Magazin
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Monatsſchrift
für chriſtliche Erziehung und Bildung
| | 98. Jahrgang
— 1935.
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Derlagspoftanftalt Spaichingen 1
empfunden und das Für und Wider am heftigſten umftritten war, in unferen
Bolfsbüchereien. Sie begegnen dem Menſchen, der durch das Leben
draußen jozial und religiös-ſittlich am ſtärkſten gefährdet ift, dem Heran—
wachjenden und dem Erwachſenen. Aber fie erfaffen ihn am allerwenigften
— viel weniger ala die Schule das Kind — in feiner Ganzbeit. Von der
Volksbücherei aus ind die Bedingungen für die Lektürewirkung und der tat-
ſächliche Erfolg nur jelten fiher zu überjchauen, und deshalb tft fie auch kaum
in der Lage, mit einiger Sicherheit jchädigende und verbildende Einflüffe des
Buches auszuichalten oder zu berichtigen. „Jedes Zugeltändnis an ein Außer:
liches Unterhaltungsbebürfnis, das ſich durch kitſchige Trivialitäten und Sen-
timentalitäten befriedigen läßt, zieht erfahrungsgemäß einen Zuftrom von
Menjchen mit geringeren geiltigen und literarifchen Anſprüchen nad fi, läßt
ganze Leſerſchichten nach diejer Hichtung abfinfen und verſchlechtert die äußeren
Bedingungen vollverantwortlider Beratung und Führung. Günftigere Er-
fahrungen einer und Eeinfter Büchereien jtehen damit nicht in Widerfprudh.
Muß darnach nicht die VBollserziehung, die das Buch als Erfahrungs:
faktor anfeßt, refignieren? Dein! Es ift jchon viel gewonnen, wenn da
und dort fompromißlos gegen ein einzelnes Element der Zerſetzung in unferem
geiftigen und fulturellen Leben, gegen den Kitſch Front gemacht wird und
jeine verbildenden Einflüffe wenigſtens in den Kreifen ausgeschaltet bleiben,
die durch verantwortungsuolle erzieheriiche Arbeit noch erfaßt werden können.
Doh fommt es darauf an, daß die Träger diefer Arbeit fih nicht damit
begnügen, das gute Buch lediglich als billigen Heitvertreib oder als Mittel,
leere Stunden zu füllen, herzugeben, fondern als ein Mittel, das den Ein-
zelnen mit der Gemeinjchaft, mit feinem Volk, mit der Vergangenheit feiner
Nation, mit dem geiltigen Kosmos verbindet. So helfen fie mit, jenen gei-
tigen Wandel vorbereiten, der der Nenderung der Realitäten vorangehen
muß, die der echten Volfserziehung entgegen find. Diefer Wandel heißt
Rückkehr zu den volfstumhaften und religiöfen Quellfräften der Nation,
Wiederentdedung der Berantwortlichkeit des Einzelnen für die Gemeinschaften,
in denen er jteht, Wiederfinden der ewigen Ordnung der Werte. Auf dieſe
Weiſe rechtfertigt ich eine literar- und vollSerzieherifche Arbeit, die fich nicht
vermißt, alle literariſchen Bedürfniffe des Volkes reſtlos zu befriedigen und
auf jtärkere Breitenwirfung bewußt verzichtet, um defto mehr in die Tiefe
zu gehen und zu lebten mwejentlichen Entjcheidungen zu führen — foweit fie
es mit ihren Mitteln tun Tann.
Die Folgerungen und Forderungen, die ſich daraus ergeben, betreffen
ertlärliher Weiſe alle Seiten der praftiigen Arbeit. Eine von ihnen richtet
jih im Beſonderen an den Literaturpädagogen als Volfserzieher. Er muß
über die Grenzen der Buchwelt hinausſchauen, um die Bedingtheit feines Tuns
durch das Leben draußen wiffen und mit ihm in lebendiger Fühlung ftehen.
Beichränkt auf die Bucharbeit muß er Vollmenfch bleiben und mit feiner
ganzen Berjönlichkeit hinter der — vom Lebensganzen aus gefehen — be-
grenzten Aufgabe jtehen. Eine andere Forderung ift mehr eine allerdings
begründete Hoffnung: daß uns wieder ein Gejchlecht von Volfserzählern er:
ſtehe, und daß das Dichterifche Schaffen, das feit dem Ausgang des verflof-
jenen Jahrhunderts manche ableitige Wege gegangen ift (Naturalismus, Neu—
tomantit, l'art pour Y’art), wieder Werfe lebensftarfer und bodenjtändiger
Erzählkunſt hervorbringe, die dem Geſchmack und dem unverbildeten Wert:
gefühl des Volkes entiprechen und Gemeingut aller werden können.
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Her Bildingalt der romanischen Portalpluftik
an der St. Johanniskirche in Schwäßiih-Gmind
Bon Pfarrer Richard Wiebel, Irſee.
Zwei Portale der Kirche des Hl. Johannes des Täufers in Schwähifch-
Gmünd enthalten im DBogenfeld daS Zeichen der Schere, das Weitliche
an der Südfeite und das Nebenportal der Wejtfaffade. Über die bisheri-
gen Erklärungsverjuche dieſes rätjelhaften Zeichens berichten Jan Faftenau
(Die romaniſche Steinplaftif in Schwaben, Eplingen, 1907) und Walter
Klein (Die St. Johanniskirche zu Gmünd, Frankfurt a. M., 1928). Sn
den genannten Büchern find Die für unſeren Aufſatz dienlichen Bilder ent:
halten. Bau: und Zunftgefchichtliche Fragen, ſowie die Auseinanderſetzung
mit den DVerfaffern ikonographiſcher Verſuche beifeite laſſend, ſpricht Diele
Arbeit von den genannten Eingängen und dann noch vom Sauptportal.
Die Schere muß nicht ein Wappen von Stiftern aus einem Scerer-
Sejchlechte oder aus der Schneiderzunft, ein Adler nicht das Symbol des
hl. Evangeliften Johannes, der niemals Nebenpatron der Johanneskirche
war, oder Ginnbild des Kaiferreiches fein, die Sitzfigur des hl. Petrus
braucht nicht über Lorch) nach Hirſau zu weiſen und der Bilchof Daneben
feine hiſtoriſche Perſon zu verkörpern. Solche Borausfegungen führen zu
den üblichen Bhantajtereien, die der Sonographie üblen Ruf eingebracht haben.
Die Schere hatte im Mittelalter hohe Bedeutung in der Bußdisziplin und
in der Rechtsiymbolif. Hans Fehr bringt in feinem Buche „Recht im Bild“
eine Abbildung aus dem Sachjenjpiegel: Ein Miffetäter hat fie von der
Strafe des Handverluftes Losgefauft; auf den Nüden gebunden trägt er
eine Schere und einen Beſen. Sie find GSinnbilder der auferlegten Buße.
„Zwei Befen und eine Schere fei die Buße der Leute, die ihr Necht mit
Diebitahl, Raub . . . verwirtt Haben”. Damit iſt wohl die öffentliche
Buße mit Haarabſchneiden und Auspeitihung gemeint oder die Erinnerung
an fie aufrechterhalten. Das Ausmahlbändchen der Inſelbücherei Tr. 347),
„Der Sabjenspiegel, Bilder aus der Heidelberger Handſchrift“ zeigt in
Bild 84 den Borgang der Haarabſchneidung und Auspeitichung einer Frau;
Bild 35, links; einen Mann mit zwei Beſen und einer Schere in den Hän-
den; Erklärung dazu; „Dem Rechtloſen werden als Spottbuße zwei Beſen
und eine Schere zugeiprodhen, alfo Werkzeuge der Beitrafung zu Haut und
Haar“; Bild 36: Der Rechtloſe eriheint vor einem Richter; auf feinen
Rücken find Rute und Schere gebunden. |
Haarabichneidung war eine ſchändende Buße oder Strafe. Langes
Haupthaar war insbefondere bei den Deutichen bis in das hohe Mittelalter
hinein Auszeichnung der Edlen und Freien; es galt al3 Sinnbild der Ehre
und Wahrhaftigkeit, ver Mündigfeit und Freiheit. Geſchoren fein bedeutete
Abhängigkeit, Freimillige Unterjtellung unter einen Oberen oder Bormund,
Berjegung in den Stand der Unfreien oder Chr: und Nectlofen.
Auch in der kirchlichen Nechtsausübung und Bußdisziplin Spielt Die
Schere die gleiche Rolle. A. M. Königer Tchreibt in Band 32 von „Deutſche
Gaue“, Kaufbeuren, (S. 141): „sn den Tauflichen (— Pfarrkirchen) wurde
von Zeit zu Zeit ... das chriſtliche Volk zufammen gerufen, wenn Der
Biſchof Fam, PVifitation zu Halten und das Sendgericht (von ſynodus) zu
‚bejigen‘, welch letzteres die Hffentlichen Übertreter der Gottes: und Kir:
chengebote beftrafte und mit kirchlichen Bußen belegte. Das Sendgericht
4 Magazin für Pädagogik, 98. Jahrg., Septbr, 1935, 9. Heft 437
fand im Inneren der Zauflirchen und zwar vor dem Laien: oder Kreuz:
altar ftatt. Man ftellte Stühle (für Biſchof und Beiltger) auf und einen
Tiſch davor mit Kreuz, Schere (für bie ichändende Strafe des Haarab—
ſchneidens) und Rute (für Die Auspeitſchung)“.
Wir laffen die Frage offen, ob, was das Kirhenpatronat des hl. Täu-
ferg vermuten ließe, diefe Kirche jemals eine Pfarr» oder Taufkirche war
oder die Erinnerung an eine Tauffapelle feitgehalten habe, nehmen nit an,
daß in diefer Kirche Sendgerichte ftattgefunden haben; wir können uns da—
mit begnügen, daß Johannes der Täufer det Bußprediger iſt; damit
war die Anbringung von Bildern der Bußdisziplin nahe gelegt. Öffentliche
Buße wurde wohl nicht ausjchließlih an Biſchofs- oder Pfarrlicchen ab-
geleiſtet. Wielleicht läßt das vielfache Vorkommen der bildlichen Darſtellung
der „Draußenſtehenden“ (Büßer und Sünder) an romaniſchen Kirchen darauf
ſchließen, daß es in Wirklichkeit noch üblich oder bekannt war.
Als die Alltagserſcheinung der öffentlichen Büßer nur mehr in der Er—
innerung fortlebt, wurde die Austreibung und Wiedereinführung wie ein
liturgiſches Spiel vorgenommen. In Halberſtadt z. B. (Buchberger, Hand:
lexikon) wurde ein alle Jahre eigens ausgewählter öffentlicher Sünder am
Aſchermittwoch aus der Kirche ausgewieſen, mußte während der vierzig:
tägigen Faftenzeit (bei der Kirche ſich aufhalten und Almojen jammeln),
nachts im Freien ſchlafen, am Gründonnersiag wurde er in die Kirche einge:
führt, losgeſprochen und vom Volke bei chenkt. Dan nannte diefen Büßer „Adam“.
Schere und Rute find die Sinnbilder der öffentlichen Buße. Am weſt—
lichen Seitentor der Südfeite von St. Sebaldus in Nürnberg, nad) der
Darftellung im Bogenfeld Weltgerichtspforte genannt, flanfieren Engel mit
Ruten (Beſen) die Türe, die als Büßerpforte zur Austreibung gedient haben
mag. Zunächſt befindet ſich der Weſtchor, der dem hi. Petrus gemeiht ill.
An der Gmünder Kirche ift im Bogenfeld der weitlihen Türe der
Südfeite ein gefchorener Kopf zwiſchen den Klingen einer offenen Schere
(freilich einem Mönchstopf ähnlich, um daS Geſchorenſein deutlich) zu machen).
Es ist ein Kopf, der der Schere verfallen tt, der Kopf eines Bühers, eines
„Adam“. Den am Aſchermittwoch ausgetriebenen Büßern war für die Buß:
zeit das Betreten der Kirche verboten. Dieje Abſperrung des Eingangs
bringen die zwei einander gegenüberliegenden Löwen, bie mit dem Staufen-
geichlehte gar nicht3 zu ‚tun haben, zum Ausdruck, indem fie ihre Border:
pranfen beiderſeits zujammenhalten; fie lafjen feinen durch.
Hftlich von der rechtedigen Umrahmung des beiprochenen Tores, gleich
nebenan, ift eine Rreuzigungsgruppe in die Kicchenwand eingelaffen, Chriſtus
am Kreuz, in fpäterer Ausführung als dieſelbe Gruppe im Bogenfeld des
Hauptportals, fie zeigt Schon den Übergang zur Leidvensdarftellung der Gotik.
Unter dem Kreuze fteht eine mit einer Kapuzenkutte bekleidete Geftalt; Die
Kapuze ift über den Kopf gezogen. Die Linke ift in ben Kuttenſchlitz ein:
geftect; die Rechte hängt vorne herab und hält einen Teller, in dem Mün—
zen liegen. Daß diefer Mann nicht zur hiſtoriſchen Darftellung der Kreu—
zigung gehört, iſt Sehr deutlih gemacht durch den mächtigen Kreuzunterjab,
unter dem die Geftalt fteht. Ste hängt nicht, wenn auch ihr die Fußſtütze
fehlt. Die Falten am Halſe, wo Kutte und Kapuze zuſammengehen, wird
man für den Strick des gehängten Judas halten, ſobald man dieſe Erklä—
rung beabſichtigt. Es iſt aber kein Judas und es gibt feine Kreuzigungs⸗
gruppe mit Judas, unterm Kreuze hängend. Dagegen findet ſich ſehr häufig
unterm Kreuze der ſündige Stammvater Adam, entweder in ganzer Geſtalt
oder wenigſtens Adams Kopf und Gebeine. Adam aber nannte man auch dert
Büßer, der ausgefchloffen vor der Kirche jtand und bettelte. Auch dieſer
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Adam wartete auf Erlöſung. Wir jehen alfo unter dem Kreuze einen Adam
— öffentlichen Büßer, vielleicht denjenigen, der -
— geſammelt —9* ircgeſe IE ZEV
‚ An ber > eſtfront enthält das Bogenfeld der ſüdlichen Seitentüre in—
mitten die Sitzfiguren eines Biſchofts mit Rrummflab a. des HI. Setrun
mit Schlüſſel. Petrus hat feine Patronatsbeziehung zur St. Johaunneskirche.
Die Figur des geiftlichen Würdenträgerd kann ohne Bezug auf die Gefchichte
der Johanneskirche al3 namenloje Nepräjentation genommen werden. Im
Grund des Bogenfeldes, ſchwach hervortretend, iſt neben dem Bijchof die
Schere, neben Petrus ein Adler, leterer ſtark an heraldifche Form erinnernd.
Doc) als Wappen find beide Neliefdarjtellungen nicht anzuſehen, da fie der
ſchildförmigen Umrahmung entbehren. Bleiben wir beim Thema der Buß—
Disziplin, dann bedeutet die Schere die Buße; der Kopf iſt nicht mehr zwi—
ſchen den Klingen, er iſt entronnen; der aufſteigende Adler aber bedeutet
die erlöſte Seele, die Wiederaufnahme des armen Sünders, „deſſen Jugend
wie die des Adlers (Phönir) erneut worden iſt“ (Pſalm 102 [103], 5). Petrus
vertritt die Schlüffelgewalt, der Biſchof die ausübende Gewalt. Es ift an-
zunehmen, dab dieſes Tor der Wiederaufnahme der Büßer gedient hat, Die
durch das Seitentor der Südwand ausgetrieben worden waren. Die große
Zahl der fünf Eingänge der Johanneskirche iſt immer aufgefallen. Das
Hauptportal und die einander gegenüberliegenden Chortüren hätten genügt.
en — Se —— De Zweck oder der entiprechen-
en Symbolik in volkstümlich-kirchlichem Erinnerungsſpiel, ähnlich wie i
obenerwähnten Halberftadt. ’ ——
Auch im Bogenfelde des Hauptportals iſt Chriſtus am Kreuze, hier mit
der Königskrone, mit den Begleitfiguren Mariä und Johannes d. Ev. in
hohem Relief dargeſtellt, daneben ſüdlich ein Baum, nördlich ein typiſcher
Weinſtock in flacher Ausarbeitung. Auf dem oberſten Gezweige ſitzt beider—
ſeits ein Vogel; der auf dem Weinſtock ruhende hält ein Blatt vom gegen—
überſtehenden Baum im Schnabel, das er in frohem Spiel herübergetragen
hat. Dieſe Darſtellung begegnet uns oft; im Bogenfeld der Kloſterkirche
Andlau ſind Baum und Weinſtock beiderſeits der Hauptfiguren, auf jedem
ein Vogel, am Baum klettert ein Menſch empor. Der Sinn der Daritel-
lung iſt das ſorgloſe Leben der Chriſten im Gnadenparadies der Kirche,
die im Genuſſe der Kreuzesfrüchte leicht der Gefahren des Weltlebens ver—
gejfen. Wir kommen fogleih darauf zurüd.
„„An den Wulſtfüßen der Bogenumrahmung lagern nördlich ein Drache,
ſfüdlich, lagen wir ein „Schweinehund“, alſo auf der Nord — Todesſeite der
Höllendrache, auf der Süd — Lebensſeite der Teufel als VBerführer. Sie wenden
fi wie fliehend ab vom Kreuze: „Fugite partes adversae; ecce crucem
(auch crux) Domini“. „Vade retro Satana!” Fliehet ihr feindlichen
Parteien! Seht das Kreuz des Herin! Kehre du rückwärts, Satan! Das
ind uralte Beſchwörungsformeln. Innerhalb des Bogenfeldes, im Schatten
des Kreuzes haben Die feindlihen Mächte feine Macht. Das Kircheninnere
wird mit dem Himmelreich verglichen, draußen iſt die Welt; pax est in
cella, foris autem plurima bella. (Friede ijt in der Zelle, draußen aber
toben unendliche Kriege). Außerhalb des Hauptbildfeldes jtehen in Andlau
ein Bogenſchütze und ein Mann mit ver Schleuder; fie bedrohen die Vögel
in den Gezweigen. Hier in Gmünd find die Feinde an den äußerten Kämpfer:
blöden des Portalbogens angebradht: Im Norden (Tod, Unterwelt) ein
tentaurenartiges Wefen, dejlen Unterleib in einen Drachenſchwanz ausläuft,
als Bogenſchütze den Tod (= Teufel) bedeutend; im Süden ein Kentaur mit
Pferdeleib, in Helm, mit Schild und Schwert, wieder den Teufel als Mör-
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der, diesmal wohl als Feind der Seele daritellend. Diefe Kentauren käm—
pfen nicht gegeneinander, nicht gegen die Beltien am Bogenwulſt, jondern
fondern fie bedrohen die Vögel, Die Seelen. Das Motiv ift der Offen:
barıng Sohannes 22, 15 entnommen: „Draußen aber ftehen die Kunde
(und Sünder... .)”, al3 vom Himmelreich ausgefchloffen. Es wiederholt
ſich am öſtlichen Seitentor der Sudſeite beiderſeits über den Kapitellen in
der Hohlkehle nebenan und am ſüdlichen Seitentor am äußeren Bogenmwulit;
hier ift über den Hunden jedesmal ein Vogel. Hier, am Einlaßtor für die
losgeſprochenen Büßer, bedeuten die Hunde die „draußen ftehenden” armen
Sünder, die Vögel darüber die Seelen der in die Kirche — in das Himmel-
xeich eingelaffenen Büßer. Hund und Vogel wiederholen den Sinn von
Schere und Adler im Bogenfeld. (Zum „Draußenftehen” der Büßer, Hunde ıc.
verweife ich auf mein 1927 erſchienenes Buch: Das Schottentor [St. Jakob,
Regensburg], Filfer Augsburg, Seite 42 und 48).
So enhält die ſymboliſche Plaftit unferer romaniſchen Kirchen mwertoolle
Srinnerungen an einitige religiöfe Volksbräuche. Sie ift nit nur künſt—
ferifch, Tondern auch volkskundlich von großer Bedeutung.
Wandbild, Lichtbild und film als moderne
Bildungsmitiel
von Rurt Buerfhaper, Düjjeldorf.
Seit Peſtalozzi den grundlegenden Satz prägte: „Die Anſchauung it
das Fundament aller Erkenntnis”, bemühen ſich Pädagogik und Didaktik,
neue Wege für die Anfchaulichkeit im bildneriſchen und erzieherifchen Bereiche
zu befchreiten ; denn ohne Anſchauung gibt es fein rechtes Denken und Handeln.
Die Lehre von der Anfhauung fordert mit Recht, daß alle Wahr:
nehmungen durch Klarheit und Deutlichkeit zur Borftellung und darüber
hinaus zum Erlebnis oder zur Erkenntnis geführt werden. Darum jtellt fie
auch befondere Forderungen z. B. an die Lehr- und Lernmittel, wie über:
haupt an das gefamte Material, das zur Veranſchaulichung verwandt werden
fol. Man fordert von dieſen Hilfsmitteln, daß fie u. a. genügend groß,
nicht aufdringlich, aber doch Fräftig, nach Form und Farbe wahr find u. a. m.
Diefe Forderungen gelten auch von jedem Wandbild, das im Unter:
richtsraum Verwendung findet. Sie beziehen fich aber ebenſo aud) auf den
allgemeinen Wandſchmuck des heimijchen Raumes. |
1. Das künftlerifhe Wandbild.
Welche künſtleriſchen Leitgedanten ung bei der Anbringung des Wand-
ſchmuckes führen follen, hat Otto Wommelsdorf (Wandſchmuck, Pädagogiſcher
Verlag, Düſſeldorf) ausgeſprochen:
‚Bom Erlebnis eigener Geſtaltung müſſen wir die Verbindung zum
Kunſlwerk ſuchen. Wer die unbewußte Sicherheit kindlichen Geiſtes geſpürt
hat, wird auch der Verpflichtung innegeworden ſein, dieſe Sicherheit zu ſtützen,
fie wenigſtens nicht von ſich aus unnötig zu untergraben. Er wird ver—
ſuchen, durch Geformtes zu ermutigen und zu weiterer Auseinanderſetzung
anzuregen. Damit ſtellt er das Kunſtwerk in einen lebendigen Zuſammen—
hang. Es erübrigt ſich faſt, zu ſagen, daß der erſte und natuͤrlichſte Schmuck
3. B. eines Schulhauſes die Schülerarbeit, eines Wohnzimmers die Kinder—
arbeit fein wird, ſoweit fie wirklich Arbeit vom Kinde her it. . 0. See
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— —
wir dann an Schmuck dazutun, das ſollte die angefangene Melodie ver—
nn A weiterführen.“
olange 3. B. der Schüler in feinem Schaffen innerhalb des Zeichen-
Werf- oder Kunftunterrichtes unbewußt m — — er — —
wußt das Kunſtwerk in ſich aufnehmen. „Erſt wenn ſein eigenes Ringen
dem Kind ſelber eine erkannte Aufgabe wird, dann wird es anders, mit
forſchend eingeſtellten Sinnen dem Bildwerk nahen. Manches, das ihm auf
der Unterſtufe als leis empfundene Begleitung vertraut wurde, wird mit
dem Aufbruch neuer körperlicher Kräfte ihm nun von neuem zugänglich durch
nachſchärfenden Vergleich mit ſeinem eigenen Streben. In dieſer Zeit iſt
vielleicht ſchon aus dem unbeſchwerten Eroberungsdrang ein Beſcheiden auf
begrenzte Aufgaben geworden, das Förderung im Werk des Künſtlers ſucht.
Zur ſelben Zeit find aber auch in der ſeeliſchen Löſung und Empfangsbe—
reitſchaft des „Jugendlichen viel ftärfer als bisher Leitbilder, Wünſche und
Sehnfüchte wirkſam, und anders als bislang wendet er fich jet dem Bilde
zu. Gefühl und Willenskräfte ſind ſtärker denn je den vielen Nebenſtrömen
eines Werkes verbunden, in denen eigenes Sehnen und Suchen der Zeit
verſpürt wird. Das Bild der ‚,Wandervögel“ von O. Höger (Verlag See—
mann, Leipzig) mag etwas davon andeuten. Auch ſolche Verbindung führt
zu ſtiller Zwieſprache und Verſenkung; doch wie ſie aus Wunſch und Willen
entſtand, ſo lenkte die Betrachtung auch bald wieder dahin. Viel ſpäter erſt
wird das unbeſchwerte Schauen wieder auf den Geiſt ſich einſtellen, der alles
Rauſchen der Unterſtröme zum reinen Geſang eint. Unſere Aufgabe kann
nur ſein, ſelber dieſem Klang nachzuhorchen und dem Heranwachſenden auch
für dieſen Wert die Sinne offenzuhalten.“
Dieſe einleuchtenden Grundgedanken einer neuen Kunſt⸗ und Bilderzieh—
ung müſſen auch beim Lichtbild, bei der Bearbeitung von Filmen und Bild—
bändern die Richtung geben. „Denn ein ſelbſtändiges Recht hat die Technik
in der künſtleriſchen Tätigkeit nicht, ſie dient lediglich dem geiſtigen Prozeß.
Nur wo der Geiſt keine Herrſchaft auszuüben imſtande iſt, gelangt ſie zu
ſelbſtändiger Bedeutung, Wichtigkeit und Ausbildung und wird künſtleriſch
wertlos.“ (Konrad Fiedler.)
In der Filmtechnik vollzieht ſich aber ein geiſtiger Vorgang, der durch—
aus nicht immer bis zum Begrifflichen vorzuſtoßen braucht. Denn nach
Fiedler iſt der Menſch nicht allein imſtande, nur im Begriff zur geiſtigen
Herrſchaft zu gelangen, ſondern ſchon in und durch die Anſchauung.
2. Das Stehbild.
Auf das Stehbild fonnen alle Ausführungen über Wandbild und Wand:
ſchmuck Anwendung finden. As Einzelbild muß es alle Eigenjchaften be-
figen, die e3 zu einem Anſchauungsbild erheben.
Das Bild hat nad) Leifing „den prägnanteiten Moment darzuftellen“.
Auf eine Lichtbildreihe übertragen heißt Der Saß in der neuen Anwendung:
Die Reihenbilder müſſen maleriſche Höhepunkte erfaſſen.
Die Fähigkeit, innerlich zuſammenhängende Reihen zu bilden, ermöglicht
es dem Lichtbilde, weit ausgedehnte Räume und teilreiche Vorgänge didaktiſch
wertvoll zu zerlegen. „Auf dieſe Weiſe kommt das Charakteriſtiſche und
Typiſche einer Landſchaft, eines Lebensprozeſſes u. a. viel beſſer zum Aus—
druck als durch ein Einzelwandbild, das den Hauptnenner für oft übermäßig
ausgedehnte oder zu ungleichartige Brüche einer Lehreinheit bilden muß. In
dem Gewollt-Typiſchen der Einzelbilder liegt auch noch die andere Gefahr
verborgen, Daß es zu blaß, zu inhaltlos wird und den erjtrebten Zweck erit
vecht verfehlt.” Innerlich verbundene Reihen geben die Möglichkeit, in der
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