe ich von folchen abfiraeten Anfichten ausgehend mit Gewalt ein 
vermeintes Gefes in die Befchreibung des Paufanias hineingedeutet‘’ 
u. ſ. w., er macht Daher die Richtigkeit feiner Anficht von der „un⸗ 
gezwungenen Anwendung auf die Worte des alten Zeugen felbft 
abhängig“. Ich will Hrn, 9. ber feiner Behandlung der Befchrei- 
bung des Paufanias folgen und auch meinerfeits von der genauen 
Prüfung des Textes und der H’fchen Erklärung desfelben den Be- 

1) (Bergl. ©. 4. Note 10. ©, 16., 20. , 25, 26., 37. und fonft.) 


Gemälde in der Lesche zu Delphi. 435 


weis für die Richtigkeit alles bisher gegen die Hermannfchen Anſich— 
ten Ausgefprochenen abhängig machen. Doch muß ich nothgedrun— 
gen noch Eines vorausfenden. Hr. 9. nämlich fehließt feine Aus- 
einanderfesung der Befhreibungen mit Schematen des Parallelismus 
und der Refponfion in beiden Gemälden. Die Frage um die Re— 
ſponſion ift eine zu wichtige, ich würde zu oft auf deren Erörterung 
zurücfommen müffen, als daß es nicht gerathener feinen follte, 
die Befprechung derfelben voraufzufenden. Hr. H. nimmt für vie 


Iliuperſis S. 30. und 31. folgendes Nefponftonsfhema an: 


L IL IL WW. V. VL; 
Ve Near ge 


für die Nefyia S. 36. folgendes: 
. EI ARE EP 

Diefe verfehlungenen Refponfionsfchemate und die technifchen, 
aus der choriſchen Lyrik hergenommenen Bezeichnungen für dieſelben 
(Ploke, Emploke, Periplofe) find von Bergk in feiner Reconfiruetion 
des Kypfelosfaftens ausgegangen, aber ſchon Brunn im mehrerwähn- 
ten Auffage (S. 322.) nennt diefelben „‚gefünftelt und eben des- 
wegen unfünftleriich”. Es iſt faum zu begreifen, wie diefe unfünft- 
lerifche Hypothefe hat fortwirken umd fi Anhänger wie Hermann 
erwerben können; um fo mehr aber ift zu bedauern, daß eine dire- 
ete Widerlegung Bergk's außerhalb Brunn’s Plan Tag, wenngleich 
die indirecte Widerlegung den Namen einer vollftändigen verdient. 
Einen. Hauptgrundfas Hat Brunn S. 322, hingeſtellt, ich will es 
verfuchen diefem den zweiten hinzuzufügen und aus der Brunnfchen 
Arbeit die Prinzipien zu entwickeln. 

Zu allererft ift feftzuftellen (Brunn a. a. O.) daß beide, Poefte und 
bildende Runft die Reſponſion nur durch das Wiederfehren derfelben Form 
zum Bewußtfein des Hörers und des Befchauers bringen fünnen ; dag 
Auffuchen einer ideellen Refponfion ohne äußerlichen Charakterismus ift 
Sache des grübelnden und fpitfindigen Verftandes, nicht Sache der un— 
mittelbaren fünftlerifchen Aufaffung weder der Poefie und Muſik, noch 
der bildenden Kunft. Nehmen wir nun den ſchon von Leffing im 
Laokoon richtig entwickelten Unterfchted der poetischen und maleriſchen 


436 Antepifr. Betrahtungen über die polygnotifchen 


Compoſition Hinzu, daß die Poefie (und Mufif) in einer Zeitab- 
folge, die bildende Kunft aber im räumlichen Nebeneinander wirft, 
fo ergiebt fich hieraus folgender höchſt bedeutfame Unterfehied für 
die Gefege der Nefponfion. Die Poefie und die Muſik haben die 
Möglichkeit die charakterifche, entiprechende Form zu jeder Zeit 
wiederkehren zu laſſen, und folglich, den Hörer in jedem Augenblice 
auf das in der Zeitabfolge, deren Abſchluß nicht vorher empfunden 
werben fann, in der alfo a priori feine entfprechenden Punkte find, 
vorangegangene, entiprechende Glied zurückzuweiſen. Es folgt hier- 
aus, daß die Poeſie und Mufif eines vieltheiligen und verfchlunge- 
nen Nefponfionsfchemas fähig find, vorausgefegt, daß die Charafte- 
rismen der einzelnen Glieder gehörig ſcharf gewählt werden. 

Im begrenzten, gleichzeitig überfehbaren Raum aber entfpre- 
hen fih von Natur gewiffe Punfte, und nur diefe, 
das find die Endpunfte, auf einander und auf die Mitte bezogen, 
nicht aber beliebig gewählte Punkte des Raumes. Es folgt hieraus 
mit zwingender Nothwendigfeit, daß die Orundfchemate aller Nefpon- 
fion im Naume nur die folgenden fein können: 

acbımwacbwach, 
— — — 
Iſt nun das Centrum c ein charakteriftifch genug bezeichneter Punkt, 
fo ſchließt er mit den Endpunften möglicherweife wieder ein Centrum 
ein und es kann fih das Schema dadurch, ohne an feinem Prinzip 
zu verlieren, verftelfältigen : 
adcebwadceb,mpadceb; 
ef, I uf NL / 


a 


oder mit Wegfall des Centrums: ade b 93 
Nez 


EZ 


immer aber entfprechen fich nur die Punkte, welche das natürliche 
Gegenüber bilden, wodurd eine Auszeichnung des Centrums, welde 
fo natürlich iſt, zugleich Fräftig motiviert wird. Da nun aber die 
bildende Kunft im Naume wirft und durch den Raum bedingt if 


1) Bei dem Schema der einfachen Abwechfelung ab aba b follte 
ch fach hſelung 


man am beſten von Reſponſion nicht reden, jedenfalls aber den Parallelis— 
mus aus dem Spiel lafjen. 


Gemälde in ver Lesche zu Delphi, 437 


(Hermann S. 20. und 21.), fo tft fie auch in der Anwendung der 
Reſponſion auf die Beachtung der ſich natürlich entſprechenden Punfte 
im Raume angewiefen. 

Diefes, und nur diefes Prinzip der Reſponſion finden wir nun 
auch auf den von Brunn im mehrfach angeführten Aufſatz behandel- 
ten Runftwerfen ; an der Brüftung um den Thron des phiviaffifchen 
Zeus in Olympia (Brunn ©. 323. und 24.) das Schema ach; 


i—l 

in den Außenbildern des Amykläiſchen Thrones (Brunn S. 325.—30.) 
nach der unzwerfelhaften erften Seite: 1. 2. de 43 5.0, 
IE — — 





alſo: a c b5 ebendaſelbſt im Innern des Thrones (S. 330.,— 
392.) nad Brunn's höchſt wahrfcheinficher Annahme: 
ET 





11. 1 
l. 2» 23. 14. 
1:38; 1 72 ,8,%9210, 4. 5. 6., alſo: ach wadeb; 


weniger klar iſt die Anordnung an der Baſis der Statue (S. 332. 
—35.); wenn aber Brunn an dem Kypſeloskaſten das gleiche Re— 
foonfionsfchema, welches er für die unterfte Reihe überzeugend nach- 
weiſt, noch für alfe Reiben nicht hat durchführen können, wird 
dies erneute Prüfung vermögen, auf welche jedoch hier einzugehen 
nicht der Ort iſt. Sedenfalls und ohne allen Zweifel iſt Bergk's 
Hypotheſe durch Brunn’s Neftauration aufs Vollſtändigſte wi— 
derlegt. 

Es würde eine geringe Mühe fein, an einer Reihe von erhal- 
tenen Runftwerfen, in welchen überhaupt das Compofitionsprinzip 
der Refpofion waltet, dasfelbe als immer und allein auf dem ent- 
wickelten Prinzip der parallelen Reſponſion, der Entfprechung der 
von Natur im Raume gegenüberliegenden Punkte berufend nachzu— 
weifen, während das Prinzip der verfchlungenen, nicht auf dem na— 
türlichen Gegenüber beruhenden Nefponfion geradezu nicht nachweis- 
bar iſt; doch würde mich das hier zu weit vom Thema abführen, 
und ich fehe mich daher genöthigt, es auf den Verſuch eines Gegen- 
beweifes von Seiten des Hrn. H. ankommen zu laſſen. Bis dahin 


438 Antepikr. Betrahtungen über die polygnotiſchen 


muß ich behaupten, daß die von demfelben angenommenen Sche- 
mate der Nefponfton, weit entfernt davon, „allen Anforderungen zu 
genügen, den man an folchen (!) Parallelismus zu machen berechtigt 
iſt“, wie Hr. 9. ©. 30. meint, geradezu unhaltbar und unnach— 
weisbar find, weil 1. in ihnen das räumliche Gegenüber nicht be- 
rückſichtigt ift, weil 2. in ihnen nicht auf den äußerlich erfcheinenden, 
den Varalfelismus der Formen und Gruppen geachtet ift, weil end- 
Yih 3. felbft das gegebene Schema, auch in Betracht einer rein 
ideellen Entfprechung, fich nicht mit Strenge in jedem der drei Ho- 
rizontalftreifen durchführen Tapt. Ich werde den 2. und 5. Punft 
im Einzelnen, wenn auch nur kurz nachweifen, der erfte bedarf kei— 
nes weiteren DBeweifes. 

Wir fommen zur Befchreibung der Iliuperſis. Die erfle und 
zwar bedeutende Abweichung von allen bisherigen Neconftructionen, 
welche Hr. H. S. 25. vorfchlägt, ift, die Zelte, welche abgebrochen werben, 
anftatt neben das Schiff des Menelaos an die Küfte, vielmehr über 
dieſes Schiff zu verlegen. inverftanden wie ich mit Hrn. 9. bin, 
daß das Parallelogramm einer Wand, einer pyramivalen Gruppirung 
entgegenfteht, erkläre ich mich diefem Vorfchlag, welcher uns alsbald 
für den erften Verticalftveifen eine vollftändigere Ausfüllung des 
Raumes gewährt, durchaus zuftimmig, und zwar um fo mehr‘, als 
der Ausdruf ov n000w Tag vews ung die Freiheit läßt, die Zelte 
irgendwo in die Nähe des Schiffes zu verfeßen, was bei den Aus- 
druck epedns, demjenigen, welchen Pauſanias noch am firengften von 
feinen Ortsbezeichnungen durchführt, nicht der Ralf fein würde. In— 
dem wir nun auch für das Haus des Autenor den H.'ſchen Vor— 
fihlag, dasfelbe über den Packeſel zu fegen, annehmen, ıft und bleibt 
die ſtreng parallele Nefponfion in Gruppen und Bedeutung gewahrt, 
und zwar für den erfien und zweiten Horizontalftreifen. Diefer 
Parallelismus würde aber bei dem ferneren Vorfchlag des Hrn. 9. 
©. 26., das Zelt, welches Amphialos (Amufer) abbricht, in den 3. 
Horizontafftreifen zu erheben, fowohl was die Gruppe ald was bie 
iveelfe Reſponſion anlangt, unterbrochen, denn Hr. 9. fest diefem 
Zelt im Abbruch entgegen: Laomedons Leiche von Sinon und An- 
chialos getragen nebft der Leiche des Erefos. Aber auch abgefehen 


Gemälde in ver Lesche zu Delphi. 439 


hievon (wovon abzufehen wir übrigens Fein Necht haben), läßt fich 
noch gegen den Vorſchlag H's. erinnern, daß zwei über einander ges 
ftelfte Zelte ein gar wenig fehönes Bild geben, daß es dagegen leicht 
ift, fie ohne „perſpectiviſche Verſchiebung“ neben einander, entſpre— 
hend dem Haufe des Antenor und diefes vaumlich aufwiegend zu 
denken, fo wie Niepenhaufen fie zeichnete, Im Texte des Panfanias 
findet ſich gewiß feine Drtsbezeichnung, welche H's. Vorſchlag 
vohffertigte, denn wie der Knabe oder Burſch oͤnd Tois nooiv des 
Amphialos einen Bewers für die Stellung in der 3. Horizontalreihe 
adgeben fol, vermag ich nicht zu begreifen. I. Hier muß ich eine Anmer» 
fung machen in Betreff des baufichen Beiwerks auf dem polygnotiſchen 
Bilde. Es ift allerdings eine befannte Thatfache, daß gewöhnlich 
alles localbezeichnende Beiwerf in griechtifchen Kunſtwerken fo unters 
geordnet behandelt if, Daß es nur angedeutet, nicht raumausfüllend, 
alfo auch nicht zum Charafterismus der Refponfion geeignet ericheint, 
Uber dennoch finden wir das Beiwerk zuweilen, und zwar da, wo 
dasfelbe zum beftimmteren Ausdrude ber Begebenheit wird, freir 
lich nie mit der Breite der modernen Kunft behandelt, aber dennoch 
fo weit ausgeführt, daß wir ihm eine Geltung in der Compofition 
und Gruppirung zueriennen müſſen. Auch in der polygnotifchen 
Iliuperſis iſt das bauliche Beiwerf mehr als nur Ipcalbezeichnend, 
es ift charafterifiifch und gehört zur Handlung, die fich theilwerfe an 
ihm entwidelt. Für die Mauer hat Welcker S. 31. als Vorbild 
die Cellenmauer des Parthenon vorgefrhlagen, auch an Die erhalte 
nen Ruinen alter griechiſcher Städtemanern erinnert, welche mir (faſt 
Blatt für Blatt bei Gell in den Proben Griech. Städtemauern) be= 
ſonders geeignet frheinen, weil fie den Charakter des Baues jener 
Zeit wiedergeben. Aber ſo oder fo werden wir uns die Mauer der 
Akropolis, wenn auch „im Leichten Umriß hingezeichnet“ (Welcker 
a. a. D.) doch nicht allzu fehr untergeordnet denken dürfen. Das— 
felbe gilt zunächſt von den Zelten. Ste find nicht allein Localbe— 


1) Unflar ift es auch wie Hr. 9. fih an Bagatellen der Art hän— 
gen fann, wie ©. 26. „zumal da noch ein fisender Knabe unter — nicht 
wie bei Niepenhanfen zwischen — den Füßen des Amphialys erwähnt wird‘; 
derlei Notizen von Belang fommen noch einige vor, werfen aber juft Fein 
günftiges Licht auf den Geiſt der „epifritifchen Ergänzung‘ 


440 Antepikr. Betrahtungen über die polygnotiſchen 


zeichnung des Lagers, fondern fie werden abgebrochen, das ift das 
Charafteriftifche; mehre Perfonen find an ihnen, namentlich am Zelte 
des Menelaos befchäftigt, wir werden uns diefelben alfo nicht wohl 
anders, als in einer gewiffen Ausführlichfeit denfen dürfen. Aehn- 
liches gift von dem Haufe des Antenor. Denfen wir ung die Zelte 
nicht völlig untergeordnet, fo wird dadurch das Unmalerifche des 
H.'ſchen Vorſchlag's, fie übereinander zu ftellen, und zugleich das 
Unfgmmetrifche der Nefponfion mit jener Beftattung des Laomedon 
verftärft; zugleich aber wird es uns anfchaulicher, einmal, wie die 
Höhe des Bildes gar wohl durch die zwei übereinander angebrachten 
Gruppen foweit ausgefüllt wird, wie dies gefordert werden darf, 
und zweitens, wie der Charafterismus der auf ein Centrum bezoge- 
nen bilateralen Compofittion (nach dem Schema A b) ſich gleich 


darin ausfpricht, daß an beiden Enden und in der Mitte des Bil 
des architeftonifches Beiwerk erfcheint, welches zugleich die von Wel- 
fer angenommene Haupttheilung in 3 (Lager, Afropolis, Stadt) 
Har vorbildet und bezeichnet. 

Hrn. H's. zweiter Vorfchlag geht dahin, die Gruppe, welche fich auf 
Helena bezieht, zu trennen, und zwar fo, daß Helena mit dem Herold und 
den beiden um fie befchäftigten Dienerinen in die zweite Horizontalriehe 
verjegt wird, die 3 Freundinen Achills unter diefen in der unterften Reihe 
bleiben, und Demophon mit Aithra, — ich muß des Verfaffers eigene 
Worte herfegen, — „welche letztere als Selavin der Helena hinter 
diefer ftehen muß, obgleich infofern wohl etwas niedriger [angebracht 
werden muß], weil die folgende Gruppe des 3. Streifens als zwi- 
ſchen ihr und Neftor befindfich bezeichnet wird, deſſen Standpunkt 
in der unteriten Reihe durch die Nähe des Ufers ficher iſt“. Indem 
num Helenos und die 3 griechifchen Verwundeten gewiß über He- 
Iena fi) befanden, glaubt Hr. 9. fomit hier noch ficherer die 3. 
Horizontalreiben zu gewinnen. Hiegegen erheben ſich mehre Zwei: 
fel; zunächft ſcheint es nicht gerathen, die auf Helena bezügliche, 
um fie gefchloffene Gruppe zu zerreißen, das gefchieht aber, wenn 
fie in zwei Horizontalreihen zerfällt wird, während gerade die tiefe, 
fünftferifche Intention, welche in ihrer Gefammtheit Liegt, nur her— 
sortritt, wenn die Gruppe als ein Ganzes erfcheint. Aber wir 


Gemälde in der Lesche zu Delphi. 441 


würden doch möglicherweife die Trennung vornehmen müſſen, wenn 
ung bedeutende Gründe entgegenträten. Welches find Hrn. H's. 
Gründe? 1. Helena wird beffer mit dem Zelte als mit vem Schiffe 
des Menelaos verbunden (S.27.). Warum das? Ich bin gerade der 
entgegengefeöten Meinung ; das Zelt ift verlaffen, wird abgebrochen, 
in das Schiff Dagegen laden die Gefährten des Atreiden die Schäge, 
welche er gewonnen bat aus Ilions Zerftörung, dies Schiff foll 
auch den edelften und fchönften Schat, foll Helena die wiedergewon- 
nene zum lieben Pande der Väter tragen, und fo will es mir fchei- 
nen, daß das Motiv ungleich poetiſcher fei, Helena neben dieſem 
Schiffe als neben jenem Zelte zu denfen. 2. (a. a. DJ) „Aber 
auch abgefehen davon können auch Brifeis und ihre Begleiterinnen 
die zu Helenas Schönheit hinaufblicken fchwerlich anders als unter 
ihr geftanden haben, die folglich auch aus diefem Grunde in die 
mittlere Reihe binaufrüden würde, während der unteren nur die 3 
Mädchen verblieben‘. Hiegegen muß ich erflens einwenden, daß 
avaozonsioder wie avaozoneiv in feiner gewöhnlichen Bedeutung 
nicht hinaufblicken heißt, fondern aufmerffam betrachten H, und daß, 
wenn auch das Wort ein oder das andere Mal gebraucht werden 
follte, um die Richtung des Blickes nah oben auszudrufen, dennoch, 
da bier wenigftens eben jo wohl die andere Bedeutung genommen 
werden fan, der auf die Worte avaozonovuerag Zoizacıv zT), 
gegründete Beweis zum mindeften ein fehr zweifelhafter ift, welcher 
gewiß nicht am Kraft gewinnt, wenn man fi den Hichen Vorſchlag 
in malerifcher Ausführung denft, und außerdem erwägt, dag 3 fte- 
bende Figuren das unterfte Feld faum fo ausfüllen, daß eine reichere 
Gruppe im oberen Felde nicht ein Gefühl von Laſtung bersorbrin- 
gen müßte. Einen anderen Beweis bringt Hr. H. nicht vor, und 
in den Worten des Pauſanias liegt auch Fein Anhalt für feine An- 
fiht, eher dürfte man in den Worten (25. 4.) za Jıoundn ündo 
avrns einen Wink für die Zufammenichiebung der Mädchengruppe 
in dem figurenreichen Felde finden. Doch lege ich Hierauf Fein Ge- 
wicht. Haben wir fomit die Gründe des Verfaffers für feinen Vor— 


1) Dies iſt zu befannf, als daß ih mid zu Sperialnachweifen vers 
anlaßt oder genöthigt erachten fann. 


442 Antepikr. Betrahtungen über die polygnotiſchen 


fchlag als unzulänglich erfunden, fo wird derſelbe vollends als un- 
möglich daraeftellt , wern wir einen Blick auf den Parallelismus 
werfen. Denn die Entforechung gegen die Gruppe auf dem Hfchen 
3: Berticalftreifen (von Links her) nach dem Schema... 3 oe — 


iſt nach dem oben Ausgeführten an und für ſich nicht denkbar, und 
die richtige Entſprechung (nach dem Schema .2 ..5 .) gegen die 
—— 


3 Todten auf dem 2. Verticalſtreifen, erkennt natürlich Hr. 9. 
ebenfo wenig at, wie wir. So kommt Alfes zufammen, um ver 
ungetrennten Helenagruppe ihre Stelle im unterften Horizontalftrei- 
fen anzumeifen, wohin fie außerdem noch dadurch gezogen wird, daß 
Aithra in derſelben Linie (eyeSrs) auf fie folgend fteht, und zwi: 
ſchen diefer und Neftor (der gewiß im unterften Streifen iſt) we- 
ra&v die Gruppe der 3 Priamostöchter fich finde. Was Hr. 9. 
fagt: Aithra ftche hinter Helena, aber „infofern etwas niedriger‘ 
u. |. w. ift Feine ungezwungene Anwendung auf die Worte des al- 
ten Zeugen, fondern eine Künſtelei, die zu wenig Anfchauung der 
graphifchen Ausführung enthält, als daß fie eine ausführliche Wiver- 
legung verdiente. Weiter, für den 3. BVertiealftrerfen ſtimmt Hr. 9. 
mit Welcker überein, im unterften Hortzontalftreifen die 3 Prias 
mostöchter und Neftor, darüber in dem 2. und 3. die beiden Grup- 
pen gefangener Troerinen. 

Wir fommen jest zum eigentlichen Kernpunkte, der von Hrn, 
H. geleugneten Centralgruppe. Hier ıft num eigentlich Alles fchon 
dadurch bewiefen, daß weder Epeios, welcher die Mauer abbricht 
und neben dem der dovosıog Innos fteht, die Mauer mit dem Kopfe 
überragend 9, ein Gegenbild, eine Compenfation in irgend einer 


1) Denn fo können Pauſanias Worte X. 26.2., daß 7 zepeAn uovn 
über der Mauer erfcheine, ebenfowohl verftanden werden als von der alleinigen 
Sichtbarfeit ded Kopfes des vom Standpunfte des Betrachters aus hinter 
der Mauer ftehenden Pferdes, ja dieſer Sinn ift vorzuziehen. Hr. 9. hat 
für das auf der Zeichnung ganz erfcheinende hölzerne Pferd vergebens nach 
einem Motiv gefuht (S. 28. Note 79.); nun, wir befinden und doc) ins 
nerhalb des Schauplates der eingenommenen Stadt und Burg, diefe Ein- 
nahme wurde ja aber bewirft Durch die Aufnahme des hölzernen Pferdes 
in das Innere der Burg, dasfelbe Fonnte alfo auf dem Gemälde nicht wohl 
außerhalb der Mauer jtchen, und muß folglich als ganz fichtbar angenom- 
men werden. Da auch dies hölzerne Roß als ein ſehr charakteriſtiſches 


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Gemälde in der Lesche zu Delphi, 443 


Gruppe findet, noch auch die Kaſſandragruppe, nachdem wir die ir— 
rig vorausgeſetzte Entſprechung zwifchen diefer und der Helenagruppe 
befeitigt haben. Die Nefponfion gegen Epeios nah dem falichen 
Hfhen Schema auf PVerticalftreifen 2. (von rechts), nämlich He- 
lenos und die drei verwundeten Griechen, ift der Gruppe nach gar 
feine, und auch im ideeller Hinficht eine nur fehr zweifelhaft moti- 
virte. Bedenken wir dagegen noch einmal, daß an beiden Enden des 
Bildes beveutfames, architektoniſches Beiwerk erfcheint, welches ſich 
in der Mauer der Akropolis wiederholt, daß folglich nad den rich» 
tigen Regeln ver bilateralen Compofition der Bezug zwiſchen dieſen 
3 Gruppen Mar ift, fo ift vadurd die Centralfteflung fir die Mauer, 
für Epeios und das hölzerne Roß fo wohl geftüst, wie man nur 
immer wünfchen mag. Paufanias berichtet gerade an biefer Stelle 
ohne alle Ortsangabe, doch ſtimmt Hr. 9, mit Welcker darin über- 
ein, daß die Kaſſandragruppe als unterhalb des Epeios zu faffen tft. 
Nach der Ablehnung der Entfprechung gegen die Helenagruppe be» 
trachten wir jetzt die Gruppe um Raffandra für fih. Zunächſt er- 
giebt fich in derfelben räumlich eine fo völlige, anf ftrenaften Paral- 
lefismus gebaute Abgefchloffenheit wie sielleicht in feiner anderen, 
Riepenhaufen’s Zeichnung macht dies fehr Mar, und ſchwerlich wird 
fich die gegenfeitige Stellung der Figuren anders anordnen laſſen. 
Auch der. ideellen Bedeutung nach ift die Gruppe, wie Welder an 
den angeführten Stellen gezeigt hat, füglih als Culminationspunft 
zu faffen, und obgleich, vom rein ideelfen Standpunft aufgefaßt, die 
H.'ſche Reſponſion zwiſchen der Helena» und der Kaffandragruppe 
ungleich finniger ift, als die Jahn'ſche zwifchen Helena und Laodike, 
gewährt fie dennoch (wieder rein iveell gefaßt) nicht die Tiefe und 
Kraft des Ausdruds, welchen die Auffaffung der Kaffandragruppe 
als Centrum bietet, als deſſen zweites Glied, oberhalb derselben, die 
Urfache des ganzen Verderbens, der dovgsıog Innos die Wirfung 
verftärkt. 

Faffen wir aber die Zerftörung der Mauern und das hölzerne 


Beiwerf erfcheint, dürfen wir es, namentlih im Verhältniß zu dem Neftori- 


“schen Pferde, nicht zu Flein denfen, und befommen ſomit einen neuen Ans 


halt mehr für die Ausführung der Mauer, 


444 Antepikr. Betrahtungen über die polygnotiſchen 


Pferd in der oberen, die Kaffandragruppe in der unteren Reihe als 
Mittelgruppen, fo finden wir für das richtige Schema der Nefpon- 
ſion, welches fi in ver äußeren Erfceheinung der Gruppen bietet, 
auch ungezwungen den herüber- und binübergehenden geiftigen Faden 
der iveellen Entſprechung. In der oberen Neihe der Abſchluß der 
Bergangenheit, Antenor’s Haus verlaffen, die Mauer der troifchen 
Akropole niedergeriffen, die Zelte der Belagerer int Abbruch 5 in der 
unteren Reihe die Anfnüpfungspunfte der Zukunft, deren Bedeutung 
fih in der Mitte aufs Höchfte fteigert, links Antenor’s, des Verfchon- 
ten Abzug, in der Mitte jener Frevel der Athene’s Zorn gegen bie 
Heimfahrenden lenkt, rechts die Vorbereitungen der Heimfahrt, Wir 
haben alfo in alle Wege das reine, Fräftig ausgedrückte Schema ber 
bilateralen Compofition: a ch zweimal wiederholt, ja in der Mit- 


telgruppe unten, gleichfam den ganzen Schematismus aus fih ent- 
wicfelnd, noch einmal dasfelbe Syftem ad fc geb, durd die 
— 
enge Zuſammengehörigkeit der Wiederholung im oberen und unteren 
Streifen klar gehoben und verſtärkt. — Haben wir ſomit die Cen— 
tralgruppe gewonnen, fo können wir auch für die noch übrigen Grup— 
pen der anderen Seite des Gemäldes nicht wohl mehr zweifelhaft 
fein. Pauſanias Worte einerfeits, andererfeits die Durchführung des 
reinen bifateralen Nefponfionsfoftems leiten uns. Hrn. H’8. Bor» 
ſchlag, Neoptolemos mit den son ihm Niedergehauenen, den Altar 
nebft Laodike als unterfte Gruppe des 4. Verticalftreifens anzuneh⸗ 
men, ift e8 unmöglich beizuftimmen. Freilich ift der Ausdruck, den 
Panfanias in Bezug auf Neoptolemos gebraucht, das zarevdv we— 
nig beftimmt, und bedeutet gewiß zunächſt wie Hr. 9. ©. 29. 
Note 30. will: auf gleicher Linie ; aber nach dem H.'ſchen ver- 
fhlungenen Reſponſionsſchema (Gegengruppe: die drei Freundinen 


1) Für die ganze Stelle ift zu vergleichen, was Kahfer in feiner 
Recenfion der Welckerſchen Abhandlung in den Münchener gelehrten Anzei— 
gen 1849. Nro. 228. ©. 789. in der Note über die handfchriftlichen Les— 
arten beibringt und feharffinnig befpricht. Uebrigens fteht »arevgV in der 
unzweifelhaften Bedeutung von „gegenüber“ Pausan. V. 11. 2. zo uv dn 
HaTEvHV 175 £o0dov zavörı 8. 7. 4.; und ebenfo dürfte zu verliehen fein 
VI. 23. 7. & dE olamuerı zareugo ins Ödov x. A 





Gemälde in der Lesche zu Delphi. 445 


des Achill!) iſt diefe Stellung unmöglich, und da bei Annahme der 
Centralgruppe das unmittelbare Angrenzen an Neftor eben fo un- 
möglich ift, fo muß Neoptolemos auf der Iinfen Seite die Neftorn 
auf der rechten entfprechende Stelle einnehmen, deren Nichtigfeit und 
Bedeutſamkeit Welcker nachgewieſen hat. An Neoptolemos fchließen 
fih in unterfter Reihe bet Hrn. 9. wie bei Welder zunächſt das 
Kind am Altar, Laodike, dann Medufa unter dem Badgefäß, die 
Alte mit dem Kinde und endlich die 3 Todten, Pelis, Eioneus und 
Admetos, Auch in den beiden Gruppen von Todten über dem Badge— 
faß ſtimmt Hr. H. mit Welder überein, und weift bier auch auf die 
richtig ) entfprechenden Gegenbilder rechts, nämlich die Gruppen ge- 
fangener Trverinen hin. Schwieriger ft, ich geftehe es, für die 
unterfte Horizontalreihe die Nachweiſung der Entfprehung nach dem 
richtigen Schema, und gern werde ich meine Erflärung gegen eine 
beffere zurüdziehen, d. h. natürlich fofern fie nicht auf ungerader 
oder verfchlungener Refpofion beruht. Alſo: Neoptolemos und Mes 
for, links und rechts an der Centralgruppe entſprechen einander 5 
auf Neftor folgen rechts die 3 tiefeft trauernden, gefangenen Frauen 
mit dem Rinde, welches, wie Polyrena noch Neoptolemos bfutiges 
Dpfer werden fol; auch für diefe finde ich eine genügende Entjpre- 
hung in der Gruppe, welche links auf Neoptolemos folgt, und zu 
welcher die Figuren von Aſtynoos bis zur Medufa bin zu rechnen fein 
dürften. Diefe Gruppe namlich (Laodike ausgenommen, wovon der 
mythiſche Grund in athenifcher Tradition befannt iſt 2)) fpricht das 
Entfegen der in unmittelbarer Nähe hauſenden Zerftörung, wie jene 
drüben die tieffte Trauer, am fehärfften aus, indem zugleich die Grup— 
pen fich äußerlich genug entfprechen, um die Nefponfion fühlbar zu 
machen. Diefe Scene des gegenwärtigften Entfegens aber fest fich 
fort durch) eine Scene der völligften Verlaffenheit und der vollende« 


1) Dies richtig it fo zu verſtehen: Die gefangenen Frauen und die 
todten Männer entjprechen ſich in der That, müſſen alfo an die gleichen 
Stellen des Bildes geſetzt werden, dies ift bei Hrn. 9. nicht der Wall, bei 
welchem, nach) richtigem Schema, die beiden oberen Gruppen Todter einer= 
ſeits, andererjeitsS der Gruppe des Helenos und der verwundeten Griechen 
und der Helenagruppe entjprechen. 


2) Vergl. Welder ©. 34. 


446 Antepikr. Betrachtungen über die polygnotiſchen 


ten Zerftörung, welche durch jene Alte mit dem Kinde und die Gruppe 
Todter ausgedrüct wird, und diefe Scene wiederum flingt aus in 
den Abzug des Antenor. Wir haben alfo eine dreifach gegliederte, 
in fich mehr oder weniger abgejchloffene Gruppe der Zerftörung und 
des Unterganges links, welcher rechts eine ebenfalls ans drei Scenen 
beftehende Gruppe des Sieges, des Triumphes, der Abfahrt entſpricht, 
die wie jene drüben als eine Gefammtheit aufzufaffen iſt. Thun 
wir dies, fo dürfen wir die Entiprechung (in der zugleich der Ge— 
genſatz ſcharf aecentuirt ift) als eine genügende anfprechen, die al 
lerdings geichwächt wird, wenn man fi) Helena zu prademinivend 
vorſtellt; zugleich ift die ideelle Entfprechung eine bedentfame und 
genügende, während es unthunlich erfcheint, ven Parallelismus bis 
auf die einzelnen Glieder der beiden Geſammtgruppen auszudehmen, 
Hievon aber kann ein Hauptgrund darin Liegen, daß wir gegen die 
.. Helenagruppe, welche man feit langer Zeit als höchſt beveutfam zu 
denken gewöhnt iſt, die Bedeutſamkeit und den Fünftlerifchen Effeet 
der raumlih entiprechenden Gruppe links bisher noch nicht wollftän- 
dig erkannt und gewürdigt bat. 
Für die unterfte Linie alfo gewinnen wir folgendes Schema; 
rd BB EFERURR 2N 
— — — 


Für die zweite Linie habe ich noch Eines nachzutragen. Für 
Sinon und Anchialos, welche Laomedons Leiche tragen, ſo wie für 
den todten Ereſos hat Pauſanias keine Ortsangabe; Hr. H. verſetzt 
Beide in das oberſte Feld ſeines letzten Verticalſtreifens. Es iſt 
oben bereits bemerkt, daß die hiedurch (auch nach dem H.'ſchen 
Schema) entſtehende Reſponſion gegen das Zelt, welches Amphialos 
abbricht, keine ſei. Hiezu kommt, daß es nicht gerathen iſt, eine 
Scene die ſich auf einen Todten bezieht, und die namentlich, nach 
Welders vortrefflicher Erklärung, für alle dort liegenden Leichen eine 
fo tiefe Fünftlerifche wie ethifche Bedeutung hat, von diefen Peichen- 
gruppen zu entfernen. Ferner erfenne ich eine Parallele zwiſchen 
diefer Gruppe und andererſeits der der verwundeten Griechen mit 
Helenos; der gefangene Seher wird verfchont und auch bier üben 


Gemälde in der Lesche zu Delphi. 447 


die Achaer eine Milde. Endlich foffte es Hrn. 9. doch ſchwer fal- 
fen das unterfte Feld feines 2. DVerticalftreifens gezeichnet darzuftel- 


Ten; zu einander und unter und über einander ſchreiben laſſen ſich 


allerdings eine Menge Namen, aber in der graphifchen Ausführung 
erfordern die dort zufammengepreßten Gruppen entfihieden mehr 
Raum. Diefem entfpricht fehr füglich der Raum ven im 2. Felde 
die Laomedongruppe einnimmt, durch deren Verfegen an diefe Stelle 
wir auch dem räumlichen Parallelismus genügen Somit befommen 


wir auch für den oberen Theil des Gemäldes das prineipiell gleiche 


Nefponfionsfchema wie für den unteren, und, das dürfen wir mit 
größerem Nechte wie Hr. 9. fagen: weine Figur, die gewiß allen 
Anforderungen entipricht, Die man an den Parallelismus zu machen 
berechtigt ifta. — 

In Bezug auf die Nekyia werden, unter Hinweis auf das 
oben über die Intention der ganzen Sompofition Gefagte, fodann 
mit Berücfichtigung von Welders klarer Auseinanderfegung und der 
in den meiften Theilen vollfommene Uebereinftimmung der H.e'ſchen 
Heberfichtstafel mit der Welderichen Zeichnung, wenige Bemerkungen, 
gegen einzelne Vorſchläge des Hrn. 9. gerichtet, genügen. Der 
Tert des Pauſanias ift, was Drtsbezeichnungen anlangt, in der Ne- 
fyta, mit Ausnahme des Anfangs, unendlich viel klarer, als in der 
Iliuperſis; er bezeichnet das Dben umd Unten im Gemälde und 
fehließt die einzelnen Gruppen der Horizontalftreifen mit egpedrg 
aneinander. 

Sp fommt e8 denn auch, daß die Differenzpunfte zwiſchen der 
Welckerſchen und der H.'ſchen Reconftruetion bei weitem weniger 
zahlreich find, als in der Iliuperſis, wie Dies Hr. H. felbft aner> 
fennt (©. 30. und 31.) und wie ein Bli auf die Ueberfichtstafel 
beweift. Aber diefe wenigen Differenzwunkte auszugleichen, ift eine 
fo fohwierige Sache, daß ich mir nicht getraue, fie Durchzuführen, 
Welcker felbft fagt S. 45. „öfter, als fich leicht Jemand vorſtellt, 
fann man dieſen Verſuch [die Compofition herauszufinden] anſtellen, 
und dennoch über manches Einzelne, ja über Hauptumſtände im 
Zweifel bleiben, fo daß man zumeilen an ver Löſung einer Aufgabe 
verzweifelt, Die man Doch immer wieder aufnimmt, weil andererfeits 


448 Antepikr. Betrachtungen über die polygnotiſchen 


ſo Vieles ſich nach befriedigender Wahrſcheinlichkeit ordnet, und weil 
das andere Gemälde zu verbürgen ſcheint, daß auch in dieſem eine 
durchgreifende Regelmäßigkeit ſtattgefunden habe.“ Ich geſtehe, daß 
ich zur Anſchauung eines ſicheren Parallelismus, der ſich in der Er— 
ſcheinung und Bedeutung der Gruppen nach den oben ausgeſproche— 
nen Geſetzen der geraden Reſponſion manifeſtirte, weder nach Pau— 
ſanias, noch nach der Welcker-Riepenhauſenſchen Zeichnung, noch end- 
lich nach des Hrn. 9. Ueberfichtstafel habe gelangen können. Auch Jahn 
hat dies nicht gelingen wollen, (©. 25. und 26.) und Welcer felbft 
fagt (©. 27.) »beftimmte Abtheilungen nah dem Inhalt, ſelbſt 
nach Gegenfägen desjelben, wie im anderen Gemälde find hier nicht 
wahrzunehmen“. Die wenigen Bemerkungen, die ich den Abändes 
rungen tes Hrn. H. entgegenftellen werde, folfen deshalb zunachft 
nur zeigen, daß auch durd die neuefte Bearbeitung die Frage über 
die Anordnung und das Compofitionsprinzip micht entſchieden ift. 

Hr. 9. fagt ©. 32. es fomme nur darauf an den 2. Vertical- 
ftreifen der Welderfchen Neftauration zu befeitigen, welcher ein folches 
Gemiſch verfchiedenartiger Elemente darbiete, daß er fchon dadurch 
verdächtig werden müffe, auch wenn er nicht ebenfo fehr der Be— 
fchreibung der Pauſanias als der Symmetrie des Ganzen (was das 
bedeutet, wiffen wir!) widerſpräche. Wenn wir ganz genau den 
Worten des Paufanias folgen, wenn wir jedes eyeing usra, und 
dann folgerecht auch des Eepeins Ev ın ygapn, Eyyvrarw xıı 
(XXIX. 2. in Bezug auf Ariadne und Phaidra) von der Folge in 
gerader Linie, in demfelben Horizontalftreifen verftehen, wobei nur 
für Tityos der Ort unbeftimmt bleibt, fo fommen wir weder zu der 
Welckerſchen Neeonftruetion, noch zu der des Hrn. H., fondern abfolut 
nur zu der Jahn’s, welche aber ſchwerlich noch irgend Jemand für 
die richtige halten wird. Es bleibt uns alfo Fein Mittel übrig, als 
das Epeäng nicht im firengen Sinne zu gebrauchen, fondern es vom 
Fortfehritt im Gemälde felbft zu verftehen. Dies thut Welder 
zweimal, bei Auge und Iphimedeia im Verhältniß zu Eurynomos, 
und bei Oknos im Verhältniß zu den Gefährten des Odyſſeus; im 
letzteren Falle fagt Pauſanias nicht einmal Epeänrs, fondern nur 
ger’ aurovs. Hr. Hr, fieht fich zu demfelben Ausfunftsmittel 





Gemälde in der Lesche zu Delphi, 449 


genöthigt bei Ariadne und Phaidra im Verhältniß zu Oknos, und 
zwar ift gerade an diefer Stelle die Anwendung der Ausfunft mög- 
lichſt ſchwierig, da Pauſanias fo befonders ausdrücklich ſagt: Erruörre 
EDeäng ra &v 17 yoapn Eyyvıaro tov Oxvov xre, welche Schwie⸗ 
vigfeit der Verfaffer in feiner 87. Note auf ©. 34. nicht im gering» 
ften hebt. Was alfo den engen Anfhluß an Paufanias’ Worte ans 
langt, den Hr. 9. bei Welder vermißt, trifft ihn derſelbe Tadel, 
wenn's einer iſt; denn ob man diefelbe Auskunft einmal unter er- 
ſchwerenden Umftänden oder zweimal, davon einmal unter fehr er 
leichternden Umftänden gebraucht, dürfte ziemlich gleich gelten. Sch 
bin nun freilich ſehr weit entfernt, die Berechtigung diefer Auskunft 
zu beftreiten, ja, daß Pauſanias, welcher weiterhin fo höchft präcis 
in der Ortsangabe ift, hier offenbar undeutlich bezeichnet, ift mir 
ein Zeugniß dafür, daß in diefem Theile des Gemaldes die Grupe 
pen fi) weniger ſcharf fonderten, daß vielfache Mittelftellungen an— 
genommen werben Dürfen, 

Es fragt fih auch nur, ob Hr. 9. durch feine Behandlung 
erreicht, was er erreichen will, nämlich den zweiten Welderfchen 
Berticalftreifen zu befeitigen. Hr. 9. meint ©. 35. e8 fer ihm 
gelungen, ich fage: Feineswegs. Hier meine Gründe. Pauſanias 
ſelbſt erwähnt feiner Linien oder durch Linien begrenzten Felderab— 
theilung, aus dem Schriftſteller aljo können wir die BVertieallinien 
und deren Drt nicht entnehmen, wir werden fie aber da zu feßen 
oder zu denfen haben, wo entweder eine zufammengehörige, oder vom 
Schriftiteller zufammen genannte Gruppe abfchlieht, das findet auf 
den -ferneren Theilen des Gemäldes ſtatt; oder, wenn die zuſam— 
mengebörigen Gruppen zu Fein find, müffen wir ung nad) der un— 
gefähr gleichen Figurenzahl vichten, da bie Felder, wenigſtens ganz 
ohne allen Zweifel die einander entfprechenden Felder von ungefähr 
gleicher Größe und Perfonenzahl fein müffen. Dies freilich beſtrei— 
tet Hr. 9. ©. 35. „das Einzige tft hiebei (bei H's. Neconftruction) 
nicht zu vermeiden, daß der Welcker'ſche dritte Streifen, der für ung 
jest der zweite iſt, namentlich in feinem mittleren Felde etwas (2) 
weiter ausgedehnt wird, weil fogar noch das vierte Paar desfelben, 
Theſeus und Peirithoos unter Odyſſeus zu fliehen Tommen muß; 

Muf, f. Phil. N. 8. VIl. 29 


450 Antepikr. Betrachtungen über die polygnotiſchen 


eine gleiche Breite der Bertiealfireifen aber haben wie nirgends 
vorausgeſetzt (I), und können ſich auch weder nach der Analogie des 
sorhergehenden Bildes, noch nach der einer rhetorifchen Dispofition, 
oder eines tragifchen Chores vorausfesen, wo ja auch weder alle 
Perioden der einzelnen Redetheile gleiche Lange, noch alle Strophen 
gleiche Verszahl haben müffen“, Wie unendlih würde Hr. H. in 
der Anſchauung bildender Kunft und ihrer Geſetze gewinnen, wenn 
er fih von dieſen fatalen Analogien mit der Poefie und Rhetorik 
losmachen könnte! Auch hier kommt es, ganz von der Rhetorik zu 
fihweigen, gar nicht darauf an, ob alle Strophen innerhalb eines 
tragischen Chorgeſanges gleige oder ungleiche Länge haben, fondern 
ob die Antifirophe Die gleiche Lange und Befchaffenheit mit ver 
Strophe hat, der fie entſpricht; ebenfo handelt es fi in unferer 
Nelyia nicht um eine Gleichheit der Felder im Allgemeinen, fondern 
nur darum, ob für dem unmäßig ausgedehnten 2. Berticalftveifen 
eine Nefponfion aufzutreiben ıft. Dies iſt micht dev Fall, weder 
nach dem vichtigen Schema, noch nach dem verichlungenen H.'ſchen. 
Ya, 68 giebt auf dem ganzen Bilde feinen Streifen und Fein Feld, 
welches der Figurenzahl des H.'ſchen 2. Verticalſtreifens entfpricht, 
indem die höchſte Figurenzahl 5 it. Aber ih muß den H.fchen 
Streifen im Einzelnen betrachten; derfelbe enthält in oberften Kelve: 
1. Eurylochos. Nämlich Hr. 9. fehreibt in feiner Ueberfichtstafel: 
Ileogıun Öng zal 
Evov | koyos; 
Namen laſſen fi; allerdings auf dieſe Art halbiren, aber in der 
Zeichnung können unmöglich zwer auf einander folgende Figuren 
durch eine Verticallinie beide halbirt werben, fällt eine Linie zwi— 
Then fie, fo fommt jener in dies, der andere in jenes Feld; alfo: 
1, Eurylochos, 2. Dfnos, 3. Efelin, 4. Elpenor, 5. Odyſſeus, 6. 
Teivefias, 7. Antikleia. Dies iſt nun außerdem eine Gruppe, in 
welcher wir eine ſehr enge Stellung der Figuren in feiner Weiſe 
annehmen dürfen, ferner ein Feld, in welchem fich eine zufammen- 
gehörige und natürlich abgefehloffene Gruppe: Elpenor — Antifleia ab- 
jondert von Dfnos und Eurylochos. Dies Feld nun entfpricht in 
natürlicher NRefponfion dem Felde: Kalliſto, Nomia, Pers, iſt alfo 


Gemälde in der Lesche zu Delphi, 451 


in alle Wege zu groß, ungebührkich componirt. Wir finden im 2, 
Felde: 1. Auge, 2. Iphimedeia, 3. Ariadne, 4 Phaidra, 5. Eri⸗ 
phyle, 6. Tyro, 7. Thefeus, 8. Peirithoos, die beiven lesteren auf 
Thronen fisend, was viel mehr Naum erfordert, als flehende Fi— 
guren einnehmen; ferner iſt zu bemerken, daß die 6 Frauen nicht 
eine Gruppe bilden, fondern paarweiſe genannt werden, folglich 
Zwifchenräume erfordern. Das Feld entfpricht dem Felde, in wel— 
em dvo yuvalzes auvnroı ericheinen, ift alfo wiederum zu groß 
und ungebührlich componirt. In der unterften Linie hat Hr. 9. die 
5 Frauen allein, alfo gerade die erforderliche, höchfte Figuvenzahl 
ohne den Ueberſchuß der beiven oberen Felder. Wenn fich alfo er- 
giebt, daß die Figurenzahl in den beiden oberen Feldern zu groß 
ift, daß weder in den Worten des Schriftftellers noch in der inneren 
Bedeutung der Perſonen eine Berechtigung Tiegt, diefelben in eine 
Gruppe zu vereinigen , vielmehr, namentlich im oberften Felde, die 
entfchtedene Andeutung einer Trennung: was will mir Hr. 9. ent— 
gegenftellen, wenn ich zwiſchen Oknos und Elpenor oben, zwifchen 
Phaidra und Tyro in der Mitte herunter eine neue Berticallinte 
ziehe, welche im unterften Felde die fünf Frauen zur Rechten Laßt? 
Das leere Feld unter Auge und Iphimedeia, Artadne und Phaidra 
füllt fih nad Hrn. H's. Anfchauung mit den aus dem erften Ver- 
ticalftreifen in der zweiten berüberragenden beiden (1) Gruppen 
des naroakorag und des Tempelfchinders, denn das Herüberragen 
fann natürlich Nichts heißen, als daß eine Gruppe hieher, Die an⸗ 
dere dorthin gehört. Die Berechtigung zu dieſer neuen Linie kann 
mir Hr. H. nicht beſtreiten, und folglich iſt alle ſeine Arbeit ver— 
geblich geweſen, die Welcker'ſchen 7 Streifen ſind wieder da. 

Im Einzelnen babe ich gegen Hrn. H's. Reconſtruetion dev 
Nekyia noch Folgendes zu bemerken. Hr. 9. will ©. 33. Charon’s 
Nahen in die unterfte Horizontallinie feßen, wegen der Congruenz 
mit dem Schiffe des Menelaos. Aber mit diefer Congruenz iſt's 
nicht zu weit her, weil wir fie fonft, und namentlih am entgegen» 
gefesten Endpunfte nicht wiederfinden. In dasfelbe unterfte Feld 
fest nun Hr. 9. den Vatermörder nebft Vater, und den Tempel: 
ſchänder nebſt Pharmalis. Welche Heberladung! Der Acheron mit 


452 Antepifr. Betrahtungen über die polygnotifchen 


Schilf und Fifchen darin, ein Nachen, in diefem 3 Perfonen, dann 
noch 4 andere Perfonen in Tebhaftefter Action, alfo wieder, ſchon 
nach der bloßen Figurenzählung, 2 zu viel. Aber Hr. 9. fagt ©, 
33, er wolle auch zugeben, „daß beide noch in den folgenden Ber: 
ticalftreifen hineingeragt haben mögen“. Beide Gruppen gehören 
dem erften Streifen an, und beide ragen in den zweiten hinein, was 
das heißt und allein heißen fann haben wir gefehen: es giebt genau 
toieder die Welderiche Trennung der beiden Gruppen Beftrafter, 
die Hr. 9. ©. 33. tadelt. Mit welchem Nechte? Dur dieſe 
Berfegung des Tempelfchänders in den 2. Streifen wird alfo die 
Neberfüllung im erften ein wenig gemildert, obgleich das und zov 
Xaowvos znv vaov immer auffallend und anftößig bleibt, wenn wir 
Sharon im unterften Felde denken. Undenkbar iſt das aber nicht, 
und namentlich wenn wir das urkıora urgiven und als: beinahe, 
d. h. feitwarts oder fohrage unter verftehen? wird die Anfchauung 
erleichtert und der muromkorag rückt in eine Mittelftellung zwifchen 
den erften und zweiten Streifen. Wenn Hr. H. Charon im unter- 
ſten Felde fefthalt, rückt Eurynomos in den zweiten Horizontalftrei- 
fen, dagegen iſt Nichts zu fagen, und daß Auge und Iphimedeia 
Epesns auf ihn folgen, tft gut. Ueberhaupt habe ich gegen die H’fche 
Anordnung viel weniger einzuwenden, als gegen die Schlüffe, welche 
er auf diefelbe baut. Was Oknos Stellung anlangt, babe ich oben 
ſchon meinen Zweifel geäußert. Ohne Ortsangabe nennt Paufanias 
den Tityos, welhen Welcker unten in den zweiten Verticalftreifen, 
Hr. H. oben in den erften verfeßt, mit Goethe, Böttiger und Jahn. 
Unmöglich iſt diefe Stellung gewiß nicht, obwohl wir doch viel: 
Yeicht Urfache haben, einen Ort für Tityos zu fuchen, der dem Orte, 
an welchen er in der Befchreibung fteht, ungefähr entfpricht, und 
das iſt eher der von Welcker, als der von Hrn. 9. angenommene. 

Doch genug! ich glaube dieſe antepifritifhen Betrachtungen 
bier abbrechen zu dürfen, nicht, als ob nicht noch Allerlei im Einzel- 
nen gefagt werden könnte, fondern weil die Hauptfache gefagt ift. 
Mit wenigen Worten will ich noch‘ die [Seldft-?]Anzeige der H.fchen 
epifritiichen Betrachtungen in den Göttinger gel. Anzz. Nachrichten 
per Geſellſchaft der Wiffenfchaften, Februar 1850. Nro, 3.) erwäh- 





Gemälde ın der Lesche zu Delphi, 453 


nen. Diefe Anzeige ift ein vortrefflicher Extractus des Schriftchens, 
und bewahrt Vieles von den Figenthümlichkeiten desfelben. Zuerft 
wird die Idee des Feldernetzes für beide Gemälde hervorgehoben, 
wober nicht vergeffen ijt zu erwähnen, daß Hr. 9. auch fonft noch 
auf mehrere Fragen näher eingehen mußte (2), als dies früher ge- 
fchehen iſt. ES folgen dann die befannten 4 Gefichtspunfte der 
H'ſchen Arbeit. Dann heißt es weiter: „dieſe Eintheilung zu vers 
anfchaufichen find dem Schriftchen noch 2 Ueberfichtstafeln beigegeben, 
die, Paufanias’ eigene Worte (!) in das angegebene Feldernetz vers 
theilend, das unbefangene Urteil ficherer, als die kunſtreichſte Ver— 
bildlichung CD zu Teiten geeignet fein dürften. Wenn man daber 
an jene halbirten Figuren, und an die Felder denkt, in welchen eine 
Menge Namen über und unter einander gefchrieben find, die neben 
einander im ein Feld oder deren zwei gehören, — difficile est saliram 
nom scribere. Eine Anfchauung der Compofition von Figuren 
im Raum wird durch das Zufammenfchreiben von Namen nie er- 
reicht, kann nicht erreicht werden, felöft dann nicht, wenn man, un— 
gleich richtiger, die Namen fo neben einander fehreibt, wie bieg 
Goethe gethan bat, Wenn diefe Wahrheit nicht an und fir fich 
klar wäre, fo würde ich nach keinen befferen Bewerfen zu fuchen ha— 
ben, als fie mir die im diefer Hinficht beleuchteten Steffen ver H.fchen 
Arbeit bieten. Ferner: „daß in den erſten Abtheifungen, die fih mit 
der Zeit und dem Orte der Bilder befhäftigen, Manches ungewif 
bleibt, liegt in der Natur der Sache (0 ja!), dagegen erhält das 
Schlußergebniß jedenfalls auch dadurch eine faft mathematifche E m- 
pfeblung (D), daß ſich nicht nur die einzelnen Gruppen nach der 
von Paufanias felbft beobachteten Reihenfolge aufs Ungezwungenfte 
in jene Felder fügen, fondern zugleich auf beiden Wänden die gleiche 
antiftrophifche Reſponſion zwifchen den einzefnen Streifen hervortritt, 
und das Ganze folglich (2) als ein neuer Beleg (!) zu dem Geſetze 
der fommetrifchen Compofttion in ver alten griechifchen Kunft gelten 
kann“ u. f. w. Cine mathematifsche — Gewißheit hat der Verfaf- 
fer offenbar gedacht und ſchreiben wollen, aber daber iſt ihm denn 
doch bange geworden, und diefe Furcht hat ihm den Galimathias 
einer mathematiſchen „Empfehlung“ in die Felder dietirt, wobei ſich 


454 Anteyifr, Betracht. über die polyanot, Gemäldexre. 


Niemand etwas Gefcheutes denken kann. Aber auch, wie die aus 
dem (mißverftandenen) Gefege des Varallelismns angeblich) bewiefene 
Reconſtruction der polygnotifhen Gemälde einen neuen Beleg für 
das zum Beweis herbeigezogene Geſetz abgeben ſoll, würde nicht 


wohl zu begreifen fein, wenn wir nicht durch die Arbeit des Hrn. 9. 


eine gewiffe, auf Borausfegungen und auf diefe gegründeten Schlüf- 
fen berußende, kühne Methode Fennen gelernt hätten. 
Bonn, Doverbed. 


Miseellen. 


— ———— 


Ethnographiſches. 
Phönizier in Argos. 

Der merkwürdigſte Ueberreſt des Alterthums, welcher ſich in 
Nauplia findet, iſt der Name des hohen Felsberges, welcher die 
Stadt überragt, Palamidi, ein Name, den die Venetianiſchen Er— 
oberer als Bergnamen vorfanden und der gewiß nicht im Mittelal— 
ter erfunden worden if, fondern wie Leafe und Roß annehmen, 
durch mündliche Ueberlieferung fich feit Altefter Zeit an Ort und 
Stelfe erhalten hat. Palamidi iſt Ilaraundeıov son einem Hei- 
ligthum des Palamedes benannt, wie der Berg Menelaion bei Sparta 
vom Menelaostempel. | 

Diefe durch glückliche Fügung erhaltene Spur des Palame- 
descultus führt darauf, das Wefen des Heros und feine Bedentung 
für Nauplia fchärfer ins Auge zu faffen. Ueberblicken wie nämlich, 
ohne in die befannten Einzelheiten ver Sage einzugehen, Die ver— 
fehiedenen Erfindungen welche an den Namen des Palamedes geknüpft 
werben, die Erfindung der Nautik, der Leuchtthürme, des Maaßes, 
der Rechenkunſt, des Würfelfpieles, ver Wage und der Buchftaben, 
fo finden wir lauter Gegenftände, welche wir entweder nach beftimmt- 
ten Zeugniffen oder nady fiherer Analogie für die aus Phöntzien 
nach Griechenland eingeführten Erfindungen halten müffen, Nehmen 
wir diefe hinweg, fo bleibt für den Heros gar Feine MWefenheit, 
nichts Charakteriftifches mehr übrig; er ſcheint in der That nichts 
Anderes zu fein, als eine Perfonifieation der ganzen Eultur, welche 
die Griechen von den Phöniziern überfommen haben. Darum fteht 
er auch mit den Argivifchen Herven in feinem verwandtſchaftlichen 
Verhältniſſe; die Namen feines Vaters und Bruders, Nauplios umd 


456 Miscellen. 


Oiax find deutliche Symbole der Schifffahrtsfunde; die Afiatifche 
Herkunft wird noch beftimmter von der Sage ausgedrückt, welche 
ihn zum Sohne des Belus macht (A. Mai, auct. class. tom. Ill 
myth. 1. fab. 45). Palamedes feloft kann, wie die VBergleichung 
Palamann und Eupalamos beweift, nichts Anderes bedeuten als den 
Yebensflugen und erfindungsreihen Weltmann; er bezeichnet die Ue— 
berlegenheit, mit welcher die äftere Cultur Aſiens einft den Helle» 
nen gegenüber fich geltend machte. Palamedes gehört in’ diefelbe 
Claffe von Herven wie Damaratos und Guandros, welche gleichfalls 
Perfonifieationen einer von einem auswärtigen Volke durch Colo— 
nifation überlieferten Eultur find. Bol. Nieb. R. ©. 1, 414, Ausg. >. 

Nach den gegebenen Andeutungen wird auch die Rolle, wel- 
che Palamedes im nachhomerifchen Epos fpielt, eine gewiffe gefchicht- 
Yihe Bedeutung erhalten. Als Nepräfentant Phonszifcher Cultur 
muß er auch den Haß und die Verachtung auf fi nehmen, mit 
welcher die Griechen den in zerfireuten Niederlaffungen an ihrer 
Küfte wohnenden Fremdlingen begegneten. Er erfcheint nirgends als 
ebenbürtiger Heros, er ift die bete noire im Lager vor Jlion, das 
Dpfer einer Sntrigue, in welcher die Schüler den Meifter überbo- 
ten. Die Atbener machten fpäter aus ihm das Charafterbild eines 
unfehuldig leidenden Werfen, doch glaube ich, ift ed dem Wefen der 
epifchen Zeit angemeffener, wenn wir in den Zügen der Palame- 
desfage Die Spuren eines nationalen Widerwillens gegen das in ihm 
serförperte ausländische Wefen erfennen. 

Wenn wir das Wefen des VWalanedes richtig erfannt haben, 
fo fehlteßen wir weiter, daß an dem Orte, deffen Griechiſche Ein- 
wohner einen flädtifchen Eultus diefes Heros bei fih ausgebildet 
haben, eine Niederlaffung der Phönizier geweſen fein muß. Ver— 
ſchiedene Aufere Gründe kommen hinzu, diefe Vermuthung zu be- 
ftätigen. Erftens ift es an und für fih unwahrſcheinlich, daß 
die Phönizier nur an den beiden Endpunften der Peloponnefiichen 
Dftfüfte, in Korinth und auf der Purpurinfel Kythera und nicht 
an der Argivifchen Küfte, wo der gaftlichfte Hafen und die frucht- 
barfte Ebene fi) gegen Südoſten öffnet, Faltoreien angelegt haben 
ſollten, Nauplia hat durchaus den Charakter einer von der See 


Ethnographiſches. 457 


aus gegründeten Niederlaſſung. Paufanias ſpricht die Vermuthung 
aus (IV, 35) die Nauplieer feien zu Schiffe mit dem Danaos aus 
Aegypten gefommen. Keine urfprünglich Helfenifche Stadt von alter 
Gründung ift fo auf einem Vorgebirge in das Meer hineingebaut 
worden. Nauplia iſt eine der Alteften Städte der Argeia, aber ihre 
Gründungsfagen bringen fie mit feiner der unter fich fo . vielfach 
verfnüpften Binnenftädte, Argos, Myfena, Tiryns, Miden in Ver— 
bindung. Nauplios iſt Sohn des Poſeidon und als eine von An- 
fang an Poſeidoniſche Stadt finden wir Nauplia, vom Binnenlande 
unabhängig, als Mitglied des Kalaurifchen Seebundes. Wie die 
Palamedesfage Spuren einer feindlihen Stelfung der Nauplieer 
gegen die Achäiſchen Städte durchichimmern läßt, fo könnte man 
ſelbſt die Vermuthung wagen, daß Die nur eine gute halbe Stunde 
vor den Thoren Nauplias gelegene Tirynthiſche Feſte der alten See- 
ſtadt zum Troge von den Achäern erbaut worden fer. 

Iſt Nauplia aufdem Boden einer Phöntzifchen Nieverlaffung erbaut, 
jo erwarten wir mit Recht, daß fich dafeldft auch Spuren Aftatifcher Culte 
finden werden. Nun sft freilich Fein Aphroditendienft, wie in Kythera 
und Korinth nachzuweiſen; aber wenn wir ung erinnern, daß nach 
vielen alten Zeugniffen (Lucian =. 7. ovo. eo; Plutarch Eraf- 
fus XV, Firmicus Maternus de errore prof. rell.) Aftarte eben- 
fowohl als Hera wie als Aphrodite aufgefaßt wurde, fo liegt die 
Vermuthung fehr nahe, daß die Syrifche Göttin in Nauplia zur 
Hera geworben fer; eine Verwandlung, welche bei dem in Argos 
vorherrſchenden Heracultus fehr erflärkih ift, um fo mehr, da Naus 
plia wahrſcheinlich ſchon um die Zeit des erften Meffenifchen Kries 
ges von Argos abhängig war und gegen das Ende des zweiten voll 
ftandig erobert wurde, Die Einwohner wurden von den Lakedämo— 
niern nach Methone verpflanzt, wo fie im Meffenifchen Meerbufen 
eine ähnliche Felszunge bewohnten, «ls die, welche fie im Argofifchen 
Meere verlaffen hatten, Uebrigens behielt auch im fpätern Nauplia 
die Göttin Hera einen eigenthümlichen Cultus; er war mit einem 
Geheimdienfte verbunden, welcher wahrfcheinfich die Ueberreſte einer 
ältern, der Argivifchen Göttin fremden Neligion aufbewahrte. Der 
Inhalt der darauf bezüglichen Sagen wurde geheim gehalten und 


458 - Miscellen. 


Pauſanias berichtet nur von dem jährlichen Bade der Göttin in der 
heiligen Quelle Kanathos, aus welcher fie jedesmal in fungfräuli- 
her Blüthe wieder emporflieg. Von alter Verbindung der Gott— 
heiten Aphrodite und Hera im Griechiſchen Cultus ift die Aphro— 
dite-Hera in Sparta, welcher nach älteſtem Brauche die Müller bei 
Verheirathung ihrer Töchter opferten, das merfwürbigite Beifpiel 
(Pauf. 3, 13, 9. 

Die Spuren Phöniziſcher Niederlaffungen in Argolis find nicht 
auf Nauplia befchränft. Auf die neben Dionyfos verehrte Aphro— 
dite Urania in Argos hat fchon Böckh in den metrologiſchen Unter: 
fuhungen ©. 45 hingewieſen. Die in Hellas zerftreuten Heilig- 
thümer der Urania wurden meift als Filiafftiftungen des Tempels 
in Kythera angefehen (Pauſ. 3, 23, I. Die Athmoneer verehrten 
als Gründer ihres Aphroditeeulius einen König Porphyrion (Pauſ. 
1, 14, 7); Borpbyrion iſt eine Verfonification der Phönizier, wie 
Palamedes, nur weniger ausgebildet. Außer dem Tempel der Ura— 
nia hatlen die Argeier auch am Fuße der Lariffa ein Gemach, in 
welchem Adonis von den Frauen beflagt wurde (Pauf. 2, 20, 6). 

Südlich von Nauplia, der Infel Spetzia gegenüber, alfo ge— 
vade am Eingange des Argolifchen Meerbufens, aber ſchon in La— 
Fonifchem Gebiete öffnet fih am Klippenftrande des jekigen Tzako— 
niens eine Fleine Bucht mit einer Ebene, in welcher das Dorf Tyro 
Yiegt, 30 Minuten von einer wohlummanerten Burg entfernt. Ein 
nahes Vorgebirge trägt den Namen des Dorfes. Diefer Name ift 
alt; Stephanss führt einen Lakonifchen Ort Tvoos an, welcher 
aller Wahrfcheinlichfeit nach an derfelben Stelle lag; daß die heutigen 
Griechen den Namen oxytoniren, wird wohl gegen die Spentität 
fein erhebliches Bedenken erregen fönnen. Ich vermuthe, daß auch 
in diefer Bucht eine Niederlaffung Tyrifcher Kaufleute beftanden 
bat, welche den Namen ihrer Baterftabt an diefe Küſte verpflanzten, 
wie fie es mit ihren einheimifchen Künften und Religionsdienften 
tbaten. Ob die Phöniziſchen Faktoreien am Argoliſchen Meerbuſen 
nur Handelsplätze waren zur Erleichterung des Austauſches von 
Induſtriewaaren und Naturproduften, oder ob fie noch befondere 
Zwecke verfolgten, ift nicht leicht zu ermitteln, Bon alten Purpur⸗ 


Ethnographiſches. 459 


fiſchereien in dieſem Meere iſt keine Nachricht erhalten. Vielleicht 
waren es die Kupfererze (von denen in dem nördlichen Gränzge— 
birge der Argiviſchen Ebene einige Spuren nachgewieſen worden 
find), deren Gewinn und Verarbeitung die Phönizier betrieben. 
Gewiß hängt mit der Phöniziſchen Cultur der alte Nuhm der Ar: 
goliſchen Waffenfabrifen zuſammen; auch die vorhelleniſche Sitte, 
Steinwände mit angenagelten Rupferplatten dicht zu beffeiden, wie 
fie in dem Thofus von Mykenai am großartigften nachgewieſen wer- 
ven fann, fteht wahrfcheinlich mit einem durch die Phönizier im Pe- 
loponneſe eingeführten Kunftbrauche in Zufammenhang. Darum be— 
wundert auch Telemachos im Menelavspalafte vorzugswerfe den 
fhimmernden Erzglanz der Wände. Man denfe an das eherne Faß 
des Euryſtheus, die eherne Danaefammer, um fich zu überzeugen, 
daß der nachweislich Phönizifche Kunftgebraudh, die Wände mit ges 
bammerten Metalfplatten zu verkleiden, in Argolis vorzugsweife ein— 
heimisch war. Die nähere Kenntni der Eultur und Kunſt des in- 
nern Afiens, das die Phönizier mit Hellas in Verbindung brachten, 
wird ung bald in den Stand fesen, auch die Trage zu entfcheiden, 
wie weit die am Cingange des fogenannten Schaghaufes gefunde- 
nen Ornamente, deren Pusftil in Farbe und Zeichnung von der 
uns befannten Hellenifchen Architeftur fo fehr abweicht, daß Hirt 
ihn für byzantinifch halten Fonnte, fi an Vorbilder Aftatifcher Eul- 
tur anfchließt. 

Endlich erwähne ich noch eine Erfindung, welche, wenn auch 
an fi son nicht großer Bedeutung, dennoch unser den Spuren 
Phöniziſcher Anfiedfungen in Argolis erwahnt zu werden verdient, 
ich meine den Gebrauch der Feuerfignale. Es mußte für die auf 
Inſeln und Küften zerfirenten Niederlaffungen der Tyrier von be> 
fonderer Wichtigkeit fein, durch zweckmäßig vertheilte Fenerzeichen 
mit einander in Verbindung zu fein und ihre Seefahrten fich zu 
erleichtern. Palamedes galt für den Erfinder der Leuchtfener, wel- 
che mit ven Heiligthümern der Anhrodite verbunden waren; des Pa- 
lamedes Vater Nauplios gab den heimfehrenden Griechen auf dem 
Kaphareus ein falfches Feuerzeichen, um durch ihren Schiffbruch 
den Tod feines Sohnes zw rächen (mythogr. Valican. 1, 144). 


460 Miscellen. 


Die Argeier feierten ein jahrliches Farfelfeft zum” Andenken an das 
beilfündende Feuerzeichen, welches Lynkeus der Hypermneftra gab 
(Paul. 2, 25, 4), und eine fo ausgebildete Telegraphif, wie fie 
Aeſchylos im Agamemnon befchreibt, kann wohl nur die Erfindung 
eines im Negäifchen Meere weit verbreiteten Seevolfs fein. Auf 
ſolche Fenerftationen bezieht fich wohl der wiederfehrende Stadtname 
Daroros, dem Neugriegifchen Namen Davagıov entfprechend, wel 
cher bei hochgelegenen Bergftädten vorfommt. Aefchylos nennt das 
Signalfeuer mit Perfifhem Worte ein ayyaoov nöo, das die Dien- 
fte eines Eilboten verfieht. 

Steffen wir die verfchiedenen Spuren Phöniziſcher Einwirkun— 
gen, welche wir in den Helvdenfagen, Ortsnamen, Göttereulten, Runft- 
gebräuchen und praftifchen Einrichtungen der Argeier nachgewiefen 
haben, zufanmen, fo drängt ſich ung die Neberzeugung auf, daß Die 
erfte Geite des Herodot mehr Gefchichte enthält, als man gewöhne 
lich annimmt und daß, was er als Verfifche Sage vortragt von dem 
Berfehre der Phönizier an der Argiviſchen Küfte, von den Aegyp- 


tischen und Affyrifchen Waaren, die fie in einem Bazar am Strande 


ausgeftellt hätten, um die Faufluftigen Griechen und Griechinnen 
herbeizulocken, ein anfchaufiches Gefchichtsbild aus der Helfenifchen 
Vorzeit ift. Seitdem Böckhs metrologiſche Unterfuchungen für die 
Gefchichte der alten Welt eine neue Bahn aufgefchloffen haben und 
gleichzeitig die Kunftwelt Affyriens in ungeahntem Reichthum fich 
ung offenbart, iſt es an der Zeit, alle Spuren des Zufammenhan- 
ges der Griechifchen und der Aſiatiſchen Welt mit Befonnenheit 
aufzufuchen und zufammenzuftellen. AS einen feinen Beitrag zur 
Löſung diefer wichtigen Aufgabe bitte ich die hier gegebenen Andeu— 
tungen anzufehen. 
Bonn, Ernft Curtius. 


Zitterarbiftorisches. 
Simonides’ Aoyoı arazrou 


Ariſtoteles befehließt feine Befämpfung der Platoniſchen Zah— 
lenlehre Metaph. XII, 11 C1091 a Bekker) mit den Worten: 


EEE EEE 


Litterarhiſtoriſches. 461 


Tuvto dn traut a)oya al mazeraı avra Ewvroig xal Toig 
evloyoıg: zal Eoızev Ev avrois eivan 6 Iıuwvidov uaxoög 
A0yog: yivsraı yao 6 umxoög Aoyog, wonEg 6 rw» 
Jdoviwv, Orav ungIEv Üyızg Aeywoın, Ich zog in ver 
Ausgabe des Simonides von Keos diefe Stelle zu den Ueberreſten 
des Lyrifers, fr. CVII p. 115, und erffärte, daß es mir nicht 
glaublich fiheine, Ariftoteles habe einen Vers des Altern Sambogra= 
phen von Amorgos im Ginne, welchen die Scholl. Eur. Phoen, 
215 aufbewahrt haben: 
Ti tavra dıa unxowv Aoymv avedgauov; 

Inzwiſchen nahm Welcker in der gleichzeitigen Bearbeitung des Jam— 
bographen die Ariftotelifche Anführung für feinen Mann in Beichlag, 
fr. XV , wogegen ich in den Addenda Sim. Cei p. 233 mid) ver« 
wahren zu müffen glaubte. Diefe Verwahrung hat wenig gefruch- 
tet: denn in Bergfs Poelt. Lyr. fucht man die Stelle unter den 
Fragmenten des Leoprepiven vergebens; nur zu jenem Verſe des 
Amorginers fr. 9 p. 507 findet fih in den Noten die Bemerkung: 
„Welckerus huc refert Aristot. Met, Xll, 11.2 Mit einfacher 
Berwerfung bierauf laßt es auch Bonig in feinem trefflihen Come 
mentare P. 582 beiwenden. 

Gründe für meine Annahme waren, einmal, daß Ariftoteles 
von einem beftimmten uaxoos A0yos fpricht, der Jambograph aber 
nur, und zwar im Cingange eines langen Jambus, beiläuftg fagt: 
Wozu foll eigentlich diefes lange Gerede? Zweitens, 
daß Ariftoteles’ oft den Lyrifer berudfichtigt, des anderen Simonides 
aber nirgend beftimmt erwähnt. Hätte er folglich diefen, Der zu 
Ariftoteles Zeiten wohl ziemlich vergeffen war, einmal heranziehen 
wollen, fo ließe fih erwarten, daß er ihn durch einen Zufag vor 
dem berühmten Fenntlich gemacht hätte. Der uwxgog Aoyog des 
Simonives muß aber berühmt gewefen fein: denn Ariftoteles bezieht 
fih nochmals darauf Rhet. Ill, 14 in der Lehre von den verſchie— 
denen Arten der zooormıe: er fagt, oi novno0V TO noayUu@ 
Eyovres n doxodvrez hielten ſich gern lange bei den Entſchuldi— 
gungen und Einleitungen auf, ravrayod yag Behtıov dıargißev 
n Ev m noayuarı“ dıo oL dovknı od Ta Eomrwuevg AEyovow 


46% Miscellen. 


Gaıa Ta zuxhe, zal nooomıaLovrar. An Simonides dachte wohl 
auch Euripives Iph. Aul. 215 uoxoovg dE dovrog wv Adyaıg A0- 
yovs. Und recht glaublich feheint es, daß Sophofles bei feinem 
vepfeligen und mooowaLouevog Yvrlas den Simonides vor Au— 
gen hatte. 

Meine Gründe für den Lyriker haben nicht getäuſcht. Unver- 
bofften Aufichluß gewährt, aber auch ein ſchwer zu löſendes Pro— 
blem wirft auf der Commentar des Alexander von Aphrodifias zur 
Stelfe p. 797, 6 Bonitz. To d3 „za Eoızev Ev adroig eivar 
6 2. u. Aoyog* oapes Eoraı noosınovor tig Eorı 6 Iıuwvi- 
dov Aoyog. O Sıumvildng.ev roßg Aöoyoıg, ovVg Ara. 
KToOvVG Enıyygagyesı, uıueltaır zal eixüg 
&otı Aoyovg Afysıy dbovVAovg Entaıxorag n00gG 
Ösonorag E&eralovrag alrovg, vivog Evsxa raüra 
entalaaoıy, zal molEl advrovg anokoyovusvovg 
Aeysıy navv uarou zul nolka, oVdirdawyıag nm 
\nı$avov akka mav To Enıpsgüouevov Evavrlov rw 
ng0PEMOHErVTI. romvrov yao wg Eixog ro Baoßaoov zul 
noıdeias auoıgov. zovro dm Asycı (Ariftoteles) naozeır zul 
TOVG TOVG Maoıduovg Tıdeusvovg, Atysıy Ev uaro® al 
noAho MOOS THV TOv uoıdunv OVoTadır, navra dE wevdn al 
anidava zal wira Eavrois Evuvriolueva zuı. Schwerlich wird 
fih Jemand einreden, diefe genaue Charakteriftif des Simonideiſchen 
uoxgog Aoyog fei ein Ieeres, aus Ariftoteles’ Worten herausge- 
Haubtes Autofchediasma: dazu ift diefer Commentar, mag auch der 
legte Theil nicht som Alexander herrühren, zu alt und gelehrt. Auch 
fteht der Name des Simonives und damit zugleich die Beziehung auf 
den Leoprepiven feft: ganzlich vereinfamt aber fteht dieſe Notiz von 
den araxcoı Aoyor da, und da keinerlei Anknüpfungspunft mit ber 
übrigen fo manchfaltigen bichterifchen Ihätigfeit des Simonides fich 
zeigen will, fo find wir auf eine der Sache felbft und den Worten 
des Commentators angemeffene Muthmaßung gewiefen. 

Jenen zufolge hatte Simonides eine Art fomifcher Mimik ge: 
dichtet: maturgetren hatte er das wirre Hin⸗ und Herreden eines 
yon feinem Herrn auf ſchlechten Wegen ertappten Sklaven geſchil— 


Litterarhiſtoriſches. | 463 


dert + unzufammenhängend und voller Widerſprüche waren die lan— 
gen Ausreden, wodurch der arme Burſche ſich zu reinigen fuchte. 
Ein ſolches Abmalen der Cigenthümlichkeiten niedriger Verfonen in 
Anfhauungs- und Redeweiſe mag man gern dem gewandten, welt- 
männiſchen Dichter zutrauen, deſſen feharfer Verftand allen Dingen 
intereffante Seiten abzufehen wußte Daß aber die Griechen viel 
Sinn gerade dafür hatten, Iehren ja ſchon Aeſchylos' Agamemnon in 
der Perfon des Wächters und die Chvephoren in der Perſon der 
Amme. Am Tiebften denke ic) mir den in fo vielen Arten der Poe— 
fie verfuchten Keer durch ven Berfehr auf Sieilten mit einem Epi— 
charmos — der 3. B. einen Fyoworlvog auf die Bühne brachte 
— zum Entwerfen folcher Sophroniſchen Charafterbilder und Sitten: 
gemälde angeregt, Leicht denkbar, daß er, der auf fremden Ruhm 
eiferfüchtige und Alles, was Erfolg verfprach, ſo gewandt ergreifende 
Dichter dur) den Wunſch eines Hieron oder durch die Beobachtung 
des Berfalis, den ähnliche Leiftungen bei den muntern und witzigen 
Doriern Sieiliens fanden, zu eigenen Verfuhen in diefer Art ver- 
mocht ward, Die Form der Lraxror Aoyor, von denen der ua- 
x005 Aoyog nur ein befonders gelungener gewefen zu fein feheint, 
muß dramatiſch gewefen fein. Der Herr if der eSeralwr,, der 
Sflav der Enokoyosuevos. Wir müffen es dahın geftellt fein Yaf- 
fen, welche, und ob überhaupt eine metrifche Form Simonides biefen 
Mimen gegeben hatte: dent Geiſte nach poetiſch mögen fie nach Art 
der ſpätern Sophrontfchen Mimen fih mut einem gewiffen Rhythmus 
begnügt haben, 

Mir wird es micht ſchwer, den Simonides auch als glücklichen 
Darſteller in ungebundener Rede zu denken. Wäre dem ſo, ſo dürfte 
künftighin nicht mehr Jon von Chios als der Erſte gelten, deſſen 
Beweglichkeit ſich auf beiden bis dahin ſtreng geſonderten Gebieten 
künſtleriſcher Darſtellung gleich gewandt zu zeigen gewußt habe. 

Dei dieſem Anlaß mag einer Notiz erwähnt werden, die viel— 
feicht dem Jon dazu verhilft, Fünftig auch zu der ehrfamen Zunft 
der yoauuarızav naldes gezählt zu werden. Die Bearbeiter des 
Son haben keine Nüdficht genommen auf die merkwürdige Nachricht 
bei Priscian I, p. 37 Krehl. (856 Putsch.), wo er über die Schreib: 


464  Miscellen. 


art Agchises, agceps, aggulus, aggens redend fich auf folgendes 
Zeugniß des Varro in primo de origine linguae lalinae beruft: 
„Ut Ion scribit, quinta vicensuma et liltera quam Agma vo- 
cant, cuius forma nulla et vox communis est Graecis et La- 
tinis, ut his verbis Aggulus, Aggens, Agguilla, Iggerunt“. Bol. 
Spengel, Varro p. 592. Müller p. 264. Iſt hier ver Chier ge 
meint — und ich wüßte feinen andern —, fo fünnte man anneh- 
men, er habe etwa in der Arov zriors vom Alphabet geredet und 
Dabei des Agma gedacht. 

« Wer über beide Nachrichten Näheres ermittelt, fer unferes 
Danfes gewiß. 

F. W. Schneidewin. 


Die Karaßurkovres des Protagoras. 


Weder in dem Berzeichnif Protagoreifher Schriften, welches 
Diogenes von Laerte IX, 55 mittheilt, noch in den Zufammenftel- 
lungen, welche die neuern Arbeiten über dieſen erften und tiefften 
Spphiften bieten, wird man Karaßakrovres als Titel einer Schrift 
des Protagoras aufgeführt finden. Erft Fr. Kayfer Cin dieſem Mu- 
feum oben ©. 166) hat ihn hervorgezogen aus den Worten des 
Sertus Empirifus adv. Mathemm. VII, 560: Evaoyousvog yoüv 
tov Kuaraßaikıovrwv drepgwrnos‘ „Ilarıwv yonuarov 
uergov Eoriv avdownog zrA.““ Es bleibt noch die Bedeutung des 
Titels zu beftimmen und danach der Schrift ihre Stelle in ver Reihe 
der Protagoreifchen Werke anzuweiſen. 

Daß Aoyoı zu Kuraßarrovres zu ergänzen fer, hat ſchon 
Kayfer aus Analogie der anonvoyilovres A0y0ı des Diagoras 
(Suid. s. v. Jıayooas) gefchloffen. Noch näher liegen die "Yreo- 
Barrovres des Chalkedoniſchen Sophiften Thraſymachos, welche 
Plutarch (Quaesit. convv. I, 2, c. 3 p. 616 ©) erwähnt. Wie 
diefe wüberbietenden Reden/ wohl nah Art der Altern Rhetoren 
in erdichteten Mufterbeifpielen denjenigen Theil der Rhetorik behan— 





Litterarhiſtoriſches. 465 


delt haben, welcher ſich mit Vergrößerung und Verkleinerung (ev- 
Snoıs zul ueiwoıg) befchäftigt: fo fünnen, dem Sprachgebrauch ge— 
mäß, unter Karoßakkovzes nur dialektiſch widerlegende, zu Falle 
bringende// Reden gemeint fein. Zum Beweiſe genügt Euripid. 
Bacch. 200: 

nargiovg nagadoyas, ag 9 oumkızag Zoovm 

xertnusd, oVdeis avra zaraßmhel koyog 

ovd’ &i di’ arow» TO 00p0V Evgontaı PoEVO» 
verglichen mit dem Witzwort des Chiers Arifton bei Stobäus (Ser- 
monn. LXXXI, 11): Aglorwv ELeyev Eoızevan ıyv dıake- 
»tTırnv ım Ev valg Ödolg ankm" noög ovder yag oVd’ Exeivor 
x9H70110v ovra zaraßarksın rovs Badılovrag, welcher Witz 
nur dann das unentbehrlihe Salzkörnchen nit entbehrt, wenn zu- 
taßarksın ftehender Ausdruck fir dialektiſches Widerlegen iſt. 

Kurußakkovres war alſo der Titel einer dialektiſchen Schrift 
des Protagoras. Da fie nach Sextus' Zeugniß mit dem Funda— 
mentalfas Protagoreifcher Lehre begann: valler Dinge Maaß ıft 
der Menfch“: fo Fann fie nicht von untergeoroneter Bedeutung ge— 
wefen fein, und das Stillſchweigen über diefes Werk bei allen 
Schriftftellern außer Sertus wäre fchwer erflärlich, da doch die Erwäh- 
nung jenes Satzes, in welchem die Fritifche Richtung der griechifchen 
Philoſophie ihren Ausdruck findet, Feineswegs felten ıft (ſ. Frei 
quaesit. Prolagg. p. 94, 95). Die Allgemeinheit des Stillſchwei— 
gens iſt jedoch nur feheinbar. Denn wenn Platon im Theätetos, 
wo er den Satz vom alles meffenden Menſchen traveftirt, ihn als 
den Anfang der AArdeıa bezeichnet (ryv Ö’ agynv roü A0- 
yov Tedavuaza Orı 0Vn Einev aoyouesvog 175 Akngelag 
ÖTı navıwv yonuarov uErgov Lotiv Üg n zuvoreparos p. 161 
C): fo nennt er offenbar, da Sertus denfelden Satz ald den Ans 
fang der Koraßarrovres mittheilt, num unter einem andern Na- 
men eben diefelbe Schrift wie Sextus. Platon’s Polemik gegen. die 
protagoreifche Lehre bezieht fich num aber in jenem ganzen Abſchnitt des 
Theätetos (p. 162 A, 166 C, 170 E) auf diefe Schrift, und das 
durch fleigert fih die Meinung von der Bedeutung derfelben , mite 
bin auch tie Verwunderung, fie in dem Verzeichniß bei Diogenes, 

Muſ. f. Philol. N, 8. VII 30 


466 Miscellen. 


das unverfennbar aus älterer Duelle ſtammt (Frei p- 176), weder 
als Arndeıa noch als Karaßarrorıez erwähnt zu finden. 

Sehen wir die einzelnen Titel jenes VBerzeichniffes darauf an, 
welcher von ihnen wohl auf eine dialektiſche Erörterung der Prin- 
zipien des Protagoras deuten könne. Eine Reihe ganz fpecieller 
Titel: neol naang, neol Qılorıuias, mei ageron, neol ıng &v 
00x49 zuraotaosws !), neol ı@v odx dodwg roig urdownorg 
TOG000UEVWV , TOOOTWATIAOG, Ölan neo mıoFov ift eben durch) 
diefe Specialität von vorn herein ausgefchloffen. Daß unter ein 
Paar andern Titeln etwas allgemeinerer Art: ‚zeyvn Egiorızwr, 
negl wmv uaynuarwr, nnegl nokıreiag zufammenhängende diale— 
ktiſche Ausführungen verfteckt feien, würde man nur dann anzuneh- 
men fich verftehen müffen, wenn gar fein deutlicher fie bezeichnender 
Titel vorläge. Einen folhen finden wir aber in Avyrıhoyıwv Övo, 
mit welchem das Verzeihniß fließt. Sp wie dDiefe Schrift ſich 
durch ihren Umfang, als eine 2 Bücher umfaffende, von allen vor= 
hergehenden uovopıpka beſtimmt fcheitet, eben fo deutlich weiſt 
ihr Titel auf dialektiſchen Inhalt jeden hin, der fich erinnert, was 
ovrihsyeıv, ayııhoyıxol und avrıLoyızy bei Plato überhaupt und 
Soph. p. 252 D mit befonderer Nüdficht auf Protagoras bedeutet. 
Mit Recht iſt diefen Lrrukoylar der andere Hauptſatz des Prota- 
goras zugewiefen worden: „Ueber jedes Ding find zwei Behaup- 
tungen einander entgegenftehend 24 und wie bedeutend an Umfang 


1) Der Inhalt diefer Schrift läßt fich, bei dem Mangel aller andern 
Data, nur aus den Worten des Titels ermittlen. Man hat diefelben über— 
feßt „über die urfprüngliche Befchaffenheit der Welt“ wodurch ein kosmo— 
genifcher, oder „über Die urſprüngliche Geſtaltung geſellſchaftlicher Verhält- 
niſſe“ (Frei P. 183), wodurch ein — le politiſcher Inhalt angedeutet 
wäre. Nach beiden Auffafiungen wird der Titel undentlic) durch) das. Feh— 
len der eigentlichen Beziehung: z200u0v oder Twv ardowunwr. Ich ver: 
muthe, daß die Schrift rhetorifchen Inhalts gewefen und zer@oteoıs der 
alte rhetorifche Terminus für mpooiuıor fei, der auch in der TEyvn. bed 
Korar vorfam, Syrian. in Hermog. (Walz. Rhett. IV, 575): Kooe$ 6 
7Eyvoyo@dwos 149) Uns ZETROTÄGEWS Oröuerı zEYONTaL nODO0lULE 
700 Aöyov av — — zehkoör. Zur größeren Deutlichkeit ift &v 
Gox hinzugefügt, wie 9 Platon Phaedr. p. 266 E: noooiuıor — ws dei 
Tov Aöyov Aeysodamı Ev doyn- 

2) Diog. Laert. IX, 51: 108105 Eyn duo Aoyovs eivar nEQi 
navios no yuaros dyrizeıukvovs dhimkors. Im Borbeigehen fei 
hier beinerft und die Begründung einem andern Ort vorbehalten, daß bie: 


Litterarhiſtoriſches. 467 


und Gehalt die Schrift geweſen, dieß wenigſtens läßt ſich aus der 
Aeußerung des Ariſtoxenos und Favorinus ſchließen (Frei P- 187), 
Plato's Politie Habe faft/ganz fihon in den Arzıkoyıza des Prota- 
goras gejtanden, 

Sollen wir nun zwei Hauptfchriften allgemein dialektiſchen 
Inhalts neben einander bejtehen laſſen, einerfeits die SAyIsıa oder 
Karaßarkovres, welche von Platon und Sextus, andererfeits die 
"Ayrikoyiaı, welche, mit Ausfaffung der erflern, in dem Verzeich- 
niß bei Diogenes erwähnt wäre? Ber dem innigen Zufammenhang 
der Protagoreifhen Tundamentalfäge hätten im Wefentlichen beide 
Schriften daffelbe enthalten müſſen, und ein ſolches Sichfelbitab- 
fhreiben wird man fich für eine Zeit wie die protagoreiiche, die 
noch keineswegs mit Schreibfeligfeit behaftet war, nur widerftrebend 
gefallen Taffen. Jeder folhen Annahme find wir aber überhoben, 
und befreien zugleich das VBerzeichniß bei Diogenes von dem Vor— 
wurf der Unvollſtändigkeit, wenn wir die eine dialektifche Haupte 
fohrift, für welche zwei Titel Arngeıa und Koraparıorres aus- 
drücklich bezeugt find, nun auch als "Frrikoyıza unter einem dritten 
Titel wieder erfennen, der nur mit dem eigentlichen Wort daffelbe 
benennt, was Kuaraßuhrovreg etwas metaphorifcher bezeichnet. Hier— 
nach hätte alfo Protagoras in dieſer dreifach betitelten Hauptfchrift 
feine beiden Fundamentalſätze aufgeftellt und dialektiſch begründet, 
Sp weit diefelben auf heraklitiſchen Sätzen beruhen, konnten fie 
nicht ohne Berückfichtigung der entgegenftehenden eleatifchen Lehre 
durchgeführt werden, und fo findet Protagoras’ A0yog neol roü 
orrog, in welchem nach Porphyrius (Kuseb. praep. X, 3 p. 476) 


jer Sab von den zwei Behauptungen über jedes Ding — wohl zu 
unterfcheiden von dem ffeptifhen Satz: „Feder Behauptung fteht eine 
gleichfräftige entgegen (mevri Aoym köyos Toos avrizeıraı) — die bes 
raflitifche Lehre von den Gegenfüßen aus dem phufifchen Gebiet, für wel: 
ches vorzüglich fte als Evavrıoroonn von Heraklit durchgeführt worden, auf 
das logifche Gebiet als Lehre von deu Antinomien überträgt. Für das ges 
wöhntiche Bewußtſein find die beiden Aoyoı der Antinomie nicht gleichbe- 
vechtigt; e3 nimmt den einen au, der ihm fo zostırov Aoyos wird, und 
verwirft den andern als Zrrw. Die Rhetorik des Protagoras foll nun 
dazu dienen, die fpefulative Sleichberechtigung der beiden Glieder ver Anz 
tinomie auch für das gewöhnliche Bewußtfein nachzuweifen, 707 7rrao Ao- 
yov xoEITTW nIolkir, 


468 Miscellen. 


der ihn allein erwähnt, die Eleaten beftritten worden, in unferer 
Hauptfehrift feine Stelle. Ob Porphyrius dur die Benennung 
negi Tod ö»rog den drei Titeln des Werks noch einen vierten hin- 
zufügt (Frei p- 176), wird ſchwer zu entfcheiven fein, da er für 
feinen Zweck, Plagiate des Plato aus Protagoras nachzuweiſen, 
leicht glauben fonnte, den Abfchnitt des Hauptwerfs, in welchem 
er feine Belege fand, näher angeben zu müffen. 
J. Bernays. 


Zur Kritik und Erklärung. 
Zu Platon’s Politeia. 
1. p. 341 D. iſt die Lesart faſt aller Handſchriften: &o’ ou» 


&x40T7 Tov TEyv@v Eotı Tı Evupeoov ahlo 7 Otı uakıora TE- 
heavy eivar. Nur eine Münchner Handſchrift hat: &AAo 00 noog- 
deitar, m ESaoxel &xaorn avın wur) Wore ürı uakıora TE- 
E0v eivar, und daffelbe findet fih in einer Florentinischen auf 
dem Rande. Bekker und GStallbaum haben Ießtere geradezu aufge- 
nommen, Schneider vorfichtiger in Klammern eingefchloffen, und Neu- 
fir Quaest. philol. in Plat. Polit. I. p. 3—6. vie ältere Les— 
art wieder vertheidigt. Und in der That, wenn die Worte der 
Münchner Handfchrift urfprünglih im Texte geftanden wären, fo 
begreift man nicht wie fie ausfallen fonnten; wohl aber begreift 
man fehr gut, wie Ddiefelben auch, wenn fie urfprünglich nicht im 
Terte fanden, in ihn hineinfamen. Nämlich erſtens aus der im 
Nachfolgenden von Plato gegebenen Erläuterung der Frage, zweitend 
aus Mißverſtändniß der Frage felbft. Sofrates ſucht zu beweifen, 
daß der Zweck der verfchtedenen Künfte (z. B. der Negierungsfunft) 
nicht fei für fich felbft zu forgen, fondern für Andere. Dieß thut 
er dadurch, daß er zuerft nachwerit, wie dieſelben ſich felbft genug 
feien und für ſich felbft fein weiteres Bedürfnis haben, als ihrem 
Begriffe vollftändig zu entfprechen. Diefes Bedürfniß, im Anſchluß 
an bie vorhergehende Entwicklung durch Zuzupego» ausgedrüdt, iſt 


ee 


Zur Kritik und Erklärung. 469 


eben das örı ur. rer. eivan. Da die Frage der Erläuterung 
bedarf, fo wird diefe in der Art gegeben, daß in dem Verhältniſſe 
der faroızn zum owum nachgewiefen wird, daß der Leib als fols 
cher fich nicht felbft genug ıft, fondern eines Andern bedarf, woge— 
gen die Heilfunft für fich fein Intereſſe SGvupeoov) hat, da fie, in 
ihrer Idee aufgefaßt, vollſtändig und rein iſt, vielmehr alfe ihre 
Intereſſen außer ihr liegen, namlich die des zu Heifenden find. Das 
von wird dann die Anwendung gemacht auf das Verhältniß zwi— 
fhen Regierenden und Negierten: der Negierende hat für fich kein 
Intereſſe, fondern nur für den Negierten, was denn das Gegen- 
theil der von Thraſymachos aufgeftellten Definition des drzauov iſt. 

II. p. 376 D. fragt Sofrates, ob die Erörterung der Frage, 
wie der Kriegerftand zu erziehen fer, für den vorliegenden Haupt— 
zweck Förderung verfpreche oder nicht? und fügt dem hinzu: dve 
un &wusv izavov Aöyov 7 ovyvov dıeäiwuerv. Diefe Worte er- 
läutert Stallbaum fo: ut ne aut disputationem millamus quum 
idonea sit et quae nobis possit satislfacere, aut persequamur 
eam quum copiosa sit alque longa; und K. Schneider überfegt: 
„damit wir nicht eine zur Sache gehörige Unterfuchung unterlaffen 
oder eine wertläufige durchnehmen“. Hiebei muß aber die Auffaffung 
von ixavog und ouyvog Anftoß erregen; denn die ihnen hier beige= 
legte Bedeutung haben die Worte nicht. Weder heißt ixuvog Ao- 
yos eine zur Sache gehörige oder befriedigende Unterfuchung, noch 
enthält ovyrog ven tadelnden Begriff von weitläufig, noch auch 
bilden die beiden Worte, fo gefaßt, einen Togifch vichtigen Gegenſatz 
zu einander. - Dagegen wird alles Har, wenn man fehreibt: dva 7 
Ewuev ovyvov Aoyov n Inavov dıssiwuer. Das Erfte, 7 für 
wen, bat der Unterzeichnete ſchon in feiner Inauguralviffertation de 
luliano ꝛe., (Tüb. 1844) p. 39 vermuthet und findet es jetzt durch 
die oben erwähnte Münchner Handfchrift beftätigt ; das Zweite, die 
Umftellung von ixavog und ovyvos, bieten drei gute Handfchriften. 
Der Sinn ift: damit wir, je nach dem Ausfall der Antwort über 
die Förderlichfeit diefer Unterfuchung, entweder unterlaffen fie aus— 
führlih vorzunehmen oder fie in genügender Weiſe vollſtändig füh— 
ven, ut aut miltamus ampliorem disquisitionem , aut suflicien- 


470 Miscellen 


iem exsequamur. Hiefür foricht auch die nach der Antwort des 
Adeimantos folgende Erflärung des Sokrates: oux apersov, ovd’ 
&l umrooreom Tvyyarcı 0Vo@, was mit den Ixavov dısäiwuev 
völlig identisch if. Entſtanden koͤnnte die Lesart a um Ewuev 
darans fein, daß im Folgenden die Unterfuhung wirkfih nicht un— 
terlaffen wird. 

Hieran fchließe ich für dießmal eine Bemerkung allgeneinerer 
Art. Mit Beziehung auf Rep. II. p. 369 macht Ariftot, Pol. IV, 
4. (p. 99 Bekker oder p. 120 Göttl.) die Ausftellung, daß Plato 
von der Anficht ausgehe @s rwv avayzalov ye yayır naoav 
no) ovVveornrviav all oV ToV zahov warkor. Hier ift nun 
Pinzger (de iis quae in Plat. Pol. reprehendit, p. 14 sq.) und 
Stallbaum gleich mit ver Belehrung zur Hand: Ariftoteles verwechsle 
die Begriffe, Veranfaffung und Zweck; die avaeyxzalda feien bei 
Nato zwar der Anftoß und der nächfte Zweck der Gründung einer 
zohıs, nicht aber der lebte Zweck. Das feheindar Einleuchtende 
und Handgreifliche diefer Bemerfung ift es gerade was das meifte 
Bevenfen erregen muß; denn einen fo groben Logikſchnitzer, deſſen 
Aufdeckung Hrn. Pinzgger und Stallbaum fo wenig Mühe gefoflet ha- 
ben wird, kann man doch billigerweiſe einem jo ſcharfen Denfer wie 
Ariftoteles nicht zutrauen. Und wirklich findet man bei näherer For- 
hung, daß Ariftoteles vollfommen Recht und mit fiherem Blid 
eine der wundeſten Stelfen der platonifchen Politeia aufgezeigt hat. 
Denn allerdings ift es ein Grundgebrechen von diefer, daß über den 
urfprünglichen Zwer der Gemeinfchaftftiftung niemals ausdrücklich 
hinausgegangen wird, daß die Befchranfung auf die rein natürlichen 
Bedürfniſſe als Ideal dargeftellt, alles über diefe Hinausgehende 
als ein Nichtfeinfollendes, zur zoupwon norıs Gehöriges (f. P- 
372. E.) behandelt wird, ftatt vom Natürlihen und Nothwendigen 
zum Gittlichen, Freien und Schönen aufzufteigen. So wird 3. B. 
III. p. 206 D. an der Heilfunft alles was über die Fertigfeiten 
eines gewöhnlichen Barbiers hinausgeht, als eine Verwirrung und 
ein Kranfheitsiymptom verworfen. In diefer Hinficht iſt Platon's Ideal 
ein idylliſcher Naturftaat, in anderer zugleich ein tyranniſcher Poli- 
zeiſtaat. 


Zur Kritik und Erflarung. 471 


Zu Polybius. 

Polyb. IE, 91 f. iſt erzählt wie Hannibal nach der Schlacht 
am Zrafimenerfee fih entfchloffen habe durch raſches Erſcheinen in 
ver Campaniſchen Ebene die Römer zu verblüffen und entweder zu 
einer Schlacht oder zum offenen Geſtändniß ihrer Schwäche zu nö— 
thigen, Um aus Apulien in jene Ebene zu gelangen, habe es drei 
Wege gegeben: Die große fammitische Landſtraße (über Bovianum, 
Aofernia, Allifä), die Gebirgsitrafe über den Tamarus und an dem 
Eribianushügel vorbei, endlich die Landſtraße durchs Hirpinerland 
über Equustuticus. Hannibal ſchlug den zweiten ein, zog durch dei 
Engpaß zara zov ’Egıßıavov zaAovgevov Aogor und lagerte fich 
naoa ov "Advgvov norauov, welher die Ebene durchſchneidet 
cell, 92). Hier hat man fih an ven beiden Namen geftogen, weit 
fie fonft nicht befannt find, und namentlich an dem" AYvovos, wel- 
chen aber ſämmtliche Dandfihriften haben. Anftatt deßhalb, vollends 
bei einem fo verläßigen Schriftfteller wie Polybius, Alles zu Taffen 
wie es ift, flatt fih zu freuen über die Bereicherung unferes topo— 
graphifchen Wiffens und etwa Act zu nehmen von der Wiederfehr 
der Zufammenfekung mit Iburnus bei wilden Bergfirömen (Vultur- 
nus, Titernus, Alhurnus) und ebenfalls an torrens, Tuvogrvor 
(Waſſeranwohner) und dgl. zu erinnern, flatt deffen haben die 
Herausgeber mit plumper Hand Aenderungen an dem einſtimmig 
überlieferten Terte unternommen, baben ftatt des ’Eoıßıavog, ver 
noch jest Monte Erbano heißt, Tosdoviavog u. a, gefegt und den 
"A$vovo; in OviIvgvos verwandelt, ein Verfahren, wie wenn Se- 
mand im einer Neifebefchreibung den Namen Eiach für einen 
Schreibfehler hielte flatt Schwarzach oder dgl. Sogar Imm, 
Bekker, trob feiner Befonnenheit und diplomatischen Treue, war 
unvorfichtig. genug die ganz willfürliche und grundfofe Aenderung 
Schweigbäufers Ovrdvoron in den Tert aufzunehmen. Aber es 
bedarf bier Feiner Aenderung. Hr. Dr. Schnars aus Hamburg, 
in Neapel anfagıg, hat im Ausland 1849. Nr. 55 ff. den ganzen 
Lauf des Vulturnus und ferner Nebenflüffe aus eigener Anſchauung 
genau befchrieben und den "AFvovos in dem heutigen Turno wie- 
dergefunden, Diefer iſt ein Nebenfluß Des wilden Bergſtroms Ti— 


479 Miscellen. 


ternug (jest Titerno), in welchen er ſich bei Cerreto ergieft. Der 
Titernus felbft ſtrömt zwifchen dem Monte Erbano und dem Monte 
Lacivio durch eine wilde ſchon in alter Zeit befeftigte Schlucht und 
ergießt fih in den Vulturnus. Daß jener Athurnus der heutige 
Turno ift beweiſt auch die Varalfelftelle des Living, XXII, 13: 
Hannibal ex Hirpinis in Samnium transit, Beneventanum dipo- 
pulatur agrum, Telesiam urbem capit; denn von dem heutigen 
Turno aus Liegt in nächfter Nahe rechts Teleſia und Yinfs Bene- 
ventum. Nähere Nachweifungen werden von Hr. Dr. Schnars’ dem- 
nächſt erſcheinendem Werfe über Samnium zu erwarten fein, welchem 
wir mit Spannung entgegenfehen und worauf wir im Voraus die 
Philologen aufmerffam machen, da daſſelbe über viele Punkte der 
fammitischen Kriege und des zweiten punifchen ein neues Picht ver- 
breiten wird. 
Tübingen. W. Teuffel, 


Plautiniſche Erxrenrfe. 
4.') 

Es iſt eine Thatfache der Yateinifchen Sprache, die dadurch, 
dag wir ihre tiefere Bewandtniß nicht nachzumweifen vermögen nicht 
erfchüttert wird: daß in den Aoverbialbifdungen von Pronominal- 
ftämmen durch die Endung Im die Richtung von einem Drte her 
ausgedrückt wird. Cine durchgreifende Analogie Tehrt uns dieſe 
Thatfahe: eine Analogie die, durch Aufftellung eines einheitlichen 
Gefichtspunftes für zerfirente Einzelheiten, zugleich Zweifelhaftes zu 
fihern, Dunfeles aufzuffären, Jrriges zurüczumeifen geeignet ift. 

Ein illim und istim würden wir in illinc und istine, 
die aus illim-ce islim-ce gerade fo hervorgegangen find wie il- 
lune istunc aus illum-ce istum-ce, zu fuchen haben, auch wenn 
nicht die einfachen, uncomponirten Formen felbft noch in den un— 
verwerflichften Belegen vorlägen. Längft aufgenommen ober em» 


1) Aus einer bei anderer Gelegenheit mitzutheilenden Unterfuchung 
über die Bildungsgeſetze des Pronomens hic haec hoc. i 


Zur Kritik und Erfläarung. 475 


pfohlen ber und für Cicero von Victorius, Muretus, Lambinus (f. 
Hand’ Nachweifungen Turs. III, S. 212. 463), bei Lucrez ſchon 
von Gifanius vermuthet in V, 575, wo die eine Leydener Hands 
fehrift ilum, die andere illum gibt, erft neuerlich auch III, 894 (se 
diuidit illim) dur Madvig's Conjeftur eingefeht, die in der beften 
Leydener Hdſ. Beftätigung findet, it ein illim, wie istim, nicht 
minder in einer Anzahl Plautiniſcher Verfe feftzuhalten oder herzu— 
ftelfen. Wollte man Merc. II, 1, 13 die Attraction 

L. Qui? P. quia illim unde huc aduécta sum, malis 

bene esse sölitumst 

nicht gelten laſſen und gegen tie Bücher mit Bothe illi fehreiben, 
fo durfte doch für vollfommen geftchert Poen. V, 2, 27 gelten: 

Qui illim sexennis pörierim Carthägine, 
wie mit dem Velus der Palimpfeft hat, das illum des Decurlatus 
andeutet. Alle drei Hff. bewahren es Poen. II, 7: 

Quoniäm litare n&queo, abii illim ilico, 
wo der Hiatus durch nequeo, ego abii befeitigt werden Fonnte, 
jedenfalls nicht durch die zugleich flache und falfche Veränderung des 
illim in illine zu befeitigen war. Auch neben hine ift ein illine 
ganz und gar nicht erforderlich Men. V, 2, 48: 

Hinc stas, illim causam dieis. $. si ille quid deliquerit, 
wo illim der Vetus von erfter Hand, und mit einer Nafur nach 
m der Decurtatus, illinc erft die zweite Hand des erftern. Wie 
bier, fo kann die alte Form in zahlreichen andern Stellen, wo fie 
nicht notwendig gefordert wird, verwiſcht fein; nothwendig ift fie, 
gegen die Bücher, 3. B. Most. II, 2, 36. Poen. V, 2, 98, ſowie 
istim Capt. Ill, 4, 125: 

Et, heüs tu, iube illos illim amabo abscedere. 

Surrüptus sum illim: hie me "Antidamas hospes luus —. 
Ite istim alque ecf[erte lora. L. num lignatum millimur. 
Hiernach Fann uns nichts hindern auch anderweitig von der Form 
Gebrauch zu machen wo fie uns bequem iſt, und fie 3. B. zu Dies 
fen Berbefferungen der Verfe Bacch. 301. 320 zu verwenden: 
Auferimus aurum omne illim illis praesentibus. 

Quantum {llim attulerit: uerum haut permultum ättulit, 


474 Miscellen. 


in deren zweitem ein aus dem überlieferten Quanlulum gemachtes 
Quantillum der Gedanfe nicht verträgt; oder zur DBefeitigung des 
bevenflichen hine Stich. 1, 2, 31: 

Ego illim araneas de foribus deiciam et de päriete, 
da die Pronomina hie und ille nicht gar felten verwechfelt worden 
find in ven Handſchriften. 

Daß nun auch die einfache Form him neben hine fih im 
Handſchriften finde, berichtet zwar Hand a. a. D. ©. 84 mit Ber 
rufung auf Lambin zu Cie. ad famil. IV, 21 und ad Alttie. IV, 
15; alfein in der erften Stelfe foricht diefer gar nicht won him, 
fondern nur. von istim und illim, in der zweiten aber mit Bezie— 
bung auf Handfchriften zunachft nur von illim, mit dem Zuſatze: 
si me omnes audire uolent, ita in aliquot aliis locis, in qui- 
bus sie habent codices ueteres, reponent, et item him. istim 
pro hinc istine, unter Verweifung auf jene erfte Anmerkung. Cine 
jo unbeftimmte Meußerung genügt nicht um an ein handfchriftliches 
him zu glauben, um fo weniger als es gerade die Eiceronifchen 
Briefe find, deren alte Hof. beftimmt nahgewiefene Bei- 
fpiele von illim und istim darbieten. Dffenbar hat Lambın das 
him nad bloßer Analogie hinzugefügt, wie auch Voſſius de ana- 
log. IV, 19: dagegen andere vorfichtiger nur von illim und istim 
fprechen, wie Muret Var. lect. XH, 11, Gifanius Coml. in Lucr. 
u. d. W. — Aber zu Grunde liegt deshalb doch dem hinc ein 
him gerade fo wie vem hunc hanc ein hum-ce ham-ce, 

Genau entfprechend ift vom Stamme des Pronomens is die 
Form im. Cie eriftirt einfach ebenfalls nicht mehr in den über- 
fommenen Sprachreften, ift aber unzweidentig genug in gewiffen 
Compoſitis übria. Zwar ein im-ce inc fonnte es nicht geben, wie 
fein isce: weil es widerfinnig wäre den tonfofen Begriff is zu 
verftärfen '). Aber wie die Sprache, die ja häufig ein Ueberflüffi- 
ges that, das den Begriff der Bewegung von einem Orte fihon in 
ſich fchliegende hine doch noch mit der viefelbe Bewegung ausdrük— 
fenden Präpoſition zufammenfegte inabhine, dehime und dem 


1) Folglich auch fein deine, was, wo es fich etwa findet (f. Hand 
il, 232), nichts ift als gewohnte Abfchreiberunfttte, 


Zur Kritik und Erflärung. 475 


Cobfchon aus älterer Zeit nicht nachzuweiſenden) exhinc, ver- 
gleichbar dem ES oVoavodev und Aehnlichem; fo verſchmolz fie mit 
denfelben Prüpofitionen ihr im zu den ganz auf gleicher Linie ſte— 
henden Kormen deim und exim = de eo und ex eo. Wenn 
für ein älteres deim neben dem jüngern dein ein Beleg, wie es 
fcheint, fichy nicht mehr vorfindet, fo gibt doch dafür, daß dieſes der 
wahre Hergang, den angenfälligen Beweis die durchaus verbürgte 
Schreibung exim, der es neben exin, je mehr an Anerkennung, 
defto weniger an Autorität fehlt. Sch überlaffe es andern, Texte 
wie die des Cicero, des Livius Darauf anzufehen, wie weit in ih— 
nen die Ueberlieferung die genannte Form beftätigen möge, und be— 
gnüge mich an die Birgiliſchen Handfchriften zu erinnern, aus denen 
die hieher gehörigen Thatſachen Wagner zufammenftelft zu Aen. 
VII, 341. X, 22, fo wie auf die der gebührenden Beachtung nicht 
gewürdigten handichriftlichen Beiipiele des exim ber Taeitus auf- 
merffam zu machen, wie Ann. III, 36. XII, 22. XV, 12. 65 und ver⸗ 
muthlich noch in andern Stellen. Aufs deutlichſte liegt dieſelbe 
Schreibung in der Ueberlieferung der Leydener Hoff. bei Luerez II, 
161: Percussas texim d, i. Pereussast exim, wo ſchon Nonius 
und Priseian exin laſen, wenn deren Handfchriften ung nicht täu— 
fhen '). Geradezu bewahren das exim bei Plautus Poen. HF, 
5, 9 mit dem Ambrofianus beide VWalatint, während in Most. 1,3, 
70 die letztern allerdings in exin übereinſtimmen. So, exin, hat 
zwar auch Epid. I, 1, 47 ver Vetus: aber das Wahre hat fich in 
das eximo fonftiger Hoff. verftect. 

Aber nicht nur vorgefest wurde bie Präpofition der Bewe— 
gung der an ſich fchon das Gleiche bedentenden Adverbialbildung, 
jondern chen fo gut trat fie auch Hinten an: denn völfig parallel 
ſtehen dein und inde. Auch hiermit begrügte ſich indeß die 
Sprache noch nicht. Indem ſich diefe Entftefung der Form inde 
dem Bewußtfein entzogen, auch die urfprüngliche Ränge des de zu 

4) Nicht fie, fondern ihre Vergleicher werden zum Theil diefen Vor— 
wurf verdienen. — Wenn in dem Lucrezifchen Verfe bei Priscian X, 3, 
17 ©. 886 P. die Halberftädter Hdf. nad) Herkbergs Mittheilung exico 


eorpus hat, aber die Buchſtaben ico von zweiter Hand, fo ſtand vor der 
Eorrestur vermuthlich nichts anderes als eben exim. 


476 Miecellen. 


der Kürze einer Anhängeſylbe abgeſchwächt hatte, war es möglich 
den Begriff des Ausgehens von einem Punkte durch die neuen Bil- 
dungen exin-de, ja ſelbſt de-inde hervorzuheben: Formen, die 
fonach eigentlich bis composita find gleich proinde perinde subinde. 

Diefen feften und confeguenten Herleitungen gegenüber wer» 
den alte und neue Irrthümer Feiner befondern Widerlegung bedür- 
fen. Wenn Cicero Orat, c. 45 dein und exin furzweg für Ab» 
fürzungen von deinde und exinde nahm, Hand II, S. 239 deinde 
in deind und diefes in dein übergehen ließ, fo würde auf demfel- 
ben Wege auch in zu einer Abkürzung von inde werben. 

Den aufgeführten Pronominalftämmen treten, zu weiterer Be- 
ftätigung der entwicelten Bildung, noch zur Seite utrim, alte. 
rim altrim, intrim, extrim: wenn auch ohne felbftännige 
Eriftenz in der ausgebildeten Sprache, doch unzweifelhaft zu Tage 
liegend in ulrimque, altrinsecus, intrinsecus, extrinsecus !). Sie 
bewahren ihren Urfprung zum Theil felbft in der Schreibung: im— 
mer utrimque, nicht utrinque , fteht in den Palatinis wie im 
Ambrofianus des Mautus, im letztern felbft ALTRIMSECUS Pseud. 
I, 3, 123. Dover genauer zu reden: es find von diefem Worte die 
Buchftaben RIM deutlich erfennbar im Palimpſeſt, der Vers felbft 
aber muthmaßlich zu einer noch weiter greifenden Crmittelung zu 
verwenden. Denn fo lange es einem andern nicht beffer als mir 
gelingt, für die Paroxytonirung altrimsécus eine zureichende Recht- 
fertigung zu finden, fann der Vers in der überlieferten Geftalt: 

Pseudole, adsiste ältrinsecus atque Önera hunc male- 

dietis. licet: 
nicht für Mautinifch gelten. Die Annahme, daß die dem Compoft- 
tum zu Orunde liegende Pronominalform in Plautinifcher Zeit noch 
nicht aus der Sprache verfchwunden war, ftellt den Rhythmus mit 

einem Schlage her: 

Pseudule, adsiste alterim alque hunc önera maledi- 

clis. Licet. 


1) Wozu vielleicht insecus aus den alten Gloſſen Hinzuzufügen, er: 
Härt duch eis, &yyüs: 


Zur Kritif und Erklärung. 477 


Zu utrim verhält fi, wie inde zu im, ein utrinde, aus 
Cato angemerkt bei Charifius S. 198. 

Mit dem alten Aceufatious i m-eum fünnen die localen Adverbia 
auf im begreiflicher Weiſe nichts gemein haben als die Außere 
Gleichförmigkeit, obgleich Hand Hl, ©. 84 meinte, daß einen 
folhen accusalivum usus vertit in notionem adverbii localis, 
quod, unde aliquid mouealur , significat! wozu wieder wenig 
ftimmt, daß nad) Il, ©. 213 das ausfautende nc von illinc islinc 
fol in m übergegangen fein. — Aceufativbegriff mag man berechtigt 
fein in interim zu finden und diefes Interim ſcharf zu trennen 
von dem in intrinsecus erfcheinenden intCe)rim: fowie umgekehrt 
Bedeutung und Gebrauch feinen Einfpruch dagegen thut, olim ganz 
mit illim zu identifieiren. Auf die zahlreichen fonftigen Adverbial— 
bifdungen mit tim und Sim die Zugrundelegung des localen im 
auszudehnen wird die Bedeutung derfelben ohne Zwang nicht wohl 
zulaffen, folglich eine Befchränfung diefer Bildung auf Pronomr 
nalftamme anzuerfennen fein, 


Zum Plautinifhen Trinummus !). 


368. Sapienti aetas condimentum, sapiens aelali cibust. 
Sch glaube, diefer Vers laßt ſich vertheidigen. Lyfiteles hat vorher 
die Thorheiten des Lesbonicus dadurch entfchuldigt, daß er zur Les 
bensweisheit zu jung fei. Darauf antwortet Philto nicht das AL 
ter macht weife, fondern das ingenium. Für den Werfen iſt das 
Alter Würze! @. h. es ift wahr, daß einem werfen Manne das Als 
ter nody etwas an Werth und Empfehlung zulegt): der Weiſe ıft 
Speife für das Alter” (d. h. das Alter verzehrt ihn). Es feheint 
mir nicht unpaffend, wenn Philto (ſelbſt ein alter Mann) diefen 
Gedanken ausſpricht (denn darauf Läuft fein Sinnſpruch hinaus), 
“man foll nicht fohlechthin das Alter Toben als made es weile. Es 
giebt nicht Weisheit, es würzt fie nur, und es iſt die Unannehmlich— 
feit dabei, daß der Weiſe je älter er wird, je näher dem Tode 
fommt. Das Alter macht nicht den Werfen, es zehrt ihn auf, 

1) ©. Vorr. z. Stich, S. XIX. en 


478 Miscellen. 


540. Sues moriuntur angina aeri acerrume. Ich denfe, nur 
der Scherz einer folchen Paronomafie kann das an ſich unmögliche 
acerrume mori, woran Lambin mit Recht Anftoß nahm, möglich machen. 

681. Aus B ergiebt fi) mir aha, non convenit. vgl. 649, 

708. Paulmiers multam abomina ſcheint mir unmöglich : 
denn abominare (wenn dies Activum je vorkam) giebt bier falfchen 
Begriff. cave würde ich verfiehen. — Die gewöhnliche Erklärung 
diefer Stelle durch Trin. 989 f. und den Schluß der Eiftellaria ift 
verkehrt. Denn dort ift von einer Beftrafung und von den Schau— 
foielern die Rede, hier von einer mulla und von feenifchen Dich» 


tern. — Sealigers und Saumatfes multabo mina feheint mir das 


wahre. Es Laßt fi fehr wohl denken, daß ein feenifher Dichter, 
der fih dem Ausſpruche der Kampfrichter nicht fügte, Dagegen Eins 
fpruch erhob, in eine Drdnungsfirafe Buße, multa) verfiel. 

746. Ich ftreiche huie doch, weil es nach dem anders be- 
züglichen huic ver vorigen Zeile die Stelle fehr undeutlich macht, 
Außerdem aber feheint mir alqui nöthig. 

803 f. Am hübfcheften wäre 

aperi, deprome inde auri ad hanc rem quod sat est: 

operi continuo denuo etc. 

“mac auf, mach zu. Auch continuo und denuo neben einander hat 
plautinifchen Klang. 

820. Für salsipotenti , dag ich nicht verteidigen will, ein 
Zeugniß in den Berichten der königlich ſächſiſchen Gefellfchaft ver 
Wiffenfchaften 1847. 211. Vers 2, 

857. An opus fartost vialico kann ich nicht glauben. Da 
man pecuniam facere und viel ähnliches fagt, fo genügt mir voll 
fommen opus factost vialico. "Für deinen Namen muß man Reiz 
fegeld aufbringen’, 

910. Atqui gäbe beſſeren Zuſammenhang mit der sorherges 
henden Zeile, 

947, Praedicare mißfällt mir nad) dem ganz andern prae- 
dicas 945. Da Hermanns hominem nach sorhergehendem nemi- 
nem als überflüffig weggefaffen ſein kann, fo made ich aus Dem 
Pre und ere der Hoff. 


Zur Kritik und Erflärung. 479 


nam pudicum neminem 
rere oporlet hominem qui etc, 

948. Warum nicht mit Teichterer Aenderung millam uli le? 

982. Fassu’s — tibi. Ohne Fragezeichen. 

1125. An in terra dum glaube ich auch nicht, Aber Bergks 
invenlum iſt nicht nur unwaährſcheinlich, fondern oerkehrt, weil es 
den nothwendig hier klar auszudrückenden Begriff des Präſens unklar 
macht. Ich ſchreibe neque fuit neque erit neque esse usquam 
hominem terrarum arbilror. 

1188, Ich kann Grauerts Abhandlung nicht nachfehen, aber 
ich glaube, dem Lyſiteles hat er diefe Zeile mit Recht gegeben. Nur 
dann verftehe ih das Tu 1189, das an Lesbonieus gerichtet ift. 
Der eher verlobte Lyſiteles heiratet auch billig eher; von Lyſiteles 
Hochzeit muß doch auch die Rede fein; und mit dem 1188. Berfe 
unterbricht Lyfiteles, ganz feinem Charakter gemäß, eine Wechſelrede 
Die Unangenehmes berührt, das er gern vergeffen fähe. 

M. Haupt. 


Zu Plinius. 


Plinius n. h. XXXV, 9, 36 ſagt von dem berühmten Maler 
Apoflodoros von Athen: „Ab hoc artis fores apertas Zeuxis He- 
racleotes intravit“. Halt man diefen bei fonft nüchterner Nomen- 
elatur auffallenden Ausdruck mit Babrios Prooem. 2, 9 zufammen : 

in’ Eund JE ngWrov ng FÜoas dvorydeiong 

eianAyov akkoı 
zufammen, jo überraſcht das genaue Einftimmen, mögen auch ähn— 
liche Metaphern gangbar genug fein. Indeß wird Niemand darauf 
verfallen, Plinius und Babrios von einander abhängig zu denfen. 
Bielmehr haben Beide, denke ich, einen berühmten Vers eines Altern 
Autors ſich zu eigen gemacht. Umd diefer war ſchwerlich ein ande— 
ver als eben jener berühmte Maler, von welchem Plinius ihn ge⸗ 
braucht: ſo hört die Wendung auf zu überraſchen; ſie iſt gelehrt 
und witzig. Berichtet doch Plinius gleich nachher von einem Verſe 
deſſelben Apollodoros gegen Zeuxis ganz ähnlichen Schlages: In 
eum Apollodorus supra scriplus versum fecit, artem ipsis ab- 
latam (dem Damophilos von Himera und Nefeus von Thafos) 
Zeuzim ferre secum; ſchreibt doch auch Plutarch de Glor. Ath. 
3 den Vers Mouz;oeral tig uahhov 7 winnoerau demſelben zu, 


480 Miscellen. 


Auch Parrhaſios fprach fern Selbfigefühl nach $. 71 in Verfen aus: 
se appellavit versibus principem arlis el eam a se consum- 
matam. 3 W. Schneidewin, 


aackann XT 14: 


In der befannten Stelle über Erfindung und Fortbildung der 
Buchftabenfchrift wird auch der drei von Claudius hinzugefügten 
Zeichen gedacht quae usui imperitante eo post oblitleratae aspi- 
ciuntur eliam nunc in aere publico. dis plebiscitis (fo der Med.) 
per fora ac lempla fixo’. Aus der handfchriftlichen Lesart hat man 
publicandis plebiseitis, publicandis scitis, publicandis plebi 
SCtis gemacht: Nipperdey (Philologus I. 427) hat zulekt die 
Schwierigkeit mehr zerhauen, als gelöft, indem er das . dis ple- 
biseilis herausgeworfen hat. Mir feheint zu leſen: in aere pub- 
lico si dis placel per fora ac templa fixo. Man vergleiche nur 
die Bitterfeit der Erzählung über die Aufitellung des SC. zu Pallas' 
Ehren AU. 53 und man wird den Stoßfeufzer felbft ebenfo gerecht- 
fertigt finden als die Möglichkeit des Verderbniſſes in diplomatifcher 
Hinficht einleuchtet. 

Chärsis. Inst. gramm. 1. p. 80. PR 58.2. 


“Gulam ut lulius Modestus ait per u scribemus non per 
y quae Graecis uocabulis necessaria est et saepe in u lran- 
sit ut Insuemur ait in naro: Inter se degularunt omnia'. Den 
Autor des DVersfragmentes hat man in Insuemur gefucht und Put- 
ſchius hat ihn darin nicht nur gefucht, fondern auch erfunden. Er lieſt 
Suecius in Mido. Diefen hat Ritſchl befeitigt (melett. Plaut. spec. 
onomat. p. 21 = parerg. I. p. 27), veffen eigene Vermuthung 
“ut Titinius usurpat in Varo’ ung wenigftens auf befanntes Ter- 
rain führt. Aber, wie mir ſcheint, ſteckt in Insuemur überhaupt 
fein Autor, überhaupt fein Menjch, fondern ein Paar Beftien, deren 
Name als Beleg für die vorgetragene Lehre dienen fol: in sue 
mure. Darnach it dann eine Lücke anzunehmen, an deren Schluffe 
fih das citirte Fragment aus dem Luſtſpiel Nurus befand. Denn in 
nuro, nicht in naro, hat nad 9. Keils freundlicher Mittheilung 
die Hf. und neben den Brüdern und Vettern, den Schweftern und 
Bafen, der Schwiegermutter zumal des römischen Luftfpiels werden 
wir der-freilich fonft nicht befannten Schnur ein Plätzchen ſchwerlich 
weigern dürfen; ob zunächſt vor ait in etwa Tilinius oder Alla oder 
Alranius (der degulare auch fonft gebraucht hat) oder wer fonft 
herzuftellen, und was an fonftigem Cement der Nede in der Lücke 
fi befunden, wird fih kaum ermitteln laffen und man wird ſich 
begnügen müffen die Stelfe ut in sue mure ..».... ait in Nuro 


zu fihreiben. M. Herß, 





Bonn, gedruckt bei Carl Geprgi, 





Ueber den Peripfus des erhthraifchen Meeres; 


(©. 321.) 
II. 
Litterarifches. 


Die bisherigen wiſſenſchaftlichen Leiftungen über den Periplus 
zerfallen der Zeit wie dem Inhalt nach in zwei Klaffen: fie haben 
ſich einerfeits auf die Texteskritik und die Worteregefe, andererfeits 
auf die Beleuchtung des vorherrfchend geographiſchen Inhalts der 
Schrift gerichtet: jene find bis gegen die Mitte des vorigen Jahr- 
hunderts, diefe von da ab durchaus vorherrfchend ; Die Unterfuchun- 
gen jener Klaffe endlich find zumeift in Ausgaben und Commenta- 
ven, diefe in geographifch-hiftorifchen Werfen niedergelegt. Es giebt 
fein Werf, das beide Seiten der Unterfuchung nur entfernt gleich“ 
mäßig umfaßte. - 

Die Reihe der Editoren eröffnet Gelenius 1533 9. Cr 
giebt den bloßen Text ohne Ueberſetzung und ohne irgend eine Be— 
merkung. Die Handfehrift, welche ihm vorlag, iſt Die einzige bisher 
benußte: leider vermiffen wir in der Vorrede jede Bemerkung über 
diefelbe 2). 


1) Agdıavoü neoinkous EnuEeiyvov nörrov. Toü aurov 
neoinkovs zjs Eovdoas Yalaoons. "Avvwvos neoinkous Aıßüns. 
IIkovraoyov negi noreuwv zei 6oWv. Enuoun ıor ro Iroapw- 
vos yewuypayızav. Arriani et Hannonis periplus. Plutarchus de flu- 
minibus et montibus. Strabonis epitome. — Froben. Basileae anno 
MDXXXII. 4°. 

2) Es hat mir nicht gelingen wollen, das Borhandenfein einer an— 
deren Handjchrift — und auch die von Gelenius benugte jcheint verloren 
— zu entdecken. ch bemerfe übrigens, daß das Auffinden einer folchen 
bei dem geringen Umfange und der Anonymität des Buches fehwierig, und 
die mir zu Gebote ſtehenden Hülfsmittel fehr unzureichend waren, Sch 

Muſ. fe Philol. N. 3. VI. 31 


482 Ueberden Periplus 


Der Tert erfcheint bei ihm in einer außerordentlich fehler- 
haften Geftalt. Lücken find zweimal fchon durch den Druck ange- 
deutet , fehr viele Stellen völlig unverftändfich, die Interpunktion 


muß mic) deßhalb bejchränfen, an die Notiz bei Fabrieius: biblioth. graec. 
Ste Aufl. V.94. zu erinnern: In bibliotheca quondam Heidelbergensi au- 
etore Sylburgio in catal. codd. graee. nr. 398. Arriani periplus cum 
periplo ponti Euxini et Xenoph. cyneg. 


1) Die erfte Lücke findet fich gleich im Anfang BI. 143. 9.2. Gr 
fpriht von der Küſtenſtrecke jenſeits Berexice: dort wohnten die Ichthyopha⸗ 
gen, weiter landeinwärts die Barbari, Agriophagi, und Nojchophagi; ois 
Enireitaı, fährt er dann fort, zar« varov ueooy&ıos dno TWv Ioög 
duo uegov — — — Ons uızgov, Sch füge gleich die folgenden Worte 
bei: wera de tous Mooyopayovs Eni Ialaoons uızg0v Zunögıov Lotıy 
»rh. Die Ausgaben interpungiven ſämmtlich nad weoöyeıos und überfet- 
jen eben fo unrichtig: his a tergo imminet mediterranea regio, a parti- 

us occasum spectantibus, als ob weoöyeios ein Hauptwort fein follte. 
Es fehlt offenbar nichts weiter als der Name: die Vortfegung zeigt, daß 
an eine größere Lücke nicht zu denfen iſt. Auch enthält der Periplus ſpä— 
terhin eine ganz ähnliche Stelle, ‚indem er (BI. 163. 9. 22.) bei Barbarice 
bemerft: moözeıını — — zare vWrov ueooyerog 7 untgönokıs ‚wöris 
Tijs Zrvdies Mwvayao. Dun ift ohne Zweifel dad — @ng wıxgov une 
gehörig: es hat fid) aus der folgenden Zeile, aus dem Iaulao ons Mı- 
*00v Zunögıov hierher verirrt: es Fommt alfo nur daranf an, den paf- 
enden Namen zu finden. So unficher aud) fonft dergleichen Ergänzungen fein 
müffen, darf man doch in diefem Falle wohl mit einiger WahrfcheinlichFeit 
annehmen, daß es Fein anderer ift als Meoon, und daß die Nehnlichkeit 
dieſes Worts mit dem vorhergehenden weowv Die Berwirrung veranlaßt hat, 


Ungleich khwierigrr ift die zweite Stelle, an welcher fich eine Lücke 
findet BI. 174. 9. 33. Cine höchft verdorbene und ganz unleferliche Par— 
thie geht ihr —— voraus; dann heißt es bei Gelenius und allen Spä— 
teren fo: An’ Eheßazag) 16 Aeyöusvov Ilvggov. 0905, Ehhm TagHRE 
xeoe m — — — un Haoadie heyousvn, NO05 @lrov TOV vöror. 
Nur ftatt des ITagadia bei Gelenius lefen alle folgenden Herausgeber 
ITeociie, weil Ptolemäus VI. 1.13. an diefe Stelle die diws zalov- 
uevn ITegakia ſetzt: da der Perieget den Drt bald darauf (BL. 176. 9. 
34.) nochmals nennt und bier die Form IZeoaile auch hei Gelenius 
erfcheint, fo ift die Nichtigfeit der Emendation wohl unzweifelhaft. Die 
fonftigen Berfuche, welche man bis jeßt zur Derftellung des urfprünglichen 
Textes diefer Stelle gemacht hat, haben fich ausfchließlih an das Mort 
Elaßazaoi gehalten. Es liegt darin einestheils ein Anklang an den Na- 
men ’E)eyzov oder Eieyxoo, den Ptolemäus VIL 1. 9, zwifchen Nel- 
cynda und Comaria erwähnt, alfo an einer allerdings gang der unfrigen 
eorrespondirenden Stelle: andererfeits aber fuchte man darin das früher er— 
wähnte Bapezn (Bl. 173. 9. 30.), das Plinius hist. nat. VL 26., ohne 
Zweifel mit Benußung unferes Periplus, Barace, Ptolemäns VIE 1. 8. 
vielleicht nad) ebendemfelben Baxzager nennt; das übrigens bei Gelenius 
nur in der Form Beoron vorkommt, Andere, wie Vincent (the com- 
merce and navigation 11. 456. Ill. 108) geben noch abentenerlichere Ver- 
muthungen. Sit, in der That in Ziaßexeoy die Öenitivform eines Na— 
mens enthalten, fo entfteht die weitere Schwierigkeit, wie eine Verbindung 


Des erythräiſchen Meeres, 483 


durchweg höchſt fchlecht und mangelhaft: kurz das ganze Werk Tiegt 
bier in einer außerordentlich corrumpirten, kaum leſerlichen Geftalt 
vor: Gelenius bat zu dem Werk fein anderes Verhältuiß, als 
daß er das Manufeript in Die Druderei befördert, und — wie er 
ja Corrector der Frobenfchen Dffiein war — die Druckbogen revi⸗— 
dirt hat. 

Die hier eben ausgefprochene Anfiht, die mit einigen Mpdi- 
ficationen auch auf alle folgenden Ausgaben anwendbar ift, feheint 
jedoch Feineswegs als allgemein anerkannt gelten zu können. Sch 
kann deßhalb nicht umhin, einige Beifpiele anzuführen, wie nachläf- 
fig und leichtſinnig die Ausgabe angefertigt worden iſt. Wollte ich 
alle die Stellen aufzählen, gegen welde fih in kritiſcher Hinficht 
Bedenken erheben Iaffen, fo müßte ich einen fehr bedeutenden Theil 
des Werkes abdrucken Laffen. Sch greife mir deßhalb eine Anzahl 
derfelben heraus, die bei einiger Aufmerkfamfeit mit großer Sicher— 
beit zu verbeffern waren, und Die beffenungeachtet ebenfo falſch in 
alle folgenden Ausgaben übergegangen find. Es mögen diefe Bei— 
fpiele zugleich Dazu dienen, das Urtheil über diefe letzteren zu be— 
gründen, 

Gleich im Anfang der Schrift heißt es von Myos Hormos 
und Berenice: Aueporeowv ol Auusveg Ev za Eoyarw ıns Alyva- 
und ein Sinn in dem Folgenden gefunden werden foll: denn die fchlechte 
Meberfeßung bei Stud und feinen Nachfchreibern: Ab Elabacare dicta 
mons Pyrrhus, alia sequitur regio Paralia nuncupata, und die nicht bef: 
fere bei Vincent; Upon leaying Ela - bakare, or (!) the Ruddy Moun- 
tain, the country which succeeds(!)is under the government of Pandion, 
zeigen nur, daß dieſe Herausgeber an Diefen Uebelftand gar nicht gedacht 
haben. Mir fcheint es noch am wahrfcheinlichiten, daß das 7 — — ns 
in die vorhergehende Beile zu ziehen, aus dem — xron ein zreo@ herzus 
ftellen, flatt magixe zu feßen neoyzes und alſo im Ganzen zu leſen iſt: 
Ano Tis Bapeaxns n&oe TO Aeyousvoy ITuggor 0oos @Akn NagNzEUL 
xsoa« n ITaoakie Aeyousvn NOOS @UTOV Tov vorov. Das — ge⸗ 
braucht: der Perieget noch dreimal in dieſer Weife Bl. 156. 176. 9. 15. 
35. — Das Ifvooöv 6005 nennt außer dem Periegeten Niemand: deßhalb 
und wegen der Unflarheit der erwähnten Stelle ift die Deutung fihwierig 
und bisher fehr fchwanfend. Ich endhns nur, daß Wilfon Mackenzie 
collection. Calcutt. 1828. Bd. I. XCIV. wegen der geringen Lautähnlich- 
feit deu Namen Paraguräma darin findet — eine Erflärung, die ſich ſchwer— 
lih Anhänger erwerben wird. Mir jcheint es ſehr wohl möglich, daß der 
Perieget das bekannte Nilagiri-Gebirge meint, und dieſen Namen — es 


heißt dunkelblaues“ oder überhaupt „dunkles Gebirge“ — durch ZZugoov 
ogos überſetzt hat. 


484 Ueber den Periplus 


zov, xöAnoı de Tag Eovdoas Iarnoong zeivrar. Nichts ift 
leichter verftändlich als diefe Worte: am Ende Aegyptens Tiegen die 
Häfen, am Ende des Erythräiſchen Meeres die betreffenden Meer: 
buſen. Durch falſche Interpunktion iſt dieſe einfache Stelle völlig 
entftellt: Gelenius ſchreibt auporeowv o Aıusveg, &v ıW 
&oyarw ırng Alyuntov. Kornoı d& ın5 ’Eg. 9. zeivrar, und alle 
folgenden Herausgeber ebenfo, nur daß fie vor »oAnoı ftatt des 
Punkts ein Kolon festen, Deßhalb die verfehrte Ueberſetzung bei 
Stud, Blancard und Hudfon: Utriusque vero portus in 
extremis Aegypti finibus iacent, et ipsius Erythraei maris si- 
nus sunt und die noch fehlechtere bei Vincent: both Ihese har- 
bours lie at the extremity of Egypt, and have severally the 
advantage of a bay. 

Die Fortfegung lautet bei Gelenius: Tovrwv Ex uev 
zov dekımv ano Begviang ovvapns, 7 Tıionßagırzn zwow Eoriv. 
Ta u:v naoa Saraooar, ’IyIvopaywv uavdgaus olxodoumue- 
vaıg Ev oTEVWuaoı, #al onogadnv dE olxovvraı. Ta de us- 
oöysı@w, Baoßaowv xrA. Derfelbe unverftändlihe Tert mit der— 
felben verworrenen Interpunktion kehrt bei allen nachfolgenden Her— 
ausgebern wieder; die Ueberfegungen find natürlich ebenfo ſchlecht. 
Es bedurfte gewiß nur geringer Sorgfalt, um den richtigen Tert und 
Die richtige Interpunftion zu finden: es war zu leſen: rovrwv &x 
usv rw» defıw@v ano Beoviang ovvayns 9 Tionßagızn xwoa. 
"Eorı zu utv naoa Yaluooay ’IyIvopaywv, Ev uavdoaıs Wxo- 
Öoumuevaıg Ev orevwuuoı zal onogadnv (di)oızoüvrwv, ta de 
neoöysıa Baoßaowvy — — xara rvgavvida veuousvor. 

Weiterhin (BI. 149. 9. 7.) lautet eine Stelle bei Gelenius 
folgendermaßen: Ano dE too MoovArov naganisvoarra (wofür 
naganhevoarzı ſchon hergeftellt if) era dvo doouovg, TO As- 
yöusvov Neihontorsuclov,, zal Tanarnyn, zal Japvava w- 
x00v, zul ax20wrnoLov "E)epag, ano Onwvng, Eis vorov ng0- 
xwgel. Eira eis Ada 7 zwoa, norauovg Eyeı Tov Aeyouevov 
Ertyavra. Kal Jagvova ueyav, heyouevov ’Aravvar ara. 
Im Wefentlichen fchreiben und interpungiren alle folgenden Heraus- 
geber ebenfo, nur Vincent hält die Worte «no Onwvns — kıßa 


des ergthraifhen Meeres. 485 


für eine woffenbare” Interpolation, Um Sinn in dieſe confufe 
Stelfe zu bringen, bedarf es weiter nichts, als eines 6 vor ano 
und folgender Interpunftion: Ano d& Too M. nagankevoavrı 
uera Övo doouovg to Asy. N. zul T. zal A. u. zal ax0wrn- 
oıov "Erepas, 0 ano Onwvng Eis vorov nooywgel, Elta Eig 
HıBa. HI xwoa norauovg Eysı TOvV Aeyouevov ’E. zul Jap- 
vova ucyav Aeyousvov. "Aravvar zu). 

Bon der Südoftfüfte Afrifas ber Rhapta wird bemerkt, es 
wohnten dort fehr große Menfchen, ueyıoroı dE owuaoı, — — 
avdownoı ögaroi zaroızovow. Keiner bemerft nur ein Wort 
über das ögaro’; in den Neberfegungen fehlt es außer bei Vin- 
cent, der es fehr naiv wiedergiebt durch: Ihe nalives are men 
of ihe largest stature that are any where to be seen, Es 
kann wohl faum zweifelhaft fein, daß es nur Wiederholung aus dem 
vorhergehenden «av — OPAIIOI und alſo gänzlich zu ftreichen iſt. 

Am Eingang des Verfifhen Meerbufens Tiegen, dem Tert 
des Gelenius zufolge, 77001 nAsousvar, Karalov keyousvar 
vnooı (B. 161. 9. 19,), insulae ad quas navigatur, wie Stud 
und feine Nachtreter überfegen, In den Noten meint er dennoch; 
Quid, si nAsroveg legendum? und Vincent möchte dıanieous- 
var vder naganreouevar leſen, um es dann ganz unrichtig zu 
überfegen. Nichts lag näher, als hier die wahre Lesart zu finden: 
vnooı n\Ew usv, al Kuararov Aeyouevar v7ooL* novmool de oi 
KATOLXOUVTEG, 

Der Perieget erwähnt zweimal (BI. 166. 167. H. 24. 25.) 
ein VBorgebirge, welches er Papice nennt: cs Yiegt in der Nähe von 
Barygaza, Beide Male wird damit ein anderer Name in Verbin- 
dung gefeßt: an der erfteren Stelfe heißt es To zara "Aora zul 
Toanegav Baovyalwv, axowrno10V, an ver Iebteren anevarıı 
Tarıng ro n90 "Aotazauıngwv dxowrnouov: jedesmal folgt dar 
auf 7 Ilanızn keyousvn. Daß einmal der Name verfälicht fein 
muß, iſt Har: und das Unzufammenhängende der erfteren Stelle, 
verbunden mit dem Umftande, daß Ptolemäus VII. 1. 60, in diefer 
Gegend, wenn auch nicht genau an derfelben Stelle, eine Stadt 
"Aotaxange namhaft macht, zeigt deutlich, daß jene Stelle es ift, 


486 Weber ven Periplud 


welche einer Emendation bedarf: es kann nur zweifelhaft fein, ob 
’Aoraxanoo mit Ptolemäus, oder mit der nachfolgenden Stelle 
’Astaxaunge zu leſen ſei. Der Kritif war nun bier die befte 
Handhabe geboten: zu dem "Aora — mußten aus dem folgenden 
zu Toaneoav die Schriftzüge für — xanga oder — zaunoe und 
dazu eine Prapofition gefunden werben, welche diefen Namen mit 
dem folgenden Baovyalov verband, Es bedurfte doch gewiß nur 
eines Höchft einfachen und mechaniſchen kritiſchen Berfahrens, um zu 
finden, daß in der Buchftabenreife AFTAKAITPA IIEPAN 
tichts weiter als eine Verbindung der Buchſtaben IT’ zu einem Il 
nöthig war, um eine vollkommen paffende und durch den Ptolemät- 
fhen Namen durchaus geficherte Lesart zu gewinnen. Statt deffen 
ftoßen wir bei allen Herausgebern auf ein Teeres Umbertappen. 
Stud behält das "Aora xal Toantgav bei, und bemerft hur in 
den Noten, unten heiße der Name Aftacampra: alfo feheine hier ein 
Fehler zu fein. Dann fährt er ganz in feiner polyhiftorifchen und 
leichtſinnigen Werfe fort, Plinius erwähne zweimal eine Stadt Afta, 
Ptolemäus eine andere in Drangiana! Blancard hat fodann dies 
’Aotaxaunga aufgenommen, und hinterdrein ein unevavzı einge- 
fhwärzt, wohl nur, weil weiterhin ein adrevavıı in der Nähe def- 
felben Namens erſcheint. Seinen Text fohreibt dann Vincent nad, 
wie gewöhnlich, und Hudfon hat zwifchen den Ertremen die Ver- 
mittlung getroffen, daß er das falfche Aora zai Toanepav von Gele- 
niusund Stud, das falfhe anevarrı von Blancard aufnimmt. 

Eine ganz unverftändliche Stelle ift auch die, welche den Han- 
del der drei bei Ceylon gelegenen Emporien betrifft (BL. 176. 9. 
34.). Sie lautet in allen Ausgaben fo: Ilooywoei ds eig rovg 
Tonovg Tovrovg navıa ta &lg mv Aıuvoıxnv Eoyalousva, zul 
oysdöV eig würovg zaravık. To de yonua To an’ Alyvnrov 
PsoöuEvov TO navıl yoovw, xara nAslora yEın navıwv ıWv 
and Atuvorzig peoousvov, dia tavrmg ths Ilagakias Emı- 
z0onyovuesvov. Keiner hat an diefen ungereimten Saben Anftoß 
genommen. Man brauchte nur die Interpunktion nach zaravız zu 
ftreichen, für 70 de zu leſen zo re und za ra anftatt des wara 
um den wichtigen Tert wor fich zu haben, 


des erythräiſchen Meeres. 487 


Es ließen ſich diefe Beiſpiele ungemein vermehren: indeß wer⸗ 
den auch die vorſtehenden ſchon zeigen, wie wenig Gelenius oder 
die folgenden Herausgeber gethan haben, um den Text nur von den 
gröbſten und am leichteſten zu tilgenden Fehlern zu reinigen. 

Nachdem Gelenius einen ſo kläglichen Text gegeben, und ſich 
dabei jeder erläuternden Bemerkung enthalten hatte, war den fol— 
genden Bearbeitern des Periplus die doppelte Aufgabe geftellt, eines— 
theils den Tert durch Fritifch > eregetifches Verfahren lesbar zu ma— 
chen, anderntheils die Erklärung dieſer einfylbigen und abgelegenen - 
Nachrichten durch genaue Berückſichtigung fowohl der int Alterthum 
als der in der neueren Zeit gewonnenen Kenniniffe som Drient zu 
fördern. 

Man follte freilich denfen, ein Werk wie diefer Periplus hätte 
in jener Zeit ein ernftliches Intereffe gar nicht in Anfpruch nehmen 
fönnen. Der Form und der Darftellung nach war es wenig genieß- 
bar: und die Schilverungen der Portugieſen von den Küſten des 
Indiſchen Oceans waren zu fehr alles wiffenfchaftlichen Intereſſes 
entblößt, als daß fie hätten dienen können, die Angaben des Peri- 
plus durchſichtig zu machen vder fie nur in ihrem Werth erkennen 
zu Iaffen. Indeß die Gelehrfamfeit jener Zeit war mit den Ob» 
jeeten ihrer Forſchung nicht fehr wählerifh, und fo iſt das Werf- 
chen denn noch im fechszehnten und im Anfang des fiebzehnten Jahr» 
bunderts mehrmals der Gegenftand einer genaueren, wenn auch im 
Ganzen wenig fürderlichen Betrachtung geworben. 

Zuerft erfchten die Ausgabe von Stud!) mit einer Yateini- 
fhen Neberfegung und einem Commtentar von der ermüdendften Weit- 
fhweifigfeit: Zu den 20 Seiten Tert und Weberfesung kommen 
bier nicht weniger als 109 Seiten Anmerkungen hinzu. Der Text 


1) Der weitfchweifige Titel lautet: Arriani historici et philosophi 
maris Erythraei periplus ad Adrianum Caesarem Augustum. Nune pri- 
mum e graeco sermone in latinum versus plurimisque mendis repurga- 
tus. Accesserunt et scholia, quae luculentam regionum etc. descriptio- 
nem continent ex accurata velerum ac recentiorum authorum eollatione, 
quorum nomina post praefationem addita pagina indicabit etc. lo. Gui- 
lielmo Stackio Tigurino authore. Genevae apud Eustathium Vignon, 
MDLXXVI. fol: Andere Gremplare Lugduni apud Barth. Vicentium 
MDLXXVI. Die Worte ad Adrianum Caes. Aug. hat Stud hier - wie 
am Anfang des Werfs aus dem periplus ponti Euxini eingejchwärzt, 


488 Ueber den Periplus 


des Gelenius hat manche Aenderungen erhalten, bie indeß doch 
mehr auf flüchtigen Einfällen als auf einem planmäßigen, umfichtigen 
fritifehen Verfahren beruhen, und die am wenigften hinreichen, das 
Merk Yeferlich zu machen. Sein Commentar ift ein ganz planlofes 
Durcheinander der verfchiedenartigften Bemerkungen, ein Produft 
der roheſten Polyhiftsrie, eine wahre rudis indigestaque moles. 
So z. B. giebt er da, wo der Periplus vom Indus ſpricht, einen 
ganzen Abfehnitt über Indien auf 5 Foliofeiten, in welchem er vie 
Länder Indiens nach den Portigiefifch verftümmelten und verunftal- 
teten Namen aufzahlt und die Sitten der Einwohner befchreibt, ohne 
daß irgend jemand, der diefe Seiten Tieft, nur entfernt errathen 
fönnte, daß fie zu einem Commentar über den periplus maris Ery- 
ihraei gehören. Er beſchenkt uns mit ganz ähnlichen Beſchreibun— 
gen von Aethiopien, Afrifa, den Sabäern, Taprobane, Hinter» Ju- 
dien, China. Zum größten Theil ift fein Commentar geographiſchen 
Inhalts, aber alles dahin Gehörige ift durchaus werthlos und zum 
Theil höchſt albern und abentenerlih. Sp 3. B. will er Tyran- 
nosboas, das Emporium an der Malabar-Küſte, entweder mit dem 
Erannoboas, dem Nebenfluffe des Ganges bei Megafthenes, iventi- 
fieiren, oder Dafelbft einen Tyrannen Boas herrſchen Yaffen, von 
dem der Name Tyrannos Boas auf das Emporium übergegangen 
fein fol; Taprobane ſucht er in Sumatra. 

Es ift klar, daß jener Zeit noch weit eher die Mittel zu Ge- 
bot ftanden, den Text, wenn auch ohne handfchriftliche Unterftügung, 
von feinen groben Fehlern zu reinigen, als die einzelnen Mitthei- 
lungen des Periegeten durch die bis dahin erlangte, doch immer fehr 
unflare und ungenügende Kenntniß vom Drient zu eontrollicen und 
zu erläutern. Wäre Stuck auch forgfältiger bei der Abfaffung 
feines Commentars zu Werke gegangen, der Werth deffelben hätte 
doch immer nur fehr bedingt und bald vorübergehend fein können. 
Deſto danfenswerther ıft cs alfo, daß ein anderer Gelehrter, wel- 
eher unferem Periplus eine, wenn auch nur beiläufige, doch fehr 
forgfältige Beachtung gefehenkt, fich dabei mehr die Berichtigung des 
Textes als die Sacherflärung zur Aufgabe geftellt hat, Es iſt Sal- 
mafius, der in feinen exercitationes Plinianae eine ganze Reihe 


des erythräifhen Meeres. 489 


von Berbefferungsporfchlägen niedergelegt bat. Sie find freilich 
nad) Salmafins’ Weife mehr hingeworfen als begründet, zum Theil 
auch zu willkührlich und nicht ftichhaltia: aber deffenungeachtet ift 
das, was er in diefer Beziehung geleiftet hat, immer noch das Be— 
ſte, was zur fritifchen Berichtigung des Textes überhaupt gefche- 
ben iſt. 

Die dritte Ausgabe des Tertes dagegen ift Höchft Teichtfertig 
veranftaltet. Sie rührt her von Blancard'). Er giebt den Tert 
durchaus vorherrſchend nah Stud: alle Nenderungen betreffen Un— 
wefentliches, Gelenius und Salmafıns find faft gar nicht be> 
rücfichtigt; die Heberfegung iſt ein bloßer Abdruck der Stufen; 
zur Erflärung ift gar nichts geſchehen. Nicht forgfältiger iſt Die 
beigefügte Karte von Ortelius angefertigt: fie fegt z. B. Aſta— 
campron (Sic) und das Vorgebirge Papice an den Indus, die In— 
feln, welche der Perieget nordwärts von Limyrice erwähnt, um die 
Südfpige von Indien herum, Die insula Dioscoridis an ' bie Süd» 
oſtecke Arabiens. 

Auch die demnachft folgende Ausgabe von Hudfon?) ıft um 
wenig beffer als die Stufe. Der Tert ift im Wefentlichen 
verfelbe, nur find die Conjecturen von Salmaſius benust wor- 
den, die lateiniſche Ueberſetzung ift ein wenig geänderter Abdruck der 
Stuffhen, in den furzen Anmerkungen endlich werden die den 
geographifchen Namen des Peripfus entiprechenden Ptolemäifchen bei> 
gebracht, vder die Emendationen und Erflärungen von Stud und 
Salmafius fehr einfylbig angeführt. Selbftändigen Werth befitt 
die Ausgabe faft gar nichtz und die vorausgefchickte Abhandlung von 
Dodwell de aetate peripli maris Erylhraei eiusdemque au- 


1) Agdıavov Teyvn Taxtızn , &xtafıs zar "Alavov, neginkous 
növıov Eüfeivov, neginkovs Tijs Eovsoäs ala 00nS; KUVNYETIKOS Kr 
Cum interpretibus latinis et notis. Ex recensione et museo Nicolai Blan- 
cardi. Amstelodami. Ap. Ianssonio-Waesbergios. 1683. S°, S. 143—179, 

2) Geographiae veteris scriptores graeci minores. Cum interpre- 
tatione latina , dissertationibus ac annotationibus. Oxoniae. E theatro 
Sheldoniano. MDCXCVIII. Bo. I. 

Die Miener Ausgabe der kleinen Geographen, von Demetrius 
Alerandrides 1806. beforgt, enthält unfern Periplus im erften Bande, 
Ich erwähne fie nur um der Bollitändigfeit willen, da fie nichts als ein 
incorreeter Nachdruck der Hudſon'ſchen Ausgabe iſt. 


490 Ueber den Periplus 


etöre iſt — wie ſchon oben nachgewieſen — durchaus ungenügend, 
ſo ſehr ſie auch den Schein von Gelehrſamkeit und Scharfſinn trägt. 

Es tritt nun ein langer Stillſtand in der Bearbeitung der 
Schrift ein, und erſt 1809 tritt eine neue Ausgabe derſelben her— 
vor. Ihr Urheber iſt Vincent '), derſelbe, dem der Periplus die 
meiſten Aufklärungen in Hinſicht auf Geographie verdankt. Ich 
fürchte ein Paradoxon auszuſprechen, wenn ich behaupte, daß ſeine 
— wie es ſcheint, ſehr wenig bekannte — Ausgabe in demſelben 
Grade tadelnswerth iſt, in welchem ſein großes geographiſches Werk 
über den Periplus die höchſte Anerkennung verdient. Sein Text iſt 
bloßer Abdruck des Blancard'ſchen in dem Maaße, daß ſich bei 
ihm ſelbſt die Druckfehler dieſer Ausgabe wiederholen 9. Dazu 
kommt eine ſehr ungenaue Engliſche Paraphraſe, der man es nur 
zu oft anſieht, daß fie ſich mehr auf die Stuck'ſche Ueberſetzung 
als auf ven Griechifchen Tert ftüstz ferner eine unvollftändige Ans 
gabe der Varianten ver früheren Ausgaben, endlich Furze Noten 
eregetifchen und geographifchen Inhalts, unter welchen wenigftens 
die erfteren einen fehr geringen Werth haben. Augenſcheinlich fehlte 
e8 Vincent zu fehr an philologifcher Kenntniß, um einer fo ſchwie— 
vigen Aufgabe, wie der philologifchen Bearbeitung dieſes Periplus, 
gewachfen zu fein ). 


1) Seine Bearbeitung des Beriplus fchließt fich nebft einer Ausgabe 
von Arrians Indicis als Anhang oder als dritter Theil an fein großes 
Werk ar, das den Titel führt: The commerce and navigation of the an- 
cients in the Indian ocean By William Vincent, dean of Westminster. 
London. 1807. 2 Bde. 4%. Der zweite Band ift betitelt: The periplus 
of the Erythrean sea; die Ausgabe felbft: The voyage of Nearchus and 
the periplus of the Erythrean sea, translated from the Greek by Wil- 
liam Vincent. Oxford. 1809. 

2) & 3.28. Bl. 155. 9. 13. peoeoaı ftatt poster, Bl. 159. 9. 
18. artızaralaooouevor, Bl. 167. 9. 24. Eyyüreoov ftatt Zyyüreooy, 
Bl. 175. 9. 33. dnodvovras ftatt Anolovorten, BI. 176. 9.35. TTalaı- 
oıuvvydov und mehreres dgl. Auch Hinfichtlich der Interpunftion ift er 
ganz von Blancard abhängig. 

3) Die Ausgaben des NArrian von Borhef (Lemgo 1792— 1811. 
3 Bde.), und die Wiener Ausgabe (1810. 7 Bde.) find mir bisher nicht zu 
Sefiht gefommen: auch ift es mir unbefannt, ob fie ven periplus maris 
Erythraei enthalten. Es ift jedenfalls fehwerlich anzunehmen, daß durch fie 
ein namenswerther Fortſchritt in Fritifeher oder .eregetifcher Hinficht gemacht 
fein follte. Ich behalte mir jedoch) vor, bei einer andern Gelegenheit dar: 
auf zurückzukommen. 


bes erythräiſchen Meeres. 491 


So im Allgemeinen der Gang, welchen die Fritifch-hermenen- 
tifchen Unterfuchungen über den Periplus genommen haben, Faffen 
wir fie zufammen, fo können wir und nicht verhehlen, daß fie fehr 
wenig befriedigende Nefultate geliefert haben, Die Unterfuchung 
fteht im Wefentlichen noch immer auf dem ziemlich niebrigen Stand» 
punft, auf den fie durch Stuck und Salmaſius geftellt wors 
den war. 

Anfangs aber waren veffenungeachtet diefe eregetifch-Fritifchen 
Leitungen immer noch beveutender, als das, was zur Durcharbei- 
tung der Nachrichten des Periegeten in fachlicher Hinficht gefchehen 
war, Sp gering auch der Werth der Stuck'ſchen Tertesbearbeis 
tung angefchlagen werden mag, er fteht immer noch höher als der 
feiner Sacherklärungen. Mit Salmaſius ift es nicht anders, 
Dann folgt nach beiden Seiten hin ein langer faft gänzliher Still— 
ftand der Unterfuhung: wo fie aber wieder aufgenommen wird, da 
tritt fie in ganz veränderter Geftalt auf: fie richtet ſich mit fo ent- 
fehiedener und ausschließlicher Neigung auf die Sacherflärung,, daß 
die Nefultate derſelben durch die ganzliche Hintanfegung der fprache 
lichen Seite vielfach gefährdet waren, 

Schon Cellarius, noch mehr aber d'Anville und Goſ— 
fellin nehmen in ihren geographifchen Werfen auf die Angaben 
des Periplus umfaffende Rückſicht: verfelbe hörte damit wenigfteng 
auf, als ein bloßes curiosum der Griechiſchen Litteratur zu gelten. 
Daß der Text und die Eregefe bei den Arbeiten der beiden Letzt— 
genannten völlig Teer ausging, verfteht fich bei ihrer befannten Un— 
fenntniß des Griechiſchen von ſelbſt. Für fie war nur die Ueber— 
feßung von Stu benutzbar: es mußte ſich ſchon dadurch eine Menge 
von Fehlern in ihre Unterfuchungen einſchleichen. Ohne eine ges 


Ueberfeßungen des Werks giebt e3 überhaupt vier. Die erfte, Itali— 
änifche, Tteht bei Nam ufio: raccolte della navigatione viaggi. Venet. 
1588. Bd. J. Sie ift fehon von Stuck benußt, ift mir aber nicht näher 
befannt geworden. Es folgt dann die Stucd’fche, fpäter von Blancard 
und Hudfon faſt ohne Nenderung wiederholte Ueberfeßung, die fehon we— 
gen der Befchaffenheit des Textes nicht anders als ſehr unvollfommen aus- 
fallen Fonnte. Noch unbefriedigender ift die Englifche Ueberſetzung von 
Vincent. Die Staliänifche von Blandi in Arriano opuscoli tradotti da 
vari, Milano. Sonzogno 1826. Bd. I. ftand mir nicht zu Gebot. 


492 Leber den Periplus 


nauere Kenntniß der alten einheimifchen Ortsnamen zu beſitzen, wa— 
ven fie darauf angewiefen, die großentheils fchon im Periplus ver- 
ftümmelten Namen in der nicht minder verfälfchten der damaligen 
Karten aufzufuchen: viele ihrer Spentificrungen mußten deßhalb 
mißlingen,, und ein einziger Fehler dieſer Art z0g gewöhnlich noch 
eine Reihe anderer nach fich. Sch erinnere beifpielsweife nur daran, 
daß d'Anville das antife Kome in einem Namen feiner Karten 
wiederzufinden glaubte, der bei richtiger Schreibung zu einer bloßen 
„Kaffeeſchenke/ herabfinft. 

Ungleich gründlicher und werthvoller waren ſchon die Arbeiten 
Mannerts, der feine topographifche Angabe des Periplus uners 
örtert gelaffen bat. Aber auch ihn übertrifft noch bei weitem Vin— 
cent, der in beim 2ten Bande feines großen Werks über den Han- 
del und die Schiffahrt der Alten im Indischen Meer einen höchft 
forgfältig gearbeiteten geographifchen Commentar zu unferm Periplus 
gegeben bat. Man kann ber ihm überall fiher fein, alle die Hulfs- 
mittel zur Aufklärung des Geographifchen, welche feiner Zeit über- 
haupt zu Gebote fanden, in vollem Umfange angewandt zu fehen: 
er erhebt diefe Seite der Unterfuchung auf einen Standpunft, wie 
er für die Befferung und das Verſtändniß des Tertes durch alle 
feine Vorgänger zufammen nicht erreicht war. 

Die nachfolgende Zeit ift deffehungeachtet im Stande gewe— 
fen, zur volfftändigen Aufklärung der Mittheifungen des Periegeten 
noch fehr beträchtliche Beitrage zu geben. Sie erfcheinen freilich 
zum Theil fehr vereinzelt, zum Theil Liegen fie nur als Material 
vor, ohne mit befonderer Nückfiht auf den Periplus gegeben zu fein. 
Die Geographie hat über die Küftengegenden, von welchen ver Pe— 
rieget fpricht, namentlich von den Arabifchen und Indiſchen, viele 
neue Aufſchlüſſe erhalten; die antifen Zuftände jener Länder, und 
namentlich die Indischen, find allmählig aus ihrem Dunfel hervor— 
getreten; mit den Sprachen find auch zum Theil die alten Städte— 
und Waarennamen wieder befannt geworden: aber Niemand bat 
bisher noch verſucht, diefe erweiterte Kenntni in ganzem Umfange 
zu benugen, um den Bericht unferes Neifebefchreibers im Ganzen 
und Einzelnen durchfichtig zu machen, Noch am umfaffendften iſt 








Des erythräiſchen Meeres. 493 


dies von Nitter in feiner Erdfunde, von Laffen in feiner Indi- 
[hen Alterthumskunde gefchehen; bei jenem iſt den Angaben über 
Arabien, bei diefem denen über Indien, in fo weit fie das Topp- 
graphifche betreffen , die forgfältigfte Berücfichtigung zu Theil ges 
worden. Der auf Afrika bezüglihe Theil entbehrt noch einer fol- 
chen Durcharbeitung. 

Ein anderer fehr mwefentlicher und im Einzelnen oft ſchwer zu 
eommentirender Theil des Berichts, nämlich die Heinen Cataloge 
der importirten oder erportirten Waaren, hat bisher eine viel ge= 
ringere Berücfichtigung erhalten: danfenswerthe Vorarbeiten für eine 
volftändige Bearbeitung diefer Seite Tiegen von Salmaſius, Bo- 
hart, Harduin, Sprengel, Bincent, Heeren u. A. vor, 

Die geographiſchen Leiftungen dagegen zeigten fchon feit Man— 
nert und Vincent die entjchievdenfte Ueberlegenheit über die Fris 
tifchzeregetifchen: und höchſt Häglich ftechen die Ießteren gegen den 
Grad von Durchbildung ab, welchen die erfteren feitvem gewonnen 
haben. Um fo mehr möchte es vathfam feheinen, diefer fundamen- 
talen Seite wiederum größere Aufmerffamfeit zuzumenden, ohne 
darum die Sacherklärung bei Seite zu legen. 


IV. 
Zur Texteskritik. 


Die eigenthämliche Beſchaffenheit unferes Periplus ift für die 
Terteskritif weit eher fürdernd als hindernd. Es wird deßhalb 
nothwendig, hier einige Fritiiche Grundfäse, den einzelnen Charak— 
terzügen des Periplus analog, namhaft zu machen, ohne ung dekhalb 
in die allgemein gültigen Regeln ver Kritik allzuweit zu verlieren. 

Es wurde oben die Einförmigfeit der Dietion als ein charaf- 
teriftifcher Zug des Veriplus namhaft gemacht. Es ergiebt fich dar— 
aus für die Kritik die Aufgabe, die einzelnen Züge diefer Dietion 
fowohl in grammatifcher als lexicaler Hinficht auf das Sorgfältigfte - 
zu beachten, um auf diefem Wege zur Emendation verdorbener Stel— 
len zu gelangen. Man darf ſich nicht dem Glauben hingeben, daß 
ein Werk von fo geringem Umfange die Sprache des Verfaffers nur 


494 Ueber ven Beriplus 


zum geringen Theil repräfentiven könne, und daß damit bie For⸗ 
derung, auf das Sprachliche zum Behuf der Texteskritik forgfältig 
zu achten, entweder ganz fortfalle oder doch nur geringen Erfolg 
verheiße, Im Gegenteil, weil der Perieget fich in einem fo außer- 
ordentlich engen Kreife der Ausprudsweife bewegt und gewiſſe Phra- 
fen, gewiffe grammatifche Fügungen überall wiederfehren läßt, möchte 
für einen fünftigen Herausgeber des Werkes die Anlage eines voll- 
ftändigen Wortinder eine der dringendften und Iohnendften Vorar- 
beiten fein. — Um dies Far zu machen, mögen einige Beifpiele hier 
ihre Stelle finden. 

Der Perieget zählt (BL. 146. 9. 4.) die Waaren auf, wel- 
he in die Hafenorte am Arabifchen Meerbufen jenfeits Ptolemais 
importivt werden: darunter ſteht odvos ou noAus und &Aaıov ov 
zorv, endlich eine neue Anzahl von Namen, denen beigefügt iſt ou 
moAhov® dE ravrg. Sp fihreiben die Herausgeber ohne Ausnahme; 
nur Stud bemerft in der Note, es fei ou noAAar zu Iefen. Wer 
auf das vorhergehende ou noAv achtet, wer ferner nicht überfehen 
bat, daß der Perieget überall die Quantität der importirten ober 
erportirten Waaren durch kurze Bemerkungen: wie noAvs, ou no. 
Aug, OAlyog, onarıog u, dgl. anzudeuten fucht: für den kann es 
nicht zweifelhaft fein, daß das moAAov in noAAd zu ändern ift, 

Bon dem Borgebirge Aromaton bemerkt der DVerfaffer (BT. 
149. 9.8.) 6 JE Oguog Enioakog zul !) xara xugovg Enıziv- 
Öuvog dia To ng008%7 Tov zonov eivar zo Roger. Stud 
meint dazu: Tonov videlur in graeco redundare. Eine genauere 
Beobachtung der Dietion des Veriplus würde ihn gelehrt haben, daß 
Tonog ein überall wiederhoftes Lieblingswort des Verfaffers ift, das 
man als folches anzuerkennen, aber nicht zur befeitigen hat. 

Bon der Fahrt jenfeits Muza erzählt der Reifebefchreiber (BT. 
155. 9.14.): Mera dE Tavurmv woel ToLaxooiovg napankev- 
oavres oradiovg — — ovhorv Eorıv. Alle Ausgaben fiimmen 
in diefer feltfamen Lesart überein. Daß zaganısvoavrı ftatt ne- 
gankevouvres zu Iefen, und das I nur aus dem folgenden Wort 


. Das zei fehlt in den Ausgaben. Es fcheint wegen der Aehnlich— 
feit mit dem folgenden zaza ausgefallen. 


Des erythräiſchen Meeres, 495 


berübergezogen ſei, beweift der Periplus felbft, indem in ihm noch 
Dreimal das nayankesvoayrı — — Eorı, einmal naganAsvoovzı 
ovvavrı wiederfehrt. Bl. 149. 165. 161. 9.7. 8. 20. 19. 

Wo die Beſchreibung zu Indofegthien übergeht, Heißt es im 
Periplus folgendermaßen (Bl. 163, 9. 21.): Mera de Tavenv 
Tnv ywoar,, ndm ın5 „neloov dıa To Bag9og av noAnwv Ex 
tns avarolng YILEPKEPAQIHZF, exdeyeraı (1a) nagade- 
1a001M son Ts Suvdlag. Den Herausgebern hat das vneg- 
#2900n75 wenig Schwierigkeit gemacht: fie überfegen continente 
veluli in cornna excurrente seque incurvante, und ihnen fchließt 
ſich Vincent's MHeberfegung auf das Genauefte an. Man vol. 
bei diefem auch 1. 38%. Daß ünsoxegaw fein fonft bekanntes 
Griechifches Wort ift, und daß es ſchon an ſich höchſt mißlich ers 
feinen muß, in unferem fchlechten Text ganz fremdartige Wörter 
zu dulden — mit Ausnahme folder, die auf Schiffahrt und Han- 
del Bezug haben — darum bat fich unter den Herausgebern feiner 
befümmert. Die ganze Phrafe ift eine mehrfach von dem Periege- 
ten wiederholte: fie ericheint noch drei oder vier Mal, überall in 
derfelben Genitiv » Eonftruetion, und theils mit dem 707 und der 
Angabe der Himmelsgegend, theils mit &xdeyerar, wie hier, vers 
bunden: es heißt aber ftatt des finnlofen dnegxeowong überall 
Unoywgovons. Die Parallelftellen find folgende: Mera vavry, 
INS yns ÜnoywooVong Eis 10V vorov 507, 70 za» Agwuatev 
&unogıov BI. 149, 9. 7. — ns auıng Eis 109 v0Tov Unoyw- 
g0vVang Eni nleov Bl. 150. 9.9. — Mera de Kavn, tns 
yns Eni n)elov Unoywgovong, alhog Exdeyera xo0ınog Bl, 157, 
9. 16. Ebenſo ift, wie fihon oben bemerft bei der Stelle über 
Eudaimon Arabia (BL. 156. 9. 14.) eine Aenderung des dem Pe- 
viegeten fonft fremden Önopevysv 17V ywgav in vnoywgelv 
rathſam. 

Ueber den Baraces-Buſen leſen wir Bl. 165. H. 23., der 
Meeresgrund ſei gefährlich und felfig (nergwdng) , wore Teuve- 
0Iuı Tag nmagarsEIuLevag Ayrvgag AVTEXELV ANOKOVTOV- 
uevag,äs dE ai ovyroßousvag Ev wo Bvdo. Die Ueber 
fegung Tantet ganz übereinftimmend bei Stud, Blaneard und 


496 Meber ven Periplus 


Hudfon: ita ut anchorae, iaclae navis inhibendae retinen- 
daeque causa, stalim in ipso iaclu a saxis secentur vel in 
profundo conterantur. Auch bier folgt Vincent genau feinen 
Vorgängern. "Anoxovrovusvog ift Fein Griechifches Wort, und 
was an deffen Stelle zu fesen fei, ergiebt ſich aus einer bald fol- 
genden Bemerkung des VBerfaffers ſelbſt. Er beflagt fih nämlich 
in ganz ähnlicher Weife über den. gefährlichen Anfergrund an der 
Mündung der Narmadä: das dort gelegene Vorgebirge Papice, fagt: 
er, fei dvooguog dia re ToV goVv ToV negl avımv xal dıa To 
Gnoxönteiv Tag dyrvoas TouyiV Ovra zul nergwdn rov Bvdov 
Bl. 167. 9.25. Es ergiebt fih daraus mit der höchſten Wahr- 
fcheintichfeit, daß aus dem AIIOKONTOYMENAZ ein ano- 
zonrouevas herzuftellen, und ftatt des ANTEXEIN mit Rüdficht 
auf das folgende @ de zur zu Iefen ift as re wer. 

Bon Kaljäni bemerft der Perieget (BL. 171. 9. 30.), es ſei 
früher ein Eunogıov Evdeouov gewefen, dann fährt er fort: nera 
yao TO »uraoyelv avro rov !) Savydaynv ErwAvdn Eni nohv, 
zal yao Ta &x Tuyng &lg TOVTovg ToVg Tonovg eloßakkovra 
hola 'Erhmvıza usra puvharns eig Baovyalav eioaysraı. Man 
erwartet flat des feltfamen EIII IIOAV ein Subjeft zu &xw- 
2U97, und aller Wahrfcheinlichfeit nach hat man Erıßorr zu Iefen, 
Es iſt dies in dem Sprachgebrauch des Berfaffers das ftehende Wort 
für das Einlaufen von Schiffen. Das folgende eloßarkovra yere 
mehrt das Gewicht diefer Vermuthung. 

Eine Schwierigkeit, welche nur durch Vergleihung aller be- 
treffenden Stellen des Periplus zu befeitigen iſt, Tiegt in dem oft 
wiederfehrenden negav mit vorausgehendem Artifel. Ileoov fteht 
zuerft fechsmal in der entfchiedenenen Bedeutung wjenfeits“; an der 
einen Stelle (BI. 144. 9. 3.) heißt es etwas befremdlich von Axo— 
mites: eis Ov O nag El&pag ano Toü nega rov Neilov ge. 
oeraı, an einer andern (DI. 143. 9. 2.) Iefen wir die noch feltfas 
mere und fchwerlich unverborbene Bemerkung über Ptolemais The- 
von: aneyov TO nEgag TnS avaxoumıdng oradiovg negl 
Teronxıoyıkiovs. Außerdem fommt es aber noch fechsmal in einer 

1) Die Ausgaben geben aurov Z. Es geht Zundgıov vorher. 





Des erythraͤiſchen Meeres. 497 


anderen Weife vor: zo negav wird nämlich ganz unzweideutig als 
Ländername gebraucht. Vom Avaleites wird gefagt (BL. 147. 9. 
5.): xa9’ ÖV zul orevwrarog dorıv and 7s Aoaßızng eig To 
neo» dıan)ovs, von den Einwohnern von Muza (BI. 154. 9. 
13): ovyyowvraı yag rn Tov negoav Eoyacıa. Diefe Stellen 
fönnten noch manchem Zweifel Raum Yaffen, gänzlich befeitigt wird 
aber diefer durch das Adjektivum zeoazızos; fo heißt nämlich zwei— 
mal (BI. 148. 149, 9.6. 7.) der Weihrauch, der aus den Empo— 
rien der Afrifanifchen Oftfüfte jenfeits des Arabifchen Meerbufens 
erportirt wird. Sodann heißt es von eben diefen Emporien, es 
feien &unögın Baoßaoıza, Tanga Asyousva (Bl. 147. 9.5.) 
Bincent allein hat die Beziehung diefes Namens zu dem fonft 
sorfommenden zo neoanr bemerkt, und deßhalb za neo gefchrieben. 
Daß in der That ein neoov in dem Namen enthalten iſt, geht aus 
drei anderen Stellen deutlich hervor. Diefelben Emporien nämlich 
werben weiterhin (BI. 150. 157. 9.8. 9. 15.) bei Gelenius 
unter dem Namen za zovnzoa» Eunogım aufgeführt. Alle fol 
genden Herausgeber haben anftatt deffen ohne Noth za neoa» Eun. 
gefeßt: es ift die handfchriftfiche Lesart beizubehalten und nur in za 
Tov nEgav Eun. zu zerlegen. — Die Vergleichung diefer Stellen 
erhebt e8 über allen Zweifel, daß der Verfaſſer das Land jenfeits 
der Meerenge vdas jenfeitiger, zo nEoar, feine Emporien demgemäß 
7a To nEgav Eunogıa genannt hat, daß alfo wohl auch mit 
dem zanaoa noch größere Aenderungen, als die Bincentfche, 
vorzunehmen find, Jedenfalls ift es für einen des Arabifchen Un- 
fundigen etwas voreilig, wenn Mannert X. 1. 77, es „wahrs 
ſcheinlich / findet, daß Tazaga ein Wort Arabifchen Urſprungs ſei. 

Die vorftehenden Beifpiele werden hinreichen, zu zeigen, daß 
die bisherigen Herausgeber des Werkes der Dietion deſſelben keines— 
wegs die Beachtung gefchenft Haben, welche bei der Einförmigfeit 
und Befchränftheit derfelben für die Tertesfritif erforderlih war, 
und daß auf diefem Wege noch gar manche Ausbeute zu hoffen iſt. 

Der Perieget zeigt fich ferner als einen Mann ohne wiffen- 
fhaftlihe Bildung und ohne wiffenfchaftliches Intereffe: es erhellt 
das ebenſowohl aus der Befchränfung feiner Beobachtungen, als aus 

Muſ. f. Phil. R, F. VIL 32 


- 


498 Ueber den Periplus 


der Nermlichfeit feiner Darfteffung. Die Kritit hat auch diefen Zug 
zu berüdficgtigen. Sie darf von einem Schriftſteller, wie Diefer, 
wenn auch Nichtigkeit der Sprache im Allgemeinen, doch nicht Die 
vollſtändigſte Correftheit und Präcifion des Ausdrucks erwarten. Ein 
Mann wie er kann ſich ungenau ausgedrückt, kann unfhriftmäßige 
Wörter und Wendungen der VBolksfprache entlehnt haben. Es tuitt 
damit für den Kritifer die Forderung ein, ſolche Mängel des Aus- 
drucks von vorn herein für möglich zu halten, fie nicht fogleich durch 
Conjektur tilgen zu wollen. Sp erfcheint es mir bedenklich, wenn 
die Herausgeber Wörter wie Beovizn , "Ag0svosıTız05, yavvaraı 
fihnelf in die befannteven Formen Begevixn, "Agoıwonrızog, zav- 
varcı umgefest haben, da doch bei Gelening nur die anderen 
vorkommen, und zwar Joosvosızıdg und yauvazaı in zweimaliger, 
Begrvixn in fünffacher Wiederholung. Unter den Handelsartifeln 
wird zweimal zeiwrvn ahnyıyn (oder dAmdeırn) aufgeführt: das 
Wort fteht jedesmal einem zeooal« gegenüber, BL, 143. 159. 9. 
2, 17. Die Ueberfeger geben „tesiudo vera“: was fie ſich dar- 
unter gedacht haben mögen, iſt nicht wohl abzufehen, Der Perie- 
get fpricht ohne Zweifel von der zeAwvn Fahcooıa, nur hat er 
ſich, anftatt von Yaraoo«, von ars ein Adjektivum gebildet, das 
deßhalb auch aAnsıwog zu ſchreiben ift. 

Eine eigenthümliche Berücfichtigung verdienen ferner die vie— 
fen ausländischen Namen, namentlich von Drten und Waaren, wel- 
che der Verieget mitteilt. Wo diefe von Den bei anderem und be- 
Fannteren Schriftftellern vorkommenden Formen abweichen, hat man 
fi meift dazu Hingeneigt, die des Periplus demgemäß zu ändern, 
Dies ift im Prineip unrichtig. Der Perieget ſchreibt als Augen- 
zeuge, ex giebt die Namen wieder, wie er fie gehört bat, und Die 
bei ihm vorfommenden Formen verdienen deshalb vielfach den Bor: 
zug vor folchen, Die erft auf großen Umwegen und zum Theil erft 
Durch das Medium der Perfifchen oder der Phoenizifchen Sprache 
ihren Weg in die Griechiſche Litteratur gefunden haben. Es ift hier 
die Aufgabe der Kritik, die betreffenden Namen in ihrer urfprüngli- 
hen Faſſung zu ermitteln, und nur da zu Nenderungen zu fehreiten, wo 
Die Namen des Periplus zugleich von den -einheimifchen und von den . 





Des erythräifhen Meeres, 499 


N 


fonft bei den Griechen üblichen Formen abweichen, Ber den Ara« 
bifchen und Indiſchen Namen läßt fih im vielen Fällen die einhei- 
miſche Form feftftellen: nur hat man darauf Nückficht zu nehmen, 
daß zur Zeit des Periegeten das Sanferit ſchon lange aufgehört 
batte, Volksſprache zu fein, und daß hier das Prafrit das Negulativ 
der Kritif abgeben muß. 

Ich erinnere beifpielsweirfe an die Stelle über den Meerbufen 
von Barygaza (Bl. 166. H. 24.). In diefen münden nad) dem 
Bericht des DVerfaffers zwer Flüffe. Den einen nennt er Mais, 
und daß diefe Form uns getreu überliefert worden ift, wird durch 
den Indifchen Namen Mahi feftgeftellt. Der zweite Fluß dagegen 
fol Aauvarog heißen, und diefe Form ift ebenfo gewiß Durch die 
Abfchreiber entftellt worden, als Mais vichtig erhalten if. Den 
Indiſchen Namen Narmada kann der Perieget ſelbſt unmöglich durch 
Aauvaios wiedergegeben haben. Hier ift eine Aenderung unerläß— 
lich, und die Form 0 Naundns bei Ptolemäus macht es wahrfehein- 
lich, daß der Perieget 6 Nauadog gefchrieben hat Y. 

Unter den Ausfuhrartifein von Barbarife wird unter Andern 
namhaft gemacht zaAdeavog Ardos (DI. 164. 9. 22.). Die fpätes 
ren Editoren haben zaAAaivog gefchrieben, weil Pinius den Stein 
fo nennt. Weßhalb man von dem Nömifchen Compilator ein treue- 
res MWiedergeben des Indiſchen Worts erwartet, als von unferem 
Seefahrer, weiß ich nicht, Das Sanferitwort iſt kaljaͤna: es be— 
deutet in der Regel Geld, iſt aber bei feiner allgemeinen Bedeutung 
(= ſchön) ein yaffendes Wort auch für einen Evelftein. Ein Grie- 
chiſches Organ fonnte den Namen zwar durch zaAAaivog wiederge- 
ben, wie es der Gewährsmann des Plinius gethan hat, aber auch 
genauer durch xaAdıavog oder zaAlsavos, wie der Perieget. Gtebt 
Diefer ja doch auch den Städtenamen Faljäni nicht durch »Calfainaz, 
fondern durch „Calliena“ wieder. 

Endlich entfteht für die Tertesfritif eine eigenthümliche Auf- 
gabe dadurch, daß einige andere Schriftfteller aus dem Periplus 
theilweiſe gefchöpft haben, und dadurch die Möglichkeit darbieten, den 


1) Oder vielleiht NAMMAALOZ (Statt ee) nach einem 
prafritifchen Nammada? 


Pr 


500 Neber den Periplus. 


Tert und namentlich) viele der Ortsnamen in einer ganz anderen 
Weiſe eontrolliven zu Fünnen, als wenn fie unabhängig von dem 
Periplus zufällig diefelben Namen mitgetheilt hätten. Jene Schrift- 
ftelfer find Plinius, Marinus, Ptolemäus und Marcian von Hera- 
clea. Es ift nicht unwichtig, fih das Verhältniß jedes Einzelnen 
zu dem Periplus Far zu machen. 

Plinius hat nur eine kleine Stelle aus dem Periplus entnom- 
men, und fie ziemlich nachläffig und verfürzt wiedergegeben. Nir— 
gend findet fih ein Anlaß zu der Vermuthung, daß er die Angaben 
des Neifenden aus anderen Quellen alterirt haben möchte. Wenn 
man nur die Nachläffigkert feiner Compilation und die Verdorben— 
heit feines eigenen Tertes nicht aus den Augen verliert, fo darf bie 
betreffende Stelle bei ihm zur Berichtigung des Tertes des Periplus 
ohne Bedenken benust werden. Sp fteht es z. B. durch den Na- 
men Saue bei Plinius vollftändig feft, daß das Saum des Periplus 
(Bl. 154.9. 13.) nicht in das Iaßr des Ptolemaus, auch nicht 
mit Salmafius exerc. Plin. 348. in Sava zu ändern if. Das 
danebenftehende Saphar beweift, daß in dem .apag des” Periegeten 
Das anfangende I nur wegen des vorhergehenden I in nusoag aus- 
gefallen, und auch nicht etwa mit Ptolemäus Sarpaoa zu leſen ift. 

Der zweite Schriftfteller, welcher auf den Periplus Rückſicht 
genommen bat, ift der Tyrier Marinus, Daß diefer ihm einen nicht 
unmwefentlichen Theil feiner Angaben verdankt, erfieht man aus dem 
erften Buch des Ptolemäus, und namentlich aus cap. 17. Da in- 
deß von Marinus faft gar nichts wörtlich erhalten iſt, fo ift fein 
Verhältniß zu dem Periplus für die Texteskritik faft ganz ohne Aus- 
beute, obwohl fehr viele Angaben des Ptolemäus fih von ihm her— 
fchreiben mögen. 

Ungfeich mehr Beziehungen zu dem Periplus, als die genann- 
ten Schriftfteller, hat Ptolemäus. Nicht die Texteskritik allein, fon- 
dern noch mehr die geographifche Deutung kann aus ihm mannich- 
fahe Belehrung ſchöpfen. Es wird dadurch nöthig, fein Verhältniß 
zu dem Periplus mit möglichfter Genauigkeit feftzuftellen. 

Daß Ptolemäus unferen Periplus überhaupt benugt hat, glaube 
ich weiter oben über allen Zweifel erhoben zu haben. Seiner gan- 





des ergthraifhen Meeres. ' 501 


zen Befchreibung der Oftafrikanifchen, der Arabifchen und der weft 
lichen Indiſchen Küfte Liegen die Angaben des Periegeten ganz ents 
ſchieden zu Grunde. 

Aber der Periplus ift nicht feine einzige Quelle. Eine ganze 
Reihe von Ortsnamen fteht zwiſchen denen des Periegeten, fpärlich 
zwar für die Afrifanifche Küfte wenigftens jenfeits der Meerenge 
von Babel Mandeb, defto zahlreicher aber für die Aegyptifche, Ara— 
bifhe, Sranifche und Indiſche. Auch die Entfernung der einzelnen 
Drte von einander ließ fich aus dem Periplus allein in den meiften 
Fallen nicht beftimmen. Endlich find fogar Angaben des Periegeten 
ferbft anders beftimmt worden, Städte find als Inſeln angeſetzt, 
manche nähere Angabe des Periplus iſt verſchwunden, weil fie in 
fpäterer Zeit feine Geltung mehr haben konnte; und dagegen find 
manche neue Notizen hinzugefügt worden. Dem Ptolemäus haben 
alfo jedenfalls noch andere Berichte zu Gebot geftanden, mögen dies 
nun vorherrfchend ähnliche Neifebücher, wie unfer Peripfus, oder 
mündliche Nachrichten von Schiffern und Rauffahrern geweſen fein. 
Diefe neuen Berichte haben es zugleich möglich gemacht, diefen Orts— 
namen des Periplus ihre Stelle auf der Karte und zwifchen den 
vielen noch hinzugefügten Namen anzuweiſen. 

Für die Localifirung der von dem Periegeten mitgetheilten 
Ortsnamen ift dies Verhältniß außerordentlich wichtig. Er nennt 
3. DB. an der Arabifhen Südfüfte den großen Hafenort Cane, Da 
diefer Name in der betreffenden Küftengegend gegenwärtig verfchof- 
Yen ift, fo war es eine höchſt ſchwierige Aufgabe, ihm feine richtige 
Stelle anzuweiſen: überhaupt gelang dies erft vor nicht allzu lan— 
ger Zeit nach einer genaueren Aufnahme diefer Küften (f. Ritter 
XI. 315.). Die Identificirung des alten Emporiums mit dem 
Hisn Ghorab erhält durch eine Angabe des Ptolemäus eine fehöne 
Beftätigung. Er fest nämlich eine Tagereife norbwärts von Cane 
eine MarpaI xwun an !), noch nordweftlicher eine Merpa un- 
toonolıs (VI. 7. 41). In der That Tiegt nordweſtwärts vom 
Hisn Ghorab der Wadı Mefat fammt einer antifen Nuinenftadt 2), 


1) Ptol. VI. 7. 10. Wilberg lieft Maısds. 
2) Ritter: Erdkunde AI. 322, flgd. 


502 Ueber den Periplus 


Man braucht übrigens die beiden Ptolemäiſchen Namen nicht auf 
diefelbe Localität zurüczuführen, da auch die Araber zwei ſolche Di: 
ftrifte im füdlichen Jemen anerfennen. 

Daffelbe Beifpiel zeigt zugleich, daß zur Drientirung der Na- 
men des Veriplus nur Diejenigen Ptolemäifchen eine Ausbeute ver: 
heißen, welche zwifchen Die des Periegeten eingefchoben find, wogegen 
die Städte des Binnenlandes ohne befondere Nücficht auf die Kü— 
ftenftädte angefegt find. Während die Küftenftant Maiphath noch 
einen guten Anhaltspunkt für die Auffindung von Cane bietet, würde 
die Rückficht auf die angeblich binnenländifchen Orte Maceala und 
Sachle nur irre führen: denn auf der Ptolemärfchen Karte liegen 
fie von Cane aus norbweftlich im Innern, da doch in der That die 
noch vorhandenen Städte Maccala und Schechr an der Küfte und 
zwar norböftlich von der Stelle des alten Cane Liegen, Ptolemäus 
muß hier aus verfchiedenen Quellen gefchöpft Haben, deren Angaben 
feine Berührungspunfte boten. 

Ein anderes Beifpiel entnehme ich den beiderſeitigen Berichten 
über die Malabar-Rüfte. Bekanntlich hat es feine großen Schwie— 
vigfeiten, die Stelle der dort von dem Periegeten erwähnten Em— 
porien zu beftimmen. So ift die Lage des antifen Tyndis und 
Muziris noch immer fehr problematisch, ungeachtet unfer Neifebe- 
fpreiber einige Anhaltspunkte felbft gegeben hat. Er fagt (9, 29. 
Bl. 172.), Tyndis gehöre gleich Muziris noch zu Cerala, während 
das nur wenig füdlicher gelegene Nelcynda ſchon in den Bereich der 
Pändja-Herrfchaft falle, er giebt die Entfernung der Stadt Muzi- 
vis fowohl von Tyndis als son Nelcynda an, er macht endlich die 
Lage ver beiden ſüdlicheren Städte an zwei Flüffen bemerflich. Ale 
diefe Beftimmungen reichen nicht bin, die Lage von Tyndis und Mu- 
zivis mehr als einigermaßen annahernd anzugeben. Nun febt Pto- 
lemäus noch zwei Städte zwifchen jenen an, Boauayaga ') und 
Korarzogios. Der letztgenannte Name kommt dem Indiſchen Na- 
men Talifari aber fo nahe, daß es mir gerathener feheint, diefe 
beiden mit einander, als Neleynda mit Nilegvara zw identifieiren. 


) Ptol. VII. 1. 8. Es iſt wohl Beauavdyapa zu Iefen, fo wie 
nee, ftatt X 





Des erythräifhen Meeres. 503 


Iſt diefe Vermuthung richtig, fo wäre demgemäß Die Lage der nur Yon 
dem Periegeten befuchten Städte zu beſtimmen. Muzieis Wäre als— 
dann etwa in Mahi (vielleicht Mahi-Fari 9), Neleynda in Nellembur 
(wohl Nilapıra), am Kunda-Gebirge, an dem fehiffbaren Beypur⸗ 
Fluſſe und einem Hauptpaſſe der Chats zu fuchen. Damit würde 
Neleynda zugleich eine Stelle erhalten, welche fi mit der Notiz 
des Periegeten verträgt, daß es ſchon zum Pan d ja-Neiche gehöre Y. 

Da Ptolemäus mit fehr geringen Ausnahmen alle Ortsnamen 
des Periplus aufgenommen hat, fo erhebt ſich die Frage: Wie ver— 
fuhr. er da, wo feine fonftigen Quellen über die Emporien des Pe- 
riplus ſchwingen? Diefer Fall muß ver Natur der Sache nach nicht 
felten eingetreten find. Daß bei der Anfesung folcher bloß aus dem 
Periplus entlehnter Ortsnamen mande Willkührlichkeit untergelau— 
fen fein muß, ift fehr natürlich und war unvermeidlich. Vielleicht 
find hierhin aber auch die Falle zu ziehen, wo er einen Ortsnamen 
des Periegeten als Infelnamen aufführt, wie er namentlich aus dem 
Barares-Bufen eine Inſel Barace, aus dem Emporium Melizeigara 
eine Inſel Milizegyris gemacht hat. 

Sp möchte ich auch auf die Auskunft, welche Ptolemäus über 
Minnagara ertheilt, feinen fonderlichen Werth Yegen. Im Periplus 
beißt es son ihr (BL. 163. 9. 22), fie fer die Metropolis von 
Scythien, und Liege hinterwärts (zara vorov) der Indusmündung, 
bei deren Erwähnung fie auch mitgenannt wird. Der Name ift hier 
bei Gelenius Mivrayao; da in ihm offenbar das Wort nagara = 
Stadt) erhalten ft, fo ift ohne Bedenfen Mıvvayaoo (= die Stadt 
der Min, d. h. der Safen) zu Iefen. Später (BI. 166. 9. 24.) 
kommt Hoch einmal ein Mivvayaoa vor; bei der Befchreibung von 


1) Handelte es fich hier darum, einen geographifchen Commentar zıt 
fchveiben, fo ließe fich für die oben aufgeftellte Wermuthung noch gar Manz 
ches geltend machen, Ich bemerfe hier nur; daß Ptolemäus den ungenann- 
ten Fluß, welchen der Perieget bei Nelcynda anfest, offenbar durch feinen 
Beoıs bezeichnet, da er ſowohl Nelcynda als Bafarei an die Mündung def- 
jelben verfeßt; ferner, daß mehrere der Städte, die bei Ptolemäus um den 
Baris herum liegen, einen auffallenden Anklang an Indiſche Ortsnamen 
“ Bieten, welche zum Gebiet des Beypurfluffes gehören. Man vergleiche z. B. 
fein Aoeußobo, Kovoesiloüo, Teıyvolo mit den modernen Städfenamen 
Urumporum(=pura), Eudalur, Tanura, yon Dehen ich übrigens bie Beiden er— 
fteren nur nah Berghaus und Nitter, nicht nad) ihrer urfprünglichen 
Faſſung angeben Fark, 


504 Neber ven Periplus 


Suräst'ra heißt e8 nämlich: werounolız de Tag xwoag Muıvva- 
yaoa, und der Erzähler fügt Hinzu, daher fomme viel 090vLov 
nach Barygaza, auch fanden fich noch viele Leberbfeibfel des Aleran- 
derzugs. Da num das OYovıov in der That unter den Ausfuhrar- 
tifefn des Hafenorts jenes am Indus gelegenen Minnagara fteht, 
und da Nefte von Aleranders Bauten fih nur an der Indusmün— 
dung, aber nicht in Surästra gefunden haben fünnen, fo würde 
man allein aus dem Periplus nur die Anficht ſchöpfen können, es 
gebe nur ein Minnagara und zwar am Indus. 

- Dies Minnagara am unteren Indus kennt num auch Ptole— 
mäus (VII. 1. 61.), wenngleich der Name in Bivayapa verftüm- 
melt ift: aber es erfcheint bei ihm auch noch ein zweites Mivayaga 
(VI. 1. 63.) genau an der Stelle, wo der Perieget zum zweiten 
Male den Namen genannt hatte, zwifchen Ozene und Barygaza. 
Hier feheint mir feine Autorität bevenflih: er kann, wie fo viele 
neuere Interpreten und Geographen, die Angaben des Periplus auf 
zwei verfchiedene Städte bezogen und nur auf diefe Annahme hin 
fein zweites Minnagara angeſetzt haben, Zu einer ähnlichen Ver- 
doppelung von Namen foheint Ptolemaus mehrmals durch die Ver- 
fehievenartigfeit feiner Quellen und deren abweichende Angaben ver- 
Yeitet worden zu fein. Mir ift gerade fein Beifpiel zur Hand, daß 
ex auch eine Angabe des Peripfus aufgenommen, und dann aus einer 
anderen Duelle daffelbe etwas verändert wiederholt hätte: ohne 
Zweifel wird auch dies öfter gefchehen fein. Ich begnüge mi mit 
einigen anderen Beifpielen diefer Art. 

Der Perieget fest jenſeits Cumäri die Stadt Koryoı an. 
Es ift ohne Zweifel Kurfi, die ältefte Hauptftadt des Pändja- 
Landes '). Sodann, fagt er, folgt ein Geftade an einem Meerbu- 
fon: das Binnenland heißt "Aoyarov ?). In der Indischen Geo— 


1) ©. Wilson: Mackenzie collection. I. LXXVI: The first capital 
of the state was Kurkhi, the Kolkhi apparently of the periplus; the 
next was Caljanpur, Madura was the third. Der Name Galjän’a-pura 
mag vielleicht dem zweiten Namen des VBorgebirges Namanafor bei Ptole: 
mäus, Kekkıyızov, nicht fremd fein: fo wie auch dem Kwvıazoi (wofür 
wohl Koiıezot) ber Strabo. Mad’urä entfpricht befanntlich dem Modovge, 
Prolleıov TIaydtiovos bei Ptolemäus. 

2) Der Text ift hier im Periplus (Bl. 175. 9. 34.) fehr verborben. 
Es heißt dort: Mer« da Koryovs Exdeyernı ngöregos (?) alyınlos Ey 





Des erythräiſchen Meeres 505 


graphie Heißt diefe Gegend K’öla, und eine alte Hauptftadt derſel— 
ben Arkadu: man glaubt diefe in Arkot am Palar zu finden). Es 
ift mir demnach fehr wahrfcheinfich, daß ſchon der Perieget biefes 
Arkadu gekannt und durch Aoyadov wiedergegeben hat, daß aber 
unter den Händen der Abfchreiber I in A übergegangen ift. 

Diefes Arkadu Fennt auch Ptolemäus. Er febt etwas norb- 
wärts von Cumäri eine Stadt an, die er "Aoyaoov molıg nennt: 
der ganze Meerbufen heißt bei ihm demgemäß Aoyagıxog x0Anog ?). 
Sn dem Uebergang von d in r Tiegt nichts Auffalfendes; er wieder- 
holt fich in den Dialeften Sudindiens außerordentlich oft, und Pto— 
lemäus felbft nennt 3. B. die alte Hauptftadt an der Kaveri Vad⸗ 
jur: "Oo9ovoe 3), Gerade deßhalb iſt e8 nicht eben wahrfcheinlich, 
daß Ptolemäus Hier aus dem Periplus gefchöpft habe. Dazu nennt 
er aber noch im Snnern, im Gebiet der IZwoaı vouades (Dd. h. 
son Köla), Aoxarov Paoirzıov Iwoa "), offenbar auch nichts 
Anderes als jenes Arkadu. 

Mit dem Namen Koöla iſt es ähnlich gegangen. Ptolemäus 
foricht bald von Fooaı voundss, bald von moksıs ISwontwv (oder 
Swolyov), dann wieder von einem Paollsıov Iwoa und einem 
Baorksıov Iwovayos, während es fich doch überall um das Gebiet 
von Köla handelt. 

Auf der Indiſchen Weftfüfte, im Gebiet von Cerala, finden 
»olno HELUEVOS, Exor xugar ueoöysıov Leyousvov Aoyakov. ’Ev Evi 
TonY TEOOVEITKı ap’ auımy ans Hnuodogov ovi)syausvor nıyızov. 
Auch die Conjektur von Salmajius (Plin. exerc. 791.): 2v &vi ton 
nregoveitaı neo’ dxınv 1ys H., perforatur margaritum , befriedigt ſehr 
wenig. Alle Neueren haben ang ’Hniodwoov vhne Meiteres eine Inſel 
gemacht: Ptolemäus Fennt eine folche nicht. Ich ſchlage vor zu leſen: 
ν xagar uEoöysıov Aeyoulvnv Aoyadov EV... Evı Ton‘ nagd- 
zEıTaı neo’ abınv ım onnedovı 10 Ovilsyousvov nıvızöov. Es ift be— 
fannt, daß man die Berlenmufcheln in großen Saufen bis zur Fäulniß lies 
gen Täpt Bol. Ritter VI. 176. 

) ©. Wilson: Mack. coll. I. LXXXIV, Laſſen: Smdifche Alters 
iKuhefadbe 1. 161. 


2) Ptol. 1. 13. 1. VO. 1. 11. 96. Die oben angegebenen Formen 
Ru die handfehriftlich am beiten beglaubigten. S. darüber Wilberg zu 
131 


3) Wüson: Mack. coll. I. LXXXIII. Laſſen a. a. O. 

4) Mannert V. 153. u. A. haben die Sache umgefehrt, und Sora 
zu einer Stadt, Arfatus zu einem König gemadht. Schon die Stellung 
der Namen bei Ptolemäus widerlegt dies. 


506 leber den Periplus 


ſich bei Ptolemans drei faſt gleichlautende Städtenamen neben ein: 
ander: Kagovoa, Kogeovpe, Kogeovo (VII. 1, 8. 86): auch 
bier, fcheint ed, muß man eine Verdoppelung oder Verdreifachung 
eines Indiſchen Namens annehmen. 

Bisweilen iſt jedoch noch erfichtlih, wie Ptolemäus folchen 
Irrthümern gefliffentlih aus dem Wege gegangen iſt. Sp Schreibt 
er VII. 1. 6—7. dem Peripfus getreulich feine Städtenamen nad: 
nur der Name Togavvooßcag fehlt, wogegen Innöxovou aus 
anderer Duelle eingefchoben iſt. Deffenungeachtet feheinen beide 
Worte venfelben einheimifchen Namen zu enthalten: Auranga beveu- 
tet namlich im Sanferit das Roß, Irnozovga wäre alfo halbe Ue— 
berſetzung. Ob in der legten Hälfte beider Worte pura = Stadt) 
oder etwas Anderes enthalten ifl, muß dahingeftelli bleiben. 

Man wird aus dem Gefagten erfehen, daß die geographiſchen 
Angaben des Periegeten vielfach aus Ptolemäus ihre Erklärung er- 
halten, daß der Letztere hingegen auch mit großer Vorficht zu dieſem 
Zwecke benugt fein will. 

Aber auch für die Terteskritit läßt fih aus Ptolemäus gar 
manche Ausbeute ziehen. Da er durchaus vorherrfihend die Nanten 
fo aufgenommen bat, wie fie im Periplus vorlagen, jo kann er ſo— 
wohl zweifelhafte Lesarten des Lesteren feftftellen, als auch andere 
unficher miachen. Wenn 3. B. im Periplus (Bl. 158. 9.17.) die 
Inſel Speotora 7 Jıooxovgrdov heißt, und eben diefe Form bei 
Ptolemäus (VI. 7. 45.) am beften beglaubigt ift, fo zerfallen da— 
mit die Conjefturen Jıooxogidov, Jrogzogıda in fih. Das zwei- 
malige "doaßwv bei Ptolemaus VI. 7. 125 19. 24. beweift, daß 
im Peripfus (BI. 161. H. 20.) ’Acapo ftatt Zußw zu leſen ift, 
indem das vorhergehende @ in Asyoueva den Ausfall des A ver— 
anfaßt bat. Ebenſo werden durch Ptolemäus Namen wie Paithana, 
Aftacapra, Supyara, Muziris u. a. feftgeftellt, wogegen andere, wie 
6 Nixwvog, Acabacu, Palaepatmar, Sandanes durch ihn zweifelhaft 
gemacht werden. 

Es kann nicht meine Abficht fein, bier alle die Stellen des 
Periplus zufanmenzuftellen, die fich entweder aus Ptolemäus andern 
Yaffen, oder mit Rückficht auf dieſen als unficher erſcheinen. Mir 


des erythräiſchen Meeres. 507 


genügt es, daran erinnert zu ‚haben, daß und in welchem Maaße 
Ptolemaus zur Berichtigung des Tertes des Periplus herangezogen 
werden darf. Nur auf eine bisher fehr verfannte Stelle fei es ers 
Yaubt, noch zurüczufommen, weil diefelbe zugleich für die Indiſche 
Alterthumskunde nicht unwichtig iſt. 

Ich meine die Stelle BI. 165. H. 24, die in den Ausgaben - 
folgendermaßen lautet: Mera de rov Bagaxnv eudug Eorıv Ö 
Baogvyalwv xoAnog, zal n noog ns Agaßınns ywgas tag 
Maußaoov baonela doyn »al zus Ohns Ivdızng oöoa. Tav- 
Ins ıa udv ueooyeıa ıng Irevdrag ovvogilovra IBnoig, rakel- 
zaı de ra naoadaraooıa Svvgaorgnvn. JloAvpooog de 7 xwow 
orrov ri. Dffenbar falfch ift hier Aoaßızns: Stud, Blan- 
card, Benfey ) und Laffen ?) Iefen ftatt deffen Agraxns, 
Mannert?) und Bincent‘) Aagızys. Außerdem ſchlägt Mans 
nert >) vor zu leſen: ravıns za uev usooysın ng Ixvdlag 
ovvooiLorra Ißngia zarsitoı, ta de naoadarAaooıa Zvoaotonvn. 
Chenfo Laffen 9, nur daß er die Form Aßnoda vorzieht ünd 
Svvgaoronvn beibehält. Benfey's 7) Erläuterung der Stelle ift 
wenig geeignet, Die obwaltenden Schwierigfeiten zu befeitigen. 

In dem erfteren Satze ift es nicht allein das offenbar irrige 
"Aoaßızns und der fonft ganz unbefannte Name Maußagov, was 
dem Lefer Anftoß erregt, fondern nicht minder das 7 moüs ıas 
’A. ywoag ıns M, Baoırelas vorn. Sch halte es für höchſt 
wahrſcheinlich, daß ftatt des 7 os zu Iefen ift nneıgos. Die Zu- 
fammenftelfung von 7neıoos und Zwoa darf nicht auffallen. Sagt 
doch der Perieget nicht nur: uera ravzyv 179 ywouv ıng ynei- 
gov Önoywgovons (BL. 163. 9. 21.), fondern fogar 6 zys "Aga- 
Burns xugas nneigov nagankovs (BL. 153. H. 12.). Erſt nach 
diefer Aenderung kann man ohne Gefahr, bloß umherzurathen, an 

1) In der Hallifchen Encyelopädie, Art. Indien S. 91. 

9) J Alterthumskunde I. 108. Zeitfehr. f. Kunde d. Morgen: 
landes IV. 199. 

3) Bd. V. 125. der zweiten Auflage. 

4) Bd. II. 98. 111. Früher wollte aud) er Aoıaxns: I. 393, 


5) A. a. O. ©. 130. 


9 Zur aa, der Griech. u, Indoſcyth. Könige, 269. 
U. 0 


508 Ueber den Periplus 


die Aenderung des Aomßıxys gehen. Das betreffende Land foll 
nach der Angabe unferes Reifenden am Meerbufen von Barygaza 
liegen und der Anfang der Herrichaft des Mambarus (9) und von 
ganz Indien fein. 

Suchen wir bei Ptolemäus Ausfunft, fo erhalten wir nur eine 
fehr zweideutige Antwort. Er kennt im Gebiet der Mahi und Nar- 
madäa ein Land Aapıxzn , das fünwarts noch Barygaza und fogar 
noch Nafitra umfaßt. Cs ift das Cätifä Cärifä der Inder, der alte 
Name für Guzerate. Unmittelbar füplih von diefem Aapızy be⸗ 
ginnt aber auch fein "Agıarn (Iadırav),, zu dem ſchon Supara 
gehört. Der Perieget könnte fomit fowohl Arjafa, als Larife ge- 
meint haben, 

Aber er felbft erklärt fich noch deutlicher über feine Meinung. 
Bon Muziris bemerft er BI. 172. H.29.), es werde von Schiffen 
von Arjaca aus befucht. Aber weit wichtiger ıft eine andere bisher 
überfehene Stelle (BI. 150. 9. 8.). In die Oftafrifanifchen Em- 
porien, fo fagt er nämlich, würden Waaren eingeführt ano rar 
E0w Tonwv ng Aoıarns zul Baovyalor. Diefe Zufammen- 
ftelung mit Barygaza ift entfcheidend. Auch an jener corrumpirten 
Stelle meint er das Land bei Barygaza, alfo auch dort ohne Zwei— 
fel Arjaca ). Ein Larife fcheint er gar nicht zu kennen. 

Ein ganz unbefannter Name iſt Maußagos: Benfey und 
Laffen?) betrachten ihn als den eines Seythifchen Herrfchers. Das 
An aber beweift, daß der Verfaffer die Baoıledıa MauPßavon zu 
Indien rechnet, und als ein Theil von Indien gilt ihm Scythien 
nicht. Es bleiben alfo zwei Möglichkeiten übrig: entweder iſt Mau- 
Baoov ter Genitiv von dem Namen eines Indiſchen Königs, der 
von Barygaza und Arjaca an berrfeht, oder es ift der Name eines 
Landes. Mir erweckt jedoch eine andere Stelle Verdacht an der 
Nichtigkeit des Namens, ganz abgejehen davon, daB man auch vor 
demfelben lieber ein ze fehen möchte. Der Berfaffer erzählt nam- 
ih unmittelbar nach der Befchreibung von Barygaza Folgendes 

1) Der Name (= Land der Arja d. h. der Inder) iſt bezeichnend 


für = erſte eigentlich Indiſche Land au den Grenzen des Indoſcythenreiches. 
2) Zeitſchr. f. d. Kunde des Morgenlandes. IV. 198. 





des erythräiſchen Meeres. 509 


(81.171. 9.30.): ronıza Zunogıa zara ro Eins xeiueva’Axa- 
ßaoov Sounnaga, Kaıkrsva norız zır. Ptolemäus hat Diefe 
wie die folgenden Namen aufgenommen, nur das "Axaß«gov nicht, 
Es ift immerhin möglich, daß es mit Maußagov zu identificiren, 
oder vielmehr, daß erft aus beiden Wörtern der wahre Name her— 
zuftellen iſt. - 

Einfacher ift der folgende Satz herzuftellen: dem za uEv ue- 
coyeıa muß ein ra de nuoadaraooıa entfprechen, und damit ver- 
wandelt fih das ’Ißnoie von felbft in 'Idmola '), und dag zag 
Srvsias in an Izvdie, indem fi an beide Worte das jedesmal 
nachfolgende o angefest hat. Daß Fvguoronvn ftatt Svvg. zu le— 
fen ift, zeigt ein Bli auf den Indiſchen Namen Surästra und 
auf das Ptolemäiſche Ivoaoronvn: zu allem Ueberfluß fagt der 
Perieget felbft an einer fpäteren Stelle Ivo. (Bl. 167. 9. 25.). 

Die ganze Stelfe lautet nach dieſen Aenderungen fo: Mer« 
d& zov Baoaxnv eddug Eorıv Ö Baovyalwv x0Anog zul nnei- 
005 ıng ’Agıarng ywoas ns (te) [Mau]ßaoov PBaoıkerag 
doyy zal ıns ohm®’Ivdınng ovoa. Tavıng Ta usv ueooyeıa 
zn SrvIia ovvogilovra ’Idnola zaksiraı, Ta de nagadaruo- 
oıa Ivoaorgnvn. 

Der vierte Schriftftelfer, der theilweife den Periplus zu Grunde 
gelegt hat, iſt Marcian von Heraclea. Nicht nur, daß bei feiner 
umfaffenden Benugung des Ptolemäus viele Angaben des Periegeten 
mittelbar in fein Werk übergegangen find: es ergiebt fih auch aus 
einzelnen Stellen auf das Deutlichfte, daß er den Periplus feldft 
gekannt bat. Sp tft fhon die ganze Anlage feines erften Buches 
gleich der des Periplus, indem auch er zuerft die „rechts“ und ſo— 
dann die „links/ gelegenen Küften des Indiſchen Deeans durchgeht. 

1) Ob ftatt deffen FBıoie oder mit Laffen Aßnoi« zu lefen fei, 
muß dahingeftellt bleiben. Bekanntlich it das Land der Abira gemeint, Die 
gewöhnlich mit den Güdra, aber auch mit den Surästra zufammengeftellt 
werden, Lassen pentapot. 27—28. Zeitfchr. f. d. Kunde d. Morgenl. II. 
196. 198. 213. Ihre Site feheinen nach den Indiſchen Erwähnungen in 
der jüdlichen PBentapotamie zu fein; Ptolemäus ftellt fein Abiria nördlich 
von Patalene, noch zu Indofeythien gehörig (VI. 1. 55.). Damit läßt fich 
die Notiz des Periplus wohl vereinigen: fie deutet zwar nicht gerade auf 


das Indusland hin, aber der Periplus fest ja auch noch viel fernere In— 
dusvölfer, die Aratrii u. a., ganz vag bei Barygaze im Innern an. 


> 


510 Meber den Periplus 


Einzefne Stelfen fiimmen bei ihm weit mehr zum Periplus als zu 
Ptolemäus. Alles jedoch, was er dem Peripfus entnommen hat, 
ſteht in den erhaltenen Ueberbleibſeln feines Werks fehr fporadifch 
unter einer Maffe anderer Angaben; und fo laßt fi für die Bef- 
ferung des Textes des Periplus doch nur eine fehr geringe Ausbeute 
aus ihm ziehen. Ich rechne dahin namentlich, daß er das ’Aoafw ") 
des Peripfus (Bl. 162. H. 20.) gegen das ’Acaßwv des Ptoles 
mäus, das adjectiviſche argoyyvrov ebendafelbft gegen Ptolemäug 
Irooyyvrov , endlich die handſchriftliche Lesart or zns "Alaviag 
doonor (BI. 150. 9.9.) gegen die Conjeftur vi as A. Öomor ?) 
feftftelft. 

Endlich bleibt noch der Verfaffer der labula Peutingeriana 
als ein Schriftfteffer übrig, der dem Peripfus manches, wenn auch 
wahrſcheinlich nur mittelbar verbanft. Hier taucht noch einmal eine 
Anzahl der dem Periegeten angehörigen Drtsnamen auf: ein Seytia 
Dymirice, Nineildae, Pirate, Tundis und Muziris und zwifchen Dies 
fen beiden das Bild eines Haufes mit der feltfamen Weberfchrift 
templum Augusti u, dgl. m. Die große Verftümmelung aller Na- 
men auf diefer Karte und die geringe Wahrfcheinlichkeit, daß ihr 
Berfaffer unmittelbar aus dem Periplus gefchöpft habe, macht fie 
für die Terteskritit durchaus unbrauchbar. 

Köln. E. A. Shwanbed, 


Nachwort der Redaktion. 


Vorſtehende Abhandlung wurde der Redaktion vor längerer 
Zeit übergeben, konnte aber wegen Mangels an Raum bisher nicht 
abgedruckt werden. Der Verfaſſer hatte inzwiſchen eine praktiſche 
Laufbahn betreten, die es ihm, wie leicht und mit wie eiſerner Be— 
harrlichkeit er auch zu arbeiten pflegte, dennoch nicht verſtattete, die 
mittlerweile etwa erſchienenen einſchläglichen Schriften zu berückſich— 


1) Das kurz „vorhergehende zwv IIentov vn0w» (zwifchen aö Ke- 
kalov vj00: und To Kakov Og0os) feheint in Kakaiov v. geändert werden 
zu müſſen 

2) So vermuthet Grashof in Wilbergs Ptolemäus Bd. I. ©. 
61. Ich war unabhängig von ihm auf diefelbe Konjeftur gefommen, glaube 
aber nichtsdeftoweniger, daß fie durch Marcian als unrichtig eriwiefen wird, 


Des erythräiſchen Meeres, 511 


tigen. So ſehr wir überzeugt ſind, daß dadurch dem Werthe einer 
Arbeit nur geringer Abbruch geſchehen kann, die in ſeltener Weiſe 
durchſichtige Klarheit der Darſtellung, Sicherheit firenger Methode 
und Fülle fruchtbarer Ergebniffe vereinigt: fo glaubten wir doch je— 
nen Umftand nicht verfchweigen zu dürfen, den der gewiſſenhafte 
Berfaffer felbft zu erwähnen nicht wurde unterlaffen haben, hätte 
ihn nicht Schon beim Beginn des Drudes die Krankheit befallen, wel— 
che feinem jungen, mühevollen Leben ein frühes Ende gefest hat. 
Die philologiſchen Lefer werden in der vorliegenden Leiſtung die 
Eigenfchaften wiedererfennen, welche des Verfaffers frühere, in wei- 
teren reifen befannte und anerfannte Arbeiten auszeichnen. Alle 
werden fie, felbft wenn fie nicht wie wir den Verluſt eines perſön— 
lichen Freundes zu beffagen haben, mit ung die trauernde Sehnfucht 
empfinden, welche das frühe Erlöfchen einer ſchon fo trefflich bewähr- 
ten und noch fo Vieles verheißenden Kraft bei jedem an der Förde— 
rung der Wiffenfhaft Theilnehmenden erregen muß. 
„Völlig vollendet 

Legt der ruhende Greis, der Sterblichen herrliches Mufter. 

Aber der Jüngling fallend erregt unendlihe Sehnfucht 

Allen Künftigen auf, und Jedem flirbt er aufs Neue, 

Der die rühmliche That mit rühmlichen Thaten gekrönt wünfcht“, 


Snfchriften von Cypern. 





Verehrter Herr und Freund! 

Die nachftehenden wenigen Infehriften find faft Die ganze epi- 
graphifche Ausbeute, Die ich auf meiner Neife durch Cypern im Fe— 
brvar und März 1845 gewonnen habe; zwei andere Fragmente, 
aus den Ruinen des Heiligthums des Apollon Hylates bei Kurion 
habe ich fehon früher in Gerhards Archäolog. Zeitung (III. 1845. 
©. 103. 104) herausgegeben, eine Lateinische Inſchrift aus Kno— 
dara wurde dem Römiſchen Inſtitut mitgetheilt (ogl. eine Notiz 
darüber in Gerh. Arch. Ztg. 1848. Beil. S. 91 *) und drei Phö— 
nieifche hat Herr Prof. Nödiger in meinen Hellenifa I. 2. ©. 118 
—121 erläutert. Mit einigen mittelalterlichen Byzantinifhen, Las 
teinifchen und Franzöfifhen Grabſchriften darf ich aber das Rheiniſche 
Mufeum nicht behelligen. 

Wie beffagenswerth es auch iſt, daß Cypern fo wenig Epi— 
graphifches darbietet (denn auch die frühere Sammlung im _C. I. 
n. 2613— 2652 umfaßt nur 40 Nummern) und daß unter dieſen 
Inſchriften feine einzige in das höhere Griechiſche Altertfum zurück— 
reicht, fo erklärt fich diefe Erfoheinung doch Teicht aus der Befchaf- 
fenheit der Nuinen und aus der Gefchichte der Infel. Eigentlicher 
Marmor war bier felten, und feheint, wenigftens der weiße, nur 
son außen eingeführt zu fein, der Sandftein, der ihn namentlich für 
Grabftelen meiftens erfegen mußte, war viel vergänglicher. Ueber— 
dies find die Trüummerftätten, da Cypern im Mittelalter unter den 
Fränfifhen Königen und den Venetianern verhältnißmäßig ſtark be> 
sölfert war und viel gebaut wurde, zum Behufe der Neubauten un— 
abläffig ausgebeutet worden, und was fih an Marmorfragmenten 
fand, iſt zu den Paläften der Könige, zu Kichen und Klöſtern, zu 


Inſchriften von Cypern. 513 


MWappenfchildern und Grabfteinen wieder verarbeitet worden. End— 
lich mögen, bei dem natürlichen Neichthum der Inſel an Erz, ver- 
hältnißmäßig mehr Infchriften auf Erztafeln eingegraben worden 
fein, als dies in dem eigentlichen Griechenland der Fall war; Gie 
wiffen aber, wie felten uns die Ungunft der Zeiten folche Erzplatten 
übrig gelaffen hat. 

Unter Erwägung diefer Verhältniffe werden Sie, verehrter 
Herr, die Dürftigkeit der bier gebotenen Nachlefe entjchuldigen, und 
fie wenigftens nicht meinem Mangel an Eifer und Bemühung im 
Sammeln zufhreiben. Bon eigentlichem Intereffe find nur die bei— 
den legten Infchriften, N. 16 die ich leider nicht ſelbſt gefeben, und 
befonders N. 17 die ich mit aller möglichen Sorgfalt und Genauig- 
keit felbft abgefchrieben habe. Ich bemerfe dies zu meiner Rechtfer- 
tigung; denn mit einiger Freiheit wird fich der Ausgang des erften 
Berjes wohl irgendwie ergänzen laffen, ich erachte mich aber durch 
meine Abfohrift an XERIGOI .. AI...... gebunden. Wä— 
ven dieje Heinen Lücken nicht in dem Epigramm, fo gewännen wir. 
bier vielleicht einen wefentlichen Beitrag zur Kenntniß der Werfe 
des Pheidias. ES wird mich fehr freuen wenn Ihre bewährte Di- 
vinationsgabe glücklicher und weiter ſieht als es mir gelungen ift, 
Leben Sie wohl! 

Halle, den 26. Mat 1550. U RoP. 


1. Sn Kition (Larnaka) in einem Haufe, auf einer niedri- 
gen Baſis mit weißem Marmor, Die Buchftaben find mit apices 
geziert, A.ME X. 

HIOAISZ24AMONSRLAM 
T. NDIAOTIATPINTONTIYMD 
=. APXH3ANTAKAIATOP 
MHZANTAK AITOOEATP 

5 KATAZSKEYASANTAEKO 
MEAI2®NKAITAENAYT 
. N OIZANAA2M 
H nolız Iwdauor Iwdau[ov 
z[o]v Yihonargıy zov yvurla- 

Muſ. f. Philol. N. 3. VII. 33 


514 Sufhriften von Cypern. 


01] aoxnoavra zal ayoo|avo- 
unoavra zal To Iearo[ov 

5 zaraorevaoavra &r Ie- 
usliov xal Ta Ev avılo 
[di ]oıs avarwufaoı. 

Der Stein ift aus Römiſcher Zeit. Einen Gymnaſiarchen in 
Kition finden wir auch im C. I. n. 2626, und unten N. 2, 3, 
5 und 10. Die Agoranomie kommt Hier zuerft vor; in Salamis 
bezeugt fie die Inſchrift C. I. n. 2639. Vom Theater in Kition 
habe ich nicht einmal die Lage auffinden können. 

2. Unweit Kition in dem Dorfe Livadia, auf einer qua— 
draten Baſis. Die Abfchrift des Steines, den ich nicht ſelbſt gefe- 
ben, verdanfe ich dem Defterreichifchen Eonful Herrn Caprara. 

a re rem APATIo 
NOSTYMNASIAPXHZANTOSSTPATITIENAYAPXOY 
TOYI YMNAZIAPXOYZAPISPOMNHMONOXAIABIOYTHN 

—W TH3OYTATEPA 
Tnv deiva Too delvog, yuvaliza dE? 2] aoaln ]lw- 
vog yvuvaoıngynoarrog Itoarfn]yiz Navagyov 
ToV yvuvaoıaoyov [xJa[il ileJoouvnjuovols] dın Blov ınv 

&av] ıng Fvyartga. 
In der erften Zeile wird ungefähr das was ich angedeutet habe, 
ausgefallen fein. Iroarnyis in 3. 2 ift der Name der Mutter, 
die ihrer Tochter hier ein Standbild errichtet hatte. Die Würde 
eines Hieromnemon auf Cypern finden wir hier zum erften Male. 
Ueber andere Hieromnempnen als die amphiktyonifchen vgl. Böckh ad 
C. I. n. 21615 Hermann, Gottesd. Alterthümer $. 11, 3. 4. 
3. Sn demfelben Dorfe, wo die vorhergehende Inſchrift, in 
einem Garten des Herrn Caprara, auf einem Fußgeftelle aus bläu- 
lichem Marmor.. 
TIBEPIONK AAYAIONTIBEPIOYKAAYAIOY 
12:142POYYIONKYPEINAISIA2PONAPZANT. 
THZEMIOAERBSKAIILPESBEYZANTANPOS 
TOYZSEBASTOYSIIOAAAKISIIPOIKAKAI 

5 IYMNAZIAPXHSANTAEKTRNI.... 


Inſchriften von Cypern. 515 


TPOSATET ANIAAOYKIDEPATONEAY... 
ANAPAEYNOIAZXAPIN 
Tıßegıov Kiavdıov Tıßeolov Kiavdiov 
Toıdwoov vior, Kuvgerve, Ioıdwoov agSavıla 
ing nokewg zal ngeoßevoavta 100g 
toug Neßaorovg noAlaxıg nooiza zal 
5 yvuvaoınoynoavra Ex av I[dıov 
Iloo[xi]a? Leyavın Aovzıpeoa 10V Euvl[rns 
avdo@ zvVvorag yüpır, 

Gin aoywv zig noAsws (3. 2. 3) in Kition kommt hier zum 
erften Male vor; denn die Behörden welche in andern Inſchriften 
ei ang norewg genannt werden, ſcheinen von den Negyptifchen Kö— 
nigen eingefegt gewefen zu feyn. Der Plural Fefaorovs (3. 4) 
erklärt fih fo, daß Tib. Claudius Iſidoros öfter (moAdazıs), alfo 
an verfchiedene Kaiſer (Tiberius, Caligula, Claudius?) Gefandtichaf- 
ten beffeivet hatter denn an eine fpätere Zeit, wo mehre Kaiſer zu— 
gleich waren, tt bier micht zu denken. 

4. Bei Kition an dem Klofter des h. Georg, auf einer 
viereefigen Bafis aus blauem Marmor. 

. AI H nJorıg 
. P0AA0OAR2PONAIONYZSIOY Alnorkodwoo» LTıovvorov 
TOAYTIKONZ .. ATHION _nokınxöv o[to]arnyov. 

Der ſtädtiſche Strateg (praetor urbanus), von den Bürgern 
gewählt, wird durch dieſe Bezeichnung von den Strategen unterfchie- 
den, welche die Könige aus Aegypten nach Cypern fandten oder dort 
ernannten, 

5. Am Hafen in Kition, auf einer Bafıs aus blauem Marmor. 

AIONYZIOZ4IAYMOY Arovvorog Ardvuov 

YIIOTYMNA>SIAPXQ2N UnOYvurvaoLaoywv. 

6. Ebendaſelbſt, bei Herren Demetrins Pierives, auf einem 
Bruhftüf von blauem Marmor, 

SAL la RESORT — 
ATATHNNBEZON hl a8 8 »]Jata nv v700V 
KAIEYNOIAZHZEX agerns Evexa] zul edvolag ng &yleı eis 
KITIE. NKAIEAYT zo» noAw 73V] Kırıe[o]v zal zavr., 


516 Inſchriften son Cypern. 


7. In Kitiom in einer Mauer, auf einem Stücke Marmor. 


EHN2NAN. — ⏑ 
⏑⏑— oroar[nyov. 
Es kann auch der Nominativ feyn: Zum Ar. 2.2... 


oroar[nyos] vver oroar|nyroags]. 
8. Ebendaſelbſt im Garten des Griechiſchen Biſchofs, auf ei- 
nem viereefigen Cippus aus weißem Marmor. 


OEOARPOFS Oeodwoog 
IHNSNOE Znvovog 
APAAIO>E ’Aoadıog. 


9. A—E. Grabfchriften in Larnaka (Kition) und im der 
nächften Umgegend ; meiftens auf runden Grabaltären aus Sandftein. 
F. Bei einer Cavelle der h. Sirene an der Nordfüfte der Infel im 
Gebiete von Soli. G. Im Klofter des h. Herafleivios im Junern 


der Inſel. 

A. OAVMTIIANE B. APICTDKVT PIC 
XPHLTE NEWTEPTGC 
XAIPE XPhCTEXEPE 

Okvunıavs ’Agıotoxung0g 
xonorè VEOTEUOG 
aloe. z0n0t& yleiloe. 

C. .AHMHTPIANH D. wAPKIANE 

APHCTHXAIPE XPHLTE 

. EIUNHELTE 
. AIPE 

Anunroiavn Meagzıave 

zonotn yalge. z9n01E 
@]ledurnore 
rletoe. 

E. EYhueP&6XPh F. AOH 

CTEXAIPE NAIC 

XPE&C 
THXE 
Evrusos yon- PE 


oTE Yale. A$nvois yoln]orn zleilee. 


Inſchriften von Cypern. 517 


G. APIETINTHMR _.'Aoılorw 17 un- 


TPION ALIU zoı Ovaoıw 
MNHMHL uynung yaoıv. 
XAPIN 


Der Name ’Agıoröxungos ſchon bei Herodot. d, 119. Die 
Namen OAvunıavöos, Anunroıavn, Ovaoıov find vielleicht neu. 
Aotorıv fteht für "Hororior. 

10. Inſchrift eines Fußgeftells aus bafaltifchem Steine, in 
dem Hofe eines Haufes in Kition Carnafa' ; nach einer brieflichen 
Mittheifung des Sardinifhen Confuls Herrn Carutti. 

TOKOINONTOKYTIPIRQ. T6 xoıwov To Kvnoro|v 


HPAKAEIAHNEPMO “Hoaxleıdnv "Eouo- 
4AMANTOSTON dauavrog Tov 
TYMNASIAPXONKAI yvuvaolagyov zul 
5 AT2NOOETHNKAI 5 aywvodErnv zul 
IlPOIKAILPESBEY nooizu n0E0ßEeV- 
SANTAILPOZTON oavra noog Tov 
SEBAZTONYI .. Seßaorov vn[eo 
TH2NHSOY Ins vnooV, 


11. Bruchſtück einer Platte aus weißem Marmor , zwifchen 
Parnafa und dem Hafen ausgegraben; aus derfelben Mittheilung wie 
die vorhergehende Nummer. 

ANCGBACTHNMHTEPA 

I11IC&3 TOYKAwJIOY 

NIANOYANOYILATOY 

OYAITITANOYAOTICTOY 

5 IJIoNIPOCHZ/oN 

— LARDNN av Seßaornv umteou... 

EEE &]ni 38eStov Kiwdrov . 

— — yıavod avdunatoV . 2... 

RR ov ’Annıavov koyıorov „.. 

DRK 
12. Auf einem Piedeſtal aus fchwarzblauem Marmor bei 
Amathus hart am Strande; in eleganter Schrift der Macedoni- 


ſchen Zeit. 


. . &2 tor] (dıwv no000dwr. 


518 Inſchriften von Cypern. 


J ONAMMANT . \ SANIONION 
2 SONATODYAAKQNTONENITHS 
. OAERQSKAIDIAANTHNTIYNAIKAAYTOY 
5, HNKAPNISNOSOYTATEPAT2NDIARBN 
. ABEANAPLIAK AITOYSYIOYEZEAMMR2NION 
..„ KAPTIQNAKAIDATKPATHNT2NATAAOXRN 
THNOYTATEPAAPETHSENEKEN 
ed . AEIAEADTOAEMAIONKAIBAZIAIS2A . 
10... 2:2 0 HLODTZIATE | 
— Nine). "Aunovi[ov] Safu]ıov ’Iorfa ? 
av] owuaropviarwv Tov Enl ımg 
n]orewg xal Dihav ıyv yuvalza bvTov 
ılyv Kaoniwvog Ioyareoa ıwv pılov 
’A]resavdorda zul Tovg vIovs 'Auuwvınv 
xai] Kooniova xal Ilayzoaınv ıov Jdıadoyw» 
zul Dikav?] ınv Ivyareon agsıng Evexev 
xal evvolag ıng &ig Blaoılda Iltorsualov zal Baollıooalv 


u —— zul  Aluasovorovg. 


13. Grabfchriften auf Stelen und Grabaltären in den Ruinen von 
Amathus und in dem benachbarten Dörfchen H. Tychon (Tychonas). 


A. NATION B. APIET2N 
oNH>SIKPAToYZ XAPABA 
XPHLTEXAIPE 
Narıov? "Aoıoıwv 
’Ovnoıxoarovg. Xa0a0a ? 
X9n01E yalge. 

Ü. CTEDANE D. LEPANIIQN 
XPHCTE . 10A4AQ2NIOY 
XAIPE XPHTEXAIPE 
Stepars Seoanıov 
Z9noTE& ’A]noiAwvtov 


Xulge. X0n0TE xulge. 


Inſchriften von Cypern. 519 


E. LQLANAPE F. EFAOPH 
AIONEIKOY XPHLTH 
AÄPHETEXAIPE XAIPE 
Iwoavdoe ’Eydoon? 
Zhoveizov xonsen 
X0n0TE yalge. xalge, 


G. OEMISTIONJHMH 
TPIOYXPHSTHI (sic) 
XAIPE 
Osuiotiov Anun- 
tolov yonorn 
xalgE. 

Die Namen Narıov, Xugaoas, Eydoon (von Exdeion ? 
oder verfehrieben ftatt Erdwon?) find neu und ihre Lefung auf den 
Steinen ift fiber, In der legten Grabfihrift ift die Schreibung 
XPHZTHI mit einem abundanter gefegten lora subscriptum 
zu bemerfen, die ich als eine auffällige Rhodiſche und Lykiſche Schreib- 
were in Nominibus, Adverbien und Verbalformen, 3. B. EITE- 
®ANS2OHI, APXIEPHI Xecufativo), STEDANLIOEIS, 
AMAPTS2IAO>S, EIT2I, ANOTISATAI mehrfach nachge— 
wiefen habe (Inser. Gr. Ined. IH. 291. 306; Intllgzbl. zur U L. 
3. 1845. R. 40), und die fih auch in den Papyrusfragmenten des 
Hyperides wieder findet (KAT2I, DAEI2L OYTAL ELTY- 
TATAI, bei Saupye in Schneivewin’s Philologus 1848. IL. 4, 
©. 49). 

14. Inſchrift auf einer Tafel son blauem Marmor, bei An o- 
dara in der DOfthälfte der Inſel. 

SEAEYKONTONS .. TENHTOYB 
KAINAYAPXONKAIAPXIEPEATOXO 
TA3Z2Z0OMEN2NKPHT2NAPETHE 
BASTI AEANTOAEMAIONKAIBASIAIZEZ 
5 KAIBASITAIZSSANKAEONATPANTHNT 
KAITATEKNAKXK AITH3EISTOKO 
Zehevxov Tov olvylyern roũ Blaoı)lEwg Tov oronınyor 


zul vavagyov zul woylEgea TO zolıyoy rav Un’ uvıov 


520 Iſnchriften von Cypern. 


taooousvov Kontwv ageıng [Evexev za evvolag ung eis 
Baoı)da Ilrolsualov zal Baollıoo|av Kisonargav ınv aderpyv 
5 zul Baoı.ıooav Khsonargav ınv ylvvalza, Jeovg Evepyerag, 
xal ta Teva xal Ing Eis To xolıwov Eveoysolas. 

Es iſt dies wohl derfelbe Seleufos, der im C. I. n. 2622 
in einer Snfchrift aus Kurion Sohn eines Bithys heißt und übrigens 
ziemlich diefelben Würden beffeivet; weshalb ich die meiften Ergän- 
zungen von dort entlehnt habe. Unter diefer Borausfesung gehört 
die Infchrift in Die Zeit des Ptolemäos Euergetes Il. Dort bat 
ihm die Stadt Kurion die Statue errichtet hier die von ihm befeh— 
ligten Kretiſchen Landsknechte. 

15. Auf einem Piedeſtal aus röthlichem Marmor in Palä— 
paphos (Ruflia). 
OEOAR2PONZSEAEYKOYTONSYTTENHTOYBASIAERE 
KAISTPATHTONK 
TOKOINONT2NEL I." nnban MEN®2N . AI. 2N 

Te IRREITEEN BIEL sul NZ, 
Os0dwoov Sehevxov Tv ovyyern Tod BaoıkEwg 
zal o1g9arnyoV x|al vavaoyov zul aoyızoea 
70 xoıvov T@v Ellg avrov raooo]usvov [I]a[u]ov? 
ın]s [eils [avrovg] eVeo[ysor]ag [Evezer]. 

Diefer Theodoros fiheint der Sohn des in der vorhergehenden 
Inſchrift genannten Seleufos zu feyn. 3. 3 fiheint die Unterord— 
nung der Miethstruppen unter ihn durch Ta00sodaı zig mit dem 
Aceufativ ausgedrückt zu ſeyn. Doc) ift dies unficher, wie überhaupt 
die Ergänzungen der beiden legten Zeilen. 

16. Ebendaſelbſt Cin Paläpaphos) auf einer Marmor- 
platte; nach einer von dem damaligen Franzofifchen Conful Herrn 
von Fourcade erhaltenen Abfchrift. 

A®POSITHINT ADIAI 
AHMOKPATHZDT TOAEMAIOY 
OAPXOST2EN KIMYPAAD2N 
KAIBLTYNHEYNIKR.. 22%. 

54 HNTAYTTONOYFATE3 
———6 — 


Inſchriften von Cypern. 521 


Agoodirn Ilaypız 
Anuozoarng Iltolsuadov 
od aoyog twv Kılvr)vgador 
xal n yvon Evvian [Evviznv? 
5 z]yv Telavr[o]v Ivyarefoa 
Fe]ois. 

Ueber die Kinyraden, die Nachfommen des Kinyras und erb— 
lichen Priefter und Propheten der Göttinn in Paphos, Tac. Hist. 
2, 3 u. 4 Heſych. u. d. W. Kırvgadar: tegeis "Agpoodirne. 
Schol. zu Pind. Pyth. 2, 15. Der jeweilige Vorſtand des Ge— 
ſchlechtes, der hier 40766 genannt wird, heißt Agetor bei Heſych. 
ud W Ayrwo* 6 ıns "Agyoodiıng Ionkov nyovusvog le- 
oevg &v Kungw. Vgl. Meurs. Cypr. 1. 15. u. 17. Engel, Ry- 
pros II. ©. 94 ff. 

17. In Neu⸗Paphos unweit der Kirche Xvoononttiood, 
im Hofe eines Haufes auf der Vorderfeite einer Platte aus weißem 
Marmor. 


AAKAINEIKHNIIAAAAZXERIOL. » AL»... ....r 
\QNOYXRHZATIROSKYIIRINERXOMENH 


IIAHZMANEOHKEILATRHZSATONATPIAE>AAAHN 
10J0TOSILADIOIIDEIJLA KHNXARITA 


Was das Aeußere diefer intereffanten Inſchrift betrifft, fo iſt 
die Matte leider zur Linken in einer Länge von vier bis fünf Buch— 
ftaben abgelplittert oder zerbrochen; auch iſt der letzte Theil der er— 
ften Zeile theils unleferlih, theils verſtümmelt. Die Schrift iſt 
zierlich, aber Heinz auffallend ift das R neben A, II und andern 
Formen, mit denen es fich font nicht zufammen zu finden pflegt. 
Do iſt Schon fonft bemerkt worden, daß auf Rhodos und überhaupt 
in diefen öftlihen Gegenden manche Buchftabenformen früher auftra- 
ten, als fie in das Attifhe Gebiet Eingang fanden (vgl. meine 
Inser. Gr. Ined. IN. p. 25; Rhein. Muf. N. $ IV. ©. 165), 
fo daß ich Fein Bedenfen trage, die Inſchrift wenigftens in die Pto— 
lemäiſche Zeit zu fegen, womit die diphtongiſche Schreibung Nerv 


522 Inſchriften von Cypern. 


ſich wohl verträgt. Die beiden erſten und die beiden letzten Zeilen 
ſind auf dem Steine durch einen größeren Zwiſchenraum geſchieden. 


’Aonı]da za veramv 
“On]aov oV yonlw noog Kungıv Eoyousvn. 


Kexoo]niöng u’ avednxe narons ano nargıd’ &5 aAınv 

Zn]vodoros Ilaploıs Deidıaznv zaoıra. 

Stände das Weihgefchent noch auf der Platte die es getragen 
hat, fo würde die Lefung der erften Zeile wohl feine Schwierigkeit 
finden. Sch denfe mir nach den Andeutungen der Infchrift den Zus 
fammenhang etwa folgendermaßen. Ein Athenäer (3. 3: Kexoo- 
alöns), Namens Zuvodorog, Qcıodoros, Arodorog oder ähnlich 
(3. 9, aber in Paphos eingebürgert (daher 3. 3: zurong ano 
nargid' Es @Aınv) weiht der Aphrodite eine (verkleinerte) Nach— 
bildung eines Werkes des Phidias (3. 4: Deudıaxnv yayıra). 
Diefe Statuette fpricht in dem Epigramme; fie war weiblih (3.2: 
goyouevn). Aber welches war diefes Werf des großen Meifters, 
ein unbefanntes oder ein befanntes? und wenn leßteres: welches 
der befannten Werfe? Es kann wohl nur eine Athene gewefen feyn, 
da der Nominativ IIardas in 3. 1 doch wohl zugleich das Sub- 
ject zu dem Verbum xonlo in 3. 2 feyn muß: alfo die Athene 
Parthenos, die Promachos oder die Lemnia (Kallimorphos). Nun 
enttehbt aber eine neue doppelte Schwierigkeit. Einmal ſcheint in 
3. 1 von Schild und Nife in den Händen der Vallas die Rede zu 
feyn: "Aoni]da zaı Neiznv Iloarkas yeod — —; die Parthenos 
aber hatte nur die Nife auf der Hand, den Schild neben fich, die 
Promachos hielt den Schild (avezeı ryv aondda), hatte aber feine 
Nike, fondern den Speer in der andern Hand, und über die Dar— 
ftelflung der Lemnia giebt es Fein beftimmtes Zeugmß; fie hatte aber 
wahrfcheinlich eine friedfertige Haltung, alfo ſchwerlich den Schild 
am Arm (Schöl, Archäol. Mittheilungen ©. 725 vgl. Preller in 
Gerhards Archäol. Ztg. 1846, ©. 2645 über den muthmaßlichen 
Kopf der Lemnia auf einer Gemme des Afyafios, Gerhard, Miner- 
venidole S. 26, 5). Mithin fiheint das aonıda zul Nixmv Ilal- 
xas xeol auf keins der befannten Athenenbilder von Pheidias ganz 


Inſchriften von Cypern. 523 


zu paffen. Dazu kommt, daß die wahrfeheinliche, durch den antis 
thetifchen Gedanken faft fichere Herftellung des Pentameters: "On ]Aov 
ov yonlo noog Koungıv Eoyouevn vielmehr ein unbewehrtes Pal- 
lasbild vorausfeßt, während doch der Schild nach dem alten Sprach— 
gebraucje vorzugsweife ein Onrov ift. Wenn daher xeoı Yeivau 
fo viel heißen könnte wie &x yeıgög (ex zeoolv) Yelvar, fo würde 
ich vorschlagen zu leſen: 

Aoni]da »ai Nixmv Ilarras yeoi elo]e [mageıuı, 
und an eine Nachahmung eines völlig (bis auf Helm und Aegis) 
waffenloſen Pallasbildes von Pheidias denfen, etwa ver Schlüffelhal- 
tenden (Krndovyos) nah Plin. N. ©. 34, 19, 135 vgl. Ariftoph. 
Thesmoph. 1142 (wogegen Böckhs Zweifel zum C. I. I. p. 235 
nicht haltbar feheinen), oder einer etwaigen Ergane vder einer an» 
dern friedlichen Athene; allen ich wage einen folchen Sprachgebrauch) 
nicht zu vertreten. Vielleicht gelingt es Andern, die hier angereg« 
ten Bedenfen befriedigend zu löfen. Bis auf den zweifelhaften Schluß 
der erfien Zeile glaube ich alfo das ganze Epigramm fo Tefen zu 
dürfen : 

Aoni]ſu #al Neikmv Tladdas yeoiF..:a..Yi.. 
“On).ov oV york noog Kungıv Eoyousım » 
Kexoo]niöng w avednre nürong ano naroid’ &5 ahlnv 

Oslrodoros Ilapioıs Deidıiarnv yuoıra. 
Indeß kann der Gedanfe auch eine andere Wendung gehabt haben; 
es fonnte gefagt feyn: „Ich komme, ein Bild der friedlichen Pallas, 
nur mit Schild und Sieg“ (mit der Nife um felbft in ver Liebe zu 
fiegen; mit dem Schilde, um mich gegen unfreiwillige Bezwingung 
durch unerwünfchte Lebe zu ſchützen) z ,‚einer andern Rüſtung und 
MWaffe bedarf ich Hier nicht‘, 

"Ar).ov oV yonlo noog Kungıv Eoyouevn. 
Denn daß bier ein Götterbild einer andern Göttin geweiht wird, daran 
fann wohl Niemand mehr Anftoß nehmen, nachdem diefe Frage ın 
den Controverſen zwifchen dem verftorbenen Letronne und Herrn R. 
Rocette genügend erörtert worden iſt. Val. R. Rochette Questi- 
ons de l'histoire de l’art, p. 175 ff. Zu den dort beigebrachten 
Beifpielen fann noch ein fehr beitimmtes aus einer Patavinifchen 


524 Inſchriften von Eypern. 


Snfchrift gefügt werden, bei Orelli n. 1873 (Gruter 82, 8): Isidi 
signum Harpocralis, C. Didius Aculianus don(o) ded(it). 

Geht man aber einmal von der Vorausfegung ab, daß hier 
an eine Nachbildung einer der Athenen des Pheidias zu denken fei 
und daß diefe felbft rede, daß alfo auch im erften Verſe das Ver— 
bum in der erften Perſon ftehen müffe, will man vielmehr ein ande- 
res Werk des Pheidias vorausjegen, dem etwa die Pallas die Nife 
und etwas anderes (doridu, alyıda, zE021da) übergeben habe (zeoL 
Inkaro 2a... ), fo eröffnet fih den Conjeeturen ein weites Feld, 
Indeß ich räume dies Feld willig Anderen. 


Zufaß. 


Nach der Aufforderung des verehrten Freundes ergreife ich die 
freundlich dargebotene Gelegenheit feinen Erflärungsverfuchen einer 
jedenfall$ ausgezeichneten Inſchrift gleich bei deren erfter Bekannt— 
werdung einen neuen an die Seite zu ſetzen. Wir haben hier zwei 
verſchiedene, daher nicht zufällig auch auf dem Stein von einander 
getrennte Aufichriften. Im der ‚zweiten nennt der Weihende feinen 
Namen und Geburtsort und er ehrt diefen durch den ftolzen Namen 
eines Kefropiden, den er feinem eigenen hinzufügt, fogar ausdrucks— 
vol voranftellt. Aus dem gleichen Selbftgefühl des Atheners Tann 
es abgeleitet werden wenn er etwa ein Werk der Bildhauerei als 
Deidıaznv yapıra bezeichnete, als einer vorzüglich Attifchen und 
durch Phidias verberrlichten Kunft. Wenn ich nicht irre, kommt 
ſelbſt ohne folche befondre VBeranlaffung opus Phidiacum und Achn- 
liches in weiterem Sinne gebraucht vor, wie denn bei Hefychius 
(nah yıdırıa) Derdiaı Aı9oS0or find und Apellea ars für Ma- 
lerei von Statius und Martial gejagt wird, fo wie Apelleae la- 
bulae son Propertius. Was aber die Pallas betrifft, die im erften 
Epigramm fagt daß fie zu der Aphrodite fommend Schild und Nife 
nicht begehre oder brauche, fo fcheint dieß anzudenten daß fie dieſe 
abgefegt hatte, es würden fonft die Worte mehr enthalten als im 
Bild ausgedrückt wäre: denn auf andre Art ließ ſich ſolche Gefin- 





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Inſchriften von Cypern. 595 


nung nicht zum Ausdruck bringen. Und gewiß befteht wenigftens 
die Kunſt der befferen Griechifchen Epigramme auf Bildwerken haupt» 
fachlich in der großen Feinheit und Kürze, womit fie alles Wefent- 
liche zufammenfaffen oder verrathen, womit fireng zufammenhäangt 
daß nichts was über die vor Augen ftehenden Figuren hinaus gehn 
würde, zur’ Sprache gebracht werden durfte. Dann fragt fi) wei- 
ter : wie und wohin fonnten Schild und. Nife abgegeben feyn? Ei— 
nen Schildknappen hat Athene nicht z auf den Boden oder einen Als 
tar, Tiſch vder dergl. ihn abzufesen hätte fich nicht wohl ausgenom— 
men. Nein, fie bat fie abgetreten an die Aphrodite, zu der fie ge— 
fommen iſt und fo ftand alfo Athene ohne die gewohnten Abzeichen 
neben einer Aphrodite mit dem Schild (ven man aus Bildern, die 
auf ihren Bund mit Ares fi) bezogen, an ihr zu fehen gewohnt 
war und der darum der Lanze hier vorgezogen worden ift) und mit 
der Nife, welcher in ihrer Hand, wie zufällig fie ihr auch übergeben 
ſchien, fofort von Jedem Leicht eine ihr felbft angemefjene Bedeutung 
gegeben werden mochte. Fragen mag man allerdings, wie gerade 
zu den bier genannten beiven Abzeichen der Ausdruck Waffen paffe. 
Er ſcheint indeffen infofern nicht unfchieflih, als die Nife der Athene 
als Kriegsgöttin gerade in den Waffen ift, fie zu dem Bilde der 
fampfgerüfteten Göttin gehört. Es gründet fich aber diefe ganze Vor— 
ausfegung auf eine mit dem Naume verträgliche Ergänzung des erften 
Berfes, welche für fih außerdem die Nothwendigfeit eines Partieci— 
piums vor 0 207Lo geltend machen darf, indem die Auslaffung 
der copula gewiß Hier micht zu erwarten ſteht. Das Versende 
OA + Stage Ai füllt fih ungezwungen aus OEISAENI- 
AAAH, 9eio’ Evi arın. Die unbeftimmte ev alan zergl 
möchte dazu dienen den unummundnen Ausdruf einer Huldigung 
durch das Abgeben des Schilds und der Nife zu vermeiden, fo daß 
zunächſt nichts Andres gefagt wäre als, da ich zur Kypris gekommen 
bin, brauche ich mein Kriegszeug nicht, ich gebe es ab, die Freundin 
die ich befuche, nimmt es mir ab. Sm folgenden Diftihon fpricht 
demnach nicht mehr Athene, fondern das Weihgeſchenk das aus bei— 
den Figuren beftand. Der geborene Athener bat feine heimiſche Göt— 
tin und die feiner jeßigen Heimat) auf eine für die letztere ſchmei— 


596 Inſchriften von Cypern. 


chelhafte Weiſe mit einander verbunden und auf witzige Weiſe. Doch 
darauf kommt es an, ob man dieſe Verpaarung, ſey es Attiſcher Fein— 
heit, ſey es der toreutiſchen Zierlichkeit Alexandriniſcher Epigramme 
gemäß, oder eher ſpitzfindig und unwahrſcheinlich in der Sache 
finden wird. Könnte die Ergänzung als die im Weſentlichen einzig 
mögliche gelten, dann wäre auch der Sinn von Deudıaxnv zagı 
außer allen Zweifel gefeßt. 
Bonn, den 28. Mai 1850. F. G. Velden 


Beiträge zur Geſchichte der griechischen 
Sophiſtik. 


Wenn wir hiermit die Reſultate unſerer Unterſuchungen über 
einzelne controverſe Punkte aus der Geſchichte der griechiſchen So— 
phiſtik veröffentlichen, ſo geſchieht dieß ganz beſonders in der Abſicht, 
ſachkundige Gelehrte zur Aeußerung auch ihrer abweichenden Anſich— 
ten zu veranlaſſen, und dadurch zur Vervollſtändigung der auf die— 
ſen Gegenſtand bezüglichen Akten, welche wir durchaus noch nicht 
für geſchloſſen halten können, nach Kräften beizutragen. 

J. 

Wir eröffnen die Reihe mit einer Unterſuchung über das Ge— 
burtsjahr des Gorgias. Es fehlt ung gänzlich an direkten Zeugnifs 
fen der Alten darüber; und da die vorhandenen Nachrichten von 
den übrigen Lebensverhältniffen des Sophiſten nicht fo beftimmt Yau- 
ten, daß mit ihrer Hulfe die Geburtszeit genau ermittelt werden 
fönnte, ſo müffen wir uns mit einer Wahrſcheinlichkeitsrechnung be— 
gnügen, deren Nefultat uns zwar das Decennium feiner Geburt mit 
ziemlicher Sicherheit, das Jahr aber nur annäherungsweife ge- 
ben wird. 

Sm 2. Sahre der 88. Olympiade, 427 im Sommer, Fam 
Gorgias aus feiner Heimat der Stadt der Leontiner zum erften Male 
nach Griechenland, und zwar an der Spike der Gefandtichaft, durch 
welche die Leontiner fih von den Athenern gegen die Syrafufaner 
Hülfe erbaten. Es ift dieß eine erwiefene Thatfache, bei welcher 
wir ung nicht Länger aufzuhalten brauchen; vgl. Heinr. Ed. Foß de 
Gorgia Leontino commentat. pag. 18 ff. Diefe Gelegenheit, in 
Griechenland fein Rednertalent zu zeigen, und der entfchiedene Bei— 
fall, der ihm in Athen zu Theil ward, hatte zur Folge, daß er 
fortan den größten Theil feiner Zeit in Oriechenland und Theffalien 


528 Beiträge zur Geſchichte 


zubrachte, wo er fich durch feine Vorträge einen ausgezeichneten Ruf 
und eine Unzahl von Schülern, Anhängern und Nahahmern erwarb, 
Während er alfo zur Zeit feiner erften Ankunft in Athen in Bezug 
auf feine Wirffamfeit und feine Berühmtheit als Sophiſt und Ned» 
ner feinen Höhepunkt erft zu erfteigen im Begriff war, hatte er da— 
gegen die Blüthe feiner Jahre bereits hinter fih: er fand auf der 
Grenze zwifchen dem Mannes - und dem Greiſenalter; wie Philos 
firatus erzählt vit. sophist. pag. 492 (nad) der Kayſer'ſchen Zür- 
her Ausg. Bd. I. pag. 208.): Aareydeis d2 ’A9njvnow non 
ynoaswv El usv Und av nollav EIuvuuodn, ovnm Havıa 
u. f. f.; vgl. Eudocia ed. Villoison Bd. I. pag. 100. Es Tiegt 
nun freilich im diefen Worten nicht beftimmt ausgedrückt, daß Phi— 
Toftratus hier fpectell von des Gorgias Gefandtfchaftsrede fpreche : 
er wurde während der ganzen Dauer feiner Wirkſamkeit in Athen 
ob feiner Nedefertigfeit bewundert; auch könnte der Ausdruf.dıa- 
)eysodaı an fich wol mit demfelben Nechte, mit welchem wir ihn 
von dem zufammenhängenden Bortrag der Gefandtichaftsrede verfte: 
ben, von des Sophiften geſprächweiſem Diiputiren mit feinen Zu- 
hörern verftanden werden. Es möchte daher allenfalls einiges Be— 
denken erregen, ob diefe Stelle fo ohne Weiteres als eine Zeitbe- 
flimmung für des Gorgias Ankunft in Athen gefaßt werden fünne, 
wie dieß Jak. Geel in feiner historia critica sophistarum pag. 14, 
Foß pag. 11, Spengel in feiner Necenfion der Foß'ſchen Schrift in 
Seebode’s krit. Bibliothef, 1829, 1. Nr. 62, pag. 246, und, unfers 
Willens, alle übrigen Erklärer diefer Stelle gethan. Auf der andern 
Seite fcheint der Ausdruf „er erregte, ſchon auf der Schwelle des 
Greiſenalters ſtehend, durch feine Nedefertigfeit die Bewunderung 
der Athener“ eher auf einen beftimmten hervorſtechenden Zeitpunkt, 
als im Allgemeinen auf die Zeit feines Aufenthaltes in Athen hin« 
zudeuten, und zwar um fo eher, als Philoftratus nicht fagt, „noch 
als Greis“, fondern „ſchon faft ein Greis’ fer er von den Athe- 
nern bewundert worden, eine Ausdrucksweiſe, die unzweideutig den 
Mann in Einem einzelnen, beftimmten, vorzüglich erwähnenswerthen 
Momente feines Aufenthaltes in Athen, alfo am wahrfcheinlichften 
in feinem glanzvollen Debut als Gefandter feiner Vaterftadt ins 


der griechiſchen Sophiſtik. 529 


Auge faßt. Was aber das Wort dıadeysodaı betrifft, fo wird je— 
der Zweifel über die Bedeutung deffelben an unferer Stelle gehoben 
durch Divdorus, welcher lib. XI. cap. 53. daſſelbe Faftum mit 
demfelben Berbum unzweideutig fo erzählt: Ourog oVv xauranızyoas. 
eis tag’ Adnvag zul nagaydeig eig tov Önuov dLER&yIm roig 
Asnvaloıs neoi 175 ovunayias. 

Wenn nun Gorgias im Jahr 427 ndn ynoaoxwv war, fo 
fragt fi, welches Lebensalter am vichtigften unter diefem Ausdrucke 
zu verftehen fer. Natürlich ift verfelbe zu allgemein, ald daß ihm 
ein beftimmtes Lebensjahr mit Sicherheit fubftituirt werden fönnte, 
Dagegen darf wol mit Spengel a. a. D. angenommen werden, daß 
ein ynoaoxwv nicht unter 50 und nicht über 60 Jahre zähle, und 
da die weitere Rechnung duch Aufftellung Eines Jahres erleichtert 
wird, fo fegen wir (mit dem Bewußtfein, daß wir damit nur wahr- 
ſcheinlicher Weiſe das Richtige treffen) das 56. Lebensjahr des Gor- 
gias als dasjenige an, in welchem er im J. 427 nach Athen Fam; 
einerfeits, weil diefe Annahme, nach welcher des Gorgias Geburt 
ungefähr in das Jahr 455 fällt, fih, wie wir fogleich zeigen wer- 
den, leichter als alle übrigen mit den andern Notizen der Alten vers 
einigen läßt; anderfeits aber: auch allerdings, weil ung gerade das 
56. Jahr ganz vorzuysweile dasjenige Stadium der menfchlichen Les 
bensdauer zu bezeichnen feheint, in welchem die Jahre fih zum reis 
fenalter neigen. Und zwar fommt bei der Erklärung des 7dn yn- 
g9aoxwv an unferer Stelle offenbar nichts an auf die individuell 
verschiedene Körperfonftitution. Allerdings, ift der eine im 56. Al- 
tersjahre noch rüftig, der andere nicht mehr; aber der eine wie der 
andere ıft an Jahren (denn auf dieſe bezieht ſich ja der Ausdruck, 
nicht auf die Befhaffenheit der Körperfräfte) 747 ynouozwr. Es 
ift daher umrichtig, wenn Dodwell Cexereitatio secunda de aelate 
Pythagorae philosophi; Lond. 1704. pag. 218.) vermeintlich dem 
Suidas folgend in Widerfpruch mit Porphyrius, in Wahrheit aber 
im Gegenfaß zu Suidas Angabe nach Porphyrius (f. unt.), 
die Geburt des Sophiften in die 80. Olympiade, 460 ff., fest, und 
diefen dadurch ſchon in fiinem 33. Jahre zum Y70u0xwv ftempelt ; 
aber aus dem gleichen Grumde und nicht minder verfehlt iſt es, wenn 

Muf. f. Pie. N. g. Vil. 34 


530 Deiträge zur Geſchichte 


Foß p. 11. fagt: E nostra vero ralione (welche nad) Christo- 
phori Saxi Vorgang im onomaslicon lilterarium Bd. I. p. 32. 
des Gorgias Geburt in das 1. Jahr der 71. Olympiade, 496, ſetzt, 
und der auch Weftermann in feiner Gefchichte der griechifchen Be— 
redfamfeit $. 29 und in Plutarchi vitae decem orat. pag. 26. 
Note 13. beipflichtet) sexagesimum oclavum annum alligerat, cui 
quidem aelali, praeserlim quum validissima fuerit eius sene- 
ctus, imprimis illud vocabulum convenit. Denn ein Acht- [oder 
Neun-] undfechzigfähriger ift unter feinen Umftänden, und mag er 
auch noch fo kräftig fein, 707 Yroaoxwv, fondern, wie Spengel a. 
a. D, richtig fagt, uara ysowrv. An derjelben Ungenauigfeit lei— 
det die Rechnung Geel’s pag. 14, nach welcher Gorgias „eirca ol. 
LXX.“ geboren wurde, und der außer Anderen Gräfenhan ge— 
folgt iſt (Geſchichte der Haffifchen Philologie im Altertfum, 1. Bo. 
pag. 131). 

Mit dem Nefultat unferer Nechnung fiimmt nun vorerft die 
Nachricht fehr genau überein, daß Gorgias um ein weniges älter 
gewefen, als der Redner Antiphon, deffen Geburt in das 1. oder 2. 
Jahr der 75. Olympiade, 480 oder 479, falle. Als Gewährsmän- 
ner für diefe Notiz führt Foß pag. 11. nach Petrus van Spaan’g 
Vorgang (disserlatio historica de Antiphonte oratore allico, 
1765, in Reiske's oratores alt. vol. VII. pag. 795 ff. , - welkhe 
Abhandlung in Ruhnken's opuscula oratoria philologiea critica, 
Lugd. Bat. 1507. Ruhnken zugefchrieben und von da an gewöhnlich 
unter Nuhnfen’s Namen eitirt wird) Plutarch, „eui consenlit Sui- 
das“, wie van Spaan-Nuhnfen und Foß gleichlautend berichten, und 
Photius an. Genauer betrachtet redueiren fich diefe drei auf Ei- 
nen, nämlich auf den fogenannten Plutarch, den Verfaſſer der Le— 
bensbefchreibungen der 10 Nedner, welcher im 9. Band der Neisfe’- 
ſchen Ausgabe pag. 809 (pag. 26. bei Weftermann) fagt: FEyore 
de [’Avytıpov] xura ta neooıza xul Jooyiav rov oogıoryr, 
OAlyo veotegog avıov. Denn was Suidas betrifft, fo kön— 
nen die Worte unter Arrıgav: — aM Ouwg note roV dıranı- 
x00 yaoaxtnoog uera Tooyiav für unfern Zweck offenbar gar 
nichts beweifen. Bei Photius aber fteht im cod. 259. (lom. 1, 





der griedifhen Sophiſtik. 531 


pag. 486. a. ed. Bkkr.) O d2 yoorog 7v, xa9' 6v vrualev 
[’dvepur], &v @ dianengarraı 1a negoına, Ohy mo0oTEonv 
Togyiov roV o0pıorov yeyovas, alfo in Bezug auf fein zeitliches 
Verhalten zu Gorgias das Gegentheil von dem, was der Verfaffer 
der Lebensbefchreibungen berichtet, daher denn auch van Spaan⸗ 
Ruhnken und Foß vorschlagen, bei Photius für oAdym mo0Tegov zu 
leſen oAıym vewregog, Spengel dagegen in der Ivvayoyn teyvarv 
pag. 65. Note 84. zur Erreihung deffelben Sinnes, allerdings 
„lenius et probabilius® ysyovozog für yeyovas. Es ift jedoch für 
den vorliegenden Zweck diefe Stelfe durchaus fein Beleg, indem die 
felbe handgreiflich aus jener Lebensbefchreibung gefhöpft und, nad 
unferer Ueberzeugung, nicht durch einen Fehler der Abfchreiber des 
Photius, fondern durch eine Uebereilung des abfchreibenden Photius 
felber diefer Irrthum fich eingefchlichen hat, Erfteres beweifen gleich 
die unmittelbar folgenden Worte, welche in der Lebensbefchreibung 
lauten: zal nugareraxev Ewg zurakucewg tng Ömuorgariag Uno 
Twv TETORXOOLWV yEvouevns, nV adTog boxed GVvxataorevaoat 
— uera dE TyV zatakvoı TaV TETORKOCLWOV Eigayyshdeis oUV 
"Aozenroltum Evi Tav TErVax00l@v Eu, xal Tol; negl To» 
noodorwv Enızıwioig Önayseis arayos Eopipm xul ovv Tolg 
Exyövorg arıuog Ersyoapn u, ſ. f.5 bei Photius: mwoErewe d2 
zov Blov Ewg Tns Uno TWv TETERRO0IWV yeyevnusıng Karakv- 
0EwgS ınS Ömuoxgarilag, nS al aurov alılav HETEOYNREVOL paoı 
naoaoyelv*). dıö zul era Tnv xarakvaıw 10V TETORKO0LWV 
eisayyekFeis Eu zal Tols ıwv noodorwv Enıtuwiorg vnopın- 
Jeig arapog Eogipn xal yEyovev arıuog oÜx aurog uovov alla 
zal 01 ES alıoo girzss u. f. fe Die unter Plutarchs Namen 
überlieferte Lebensbefchreibung ift alſo Die einzige Duelle der Nach— 
richt, Takt Antiphon zara Tw neooıxa yevouevog um weniges jün- 
ger gewefen jet als Gorgias. Aus diefer ift dieſelbe nicht nur 
(wiewohl verberbt) in das Werk des Photius, fondern auch in das 
„yerog "Avrıpovrog“ übergefloffen, welches den Reden des Anti- 


od Dieſe Worte ſcheinen aus einer Verſchmelzuug von wei Lesar⸗ 
ten: 75 zei avıöv alılav yaoı n09@0gEiv und 75 zwi auıoy [eirier] 
UELEOYYZEVGE gao6E entjtanden zu fein, 


532 Beiträge zur Geſchichte 


phon vorgedruckt iſt. Hier fteht zu Anfange, mit Nückficht auf das 
Zeitverhältniß zwifchen Antiphon und Gorgias etwas unbeftimmter 
als in der Lebensbefchreibung, aber deswegen nicht weniger richtig: 
xara ÖE ta negoıxa yerousvog ovvnzuaos Togyia ıW aoyıorn. 
— Wir haben übrigens gar feine Urfache, in die Wahrheit diefer 
Nachricht einen Zweifel zu ſetzen. Auch fcheint es in dem Sprach— 
gebrauch begründel, daß nach dem Vorgange des Corfinus (Fast. 
Alt. tom. III. pag. 166.) alle Erflärer zara za neooıza auf den 
Zug der KZerres beziehen, und deswegen die Geburt des Gorgias 
in das 1. oder 2. Jahr der 75. Olympiade, 480 oder 479, fegen. 
Diefe Stelle ift alfo ein gewichtiges Zeugniß für die Nichtigkeit un- 
ferer Rechnung, nach welcher Antiphon wirflih eAıy p vewrsoog war 
als Gorgias, nämlich etwa 3 oder 4 Jahre; dagegen fpricht Diefelbe 
weit weniger zu Gunſten der Annahme von Foß, Weftermann, Geel 
und Gräfenhan, welche, da fie die Geburt des Gorgias in das 1. 
Jahr der 71. oder gar in die 70. Dfympiade ſetzen, OAym venzs- 
vos auf 16 und noch mehr Jahre auszudehnen genöthigt werden. 
Nah der Chronik des Eufebius fodann (ed. Aucher. tom. Il. 
pag. 213.) „agnoscebantur* um die 86. Olympiade, 436 ff., 
„Democritus Abderites et Empedocles et Hippocrates medicus, 
Gorgias Hippiasque, Prodicus et Zeno et Parmenides philoso- 
phi“, welche Nachricht fich fehr Leicht mit unferer Annahme vereini- 
gen laßt. Denn wenn auch die eigentliche Blüthe des Gorgias erft 
in die Zeit nach feiner Geſandtſchaft fällt, fo läßt ſich doch dieſes 
agnoscebatur fehr wol auch auf einige Jahre früher anwenden, 
zumal da eine folhe Zufammenfaffung von acht verfchiedenen Namen 
ungefähr gleichzeitiger Männer unter Einer Olympiade der Natur 
der Sache nach nicht auf die Genauigkeit Anſpruch machen kann, daß 
ſich nun wirklich auch der Höhepunkt jedes Einzelnen ſpeciell gerade 
auf dieſe Olympiade zurückführen laſſe. Uebrigens mußte ſich Gor— 
gias offenbar ſchon um die von Euſebius angegebene Zeit in ſeiner 
Heimat einen bedeutenden Ruf erworben haben, um im Jahr 427 
vom Staate mit einer ſo wichtigen Geſandtſchaft betraut werden zu 
können. — Bei Syncellus iſt die Blüthe des Gorgias, Hippias, 
Prodikos elc. pag. 257. C in die 87. Olympiade geſetzt. 





der griechiſchen Sophiſtik. 533 


Porphyrius feheint die Geburt des Sophiften in die 80. Olym⸗ 
piade, 460 ff., gelegt zu haben. Suidas fagt nämlich unter T’og- 
yiag: Iloopvgıog dE wuroy Eni. ıng n’ Ohvunıadog didnow 
arhG yon vosiv nosoßuregov avrov eva. Die Worte Eni zig 
n’ Okvunındog ridnoıv an ſich laſſen es zwar zweifelhaft, ob Por 
phyrius die Geburt oder die Blüthe des Gorgias in die 80. Olym⸗ 
piade gefegt habe. Foß pag. 7 halt das letztere für richtiger. Aus 
dem Zufammenhang des Suidas geht fo viel hervor, daß Suidas 
bei Porphyrius unter der 80. Olympiade die Geburt des Sophiften 
entweder wirklich verzeichnet fand, oder doch zu finden glaubte. Dar— 
auf deutet theils bis auf einen gewiffen Grad fihon der Ausprud 
no9Eoßvreoov yersodaı, theils Die Sache ſelbſt; denn die Blüthe 
des Gorgias wollte Suidas (wie auch Foß richtig. bemerft) doch 
wol nicht im Widerfpruh mit allen übrigen griechifchen Autoren 
früher fegen als in die 80. Olympiade. Foſſens Annahme, Por— 
phyrius zwar habe von der Blüthe des Sophiſten gefprochen, Sui— 
das aber irrthümlich die Notiz des Porphyrius von der Geburt ver- 
ftanden, iſt auch nicht gerade unwahrfcheinfih, Wie dem aber au 
fein mag: Suidas alfo fest, den Porphyrius eines Irrthums zei- 
bend, die Geburt des Gorgias früher als in die 80. Olympiade, 
und hierin wird ihm niemand wiverfprechen. 

Sm Gegentheil haben van Spaan-Ruhnken pag. 797 bei 
Neisfe und Harles zu des Fabricius biblioth. graeca tom. Il. pag. 
805 ff. nicht bloß die Geburt des Sophiften, fondern auch die Blü- 
the deffelben nur um allzuviel früher gefest als in die 80. Olym— 
piades namlich um ganze 40 Jahre. Ihr Autor ift Plinius, welcher 
im 33. Buch feiner Naturgefehichte cap. IV. $. 83. fagt: Homi- 
num primus et auream statuam et solidam septuagesima eirci- 
ter olympiade Gorgias Leontinus Delphis in templo sibi posuit: 
tantus erat docendae arlis oratoriae quaestus. Wir find aber 
mit Geel pag. 14, Foß pag. 11 f. und Spengel in der oben an- 
geführten Necenfion pag. 246 vollfommen überzeugt und es Täßt 
fih ſehr Leicht bemweifen, daß diefe Worte ein Verderbniß oder doch 
wenigftens einen Irrthum enthalten. Nach diefer Stelfe nämlich 
hätte Gorgias, um fih in der 70, Olympiade, 500 ff., aus feinem 


534 Beiträge zur Geſchichte 


Erwerb cine maffio goldene Statue feßen zu können, allerwenigftens 
25—30 Jahre früher, alfo fpäteftens 525 geboren worden fein müfs 
fen. Dieß wird aber durch alle übrigen hieher gehörenden Zeug- 
niffe, die zum Theil von den ficherften Autoren herrühren, geradezu 
widerlegt. Schon oben. haben wir gefehen, dag Philoftratus, ver 
Berfaffer der Lebensbefchreibungen der 10 Redner und Euſebius über» 
einfiimmend den Plinius Lügen ftrafen. Denn wäre feine Angabe 
richtig, fo wäre Gorgias im Jahr 497 nicht, wie Philoftratus a. 
a. D. berichtet, 707 ynoaoxwv , fondern ungefähr Hundert Jahre 
alt geweſen; er wäre auch nicht, nach dem DVerfaffer der Lebensbe— 
ſchreibung, oAdyw älter ald Antiphon, fondern ungefähr ein halbes 
Sahrhundert 5 feine Blüthe Fönnte nicht, nach Eufebius, um die 86. 
Olympiade erft begonnen haben, fondern müßte in vie 70. gefegt 
werden. Wir wollen zwar weder den Philoftratus, noch den Ver— 
faffer der Lebensbefchreibungen,, noch den Euſebius jeden für fi 
als einen unbedingt zuverläßigen Gewährsmann hinftellen ; aber durch 
ihre Uebereinftimmung unter fich fowohl als mit den übrigen noch 
anzuführenden, weit fichereren Autoren gewinnt ihr Zeugniß über 
die Zeit des Gorgias hinlängliche Glaubwürdigkeit. In der Apo- 
logie des Plato pag. 19. D, E (wir haben über diefe Stelfe in 
den Quaestt. protagoreae pag. 62 f. genauer gefprochen) werden 
Gorgias, Prodifus und Hippias als noch lebende Sophiſten ange- 
führt, und es ift hier ein Anachronismus nach der Befchaffenheit ver 
ganzen Stelfe rein unmöglich; Protagoras wird eben deswegen über- 
gangen, weil er damals fchon todt war. Ebendaffelbe, und zwar 
daß Gorgias den Sofrates noch überlebte, bezeugt am bejtimmteften 
Dnintilian Instit. lib. II. cap. 1. $. 9: Gorgias — ultra Socra- 
tem usque duravit. Nun erſtreckte fih zwar die Lebensdauer des 
Gorgias allerdings, wie wir fehen werden, auf 108 oder 109 Jahre, 
nicht aber auf mehr als 125, was man annehmen müßte, wenn des 
Plinius Zeitangabe richtig wäre, Die Bemerfung Foffens pag. 9. 
über obige Worte Quintilians: „lam vero quamquam Quintilia- 
nus exponere omisit, quanto intervallo Socratis aelatem Gor- 
gias superaril, ipsa lamen eius verba non longum illud fuisse 
demonstrant; alioqui quomodo apta essent illa usque ulira So- 


der griechiſchen Sophiſtik. 535 


cralem duravit? Etenim si, ut Dodwellus pag. 218. staluil, 
Gorgias ol. CVIL. attigit praeterpropter, ut mors eius non ad- 
modum remota fuerit a morte Platonis, quae ol. CVII 1. 
assignalur, dicendum erat Quintiliano: prope ad Platonem 
usque duravi“ — trifft wohl Dodwells Rechnung, der die 
Geburt des Gorgias in die 80. Olympiade fest, und gegen ben 
Foſſens Worte gerichtet find, nicht aber die unfrige; denn bie 
101. Olympiade, in welche nach unferer Anfiht der Tod des 
Gorgias fällt, liegt näher der 95. in welcher Soerates ftarb 
als der 108., abgefehen davon, daß hier eine Vergleihung mit So— 
erates an fich ſchon dem Duintilian wie feinen Lefern weitaus die 
geläufigfte fein mußte, — Ein fernerer Zeuge gegen Plinius iſt Pau— 
fanias lib. VI. cap. 17. $. 9: "Aa ye Exeivov (tov Troiov) 
TE &g nAEov Tıuung apixero 6 Topyius nava "Admvaioıg, xail 
Iaowv &v Osooalıa rvoavvnoag [loAvxgarovg 09 Ta Eoyara 
Evsyxautvov dıdaoxwlelov too Adyvnoı, Tovrov ToV avdoög 
Eening009ev auıov 6 ’Iaowv Enoınoaro. Gorgias lebte alfo noch 
in Theffalien zur Zeit des Jaſon (nicht Alexander, wie Clinton 
Fast. Hell. a. 427. irrthümlich fehreibt) von Pherä, der erft im 4. 
Sahrhundert zur Herrfchaft Fam und im 3.370 ermordet wurde. — 
Endlich führen wir bier noch eine Stelle an, welcher Foß zu viel, 
Spengel zu wenig Werth beilegt, Im zweiten Buch der Anabafis 
fagt Zenophon, nachdem er erzählt hat, wie Prorenos der Böotier 
mit vier andern Strategen im 4. Jahr der 94. Dfympiade, 401, 
von Tiffapharnes gefangen genommen und enthauptet worden, in der 
Charafteriftif diefes Mannes cap. VI. $. 16, 17, 20. unter An- 
derem Folgendes: Iloosevog d& 6 Bowriog zvVdug sv usı0a- 
xıov @v Ene}Vusi yeveodaı dvng Ta usyarı noaıreıy Inavog, 
»al dia Tavınv ınv Enıdvulav Eiwre Tooyın doyvoıov m 
Asovrivo. Enei dE ovveyevero Erelvm, izavog ndn vowioag &.- 
var zul ayyeiv zul pihog @v 108g nowrog un Arraodar. eu- 
goyerov, nAdEv Eis ıavrag tag ouv Kugm nouseıs: xal mero 
x1n080Iaı Ex TOVTWwv Ovou@ ucya xml Övvarnıy ueyarnv zul 
zonuara nokla. — dıe ÜE anedvnoxev, Nv EI@v WG Tolaxovım. 


Aus diefer Stelle ſchließt Foß pag. 9, daß Gorgias noch gelebt 


536 Beiträge zur Geſchichte 


babe, als Prorenos nach Aſien 309. Die Sache ift auch allerdings 
fo erzählt, ald ob Proxenos unmittelbar oder doch wenigftend bald, 
nachdem er den Unterricht des Gorgias verlaffen, nach Afien gegan- 
gen fey; und es fcheint auch uns diefe Notiz, zufammengehalten mit 
denjenigen des Plato, Duintilianus, Philoſtratus u. f. f., mit dafür 
zu fprechen, daß Gorgias zu Ende des 5. Jahrhunderts noch gelebt 
babe. Spengel thut bier Foß Unrecht, wenn er pag. 246. fagt: 
„Der Berfaffer glaubt alfo, daß Gorgias bei des Proxenos Tode, 
der im 30. Jahr feines Lebens erfolgte, DI. LAXXAIV. 4., nod 
gelebt habe“, und nun zu beweifen fucht, daß dieß aus jener Stelle 
des Kenophon nicht hervorgehe. Foß folgert aus derfelben nicht, daß 
Gorgias noch gelebt, als Proxenos umkam, fondern bloß: „inter 
Proxeni cum Cyro socielalem coniunctionemque, et inter illud 
tempus, quo Gorgiae diseiplinam reliquerat, aut nullum aut per- 
exiguum intervallum fuisse interieelum, ut, quum Proxenus in 
Asiam contenderet, vixisse adhuc Gorgiam probabilis sit con- 
iectura“, worin wir ihm wollfommen beiftimmen, obgleich wir. deß— 
wegen durchaus nicht fagen möchten, es fei dieß ein Zeugnif, „quo 
etsi non prorsus absolvilur res ac perfieitur, tamen magna si- 
gnificalio fit, quid in hac quaestione [nämlich de natali Gorgiae 
aelate] sit slatuendum.* Uns ift Kenophon mit Plato, Paufa- 
nias, Duintilianus, dem Verfafler der 10 Lebensbefchreibungen, Phi— 
Ioftratus und Eufebius ein Gegenzeuge gegen Plinius, daher fich 
diefer wohl entweder Spengels Emendation (nonagesima für Sep- 
Iunagesima) gefallen laffen, oder, troß dem Bedenken Tennemanns, 
dem Plinius einen „ſo großen chronologiſchen Schniger“ zuzufchreis 
ben (Gefch. ver Philofophie, herausg. von Am. Wendt, Bd. I. pag. 
462) den Irrthum auf feine. eigene Rechnung nehmen müffen wird. 

Anderweitige Momente aus dem Yeben des Gorgtas Fommen 
für den Zweck der Feftfegung feines Geburtsjahres nicht in Betracht, 
außer etwa fein Schülerverhältniß zu Tifias und Empedofles, und 
fein Lehrerverhältuiß zu Sfokrates u. A. Was den Tifias betrifft, 
deffen Schüler Gorgias von dem Scholiaften des Hermogened in 
Walz rhetor. gr. tom. IV. pag. 14. genannt wird, fo iſt Thatfache, 
daß er ein Zeitgenoffe Des Gorgias war (vgl. Quaestt. prolag. 


der griechiſchen Sophiſtik. 537 


pag. 43.), diefer alſo, was die Zeitverhältniffe betrifft, Leicht des 
Korar und Tiſias neue Redekunſt von Tegterem Iernen fonnte. Daß 
dieß auch wirklich gefchehen, wird aus der Gemeinschaft des Vater— 
landes, der Titterarifchen Beftrebungen,, fo wie aus andern Berüh— 
rungspunften , die zwifchen Gorgias und Tifias nachgewieſen werden 
fönnen, mit ziemlicher Sicherheit zu fehließen fein, und ftreitet auch 
nicht, wie Foß pag. 18. glaubt, gegen die Chronologie. Dieß weis 
ter auszuführen gehört nicht bieder: genug, daß Tifias, deffen Blü- 
the etwa in die Mitte des 5. Jahrhunderts fällt, des Gorgias Leh— 
rer fein fonnte, ohne unfere Beftimmung des Geburtsjahres des 
Sophiſten zu ſtören. Ebenſo verhält es fih mit Empedokles. Das 
Scülerverhältni des Gorgias zu Empedofles wird von Quintilian 
Instit. lib. II. cap. 1. $. 8, Satyrus bei Divgenes Laertius lib. 
VIII. $. 58 f., Suivas v. Tooylas, Eudocia pag. 100, und den 
Scholiaften zu Platons Gorgias p. 465. D. (ed. Turic. pag. 909.a.) 
erwähnt, und unterliegt auch aus Innern Gründen, wenigftens im 
weiteren Sinne verftanden, feinem Zweifel. Nach Foffens Rechnung 
pag. 14, welche unftreitig vor derjenigen von Dodwell (pag. 219) 
und Sturz (Empedocles p. 8—10) den Vorzug verdient, fällt die 
Geburt des Empedofles ungefähr in daß 1. Jahr der 71. Olympiade, 
496, in welchem Jahre nach Foß auch Gorgias geboren wurde, wäh— 
rend nach unferer Chronologie des Spphiften diefer 13 Jahre jün- 
ger war als fein Lehrer Empedofles. Karten in Empedoelis Agri- 
genlini carminum reliquiae, pag. 11. fest die Geburt des Empe— 
doffes, von Foß nicht fehr abweichend, ungefähr in die 72. Olym— 
piade; wir unferfeits würden mit mehr Necht hinter die 71. Olym— 
piade zurüc, als über diefelbe hinaus gehen zu dürfen glauben. Je— 
denfalls entftcht alfo auch von diefer Seite unferer Rechnung feine 
Schwierigkeit. — Daß nun im Ferneren Gorgias des Sokrates Leh— 
rer gewefen, ift eine Nachricht, welche durch das übereinftinmende 
Zeugniß des Cicero, Valerius Maximus, Dionyfius, des Verfaffers 
der 10 Lebensbefihreibungen, des Suidas, der Eudocia und des Bio— 
graphen des Iſokrates (fiebe die Stellen in unferer Ueberfiht am 
Schluß) über jeden Zwerjel erhoben wird. Da nun hinwiederum 
durch die bei Clinton Fast. Hell, unter Ol. S6, 1. angeführtn 


538 Beiträge zur Geſchichte 


Stellen ausgemacht ift, daß Iſokrates im Jahr 436 geboren wurde, 
fo ift far, daß Sokrates allerdings, um mit Cicero zu fprechen, 
in Thessalia adolescens senem iam Gorgiam audire fonnte, wenn 
Gorgias vom Jahr 427, dem 56. feines Lebens, an noch ein halbes 
Jahrhundert vorzugsweife in Theffalien und Griechenland zubrachte. 
Die Nachricht des Philoftratus, des Suidas und der Eudocia, daß 
auch Perikles des Gorgias Schüler gewefen, ift von Spengel in der 
Svrvaywyn teyvov pag. 64 ff. gehörig gewürdigt worden. Außer 
Sfofrates und Perifles werden noch Plato, Thucydives, Prodifug, 
Polus, Aleidamas, Hippokrates, Kritias, Agathon, Aefchines, Anti> 
ſthenes und Licymnivs von mehr oder weniger glaubwürdigen Auto— 
ren als Schüler, Zuhörer oder Nachahmer des Gorgias aufgeführt; 
und feiner derfelben fällt in eine Zeit, durch welche unfere Nechnung 
geftört würde, ganz abgeſehen von der Nichtigkeit oder Unrichtigfeit 
diefer Ueberlieferung in Bezug auf die einzelnen Namen, 

Was nun die Lebensdauer des Gorgias betrifft, fo haben wir 
bereits im Allgemeinen gefehen, und Hierin ſtimmen alle Nachrichten 
überein, daß er, wie ihn Cincius Alimentus (bei Zulgentius de pri- 
sco sermone cap. 8.) nannte, Silicernius geworden. Schon in 
dem Phädrus des Plato pag. 261. B. C. wird er mit Neftor ver> 
glihen, ws aldnuwv zul noAvsıng, wie der Schofiaft zu Diefer 
Stelfe (ed. Turic. pag. 964 b) mit Rückſicht auf moAverzg we- 
nigfteng richtig erflärt. Daß er nAsıo rov Exurov Erwov gelebt, 
berichtet Demetrius von Byzanz bei Athenäus lib. XII. pag. 548. 
Plutarch de oracul. defectu tom. VII. pag. 656 Rsk. macht vie 
Bemerkung, daß Gorgias um mehr als ein Drittheil älter gewor— 
den fei, als Epikurus, der in feinem 73. Jahre farb: Yınıacıov 
yap ovrog (Adsdıs 6 awumdonodg) Einoe tod Mnrgodwgor, 
Enixovgov Ö’ Exelvog (Tooylag) nAEov mn Enitorov. Vergl. 
Cicero de senect. cap. VII. $. 23, Aelianus Var. Hist. lib. 1. 
cap. 35, Stobäug Floril. tit. 101, 21 und Euftathiug zu Hom. Od. 
l. I. v. 227 (pag. 1413. Rom.). Inter den Stellen, welche die 
Zahl feiner Lebensjahre beftimmt angeben, ftehen vereinzelt da die 
Nachrichten des Panfanias lib. VI. cap. 17. $.9: Bıwvaı de ern 
Togyiav nevre paolv Eni rolg Exurov, und diejenige Des Cicero 


ver griechiſchen Sophiſtik. 539 


de senect. cap. V. $. 13: Leonlinus Gorgias cenlum et sep- 
tem complevit annos, neque unquam in suo studio atque opere 
cessavit. Qui quum ex eo quaereretur, cur tamdiu vellet esse 
in vita, „nihil habeo“*, inquit, „quod accusem senectutem“, und 
die des Klearchos bei Athenäus lib. XII. pag. 548: ori din 76 
onposvog Inv oyEdöov Oydonzovza Ern id poovelv ovvsßiwoev. 
Die Stelle des Cicero feheint die Duelle zu fein, aus welcher Va— 
lerius Maximus lib. VIEL cap. 13. extern. $. 2. gefchöpft hat: 
Gorgias eliam Leonlinus, Isocratis et complurium magni in- 
genii virorum praeceptor, sua sententia felicissimus. Nam cum 
centesimum et seplimum ageret annum interrogalus, quapropler 
tamdiu vellet in vila remanere „quia nihil*, inquit, „habeo 
quod seneclutem meam accusem.* Die Uebrigen ſchwanken in 
ihren Angaben zwifchen den Zahlen 108 und 109, und zwar fpres 
chen für 108 Plinius Hist. ‘Nat. lib. Vil. cap. 49: Masinissam 
sexaginla annos regnasse indubitatum est, Gorgiam Siculum 
cenlum et octo vixisse; Lucianus Macrob. cap. 23 (vol. Hl. 
pag. 327. ed. lacobitz,): Prröogwv de Togyiag, Öv tıveg 00- 
yioryv xaLovVoı, [aneFare yerouevos] Ern &xarov 0xrw; Phis 
Ioftratus vit. sophist. pag. 494. (ed. Kayser. luric. pag. 209.): 
Atyeraı Ö2 0 Tooylag &5 OxTw xal Exardv Eiaoag En un x0- 
takvsivaı TO oWua Und Tod y70wg, ah)’ ugT10S zarapımvar 
xail tag uiosyasız HBov —, welche Stelfe Eudocia pag. 101. wörtlich 
wiederhoft; Cenforinus de die nat. cap. 15. (pag. 74. ed. Ha- 
verc.): Democritum quoque Abderiten et Isocratem rhelorem 
ferunt prope ad id aelalis pervenisse, quo Gorgiam Leonlinum, 
quem omnium veterum maxime senem fuisse et oclo supra 
centum annos habuisse conslat, und der Scholiaft zu Plato’s 
Phädrus a. a. Di: Oro yag zul Exarov Elnoev Ern. Dagegen 
für 109. ſtimmen Apolodorus ver Chronograph bei Diogenes Laer— 
tius lib. VII. $. 58.: Tooyrav yovv Tov Asorılvov avrov [Eu- 
nedoxA£ovs] yevEodaı uadntnv (pyol Survoog), avdga Uneo- 
Ey0vr@ Ev OmTogirn zal Teyvnv anokeloınora: 6v pnoiv Anok- 
1000905 Ev yoovızoiz Envea nyog Exarov Ern Provar, — Duin- 


tilianus Instit. lib IH. cap. 1. 9. 9: Gorgias Leonlinus bene- 


540 Beiträge zur Geſchichte 


ficio longissimae aelalis (nam cenlum et novem vixit annos) 
cum multis simul floruit, und Suidas v. Fopyiag* — Eßıw de 
&rn 09°. Diefes Schwanfen zwifchen den Zahlen 107, 108 und 
109, wobei die beiden zuverläßigften Autoren, Cicero und Apollo— 
dorus, auf den Exrtremen ſtehn, läßt fi wol aus mehrfacher Au— 
Ferachtlaffung des Unterfchiedes zwifchen der Cardinal- und der Or— 
dinalzahl erklären. Des Apolodorus Angabe 3. B. gieng vielleicht 
dahin, daß Gorgias im 109. Lebensjahre geftorben, alfo 208 Jahre 
alt geworden ſei; und Iegtere Notiz, von einem Dritten ungenau 
durch die Ordinalzahl wiedergegeben, führte zu der eiceronifchen 
Veberlieferung. Spengel giebt dem Zeugniß des Apollodorus den 
Vorzug, Foß findet in der Mitte die Wahrheit: und da Cicero doc) 
wol dem Apollodorus wenigftens die Wage halten wird, Cbefonders 
feit C. Fr. Hermanns disputalio de philosophorum lonicorum 
aclalibus, Gott. 1849.) fo folgen wir diesmal Foß, und nehmen 
108 als die Zahl der Jahre an, welche Gorgias durchlebt, fo daß 
er im 2. Jahre der 101. Olympiade, 375, im 109. Lebensjahre 
ſtarb. Doc thut bier Foß pag. 10 Dodwell höchſt Unrecht, wenn 
er diefem eine „nolabilem negligentiam vel temerilatem* yorwirft, 
indem derfelbe dem Gorgias einen Lebenslauf von 110 Jahren oder 
28 Olympiaden und 2 Jahren gebe. Dodwell fagt a. a. O.: „Vi- 
vacissimum illum sophistam agnoscunt omnes, nec anno, cum 
decederet, centesimo decimo multo minorem. Conficient anni 
vel olympiades viginli septem et duos praeterea annos. 

Zur leichteren Ueberficht der Refultate unferer Wahrfcheinlich* 
feitsrechnung in ihrem Zufammenhang unter fi fowol als in ihrer 
Uebereinftimmung mit den Quellen ftellen wir die Hauptvaten in 
Folgenden zufammen : 

D1. 74,2. :=483., Gorgias wird geboren. 

75, 1—2 =480—479. Antiphon wird geboren, OAlym 
vewregog looylov. (Vitae X 
orator. pag. 309. Rsk. Vgl. Photius 
cod. 259. T’evog Avrıpwvrog init.) 

c. 81. —=456 fe - Gorgias genießt den Umgang 
des Empedokles. (Quinlil, Inst. 


86. 


88, 2 


91. 


der griechiſchen Sophiſtik. 541 


— 436 ff. 


= 497. 


= 416 ff. 


lib. IH. cap. 1. $. 8. Diog. Laert. 
lib. VII. $. 58. Suidas v. L’opylas. 
Schol. zu Platons Gorg. pag. 465D. 
Eudocia ed. Villoison tom. 1. pag. 
100.) 


„Gorgias etc. agnoscebantur.* (Eu⸗ 


feb. chron. tom. II. pag. 213. Auch. 
Bol. Syneellus pag. 257. C.) 


Gorgias fommtals Gefandter 


vonLeontini zum erftien Male 
nad Athen, ndn ynoaoxw». 
(Philoſtr. vit. soph. pag. 493.) 


Gorgias fest fih aus dem Er» 


trage feiner Runft in Delphi 
eine goldene Statue. (Plinius 
Naturgefch. lib. XXXIII. cap. 4. $. 
83. nach Spengels Emendatiom — 
Vgl. Cie. de Orat. 1. Ill. cap. 32. 
8.129. Philostr. vit.soph. pag. 493.) 


„Isocrates adolescens (20— 24 Jahre 


alt) senem iam Gorgiam (67—70 
Sabre alt) audit.“ (Cicero Orat. 
cap. LI. g. 176. — Vgl. Cicero de 
seneecl. cap. V, $. 13, Balerius Mar. 
lib. VIII. cap. 13. ext. 2. Dionyf. 
iud. Isocr. tom. V. pag. 555. Rsk. 
Vit. X. orat. pag. 327. Suidas v. 
Jooyias und v. looxgarns. Eudvcia 
pag. 100. Vita Isoer. in den Scholien 
zu den oralores altici herausgeg. von 
Baiter und Sauppe pag. 46.) 


Proxenos der Böotier verläßt 


den Unterricht des Gorgias. 
(Xenoph. Anab. lib. I. cap. VI. 
$. 16 ff.) 


542 Beiträge zur Geſchichte 


ec. 100. = 350 ff. Gorgias lebt in Theffalien 
unter Jafon von Pherä(Pau— 
fan. lib. VI. cap. 17. $. 9.) alfo 
„ulira Socratem usque duravit“, 
Quintil. lib. II. cap. 1. g. 9.) 

Gorgias ftirbt, 108 Jahre alt 
(Plin. Naturg. lib. VII. c. 49. Luc. 
Macrob. cap. 25. Philoftrat. vit. 
soph. pag. 494. Eudoeia pag. 101. 
Eenfor, de die nal. cap. 15. Schol. 
zu Plat. Phädr. pag. 261. B.C.) 
in feinem 109. Sabre (Apollodorus 
bei Diog. Laert. lib. VL. $. 58.— 2). 
ll. 

Die Frage, ob die unter des Gorgias Namen überlieferten 
Deffamationen "ErErng "Eyzwwıov und “Yntg Ilerlaundovs ’Ano- 
royia acht feien, hat Karl Schönborn de aulenthia declama- 
tionum quae Gorgiae Leonlini nomine exstant dissert. Vratis- 
lav. 1836 bejahend beantwortet, indem er befonders nachzuweifen 
fuht, daß Gorgias wirklich ähnliche Gegenftände behandelt habe, 
und daß die Diftion in beiden Deflamationen ächt gorgianifch fei, 
da vorzüglich die Nedefiguren des Sophiften fich in jenen wiederfin- 
den. Während die meiſten dieſer oyruara ſich theils aus ihren 
Namen feldft, theils aus den Erklärungen ver griechifchen und römi— 
fohen Nhetorifer Leicht deuten laſſen und auch fchon von Ernefti, 
Schönborn u. A. richtig gedeutet worden find, feheinen zwei derſel— 
ben bis jegt vergebens auf ihren Erffärer geharrt zu haben, die 
dnooraoız und die noosßoiAn, welche Philoftratus an zwei Stellen 
unter den rhetorifchen Erfindungen des Gorgias nennt: in der Bio- 
graphie des Sophiften pag. 492. (ed. Kayser. turic. pag. 205): 


- A * * >. N * J \ 
Oouns te yao roig oopıorais no5E zul nagadosoroylus zul 


) 
8) 
=] 
[> 


101, 2 


nVEuuatog zal TOD Ta ueyala ueyalmg Eoumvevsiv ANOOTE- 

* - — — c ’ eo, c = ’ 

cEewv TE xal noosßoiAwv, up’ wv 6 Aoyog ndiwv Euvrov yi- 

yveraı zul ooßaowteong* negıeßahhero dE zul nomtixa OV0- 
c x [4 N . ’ ’ 

HUaT@ UnEo x00uov xul GEMVornTos — und in dem 13. Briefe 


der griechiſchen Sophiſtik. 543 


(ed. Kayser. epist. 73. pag. 364.), wo er von den Nachahmern 
des Gorgias fpriht: Ai de danootraosız ul re ngooßokei 
ı0v Anywv Topylov EneywpiuLov noAlayov utv uakıora de 
Ev TO Tov Enonoıwv xUuxkm. 

Was nun vorerft die andoraoız betrifft, fo erflärt Schönborn 
diefe Figur pag. 23. folgender Maßen: Videlur a grammaticis 
haee disiunclio ita esse nominata, quae orilur, si inter duas 
enuntiationes vel sententias, quae coniungendae sunt, terlia 
quaedam explicationis vel amplificationis gratia inserilur. Ex- 
emplo sit locus ex oralione de corona cap, 56: Aüry ıwv 
negi Onßasg EyEvsro noayuaıwv doyn xul xuraoraoıg nowrn‘ 
Tu nv0 rortwv &ilg ExIoav xal uloog zul dnioriav ıWv nü- 
hEwy Unnyusvoy Und TOoVTWVv. Toro To Yrpıoua ToV Tore 17 
noAgı negioravıa xivduvov nagelFelv Enoınoev WOonEg vE&pog. 
Eodem exemplo usus est Hermogenes, et in eo hanc, nisi fal- 
lor, «nöoraoıv deprehendit, quod verba za n00 rovrwv — 
Uno Tovrwv quasi inlerrumpunt seriem cogitationum. Nach 
Schönborn beruhte alfo in der demofthenifchen Stelle die ano- 
oraoıs darin, daß die beiden Sätze uvrn ravıneoı Onßag-2ye- 
vETO NYUuyUuT@v doyn ul KaTaoTaoıg OWN Und TOVTo zo 
Ynpıoua Tov TÜTE 7 moAeı negıoravra lvdvvov nagerdelv 
Enoinosv woneg v&pog, die eigentlich zufammengehören, durch die 
eingefhobsnen Worte a n00 zovzwr zig Eydouv zul uloog xal 
anıoriav TWv nOAEWV Unnyusvwv Und TOVTWv von einander ge- 
trennt feien, und es beftände demnach diefe Nedefigur in der Tren- 
nung zweier zufammengehbörenden Säge durd einen 
eingefchalteten dritten. 

Diefer Erklärung der andoracıg gegenüber hat Foß de 
Gorgia Leontino comment. pag. 5l. sq. fehr richtig darauf auf 
merkſam gemacht, daß Hermogenes, welcher jene demofthenifche Stelle 
als ein Beijpiel der ansoraoıg anführt neol idewov tom.1. cap. 9. 
(tom. Al. pag. 247. Walz), die anooraoız ein oyyua@ Aaungov 
nennt, und diefelbe eben deswegen in dem Capitel meol Aauınal- 
tnzog behandelt, weil fie more? Aauıngov zov Aoyov; daß aber fer⸗ 
ner derſelbe Hermogenes kurz vorher (pag. 245. sq.) von derſelben 


[2 


544 Beiträge zur Geſchichte 


demofthenifchen Stelle gefagt hat, die Worte Ta non Toitoy — 
oͤno rovrov feien zwifchen die beiden andern Sätze eingefchoben, um 
Tod Aöyov zo ayav Aaungov zu mäßigen: fo daß alfo zufolge der 
Schönbornfhen Erklärung der andoraoıg nah Hermogenes jene 
Worte eingefchoben wären, um der Nede Glanz zu geben, zugleich 
aber auch, um den Glanz der Nede zu mäßigen. Wir fönnen noch 
hinzufügen, daß Hermogenes als Beifpiel der drooraoız nicht die 
ganze Stelle, welche Schönborn als ſolches giebt, anführt, fondern 
nur; Aötn to» neoi Onßag EyEvero nouyuorwv Koyn zal xa- 
TaoTaoıg nowrn, zal ra &5ns, und es fann doc mit Wahrfchein- 
lichfeit angenommen werden, Hermogenes werde nicht gerade denje— 
nigen Theil der Stelle weggelaffen haben, um deſſen willen er fie 
überhaupt anführt. Zwar wird die Fortfegung, durd za za eing 
einiger Maßen vepräfentirt, und es fann dies allerdings um fo leich— 
ter gefchehen, als Hermogenes auf der unmittelbar vorhergehenden 
Seite die ganze Stelle ausgefehrieben hatte, wie fie Schönborn ci- 
tirt. Aber dort fteht fie nicht als Beifpiel der anooraoız, und 
überhaupt ift fie nirgends, wo fie vollftändig, mit dem Zwiſchenſatze, 
von den Nhetorifern angeführt wird, der anooraoıg. wegen ange 
führt, während auf der andern Geite allenthalben, wo fie der 
anöoraoıg wegen citivt wird, der Zwifchenfag za n00 zovrwy — 
Uno rovıwv weggelaffen ift, indem das Citat entweder, wie bei 
Hermogenes, mit dem erfien Sage Avrn — xardoraoız ngwrn 
fehließt, oder, wie z. B. bei Walz tom. III. pag. 708. uud tom, 
Vill. pag. 634. , an diefen erfien Sag mit MUeberfpringung des 
Zwifchenfages r« n00 zovrwv — uno rovrwv unmittelbar der 
zweite Hauptfag zouro — vepog angefügt tft. Darum glauben auch 
wir, daß die andoraoız nicht in dem Zwifchenfat zu fuchen fei. 
Foſſens Anficht ift nun folgende: Videlur potius anooraoıg 
seriem sentenliarum diversas res exprimenlium significare, 
quae eandem orationis formam servant et ila collocatae sunt, 
ut paene asyndeti exhibeant formam. Verba igitur «urn — 
karaoraoıg noWrn el ToVTo Tö wipioua — woneo vepog fa- 
eiunt anooraoıv ; sed quia ortus inde splendor nimius est, in- 
fringitur interposilis verbis ra rovrwv. Id (nämlich die aſynde— 


der griechiſchen Sop hiſtik. 545 


tifhe Zufammenftellung des Gliedes in der anooraoız] Hermoge- 
nes quoque declarare videlur eo, quod illo dnooruoewg eX- 
emplo allato omnino asyndelis orationem splendidam effici af- 
firmat: ölwg d& dovrdetwg Eisayousva — noıel Aaunoov ToV 
20yov. Frequenlissimum illud genus est in oralionis funebris 
fragmento infra illustrato, in quo paene omnium enunciationum 
eadem est conformatio et tota oratio quasi in unum cumulum 
coacervala. Im Geyenfage zu Schönborn ignorirt alfo Foß, und 
zwar, wie wir gefeben haben, mit Necht, die eingefchalteten Worte 
Ta n00 T0VTW0v — Und zovtwv, als weldhe an der dnöorasıg 
gar feinen Theil haben können, und findet diefe in einer Reihe 
afyndetifh zufammengeftellter Säbe von gleider 
Form aber verſchiedenem Inhalte, 

Nach Spengels Urtheil in Seebode’s Frit. Bibliothek 1829. 
No. 62. pag. 247. hat Foß „die richtige Erklärung des Schema 
anooraoıs te zul n000ßBokn auseinandergefegt”. Wir find ande: 
ver Meinung. inerfeits iſt eine anooraoız offenbar eine disiun- 
clio , nicht eine Series sentenliarum; fodann ift diefe Erflärung, 
wie wir unten ſehen werden, im Widerfpruche mit der von Arifti- 
des überlieferten Definition der andoraoız; und endlich paßt fie 
auch nicht auf die Beifpiele dieſer Redefigur, welche bei den Rheto— 
rifern fi finden, aber, mit einziger Ausnahme diefer Stelle des 
Hermogenes, von Foß und Schönborn anfallender Weife unberüd- 
fichtigt gelaffen wurden. Schönborn fagt zwar ganz richtig: ano- 
oraosıg commemorantur plus semel in Hermogene negL ldswv 
1. IX. [lib. 1. cap. 9.]; auf feine Erklärung der Figur konnte er 
aber ausſchließlich nur gerade durch die Eine, oben genannte Stelle 
des Hermogenes geführt werden, und zwar nur durch eine ober- 
flächliche Betrachtung derſelben; was in diefem Capitel des Hermo— 
genes auferdeu über. die anooraoıg geſagt ift, und vollends was 
anderwärts darüber berichtet wird, mußte, wie wir bereits vorläufig 
gefehen haben, die Schönborn'ſche Deutung ſogleich flürzen. Auch 
Foß führt außer jenen Worten des Hermogenes Fein Beifpiel ver 
«nooraoıs anz denn daß er für feine Perfon in dem Fragmente 
der Gorgianifchen Leichenvede zahlreiche arooraveıg zu finden glaubte, 

Muf. f. Philol. N. J. VII. 35 


546 Beiträge zur Geſchichte 


ift ohne Belang, da weder die alten Ahetorifer jenes Fragment oder 
einzelne Stellen deffelben in diefer Beziehung erwähnen, noch Foß 
felber in den furzen, der größeren Mehrzahl nad) antithetifch ver- 
bundenen Sätzen und Satzgliedern tiefes Fragmentes apoftatifche, d. 
b. nach feiner Erflärung aſyndetiſche Zufammenftellungen nachzumei- 
fen im Stande fein wird, wenn er nicht etwa die Worte ar’dadeıs 
— £v roig deiwvois hieher ziehen will. 

Wir find übrigens gar nicht etwa, wie man aus den Darftele 
ungen von Schönborn und Foß fehließen follte, darauf befchränft, 
das Wefen der amooraoıs aus einzelnen Beifpielen derfelben zu ab» 
firahiren, fondern wir fünnen uns in erfter Linie an die Definition 
diefer Figur halten, welche Ariftives in Teyvav Gnrogızav A, 
und zwar in dem Abfchnitte meod osumornrog pag. 174. Norrm., 
tom. IX. pag. 346. bei Walz, mit folgenden Worten giebt: 
Orav anooraosol Tıg yonrar |yiyvor’ av osuvörng]. zorı d2 
N pVoıg TOD Oymuarog 175 anootaoewg Toiaderıg‘ OTav ToV 
ovunk£xsıv zara TO Eng xal Ovvaorav aAınıoıg anooTWvreg 
zig aoynv ldlav Enavaywuev, WOTE TO OVVmuuEevov TaV EvVo- 
zuarw» zwoıosEv anoornvaı. Nach diefer Definition befteht die 
anöoraoız in einem Aufgeben der Verfnüpfung der Gedanfen, in 
der Weife, daß das Folgende fich feiner Eonftruftion nach nicht als 
Fortfegung an das Vorhergehende anfchließt, fondern von dieſem ge- 
trennt wird-und feinen eigenen Anfang befommt. Diefe Erklärung 
erläutert num Ariftives an mehreren Beifpielen, und zwar zuerft an 
einer Stelle aus Demoftbenes 3. Nede gegen Philippus pag. 120. 
$. 36. 8q.: „Der Uebermuth und die Gewaltthätigfeit des Philip— 
pus gegen ung hat bereits den höchften Grad erreicht; und Alles 
Yaffen wir uns gefallen, ohne einen Schritt Dagegen zu thun. Frü— 
ber war dies nicht fo. Zr 00V To altıov 1ourov’;') Evraoda 


1) Demofthenes a. a. D.: Ti oür altıov Tovrwvi; oÜ yag dveu 
Aoyov zei dıraias attias OUTE 166 oũro⸗ę &iy9v EToluwg ngos „erEU- 
Seoiey o8 Elknves oVte vüy no0s 10 dovAeusır. yY Zi, TOT. nv, fr 
ävdges Asnveioı, Ey Tais Twv nollwv diarvoiaıs, ö vür oVx Forıy, 0 
zei 106 IlE000v &x0@1n0E nkovrou zai ELevFEoaVv nyE ınv Ellada zei 
oöTe vavuezias oUTE nelns udyns ovdeuıds jTIaTo, vüy F @nolwkös 
änayre Aehluavıaı rai «vo zei zd1w NENOINKE NIEVIE Ta nodyuc- 
re, di oUr Iv TovUTo; 1oUs aQ« IWv agyev Bovlouevur 7 diagsei- 
geıw 177 'Elldda gonuare kaußavorıes anavızs &uioovv u. . f. 


der griedifhen Sophiſtik. 547 


[fährt Ariftives fort] modgeye 7dn zw rng anooraoewg oyyuarı 
vapnvelag yag 001 Evexa nO0TEgoV navıa EneönAdov. Ei UEV 
ovunA£iag TO xaruoxevaorınov vonum EBovAero Eieveyxeiv, OV- 
TWS av Enornoev. „OTi Exelvor 11V TOVG nuoa 1ov agysır Bov- 
rousvov n driapdergsıv ıyv "Elkada yonuara Aaußavovrag 
«navreg 2wioovv”. ovrog ÖE oVy oVrwg, alla diarxöwas znv 
ovun)oxnv TOV vonuarwv Kal ÜnOOTNoaS ano Tod Ovvi@daL 
avzov adın, Es doynv [idrav] dvayayav Akysı' „nv Tu Tore, 
nv, M] undves’Adnvaioı, Ev Tolcs tw» noAkwv dıavoraıc ti nv 
TOVTO; ToÜg nuo« T@v aoyeıv PovAousvor n dıapdeigsıw ryv 
Erradu yoruara Auupavovrag ünavrss Euloovv”. Era Ere- 
009 Eyivero Tı zura TO oynum, alte Ev zal To avro Evvo- 
nua 0v, &av Te ovunkeiag einw „ti 00V TO altıov Tovımv ; 
ori Exelvor u&V OVY OVTWmg dLEsvoo0vro”, &av TE xal anooTaoeL 
29n0@usvog Enavuyayo' „nv tu vor’, nv &v Tals twv noAlav 
diavolaıs” Nach diefer Erörterung liegt alfo hier die anooraoız 
in der Art und Weife, wie der die Urfache angebende Gedanke rovg 
— xonuoru Anußavovrag anavıss Euioovv mit dem Vorherge— 
benden verbunden oder vielmehr nicht verbunden if. Ohne ano- 
oraoız hätte nach Ariftives die Periode einfach gefautet: TV orv 
To alrıov Tovrwv ; Örı exelvor uiv ToVg — yoruara kaußa- 
vovrag ünavreg Euioovv. fo daß fich der Urfachfab in feiner Cons 
firuetion auf ganz gewöhnliche Werfe vermittelft des örı an ven 
vorhergehenden angefchloffen hätte. Nun aber fpricht Demofthenes 
nicht fo, fondern er trennt die beiden Gedanfen vermittelft uno- 
oraoız, d. h. durch Einleiten einer neuen Conftruction mit neuem, 
eigenem Anfang, und an der Stelle des an das Vorhergehende fich 
anfchliegenden, abhängigen örı haben mir die unabhängige apoftati- 
fhe Formel 7v zu zore, mv, @ anduss Adnmvaloı, Ev tals ıwv 
nor» dıavorarg* tie nv Tovro; durch welche der Hauptgedanfe 
der Urfahe 1oYg — yonuaru Aaufavorrag Anavres Euloovv 
felöftftäandig und weit fhwunghafter, mit weit mehr Auunoorns eins 
geleitet wird, als durch ein einfaches Cze. 

Ariftives führt ein zweites Beifpiel an: Kar ereuadı de 2) 


2) Heoi ıwv &v Xeogovnjow pag. 95. $. 24: „O ze roiyuv dü- 


548 Beiträge zur Geſchichte 


&v Enayyshıd Komoausvog* „Aw ÖE wera nuggnolag* zal 
yao ovl’ dv allwg dvvalunv” elta WnooTyoaG Enayeı“ „nav- 
186 0001 nWnOTE Exnenkevxaoı nay’ vumv orgarnyol”. Die 
anooraoız fiheint auch hier in der Art und Weife zu Tiegen, wie 
das, was er fagen will, das Object des AESow, nicht mit dem Ver—⸗ 
bum des Sagens in abhängiger Rede verbunden, fondern mit ganz 
neuem, eigenem Anfang aſyndetiſch und unabhängig beigefügt wird. 
Doch bewirkt diefe anooraoız ſchon weit weniger Auunoorng, als 
die des vorhergehenden Beiſpiels, und trägt überhaupt nicht den 
Stempel außergewöhnlicher Diftion. 

Mit ven Worten Kurzsiva de anooraoewgs Ta oyruara 
geht nun Ariftives zn einer fpeciellen Art diefer Nedefigur über, 
einer dnooraoıs nämlich, welche durch Wiederholung verftärkt wird. 
Das Beifpiel ift folgendes: „Karor, © avdges ’Adnvaloi, zaA0v 
7 10» dnuoolwv nguyuaıwv puvkarn”. xaxelvo avzixeiuerov 
Tourm* „ıuaoov, @ andges Adyvaloı, iagov TO Ingiov xal 
aızrov”.?) Ich bin nicht der Meinung der übrigen Ausfeger 
diefer Stoffe, Norrmann, Walz, Ernefti u. ſ. f, daß die annora- 
oıs in der Wiederholung des erften Wortes liege, obgleich diefe in 
beiden Beifpielen in gleicher Weiſe angebrachte aradınımoız des 
erftien Wortes dem mehr oberflächlichen Blicke fih zunächſt als bes 
achtenswerthe Figur aufdrängen will. Im Gegentheil: vie ano- 
oraoız liegt Lediglich in der aſyndetiſchen Anfügung des unabhängi— 
gen Gates an das Vorhergehende und dem eigenen, unabhängigen 
Anfange, der ddre agyn, welche bier allerdings eine befondere Form 
bat. Die &oyn ift nämlich wiederholt, dadurch Tebhafter hervorge- 


yaraı Teure noıeiy, Zvlovs uedEiv vuoy dei. Add dE EIG nagonolas- 
zei vag v0’ av Ehhws duveiunr. navıes 600: nor Exnenkeuzaor 
neu "uov orgeimyot, 7 &yw ndoye ev crioöy TLuwurı, zwi neoa Xiwv 
zei naoc Eovdoeiuv zei neo’ Wr Ay 8200101 ÖUywyraı, TOUIWy Tay 
av ’A0otay olzoürıwr lEyw, gonuaıe kaupdyovoıy. 

3) Nefchines g. Ktefiphen pag 64. cap. 75: Kaldv, @ Adnvaioı, 
zeiiv 7 1wv dnuoaiwov eig [nicht noayucıwv, wie bei Ariſti— 
des] yuilazy azivyıov yao Eotı u. 1. f. Vorher geht die Verleſung ei⸗ 
nes Alteuſtückes. — Eiſte Rede g. Ariſtog. pag. 788. cap. 58: “"Tusis Ö’ 
jyavarıeiıe Gotiws, ei Iwy 10V Egavov yegovrwy eis nv Gwingiav 
euro zaınyogki. „wıegov, uıegör, 6) aydgss "Adnvaloı, To Inoloy zei 
Auıxıov. ÄAEyE 1aS UagQTUDIaS. 


der griedifhen Sophiſtik. 549 


hoben, verftärft und, ich möchte fagen, felbftftändfger gemacht. Die 
anooraoız in diefem Beifpiele iſt alfo gar nicht identisch mit einer 
avadın)vors, und die von Walz nad) Norrmann angeführten Pa- 
rallelftellen dvayzn yao, avayın und os yap Eorıv, oVx Eorıy 
yaffen, weil fie wohl avadınımasıg aber feine dnvoraosız enthal- 
ten, durchaus nicht hieher, Auch Ernefti erflärt in feinem lexicon 
technologiae graecorum rheloricae, durch diefe Stelle des Ari- 
ftides verführt, die «nooraoız irrthümlicher Weife für ein „genus 
gnavarhnyeos vel dvadınıaoswg”. Die andoranız ift nicht eine 
Art der Eenavainyız oder avadınıwors, fondern die anooraoıg 
kann bisweilen, wie in den beiden vorliegenden Beiſpielen, durch 
enavalmyız oder avadınıwors verftärft, gehoben, glänzender ges 
macht werden, indem fie felbft, ohne Hinzutreten eines andern Fak— 
tors, Häufig nicht viel Glanz bewirft, wie dieß Hermogenes a. a. 
O. (Walz tom. Il. pag. 247. sq.) exörtert, und wir ſelbſt theils 
an dem Beiſpiel aus der Rede zegı mv Ev Xeooornom bereits 
gefehen haben, theils unten noch des Näheren befprechen werden. 
Indem wir die 3 Beifpiele der anoorwoıs, welche Ariſtides 
fhließlih noch aus der Nede gegen Mivias pag. 552 und 585 
anführt, hier vorläufig übergehen, wenden wir uns num zu jener 
mehr erwähnten Stelfe des Hermogenes zurüd, auf welcher die Er- 
flärungen von Schönborn und Foß fußen, um zu fehen, ob unfere 
nach Ariſtides gegebene und durch feine Beifpiele erläuterte Defini— 
tion der anootaoıg fid) auch auf die Stelle des Hermogenes ans 
wenden laſſe. Und dieß iſt wirklich der Fall. Hermogenes fagt 
namlih a. a. D. (neol idewv tom. I. cap. 9. tom. 1il. pag. 
247. sq. Walz): Iyyuaro d2 Aaunoa, 00a zal evsıdn* 0lov 
al avamp&ocıg: — zul naktv al Unooraosıg* 0lov „ulrn ToV 
neol Onßas EyEvero noayuarwv aoyn zal xaraotaoız ngWn, 


J kun m 4 cı > x > und 3 ’ 2 
za a ). oAwg dE ra aovvderwg Elsayouevu, El UR20@ 


4) Demofihenes Nede für d. Kr. pag. 291: Aöın Toy nEQi On- 
Bas &yiyveio nyayudınv don zai za1do1agıg ngWtn, Ta 7106 Tourwy 
eis ErIoev zei uioos zal arıoıiay IWv nO6KEWV innyucvoy uno Toi- 
TZwy. ToüTo 10 bipıoua ov TOTE 17 TEOAEL TEEOHOT Ha zivduyov 7T&0- 
eitEiv Loinosv WONEO v£ipos. Borher geht die Verleſung des jehr 
langen Pſephisma. 


550 Beiträge zur Geſchichte 


sin ra xoAa, norel kaunoov 10» Aoyor. u. f. fe Die dnoora- 
ars in diefen Worten wird von Hermogenes nicht fpeeiell nachge— 
wiefen; wir haben aber ſchon oben gefagt, daß fie in den von ihm 
ausgefchriebenen Worten des Demofthenes zu fuchen fein müffe, nicht 
in der ganzen, durch die Fortfegung erſt vervollftändigten Stelle, 
wie wir fie in der Anmerkung nah Demofthenes gegeben haben. 
Berücfichtigen wir biefes, und beachten wir zugleich die bei Hermo- 
genes auf das Beifpiel folgenden Worte: „Ueberhaupt aber machen 
afyndetifch eingeführte Sätze — die Rede glänzend’, fo werden wir 
durch Hermogenes auf diefelbe Definition der anooraoız geführt, 
welche wir von Ariftives aufgeftellt gefunden haben. Es zeigt fich 
nämlich auc hier die anooracıs als eine ſolche Nedefigur, nach 
welcher der Nedner den auszufprechenden Gedanken nicht mit dem 
Borhergehenden verbindet, fondern afyndetifch und unabhängig ein- 
leitet, und die Nede, wie fich Ariftives ausdrüct, zu einem befons 
deren, fich hervorhebenden Anfang zurücführt, in einer Weiſe, daß 
dadurch die Diftion felbft etwas Gehobenes, Schwunghaftes erhält. 
Diefe Eigenthümlichfeiten finden fi) ganz befonders in den vorlie- 
genden Worten des Demofthenes, welche der Redner nach beendig- 
ter Borlefung des Pſephisma offenbar mit großem Gelbftgefühl und 
emphatifcher Betonung der Anfangsworte aury und zovzo zo wy- 
yıoaa vorträgt. Und jegt erft begreifen wir auch ganz, inwiefern 
Hermogenes pag. 245. sq. Walz. mit Recht fagt, daß die Worte 
Tu ng0 ToVIwv — ind Tovıwv eingefchaltet feien, um den allzu- 
greffen Glanz zu mäßigen: TO „avrn wv neo Onßag Eyıvero 
noMyuaTwv GoyN xal KaTaoraoıg ngW@TN* TOVIO TO ywrploua 
10» rüre ı7 nöhsı negioravra xlyduvov nagehselv Enolnosv 
@onEg v&pog” — T00TO Aaungov ünav 0», ira dıaxonsv xul 
ustaSv rav dvo xzwAw» noogAaßov „ra 700 TOUTWwv ig EyIoav 
zul ulong zul anıorlav Tov nokewv Unnyusvwv Uno Tovrav” 
Evsnodiodn xara mv uedodov ngög To ayav eivar Auungov. 
0% yap duoıov ÖnnovFev 7v dnokslvusvwg Einelv, wonEg xal 
To napadaıyum 2Inrausv, 7 dıaxoyavra Exeivag, 010V „avrn 
ray negı Onßas EyEvero noayuarwv Ggxn xul xaraoracıg 


rowWrN, a no0 Tovıwv Eis ExIoav xol anıcılav zul ulaog 


der griedifhen Sophiſtik. 551 


Tov noAEwv Unnyusvov Önd TOVTWW TOVTO-TO Ynpıoua” xal 
za ns. Nach der in dem erften Gate aurn — nowrn enthal- 
tenen anöoraoız folgt nämlich in den, unabhängig von jenem und 
diveft eingeführten Worten rovro 70 yrypıoua — vepos ſogleich 
eine folgende. Wären nun, fagt Hermogenes, diefe beiden der Rede 
Ölanz verleihenden Figuren unmittelbar an einander gefügt, fo 
würde dadurch diefer Glanz zu fehr concentrirt uud dadurch zu grell; 
daher der Nedner in befonnener Mäfigung die beiden Säge avrn 
— N00Tn und Toiro 19 wnpıoua — vepog, d. h. alfo die bei— 
den Ölanzfiguren von einander trennt, und zwar durch einen eingee 
fihalteten Sag von ziemlich gewöhnlicher Diftion. Wegen biefer 
zweiten anooraoıs fest Hermogenes nach Anführung der erften 
binzu xal ra sing. 

Seite 248 giebt Hermogenes noch ein Beifpiel diefer Redefi— 
gur, um zu zeigen, wie unter gewiffen Berhältniffen tros der ano- 
oraocıs die Nede doch nicht glänzend werde, wenn fie nämlich ein- 
fach erzähle, zu wenig befchreibenden Charakter habe. O de zude- 
005 Aöyog 0yEdov Evavııog wv To Auunow Duwg tal; utv ano- 
OTR0EOL KRFunEg Exelvog Elgaystar, UETa UEV Tor 00I0TnTog 
dıngx00s, al noayuarwv Tıvav apnynow Eysi, ahl OVx @u- 
Enotv tıva Tovrwv oVdE mowryte, Onsg Eori ng Aaungornrog; 
FOLOVTOV Eotı zul TO „Davviov gorl Önnov Tıg 0 ToVg Toayı- 
xoUg yogovs dıdaczwv 


5 


5) xal 0 „Atyeraı note Eni tng na- 
karas Exeivng evdauuoviag ’Akrıßıadng” 9) zul To „Asyorrar 
xoruata oil rogıazovra daveıoaodaı” 7), xal doa ToLavru, 
Auch in diefen drei Beifpielen, in welchen nach Hermogenes ano- 
oraoesıs enthalten find, finden wir afpndetifchen Anfang der Periode 
und unabhängige, direkte Nede (oo9orns), allerdings mit weniger 
Lebhaftigfeit und Schwung als in ven oben behandelten Stellen, weil 


5) Demofthenes R. g. Midias pag. 533. cap. 58. 

6) Demoſth. a. a. O. pas. 561. cap. 143: Aeyeraı Tolvvy nor 
&v 15 noAsı zaıa 179 naklcıay Exeiyny Eidauuoriay Akrıßıddns yE- 
veosaı. 

7) Demofth. N. g. Leptines pag. 460. cap. 11: Atyovımı ‚XOi- 


Ha9" oi rquazoyıe daveloaodeı nuoa Anzedaıuoyiwy Ei Toug &v 
JTsıpassi. 


552 Beiträge zur Geſchichte 


die nadten no«yuarwv apnynosis der av&nasıg und nouiınreg 
entbehren. Darum Taffen ſich diefe drei Beifpiele zufammenftellen 
mit den oben vorläufig übergangenen drei Gtelfen aus der Nede 
gegen Midias bei Ariſtides a. a. D. (lom. IX. pag. 349. Walz): 
Kal ahkaı dE &loıv anooraosız“ olov „Ordev dswov 0Ud’ Ehe- 
sırov Meidraz neioera, Eav low zınontau volg noAkolig vunv” 8) 
zal nakıy“ „[lAovoıoı moAA0l OvVeornxorss, To Öoxelv TIveg 
eivar du eunoorur no0081Anporeg”?y zul nalıy „Mıost Meı- 
das low; £us”. 10) Diefe werden wol eben deswegen ald ar Awı 
«nooraosıs den vorangegangenen angereiht, weil fie trog der apo- 
ftatifchen Form doch nicht viel Auungorns aufzuweifen haben. Zu 
diefer Klaffe gehört auch die oben befprochene von Ariſtides eitirte 
Stelle aus der Nede neo av Ev Xeggornom pag. 95. $. 24. 
Es iſt alſo ganz richtig, was der Scholiaft zu Hermogenes bemerkt 
(Walz tom. VIL pag. 1002) :"Orav yao zaruotarınag Eigayo- 
uev 10» A0oyov TW zur H090Tyra zul anooraoıv Oynuatı ze- 
xonusvor, avayzulov eUIÜg n nAayıaouov 7 akıo aı av ıng 
negıpoAng Oynuarov ovunkezeiw vo Aoym, Eineg ıyv kaungo- 
ınta Povroiweda dıiaowlsw —, fo dab TW zar’ anooraoıy 
oxnuarı zuiwwvei zadagoıng TE zul Aaumgörng. 

Die wenigen griehifchen Nhetorifer, bei’ welchen ich die ano- 
oraoız erwähnt gefunden, haben ihre Weisheit meift aus Hermoge— 
nes und Ariftideg gefchöpft und bringen nichts Neues bei. Sp der 
Anonymus rev! Tov rov Aoyov oynuarwv bei Walz tom. VI. 
pag.: 634, wo unter dem Titel neol T7g dnooravewg oyntarog 
zu leſen ift: „.Lörn zov negi Oyßus Eyevero noeyuarwv 00% 
#al KUTROTGOLG NOWTH" TOUTO TOV noüTEDaV Enioravra noheuov 
nageAFeiv Enoinoev woneo vepog”, und hierauf, wie es feheint 
ftatt der bei Hermogenes folgenden Worte OAwg rE Ta dowmvderag 
eisayousva — nos kaungov 109 Aoyov- ziemlich nachläffig: 


8) Demoſth. N. g. Midias pag. 582. cap: 211. 

9) Demofth. a. a. D. cap. 213: TZAovoroı molloi GUVEOTNROTES, 
o @vdoss Asnvaioı, TO doxeivy Tıves eiraı di gunoolev n005EUÄnp6- 
185, Yu» ıapiagı VENO0uevoL 

10) Demofth. a. a. D..pag. 585 cap. 220: Mioei Meudias laws 
Zus, üuov IE yE Ezacıoy ddlog uıs. 


der griehifhen Sophiſtik. 553 


xal ünioc ta dovvderwg elsayoueva‘ "Oumoos‘ „Eorı mörıg” 
u. f. CA. VE, 152. sq.) aMwg* „Auyoues” u. ff All. 
366. 5q.). In einer ähnlichen Schrift nei rwr naga “Eouoyersı 
oynucrov bei Walz tom. I. fommt der Artifel’Anooraoız zweis 
mal vor: zuerft pag. 708., wieder mit dem nämlichen Beiſpiel 
„Aörn tov neol Oyßac” u. f. f. ebenfalls mit Weglaffung des 
Mittelfages und ohne weitere Erfäuterung; fodann pag. 709: ‚Ano- 
oraoıg: „Oürwg dE aIAlwg dLexsivro, Wgre OU ng0TE90V Eröl- 
unosv oudsig ToLoVıoV zax00 ngogıövrog Onsaı pwvnv,” wo 
aber entweder der Verfaffer fih im Namen vergriffen, oder wahr- 
ſcheinlicher durch die Schuld eines Abfchreibers eine Corruptel fich 
eingefchlichen hat. Denn wir haben hier offenbar nicht eine ano- 
oraoıs, fondern eine ünooraoıg vor uns, wolche Lesart in den 
codd. Venn. 1. und 2%. auch wirklich fteht '!. Auch Marimus 
Planudes in den Schofien zu Hermogenes reg! idewv tom. 1. cap. 
7. (ſiehe Walz tom. V. pag. 501) und Johannes Sikeliota zu der— 
felben Stelle des Hermogenes (Wafz tom. VI. pag. 275) bringen 
nichts Erhebliches ber. 

Faſſen wir num fchlieglic das Ergebniß diefer Unterfuchung 
kurz zufammen, fo ſcheint uns, mit Berücfichtigung aller vorliegen- 
den fiheren Beifpiele der dndoraoıs, diefelbe ſich darzuftellen als 
afyndetifhe Einführung eines direkten, unabhängi- 
gen Sages. Kommt fie an folhen Stellen vor, wo man bei 
gewöhnlicher Rede eher indivefte Anfnüpfung erwartete, fo erhält bie 
Diftion durch die dnöoreoıs in der Regel größere Lebhaftigkeit, ei» 
nen gewiffen Schwung und Glanz, und in diefer Beziehung heißt fie 
ein oynum Auunoov; an fich jedoch, und befonders auch abgefehen 
vom Hinzutreten anderer Glanz bewirkenden Faktoren (avsnjozıs, 


11) Dal. Anonymns bei Malz tom. VIII. pag. 636 : “Tnooraois 
2orı Aoyov augnoıs za Eounveia za1a 10 deitegov z0uue 7 zw4or" 
— —— Toy ebikınnov yavegws OUTWS, WOTE Tous ExEeivou ovuud- 
zZ0uUS @UToUg dyıorausvous öuokoyeiv“ Demoſth. R. f. d. Kr. Pag. 272. 
cap. 136.). zei zakıv „Oürws dt EI.tws dıezeı|v]ro, worTe od ng6- 
Tegov Eıökunosv oudeis 1010UT0U zexoü agols]ıovros öngaı pywrnvy 
nolv dıeorsvaodusv ‚ol no0g Ta 1eiyn mgosntoavy od mok£uioı“ (De: 
moith. Sa ae Phil. ray. 126. cap. 61.). Bol. au d. Schol. zu Heiz 
mogenes bei Walz — VII pag. 1030. sq. 


554 Beiträge zur Geſchichte der gried. Sophiſtik. 


nowörnres u, dgl.) giebt fie der Rede nicht nothwendig den Cha- 
vafter ungewöhnlicher Ausdrucksweiſe, und in mehreren der von als 
ten Rhetorikern angeführten Beifpiele würde eher die nicht apofta- 
tifche Form auffallen. 

Zürich. Frei 


Mantinifche Erenrie. 


5. 

Das Wort pistrinum kömmt im Plautug zehnmal vor, zwei— 
mal (Capt. IV, 2, 28. Epid. I, 2, 42) in den acht erften Stüden, 
in deren Tert alte Formen weit mehr verwifcht find als in den 
zwölf Testen, achtmal in. diefen. Don diefen acht Stellen ift eine 
einzige (Most. I, 1, 16), in der das Wort ohne Variante erfrheint. 
Sn zweien (Poen. IV, 2,5. Pers. Ill, 3, 15) gibt die äftefte 
Pfälzer Handfchrift pristino, pristinorum, und eben fo, prislino, in 
Bacch. 781 wenigftens die alte Baticanifhe von erfter Hand, Auf 
den erften Blick würde dieß wohl jeder für Schreibfehler, bewirkt 
durch die Verwechfelung mit pristinus, halten, wenn nicht der ge— 
wichtige Umftand hinzuträte, daß in den vier übrigen Berfpielen, die 
fämmtlih dem einen Pfeudulus (I, 5, 78. 84. 85. IV, 5, 9) an- 
gehören, derſelbe Vetus conftant fogar pristrino, pristrinum dar— 
bietet. Hierin mehr als Zufall zu fehen, beftärft ung das fonftige 
Vorkommen beider Schreibungen. So findet fich pristino im Frag: 
ment einer Varronifchen Satire bei Nonius S. 152, wenigſtens in 
der neueften Ausgabe, (denn in Schneiders Tert des Varro Rer. 
rust. 1,69 ift es nur Druckfehler): womit gleichartig, daß bei Te— 
renz Adelph. IV, 2, 45 ver Bafilicanus von erfter Hand pristilla 


hat, woraus erſt von zweiter pristiila d. i. pistrilla gemacht wor— 
den; pristrinum aber bietet in einem Verſe des Lucilius die Leydener 
Hdſ. des Nonius S. 217. 

Etymologiſche Rechtfertigung läßt ſich allerdings hier nicht ge— 
ben: aber für die Annahme einer rein phonetiſchen Veränderung fehlt 
es nicht an Analogie. Wie auf bloßer Verſetzung des r das Ne— 
beneinanderbeftehen der Formen pristis (pristix?) und pistris 


556 Plautiniſche Excurſe. 


(pistrix) beruht, fo läßt ſich umgekehrt neben pistrinum ein pri- 
stinum denken. Aber noch mehr: felbft für pristrinum iſt ein 
Bergleichungspunft gegeben. Denn es fiheint kaum zu bezweifeln, 
daß neben pistrix und dem wenigftens nicht unbezeugten pristix 
auch noch die phonetifche Verftärfung pristrix Eingang gefunden 
hatte. Als durchgehende Lesart feiner Virgiliſchen Handfchriften führt 
dieß Heinfius zu Aen. Ill, 427 an. Zwar vermuthet Wagner 
darin nur einen Schreibfehler des Heinfiusz; inteffen fand doch die» 
felbe Form auch Salmafius in feinen alten Gloſſen, aus denen er 
zu Florus IH, 5 die Mittheilung macht: Pristrix bellua maris, 
Actius pristices dixit. 

Welche von beiden Formen, pristinum oder pristrinum, oder 
ob beide für Plautus anzuerkennen feien, tft leichter zu fragen als, 
wie die Sache liegt, zu entſcheiden: obwohl ich mich auf die Seite 
des pristrinum neige. 

6. 

Daß die beharrliche Wiederkehr fcheinbarer Schreibfehler in 
alten Handfhriften gewöhnlih auf eine verfcholfene fprachliche 
Thatſache hindeutet, bewährt fich vielleicht auch in folgendem Falle, 
fo siel auch fehlt daß volle Ueberzeugung zu begründen wäre. Sie— 
benmal lieſt man jest im Plautus das Adjeetivum sublimis; aber 
mit Ausnahme der einzigen den acht erſten Stücen angehörigen 
Stelfe Asin. V, 2, 18 findet fi) in der alten Pfälzer Handſchrift 
niemals sublimem, fonvdern sublimen gefchrieben : denn. nichts 
anderes bedeutet auch das sublim Mil. 1594. Ohne Gewicht iſt, 
daß diefelde Form mit der genannten Handfchrift überall die neu— 
italiäniſche Nerenfion des F theiftz nicht unerheblich dagegen, daß 
einmal, Men, V, 7, 13, mit B alfe aften Handſchriften, de 
ib. 6, Behigfecke der Deeurtatus zufammengeht. 

Ein Subftantivum sublimen, was fhon Andere angenommen 
hatten bei Properz I, 25, 17 (19, 57), wollte Sealiger Conie- 
clan. in Varr. de re rust. S. 235 in vem Ennianifchen Berfe 

Aspice hoc sublimen candens, quem [injuocant omnes lovem 
finden, weil fo in veteribus libris des Appulejus ftehe, der den Vers 
anführt de mundo ©. 363 Oud. Hier hat es fich nun zwar in guten: 


Plautiniſche Ereurfe, 557 


Büchern nach ihm nicht vorgefunden 5; Dudendorp bringt es aus einem 
feiner fehlechteften, und nur aus den Voffifchen sub lumine cadens 
bei; nicht nur die Florentiner Handfehrift, fondern auch die (freilich 
jungen) Ciceronifchen in vier Stellen de nat. deor. 11,2,4.25,65. 
Il, 4, 10. 16, 40 und außerdem Probus zu Virg. Eel. VI, 31 
(S. 11 Keil) ftimmen in sublime candens überein. Auch Feftus 
©. 306 M.; obgleich gerade hier der Zufammenhang felbft Vers 
dacht erweckt, indem die ganze Gloſſe fo lautet: Sublimem est in 
altitudinem elatum, ut Ennius in Thyeste: aspice hoc sublime 
candens quem uocant omnes louem.  Vergilius in Georgieis 
I. 1: hie uertex nobis semper sub (fo). Wozu, wenn es um 
den Begriff von sublimis zu thun ift und Beifpiele mit sublime 
und sublimis (denn fo heißt es Georg. 1, 242) folgen, wird das 
Wort im Aceufatto sublimem sorangeftellt? wozu überhaupt der 
hinkinglich geläufige Begriff eines fo geläufigen Wortes erflärt ? 
Hätte die unverderbte Gloffe Sublimen gefautet und wäre dafür als 
Beleg aspice hoc sublimen candens aus Ennius angeführt worden, 
fo erfedigten fi wenigſtens jene Bedenken augenbficflich, wenn auch 
die Erflärung in altitudinem elatum in jedem Falle ungenau bliebe. 
Freilich auch bei Virgil an eine alte Lesart sublimen zu glauben, 
wäre eine allzuftarfe Zumuthung; indeffen könnte dieſes Citat ein 
eingedrungener Zuſatz fein. 

Nur als Subftantivum laßt ſich sublimen, verglichen von 
Gealiger mit superlimen önEgsvgov der alten Gloffarien, auf 
feinen Fall halten; daß der Begriff für den Ennianifchen Vers wi- 
derfpreche, bemerkte Dudendorp. Vielmehr wäre es als adverbiales 
Compofitum zu nehmen und in feiner Bedeutung auf eine beftimmte 
Situation des römischen Privatlebens zurückzuführen. Sch meine 
die, wie die Komödie lehrt, fehr gewöhnliche Sflavenftrafe des 
pendentem plecti, pendentem verberibus caedi, wie eg 3. B. 
bei Terenz Phorm. 1, 4, 43 und bei Plautus Most. V,2,45 heißt, 
oder fürzer pendere ſchlechtweg Asin. Il, 3, 27. Eun. V, 7, 20: 
eine im Kreife römischer Vorftellungen fo geläufige Situation, daß 
fie ſelbſt zu metapborifiher Bezeichnung diente in den ibi illa pen- 
dentem ferit des Trinummus V. 247, gefagt von der den Liebha— 


558 Plantinifhe Erceurfe. 


ber peinigenden Geliebten. Fragt man, wo denn ber in freier Luft 
hängende befeftigt war, fo bietet fih faum ein näher Liegender Ort 
dar als die obere Schwelle der erften beften Thür, fo daß, mit 
wen diefe Erecution vorgenommen werden follte, ganz eigentlich sub 
limen hinaufgezogen wurde. Die buchftäbiiche Befchreibung dieſer 
Procedur Hat man im Mil. glor. 1394, fobald man aus sublimen 
mit getrennten Worten sub limen heraushört: 

Ducite istum: si non sequitur, rapite sublimen foras: 

Facite inter terram atque caclum uli siet: diseindite. 
Sp daß alfo der Epitomator des Feftus ganz Necht hätte, zu Sub- 
limem est in allitudinem elatum Hinzuzufegen: id autem dieitur 
a limine superiore, quıa supra nos est, nad dem Borgange des 
Feftus felbft, der wörtlich diefelbe Erklärung für das Catonifche 
sublimavit (id est in allum extulit) in Anwendung bringt. Hier- 
von Fonnte num in dem adverbial gewordenen sublimen ver alfge- 
meine Begriff des „in die Höhe gehoben” übrig bleiben, auch wo 
nicht mehr von Befeftigung an der Thürfchwelle die Rede iſt, wie 
Asin. V, 2, 18 rapere sublimen domum, und in den vier Gtel- 
{en der Menaechmi V, 7, 3. 6. 13. 8, 3 sublimen raptum, sub- 
limen ferre, gefagt von dem vermeintlich vafenden, den handfefte 
Sklaven mit Gewalt ergreifen und in das Haus des Arztes fchlepe 
pen folfen. Erft von diefem Compofitum sublimen wäre dann, ver- 
mittelt durch die Zwifchenftufe eines urfprünglichen subliminis, die 
hieraus verkürzte Adjeetiobildung sublimis hervorgegangen. — Wenn 
etwas diefen Hergang glaublih zu machen geeignet ift, fo ift es 
der nicht geringfügige Umftand, daß wir auf diefem Wege allein der 
yeinlihen Nothwendigfeit enthoben find, in dem erften der vier Me- 
nächmenverfe das im Vetus überlieferte sublimen nicht etwa nur, 
wie in den übrigen Stellen, in sublimem zn verändern, fondern, 
nach dem Vorgange der Herausgeber, plump genug geradezu mit 
sublimis zu vertaufchen : 

Facite illic homo iam in medicinam ablatus sublimen siet. 
Wenn auch bei Ennius sublimen ftand, fo gibt dort hoc den Sub» 
ftantivbegriff, und sublimen candens ift Prädicat dazu— 


Plautinifhe Erceurfe. 559 


T. 
Meder in dem Verſe der Andria Il, 6, 20: 
Vix inquit drachmis &st obsonatüm decem, 
noch in dem des Heautont. II, 3, 40: 

Vah, uide quod inceptet facinus. füit quaedam anus Co- 

rinthia 

Hie: huic drachmarum hacc argenti mille dederat mütuum 
nahm Bentley an der lang gebrauchten Pänultima von drachma 
Anftoß, weil er das Gefes ver altlateinifchen Verskunſt nicht erkannt 
hatte, dag muta cum liquida den furzen Vocal unter feiner Bedin- 
gung lang macht. Daß er Dagegen in der zweiten Stelle in feinen 
Handfchriften die Wortftellung argenti haec fand, war ihm Grund 
genug, die durch Faernus' Stillſchweigen allerdings nur zweifelhaft 
beglaubigte Folge haec argenti (die wirklich der Bembinus hat) 
aufzugeben und mit Aufnahme der dreiſylbigen Form drachuma 
den Bers fo zu geftalten: 

Hic: huic drachumärum argenti haec mille dederat müluum, 
Daß aus do@yun drächma nicht, wie zu erivarten, drächuma, 
fondern drachuma geworden, hätte er wohl felbft ſchwerlich geglaubt, 
wenn nicht diefe auffallende Quantität hinlänglich verbürgt gejchienen 
hätte durch den Plautinifchen Vers Trin. 425: 

Trapezitae mille drächumarum Olympicum. 
Dennoch ift die Annahme eines daftylifhen drachuma falfch, und 
drachuma hat fein a fo gut furz wie drachma. Die eine Trinums 
musftelfe verfchwindet gegen vier unzweifelhafte Beifpiele zwar nicht 
der Ausgaben, wohl aber der Handfchriften des Pfendulus 1, 1, 84. 
86. 89. 91: 

Drachumäm mihi unam dare, quam cras reddam tibi. 

Set quid ea drachuma facere uis? — Restim uolo —. 

Quis mi igilur drachumam reddet, si dederim tibi. 

Vt mé defrudes drachuma, si dederim tibi. 
Weder B noch O noch Da Haben hier eine Spur der zweiſylbigen 
Form, die nur in F und Z regelmäßig, ein paarmal auch als Cor- 
reetur von jüngerer Hand in D erfcheint. Und wenn wenige Verſe 
fpäter (98) allerdings drachmis in CD, dracmis in B fteht, fo iſt 


560 Plautinifhe Excurſe. 


dieß nur um fo beftätigender, da hier, wie man längft gefehen, gar 
nicht von Dramen die Nede fein kann, fondern die den Abſchrei— 
bern geläufige Form drachmis ihnen, die eben mehreremal hinter 
einander das Wort drachuma abgefchrieben hatten, unwilführlich 
in die Feder fam für lacrumis; 

Nisi tu illi lacrumis fleueris argenleis. 
Denn das dacrumis des Meurfius, ſo einladend es von GSriten der 
Buchftabenähnlichkeit wäre, gehört zu den im Plautinifchen Gebrauch 
längſt verſchollenen Sprachantiquitäten*), mit denen man, ‚niemand 
aber mit gefchmackloferer Uebertreibung als eben Meurfius, im Texte 
des Dichters allzu freigebig gewefen ft. In dem Verſe des Tri— 
nummus muß alfo ein Fehler fleden, zu deſſen Hebung Vorr. 3. 
Stich. S. XIX vorgefchlagen wurde 

Trapezitae mille drachumarum, olim Olympicho 

Quas de ralione dehibuisti, reddilae **), 
Hiernach iſt Mar, daß auch) die beiven Terenziichen Verſe von ihrer 
falfchen Proſodie Durch Aufnahme der dreifylbigen Form zu bes 
freien find: 

Vix inquit drachumis st obsonatüm decem, 

Hic: huic drachumarum hade argenli mille dederat mü- 
tuom #**), 

Kennt aber felbft Terenz die zweiſylbige Form noch nicht, fo wird 
fie um fo weniger bei Plautus zu dulden fein, wo fie jest noch) 
zweimal erfcheint. Und zwar einmal, Merc. IV, 4, 37, im erften 
Fuße des Senars, wo die Herftellung von drachumam nad dem 


*) Wenn Paulus aus Feltus ©. 68 M.  excerpirte dacrimas pro 
lacrimas Livius saepe posuit, fo liegt ſchon darin deutlich genug, daß es 
nicht Plautiniih war. Mit „Livins‘ ift überdieß gewiß der Epifer gemeint, 
der in feiner Odyſſee manches Alterthümliche bewahren mochte, was’ er dem 
der Sprache des Lebens fich anfchließenden Drama fernhielt. 

**) ©, den folgenden Ercurs. 

**;xc) Richtig ift zwar der zweite Vers auch ſo noch nicht. ganz, aber 
das geht unfere Frage nichts weiter an. Schwerlich hat nämlich der Dich: 
ter die Rede fo zerhackt, daß der Sat des vorhergehenden Verfes mit einem 
fo unwefentlichen hie gerade nur bis in die erfte Arfis des zweiten Berjes 
fortgeführt würde. Viel natürlicher wäre anus Corinthia hie als Schluß 
des eriten. Da nun Hie, was freilich Faernus nicht jagt, im Bembinus 
ganz fehlt, jo ergibt fich als Terenziſch Durch) Hinzufügung eines einzigen 
Buchltaben vielmehr dieſes: 

Huice drachumarum haéc argenti mille dederat:;mütuom. 


Plautinifhe Excurſe. 561 


Mufter des erften Pſeudulusverſes einfach genug ift, fo wenig ein- 
fach die fonftigen Verderbniſſe der Stelle find: 
€. Nempe me hine abire uis. L. uolo inquam. C. abibitur: 


Drachmam dato. L. dabitur. C. dari ergo sis iube, 
Dari potest interea dum illi ponunt. L. quin abis? 

Denn Plautinifche Nede und richtigen Versbau werden wir erft 
durch Befeitigung falfcher Einfchiebfel etwa fo gewinnen: 

Drachumam dato modo. L. däbitur. C. ergo sıs iube 

Dari mi interea dum illi ponunt. L. quin abis. 
In der zweiten GStelfe, Pseud, Il, 2, 19: 

Illi drachmis sunt miseri: me nemö polest 

Minöris quisquam nümmo, ut surgam, sübigere 
Tiegt zwar wohl, wie Gulielmus vec;t gefehen, unmittelbar nichts 
anderes als drachmis sunt in der Ueberlieferung des B drahemif 
fent (wofür CD drahcmif eflent): und Uli drachumis sunt gäbe 
bier einen unrhythmiſchen Anapaften. Dennoch dürfen wir unftrei- 
tig eine ſchon früher zufällig eingefchlichene Umftellung annehmen 
und als urfprüngliche Geftalt des Berfes 

Illi sunt drachumis miseri: me nemö potest 

behaupten. Denn weder hat das drachmissant Lambiniſcher Bücher 
irgendwelche Glaubhaftigfeit, noch vertrüge ſich mit der Sprachrich— 
tigfeit der Conjunctiv des Plusquamperfects in Doufa’s drachma 
issent oder Lambin’s issent drachmis: um von Gronov's metriſch 
und grammatifch gleich falfchem drachmis issent zu ſchweigen. 


8. 


An Herrn A. Fledeifen. — Cine Erörterung, die man 
nicht mit einem gewiffen Grade von Zuverficht zu einer Entſchei— 
dung abzufhliegen weiß, felbftändtg auftreten zu laſſen hat feinen 
rechten Schick; in der Form einer perfönlichen Befprehung und 
gleihfam gemeinfchaftlichen Ueberlegung mag fie leidlicher erfcheinen. 
Darum feien bier an Sie, I. Fr., die Bedenken gerichtet, die mir 
Shre Behandlung des Plautinifhen trapezita in Ihrem ſchönen 
Sendſchreiben an mic) S. XI gelaffen hat. Als ich, durch Her- 
manns Vorgang (wie öfter im Trinummus, wohl nicht mehr in ven 

Muſ. f. Philol. R. F. VOL. 36 


562 Plautinifhe Ercurfe. 


Bacchides) allzu fiher gemacht, keinen Anſtoß an dem Verſe Trin. 
425 nahm: 
Trapezitae mille drachumarum Olympicum, 
fonnte ich für die Verfürzung der zweiten Sylbe Beftätigung zu 
finden meinen in Verſen wie Capt. 193. Cure. II, 3, 66. Epid. 
l, 2, 40: 
Quantillum argenti mihi apul lräpeziläm siet. 
'Ibi “dedistin lu ärgentum' inquam. immo aput träpeziläm 
situmst. 
Die modo unde auferre me uis. ä quo Irapezilä peto. 
Mit vollem Rechte bemerken Sie dagegen, daß in den zwei erften 
Berfen zu folher Meffung feine Nöthigung vorliegt, da nichts im 
Wege fteht mi äput trapezilam und inquam: immo äpul trape- 
zitam zu leſen. Und da es, wie Sie nicht minder richtig hinzufet- 
zen, nahe genug Tiegt, den dritten mit der unerheblichfien Verände— 
rung fo zu ſchreiben: 
Die modo unde auferre uis me: a quö lrapezilä peto: 
fo muß ich zugeben, daß die überlieferte Geftalt des Trinummus- 
verfes, wie fie fich fohon in drächumarum als verderbt zu exfen- 
nen gab, fo auch im PVersanfange ihren Schuß verliert. Aber: mit 
eben fo vollem Rechte werde ich die von Ihnen verfuchte Umftel- 
lung anfechten: 
Trapezila& drachumärum mille Olümpico. 
Sie bedürfen, um die Plautiniſchen Beifpiele dieſes Wortes auf 
eine Meffung zurüczuführen, des Mittels der Umftellung noch drei— 
mal, indem Sie in Cure. IIl, 36. Il, 3, 62. V, 3, 34 aus 
Lyconem trapeziiam quaero. Dic mihi. 
Eequem in Epidauro Lyconem trapezitam nouerim. 
Me ipso praesente et Lycone trapezıta. Non laces, 
diefe Verſe machen: 
Trapessitam Lucönem quaero, Dic mihi. 
Eequem in Epidaurö trapessitäm Luconem nöuerim. 
Me ipso praesente ét trapessitä Lucone. Non laces. 
Ich möchte Hier nicht mit Shnen won lenibus transposilionibus 
ſprechen, weder was die Art noch was die Zahl derfelben betrifft. 





Dlautinifhe Excurſe. 563 


Indeſſen das ift nicht die Hauptfache. Aber Ihre Versgeftaltungen 
ſelbſt muß ich ſchlechthin für rhythmiſche Unmöglichkeiten erklären, 
ohne zuzugeben daß dabei noch etwas disputabel bleibe. Weder den 
Anfang des Senars fann ein Wort von dem Maß des Diipondeus 
vder zweiten Epitritus bilden, noch fann ein folches (oder ein mo» 
Loffifches) über die regelmäßige Cäfurftelle hinweg die beiden Hälf 
ton des trochaifchen Septenars verbinden : an beiden Stellen ift die 


r ‚ 


Aecentuation C — — — unerhört. Bon dem einen Senar ſchei— 

nen Sie dieß felbft gefühlt zu haben, da Eie ihn nicht ganz fo, wie 

ich ihn oben hingeſetzt, fondern genauer alfo haben drucken Taffen: 
Trapessitam [hie] Lucönem quaero. Die mihi; 

denn durch die Elifion wäre allerdings die Proparorytirung gerechte 

fertigt. 

Sp weit bin ich nicht zweifelhaft; defto ftärfere Zweifel be— 
ginnen, wenn ich von der Negation zur Pofition übergehen foll. Den 
leitenden Gedanken habe ich wohl: aber über das Mittel ihn durch— 
zufegen bin ich fehr unficher. Unbefangen betrachtet magen mir näm— 
lich die Eureufioverfe mit dem ſolidariſchen Gewicht das fie in ihrer 
Dreizahl haben, einen Eindrud von Unverfehrtheit, den ich mir durch 
feine Klügelei wegzuräfonniren vermag *)5 faft zur Ueberzeugung 
wird diefes Gefühl, wenn ſich fo gar feine Handhabe zu einem ir— 
gend ſchicklichen Verinderungsverfukh darbieten will. Und ſelbſt die 
unwahrfiheinlichiten Veränderungen, die ich auszudenfen wüßte, wür— 
den immer nur auf ein tonifch gemeffenes träpezitam, nicht auf ein 

*) Mie viel, einige Uebung in Kritif vorausgefeßt, auf einen folchen 
Eindruck zu geben, kann ich au einem andern Beifpiele zeigen. So oft ih 
über das honori posterorum tuorum ut uindex fieres Trin. 644 nachdachte, 
hat mich das gleiche Gefühl unverfehrter Meberlieferung nicht verlaffen. Ich 
hätte ihn nicht mistrauen und lieber ftehen laſſen follen was ich nicht ver: 
ftand, als ein verftändliches tu obex einfeßen mit Aufopferung jenes Ge— 
fühle. Mit Necht gewann es in den Proleg. S. CCCXXIV neue Gewalt 
über mich und drängte mich zum Verſuch einer Erflärung, Die auf der er— 
Fannten Nothwendigfeit des Gedanfens beruhte, ohne doch einen Haltpunft 
in der mir und den Lexicis befanuten Latinität für fih zu haben Sch kann 
fie jeßt, wo nicht ftreng beweifen, doch fehr wahrfcheinlich machen, aufmerk- 
fam gemacht von Bernays auf Salluit Cat. 55, wo uindices rerum capi- 
talium laqueo gulam Iregere von ven Illviri rerum capitalium in ihrer 
Eigenjchaft ale Vollſtrecker des Todesurtheils fteht. Der Plautinifche Aus: 


druck ift alfo ganz fo deutlich und ſchön wie unfer „der Denfer feiner 
eigenen Ehre“. 


564 Plautinifhe Erceurfe 


epitritifhes lräpezitam führen. Geftehen Sie, die Umftände fün- 

nen nicht geeigneter fein um dem fi unabweislich aufprängenden 

Gedanken Eingang zu verfchaffen, Plautus möge die erfte Sylbe des 

Wortes irgendivie als Länge gebraucht haben ; eine Annahme, aus 

der mit einem Schlage drei tadellofefte Verſe hervorgehen: 
Lucönem trapezitam quaero. Die mihi. 

Ecquem in Epidauro Luconem träpezitam nöuerim, 

Me ipso praesente et Lucone träpezita. Nön taces — ? 
Oder was wäre an ihnen, abgefeben eben von dem Gtreitpunfte 
ſelbſt, auszufegen? Wenn freilich Kampmann folhe Verlängerung 
furzweg behauptete, ohne alle Motivirung oder Vermittelung, fo iſt 
damit faum irgend etwas gewonnen; denn an fich und fo ohne Wei- 
teres iſt doch ein träpezita wie rouneLa fchlechthin undenkbar. Sch 
fehe nur zwei Wege offen, um möglicher Weife zu einer Nechtferti- 
gung diefer Quantität zu gelangen. Der eine ift, daß etwa zya- 
zelitns im vömifchen Munde zu trappezita geworden wäre. Sol— 
fen wir es glauben? Allerdings haben wir slupa und sluppa, 
marsupium und marsuppium (wie ich nach den Spuren der guten 
Bücher überall in den Menachmen, Sie im Nudens bergeftellt ha— 
ben) reben einander. Allein erfilich exiftiren hier beide Formen, 
mit = und mit an, ſchon im Griechifchen, dagegen fein zgannela; 
und zweitens, was die Hauptfache, ift dort bei einfachem Conſonan— 
ten fo gut wie bei verdoppeltem die Sylbe lang, weil der vorhers 
gehende Vocal eine Naturlänge it, ganz auf gleiche Weiſe wie in- 
nerhalb des Lateinifhen in lupiter und luppiter. Als viel paſſeu— 
der müßte die Vergleichung von zerng lapele und lappete erfchei- 
nen, wenn nur die leßtere Schreibung, die bei Feftus ©. 351 zwei— 
mal wiederkehrt, glaubhaft zu fehügen wäre. Zwar hat es für den 
eriten Blick einen verlockenden Schein, daß bei Plautus Pseud. 147 
die beften Bücher wirklich tappetia geben, aber es ıft ein fehr trügeri— 
Iher: denn dag Metrum beweift hier wie Slich 378 gerade Die aus— 
ſchließliche Nothwendigkeit der Schreibung läpelia. Es hat demnach 
mit jenem lappété fhwerlid eine andere Bewandtniß, als wenn 
fi) bei demfelben Feftus S. 305 suppremum, in den Plautinifchen 
Hoff. (wie Stich. 62) und fonft suppellex, oder dupplex und ähnliches 





Plautiniſche Ereurfe. 565 


anderwärts gefchrieben findet, was fo lange für geradezu fehlerhafte 
Abſchreibergewohnheit gelten muß, als nicht ein süpellex mit einer 
Dichterſtelle oder duplex süpremus mit einer aus der accentuiren- 
den Poeſie belegt werden kann. Eine beffere Anafogie böte creppos 
= lupercos dar, wenn es wirklich nach der Angabe des Feftus bei 
Paulus S.57 a crepilu abzuleiten, was doch für ein verfcholfenes 
glossema diefer Art ſchwer zu verbürgen tft; und doch hätten wir 
auch damit noch Feine Doppelformen wie trappezita neben Irape- 
zita. Daffelbe trifft auch das nur fo gefchriebene siroppus oder 
struppus, worin der p-laut überbieß nicht auf ein zz, fondern auf 
P in oroogpıov zurücgeführt wird ebend. ©. 313. 347. 

Sie fehen, weiter als zu einer fehr bevingten Möglichkeit kom⸗ 
men wir auf diefem Wege nicht, wenn Sie nicht fchlagendere Ana— 
Iogien aufzutreiben wiffen. Leider will mird auch auf dem zweiten 
Wege nicht viel beffer gelingen: dem der Metathefis. So weit 
und bunt auch deren Gebiet im Lateinifchen nicht minder als im 
Griechifchen ift, _fo fehlt es mir doch für ein raonelo an jeder 
Spur, für tarpezita an einem völlig homogenen Genoffen. Denk—⸗ 
bar ift jenes fo gut wie Iaocos neben Foaoos (wenn anders leg» 
teres das urfprüngliche war), draonos neben aroanos, oder wie das 
von Bergk bei Ariftophanes wiederentvedte daozun des Hefychius 
neben doayun. Aus dem Lateinifchen habe ich zwar ein ſchönes Bei- 
fpiel an dem durch Duintifian 1, 5,54 bezeugten Tarsumenus neben 
Trasumenus (vgl. Polyb. IV,82 Taooıueva); aber abgefehen davon, 
daß Tars wohl nicht das fpätere fondern das frühere war: wird ung 
ein Beifpiel aus dem Kreife uralter und wandelbarer italifcher Orts— 
namen genügen, um über ein, offenbar doch erft in Helfer hiftorifcher 
Zeit aus dem Griechiichen herübergenommenes Wort fein Bedenfen 
übrig zu laffen? Der Einwurf allerdings, der von dem Werhfel bei- 
der Formen bei demfelben Autor hergenommen wäre, macht mir 
keine Sorge; erftlich nicht, weil der Fall nicht ſchlimmer wäre als 
der Ariftophanifche Wechfel von doazun und daoyun; zweitens 
darum nicht, weil unter allen Plautinifchen Stellen Feine iſt, in ver 
das Metrum nicht eben fo gut larpezila (oder trappezila) wie tra- 
pezita vertrüge; und daß nicht bloß in unfern drei, fondern außerdem 


566 Plautiniſche Excurfe. 


noch in elf andern Stellen die urſprüngliche Form ſpurlos verſchwun— 
den wäre in den Handſchriften, iſt wenigſtens um kein Haar ſchwerer 
zu glauben, als daß in allen vierzehn Stellen die urſprüngliche 
Form der zweiten Sylbe, wie fie von Ihnen als einzig Plauti⸗ 
nifche angenommen wird, in der That ſpurlos verſchwunden ift. 
Wie wohl mir Ihr ss für z noch Bedenken laßt, auf die ich dieß— 
mal nicht eingehen will, 

Gewiß ift, daß auf dem hiermit angedenteten Wege, den ich 
Shnen zu weiterer Prüfung empfehle, und wohl nur auf ihin, auch 
für den Trinummussers, von dem ich ausging, eine einleuchtende 
Hülfe gefunden wäre, indem er post varios casus ſchließlich ent» 
weder zu diefer Geftalt fommen wurde: 

Drachumärum mille tärpezitae Olümpicho, 
oder allenfalls auch zu diefer: 

Mill& drachumarum tarpezilae Olümpicho, 
da die Oxytonirung mille hinlänglich gerechtfertigt iſt Proleg. Trin. 
©. CCXXX f. 

Möge es Ihnen gelingen, die ganze Frage zu einem beffern 
Schluß zu bringen als zu dem äußern, mit dem ich hier aufhöre. 

9, 

Um ante und ea zu einer Wortform zu verbinden, ſchlug die 
Sprache in ihrer Abneigung gegen den Hiatus entweder den Weg 
ein, den einen Vocal auszuftoßen und anlea zu bilden, oder den, 
zwifchen die beiden Vocale das hiatustilgende d einzufchieben welches 
in anli-d-eo wiederkehrt, und anli-d-ea zu machen: genau ſo wie 
fie ante und hac entweder zu dem (immer nur zweifglbigen) ante- 
hac oder zu anli-d-hac zufammenfegte. Während antidhac in ci» 
ner Anzahl Plautinifcher Stellen ficher fteht, fcheint wenigſtens an- 
tidea Lipſius mit Recht in der Ueberlieferung anteidea bei Livius XXII, 
10 (nicht in deffen eigenen Worten, fondern in alterthümlichem Latein) 
erfannt zu haben. Ihm fteht, ebenfalls in zweifellofen Blautinifchen Bei- 
fpielen, ein postidea zur Geite wie dem anlea ein postea, dem 
antehac ein posihac ; nur Laune der Sprache ift es, daß nicht als Seitens 
fü zu antidhac auch postidhac üblich wurde. Wenn aber an- 
tidhac fowohl als anlidea ihre Entftehung der Abneigung gegen den 


Plautiniſche Excurſe. 567 


Hiatus verdanken, was für ein Grund und was für ein Recht lag 
vor, auch aus post und ea ein poslidea zu machen? Soll 
bier bloß eine falfche Analogie gewirkt haben? Es it nicht unmög- 
lich, da durch nur ſcheinbare Nehnlichfeit mehr als eine unorganifche 
Mishildung in der Sprache hervorgerufen worden if. Man wird 
fi indeß zur Annahme folder Misverſtändniſſe nicht eher zu ent— 
fchließen haben als die Mittel einer rationellen Auffaffung erfchöpft 
find. Rationeller und durch inneres Zufammenftimmen empfohlen 
wäre aber offenbar, postea und postidea dergeftalt mit anlea und 
anlidea zu parallelifiven, daß ihnen ein dem ante: entfprechendes 
poste als urfprüngliche Form zu Grunde gelegt würde : wofern nur 
irgend Thatfachen einer folchen Annahme günftig wären. Und fie find 
ed: fo entfchieden wie ich meine, daß zu hoffen fteht, die Perifa 
werden fi) gegen die Aufnahme des poste Hinfort nicht fträuben 
dürfen, Sie liegen zum Theil offen genug da: man hat fie nur 
nicht zu würdigen gewußt, fondern gedankenlos bei Seite gefihoben. 
Wenn bei Feftus S. 357 M. gefchrieben fteht: Tonsam 
Ennius significat remum quod quasi tondealur ferro, cum ait 
l. Vils 
Poste recumbite uestraque pectora pellite tonsis: 

was berechtigte denn die Herausgeber, diefes völlig anftoßlofe poste 
ohne Weiteres mit pone zu vertaufchen? — Wie konnte man fi 
ferner bei Plautus Asin. V, 2, 65 mit einer aus den fihfechten 
Büchern genommenen Lesart beruhigen, die die verkehrtefte Wortitel- 
lung gibt: 

Pöst eum demum huc cräs adducam ad lenam, ut uiginli 

minas 

Ei det: 
ftatt die vortreffliche Ueberlieferung deg Velus, Poste demum, zu 
diefer Herftellung zu verwenden : 

Pöste demum hune cräs adducam —? 

Diefe beiven ganz unverfänglichen Belege geben genügenden Anhalt zu 
weiterer Verfolgung der Spur. Sch habe die Form poste außerdem 
noch fünfmal (wenn mir nichts entgangen ıft) in den guten Plau— 
tiniſchen Hoff. gefunden; zwar an Feiner Stelle in allın, fonvern 


568 Plautiniſche Ereurfe. 


werhfelnd bald in diefer bald in jener: aber gerade das ift ein ſiche— 
res Zeichen, daß wir es mit einer nicht mehr verftandenen und 
darum im Verſchwinden begriffenen Ueberlieferung zu thun haben. 
Als folhe konnte fie fi übrigens im Kreife des Plautiniſchen Ter- 
tes dergeftalt erhalten, daß fie einzeln auch einmal irrthümlich Pla 
griff wo fie nicht hingehörte: genau fo wie es nachweislich ein paar 
mal mit med led für me te gefchehen ift. Diefer Fall liegt Bacch. 
966 vor, wo weder CD mit poste, noch B mit postea or ha⸗ 
ben können, ſondern nothwendig iſt 

Post cüm magnifico milite, urbis uérbis qui inermüs capit; 
desgleihen Truc. V, 15, wo in dem domnae manuciflic pofte 
paruft der Hoff. entweder ganz einfach nur postea liegen wird: 

Cedo, quamquam parümst :: Addam unam minam isluc po- 

stea :: Parumst: 

oder rhythmiſch gefälliger etwa poslidea nach Stich.648. Aber an- 
derer Art ıft Merc. I, 3 36 

Poste hac nocte nön gieui sälis mea ex senlentia, 
wie B hat, während CD Postea hac; ferner Stich. 383 in B 

Pöste unguenta mültigenerum mülta :: Non uendö logos, 
wo A rostea, CD Post hee; und ebend. 623 

Deos salutabö modo, poste ad t& continuo tränseo, 
was bier umgekehrt in A erhalten ift, wogegen BCD postea geben, 
Bedürfniß zu der zweifglbigen Korm iſt in diefen drei Gtelfen aller- 
dings Feines vorhanten, aber die Mögfichkeit, daß poste auch vor 
Vocal blieb, ift fo gut anzuerfennen wie saltıne ut, poline ul und 
satin ut, polin ut in der Tradition der Handfchriften neben einan- 
der beſtehen. Es wäre aber auch nicht einmal ein großes Wagftüd, 
einen Schritt weiter zu gehen und die Confeguenz zu ziehen, daß 
der Autor felbft vor Vocal immer poste unverändert gelaffen und 
nur vor Confonanten post gefchrieben habe, wie z. B., wenn ich 
nicht irre, auch fac duc erft in letzterm Falfe eingetreten, fonft face 
duce geblieben find. Wentgftens wäre es eine mäßige Zahl von 
Beifpielen, in denen unter diefer Vorausfesung ein flattgehabter Aus- 
fall des Schluß-« — wäre, wie in J— ob Amph. 1, 1,104, 
post ıgitur Hl, I, 16, post hoc Aul, II, 6, 40 u. f. w., von 


Plautinifhe Excurſe. 569 


denen noch Verderbniffe wie post illae, post illam ftatt poslilla, 
postillac Men. Il, 2, 66. Capt. I, 2, 9, post haec ftatt posihac 
Capt. II, 5, 28. Bacch. 1087. Mil. 572. Poen. Ill, 5, 2 abzu⸗ 
rechnen wären. Sehr möglich auch, und faft ſcheint dem fo, daß zur 
regelmäßigen Abwerfung des e die Präpofition früher als Das ad» 
verbiale poste fam. 
Möge jedoch diefe Confequenz auf fih beruhen, die fih an 

feine Spur der Ueberlieferung anlehnen fann. Wenn aber in den 
drei obigen Stellen eine folhe Spur für ein urfprüngliches poste 
fih in dem postea anderer Bücher erhalten hat, fo erwächſt ung 
das Necht, auch bei zufälligem Zufammenftimmen aller Bücher in 
einem unpaffenden postea ein verftectes poste zu fuchen. Der— 
gfeichen Beiſpiele find Most. I, 3, 132. Cist, Il, 1, 49. Men. V, 
9, 31. Stich. 380, in deren Teßtem zwar BCD nur post, poslea 
Dagegen A gibt. Sie treten den vier obigen Plautinifchen Berfen, 
in welchen wir poste bezeugt fanden, in diefer mutbmaßlichen Ge— 
ftalt zur Geite: 

Poste nequiquam exornalast bene, si moratäst male. 

Pöste autem cum primo luci ceras nisi ambo occidero. 

Quam hie tuist tuque huius autem. pöste eandem patriam 

ac palrem. 

Poste ut occepi narrare, fidicinas, tibicinas. 
Unvaffend nenne ich hier postea, weil, wenn die Sprache eine zwei— 
ſylbige und eine dreifglbige Wortform neben einander befigt und zu 
freier Wahl darbietet, es feinen Sinn hat, zu der Zweifylbigfeit, 
die dem Berfe gerecht tft, erft auf dem Umwege einer Synizefis zu 
gelangen, ftatt geradezu zu gehen. Wäre dieß ſchon vor folgendem 
Eonfonanten, wie im evften jener Verſe, eine ganz unnöthige Weitz 
läufigfeit, fo hat es vollends Feine Vernunft, die erſt durch Synizefis 
zweiſylbig gemachte dreiſylbige Form nun noch durch Elifion einfyls 
big werden zu laffen, wie in den drei legten Verſen. Aber noch mehr: 
nicht nur unpaffend tft hiernach postea, fondern es wird fogar falfıh, 
wenn nicht bewiefen werden fann, daß postea überhaupt jemals 
Synizeſis litt, fo häufig diefe auch ſonſt bei ea und allen ähnlichen 
Caſus viefes Pronomens felbft war. Und das kann in der That 


570 Plautinifhe Excurſe. 


für postea fo wenig wie für anlea mit irgend einem zwingenden 
Beifpiel bewiefen werden. Denn Epid. I, 1, 31 und Trin. 568: 
Erit illi illa res honori :: Qui? :: Quia antea aliis fuit: 
Si anlca uoluisses, esses: nunc serö cupis: 
kann nicht nur beidemafe ganz bequem ante gefchrieben werden, 
fondern ed muß es auch: im erften Verfe, weil fonft nicht nur 
eben der erörterte verkehrte Umweg genommen würde, fondern auch 
weil der unmittelbar vorhergehende Vers mit al iam ante alii fe- 
cerunt idem ſchloß; in beiden, weil antea in feiner dritten Gtelle 
vorkömmt, alfo, wie hieraus bei einem fo geläufigen Begriff wohl Har 
genug hervorgeht, überhaupt fein Plautiniſches Wert iſt. Ein zwei- 
fylbiges postea aber, und zwar nur in posleaquam, rührt faft immer 
erft von den Herausgebern. her. . So Cas. prol. 47, wo BFZ 
Postquam adoleuit, A richtig Postquam éa adoleuil. So Merc. 
I, 2, 107, wo die Vulgate 

Posteaquam aspiciel te limidum esse alque exanimalum, ilico 
von Camerarius iſt, BC postea haben, FZ posiquam, was des 
Sinnes wegen aufzunehmen und zu diefer Verbeiferung zu verwen» 
den ift: 

Pöstquam timidum te ésse aspiciet älque exanimalum rlico *): 
zumal auch fonft der Schreibfehler post ftatt postquam wiederfehrt, 
wie Cist. I, 3, 23. Men. V,6,24. So ferner Bacch. 171. 272, 
wo ich felbft ein posteaquam irrthümlich eingefegt oder empfohlen 
habe **). Eine einzige Stelle meines Wiffens tft übrig, in der ein 


*) Mit Hiatus in der Gäfur 
Poöstquam aspiciet timidum te esse ätque exanimatum, ilico 
(oder te Esse timidum) erhielte man eine weniger angemeſſene Wortitellung. 
Posteaquam aber etwa durch Aufnahme der Form exanimem zu ſchützen 
acht nicht an, da leßteres Fein Plautinifches Wort ift. Sa daffelbe gilt 
böchit wahrfcheinlich auch van posteaquam felbit. Wenigſtens kommt es 
außer der oben befeitigten Rudensſtelle nur nod) ein einziges mal vor Most. 
l, 2, 55, wo eben darunı wohl postea, quom das Mahre iſt 
**) Im zweiten dieſer Verſe ift wohl die zu allernächit liegende Ver— 
befferung diefe: 
Postquam audrum attulimus, pöst in nauem inscendimus, 
Not. Trin. 417. 975. 998: 
Postquim comedit rem, post rationem putat. 
Postquam ego me aurum ferre dixi, pöst tu factu’s Chärmides. 
Postquam ille hine abiit, post loquendi libere u. f. w- 








Plautiniſche Ereurfe 571 


preifglbiges posteaquam wirklich BC geben, Rud. II, 6, 44: und 
gerade hier fubftituirt A rostevam, woraus fih mit Hinzufügung 
eines ego ergibt 

Cum uöstimentis pöstquam abs te abii, ego älgeo. 

Hatte aber die Sprache, wie jeßt wohl nicht mehr bezweifelt 
werden wird, als ältere Form poste, fo ift man verfucht zu fragen, 
warum fie nicht, wie postidea, ſo aus poste und quam auch po-— 
stiquam , fondern dafür in hartem Zufammenftoß der Confonanten 
postquam bildete. Denn ein ſolches posliquam (postequam) etwa 
in dem oben behandelten Verſe Mere. 1, 2, 107 finden zu wol- 
Ien, wäre doc) in Ermangelung jedes weitern Anhalts eine Kinderei. 
Indeſſen posiquam wenigjiens hat fie auch urfprünglich nicht gebildet, 
fondern, wie ung unzweidentige Nefte einer ſehr verbunfelten Tra— 
dition lehren, vielmehr posquam. Die häufige Wiederkehr eines 
pos für post in den Plautinifhen Handfchriften hatte mir längſt 
die Ueberzeugung gegeben, daß es fich auch Hierbei nicht um bedeus 
tungslofe Schreibfehler, fondern um eine fprachliche Thatfache hans 
defe, ehe ich auf das Zeugniß des Marius PVictorinus ©. 2467 9. 
(S. 24 Gaisf.) flieg, das bei aller Kürze feinem Zweifel Raum 
läßt: EC quoque ex consonanlibus eliditur, ut posquam res 
Asiae: gefagt in Vergleichung mit men’ für mene und ähnlichem. 
Der als Beleg angeführte VBersanfang wird, denke ich, aus Ennius 
Annalen fein; andere bieten die Plautiniſchen Handfihriften, ohne 
daß ich jedoch vollftändige Sammlung verbürgen fünnte. Zur Hand 
ift miv Folgendes: posquam in CDa Mil. 124, p’quam in B ebend. 
121, p’qui (für das postquam der andern Hoff.) in Da ebend. 
1531, postu = post tu in BC Trin. 975, p’id in D ebend. 529, 
postquam fo daß das t als Correctur erfcheint in B Bacch. 277, 
polridie in Ba ol Bb) ebend. 300, p’ hunc in C Men. |], 
2,3, p.. illa mit Raſur zweier Buchfiaben in Ba (p’ illae Bb) 
ebend, V, 9, 58, Pquam in C Pseud. 1269, pesquam in BED 
Poen. Prol. 104, poshac in BC chend. I, 2, 66. dit gutem 
Hiernach wird auch vielleicht dem Verſe Most. IV, 2,55 durch Hinzufügung 


eines ſolchen post im Nuchlase zu helfen fein: 
Qui postquam pater äd mercalum hive abıit, Post tibicinam —. 


572 Plautinifhe Ereurfe. 


Grunde, wie ic) glaube, find in diefe Zufammenftellung die Beifpiele 
des p’ aufgenommen, als einer Abkürzung nicht für post, fondern 
eben für pos, da wir ung nicht im Kreife juriftifcher Siglen befin- 
den und fich ein fo feltenes Vorkommen nicht auf eine Linie mit den 
zahlfofen Fällen von p p ‚P in den Plautinifchen Hoff. ftellen läßt. 
Indem jenes dem p beigefügte Häkchen (das im Pfeudulus zufällig 
weggeblieben ift) nach fonft üblicher Geltung in us aufgelöft wurde, 
entftand das pusmeridianae des Mediceus in den Briefen ad At- 
tic. XI, 53. Und daß Cicero felbft im Orator $. 157 von fi 
ausgefagt hatte, er fpreche lieber posmeridianas quadrigas quam 
posimeridianas , nicyt aber pomeridianas quadrigas, wird durd) 
das Citat des Velius Longus de orthogr. ©. 2237 P. fo fehr be- 
wiefen, daß vielleicht auch bei Quintilian IX, 4, 39, der unmittel- 
bar vorher vie Ciceroniſche Schrift ausdrücflih erwähnte, vielmehr 
pos meridiem als pomeridiem (denn das po’ meridiem der Aus— 
gaben tft gar nichts) zu leſen und Quintilians Meinung nicht ſo— 
wohl von einem ausgeftoßenen st, als nur von einem abgeworfenen 
t zu verftehen fein wird. Hierzu tritt endlich die Beglaubigung des 
pos durch Inſchriften bei Marini Alli de’ fr. Arv. ©. 182 und 
258, in denen fich postemplum und poscolu(mnam) findet. 

Am begreifllichiten ift, daß der Zufammenftoß von drei oder 
gar mehr Gonfonanten gern vermieden oder gemildert und darum 
lieber posquam als posiquam , darum auch gewiß von Plautus 
vielmehr. posprineipia und posparloribus als posiprineipia und 
posipartoribus gefagt wurde Pers. IV, 1,4. Truc. 1, 1,42. Auch 
posridie Tieße fich auf diefen Grund zurücführen: obwohl allerdings 
son posremus, feine Spur entweder übrig vder mir vorgelommen 
ift. Aber follen wir darum die Form pos wirklich für nichts ande- 
res als ein Erleichterungsmittel der Aussprache nehmen, die nur 
misbräuchlich fih auch da eingefohlichen hätte, wo es feinem Bedürf— 
niß der Bequemlichkeit diente? Möglich an fih, aber wiederum 
nicht eher zugegeben, als bis fich einer organischen Auffaffung 
jeder Weg verfoploffen zeigt. Das ift er aber nicht. Zwar von 
den übrigen Plautinifchen Belegen felbft haben nicht alfe gleiche 
Beweiskraft; mit zweien, dem p’ hunc der Menächmi, das wir 





Plautinifhe Ereurfe. 573 


leicht fallen Taffen, und dem ſtärker bezeugten poshac des Pönulus, 
ftebt es darum mislich, weil beivemale die erfte Sylbe in die Arfıs 
fültt, alfo Verlängerung des os (dem ja Dmifron in Jloorovuuog 
entfpricht) als Fortwirfung der Poſitionskraft auch nach weggefalles 
nem b angenommen werden müßte. Aber außer dem vielleicht auch 
nicht ſchwer genug wirgenden p’ id des Trinummus bleibt ung noch) 
immer nicht nur ebenda pos tu, fondern auch noch p . . illa in 
den Menächmen übrig, was doch vor der Nafur fiherlich nichts an- 
deres war als pos illa. 

Der Entfcheidvungsgrund liegt in einer andern Thatfache, die 
ein urfprüngliches POS anzunehmen nöthigt, auch wenn wir gar kei— 
nen Neft deffelben in ven Plautiniſchen Hſſ. hätten. Feftus führte 
nach Paulus S. 245 M. posimerium (d. i. posimoerium) 
an als (alte) Form für pomerium (pomoerium). Bei der Erfläs 
rung pro-murium brauchen wir uns nicht aufzuhalten; pomoerium 
ift natürlich gefagt wie pomeridianus, alfo für posi- moerium, 
wofür wir zum Ueberfluß die Autorität des Varro haben de 1. lat. 
V, F. 143. Woher alfo hier die Bildung posimoerium, wenn 
pos nur die zufällige Verſtümmelung von post, diefes nur eine Abs 
fürzung von poste war? Drdentliherweife fonnte man nur ent» 
weder, wenn man von diefer letztern ausging, posimoerium, pos- 
moerium, und wenn man wollte, weiter pomoerium machen, wie 
man getban; oder aber man Fonnte poste zu Grunde legen und 
postimoerium bilden; aus diefer Form jedoch das L auszuftoßen 
lag fo wenig vernünftiger oder ufueller Grund vor, wie ein ver- 
ftümmeltes d. h. unorganifches pos als urfprünglich zu behandeln 
und auf dem Wege organischer Bildung durch hinzutretenden Bindes 
vocal in der Zufammenfegung zu PO Si- werden zu laffen. Folg— 
fi — denn die Folgerung iſt unausweichlicd — war eben pos 
nicht unorganifch verftümmelte, fondern urfprüngliche Form, und es 
kömmt nur darauf an, fie in ihr rechtes Verhältniß zu der andern 
zu fegen. Dieß wird, täufcht mich nicht alles, gelingen, wenn wir 
das correlative Präpoſitionenpaar auf das gemeinfchaftlihe Bildungs- 
gefeg zurückführen, wonach aus den Grundformen pos und an 
durch gleichmäßige Hinzufügung der Anhängefylbe Le (wohl verfelben, 


574 Plautinifhe Ereurfe. 


die wir in tule und iste haben) auf zweiter Stufe poste und 
ante, hierauf auf dritter durch Abkürzung post und nur zufül- 
lig nicht auch ant geworden ift. Ob und in welchen Worten der 
fertig gewordenen Latinität das alte an = ante etwa noch erfcheine, 
dieß zu verfolgen werben Sprachvergleicher berechtigter fein. So 
viel ich fehen kann, darf hieher anlestari gezogen werben, deſ— 
fen Bedeutung ich nicht wüßte auf das andere an = am (circum, 
um) zurücdzubringen, weldes in mehrfachen und unzweideutigen 
Compofitis, wie anquiro, anfractus, übrig ift. Vielleicht auch an- 
tenna von an und tennere = tendere. Wir dürfen vermutben, 
daß gerade darum, weil der Uebergang jenes am in an fich früh- 
zeitig geltend machte, die Sprache um fo mehr das Bedürfniß fühlte, 
einen Formunterfchied für an = vor (am) zu gewinnen, und 
demgemäß für das letztere die verftärfende Erweiterung zu anle 
danernder und ausschließlicher eintreten Tieß, als fie nöthig gehabt 
hätte wenn fie ſich gegen feine Begriffsvermifchung zu fchügen hatte; 
die Bewahrung des an..in anteslari (und anlenna) mochte durch 
die phonetifche Befchwerlichkeit eines antelestari (und anletenna) 
bewirkt werden. Das alte pos eben fo radical verfchwinden zu laſ— 
fen Tag ein gleicher Grund nicht vor, darum hat es fich länger er— 
halten; zur Alleinherrſchaft ift die entfprechende Erweiterung poste, 
nur wieder abgeftumpft zu post, erft durch den Einfluß des Dane» 
benhergehenden ausschließlichen ante gefommen. 

Da fih, wie ich hoffe, dieſe Darftellung durch ihren innern 
Zufammenhang felbft wertheidigen wird, fo kann ich abweichende 
Meinungen, die ohne durchgeführte Entwicklung geäußert worden 
find, furz erledigen. Man hat anti posti, man hat auch anlid 
und poslid als Urformen aufgeftellt, aus welchen lettern fich freis 
lich antidhac antidea postidea ohne alfen Umweg herleiten laſſen. 
Sch wundere mich, daß man dafür nicht die Plautinifche Verbindung 
post id (wie Aul. IV, 10, 19. Cas. prol. 33. 1, 1,42. Stich. 86. 
Trin, 529) benußt und in dem zu einem Wort verbundenen poslid 
jene Urform felbft zu finden verfucht hatz (denn daß Bothe gele- 
gentlich einmal anted Amph. 546 vruden ließ, hat bei ihm Feine 
weitere Bedeutung, als wenn er auch facered oder terraed ſetzt ;) 





Plautiniſche Ereurfe, 575 


man müßte denn wirklich eingefehen Haben, daß ſich damit Doch die 
Berbindung postid locorum (Cas. I, 1.32, Poen. I, 1, 16. Truc, 
III, 1, 16) nicht wohl vertrüge, da der Genitiv. einen Demonftra- 
tiobegriff verlangt, fei e8 in einem freiftehenden Pronomen, fer es, 
wie bei postidea loci (Cist, greg. 3. Stich. 758) innerhalb bes 
Compofitums. — Um e8 kurz zu machen: wer anlid postid für 
ursprünglich nimmt, erklärt erfilich nicht, wie man, nachdem einmal 
anlidhac anlidea poslidea da waren, naturgemäß noch zu einem 
anlea postea fommen konnte; denn da diefe Formen ja nicht aus 
jenen hervorgehen fonnten, fo hätte man erſt in einer weitern Pe- 
riode, in der ſich anlid postid ſchon zu ante poste abgeſchliffen 
hatten, diefe fecundaren Formen wieder als primäre behandeln und, 


- gleichfam wieder son vorn anfangend, mit ihnen Die neuen Bildun- 


gen antea postea vornehmen müſſen, um — aud) nicht die geringfte 
Bedentungsnuance für die längſt geläufigen Adverbialformen zu ge> 
winnen, Das ift eben fo fehr gegen den Spracigeift, wie es in 
ihm Tiegt, gleichzeitig zwei verſchiedene Bildungswege neben einander 
zu verfuchen um zu einem gewiffen Ziele zu gelangen; wie eben, 
wenn von einem nnd demfelben Anfangspunfte, poste, aus gleich- 
zeitig zu poste-d-ea und zu post’-ea fortgegangen wurde *). Zivei- 
tens aber verfährt, wer anli posti oder anlid postid als Grund— 
formen fest, darin unhiſtoriſch, daß er fie muß in ante poste und 
damit i in e-übergehen laſſen, während es umgefehrt ver Hebergang 
des e in i iſt, der als das fprachgemäße anerfannt werben muß, 

*) Gin ähnliches, aber auch nur ein ähnliches Verhältniß ift es, wenn, 


nachdem man einmal posquam hatte, fein Bedürfniß vorhanden war von 


poste auch noch postiquam zu bilden. Fände fic) dieſes indeß in glaubhafs 
ten Spuren, fo würde es gleichwohl nichts gegen Die obige Argumentation 
entfcheiden. Denn gleich ift der Ball darum nicht, weil nicht in der näm— 
lihen Weife, wie postid und posti, auch pos und poste als fucceffive Er— 


ſcheinungen entjchieden getrennter Sprachitufen zu faflen wären, fondern offen— 


bar — troß der Abhängigfeit des poste von einem urfprünglichen pos — 
ſchon fehr frühzeitig beide neben einander beftanden, fo gut wie illice illie 
neben ille. Day Dagegen In das vorhandene. und ausreichende posquam ein 
d fich einſchlich, war erjt fpätere misbräuchliche Rückwirkung der ſchon zur 
Herrſchaft gekommenen jüngften Form post. Früh genug muß allerdings 
jowohl pos als poste antiquirt worden fein, weil ſich ſchon in den älteften 
Geſetzinſchriften des ſiebenten Jahrhunderts meines Wiſſens nur post findet; 
aber. daß es in der Zeit des SC. de Bacanalibus ſchon verfehwunden ge: 
weſen, darf man daraus, daß hierin rosruag vorkommt, Feinesweges fchließen. 


576 Plautinifhe Excurſe. 


(denn mit dem Uebergang der Endung is in mage pote, faleare, 
bat es feine befondere Bewandtnig.) Nicht nur diefer Neigung der 
Sprache entfprechend,, fondern von einem beflimmten Sprachgefeg 
mit Nothwendigkeit gefordert ift Dagegen ber Webergang des anle 
poste in anlödeo anlidea antödhac postidea; daß antedhac po- 
stedea unrichtige Formen find, foll der nächfte Ereurs zeigen. 
Diefe Begründung hat meines Bedünkens fo zwingende Kraft, daß 
ich die Vergleichung diefes d mit dem urfprünglichen in red- prod- 
sed-, woraus erfi re pro se geworden, nicht kann dagegen auf- 
fommen laffen. 

Zu nicht geringer Beftätigung des altlateinifchen pos dient 
übrigens die im Umbrifchen entfprechende Form pus: f. Aufrecht 
und Kirchhoff Umbr. Sprachdenfm. I, S. 1555 während im Osei⸗ 
fhen nur püst erfheint, f. Mommfen Unterital. Dial. ©. 292. 
Sehr erwünfcht käme uns eine Zufammenftellung jenes pus mit ber 
ebenfalls in den umbrifchen Texten erfcheinenden Präpofition pusti; 
jedoch nehmen die genannten Ausleger für fie eine durchaus verfchie- 
dene Bedeutung an und trennen fie von post gänzlich. 


10.*) 


Aus iste ille und ce wird nicht istec(le) illecle), fondern 
istiece) illic(e). Diefelde Erſcheinung fegt fi fort, wenn 
aus istice illice und ne weiter nicht isticene illicene, fondern isti- 
cine illicine wird: genau wie aus hice hoce nur hicine 
hocine, aus nunce tunce sice nur nuncine, tuncine, 
sicine: (venn daß den Abkürzungen nunc tunc sic ein num-ce 
tum-ce si-ce gerade fo zu runde liegt, wie dem hunc illanc ein 
hum-ce illam-ce, ift far genug.) Gemeinſam haben beide Fälle 
dieß, daß das kurze Schluß-e, weldhes in i übergeht, ſo— 
wohl felbft einem einſylbigen Sprachbeftandtheil angehört, als auch 
von einem folchen gefolgt wird; denn wie iste aus is und te ber= 
vorgegangen, fo dürfen wir ille auf is und le zurücführen. Beide 
Umftände treffen ebenfo zufammen in tu-te-ne, das als tutin’ ers 


) Aus der ©. 472 erwähnten Unterfuchung. 


Plautinifhe Ereurfe 577 


fheint in den Hdff. des Mil. glor. 290, als tulen’ nur in den Aus— 
gaben ſeit Merula. Desgleichen in un-de-que,undique, in 
in-de-dem*) indidem: denn natürfich ift dem hier daſſelbe dem 
welches wir in ı-dem ea-dem haben, und die Ableitung von inde 
und idem eine Verkehrtheit. Hiernach müßte auch usque und ne 
zu usquine zufammentveten: und unzweideutig genug weıfet Darauf 
die Handfchriftfiche Ueberlieferung usque inualuisti Most, H, 2, 19 
bin, worin nicht usquene ual., fondern eben usquin ualuisli liegt, 
maßgebend für Merc. 1, 3, 53, wo nur usque ualuisli in B fteht, 
usquene ſich ſchon in CD eingefchlihen hat. ; 
Wenn in allen diefen Beifpielen beide Wortbeftandtheile, in 
deren Mitte die Veränderung vor fih geht, einfylbige find, und 
zwar enklitifhe Kürzen — te le ce de que einerfeits, ce ne. que 
dem anderfeits —, fo zeigt fich doch bald, daß die keinesweges 
Bedingung, ſondern die Sprache über ſolche Beſchränkungen nach 
beiden Seiten hinausgegangen iſt. Zunächſt ſchon langen Vocal. in ver 
Schlußſylbe haben wir in quip-pe-ni quippini: denn dieß iſt 
die fo regelmäßige Ueberlieferung im Plautus, daß nur in. einer 
Stelfe ein quippeni auftaucht Bacch. 839 , das. denn Camerarius 
ſehr richtig nach den dreizehn übrigen corrigirte. Vorausgeſetzt fer- 
ner daß, wie der vorige Excurs darzuthun ſuchte, anle und poste 
aus an-te pos-le erwachlen find, fo tritt uns zwar bei gewiffen 
Compofitis von ihnen ebenfalls als Sis der Vocalverwandlung ein 
enflitifches te entgegen wie in iste und tule (und wie das_ enfliti- 
fhe pe in quippe): aber als nachfolgenden Theil der Compofition 
finden wir nicht nur ein hac in anlidhac, fondern aud ein ziwei- 
ſylbiges ea in postidea, ja über das Gebiet der Pronpminal- 
ſtämme hinaus das Verbum ire in antideo antidit Cas, II, 
3, 1. Cist. I, 1, 3. Pers. V, 2, 2. Trin. 546. Denn wenn ein- 
mal, Bacch. 1089, die alten Bücher allerdings in antedeo überein— 
fimmen, fo. hat die nicht mehr Gewicht als das einmalige quip- 
peni, oder als ein einmaliges andedhac (fo) des einen B in Bacch. 
539 (denn Pseud. Il, 2, 26 ift es vollends unfiher). — Aber 
freilich, im Verhältniß zu der Gefammimaffe der mit der. Prappfi- 
*) ©. oben ©. 475. 
Muf. f. Phil. N. 5. VII 37 


578 Plautiniſche Ereurfe, 


tion ante componirten Worte würden dieſe paar Beiſpiele won anti- 
mehr nach Ausnahmen ausjehen, die neben dem unverändert bleiben- 
den ante nebenherlaufen, als nach Belegen, un den bisher worge- 
fundenen Uebergang des e in I als einen nothwendigen zu beftätigen. 
Wenn diefer auf einem Geſetz der Sprache beruhen foll, wofür die 
beigebrachten und noch beizubringenden Falle ſprechen, fo muß folges 
rechter Weife als alte und urfprüngliche Bildung für alle mit ante 
zufammengefesten Worte die Form anli angenommen, und deren 
Verdrängung dem fprachmeifternden Nationalismus einer Zeit zuge— 
Tchrieben werden, der das lebendige Gefühl des zu Grunde Tiegen- 
den Bildungsgefeßes ſchon entfchwunden war und Die feheinbar cor— 
reete, in Wahrheit flache Fefthaltung des etymologiſch-primitiven als 
Geſchmacksſache galt. Wird eine folche Annahme nicht zu keck fein? 
Sch denke nicht; zu entfchiedene, außerdem unerflärbare Spuren führen 
ſelbſt jegt noch, nachdem unftreitig Abfchreiber und Herausgeber Un— 
zähliges vwerwifcht haben, auf eine gewöhnlich nicht beachtete Ausdeh— 
nung der Umbildung des ante in anli hin; fortgefeßte Beobachtung, 
einmal auf diefen Punft geleitet, wird ohne Zweifel das mir aus 
genblicklich zu Gebote ſtehende Material noch vermehren, Bor al- 
lem treten uns die Worte entgegen, welche die Sprache unferes 
Wiffens niemals in einer andern Form als mit i gefannt hat: 
anticipare antistes antistita, vermuthlih auch das alte 
anltigerio, wenn diefes etwa von ante gerere flammte und 
genau nicht fowohl valde bedeutete als sielmehr auf den Begriff 
son praecipue (prae capere) hinausfan. Können wir darin, daß 
fi gerade hier, und nicht auch in antecellere antecursor anle- 
ferre anteponere antesignanus u. ſ. w. das i erhielt, kaum etwas 
anderes als das eigenfinnige Spiel des Zufalls fehen, fo wäre deſſen 
Willkühr noch größer, wenn neben anlistes und antistila doch das 
Berbum antesiare gelautet hatte, Mit und neben anlistare 
führen es allerdings die Lerifa aufz fo viel ich indeß ber der Unzu— 
verläffigfeit mancher Texte (wenigſtens der mir gerade zugänglichen) 
babe nachfommen können, ſtellt ſich anlistare als faft allein beglau- 
bigte Schreibung heraus, So bei Cats c. 156, Lucrez V, 22, 
Eatuff 9, 2, Eicero Rep. Ill, 18, Tacitus Ann. II, 33, Gellius 





Plautiniſche Excurſe. 579 


IX, 13: XII, 9, Appulejus u. a. bei Oudendorp I, ©. 253 und 
Hildebrand I, ©. 233. II, 316, Lartanz VII, 15, Fulgentius ©. 
563 M. Wenn de invenlione II, g. 2 anlesteterunt gedruckt zu 
werden pflegt, fo wird dieß dem anlisteterunt um fo mehr weichen 
müffen, als Baiters Collation der Züricher Hf. aus diefer astiterunt 
alg m. pr., antisteterunt als sec. anmerft. Auch Caſſiodor de 
orthogr. ©. 2294 ſcheint nur anlistare anzuerfennen. Bon ältern 
Autoren weiß ich nur bei Nepog Arist. 1 antestarent durch die Hff. 
gefhüst. — Im Wechſel der Ueberlieferung ift ferner das ı erhalten 
in den Gloſſen (S. 199 d. Lond. Ausg.) anlicessor no0n- 
yovusvog, anticessum nooAnuua: fo daß alfo das griechifche 
AvrıREvowg ganz und gar nicht auf willführlicher Subftitution des 
nur Hangähnlichen avrı für ante beruht. Hieher gehört des Sal— 
mafius Bemerfung zu Florus IV, 12, 242 in antecessum] Vi an- 
tistare pro antestare dixerunt veteres, ila anlicessum semper 
exaralum reperimus in oplimis et veluslissimis D. Nazarii mem- 
branis. sic et anticessor aoyalzwg pro antecessor. unde et apud 
Hesychium avrızevono pro eodem. So hat z.B. auch bei Se- 
neca Epist. 118 in. für in antecessum die alte Bamberger Hſ. 
richtig in anlicessum, und wer darauf achten will, kann unfchwer 
mehr finden, — Endlich zeugt für anli die von Paulus aus Feftus 
S. 8 M. erhaltene Form antipagmenta flatt des ſonſtigen d. 
h. der Doetrin zu Gefallen eingeführten anlepagmenta. — Aus 
den Plautiniſchen Handſchriften habe ich nichts hinzuzufügen, als 
daß, wenn Merc. V, 2, 44 die gewöhnliche Lesart in gaudia, 
antequam is. CH. eo ficher wäre, aus den Spuren in CD ingau- 
diantig; ut fif vielmehr die Form antiquam zu entnehmen wäre, 
Aber Plautus felbft wenigftens Tennt weder die Verbindung ante 
quam noch ein Compoſitum aus beiden, fondern fagt dafür prius- 
quam oder prius quam. Denn in den Backhives (f, zu V. 511) 
ift antequam nur Lesart der interpofirten Bücher, im Mil. glor. 
1424 nur verfehlte. Conjeetur von Camerarius. 

Unfere Argumentation verfiert aber auch für den nichts von 
ihrer Beweiskraft, der etwa nicht an die Zufammenfesung des ante 
und post(e) aus an und le, pos und te glauben will, Denn wie 


580 Plautiniſche Excurſe 


es der Verwandlung des e in i nicht im Wege ſtand, wenn der 
darauf folgende Wortbeftandtheil weder enklitiſch noch felbft, einfyl- 
big war, jo gilt, um es nun berauszufagen, auch für den Sig. ver 
Verwandlung felbft gar Feine Beſchränkung folder Art. Zwei unver: 
werfliche Belege aus Plautus beweifen es, zu denen fich wohl mit 
ber Zeit noch andere hinzufinden werben. Aus facile und ne wird 
nieht Sacilene, fondern laciline, aus servire und ne; nicht ser- 
virene, fondern Ser virine.(pder, was vollkommen daffelbe ift 
und nicht den mindeften Unterſchied begründet, facilin' und serui- 
rin’): in jenem fiimmen die veinen Textesquellen zufammen Me- 
naechm. V, 5, 29 facilin iu dormis cubans, in diefem ebend, 
V, 2, 44 servirin tibi posiulas.viros. „Findet ſich daneben ein 
sereinzeltes benene Bacch. 248. Epid. I, 2, 26, fo.ift es gewiß 
feine ſtärkere Zumuthung, ein urfprüngliches benine nur für ver 
wiſcht Durch Abfchreiber zu halten, als in den oben befprochenen drei 
Stellen für usquene anledeo quippeni. die unzweifelhaft Achten 
Formen mit i zurückzurufen. 

Wir haben jest nur noch den Heinen Schritt zu thun und, 
was ſich einerfeits und was ſich anderfeits fand, auch in gleichzeiti- 
ger Eombination anzuerkennen, um das allen dieſen Erfcheinungen zu 
Grunde. liegende gemeinfame Gefeg in. feiner wahren Ausdehnung 
zu überfehen. Es iſt fein anderes, als daß, völlig. abgefehen von je— 
der Beichränfung auf Enklitifa oder Monofyllaba, im alten leben» 
digen Latein überhaupt jedes furze Schluß-e in der Com— 
pofition mit einem eonfonantifch anlautenden Worte 
den Umlaut ini erfuhr Zu dieſem Abſchluß gelangt die Un— 
terſuchung durch Betrachtung der mit bene und male gemachten 
Zufammenfesungen. Sp lange man Fein Prineip hatte, gehörte. es 
zu den undanfharften Erörterungen, ob beneficus malevolus 
vder benificus malivolus vorzuziehen fer, und ob man lie— 
ber male dicere over maledicere ſchreiben folle. Für beide 
Tragen ift jest der Entfheidungsgrund gefunden. Wo es nur wirt 
liche Compofita fein können, iſt i als ältere, durch die Analogie ges 
rechtfertigte Form anzuerkennen und bei Plautus, in deffen Hff. jest 
allerdings ſchon vorherrſchend das e ift, urfprünglich gewiß auch ge— 


Plautiniſche Excurſe. 581 


ſchrieben geweſen; wo dem Begriff nach ſowohl getrennte als ver— 
bundene Schreibung möglich iſt, haben wir uns durch die nun leicht 
verſtändlichen Andeutungen der handſchriftlichen Ueberlieferung zu der 
einen oder andern leiten zu laſſen, in letzterm Falle nur i gutzuhei— 
fen, bei Feſthaltung des & nur getrennt zu ſchreiben. Zwar beni— 
fieium malifieium weiß ich im Plautus nicht nachzuweiſen, 
obwohl erfteres fogar gute epigraphifche Beftätigung hat durch die 
an bemerfenswerthen Alterthümlichfeiten reiche Inſchrift N. 4859 
©. 359 Dr. (fonft 3. B. n. 3239.) Aber ſogleich für die Ad⸗ 
jectioa fehlt es nicht an Neften der bier nothwendigen Schreibung 
mit i: benivolum Capt. II, 2, 100, malivolus Stich. 203, ma- 
livoli ib. 385, malificos Mil. 191, malificus Pseud. 195, 
Bon diefen Zeugniffen Tegt das Tebte zugleich indireft ein ent- 
ſcheidendes Gewicht in die Wagfchale: indem namlich vorangeht sa- 
tin magnificus tibi videlur, ift in der hierauf gegebenen Antwort 
pol iste, atque etiam malificus diefe Form fehr fühlbar ſchon durch) 
den Gleichklang geboten. Ohne Variante fteht maliloquax in den 
Sprüchen des Syrus V. 410 Both. Folgerecht muß es auch ma- 
lifactorem Bacch, 395 heißen, und 'maliuolenlia Merc. prol. 28 
(wie nicht felten in Inſchriften), desgleichen malisuada Most. 1, 
3, 156: obwohl gegen die Bücher, Ob man benivolens ma- 
livolens over bene volens, male volens wie bene merens, 
und wie bene velle, fagte, kann zweifelhafter erfcheinen, da die 
Hf. für die Bevorzugung des erftern außer Cist. I, 1, 25 feinen 
binlänglichen Anhalt bieten: benivolenti nur Cb Bacch. 475, be- 
nivolentibus nur Z Pseud. 1005, benivolentis nur G Trin. 46. 
Die Entfepeidung möchte indeß durch die Superlative male- und 
benevolenlissimus (richtiger mali- beni-), fo wie durch den Plau— 
tiniſchen Comparatio maledicenliorem Mere. I, 2, 51 (wo, wie 
in maledicentes ib Il, 3, 75, das i auch ſchon verwifcht ift) doch 
ziemlich ſicher geftelft fein. Auf die hiermit aufgezählten Wortfor— 
men find aber die Spuren des i durchaus befchränft; in allen übri- 
gen iſt das e fo regelmäßig und, wenn ich nicht irre, ohne die 
Heinfte Ausnahme bewahrt, daß wir eben darin den Beweis fehen 
dürfen, fie feien nicht als Comvofita behandelt worden. Alfo nicht 


582 Plautiniſche Excurſe. 


allein bene oder male facere und dicere (wie ja auch 
wohl noch niemand benevelle gefchrieben hat), fondern eonfequen- 
termaßen au bene dicta, male dicta, bene facta, 
male facta, fo üblich auch gerade hier heutigen Tages die Zuſam⸗ 
menfügung geworben ift. Daher auch ſchon alte Grammatifer, wo 
fie die Drthograpbie in Betreff des e oder i feftzuftellen befchäftigt 
find, nur von den Adjectiven auf -ficus und -volus ſprechen: Des 
lius Longus ©. 2235 und Beda ©. 2331. Macht der Iebtere die 
ganz ungehörige Vergleichung mit pacificus, fo lehrt das Zeug- 
niß des erftern, daß es nicht an Einfichtigen. fehlte, . welche die 
Schreibung mit i als die richtige erfannten, ohne gegen die Macht 
einer Gewöhnung etwas zu vermögen, die benfelben Grund hatte 
wie die Verdrängung des anli in der Compoſition. Niso eliam 
placet, fagt Longus, ut benificus per © scribalur, quomodo ma- 
lificus, quod vides consueludinem repudiasse: welche consue- 
tudo er fodann durch ein fehr flaches Nafonnement zu vertheidigen 
unternimmt, Ueber Nifus, den A, Mar (mit ihm Oſann Beitr. 3 
&tt.gefch. I, ©. 210) ohne Grund in den Veronefer Interpreten 
des Virgil zu finden meinte, ſ. Suringar Hist. schol. II, ©. 
240 ff. 

Es iſt hiermit auch für andere Fälle der maßgebende Gefichts> 
punft gewonnen. Man pflegt jest agedum respicedum zu 
fohreiben. Das müßte nach dem aufgefundenen Gefeg agidum respi- 
cidum heißen, und wenn-auf diefe Formen handſchriftliche Spuren 
binführten, würde ihrer Anerfennung fo wenig ein Bedenken entge— 
genftehen, wie in gleichem Falle den Formen benifacta malidicla. 
Da aber eben ein i, fo viel ich weiß, dort nie vorkömmt, fo Ier- 
nen wir daraus vielmehr, daß die Sprache diefe Verbindungen, nicht 
als Compoſita faßte, alfo cape dum, sine dum, dice dum, tange 
dum, accipe dum, circumspice dum bei Plautus zu ſchreiben iſt. 
Desgleihen age sis, nidyt agesis; usque quaque, nicht usque- 
quaque; ulroque uorsum, nit ulroqueuorsum; prope modum, 
nicht propemodum : fo weit ſich bei nur wenigemale vorfommenden 
Formen mit einiger Zuverficht urtbeilen läßt. | 

Wirkliche Ausnahmen son Dem dargelegten Geſetze gibt es 





Plautiniſche Ercurfe. 583 


meines Wiſſens nicht; feheinbare dienen nur zu feiner Beftätigung. 
Allerdings iſt re nicht in ri übergegangen wie fpäter in der italiä— 
nischen Tochterſprache; aber das beruht Härlih darauf, daß eben 
nicht re, fondern red die urfprüngfiche Form war: eine Einficht, 
die jegt wiederum an der Nichtverwandlung des re in ri auch ihrer» 
feits eine neue Stütze findet. Ferner gehört zur Verivandlungsfäs 
digkeit, daß die Kürze des Schluß-e eine urfprüngliche fer, darum 
es nicht nur, wie fih auch anderweitig verfteht,, fein vidin iubin 
für viden iuben gibt, fondern auch fein califacere commonilacere 
madifacere palifacere*) u. f. w., weil hier überall Verbalftämme 
der zweiten Conjugation mit langem e zu Grunde liegen, das erft 
fecundär Verkürzung erfuhr in cale mone u. f. w. Weil dagegen 
pergere der dritten angehört, fo ift es eben darum möglich gewefen 
expergilicus und expergilicare zu bilden, wie man. bei Gellius und 
Appulejus Tieft. Doch ſchlägt dieß ſchon zu fehr in das Gebiet des 
Bindevocals hinüber, als daß es für hinlänglich gleichartig mit den 
oben behandelten Thatſachen gelten könnte. 


11: 
Wenn man ehedem in alten Terten Lacrısr fand, wie im 
Mil. glor. 240 tam similem quam lacte lactist, fo ließ fich dieß 


*) Weil diefe Formen nur kurzes e bei Plautus haben, wie cale- 
facere mehrmals, commonefaciam Stich. 62, madelacitis Pseud. 184, per- 
madefecit Most. I, 2, 63, patefeei ib. V, 1, 5, (pertimefactus Pacuvius 


bei Non. ©. 467), fo ſchien mir Pseud. 1215 perfrigefaeit eör Surus noth: 


wendig für Surus cor peErfrigefacit. Das ift falſch. Ich habe erft fpäter 
das Geſetz gefunden, wonach ſich diefe Bildungen im der alten Sprache 
ftreng gerichtet haben: es ift genau derjelbe Fall, wie beim Imperativ (und 
der zweiten Perſon mit ne) in dev zweiten Conjugation. Nur von Verbis 
mit kurzer Stamm ſylbe wird €: wie in habe möne, fo in calelacio 
commönefacio mädelacio patefacio ; bei langer Bänultima bleibt das e 
lang wie ſtets in ride misee, alſo nur perfrigefacit, contäbefacit Pseud. 
21, putefacit Most. 1,2, 31. Zwar in jener Klafje durften die daftylifchen 
Dichter zur urfprünglichen Länge zurüdfehren und auch liquefiunt tepefaciet 
fagen, was die Komödie nicht that, nicht aber Fonnten fie in diefer eine 
Verkürzuug eintreten laſſen und etwa rarefacit meſſen; wenn Dvidius pu- 
telacta brauchte, jo war eben die vorangehende Sylbe zugleich kurz gewor— 
den. Die Länge der Stammſylbe blieb übrigens maßgebend für langes e, 
auch wenn die Bildung nicht von der zweiten, jondern von der britteu 
Bonjugation ausging wie expergefacis Curc. I, 3, 42: gleichwie Furzes 
e bleibt bei dem von labare abgeleiteten lab&faetus. 


584 Plautiniſche Ercurfe. 


eben fo wohl in lacti est wie in laclis est auflöfen. Das erftere 
darin zu erfennen und, wie dort von den Abfchreibern gefchehen, zu 
fegen lag um fo näher, je überwiegender im Laufe der Zeit. bei 
similis die Dativeonftruetion über die mit dem "Genitiv "wurde, 
Gefegt daher, es habe das Bruchftük aus dem verlorenen Anfang 
der Bacchides (V. 19), worin diefelbe Vergleichung wiederfehrt, nicht 
sicut lacte lacti similest, fondern sicut lacte laclist simile oder 
ſelbſt sicut lacte lactis similest gelautet, fo wäre es doc weder 
zu verwundern noch von Erhebfichkeit, wenn wir bei den Gramma- 
tifern, die diefen Vers in ihren Erörterungen über die Nominativform 
(ob lac oder lact oder lacte) beibringen, sicut lacte lacti sim. ge» 
fchrieben fänden. Und fo fteht es in der Wiener Handſchrift des 
Probus bei Lindemann ©. 105 und in einer Vaticanifchen (aus Pom- 
pejus Comm. Don.) in Mai’s Coll. Vatic. V, &.152. Aber nicht 
einmal bier ift diefe Schreibung fiher; Putſch S. 1445 Tieß aus 
feiner Duelle des Probus lacte lactis drucken, und daffelbe fand 
bei Pompejus ©. 233 Lindemann in ver Leydener Handſchrift. Nun 
lieft man zwar auch in den Menähmen V. 1089: -Neque aqua 
aquae neque lacte est lacti, erede mihi usquam similius, und 
fo führt diefen Vers ein anderer Grammatifer an, Priscian VI, ©, 
686 P. (233 Kr.). Wer aber wollte glauben, daß nad einem 
folgen Dativ im unmittelbar folgenden Verſe fortgefahren werden 
fonnte mit diefen ©enitiven: Quam hie tui est tuque huius au- 
tem —? Freilich ging auch unmittelbar vorher ein Dativ: Naın 
ego hominem homini similiorem numquam uidi alterum; indef- 
fen ob bier als urfprüngfic) homini oder hominis anzunehmen, da— 
für gibt, vor folgendem s, das Zeugniß der Hoſſ. ein fehr geringes 
Gewicht. Daß hominis fhon von Weſenberg Eimend. Cie. Tuse. 
part, I. (Viburgi 1841) &. 27 evrrigirt worden, und nur. Dief, 
weiß ich durch Fledeifens zufällige Mittheifung. Die Verbefferung 
ift nothwendig, nicht nur weil, ganz abgefehen von lacte lacli(s), 
ſchon das folgende tui und huius ein gleichförmiges hominis unwei— 
gerlih fordern, fondern auch weil, wie vermuthlich bereits von We⸗ 
ſenberg beobachtet worden, similis bei Plautus überhaupt nur 
‚mit dem Genitiv conftruiet wird. Im Pönulus II, 2, 36 





Plautiniſche Excurſe. 585 


fteht similis malo est in feiner Handfchrift, fondern in B bios 
similis est, in C similis malus est, Im Trueulentus II, 6, 24 
fann ecquid mihi similist? rogas als zweite Hälfte des trochai— 
ſchen Seytenars ſchon wegen des Proceleusmaticus nicht richtig fein; 
mi in der Arfis wird wahrlich dadurch nicht für Plautus bewiefen, 
daß es bei Ennius und Lucilius vorkommt”); mei für mihi iſt, zumal 
in einem fo überaus verderbten Stück, um fo unbedenflicher zu fehreis 
ben, da diefe Formen auch fonft unter den Händen der Abfchreiber 
verwechfelt find 3. B. Stich. 334. In Most. I, 2, 21 ft sibi 
von Hermann Elem. d.m. S. 300 richtig mit expetunt conſtruirt 
worden. Gegen die Meberzahl der Stelfen, in denen similis, dem 
Begriffe nach auch auf das Aeußerlichſte bezogen, beftändig den Ge— 
nitio bei fich hat **), fümmt ein vereinzeltes omnis inueniri simi- 
lis tibi uis Capt. III, 4, 50 nicht in Betracht, und mit Necht hat, 
wie ich eben fehe, Fleckeiſen es Hier in lui verwandelt, Und ber 
diefer Sachlage follte überaus verwunderlicher Werfe eben nur lacle 
lacti eine unbegreifliche Ausnahme bilden und außer dem vbigen 
Menächmenverſe durch ein, jest allein noch rückſtändiges, Beiſpiel 
gehalten werden, welches mit jenem ganz denfelben Anftoß gemein 
bat, daß aus einer Conftruction in die andere übergefprungen würde, 
namlich Amph. II, 1, 54: 

Neque lac lacti mägis est simile quam ille ego similis Est 

mei — ? 

Niemand wird, denfe ich, mehr zweifeln, daß, wie hier laclis zurück— 
zurufen und im Fragment der Bacchides aufzunehmen ift, fo in ven 
Menächmen es heißen muß: 

Nam hominem hominis similiorem nümquam uidi ego äl- 

lerum: 


*) ©. den 13ten Excurs. 

#°) :5.. Amph, I,.1,.111..128.:286. ‚II, 2,.226. .Asin: L, 1.53 
3, 63. 88. II, 3, 91. Aul. I, 2, 33. Cist. I, 1, 82. Bacch. 913. Most. 
1, 2, 6. 8. 10. Mil. 291. 448. 519. 551. 698. 699. Pseud. 57. 403. Pers. 
I, 1, 14, Rud.-I, 6,,16., Trin.. 284, Truc..I, 2, .68..H, 1,16, Auch 
Terenz kennt nur den Genitiv bei similis, mit Ausnahme ber einzigen Stelle 
Eun. III, 2, 15: Perpulcra eredo dona ant nostris similia, wo eben dar: 
um nostris höchſt wahrſcheinlich nur Erklärung des urfprünglichen nostr um 
(= nostrorum) ift, 


586 Plautiniſche Excurſe. 


Neque aqua aquae neque làcte lactis, mihi crede, usquam 
similiust, 

Quam ‚hie tuist tuque huius autem : — 
(wo die Umftellung des ego von Bothe,. die des mibi von Linge 
ift.) Der Ueberlieferung näher und das Verderbniß erflärender 
wäre zwar im zweiten Verſe neque laclist. lacte — similius; aber 
diefe Art Hleinlicher Hülfen hat der Kritifer des Plautus zu ver 
ſchmähen, dem es gilt das im individuellen Sprachgebrauch) geläufige 
und darım.gefülligere feftzubalten; der Sprachgebrauch aber empfiehlt 
fo wenig. das, rhetoriſch gefuchte neque aqua aquae neque lacli 
est lacte similius, als das ungelenfe neque aqua aquae neque 
lactest lacli similius, ja bei einem dazwifchengefchobenen mihi 
crede nicht einmal lacte laclist similius; und ‚wie unftät ein 
Vogifh nicht an einen. beftimmten P lab gebundenes est heramzu- 
fhweifen pflegt, lehren ja die Plautinifchen Hof. in überaus aphluein 
cheu Beifpielen, 

Abſichtlich habe ich übrigens im Eingange das Zeugniß eine 
dritten Orammatifers neben Probus und Pompejus übergangen, weil es, 
bei aller nicht zu verkennenden Verwandtichaft mit dem des Pompejug, 
fo heillos zerrüttet und offenbar lückenhaft ift, daß es fich mit gar 
feiner Sicherheit zu irgend etwas gebrauchen läßt. Es ift das des 
Cledonius ©. 1904 P.: Sex mutae. ideo sex, quia f exelu- 
ditur, nullum autem nomen f litera terminatur. Vi allec vel 
lac vel lacte, quia uolunt dicere quod lacte dieitur in nomina- 
tivo singulari, iuxta Plaulum. lacte ait Varro non dici. nun- 
quam enim nomen ex duabus mulis terminatur aut currit, hoc 
lact. quod dieit Plautus utsit lacte lacli, non sic 
ut l/aclis. auctoritas Virgilii tamen Zac dixit. ita ergo allec 
debemus dicere, non allece sicut lac lactis. Möglich daß in 
den Worten, auf die es ung anfümmt, daſſelbe Eitat aus den Bar» 
chides fteeft und ut sit lacte lacli nur Verderbnig yon sicut lacte 
lacti ift; eben fo möglich, daß dort nur der Gegenfag ut sit lacte 
lacti[s], non sic ut [lac] lactis gemadt wurde. Denn daß der 
Grammatifer an einen Genitiv lacti gedacht und lacte lacti einem 
[lacte] lactis entgegengeftellt habe, mird wohl niemand glauben ; 


Plautiniſche Excurſe. 587 


fo erwünſcht ung auch eine Genitivform lacli käme, um die Kritik 
der. Mautinifhen Steffen über jede Schwierigfeit mit Leichtigkeit 
hinweg zu heben. 

12. 

Das aqua aquae der eben behandelten Menächmenftelle dient, 
wie jeder fieht, zu nicht geringer Beftätigung der Schreibung in 
Mil. glor. 552: 

Nam ex uno puteo similior numquam polis 

Aqua aquai sumi quam haec est alque ista hospita: 
wo das neuerlich von Berge vorgefehlagene Aqua aeque sumi ‚nicht 
nur den Begriff aqua fat unhörbar verſchwinden läßt, fondern, fo 
viel ich fehen Kann, überhaupt feinen Gedanken gibt, weil gar kei— 
nen Vergleishungspunft für similior. Noch weniger glücklich ift in⸗ 
deß ver gleichzeitig hingeworfene Gedanke, man fünne Aqua àqüae 
(äcuae) -sumi leſen und diefe /metriſch gefälligere“ Meffung durch 
ein Lucreziſches Beiſpiel begründen: ein Gedanke, den ich von einem 
Kritiker wie Bergk nicht gern auch nur als flüchtige Möglichkeit ges 
fast, gef hweige im Ernft feftgehaften fehe. Auf folhem Wege wäre 
man niemals zu einer Einficht in die Plautiniſche Sprache gekom— 
men und wirde darin niemals weiter fommen: ſo wenig als wenn 
man den Dialog der griechiichen Komödie nach den Gefeten ver 
tragifchen oder Iprifchen Poeſie beurtheilte und behandelte. Die 
Scheidung der Gattungen, wenngleich nicht ſo durchgreifend wie im 
Griehifhen , iſt Doch auch in der lateinischen Poeſie wichtig genug, 
um es als eine der Iohnendften und fürderlichften Aufgaben erfcheis 
nen zu laſſen, daß ein Befähigter e8 feiner Zeit gründlich darzuftel- 
fen unternähme, wie und worin ſich von der poetifirten Lati- 
nität eines Ennius, Lucilius, Lucretius die von Plautus und feinen 
Fachgenpffen verfificirte Umgangsfprache des fechsten und 
folgenden Jahrhunderts einestheils unterſcheidet, anderntheils mit ihr 
berührt *) : worauf fhon Proleg. Trin. S, CLXIIIf. hingeveutet wor« 
den. Denn „verfifieirte Umgangsfprache“ und nicht mehr iſt es, ge- 


*) Köne's befanntes Buch, welches bei aller einfeitigen Uebertreibung 
manches ſchätzbare Material für die poetiſche Sprachbildung enthält, Teidet 
doch gerade an dem fühlbariten Mangel einer faſt unglaublichen Inbefannt- 
fchaft mit der Sprache der Komödie, 


588 Plautiniſche Excurſe. 


rade wie es im Ariſtophaniſchen Dialog nicht mehr iſt, wenn der 
allgemeine Charakter feſtgeſtellt werden ſoll. Weiter als auf den 
Dialog erſtreckt ſich die Parallele nicht, weil in der roͤmiſchen Ko- 
mödie die Sprache der Cantica (ſoweit diefe mit den Chorgefängen 
überhaupt vergleichbar) über die des Dialogs im Wefentlichen fich 
nicht erhebt und durchaus feinen Gegenſatz einer eigentlich poetifchen 
Geftaltung zu blos verfifieirter Profa bildet. Allerdings haben die 
Cantica, mit denen hierin die Detonarien ziemlich auf einer Linie 
ftehen, in gewiffen Metris, nicht in allen *), einige profodifche Freie 
heiten mehr als die regelmäßigen Dialogversmaße; aber wohlzumer- 
fen, es find dieß nicht Freiheiten, wodurch das Schwache flarf ges 
macht wird, fondern das Starfe oder Harte ſchwach, z. B. wenn 
alque zu einem Pyrrhichius wird. Die fünftlichen Stützen des Me- 
frums dagegen, die ein Schwaches ftarf machen, gehören erft ver 
Poeſie an, die wir in formeller Beziehung als die gräcifirende in 
geraden Gegenſatz zu der alten fcenifchen zu feßen das Necht Haben: 
derjenigen, deren charakteriftifches Merkmal, neben dem Aufgeben des 
aͤccentuirenden Princips, zunächft nicht fowohl die Beſtimmtheit der 
Sylbengquantität an fih war — denn diefe hatte die feenifche 
Poeſie in ihrer Weife durchaus — als vielmehr die quantitative 
Beftimmthert der Thefen, die jetzt hinzutrat zu der längſt 
uneingefchranft herrfchenden quantitativen Beftimmtheit der Arfen. 
Entwickeln und durchſetzen Fonnte fich diefes neue Princip eben nur 
an einem Metrum, welches, um in feinem fpeeififhen Rhythmus 
überhaupt zur Erfoheinung zu fommen, eine ftrenge Behandlung 
fharfgegliederter Thefen unmeigerlich verlangte: und das war der 
Fall mit dem daktyliſchen im Gegenfas nicht nur zum trochaiſch— 
iambiſchen, fondern im Grunde zu alfen bisher geübten, Analoge 

*) 3. B. nicht im baccheifch-fretifchen, welches, wie Hermann. mit feis 
nem feinen thythmifchen Sefühl äußerft, richtig bemerft Hat, von. Plautus 
im Ganzen mit großer Eleganz behandelt worden iſt. Solche Fretifche 
Derfe, wie fie Bergk im Trinummus gemacht hat: 

Quemquam nisi cupidum hominem postulat. 
Se in plagas conicere: eos pelit — eder 


Conicere se in plagas: eos petit, 
Imperia, multa bona capesses: 


kann ich allerdings nicht für Plautiniſche halten. 





Plautiniſche Excurſe. 589 


Forderungen wie der daktyliſche ſtellt der anapäſtiſche Rhythmus mit 
feiner ebenfalls nothwendigen thetiſchen Beſtimmtheit, und feine Auf- 
nahme und Behandlung in der feenifchen Poefie kann in der That 
als eine vorbereitende Mebergangsftufe zu der Metrif des Ennianı- 
ſchen Herameters gelten; aber eben, weil hiermit gewiffermaßen das 
Vorwegnehmen eines doc noch nicht in feiner ganzen Tragweite ans 
erfannten und in geläufige Praxis getretenen Princips verfucht wurde, 
hatte man mit dem ſpröden Sprachitoff mehr als bei den fonftigen 
Versmaßen zu ringen: und darauf beruht es, daß in den anapäftie 
fhen Verfen des Plautus eine Neihe von beftimmten Modificationen 
der. für die gewöhnlichen Dialogversmaße geltenden Profodieftrenge 
zugelaffen wird : was kürzlich Berge mit einem nicht wohl gewähl- 
ten Ausdruck fo bezeichnet hat, daß wich fie als einen Tummelplas 
aller möglichen Freiheiten betrachte,“ Wenn aber die thetifche Be— 
ſtimmtheit dasjenige war, was Die Plautinische Behandlung des ana— 
päftiichen Rhythmus mit der Ennianifchen Behandlung des daktylie 
Shen Rhythmus gemein hatte, weil nad dem Begriff des Rhythmus 
felbft gemein haben mußte, fo iſt Dagegen jene von dieſer noch we— 
fentlich getrennt in dem fernern großen und weitgreifenden Diffes 
venzpunfte alter und neuer Periode der Metrik, welcher beſteht in 
der Unauflösbarkeit Der Arfis, die im Hexameter an die 
Stelle der frühern durchgängigen Auflösbarkeit trat. 

Zu den Stügen des Metrums nun, mit deren Aufnahme erft 
die neue daktyliſche Kunft heraustrat aus den Normen der Sprache 
der Lebens, die für Die bisherige Metrik maßgebend geweſen war, 
gehört obenan die Verlängerung des furzen Bocals vor 
muta cum liquida, die dem Bau des Hexameters ebenfowohl 
für die Arfis wie für die Thefis zu gute kam, und unmittelbar dem 
griechifchen. Vorbilde entnommen wurde. Darum ft es ein. durch— 
aus vergebliches Bemühen, wenn Bergf fein früheres Verſehen, la- 
tebrose und penelravil zu meffen (zwifchen welchen beiden Fallen 
übrigeng auch keinerlei Unterſchied fattfindet), nachträglich. zu Tega= 
liſiren fuht und neulich durd Die Bemerkung zu fohügen ‚meinte, aus 
dem Dialog fer noch fein zwingender Schluß für Iyrifche Partien zu 
sieben. Dergleigen allgemeine Wahrheiten helfen ung für den bes 


590 Plautinifhe Erceurfe 


fondern Fall fehr wenig, der eben befonders unterfucht fein will, 
Das Geſetz, daß mula cum liquida feine Pofitionskraft hat, ift 
nun einmal eines von denen, die gleichmäßig und ohne Unterſchied 
der Versarten durchgehen: oder aber man beweife das Gegentheil 
mit überzeugenden Berfpielen. Der Erfenntnig der Thatfachen mußte 
man fih fügen, auch wenn man fie in ihrem Grunde oder Zuſam— 
menhange nicht nachzumeifen vermochte; tritt eine ſolche Nachwei- 
fung Hinzu, wie hier, wird man es deſto berubigter und überzeugter 
thun. Denken ließe fich die Verlängerung alfenfalls in anapaftifchem 
Maße, gemäß der angedenteten Mittelftellung diefes Rhythmus; aber 
wie viel oder wenig eine Zwifchenftufe mit dem einen oder mit dem 
andern Grenzgebiete gemein hat, ift a priore nie zu beftimmen; in 
diefem Punkte hat fih eben Plautus von der Norm der alten Me- 
trif nicht Tosgefagt, der neuen Periode noch nicht vorgegriffen ; 
geſchweige denn in baccheifchem oder Fretifhem Metrum. 

Daß die Sprache, foweit fie uns in Denfmälern vorliegt, bie 
Formen mihi und mi immer neben einander gehabt, oder aber 
daß fie mi erft fpäter entftehen laſſen, oder in gewiffen Fällen frü- 
ber, in andern Fällen fpäter zu mi fortgegangen, oder in verfchies 
denen Gattungen der Rede Verfihiedenes befiebt Habe: von Diefen 
Fallen ift an fich das eine gerade fo gut möglich zu denken wie das 
andere, das Wirfliche doch wirklich nur auf dem Wege empirischer 
Beobachtung zu finden, deren Ergebniß für glaublih zu halten, fo 
lange es nicht durch innere Gründe verdächtig wird, für fiher und 
wahr, wenn ihm folche fogar zur Befräftigung dienen, Auf folcher 
Beobachtung beruhte es, wenn Hermann den Gebrauch der Form mi 
vor Eonfonanten den alten Komifern und Tragifern abſprach. 
Sch fand die Beobachtung, je aufmerffamer ich bei der Kritif des 
Plautus den Punkt ins Auge faßte, defto mehr im Allgemeinen be- 
ftätigt: wenn Beftätigung heißt, daß faft alle Stellen dafür und 
faft Feine dagegen fprechen. Denn unmöglich ift das doch Sache des 
Zufalls, wenn eine Anzahl von Beifpielen, die nicht viel unter zwei— 
taufend bleiben wird, faft durchgängig fo befihaffen ıft, daß, wo ein 
Eonfonant folgt, mihi nöthig oder möglich ıft, wo mi nöthig ıfl, 
ein Vocal folgt: oder man höre auf überhaupt irgend etwas für 


Plautiniſche Excurſe. 591 


erforſchbar zu Halten und ſtreiche den Weg der Induction aus den 
Mitteln zur Erkenntniß der Wahrheit. Ich fagte vim Allgemeinen“ 
und vfaft“s aber wer wird das anders erwarten, wer bei einer 
Tertesgeftalt wie die des Mautus in unfern Handfchriften iſt, es 
auch nur denkbar finden, daß nicht eine und die andere Stelle in 
der jegigen Ueberlieferung neben dem gefundenen Geſetz herlaufe 2 
und was bewerfet ein Dutzend oder auch ein paar Dutzend derartis 
ger Stellen im Verhältnis zu einer ſolchen Gefammtzahl, zumal fo 
manche darunter tft, die Durch anderweitige DVerdachtsgründe oder 
Unmöglichfeiten unficher wird oder wegfällt? Der Kern der Hers 
mannfchen Behauptung bleibt in Folge der für Fälle diefer Art ent— 
fheidenden Verhäftnißrechnung unantaftbar, mögen andere Dichter 
und Dichtungsarten es in dem Punkte gehalten haben wie fie wol— 
len; beurtheifen wir viefe nicht nach dem Maßftabe des Plautinifchen 
Gebrauchs, wie Fommen wir denn dazu, nach ihrem Gebrauch den 
Mautus und feine Gattung zu meffen? — Untergeoronet und ges 
gen jenen Kern Nebenpunft ift, was ich der Hermannfchen Beobs 
achtung mit derjenigen Befcheidenheit des Urtheils, die in fo häkligen 
Fragen wohl nicht unziemlich iſt, hinzufügte. Während Hermann 
die vergleichsweife fo fehr geringe Zahl widerftrebender Stellen durd) 
Veränderung befeitigte, sielleicht fie auch als nur fcheinbar wider» 
ftrebende entfehuldigte, glaubte ich, ihrer unbefangenen Betrachtung 
mich hingebend, in ihnen ein Gemeinfames zu entverfen, was zur der 
Vermuthung berechtige, daß zwrichen den ausfchließenden Gegenfäts 
zen: wor Confonant nur mihi, mi nur vor Vocal, ein drittes in der 
Mitte Tiege, nämlich; mi wor Confonanten nicht abfolut ausgefchlof- 
fen, aber ausgefchloffen wo es als Abweichung von der Sprache des 
Lebens Scharf ins Ohr fiel d. 1. in der Arfis, zugelaffen wo es als 
folche weniger hörbar faft verfchwand d. 1. in der Thefis: oder wohl 
noch richtiger ausgedrückt, wo es fihon in der Sprache des Lebens 
ſelbſt fih fat ununterfcherdbar abzufchleifen angefangen hatte, wäh- 
vend ebenda der necentuirte Begriff die volfe Form mihi bewahrte, 
Kann man behutfamer verfahren, wenn man eben nicht der Spra- 
che vetrogiren will was fie nach einer vorgefaßten Meinung thun 
mußte, fondern ihr abfernen was fie gethan hat? So nahe hat 


592 Plautiniſche Erceurfe 


es der Sprache keinesweges gelegen, mihi in das. einſylbige mi. übers 
gehen zu laffen, um es unwahrſcheinlich finden zu Dürfen, daß fie 
eines gewiffen Zeitraums bedurft Habe, che fie mit einem allmähli— 
gen Uebergange von mi vor Vocalen, wo die Verſchmelzung begreife 
licher Weife am Teichteften vor ſich ging, durch ein accentloſes mi 
oor Confonanten endlich auch das accentuirte mi in der Poefie durch— 
ſetzte. Ihre Fähigfeit, ein zwiſchen zwei Vocalen ftehendes haus: 
fallen und die Vocale in eine Sylbe übergehen zu Taffen, iſt nicht 
zu bezweifeln; daß aber die Gewohnheit diefes Auswerfens erft 
von jüngerm Datum iſt, beweifen die im Plautiniſchen Gebrauch 
allein herrfchenden Formen vehemens, prehendere oder viel- 
mehr _praehendere , praehibere und vielleicht ſelbſt dehibere, 
über die ich ein andermal fprechen will. Und ſpeciell in mihi ft 
ja die Ausftoßung des Hauchs fogar niemals zur Herrſchaft durch— 
gedrungen, fo viel ſich aus der Schrift Schließen läßt, fiher wenig» 
fteng nicht zur alleinigen. Für nihil alferdings war frühzeitig die 
Ausfprache nil aufgenommen, was bei Plautus in der Arfis fo gut 
wie in der Thefis ſteht; aber theils Tag bet der confonantifch aus— 
Yautenden Form folche Contraction naher als bei mihi, theils führte 
auch der Begriff des Wortes nicht auf einen folhen Unterſchied ton— 
Iofer und betonter Ausſprache wie beim perfönlihen Pronomen. — 
Nur beftätigt fonnte mir diefe Auffaffung werden, wenn ich auf bie 
Frage, wo und warn denn nun mi ohne Einfchränfung zuerft auf- 
trete, als alteften Gewährsmann den Ennius fand und aus ihm, 
Lucilius und Catull die Berfpiele des vor Confonanten auch in der 
Arfis zugelaffenen mi in ven Proleg. z. Trin. S. CCXCI (mit ©, 
CCCXLVII) zufammenftellte: zugleich mit Beifpielen des thetifchen 
mi vor Confonanten aus Catull, worin fih nad dem entwicfelten 
Zufammenhange, als in einer Mittelftufe, mit der neuern Poefie 
die ältere fchon berührte., Sp trat jenes mi auf Eine Linie mit 
den zahlreichen, am fich zum Theil unfcheinbaven, aber in ihrem Ge⸗ 
fammtgewicht folgenfchweren Sprachneuerungen, durch welche, unter 
Aufgebung des bisherigen engen Rreifes, eine neue weitere Bahn 
gebrochen wurde: fruchtbar anderfeits gerade auch wieder durch die 
feldftaufgelegten Befchränfungen , über welche bie ältere Metrif 


Plautiniſche Erenrfe. 593 


frei hinausſchweifte. Nichts ift einleuchtender, als wie dem Heras 
meter für feine unauflösbare Arfis die Form mi bequem fein mußte, 
und wie anderfeits die feenifche Poefie faum ein Bedürfniß dazu 
hatte, da ihr in der Regel gar nichts im Wege fand, die Arfis mit 
dem zweiſylbigen mihi zu bilden. — Hätten fo ausführlich die 
Motive für jeden einzelnen in den Prolegomenen zum Plautus 
berührten Punkt dargelegt werden follen *) , fo würde die mit 
diefen beabfichtigte vorläufige Grundlegung nicht minder lange 
auf fi) haben warten laſſen müffen, als der Tert felbft wenn er 


) Das gilt insbefondere auch von dem auf Orthographie bezüglichen, 
Manchmal weiß ich freilich auch nichts Wefentliches hinzuzufegen, oder we— 
nigftens nichts was fich nicht jeder ſelbſt fagen Fönnte: 3. B. wenn Berge 
findet, daß das über hau für haut bemerkte „nicht ausreiche”, weil ich 
nämlich Bacch. 864 hau dicat für haud dieat auch ohne handjchriftliche 
Gewähr gefchrieben. Die Hauptfache war, wie mir feheint, in den Prole— 
gomenen damit gethan, daß hau als alte Form und überhaupt als la— 
teinifches Wort nachgewiefen war, nachgewiefen aus den Handſchriften und 
aus Orammatifern, aus lebtern zugleich das natürliche Verhältniß beider 
Formen, wonad hau nur vor Gonfonanten, vor Vocalen nur haut fand» 
Ob anderfeits vor Confonanten nur hau, war ein drittes, worüber fich bei 
dem fehr begreiflihen Schwanfen der Hoff. zweifeln läßt wie über zahlreis 
he andere Punkte der Orthographie, im Betreff deren eine zuverfichtliche 
Entſcheidung mißlih, die Durchführung ftrenger Gonfequenz (mit der dieſe 
Dinge bei den Alten felbft nicht immer firirt waren) bedenklich, ein einſt— 
weiliger Anſchluß an die Hdff. nicht unräthlich ift, fei es ein unbedingter 
oder ein durch gewiſſe Accommodationen beſchränkter Anfchluß. Daß, wer 
fünftig einmal Confequenz der Orthographie durchführen wolle im Plautus, 
vor Gonfonanten immer werde hau zu feßen haben, habe ic, in der Vorrede 
zum Stich. &. XVI felbit gefagt. Mittlerweile fchien mir von allen dafür 
in Betracht kommenden Fällen der relativ unzweifelhafteite diefer, daß man 
nicht werde ohne alle Noth oder Verlockung gerade vor d und 8 ein haut 
oder haud dem leichteren hau, da diefes überhaupt einmal zu Gebote ftand, 
vorgezogen haben: daher ich mir diefe Accommodation auch) ſchon vor Durchs 
führung völliger Gleihförmigfeit glaubte erlauben zu dürfen, und dieß zu 
Bacch. 864, verftändlich genug wie ich meinte, mit den Worten andeutete: 
hau, ut soleo ante d et £ litteras. cf. v. 106. Hier (B. 106) war näm— 
ih in demfelben Stück ſchon hau dices (aus A) vorhergegangen: gleichwie 
hau diu, hau tollas unzweideutig genug in den handjchriftlichen Lesarten 
audiu, aut ollas Mil. 97. 293 liegen. Sonft haben die Hdſſ. die Form 
befonders häufig vor m erbalten, wie hau male, hau magni Stich. 118. 
Pseud. 221. 1078. 1084. 1094. 1305. Aber auch hau liquet, hau bonum 
im Trinummus, hau falsum Mil. 381, hau secus, hau somnum Pseud. 
215, hau postulo Stich. 487, hau placet 297, wo fchon der zwiefache 
Gonfonant das hau empfiehlt; vollends haut scio hat Plautus fchwerlich 
jemals gefagt, fondern wohl nur hau scio oder dem nescio analog hauscio ; 
nod) weniger haut sprevisti, wofür das Wahre in hii spr. des B liegt 
Mil. 1072. Daß irgend ein Conſonant vermöge feiner lautlihen Natur 
ausgenommen wäre, glaube ich nicht. 


Muf. f. Philol. N. F. VII, 38 


594 antinifhe Excurfe. 


wicht ohne rechtfertigenden Kommentar erfcheinen durfte, den man 
jest vermißt. Die bier beifpielsweife gegebene Entwickelung meiner 
Gründe mag mich gegen etwaige Misdeutung ſchützen, wenn ich 
dem, was mir hie und da entgegengeftellt wird, nicht immer folg- 
fame Rückſicht ſchenke. Sp fann ich 3. B. allerdings nicht finden, 
daß wir in Betreff des mihi und mi gefördert würden durch Bergfs 
jüngfte Meußerungen darüber, der doch für feine Beobachtung feiner 
Unterfchtede ein fo feines Organ in den griehifchen Dichtern hat, 
in denen er fo fehr zu Haufe ift: „So kann ich 3. B. feinen rech— 
ten Grund abfehen, warum die Contraction von mihi in mi zwar 
in der Thefis, nicht aber in der Arfis tambifcher und trochaifcher 
Berfe ftatthaft fei, wahrend Ennius und Lueifius in ihren Herame- 
tern ohne Unterfchied diefe Form angewendet haben. Die genü- 
gende Antwort ıft fo einfach mie vielfagend: weil Mautus nicht En— 
nius und nicht Lucilius iſt. Und Hiervon abgeſehen iſt mir aud 
formell der Weg der Argumentation gar nicht recht, der von dem 
Borfommen des mi in der Thefis als einer ausgemachten Thatfache 
ausgeht, um mittel$ einer Folgerung daraus das gleiche Vorkom— 
men in der Arfis berzuleiten. Umgekehrt: das Nichtvorfommen in 
der Arfis (wor Confonanten *) ift die Thatfache, von der auszugehen, 
und in Beziehung auf welche die Hermannfche Beobachtung nicht 
wieder in Frage geftellt werden kann ohne Gegenbeweis; ob daneben, 
wie 68 fcheint, eine Accommodation hergehe in Betreff der Thefis, 
ift Nebenfache und durfte um fo weniger als mafigebend an die 
Spige geftellt werden, je weniger annoch die ſe Beobachtung gefichert 
war; viel eher wäre die einfchränfende Beftimmung des Hauptjages 
um diefes willen, als diefer um der Einſchränkung willen preiszuges 
ben. — Auch die weitere Bemerkung: daß „man vielleicht nicht ein- 


*) Denn nur ein augenblicliches Misverftändniß kann es fein, wenn 
Bergk in dem fcharffinnigen Programm über. den Trinummus den von ihm 
gebildeten Vers 

"Ita faciam: mi ita placet: ömnium primum 
(in dem übrigens mi weder für den Gedanken irgend nothwendig ift, wie er 
jagt, noch vorangeftellt auch nur möglich) mit dem Hexameter des Ennius Nec 
mi aurum posco u. f. w. vertheidigt, wonach auch Plautus „in hoc prae- 
serlim numerorum genere‘ habe mi für mihi fagen fünnen. Daß vor Vo— 
calen, alfo in Glifion, die einfylbige Form gebraucht worden, hatte niemals 
jemand bezweifelt und Fann es auch nicht. 


Plautiniſche Excurſe. 595 


mal mi zu ſchreiben nöthig habe, da ſolche Zuſammenziehungen meiſt 
der Ausſprache überlaſſen bleiben, und es doch nicht räthlich ſei, ge— 
waltſam überall Orthographie und Pronuntiation in Einklang zu 
ſetzen/ trifft in ihrer Allgemeinheit meines Erachtens wenig zum 
Ziele. Niemand kann den nie ganz zu hebenden Confliet zwiſchen 
Laut und Schrift öfter und eindringlicher hervorgehoben und für die 
relative Ausgleichung dieſer Incongruenz größere Vorſicht empfoh— 
len wie geübt haben, als ich beim Plautus; aber Grenzen, bis zu 
denen ſich die Ausgleichung wirklich vollzogen hat, und jenſeit deren 
erſt das Schwanken anfängt oder auch die geſchriebene Sprache der 
geſprochenen gar nicht nachgekommen iſt, gibt es doch; daß das letz— 
tere »meifts geſchehen fer, ift mir nei. Daß man namentlich bei 
Zufammenziehungen der Ausfprache, für welche die Schrift eine be— 
fondere Form einmal ausgeprägt hatte, dennoch auf diefe verzichtet 
und die nicht congruente Schreibung vorgezogen, alfo 3. B. das 
zweiſylbige poclum oder noris oder dites vielmehr ftandhaft pocu- 
lum und noveris und divites gefehrieben hätte und fo unzähliges 
andere, das entfpricht doch in der That weder der ratio noch, fo 
viel mir befannt, dem heutigen Standpunfte unferer Erfenntniß in 
diefen Dingen und der darauf beruhenden Praxis, für die fich nach— 
gerade ein ftilffchweigendes Einverftändnig der Eunerooı gebifvet 
bat, zu dem fih auch in den griechifchen Dichtern Bergk felbft mei— 
nes Wiffens nicht in Widerfpruch gefest hat. Was insbefondere das 
einfylbige mi für einen Beruf hätte, als folches nicht zur äußern 
Erfiheinung zu fommen, wüßte ich wirklich fo wenig zu fagen als 
worin das Gewaltfame Iiege, wenn man durch mi für mihi Ortho— 
graphie und Pronuntiation in faubern Einklang ſetzt, ftatt die uns 
nüge und ſchwerfällige Umftandlichfeit rhythmusunkundiger Abfchreiber 
zu verewigen. 

Ebenfalls auf Beobachtung und zwar einer der ficherften be- 
ruht e8, daß die Synizefe eines zweifplbigen otio pder filium 
nur in den freiern Maken, namentlich dem anapaftifchen zugelaffen 
worden, den Senaren und Geptenaren durchaus fern geblieben if, 
Sch verftehe es ſchwer, wie man eine folhe, mit zahlreichen analo- 
gen Erſcheinungen in der trefflichiten Hebereinftimmung ftehende Be- 


596 Plautiniſche Exrceurfe 


obachtung, gemacht an zwanzig mit Sorgfalt durchgegangenen GStü- 
een, dargelegt weil man doch nicht über alles gleich ganze Abhand— 
[ungen ſchreiben kann) an den vollftändigen Beifpielen zweier Stüde 
in Proleg. ©. CLÄI, wie man eine folhe Beobachtung einer Thats 
ſache als irrig anders darthun will, als vor allem durch Aufitellung 
geuügender Thatfachen die ihr entgegenftehen. Es thut mir leid, daß 
diefer Weg nicht von Bergk gewählt worden, damit ein Punkt, der, fo 
geringfügig er an fich fer, durch feine häufige Wiederkehr einfluß- 
reich für die Kritik der Komiker wird, für immer erledigt wäre, 
Eine allgemeine raliocinalio, die er vorgezogen, kann natürlich die 
Frage nicht in dem von ihm gewünfchten Sinne zum Abfchluß brin» 
gen, da fie im beften Falle nur eine Möglichkeit beweifen würde; 
fie kann es um fo weniger, wenn fie in ſich unzureichend ift. „Die 
Verwandlung des Vocals i in einen Confonanten“ fagt Bergk, „die 
in der römiſchen Lautlehre eine fo bedeutende Rolle fpielt, ift eine 
Freiheit, welche fich die Dichter in jedem Versmaße geftatten: 
aber eben weil es eine Freiheit ft, Fommt fie in den gewöhnlichen 
Versmaßen des Dialogs der Komödie nur felten vor, häufiger in 
Anapaften, Detonaren u. ſ.w.“ Das kömmt alfo im Nefultat ungefähr 
auf daffelbe hinaus, als wenn 3. B. Herr Werfe zu Most. I, 1, 20 
ung belehrt; In v. filium quasi eliditur media i, aut lamquam j 
enuncialur, ut I, 2, 41 materiae, et ib. v, 43 expoliunt, et 
Truc. 4, 2, 6 faciat, et Trin. 2, 2, 25 imperia, al.; eine Art 
von Belehrung, von der ich allerdings geglaubt hatte fie würde nad 
den Ermittelungen der Prolegomena nicht wieder auftauchen. Im 
Grunde thun doch Bergks Worte wirklich nichts, als daß fie eine 
einfache Affirmation an die Stelle meiner Negation ſetzen; was als 
Motiv hinzutritt, Fame dem, was ich felbft affirmirt hatte, nicht 
minder zu gute wie feiner Affirmation, ohne doch im geringften 
meine Negation entkräften zu müffen — wenn es überhaupt ſtich— 
haltig wäre. Sch weiß nicht, welche Erfcheinungen der römiſchen 
Lautlehre Bergk eigentlich im Auge hatte: fo viel fehe ich aber, daß 
88 fich für unfere Frage ganz und gar nicht um die Fähigkeit des i 
Handelt, in der Wortbifdung in j überzugehen, fondern in fertig ges 
bifdeten Worten wie j gefprochen zu werden. Wo wären denn nun 


Plautiniſche Ercurfe 597 


die hieher paſſenden Dichterbeifviele diefer Aussprache? Wir fens 
nen abjete abjetis parjetibus fluvjorum und ähnfiches. Aber wo— 
ber denn? Aus Birgit, Ovid und andern — Epifern, die (ih 
fann es nur immer wiederhofen, fo allbefannt es ift und fo unbes 
zweifelt es fein follte) in den Eigenthümlichkeiten, mit denen fie, 
aus dem fprachlichen Kreife des Lebens heraustretend, zugleich fich 
den Bau des Herameters erleichterten und für denfelben eine gewiffe 
Feierlichkeit des Tones gewannen, fehlechterdings feinen Maßſtab abs 
geben für den Dialog der Komödie, fo wenig wie im Griechiſchen 
das, was man Dichterfprache nennt, für den Dialog des Ariftopha- 
nes, der nach diefer Seite hin fo wenig „Dichter“ iſt wie Plautus 
und Terenz. Und noch dazu fieht man ja, daß es fogar bei den 
wirffichen Dichtern meift die Noth war, die zu einem Versgebrauch 
führte, ohne den man auf gewiffe Worte oder Wortformen ganz 
hätte verzichten müffen. Wenn nun Pautus in Anapaften zuließ 
was in regelrechten Jamben und Trochäen unmöglich war, fo haben 
wir gefehen, warum er das konnte. Aber hat er denn bier dag, 
was Bergk will, wirffih gethan? Hat er filjus und otjum geſpro— 
hen? ch glaube fo wenig, daß diefe Berufung auf die „Dich— 
ter! doppelt unpaffend erfeheint. Es gehört ja gar nicht zum We— 
fen der Synizefe, daß der eine Vocal confonantifche Natur ans 
nehme, und Synizefen, bei denen das nicht einmal möglich iſt, bat 
ja doch Plautus d. h. die Umgangsfpracdhe in Menge. Oder wird 
Bergk glauben, daß man das einfylbige puer wie pver gefprochen 
babe? und luam mie ivam, oder gar luit wie fvit? kann er auch 
nur glauben, daß in meam deos das e confonantifch gelautet habe? 
ift alfo wohl ein scjo oder omnjum (oder vindemjator bei Horaz) 
wahrſcheinlich, geſchweige denn irgend nöthig, weil allenfalls Ailjus 
möglich? — Es wird alfo vorläufig wohl dabei bleiben, daß filio 
nicht filjo) von den ftrengen Dialogversmaßen ausgefchloffen, im 
anapäftifchen zugelaffen worden ift wie andere Freiheiten, von denen 
auch eine befonnene und methodiſche Kritif nicht zugibt, daß fie im 
Dialog nur nicht häufig, aber doch gelegentlich ein oder das andre— 
mal vorfümen, 3. DB. ein, fer es einſylbiges, fer es mit Vernachläf- 
figung der Pofition gebrauchtes lubet, oder die Folge des anapäfti- 


598 Plautinifhe Ereurfe 


Shen Fußes auf einen daktyliſchen oder tribrachiſchen u. ſ. w.: in 
melcherlei Dingen, wenn fie griechifche Poefie betreffen, Bergk felbft 
feine ftvenge Schule nicht zu verleugnen pflegt. Mehr als andes 
res ift gerade der Gebrauch der Synizefe in der römiſchen Komödie 
belehrend und warnend dafür, nicht ohne die vorfichtigfte Individua— 
Yfirung der Falle vom Allgemeinen aufs Befondre oder auch vom 
Befondern auf ein Allgemeines zu ſchließen, vielmehr alle Kolgerun- 
gen aus gewiffen Aehnlichkeiten, die wie ein zweiſchneidiges Schwert 
find, von der nüchternften Erforfhung des Thatbeftandes regieren 
zu laſſen: was ich zwar alles fchon öfter gefagt (wie Prol. ©. CXXI) 
und auch exemplificirt habe, aber doch noch nicht zu oft, wie ich fehe, 
Als z. B.: im Senar zwar wohl puer, aber darum nicht puero; 
zwar dies, aber darum nicht prius; gaudium zwar in Anapäften, 
aber nicht im Senar; zwar gaudium aber nicht audiam, ja nicht 
einmal gaudia, noch viel weniger etwa mediis oder miserias: eine 
Reihe von Thatfachen, woraus fi für den aufmerffamen Gefeg 
und Regel in foharfer Begrenzung mit Leichtigkeit ergibt. 

Nicht anders als mit j füri verhält es ſich mit v für u, uud 
feloft umgefehrt mit u für v. Es würde ein fo ſchwer zu entfchul- 
digender wie leicht zu vermeidender Irrthum fein, entweder Verhär— 
tungen wie genva tenvia, oder Diärefen wie dissolüo siluae sua- 
vis suelus aus den daftylifhen Dichtern auf den Plautus zu über- 
tragen; denn daß die Pautinifchen Formen larüa und milüos milüi- 
nus*) vielmehr die urfprünglichen find, larva und milvos erft das 
fpätere , Teivet wohl keinen Zweifel. Mit suemus süavis ziemlich 
auf einer Linie ftände ein in cü übergegangenes qu, wie es Bergk 
meinen fonnte dem Plautus zutrauen zu dürfen, indem er Mil. glor. 
552 Aquae äcuae sumi nicht für unerhört und unmöglich, fondern 
für gefälfiger als Aqua aquäi sumi hielt. ch denfe nicht daß er 
etwa relicuos für ſich anführen wird, worüber nad) Lachmann nichts 
mehr hinzuzuſetzen iſt. Tareuini durfte Ennius fagen; acuae hätte 
Luerez fagen Fönnen, auf ven fih Bergk beruft obgleich er doch 


*) Beiläufig : wie miluinam Men. I, 3, 29 dazu fommen fell, den 
Heißhunger zu bedeuten, ift mir fehr wenig einleuchtend. Darin ſteckt ge- 
wiß etwas anderes, das zu finden mir indeß noch nicht gelungen ift, Im 
Balimpfeft ficht munvinan dafür. 


Plautinifhe Ercurfe. 599 


der ſeeniſchen Poeſie fo fern wie möglich ſteht; aber wenigſtens in 


. der dafür beigebrachten Stelle VI, 868 hat er es ſchwerlich gethan: 


Quae calidum faciunt agüae taclum alque saporem, obgleich fie 
fhon K. L. Schneider I, S. 330 zu gleichem Zwede anführt. Denn 
da bier aquae nur in dem Citat eined Grammatifers — nnd wel⸗ 
bes? — des Beda fteht, die Handfihriften aber laticis geben, fo 
müffen wir entweder unfere Begriffe von der Entftehungsart von 
Gloſſemen geradezu auf den Kopf ftellen, oder Luerez ſchrieb lati- 
eis und aquae war die Erffärung dafür, die in Beda's Eremplar 
in den Tert felbft geratben war. Jedenfalls mit befferm Grunde 
fonnte VI, 551 angeführt werden, wo wenigitens die Hoff. wirklich 
ein dreifyldiges aquae begünftigen: Fit quoque ubi- in magnas 
aquae vaslasque lacunas, die Umftelfung ubi magnas in aquae 
erit von den Herausgebern tft. Aber dem Plautus agüa in einem 


"Cunvollftändigen) Tetrameter der Most. III, 2, 165 vindiciren zu 


wollen, iſt ein vergebliches Bemühen Schneiders. 

Noch zu manchem Excurs diefer Art wäre Stoff, und vielleicht 
einiger Anla in der Befürdtung, dab wir ohne ſolche Auscinan- 
derfegungen hinter bereits eroberte Pofitionen der Erkenntniß wicder 
weit zurüdgeworfen werden könnten; ich will mich indeß für dieß- 
mal-mit nur noch einem Punkte begnügen, weil über ibn gar zu 
unvorſichtig geurtbeilt worden ift. 

13. 
Mas jeder finden Fonnte, der nur feine Aufmerkiamfeit ernft- 


lich darauf wenden wollte, hatte ich begreiflicher Weife auch gefun- 
den; dag die Ellipfe des Verbums est bei Plautus auf nicht nur 


„ziemlich enge“, fondern fehr enge Grenzen beſchränkt ſei. Meine 
Erörterung darüber mag Bergk zufällig mehr an= als durchgeleſen 
haben: fonft fagte er wohl nicht, wich gebe nicht felten zu weit 
darin, indem ich überall beftrebt ſei, daſſelbe herzuftellen.« Aus— 
drücfih nahm ich Proleg. S. CXl unter anderm gewiffe ftehende 
Sprachformeln aus, und zwar namentlich drei: erfilid nudiussez- 
tus cum similibus, zweitens mirum ni und mirum quin, drittens 
potis oder pote für potest: zu denen ich noch einiges wenige an- 
dere hätte Hinzufügen fonnen*). Unter diefen Umftänden kann mich 

) So die Formeln mit quantum : mirum quantum, nimium — im- 


600 Plautinifhe Excurſe. 


die Belehrung wohl überrafchen die Bergk ertheilt: „In ſolchen for- 
melhaften Wendungen wie hic terlius annus ift die Ellipſe voll- 
fommen gerechtfertigt; Menn Hr. N. Recht hätte, fo müßte man 
auch nudius tertius und Aehnliches corrigiren.“« Ich würde mich 
etwas Länger befinnen, ehe ich mit der Ausnahme, durch die eine 
Regel beſchränkt wird, die Regel felbft anföchte, noch Länger, ehe ich 
es in einer fo fehr über das Ziel hinausſchießenden Weiſe thäte, 
Mit der ganz felbftändig für ſich beftehenden Compofitionsbildung 
nudiusterlius, die eben dur Abftumpfung und Abfchleifung der zu 
Grunde liegenden Elemente zu Stande fam, den Wegfall des est 
für den Fall beweiſen zu wollen, daß eben dieſe Elemente in ihrer 
urfprünglichen Getrenntheit auftreten, ift doch in der That kaum 
anders, als wenn man daffelbe nudiustertius zu dem Beweife mis— 
brauchen wollte, daß aufgelöft auch nu dies, terlius für nunc dies 
terlius gefagt worden fei. Wie vollkommen oder unvollkommen ge— 
rechtfertigt aber in hic tertius annus die Ellipſe fei und ob wir. 
es eben dabei mit einer Formel zu thun haben oder nicht, was doc) 
feineswegs a priore feftfteht, würde ich immer am Tiebften fuchen 
von Plautus felbft zu erfahren, der darauf z. B. Antwort: gibt 
Men: -1...1 9;- 
Hic annus. sexlust poslquam ei rei operam damus, 

denn sexlus est haben hier alle Hff.; fo gut wie er iam bien- 
niumst cum — fagt Merc. II, 1, 35. 57. Indem ich alfo 
Stich. 30: 

Hic tertiust annus. Ita üt memoras 
fohrieb in einem anapäftifchen Dimeter, und dieß für eine der zugleich 
geringfügigften und nothwendigften Berbefferungen hielt wie ih es 
‚mane — incredibile quantum : wovon Bentley 3. Phorm. IV, 3, 38. -11, 
1, 17. Ferner wie potine ut auch satine ut. Offenbar formelbaft- ijt auch 
das öfter wiederkehrende tanto melior u. dgl. wie Bacch. 211. Pers.11,5,25. 
True, V, 61. Auch das factum Trin, 127. 429, verglichen mit sapienter 
factum a vobis. Bacch. 295, factum optume Pseud, 361, bene herele fa- 
etum ib. 1099 und ähnlichem, ließe fich hieher ziehen, wenn nicht die leß- 
tern Berbindungen noch ‚einfacher unter den Begriff des Ausrufs gebracht, 
das bloße factum in rhetorifcher Wirfung aufgefaßt würde. Von felbit ver: 
fteht fich natürlich die Eflipfe in den zahllofen Fragen wie quid hoc? quid 


ita? itane? quid nunc?. quid illuc ? quid istuc? quid iam ? numguid 
«aliui? u. dyl.. —— 





Plautiniſche Excurſe. 601 


noch thue, konnte ich am wenigſten erwarten, daß dieß Bergk zu ei— 
nem Verdruſſe gereichen würde wie ihn dieſe ſeine Worte ausdrük— 
fen: „Hr. R. — ſcheint gerade die anapäſtiſchen Verſe als einen 
Tummelplatz aller möglichen Freiheiten zu betrachten; daß in dieſem 
Versmaße manches zuläſſig iſt, was der Dichter ſonſt meidet, er— 
kenne auch ich an, aber ich halte es nicht für gerathen ohne Noth 
und über Gebühr Licenzen zu häufen.“ Ich auch nicht, wie ich wohl 
ſonſt zur Genüge gezeigt, zum Ueberfluß auch hie und da ausdrücklich 
geſagt habe, z. B. Prol. S. CXXII am Anfang. Aber Noth war 
hier eben, wie gezeigt, und darum auch Gebühr; die Ereiferung über 
ven /Tummelplatz aller möglichen Freiheiten“ iſt gerade bier fo ſehr 
wie möglih am unrechten Orte angebracht. Sch wollte es gäbe 
feine andere Härten in den anapäftifchen Verfen als die Synizeſe 
tertiust, für deren Leichtigfeit ich mich überdieß auf eine Autorität 
berufen fann, die Bergf gewiß gelten Iaffen wird. Denn der gün— 
ftige Lefer erinnert ſich vielleicht noch aus dem vorigen Excurs, daß 
ja eben über ein zweiſylbiges olio und filium ex felbft eine fehr 
verjchiedene Meinung geäußert hatte, indem er mit vieler Beftimmte 
heit lehrte, „die Verwandlung des Vocals i in einen Confonanten, 
die in der römifchen Lautlehre eine fo beveutende Rolle fpiele, fei 
eine Freiheit, welche ſich die Dichter in jedem Versmaße geftat- 
ten”, nur im Dialog feltener, häufiger in Anapäften u. |. w. — 
Und um was handelt es fich denn fihließlich bei der von mir ges 
machten Veränderung als um ein nachweisiih in hunderten von 
Stellen in den Hoff. verwifihtes est oder gar nur t: eine Erfcheis 
nung die durch die Maffenhaftigkeit, in der fie uns entgegentritt, der 
Kritif gerade den Weg gezeigt hat zur Findung der Thatfache, daß 
die Ellipfe des est im Allgemeinen der Umgangsiprad;e, wie auch 
fehr verftändlich, völlig fremd ift. 

Denn nicht minder als in Formen, will eben auch in Wort: 
bedeutungen, in Conftructionen, in Verbindungen und Nedensarten, 
vor allem der generifche und der individuelle Sprachgebrauch in fei- 
nen oft fehr leiſen Schattirungen oder fehr beharrlichen Eigenfinnig- 
feiten unbefangen und mit einer gewiffen Feinhörigfeit erlaufcht fein; 
mit einem blos Togifchen Räſonnement, das dieſem Gebiet gar nicht 


602 Plautinifhe Ereurfe 


adäquat ift, darüber Hinzufahren kann zu nichts führen als zu Fehl 
ſchlüſſen. Ich feste Stich. 102 auf vie Frage 
Numqui hie est alienus nostris dictis auceps auribus ? 
als Plautiniſche Form der Antwort diefes: 
Nullus praeler nosque teque, 

obgleich die Höff. nur Nullus geben. Auch dieß kann Berge, wie 
er fagt, nicht billigen: denn bei folchen Antworten pflegt man ja 
in der Regel nur das eine Wort, auf das es anfommt , zu erwies 
dern: „ift Niemand weiter hier?“ Niemand. Hrn. R. Conjer» 
tur nullust bringt eine ſchwerfällige Umftändlichfeit herein, die der 
Umgangsſprache völlig fremd iſt.“ Sch finde es nicht Hug, dem den 
man beurtheilt die einfachften und naheliegendften Gedanken nicht 
zuzutrauen; es war doch nicht ſehr wahrfcheinlich daß ich, der z.B. 
erft in der Vorrede zum Mil. glor. S. XXl. Anm, einen fo fchars 
fen Accent auf die Beobachtung des Sprachgebraudhs gelegt hatte, 
bier gar nicht daran gedacht haben follte ihm nachzugehen *), fondern 
recht ins Gelag hinein das veine Gegentheil von den geſetzt hätte 
was die Gewohnheit der Umgangsſprache forderte Daß es 
fheinen fönne, fie habe fih in Antworten, wie die in Rede ftes 
hende ift, mit der Setzung des einfachen Begriffs begnügt, ift mir 
feiner Zeit wohl auch eingefallen; aber damit mochte ih mich eben 
nicht begnügen, mochte nicht mit der trügerifchen Entſcheidung unfe- 
res modernen Sprachgefühls, oder auch des aus der gebildeten Schrift- 
fprache des römiſchen Alterthbums abgezogenen Sprachgefühls, ven 
Gebraud einer ganz andern Periode und Gattung meiftern, deren 
Unterfihiede von jener aufzufuchen wir auf Schritt und Tritt durch 
hundert Einzelheiten aufgefordert werden, und die doch nun und 
nimmermebr aus etwas anderm zu erfennen ıft als aus — Beifpies 
len**). Was wiffen wir denn an fich davon, in welchem Grabe 


*) Chen exit, da mir mein Gefchriebenes im Druck wieder vor Aus 
gen kömmt, überrafcht mich die Bemerfung, wie wirflich Bergfs Einrede 
gewiffermaßen ſchon anticipirt war mit den Worten Prol. S. CX: „Quid ? 
quod eliam in responsis, ubi satis erat ipsum nomen, quod in interro- 
gatione fueral, iterari (füge hinzu: ipsiusve rei, de qua quaesilum erat, 
simplicem notionem aflerri), tamen est accessit, Trin. 1176: Le. quis 
homo me excivit foras? Lr. benevolens tuus atque amicust.‘ 

**) Daß man die Beifpiele zufammen haben muß, um ohne Gefahr 
ber Hebereilung zu urtheilen, können unter anderm erſt die fürzlichen Des 


Plautiniſche Excurſe. 603 


ben Zeitgenoffen des Plautus etwas umftändfid und ſchwerfällig oder 
leicht und natürlich erſchien? Wie fremd oder nicht fremd der Um— 
gangsfprache jene von Berge mit fo großer Zuverfichtlichfeit perhor— 
rescirte Wiederholung des est war, lehren beifpielsweife Stelfen wie 
Trin, 70; 
Numquis est hic alius praeler me atque te? — 
Nemost, 

Ter. Eun. III, 5, 1: Numquis hic est? nemo est. Momit wies 
der verwandt find die Beifpiele wie Phorm. V, 6, 12: set isne 


fprechungen des Wortes poeta in der lateinischen Sprache wieder lehren, 
Bergfhatte vermuthet, Ennius fei der erite gewefen, der es eingeführt. Oſann 
ftellte entgegen, beveit3 der mit Ennius gleichzeitige Plautus habe ſich des 
Mortes bedient „wenn auch in anderer Bedeutung“ Asin. IV, 1,1 und Cas, 
V, 1, 6: welche leßtern Verſe er übrigens lieber fo 

Nec fallaciam astutiorem ullus fecit 

Poeta atque ut haec est fabre facta a nobis 
bätte druden laffen follen als fallaciam |} Ast. — atque || Vt — nobis. 
Bald darauf fand Bergk in dem poeta barbarus des Mil. glor. 211 einen 
Beweis, daß dem Plautus der Gebrauch des Mortes (und zwar in der „ges 
wöhnlichen Bedeutung“, für die es Oſann bei Plautus nur als eine Möge 
lichfeit in Ausficht geitellt hatte) fihon geläufig war, erflärte indeß demunz 
geachtet an der Anficht feithalten zu müffen, daß erft im dieſer Zeit des 
„Plautus und Ennius“ das Wort bei den Römern Bürgerrecht erhielt. Nach 
folhen Vorgängen follte man faum erwarten, daß es noch außerdem fo 
are Belege für den Blautinifchen Gebrauch gäbe wie, um die Prologe aus 
dem Spiele zu lafjen, Cure. V, 1, 1: 

Antiquom poetam audivi scripsisse in tragoedia, 

und Pseud. 401: 

Set quasi poeta, tabulas quom cepit sibi, 

Quaerit quod nusquam gentiumst, reperit tamen: 

Faecit illut veri simile quod mendaciumst: 

Nunc ego poeta fiam. 
Mar aber, wie man num ganz deutlich fieht, das Mort ein in diefer Spra— 
che des Lebens ſchon völlig geläufiges, fo ift auch von Ennius um fo wer 
niger zu reden, als die in heutigen Büchern fo häufig zu findende „Gleich— 
zeitigfeit des Ennius und Plautus“ (vollends das höhere Alter des erftern!) 
eine höchſt bedingte und meift ganz illuforifche ift, da Ennius erft in der 
Mitte des Gten Jahrhunderts überhaupt zuerſt nach Nom Fam, zu einer Zeit 
da Plautus fchon ein paar Jahrzehnte für die Bühne thätig gewefen war, 
Hierauf wurde fchon Parerg. I, ©. 182 f. hingewiefen; vergeblidh: denn 3. 
B. noch die jüngfte lateinifche Orammatif beginnt ihre hiftorifche Einleitung 
mit den Worten: „Der ältefte römifche Schriftiteller, von welchem ung grö= 
Bere Bruchftücke übrig geblieben find, ift der epifche Dichter Ennius“, wor— 
auf denn erft ald „aus einer etwas fpäteren Zeit” Plautus folgt. Wie 
kann mit folcher Verwirrung eine Ginficht in die grammatifche Entwicke— 
lung des Latein bejtehen! — Ueber die Aufnahme griechiſcher Wörter ins 
a wäre übrigens noch manches zu fagen, was für jetzt vorbehalten blei— 
en mag. 


604 Plautinifhe Excurſe. 


est quem quaero an non? ipsust. Und fo weiter durch noch 
gar manche Analogien hindurch. Wir pflegen zu jagen: wer ıft 
ihm fo ähnlich wie ein Ei dem andern“, „weiß wie Schnee” u. 
dgl., nicht „wie ein Ei dem andern iſt“, „weiß wie Schnee iſt“, 
worin jedermann mit Recht eine fehwerfällige Umftändfichkeit finden 
würde, In der Plautiniſchen Umgangssprache, für die eine gewiſſe 
bebagliche Breite charakteriſtiſch ift, ift gerade dieß die Negel, daß 
in Vergleichungen aller Art ein logiſch entbehrliches est hinzutritt. 
Als: tam similem quam lacte lactis est und ähnliches oben int 
11ten Excurs beigebrachte; lam maculosum quam est nutricis 
pallium Bacch,434; leniorem dices quam mutum est mare, li- 
4uidiusculus ero quam venlus est favonius Mil. 664 (wo bei- 
läufig zu fagen zur Anfechtung des mulum fein Schatten eines Grun— 
des ift, wenn fogar lam placida est quam est aqua Most. III, 
2,165 gefagt wurde); neque lacte lactis similius est quam hie 
tui est tuque huius Men. V, 9, 30 u. f. w. Ja was fann nach 
unfern Begriffen fhwerfälliger fein als mit dem est zugleich den 
Prädicatsbegriff zu wiederholen, der fihon im erften Gliede ber 
Bergleihung ftand ? Dennoch fagt Plautus Amph. II, 1, 54 ne- 
que lac lactis magis est simile quam ille ego similis est mei; 
Trin. 574 numquam edepol quoiquam lam exspeclatus filius 
nalus est quam est illut spondeo natum mihi. — Nicht größere 
vder geringere Schwerfälligfeit ift der Unterſchied zwifchen zugefeß- 
tem oder weggelaffenem est, fondern die Weglaffung macht, als die 
Abweichung vom alltäglichen und gewohnten, den Eindruck des ge— 
wähltern, gibt Cabgefehen von Formeln) der Rede einen Anftrich 
von rhetorifchem Ton, leiſer oder fühlbarer je nach Beſchaffenheit 
der Gedanfen und Situationen; wie Prol. S. CX unten angedeu- 
tet worden. Die rhetorifche Färbung, die das faclum in den Ant- 
worten Trin. 127. 429 gibt, fühlt jeder; fie laßt fih namentlich 
auch da empfinden, wo in der Antwort der Hauptbegriff der Frage 
wiederholt wird. Aber um eine Nothwendigkeit folcher rhetorifchen 
Wirkung wird fichs nicht leicht Handeln; ob fie im gegebenen Falle 
in der Abficht des Dichters gelegen haben möge oder nicht, iſt Sa— 
che feinfter individueller Abwägung, wobei dem fubjertiven Gefühl 


Plautiniſche Ercurfe. 605 


ein ziemlicher Spielraum bleibt; äußern Anhalt zur Entfcheidung 
wird in noch höherm Grade, als die Neberlieferung an jeder einzels 
nen Stelfe, die erfannte Thatfache des ım Ganzen und Großen fo 
überwiegenden Sprachgebrauchs darbieten, weil er die allgemeine 
Direetion zeigt, nach welcher Seite man ſich mit Vorliebe hinzuneis 
gen habe und für welche das Feinfte hinzutretende Moment den 
Ausfohlag geben dürfe. Denn worauf fümmt, was man die hand» 
ſchriftliche Ueberlieferung nennt, in der Negel hinaus als auf BED? 
Wie bedingt aber deren Gewähr ıft, wie fehr die Kritik berechtigt 
ift einen höhern Standpunkt über diefen Hdff. zu nehmen wo fie 
fann, zeigen auch in diefem Punkte die überaus zahlreichen Beifpiele 
eines in ihnen allen ausgefallenen und nur in A erhaltenen est. 
Wo nur Theile des Mautinifchen Textes im Palimpfeft erhalten 
find, wird man die Beftätigung finden, wenn man fih die Mühe 
des Nachfuchens nicht will verdrießen laffen. 3. B. wenn man 
in den Miles glor. ein Stück hineinlieſt, V. 19. 31. 62. 267. 
277. 351. 395. 398. 406. 593 m. ſ. w. Iſt's zufällig einmal 
der Palimpfeft nicht, fo iſt's ein Orammatifer der den Flüchtling 
feftgehaften hat, wie ib. 62. 685 öfter auch B gegen CD, wie 
34835 nicht felten bat er fih in Corruptelen verfterft wie 464 
ud m. 

Diefe Sachlage in ihrem ganzen Umfange und Zufammenhange 
muß gegenwärtig haben, wer in Behandlung der alten Latinität nicht 
irren will. Sp tft in der Infchrift, die Mommfen in der Ztfehr. 
f. Alt.wiſſ. 1846 ©. 304 mittheilt, nicht Eam quoniam haud licitum 
veivam a matre ornarier zu fchreiben, fondern aus LIcItvm... AM 
zu machen licitumst vivam. So ift die Entſcheidung falſch, die 
über den Ventameter des Lucilius Lucili Columella hic situs Me- 
trophanest Dfann Exc. zu Cic. de rep. ©, 496 gibt (mit ihm 
Gerlah ©. 47); des Donatus Zeugniß (wenn auf Zeugniffe Hiers 
bei viel ankäme) beweift am wenigften, da in der edilio princeps 
der Teste Kigenname ganz fehlt und offenbar erft aus Martial er- 
ganzt iſt. Um vieles faljcher freilich ft, wenn derſelbe S. 483 
lehrt, Plautus babe die barbarıfchen Unformen illiest und istucst 
brauchen können. — Welche Misverftändniffe übrigens die Formen 


606 Plautiniſche Excurſe. 


mit st ſchon ehedem veranlaßt haben, zeigt des Nonius S. 224 
ſehr ergögliches simile est pro similis est, pro masculino posi- 
ium neulrum, belegt mit Beifpielen wie Formicae.pol persimile 
est rusticus homo aus Titinius, Nävius, Novius: was ich mid) 
erinnere irgendwo fogar zu dem Beweife gemisbraucht zu fehen, simile 
fei geradezu alte Nebenform von similis gewefen. Weder Neukirch 
S. 107 noch Klußmann S. 153 noch Munf S.175 haben dabei ein 
Bedenken gefunden; gleichwohl iſt nichts gewiffer Cund der alltäglı- 
ehe Hergang in den P autinifchen Handfchriften Iehrt es jeden), als 
daß jenes simile est, wie simile es, nichts iſt als falfche Lefung 
oder Auflöfung von similist, simili’s d. i. similis est, similis es*). 
— Gefunde Skepfis thut der Erfenntniß der altertbümlichen Patini- 
tät noch überall und vor allem noth, über die eine übergroße Menge 
von unfritiichen Angaben in Umlauf find und durch gefchägte Bü— 
cher fortgepflanzt werben: wie beifpielsweife Hartungs Schrift 
über die Cafus nicht minder reich iſt am falſchen Thatfachen als 
an hellen Blicken. Anderfeits foll man freilich auch den Muth 
haben das kritiſch feftgeftellte und unzweiſelhafte als folches zu be— 
fennen, und z. B. nicht, wie die neuefte lateiniſche Grammatik, zu 
dem Paragraphen, der über dielust fpricht, den allzubefcheidenen 
Zufag machen: „Einige Stellen weifen darauf bin, daß auch bei 
es die Aphärefis Statt gefunden habe, z. B. merilu’s ftatt meri- 
tus es.“ 


14. 
Daß für lac die unverfürzte alte Form lacle war, darü— 
ber fann fein Streit fein **). Mit Berfpielen aus Cato, Valgius, 


*) In dem Derfe des Titinius ift zufällig noch eine falfche Umſtel— 

lung Hinzugetreten, da er nothwendig fo heißen muß: 
Formicae, pol persimilis rusticust homo. 

*#) Weber den unerfprießlichen Streit, der darüber von den alten 
Grammatifern allerdings geführt wurde, find die Acten die uns vorliegen 
feinesweges deutlich oder übereinftimmend. So viel fieht man wohl: man 
nahm Anftoß daran, daß von lac nicht laeis, fondern lactis fommen follte; 
für lactis, fagten einige, müffe ein Nominativus lact angenommen werben ; 
dieß verwarfen andere, weil Fein Wort im Lateinifchen auf zwei mutae aus— 
gehe; zugleich wurde, fehr mit Hecht, auf das „PBlautinifche” lacte hinge— 
wiefen, durch deſſen Bugrundelegung fich alles Bedenfen löfe. Aber mit den 
Autoritäten, auf die diefe Behauptungen zurücgeführt werden, fteht es mis— 
lich. Nah Pompejus S. 233 Lind. (S. 152 Mai) fol Barro lact auf: 
geftellt, Cäſar (auf veffen Bücher de analogia dieß ſehr wohl paßt) «6 


Plautiniſche Excurſe. 607 


Verrius, Trogus belegt fie Chariſius S. 79, mit andern aus En- 
nius, Hemina, Cäcilius, Varro Nonius ©. 4835 dreimal leſen wir 
fie noch jest bei Plautus in den Exre, 11 beiprochenen Stellen des 
Miles, der Menächmen und der Bacchives, desgleihen bei Cato 
c. 86, bei Varro Rust. I, 1,4. 8,2. Sa als Bezeichnung eines 
gewiſſen Obftfaftes hatte fih lacte gerade nur in dieſer Form ers 
halten, wie man aus Plinius N. H. XV, 15, 16 erfieht. Obgleich 
num fowohl lacte als lac Neutra waren, hatte man doch dane—⸗ 
ben einen Plural lactes, mit der modifieirten Bedeutung von 
„intestina“, wofür derfelbe Nonius ©. 331 Beifpiele des Titinius 
und Pautus, Priscian VI, 5, 21 ©. 686 daffelbe des Titinius 
und ein anderes aus Pomponius beibringt. Daß der von Priscian 
bei diefer Gelegenheit angeführte Flavius Caper de dubiis generi- 
bus beide Formen völlig getrennt wiffen will, kann uns nicht beirs 
ren. Er bat Recht und Unrecht, wenn er fagt: non habet plurale 
nec hoc (alec) neque lac. nam hae lactes partes sunt inte- 
stinorum a graeco yalazrides diclae, el servaverunt apud nos 
quoque idem genus. cuius singulare haec lactis est. Bon 
diefer Argumentation ift für uns bindend nur dieß, daß lactes nicht 
daffelbe bedeutete wie lac, daß man für „Mil“ niemals lactes 
fagte, und daß lacles nicht eigentlich von dem Nominativus lac ge— 
mit dem angegebenen Grunde angefochten haben: die Entfcheidung mit der 
Berufung auf lacte fügt der Grammatifer wie von fich felber hinzu. Bei 
Probus S. 1445 P. fteht nur quidam putant hoc lact (Kindemanns ©, 
105 hoc lacte muß ja ſchon wegen des folgenden Plautus hoc lacte deecli- 
navit ubique faljch fein) debere diei: sed non legi nisi in Varrone de 
lingua latina. MWiderfprechend dagegen Gledonius (oben ©. 585): lact (wie 
offenbar zu corrigiven für lacte) ait Varro non dici: nunquam enim no- 
meu duabus mutis terminalur. Daß den Varro erſt andere hätten lehren 
müffen, lactis fönne auf lacte zurückgeführt werden, welche Form er ja ſelbſt 
brauchte, ift Tehr fchwer, daß er gar lacte gänzlich geleugnet hätte, wie die 
lückenhafte Stelle des Cledonius ausjagt, gar nicht zu glauben. Sehr gut 
möglich dagegen wäre, Daß ev nur gejagt, Jactis fei, im Gegenfag zu lac, 
wie von einem Nominativ lact gebildet, und daß die die Spätern nur 
misveritanden, Cäſars Widerfprudy aber (‚sed dixit Caesar contra ipsum 
rem valentissimam‘) etwa nur diefer war, daß auch nicht einmal als Thema 
hätte lact aufgeftellt werden dürfen. — Jedenfalls nimmt Pompejas auch 
den Mund zu voll, wenn er fagt lectum est hoc saepius apud Varronem; 
was fih in dem dortigen Infanımenhange nur auf die Analogifirung lac 
lacis, lact lactis beziehen Fan. — Ohne Autoritäten erörtern oder berühren 


die Controverſe Chariftus ©. 78 f, Caper ©. 2241, Mareianus Cap. II, 
81, Aufonius im Grammaticomastix (Eid. 12) V. 12. 


608 Plautiniſche Ereurfe 


bifdet fein Fan, fondern gleichiwie von einem haec lactis, obgleich 
diefes hiftorifhe Exiftenz nicht hatte; — aber weder folgt daraus 
die Nichtiventität des Wortes felbft, noch hat fie an fih vie 
geringfte Wahrfcheinlichfeit. Was aber Lehre ſowohl als Beifpiele 
vollfommen ficher ftellen, ift, daß lactes, Kemininum war: agninas 
lactes bei Titinius, lactes tuas bei Pomponius, und damit ganz in 
Uebereinftimmung lactes in homine et ove, per quas labilur ci- 
bus bei Plinius N. H. XI, 37, 79. Es ift alfo haare Unwiffen- 
beit, wenn Probus S. 106 Lind. (1445 9.) fagt: quod Plautus 
posuit lactes, id non a nominalivo hoc lac vel hoc lacte, sed 
hi lactes genere masculino, numero semper plurali. 

Sp weit die Alten, Erft die Neuern haben auch einen Sin— 
gufar Jaclem Hinzugefügt, den fein alter Grammatifer Tennt, und 
an den auch fehwerlich zu glauben ift. Die Form findet fih aller- 
dings einigemal in lateiniſchen Texten; es läßt fih aber, wie mir 
fcheint, auf dem Wege ver Induction zu hoher Wahrfcheinlichfeit 
bringen, daß hier überall das alterthimliche lacle zu Grunde Tag, 
welches von den Abfchreibern nicht mehr verftanden, unter ihren 
Händen um fo leichter in lactem überging, je mehr ihnen das wirf» 
fih vorhandene lactes vorſchweben konnte *). Man führt Petronius, 
Gellius, Appulejus als Gewährsmänner für lactem an: alles Au- 
toren, deren fprachlichem Charakter gerade die Aufnahme des ar— 
chatftifhen lacte vollfommen gemäß war. Und fo ſagte Petronius 
c. 38 wirffih lacte gallinaceum, Was hier handfchriftiich feftfteht, 
wie leicht konnte es c. 71 durch das Feinfte Verfehen zu lactẽ wer— 
den? Und das Gegentheil einmal angenommen, wie würde denn 
bier Petronius den Gedanken „fie haben eine und diefelbe Mitch mit 
einander getrunken‘ wohl ausgedrückt haben, wenn er es mit lac- 
tem thun wollte und fonnte? Doch wohl aeque unam lactem 
biberunt, follte man erwarten. Aber was fteht ftatt deffen? unum 
lactem biberunt. Alſo nicht genug, daß ein Neutrum lacte und 
ein Femininum lactes beftand und bezeugt ift: auch noch ein Mas» 
eulinum lactem, was nicht bezeugt wird, foll beftanden haben? und 
auf eine Gewähr hin, deren ganze Glaubwürdigkeit fi) möglicher Weiſe 
um ein über das © gefehtes oder nicht gefeßtes - dreht? Glaube 
das wer mag mit unfern neuen Lexikographen; Voffius de anal. I, 
23 hütete fich wohl, das laclem, das ihm allerdings an fich feinen 
Verdacht einflößte, für etwas anderes zu nehmen als wofür er es 
nehmen mußte, wenn er es einmal für richtig hielt: nämlich für 
das was auch lactes ift, d.h. für ein Femininum; nur daß er frei- 
lich für diefes Genus Fein Beifpiel hatte, und diejenigen Beifpiele, 
die zu lactem ein masculiniſches Prädicat geben würden, überſah. 
Ein zweites nämlich von ganz derfelben Befchaffendeit, das denn 


*) Su der That hat fich fo dieſes lactes in einer Hdf. für die Sins 
gularform eingefchlichen bei Appuleius Met. VII, ©. 585 Dub. 


Plautiniſche Ercurfe, 609 


auch durch ganz dieſelbe Erwägung vernichtet wird, iſt das des Gel» 
tus All, 1, 17: qnam ad praebendum lacte adhibebilis, wie 
die gute Pariſer Hof. hat nad) Gronov's ausdrücklicher Angabe zu 
XIX, 8, 13, der darüber fehr verftändig urtheilt. Denn eben in 
diefer letztern Stelle gibt — um das Verhältnig zwiſchen Petro- 
nius und Gellius vollfommen gleich zu machen — diefelbe Parifer 
mit einer Leydener Hd. das der Sprache des Gellius zufommende 
lacte non capiat ganz fauber und unzweideutig. Schon find wir 
hiermit auf den einen Appulejus zurücfgebracht, ver den Neuern drei 
Belege für lactem beigefteuert hat, von denen indeß zwei kaum 
mehr Gewicht als das eines einzigen haben, weil fie (durch nur dret 
Zeilen getrennt) in fo unmittelbarer Nahe ftehen, daß, den Fall eines 
Berderbniffes der erften Stelle angenommen, dieſes ein gleiches auch 
an der zweiten von felbft nach fi zug. So folgen fih aber Me- 
tam. VII, S. 584 und 585 Dud. die Worte ul quorundam ho- 
minum lactem, sie illa sanguinem und et vini cadum et lactem 
et caseos, beivemale zugleich in nächfter Nahbarfchaft mit andern 
Endungen auf m, Die fo leicht zur gleichen Endung auch da ver- 
führte wo fie falfch war: und fie hat dazu verführt in den Hof. 
die caseum haben. Wirklich aber gibt fogar das erftemal eine Ur- 
ſiniſche Hdf. (und vielleicht eine recht alte, f. Hildebrand Praef. 
LXXHI) nicht laclem, fondern geradezu das erwünfchte lacte, fo 
daß jedenfalls nur ein duch äußere Autorität einftimmig gefchüß- 
tes Appulejifches Beiſpiel übrig bleibt. Denn das dritte iſt viel— 
mehr ein ganz zweifellojes für lacte, und zugleich fo befchaffen, daß 
es jenes äußerlich gefhüste in den größtmöglichen Verdacht bringt, 
weil es den vorhin nur nach fubjeetiver Wahrſcheinlichkeit angenom— 
menen Hergang der handfchriftlichen Tradition factifch beweift. In 
Met. Viil, ©. 559 namlich haben die beften Hoff. habereine ve- 
nıi lacte vel adhuc liquidum vel in caseum recenlem incoa- 
elum, ein Theil der übrigen dafür lac, (wie diefes auch bei Gel- 
lius die geringern Bücher für lacte fubftituirt haben, gewiß auch 
bei Varro de re rust. wo jest lac ſteht), ein anderer Theil aber 
nichts anderes als eben lactem. 

So Schwach beftellt ift es alſo mit der innern und äußern Bes 
glaubigung der Form lactem, daß es uns wohl niemand verdenfen 
wird, wenn wir ihr nicht als letztes Aſyl den Plautinifchen Vers 
Bacch. 1134 Quae nec lactem nec lanam ullam habent gefaf» 
fen, fondern, nach Lambin's Vorgang in lacte, die reinften Baccheen 
fo bergefteflt haben: 

Quae nec lacte nec lanam habent: sic sine astent, 

Und eine Feine Spur des Wahren liegt hier vielleicht felbft noch in 

der Schreibung des Decurtatus lact®. — Ob nun nur fafche Less 

arten der Terte, oder ein wirklicher fehlerhafter Sprachgebrauch, der 

in foätern Zeiten auffem, Anlaß zu dem in den alten Gloſſarien 
Mur. f. Philol. N. F. VII. 39 


610 Plautiniſche Ereurfe. 


(S. 269 Lond.) neben „lacte yara* erfcheinenden „lactem yaru“ 
gegeben bat, weiß ich nicht zu fagen. 


15. 


In einer Anmerfung zum 10ten Excurs wurde gezeigt, daß 
Compofita wie frigelacio dag e dann nothwendig und ausschließlich 
lang haben, wann die vorangehende Stammfylbe des Verbums lang 
ift, daß dagegen, wenn diefe furz, auch furzes e gefeglih und ur- 
fprünglich war wie die Komödie lehrt, und nur dur Licenz dak— 
tylifcher Dichter ausnahmsweife verlängert. So daß alfo Plautus 
nur liquefit fagen fonnte (wenn er das Wort überhaupt hätte), da» 
gegen Ovid Iiquefiunt Epist. ex Pont. I, 2, 57 und Iiquefiunt 
Met. VII, 161, Iiquefactis ib. IX, 175 neben einander. Kein Zwei— 
fel alfo, daß bei ven Dichtern diefer Klaffe auch puütrefacta, wie 
ib. XV, 389, und pülrefaclis neben einander geftattet waren, da 
das u der Stammſylbe von Natur kurz iſt. Rolglich eben fo gut, 
wo nicht um defto mehr, durfte hier e eine lange Sylbe bilden, wenn 
die vorhergehende durch die Vofitionsfraft der mula cum liquida 
zufällig zur Länge geworden war: fo daß gegen ein pulrelacta bei 
Lucrez 11, 898 nichts einzuwenden ift. Aber für Plautus ein p u- 
trefacil zu rechtfertigen, wie Most. I, 2, 31 gelefen wird, ift 
biernach gar Feine Möglichkeit: wofern man nicht etwa behaupten 
will, pulrere pulris hätten im älteren Yatein eine Naturlänge in 
der erften Sylbe gehabt. Sch denfe nicht, Taß dieß jemand mit pu- 
teo pütor pulesco pülidus wird beweifen wollen, die allerdings 
nur langes u haben. Der ungemein fofte Eigenfinn, mit dem die 
Sprache in nächjtiverwandten Bildungen die Quantität der Stamm» 
folben gewechfelt hat, ift ja befannt genug; fein Beifpiel aber mag 
dem vorliegenden näher kommen als, zwar nicht rabere, aber doc 
rübidus neben rüber rübra rübeus rübere rubor rübicundus. 
Denn mit langem u fteht rubidus unzweifelhaft feft in den zwei 
(zum Theit felbft durch Feftus gefchügten) Plautinifchen Beifpielen 
sich. 225 und Cas. Il, 5, 2, vie fehr unbegründeten Anftoß ge— 
geben haben: wozu ich aus Wernsdorfs Poet. min. VI, 2 ©. 56l 
ten Herameter des Cälius Sympofius hinzufügen fann: Rubida, 
curva, capax, alienis humida gullis. Viel confequenter noch und 
ohne alle Vermiſchung ftehen fi die Duantitäten der Stämme pul- 
und pülr- gegenüber: denn in Rud, V, 2, 37 ift dag pütridas der 
Bulgate nur eine Verſchlimmbeſſerung für das pulidas der Hand- 
ſchriften. Zum Ueberfluß läßt fih das Verbum pülrere felbft auch 
für vie alte Patinität beweifen aus Nonius ©. 159: Putret. 
Pacuvius Teucro : guamquam annisque et aetate hoc corpus 
putret. Accius Erigona: quamquam exangue est corpus mihs 
atque annis putrei. Denn klärlich bildet beivemale pulret den 
Auszang von Verſen, die übrigens fo gelautet haben mögen: 


Plautiniſche Excurſe. öl 


Quomquam ännis atque aetäte hoc fmihi] corpüs putret. 

[Nam] quämquam exsanguest cörpus mi alque annis putreét. 
Gibt es alfo für pulrefacit bei Plautus von feiner Seite her eine 
Bertheidigung, fo wird eben nichts übrig bleiben als dafür das zu 
fegen, was vermöge der langen Stammfylbe die geiegliche Nechtfer> 
tigung in fich trägt: patelacit. Und darum habe ich oben S. 588 
kurzweg fo gefchrieben. Denn einleuchtender Weiſe fann von pulere 
genau eben fo richtig pulelacere werden, wie pulrefacere von pu- 
trere. Dem etwaigen Bedenfen, ob pulere auch nicht ein unplau- 
tinifches Wort fer, läßt fih zu gutem Glück begegnen durch Most. 
I, 2, 67, wo ich aus der Leberlieferung alque edepol ita hec ila 

t 


€ 

tigna umida putant (oder 'umide putan) non uideo mihi nicht 
fowohl mit Hermann Elem. doctr. metr. S. 302 Atque edepol 
iam haec ligna hümide putent nunc: non videör mihi, als 
vielmehr 

Atque Edepol ita tigna hümida-haee pütent: non videör mihi 

Sarcire posse aedis meas 
machen möchte: d. h. ita putent, ut non videar u. f. w. nad) ci» 
ner bei Plautus gar nicht feltenen Verbindung oder vielmehr Vers 
bindungsloſigkeit. — Nach diefer Feftftellung wäre nun allerdings 
auch bei Lucrez pulefacta möglich; 0b wahricheinlicher, iſt eine wei— 
tere Trage, für die in Betracht kommt, daß flatt putror bei ihm 
die guten Hoff. nur putor geben, für pulrescere nur einmal auf 
pulescere hinführen. 

16. 


Welchem Zeitpunfte die Herabfegung des römifhen 
Rupfergeldes auf den Semuncialfuß angehört, ift befannt- 
Lich nicht überliefert, da das mox, mit welchem Plintus die lex 
Papiria, durch die fie geſchah, an die Einführung des Uncialfu- 
Bes anfnüpft, einen weiten Sptefraum laßt. Im Gegenfag zu der 
herfümmlichen Meinung, die ohne Gewähr die Mitte des jechiten 
Sahrhunderts annahm, fohien es Borgheſi, daß noch 677 der 
Unciaffuß beftanden haben müſſe. Dieß wies zwar Böckh als uns 
erwiefen und unwahrfcheinlich zurück, glaubte aber dennoch felbft den 
Urheber des Gefeges in dem En. Papirius Carbo fuchen zu dürfen, 
der in den Jahren 669. 670. 672 das Confulat begleitete. Mit 
neuen Beweismitteln, genommen aus den früher nicht berückfichtigten 
italiſchen Stadtmünzen, iſt fürzlih Th. Mommfen „über das 
rom. Münzwefen“ in den Abhh. der phil.-hift. KT. der Sächſ. Gef. 
der Will. Bo. I, S. 335 f. beiden entgegen und wieder auf die 
Seite des fechften Jahrhunderts getreten. Aber was er innerhalb 
deſſelben als nähere Zeitbeftimmung verſucht, bat auf mehr, als 
eine Möglichkeit unter fehr vielen zu fein, faum einen Anfpruc. 
Bor 561, fagt er, müſſe das Geſetz erlaffen fein; denn „in dieſes 


612 Plautiniſche Excurſe. 


Jahr fällt"vie lex Sempronia de pecunia credita, welcher unſere 
lex Papiria nach der ältern Annahme gleichzeitig fein fol: es fteht 
nichts im Wege diefe für richtig zu halten. Daß nichts im Wege 
ftände, wäre doch nur ein fehr fchwacher Anhaltpunft, wenn auf der 
andern Seite auch gar nichts dafür ſpräche. Aber es läßt ſich auch 
nicht fagen, daß nichts ım Wege ftehe. Sch darf hier an dag er- 
inneın, was Parerg. I, ©. 190 f. ausgeführt wurde. Wenn zu» 
gegeben wird, daß in den Berfen des Prologs zur Cafina 
Nam nunc novae quae prodeunt comoediae, 
Multo sunt nequiores quam nummi novi 
der Ausdruck nummi novi mit gar Feiner Wahrfcheintichfeit nur 
auf eine zufällige und vorübergehende Teichtere Ausmünzung bezogen 
würde, vielmehr auf eine dauernde und durchgreifende Geldverſchlech— 
terung geben müffe, wie fie vorher im J. 537 eingetreten war; 
wenn ferner zugegeben wird, daß diefer Prolog nicht nur nicht von 
Mautus, fondern erft geraume Zeit nach feinem Tode verfaßt ift: 
fo fann auch die Neduction auf den Semuncialfuß — aufer der 
bier nichts anderes denfbar — weder vor noch kurz nach 561 vor 
fich gegangen fein. Nielmehr, wenn vie weitere Ermittelung glaub- 
haft iſt, daß die Abfaffung des Prologs ganz nahe an ven Schluß 
des fechften Jahrhunderts fallen müffe, wird auch die lex Papiria 
nicht wohl früher als in das letzte Jahrzehnt deſſelben gefegt wer— 
den können. Einen beftimmten Papirius weiß ich zwar aus biefer 
Zeit nicht nachzuweiſen; aber er braucht ja auch nicht Conful ge- 
wefen zu fein. Durfte blos conjecturale Combination an einen Zu- 
fammenhang mit dem Sempronifchen Geldgefes denken, fo Tiefe fich 
ein folcher auch mit der lex Fannia sumpluaria des Jahres 593 
vermuthen, wenn mit VBermuthungen zu fpielen fruchtbar wäre *). 
Friedrich Ritſchl. 

*) Die Hoffnung, daß der ©. 598 *) auf offnem Markte ausgeſetzte 
Kranfe einen glücklichen Arzt finden möchte, erfüllt fich fchneller als ich 
dachte. Bernays iſt ed, der im Vorübergehen fogleich als dag hier an— 
zuwendende Specificum die Gloffe, des Feſtus erfannte S. 32 M. bei Pau— 
Ius: bulimam Graeci magnam famem dicunt u f. w.; e8 bedurfte nicht 
viel mehr als der Verfchreibung des Anfangsbuchitaben, daß BULIMAM zu 
MULUINAM werden fonnte. Mofern nicht zur Entitehung diefes Verderbniſ— 
fe8 das mibi mitwirfte, welches urfprünglich diefe Stellung gehabt haben 
wird: m[ınıB]ur.ımam. Denn dem überlieferten Menächmenverfe:: 

Madida quae mihi adposita in mensam muluinam suggerant 
ift, wenn ich nicht irre, nun feine metrifche Geftalt fo zurüczugeben: 

Madida quae anteposita in mensa mihi bulimam suggerant. 
(anteposita wie in demfelben Stüd 11, 2, 2 bonum anteponam prandium 
pransoribus und fenft.) Nicht Schreibfehler, wie Scaliger glaubte, für 
bulimum wäre hiernach bulimam bei Paulus, fondern vielmehr archaiftifche 
Nebenform, deren Möglichfeit ich jebt um fo weniger lengnen möchte. — — 
Dben ©. 602 3.5 v. o. ift der Drucffehler Nullus in Nullust zu verbef- 
2 Umgekehrt ift ©. 605 3.7 v. u. Metrophanes für u zu 
eren. . . 


Epigrammatum Graecorum 
Spicilegium quartum. 


1. 
Te)£owpoge yeige. 
3 u r ? —— 
Hv woa ovv&yovoa Ter£opogov zal anednos 
- x N > — 
nv Lwvnv @VToV [zul Tov Eowrouavn] 
2 * 2* 


r0vog Eönonase, zal ovxerı Moio’ avsusıre. 


© Tayvvov Favarov xal yovenv drvywr. 

In Leucadia ex parietinis Leucadis, editum in Corp. Inser. 
Vol. II p. 988 N. 1923b ex Ioviw "4v$okoyo cum notis, quas 
„non attingil* Boeckhius. Vellem fecisset, quum liber iste non ad 
manus sit, ipsius autem aculissimi interprelis sentenliam mul- 
tum absit ut pro vera habere possim. Mihi enim »o« pul- 
chritudo est puellae, quam deperiens iuvenis in maris undis 
vel mortem vel, quod in epitaphio Leucadico probabilius est, 
amoris sanationem quaesivisset, quod secus ei cesserit, Quae 
insania, quamvis ambigue et leniter, epitheto zayvvov Yara- 
zov langitur. Ad yovog Eronase, nedum ut desit subieclum 
quale supplet Boeckhius, aptissime trahitur praecedens (wo«). 
Idem autem quum verlat: aelas iuvenilis acceleravit fata Te- 
lesphori et conirawit, ul „ovvezeıy fere synonymum sit co 
ovvyreuvsıy Sive Eneiyeır,* Pro al paulo audacius ponens 
&g anednoe nv Covnv, el de suo addens zuw’ dAos ovAöus- 
vov, non video quid aliud cogilasse possit, quam Telesphori 
impelu iuvenili et imprudentia factum esse ut, quum ad bal- 
neum se praepararet, e ripa deorsum in mare laberelur. Ex 
nosira de carminis argumento hypothesi continere est totum 
occupare, corripere, atque haec floris puellaris delinimenta 


614 Epigrammatum Graecorum 


cingulum deponere, i. e. iter sistere, porro vivere nolle fecerunt 
Telesphorum et e ripa in prolundum mare desilire. Zonam 
deponere de vitae taedio dietum lenitatem illam spırat, qua 
Graeci dira quaecunque significare magis quam exprimere so— 
lent. Vitam cum itinere, corpus cum sarcina comparalum 
habes in Sylloge nostra p. 100. Significanter etiam haec di- 
eta sunt: zul ovzEerı uolo’ ar&usıre, mora data fuit nulla, ru- 
enti fato nihil obstitit, nemo adfuit qui deflectere miserum iu- 
venem a via aul, quum se deiecisset, a morle eripere potuis- 
set. Quum prioris penlamelri dimidium integrum in marmore 
deesse appareat, factum id videlur lapidarii oscitanlia, qui 
eliam EAYTOY pro AYTOY etin primo versu CYEXOYCA 
scripserit, quamvis dici potest, poetam hemislichio omisso 
rhythmi interruptione el asyndeto subsequenli haud illepide 
infelicem adolescentis vehemenliam quodammodo imitatum esse, 
cui tamen vehemenliae etiam ter repelitum x»a‘ non minus 
accommodalum esse videtur. Admirabilis est in tam gravis ca- 
sus tam vivida descriplione breviltas. 


2. 
Movie TIovralsıa z0o«, 
Tırvgeia yura. 

Quco dn orvysom Javarm noolınoVoa Toxnag 
Ilotaia &y yaorgog zuuoroxoıg odunans. 
OUTE yvvny nuunav xexAmuevn oVTE Tı X0Vy0M, 
nevdog narol Aineg umroil te ın uehen. 

Eoudov yYoviov. 

Larissae in sepulcreto oceidentali, teste Joanne Lud. Us- 
sing, Inscriplt- Gr. ined. Havniae 1847 p. 33, cum Le Bas in 
Revue archeol. 1844 p. 315 (unde repelilum est epigramma 
a Car. Keilio in Sylloge Inserr. Boeoticarum p. 76) Triecae 
extare dixisset. Poeta dialecto utitur poelica; reliqua vulgari 
Thessalorum adscripla sunt, Tlovraio pro ITwrara, "Eyuaov 
pro ‘Eouaw, quae quidem ipsa nominis forma illarum parlium 
propria est: "Euuaw» legitur in epigrammate hermae a Lud, 


spicilegium quarium. 615 


Rossio Spartae inventi. V. 2 xvuozoxog PrO xworoxog no- 
vum est: xöua, zunua, felus uteri. 
3: 


⸗ - G ’ 
’Avrloe xvdailung doeras, noAvnoats xK0V0u, 
n5ev &g mAvoıov avrog avaS Kooridns. 


Tnkvyernv us Toxnes averoepov aldmoxovTsg, 
"Antvgıv, NiIEwv naunav agsıoreonv 
5 dla us Moio’ edauaooev, Enei Tode uogaıov mev' 
zuußov Ö’ apa yovels teVEav Odvpoueroı, 
Zmwvis untno te narno TE uoı Nixois[ovrng], 
aupw Ivuoßoow nEvIel TEıgouevoL. 


"Antvgı, xAsıvov ayakım xal Ev pduukvorgı paveins, 

woneg Ev Lwois züdog Onaoaueva. 

Achridae ad lacum Lychnitin in Macedonia. Romam mi- 
sit Pappadopulus, Professor Atheniensis; edidit Henzen Bullet- 
tino del Instit. archeolog. 1849 p. 149. Quod in medio bi- 
norum distichorum posilum est epigramma, non ut haec binis 
utrumque versibus in iustam distichorum elegiacorum formam 
scripta sunt, sed unoquoque trium dislichorum versu in binos 
diremto , duodecim minoribus versibus exsculptum est. Dia- 
lecto quoque breviora duo epigrammata a medio distinguuntur. 
V.2 EIC. Novum est quod Jupiter ipse in Elysium duxisse 
dieitur Apiyrin propter virtutem. V.3 THAYTETH. 4.7 
ZHNBIC et NEIKOAG, erasis in fine ultimis litteris: ulrum- 
que nomen explevit Henzenus. 

4. 

Avrog Zeug Koovidng öyılvyog aldegı vorwv 

Sum nvgl pleSag orepvav ESeihsro Ivuov 

odx nv außgorog. LIU nageorıp unregı ogurN 

vuxti uehaıvorarn Egumvevovon ad’ ovrwg 

5 unteg Mekırlvn, Ionvov Aıns, made yooıo. 

Vvn urnoausvn, hv wor Zeug TeoniReoavvog 

tevbag adavarov xal ayn0@0v nuata navra, 

aonasag 201100’ Eis OVpavov doTegösvra. 


616 Epigrammatum Graecorum 


Thyatiris in foro. Ex Peysonelii et Sherardi schedis cer- 
tissime et in plurimis vocabulis facillime restituit Boeckhius 
in Corp. Inser. Vol. II p. 841 n. 3511, cum quo lamen V. 3 
non posui 0Vx y[unv] Booros, non eram mortalis, sed id quo 
vel pluribus mortui in epitaphiis sese vel superstites eos in mullis 
eonsolantur : svwvyer: ovdeis asavaros consolanlur. Additum 
eral in eodem marmore allerum carmen eiusdem argumenli, 
morlua ul malrem superslilem consoletur, sex, ut videtur, he- 
xamelris descriptum, quod pessime habilum est. Terlium ver- 
sum editor in hunc modum refingit: 7%vJov &v9a Aıös Bov- 
Aaloı zadı9gvoev [Eguns.] El Mercurium Psychen e corpore 
evolantem in altum asporlare videmus in aliquot sarcophagis. 

3.,..D. 

’Hr9ov Es dIavarovg noAA0L zar' Odaynıov Edom»* 
arha eos TovVrwv Lori nurno 6 ueyac, 

5 x0ouov dıstase, Sehyvnv vurri zehsvoug 
neidEosat, Tırav’ nusowals yapıoır 

5 m neıodelou deuag uev En yIovdg 75 dnsteygnv 

heino, ınv wuyrv Ö' adavaıyv Ehayov. 

&v yaln Ev O@u@ TO ovyyerkg, ougmvrıog de 

„huge 7 woyn doun zar' ov pOrusvor. 

xeitaı usv yaln pIluevov deuas, n de dodeio« 
10 wvyn wo valsı Öwuur Enovoarıa. 
adavarog yvyn ıa ulv olxia av &v Ohvunw 
vaio, owua Ö’ Euov yala pEosı PYlusvor. 
Ev uiv un’ aysakloıv pEooumı Tervov dererngoV 

Evodw, ög niaıg nV Önnor’ Eva douovg, 

15 zso0ugaxoVraeıng ÖE ng0G OVgavov Koreulevr@ 

nhv9ov, Ev yaln o@u Euov Evdeusın. 

Corcyrae in musee Prosalendi, characteribus cireiter pol- 
licem altis et universum prope lapidis planum occupantibus, 
excepto margine eminentiore. Corp. Inser. Vol. II p. 986 
n. 1907 bb. A sententia et pia spe uxoris tolies in hoc epi- 
taphio expressa tolo caelo aberat Euodus marilus, quem ver- 
siculi distichis elegiacis nullo discrimine subiuncti in hunc 
modum loquentem faciunt: 


spicilegium quartium. 617 


Tovr’ Evodos Pgoroig nacı[v] nagamww" 
ın wuyn ueradog xalwv [6] teydeıs, 
xal rov Blov TovpN naonydonoo, 
eidwg, nv xutaßng Es nwum Andns, 
ovVölV Twv Enavo zarw nov Owe 


wuyns Ex uslewv anontadeiong. 


T: 

Ileides u:v naroi tavr’, aAoyog yauesın dE Erevsav 

avti piAopgoovuns Tereopogw 'AlsSavdow. 

Xonoıuog ovvouaoıv "AlsSavdgei« dE untno 

onua 15 zal Iwuov Tevsav anop9uerm. 

In cippo ex parietinis Adrianorum ad Olympum. Corp, 
Inser. Vol. II p. 278 n. 3797 e. Le Bas Vogage archeol. n. 
1059, Dativis T4METH \.1 et nominibus V. 2 ul et par- 
tieipio anopdıuevo non adscriplum est Jola, pro ovvouaoıy 
iegitur ONOMASIN. Pro de V. 3 leg. re. Cum antea di- 
ctum esset filios cum uxore cippum posuisse, ex altero disli- 
cho unum filiorum cum patre reliquorum nomine impensaın 
fecisse discimus. 


8. 
GAR: 

Mrtno uoı oeurn Aövua naoaxoıumdeloa, 

enta dE dis w Erewv Anuntoıov ala xerevder. 

In insula Maiorca inter marmora circa finem saeculi prae- 
teriti Roma et Aricia maxime, ubi effossa fuerant, a Legato 
Hispano illuc transvecta, v. Noticia de los museos del Carde- 
nal Despuig- existentes en Mallorca por D. J. M. Bover, Palma 
1546 p. 46 n. 35. Inscriptio in quinque versus divisa omnes 
litteras habet perspieuas, O ES M forma rotundala. Nomen 
Ardvun legitur apud Asclepiadem et Alhenaeum. Ut a me ex 
libro Hispano editum est epigramma in Gerhardi Archaeol. 
Anzeiger 1849 p. 58, ita prorsus exhibuit eliam A. Longpe- 
rier Revue archeolog. 1849 p. 40, qui Boveri ineptas conie- 
cturas exscripsit. 


618 Epigrammatum Graeecorum 


9, 
©. K. 

Evravda xeium ıns ’Adnvarov yIovog 

“Eouns nokiltns, eixooı Inoag Ern 

uvnuns de tuußov revke xahlıorog pi).og, 

In Puteolorum vicinia; edidit Pater Raphael Garuecci Bul- 

lettino archeol. Napoleitano 1847, qui V. 3 vocem Karkıorog 
pro nomine habuit. V. 1 KIMAI. 


10. 
Doidw uxsıgexoun xal viel muov EInnev 
@ontno Maiwg. 

In colle prope theatrum Epidauri. Transactions of the 
R. Society of Litterature 1347 Vol. II p. 231. Meaiwg, So- 
phista ap. Suid. 

11. 
Evoös Ilav, o0l rovde nalg Thavaov nöo[e x]ooun» 
Znvodorog o[w]Feis yns ano ry5 "AloJalß]ov. 

Apollonopoli magna, hodie Edfu, in orientem ad templum ;. 
edidit Caillaud tab. VIII, 2; restiluit J. Franzius C. I. T. Il 
n. 4838. 

1% 
Zelvov Tuunoavres, Hdoınognı, nowa tovds 
Evodo», zit’ avıol oreıysre owlouevor. 

Deidwv Außovwvog 6 Kong avedns TO yoauua 

zul Tiuas, 79w5 w ’didov Eurvgiar. 

Ibidem; edidit Letronnius Revue de philologie T.I p. 302. 
402. Franzius in C. I. T. Hl n. 4838 b haec annotat: „V. 1 
ödoınogoı (ex aliquot ductibus et diphthongo finali), V. 2 
oreiyere, V. 3 Korg (ex KOHC) occupavit Letronnius, cui 
in reliquis parum successit interprelalio, V. 2 &vzavdor et V. 
4 tıud 0, nows, tentanti. Notus est usus voculae &ira post 
parlicipium. Deinde in ullimis construe: Peidwv — © (6) nows 
edidov eurvyrav.* Ecquis vero heros? Nimirum Evodog, he- 
ros aliunde non notus, qui expedilum largitur iter, fere ut 


spicilegium quarlum. 619 


Il«» evodog in praecedenti epigrammale. Franzius, cum evo- 
dov scripserit, non video quomodo intellexerit. 
| dur 
Evosßins au@ zal nıyvrng zyvd’ov[oov EAodoar] 
[oJenoev, Karkıoonv ’Aoreurdog noonoAov. 

Tbebis. Le Bas Voyage archeol. p. 118 n. 560. Sup- 
plementum quod posui, non ut pro iusto venderem, sed ut 
elicerem probabiliora, petlitum est ex Thebani poetae verbis: 
&i Tı5 axgov &lwv. Parrhasius in epigrammate operibus suis 
inscripto sese teyvns eVonosaı tT£ouaro iactare solebat, Athe- 
naeo teste XII p. 543e. Eis Eoyarov ögov Tag EavıW doxov- 
cas agsrag Enerndevev, verba sunt Eunapii apud Suidam v. 
AoßaLaxıog. 

14. 
. Iwry Av&dnze InvIen. 

"Ioyvirog Oronos rois dauooroıs Ev aedAoıg 

Teroazı TE onadıov vian zul dis Tov Onlırarv. 

Spartae. Post Fourmontum, ex cuius apographo edidit 
Boeckhius in C. I. n. 17, plenius et reclius descripsit Lud. 
Rossius, Inscriptt. Gr. ined. fasc. I Naupliae p. t7 et tab. V 
n. 55, unde repeliit et suppleta in qualuor ex septem versibus 
una litterula certissime restituit et explicavit C. O. Müller 
Gölting. gel. Anz. 18356 p. 1152 — 1155, cum quo prorsus 
convenit Franzio in Elementis Kpigraphices Gr. p. 705. 380. 
Pro "IoyvAAog in marmore legitur ISAYXAO;, in Vase Vol- 
cenli IEXYAO28. Oiow Dorice dietum esse vidit Müllerus 
pro Oeow, onadıov pro oradıov, vixn pro Evixas, eNTEA pro 
za Evreo idemque G. Hermanni coniecluras apposuit tum re- 
centes, quae nune leguntur in Opusc. T. V p. 174 ss. 

15. 
Evpoarng nais 7i9ov, al Ö} nAozauides Ensıoav- 
e£axı vinmoag nargid’ Enex)eion. 
Scriptum quatuor versibus in stela marmorea prope 
Thessalonicam inventa et in Museum Parisiense translata sub 
Imagine mirmillonis altera manu fuscina et pugione ar- 


620 Epigrammatum Graecorum 


mati, Revue archeol. 1849 Vol. VI p. 198 —200. Forma lit- 
terarum O et © quadrata terlium prodit seculum. In priore 
v. corripitur ai, adversativa est scripta ©E, tum IIAOK A. 
MEIJE> et EIIHZAN. In altero, qui puncto ab illo di- 
stinguitur, EIIHAKAEISA. Cur naida sese dicat sexies 
victor, quo spectent cincinni persuadentes non dixit doctissi- 
mus editor Adr. de Longperier. Videtur autem homo glorio- 
sus florem aelatis et crinium pulchritudinem efferre, quibus 
publicam admirationem excilaverit et mulierum animos ceperit. 


16. 
Aywvoseroüvros 'Iovilov Aovxlov [M]eıdiov Ei- 
do&orov Te[kar]ıvgews [9]E[uıdos dywvwr] Evapeorei- 
wy, 75 auTos Ovvsorjoato LE olxlav xenucstor 
Tonndios ZIEvios <bPoörtw» Olvoavdeus, lòs ITo- 
nklov ZY9eylov Arzıvvıavov, OTepseis dydowy 
neyxgatıoy zoıwov Avzlwr. 
Ileidwv usv ta nowra nahnv Eotewe uE naron 
zal xuönve xAvrn Ezovı yahreharıp 
Ilavzoartıov Ö’ avdowv zoıwov Avsıov uerineira 
aoauevog naron 97x’ Eoarov Ebavor. 
Oenandis, prope Urludja, in basi. Corp. Inser. Gr. T. III 
p. 139 n. 4380m, Spralt and Forbes Travels in Lycia Lond. 
1847 T. II p. 291. V. 1 ILAAIN lota non adscriptum ver- 
bis KAYTH et XAAKEAAT2N.?2 et NATPHN. 3. 
V.4 HK. EPATON, E9nxa. 


Quod in huius Voluminis p. 521 ss. a Lud. Rossio edi- 
tum est epigramma Cyprium, id paulo ante ediderat eliam 
Jac. C. Bailie in Fasciculo Inscrr. Graecarum potissimum, ex 
Galatia, Lycia, Syria et Aegypto, Dublini 1849 p. 92, sed ut 
Phaselide extans et quidem (cum Rossius labulam viderit) „in 
basi vel ara reperla inter rudera Phaselidis, ubi nunc vicus 
Tureicus Tegrova , in tractu littorali“. Quod falsum esse et 
Bailium ab alio peregrinatore, a quo apographum accepisset, 
in errorem inductum non dubito. V. 1 ille seribit zarglIA- 


spicilegium quartum, 621 


KALEsSHN T1Ayıov, omissis reliquis litteris. In sequenti- 
bus ab ınilio ul in primo, totidem quod in Rossii apographo 
desunt litterae, in 2. ab illo suppletur dooQN, in 3. Nngı- 
TIAHZ, in 4. OGOMOTOSIX, nihil autem est varietatis nisi 
quod V. 3 TIATPIAO2 legitur pro ITLATPIAEZ (narens 
ano naroid’ &g akknv), unde immani errore prodit Ilaruns 
ano nargidog akıng: „Innuitur dedicatio donarii cuiusdam, si- 
mulacri fortasse Aphroditae, Paphiis facta a quodam Patra, 
qui et Theiodotus audiverat. Phaselialam fuisse crediderim ; 
nam in V.3 deseribilur ul alienigena, mentione facta Paphio- 
rum in proximo. Nomina Patris s. Patras, Patra in his tracti- 
bus erant clara, v. fasc. II n. 233.“ De quibus non magis 
disputare libei quam de hac prioris distichi explicatione: „Mu- 
neribus non indigeo, quibus me commendem, instar omnium 
est quod lutelarem Paphiorum repraesento.* 


F. Th. Welcker. 


Ueber die neueſte metrifche Theorie. 


An PBrofeffor K. Lehrs in Königsberg”). 


Hochgeehrteſter Herr Profeffor! Als ich vor Kurs 
zem das letzte Heft des Philologus zugefchickt erhielt, z0g mich Ihr 


*) An Denfelben, — Schon hatte ich felbft mir vorgenommen Ihnen, 
fh. Fr., in diefem Mufeum die fchweren Vedenfen ans Herz zu legen, die 
mich Hinderten Herrn Meißners Tafttheorie in demfelben Lichte zu fehen wie 
Sie, deffen ſchützende Hand fie eingeführt. Da kam es denn ganz erwünfcht, 
daß ein fo mufiffundiger Metrifer und metriffundiger Mufifer wie mein 
verehrter College ſich feinerfeits angeregt fühlte einen Proteft einzulegen, 
deſſen Wirfung auf Ihre Anficht zu erfahren mir, wie Sie denfen Fönnen, 
nun ein Gegenftand des lebhafteften Intereſſes ift. Sollte fie in Feiner Weife 
eine umſtimmende fein, jo hätte ich allerdings den feltenen Fall zu bedauern, 
auch meine Meinung von der Ihrigen trennen zu müſſen. Denn namentlich 
was die Selbitbefchränfung betrifft, mit der die auf den Sprachſtoff ange: 
wandte Nhythmif d. i. die Metrif fih an den ſprach bichen Maßgrößen 
von furz und lang hat genügen laffen und einer jeden mathematifch = muftz 
Falifchen Beſtimmtheit fernfteht: fo finde ich darin fo fehr meine eigene 
Ueberzengung ausgefprochen, wie ich fie feit zwanzig Jahren gehegt und ges 
lehrt, daß ich auch Ihnen, dem ich fo viel zutrane, doch faum diefe Fir 
bigfeit zutrauen kann, mich in einem folchen Gardinalpunfte zu befehren. — 
Diefes zu fagen, und ohne weitere Motivirung zu fagen, wäre mir gleich- 
wohl nit genug Grund gewefen zu einer öffentlichen Anfprache, wenn ich 
nicht zugleich Gelegenheit fuchte, in einem andern Bunfte mich in ein beſſeres 
Licht zu fesen, als in dem ich Ihnen, vermuthlich nicht ohne meine formelle 
Schuld, erihienen bin, und nun wohl auch andern. Den trochaifchen Sep— 
tenar aus einem iambiſchen Senar, dem ein Kretifus vorgefest worden, 
rhythmiſch erwachſen zu laffen — davon fage ich mit Ihnen „uns 
möglich war dem fo!“ Nein, dieß war nichts als eine (vielleicht doch nicht 
räthliche) Abbreviatur in meiner Daritellung, um fo kurz wie möglich die 
factifhen Erfcheinungen im metrifchen Bau des Septenard nadt in 
Reihe und Glied Hinzuftellen. Darf es aber einmal nur auf Mittheilung 
des Pofitiven, nicht anf rationelle Entwicelung anfommen, fo weiß ich noch 
jet nicht einfacher und zugleich vollftändiger die äußern Gefehe des rö— 
mifchen Septenars zur Weberficht zu Bringen, als indem ich fage: man 
trage alle Negeln des Senars auf den mit dein Senar gleihförmigen Schluß 
des Septenars über und füge dann nur noch die möglichen Berwandlungen 
des voranftehenden Kretikns Hinzu: unter welchen leßtern allerdings bie 


Som — — Sa jo gut ihre Stelle hat wie in wirflichem kretiſchen 


Ueber die neuefte metrifhe Theorie, 623 


Name, die hinzugefügte Bemerkung fofort hin zu dem Auffage „zur 
Metrik“. Gleich Ihre erften Worte, in welchen fih das Bedürf- 
niß nach einer beffern metrifchen Theorie ausfpricht, waren geeig- 
net, das Intereſſe zu fteigern. Aber wie ſchrecke ich zufammen, als 
ich leſe, die griechifchen Rhythmen dürften am beften aus ver heuti— 
gen Tacttheorie verftanden werden, und wie bitter finde ich mich ge— 
täuſcht, als ih nun wirffih die Noten, Tactftrihe und Paufen 
heranbringen und die verfchiedenen griechifchen Versmaaße durch 
fie gemeffen und gedeutet ſehen muß. Alfo wieder ein mißglück— 
ter Berfuh! Und fihon niedergefihrieben, ausgearbeitet — ob fi 
der Berfaffer, wenn ihm Jemand, der auch Philofoge und Mus 
fifev zugleich, denjenigen Punkt in feinen erfien Säten aufweiſt, 
wo er den entſcheidenden Fehltritt gethan, noch wird zurücrufen Taf» 
fen von dem Irrwege, ob feine augenfcheinliche Befähigung zu rhyth— 
nischen Beobachtungen noch wird für die griechifhe Kunft gewonnen 
werden fünnen, wo es in diefem Punkte fo fehr an folchen fehlt, 
welche ſelbſtſtändig thätig miteingreifen fünnen? Solche Gedanken 
beunruhigten mich fofort nach beendigter Leetüre, und, als nun die 
Herausgeber diefer Zeitfchrift fo freundlich waren, mir noch ſchnell 
vor Thoresfchluß in dem eben zur Ausgabe bereiten Hefte eine Stelfe 
einzuräumen, entfchloß ich mich ohne Verweilen, mich direct an Sie 
zu wenden, Ihnen die Sachlage, fo gut es in der Eile möglich, vor- 
zulegen und Sie zu bitten, der Vermittler dei Herrn Meißner fein 
zu wollen, damit deſſen rhythmiſche Anlage noch für die griechische 
Metrik gerettet, ftatt auf dem jest eingefchlagenen Wege zu neuen 
unerquidlichen Berwirrungen verwendet werde. 

Die von Herrn Meißner einftweilen gegebenen einzelnen Pro» 
ben zeigen, übereinftimmend mit Ihrem Vor» und Fürworte, auf ei» 
nige allgemeine Ueberzeugungen zurüd, von welchen ausgegangen wird. 


Metrum etwa einmal ein ergo nisi, quäm si bene, venit petelre. — 
Sollten wir uns hiermit nicht verjtändigt haben, wenn ich zum Ueberfluß 
binzufege, daß Sie nicht feiter als ich überzeugt fein fünnen von die ſem 
rhythmiſchen Gange des frochaifchen Tetrameters 

’ ’ ’ * 

— ⸗—— - (| u .[|- .- -.-|--.—-? 

Ihr 
Fr. R. 


624 Ueber die neuefte metrifhe Theorie. 


Die erfte derfelben Tautet: die griechifchen Rhythmen haben 
Tact gehabt. Sch bin ganz einverftanden. Alle Rhythmen wer- 
den überhaupt in einen folchen gleichmäßigen Fortfchritt hinein er— 
funden. 

Es werden ſich unter diefen Umſtänden, heißt es weiter, die 
taetifchen Verbäftniffe der griechiichen Rhythmen durch die heutige 
Taettheorie aufzeigen laſſen. ‚Sind in den alten Verſen Tactge- 
„ſetze, die jedes gefunde Gefühl heute vernimmt, wie ehmals, fo 
„müffen jene Verſe aus der heutigen Tacttheorie verftanden werden 
„können, ja vermuthlich beſſer.“ An die Aufftellungen der Alten 
darüber werden wir und fo wenig zu wenden brauden, als z. B. 
bei der griechifchen Syntar an die Theorieen der alten Grammati- 
fer. Die heutige Theorie wird verftändlicher zu uns fprechen. 

Damit wäre der unglücliche Salto mortale gemacht und von 
bier ab ift Alles unrichtig. Um die Gefege der griechifchen Spras 
che zu begreifen, brauchen wir uns allerdings nicht an die Theo- 
rieen alter Grammatifer zu wenden; follen wir aber zur Verdeutlichung 
verfelben als das fürzefte und verſtändlichſte Mittel die Syntar der neuen 
Sprachen zu Hülfe nehmen? Sp fteht der Fall. Die heutige Tact- 
theorie ift weit entfernt, allgemeiner Natur zu fein, fie iſt zu einem 
wefentlich verfchiedenen Dbjecte erfunden, und, wer fie zwifchen die 
griechiſchen Rhythmen und fein eigenes rhythmiſches Gefühl treten 
läßt, hat den fihern Weg eingefehlagen, fich über jene vollftändig 
zu täufchen. Die heutige Tacttheorie hängt fpecififh mit der heu— 
tigen d. h. der felbftftändigen Mufif der Töne zufammen und diefe 
ift grade in rhythmiſcher Hinfiht von den alten Rhythmen wefent> 
lich verfchteden. Der Unterfchied befteht in Folgenden. 

Semeinfhaftlih ift auf beiden Seiten, in den griechifchen 
Rhythmen und in der heutigen Muſik, der gleichmäßige Fortfchritt, 
die regelmäßig wiederkehrenden gleichen Zeitabfehnitte. Das ift das 
Generellfte, der eigentliche Tact; er lebt in den griechifchen Rhyth— 
men, den recitirten und gefungenen, wie in heutigen Verfen und 
heutiger Muſik. Damit ift aber auch die Aehnlichfeit bereits zu 
Ende: die Ausfüllung diefes gleichen Fortfchritts geht. auf beiden 
Seiten in andrer Weife vor fich. 3383 


Ueber die neuefte metrifhe Theorie. 625 


Als im Mittelalter an dem bis dahin unifonen Gefange bie 
Polyphonie fih entwickelte, als nun mehrere Stimmen fih zufam- 
menfügten und verſchiedener rhythmiſcher Verlauf in diefen Stimmen, 
da war es eine natürliche Folge, daß die in dem fprachlichen Klange 
der Worte liegenden rhythmiſchen Elemente als ſolche immer mehr 
zurüctraten und fich nach und nach ein Rhythmus der von der na— 
türlichen Pronunciation der Sprache emancipirten Töne bildete, wel- 
cher diejenige genaue Feftftellung zuließ, welche die Polyphone mit 
ihrer rhythmiſchen Manchfaltigfert wünfchen mußte. Damals trat 
an die Stelle der fprachlich =» rhythmifchen Elemente das mathe— 
matifche Element in die Muſik ein und diefer neuen Entwiclung 
der Mufif parallel geftaltete ſich nun auch nach und nach jenes ma- 
thematiſche Gerüſt der heutigen Tacttheorie mit feinen verfchiedenen 
einfachen und zufammengefesten Tactarten und deren mathematischen 
gleichen Theilungen, welches nun die ganze Freiheit der von der 
Sprache emaneipirten Töne heutiger Mufit in abstracto umfaßt 
und ordnet. Diefe Theorie fegt ihrem Urfprunge gemäß ein ma— 
thematifch firirbares Object voraus und reicht daher nicht über das 
Gebiet des freien felbftftändigen Tones hinaus, ift deshalb z. B. 
auch auf heutige Verfe ſchon nicht mehr anwendbar. 

Ganz anders ftand es mit den griechifchen Rhythmen. Nicht 
aus, ihrer Dauer nach, freien Tönen, fondern aus der natürlichen 
Pronuneiation der Sprache fest fih ihr Tact zufammen. Als hier 
der Rhythmus mit der Sprache in Verbindung trat zur Herftellung 
rhythmiſcher Gebilde, nahm er die in der lebendigen Sprache von 
felbft liegenden rhythmiſchen Elemente entgegen und fügte feinerfeits 
die rhythmiſchen Accente hinzu. Das war das ganze Material, wel- 
ches in den gleichmäßigen Fortfchritt hinein verarbeitet wurde, Und 
worin befteben jene von der Sprade gebotenen rhythmiſchen Ele— 
mente? Die Sprache Tiefert den Rhythmen ihre Tangen und kur— 
zen Silben. Die Eleinern Unterfchtede diefer unter einander bleiben 
als praftifch unbedeutend ohne Einfluß. Lang und furz im Allge- 
meinen werden als die rhythmiſchen Elemente gelten gelaffen, in 
gleich ungefährer Weife auch zwei kurze Silben einer langen gleich- 
geftellt. Die verfchiedenen Permutationen dieſes einfachen von ver 

Mus. f. Philol. N. 5. VII 40 


626 Leber die neuefte metrifhe Theorie. 


Sprache unmittelbar gebotenen Materiales ftempelt der Rhythmus 
mit feiner Aecentuation zu Versfüßen, und diefe Versfüße, wie fie, 
von den ſprachlichen Beftandtheilen gebildet, Yauten, find die Theile, 
aus welchen die rhythmiſchen Comppfitionen fih zufammenfügen. 
Wird nun nad dem rhythmiſchen Maaße diefer Versfüße ge- 
fragt, fo kann fidy jeder leicht deutlich machen, daß es fein mathe> 
matifches, überhaupt fein allgemein gültiges Maaß dafür gebe, daß 
diefe Versfüße vielmehr etwas innerhalb gewiffer Gränzen Verän— 
derliches, weil von der natürlichen Pronuneiation der Sprache und 
dem Inhalte der Worte, aus welchen fie jedesmal gebildet werben, 
Abhängiges find. Dies die Auflöfung des Heinen Räthſels, welches 
die heutigen philologifchen Metrifer fo vielfach geäfft hat. Ein Bei- 
fpiel. Welches ift der rhythmiſche Klang des Dactylus? Der eine 
fepnürt ihn in den Dreiachteltact, mit oder ohne punftirtes erftes 
Achtel; der andre dehnt ihn in den Zweivierteltactz der dritte nimmt 
zwei verfchiedene Arten von Dactylen, Dreiachtel- und BVierachtel- 
Dactylen, an, deren Differenz felbft bis dahin erweitert worden ift 
(von Böckh), daß die eine Art, der dactylus irralionalis, die dop— 
pelte Ränge der andern, des daclylus rationalis, erreicht. Wer 
hat Recht? — Man laffe nur das fremde Medium — die heutigen 
Tactarten oder allgemein gefagt: die Mathematif — aus dem Spiele 
und man kann nicht irren. Jeder beobachte feine eigne Pronuncia— 
tion von wirffihen griechifchen daktylifchen Verſen — daß fie mit 
der griechifchen übereinftimme, daran zu zweifeln würde allzube- 
fiheiven fein: alles, woraus bei den Griechen die Pronunciation her— 
vorzing: die fprachlich Tangen und furzen Silben und ihre rhythmi— 
fhe Betonung hat er ganz gradefo in feiner Gewalt und es gibt 
nichts Weiteres, was hier zwifchen den natürlichen Klang der Spra— 
che und den Klang der Verſe hätte treten können — nun, und wie 
flingt denn der Daftylus? Immer anders, je nachdem wir ihn aud- 
fprechen, wir fprechen ihn aber aus je nad) dem Inhalte der Worte, 
welche ihn bilden, diefe geben bald eine ruhigere und gevehntere, 
bald eine heitigere und fhärfere Declamation an die Hand, wobei 
fi) das Verhältniß feiner einzelnen Theile unter einander immer 
etwas anders modifichrt, Wer cine Stelle aus Homer vorträgt, ſo 


Ueber die newefte metrifhe Theorie. 627 


wie es fich gehört, macht alle Modificationen von der Dreiachtels 
bis zur Zweiviertef-Pronunelation durch und jede diefer Nüancen mit 
gleichem Rechte; Eins bleibt daber feft und unverändert: was den 
Dactylus zum Dactylus macht, das find die langen und furzen Sil— 
ben in ihrer Ordnung und die Bertheilung von Arſis und Thefis 
auf diefelben; innerhalb diefer Gränzen und fo viel die zugeben, ift 
der Klang dem Inhalte der Worte freigegeben. Alfo nicht die Ma— 
thematif kann hier die Gränzen ſtecken, nur die lebendige Sprache; 
jede Bezeichnung durch Zahlen oder Noten, wenn man ihr einen 
allgemeinen Sinn beilegen will, ift alfo unrichtig.. Was vom Date 
tylus, daffelbe gilt von allen andern Versfüßen. Bei ihrem natür- 
lichen Zufammenhange mit der Sprache iſt ihnen innerhalb gewiffer 
Gränzen ein freier Spielraum gelaffen, und diefe Gränzen find einzig 
das ſprachliche Verhältniß ihrer Theile und die beftimmte Folge vor 
Arfis und ThHefisz innerhalb verfelben leiden fie jede Pronun- 
eiation, welche der Inhalt der Worte jedesmal an die Hand gibt. 
Eine allgemeine Bezeichnung dafür gibt es nicht. 

Alfo kann man die Versfüße der Griechen auch nicht nach heu— 
tiger Tacttheorie wiedergeben. Diefe enthält eine zu freien Tönen, 
mit oder ohne Worte, erfundene mathematifhe Drdnnngz für die 
griechiſchen Ryythmen, welche aus Worten, mit oder ohne Töne, 
gebildet find, gibt es nur das Maaß der lebendigen Sprade. So 
wenig wir nun fonft den Klang der Sprache mathematisch zu meſ— 
fen und zu beſtimmen fuchen, fo wenig fann und braucht dies auch 
für Berfe, griechische oder heutige, zu geſchehen. Drum bin ich, ob— 
wohl fonft nicht eben ein Feind der heutigen Noten, der Meinung, 
daf man diefelben von den griechifchen Rhythmen auf das forgfäl- 
tigfte fern halten folle, und glaube überall, wo ich diefelben auf grie— 
chiſche Metrik angewandt finde, mit Necht fehließen zu können, daß 
das wahre Sachverhältniß nicht durchichaut fein möchte. 

Unter diefen Umftänden wird man denn auch weniger feindfelig 
bleiben wollen gegen die gebräuchliche Bezeichnung von — und —. Es 
ift Die einzig mögliche und richtige. Sie gibt die fprachliche Länge 
und Kürze an und eine genauere allgemeine Bezeichnung gibt es nicht. 
Allerdings ſteckt hinter ihr verſchiedene Zeitdauer, aber diefe kann 


628 . Ueber die neuefte metrifhe Theorie. 


erftlich nicht alfgemein angegeben werben, weil fie wechfelt, braucht 
aber zweitens auch nicht angegeben zu werden, weil in der That cin 
jeder fie fi in jedem conereten Falle von felbft aus der Profodie, 
der rhythmiſchen Aecentuation und dem Inhalte der Worte entnimmt. 

Bon ganz gleicher Art und Inhalt, wie dieſe noch jet ge— 
bräuchliche Bezeichnung von — und —, war denn nebenbei gefagt 
auch die andere vom Altertbum überlieferte Bezeichnung der dop— 
pelten Menfur, deren Mifdeutung fo großes Elend und Verwirrung 
über die Metrif gebracht hat. Mean hat fie als eine wirkliche ma» 
thematifche Zeitbeftimmung in heutiger Weife aufgefaßt, welche beim 
Gefange der griechifchen Rhythmen ftattgefunden habe, und die haupt— 
ſächlichſten metrifchen Srrlehren des Taufenden Jahrhunderts waren 
eine Folge davon. So lange man feine Schlüſſe darauf baute, war 
fie unfchädfich geblieben ; aber nun fam Hermann, feste den rhyth— 
mifchen Klang der griechifchen Gefänge wirffih aus jenen Zahlen 2 
und 1 zufammen, conftruirte fomit tactlofe Rhythmen und wollte 
aus diefer Tactlofigkeit die Macht des Gefanges bei den Griechen 
erffären. Da fam Böch, a priori überzeugt von der Nothwendigs 
feit eines gleichmäßigen Fortfchritts auch im griechifchen Gefange, 
und vereinigte Beides miteinander: den Tact und die doppelte Mens 
für, dadurch daß er jene mathematische Bezeichnung auf das Verhält— 
niß der einzelnen Theile untereinander bejchränfte, die verfchiedenen 
Füße im Ganzen aber aussleichend einer höhern Cinheit unterord- 
nete, Diefe Auflöfung des vermeintlichen Wivderfpruches zwifchen der 
innern Nothwendigfeit und der äußern Weberlieferung — in der 
That auf dem angenommenen Standpunfte die einzig möglihe — 
mußte für ihn von unwiderftehlicher Ueberzeugung fein und alle Fol- 
gen derfelben ihm gerechtfertigt erfcheinen. Aber Hermann hing fich 
an diefe, an die Brüche, welche bei jener Ausgleihung zum Vor— 
fhein famen und vergl. Diefe fonnten denn wieder durch heutige 
Tactverhältniffe vertheidigt werden — furz, der Streit war endlos 
und mußte für die Sache felbft ganz unerfprießlich bleiben, weil von 
beiven Seiten an demfelben Irrthume feftgehalten wurde: an ver 
Auffaffung jener Bezeichnung des Alterthums als einer mathematifchen. 

Die Täuſchung iſt begreiflich; die Zahl war die hauptfäghli- 








Leber die neuefte metrifhe Theorie. 629 


he Verführerinn; eine folche Zahl ſchien ja eben nichts anderes, als 
eine genaue Zeitbeftimmung fein zu fünnen. Und doch war fie nichts 
weiter, als eine harmlofe Nachahmung jenes fprach/ichen Unterfchie- 
des von langer und furzer Siebe. Wie wirklich in der Praris vie 
Länge zweien Kürzen gleich ftebt, fo war es für die Griechen, wo 
diefe Berhäftniffe von früh an theoretifch befprochen wurden, ganz 
natürlich, die fprachliche Kürze als das minimum durch 1, die Länge 
als das doppelte derfelben, als 2, zu bezeichnen, mit viefen Ver— 
hältniffen nun die Versfüße zu befchreiben, die verfchiedenen Ges 
ſchlechter derfelben feftzuftellen u. |.w. Trotz des Wortlautes dachten 
die Griechen dabei an nichts weniger, als an eine wirklich flreng mas 
thematifche Zeitbeftimmung, welche überhaupt bei ihnen im Gefange gar 
nicht vorfam und ihnen deshalb völlig aus dem Gefichtsfreife Tag; 
die mathematifche Deutung Fonnte erjt heute untergefihoben werden, 
wo man von Seiten der geltenden Mufif an folhe mathematifche 
Beftimmungen gewohnt und von denfelben fo verwöhnt war, daß 
man fie für nothwendig hielt und für immer dagewefen, Und wie 
leicht hatte man fich doch, auch ohne nähere Kenntniffe über die Ge— 
fhichte des Tactes, vor diefer Mißdeutung fhüsen und die Natur 
jener Angabe durchfchauen fönnen — wenn man nur nicht ganz willführ- 
lich und ohne alle Berechtigung jene Angabe der Alten von der dop— 
pelten Menfur grade auf den Gefang bezogen hätte, wovon in der 
That bei jenen Angaben nirgend und in feiner Weiſe die Nede war, 
Mit dieſer Heinen Verdrehung der Ueberlieferung verfiel man dem 
großen und langen Irrthum. Man hatte nun den Boden der Wirks 
Iichfeit unter den Füßen verloren, trennte Neeitation und Geſang, 
welche dort Hand in Hand gehen, von einander, ließ die Necitation 
unberücfichtigt bei Seite Tiegen und fuchte als etwas ganz Befon- 
deres die rhythmifche Weife des Gefanges auf. Hätte man die 
Ueberlieferung gelaffen, wie fie war — ganz allgemein und ohne 
alle Unterfcheivung — fo hätte man jene Angabe wenigftens gleich- 
zeitig auch an der Recitation verfuchen müffen, und wäre dadurd) 
leicht, noch über die Erfenntnig der Natur jener Angaben hinaus, 
überhaupt über die nicht mathematischen, fondern ſprachlichen Ele— 
mente der griechiſchen Rhythmen aufgeflart worden, 


630 Ueber die neuefte metrifhe Theorie. 


Neben denjenigen, weldhe die Angabe der Alten von der dop- 
pelten Menfur auf den Gefang bezogen und mathematifch verftanden, 
gab es denn Andere, welche dies wegen der unglaublichen Folgen als 
unmöglich und daher als Irrthum der Griechen felbft verwarfen. 
Sie erklärten verfchiedenen tactifchen Werth der Lingen und Kürzen, 
namentlich eine dreizeitige Länge, für nothwendig und fuchten diefen 
nun dur die heutigen Tartarten zu beftimmen. Die doppelte 
Menfur war die Seylla. Die heutigen Tactarten find die Charybdis. 
Herr Meißner ift tief hinein geftürzt! Es thut mir ordentlich leid, 
alle die artigen Parallelen, welche derfelbe gezogen und fo forgfäl- 
tig explieirt hat, daß fie gewiß Manchem wie Sivenengefang klingen, 
zu verdammen, Wie artig iſt z. DB. feine Verbindung ver dritten 
und vierten Silbe des Dodmius zu einer Triole; wie einfchmei- 
chelnd geht die Spannung des Ereticus in einen Zweivierteltact vor 
fid — da mir im Anfange diefes Capitels eine dazu palfende Mer 
lodie aus einer Beethoven’fchen Symphonie einfiel, fo habe ich die— 
fe8 Capitel mit befonderm Vergnügen zu Ende gelefen — und bie 
Fortfegung des Triofenmotivs durch die fonft fogenannten trochäi— 
ſchen Dimeter; wie gefickt ift der raſche anapäftifche Aufſchlag zu 
Glyconeen durch die in erftem Achtel paufirte Triole wiedergegeben, 
wie veizend auch der jambiſche Anhub des Glyconeus durch das 
paufirte erfte Achtel der Hauptzeit des Viervierteltactes — grade 
wie in der herrlichen Stelle in der Ouvertüre zu Coriolan. Solche 
Lectüre iſt für den muſicaliſchen Leſer äußerſt unterhaltend, da ſich 
unter Vermittlung der Noten leicht allerlei Motive neuerer Compo— 
niſten an ihn herandrängen und ihn von Zeile zu Zeile auf das an— 
muthigſte umgaukeln. Hüte er ſich nur auf das ſorgfältigſte dabei, 
zurückzublicken nach den — Griechen, ſonſt iſt die Freude plötzlich 
geſtört: Eurydice verſchwand und Orpheus ſteht verlaſſen. — In— 
dem Herr Meißner die griechiſchen Versmaaße in die neuen Tact— 
arten einſpannt, gibt er ihnen nicht bloß eine allgemeine und eine 
mathematiſche Bezeichnung, was beides ihrer Natur widerſpricht, er 
ſchmuggelt zugleich auch unvermerkt noch allerlei andere Contrebande 
ein, welche freilich von der heutigen Muſik unzertrennlich iſt und 

daher mit durchſchlüpft. 


Ueber die neuefte metrifhe Theorie, 631 


An den neuen Tactarten bangen 3. B. auch deren gute und 
ſchlechte Taettheife, welche num zufällig auf diefe oder jene Stelle 
der griechifchen Versfüße fallen, manchmal fo ungefegen, daß Herr 
Meißner gleich felbft die Umebenheit auszuglätten bei der Hand if. 
So fällt ihm die bei ihm zum Viertel einer Achteltrivfe gewordene 
zweite Arfis des griechifchen Dochmius unglücliher Weiſe in dem 
Biervierteltacte auf den fihlechtern Taettheil, auf das zweite Viertel. 
Er verfäumt nicht, dazu recht artig auseinanderzufegen, wie jede 
Triole, vereinzelt erfcheinend, eines ihre Theile zuſammenhaltenden 
fehärjern Accentes fich erfreue, der fich bei der zu einem Viertel ge= 
bundenen Form der erjten beiden Achtel nur noch verſtärke. Leider 
reicht das immer noch nicht aus; ohne das slorzato wird Herr Meiß- 
ner mit dem fihlechten Tacttheile nicht ganz fertig werden. Freilich 
entjchädigen diefe Taettheife auf der andern Seite auch durch neue 
Arten von Versfüßen, welche ihnen ihre Entftehung zu verdanfen 
haben, wie 3. B. der bei der Erklärung der Baſis (S. 105) vor— 
fommende Versfuß, der wie ein Jamb gebaut dennoch Fein wirkli— 
her Jamb if. Nach Herrn Meißner ſieht derfelbe fo aus: N oe; 


und wenn ich es wagen darf, ihn auf griechifche Werfe zu definiren, 
fo gehört er zu der Gattung der Spondeen, unterfcheidet fich aber 
von den gewöhnlichen dadurch, daß feine Arfis aus zwei verfchiede- 
nen Theilen befteht: einem flummen, der zugleich die rhythmiſche 
Aceentuation Clatent, wie der Phyfifer Jagen würde) in fich enthält, 
und einem lauten, welchen eine Kürze bildet. Da er, wie man fieht, 
auf dem linken Beine nicht auftreten fann, fo dürfte man ihm den 
Namen des hinfenden Spondeen beilenen. Wenn ich nun aber be> 
denfe, daß diefer onovdstog oxalwv gleichwohl fi in Bewegung 
fegen und herumgehend feine hervorftechende Eigenfihaft auch andern 
Füßen anempfehlen und einreden könnte — wie dem Dactyfus, bei 
welchen ihm Herr Meißner fchon vorgearbeitet bat (S. 105 in den 
Worten dva te vanoı zal oVv Önkorg */, 4 o\e\), fo aud) dem 
Choriamb (5 4 Ae\e\s), dem Creticus C/, 4 Ne ), dem Tro- 


3 
haus (73 4 o\) u. ſ. w.; daß er, von ſolchen Erfolgen aufge 
muntert, nun vom ganzen Nechte der Eonfequenz Gebrauch machend, 


632 Ueber die neueſte metriſche Theorie, 


überhaupt durch alfe Füße und Rhythmen hindurch die revolutionäre 
Runde halten und nad und nach die gefammte griechifche Rhythmik 
in Aufruhr verfegen könnte — fo möchte ich Herrn Meißner, wel 
cher feinerfeits die Proteusnatur der Baſis in fihere Schranfen ges 
bannt zu haben vorgibt, wohl eher mit Göthe's Zauberlehrling 
vergleichen, wie der das Wort vergeffen, 
Ah das Wort, worauf am Ende 
Er das wird, was er gewefen. 

Diefes Wort, möchte ich ihm zurufen, ift ver Viervierteltact. Iſt 
der neue DVersfuß doch einzig und allein dadurch entftanden, daß in 
diefem Viervierteltacte feine Kürze auf einen guten, feine Länge auf 
einen fchlechten Tacttheil fiel. Verweiſt man diefen Biervierteltact 
zur Nube, aljobald wird wieder der gewöhnliche Jamb zur Stelle fein. 

Sn die Ede 

Beſen! Befen! 

Seid's gewefen. — 
Aber num fehlt, Fönnte Herr Meißner vielleicht fagen wollen, in dem 
Verſe: aveord” & zuropowv uno ver gleiche tactifche Verlauf 
von zwei Viervierteltacten, der in den Worten der Gegenftrophe : 
ovuuergov re dıal Blov ftattjindet. Ex fehlt Cabgefehen von ver 
Lesart) dennoch nicht; beide Verſe Haben im griechifhen Rhyth— 
mus vier Jeten, von Jetus zu Ictus aber it gleicher Zeitabfchnitt 5 
nur daß die Differenz im DViervierteltacte nach der erften Arfis, im 
griechiſchen Tacte vor derjelben Liegt. Daffelbe gilt von den For- 
men: Nee und 24. 

Herr Meißner wendet auch die Triole auf die griechiichen 
Versmaße an, z. B. die Achteltriole auf den Dohmius, den Cre— 
ticus und Päon. In der heutigen Muſik it fie die Spaltung eines 
Tacttheiles in drei gleiche Theile, welche einzeln oder theilweife gebunden 
vorgetragen werden fünnen. Die griechiſchen Rhythmen werden durch 
fie, wenn ihre Anwendung überhaupt einen Sinn haben foll, um 
Arfen und Thefen von drei Silben, ja felbft von zwei Eilben, des 
ven eine fchon eine Länge ift, bereichert. Herr Meißner fonnte ohne 
Zweifel auf dieſem Wege weiter gehen; mit gleichem Rechte als er 
z. B. den Päon I mit accentuirter erfter Kürze mit den Creticis 


Ueber die neuefte metrifche Theorie, 633 


abwechfeln Laßt, konnte er — und vielleicht kommt dergleichen in 
andern noch nicht bekannten Kapiteln ſchon vor — zwischen die Vier— 
tel feines Zwei- und Viervierteltactes auch noch Sechszehntel, Sex— 
tolen, Zweiunddreißigtheile und dergleichen mifchen. Bierteltrivfen 
bat er ſchon gebracht bei den Glyeoneen S. 111, 114. 1165 auch 
im Dochmius hätte er fie anwenden müffen, wenn er einem Doch— 
mius, deffen letzte Arfis aufgelöft, ohne daß mit der legten Kürze ein 
Wort fihließt, einen zweiten mit furzer Silbe beginnenden folgen 
Iaffen wollte, wie in dem ©. 94 angeführten Verfe, wo das elc, 
ſteht: 

dnodog, @ gpiLog, dnodog, iv avralav 

— oe o —— 

3 3 

(die Noten fallen überall nicht mir, fondern Herrn Meißner zu 
Yaft), weil da die bei dem fpondeifchen Dochmius des Herrn Meiß- 
ner zu Hülfe genommenen Paufen nicht anwendbar find. Wie denn 
Herr Meißner überhaupt noch hunderte von Zuſätzen bringen wird, 
wenn er einmal außer den einzelnen Versgattungen und deren Bei— 
fpielen bei Hermann wirkliche rhythmiſche Compofitionen der Grie- 
chen mit feinen in Noten gebrachten Versfüßen erflärt, Und wie 
fönnte man die Hermann’fhen längern päonifchen Maaße, weld 
diefer 3. B. in Pindar fand, beffer unterbringen in ver heutigen 
Taettheorte, als wenn man Verfe, wie 

Evayuarog Iegwv Ev & xoarewv 
mit Anwendung der Sechszehntel fo — 


MMA). e' 6 N. 


oder den Anfang diefes zweiten pythiſchen a. 


ueyuhonokıeg @ Svoazooaı Busvunoktuov 


im Re 
! ASS 8 AN ‘ * N . Ay ei 


oder warum nicht lieber gleich durch die Sextole: 
YA Ne. N . N ‘ SAN], 


—. 
6 al 


was der alacritas und vehementia, welche ihr Erfinder in dieſen 


634 Leber die neueſte metrifche Theorie, 


Rhythmen empfand, wohl noch näher kommen möchte? — In Wahrs 
heit gibt e8 gar Feine Päone in dem gemeinten Sinne, weder klei— 
nere noch größere. Der Päon ift nur eine Form, fein Rhythmus. 
Alle Päone find immer nur Auflöfungen anderer Versfüße — wenn 
auch aus anderm Grunde, als Böckh dazu aufgeftellt Hat: nicht, 
weil es nicht möglich, fondern, weil der reine rhythmiſche Sat der 
Griechen ſich das Geſetz auferlegt hat, daß eine lange Silbe oder, 
welche diefer gleich gelten, zwei furze im gleichmäßigen Fortichritte 
der Rhythmen das größte Maaß für Arfis, wie für Thefis, alfo 
zwei Längen oder vier Kürzen das größte rhythmiſche Maaß für eis 
nen xoövog Gv9wuxog bilden. Es ift dies fein Naturgefeß, aber 
ein fehr natürliches, Fein philofophifch, aber äſthetiſch begründetes, Fein 
Gefeß der Nothwendigfeit, aber ein freies Schönheitsgefeg , welches 
die griechifche Kunft ſich ſelbſt geftellt und unverrüdt feftgehalten hat. 
Die griechiſchen Dichter fonnten, wenn fie dies wollten, eben fo gut, 
wie dies unter uns gefchehen iſt, Worte, wie diefe, zu Verſen und 
gleichmaßigem Fortfchritte zufammenftellen: 

Säumſt du noch immer an der Waldung auf dem Heerd und 

ſchläfſt — 

Zwiſchen vier Mauern und auf dem Papier konnte Manches der 
Art verſucht werden in dem ſozuſagen fremden Idiome; aber — 
dies kann man mit ziemlicher Gewißheit annehmen — beim Vor» 
trage einer Strophe, wie dieſe: 

Wenn die Strahlen vor der Dämmrung nun entflicßn und der 

Abendftern 

Die fanfteren, entwölften, die erfrifchenderen Schimmer nun 

Nieder zu dem Haine der Barden fenft, 

Und. melovifh in dem Hain die Duell’ ihm ertönt — 
nun, wir brauchen es ung ja nicht zu verhehlen, denn diefe Periode 
ift ja auch bei uns ſchon überftanden: griechifches Dichterohr hatte 
hier weniger die Nachtigall, denn ihre Schwefter zwitfchern hören, 
die harbarifche Schwalbe. Die im Freien erblühte rhythmiſche Kunſt 
der Griechen hatte die fehönere Negel des Klanges gefunden, welche 
ihren Rhythmen den Ausdruck edler Einfachheit und Reinheit ver 
leiht. — Wenn Herr Meiner den Päon I und IV in den Zwei— 


Leber die neuefte metrifhe Theorie. 635 


vierteltact fegt und ihre erfte Kürze mit einem Tacttheile deſſelben 
zufammenfalfen und dadurch betonen läßt, fo kann folche Betonung 
griechifch nur mit einer Arfis zufammenfallen und die dritte Kürze 
mit einer Thefis, wobei denn die drei Kürzen zufammen einen auf- 
geföften Trochäus bilden. Die päoniſchen Formen zwifchen Ereticis 
find daher immer in erfter over letzter Arfis aufgelöfte Cretici. Für 
die längern päonifchen Maafe, wie fie Hermann annahm, weiß ich 
feinen bezeichnenderen Namen, als den ich ihnen gab, als ich fie 
einmal den wilden Schlag in der griechifchen Rhythmik nannte, da 
fie fih eben aller griechiſchen rhythmiſchen Meffung entziehen und 
vollfommen rhythmusloſe Stüde bilden, die denn da eingefügt fein 
foffen, wo der rhythmiſche Bau in feiner ernfteften und ftrengften 
Fafſung waltet. 

Herr Meifiner verfucht ferner mit den heutigen Tactarten auch 
die heutigen Paufen in die griechiſche Rhythmik einzuführen. In der 
heutigen Muſik fünnen bei der Ungebundenheit des Tones von dem 
Worte an jedem befichigen Drte und in jeder befichigen Ausdehnung 
Pauſen ftellvertretend eintreten. Bei den griechiſchen Rhythmen 
fönnen nur Paufen der Art ftattfiinden, wie die Sprache fie fennt: 
fleinere Cinhalte, wie die Cäfuren, oder unbeflimmte, wie Vers— 
ſchluß; im Uebrigen kann bei ihnen, da der Rhythmus direet aus 
Worten fih zufammenfest, in Wirfligkeit ein Theil des Rhythmus 
nicht außerhalb diefer liegen. Pauſen, welche wirklich als rhythmi— 
ſches Moment Geltung haben wollen, wie deren in ber heutigen 
Muſik auch mitten zwifchen Tönen erfcheinen, find alfo den griechi- 
Shen Rhythmen fremd. Die Paufen, welche die griechifhen Metrifer 
annehmen, find rein thepretifcher Natur. Die Theorie ftellt die Cas 
taleris auf — ein rein formeller Begriff — und diefer Cataleris 
entfprechen denn die beiden Pauſen, welche eben wieder der Doppels 
ten Menfur, den fprachlich langen und furzen Silben parallel feftge- 
ftelft find. Der trochäiſche Tetrameter z. B., fagt die Formenlehre, 
ift Fataleetifch, weil in diefem übrigens aus Trochien zufammengefeg- 
ten Verſe an der Stelle des achten Trochäus nur eine Silbe ftehtz 
formell wird das Maaß der Trochäen ausgefüllt durch das die kurze 
Silbe vepräfentirende Asluna. Mit der Praxis hat dies Alles nichts 


636 Ueber die neuefte metrifhe Theorie. 


zu Schaffen. Was nun Herrn Meißners Paufen betrifft, fo war von 
jenen folgenreichen, welche die halben Arten mit fammt ihrer rhyth— 
mifchen Accentuation abforbiren, bei Gelegenheit der neuen Jamben- 
gattung Hinlänglich die Rede. Die übrigen find meift mehr unfchuls 
diger Natur. Er gebraucht fie z.B. in eretifchen Syftemen zur Aus» 
fülfung von halben Zweivierteltacten, wie in den Worten: 
aua de Ararvvva nalg 
"Aorsuus zara } 
Tag xuvVionag Eyovo’ %. T. h. 
Was wohl damit gewonnen fein mag? Der Anfloß in der Stelle, 
wenn fie gefprochen wird, liegt darin, daß man den dipodifchen Gang 
der vorhergehenden und folgenden Berfe nicht durch Worte ausfül- 
len bört — flingen diefe nun auf einmal anders, wenn Herr Meiß— 
ner die Paufe hinzugefchrieben hat? Dver find fie auf einmal ohne 
Anftoß, wenn man den andern fubfiviaren Vorfchlag deffelben: das 
tenulo der heutigen Mufif zu Hülfe nimmt? Herr Meißner ift, 
wie dies für den Anfang natürlich ift, noch etwas befangen den grie— 
Hifchen Rhythmen gegenüber, fonft hätte er hier gleich zu Eräftiges 
ver Aushülfe, welche der heutige Tact an die Hand gibt, gegriffen 
z. BD. zur Syncope, daß die Stelle fo laute: 
ray 
3 — 
oder warum nicht lieber gleich zum Trochäus: 
—2 
=” 


wober noch die beveutfam hervortretende Declamation des Götterna- 
mens gewonnen war? Daß dabei für den erften Tact das Triolen- 
motiv des Creticus verloren ging, hätte Herın Meißner fein Be- 
vdenfen erregen fünnen, blieb doch die Hauptfache, der Zweiviertel— 
tact, und kam diefer dabei fogar noch in feiner eigentlichen Geſtalt 
zum Vorſchein, ohne Triofe, Ziemlich unfhadlich find auch noch die 
Paufen, womit Herr Meißner ganze Tarte ausfüllt, befonders die- 
jenigen, welche er den Rhythmen voranfhickt, was fogar etwas ganz 
Neues ift und eigentlich über die bisherige Praris auch der neuen 
Muff yinausgeht. So hat in den S. 99 gegebenen Beifpiele aus 


Ueber die neuefte metrifhe Theorie. 637 


den Hifetiven des Aefchylus der Baoıkevg eben feine Senare zu 
Ende gefprochen; der Chor tritt ein mit : goovzıooV xal yevov 
navdizwg gVoeßng no0&evos x. T. 4. Herr Meißner ſetzt, um 
in dem cretiſchen Syfteme die Trimeter wegzufchaffen, vor ponvzı- 
cov und an die entfprechende Stelle der Gegenftrophe die Paufen 
eines Zweivierteltactes. Er hat vergeffen hinzuzufügen, wie der Le— 
fer fih dies eigentlich zu denken habe: ob ver Chor etwa auf die 
Schlußarfis des Testen Senars des Paoıkevg aufgepaßt, von ihr 
ab den Zeitraum eines Zweivierteltactes abgezählt und nun eract bei 
dem zweiten Tacte eingefallen fei mit pgovzrıoov, oder ob der Chor— 
führer einen oder zwei leere Schläge, bier und vor der Gegenftro- 
phe, habe machen laffen mit dem Tactinftrumente, oder wie irgend 
fonft diefer unhörbare Taet in den Wohlflang eingegriffen? In fol 
he Rathiofigfeit hat Herr Meißner feine Lefer einzig durch die Eins 
fperrung des Eretieus in den Zweivierteltact verfegt; hatte er ihn 
belaffen, wie er war, fo bildete er mit feinen zwei Arfen ein felbft- 
ftindiges rhythmiſches Stück, was Feiner Nachhülfe bedurfte. 

Doch warum foll ich mir die Mühe nehmen, alle die Verkehrt— 
heiten der Theorie des Herrn Meißner aufzuzählen? Bei dem un— 
richtigen Ausgangspunfte verfteht es fich ja faft von felbft: Alles 
ift unrichtig, Alles bis zum Testen Worte. Sch will damit fchließen, 
furz die Folgen einer folchen Methode anzudeuten. Wer fich der 
heutigen Tacttheorie einmal in die Arme geworfen hat und in ihr 
die Deutung der griechifchen Rhythmen ſucht, der wird faft unver» 
meidlich dazu fommen, ſich endlich über die eigentlichen Gefege grie- 
chiſcher Rhythmik ganz binauszufegen. Zunächft wird er gegen die 
ungemeine Strenge des rhythmiſchen Satzes der Griechen — vergl. 
Herrn Meißners Bemerfung über Strophe und Antiſtrophe S. 109 
—, alsdann überhaupt gegen die ſpecielle Geftaltung der griechifchen 
Versmaaße immer gleichgültiger werden, da fie für den eigentlichen 
tactifhen Verlauf feinen Unterſchied macht — vergl. Herrn Meiß— 
ners afataleetifche Dochmien zwifchen den Fatalectifchen Viervierteltacten 
der gewöhnlichen S. 90. — Die wirkliche Beobachtung des griecht- 
ſchen Thatbeftandes wird allmählich als überflüffig eingeftellt, alle 
Erfoheinungen in den griechiichen Rhythmen nach dem fremden Maaf- 


638 Ueber die neuefte metrifche Theorie. 


ftabe beurtheilt werden — vergl. Herrn Meißners Erklärung der 
syllaba anceps und des Hiatus in dochmifchen und eretifchen Werfen 
©. 95 ond 97. — Für erflärt wird überhaupt ſchon Alles ge- 
halten, twas fi in die Ordnung der heutigen Taetarten einfügen 
läßt — vergl. Heren Meißners Erflärung der Bafis ©. 103. — 
Der nächſte Schritt denn, welder endlich unbewußt gefhieht, ift, 
daß auch die Grundbedingungen, unter welchen bei den Griechen 
die Worte mit dem Rhythmus überhaupt in Verbindung getreten find, 
wenn fie den heutigen Tactarten hemmend in den Weg treten wol- 
ten, ohne weiteres aus dem Wege geräumt werden — vgl. Herrn 
Meißners Deutung der Anacruſe in cretiſchen Syitemen ©. 102. 
Da ihm der Cretieus einen Jweivierteltact mit Triole auf dem er- 
ften Tacttheile bildet (auch ein eigenthümlicher, nicht der gewöhnliche 
Zweivierteltact, deffen erfte Hälfte von vorn herein und immer in 
der Triolenform erſcheint; Voß und Apel hatten ſich mit dem ge— 
wöhnlichen Schsachteltacte begnügt), fo verkindet fih ihm auch 
das zweite Viertel des Creticus mit der Anaerufis zu einer fernern 
Trivfe, und wenn ihm bier nun eine Länge quer fommt, wie in den 
Worten navı’ ayada zul AEysıy za, ſo meint er, „es fei in ver 
„That nicht abzufehen, warum der Vortrag, zumal der komische — 
bei der Hurtigfeit des eretifchen Zweivierteltactes nicht ganz wohl 
„und leicht über eine folche äußerſt felten eingeftreute Lange follte 
„hinweggeſchlüpft fein und ihrer Meſſung realiter den Werth eines 
„Achtels ertheilt haben." Da liegen die Folgen nackt vor Augen. 
„Ich darf hierbei faum länger verweilen“, meint Herr Meißner. 
Nur immer zu — von griechiicher Rhythmik iſt gar feine Rede 
mehr. Confequent verfolgt führt diefer Weg aus Griechenland hin- 
aus direct in die Barbaret. 

Ich kenne jenes lebhafte Bedürfniß des Anfängers oder Di- 
Iettanten, in den griechiſchen Rhythmen Wohlflang zu finden. Er 
meint vorab den Wohlflang in der ihm befannten und gewohnten 
Weiſe; dem jagt er nach, wirft nieder, was ihm in den Weg tritt, 
und bat er endlich alles überwunden, ift der vermeintliche fchliehlich 
eingefangen, fo hat er das monotone Klappern der heutigen Tact- 
arten in den Händen. In der heutigen Muſik find diefe Tactarten 
die mathematischen Schemata, innerhalb welcher die unendliche Mand)- 
faltigfeit der freien Töne fich ergeht. Ueber die griechischen Rhyth— 
men, denen eine edle Kunſt das ganze Feld der Charafteriftif offen 
gehalten hat, um gleichen Schrittes mit dem Inhalte in reichem 
Ausdrucke fih zu entfalten, würde man am aller ficherften beruhigt 
fein, wenn es gelänge, fie gänzlich zufammenfallen zu laffen mit 
dem ausdrudslofen Singfang einer immer gleich gegliederten Auf- 
einanderfolge jener abftraften Schemen. Auch in den Inhalt der 
griechifchen Poeſieen foll man fich verfenfen, um die Kunft der 
Rhythmen bei den Griechen zu entdecken. Aber allem Griechi— 


Ueber die neuefte metrifhe Theorie. 639 


fhen wird ja auf jenem raſchen Wege der Rüden zugewendet: 
die Augen blifen unverwandt hin nad der heutigen tactiſch-mu— 
ficatiihen Theorie: da und nur da findet ſich Aufklärung, Ent» 
ſcheidung, Wohlflang und Beruhigung. 

Haben Sie die Gefälligfeit, diefe Gedanken dem Herrn Meißner 
mitzutheilen, verfihern Sie ihm, daß die Polemik nicht feiner Per- 
fon, nur feinem unglüdfichen Verſuche gelte, welcher wegen der, wie 
e8 fcheint, darin liegenden Gefahr und Verführung nicht gefchont 
werden durfte; daß, was feine Perfon betreffe, man vielmehr 
erfreut fein müfle, in ihm einen Philologen kennen gelernt zu ha— 
ben, welcher zu rhythmiſchen Beobachtungen ein entfchiedenes Talent 
offenbare. Diefes Talent müffe nur, fei meine Meinung, durch 
noch gründlicheres Studium der Griechen und noch etwas mehr Be— 
fonnenheit gezügelt werben. 

Sollten ſich indeffen bei Ihnen gegen meine Bemerkungen erheb- 
liche Bedenken einftellen — dürfte ich Ihnen für diefen Fall — es 
handelt fih in der That um die wefentlichen Grundlagen griechifcher 
Rhythmik — ein öffentliches Zwiegeſpräch darüber proponiren ? Ver— 
üblen Sie mir den zudringlichen Borfchlag nicht: ich finne feit lange 
auf Mittel, wie der griechiichen Metrif, welche fo troftlos feftfist, 
bei allen Philologen vorwärts geholfen werden könne. Was mich 
betrifft, fo habe ich, wenn Sie mir erlauben dies noch hinzuzufügen, 
fhon vor mehreren Jahren in einer befondern Schrift diejenigen 
Punkte im Zufammenhange behandelt, worauf es hier vor Allem 
anfommt; ich habe auseinander zu fegen gefucht, daß die Angabe der 
Alten von der doppelten Menfur weder eine mathematifche noch für 
den Gefang gegebene fei, daß alfo das Alterthum felbft im Allge- 
meinen (denn im Cinzelnen Tiegen ein paar Heine Beobachtungen 
von Rhythmikern über den Daktylus und Anapäft vor) feine Ueber— 
lieferung über den Vortrag der Rhythmen (wie das au natürlich) 
darbiete, wir alfo felbftftändig diefe Frage zu beantworten hätten ; 
daß nun und warum der Vortrag der Metren im Gefange in rhyth— 
miſcher Hinficht im Allgemeinen mit dem bei der Necitation ftattfin- 
denden rhytbmifchen Stange zufammengefallen ſei; daß diefer bei der 
Necitation ftattfindende Klang ſich Direct aus der natürlichen ſprach— 
lichen Pronuneiation und der rhythmiſchen Aecentuation zufammen- 
ſetze, daß er etwas innerhalb der durch diefe feine fprachlichen und 
rhythmiſchen Beftandtheile gefteckten Gränzen Wandelbares, daber 
nicht mathematiſch Wiederzugebendes, jedem aber in jedem einzelnen 
Falle von felbft Befanntes fer; daß dabei jede rhythmiſche Zuſam— 
menfegung auch der verfihiedenften Versfüße, ohne daß an dem na— 
türlichen Klange eines jeden etwas geändert werde, immer in gleiche 
Zeitabfchnitte zerfalfe, welche fih von Arfis zu Arfis von felbft ein- 
ſtellenz daß fih Alles, was zwifchen diefen Arfen liegt, möge es 
befohaffen fein, wie es wolle; aus vier, drei, zwei oder aud) nur 


— 
% 
640 Ueber die nenefte metriſche TURN 


— 
einer Silbe und, —uu, Uxb -.——, —u, 4) 


beftehen, von felbft zu gleicher Zeitdauer ausgleihe, daß alfo das 
Schema des Berlaufes griechischer Rhythmen — dieſes Allen be— 
kannte und dennoch verfannte, Dies allgemein angewandte und doch 
noch ungenannte offene Geheimniß — in den gewöhnlichen Zeichen 
ee — ſei (Coon il $ zu —*— s gleiche Zeit): 


Ri ' ’ 
et 1 en en audi | 20 20 Be. 2 


r ’ r — —* — were 
TE ER Re EEE 


welchem Schema man nur Worte unterzulegen braucht, um den le— 
bendigen Klang aller Bersfüße in Necitation und Gefang der Grie- 
hen zu vernehmen; daß außerdem aber im Geſange, wo die Mög> 
lichfeit vom Anhalten einzelner Silben über die gewöhnliche ſprachlich 
natürliche Pronunciation hinaus im Allgemeinen gegeben war, einzelne 
beſtimmte Abweichungen ſtattgefunden, welches dieſe Abweichungen 
geweſen und warum es, bei den beſtimmten Bedingungen, unter wel— 
chen die Sprache mit dem Rhythmus in Verbindung getreten, Eine 
weitern habe geben fünnen. Bei der Herausgabe diefes Schriftchens 
hatte ich gehofft, die Sache werde zur Sprache fommen und über 
die Grundlagen einer wirflichen griechifchen Rhythmik vielleicht eine 
Verftändigung erreicht werden. Für diefen Rall beabfichtigte ich, ſo— 
fort ein ausgeführtes Syftem griechischer Rhythmik vorzulegen. Es 
ift aber gar nichts darauf erfolgt. Ber diefer gänzlihen Theilnam« 
Iofigfeit Fam es mir bedenklich vor, fernere Anftrengungen nad) dies 
fer Seite hin zu machen; ich begnügte mich ſeitdem damit, in mei— 
nen Vorlefungen über griechtiiche Dichter gelegentlich meine Ueber— 
zeugungen zu verbreiten. Vielleicht nun, daß die Ichhaftere Form 
einer folchen öffentlichen Unterredung zwifchen Oft und Weft über 
das Land hinüber größere Theilnahme erweckte — Ihr Name würde 
IN dazu den größten Vorſchub leiſten. 
Bonn. Friedrich Heimſoeth. 


DBerihiisungem 


©. 458 3.5 v. o. lies: Mütter. 
©. 480 3. r v. u. lies: Nuru. 
©. 573 u. und 574 o. find die Worte „wohl derfelben —haben“ 


zu ftreichen, 

















PA Rheinisches Museum für 
3 Philologie 

R/ 

n.F. 

B3.7 


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