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Full text of "Sammlung elektrotechnischer Vorträge ..."

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•.A-^ 


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SAMMLUNG 


Elektrotechnischer  Yorträge. 


Unter  Mitwirkung  von 

Prof.  E.  Arnold-Kaxlsruhe,  Direktor  Dr.  Corsepius-Dresden,  Direktor  Einbeck- 
Berlin,  Ingenieur  C.  P.  Feldmann-Köln-Ehrenfeld,  Prof.  Dr.  K.  Feussner,  Mitglied 
der  phjBikal.-tec1miflchen  Reichsanstalt,  Oberingenienr  Görling-Nümberg,  Dr.Heinke- 
Mfinchen,  Ingenieur  G.  Hummel-München,  Geheimrat  Prof.  Dr.  E.  Ei ttl er- Darmstadt, 
Oberingenieur  L.  Eohlfürst-Kaplitz,  Direktor  Nerz -Nürnberg,  Ingenieur  Dr.  Niet- 
h am m er- Berlin,  Prof.  Dr.  G.  Ro essler-Berlin,  Elektroingenieur  Alex  Rothert-Nancy, 
Dr.  P.  Schoop- Karlsruhe,  Ingenieur  Ch.  P.  Steinmetz -Schenectady,  Oberingenieur 
F.  Uppenborn-München,  Prof.  H.  F.  Weber-Zürich,  Prof.  Dr.  W.  Wedding-Berlin 

herausgegeben  von  Prof.  Dr.  ERNST  VOIT. 


I.  BAND. 

MIT  221  ABBILDUNGEN. 


STUTTGART. 
VERLAG   VON   FERDINAND   ENKE. 

1899. 


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Druck  der  Union  Deutsche  !rerUg;sgesellsohaft  in  Stattgart« 


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55-445  f^^^    (,-?! 

CCT  17  1900  ^      "^^ 

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1 


Inhaltsverzeichnis. 


Seite 

Der  elektrische  Lichtbogen.  Von  Prof.  Dr.  Ernst  Voit.  Mit  44  Abbil- 
dungen        1 

Grundlagen  für  die  Berechnung  und  den  Bau  von  elektrischen  Bahnen  und 
deren  praktische  Benutzung.  Von  Dr.  Max  Corsepius.  Mit  2  Ab- 
bildungen          75 

Die  Ziele  der  neueren  elektrotechnischen  Arbeiten  der  Physikalisch-Tech- 
nischen Reichsanstalt.  Von  Prof.  Dr.  K.  Feussner.  Mit  9  Abbil- 
dungen       115 

üeber  die  ,Plante-Accumulatoren*.  Von  Dr.  P.  Schoop.  Mit  28  Abbildungen      147 

Die  Hauptbegriffe  der  Gleich-  und  Wechselstromtechnik  unter  Benutzung 
mechanischer  Hilfsvorstellnngen.  Von  Dr.  C.  Heinke.  Mit  22  Ab- 
bildungen  191 

Die  gemischten  Betriebe  auf  Schwachstromleitungen  mit  besonderer  Berück- 
sichtigung der  beim  Nachrichtenwesen  der  Eisenbahnen  vorkommen- 
den Anordnungen.  Von  Oberingenieur  L.  Eohlfürst.  Mit  24  Ab- 
bildungen  255 

Die  elektrischen  Transformationsmethoden.  Von  Ingenieur  C.  P.  Feldmann. 

Mit  31  Abbildungen 321 

üeber  Motorelektrizitatszahlei*.  Von  Ingenieur  G.  Hummel.  Mit  13  Ab- 
bildungen    ' 351 

Scheinwerfer  und  Fembeleuchtung.    Von  F.  Nerz.     Mit  36  Abbildungen      367 

Die  bisherigen  Versuche  mit  elektrischen  Zugtelegraphen.  Von  Oberingenieur 

L.  Kohlfürst.    Mit  12  Abbildungen 455 


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Der  elektrische  Lichtbogen. 

Von 

Professor  Dr.  Ernst  Voit, 

Mfinchen. 
Mit  U  Abbfldimgen. 


Im  Jahre  1800  hatte  Volta^)  die  nach  ihm  benannte  Säule 
angegeben,  und  schon  in  dem  gleichen  Jahre  beobachteten  verschiedene 
Forscher  den  Funken,  der  sich  bildete,  wenn  die  mit  den  Polen  der 
Säule  Terbundenen  Leitungsdrahte  voneinander  entfernt  wurden,  nach- 
dem sie  vorher  in  Berührung  gebracht  waren.  Nicholson  ^)  zeigte,  dass 
dieser  Funke  je  nach  dem  Stoffe  der  Leitungsenden  —  Elektroden  — 
ein  verschiedenes  Aussehen  habe;  und  Davy')  beobachtete  im  Sep- 
tember 1800,  dass  der  Funke  besonders  hell  zwischen  zwei  Stücken 
gut  gebrannter  Kohle  erscheine,  und  dass  dazu  am  zweckmässigsten 
eine  unter  Quecksilber  rasch  abgelöschte  Kohle  zu  verwenden  seL 
Wie  es  scheint,  wurde  das  von  Davj  zuerst  beschriebene  Kohlenlicht 
später  vielfach  in  Vorlesungen  vorgezeigt  und  einigen  der  Experimenta- 
toren die  Priorität  dieses  Versuches  zugeschrieben.  So  ist  Quetelet*) 
der  Ansicht,  dass  Gurtet  das  Kohlenlicht  zuerst  im  Jahre  1802  be- 
obachtet habe,  und  E.  Smirnoff^)  gibt  an,  dass  der  russische  Pro- 
fessor W.  Petroff  im  Jahre  1802  den  Lichtbogen  entdeckt  habe. 

')  Volta,  Phü.  Trans.  1800,  p.402;  Güb.  Ann.  1800,  6,  p.  340. 
*)  Nicholson,  Nicholson  Journal  1800,  4,p.l79;  Gilb.  Ann.  1800,  6,p.358. 
')  Davy,  Nicholson  Journal  1800,  4. 
^)  Quetelet,  Fortschr.  d.  Physik  1850  bis  1851,  p.  714. 
*)  Smirnoff,  The  Electrician  1895,  Nr.  925. 
Sammhiiig  elektrotedmischeT  Vortrage.  I.  1 


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Ernst  Voit. 


Beobachtungen  über  die  Entiadungsfunken  von  Voltasäulen  wur- 
den sehr  zahbreich  ausgeführt;  diejenigen,  welche  Sy Ivan us  Thomp- 
son^) neuerdings  zusammenstellte,  sollen  hier  kurz  Erwähnung  finden. 
Moyes*)  beschreibt  die  Funken,  die  er  mit  einer  Batterie  von  60  bis 
70  Elementen  einer  Voltasäule  erzeugte.  Davy*)  erhielt  Funken 
unter  Flüssigkeiten  und  zeigte  das  Eohlenlicht  mit  einer  Batterie  von 
150  Elementen  im  Hörsaale  der  Royal  Institution.  Ebenso  machte 
Robertson*)  am  11.  März  1801  einen  Versuch  mit  einer  Säule  von 
120  Zinksilberelementen,  deren  Leitungsenden  mit  Kohlen  verbunden 
waren.  Die  Kohlen  gaben  bei  ihrer  Berührung  einen  glänzenden,  durch 
den  ganzen  Saal  sichtbaren  Funken.  Auch  Ritter*)  soll  im  Jahre 
1802  zu  Jena  das  Kohlenlicht  in  einem  Hörsaale  gezeigt  haben.  Aus- 
führliche Angaben  über  die  Funkenentladung  machte  John  Cuthber- 
son^).  Ferner  hebt  Böckmann ^)  das  Spritzen  der  Eisenelektroden 
hervor,  Pf  äff®)  zeigt,  dass  die  Funken  auch  unter  der  Glocke  einer 
Luftpumpe  sich  bilden.  Ritter^)  findet,  dass  die  Elektroden  sich 
ungleich  erwärmen,  und  Simon  ^®)  gibt  Aufschluss  über  das  Spektrum 
des  vom  Entladungsfunken  ausgesendeten  Lichtes. 

Die  bisher  angeführten  Beobachtungen  waren,  soweit  es  sich 
nachweisen  lässt,  meist  mit  Voltaschen  Säulen  von  geringer  Elementen- 
zahl ausgeführt,  es  war  deshalb  wohl  der  Unterschied  des  rasch  ver- 
laufenden Entladungsfunkens  zwischen  nichtflüchtigen  Elektroden  und 
des  lange  andauernden  Lichtbogens  zwischen  flüchtigen  Elektroden, 
etwa  zwischen  Kohlenstiften,  nicht  beobachtet  worden,  wenigstens  ist 
darüber  nicht  berichtet.  Wahrscheinlich  erkannte  man  nur,  wie  schon 
Davy  im  Jahre  1800,  die  grössere  Helligkeit  bei  Verwendung  von 
Kohlenelektroden.  (Ob  Petroff,  der  mit  4200  Voltazellen  gearbeitet 
haben  soll,  darauf  aufinerksam  wurde,  ist  von  Smirnoff  nicht  an- 
gegeben.) Als  Humphry  Davy^^)  im  Jahre  1808  eine  Batterie  von 
2000  Elementen  erhalten  hatte,  gelang  es  ihm,  bei  Wiederholung  seiner 

')  Sylv.  Thompson,  Joum.  of  the  Soc.  of  Arts.   Oct.  1895. 
*)  Moyes,  Phil.  Magaz.   Edinboargli  1801. 
*)  Davy,  Joum.  of  the  Roy.  Soc.  1. 
*)  Robertson,  Joum.  de  Paris,  12.  März  1801. 

^)  Ritter,  erwähnt  von  S.  Thompson,  Joum.  of  the  Soc.  of  Arts  1895. 
*)  J.  Cuthberson^  Practical  Electricity  and  Galvanism  1807,  p.  260. 
^  Böckmann,  Güb.  Ann.  1801,  7,  p.  259. 
*)  Pf  äff,  Gilb.  Ann.  1801,  7,  p.  248  u.  514. 
•)  Ritter,  Gilb.  Ann.  1801,  9,  p.  342. 
»«)  Simon,  Gilb.  Ann.  1801,  9,  p.  898. 
")  Davy,  Phil.  Trans.  1821,  2,  p.  457. 


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Der  elektrische  Lichtbogen.  3 

früheren  schon  oben  angeführten  Versuche  nachzuweisen,  dass  zwischen 
den  Eohlenelektroden  eine  zusammenhängende  Flamme  erhalten  werden 
könne,  welche  eine  Länge  von  10  om  in  der  Luft  und  von  18  cm  im 
luftleeren  Baume  erreicht.  Davy  hielt  dabei  die  Kohlenstäbchen 
horizontal  in  gleicher  Höhe,   so  dass  die  Flamme  infolge   des   durch 


Fig.  1.    Lichtbogen  zwischen  horizontalen  Elektroden. 

Erhitzung  aufsteigenden  Luftstromes  eine  bogenförmige  Gestalt  wie  in 
Fig.  1  annahm.  Dieser  Umstand  veranlasste  ihn,  die  Flamme  als 
Lichtbogen  zu  bezeichnen.  Obwohl  bei  der  jetzt  gebräuchlichen  ver- 
tikalen Stellung  der  Kohlen  eine  bogenförmige  Flamme,  wie  bei 
horizontaler  Lage  derselben,  sich  nicht  bildet,  hat  man  dennoch  die 
Bezeichnung  Lichtbogen  seit  Davy  beibehalten. 

Die  Holzkohle,  welche  Davy  und  seine  nächsten  Nachfolger 
zur  Bildung  des  Lichtbogens  verwendeten,  wurde  hiebei  so  rasch 
verzehrt,  dass  Foucault  1843  aus  Retortenkohle  geschnittene  Kohlen- 
stifte benützte,  welche  bei  grösserer  Haltbarkeit  weniger  rasch  ver- 
brannten und  ein  ruhigeres  Licht  lieferten.  Im  folgenden  Jahre 
empfahl  Foucault^)  die  Retortenkohle  zu  alleiniger  Verwendung. 
Schon  vorher  hatte  Grove^)  nachgewiesen,  dass  eine  Beimengung  von 
Natrium,  Kalium  oder  deren  Salzen  zu  den  Kohlen  die  Wirkung  habe, 
dass  man  die  Flamme  auf  eine  grosse  Länge  ausziehen  kann,  ohne 
dass  sie  abreisst.  unabhängig  davon  hat  Casselmann^)  gezeigt, 
dass  ein  Tränken  der  Kohlen  mit  verschiedenen  Lösungen,  z.  B.  mit 
Borsäurelösung,  den  Lichtbogen  beruhige.  In  der  neueren  Zeit  werden 
bekanntlich  die  Kohlenstifte  künstlich  aus  einem  Gemenge  von  schwarzem 
Graphit  mit  Russ  und  Teer  hergestellt,  getrocknet  und  bei  einer  starken 
Hitze  unter  Luftabschluss    gebrannt.     Die   sogenannten   Homogen- 

0  Foucault,  Compt.  rend.  1844,  18,  p.  696. 

«)  Grove,  Phü.  Mag.  1840,  16,  p.  480. 

')  Casselmann,  Pogg.  Ann.  1844,  63,  p.  571. 


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4  Ernst  Voit 


kohlen  sind  massive  EoUeiMtäbe,  während  die  Dochtkohlen  aus 
hohlen  Eohlenstäben  bestehen,  welche  mit  einem  Kern,  meist  einem 
Gemenge  aus  weissem  Graphit  mit  Wasserglas,  ausgefüllt  und  dann 
getrocknet  werden.  Die  Dochtkohle  bezweckt  hauptsächlich,  den  Licht- 
bogen zu  zentrieren. 

Vorerst  seien  nur  einige  Eigenschaften  des  Lichtbogens  hervor- 
gehoben. Bekanntlich  muss  man,  um  einen  Lichtbogen  zu  bilden,  die 
Eohlenstifle  anfönglich  miteinander  in  Berührung  bringen,  sodann 
dieselben  voneinander  entfernen  und  in  einem  passenden  Abstände 
erhalten.  Vor  Berührung  der  Kohlenstifbe  j&ndet  selbst  bei  sehr  ge- 
ringem Eohlenabstande  ein  Stromübergang  im  allgemeinen  nicht  statt, 
es  müsste  denn  durch  beträchtliche  Spannungsdifferenz  an  den  Eohlen- 
enden  der  Luftzwischenraum  von  einem  Entladungsfunken  durch- 
schlagen werden.  Nachher  dagegen  bleibt  der  Strom  erhalten,  indem 
die  von  den  erhitzten  Eohlenelektroden  abgerissenen,  hauptsächlich 
wohl  dampfförmigen  Partikelchen  eine  Brücke  bilden.  Diese  Strom- 
brücke verhält  sich  aber  nicht  wie  ein  einfacher  fesW  Leiter,  ins- 
besondere kann  der  Zusammenhang  zwischen  Spannungsdifferenz  (V) 
am  Lichtbogen,  Widerstand  (0)  desselben  und  Stromstärke  (A)  inso- 
weit nicht  unzweideutig  durch  das  Ohmsche  Gesetz  V  =  A  .  0  aus- 
gedrückt werden,  da  der  Widerstand  des  Lichtbogens  nicht  ein  von 
den  elektrischen  Grössen  unabhängiger  Wert  ist.  Eine  der  Haupt- 
aufgaben bei  den  Untersuchungen  über  den  Lichtbogen  bildet  deshalb 
immer  die  Aufklärung  des  Lichtbogenwiderstandes,  imd  wird  dieselbe 
im  folgenden  mehrfach  berührt  werden.  Ganz  verschieden  müssen 
die  Vorgänge  in  einem  Lichtbogen  sein,  je  nachdem  derselbe  von 
einem  Gleichstrom  oder  einem  Wechselstrom  hervorgerufen  wird.  Es 
ist  wohl  selbstverständlich,  dass  die  Lichtausstrahlung,  der  Verbrauch 
der  Eohlen  und  das  elektrische  Verhalten  wesentlich  verschieden  sein 
müssen,  wenn  man  Gleichstrom  oder  Wechselstrom  benützt;  aus  diesem 
Grunde  sollen  auch  im  folgenden  die  Betrachtungen  für  den  Gleich- 
strom- und  Wechselstromlichtbogen  getrennt  werden. 

i.  Gleichstromlichtbogen. 

Bei  den  praktischen  Anwendungen  des  Lichtbogens  wird  derselbe 
entweder  zwischen  zwei  homogenen  Eohlen  oder  zwischen  einer  Docht- 
und  einer  Homogenkohle  hervorgerufen;  das  letztere  ist  bei  uns  in 
Deutschland  jetzt  allgemein  gebräuchUch.  Die  Eohlen  sind  dabei  fast 
immer  vertikal  übereinander,  die  positive  Elektrode,  meist  eine  Docht- 


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Der  elektrische  Lichtbogen.  5 

kohle,  befindet  sich  oberhalb,  die  negative  Elektrode,  eine  Homogen- 
kohle, ist  unterhalb.  Fast  nur  bei  Scheinwerfern  werden  auch  heute 
die  Kohlenaxen  horizontal  gestellt;  es  wird  jedoch  nicht  notwendig, 
diesen  Fall  für  sich  zu  betrachten,  da  die  geringen  hiebei  auftretenden 
Unterschiede  leicht  verständlich  sind.  Sowohl  die  positive  wie  die 
negative  Kohle  verbrennen,  während  der  Lichtbogen  im  Betriebe  ist; 
die  positive  Kohle  aber  beträchtlich  rascher,  näherungsweise  doppelt 
so  rasch.  Ueber  die  Abnützung  der  Kohlen  sind  nur  wenige  Angaben 
vorliegend.  Fontaine^)  erwähnt  einige  Beobachtungen  aus  den 
Jahren  1876  bis  1878;  die  Hauptresultate  derselben  sind:  der  Ab- 
brand  der  positiven  Kohlen  verhält  sich  zu  dem  der  negativen  im 
Mittel  wie  1  :  2,5,  und  der  totale  Abbrand  beider  Kohlen  ist  für  1  qcm 
Kohlenquerschnitt  für  je  zwei  Proben  aus  Retortenkohle  51  und  49  mm, 
aus  künstlicher  Kohle  von  Archereau  66  und  53  mm,  von  Carr^  77 
und  44  mm  und  von  Gauduin  73  und  78  mm  in  der  Stunde.  Für 
Dochtkohlen  findet  üppenborn*),  dass  sie  bei  einem  spezifischen 
Gewicht  der  Kohle  von  1,42  bis  1,62  in  der  Stunde  einen  Abbrand 
von  4,15  bis  4,85  qcm  bei  einer  Stromstarke  von  7,75  Ampere  haben, 
was  bei  dem  Durchmesser  der  Kohlen  von  10  mm  einer  Längen- 
abnahme von  35  bis  40,7  mm  in  der  Stunde  entspricht.  Homogen- 
kohlen, welche  ein  spezifisches  Gewicht  von  1,4  bis  1,64  besassen, 
verloren  in  der  Stunde  durch  Abbrand  2,6  bis  3,05  g,  so  dass  die 
10  mm  Kohlen  in  der  Stunde  um  22,6  bis  23,8  mm  kürzer  wurden. 
Ln  folgenden  sind  endlich  noch  einige  im  Jahre  1894  von  der  elektro- 
technischen Versuchstation  München  gewonnene,  bisher  noch  nicht  ver- 
öffentlichte Resultate  wiedergegeben. 


Dimensionen  in  Millimeter 

Strom- 
stärke 

in 
Amp. 

Span- 
nung 

in 
Volt 

Licht- 
hogen 

in 
Milli. 
meter 

Abbrand  pro  Stunde  in 

posit.  Kohle 

negat.  Kohle 

Millimeter 

Gramm 

Länge 

Durch- 
meflser 

Länge 

Durch- 
messer 

positive 
Kohle 

Kohle 

positive 
Kohle 

negat. 
Kohle 

235 

11 
> 

235 

« 
• 

20 

> 
15 

235 

a 

235 

s 

12 

» 

> 

9 

» 

» 

71 

10 

* 

n 

« 

5 

■ 
ff 

9 

50,2 
50,5 
47,1 
50,4 
48,5 
49,2 
45,7 
47,2 

2,8  bis  3,0 

« 

l,8bis2,0 

ff 

ff 
» 

14,5 
13,5 
10,5 
12,0 
16,5 
13,0 
12,0 
12,0 

19,0 

15,0 

12,5 

15,05 

18,0 

14,0 

13,0 

14,5 

7,12 
6,97 
5,32 
6,05 
4,07 
8,47 
3,18 
8,83 

8,52 
2,57 
2,43 
2,72 
1,88 
1.36 
1,29 
1,47 

')  Fontaine,  Elektrische  Beleuchtung,  übers,  von  Boss,  p.  85  bis  87. 
')  Uppenborn,  Kalender,  p.  154. 


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Ernst  Voit. 


Dimensionen 

in  Millimeter 

Strom- 

Span- 

Licht- 
bogen 

in 
Milli- 
meter 

Abbrand  pro  Stunde  in 

posit. 

Kohle 

negat 

Kohle 

stärke 
in 

nung 
in 

Millimeter 

Gramm 

Länge 

Durch- 
messer 

Länge 

Durch- 
messer 

Amp. 

Volt 

positiTe 
Kohle 

negat. 
Kohle 

positive 
Kohle 

kXo 

180 

15 

180 

9 

5 

40,6 

l,8bis2,0 

15,0 

14,5 

3,75 

1,72 

V 

« 

n 

49,7 

1» 

11,5 

15,5 

3,52 

1,44 

fi 

n 

47,0 

w 

12,5 

13,0 

8,34 

1,19 

n 

» 

« 

47,2 

1» 

14,5 

15,5 

8,97 

1,60 

110 

11 

110 

7 

3 

49,6 

1,5  bis  1,7 

18,0 

25,0 

2,72 

2,32 

T 

* 

, 

9 

49,0 

» 

16,0 

24,0 

2,53 

1,17 

9 

1» 

1> 

45,0 

» 

18,0 

20,0 

3,20 

0,98 

H 

» 

T 

45,5 

» 

19,0 

23,0 

2,16 

1,08 

110 

9 

110 

6 

48,0 

1,5  bis  1,7 

25,0 

24,5 

2,30 

1,02 

» 

1» 

49,2 

r 

27,0 

25,0 

2,24 

0,97 

n 

II 

I» 

48,4 

9 

23,0 

24,0 

1,74 

0,88 

11 

» 

' 

11 

50,2 

* 

28,0 

26,5 

1,98 

0,94 

Fig.  2.    Zusammenhang  zwischen  Kohlen- 
verbrauch und  Stromstärke. 


Die  positiven  Kohlen  bren- 
nen somit  2,24mal  rascher 
ab  als  die  negativen,  und 
der  totale  Abbrand  beider 
Kohlen  zusammen  wächst 
mit  der  Betriebsstromstarke, 
wie  aus  Fig.  2  ersichtlich 
ist,  in  welcher  für  die  ver- 
schiedenen untersuchten  Koh- 
len der  mit  der  Stromstärke 
veränderliche  Abbrand  dar- 
gestellt ist.  Es  mag  noch 
die  Bemerkung  Platz  finden, 
dass  in  der  neueren  Zeit 
ziemlich  allgemein  der  Durch- 
messer der  positiven  Kohle 
grösser  genommen  wird  als 
der  der  negativen  —  es  ist 
dies  auch  in  der  obigen  Ta- 
belle ersichtlich  —  um  nahe 
gleiche  Längen  beider  Kohlen 
zu  verbrennen. 

Ueber  die  chemischen  Vor- 


gänge im  Lichtbogen,  wenn    dieser   in   der  Luft  sich  bildet,   liegen 
einige  Beobachtungen  von  Dewar^)  vor;    er  entnahm  durch  röhren- 
*)  De  war,  Proc,  of  the  Roy.  Soc.  80,  p.  85,  1880. 


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9  0      0         O        O      0  9 


Der  elektrische  Lichtbogen.  7 

formige  Aushöhlungen  in  den  Kohlen  die  sich  im  Lichtbogen  bil- 
denden Gase  und  analysierte  dieselben.  Das  Gasgemenge  enthielt 
nicht  allein  Kohlensäure  und  Kohlenoxyd ,  sondern  auch  StickstoflFv^er- 
bindungen,  darunter  bei  Gegenwart  von  feuchter  Luft  Blausäure,  Cyan 
und  salpetrige  Säure.  Auf  solche  Bildungen  lässt  sich  wohl  der  schon 
häufig  bemerkte,  wahrscheinlich  aber  von  S.  Thompson^)  zuerst 
hervorgehobene  Geruch  der  Bogenlampen  zurückfuhren.  Thompson 
fügt  bei,  dass  im  Lichtbogen  von  40  bis  50  Volt  Spannung  nur  sehr 
geringe  Mengen  der  unangenehm  riechenden  und  giftigen  stickstoff- 
haltigen Verbindungen  entstehen,  während  diese  Mengen  bei  Licht- 
bogen von  hoher  Spannung  sich  rascher  wahrnehmbar  machen.  Glück- 
Kcherweise  seien  die  mehr  oder  weniger  giftigen 
Verbindungen  nur  in  geringer  Menge  auftretend. 
Erhält  man  längere  Zeit  den  Lichtbogen 
unter  gleichbleibenden  Bedingungen,  so  nehmen  die 
Kohlenstäbe  an  den  abbrennenden  Enden  eine  sta- 
tionäre Form  an.  Der  positive  wird  etwas  zuge- 
spitzt unter  Bildung  einer  kraterförmigen  Aushöh- 
lung am  unteren  Ende,  der  negative  aber  stark 
konisch  verjüngt.  In  nebenstehender  Fig.  3  ist 
eine  schematische  Zeichnung  der  Kohlenstifte  so- 
wie des  Lichtbogens  gegeben;  mit  Hilfe  derselben 
soll,  einer  Beschreibung  von  H.  Ayrton  *)  folgend, 
die  Form  der  Kohlen  und  die  Erscheinung  des 
Lichtbogens  nachgehend  geschildert  werden.  Die 
positive  obere  Kohle  leuchtet  in  der  Kraterhöh- 
lung (a)  am  stärksten  und  ist  dort  weissglühend; 
daran  schliesst  sich  ein  glatter,  immer  noch  leuch- 
tender Teil  (b)  an,  sodann  ein  rauhes  dunkleres  Yis.  8.  Gleichstrom- 
Band  (c)  und  noch  höher  ein  Kranz  von  Kugeln  (d).  Lichtbogen. 
Bei  der  negativen  Kohle  ist  die  Spitze  (e)  eben- 
falls weissglühend;  daran  reiht  sich  eine  glatte,  gelb  leuchtende 
Fläche  (f),  dann  ein  rauher,  mit  sehr  der  kleinen  Kugeln  be- 
deckter rötlich  gelber  Teil  (g)  und  endlich  ein  Kranz  von  Kugeln  (h), 
welche  jedoch    etwas  kleiner    sind   als   die    an   der   positiven  Kohle. 


')  S.  Thompson,  Journ.  of  the  Soc.  of  Arts  1895. 

^  H.  H.  Ayrton,  The  Electrisian  1895,  I.,  p.  319,  335,  851,  364,  399, 
471,  541,  596,  610;  IL,  p.  418,  635,  743  und  1896,  p.  36,  225,  539.  Wie  hier,  soll 
auch  im  folgenden,  wenn  nicht  ein  besonderes  Citat  gegeben,  immer  die  Veröffent- 
lichung von  H.  Ayrton  gemeint  sein. 


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8  Ernst  Voit. 

An  dem  Lichtbogen  sind  hauptsächlich  der  äussere  grünliche  Teil  (i) 
und  der  innen  liegende  violette  (k)  zu  unterscheiden,  welche  durch 
ein  schwarzes  Band  (1)  getrennt  sind.  Die  an  beiden  Kohlen  sich 
absetzenden  Kugeln  können  bei  der  hohen  Temperatur  des  Licht- 
bogens aus  dem  den  Kohlen  bei  der  Fabrikation  zugemengten  Teer 
und  Sirup  oder  auch  aus  der  schmelzenden  Kohle  selbst  sich  bilden. 
An  den  oben  erwähnten  rauhen  Stellen  sind  die  Kugeln  durch  Ab- 
schmelzen kleiner  geworden,  an  den  glatten  Flächen  vollständig  zu- 
sammengeschmolzen. 

Ayrton  macht  darauf  aufmerksam,  dass  der  stationäre  Zustand 
bezüglich  der  Form  der  Kohlen  meist  erst  nach  sehr  langer  Zeit  ein- 
tritt; deshalb  ist  klar,  dass  viele  Beobachtungen,  bei  welchen  hierauf 
keine  Rücksicht  genommen  wurde,  für  eine  Reihe  von  Schlüssen  voll- 
kommen unbrauchbar  sind  und  manche  Versuchsresultate  scheinbar 
ganz  unerklärliche  Unregelmässigkeiten  zeigen. 

Um  eine  bestimmte  Definition  der  Lichtbogenlänge  einzuhalten, 
wollen  wir,  wie  das  auch  Ayrton  annahm,  im  allgemeinen  imter 
Bogenlänge  den  vertikalen  Abstand  zwischen  der  Kante  des  Kraters 
an  der  positiven  Kohle  und  der  Spitze  der  negativen  Kohle  verstehen. 
Es  ist  selbstverständlich,  dass  dieser  Bezeichnung  gemäss  eine  Bogen- 
länge Null  nicht  einer  Berührung  beider  Kohlen  entspricht,  da,  von 
der  Stellung  Null  ausgehend,  die  Spitze  der  negativen  Kohle  noch 
um  die  ganze  Kratertiefe  gegen  die  positive  Elektrode  bewegt  werden 
müsste,  bis  eine  Berührung  mit  der  positiven  Kohle  eintreten  könnte. 

Endlich  sei  noch  erwähnt,  dass  ein  Lichtbogen  ohne  Geräusch 
»ruhig"  oder  auch  mit  Geräusch  „zischend*  brennen  kann. 

Wir  wollen  nun  sowohl  für  den  ruhigen  wie  für  den  zischen- 
den Gleichstrom-Lichtbogen  in  eingehender  Weise  betrachten:  1.  Die 
Form  der  Kohlen,  2.  die  elektrischen  Grössen  des  Lichtbogens  und 
8.  die  Lichtausstrahlung. 


1.  Form  der  Kohlenenden  nach  Bildung  eines  stationären 

Lichtbogens. 

Eine  genaue  Bestimmung  der  Form  der  Kohlenenden  ist  schon 
deshalb  mit  grossen  Schwierigkeiten  verbunden,  weil  alle  üngleich- 
fSrmigkeiten  in  dem  Material  der  Elektroden  auch  Unregelmässigkeiten 
im  Abbrennen  der  Kohlen  bedingen;  femer  aber  hat  man,  wie  schon  er- 
wähnt, grosse  Sorgfalt  darauf  zu  verwenden,  dass  die  Form  für  einen  be- 
stimmten Zustand,  z.  B.  bestimmte  Stromstärke  und  Bogenlänge,  sich 


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Der  elektrische  Lichtbogen. 


vollständig  richtig  ausgebildet  hat,  was  nur  dann  erfolgt,  wenn  man 
längere  Zeit,  oft  über  eine  halbe  Stunde,  'einen  vollkommen  gleich- 
massigen  Zustand  erhalten  hat.  Selbst  bei  genauester  Einhaltung  der 
oben  angegebenen  Bedingungen  werden  Messungen,  insbesondere  an 
dem  Krater,  durch  kleine  Erhöhungen  an  den  Kanten  sowie  durch 
Unregelmässigkeiten  in  der  Höhlung  ausserordentlich  erschwert,  so 
dass  nur  Resultate  von  geringer  Genauigkeit  zu  erzielen  sind. 

Beide  Kohlen,  die  positive  und  die  negative,  verjüngen  sich 
gegen  ihr  Ende  hin  konisch.  Genauere  Angaben  über  die  Schärfe 
der  Zuspitzungen  sind  bisher  wenige  gemacht  worden.  Ayrton 
hebt  folgende  Beobachtungen  hierüber  hervor.  Bei  grossem  Strom 
brennen  beide  Kohlen  von  den  Enden  aus  weiter  ab  als  bei  geringem 
Strom;  und  insbesondere  spitzt  sich  die  negative  Kohle  immer  mehr 
zu,  je  kürzer  der  Bogen  und  je  grösser  der  Strom  wird.  Es  scheint, 
dass  die  Erhitzung  der  negativen  Kohle  hauptsächlich  durch  Strahlung 
der  positiven  Kohle  imd  ferner  durch  die  von  der  positiven  nach  der 
negativen  Kohle  übergeführten  heissen  Kohlenteilchen  herrührt.  Bei 
kleinem  Strom  wird  deshalb  die  durch  Abbrennen  erzeugte  Spitze  an 
der  negativen  Kohle  kurz  und  stumpf,  bei  grossen  Stromstärken  da- 
gegen länger  und  schlanker.  Auch  die  positive  Kohle  wird  bei  kurzem 
Lichtbogen  mehr  zugespitzt  als  bei  längerem  Bogen ;  sie 
wird  nämlich  verzehrt  sowohl  durch  Verflüchtigung  von 
Kohle  wie  auch  durch  Verbrennen  in  der  Luft.  Die 
Verflüchtigung  von  Kohle  muss  hauptsächlich  an  der 
Krateroberfläche  erfolgen  und  wird  je  nach  ihrer  Stärke 
die  mehr  oder  weniger  tiefe  Höhlung  des  Kraters  be- 
dingen. Die  Verbrennung  aber  muss  da,  wo  die  hoch 
erhitzte  Kohle  mit  Lufb  in  Berührung  kommen  kann, 
also  hauptsächlich  am  Bande  des  Kraters,  stattfinden,  so 
dass  das  untere  Ende  der  Kohle  rascher  als  die  höher 
hegenden  Seitenwände  derselben  abbrennen.  Bei  grosser 
Sti'omstärke  und  insbesondere  bei  kurzem  Lichtbogen 
werden  die  im  Krater  sich  bildenden  flüchtigen  Kohlen- 
teilchen immer  mehr  nach  der  Seite  hingedrängt,  so 
dass  auch  die  Seitenflächen  so  stark  sich  erhitzen,  dass 
sie  verbrennen,  wodurch,  wie  schon  erwähnt,  die  posi- 
tive Kohle  am  unteren  Ende  sich  immer  mehr  zuspitzt. 
An  der  negativen  Kohle  zeigt  sich  endlich  bei  sehr 
kurzem  Lichtbogen  noch  eine  aufgesetzte  Spitze,  ein  »Pilz",  wie  in 
der  nebenstehenden  Fig.  4  ersichtlich  ist.     Sylv.  Thompson  sieht 


+ 


Fig.  4.   Kurzer 
Lichtbogen. 


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10 


Ernst  Voit. 


diese  Spitze  als  charakteristisch  für  einen  zischenden  Lichtbogen  an, 
während  H.  Ayrton  nachweist,  dass  derselbe  auch  bei  ruhigem  Bogen 
und  jeder  Stromstärke  immer  dann  eintritt,  wenn  der  Lichtbogen  ge- 
nügend kurz  ist.  Es  wird  nach  Ansicht  von  Ayrton  der  Pilz  durch 
Kohle  gebildet,  die  sich  auf  der  negativen  Elektrode  von  dem  Krater 
her  auflagert.  Wenn  man  den  Bogen  verlängert,  erreicht  immer 
weniger  Kohle,  die  aus  dem  Krater  gegen  die  negative  Spitze  ge- 
schleudert wird,  die  negative  Elektrode,  und  der  Pilz  wird  immer 
kleiner,  bis  er  endlich  verschwindet.  Von  grosser  Bedeutung  ist  die 
Form  der  Krateraushöhlung  an  der  positiven  Kohle,  weshalb  Ayrton^) 


:4rt--:it 


:^^- 


rrrrt^rrrr  Tttx  :rnr  rrtr 
—^TT^f  ^St:  z:^-i-  inr; 


±: 


Fig.  5.    Kratertiefen  für  verschiedene  Stromstärken. 

durch  eine  eingehende  Untersuchung  die  Abhängigkeit  dieser  Krater- 
form bei  Dochtkohlen  von  der  Stromstärke  und  der  Bogenlänge,  mit 
welcher  der  Lichtbogen  betrieben  wurde,  feststellte.  Die  für  die  Krater- 
tiefe gewonnenen  Resultate  sind  in  Fig.  5  zusammengestellt.  Man 
sieht  daraus,  dass  die  Kratertiefe  bei  gleicher  Stromstärke  mit  ge- 
ringer werdender  Bogenlänge  zunimmt.  Die  erhaltenen  Mittelwerte 
sind  nämlich 


*)  Ayrton  a.  a.  0. 


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Der  elektrische  Lichtbogen.  XX 

für  1  mm  Bogenlänge:   1,36  mm  Kratertiefe 

n     3    „  ,  0,98    « 

»     6    „  „  0,67    „ 

Auch  von  der  Stromstärke  scheint  die  Kratertiefe  abhängig  zu 
sein;  wenigstens  lassen  die  Kurven  in  Fig.  5  schliessen,  dass  ftir  jede 
Bogenlänge  bei  einer  bestinmiten  Stromstärke  ein  Maximum  der  Krater- 
tiefe auftrete,    femer  aber,   dass  das  Maximum  bei  grösseren  Bogen- 


Fig.  6.    Kraterdurchmesser  für  verschiedene  Stromstärken. 

längen  immer  weniger  ausgesprochen  wird,  und  dass  dieser  Maximal- 
wert für  geringere  Bogenlängen  immer  erst  bei  höheren  Strom- 
stärken eintritt.  • 

Wie  die  Kratertiefe  ist  auch  die  Kraterweite  veränderlich;  ge- 
nauere Angaben  darüber,  wie  der  Durchmesser  des  Kraters  mit  der 
Bogenlänge  und  der  Stromstärke  sich  ändert,  hat  ebenfalls  Ayrton 
gemacht.  Die  Resultate  dieser  Beobachtungen,  welche  an  zwei  ver- 
schiedenen Kohlenpaaren  ausgeführt  wurden,  sind  in  den  Fig.  6  und  7 
wiedergegeben.  Die  positiven  Kohlen  waren  in  beiden  Fällen  Docht- 
kohlen ,  und  zwar  von  13  mm  Durchmesser,  die  negativen  Homogen- 
kohlen von  11  mm .  Durchmesser.  Für  das  erste  Kohlenpaar  wurden 
die  Kraterdurchmesser  für  Lichtbogenlängen  von  1,  2,  3,  4  und  6  mm 
und  für  Stromstärken- von  4,  7,  10,  15,  20,  22  Amp.  ausgemittelt; 
die  Kurve  ftir  jede  Bogenlänge  ist  sehr  nahe  einer  geraden  Linie,  die 
für  1 ,   2  und  3  mm   enthaltenen  Geraden   sind  fast  zusammenfallend, 


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12 


Ernst  Voit. 


die  flir  4  und  6  mm  Bogenlänge  zeigen  jedoch,  dass  die  Geraden 
immer  grössere  Winkel  mifc  der  Abscissenachse  für  steigende  Bogen- 
längen bilden,  so  dass  sich  dieselben  nahe  in  einem  Punkte  der 
Ordinatenachse  treflfen.  Die  Unterschiede  sind  jedoch  so  gering,  dass 
ohne   grossen  Fehler  alle  Kurven    durch    eine    gerade   Linie   ersetzt 


Fig.  7.    Eraterdurchmesser  für  verschiedene  Stromstärken. 

werden  können,  welche  in  Fig.  6  durch  eine  ausgezogene  Linie  einge- 
zeichnet ist  und  durch  die  Gleichung 

D  =  3,2  -f-  0,15  A 

dargestellt  werden  kann.  D  bedeutet  den  Kraterdurchmesser  in  Milli- 
meter und  A  die  Stromstärke  in  Arnj^re.  An  dem  zweiten  Kohlen- 
paar wurden  folgende  Resultate  gewonnen: 


Betriebs- 

Gemessene  Krater durchmesser 

Stromsiärke 

in  Millimeter 

in 

für  Bogenlängen  von 

Ampere 

2  mm                     4  mm 

4 

3,8                          — 

7 

4,2                         4,4 

10 

4,75                      4,9 

15 

5,6                        5,8 

20 

6,45                      6,6 

25 

7,25                      7,0 

Es  sind  diese  Beobachtungen  in  Fig.  7  eingetragen  und  lassen 
sich  sehr  genau  für  die  Bogenlänge  von  2  mm   durch  die  Gleichung 


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Der  elektrische  Lichtbogen.  13 


D  =  3,2  +  0,162  A  und  für  die  Bogenlänge  von  4  mm  durch 
D  =  3,2  +  0,172  A  darstellen;  ohne  grossen  Fehler  kann  man  auch 
den  in  Fig.  7  gezeichneten  Mittelwert  D  =  3,2  -f-  0,166  A  benützen. 

Wie  aus  Fig.  6  ersichtlich,  gelten  die  linearen  Gleichungen  nur 
für  ruhigen  Lichtbogen ;  zischende  Lichtbogen  geben  betrachtliche  Ab- 
weichungen, welche  jedoch  eine  Begelmässigkeit  nicht  erkennen  lassen. 
Zweifelhaft  bleibt  es  femer,  ob  für  Stromstarken  unter  4  Ampere, 
für  welche  Ayrton  bisher  keine  Versuche  ausführte,  die  Kraterdurch- 
messer bei  immer  kleineren  Stromstärken  dem  Grenzwerte  3,2  oder 
einem  geringeren  Werte,  etwa  der  Null,  sich  nähern.  Ayrton  will 
die  Entscheidung  dieser  Frage  durch  eigene  Versuche  treflfen. 

Als  Hauptresultat  der  Untersuchung  über  die  Eraterform  ist  zu 
bezeichnen,  dass  für  einen  ruhigen  Lichtbogen  und  für  Stromstärken 
über  4  Ampere  der  Eraterdurchmesser  bei  allen  Lichtbogenlängen 
eine  lineare  Funktion  der  Betriebsstromstärken  bildet.  Es  stimmt  dies 
mit  den  Angaben  von  S.  Thompson  nicht  vollständig  überein, 
welche  nämlich  dahin  gehen,  dass  der  Flächeninhalt  des  Eraters  mit 
der  Stromstärke  proportional  sei.  Dieser  Ausspruch  von  S.  Thompson 
erscheint  durch  Beobachtungen  von  Andrews^)  gestützt.  Wenn  D 
den  Eraterdurchmesser  in  Zoll,  F  die  Eraterfläche  in  Quadratzoll,  und 
A  die  Betriebsstromstärke  in  Ampere  bedeutet,  ist  nach  den  Ver- 
suchen von  Andrews 

D  = 

F  = 

A  = 

und  somit  ist 

^    =    0,00196     0,00202     0,00192     0,00196     0,00199 

Es  ist  jedoch  fraglich,  ob  die  von  Andrews  gewonnenen 
Resultate  ganz  zuverlässig  sind,  da  es  zweifelhaft,  ob  er  vor  den 
Messungen  den  stationären  Zustand  des  Eraters  genügend  abwartete. 
H.  Ayrtons  Beobachtungen,  bei  welchen  diese  Bedingung  sicher  er- 
füllt war,  lassen  einen  so  einfachen  Zusammenhang  zwischen  Erater- 
fläche und  Stromstärke  nicht  erkennen.  Nimmt  man  nämlich  als  In- 
halt der  Eraterfläche  die  Ereisfläche  an,  welche  durch  die  Eanten- 
linie  des  Eraters  gebildet  ist,  so  wird  dieser  Flächeninhalt  F,  wenn 
man  den  mittleren  durch  die  Beobachtungen  Ayrtons  gefundenen 
Wert  D  der  Eraterdurchmesser,  nämlich  D  =  3,2  +  0,16  A  zu  Grunde 


0,140 

0,156 

0,266 

0,326 

0,453 

0,0176 

0,0243 

0,0556 

0,0825 

0,1602 

9 

12 

29 

42 

81 

*)  Andrews,  La  Lumi^re  1880,  11,  p.  463. 


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14 


Emst  Voit. 


legt,  F  =  8,04  +  0,80  A  +  0,02  A\  Ob  etwa  der  Inhalt  der  wahren 
Kraterfläche  proportional  der  Stromstärke  sei,  ist  noch  nicht  zu  ent- 
scheiden, da  eine  genaue  Ausmessung  der  Kraterhöhle  noch  nicht 
vorliegt,  von  Ayrton  jedoch  beabsichtigt  ist. 

2.  Die  elektrischen  Grössen  des  Lichtbogens. 

a)   Ruhiger  Lichtbogen. 

Der  Zusammenhang  der  elektrischen  Grössen  des  Lichtbogens, 
nämlich  der  Spannungsdifferenz  an  seinen  Enden,  der  Stromstärke  so- 
wie des  scheinbaren  Widerstandes  untereinander  und  mit  der  Bogen- 
länge wurde  von  verschiedenen  Beobachtern  studiert.  Die  älteren 
Untersuchungen  konnten  jedoch,  wie  schon  erwähnt,  allgemein  giltige 
Relationen  nicht  liefern,  da  früher  nicht  darauf  geachtet  wurde,  dass 
die  Form  der  Kohlen  vor  Beobachtung  der  Spannungsdifferenz  schon 
eine  für  den  verlangten  Strom  und  Bogenlänge  normale  geworden  ist. 


Fig.  8.    Spannungsdifferenz  ftLr  verschiedene  Stromstärken  (Dochtkohlen). 

H.  Ayrton,  welcher  zuerst  auf  die  Notwendigkeit  einer  genauen  Ein- 
haltung dieser  Bedingung  aufmerksam  machte,  lieferte  auch  durch 
neuere  Untersuchungen  die  einzigen  vollkommen  tadelfreien  Resultate. 
An  Hand  dieser  Beobachtungen  von  H.  Ayrton  soll  vor  allem  der 
Zusammenhang  zwischen  Spannungsdifferenz  des  Lichtbogens  und  der 
Betriebsstromstärke  bei  konstanter  Bogenlänge  betrachtet  werden. 

Sowohl  bei  Homogenkohlen  wie  bei  Dochtkohlen  wird  für  eine 
gegebene  Stromstärke  und  eine  bestimmte  Bogenlänge  nach  kürzerer 
oder  längerer  Zeit  die  Spannungsdifferenz  konstant.  Dieser  Behar- 
rungszustand ist  dann  erreicht,  wenn  die  der  betreffenden  Bogenlänge 
und  Stromstärke   entsprechende  Form  der  Kohlen  sich   gebildet  hat. 


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Der  elektrische  Lichtbogen.  15 

wobei  hauptsächlich  die  Form  der  positiven,  weniger  die  der  negativen 
von  Einfluss  ist.  Je  kürzer  der  Lichtbogen  und  je  kleiner  die  Strom- 
starke, desto  längere  Zeit  wird  verfliessen,  bis  ein  stationärer  Zustand 
in  der  Spannungsdiflferenz  eingetreten  ist.  Seh  wen  dl  er  ^)  hatte,  wie 
Ayrton  angibt,  im  Jahre  1879  aus  seinen  Beobachtungen  gefolgert, 
dass  die  SpannungsdifFerenz  zwischen  den  beiden  Kohlen  für  eine  be- 
stimmte Bogenlänge  unabhängig  vom  Betriebsstrom  sei.  Dieses  Resultat 
schien  durch  die  Beobachtungen  von  Ayrton  und  Perry  *)  bestätigt 


Fig.  9.  Spannangsdifferenz  für  verschiedene  Stromstärken  (Docht-  u.  homogene  Eohle). 

zu  werden.  Erst  die  neueren  Untersuchungen  von  H.  Ayrton  zeigen, 
dass  nur  innerhalb  gewisser  Grenzen  die  Spannungsdifferenz  von  der 
Stromstärke  unabhängig  ist,  und  dass  eine  Verschiedenheit  auftritt,  je 
nachdem  man  zwei  Dochtkohlen,  eine  positve  Docht-  und  eine  negative 
Homogenkohle,  oder  zwei  Homogenkohlen  verwendet. 

In  Fig.  8  ist  für  zwei  Dochtkohlen,  eine  positive  von  18  mm 
und  eine  negative  von  15  mm  Durchmesser,  der  Zusammenhang 
zwischen  Spannungsdifferenz  und  Stromstärke  bei  verschiedenen  Licht- 
bogenlängen dargestellt.  Man  sieht  aus  dieser  Figur,  dass  für  Strom- 
stärken über  5  Ampere  und  Bogenlängen ,  welche  grösser  als  0,7  mm  sind, 
die  Spannungsdifferenzen  mit  wachsender  Stromstärke  abnehmen ,  da- 
gegen bei  Bogenlängen  unter  0,7  mm  mit  grösseren  Stromstärken  zu- 
nehmen.    Fast  unabhängig   von  der  Stromstärke  ist  die  Spannungs- 

^)Schwendler,  The  Electrician  2,  1879,  p.  107  u.  117. 
^  Ayrton  and  Perry,  Proc.  Phya.  Soc.  1882,  5,  p.  197. 


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16 


Ernst  Voit 


differenz,  wenn  die  Bogenlänge  von  0,7  mm  eingehalten  wird;  nur 
bei  sehr  kleinen  Stromstärken,  nämlich  solchen,  die  unter  5  Ampere 
liegen,  nimmt  die  Spannimgsdifferenz  rasch  mit  wachsender  Strom- 
stärke ab.  Wie  bei  der  Bogenlänge  von  0,7  mm  ist  der  erwähnte 
rasche  Spannungsabfall  auch  fOr  alle  übrigen  Bogenlängen  ersichtlich. 
Aehnliche,  wenn  auch  nicht  ganz  gleiche  Resultate  liefern  Beobach- 
tungen mit  nur  einer  Dochtkohle.  Wenn  man  z.  B.  eine  positive 
Dochtkohle  von  9  mm    und  eine  negative  Homogenkohle  von  8  mm 


Fig.  10.    SSpannungsdifferenz  für  verschiedene  Bogenlängen  (Dochtkohlen). 

Durchmesser  verwendet,  erhält  man  die  Kurven  in  Fig.  9.  Auch  in  diesem 
Falle  ist  bei  sehr  geringer  Stromstärke,  auch  etwa  bis  5  Ampere,  ein 
rascher  Abfall  der  Spannungsdifferenz  mit  steigender  Stromstärke  nach- 
zuweisen; dagegen  ist  flir  keine  Bogenlänge  die  Spannungsdifferenz 
so  unabhängig  von  der  Stromstärke  wie  filr  zwei  Dochtkohlen  bei 
der  Bogenlänge  von  0,7  mm.  Es  ist  dieser  Unterschied,  der  bei  Be- 
nützung zweier  Dochtkohlen  oder  einer  Dochtkohle  mit  Homogen- 
kohle sich  zeigt,  noch  deutlicher  zu  erkennen,  wenn  man,  wie  in  den 
Fig.  10  und  11,  die  Bogenlängen  als  Abscissen  und  die  Spannungs- 
differenzen als  Ordinaten  aufträgt.  In  Fig.  10  (für  zwei  Dochtkohlen) 
schneiden  sich  die  für  5  bis  25  Ampere  gezogenen  Kurven  sehr  nahe  in 
einem  Punkte  und  sind  die  Koordinaten  desselben  41  Volt  und 
0,7  mm ;  nur  die  Kurve  für  eine  Stromstärke  von  3  Ampere  hat  nicht 
den  gleichen  Schnittpunkt  mit  den  übrigen  Kurven.  Im  Gegensatze 
hiezu  schneiden  sich  in  Fig.  11  (für  eine  Docht-  und  eine  Homogen- 
kohle) die  Kurven  nicht  in  einem  Punkte,  wenn  sie  auch  für  eine 
Bogenlänge  von  etwa  1,25  mm  näher  aneinander  gerückt  sind  als  fUr 
die  anderen  Längen ;  die  für  3  Ampere  giltige  Kurve  zeigt  auch  bei 
diesen  Kohlen  eine  beträchtlichere  Verschiebung  des  Schnittpunktes 
als  die  Kurven  für  die  anderen  Stromstärken.     Auf  die  in  den  Fig.  9 


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Der  elektrische  Lichtbogen. 


17 


und  10  gezeichneten  Kurvenstücke,  welche  sich  auf  den  unsteten  Zu- 
stand und  den  zischenden  Bogen  beziehen,  wird  später  noch  zurück- 
gekommen werden.  Sind  endlich  beide  Kohlen  homogen,  so  gibt  es 
keine  Bogenlänge,  *für  welche  die  Spannungsdiflferenz  auch  nur  an- 
nähernd  von    der   Stromstärke   unabhängig   ist.    dagegen    findet    der 


Fig.  11.    Spannungsdifferenz  für  verschiedene  Bogenlängen 
(Docht-  und  Homogenkohle). 

i-asche  Spannungsabfall  bei  geringen  Stromstärken  auch  bei  zwei 
homogenen  Kohlen  statt.  Beides  ist  aus  Fig.  12  ersichtlich,  in  welcher 
für  alle  Bogenlängen  die  Spannungsdifferenzen  mit  wachsender  Strom- 
stärke abnehmen  und  bei  geringen  Stromstärken,  unter  5  Ampere, 
eine  rasche  Spannungsabnahme  mit  wachsender  Stromstärke  eintritt. 
Noch  deutlicher  zeigt  Fig.  13,  dass  für  diese  Homogenkohlen  bei 
keiner  Bogenlänge  die  Spannungsdifferenz  von  der  Stromstärke  unab- 
hängig ist,  da  die  für  die  verschiedenen  Ströme  gezogenen  Kurven  sich 
überhaupt  nicht  im  positiven  Teile  des  Koordinatensystems  schneiden, 
wie  dies  ja  in  den  vorausgehenden  Fällen,  in  welchen  eine  oder 
beide  Kohlen  gedochtet  waren,  stattfand. 

H.  Ayrton  hatte  bei  den  Beobachtungen  mit  Dochtkohlen  den 
Durchmesser  der  Kohlen  sehr  geändert,  dennoch  konnte  ein  wesent- 
licher Einfluss  des  Querschnittes  der  Dochtkohlen  auf  die  zur  Bildung 
des  Lichtbogens  notwendige  Spannungsdifferenz  nicht  nachgewiesen 
werden.  In  beträchtlichem  Masse  bestimmt  aber  das  Material  der 
Elektroden  jene  Spannungsdifferenz.  Wie  obep  erwähnt,  hatten  schon 
Orove  und  Gasseimann  gezeigt,  dass  eine  Beimengung  von  Salzen 

Sammlang  elektrotechnischer  Vorträge.  I.  2 


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18 


Ernßt  Voit. 


ZU  den  Kohlen  dann,  wenn  die  Salze  bei  der  Temperatur  des  Licht- 
bogens sich  verflüchtigen,  eine  grössere  Entfernung  der  Elektroden 
gestatten  oder,  was  das  Gleiche,  bei  derselben  Bogenlänge  nur  eine 
geringere  Spannungsdiflferenz  erfordern.  Aus  den  angegebenen  Ver- 
suchen von  H.  Ayrton  ist  nun  auch  zu  folgern,  dass  es  einen  Unter- 
schied bedingt,  ob  die  Kohlen  homogen  oder  ob  sie  gedochtet  sind. 
Wenn  beide  oder  nur  eine  der  Kohlen  einen  Docht  hat,  bedarf  der 
Lichtbogen  bei  gleicher  Länge  und  gleicher  Betriebsstromstärke  eine 


Fig.  12.    Span  nun  gsdifferenz  für  verschiedene  Stromstärken  (Homogenkohlen). 

etwa  3  bis  6  Volt  geringere  Spannungsdifferenz,  als  wenn  man  Homo- 
genkohlen anwendet ;  dabei  ist  die  Verminderung  der  Spannungsdiffe- 
renz bei  kurzen  Lichtbogen  grösser  als  bei  langen  und  bei  sehr  ge- 
ringen Stromstärken  bedeutender  als  bei  grösseren. 

Die  bisherigen  Resultate  kurz  zusammenfassend,  ist  nachgewiesen, 
dass  bei  Anwendung  von  Docht-  oder  Homogenkohlen  für  Strom- 
stärken unter  5  Ampere  die  Spannungsdifferenz,  welche  den  Strom 
durch  eine  bestimmte  Lichtbogenlänge  sendet,  mit  steigender  Strom- 
stärke rasch  abnimmt,  dass  femer  bei  Verwendung  von  zwei  Homo- 
genkohlen für  alle  Bogenlängen  die  Spannung  abnimmt,  wenn  die 
Stromstärke  über  5  Ampere  steigt,  bei  zwei  Dochtkohlen  dagegen  für 


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Der  elektrische  Lichtbogen. 


19 


eine  bestimmte  Bogenlänge  die  Spannung  konstant  bleibt,  wie  sich 
auch  die  Stromstärke  ändert,  für  kleinere  Bogenlängen  zunimmt  und 
für  grössere  ünmer  kleiner  wird.  Benützt  man  eine  positive  Docht - 
und  eine  negative  Homogenkohle,  so  ist  für  keine  Bogenlänge  die 
Spannung  konstant,  sie  nimmt  für  geringe  Bogenlängen  fortwährend 
mit  steigender  Stromsjtärke  zu  imd  für  grössere  Bogenlängen  anfang- 
lich allmählich  ab,  um  dann  wieder  zu  wachsen.  Der  Querschnitt  der 
Homogenkohle  beeinflusst  die   Spannung   nicht  wesentlich;    dagegen 


Fig.  18.    Spannuiigsdifferenz  für  verschiedene  Bogenlängen  (Homogenkohlen). 

veranlassen  die  Dochtkohlen  gegenüber  den  Homogenkohlen  ein 
Sinken  der  Spannung,  insbesondere  bei  kurzen  Lichtbogen  und  ge- 
ringen Stromstärken.  Dass  bei  sehr  kleinen  Stromstärken  ein  rascher 
Abfall  der  Spannungsdifferenz  stattfindet,  dürfte  sich  daraus  erklären, 
d^ss  bei  inmier  kleineren  Stromstärken  der  Lichtbogen  eine  grössere 
Abkühlungsfläche  gegenüber  seinem  Querschnitte  darbietet,  so  dass 
man  zur  Deckung  dieses  relativ  immer  beträchtlicheren  Wärmebedarfes 
eine  grössere  Spannungsdifferenz  notwendig  hat.  Bei  grösseren  Strom- 
stärken werden  die  Aenderungen  im  Lichtbogen  verwickelter,  dürften 
jedoch  ebenfalls  die  oben  erwähnten  Spannungsänderungen  bedingen. 
Dass  endlich  die  Spannung  von  dem  Material  der  Elektroden  abhängt, 
ist  darauf  zurückzuführen,   dass  bei   einem  geringeren  Enei^everlust 


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£rn8t  Voit 


für  die  Verflüchtigung   des  Elektrodenmaterials   auch   eine    geringere 
Spannungsdifferenz  notwendig  ist. 

Während  im  vorausgehenden  bei  einer  bestimmten  Bogenlänge 
die  notwendige  Spannungsdifferenz  für  Erzielung  einer  gewissen  Strom- 
stärke betrachtet  wurde,  kann  man  auch  den  Quotienten  aus  Spannungs- 
differenz und  zugehöriger  Stromstärke,  den  man  bekanntlich  als  schein- 
baren Widerstand  des  Lichtbogens  bezeichnet,  berechnen,  um  so  den 
Zusammenhang    zwischen    scheinbarem    Widerstand   und    Länge    des 


Fig.  14.    Widerstand  für  verschiedene  Bogenlängen  und  Stromstärken 
(Homogenkohlen) . 

Lichbogens  zu  erhalten.  M.  Gross  und  Shepard^)  haben  solche 
Widerstandskurven  im  Jahre  1886  für  Homogenkohlen  konstruiert,  in- 
dem sie  die  Lichtbogenlängen  als  Abscissen  und  die  Quotienten  aus 
Spannungsdifferenz  und  Stromstärke  als  Ordinaten  auftrugen.  Sie 
fanden  in  allen  Fällen  gerade  Linien,  so  dass  sie  den  scheinbaren 
Widerstand  als  eine  lineare  Funktion  der  Bogenlänge  betrachten  und 
durch  die  Formel  0  =  a  +  b  L 

')  Gross  and  Shepard,   Proceedings   of  the  Americ.  Acad.  of  Arts  and 
Science  1886,  16.  Juni. 


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Der  elektrische  Lichtbogen 


21 


darstellen  konnten,  wobei  0  den  scheinbaren  Widerstand,  L  die  Licht- 
bogenlänge und  ferner  a  und  b  Konstanten  bedeuten,  welche  aber  von 
der  Bescha£fenheit  der  Kohlen  und  der  Stromstärken  abhängig  sind. 
Das  gleiche  Resultat  hat  auch  H.  Ayrton  für  Homogenkohlen  er- 
halten ,   wie   man   aus   Fig.  14    erkennen    kann ,   in    welcher    die    in 


Fig.  15.    Widerstand  für  verschiedene  Bogenlängen  und  Spannungen 
(Homogenkohlen). 

Fig.  12  schon  verwendeten  Beobachtungen  zur  Darstellung  benützt 
sind.  Die  gleichen  Beobachtungen  sind  in  Fig.  15  so  verwertet, 
dass  für  bestimmte  Spannungsdifferenzen ,  nämlich  für  50  bis 
75  Volt,  Kurven  konstruiert  wurden,  deren  Punkte  als  Koordination 
wie  in  Fig.  14  Länge  und  Widerstand  des  Lichtbogens  haben;  es 
sollen  diese  Kurven  hauptsächlich  zur  Vergleichung  mit  den  nachher 
zu  erwähnenden  entsprechenden  Kurven  für  Dochtkohlen  dienen.  Die 
weiteren    Beobachtungen    von    H.   Ayrton    an    Dochtkohlen    zeigen, 


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22 


Ernat  Voit. 


dass  sich  dieselben  etwas  verschieden  von  den  Homogenkohlen  ver- 
halten. Auch  hierüber  gibt  am  besten  eine  Zeichnung  Aufschluss; 
in  Fig.  16  ist  der  Zusammenhang  zwischen  Widerstand  und  Bogen- 
länge für  verschiedene  Stromstärken  dargestellt,  hier  in  gleicher  Weise 
für  Dochtkohlen  wie  in  Fig.  14  für  Homogenkohlen.  Man  sieht,  dass 
für   bedeutende  Stromstärken  der  Widerstand   ebenfalls    eine   lineare 


Fig.  16.  Widerstand  für  verschiedene  Bogenlängen  und  Stromstärken  (Dochtkohlen). 

Funktion  der  Bogenlänge  bildet,  dass  aber  bei  geringeren  Stromstärken 
dies  nur  dann  zutrifft,  wenn  die  Bogenlänge  gross  ist;  bei  kleineren 
Bogenlängen  findet  jedoch  zwischen  3  mm  und  1  mm  ein  rascher  Ab- 
fall des  Widerstandes  statt,  während  bei  noch  kürzeren  Bogenlängen 
als  1  mm  der  Widerstand  wieder  langsamer  abnimmt.  Es  sind  end- 
lich in  Fig.  17  für  verschiedene  Spannungsdifferenzen  aus  den  gleichen 
Beobachtmigen  an  Dochtkohlen  Kurven  konstruiert,  welche  wie  die 
unter  Fig.  15  für  Homogenkohlen  aufgeführten  als  Koordinaten  Bogen- 


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Der  elektrische  Lichtbogen.  23 

länge  und  Widerstand  haben.  Aus  den  Kurven  der  Fig.  17  ist  zu 
folgern,  dass  bei  konstanter,  über  46,5  Volt  liegender  Spannungs- 
differenz der  Widerstand  des  Lichtbogens  mit  wachsender  Bogenlänge 
sich  immer  vermindert,  dass  bei  Spannungen  unter  46,5  Volt  ein 
Maximalwiderstand  nicht  überschritten  werden  kann  und  nun  bei 
einer  Verminderung  der  Bogenlänge  der  Widerstand  ebenfalls  kleiner 
wird.  Für  einige  Bogenlängen  können  somit  bei  gleicher  Span- 
nungsdifferenz zwei  verschiedene  Widerstände  auftreten,  z.  B.  für 
eine  und  dieselbe  Spannung  von  43,5  Volt  und  die  Bogenlänge  von 
2  mm  ein  scheinbarer  Widerstand  von  1,6  und  ein  solcher  von  4,8  Ohm. 
Der  Verlauf  der  entsprechenden  Kurven ,  welche  fiir  Homogenkohlen 
gewonnen  wurden,  unterscheidet  sich  wesentlich,  da  fttr  alle  Spannungs- 
differenzen mit  wachsender  Bogenlänge  die  scheinbaren  Widerstände 
abnehmen.  Es  können  somit  für  den  scheinbaren  Widerstand  des  Licht- 
bogens folgende  Sätze  ausgesprochen  werden.  Bei  Einhaltung  konstanter 
Stromstärke  und  Benützung  von  Homogenkohlen  ist  der  scheinbare 
Widerstand  eine  lineare  Funktion  der  Bogenlänge,  und  bei  Einhaltung 
konstanter  Spannung  nimmt  der  Widerstand  mit  wachsender  Bogen- 
länge immer  mehr  ab.  Wenn  man  Dochtkohlen  verwendet  und  die 
Stromstärke  konstant  hält,  findet  bei  kleineren  Bogenlängen  und  ge- 
ringeren Stromstärken  ein  rascher  Abfall  des  Widerstandes  statt,  und 
wenn  die  Spannung  konstant  gehalten  wird,  entspricht  nur  bei 
grösseren  Spannungswerten  ein  geringerer  Widerstand  immer  einer 
grösseren  Bogenlänge ;  bei  kleineren  Spannungswerten  dagegen  erreicht 
bei  einem  bestimmten  kleinen  Widerstand  die  Bogenlänge  einen  Maximal- 
wert und  entspricht  ein  noch  geringerer  Widerstand  wieder  einer 
kleineren  Bogenlänge.  Der  Widerstandsabfall  bei  Dochtkohlen  trifft 
zusammen  mit  der  rasch  wachsenden  Kratertiefe  (Fig.  5),  so  dass  wohl 
darin  diese  Unregelmässigkeit  ihre  Erklärung  finden  wird. 

Edlund^)  hat  zuerst  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  der 
Lichtbogen  sich  nicht  wie  ein  gewöhnlicher  Leiter  verhält,  bei  welchem, 
da  der  Querschnitt  konstant  bleibt,  der  Widerstand  der  Länge  des 
Leiters  direkt  proportional  ist.  Er  schloss  aus  seinen  Versuchen,  dass 
der  totale  scheinbare  Widerstand  eines  Lichtbogens,  nämlich  der 
Quotient  aus  der  Spannungsdifferenz  des  Lichtbogens  und  der  Strom- 
stärke, durch  die  Formel  0  =  a  +  b  L  ausgedrückt  werden  kann.  Dies 
veranlasste  E  dl  und  anzunehmen,   dass  in  dem  Lichtbogen  durch  die 


»)  Edlund,  Pogg.  Ann.  1867,  181,  p.  586;  1868,  188,  p.  353;  184,  p.  250 
u,  337;  1870,  189,  p.  354. 


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24 


Ernst  Voit. 


Zerstäubung  der  Kohlenteilchen  eine  elektromotorische  Gegenkraft 
hervorgerufen  werde,  und  er  berechnete  diese  elektromotorische  Gegen- 
kraft aus  dem  scheinbaren  Widerstand  durch  Multiplikation  mit  der 
jeweiligen  Stromstärke.  Es  ist  ja  die  Spannung  V  nach  dem  Ohmschen 


Fig.  17.  Widerstand  für  verschiedene  Bogenlängen  und  Spannungen  (Dochtkohlen). 

Gesetz  gleich  dem  Produkt  aus  der  Stromstärke  A  und  dem  Wider- 
stand 0,  also  wird:  V  =  AO  =  aA  +  hAL.  Da,  wie  schon  oben 
angegeben,  a  von  der  Stromstärke  A  abhängt  und  zwar  umgekehrt  pro- 
portional mit  derselben  ist,  kann  man  nach  dem  Vorgange  von  Trölich 
für  aA  eine  von  der  Stromstärke  unabhängige  Konstante  m  setzen,  und 
für  b  A  kann  man  die  Bezeichnung  n  wählen  und  findet  so  V=  m  -fnL. 


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Der  elektrische  Lichtbogen. 


In  dieser  Formel  würde  m  die  von  Edlund  angenommene  gegen- 
elektromotorische Kraft  des  Lichtbogens  bedeuten.  Nach  Edlund 
beschäftigten  sich  zahlreiche  Forscher  damit,  nachzuweisen,  ob  eine 
gegenelektromotorische  Kraft  des  Lichtbogens  vorhanden  oder  ob  die 
Gleichung  V  =  m  +  nL  in  anderer  Weise  zu  erklären  ist,  und  femer 
suchte  man  die  Werte  der  Konstanten  m  und  n  auszumitteln. 

Edlund  glaubte  aus  seinen  Versuchen  auf  eine  Polarisation  des 
Lichtbogens  schliessen  zu  dürfen,  er  hatte  nämlich  ^jso  Sekunde  nach 
der  Unterbrechung  des  Betriebsstromes  einen  Nebenschluss  aus  den 
Kohlenelektroden,  dem  Lichtbogen  und  einem  Galvanometer  gebildet 
und  in  diesem  eine  Ablenkung  der  Galvanometemadel  beobachtet. 
Dieses  Resultat  wurde  auch  von  Latschinoff  ^  bestätigt;  während 
Luggin')  keine  Ablenkung  erhalten  konnte,  obwohl  die  Zeit  der 
Unterbrechung  kürzer  als  bei  Edlund  war.  Man  konnte  die  Beob- 
achtungen von  Luggin  als  nicht  ganz  beweiskräftig  ansehen,  da  der 
Lichtbogen  rasch  seine  Leitungsfähigkeit  verlieren  kann,  so  dass  der 
gebildete  Nebenschluss  unterbrochen  wird,  ehe  eine  sichtbare  Ablenkung 
der  Galvanometernadel  eintritt.  Diesem  Vorwurfe  ist  ein  Versuch 
von  Lech  er*)  nicht  ausgesetzt.  Die  Zeit  zwischen  Verlöschen  des 
Lichtbogens  und  Herstellung  des  Nebenschlusses  ist  bei  dieser  Methode 
unendlich  klein,  da  die  zum  Betriebe  des  Lichtbogens  dienende  Strom- 
quelle vor  dem  Lichtbogen  kurz  geschlossen  wird.  Dass  Lech  er 
eine  Ablenkung  an  dem  Galvanometer  im  Nebenschluss  nicht  fand, 
hätte  man  aber  immer  noch  darauf  zurückführen  können,  dass  seine 
Methode  zu  unempfindlich  sei,  indem  der  Widerstand  des  verlöschenden 
Lichtbogens  zu  rasch  anwächst.  Stenger ^)  weist  jedoch  nach,  dass 
die  Methode  genügende  Empfindlichkeit  besitzt,  indem  er  durch  die 
elektromotorische  Kraft  von  fünf  Akkumulatorenzellen,  die  in  den 
Nebenschluss  gelegt  waren,  eine  beträchtliche  Ablenkung  am  Galvano- 
meter trotz  Verlöschen  des  Lichtbogens  erhielt;  es  müsste  somit  die 
grössere  elektromotorische  Gegenkraft  des  Lichtbogens  mindestens  eine 
gleiche  Ablenkung  geliefert  haben,  während  eine  Ablenkung  durch  die 
Gegenkraft  in  keiner  Weise  zu  beobachten  war.  Einen  ganz  verschie- 
denen Weg,  um  die  elektromotorische  Gegenkraft  des  Lichtbogens 
nachzuweisen,  schlug  Dub^)  ein,  welcher  die  Ansicht  ausspricht,  der 


')  Latschinoff,  La  Lumiöre  Electr.  1879,  1,  p.  198. 

^  Luggin,  Wiener  Berichte  1889,  98,  p.  1192. 

*)  Lech  er,  Wiedem.  Ann.  1888,  88,  p.  609. 

*)  Stenger,  Wiedem.  Ann.  1892,  46,  p.  33. 

*)  Dub,  Centralbl.  d.  Elektrotechnik  1888,  Nr.  10,  p.  749. 


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26  Ernst  Voit. 

Strom  im  Lichtbogen  leiste  eine  so  beträchtliche  mechanische  Ar- 
beit, unter  anderem  durch  das  Abreissen  von  Teilchen  der  festen 
Kohlen,  dass  damit  die  gegenelektromotorische  Kraft  zu  erklären  sei, 
und  findet  auch  beim  Ausblasen  von  Kohlenstaub  zwischen  den  Elek- 
troden   einen    dieser  Vorstellung  entsprechenden  Strom. 

Auch  auf  indirektem  Wege  glaubte  man  die  von  Edlund  an- 
genommene elektromotorische  Gegenkraft  des  Lichtbogens  nachweisen 
zu  können.  Insbesondere  wurden  die  Untersuchungen  vonV.  LangO^ 
L.  Arons*)  und  Fr  öl  ich')  dahin  gedeutet,  dass  sie  nur  durch 
eine  elektromotorische  Gegenkraft  des  Lichtbogens  erklärt  werden 
könnten;  es  ergab  sich  nämlich  der  aus  den  gemessenen  Spannungs- 
differenzen an  den  Elektroden  und  der  Betriebsstromstarke  gerechnete 
Widerstand  grösser  als  der  direkt  bestimmte,  und  man  glaubte,  es 
rühre  dies  davon  her,  dass  die  gegenelektromotorische  Kraft  des  Licht- 
bogens einen  scheinbaren  Widerstand  bedinge.  Ausser  Edlund  selbst 
waren  deshalb  auch  andere  Forscher,  so  z.  6.  Arons,  Fr ö lieh, 
Vogel*),  von  einer  elektromotorischen  Gegenkraft  des  Lichtbogens 
überzeugt,  während  Lecher,  Uppenborn*),  Nebel^  und  Feussner') 
dagegen  auftraten.  Es  zeigte  Feussner,  dass  nach  dem  Verfahren 
von  Lang,  Arons  und  Frölich  nicht  der  ganze  Widerstand  des 
Lichtbogens,  sondern  nur  ein  Bruchteil  desselben  erhalten  werden  kann, 
da  der  Widerstand  des  Lichtbogens  nicht  von  der  Betriebsstromstärke 
unabhängig  ist,  wie  es  bei  Anwendung  des  Ohm  sehen  Gesetzes  not- 
wendig sein  muss.  Die  Versuche  von  Lech  er  und  Stenger,  sowie 
die  Betrachtungen  von  Feussner  sind  wohl  beweisend,  dass  eine 
durch  Polarisation  bewirkte  elektromotorische  Gegenkraft  des  Licht- 
bogens nicht  vorhanden  ist;  welche  Anschauung  den  vorliegenden 
Beobachtungen  am  besten  entspricht,  soll  später,  nachdem  die  ver- 
schiedenen Bestimmungen  der  Werte  in  der  Formel:  V=m  +  nL 
Erwähnung  gefunden,  angegeben  werden. 

Um  sofort  eine  Uebersicht  über  den  Wert  der  Konstanten  m  und  n 
zu  liefern,  soll  eine  von  Sylv.  Thompson  zusammengestellte  Ta- 
belle wiedergegeben  werden. 

1)  y.  von  Lang,  CentralbL  f.  Elektrotechnik  1885,  7,  p.  299,  316,  443; 
1886,  8,  p.  173;  1887,  9,  p.  315. 

^  L.  Arons,  Wiedem.  Ann.  1887,  80,  p.  95. 

»)  Frölich,  Elektrotechn.  Zeitschr.  1886,  p.  483. 

*)  Vogel,  CentralbL  f.  Elektrotechn.  1887,  9,  p.  189,  216. 

')  Uppenborn,  CentralbL  f.  Elektrotechn.  1887,  9,  p.  633. 

')  Nebel,  CentralbL  f.  Elektrotechn.  1886,  8,  p.  619. 

^)  Feussner,  CentralbL  f.  Elektrotechn.  1888,  10,  p.  3. 


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Der  elektrische  Lichtbogen. 


27 


Die  Werte  der  Eonstanten  m  und  n  sind,  wenn  man  L  in  Milli- 
meter und  V  in  Volt  ausdrückt: 


Beobachter 


Zeit  der 
Beobachtung 


AyrtoD  und  Perry     - 

Frölich 

Peukert 

von  Lang  .... 
von  Lang  .... 
Cro6s  und  Shepard   . 

Lnggin 

Uppenbom  .... 
Duncan  und  Rowland 


1882 
1888 
1885 
1885 
1887 
1886 
1887 
1888 
1892 


63 
39 
35 
39 
37 
37  bifl  39,7 
40,04 
40,1 
40,6 


2,1 
1.8 
1,9 


1,9 
1,77 
2,24 
1,6 


Bezüglich  dieser  Tabelle  sind  einige  Bemerkungen  zu  machen. 
Die  Angaben  von  Ayrton  und  Perry,  dass  der  konstante  Teil  der 
Spannung  63  Volt  und  der  zur  Bogenlänge  proportionale  Teil  in  Volt 
das  55fache  der  Länge  in  englischen  Zollen  betrage  (oder  das  21fache  in 
Millimeter),  lassen,  wie  schon  Sylv.  Thompson  hervorhebt,  vermuten, 
dass  hier  ein  Irrtum  bezüglich  der  Zahl  63  vorliegt.  Sodann  ist  zu  be- 
achten, dass  die  Bogenlänge  nicht  von  allen  Beobachtern  gleichmässig 
gemessen  wurde.  Die  einen  berücksichtigen  die  Eratertiefe,  während 
die  anderen  die  vertikale  Entfernung  der  Kohlenendeu  als  Bogenlänge 
bezeichnen.  Endlich  ist  hervorzuheben,  dass  das  Material  der  Kohle 
einen  Einfluss  auf  die  Grösse  des  konstanten  Teiles  der  Spannung 
ausübt;  es  wird  dieselbe  durch  Beimengungen  zur  Kohle  verschieden 
und  ist  anders  bei»  Dochtkohlen  wie  bei  Homogenkohlen.  Man  darf 
somit  den  Mittelwert  aus  obigen  Zahlen,  nämlich  V  =  39  +  1»^  L,  nur 
als  eine  Näherung  ansehen,  und  muss  man,  um  genauere  Angaben 
zu  erhalten,  auf  die  Beobachtungen  selbst  zurückgehen. 

Edlund^)  gibt  an,  dass  der  konstante  Wert  der  Spannungs- 
differenz  am  Lichtbogen  das  23,3fache  der  elektromotorischen  Kraft 
eines  Bunsenelementes  sei;  danach  ist  m  =  42  Volt,  wenn  man  die 
elektromotorische  Kraft  eines  Bunsenelementes  zu  1,8  Volt  rechnet. 
Ayrton  und  Perry ^)  geben  als  Formel  der  Spannungsdifferenz 
V=  63  +  55  a  —  63  X  10"^®%  wobei  a  in  englischen  Zollen  zu  ver- 
stehen  ist.     Das    letzte   Glied    ist    als    unbedeutend    in    der    obigen 


^)  Edlund,  Pogg.  Ann.  1867,  181,  p.  586. 

*)  Ayrton  nnd  Perry,   Proc.  Phya.  Soc.  1882,  4,  p.  197;  La   Lumiöre 
Electr.  1883,  9,  p.  90. 


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28 


Ernst  Voit. 


Tabelle    ganz    weggelassen    und   in    dem    zweiten    die  Längeneinheit 
Millimeter  eingesetzt. 

Die  Hauptresultate  Peukerts^)  sind  in  folgender  Tabelle  zu- 
sammengestellt: 

Für  die  Stromstärke  von 
10  Amp.   war  der  Widerstand  0  =  3,66  +  0,23  L,  also  V  =  36,6  +  2,3   L, 
15      ,         ,       ,  .  0  =  2,30  +  0,15  L,     ,     V  =  34,5  +  2.25  L, 

20      ,         „       .  ,  0  =  1,80  +  0,08  L,     ,     V  =  36,1  4- 1,60  L, 

25      ,         ,       ,  ,  0  =  1,30  +  0,0751,   ,     V  =  32,5  + 1,80  L, 

30      „         .       ,  ,  0  =  1,60  + 0,04  L,     ,     V  =  48,0+ 1,20  L. 

Aus  den  Beobachtungen  von  V.  von  Lang*)  ist  insbesondere 
der  Einfluss  des  Materiales  der  Elektroden  auf  den  konstanten  Wert 
der  Spannung  zu  erkennen,  es  ist  nämlich: 

Für  Kohlen      V  =  35,2  +  1,32  L,  bei  0,4  bis  2,5  mm  Bogenlänge  und  4  bis  5,4  Amp. 

Stromstärke, 
,  Platin  V  =  27,4  + 1,49  L  ^ 
,  Eisen  V  =  25,0  + 0,70  L 
,  Nickel  V  =26,2  + 0,77  L 
,  Kupfer  V  =  23,9  + 0,67  L 
«  Silber  V  =15,2  + 0,96  L 
,     Zink  V  =  19,9  + 0,56  L 

,    Kadmium  V  =  10,3  +  2,56  L 

Bühlmann  gibt  aus  den  Beobachtungen  von  Gross  und 
Shepard^)  an,  dass: 

Für  die  Stromstärke  von 

5,04  Amp.  der  Widerstand  0  =  7,97  +  0,41  L,  also  V  =  40,16  + 2,06  L, 

7,00      „        .  ,  0  =  5,73  +  0,21  L,     ,     V  =  40,11  +  1,47  L, 

7,92     \        „  .  0  =  5,00  + 0,20  L,     ,     V  =  39,60  +  1,58  L, 

10,04      ,        ,  „  0  =  3,73  + 0,16  L,     .    ^V  =  37,45  + 1,61  L. 

Nebel*)  gibt  folgende  Resultate  an: 


bei  0,4  bis  1,7  mm  Bogenlänge  und^2,5  bis 
3,5  Amp.  Stromstärke. 


Für  die  Stromstärken 

10  mm  Kohlen 

12  mm  Kohlen 

14  mm  Kohlen 

10 

Amp. 

— 

— 

30,7  + 3,6  L, 

12 

« 

V  =  39,3  +  2,2L 

'    35,2  + 2,6  L 

32,4  + 2,8  L, 

14 

M 

V  =  39,4  + 2,0  L 

— 

33,8  + 2,3  L, 

16 

H 

V  =  39,2  + 2,0  L 

35,1  + 1,4  L 

34,1  + 2,8  L, 

18 

^ 

V  =  39,2  + 1,8  L 

_- 

— 

20 

?l 

V=       — 

38,0+ 1,9  L 

34,4  + 2,1  L, 

24 

« 

V=       - 

38,6  + 2,1  L 

34,9  + 1,9  L, 

28 

9 

V=       — 

— 

35,3  + 2,0  L, 

30 

H 

V=       - 

— 

35,9  + 1,9  L. 

»)*Peukert,  Zeitschr.  f.  Elektrotechn.  8,  1885,  p.  111. 

•)vonLang,  Centralbl.  f.  Elektrotechn.  1885,  7,  p.  443;  1887,  9,  p.  315. 

')  Gross  and  Shepard,  Electric.  Revue  19,  p.  298  u.  321. 

^)  Nebel,  Centralbl.  f.  Elektrotechn.  1886,  8,  p.  619. 


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Der  elektrische  Lichtbogen.  29 


Bei  den  Beobachtungen  von  Nebel  ist  darauf  geachtet,  dass 
ein  stationärer  Zustand  in  der  Form  der  Kohlenelektroden  eingetreten 
war,  ehe  mit  den  Beobachtungen  begonnen  wurde,  was  die  Vorgänger 
nicht  genügend  .einhielten,  und  was  dann  von  H.  Ayrton  mit  noch 
grösserer  Schärfe  betont  wurde.  Die  Untersuchungen  von  Luggip^) 
wurden  teils  mit  Kohlen,  teils  mit  Eisenelektroden  ausgeführt.  Die  von 
ihm  gewonnenen  Resultate  sind :  für  Kohlen  von  10  mm  Durchmesser,  und 
zwar  die  obere  Docht-,  die  untere  Homogenkohle,  V=  40,04  +  1,77 L, 
wobei  die  mittlere  Stromstärke  7  Amp.  betrug.  Mit  Eisenstäben,  jeder 
von  10  mm  Durchmesser,  erhielt  Luggin  V=  27,61  +  1,62L  bei 
9,3  Amp.  und  V=  27,35  +  2,16L  bei  4,9  Amp.  Wurde  die  positive 
Eisenelektrode  auf  5  mm  gebracht,  während  die  negative  10  mm  Durch- 
messer hatte,  war  V=  27,68  +  2,07  L  bei  6,8  Amp.  und  V=  25,99 
+  2,17L  bei  6,6  Amp.  Endlich  wenn  beide  Eisenstifte  5  mm  Durch- 
messer hatten,  war  V  =  26,75  +  2, 10  L  bei  6,4  Amp.,  V  =  25,57  +  2,17L 
bei  6,7  Amp.  und  V=  26,93  +  2,04  L  bei  6,8  Amp.  Den  Unterschied, 
den  das  Material  der  Kohlenelektroden  bedingt,  zeigte  Uppenborn^), 
indem  er  für  fünf  verschiedene  Kohlensorten,  welche  alle  Stifte  mit 
einem  Durchmesser  von  10  mm  bildeten  und  durch  einen  Strom  von 
7,7  Amp.  betrieben  wurden,  folgende  Zahlen  fand: 

I.  V  =  35,4  +  2,1  L, 

II.  V  =  39,0  + 1,74  L, 
m.  V  =  40,0  + 2,2  L, 
IV.  V  =  41,0  +  2,16  L, 

V.  V  =  45,4  +  1,99  L. 

Ausserdem  wies  Uppenborn  nach,  dass  die  Konstanten  m  und  n 
von  der  Stromdichte  abhängig  seien,  indem  m  mit  wachsender  Strom- 
dichte zu-  und  n  mit  derselben  abnimmt;  die  Resultate  sind  folgende: 
I.   Für  1,43  Amp.  ist  V  =  30,9  +  10,7  L, 
^    2,23      ,       ,   V  =  30,8+    9,56 L, 
,    2,97      ,       ,   V  =  36,0+    7,55  L, 
,    3,71       r       ,   V  =  36,6+    6,26  L, 
,    4,45      ,       ,   V  =  41,0+    3,15  L. 
II.   Für  1,30  Amp.  ist  V  =  33,0  +  17,7  L, 
,    1,95      ,       .   V  =  32,4+    8,73  L, 
,    2,61       ,       „   V  =  34,2+    4,86  L, 
r,    3,25      ,       „   V  =  38,l+    3,89  L, 
,    3,93      ,       ,   V  =  39,9+    2,96  L, 
,    4,51       ,       ,   V  =  39^+    3,31  L, 
,    5,24      ,       ,   V  =  38,0+    2,37  L. 

*)  Uppenborn,  Centralbl.  f.  Elektrotechn.  1887,  9,  p.  633. 
^  Luggin,  Centralbl.  d.  Elektrotechn.  1888,  10,  p.  567. 


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30  Ernst  Voit. 


Hiebei  hatten  die  positiven  Dochtkohlen  7  mm  und  die  negativen 
Homogenkohlen  5  mm  Durchmesser,  während  bei  einer  dritten  Be- 
obachtungsreihe die  positiven  wie  negativen  Kohlen  30  mm  Durch- 
messer besassen  und  folgende  Werte  lieferten: 

III.  Für  24.0  Amp.  ist  V  =  26,4  +  1,88  L, 
,  32,5  .  .  V  =  38,1  +  1,60  L, 
,    39,4      ,       ,   V  =  39,1  +  1,04  L. 

Sylv.  Thompson^)  verlässt  die  bisher  benützte  Formel  0  =  m 

+  nL,  und  ist  der  Ansicht,  dass  die  Formel:  V  =  m  +  —  L  sehr  nahe 

den  Zusammenhang  zwischen  Spannungsdifferenz  an  den  Kohlen,  der 
Bogenlänge  und  der  Betriebsstromstörke  liefere;  die  Konstanten  m 
und  n  schwanken  nach  ihm  zwischen  den  Grenzen  35  und  39,  be- 
ziehungsweise 8  und  18. 

Duncan,  Rowland  und  Todd*)  gehen  bei  der  Aufstellung  einer 
Formel  von  der  Vorstellung  aus,  dass  die  Spannungsdifferenz  an  dem 
Lichtbogen  aus  zwei  Teilen  zusammengesetzt  sei:  der  erste,  eine 
elektromotorische  Gegenkraft,  rühre  von  der  Verflüchtigung  der  Kohle 
her  und  müsse  konstant  sein,  der  andere  dagegen  sei  eine  Funktion 
des  Stromes  und  der  Bogenlänge,  und  sie  erhalten  danach  die  allgemeine 
Gleichung:  V  =  a  +  f(L).f(A)  +  bf  (L).f  (A).  Zunächst  schliessen  sie 
'  aus  ihren  Versuchen,  es  sei  V=  a  -|-  a'  -j-  bL,  wobei,  wie  schon  er- 
wähnt, a  die  konstante  elektromotorische  Gegenkraft  ist,  welche  von 
der  Verflüchtigung  der  Kohle  herrührt,  sodann  a^  eine  elektromotorische 
Gegenkraft,  die  von  der  thermoelektrischen  Wirkung  bedingt  wird 
und  mit  wachsendem  Strom  sich  vermindert.  Die  Verminderung  von  a^ 
mit  steigender  Stromstarke  werde  dadurch  hervorgerufen,  dass  die 
positive  Kohle  die  Temperatur  beibehalte,  die  negative  dagegen  sie 
erhöhe;  auch  a  vermindere  sich  mit  L.  Die  Forscher  imterlassen  es, 
eine  Gleichung  aufzustellen,  welche  genau  den  Zusammenhang  zwischen 
V,  L  und  A  wiedergibt,  sondern  begnügen  sich,  die  Näherungsgleichung 

V=  a -j- a' -j--T-^  aufzustellen,    welche    ihren    Beobachtungen    am 

meisten  entspricht. 

J.  Frith^)  bestimmte  mit  einer  eigentümlichen  Wheatstonebrücke 

')  Sylv.  Thompson,  The  Electarician  1892,  29,  p.  460. 

•)  Duncan,    Rowland    and    Todd,    Electr.   Engineer  of   New   York 

1895,  p.  99. 

*)  J.  Früh,  Memoire  and  Proc.  of  the  Manchester  Lit.  and  Phil.  Soc. 

1896,  9,  IV,  p.  139. 


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Der  elektrische  Lichtbogen. 


31 


den  wahren  Widerstand  des  Lichtbogens,  und  erhielt  für  Kohlen  von 
11  mm  Durchmesser  und   einen  Lichtbogen  von   2  mm  Länge   einen 


Fig.  18.    Elektrische  Energie  für  verschiedene  Bogenlängen. 

Widerstand   des  Lichtbogens   von   nahe  0,6  Ohm   und  durch  gleich- 
zeitige  Messung    die   elektromotorische    Gegenkraft    des    Lichtbogens 


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32  Emst  Voit. 

39  Volt.  Die  übrigen  Resultate,  welche  Frith  nach  etwas  verschiedenen 
Methoden  erhielt,  stimmen  mit  dem  angegebenen  überein. 

Die  Beobachtungen  von  H.  Ayrton  zeigen,  worauf  schon  die 
erwähnten  Bemerkungen  von  üppenborn  über  die  Werte  von  m  und  n 
hindeuten,  dass  insbesondere  für  Dochtkohlen  die  bisher  benützte  ein- 
fache Formel:  V=m-|-nL  nicht  mit  genügender  Schärfe  die  Be- 
obachtungsresultate wiedergeben  kann,  dass  aber  fQr  Homogenkohlen 
eine  alle  Beobachtungen  sehr  gut  darstellende  Gleichung 

benützt  werden  kann,  in  welcher  öt,  ß,  y  und  8  Konstanten  und  A  die 
Stromstärke  in  Amperes  bedeuten.  In  dieser  Formel  ist  sowohl  die 
konstante  Spannungsdifferenz  als  die  von  der  Bogenlänge  abhängige 
in  einen  mit  der  Stromstärke  veränderlichen  Teil  und  in  einen  davon 
unabhängigen  getrennt,  was  dadurch  gerechtfertigt  ist,  dass  die  Strom- 
stärke den  Querschnitt  des  Lichtbogens,  die  Kraterform  und  die  Ab- 
kühlung der  Kohlenenden  beeinflusst. 

Y  -4-  Ä  T 
Die    Ableitung    der   Formel :    V  =  a  +  ß  L  +  -^-^^^ machte 

H.  Ayrton  durch  Verwertung  der  für  zwei  Homogenkohlen  gefundenen 
und  in  Fig.  12  dargestellten  Beobachtungen.  Man  kann  nämlich  aus 
diesen  Beobachtungen  die  Kurven  in  Fig.  18  und  19  konstruieren; 
und  zwar  sind  die  ersteren  gefunden,  indem  man  die  Bogenlängen  in 
Millimeter  als  Abscissen  und  die  zur  Erzeugung  des  Lichtbogens  notwen- 
digen Watt  als  Ordinaten  nimmt,  die  letzteren  Kurven  aber  dadurch,  dass 
man  als  Abscissen  die  Stromstärken  und  als  Ordinaten  wieder  die  Watt 
aufträgt.  In  beiden  Fällen  erhält  man  gerade  Linien.  Wählt  man 
unter  den  Geraden  in  Fig.  18  die  fQr  die  Stromstärke  6  Amp.  ge- 
fundene aus,  welche  die  Ordinatenachse.  in  dem  Punkt  245  trifft,  und 
die  fUr  die  Bogenlänge  von  7  mm  gezogene  Vertikale  in  dem  Punkt  406 
schneidet,  so  kann  bei  konstanter  Stromstärke  von  6  Amp.  die  zur 
Bildung  des  Lichtbogens  verwendete  Wattzahl   durch  die  Gleichung: 

Wl  =  245  +    ^^^  ^  ^^^    L  =  245  +  23L  gefunden  werden,  wobei  Wl 

die  verbrauchte  Energiemenge  in  Watt  fiir  einen  Lichtbogen  von  der 
Länge  L  ist.  Aus  der  Fig.  19  findet  man  sodann  für  die  für  einen 
Bogen  von  7  mm  notwendige  Wattzahl 

W,  =  85,435  +    ^^^  -85,435    ^  ^  g^^^^^  ^  53,397  A 


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Der  elektrische  Lichtbogen. 


33 


und  die  fUr  einen  Bogen  von  0  mm  notwendige  Wattzahl  ist 

556  -  11,664 


Wo  =  11,664  + 


14 


A=  11,664  + 38,881  A. 


Nun  ist,  wie  sofort  klar,  ganz  allgemein  die  Gleichung  gütig: 
Wl-W,  _  W,-W, 
L         ~  7         ' 

«nd  wenn  man  die  Werte  von  Wl,  W,  und  W,  einsetzt,  so  wird 
Wl  =  38,881  A  +  11,664  +  (2,074  A  +  10,54)  L. 


Fig.  19.    Elektrische  Arbeit  fDr  verschiedene  Stromst&rken. 

Da  Wt,  gleich  A.V  ist,  erhält  man  endlich 

11,66  +  10,54L 


V=  38,88 +  2,074  L- 


A 


was  mit  der  schon  oben  angegebenen  Gleichung 

V=a  +  ßL  +  -l±^ 

übereinstimmt. 

Ayrton  bemerkt,  dass  die  Gleichung: 

11,66  + 10,54  L 


V  =  38,88  + 2,074  L  + 


A 


auf  folgenden  Sätzen  aufgebaut  ist: 

1.  Die  Kurven,  welche  den  Zusammenhang  zwischen  aufgewen- 
deter Arbeit  und  Bogenlänge  flir  verschiedene  Stromstärken  geben, 
sind  gerade  Linien. 

2.  Die  Kurven,  welche  den  Zusammenhang  zwischen  aufgewen- 

Sammlaiig  elektrotechnischer  Vorträge.  I.  3 


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34  Krnst  Voit. 

deter  Arbeit  und  Stromstärke  bei  verschiedenen  Bogenlängen  geben^ 
sind  gerade  Linien. 

3.  Die  geraden  Linien,  welche  den  Zusammenhang  zwischen  auf- 
gewendeter Arbeit  und  Bogenlänge  ftir  konstante  Stromstärken  geben^ 
schneiden  sich  in  einem  Punkte,  dessen  Koordinaten  beide  negativ  sind» 

4.  Die  geraden  Linien,  welche  den  Zusammenhang  zwischen  auf- 
gewendeter Arbeit  und  Stromstärke  für  konstante  Bogenlängen  geben^ 
schneiden  sich  in  einem  Punkte,  dessen  Koordinaten  negativ  sind. 

Bei  obigen  Zahlenwerten  in  der  Formel  für  V  sind  die  Koordi- 
naten des  zuletzt  erwähnten  Punktes:  A  =  — 5,08  und  W  =  —  185,92 ; 
femer  die  des  ersten  Punktes  L  = -— 18,7  und  W=—  185,92. 

Man  kann  endlich,  wie  Aryton  gleichfalls  angibt,  die  Gleichung: 

in  der  Form  A  [V  —  (a  —  ß  L)]  =  y  +  8  L  schreiben,  und  erkennt  daraus,, 
dass  sie  als  Asyraptotengleichimg  einer  Hyperbel  zu  betrachten  ist. 
Es  bilden  somit  die  fOr  die  Bogenlängen  von  1  bis  7  mm  gezogenen 
Kurven,  welche  den  Zusammenhang  der  Spannungsdifferenzen  mit  den 
entsprechenden  Betriebsstromstärken  geben,  eine  Schar  rechtwinkliger 
Hyperbeln,  bei  welchen  die  horizontale  Asymptote  jeder  Kurve  um  ein 
bestimmtes  Stück  gegen  die  der  vorausgehenden  Kurve  verschoben  ist. 
In  Fig.  20  sind  für  die  Bogenlängen  von  1  bis  7  mm  die  aus  der 
Gleichung : 

V=  38,88 +  2,074L+  "■66  +  10.54L 

sich  ergebenden  Kurven  mit  ihren  Asymptoten,  Achsen  und  Brenn- 
punkten eingetragen,  und  erkennt  man  durch  Vergleichung  der  Fig.  20* 
mit  Fig.  12  den  vollkommen  gleichen  Verlauf  der  Kurven,  von  welchen 
die  in  Fig.  12  aus  den  direkt  beobachteten,  und  die  in  Fig.  20  aua 
den  nach  der  Formel: 

V  =  38,88  +  2,074L  +   1M6  +  1Q'^4L 

gerechneten  Werten  gezeichnet  sind.  H.  Ayrton  unternimmt  es^ 
ausserdem  noch,  nachzuweisen,  dass  die  aufgestellte  Formel  nicht  allein 
die  eigenen  Versuche  sehr  gut  wiedergebe,  sondern  auch  die  an 
Homogenkohlen  von  anderen  Beobachtern  gefundenen  Werte  meist 
besser  darstelle,  als  die  von  diesen  selbst  aufgestellten  Formeln. 

E  d  1  u  n  d  s  Beobachtungen  ^)  liessen  ihn  schliessen,  dass  0  =  a  +  b  L 

')  Edlnnd,  Pogg.  Ann.  1867,  181,  p.  586. 


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Der  elektrieche  Lichtbogen. 


35 


sei,    und   dass  dabei  a  und   b  mit  wachsendem  Strom  sich  vermin- 
dern  und    a    umgekehrt  mit   dem  Strom   sich  ändere.     Die  Formel 

A     ,         r  f  ^  n       38,88  + 2,074  L     ,     11,66+ 10,54  L         . 
Ayrtons  liefert  0  = -j^ 1 **    '  8*> "*S8 


A 


A« 


38,88     ,     11,66        .  ,         2,074     ,     10,54      ...  . 

a  =  — T 1 XT~  '"'*  "  =  — Ä —    I   ' — n —  wird;  da  nun  für 


A« 


A 


A' 


1  1    (\f\  ^ft  ftß 

grössere  Werte  von  A,  — j-^ —  g^g®^  — a ^l^in  ist,  kann  die  Folge- 
rung E  diu  nds,  dass  aA  =  konstant  sei,  auch  nach  Ayrtons  Formel 


Fig.  20.    Spannungsdifferenz  für  verschiedene  Stromstärken. 

als  Näherung  betrachtet  werden;  die  wirklich  beobachteten  Zahlen  von 
Edlund  zeigen,  dass  die  bei  jeder  Beobachtungsreihe  gebildeten  Pro- 


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36  Ernst  Voit. 


dukte  aA  nahe  konstant  bleiben,  dass  jedoch  die  in  einer  Reihe  auf- 
tretenden Unterschiede  immer  mit  Ausnahme  eines  einzigen  Wertes  in  der 

(1 1  fif{  \ 
aA  =  38,88  H j — I 

verlangt.  Es  kann  dies  aus  der  kleinen  Tabelle  ersehen  werden, 
welche  die  Beobachtungen  Edlunds  enthält,  wobei  jedoch  zu  be- 
achten ist,  dass  nicht  direkt  die  Stromstärken  bestimmt  sind,  sondern 
nur  relative  Werte. 


Zahlen  proportional 
der  Stromstärke  A 

Zahlen  proportional 
dem  Produkt  aA 

Nr.  der 
Beob.-Reihen 

1,2387 
1,0176 
0,6661 

0,3239 
0,3416 
0,3386 

1 

1 

1,1139 
0,9435 

6,69 
6,877 

) 

2 

0,9618 
0,7738 

6,34 
6,48 

) 

3 

1,3270 
0,9827 

4,45 
5,21 

1 

4 

F  r  ö  1  i  c  h  ^)  hatte  aus  seinen  Beobachtungen  die  Formel 
V  =  39  4-li8L  abgeleitet;  es  zeigt  jedoch  Ayrton,  dass  die  von 
Fr 5 lieh  für  eine  konstante  Bogenlänge  von  2  mm  gefundenen  Werte 
der  Spannungsdifferenzen   bei   verschiedenen  Stromstärken    der  nach 

Ayrton  gebildeten  Formel  V  =  40,25  -j j —  mehr  entsprechen 

als  der  Frölichschen  V  =  42,6  Volt;  denn  es  ist: 

Strom  Spannnngsdifferenz  in  Volt  Di£Perenz  zw.  Beobachtung 

in  beob-        berechnet  nach  d.  Formel        und  Berechnung  nach 


impöre 

achtet 

von  Ayrton 

v.PrOlich 

Ayrton 

FrOlicl 

27,4 

42,7 

42,75 

42,6 

-0,06 

+  0,1 

11,6 

46,8 

46,18 

42,6 

+  0,17 

+  8,7 

8,89 

60,1 

48,88 

42,6 

+  1,72 

+  7,5 

7,67 

47,1 

49,15 

42,6 

-2,05 

+  4,5 

6,92 

60,1 

50,11 

42,6 

-0,01 

+  7,5 

Auch  die  Beobachtungen  von  Peukert*)  sind  zu  verwenden, 
um  die  Spannungsdifferenz  entsprechend  der  Ayrton  sehen  Formel 
und  durch  Division  mit  A  den    scheinbaren   Widerstand  des  Licht- 


>)  FrOlich,  Elektrotechn.  Zeitschr.  4,  1898,  p.  150. 
')Peukert,  Zeitschr.  f.  Elektrotechn.  1885,  8,  p.  111. 


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Der  elektrische  Lichtbogen.  37 

^      1.  /^         30  +  1,622  L      ,     66  4-  6,342  L  .^,  , 

bogens  durch  0  = ■ — r 1 —r-^ auszudrücken. 

Die  so  gerechneten  Werte  stimmen  mit  den  von  Peukert  aufgestellten 
Gleichungen  (siehe  S.  28)  für  den  scheinbaren  Widerstand  fast  voll- 
ständig überein;  es  ist 

Strom  Nach  Peukerts  Nach  Ayrtons 

in  Amp^reR  ,   Gleichung  Formel 

10  0  =  8,66  +  0,23  L  0  =  3,66  +  0,23  L 

15  0  =  2,30  +  0,15  L  0  =  2,29  +  0,14  L 

20  0  =  1,80  +  0,08  L  0  =  1,67  +  0,096  L 

25  0  =  1,3   +  0,075  L  0  =  1,31  +  0,075  L 

30  0  =  1,6    +0,04L  0  =  1,07  +  0,059  L 

Aus    den  Versuchen    von  Gross    und  Shepard  ist  die   Formel 

^         37  +  1,1  L     ,     14,8  +  7,88  L      ,     ,  .,  ,  a      t^ 

O  = —r 1 T-^ abzuleiten,  was  mit  den  i3e- 

obachtungen  gut  übereinstimmt. 

Strom                        Aus  den  Aus  Ayrtons 

in  Amperes              Beobachtungen  Formel 

5,04  0  =  7,925  +  0,525  L  0  =  7,923  +  0,528  L 

7,00  0  =  5,57    +  0,277  L  *    0  =  5,59   +  0,317  L 

7,92  0  =  4,94   +  0,259  L  0  =  4,91    +  0,264  L 

10,04  0  =  3,77    +  0,188  L  0  =  3,83    +  0,187  L 

Während  die  Beobachtungen  von  Peukert  sowie  von  Gross 
und  Shepard  ^)  den  vier  Sätzen,  auf  welchen  die  Ayrtonsche  Formel 
aufgebaut  ist,  vollkommen  entsprechen,  kann  die  von  Sylv.  Thomp- 
son*) angegebene  Gleichung  W  =  mA  +  nL  mit  der  Form  der 
Ayrtonschen  Gleichung  W  =  (a-f-ßL)A+T  +  8L  nicht  in  Ueber- 
einstimmung  gebracht  werden.  Nicht  ausreichend  sind  auch  die  Versuche 
von  Duncan,  Rowland  und  Todd^)  zum  Nachweis  der  Richtigkeit 
aller  vier  erwähnten,  von  Ayrton  aufgestellten  Sätze,  da  einerseits  nur 
Beobachtungen  mit  einer  Bogenlänge,  und  femer  nur  solche  mit  Docht- 
kohlen zur  Prüfung   verwendet   werden   können.     Unter  Anwendung 

der  Ayrtonschen  Formel  erhält  man  V  =  40,6  -| ^ — ,   was  mit 

den  Beobachtungen  gut  übereinstimmt. 


^)  Gross  and  Shepard,  Proc.  of  the  Americ.  Acad.  of  Sciences  1886, 
p.  227. 

*)  Sylv.  Thompson,  The  Electrician  2»,  1892,  p.460. 

*)  Duncan,  Rowland  and  Todd,  Electrical  Engineer  of  New  York 
1893,  p.  99. 


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38 


Ernst  Voit. 

Strom 

Spannnngsdiffere 

nz  in  Volt 

in 

aus  den 

aus  der 

Amperes 

Beobachtungen 

Rechnung 

3,1 

65.0 

67,8 

4.6 

58,5 

58,9 

6,15 

54,8 

54,3 

7,7 

52,5 

51.5 

8,0 

52,0 

51,1 

9,82 

49,2 

49,2 

11,26 

47.5 

48,1 

12,75 

46,5 

47,2 

Nach  den  zuletzt  angeführten  Zusammenstellungen  folgert  Ayr- 
ton  mit  Recht,  dass  die  Formel  von  der  Form 

mit  genügender  Genauigkeit  nicht  allein  den  eigenen  Beobachtungen, 
sondern  auch  allen  vorliegenden  Resultaten  von  andern  Beobachtern 
Genüge  leistet. 

um  die  Bedeutung  des  konstanten,  von  der  Bogenlänge  unab- 
hängigen Teiles  der  Spaunungsdifferenz  am  Lichtbogen  genauer  zu 
erforschen,  wurde  über  den  Sitz  dieser  sogenannten  elektromorischen 
Gegenkraft  und  über  den  Einfluss  der  umgebenden  Gase  eine  Reihe 
von  Beobachtungen  ausgeführt.  Zuerst  soll  die  Frage  beantwortet 
werden:  an, welcher  Stelle  findet  der  Spannungsabfall  von  nahe  30  Volt 
statt,  ist  er  an  der  positiven  Kohle,  an  der  negativen  Kohle  oder  ist 
er  über  den  Lichtbogen  gleichmässig  verteilt? 

In  ausführlicher  Weise  berichtet  H.  Luggin*)  über  Beobach- 
tungen, welche  den  Spannungsabfall  V^  vom  positiven  Krater  zum 
Lichtbogen  und  den  Abfall  V,  von  dem  Lichtbogen  ztur  negativen 
Kohle  in  Volt  nachweisen.     Er  erhielt: 

Für  reine  Kohlenstifte  Für  Kohlenstifte  mit  Soda  getränkt,       L 


bei  6,8  Amp. 

bei  8,9  Amp. 

in 

Vi 

V2 

V: 

=  Vi  +  V2 

Vi 

Va       V 

=  V,  +  V2 

mm 

25,9 

13,9 

39,8 

0,43 

17,47 

17,90 

2,9 

27,1 

15,4 

42,5 

1,76 

17,64 

19,40 

3,0 

26,9 

19,4 

46,3 

0,69 

19,81 

20,00 

3,9 

32,2 

16,5 

48,7 

8,77 

17,63 

21,40 

4,0 

31,0 

18,3 

49,8 

2,89 

19,71 

22,60 

5,0 

83,8 

18,4 

51,7 

7,00 

21,00 

28,00 

6,8 

32,9 

19,8 

52,7 

34,6 

23,1 

57,7 

^)  Luggin,  Centralbl.  f.  Elektrotechn.  1888,  p.  567. 


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Der  elektrische  Lichtbogen. 


39 


Aehnliche  Beobachtungen  sind  von  Lecher  0»  Uppenborn^) 
CVi  =  32,5;  V,  =5,5  Volt],  Fleming»),  Ayrton*)  und  S.  Thomp- 
son^) gemacht  worden.  Letzterer  gibt  an,  dass  am  Krater  ein 
starker  Spannungsabfall   von    etwa  39  Volt,    sodann   im  Lichtbogen 


Fig.  21.    Spannungsdifferenz  für  verschiedene  Bogenlängen. 

selbst  ein  über  die  ganze  Länge  des  Bogens  gleichmässiger  Abfall 
von  2  bis  3  Volt  und  endlich  ein  kleinerer  Abfall  von  etwa  2  bis  3 
Volt    an    der    negativen   Kohle    stattfinde.      S.   Thompson  fand  in 

')  Lech  er,  CentralbL  f.  Elektrotechn.  1888,  10,  p.  47. 

»)üppenborn,  CentralbL  f.  Elektrotechn.  1888,  10,  p.  102. 

')  Fleming,  Elektrische  Lampen  und  elektrische  Beleuchtung  p.  155. 

*)  Ayrton  a.  a.  0. 

*)  S.  Thompson  a.  a.  0. 


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40 


Ernst  Voit. 


einem  Falle  bei  zischendem  Bogen  an  der  negativen  Kohle  eine  ge* 
ringe  Zunahme  der  Spannung;  auch  andere  Beobachter  haben  an 
der  negativen  Elektrode  eine  Spannungszunahme  gefunden,  nämlicb 
SahulkaO  und  Fleming*). 

Bezüglich  der  Einwirkung  der  den  Lichtbogen  umgebenden  Oase 
hat  S.  Thompson^)  einige  Versuche  gemacht,  bei  welchen  der  Licht- 
bogen im  Chlorgas,  Leuchtgas,  Wasserstoff,  Stickstoff  und  anderen 
Oasen   brannte;    er   fand,    dass    der  konstante   Teil   der  Spannungs* 


Fig.  22.    Spannungsdifferenz  für  verschiedene  Drucke. 

differenz  in  keiner  Weise  verändert  wurde.  Die  umfassendsten  Ver- 
suche hierüber  sind  jedoch  von  Duncan,  Rowland  und  Todd*)  an- 
gestellt worden.  In  den  Fig.  21  und  22  sind  die  B/Csultate  dieser 
Beobachtungen    eingetragen;     erstere     gibt     die     Spannungsdifferenz 


>)  Sahulka,  Zeitschr.  f.  Elektrotechn.  1884. 

')  Fleming,  Elektrische  Lampen  und  elektrische  Beleuchtung  p.  155. 
»)  S.  Thompson,  Electrician  29,  p.  460. 

*)  Duncan,  Rowland  and  Todd,  Electrician  81,  p.  360;  Centralbl.  f. 
Elektrotechn.  1888,  10,  p.  47. 


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Der  elektrische  Lichtbogen.  41 


des  Lichtbogens  bei  verschiedenen  Bogenlängen,  und  zwar  für  ver- 
schiedenen Druck  der  umgebenden  Luft  oder  Kohlensäure  und  für 
luftleeren  Raum,  die  zweite  unterscheidet  sich  von  der  vorausgehenden 
Figur  dadurch,  dass  hier  auf  der  Abscisse  nicht  die  Bogenlängen, 
sondern  die  Drucke  in  Atmosphären  aufgetragen  sind.  Aus  Fig.  21 
ist  zu  erkennen,  dass  der  konstante  Teil  der  Spannungsdifferenz  mit 
höherem  Druck  der  Luft  immer  mehr  steigt;  das  Gleiche  findet  auch 
bei  steigendem  Druck  der  Kohlensäure  statt.  Der  mit  der  Bogen- 
länge veränderliche  Teil  ist  nicht  wesentlich  verschieden,  wie  daraus 
zu  erkennen  ist,  dass  die  Neigungen  aller  fQr  die  verschiedenen  Drucke 
giltigen  Oeraden  wenig  verschieden  sind,  nur  in  geringem  Masse 
nimmt  die  Neigung  bei  einer  Drucksteigerung  von  1  bis  10  Atm.  zu. 
Unregelmässig  wird  diese  Aenderung  unter  dem  Dnicke  einer  Atmo- 
sphäre, indem  fQr  geringeren  Druck  die  Neigung  ebenfalls  wächst; 
dies  ist  genauer  aus  Fig.  22  zu  erkennen.  Bei  Bogenlängen  über  3  mm 
nimmt  nämlich  die  Spannungsdifferenz,  die  bei  grösseren  Drucken 
aber  1  Atm.  allmählich  abgenommen  hatte,  bei  geringeren  Drucken 
als  1  Atm.  wieder  rasch  zu,  während  bei  einer  Bogenlänge  von  1,6  mm 
auch  bei  Drucken  unter  1  Atm.  eine  Abnahme  der  Spannungsdifferenz, 
und  zwar  eine  sehr  beträchtliche  Abnahme,  eintritt. 

Es  lässt  sich  nun  auf  Grund  der  im  vorausgehenden  angegebenen 
Beobachtungsresultate  wenigstens  teilweise  eine  Erklärung  der  zur 
Bildung  eines  Lichtbogens  notwendigen  Spannungsdifferenz  geben. 
Diese  Spannungsdifferenz  besteht  sicher  aus  zwei  Hauptteilen,  nämlich 
dem  von  der  Bogenlänge  unabhängigen  und  dem  von  derselben  ab- 
hängigen Teil.  Der  erste  sogenannte  konstante  Teil  wurde,  wie  schon 
erwähnt,  anfänglich  nach  dem  Vorgänge  von  E  dl  und  als  durch  Pola- 
risation an  den  Elektroden  bedingt  angesehen ;  dem  widersprechen  die 
direkten  Versuche,  welche  eine  solche  Polarisation  nicht  nachweisen 
liessen.  Dass  eine  thermoelektrische  oder  chemische  Gegenkraft  an  den 
Elektroden  auftrete,  weist  Feussner  zurück,  indem  er  hervorhebt,  dass 
erstere  nur  dann  auftreten  kann,  wenn  die  Elektroden  von  verschie- 
denem Material  sind;  man  könnte  nur  annehmen,  dass  die  beiden 
Elektroden  beim  Gleichstrom  einen  verschiedenen  physikalischen  Zu- 
stand annehmen,  doch  wäre  dies  bei  Wechselströmen  wohl  nicht  der 
Fall.  Wenn  chemische  Kräfte  thätig  sind,  so  müssten  die  Produkte 
sich  finden  lassen,  welche  bei  ihrer  Bildung  die  erwähnte  Spannungs- 
differenz verbrauchen;  es  sind  solche  jedoch  nicht  bekannt.  Im 
Gegensatze  zu  der  Anschauung  von  Edlund  hat  schon  Schwendler 
nicht  eine   elektromotorische  Gegenkraft,   sondern  einen  Uebergangs- 


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42  Ernst  Voit. 

widerstand  angenommen,  der  nicht  wie  ein  gewöhnlicher  Widerstand 
konstant,  sondern  mit  der  Stromstärke  veränderlich  ist.  Es  ist  klar, 
dass,  wenn  der  Widerstand  bei  doppelter  Betriebsstromstarke  auf  die 
Hälfte  zurückgeht,  man  dieselbe  Spannung  braucht,  wenn  die  doppelte 
Stromstärke  jenen  Widerstand  durchläuft  wie  bei  Verwendung  des 
einfachen  Stromes.  Da  nun  als  Sitz  dieser  elektromotorischen  Gegen- 
kraft oder  dieses  Uebergangswiderstands  der  Krater  erkannt  wurde, 
war  es  natürlich,  einen  dort  stattfindenden  Vorgang  als  Orund  des 
Spannungsabfalles  aufzusuchen,  v.  Lang,  welcher  den  Spannungs- 
verlust für  verschiedene  Elektroden  feststellte,  machte  darauf  auf- 
merksam, dass  eine  Uebereinstimmung  zwischen  Schmelzpunkt  des 
Materiales  und  der  dabei  auftretenden  Gegenkraft  vorliege;  nur  das 
Silber  stimme  schlecht  damit,  da  es  seinem  Schmelzpunkt  zufolge 
eine  viel  höhere  elektromotorische  Kraft  des  Lichtbogens  zeigen  sollte. 
Nach  Feussner  erfolgt  der  Uebergangs widerstand  durch  die  Ver- 
dampfung des  Elektrodenmaterials  an  dem  Krater  und  muss  deshalb 
um  so  höher  sein,  je  höher  die  Verdampfungstemperatur  ist,  was 
durch  die  Beobachtungen  an  verschiedenen  Metallen  sowie  an  Homogen- 
und  Dochtkohlen  und  ferner  an  mit  Salzen  getränkten  Kohlen  bestätigt 
wird.  Vollkommen  dieser  Ansicht  entsprechend  ist  auch,  dass  bei 
höherem  Druck  des  den  Lichtbogen  umgebenden  Gases  eine  Erhöhung 
der  konstanten  Spannungsdifferenz  eintritt,  da  bei  höherem  Druck  die 
Verdampfungstemperatur  zunehmen  muss.  Mag  man  nun  die  Ursache 
des  Spannungsabfalles  an  dem  Krater  als  elektromotorische  Gegen- 
kraft oder  als  Uebergangswiderstand  betrachten,  so  wird  man  immer 
als  nächsten  Grund  die  hier  stattfindende  Verdampfung  betrachten 
müssen,  und  es  wird,  der  Verdampfungstemperatur  der  Elektroden 
entsprechend,  jener  Spannungsverlust  (Vj  =  m)  am  Krater  sein.  Der 
zweite  von  der  Bogenlänge  abhängige  Teil  der  Spannungsdifferenz 
wird  durch  die  dampfförmigen  Bestandteile  des  Lichtbogens  weg- 
genommen  und    würde,    wenn    der    Lichtbogen    sich    wie    ein    fester 

Leiter    verhielte ,    aus    dem  Widerstände    Q  =  a  -jr-    sich    berechnen 

lassen,  wobei  a  der  spezifische  Widerstand  des  Lichtbogens,  Q  sein 
mittlerer  Querschnitt  und   L    seine   Länge  bedeutet.     Es  wäre   dann 

jene  Spannungsdifferenz  Vg  =  0  A  =  a  -^  A,  wobei  die  Stromstärke 

mit  A  bezeichnet  ist;  doch  ist  der  mittlere  Querschnitt  des  Licht- 
bogens sicher  nicht  von  der  Stromstärke  unabhängig,  sondern  er  wird 
mit  der  Stromstärke  wachsen.     Setzt   man  voraus,   dass  der  mittlere 


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Der  elektrische  Lichtbogen.  43 

Querschmtt  der  Stromstärke  proportional  sei,  und  führt  den  für  1  Amp. 

giltigen  Querschnitt  Q^  des  Lichtbogens  ein,  so  wird  Vg  =  a  -rr—»  iind 

wenn  man  endlich  den  Quotienten  der  beiden  Konstanten  a  und  A^  also 

-TT—  mit  n,  bezeichnet,  so  findet  man  V  =  Vi  -f-  Vg  =  m  -}-  n  L. 

Vollständig  zutreffend  kann  die  eben  abgeleitete  und  von  den 
meisten  Beobachtern  als  nahe  richtig  gefundene  Gleichung  nicht  sein, 
weil  die  im  vorausgehenden  gemachten  Annahmen  nicht  ganz  richtig 
sind.  Es  sei  nur  erwähnt,  dass  die  Ausstrahlungs-  imd  Wärmeleitungs- 
verhältnisae  Aenderungen  hinsichtlich  der  Grösse  n  bedingen  müssen, 
indem  eine  grössere  oder  geringere  Energie  zur  Deckung  dieses  wech- 
selnden Verbrauches  Verwendung  findet.  Ferner  sind  die  Verhältnisse 
im  Lichtbogen  nicht  so  einfach,  dass  der  mittlere  Querschnitt  genau 
der  Stromstärke  proportional  ist,  und  dürfte  auch  die  mittlere  Bogen- 
länge nicht  als  vollkommen  unabhängig  von  der  Stromstärke  zu  be- 
trachten sein.  Dass  solche  Unterschiede  gegen  die  Formel  V  =  m  -|-  ^iL 
nachweisbar  sind,  zeigen  die  Angaben  von  Uppenborn  und  anderen, 
dass  m  und  n  von  der  Stromstärke  nicht  unabhängig  sind,  und  die  aus 
den  genauen  Untersuchungen  Ayrtons  abgeleitete,  für  Homogenkohle 

gütige  Formel  V  =  a  +  ßL  -f   '^"^^^. 

b)   Der  zischende  Lichtbogen. 

Unter  gewissen  Umständen  lässt  der  Lichtbogen  einen  zischen- 
den Ton  hören;  ohne  vorerst  anzugeben,  wann  das  Zischen  eintritt, 
sollen  einige  Eigenschaften  desselben  aufgezählt  werden.  Gross  und 
Shepard^)  geben  an,  dass  für  den  zischenden  Bogen  dieselbe 
Gleichung  V  =  m  -(-  nL  bestehe  wie  für  den  ruhigen,  dass  aber  der 
Wert  von  m  für  den  zischenden  Bogen  nur  15  Volt  betrage,  während 
er  für  den  ruhigen  gleich  39  Volt  sei;  sie  finden  nämlich  für  zischende 

Lichtbogen : 

bei  3,27  Amp.  V  =  15,37  4-  12,71  L 
,  5,03  ,  V  =  15,79+  9,96  L 
,  7,00  ,  V  =  14,70  4-  8,61  L 
r.  7,95  ,  7  =  14,39+  7,95  L 
,  10,03      ,      V  =  14,64  +    5,51  L 

Auch    Niaudet*)  sagt,    dass  die   Spannungsdifferenz  zwischen 


*)  CroBS  and  Shepard,  Proc.  Americ.  Acad.  1886,  p.  227. 
*)  Niaudet,  La  Lumi6re  Electr.  8,  p.  287. 


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44 


Ernst  Voit. 


den  Kohlenelektroden  viel  grösser  sei  bei  ruhigem  Lichtbogen,    wie 
wenn  er  zischt,  und  gibt  folgende  Zahlen  an: 

Ruhiger  Lichtbogen  zeigte  54,8  Volt  bei  34  Amp. 

Zischender       ,  ,      43,0      .       ,     36      , 


Ruhiger 

Zischender 

Ruhiger 

Luggin^)  erwähnt 


,      49,0      ,       ,    84      , 
.      41,0      «       .    43      . 
.      49,0      „       .    88      „ 
dass  Eohlenstifte  von  10  mm  Durchmesser 
bei  7   Amp.   eine   konstante   Spannungsdifferenz  von  40,04  Volt   für 
ruhigen  Bogen   und  34,9  Volt  für  zischenden  Lichtbogen   erfordern. 


—                                          _                                                                                   i-y.                                                                                                                                                          _p-                                                                          _ 

1                                                                                                                                                                 l^'^.mm^r 

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Fig.  23.    Spannungsdiiferenz  für  verschiedene  Bogenlängen. 

Die  genauesten  Angaben  über  den  zischenden  Lichtbogen  lieferte 
wieder  H.  Ayrton.  Die  Fig.  9  und  12  lassen  sowohl  für  Docht- 
wie  Homogenkohlen  nachweisen,  dass  bei  zischendem  Lichtbogen  für 
gleichbleibende  Bogenlänge  auch  die  Spannungsdifferenz  eine  kon- 
stante ist,  während  diese  für  ruhige  Lichtbogen  sich  mit  der  Strom- 
stärke ändert.  Aus  den  Fig.  11  und  13  und  noch  übersichtlicher  in 
Fig.  23  ist  zu  erkennen,  dass  bei  Homogen-  und  bei  Dochtkohlen  die 
Spannungsdifferenz  mit  der  Bogenlänge  zunimmt ;  bei  Homogenkohlen 
scheint  diese  Zunahme  mit  der  Bogenlänge  etwas  grösser  als  bei 
Dochtkohlen;  die  gezogenen  Geraden  entsprechen  den  Formeln  für 

Homogenkohlen:  V  =  29,4  +  2,74  L, 
und  fiir 

Dochtkohlen  :  V  =  31,2  +  2,23  L. 

')  Luggin,  Electrician  26,  p.  565. 


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Der  elektrische  Lichtbogen.  45 

Der  scheinbare  Widerstand  des  Lichtbogens  nähert  sich  dann, 
wenn  der  Zischpunkt  eintritt,  einem  bestimmten  konstanten  Werte, 
der  jedoch  von  dem  Durchmesser  der  Kohlen  abhängt;  denn  es  ist 
bei  Verwendung  einer  positiven  Dochtkohle  von  9  mm  Durchmesser 
und  einer  negativen  Homogenkohle  von  8  mm  Durchmesser  die 
(Jrenze  des  scheinbaren  Widerstandes  1,6  Ohm,  während  diese  bei 
Benützung  einer  homogenen  Dochtkohle  von  18  mm  und  einer  nega- 
tiven Homogenkohle  von  15  mm  Durchmesser  auf  2,6  Ohm  steigt. 
Für  jedes  Eohlenpaar  ist  demnach  im  Moment,  wenn  das  Zischen  be- 
ginnt, der  scheinbare  Widerstand  konstant  und  unabhängig  von  der 
Bogenlänge,  dagegen  für  Kohlen  von  grösserem  Querschnitt  grösser; 
dann,  wenn  das  Zischen  eingetreten,  nimmt  bei  gleicher  Bogenlänge 
der  scheinbare  Widerstand  mit  wachsender  Stromstärke  ab. 

In  den  Fig.  9  und  12  sind  die  Kurven  des  ruhigen  Lichtbogens 
und  die  geraden  Linien,  welche  für  zischende  Lichtbogen  erhalten 
wurden,  durch  pimktierte  Linien  verbunden;  es  geben  dieselben  nur 
an,  welche  Kurven  zusammengehören,  sie  sollen  aber  nicht  den  je- 
weiligen Zusammenhang  zwischen  Stromstärke  und  Spannungsdifferenz 
für  die  betreffiende  Bogenlänge  liefern.  Es  kann  nämlich  innerhalb 
jener  Grenzen  kein  Strom  mit  konstanter  Spannungsdifferenz  durch 
den  Bogen  gehen.  Z.  B.  bei  einem  4  mm-Bogen  (Fig.  9)  ist  zwischen 
19,6  und  24,2  Amp.  weder  ein  ruhiger  noch  ein  zischender  Bogen 
zu  erhalten.  Wenn  man  in  diesem  Fall  von  19,6  Amp.  die  Strom- 
starke allmählich  steigen  lässt  bis  24,2  Amp.,  so  wird  der  Zustand  ein 
unsteter  bleiben;  es  erreicht  die  Spannungsdifferenz  bald  den  Wert 
40  Volt,  bald  den  von  48  Volt,  so  dass  der  Lichtbogen  bald  zischend, 
bald  ruhig  ist.  Beinahe  unmöglich  ist  es,  den  Zischpunkt  mit  einiger 
Sicherheit  zu  bestimmen,  da  die  geringste  Aenderung  in  der  Form 
der  Kohlen,  der  Bogenlänge  und  Stromstärke  den  vorher  ruhigen 
Lichtbogen  zu  zischen  veranlasst  oder  einen  zischenden  Bogen  plötz- 
lich still  machen  kann.  Die  grösste  Stromstärke,  welche  einen  ruhigen 
Bogen  von  gegebener  Länge  bilden  kann,  wächst  mit  dem  Querschnitt 
der  Kohlen.  Z.  B.  ist  bei  2  mm  Bogenlänge  für  Kohlen  von  18  bezw. 
15  mm  Durchmesser  etwa  48  Amp.  und  für  Kohlen  von  9  bezw. 
8  mm  Durchmesser  etwa  16  Amp.;  geringere  Stromstärke  zur  Er- 
reichung des  Zischpunktes  ist  bei  zwei  Homogenkohlen  notwendiger  als 
bei  Dochtkohlen,  und  endlich  nimmt  jene  Stromstärke  bei  einem 
Kohlenpaar  mit  der  Bogenlänge  zu. 

H.  Ayrton  unterscheidet  verschiedene  von  dem  Lichtbogen 
hervorgerufene  Töne,  nämlich  ein  Siedegeräusch,  das  bei  kleinem  Strom 


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46  EmBt  Voit. 

und  langem  Bogen  ohne  einen  Spannungsabfall  eintritt,  ferner  das 
eigentümliche  Zischen,  das  mit  einem  Spannungsabfall  verbunden  ist, 
und  endlich  vor  Eintritt  des  Zischens  ein  Sausen  wie  Ton  einem  Wind. 
S.  Thompson  vergleicht  den  ruhigen  und  zischenden  Lichtbogen  mit  dem 
ruhigen  und  geräuschvollen  Verdampfen  von  Wasser.  Das  Verdampfen 
von  Wasser  wird  geräuschvoll,  wenn  mehr  Wärme  zugeführt  wird, 
als  an  der  Oberfläche  durch  Verdampfung  abgegeben  wird;  es  bilden 
sich  dann  im  Innern  des  Wassers  Blasen,  welche  die  Oberfläche  durch- 
dringen. Aehnlich  könnte  dies  beim  zischenden  Bogen  sein.  Die 
eigentümlichen  Lichterscheinungen,  welche  bei  einem  zischenden  Licht- 
bogen auftreten,  sowie  die  Form  der  Erateroberfläche ,  welche  von 
H.  Ayrton  beobachtet  wurde,  sollen  hier  nur  erwähnt  werden.  Der 
dem  Sausen  des  Windes  zu  vergleichende  Ton  des  zischenden  Bogens 
ist  von  einem  intensiv  hellgrünen  Licht,  das  von  den  Kanten  des 
Kraters  ausgeht,  begleitet,  und  die  Krateroberfläche  erscheint  wie  mit 
Honigwaben  überdeckt. 

3.  Die  Lichtausstrahlung  des  Lichtbogens. 

Zuerst  hat  Allard  ^)  auf  die  eigentümHche  Lichtausstrahlung 
von  Bogenlicht  aufmerksam  gemacht;  durch  eine  Reihe  von  Messungen 
wies  er  nach,  dass  die  nach  verschiedenen  Richtungen  vom  Bogenlicht 
ausgesendete  Lichtintensität  sehr  verschieden  ist.  Hieran  schlössen 
sich  zahlreiche  ähnliche  Beobachtungen;  es  seien  nur  erwähnt  Fon- 
taine^), Allard*),  S.  Sautter,  Lemoinier  u.  Co.  in  Paris*), 
Militäringenieurschule  zuChatam^)  (1879  und  1880),  Jury  der  Pariser 
Elektricitätsausstellung  ^)  und  Ausstellungskommission  bei  der  Münchner  ^), 
Wiener®)  und  Frankfurter^)  elektrischen  Ausstellung. 

Trotter^^)  spricht  die  Ansicht  aus,  die  Lichtausstrahlung  eines 
Bogenlichtes  sei  im  allgemeinen  so,  wie  wenn  das  Licht  von  einer 
gleichförmig  glühenden  Ebene  ausgehe,  die  durch  die  Kante  der  krater- 

^)  Allard,  Memoire  sur  rintensit^  et  la  port4e  des  Phares.    Paris  1876. 
*)  Fontaine,  Eclairage  a  l'Electricitä,  IL  Edition.    Paris  1879. 
^)  Allard,  Memoire  sur  les  Phares  electriques.    Paris  1881. 
*)  S.  Sautter,  Lemoinier  u.  Co.  Apparails  photo-electr.  employ  par  les 
Marines.    Paris  1881. 

*)  Elektrotechn.  Zeitechr  1882,  2,  p.  105. 
*)  La  Lumiöre  elect.  1882,  Nr.  46. 

')  Officieller  Bericht  über  d.  intern.  Elektr.-Ausstellung.    München  1882. 
«)  Officieller  Bericht  über  d.  intern.  Elektr.-Ausstellung.    Wien  1884. 
•)  Officieller  Bericht  über  d.  intern.  Elect-Ausstellung.   Frankfurt  a.M.  1891. 
>»)  Trott  er,  Elektrot.  Zeitschr.  1892,  82,  p.  433. 


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Der  elektrische  Lichtbogen. 


47 


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förmigen  positiven  Kohle  gelegt  und  durch  die  kreisförmige  Kante 
des  Kraters  begrenzt  ist.  Unter  dieser  Voraussetzung  würde  die  in 
irgend  einer  Rich- 
tung ausgesendete 
Lichtmenge  propor- 
tional der  in  dieser 
Richtung  sichtbaren 
Fläche  jener  glühen- 
den Ebene,  also  pro- 
portional dem  Kosi- 
nus der  Neigung 
jener  Richtung  gegen 
die     Normale     der 

lichtaussendenden 
Fläche.  Trägt  man 
diese  dem  Kosinus 
der  Neigung  propor- 
tionalen Grössen  von 
einem  als  Ausgangs- 
punkt des  Lichtes 
anzusehenden  Punkte 
als  Polarkoordinaten 
auf,  so  erhält  man 
den  in  Fig.  24  ein- 
getragenen punktier- 
ten Kreisbogen,  wenn 
man  die  Endpunkte 
jener  Koordinaten 
miteinander  verbin- 
det. Sobald  man 
wirkUch  ausgeführte 
Beobachtungen  über 
die  Lichtverteilung 
von  Bogenlicht  mit 
der  aus  der  Ansicht 
Trott ers  gefolger- 
ten Verteilung  ver- 
gleicht, erkennt  man, 
dass  nur  eine  sehr  oberflächliche  Aehnlichkeit  vorliegt.  Aus  einer 
grossen  Anzahl  von  beobachteten  Polarkurven  ist  eine  typische  Form 


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48  Ernst  Voit. 

der  Lichtverteilung  abgeleitet  und  die  Resultate  in  Fig.  24  eingetragen ; 
die  ausgezogene  Kurve  liefert  die  aus  zahlreichen  Beobachtungen  am 
Bogenlicht  von  Wybauw  (Antwerpen  1885)  gerechneten  Mittelwerte: 

20«  ONK.  60«  120  NK.  100«  420  NK.  140«  800  NK. 

30«  70    ,  70«  140     .  110«  650    ,  150«  500    , 

40«  85    ,  80«  160     ,  120«  850    .  160«  180     r 

50«  105    ,  90«  230    .  130«  1000    ,  170«  50    . 

Man  sieht  sofort,  dass  diese  Kurve  sich  wesentlich  von  der  punk- 
tierten Kreislinie  unterscheidet.  Dieser  Unterschied  ist  leicht  erklär- 
lich, da  die  Voraussetzungen,  welche  Trott  er  machte,  nicht  erfüllt 
sind.  Vor  allem  erkennt  man,  dass  ein  grosser  Teil  des  von  der 
positiven  Kohle  ausgesendeten  Lichtes  von  der  negativen  Kohle  weg- 
genommen wird;  es  ist  deshalb  in  Fig.  24  etwa  von  135 •  aus  gegen 
180^  hin  eine  rasche  Abnahme  des  Lichtes  auftretend.  Der  Winkel, 
unter  welchem  die  Schattenwirkung  der  negativen  Kohle  sich  bemerk- 
lich macht,  ist  natürlich  von  dem  Abstand  der  beiden  Kohlen  abhängig; 
bei  grösserer  Bogenlänge  ist  die  Schatten  Wirkung  geringer.  Ein  weiterer 
Umstand  ist  zu  beachten,  dass  nämlich  nicht  alles  Licht  von  der  posi- 
tiven Kohle  ausgesendet  wird;  als  Mittelwert  kann  man  annenmen, 
dass  85  ^/o  der  gesamten  vom  Bogenlicht  ausgestrahlten  Lichtmenge 
von  der  positiven,  10 ^/o  von  der  negativen  Kohle  und  5®/o  von  dem 
Lichtbogen  selbst  ausgehen.  Dadurch  ist  zu  erklären,  dass  in  dem 
über  der  Horizontalen  liegenden  Quadranten  von  0  bis  90^  ebenfalls 
noch  Licht  erscheint,  das  etwa  unter  50^  hauptsächlich  von  der  nega- 
tiven Kohle  und  unter  90^  von  dem  Lichtbogen  und  teilweise  noch 
von  der  negativen  Kohle  ausgeht.  Es  ist  femer  fraglich,  ob  man  das 
von  der  Kraterfläche  ausgehende  Licht  als  von  einer  gleichmässig 
leuchtenden  Fläche  ausstrahlend  annehmen  kann.  In  Finsbury  Technical 
College  wurde  die  in  einer  Richtung  vom  Krater  sichtbare  Fläche 
gemessen  und  gleichzeitig  die  in  dieser  Richtung  ausgestrahlte  Licht- 
intensität photometrisch  bestimmt;  es  ergab  sich,  dass  die  Verhältnisse 
der  Lichtintensitäten  sehr  nahe  übereinstimmten  mit  den  Verhältnissen 
der  sichtbaren  Kraterflächen.  Danach  ist  wohl  klar,  dass  die  Krater- 
fläche als  sehr  gleichmässig  leuchtend  angesehen  werden  muss.  Um 
hierüber  genaueren  Aufschluss  zu  erhalten,  können  die  Beobachtungen 
über  die  Temperaturen  des  Lichtbogens  herangezogen  werden. 

Man  versuchte  zuerst,  die  Temperatur  an  der  positiven  und  der 
negativen  Kohle  direkt  zu  bestimmen.    Becquerel  hatte  schon  1860 


*)  Becquerel,  La  Lumidre  Electr.  1881,  p.  220. 


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Der  elektrische  Lichtbogen.  49 

die  Temperatur  des  von  80  Bunsenelementen  erzeugten  Lichtbogens 
zu  2070  bis  2100^  C.  ausgemittelt.  Mit  etwas  grösserer  G-enauigkeit 
kommt  Rosetti^  zu  dem  Schluss,  dass  die  Temperatur  des  Kraters 
etwa  bei  3900*^  C.  und  die  der  negativen  Spitze  bei  3150^  C.  liege, 
und  dass  femer  der  Lichtbogen  selbst  eine  höhere  Temperatur,  nämlich 
4000^  C,  haben  müsse.  P.  H.  Gray  findet  für  die  Temperatur  des 
Kraters  3400^  C.  Nach  zwei  verschiedenen  Methoden  bestimmte 
Vi  olle*)  die  Buratertemperatur  zu  3500^0.,  ferner  aber  gibt  er  an, 
dass  die  Temperatur  des  Lichtbogens  selbst,  allgemein  gesprochen, 
höher  als  die  der  positiven  Kohle  sei,  und  dass  sie  mit  der  im  Bogen 
verbrauchten  Energie  zimehme;  für  die  negative  Kohle  gibt  Vi  olle 
2700^  C.  an.  Während  Moisson  gefunden  haben  will,  dass  die 
Temperatur  des  Bogenlichtes  mit  dem  Strom  zunehme,  zeigt  Vi  olle 
durch  eigene  Versuche,  dass  dies  nicht  zutreffend  ist.  Durch  Photo- 
graphieen  der  Krater  fand  endlich  Vi  olle,  dass  der  Olanz,  d.h.  die 
von  einem  Quadratcentimeter  ausgehende  Lichtmenge,  die  gleiche  war, 
ob  er  den  Lichtbogen  mit  einem  Strom  von  10  Amp.  oder  mit  .1000 
bis  1200  Amp.  herstellte.  Wie  S.  Thompson  hervorhebt,  hat  schon 
Abney  gefunden,  dass  die  weissglühende  Oberfläche  des  Kraters  immer 
gleiche  Helligkeit  besitze,  mit  welcher  Stromstärke  auch  der  Licht- 
bogen hervorgerufen  wird.  Daraus  ist  zu  folgern,  dass  auch  die 
Temperatur  des  Kraters  immer  dieselbe  sein  wird,  wie  auch  die  Be- 
triebsstromstärke sich  ändern  mag.  Ueber  den  absoluten  Wert  des 
Glanzes  der  Kraterfläche  ist  aus  den  Bestimmungen  Trotters  zu 
folgern,  dass  derselbe  pro  1  qcm  Fläche  65  NK  betrage,  da  nämlich 
bei  26  Amp.  und  51  Volt  die  von  der  Kraterfläche  von  0,162  qmm 
ausgestrahlte  Lichtintensität  1065  NK  war,  berechnet  sich  der  Glanz  zu 

0,162  X  100  -  ^^  ^^- 

Die  Erklärung  dieses  gleichmässigen  Glanzes  ist,  wie  dies  auch 
von  S.  Thompson  geschieht,  dadurch  zu  geben,  dass  man  annimmt, 
die  Kohle  sei  an  der  Krateroberfläche  im  Zustande  der  Verflüchtigung, 
80  dass  die  Oberfläche  der  Kohle  da,  wo  sie  mit  ihrem  eigenen  Dampfe 
in  Berührung  tritt,  immer  die  konstante  Verdampfungstemperatur  der 
Kohle  besitzt.  Auf  die  gleiche  Vorstellung  führte  die  Betrachtung 
der  elektrischen  Grössen  des  Lichtbogens.    W.  Wilson^)  schloss  aus 

')  Bosetti,  Acad.  des  Scienc,  10.  Nov.  1879;  Lumiere  Electr.  1879, 1,  p.  235. 
*)  Violle,  The  Electrician  1892,  p.  460;  1894,  p.  238. 
*)  W.  Wilson,  Proc.  Roy.  Soc.  1895,  3.  Mai  oder  The  Electrician,  Juni 
1895,  p.  261. 

Sammlang  elektroteohnischer  Yorträge.  1.  4 


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50  Ernst  Voit. 


einigen  von  ihm  angestellten  Versuchen,  dass  das  Bogenlicht  an  G-lanz 
verliere,  wenn  es  dem  Drucke  einiger  Atmosphären  ausgesetzt  wird; 
dies  würde  bedeuten,  dass  sich  die  Temperatur  des  Kraters  durch 
Steigerung  des  Druckes  der  umgebenden  Luft  vermindert^  während 
die  Verdampfungstemperatur  sich  dabei  erhöht.  Nach  Angabe  von 
S.  Thompson  sind  Wilsons  Versuche,  jedoch  unzutreffend. 

Von  verschiedenen  Forschem  wurde,  wie  schon  oben  erwähnt, 
die  Ansicht  ausgesprochen,  dass  die  Kraterfläche  —  meist  wird  hiebei 
nicht  unterschieden  zwischen  der  wahren  Kraterfläche  und  der  durch 
die  Kraterkante  gelegten  und  von  dieser  begrenzten  Ebene  —  mit 
der  Betriebsstromstärke  proportional  wächst;  es  würde  dann,  da  der 
Glanz  der  Kraterfläche  immer  der  gleiche  bleibt,  die  Lichtausstrahlung 
proportional  mit  der  Betriebsstromstärke  zunehmen.  Hiram-Maxim^) 
gibt  z.  B.  an,  dass  man,  um  die  Leuchtkraft  eines  Lichtbogens  in 
Normalkerzen  zu  finden,  die  Krateroberfläche,  in  ^/loo  Quadratzoll 
(=  6,45  qmm)  ausgedrückt,  ins  Quadrat  erheben  und  mit  10  multi- 
plizieren müsse,  was  nur  dann  richtig  sein  kann,  wenn  die  Leucht- 
kraft mit  der  Krateroberfläche  wächst.  Die  Angabe  von  Andrews'), 
dass  proportional  mit  der  Stromstärke  auch  die  Krateroberfläche  sich 
ändert,  ist  schon  im  früheren  wiedergegeben.  S.  Thompson  benützt 
mehrmals  diese  Relation,  doch  zeigen  die  Beobachtungen  von  H.  Ayr- 
ton,  dass  dieselbe  eine  grössere  Genauigkeit  nicht  besitzen  könne,  dass 
also  auch  die  Leuchtkraft  des  Lichtbogens  nicht  proportional  der  Be- 
triebsstromstärke angenommen  werden  dürfe. 

Grössere  Bedeutung  haben  die  spektroskopischen  Untersuchungen 
des  Bogenlichtes  bisher  nicht  gewonnen,  es  seien  deshalb  nur  die 
Untersuchungen  von  0.  E.  Meyer*)  angeführt.  Es  fand  Meyer, 
dass,  wenn  die '  Litensität  des  gelben  Lichtes  als  1  angenommen  wird, 
dass  man  dann  für  die  verschiedenen  Farben  folgende  Litensitäten 
erhält : 


Rot 

Gelb 

Grün 

Blau 

Violett 

Aeusserstes  Violett 

2,09 

1,00 

0,99 

0,87 

1,03 

1,21 

Meyer  hebt  hervor,  dass  das  glühende  Oas  im  Flammenbogen 
veilchenblau  leuchtet,  woraus  folgere,  dass  die  Farbe  des  Bogenlichtes 
sich  sehr  beträchtlich  mit  der  mehr  oder  minder  guten  Entwickelung 

1)  Hiram-Maxim,  La  Lumi^re  Electr.  1880,  2,  p.  413. 
*)  Andrews,  La  Lumiöre  Electr.  1880,  2,  p.  463. 

»)  0.  E.  Meyer,  Zeitschr.  f.  angew.  Chemie  1879,  p.  320;  Centralbl.  f. 
Elektrotechn.  1883,  21,  p.  457. 


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Der  elektrische  Lichtbogen. 


51 


des  Lichtbogens  verändern  muss.  Diese  Veränderlichkeit  erkläre  die 
Abweichungen,  welche  verschiedene  Beobachter  gefunden  haben,  so 
z.  B.  H.  C.  Vogel  ^).  Abney*)  gibt  an,  dass  das  violette  Licht  des 
elektrischen  Spektrums  mit  dem  Flammenbogen  fast  vollständig  ver- 
schwindet. 

Will  man  die  totale  Leuchtkraft  von  Bogenlicht  mit  der  einer 
andern  Lichtquelle  vergleichen,  so  macht  die  im  allgemeinen  ver- 
schiedene Verteilung  des  Lichtes  Schwierigkeiten;  es  wurde  deshalb 
bei  Wiedergabe  der  Beobachtungen  an  Bogenlampen  während  der 
elektrischen  Ausstellung  in  München  die  sogenannte  räumliche  Licht- 
intensität eingeführt,   nämlich  diejenige  Intensität,   welche   eine  nach 


,tK*t^Hrl^HTrrwMm^;:JT^:>t:;^^ 


r7TTtTnTffr;;^;i;jp^i¥:::;^p^^ 


Fig.  25.    Lichtstärke  für  verschiedene  Stromstärken. 

allen  Richtungen  gleich  intensive  Lichtquelle  haben  müsste,  wenn  sie 
die  gleiche  Lichtmenge  ausstrahlen  soll  als  die  betrachtete  Lichtquelle. 
Zur  Berechnung  der  mittleren  räumlichen  Lichtintensität  dient  die 
Formel  Jm  =  V-*  ^  [sin  a^  —  sin  a^]  (J^  +  Jg),  wobei  J^  und  J^  die  in 
den  Richtungen  a^  und  a,  ausgestrahlten  Lichtintensitäten  sind  und 
die  Summe  über  den  halben  Vertikalkreis  auszudehnen  ist.  Rechnet 
man  z.  B.  für  die  von  Wybauw  angegebene  typische  Lichtverteilung 
des  Bogenlichtes  die  mittlere  räumliche  Lichtintensität,  so  findet  man 
dieselbe  zu  347  Normalkerzen;  würde  man  nur  die  von  der  Hori- 
zontalen nach  abwärts  gehende  Lichtmenge  in  Rücksicht  ziehen ,  so  er- 

')  H.  C.  Vogel,  Monatsber.  d.  Berl.  Akad.  1880,  p.  801. 
«)  Abney,  Proc.  Roy.  Soc.  1878,  2,  p.  157. 


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52 


Ernst  Voit. 


hielte  man  288  NE.    Setzt  man  voraus,  dass  die  Lichtverteilung  wie 
bei  einer  horizontalliegenden  gleichmässig  leuchtenden  Ebene  sei,  also 

die  in  Fig.  24  gezogene 
punktierte  Kreislinie 
die  Lichtverteilung  dar- 
stelle, so  würde  die 
räumliche  Lichtintensi- 
tät  dieses  Bogenlichtes 
449  NK  betragen.  Bei 
dieser  Berechnung  ist 
angenommen,  die  ne- 
gative Kohle  verdecke 
das  Licht  nicht,  wes- 
halb man  schliessen 
darf,  dass  etwaSObezw. 
36  ^/o  der  ganzen  räum- 
lichen Lichtintensität 
von  der  negativen  Kohle 
weggenommen  werden. 
Wenn  die  früher  aus- 
gesprochenen Ansich- 
ten richtig  sind,  dass 
nämlich  die  Krater- 
flächen des  Bogenlich- 
tes immer  denselben 
und  über  die  ganze 
Fläche  gleichmässigen 
Glanz  haben  imd  die 
Hauptlichtmenge  des 
Bogenlichtes  von  dem 
Krater  ausgeht,  somuss 
die  in  einer  Richtung 
ausgesendete  Licht- 
stärke, also  auch  z.  B. 
in  130  ^  für  welche 
nahe  die  Maximallicht- 
stärke eintritt,  der  in 
dieser  Richtung  sichtbaren  Fläche  des  Kraters  proportional  sein  und 
dieser  von  der  Grösse  der  Kraterfläche  abhängen.  Die  mittlere  räum- 
liche Lichtintensität  kann,   da  sie  von  der  Bogenlänge   abhängig  ist, 


lu4-        1     ."          -         --         -    ,         ^SJl-ZZ 

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Fig.  26. 
Lichtstärke  für  verschiedene  Arbeiten. 


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Der  elektrische  Lichtbogen. 


53 


nur  dann  wenn  diese  gleichmässig  eingehalten,  ebenso  einfache  Rela- 
tionen wie  die  Maximallichtstärke  liefern.  Ob  nur  die  Betriebsstrom- 
stärke oder  die  aufgewendete  elektrische  Energie  massgebend  ist,  kann 
bei  den  Untersuchungen  im  allgemeinen  nicht  entschieden  werden, 
da  die  SpannungsdiBferenzen  meist  wenig  verschieden  sind.  Nach  dieser 
Richtung  systematische  Untersuchungen  liegen  nicht  vor,  es  mag  ge- 
nügen, an  Hand  der  von  der  Prüfungskommission  bei  der  elektrischen 
Ausstellung  in  Frankfurt  a.  M.  ausgeführten  Beobachtungen  ^)  den  Zu- 
sammenhang zwischen  aufgewendeter  elektrischer  Energie,  Strom- 
stärke, Maximallichtstärke  und  mittlerer  räumlicher  Lichtintensität 
nachzuweisen.  Die  dort  erhaltenen  Zahlen  sind  in  folgender  Tabelle 
zusammengestellt. 


Eohlen- 
durcbmesser 

Bogen- 
länge 

Spannnng 

Strom- 
stärke 

Elektr. 
Energie 

Lichtintensität 

Docht- 

Homog.- 

Maximal- 

räuml. 

Eoble 

Kohle 

IntensiiÄt 

Lichtet. 

mm 

mm 

mm 

Volt 

Amp. 

Voltamp. 

HL 

HL 

13,1 

7,0 

1,1 

32 

3,9 

126 

350 

110 

3,0 

39 

5,0 

194 

520 

210 

18,0 

11,1 

3,0 

46 

8.6 

397 

1380 

510 

3,6 

49 

11,1 

546 

1930 

770 

14,2 

10,0 

2,7 

43 

6,0 

257 

680 

240 

2,4 

46 

7,1 

325 

1000 

320 

16,3 

11,2 

2,0 

37 

8,0 

298 

920 

290 

1,4 

40 

9,2 

370 

1230 

390 

17,0 

12,0 

2,7 

44 

9,0 

392 

1380 

445 

3,7 

49 

9,9 

490 

1530 

420 

3,7 

48 

11,2 

530 

1810 

610 

18,1 

14,5 

4,1 

49 

11,1 

542 

1660 

510 

3,5 

49 

12,3 

600 

1800 

560 

24,3 

16,1 

5,5 

48 

18,1 

863 

3470 

860 

7,0 

48,5 

20,0 

968 

4420 

970 

7,5 

49 

21,8 

1080 

5110 

1080 

17,7 

11,9 

3,0 

43 

8,7 

375 

1540 

420 

5,6 

50,5 

11,0 

554 

2450 

710 

5,1 

47 

13,1 

622 

2860 

1130 

16,0 

11,0 

2,0 

43 

7,8 

331 

990 

330 

10,0 

10,0 

2,4 

43 

7,0 

300 

1040 

300 

14,0 

10,0 

2,3 

43 

6,9 

296 

730 

240 

Biese  Zahlen  wurden  in  den  Fig.  25  und  26  eingetragen.  In 
Fig.  25  sind  die  Stromstärken  als  Abscissen,  die  Maximallichtstärken 
und  die  mittleren  räumlichen  Lichtstärken  als  Ordinaten  eingetragen, 
während  in  Fig.  26  die  aufgewendete  elektrische  Energie  als  Abscissen, 


^)  Offizieller  Bericht  d.  intern,  elektr.  AusBtellung  in  Frankfurt  a.M.  p.  124. 


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54  Ernst  Voit. 

die  Maximallichtstärken  und  die  räumlichen  Lichtstärken  wieder  als 
Ordinaten  gezeichnet  sind.  In  beiden  Fallen  ist  die  Maximallicht- 
stärke  nicht  als  lineare  Funktion  der  Stromstärke  bezw.  der  elek- 
trischen Energie  zu  betrachten;  die  räumlichen  Lichtstärken  liegen 
zwar  in  beiden  Fällen  noch  nahe  auf  geraden  Linien,  doch  sind  die 
Beobachiaingsfehler  nicht  so  gering,  um  die  Richtigkeit  dieses  Resultates 
verbürgen  zu  können. 

II.  Wechselstrom-Lichtbogen. 

um  einen  Wechselstromlichtbogen  herzustellen,  benützte  man 
früher  im  allgemeinen  zwei  Homogenkohlen,  während  man  neuerdings, 
wenigstens  in  Deutschland,  zum  Centrieren  des  Lichtbogens  meist  zwei 
Dochtkohlen  verwendet,  welche  aber  von  gleicher  Beschaffenheit  und 
von  gleichen  Dimensionen  sind.  Es  ist  klar,  dass  man  bei  einem 
Wechselstromlichtbogen  nicht  von  einer  positiven  imd  einer  negativen 
Eohlenelektrode  reden  kann,  da  ja  die  Kohle,  welche  in  einem  Moment 
positiv  war,  im  nächsten  Moment  nach  erfolgtem  Richtungswechsel  des 
Stromes  negativ  wird.  Dementsprechend  sollten  auch  die  beiden  Kohlen 
gleichmässig  abbrennen ,  was  jedoch,  wie  gleich  erwähnt  werden  soll, 
nicht  vollkommen  zutrifft.  Nur  wenige  Angaben  liegen  über  den  Ab- 
brand  der  Kohlen  bei  Wechselstrombetrieb  vor.  Uppenborn^)  gibt 
an,  dass  von  der  oberen  Kohle  imgeföhr  8^/0  mehr  als  von  der 
unteren  abbrennen;  dies  ist  dadurch  erklärlich,  dass  die  obere  Kohle 
durch  den  aufsteigenden  Luftstrom  wärmer  als  die  untere  wird.  Wie 
früher  bei  dem  Qleichstromlichtbogen  wollen  wir  nun  auch  bei  dem 
Wechselstromlichtbogen  1.  die  Form  der  Kohlen,  2.  die  elektrischen 
Gh-össen  des  Lichtbogens  und  3.  die  Lichtausstrahlung  desselben 
betrachten. 

1.  Form  der  Kohlen  bei  einem  stationären  Lichtbogen. 

Die  Form  der  Kohlenenden  bei  einem  Wechselstromlichtbogen 
muss  selbstverständlich  bei  gleichem  Material  gleich  sein,  es  kann  nur 
dann,  wenn  die  Kohlen  wie  gewöhnlich  übereinander  stehen,  die  obere 
Kohle  wegen  stärkerer  Erwärmung  durch  den  aufsteigenden  Luftstrom 
sich  mehr  zuspitzen.*  Eine  gleiche  Kraterbildung  wie  an  der  positiven 
Kohle  des  Gleichstromlichtbogens  kann  an  keiner  Kohle  stattfinden, 
denn  obwohl  in  dem  Moment,  wenn  die  Kohle  diß  positive  Elektrode 
bildet,  ein  Krater  entsteht,  wird  doch  dann,  wenn  jene  zur  negativen 

^)  Uppenborn,  Kalender,  p.  154. 


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Der  elektrische  Lichtbogen. 


55 


Elektrode  geworden,  die  Eraterbildung  wieder  rückgängig,  und  es  wird 
darauf  ankonamen,  welche  dieser  Umformungen  beträchtlicher  ist.  Dass 
bei  Wechselstrombogenlicbt  die  Form  der  Eohlenenden  im  allge- 
ineinen  der  oben  angestellten  Ueberlegung  entspricht,  ist  bekannt; 
doch  sind  ähnlich  eingehende  Beobachtungen,  wie  sie  von  H.  Ayrton 
fUr  die  Kohlen  bei  Gleichstromlichtbogen  gemacht  wurden,  nicht  aus- 
geführt. 

2.  Die  elektrischen   Grössen  des  Lichtbogens. 

a)  Ruhiger  Lichtbogen. 

Bei  dem  Wechselstromlichtbogen  wird  der  Zusammenhang  zwischen 
den  elektrischen  Grössen  weniger  einfach  als  bei  dem  Gleichstromlicht- 
bogen, weil  bei  jenen  der  periodische  Verlauf  der  Stromstärke  und 
der  Spannung  bei  den  Beobachtungen  berücksichtigt  werden  muss, 
um  richtige  Schlüsse  ziehen  zu  können.  Es  soll  nur  auf  einige  hie- 
bei  zu  beobachtende  Punkte  aufmerksam  gemacht  werden.    Wenn  bei 


Fig.  27.    Elektrische  Grössen  des  Wechselstromlichtbogens. 

einem  Wechselstrom  sowohl  die  Stromstärke  wie  die  Spannung,  welche 
gleiche  Periode  haben  sollen,  nach  dem  Sinusgesetze  verlaufen  und 
dieselben  gleiche  Phase  haben,  so  ist  die  wahre  verbrauchte  elektrische 
Arbeit  gleich  der  scheinbaren  elektrischen  Arbeit,  nämlich  gleich  dem 
Produkte  aus  der  Stromstärke  und  der  Spannung.  Dies  ist  jedoch  nicht 
der  Fall,  wenn  entweder  Stromstärke  oder  Spannung  nicht  nach  dem 
Sinusgesetze  verlaufen  oder  wenn  eine  Phasenverschiebung  zwischen 
Stromstärke  und  Spannung  auftritt.     Steinmetz^)  macht  darauf  auf- 


>)  Steinmetz,  Elektrotechn.  Zeitscbr.  1892,  42,  p.  567. 


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56  Ernst  Voit. 

merksam,  dass  bei  den  Wechselstromlichtbogen  Stromstärke  und  Span- 
nung nicht  gleichzeitg  nach  dem  Sinusgesetze  verlaufen  können,  da  der 
scheinbare  Widerstand  des.  Lichtbogens  von  der  Stromstärke  abhängig 
ist  und  deshalb  der  scheinbare  Widerstand  mit  der  doppelten  Periode 
der  Wechselstromwelle  sich  ändern  muss.  Durch  eine  analytische  Unter- 
suchung findet  man  nun,  dass,  wenn  ein  Wechselstrom  einen  mit 
doppelter  Periodenzahl  sich  ändernden  Widerstand  durchfliesst,  über 
die  einfache  Sinuswelle  der  Spannung  oder  der  Stromstärke  sich  eine 
Welle  mit  dreifacher  Periodenzahl  legen  muss,  so  dass  nicht  gleich- 
zeitig Stromstärke  und  Spannungskuryen  Sinuswellen  sein  können.  Bei 
Untersuchungen  in  der  Comell  University  Ithaka^),  welche  mit 
einer  Westinghouse- Maschine  ausgeführt  wurden,  hatte  die  Strom- 
kurve sehr  nahe  eine  Sinusform  [sie  war  nur  durch  die  dreiperiodische 
Welle  (b  sin  3  y)  etwas  zugespitzt] ,  die  Spannung  zeigte  jedoch  zwei 
hohe  Spitzen  mit  sattelförmiger  Einsenkung.  Eine  merkbare  Phasen- 
verschiebung von  Stromstärke  und  Spannung  war  nicht  zu  beobachten, 
dagegen  ergab  sich  der  Quotient  aus  wahrer  elektrischer  Arbeit  in 
Watt  und  dem  Produkt  aus  Spannung  und  Stromstärke  nicht  gleich 
der  Einheit,  sondern  es  war: 

Watt      _         314         _oQ.K 
Volt.Amp.  ■"   8.86x42  -"'^*^- 

Man  kann  diese  Zahl  als  Reduktionsfaktor  der  scheinbaren 
Phasenverschiebung  bezeichnen. 

Es   wäre  jedoch  mögUch,  dass  in   dem  Wechselstromlichtbogen 

eine  Phasenverschiebung  zwischen  Stromstärke  und  Spannung  dadurch 

hervorgerufen  wird,  dass  in  dem  Lichtbogen  ein  induktiver  Widerstand 

vorhanden  ist ;  der  hiedurch  auftretende  Phasenverschiebungswinkel  (y) 

Watt 
ist  dann  gegeben  durch  die  Gleichung  cos  y  =  ^  ,     . In  diesem 

Falle  wird  für  wachsende  Zahl  der  Polwechsel  der  Winkel  der  Phasen- 
verschiebung grösser,  während  dies  bei  der  scheinbaren  Phasenver- 
schiebung, wie  sie  durch  eine  von  der  Sinusform  abweichende  Kurve 
für  Stromstärke  oder  Spannung  entsteht,  nicht  ist.  Eine  unzweideutige 
Entscheidung,  ob  nur  eine  scheinbare  oder  eine  wahre  Phasenver- 
schiebung vorhanden,  kann  dadurch  einhalten  werden,  dass  man  die 
Kurven  für  Stromstärke  und  Spannung  direkt  aufnimmt. 

Soweit  die  vorliegenden  Resultate  einen  Schluss  zulassen,  hat  man 
es  bei  einem  Wechselstromlichtbogen  mit  einer  scheinbaren,  nicht  mit 

*)  Transactions  of  the  Americ.  Inst,  of  Electr.  Engineers,  7,  Nr.  11. 


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Der  elektrische  Lichtbogen. 


57 


einer  wahren  Phasenverschiebung  zu  thun.  Wie  schon  erwähnt,  wurde 
bei  den  Untersuchungen  in  Ithaka  nur  eine  scheinbare  Phasenver- 
schiebung nachgewiesen  und  der  ßeduktionsfaktor  derselben  zu  0,84 
gefunden.      Auch   Frölich^)    kann   eine   Phasenverschiebung   nicht 

Heubach ^),   welcher  aus   dem   Quotient 


Volt .  Amp. 


konstatieren. 

eine  wirkliche  Phasenverschiebung  folgert,  erhielt 

für  zwei  Dochtkohlen  den  Werth  jenes  Quotienten  =  1,0 

für  eine  Docht-  und  eine  Homogenkohle  =  0,92  und 

för  zwei  Homogenkohlen  =  0,82 


Fig.  28.    Spannungsdifferenz  für  verschiedene  Stromstärken. 

Görges^)  schliesst  aus  den  Versuchen  von  Oehlschläger, 
Dr.  Michalke  und  Queisser,  dass  zwischen  Spannung  und  Strom- 
starke in  der  Gegend  der  Nulllinie  eine  kleine  Phasenverschiebung 
auftrete,  und  zwar  in  der  gleichen  Richtung,  wie  wenn  sie  durch 
Selbstinduktion  hervorgerufen  wäre;  bei  hohen  Werten  der  Strom- 
stärke sei  diese  Verschiebung  in  entgegengesetzter  Richtung  und  lasse 

*)  Frölich,  Elektrotechn.  Zeitechr.  1892,  42,  p.  567. 
*)  Heubach,  Elektrotechn.  Zeitschr.  1892,  84,  p.  460. 
*)  Görges,  Elektrotechn.  Zeitschr.  1895,  84,  p.  548. 


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Ernst  Voit. 


sich  als  eine  thermoelektrische  Gegenkraft  erklären.  Diese  Phasen- 
verschiebungen sind  jedoch  geringfügig,  und  können  dieselben  vielleicht 
dadurch  bedingt  sein,  dass  die  Strom-  und  Spannungskurven  nicht 
vollkommen  gleichzeitig  aufgenommen  sind.  Die  von  Blond eP)  er- 
haltenen Werte  sind  den  He  üb  ach  sehen  Zahlen  ähnlich. 

Der  Zusammenhang  der  elektrischen  Grössen  scheint  bei  dem 
Wechselstromlichtbogen  ein  ähnlicher  zu  sein  wie  bei  dem  Gleich- 
stromlichtbogen; doch  sind  fUr  den  ersteren  nicht  so  ausreichende 
Beobachtungen  vorliegend,  um  die  volle  Uebereinstimmung  oder 
etwaige  Unterschiede  mit  Sicherheit  nachweisen  zu  können.  Aus  den 
Beobachtungen  von    Heubach   kann  man  folgendes   schliessen.    Die 


Fig.  29.     Spannungsdifferenz  für  verechiedene  Bogenlängen. 

Spannungsdifferenz  nimmt,  wie  aus  Fig.  28  zu  erkennen,  mit  wachsender 
Stromstärke  ab.  Der  Verlauf  der  Kurven  ist,  soweit  man  schliessen 
darf,  nicht  verschieden  wie  der  in  Fig.  8,  9  und  12  gefundenen  Kurven 
für  Gleichstromlichtbogen.  Trägt  man  die  H  eub ach ^ sehen  Beob- 
achtungen so  auf,  dass  als  Abscissen  die  Bogenlängen  und  als  Ordi- 
naten  die  Spannimgsdifferenzen  genommen  sind,  so  erhält  man  die 
Fig.  29,  welche  ebenfalls  wieder  ähnlich  mit  den  Fig.  10,  13  und  14 
bei  Gleichstromlichtbogen  werden.  Für  wachsende  Bogenlängen  werden 
die  Zahlen  der  Spannungsdifferenzen  grösser,  für  Homogenkohlen 
sind  bei  gleicher  Bogenlänge  die  Spannungen  höher  als  bei  Benützung 
einer  Dochtkohle,  imd  für  zwei  Dochtkohlen  sind  sie  am  geringsten, 
z.  B.  bei  einem  Lichtbogen  von  2  mm  ist  die  Spannimg  bei  Homogen- 


»)  Blondel,  La  Lumi^re  Electr.  1895. 


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Der  elektrische  Lichtbogen. 


59 


kohlen  51  bezw.  52  Volt,  wenn  eine  der  Kohlen  homogen  29  bezw. 
31  Volt  und,  wenn  beide  Kohlen  gedochtet  sind,  22  bezw.  23  Volt. 
Ferner  ist  auch  bei  grösseren  Bogenlängen  für  ein  bestimmtes  Kohlen- 
paar die  Spannung  bei  grösserer  Stromstärke  geringer.  Aus  den 
Beobachtungen  von  Eeubach  kann  auch  der  scheinbare  Widerstand 
des  Wechselstromlichtbogens  gefunden  werden.     Die  Resultate  sind  in 


Fig.  30.    Widerstand  fttr  verschiedene  Bogenlängen. 

Fig.  30  dazu  angewendet,  um  den  Zusammenhang  zwischen  dem  schein- 
baren Widerstand  und  der  Bogenlänge  nachzuweisen.  Vergleicht  man 
diese  Figur  mit  den  Kurven  in  Fig.  14  und  15,  welche  für  den  Gleich- 
stromlichtbogen gelten,  so  ist  insoweit  eine  üebereinstimmung  nach- 
zuweisen, dass  die  Widerstandskurven  nahe  gerade  Linien  sind.  Bei 
einem  Kohlenpaar  schneiden  die  Geraden  die  Ordinatenachse  in  höheren 
Punkten,  je  geringer  die  Stromstärke,  und  sind  auch  stärker  gegen  die 
Abscissenachse  geneigt,  je  kleiner  die  Stromstärke.  Die  Homogenkohlen 
haben  unter  sonst  gleichen  Umständen  grösseren  scheinbaren  Wider- 
stand als  die  Dochtkohlen. 

Wenn  man  die  Spannungsdifferenz  eines  Wechselstromlichtbogens 
durch   die   gleiche  Formel    V  =  m-t-nL'  ausdrückt    wie    bei    einem 


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60 


Ernst  Voit. 


Gleichstromlichtbogen,  so  findet  man   nach    den  Beobachtungen  von 
fleubach  folgende  Werte  für  die  Konstanten: 

>  bei  Dochtkohlen, 

J  bei  Homogenkohlen, 

I  oben  Docht-,  unten  Homogenkohle, 

)  oben  Homogen-,  unten  Dochtkohle. 

Man  sieht  aus  diesen  Zahlen,  dass  die  Konstante  m  am  grössten 
(45  Volt)  bei  Verwendung  von  zwei  Homogenkohlen  ist,  kleiner  (27  Volt) 


Für  4.4  Ampere  ist  V  =  19,8  +  2,22  L 

,    6,5 

.   V  =  20,4  +  1,81  L 

,    6,3 

,   V  =  44,6  + 4,37  L 

.    9,2 

,  V  =  45,9  +  8,07  L 

.    6,2        , 

,   V  =  26,6  + 2,53  L 

,    6,2 

,   V  =  26,6  +  2,67  L 

,    6,4 

,   V  =  22,2  +  3,25  L 

.    6,4 

•»r 

,   V  =  22,2  +  3,00  L 

■1   1                    1  •                rw    ^  •» 

Fig.  31.    Arbeit  für  verschiedene  Stromstärken. 

wird,  wenn  unten  eine  Homogen-  und  oben  eine  Dochtkohle,  noch 
kleiner  (22  Volt),  wenn  unten  eine  Docht-,  oben  eine  Eomogenkohle, 
und  am  kleinsten  (20  Volt),  wenn  zwei  Dochtkohlen  benutzt  werden. 
Mit  der  Stromstärke  ist  m  nicht  nachweislich  sich  ändernd.  Ueber- 
haupt  sind  wesenstliche  Unterschiede  im  Werte  m  gegenüber  dem  bei 
Gleichstromlichtbogen  nicht  zu  erkennen.  Die  Konstante  n  wird  mit 
zunehmender  Stromstärke  kleiner.  Wenn  man  aus  den  wenigen  Beob- 
achtungen (nämlich  den  auf  nur  zwei  verschiedene  Stromstärken  für  je 
zwei  Docht-  und  Homogenkohlen  sich  erstreckenden)   eine  Folgerung 


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Der  elektrische  Lichtbogen. 


61 


ziehen  darf,  ist   die  mit  steigender  Stromstärke   eintretende  Abnahme 
7on  n  bei  Homogenkohlen  bedeutender  als  bei  Dochtkohlen. 

Es  ist  auch  von  Interesse,  den  Arbeitsverbrauch  kennen  zu  lernen, 
den  der  Wechselstromlichtbogen  mit  steigender  Bogenlänge  dann  not- 
wendig macht,  wenn  die  Stromstärke  konstant  gehalten  wird,  und 
sodann  auch  den  Arbeitsverbrauch  für  verschiedene  Stromstärken  bei 
konstant  gehaltener  Bogenlänge.  Die  Beobachtungen  Heubachs 
sind   zur  Konstruktion  der  Fig.  31  und  32  benützt;   in  der   ersteren 


Fig.  32.    Arbeit  für  verschiedene  Bogenlängen. 

sind  die  Stromstärken  in  Ampere  als  Abscissen,  die  elektrischen  Arbeiten 
in  Watt  als  Ordinaten  und  in  der  letzten  die  Bogenlängen  in  Millimeter 
als  Abscissen,  die  elektrischen  Arbeiten  wieder  als  Ordinaten  einge- 
tragen. Die  Kurven  in  Fig.  31  zeigen  nichts  Neues;  in  Fig.  32  ist 
der  rasche  Abfall  der  elektrischen  Arbeit  bei  geringen  Bogenlängen  für 
Homogenkohlen  auffällig.  Es  ist  ferner  zu  beachten,  dass  der  Arbeits- 
verbrauch mit  dem  Kohlenmaterial  verschieden  ausfällt;  unter  sonst 
gleichen  Umständen  ist  nämlich  bei  Homogenkohlen  dieser  Aufwand 
am  grössten:  266  Watt,  dann  etwas  weniger:  168  Watt,  bei  Verwendung 
von  Dochtkohle  oben  und  Homogenkohle  unten,  sodann:  159  Watt  bei 


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62  Ernst  Voit. 


Homogenkohle  oben  und  Dochtkohle  unten,   endlich  am  geringsten: 
142  Watt,  bei  zwei  Dochtkohlen. 

b)  Zischender  Bogen. 

Bei  den  Beobachtungen  von  Heubach  trat  ein  Zischen  des 
Wechselstromlichtbogens  nur  ein,  wenn  Homogenkohlen  mit  kleiner 
Bogenlänge  benützt  wurden,  und  es  wurde  das  Zischen  heftiger  bei 
abnehmendem  Lichtbogen  und  zunehmender  Stromstärke.  Ob  bei  dem 
Wechselstromlichtbogen  der  zischende  Bogen  in  gleicher  Weise  sich 
bildet,  wie  bei  dem  Gleichstromlichtbogen  durch  die  Beobachtungen 
von  H.  Ayrton  gefunden  wurde,  lässt  sich  nach  den  wenigen  vor- 
liegenden Untersuchungen  hierüber  nicht  angeben.  Glörges  ist  der 
Ansicht,  dass  das  Geräusch  beim  Wechselstromlichtbogen  durch  die 
periodische  Erwärmung  der  Kohlenspitzen  und  der  zwischenliegenden 
Luft  hervorgerufen  wird;  der  Ton  hänge  von  der  Form  der  Strom- 
kurve ab;  man  erhalte,  wenn  der  Strom  nach  einer  Sinuskurve  ver- 
laufe, einen  reinen  Ton,  während  dann,  wenn  der  Strom  eine  Kurve 
mit  plötzlichen  Aenderungen  besitze,  Obertöne  und  Nebengeräusche 
(Schnarren)  auftreten.  Je  grösser  der  Lichtbogen,  die  Stromstärke  und 
die  Periodenzahl  des  Wechselstromes,  desto  lauter  sei  der  Ton.  Mitunter 
finde  man  Kohlen,  bei  denen  der  Ton  überhaupt  nicht  wegzubringen 
sei,  während  bei  anderen  wieder  ein  solcher  gar  nicht  auftrete. 
Bezüglich  der  elektrischen  Grössen  beim  zischenden  Wechselstrom- 
lichtbogen ist  einerseits  durch  die  Beobachtungen  Heubachs  wahr- 
scheinlich, dass  beim  Eintritt  des  Zischens  ein  rascher  Spannungs- 
abfall nicht  stattfindet,  imd  ferner  ist  nachgewiesen,  dass  bei  dem  zischen- 
den Lichtbogen  eine  sehr  grosse  scheinbare  Phasenverschiebung  auftritt: 

Watt 

es  ist  nämlich  der  Wert  des  Quotienten  -^r-r- — r zu   0,74   erhalten 

Volt.Amp. 

worden.      Immerhin    kann    es    nach     diesen    Resultaten    zweifelhaft 

erscheinen,  ob  das  bei  dem  Wechselstromlichtbogen  sich  zeigende  Singen 

analog  mit  dem  Zischen  des  Gleichstromlichtbogens  ist. 

3.   Die  Lichtausstrahlung  des  Lichtbogens. 

Während  bei  dem  Gleichstromlichtbogen  die  positive  Kohle  eine 
höhere  Temperatur  als  die  negative  Kohle  hat  und  dementsprechend 
die  erstere  eine  beträchtlich  grössere  Lichtmenge  ausstrahlt,  kann 
bei  dem  Wechselstromlichtbogen  ein  wesentlicher  Unterschied  in  der 
Lichtausstrahlung  der  beiden  Kohlen  nicht  stattfinden,  da  abwechselnd, 


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Der  elektrische  Liöhtbogen.  63 


je  nachdem  die  obere  oder  untere  Kohle  etwa  als  positive  Elektrode 
wirksam  ist,  die  eine  oder  andere  mehr  Licht  aussenden  wird.  Diese 
durch  den  Polwechsel  bedingten  Schwankungen  in  der  Lichtintensität 
sind  begleitet  von  den  Intensitätsschwankungen,  welche  von  der  Strom- 
stärkeänderung des  Wechselstromes  herrühren.  Das  Auge  bemerkt 
diese  Schwankungen  nicht,  wenn  sie  rasch  hintereinander  folgen. 
Görges  gibt  an,  dass  bei  60  Pol  wechseln  in  der  Sekunde  ein  Unter- 
schied in  der  Lichtintensität  von  dem  Auge  nicht  mehr  beobachtet 
werden  kann,  bei  60  Polwechseln  sei  derselbe  schon  wahrzunehmen, 
und  bei  40  Polwechseln  in  der  Sekunde  entstehe  ein  unerträgliches 
Flimmern.  Von  Interesse  ist  es,  den  Nachweis  zu  führen,  ob  die 
Temperaturänderung  und  damit  auch  die  Lichtausstrahlung  der 
Kohlen  rasch  der  Intensitätsänderung  des  Wechselstromes  nachfolgt, 
oder  ob  schon  bei  geringer  Zahl  der  Polwechsel  ein  Ausgleich  in 
der  Weise  erfolgt,  dass  die  hieraus  resultierende  Helligkeitsänderung 
eine  unmerkbare  ist.  Görges  hat  gezeigt,  dass  die  Temperatur  der 
Kohlen  so  rasch  den  Stromänderungen  nachfolge,  dass  man  die  dadurch 
hervorgerufenen  Helligkeitsänderungen  photographisch  fixieren  kann,  es 
ändert  sich  die  Lichtintensität  fast  momentan  mit  der  Stromstärke, 
indem  sie  anscheinend  alle  Variationen  der  Stromkurve  wiederspiegelt. 
Ist  der  Wechselstrom  nach  einer  Sinuskurve  verlaufend,  so  erkennt 
man  auch  das  allmähliche,  anfangs  raschere,  später  langsame  An- 
steigen und  das  ähnliche  Absinken  der  Lichtintensität  in  der  Photo- 
graphie; bei  einer  flachen  Kurve  ist  dem  Verlaufe  dieser  Kurve  ent- 
sprechend die  Lichtintensität  rasch  wachsend,  bleibt  dann  nahe  konstant, 
um  wieder  rasch  abzunehmen,  während  endlich  bei  einer  spitzen 
Kurve  auch  die  Lichtintensität  ziemlich  gleichförmig  bis  zum  Maximal- 
wert zunimmt  und  dann  gleichmässig  wieder  abnimmt. 

Die  Lichtverteilung  des  von  einem  Wechselstrombogenlichte  aus- 
gesendeten Lichtes  ist  natürlich  sehr  verschieden  von  der  eines  Gleich- 
strombogenlichtes.  Es  treten  an  beiden  Kohlen ,  sowohl  der  oberen  wie 
der  unteren,  nahe  gleichgrosse  und  gleichleuchtende  Flächen  auf;  ob 
dieselben  bei  vertikal  stehenden  Kohlen  als  genau  horizontal  liegend 
angesehen  werden  dürfen,  ist  nicht  festgestellt.  Behalten  wir  diese 
Annahme  jedoch  bei  und  sehen  femer  voraus,  dass  nach  oben  nur 
licht  von  der  leuchtenden  Fläche  der  unteren  Kohle,  nach  unten  nur 
solches  von  der  oberen  Kohle  gelangt,  so  erhält  man  als  Lichtkurve 
die  beiden  in  Fig.  33  punktiert  gezogenen  Kreislinien,  wenn  die  beiden 
Flächen  ebenso  wie  die  positive  Kraterfläche  beim  Gleichstromlicht- 
bogen immer  konstant  leuchtend   angenommen  werden   dürfen.     Die 


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64 


Ernst  Voit. 


in  dieser  Fig.  33  ausgezogene  Kurve  liefert  die  aus  mehreren  für 
Wechselstrom  gefundenen  Lichtkurven  abgeleitete  typische  Lichtaus- 
strahlung eines  Wechselstromlichtbogens.  Es  wird  die  in  horizontaler 
Richtung  ausgehende  Lichtintensität  grösstenteils  vom  Lichtbogen  selbst 
herrühren ;  der  weitere  Unterschied,  dass  die  Maximallichtstärke  nach 

unten  hin  grösser  als  die  nach  oben 
ist,  mag  davon  herrühren,  dass  die 
obere  Kohle  wegen  der  nach  oben 
gehenden  Luftströmung  wärmer  ist. 
Fraglich  bleibt  es,  ob  die  beiden 
Flächen  die  Temperatur  der  ver- 
dampfenden Kohle  haben  und  des- 
halb den  gleichen  Olanz  wie  der  po- 
sitive Krater  des  Gleichstromlicht- 
bogens besitzen.  Trotter  ^)  gibt  an, 
dass  nach  Untersuchungen  in  Chatam 
der  Glanz  des  Wechselstrombogen- 
lichtes  39  bis  117  Normalkerzen  pro 
Quadratcentimeter,  z.  B.  für  240  Am- 
pere 116  NK  pro  Quatratcentimeter, 
betrage.  Vergleicht  man  diese  Zahlen 
mit  dem  Werte  65 ,  der  in  Chatam 
für  den  Glanz  eines  Gleichstromlicht- 
bogens gefunden  wurde,  so  ist  eine 
Uebereinstimmung  nicht  zu  erkennen; 
die  sehr  verschiedenen  Grenzwerte 
scheinen  jedoch  anzudeuten,  dass  man 
es  hier  nicht  mit  sicheren  Zahlen  zu 
thun  hat.  Fleming  undPetavel*) 
geben  an ,  dass  die  jeweilige  negative  Kohle  bei  dem  Wechselstrom- 
lichtbogen eine  geringere  Maximallichtstärke  als  die  der  positiven 
Kohle  habe.  Bei  einer  Polwechselzahl  von  83  in  der  Sekunde  sei 
der  Maximalglanz  der  negativen  Kohle  nicht  viel  mehr  als  die  Hälfte 
des  Maximalglanzes  der  positiven  Kohle;  je  geringer  die  Zahl  der 
Polwechselzahl,  um  so  grösser  sei  der  Unterschied. 

In  vollkommen    klarer  Weise  ist   aus    der    von  Fleming   und 
Petavel  gegebenen  Fig.  34  für  ein  Wechselstrombogenlicht  zu  ersehen. 


')  Trotter,  Elektrot.  Zeitschc  1892,  82,  p.  438. 

*)  Flemming  und  Petavel.  The  Electrician  1895  Dec.  20,  p.  247. 


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Der  elektrische  Lichtbogen. 


65 


wie  die  Stromstärke,  Spannung,  elektrische  Arbeit  und  ausgestrahltes 
Licht  in  jedem  einzelnen  Moment  zusammenhängen.  Die  hiebei  ver- 
wendeten Dochtkohlen  hatten  15  mm  Durchmesser,  wurden  bei  einer 
Bogenlänge  von  5,5  mm  mit  14  Ampere  betrieben  imd  zeigten  dann 
30  Volt  SpannungsdiflFerenz ;  die  Zahl  der  Polwechsel  war  83,3  in  der 


TTjI      ■     ■         1     '"                       1    ■                 l  1  h    ■  ^  ^ 

^■-•-r  ■           "^ ■■                                                            ,  !     1     ^ 

■ 

,            i                                                                                f  ,-l     -j  -j--- 

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,:  Ljt.               ^l4-s\\     -    -^^^  i^l- 

i^  ^\Tr                          jj             \—              .  7      ^ff  :   Tig 

F:[«fc-                    -H^       V   ,\-i.            ^         //    '      ^'^ 

,.»:äTr  ^     _  _i_jl-'-t:^r\\'^    :t/  :;/      :  "'" 

^Är              £^    X.  i\:\  i  , .  j/  .1/1. 

Mf        |U                            /^                        ^   T    ;V'!-    /        t//              --      Afi^      -      - 

-xf;'^^^--^"*'   p'l^A^T^^ T-T- 

i  i_  lL    ^    '       '  /    L    ;    J_    .      _       5  ..V    .     L  .    -  /'    ,  /-Y- 

'    T^rf"^  1     '/                ^^  'u .  'Vrln    :Z                   ä7-»- 

1      Vi  ^^ütrf                                                           t             1 14/     [        ji_ 

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'                 '                                  i  i               X    .    .        _          .    1              1      j  . 

Fig.  34.    Elektrische  Grössen  und  Lichtstärke  eines  Wechselstrom-Lichtbogens. 

Sekunde.  Zu  beachten  ist,  dass  in  der  Zeichnung  die  Ordinaten  der 
Arbeits-  und  die  der  Lichtkurve  in  einer  beliebigen  Einheit  aufgetragen 
sind,  nämlich  so,  dass  sie  zweckmässig  in  der  Figur  Platz  fanden. 
Von  Wichtigkeit  ist,  dass  die  Lichtkurve  gegen  die  Kurve  der  elek- 
trischen Arbeit  etwas  verzögert  ist,  d.  h.  dass  die  Annahme  der  ent- 
sprechenden Temperatur  und  damit  auch  der  Helligkeit  etwas  zurück- 

Sammlnng  elektrotechnischer  Vorträge.  I.  5 


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66 


Ernst  Voit. 


bleibt  gegenüber  der  dieselbe  bedingenden  Sixomstärke  oder  elektrischen 
Arbeit.  Von  noch  grösserem  Interesse  ist  die  Fig.  35.  Auch  hier  sind 
Dochtkohlen  von  15  mm  Durchmesser  benützt  und  zeigten  bei  einer 
Bogenlänge  von  4,2  mm  und  einer  Betriebsstromstärke  Ton  14  Ampere 


-72p.ik--< f-t|!^-|4H  -+  H+t 

\    ^                             I     I     i             I                                          y    ^\^P'A 

\-.     "  "    "    j -4-Tt  trtr^-itL  '4^""     >-t    in  ^ 

L     \                                        ,                          .                      f\         ,v,      4- 

•^iC       \      ,                                             i  *        1                            .    \\      ^^ 

\                                                 '  '  1        i  '  I        •  I            /    t           1* 

it  XI          it    '"t  "  '  ::t^'  1  rr~  i ;     dtic   X'^it 

j.       i                           i                       / 

^           -Ih-              —^  -■           r     1    .    4-  ...  -  -  p    j-     -,g^   -^ 

JL                           .  _      J  i-           /y"s^     __     _ 

1                                      ^r    ^ 

L     IT       '      'X-rU^'  "^'fi  'rLT^'  "-Ü4I 

V        t                        *     '  ;                      t  '  ■  r          ]  jTi   +--■ 

44\     ^                L4  Lf  b                           //nJj       W' 

-^    V    '           ,c^^r5S^           -^    .  Äo-^'^^^K 

^                   ,.i  r       \                       i7/>       J 

\    V         trA  ■"  ;\pi:;"T'xrT'r  y?/^      -ü         i 

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i?    \r    \      w^i TT       r^T^      7,    ^ -f T         r   i'^'^ 

^    1    ^    1*  /'        \  V          i  /  /        & 

\       \    J     f  J          r    \             /     '/             1    -        - 

.         1             Si    ^      /'rfl                 /        N                   /    /  f                        ^     -.      -- 

V   ^r       \     ti.^        il  .      ."v      ^/  ^./7:^       ^     .,    ^ 

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..:al.-U---  Ti^UK---^- ^-V  7U^'U/ .  #4J  L  — H-       -     -f- 

\^i    \\,yv         X 1      MW  /  M  r 

\   >  1      i  .  ,  4- .  ^Jö,                      <      A  .   i         ,  ViT^  • .  .  >  1      .  ;  . 

L  \l    .  i       i  V  *•  1              -.  ^, -  J  \  i       ^  /  li        -j  *  ;     .                „ ,    ■ .  - 

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S^"* 

~T'^zfihm :~'7'1S5~ 

Fig.  35.   Elektrische  Grössen  und  Lichtst&rke  eines  Wechselstrom-Lichtbogens. 

eine  Spannung  von  16  Volt.  Die  Polwechselzahl  ist  dabei  ebenfalls 
83,3.  Hier  ist  nur  das  von  der  unteren  Kohle  ausgehende  Licht  beob- 
achtet worden,  im  übrigen  sind  die  Eintragungen  der  anderen  Grössen 
wie  in  der  vorausgehenden  Figur.  Man  sieht,  dass  auch  hier  die 
Lichtkurve  immer  hinter   der  Arbeitskurve   zurückbleibt,  ferner  aber, 


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Der  elektrische  Lichtbogen. 


67 


dass,  wie  schon  oben  erwähnt,  dann,  wenn  die  untere  Kohle  die  negative 
Elektrode  bildet,  die  Maximallichtintensität  beträchtlich  kleiner  ist,  als 
wie  wenn  die  untere  Kohle  als  positive  Elektrode  erscheint.  Ganz 
ähnliche  Resultate  teilt 
G  ö  T  g  e  s  mit.  Diese 
sind  in  den  Fig.  36,  37 
und  38  dargestellt,  aus 
welchen  ebenfalls  zu  er- 
kennen ist,  dass  die  Licht- 
kurve immer  gegen  die 
Kurve  der  aufgewendeten 
elektrischen  Arbeit  zu- 
rückbleibt, und  femer,  dass 
diejenige  Kohle,  welche 
die  negative  Elektrode 
bildet ,  eine  beträchtlich 
kleinere  Maximalleucht- 
kraft besitzt  als  die  posi- 
tive Kohle.  Zum  Ver- 
ständnis der  Kurven   sei 

noch  beigefügt,  dass  die  in  Fig.  37  einen  sinusartigen  Verlauf  haben, 
die  in  Fig.  36  aber  mehr  flach   und  die  in  Fig.  38  mehr  spitz  sind. 

Die  Temperatur  der 
Kohlenspitzen  und  damit 
die  Leuchtkraft  ist  in  dem 
Wechselstromlichtbogen 
nach  Gorges  im  wesent- 
lichen durch  die  aufge- 
wendete elektrische  Ener- 
gie bedingt;  sie  hängt 
jedoch  von  der  Form  der 
Kurve  des  Wechselstromes 
und  der  Periodenzahl  ab. 
Vor  allem  soll  gezeigt 
werden,  dass  die  Form  der 
Kurve  für  den  Betriebs- 
strom einen  nicht  unbe- 
deutenden Einfluss  auf  die 


Fig.  36.    Elektrische  Grössen  und  Lichtstärke 
eines  Wechselstrom-Lichtbogens. 


Fig.  37.  Elektrische  Grössen  und  Lichtstärken 
eines  Wechselstrom-Lichtbogens. 


Lichtentwickelung  ausübt.   G.  Roessler  und  Wedding  ^)  haben  durch 
*)  Roessler  und  Wedding,  Elektrotechn.  Zeitschr.  1894,  28,  p.  315. 


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68 


Ernst  Voit. 


Versuche  nachgewiesen,   dass  je   flacher  die  Stromkurve   ist,   um  so 
grösser  die  Leuchtkraft  wird.     Die  Resultate  sind: 


Fig.  38.    Elektrische  Grössen  und  Lichtstarke  eines  Wechselstrom-Lichtbogens. 


Maschine 

|i 

SÄ 

u 

Stromstärke  11 
in  Amp.     1 

Elektr.Arbeitl 

in          1 

Volt-Amp.    II 

Lichtst&rke 

in  H.-L. 

®  J8 

§  5 

hori- 
zontal 

ver- 
tikal 

^l| 

1  B 

Ganz  &  Co. 

4800 

29,9 

9,8 

271 

74 

50 

341  (50*) 

0,684 

M 

29,9 

9,8 

275 

75 

55 

323  (51«) 

0,699 

S 

29,9 

9,8 

273 

78 

55 

330  (54<^) 

0,729 

II 

29,9 

9,6 

267 

75 

50 

348  (51«) 

0,786 

^0,710 

« 

29,9 

9,6 

269 

58 

55 

310  (53«) 

0,719 

« 

28,8 

9,6 

259 

70 

45 

810  (50«) 

0.722 

9 

28,8 

9,5 

256 

58 

47 

310  (51«) 

0,685 

n 

29,7 

9,4 

262 

66 

57 

312  (48«) 

0,716 

« 

29,9 

9,3 

264 

53 

60 

323  (51«) 

0,703 

1 

Wechsler 

4800 

31,0 

9,5 

286 

157 

80 

463  (42«) 

1,055 

1,050 

* 

31,1 

9,3 

286 

145 

70 

437  (42«) 

1,008 

\ 

• 

31,1 

9,4 

288 

160 

70 

447  (43«) 

1,010 

[l.024 

Siemens- 

7200 

31,0 

9,5 

272 

155 

80 

423  (43«) 

1,057 

Halske 

■ 

31,0 

9,5 

277 

130 

75 

475  (44«) 

1,047 

» 

30,9 

9,5 

268 

157 

55 

430  (48«) 

1,046 

Siemens- 

9600 

31,0 

9,1 

269 

160 

80 

500  (44«) 

1,078 

}l,110 

Halske 

• 

31,0 

9,0 

269 

145 

80 

500  (47«) 

1,143 

Die  in  der  letzten  Reihe  enthaltenen  Mittelwerte,  welche  die 
mittleren  raumlichen  Lichtstärken  für  1  Watt,  aufgewendeter  elek- 
trischer Arbeit  darstellen,  zeigen,   dass  für  die  Maschinen  Ton  Ganz 


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Der  elektrische  Lichtbogen. 


69 


u.  Co.  sowie  Ton  Wechsler  bei  nahe  gleichem  Arbeitsverbrauch 
und  gleicher  Wechselzahl  die  Lichtentwickelung  für  1  Watt  etwa 
im  Verhältnisse  Ton   7  zu   10   steht.     Die  Kurven   der  Stromstärke, 


f!f  H':iNiliilll| 


TTH 


Fig.  39.    Elektrische  Grössen  einer  Maschine  von  Ganz  u.  Co. 

Spannung  und  elektrischen  Arbeit  für  die  beiden  Maschinen  sind  aber, 
wie  aus  Fig.  39  und  40  sofort  ersichtlich,  sehr  verschieden.  Bei 
der  Maschine  von  Ganz  u.  Co.  bleiben  dieselben  nämlich  anfänglich 
nahe  bei  Null,  steigen  dann  rasch  zu  ihrem  Maximalwert,  um  wieder 
ebenso   rasch   abzunehmen    und   längere   Zeit  nahe   an   Null  zu   ver- 


Fig.  40.    Elektrische  Grössen  einer  Maschine  von  Wechsler. 


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70 


Ernst  Voit. 


weilen,  während  die  Kurven  bei  den  Wechsl ersehen  Maschinen 
einen  allmählichen  Uebergang  der  Ordinatenwerte  zeigen.  Auch  für  die 
Siemens-Halske- Maschine,  deren  Kurven  der  Siaromstärke,  Span- 
nung und  elektrischen  Arbeit  in  Fig.  41  gezeichnet  sind,  unterscheidet 


Fig.  41.    Elektrische  Grössen  einer  Maschine  von  Siemens. 

sich   der  Verlauf  der  Kurven   gegen  den  bei  den  anderen  Maschinen 
dadurch,  dass  die  Ordinaten  von  Null  aus  rasch  wachsen,  dann  lange 


Fig.  42.    Typische  Formen  von  Wechselstromkurven. 

auf  einem  konstanten  Wert  bleiben  und  nun  wieder  rasch  gegen  Null 
hin  abfallen.  Die  mittlere  räumliche  Lichtstärke  für  1  Watt  scheint 
bei  der  Siemens-Halske- Maschine  noch  etwas  grösser  als  bei  der 


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Der  elektrische  Lichtbogen.  71 

Wechsl ersehen,  doch  ist  der  Entscheid  dafür  nicht  mit  Schärfe  zu 
treffen,  weil  die  Tourenzahl  der  S i emens* Hai ske- Maschine  be- 
trachtlich höher  ist  als  die  der  Maschinen  von  Oanz  u.  Co.  sowie  von 
Wechsler.  Da  aber,  wie  nachher  angeführt  werden  soll,  mit  der 
Tourenzahl  auch  die  mittlere  räumliche  Lichtstärke  pro  1  Watt  zu 
wachsen  scheint,  ist  es  nicht  feststehend,  ob  der  gefundene  Zuwachs 
der  räumlichen  Lichtstärke  pro  1  Watt  durch  die  Kurvenform  be- 
dingt ist,  welche  för  die  Sie  mens -Hals  ke- Maschine  nachgewiesen 
wurde.  Als  typische  Formen  der  Kurven  für  den  Wechselstrom  der 
drei  Maschinen  von  Ganz  u.  Co.,  Wechsler  und  Siemens-Halske 
kann  man  die  in  Fig.  42  gezeichneten  Kurven  a,  b  und  bezw.  c 
ansehen  und  kann  sich  die  Vorstellung  machen,  dass  die  Licht- 
entwickelung den  plötzlich  sich  ändernden  Werten  der  Stromstärken, 
wie  etwa  bei  der  Ganz  sehen  Maschine,  nur  unvollkommen  nach- 
folgen kann  und  deshalb  die  Ausnutzung  der  aufgewandten  Arbeit 
eine  weniger  gute  ist  als  z.  B.  bei  der  Wechslerschen  Maschine, 
bei  welcher  die  Lichtentwickelung  den  langsamen  Aenderungen  der 
Stromkurve  leichter  nachzufolgen  vermag,  oder  endlich  bei  der  Sie- 
mens-Halske-Maschine,  bei  welcher  die  Stromstärken  während  des 
grössten  Teiles  der  Periode  einen  konstanten  Wert  beibehalten. 
Wedding  macht  darauf  aufmerksam,  dass  die  Lichtentwickelung 
der  drei  Maschinen,  soweit  der  Genauigkeitsgrad  der  Betrachtungen 
einen  Schluss  erlaubt,  in  gleichem  Verhältnis  stehen  wie  die  Quotienten 
aus  mittlerer  Stromstärke  und  der  Wurzel  aus  den  mittleren  Quadraten 

der  Stromstärken,  also  aus  Ty===;  denn  man  erhält  für  die  Strom- 
kurve der  Maschine  von  Ganz  u.  Co.  im  Mittel  aus  drei  Beobach- 
tungen 0,656,  für  die  Stromkurve  der  Wechslerschen  Maschine  aus 
zwei  Beobachtungen  0,907  und  für  die  der  Siemens-Halske- 
Masehine  aus  einer  Beobachtung  0,914 ;  es  sind  nämlich  die  Verhältnis- 
zahlen der  mittleren  räumlichen  Lichtstärken  pro  1  Watt,  wenn  man 
die  für  die  Ganz  sehe  Maschine  gleich  der  Einheit  setzt,  bezw. 
1,0:  1,38:  1,40,  und  die  Verhältniszahlen  der  oben  angegebenen 
Quotienten,  wenn  man  wieder  den  der  Ganz -Maschine  gleich  1 
setzt:  1,0:  1,45:  1,48.  Wenn  diese  Zahlen  auch  bei  weiteren  Be- 
obachtungen sich  bewahrheiten,  ist  der  Schluss  von  Wedding  ge- 
rechtfertigt, dass  die  Lichtentwickelung  eines  Wechselstromlichtbogens 
von  dem  einfachen  Mittelwerte  der  Stromstärke  abhängt.  Ganz  ähn- 
liche  Schlüsse  wie   Roessler  und  Wedding  zieht  Görges*).     Er 

')  Qörges,  Elektrotechn.  Zeitachr.  1895,  84,  p.  548. 


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72 


Ernst  Voit. 


findet  für  eine  flache  Kurve  des  Wechselstroms  0,960  HL.  als  mittlere 
räumliche  Lichtintensität  pro  Watt,  dagegen  für  eine  spitze  Kurve 
0,796  UL.  Ferner  spricht  Görges  die  Ansicht  aus,  dass  die  Möglich- 
keit nicht  ausgeschlossen  sei,  das  Auge  erkenne  nicht  den  algebraischen 
Mittelwert  der  Lichtstärke,  sondern  irgend  einen  andern  Mittelwert,  und 
hält  es  endlich  für  wahrscheinlich,  dass  bei  sehr  grosser  Wechselzahl 
die  Leuchtkraft  von  der  Form  der  Stromkurve  unabhängig  sei. 

Die  Lichtentwickelung  scheint  mit  wachsender  Wechselzahl  zu- 


Fig.  48.    Lichtstärken  für  verschiedene  Arbeiten. 

zunehmen.  In  dieser  Richtung  sind  die  eben  angeführten  Beobach- 
tungen von  Hoessler  und  Wedding  zu  deuten,  indem  die  Siemens- 
Hai  ske- Maschine  unter  sonst  gleichen  Umständen  für  eine  Wechsel - 
zahl  von  7200  eine  mittlere  räumliche  Lichtstärke  pro  Watt  von  1,050 
und  für  eine  Wechselzahl  von  9600  eine  Lichtstärke  von  1,110  lieferte. 
BlondeP)  glaubt  mit  Sicherheit  den  Schluss  ziehen  zu  dürfen,  dass 
die  Lichtentwickelung  mit  wachsender  Wechselzahl  zunimmt. 
^)  Blondel,  La  Lumi^re  elecir.,  42,  p.  619. 


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Der  elektrische  Lichtbogen. 


73 


Vergleicht  man  endlich  die  zur  Erzeugung  einer  bestimmten 
Lichtstärke  aufzuwendende  elektrische  Energie  bei  Gleichstrom  und 
Wechselstrom,  so  ergeben  sich  hiefÜr  nicht  unwesentliche  Unterschiede. 
Es  wächst  zwar  für  Wechselstrombogenlicht  die  Leuchtkraft  mit 
steigendem  Energieaufwand,  jedoch  nicht  in  gleich  raschem  Verhältnis 
wie  bei  dem  Gleichstromlichtbogen.  Diese  Thatsache  lässt  sich  aus 
den  Beobachtungen  der  Untersuchungskommission  bei  der  inter- 
nationalen Ausstellung  in  Frankfurt  a.  M.  ^)  entnehmen ,  welche  in 
Fig.  43  dargestellt  sind.  Bei  dem  Gleichstromlichtbogen  wächst  so- 
wohl  die  Maximallichtstärke   ak  auch  die   mittlere  räumliche  Licht- 


..._,.,  .L.  .J    ,  , 

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Fig.  44.    Lichtstärken  für  verschiedene  Arbeiten. 

stärke  bedeutend  rascher  mit  der  aufgewendeten  elektrischen  Energie, 
wie  bei  dem  Wechselstromlichtbogen.  Ganz  entsprechend  sind  die  von 
Fleming  und  PetaveP)  gefundenen  Kurven,  welche  in  Fig.  44 
wiedergegeben  sind. 

Diese  Beobachtungen  berechtigen  auch  zu  dem  Schluss,  dass 
bei  gleicher  aufgewendeter  elektrischer  Arbeit  der  Gleichstromlicht- 
bogen eine  grössere  räumliche  Leuchtkraft  besitze  als  der  Wechsel- 
stromlichtbogen; um  diese  Thatsache  übersichtlich  nachzuweisen,  dient 
folgende  Tabelle,  in  welcher  in  der  ersten  Reihe  die  Kohlen  ange- 
geben sind,  zwischen  welchen  der  Lichtbogen  gebildet  wurde;  die 
zweite  Reihe  enthält  die  für  den  Lichtbogen  aufgewendete  elektrische 

>)  Officieller  Bericht  p.  127. 

2)  Fleming  und  Petavel,  The  Electrician  1895,  p.  247. 


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^ 


74 


Ernst  Yoit.    Der  elektrische  Lichtbogen. 


Energie  in  Watt,   die  dritte  Reihe  gibt  die  mittlere  räumliche  Licht- 
stärke   und  die  letzte  die  mittlere  räumliche  Leuchtkraft  fttr  1  Watt. 


Lichtkohlen 
+  15  mm  Docht  —    9  mm  Homogen 

-f  15  mm  Docht  —  15  mm  Docht 
±  15  mm  Docht  Wechselz.  83,3 

i  15  mm  Docht  Wechselz.  50 


Elekt. 
Energie 
582 
380 
292 
607 
313 
601 
501 
404 
305 
596 
459 


Räuml. 
Lichtet. 

675 

455 

372 

582 

344 

307 

274 

256 

250 

326 

322 

254 


Räuml. 
Leuchtkr. 
1,16 
1,19 
1,27 
0,95 
1,10 
0,51 
0,54 
0,63 
0,82 
0,55 
0,70 
0,82 


Im  Mittel  verhalten  sich  demnach  die  mittleren  räumlichen 
Leuchtkräfte  pro  1  Watt  aufgewendeter  Energie  für  Gleichstrom  und 
Wechselstromlichtbogen  wie  1,13:  0,65.  Zu  einem  ähnlichen  Resultate 
fuhren  auch  die  Beobachtungen  von  Roessler  und  Wedding;  sie 
fanden  für  die  mittlere  räumliche  Lichtstärke  unter  der  Horizon- 
talen  für  1  Watt  aufgewendeter  elektrischer  Energie  bei  Gleich- 
sti'omlichtbogen  2,65  und  bei  Wechselstromlichtbogen  unter  sonst 
gleichen  Verhältnissen  je  nach  der  Form  der  Stromkurve  die  Werte 
0,710,  1,024,  1,050  und  1,110.  Auch  aus  den  Messungen  während 
der  Frankfurter  elektrischen  Ausstellung  erhält  man  für  einen  Gleich- 
stromlichtbogen die  totale  mittlere  räumliche  Lichtstärke  pro  Watt  0,96 
und  für  einen  Wechselstromlichtbogen  bei  nahe  gleicher  aufgewendeter 
elektrischer  Energie  0,46. 


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Grundlagen 
für  die  Berechnung  und  den  Bau  von  elektrischen  Bahnen 

und  deren  praktische  Benutzung. 

Von 

Dr.  Max  Gorsepins. 

Mit  2  Abbildungen. 


Wenn  uns  die  Aufgabe  gestellt  wird  irgend  etwas  zu  berechnen, 
so  müssen  wir  stets  im  Auge  behalten:  Was  kann  die  Rechnung 
leisten,  was  ist  ihr  Zweck? 

Die  Leistung  einer  jeden  Rechnung  besteht  darin,  dass  wir  durch 
sie  in  den  Stand  gesetzt  werden,  aus  gewissen  Grundlagen,  gewöhnlich 
Annahmen,  bestimmte  Ergebnisse  abzuleiten,  deren  Kenntnis  fOr  uns 
notwendig  oder  erwünscht  ist.  Die  Rechnung  schafft  also  keine  un- 
abhängig neue  Erkenntnis  und  kein  fundamental  neues  Wissen,  sondern 
sie  lehrt  uns  nur  den  Erfolg,  den  unsere  auf  gewisse  Grundanschauungen 
aufgebauten  Annahmen  in  ihrer  Endwirkung  ausüben  und  besitzen. 

Man  muss  sich  daher  hüten,  einer  Rechnung  eine  höhere  Be- 
deutung beimessen  zu  wollen,  als  ihr  zukommt.  Es  genügt  nicht,  dass 
wir  dies  oder  jenes  berechnet  haben.,  es  handelt  sich  darum,  unter 
welchen  Annahmen  haben  wir  es  berechnet,  was  für  eine  Grundlage 
hat  die  Rechnung?  Hiemit  eng  im  Zusammenhange  steht  der  Wert  des 
Ergebnisses  und  die  Frage,  ob  das  Berechnete  richtig  ist. 

Der  umfang  einer  technischen  Berechnung  kann  sehr  verschieden 
sein,  und  die  Grade,  die  eine  solche  Rechnung  durchmacht,   von  den 

Sammlong  elektrotecbnischer  Yortrage.  I.  6 


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76  Max  Corsepius. 


Voraussetzungen  bis  zum  Ergebnis,  sind  durchaus  kein  Massstab  für 
die  Oute  des  Resultates.  Eine  technische  Rechnung  braucht  djurchaus 
nicht  auf  die  allereinfachsten  Grundbegriffe  zurückzugehen,  um  An- 
spruch auf  Qüte  zu  haben.  Ja,  man  kann  sagen,  je  direkter  man  in 
der  Technik  zum  Ziel  gelangt,  desto  besser  ist  die  Methode  der  Be- 
rechnung. Das  Ideal  ist  einfach  Resultate  zu  benutzen  und  gar  keine 
Zwischenrechnungen  durchmachen  zu  müssen. 

Was  aUgeraein  in  der  Technik  gilt,  gilt  im  speziellen  in  der 
Elektrotechnik  und  dem  hier  zu  behandelnden  Thema,  den  elektrischen 
Bahnen. 

Es  soll  daher  die  Frage  behandelt  werden,  wie  gelangt  man  in 
der  elektrotechnischen  Bahnpraxis  am  leichtesten  und  mit  möglichst 
wenigen  und  möglichst  einfachen  Rechnungen  an  das  Ziel,  zu  der 
Kenntnis  dessen,  was  man  zu  thun  hat,  um  eine  den  speziellen  Ver- 
hältnissen entsprechende  Ausführung  der  Bahn  zu  sichern. 

Man  wird  daher  Grundwerte  aufstellen  müssen,  auf  die  sich  die 
Berechnung  stützt,  dabei  aber  danach  trachten,  diese  Grundwerte  dem 
gesuchten  Ergebnis  so  nahe  als  möglich  zu  bringen,  damit  man  mög- 
lichst wenig  Stufen  durchzumachen  hat,  um  durch  Rechnung  das  Ge- 
wünschte zu  finden. 

Die  vollkommenste  Grundlage  wird  nach  diesen  erörterten,  der 
Technik  angepassten  Gesichtspunkten  diejenige  sein,  welche  sich  in 
eine  Tabelle  zusammenfassen  lässt,  und  welche  nahezu  direkt  benützt 
werden  kann.  Daneben  kommen  einfache  Verfahren  der  Berechnung 
nach  gewissen  zu  erörternden  Grundregeln  in  Betracht.  Nicht  ent- 
behrt werden  können  natürlich  hiebei  einzelne  rechnerische,  mathe- 
matische Ableitungen,  denen  dabei  die  Bedingung  auferlegt  werden 
muss,  dass  sie  bei  richtigen  Grundlagen  auch  richtige,  d.  h.  zutreffende 
Ergebnisse  liefern. 

Es  wird  sich  hiebei  zeigen,  dass  einige  abstrakte  Vorstellungen 
und  mathematische  Behandlungen  mit  herangezogen  werden  müssen, 
und  dass  man  gerade  mit  Hilfe  solcher  einfache  Rechnungsverfahren 
gewinnt,  welche  uns  in  den  Stand  setzen,  bei  der  technischen  Rech- 
nung selbst  mit  den  primitivsten  Rechenmitteln  oder  auch  graphisch 
zu  operieren  und  den  Gegenstand  einfach  zu  behandeln. 

Bei  einer  elektrischen  Bahn  kann  man  nicht  umgehen,  die  Er- 
fordernisse nach  dem  Betriebe  zu  beurteilen,  d.  h.  die  Grundlagen  je 
nach  den  Verhältnissen  zu  wählen  oder  abzuändern.  Selbst  bei  den 
vollkommensten  Rechenunterlagen  wird  also  der  Ingenieur  seine  Urteils- 
kraft zu  Rate  ziehen  und  die  Zahlenwerte  je  nach  Bedarf  wählen  oder 


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Grundlagen  für  die  Berechnung  und  den  Bau  von  elektrischen  Bahnen.       77 


abändern  müssen,  und  das  ist  seine  Yornehmlichste  Aufgabe  bei  der 
Projektierung,  sobald  das  Material  für  die  Rechnung  und  die  Methode 
erst  einmal  geschaffen  ist. 

Noch  eine  weitere  Aufgabe  aber  fällt  dem  Ingenieur  zu.  Er 
hat  nicht  nur  zu  berechnen,  es  muss  auch  die  Ausführung  so  gewählt 
werden,  dass  alle  nicht  nur  inneren,  d.  h.  im  Zusammenarbeiten  der 
Systemteile  liegenden  Bedingungen  berücksichtigt  sind,  sondern  auch 
die  Forderungen,  die  etwa  von  aussen  her  gestellt  werden.  So  legen 
die  Einwirkungen  von  Bahnen  auf  andere  Anlagen,  z.  B.  Telephon- 
einrichtungen u.  dergl.,  gewisse  Bedingungen  auf,  die  im  Bau  der 
Bahn  zu  berücksichtigen  sind,  und  deren  Einfluss  sich  eventuell  bis 
in  die  Rechnung  erstreckt,  jedenfalls  aber  auf  die  allgemeine  Dis- 
position einwirkt.  Wir  sahen  aber,  wenn  die  Grundlagen  geändert, 
beeinflusst  werden,  so  wird  auch  das  Ergebnis  anders,  die  Rechnung 
ist  eben  nur  Zwischenglied  in  der  Kette  des  logischen  Denkens  und 
der  sachgemässen  Anordnung. 

Die  vorliegende  Arbeit  beabsichtigt  daher  einen  allgemeinen 
Ueberblick  über  die  Behandlung  des  Stoffes  zu  geben,  ohne  dass  genaue 
Vorschriften,  die  die  Beurteilung  überflüssig  machen,  gegeben  werden 
sollen  oder  können,  vielmehr  soll  nur  ein  Anhalt  geschaffen  werden, 
was  beachtenswert  ist,  und  worin  die  Grundlagen  bestehen. 

Einige,  wenn  auch  nicht  mehr  neue,  so  doch  noch  nicht  näher 
besprochene  Methoden  des  Verfassers  für  Ermittelung  von  Spezial- 
werten sollen  hiebei  mit  zur  Sprache  kommen,  und  wenn  auch  kein 
abgeschlossenes  Ganze  bei  der  stetig  fortschreitenden  Arbeit  der  Technik 
angestrebt  oder  erreicht  werden  kann,  so  wird  sich  vielleicht  das  eine 
oder  andere  als  zur  Benutzung  reif  erweisen  und  Anregung  zu  neuem 
Schaffen  geben. 

Nachdem  so  in  allgemeinen  Zügen  der  Versuch  gemacht  ist,  ein 
Bild  vorwegzunehmen  von  dem,  was  das  folgende  bieten  soll,  erscheint 
es  zweckmässig,  in  die  Behandlung  des  speziellen  Stoffes  direkt  ein- 
zutreten und  anknüpfend  an  mehr  oder  weniger  allgemein  Bekanntes 
und  Geläufiges  den  besonderen  Thatsachen  das  Augenmerk  zuzuwenden. 

Berechnung  der  zur  Fortbewegung  erforderlichen 

Leistung. 

Die  Gleichungen,  welche  zur  Ermittelung  der  Zugkraft  resp. 
(unter  Miteinrechnung  der  Geschwindigkeit)  der  Leistung  dienen,  welche 
zur  Fortbewegung  eines  Bahnfahrzeuges   oder  Zuges   erforderlich   ist, 


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78  ^^^  Corsepius. 


sind  verhältnismässig  einfach,  sobald  sie  sich  auf  das  Notwendige  be- 
schränken, werden  aber  sofort  kompliziert,  wenn  man  versucht,  alles 
aus  den  allereinfachsten  Grundbegriffen  abzuleiten.  Hier  zeigt  sich 
also  gleich  die  vorbemerkte  Thatsache,  dass  eine  Rechnung  um  so 
bequemer  und  in  der  Praxis  brauchbarer  wird,  je  weniger  Stufen  sie 
von  der  Grundlage  (Annahme)  bis  zum  Ergebnis  durchläuft. 

Es  ist  gebräuchlich,  die  zur  Fortbewegung  eines  Fahrzeuges 
erforderliche  Kraft  oder  die  Leistung  rechnerisch  vom  Gevricht  des 
Fahrzeuges  abhängig  zu  machen.  Festgestellt  kann  praktisch  werden, 
wie  viel  Pferdestärken  bei  bestimmter  Geschwindigkeit  ein  gegebener 
Wagen  oder  Zug  auf  gegebenem  Geleise  erfordert.  Unter  der  An- 
nahme nun,  dass  die  Zugkraft,  gemessen  in  Kilogramm-Gewicht, 
unabhängig  von  der  Geschwindigkeit  ist,  wird  die  erforderliche 
Leistung  in  Pferdestärken  proportional  der  Geschwindigkeit  ausfallen 
und  man  erhält  für  eine  Schienenstrecke  von  gleichbleibenden  Eigen- 
schaften die  einfache,  leicht  abzuleitende  Gleichung: 

T         a.T.v 
^  =  —75— 

Hierin  ist  L  die  Leistung  in  Pferdestärken,  T  Gewicht  in  Tonnen, 
V  Geschwindigkeit  in  m/sec,  und  a  eine  Konstante. 

Da  man  aber  theoretisch  leicht  nachweisen  kann,  dass  nach 
physikalischen  Gesetzen  bei  einer  Bergfahrt  mit  s  m  Steigung  auf 
1000  m  Bahnlänge  bei  Abwesenheit  von  Reibung  eine  Leistung  not- 
wendig ist 

_   s.T.v 
^'-       75 

so  kann  man  durch  Abziehen  dieses  lediglich  für  die  Hebung  des  Ge- 
wichtes notwendigen  Betrages  von  der  vorgenannten  Gesamtleistung 
die  Reibungsarbeitsleistung  erhalten 

1   _T        1   _   (g  — 8).Tv 
1,  _  L  ~  Is ^5 , 

oder,  indem  man  a  —  s  =  f  setzt 

f.T.v 


lr  = 


75 


als  Betrag  fdr  die  Reibung.     Hiedurch  vervollständigt  sich  die  Formel 
fttr  die  Qesamtleistung  zu 

^- 75 • 


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Grundlagen  für  die  Berechnung  und  den  Bau  von  elektrischen  Bahnen.       79 

Für  eine  bestimmte  Geschwindigkeit  v  ==  konst.  ist  diese  Formel  voll- 
kommen richtig,  f  ist  eine  von  den  Schienen-  und  Wagenverhält- 
nissen  abhängende  Eonstante.  Ist  v  veränderlich,  so  wird  die  oben 
bezeichnete  Annahme  der  Unabhängigkeit  der  Grösse  f  von  v  zu 
prüfen  sein. 

Man  findet  dabei,  dass  f  trotz  gleicher  Schienen-  und  Wagen- 
eigenschaften, nicht  unabhängig  von  v  ist  und  daher  allgemein  keine 
Eonstante  ist. 

Hiezu  kommt  nun,  dass  die  Art  der  Schienen,  ob  Rillenschienen 
ob  Yignolschienen,  femer  ob  dieselben  in  das  Strassenniveau  ein- 
gebettet sind  (Strassenbahnen)  oder  ob  sie  frei  liegen  (Eisenbahnen), 
ob  Eies-,  Beton-,  Holz-,  Steinunterlage,  einen  sehr  bedeutenden  Ein- 
fluss  auf  die  Grösse  von  f  ausübt. 

Wollte  man  diese  Veränderlichkeit  in  der  Formel  selbst  zum 
Ausdruck  bringen,  so  würde  man  unbedingt  vor  den  entstehenden 
Eomplikationen  zurückschrecken.  Es  würden  dann  auch  noch  sofort 
andere  Faktoren  sich  einstellen  und  Berücksichtigung  fordern.  Wir 
nennen  nur  den  Luftdruck,  d.  h.  die  Luftreibung,  den  Einfluss  der 
Eurven,  der  Spurweite  etc. 

Es  mag  nun  vom  Standpunkte  der  reinen  Theorie  höchst  interessant 
erscheinen,  diese  Erscheinungen  zu  analysieren  und  Formeln  dafür  zu 
konstruieren.  Vom  Standpunkte  der  Technik  aus  ist  das  aber  sehr 
gleichgiltig  und  annötig,  denn  wir  müssen  an  dem  in  der  Einleitung 
Gesagten  festhalten.  Wir  wollen  so  wenig  wie  möglich  rechnen,  wir 
wünschen  nicht  auf  die  primitivsten  Begriffe  der  Physik  zurückzugehen. 
Im  Gegenteil,  je  direkter  und  stufenloser  unsere  Rechnung  ist,  desto 
besser. 

Hier  steht  uns  helfend  zur  Seite  die  Thatsache,  dass  sich  in 
jedem  Zweige  der  Technik,  speziell  der  Elektrotechnik,  bald  etwas 
Eonventionelles  einJGindet.  Dies  Eonventionelle  besteht  bei  den  elektri- 
schen Strassenbahnen  beispielsweise  in  der  durch  die  Betriebsverhält- 
nisse veranlassten  Geschwindigkeit  und  in  der  Wahl  der  Schienen. 
Man  wird  sehr  häufig  eine  mittlere  Geschwindigkeit  von  15  km  pro 
Stande  finden  und  ebenso  die  Verwendung  von  schweren  massiven 
Rillenschienen. 

Rechnet  man  nun  noch  dazu,  dass  die  Wagen  mehr  und  mehr 
sich  der  Grösse  für  20  Sitz-  und  etliche  Stehplätze  anpassen,  so 
erkennt  man,  dass  sehr  grosse  Variationen  eigentlich  nicht  vor- 
handen sind. 

Nun  ist  aber  die  Thatsache  zu  beachten,   dass  die  elektrische 


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gO  Max  Corsepius. 

AusrüstuDg  je  nach  ihrer  Konstruktion  derartige  Verschiedenheiten  in 
dem  Stromverbrauch  zeigt,  dass  hier  eine  sehr  genaue  Berücksichti- 
gung der  speziellen  Verhältnisse  notwendig  wäre,  wenn  man  nicht  in 
diesem  Punkte  zu  grossen  Abweichungen  kommen  will.  Da  nun  eine 
derartige  spezielle  Kalkulation  zu  einer  allgemeinen  Behandlung  einen 
Gegensatz  bildet,  so  wäre  es  ungerechtfertigt  und  zwecklos,  in  einem 
Punkte  übermässig  genau,  in  anderen  nur  mit  grober  Annäherung  zu 
rechnen. 

Alles  dies  führt  uns  dazu,  dass  wir  auf  die  Aufstellung  von 
Formeln,  die  auf  die  einzelnen  Grundbegriffe  zurückgehen,  verzichten 
und  ohne  Umweg  rechnen. 

Die  zuletzt  genannte  Gleichung  wird  daher  nach  unserer  Ansicht 
bereits  das  zulässige  Mass  von  Komplikation  erreicht  haben.  Sie  hat 
ausserdem  den  Vorteil,  dass  der  eine  Summand  theoretisch  absolut 
richtig  ist  und  dass  der  schon  an  und  für  sich  variable  Faktor  f  alle 
Variationen,  wie  Luftdruck,  Geschwindigkeit,  Schienenverhältnisse,  be- 
rücksichtigen lässt.  Es  handelt  sich  dann  nur  darum,  für  jeden 
konkreten  Fall  f  entsprechend  zu  wählen. 

Es  erscheint  an  dieser  Stelle  zweckmässig,  gleich  zu  erwähnen, 
dass  bei  den  gebräuchlichen  Strassenbahnen  nach  dem  wirklichen  Ver- 
brauch in  Wattstunden  sich  ermitteln  lässt,  dass  bei  einem  Wirkungs- 
grade des  Motors  von  0,8  ein  mittlerer  Koeffizient  f  =  15  nicht  zu 
hoch  gegriffen  ist.  Derselbe  drückt  dann  allerdings  den  Widerstand 
einschliesslich  aller  durch  Anfahren,  Kurven  etc.  bedingten  Neben- 
umstände aus. 

Werden  nicht  Rillen-  sondern  Vignolschienen  gewählt,  so  redu- 
ziert sich  der  Wert  von  f  auf  z.  B.  6  bis  8,  bei  Eisenbahnen  sind 
sogar  Werte  von  3  und  ähnliche  zu  finden.  Die  gewöhnlichen  Strassen- 
bahn Verhältnisse  liefern  aberf  =  15  und  nur  bei  besonders  günstigen 
Umständen  weniger.  Dabei  darf  natürlich  nicht  übersehen  werden, 
dass  bisweilen  die  unökonomische  Regulierung  der  Strassenbahnen 
den  Wattverbrauch  erheblich  steigert,  und  daher  der  Mehrverbrauch 
nicht  der  Reibungsarbeit,  sondern  den  Strom wärmeverlusten  zuzu- 
schreiben ist. 


Er  forderliche  Gesamtleistung  für  den  Betrieb  einer  Bahn. 

Sind  wir  jetzt  durch  die  Annahme  der  einfachen  Formel  in  der 
Lage,  die  erforderliche  Leistung  für  einen  Wagen  bezw.  Zug  für  ver- 
schiedene Steigung  zu  berechnen,  so  fragt  es  sich  weiter,  wie  sich  der 


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Grundlagen  für  die  Berechnung  und  den  Bau  von  elektrischen  Bahnen.        81 

Kraftbedarf  stellt,  wenn  mehrere  Wagen  oder  Züge  auf  einer  aus  ver- 
schiedenen Steigungen  zusammengesetzten  Strecke  fahren. 

Man  überblickt  sofort,  dass  die  Stromstärke  sich  für  jeden  Wagen 
und  ebenso  auch  für  die  Gesamtleistung  häufig  ändert.  Es  kommen 
aber  noch  weitere  Umstände  hinzu,  welche  selbst  bei  vollkommen 
horizontaler  Bahn  das  Auftreten  eines  konstanten  Stromes  ausschliessen. 
Diese  Aenderungen  sind  dadurch  begründet,  dass  nicht  ein  gleich- 
massiges  Fahren  aller  Wagen  möglich  ist,  sondern  die  einzelnen  Wagen 
bald  halten,  bald  wieder  anfahren,  durch  Kurven  fahren,  im  Tempo 
zulegen,  langsamer  fahren  müssen,  weil  kleine  Verkehrshindernisse 
eintreten  u.  s.  w.  Man  hat  also  bei  einer  elektrischen  Bahn  ein  Pro- 
blem zu  lösen,  das  weit  komplizierter  ist,  als  irgend  eine  noch  so 
komplizierte  Zugkraftberechnung,  und  muss  dabei  noch  mit  der  Mög- 
hchkeit  einer   erheblichen  Abweichung   der  Stromvariationen  rechnen. 

Wir  wollen  daher  die  Mittel  und  Wege  erörtern,  wie  man  sich 
ein  Bild  von  diesen  Vorgängen  machen  und  wie  man  mit  ihnen  rech- 
nerisch verfahren  kann. 

Unter  Zuhilfenahme  der  erwähnten  Hauptformel  erkennt  man, 
dass  ein  konstanter  Kraftbedarf  nötig  ist,  unabhängig  von  der  Steigung, 
und  dass  zu  diesem  sich  jeweilig  diejenige  Leistung  addiert,  welche 
zum  Heben  des  Gewichtes  erforderlich  ist,  die  von  der  Steigung  ab- 
hängig und  bald  positiv,  bald  negativ  ist.  Würde  man  nun  annehmen, 
dass  man  die  bei  der  Thalfahrt  in  der  Formel  negativ  auftretende 
Energie  nicht  durch  Bremsung  vernichten,  sondern  wiedergewinnen 
und  der  Betriebsmaschine  bezw.  den  anderen  in  der  Bergfahrt  befind- 
heben  Wagen  zuführen  würde,  so  würde,  eine  sehr  grosse  Zahl  von 
Betriebswagen,  d.  h.  eine  sehr  grosse  Verkehrsdichtigkeit  vorausgesetzt, 
und  angenommen,  dass  Hin-  und  Rückfahrt  sich  auf  derselben  Bahn- 
linie vollziehen,  die  erforderliche  Gesamtleistung  sich  dem  Vielfachen 
derjenigen  Leistung  nähern,  welche  auf  der  Horizontalen  erforderlich 
ist;  dies  allerdings  nur  insoweit,  als  nicht  die  anderen,  oben  erwähnten 
und  durch  das  unregelmässige  Fahren  bedingten  Faktoren  Abände- 
rungen dieser  Leistung  herbeiführen. 

Nun  sind  aber  die  gegenwärtig  in  Gebrauch  befindlichen  Wagen 
im  allgemeinen  so  beschaffen,  dass  bei  der  Thalfahrt  gebremst  wird. 
Dies  hat  zur  Folge,  dass  der  bei  der  Tbalfahrt  sich  ergebende  nega- 
tive Summand  fortfällt  und  daher  Null  wird.  Es  bleiben  also  die 
positiven  Summanden  übrig,  und  sie  bewirken  eine  Vergrösserung  der 
Leistung. 

Man  erkennt  leicht,  dass,  je  grösser  die  vorkommenden  Steigungen 


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g2  Max  Conepius. 

sind,  desto  mehr  die  Leistung  für  Horizontalfahrt  durch  die  positiven 
Summanden  vermehrt  wird. 

Man  kann  nun,  um  die  erforderliche  Vermehrung  der  Horizontal- 
leistung in  Abhängigkeit  zu  bringen  von  dem  Grade  der  Steigungen, 
den  Begriff  der  sogenannten  « mittleren  Steigung*^  einführen.  Hiebei  ist 
aber  folgendes  zu  beachten. 

Wir  sahen  eben,  dass  das  wirkliche  Mittel  der  Steigung  =  0  ist, 
d.  h.  die  Steigungen  treten  in  demselben  Grade  positiv  wie  negativ 
auf.  Da  aber  in  Wirklichkeit  bei  Thalfahrt  gebremst  wird,  so  ist  die 
rechnerische  mittlere  Steigung  grösser  als  Null. 

Unsere  sogenannte  mittlere  Steigung  ist  diejenige,  welche  sich 
ergibt,  wenn  man  jede  Niveau'änderung  als  Bergfahrt  behandelt,  also 
Neigungen  als  Steigungen  betrachtet.  Man  summiert  einfach  alle 
einzelnen  Niveaudifferenzen  und  dividiert  sie  durch  die  Länge  der  ge- 
samten Strecke. 

Es  ist  nun  ohne  weiteres  klar,  dass  es  theoretisch  sinnlos  wäre, 
dieser  mittleren  Steigung  einen  direkten  rechnerischen  Wert  beizulegen 
und  etwa  anzunehmen,  dass  man  einfach  mit  der  Gesamtwagenzahl 
und  dieser  mittleren  Steigung  nach  der  Hauptformel  die  erforderliche 
Gesamtleistung  ausrechnen  könne. 

Hiebei  ist  u.  a.  zu  bedenken,  dass  nur  dann  bei  Thalfahrt  ge- 
bremst wird,  wenn  der  Betrag  von  s  grösser  ist  als  f;  ferner  aber, 
dass  die  oben  genannten  Voraussetzungen  über  die  Wagenzahl  (die 
Verkehrsdichtigkeit)  nicht  erfüllt  sind;  und  dass  endlich  der  Kraft- 
bedarf trotz  gleicher  „mittlerer  Steigung**  bei  sehr  unregelmässigen 
Streckenprofilen  erheblich  höher  ist  als  bei  sehr  gleichmässig  in  gleich- 
bleibendem Sinne  ansteigender  Strecke;  kurz  gesagt,  dass  der  Einfiuss 
des  unregelmässigen  Fahrens  weit  überwiegt. 

Nichtsdestoweniger  kann  uns  der  Betrag  der  mittleren  Steigung 
als  bequemer  Anhalt  dienen,  um  die  erforderliche  Gesamtleistung  an- 
nähernd zu  beurteilen. 

Wir  werden  dann  im  späteren  noch  bei  der  Betrachtung  der 
Maschinenleistungen  näher  auf  diese  Verhältnisse  eingehen  und  auch 
den  Einfluss  auf  die  Leistung  betrachten,  welcher  durch  diejenige  An- 
ordnung ausgeübt  wird,  die  dazu  dient,  die  Energie  bei  Thalfahrt 
nutzbar  wiederzugewinnen. 

Betriebsbedingungen  für  die  Motoren. 

Ehe  wir  jetzt  auf  die  speziellen  rechnerischen  Ermittelungen  des 
wirklichen  Kraftbedarfs  eingehen,   wollen  wir  eine  kurze  Betrachtung 


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Grundlagen  für  die  Berechnung  und  den  Bau  von  elektrischen  Bahnen.       83 

derjenigen  Verhältnisse  vorausschicken,  unter  denen  ein  elektrischer 
Strassenbahnmotor  arbeitet. 

Es  ist  schon  an  anderer  Stelle^)  vom  Verfasser  in  einem  Vor- 
trage darauf  hingewiesen  worden,  wie  verschieden  der  Grad  ist,  in  dem 
verschiedene  Arten  von  Fortbewegungsmitteln  für  den  Bahnbetrieb  ge- 
eignet sind. 

Es  ergab  sich  aus  den  dort  aufgestellten  Betrachtungen,  dass 
solche  Motoren,  wie  Dampfmaschinen  und  Oasmotoren,  welchen  eiue 
mehr  konstante  Zugkraft  eigen  ist,  im  Nachteil  sind  gegenüber  den- 
jenigen Mitteln,  die  eine  Aenderung  der  Zugkraft  mit  Leichtigkeit 
zulassen. 

Dieser  Umstand  lässt  erkennen,  dass  das  Pferd  fQr  Strassen- 
bahnen  sehr  ausnutzungsfähig  ist  und  nur  den  Nachteil  mit  sich  bringt, 
dass  die  bei  ihm  zulässige  Arbeitszeit  sehr  beschränkt  ist,  indem  es 
bald  ermüdet. 

Der  Elektromotor,  und  zwar  in  eklatanter  Weise  gerade  der 
Hauptstrommotor,  hat  nun  die  Eigenschaft,  seine  Zugkraft  und  auch 
seine  Leistung  in  hohem  Masse  fast  selbsttbätig  verändern  zu  können. 
Ohne  jede  weitere  Beeinflussung  wird  der  Hauptstrommotor,  sobald 
der  Wagen  schwer  geht  (Steigung),  mehr  Zugkraft  ausüben  und  lang- 
samer gehen,  und  sobald  der  Wagen  leicht  geht  (Horizontalfahrt), 
schneller  gehen  und  dabei  seine  Zugkraft  massigen.  Dies  ist  aber 
sehr  erwünscht  und  vorteilhaft  und  entspricht  auch  der  Eigenschaft 
des  Pferdes. 

Der  Motor  wird  in  dieser  Eigenschaft  durch  den  Umstand  wesent- 
lich unterstützt,  dass  die  starken  Beanspruchungen  wegen  ihrer  kurzen 
Dauer  weit  grösser  ausfallen  können  als  bei  stationären  Motoren,  und 
dass,  wegen  der  unveränderlichen  Bürstenstellung  in  der  Mittellinie, 
die  Bückwirkung  des  Ankerstromes  sehr  gering  ist,  also  ein  Anwachsen 
des  Stromes  das  Feld  wesentlich  stärkt,  so  da.ss  die  Zugkraft  im  all- 
gemeinen mehr  wie  proportional  dem  Strome  wächst.  Hiebei  kann 
die  Magnetisierung  ohne  Bedenken  bis  auf  das  äusserste  Mass  ge- 
steigert werden,  da  die  Geschwindigkeit  bei  normaler  Leistung  weit 
grösser  und  demgemäss  der  Magnetismus  für  gewöhnlich  viel  ge- 
ringer ist. 

Man  erkennt  daher  auch,  dass  der  Elektromotor  ebenso  wie  das 
Pferd  in  hohem  Masse  ausnutzungsfähig  ist.  Ja  es  ergibt  sich  hie- 
durch  der  für  die  Berechnung  von  Strassenbahnmotoren  wichtige  Finger- 


*)  Elekfcrotech.  Zeitschr.  1895,  11,  p.  168. 


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g4  Max  Corsepius. 

zeig,  dass  die  Motoren  durchaus  nicht  im  stände  sein  müssen,  die 
während  der  Fahrt  vorkommende  Maximalleistung  dauernd  herzugeben. 
Vielmehr  sind  dieselben  auf  eine  geringere  Dauerleistung  zu  berechnen, 
und  es  ist  zugleich  auf  die  verschiedenen  Geschwindigkeiten  Bücksicht 
zu  nehmen,  wie  dies  vom  Verfasser  in  seinem  früheren  Vortrage  als 
leicht  zu  erfüllende  Forderung  aufgestellt  wurde. 

Daraus  folgt  nun  auch,  dass  eine  Angabe  für  einen  Bahnmotor, 
er  leiste  so  und  so  viel  PS  ganz  wertlos  ist,  denn  man  weiss  nicht, 
ob  maximal,  ob  dauernd,  ob  mit  der  geringsten  oder  mit  der  grössten 
Geschwindigkeit.     Weitere  Angaben  sind  daher  erforderlich. 

Auch  ist  dabei  zu  bedenken,  dass  es  notwendig  ist,  bei  der 
Wickelung  des  Motors  auf  die  Betriebsfahrgeschwindigkeit  Rücksicht 
zu  nehmen  und  jene  so  einzurichten,  dass  der  Motor  sich  der  wirk- 
lichen Geschwindigkeit  gut  anpasst.  Wird  aber  die  Wickelung  ge- 
ändert, so  ändert  sich  auch  die  Leistung.  Dabei  ist  allerdings  zu  be- 
achten, dass  z.  B.  eine  geringere  Geschwindigkeit  auch  eine  geringere 
Motorenleistung  erfordert. 

Nachdem  wir  uns  über  den  Einfluss  der  besonderen  Verhältnisse 
auf  die  Berechnung  der  Werte  für  Leistung  etc.  klar  geworden  sind, 
sollen  jetzt  die  speziellen  Ermittelungsverfahren  besprochen  werden, 
welche  auf  bequeme  Weise  genaue  Ergebnisse  zu  liefern  bestimmt 
sind;  natürlich  unter  dem  Vorbehalte  der  eingangs  besprochenen  Ab- 
hängigkeit von  Resultat  und  Voraussetzung. 

Rechnerische  Behandlung  eines  Bahnnivellements. 

Eine  genaue  Behandlung  eines  Strassenbahnprojektes  setzt  voraus, 
dass  ein  Nivellement  der  Strecke  vorliegt.  Gewöhnlich  ist  der  Mass- 
stab der  Höhen  ein  anderer  als  für  die  Streckenlänge. 

Ein  Beispiel  eines  solchen  Nivellements  in  Form  eines  Höhen- 
diagramms ist  in  Fig.  1  gegeben.  Dieselbe  stellt  ein  von  der  Firma 
Akt.-Ges.  Elektrizitätswerke  vorm.  0.  L.  Kummer  &  Co.  behandeltes 
Projekt  dar  und  ist  von  derselben  für  die  vorliegende  Arbeit  freund- 
lichst zur  Verfügung  gestellt. 

Die  Aufgabe  besteht  darin,  zu  jedem  Punkte  der  Bahnstrecke 
nach  dem  gegebenen  Höhendiagramm  die  erforderliche  Leistung  in 
Pferdestärken  zu  finden  und  ein  dem  Höfaendiagramm  entsprechendes 
Kraftdiagramm  zu  ermitteln ;  dieses  Diagramm  soll  in  demselben  Längen- 
massstab ausgeführt  werden  wie  das  Höhendiagramm,  damit  beide 
direkt  vergleichbar  sind  und  untereinander  gezeichnet  werden  können. 


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Grundlagen  für  die  Berechnung  und  den  Bau  von  elektrischen  Bahnen.       g5 

In  der  Figur  sind  die  beiden  Diagramme  als  Steigungsnivellement  und 
Sjraftdiagramm  bezeichnet. 

Darüber  findet  sich  das  Diagramm  für  den  Fahrplan.  Aus  dem- 
selben ist  ersichtlich,  wo  sich  in  jedem  Moment  die  einzelnen  Wagen 
befinden. 

Die  Methode    des   Verfassers  zur  Ermittelung    der  Leistungen, 


Fig.  1  (im  Verhältnis  0,3 : 1  verkleinert). 


Geaehwindigleeii  16  knt 
pro  Stunde. 


Fahrplan. 


(zn>eigdasig) 
P    Mauißsiab  für  dULäng»  1:33600      j^p 


Z705mr — ^rfOfOntA 

(emgdeisi^)  ixjvageQ 

Gß 


Haltestellen  bei  der  Hin- 
fahrt. 

Haltestellen  bei  der  Rück- 
fahrt, 


/li   Weichen, 

\  I  2  Wagen  begegnen  sich, 

WagensteUung  für  Zeit- 
element m,  n. 


welche  derselbe  seit  einigen  Jahren  benützt,  besteht  nun  in  folgendem: 
Man  berechnet  nach  der  Hauptformel  für  s  =  o,  d.  h.  für  Horizontal- 
fahrt,  die  zur  Fortbewegung  des  Fahrzeuges  bei  der  zu  Grunde  ge- 


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86  ^^A  Corsepius. 


legten  Geschwindigkeit,  z.  B.  15  km  pro  Stunde,  erforderliche  Anzahl 
Pferdestärken.  Dieser  Wert,  bezeichnet  Lh,  wird  in  das  Kraftdia- 
gramm als  Horizontale  eingetragen,  und  zwar  in  einem  beliebigen, 
geeigneten  Massstab. 

Je  nach  der  Steigung  kommt  zu  Lh  ein  Summand  in  positivem 
oder  negativem  Sinne  hinzu. 

Ist  nun  s  =  dem  Koeffizient  f,  der  hier  =  15  angenommen  ist,  so 
wird  der  Summand  =  +  Lh. 

Man  konstruiert  sich  ausserhalb  auf  dem  Papier  des  Diagramm- 
planes aus  einer  Leitlinie  in  der  Vertikalrichtung  e  ß  5  und  einer  Hori- 
zontalen a  ß  ein  Koordinatensystem. 

Vom  Schnittpunkt  ß  trägt  man  auf  der  Ordinatenachse  Lh  ab 
bis  Y. 

Nun  konstruiert  man  in  den  beiden  Massstäben  des  Steigungs- 
nivellements eine  Gerade  in  der  Steigung  s  =  15,  d.  h.  15  m  Erhebung 
im  Höhenmassstab  auf  1000  m  Länge  im  Längenmassstab.  Zu  dieser 
Geraden  zieht  man  durch  7  eine  Parallele  und  erhält  so  den  Visier- 
punkt a. 

Das  weitere,  graphische  Verfahren  besteht  nun  einfach  darin, 
dass  man  durch  a  zu  den  Steigungslinien  des  Nivellements  Parallele 
zieht.  Diese  Visierstrahlen  schneiden  auf  der  Leitlinie  Grössen  j  ab, 
welche,  je  nachdem  der  Wagen  bergan  oder  bergab  fährt,  in  das 
Kxaftdiagramm  von  der  Linie  Lh  ab  nach  oben  oder  nach  unten  ein- 
getragen werden,  wie  z.  B.  y  für  Strecke  ab.  Hiebei  ist  yh  im  Kraft- 
diagramm für  Hinfahrt  (von  links  nach  rechts),  yr  für  Rückfahrt  (von 
rechts  nach  links)  eingetragen. 

Dadurch  nun,  dass  man  im  Kraftdiagranmi ,  jedesmal  auf  die 
Länge  konstanter  Steigung  Horizontale  durch  die  gefundenen  Diagramm- 
punkte, zugehörig  zur  Nivellementstrecke  zieht,  erhält  man  das  aus 
Horizontalstücken  zusammengesetzte  Kraftdiagramm. 

Das  gezeichnete  Diagramm  ist  unter  der  Voraussetzung  gewonnen, 
dass  die  Geschwindigkeit  auf  der  ganzen  Strecke  und  bei  allen  Steigungen 
konstant  ist.  Demgemäss  ist  der  in  Fig.  1  oberhalb  gezeichnete 
Fahrplan  einfach  in  der  Weise  erhalten,  dass  die  Neigung  der  die 
einzelnen  Wagenfahrten  darstellenden  Linien  konstant  ist;  d.  h.  auf  der 
Vertikalachse  (Ordinatenachse)  sind  die  Zeiten  nach  Minuten  abgetragen 
und  durch  den  Anfangspunkt  ist  eine  Gerade  nach  demjenigen  am 
Ende  der  Strecke  gelegenen  Punkt  gezogen,  welcher  die  Gesamtfahr- 
zeit der  Strecke  in  Minuten  angibt.  Die  anderen,  den  weiteren  Wagen 
entsprechenden  Linien   sind   alle  dieser  ersten  Linie  parallel  gezogen. 


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Grundlagen  für  die  Berechnung  und  den  Bau  von  elektrischen  Bahnen.       g7 


Die  Linien  für  die  Rückfahrten  sind  ebenso  in  entgegengesetztem  Sinne 
erbalten.  Die  Wartezeit  am  Ende  der  Strecke  ist  dadurch  berück- 
sichtigt, dass  entsprechende  Vertikalstrecken  zwischen  den  Treffpunkten 
an  der  Ordinate  links  und  der  Ordinate  rechts  liegen. 

Zur  Zeit  0  sind  die  Wagen  1,  2,  3,  4  auf  der  Hinfahrt,  die 
Wagen  5,  6,  7,  8  auf  der  Rückfahrt. 

Es  ist  auch  möglich,  in  dem  Kraftdiagramm  und  ebenso  im 
Fahrplandiagramm  auf  verschiedenen  Strecken  mit  verschiedenen  Ge- 
schwindigkeiten zu  rechnen. 

"^Beim  Eraftdiagramm  hat  man  dann  nur  nötig,  den  Pol  a  bei 
grösserer  Geschwindigkeit  von  der  Leitlinie  proportional  abzurücken 
und  bei  kleinerer  Geschwindigkeit  der  Leitlinie  entsprechend  zu  nähern, 
um  durch  die  Abschnitte  auf  derselben  direkt  stets  die  Leistung  in 
PS  zu  finden. 

Im  Fahrplandiagramm  drückt  sich  die  verschiedene  Geschwin- 
digkeit darin  aus,  dass  die  Linien  mit  verschiedenen  Neigungen  zu 
ziehen  sind. 

Die  Behandlung  nach  der  angegebenen  Methode  gestattet  daher 
in  einfacher  Weise  auch  den  Umstand  zu  berücksichtigen,  dass  häufig 
die  Vorschrift  erlassen  wird,  auf  einer  Strecke,  soweit  sie  durch 
städtisches  Gebiet  fährt,  mit  geringer  Geschwindigkeit  (z.  6.  12  km 
pro  Stunde),  ausserhalb  der  Stadt  jedoch  mit  grosser  Geschwindigkeit 
(z.  B.  20  km  pro  Stunde)  zu  fahren. 

Die  Schnittpunkte  ergeben  stets  diejenigen  Stellen,  an  denen 
sich  die  Wagen  begegnen,  wo  also  bei  eingeleisigen  Bahnen  die  Aus- 
weichungen liegen  müssen. 

Ermittelung  der  Maschinenleistung. 

Nachdem  man  die  erörterten  Diagramme  gewonnen  hat,  ist  man 
in  der  Lage,  festzustellen,  wie  gross  die  Kraft  in  jedem  Moment  ist, 
die  die  Wagen  zusammen  zu  ihrer  regelmässigen  Fortbewegung  nötig 
haben.  Man  hat  nur  nötig,  für  das  bestimmte  in  Frage  kommende 
Zeitmoment  die  Stellung  der  verschiedenen  Wagen  zu  ermitteln,  indem 
man  durch  das  Fahrplandiagramm  an  der  betreffenden  Stelle  eine 
Horizontale  zieht,  und  für  die  durch  die  Schnittpunkte  mit  den  Fahr- 
linien in  jenem  Diagramm  gegebenen  Wagenstellungen  aus  dem  Eraft- 
diagramm die  Leistungen  zu  entnehmen  und  zu  summieren.  Dividiert 
man  diese  Anzahl  PS  durch  den  Gesamtwirkungsgrad  der  Anlage, 
z.  B.  0,65,  so  erhält  man  die  Leistung  an  der  Dampfmaschine. 


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gg  Max  Corsepius. 

Wollte  man  nun  glauben,  dass  diese  so  ermittelte  Leistung  die 
zum  Betriebe  erforderliche  maximale  Maschinenleistung  darstellt,  so 
wäre  man  im  Irrtum.  Selbst  wenn  man  eine  ganze  Reihe  von  Zeit- 
momenten in  der  angegebenen  Weise  durchprobiert  und  das  Maximum 
aller  Werte  nimmt,  wäre  diese  Grösse  nicht  diejenige  Maschinenleistung, 
welche  das  Betriebsmaximum  darstellt.  Es  kommt  dies  einfach  aus 
dem  schon  im  früheren  erwähnten  Grunde,  dass  diejenigen  Faktoren 
noch  nicht  berücksichtigt  sind,  welche  eine  Abweichung  von  dem 
regelmässigen  im  Kraftdiagramm  gegebenen  Stromverbrauch  bedingen. 
Wir  sahen,  dass  das  Anfahren,  Anhalten,  das  unregelmässige  Fahren 
überhaupt  ziemlich  plötzliche  und  erhebliche  Stromänderungen  her- 
vorruft. 

Diese  Stromänderungen  wären  nun  belanglos,  wenn  dieselben  bei 
den  verschiedenen  Wagen  zu  gleicher  Zeit  in  verschiedenem  Sinne  so 
erfolgten,  dass  sie  sich  gegenseitig  aufheben.  Hiezu  liegt  aber  gar 
kein  Grund  vor.  Die  Aenderungen  des  Stromes  erfolgen  durchaus 
unabhängig  bei  den  verschiedenen  Wagen  und  werden  durch  das 
etwaige  Vorhandensein  einer  grossen  Zahl  von  Wagen  zwar  gemildert, 
d.  h.  sie  machen  in  Prozent  der  Gesamtleistung  weniger  aus,  doch 
nicht  aufgehoben. 

Nachdem  wir  nunmehr  erkannt  haben,  dass  der  Momentan  wert 
der  Diagrammleistungen  vermehrt  werden  muss,  um  die  Maschinen- 
leistung zu  bestimmen,  fragt  sich  jetzt,  welche  Vergrösserung  jenes 
Wertes  erforderlich  ist. 

Nach  dem  eben  erwähnten  Umstände,  dass  eine  grosse  Wagen- 
zahl die  Stromschwankungen  abmildert,  ergibt  sich  ohne  weiteres, 
dass  ein  bestimmter  prozentualer  Zuschlag  zum  Diagramniwert  keinen 
Anspruch  auf  Berechtigung  hat.  Vielmehr  ist  klar,  dass  z.  B.  die 
durch  das  Anfahren  bewirkte  Unregelmässigkeit  des  Stromes  sich  bei 
einer  Bahn  mit  einem  oder  wenigen  Wagen  weit  mehr  bemerkbar 
machen  wird  als  bei  einer  Bahn  mit  sehr  vielen  Wagen;  denn  der 
Strom  zum  Anfahren  macht  bei  einem  Wagen  in  Prozent  viel  mehr 
aus  als  bei  vielen  Wagen. 

Es  kommt  noch  ein  Umstand  hinzu,  der  nämlich,  dass  die  Fahrt 
der  Wagen  nicht  mit  derjenigen  Regelmässigkeit  erfolgt,  die  im  Fahr- 
plandiagramm wiedergegeben  ist.  Ferner  aber  wird  der  Wagenführer 
nicht  mit  derjenigen  Regelmässigkeit  und  Gleichmässigkeit  den  Strom 
regulieren  als  das  Diagramm  lehrt. 

Wir  werden  also  zunächst  versuchen  müssen,  die  unregelmässige 
Fahrt  rechnerisch  auszudrücken,  und  weiter  eine  Methode  ausfindig  zu 


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Grundlagen  für  die  Berechnung  und  den  Bau  von  elektrischen  Bahnen.       89 


machen,  um  diese  Zahlen  so  zu  verwerten,  dass  die  wirklichen  Be- 
triebsverhältnisse mit  allen  ihren  möglichen  Kombinationen  und  Zu- 
fälligkeiten berücksichtigt  werden.  Eine  Willkür  muss  hiebei  ver- 
mieden werden. 

Für  die  Ermittelung  der  Werte  der  Unregelmässigkeit  beginnen 
wir  mit  dem  Halten. 

Der  Strassenbahnbetrieb  basiert  darauf,  dass  der  einzelne  Wagen 
beim  Durchlaufen  der  Strecke  an  gewissen  Punkten,  den  Haltestellen, 
hält.  In  unserer  Fig.  1  sind  diese  im  vorliegenden  Falle,  wie  fast 
immer  bei  elektrischem  Betrieb  nach  einer  festen  Disposition  ange- 
nommenen Haltestellen  unter  dem  Diagramm  angegeben,  und  zwar 
für  Hinfahrt  und  für  Rückfahrt. 

Befindet  sich  ein  Wagen  an  der  markierten  Stelle,  so  hält  er, 
d.  h.  der  Strom  wird  plötzlich  Null.  Nehmen  wir  weiter  an,  dass 
das  Halten  (eigentlich  die  Stromlosigkeit)  eine  bestimmte  Zeit,  z.  B. 
*/8  Minute,  dauert,  so  geht  diese  Zeit  für  die  Fahrt  verloren.  Um 
daher  die  dem  Diagramm  zu  Grunde  gelegte  mittlere  Geschwindig- 
keit innezuhalten,  muss  der  Wagen  ausserhalb  der  Haltestellen  schneller 
fahren,  d.  h.  die  effektive  Geschwindigkeit  ist  grösser.  Addiert 
man  alle  Haltezeiten  während  einer  Fahrt  und  zieht  den  Betrag  von 
der  Fahrzeit  ab,  so  erhält  man  die  wirkliche  Zeit  für  die  Fahrt  und 
daraus  die  efiPektive  Geschwindigkeit  bezw.  den  Zuschlag,  oder  die 
Zahl,  grösser  als  1,  mit  der  die  Leistung  zu  multiplizieren  ist. 

Das  Wiederanfahren  nach  dem  jedesmaligen  Halten  bedingt  eine 
erfahrungsgemäss  erhebliche  Steigerung  der  Zugkraft.  Da  nun  die 
Zugkraft  des  Hauptstrommotors  mehr  als  proportional  der  Stromstärke 
wächst,  und  da  die  Vermehrung  der  Anfahrleistung  sich  nur  auf  die 
Reibung,  nicht  aber  auf  die  Steigung  bezieht,  so  wollen  wir  der  Ein- 
fachheit wegen  eine  Vermehrung  der  Stromstärke  im  Mittel  auf  das 
l,5faehe  annehmen. 

Ein  weiterer  Punkt,  der  beachtet  werden  muss,  ist  der,  dass  am 
Fusse  von  zu  durchfahrenden  Bergen  (Steigungen)  mehr  Strom  ein- 
gestellt werden  muss,  um  die  Geschwindigkeit  nicht  zu  sehr  zu  massigen. 
Nun  wird  einmal  der  Wagenführer  den  Beginn  des  Berges  gewöhnlich 
erst  merken,  wenn  die  Geschwindigkeit  schon  nachlässt,  dann  aber 
wird  die  Nachstellung  des  Reguliermechanismus  für  den  Motor  zunächst 
einen  Ueberschuss  ergeben  müssen  um  die  erforderliche  Beschleunigung 
zu  erhalten.  Beides  wirkt,  wie  beim  Anfahren,  dahin,  dass  die  Strom- 
stärke ansteigt.  Wir  wollen  bei  mittleren  Strassenbahnwagen  einen 
Aufwand  von  2,5  PS  für  Beschleunigung  annehmen. 


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90  ^a.x  Corsepius. 

Endlich  sind  die  Kurven  zu  berücksichtigen.  Dieselben  ver- 
mehren die  Reibung  erheblich  und  sollen  im  folgenden  in  der  Weise 
berücksichtigt  werden,  dass  ein  Mehraufwand  von  5  PS  bei  mittleren 
Kurven  angenommen  wird.  In  Wirklichkeit  sind  natürlich  die  beiden 
letztgenannten  Faktoren  von  dem  Wagengewicht  etc.  abhängig. 

Ueberhaupt  muss  betont  werden,  dass  die  hier  angesetzten  Zahlen- 
werte nicht  durchaus  massgebend  sind,  sondern  nur  als  Beispielswerte 
angenommen  wurden. 

Behandeln  wir  jetzt  ein  Diagramm  nach  den  vorstehenden  Ge- 
sichtspunkten, so  haben  wir  folgendes  zu  thun. 

Wir  wählen  ein  Zeitmoment. 

1.  Wir  stellen  fest,  welche  Wagen  halten  und  rechnen  für  die- 
selben die  Leistung  Null. 

2.  Das  Schnellerfahren  ergibt  sich,  wie  früher  aufgeführt,  rech- 
nerisch. 

3.  Wir  multiplizieren  die  Diagrammwerte  für  die  anfahrenden 
Wagen  mit  1,5. 

4.  Die  Wagen,  welche  am  Fusse  eines  Berges  stehen,  erhalten 
einen  Zuschlag  von  2,5  PS. 

5.  Die  Stellungen,  welche  in  Kurven  und  Weichen  liegen,  werden 
um  5  PS  erhöht. 

Entwerfen  wir  eine  Tabelle  für  die  Wagen  und  die  angegebenen 
5  Umstände  und  zählen  die  so  erhaltenen  Einzelwerte  zusammen,  so 
erhalten  wir  je  nach  der  Wahl  des  Zeitmomentes  sehr  verschiedene 
Werte  für  die  Summe. 

Wählt  man  die  grösste  vorkommende  Summe,  so  kann  man  sie 
als  denjenigen  Wert  bezeichnen,  welchen  die  Maschinenleistung  (unter 
Berücksichtigung  des  Wirkungsgrades  der  Gesamtanlage)  mindestens 
besitzen  muss. 

Wir  wollen  nun  untersuchen,  wie  man  den  wirklichen  Maximal- 
wert, der  für  die  Maschine  gilt,  rechnerisch  ermitteln  kann. 

Wir  tragen  hier  zunächst  nach,  dass  unser  Kraftdiagramm  ge- 
stattet, aus  den  Flächen  den  wirklichen  Mittelwert  Lmt  welcher  etwas 
oberhalh  Lh  liegt,  zu  ermitteln,  unter  Berücksichtigung,  dass  der  Teil 
der  Leistungen,  welcher  negativ  ist,  d.  h.  unter  die  Nulllinie  fallt, 
durch  Bremsung  verloren  geht. 

Wir  können  nun  sagen,  dass  die  Abweichung  der  nach  der  letzten 
Methode  tabellarisch  gewonnenen  Werte  von  Lm  so  unregelmässig  aus- 
fällt, je  nachdem  das  Zeitmoment  gewählt  wird,  dass  wir  diese  Ab- 
weichungen mit  denjenigen  Differenzen  oder  Fehlem  vergleichen  können, 


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Grundlagen  für  die  Berechnung  und  den  Bau  von  elektrischen  Bahnen.       91 

die  z.  B.  bei  irgend  welchen  physikalisch  beobachteten  Werten  auf- 
treten. Die  Abweichungen  lassen  sich  daher  nach  der  Methode  der 
kleinsten  Quadrate  behandeln. 

Die  Wahrscheinlichkeitsrechnung  ergibt  in  ihren  mathematischen 
Normen,  dass  der  wahrscheinlichste  Wert  des  mittleren  Fehlers  ist 


V 


m  —  n 


wenn  A  die  Abweichungen  und  m  die  Anzahl  der  beobachteten  Werte 

ist;   n  ist  die  Anzahl  der  Constanten  in  der  Abh'ängigkeitsgleichung. 

Femer  ist  der  wahrscheinlichste  Wert  des  wahrscheinlichen  Fehlers 


0,674 


V   Ba  —  n 


Dieses  ist  also  in  unserem  Fall  derjenige  Wert  einer  Abweichung 
von  Lm,  dem  wirklichen  mittleren  Kraftbedarf,  welcher  bei  allen  mög- 
lichen Aenderungen  wahrscheinlich  ebenso  leicht  überschritten  wie 
nicht  erreicht  wird. 

Wir  benutzen  diesen  Grundsatz  f olgendermassen : 

Die  Werte  der  nachstehenden  Tabellen  unter  der  üeberschrift 
L  geben  die  nach  dem  erläuterten  Verfahren  ermittelten  Leistungen. 
Die  Differenzen  dieser  Werte  gegen  Lm  stehen  unter  A. 

Wir  erheben  die  Differenzen  A  ins  Quadrat  und  summieren  die 
Quadrate.  Wir  nehmen  hier  n  =  l  an,  dividieren  2(A)2  durch  die 
Zahl  m  —  1  und  multiplizieren  die  Wurzel  mit  0,674.  Dann  haben 
wir  die  wahrscheinliche  Differenz  gegen  Lm  gefunden. 

Die  wahrscheinliche  Maximalleistung  ergibt  sich  dann  nach  der 
Oleichung 


worin  g  die  Anzahl  der  gleichzeitig  unterwegs  befindlichen  Wagen 
(d.  h.  der  Wagen  abzüglich  Standwagen  an  den  Enden)  ist  und  n  der 
Totalwirkungsgrad  der  Anlage  zwischen  Dampfmaschine  und  Wagen- 
achse. 

Die  nachstehenden  vier  Tabellen  zeigen  diese  Ermittelungen  für 
vier  verschiedene  Momente. 


Sammlimg  elektrotechnischer  Vorträge.  I. 


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92 


Max  Conepins. 


Tabelle  I. 


p 

DisLgr&mni 
PS 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

L 

A 

A» 

1 

+  14 

0 

-11,9 

142 

2 

+  3,6 

— 

— 

1,5 

— 

— 

+  2 

7,4 

-   4,5 

20,25 

3 

+  3 

— 

1,15 

— 

— 

— 

— 

3,45 

+  8,45 

72 

4 

+  3 

— 

— 

1,5 

— 

— 

— 

4,5 

+  7,4 

54,5 

5 

+  20,25 

0 

— 

— 

— 

— 

— 

-11,9 

142 

6 

+  19 

— 

1,15 

— 

— 

— 

— 

21,8 

+  9,9 

98 

7 

+  16 

0 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

-11,9 

142 

8 

+ 19,75 

0 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

-11,9 

142 

9 

+  11,75 

— 

1,15 

— 

— 

— 

— 

18.5 

+  1,6 

2,56 

10 

+  13 

— 

1,15 

— 

— 

— 

— 

19,95 

+  8,05 

65 

11 

+ 19,75 

— 

1,15 

— 

— 

— 

— 

22,7 

+  10,0 

108 

12 

+  23,5 

— 

1,15 

— 

— 

— 

— 

27 

+  11,6 

135 

13 

+  18,5 

— 

1,15 

— 

— 

— 

— 

21,3 

+  9,4 

88 

U 

+  20,5 

— 

1,15 

— 

— 

— 

— 

23.5 

+  11,6 

135 

15 

+  3 

— 

1,15 

— 

— 

— 

— 

3,45 

+  8,45 

— 

16 

+  32,5 

1,15 

37,3 

+  25,4 

650 

205,75 

2066,01 

Lh  =  11,7 


Lm  =  11,9 


g=14 


•»1  =  0,65 


M  =  425. 
Tabelle  II. 


^ 


Diagramm 
PS 


6 


A« 


1 
2 
3 
4 
5 
6 
7 
8 
9 

10 
11 
12 
13 
14 
15 
IG 


+  3,6 

+  3 

+  3 

+  20,25 

+ 18,5 

+  23,5 

+ 18,75 

+  16,2 

+  10,4 

+  11,75 

+ 19,75 

+  19,75 

+  20,5 

+  3 

-  8.9 

1  +14 

1,15 
1,15 
1,15 


1,15 
1,15 

1,15 

1,15 


1,5 


+  2,5 
+  2,5 


+  5 


4,15 
8,45 
3.45 
0 

28,8 
29,3 
28,1 
18,6 


+  2,5 


16 


1,15 
1,15 
1,15 


22,7 
23,6 
3,45 


+  8,75 
+   8,45 
+  8,45 
-11.9 
+  16,9 
+  17,4 
+  16,2 
+  6,7 
-11,9 
+  4,1 
-11,9 
+  10,8 
+  11,7 
+  8,45 
-11,9 
-11,9 


2öl,tiU 


76,5 

72 

72 
142 
285 
305 
265 

45 
142 

17 
142 
108 
138 

72 

142 

142 

2165,5 


M  =  430 


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Grondlagen  für  die  Berechnung  und  den  Bau  von  elektrischen  Bahnen.      93 


Tabelle  IH. 


1»  1        PS 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

L 

A 

A* 

1' 
1  ;i  +24,5 

_ 

1,15 

_ 

_ 

_ 

28,2 

+  16,3 

265 

2  i   +20,25 

— 

1,15 

— 

— 

— 

— 

23,3 

+  11,4 

130 

3     -f   3 

— 

1,15 

— 

— 

— 

— 

3,45 

-  8,45 

71 

4  j  +20,25 

— 

1,15 

— 

— 

+  5 

— 

23,3 

+  11,4 

130 

5  1  +   2,7 

— 

1,15 

— 

+  2,5 

+  5 

— 

10,6 

-   1,3 

1,7 

6  1  -f-  4,9 

— 

1,15 

— 

— 

— 

— 

5,65 

+   6,25 

39 

7   i  +18,8 

— 

1,15 

— 

+  2,5 

+  5 

— 

29,1 

+  17,2 

297 

8      +   3,75 

— 

1.15 

— 

— 

+  5 

— 

9,3 

-   2,6 

6,8 

9  ,   +10,4 

0 

— 

1,5 

— 

— 

— 

— 

-11,9 

142 

10  li  -f  19,1 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

28,65 

+ 16,66 

277 

11   1  +19,75 

0 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

-11,9 

142 

12     + 19,75 

— 

1,15 

— 

+  2,5 

— 

— 

25,2 

+  13,3 

178 

13 

+  20,25 

— 

1,15 

— 

— 

— 

— 

23,3 

+  11,4 

130 

14  1 

+   3 

— 

1.15 

— 

— 

— 

— 

3,45 

+   8,45 

71 

15 

-   1 

— 

1,15 

— 

— 

— 

— 

-1,15 

- 13,05 

170 

16     +14 

0 

— 

-11,9 

142 

'J 

212,35 

2192,5 

M  =  440 


Tabelle  IV. 


1 

^ 

Diagramm 
PS 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

L 

A 

A» 

1  i 

2 
3i 

4: 

5 

6 

7  • 

8  ' 
9i 

10 

12  1 
13; 
14' 

16  i 

+   3 
+   3 
4^    5,1 
+  18,5 
+  20,5 
-f  12,25 
+  18,4 
+   0,1 
+  11,5 
+  10,4 
+   3,9 
+  19,75 
+  20,5 
+  19,75 
4-14 
+   8,75 

0 

"o 

0 
0 

1.15 
1,15 
1,15 

1.15 
1,15 
1,15 
1,15 

1,15 

1,15 
1,15 

1,15 

1,5 

+  2,5 
+  2,5 

— 

+  5 

3.45 
3,45 
5,86 

33,3 
14,1 
21,2 
0,15 
15,7 

4,5 

23,6 

27,8 

10,1 

-  8,45 

-  8,45 

-  6,04 
-11,9 
+  21,4 
+   2,2 
+   9,3 
- 11,75 
+   3,8 
-11,9 

-  7,4 
-11,9 
+  11,7 
+  15,9 
-11,9 
~   1,8 

71 

71 

36,5 
142 
460 
4,84 

86,5 
138 

14,4 
142 

55 
142 
137 
254 
142 
3,25 

1, 

163,21 

1899,49 

M  =  420. 

Mittel  aus  Tabelle  I  bis  IV: 

M  =  429. 


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94  ^a^  Corsepius. 


In  den  Tabellen  bedeutet: 

1.  Anhalten, 

2.  Schnellerfahren, 

17  Haltestellen  ä  0,5  Minuten  .     .       8,5    Min. 
durchschnittlich  die  Hälfte  .     .     .       4,25      ^ 
Fahrzeit 34 

Differenz  29,75  Min. 

Daher  effektive  Geschwindigkeit 
34 


29,75 


15  =  17  km  pro  Stunde, 


17 
Koeffizient  -tt-  =  1,15. 

lö 

3.  Anfahren, 

4.  Beschleunigen  am  Fusse  des  Berges, 

Koeffizient  1,5 

5.  Kurven    +  5  PS 

6.  Weichen. 

Die  erörterte  Rechnung  begründet  sich  auf  die  Abweichung  von 
Lmi  der  mittleren  Effektivleistung. 

Wir  wollen  nun  zeigen,  dass  man  auch  auf  ganz  anderem  Wege 
nach  einem  ähnlichen  Verfahren  mit  gleichen  Grundsätzen  M  ermit- 
teln kann. 

Nehmen  wir  die  Summen  von  L  in  den  4  Tabellen,  so  erhalten 
wir  4  sehr  verschiedene  Werte.  Bilden  wir  deren  Mittel  und  rechnen 
die  Differenzen  der  Werte  gegen  ihr  eigenes  Mittel  aus,  so  bekommen 
wir  die  wirklichen  Abweichungen  vom  Mittel  der  Beobachtungen. 

Wir  können  nun  sagen ,  es  sind  noch  eventuell  viel  grössere 
Abweichungen  vom  Mittel  möglich,  als  die  4  Tabellenwerte  ergeben 
haben. 

Setzen  wir  jetzt  voraus,  dass  solche  Stromstärken,  die  nicht 
wenigstens  eine  Minute  dauern,  uns  nicht  in  Bezug  auf  die  erforder- 
liche Maschinenleistung  interessieren,  und  dass  z.  B.  Zehnminuten- 
yerkehr  stattfindet,  so  ergibt  sich,  dass  unter  den  10  Minuten,  die 
eine  Periode  bilden,  ein  Zehntel  der  Zeit  diese  Stromstärke  be- 
sitzen muss. 

Wir  bekommen  mm  die  mittlere  Abweichung  vom  Mittel  der 
Beobachtung  in  ähnlicher  Weise  wie  früher  als 


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Grandlagen  für  die  Berechnung  und  den  Bau  von  elektrischen  Bahnen.       95 


V 


m 


und  den  wahrscheinlichsten  Wert  der  wahrscheinlichen  Abweichung 
(d.  h.  derjenigen,  die  unter  den  verschiedenen  Kombinationen,  bezw. 
Zeitmomenten  die  wahrscheinlichste  ist) 


/ 1  (8«) 

Nun  lehrt  die  Wahrscheinlichkeitsrechnung  weiter,  dass  die  Wahr- 
scheinlichkeit dafür,  dass  eine  Abweichung  z.  B.  das  2,5-fache  der 
wahrscheinlichen  Abweichung  nicht  überschreitet,  0,908  ist  oder  rund 
90  ^/o. 

Wir  sahen  aber  eben,  dass  bei  Zehnminutenverkehr  ein  Zehntel 
der  Zeit  den  Wert  der  grössten  Abweichung  haben  muss. 

Bringen  wir  dies  mit  dem  Wahrscheinlichkeitssatz  in  Verbindung, 
so  erkennen  wir,  dass  es  dann  wahrscheinlich  ist,  dass  mindestens 
9  Zehntel  der  Zeit  eine  hier  zu  betrachtende  maximale  Abweichung 
von  dem  Mittel  der  Beobachtungen  nicht  überschreitet,  wenn  diese 
maximale  Abweichung  das  2,5-fache  von  der  wahrscheinlichen  Ab- 
weichung ist. 

Das  heisst,  ins  Praktische  übersetzt,  wenn  Pm  das  Mittel  der 
Beobachtungen  ist,  wird 


Hierin  ist  a  der  im  Beispiel  gleich  2,5  ermittelte  Faktor. 

Da  nun  nach  der  Wahrscheinlichkeitsrechnung  zur  Wahrschein- 
keit  0,908  der  2,5-fache  Betrag  der  wahrscheinlichen  Abweichung 
gehört,  zur  Wahrscheinlichkeit  0,950  aber  der  2,9fache  Betrs^  und 
dieser  Wert  dem  Zwanzigminutenbetrieb  entspricht  u.  s.  w.,  so  ist  zu 
nehmen  für 

Fünfminutenbetrieb      .  .  a  =  1,9 

Zehnminutenbetrieb      .  .  a  =  2,5 

Fünfzehnminutenbetrieb  .  a  =  2,7 

Zwanzigminutenbetrieb  .  a  =  2,9 

Nach  den  Tabellen  ist  die  Totalleistung: 


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Max  Corsepius. 

P  =  205,75 
P  =  281,60 
P  =  212,35 
P  =  163,21 

Pm  =  215 

und  bei  tj  =  0,65  und  Zehnminutenbetrieb 

M  =  413, 

ein  Wert,  der  praktisch  von  dem  nach  der  ersten  Methode  gefundenen 
=  429  nicht  wesentlich  verschieden  ist. 

Bestimmung   der   Maschinengrösse    nach    einer    Tabelle. 

Die  beschriebenen  beiden  Methoden  setzen  eine  mehr  oder  weniger 
ausführliche  Benutzung  der  gegebenen  Steigungs-Nivellements ,  des 
Fahrplanes  und  der  weiteren  Unterlagen  voraus.  Es  ist  nun  nach 
den  früheren  Erörterungen  wünschenswert,  mit  möglichst  wenig  Mühe 
das  Ziel  zu  erreichen  und  die  eingehenden  Rechnungen  möglichst  zu 
vermeiden. 

Dieser  Zweck  wird  am  besten  in  der  Weise  verfolgt,  dass  man 
unter  Benutzung  von  Erfahrungs-  und  rechnerischen  Werten  eine 
Tabelle  aufstellt.  Diese  ist  dann  auch  für  schnelle  ungefähre  Ermitte- 
lung sehr  vorteilhaft. 

Die  nachstehend  mitgeteilte  Tabelle  des  Verfassers  nimmt  zugleich 
auf  den  Umstand  Rücksicht,  dass  je  nach  dem  Grade  der  vorkom- 
menden Steigungen  verschiedene  Motorenausrüstungen  für  Strassen- 
bahnwagen  zur  Anwendung  kommen. 

Der  Gang  der  Bestimmung  mit  Hilfe  der  Tabelle  ist  daher  der, 
dass  man  nach  der  vorkommenden  stärksten  Steigung  zunächst  das 
Wagenmodell  feststellt.  Dann  ergibt  die  Tabelle  die  erforderliche 
Leistung  pro  Wagen  und  zwar  je  nach  den  Steigungsverhältnissen  der 
Gesamtstrecke;  die  Motorenleistung  ist  als  die  maximale  zu  verstehen, 
während  die  Dauerleistung  kleiner  ist. 

Es  wird  hiebei  der  Begriff  der  mittleren  Steigung,  von  dem  be- 
reits früher  die  Rede  war,  eingeführt,  jedoch  mit  der  Massgabe  natür- 
lich, dass  ihm  nicht  eine  direkte  rechnerische  Bedeutung  beigelegt 
wird,  sondern  dass  derselbe  nur  als  Anhalt  für  die  Aenderungen  der 
Stromstärke  und  demgemäss  für  die  Maschinenleistung  dient. 

Die  Tabelle   ist  geordnet  einmal  nach  den  Wagenmodellen  und 


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Gnindlagen  für  die  Berechnnng  und  den  Bau  von  elektrischen  Bahnen.       97 


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98.  Max  Gorsepius. 

zweitens  nach  den  Steigungsverhältnissen.  Die  Zahlen  ei^eben  dann 
die  Stromstärke  in  Ampere,  welche  bei  500  Volt  Maschinenspannung 
und  einer  mittleren  Geschwindigkeit  von  15  km  pro  Stunde  pro  Wagen 
zu  rechnen  ist. 

Hiebei  ist  zu  beachten,  dass  nur  die  gleichzeitig  auf  der  Strecke 
fahrenden  Wagen  zu  berücksichtigen  sind  und  dass  die  Standwagen 
nicht  mitgerechnet  werden.  Vielmehr  ist  für  diese  an  den  Endpunkten 
haltenden  Wajgen  ein  Strombedarf  selbstverständlich  nicht  nötig.  Auch 
ist  deren  Zahl  durch  den  Betrieb  selbst  nicht  gegeben,  sondern  frei 
zu  wählen,  da  es  nur  von  der  Länge  der  Haltezeit  an  den  Endpunkten 
abhängt,  wie  viel  Wagen  stehen. 

Das  Elriterium  der  sogenannten  mittleren  Steigung  reicht  nicht- 
aus,  die  Leistung  zu  bestimmen,  vielmehr  ist  der  Strombedarf  abhängig 
zugleich  von  der  Gesamtzahl  der  Wagen  und  fällt  besonders  gros» 
bei  wenigen  Wagen  aus  und  kleiner,  wenn  viele  Wagen  fahren. 

Daher  ist  der  aus  der  Tabelle  entnommene  Wert  nicht  nur  mit 
der  Wagenzahl  sondern  auch  noch  mit  einem  Faktor  zu  multiplizieren» 
Derselbe  ist  bei  weniger  als  4  Wagen  =  1,3;  bei  4 — 5  Wagen  =  1,2, 
bei  6 — 10  Wagen  1,1;  bei  mehr  Wagen  1. 

Als  Anhalt  über  die  ungefähre  Anzahl  von  Wagen,  welche  ins- 
gesamt auf  der  Strecke  sich  befinden,  also  einschliesslich  Standwagen, 
im  Vergleich  zu  der  Zahl  der  gleichzeitig  fahrenden  Wagen  A,  kann 
dienen,  dass  die  Gesamtzahl 


Bei  Fünfminutenverkehr  um 
Bei  Zehnminutenverkehr  um 
Bei  Fünfzehnminutenverkehr  um 


200 
A   ' 

180 
A    ' 

160 
A 


Prozent  grösser  ist  als  A.     Doch  ist  dies  nur  ein  ungefährer  Wert. 

Die  TabeUe  setzt  uns  in  den  Stand  ohne  umständliche  Rech- 
nungen direkt  die  Maschinenleistung  zu  bestimmen. 

Hiebei  ist  folgendes  zu  beachten: 

Der  Tabellenwert  ergibt  die  höchste  zu  erwartende  Stromstärke. 
Lässt  man  daher  eine  minutenlang  andauernde  Mehrbelastung  der 
Maschine  zu,  über  ihre  dauernde  Maximalleistimg  hinaus,  so  folgt 
daraus,  dass  die  Maschinen  etwas  kleiner  gewählt  werden  können,  als 
die  Tabelle  ergibt,  also  z.  B.  um  20  ^/o  kleiner.  Nimmt  man  aber 
direkt  den  Tabellenwert,  so  kann  man  sicher  sein,  dass  die  Bahn  ohne 


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Grundlagen  för  die  Berechnung  und  den  Bau  von  elektrischen  Bahnen.       99 


erhebliche  Spannungsschwankung  der  Maschine  und  mit  vollkommenster 
Betriebssicherheifc  arbeitet. 

Da  die  Tabelle  sich  auf  vollbesetzte  Wagen  und  eine  mittlere 
Geschwindigkeit  von  15  km  pro  Stunde  bezieht,  so  ist  bei  anderen 
Geschwindigkeiten  oder  geringerer  Belastung  der  Wagen  der  Wert 
proportional  zu  ändern,  vorausgesetzt,  dass  die  Motoren  eine  voll- 
kommen ökonomische  Regulierung  auf  die  angewandte  Geschwindig- 
keit gestatten,  was  nicht  immer  der  Fall  ist. 


Beispiel  für  eine  Strassenbahnberechnung. 

Die  Bahn  habe  eine  mittlere  Steigung  1 :  285.  Es  sei  ermittelt, 
dass  bei  der  zu  erreichenden  mittleren  Geschwindigkeit  (gemäss  dem 
Fahrplan)  von  12  km  pro  Stunde  20  Motorwagen  mit  18  Sitz-  und 
20  Stehplätzen  erforderlich  sind.  Von  diesen  sollen  12  mit  Anhänge- 
wagen fahren,  die  grösste  Steigung  sei  1 :  25  auf  120  m  Länge. 

Die  Tabelle  ergibt  ein  Wagenmodell  mit  1  Motor  von  maximal 
35  PS. 

Es  sind  mittlere  Steigungen  von  1 :  300  und  1 :  150  angegeben. 
Man  erhält  durch  Interpolation  pro  Motorwagen  mit  Anhängewagen 
26  Ampere,  ohne  Anhängewagen  16  Ampere. 

Da  wir  aber  nicht  mit  15  km  sondern  mit  12  km  pro  Stunde 
fahren,  reduzieren  sich  diese  Werte  auf  21  Ampere,  resp.  13  Ampere. 

Es  sind  daher  zu  rechnen 

12 .  21  =  252  Ampere 
8  .  13  =  104 


oder  zusammen         356  Ampere. 

Dies  ist  der  maximal  vorkommende  Strom.  Es  bleibt  uns  nun 
noch  freie  Wahl  über  die  Maschinengrösse,  da  wir  uns  über  die  Zu- 
lässigkeit  einer  üeberlastung  schlüssig  zu  machen  haben. 

Wir  rechnen  zunächst,  dass  356  Ampere  bei  500  Volt  178  Kilo- 
watt sind,  und  dies  bei  680  Watt  pro  Pferdestärke  ca.  260  PS  gleich- 
kommt. 

Lassen  wir  also  bei  der  Dampfmaschine  eine  Minderleistung 
von  z.  B.  20  >  und  bei  der  Dynamo  von  z.B.  30  >  zu,  so  sind 
demnach 

eine  Dampfmaschine  von  maximal  260  .  0,8  =  208  PS  und  eine 
Dynamomaschine  von  178  . 0,7  =  125  Kilowatt  erforderlich. 


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100  ^^^  GorsepiuB. 

Mit  anderen  Worten,  die  Anlage  arbeitet  so,  dass  die  effektive 
Stromstärke  von  356  Ampere  die  Dynamo  überlastet,  die  Spannung 
sinkt  dann  unter  die  Normale.  Soweit  hiebei  noch  eine  Mehrleistung 
in  Watt  auftritt  als  die  Dampfmaschine  maximal  ohne  Schwierigkeit 
durchziehen  kann,  wird  dieselbe  überlastet  und  geht  eventuell  lang- 
samer, soweit,  dass  die  Zugkraft  wieder  auf  die  normale  kommt,  da- 
durch, dass  Spannung  und  Stromstärke  abnimmt. 

Der  Gesamterfolg  ist  der,  dass  eine  Spannungsverminderung  ein- 
tritt. Dabei  ist  nicht  zu  vergessen,  dass  die  Stromstärke  ebenfalls 
abnimmt  und  so  nicht  mehr  ganz  der  für  500  Volt  geltende  Betrag 
von  856  Ampäre  zu  stände  kommt. 


Behandlung  des  Beispieles  nach  Fig.  1  gemäss  der 
Tabelle  V. 

Die  Höhendifferenz  in  dem  Steigungsnivellement  beträgt  95  m, 
die  Gesamtlänge  8230  m,  daher  mittlere  Steigung  1 :  87. 

Es  fahren  14  Motorwagen  ä  18  Sitz-  und  20  Stehplätze  und 
14  Anhängewagen  gleichzeitig.  Jene  sind  mit  2  Motoren  ä  20  PS  aus- 
gerüstet. 

Die  Tabelle  V,  Zeile  4,  ergibt  pro  Motorwagen  mit  Anhänge- 
wagen bei  1 :  75  je  42  Ampfere,  bei  1 :  150  je  32  Ampere. 

Für  1 :  87  erhält  man  durch  Interpolation  je  40  Ampere. 

Daher  sind  insgesamt 

14  :  40  =  560  Ampere 


notwendig,  d.  h. 
oder 


560.500  =  280000  Watt 
280000 


680 


=  412  PS. 


Dieser  Wert  stimmt  mit  den    nach  den   beiden   früheren  Me- 
thoden berechneten  Werten  429  resp.  413  genügend  überein. 

Man  könnte   daher  als  Maschinenleistung  beispielsweise  wählen 

412  .  0,8  =  330  PS  maximal 
330  ,  0,65  =  215  PS  normal. 
Dynamo : 

280  .  0,7  =  200  Kilowatt  normale  Maximalleistung. 


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Gnixidlagen  für  die  Berechnung  und  den  Bau  von  elektrischen  Bahnen.     101 

Ausnützung  der  Maschinen. 

Nachdem  ermittelt  worden  ist,  welche  maximale  Stromstärke, 
bezw.  Leistung  die  Maschinen  hergeben  müssen,  ist  jetzt  die  Frage 
zu  behandeln,  wie  sollen  die  Maschinen  diesem  Maximalwert  angepasst 
werden  und  mit  welchem  Orade  der  Ausnützung  arbeiten  sie. 

Wir  haben  vorweggenommen,  dass  eine  gewisse  üeberlastung 
der  Maschinen  durch  zeitweise  auftretende  Stromsi^ken  zulässig  er- 
scheint. 

Nun  ist  aber  bekannt,  dass  Dampfmaschinen  eine  günstigste 
Leistung,  die  sogenannte  Normalleistung,  besitzen,  die  weit  geringer 
ist  als  ihre  Maximalleistung.  Gewöhnlich  ist  das  Verhältnis  der  beiden 
Leistungen  etwa  0,65.  Es  ist  daher  ohne  weiteres  verständlich,  dass 
die  in  den  obigen  Rechnungen  erwähnte  Leistung  nicht  die  Normal- 
leistung, sondern  höchstenfalls  die  Maximalleistung  ist.  Bei  den 
Dynamomaschinen  liegt  die  Sache  einfach  so,  dass  ihre  Maximalleistung 
in  Betracht  kommt,  da  dieselben  bei  schwächerer  Belastung  nicht 
besser,  sondern  weniger  ökonomisch  arbeiten.  Auch  bei  diesen  ist 
eine   zeitweilige  üeberschreitung  der  Maximalleistung    eventuell   zu- 


Natürlich  fallt  jede  Üeberschreitung  der  Leistung  zu  Ungunsten 
der  Spannung  aus,  denn  diese  wird  bei  Üeberlastung  einfach  sinken. 

Die  wirkliche  mittlere  Belastung  der  Maschine  lässt  sich  danach 
beurteilen,  um  wie  viel  die  Maximalleistung  derselben  das  entsprechende 
Vielfache  von  Lm  überschreitet.  Durch  Vergleich  der  Grösse  Lm  X  A 
mit  der  Maschinenleistung  (unter  Berücksichtigung  des  Totalwirkungs- 
grades z.  B.  0,65)  wird  man  erkennen,  dass  die  Maschine  im  Durch- 
schnitt schwach  belastet  ist  und  daher  auch  ziemlich  ökonomisch 
arbeitet,  sobald  die  volle  Wagenzahl  daran  hängt. 

Es  knüpft  sich  hieran  naturgemäss  die  Frage,  inwieweit  Konden- 
sation, eventuell  künstliche,  und  andere  Mittel  zur  Verringerung  des 
Dampfverbrauches  erwünscht  oder  zulässig  sind.  In  Bezug  hierauf 
muss  gleich  hervorgehoben  werden,  dass  wir  es  beim  Bahnbetriebe  nicht 
mit  einer  regelmässigen  Ausnutzung,  sondern  mit  einer  sehr  variablen 
Belastung  zu  thun  haben.  Die  oben  erwähnte  günstige  Ausnutzung 
der  Maschine  tritt  daher  nur  bei  vollem  Betriebe  ein.  Eonunen,  wie 
dies  gewöhnlich  der  Fall  ist,  Zeiten  geringeren  Betriebes  vor,  so  wird 
in  diesen  die  Maschine  nicht  bis  zum  Maximum  belastet  und  daher 
durchschnittlich  schlecht  ausgenutzt  sein. 

Da  nun  eine  Kondensation  bei  Dampfmaschinen  besonders  dann 


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102  Max  Conepius. 

von  Nutzen  ist,  wenn  die  Maschinen  mindestens  normal  belastet  sind, 
so  geht  daraus  hervor,  dass  bei  Bahnbetrieben  mit  variabler  Frequenz 
die  Anwendung  von  Kondensation  nicht  den  erheblichen  Vorteil  bietet, 
wie  in  manchen  anderen  Betrieben. 

Qanz  besonders  macht  sich  aber  dieser  umstand  geltend,  wenn 
die  Kondensation  mit  natürlichem  Kühlwasser  nicht  zu  betreiben  ist, 
vielmehr  zu  künstlichen  Mitteln,  Gradierwerken  u.  dergl.  geschritten 
werden  muss.  Die  Gh-adierwerke  z.  B.,  welche  mit  künstlicher  Ventila- 
tion arbeiten,  verbrauchen  zum  Betriebe  des  Ventilators  und  der  Wasser- 
pumpe eine  nicht  unerhebliche  Kraftmenge,  wodurch  die  Dampfdynamo, 
besonders  wenn  die  Energie  den  genannten  Einrichtungen  erst  auf  dem 
Umwege  durch  Elektromotoren  zugeführt  wird,  eine  bedeutend  grössere 
durchschnittliche  Belastung  erfährt,  als  dem  vielleicht  für  gewöhnlich 
schwachen  Bahnbetriebe  entspricht.  Auch  darf  in  dem  letztgenannten 
Fall  nicht  ausser  Acht  gelassen  werden,  dass  die  Leistung  der  Dynamo, 
welche  zum  Bahnbetrieb  zur  Verfügung  steht,  dmrch  Belastung  mit 
derartigen  Elektromotoren  verringert  wird. 

Auch  ein  üebelstand  für  den  Betrieb  selbst  muss  erwähnt  werden, 
der  nämlich,  dass  Maschinen  mit  Kondensation  im  Leerlauf  viel  schlechter 
regulieren,  als  AuspufiPmaschinen.  Da  aber  im  Bahnbetriebe  immer 
Momente  sehr  geringer  Belastung  vorkommen,  so  haben  dann  die 
Maschinen  die  Neigung  durchzugehen  und  unregelmässig  zu  regulieren. 

Nichtsdestoweniger  wird  man  in  den  meisten  Fällen  Maschinen 
mit  Kondensation  anwenden  müssen,  besonders  da  Auspuff  bei  grossen 
Maschinen  häufig  nicht  zulässig  erscheint  bezw.  nicht  gestattet  wird. 

Bei  weniger  grossen  Betrieben  wird  man  zweckmässig  von  Kon- 
densation absehen,  zumal  da  die  Arbeitsleistung  im  Leerlauf  durch  sie 
vermehrt  und  der  Wirkungsgrad  vermindert  wird. 

Es  schliesst  sich  an  diese  Erörterung  unmittelbar  die  Frage  an, 
wie  man  zweckmässig  verfahrt,  um  den  Kohlenverbrauch  bei  Bahnen 
zu  ermitteln. 

Wir  gehen  aus  von  der  Thatsache,  dass  die  Maschine  eine  ge- 
wisse Dampfmenge  verbraucht,  um  leerzulaufen.  Diese  Dampfmenge 
muss  aufgewendet  werden,  ohne  dass  irgend  eine  Nutzleistung  dafür 
entsteht. 

Eine  weitere,  und  zwar  die  gewöhnlichste  Angabe  bei  Dampf- 
maschinen ist  diejenige  für  den  Dampfverbrauch  pro  indicierte  PS 
bei  normaler  Belastung,  d.  h.  dem  günstigsten,  bei  ca.  dem  0,65fachen 
der  Maximalleistung  gelegenen  Füllungsgrade.  Die  Multiplikation  er- 
gibt einen  bestimmten  Wert  B. 


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Grundlagen  für  die  Berechnung  und  den  Bau  von  elektrischen  Bahnen.     103 


Bei  maximaler  Leistung  endlich  ist  der  Dampfverbrauch  pro 
indicierte  PS  wieder  ein  anderer,  der  Totalverbrauch  G. 

•   Trägt  man  die  Werte  für   die  Totaldampfmengen  als  Funktion 
der  effektiven  PS  auf,  so  erhält  man  die  Kurve  ABC  (Fig.  2). 

Die  Parallele  AE  zur  Abscissenachse  gibt  denjenigen  Dampf  ver- 
brauch an,  der  im  Minimum  stets  eintritt,  die  Abschnitte  F  B  und  E  G 
den  Mehrverbrauch,  der  normaler  bezw.  maximaler  Belastung  ent-: 
spricht. 

Nähert  man  die  Kurve  ABG  durch  die  Gerade  AD  an.  so  hat 

man  in  ihr  einen  Ausdruck  für  den  durchschnittlichen  Mehrbedarf  pro 

EG 
effektive  PS ,   und  zwar  ist  derselbe  = 


maxPS 


m. 


Fig.  2. 


NcfwtVf 


licuc.  PS. 


Die  Berechnung  des  Kohlenverbrauches  gestaltet  sich  nach  diesen 
Ermittelungen  einfach,  wie  folgt: 

Die  Betriebszeit  Z  der  Maschine  pro  Jahr  ist  bekannt,  daher 
ist  für  Leerlauf  (Mindestbedarf)  ein  Dampfverbrauch  von  Z .  A  er- 
forderlich. 

Seien  nun  die  abzugebenden  Wattstunden  W  bekannt,  und  f\ 
der  durchschnittliche  Wirkungsgrad  der  Dynamo,  der  hier  natürlich 
viel  kleiner  ist  als  der  maximale,  da  die  Maschine  schlecht  ausgenutzt 

W 

wird,  so  kommen  -=777; m  kg  Dampf  hinzu. 

736 .7]  ^  '^ 

Der  durchschnittliche  Wirkungsgrad  7]  lässt  sich  berechnen,  wenn 
der  Verlust  in  der  Maschine  =  v  Watt  angenommen  wird : 

v.Z 

1       " 


=(^-')-^- 


w 


z 


Der  Gksamtverbrauch  ist  daher 


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104  ^^^  Corsepius. 

W.m 


Z.A  + 


736.7] 

und,  wenn  man  p  Prozent  für  Anheizen  rechnet  und  bei  der  durch- 
schnittlichen Belastung  eine  Erzeugung  Yon  n  kg  Dampf  pro  1  kg 
Kohle,  so  sind 


(7    A    ,     W.m\    100 +  p 
V    ^^+  736.  Y]/        100 


1: 

n 

Kilogramm  Kohle  pro  Jahr  zu  verheizen. 

Verbrauch  pro  Wagenkilometer. 

Wir  haben  soeben  zur  Berechnung  des  Kohlenbedarfs  den  Ver- 
brauch an  Wattstunden  zu  Grunde  gelegt.  Ein  bequemer  Begriff  zur 
Ermittelung  der  Wattstunden  pro  Jahr  ist  derjenige  der  Wattstunden 
pro  Wagenkilometer. 

Diese  Grösse  lässt  sich  leicht  aus  den  Faktoren  der  Grundformel 
ableiten.     Die  Leistung  ist  nach  derselben 

L=ü+%I^   PS, 

oder,  führen  wir  die  Geschwindigkeit  in  Kilometer  pro  Stunde  K  ein, 

(f+8).T.K 
^- 3,6.75         ^^- 

Wird  eine  Strecke  mit  verschiedenen  Steigungen  s  hin  und  zu- 
rück  durchfahren  und  sind  jene  Steigungen  so  gering^   dass  stets  s 

f  T    K 

kleiner  als  f  ist,  so  sind  pro  Stunde       '     \^      PS.  -  Stunden    aufzu- 

0,0  .  75 

wenden. 

Beträgt  der  Wirkungsgrad  des  Motors  mit  Räderübersetzung  0,8, 

f    T    K    7S6 
so  sind  pro  Stunde      '     ^7g    a  q     Wattstunden  oder  pro  Kilometer 

f-T.K.736      ^  ,,  ,     ,         ,    .    v^.      .      1 .  f.T.736 

-777: — „^    r.  Q — tf-  Wattstunden  erforderlich,  oder  kürzer   ^  ,    ,., — ^7^- 

»3,0  .  /o  .  u,o  .  Ä.  0,0  .  75  .  U,o 

Wattstunden  pro  Wagenkilometer. 

Nehmen  wir  ein  mittleres  Wagengewicht  eines  mittel  besetzten 

gewöhnlichen  Strassenbahnwagens  von  6  t  an  und  f  =  15,  so  erhalten 

wir    3  ß    75    Q  Q  =317  Wattstunden  pro  Wagenkilometer. 


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Grundlagen  für  die  Berechnung  und  den  Bau  von  elektrischen  Bahnen.     105 


Es  zeigen  nun  fast  alle  Strassenbahnen  einen  mindestens  eben- 
sogrossen  Wattstundenverbrauch.  Daraus  folgt,  dass  unter  Innehaltung 
des  Wirkungsgrades  für  den  Motor,  der  mittlere  (d.  h.  einschliesslich 
Anfahren  etc.  ermittelte)  Koeffizient  15  angemessen  und  nicht  zu  hoch 
erscheint,  und  umgekehrt,  ist  der  Koeffizient  f  nicht  grösser  als  15, 
so  belehrt  uns  der  etwaige  Mehrverbrauch  an  Wattstunden  über  den 
Qrad  der  unökonomischen  Motorenregulierung. 

Die  Firma  Aktiengesellsch.  Elektric- Werke  vorm.  0.  L.  Kummer 
&  Co.  hat  bei  der  von  ihr  gebauten  Bahn  Blasewitz -Laubegast  den 
Mittelwert  325  Wattstunden  pro  Wagenkilometer  festgestellt.  Dies 
ist  ein  Beweis  für  ökonomische  Regulierung.  Zahlen  von  400  und 
mehr  weist  sonst  die  Bahnpraxis  häufig  auf. 

Voraussetzung  fttr  unsere  Ermittelung  war,  dass  die  Steigungen 
gering  sind,  oder  doch  die  stärkeren  so  kurz,  dass  sie  praktisch  keine 
Bolle  spielen. 

Sind  starke  Steigungen  vorhanden  und  wird  das  gewöhnliche 
System  der  mechanischen  Bremsung  angewendet,  so  ist  ein  Mehrbedarf 
gegenüber  der  angeführten  Formel  notwendig,  der  durch  die  Energie- 
vemichtung  beim  Bremsen  bedingt  ist,  und  der  sich  aus  dem  Kraft- 

Lm 

diagramm  ermitteln  lässt,  und  zwar  durch  den  Quotienten  -t= — . 

Die  angeführten  Formeln  für  die  Wattstunden  sind  ohne  weiteres 
zu  benützen,  wenn  es  sich  um  die  Berechnung  von  Accumulatoren 
handelt,  sei  es  für  reinen  automobilen  oder  für  gemischten  Betrieb,  und 

Lm 
zwar  ist  hiebei  stets  das  Verhältnis  -j —  zu  berücksichtigen.    Ausser- 

dem  muss  die  Batterie  im  stände  sein,   die  höchsten   vorkommenden 
Stromstärken  anstandslos  herzugeben. 

Wiedergewinnung  der  Bremsenergie. 

Da  wir  soeben  gesehen  haben,  dass  der  Verbrauch  an  Watt- 
stunden pro  Wagenkilometer  bei  Bahnen  mit  starken  Steigungen  wesent- 
lich durch  die  Bremsverluste  gesteigert  wird,  so  erscheint  es  wünschens- 
wert, diese  Verluste  zu  vermeiden  und  die  durch  Bremsung  verloren 
gehende  Energie  zu  sparen,  bezw.  wiederzugewinnen. 

Dies  setzt  voraus,  dass  die  Wagen  bei  der  Thalfahrt  unter  Ge- 
winnung von  Strom  arbeiten.  Es  ist  daher  eine  Einrichtung  zu  treffen, 
welche  die  Motoren  befähigt  als  Dynamos  zu  funktionieren.  Nun  sind 
aber  die,   wie  oben   festgestellt,   für  Strassenbahnbetrieb  bei  weitem 


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106  ^&x  Corsepiofl. 


geeignetsten  Motoren,  die  Hauptstrommotoren,  an  sich  nicht  beföhigt 
Strom  zu  erzeugen  und  diesen  Strom  zu  verwerten. 

Der  Verfasser  hat  eine  Anordnung  erdacht,  welche  dies  ermöglicht. 
Dieselbe  ist  der  Akt.-Qe6ellsch.  Elelektric.-Werke  vorm.  0.  L.  Kummer 
&  Co.  patentiert  und  besteht  in  folgendem: 

Im  Motorwagen  werden  einige  Accumulatorenzellen  einer  kleinen 
transportablen  Type  untergebracht,  welche  während  der  Bergfahrt  so 
in  den  fiauptstrom  eingeschaltet  werden,  dass  sie  sich  durch  denselben 
laden.  Bei  der  Thalfahrt  wird  der  Anker  des  Motors  direkt  an  die 
Leitung  (Oberleitung  und  Schienen)  angeschlossen,  die  kleine  Hilfs- 
batterie aber  auf  die  Schenkelwickelung  des  Motors  geschaltet.  Hie- 
durch  erhält  der  Motor  (oder  die  Motoren)  den  erforderlichen  Magne- 
tismus und  ist  so  befähigt,  Strom  zu  erzeugen,  der  ohne  weiteres  nutz- 
bar wieder  in  die  Leitung  geführt  werden  kann.  Geht  derselbe  in  die 
oberirdische  Leitung,  so  fliesst  er  den  berganfahrenden  Wagen  zu  und 
entlastet  dadurch  die  Betriebsmaschine.  Ebenso  ist  es  natürlich  mög- 
lich eine  stationäre  Batterie  an  die  Leitung  anzuschliessen  und  durch 
den  wiedergewonnenen  Strom  zu  laden  oder  eine  im  Wagen  selbst  be- 
findliche und  dauernd  (wie  bei  reinem  Accumulatorenbetrieb)  oder  zeit- 
weise (wie  bei  gemischtem  Betrieb  mit  Accumulatoren  und  Ober- 
leitung) den  Betriebsstrom  liefernde  Batterie  die  Bremsenergie  auf- 
nehmen zu  lassen. 

Diese  Bremseinrichtung  mit  Stromwiedergewinnung  hat  nicht  nur 
den  genannten  Vorteil,  dass  der  Stromverbrauch  bei  der  Bahn,  also 
die  laufenden  Unkosten,  verringert  wird,  sondern  man  kann  auch 
kleinere  Betriebsmaschinen  und  schwächere  Stromzufdhrungsleitungen 
verwenden.  Sehr  wesentlich  ist  auch  der  umstand,  dass  man  dadurch 
den  erheblichen  Verschleiss  an  Bremsklötzen  und  Badreifen  vermeidet, 
der  bei  mechanischer  Bremsung  naturgemäss  dadurch  entsteht,  dass 
die  verloren  gehenden  Wattstunden  zur  Zerstörung  des  Materials  ver- 
wendet werden. 

Die  Anordnung  hat  den  Vorzug,  dass  alle  sonst  üblichen  Ein- 
richtungen, besonders  die  Motoren,  ohne  Aenderung  beibehalten  werden 
können,  und  dass  jede  Steuerungseinrichtung  Verwendung  finden  kann. 
Auch  arbeitet  sie  ganz  selbstthätig  in  Bezug  auf  die  Stromlieferung, 
reguliert  selbst  den  Bremsungsgrad  und  verhindert  ein  Durchgehen  der 
Wagen  bei  der  Thalfahrt. 


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Grundlagen  fQr  die  Berechnung  und  den  Bau  von  elektrischen  Bahnen.     107 


Fortleitung  des  Stromes. 

Es  ist  leicht  einzusehen,  dass  die  übliche  Betriebsspannung  von 
500  Volt  so  gewählt  ist,  dass  bei  gewöhnlichen  Verhältnissen  das  Auf- 
treten sehr  hoher  Spannungsverluste  nicht  gerade  zu  befürchten  ist. 
Es  kommt  noch  hinzu,  dass  der  Fahrdraht  zweckmässig  ohne  Rück- 
sicht auf  Stromverhältnisse  einen  Querschnitt  von  50  qmm  erhält  und 
dass  derselbe  am  besten  aus  hartgezogenem  Kupfer  besteht. 

Wollte  man  jedoch  daraufhin  die  Bahnen  ohne  Berechnung  der 
Spannungsverluste  in  jedem  einzelnen  Fall  projektieren,  so  würde  man 
trotzdem  auf  unerwünschte  Verhältnisse  kommen. 

Man  kann  nun  zwar  weiter  sagen,  der  Betrieb  einer  Bahn  er- 
scheint auch  bei  weniger  guten  Spannungsverhältnissen  immer  noch 
möglich,  doch  darf  nicht  vergessen  werden,  dass  einmal  die  Wagen 
elektrische  Beleuchtung  erhalten  und  dass  es  einen  sehr  schlechten 
Eindruck  macht,  wenn  die  Lampen  bald  weissglühend  sind,  bald  kaum 
noch  leuchton  —  denn  so  krass  drückt  sich  beim  Glühlicht  die  Span- 
nungsdifferenz aus  —  und  dass  es  zweitens  auch  für  den  regulären  Be- 
trieb, für  die  Motoren  und  für  die  Regulierorgane  durchaus  nicht 
gleichgültig  ist,  wie  stark  die  Spannung  schwankt. 

Alle  diese  Umstände  zwingen  zu  einer  genauen  Kalkulation  der 
Spannungsverhältnisse. 

Man  kann  nun  etwa  folgenden  allgemeinen  Grundsatz  aufstellen: 
Ist  die  Bahn,  wie  dies  bei  elektrischem  Betrieb  durchaus  zu  empfehlen 
ist,  zweigeleisig  oder  hat  sie  wenigstens  zwei  Fahrdrähte,  so  kann  man 
bis  2,5  km  Strassenbahnstrecke  einseitig  mit  Strom  versorgen  und 
dabei  einen  Fünfminutenverkehr  bewältigen,  vorausgesetzt,  gewöhnliche 
mittlere  Verhältnisse.  Ebenso  ist  bei  eingeleisiger  Bahn  einseitige 
Speisung  von  1,25  km  Strecke  zulässig.  D.  h.  also  z.  B.  eine  zwei- 
geleisige Bahn  von  5  km  Länge,  deren  Werk  in  der  Mitte  liegt,  kann 
bei  diesem  direkt  die  Stromzuführung  erhalten. 

Es  ist  nicht  ratsam,  bei  seltenerem  als  Fünf minuten verkehr  die  ge- 
speiste Strecke  wesentli  n  grösser  zu  nehmen. 

Handelt  es  sich  um  längere  Bahnen  oder  noch  intensiveren  Ver- 
kehr oder  besondere  Stromverhältnisse,  so  sollte  man  die  Bahn  mit 
mehreren  Zuleitungen  versehen. 

Bei  grossen  Betrieben  macht   auch  noch  ein  anderer   Umstand 

diese  Anordnung  wünschenswert. 

Es  empfiehlt  sich  nämlich,  eine  grosse  Bahnanlage  in  Teilstrecken 
»SammliiBg  elektrotechnisQher  Vorträge.  I.  8 


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108  Max  Corsepius. 


zu  zerlegen  und  jede  Teilstrecke  mit  einer  besonderen  Stromzuführung 
zu  versehen.  Die  Teilstrecken  werden  dann  im  normalen  Betriebe 
durch  Handausschalter  miteinander  verbunden,  können  aber  bei  Be- 
triebsstörungen jede  für  sich  ausgeschaltet  werden.  Handelt  es  sich 
um  insgesamt  geringe  Stromstärken,  so  können  die  Ausschalter  auf 
der  Strecke  als  selbstthätige  Maximalausschalter  ausgebildet  werden. 
Im  Werk  werden  zweckmässig  stets  Maximalausschalter  und  Hand- 
ausschalter angewendet,  damit  man,  wenn  die  selbstthätigen  ausge- 
schaltet haben,  erst  durch  die  Handausschalter  die  Verbindung  aus- 
schalten und  dann  die  Selbstausschalter  einlegen  kann.  Das  darauf- 
folgende Einschalten  des  Handausschalters  ist  dann  auch,  wenn  noch 
Eurzschluss  auf  der  Strecke  ist,  ungefährlich,  da  die  Selbstausschalter 
momentan  funktionieren. 

Ist  die  erwähnte  Bildung  von  Teilstrecken  vorgenommen,  so  hat 
man  die  für  jede  erforderliche  Fernleitung  zu  berechnen. 

Es  bedarf  nun  keiner  besonderen  Erklärung,  dass  es  am  besten 
ist,  alle  Femleitungen  auf  gleichen  Spannungsverlust  zu  dimensionieren. 
Dadurch  wird,  genau  wie  bei  Lichtleitungsnetzen,  eine  überall  nahezu 
gleiche  Spannung  gewährleistet,  und  somit  eine  tadellose  Beleuchtung 
und  gleichmässiger  Betrieb. 

Eine  weitere  Frage  ist  die,  welche  Stromstärken  und  welche  Ver- 
luste, sowie  endlich  welche  Belastung  mit  Ampere  pro  Quadratmilli- 
meter man  zu  Orunde  legen  soll. 

Wir  haben,  wie  wir  bereits  sahen,  zwei  hauptsächliche  Grössen 
zur  Beurteilung,  die  mittlere  Stromstärke  und  die  maximale  Strom- 
stärke. Der  gesamte  Maximalstrom  ist  uns  durch  die  vorher  vorzu- 
nehmende Bestimmung  der  Maschinengrösse  bekannt.  Die  mittlere 
Stromstärke  ist  durch  die  Grösse  Lm  gegeben. 

Es  ist  nun  klar,  dass  die  Maximalstromstärke,  welche  ja  sehr  oft 
und  immer  wieder  auftritt,  den  maximalen  und  direkt  zu  beobachtenden 
Spannungsverlust  bedingt.  Demgegenüber  hat  der  mittlere  nur  ge- 
ringes oder  gar  kein  Interesse. 

Es  folgt  daraus,  dass  man  die  Leitungen  nach  der  Maximalstrom- 
stärke berechnen  soll. 

Sind  die  Betriebsverhältnisse  überall  gleich,  und  hängen  die 
Fahrdrahtstrecken,  wie  normal,  zusammen,  so  genügt  eine  Verteilung 
der  Gesamtampfere  auf  die  Teilstrecken  je  nach  ihrer  Länge.  Ist  der 
Betrieb  auf  verschiedenen  Strecken  ungleich,  oder  hängen  sie  nicht 
zusammen,  so  sind  andere,  und  zwar  in  jenem  Fall  dem  Betrieb  pro- 
portionale, in  diesem  Fall  den  Betriebsungleichheiten  auf  jeder  Strecke 


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Grundlagen  für  die  Berechnung  und  den  Bau  von  elektrischen  Bahnen.     109 


entsprechende  Ströme  in  Ansatz  zu  bringen.  Ein  Urteil  über  den  Teil- 
strom geben  uns  ferner  die  mittleren  Steigungen.  Bei  getrennten  Teil- 
strecken sind  ausserdem  die  Einzelmaximalströme  bedeutend  grösser 
als  bei  zusammenhängenden  Strecken. 

Es  ist  nun  wünschenswert,  bei  dem  richtig  ermittelten  Maximal- 
strom einen  Verlust  von  50  Volt  nicht  zu  überschreiten.  Kann  der- 
selbe kleiner  gehalten  werden,  so  ist  dies  von  Vorteil.  Eine  zweck- 
mässige Beanspruchung  der  Fernleitungen  ist  im  Durchschnitt  1  Amp. 
pro  Quadratmillimeter. 

Handelt  es  sich  um  Kabel,  so  ist  ausserdem  die  Bedingung  ein- 
zuhalten, dass  sich  die  kürzeren  Fernleitungskabel  nicht  unzulässig  er- 
wärmen und  daher  deren  Querschnitt  nach  der  Belastung  zu  wählen 
oder  abzuändern.  Treten  hiedurch  merkliche  Verschiebungen  in  den 
Spannungen  ein,  so  wird  zweckmässig  etwas  Widerstand  vorgeschaltet, 
schon  um  die  kurzen  Kabel  nicht  dadurch  noch  mehr  zu  belasten. 
Der  Energieverlust,  der  sich  nicht  nach  der  maximalen  Strom- 
stärke, sondern  nach  dem  Mittelwert  Si^.W  richtet,  ist  hiebei  nicht 
wesentlich. 

Zu  dieser  Rechnung  ist  noch  zu  bemerken,  dass  eine  sehr  ge- 
naue Dimensionierung  der  Fernleitungen  nicht  nötig  ist,  sondern  Diffe- 
renzen von  z.  B.  10  Volt  rechnungsmässigem  Spannungsverlust  zu- 
lässig sind. 

Bisher  war  nur  von  den  Zuleitungen  zum  Fahrdraht  die  Rede. 
Da  nun  aber  die  Schienen  ebenfalls  zur  Stromzuführung  dienen,  oder, 
wie  man  sich  ausdrückt  als  Rückleitung  benutzt  werden,  so  erhöht 
sich  der  Spannungsverlust  noch  dadurch.  Hiebei  ist  zu  beachten,  dass 
der  wirkliche  Spannungsverlust  in  den  Schienen  erheblich  grösser  sein 
kann  als  sich  nach  dem  Querschnitt  der  Schienen  berechnet. 

Wählen  wir  nun  als  Maschinenspannung,  wie  in  der  Tabelle  V 
angenommen,  500  Volt,  so  können  wir  darauf  rechnen,  dass  die  Span- 
nung am  Fahrdraht  durchschnittlich  über  450  liegt,  aber  zeitweise 
darunter  geht,  wenn  die  Maschinenspannung  auf  500  Volt  gehalten 
wird.  Wird  eine  Spannung  von  500  Volt  auf  der  Strecke  gehalten, 
so  liegt  die  Spannung  der  Maschine  entsprechend  höher.  Mit  Hilfe 
von  übercompoundierten  D3mamos  ist  man  im  stände,  bei  einem  nach 
obigen  Angaben  disponierten  Leitungsnetz  die  Spannung  auf  der  Strecke 
sehr  befriedigend  konstant  zu  halten.  Bei  Nebenschlussmaschinen  sind 
Schwankungen  von  100  Volt  sicher  zu  erwarten,  da  zu  dem  Leitungs- 
verlust noch  der  Abfall  der  Dynamos  hinzukommt. 

Wir  erwähnten  eben,  dass  der  Spannungsverlust  in  den  Schienen 


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110  Max  Corsepius. 


sich  nicht  direkt  aus  den  Eisendimensionen  ableiten  lässt.  Hiezu 
kommt  noch  der  Umstand,  dass  die  in  den  Schienen  fliessende  Strom- 
stärke nicht  mit  derjenigen  im  Fahrdraht  übereinstimmt,  weil  die  Erde 
ebenfalls  befähigt  ist,  Strom  zu  leiten  und  daher  als  Nebenschluss  zu 
der  Schienenleitung  funktioniert. 

Man  könnte  dies  als  besonderen  Vorteil  betrachten,  wenn  nicht 
diese  abgeleiteten  Nebenströme  auf  andere  Einrichtungen  störend  ein- 
wirkten. Sie  veranlassen  aber,  dass  an  Gas-  und  Wasserleitungsröhren 
eventuell,  falls  erhebliche  Strommengen  in  Betracht  kommen,  unnatür- 
liche Abnutzungen  eintreten,  sie  machen  sich  ferner  im  Telephonver- 
kehr mit  Einzeldrahtleitungen  bemerkbar  und  endlich  stören  sie  die 
physikalischen  und  ähnliche  Institute. 

Es  ist  nun  ganz  natürlich  und  bedarf  gar  keiner  besonderen 
Ueberlegung,  dass  man  genau  so  wie  beim  Fahrdraht  gemäss  unseren 
früheren  Auseinandersetzungen,  auch  bei  den  Schienen  eine  gewisse 
Gleichheit  des  Potentials  hervorbringen  kann,  indem  man  den  Schienen 
den  Strom  ebenfalls  nicht  an  einer,  sondern  an  mehreren  Stellen 
zuführt  und  demgemäss  ein  ebensolches  Fernleitungssystem  nach  den 
Schienen  anlegt  wie  nach  dem  Fahrdraht.  Diese  isolierten  Kabel  ver- 
teuern jedoch  die  Anlage  derartig,  dass  man  nicht  leicht  dazu  schreiten 
wird  sie  anzuwenden.  Blanke  Leitungen  können  aber  in  diesem  Sinne 
nicht  viel  helfen. 

Sind  die  Erdströme  in  erheblichem  Masse  vorhanden,  so  kann 
man  ihre  störenden  Wirkungen,  besonders  auf  empfindliche  physikalische 
Instrumente  nicht  ohne  weiteres  beseitigen.  Vielmehr  bedarf  man 
dazu  besonderer  Vorkehrungen.  Entweder  man  macht  die  Instrumente 
selbst  konstruktiv  (Galvanometer  Deprez-d'Arsonval)  oder  durch  Schutz- 
hüllen unempfindlich  oder  man  kompensiert  die  Wirkungen  der  Bahn- 
ströme durch  entgegengesetzt  wirkende  gleichartige  Ströme.  ^)  Und 
zwar  sind  alle  Teile  der  Bahnströme  zu  berücksichtigen,  d.  h.  sowohl 
diejenigen,  welche  durch  die  dazu  bestimmten  Leiter  (Fahrdraht, 
Schienen)  gehen,  als  auch  diejenigen,  die  abirren  und  durch  die 
Erde  etc.  gehen.  Es  handelt  sich  einfach  darum,  die  magnetisierende 
Wirkung  aller  Stromteile  durch  eine  Gesamtgegenwirkung  aufzuheben. 


»)  ?^lektrotechn.  Zeitschr.  1892,  p.  422;  1895,  28,  p.  445. 


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Grundlagen  für  die  Berechnung  und  den  Bau  von  elektrischen  Bahnen.     Hl 

Nebeneinrichtungen  bei  Bahnen. 

Der  Betrieb  von  elektrischen  Bahnen  erfordert  häufig  noch  gewisse 
Nebeneinrichtungen,  die  sich  teils  auf  die  Betriebssicherheit,  teils  auf 
besondere  Betriebsumstände  beziehen.  Dazu  gehören  Telephon-  und 
Signalanlagen,  Regulierungseinrichtungen  für  Belastungsschwankungen 
u.  dergl. 

Wollte  man  eine  Telephonanlage,  welche  dem  Betriebe  einer 
elektrischen  Bahn  dienen  soll,  in  der  Weise  anlegen^  dass  man  einfach 
einen  Telephondraht  in  gewöhnlicher  Weise  vermittelst  Isolatoren  an 
dem  die  Femleitungen  tragenden  Gestänge  der  Bahn  anbringt,  so 
würde  eine  Verständigung  vollkommen  ausgeschlossen  sein.  Es  ist 
vielmehr  nötig,  auf  die  besonderen  Bedingungen,  welche  der  Umstand 
auferlegt,  dass  die  Starkströme  die  Schwachstromleitung  stören,  volle 
Rücksicht  zu  nehmen. 

Der  Verfasser  hat  an  der  im  Jahre  1893  von  der  Aktiengesellsch. 
Elektric.-Werke  vorm.  0.  L.  Kummer  &  Co.  erbauten  Bahn  Blasewitz-Laube- 
gast aus  diesem  Gründe  eine  derartige  Verlegung  der  Betriebstelephon- 
leitung vorgenommen,  dass  zwei  Drähte  zur  Bildung  einer  durchgehends 
isolirten  Schleifenleitung  verwendet  werden,  und  dass  dieselben  an 
jeder  zehnten  Stange  gekreuzt  werden,  d.  h.  ihre  Plätze  gegenseitig 
wechseln.  Hiedurch  wird  erreicht,  dass  die  Leitung  fast  ganz  frei 
von  Geräusch  ist.  Die  hervorragend  günstige  Wirkung  dieser  Anord- 
nung in  Bezug  auf  die  Liduktion,  Ladung  und  üeberleitung  geht  daraus 
deutlich  hervor,  dass  selbst  wenn  unter  Beibehaltung  der  Schleife  nur 
eine  Polklemme  an  Erde  gelegt  wird,  ein  so  starkes  Geräusch  ent- 
steht, dass  eine  Verständigung  vollkommen  unmöglich  ist. 

Diese  Schutzvorrichtung  ist  auch  bei  Reichstelephonleitungen  zu 
empfehlen. 

Andere  Signaleinrichtungen  als  telephonische  Verbindung  werden 
bei  elektrischen  Bahnen,  besonders  Strassenbahnen  wenig  zur  An- 
wendung kommen,  und  sich  hauptsächlich  auf  optische  Signalgebung, 
z.  B.  durch  Fahnen  oder  durch  Glühlampen  an  gefahrvollen  Strassen- 
ecken  u.  dergl.  beschränken. 

Eine  weitere  Nebeneinrichtung  bei  Bahnen  bildet  die  elektrische 
Heizung  der  Wagen.  Man  kann  mit  einem  Aufwand  von  ca.  2000  Watt 
das  Wageninnere  um  ca.  17®  C.  über  die  Aussentemperatur  erwärmen. 
Die  Form  der  Widerstände  ist  für  die  Wärmeentwickelung  natürlich 
ganz  gleichgiltig.  Dieselben  können  zweckmässig  unter  den  Sitz- 
bänken untergebracht  werden. 


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112  Max  CowepiuB. 

Zu  den  besonderen  Neben  einrieb tungen  können  auch  solche  ge- 
zählt werden,  die  den  Zweck  haben,  die  naturgemäss  auftretenden  Be- 
lastungsschwankungen möglichst  unschädlich  zu  machen. 

Bei  Dampfmaschinen  dienen  diesem  Zwecke  am  besten  gute 
Regulatoren,  die  den  Dampfzutritt  schnell  und  richtig  einstellen. 

Bei  Verwendung  von  Wasserkraft  zum  Betriebe  wird  aber  eine 
blosse  Regulierung  der  Wasserzufuhr  nicht  vollständig  genügen,  da 
dieselbe  gewöhnlich  zu  spät  erfolgt.  Daher  ist  es,  wenn  eine  gute 
Spannung  erfordert  wird,  nötig,  künstliche  Belastungen  der  Maschine 
hervorzubringen.  Dies  kann  durch  Einschalten  von  Belastungswider- 
ständen erreicht  werden. 

Ein  anderes  sehr  bequemes  und  vorteilhaftes  Mittel  liegt  in  der 
Anwendung  von  Accumulatorenbatterieen.  Das  Vorhandensein  einer 
parallelgeschalteten  Batterie  (sogenannten  Pufferbatterie)  genügt,  um 
eine  wesentliche  üeberschreitung  oder  ein  wesentliches  Sinken  der 
Normalspannung  zu  verhindern,  sobald  die  Stromaufnahmefähigkeit  der 
Accumulatoren  hinreichend  gross  ist.  Oanz  besonders  eignen  sich 
für  diesen  Zweck  die  Accumulatorenzellen  mit  derjenigen  Type  von 
Platten,  welche  neuerdings  von  der  Accumulatorenfabrik  Aktiengesell- 
schaft Hagen  für  Traktionszwecke  verwendet  wird. 

Es  ist  noch  zu  bemerken,  dass  eine  etwaige,  während  eines  Tages 
eingetretene  Verminderung  des  Ladungsgehaltes  der  Batterie  am  ein- 
fachsten dadurch  beseitigt  wird,  dass  man  die  Batterie  in  z.  B.  drei 
Teile  teilt  und  am  Abend  abwechselnd  je  zwei  derselben  kombiniert 
mit  der  gewöhnlichen  Betriebsspannung  lad. 

In  Bezug  auf  die  erforderliche  Zellenzahl  kann  man  sagen,  dass 
dieselbe  so  gewählt  werden  muss,  dass  bei  der  Normalspannung  von 
der  Batterie  weder  Strom  abgegeben  noch  aufgenommen  wird.  Dies 
trifft  dann  zu,  wenn  pro  je  2  Volt  eine  Zelle  genommen  wird. 

Wird  die  Maschinenleistung  infolge  der  Hinzunahme  der  Accumu- 
latoren kleiner  gewählt  als  sonst,  so  ist  als  untere  Grenze  für  dieselbe 
die  mittlere  Stromstärke  massgebend,  welche  der  Grösse  Lm  entspricht; 
es  ist  sogar  notwendig,  dass  dieselbe  um  einiges  überschritten  wird, 
da  in  den  Accumulatoren  etwas  Energie  verloren  geht. 


Schlussbemerkung. 

Die    im    vorstehenden    niedergelegten   Erörterungen    haben    uns 
gezeigt,  wie  man  die  verschiedenen  bei  einer  elektrischen  Bahn  auf- 


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Grundlagen  für  die  Berechnung  und  den  Bau  von  elektrischen  Bahnen.     113 

tretenden  Fragen  behandeln  und  ihrer  zweckmässigen  Lösung  entgegen- 
führen kann. 

Fassen  wir  das  Gewonnene  kritisch  zusammen,  so  werden  wir 
zunächst  konstatieren  müssen,  dass,  soweit  es  sich  um  Rechnungen 
handelt,  Abweichungen  der  Wirklichkeit  von  der  Berechnung  keines- 
wegs ausgeschlossen  sind,  vielmehr  wird  man  mit  dem  Eintreten  solcher 
Differenzen  rechnen  müssen.  Dieser  Umstand  kann  aber  keine  Ver- 
anlassung sein,  die  Rechnung  zu  missachten  oder  mit  ihr  unzufrieden 
zu  sein,  vielmehr  wird  er  nur  als  Hinweis  darauf  dienen,  dass  jede 
Rechnung  sich  auf  die  Voraussetzungen,  die  grundlegenden  Grössen 
stützt,  wie  eingangs  näher  erörtert,  und  dass  es  daher  dem  Projektierenden 
überlassen  bleibt  mit  Kritik  vorzugehen  und  nach  den  speziellen  Ver- 
hältnissen zu  urteilen  und  zu  handeln. 

Ist  ein  solches  besonderes  Urteil  aber  nötig,  so  wird  sich  der 
Grundsatz  wieder  bewahrheiten,  dass  die  einfachste  Rechnung  die  beste 
ist,  und  dass  es  daher  nicht  nur  das  bequemste,  sondern  auch  das 
vollkommenste  ist,  wenn  die  Rechnung  mit  ihrem  Ergebnis  uns  in 
Form  einer  Tabelle  gewissermassen  die  fertige  Lösung  gibt.  Die 
erforderliche  Abänderung  ist  dann  ebensogut  am  Ergebnis  wie  etwa 
an  den  Grundgrössen  möglich. 

Es  ist  dies  ein  Grundsatz,  der  in  der  Technik  nicht  vereinzelt 
zur  Geltung  kommt.  Das  Beispiel  einer  Berechnung  eines  Leitungs- 
netzes für  die  Beleuchtung  einer  Stadt  ist  sehr  geeignet  uns  dies  zu 
zeigen.  Es  hat  dort  wenig  Sinn,  mit  skrupulöser  Genauigkeit  an  den 
Leitungen,  der  Verteilung  der  Belastung  etc.  herumzutüfteln  und  bei 
einer  zufällig  gegebenen  Lampenverteilung  auf  das  exakteste  unter 
der  Annahme  gleicher  Spannung  in  den  Verteilungspunkten  die  Leitungen 
zu  berechnen.  In  Wirklichkeit  müssen  dann  doch  andere  Querschnitte 
gewählt  werden,  und  was  die  Hauptsache  ist,  weder  die  Bedingung 
der  vollkommenen  Spannungsgleichheit  muss  aufrecht  erhalten  werden, 
noch  wird  sie  trotz  sorgfältiger  Rechnung  in  Wirklichkeit  erfüllt 
werden,  denn  —  es  wird  bei  der  Ausführung  doch  alles  anders,  ganz 
besonders  die  Lampenverteilung. 

Ebenso  steht  es  mit  der  elektrischen  Bahn.  Wollte  man  die 
wunderbarst  genau  erklügelten  Formeln  für  Reibung,  Winddruck  etc.  etc. 
aufstellen,  man  würde  seine  Mühe  nicht  gelohnt  finden.  Denn  nur 
eine  geringe  Aenderung  in  der  SchienenbeschaflFenheit  —  und  alles  fällt 
anders  aus.  Demgegenüber  steht  die  praktische  Wahl  z.  B.  der  Ma- 
schinengrösse,  wie  erörtert,  als  etwas  derartig  Willkürliches  gegenüber, 
dass  von  einem  Nutzen  übertriebener  Genauigkeit  keine  Rede  sein  kann. 


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114    Max  Corsepius.  Grandlagen  für  die  Berechnung  etc.  von  elektr.  Bahnen. 

Es  folgt  daraus,  man  soll  nicht  trachten  zu  sagen,  dies  oder  das 
muss  so  sein,  sondern  es  ist  wünschenswert  oder  anstrebenswert  es  so 
zu  machen.  Unter  diesem  Gesichtspunkt  ist  vornehmlich  die  ganze 
Berechnung  der  Bahnen  zu  betrachten. 

Wenn  wir  neben  den  Berechnungen  noch  manche  andere  Punkte, 
wenn  auch  vielleicht  nur  kurz  berührt  haben,  so  soll  alles  dieses  eben- 
falls naturgemäss  nur  ein  Fingerzeig  vom  praktischen  Standpunkt  aus 
sein,  was  beachtenswert  erscheint,  nicht  aber  eine  erschöpfende  Unter- 
suchung.    Das  ist  der  Zweck  dieser  Arbeit. 


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Die  Ziele  der  neueren  elektrotechnischen  Arbeiten  der 
Physikalisch-Technischen  Reichsanstalt'). 

Von 
Prof.  Dr.  K.  Feussner  aus  Charlottenburg. 

Mit  9  Abbüdangen. 


Als  die  Aufforderung  an  mich  erging,  hier  einen  Vortrag  über 
die  Ziele  der  neueren  elektrotechnischen  Arbeiten  der  Beichsanstalt 
zu  halten,  war  ich  mir  der  Schwierigkeit  der  Aufgabe  wohl  be- 
wusst,  welche  darin  liegt,  einem  an  sich  trockenen  Gegenstande,  wie 
die  Prüfung  yon  Messapparaten  und  Materialien  für  elektrotechnische 
Zwecke  nun  einmal  ist,  und  in  der  die  hauptsächlichste  Thätig- 
keit  der  Beichsanstalt  auf  elektrotechnischem  Gebiete  beruht,  solche 
Seiten  abzugewinnen,  welche  auch  weiteren  Kreisen,  die  mit  diesen 
Arbeiten  keine  unmittelbaren  Berührungspunkte  haben,  Interesse  zu 
erregen  geeignet  wären.  Wenn  ich  trotzdem  der  Aufforderung  gerne 
Folge  leistete,  so  geschah  dies  in  dem  Gedanken,  dass  der  Wunsch 
technischer  Kreise,  über  die  Arbeiten  und  Ziele  der  Beichsanstalt  unter- 
richtet zu  werden,  berechtigt,  dass  er  für  die  Beichsanstalt  selber  — 
für  den  Erfolg  unserer  Arbeiten  —  ausserordentlich  schätzenswert  ist. 
Die  Berührungen  der  Beichsanstalt  mit  der  Technik  können  nicht 
häufig  und  innig  genug  gestaltet  werden.  Ein  gegenseitiger  Aus- 
tausch der  Meinungen  —  über  die  Anforderungen  und  Bedürfnisse  des 
gewerblichen  Lebens,  über  die  Arbeiten  und  Ziele  der  Anstalt  muss 
nach  allen  Seiten  hin  fördernd  wirken  —  kann  uns  am  besten  in  den 


')  Der  Vortrag  wurde  am  30.  März  1897  im  techniBchen  Verein  zu  Frank- 
furt a.  M.  gehalten  und  von  dem  Herrn  Verfasser  für  die  „Sammlung  elektro- 
technischer Vorträge*  weiter  ausgearbeitet. 

Sammlmig  elektrotechnischer  Vorträge.    I.  9 


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116  K.  Fenssner. 


Stand  setzen,  die  Aufgaben,  welche  wir  lösen  sollen  und  lösen  wollen^ 
einer  gedeihlichen  Entwickelung  entgegenzuführen. 

Noch  oft  begegnen  wir  der  Frage:  worin  besteht  die  Thätig- 
keit  der  Reichsanstalt,  welchen  Zwecken  dient  sie? 

Meine  Herren !  Die  Reichsanstalt  ist  entsprungen  aus  der  modernen 
Entwickelung  unseres  Kulturlebens  und  der  Lebensbedingungen  unseres 
Volkes.  Dort  liegen  die  Gründe  ihrer  Entstehung  —  dorther  sind 
ihre  Aufgaben  und  Ziele  abzuleiten.  Die  technischen  Wissenschaften 
sind  eine  Macht  in  dem  Wettkampf  der  Völker  geworden.  Daher 
ist  es  eine  wichtige  Aufgabe  des  Staates,  nicht  nur  die  Jugend  in 
den  technischen  Wissenschaften  zu  unterrichten,  sondern  auch  ein 
Institut  zu  schaffen,  dem  systematisches  Arbeiten  zur  Fortbildung  der 
technischen  Wissenschaft  und  der  gewerblichen  Entwickelung  des  Volkes 
als  Aufgabe  gestellt  ist.  —  Allerdings  ist  jeder,  mag  er  sich  ausübend 
oder  lehrend  mit  der  Technik  beschäftigen,  berufen,  an  der  Fortbildung 
derselben  mitzuarbeiten.  Für  die  produzierenden  und  lehrenden  Kreise 
ist  jedoch  die  Schaffung  der  Güter  und  der  Unterricht  der  Jugend 
die  erste  Aufgabe,  sozusagen  das  tägliche  Brot,  neben  dem  sie  sich 
den  Luxus  von  Arbeiten  für  den  allgemeinen  Fortschritt  der  Technik 
nur  gestatten  können,  wenn  die  Sorge  für  die  erstgenannten  Aufgaben 
befriedigt  ist. 

Bei  der  Reichsanstalt  soll  nun  in  ihren  Beziehungen  zur  Technik 
die  allgemeine  Fortbildung  der  letzteren  das  erste  Ziel  der  Thätigkeit 
sein.  Dies  ist  allerdings  eine  sehr  vielseitige  Aufgabe,  welche  Tor 
allen  Dingen  eine  Beschränkung  auf  bestimmte  Gegenstande  fordert. 
Demgemäss  beschränkt  sich  diese  Thätigkeit  der  Reichsanstalt  im  all- 
gemeinen auf  die  Untersuchung,  Prüfung  und  Beglaubigung  Ton  Mess- 
apparaten und  die  Vornahme  physikalischer  Messungen  für  technische 
Zwecke. 

Auch  dies  ist  immer  noch  ein  sehr  weites  Gebiet.  Für  den 
heutigen  Abend  müssen  wir  uns  schon  aus  diesem  Gnmde  auf  die 
Betrachtung  der  Arbeiten  des  elektrotechnischen  Laboratoriums  der 
Reichsanstalt  beschränken.  Bei  den  elektrotechnischen  Arbeiten  der- 
Reichsanstalt  haben  wir  wieder  zwei  yerschiedene  Thätigkeiten  zu 
unterscheiden.  Erstens  werden  zahlreiche  Apparate  und  Materialproben 
zur  Untersuchung  eingesandt.  Die  Erledigung  dieser  Arbeiten  nimmt 
den  grössten  Teil  der  Arbeitszeit,  namentlich  der  jüngeren  Beamten, 
in  Anspruch.  Eine  zweite  Art  der  Thätigkeit  betrifft  systematische 
Arbeiten  zur  Fortbildung  der  Messtechnik.  Diese  letztere  mnsste 
gerade  in  der  letzten^ Zeit,   wo  ausserdem  die  Einrichtung  der  neuen 


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Neuere  elektrotechn.  Arbeiten  d.  Physikalisch-Technischen  Reichsanstalt.     117 

Arbeitsräume  viel  Zeitaufwand  yerursachte,  der  erstgenannten  Thätig- 
keit  gegenüber  oft  in  den  Hintergrund  gesetzt  werden.  Doch  dürfen 
wir  wohl  hoffen,  demnächst  mit  erweiterten  Bülfsmitteln  in  eine  Periode 
lebhafteren  Fortschrittes  auch  bezüglich  der  systematischen  Arbeiten 
einzutreten.  Die  Prüfung  eingesandter  Apparate  und  Materialien  soll 
naturgemäss  in  erster  Linie  dem  Einsender  Nutzen  bringen,  indem 
sie  ihn  die  Leistung  und  Eigenschaften  seiner  Fabrikate  oder  Ge* 
brauchsgegenstände  richtig  beurteilen  lehrt.  Einen  grossen  Teil  dieser 
eingesandten  Gegenstände  bilden  die  elektrischen  Messapparate,  unter 
denen  die  nach  Angabe  der  Reichsanstalt  hergestellten  Normalmess- 
geräte eine  hervorragende  Stelle  einnehmen.  Durch  die  Prüfung  und 
Beglaubigung  der  Messgeräte  wird  für  den  gewerblichen  Verkehr  mit 
Elektrizität  eine  amtlich  beglaubigte  Grundlage  geschaffen. 

Es  ist  unser  Bestreben,  die  Prüfungsarbeiten  gleichzeitig  dazu 
zu  benützen,  die  bei  den  betreffenden  Untersuchungen  angewandten 
Methoden  und  Apparate  zu  yervollkommnen.  Es  würde  mich  zu  weit 
führen,  wollte  ich  Ihnen  die  verschiedenen  Bestrebungen  auf  diesem 
Gebiet  hier  einzeln  schildern.  Ein  Beispiel  dafür  mag  genügen,  unter 
den  Materialien,  welche  für  elektrotechnische  Zwecke  gebraucht  werden, 
steUen  die  Leitungsmaterialien  die  grössten  Werte  dar  und  in  den  Ge- 
schäftsabschlüssen über  sie  pflegt  eine  bestimmte  Grösse  der  Leitfähig- 
keit ausbedungen  zu  werden.  Infolgedessen  werden  viele  Proben  von 
Leitungsmaterial  bei  der  Beichsanstalt  zur  Prüfung  eingereicht.  Obgleich 
schon  zahlreiche  Apparate  und  Methoden  in  der  wissenschafblichen 
Litteratur  beschrieben  worden  sind,  welche  speziell  die  Bestimmung 
der  Leitungsfahigkeit  zum  Zweck  haben,  so  entsprach  doch  keiner 
dieser  Apparate  den  für  unseren  Zweck  zu  steUenden  Anforderungen. 
Um  diesem  Mangel  abzuhelfen,  wurde  der  in  der  Fig.  1  dargestellte 
Apparat  konstruiert  und  in  der  Reichsanstalt  selber  gebaut.  Derselbe 
erleichtert  und  sichert  die  Bestimmung  der  Leitfähigkeiten  von  Metall- 
staben und  Drähten  sehr  erheblich  und  hat  schon  seit  einigen  Jahren  bei 
den  Arbeiten  der  Reichsanstalt  gute  Dienste  geleistet.  Das  Wesentliche 
des  Apparates  besteht,  kurz  zusammengefasst ,  in  folgenden  Stücken: 
Es  ist  ein  70  cm  langes  Stück  des  zu  untersuchenden  Leiters  erforderlich. 
Dieses  wird  an  seinen  Enden  zwischen  zwei  am  Deckel  des  Apparates 
befindlichen  Klemmen  eingespannt  oieir  bei  einem  Querschnitt  von 
mehr  als  ^/s  Quadratcentimeter  an  dem  einen  Ende  mit  einer  die  eine 
Klemme  ersetzenden  Kupferplatte  verlötet.  Bei  dem  Schliessen  des 
Deckels  wird  das  Probestück  in  ein  Petroleumbad  herabgelassen,  welches 
durch  ein  von  einem  Elektromotor  angetriebenes  Flügelrad  in  fort- 


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Neuere  elektrotechn.  Arbeiten  d.  Physikalisch-Technischen  Reichsanstalt.     119 

währenden  Umlauf  gesetzt  und  durch  elektrische  Heizung  auf  ver- 
schiedenen Temperaturen  gehalten  werden  kann.  Darauf  werden  zwei 
in  einem  Abstände  von  50  cm  fest  miteinander  verbundene  Schneiden 
durch  Drehen  einer  Schraube  an  den  Probestab  angedrückt  und  das 
zwischen  denselben  liegende  Stück  des  Pi-obestabes  nach  der  Thomson- 
schen  Methode,  mit  einem  der  drei  ebenfalls  an  den  Deckel  des 
Apparates  angebrachten  Starkstronmiesswiderstände  aus  Manganin- 
blech  verglichen.  Die  Querschnitte  der  Verbindungsleitung  und  der 
Messwiderstände  gestatten  Messströme  von  einigen  Hundert  Ampere 
anzuwenden.  Dadurch  wird  auch  bei  sehr  geringem  Widerstand  des 
Probestückes  noch  genügende  Empfindlichkeit  der  Messung  erreicht. 

In  ähnlicher  Weise  werden  auch  in  anderen  Richtungen  Ver- 
besserungen der  Prüfungsmethoden  und  der  dabei  benützten  Apparate 
angestrebt,  ich  will  mich  jedoch  hier  nicht  länger  bei  diesen  Einzel- 
heiten aufhalten,  sondern  mich  gleich  zu  dem  zweiten  Thätigkeits- 
gebiete,  den  systematischen  Arbeiten  wenden.  Um  die  Ziele  der 
neueren  Arbeiten  auf  diesem  Oebiete  darzulegen,  bin  ich  genötigt, 
zunächst  auf  die  früheren,  im  wesentlichen  abgeschlossenen  Arbeiten 
einen  Bückblick  zu  werfen. 

Die  erste  Aufgabe  des  elektrotechnischen  Laboratoriums  war,  ein 
Messverfahren  aufzustellen,  welches  für  die  Aichimg  der  technischen 
Strom-  und  Spannungsmesser  in  der  Beichsanstalt  sowohl,  wie  in  den 
Fabriklaboratorien  geeignet  sein  musste,  die  für  dieses  Verfahren  er- 
forderlichen Normalapparate  anzugeben  und  in  zuverlässiger  Form  mit 
amtlicher  Beglaubigung  in  Verkehr  zu  bringen.  Die  Anforderungen, 
welche  an  die  Normalapparate  für  technische  Zwecke  zu  stellen  sind, 
bestehen  namentlich  darin,  dass  sie  eine  Genauigkeit  der  Messung  von 
mindestens  V^ooo  zulassen  und  dass  sie  keine  Teile  besitzen,  die  bei 
der  Versendung  oder  regelrechtem  Gebrauche  Aenderungen  erfahren 
können,  welche  Abweichungen  in  den  Angaben  über  die  genannte 
Grenze  hinaus  veranlassen  könnten.  Die  zur  Zeit  der  Gründung  der 
Reichsanstalt  in  Gebrauch  befindlichen  Messapparate  konnten  für  diesen 
Zweck  nicht  für  brauchbar  erachtet  werden.  Für  den  technischen 
Gebrauch  bediente  man  sich  damals  fast  ausschliesslich  solcher  Strom- 
und  Spannungsmesser,  bei  denen  ein  bewegliches  Stück  Eisen  durch 
die  elektromagnetische  Kraft  einer  Stromspule  angezogen  wird.  Mit 
solchen  Apparaten  erreicht  man  eine  Genauigkeit  von  etwa  einem 
Prozent.  Auch  mit  besonders  sorgfältig  hergestellten  Apparaten 
dieser  Bauart  kommt  man  namenÜich  wegen  der  Hysteresis  des  Eisens 
nicht  viel  weiter.     Im  Laboratorium  verwendete   man   daher  für  die 


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120  ^  Fenssner. 


Strom-  und  Spannungsmessungen  noch  andere  Apparate,  in  Deutsch- 
land namentlich  die  Torsionsgalvanometer  und  Torsionsdjnamometer  von 
Siemens  &  Halske,  in  Oesterreich  das  dem  Siemensschen  ähnlich  gebaute 
Torsionsdjnamometer  von  Ganz  &  Comp,  und  in  England  die  Strom- 
wagen von  WiUiam  Thomson.  Bei  allen  drei  Arten  wird  das  Ergeb- 
nis der  Messung  an  einer  Zeigerstellung  direkt  abgelesen  oder  mittels 
derselben  berechnet.  In  den  oberen  Lagen  der  Skala  genügte  die 
Empfindlichkeit  der  Messung  wohl  der  oben  genannten  Anforderung 
im  allgemeinen,  in  den  unteren  Skalenlagen  war  sie  dagegen  eine  zu 
kleine.  Namentlich  besitzen  alle  genannten  Apparate  aber  so  yiele 
leicht  veränderliche  Teile,  dass  immer  eine  Controle  der  Eonstante 
mittels  des  Silbervoltameters  an  Ort  und  Stelle  vorgenommen  und 
von  Zeit  zu  Zeit  wiederholt  werden  musste. 

Die  schwierige  und  zeitraubende  silbervoltametrische  Messung 
sollte  für  die  Technik  vor  allen  Dingen  entbehrlich  gemacht  werden. 
Nur  durch  die  Ausbildung  einer  neuen  Messmethode  und  neuer  Apparate 
liess  sich  dies  erreichen.  Es  wurde  ein  Eompensationsverfahren  ge- 
wählt, d.  h.  ein  solches  Verfahren,  bei  dem  zwei  elektromotorische 
Kräfte  so  gegeneinander  geschaltet  werden,  dass  ihre  Wirkung  auf 
ein  Galvanometer  sich  aufhebt. 

Eompensationsmethoden  waren  bis  dahin  nicht  viel  für  tech- 
nische Messungen  verwandt  worden.  Das  verbreitetste  elektrotech- 
nische Taschenbuch  der  damaligen  Zeit  sagt,  nachdem  alle  anderen 
Methoden  der  Spannungsmessung  abgehandelt  sind,  über  dieselbe  nur: 
,Die  Eompensationsmethoden  sind  weniger  genau,  in  manchen  Fällen 
gar  nicht  anwendbar  und  obendrein  schwierig  und  langwierig  in  der 
Handhabung.'' 

Durch  eine  sorgfältige  Durchbildung  von  Verfahren  und  Apparat 
unter  Benützung  der  inzwischen  gemachten  technischen  Fortschritte 
im  Apparatenbau  wurde  erreicht,  dass  das  neue  Eompensationsverfahren 
die  genaueste  Messmethode  für  fast  alle  in  der  Praxis  vorkommenden 
Stromstärken  und  Spannungen  darstellt,  dass  alle  Messungen  mit  einem 
Apparat  ausgeführt  werden  können  und  dass  das  Resultat  ohne  irgend 
welche  Umrechnung  oder  Eorrektionen  an  der  Einstellung  des  Apparates 
abzulesen  ist. 

Da  ausser  der  ursprünglichen  Beschreibung  des  benützten  Eom- 
pensationsapparates  über  das  Verfahren  von  unserer  Seite  noch  nichts 
Näheres  veröffentlicht  worden  ist,  möchte  ich  die  leitenden  Gesichts- 
punkte für  dasselbe  hier  kurz  auseinandersetzen. 

Das  Verfahren  liefert  zunächst  Spannungsmessungen;  die  Strom- 


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Nenere  elektrotechn.  Arbeiten  d.  Physikalisch-Technischen  Reichsanstalt.     121 


starken  werden  bei  demselben  durch  Messung  der  Spannung  an  Wider- 
ständen ermittelt,  Widerstände  werden  umgekehrt  bestimmt  aus  der 
Spannung,  welche  bei  bekannten  Stromstärken  zwischen  den  Endpunkten 
derselben  herrschen. 

Der  Eompensationsapparat  besteht  aus  einem  Widerstandssatz,  der 
mit  einer  Einrichtung  verbunden  ist,  welche  genau  erkennen  lässt,  wenn 
eine  bestimmte  Stromstärke  —  in  der  Regel  1  Milliampere  —  durch 
den  Apparat  hindurchgeht.  Dadurch  ist  ein  Mittel  an  die  Hand  ge- 
geben, die  Stromstärke  durch  Aenderung  der  eingeschalteten  Wider- 
standsbetrage genau  auf  1  Milliampere  einzuregulieren.  Zur  Erkennung 
der  richtigen  Stromstärke  dient  ein  empfindliches  Galvanometer,  welches 
mit  einem  Glarkschen  Normalelement  und  einem  Stromschlüssel  mit 
Yorkontakt  und  Ballastwiderstand  im  Nebenschluss  zu  einem  Teil  des 
Widerstandssatzes  liegt.  Der  Widerstandsbetrag,  von  welchem  in  dieser 
Weise  abgezweigt  werden  soll,  wird  zuerst  eingestellt  und  zwar  wird 
er  in  Ohm  lOOOmal  so  gross  gemacht,  als  wie  die  Spannung  des 
Normalelements  in  Volt  beträgt.  Diese  Spannung  sei  z.  B.  1,4340  Volt, 
dann  schaltet  man  von  dem  Widerstandssatz  1434  Ohm  zwischen 
den  Abzweigpunkten  des  Nebenschlusses  ein.  Geht  gerade  ein  Milli- 
ampere durch  den  Widerstandssatz,  so  ist  der  Spannungsabfall  in 
dem  Teile,  zu  welchem  das  Galvanometer  im  Nebenschluss  liegt,  genau 
der  elektromotorischen  Kraft  des  Normalelements  gleich.  Da  die  beiden 
Spannungen  einander  entgegen  geschaltet  sind,  kehrt  das  Galvanometer 
auf  seine  Nulllage  zurück,  sobald  die  Einregulierung  auf  1  Milliampere 
genau  ausgeführt  ist.  Die  richtige  Einregulierung  des  Stromes  lässt 
sich  auch  mit  einem  Galvanometer  von  mittlerer  Empfindlichkeit  leicht 
bis  auf  V^oooo  genau  erkennen. 

Die  Stromstärke  von  1  Milliampere,  welche  durch  den  Apparat 
geht,  kann  man  nun  entweder  den  Klemmen,  deren  Spannung  ge- 
messen werden  soll,  selber  entnehmen  oder  auch  eine  EUlfsbatterie 
für  diesen  Zweck  heranziehen.  Im  ersten  Falle,  welcher  das  ein- 
gehe Kompensationsverfahren  heissen  mag,  wird  soviel  Widerstand 
in  den  an  die  betreffenden  Eilemmen  angelegten  Messstromkreis  ein- 
geschaltet, dass  die  Stromstärke  in  demselben  genau  ihren  Normal- 
wert von  1  Milliampere  annimmt.  Die  zu  messende  Spannung  ist 
dann  dem  tausendsten  Teil  des  eingeschalteten  Widerstandsbetrags 
numerisch  gleich. 

Im  Prinzip  unterscheidet  sich  dies  Verfahren  von  demjenigen 
der  gewohnlichen  technischen  Spannungsmesser  nur  dadurch,  dass  man 
hier  einen  festen  Widerstand,  verbunden  mit  einem  Apparat,  benützt, 


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122 


K.  Feussner. 


der  die  in  demselben  durch  die  zu  messende  Spannung  erzeugte  — 
und  daher  veränderliche  —  Stromstarke  angibt,  dort  einen  Apparat 
hat,  der  einen  festen  Wert  der  Stromstärke  anzeigt,  verbunden  mit 
einem  von  Hand  variabeln  Widerstände. 

In  dem  zweiten  Fall,  den  wir  das  doppelte  Eompensationsver- 
fahren  nennen  wollen,  wird  die  Stromstärke  von  1  Milliampere  einer 
Hilfsbatterie  entnommen.  Der  Hinzutritt  dieser  Batterie  vergrössert 
die  erforderlichen  instrumentellen  Hilfsmittel  nicht  unerheblich,  bietet 
aber  den  Vorteil,  dass  auch  bei  schwachen  Stromquellen  keine  Aen- 
derung  der  Spannung  durch  Anlegen  des  Apparates  eintritt  und  dasa 
der  Widerstand  der  Zuleitungen  zum  Messapparate  ganz  unberück- 
sichtigt bleiben  darf.  Dieser  letztere  Umstand  ermöglicht  mit  dem  fest 
aufgestellten  Eompensationsapparate  Spannungen,   Stromstärken   und 


Fig.  2. 


Widerstände  zu  messen,  welche  mehrere  Kilometer  weit  entfernt  sein 
können,  sobald  man  nur  zwei  gut  isolierte  Drähte  dorthin  ziehen  kann. 

Für  den  praktischen  Gebrauch  dürfte  es  das  zweckmässigste  sein^ 
alle  Spannungen  unter  10  Volt,  und  demnach  auch  alle  Stromstärken 
und  Widerstände,  mit  Hilfsbatterie,  die  höheren  Spannungen  nach  der 
ersteren  Methode  zu  messen. 

Dem  Prinzip  nach  besitzt  das  doppelte  Kompensationsverfahren 
viel  Aehnlichkeit  mit  der  Messung  einer  gegebenen  Länge  mittels 
eines  Massstabes.  Der  Widerstandssatz,  durch  den  ein  konstanter 
Strom  geht,  bildet  eine  Spannungsskala,  deren  Einrichtung  man  sich 
wohl  am  leichtesten  vorstellt,  wenn  man  ihr  mechanisches  Gegenstück 
in  Form  eines  Längenmesswerkzeuges  oder  Schiebleere  der  in  Fig.  2 
dargestellten  Einrichtung  betrachtet.  Auf  einem  Stabe  sind  nach 
links  fortlaufend  9  dem  und  auf  einem  zweiten  Stabe  nach  rechts 
fortlaufend  9  cm  abgeteilt.  Die  Stäbe  berühren  sich  mit  ihren  Null- 
punkten  und  werden  hier  etwa  durch   eine  Feder,  welche   auf  der 


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Neuere  elektrotechn.  Arbeiten  d.  Physikalisch-Technischen  Reichsanstalt.     123 


rechten  Seite  der  Figur  angedeutet  ist,  in  der  Weise  zusammenge- 
drückt, dass  zwischen  die  beiden  Nullpunkte  noch  kleinere  Teile  — 
etwa  in  Form  entsprechend  dicker  Bleche  —  bis  zu  einem  Betrage  von 
^/lo,  '/loo  imd  ^^/looo  eines  Gentimeters  eingeschoben  werden  können. 
Auf  jeder  Teilung  ist  ein  senkrecht  zu  ihr  stehender  Schenkel  ver- 
schiebbar, welcher  immer  nur  auf  einen  der  Teilpunkte  eingestellt 
werden  kann.  Zwischen  diese  beiden  Schenkel  kommt  die  zu  messende 
Lange  A  B  zu  liegen.  Der  Punkt  A  wird  an  den  Schenkel  I  ange- 
drückt und  dieser  Schenkel  so  weit  yerschoben  bis  der  Punkt  B  vor 
die  zweite  Skala  zu  liegen  kommt.  Nun  wird  auch  der  zweite  Schenkel 
angeschoben.  Dieser  berührt  den  Endpunkt  B  nicht  unmittelbar,  son- 
dern vermittelst  eines  Fühlhebels.  Man  schiebt  nun,  je  nachdem  der 
Zeiger  des  Fühlhebels  nach  rechts  oder  links  zeigt,  Vio  Vioo  und 
Vi 000  eines  Gentimeters  zwischen  die  Nullpunkte  ein  oder  zieht  solche 
kleine  Teile  heraus. 

Die  mechanische  Ausführung  eines  solchen  Messapparates  für 
Längenmessung  würde  zwar  auf  Schwierigkeiten  namentlich  bezüglich 
der  Einschiebung  der  kleinen  Teile  stossen,  bei  dem  elektrischen  Apparat 
geht  dies  jedoch  sehr  gut.  Den  beiden  Massstäben  entsprechen  die 
beiden  Eurbelrheostaten  des  Eompensationsapparates.  In  dem  einen 
springt  die  Spannung  bei  Stromdurchgang  von  1  Milliampere  um  je 
1  Volt,  in  dem  anderen  um  je  0,1  Volt.  Zwischen  den  Kurbelrheostaten 
hegt  eine  Reihe  von  Widerständen  in  Beträgen  von  50  bis  0,1  Ohm,  also 
mit  Spannungsabfall  von  0,05  bis  0,0001  Volt,  welche  durch  Stöpsel 
kurzgeschlossen  und  dadurch  sehr  einfach  aus  der  Reihe  herausge- 
nommen werden  können.  Die  beiden  Kurbeln  entsprechen  den  Schen- 
keln der  vorher  beschriebenen  Schiebleere;  durch  sie  werden  die 
Punkte  A  und  B,  deren  Spannungsdifferenz  ermittelt  werden  soU,  mit 
dem  Widerstandssatz  verbunden.  Bei  der  einen  Kurbel  geschieht  die 
Verbindung  unmittelbar,  bei  der  anderen  unter  Einschaltung  von 
Gralvanometer  und  Stromschlüssel.  Das  Galvanometer  entspricht  genau 
dem  vorher  erwähnten  Fühlhebel,  nur  arbeitet  es  viel  sicherer  und 
empfindlicher  als  die  mechanische  Einrichtung. 

Aus  dieser  Nebeneinanderstellung  der  elektrischen  Messung  mit 
einer  mechanischen  werden  Sie  sehen,  dass  die  Methode  der  Ver- 
gleichimg  einer  gegebenen  elektrischen  Spannung  mit  der  durch  den 
Eompensationsapparat  dargestellten  Spannungsskala  erheblich  sicherere 
und  genauere  Ergebnisse  liefern  muss,  als  bei  der  Vergleichung  einer 
Länge  mit  einem  Massstabe  erreichbar  sind;  dass  wir  also  eine  der 
vollkommensten  Präzisionsmessmethoden  hier  vorliegen  haben.    Unsere 


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124  K.  FeuBsner. 


Spannungsskala  besitzt  noch  einen  weiteren  Vorzug.  Yergrössert  man 
die  Stromstärke  im  Kompensationsapparat  von  1  Milliampere  auf 
10  Milliampere  —  was  noch  ohne  weiteres  zulässig  ist  —  so  wächst 
auch  die  Spannung  an  jedem  einzelnen  Widerstand  genau  auf  das 
lOfache.  Die  Wirkung  ist  also  dieselbe,  als  wenn  wir  im  stände 
wären,  einen  Metermassstab  mit  Unterteilungen  bis  auf  ein  Hundert- 
tausendstel seiner  Länge  plötzlich  in  einen  Zehnmetermassstab  mit 
der  entsprechenden  Unterteilung  zu  verwandeln.  Durch  Herabsetzung 
der  Stromstärke  können  wir  nach  der  anderen  Richtung  noch  weiter 
gehen,  indem  wir  statt  mit  1  Milliampere  mit  ^jio  oder  auch  nur  mit 
^100  Milliampere  arbeiten.  Die  Empfindlichkeit  der  gebräuchlichen 
Spiegelgalvanometer  reicht  auch  bei  so  kleinen  Stromstärken  noch 
aus,  die  Yergleichung  bis  auf  die  kleinsten  Teile  der  Skala  mit  Sicher- 
heit zu  erstrecken,  unser  Massstab  kann  also  der  Grössenordnung 
der  zu  messenden  Spannung  im  Verhältnis  von  V^ooo  angepasst  werden. 

Kleinere  elektromotorische  Kräfte,  von  den  kleinsten  überhaupt 
galvanometrisch  erkennbaren  beginnend  bis  zu  10  oder  auch  mit 
grösserer  Hilfsbatterie  bis  100  Volt,  können  also  nach  dem  indirekten 
Kompensationsverfahren  grössere  Spannungen  bis  etwa  500  Volt  nach 
dem  früher  beschriebenen  direkten  Verfahren  mit  dem  Apparate 
unmittelbar  in  Volt  gemessen  werden.  Prinzipiell  steht  nichts  im 
Wege,  auch  noch  viel  höhere  mit  dem  Apparate  in  gleicher  Weise  zu 
messen,  sobald  die  betreffende  Stromquelle  nur  einen  Strom  von 
1  Milliampere  ohne  Aenderung  ihrer  Kraft  auszugeben  vermag, 
praktisch  stehen  jedoch  die  für  diesen  Zweck  erforderlichen  hohen 
Vorschaltwiderstände  in  geeigneter  Form  zur  Zeit  noch  nicht  zur  Ver- 
fügung. Auf  diesen  Punkt  werde  ich  im  Verlauf  meiner  Ausführungen 
zurückkommen. 

Die  zweite  Anwendung  des  Kompensationsapparates  bezieht  sich 
auf  die  Messung  von  Stromstärken.  Nach  dem  Ohmschen  Gesetz  ist 
die  Stromstärke  gleich  der  Spannung,  dividiert  durch  den  Widerstand, 
sowohl  im  ganzen  Stromkreise,  wie  in  jedem  einzelnen  Abschnitte 
desselben.  Um  die  Stromstärke  zu  ermitteln,  kann  man  daher  auch 
die  Spannung  an  den  Endpunkten  eines  in  den  Stromkreis  einge- 
schalteten Widerstandes  von  bekanntem  Werte  messen.  Das  doppelte 
Kompensationsverfahren  ist  für  diesen  Zweck  ausserordentlich  geeignet, 
weil  bei  demselben  den  Anschlusspunkten  kein  Strom  entnommen 
wird,  die  Zuleitungen  zu  dem  Apparat  beliebig  lang  und  dünn  sein 
können  und  der  Widerstand  des  angelegten  Messapparates  für  den 
Hauptstromkreis  nicht  in  Bechnung  gezogen  zu  werden  braucht.   Man 


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Neuere  elektrotechn.  Arbeiten  d.  Physikalisch-Technischen  Reichsanstalt.     1 25 

bedurfte  für  diesen  Zweck  jedoch  einer  bis  dahin  wenig  angewandten 
und  darum  konstruktiv  noch  nicht  ausgebildeten  Gattung  von  Apparaten, 
der  Starkstrommesswiderstände. 

Eine  dritte  Anwendung  des  Eompensationsapparates  ist  die  zur 
Messung  von  Widerständen.  Elektrische  Widerstände  pflegt  man 
bekanntlich  mittels  einer  Stromverzweigung,  welche  unter  dem  Namen 
der  Wheatstoneschen  Brücke  bekannt  ist,  zu  messen.  Diese  Methode 
versagt  jedoch,  wenn  die  zu  messenden  Widerstände  von  gleicher  oder 
gar  kleinerer  Grössenordnung  als  ihre  Yerbindungsleitungen  imd  als 
die  Vergleichswiderstände  der  Brücke  selber  sind.  In  der  Technik 
handelt  es  sich  aber  gerade  häufig  um  sehr  kleine  Widerstände,  z.  B. 
Dynamomaschinen -Anker,  starke  Yerbindungskabel,  Kupferschienen, 
und  ähnliche  für  den  Durchgang  starker  Ströme  berechnete  Kon- 
struktionsstücke. In  solchen  Fällen  wird  das  Kompensationsverfahren 
wieder  mit  Vorteil  angewandt.  Man  schickt  einen  kräftigen  Strom,  am 
besten  den  normalen  Betriebsstrom  durch  den  zu  messenden  Wider- 
stand, schaltet  ausserdem  noch  einen  Starkstrommesswiderstand  in  den 
Stromkreis  ein^  und  misst  die  Spannung  an  den  Enden  der  beiden  Wider- 
stände in  der  vorher  beschriebenen  Weise.  Das  Verhältnis  der  Span- 
nungen multipliziert  mit  dem  Werte  des  benützten  Starkstrommess- 
widerstandes liefert  den  gesuchten  Wei*t.  Ausserdem,  dass  man  auf  diese 
Weise  Widerstände  leicht  messen  kann,  auf  welche  Brückenmethoden  gar 
nicht  oder  doch  nur  mit  grössten  Schwierigkeiten  angewendet  werden 
können,  hat  man  noch  den  Vorteil,  dass  man  mit  der  für  die  Apparate 
normalen  Stromstärke  arbeiten  kann  und  daher  auch  die  wirklich 
während  des  Betriebes  vorhandene  Grösse  des  Widerstandes  findet. 

Die  Betrachtung  der  elektrischen  Messmethode  der  Reichsanstalt 
hat  uns  also  die  Mittel  gezeigt,  durch  welche  ein  Messverfahren, 
welches  bisher  nur  bei  wissenschaftlichen  Untersuchungen  benützt 
worden  war,  für  eine  allgemeine  Anwendung  in  der  Praxis  geeignet 
gemacht  wurde.  Diese  Mittel  waren,  um  es  noch  einmal  zusammen- 
zufassen: 

1.  Einführung  der  doppelten  Kompensation. 

2.  Anwendung  von  Widerständen,  Stromstärken  imd  Spannungen, 
die  genau  nach  Ohm,  Ampere  und  Volt  abgeglichen,  bezw.  bekannt  sind. 

3.  üebergang  zu  hohen  Widerständen  und  kleinen  Stromstärken 
für  den  Messstromkreis. 

4.  Konstruktion  geeigneter  Messapparate. 

Sie  sehen  ferner,  dass  alle  elektrischen  Normalmessungen  nach 
dieser  Methode  auf  Messwiderstände  gegründet  sind.     Auf  der  einen 


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126  K.  Feussner. 

Seite  ist  dies  die  Skala  von  Scbwachstrommesswiderstanden,  welche 
wir  als  Kompensatioiisapparat  bezeichnet  haben,  auf  der  anderen  Seite 
eine  Anzahl  von  einzelnen  Starkstrommesswiderständen. 

Die  ZurttckfÜhrwig  auf  die  Messwiderstände  ist  der  leitende  Ge- 
danke für  das  Vorgehen,  weil  unter  allen  Arten  elektrischer  Grössen 
ein  Leitungswiderstand  am  besten  und  dauerhaftesten  in  einem 
materiellen  Gegenstand  verkörpert  und  als  beglaubigter  Apparat  aus- 
gegeben werden  kann.  Immerhin  war  jedoch  eine  Reihe  experi- 
menteller und  konstruktiver  Aufgaben  zu  lösen,  um  den  Messwider- 
ständen denjenigen  Grad  von  ünveränderlichkeit  und  Leistungsfähig- 
keit zu  sichern,  welche  von  den  Fundamentalapparaten  für  die 
elektrischen  Messungen  gefordert  werden  muss,  wenn  man  die  gleiche 
Genauigkeit,  wie  etwa  diejenige  der  Längenmessung  ist,  von  den» 
elektrischen  Messungen  fordert. 

Bei  der  Längenmessung  ist  einer  der  schwierigsten  Punkte  der 
Einfluss  der  Temperatur. 

Stahl  dehnt  sich  bei  der  Erwärmung  um  1  ®  C.  um  etwa 
10  Millionstel  seiner  Länge,  Messing  um  etwa  20  Millionstel  aus. 
Der  elektrische  Widerstand  wächst  dagegen  durch  1  ®  C.  Temperatur- 
erhöhung bei  Kupfer  und  fast  allen  reinen  Metallen  um  etwa  4000  Mil- 
lionstel seines  Betrages,  bei  den  Legierungen,  welche  bis  dahin  für 
elektrische  Widerstände  benützt  wurden,  mindestens  um  200  Millionstel. 
Alle  Messungen,  welche  mit  Hilfe  von  Widerständen  gemacht  wurden, 
mussten  daher  in  ausserordentlich  hohem  Masse  von  der  Temperatur 
dieser  Widerstände  beeinflusst  werden.  Dieser  umstand  ist  um  so 
schwerer  wiegend,  als  ein  Widerstand  ein  Apparat  ist,  welcher  elek- 
trische Energie  in  Wärme  umwandeln  soll,  sich  also  bei  dem  Ge- 
brauch notwendigerweise  erwärmt.  Bei  Starkstromwiderständen  ist 
auch  bei  Anbringimg  besonderer  Kühlvorrichtungen  die  Erwärmung 
in  der  Regel  so  stark,  dass  mit  den  alten  Legierungen  der  Bau  ge- 
nauer Messwiderstände  für  starke  Ströme  kaum  möglich  oder  wenigstens 
doch  der  Gebrauch  derselben  wegen  der  erforderlichen  Beobachtung  der 
Temperatur  und  der  Korrigierung  der  Werte  entsprechend  dieser  Beob- 
achtung sehr  erschwert  war.  In  diesem  umstände  ist  einer  der  Gründe 
zu  sehen,  welche  früher  die  Ausbildung  der  Kompensationsmethode 
zu  einem  für  die  Technik  geeigneten  Messverfahren  verhindert  hatten. 

Bei  den  Schwachstromwiderständen  ist  zwar  die  Erwärmung 
durch  den  Strom  in  der  Regel  nicht  erheblich,  dieselben  besassen 
aber  auch  zum  Teil  einen  wenigstens  für  Präzisionsmessungen  sehr 
unangenehmen  Uebelstand,  indem  sie  ihren  Widerstandswert  im  Laufe 


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Neuere  elektrotechn.  Arbeiten  d.  Physikalisch-Technischen  Reichsanstalt.     127 

der  Jahre  auch  bei  der  sorgfälidgsten  Behandlung  merklich  änderten. 
Es  war  infolgedessen  schwierig,  den  Wert  von  Normalwiderständen 
aus  festem  Metall  auf  längere  Zeit  mit  genügender  Genauigkeit  zu 
Terbürgen. 

An  diesem  für  die  Aichung  von  Widerständen  besonders  miss- 
lichen Punkte  setzten  die  Arbeiten  der  Reichsanstalt  zunächst  ein. 
Es  wurden  aus  einer  grösseren  Anzahl  von  Legierungen,  welche  für 
elektrische  Widerstände  im  Gebrauch  waren  oder  geeignet  erschienen, 
Probewiderstände  verschiedener  Art  hergestellt  und  die  Aenderungen 
des  Wertes,  welche  dieselben  unter  der  gleichen,  nach  mehreren  Rich- 
tungen variierten  Behandlung  zeigten,  möglichst  sorgfältig  ermittelt. 
Die  Beobachtungen  ergaben,  dass  sich  das  für  Widerstandszwecke  am 
meisten  benützte  Neusilber  rücksichtlich  der  dauernden  Widerstands- 
änderungen besonders  ungünstig  verhält,  dass  aber  das  ähnlich  zu- 
sanunengesetzte  Metall,  welches  zu  den  Reichsnickelmünzen  verwandt 
und  unter  dem  Namen  „  Patentnicke] '^  in  den  Handel  gebracht  wird, 
ein  ganz  anderes  Verhalten  zeigt.  Widerstände  aus  Neusilber  er- 
höhen ihren  Wert  fortwährend.  Wenn  die  Apparate  sehr  sorgfältig 
aufgehoben  und  nur  mit  schwachem  Strome  gebraucht  werden,  ist 
diese  Zunahme  zwar  eine  recht  langsame,  war  aber  immerhin  in  allen 
Fallen  nachzuweisen.  Bei  stärkerer  Beanspruchung  mit  elektrischem 
Strom  oder  bei  Erwärmung  auf  anderem  Wege  ist  die  Zunahme  eine 
bedeutend  raschere.  Der  Widerstand  nähert  sich  dabei  nicht  einem 
bestimmten  Werte,  sondern  wächst  ohne  Grenze  fort.  Gleichzeitig 
tritt  auch  eine  tiefgreifende  Veränderung  des  Materials  in  mechanischer 
Hinsicht  ein.  Bei  dem  Verweilen  auf  hoher  Temperatur  wird  es  bald 
so  brüchig,  dass  man  es  zwischen  den  Fingern  zerreiben  kann  und 
auf  dem  Bruche  leicht  zwei  schon  durch  die  Farbe  verschiedene  Metall- 
sorten unterscheidet.  Die  Widerstandsmessung  zeigt  nun,  dass  jene 
ümlagerung  der  Bestandteile  der  Legierung,  welche  sich  bei  hoher 
Temperatur  verhältnismässig  rasch  vollzieht,  bei  gewöhnlicher  Tem- 
peratur zwar  sehr  langsam  vor  sich  geht,  aber  doch  nicht  ganz  zum 
Stillstand  kommt  und  im  Lauf  der  Jahre  für  feine  Messungen  be- 
trächtliche Veränderungen  verursacht,  die  sich  auf  Hundertstel-Prozent 
belaufen  können. 

Das  Patentnickel  verhält  sich  anders.  Eine  aus  diesem  Material 
hergestellte  Widerstandsrolle  ändert  sich  in  der  ersten  Zeit  nach  dem 
Wickeln  auch  etwas,  aber  in  umgekehrtem  Sinne,  als  Neusilber.  Die 
Widerstandsabnahme  wird  durch  Erhitzen  ebenfalls  beschleunigt,  hört 
aber  auch  bei  höherer  Temperatur  nach  einiger  Zeit  auf.     Als  prak- 


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128  K.  FeuBsner. 


tische  Regel  für  die  Anfertigung  von  Messwiderstanden  hat  sich  aus 
den  Versuchen  ergeben,  dass,  wenn  man  solche  Widerstände  nach  der 
Herstellung  24  Stunden  lang  auf  120  bis  130^  G.  erhitzt,  später  in- 
folge von  Erwärmungen  durch  den  Strom,  welche  50  bis  60^  nicht 
überschreiten,  keine  merklichen  Aenderungen  des  Widerstandsbetrages 
mehr  eintreten.  Man  hat  demnach  zwischen  dauerhaften  und  ver- 
änderlichen Metalllegierungen  zu  unterscheiden.  Der  Grund  für  das 
verschiedene  Verhalten  ist  in  der  Zusammensetzung  zu  suchen.  Patent- 
nickel, das  Metall  der  Beichsnickelmünzen,  besteht  bekanntlich  aus 
Kupfer  mit  24  ^/o  Nickel.  Neusilber  ist  ähnlich  zusammengesetzt,  enthält 
jedoch  häufig  weniger  Nickel  und  stets  neben  den  genannten  beiden  Be- 
standteilen noch  eine  erhebliche  Menge  Zink.  In  diesem  letzteren  Zusatz 
ist  ohne  Zweifel  der  Ghrund  für  die  Veränderlichkeit  des  Materials  zu 
suchen.  Der  Vorgang  in  dem  Metall  ist  offenbar  derselbe,  welchen 
man  in  der  Hüttensprache  als  Seigern,  in  der  Olastechnik  als  Ent- 
glasen  bezeichnet,  d.  h.  es  scheiden  sich  allmählich  aus  dem  ursprüng- 
lich als  homogene  Mischung  erstarrten  Schmelzfluss  einzelne  Bestand- 
teile oder  bestimmte  chemische  Verbindungen  in  krystallinischer  Form 
aus.  Dass  unter  den  Metalllegierungen  die  zinkhaltigen  diese  Neigung 
besitzen,  während  sie  den  meisten  übrigen  abgeht,  haben  auch  die 
weiteren  Untersuchungen  von  Legierungen  bestätigt. 

Eine  Vergleichung  der  an  verschiedenen  Neusilbersorten  und  an 
Patentnickel  angestellten  Messungen  liess  ferner  eine  Abnahme  der 
Veranderliolikeit  des  spezifischen  Widerstandes  mit  der  Tem- 
peratur bei  steigendem  Nickelgehalt  erkennen.  Danach  war  zu  er- 
warten, dass  diese  fdr  Messwiderstände  so  überaus  nachteilige  Eigen- 
schaft sich  durch  Aenderung  der  Bestandteile  und  Mengenverhältnisse 
der  bisher  angewandten  Legierungen  verringern  liesse. 

Zur  Untersuchung  dieser  Verhältnisse  wurde  eine  Reihe  von 
Legierungen  aus  Kupfer  mit  stufenweise  steigendem  Nickelgehalt  durch 
die  Firma  Basse  &  Selve  in  Altena  angefertigt.  Die  Messungs- 
ergebnisse an  dieser  Reihe  sind  in  der  Fig.  3  dargestellt.  Die  zwölf 
untersuchten  Legierungen  sind  hier  nach  steigendem  Nickelgehalt  von 
links  nach  rechts  angeordnet,  so  dass  je  1  ^/o  Nickel  ein  Abstand  von 
1,2  mm  vom  linken  Rande  entspricht.  Zunächst  sind  die  spezifischen 
Widerstände  der  Materialien  als  Ordinaten  eingetragen.  Die  Ver- 
bindungslinie der  Endpunkte  bildet  die  mit  p  bezeichnete  Kurve.  Die- 
selbe steigt  von  dem  dem  reinen  Kupfer  eigenen  kleinen  Widerstände 
anfangs  fast  gradlinig  mit  dem  zunehmenden  Nickelgehalte  an,  wird 
bei  46®/o  Nickel  etwa  horizontal  und  fällt  von  62®/o  Nickel  zu  dem 


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Neuere  elektrotecho.  Arbeiten  d.  Physikalisch-Technischen  Beichsanstalt.     129 

dem  reinen  Nickel  zukommenden  Werte  ab.  Die  Aenderung  des 
spezijBsehen  Widerstandes  mit  der  Temperatur  ist  durch  die  mit  a  be- 
zeichnete Kurve  dargestellt.  Diese  fallt  anfangs  schnell,  später  lang- 
samer, geht  kurz  vor  40  ^/o  Nickel  etwas  unter  die  Nulllinie  und 
steigt  dann  annähernd  gradlinig  zu  dem  den  reinen  Metallen  zu- 
kommenden Anfangswerte  wieder  an.  Es  ist  demnach  möglich,  durch 

Fig.  3. 


Anwendung  einer  geeigneten  nickelreichen  Eupferlegierung  die  Ver- 
änderlichkeit des  Widerstandswertes  mit  der  Temperatur  ganz  zu 
beseitigen. 

Eine  Legierung  von  40  ^/o  Nickel  und  60®/o  Kupfer  wird  im 
Anschluss  an  diese  Untersuchungen  von  der  Firma  Basse  &  Selve 
in  Altena  unter  dem  Namen  Konstantan  als  Material  ftir  elektrische 
Widerstände  in  den  Handel  gebracht. 

Dieses  Material  verdient  wegen  seiner  grossen  Festigkeit,  Dehn- 
barkeit, Widerstandsfähigkeit  gegen  chemische  Einflüsse  und  geringe 
Wärmeleitung  auch  Beachtung  für  viele  andere  technische  Zwecke. 


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130 


Bereits  bevor  wir  diese  Untersucliungeii  an  den  Nickelkupfer- 
legierungen,  deren  Herstellung  den  Werken  anfangs  grosse  Schwierig- 
keiten und  Zeitverlust  verursachten,  zu  Ende  fOhren  konnten,  hatten 


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Neuere  elektrotecbn.  Arbeiten  d.  Physikalisch-Technischen  Reichsanstalt.     131 


wir  noch  mit  einer  anderen  öruppe  von  Legierungen,  nämlich  denen 
des  Kupfers  mit  dem  Mangan  Versuche  angestellt.  Mangan  steht 
dem  Nickel  bekanntlich  in  seinen  chemischen  Eigenschaften  nahe. 
Unter  dem  Namen  Manganbronze  sind  verschiedene  Legierungen  des- 
selben mit  Kupfer  für  Maschinenbauzwecke  im  Handel.  In  Deutsch- 
land werden  solche  Legierungen  als  Spezialität  von  der  Isabellenhütte 
bei  Dillenburg  hergestellt.  An  ähnlichen  Legierungen,  nämlich  solchen 
aus  Ferromangan  mit  Kupfer  und  Nickel,  hatte  Herr  Weston  in  Newark 
bereits  früher  nach  einem  amerikanischen  Patente  einen  negativen 
Temperaturkoeffizient  beobachtet. 

Von  der  Isabellenhütte  erhielten  wir  Mangankupferlegierungen 
mit  verschiedenem  Mangangehalt.  Die  Ergebnisse  der  Untersuchung 
derselben  auf  spezifischen  Widerstand  und  Temperaturkoeffizient  sind 
in  Fig.  4  in  derselben  Weise  wie  vorher  bei  den  Nickelkupfer- 
legierungen dargestellt.  Die  Messungen  konnten  hier  jedoch  nur  bis 
zu  Legierungen  mit  30  ^/o  Mangan  ausgedehnt  werden,  da  mangan- 
reichere Legierungen  sich  nicht  mehr  zu  Draht  verarbeiten  liessen. 
Der  Manganzusatz  beeinflusst  den  spezifischen  Leitungswiderstand  und 
den  Temperaturkoeffizient  in  ähnlicher  Weise  wie  ein  etwa  2^/smal 
so  grosser  Nickelzusatz.  Die  Kurve  des  spezifischen  Widerstandes 
steigt  daher  bedeutend  steiler  an,  die  des  Temperaturkoeffizienten 
fällt  sehr  schnell  ab.  Schon  bei  8  °/o  Mangan  ist  die  letztere  der  Null- 
linie sehr  nahe,  geht  aber  bei  grösserem  Mangangehalt  für  gewöhnliche 
Temperaturen  nicht  unter  diese  Linie  herab.  Für  etwas  höhere  Tem- 
peraturen erlangt  der  Temperaturkoeffizient  auch  hier  kleine  negative 
Werte.  In  der  Figur  ist  die  zweite  Hälfte  der  Kurve  doppelt  ge- 
zeichnet, entsprechend  der  Aenderung  des  spezifischen  Widerstandes  mit 
der  Temperatur  in  der  Nähe  von  0^  und  von  100®  C. 

Diu-ch  diese  Untersuchungen  lernten  wir  also  zwei  Gruppen  von 
Legierungen  kennen,  innerhalb  deren  die  Abhängigkeit  des  Wider- 
standes von  der  Temperatur  für  bestimmte  Zusammensetzungen  praktisch 
verschwindet.  Die  Prüfung  auf  Konstanz  ergab,  dass  beide  Gruppen 
sich  dem  Patentnickel  entsprechend  verhalten,  also  zu  den  dauerhaften 
Legierungen  gehören. 

Für  die  Verwendung  als  Widerstandsmaterial  kommt  weiter  die 
thermoelektrische  Kraft  in  Frage.  Ich  möchte  auf  diese  Eigenschaft 
hier  gleich  etwas  näher  eingehen,  weU  wir  später  noch  einmal  darauf 
zurückgreifen  müssen  und  überhaupt  die  Verwendung  der  Thermo- 
kräfte  zu  Temperaturmessungen  in  der  nächsten  Zukunft  voraussicht- 
lich in  allen  Zweigen  der  Technik  Anwendung  finden  wird. 

Sammlung  elektrotechnischer  Vorti^ge.    I.  10 


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132  K-  Feussner. 


Erwärmt  man  ein  Stück  AB  eines  Leiters  auf  der  einen  Seite, 
während  die  andere  auf  niedriger  Temperatur  bleibt,  so  entsteht  in 
dem  Leiter  bekanntlich  eine  elektromotorische  Kraft,  welche  man 
thermoelektrische  Kraft  nennt.  Dieselbe  ist  gleich  der  Temperatur- 
differenz der  beiden  Enden  T^  —  Tb  multipliziert  mit  einer  Konstanten  K, 
welche  vom  Material  des  Leiters  abhängt.  Verbinde  ich  die  beiden 
Enden  A  und  B  des  Leiters,  dessen  eines  Ende  ich  in  einer  Flamme 
erhitzt  habe,  durch  Drähte  mit  einem  Stromzeiger,  z.  B.  einem  Weston- 
sehen  Milüvoltmeter,  so  wird  dieses  einen  Ausschlag  zeigen  oder  auch 
in  der  Nulllage  bleiben,  je  nachdem  der  Leiter  AB  aus  demselben 
oder  aus  einem  anderen  Material  besteht  als  die  Zuleitungsdrahte. 
Ich  habe  den  Stromzeiger  an  jeder  Klemme  mit  einem  Zuleitungsdraht 
aus  Kupfer  und  einem  zweiten  aus  Konstantan  versehen.  Die  freien 
Drahtenden  sind  zu  einer  Schleife  gebogen.  Lege  ich  einen  Leiter 
AB  aus  Kupfer,  welcher  an  der  Seite  A  erwärmt  worden  ist,  in  die 
kupfernen  Zuleitungsdrahte,  so  sehen  Sie  keinen  Ausschlag,  lege  ich 
ihn  in  die  Konstantandrähte,  so  sehen  Sie  einen  kräftigen  Ausschlag 
nach  Unks,  nehme  ich  dagegen  einen  Leiter  aus  Konstantan  und  lege 
ihn  in  die  Kupferdrähte,  so  werden  Sie  einen  Ausschlag  nach  der 
rechten  Seite  bemerken,  während  bei  dem  Einlegen  in  die  Kon- 
stantandrähte der  Zeiger  auf  Null  bleibt.  Die  Erklärung  ergibt  sich 
bereits  aus  dem  Gesagten :  In  dem  auf  der  Seite  A  zur  Temperatur  Tl 
erhitzten  Kupferleiter  AB  haben  wir  eine  elektromotorische  Kraft 

(Ta TB)Kca. 

Legen  wir  diesen  Leiter  in  die  kupfernen  Leitungsdrähte  ein, 
80  erwärmt  sich  der  Berührungspunkt  des  Drahtes  bei  A  sofort  auf 
die  Temperatur  des  Endes  A  und  wir  erhalten  in  diesem  Zuleitungs- 
draht  wieder  eine  elektromotorische  Kraft,  welche  gleich 

(TA-TB)Ka, 

ist,  aber  umgekehrte  Richtung  wie  die  erste  besitzt,  dieser  also  in  dem 
Stromkreise  das  Gleichgewicht  hält.  Legen  wir  den  Leiter  in  die 
Konstantandrähte,  so  erwärmt  sich  der  Berührungspunkt  ebenfalls 
auf  die  Temperatur  Ta,  die  elektromotorische  Kraft  in  diesem  Draht 
ist  aber  gegeben  durch  den  Ausdruck 

(Ta  —  TB)Kc9t 

und  die  elektromotorische  Kraft  im  ganzen  Kreise  durch 

(Ta-Tb)    (Ken  — Kcrt). 


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Neuere  elektrotechn.  Arbeiten  d.  Physikalisch-Technischen  Reichsanstalt.     133 

Die  wirksame  elektromotorische  E[raft  ist  daher  gegeben  durch 
die  Temperaturdifferenz  der  Berührungsstellen  multipliziert  mit  der 
Differenz  der  thermoelektrischen  Konstanten  der  in  Berührung  treten- 
den Metalle.  In  der  Praxis  hat  man  es  hauptsächlich  mit  der  thermo- 
elektrischen Differenz  der  verschiedenen  Metalle  gegen  Kupfer  zu  thun, 
weü  die  Stromzuleitungen  fast  immer  aus  Kupfer  hergestellt  werden. 

Die  elektromotorischen  Kräfte  sind  verhältnismässig  klein  ;'sie  be- 
sitzen im  allgemeinen  eine  örössenordnung  von  einigen  Millionstel- 
Volt  für  1^  Temperaturunterschied.  Nichtsdestoweniger  müssen  sie 
bei  Messwiderständen  für  feine  Messungen,  namentlich  bei  solchen 
für  kleine  Werte,  durch  den  Bau  des  Apparates  imd  durch  die  Aus- 
wahl des  Materials  sorgfältig  vermieden  werden. 

Von  den  beiden  besprochenen  Legierungsgruppen  besitzen  nun  die 
Nickellegierungen  eine  hohe  Thermokraft  gegen  Kupfer,  die  Mangan- 
legierungen eine  kleine.  In  der  Kurventafel  Fig.  3  sind  die  Werte 
der  thermoelektrischen  Kräfte  gegen  Kupfer  bei  Zimmertemperatur,  für 
die  Nickellegierungen  durch  die  punktiert  angegebene  Kurve  d*  ver- 
zeichnet. Die  Kurve  steigt  anfangs  rasch,  dann  langsamer  und  er- 
reicht ihr  Maximum  bei  der  Legierung  mit  46  ^/o  Nickel,  welche  auch  den 
höchsten  spezifischen  Widerstand  und  den  grössten  negativen  Tempe- 
raturkoeffizient ergeben  hat.  Der  hier  erreichte  Wert  von  +  39  Mikro- 
volt  für  1  ®  C.  dürfte  die  grösste  Thermokraft  sein,  welche  zwischen 
einem  dehnbaren  Metall  und  Kupfer  bei  Zimmertemperatur  bisher  be- 
obachtet worden  ist.  Bei  dem  Konstantan  ist  sie  nur  um  weniges 
geringer,  sie  beträgt  hier  etwa  37  Mikrovolt  für  1  ®  C.  Die  Mangan- 
legierungen besitzen  im  Gegensatz  dazu  eine  kleine  negative  thermo- 
elektrische  Kraft  gegen  Kupfer  im  Betrage  von  etwa  2  bis  3  Mikro- 
volt. Durch  einen  Nickelzusatz  zu  der  Legierung  von  2  bis  3  ^/o , 
welcher  die  sonstigen  elektrischen  Eigenschaften  nicht  wesentlich  ver- 
ändert, kann  diese  Thermokraft  noch  fast  vollständig  ausgeglichen 
werden. 

Auf  Grund  dieser  Beobachtungen  wird  nun  eine  Legierung  von 
etwa  12  ®/o  Mangan  mit  2  ^/o  Nickel  und  SQ  ^/o  Kupfer  von  der  Isabellen- 
hütte  unter  dem  Namen  Manganin  in  den  Handel  gebracht.  Sie  stellt 
das  vorzüglichste  Material  für  elektrische  Präzisionswiderstände  dar, 
welches  wir  bis  jetzt  kennen.  Dasselbe  ist  allerdings  gegen  Oxydationen 
durch  die  Luft  bei  höheren  Temperaturen  empfindlich  und  darf  des- 
halb nur  lackiert  verwandt  werden. 

Für  Regulier-  und  Belastungswiderstände  sowie  für  solche  Mess- 
widerstande, welche  zeitweilig  hohe  Belastungen  auszuhalten  haben, 


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134  K.  Feussner. 


benützt  man  aus  dem  letzteren  Grunde  besser  Konstantan  und  beseitigt, 
wenn  es  nötig  ist,  den  Einfluss  der  Thermokraft  durch  geeignete  kon- 
struktive Anordnungen. 

Mit  der  Einführung  der  neuen  Legierungen  musste  eine  kon- 
struktive Durchbildung  der  Apparate  —  zunächst  der  Normalwider- 
stände und  der  Starkstrommesswiderstände  —  Hand  in  Hand  gehen. 
Ich  kann  hier  nur  die  hauptsächlichsten  Gesichtspunkte,  die  dabei  mass- 
gebend waren,  kurz  andeuten.  Um  die  Unveränderlichkeit  der  Werte 
zu  sichern,  mussten  vor  allen  Dingen  zusanunengesetzte  Leiter  mit  Be- 
rührung der  EinzeUeiter  untereinander  als  Drahtseile  und  Drahtgaze  von 
der  Verwendung  ausgeschlossen  werden.  Die  Widerstandsdrahte  oder 
-Bleche,  aus  denen  der  eigentliche  Widerstand  besteht,  mussten  in  die 
kupfernen  Zuleitungen  ohne  irgend  welche  Spalten  durch  feste  metallische 
Vereinigung  übergeführt  werden.  Auch  Zinnlötung  erwies  sich  an  diesen 
üebergangsstellen  als  nicht  zuverlässig  genug.  Vielmehr  muss  der  Apparat 
so  gebaut  werden,  dass  es  möglich  war,  bei  der  Herstellung  die  Ver- 
bindungsfugen der  Widerstandsleitungen  und  der  Zuleitungen  mit 
Silberlot  glatt  ausfliessen  zu  lassen.  Ferner  mussten  die  Apparate  fbr 
Aufhahme  möglichst  grosser  Energiemengen  geeignet  gemacht,  also  mit 
möglichst  vollkommenen  Vorkehrungen  für  Abführung  der  entstehenden 
Wärme  versehen  werden.  Die  Einrichtung  der  Apparate  im  einzelnen 
ist  in  einigen  Aufsätzen  von  der  Zeitschrift  für  Instruktion  und  in  den 
wissenschaftlichen  Abhandlungen  der  Beichsanstalt,  auf  welche  ich  hier 
Bezug  nehmen  muss,  beschrieben  worden.  Durch  das  Entgegenkommen 
der  Herren  Hartmann  und  Braun  sind  femer  einige  Probestücke 
der  besprochenen  Apparate  hier  aufgestellt  worden,  an  denen  ich  die 
erwähnten  Einrichtungen  in  Augenschein  zu  nehmen  bitte. 

Die  Normalwiderstände  und  Starkstrommesswiderstände  bilden, 
wie  Sie  sehen,  mit  dem  Eompensationsapparate  ein  zusammenhängen- 
des System  von  elektrischen  Normalmessapparaten,  welches  durch 
die  angegebenen  Untersuchungen  und  Konstruktionen  seine  erste  Aus- 
bildung erfuhr.  Verschiedene  elektrotechnische  Firmen  und  Konstruk- 
teure haben  sich  um  die  weitere  Entwickelung  desselben  Verdienste 
erworben. 

Neben  den  Widerstandsapparaten  gebrauchen  wir  für  die  Messung 
ein  Hilfsmittel,  welches  die  Stärke  des  Stromes  im  Kompensations- 
apparat auf  seinen  normalen  Wert  einzustellen  gestattet.  Zu  diesem 
Zweck  sind  vorläufig  von  uns  Clarksche  Normalelemente  benützt  wor- 
den. Diese  besitzen  eine  jahrelang  unveränderliche  elektromotorische 
Kraft  von  rund  1,434  Volt  bei  15^  C,  dürfen  aber  nur  mit  geringen 


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Neuere  elektrotechn.  Arbeiten  d.  Physikalisch-Technischen  Reichsanstalt.     135 


Stromstärken  (nicht  über  0,00001  Ampere)  beansprucht  werden.  Richtig 
hergestellte  Elemente  dieser  Art  weichen  von  dem  Sollwei-t  in  der 
Regel  nicht  mehr  als  0,0001  bis  0,0003  Volt  ab.  Bei  Abweichungen 
von  mehr  als  0,0005  Volt  werden  die  Elemente  längere  Zeit  vor  der 


Paste  aus 
Quaeksilb^ 
ojcyddLsuh 
XikksnUat  i 
Qtucksilhcr 


ZinliSiMlfat* 
_Zinksulfat' 

ThtTtnomHcr 


Ausgabe  beobachtet,  bei  Abweichungen  von  mehr  als  einem  Tausendstel 
Volt  werden  sie  nicht  mehr  beglaubigt. 

Die  ursprünglich  von  uns  angegebene  Form  ist  in  Fig.  5  dar- 
gestellt. Die  Paste  aus  schwefelsaurem  Quecksilberoxydul,  welche  das 
als  positive  Elektrode  dienende  amalgamierte  Platinblech  umgibt,  ist 
in  eine  Thonzelle  eingeschlossen.   Der  die  negative  Elektrode  bildende 


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136  K.  Feussiier. 

Zinkstab  ist  unten  umgebogen  und  oben  mit  einem  Glasrohre  umgeben. 
Der  Elektrolyt  besteht  aus  einer  gesättigten  Lösung  von  schwefel- 
saurem Zink,  welche  bis  über  die  beiden  Elektroden  mit  ErystaUen 
dieses  Salzes  angefüllt  ist.  In  dieser  Form  haben  sich  die  Clarkschen 
Normalelemente  in  der  Praxis  bewährt. 

Jedoch  ist  nicht  zu  verkennen,  dass  das  Normalelement  den  un- 
sichersten Punkt  in  dem  Messsystem  bildet,  und  dass  die  grosse  Ab- 
hängigkeit desselben  von  der  Temperatur  bei  dem  Gebrauche  lästig 
ist.  Von  den  zahlreichen  Versuchen  zur  Verbesserung  der  Normal- 
elemente ist  namentlich  eine  Abänderung,  welche  von  Herrn  Weston 
in  Newark  ausgebildet  ist,  bemerkenswert.  Dieser  ersetzt  das  Zink 
durch  Eadmiumamalgam  und  das  Zinksulfat  durch  Eadmiumsulfat.  Die 
elektromotorische  Kraft  des  auf  diese  Weise  hergestellten  Westonschen 
Normalelementes  ist  von  der  Temperatur  nur  wenig  abhängig. 

Eingehende  Untersuchungen,  welche  in  der  Beichsanstalt  mit 
den  Eadmiumelementen  angestellt  worden  sind,  haben  ergeben,  dass 
diese  Elemente  in  wissenschaftlichen  Laboratorien  mit  Vorteil  an 
Stelle  der  Clarkschen  Elemente  angewandt  werden  können,  um  von 
dem  Einfluss  der  Tempei*aturschwankungen  des  Arbeitsraumes  unab- 
hängiger zu  sein,  und  dass  sie  auch  für  den  Gebrauch  in  der 
Praxis  insofern  einen  Vorteil  bieten  würden,  als  man  durch  eine  be- 
stinmite  Bemessung  des  Eadmiumzusatzes  zu  dem  Amalgam  die  elektro- 
motorische Eraft  auf  genau  1  Volt  bringen  kann.  Für  die  Ausgabe 
als  beglaubigte  Elemente  eignen  sie  sich  jedoch  weniger  als  die  Clark- 
elemente.  Die  letzteren  zeigen  nämlich  bei  richtiger  Zusammensetzung 
mittels  reiner  Materialien  immer  dieselbe  elektromotorische  Eraft  tod 
1,434  Volt  bei  15®  C,  die  Eadmiumelemente  können  dagegen  alle 
Werte  zwischen  1,00  Volt  und  1,02  Volt  erhalten.  Bei  einem  Clark- 
element  erkennt  man  daher  durch  eine  einmalige  Vergleichnng  mit 
dem  Hauptnormal,  ob  dasselbe  richtig  hergestellt  worden  ist  imd  dem- 
entsprechend seine  elektromotorische  Eraft  dauernd  unverändert  eu 
halten  verspricht,  bei  einem  Eadmiumelement  ist  dagegen  ein  Schluss 
auf  die  ünveränderlichkeit  der  elektromotorischen  Eraft  nur  nach  einer 
Wiederholung  der  Messungen  nach  langer  Zeit  möglich. 

Vorhin  hatte  ich  gesagt,  dass  die  Normalelemente  vorläufig 
zur  Einstellung  des  Eompensationsstromes  herangezogen  worden  seien. 
Als  eigentlicher  fundamentaler  Normalapparat  der  elektrischen  Spannung 
sollten  sie  weder  zum  Gebrauche  der  Beichsanstalt,  noch  zur  Ausgabe 
für  die  Technik  dienen;  sie  sollten  vielmehr  nur  als  ein  vorüber- 
gehendes Aushilfsmittel  angesehen  werden,   welches  nur  so  lang  eine 


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Neuere  elektrotechn.  Arbeiten  d.  Physikalisch-Technischen  Reichsanstalt.     137 

Berechtigung  hat,  bis  die  Instrumententechnik  uns  einen  vollkom- 
meneren Apparat  an  die  Hand  gibt.  In  einem  galvanischen  Ele- 
mente finden  auch  im  offenen  Zustande  immer  chemische  Umsetzungen 
statt,  welche  schliesslich  zu  einer  Aenderung  der  elektromotorischen 
Kraft  und  zu  völliger  Erschöpfung  derselben  führen  müssen.  Es 
dürfte  sich  nun  nicht  allzuschwer  eine  kleine  Stromwage  bauen 
lassen,  welche  die  eine  bestimmte  Stromstärke,  die  ftlr  unsere  Zwecke 
in  Frage  konmit,  mit  grosser  Schärfe  erkennen  Tässt.  Ein  solcher 
Apparat  würde  vor  den  Normalelementen  erhebliche  Vorzüge  haben. 
Der  Bau  von  Präzisionsstromn^essern  hat  in  der  neuesten  Zeit  so 
erhebliche  Portschritte  gemacht,  dass  wir  wohl  erwarten  dürfen, 
auch  für  den  genannten  Zweck  bald  einen  geeigneten  Apparat  zu  er- 
halten. 

Die  bisher  besprochenen  Arbeiten  verfolgten  in  erster  Linie  den 
Zweck,  für  die  Reichsanstalt  das  Normalmessverfahren  für  Gleichstrom 
von  niederer  Spannung  durchzubilden  und  zu  sichern.  Der  Einfluss 
derselben  erstreckte  sich  in  der  Folge  allerdings  weiter.  Demnächst 
erwuchs  der  ßeichsanstalt  nun  die  Aufgabe  der  Messung  von  hoch- 
gespanntem Gleichstrom  und  von  Wechselstrom  von  niedriger  und 
hoher  Spannung  eingehendere  Beachtung  zuzuwenden.  Diese  Arbeiten 
sind  gegenwärtig  noch  in  den  Anfängen  der  Entwickelung  begriffen, 
sodass  ich  nur  Einzelheiten  daraus  hervorheben  kann.  Im  ganzen 
besteht  dabei  das  Bestreben,  das  vorher  beschriebene  Normalmassver- 
fahren, soweit  es  angängig  ist,  auch  auf  die  letztgenannten  Gebiete 
zu  übertragen. 

In  der  Technik  "gewinnt  die  Anwendung  hochgespannter  Ströme 
zur  Zeit  eine  rasche  Verbreitung.  Es  sind  dies  jedoch  fast  aus- 
schliesslich Wechselströme.  Die  Form  des  Wechselstromes  bringt 
nun  für  genaue  Untersuchungen  sehr  erhebliche  Komplikationen 
mit  sich,  so  dass  es  wünschenswert  ist,  bei  den  Prüfungs-  und 
Aichungsarbeiten  immer  vom  Wechselstrom  von  hoher  Spannung  auf 
hochgespannte  Gleichströme  zurückgreifen  zu  können.  Während  es 
nun  bei  Wechselstrom  verhältnismässig  leicht  ist,  durch  Umformer 
hohe  Spannungen  herzustellen,  bietet  dies  bei  Gleichstrom  erhebliche 
Schwierigkeiten.  Dazu  trägt  bei,  dass  von  Maschinen  gelieferter 
Gleichstrom  für  Messungszwecke  schon  bei  niedriger  Spannung  wenig 
geeignet,  bei  hohen  Spannungen  aber  für  viele  Zwecke  geradezu  un- 
brauchbar ist.  Dadurch  wurde  uns  die  Herstellung  einer  Hoch- 
spannungsbatterie nahe  gelegt.  Dieselbe  sollte  mindestens  die  Span- 
nimg, welche  in  Hochspannungsanlagen  gegenwärtig  angewandt  wird, 


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138  ^'  Feusener. 

herzustellen  gestatten  und  dabei  Ströme  von  0,1  Ampere  bei  normaler 
Entladung  ausgeben  können.  Für  so  hohe  Leistungen  konnten  nur 
Bleiakkumulatoren  in  Frage  kommen.  Bisher  waren  dieselben  aller- 
dings bei  den  Versuchen,  hohe  Spannungen  mit  denselben  herzustellen, 
inmier  bald  zu  Grunde  gegangen.  Die  Ursache  für  diese  Erscheinung 
ist  wohl  darin  zu  suchen,  dass  die  Schwefelsäure  bei  der  Ladung 
durch  die  Gasblasen  mitgerissen  wird  und  sich  auf  der  Umgebung 
niederschlägt,  ausserdem  über  die  Verbindungsstreifen  der  Elektroden 
hinkriecht  und  Nebenschlüsse  herstellt,  welche  bei  der  hohen  Spannung 
und  der  kleinen  Kapazität  der  Elemente  bald  zu  einer  Entladung 
einzelner  Zellen  und  zum  Zerfallen  der  Elektroden  Veranlassung 
geben.  An  einer  Probebatterie  von  500  kleinen  Elementen  in  Reagenz- 
gläsern, welche  wir  zimächst  von  einer  Akkumulatorenfabrik  bezogen 
hatten,  traten  die  genannten  Erscheinungen  bald  hervor.  Daher 
gingen  wir  dazu  über,  Elemente  herzustellen,  welche  gegen  den  Aus- 
tritt der  Sämre  möglichst  gesichert  sein  sollten.  Nachdem  wir  mehrere 
Monate  hindurch  günstige  Erfahrungen  mit  diesen  gemacht  hatten, 
schritten  wir  zum  Bau  der  grossen  Batterie,  welche  seit  einem  Viertel- 
jahre der  Hauptsache  nach  fertig  gestellt  ist  und  sich  bisher  gut  ge- 
halten hat. 

Ein  Element  Yon  der  Bauart,  welche  in  der  Hochspannungs- 
batterie zur  Verwendung  gekommen  ist,  habe  ich  ,hier  mitgebracht 
(s.  Fig.  6).  Die  Gefasse  sind  gewöhnliche  Pulvergläser  von  60  ccm 
Inhalt.  Die  Elektroden  bestehen  aus  Bleigittem  von  12  mm  Länge, 
10  nun  Breite  und  40  mm  Höhe  und  sind  in  der  gewöhnlichen  Weise 
mit  Bleioxjden  ausgestrichen.  Sie  stehen  unten  in  kleinen  Glasfttsschen, 
welche  auf  dem  Boden  des  Gefässes  festgekittet  sind.  Zwischen  den 
Elektroden  steht  ein  Glasröhrchen,  welches  ebenfalls  am  Boden  ein- 
gekittet ist  und  oben  und  unten  eine  kleine  seitliche  Oefihung  besitzt. 
Die  untere  Oeffiiung  dient  zum  Durchtritt  der  Säure,  das  obere  Loch 
zum  Austritt  der  Gase.  Das  Glasröhrchen  ragt  einige  Millimeter  über 
den  Hals  des  Fläschchens  hervor  und  wird  durch  einen  Glasstöpsel 
oder  Bleikügelchen  lose  verschlossen.  Ausser  dieser  einen  Oeffiiung 
ist  der  Hals  des  Fläschchens  mit  einer  Eabelisolationsmasse  säuredicht 
zugeschmolzen.  Die  bei  der  Ladung  entwickelten  Gase  müssen  dem- 
nach vor  ihrem  Austritt  zwei  Räume  durchstreichen,  welche  nur  durch 
das  enge  Loch  in  dem  Glasröhrchen  verbunden  sind.  Auf  diesem 
Wege  setzen  sie  die  mitgerissene  Säure  vollständig  ab.  Das  einzelne 
Element  hat  ein  Gewicht  von  250  g  und  eine  Kapazität  von  etwa 
einer  Amperestunde. 


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Neuere  elektrotechn.  Arbeiten  d.  Physikalisch-Technischen  Reichsanstalt.     139 

In  der  Batterie  sind  je  25  Elemente  auf  einem  Brettchen,  dcis 
auf  4  Porzellanisolatoren  steht,  mit  Paraffin  festgegossen,  und  20  Brett- 
chen mit  Elementen  übereinander  in  einen  eisernen  Rahmen  von  3  m 
Höhe  und  60  cm  Breite  eingesetzt.  Die  Elemente  eines  Rahmens 
sind  alle  in  Hintereinanderschaltung  fest  verlöte!;,  so  dass  die  End- 
elemente des  Rahmens  eine  Spannung  von  1000  Volt  gegeneinander 
besitzen.  Zehn  Rahmen  hängen  nebeneinander  mit  einem  freien  Luft- 
abstand von  mindestens  5  cm  nach  allen  Richtimgen  hin  in  einem 
eisernen  Glasschranke  an  je  zwei  Porzellandoppelglocken.  Die  letzteren 
sind    an   zehn   kleinen   Wagen 

befestigt,    welche    auf  elf   die  ^-  ^• 

Decke  des  Schrankes  bildenden 
I-Eisen  laufen.  Mit  dem  Wagen  c: 
kann  man  jeden  Rahmen  leicht 
um  seine  eigene  Breite  aus  dem 
Schranke  vorziehen,  so  dass 
man  die  einzelnen  Elemente 
jederzeit  nachsehen  kann.  Je 
zwei  Rahmen  sind  oben  durch 
eine  bewegliche  Leitung  dauernd 
miteinander  verbunden.  Wir 
besitzen  also  in  dem  Schranke 
fünf  Reihen  von  je  1000  Ele- 
menten. Diese  fünf  Reihen  wer- 
den einzeln  oder  in  Parallel- 
schaltung durch  eine  kleine 
Maschine  geladen,  welche  2  bis 
3000  Volt  und  etwa  0,5  Am- 
pere zu  Uefem  im  stände  ist. 
Die  Schalteinrichtungen  sind 
infolgedessen   auf  ganz  wenige 

Verbindungen  beschränkt.  Sie  werden  durch  lose  Drahtbügel  zwischen 
Quecksilbemäpfen  hergestellt,  welche  an  den  unteren  Enden  der  Rahmen 
und  in  zwei  mit  den  Zuleitungen  in  Verbindung  stehenden  Kupferschienen 
angebracht  sind.  Für  den  Gebrauch  wird  die  erforderliche  Anzahl  der 
Rahmen  durch  die  eingelegten  Drahtbügel  hintereinander  geschaltet, 
während  in  der  Ruhe  je  zwei  Rahmen  ausser  den  vier  Doppelglocken, 
an  denen  sie  hängen,  von  jeder  Berührung  mit  festen  Körpern  getrennt 
sind.  Für  Zuschalttmg  kleinerer  Abteilungen  sind  500  Elemente  in  einem 
besonderen  Schranke  untergebracht  und  von  dieser  Reihe  gut  isolierte 


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140  K.  Feussner. 

Abzweigleitungen  nach  einem  Doppelkurbelschalter  geführt.  Bei  dem 
Gebrauche  liegen  diese  Zuschaltzellen  immer  an  dem  mit  der  Erde  in 
Verbindimg  stehenden  Pole.  Die  Schlagweite  beträgt  bei  9000  Volt 
über  1  cm.  Die  Stromstärke  steigt  bei  geringem  äusseren  Wider- 
stände, z.  6.  bei  dem  Durchschlagen  von  Isolationen,  bis  über  1 3  Ampere. 
Es  wird  demnach  in  diesem  Augenblick  eine  Energie  von  reichlich 
160  Pferdestärken  entwickelt,  um  den  Strom  bei  solchen  Versuchen 
rasch  zu  unterbrechen,  wird  ein  Abschmelzdraht  von  0,03  mm  Stärke 
eingeschaltet.  Dieser  muss  über  40  cm  lang  sein,  damit  sich  kein 
Lichtbogen  zwischen  den  Klemmen  bildet.  In  der  Regel  wird  bei  dem 
Gebrauche  ein  Sicherheitswiderstand  von  einer  halben  bis  einer  Mil- 
lion Ohm  vorgeschaltet.  Dann  kann  man  die  Elektroden  ohne  Schaden 
zu  nehmen  anfassen.  Man  erhält  einen  Funkenstrom,  der  das  Gefühl 
wie  bei  kräftigen  Elektrisiermaschinenfunken  erzeugt. 

Bei  dem  Arbeiten  mit  hohen  Spannungen  macht  sich  der  Mangel 
geeigneter  Messwiderstände  sehr  fühlbar.  Es  werden  hier  hohe  Wider- 
standsbeträge,  gute  Isolation,  die  namentlich  gegen  Durchschlagen 
Sicherheit  bietet,  und  beträchtliche  Energiekapazität  erfordert;  dabei 
soll  auch  die  Selbstinduktion  und  die  elektrostatische  Kapazität  gering 
sein.  Die  für  Messwiderstände  von  höheren  Beträgen  bisher  vor- 
zugsweise angewandten  Widerstandsrollen  aus  bifilar  aufgewickelten, 
mit  Seide  umsponnenen  Drähten  vermeiden  zwar  die  Selbstinduktions- 
erscheinungen gut,  sind  aber  fflr  höhere  Spannungen  deswegen  nicht 
geeignet,  weil  bei  ihnen  Anfang  und  Ende  des  Drahtes  nahe  bei  ein- 
ander liegen,  so  dass  durch  die  hohen  Spannungsdifferenzen  an  diesen 
Punkten  die  Isolation  leicht  durchschlagen  wird,  und  auch  Ladungs- 
erscheinungen auftreten,  welche  Störungen  verursachen  können.  Es 
wurden  nun  viele  Versuche  in  der  Beichsanstalt  angestellt,  um  eine 
Form  von  Widerständen  zu  finden,  welche  die  genannten  Mängel  ver- 
meidet und  gleichzeitig  hohe  Widerstandsbeträge  ohne  allzugrosse  Kosten 
herzustellen  gestattet.  Bei  diesen  Versuchen  hat  sich  eine  Art  am 
besten  bewährt,  von  der  ich  hier  einige  Proben  herumreichen  will 
(s.  Fig.  7).  Es  sind  dünne  Glimmerblätter,  welche  mit  einer  einfachen 
Lage  feinen  umsponnenen  oder  nackten  Drahtes  bewickelt  sind.  Der 
Draht  ist  durch  einen  Schellackanstrich  auf  den  Glimmer  festgekittet 
Die  Drähte  der  Vorder-  und  Rückseite  liegen  mit  entgegengesetzter 
Stromrichtung  kaum  ^'4  mm  voneinander  entfernt,  dadurch  wird  die 
Selbstinduktion  fast  ganz  aufgehoben.  Da  nur  eine  einfache  fort- 
laufende Wirkung  vorhanden  ist,  begen  die  Punkte  mit  grössten 
Spannungsunterschieden  an  den  entgegengesetzten  Enden  des  Glimmer- 


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Neuere  elektrotechn.  Arbeiten  d.  Physikalisch-Technischen  Reichsanstalt.     141 


blattes,  so  dass  die  Gefahr  des  Durchschlagens  der  Isolation  und  die 
Ladungserscheinungen  beseitigt  sind.  Zur  Bewickelung  eignet  sich 
blanker  Konstantandraht  besonders  gut,  weil  derselbe  sich  vermöge 
seiner  grossen  Festigkeit  und  Dehnbarkeit  sehr  fein  ziehen  lässt.  Zweck- 
mässig lässt  man  ihn  ausserdem  noch  flach  walzen  und  zwischen  einem 
feinen  Zahnrad   mit  Wellen  versehen.     Durch   das   letztere  Verfahren 

Fig.  7. 


erhält  er  eine  gewisse  Elastizität,  so  dass  er  auch  bei  höheren  Tem- 
peraturen, falls  der  Lack  weich  geworden  sein  sollte,  noch  straff  ge- 
spannt bleibt.  Einige  Proben  von  geglättetem  und  gewelltem  Kon- 
stantandraht will  ich  hier  noch  herumgehen  lassen.  Die  feinste  darunter 
besitzt  einen  Widerstand  von  780  Ohm  auf  1  m.  Ein  Glimmerblatt, 
welches  mit  diesem  Drahte  so  bewickelt  wird,  dass  20  Windungen  auf 


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142  K.  Feussner. 

1  cm  Länge  aufgebracht  werden,  enthält  daher  etwas  über  30000  Ohm 
auf  1  qdcm.  Die  Belastung  kann,  wenn  die  Blätter  senkrecht  angeordnet 
sind,  so  dass  die  Luft  zwischen  ihnen  hindurchstreichen  kann,  bis 
10  Watt  auf  das  Quadratdecimeter  betragen. 

Zwei  Dekadenwiderstandssätze  mit  ölimmerblattwiderständen, 
welche  wir  bei  unseren  Arbeiten  mit  hohen  Spannungen  in  Gebrauch 
haben,  sind  nach  der  hier  ausgestellten  Zeichnung  (s.  Fig.  8)  hergestellt 
worden.  Sie  sind  so  eingerichtet,  dass  die  Glimmerblätter  senkrecht 
stehen  und  über  und  unter  denselben  sich  gelochtes  Blech  befindet, 
so  dass  ein  kühlender  Luftstrom  zwischen  ihnen  hindurchstreichen 
kann.  Die  beschriebene  Konstruktion  der  Glimmerblattwiderstände 
eignet  sich  im  übrigen  auch  gut  zu  Yorschaltwiderständen  in  Mess- 
apparaten und  ist  für  diesen  Zweck  auf  die  Anregung  der  Reichs- 
anstalt hin  bereits  mehrfach  in  Anwendung  gekommen. 

Schliesslich  werden  in  der  Reichsanstalt  zur  Zeit  noch  Versuche 
angestellt  zur  Herstellung  sehr  hoher  Widerstände  von  mehreren 
Millionen  Ohm  aus  dünnen  Schichten  von  Platinlegierungen,  welche 
nach  einem  von  Herrn  Kundt  erfundenen  Verfahren  auf  Porzellan 
eingebrannt  werden.  Sofern  Messwiderstände  von  genügend  hohem 
Betrage  und  genügender  Energiekapazität  zur  Verfügung  stehen,  kann 
die  Messung  hoher  Gleichstromspannungen  nach  den  früher  erörterten 
Methoden  erfolgen.  Durch  die  uns  in  der  Hochspannungsbatterie  zur 
Verfügung  stehenden  hohen  Gleichstromspannungen  sind  wir  daher  in 
den  Stand  gesetzt,  genaue  Aichungen  von  statischen  Spannungsmessem 
und  ähnlichen,  vorzugsweise  fllr  Messung  hoher  Wechselstromspan- 
nungen dienender  Apparate  vorzunehmen. 

Die  eigentlichen  Wechselstrommessapparate  dagegen  bedürfen  im 
allgemeinen  in  noch  höherem  Masse,  als  seiner  Zeit  die  Gleichstrom- 
apparate, der  Vervollkommnung.  Die  Reichsanstalt  war  bis  vor  kurzem 
aus  Mangel  an  geeigneten  Räumen  nicht  in  der  Lage,  sich  mit  Wechsel- 
strommessungen zu  befassen.  Seit  etwa  einem  halben  Jahre  ist  dem 
genannten  Mangel  zwar  abgeholfen,  indesaen  waren  die  Beamten  durch 
die  laufende  Prüfungsthätigkeit  und  durch  die  Ausrüstung  der  neuen 
Diensträume  mit  elektrischen  Anlagen  so  sehr  in  Anspruch  genommen, 
dass  für  Wechselstromuntersuchungen  wenig  Zeit  verfügbar  blieb.  Ich 
will  nun  versuchen,  die  Ziele,  welche  auf  diesem  Gebiete  zur  Zeit  ver- 
folgt werden,  kurz  darzulegen. 

Bei  den  in  der  Technik  angewandten  Wechselströmen  geht  die 
Spannung  und  Stromstärke  bekanntlich  50  bis  60mal  in  einer  Sekunde 
zwischen  einem  positiven  und  einem  negativen  Höchstbetrage  hin  und 


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Neuere  elektroteclin.  Arbeiten  d.  Phyaikaliscli-Technischen  Reichsanstalt.     143 


her.    Die  Aendemng  von  Spannung  und  Strom  innerhalb  einer  solchen 
Periode  zeigt  bei  den  einzelnen  Maschinentypen  einen  sehr  verschiedenen 


Verlauf.    Verzeichnet  man  in  einer  Figur  die  Zeitdauer  einer  Periode 
als  Abscisse  und  die  den  einzelnen  Zeitpunkten  entsprechenden  Span- 


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144  K.  Feusener. 


nungen  oder  Stromstärken  als  Ordinaten,  so  erhält  man  eine  Kurve, 
welche  den  betreffenden  Wechselstrom  charakterisiert  und  die  Span- 
nungs-  bezw.  Stromkurve  desselben  genannt  wird.  Messen  kann  man 
die  Spannung,  welche  in  einem  bestimmten,  kurzen  Abschnitt  einer 
Periode  zwischen  irgend  zwei  Punkten  eines  Wechselstromkreises  be- 
steht, recht  gut  mittels  des  Eompensationsverfahrens,  wenn  man  auf 
der  Achse  der  erzeugenden  Maschine  einen  rotierenden  Eontakt  an* 
bringt,  welcher  immer  nur  während  desselben,  genügend  klein  be- 
messenen Abschnitts  einer  Periode  die  Verbindung  der  fraglichen  Punkte 
des  Stromkreises  mit  dem  Eompensationsapparate  herstellt.  Bestimmt 
man  so  nacheinander  die  Spannungen  während  beispielsweise  der  ein- 
zelnen Hundertstel  der  Periode,  so  erhält  man  eine  Re^ie  von  Werten, 
aus  denen  man  die  charakteristische  Eurve  ohne  weiteres  zusammen- 
stellen kann. 

Wegen  der  grossen  Anzahl  der  erforderlichen  Einzelbeobach- 
tungen ist  die  Aufnahme  von  Stromkurven  in  dieser  Weise  jedoch 
langwierig.  Etwas  abgekürzt  wird  sie  schon,  wenn  man  an  die  Stelle 
des  Eompensationsapparates  ein  mit  demselben  geaichtes  Elektrometer 
setzt,  weil  dann  jedesmal  nur  die  Einstellimg  der  Nadel  abgelesen  zu 
werden  braucht.  Eine  ausgedehntere  Anwendung  von  der  Aufnahme 
der  Stromkurven  wird  sich  jedoch  erst  dann  machen  lassen,  wenn  es 
gelingt,  einen  Apparat  herzustellen,  welcher  die  Eurven  in  korrekter 
Weise  selbstthätig  aufzeichnet.  Versuche  mit  einem  solchen  Apparat 
sind  beabsichtigt. 

Bei  den  technischen  Wechselstrommessungen  will  man  in  der 
Regel  aus  einer  einzigen  Zeigerablesung  einen  Mittelwert  der  Span- 
nungen oder  Stromstärken  erhalten.  Diese  Forderung  stellt  wegen  der 
Verschiedenheit  der  Stromkurven  und  Wechselzahlen  hohe  Anforde- 
rungen an  die  Leistung  der  Messapparate.  Am  besten  werden  sie  wohl 
noch  durch  die  Hitzdrahtspannungsmesser  erfüllt.  In  diesen  Apparaten 
findet  jedoch  ein  beträchthcher  Energieverbrauch  statt,  welcher  die 
Anwendung  in  vielen  Fällen  erschwert  und  manche  andere  üebelBtande 
im  Gefolge  hat.  Ich  kann  Ihnen  nun  hier  einen  kleinen  Apparat  für 
Wechselstrommessung  vorzeigen,  welcher  die  Aussicht  bietet,  den 
Energieverbrauch  im  Messapparat  wesentlich  zu  verringern  und  gleich- 
zeitig die  Wechselstrommessungen  auf  Gleichstrommessungen  und  die 
für  diese  bereits  im  Gebrauche  befindlichen  vollkommenen  Messmethoden 
und  Messapparate  zurückzuführen.  In  der  Form,  in  welcher  derselbe 
vorliegt,  ist  er  für  den  Anschluss  an  Spiegelgalvanometer  bestimmt, 
es  ist  jedoch  zu  erwarten,  dass  er  sich  auch  so  abändern  lässt,  dasa 


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Neuere  elektrotechn.  Arbeiten  d.  Physikalisch-Technischen  Reichsanstalt.     145 


er  im  Anschluss  an  technische  Präzisionsspannungsmesser  gebraucht 
werden  kann.  Der  Apparat  besteht  aus  mehreren  —  in  der  vorliegen- 
den Probe  (s.  Fig.  9)  aus  zwei  —  hintereinander  geschalteten  Thermo- 
elementen aus  Konstantan-  und  Eupferdrähten  von  0,1  mm  Dicke. 
Jedesmal  die  zweite  Lötstelle  ist  mit  einer  Bewickelung  aus  um- 
sponnenem Manganindraht  von  0,05  mm  Dicke  versehen.  Das  Ganze 
ist  auf  einem  in  der  Mitte  mit  einem  Ausschnitte  versehenen  Olimmer- 
blatt  80  befestigt,  dass  in  der  Nähe  der  bewickelten  Lötstellen  sich 
keine  festen  Teile  befinden.  Durch  die  Bewickelungen  wird  der  zu 
messende  Wechselstrom  geschickt.  Dabei  erhitzt  derselbe  die  ungraden 
Lötstellen,  während  die  anderen  auf  S^mmertemperatur  bleiben.  Die 
Zuleitungen  der  Thermoelemente  werden  an  ein  Galvanometer  ange- 
schlossen, dessen  Ausschlag  ein  Mass  für  den  die  Bewickelung  durch- 

Fig.  9. 


fliessenden  Wechselstrom  liefert.  Man  aicht  den  Apparat  mittels 
Gleichstrom.  Wurde  beispielsweise  an  die  Bewickelungen  eine  Span- 
nung e  von  2  Volt  angelegt,  so  zeigte  das  benützte  D'Arsonval- 
Galvanometer  von  10000  Ohm  Widerstand  einen  Ausschlag  a  von 
etwa  800  Skalenteilen.  Die  Abhängigkeit  des  letzteren  von  der  Span- 
nimg des  primären  Stromes  ist  durch  den  Ausdruck  gegeben: 

a  =  Const  e*. 

Die  Ausschläge  wachsen  also  mit  dem  Quadrate  der  primären 
Spannung.  Das  Messbereich  ist  infolgedessen,  wie  bei  allen  Apparaten, 
deren  Angaben  von  der  Stromrichtung  unabhängig  sind,  verhältnis- 
mässig klein.  Ein  Gegengewicht  hiegegen  kann  man  dadurch  her- 
stellen, dass  man  eine  grössere  Anzahl  von  Thermoelementen  hinter- 
einander schaltet,  deren  Bewickelungen  nach  Bedürfnis  nebeneinander 
und  hintereinander  verbunden  werden  können.     Bei   der  Konstruktion 


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146  ^'  Feussner. 

muss  vor  allen  Dingen  darauf  gesehen  werden,  dass  die  erwärmten 
Teile  wenig  Masse  besitzen,  damit  die  Temperatur  nach  dem  Einschalten 
oder  Ausschalten  des  primären  Stromes  bald  konstant  wird  und  die 
Einstellung  des  Galvanometer  einen  festen  Punkt  erreicht.  Bei  dem 
vorliegenden  Versuchsmodell  ist  dies  in  ^J2  bis  1  Minute  der  Fall. 
Der  Apparat  ist  erst  im  Laufe  der  letzten  Wochen  entstanden;  an 
seiner  Ausbildung  wird  noch  gearbeitet. 

Die  für  die  Wechselstromarbeiten  erforderlichen  maschinellen  An- 
lagen der  Beichsanstalt  konnten  erst  zum  kleineren  Teile  fertiggestellt 
werden.  Nur  eine  kleine  Wechselstrommaschine  mit  eisenfreiem  Anker, 
welche  durch  einen  Elektromotor  mit  Riemen  angetrieben  wird,  ist 
bisher  in  Benützung  genommen  worden.  Mit  dem  Strome  derselben 
können  unter  anderem  zwei  Transformatoren  für  Spannungen  bis  4000 
und  36000  Volt  bethätigt  werden.  Ausserdem  ist  noch  eine  Dreh- 
und  Wechselstrommaschine  für  16  Kilowatt  aufgestellt  worden,  welche 
demnächst  Antrieb  durch  einen  direkt  gekuppelten  Elektromotor  er- 
halten soll.  Mittels  auswechselbarer  Polschuhe  verschiedener  Gestalt 
können  verschiedene  Formen  der  Stromkurve  hergestellt  werden.  Der 
Strom  dieser  Maschine,  welcher  eine  Spannung  von  60,  120  oder 
240  Volt  besitzt,  soll  bei  der  Prüfung  von  Messapparaten  im  allge- 
meinen in  Transformatoren  geleitet  werden,  welche  ausser  einer  primären 
Wickelung  zwei  leicht  auswechselbare  sekundäre  Wickelungen  besitzen. 
Die  eine  derselben,  mit  wenigen  dicken  Windungen,  soll  zur  Erzeugung 
hoher  Stromstärken,  die  andere,  mit  zahlreichen  feinen  Windungen, 
zur  Erzeugung  hoher  Spannungen  dienen.  Die  elektromotorischen 
Kräfte  der  so  gebildeten  Niederspannungs-  und  Hochspannungsstrom- 
kreise werden  gleiche  Phase  und,  abgesehen  von  der  absoluten  Höhe, 
auch  gleiche  Kurve  besitzen,  so  dass  es  möglich  sein  wird,  bei  der 
Prüfung  von  Energiemessern  und  Energiezeitmessem  fttr  grosse  Be- 
träge in  gleicher  Weise  wie  bei  Gleichstrom  zwei  getrennte  Strom- 
kreise, den  einen  mit  hoher  Stromstärke,  den  anderen  mit  hoher  Span- 
nung, anzuwenden,  um  mit  verhältnismässig  geringem  Energieverbrauch 
die  Messung  durchführen  zu  können.  In  bestimmten  Fällen  wird  es 
ausserdem  noch  erforderlich  sein,  die  Phase  des  einen  Stromes  um 
einen  beliebigen  Winkel  gegen  die  des  anderen  zu  verschieben.  Die 
verschiedenen  Einrichtungen,  welche  diese  Forderung  zu  erfüllen  ge- 
eignet sind,  sollen  demnächst  erst  einer  näheren  Prüfung  imterzogen 
werden. 

*3»C* 


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lieber  die  ,,Plante-Accumulatoren^^ 

Von 

Dn  P.  Schoop. 

Mit  28  AbbUduigen. 


Unter  ^ Planta- Accumulator"  wird  nicht  nur  der  von  öaston 
Planta  vor  etwa  30  Jahren  konstruierte  und  nach  dessen  ursprüng- 
lichem Verfahren  hergestellte  Accumulator  verstanden ,  sondern  über- 
haupt irgend  ein  elektrischer  Sammler,  welcher  ohne  Zuhilfenahme 
von  Bleioxyden  oder  Bleisalzen  aufgebaut  wird.  Der  Begriff  ^Plant^- 
Accumulator*  hat  sich  als  Gegensatz  zu  der  Bezeichnung  ,^Faure- 
Accumulator^  ausgebildet,  wesentlich  durch  den  umstand,  dass  bis  vor 
kurzer  Zeit  die  nach  Faures  Verfahren  erstellten  Accumulatoren 
unter  dessen  Patent  fielen  und  sich  ein  Monopol  auf  Orund  des  Faure- 
Patents  gebildet  hatte.  Denjenigen  Fabrikaten,  welche  auf  einem  vom 
Faure-Patent  unabhängigen  Wege  erhalten  wurden,  lag  gewöhnlich 
eine  dem  Planta  sehen  Vorbild  ähnliche  elektrische  Behandlung  zu 
Grunde,  so  dass  manche  derselben  um  so  eher  Planta -Accumulatoren 
genannt  werden  konnten. 

Seit  dem  Erlöschen  des  Faure- Patents  in  den  europäischen 
Staaten  (in  Amerika  bestehen  die  denselben  Zweck  verfolgenden 
Brush-Patente  noch)  ist  der  Hauptanlass,  zwischen  Faure-  und  Plant^- 
Accumulatoren  scharf  zu  unterscheiden,  weggefallen  und  nun  stellt  es 
sich  heraus,  dass  diese  Gruppierung  aller  Bleiaccumulatoren  kaum 
mehr  aufrecht  erhalten  werden  kann.  Es  gibt  nämlich  Fabrikate,  bei 
welchen  die  eine  Elektrode  (z.  B.  die  Schwammbleiplatten)  nach  dem 
Vorbild  von  Faure  und  die  andere  Elektrode  (z.  B.  die  Superoxydplatten) 
nach  demjenigen  von  Planta  gestaltet  ist. 

Sumnliing  elektrotechnischer  Vorträge.  I.  11 


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148  P.  Schoop. 

In  vorliegender  Zusammenstellung  sind  diejenigen  Konstruktionen 
von  Platten  für  elektrische  Accumulatoren  beschrieben,  welche  sich 
für  die  Eapazitätsgebung  auf  elektrochemischem  Wege,  ohne  mecha- 
nische Anbringung  von  Bleioxyden  oder  Bleisalzen,  eignen  —  und  in 
Verbindung  damit  diejenigen  Verfahren  angeführt,  nach  welchen  diese 
Elektroden  mit  der  nötigen  Kapazität  (oder  Aufspeicherungsfahigkeit) 
versehen  werden.  Bei  dieser  Auswahl  sind  nur  diejenigen  Elektroden 
berücksichtigt  worden,  welche  technisch  ausgeführt  werden  oder  ¥nir- 
den,  wobei  (soweit  die  Erfahrungen  des  Verfassers  reichen)  jedesmal 
die  besonderen  Eigenschafken  des  betreffenden  Systems  hervorgehoben 
sind.  —  In  technischer  Hinsicht  wird  diese  Aufführung  deshalb 
lückenhaft  sein,  weil  die  Fabriken  die  betreffenden  elektrochemischen 
Prozesse  sämtlich  geheim  halten  oder  wem'gstens  nicht  öffentlich 
gemacht  wünschen;  dieser  Umstand  ist  bei  der  mechanischen  Kon- 
struktion (welche  sich  nicht  wohl  verheimlichen  lässt)  nicht  vor- 
handen. —  Die  Zeichnungen  der  hier  angeführten  Ausführungen 
sind,  mit  alleiniger  Ausnahme  von  Fig.  28  (Schulze)  nach  Platten- 
mustern  aufgenommen  oder  reproduziert  worden,  wodurch  eine  Ver- 
gleichung  der  verschiedenen  Systeme  erleichtert  wird.  Die  Ausfüh- 
rungen über  die  elektrochemischen  Methoden  stützen  sich,  wo  nicht 
das  Gegenteil  bemerkt  ist,  auf  Beobachtungen  des  Verfassers. 

Gaston  Planta  hat  wohl  zuerst  erkannt,  dass  der  „sekundäre 
Strom*^,  den  die  von  Gautherot,  Bitter  und  namentlich  Sinsteden 
schon  früher  untersuchten  Voltameter  lieferten,  als  Grundlage  für  die 
Aufspeicherung  von  Elektrizität  dienen  könne  und  dessen  Arbeiten  sind 
bahnbrechend  für  die  Entwickelung  des  elektrischen  Accumulators 
gewesen.  Die  letzte  von  G.  Planta  stammende  Konstruktion  ist 
von  der  Firma  Br^guet  &  Co.  in  Paris  fabrikmässig  ausgeführt  wor- 
den und  findet  sich  in  den  „Becherches  sur  PElectricit^'*  von  Planta 
beschrieben.  Zwei  Bleibleche  von  1  bis  2  mm  Dicke  werden  um 
einen  Holz-  oder  Metallcylinder  aufgerollt,  wobei  durch  zwei  Paar 
dazwischen  gelegte ,  parallele  Kautschukbänder  von  1  cm  Breite  und 
1/2  cm  Dicke  der  Abstand  der  beiden  Elektroden  gesichert  wird.  Nach 
der  Aufrollung  wird  der  massive  Cylinder  aus  dem  Bund  heraus- 
gezogen und  die  doppelte  Bleiblechspirale  an  der  oberen  und  unteren 
Seite  durch  Anpressen  von  erwärmten,  weich  gemachtan  Guttapercha- 
querstreifen  in  ihrer  Lage  befestigt.  Die  beiden  Polenden  befinden 
sich  an  den  entgegengesetzten  Enden  der  beiden  Bleibleche,  damit  der 
Strom  sich  gleichmässiger  über  dieselben  verteile.  Das  Ganze  wird 
in  ein  passendes,  cylindrisches  Glasgefäss  gestellt  und  das  Gefass  mit 


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üeber  die  ,Plant6-Accumulatoren*.  149 

verdünnter  Schwefelsäure  (durch  Mischen  von  10  Volumteilen  Wasser 
mit  1  Volumteil  Schwefelsäure  erhalten)  angefüllt. 

Bei  einem  von  Br^guet  bezogenen,  derartigen  Element  waren 
die  beiden  Bleche  etwa  47  bis  48  cm  lang  und  18,5  bis  19  cm  hoch; 
beide  waren  1mm  dick  und  wogen  (in  bereits  formiertem  Zustand) 
2,470  kg.  Der  Abstand  der  beiden  Bleche  voneinander  war  5  mm. 
Die  Kapazität  dieses  Accumulators  betrug  5  Amp^restunden  bei 
10®/o  Abfall  für  die  Klemmspannung  und  1  Ampere  Stromstärke  für 
die  Entladung  (bei  16,0  <>  C). 

Wird  nun  durch  einen,  wie  beschrieben  hergestellten  Apparat 
elektrischer  Strom  durchgeleitet,  so  tritt  zwar  nicht  momentan,  aber 
schon  nach  wenigen  Sekunden  oder  Minuten,  je  nach  der  Intensität 
des  Stromes,  eiae  Gasentwickelung  auf,  indem  an  dem  einen  Bleiblech 
Wasserstoffgas  und  am  anderen  Blech  Sauerstoffgas  aufsteigt.  Das 
Blei  verliert  bekanntlich  an  der  Luft  das  glänzende  bläulich-weisse 
Aussehen  und  überzieht  sich  mit  einem  matten  Hauch,  einer  ungemein 
dünnen  Schichte  von  Bleioxydul.  Diese  wird  nun  beim  Stromdurch- 
gang verändert  und  zwar  nimmt  dieselbe  an  der  Anode  (da  wo  der 
Sauerstoff  auftritt)  eine  schokoladebraune  und  au  der  Kathode  (da 
wo  der  Wasserstoff  erscheint)  eine  matt-taubengraue  Färbung  an.  Erst 
nachdem  diese  Aenderung  an  den  Bleioberflächen  sich  vollzogen  hat, 
treten  die  Gase  sichtbar  auf.  Indessen  ist  die  Aufspeicherungsfähig- 
keit des  Apparates  sehr  gering,  und  Planta  ermittelte  daher  die 
Bedingungen,  welche  zu  einer  nennenswerten  Kapazität  führen  konnten. 
Die  Kapazität  wurde  grösser,  wenn 

1.  der  Apparat  öfter  geladen  und  entladen, 

2.  die  Stromrichtung  bei  jeder  Ladung  gewechselt, 

3.  nach  jeder  Ladung  eine  Ruhepause  eingeschaltet  wurde. 
Plant^s  Vorschrift  zur  „Formierung"  lautet  ungefähr  folgender- 

massen : 

Man  lasse  das  mit  Schwefelsäure  angefüllte  Element  zuerst  einen 
Tag  in  massiger  Wärme  stehen.  Am  zweiten  Tage  lade  man  (mit 
zwei  Bunsen-Elementen)  etwa  6mal  und  wechsle  die  Richtung  des 
Stromes  bei  jeder  Ladung.  Darauf  verlängere  man  die  Dauer  der 
Ladung  jeden  folgenden  Tag,  z.  B.  um  je  10  Minuten  und  verlängere 
ebenso  die  Ruhepausen  zwischen  Ladung  und  darauf  folgender 
Entladung.  Nach  2  Monaten  etwa  lade  man  den  ganzen  Tag, 
lasse  einen  Tag  ruhen  und  entlade  am  dritten  Tag.  Späterhin  ver- 
längere man  die  Ruhepausen  bis  auf  eine  Woche,  dann  bis  auf  einen 
Monat. 


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150  P.  Scboop. 

Nach  Verlauf  eines  Jahres  soll  auf  diese  Weise  der  Accumulator 
eine  praktisch  annehmbare  Kapazität  erhalten.  Planta  selbst  suchte 
diese  langwierige  und  auch  kostspielige  Operation  abzukürzen  und 
stellte  zu  dem  Ende  die  Bleibleche  zuerst  einige  Stunden  in  massig 
konzentrierte  Salpetersäure,  bevor  der  Apparat  mit  Schwefel- 
säure gefüllt  wurde.  Dadurch  wurden  die  Bleibleche  allerdings  rascher 
zur  Aufspeicherung  befähigt,  aber  die  so  an  der  Oberfläche  der  Bleche 
erzeugten  Schichten  lösten  sich  bald  von  dem  noch  unveränderten 
Bleikem  ab,  wodurch  der  Accumulator  untauglich  wurde. 

Lnmerhin  Hessen  sich  nach  Planta s  ursprünglichem  Verfahren 
Sanmiler  herstellen,  welche  für  gewisse  Zwecke  (z.  B.  für  physi- 
kalische Arbeiten)  den  bisher  bekannten  Primärelementen  vorzuziehen 
waren;  doch  liess  der  hohe  Preis,  sowie  die  geringe  Dauerhaftigkeit 
dieser  Accumulatoren  eine  umfangreichere  Verwendung  nicht  zu,  ab- 
gesehen davon,  dass  ein  Bedürfnis  für  Batterien  bei  der  damals  noch 
unentwickelten  Elektrotechnik  nicht  vorlag. 

Der  grösste  Fehler  in  den  von  Br^guet  gefertigten  Elementen 
bestand  darin,  dass  die  auf  so  umständlichem  Wege  erzeugten  Schichten 
auf  den  Oberflächen  der  Bleibleche  sich  von  diesen  lösten,  sobald  der 
TJeberzug  eine  gewisse  Dicke  (V^  bis  V^  mm)  erreicht  hatte.  In  dem 
Moment,  zu  dem  der  Accumulator  seine  beste  Leistungsfähigkeit  er- 
langt hatte,  begann  schon  der  Verfall,  (üeber  eine  eingehende 
Untersuchung  eines  Br6guet-Accumulators  siehe  Schoop,  „Sekundär- 
Elemente*"  I,  S.  134,  Knapp,  Halle  1895.)  Die  abfallenden  Teile  der 
Schichten  blieben  auf  den  horizontal  laufenden  Ghmmiistreifen  liegen 
und  bildeten  Brücken  zwischen  den  beiden  Elektroden,  welche  die 
Selbstentladung  des  Apparates  herbeiführten.  Die  Stromverteilung  auf 
den  beiden  Elektroden  war  ungleichmässig,  derart,  dass  die  obere 
Hälfte  des  Accumulators  bei  der  Ladung  und  Entladung  mehr  heran- 
gezogen wurde,  als  die  untere  Hälfte.  Die  verdünnte  Schwefelsäure 
entmischte  sich  beim  Gebrauche  des  Accumulators,  so  dass  in  der 
Nähe  des  Bodens  die  Säure  konzentrierter  wurde,  als  an  der  Ober- 
fläche. Durch  die  dadurch  entstandene  Konzentrationskette  trat  eine 
Zerstörung  der  Superoxydplatte  ein.  Die  wagrechte  Anordnung  der 
die  Elektroden  voneinander  isolierenden  Teile,  sowie  die  Verwendung 
glatter  Bleibleche  ist  auch  allgemein  verlassen  worden. 

In  dem  nach  Kabath  benannten  Accumulator  ist  bereits  die 
Oberfläche  der  Elektroden  in  kleinere  Abschnitte  aufgelöst.  Fig.  1 
gibt  die  mechanische  Anordnung  der  Platte  wieder.  Die  vertikal 
laufenden,  abwechselnd  geraden  und  gewellten  Bleiblechstreifen  sind 


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üeber  die  , Planta  •Accumulatoren*. 


151 


V«  mm  dick  und  12  mm  breit.  Am  oberen  und  am  unteren  Ende 
sind  die  Streifen  an  eine  gemeinsame  Bleileiste  angelötet.  Die  so 
erhaltene  Platte  wird  von  einer  Hülle  von  perforiertem  Hartgummi 
umgeben.  Eabath  benützte  auch  perforiertes  Bleiblech ,  was  aber 
weniger  vorteilhaft  erscheint.  Durch  die  zwischengelegten  gewellten 
Streifen  soll  dem  Elektrolyten  ein  möglichst  leichter  Zutritt  zu  den 
Streifen  ermöglicht  werden. 

Die  Platten  wurden,  in  der  jetzt  allgemein  üblichen  Weise,  vertikal 
in  den  Behälter  (z.  B.  ein  Glasgefass)  gestellt,  mit  angemessenem  Ab- 

Fig.  1.    (Eabath.) 


^k  ntkt.  Grösse. 

stand  voneinander,  und  die  ungeraden  einerseits,  die  geraden  anderseits 
an  je  eine  gemeinschaftliche  Leitung  angeschlossen.  Die  Kapazitäts- 
gebung  (Formation)  erfolgte  nach  Planta s  Vorschrift. 

Diese  Elektrode  darf  als  ein  erheblicher  Fortschritt  gegen- 
über deijenigen  von  Planta  angesehen  werden,  indem  nicht  nur  die 
wirksamen  Schichten  besser  auf  den  schmalen  Streifen  haften,  sondern 
auch  beim  Abfallen  derselben  nicht  leicht  Eurzschluss  des  Elementes 
eintreten  kann.  Auch  der  Zutritt  der  Säure  kann  hier  besser  erfolgen 
und  die  Stromverteilung  über  die  Platten  ist  mindestens  so  gut,  wie 
bei  den  meisten,  noch  heute  im  Handel  befindlichen  Systemen.    Die 


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152  P-  Schoop. 

allerdings  sehr  geringe  Stärke  der  Lamellen  von  nur  ^^  mm,  die  zur 
Erzielung  .einer  möglichst  hohen  Kapazität  gewählt  worden  ist,  konnte 
der  Haltbarkeit,  besonders  der  Superoxydelektrode ^  nicht  förderlich 
sein.  Es  ist  femer  anzunehmen,  dass,  da  die  gewellten  Streifen  er- 
heblich länger  als  die  geraden  sind,  die  ungleichmässige  Ausdehnung 
der  Streifen  während  des  Gebrauchs  von  Nachteil  sein  konnte.  Wenn, 
trotz  der  sorgfaltigen  Konstruktion,  dieses  System,  ohne  eine  grosse 
Yerbreitung  gewonnen  zu  haben,  wieder  yerlassen  worden  ist,  dürfte 
der  Orund  hierzu  wohl  auf  äussere,  ungünstige  Umstände  zurück- 
zuführen sein. 

Da  die  Kapazität  solcher,  wie  überhaupt  aller  hier  behandelten, 
elektrochemisch  formierten  Elektroden  hauptsächlich  Yon  der  Dicke 
der  wirksamen  Schicht  auf  den  Elektroden  abhängig  ist  und  die  Dauer- 
haftigkeit der  Superoxydplatten  in  umgekehrtem  Verhältnis  zur  Dicke 
der  Superoxydschichte  zu  stehen  scheint,  hat  es  wenig  Interesse,  näher 
auf  die  Kapazitäten  jedes  einzelnen  Systems  einzugehen. 

Dem  Muster  Kabaths  sind  verschiedene  andere,  ebenfalls  wieder 
verlassene  Systeme  nachgebildet  worden,  z.  B.  die  Accumulatoren 
von  Benardos,  Reynier,  Dujardin.  Letzterer  wird  von  »The 
D.  P.  Battery  Company,  Ltd.*  (66  Victoria  Street,  London  S.W.) 
hergestellt.  Nach  der  Preisliste  dieser  Firma  entfallen  auf  das  Kilo- 
gramm Gesamtgewicht  des  Elementes  (inclusive  der  Säure)  bei  kleineren 
Grössen  2^«  und  bei  grösseren  Typen  bis  3*/$  Amperestunden  Kapa- 
zität. „Die  Platten  werden  vermittelst  eines  besonderen  elektrolyti- 
schen Prozesses,  welcher  das  wirksame  Material  aus  dem  Plattenkörper 
selbst  bildet,  erhalten*  —  mehr  verrät  die  Preisliste  und  auch  die 
Firma  selbst  nicht.  Ein  englisches  Patent  von  P.  Dujardin  hat  die 
Benützung  ammoniakalischer  Lösungen  von  Essigsäure  oder  deren 
Salze,  ein  anderes  Patent  diejenige  eines  Gemisches  von  verdünnter 
Schwefelsäure  und  Natronsalpeter  zum  Gegenstand.  Weder  nach  der 
einen,  noch  der  anderen  Patentbeschreibung  ist  es  möglich,  taugliche 
Produkte  zu  erhalten. 

Auf  originelle  Art  hat  Main  die  Superoxydelektrode  seines 
Accumulators  ausgebildet.  Li  Fig.  2  ist  eine  Skizze  davon  gegeben. 
Um  bei  geringem  Gewicht  eine  grosse  Oberfläche  zu  erzielen,  sind 
hier  dünne  Bleifolien  von  nicht  mehr  als  ^jb  mm  Stärke  aufeinander 
gelegt;  die  beiden  Endblätter  werden  durch  2  mm  starkes  Bleiblech 
gebildet.  Auch  in  der  Mitte  der  Elektrode  ist  ein  stärkeres  Bleiblech 
eingeschoben,  um  den  Zutritt  des  Stromes  in  das  Innere  der  Platte 
zu   erleichtern.     Die    stanniolariigen   Bleiblätter    werden   zuerst    mit 


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Ueber  die  ,  Planta -Accnmulatoren'. 


153 


Oraphit  eingerieben,  dann  mit  einem  Anstrich  von  »Whiting*  oder 
Zinkweiss  yersehen  und  erst  nach  dem  Trocknen  des  Anstrichs  auf- 
einander gelegt.  Bei  der  nachfolgenden  » Formation^  wird  das  Zink- 
weiss  wieder  aufgelöst  und  dadurch  der  wünschenswerte  Raum  für 
die  Säure  frei  gelassen.  Das  so  bereitete  Paket  wird  nun  unter 
einer  Stanze  auf  einen  Druck  mit  49  grösseren  Löchern,  welche  zur 
Aufiiahme  der  Bleinieten  dienen,  und  möglichst  vielen  kleineren,  etwa 

Fig.  2.    (Main.) 


Ca.  6|8  nat.  Grösse. 

2  mm  weiten  Löchern  versehen.  Die  letzteren  haben  den  Zweck,  den 
Zutritt  der  Säure  in  das  Innere  der  Platte  zu  befördern.  Nach- 
dem die  grösseren  Perforationen  mit  je  einer  Bleiniete  ausgefüllt 
worden  sind,  wird  das  Stück  abermals  unter  einer  Presse  einem  starken 
Druck  ausgesetzt  und  dadurch  die  Vernietung  bewerkstelligt.  Es  er- 
übrigt nur  noch  das  Anlöten  des  Stromzuführungslappens,  um  die 
Platte  fertig  zur  „Formation"  zu  stellen.  Diese  geschieht  insofern 
nach  Planta,  indem  als  Elektrolyt  nur  verdünnte  Schwefelsäure 
benützt  wird ;  doch  soll  der  Graphitüberzug  auf  dem  Bleistanniol  eine 


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154  P.  Schoop.  . 

besonders  rasche  Umwandlung  desselben  in  Superoxyd  ermöglicben. 
(Yielleicbt  würde  die  Leistungsfähigkeit  dieser  Konstruktion  noch  er- 
höht werden  können,  wenn  die  Bleinieten  wenigstens  mit  der  einen 
Aussenplatte  vereinigt  würden,  sei  es  durch  Yerlöttmg  oder  billiger 
dadurch,  dass  diese  Seite  samt  den  senkrecht  darauf  stehenden  Stiften 
gegossen  würde.)  Als  Oegenelektrode  benützt  Main  mit  Zink  über- 
zogene Gadmiumbleche,  welche  yor  dem  Gebrauch  amalgamiert  werden* 
Der  Elektrolyt  besteht  aus  verdünnter  Schwefelsäure  mit  einem  Zu- 
satz von  Zinksulfat  und  etwas  Quecksilbersulfat.  Bei  der  Ladung 
schlägt  sich  Zink  an  den  zum  besseren  Anhaften  des  Zinküberzuges 
siebartig  durchlöcherten  Eathodenblechen  nieder  im  Verein  mit  Queck- 
silber. Das  erhaltene  Zinkamalgam  wird  durch  den  Elektrolyten 
nicht  nennenswert  zersetzt,  sondern  löst  sich  erst  bei  der  Entladung 
des  Accumulators  wieder  auf.  Pro  Kilogramm  Gesamtgewicht  des  Ac- 
cumulators  werden  20  Wattstimden  Ejipazität,  pro  Kilogramm  Platten- 
gewicht 82  Wattstunden  Kapazität  angegeben,  wobei  die  Klemmen- 
spannung des  Elementes  von  anfänglich  2,45  Volts  auf  2,00  Volts 
sinkt  bei  einer  Entladestromstarke  von  0,6  Ampere  pro  Kilogramm 
Gesamtgewicht.  Ein  Nachteil  des  Main-Accumulators  scheint  in  der 
Unsicherheit,  mit  welcher  das  Zinkamalgam  auf  den  Kathodenblechen 
in  der  richtigen,  cohärenten  Beschaffenheit  erzeugt  wird,  zu  liegen. 

Von  grosser  praktischer  Bedeutung  ist  die  von  den  Gebrüdern 
Tudor  (in  Rosport,  Belgien)  vor  10  Jahren  zur  allgememen  Kenntnis 
gebrachte  Platte  geworden.  Die  von  der  «Electrochemical- 
Storage-Battery-Co.*  (30  Broad  Street,  New  York)  verfertigte 
Platte  kommt  der  ursprünglichen  Tudor-Platte  ziemlich  nahe  und  ist 
in  Fig.  3  aufgeführt.  Die  Platte,  ebenfalls  durch  Giessen  erhalten, 
ist  auf  beiden  Seiten  mit  parallel  laufenden,  etwa  1^^  mm  breiten 
und  2^/2  mm  tiefen  Furchen  versehen.  Bei  der  alten  Tudor-Platte 
war  der  massive  Bleikem  nicht  nur  2^8  mm  wie  hier,  sondern 
5  mm  dick.  Die  Furchen  wurden  mit  Bleioxydpaste  ausgefüllt  und 
darauf  die  Platte  in  verdünnter  Schwefelsäure  als  Anode  der  Ein- 
wirkung des  elektrischen  Stromes  so  lange  ausgesetzt,  bis  alles  Blei- 
oxyd  in  Superoxyd  übergeführt  war.  In  diesem  Zustand  konnte 
allerdings  die  Tudor-Platte  keinen  Anspruch  auf  die  Bezeichnung 
K  Planta -Platte"  machen,  indem  die  Kapazität  lediglich  durch  die 
mechanisch  angebrachten  Bleioxyde  bedingt  wurde.  Anders  verhält 
es  sich  aber,  wenn  die  Platte  schon  ein  Jahr  in  Gebrauch  gestanden 
hat.  Die  in  den  Furchen  hängende  Superoxydmasse  fallt,  oft  schon 
nach  «inigen  Monaten  des  Betriebes,  heraus  tmd  auf  den  Boden  des 


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Üeber  die  .  Planta -Accumulatoren* 


155 


Behälters.  Troizdem  ist  aber  die  Kapazität  des  Accumulators  nicht 
wesentlich  yermindert  und  es  zeigt  sich,  dass  nun  eine  aus  der  Blei** 
Seele  selbst  herausgebildete  dünne,  aber  gut  anhaftende  Superoxyd-» 
schichte  die  Aufspeicherung  des  Stromes  übernimmt.  Das  auf  der 
frischen  Elektrode  angebrachte  Füllmaterial  diente  lediglich  dem 
Zweck,  derselben  so  lange  eine  praktisch  annehmbare  Kapazität  zu 
rerleihen,   bis  sich  im  Verlauf  der  während    des  Gebrauchs    statt- 

Fig.3. 


ft/s  nat.  Grösse. 

findenden  Ladungen  und  Entladungen  eine  genügende  nPlant^-Schichte*^ 
auf  den  Superoxydplatten  gebildet  haben  würde.  Nun  ist  hervorzu* 
heben,  dass  unter  einer  Schichte  von  Füllmasse  das  Blei  sich  erheblich 
rascher  zu  oxydieren  scheint,  als  ohne  Gegenwart  derselben.  Ob  dabei 
gleichzeitig  ein  etwa  vorhandener  Chlorgehalt  der  verwendeten  Blei- 
oxyde mitgewirkt  haben  mochte,  erscheint  ebenfalls  möglich. 

Eine  im  Jahre  1888  im  Staatslaboratorium  Hamburg  untersuchte 
Tudor-Zelle  zeigte  folgende  Verhältnisse:  Die  positiven  und  negativen 
Platten  waren  genau  gleich  konstruiert;  jede  war  10  mm  dick  und 
hatte  4  qdcm  Oberfläche.  Der  Abstand  der  Platten  voneinander  be* 
trug  10  mm,  das  Gewicht  einer  Platte  2  kg.    Das  Gesamtgewicht  der 


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156  P.  Schoop. 

Tudor-Zelle  (in  Olasgefäss)  und  mit  der  Schwefelsäure  belief  sich 
auf  20,0  kg,  wobei  das  Element  drei  positive  und  vier  negative  Platten 
enthielt.  Die  Kapazität  war  42  Amperestunden  bei  6,5  Ampere  Ent- 
ladungsstromstärke;  die  Ladungsstromstärke  durfte  5  Ampere  nicht 
übersteigen.  (Aus  »Gutachten  des  Herrn  Direktor  Dr.  A.  Voller  in 
Hamburg^.)  Somit  entfielen  gerade  2  Amperestunden  Kapazität  auf 
das  Kilogramm  Gesamtgewicht  oder  3  Amp^restunden  per  Kilogramm 
Plattengewicht. 

Eine  im  Jahre  1888  ebenfalls  von  Voller  geprüfte  Tudor- 
Zelle  „neuerer  Konstruktion^  hatte  drei  positive  und  vier  negative 
Platten  von  je  6  qdcm  Oberfläche ;  die  positiven  Platten  waren  9  nun, 
die  negativen  nur  mehr  6  mm  dick;  der  Abstand  der  Platten  be- 
trug 8  mm.  Das  Gesamtgewicht  der  Platten  war  13,3  kg;  dasjenige 
des  kompletten  Accumulators  (mit  Säure  von  1,15  spez.  Gew.  gefüllt) 
19,4  kg.  Kapazität  50  Amperestunden  bei  10  ^/o  Spannungsabfall 
und  8^/4  Ampere  Entladung  und  einem  Ladestrom  von  7,5  Ampere. 

Bei  dem  alten  „Tudor-Accumulator''  war  die  Bleischwammplatte 
gerade  so  konstruiert,  wie  die  Superoxydplatte;  der  Bleischwamm  aber 
blieb  dauernd  in  den  Furchen,  so  dass  mit  Bezug  auf  den  Bleischwamm 
nicht  von  „Plant^-Formation*  gesprochen  werden  konnte.  Wie  bei 
dem  früher  besprochenen  Fabrikat  Br^guet  ist  auch  hier  die  E^pazität 
der  Superoxydelektrode  grösser  als  diejenige  der  Gegenelektrode. 
Wurde  der  Accumulator  entladen,  so  erschöpften  sich  die  Bleischwamm- 
platten zuerst  und  bewirkten  den  rapiden  Abfall  der  Spannung  und 
damit  die  Beendigung  der  Entladung,  und  zwar  zu  einem  Zeitpunkt, 
bei  dem  die  Superoxydplatten  kaum  mehr  als  zur  Hälfte  entladen 
waren.  Nun  ist  dieser  Umstand  (der  wohl  erst  nachträglich  zur  Er- 
kenntnis gelangt  ist)  von  sehr  wohlthäfcigem  Einfluss  auf  die  Dauer- 
haftigkeit der  Superoxydplatten  gewesen,  denn  nichts  vertragen  diese 
schlechter,  als  vöUständige  Erschöpfung.  —  Nachdem  die  anderen,  ssur 
gleichen  Zeitperiode  bekannten  Accumulatoren  gerade  an  dem  zu 
raschen  Zerfall  der  Superoxydplatten  litten,  musste  das  Verhalten  der 
Tudor-Platten  Aufsehen  erregen.  Die  massive  Bauart  der  Elemente, 
welche  allerdings  nur  die  Verwendung  derselben  für  stationäre  Batterien 
zuliess,  mochte  ebenfalls  zur  höheren  Haltbarkeit  des  Systems  bei- 
tragen. Zu  diesen  technischen  Umständen  gesellte  sich  aber  noch 
ein  eminent  glücklicher  Zufall,  der  darin  bestand,  dass  die  rührigen 
und  gewandten  Inhaber  der  einstigen  Firma  „Einbeck  und  Müller 
in  Hagen*  (Westfalen)  sich  für  das  Fabrikat  der  Gebrüder  Tudor 
interessierten  und  in  kurzer  Zeit  mit  einem  aussergewöhnlichen  Auf- 


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lieber  die  , Plante -Accumulatoren".  157 

wand  von  kaufmännischem  Geschick  die  zwei  grössten  Elektrizitäts- 
gesellschaften in  Deutschland  (Siemens  &  Halske  und  die  Allge- 
meine Elektrizitätsgesellschaft)  für  den  Gegenstand  einnahmen.  Es  ist 
das  Verdienst  der  schon  im  Jahre  1891  errichteten  Accumulatoren- 
fabrik-Aktiengesellschaft  Berlin,  in  Deutschland  die  erfolg- 
reiche EinfQhrung  der  Accumulatoren  in  elektrischen  Lichtzentralen 
durchgeführt  zu  haben,  denn  vorher  waren  nur  in  England  (speziell 
London)  einige  bedeutendere  Accumulatorenanlagen  vorhanden,  wäh- 
rend die  bis  dahin  in  Deutschland  eingeführten  englischen  Accumu- 
latoren geteiltes  Lob  ernteten.  Aber  auch  die  kommerzielle  Routine 
der  erwähnten  Gesellschaft  vermochte  sich  nicht  über  die  Mängel 
des  Tudor-Accumulators  auf  die  Dauer  hinwegzusetzen,  wie  sich 
an  den  seither  geänderten  Konstruktionen  derselben  ersehen  lässt. 
ünerwarteterweise  stellte  sich  bei  den  Batterieen  nach  ein-  bis  zwei- 
jährigem Gebrauch  ein  Rückgang  der  Kapazität  ein,  der  auf  die 
Bleischwammplatten  zurückzuführen  war.  Die  verhältnismässig  geringe 
Menge  von  Bleischwamm,  welche  in  den  Furchen  Platz  fand,  ver- 
mochte die  Beanspruchung  auf  die  Dauer  nicht  ohne  Schaden  zu  er- 
tragen. Es  zeigte  sich,  dass  die  Füllmasse  zusammenschrumpfte 
und  dabei  zugleich  den  Kontakt  mit  der  massiven  Bleiunterlage  teil- 
weise verlor.  Die  Aufnahmefähigkeit  des  Schwamms  für  Elektrizität 
ging  dabei  auf  die  Hälfte  bis  ein  Drittel  der  ursprünglichen  hinunter, 
zum  Teil  infolge  des  verringerten  Kontaktes  mit  dem  Träger,  zum 
Teil  aus  verminderter  Porosität  des  Bleischwamms  oder  überhaupt 
der  veränderten  physikalischen  Struktur  desselben.  Diese,  in  sehr 
grossem  Massstab  gemachte  Erfahrung  führte  dazu,  die  Tudor-Platte, 
weil  ungeeignet  als  Bleischwammelektrode,  zu  verlassen  und  an  Stelle 
derselben  Gitterplatten  (nach  dem  Vorgang  der  Electrical-Power- 
Storage-Co.  in  London)  zu  verwenden,  — 

Hier  sollen  nur  die  Veränderungen,  welche  die  Superoxydplatten 
der  A.-F.-A.-G.  Berlin  seither  erfahren  haben,  kurz  vorgeführt  wer- 
den. —  Die  Form  der  ursprünglichen  Tudor-Platte  bildete  ein  Rechteck 
von  wenig  mehr  als  2  qdcm  Inhalt,  wobei  die  Dicke  der  Platte 
10  mm  betrug.  Es  ist  daher  wohl  glaubwürdig,  dass  diese  Platten 
sich  im:  Gebrauch  nicht  verkrümmten.  Anders  verhielten  sich  aber 
die  von  der  A.-F.-A.-G.  hergestellten  Elektroden  grösseren  Formates 
von  300  mm  Höhe  und  280  mm  Breite  bei  nur  8  mm  Dicke,  also 
mehr  als  vierfacher  Grösse  gegenüber  den  alten  Tudor-Platten.  Hier 
stellte  sich  der  üebelstand  des  ,,  Werfens^  ein,  besonders  dann,  wenn 
ein   durch  abgefallene  und  zwischen   den  Platten   festsitzende  Masse 


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158 


P.  Schoop. 


entstandener  «Eurzschluss''  längere  Zeit  unbeachtet  blieb  und  dadurch 
das  Element  sehr  tief  entladen  wurde. 

In  Fig.  4  ist  die  Zeichnung  einer  aus  dem  Jahre  1891  stam- 
menden Superoiydplatte  der  A.-P.-A.-Ö.  Berlin  gegeben.  Eine  Platte 
der  eben  angeführten  Dimensionen  wog  5,70  kg  und  enthielt  1,86  kg 
Füllmasse  (trocken).  Die  Kapazität  der  Platte  war  bei  der  Entladung 
in  31/3       4      5       6       7       8     Stunden 

48       52     55     60     64     68    Amp^restunden, 
wobei,  wie  schon  bemerkt,  diese  Zahlen  richtiger  auf  die  Bleischwamm- 

Fig.4.    (A..F.-A.-G.) 


&is  iiat.  Grösse. 

elektrode  passen,  da  die  Kapazität  der  Superoxydelektrode,  nachdem 
einmal  die  Füllmasse  herausgefallen  ist,  lediglich  von  der  Beschaffen- 
heit und  Dicke  der  Plantä-Schicht  abhängt.  — 

Von  den  zahlreichen  Variationen,  in  welchen  diese  Platten  zu 
fertigen  Elementen  zusammengestellt  worden  sind,  hat  sich  als  eine 
der  besten  der  Aufbau  in  Glasgefassen  bewährt,  wobei  die  Platten 
mittels  an  der  oberen  Kante  seitlich  angebrachter  Nasen  auf  den 
Qefässrand  gehängt  werden.  Dabei  ist  die  Höhe  des  Gefässes  derart 
bemessen,  dass  zwischen  der  unteren  Plattenkante  und  dem  Gefäss» 
boden  ein  Abstand  von  ca.  100  mm  gewahrt  bleibt. 


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Ueber  die  ,  Planta -Accumulatoren*. 


159 


Durch  zwischengesteckte  Glasrohre  von  12  mm  Durchmesser 
wird  für  den  gleichmässigen  Abstand  der  Platten  voneinander  ge- 
sorgt, (Eine  genauere  Skizze  eines  solchen  Elements  ist  auf  S.  200 
»Sekundär-Elemente^  I,  Knapp,  Halle,  zu  finden.)  Für  gewisse 
Zwecke,  wie  z.  B.  bei  der  Batterie  der  Tramzentrale  in  Hirslanden- 
Zürich,  hat  sich  die  in  Fig.  4  gegebene  Konstruktion  der  Superoxyd- 
platte  sehr   gut   bewährt.     In    diesem    Fall   ist   nämlich    die    Bean- 

Fig.5.    (A.-F.-A..G.) 


*******H^*w******afc ' 


--^^miH^vnmmm,^,^ 


^m»i^w¥iiw^  w  .<»M»inftfcte»*^ 


=====5 


f^üir^ 


Ca.  i/a  nat.  Grösse. 


sprachung  des  Sammlers  eine  besonders  günstige,  indem  lang  an- 
dauernde Entladungen  nur  ausnahmsweise  stattfinden,  im  Gegenteil 
die  Hauptfunktion  der  Batterie  darin  besteht,  die  Spannungsschwan- 
knngen  im  Leitungsnetz  auszugleichen.  Bei  der  rasch  und  plötzhch 
wechselnden  Belastung  desselben  erhält  die  Batterie  abwechselnd  Lade- 
strom und  gibt  Entladestrom  ab  und  zwar  gewöhnlich  mehrere  Male 
im  Zeitraum  einer  Minute.  Erwähnte  Batterie  ist  schon  fünf  Jahre 
in  unausgesetztem  Gebrauch  mit  noch  immer  den  ursprünglichen 
Superoiydplatten. 

Bei  Batterieen  fOr  Beleuchtung  dagegen  wird  die  Kapazität  der 


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IGO 


P.  Schoop. 


Platten  möglichst  ausgenützt  und  die  S.  157  besprochene  Erscheinung 
trat,  trotz  der  aufs  Aeusserste  getriebenen  üeberwachung  der  Batterieen 
doch  sehr  störend  auf.  Daher  wurde  zu  der  in  Fig.  5  dargestellten 
Plattenform  übergegangen,  wobei  nicht  nur  das  Format  der  Super- 
oxydplatten auf  die  Hälfte  der  früheren  Breite  reduziert,  sondern 
gleichzeitig  die  Dicke  auf  das  Anderthalbfache  erhöht  wurde.  Die 
in  der  Figur  dargestellte  Platte  ist  ca.  14  cm  breit  und  ungefähr 
ebenso  hoch.  Diese  Platte,  ebenfalls  durch  Oiessen  in  Metall- 
formen erhalten,  zeigt  eine  wellenförmig  gestaltete  Oberfläche,  wobei 

Fig.  6.    (A.-F.-A.-G.) 


Ca.  Vi  nat.  Grösse. 

die  Seele  oder  der  massive  innere  Kern  der  Platte  ca.  3  mm 
stark  ist,  und  die  Wellenberge  (Erhöhungen)  ca.  Vji  mm  über 
die  Seele  herausragen.  Die  gerippten,  älteren  Platten  hatten  näm* 
lieh  noch  den  Uebelstand  gezeigt  (der  auch  bei  der  später  zu  er- 
wähnenden Pollak-Platte  vorhanden  ist),  dass,  nachdem  bei  längerem 
Gebrauch  die  feinen  Bleirippen  „durchformiert*,  d.  h.  in  Bleisuper- 
oxyd verwandelt  waren,  sich  die  aktive  Schicht  in  grossen  Blättern 
von  der  metallischen  Unterlage  ablöste.  Die  tiefgehenden  zickzack- 
förmigen  Wellen  der  neuen  Platte  sollten  offenbar  diesen  Uebelstand 
beseitigen. 

Die    Behandlung    der    „Wellenplatte*    war   im    übrigen   gleich 
wie  früher;   die  Bleiplatten  wurden   zuerst  einer  Art  elektrolytischer 


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Ueber  die  »Planta -Accumulatoren*. 


161 


Reinigung  unterzogen,  indem  dieselben  kurze  Zelt  als  Anoden  in 
verdünnter  Schwefelsäure  mit  schwachem  Strom  geladen  wurden. 
Der  dadurch  erzeugte  dünne  Hauch  von  Superoxyd  mochte  ein  sicheres 
Anhaften  der  nun  einzustreichenden  Bleioxyd-  oder  Mennigepaste 
gewähren.  Nach  der  Erhärtung  der  Füllmasse  konnte  diese  in  Super- 
oxyd übergeführt  werden  und  das  Füllmaterial  sollte  ebenfalls  so  lange 
aushalten,    bis   sich    eine  genügende    Plant^-Schichte   auf  der   Blei- 


Fij?.7.    (A.-F.-A..G.) 


i 


Ca.  Vi  nat.  Grösse. 

unterläge  gebildet  haben  würde.  Indessen  haftete  das  Füllmaterial 
nicht  so  gut  an  dieser  Oberfläche,  wie  früher,  was  auch  ohne 
weiteres  aus  der  Konstruktion  derselben  hervorgeht.  Einen  weiteren 
Uebelstand  bildete  die  Vereinigung  der  kleineren  Platten  zu  Elek- 
troden grösseren  Formats  nach  einem  von  Kerkhove  patentierten 
Öedanken,  wonach  zwei  oder  vier  der  Plättchen  in  einen  Tragrahmen 
ans  Hartblei  eingesetzt  und  mit  diesem  an  gewissen  Stellen  verlötet 
wurden. 

Fig.  6  zeigt  die  photographische  Ansicht  einer  Elektrode,  aus 
zwei  Wellenplatten  bestehend,  und  Fig.  7  die  Ansicht  eines  kompletten 


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162  P-  Schoop. 

Elementes  (in  Glasgefass)  mit  Wellenplatten.  Der  Aufbau  ist  der- 
selbe wie  gelegentlich  der  in  Fig.  4  skizzierten  Bippenplatte  geschild^ 
worden  ist. 

Hier  ist  nun  von  der  A.-F.-A.-Ö.  Berlin  zum  ersten  Male  der 
Gitterträger  für  die  negativen  Platten  eingeführt  worden,  wobei  zu- 
gleich die  mit  Bleischwamm  gefüllten  Gitter  äusserlich  den  » Wellen- 
platten^  recht  ähnlich  gemacht  wurden,  so  dass  der  Laie  einen  Unter- 
schied der  Konstruktion  kaum  herausfinden  mochte. 

Es  ist  schon  weiter  oben  von  dem  ungünstigen  Einfluss  weit- 
gehender Entladung  auf  das  Verhalten  der  Superoxydschichte  hin- 
gewiesen worden.  Durch  Anwendung  von  Bleischwammplatten,  welche 
nun  ein  Mehrfaches  der  früheren  Platten  an  Schwamm  enthielten, 
konnte  allerdings  die  Kapazität  der  ,  Wellenplatte '^  voll  ausgenützt 
werden,  leider  auf  Kosten  der  Haltbarkeit.  —  Das  in  Fig.  7  abge- 
bildete Element  hat  eine  Kapazität  von 

36      40      44      48    Amperestunden 
bei  12       8       6,3      4,8    Ampere  EnÜadestrom. 

Nachdem  jetzt  die  Kapazität  der  Bleischwammplatten  bedeutend  höher 
ist  als  diejenige  der  Superoxydplatten,  stellen  diese  Werte  annähernd 
die  Kapazität  der  Superoxydelektrode  vor.  Da  diese  aus  zwei  der  in 
Fig.  4  dargestellten  Platten  besteht,  entfällt  somit  gerade  die  Hälfte 
obiger  Werte  auf  jene  Platte,  deren  Gewicht  2,2  kg  beträgt.  Die 
ganze  Elektrode,  aus  zwei  Platten  samt  Y erbindungsstreifen ,  wiegt 
ca.  5  kg. 

Die  Dimensionen  des  Elements  folgen  nachstehend:  Die  Blei- 
schwammplatten (zwei  Endplatten  und  eine  YoUplatte)  sind  165  mm 
breit  und  160  mm  hoch;  die  Mittelplatte  (Vollplatte)  ist  8  mm  dick, 
während  die  Endplatten,  welche  nur  auf  der  inneren,  der  Superoxyd- 
elektrode zugekehrten  Seite  mit  Bleischwamm  versehen  sind,  5  mm 
Dicke  zeigen.  Die  beiden  Superoxydplatten  sind  je  12  mm  dick  und 
ebenfalls  165  X  160  mm. 

Der  Abstand  der  Platten  voneinander  ist  durch  4x2  Glas- 
rohre von  11  mm  Durchmesser  gehalten.  Der  seitliche  Abstand 
der  Glasrohre  voneinander  ist  160  mm,  der  Plattenabstand  vom  Boden 
50  mm.  Die  Platten  sitzen  vermittelst  der  von  der  oberen  Kante 
ausgehenden  Nasen,  von  denen  die  eine  sich  zugleich  zur  Strom- 
zuführung verlängert,  direkt  auf  dem  Gefässrand.  Auf  der  einen  Breit- 
seite des  Gefässes  ist  die  Berührung  der  Endplatte  mit  der  Gefass- 
wand  durch  zwei  Glasrohre  verhindert.  An  der  anderen  Endplatte 
liegen  ebenfalls  zwei   Glasrohre   auf  der  äusseren  Seite   an,   welche 


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üeber  die  ,  Planta -Accumulatoren*. 


163 


als  Führung  für  zwei  Hartbleifedem  dienen,  so  dass  ein  elastischer 
Druck  zwischen  der  Gefässwand  und  den  Platten  stattfindet,  wodurch 
die  senkrechte  Lage  der  Platten  gesichert  wird.  Dieses  Element 
entspricht  der  unter  Nr.  102  in  der  Preisliste  von  1893/94  ange- 
fÜhrt^Di  Gr(tese.  Das  Glasgefäss  ist  125  mm  breit,  190  mm  lang  und 
250  mm  hoch  (Innen  gemessen) ;  die  Aussenmasse  sind  135  X  200 
X  260  mm. 

In   der  Preisliste  sind  die  Masse  mit  130  mm  Länge,  190  mm 


Fig.  8.    (A..F.-A..G.) 


:^. 


s/s  nat.  Grösse. 

Breite  und  265  mm  Höhe,  das  Gewicht  des  Elements  (unverpackt) 
zu  13  kg,  die  Säuremenge  (von  1,15  spez.  Gew.)  zu  5  1  angegeben. 
Das  Gesamtgewicht  beträgt  somit  18,75  kg,  wenn  unter  der  An- 
gabe „Element  unverpackt''  auch  das  Gewicht  des  Glasgefäeses  in* 
begriffen  ist. 

Das  Element  in  Fig.  6  zeigte,  mit  Säure  gefüllt,  thatsächlich 
das  Gewicht  von  18,8  kg. 

Es  mag  hier  kurz  erwähnt  werden,  dass  bei  den  Elementen  mit 

grösserer  Plattenzahl  an  Stelle  der  Aufhängung  der  Platten  auf  dem 
Sanaaliuig  elektrotecbnischer  Vorträge.  I.  12 


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164 


P.  Schoop. 


Gefassrand  eine  ähnliche  Aufstellung  auf  Glasstützscheiben  statt- 
findet, wie  bei  dem  Element  von  Gelnhausen,  jedoch  mit  dem  Unter- 
schied, dass  die  Stützscheiben  über  das  Niveau  des  Elektrolyten  hinaus- 
ragen. — 

Nachdem  immer  mehr  das  Bedürfnis  nach  einem  Accumulator  her- 
vortrat, der  möglichst  starke  Ströme  (bei  sonst  massiger  Grösse  und 
Preislage)  liefern  musste  und  die  Erfahrung  gezeigt  hatte,  dass  die 
Platten  um  so  eher  eine  grosse  Stromdichte   der  Ladung  oder  Ent- 

Fig.  9.    (A.-F.-A.-G.) 


»,'3  Hat.  Grösse. 

ladung  vertragen,  je  grösser  die  Oberfläche  derselben  ist,  wurde  da- 
durch eine  Modifikation  der  Tudor-Platte  geschaffen,  dass  die  Rippen 
in  kurze  Stücke  abgebrochen  und  gegeneinander  versetzt  angeordnet 
wurden,  wie  Fig.  8  zeigt.  Dadurch  wird,  bei  sonst  gleichem  Ge- 
wicht der  Platte,  ein  Gewinn  an  Oberfiäche  erzielt.  Wohl  infolge  der 
schwierigen  Herstellung  (durch  Giessen  oder  Pressen),  und  weil  hier 
noch  rascher  als  bei  der  alten  Tudor-Platte,  das  Abblättern  der  Super- 
oxydschichte zu  befürchten  war,  ist  auch  diese  Konstruktion  nicht 
lange  aufrecht  erhalten  worden. 


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üeber  die  .  Planta -Accumulatoren". 


165 


Eine  entschiedene  Abweichung  von  den  bisher  behandelten 
Platten  zeigt  die  «SchneUadeplatte'^,  welche  die  Accumulatorenfabrik^ 
Aktiengesellschaft  vor  2  Jahren  eingeführt  hat.  Diese  bildet,  wie 
Fig.  9  zeigt,  im  Gegensatz  zu  allen  früheren  »Tudor* -Platten  ein 
Gitter,  eine  durchbrochene  Platte  und  wird  auch  nicht  mehr  mit 
Bleioxyden  (Paste)  beschickt,  sondern  nach  einem  abgekürzten  elektro- 
chemischen Formierverfahren   mit    einer   Superoxydschichte   versehen. 

Fig.  10.    {A.-F.-A.-G.) 


Am^y^ippj^., 


^ 


i^/s  nat  Orösse. 

In  der  That  bietet  diese  Elektrode,  welche  ziemlich  genau  einem  vom 
Verfasser  ausgebildeten  Gitter  entspricht  (vergl.  » Sekundärelemente ", 
Knapp,  Halle,  11,  S.  10  und  11,  wo  die  Gussform,  und  S.  31,  wo  die 
Platte  abgebildet  ist),  die  dreifache  Oberfläche  einer  massiven  Blei- 
platte von  sonst  gleichen  Dimensionen  dar.  Bei  der  heutigen  Ent- 
wickelung  der  Giessereitechnik  bereitet  das  Giessen  solcher  Gitter  keine 
besonderen  Schwierigkeiten. 

Der  Nachteil  aller  Gitter,  wenn  als  leitende  Unterlage  für  die 
Superoxydelektrode  verwendet,    besteht   darin,   dass  bei   der  Volum- 


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166  P-  Schoop. 

yermehrung,  die  mit  der  Oxydation  des  Bleies  verbunden  ist,  ein 
Treiben  oder  Wachsen  des  Oitters  stattfindet.  Diese  wenig  wünschens- 
werte Eigenschaft  zeigen  die  Platten  mit  undurchbrochenem  Kern  (Seele) 
nur  in  verhältnismässig  geringem  Grad.  Vielleicht  ist  es  diese  Er- 
fahrung, welche  die  Accumulatorenfabrik- Aktiengesellschaft  dazu  ge- 
führt hat,  in  den  neuesten  Musterplättchen  das  Gitter  wieder  zu 
verlassen  und  die  sonst  gleich  dimensionierte  Platte  mit  einer  aller- 
dings dünnen,  nur  1  mm  dicken  Seele  zu  versehen,  wie  in  Fig.  10 
dargestellt  ist. 

Das  aus  dem  Sommer  1897  stammende  Musterplättchen  ent- 
hält ofi^enbar  kein  mechanisch  angebrachtes  Superoxyd.  Aus  der 
beigelegten  «Beschreibung  der  Plattenmuster ** ,  welche  im  wesent- 
lichen eine  kaufmännische  Anpreisung  des  Fabrikats  bildet,  möge  eine 
Stelle  hier  Platz  finden.  « Während  daher  bei  allen  positiven  Elek- 
troden, in  welchen  das  aktive  Material  die  Hohlräume  des  Trägers 
ausfüllt,  eine  gelegentliche  Sulfation  eine  Deformation  der  Platten 
zur  unbedingten  Folge  hat,  —  tritt  bei  der  neuen  Platte  ein  Sich- 
krümmen oder  Sichverziehen  derselben  im  Betrieb  überhaupt  nicht 
mehr  ein."  Es  wird  femer  darauf  hingewiesen,  dass  die  Blei- 
schwammbildung, welche  in  weitem  Umfange  zur  Bildung  von  Kurz- 
schlüssen in  den  Elementen  führte,  nunmehr  „auf  ein  Minimum  redu- 
ziert'' würde,  indem  diese  störende  Erscheinung  besonders  durch  das 
von  den  Superoxydplatten  abfallende  und  in  der  Flüssigkeit  einige 
Zeit  suspendiert  bleibende  Füllmaterial  hervorgerufen  worden  sei.  — 
Von  Wichtigkeit  für  die  mit  Plant^-Schicht  versehenen  Platten  ist,  dass 
die  verdünnte  Schwefelsäure,  womit  der  Accumulator  angefüllt  wird, 
nun  erheblich  konzentrierter  gewählt  worden  ist.  Während  das  spe- 
zifische Gewicht  der  Schwefelsäure  früher  nach  vollendeter  Ladung 
des  Accumulators  zwischen  18  und  19  ^  B^.  (entsprechend  1,147  spez. 
Gew.)  und  nach  der  Entladung  ca.  15®  B^.  (1,115  spez.  Gew.)  be- 
tragen musste  (Gutachten  des  Professors  Dr.  W.  Kohlrausch,  Han- 
nover, vom  29.  April  1888),  wird  jetzt  eine  Schwefelsäure  von 
ca.  26®  B^.  oder  1,21  spez.  Gew.  zur  Füllung  der  Elemente  ver- 
wendet. Die  Superoxydschichte  wird  in  dieser  stärkeren  Säure  we- 
niger leicht  spröde  oder  zum  Abspringen  geneigt.  Dafür  ist  der  Ein- 
fiuss  des  konzentrierteren  Elektrolyts  auf  die  Bleischwammplatten 
wenig  günstig,  da  die  „ Sulfation ""  des  Bleischwamms  um  so  mehr 
befördert  wird,  je  stärker  die  angewandte  Schwefelsäure  ist. 

Die  Preisliste  der  A.-F.-A.-G.  Berlin  1897  enthält  in  Form  eines 
eleganten    Taschenbuches    alle    Angaben   über    diese    Accumulatoren, 


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üeber  die  , Planta -Accumulatoreii*.  167 

mit  Ausnahme  der  Gewichte  und  der  Konstruktion  derselben. 
Es  ist  daher  unmöglich,  zu  ersehen,  welche  Art  von  Platten  für 
eine  bestimmt  bezeichnete  Nummer  der  in  den  Listen  aufgeführten 
Grössen  verwendet  wird.  Die  Weglassung  der  Gewichtsangaben,  sowie 
der  näheren  Charakterisierung  der  Elektroden  bietet  allerdings  den 
Vorteil,  jederzeit  irgend  eine  bestellte  Akkumulatorenbatterie  liefern  zu 
können,  ohne  an  ein  bestimmtes  Plattensystem  gebunden  zu  sein.  Dies 
ist  um  so  leichter,  als  auch  keine  Angaben  über  die  Zahl  der  in  den 
Elementen  vorhandenen  Platten  gemacht  sind.  (Die  unbedeutenden 
Ausnahmen,  welche  das  Messelement,  Telegraphenelement  und  Mikro- 
phonelement machen,  ändern  an  Gesagtem  nichts.)  Eine  direkte  Anfrage 
des  Verfassers  um  Auskunft  wurde  von  der  Direktion  der  A.-P.-A.-G. 
Berlin  abschlägig  beschieden. 

Der  zweiten  Auflage  des  vorzüglichen  Werckchens  von  F.  Grün- 
wald »Herstellung  und  Verwendung  der  Accumulatoren*  (Knapp,  Halle 
1897)  sind  nachstehende  Angaben  über  die  neuesten  Accumulatoren 
der  A.-P.-A.-G.  Berlin  entnommen:  »Die  Platten  sind  15  cm  x  16,5  cm 
im  Geviert  und  die  Anode  13  mm,  die  Kathode  (Bleischwammplatten) 
7  mm  dick.  Das  Gewicht  einer  Anodenplatte  ist  2,5  kg,  dasjenige 
einer  Kathodenplatte  2,1  kg.  Ein  Element  mit  2  positiven  und  8  nega- 
tiven Platten  zeigte  folgende  Kapazitäten: 

Bei  16    9,5  7,6    8     5,4    4    3,3  Ampere  Entladestromstärke 
16   19    23    24   27    30    33  Ampörestunden  Kapazität. 

Der  Ladungsstrom  ist  normal  8  Ampere.  Die  Säuredichte  be- 
trägt bei  der  geladenen  Zelle  24^  B^.;  die  Ladespannung  steigt  bis 
2,65  Volt.  Die  Entladespannung  darf  nur  5^/o  unterhalb  der,  am  Anfang 
der  Entladung  gemessenen  Spannung  sinken. 

Die  Bleischwammplatten  sind  mit  Füllmasse  versehene  Gitter- 
platten. Die  Superoxydplatten  enthalten  kein  Füllmaterial,  sondern 
sollen  durch  Formieren  in  sehr  verdünnter  Schwefelsäure  nach  Planta 
mit  der  nötigen  Superoxydschichte  versehen  werden.* 

Da  diese  Kapazitätszahlen  genau  mit  den  in  der  Preisliste  von 
1897  unter  Nr.  EI  und  Nr.  ESI  angeführten  Kapazitäten  überein- 
stimmen, mögen  die  betreffenden  Daten  der  Liste  noch  hier  Platz 
finden:  das  Glasgefäss  ist  80  mm  lang,  215  mm  breit  und  285  mm 
hoch  (Aussenmasse).  Das  Gewicht  des  Elements  ohne  Säure  ist  zu 
9  kg  angegeben;  dazu  kommen  4  1  verdünnte  Schwefelsäure  von  1,21 
spez.  Gew.,  so  dass  das  Gesamtgewicht  ca.  14  kg  betrüge.  Der  Preis 
ist  13  Mark  (Verpackung  0,25  Mark). 

Demnach    entfallen  pro  Kilogramm  Gesamtgewicht  .des  Accu* 


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168 


P.  Schoop. 


mulators  1  bis  2  Amperestunden  Kapazität.  Bei  grösseren  Elementen 
erhöht  sich  dieses  Verhältnis  etwas,  da  die  Gewichte  des  Gefasses, 
der  Säure  und  der  Endplatten  sich  weniger  ungünstig  stellen  als  hier.  — 
Bei  eiaem  Accumulator  für  Eisenbahnwagenbeleuchtung  (in  ausgebleitem 
Holzkasten)  ist  die  Kapazität  bei  5,1  Ampere  Entladestromstarke 
77  Amperestunden;  das  Gesamtgewicht  desselben  ist  zu  14  kg  an- 
gegeben, so  dass  ca.  5^,  Amperestunden  pro  Kilogramm  entfallen. 
Accumulatoren  ffir  Tramwagentraktion  führt  das  Taschenbuch 
merkwürdigerweise  nicht. 

Fig.  11.    (PoUak.) 

TT 


□ — 03 — m — m — rar 


n  ^  ra  _  n  _  n 
^  n  ^  Ol  ^  Ol  ^ 
n  ^  n  _  n  ^  n 
n  _  Ol  _  n  _ 
Ol  ^  [Q  ^n  ^  cn 

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Ol  ^  ra  ^  Ol  ^  ra 
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Ol  ^  03  ^n  ^  n 
^  n  ^  n^  Ol  ^ 
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_  Ol  _  n  ^  03  ^ 

n       03       D       [D 


B{f3  nat.  Grosse. 

Auf  originelle  Art  wird  die  in  Fig.  11  reproduzierte  Platte  von 
Gh.  Pollak  (zuerst  von  J.  Rousseau  &  Co.,  Boulevard  Sebastopol  113, 
Paris,  fabriziert)  erhalten,  nämlich  dadurch,  dass  ein  dickes  Bleiblech 
zwischen  einem  mit  entsprechenden  Vertiefungen  versehenen  Widzen- 
paar  hindurchgelassen  wird.  Durch  den  hiebei  ausgeübten  bedeu*- 
tenden  Druck  legt  sich  das  Blei  in  die  Vertiefungen  der  V^alzen 
und  füllt  diese  zum  Teil  aus.  Die  Oberfläche  des  Bleiblechs  erscheint 
hernach  mit  Domen  übersäet,  deren  Form  und  Verteilung  aus  der  Figur 
hervorgeht.  Wie  bei  der  ursprünglichen  Tudor-Platte  wird  der  zwischen 


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üeber  die  « Planta -Accumulatoren*.  169 


den  Domen  verbleibende  Baum  mit  Bleiverbindungen  ausgefüllt,  welche 
nach  entsprechender  elektrolytischer  Behandlung  der  Platte  dieser  die 
Kapazität  verleihen  müssen.  Die  Domen  halten  das  Filllmaterial 
fest.  Es  soll  sich  gezeigt  haben,  dass  eine  einfache,  aus  Bleioxyd 
mit  Schwefelsäure  bereitete  Masse  während  des  Gebrauchs  der  Platten 
bälder  von  diesen  abfiel  als  die  aus  Bleiweiss  mit  Kalilauge  ange- 
machte Pasta,  so  dass  gegenwärtig  auf  diese  etwas  umständlichere 
Füllmasse  zurückgegriffen  worden  sei. 

Die  Nachteile  der  Pollak-Platte  sind  im  wesentlichen  dieselben 
wie  diejenigen  der  Tudor-Platte;  sobald  die  Bleidoraen  auf  der  Super- 
oxydelektrode durchformiert  sind,  entfällt  der  mechanische  Halt  für 
die  Superoxydschichte  und  diese  löst  sich  vom  Bleikem  ab.  Trotz- 
dem haben  die  Pollak-Accumulatoren  ziemliche  Verbreitung  erlangt, 
was  für  die  Brauchbarkeit  derselben  für  manche  Zwecke  spricht.  —  In 
Fig.  12  ist  die  nähere  Zusammenstellung  der  Pollak-Platten  zu  einem 
Accumulator  wiedergegeben.  Das  Element  wiegt  komplett  16,5  kg  und 
entspricht  der  in  der  Preisliste  von  1897  mit  SKi  bezeichneten  Nummer. 

Das  Qewicht  des  Elements  (ohne  Säure)  ist  11  kg;  es  fasst  5  1 
Schwefelsäure  (von  1,15  spez.  Gew.).  Das  Qlasgefass,  welches  innen 
105  X  165  X  360  mm  (letzteres  die  Höhe)  misst,  enthält  2  Positive, 
1  Negative  und  2  negative  Ündplatten.  Die  positiven  Platten,  sowie 
die  mittlere  negative  Platte  sind  stark  6  mm  dick;  die  beiden  End- 
platten, auf  der  äusseren  Seite  glatt  und  ohne  Bleischwamm,  sind 
nur  3  mm  dick.  Der  Plattenabstand  vom  Boden  ist  55  mm;  der  Ab- 
stand der  Platten  unter  sich  11  mm*  Der  seitliche  Abstand  der 
Glasröhren  voneinander  misst  80  mm. 

Wie  aus  der  Figur  hervorgeht,  hängen  die  Bleischwammplatten 
nicht  nur  auf  dem  Band  des  Glasgefasses  auf,  sondern  es  sind  über- 
dies noch  die  Glasröhren  zum  Tragen  dieser  Platten  herangezogen 
worden,  indem  bei  jeder  vier  kleine  an  der  oberen  Kante  derselben 
angelötete  Bleistreifchen  in  vier  an  die  betreffende  Platte  anliegende 
Glasröhren  führen.  Auf  diese  Art  werden  die  Bleischwammplatten, 
auch  ohne  auf  dem  Gefässrand  aufzuliegen,  getragen.  Die  doppelte 
Sicherheit  in  der  Aufhängung  der  Schwammplatten  ist  dämm  ange- 
bracht, weil  sie  neben  dem  eigenen  Gewicht  auch  noch  mit  dem  der 
Superoxydplatten  belastet  sind,  welche  an  dem  quer  über  den  Blei- 
schwammplatten liegenden  Ebonitstab  hängen.  Die  Kapazität  des 
Elementes  ist  bei  der  Entladung  mit 

12     9      8      7       6     5,5     5      4,5  Ampere 

36    38    40    41     42    44     45    46  Amperestunden. 


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170 


P.  Schoop. 


Fig.  12.    (PoUak.) 


'm////}j>jmhAy////////////////// 


^^M: 


i/io  nat.  Grösse 


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Ueber  die  .  Planta -Accumulatoren' 


171 


Die  Kapazität  per  Kilogramm  Gesamtgewicht  ist  also  2  bis 
3  Amperestunden.  (Accumulatoren  für  transportable  Verwendung,  fahr- 
bare Beleuchtungsbatterieen,  Tramaccumulatoren  etc.  führt  die  Preis- 
liste 1897,  wie  alle  früheren,  ebenfalls  nicht.)  Bei  Accumulatoren  mit 
grösseren  Platten  ist  die  Aufstellung  ähnlich  derjenigen  von  Gelnhausen. 

Der  Verfasser  bittet  hier  um  Entschuldigung,  dass  immer  nur 
die  Nachteile  der  betreffenden  Systeme  hervorgehoben  werden,  in- 
dessen besorgen  die  Fabrikanten  die  Hervorhebung  und  Anpreisung 
der  guten  Eigenschaften  ihrer  Fabrikate  mehr  als  zur  Genüge.  — 

Fig.  13.    (OerHkon.) 


^'s  nat.  Grösse. 

Eine  dem  PoUak- System  ähnliche,  aber  durch  Giessen  in  Me- 
tallformen hergestellte  Platte  zeigt  Fig.  13.  In  die  beiden  Guss- 
formhälfben  werden  entsprechende  Vertiefungen  graviert,  welche  beim 
Gussstück  negativ,  d.  h.  als  Erhöhungen  erscheinen.  Der  zwischen 
den  Zacken  verbleibende  Raum  wird  mit  Füllmasse  ausgestrichen  und 
die  Platte  in  verdünnter  Schwefelsäure  formiert.  Wie  ersichtlich,  sind 
die   Zacken    derart   angeordnet,    dass    sie    der  vertikal   aufliegenden 


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172 


P.  Schoop. 


Superoxydschichte  möglichst  gute  Stütze  gehen.  Das  Ftillmaterial 
fällt,  wenn  die  Beanspruchung  der  Platte  nur  mit  geringer  Stromstarke 
erfolgt,  nicht  leicht  vom  Bleiträger  ab,  wohl  aber  wenn  grössere  Strom- 
dichten der  Ladung  oder  Entladung  zugelassen  werden.  Auf  die  Ge- 
wichtseinheit bezogen,  zeigt  vorliegende  Plattenform  eine  durch- 
schnittlich etwa  doppelt  so  grosse  Kapazität  als  die  alte  Tudor-Platte, 

Fig.  14.    (Oerlikon.) 


Ca.  i|2  nat.  Grösse. 


was  auf  die  rationellere  Gestaltung  der  Oberfläche,  welche  mehr 
Füllmasse  aufnimmt  und  dem  Elektrolyten  leichteren  Zutritt  zu  den 
aktiven  Materialschichten  gewährt,  zurückzuführen  ist.  Die  vom  Ver- 
fasser im  Jahre  1893  in  der  Accumulatorenfabrik  Oerlikon 
ausgeführte,  in  Fig.  14  photographisch  dargestellte  Platte  hat  133  mm 
Breite,  150  mm  Höhe  und  6^/4  mm  Dicke. 

Ein  Element,  bestehend   aus  7   solcher  Superoxydplatten   (jede 


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Ueber  die  , Plante -Accumulatoren*.  173 

140  mm  breit  und  160  mm  hoch)   und   8  negativen  Platten  desselben 

Formates,  wog  samt  Olasgefäss 21     kg 

die  verdünnte  Schwefelsäure  von  1,20  spez,  Gew 9,5  ^ 

Summa  30,5  kg 
und  zeigte  bei  der  Entladung  mit  16,0  Ampere  innerhalb  10  ^/o  Abfall 
der  Elemmspannung  eine  Kapazität  von  144  Amp^restunden,  also  pro 
Platte  rund  20  Amp^restunden.  Auf  das  Kilogramm  Oesamtzellgewicht 
entfallen  ca.  5  Amp^restunden  Kapazität. 

In  Fig.  15   ist  die  Ansicht  einer  noch   nicht  formierten  Platte 
der  jElectrochemical-Storage-Battery-Co.**  (New- York)  und  in 


Tig.  15. 


Fig.  16  diejenige  derselben  Platte,  aber  formiert,  gegeben.  Durch 
das  auf  der  Oberfläche  gebildete  Bleisuperoxyd,  welches  ein  ge- 
ringeres spezifisches  Gewicht  als  das  Blei  hat,  werden  die  Furchen 
ausgefüllt. 

Um  die  bei  etwa  abfallender  Superoxydmasse  möglichen  Kurz- 
schlüsse im  Element  zu  vermeiden,  sind  die  verschiedensten  Auskunfts- 
mittel versucht  worden.  Am  meisten  empfehlenswert  ist  es,  die  Be- 
seitigung solcher,  zwischen  den  Elektroden  hängender  Stücke  durch 
vorsichtiges  Abdrücken  mit  einem  Olasstab  auf  den  Boden  des  6e- 
fasses  zu  bewirken*  Besonders  günstig  für  die  Entdeckung  von 
Kurzschlüssen  ist  es,  wenn  Glasgefässe  als  Behälter  für  die  Elektroden 
dienen  und  die  Elemente  so  aufgestellt  sind,  dass  leicht  zwischen  den 
Platten  hindurch  gegen  das  Tageslicht  gesehen  werden  kann.  Etwas 
schwieriger,  aber   doch   noch   angängig,   ist  das  Auffinden  zwischen 


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174 


P.  Schoop. 


Fig.  17.    (Willard.) 


den  Platten   sitzender  Masse   bei  der  Durchleuchtung   des  Elements 

von  oben  mittels  Olühlampe  und  Reflektor. 

The  Willard-Storage-Battery-Co.  (30  Broadway,  New-York) 

sucht  Kurzschlüsse   dadurch  zu  vermeiden,  dass   die  elektrochemisch 

formierte    Platte    in    eine    perforierte    Ebonittasche    gesteckt    wird. 

Fig.  17  zeigt  die  derartig  umhüllte  Platte. 

Diese  Form  und  Durchbrechung  def 
Ebonithülle  soll  den  Nachteil  vieler  anderer, 
ähnlicher  Vorkehrungen  vermeiden,  der  darin 
besteht,  dass  der  Zutritt  der  Säure  zu  der 
Platte,  resp.  dem  Superoiyd,  erschwert  wird. 


Auf  sehr  vorteilhafte  Weise  werden 
die  in  Fig.  18  und  19  dargestellten  Elek- 
trodenplatten der  «Bleiwaren-  und  Accumu- 
latorenfabrik  B^labänya**  (Ungarn)  von 
Berks-Renger  hergestellt.  Im  Gegensatz 
zu  den  bisher  besprochenen  Fabrikaten  wer- 
den hier  die  Bleigerippe  vermittelst  hydrau- 
lischen Druckes  erhalten.  Es  ist  erstaunens- 
wert, dass  auf  diese  Weise  Platten  bis  zu 
^4  m  Breite  und  beliebiger  Länge  noch 
erzeugt  werden  können.  Wie  die  von  der 
Firma  freundlich  überlassenen  Muster  zeigen, 
ist  die  Struktur  dieser  gepressten  Platten 
ausserordentlich  homogen  und  tadellos.  Mittels 
einer  Presse  können  pro  Tag  mit  Leichtig- 
keit 20  Tonnen  Bleiplatten  gepresst  werden, 
h  was  eine  Massenfabrikation  vorstellt,  welche 
bis  jetzt  auf  keinem  anderen  Weg  annähernd 
erreicht  wird. 

Der  Freundlichkeit  des  Grusonwerkes 
in  Magdeburg  (Friedrich  Krupp),  welches 
Bleipressen  grössten  Kalibers  anfertigt,  verdankt  Verfasser  die  in 
Fig.  20  und  21  gegebenen  Skizzen.  Fig.  20  gibt  die  Ansicht  einer 
hydraulischen  Bleipresse  einfacher  Konstruktion  (ohne  Heizvorrichtung 
für  den  Metallbehälter)  für  einen  Druck  bis  zu  500000  kg.  Fig.  21 
gibt  den  Querschnitt  des  Metallbehälters  (diesmal  mit  Heizvorrichtong). 
Der  Pressstempel,  sowie  die  Matrize  sind  hier  für  die  Erzeugung  von 
Bleikabeln  eingerichtet,    dagegen  ist  die  übrige  Anordnung  für  das 


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lieber  die  « Planta -Accumulatoren" 


175 


Fig.  18.    (Berks-Renger.) 


»i,  nat.  Grösse. 
Fig.  19.    (Berks-Renger.) 


K/s  nat.  Qrösse. 


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176 


F.  Schoop. 


Pressen  von  Bleielektroden  giltig.  Fig.  22  zeigt  noch  besonders  den 
Querschnitt  des  Presscylinders  und  Stempels  der  Berks-Renger-Presse. 
«Die  Matrizen  sind  nach  dem  ^ Typensystem*  eingerichtet  und  können 
durch  Einlage  oder  Entnahme  der  Typen  beliebig  breit  und  schmal, 
sowie  der  Mittelsteg  beliebig  stark  eingestellt  werden.*  —  Je  nach 
dem  Zweck,  welchem  die  Platten  zu  dienen  haben,  wird  die  Bleiober- 


Fig.  21. 


fläche  mehr  oder  weniger  ausgiebig  gestaltet.  In  Fig.  18  sind  die 
Rippen  feiner,  zahkeicher  und  weniger  tief  gehend,  als  in  Fig.  19. 
Die  Anbringung  der  Bleisuperoxydschichte  erfolgt  nach  einem  abge- 
kürzten Plant^-Formierungsprozess.  Es  geht  aus  der  kräftigen  Dimen- 
sionierung vorliegender  Muster  hervor,  dass  sie  für  »stationäre*  Bat- 
terieen  bestimmt  sind.  Ganz  besonders  sollen  diese  Platten,  weil  sehr 
billig  und  dauerhaft ,  für  Accumulatoren  für  Eraftaufspeicherung  An- 
wendung finden.  Es  ist  ersichtlich,  dass,  anstatt  eine  Plant^-Schicht 
von  Anfang  an  auf  den  Elektroden  zu  erzeugen,  es  ebenfalls,  nach 
dem  Beispiel  der  älteren  Tudor-Platte,  möglich  ist,  den  Raum  zwischen 


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Ueber  die  -Planta -Accumulatoren". 


177 


den  Rippen  mit  Bleioxyden  auszufüllen,  welche  offenbar  ziemlich  gute 
Lagerung  vorfinden  und  wohl  erst  nach  längerer  Zeit  ihren  Platz 
verlassen,  um  an  die  inzwischen  gebildete  Plant^-Schicht  die  weitere 
Funktion  abzutreten.  Es  lässt  sich  annehmen,  dass  auch  die  Plant^- 
Schichte,  beim  etwaigen  Abschälen  von  der  Bleiunterlage,  nicht 
leicht  zu  Boden  fallen  kann,  sondern,  als 
Füllmasse  dienend,  in  den  Furchen  sitzen 
bleibt  und  weiter  an  der  Aufspeicherung  des 
Stroms  teilnimmt. 

Eine  eigentümliche  Mittelstellung  zwi- 
schen dem  Planta-  und  dem  Faure-Accumu- 
lator  nehmen  die,  nach  dem  Patent  von  A. 
de  Ehotinsky  hergestellten  Elemente  der 
Elektrizitätsgesellschaft  Geln- 
hausen ein.  Der  Träger  oder  die  leitende 
Unterlage  der  Elektrode  wird  ebenfalls, 
wie  beim  System  Berks-Renger,  durch 
hydraulische  Pressung  erhalten  (D.  R.-P. 
Nr.  35396).  Dagegen  wird  die  Kapazitäts- 
gebun^  sowohl  bei  den  Bleischwamm-  als 
bei  den  Superoxydplatten  durch  Einbringen 
von  Füllmasse  in  die  Träger  erreicht.  Diese 
Füllmasse  wird  aber  nicht  mit  Bleioxyden 
oder  Bleisalzen,  sondern  aus  äusserst  fein 
verteiltem,  metallischem  Blei,  sogenanntem 
.Bleistaub"  bereitet.  Ein  Stück  eines  Trä- 
gers für  die  Bleischwammelektrode  ist  in 
Fig.  23  und  ein  ebensolches,  aber  für  die 
Superoxydelektrode,  in  Fig.  24  dargestellt. 
Der  Unterschied  zwischen  den  beiden  Streifen 

besteht  darin,  dass  die  « Seele **  bei  dem  Bleischwammträger  dünner 
ist,  ebenso  die  darauf  senkrecht  stehenden,  sich  nach  aussen  konisch 
erweiternden  Rippen,  und  dass  die  Rippen  weiter  auseinander  stehen 
als  beim  Superoxydträger.  Das  Superoxyd  leitet  weniger  gut  als  der 
Bleischwamm  oder,  genauer  ausgedrückt,  um  dieselbe  Ausnützung 
der  Füllmasse  zu  erreichen,  ist  der  Abstand  der  Superoxydmasse 
von  der  leitenden  Unterlage  kleiner  zu  wählen  als  beim  Bleischwamm, 
was  durch  die  engere  Stellung  der  Rippen  bei  dem  Superoxydträger 
erreicht  wird.  Die  stärkere  Dimensionierung  der  Rippen  und  des 
Kernes  ist  mit  Rücksicht  auf  die  allmähliche  Umwandlung  des  Super- 


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178 


P.  Schoop. 


oxydträgers  während  des  Gebrauchs  gerechtfertigt.  Die  ca.  44  mm 
breiten  Streifen  kommen  als  endloses  Band  aus  der  Bleipresse  hervor 
und  werden  durch  eine  sinnreiche  Vorrichtung  automatisch  in  Strei- 
fen der  gewünschten  Länge  geschnitten.  Die  Streifen  wurden  Ton 
A.  de  Khotinskj  anfänglich  auf  etwa  zolldicke,  auf  dem  Boden  des 
Zellgefässes  liegenden  Glasröhren,  horizontal  nebeneinander  gelegt. 
Zwischen  zwei  Bleischwammstreifen  lag  immer  ein  Superoxydstreifen. 
Doch  war  schon   die  flache  Form  der  Steingutbehälter   ein  unange- 


.111 


&/8  nat.  Grösse. 


nehmer  Umstand  bei  diesem  Aufbau,  noch  mehr  aber,  dass  die  nach 
dem  Boden  des  Gefässes  gekehrte  Seite  der  Superoxydstreifen  nicht  in 
dem  Masse  zur  Arbeit  herangezogen  wurde  wie  die  obere  Seite. 
Krümmung  der  Streifen,  sowie  ausserordentliches  Wachsen  infolge  von 
Sulfatbildung  und  dadurch  hervorgerufene  Kurzschlüsse  machten  häufiges 
Reparieren  der  Batterieen  erforderlich.  Die  Dauerhaftigkeit  der  Ele- 
mente war  trotzdem  nicht  geringer  als  bei  den  anderen  zu  derselben 
Zeit  (1887)  bekannten  Accumulatoren.  Auch  späteren  Aenderungen 
an  dieser  Montage  haftete  immer  noch  der  Nachteil  an,  dass  die 
Füllmasse  auf  den  nach  unten  gekehrten  Seiten  der  Streifen  Neigung 


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üeber  die  -  Plante -Accumulatoren* 


179 


zum  Abfallen  zeigte  und  dadurch  entstehende  Kurzschlüsse  nicht  ent- 
deckt und  nur  durch  gänzliche  Demontage  des  Elements  beseitigt 
werden  konnten.  Es  war  daher  als  ein  beträchtlicher  Fortschritt  zu 
betrachten,  dass,  bereits  schon  zur  Zeit  der  Frankfurter  elektrischen 
Ausstellung  (1891),  die  Bleistreifen  zu  Platten  vereinigt  wurden,  welche 
vertikal  im  Zellbehälter  aufgehängt  wurden.  Fig.  27  zeigt  die  photo- 
graphische Ansicht  einer  Superoxydplatte.  Die  Streifen  liegen  in  hoch- 
kantiger Stellung  so  übereinander,  dass  zwischen  je  zwei  Streifen  ein 


Fig.  24.    (De  Ehotinsky.) 


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0/3  nat,  Grösse. 

kleiner  Spielraum  von  5  mm  Weite  gelassen  ist.  Im  Falle  die  Streifen 
sich  während  des  Gebrauchs  ausdehnen,  ist  dadurch  Raum  auch  für 
das  vergrösserte  Volum  geschaffen.  An  beiden  Endseiten,  links  und 
rechts,  sind  die  Lamellen  an  eine  gemeinschaftliche  vertikale  Blei- 
stange angeschlossen.  Diese  Verbindung  geschieht  nicht  durch  Löten 
mit  Wasserstoff,  sondern  mittels  direkten  Verschmelzens  des  Bleis. 
Die  Streifen,  durch  eine  hölzerne  Lehre  in  der  richtigen  Lage  fest- 
gehalten, werden  in  eine  mit  Gasflammen  erhitzte  Eisenblechrinne 
gestellt  und  flüssiges  Blei  in  diese  Rinne  gegossen.  Das  vorgängige 
Eintauchen  der  zu  verbindenden   Flächen  in   Stearin  erleichtert  das 

SammloBg  elektrotedmisoher  Vorträge.  I.  13 


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180 


P.  Schoop. 


Zusammenfliessen  der  Metallteile.  Das  Verschmelzen  ist  nicht  nur 
billiger,  sondern  auch  zuverlässiger  als  die  Wasserstoff  lötung.  Nach 
der  Reinigung  der  so  erhaltenen  Platten  (durch  Waschen  mit  ver- 
dünnter Aetznatronlauge)  werden  die  Streifen  mit  Bleistaub  beschickt. 
Für  den  Accumulatorentechniker  bietet  das  Verfahren,  Bleistaub 
herzustellen,  grosses  Interesse,  indem  die,  von  A.  de  Khotinsky 
erfundene,  Methode  der  Verteilung  des  Bleis  wohl  den  Gipfelpunkt 
aller  Bemühungen  in  dieser  Richtung  darstellt.     (Es  sei  hier  an   die 


Fig.  25.    (Bleistaabapparai.) 

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Bleiwolle  von  Reynier  (Paris)  erinnert,  welche  durch  Giessen  von 
Blei  durch  ein  feines  Sieb  in  Wasser  erhalten  wurde.  —  Nach  dem 
D.  R.-P.  Nr.  89062  vom  14.  Dez.  1895  lässt  die  „Soci^t^  civile  d^^tudes 
du  Syndicat  de  Tacier  G^rard*  geschmolzenes  Blei  in  dünnem  Strahle 
zwischen  zwei,  nahe  aneinander  gerückten  Kohlen,  durch  welche  ein 
Strom  geht  (Lichtbogen),  passieren,  und  die  sich  bildenden  Dämpfe 
zu  einem  feinen  Pulver  kondensieren.  Ob  das  Verfahren  praktisch 
ausgeführt  wird,  ist  dem  Verfasser  nicht  bekannt. 

Die  nachfolgend    beschriebene   Darstellungsweise  von   Bleistaub 
stützt  sich   auf  die   beiden   Patente  D.  R.-P.  Nr.  70348  und   86983. 


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Ueber  die  ,  Plante -Accumulatoren".  181 

Die  freundliche  Vorzeigung  des  Apparates,  von  dem  Fig.  25  eine 
schematische  Skizze  gibt,  seitens  der  Elektrizitätsgesellschaft  Geln- 
hausen, sei  hier  nochmals  verdankt. 

Im  D.  R.-P.  70348  vom  2.  März  1892  lautet  Anspruch  1  folgender- 
massen:  »Verfahren  zur  Herstellung  von  Bleistaub  oder  dergleichen, 
bei  welchem  flüssiges  (geschmolzenes)  Blei  (Metall)  mittels  gespannten 
Dampfes,  gepresster  Luft  oder  unter  Druck  stehenden  Gases  aus  einer 
Düse  herausgesaugt,  oder  wenn  es  derselben  zufliesst,  herausgepresst 
und  beim  Austritt  aus  letzterer  zerstäubt  wird,  indem  dabei  nur  das 
zu  zerstäubende  Metall  oder  nur  das  zerstäubende  Medium  oder  beide 
gleichzeitig  erhitzt  werden.** 

Das  Zusatzpatent  Nr.  86983  vom  9.  Dezember  1894  bezieht  sich 
auf  eine  spezielle  Form  des  Apparates  und  einzelner  Teile  desselben. 

In  Fig.  25  ist  die  neueste  Anordnung  des  Apparates  wiederge- 
geben. Der  mit  einem  Deckel  verschliessbare  Schmelztopf  ist  so  ein- 
gemauert, dass  die  Feuerung  eine  möglichst  gleichmässige  und  kräftige 
Erhitzung  desselben  zulässt.  Etwa  in  der  Mitte  der  Höhe  ist  am  Topf 
ein  seitliches  Ansatzrohr  angeschraubt,  welches  in  die  Düse  ausmündet 
und  zum  Abfluss  des  Bleis  zur  Zerstäubung  dient.  Etwas  über  dem 
Boden  des  Schmelzkessels  läuft  eine  spiralförmig  gewundene  Schlange 
aus  Eisenrohr,  die  an  zwei  diametral  gelegenen  Stellen  der  Eessel- 
wand  ein-  bezw.  austritt  und  einerseits  zur  Düse,  anderseits  zu 
einer  Dampfleitung  führt.  Der  Anschluss  wird  durch  ein  Regulier- 
ventil bewirkt.  —  Die  Düse,  in  Fig.  25  besonders  skizziert,  erinnert 
an  einen  Injektor  oder  ein  Knallgasgebläse.  Durch  das  innere,  engere 
Rohr,  das  mehr  oder  weniger  weit  in  den  Düsenkopf  vorgeschoben 
werden  kann  und  zum  Zwecke  genauer  Einstellung  mit  Führungs- 
lamellen versehen  ist,  fliesst  das  Blei  hinzu.  Der  Dampf  tritt  in 
den  Mantel  zwischen  dem  inneren  und  äusseren  Rohr  ein  und  trifiPt 
kurz  vor  der  feinen  Spitze  des  Düsenkopfs  mit  dem  Bleistrahl  zu- 
sammen, diesen  verteilend  und  mit  sich  führend. 

Das  unfühlbare  Bleimehl,  welches  hiebei  erhalten  wird,  setzt 
sich  in  Flugkammern  nieder,  wird  aus  diesen  mechanisch  fortgeführt, 
zur  Entfernung  etwa  beigemengter  gröberer  Bleiteilchen  gesiebt  und 
nun  zur  Bereitung  der  Füllmasse  verwendet. 

Schon  durch  Beimischung  von  Wasser  zum  Bleistaub  entsteht 
eine  knetbare  Masse,  die  beim  Trocknen  genügend  erhärtet.  Die  Er- 
härtimg  wird  durch  eine  Oxydation  des  Bleistaubs  durch  das  Wasser 
bedingt,  wie  der  Bruch  der  erhärteten  Masse,  welcher  eine  gelbliche 
Farbe   zeigt,  vermuten  lässt.     Es  ist  leicht  einzusehen,  dass   die  so 


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182  P-  Schoop. 

erhaltene  Füllmasse  nicht  so  porös  sein  kann,  wie  die  aus  Glätte 
oder  Mennige  bereitete,  da  in  letzteren  Materialien  neben  Blei  auch 
Sauerstoff  enthalten  ist,  der  ein  gewisses  Volum  einnimmt.  Bei  der 
Umwandlung  z.  B.  in  Bleischwamm,  wird  dieser  Sauerstoff  den  Blei- 
oxyden entzogen  und  das  zurückbleibende  Blei  ist  auch  deshalb 
schwammig,  weil  es  mit  den  früher  vom  Sauerstoff  innegehabten 
Volumteilchen  durchsetzt  ist.  Um  nun  die  Bleistaubmasse  noch  mehr 
porös  zu  gestalten,  als  sie  durch  das  der  Füllmasse  zugesetzte  Wasser 
bereits  ist,  wendet  die  Elektrizitätsgesellschafb  Gelnhausen  eine  Bei- 
mischung von  Bimsstein  an.  Durch  den  Bimsstein  werden  kapillare 
Kanäle  im  Inneren  der  Füllmasse  geschaffen,  auch  saugt  derselbe  an 
und  für  sich  ein  bestimmtes  Säurevolum  auf,  das  in  guten  Kontakt 
mit  dem  Bleistaub  kommt.  Der  gegen  verdünnte  Schwefelsäure 
beständige  Zusatz  wird  sowohl  bei  den  negativen,  als  auch  den 
positiven  Platten  angewendet.  Diese  Art,  die  Porosität  des  Füll- 
materiales  zu  erhöhen,  erscheint  aber  doch  etwas  primitiv,  denn  ein 
Verfahren,  welches  die  Poren  gleichmässiger  über  die  Masse  ver- 
teilte, als  dies  die  etwa  linsengrossen  Bimssteinstückchen  thun,  scheint 
vorteilhafter  zu  sein.  So  Hesse  sich  dem  Bleistaub  fein  gemahlenes 
Bittersalz  beimischen  und  die  Mischung  mit  einer  gesättigten  Bitter* 
Salzlösung  zur  Paste  anmachen.  Nach  der  Erhärtung  derselben  könnte 
durch  destilliertes  Wasser  das  Salz  ausgelaugt  werden.  Ein  solches 
Vorgehen  hätte  Aussicht,  die  Superoiydplatten  zu  verbessern,  da 
die  Ausdehnung  der  Bleiteilchen  bei  der  Umwandlung  in  Super- 
oxyd  dadurch  freieres  und  gleichmässigeres  Spiel  gewönne  und  die 
Teilnahme  des  Füllmaterials  an  den  elektrolytischen  Prozessen  eine 
vollständigere  werden  müsste.  Zusätze,  die  nicht  aktiv  an  den  Re- 
aktionen der  Elektroden  sich  beteiligen,  haben  bisher  wenig  Erfolg 
gehabt. 

In  dem  Prospekt  von  1897  begründet  die  Elektrizitätsgesellschaft 
Gelnhausen  ihr  Verfahren:  „In  der  positiven  Elektrode  unseres  Blei- 
staubaccumulators  verhindert  die  beträchtliche  Menge  des  beigemischten 
neutralen  und  sehr  porösen  Körpers,  dass  die  in  Bleisulfat  über- 
geführten getrennt  liegenden  Teilchen  von  Bleisuperoxyd  geschlossen  e 
Schichten  bilden  können.*^ 

Es  wird  weiter  ausgeführt,  dass  bei  den  mittels  Bleioxyden  be- 
reiteten Füllmassen  solche  geschlossene  Bleisulfatschichten  sich  bil- 
deten und  von  nachteiligem  Einfluss  auf  den  Widerstand  und  die 
Haltbarkeit  der  Platten  wären. 

In  Fig.  26  ist  die  Ansicht  eines  Bleistaubaccumulators,  in  Glas- 


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üeber  die  ,  Plante -Accumulatoren*. 


183 


gefass  eingebaut,  gegeben;  die  Superoxydelektrode  dieses  Elementes 
besteht  aus  zwei  Platten  der  in  Fig.  27  dargestellten  Form  und 
Grösse.  Die  negativen  Platten  sind  gleich  gross  wie  die  positiven; 
jede  Platte  ist  240  mm  hoch,  240  mm  breit  und  6  mm  dick  und  be- 
steht aus  fünf  übereinander  liegenden  Streifen,  die  an  beiden  Seiten 
durch  je  eine  8  mm  breite  Bleileiste  verbunden  sind.  Die  zwei,  links 
und  rechts  seitlich  angelöteten  Bleinasen  dienen  zur  Aufhängung  der 

Fij?.  26.    (Gelnhausen.) 


Ca.  (5  nat.  Grösse. 

Platten  auf  zwei  gläsernen  Stützscheiben,  welche  180  mm  hoch,  125  mm 
breit  und  5  mm  dick  sind  und  in  auf  dem  Gefassboden  ruhenden,  ge- 
nuteten Holzleisten  aufruhen.  Die  Nasen  der  Superoxydplatten  sind 
niit  Hartgummischuhen  versehen,  „um  Nebenschlüsse  durch  Schlamm- 
ablagerung auf  der  Kante  der  Stützscheiben  zu  vermeiden**.  Im 
Qlasgefäss,  das  320  mm  breit,  130  mm  lang  und  310  mm  hoch  ist 
(Innenmasse),  befinden  sich  zwei  positive  und  drei  negative  Platten; 
der  Abstand   derselben   beträgt  10  mm   und   wird   durch  4x3  Glas- 


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184  P.  Schoop. 

röhre  gesichert,  in  seitlichen  Abständen  von  je  100  mm  voneinander. 
Der  Abstand  der  Platten  vom  Boden  des  Getässes  ist  50  mm.  Die 
Ladestromstärke  beträgt  normal  26  Ampere,  das  Gewicht  der  Platten 
18  kg.  Das  Element  fasst  9  1  verdünnter  Schwefelsäure  von  1,180 
spez.  Gew.  Das  Gesamtgewicht  des  Accumulators  ist  30,5  kg  und 
die  Kapazität  laut  Preisliste  1897 

90     87     85     81     77     73     68     60     50     40  Ampörestunden, 
bei  der  Entladung  mit 

9    9,6    10,6    11     13     14     17     20     25     40  Ampere. 
Die   Elektrizitätsgesellschaft  Gelnhausen    bietet   kostenlose   Ga- 
rantie auf 

2^/2  Jahre,  wenn  die  Entladungsdauer  4  oder  mehr  Stunden, 

2  n  1,        n  y,  3  Stundcu, 

1^1%       j,  r,        n  T)  1  bis  2  Stunden  beträgt. 


Fig.  27*    (GelnhätiaeD.) 


Ca.  1/4  nat.  Gröise. 

Accumulatoren  für  transportable  Batterieen  werden  aus 
denselben  Elektroden  angefertigt  wie  die  für  stationäre  Zwecke.  Der 
Abstand  der  Platten  reduziert  sich  auf  6  mm,  und  die  Isolation  wird 
durch  Ebonitkämme  bewirkt  (D.  R.-P.  58108,  82864  und  88668).  Die 
Gewichtsverhältnisse  sind   hier  z.  B.  bei  Nr.  Z  (für  Zugsbeleuchtung): 


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lieber  die  , Plante -Accumulatoren".  185 


Element  ohne  Säure  11  kg;  Länge  310  mm,  Breite  160  mm, 
Höhe  190  mm.  Verdünnte  Schwefelsäure  (1,80  spez.  Gew.)  3  1.  Die 
Ladestromstarke  ist  normal  10,8  Ampere. 

Die  Kapazität  dieser  Zelle  stellt  sich  auf: 
90       80       70     Amperestunden  bei 
3,7        4        4,4     Ampere  Entladestromstärke. 
Der  Zellbehälter  besteht  aus  einem  mit  Bleiblech  ausgeschlagenen 
Holzkasten,  so  dass  die  Kapazität  von  ca.  5  Amperestunden  pro  Kilo- 
gramm komplettes  Zellgewicht    sich   bei   Verwendung    eines    Ebonit- 
behälters auf  ca.  6  Amp^restunden  erhohen  Hesse. 

Die  Elieson-Accumulatoren,  von  „The  Elieson  Lamina 
Accumulator  Co.  Ltd."  (Greenland  Place,  Camden  Town,  London) 
hergestellt,  zeigen,  ohne  Anwendung  irgend  einer  Füllmasse,  erheb- 
liche Kapazitäten. 

Die  Platten,  aus  perforierten  und  gerauhten  (geriffelten)  Blei- 
streifen zusammengesetzt,  sollen  eine  grössere  Arbeitsoberfläche  dar- 
bieten als  bei  irgend  einem  anderen  Accumulator.  Wenn  den  günstigen 
Berichten  englischer  Experten  Glauben  geschenkt  werden  darf,  soll 
sich  dieser  Planta- Accumulator  speziell  als  Kraftquelle  für  Motorwagen 
eignen.  In  der  Preisliste  von  1897  sind  über  die  „C"-Type  in  Ebonit- 
behälter folgende  Angaben  gemacht: 

Gesamtgewicht  des  Elements  27  Ibs.  (12,2  kg);  Plattenzahl  7; 
Länge  7  engl.  Zoll  oder  178  mm;  Breite  4  engl.  Zoll  oder  102  mm; 
Höhe  13  engl.  Zoll  oder  330  mm.  Der  Ladestrom  ist  normal  15  bis 
25  Ampere,  der  Entladestrom  20  Ampere. 

Die  Kapazität  dieses  Elementes  soll  bei  20  Ampere  Entladung 
100  Amperestunden  und  bei  nur  10  Ampere  Stromstärke  120  Ampere- 
stunden betragen. 

Pro  Kilogramm  Zellgewicht  entfielen  damit  8  resp.  10  Amp^re- 
stunden  Kapazität;  für  einen  Accumulator  ohne  Füllmasse  eine  re- 
spektable Leistung. 

Eine  von  allen  bisherigen  Konstruktionen  abweichende  Gestalt 
gibt  0.  Schulze  (Elsässische  Elektrizitätswerke  in  Strassburg)  seinen 
Elektroden.  In  dem  Preiscourant  vom  Juli  1897  sind  einige,  leider 
undeutliche  Abbildungen  von  Platten  enthalten,  nach  welchen  Ver- 
fasser in  Fig.  28  versucht  hat,  eine  etwas  deutlichere  Vorstellung 
zu  geben.  Die  Platte  wird  aus  übereinander  geschichteten ,  krippen- 
förmigen  Bleilamellen  zusammengesetzt,  welche  an  beiden  Enden  an 
vertikal  laufende  Verbindungsleisten  verschmolzen  werden.  Die  horizontal 
liegenden  Lamellen  sind  gerippt,  so  dass  die  Platte  keine  geschlossene. 


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186 


P.  Schoop. 


sondern  eine  durch  viele  Kanäle  durchbohrte  Wand  vorstellt.  Es  wird 
daher  mit  Recht  von  Schulze  hervorgehoben,  dass  „die  Zirkulation 
der  Flüssigkeit  nach  allen  Richtungen  ungehindert''  stattfinden  kann. 
Ebenso  ist  richtig,  dass  diese  Platten  „eine  grosse  leitende  Metall- 
oberfläche** haben,  und  »kein  Partikelchen  der  aktiven  Masse  mehr  als 
1  mm  von  den  leitenden  Flächen  entfernt  ist**.  Zwar  soll,  wie  es 
scheint,  auch  mechanisch  angebrachtes  Füllmaterial  auf  die  gerippten 
Bleilamellen  aufgetragen  werden,  doch  wird  dies  nur  für  die  Schwamm- 

Fif?.  28.     (Schulze.) 


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Ca.  2fache  nat.  Grösse. 

bleiplatten  empfehlenswert  sein.  Der  Bleischwamm,  sowie  das  durch 
Plant^-Formation  auf  dem  Träger  erzeugte  Superoxyd  dürfte  hier  aus- 
gezeichnet gehalten  werden.  Die  Haltbarkeit  der  Platten  resp.  La- 
mellen hängt  von  der  Dicke  ab  und  wird  bei  Verwendung  von  ge- 
presstem  Blei  eher  höher  sein  als  bei  gegossenen  Bleiplatten.  — 
Der  mit  Ms  bezeichnete  Accumulator  (Seite  4  der  Preisliste)  zeigt 
folgende  Verhältnisse: 

Gew.  unverpackt  16  kg  1  Totalgewicht 

Gew.  von  7 1  Schwefelsäure  von  1,21  spez.  Gew.  8,47  kg )       25  kg. 


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üeber  die  , Planta -Accumulatoren".  187 

Dabei  misst  das  Element  im  Glasgefäss  in  der  Höhe  320  mm; 
in  der  Breite  180  mm  und  in  der  Länge  220  mm. 

Die  Kapazität  desselben  beträgt  bei 

18       12         9         6  Ampere  Entladestrom 
54       60       66       72  Amperestunden. 

Pro  Kilogramm  Gesamtgewicht  entfallen  somit  2  bis  3  Ampöre- 
stunden  Kapazität  (bei  stationären  Accumulatoren).  Der  Preis  ist  mit 
19  Mark  aufgeführt  und  derjenige  einer  kompleten,  fertig  zum  Ge- 
brauch aufgestellten  Batterie  für  110  Volts  Spannung  zu  1300  Mark 
angesetzt. 

Zum  Vergleich  und  zur  Anstellung  von  Berechnungen  seien  hier 
die  Dimensionen  und  Gewichte  einiger  vorstehend  abgebildeter  Platten- 
muster angeführt. 

Name  Figur        Dimensionen        Gewicht  Gewicht  Gewicht  Verhältnis 

des  Musters         Nr.  Höhe      Breite         leer       gefüllt    d.  Paste   Blei/Paste 

—  Gebhausen  23  44  mm  77  mm  74,85  128,0  53,15  1,41 

+  Gelnhausen  24  43  ,  75  ,  115,80  163,7  47,9  2,42 

Alte  Tudor  4  70  „  65  ,  282,60  327,5  44,9  6,30 

Neueste      j  ^^  30  ,  45  ,  110,70  132,1  21,4  5,17 

Oerlikon  13  35  ,  25  ,  55,55  70,0  14,45  3,85 

Berks-Renger  18  110  ,  14  „  115,25  141,0  25,75  4,50 

PoUak  11  60  ,  100  ,  271,70  349,1  77,4  3,52 

Hierzu  ist  zu  bemerken,  dass  diese  Muster  sämtlich  mitten  aus 
einer  ganzen  Platte  herausgeschnitten  waren,  also  keinen  verstärkten 
Rand  oder  dergleichen  hatten.  Die  Abwägungen  und  Abmessungen 
sind  auf  l^/o  genau.  —  Die  Paste,  durch  Mischen  von  300  Gewichts- 
teilen Mennige  mit  54,5  Gewichtsteilen  verdünnter  Schwefelsäure  von 
1,21  spez.  Gew.  erhalten,  ist  bei  allen  Plattenmustem  dieselbe  und 
etwas  dünn  genommen  worden,  um  die  feineren  Fugen  der  Tudor- 
Platte  vollkommen  ausfüllen  zu  können.  Die  Wägung  der  geschmierten 
Plättchen  wurde  sofort  nach  der  Pastung  vorgenommen. 

Die  Oberflächenverhältnisse  sind  auf  Grund  der  exakten  Wieder- 
gabe  der  Muster  in  den   Figuren   genau   zu  berechnen;    die  Nicht- 


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188  P-  Schoop. 

beachtuDg  des  Plattenrandes  würde  im  schlimmsten  Falle  einen  Fehler 
von  einigen  Prozenten  im  Gefolge  haben.  Durch  Schätzung  des  Randes 
und  Berücksichtigung  dieser  Schätzung  ist  die  Berechnung  auf  l^/o 
genau  durchzuführen.  Nun  sind  allerdings,  wo  Kapazitäten  angegeben 
sind,  diese  auf  die  gesamte  Superoxydelektrode  (inklusive  StromzufÜh- 
iningsleisten)  oder  auf  das  gesamte  Zellgewicht  angegeben.  Hier  muss 
man  sich  bei  Vergleichen  mit  Annäherungswerten  behelfen,  was  insofern 
noch  angeht,  als  ja,  besonders  bei  Accumulatoren  mit  Plant^-Platten 
die  Kapazität  keine  konstante  Grösse,  sondern  je  nach  Umständen 
sogar  recht  veränderlich  ist. 

Von  den  in  Deutschland  noch  patentrechtlich  geschützten,  hieher 
gehörigen  Elektroden  sind  zu  erwähnen: 

D.R.-P.Nr.85827.  A.  Timmis  in  London.  Elektrodenplatte  für 
Stromsammler,  patentiert  vom  29.  Januar  1895  ab.  Patentanspruch: 
„Elektrode  für  Stromsammler,  bestehend  aus  einem  schräg  zur  Längs- 
richtung gewellten  Bleistreifen,  der  durch  abwechselndes  Hin-  und 
Herbiegen  derart  in  Querfalten  zusammengelegt  ist,  dass  sich  die 
Wellen  des  Bleches  in  jeder  Falte  kreuzen  und  dadurch  dem  Heraus- 
fallen der  gebildeten  aktiven  Masse  vorgebeugt  wird." 

D.  R.-P.  Nr.  27871.  Frank  Tamblyn  Williams  und  John 
Charles  Howell  in  Llanelly,  England.  —  Herstellung  von  porösen 
Bleiplatten  für  Accumulatoren  vom  7.  November  1883.  Patentan- 
spruch: „Das  beschriebene  Verfahren  zur  Herstellung  poröser  oder 
schwammiger  Blöcke  oder»  Platten  aus  Blei  oder  Bleilegierungen,  be- 
stehend in  der  Erzeugung  des  porösen  Materials  durch  Ausschöpfen 
desselben  aus  dem  geschmolzenen  Metallbade  mit  Hilfe  einer  durch- 
löcherten Form  oder  eines  ebensolchen  Löffels.** 

Von  diesen  beiden  deutschen  Reichspatenten  beansprucht  das 
letztere  deshalb  Interesse,  weil  nach  dem  darin  geschützten  Verfahren 
die  Accumulatoren  der  „Crompton-Howell  Electrical  Storage  Co.  Ltd.*", 
(New  Dock,  Llanelly,  South  Wales)  seit  vielen  Jahren  hergestellt 
werden.  „Herr  Howell  erfand  einen  Prozess  zur  Herstellung  von 
Platten  für  Accumulatoren,  die  aus  porösem  Blei  bestehen.  Diese 
werden  dadurch  erhalten,  dass  geschmolzenes  Blei  auf  einer  dem 
Eristallisationspunkt  nahen  Temperatur  gehalten  und  die  halbkristalli- 
sierte Masse  in  Blöcke  gegossen  wird,  welche  aus  lauter  ineinander 
verwachsenen  Kristallen  bestehen  und  nach  der  Erkaltung  in  Platten 
des  gewünschten  Formats  zersägt  werden.*"  Die  Formierung  der  Platten 
erfolgt  nach  Plant  äs  Verfahren. 


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Ueber  die  , Planta -Accumulatoren*.  189 

Der  Preisliste  der  genannten  Firma  sind  nachstehende  Angaben 
über  ein  Element  entnommen: 


Das  Totalgewicht  ist  also  4 1 , 7  kg 
ohne  Glaszelle,  welche  für  diese 
Grösse  etwa 3,3kg  wiegen  dürfte. 


Gewicht  der  Platten  55  Ibs.  (25,0  kg) 
Anzahl  der  Platten  11 
Gewichtd.Schwefelsäure371bs.(16,7kg) 

Die  Kapazität  des  Accumulators  ist  bei 

85         33         20  Ampere  Entladestromstärke 
85       230       240  Amp^restunden. 

Es  entfallen  per  Kilogramm  Gesamtgewicht  2  bis  5  Ampere- 
stunden Kapazität. 

Leider  können  diese  Zahlen  wenig  bedeuten,  da  über  die  Dicke 
der  Platten  keine  Angaben  erhältlich  waren.  (Bei  einer  älteren  Batterie 
[1890]  waren  die  Platten  25  mm  dick.)  Ein  Nachteil  des  Howell- 
Systems  ist,  dass  die  Stellen,  wo  der  Strom  bei  den  Superoxydplatten 
ein-  bezw.  austritt,  nach  einiger  Zeit  ganz  durchformiert  und  dann 
brüchig  werden.  Es  ist  auch  anzunehmen,  dass  es  ein  Zufall  sein 
müsate,  wenn  die  Diffusion  des  Elektrolyten  durch  die  ganze  Platte 
gleichmässig  stattfände.  Daher  werden  wohl  in  erheblichem  Masse 
Lokalströme  in  den  Elektroden  auftreten. 

Bei  allen  Kapazitätsangaben  ist,  wenn  nicht  anderes 
dabei  bemerkt  ist,  die  Kapazität  innerhalb  eines  Abfalls  der 
Klemmenspannung  um  10 ^/o  des  Anfangswertes  verstanden. 
Als  Temperatur  gilt  wohl  meistens  Zimmertemperatur 
(16  «  C). 

Zu  diesem  Gegenstand  gehörte  eigentlich  noch  eine  kritische 
Besprechung  der  verschiedenen  elektrochemischen  Verfahren  zur  „  Auf- 
lockerung'', allgemeiner,  Vorbereitung  der  Bleielektroden  zur  Erzielung 
einer  genügenden  Kapazität  innerhalb  kurzer  Zeit. 

Da  wo  bereits  Blei  im  Zustande  weitgehender  Verteilung  an- 
gewendet wird  (Gelnhausen,  Crompton-Howell,  Main),  genügt  das 
Planta- Verfahren.  Bei  den  anderen  Konstruktionen  dagegen  ist  das 
nicht  der  Fall.  Doch  würden  nähere  Ausführungen  den  Rahmen  dieser 
Auseinandersetzung  überschreiten;  solche  sollen  an  anderer  Stelle  ge- 
geben werden.  Soviel  möge  kurz  gesagt  sein,  dass  alle  diejenigen 
Metboden,  bei  welchen  Stoffe,  die  das  Blei  auflösen  oder  stark 
angreifen  (wie  Salpetersäure,  Chlor,  Chlorate,  Perchlorate,  Essigsäure, 
Weinsäure),  deshalb  zu  verwerfen  sind,  weil  es  beinahe  unmöglich 
ist,  die  letzten  Spuren  des  Lösungsmittels  wieder  aus  dem  Bleikern  zu 
entfernen  und  bekanntermassen  Spuren  davon  genügen,  um  die  Dauer- 
haftigkeit der  Superoxydelektrode  erheblich  herabzudrücken. 


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190  P-  Schoop. 

Es  sei  ebenfalls  noch  erwähnt,  dass  das  Verfahren  von  Luckow, 
wonach  Bleiplatten  in  verdünnten  Lösungen  von  Salzen,  wie  Glauber- 
salz, Bittersalz  etc.  bei  entsprechendem  Stromdurcbgang  innerhalb 
5  Tagen  mit  einer  genügenden  Schichte  von  Superoxyd  überzogen 
werden  sollen,  sich  nicht  bestätigt,  indem  als  Resultat  einer  grösseren 
Zahl  von  Kontrollversuchen  des  Verfassers  durchaus  keine  nennenswerte 
Formation  von  massiven  Bleiplatten  in  solchen  Elektrolyten  erzielt 
werden  konnte. 

Wahrscheinlich  haben  geringe  Verunreinigungen  der  von  Luckow 
verwendeten  Lösungen  mit  Chlor  oder  Salpetersäure  (die  eventuell 
durch  Benützung  gewöhnlichen,  nicht  destillierten  Wassers  hinzutraten) 
den  von  Luckow  beobachteten  Angriff  des  Bleis  bewirkt.  Uebrigens 
patentiert  Luckow  (im  D.  R.-P.  Nr.  91707)  noch  nachträglich  die 
Verwendung  verdünnter,  angesäuerter  Glaubersalzlösung,  welche  einen 
minimalen  Zusatz,  0,007 ^/o  des  Gewichts  der  Lösung,  von  Natrium- 
chlorat  enthält. 

Dieses  Verfahren  ist  aber  weder  praktisch,  aus  oben  angeführtem 
Grunde,  noch  neu,  indem  Verfasser  bereits  im  Jahre  1891  eine  ver- 
dünnte Lösung  von  Natriumbisulfat  mit  einem  Zusatz  von  Natrium- 
chlorat  (2,8  >  Natrium sulfat,  2  >  Schwefelsäure,  95,0  >  Wasser  und 
0,2  ®/o  Natriumchlorat)  zur  Formation  von  Bleiplatten  patentierte. 
(Amerikanische  Patente  Nr.  434093,  434301,  beide  von  1890.) 


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Die  Hauptbegriffe  der  Gleich-  und  Wechselstromtechnik 
unter  Benutzung  mechanischer  Hilfsvorstellungen. 


Von 

Dr.  G.  Heinke> 

München. 
Mit  22  Abbildungen. 


Einleitung. 

1.  Es  ist  eine  eigene  Sache  um  die  Zwei-  oder  richtiger  Viel- 
seitigkeit aller  Wissenschaft  und  um  die  Gegenseitigkeit  der  Be- 
strebungen, welche  einen  Wissenszweig  fördern.  Die  technischen 
Wissenschaften,  namentlich  die  Elektrotechnik,  geben  da  zu  manchen 
Betrachtungen  Anlass.  Zunächst  scheint  gegenwärtig  der  Hinweis 
nicht  überflüssig,  dass  die  scharfe  abstrakte  Unterscheidung  in  Theorie 
und  Praxis  in  Wirklichkeit  natürlich  nicht  statt  hat,  und  dass  im 
Grunde  genommen  reine  Theoretiker  ebensowenig  wie  reine  Praktiker 
denkbar  sind.  In  der  vielmehr  stets  vorhandenen  Mischung  wird 
allerdings  in  der  fi^gel  entweder  mehr  die  praktische  Seite  oder  mehr 
die  theoretische  das  Uebergewicht  haben  und  insofern  die  kurzweg 
gebrauchte  Unterscheidung  in  Praktiker  und  Theoretiker  rechtfertigen. 
Hiebei  ist  aber  das  eine  zu  berücksichtigen,  dass  die  «praktische'' 
Veranlagung  mit  dieser  geistigen  Trennung  nur  sehr  lose  zusammen- 
hängt; vielmehr  ist  diese  Veranlagung  eine  rein  menschliche  und 
individuelle  und  deshalb  über  dem  eigentlichen  Beruf  und  der  all- 
täglichen Beschäftigung  stehende  Eigenschaft,  so  dass  sowohl  sie  als 
ihr  Gegenteil  sich  ebensogut  bei  den  sogenannten  Praktikern  als  den 
sogenannten  Theoretikern  findet. 

Mag  in  der  Technik  der  Praktiker  daher  noch  so  sehr  von  dem 
BewujBstsein  getragen  werden,  dass  er  der  Pionier  sei,  welcher  das 
wirklich  brauchbare  Material  für  den  Weiterbau  liefert  und  die  Haupt- 
arbeit verrichtet,  mag  er  zuweilen  über  die  unpraktische  Einseitigkeit 

Sammlnng  elektrotechnischer  Vorträge.    I.  14 


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192  C.  Heinke. 

manches  Theoretikers  lächeln,  so  wird  er  es  doch  andererseits  streng 
vermeiden  müssen,  jede  Verbindung  mit  der  „nachhinkenden*  Theorie 
aufzugeben,  will  er  andererseits  selbst  nicht  zu  seinem  Nachteil  in 
das  andere  Extrem  derselben  Einseitigkeit  verfallen.  Der  Theoretiker 
hinwiederum  sollte  selbst  bei  noch  so  entlegenen  Spezialuntersuchungen 
nicht  vergessen,  dass  er  den  Eontakt  mit  dem  grossen  Ganzen  der 
Wissenschaft,  namentlich  aber  mit  der  ihm  die  unerlässliche  Ghnind- 
lage  seiner  Gedankenarbeit  bietenden  Praxis  nicht  verlieren  darf,  will 
er  anders  nicht  in  der  Luft  hängen  oder  xmfruchtbare  Arbeit  ver- 
richten. Das  letztere  erscheint  nun  so  einleuchtend,  dass  es  kaum 
weiterer  Ausführungen  bedarf.  Anderer  Meinung  könnte  aber  vielleicht 
mancher  Praktiker  bei  der  vorausgegangenen  Behauptung  sein.  Warum, 
so  könnte  er  fragen,  soll  unter  den  gegebenen  umständen  der  Praktiker 
nicht  versuchen  sich  möglichst  auf  eigene  Füsse  zu  stellen  und  die 
Verbindung  mit  der  sich  so  häufig  als  unfruchtbar  erweisenden  Theorie 
zu  lösen?  Einfach  deshalb,  weil  er  hiebei  ein  Bedürfnis  unterdrückt 
oder  verkümmern  lässt,  welches  der  menschlichen  Natur  innewohnt, 
solange  das  Bestreben  nach  Ganzheit  und  harmonischer  Ausbildung 
noch  nicht  verloren  gegangen  ist.  Zunächst  ist  ohne  weiteres  klar, 
dass  seine  praktische  Bethätigung  sich  nur  auf  ein  bestimmtes  ünter- 
gebiet  erstrecken  kann,  so  dass  notgedrungen  seine  Bethätigimg  auf 
den  angrenzenden  Gebieten  einen  mehr  theoretischen  Charakter  haben 
muss,  mag  seine  gewöhnliche  Beschäftigung  sich  noch  so  sehr  der 
rein  praktischen  Seite  nähern.  Das  Gefühl  des  Ergänzungsbedürfiiisses 
oder  auch  der  Trieb  zu  einer  gewissen  geistigen  Sammlung,  einer 
weiteren  Umschau  nach  der  ermüdenden  Werktagsarbeit,  welche  den 
Blick  immer  nur  auf  das  Allemächstliegende  gerichtet  hält,  wird  immer 
wieder  ein  Verlangen  des  Praktikers  nach  den  ausgereiften  Früchten 
der  theoretischen  Gedankenarbeit  wachrufen.  Im  Ghnmde  genommen 
ist  dies  nichts  anderes  als  eine  Aeusserung  des  ewigen  und  unaus- 
rottbaren religiösen  Bedürfnisses  einer  sonntäglichen  Erbauung  nach 
schwerer,  gleichförmiger  Wochenarbeit.  Wenn  auch  vielleicht  durch 
den  Aerger  über  die  Missleitungen  falschen  Priestertums  oder  die 
Rückständigkeit  offizieller  Satzungen  zeitweilig  verscheucht,  wird  sich 
dieses  der  Menschennatur  innewohnende  Bedürfnis  doch  inuner  wieder 
bei  jedem  selbständig  Denkenden  durchringen  und  sein  Recht  geltend 
machen.  Das  umschauen,  obwohl  selbst  wieder  geistige  Arbeit  erfor- 
dernd, entlastet  doch  die  regelmässig  beanspruchte  Gehimpartie  und 
erzeugt  neuen  Lebensmut  und  frischen  Schaffensdrang  durch  die 
Ablenkung  von  dem  gewohnten  Feld  und  die  Stärkung  des  OeftLhls 


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Die  Hauptbegriffe  der  Gleich-  und  WechselBtromtechnik.  198 

der  Zugehörigkeit  zum  grossen  Ganzen.  Denn  mag  auch  Torübergehend 
das  Gefühl  der  Isoliertheit  beim  geistigen  Schaffen  einen  eigenen  Reiz 
besitzen ,  so  wird  auf  die  Dauer  die  wahre  Stärke,  wie  in  jeder  Staats- 
angehörigkeit oder  Gemeinschaft,  doch  nur  auf  dem  Gefühle  der  Zu- 
sammengehörigkeit und  der  Solidarität  beruhen. 

2.  Ein  solcher  Geist  und  Gemüt  erfrischender  Umblick  hebt 
über  das  AUtägUche  hinaus,  erweckt  Gefühle  ähnlich  denen  des  Turm- 
besteigers,  welcher  das  Strassengewirr  und  all  die  Orte  seiner  täg- 
lichen Geschäftigkeit  in  ihrer  gegenseitigen  Verbindung  Ton  oben 
mit  ungleich  offeneren  Augen  schaut  als  gewöhnlich;  oder  denen  des 
Bergsteigers,  der  einen  Gipfel  erreicht  hat  und  damit  einen  Ein- 
blick in  die  Gliederung  der  Landschaft,  welcher  Aufschlüsse  über 
manche  bei  der  Thalwanderung  aufgestossene,  ihm  aber  im  unklaren 
gebliebene  Fragen  gibt.  Mag  daher  der  Praktiker  alltags  auf  einem 
noch  so  vorgeschobenen  Posten  des  Spezialgebietes  schaffen  und  sich 
als  Faserwurzel  kaum  noch  des  Stammes  als  gemeinsamer  Sammel- 
stelle erinnern,  so  wird  er  doch  bewusst  oder  unbewusst  an  seinem 
geistigen  Sonntag  das  Bedürfnis  einer  gedanklichen  Verbindung  mit 
seinen  Genossen  empfinden  und  dazu  den  Weg  rückwärts  durch  den 
theoretischen  Gedankenbau  benöthigen.  Die  meisten  werden  hiebei 
einen  Führer,  welcher  sie  vor  Verirrung  schützt  und  die  Zeit  und 
Mühe  sparenden  Wege  weist,  gern  willkommen  heissen,  ja  häufig  nur 
in  einem  solchen  Falle  zu  der  erfrischenden  Gedankenreise  sich  ent- 
schliessen  können.  Daher  sollten  aber  auch  alle  diejenigen,  deren 
Aufgabe  die  Ausgestaltung  jenes  Gedankenbaues  in  erster  Linie  ist, 
nicht  vergessen,  welch  dankbare  Aufgabe  ihnen  neben  ihrer  selbst 
wieder  Faserwurzelarbeit  darstellenden  Spezialforschung  noch  verbleibt, 
wenn  sie  jene  Führerrolle  übernehmen  und  womöglich  neue,  bequemere 
Wege  auszufinden  und  der  Allgemeinheit  gangbar  zu  machen  suchen. 
Diese  Sozialreform  der  Geisterwelt  ^)  bietet  noch  ein  grosses  Arbeits- 


')  Es  darf  doch  nicht  unerwähnt  bleiben,  dass  in  dieser  Richtung  die 
Meinungen  der  Wissenschaftler  ausserordentlich  voneinander  abweichen.  Einige 
stehen  auf  dem  Standpunkt,  dass  jede  Popularisierung,  ja  sogar  jede  Erleichterung 
der  Gedankenarbeit  verwerflich  ist,  weil  durch  eine  solche  , Profanierung"  der 
Wissenschaft  eine  grosse  (Gefahr  drohe  von  seiten  der  Uneingeweihten.  Nach  ihrer 
Meinung  würden  die  Laien  durch  solche  Erleichterungen  übermütig  gemacht,  ver" 
lören  den  Respekt  und  wollten  alsdann  überall  mit  drein  reden. 

Der  Verfasser  kann  diesen  Standpunkt  nicht  teilen.  Von  der  Absicht,  durch 
derartige  geistige  Unterstützung  die  strenge  Gedankenarbeit  Überflüssig  zu  machen, 
ist  er  schon  deshalb  weit  entfernt,  weil  nach  seiner  üeberzeugung  sich  in  letzter 
Linie  jedes  geistige  Individuum  nur  selbst  helfen  kann   und  ein   allerdings   er- 


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194  0.  Heinke. 

feld,  das  an  yielen  Stellen  dringender  der  Bearbeitung  harrt,  als 
manches  schon  weiter  als  zunächst  nötig  Torgeschobene  Spezialgebiet. 
Alsdann  dürfte  auch  der  Wert  der  wahren  Philosophie,  deren  Name, 
nicht  ohne  ihre  Schuld,  lange  Zeit  in  argen  Misskredit  geraten  war 
und  teilweise  noch  ist,  wieder  zu  Ehren  gelangen  und,  zurückgekehrt 
von  den  mannigfachen  Irn^^egen,  auf  welche  sie  sich  durch  das  Ver- 

strebenswertes  Minimum  an  selbstgeleisteter  Gedankenarbeit  vor  jedes  Ziel  gesetzt 
ist.  Vielmehr  soll  gerade  eine  Anregung  zum  Selbstdenken,  wo  nur  irgend  mög- 
lich, gegeben  werden,  damit  recht  viele  hiezu  veranlasst  werden.  Eine  ernstliche 
Gefahr  für  die  Wissenschaft  kann  er  aber  hierin  nicht  erblicken,  indem  dieselbe 
sich  gerade  nach  dieser  Richtung  am  besten  selbst  schützt.  Ausserdem  setzt  ja 
auch  jede  derartige  Erleichterung  fiir  das  vollere  Verständnis  schon  ein  gewisses 
unumgängliches  Mass  an  wissenschaftlicher  Schulung  voraus,  so  verlangt  z.  B.  das 
Folgende  die  eine  beträchtliche  Gedankenarbeit  erfordernden  Grundlagen  der 
Mechanik.  Aber  die  Vorteile  fQr  die  Allgemeinheit  scheinen  entschieden  zu  über- 
wiegen, wenn  möglichst  viele  zum  Streben  nach  dem  für  sie  erreichbaren  Ziel 
durch  Erleichterung  der  begriiflichen  Zugänge  aufgemuntert  werden  und  das 
mittlere  wissenschaftliche  Niveau  dadurch  eine  Hebung  erfährt. 

Manche  werden  zu  ihrer  Gegnerschaft  gegen  die  Popularisierung,  bewusst 
oder  unbewusst,  durch  die  Furcht  veranlasst,  dass  sich  die  Wissenschaft  hiedurch 
zu  viel  vergebe,  d.  h.  dass  sie  zu  viel  ausgebe  und  die  Differenz  zwischen  dem 
Wissenschaftler  und  dem  völligen  oder  doch  relativen  Laien  zu  sehr  verringere. 
Dieses  etwas  konservative  Bedenken  scheint  dem  Verfasser  nun  völlig  unbegründet, 
denn  einmal  bleiben  bei  noch  so  grosser  geistiger  Erleichterung  immer  noch 
Schwierigkeiten  und  Spezialisierungen  genug,  welche  die  gefürchtete  Gleichmachung 
so  wie  so  verhindern,  und  ein  zweites  Mal  ist  ja  die  Wissenschaft  selbst  in  dauern- 
der Entwickelung  begriffen  oder  soll  es  wenigstens  sein.  Ist  nun  auch  gewiss 
nicht  zu  leugnen,  dass  eine  unzeitgeraässe  Popularisierung  sehr  wenig  wünschens- 
werte Erscheinungen  des  Halb-  und  Viertelswissens  hervorrufen  kann,  so  ist  doch 
andererseits  der  Nachteil  nicht  zu  unterschätzen,  den  selbst  näher  verwandte 
Wissenschaftszweige,  wie  z.  B.  die  technischen,  durch  zu  einseitiges  Spezialisieren 
erfahren  können.  Damit  die  hiedurch  entstehende  Kluft  zwischen  ihnen  nicht 
immer  schwerer  überbrückbar  werde  und  die  harmonische  Entwickelung  zu  stark 
schädige,  ist  es  deshalb  erforderlich,  dass  jenem  geistigen  Differenzieren  auch  das 
notwendige  Mass  des  Integrierens  oder  der  Zusammenfassung  entspreche.  Eine 
geistige  Brücke,  welche  den  Verkehr,  d.  i.  hier  das  wechselseitige  Verständnis, 
zwischen  ihnen  erleichtert,  wird  daher  von  jedem  als  vorteilhaft  angesehen  werden 
müssen,  der  sich  nicht  auf  einen  extrem- konservativen,  verkehrsfeindlichen  Stand- 
punkt stellt.  Aus  demselben  Grunde  ist  auch  derjenige  nicht  als  unwissenschaft- 
lich hinzustellen,  welcher  versucht,  einen  neuen  Steig  zu  finden  oder  für  allge- 
meinere Benutzung  herzurichten,  um  die  aufwärts  Strebenden  nach  seiner  Meinung 
rascher  oder  auch  bequemer  zum  Ziele  zu  führen,  wenn  sich  nur  die  W^e  später 
wieder  vereinigen  oder  wenigstens  zum  gleichen  Ziele  gelangen.  In  dieser  Hin- 
sicht sollten  einem  wissenschaftlichen  Gebiet  keine  zu  engen,  an  priesterlichen 
Kastengeist  erinnernden  Grenzen  gezogen  werden,  sondern  alle  ernsthaft  Streben- 
den willkommen  sein. 


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Die  Hauptbegriffe  der  Gleich-  und  Wechselstromtechnik.  195 

folgen  ihrer  eigenen  isolierten  Pfade  hatte  verlocken  lassen,  ihr  Nutzen 
als  verbindendes  Glied  zwischen  den  Wissenschaften  und  gleichsam 
als  deren  Extrakt  wieder  offenbar  werden.  Das  stolze  Gebäude  der 
Wissenschaft,  welches  durch  allzu  grosse  Zersplitterung  und  die 
rücksichtslosen  Sonderinteressen  zu  intensiver  Spezialforschung  hin- 
sichtlich der  Achtung  und  des  Ansehns  bei  der  Allgemeinheit  stellen- 
weise ins  Wanken  geraten  ist,  würde  alsdann  auch  wieder  neu  ge- 
festigt werden.  Denn  bezeichnet  man  jenes  Bedürfnis  der  geistigen 
Sammlung  und  Umschau  als  philosophisches  und  die  Philosophie  gleich- 
sam als  Wissenschaftsreligion,  welche  die  jederzeit  notwendige  Er- 
gänzung zu  unserem  allzeit  Stückwerk  bleibenden  Wissen  darstellt, 
so  muss  streng  darüber  gewacht  werden,  dass  jene  Ergänzung  nicht 
in  Systemen  versteinere,  sondern  sich  Hand  in  Hand  mit,  aber  nicht 
getrennt  von  der  Erfahrung  weiterentwickele,  und  falls  nötig  recht- 
zeitig vor  ihren  Fortschritten  zurüchweiche.  Andernfalls  müsste  statt 
der  naturgemässen  Ergänzung,  wie  früher  so  hier  von  neuem,  eine 
ungesunde  dauernde  Trennung  zwischen"  Glauben  und  Wissen  ein- 
treten, die  schhesslich  unausbleiblich  zu  einem  den  Fortschritt  hemmen- 
den Kampf  zwischen  beiden  führt. 

3.  Eine  solche  naturgemässe  Ergänzung  von  Wissen  und  Glauben 
erfordert  aber  jedes  Wissensgebiet,  welches  sich  auf  Erfahrungsthat- 
sachen  gründet.  Das  Wissen  oder  Kennen  der  Erfahrungsthatsachen 
allein  gibt  noch  nicht  die  Wissenschaft,  dazu  gehört,  dass  die  einzelnen 
Thatsachen  eine  Ordnung  und  eine  geistige  Verbindung  erfahren,  welche 
unabänderlich  mit  gewissen  Vorstellungen  verknüpft  ist,  die,  bewusst 
oder  unbewusst,  sich  als  Modelle,  Analogieen,  Hypothesen,  Theorieen 
formulieren  und  die  ergänzende  Glaubensseite  darstellen.  Diese  die 
Bausteine  und  Gebäudestücke  bildenden  Elemente  müssen  nun  zu 
jenem  Gedankenbau  zusan^mengesetzt  werden.  Dies  ist  aber  nicht 
ohne  weiteres  möglich,  da  kein  fertiger  Bauplan  vorhanden  ist^  viel- 
mehr soll  dieser  erst  umgekehrt  durch  das  Zusammenpassen  der 
einzelnen  Stücke  und  unterteile  herausgefunden  werden.  Da  geht  es 
natürlich  nicht  ohne  Probieren,  oder  auch  häufig  provisorische  Bauten 
ab,  die  man  vernünftigerweise  als  Unterschlupf  nicht  verschmähen, 
vielmehr  dem  Nichts  oder  Chaos  vorziehen  wird,  solange  die  Auf- 
fQhnmg  des  endgiltigen  Baues  nicht  ermöglicht  ist.  Namentlich 
Praktiker,  sowie  auch  Lernende,  welche  gezwungen  sind  sich  gerade 
an  einer  bestimmten  Stelle  des  Baues  oder  Bauplatzes  anzusiedeln, 
werden  gern  eine  ihren  gegenwärtigen  Bedürfnissen  entsprechende, 
provisorische  Behausung  für  ihre  Arbeitsstätte  der  blossen  Hoffnung 


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196  0.  Heinke. 

auf  ein  später  einmal  zu  errichtendes  definitives  Gebäude  vorziehen, 
selbst  auf  die  Gefahr  hin  sich  später  einem  Umbau  aussetzen  zu 
müssen.  Wichtig  ist  hiebei  natürlich,  dass  derjenige,  welcher  ihnen 
eine  derartige  Behausung  anbietet,  sich  den  wichtigsten  Anforderungen 
der  Bewohner  anbequemt  und  nicht  eine  für  ihre  zunächst  vorhandenen 
Bedürfnisse  völlig  unbrauchbare  Einrichtung  liefert.  Der  Trost,  dass 
die  eine  oder  andere  Mauer  für  den  definitiven  Bau  wahrscheinlich  nicht 
geändert  werden  brauche,  wird  jenen  zunächst  wenig  nützen.  Doch 
um  endlich  dieses  Bild  zu  verlassen:  wenn  der  Theoretiker  eine  für 
Praktiker  und  Lernende  zum  grössten  Teil  unverständliche  Sprache 
redet,  so  kann  er  sich  wenig  Erfolg  von  der  beabsichtigten  Unter- 
stützung versprechen,  vielmehr  ist  es  wahrscheinlich,  dass  sich  jene 
nach  einem  vergeblichen  Versuch  zum  Verstehen  unbefriedigt  abwenden 
werden.  Eine  Anpassung  an  die  gegebenen  Voraussetzungen  erscheint 
daher  bei  Errichtung  des  Gedankenbaues  als  Hauptbedingung.  Wird 
von  dem  Lern-  oder  Sammlungbedürftigen  verlangt^  dass  er  sogleich 
völlig  abstrakte  Darstellungen  verarbeiten  und  dadurch  wirkliche  För- 
derung erfahren  soll,  so  muss  dieser  Versuch  scheitern.  Gleichungen, 
die  dem  im  abstrakten  Denken  geschulten  und  dauernd  geübten  Theo- 
retiker den  Ueberblick  über  eine  grosse  Reihe  Erfahrungsthatsachen 
enthüllen  und  ihm  ein  mehr  oder  weniger  grosses  Stück  jenes  end- 
giltigen  Bauplanes  zeigen,  werden  dem  wenig  geübten  Anfänger,  oder 
dem  stets  zu  verkörperlichen  gewohnten  Praktiker  vielleicht  nicht  das 
geringste  oder  nur  sehr  wenig  sagen  oder  geben  können;  sie  werden 
vielmehr  in  vielen  Fällen  mit  Rücksicht  auf  ihren  Hunger  „Steinen 
anstatt  Brot*'  gleichen.  Erst  wenn  die  Hauptbegriffe  und  die  damit 
notwendig  verknüpften  Vorstellungen  eine  genügende  Ausbildung  er- 
fahren haben  und  den  sich  Entwickelnden  im  wahren  Sinne  des  Wortes 
etwas  geistig  Greifbares  gewähren,  wird  eine  mehr  mathematische 
Behandlung  für  sie  von  Vorteil  sein  und  ihnen  die  Fassung  des  Ge- 
bietes erleichtem.  Eine  gedeihliche  wissenschafthche  Aus-  bezw. 
Weiterbildung  wird  sonach  auf  diesem  wie  auf  allen  anderen  Gebieten 
der  angewandten  Physik  die  richtige  Reihenfolge  vom  begrifflich  Vor- 
stellbaren zum  Mathematischen  nicht  vernachlässigen  dürfen,  oder  mit 
einem  so  schlechten  Wirkungsgrad  arbeiten,  dass  der  Prozentsatz  an 
nutzlos  verlorener  Zeit  und  Mühe  das  Verfahren  als  unökonomisch 
kennzeichnen  muss  ^). 


^)  Die  neuerdings  vielfach  in  technischen  Kreisen  zu  Tage  getretene  Reaktion 
gegen  die  bisherige  Hochschulausbildung,  welche  ihre  Spitze  namentlich  gegen 


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Die  Hauptbegriffe  der  Gleich-  und  Wechaelstromtechnik.  197 


4.  Es  ist  nun  eine  auch  von  dem  « modernsten"  Theoretiker  wohl 
kaum  bestrittene  Thatsache,  dass  vorläufig  aUe  unsere  Vorstellungen 
des  mechanischen  Untergrundes  als  Ausgangspunktes  nicht  entbehren 
können.  Es  erscheint  daher  auch  naturgemäss  bei  allen  denjenigen 
Wissensgebieten,  wie  z.  B.  bei  der  Elektrizitätslehre,  welche  sich  noch 
im  Anfang  ihrer  theoretischen  Entwickelung  befinden,  oder  bei  denen 
mit  anderen  Worten  die  einzelnen  Erfahrungsthatsachen  noch  am 
wenigsten  zu  einem  verhältnismässig  endgiltigen  Bau  vereinigt  sind, 
an  den  bewusst  oder  unbewusst  notwendigen  mechanischen  Untergrund 
anzuknüpfen  und  mit  Hilfe  solcher  Vorstellungen  einen  zum  üeber- 
blick  geeigneten  Standpunkt  oder  auch  einen  Ordnungsplan  zu  ge- 
winnen.    Es   ist   ferner   nach    den    vorausgegangenen  Betrachtungen 


das  Zuviel  an  theoretisch-mathematischer  Belastung  der  Studierenden  wendet, 
dürfte  teilweise  in  der  praktischen  Unbrauchbarkeit  noch  nicht  genügend  abge- 
schlossener Theorieen,  zum  grössten  Teil  aber,  nach  Ansicht  des  Verfassers,  in 
jener  vielfach  unrichtigen  Reihenfolge  bei  der  Ausbildung  seinen  Grund  finden. 
Hiebei  ist  noch  darauf  Rücksicht  zu  nehmen,  dass  ein  richtiges  und  gedeihliches 
Vorgehen,  das  als  Hauptziel  die  innere  Förderung  des  sich  Entwickelnden  hat, 
die  Fundamente  und  Elemente  eines  Gebietes  nicht  nur  flüchtig  vorausschicken 
darf,  sondern  darauf  bedacht  sein  muss,  dieselben  der  Mehrzahl  auf  irgend 
einem  Wege  so  einzuüben,  dass  sie  mit  ihnen  operieren  können,  ehe  kompliziertere 
mathematische  Betrachtungen  folgen.  Für  Studierende  ist  Arbeiten  im  Praktikum 
nach  den  Erfahrungen  des  Verfassers  hiezu  das  weitaus  beste  Mittel.  Dass  man 
natürlich  trotz  der  unzweifelhaften  Berechtigung  jener  Reaktion,  soweit  sie  durch 
die  obigen  Umstände  veranlasst  wird,  nicht  ins  andere  Extrem  fallen  und  das 
Kind  mit  dem  Bade  ausschütten  darf,  liegt  auf  der  Hand.  Wollte  man  als  den 
Schwerpunkt  der  Hochschulausbildung  die  Mitteilung  und  Einübung  einer  Samm- 
lung von  empirischen  oder  vermeintlich  empirischen  Formeln  und  Faustregeln  an- 
sehen, so  würde  man  andererseits  die  Hochschulbildung  freiwillig  nach  der  Seite 
des  Hand  werksmassigen  herabdrücken  zum  schweren  Schaden  der  Allgemeinheit 
und  der  technischen  Hochschulen  selbst.  Soweit  jene  Reaktion  berechtigt  er^ 
scheint,  Hesse  sie  sich  sonach  etwa  in  folgende  Forderung  zusammenfassen:  Man 
soll  den  auf  einem  Grebiet  der  angewandten  Physik  für  abstrakte  mathematische 
Behandlung  noch  nicht  Reifen  oder  weniger  Veranlagten,  der  aber  sonst  sehr 
tüchtig  sein  kann,  nicht  sogleich  nur  auf  diesem  mehr  für  theoretische  Physik 
geeigneten  Wege  zum  Ziele  führen  wollen,  ebensowenig,  wie  man  die  begriffliche 
Klärung  nur  sich  selbst  und  der  Zeit  Überlassen  darf;  vielmehr  ist  zunächst  die 
letztere  Ausbildung  und  damit  das  praktisch  so  wichtige  Gefühl  für  alles  qualitativ 
Wesentliche  nach  Kräften  zu  unterstützen.  Denn  jemandem,  der  begrifflich  noch 
nicht  ordentlich  gehen  oder  steigen  kann,  nützen  offenbar  Schnürstiefel  mit  allem 
sonstigen  Zubehör  sehr  wenig,  wenn  sie  auch  für  den  geübten  EQetterer  ein  un- 
schätzbares und  unentbehrliches  Rüstzeug  abgeben  können.  So  selbstverständlich 
dies  ist,  scheint  es  doch  in  geistiger  Beziehung  nicbt  immer  genügend  berück- 
sichtigt zu  werden. 


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198  C.  Heinke. 

einleuchtend,  dass,  wenn  möglich,  der  Versuch  gemacht  werden  muss, 
die  erkannten  Hauptgesetze  dieses  Gebietes  mit  denen  anderer  Wissens- 
zweige in  Verbindung  zu  bringen  und,  um  im  obigen  Bilde  des  Wissen- 
schaftsbaumes zu  reden,  so  weiterhin  einen  möglichst  unmittelbaren 
Verbindungsweg  zwischen  den  Wurzelausläufern  und  dem  Hauptstamm 
aufzufinden.  Letzteres  wird  naturgemäss  nicht  ermöglicht  durch  weitere 
Verfolgung  der  Spezialforschung,  sondern  nur  durch  vertiefende  Aus- 
gestaltung der  Elemente,  gewonnen  durch  Betrachtung  derselben  unter 
verschiedenen  Gesichtspunkten ;  je  tiefer  man  in  die  Elemente  eindringt, 
um  so  mehr  wird  man  sich  den  Hauptwurzeln  anderer  Wissensgebiete 
und  gleichzeitig  dem  alle  zusammenfassenden  Stamme  nähern.  Zwar 
könnte  es  scheinen,  dass  die  Elemente,  einmal  begriffen,  keiner  weiteren 
geistigen  Entwickelung  bedürfen.  Es  wird  jedoch  jeder  in  seinem 
Leben  die  Erfahrung  gemacht  haben,  dass  er  Sachen,  die  er  seiner 
Zeit  ganz  gut  verstanden  zu  haben  glaubt,  bei  späterer  Betrachtung 
doch  mit  ganz  anderen  Augen  anschauen  und  neu  verstehen  lernt. 
Es  gibt  also  eine  nahezu  unendliche  Vielfältigkeit  des  Verstehens, 
d.  h.  eine  Weiterentwickelung  der  Auffassung.  In  besonders  hohem 
Grade  trifft  dies  bei  den  Grundlagen  einer  Sache  zu,  namentlich  mit 
Rücksicht  auf  den  Zusammenhang  mit  allem  Uebrigen.  Es  erscheint 
daher  für  Lernende  als  auch  für  Wissende  die  in  verständiger  Weise 
immer  wieder  den  Grundlagen  zugewendete  Zeit  durchaus  nicht  als 
Vergeudung;  vielmehr  wird  die  Betrachtung  derselben  unter  möglichst 
vielen  Gesichtspunkten  sich  gewöhnlich  dankbarer  erweisen,  als  zu 
einseitige  Beschäftigung  mit  Detailwissenschaft. 

Will  man  jemandem  zur  Erlangung  einer  zusammenfassenden 
Erkenntnis  behilflich  sein,  auf  einem  Gebiet,  das,  wie  die  elektro- 
magnetischen Erscheinungen,  noch  keine  endgiltige  und  namentlich 
für  weitere  Kreise  brauchbare  Ausgestaltung  jenes  Gedankenbaues  zu- 
lässt,  so  kommt  es  fürs  erste  weniger  darauf  an,  dass  die  Hilfsvor- 
stellungen völlig  bis  ins  kleinste  ausgearbeitet  sind  und  in  allen 
Punkten  eine  leichte  mechanische  Nachbildung  gestatten;  vielmehr 
wird  die  Hauptsache  auf  den  wesentlichen  Punkten  beruhen,  wozu 
in  erster  Linie  das  Entsprechen  der  gegenseitigen  Beziehungen  bei 
allen  Grunderscheinungen  gerechnet  werden  muss.  Gerade  darin  soll 
ja  der  gedankenökonomische  Hauptwert  der  EUlfsvorstellungen  liegen, 
dass  man  alle  diese  Beziehungen  in  ihren  möglichen  Kombinationen 
an  jenen  augenfälligeren  mechanischen  Hilfsvorstellungen  verfolgen 
und  durch  jene  gedankliche  Brücke  auf  die  unsichtbaren  Erscheinungen 
übertragen  und  so  deren  inneren  Zusammenhang  besser  fassen  kann. 


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Die  Hauptbegriffe  der  Gleich-  und  Wechselstromtechnik.  199 

Wesentlich  erscheint  es  deshalb  auch,  dass  möglichst  alle  Elementar- 
begriffe, welche  in  dem  Gebiet  in  Kombinationen  auftreten,  bei  jenen 
HilfsYorstellungen  ihre  entsprechende  mechanische  Wiedergabe  finden 
können  und  ein  hiezu  benutztes  Modell  einen  denkbar  hohen  Grad 
von  Einfachheit  behält.  Als  Elementarbegriffe  oder  -erscheinungen 
gelten  hiebei  alle,  welche  überhaupt  bei  einer  auch  noch  so  kompli- 
zierten Erscheinung  des  Gebietes  als  zusammensetzende  Faktoren  be- 
teiligt sein  können.  Wer  mithin  die  so  yerstandenen  Elementarbegriffe 
völlig  beherrscht,  wird  es  weiterhin  mit  qualitativ  neuen  Erscheinungen 
eigentlich  nicht  mehr  zu  thun  bekommen,  sondern  nur  auf  yerschiedene 
Kombinationen  dieser  Elemente  stossen. 

5.  Stärker  noch  alsFaraday  empfand  Maxwell  das  Bedürfnis, 
sich  den  Zusammenhang  der  elektromagnetischen  Erscheinungen  durch 
mechanische  Hilfsvorstellungen  zu  erläutern.  Angesichts  der  Aus- 
gestaltung, welche  schliesslich  die  abstrakte  und  scheinbar  nur  auf 
einige  wie  vom  Himmel  gefallene  Gleichungen  aufgebaute  Mazwellsche 
Theorie  erhalten  hat,  erscheint  es  vielleicht  sonderbar,  dass  selten  ein 
theoretischer  Physiker  so  rein  und  auch  später  noch  so  konsequent 
im  Sinne  der  mechanischen  Hüfsvörstellungen  gedacht  hat  wie  Max- 
well; es  ist  dies  jedoch  sowohl  aus  den  von  ihm  gewählten  Be- 
zeichnungen, sowie  auch  aus  seinen  weniger  bekannten  Schriften 
nachgewiesen  worden.  Diese  von  Maxwell  zuerst  behufs  leichterer  Zu- 
sammenfassung der  verschiedenen  elektromagnetischen  Erscheinungen 
ausgedachten  mechanischen  Grund  Vorstellungen  lassen  nun  eine  Aus- 
gestaltung zu,  welche  namentlich  auch  das  Verständnis  der  schwierigen 
Erscheinungen,  wie  sie  die  neuere  Wechselstromtechnik  darbietet,  zu 
erleichtem  geeignet  ist.  Es  soll  daher  im  folgenden  gezeigt  werden, 
wie  die  Begriffsbildung  sowohl  auf  elektrischem  als  auch  magnetischem 
Gebiet  durch  den  Ausbau  jener  GrundvorsteUungen  unterstützt  werden 
kann.  Im  Anschluss  an  diese  Elementarvorstellungen  soll  alsdann 
ihre  Anwendung  auf  Kombinationserscheinungen  behandelt  werden, 
bei  denen  sich  ihr  Nutzen  in  noch  höherem  Grade  erweisen  dürfte. 
Den  Schluss  sollen  endlich  einige  weitere  daraus  ableitbare  Betrach- 
tungen allgemeineren  Inhalts  bilden,  welche  in  dem  oben  besprochenen 
Sinne  die  Verbindung  mit  anderen  physikalischen  Wissenszweigen  an- 
bahnen sollen  ^).     Es  sei  jedoch  sogleich  von  vornherein  betont,   dass 


^)  Die  folgenden  AusfÜhrangen  sind  dem  teilweisen  Inhalt  nach  bereits 
in  verschiedenen  Artikeln  des  Verfassers  erschienen.  Vergl.  n.  a.  , Stahl  und  Eisen" 
1892,  Nr.  16—24 :  Elektrotechnische  Briefe,  sowie  1897,  Nr.  8 :  Hilfsvorstellungen 


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200  G'  Heinke. 

jene  Vorstellungen  keine  eigentliche  Theorie  geben  wollen,  sondern 
nur  eine  gedankliche  Unterstützung  nach  Art  eines  Modelles  bezw. 
einer  Analogie  gewähren  sollen,  was  jedoch  ihrem  begriffsklärenden 
Wert  keinen  Eintrag  thut^). 

Der  Hauptvorteil  der  Maxwell  sehen  Vorstellungen  gegenüber' 
der  älteren  Fluidumstheorie  beruht  zwar  gerade  darin,  dass  sie  den 
untrennbaren  Zusammenhang  zwischen  den  elektrischen  und  magne- 
tischen Erscheinungen  berücksichtigen  und  das  Gebiet  des  Elektro- 
magnetismus umfassen,  ohne  es  sinnwidrig  zu  zerteilen,  oder  durch 
Einführung  der  Femwirkimg  für  eine  anschauliche  Auffassung  un- 
zugänglich zu  machen;  dennoch  ist  fttr  die  folgenden  Betrachtungen 
im  Interesse  einer  besseren  Uebersichthchkeit  ein  Nacheinander  und 
damit  eine  vorübergehende  gedankliche  Trennung  der  speziellen 
magnetischen  Erscheinungen  und  Begriffe  empfehlenswert,  insoweit 
sie  sich  auf  die  sogenannten  magnetischen  Metalle  beschränken.  In 
diesem  Sinne  möge  die  folgende  Trennung  der  Betrachtung  in  die 
elektrische  und  magnetische  Seite  der  Hilfsvorstellungen  aufgefasst  sein. 

L  Die  auf  die  elektrischen  Erscheinungen  bezüglichen 
HilfsYorstellnngen. 

6.  Als  Ausgangspunkt  sei  zunächst  noch  einmal  die  Maxwell- 
sche  Grundvorstellung  von  dem  Aufbau  jeglicher  Materie  kurz  wieder- 

bei  magnetischen  Erscheinungen;  femer  «Elektrotech.  Zeitschrift'  1897,  Heft  5, 
auch  1895,  Hefb  32:  üeber  das  Ereislaufgeaete.  Einem  mehrfach  geäusserten  Wunsch 
einer  Zusammenstellung  glaubt  der  Verfasser  am  geeignetsten  in  dem  vorliegen- 
den Vortrag  entgegenzukommen,  welcher  nicht  nur  eine  Zusammenfassung,  sondern 
gleichzeitig  auch  wesentliche  Ergänzungen  der  Einzelaufsätze  enthält. 

^}  Der  praktische  Nutzen  solcher  Hilfsvorstellungen  wird  dadurch  nicht 
gemindert,  dass  die  Wirklichkeit  der  Vorgänge  anders  sein  kann  und  wird,  indem 
das  innerste  Wesen  derselben  uns  als  «Ding  an  sich'  nach  aller  Voraussicht  hier 
ebenso  wie  anderswo  verschlossen  bleibt  Es  wird  jedoch  kaum  jemandem  ein- 
fallen, den  praktischen  Nutzen  einer  ähnlichen  Hilfsvorstellung,  wie  sie  die 
Vorstellung  der  Atome  und  Moleküle  bietet,  für  viele  Gebiete  der  Naturwissen- 
schaften bezweifeln  zu  wollen.  Selbst  wenn  solche  Hilfsvorstellungen  nicht  ohne 
weiteres  die  quantitativen  Gleichungsansätze  liefern,  um  eine  vollständige  Theorie 
auszubauen,  so  kann  ihr  Vorteil  nach  der  qualitativen,  begrifFsklärenden  Seite 
doch  immer  noch  gross  genug  sein.  Im  übrigen  bleibt  eine  spätere  Weiter- 
entwickelung nach  der  quantitativen  Seite  ja  nicht  ausgeschlossen,  woffir  als 
Beweis  die  unbestreitbare  Thatsache  gelten  kann,  dass  Mazwells  Ausgangs- 
gleichungen  direkt  aus  seinen  Grund voi-stellungen  hervorgegangen  sind  und  gleich- 
sam die  Frucht  seiner  mathematisch  behandelten  mechanischen  Hilfsvorstellungen 
darstellen. 


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Die  Hauptbegriffe  der  Gleich-  und  Wechselstromtechnik.  201 

holt.  Das  Wesentliche  an  dieser  Aufbauvorstellung  ist  einmal  die 
Zusammensetzung  jeglicher  Materie  aus  zwei  Elementen,  den  materiellen, 
als  Wirbel  vorzustellenden  Molekülen  und  den  ausserordentlich  viel 
kleiner  vorzustellenden  und  diese  Wirbelmoleküle  wie  ein  dichtes 
Raumgitter  umgebenden  ätherischen  (elektrischen)  Partikelchen,  ein 
zweites  Mal  das  gegenseitige  Verhalten  beider  hinsichtlich  Beweglich- 
keit. Um  zunächst  jener  Vorstellung  anschaulich  durch  eine  absicht- 
lich ganz  einfache  schematische  Modellanordnung  etwas  mehr  zu  Hilfe 
zu  kommen,  stelle  Fig.  1  den  Durchschnitt  durch  vier  benachbarte, 
bienenzellenartig  aufgebaut  zu  denkende,  materielle  Moleküle  vor,  jedoch 
ist  der  Querschnitt  der  besseren  Uebersichtlichkeit  zuliebe  quadratisch 
statt  sechseckig  gewählt.  Hiebei  stellt  a  die  einzelnen,  auf  allen 
Seiten  von  einer  Wandung  dichtgedrängter  Partikelchen  (b)  umgebenen 
Materiemoleküle  vor,  welche  etwa  als  Aetherwirbel 
mit  bestimmter  Wirbelachse  zu  denken  wären.  Die 
elektrischen  Partikelchen  b  nennt  Maxwell  Friktions- 
moleküle, weil  ihr  Verhältnis  gegenüber  den  Seiten 
der  materiellen  Wirbel  a  denjenigen  von  Reibungs- 
kügelchen  zwischen  zwei  parallelen  Begrenzungs- 
platten entsprechen  soll,  wie  noch  weiter  unten  näher 
zu  betrachten  ist.  Gleichzeitig  spricht  sich  in  diesem 
Wechselverhältnis  zwischen  Materiemolekül  a  und 
Friktionsmolekül  b  die  in  elektrischer  Beziehung  begrifflich  fundamen- 
tale Trennung  der  verschiedenen  Materialien  in  Elektrizitäts-Leiter  imd 
-Isolatoren  aus.  Zwar  kann  in  keinem  Falle  ein  auf  die  Friktions- 
moleküle b  ausgeübter  Druck,  ein  sogenannter  elektrischer  Druck,  die 
Zahl  dieser  als  inkompressibel  vorzustellenden  und  unmittelbar  aneinander 
liegenden  Eügelchen  innerhalb  eines  bestimmten  Raumes  durch  Kom- 
pression vergrössern;  ist  jedoch  eine  geschlossene  Strombahn  jener 
Leiter,  wozu  z.  B.  alle  Metalle  gehören,  vorhanden  und  besteht  zwischen 
zwei  Punkten  dieser  Strombahn  aus  weiter  unten  näher  zu  betrachten- 
den Ursachen  eine  elektrische,  d.  h.  auf  jene  Friktionsmoleküle  b  be- 
zügliche Druckdifferenz,  so  können  die  Friktionsmoleküle  sich  zwischen 
den  Seiten  von  a  hindurch  dauernd  von  der  Stelle  bewegen  oder  fort- 
strömen. Das  letztere  kann  allerdings  nur  geschehen  unter  Ueber- 
windung  eines  gewissen  Reibungswiderstandes  zwischen  a  und  b,  der 
je  nach  dem  Material  von  a  verschieden  gross  ist  und  dessen  Koef- 
fizient dem  spezifischen  elektrischen  Widerstand  eines  Leiters  ent- 
spricht. 

7.  Bei  allen  isolierenden  Stoffen,  z.  B.  Luft,  Glimmer  u.  dergl., 


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202  C.  Heinke. 

können  die  elektrischen  Moleküle  b  nicht  dauernd  von  der  Stelle,  so- 
lange kein  Zerreissen  bezw.  Durchschlagenwerden  des  Isolations- 
materials eintritt.  Wirkt  jedoch  eine  solche  elektrische  DruckdiflFerenz 
auf  die  Friktionsmoleküle  b  einer  beiderseits  von  leitenden  Schichten 
begrenzten  Isolationsschicht,  wie  z.  B.  in  Fig.  2  angedeutet,  so  sollen 
nach  obiger  Vorstellung  jene  Friktionsmoleküle  dem  Druck  etwas 
nachgeben  können,  d.  h.  jener  Druckdifferenz  ausgesetzt  eine  elastische 
(oder  nach  Maxwell  , dielektrische")  Verschiebung  erfahren.  Hierin 
ist  schon  ausgedrückt,  dass  nach  Aufhören  des  Druckes  jene  Ver- 
schiebung durch  die  geweckten  elastischen  Kräfte  wieder  rückgängig 
gemacht  wird,  so  dass  man  sich  die  Friktionsmoleküle  aller  isolieren- 
den Materialien,  etwa  wie  in  Fig.  2  augenfällig  angedeutet,  durch  ela- 
stische, etwa  kautschukartige  Fäden  (k)  an  ihrer  Stelle 
Fig.  2.  festgehalten   denken  kann.     Bei  auftretender  Druck- 

differenz wird  sich  also  die  Bewegung  der  Friktions- 
moleküle in  isolierenden  Schichten  gegenüber  der  Be- 
wegung im  Leiter  in  gewisser  Beziehung  nur  graduell, 
aber  doch  scharf  durch  ihre  Begrenzung  unterscheiden. 
Eine  Folge  der  Inkompressibilität  wird  femer  sein, 
dass  auf  der  positiven  Seite  der  Isolationsschicht  vor- 
übergehend ebenso  viel  frei  bewegliche  Friktions- 
moleküle der  angrenzenden  Leiterschicht  in  jene  hinein- 
gepresst  werden,  als  auf  der  negativen  elastisch  be- 
festigte aus  der  Isolationsschicht  in  die  angrenzende  Leiterschicht  über- 
treten. Die  Verschiebbarkeit  der  Friktionsmoleküle  bei  gleicher  Dicke 
der  Isolationsschicht  und  gleicher  Druckdifferenz  auf  beiden  Seiten  wird 
aber  natiurgemäss  von  dem  Isolationsmaterial  abhängen.  Dieser  Mate- 
rialkoSffizient  wird  also  nach  der  obigen  Vorstellung  durch  die  Ver- 
hältniszahl der  Eautschukfadendehnung  bei  zwei  verschiedenen  Mate- 
rialien unter  sonst  gleichen  Verhältnissen  hinsichtlich  Druckdifferenz 
und  Schichtdicke  ausgedrückt  und  gewinnt  so  eine  sehr  anschauliche 
Bedeutung;  wird  er  stets  auf  Luft  als  Einheit  bezogen,  so  fallt  er 
praktisch  mit  der  Dielektrizitätskonstanten  des  Materials  zusammen. 

8.  Charakteristisch  für  diese  Vorstellung  ist  also,  dass  die  Elek- 
trizität nicht  geschaffen,  sondern  durch  das  Auftreten  einer  E  M  E  nur 
in  Bewegung  gesetzt  wird,  und  dass  diese  bei  einseitig  wirkender  EHE 
in  einer  ebensolchen  Verschiebung  der  Friktionsmoleküle  bestehende 
Bewegung  beim  Schliessen  der  Leiterbahn  in  ein  dauerndes  Ereis- 
strömen  übergeht,  während  bei  ungeschlossener  Bahn  nur  ein  kurz- 
dauernder und  durch  die  geweckten  Elastizitätskräfte  der  isolierenden 


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Die  HauptbegrifPe  der  Gleich-  und  Wechselstromtechnik.  203 


Zwischenschicht  bedingter  elektrostatischer  Verschiebungsstrom  zu 
stände  kommen  kann.  Die  Gesetzmässigkeit  der  nach  dieser  Vor- 
stellung rein  mechanisch  auffassbaren  elektrischen  Bewegungsvorgänge 
wird  sich  somit  auch  aus  den  mechanischen  Gesetzen  ableiten  lassen, 
und  man  kann  nunmehr  die  bei  geschlossener  Strombahn  zunächst 
innerhalb  der  Leitung  auftretenden  Vorgänge  zwecks  Erleichterung  der 
Begriffsbildung  mechanisch  in  folgender  Weise  veranschaulichen:  Das 
Auftreten  einer  E  M  K  oder  einer  elektrischen  Druckdifferenz  an  einer 
Stelle  der  Strombahn  wird  bei  jeder  der  unten  näher  zu  betrachtenden 
Ursachen  einer  sich  nur  auf  die  Priktionsmolektile  erstreckenden  Pump- 
wirkung entsprechen.  Alle  sogenannten  Stromquellen  (besser  eigentlich 
Erzeuger  elektrischer  Energie)  werden  daher  die  Punktion  von  Elek- 
trizitätspumpen mit  je  nach  ihrer  Einrichtung  verschieden  grosser 
Druckdifferenz  aufweisen.  VP'ird  letztere,  wie  bei  vielen  Gleichstrom- 
quellen, praktisch  konstant  erhalten,  so  wird  bei  geschlossener  äusserer 
Strombahn  und  stationärem  Strömungszustand  der  letztere  ausser  von 
der  Druckdifferenzgrösse  nur  noch  durch  die  Reibungsverhältnisse  der 
Leitung  bedingt  sein.  Von  den  auf  den  Strömungszustand  bezüglichen 
Begriffen  wird  die  sogenannte  Stromdichte  oder  die  spezifische,  d.  h. 
auf  die  Querschnittseinheit  bezogene  Stromstärke  durch  die  Strömungs- 
geschwindigkeit der  Friktionsmoleküle  an  jener  Stelle  dargestellt  sein, 
während  der  technische  Begriff  der  Stromstärke  durch  die  Gesamt- 
geschwindigkeit, d.  h.  die  durch  jeden  vollen  Leiterquerschnitt  in  einer 
Sekunde  hindurchtretende  Anzahl  Friktionsmoleküle  gegeben  ist.  Be- 
rücksichtigt man  nun  ferner,  dass  der  Begriff  der  Spannungsdifferenz 
oder  der  E  M  K  sich  nicht  auf  den  ausgeübten  Totaldruck,  d.  h.  Ein- 
heitsdruck X  Druckfläche  bezieht,  sondern  den  Charakter  eines  spe- 
zifischen oder  Einheitsdruckes  hat,  ähnlich  wie  der  hydraulische  Druck 
oder  der  Dampfdruck,  und  dass  seine  Grösse  in  Volt  somit  etwa  den 
Atmosphären  entspricht,  so  lässt  sich  hieraus  auf  Grund  mechanischer 
Ueberlegungen  folgendes  ableiten :  ein  kausales  in  Verbindung  bringen 
dieses  spezifischen  Spannungsbegriffes  als  Ursache  mit  dem  auf  den 
totalen  Ausgleich  bezüglichen  Begriff  Stromstärke  als  Wirkung  macht 
als  dritte  bedingende  Grösse  die  Einführung  des  elektrischen  Wider- 
standsbegriffes in  der  von  Ohm  zuerst  gefassten  Weise  notwendig. 
Die  Grösse  dieses  so  gefassten  elektrischen  Widerstandes  hat  sonach 
zwar  die  Reibung  zwischen  Friktionsmolekül  und  materiellen  Molekülen 
zur  Grundlage  und  setzt  sich  formelmässig  aus  jenem  Reibungskoef- 
fizienten <;  und  den  Leiterdimensionen  1  und  q  zusammen,  aber  nicht 
in  der  Weise,   dass  sie  einen   Ausdinick  für   die  gesamte  Reibungs- 


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204  G.  Heinke. 


meoge  c.l.q  bei  der  Stromdichte  1  bildet,   sondern  vielmebr  in  der 

Form  <; .  — ,  dass  sie  einen  Ausdruck  für  die  eigentümliche  Reibungs- 

4. 
grosse  R  des  Leitungsweges  bildet,  welche  den  praktisch  wichtigen 
Zusammenhang  zwischen  der  Grösse  des  totalen  Ausgleiches  J  und 
der  Grösse  der  spezifischen  Druckdifferenz  E  liefert.  Jene  Formulierung 
c.l.q  würde  man  hingegen  erhalten,  wenn  die  Wandergeschwindig- 
keit (Stromdichte  J^)  mit  dem  totalen  Flächendruck  (E)  in  Beziehung 
gesetzt  würde,  alsdann  folgt  aus  dem  Ohm  sehen  Gesetz 

J  q 

unter  Einsetzung  von  E  =  E  .  q  für  E   und  von  Ji  =  —  für  J  die 
Gleichung 

Die  Bedeutung  der  Leistung  von  Ohm  beruht  gerade  auf  dieser 
praktisch  wichtigen  Fassung  des  WiderstandsbegrifFes ,  weshalb  auch 
die  Belegung  der  Widerstandseinheit  mit  seinem  Namen  als  besonders 
geeignet  anzusehen  ist.  Eine  weitere,  auf  die  elektrischen  Stromkreis- 
verhältnisse bezügliche  Folgerung  lässt  sich  auf  Grund  dieser  Vor- 
stellungen ohne  weiteres  auf  Grund  der  Mechanik  (speziell  der  Hydro- 
dynamik) ableiten:  Die  zur  üeberwindung  der  B^ibungswiderstände 
einer  bestimmten  Teilstrecke  des  Kreislaufes  erforderliche  Druck- 
differeöz  (Spannungsdifferenz)  muss  mit  Rücksicht  auf  die  Einheitlich- 
keit der  im  obigen  Sinne  gefassten  Stromstärke  direkt  proportional 
dem  Ohmschen  Reibungs widerstand  sein;  das  Ohmsche  Gesetz  muss 
sonach  nicht  nur  für  den  ganzen  E^reislauf,  sondern  auch  für  jeden 
beliebigen  Unterteil  desselben  giltig  sein  und  in  ihm  die  Ausgleich- 
verhältnisse darstellen. 

9.  Bis  hieher,  d.  h.  insoweit  die  Verhältnisse  innerhalb  der 
Leitung  in  Betracht  kommen,  fällt  die  Max  well  sehe  Betrachtungsweise 
so  ziemlich  mit  der  einfachen  Fluidumstheorie  zusammen.  Während 
aber  jene  die  Erscheinungen  in  der  Leiterumgebung  nicht  mit  in  den 
Kreis  ihrer  Vorstellungen  zu  ziehen  vermag,  geschieht  dies  durch  die 
Maxwellsche  Vorstellung  in  sehr  einfacher  und  natürlicher  Weise. 
Hienach  äussert  sich  die  zwischen  Friktionsmolekülen  und  materiellen 
Molekülen  bestehende  Wechselwirkung,  welche  nach  der  obigen  Be- 
trachtung innerhalb  des  Leiters  zur  Erklärung  der  Stromwärme  dient, 


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Die  HanptbegrifTe  der  Gleich-  und  Wecbselstromteclinik. 


205 


Fig.  3. 
X 


an  der  Grenzfläche  zwischen  dem  stromdurchflossenen  Leiter  und  der 
diesen  umgebenden  Isolationswandung  in  der  Weise,  dass  die  strö- 
menden Friktionsmoleküle  auf  die  vorher  in  beliebiger  Richtung,  also  un- 
geordnet liegenden  Wirbelachsen  der  materiellen  Moleküle  ein  Richtungs- 
bestreben ausüben,  und  zwar  derartig,  dass  sie  die  Wirbelachsen  quer 
zur  Leiterrichtung  zu  stellen  suchen.  Diesem  Bestreben  geben  die 
wiederum  elastisch  in  ihrer  ursprünglichen  Lage  befestigt  zu  denkenden 
Wirbelachsen  bis  zu  einem  gewissen  Gb-ade  (der  näher  unter  11  betrachtet 
werden  soll)  nach,  wodurch  der  magnetische  Zustand,  d.  h.  das  Ent- 
stehen des  magnetischen  Feldes  jedes  stromdurchflossenen  Leiters  seine 
Erklärung  findet.  Mag  nun  die  hiedurch  hervorgerufene  gemeinschaft- 
liche Richtungskomponente  auch  noch  so  klein  sein,  so  wird  doch 
gerade  dieses  Gemeinschaftliche  den  magnetischen  Zustand  charakteri- 
sieren, weshalb  man  sich  diese  Komponente  durch  Abstraktion  heraus- 
gehoben und  allein  ins  Auge  gefasst  denke,  so  oft  es  sich  um  jenes 
magnetische  Feld  handelt,  da  alsdann  der  ganze  übrige,  ungeordnete 
und  sich  gegenseitig  nach  aussen  hin  kompensierende  oder  bindende 
Rest  hiefür  ohne  weiteres  Interesse  ist.  Betrachten 
wir  sonach  das  Stück  eines  stromdurchflossenen 
Leiterdrahtes  S  L  der  Fig.  3  —  natürlich  sind  die 
Moleküle  der  Deutlichkeit  halber  un verhältnismässig 
gross  gezeichnet  — ,  so  wird  durch  den  im  Leiter 
fliessenden  (durch  die  Pfeile  angedeuteten)  Strom 
zunächst  an  jeder  Stelle  ein  richtender  Einfluss  auf 
alle  den  Leiter  ringförmig  umgebenden  Wirbel- 
moleküle ausgeübt.  Die  gemeinschaftliche  Rich- 
tungskomponente würde  sich  also  durch  den  Wirbel- 
ring AA  darstellen  mit  einem  zusammenhängenden  Achsenfaden  in 
der  Ebene  senkrecht  zur  Leiterrichtung,  wobei  die  Achse  dieses 
ringförmigen  Wirbelfadens  gleichzeitig  die  F  a  r  a  d  a  y  sehe  Kraft- 
linie geben  würde.  Nun  ist  weiterhin  zu  berücksichtigen,  dass  dieser 
?on  den  strömenden  Friktionsmolekülen  des  Leiters  ausgehende  Rich- 
tungsantrieb genau  in  gleichem  Masse  mit  der  Grösse  der  erzielten 
Richtungskomponente  eine  Vermehrung  der  Wirbelintensität  durch 
entsprechende  Yergrösserung  der  mit  jener  zusammenfallenden  Ge- 
schwindigkeitskomponente herbeiführen  wird.  Die  vom  stromdurch- 
flossenen Leiter  angestrebte  Querstellung  würde  also  auf  ein  Maximum 
von  übertragener  Wirbelintensität  zielen.  Auf  Grund  der  bisherigen 
Annahmen  von  dem  Verhalten  der  Friktionsmoleküle  in  Nichtleitern 
folgt  aber  weiterhin,    dass  diese  sich  zunächst  auf  den  angrenzenden 


[.BM.A 


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206  C.  Heinke. 

Wirbelring  A  der  Fig.  3  erstreckende  Wirkung  nicht  auf  diesen  be- 
schränkt bleiben  kann,  sondern  sich  mit  Hilfe  der  Wechselwirkung 
zwischen  Wirbel-  und  Friktionsmolekülen  von  A  auf  Wirbelring  B 
u.  s.  f.  in  die  ganze  Umgebung,  natürlich  mit  der  durch  die  Energie- 
gleichung bedingten  Abnahme  der  Stärke,  fortpflanzen  muss.  Diese 
Notwendigkeit  ergibt  sich  durch  folgende  üeberlegung:  Der  von  SL 
ausgehende  Antrieb  vergrössert  nach  dem  obigen  die  Geschwindigkeit 
der  Wirbelseiten  von  Ring  A.  Die  hiedurch  entstehende  Geschwindig- 
keitsdifferenz  zwischen  den  aneinandergrenzenden  Wirbelseiten  von  A 
und  B  kann  bei  der  zahnradartigen  Verbindung  beider  mit  Hilfe  der 
Friktionsmoleküle  nicht  bestehen  bleiben.  Da  jedes  der  letzteren  sich  in 
der  Lage  eines  kleinen  Zahnrades  zwischen  zwei  Zahnstangen  befindet, 
so  sind  bei  verschieden  grossen  (natürlich  stets  entgegengesetzten)  Ge- 
schwindigkeiten der  beiden  Zahnstangen  nur  zwei  Möglichkeiten  vor- 
handen: entweder  wird  das  Zahnrädchen  in  Richtung  der  grösseren 
Geschwindigkeit  mitgenommen,  wie  man  sich  leicht  mittels  eines 
kantigen,  zwischen  den  beiden  verschieden  schnell  bewegten  Hand- 
flächen befindlichen  Bleistiftes  durch  dessen  jeweilige  Stellung  im 
Raum  überzeugen  kann;  oder  die  grössere  Geschwindigkeit  der  ainen 
Zahnstange  wird  bei  festgehaltenem  Zahnrädchen  auch  auf  die  andere 
übertragen,  also  dieser  eine  Beschleunigung  erteilt.  Der  letztere  Fall 
muss  nun  zwischen  A  und  B  der  Fig.  3  eintreten,  da  beide  nach 
Annahme  einem  nicht  leitenden  oder  zum  mindesten  keinen  geschlossenen 
Stromkreis  darbietenden  Material  angehören  und  die  zwischenliegenden 
Friktionsmoleküle  sonach  an  ihrer  Stelle  festgehalten  werden.  Ein 
Fortschreiten  des  Antriebes  ist  sonach  notwendig,  und  damit  ist  der 
Begriff  der  elektromagnetischen  Welle,  oder  nach  Eintritt  eines  statio- 
nären Zustandes,  wie  bei  Gleichstrom,  des  magnetischen  Feldes  ver- 
anschaulicht. Es  ist  fernerhin  ohne  weiteres  klar,  dass  der  erste  Fall, 
d.  h.  ein  Nachgeben  der  Friktionsmoleküle  (wie  bei  dem  im  Raum 
fortrückenden,  kantigen  Bleistift)  jedesmal  dann  gegeben  ist,  wenn 
diese  elektromagnetische  Welle  in  ihrer  Ausbreitung  auf  einen  anderen 
geschlossenen  Leiterkreis  trifft.  Dieser  Fall  ist  schematisch  in  Fig.  4 
angedeutet,  wo  die  sich  von  I  ausbreitende  Welle  auf  H  trifft  und  in 
letzterem  ein  Strömen  der  Friktionsmoleküle  herbeiführt  oder  einen 
Strom  9 induziert^.  Letzterer  ist,  wie  ersichtlich,  entgegengesetzt  dem 
induzierenden  Strom  in  I  und  nur  während  der  Dauer  und  entsprechend 
der  Stärke  der  Geschwindigkeitsändenmg  der  angrenzenden  Wirbel 
von  n  vorhanden,  d.  h.  solange  kein  stationärer  Zustand  eingetreten 
ist,  bei  welchem  der  resultierende  Antrieb  zu  Null  werden  muss.   Hie- 


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Die  Hauptbegriffe  der  Gleich-  und  Wechselgtromtechnik. 


207 


Fig.  4. 


^ 


durch  ist  somit  weiterhin  der  Begriff  der  Wechselinduktion  gegeben 
und  es  ist  leicht  einzusehen,  dass  die  von  I  wie  von  der  Einwurfs- 
stelle eines  in  ruhiges  Wasser  geworfenen  Steines  sich  ausbreitende 
Welle  elektromagnetischer  Art  in  einen  dauern- 
den Wellenschlag  übergehen  muss,  wenn  durch 
I  ein  bezüglich  der  Priktionsmolekül-Geschwin- 
digkeit  dauernd  wechselnder  Strom,  d.  h.  ein 
Wechselstrom  geschickt  wird. 

10.  Eine  weitere  Folgerung  aus  dieser 
durch  die  Modellvorstellung  veranschaulichten 
elektromagnetischen  Verkettung  des  strom- 
durchflossenen  Leiters  mit  seinem  ^^Feld*^ 
führt  endlich  zu  dem  für  die  Wechselstrom- 
technik so  wichtigen  Begriff  der  Selbstinduktion  bezw.  zu  ihrer  Ver- 
anschaulichung. Jenes  nFeld"  wird  durch  die  gerichtete  Wirbel- 
intensität aller  mittels  Verkettung  oder  Verzahnung  beeinflussten 
materiellen  Moleküle  der  Umgebung  charakterisiert;  so  zwar,  dass 
dieser  Zusammenhang  durch  die  Dimensionen  und  die  geometrische 
Lage  des  Leiters  und  die  in  ihm  fliessende  Stromstärke  einerseits, 
durch  die  Richtbarkeit  bezw.  Aufnahmefähigkeit  an  Wirbelintensität 
der  ihn  umgebenden  materiellen  Wirbelmoleküle  andererseits  bestimmt 
ist.  Wird  jener  erste  nur  auf  den  Leiter  bezügliche  EoSfflzient  mit  L, 
die  Stromstärke  mit  J  und  der  auf  die  Aufnahmefähigkeit  bezügliche 
Koeffizient  mit  (i  bezeichnet,  so  bildet  sich  jenes  Bewegungsmoment  zu 
L  .  (i .  J.  Bei  allen  sogenannten  unmagnetischen  Materialien  ist  diese 
Richtbarkeit  bezw.  Aufnahmefähigkeit  praktisch  gleich  gi'oss  und  un- 
veränderlich, d.  h.  Richtung  und  Wirbelintensitätsveränderung  erfolgen 
direkt  proportional  mit  der  Stromstärke;  setzt  man  bei  ihnen  diesen 
Koeffizienten  (der  wie  unter  II  näher  zu  betrachten  durch  die  magnetische 
Permeabilität  charakterisiert  ist)  gleich  der  Einheit,  so  hängt  das 
elektromagnetische  Bewegungsmoment  beim  Unterbrechen  des  Stromes 
nur  noch  von  Stromstärke  und  Leiteranordnung  ab.  Dieses  elektro- 
magnetische Bewegungsmoment  L  .  J  entspricht  also  dem  mechanischen 
Bewegungsmoment  (Bewegungsgrösse)  M  .  v,  wenn  M  die  zu  bewegende 
Masse  und  v  die  Geschwindigkeit  bedeutet,  woraus  auch  die  auf  die 
Umgebung   übertragene    und    als    «lebendige    Ej-aft''    aufgespeicherte 

V*  J* 

elektromagnetische  Wirbelenergie  sich  entsprechend  M  •  -x-  zu  L  .  -5- 

ergibt.   Für  die  Stromstärke  gleich  der  Einheit  vnrd  jenes  Bewegungs- 

Sunmlang  elektrotechnisoher  Vortrige.    I.  25 


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208  C.  Heinke. 

momeDt  also  eine  Art  elektromagnetisches  Trägheitsmoment  darstellen 
und  einzig  und  allein  noch  durch  die  Leiteranordnung  bedingt  sein. 
Dieser  der  Leiteranordnung  eigentümliche  Koeffizient  L  wird  sonach 
ein  Mass  für  die  beim  Entstehen  der  Einheitsstromstärke  aufzuwendende 
Energie  liefern  oder  andererseits  wegen  der  den  materiellen  Wirbel- 
molekülen zukommenden  Masse  bezw,  Trägheit  einen  Ausdruck  für 
die  im  Feld  oder  im  Leitersystem  in  Form  von  Wirbelintensitat  auf- 
gespeicherten , lebendigen  Kraft*.  Diese  elektromagnetische  Wirbel- 
energie tritt  beim  Unterbrechen  der  Stromeinheit  aus  ihrem  latenten 
Zustand  wieder  heraus  und  bedingt  auf  Ghrund  des  Prinzips  der  Gleich- 
heit von  Wirkung  und  Gegenwirkung  durch  Rückwirkung  auf  den 
Leiterkreis  die  Erscheinungen  der  elektromagnetischen  Trägheit  oder 
der  Selbstinduktion.  Der  Selbstinduktionsko^ffizient  erlangt  sonach 
durch  diese  Deutung  als  eine  Art  elektromagnetisches  Trägheits- 
moment der  Leiteranordnung  eine  ganz  bestimmt  fassbare  Bedeutung 
und  durch  die  Vorstellung  des  mit  dem  Leiterstrom  schwungmassen- 
artig verketteten  magnetischen  Feldes  eine  wünschenswerte  Anschau- 
lichkeit. 

Da  bei  periodischem  Wechselstrom  der  Strom  und  damit  die 
Wirbelrichtung,  so  oft  das  Zeichen  wechselt,  als  Stromwechsel  ein- 
treten, so  muss  der  elektromagnetische  Trägheitswiderstand  der  Feld- 
wirbel dauernd  überwunden  werden.  Um  deshalb  einen  Ausdruck  für 
die  Ghrösse  dieses  zusätzlichen  Wechselstromwiderstandes  bezw.  fär  die 
Ghrösse  der  zu  seiner  Ueberwindung  erforderlichen  Druckdifferenz  Ei. 
zu  erhalten,  muss  zu  jenem  Produkt  von  J .  L  noch  ein  auf  die  sekund- 
liche Wechselzahl  z  und  die  Wellenform  bezüglicher  Zahlenfaktor  c 
hinzutreten ,  der  mit  c .  z  =  p  bezeichnet  sei.  Die  Grösse  des  von 
einem  bestimmten  Trägheitsmoment  in  einem  beliebigen  Moment  ver- 
ursachten Widerstandes  hängt  nämlich  von  der  Geschwindigkeits- 
änderung  ab,    so   dass  nach   mechanischer  Analogie  der  in  einem 

beliebigen  Moment  dargebotene  Trägheitswiderstand  =  —  (J  .  L)  ist, 

oder  bei  Konstanz  von  L 

dJ 


L. 


dt 


Setzt  man  für  J  die  Gleichung  für  die  periodische  Stromwelle 

j  T 

ein,  so  erhält  man  — r—  =  p  .  J.  Für  den  speziellen  Fall  der  Sinus- 
welle d.  h.  J .  sin  a  =  J  sin  (pt)  würde  der  Faktor  c  =  ä  und  p  den 
Wert  n .  z  annehmen.    Die  zur  Ueberwindung  der  Selbstinduktion  er- 


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Die  Hauptbegriffe  der  Gleich-  und  Wechselstromtechnik.  209 

forderliche   E  M  K  bezw.   effektive   Spannungsdifferenz  E^  ist  sonach, 
wenn  für  J  gleichfalls  der  effektive  Mittelwert  eingesetzt  wird, 

El  =  J  .  p  .  L. 

Befindet  sich  Eisen  in  der  Nähe  der  Leiteranordnung,  so  dass 
jener  Koeffizient  ji  grösser  als  die  Einheit  wird,  so  tritt  für  eine  be- 
stimmte konstante  Stromstärke  J  an  Stelle  von  L  das  Produkt  L .  (i, 
wenn  für  |i.  die  Permeabilität  des  ganzen  Kreislaufes  eingesetzt  wird, 
d.  i.  das  Verhältnis  der  im  eisenhaltigen  Kreislauf  vorhandenen  Kraft- 
linienanzahl zu  der  Anzahl  bei  eisenfreiem  Kreislauf.  Für  periodischen 
Wechselstrom  muss,  abgesehen  von  dem  Einfluss  etwaiger  Wirbel- 
ströme, wegen  der  Veränderung  von  {i  mit  der  Stromstärke,  für  (i  ein 
entsprechender,  experimentell  zu  erhaltender  Mittelwert  eintreten,  so 
dass  für  eine  bestimmte,  effektive  Stromstärke  J  sich 

EL  =  J.p.(L.ir) 

ergibt.     (Weitere  Betrachtungen  sollen  unter  III  folgen.) 

11.  Nach  dieser  Veranschaulichung  der  in  der  Elektrotechnik 
wichtigen  elektrischen  Grundbegriffe  mögen  noch  die  wichtigsten  Ur- 
sachen für  die  Entstehung  einer  elektrischen  Spannungsdifferenz  berührt 
werden.  Nach  der  obigen  Anschauung  wird  stets  ein  in  letzter  Linie 
mechanisch  vorzustellender  Druck  auf  die  Friktionsmoleküle  das  be- 
wegende Moment  oder  die  EMK  bilden.  Ein  solcher  Druck  wird 
zwar  immer  bei  mechanischer  Reibung  zweier  verschiedener  Körper 
erzeugt  werden,  jedoch  wird  in  den  allermeisten  Fällen  seine  Wirkung 
so  rasch  vorüber  gehen,  dass  die  Zwischenrolle  der  Elektrizität  zwischen 
der  mechanischen  Reibung  und  der  durch  den  elektrischen  Ausgleich 
erzeugten  Reibungswärme  gar  nicht  zur  Erscheinung  und  dem  Beob- 
achter zum  Bewusstsein  gelangt.  Nur  in  bestimmten  Fällen,  wo  die 
beiden  verschiedenen,  der  Reibung  unterworfenen  Teile  unmittelbar 
nach  der  Reibung  einer  vorzüglichen  Isolation  unterworfen  werden 
und  die  einzelnen  Teildrucke,  bezw.  gedrückten  Elektrizitätsmengen  der 
Sammlung  zugängig  sind,  wie  bei  allen  Vorrichtungen,  welche  zur 
Erzeugung  von  Reibungselektrizität  benützt  werden,  lassen  sich  diese 
in  der  Erzeugung  von  elektrischer  Spannungsdifferenz  bestehenden 
Reibungswirkungen  der  Beobachtung  zugänglich  machen.  Diese  Er- 
scheinungen haben  als  erste  und  lange  Zeit  allein  bekannte  Aeusse- 
nmgen  des  elektrischen  Zustandes  der  ganzen  Wissenschaft  nicht  nur 
den  Namen  gegeben,  sondern  auch  die  geschichtliche  Entwicklung 
der  Anschauungen  sehr  stark  beeinflusst.  Der  Reibungselektrizität 
wurde  deshalb  bis  auf  die  neueste  Zeit  ein  eigenes  Vorstellungsgebiet 


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210  C.  Heinke. 

zugewiesen,  weil  ihre  Erscheinungen  von  denen  der  fliessenden  Elek- 
trizität oder  des  Galvanismus  abweichend  und  mit  letzterem  nicht  gut 
vereinbar  zu  sein  schienen.  Beide  lassen  sich  aber  ohne  jeden  Zwang 
in  die  Max  well  sehen  Grundvorstellungen  einfügen.  Alle  reibungs- 
elektrischen Erscheinungen  stellen  sich  hienach  als  dielektrische  Ver- 
schiebungen dar,  entsprechend  den  oben  erwähnten  bei  unvollständigem 
Leiterkreis  (vergl.  §  7).  Hiebei  ist  ein  Anhäufen  der  Elektrizität  in 
dem  früher  gewöhnlich  vorgestellten  Sinne  zwar  auf  Grund  der  In- 
kompressibilität  der  Friktionsmoleküle  ausgeschlossen,  dennoch  gibt 
positiv  und  negativ  elektrisch  einen  sehr  gut  fassbaren  und  sogar 
weit  ungezwungeneren  Sinn  als  früher,  wenn  man  es  wie  oben  durch 
die  Trennungsfläche  zwischen  frei  beweglichen  und  elastisch  festge- 
haltenen Friktionsmolekülen  charakterisiert.  Die  schon  früher  bekannte 
Thatsache,  dass,  wie  man  sich  ausdrückt,  nie  eine  Menge  der  einen 
freien  Elektrizität  erzeugt  werden  könne  ohne  eine  gleich  grosse  Menge 
freier  Elektrizität  der  anderen  Art,  welche  beide  stets  durch  die  elektro- 
statischen Drucklinien  kon-espondieren ,  erscheint  nach  Maxwells 
Vorstellung  als  völlig  selbstverständlich.  Der  Hauptunterschied  zwischen 
den  reibungselektrischen  Vorgängen  und  den  galvanischen  ist  gradueller 
Natur,  insofern  gewöhnlich  die  Faktoren,  welche  den  Ausdruck  für 
die  elektrische  Energiemenge  bilden,  bei  jenen  durch  kleine,  ver- 
schobene Elektrizitätsmengen  und  hohe  Druckdifferenzen,  bei  diesen 
durch  verhältnismässig  grosse  in  Bewegung  gesetzte  Elektrizitäts- 
mengen und  verhältnismässig  kleine  Drucke  charakterisiert  sind.  Hin- 
sichtlich der  elektrostatischen  Erscheinungen  bilden  die  beiderseitig, 
wenn  auch  in  verschiedener  Form  benützten  Kapazitäten  den  üeber- 
gang  aus  einem  Gebiet  ins  andere,  während  die  elektrodynamischen 
Ausgleichserscheinungen  unverkennbar  dieselben  charakteristischen 
Merkmale  aufweisen. 

12.  Praktisch  wichtiger  als  diese  elektromechanischen  Ursachen 
zur  Erzeugung  von  elektrischen  Druckdifferenzen  sind  die  elektro- 
chemischen. Charakterisiert  werden  alle  diese  Vorrichtungen  durch 
zwei  räumlich  getrennte,  chemisch  verschiedene  und  als  Elektroden 
bezeichnete  Materialien,  welche  durch  chemisch  wirksame  Flüssigkeit 
in  Verbindung  stehen.  Um  mit  den  hiebei  eintretenden  unsichtbaren 
und  deshalb  als  molekular  bezeichneten  Vorgängen  eine  gewisse  An- 
schaulichkeit zu  verbinden,  würde  nach  der  obigen  Grundvorstellung 
der  Verlauf  des  Prozesses  etwa  folgender  sein :  von  der  negativen  oder 
Lösungselektrode  gehen  Moleküle  und  mit  diesen  Friktionsmoleküle 
in  die  Lösung  der  chemisch  aktiven  Flüssigkeit  über.   Diese  molekulare 


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Die  Hauptbegriffe  der  Gleich-  und  Wechselstromteclinik.  211 

ümlagerung  bewirkt  auf  Grund  der  Inkompressibilität  der  Friktions- 
moleküle  einen  Druck  auf  die  Friktionsnoioleküle  der  positiven  oder 
Ableitungselektrode.  Bei  aussen  offenem  Stromkreis  kann  diesem 
Druck  nicht  dauernd  nachgegeben  und  es  wird  somit  durch  Rück- 
wirkung der  Verlauf  des  chemischen  Prozesses  —  abgesehen  von  so- 
genannten Lokalaktionen  —  verhindert  werden.  Dass  dieser  Druck 
von  seiner  Ausgangsstelle,  d.  i.  der  Berührungsfläche  von  Elektrode 
und  Flüssigkeit  sich  wie  der  hydraulische  Druck  ins  Innere  und  nach 
jedem  Punkt  der  zunächst  abgesperrt  gedachten  Leitung  überträgt, 
bietet  der  Vorstellung  keine  Schwierigkeit.  Wird  jedoch  der  äussere 
Stromkreis  zwischen  Ableitungs-  und  Lösungselektrode  geschlossen, 
so  wird  der  elektrische  Ausgleich  nach  dem  Ohm  sehen  Gesetz  erfolgen, 
wobei  natürlich  der  gesamte  Kreislaufwiderstand  einschliesslich  des 
inneren  Widerstandes  des  als  Elektrizitätspumpe  wirkenden  « Elementes  ** 
bedingend  auf  die  Ausgleichstärke  wirkt.  Ausser  diesem  elektrischen 
Reibungswiderstand  wird  aber  im  vorliegenden  Fall  noch  ein  weiteres 
Moment  den  Ausgleichsvorgang  beeinflussen,  d.  i.  die  Leistungsfähigkeit 
des  „Elementes **,  welche  durch  den  Ablauf  des  chemischen  Prozesses 
bedingt  wird.  Die  negativ  gelösten  und  positiv  abgeleiteten  Friktions- 
moleküle, welche  nach  dieser  Vorstellung  in  Uebereinstimmung  mit 
dem  Faraday sehen  Gesetz  an  die  Zahl  der  umgelagerten  materiellen 
Moleküle  gebunden  sind,  können  also  nur  so  weit  gesteigert  werden, 
als  das  Element  infolge  seiner  Beschaffenheit  im  stände  ist,  mit  diesem 
Umlagerungsprozess  nachzukommen.  Erscheinung  und  Begriff  der  so- 
genannten Polarisation  u.  dergl.  werden  hiedurch  der  Vorstellung  zu- 
gänglicher. Es  ist  nun  weiterhin  die  Entstehung  eines  derartigen 
Druckes  auch  bei  der  sogenannten  Kontaktelektrizität,  sowie  bei  den 
thermoelektrischen  Erscheinungen  unschwer  vorzustellen,  wenn  man 
an  der  Berührungs-  bezw.  Lötstelle  der  beiden  chemisch  verschiedenen 
Metalle  eine  verschieden  grosse  Umfangsgeschwindigkeit  der  Wirbel- 
moleküle voraussetzt  und  sich  bei  den  Thermoelementen  diese  Ver- 
schiedenheit auch  bei  geschlossenem  äusserem  Stromkreis  durch  die 
zugeführte  Wärme  erhalten  denkt. 

13.  Die  technisch  weitaus  wichtigste  Ursache  der  elektrischen 
Druckdifferenz  bildet  jedoch  die  elektromagnetische  Induktion.  Das 
Entstehen  eines  längs  des  Leiters  gerichteten  Druckes  auf  seine  Frik- 
tionsmoleküle ist  zwar  bereits  aus  den  Verhältnissen  bei  der  Wechsel- 
induktion (Fig.  4)  erklärlich.  Während  im  letzteren  Fall  Leiter  11 
still  stand  und  sich  das  Feld  über  ihn  hinbewegte,  stehen  bei  der 
elektromagnetischen  Induktion  häufig   die   Wirbelfäden  bezw.   Kraft- 


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212  C.  Heinke. 


linien  des  , Feldes*'  fest  und  der  Leiter  schneidet  durch  sie  hindurch. 
Obwohl  hiedurch  der  Antrieb  auf  die  Friktionsmoleküle  des  Leiters 
in  dem  einen  oder  anderen  Sinn  je  nach  Bewegungsrichtung  des 
letzteren,  wie  in  Fig.  5  angedeutet,  plausibel  wird,  so  l'ässt  sich  ein 
sicherer  Beweis  hiefÜr,  ebenso  wie  dort  (Fig.  4),  doch  nur  hydro- 
dynamisch führen,  wie  es  von  Maxwell  geschehen  ist.  Bei  einer 
derartigen  Behandlung  folgt  alsdann,  dass  die  Wirbelfaden  im  Moment 
des  Durchschnittenwerdens  von  Seiten  des  Leiters  in 
Fig.  5.  ihrer  Längsrichtung   verkürzt,    in    ihrer   Umfangs- 

'l  *  '  ^=J  geschwindigkeit  hingegen  an  der  Schnittstelle  ver- 
OOO  grössert  werden,  welche  GeschwindigkeitsdifFerenz 
X''-  ■  i — ^^S  gegenüber  der  Umfangsgeschwindigkeit  der  Leiter- 
wirbel jenen  Druck  verursacht.  Letzterer  greift; 
natürlich  nur  an  der  Oberfläche  des  Leiters  an,  pflanzt  sich  aber, 
wie  schon  oben  erwähnt,  sogleich  ins  Innere  sowie  auf  die  ent- 
fernter liegenden  Punkte  fort^).  Die  Verhältnisse  werden  hiebei, 
abgesehen  von  den  weiter  unten  zu  behandelnden  Einflüssen  der 
geweckten  elektromagnetischen  Elastizitäts-  und  Trägheitskräfte  auf 
den  Ausgleich,  hinsichtlich  der  erzeugten  Druckdifferenz  dieselben 
sein,  ob  die  Druckrichtung  wie  bei  Gleichstrom  dieselbe  bleibt  oder 
wie  bei  periodischem  Wechselstrom  dauernd  wechselt.  Stets  wird 
die  erzeugte  mittlere  Druckdifferenz  durch  die  resultierende  Anzahl 
der  in  der  Zeiteinheit  geschnittenen  wirksamen  Kraftlinien,  d.  i.  nach 
obiger  Vorstellung  das  Produkt  aus  der  natürlich  entsprechend  den 
Wirbelmolekülen  unveränderlichen  Anzahl  von  Wirbelfaden  und  deren 
Wirbelintensität  gegeben  sein.  Obwohl  die  Rechnung  mit  Kraft- 
linien für  die  Praxis  als  bequemer  entschieden  vorzuziehen  ist,  so 
ist  andererseits  das  Entstehen  und  Verschwinden  der  Kraftlinien 
der  Vorstellung  nicht  recht  zugänglich,  weshalb  in  dieser  Be- 
ziehung die  Wirbelfäden  für  sie  eintreten  werden.  Der  Gene- 
rator für  die  elektrische  Druckdifferenz  wird  jedoch  bei  Wechsel- 
strom mechanisch  anders  zu  veranschaulichen  sein.  Während  der 
Gleichstromgenerator  wie  bisher  einer  im  gleichen  Sinne  treibenden 
Saug-  und  Druckpumpe  entspricht,  würde   der  periodische  Wechsel- 

^)  Anknüpfend  an  die  vom  Verfasser  zuerst  in  .Stahl  und  Eisen'  (vergl. 
Elektrotechnische  Briefe  1892)  entwickelten  Vorstellungen  hat  Herr  Prof.  Weyde 
(vergl.  «Elektrotechn.  Zeitschrift"  1897,  Heft  34)  einige  speziellere  Fälle  mit  noch 
etwas  weitergehender  zeichnerischer  Ausführung  behandelt,  worauf  Liebhaber 
weiterer  Detailausführung  hingewiesen  seien.  Der  Verfasser  hat  dieselbe  vermieden, 
weil^ihm  die  Nachteile  einer  solchen  grösser  als  die  Vorteile  zu  sein  scheinen. 


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Die  HauptbegrifPe  der  Gleich-  und  Wechselstromtechnik.  213 

stromgenerator  einem  für  Friktionsmoleküle  undurchlässigen  Kolben 
entsprechen,  der  an  einer  Stelle  der  Leitung  eingeschaltet,  einen  der 
Zeit  nach  sinusförmig  verlaufenden  Antrieb  zu  erteilen  hätte.  Vor 
der  näheren  Betrachtung  von  Mechanismen,  deren  Bewegungserschei- 
nimgen  als  Analogie  elektrischer  Vorgänge  aufgefasst  werden  können, 
mögen  jedoch  die  auf  die  magnetische  Seite  bezüglichen  Hilfsvor- 
stellungen betrachtet  werden. 

II.  Die  auf  die  magnetisclieii  Erscheinungen  bezüglichen 
Hilfsvorstellungen. 

14.  Die  allgemeinen  und  mit  dem  Vorhandensein  einer  elektri- 
schen Strömung  stets  untrennbar  verbundenen  elektromagnetischen 
Erscheinungen  sind  bereits  in  §  9  betrachtet  worden.  Daselbst  wurde 
jedoch  zunächst  von  der  Gegenwart  sogenannter  magnetischer  Mate- 
rialien in  der  Leiterumgebung  abgesehen,  d.  h.  solcher  Materialien, 
welche  wie  Eisen,  Kobalt  und  Nickel  in  ihrem  magnetischen  Verhalten 
stark  abweichen  von  allen  übrigen  und  zum  Gegensatz  als  unmag- 
netisch bezeichneten  Materialien,  obwohl  die  letzteren  in  Wirklichkeit 
nur  schwächer  und  unter  sich  fast  völlig  gleich  magnetisch  sind. 
Ein  wesentlicher  Unterschied  zwischen  diesen  beiden  Klassen  von  Ma- 
terialien besteht  aber  darin,  dass  die  Moleküle  der  sogenannten  un- 
magnetischen Materialien  praktisch  reibungsfrei  beweglich  sind,  wäh- 
rend die  viel  leichter  beweglichen  Moleküle  der  sogenannten  mag- 
netischen Materialien  nur  mit  mehr  oder  weniger  grosser  Reibung  aus 
dem  einen  magnetischen  Zustand  in  einen  anderen  übergehen.  Hie- 
durch  werden  in  Verbindung  mit  der  bereits  in  §  9  erwähnten  und 
bei  allen  Materialien  vorhandenen  elastischen  Befestigung  der  Wirbel- 
achsen in  ihrer  ursprünglichen  Lage  eine  Reihe  praktisch  wichtiger  Er- 
scheinungen hervorgerufen  ^).  Zunächst  sollen  jedoch  an  einem  mög- 
lichst einfachen  Modell  die  verschiedenen  magnetischen  Ghnmdbegriffe 
anschaulich  gemacht  werden.  Zu  diesem  Zwecke  denke  man  sich 
einen  Körper,  der  ähnlich  wie  das  magnetische  Molekül  mit  Reibung 
beweglich,  einer  äusseren  ablenkenden  Kraft  unterworfen  ist  und  von 
elastischen  Kräften  in  seiner  ursprünglichen  Lage  zu  erhalten  ge- 
sucht wird.  In  Fig.  6  bedeute  m  das  Molekül,  das  man  sich  elastisch 
in  seiner  Lage  festgehalten  denke,  was  hier  der  besseren  Anschaulich- 


0  Die  folgenden  Betrachtungen  wurden,   allerdings  teilweise  in  anderer 
Form,  zuerst  in  „Stahl  und  Eisen"  1897,  Heft  8,  veröffentlicht. 


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214 


C.  Heinke. 


-^-  -  ^^  - 


keit  halber  an  den  Punkten  L  und  P  mittels  Kautschukfäden  be- 
werkstelligt sei.  Der  Bewegungsantrieb  auf  m  bestehe  in  einem 
Drehmoment  um  die  Achse  T,  während  die  dazu  senkrecht  stehende 
Achse  WW  die  feststehende  Umgebung  U,  gegen  welche  m  unter 
Ueberwindung  von  Reibungskräften  beweglich  ist,  im  Punkte  0  schnei- 
den möge,  solange  m  in  der  Mittel-  oder  Gleichgewichtslage  sich  be- 
findet. Wenn  das  von  aussen  angreifende 
Drehmoment  D  jetzt  in  Richtung  des 
Pfeiles,  also  fUr  den  Beschauer  entgegen 
dem  Uhrzeigersinn  wirkt  und  zunächst 
konstant  gedacht  ist,  so  wird  m  so  lange 
y^  in  diesem  Sinne  gedreht,  bis  die  Spannung 
von  k  zusammen  mit  der  Reibungskraft 
zwischen  m  und  U  jeher  Kraft  D  das 
Gleichgewicht  hält.  Hört  jetzt  diese  äussere 
Antriebskraft  zu  wirken  auf,  so  würde, 
wenn  man  fürs  erste  von  dem  Einfluss  der 
Trägheit  absieht  und  sich  zu  diesem  Zweck  die  Masse  von  m  klein  gegen- 
über der  Reibung  auf  der  Unterlage  vorstellt,  m  durch  die  sich  ent- 
spannenden Fäden  wieder  in  seine  alte  Stellung  zurückgezogen  werden, 
wenn  die  Reibung  an  der  Unterlage  nicht  vorhanden  wäre;  die  letztere 
bewirkt  aber,  dass  dieses  Zurückftihren  von  m  in  der  Richtung  von  O 
nach  L  nur  stattfindet,  solange  die  durch  Spannung  von  k  geweckte 
elastische  Gegenkraft  grösser  ist  als  die  jeder  Bewegung  von  m,  gleich- 
viel in  welcher  Richtung,  entgegenstehende  (passive)  Reibungskraft.  Hat 
jene  elastische  Gegenkraft  beim  Entspannen  von  k  bis  auf  den  Wert 
dieser  mit  dem  Reibungskoeffizienten  zwischen  m  und  U  proportionalen 
Reibungskraft  abgenommen,  so  bleibt  die  Achse  WW  jenseits  ihrer 
Mittellage  nach  P  zu  stehen,  d.  h.  m  bleibt  in  Richtung  der  letzten 
Bewegung  hinter  der  Mittellage  zurück,  eine  Eigenschaft  jenes  mecha- 
nischen Modelles,  die  man  mit  ,» Remanenz **  bezeichnen  kann,  wobei 
diese  Remanenz  um  so  grösser  ist,  je  grösser  die  Reibung  zwischen 
m  und  U,  oder  je  kleiner  die  entspannende  Kraft  von  k.  Um  m 
wieder  in  seine  alte  Mittelstellung  zurückzuführen,  bedarf  man  einer 
in  Richtung  von  0  nach  L,  d.  i.  im  Uhrzeigersinn  gerichteten  Straft, 
deren  Grösse  gleichfalls  von  der  Reibung  zwischen  m  und  U  abhängt, 
und  die  in  demselben  Masse  bis  zur  Erreichung  der  Mittellage  von  m 
wachsen  muss,  als  der  mit  ihr  im  gleichen  Sinn  wirkende  Rest  elasti- 
scher Spannkraft  von  k  abnimmt.  Die  Grösse  dieser  Kraft,  welche 
gerade  ausreicht  um  m  völlig  in  seine  alte  Mittelstellung    ^zurückzu- 


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Die  HauptbegrifPe  der  Gleich-  und  Wechselstromtecbnik. 


215 


Fig.  7. 


zwingen'',  und  welche  man  bei  abermaliger  Bevorzugung  des  Lateini- 
schen als  «Goercitivkraft''  bezeichnen  kann,  gibt  ein  Mass  für  die 
zwischen  m  und  ü  vorhandene  Reibungsgrösse,  und  diese  als  passive 
Kraft  erscheinende  Reibungsgrösse  wird  proportional  sein  dem  Rei- 
bungskoeffizienten. 

15.  Trägt  man  das  von  aussen  wirkende  Drehmoment  D  als 
Abscisse,  die  von  der  Achse  WW  auf  der  Unterlage  U  eingenommenen 
Lagen  bezw.  ihre  mit  a  proportionalen  Abweichungen  A  aus  der  Mittel- 
lage 0  als  Ordinaten  auf  und  zwar  z.  B.  alle  von  0  nach  P  gerichteten 
als  positiv,  alle  nach  L  gerichteten  als  negativ  (vergl.  Fig.  7),  so  er- 
hielte man  von  0  als  Mittellage  aus- 
gehend zunächst  einen  durch  die 
Reibung  zwischen  m  und  U  beding- 
ten (gegen  die  Ordinatenachse  kon- 
kaven) Verlauf  der  Kurve,  hierauf 
wird  dieselbe  so  lange  angenähert 
geradlinig  verlaufen,  als  die  Dehnung 
der  von  der  Kraft  D  gespannten 
Faden  K  direkt  proportional  mit  dem 
wachsenden  a  bezw.  A  zunimmt; 
würde  dieselbe  bei  weiterer  Ab- 
weichung von  der  Mittellage  rascher 
erfolgen,  so  würde  die  Kurve,  welche 
ja  den  Zusammenhang  der  erforder- 
lichen Grösse  von  D  und  jener  Abweichung  A  darstellt,  eine  gegen 
die  Abscissenachse  konkave  Umbiegung  erfahren  oder  ein  Knie  auf- 
weisen, um  später  wieder  nahezu  geradlinig  zu  verlaufen.  Nimmt 
hierauf  die  Kraft  D  nach  Erreichung  eines  Maximums  wieder  ab, 
zunächst  bis  auf  Null,  so  wird  nach  den  obigen  Betrachtungen  m 
gegenüber  den  entsprechenden  Lagen  bei  zunehmender  Kraft  „ zurück- 
bleiben **  ,  d.  h.  die  absteigende  Kurve  6  R  wird  oberhalb  der  soeben 
erhaltenen  Kurve  0  G  liegen,  und  die  Strecke  0  R  wird  ein  Mass  für 
die  „Remanenz*"  oder  das  Zurückbleiben  von  m  hinter  der  Mittel- 
stellung abgeben,  wenn  die  äussere  Kraft  D  zu  wirken  aufgehört  hat. 
Kehrt  jetzt  Kraft  D  ihre  Richtung  um  und  wirkt  von  0  nach  L, 
d.  i.  im  Uhrzeigersinn,  so  wird  sie  m,  zunächst  in  Gemeinschaft  mit 
dem  noch  vorhandenen  Spannungsrest  von  k,  in  die  Mittelstellung, 
d.  h.  A  =  0  zurückfuhren,  in  welchem  Punkt  jene  Spannung  von  k 
auch  auf  Null  abgenommen  hat,  so  dass  die  Goercitivkraft  durch  die 
Strecke  —  D  =  0  C  dargestellt  wird.   Bei  weiterem  Wachsen  von  —  D 


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216  G'  Heinke. 

muss  wiederum  die  Spannung  von  k  überwunden  werden,  und  die 
Elongation  von  m  nach  L,  also  —  A,  wird  etwa  durch  die  Kurve  C  6' 
dargestellt  werden.  Es  ist  nun  ohne  Schwierigkeit  zu  verfolgen,  dass 
bei  abermaliger  Abnahme  von  —  D  bis  auf  Null  und  hierauf  folgen- 
dem Wechsel  der  Richtung  und  Anwachsen  von  4  D  bis  zum  früheren 
Maximalwert  die  durchlaufene  Kurve  für  die  Elongation  A  als  Funk- 
tion von  D  durch  die  rechts  von  0  und  zu  jener  symmetrisch  ver- 
laufende Kurve  G'  G  dargestellt  wird.  Bei  periodischem  Verlauf  der 
am  Umfang  von  m  anfassend  gedachten  Kraft  D,  wie  sie  etwa  durch 
eine  dem  Sinusgesetz  folgende  kreuzkopfartige  Bewegung  des  Angriff- 
punktes bei  gleichförmigem  Kurbelantrieb  mechanisch  herbeizuführen 
wäre,  wird  also  jene  geschlossene  Kurve  GRCG'R'C'G  in  dieser 
Reihenfolge  innerhalb  jeder  Periode  von  D,  entsprechend  einer  ganzen 
Umdrehung  des  antreibenden  Kurbelmechanismus,  einmal  durchlaufen. 
Die  Bedeutung  der  von  jedem  solchen  cyklischen  Kreisprozess 
eingeschlossenen  Fläche  ist  unschwer  als  die  während  jeder  Periode 
geleistete  und  in  Wärme  umgesetzte  Reibungsarbeit  zu  erkennen,  da 
jedes  Flächenelement,  z.  B.  der  parallel  zur  Abscissenachse  herausge- 
schnittene Elementarstreifen  f .  dA,   das  Produkt  von   Kraft  X  Weg- 

element  darstellt.  Die  ganze  Fläche yf  .  dA,  worin  die  Kraftdifferenz  f, 

—  A 

ebenso  wie  vorher  die  Kurve  0  G  der  erforderlichen  Kraft  D ,  eine 
empirische  Funktion  derselben  Weglänge  A  ist,  stellt  also  diejenige 
Arbeit  bezw.  denjenigen  Teil  der  zeitweilig  potentiell  als  Fadenspan- 
nung vorhandenen  Energie  dar,  welche  bezw.  welcher  von  der  elas- 
tischen Spannkraft  der  Fäden  nicht  an  die  auf  m  wirkende  mechani- 
sche, periodische  Antriebsquelle  wieder  zurückgeliefert',  sondern  durch 
die  Reibung  zwischen  m  und  U  in  Wärme  umgesetzt  wurde. 

Da  dieses  Arbeitsquantum  ebenso  wie  die  oben  besprochene  Er- 
scheinung des  nicht  nur  zeitlichen,  sondern  beliebig  lange  bestehen 
bleibenden  Zurückbleibens  der  Elongation  A  von  m  (alaf  Wirkung) 
hinter  der  jeweiligen  wirkenden  Kraft  D  (als  Ursache)  durch  das  Vor- 
handensein der  Reibung  zwischen  m  und  U  bedingt  wird,  so  kann 
man  auch  jene  beiden  Wirkungen  derselben  Reibungsursache  mit- 
einander in  Verbindung  setzen  und  jene  durch  die  Fläche  dargestellte 
Energiemenge  als  Zurückbleibungsarbeit  oder,  wiederum  unter  Bevor- 
zugung  eines  (griechischen)  Fremdwortes,   als   Hysteresisarbeit*)   be- 


0  Am  besten  würde  hiefdr  wohl  die  Bezeichnung   ,, magnetische  Reibongs- 
arbeit'  passen. 


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Die  Hauptbegriffe  der  Gleich-  und  Wechselstromtechnik.  217 

zeichnen.  Diese  jedem  Techniker  unschwer  verständlichen  mechani- 
schen Erscheinungen,  welche  sich  durchweg  als  einfache  Folgerungen 
aus  dem  Vorhandensein  einer  Reibung  zwischen  m  und  U  in  Ver- 
bindung mit  den  geweckten  Elastizitätskräften  von  k  ergeben,  braucht 
man  jetzt  nur  mit  gedanklich  leicht  auszuführenden  Abänderungen 
auf  die  magnetischen  Erscheinungen  zu  übertragen,  um  den  Zusammen- 
hang aller  Grössen,  welche  bei  den  magnetischen  Erscheinungen  und 
namentlich  bei  der  Remanenz  und  Hysteresis  ins  Spiel  kommen,  vor 
Augen  zu  haben.  Man  kann  also  jenes  einfache  Einzelmodell  gleich- 
sam   als    molekularmagnetischen    Baustein     auffassen    und    aus    ihm 

folgende  Hauptbegriffe  ableiten:   Das  Verhältnis  — p.  ,  ^    ^ 

äussere  iXicntKrart 

(nach  Fig.  jr\  stellt  magnetisch  die  sogenannte  Durchlässigkeit  oder 

Permeabilität  fi  dar;  die  nach  Aufhören  bestehen  bleibende  Ablenkung 
A  =  0  R  entspricht  der  Remanenz ,  die  erforderliche  entgegengesetzte 
Kraft  —  D  =  0  C  der  Coercitivkraft  und  endlich  die  bei  jedem  Be- 
wegungscyklus  nötige  Reibungsarbeit  dem  Hysteresisverlust. 

16.  Es  ist  jedoch  bei  jedem  elektromagnetischen  Vorgang  zu 
berücksichtigen,  dass  das  Einzelmolekül  nicht  unabhängig  ist  von  den 
übrigen  Molekülen  des  Wirbelfadens,  sondern,  wie  bereits  früher 
(vergl.  §  9  und  Fig.  3)  angegeben,  mit  ihnen  gleichsam  in  zwang- 
läufiger Verbindung  steht,  insofern  der  Richtungsantrieb  sich  nicht 
nur  auf  die  seitlichen  Nachbarwirbel,  sondern  ebenso  auf  den  Vorder- 
und  Hintermann  erstreckt,  so  dass  in  dieser  Beziehung  der  mag- 
netische Ausgleichsvorgang  ebenso  wie  der  elektrische  die  Kreislauf- 
natur aufweist,  d.  h.  auf  Grund  der  Inkompressibilität  der  Friktions- 
moleküle kann  irgend  ein  Ausgleich,  sei  er  nun  dynamisch  oder 
statisch,  elektrisch  oder  elektromagnetisch,  nie  in  ungeschlossener 
Bahn  erfolgen,  stets  müssen  vielmehr  die  Ausgleichsbahnen  wieder 
nach  dem  Ausgangspunkt  zurückleiten,  wie  bei  einem  in  sich  ge- 
schlossenen Geleise  ohne  Ende.  Dies  gilt  in  gleicher  Weise  für  die 
Stromfaden  beim  dynamischen  Ausgleich  wie  bei  den  elektrostatischen 
Verschiebungsbahnen  und  den  magnetischen  Wirbelfäden  bezw.  Kraft- 
linien, welche  letzteren  die  gemeinschaftlichen  Richtungskom- 
ponenten angeben,  die  den  Wirbeln  der  Leiterumgebung  durch  den 
Antrieb  des  im  Leiter  fliessenden  Stromes  erteilt  werden.  Die  aus 
dieser  Kreislaufnatur  des  Bewegungsvorganges  sich  ergebenden  Folge- 
rungen sind  gleichfalls  allen  diesen  Ausgleichsformen  gemeinsam. 
Denken  wir  uns  einen  solchen  in  sich  perlenschnurartig  geschlossenen 


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218  C.  Heinke. 

Wirbelfaden  (WF  der  Fig.  8),  welcher  zunächst  einem  homogenen 
Kreislauf,  z.  B.  einem  magnetisch  geschlossenen  Transformator  an- 
gehören möge,  herausgeschnitten,  und  es  sei  die  Art  des  zwang- 
läufigen Zusammenhanges  zwischen  den  einzelnen  Wirbeln  I,  II,  III 
u.  s.  w.  recht  augenfällig  durch  ein  starres  Verbindungsglied  etwa  in 

Gestalt  der  Lenkstange  S  versinnbildlicht. 
^^'  ^'  Der  von   einer  bestimmten   Stelle   aus- 

gehende Richtungsantrieb  M  —  in   der 
'--.^        Fig.  8  durch  die  Spule  angedeutet  —  muss 
an  allen  Stellen  des  Wirbelfadens  den 
f  ^  ^  A     gleichen  Drehungsbetrag  a  bewirken  und 

\  /      wird  sich  im  vorliegenden  Fall  der  gleichen 

'"-.^/XX^TJMT^-----^'         Dehnbarkeit  aller  Fäden  k  (gleicher  Per- 
\        M        ^  meabilität  (i),  sonach  gleichmässig   auf 

die  einzelnen  Wegstrecken  verteilen.  Der 
Widerstand   des  Wirbelfadens   gegen    das    Gerichtetwerden,   d.  i.  der 

magnetische  Widerstand  wird  sonach  einerseits   proportional  mit       , 

andererseits  direkt  proportional  mit  der  Länge  1  des  Wirbelfadens 
wachsen.  Will  man  nun  ebenso  wie  beim  Ohm  sehen  Gesetz  für  den 
elektrischen  Kreislauf,  auch  hier  für  den  magnetischen  Kreislauf  den 
Zusammenhang  zwischen  der  in  Windungsampere  gemessenen  MMK 
—  hier  mit  M  bezeichnet  —  und  der  gesamten  Kraftlinienzahl  N  in 
jedem  vollen  Kreislaufquerschnitt  aufstellen,  so  muss  berücksichtigt 
werden,  dass  M  ebenso  wie  E  (vergl.  §  8)  keine  Flächenkraft,  sondern 
wie  der  Atmosphärendruck  eine  bezüglich  des  Querschnitts  spezifische 
Grösse  ist,  und  ebenso  wie  die  Windungsampere  unabhängig  vom 
Querschnitt  gemessen  wird.  Für  diesen  Zusammenhang  von  M  und 
dem   der  Stromstärke  J   analog  gefassten  N  muss  sonach   auch   der 

magnetische  Widerstand  Wm  = die   dem   Ohmschen   Widerstand 

analoge   Fassung    annehmen    (vergl.    hiezu    femer  unter   §  30).     Die 

M 

Beziehung  N  =  -~—  wird    in   ihrer    Allgemeinheit    aber    nach    dem 

•*  m 

Modell  auch  dann  noch  gelten  müssen,  wenn  der  Weg  von  WF  durch 
magnetisch  verschiedenartiges  Material  verläuft.  Der  Eisenkreislauf 
erleide  z.  B.  bei  11  eine  Unterbrechung,  so  dass  II  die  Moleküle  eines 
Luftschlitzes  repräsentiert:  nach  der  obigen  Auffassung  wird  sich  die 
viel  kleinere  Permeabilität  fi  dieser  Strecke  gegenüber  dem  übrigen 
Kreislauf  darin  aussprechen,   dass   die  Fäden  k  von  II   viel   weniger 


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Die  Hauptbegriffe  der  Gleich-  und  Wechselstroxntechnik.  219 

dehnbar  sind  als  die  von  I  und  III,  sowie  aller  übrigen  Moleküle 
von  W  F.  Da  aber  auf  Grund  der  starren  Verbindung  S  dieselbe  mit 
der  Drehung  um  a  verbundene  Dehnung  der  Fäden  von  II  statthaben 
muss,  so  muss  ein  entsprechend  grosser  Teil  der  gesamten  vorhandenen 
Antriebskraft  auf  Molekül  II  entfallen,  d.  h.  die  MME  muss  sich 
proportional  den  magnetischen  Widerständen  der  vorhandenen  Teil- 
strecken auf  diese  verteilen,  oder  anders  ausgedrückt :  das  magnetische 
Potentialgefälle  wird  sich  über  die  Weglänge  des  Kreislaufes  ungleich- 
förmig verteilen  und  zwar  entsprechend  den  elastischen  (Faden-) 
Widerständen  der  Teilstrecken.  Bei  Querschnittsänderungen  des  Kreis- 
laufweges braucht  alsdann  nur  noch  berücksichtigt  zu  werden,  inwie- 
weit die  spezifischen  oder  die  gesamten  Grössen  für  Ausgleich,  Wider- 
stand und  Antriebskraft  in  Frage  kommen,  bezw.  wie  die  letzteren 
definiert  werden  (vergL  hiezu  auch  §  17  und  30). 

17.  Wesentlich  beeinflusst  wird  die  Erscheinung  der  Remanenz 
durch  Zusammensetzung  eines  Kreislaufes  aus  zwei  derartig  ver- 
schieden magnetischen  Materialien,  z.  B.  Eisen  und  Luft,  eine  Ab- 
hängigkeit, welche  sich  ihrem  Wesen  nach  mit  Hilfe  des  obigen 
Modells  (Fig.  8)  und  der  angeschlossenen  Betrachtungen  erklären  lässt. 
Den  Grund  für  jenen  Einfluss  bildet  der  schon  erwähnte  Umstand, 
dass  alle  unmagnetischen  Materialien  keine  merkliche  magnetische 
Reibung  besitzen,  weshalb  auch  bei  ihnen  die  daraus  resultirenden 
magnetischen  Erscheinungen,  wie  Remanenz  und  Hysteresis,  in  Weg- 
fall kommen.  Nach  Aufhören  der  M  M  K  werden  zunächst,  wie  oben 
(Fig.  6)  am  Einzelmodell  gezeigt,  alle  Eisenmoleküle  ein  der  Spannung 
von  k  entsprechendes  Bestreben  zeigen ,  in  ihre  ursprüngliche  Lage 
zurückzukehren,  was  auch  erfolgt  bis  die  Reibung  Halt  gebietet. 
Das  Verhältnis  der  Reibungskräfte  R  aller  Einzelmoleküle  zu  den 
Spannungskräften  S  aller  elastischen  Fäden  vrird  also  die  mögliche 
Grösse  der  Remanenz  erkennen  lassen,  da  für  einen  ruhenden  Gleich- 

R 
gewichtszustand  -^  nie  kleiner  als  die  Einheit  sein  kann.    Wird  nun 

ein  Teil  des  Kreislaufweges   durch  Luft  gebildet,    so    ist   nach    dem 

Obigen  leicht  zu  übersehen,  dass  dieses  Verhältnis  ^  immer  kleiner 

werden  müsste,  je  grösser  der  magnetische  Luftwiderstand  gegenüber 
demjenigen  des  Eisen weges  wird;  denn  behält  letzterer  absolut  dieselbe 
Länge,  so  dass  R  konstant  bleibt,  so  wird  doch  bereits  ein  kleiner 
Luftschlitz  eine  ausserordentliche  Vergrösserung  des  Nenners  S  ohne 
jede  Vergrösserung  von  R  verursachen,  da  der  Wert  von  S  bei  einer 


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220  C.  Heinke. 

Luftschicht  häufig  dieselbe  Grösse  wie  eine  1000-  bis  2000mal  so 
dicke  Eisenstrecke  aufweisen  wird.  Der  sogenannte  entmagnetisierende 
Einfluss  der  Enden,  oder  richtiger  der  eingeschalteten  Luftstrecke, 
wird  also  proportional  mit  S  zunehmen,  eine  Thatsache,  die  gleich- 
falls durch  das  Modell  völlig  erklärlich  wird.  Zu  beachten  ist  jedoch, 
dass  im  allgemeinen  nicht  das  Verhältnis  der  Weglängen,  sondern 
dasjenige  der  magnetischen  Widerstände  beider  Teilstrecken  mass- 
gebend ist,  indem  die  Weglängen  nur  so  lange  das  Verhältnis  der 
Gesamtwiderstände  angeben,  als  keine  Querschnittsänderung  des  Ereis- 
laufweges  eintritt.  Eine  Querschnittsvergrösserung  verkleinert  ebenso 
wie  bei  elektrischen  Ausgleichsvorgängen  den  bei  beiden  in  analoger 
Weise  (vergl.  §  8  bezw.  16)  definierten  Gesamtwiderstand  Wm  eines 
Ausgleichsweges ,  woraus  sich  unter  anderem  erklärt ,  warum  bei  ge- 
raden Eisenstäben  der  Luftwiderstand  relativ  immer  mehr  abnimmt, 
je  länger  die  Eisenstäbe  bei  gleichem  Querschnitt  werden,  oder  je 
grösser  allgemein  das  Verhältnis  m  von  Länge  :  Querschnittdurch- 
messer ist,  so  dass  bei  wachsenden  Werten  von  m  die  Verhältnisse 
immer  näher  denjenigen  eines  geschlossenen  Eisenkreislaufes  und 
damit  die  entmagnetisierenden  Kräfte  immer  kleiner  werden;  das  Ver- 
hältnis 

magnetischer  Widerstand  des  Eisenweges 
magnetischer  Widerstand  des  Luftweges 

nimmt  nämlich  in  angenähert  gleicher  Weise  wie  m  zu. 

AUe  diese  Betrachtungen  machen  die  Abhängigkeit  der  Remanenz 
nicht  nur  von  der  Eisensorte,  sondern  auch  von  der  Zusammensetzung 
des  magnetischen  Kreislaufes  B  aus  Eisen-  und  Luftstrecken  erklär- 
lich. Ebenso  wie  aber  bei  den  Modellen  (Fig.  6  und  8)  so  wird  auch 
bei  den  magnetischen  Vorgängen  nur  der  Wert  der  Remanenz  (0  R 
der  Fig.  7)  beeinflusst,  nicht  aber  der  Wert  der  bei  jedem  Cyklus  in 
Reibung  umgesetzten  Arbeit,  mit  anderen  Worten:  jene  Hysteresis- 
fläche  GRCG'R'C'G  erleidet  je  nach  der  Grösse  des  im  Blreislauf 
vorhandenen  Luftwiderstandes  eine  mehr  oder  weniger  grosse  »Scherung'', 
ihr  Flächeninhalt  bleibt  aber  der  gleiche. 

18.  Diese  den  Thatsachen  entsprechende  Scherungsfähigkeit  der 
Hysteresiskurve  lässt  jetzt  auch  die  gegenseitige  SteUung  von  Rema- 
nenz und  Hysteresis  deutlich  erkennen:  beide  Grössen  sind  zunächst, 
wenn  auch  in  ganz  verschiedener  Weise,  von  der  Elongation  A  bezw.  a 
(magnetisch  durch  eine  Potenz  der  spezifischen  Induktion  B  in  Kraft- 
linien auf  den  Quadratcentimeter  angegeben)  abhängig;  legt  man  jedoch 


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Die  HauptbegrifFe  der  Gleich-  und  Wechselstromtechnik.  221 


fürs  erste  stets  denselben  Wert  von  A  bezw.  B  zu  Grunde,  so  ist  der 
Flächeninhalt  der  Hysteresisschleifen  nur  von  einer  Materialkonstanten  h 
abhängig  und  mit  ihr  direkt  proportional.  Bei  dem  mechanischen 
Einzelmodell  kann  man  nämlich  die  während  eines  solchen  Hin-  und 
Herganges  (Vollschwingung  zwischen  beliebigen  Grenzen  A^  und  A^) 
geleistete  Reibungsarbeit  üi  durch  eine  Gleichung 

ausdrücken. 

Hierin  bedeutet  h  die  von  dem  konstant  gedachten  Reibungs- 
koeffizienten zwischen  m  und  der  Unterlage  abhängige  Eonstante, 
welche  sich  aus  der  obigen  Gleichung  als  die  Reibungsarbeit  zwischen 

(X  A  \ 
— ^—x — —  I  =  1 ,  z.  B.  in  Centimeter  gemessen, 

definiert.   Bei  symmetrisch  zum  Nullpunkt  0  gelegenen  Verschiebungs- 

grenzen  geht  1 — ^— ^ — ^  j  in  A  =  1  über.   Die  Grösse  der  Remanenz, 

welche  durch  Strecke  OR  in  Fig.  7  dargestellt  wird,  ist  aber,  wie 
leicht  ersichtlich,  bei  demselben  Material  ausserdem  von  der  Lage  der 
Hysteresisfläche  gegenüber  den  Koordinatenachsen  abhängig;  also  je 
stärker  jene  —  durch  Einschalten  von  Luftwiderstand  in  den  Ei*eis- 
lauf  —  geschert,  d,  h.  in  der  oberen  Hälfte  von  links  nach  rechts, 
in  der  unteren  von  rechts  nach  links  verdrückt  wird,  um  so  näher 
werden  die  Punkte  R  und  R'  an  0  heranrücken,  und  um  so  kleiner 
wird  daher  die  Remanenz  werden.  Umgekehrt  wird  die  Remanenz 
natürlich  um  so  grösser,  je  geschlossener  der  Eisenkreislauf  ist,  ein 
Umstand,  welcher  für  alle  sogenannten  permanenten  Magnete,  deren 
Magnetismus  nur  auf  Remanenz  beruht,  von  Bedeutung  ist  (ver- 
gleiche §  19). 

Die  wirklich  auftretende  Remanenz  ist  demnach  eine  Misch- 
erscheinung, welche  ausser  vom  Material  und  bis  zu  einem  gewissen 
Ghrade  von  der  vorausgegangenen  maximalen  Elongation  der  Einzel- 
moleküle noch  im  hohen  Grade  von  der  Zusammensetzung  des  mag- 
netischen Kreislaufes  abhängt.  Der  Hysteresiskoeffizient  h  aber  ist 
eine  reine  Materialgrösse  und  entspricht  der  Reibungsarbeit  zwischen 
Eisemnolekül  und  seiner  Umgebung  bei  einem  Gyklus  innerhalb  der 
magnetischen  Verschiebungseinheit;  sie  wird  praktisch  auf  die  Vo- 
lumeneinheit Yon  1  ccm  bezogen,  da  man  mit  der  Molekülanzahl  nicht 
direkt  rechnen  kann.  Wird  die  magnetische  Verschiebung  B  in  Kraft- 
linien auf  den  Quadratcentimeter  gemessen,   so  ist  nicht  B,  sondern 


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222  C.  Heinke. 

nach  den  Untersuchungen  von  Steinmetz^)  eine  höhere  und  nahe 
bei  1,6  hegende  Potenz  von  B  der  mechanischen  Verschiebung  A  ent- 
sprechend, so  dass  man  die  in  jedem  Cjklus  und  jedem  Kubikcenti- 
meter  geleistete  magnetische  Reibungsarbeit  Uj  erhält:  üi  =  h  .  B^*^, 
worin  B  der  in  jedem  Cyklus  erreichte  Maximalwert  der  spezifischen 
Eiseninduktion  (in  Kraftlinien  auf  den  Quadratcentimeter)  ist.  Bei  periodi- 
schem Wechselstrom  von  z  sekundlichen  Wechseln  (       Perioden  i  wäre 

also  die  in  V  ccm  geleistete  sekundliche  Reibungsarbeit  P  oder  die  in 
Wärme  umgesetzte  Leistung 

P  =  V  .  y  .  h  .  B''\ 

Der  Einfluss,  welchen  die  durch  irgend  ein  Mittel  (Hämmern, 
Ausglühen,  plötzliche  Stromunterbrechung)  bewirkte  molekulare  Er- 
schütterung auf  jene  beiden  magnetischen  Reibungserscheinungen  aus- 
üben wird,  lässt  sich  gleichfalls  am  mechanischen  Modell  deutlich  ver- 
folgen. Eine  bei  diesem  vorgenommene  mechanische  Erschütterung 
wird  eine  momentane,  teilweise  oder  auch  völlige  Aufhebung  der 
passiven  Reibungskräfte  zwischem  m  und  der  Unterlage  (Fig.  6)  zur 
Folge  haben,  so  dass  in  jenen  Momenten  die  noch  vorhandene  und 
vorher  durch  die  Reibung  kompensierte  Richtkraft  der  gespannten 
Fäden  k^  und  k^  zur  Wirkung  gelangen  kann.  Augenscheinlich  wird 
hiedurch  bei  nicht  vorhandener  äusserer  aktiver  Kraft  die  vorhandene 
Remanenz  eine  mehr  oder  weniger  grosse  Minderung,  unter  Umständen 
bis  zum  Verschwinden,  erfahren.  Umgekehrt  wird  bei  einseitig  wirken- 
der äusserer  Kraft  die  Elongation,  namentUch  bei  höheren  Werten 
von  h,  eine  Vergrösserung  erfahren,  und  bei  cykUsch  wirkender  Kraft 
endlich  wird  wiederum  eine  Verminderung  der  Reibungsarbeit  U  in 
jedem  Cyklus  die  Folge  sein.  Genau  die  gleichen  Erscheinungen  treten 
nun  auch  magnetisch  auf,  wenn  eine  molekulare  Erschütterung  her- 
beigeführt wird.  So  wird  z.  B.  durch  massige  Erwärmung,  welche 
einer  dauernden  Erschütterung  entspricht,  die  Permeabilität  von  Stahl- 
sorten vergrössert,  die  Remanenz  und  die  Hysteresisarbeit  für  sonst 
gleiche  Verhältnisse  vermindert  u.  s.  f. 

19.  Bei  der  Verwendung  von  Eisen  für  elektrotechnische  Zwecke 
wird  in  den  meisten  Fällen,  z.  B.  für  Transformatoren-  und  Dynamo- 


^)  üeber  die  Beschränkung  der  Giltigkeit  dieser  Formel,  bezw.  der  Eonstans 
des  daraus  ermittelten  HysteresiskogfBzienten  vergl.  «Elektrotechn.  Zeitschrift'  1897, 
S.  276  (Mitteilung  aus  der  Phys.  Techn.  Reichsanstalt). 


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Die  Hauptbegriffe  der  Gleich-  und  Wechselstromtechnik.  223 


bleche,  sowie  für  den  jetzt  meist  bei  Dynamogestellen  verwendeten 
Stahlguss  mögKchst  kleine  HysteresiSi  also  kleiner  Wert  von  h  an- 
gestrebt, um  die  Verluste  durch  Hysteresisarbeit  möglichst  herunterzu- 
drücken. 

Im  Gegensatz  hiezu  steht  die  Herstellung  permanenter  Magnete, 
bei  welchen  die  gewünschte  Dauerhaftigkeit  und  Stärke  ihrer  Re- 
manenz einer  möglichst  kräftigen  magnetischen  Molekularreibung,  d.  h. 
eines  hohen  Wertes  von  h  bedürfen;  es  sei  nebenbei  bemerkt,  dass 
hiefür  namentlich  der  Zusatz  von  Wolfram  (Tungstein)  günstig  ist, 
wodurch  die  bisher  höchsten  Werte  erreicht  wurden  (bei  sehr  hartem 
Wolframstahl  der  Bergischen  A.-G.  Remscheidt  ^)  die  Coercitivinten- 
sität  von  77  C-G-S-Einheiten  bei  einem  Wert  für  die  Hysteresisarbeit 
üi  von  275000  Erg,  während  die  remanente  Magnetisierung  J  =  800 
bezw.  die  spezifische  Induktion  B  =  4  tc  J  oa  10  000  .Kraftlinien  auf  den 
Quadratcentimeter  betrug;  letztere  Werte  sind  aufgeschlossenen  Eisen- 
kreis bezogen,  da  nach  den  obigen  Betrachtungen  über  Remanenz  nur 
so  ein  vergleichbarer  eindeutiger  Wert  anzugeben  ist).  Obwohl  weiches 
Material  bei  geschlossenem  Eisenweg  bedeutend  höhere  Werte  an 
remanenter  Magnetisierung  ermöglicht,  so  spielt  für  alle  Magnete,  bei 
welchen  es  auf  eine  grosse  Dauerhaftigkeit  der  Magnetisierung  und 
besonders  auf  eine  grosse  Eonstanz  der  von  ihnen  erzeugten  magneti- 
schen Felder  bei  unvollständigem  Eisenki-eis  ankommt,  dieser  Maximal- 
wert keine  wesentliche  Rolle  (vergl.  Fig.  9).  Hier  wird  man  sich  stets 
mit  weit  geringerer  als  der  sehr  labilen  maximalen  Remanenz  begnügen 
und  vielmehr  bei  kleinerem  Wert  derselben  eine  möglichst  hohe  Sicher- 
heit gegen  etwaige  entmagnetisierende  Einflüsse,  wie  Erschütterungen, 
Temperaturwechsel  und  benachbarte  elektrische  Ströme  anstreben,  was 
durch  sogenanntes  künstliches  Altern  oder  allgemein  durch  Aussetzen 
von  passenden  entmagnetisierenden  Einflüssen  nach  stärkster  Magneti- 
sierung angestrebt  wird.  Hiebei  ist  eine  möglichst  hohe  Coörcitiv- 
intensität  die  wertvollste  Eigenschaft  für  wirklich  zuverlässige  per- 
manente Magnete. 

Um  sich  diese  Verhältnisse  wiederum  anschaulich  zu  machen, 
braucht  man  nur  abermals  auf  das  Modell  zurückzugreifen  (vergl.  oben 
bei  Fig.  8).  Ist  der  Reibungskoeffizient  zwischen  m  und  U  sehr  gross 
gewählt,  so  wird  nach  stärkster  Ablenkimg  aus  der  Mittellage,  d.  h. 
Spannen  von  k  bis  nahe  an  die  Grenze  ihrer  Dehnbarkeit,   m  sehr 


')  Magnetisierung  und  Hysteresis  einiger  Eisen-  und  Stahlsorten  von  H.  du 
Bois  und  £.  Taylor  Jones.     «Elektrotechn.  Zeitschrift'  1896,  S.  545. 
Sanunlang  elektrotechnischer  Vorträge.    I.  16 


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224 


G.  Heinke. 


weit  jenseits  der  Mittellage  stehen  bleiben,  seine  Remanenz  OB  also 
sehr  gross  und  diejenige  bestehen  bleibende  Fadenspannung  S,  welche 
der  Magnetisierung  J  bezw.  der  spezifischen  Induktion  B  entspricht 
(der  Zusammenhang  von  S  bezw.  H  mit  B,  oder  beim  Modell  von  D 
mit  A  ist  durch  die  Magnetisierungskurve  gegeben ,  vei^l.  0  6  der 
F^S*  '^)i  ^^^  gleicher  Ghrösse  wie  die  Reibungskraft  R  zwischen  m 
und  U  sein.  Abgesehen  von  dem  entmagnetisierenden,  die  Mag- 
netisierungskurve und  Hysteresisschleife  scherenden  Einfluss  einer  ein* 
geschalteten  Luftstrecke  wäre  dieser  Zustand  aber  sehr  labil,  da  bei 
jeder  Erschütterung  oder  bei  sonstigen  entspannenden  Kräften  der  Wert 
von  R  vorübergehend  verkleinert  und  auch  dementsprechend  das  vor- 
handene Feld  bezw.  S  durch  weiteres  Heranziehen  von  m  nach  der 
Mittellage  abnehmen  würde  (vergl.  §  17).  Um  durch  die  Einwirkung 
solcher  Einflüsse  die  angestrebte  Eonstanz  von  S  bezw.  H  nicht  ge- 
fährdet zu  sehen,  müsste  man  S  absichtlich  kleiner  wählen,  d.  h.  im 

Modell  m  näher  an  die  Mittellage  zurückführen  und  das  Verhältnis  -^-^ 


besser -Q-,  würde  man  als 


Fig.  9. 


Sicherheitsfaktor''  gegen  zufallige  entspan- 
nende Einflüsse  von  aussen  ansehen  können.  Man  würde  also  durch 
diese  künstliche  Entmagnetisierung  mit  demjenigen  Punkt  (vergl.  Fig.  9), 

welcher  den  noch  verbleiben- 
den Restmagnetismus  charak- 
terisiert, auf  der  Ordinaten- 
achse  abwärts  steigen  in  die 
Hysteresisschleife  hinein.  Würde 
z.  B.  für  eine  bestimmte  (redu- 
zierte) Länge  des  Luftweges  die 
Scherung  der  Hysteresisschleife 
gegenüber  derjenigen  bei  ge- 
schlossenem Eisenweg  durch  die 
Scherungsgrade  0  T  angegeben 
sein  (vergl.  Fig.  9),  so  dass 
der  bleibende  Restmagnetismus 
durch  0  Rb  dargestellt  wäre,  so 
müsste  der  für  den  permanenten 
Magneten  gewählte  Spannungs- 
oder Zwangszustand  so  gewählt  werden,  dass  er  durch  einen  Punkt 
der  Strecke  ORb  dargestellt  würde,  dessen  Abstand  OS<ORt  sein 
müsste.    Der  Grad  der  Sicherheit  für  die  Permanenz  würde  sonach  ge- 


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Die  Hauptbegrifife  der  Gleich-  und  Wechselstromtechnik.  225 

nauer  durch  die  Grösse  der  entmagnetisierenden  Kraft  (—  0  D)  gegeben 
sein,  welche  jenen  Punkt  durch  Verlegen  der  Ordinate  nach  dieser  Seite 
zuerst  aus  der  Hysteresisschleife  herausbringen  würde,  woraus  sich  die 
Wichtigkeit  eines  hohen  Wertes  von  OC  fQr  diesen  Zweck  ergibt.  Bei 
permanenten  Magneten  von   erprobter  Güte   schwankt  jener  ,Sicher- 

R 
heitsfaktor**  -^-  der  Entmagnetisierung  ^)  (richtiger  wohl  der  Magneti- 
sierung) zwischen  3  und  6. 

in.  Die  Terwendimg  mechanlseher  Hilfsvorstellnngen  bei 
komplizierteren  elektromagnetischen  Torgängen. 

20.  Nachdem  die  unsichtbaren  elektromagnetischen  Grunderschei- 
nungen, sowie  die  damit  zusammenhängenden  Begriffe  durch  die  An- 
schaulichkeit der  oben  entwickelten  modellartigen  Vorstellungen  der 
Auffassung  näher  gebracht  sind,  bietet  es  noch  ein  gewisses  Interesse, 
zu  sehen,  ob  dieselben  auch  für  weiter  gehende  Anforderungen  taug- 
lich sind,  insofern  sie  kompliziertere  Vorgänge,  wie  sie  praktisch  durch 
die  Mischung  mehrerer  dieser  Grunderscheinungen  häufig  dargeboten 
werden,  auch  noch  in  befriedigender  Weise  der  Anschauung  zugäng- 
lich zu  machen  vermögen.  Dieser  Anforderung  würde  genügt  sein, 
wenn  die  zur  Veranschaulichung  elektromagnetischer  Elementar  Vorgänge 
dienenden  einfacheren  Mechanismen  in  geeigneter  Weise  zu  einem  com- 
plizierten  Mechanismus  zusammengesetzt  werden  können,  und  dieser  so 
erhaltene  Gesamtmechanismus  wiederum  Eigenschaften  zeigt,  welche 
im  wesentlichen  denen  der  elektromagnetischen  Kombination  analog 
sind.  Lassen  sich  auf  diese  Weise  an  dem  Mechanismus  die  durch 
die  Kombination  der  Elemente  neu  hinzukommenden  Eigentümlich- 
keiten mechanisch  im  voraus  ableiten,  so  wird  durch  diesen  Analogie- 
schluss  das  Verständnis  des  unsichtbaren  elektromagnetischen  Zusammen- 
hanges wesentlich  erleichtert  und  dieser  letztere  der  Auffassung  jedes 
der  mechanischen  Gesetze  Kundigen  zugänglich  gemacht  werden  können. 
Der  Wert  jener  mechanischen  HilfsvorsteUungen  würde  hiedurch  offen- 
bar vergrössert.  Es  soll  daher  im  folgenden  versucht  werden,  der- 
artige kompliziertere  Erscheinungen,  wie  sie  namentlich  die  Wechsel- 
stromtechnik darbietet,  durch  analoge  Mechanismen  im  wesentlichen 
gleichsam  »abzubilden' ,  um  die  Auffassung  jener  Erscheinungen  zu 
erleichtem.    In  dieser  Weise  sollen  später  namentlich  die  Verhältnisse 


')  Vergl.  ,Elektrotechn.  Zeitechrift"  1896,  S.  545. 


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226  C.  Heinke. 


beim  Wechselstromtransformator,  sowie  femer  die  bei  periodischem 
Wechselstrom  möglichen  Resonanzerscheinungen  näher  betrachtet  wer- 
den. Vorher  mögen  jedoch  als  Ausgangspunkt  einige  einfachere  Fälle 
wie  Oleich-  und  Wechselstromkreise,  einerseits  bei  metallisch  ge- 
schlossener, andererseits  bei  unterbrochener  Strombahn  in  dieser  Weise 
betrachtet  werden. 

Die  Betrachtungen  in  den  §§  8  und  9  haben  bereits  auseinander- 
gesetzt, wie  auf  Grund  der  Max  well  sehen  Vorstellungen  bei  ge- 
schlossener metallischer  Strombahn  der  Ausgleichsvorgang  verlauft, 
wenn  an  irgend  welcher  Stelle  eine  als  Elektrizitätspumpe  wirkende 
E  M  E  eingeschaltet  ist.  Ist  jene  konstant  gedachte  E  M  E  eine  Gleich- 
stromquelle, so  wird  der  ausserordentb'ch  rasch  erreichte  stationäre 
Strömungzustand  durch  das  Ohmsche  Gesetz  angegeben  sein.  Wegen 
der  Reibung  zwischen  den  im  Leiter  strömenden  Friktionsmolekülen 
und  seinen  feststehenden  Materiemolekülen  wird  jedoch  ständig  Rei- 
bungswärme erzeugt,  d.  h.  elektrische  Energie  in  Gestalt  von  Druck- 
verlust in  Stromwärme  umgesetzt.  Diese  Umsetzung  oder  dieser 
Energie-  bezw.  Eflfektverlust  infolge  von  Reibung  ist  nach  mechani- 
scher Analogie  (Hydrodynamik)  durch  Druckverlust  und  Stromstärke 
bestimmt;  oder  da  der  Druckverlust  nach  dem  Gesetz  für  stationäre 
Strömung  =  Stromstärke  X  Widerstand  —  letzterer  im  Ohmschen 
Sinne  gefasst  —  ist,  so  folgt  jener  Verlust  zu  Widerstand  X  (Strom- 
stärke)*, wobei  die  Stromstärke  der  Ausgleichsgeschwindigkeit  ent- 
spricht. Beim  Entstehen  der  Strömung  im  Leiter  wird  aber  nach 
§  9  auf  alle  Moleküle   der  Umgebung  ein  Richtungsantrieb  ausgeübt, 

welcher,  wie  im  §  14  näher  ausge- 
^    *  führt,  einen  Spannungszustand  hervor- 

ruft, und  dieser  dauert  als  erzeugtes 
Feld  so  lange  wie  jener  Strömungs- 
zustand, um  nach  Aufhören  der  letz- 
teren wieder  einer  mehr  oder  weniger 
völligen  Entspannung  zu  weichen. 

21.  Um  zunächst  für  diese  Ver- 
hältnisse eine  mechanische  Analogie 
zu  bekommen,  denke  man  sich,  wie 
in  Fig.  10  schematisch  skizziert,  eine 
zentrifugalregulatorähnliche  Vorrichtung,  welche  von  emer  rotieren- 
den Welle  W  angetrieben  wird.  Je  nach  der  Winkelgeschwindig- 
keit J  der  Welle  W  wird  die  mit  der  trägen  Masse  L  versehene 
Schwungvorrichtung   neben    der   Rotation    und    durch    dieselbe    eine 


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Die  Hauptbegriffe  der  Gleich-  und  Wechselstaromteclmik.  227 

Zwangslage  annehmen,  die  bereits  durch  die  Erdschwere  als  ein 
Spannungszutand  erscheint,  die  aber  im  Interesse  der  Lagenunabhängig- 
keit noch  durch  die  Spannung  der  Feder  k  angedeutet  sei.  Der 
Mechanismus^)  wird  allgemein  eine  Analogie  eines  vom  Gleichstrom 
durchflossenen  Leiters  oder  im  besonderen  auch  diejenige  eines  Gleich- 
stromelektromagneten darstellen:  Die  bei  der  Rotation  ständig  um- 
gesetzte und  verlorene  Reibungswärme,  die  je  nach  Einrichtung  mehr 
gleitende  oder  mehr  Luftreibung  sein  kann,  wird  der  Stromwärme  ent- 
sprechen; die  Spannung  bezw.  die  Durchbiegung  von  k  in  Verbindung 
mit  der  wirbelnden  Masse  L  wird  der  Magnetisierung  oder  dem  er- 
zeugten Feld  entsprechen,  femer  wird  bei  konstantem  Antrieb,  d.  i. 
konstanter  M  M  E  in  Windungsampere  das  Verhältnis  der  beiden  Fak- 

toren :  Windungszahl  und  Stromstärke  durch  die  Uebersetzung  n  =  — 

und  die  Winkelgeschwindigkeit  J  der  Welle  W  dargestellt  sein;  die 
in  L  aufgespeicherte  lebendige  Eraft  wird  die  Selbstinduktion,  die 
elastische  Nachwirkung  von  k  in  Verbindung  mit  der  etwaigen  Reibung 
zwischen  Schaft  und  Hubplatte  das  Analogen  für  die  magnetischen 
Reibungserscheinungen  bilden.  Der  einmalige  bis  zur  Erreichung  der 
stationären  Maximalgeschwindigkeit  erforderliche  Aufwand  an  kineti- 
scher Energie  würde  also  der  im  magnetischen  Felde  aufgespeicherten 
elektromagnetischen  Energie  entsprechen.  Die  mechanischen  Erschei- 
nungen bei  Inbetriebsetzung  des  Mechanismus  werden  also  eine  weit- 
gehende und  in  allen  wesentlichen  Punkten  befriedigende  Analogie  für 
die  elektromagnetischen  Vorgänge  bei  jedem  Gleichstromelektromagnet 
abgeben,  namentlich  auch  für  die  zum  Wechselstrom  hinüberleitenden 
Erscheinungen,  wie  sie  beim  Einleiten  der  Strombewegung  und  beim 
Aufhören  derselben  auftreten.  Nimmt  man  z.  ß.  entsprechend  den 
elektrischen  Verhältnissen  beim  Gleichstrom  an,  dass  von  einem  be- 
stimmten Moment  an  ein  konstantes,  der  EMK  entsprechendes  Dreh- 
moment E  auf  die  Welle  W  wirkt,  so  wird  die  träge  Masse  L 
das  Eintreten  des  stationären  Zustandes  zeitlich  verzögern.  Dieser 
stationäre  Zustand  wird  durch  die  Rotationsgeschwindigkeit  charakteri- 
siert, welche  wiederum  mit  der  Gesamtreibung  R   durch  das  Gesetz 


*)  Es  sei  hier  darauf  hingewiesen,  dass  von  Prof.  L.  Boltzmann  ein  voll- 
kommenerer Mechanismus,  ein  sogenanntes  Monocykel,  zur  Analogisierung  der 
elektromagnetischen  Vorgänge  angegeben  worden  ist  (vergl.  seine  Vorlesungen 
über  Maxwells  Theorie,  Leipzig  bei  Ambrosius  Barth).  Derselbe  ist  jedoch 
etwas  kompliziert  und  schwerer  übersehbar,  weshalb  fQr  den  vorliegenden  Zweck 
ein  jedem  Techniker  geläufiger  Mechanismus  bevorzugt  wurde. 


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228  C.  Heinke. 

E 
J  =  ^^  zusammenhängt,    solange   auch  mechanisch    der   Bewegungs- 

widersiÄnd  proportional  der  Geschwindigkeit  zunimmt.  Bei  Unter- 
brechung des  Antriebes  E  hingegen  wird  L  das  Aufhören  der  Ge- 
schwindigkeit verzögern,  so  dass  auch  hier  wie  beim  elektrischen 
Gleichstrom  die  Geschwindigkeit  bezw.  Stromstärke  J  gegen  den  An- 
trieb bezw.  EME  E  stets  zeitlich  verschoben  ist;  nur  gelangt  diese 
in  ganz  ahnlicher  Weise  bei  Wechselbewegung  bezw.  -Strom  vor- 
handene Verschiebung  beim  Gleichstrom  deshalb  weniger  zum  Be- 
wusstsein,  weil  sie  nur  sehr  rasch  vorübergehend  ist  und  beim  nor- 
malen stationären  Zustand  nicht  zur  Erscheinung  gelangt,  sondern 
latent  ist.  Findet  nicht  nur  eine  Unterbrechung  des  Antriebes  E, 
sondern  des  ganzen  Kreislaufes  statt  —  beim  Mechanismus  würde  dies 
einem  plötzlichen  Anhalten  der  Welle  W  entsprechen  —  so  ist  in 
beiden  Fällen  der  Ruck  um  so  grösser,  je  grösser  J  und  L  ist.  Durch 
diesen  mechanischen  Ruck  würde  das  Material  ähnlich  beansprucht 
werden  —  unter  Umständen  bis  zum  Bruch  —  wie  durch  den  elektri- 
schen Ruck  die  Leiterisolation.  Einschalten  eines  Kondensators  an 
der  Unterbrechungsstelle  würde  demjenigen  eines  mechanischen  Puffers 
entsprechen. 

22.  Um  regelmässige  Stromänderungen  nachzuahmen,  könnte  man 
zwar  einen  entsprechend  ungleichförmigen  Antrieb  der  Zentrifugal- 
vorrichtung  wählen,  doch  werden  für  periodischen  Wechselstrom  die 
Verhältnisse  einfacher  und  besser  übersehbar,  namentlich  hinsichtlich 
der  späteren  Erweiterung  auf  den  Transformator,  wenn  man  von  jener 
Vorrichtung  ganz  absieht  und  sich  die  periodische  Bewegung  um  eine 
Mittellage  durch  einen  kreuzkopfartig  hin-  und  herbewegten  Angri£&- 
punkt  ausgeführt  denkt.  Nur  muss  man  hier  streng  zwischen  dem 
periodischen  Verlauf  der  Druckgrösse  und  demjenigen  des  Ausgleiches, 
d.  i.  der  Geschwindigkeit  bezw.  Stromsi&rke  unterscheiden.  Um  einen 
den  elektrischen  Verhältnissen  entsprechenden  Mechanismus  zu  haben, 
müssten  beide  Grössen  nahezu  unabhängig  voneinander  sein,  so  zwar, 
dass  z.  B.  die  Druckgrösse  entsprechend  der  Spannung  eines  Wechsel- 
stromgenerators nahezu  konstant  gehalten  werden  kann,  während  die 
dadurch  erzielte  Verschiebung  bezw.  Geschwindigkeit  von  Null  bis  zu 
einem  der  Maximalbelastung  entsprechenden  Wert  variiert.  Mechanisch 
bietet  dies  einige  Schwierigkeit.  Auf  einfachere  Weise  ist  es  noch 
am  ehesten  erhältlich,  wenn  man  sich  mittels  Kurbel  und  Pleuel- 
stange eine  so  gewählte  Feder  F  —  hiefür  könnte  auch  ein  zwischen 
zwei  gedichteten  Kolben  in  einen  Cylinder  eiugeschlossenes  elastisches 


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Die  Hauptbegriffe  der  Gleich-  und  Wechselstromtechnik.  229 

Medium,  u.  a.  auch  Luft,  treten,  wie  in  Fig.  11  angedeutet  —  an- 
getrieben denkt,  dass  ihre  Eiongation  bezw.  Längenänderung  stets  gross 
bleibt  gegenüber  der  hervorgerufenen  Verschiebung  des  anderen  Endes, 
welche  ja  der  Bewegung  der  elektrischen  Friktionsmoleküle  oder  der 
Stromstärke  J  entspricht.  Unter  diesen  wahrscheinlich  auch  bei  allen 
elektrischen  Bewegungen  vorliegenden  Verhältnissen,  dass  fUr  eine 
bestimmte  Leistung  die  Verschiebung  relativ  klein,  die  Drucke  und 
Widerstandskräfte        relativ 

sehr   gross    sind,   wird   bei  ^^fif»  H« 

dem  in  Fig.  11  angedeuteten 
Antrieb  der  an  der  Endplatte     / 
ausgeübte  Druck  E  stets  sehr     \. 
nahe  dem  Sinusgesetz  folgen 
und  in  seinem  Maximal-  bezw. 
Mittelwert  so  lange  nahezu 

gleich  gross  bleiben,  als  die  durch  den  Druck  erzeugte  Verschie- 
bung sich  im  Vergleich  zur  Durchbiegung  von  F  in  engen  Grenzen 
hält,  welche  aber  trotzdem  grossen  elektrischen  Stromstärken  ent- 
sprechen können.  Die  noch  verbleibende  kleine  Bückwirkung  bei 
zunehmendem  J,  welche  sich  als  Druckabfall  (Verkleinerung  von  E) 
äussert,  könnte  in  gewisser  Hinsicht  als  Analogie  für  die  Anker- 
reaktion gedeutet  werden.  Solange  der  periodische  Druck  am  Feder- 
ende nur,  oder  wenigstens  ganz  überwiegend  Reibungs widerstand 
zu  überwinden  hat,  wird  die  Verschiebung,  bezw.  Geschwindig- 
keit J  mit  dem  Druck  in  der  Phase  übereinstimmen.  Sobald  aber 
mit  J  die  Bewegung  relativ  grosser  Trägheitsmassen  verbunden  ist, 
welche  beim  Mechanismus  durch  die  Schwungmassen  L  mit  räumlich 
bei  U  feststehender  Achse  dargestellt  sind,  so  wird  wie  im  voraus- 
gegangenen Falle  ein  Nachhinken  von  J  gegenüber  dem  Antrieb  E 
eintreten.  (Dass  man  sich  die  antreibende  Zahnstange  beliebig  lang 
oder  auch  als  geschlossenes  Zahnrad  vorstellen  kann,  ist  selbstver- 
ständlich, aber  im  vorliegenden  Fall  unnötig.  Durch  eine  weitere 
Komplizierung  der  Modelle  würde  sich  die  Analogie  leicht  noch  etwas 
vervollkommnen  lassen,  indem  man  etwa  die  Schwungmasse  L  durch 
einen  Zentrifugalmechanismus  z.  B.  wie  in  Fig.  10  .ersetzt,  um  die 
Veränderung  von  (t  darzustellen;  ebenso  liesse  sich  das  nach  Fig.  11 
vorhandene  einseitige  Drehmoment  der  Zahnstange  durch  Verteilung 
von  L  auf  beide  Seiten  vermeiden,  doch  ist  im  Interesse  leichterer 
Uebersehbarkeit  von  all  diesen  Eomplizierungen  abgesehen.)  Da  die 
jeweilige  Momentangeschwindigkeit  i  des  Angriffspunktes  der  Zahn- 


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230  C.  Hdnke. 

Stange  periodisch  (z.  B.  nach  dem  Sinusgesetz)  veränderlich  sein  wird^ 
so  stellt  das  Produkt  aus  i  und  dem  Zeitdifferential  dt  eine  von  ihm 
zurückgelegte  Wegstrecke   dar:   Hienach  wird  das  Integral  über  die 

halbe  Periodenzeit  T,  d.  i.    /  *  i ,  dt  die  Schwingungsweite  ergeben, 

0 

und  die  Multiplikation  dieser  Elongation  mit  der  Wechselzahl  (  z  =  -7=-) 

die  mittlere  Geschwindigkeit,  entsprechend  dem  galvanometrischen 
(voltametrischen)  Mittelwert  der  Wechselstromintensität. 

Neben  den  in  derselben  Weise  wie  beim  Gleichstrom  vorhan- 
denen und  durch  den  Mechanismus  für  den  vorliegenden  Zweck  der 
beschränkten  einseitigen  Bewegung  hinreichend  wiedergegebenen  Er- 
scheinungen treten  aber  beim  periodischen  Wechselstrom  eine  Reihe 
charakteristischer  Erscheinungen  hinzu,  welche  am  Modell  gleichfalls 
ihre  Analogie  erheischen.  Dies  sind  hier  zunächst  einerseits  die  Dauer- 
wirkung der  elektromagnetischen  Trägheit  oder  Selbstinduktion,  anderer- 
seits die  imter  II  betrachteten  magnetischen  Eigentümlichkeiten  bei 
Gegenwart  von  Eisen  bezw.  Eisenarten,  welche  praktisch  ja  nur  in 
Frage  kommen.  Die  fortwährend  erforderliche  Bewegungsänderung 
der  Schwungmasse  mit  dem  Trägheitsmoment  L,  welches  die  Ana- 
logie für  den  SelbstinduktionskoSffizienten  abgibt,  bewirkt  eine  be- 
deutende dauernde  Vergrösserung  des  Ausgleichswiderstandes  gegen- 
über dem  Reibungswiderstand.  Da  hier  wie  im  vorigen  Fall  die  in 
jedem  Moment  vorhandene  Geschwindigkeit  i  des  Angriffspimktes  der 
jeweiligen  Stromstärke  entspricht,  so  werden  die  Maximalwerte  J^ax 
bezw.  die  hiezu  in  einem  bestimmten  Verhältnis  stehenden  Mittel- 
werte beider  auch  einander  entsprechen.  Somit  lässt  die  mechanische 
Analogie  erkennen,  dass  für  eine  bestimmte,  durch  die  Schwingungs- 
weite X  Wechselzahl,  d.  i.  die  mittlere  Geschwindigkeit  des  Angrifik- 
punktes,  angegebene  mittlere  Stromstärke  eine  entsprechende  Vergrösse- 
rung der  mittleren  Druckgrösse  E  am  Federende  bezw.  der  mittleren 
Spannungsdifferenz  des  Wechselstromes  erforderlich  wird;  oder  für 
eine  bestimmte  Maximal-  bezw.  Mittelgrösse  der  letzteren  eine  ent- 
sprechende Verkleinerung  der  in  der  Zeiteinheit  vom  Angriffspunkte 
zurückgelegten  Wegstrecke  bezw.  der  analogen  elektrischen  Strom- 
stärke.; 

Nun  ist  es  femer,  wie  schon  oben  angegeben,  die  Eigentümlichkeit 
jedes  Trägheitswiderstandes  ein  Nachhinken  der  Wirkung  hinter  der 
Ursache,  d.  h.  hier  der  Geschwindigkeit  hinter  dem  Antrieb  zu  ver- 
anlassen, was  bei  periodischer  Wechselbewegung  bewirken  muss,  dass 


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Die  Hauptbegpriffe  der  Gleich-  und  Wechselstromtechnik.  231 

das  Maximum  der  Ausgleichsgeschwindigkeit  zeitlich  gegen  das  Maxi- 
mum des  Antriebes  verzögert  ist  oder,  elektrotechnisch  ausgedrückt: 
die  Phase  des  Stromes  um  einen  bestimmten,  gewöhnlich  in  Graden 
angegebenen  Betrag  der  Wechselzeit  gegen  die  Phase  der  E  M  E  ver- 
schoben ist.  Bei  reinem  Trägheitswiderstand  würde  diese  Verschie- 
bung genau  eine  Viertelperiode  oder  eine  halbe  Wellenlänge  betragen, 
da  nach  den  Sätzen  der  Mechanik  die  zur  üeberwindung  des  Träg- 
heitswiderstandes erforderliche  Kraft  (El)  proportional  der  Geschwindig- 

keitsänderung-T—  (vergl.  §  10  am  Ende)  ist.  Bei  Geschwindigkeits- 
änderung nach  der  Sinuswelle  gibt  dies  den  Wert  E  =  0  bei  J  =  J^axi 
und  E  =  Emax  bei  J  =  0.  Infolge  der  Verkettung  der  Geschwindig- 
keit J  (der  Zahnstange  bezw.  der  im  Leiter  strömenden  Friktions- 
moleküle) mit  dem  Bewegungszustande  der  mitbewegten  Massen  (L  bezw. 
die  magnetischen  Wirbel  des  Feldes)  wird  der  zeitliche  Verlauf  der 
Grösse  von  J  und  der  des  Wertes  B,  welcher  jenen  Zustand  an  einer 
bestimmten  Stelle  ausdrücken  möge,  im  allgemeinen  zusammenfallen, 
so  dass  bei  graphischer  Auftragung  in  rechtwinkligen  Koordinaten  mit 


der  fortlaufenden  Zeit  t  als  Abszisse,  der  Grössen  El  und  J  bezw.  B 
als  Ordinaten  sich  die  gegenseitige  zeitliche  Stellung  der  Kurven  wie 
in  Fig.  12  darstellt.  Elektrotechnisch  heisst  dies:  Entsprechende  Werte, 
z.  B.  Maximalwerte  von  Wechselstrom  J  und  magnetischem  Wechsel- 
feld B  sind  gegenüber  der  zur  üeberwindung  des  elektromagnetischen 
Trägheitswiderstandes  erforderlichen  Komponente  El  der  Wechsel- 
EM  K  in  der  Phase  um  90^  verzögert.  Bei  graphischer  Darstellung 
im  Polardiagramm  (Fig.  13),  welches  die  jeweiligen  momentanen 
Grössen  e  bezw.  i  durch  Projektion  jedes  Vektors  auf  eine  feststehende 
Achse  GG  ergibt,  würde  also  der  Zusammenhang  von  Ej-euzkopfantrieb  E 
und  der  Geschwindigheit  J  bezw.  der  analogen  elektrischen  Gh-össen 
sich  bei  angenähert  reinem  Trägheitswiderstand  durch  den  eine  Viertel- 


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232 


C.  Heinke. 


Fig.  13. 


Q 

.... 

4- 

/\ 

e 

J 

I^ 

^ 

Periode  betragenden  Abstand  (El,  J)  darstellen,  während  bei  yermischtem 
Widerstand  (aus  der  hier  beim  Mechanismus  am  Kolben  oder  einer  son- 
stigen Führung  zu  denkenden  Reibung  R  und  dem  Trägheitswiderstand 
p  .  L)  der  durch  den  Verschiebungswinkel  7  ge* 
messene  Abstand  zwischen  E  und  J  je  nach  dem 
Mischungsverhältnis  von  R  und  p  .  L  kleiner 
würde.  Nach  mechanischem  Gesetz,  welches  in 
dem  Falle  dem  Ohm  sehen  Gesetz  analog  wird, 
dass  die  zur  üeberwindung  des  Reibungswider- 
standes R  erfot-derliche  Spannungsdifferenz  Eb 
direkt  proportional  mit  J  wächst,  muss  der 
Maximalwert  von  Er  mit  demjenigen  von  J  zu- 
sammenfallen,  d.  h.  Er  genau  in  Phase  mit  J 
sein.  Die  Zusammensetzung  der  beiden  Teil- 
kräfte (El  und  Er)  zu  einer  einheitlichen  An- 
triebskraft bezw.  EME  E  muss  nach  Yektorart 
in  der  in  Fig.  14  angegebenen  Weise  erfolgen, 
woraus  sich  durch  Abkürzung  aller  Werte  mit  J 
ohne  weiteres  das  Widerstandsdiagramm  ergibt,  wonach  der  zu  E  ge- 
hörige einheitliche  Wechsel-  bezw.  Wechselstrom- Widerstand  zu 

W  =  l/R«  +  (pL)« 
folgt.  Um  Verwirrung  bezüglich  der  Relativität  der  Phasen  zu  ver- 
meiden und  Vor-  und  Nacheilung  nicht  zu  verwechseln,  muss  einmal 
der  im  Polardiagramm  benutzte  Drehsinn  deutlich 
bezeichnet  werden  und  ein  zweites  Mal  streng  zwischen 
den  erforderlichen  aktiven  Eraftkomponenten  des  An- 
triebsmechanismus und  den  Gegenkräften  (auch  passive 
oder  Widerstandskräfte  genannt)  unterschieden  wer- 
den. In  Fig.  14  sind  die  aktiven  ausgezogen,  die 
gerade  entgegengesetzt  gerichteten  passiven  strichliert 
angegeben  und  in  die  einzelnen  Faktoren  aufgelöst. 

Das  Nachhinken  von  J,  d.  h.  das  zeitweilige  Ro- 
tieren von  L  nach  entgegengesetzter  Richtung  wie  die 
Ej-euzkopfbewegung,  würde  natürlich  eine  zeitweilige 
zusätzliche  Spannung  von  F  bedingen  und  damit  eine 
Aufspeicherung  von  kinetischer  Energie  in  Form  von 
potentieller  Energie,  welche  beim  Entspannen  der  Feder 
in  einem  anderen  Teil  der  Bewegungsperiode  dazu 
dient,  die  entgegengesetzte  Bewegungsrichtung  von  L  zu  unterstützen,  so 
dass  das  Hin-  und  Herpendeln  von  L,  abgesehen  von  den  Reibungs- 


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Die  Hauptbegriffe  der  Gleich-  und  Wechselfitromtechnik.  233 


Verlusten  keine  neue,  Ton  aussen  zugeführte  Energie  bezw.  Leistung 
benötigt,  sondern  sich  nach  einmaliger  Einleitung  der  Bewegung  über- 
wiegend von  selbst  erhält.  Von  der  Antriebsquelle  ist  sonach  nur  der- 
jenige Effekt  zu  leisten,  welcher  durch  Reibungsverluste  in  Wärme 
umgesetzt  wird;  wenn  man  sonach  alle  mit  J  proportionalen  Reibungs- 
widerstände mit  Re  bezeichnet,  so  würde  diese  Leistung  durch  J'.R^ 
(vergL  §  26  u.  30)  bezw.  unter  Berücksichtigung  der  vorhergehenden 
Betrachtung  zu  Fig.  14  durch  E  .  J  .  cos  9  dargestellt  sein.  Diese  den 
elektrischen  analogen  Erscheinungen  würde  sonach  auch  der  Mechanis- 
mus aufweisen.  Auch  die  magnetische  Seite  würde  ihr  befriedigendes 
Analogon  finden:  Der  innerhalb  jeder  Periode  durchlaufene  elastische 
Ereisprozess  des  Mechanismus  würde  ebenso  wie  der  magnetische  (vergl. 
§  15  ff.)  nicht  die  ganze  beim  Hingang  hineingelegte  Energie  beim  Rück- 
gang wieder  an  den  Antriebsmechanismus  zurückliefern ;  vielmehr  würde 
ein  Teil  am  Umfang  in  Reibungswärme  umgesetzt  werden,  entsprechend 
dem  magnetischen  Reibungs-  oder  Hysteresisverlust.  Auch  für  die  im 
Eisen  mit  der  Blechdicke  zunehmenden  Wirbelströme  könnte  man  als 
Analogon  die  Mangelhaftigkeit  der  IJebertragung  des  Antriebs  von  J 
auf  L  ansehen,  insofern  eine  zunehmend  mangelhafte  Zwangläufigkeit 
den  mit  der  Blechstärke  zunehmenden  Wirbelstromverlusten  entsprechen 
würde,  wodurch  bedingt  wird,  dass  der  zur  Felderzeugung  benutzte 
Prozentsatz  an  Druck  und  Leistung  immer  mehr  abnimmt. 

23.  Der  Mechanismus  zur  Analogisierung  der  Erscheinungen  beim 
Wechselstromelektromagnet  mit  einfacher  Wicklung  verlangt  jetzt  nur 
noch  einen  entsprechenden  weiteren  Ausbau,  um  den  Wechselstromtrans- 
formator analogisieren  zu  können.  Der  letztere  kann  nämlich  als  ein 
mit  zwei  getrennten,  jedoch  durch  die  magnetischen  Wirbelfäden  ver- 
ketteten Wicklungen  versehener  Wechselstromelektromagnet  aufgefasst 
werden.  Diese  Erweiterung  geschieht,  indem  man  sich  den  in  Fig.  11 
dargestellten  Mechanismus  nicht  bei  ü  fest  denkt,  sondern  wie  in  Fig.  15 
an  dem  einen  Arm  des  Doppelhebels  angreifend,  dessen  anderer  Arm  bei 
seiner  Bewegung  irgend  eine  Reibungsarbeit  direkt  zu  leisten,  oder 
wiederum  einen  anderen  Zwischenmechanismus,  den  man  als  Motor  be- 
zeichnen könnte,  in  Thätigkeit  zu  setzen  hätte.  Der  ganze  Mechanismus, 
welcher  die  Rolle  des  zwischen  dem  primären  und  vielleicht  als  Gene- 
rator bezeichneten  Antriebsmechanismus  Q  und  dem  sekundären  z.  B. 
als  Motor  zu  denkenden  Aufnahms-  oder  ümsetzungsmechanismus  M 
eingeschalteten  Zwischengliedes  zu  spielen  hätte,  würde  also  etwa  durch 
Fig.  15  dargestellt  sein.  Die  gleichzeitige  Aufgabe,  das  die  Leistung 
darstellende  Produkt  E  .  J  .  cos  <p  aus  Druck  E,  mittlerer  Geschwindig- 


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234 


G.  Heinke. 


frimärseite 


Sekundarseiie 


keit  J  und  der  Phase,  die  hier  zunächst  übereinstimmend,  d.  h.  cos  7  =  1 
angenommen  sei,  in  passender  Weise^^  umzuformen  oder  zu  trans- 
formieren, würde  dieses  Zwischenglied  in  mechanischer  Beziehung  mit 

Hilfe  der  Hebelübersetzung  -r-  :  —  gerade  so  leisten  als  ein  mit  den 

Wickelungszahlen  h :  n  versehener  Wechselstromtransformator.     Dass 
unter  der  auch  hier  aufrecht  zu  erhaltenen  Voraussetzung  eines  gegen- 
über den  Kreuzkopfbewe- 
^*  ^^*  gungen  stets  kleinen  Jh  alle 

irgendwie  wesentlichen  Er- 
scheinungen des  Wechsel- 
stromtransformators    ihre 
Analoga    bei  diesem  Me- 
chanismus   finden ,    dürfte 
nach  den  vorausgegangenen 
Ausführungen  unschwer  zu 
überblicken  sein.     Ist  zu- 
nächst der  Transformator  sekundär  offen,  d.  h.  der  äussere 
Widerstand  auf  der  Sekundärseite  so  gross,  dass  kein  Aus- 
gleich stattfinden  kann,  so  ist  zwar  der  sekundäre  Druck  E, 
im   umgekehrten    Verhältnis    der   Hebellängen    reduziert 

vorhanden,  d.  h.  Eg  =  E^ .  -7-,  der  Hebel  aber  praktisch 


K" 

h 


feststehend  und  die  Primärseite  genau  unter  den  gleichen 
Verhältnissen  wie  bei  Fig.  11.  Thatsächlich  stellt  ein  einseitig  offener 
Wechselstromtransformator  auch  einen  einfachen  Wechselstrommagnet 
dar,  bei  welchem  gewöhnlich  L  sehr  gross  und  deshalb  bei  konstantem  E 
die  erreichbare  Geschwindigkeit  und  das  damit  proportionale  J  sehr 
klein  ist,  oder  für  ein  bestimmtes  J  das  erforderliche  E  gross. 

Wird  jetzt  die  sekundäre  Seite  belastet,  d.  h.  der  Bewegungs- 
widerstand auf  derselben  so  weit  verringert,  dass  ein  Nachgeben  des 
Hebels  eintritt,  so  wird  der  Doppelhebel  eine  Wechselbewegung  aus- 
führen. Hiedurch  wird  J  auf  beiden  Seiten  zunehmen  und  zwar  wird 
auf  der  Primärseite  eine  üebereinanderlagerung  zweier  periodischer 
Bewegungen  bezw.  Geschwindigkeiten  stattfinden.  Setzt  man  für  E 
einen  praktisch  konstanten  Mittelwert  voraus,  so  wird  wie  vorher  Jl 
durch  die  pendelnde  Rotation  von  L  in  Grösse  und  Phase  bedingt  sein. 
Unabhängig  hievon  wird  aber  der  Druck  E  ein  Hin-  und  Herschwingen 
des  Doppelhebels  veranlassen,  dessen  Schwingungsweg  von  Bewegung^- 
verhältnissen  der  sekundären  und  in  Fig.  15  als  Niederdruckseite  gekenn- 


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Die  Haaptbegriffe  der  Gleich-  und  Wechaelstromtechnik. 


235 


zeichneten  Hebelseite  abhängt.  Besteht  die  Ton  letzterer  geleistete  Arbeit 
überwiegend  in  der  Ueberwindung  von  Reibungswiderständen,  so  wird 
entsprechend  den  vorausgegangenen  Betrachtungen  diese  Teilkomponente 
Jb  von  Jh  in  Phase  mit  dem  Druck  E  übereinstimmen.  Die  Zusammen- 
setzung von  Jl  und  Jr  zu  Jh  erfolgt  auch  hier  geradeso  wie  im  vor- 
hergehenden Fall  diejenige  von  E^  und  Eß  zu  E  (vergl.  Fig.  14).  Die 
periodische  Hebelbewegung  wird  sich  also  umsomehr  dem  Gleichtakte 
mit  dem  periodischen  Verlauf  des  primären  Druckes  E,  d.  h.  <^  (E,  JJ 

E* 
dem  Wert  180,  nähern,  je  mehr  Reibungarbeit  J*.  R  = 


R 


auf    der 

Sekundärseite  geleistet  wird  Es  ist  einleuchtend,  dass  wenn  der 
Reibungswiderstand  R  auch  hier  in  der  dem  Ohmschen  Gesetz  ent- 
sprechenden Fassung  eingeführt  wird,  die  Zunahme  der  Reibungsarbeit 
in  der  Zeiteinheit,  bei  konstantem  Wert  von  E,  eine  Abnahme  von  R  be- 
dingt. Es  ist  femer  bei  geistiger  Inbetriebsetzung  dieses  Mechanismus 
und  bei  Kenntnis  der  mechanischen  Gesetze  sowohl  die  gegenseitige  Ver- 
schiebung der  Phasen  der  einzelnen  periodischen  Grössen  leicht  erkenn- 
bar, sowie  auch  das  Verhältnis  ihrer  Maximal-  bezw.  Mittelwerte.  Man 
erkennt  z.  B.  sofort,  dass  das  Verhältnis  Jh  :  Jn  immer  etwas  grösser  sein 
muss  als  das  Hebellängenverhältnis  n  :  h,  wenigstens  bei  normaler  Be- 
lastung. Erwähnt  sei  noch ,  dass  sowohl  der  Druckverlust  des  Wechsel- 
stromtransformators durch  die  mit  dem  Schwingungsweg  zunehmende 
Reibung  des  Hebelzapfens  als  auch  der  „Spannungsabfall''  durch  Streuung 
in  dem  bei  Durchbiegung  der  Hebelarme  entstehenden  Druckverlust  sein 
Analogon  findet.  Ob  die  Sekundärseite  eine  motorähnliche  Vorrichtung 
antreibt  und  das  Ganze  so  eine  Ar- 


Fig.  16. 

Ntehdruek  -Ltittutg 

-i: — T — r 


|i^ 


beitsübertragung  vorstellt,  oder  ob 
sie  mit  einer  Pumpe  verbunden  ist, 
welche  Flüssigkeit  in  wechselnder 
Richtung  durch  ein  in  sich  ge- 
schlossenes Netzwerk  treibt  und  so 
etwa  einer  Beleuchtungsanlage  ent- 
spricht, ist  natürlich  für  den  Trans- 
formator von  nebensächlicher  Be- 
deutung. Auch  die  Zwischenschal- 
tung einer  Leitung,  bei  welcher  der  Druckverlust  proportional  mit  der 
Geschwindigkeit  J  und  der  Leitungslänge  ist,  und  bei  welcher  des- 
halb der  prozentuale  Verlust  in  der  Leitung  durch  beiderseitige  Trans- 
formierung des  Produktes  E  .  J  vermindert  werden  soll,  würde  durch 
Weiterführung  der  Mechanismenkombination,   wie   in  Fig.  16   ange- 


Ceatrait. 


Constimsh߀ 


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236  C.  Heinke. 

deutet,  möglich  sein,  doch  bietet  eine  derartige  Weiterführung  kaum 
neue  Momente. 

24.  Die  bisherigen  Erscheinungen  bezogen  sich  auf  metall^ch 
geschlossene  Strombahnen,  die  sonach  sowohl  bei  Gleich-  als  Wechsel- 
strom eine  Dauerströmung  zulassen.  Ein  wesentlich  neues  Moment  bei 
diesen  elektrischen  Ausgleichbewegungen  kommt  nun  hinzu,  wenn  man 
den  metallischen  Kreis  an  einer  Stelle  unterbricht  und  daselbst  eine 
Isolationsschicht  von  genügender  Ausdehnung  und  geringer  Dicke,  wie 
sie  ein  unter  dem  Namen  Kondensator  bekannter  Apparat  darbietet,  ein- 
fügt. Die  bestehende  Druckdifferenz  auf  beiden  Seiten  der  Schicht  wird 
alsdann,  wie  bereits  in  §  7  näher  betrachtet,  eine  dielektrische  Ver- 
schiebung und  damit  einen  beschränkten  Yerschiebungsstrom  in  den  Zu- 
führungsleitungen hervorrufen.  Dieser  Verschiebungsstrom  wird  sein 
Ende  erreichen,  wenn  an  jeder  Stelle  der  Isolationsschicht  die  geweckten 
Elastizitätskräfte  jener  Druckdifferenz  das  Gleichgewicht  halten.  Hiebei 
ist  zu  beachten,  dass  die  elastisch  verschiebbaren  Friktionsmoleküle 
der  Schichtdicke  nach  so  befestigt  sind,  dass  sich  die  einzelnen,  auf 
je  ein  Friktionsmolekül  entfallenden  Teildrucke  addieren,  wie  auch 
Fig.  2  erkennen  lässt.  Eine  mechanische  Analogie  würde  sonach  für 
Gleich-  und  Wechselstrom  etwa  dadurch  zu  erhalten  sein,  dass  man 
die  in  Fig.  10  angegebene  Zentrifugalvorrichtung  sich  nicht  beliebig  frei 
drehbar  denkt,  sondern  beschränkt  durch  eine  elastische  Schnur,  etwa 
wieder  eine  Kautschukschnur,  welche  einerseits  an  der  Welle  W  jener 
Vorrichtung,  andererseits  an  einem  ausserhalb  befindlichen  Fixpunkt 
befestigt  ist.  Wird  jetzt  die  Welle  wieder  wie  in  §  21  durch  ein 
konstantes  Drehmoment  E  angetrieben,  so  wird  auch  hier  eine  Be- 
wegung in  diesem  Sinne  stattfinden,  bis  die  elastischen  Gegenkräfte 
jener  elastischen  Schnur  ein  entgegengesetztes,  gleich  grosses  Dreh- 
moment ausüben.  Alsdann  wird,  wenn  man  zunächst  von  der  ver- 
hältnissmässig  klein  gedachten  Trägheit  des  Systems  abstrahiert,  die 
Bewegung  ein  Ende  erreichen  und  im  gespannten  Zustande  verharren 
bis  jene  äussere,  das  Drehmoment  erzeugende  Kraft  sich  ändert  oder, 
wie  wir  sogleich  annehmen  wollen,  zu  wirken  aufhört.  Im  letzteren  Fall 
werden  die  Gegenkräfte  der  elastischen  Schnur  in  Wirkung  treten  und 
die  anfängliche  Bewegung  rückgängig  machen.  Eine  Dauerbewegung 
ist  also  hier  nicht  möglich,  sondern  nur  ein  beschränktes  Aufziehen  der 
Vorrichtung,  welches  dem  Laden  eines  Kondensators  durch  eine  Gleich- 
stromquelle entspricht,  wie  in  Fig.  2  angedeutet. 

Völlig  anders  ist  jedoch  die  Wirkung,  sobald  an  Stelle  des  gleich- 
sinnigen Antriebes  ein  Wechselantrieb  tritt,  also  wenn  z.  B.  in  Fig.  10 


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Die  Hauptbegriffe  der  Gleich-  und  Wechselstromtechnik.  237 

die  Welle  nicht  stets  in  demselben  Drehsinn,  sondern  durch  eine  hin- 
und  hergehende  Zahnstange  angetrieben  wird.  Zwar  wird  auch  hier 
jene  elastische  Schnur  die  Bewegungsweite  (/i .  dt  vergl.  §  22)  nach 
derselben  Richtung  begrenzen,  insofern  diese  ein  Ende  erreicht,  wenn 
die  elastischen  Gegenkräfte  gleich  dem  Maximum  des  äusseren  An- 
triebes werden;  aber  damit  wird  die  Bewegung  nicht  ihr  Ende  er- 
reichen, vielmehr  infolge  der  wechselnden  Bichtung  der  Antriebskraft 
in  eine  dauernde  Wechselbewegung  übergehen.  Die  Analogie  hiezu 
bildet  der  Wechselstrom,  welcher  in  der  ZufÜhrungsleitung 
zwischen  einer  Kapazität  C  und  einer  Wechselstromquelle  bei    ^'  ^^ 


r\j 


w 


Schaltung  wie  in  Fig.  17  vorhanden  ist.  Da  die  Stärke  J 
dieses  Wechselstromes  von  der  sekundlich  durch  jeden  vollen 
Querschnitt  des  Kreislaufes  tretenden  Anzahl  Friktionsmoleküle, 
gleichgiltig  von  welcher  Richtung,  dargestellt  wird,  so  ist  der 
Zusanunenhang  des  effektiven  Mittelwertes  von  J  mit  den 
übrigen  in  Frage  kommenden  Grössen  (das  ist  der  effektive 
Mittelwert  des  Druckes  E,  die  aus  Querschnitt  q,  Dicke  1  und  Dielektri- 
zitätskonstante o  der  Isolationsschicht  zu  C  =  -M —  gebildete  Eapa- 

zitätsgrösse  (vergl.  hiezu  auch  §  30),  und  die  sekundliche  Wechsel- 
zahl z)  auf  Grund  der  Maxwe  11  sehen  Yerschiebungsvorstellung  leicht 
zu  J  =  E  .  C.  p  ableitbar,  wenn  p  ausser  der  Wechselzahl  z  noch  eine 
auf  den  Formfaktor  der  Druckkurve  bezügliche  Konstante  enthält,  die 
bei  Sinus  welle  =  «  ist  (vergl.  §  10).  Da  elastische  Gegenkräfte  die 
Eigenschaft  besitzen  im  Sinne  der  zeitlich  folgenden  Rückbewegung 
zu  wirken,  d.  h.  diese  einzuleiten  streben,  gerade  entgegengesetzt  den 
in  §  22  betrachteten  Trägheitskräften,  welche  stets  im  Sinne  der  zeit- 
lich vorausgegangenen  Bewegung  wirken,  d.  h.  diese  zu  erhalten 
streben,  so  erleidet  die  in  §  22  behandelte  Phasenverschiebung  zwischen 
dem  ursächlichen  Druck  und  der  erwirkten  Verschiebung  bezw.  Aus- 
^eichgeschwindigkeit  J  insofern  eine  ümkehrung,  als  hier  J  dem  E 
entsprechend  voreilen  muss  (vergl.  hiezu  auch  den  folgenden  §25). 

25.  Nach  Yeranschaulichung  und  Ableitung  dieser  einfacheren 
Verhältnisse  sollen  noch  die  Erscheinungen,  welche  bei  Vereinigung 
aller  drei  Klassen  von  Bewegungswiderständen,  d.  i.  Reibung,  Träg- 
heitswiderstand und  elastische  Gegenkraft,  in  demselben  Stromkreis 
oder  AuBgleichsweg  auftreten,  durch  eine  mechanische  Analogie  der 
Auffassung  näher  gebracht  werden.  Zu  diesem  Zwecke  müssen  die 
drei  elektrischen  Widerstandsklassen  durch  die  entsprechenden  mechani- 
schen   ersetzt    und    durch  Hintereinanderschaltung  vereinigt  werden. 


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238 


C.  Heinke. 


Dies  möge,  wie  in  Fig.  18  angedeutet,  geschehen  sein:  die  über  vier 
Leitrollen  geführte,  in  sich  geschlossene  Fadenbahn  werde  durch  die 
gleichförmig  rotierende  Kurbel  K  in  hin-  und  hergehender  Bewegung 
erhalten,  wobei  die  Geschwindigkeit  des  mit  der  Fadenbahn  verbun- 
denen Kreuzkopfes  einen  sinusförmigen  Verlauf  hat.  Bei  G  sei  eine, 
dem  Kondensator  entsprechende,  elastische  Gegenkraft  wirksam  in  Ge- 
stalt zweier  Kautschukfäden,  welche  die  in  der  Fadenbahn  befestigte 
Kugel  in  der  Mittelstellung  zu  halten  suchen;  ferner  sei  bei  L  eine 

dem    Selbstinduktionskoeffizienten 
^^^'  ^^-  entsprechende    Schwungmasse    in 

Gestalt  zweier  schwerer  Bollen 
angebracht,  welche  durch  die  in 
der  Fadenbahn  liegende  Friktions- 
stange in  Umdrehung  versetzt 
werden  müssen  und  somit  einen 
Trägheitswiderstand  darbieten,  so- 
bald eine  Geschwindigkeitsände- 
rung  der  Fadenbahn  bezw.  Frik- 
tionsstange eintritt;  endlich  sei 
noch  bei  R  die  dem  Ohmschen 
Widerstand  entsprechende  Reibung 
in  Gestalt  des  in  einem  Cjlinder 
bewegten  Kolbens  gleichfalls  in 
die  Fadenbahn  eingeschaltet,  und  zwar  denke  man  sich  der  leichten 
Uebersicht  halber  alle  etwa  sonst  noch  im  äusseren  Kreise  vor- 
handene Elastizität,  Masse  oder  Reibung  auf  diese  drei  Stellen  kon- 
zentriert, wodurch  nichts  Wesentliches  geändert  wird.  Femer  soll  die 
zur  Ueberwindung  der  Reibung  R  erforderliche  Kraft  direkt  propor- 
tional der  Geschwindigkeit  sein,  was  thatsächlich  nahezu  der  Fall  ist, 
ebenso  soll  die  zur  Dehnung  der  Kautschukfäden  erforderliche  Straft 
direkt  proportional  der  Elongation  sein,  was  sich  beim  obigen  Modell 
leicht  durch  vier  in  unmittelbarer  Nähe  der  Fadenkreuzung  feststehende 
Stifte  praktisch  erzielen  lässt,  jedoch  sind  dieselben  der  Deutlichkeit 
halber  weggelassen.  Denkt  man  sich  jetzt  den  Mechanismus  bereits 
im  stationären  Bewegungszustand  und  unterscheidet,  um  eine  sehr 
häufig  begangene  Verwechselung  der  Richtung  zu  vermeiden,  wiederum 
streng  zwischen  (passiver)  Widerstandskraft,  welche  Bewegung  ver- 
hindern will  und  (aktiver)  Antriebskraft,  welche  sie  bewirkt,  so  kann 
man  jetzt  leicht  die  Kurven  der  erforderlichen  aktiven  Teilkräfte  als 
Ordinaten  zu  der  Zeit  als  Abszisse  auftragen,   wobei  in  Fig.  18  alle 


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Die  Hauptbegriffe  der  Gleich-  und  Wechselstromtechnik.  239 


am  Kreuzkopf  von  links  nach  rechts  wirkenden  Exaftkomponenten  nach 
oben,  alle  von  rechts  nach  links  wirkenden  nach  unten  aufgetragen 
sind.  Bezeichnen  die  Abszissen  90^  und  270^  die  Mittelstellungen,  so 
ist  daselbst  die  Geschwindigkeit  der  Fadenbahn  am  grössten  (Jm»)« 
daher  die  zur  Ueberwindung  von  R  erforderliche,  in  Richtung  der  Be- 
wegung liegende  Eraftkomponente  £b  ein  Maximum;  da  in  der  Mittel- 
stellung die  Eautschukfäden  nicht  gespannt  sind,  so  ist  Ec  =  0;  da 
femer  dieOeschwindigkeitsänderung  beim  Maximum  auch  gleich  Null, 
so  ist  auch  El  =  0.  Für  die  Verhältnisse  an  den  Umkehrpunkten, 
z.  B.  bei  0^,  ergibt  sich  folgendes:  da  die  Geschwindigkeit  der  Faden- 
bahn =  0,  so  ist  auch  Er  =  0,  die  Kautschukfäden  bei  C  weisen  ihre 
grösste  Elongation  nach  rechts  auf;  um  ihrer  Spannung  das  Gleich- 
gewicht zu  halten,  muss  die  aktive  Teilkrafb  Ec  ein  nach  rechts  ge- 
richtetes Maximum  haben,  somit  nach  oben  aufgetragen  werden.  Während 
also  die  passive  Widerstandskraft  in  Richtung  der  künftigen  Bewegung 
liegt,  d.  h.  90®  vorauseilt,  muss  die  aktive  Antriebskraft,  welche  ihr 
das  Gleichgewicht  hält,  um  90®  nacheilen.  Von  den  Schwungmassen  L 
hat  auf  dem  Wege  180  bis  0  die  untere  im  Uhrzeigersinn,  die  obere 
umgekehrt  rotiert;  dieselben  müssen  jetzt  ihre  Bewegungsrichtung 
ändern,  so  dass  die  Geschwindigkeitsänderung  ein  Maximum  wird, 
und  der  Druck  des  passiven  Trägheitswiderstandes  in  Richtung  der 
bisherigen  Bewegung  geht,  d.  h.  um  90®  nacheilt,  somit  die  aktive 
Kraftkomponente  El  um  90®  voreilt,  also  nach  unten  aufzutragen  ist. 
Offenbar  ist  die  von  aussen  zuzuführende  Kraft  Eq,  wie  stets  bei 
periodisch  veränderlichen  Kraftkomponenten,  gleich  der  resultierenden 
aus  allen  drei  Kraftkomponenten.  Richtung  und  Grösse  des  Maximums 
dieser  periodisch  veränderlichen  Kraft  ermittelt  sich  in  der  Regel  über- 
sichtlicher und  bequemer  am  Polardiagramm  (Fig.  18  u.  20).  Eo  und 
El  können  nun  in  einem  beliebigen  Verhältnis  zu  einander  'stehen, 
stets  werden  sie  sich  teilweise  nach  aussen  hin,  d.  h.  bezüglich  der 
Grösse  des  erforderlichen  Eg  aufheben,  so  dass  das  letztere  kleiner 
ist  nicht  nur  als  die  algebraische,  sondern  auch  als  die  geometrische 
Summe  der  beiden  grössten  Teilkomponenten  (vergl.  hiezu  auch  Fig.  20); 
je  näher  Ec  =  El,  desto  näher  wird  Eq  an  Grösse  gleich  Eb  werden. 
Für  den  ausgezeichneten  Fall,  dass  Eq  genau  gleich  El,  d.  h.  dass  die 
Elastizität  der  Kautschukfäden  und  das  Trägheitsmoment  der  Schwung- 
massen bei  einer  bestimmten,  konstanten,  minutlichen  Tourenzahl  von 
K  genau  aufeinander  abgestimmt  sind,  wird  nicht  nur  Eq  =  Er,  sondern 

es  kann  auch  Ec  und  El  beliebig  gross  sein  gegenüber  Eb,  ohne  dass 
Sammliuig  elektrotechniBoher  Vorträge.    I.  17 


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240 


C.  Heinke. 


Eq  yergrössert  zu  werden  braucht,  oder  mit  anderen  Worten:  das  Ver- 

E  E 

hältnls  -=r-  bezw.  das  gleich  grosse  -W^i   d.  i.  die  Starke  der  Re- 
Jiia  JliG 

sonanz  kann  beliebig  gross  gemacht  werden. 

26.   Ganz  analog  liegen  nun  die  Verhältnisse  bei  den  elektrischen 
Erscheinungen,  wenn,  wie  in  Fig.  19  angedeutet,  ausser  den  erforder- 
lichen Messinstrumenten  eine  Spule,  deren  Selbstinduktionskoeffizient  L 
und  deren  Ohm  scher  Widerstand  R  ist,  und  eine 
Fig.  19.  Kapazität  C  in  serie  an  eine  Wechselstromquelle 

angeschlossen  sind.  Man  braucht  nur  für  die 
mechanischen  Eraftkomponenten  stets  die  ent- 
sprechenden elektromotorischen  Kräfte  einzu- 
setzen; nur  insofern  wird  häufig  ein  üuterschied 
bestehen,  als  bei  dem  mechanischen  Modell  die 
Länge  der  Kurbel  konstant  gegeben  sein  wird 
und  somit  zu  der  gleichfalls  konstanten  Schwin- 
gungsweite des  Systems,  welche  der  elektrischen 
Stromstärke  entspricht,  die  erforderlichen  Kraft- 
komponenten, sowie  deren  resultierende  Kraft 
Eq  am  Kreuzkopf  gemessen  werden.  Bei  dem 
elektrischen  System  wird  hingegen  gewöhnlich  die  von  aussen  durch 
den  Wechselstromgenerator  oder  Transformator  zugeftlhrte  Gesamt- 
EMK  d.  i.  Ee  konstant  bleiben,  die  resultierenden  Stromstärken  und 
die  damit  direkt  proportionalen  elektromotorischen  Teilkräfte 

Ec  =  FT  und  El  =  J  .  p  .  L 

p.  C  ^ 

werden  sich  ändern  und  zu  messen  sein,    um  diesen  elektrischen  Fall 
mechanisch  nachzuahmen,  könnte  man,  ähnlich  wie  in  §  23  angegeben, 
an  Stelle  des  einfachen  Kreuzkopfes  einen  Kolben  an- 
treiben, welcher  in  einem  Cylinder  abgedichtet  hin- 
und  hergeschoben  wird,  während  die  Endverschlüsse 
des  Cylinders   aus  wiederum   nach  Art  der  Fig.  II 
verschiebbaren  Kolben  bestehen  würden;  an  letztere 
wäre  alsdann  die  Fadenbahn  anzuschliessen. 
Was  zunächst  die  theoretische  Ableitung  für    die    Stärke    der 
Resonanz  anlangt,  wenn  man  das  Verhältnis  von 

^c    u Es 


Fig.  20. 


P' 


^\w\"'pL' 


Eq 


bezw. 


Eq 


damit  bezeichnet,   so  ergibt  sich  dieselbe  aus   den  drei  Gleichungen, 


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Die  Hauptbegriffe  der  Gleich-  imd  Wechselstromtechnik.  241 

die  man  am  einfachsten  aus  dem  Polardiagramm  der  elektrischen 
Spannungsdifferenzen,  oder  nach  Abkürzung  der  entsprechenden  Wider- 
standsgrössen  mit  dem  einheitlichen  J  (Fig.  20)  ableiten  kann  und 
welches  demjenigen  der  mechanischen  Ejräfte  (vergl.  Fig.  18)  analog 
ist,  jedoch  ist  Fig.  20  um  180^  gedreht  gezeichnet.  Hienach  ist  (vergl. 
auch  Fig.  19) 

E,^  =  Ee  =  J  .  W  =  jJ/r«  +  (p  L  -  -^y 

El  =  J.p.L 
bezw.  E,,2  =  Es  =  Er, L  =  J  |/R*  +  p«L« 

EjQ  =  Eo  = 


17.- 
und 


Ec 


E<j        p.C.W 


Es  ^  KR*  +  P*L» 
Ea  W 

Für  den  Fall  der  stärksten  Resonanz  muss  femer 

sein,    woraus  die   der   Pendelgleichung    analoge    Gleichung    für    die 
Schwingungsdauer  bezw.  hier  für  die  Wechselzeit  ( —  \  in  Sekunden 


•=^='V(|) 


folgt,  worin  wiederum  L  die  Rolle   des  Trägheitsmomentes  und   der 

reciproke  Kapazitätswert  -t^  diejenige  der  Richtkraft  tibernimmt.   Da 

in  diesem  Fall  W  =  R  wird,  so  erhält  man 

Ec   ^        1 

Eq       p .  g  .  r 


oder  meist  sehr  nahe  =      ^ 


Es    ^   1/R^  +  p'L» 

Eq  R 

p.L 


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242  C.  Hebke. 


Theoretisch  könnte  man  sonach  die  Resonanz  beliebig  stark 
machen,  indem  man  R  beliebig  klein  macht.  Will  man  jedoch  prak- 
tisch eine  möglichst  kräftige  Resonanz  herbeiführen,  so  wird  man 
durch  materielle  Rücksichten  ziemlich  stark  beschränkt.  Dies  rührt 
zum  grossen  Teil  daher,  dass  für  R  auch  hier  stets  der  gesamte 
Reibungs widerstand,  d.  h-  Ohmscher  und  magnetischer  Reibungs- 
widerstand, einzusetzen  ist,  also  der  auf  die  Wickelung  reduziert  ge- 

p 
dachte  Wert  Re  =  -Yj,  wenn  P  die  von  der  Wickelung  verbrauchten 

Watt  und  J  die  effektive  Wickelungsstromstärke  in  Ampere  bedeutet. 
(Ueber  einige  hohe,  unter  günstigen  Umständen  erreichte  Resonanzwerte 
vergl.  Versuche  des  Verfassers  „Elektrotech.  Zeitschrift*  1897,  Heft  5.) 
Diese  Erscheinungen  haben  zwar  zunächst  nur  eine  negative  praktische 
Bedeutung,  insofern  ihr  Auftreten  wegen  einer  Isolationsgefahrdung 
zu  vermeiden  ist,  was  namentlich  beim  An-  und  Abschalten  von 
Eabelstücken  an  ein  Eabelnetz  zu  beachten  ist  (vergl.  L.  Neustadt, 
„Elektrotech.  Zeitschrift"  1893,  S.  253  oder  Feldmann,  Wechsektrom- 
transformatoren  I,  S.  129).  Andererseits  besitzen  sie  aber  für  das 
Studium  des  Wechselstromes  den  positiven  Wert,  dass  sie  besonders 
geeignet  sind,  um  die  durch  Gleichstrombetrachtung  etwas  einseitig 
gewordene  Denkweise  von  diesen  Fesseln  zu  befreien  und  ihm  das  ab- 
weichende, oder  wenigstens  allgemeinere,  weil  auf  Vektoreigenschafben 
begründete  Wesen  des  Wechselstromes  zu  erschliessen. 

27.  Der  soeben  behandelte  Fall  der  Spannungsresonanz,  bei  welcher 
eine  kleine  6esamtspannung  zwei  mehrfach  grössere  Teilspannungen 

ohne  neu  hinzutretende  primäre  Spannungs- 
quelle lunfasst,  findet  sein  Gegenstück  in  der 
Stromresonanz,  welche  auftritt  wenn  Selbst- 
induktion und  Kapazität  nicht  in  serie,  son- 
dern parallel  geschaltet  werden,  wie  dies 
Fig.  21  schematisch  angibt.  Hier  wird  näm- 
lich beim  Zusammenstimmen  von  C,  L  und  p 
durch  eine  kleine  Bewegung  von  aussen  (Jq) 
eine  viel  stärkere  Schwingungsbewegung 
innerhalb  des  in  sich  geschlossenen  Kreislaufes  der  Verzweigung  aus- 
gelöst,  und   das  Verhältnis  der  Stromstärken 

-^  bezw.   -^ 

wird  alsdann  ein  Mass  für  die  Stärke  der  Stromresonanz  abgeben. 


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Die  Hauptbegriffe  der  Gleich-  und  Wechselstromteclmik. 


243 


Fig.  22. 


In  der  letztgenannten  Hinsicht  wirkt  die  Beobachtung  einer 
starken  Stromresonanz  mit  dem  Entspriessen  zweier  starker  Teilströme 
aus  einem  vielmal  schwächeren  Strom  durch  ihren  scheinbaren 
Widerspruch  mit  dem  Eirchhoff sehen  Grundgesetz  noch  über- 
raschender *). 

Wenn  man  die  Verhältnisse  der  Stromresonanz  sich  wie  oben 
diejenigen  der  Spannungsresonanz  durch  ein  mechanisches  Modell  ver- 
anschaulichen will,  so  ist  man  genötigt,  eine  Abänderung  für  die 
üebertragung  der  mechanischen  Kräfte  gegen  oben  vorzunehmen,  da 
man  mit  einer  Fadenbahn  die  Verhältnisse  der  Parallelschaltung  zweier 
Leiter  nicht  wohl  ausführen  kann.  Man  muss  hier  vielmehr  wieder 
zum  Wassermodell  zurückgreifen :  Man  denke 
sich  ein  vollständig  mit  Wasser  gefülltes  und 
geschlossenes  Rohrsystem  in  der  in  Fig.  22 
angegebenen  Weise  ausgeführt,  wobei  der 
Kondensator  C  mechanisch  durch  ein  starres 
Oefäss  mit  einer  der  Ausbiegung  fähigen 
Zwischenwand  (Kautschukplatte  für  niedere. 
Metallplatte  für  hohe  Drucke)  dargestellt 
wird,  die  dazu  parallel  geschaltete  Selbst- 
induktion durch  die  grosse  Schwungmasse  L, 
welche  zahnradartig  mit  einer  Kolbenstange 
verbunden  ist;  der  Kolben  möge  im  Cylinder 
mit  Reibung  R  durch  Wasserdruck  hin-  und 
hergeschoben  werden  können.    Natürlich  ist  V._^ 

diese   Einrichtung  nur  zur  Darstellung  bei 

Wechselstrom  verwendbar.  Man  braucht  sich  jetzt  nur,  wie  durch  An- 
wendung hohen  Drucks  leicht  ausführbar,  die  Schwungmasse  L  sehr  gross 
gegenüber  der  in  der  Leitung  bewegten  Wassermasse  vorzustellen,  um  die 
Trägheit  der  letzteren  gegen  diejenige  von  L  vernachlässigen  zu  können, 
oder  auch  die  Masse  derselben  in  L  konzentriert  zu  denken,  um  ein  Ana- 
logon  für  die  Vorgänge  der  elektrischen  Stromresonanz  zu  haben.  Der 
von  aussen  angetriebene,  hin-  und  hergehende  Cylinderkolben  G  stellt, 
ähnlich  wie  im  ersten  Modell,  den  Generator  vor.  Bei  passender  Touren- 
zahl kann  dieselbe  auch  hier  mit  G  und  L  so  zusammengestimmt 
werden,   dass  in  den  parallelen  Zweigen   durch  Resonanz  eine  Kreis- 


/ 

\  c 

j     1 
1 

— 

r-=^^ 

y  ^Tl 

_ 

•L 


')  üeber  Ableitung  der  Formeln  und  Versuchsresultate  vergl.  aElektrotechn. 
Zeitschrift"  1897,  Heft  5  oderUeinke:  Wechselstrommessungen  und  magnetische 
Messungen  (bei  S.  Hirzel  in  Leipzig)  §  113  und  114. 


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244  C.  Heinke. 

laufbewegung  entsteht,  welche  eine  viel  stärkere  Wasserbewegung 
(Je  und  Jl)  zur  Folge  hat,  als  diejenige  in  der  Zuführungsleitung 
(Ja)  ist,  wobei  natürlich  auch  hier  die  Schwingungsphase  der  Ejreis- 
bewegung  gegenüber  derjenigen  von  Jg  in  gleicher  Weise  wie  beim 
elektrischen  Vorgang  verschoben  sein  muss,  so  dass  die  Maxima  von 
Jo  und  Jl  bei  polarer,  geometrischer  Darstellung  dieser  eigentlich 
zeitlichen  Vorgänge  nahezu  senkrecht  stehen  auf  dem  Maximum  von 
Jg  und  vom  Verzweigungspunkte  aus  gesehen  entgegengesetzte 
Richtung  haben. 

Wie  dieses  Modell  eigentlich  ein  Wasserpendel  vorstellt,  bei 
welchem  die  Wasserbewegungs-  oder  Stromstärke  in  der  einen  Kreislauf 
bildenden,  verzweigten  Leitung  die  Schwingungsamplitude,  diejenige 
in  der  einfachen  Zuführungsleitung  die  Antriebsamplitude  darstellt, 
so  wird  durch  die  obige  Kombination  von  Kapazität  und  Selbst- 
induktion eine  entsprechende  elektroiüagnetische  Pendelvorrichtung 
gebildet. 

IT.  Die  Ausgleiehserseheinangen  and  ihre  Terwandtschaft. 

28.  Die  weitgehenden  mechanischen  Analogieen  zu  den  elektro- 
magnetischen Bewegungsvorgängen  legen  die  Vermutung  nahe,  dass 
trotz  des  scheinbar  weiten  Abstandes  dieser  beiden  physikalischen 
Gebiete  doch  ein  gemeinschaftlicher  Ausgangspunkt  für  beide  Arten 
von  Bewegungsvorgängen  bestehen  müsse.  Lassen  sich  die  auf  beiden 
Oebieten  herrschenden  Bewegungsgesetze  aus  einem  allgemeineren  und 
die  einzelnen  Gesetze  umfassenden  Grundgesetz  ableiten,  so  würde  in 
diesem  der  gemeinsame  Stammbaum  zu  suchen  sein.  In  folgendem 
soll  diese  Herleitung  unter  Zurückgehen  bis  auf  das  Kausalitätsgesetz 
versucht  werden.  Das  Kausalitätsgesetz,  welches  zunächst  besagt, 
dass  jedem  Geschehen  oder  jeder  Wirkung  eine  zugehörige  Ursache 
entspricht,  schliesst  bereits  durch  die  Voraussetzung  einer  zeitlichen 
Aufeinanderfolge  von  Ursache  und  Wirkung  ein,  dass  irgend  eine 
Entwickelung  von  der  Ursache  zu  der  von  der  Ursache  verschiedenen 
Wirkung  stattgefunden  hat.  Bezeichnet  man  hiebei  dem  Sinn  ent- 
sprechend als  Ursache  nicht  nur  ein  auslösendes  Moment,  sondern 
fasst  darunter  die  Gesamtheit  des  Ursächlichen,  so  könnte  man  zwar 
nach  unserem  heutigen  Wissensstande  unter  Zugrundelegung  der 
Energiegleichung  insofern  eine  Umkehrung  der  Formulierung  eintreten 
lassen,  als  man  sagt:  wir  gebrauchen  die  Bezeichnungen  Ursache 
und  Wirkung,  wenn  die  auf  Erfahrung  gegründete  Tbatsache  vorliegt. 


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Die  Hauptbegriffe  der  Gleich-  und  Wecbselstromtechnik.  245 

dass  zwei  zeitlich  aufeinander  folgende  Zustände  desselben  ins  Auge 
gefassten  Energiebetrages  für  einen  ausserhalb  der  Zeit  eingenommenen 
Standpunkt  eine  Verwandlung  oder  Entwickelung  aufweisen.  Die  Art 
der  Formulierung,  obwohl  philosophisch  wichtig,  beeinflusst  jedoch 
die  folgenden,  auf  das  physikalische  Gebiet  bezüglichen  Betrachtungen 
nicht.  Notwendig  schliesst  jedoch  die  Entwickelung  eines  physikali- 
schen Vorganges  den  Begriff  der  Bewegung  ein.  Dieser  Bewegungs- 
vorgang, welcher  die  Verbindung  zwischen  Ursache  imd  Wirkung 
darstellt,  muss  aber  stets  noch  ein  bedingendes  Moment  voraussetzen, 
welches  zu  der  qualitativen  Seite  des  einerseits  ursächlichen,  z.  B. 
Spannungsdifferenz,  andererseits  Erwirkten,  z.  B.  Stromstärke,  die 
stets  vorhandene  quantitative  Seite  hinzubringt.  Physikalisch  fassen 
wir  die  Ursache  ganz  allgemein  unter  den  Begriff  Kraft,  d.  h.  ein 
Bestreben,  die  jeder  Ursache  oder  Eraftäusserung  zu  Grunde  liegende 
Differenz  zu  verringern.  Diesem  Bestreben  entspricht  in  der  zeitlichen 
Weiterentwickelung  stets  eine  Art  von  Ausgleich.  Der  Zusammen- 
hang jener  ursächlichen  Differenz  und  des  zeitlich  nacbfolgenden  er- 
wirkten Ausgleiches  wird  nun  durch  jenes  bedingende  Moment  gebildet, 
das  hier  zunächst  mit  dem  begrifflich  im  denkbar  weitesten  Sinne  zu 
fassenden  Wort  „Widerstand''  belegt  sei.  Kraft  stellen  wir  uns  in 
letzter  Linie  stets  durch  die  menschliche  Aeusserung  des  Druckes  oder 
des  gegensätzlichen,  aber  dem  Wesen  nach  gleichwertigen  Zuges  vor. 
Drücken  wir  den  obigen  Zusammenhang,  wie  üblich  in  der  Form  der 
Gleichung  aus,  so  könnte  man  sonach  schreiben 

A       1  •  1   1^-  1  Druckdifferenz      ,  i    i-    i     *  D 

Ausgleichstarke  =      „., — 7 — -z —  oder  symbohsch  A  =  =-. 

Die  nächste  entstehende  Frage  ist:  Wie  haben  wir  die  Unzahl  der 
möglichen  physikalischen  Bewegungsvorgänge  zu  sichten,  um  von 
diesem  Hauptstamm  zu  den  daraus  entspriessenden  Hauptästen  oder 
auch  Hauptwurzeln  zu  gelangen  und  wieviel  gibt  es  deren?  Zu  dieser 
Teilung  wird  sich  der  vorläufig  auch  mechanisch  noch  etwas  mystisch 
verschleierte  Sammelbegriff  „Kraft''  zunächst  nicht  eignen,  wohl  aber 
die  verschiedenen  Formen  des  Ausgleichs.  Während  der  erstere  trotz 
seiner  verschiedenen  Formen  durch  die  Vorstellung  der  allen  gemein- 
samen Druckdifferenz  eine  gewisse  Wesensgleichheit  aufweist,  lässt 
der  Ausgleich  drei  abstrahierte,  der  Zeitdimension  nach  verschiedene 
Grundformen  unterscheiden,  welche  durch  die  Begriffe  Beschleunigung, 
Geschwindigkeit  und  Verschiebung  (bestimmte  Entfernung  der  Anfangs- 
und   Endlage)    charakterisiert   sind.     Bei    der    Wesensgleichheit    der 


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246  0.  Heinke. 

Druckdifferenz  erscheint  bereits  gemäss  der  obigen  Gleichung  eine 
entsprechende  Verschiedenheit  der  Widerstandsform  unerlässlich.  That- 
sächlich  kann  man  im  engsten  Zusammenhang  mit  den  Ausgleichs- 
formen drei  abstrahierte  Widerstandsklassen  unterscheiden,  welche 
jenen  entsprechend  zugehörig  durch  die  Begriffe  Trägheits-,  Beibungs- 
und  Elastizitätswiderstand  bezeichnet  sind.  In  Wirklichkeit  werden 
nun  zwar  jene  reinen  Ausgleichsformen  streng  genommen  eigentlich  nie, 
praktisch  zuweilen  in  sehr  grosser  Annäherung  vorliegen,  meistens 
wird  man  es  jedoch  mit  der  Verbindung  von  zwei  oder  auch 
allen  drei,  natürlich  in  den  verschiedensten  Mischungsverhältnissen, 
zu  thun  haben,  woraus  sich  alsdann  noch  häufig  ftLr  praktische 
Zwecke  die  Abstraktion  oder  auch  Reduktion  auf  eine  derselben 
als  naheliegend  ergeben  wird.  In  manchen  Fällen  wird  man  je- 
doch auch  praktisch  gezwungen  sein  mit  den  Mischwiderständen  zu 
rechnen. 

29.  Hinsichtlich  der  geistigen  Entwickelungsgeschichte  des 
Menschen  ist  es  nun  nicht  ohne  Interesse  in  der  Geschichte  der 
Physik  zu  verfolgen,  auf  welchen  Gebieten,  auf  welche  Weise  und  in 
welcher  Reihenfolge  jene  abstrahierten  Gesetze  zuerst  gefunden  und 
formuliert  wurden.  Galilei  gelangte  bei  Untersuchung  der  Fall- 
gesetze zunächst  auf  die  Abstraktion  vom  Reibungswiderstand  und 
damit  zu  der  Formulierung  des  die  Beschleunigung  (g)  und  den  Träg- 
heitswiderstand oder  die  Masse  (M)  enthaltenden  Bewegungsgesetzes 

P 
g  =  -:jrjr.     Das  Ergebnis   der  Untersuchungen   von  Fourier  über  die 

Wärmeleitung  führte  zur  Einführung  des  Begriffes  der  sogenannten 
inneren  Wärmeleitungsfähigkeit,  bezw.  des  diesbezüglichen  Material- 
koeffizienten k,  und  die  Formulierung  des  Ausgleichsgesetees  ftir  stationäre 
Verhältnisse  bei  konstant  gehaltener  Temperaturdifferenz  führte  zu 
einer  Gleichung,  die  nachher  Ohm  unter  Anwendung  von  Analogie- 
schlüssen für  das  nach  ihm  benannte  Gesetz  benutzte.  Nach  Fourier 
ergab  sich  fttr  jene  Verhältnisse  die  Wärmemenge  U,  welche  durch 
den  Querschnitt  q  des  seitlich  isoliert  gedachten  Ausgleichsweges  von 
der  Länge  1  in  der  Zeit  t  tritt  zu 


U  =  -3-.k.t.T, 
1 


wenn  T  die  konstante  Temperaturdifferenz  zwischen  den  Endpunkten 

T 
von  1,  bezw.  -.-  das  Temperaturge^e  und  k  jener  Materialkoeffizient 


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Die  Hauptbegriffe  der  Gleich-  und  WechselBtromtechnik.  247 


der  inneren  Wärmeleitungsfähigkeit  ist.     Durch   Umformung  ergibt 

sich  hieraus 

U  ^      T 

Hierin  bedeutet  —  die  sekundlich   ausgeglichene  Wärmemenge  oder 

die  Wärmestromstarke  und  entspricht  als  Mass  für  die  Geschwindig- 
keit des  gesamten  Wärmeaustausches  der  elektrischen  Stromstärke  J. 
Die  ursächliche  TemperaturdiflFerenz  T  ist  ihrerseits  analog  der  elek- 
trischen Druckdifferenz  E,  und  zwar  ebenfalls  eine  hinsichtlich  des 
Querschnittes  q  spezifische  Grösse  (vergl.  §  8).  Der  sonach  dem  elek- 
trischen Widerstand  im  Ohm  sehen  Sinne  völlig  gleich  gebildete  Nenner- 
ausdruck ( — z-\  könnte  als  Wärmeleitungs widerstand  jener  Leitungs- 
strecke bezeichnet  werden.  Bei  der  anfänglichen  Untersuchung  elek- 
trischer Strömungszustände  lag  die  Abstraktion  von  dem  schnell  vor- 
übei^ehenden  Entwickelungsstadium  des  elektrischen  Gleichstroms  nahe, 
so  dass  Ohm  für  den  elektrischen  Ausgleich  zunächst  auf  das  Gesetz 

E 
J  =  -p-  geführt  wurde ,   welches   den  reinen  Reibungswiderstand  und 

somit  die  einer  Geschwindigkeit  entsprechende  Stromstärke  enthält^). 
In  der  Festigkeitslehre  erfolgte  endlich  die  Formulierung  des  dritten 
üntergesetzes  durch  Einführung  des  Elastizitätsmoduls  e  in  die  Wider- 
standsformel,  wonach  z.  B.  die  Verlängerung  X  eines  durch  die  Ge- 
samtkrafb  F  elastisch  auf  Zug  beanspruchten  Stabes  oder  Drahtes  von 
der  Länge  1  imd  dem  Querschnitt  q  sich  zu 

F 


X  = 


m 


ergibt.  Zwar  ist  sofort  zu  erkennen,  dass  hier  die  Widerstands- 
fomiulierung  wesentlich  anders  ist  als  z.  B.  in  dem  Ausgleichsgesetz 
für  die  dielektrische  Verschiebung,  doch  liegt  dies  in  der  durch  die 
praktischen  Bedür&isse  beeinflussten  Art  der  Formulienmg  und  es 
lässt  sich  bei  näherer  Betrachtung  die  Abweichung  aufklären  bezw. 
eine  üeberleitung  aus  der  einen  in  die  andere  Formel  bewerkstelligen. 
In  der  Formel  für  die  dielektrische  Verschiebung 
Q  =  E.C 

')  Yergl.  des  Yerfassers:  üeber  eine  Beziehung  zwischen  der  dynamischen 
Grandgleichung  und  dem  Ohm  sehen  Gesetz.  ,Elektrotech.  Zeitschrift*  1892,  Heft  46. 


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248  C-  Heinke. 

bedeutet  Q  das  yerschobene  Volumen  an  Friktionsmolekülen  oder  die 
Elektrizitätsmenge,  E  die  in  spezifischem  Sinne  zu  fassende  elektnsche 
Druckdifferenz   (vergl.  §  8)  und   C  die  Kapazität,   welche  nach  den 

Ausführungen  in  §  7  und  §  24  zu  —. —  sich  ergibt.    Hienach  wäre, 

da  man  Q  =  q .  X  setzen  könnte,  worin  X  die  Länge  der  Verschiebung 
der  Trennungsschicht 

q.X  =  (E.q).-p 

während  für  die  mechanische  elastische  Verschiebung  bei  Auflösung 
von  F  in  seine  Faktoren   (spezifische  Belastung  f  und  Querschnitt  q) 

q.X  =  (f.q).l. 

Nach  der  Definition  der  Dielektrizitätskonstanten  (vergL  §  7  und  24) 

entspricht  offenbar  o  dem  reciproken  Wert  von  s,  also  — ,  jedoch  bleibt 

jetzt  noch  die  verschiedene  Stellung  von  1,  das  einemal  im  Nenner,  das 
anderemal  im  Zähler  übrig.  Aber  auch  hiefÜr  lässt  sich  eine  natürliche 
Erklärung  finden,  wenn  man  berücksichtigt,  dass  im  Falle  der  elektri- 
schen Verschiebung  alle  einzelnen  Friktionsmoleküle,  wie  Fig.  2  erkennen 
lässt,  an  den  feststehenden  Seitenwänden  befestigt  sind,  so  dass  die  an 
den  Enden  wirkende  Druckdifferenz  sich  auf  die  Anzahl  der  in  der 
Schichtdicke  aufeinander  folgenden  elektrischen  Elementarteilchen  ver- 
teilen muss.  Bei  der  mechanischen  Verschiebung  hingegen,  bei  welcher 
die  Befestigung  des  Drahtes  oder  Stabes  nur  am  Ende  stattfindet,  sind 
die  einzelnen  elastischen  Längenteilchen  nach  Tandemart  hinter  einander 
gespannt,  so  dass  jedes  einzelne  durch  die  gleiche  Kraft  gespannt 
wird  und  ihre  elastischen  Verschiebungen  sich  addieren.  Die  Ver- 
hältnisse liegen  sonach  ähnlich  wie  bei  Herstellung  eines  elektrischen 
Reibungswiderstandes  aus  einer  bestimmten  gegebenen  Anzahl  Längen- 
einheiten des  zum  Widerstand  zu  verwendenden  Drahtes,  an  Stelle 
dessen  man  sich  natürlich  auch  Glühlampen  als  Widerstandseinheiten 
gesetzt  denken  kann.     Sind  1  solche  Einheiten  gegeben,   so  wird  bei 

Hintereinander-  der  Widerstand  1,  bei  Parallschaltung  -r-. 

Dass  im  übrigen  neben  dieser  wesentlichen  Uebereinstimmung 
alle  Verhältnisse  bis  ins  einzelne  bei  diesen  beiden  Fällen  der  Ver- 
schiebung sich  gleichen  werden,  ist  schon  aus  dem  Grunde  nicht 
zu  erwarten,  weil  die  bei  allen  elektrischen  Ausgleichsvorgängen  vor- 


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Die  Hauptbegriffe  der  Gleich-  und  WechselBtromtechnik.  249 

handene  Inkompressibiliföt  bei  den  entsprechenden  mechanischen  Vor- 
gängen nicht  vorliegt.  Der  übrigen  und  namentlich  der  wesentlichen 
Vergleichspunkte  sind  aber  so  viele,  dass  eine  Gegenüberstellung  wohl 
nützlich  ist. 

30.  Bereits  an  anderer  Stelle^)  hat  der  Verfasser  daraufhingewiesen, 

F 

dass  die  bei  dem  dynamischen  Gesetz  g  =  ^  zu  Gnmde  liegende  Ab- 
straktion auch  elektrisch  nicht  nur  für  die  allerersten  Anfangsstadien 
einer  eingeleiteten  Gleichstrombewegung,  sondern  auch  praktisch  als- 
dann dauernd  statthaben  kann  und  den  thatsächlich  eintretenden  Aus- 
gleichszustand hinreichend  charakterisiert,  wenn  man  es  mit  periodischem 
Wechselstrom  zu  thun  hat  und  der  Selbstinduktionskoeffizient  sehr 
gross  gegenüber  allen  im  Stromkreis  wirksamen  Reibungswiderstanden 
ist.  Allerdings  ist  hiebei  zu  berücksichtigen,  dass  als  Reibungswider- 
stand nicht  nur  der  Ohm  sehe  Widerstand  der  Wickelung,  sondern 
bei  Anwesenheit  von  Eisen  auch   der  auf  diese  Wickelung  reduzierte 

P 

magnetische  Reibungswiderstand  einzusetzen  ist'),  also  R«  =  -jji  wenn 

Re  jenen  reduzierten  Reibungswiderstand,  P  den  von  der  Wickelung 
verbrauchten  Effekt  in  Watt  und  J  die  effektive  Stromstärke  (Amp.) 
in  der  Wickelung  ist.  Alsdann  reduziert  sich  der  Wechselstrom- 
widerstand, dessen  bekannte  Mischform  aus  Reibungs-  und  Trägheits- 
widerstand W=l/Re*  +  (pL)»  ist,  (vergl.  §§  10  und  22)  praktisch 

E  E 

auf  W  =p  .  L  imd  man  erhält  J  = zr-  oder  p  .  J  =  -=-.     Da  nun 

p .  L  L 

femer  p .  J  =  —  (vergl.  §  10)  der  Ausdruck  für  die  mittlere  Strom- 
stärkeänderung oder  die  Aenderung  der  Ausgleichsgeschwindigkeit  mit 

der  Zeit  ist,  so  entspricht  p  .  J  =  -j-  einer  Beschleunigung.    Die  Ab- 

dt 

straktion  nach  dieser  Seite  bildet  somit  das  Analogon  fttr  die  obige 

F 
Gleichung  g  =  Tjr« 

Nach  den  Ausführungen  in  §  14  entspricht  auch  der  magnetische 
Ausgleich,  welchen  die  als  M  M  E  bezeichnete  und  von  jedem  strom- 
durchflossenen  Leiter  ausgehende  Antriebskraft  bewirkt,  einem  elasti- 
schen  Zwangszustand.     Deshalb   weist   auch    das    magnetische   Aus- 


0  Vergl.  .Elektrotech.  Zeitschrift'  1895,  Heft  32.    üeber  das  Ereislaufgesetz. 
*)  Vergl.  .Elektrotech.  Zeitschrift«  1897,  S.  61. 


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250  C.  Heinke. 

gleichsgesetz  eine  nahe  Verwandtschaft  mit  den  übrigen  elastischen 
Ausgleichsgesetzen  auf.  Dieses  magnetische  Ausgleichsgesetz  ist  in 
zwei  Fassungen  gebräuchlich  und  praktisch  wichtig  geworden,  von 
denen  die  eine  auf  die  Gesamtgrössen ,  die  zweite  auf  spezifische 
und  meist  Teilgrössen  des  Kreislaufs  sich  bezieht.  Ersteres,  dem 
elektrischen  Gesetz  in  der  Ohm  sehen  Fassung  näher  stehende  Gesetz 

(vergl.  §  16)  stellt  in   der  Form  N  =  :^«r-  den  totalen  Ausgleich  N 

(gemessen  in  Ejraffclinien)  als  Quotient  aller  im  Kreislauf  wirksamen 
Amperewindungen  (M)    und  dem    gesamten   magnetischen  Kreislauf- 

widerstand  W^  =  2 dar,  wobei  Wn,  in  der  Fassung  völlig  ent- 
sprechend ist  derjenigen  des  Ohmschen  Widerstandes,  nur  dass  {t 
nicht    konstant   ist   wie  k.     Die    aus,   der    ersten   abgeleitete    zweite 

H 
Fassung  B  =  /  1  \  bezieht  sich  meist  auf  einen  Unterteil  des  Kreis- 


(t) 


laufes   und    enthält    als    Ausgleich    die   bezüglich    des    Querschnittes 

N 
spezifische   magnetische  Induktion  B  =  — ;   femer  die  bezüglich   der 

Vfl-/ 

Länge  spezifische  Grösse   des  magnetischen  Gefälles  H  =  -y-»    wenn 

M'  die  auf  jenen  Unterteil  entfallende,  dem  magnetischen  Widerstand 
proportionale  Anzahl  Amperewindungen  ist  (vergl.  die  für  alle  elektro- 
magnetischen Vorgänge  geltende  Folgerung  in  §  8  am  Ende);  endlich 

bleibt  bei  dieser  Umformung  des  Gesetzes  von  dem  W^  = für  den 

magnetischen  Widerstand    der    zweiten   Fassung,    entsprechend    dem 

spezifischen  Charakter  von  B  und  H,  noch  i  —  j    d.    i.    der    für    das 

Material  spezifisch  magnetische  Widerstandskoeffizient  zurück. 

Die  nahe  Verwandtschaft  zwischen  elastischem  Ausgleich  elek- 
trischer und  magnetischer  Natur  springt  noch  besser  in  die  Augen, 
wenn  man  z.  B.  bei  dem  Gesetz  für  die  dielektrische  Verschiebung 

Q  =  E.C 

an  Stelle  des  gewöhnlich  benutzten  Begriffes  der  Kapazität  G  den 
reciproken  Begriff  des  dielektrischen  Verschiebungswiderstandes 

Wd  =  c.-^ 

q 


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Die  Hauptbegriffe  der  Gleich-  und  Wechselstrom technik.  251 


einführt,  worin  c  =  —  (vergl.  §  29)  den  der  Dielektrizitätskonstanten 

o  reciproken  spezifischen  Widerstand  des  Materials  gegen  dielektrische 
Verschiebung  bedeutet.     Alsdann  erhält  man 

woraus  man  ähnlich  wie  beim  magnetischen  Gesetz  eine  Umformung 
auf  die  spezifischen  Grössen  vornehmen  könnte.  Hiebei  erhält  man 
die  Gleichung 


oder  (vergl.  §  29) 


I=(t) 


1=  ^' 


(4)' 


wobei  El  den  Spannungsabfall  auf  die  Einheit  der  Schichtdicke  be- 
zogen, d.  i.  das  dem  obigen  H  analoge  Gefalle  bedeutet.  Hiebei  ist 
allerdings  zu  berücksichtigen,  dass  bei  magnetischen  oder  Eisenmetallen 
der  Wert  von  (t  keine  Eonstante  ist,  sondern  von  der  jeweiligen 
spezifischen  Induktion  B  abhängig  ist.  Bereits  in  diesem  Punkte 
unterscheidet  sich  das  magnetische  Kreislaufgesetz  von  dem  Ohm  sehen 
Gesetz,  bei  welchem  der  Widerstand  R  bezw.  c  unabhängig  von  der 
Stromstärke  ist,  weshalb  vor  der  Verwechselung  einer  gewissen  Ver- 
wandtschaft zwischen  beiden  mit  völliger  Analogie,  sowie  vor  der 
Bezeichnung  magnetischer  Strom  als  irreleitend  zu  warnen  ist.  Vor 
letzterem  namentlich  deshalb,  weil  Ausgleichsform  und  Widerstands- 
klasse bei  beiden  verschieden  sind,  so  dass  die  Verwandtschaft  zwischen 
dem  magnetischen  und  dem  oben  erwähnten  dielektrischen  Ausgleich 
in  Gestalt  der  dielektrischen  Verschiebung  eine  bedeutend  nähere  ist, 
als  jene  mit  dem  elektrodynamischen  Ausgleich  nach  dem  Ohmschen 
Gesetz.  Abgesehen  von  diesen  Unterschieden,  welche  zwischen  den 
Spezialisierungen  des  Ausgleichsgesetzes  bestehen,  ist  aber  eine  grosse 
Reihe  wichtiger,  gemeinsamer  Merkmale  vorhanden,  welche  gerade 
jener  Zusammenfassung  einen  „gedankenökonomischen'  Wert  verleihen. 
Bei  allen  elektromagnetischen  Ausgleichsvorgängen  besteht  dieses  Ge- 
meinsame in  erster  Linie  in  der  Kreislaufnatur  derselben. 

Um   die  Verwandtschaft  der  einzelnen  Ausgleichsgesetze    etwas 
übersichtlicher  zum   Ausdruck  zu  bringen,   empfiehlt    sich    eine   Zu- 


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252 


C.  Heinke. 


sammenstellung  derselben  nach  Art  einer  Stammtafel.  Eine  solche 
würde  sich,  zunächst  mit  Beschränkung  auf  die  elektromagnetischen 
AusgleichsTorg^ge^)  —  einerseits  wird  so  die  üebersicht  nicht  be- 
einträchtigt, andererseits  bietet  die  TJmdeutung  der  Symbole  keine 
Schwierigkeiten  —  etwa  in  folgender  Weise  ergeben,  wenn  man  die 
früheren  Symbole  benutzt. 

D 

W 


A 


dt 


L 


J  =  - 


E 


YR.*  +  (p.L)» 


Q  =  E.C        B  =  H.tt 


J  = 


E 


Das  allgemeine  Ausgleiclisgesetz  A  =  r==-  gliedert  sich  also  auf  Grund 

des  Vorhandenseins  dreier  Hauptklassen  von  Widerständen  zunächst 
in  drei  Unterabteilungen  entsprechend  drei  reinen  Ausgleichsformen. 
Man  kann  natürlich  ebenso  wie  bei  Q  =  E .  G   auch  bei  den  anderen 

E  E 

Formulierungen,  z.  B.  J  =  ^5-,  an  Stelle  der  Quotientenform  -^  der 

IV  K 

rechten  Seite  die  Produktenform  E .  Cr  einführen,  unter  Ersetzung  des 
Begriffes  Widerstand  durch  den  reciproken  Begriff  d^  Ausgleichs- 
fähigkeit Gj..     Ebenso  würde  sich    die   Ausgangsgleichung  A  =  -:^ 


^)  Die  mathematische  Analogie,  welche  eine  Anzahl  der  (Gebiete  der  Phjsik 
nmfasst,  findet  bei  Du  Bois  (yergl.  «MagnetiBche  Kreise"  §  124)  für  Filtration, 
Diffusion  in  Lösungen,  W&rmeleitung ,  dielektrische  Polarisation,  Elektrizit&ts- 
leitung  und  ferromagnetische  Induktion  eine  Zusammenstellung  in  einer  Yer- 
gleichstabelle. 


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Die  Hauptbegriffe  der  Gleich-  und  Wechselstromtechnik.  253 

in  A  =  D  .  C  umformen,  wenn  man  mit  C  die  ganz  allgemein  gefasste 
Aosgleichsfähigkeit  bezeichnen  würde.  Die  Ableitung  der  Mischformen 
aus  den  reinen  Formen  ist  schon  früher  behandelt  worden. 

Schlassbetrachtnngen. 

Gingen  bereits  die  Betrachtungen  des  letzten  Abschnittes  an 
einzelnen  Stellen  über  den  engeren  Bahmen  der  Elektrotechnik  hinaus 
und  verfolgten  den  Zweck,  dieselbe  in  ihren  Grundgesetzen  in  engere 
Verbindung  mit  der  übrigen  Physik  zu  bringen,  so  reizt  es  zum  Schluss, 
einmal  einen  Ausblick  zu  thun  auf  noch  entlegenere  Gebiete,  welche 
gerade  erst  im  Begriff  sind,  der  Wissenschaft  erschlossen  zu  werden. 
Hierunter  nimmt  neuerdings  die  Psychologie  oder  auch  Psychophysik 
eine  hervorragendere  Stelle  ein.  Dass  auch  auf  diesem  Gebiet  nicht  nur 
Willkür  waltet,  sondern  dass  das  geistige  Verhältnis  verschiedener  Indi- 
viduen, welches  sich  in  den  Empfindungen  und  Aeusserungen  des  ein- 
zelnen ausdrückt,  auch  von  Gesetzen  beherrscht  wird,  unterliegt  keinem 
Zweifel.  Wenn  man  nur  ohne  Rücksicht  auf  die  üblichen  Namen  und 
Bezeichnungen,  welche  häufig  das  Erkennen  einer  inneren  Verwandt- 
schaft zu  erschweren  geeignet  sind,  auf  das  Wesen  der  allgemein  be- 
kannten Erscheinungen  eingeht,  so  bieten  sich  auch  hier  noch  vielfach 
Berührungspunkte  mit  den  oben  entwickelten  Ausgleichsvorgängen. 
Zunächst  gründet  sich  ein  geistiges  Verhältnis,  wie  z.  B.  das  eines 
Lehrers  zu  einem  Schüler,  stets  auf  eine  geistige  Differenz  —  natür- 
lich ist  das  letzte  Wort  nicht  in  seiner  gewöhnlich  gebrauchten, 
schlimmen  Nebenbedeutung  zu  verstehen,  sondern  in  dem  Sinne  von 
geistiger  Verschiedenheit  —  Der  eigenartige  Reiz,  welcher  für  den 
auf  irgend  einem  Gebiet  geistig  Höherstehenden  oder  [Jeberlegenen 
darin  liegt,  sein  Wissen  mitzuteilen  und  diese  Differenz  gegen  den 
weniger  Unterrichteten  auszufüllen,  kann  als  ein  Ausgleichsbestreben 
gelten.  Zwei  in  allen  Punkten  völlig  gleiche,  wenn  auch  noch  so 
hoch  stehende  Menschen  würden  dasselbe  nicht  empfinden  und  hätten 
sich  nichts  zu  sagen,  vielmehr  ist  der  gegenseitig  anziehende  Reiz 
stets  auf  Verschiedenheiten  aufgebaut.  Der  Einwurf,  dass  hiezu  doch 
das  Verhältnis  sogenannter  harmonisch  gestimmter  Seelen  nicht  passe, 
ist  nicht  stichhaltig,  da  eben  nur  harmonisch,  aber  nicht  imison  ge- 
stimmte Seelen  ein  solches  Verhältnis  haben  können. 

Diesem  geistigen  Ausgleichsbestreben  steht  regelmässig  als  be- 
dingendes Glied  ein  geistiger  Widerstand  —  teils  gewollt,  in  Gestalt 
eines  geistigen  Widerstrebens,  teils  ungewollt,  in  Gestalt  eines  natür- 


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254  C.  Heinke. 

liehen  geistigen  Reibungswiderstandes ,  sowohl  des  Gebenden  als  des 
Empfangenden  —  entgegen,  falls  es  nicht  durch  die  häufig  als  Isolierung 
auftretenden  Verhältnisse  ganz  hintangehalten  wird.  Auch  die  Befriedi- 
gung des  Bestrebens  in  seinen  verschiedenen  Formen  bietet  vielfache 
Vergleichspunkte  mit  dem  obigen  dar.  Um  dieselben  nur  kurz  anzu- 
deuten, sei  einereits  an  die  Dauer  und  Stetigkeit  der  Beziehungen  bei 
beiderseitiger  gleichförmiger,  nicht  gewaltsam  beeinflusster  Weiter- 
entwickelung erinnert,  andererseits  an  die  allmähliche  Sättigung  mit 
den  dadurch  hervorgerufenen  Erscheinungen  der  Indifferenz  oder  auch 
der  Ermüdung  bei  anderen  Beziehungen;  femer  an  die  zu  plötzliche 
Befriedigung  bezw.  Uebersättigung  und  die  daraus  fliessenden  Gegen- 
bestrebungen in  Gestalt  von  Widerwillen,  Abscheu,  Ekel,  häufig  in 
Verbindung  mit  geistigen  Resonanzerscheinungen,  d.  h.  gegenseitiger 
Steigerung  der  Empfindungen,  mit  ihren  Aeusserungen,  wie  Zank, 
Streit  und  Hass.  Dass  derartige  Steigerungen  allerdings  zum  GlQck 
auch  nach  der  änderen  Seite  eintreten  können,  dafür  bietet  die  Liebe 
in  ihrer  vielfachen  Gestalt  einen  tröstlichen  Beweis. 

Diese  Verhältnisse  haben  zwar  mit  der  Elektrotechnik  scheinbar 
sehr  wenig  zu  thun,  um  so  näher  werden  sie  sich  aber  in  der  Person 
des  Elektrotechnikers  selbst  berühren,  imd  warum  sollte  dieser  nicht 
den  Versuch  machen,  die  gewöhnlich  als  völlig  getrennt  angesehenen 
Gebiete  seiner  Wissenschaft  und  seines  sonstigen  Geistes-  und  Em- 
pfindungslebens zwar  nicht  zu  verschmelzen,  so  doch  eine  geistige 
Brücke  zwischen  ihnen  herzustellen?  Warum  sollte  er  nicht  seinen 
Geistessonntag  dazu  benützen,  hinaufzusteigen,  hoch  und  immer  höher, 
soweit  es  seine  Kräfte  und  die  sonstigen  Umstände  gestatten?  Die 
aufgewendete  Mühe  wird  sich  in  der  Regel  reichlich  lohnen  und  ihm, 
je  höher  er  gelangt,  einen  um  so  freieren  Um-  und  Ausblick  ver- 
schaffen. Von  diesem  erhöhten  Standpunkt  wird  die  ganze  Umgebung 
seiner  Thalwohnung  sich  ihm  klarer  erschliessen ,  und  weit  über  die 
nächste  Umgebung  hinaus  wird  er  den  Zusammenhang  und  die  Haupt- 
linien der  ganzen  Landschaft  erkennen.  Mancher  sonst  enÜegen  scheinende 
Gipfel  wird  sich  in  das  Gesamtbild  passend  einfügen  und  das  erweckte 
Gefühl,  dass  eine  tieferliegende  Gesetzmässigkeit  die  Gesamtheit  der 
Bildungen  zusammenschliesst,  wird  die  über  alle  Dissonanzen  der  Einzel- 
heiten triumphierende  Grundharmonie  des  grossen  Ganzen  erklingen 
lassen,  ein  Ergebnis,  das  nicht  nur  ihm  und  seinem  Leben  einen  höheren 
Wert  verleihen,  sondern  gleichzeitig  auch  seinem  Berufsschaffen  und 
damit  einem  weiteren  Kreise  zum  Vorteil  gereichen  wird. 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  Schwachstromleitungen 

mit  besonderer  Berücksichtigung  der  beim  Nachrichtenwesen 
der  Eisenbahnen  vorkommenden  Anordnungen. 

Von 

Oberingenieur  Eohlfttrst, 

Kaplitz  bei  Budweis. 

Mit  84  Abbildungen. 


Innerhalb  des  Gebietes  der  angewandten  Elektrizität  finden  sich 
die  Fälle  ausserordenthcb  bäufig,  dass  ein  und  dieselbe  Stromleitung, 
sei  es  aus  rein  betriebstechnischen  Veranlassungen,  sei  es  aus  wirt- 
schafbhchen  Gründen,  für  verschiedene  Leistungen  ausgenützt  wird, 
wobei  die  Verschiedenheit  der  letzteren  sowohl  im  Zwecke  als  in  der 
Betriebsform  oder  in  beiden  zugleich  Hegen  kann.  Drei  Wege  sind  es, 
auf  welchen  sich  solche  Doppelbenützungen  erzielen  lassen,  nämlich 
a)  durch  die  Teilung  des  normalen  Betriebsstromes  mittels  Zweig- 
leitungen, b)  durch  die  Teilung  der  Leitungsbenützung  nach  Zeit- 
abständen, und  c)  durch  die  Verwendung  ungleicher  Stromzustande. 
Von  diesen  untereinander  scharf  geschiedenen,  aber  nichtsdestoweniger 
kombinierbaren  Anordnungen  kommen  derzeit  in  der  Praxis  bekannt- 
Uch  die  unter  Punkt  a)  gehörenden  Doppelbenützungen  am  allge- 
meinsten und  häufigsten  vor,  denn  es  besteht  wohl  kaum  irgend  eine 
elektrische  Kraftanlage,  bei  welcher  nicht  auch  die  zugehörige  Be- 
leuchtung auf  obgedachter  Weise  gewonnen  würde,  gleichwie  es  eben 
so  selten  eine  grössere  elektrische  Lichtanlage  gibt,  wo  dem  Be- 
leuchtungsstrome nicht  auch  diese  oder  jene  motorische  Nebenleistung 
überantwortet  ist.  Namentlich  wird  bei  den  elektrischen  Eisenbahnen 
vermittelst  Abzweigungen  der  Speiseleitung  in   der  Regel  sowohl  die 

Sammlung  elektrotechnischer  Vorträge.    I.  18 


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256  Kohlfürst. 

Beleuchtung  der  Einsteigeplätze  als  die  Innen-  und  Aus8en-(Signal-) 
Beleuchtung  der  Fahrzeuge,  sowie  häufig  auch  noch  die  Beheizung 
der  Wagen  und  der  Betrieb  selbstthätiger  Blocksignale  oderWeichen- 
stellyorrichtungen  u.  dergl.  m.  mitbesorgt.  Solchen  und  ähnlichen 
Anforderungen  entsprechen  die  Elektrizitätswerke  ohne  weiteres  nach 
jeder  Richtung  hin.  Etwas  aussergewöhiüicher  und  daher  um  so  be- 
merkenswerter unter  den  hiehergehörigen  Einrichtungen  ist  beispiels- 
weise die  von  F.  v.  Hefner-Alteneck  erdachte  und  von  der  All- 
gemeinen Elektrizitätsgesellschaft,  bezw.  den  Berliner 
Elektrizitätswerken  seit  1898  eingeführte  Nebenbentttzung  des 
Leitungsnetzes  für  Zeittelegraphen.  Die  genannten  Werke  liefern 
nämlich  ihren  Kunden  nicht  nur  Licht  und  Kraft,  sondern  auch  stets 
genaugehende  Uhren,  welche,  wie  Glüh-  oder  Bogenlampen  an  das 
Netz  angeschlossen,  durch  den  Strom  aus  demselben  in  Gang  erhalten 
und  ausserdem  täglich  einmal  nach  einer  Normaluhr  gerichtet  werden. 
An  jeder  solchen  elektrischen  Uhr  sind  sonach  zweierlei  Mechanismen 
vorhanden,  von  denen  der  eine  den  Antrieb,  der  zweite  eizmial  im 
Tage  die  Regulierung  bewirkt  und  jeder  seinen  Elektromagnet  und 
Vorschaltewiderstand  besitzt,  welch  letzterer  durch  ein  gemeinsames 
Klemmenpaar  an  die  Leitung  angelegt  wird  (vergl.  Elektrotechnische 
Zeitschrift  1893,  p.  368  und  397).  Noch  weitergehende  Anwendungen 
verwandter  Art,  deren  Vervollkommnung  besonders  durch  Fiske  in 
New  York,  durch  Siemens  Brothers  in  London,  durch  die  All- 
gemeine Elektrizitätsgesellsehaft  in  Berlin  u.  a.  gefördert 
worden  ist,  finden  sich  bekanntlich  auf  den  modern  ausgerüsteten 
Kriegsschiffen,  wo  die  vorhandenen  Beleuchtungsstrdme  nebenbei  nicht 
nur  die  mannigfachsten  motorischen  Vorrichtungen,  als  das  Wenden 
und  Richten  der  Geschütze,  das  Heben  und  Senken  von  Schutzpanzem, 
die  Zubringung  der  Munition,  den  Antrieb  von  Winden,  Pumpen,  Auf- 
zügen, Ventilatoren  u.  s.  w.,  sondern  ebensowohl  den  Betrieb  der 
Kommandotelegraphen,  der  Ruder-  und  Schraubenkontrollvorrichtungen, 
der  verschiedensten  sonstigen  Zeigertelegraphen  und  selbst  Distanz- 
messer o.  dergl.  mitbesorgen  (vergl.  z.  B.  The  Engineer  v.  30.  März 
1894  oder  The  Electrician  v.  16.  Oktober  1896).  Sehr  bezeichnend 
wird  diese  Art  der  mannigfachen  Stromausnützung  von  den  Ameri- 
kanern das  System  des  Stromabzapfens  genannt. 

Eine  wesentlich  andere,  ältere,  aber  gleichfalls  noch  immer  in 
glänzender  Entwickelung  begriffene,  grosse  Gruppe  von  Anordnungen, 
welche  zu  den  Mehrfachbenützungen  elektrischer  Leitungen  gerechnet 
werden  müssen,  bildet  die  Vielfachtelegraphie.     Dieselbe  weist 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  Schwacfastromleitmigeii.  257 

zwei  Unterabteilungen  auf,  wovon  die  eine,  die  sogenannte  absatz- 
weise, vielfache  Telegraphie,  unter  den  oben  angeführten 
Punkt  b),  und  die  andere,  die  gleichzeitige,  vielfache  Tele- 
graphie, unter  Punkt  c)  fallt.  So  reich  und  interessant  nun  auch 
das  Material  ist,  welches  durch  das  Anzapfsjstem  und  durch  die  Yiel- 
fachtelegraphie  dargeboten  wird,  so  liegt  ihre  weitere  Verfolgung  doch 
nicht  mehr  innerhalb  des  Rahmens  der  nachfolgenden  Betrachtungen, 
da  sich  diese  im  wesenÜichen  nur  auf  jene  zur  Nachrichtengebung 
bestimmten  Einrichtungen  beschränken  soUen,  bei  denen  es  sich  um 
Schwachstromanordnungen  mit  ausgesprochen  verschiedenen  Be* 
triebsformen  handelt.  Zufolge  dieser  Einschränkung  wird  sonach  der 
hier  zu  verarbeitende  Stoff  lediglich  die  nachstehenden  Themate  zu 
umfassen  haben:  A.  Verschiedene  Signalvorrichtungen  auf 
einer  und  derselben  Leitung,  B.  die  Signalgebung  auf 
Telegraphenleitungen,  C.  das  Telegraphieren  auf  Signal- 
leitungen, D.  die  Telephonie  auf  Telegraphenleitungen, 
E.  die  Telephonie  auf  Signalleitungen  und  endlich  F.  die 
Telephonie  in  Verbindung  mit  Telegraphie  auf  Signal- 
leitungen. 

Mehr  oder  minder  zahlreiche  Vertreter  aller  dieser  Einrichtungs- 
formen sind  in  der  Praxis  verwendet  gewesen  oder  stehen  derzeit  in 
Anwendung;  allerdings  innerhalb  der  staatlichen  Telegraphennetze  nur 
in  einem  verhältnismässig  geringen  Umfange,  dafür  aber  um  so  häufiger 
und  ausgebreiteter  bei  den  Privattelegraphengesellschaften  und  bei  den 
grossen  Eisenbahnen,  welch  letztere  ihren  bedeutenden  Nachrichten- 
dienst ja  gleichfalls  vorwiegend  nur  im  elektrischen  Wege  abwickeln 
und  auf  die  wirtschaftlich  günstigen  Momente  Wert  legen,  welche  sich 
durch  Doppelausnützungen  vorhandener  Leitungen  nicht  selten  erzielen 
lassen.  Bevor  jedoch  auf  die  Vorführung  einzelner  einschlägiger  Bei- 
spiele übergegangen  wird,  dürfte  es  sich  —  um  spatere  SchwerföJlig- 
keiten  und  Wiederholungen  zu  ersparen  —  anempfehlen,  vorerst  einige 
jener  Umstände  in  Erwägung  zu  nehmen,  welche  den  Betrieb  der 
elektrischen  Anlagen  für  den  Nachrichtendienst  im  allgemeinen  be- 
treffen. Hieher  gehört  u.  a.  die  Thatsache,  dass  zu  jeder  elektrischen 
Nachrichtenanlage  für  alle  Fälle  neben  der  Leitung  auch  die  Elek- 
trizitätsquelle,  welche  die  Betriebsströme  liefert,  sowie  Apparate  er- 
forderlich sind,  um  jene  zu  lenken  und  ihre  Wirkungen  sinnlich  wahr- 
nehmbar zu  machen.  Die  letztgedachten  Vorrichtungen,  die  Empfänger, 
gleichwie  die  zum  Lenken  und  Formen  des  Stromes  dienenden  Sender 
müssen  also  dem  im  Schliessungskreise  (in  den  Signal-,  Telegraphen- 


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258  Kohlfürst. 

oder  Thelephoi^linien)  bestehenden  oder  hervorzurufenden  Strom- 
zuständen, auf  welche  sie  ansprechen,  bezw.  welche  sie  bewirken 
sollen,  vollkommen  angepasst  sein.  Dabei  werden  sich  selbst  an  der 
einfachsten  Einrichtung  stets  mindestens  zwei  ungleiche  Stromkreis- 
zustände unterscheiden  lassen,  nämlich  jener  während  der  Ruhelage 
(Pause)  und  jener  während  der  Zeichengebung.  Nicht  selten  ist  ent- 
weder in  der  Pause  oder  während  der  Zeichengebung  der  Schliessungs- 
kreis ganz  stromlos,  wobei  dieser  Zustand  sowohl  durch  Unterbrechung 
des  Leiters  als  durch  Wegschaltung  der  Elektrizitätsquelle  oder  wohl 
auch  durch  Gegeneinanderschaltung  zweier  Stromquellen  erzeugt  werden 
kann,  die  sich  in  ihren  Wirkungen  aufheben.  Was  die  zur  Zeichen- 
gebung geeigneten  Betriebsströme  selber  anbelangt,  so  lassen  sich  die- 
selben sowohl  nach  ihrer  Dauer  und  Form,  als  nach  ihrer  Stärke 
und  Richtung  unterscheiden,  d.  h.  es  können  Zeichen  hervorgerufen 
werden  durch: 

1.  dauernde  Ströme,  bezw.  deren  Unterbrechung; 

2.  langsam  aufeinander  folgende,  längere  Stromgebungen ; 

3.  rasch  aufeinander  folgende  Stromgebungen; 

4.  zerteilte  (intermittierende)  Ströme; 

5.  wellenförmige  (undulatorische)  Ströme; 

6.  Ströme  von  bestimmter  Minimalstärke; 

7.  Abschwächung  eines  Normalstromes; 

8.  Verstärkung  eines  Normalstromes; 

9.  ausschliesslich  positiv  gerichtete  Ströme; 

10.  ausschliesslich  negativ  gerichtete  Ströme; 

11.  Ströme  wechselnder  Richtung. 

Unter  allen  diesen  Stromarten  gibt  es  keine,  die  nicht  für  die 
Nachrichtengebung  ausgenützt  würde  —  die  eine  häufiger,  die  andere 
seltener  —  und  zwar  sowohl  einzeln  als  in  den  mannigfachsten  Kombi- 
nationen. Es  ist  nun  einleuchtend,  dass  z.  B.  Empfangsapparate,  die 
zu  ihrer  Bethätigung  positive  Ströme  erfordern,  neben  solchen,  die 
mit  negativen  arbeiten,  oder  Empfönger,  welche  etwa  dem  Betriebe 
mit  rasch  aufeinander  folgenden  Wechselströmen  angepasst  sind,  neben 
solchen,  die  nur  für  langdauemde,  gleichgerichtete  Ströme  ansprechen, 
in  einen  gemeinschaftlichen  Schliessungskreis  gebracht  werden  können, 
ohne  sich  gegenseitig  zu  stören.  Je  nachdem  Ströme  der  einen  oder 
der  anderen  Form  in  die  Linie  gelangen,  werden  nur  die  Empfanger 
der  einen  oder  der  anderen  Gattung  Zeichen  hervorbringen.  Die  Zahl 
der  in  dieser  Weise  durchführbaren  Kombinationen  ist  ersichtlicher- 
massen  sehr  gross,  weil  die  oben  angef^rten  elf  Stromgattungen,  wie 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  Schwachstromleitungen.  259 


nicht  übersehen  werden  darf,  verschiedenen  Ursprunges,  d.  h.  von  un- 
gleichen Spannungsverhältnissen  ^)  sein  können  und  sich  diesfalls  noch- 
mals spalten  lassen;  sie  erfahrt  jedoch  eine  Beschränkung  durch  die 
Schwierigkeiten,  welche  sich  vielfach  hinsichtlich  der  Anpassung  der 
Empfangsapparate  ergeben. 

In  den  meisten  Fällen  wird  es  sich  bei  der  Anwendung  ver- 
schiedener Betriebsformen  innerhalb  eines  und  desselben  Schliessungs- 
kreises nur  um  ein  Nebeneinander,  nämlich  um  ein  abwechselndes 
Arbeiten  der  ungleich  angeordneten  Empfänger  handeln,  weil  ja  ver- 
schiedene Stromzustände  in  einem  Leiter  nur  ausnahmsweise  gleich- 
zeitig auftreten  können  und  zwar  nur  unter  besonderen  Bedingungen, 
die  erst  bei  den  Besprechungen  der  betreffenden  Einrichtungen  des 
näheren  in  Betracht  zu  ziehen  sein  werden.  Nach  diesen  Yoraus- 
schickungen  darf  nun  wohl  zu  den  punktweisen  Darstellungen  über- 
gegangen werden. 

A.  Verscldedene  SignalvorrichtniLgen  auf  einer  und  derselben 
Leitung.  Hierhergehörige  Anordnungen  finden  sich  bereits  unter  den 
ältesten  elektrischen  Signaleinrichtungen  der  Eisenbahnen  und  sind  bis 
auf  die  heutige  Zeit  ausserordentlich  häufig,  so  dass  mit  ihrer  er- 
schöpfenden Darstellung  ganze  Bände  geflillt  werden  könnten;  an 
dieser  Stelle  wird  es  jedoch  genügen,  lediglich  die  massgebenden 
Prinzipien  durch  einige  Beispiele  zu  erläutern.  Schon  im  Juli  1852 
erlangte  Eduard  Tyer  in  England  ein  Patent  auf  ein  eindrähtiges 
Blocksignal,  das  auf  mehreren  englischen  Eisenbahnen  und  auch  auf 
der  Paris— Lyon — Mittelmeer-Bahn  Verwendung  gefunden  hat.  Mit 
dieser  Einrichtung  konnten  auf  einer  einzigen  Leitung  —  bis  dahin 
hatte  man  ähnliche  Leistungen  nur  bei  Aufwendung  mehrerer  Leitungen 
für  möglich  gehalten  —  zwei  Paar  sichtbare  und  verschiedene  hörbare 
Signalzeichen  erteilt  werden.  Davon  lauteten  die  beiden  ersteren 
, Strecke   besetzt**  und  „Strecke   frei"  und  wurden  durch  zwei 


')  Der  Gedanke,  Ströme  verschiedener  Art  oder  verschiedenen  Ursprunges 
fiir  die  Doppelbenützong  von  Leitungen  auszunützen,  reicht  übrigens  weit  in 
frühere  Zeiten  zurück.  So  wollte  beispielsweise  E.  High  ton  nach  seinem  Patente 
vom  7.  Februar  1850  ein  Galvanoskop  und  einen  elektrischen  Wecker  in  dieselbe 
Leitung  einschalten  und  das  erstere  mit  galvanischen,  den  letzteren  mit  Induk- 
tionsströmen arbeiten  lassen.  Siemens  dachte  1856  an  die  Verwendung  von 
^konstanten*  und  «oscillierenden*  Strömen  nebeneinander,  und  in  demselben  Jahre 
schlug  Schefczik  vor  (vergl.  Zeitschrift  des  Oesterr.  Ingenieurvereins,  Bd.  8, 
p.  115),  mit  einer  Batterie  aus  wenigen  grossen  und  einer  aus  vielen  kleinen 
Elementen  auf  zwei  verschiedenen  Empfängern  in  derselben  Leitung  gleichzeitig 
Zeichen  hervorzurufen  u.  s.  w. 


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260  Kohlfürst. 

in  einem  Apparatkästclien  übereinander  angebrachte  Zeiger  dargestellt, 
die  Ton  dem  polarisierten  Anker  je  eines  Elektromagnetes  in  zwei 
deutlich  voneinander  unterschiedenen  Stellungen,  wovon  die  eine  »be- 
setzt", die  andere  „frei"  bedeutete,  gebracht  wurden.  Der  oberhalb 
angebrachte,  schwarz  bemalte  Zeiger  galt  als  eigentliches  Blocksignal, 
der  untere,  rot  bemalte  Zeiger  als  Quittungs-  oder  Rückmeldesignal. 
Die  Bethätigung  des  schwarzen  Zeigers  geschah  für  das  Signalzeichen 
„besetzt"  durch  den  positiv  gerichteten,  für  das  Zeichen  „frei*  durch 
den  negativen  fremden  Strom,  jene  des  roten  Zeigers  in  gleicher 
Weise  durch  den  verschieden  gerichteten  eigenen  Strom.  Dabei 
bleibt  im  Auge  zu  behalten,  dass  in  der  Blocksignallinie  die  Signal- 
gebung  nur  zwischen  zwei  Nachbarposten  Platz  greift,  wo  die  Signal- 
wärter mit  denselben  Empfangsapparaten,  denselben  Oebem  und 
Stromquellen  ausgestattet  sind.  Wenn  von  einem  der  beiden  Signal- 
posten mehrere  Ströme  derselben  Richtung  hintereinander  abgesendet 
wurden,  so  besorgte  nur  der  erste  die  Umstellung  des  schwärzen 
Zeigers  beim  Nachbarposten,  aber  sowohl  der  erste  Strom  wie  alle 
späteren  brachten  eine  elektrische  Glocke  zum  ertönen.  Ein,  zwei  oder 
mehrere  Glockenzeichen  gaben  wieder  verschiedene  Signalbegriffe.  An- 
fanglich war  nur  eine  Glocke  eingeschaltet,  die  sowohl  durch  die 
positiven  als  negativen  Ströme  thätig  gemacht  wurde;  späterhin  be- 
nützte man  zwei  Glocken  ungleichen  Tones,  deren  Ansprechen  von 
der  Richtung  der  Ströme  ebenso  abhängig  war,  als  die  Stellung  der 
Zeiger,  wodurch  es  möglich  war,  die  hörbaren  Signalzeichen  deutlicher 
und  zahlreicher  zu  gestalten  (vergl.  Langdon,  The  application  of 
Electricity  to  Railway  Working,  p.  51).  In  ganz  verwandter  Weise 
haben  auch  alle  späteren  englischen  Blocksignalkonstrukteure,  wie 
Walker,  Spagnoletti,  Preece,  Sykes  u.a.,  sowie  die  Franzosen 
Regnault,  Marqfoy,  Tess^  &  Lartigue,  von  den  Strömen  un- 
gleicher Richtung  Gebrauch  gemacht  (vergl.  Zetzsches  Handbuch  der 
Telegraphie,  Bd.  IV,  p.  668  bis  692). 

Bei  dem  in  Deutschland  allgemein  verwendeten  Siemens  & 
Ha Isk eschen  Blocksignal  ist  es  der  bekannte  Simenssche  Magnet- 
induktor, welcher  zwei  verschiedene  Stromformen  liefert,  von  welcher 
die  eine  zur  Bethätigung  der  Yerschlussvorrichtungen,  bezw.  zur  Durch- 
fahrung der  Signale  „Strecke  besetzt"  und  „Strecke  frei",  die 
anderen  hingegen  zur  Erteilung  von  Weckersignalen  dienen.  Aus  dem 
Stromlaufschema,  Fig.  1,  eines  Siemens  &  Halskeschen  Blockpostens 
einfachster  Anordnung  lässt  sich  leicht  ersehen,  wie  der  Magnetinduktor 
seiner  Doppelaufgabe  entspricht.    Vorauszuschicken  ist  nur  noch,  dass 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  Schwachstromleitungen. 


261 


Fig.  1. 


die  Drahtwindungen  des  Induktorankers  mit  dem  einen  Ende  an  die 
Ankerachse,  mit  dem  anderen  an  den  Körper  des  Induktorgestelles, 
bezw.  an  Erde  anschliesst.  Als  Stromabnehmer  dienen  die  beiden 
Schleiffedem  f^  und  f^;  davon  lehnt  sich  die  letztere  gegen  einen 
vollrunden  Achsenteil,  die  erstere  jedoch  gegen  eine  halb  durchgefeilte 
Stelle.  Die  Schleiffeder  f^  wird  sonach  —  in  einen  geschlossenen 
Leitungskreis  eingefügt  —  alle  bei  der  Drehung  des  Induktorankers 
entstehenden  Ströme,  f^  hingegen  nur  jeden  zweiten  Strom  annehmen, 
d,  h.  über  f^  werden  Wechselströme,  über  f^,  in  halb  so  rascher  Auf- 
einanderfolge,  gleichgerichtete  Ströme  abgesetzt.  Wenn  sonach  vom 
Nachbarblockwärter  —  wo  sich  ganz  dieselben 
Apparate  und  leitenden  Verbindungen  vorfin- 
den —  beispielsweise  Wechselströme  ent- 
sendet werden,  so  gelangen  dieselben  ttber  die 
Leitung  L,  durch  den  Läutetaster  V  über  d 
und  a  in  die  Elektromagnete  m^,  m^  des  Yer- 
schlussapparates ,  um  dann  über  D,  w,  den 
Wecker  W  und  zur  Erde  E  ihren  Weg  fort- 
zusetzen. Unter  dieser  Voraussetzung  werden 
die  beiden  einschenkeligen ,  mit  Polschuhen 
versehenen  Elektromagnete  m^,  m^,  welche 
einen  gemeinsamen,  polarisierten  Anker  A 
besitzen  und  behufs  Erfüllung  ihrer  Auf- 
gabe, d.  i.  zur  Erteilung  des  Frei-  und 
Haltsignals,  einer  grösseren  Anzahl  auf- 
einanderfolgender Wechselströme    bedürfen, 

thätig  gemacht,  indessen  der  Wecker  unthätig  bleibt.  Letzteres  kommt 
davon,  dass  der  WeiCkerelektromagnet,  weil  sich  die  einzelnen  Wechsel- 
ströme äusserst  rasch  folgen,  sozusagen  während  der  ganzen  Strom- 
gebung  dauernd  magnetisch  verhält,  weshalb  die  Abreissfeder  seines 
Ankers  gar  nicht  zur  Wirksamkeit  gelangen  kann.  Kämen  jedoch 
vom  Nachbarblockwärter  gleichgerichtete  Ströme,  so  gehen  sie  aller- 
dings denselben  Weg,  wie  vorher  die  Wechselströme,  allein  höchstens 
der  erste  derselben  wird  den  Anker  A  der  Elektromagnete  m^,  m, 
einmal  umlegen  können,  was  für  die  eigentliche  Wirksamkeit  des 
Signal-  und  Verschlussapparates,  der  zu  seiner  Auslösung,  wie  schon 
oben  hervorgehoben  wurde,  eine  ganze  Reihenfolge  von  Wechsel- 
strömen erfordert,  von  keinerlei  Rückwirkung  ist,  während  die  hinter- 
her folgenden,  gleichgerichteten  Ströme  den  Anker  von  m^,  m^ 
überhaupt   nicht   mehr    beeinflussen   können.     Dafür   aber  wird    der 


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262  Kohlfant. 

Wecker  W  bei  jedem  dieser  Ströme  einen  Glockenschlag  hervor- 
bringen. Entsendet  werden  die  Wechselströme,  indem  durch  Nieder- 
drücken des  Blockiertasters  B  der  Kontaktarm  D  auf  C  gelegt  und 
zugleich  die  Induktorkurbel  E  angetrieben  wird.  Diese  Ströme  pas- 
sieren nach  dem  gewählten  Beispiele  sowohl  den  eigenen  als  den 
fremden  Yerschlussapparat  m^,  m,,  während  die  Weckerströme,  welche 
durch  Niederdrücken  des  Tasters  V  und  gleichzeitiges  Antreiben  des 
Induktors  verschickt  werden,  nur  den  Wecker  des  Nachbarblockwärters 
in  Thätigkeit  setzen,  weil  sie  von  f^  über  c  und  d  gleich  den  direkten 
Weg  in  die  Leitung  L  finden.  Wenn  dem  Sie  mens  sehen  Magnet- 
induktor ein  entsprechend  angeordneter  Kommutator  vorgelegt  wird, 
der  allenfalls  gleich  von  der  Kurbelachse  gesteuert  werden  kann,  so 
lassen  sich  auch  noch  gleichmässige  Reihen  von  langdauemden  Wechsel- 
strömen erzeugen,  wie  es  beispielsweise  bei  Hattemers  Blocksignalen 
geschieht  (vergl.  Dr.  Rolls  Eisenbahnencjklopädie,  Bd.  U,  p.  608). 
Mit  Hilfe  solcher  Ströme  könnte  allenfalls  auch  noch  eine  dritte  Signal- 
betriebsweise auf  einer  und  derselben  Leitung  durchgeführt  werden. 
Wesentlich  anders  als  in  den  bisher  betrachteten  Fällen  sind 
verschiedene  Stromzustände  bei  dem  Pope  &  Hendricksonschen 
Signal  der  Electric  Railroad  Company  in  New  York  ausgenützt, 
welches  auf  amerikanischen  Eisenbahnen  als  Stationsdeckungssignale, 
als  Tunnel-,  Drehbrücken-,  Blocksignal  u.  s.  w.  Verwendung  findet. 
Das  eigentliche  Signal  S,  dessen  zugehörige  StromfÜhrungen  Fig.  2 
ersichtlich  macht,  ist  in  Wirklichkeit  eine  aus  zwei  weissen  imd  zwei 
roten  Glastafeln  zusammengesetzte  Kreuzscheibe  von  ca.  30  cm  Breite, 
die,  je  nach  ihrer  Lage,  eine  Doppelbrille,  weiss  oder  roth  —  ent- 
sprechend den  Signalbegriffen  safety  (frei)  und  danger  (halt)  — 
erscheinen  lässt,  welche  in  der  Vorderwand  eines  von  einer  Säule 
getragenen  Signalkastens  eingeschnitten  ist.  Vermöge  des  Ueber- 
gewichtes  g  der  um  y  drehbaren  Farbenscheibe  nimmt  sie  während 
der  Ruhelage,  d.  i.  bei  stromloser  Linie,  stets  die  Lage  für  halt  ein. 
Will  der  Signalmann  frei  geben,  dann  legt  er  die  Kurbel  K  auf  a, 
worauf  der  Strom  der  Batterie  B^  über  M,  L,  x,  b  in  den  Elektro- 
magnet M^  gelangt  und  der  Anker  A^  der  Signalscheibe  den  Antrieb 
erteilt,  sich  in  die  gewünschte  Signallage  zu  drehen.  In  dieser  neu- 
erworbenen Lage  wird  die  Farbenscheibe  mit  Hilfe  eines  mit  ihr 
steif  verbundenen  Ankers  A2  und  eines  Elektromagnetes  M^  festge- 
halten, welch  letzterer  gelegentlich  der  Signalumstellung  durch  Unter- 
brechung des  Stromweges  bei  b  und  Schliessung  desselben  bei  c  an 
Stelle    des    Elektromagnetes   M^    eingeschaltet    wurde.     Die    Spulen- 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  Schwachstromleitungen. 


263 


Windungen  von  Mg  sind  übrigens  aus  dünnerem  Draht  hergestellt,  als 
jene  von  M^  und  haben  einen  wesentlich  grösseren  Widerstand,  dem- 
zufolge hat  der  nach  der  Signalumstellung  in  M  —  einem  Elektro- 
magneten, der  in  jenem  Dienstraume  aufgestellt  ist,  von  wo  aus  das 
Signal  gehandhabt  wird  —  zurückbleibende  Strom  eine  wesentliche  Ab- 
schwächung  erfahren.  Wird  die  Leitung  L  durch  Oeflfnen  des  Kurbel- 
kontaktes E,  a  wieder  stromlos  gemacht,  dann  fallt  A^  von  M^  ab 
und  die  Farbenscheibe  stellt  sich  von  selbst  in  die  normale  Haltlage 
zurück.  Es  ist  von  begreiflicher  Wichtigkeit,  diese  Vorgänge  am 
Stellorte  des  Signals,   der  von  letzterem   in  der  Kegel  Hunderte  von 

Fig.  2. 


Metern  entfernt  liegt,  genau  überwachen  zu  können.  Zu  diesem  Zwecke 
befindet  sich  daselbst  der  kleine,  vom  Elektromagneten  M^  gestellte 
Zeichenapparat  S  j,  ein  sogenanntes  Signalrepeater  ( Wiederholungs-, 
Nachahmungs-  oder  Bückmeldesignal),  dessen  Lage  mit  jener  des 
Hauptsignals  stets  genau  übereinstimmen  soll.  Dies  zu  erzielen,  ist 
femer  ein  Kontakthebel  h  vorhanden,  den  die  Spannfeder  f  ftlr  ge- 
wöhnlich an  die  Kontaktschraube  s^  drückt.  Dem  Hebel  h  liegt  der  von 
seiner  Abreissfeder  F  auf  die  Stellschraube  s  gepresste  Ankerhebel  A 
gegenüber.  Beim  Umstellen  des  Signals  von  halt  auf  frei  muss  im 
Augenblicke  des  Stromschlusses  der  Elektromagnet  M  kräftig  genug 
sein,  um  durch  A  beide  Spannfedern  F  und  f  zu  überwinden,  nämlich 
h  von  s^  auf  s^  zu  legen;  wenn  jedoch  die  Freistellung  richtig  ein- 
getreten, d.  h.  der  Elektromagnet  M^  in  die  Linie  eingeschaltet  worden 
ist,  dann  braucht  die  gesunkene  Kraft  von  M  nur  mehr  die  Spannung 
von  F  zu  überwinden.  Wenn  die  beiden  benannten  Federn  dieser 
Bedingung  gemäss  einreguliert  sind,   wird   während  der  Freilage  des 


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264  Kohlfürst. 


Signals  S  auch  der  Rückmelder  S^  frei  anzeigen,  weil  hiebei  über  A 
und  h  der  Schliessungskreis  einer  Ortsbatterie  B^  geschlossen  ist.  So- 
bald das  Hauptsignal  sich  wieder  auf  halt  zurückbegibt,  wird  auch 
die  Ortsbatterie  wieder  unterbrochen  und  S^  die  Haltlage  einnehmen. 
Wie  zu  ersehen,  erfolgt  also  vorliegenden  Falles  die  Rückmeldung 
durch  Verminderung  des  eigentlichen  Betriebsstromes. 

Verwandte  Anordnungen  finden  sich  auch  in  Oesterreich- 
Ungarn,  wo  sehr  häufig  elektrisch  betriebene,  als  voi^eschobene 
Stationsabschlusssignale,  Tunnel-,  Brücken-  nnd  sonstige  Deckungs- 
signale dienende  Wendescheiben  oder  auch  Flügelsignale  in  Verwen- 
dung stehen,  mit  denen  den  Eisenbahnzügen  die  Fahrt  erlaubt  oder 
verboten  werden  kann.  Zu  diesen  Signalvorrichtungen  gehören  stets 
auch  wieder  Rückmeldesignale,  die  hier  durch  das  Geklingel  eines 
Weckers  gegeben  werden,  dem  mitunter  auch  noch  ein  Galvanoskop 
oder  sonst  ein  Apparatchen  beigegeben  ist,  das  die  Läutezeichen  durch 
sichtbare  unterstützt.  Dieser  Wecker  soll  läuten,  solange  sich  das 
Signal  in  der  Stellung  auf  „Verbot  der  Fahrt*  befindet,  sonst  aber 
schweigen.  In  der  Regel  sind  für  die  beiden  Signalbetriebe  eigene 
Leitungen  vorhanden,  mitunter  wird  aber  auch  mit  nur  einer  Leitung 
für  das  Signalstellen  und  für  die  Rückmeldung  das  Auslangen  gefun- 
den, sei  es,  dass  die  erstgedachte  Verrichtung  mittels  Induktionsströmen 
bewerkstelligt  wird,  während  die  Klingeln  natürlich  mit  dem  Ruhe- 
strom einer  galvanischen  Batterie  betrieben  sind,  oder  dass  diese 
Gontrolbatterie  zum  Signalgeben  mittels  eines  Stromwenders  umgekehrt 
wird  u.  s.  w.  (vergl.  Z  et  sehe,  Handbuch  der  Telegraphie  Bd,  IV, 
p.  562  bis  572). 

Endlich  wäre  hier  noch  einer  eigentümlichen  Siemens  &  Halske- 
schen  Läutewerksschaltung  Erwähnung  zu  machen,  welche  zuerst  1882 
in  den  Gotthardtunnelstrecken  Anwendung  fand,  jüngster  Zeit  aber 
auch  auf  anderen  Bahnen,  so  z.  B.  auf  den  neuen  Linien  der  Paris— 
Lyon — Mittelmeer- Bahn  benützt  wird.  Auch  bei  dieser  Einriehiung 
werden  auf  derselben  Leitung  zweierlei  Stromformen  angewendet 
jedoch  nicht  in  der  Absicht,  eine  zweite  Leitung  zu  ersparen,  sondern 
lediglich  nur  aus  betriebstechnischen  Gründen.  Bekanntlich  wird  auf 
einem  grossen  Teil  der  europäisch-kontinentalen  Eisenbahnen  der  Ab- 
gang jedes  Zuges  von  Station  zu  Station  mittels  elektrisch  auslösbarer, 
durch  Gewichtslaufwerke  betriebener  Läutewerke  angekündigt,  wobei 
sämtliche  Wärterposten  der  Zwischenstrecke,  insofern  sie  mit  einem 
solchen  Läutewerk  ausgerüstet  sind,  die  betreffenden  Signale  gleich- 
zeitig empfangen.     Sollen  nun   auch  bei  den  Bahnwärtern  derartige 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  Schwachstromleitungen.  265 


•durchlaufende  Läutesignale  abgegeben  werden  können,  dann  muss  ent- 
weder jeder  dieser  Streckenposten  seine  eigene  Stromquelle  erhalten, 
was  sehr  kostspielig  ist  und  auch  bezüglich  der  Unterhaltung  viele 
Misslichkeiten  mit  sich  bringt,  oder  es  muss  in  der  Linie  die  Ruhe- 
strom- oder  die  Gegenstromschaltung  benutzt  werden.  Vorliegenden 
Falls  ist  Ruhestrom  mit  Arbeitsstrom  kombiniert.  Ruhestrom  von 
angemessener  Stärke  hat  nämlich  das  Ueble,  in  den  Läutewerks- 
elektromagneten störende  Remanenzerscheinungen  hervorzurufen  und 
auch  zufolge  seiner  unvermeidlichen  Schwankungen  eine  fleissigere, 
sorgsamere  Beaufsichtigung  der  Anlage  nötig  zu  machen,  als  Ar- 
beitsstrom. Bei  der  in  Fig.  3  dargestellten  Läutewerksanlage  sind 
nun  die  Abreissfedem  der  Elektromagnete  m  so  stark  gespannt, 
dass  die  Anker,  welche  das  Laufwerk  der  zugehörigen  Läute- 
werke auszulösen  haben,  auf  den  für  gewöhnlich  in  der  Leitung 
L,  L,  L  .  .  .  vorhandenen  schwachen  Ruhestrom,  den  die  in  einer  der 


ta 


Fig.  3. 

Abgrenzungsstationen  aufgestellte,  aus  Meidingerelementen  bestehende 
Batterie  B,  liefert,  nicht  ansprechen.  In  derselben  Station  befindet 
sich  femer  im  Telegraphenzimmer  ein  kleines  Läutewerk  (Bureau- 
schli^pnrerk)  oder  auch  bloss  ein  elektrisch  auslösbares  Uhrwerk,  dessen 
Elektromagnet  M  mit  wesentlich  längeren  und  dünndräh tigeren  Spulen 
versehen  ist,  als  die  übrigen  Elektromagnete  m  und  der  daher  vom 
normal  vorhandenen  Ruhestrome  genügend  erregt  wird,  um  seinen 
Anker  angezogen  zu  halten.  Erfolgt  mittels  eines  der  Taster  t  die 
Linien-  bezw.  Stromunterbrechung,  so  reisst  lediglich  der  Anker  des 
Läutewerkes  M  ab  und  bewirkt  sonach  eine  Auslösung  des  zuge- 
hörigen Laufwerks.  Auf  einer  der  Achsen  des  letzteren  sitzt  ein 
Daumen  d,  der  bei  der  Achsenumdrehung  den  Kontakthebel  H  auf 
die  Eontaktschraube  s^  legt,  wodurch  die  Batterie  Bj  ausgeschaltet 
und  dafür  die  wesentlich  stärkere,  aus  grossplattigen  Leclanch^ele- 
menten  bestehende  Batterie  B2  vorübergehend  eingeschaltet  wird.  Erst 
dieser  kräftige  Strom  bewirkt  nunmehr  an  den  Elektromagneten  m 
die  Ankeranziehung,  welche  die  Auslösung  des  Läutewerks  mit  sich 
bringt.     Der  Arbeitsstrom   besorgt   also  die  eigentliche  Signalgebung, 


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266  Kollifürst. 


während  der  Ruhestrom  nur  den  Vermittler  vorstellt,  der  es  ermög- 
licht, von  jedem  Punkte  der  Leitung  aus,  wo  ein  Unterbrechungstaster 
eingeschaltet  ist,  durchlaufende  Signale  zu  geben.  Als  Sender  dienende 
Laufwerke  können  nach  Befinden  wohl  auch  in  den  beiden  Grenz- 
stationen einer  Strecke  aufgestellt  sein,  selbstverständlich  müssen  in 
einem  solchen  Falle  die  beiden  Leclanch^batterien  B^  hinsichtlich  ihrer 
Polarität  so  eingeschaltet  sein,  dass  sich  ihre  Ströme  addieren. 

B.  Die  Signalgebnng  auf  Telegraphenleitungen.  Auch  die  in 
dieses  Gebiet  gehörigen  Anwendungen  sind  sehr  alt,  denn  schon  unterm 
3.  August  1849  konnte  Rier,  Telegrapheninspektor  der  Thüringischen 
Eisenbahn  und  einer  der  hervorragendsten  Pioniere  im  Bereiche  der 
elektrischen  Eisenbahneinrichtungen,  seiner  Direktion  berichten,  dass 
es  ihm  gelungen  sei,  die  Sprechapparate  und  die  Läutewerke  statt, 
wie  bis  dahin  in  zwei  getrennten  Leitungen,  in  einer  einzigen  Leitung 
mit  derselben  Batterie  zu  betreiben.  Es  waren  zu  dem  Ende,  wie 
0.  Sesemann  in  der  Elektrotechnischen  Zeitschrift  vom  1.  August 
1890  bekannt  gibt,  die  Telegraphenapparate,  nämlich  Leonhardsche 
Zeigerwerke,  auf  Ruhestrom  geschaltet  und  durch  Stromunterbrechung 
bewegt,  wogegen  die  Auslösung  der  Läutewerke  durch  TJmkehrung 
des  Linienstromes  geschah. 

Eine  andere  Form,  denselben  Zweck  zu  erreichen,  trat  zu  Tage 
als  man,  insbesondere  in  Norddeutschland,  anfing,  bald  nachdem  1856 
Werner  Siemens  den  Cylinderinduktor  erfunden  hatte,  denselben  als 
Stromquelle  für  den  Betrieb  der  Läutewerke  einzuführen.  Wie  es 
scheint,  war  es  zuerst  Karl  Frischen  gewesen,  der  auf  einigen 
Linien  der  hannoverischen  Staatsbahnen  die  neuerrichteten  Läutewerke 
ön,  Gp  Gg  . . .  (Fig.  4)  direkt  in  die  daselbst  bereits  vorhandene  Morse- 
leitung eingeschaltet  und  mit  Auslöseelektromagneten  versehen  hat, 
die  vermöge  der  gewählten  Elektromagnetspulen  und  der  starken 
Spannung  der  Ankerabreissfedem  gegen  den  in  der  Morselinie  vor- 
handenen normalen  Ruhestrom  unempfindlich  blieben.  Als  Morseein- 
richtung gab  es  in  jeder  Station  ganz  nach  gewöhnlicher  Anordnung 
eine  als  Umschalter  eingerichtete  Blitzplatte  Z,  ein  Relais  R,  eine 
Linienbatterie  B,  den  Morseschlüssel  T  und  ein  Galvanoskop  K,  sowie 
eine  Ortsbatterie  b  und  den  Morseschreiber  S.  Nunmehr  erhielt  jede 
zweite  Station  auch  noch  einen  Magnetinduktor  J,  mit  dem  sowohl 
für  die  von  ihnen  fortgehenden,  als  für  die  von  den  beiden  Nachbar- 
stationen kommenden  Züge  die  Läutesignale  zu  erteilen  waren.  Jeder 
Induktor  hatte  zwei  Taster  t^  und  tg,  welche  während  ihrer  Ruhelage 
einen   kurzen  Weg  von   den   beiden   einmündenden  Leitungen  L   und 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  Scbwachstromleitungen. 


267 


L^  zur  Blitzplatte  herstellten,  niedergedrückt  jedoch  die  Spule  des 
Induktorankers  zwischenschalteten.  Sollte  beispielsweise  von  Station  11 
ein  Zug  nach  I  hin  abgehen,  so  meldete  II  dies  telegraphisch  nach  I 
und  steckte  nach  erfolgter  Vereinbarung  einen  Schaltstöpsel  in  das 
Loch  1  der  Blitzplatte  Z ,  wodurch  die  Linie  L^  an  Erde  gelegt  war. 
Dasselbe  machte  der  Beamte  in  I,  indem  er  seinen  Schaltstöpsel  in 
das  Loch  2  brachte;  sodann  drückte  er  den  Taster  t^  und  gab  durch 

Fig.  4. 


^a,      ^cr,    ^a,  ^a,    ^a,   ^a,  ^c. 


das  Drehen  der  Induktorkurbel  die  zur  Auslösung  der  Läutewerke 
geeigneten  Ströme  ab,  worauf  in  II  und  I  der  Erdschluss  wieder  be- 
seitigt wurde.  Dass  diese  Doppelbenützung  der  Telegraphenleitung 
eine  schwerfallige  und  bei  regerem  Zugsverkehr  nicht  mehr  zweck- 
dienlich gewesen  ist  und  längst  aufgelassen  wurde,  lässt  sich  leicht 
begreifen,  allein  sie  hat  die  im  nächsten  Absätze  zu  betrachtende  Aus- 
nützung der  Signalleitimgen  für  die  Telegraphie  angebahnt  und  damit 
wirklich  nennenswerte  wirtschaftliche  Erfolge  eingeleitet. 

Etwas  Aehnliches  schuf  in  Oesterreich  Johann  Schönbach,  als 
ihm  1862  von  der  Kaiserin-Elisabeth- Westbahn  die  Aufgabe  gestellt 
worden  war,  eme  auf  der  Strecke  Lambach-Gmunden  vorhandene, 
far  Arbeitsstrombetrieb  eingerichtete  Morseleitung  zum  Betriebe  von 
Läutewerken  mitzubenutzen.  Zu  diesem  Behufe  wurde  vorerst  die 
Linie  mit  Ruhestrom  versehen,  dessen  Unterbrechungen  die  Läute- 
signale (Glockensignale)  hervorzurufen  hatten;  zur  Erzeugung  der 
Morsezeichen  diente  hingegen  eine  Stromverminderung,  bei  welcher  die 
Anker  der  Läutewerke  noch  nicht  abfielen,  wohl  aber  die  Anker  der 
Morserelais,  deren  Abreissfedern  demgemäss  stärker  gespannt  waren, 
als  jene  der  Läutewerkselektromagnete.  Dm  die  zur  Hervorrufung 
der  Morsezeichen  erforderlichen  Stromschwächungen  zu  bewirken,  war 


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268  Kohlftirst. 

neben  jedem  Morsetaster  ein  Bheostat  angebracht  und  zwischen  Achse 
und  Buhekontakt  eingeschaltet.  Beim  Niederdrücken  des  Morsetasters 
wurde  sonach  die  Linie  nicht  unterbrochen,  sondern  lediglich  ihr 
Widerstand  vermehrt.  Diese  Art  der  Doppelbenützung  von  Leitungen 
hat  späterhin  eine  nennenswerte  Verbreitung  gefanden  und  wird  im 
nächsten  Absätze  nochmals  darauf  zurückzukommen  sein. 

Eine  jüngere  hierhergehörige  Anwendung  findet  sich  seit  Beginn 
der  achtziger  Jahre  auf  der  französischen  Nordbahn,  welche  zu  dieser 
Zeit  auf  ihren  Hauptlinien  die  bis  dahin  im  Gebrauche  gestandenen 
Br^gu  et  sehen  Zeigertelegraphen  durch  Morsesche  Schreibtelegraphen 
ersetzte.  Mit  den  hierdurch  verfügbaren  Zeigerwerken  wurden  auf 
den  wichtigeren  Linien  sogenannte  Bahnwärter-  oder  Streckentele- 
graphen eingerichtet,  deren  Leitungen  in  den  Stationen  zur  Erde  ge- 
legt sind.  Jede  Station  besitzt  nebst  dem  gewöhnlichen  Br^guet- 
schen  Apparatsatz  und  der  Batterie  noch  einen  sehr  drastisch  wirken- 
den Alarm  Wecker,  welch  letzterer  lediglich  dann  in  Thätigkeit  zu 
setzen  ist,  wenn  ein  Streckenposten  mit  einer  Station  in  telegraphi- 
schen Verkehr  treten  will.  Zum  Telegraphieren  und  zum  Thätig- 
machen  eines  kleinen  Anrufweckers  dienen  lediglich  positive  Ströme, 
während  die  Alarmwecker  nur  auf  negativ  gerichtete  Ströme  an- 
sprechen. 

Eine  von  A.  P  rasch  erdachte  Doppelausnützung  (vmrgL  Elektro- 
technische Zeitschrift  1886,  p.  121)  trägt  dem  umstände  Rechnung, 
dass  hie  und  da  auf  Nebenbahnlinien,  welche  mit  keinen  Läutewerks- 
signalen ausgerüstet  sind,  an  einer  oder  der  anderen  ausnahmsweise 
geföhrdeten  Bahnstelle,  beispielsweise  an  stark  benützten  Bahnüber- 
wegen, Wärterposten  errichtet  werden  müssen,  für  die  es  wichtig  ist, 
seitens  der  nächsten  Stationen  den  Abgang  der  Züge  signalisiert  zu 
erhalten.  Ist  die  fragliche  Bahnlinie  mit  einer  auf  Ruhestram  ge- 
schalteten Morselinie  versehen,  so  ermöglicht  die  in  Fig.  5  ersichtlich 
gemachte  Anordnung  ganz  leicht  den  Betrieb  einzelner  zwischen- 
geschalteter Läutewerke.  In  der  Zeichnung  sind  die  Telegraphen- 
stationen lediglich  durch  das  Relais  R  und  den  Morsetaster  T  an- 
gedeutet; den  zum  normalen  Telegraphenbetrieb  erforderlichen  Ruhe- 
strom liefern  die  Batterien  Bj,  welche  in  jeder  beliebigen  Station  auf* 
gestellt  werden  können.  Jene  zwei  Stationen  jedoch,  zwischen  denen 
sich  Läutewerke  befinden,  erhalten  jedenfalls  eine  Linienbatterie  Bj 
und  ausserdem  eine  etwa  aus  der  doppelten  Elementenzahl  bestehende 
Verstärkungsbatterie  B^,  sowie  nebst  dem  gewöhnlichen  Morseapparat- 
satz noch  einen  Morsetaster  T^  und  ein  Morserelais  R^,  die  beide  für 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  SchwachstromleituDgen. 


269 


ArbeitsBtrom  eingerichtet  sind.  Von  B^  ist  die  Ankerfeder  so  stark 
gespannt,  dass  die  Ankerlage  durch  den  normalen  Ruhestrom  nicht 
beeinflusat  werden  kann.  Die  Morsezeichen  werden  nach  gewöhnlicher 
Weise  durch  die  Gebrauchsnahme  der  XJnterbrechungstaster  T  hervor- 
gerufen, sind  jedoch  Läutesignale  zu  geben,  so  geschieht  dies  mit  Hilfe 
des  Tasters  T^.  Gäbe  z.  B.  die  linksliegende  Station  das  Läutesignal, 
so  entsteht  daselbst  nach  dem  Niederdrücken  des  Tasters  T^  eine 
Vermehrung  des  Normalstromes  der  Linie  durch  den  Strom  der 
Batterie  Bg.  Diese  StromTermehrung  reicht  hin,  in  beiden  Nachbar* 
Stationen  an  den  Relais  R^  die  Anker  zur  Anziehung  zu  bringen,  so 
dass  sie  den  an  Erde  liegenden  Kontakt  schliessen.  Der  im  Momente 
dieses  Erdschlusses   entstehende  kurze   Stromweg  geht  yon   E^   über 


den  Relaishebel  Ton  R^  zur  Achse  des  Tasters  Tp  zu  dessen  Arbeits- 
kontakt, über  Bg,  B^,  die  Spulen  von  Rj  in  die  Leitung,  durch  den 
Elektromagnet  des  Läutewerkes  G  und  in  der  Nachbarstation  weiter 
über  die  Spule  von  R^,  über  B^  den  Rfihekontakt  von  T^  zur  Achse 
von  Tp  zum  Relaishebel  Ton  R^  und  schliesslich  gleichfalls  zur  Erde. 
Ganz  derselbe  Schliessimgskreis  entsteht  hinüber  wie  herüber,  je  nach- 
dem die  linksseitige  oder  rechtsseitige  Nachbarstation  das  Läutesignal 
gibt.  Wie  man  sieht,  wirken  im  Kurzschlüsse  die  Batterien  B,  und 
B2  der  signalisierenden  Station  und  ausserdem  die  Batterie  B^  der 
anderen  Nachbarstation  gemeinschaftlich  lediglich  auf  den  Elektro- 
magnet des  Läutewerkes,  wodurch  dessen  Auslösung  erfolgt,  weil  eben 
seine  Spulen  und  die  Spannung  der  Ankerabreissfeder  diesem  ver- 
stärkten Strome  angepasst  sind.  Wäre  eine  der  beiden  Nachbar- 
stationen des  Läutewerkes  zugleich  Endstation  der  Morselinie,  so 
braucht  daselbst  ausser  dem  gewöhnlichen  Morseapparatsatze  nur  die 
Verstärkungsbatterie  B,  und  der  Signaltaster  T^,  aber  kein  Relais  R, 
vorhanden  zu  sein. 

Ein  praktisches  Beispiel  der  Doppelausnützung  einer  Ruhesirom- 
Horselinie  bietet   unter   anderem   auch  die  als  Nebenbahn  betriebene 


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270  Kohlfftrst. 

Eremsthalbahn.  Zwei  Maschinenstationen  dieser  Bahn,  welchen 
die  Beistellung  von  Hilfsmaschinen  und  Reservelokomotiven  obliegt, 
sind  mit  je  einem  Wechselstrom wecker  ausgerüstet,  der  beiläufig  wie 
der  Anrufwecker  einer  Telephonlinie  angeordnet  und  mit  einer  Ab- 
fallscheibe versehen  ist.  Letztere  schliesst,  wenn  sie  niederfallt,  eine 
Ortsbatterie,  welche  zwei  Rasselwecker  thätig  macht,  von  denen  der 
eine  in  der  Wohnung  des  betreffenden  Beamten  und  der  zweite  im 
Dienstraume  des  Stationswärters  angebracht  ist.  Das  Thätigwerden 
dieser  Weckereinrichtung  gilt  als  Aufforderung,  eine  Lokomotive  zu 
entsenden.  Die  Wechselstromwecker  sind  ohne  weiteres  in  die  Morse- 
linie eingeschaltet,  da  sie  von  dem  darin  normal  herrschenden  Ruhe- 
strom nicht  in  Gang  gebracht  werden  können.  In  geeignet  gelegenen 
Zwischenstationen  der  Morselinie  befinden  sich  jedoch  Siemenssche 
Magnetinduktoren,  welche  nach  Art  gewöhnlicher  Läuteinduktoren 
mittels  Taster  nach  rechts  oder  links  in  die  Morselinie  eingeschaltet 
werden  können  und  Ströme  liefern,  wie  sie  die  obgedachten  Wechsel- 
stromwecker erfordern.  Tritt  irgendwo  auf  der  Strecke  die  Notwen- 
digkeit ein,  eine  Hilfsmaschine  herbeizurufen,  so  geschieht  dies  sonach 
durch  Vermittelung  derjenigen  Liduktorstation ,  welche  der  Unfall- 
stelle zunächst  liegt.  Die  erste  Alarmierung  erfolgt  durch  Anwendung 
des  Induktors;  die  weiteren  Klarlegungen  geschehen  dann  mittels  des 
Telegraphen.  Zweck  der  Einrichtung  ist,  für  alle  Fälle  die  Herbei- 
rufung der  Lokomotive  zu  sichern,  obwohl  in  den  Maschinenstationen 
nur  ein  Beamter  den  Dienst  leistet  und  vielfach  durch  anderweitige 
Obliegenheiten  verhindert  wirti,  dem  Telegraphen  seine  Aufmerksam- 
keit zuzuwenden. 

C.  Das  Telegraphieren  auf  Signalleitungen.  Diese  Form  von 
Doppelausnützungen ,  welche  sich  unmittelbar  aus  der  soeben  be- 
sprochenen entwickelt  hat,  weicht  von  dieser  gleichwohl  insofeme  ab, 
als  es  sich  nunmehr  um  Leitungsanlagen  handelt,  die  ausdrücklich 
für  Signalisierungszwecke  errichtet  und  bestimmt  sind,  aber  nebenbei 
auch  zum  Telegraphieren  verwendet  werden  sollen,  während  bei  den 
unter  B.  eingegliederten  Fällen  gerade  das  umgekehrte  Verhältnis 
obwaltet. 

Der  von  Frischen  unternommene  Versuch  (vergl.  p.  266)  hatte 
in  Deutschland  schon  wenige  Jahre  hinterher  sehr  eifrige  Nachahmung 
gefunden  und  Hand  in  Hand  damit  mehrfache,  wertvolle  Vervollkomm- 
nungen erfahren,  derart,  dass  es  schliesslich  zur  Regel  wurde,  alle 
neuerstandenen  Läutewerkslinien  gleichzeitig  f&r  die '  Mitverwendung 
zum  Morsetelegraphieren  einzurichten.    Die  Grundtype  der  Stromlauf- 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  Scbwachstromleitungen. 


271 


anordnung  ftlr  solche  Einrichtungen,  welche  vorwiegend  bei  den  deut- 
schen Eisenbahnen  zur  Anwendung  gelangte,  stammte  aus  dem  Eon* 
struktionsbureau  Yon  Siemens  &  Halske  (Berlin)  und  ist  in  Fig.  6  — 
unter  Weglassung  der  Nebenapparate  (Blitzschutzvorrichtung,  Linien- 
wechsel, Galvanoskop)  —  schematisch  dargestellt.  Es  bleibt  hierzu 
vorerst  nur  nochmals  ins  Auge  zu  fassen,  dass  die  in  Betracht  ge- 
zogenen Läutelinien  bloss  von  Bahnstation  zu  Bahnstation  laufen  und 
daselbst  an  Erde  gelegt  sind.  Zur  Auslösung  der  Läutewerke  6  dienen 
kräftige  Arbeitsströme,  welche  Siemenssche  Magnetinduktoren  J^,  Jg 
liefern;  der  Betrieb  des  Morse  erfolgt  hingegen  mit  Hilfe  eines  dauern- 
den Batteriestromes.  Bei  der  Ruhelage  aller  Apparate  liegt  in  der 
Station  I  wie  in  11  die  Umschaltekurbel  auf  den  Eontaktspangen  1 


Fig.  6. 

1^0     ^G     t^C       l^a      ^C 

oo— — OO 00 oo— — oo 


t^a 


und  2;  es  wird  sonach  ein  Buhestrom  in  der  Läutelinie  vorhanden 
sein,  der  von  Bj  über  den  Wecker  W^,  den  Taster  Tj,  die  sämtlichen 
Läutewerke  G,  femer  in  11  über  T^,  W,,  B^,  E^,  2,  1,  E,  und  in  I 
von  der  Erde  E^  über  1,  k^  seinen  geschlossenen  Weg  findet.  Dem- 
zufolge sind  die  Anker  der  beiden  Wecker  W^  und  W,  angezogen 
und  dieselben  bleiben  unthätig.  Will  aber  beispielsweise  die  Station  T 
die  Nachbarstation  II  rufen,  so  legt  der  Beamte  daselbst  seine  Um- 
schalterkurbel kj  langsam  auf  die  Eontaktspangen  3  und  4,  wodurch 
das  Morserelais  R^  und  der  Morsetaster  t^  in  die  Linie  gebracht,  so- 
wie gleichzeitig  die  Ortslinie  des  Morseschreibers,  welche  während  der 
Ruhelage  des  Umschalters  zur  Schonung  der  Ortsbatterie  b^  absicht- 
lich bei  4  unterbrochen  ist,  hergestellt  wird.  Während  der  Zeit,  wo 
kj  auf  dem  Wege  von  links  nach  rechts  weder  die  einen  noch  die 

Sammlung  elektrotedmischer  Vortrage.    I.  19 


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272  KoWftlrst. 

anderen  Kontaktspangen  berührt,  besteht  in  der  Linie  eine  Unter- 
brechung, welche  es  mit  sich  bringt,  dass  in  II  der  Wecker,  da  er 
durch  seinen  abreissenden  Anker  mit  B,  in  einen  kurzen  Schluss  (B,, 
Wg,  2,  K^)  gelangt,  läutet.  Dieses  Läuten  bildet  den  Anruf  und  rer* 
anlasst  den  Beamten  in  II,  seine  ümschalterkurbel  E,  gleichfalls  auf 
3,  4  umzulegen,  worauf  die  ganze  Linie  zum  Telegraphieren  in  Ord- 
nung gebracht  ist.  Die  in  gewöhnlicher  Art  als  Unterbrecher  ein- 
gerichteten Morseschlüssel  t^  und  t,  dienen  als  Sender,  die  Relais  R| 
und  R^f  bezw.  die  Morseschreiber  Mj  und  M,  als  Empfanger.  Die 
Wecker  können  beim  Telegraphieren  nicht  mitspielen,  da  ihre  Anker 
für  den  schwachen  Ruhestrom  zu  grosse  Gangweiten  besitzen.  Nach 
Abschluss  des  telegraphischen  Depeschenwechsels  wird  in  beiden 
Stationen  die  Umschalterkurbel  wieder  in  die  normale  Ruhelage  zurück- 
gestellt. Hiebei  erfolgt  allerdings  momentan  ein  kurzer  Schluss  der 
betreffenden  Linienbatterie  über  den  Spulen  des  Weckers,  so  dass  der 
Anker  des  letzteren  angezogen  wird;  trotzdem  kann  sich  derselbe  nicht 
als  Selbstunterbrecher  in  Gang  setzen,  weil  infolge  des  Ruhestromes, 
dessen  Wirkung  überdies  durch  die  Remanenz  des  Kernes  des  Wecker- 
elektromagnetes  unterstützt  wird,  der  Anker  in  der  angezogenen  Lage 
verharrt.  Auf  diese  Weise  ist  nach  Rückstellung  der  beiden  Um- 
schalter dieselbe  Lage  sämtlicher  Apparate  und  Stromwege  wieder 
hergestellt,  von  der  bei  Betrachtung  der  Fig.  6  zuerst  ausgegangen 
wurde,  und  welche  die  normale  Ruhelage  bildet.  Sollen  Läutesignale 
gegeben  werden,  so  geschieht  dies  durch  Niederdrücken  des  Tasters 
T^  in  I  oder  II  und  gleichzeitiges  entsprechend  langes  Antreiben  des 
Induktors.  Zahlreich  sind  die  aus  der  Ghrundanordnung  Fig.  6  her- 
vorgegangenen Abarten,  je  nachdem  beispielsweise  nur  jede  zweite 
Station  einen  Induktor  enthält,  oder  je  nachdem  für  die  beiden  Rich- 
tungen der  Mittelstationen,  welche  auf  die  geschilderte  Einrichtung 
bezogen  durchwegs  doppelte  Endstationen  sind,  getrennte  Morse- 
schreiber benützt  werden  sollen,  oder  ob  nur  ein  Morseschreiber,  oder 
überhaupt  nur  ein  einziger  gemeinsamer  Morseapparatsatz  zur  Ver- 
fügung steht  u.  s.  w.  Häufig  findet  sich  der  Umschalter  so  ein- 
gerichtet, dass  die  Kontaktkurbel,  um  das  Vergessen  oder  Versäumen 
der  Rückstellung  hintanzuhalten,  durch  einen  Federdruck  in  der  rich- 
tigen Normallage  (auf  1,  2)  festgehalten  wird.  Zur  Lösung  dieser 
Verbindung  braucht  es  dann  einer  gewissen  Kraft  und,  sobald  diese 
aufhört,  geht  der  Umschalter  selbstthätig  in  seine  Normalstellung 
wieder  zurück.  Die  Umschaltung  in  die  zweite  Lage  (auf  3,  4)  er- 
folgt bei  derartigen  Anordnungen  gewöhnlich  mittels  eines  unter  dem 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  Schwachstromleitangen.  273 

ApparaÜische  angebrachten  Tritthebels,  den  der  Beamte  im  Bedarfs- 
falle mit  dem  Fasse  niederdrückt.  In  der  Regel  ist  es  lediglich 
der  den  Zugmeldedienst  betreffende  Depeschenwechsel,  welcher  auf 
den  Läutewerkslinien  von  Station  zu  Station  abgewickelt  wird;  nicht 
selten  sind  jedoch  auch  auf  der  Strecke  in  den  Läutewerks-  oder  in 
den  Bahnwärterbuden  noch  eigene  Vorrichtungen  vorhanden,  welche 
bei  Unfällen  oder  sonstigen  wichtigen  Anlässen  in  die  Läutewerkslinie 
eingeschaltet  werden  können,  um  zwischen  dem  Streckenposten  und 
den  anschliessenden  Stationen  einen  telegraphischen  Verkehr  zu  er- 
möglichen. In  diesem  Sinne  haben  beispielsweise  die  württem- 
bergischen  Staatsbahnen  alle  wichtigeren  Streckenwärterbuden 
mit  Morseapparatsätzen  ausgerüstet,  welche  für  gewöhnlich  in  einem 
versperrten  Wandkasten  untergebracht  sind.  Soll  der  Bahnwärter  eine 
Nachricht  geben,  dann  öffnet  er  den  Kasten,  schaltet  hierdurch  auf 
selbstthätigem  Wege  seinen  Apparatsatz  in  die  Linie  und  ruft  vorerst 
durch  Unterbrechung  des  Ruhestromes  die  gewünschte  Station  mit 
einem  Weckersignal  an.  Bei  dieser  Einrichtung  sind  keine  Relais 
verwendet,  sondern  die  Morseschreiber  direkt  in  die  Linie  geschaltet, 
weshalb  für  die  Zeichengebung  nicht  der  gewöhnliche,  sondern  so- 
genannter amerikanischer  Ruhestrom  benützt  wird  (vergl. 
A.  Hassler,  Die  elektrischen  Eisenbahnsignale  p.  42).  Auch  die 
bayerischen  Staatsbahuen  benützen  ihre  Läutelinien  in  der  Regel 
zugleich  für  Hilfstelegraphen,  doch  haben  hier  die  Wärter  keine 
Empfangsapparate,  sondern  nur  Sender,  nämlich  eine  Anzahl  von 
Kontaktscheiben,  welche  ebensovielen  bestimmten  Depeschen  ent- 
sprechen, und  mit  deren  Hilfe  in  ähnlicher  Weise,  wie  bei  den  be- 
kannten Feuertelegraphenautomaten,  Nachrichten  in  Morseschrift  an 
die  angrenzenden  Stationen  entsendet  werden  können.  Auf  mehreren 
bayerischen  Bahnlinien  besteht  auch  die  weitere  Besonderheit,  dass  in 
den  Bahnstationen  für  die  mit  der  Läutelinie  zusammengelegte  Zug- 
meldeleitung nebst  Hilfstelegraphen  kein  eigener  Morseapparatsatz 
vorhanden  ist,  sondern,  dass  für  diesen  Dienst  die  Apparate  einer 
zweiten,  durchlaufenden  Morselinie  herangezogen  und  immer  erst  im 
Bedarfsfalle  mittels  eines  obengedachten,  demgemäss  angeordneten 
Fussumschalters  übergeschaltet  werden  (vergl.  Zetzsche,  Handbuch 
der  Telegraphie  Bd.  IV,  p.  437). 

Wie  sich  Frischens  Doppelausnützung  der  Läutelinie  —  gleich- 
zeitig mit  der  Anwendung  des  Siemens  sehen  Magnetinduktors  als 
Stromquelle  für  die  Läutewerke  —  vorwiegend  in  Deutschland  ein- 
gebürgert hatte,  so  verbreitete  sich  in  Oesterreich-Ungarn,  Rumänien, 


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274 


Kohlfflrst. 


Serbien  und  anderweitig,  wo  die  Läutewerke  (Glockenapparate)  haupt- 
sächlich für  den  Betrieb  mit  Ruheströmen  eingerichtet  sind,  die  von 
J.  Schönbach  angegebene  Doppelbenützung  (vergl.  p.  267),  deren 
gewöhnliche  Anordnung  durch  Fig.  7  yersinnlicht  ist.  Auch  in  diesem 
Falle  kommt  wieder  nur  die  zwischen  zwei  Nachbarstationen  vor- 
handene und  daselbst  zur  Erde  gelegte  Läutewerkslinie  (Glocken- 
linie)  in  Betracht.  Die  Linienbatterien  B^  und  B,,  welche  natürlich  so 
eingeschaltet  sind,  dass  sie  sich  addieren,  liefern  den  normalen  Ruhe- 
strom, der  die  Spulen  der  Relais  R^  und  R^,  sowie  der  sämtlichen 
Läutewerke  Q  durchfliesst  und  dessen  Unterbrechung  sowohl  das  Aus- 
lösen der  letzteren  als  das  Ansprechen  der  beiden  ersteren  bewirkt. 
Der  Ortsschluss  der  Relais  steht  durch  Vermittlung  der  Stöpselklemme 
w,  s  entweder  mit  dem  Wecker  W   oder  mit  dem  Morseschreiber  S 

Fig.  7. 


in  Verbindung,  und  soll  für  gewöhnlich  immer  der  Weckeranschluss 
hergestellt  sein.  Wenn  Signale  gegeben  werden,  was  mit  irgend 
einem  der  Taster  T  geschieht,  dann  spielen  die  beiden  Relais,  d.  h. 
die  Wecker  in  beiden  Stationen,  gleichfalls  mit.  Das  Morsesprechen 
geschieht  mittels  des  Tasters  t^,  bezw.  t^»  der,  sobald  er  niedergedrückt 
wird,  an  Stelle  seines  Eontaktarmes  den  Widerstandsdraht  D^  bezw.  D, 
in  den  Schliessungskreis  bringt,  wodurch  eine  Schwächung  des  Normal- 
stromes eintritt,  bei  welcher  die  Anker  von  R^  und  R^  gleichfalls  ab- 
reissen,  nicht  aber  jene  der  Läutewerke  6.  Zum  Telegraphieren  braucht 
also  nur  in  I  und  11  der  Schaltstöpsel  von  w  auf  s  gesteckt  zu  werden, 
worauf  die  Abwickelung  des  Depeschenwechsels  wie  auf  jeder  anderen 
Morselinie  erfolgt.  Nach  Abschluss  des  Morseverkehrs  ist  der  Wecfasel- 
stifb  in  beiden  Stationen  stets  wieder  in  die  normale  Weckerstellung 
zurückzubringen. 

Viele  Eisenbahnen,  welche  diese  Einrichtung  besitzen,  haben  die- 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  Schwachstromleitungen.  275 


selbe  dahin  erweitert,  dass  entweder  bloss  die  Stationen  oder  auch  die 
Signalposten  der  Strecke  nebst   dem  gewöhnlichen,   lediglich  für  den 
Handgebrauch  dienlichen  Unterbrechungstaster  T  noch  eine  besondere, 
mit  Triebwerk  versehene  Vorrichtung   erhalten,  welche  nach  Art  der 
Feuertelegraphenautomaten  die  selbstthätige  Abgabe  von  Läutesignalen 
ermöglichen.     Einzelne  Bahnen,   wie   die  Eaiser-Ferdinand-Nordbahn, 
die  Buschtehraderbahn  u.  a.,   deren  Läutewerkssignalanlagen  ebenfalls 
im  Sinne   der  Fig.  7  eingerichtet  sind,   haben  alle  ihre  Läutesignal- 
posten  der  offenen  Bahnstrecke  nicht  nur  mit  Handtastern  und  Auto- 
maten zum  Abgeben  von   Glockensignalen,    sondern   auch   noch    mit 
Widerstandstastem  ausgerüstet,  so  dass  von  allen  diesen  Stellen  aus 
auch  Morsedepeschen  in  die  beiden^  Begrenzungsstationen   abgegeben 
werden  können.   Empfangsapparate  sind  bei  den  Streckenposten  jedoch 
in  der  Regel  nicht  vorhanden,  wenngleich  es  bei  besonderen  Anlässen 
vorkommt,    dass  solche,   nämlich  tragbare  Morseapparatsätze,    an  be- 
liebiger Stelle  der  Läutelinie  in  dieselbe  eingeschaltet  werden.   Schön- 
bach u.  a.  haben  es  seiner  Zeit  auch  mit  Erfolg  versucht,  auf  dieser 
doppelt  benützten  Linie  den  Depeschendienst  mit  Hilfe   von  Ueber- 
tragungsapparaten,  welche  ein  Durchsprechen  ermöglichten,  auf  mehrere 
Stationen   auszudehnen  (vergl.  Zetzsche,   Handbuch  der  Telegraphie 
Bd.  IV,  p.  256 — 258),  doch  sind  alle  diese,  mitunter  höchst  sinnreichen 
Anordnungen  seit  Jahren  nicht  mehr  in  Anwendung.   Das  Letztgesagte 
gilt   auch  von    einer  durch   Moritz   Eohn   auf  der  Südbahnstrecke 
Neu-Szönj-Stuhlweissenburg  eingerichteten  Doppelbenützung  der  Läute- 
linie.    Daselbst  wurden  die  Läutesignale  mit  positiv  gerichteten,    die 
Morsezeichen   mit   negativ    gerichteten  Arbeitsströmen  hervorgerufen. 
Jedes  der  Läutewerke  im  Stationsbureau  wie  auf  der  offenen  Strecke 
besasB  zwei  parallel  geschaltete  Elektromagnete  mit  polarisiertem  Anker, 
wovon  der  eine  die  Auslösung  des  Läutewerkes  besorgte,   der  andere 
hingegen  als  Relais  ftlr  den   Morseschreiber  diente.     Morseschreiber 
waren  in  der  Regel  nur  in  den  Stationen  vorhanden,  während  solche 
an   den   Streckenposten   bloss  bei  besonderem   Bedarfe   in   der  Form 
eines  tragbaren,  aus  Kasten,  Anschlussklemme,  Ortsbatterie  und  Morse- 
schreiber bestehenden  Apparatsatzes  zur  Aufstellung  gelangten.  Selbst- 
verständlich mussten  alle  jene  Läutewerksposten  auf  der  Strecke,  von 
denen  aus  signalisiert  werden  sollte,    dauernd   mit  einer  geeigneten 
Linienbatterie  versehen  sein,  was  hinsichtlich  der  Unterhaltung  Schwierig- 
keiten machte. 

Eine  um  mehrere  Jahre   jüngere   Doppelbenützung  der  Läute- 
werksleitung ist  von  J.  Gattinger   erdacht  und   steht   in   ziemlich 


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276 


EohlfQtst. 


ausgedehntem  Masse  auf  den  Linien  der  österr.  Staatsbahnen  in 
Verwendung.  Bei  diesen  Einrichtungen  werden  die  Läutesignale  mittels 
Batteriearbeitsströmen  gegeben  und  mit  ebensolchen,  jedoch  abge* 
schwächten  Strömen  die  Morsezeichen  hervorgemfen.  Während  der 
Pausen  besteht  im  Schliessungskreise  Stromlosigkeit ,  welche  durch 
Entgegenschaltung  zweier  gleich  starker  Batterien  erzeugt  wird.  Aus 
der  schematischen  Fig.  8  lässt  sich  leicht  ersehen,  wie  der  Stromlauf 
angeordnet  ist.  In  der  Station  I  befinden  sich  ausser  den  in  der  Zeich- 
nimg weggebliebenen  Nebenapparaten  ein  Zimmerläutewerk  G,  ein 
Signaltaster  T^,  ein  für  Arbeitsstrom  angeordnetes  Relais  R,  nebst 
Elemmenwechsel,  ein  Morsetaster  t^  und  eine  Linienbatterie  B^.  Mittels 
des  Klemmenwechsels  w,  s  kann   der  Ankerhebel  des  Relais  —  wie 


Gä:,, 


Fig.  8. 


\ 


&,o 


mit 

^  D, 


■*^*  ^  l^^S^' 


es  in  Fig.  7  der  Fall  war  —  entweder  mit  dem  Wecker  Wj  oder  mit 
dem  Morseschreiber  Sj  zur  Ortsbatterie  b^  verbunden  werden.  Ganz 
übereinstimmend  ist  die  Station  11  eingerichtet,  und  da  die  gleich- 
starken Batterien  B^  und  B,  mit  dem  gleichnamigen  Pol  an  Erde  ge- 
legt sind,  ihre  Wirkungen  sich  also  aufheben,  so  erscheint  die  Linie 
im  Ruhezustande  stromlos.  Signale  werden  in  den  beiden  Stationen 
mit  Hilfe  des  Tasters  T^,  bezw.  T^  gegeben ;  ersichtlichermassen  wird 
durch  das  Niederdrücken  eines  dieser  Taster  die  eigene  Batterie  weg- 
geschaltet oder  vielmehr  gegen  die  Linie  isoliert,  dafür  gelangt  der 
Strom  der  Nachbarbatterie  voll  zur  Wirksamkeit.  Derselbe  ist  so 
stark,  dass  er  sowohl  die  Anker  der  Läutewerke  als  die  Relaisanker 
zur  Anziehung  bringt.  Wird  bei  irgend  einem  Streckenposten  Signal 
gegeben,  was  mit  Hilfe  des  bei  jedem  Läutewerk  vorhandenen  Tasters  T 
durch  Herstellung  eines  Erdanschlusses  geschieht,  dann  erfolgt  die- 
selbe Auslösung  der  Apparate  wie  bei  der  soeben  beti-achteten,   von 


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Die  gemischten  Betriebe  aaf  Scbwachstromleitangen.  277 

den  Stationen  ausgehenden  Signalgebung,  jedoch  diesmal  durch  zweier- 
lei Ströme,  nämlich  links  vom  Signalorte  durch  die  Batterie  B^,  rechts 
durch  Bg.  In  beiden  Fällen  spielen  die  Wecker  in  den  Stationen  die 
Signale  mit.  Soll  telegraphiert  werden,  so  geschieht  dies,  nachdem 
vorher  in  I  und  II  die  ümstöpselung  von  w  auf  s  stattgefunden  hat, 
durch  Anwendung  des  Morsetasters  t^,  bezw.  tg.  Wenn  einer  dieser 
Taster  niedergedrückt  wird,  unterbricht  er  zuerst  momentan  die  Linie, 
um  sie  wieder  zu  schUessen,  sobald  der  Tasterhebel  den  Arbeitskontakt 
erreicht;  nunmehr  gelangt  wieder,  wie  bei  der  Signalgebung,  die 
Nachbarbatterie  zur  Wirksamkeit,  allein  ihr  Strom  ist  jetzt  schwächer, 
weil  er  den  Widerstandsdraht  D^  bezw.  D^  passieren  muss.  Dieser 
geschwächte  Strom  vermag  es  allerdings  nicht,  die  Läutewerke  aus- 
zulösen, ist  aber  immerhin  kräfkig  genug,  die  Anziehung  der  Relais- 
anker zu  bewirken. 

D.  Die  Telephonie  auf  Telegraphenleitnngen.  Sehr  bald  nachdem 
das  elektrische  Telephon  als  vielversprechendes  Nachrichtenmittel  be- 
kannt und  praktisch  versucht  worden  war  —  wobei  nicht  nur  an  den 
Bell  sehen  Apparat,  sondern  auch  an  andere  verwandte,  fem  wirkende, 
elektrisch-phonische  Anordnungen  gedacht  werden  muss  —  hat  es  nicht 
an  Bestrebungen  gefehlt,  dasselbe  auf  bestehenden  Leitungen  neben 
dem  gewöhnlichen  Telegraphen-  oder  Signalbetrieb  oder  gleichzeitig 
mit  letzterem  in  Verwendung  zu  nehmen.  Für  beides  ergab  sich  die 
gleiche  Schwierigkeit,  nämlich  der  Umstand,  dass  allerdings  die  bei 
der  Gebrauchsnahme  der  Femsprecher  in  die  Telegraphenleitung  ge- 
langenden Induktionsströme  wechselnder  Richtung  sich  als  viel  zu 
schwach  erweisen,  um  auf  die  Telegrapheneinrichtung  und  ihre  Aus- 
nützung irgend  eine  nachteilige  Wirkung  auszuüben,  während  die  tele- 
phonisohen  Apparate  durch  die  telegraphische  Zeichengebung  stets 
direkt  oder  insbesondere  im  Wege  der  Induktion  störend  beeinflusst 
werden.  Es  war  sonach  vorerst  dieser  Uebelstand  zu  bekämpfen,  der 
sich  auf  allen  längeren  Leitungen,  selbst  wenn  sie  lediglich  für  Fem- 
sprecheinrichtungen  dienen  sollten,  höchst  nachteilig  geltend  machte, 
sofern  dieselben  parallel  neben  einer  oder  mehreren  Telegraphen- 
leitungen liefen.  Beim  Suchen  nach  einer  wirksamen  Abwehr  gegen 
diese  den  telephonischen  Verkehr  störenden  Einflüsse  war  zur  nicht 
geringen  XJeberraschung  der  Beteiligten  in  den  gefundenen  Gegen- 
mitteln zugleich  der  Weg  entdeckt,  die  Telegraphenleitungen  ohne  jede 
gegenseitige  Beeintrachtigung  der  beiden  Betriebe  gleichzeitig  für  die 
Telephonie  mitzubenutzen. 

Die  älteste  der  einschlägigen  Einrichtungen  ist  wohl  jene,   mit 


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278 


Kofalf&rst 


welcher  von  Elisha  Gray  in  Chicago  gegen  Ende  des  Jahres  1876 
auf  mehreren  Telegraphenlinien  der  Westem-Union-Telegraph-Com- 
pany  die  ersten  erfolgreichen  Versuche  gemacht  wurden,  wozu  übrigens 
von  dem  Superintendenten  der  genannten  Gesellschaft,  C.  H.  Has- 
kins  in  Milwaukee,  schon  2  oder  3  Jahre  früher  die  Anregung  aus- 
gegangen war.  Gray  hatte  sich  die  Aufgabe  gestellt  (vergl.  Zetzsche, 
Journal  telegraphique  Bd.  IV,  p.  22),  eine  gewöhnliche  Morseomnibus- 
leitung  mit  10  bis  20  hinter  einander  geschtdteten,  mit  amerikanischem 
Ruhestrom  betriebenen  Telegraphenstationen  zugleich  als  direkte  Linie 
fOr  sein  Telephon  zu  benützen,  d.  h.  während  der  Morsearbeit  die 
beiden  Endstationen  der  Linie  telephonisch  mit  einander  verkehren 
zu  lassen,  und  es  ist  ihm  gelungen,  dieselbe  —  allerdings  erst  nach 
einigen  vorausgegangenen  erfolglosen  Versuchen  —  günstig  zu  lösen. 
Die  hiebei  verwendete  Schaltungsweise  zeigt  Fig.  9,  und  zwar  eine 


m 


Fig.  9. 


Endstation  I  und  eine  Zwischenstation  II;  die  andere  Endstation  sowie 
alle  übrigen  Zwischenstationen  haben  genau  dieselben  Apparate  und 
gleiche  Anordnung  wie  I,  bezw.  II.  In  I  gehören  die  von  V  rechts- 
liegenden Apparate  zur  Morseeinrichtung,  die  linksbefindlichen  sowie 
V  selbst  zur  Telephoneinrichtung.  Zum  besseren  Verständnis  muss 
hier  vorerst  noch  erinnert  werden,  dass  das  Gray  sehe  Telephon  von 
dem  Bellschen  wesentlich  abweicht,  indem  zur  Erregung  des  aus  einem 
Elektromagneten  mit  schwingendem  Anker  bestehenden  Empfangers 
Batterieströme  dienen;  der  Sender  ist  gleichfalls  ein  schwingender 
Stahlstab,  der  jedoch  nicht  direkt  durch  die  Stimme,  sondern  auf 
anderen  Wegen  thätig  gemacht  wird.  Auch  der  Empfänger  wirkt  nicht 
unmittelbar  aufs  Ohr,  sondern  erst  durch  Vermittlung  eines  Morse- 
klopfers. Solche  Zeichenapparate  sind  es  also,  welche  in  Fig.  9  neben 
Morseeinrichtungen  zur  Verwendung  gelangen,    und  der  eigenartigste 


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Die  gemificbten  Beiriebe  auf  Schwachstromleitungen. 


279 


und  wichtigste  darunter  ist  das  Empfangsrelais  R,  Analyzer  genannt 
(rergl.  Dinglers  polytechnisches  Journal  Bd.  218,  p.  529  und  Bd.  225, 
p.  46),  dessen  Aeusseres  durch  Fig.  10  besonders  ersichtlich  gemacht 
wird.  Der  Anker  dieses  Relais  wird  von  einem  verhältnismässig 
dicken,  auf  einen  bestimmten  Ton  —  etwa  für  300  Schwingungen  in 
der  Sekunde  —  abgestimmten  Stahlstab  P  gebildet,  dessen  Ende  bei 
a  auf  dem  einen  Pole  des  zweischenkeligen  Elektromagnets  M  fest- 
gemacht ist.  Die  Stimmung  wird  teils  durch  eine  zunächst  des  Be- 
festigungspunktes im  Stahlstabe  ausgefeilte  Stelle  g,  teils  durch  Ver- 
stellen des  Gewichtes  w  durchgeführt.  An  seinem  freien  Ende  trägt 
P  ein  kleines  Metallnäpfchen  d,  in  welchem  das  eine  Ende  eines  um 
sein  anderes  Ende  drehbaren  Eontakthebels  c  ruht.  Dieser  Hebel  c 
ist  nun  auf  einen  anderen  Ton,  nämlich  für  einen  mit  kleinerer 
Schwingungszahl,    abgestimmt    als    P.     Wenn    also    der    letztere   in 

Fig.  10. 


Schwingimg  gerät,  hüpft  und  klappert  der  Hebel  c  auf  ihm  auf  und 
ab;  dabei  ist  der  Stromkreis  einer  Ortsbatterie  B^,  Fig.  9,  deren  Pol- 
drähte zu  den  Anschlussklemmen  m  und  n,  Fig.  9  und  10,  des  Relais 
R  geführt  sind,  nicht  so  gut  geschlossen,  dass  der  in  ihm  liegende 
Elektromagnet  Mj  eines  sogenannten  „Repeating  Sounder **,  eines  Appa- 
rates, der  eigentlich  nichts  anderes  ist,  als  ein  gewöhnliches  Relais,  seinen 
Ankerhebel  H^  anziehen  könnte.  Letzterer  legt  sich  demnach,  wenn 
R  arbeitet,  an  die  Eontaktschraube  u  und  schliesst  auf  diese  Weise 
die  Ortsbatterie  Bg  über  einen  sogenannten  ^^Reading  Sounder''  E,  der 
nach  Art  der  bekannten  Morseklopfer  angeordnet  ist.  Die  Aufgabe  des 
letzteren  besteht  lediglich  darin,  die  Thätigkeit  des  Relais  R  recht 
deutlich  wahrnehmbar  zu  machen,  was  sich  durch  M^  allein  nicht  in 
dem  gewünschten  Masse  erzielen  lässt,  da  sein  Anker  H^  nur  durch 
Abfallen  wirkt.  Der  telephonische  Sender  H  wird  durch  den  gewöhn- 
Uchen  Taster  T  mittels  der  Ortsbatterie  B^  und  des  Elektromagnetes 


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280  Kohlfarst 


M  in  Thätigkeit  gesetzt.  Der  Senderhebel  trägt  an  dem  einen  Ende 
eine  gegen  H  isolierte  Feder  q,  q^,  welche  sich  bei  jeder  Ankeranziehung 
auf  zwei  Kontaktschrauben  auflegt  und  dadurch  eine  Nebenschliessung 
für  das  Relais  R  herstellend  die  Elektromagnetspulen  dieses  Apparates 
so  lange  aus  der  laufenden  Linie  L  ausschaltet,  als  H  intermittierende 
Ströme  erzeugt.  Während  aber  der  Hebel  H  angezogen  ist,  entfernt 
die  Eontaktschraube  x  die  gegen  H  isolierte  Feder  f  von  dem  auf  H 
sitzenden  Bügel  y,  so  dass  der  normale  Stromweg  durch  den  Wider- 
stand W  unterbrochen  und  dafür  der  Stromweg  f,  x,  r,  k  hergestellt 
wird.  Ein  weiterer  zugehöriger  Teil,  der  „Vibrator"  V,  enthält  einen 
Stahlstab  k,  welcher  auf  denselben  Ton  abgestimmt  ist  wie  der  Anker 
des  Empfangsrelais  B;  der  Stab  k  liegt  ganz  ähnlich  wie  bei  dem 
von  Paul  de  la  Cour  schon  1868  erfundenen  phonischen  Sender  die 
Stimmgabel,  derart  zwischen  zwei  in  der  Zeichnung  nicht  dargestellten 
Hufeneisenelektromagneten,  dass  er  von  ihnen  abwechselnd  mit  gleicher 
Kraft  nach  rechts  und  links  angezogen  und  dauernd  in  Schwingungen  er- 
halten wird,  da  er  bei  seinem  grössten  Ausschlage  nach  der  einen  Seite 
eine  kurze  Nebenschliessung  für  den  einen  Elektromagnet  herstellt,  wäh- 
rend der  andere  Elektromagnet  von  dem  Ortsstrome  durchflössen  bleibt, 
bei  seinem  grössten  Ausschlage  nach  der  anderen  Seite  dagegen  auf  kurze 
Zeit  den  Stromkreis  der  Linienbatterie  B  schliesst  und  in  diesem  Falle 
einen  kurzen  Strom  in  die  Linie  L  entsendet.  Der  vorerwähnte  Wider- 
stand W,  ein  gewöhnlicher  Rheostat,  liegt  in  der  Linie,  solange  H 
nicht  angezogen  ist,  und  schwächt  in  dieser  Zeit  den  Strom  von  B 
ebenso  sehr,  wie  ihn  die  raschen  Unterbrechungen  schwächen,  welche 
V  währenddem  veranlasst,  wo  H  angezogen  wird.  Die  ausserdem  in 
I  vorhandenen  Apparate  gehören  zur  Morseeinrichtung  und  bestehen 
aus  einem  gewöhnlichen,  für  amerikanischen  Ruhestrom  eingerichteten 
Morsetaster  T^,  dem  Relais  R^  und  dem  in  die  Ortslinie  desselben 
geschalteten  Morseklopfer  K^.  Zwischen  T^  und  R^  wird  durch  d^i 
Widerstandsdraht  W^  eine  Nebenschliessung  hergestellt;  die  Enden 
von  Wj  sind  auch  mit  den  Platten  eines  Kondensators  C^  verbunden. 
Ganz  dieselbe  Anordnung  weisen  die  Mittelstationen  auf,  wie  Fig.  9 
ersehen  lässt.  Die  in  den  Morsestationen  vorhandenen  Widerstände 
Wj  .  .  .  sind  mit  ihrem  zugehörigen  Kondensator  G^  C^  .  .  .  gemein- 
sam in  einer  Büchse  untergebracht;  sie  betragen  einzeln  etwa  6000  Ohm 
und  müssen  selbstverständlich  höher  oder  geringer  bemessen  werden, 
je  nach  der  Länge  der  Leitung  und  der  Anzahl  der  eingeschalteten 
Stationen. 

Die  Abwickelung  des  telephomschen  Wechselverkehrs  erfolgt  in 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  Schwachatroiuleitungen.   *  281 

nachstehender  Weise:  Jene  Endstation,  welche  den  Depeschenwechsel 
einleiten  will,  gibt  mittels  des  Tasters  T  gewöhnliche  Morsezeichen 
als  Anruf;  so  oft  T  niedergedrückt  wird,  schaltet  die  Feder  f  genau 
gleichzeitig  W  aus  und  Y  ein  und  stellt  zugleich  die  Nebenschliessung 
über  q,  qi  für  R  her.  Indem  der  Vibrator  V  den  Strom  300  mal  in 
der  Sekunde  schUesst  und  unterbricht,  fttgt  er  an  der  Unterbrechungs- 
stelle k  r  gewissermassen  einen  Widerstand  von  beiläufig  1000  Ohms 
ein,  der  etwas  weniger  oder  mehr  beträgt,  je  nachdem  die  Eontakt- 
schraube X  dem  Stabe  k  näher  oder  entfernter  gestellt  wird.  Einen 
ebenso  grossen  Widerstand  hat  der  Bheostat  W  zu  besitzen,  der  also 
demgemäss  eingestellt  werden  muss,  damit  die  Stromstärke  sowohl 
während  der  Arbeit  als  während  der  Ruhe  des  Hebels  H  unverändert 
und  sonach  die  Benützung  des  Tasters  T  auf  die  Morserelais  ohne 
jede  Rückwirkung  bleibt.  Die  Kondensatoren  neben  den  Morserelais 
verhüten  es,  dass  irgendwie  von  den  intermittierenden  Strömen  ein 
Elappem  oder  Zucken  der  Morseanker  verursacht  werden  könne.  In 
der  anderen  Endstation  wird  der  Anker  des  Relais  R  die  Schwing- 
ungen des  ihm  gleichgestimmten  Yibrators  Y  der  gebenden  Station 
mitmachen,  so  lange  in  I  der  Taster  T  niedergediückt  ist.  Es  er- 
scheinen also  in  der  Empfangsstation  auf  dem  Klopfer  K  unter  Ver- 
mittlung von  M  die  mit  T  in  I  gegebenen  Morsezeichen,  während 
zugleich  R  tönt.  Die  in  der  empfangenden  Station  ankommenden 
Ströme  nehmen  daselbst  ihren  Weg  über  Rp  T^,  L,  W,  H,  y,  f,  R 
und  B  zur  Erde.  Will  die  empfangende  Station  die  gebende  unter- 
brechen, so  drückt  sie  ihren  Taster  T,  und  nun  spricht  auf  der  geben- 
den Station  der  Klopfer  K  an,  sobald  hier  der  Taster  T  losgelassen 
wird.  Die  formale  Abwickelung  des  telephonischen  Yerkehrs  geschieht 
also  ganz  ähnlich  wie  auf  einer  gewöhnlichen  Morselinie. 

Wird  in  irgend  einer  Station  der  Morsetaster  —  beispielsweise 
in  n  der  Taster  T,  —  in  Gebrauch  gesetzt,  so  unterbricht  das  Los- 
lassen des  Tasterhebels  die  Linie  nicht,  sondern  schaltet  nur  den 
Widerstand  W^  ein,  und  die  hierdurch  bewirkte  Abschwächung  des 
Linienstromes  hat  das  Abfallen  sämtlicher  Morserelaisanker  zur  Folge. 
Die  Morseeinrichtung  arbeitet  also  ähnlich  wie  bei  einigen  der  schon 
früher  behandelten  Doppelbenützungen  mit  Stromverminderung,  ab- 
weichend ist  nur  der  umstand,  dass  alle  Morsetaster,  so  lange  mit 
ihnen  nicht  gearbeitet  wird,  auf  dem  Arbeitskontakt  festgehalten 
bleiben,  zur  Zeichengebung  aber  gehoben  werden,  wie  es  eben  dem 
amerikanischen  Ruhestrom  entspricht.  Die  telephonischen  Taster  liegen 
hingegen  während  der  Ruhelage  wie  gewöhnliche  Unterbrechungstaster 


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282  Kohlfarst. 

am  Ruhekontakt.  Störende  Einwirkung  auf  die  telephonisclien  Apparate 
in  jenen  Momenten,  wo  mit  Tastern  beider  Betriebsgattungen  gleich- 
zeitig gearbeitet  wird,  verhüten  die  den  Widerständen  Wj  .  .  .  par- 
allel geschalteten  Kondensatoren,  indem  sie  nach  Anschauung  Grays 
während  der  Momente,  wo  die  Verbindung  zwischen  dem  dazu  ge- 
hörigen Morsetaster  und  der  Linie  aufgehoben  ist,  durch  die  inter- 
mittierenden Ströme  stärker  geladen  und  entladen  werden  imd  auf 
diese  Weise  den  letzteren  die  bei  der  Vermehrung  des  Linienwiderstandes 
erleidenden  Verluste  wieder  ersetzen.  Der  Kondensator  bietet  zugleich 
den  weiteren  wichtigen  Vorteil,  dass  er  im  Morserelais  die  inter- 
mittierenden Ströme  nicht  fühlbar  werden  lässt,  denn  der  arbeitende 
Vibrator  ladet  bei  jeder  Stromschliessung  die  Kondensatoren,  und  die- 
selben entladen  sich  bei  jeder  Stromunterbrechung  wieder  teilweise 
durch  die  Morserelais  und  füllen  so  die  Lücke  aus,  welche  sonst 
zwischen  je  zwei  Strömen  merkbar  werden  könnte.  Strenge  genommen, 
besitzt  die  Gray  sehe  Anordnung  den  Charakter  einer  Verbindung  von 
Telephonie  und  Telegraphie  auf  einer  und  derselben  Leitung  nur  aka- 
demisch, während  sie  in  Anbetracht  der  Form,  in  welcher  die  Nach- 
richtengebung  erfolgt,  eigentlich  der  Doppeltelegraphie  zuzuordnen 
wäre;  der  Erfinder  selbst  belegt  seine  durch  intermittierende  Ströme 
vermittelte  Zeichengebung  mit  dem  Namen  „elektroharmonische 
Telegraphie**.  Nichtsdestoweniger  musste  sie  in  dem  Absatz  D  und 
zwar  an  erster  Stelle  Betrachtung  finden,  weil  eben  Grays  Einführung 
des  Kondensators  zum  Ueberbrücken  telegraphischer  Sender  eine  bahn- 
brechende Idee  gewesen  ist  und  die  Unterlage  bildet  für  alle  ander- 
weitigen späteren  Methoden  der  Doppelbenützung  einer  Linie  für  die 
gleichzeitige  Telephonie  und  Telegraphie. 

Bevor  aber  diese  letzteren  weiterverfolgt  werden,  bleibt  noch 
einer  Edison  sehen  Anordnung  zu  gedenken,  welche  mit  der  Gray- 
schen  grosse  Verwandtschaft  aufweist.  Es  ist  dies  eine  in  England 
im  Juni  1885  patentierte  Einrichtung  Namens  Phonoplex,  die  bei 
mehreren  amerikanischen  Telegraphen-  und  Eisenbahngesellschaften 
praktische  Verwendung  findet  und  nach  dem  „Engineering^  vom  22.  Ok- 
tober 1887,  p.  412  wesentlich  in  nachstehendem  besteht:  In  jeder 
Station  sind  zweierlei  Morseapparatsätze  neben  einander  in  die  Tele- 
graphenleitung LL,  Fig.  11,  eingeschaltet;  den  einen  Satz  bildet  ein 
Morsetaster  T^  und  das  in  gewöhnlicher  Weise  eingeschaltete  Morse- 
relais R,  welches  durch  die  Ortsbatterie  b^  den  gewöhnlichen  EHopfer 
K  in  Thätigkeit  setzt.  Wie  T^  ersehen  lässt,  ist  ftir  diesen  Satz 
der  Betrieb  mittels  amerikanischen  Ruhestromes  vorausgesetzt,  den  die 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  Schwachstromleitongen. 


283 


Fig.  H. 


-mt^ 


Linienbatterie  B  liefert.  Der  zweite  Taster  liegt  nicht  in  der  Linie 
LL,  sondern  öffnet  und  schliesst  bloss  eine  Ortsbatterie  bg  durch  die 
primäre  Rolle  einer  Induktionsspule  J,  deren  sekundäre  Bolle  die  hoch- 
gespannten Induktionsströme  in  die  Linie  L  L  sendet.  Damit  nicht 
beim  Arbeiten  eines  Tasters  Tj  in  diesem  der  Weg  für  die  Induktions- 
ströme unterbrochen  werde,  ist  in  einem  Nebenschlüsse  zu  T^  ein 
Kondensator  Ci  angeordnet.  DenEm- 
pfönger  K^  im  zweiten  Apparatsatze 
nennt  Edison  den  ^^Elinger'* 
(Phone);  derselbe  hat  zwar  seinem 
Aeiisseren  nach  einige  Aehnlichkeit 
mit  einem  Bellschen  Telephon,  dient 
jedoch  nicht  zur  Wiedergabe  sprach- 
licher Lautverbindungen,  sondern  zur 
Erzeugung  von  kurzen  und  längeren 
Tonen,  wie  sie  am  gewöhnlichen  Morseklopfer  zur  Darstellung  des  Alpha- 
betes benützt  werden.  Hervorgerufen  wird  das  Tönen  des  Elingers  Kg 
durch  das  Schnellen  einer  tronmielartig  gespannten  Membran  gegen  einen 
losen  Stahlring.  An  der  Membran  befindet  sich  nämlich  in  der  Mitte  ein 
mit  Gewinde  versehener  Stift,  der  an  seinem  Ende  eine  kleine  Schrauben- 
mutter trägt;  unterhalb  der  letzteren  liegt  lose  ein  geschlitzter  kleiner 
Stahlring,  welcher  bei  plötzlicher  Bewegung  der  Membran  von  der 
Schraubenmutter  zitternd  berührt  wird  und  dadurch  einen  scharfen, 
gut  wahrnehmbaren  Ton  gibt.  Dieser  Klinger  K,  hat  auf  die  In- 
duktionsströme anzusprechen,  welche  bei  Anwendung  der  Taster  Tg 
entsendet  werden;  er  ist  zugleich  mit  einem  zweiten  Kondensator  Gg 
in  einen  Nebenschluss  eines  direkt  in  der  Linie  L  L  vorhandenen 
Widerstandes  eingeschaltet,  welcher  durch  die  Rollen  eines  Elektro- 
magnetes  M  gebildet  wird.  Die  mittels  der  Taster  Tg  gegebenen 
Zeichen  bestehen  aus  ganz  kurzen,  scharf  begrenzten  Stromstössen, 
auf  welchen  bloss  die  Klinger  Kg  ansprechen,  weil  die  gewöhnlichen 
Morserelais  R  nicht  rasch  genug  arbeiten,  um  auf  diese  momentanen 
Stromimpulse  ansprechen  zu  können.  Die  durch  die  beiden  ver- 
schiedenartigen Ströme  hervorgebrachten  Zeichen  sind  deutlich  von 
einander  unterschieden  und  hinsichtlich  ihrer  Tonstärke  sowohl  als 
in  Bezug  auf  ihr  Erscheinen  auf  den  Empfangsapparaten  von  einander 
vollständig  unabhängig. 

Fast  um  dieselbe  Zeit,  wo  Gray  in  Amerika  sein  weiter  oben 
geschildertes  System  erfunden,  bezw.  als  er  dasselbe  im  „Journal  of 
the  American  Electrical  Society*  (1877,  Heft  2)  veröffentlicht  hatte, 


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284  Kohlfürst. 


war  der  Gedanke,  dieselben  Leitungsdrähte  gleichzeitig  fQr  die  Tele- 
graphie  und  Telephonie  zu  benützen,  auch  in  Europa  zu  Tage  getreten, 
wobei  allerdings  hinsichtlich  des  Fernsprechverkehrs  lediglich  die  für 
die  Wiedergabe  von  sprachlichen  Lautverbindungen  geeigneten  Apparate, 
also  das  Bell  sehe  Telephon  und  seine  Nachfolger,  in  Betracht  gezogen 
wurden.  Schon  Mitte  Dezember  1877,  bei  Gelegenheit  von  Fem- 
sprechversuchen ,  welche  im  Auftrage  des  deutschen  Staatssekretärs 
Dr.  V.  Stephan  durch  Geh.  Oberregierungsrat  Elsasser  in  Dresden 
ausgeführt  worden  waren,  hatte  Dr.  E.  Zetzsche,  der  diese  Versuche 
mitmachte,  die  Meinung  aufgestellt,  dass  es  zu  einer  Verbindung  des 
Telephonierens  mit  der  Morsetelegraphie  bei  einfacher  Hintereinander- 
schaltung der  betreffenden  Apparate  nur  nötig  sei,  die  Unterbrechungen 
der  Linie  beim  Telegraphieren  hintanzuhalten,  was  leicht  ausfahrbar 
ist,  wenn  die  Morsezeichen  durch  blosse  Stromverstärkung  oder 
Stromschwächung  (vergl.  Fig.  7)  erzeugt  werden  (vergl.  „Journal 
täl^graphique",  Bd.  IV,  p.  9  und  „Technische  Blätter*  1878,  p.  15). 
Bei  weiteren  im  Gebiete  der  deutschen  Reichs-Post-  und  -Telegraphen- 
verwaltung nächster  Jahre  erfolgten  Versuchen  wurde  festgestellt,  dass 
eine  in  mehrere  Aemter  eingeführte,  mit  Ruhestrom  betriebene  Morse- 
linie gleichzeitig  anstandslos  für  Telephone  mitbenutzt  werden  könne, 
wenn  die  telegraphierenden  Aemter  in  einer  nicht  zu  geringen  Ent- 
fernung von  den  telephonierenden  liegen.  Li  so  vollkommener  Weise 
jedoch,  dass  der  Einführung  des  Doppelbetriebes  in  die  Praxis  kein 
Bedenken  mehr  entgegenstand,  wurde  das  Problem  erst  durch  Van 
Rysselberghe  gelöst,  der  beim  Suchen  nach  Hilfsmitteln,  um  die 
für  die  Telephonanlagen  so  störenden  Induktionen  zu  bekämpfen  — 
wie  schon  in  der  Einleitung  des  Absatzes  D  hervorgehoben  wurde  — 
zur  Doppelausnützung  der  Telegraphenleitungen  selbst  gelangte.  Am 
16.  Mai  1882  war  seine  Anordnung  bereits  so  weit  vervollkommnet,  dass 
sie  ihn  in  stand  setzte,  zwei  Depeschen  gleichzeitig  auf  einem  und 
demselben  Drahte  von  Brüssel  nach  Paris  abzugeben,  die  eine  mittels 
des  Telephons  an  den  Minister  Gochery,  die  andere  mit  Morseappa- 
raten an  den  Telegraphendirektor  Gaöl.  Diese  Beförderung  fand  morgens 
8  Uhr  10  Minuten  statt,  also  zu  einer  Zeit,  wo  das  Arbeiten  im  all- 
gemeinen auf  den  Telegraphenlinien  zwischen  Paris  und  Brüssel  bereits 
begonnen  hatte  und  die  störenden  Induktionen  sonach  geeignet  gewesen 
wären,  unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  einen  telephonischen  Fem- 
verkehr überhaupt  unmöglich  zu  machen. 

Ein  Van  Rysselberghesches  Stromlaufschema  fQr  die  Dopi>el- 
benützung  einer  Leitung  zeigt  Fig.  12,   worin  der  Uebersichtlichkeit 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  Schwacbstromleitungen. 


281 


Fig.  12. 


rHl|l|l|l|h 


wegen  die  Nebenapparate  wieder  weggelassen  wurden.  Sowohl  von 
den  Fernsprechstellen  als  von  den  Morseämtem  sind  nur  die  zwei 
am  einen  Ende  der  gemeinsamen  Leitung  L  befindlichen  Stationen 
dargestellt,  welche  hinsichtlich  ihrer  Einrichtung  mit  jenen  am  anderen 
Ende  genau  übereinstimmen;  es  ist  jedoch  keineswegs  ausgeschlossen, 
dass  nicht  auch  an  beliebigen  Stellen  der  Leitung  ähnlich  angeordnete 
Zwischenstationen  eingeschaltet  wer- 
den. Um  die  Doppelbenützung  zu  er- 
möglichen, verhindert  Rysselberghe 
vorerst,  dass  die  zum  Telegraphieren 
gebrauchten  Stromgebungen  urplötz- 
lich in  ihrer  vollen  Stärke  auftreten 
und  wieder  verschwinden.  Zu  diesem 
Behufe  legt  er  zwei  mit  einem  Eisen- 
kern versehene  Drahtspulen  m,  und 
M^  in  den  Morsestrom  weg,  nämlich  m^ 
zwischen  der  Lagerachse  des  Morse- 
tasters T^  und  der  Leitung  L,  und  M^  zwischen  dem  Arbeitskontakt 
dieses  Tasters  und  die  Linienbatterie  B^.  Ausserdem  kommt  zwischen 
dem  Wege  zur  Erde  E^  und  der  Lagerachse  des  Morsetasters  ein 
Kondensator  C^,  welcher  sich  beim  Niederdrücken  des  Tasters  T^ 
ladet  und  bei  der  Rückkehr  des  ersteren  in  die  Buhelage  sich  ent- 
ladet. Hiedurch  wird  beim  Telegraphieren  in  den  Momenten  des 
Stromschlusses  eine  gewisse  Elektrizitätsmenge  verbraucht,  weshalb 
der  Morsestrom  in  der  Leitung  erst  etwas  später,  nämlich  nach  voll- 
standig  erfolgter  Ladung  der  Kondensatoren  G^  seine  volle  Stärke  er- 
reicht. Wenn  dann  der  Morsestrom  durch  den  Tasterrückgang  wieder 
aufhört,  geschieht  auch  dies  nicht  plötzlich,  weil  an  die  Stelle  des 
galvanischen  Stromes  der  Entladungsstrom  der  Kondensatoren  tritt. 
Die  Zeitabschnitte,  in  welchen  sich  diese  Vorgänge  vollziehen,  sind 
allerdings  äusserst  kurz,  nichtsdestoweniger  genügen  sie,  um  in  Verein 
mit  den  verzögernden  Wirkungen  der  zwischengeschalteten  Elektro- 
magnetrollen m^  und  Mj  die  störenden  Einflüsse  der  telegraphischen 
Zeichengebimg  auf  die  Femsprecher  fast  ganz  zu  beheben.  Voll- 
ständig unschädlich  sind  diese  Einflüsse  gemacht,  indem  die  Femsprech- 
stellen  nicht  unmittelbar  in  die  Leitung  eingeschaltet,  sondern  nur 
durch  Vermittlung  eines  Kondensators  c^  angeschlossen  werden.  Die 
Telephonströme  haben  sonach  vorliegendenfalls  ihren  Weg  über  die 
Kondensatoren  Cj  zu  nehmen,  während  die  Telegraphierströme,  ange- 
nommen, dass   zwei   ganz  gleich  eingerichtete  Stationen  I  und  II  an 


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286 


EohlfQrsi 


die  Leitung  L  geschaltet  seien,  in  der  Station  I  von  B^  über  M^,  T„ 
m^  und  L  nach  11  gelangen,  dort  über  m^,  T^,  R^  zur  Erde  gehen, 
um  wieder  nach  I  zu  B^  zurückzukehren. 

Diese  Anordnung  erfüllt  übrigens  ihre  Aufgabe  nur  dann  voll- 
kommen, wenn  die  Leitung  LL  ganz  getrennt  rerläuft;  befindet  sie 
sich  mit  anderen  Telegraphenleitungen  auf  einem  und  demselben  Ge- 
stänge, oder  läuft  sie  sonstwie  mit  solchen  Linien  eine  Strecke  par- 
allel, dann  müssen  zur  Aufrechthaltung  des  ungestörten  telephonischen 
Verkehrs  auch  sämtliche  Stationen  jener  Parallelleitungen  mit  der 
in  Fig.  12  dargestellten  Sicherungsanordnung  m^,  Mj  und  C^  ver- 
sehen sein. 

Auch  parallellaufende  Telephonleitungen  beeinträchtigen  ihren 
Betrieb  gegenseitig  durch  störende  In duktions Wirkungen,  welche  sich 
jedoch  unschwer  bekämpfen  lassen,  indem  jeder  Femsprechleitung  eine 


Fig.  13. 


Fig.  U. 


I 


Hi|J9- 


i J 


besondere  Drahtrückleitung  gegeben  wird.  Diesem  Umstände^  der  für 
die  Telephonie  auf  weite  Entfernungen  wirtschaftlich  besonders  ins 
Gewicht  fällt,  hat  Van  Bysselberghe  durch  die  in  Fig.  13  ange- 
deutete Schaltung  Rechnung  getragen.  Er  nimmt  hier  an,  dass  zwei 
vorhandene  Telegraphenleitungen  Lg  und  L^  für  den  gewöhnlichen 
Morse-  oder  Hughes  verkehr  von  je  zwei  Endstationen  zu  dienen  haben, 
während  gleichzeitig  auch  der  Fernsprechverkehr  zwischen  den  beiden 
Endpunkten  der  Linien  L^  und  Lg  ermöglicht  sein  soll.  Bei  dieser 
Schaltung  sind  die  Telegraphenstationen  genau  in  derselben  Weise 
mit  Elektromagnetrollen  m  und  M,  sowie  mit  Kondensatoren  C  aus- 
gestattet, wie  im  oben  besprochenen  Falle  auf  der  einfachen  Leitung; 
die  Telephonämter  sind  aber  nunmehr  nicht  einseitig  an  Erde  gelegt, 
sondern  zu  je  zwei  Kondensatoren  Cg  und  c^  angeschlossen,  also  gleich- 
sam zwischengeschaltet. 

Die  in  Fig.  12  und  13  nur  durch  ein  Hörtelephon  angedeuteten 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  Schwacbstromleitungen.  287 


Fernsprecheinrichtungen  haben  zur  Ermöglichung  eines  Anrufes,  der  hier 
natürlich  nicht  in  der  gewöhnlichen  Weise  durchgeführt  werden  kann, 
eine  Anordnung,  wie  sie  Fig.  14  ersichtlich  macht.  Als  Anruf apparat 
dient  nämlich  ein  sogenanntes  telephonisches  Relais  R,  P,  K,  das  im 
wesentlichen  nichts  anderes  als  ein  Telephon  ist,  an  dessen  Membran  P 
sich  ein  kleiner,  von  einer  zarten  Flachfeder  getragener  Metallklöppel  K 
lehnt.  P  und  K  sind  mit  einer  Batterie  b  verbunden,  deren  Pole 
gleichzeitig  auch  zu  den  als  Signalgeber  eingerichteten  Elektro- 
magneten W  Anschluss  haben.  Letzterer  kann  entweder  ein  empfind- 
licher Wecker  sein  oder  er  bethätigt  eine  Abfallklappe,  die  beim  Um- 
kippen einen  gewöhnlichen  Rassler  in  den  Schliessungskreis  einer 
Ortsbatterie  bringt.  Während  des  Ruhezustandes  steht  die  Batterie  b 
über  P  und  K  in  kurzem  Schluss  und  der  von  ihr  in  den  Apparat  W 
gelangende  Teilstrom  ist  viel  zu  schwach,  um  eine  Zeichengebung  zu 
bewirken.  Gelangen  jedoch  intermittierende  Ströme  in  die  Drahtrolle  R, 
dann  wird  die  Membran  in  heftige  Schwingungen  versetzt  und  dadurch 
der  Kontakt  zwischen  P  und  K  gestört.  Infolge  dieses  Umstandes 
wirkt  b  mit  voller  Stärke  auf  W  und  setzt  diesen  Apparat  in  Thätigkeit. 
Die  Anrufströme  kommen,  durch  die  Leitung  L^  und  den  Eondensator  c^ 
vermittelt,  über  einen  Taster  T,  den  Umschalter  U  nach  R  und  c^; 
erzeugt  werden  sie  von  der  anrufenden  Station  mit  Hilfe  des  Tasters  T, 
der,  niedergedrückt,  den  Selbstunterbrecher  S^  und  die  Batterie  B  in 
den  Leitungsweg  Cj — c^,  bezw.  in  den  Schliessungskreis  der  Femsprech- 
stellen  einschaltet.  Bei  Benützung  des  Telephons  F  wird  durch  den 
selbstthätigen  Umschalter  U  in  gewöhnlicher  Weise  der  Anrufapparat 
aus-  und  das  Hörtelephon  dafür  eingeschaltet. 

Die  in  Fig.  12,  13  und  14  dargestellten  Anordnungen  sind  zwar 
die  ältesten  ihrer  Art,  aber  sie  erläutern  klar  und  einfach  die  Prin- 
zipien, nach  welchen  Van  Rysselberghe  bei  Bekämpfung  der 
störenden  Induktionsgeräusche  und  hinsichtlich  der  Anbahnung  einer 
Doppelbenützung  von  Leitungen  vorgegangen  ist;  in  den  Einzelnheiten 
haben  diese  Anordnungen  allerdings  späterhin  noch  manche  Ab- 
änderungen und  namentlich  durch  Einführung  verschiedener  Mikrophon- 
systeme oder  zufolge  besonderer  Anpassung  an  aussergewöhnliche 
Telegraphensysteme  Vervollständigungen  erfahren,  nicht  aber  die  Prin- 
zipien. Ausdrücklich  fQr  die  Doppelbenützung  der  Telegraphen- 
leitungen —  d.  i.  jene  Anwendungsform,  welche  allein  nur  in  den 
Rahmen  der  vorstehenden  Betrachtungen  gehört  —  haben  sie  zuerst 
in  Belgien  durch  ein  eigenes  Gesetz,  vom  20.  Oktober  1884  an,  Ein- 
gang gefunden. 

Sammlang  elektrotechnischer  Vorträge.    I.  20 


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288 


Eohlfarst. 


Anfangs  1891  hat  Pierre  Picard  eine  Anordnung  angegeben, 
welcher  die  Mitbenützung  zweier  Telegraphenleitungen  zum  Tele- 
phonieren  unter  den  für  Fig.  13  erläuterten  Voraussetzungen  zu  Grunde 
liegt,  wobei  jedoch  an  den  Leitungsenden  nur  je  eine  Telegraphen- 
station als  vorhanden  angenommen  wird.  Nach  dem  „Öenie  civil** 
(Jahrg.  1893,  Bd.  23,  p.  73)  bedient  sich  der  Genannte  bei  seiner  in 
Frankreich  ziemlich  verbreiteten  Einrichtung  eines  Differenzialinduktors, 
der  aus  vier  gleich  langen  und  gleich  dicken  Drähten  a,  b,  c  und  d, 
Fig.  15,  besteht,  welche  paarweise  auf  einen  gemeinsamen,  aus  weichen 
Eisendrähteu  hergestellten  Kern  gewickelt  sind.  Letzterer  wird  in  der 
Mitte  und  an  den  beiden  Enden  durch  Holzwangen  getragen,  die  auf 
einem  Fussbrette  stehen,  auf  dem  zugleich  die  fünf  Anschlussklemmen 
1  bis  5  angebracht  sind.  An  der  Klemme  3  ver- 
einigen sich  die  Drähte  a  und  b,  deren  anderen 
Enden  über  1  und  2  mit  den  Telegraphenleitungen 
Li  und  Lg  verbunden  sind.  Von  3  führt  ein 
Leitungsdraht  zur  Lagerachse  des  Telegraphen- 
tasters T,  dessen  Ruhekontakt  mit  dem  Em- 
pfänger R  —  etwa  ein  Morserelais  —  in  Ver- 
bindung steht,  während  der  Arbeitskontakt  An- 
schluss  zur  Linienbatterie  B  hat.  Die  zweiten 
Anschlüsse  von  R  und  B  liegen  an  Erde.  Dieselbe 
Schaltungsanordnung,  wie  sie  Fig.  15  für  die  eine 
Endstation  zeigt,  hat  natürlich  auch  die  andere. 
Die  freien  Enden  von  c  und  d  schliessen  sich  bei 
4  und  5  an  einen  örtlichen  Stromkreis  p  q,  welcher 
die  Hörtelephone  F^  und  Fg,  sowie  die  sekundäre 
Rolle  W  des  Induktoriums  umfasst,  dessen  Primärrolle  vom  Strome  der 
Mikrophonbatterie  durchlaufen  wird.  Bei  Verfolgung  der  Stromwege  ist 
leicht  zu  ersehen,  dass  die  aus  dem  einen  Amte  durch  Benützung  des 
Tasters  T  entsendeten,  bei  3  sich  in  L^  und  L^  verzweigenden,  in  der 
empfangenden  Station  aber  aus  L^  und  L^  niit  gleicher  Stärke  und  in 
gleicher  Richtung  ankommenden  und  in  z  nach  dem  Taster  T  gehenden 
Telegraphierströme  zwar  auf  das  Relais  R  wirken  werden,  die  Telephone 
Fj  und  F^  jedoch  in  beiden  Endämtern  der  Telegraphenlinien  ganz  und 
gar  nicht  beeinflussen  können,  weil  sie  die  Rollen  a  und  b  in  entgegen- 
gesetzter Richtung  durchlaufen  und  deshalb  in  c  und  d  entgegengesetzte 
Ströme  von  gleicher  Stärke  induzieren,  die  sich  aufheben.  W^ird  hingegen 
in  einer  der  beiden  Endstationen  das  Sprechtelephon  benützt,  so  durch- 
laufen die  hiedurch  in  der  sekundären  Rolle  W  des  in  der  Zeichnung 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  Schwachstromleitungen.  289 

weggelassenen  Induktoriums  erzeugten  Induktionsströme  die  Rollen  c 
und  d  in  gleichem  Sinne,  induzieren  daher  auch  in  a  und  b  gleich- 
sinnige, sich  summierende  Ströme,  welche  über  L^  und  L,  in  die 
zweite  Sprechstelle  gelangen  und  dort  a  und  b  wieder  in  gleicher 
Richtung  durchlaufen.  Letztere  wirken  in  c  und  d  gleichsinnig,  wes- 
halb also  die  Telephone  T^  und  T^  der  Empfangsstation  ansprechen 
werden,  wahrend  die  Telegraphenapparate  beider  Stationen  voUständig 
unbeeinflusst  bleiben. 

Störende  Rückäusserungen  können  eintreten,  wenn  Widerstand 
und  Kapazität  der  beiden  Leitungen  L^  und  Lg  wesentlich  ungleich 
werden;  um  derartige,  durch  äussere  Veranlassungen  herbeigeführte 
Schwankungen  unschädUch  zu  machen,  wird  dem  Differenzialinduktor 
eine  Widerstandsrolle  von  200  bis  250  Ohms  und  ein  Kondensator 
von  0,5  bis  1  Mikrofarad  beigegeben.  Als  Anrufer  können  natürlich 
nur  phonische  Apparate  verwendet  werden  und  wurde  von  P.  Picard 
fürs  erste  eine  Klingel  so  eingeschaltet,  dass  der  phonische  Rufer  im 
Ruhezustande  die  Ortsbatterie  durch  den  einen  Schenkel  des  Klingel- 
elektromagnetes  geschlossen  hielt,  bei  seinem  Schwingen  aber  unter- 
brach und  es  hiedurch  gestattete,  dass  der  zweite  Schenkel  wie  ein 
gewöhnlicher  Selbstunterbrecher  arbeitete.  Diese  Vorrichtung  scheint 
jedoch  nicht  ganz  entsprochen  zu  haben,  da  sie  sehr  bald  durch  eine 
Anordnung  verdrängt  wurde,  welche  mit  der  in  Fig.  14  dargestellten 
Ruf  Vorrichtung  Aehnlichkeit  besitzt.  Dieselbe  wird  einfach  zwischen 
die  Klemmen  1  imd  2,  Fig.  15,  eingeschaltet,  wobei  die  aus  L^  und 
Lg  über  a  und  b  zugleich  eintreffenden  und  über  z  zu  den  Tele- 
graphenapparaten,  bezw.  zur  Erde  gehenden  Batterieströme  ersicht- 
lichermassen  auf  den  phonischen  Anrufer  ebensowenig  eine  Wirkung 
ausüben  können,  als  die  Anrufströme  die  Telegraphenapparate  zu  be- 
einflussen vermögen.  Wohl  aber  verzweigen  sich  die  Rufströme  in 
der  gebenden  Sprechstelle  von  1  und  2  auch  in  L^  und  L^  und  bringen 
an  der  anderen  Sprechstelle  die  Rufklingel  zum  Läuten,  bezw.  die 
Abfallklappe  (vergl.  p.  287)  zum  Fallen. 

Was  die  Oenesis  der  bisher  im  Absätze  D  geschilderten  Schal- 
tungsformen anbelangt,  so  sind  die  zuerst  angeführten  amerikanischen 
eigentlich  nur  in  der  Absicht  entstanden,  unter  Zuhilfenahme  fern- 
wirkender phonischer  Anordnungen  neue  Mehrfachtelegraphen  zu  ge- 
winnen, während  die  Systeme  von  Van  Rysselberghe  und  von 
Picard,  wie  ja  schon  an  anderer  Stelle  bemerkt  wurde,  hauptsächlich 
dem  Bestreben  entsprangen,  den  interurbanen  Telephon  verkehr  auf 
grosse  Entfernungen  durchführbar  zu   machen.     Wieder  andere   An- 


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290  Kohlfürst. 

Ordnungen  gingen  lediglich  aus  dem  wesentlich  bescheideneren,  aber 
gleichfalls  gerechtfertigten  Wunsche  hervor,  das  bequeme  Verstau- 
digungsmittel,  welches  die  sprechenden  Telephone  darbieten,  überall 
ohne  weiteres  —  gleichsam  als  schätzbares  Nebenprodukt  —  dort  zur 
Verwertung  bringen  zu  können,  wo  bereits  elektrische  Leitungen  fOr 
anderweitige  Nachrichtengebung  vorhanden  sind.  Dieser  Absicht  liegt 
beispielsweise  eine  Anordnung  von  0.  Saal  in  Erfurt  zu  Grunde, 
welche  derselbe  1890  in  der  „Elektrotechnischen  Zeitschrift*  (p.  327 
und  661)  bekannt  gibt. 

Es  ^vird  hiebei  gar  nicht  erst  vorausgesetzt,  dass  die  Tele- 
graphenstationen durch  vorgeschaltete  Widerstandselektromagnete  und 
durch  Kondensatorbrücken  oder  dergl.  unschädlich  gemacht  seien;  die- 
selben sollen  vielmehr  völlig  ihre  gewöhnliche  Anordnung  behalten. 
Dafür  verwendet  0.  Saal  zur  Abschwächung  der  während  des  Tele- 
graphierens  im  Telephon  entstehenden  Geräusche  eine  1  mm  starke 
Telephonmembrane  aus  Weissblech,  welche  vermöge  ihrer  Stärke  von 
den  Telegraphierströmen  nicht  so  lebhaft  beeinflusst  wird,  weshalb 
sich  denn  auch  das  „Knacken*  nicht  in  dem  Masse  geltend  macht, 
um  den  telephonischen  Verkehr  zu  verhindern^).  Wie  Fig.  16  er- 
sehen lässt,  sind  die  Femsprechstellen  an  beliebigen  Stellen  an  die 
Telegraphenleitimg  angeschlossen  und  zwar  durch  Vermittlung  dreier, 
aus  0,5  oder  1,0  mm  starkem  Kupferdraht  hergestellter,  bifilar  ge- 
wickelter Spulen  Ri,  R^  und  R3,  welche  die  Stelle  des  von  Van 
Rysselberghe  oder  von  Picard  verwendeten  Plattenkondensators 
vertreten.  Drei  Rollen  R  sind  lediglich  deshalb  angeordnet,  um  f&r 
den  Fall,  als  etwa  die  eine  oder  andere  infolge  atmosphärischer  Ent- 
ladungen verschmolzen  würde,  durch  Ausschaltung  derselben  die  Ein- 
richtung leicht  und  sofort  wieder  betriebsfähig  machen  zu  können. 
Als  Anrufvorrichtung  dient  der  kleine  einspulige  Elektromagnet  P  mit 
dem  Anker  a  und  der  Kontaktfeder  f ,  welcher  Apparat  durch  einen 
Druck  auf  den  Knopf  K,  bezw.  durch  die  Umlegung  eines  dreifachen 
Schieberwechsels  1,  2,  3  mittels  der  Kontaktfeder  2  in  den  Stromkreis 
der  Mikrophonbatterie  eingeschaltet  und  somit  in  Gang  gesetzt  wird. 
Durch  die  intermittierenden  Ströme,  welche  der  Selbstunterbrecher  P 
hervorruft,  entsteht  in  dem  Telephon  der  Empfangsstation  ein  trom- 


')  Dieselbe  Erfahmsg  hatte  auch  Dr.  E.  Zetzsche  mit  Beirschen  Tele- 
phonen schon  gelegentlich  seiner  im  Dezember  1877  vorgenommene  VerBnche  (vergl. 
p.  284)  gemacht,  und  berichtet  derselbe  hierüber  in  den  .Technischen  Blättern* 
1878,  p.  15,  wörtlich :  ,Da  das  gesprochene  Wort  im  Telephon  die  Morsezeichen 
übertont  u.  s.  w. 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  Schwachstromleitungen. 


291 


petenartiger,  ziemlich  lauter  Ton,  der  als  Anruf  gilt;  im  eigenen 
Telephon  erfolgt  der  Anruf  jedoch  nicht,  weil  P,  so  lange  K  nieder- 
gedrückt wird,  mit  Hilfe  der  Eontaktfeder  3  in  kurzen  Schluss  ge- 
bracht ist.  Ebenso  erfolgt  während  des  Niederdrtickens  des  Knopfes  K 
durch  Vermittlung  der  Kontaktfeder  1  auch  die  Wegschaltung  des 
Mikrophons  M,  so  dass  die  Anrufströme  ganz  ungeschwächt  wirken 
können.  Damit  die  Anrufe  gehört  werden,  sind  die  Telephone  P 
abweichend  gegen  die  gewöhnliche  Anordnung,  bleibend,  d.  h.  auch 
während  der  Buhelage  in  die  Linie  geschaltet,  so  lange  die  Sprech- 
stellen durch  Beamte  besetzt  gehalten  werden;  der  Stromschluss  der 
Mikrophonbatterie  erfolgt  jedoch  in  der  gewöhnlichen  Weise  erst  durch 
den  selbstthätigen  Umschalter  U,  sobald  F  zum  Gebrauche  abgehoben 

Fig.  16. 


wird.  Um  die  Telegraphenleitung  ehestens  Yor  Ableitungen  schützen 
zu  können,  wenn  etwa  in  den  Rollen  R^,  R^  oder  Rg  ein  Kurzschluss 
entstünde,  ist  zwischen  denselben  und  der  Abzweigungsstelle  an  der  Tele- 
graphenleitung ein  Galvanoskop  G  und  eine  ünterbrechungsklemme  u 
eingeschaltet.  Sobald  G  einen  Nadelausschlag  zeigt,  weist  diese  Er- 
scheinung auf  das  Vorhandensein  der  vorgedachten  Linienstörung  hin 
und  dieselbe  muss  unverzüglich  durch  die  bereits  weiter  oben  erwähnte 
Wegschaltung  der  fehlerhaft  gewordenen  Rolle  R  behoben  werden. 
Es  geschieht  dies  mit  Hilfe  eines  in  Pig.  16  nicht  dargestellten  Stöpsel- 
umscbalters,  der  gleichzeitig  als  Blitzschutzvorrichtung  für  die  Rollen 
eingerichtet  ist.  Späterhin  hat  0.  Saal  seine  Anordnung  noch  wesent- 
lich vereinfacht,  indem  er  an  die  Stelle  der  drei  bifilar  gewickelten 
Rollenkondensatoren  die  Sekundärspule  des  Mikrophoninduktoriums 
treten  lässt,  zu  welchem  Zwecke  diese  statt  mit  einem,  mit  zwei  Drähten 
bewickelt  wird.  Hiezu  sind  0,5mm  starke,  mit  Seide  umsponnene 
Eupferdrähte  benützt,  deren  Widerstand  je  50  Ohms  beträgt,  während 


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292 


Kohlfürst. 


die  Primärrolle   des  Induktoriums    aus   1   mm  starkem,    gewachstem 
Kupferdraht  von  0,6  Ohm  Widerstand  hergestellt  ist. 

Eine  für  ähnliche  Zwecke  bestimmte  Anordnung  von  J.  Gat- 
tinger (vergl.  Hugo  Witz  in  Elektrotech.  Zeitschrift  1893  p.  490 
und  500)  wird  durch  das  Schaltungsschema  Fig.  17  veranschaulicht. 
Die  dargestellte  Sprechstelle  ist  auf  irgend  einer  Morsetelegraphen- 
leitung L^  Lg  in  einer  Zwischen-  oder  Endstation,  deren  Morseapparat- 
satz bei  M  angedeutet  erscheint,  mit  Hilfe  eines  dreifachen  Platten- 
kondensators C|,  Gj,  C^  beigeschaltet.  Der  Umschalter  U  gleicht  den 
herkömmlichen,  selbstthätigen  Vorrichtungen  dieser  Art  und  wird  fttr 
gewöhnlich  durch  das  Hörtelephon  V^  und  das  damit  steif  verbundene 
Sprechtelephon  (Mikrophon)  m  belastet,  demzufolge  während  der  Ruhe- 

Fig.  17. 


läge  die  in  der  Zeichnung  dargestellte  Kontaktlage  besteht.  Nebst 
dem  Hörtelephon  Fj  ist  übrigens  noch  ein  zweites  Fj  vorhanden, 
welches  lediglich  den  Zweck  hat,  es  zu  ermöglichen,  dass  zwei  Per- 
sonen gleichzeitig  den  Einlauf  anhören  können,  was  hinsichtlich  der 
telephonischen  Gespräche  beim  Eisenbahndienste,  f[ir  welchen  die 
Oatting er  sehen  Sprechstellen  in  erster  Linie  bestimmt  sind,  unter  Um- 
ständen wichtig  und  wünschenswert  sein  kann.  Zum  Empfange  des 
—  natürlich  nur  phonischen  —  Anrufes  dient  das  Telephon  P^,  und 
zum  Anrufen  ein  kleiner  Ruh mkorff scher  Induktionsapparat  R.  Soll 
angerufen  werden,  so  geschieht  dies  durch  Niederdrücken  des  Tasters  T, 
wobei  der  Ruhekontakt  ij  unterbrochen  und  dagegen  die  leitende  Ver- 
bindung zwischen  dem  metallischen  Tasterhebel  und  den  Eontakten  i^ 
und  i^  hergestellt  wird.  Es  erfolgt  sonach  ein  Stromschluss  der 
Batterie  B  über  die  primäre  Rolle  p  des  Ruhmkorff  und  dessen 
Neff sehen   Hammer  (Selbstunterbrecher),    ferner  über  ig,   T,   c,,   ü 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  Schwachstromleitongen.  293 

und  Cj^.  Die  hiedurch  entstehende  Reihenfolge  kurzer  Ströme  wird 
von  der  Sekundärrolle  s  des  Ruhmkorff  in  eine  gleiche  Folge  von 
Wechselströmen  umgesezt,  welche  in  den  anderen  Sprechstellen  durch 
Cj  und  Cg  an  C3  übermittelt  über  U,  Cj,  i^  nach  F|  gelangen,  um  durch 
die  Erde  den  Rückweg  zu  finden.  Die  Schwingungen,  in  welche  auf 
diese  Weise  die  Membran  des  Anruftelephons  versetzt  wird,  erzeugen 
ein  ziemlich  kräftiges,  ganz  deutliches  Brummen,  Schwirren  oder 
Schnarren,  wie  eben  bei  allen  bisher  betrachteten  phonischen  Anruf- 
appaiaten.  Die  in  Fig.  17  weiters  ersichtlich  gemachten  Stromwege 
lassen  erkennen,  dass  durch  die  Ströme  anderer  Sprechstellen  der 
Linie,  so  lange  der  Umschalter  U  belastet  bleibt,  lediglich  das  An- 
rufte]ephon  Fj  erregt  werden  kann,  wogegen  der  Weg  zu  Fg  bei  Cj 
und  C3  unterbrochen  ist;  hingegen  wird  der  ganze  Telephon-  und 
Mikrophonsatz,  nämlich  das  Induktorium  J  mit  der  Primärrolle  p^  und 
der  Sekundärrolle  s^,  die  Hörtelephone  F^  und  F^,  sowie  das  Mikro- 
phon M  samt  der  Batterie  B  eingeschaltet,  sobald  U  durch  Abnehmen 
des  Eörtelephons  in  die  Arbeitslage  gelangt,  d.  h.  die  Eontakte  c^ 
und  c.  schliesst. 

Damit  in  den  Sprechstellen,  welche  Zwischenstationen  sind,  wie 
es  in  Tig.  17  vorausgesetzt  und  dargestellt  ist,   beim  Vernehmen  des 
Anrufes  leicht  und  unverzüglich  festgestellt  werden  könne,  aus  welcher 
Richtuig  derselbe  kommt,   sind  in   den  beiden  vom  Kondensator  zu 
den  Letungen  L^  und  L^  führenden  Zweigdrähten  je  eine  Ausschalt- 
kurbel }i  und  J2  zwischengeschaltet;  wird  der  Anruf  durch  das  Oeffhen 
der  Eunel  y^  unterbrochen,   so  kommt  er  von  L],   im  zweiten  Falle 
von  Lj.    Soll   der  telephonische  Nachrichtenaustausch   über  mehrere 
zwischeniegende  Morsetelegraphenstationen  durchgeführt  werden  kön- 
nen,  dam  wird  jede  solche  Station   durch  einen  dem  Morseapparat- 
satze pardlel  geschalteten  zweiplattigen  Kondensator  überbrückt.   Nach 
der   weitei  oben   genannten  Quelle   können   fünf  in   dieser  Art  über- 
brückte M>rsestationen  zwischen  zwei  Sprechstellen  liegen,   ohne  den 
telephoniscien   Verkehr    zu    behindern.     Derartige    Anlagen    scheinen 
jedoch  nii^nds  praktisch  angewendet   zu   sein,    wogegen    die  Oat- 
tingersche  Einrichtung  für  das  sogenannte  Stationssprechen,  nämlich 
für  den  Vekehr  ohne  Zwischenstationen,   bereits  viel  verbreitet  ist. 
Man   begnüft   sich   hiebei    mit   dem   Nebeneinander  beider  Betriebs- 
formen (Mor.etelegraphie  und  Telephonie)  und  erzielt  auch  bei  dieser 
Einschränkui^  wertvolle  Ergebnisse. 

Sowohl  die  Gattingerschen  als  die  Saalschen  Einrichtungen 
zielen  vorwiepnd  dahin,  den  Bedürfnissen  der  Eisenbahnen  oder  mili- 


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294  Eohlfürst 

tärischen  Zwecken  Bechnung  zu  tragen,  und  haben  in  dieser  Ricbtung 
besondere  Ausgestaltungen  erfahren,  aufweiche  später  nochmals  zurück- 
zukommen sein  wird.  Dagegen  bringt  W.  Christiani  in  der  Elektro- 
technischen Zeitschrift  (1894,  p.  133  u.  421)  Schaltungssysteme  in  Vor- 
schlag, welche  insbesondere  dazu  dienen  sollten,  einzelne  Leitungen 
innerhalb  der  staatlichen  Telegraphie-  oder  Fernsprechnetzen  zu  einer 
abwechselnsweisen  telegraphischen  oder  telephonischen  Nachrichten- 
gebung  benutzbar  zu  machen.  Christiani  geht  von  den  Erwägungen 
aus,  dass  sich  die  Nutzbarmachung  vorhandener  Telegraphenleitungen 
für  Fernsprechzwecke  unter  Voraussetzung  eines  abwechselnden  Be- 
triebes allerdings  nur  für  Linien  von  geringer  Inanspruchnahme  in 
Aussicht  nehmen  lasse,  dass  aber  die  sogenannten  Omnibusleitungen»  in- 
sofern sie  nicht  an  stark  belasteten,  vieldrähtigen  Telegraphengestäigen 
laufen,  sowie  die  äussersten  Ausläufer  der  Telegraphennetze,  die  schvvach- 
belasteten  sogenannten  Landlinien,  jedenfalls  von  der  Doppelbenüizung 
wesentliche  Vorteile  ziehen  könnten.  Noch  günstiger  gestaltet  sich 
die  Wertfrage  der  Doppelbenützung,  namentlich  unter  den  in  Deutsch- 
land obwaltenden  Verhältnissen,  wenn  sie  umgekehrt  wird,  d.  h.  wenn 
versucht  wird,  die  Morsetelegraphie  auf  vorhandene  Fernsprechleitingen 
zu  verpflanzen.  Es  kämen  diesfalls  die  kleinen,  aber  um  so  zahl- 
reicheren Fernsprechleitungen  in  Betracht,  welche  gewöhnlich  fir  sich 
allein  geführt  und  durch  ihren  eigenen  Verkehr  fast  niemals  völlig 
ausgenutzt  sind.  Diese  Linien  dienen  vorzugsweise  weniger  ve'Icehrs- 
reichen  Landorten  und  besitzen  mit  Rücksicht  der  grossen  Zahlhinter- 
einander  geschalteter  Femsprechstellen  zumeist  den  Charaker  von 
Onmibuslinien.  Hier  vermag  die  Einrichtung  zur  Doppelbdützung 
namentlich  dann  sehr  nützlich  zu  sein,  wenn  es  sich  um  durchgehende 
Querverbindungen  zwischen  Hauptlinien  oder  um  Leitungen  handelt« 
in  denen  einzelne  Stationen  zeitweilig  lebhafter  in  Anspruch  genommen 
sind,  wie  dies  beispielsweise  in  Badeorten  oder  dergl.  vorkomiten  kann. 
Eine  diesfällige  Anordnung,  welche  schon  1898  in  eiier  Buhe- 
stromleitung mit  sieben  hintereinander  geschalteten  Femsprechstellen 
derart  zur  Anwendung  kam,  dass  die  beiden  End-  und  zfei  Mittel- 
stationen dieser  Linie  auch  für  den  Morsetelegraphenv^kehr  ein- 
gerichtet wurden,  zeichnet  sich  durch  ihre  ausserordentliche  Einfachheit 
aus  imd  hat  günstige  Erfolge  ergeben.  Die  einzelnen  Statioen  gleichen 
genau  den  im  Gebiete  der  Deutschen  Reichs-Telegraph^verwaltung 
vielverbreiteten  gewöhnlichen  Femsprechsätzen  mit  Ruhe^'omwecker- 
anruf.  An  jeder  solchen  Sprechstelle  befindet  sich  nämliq  ein  Wecker, 
dessen  Spulen   dauernd  in  die  Linie  geschaltet  und  alsc  regulär  vom 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  Schwachstromleitungen.  295 

Linienstrome  durchflössen  sind;  jeder  dieser  Wecker  hat  aher  auch 
den  Ankerkontakt  des  Seihstunterbrechers,  und  von  diesem  Eontakte 
führt  ein  besonderer  Draht  zum  Anrufitaster.  Wird  der  letztere  nieder- 
gedrückt, so  erfolgt  hiedurch  eine  Unterbrechung  des  direkten  Strom- 
weges über  die  Weckerspulen,  wogegen  der  Linienstrom  gezwungen 
ist,  seinen  Weg  über  den  Ankerkontakt  des  Weckers  zu  nehmen,  dem- 
zufolge letzterer  als  Selbstunterbrecher  arbeitet,  während  die  Wecker 
aller  übrigen  Stationen  der  Linie  als  Schleppwecker  mitläuten.  Durch 
Abheben  des  Hörtelephons  vom  selbstthätigen  Umschalter  wird  in  her- 
kömmlicher Weise  der  Femsprechapparatsatz  eingeschaltet.  Diese 
allbekannten  Einrichtungen  brauchen  für  die  Christianische  Doppel- 
bentttzung  im  wesentlichen  keine  Aenderung  zu  erleiden.  Nur  in  den 
Stationen,  welche  fürs  Telegraphieren  ausgerüstet  werden  sollen,  wird 
dem  Vorhandenen  noch  ein  Morsedirektschreiber,  ein  Morsetaster  für 
Ruhestrom,  eine  kleine  Verstärkungsbatterie  und  ein  Eurbelumschalter 
zugegeben.  Durch  Umlegen  des  letzteren  Ton  links  auf  rechts  wird 
der  Telephonapparatsatz  samt  Anrufwecker  aus  der  Linie  gebracht 
und  dafür  der  Morseschreiber  und  -taster  nebst  der  Verstärkungs- 
batterie eingeschaltet.  Während  eines  telegraphischen  Depeschen- 
wechsels bleiben  die  ledigen  Fernsprechstellen  wie  sonst  in  der  Linie 
und  ihre  Wecker  spielen  selbstverständlich  die  Morsezeichen  mit.  In 
den  für  beide  Betriebsformen  eingerichteten  Stationen  muss  nur  noch 
an  den  Anruftastem  eine  kleine  Abänderung  durchgeführt  sein,  damit 
bei  der  Schaltung  auf  Morse  der  Anrufwecker  nicht  als  Nebenschliessung 
zum  Farbschreiber  eingeschaltet  bleibt.  Es  wird  zu  diesem  Ende  der 
vom  Ankerkontakt  des  Weckers  ausgehende  Anschlussdraht,  welcher 
sonst  zur  Tasterzunge  geführt  ist,  nicht  an  dieser  Stelle,  sondern  beim 
Arbeitskontakt  des  Anruftasters  angeschlossen. 

Ebenso  einfach  und  zweckdienlich  ist  Ghristianis  Anordnung 
für  jene  Fälle,  wo  es  sich  um  Telegraphenlinien  handelt,  die  für 
den  Fernsqprechdienst  benutzbar  gemacht  werden  sollen.  Hier  erhält 
einfach  das  Morserelais  auf  beiden  Elektromagnetrollen  eine  doppelte 
Drahtbewickelung,  von  welcher  die  eine  nach  gewöhnlicher  Weise  in 
die  Telegraphenlinie  eingeschaltet  ist,  während  die  zweite  in  den 
Schliessungskreis  des  Telephonapparatsatzes  eingefügt  wird.  Solche 
doppelte  Relaisbewickelungen  sind  zwar  schon  für  Doppel-  und  Gegen- 
sprechtelegraphen  mehrfach  ausgenützt  worden,  allein  für  den  vor- 
liegenden Zweck  durften  sie  1894,  wo  sie  zuerst  versucht  wurden,  als 
ein  ebenso  neuer  als  sinnreicher  Behelf  gelten.  Wie  mit  dieser  ein- 
fachen  Zugabe    die   Mittelstation   einer   auf   Ruhestrom   geschalteten 


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296 


Kohlförst. 


Morseomnibusleitung  anzuordnen  ist,  zeigt  Fig.  18.  Der  Strom  der 
Linienbatterie  B  findet  seinen  Weg  einerseits  über  die  Blitzplatte  P^ 
in  die  Leitung  L^  andererseits  über  das  Galvanoskop  6,  den  Morse- 
taster T  imd  das  Relais  R  zur  Blitzplatte  P^  in  die  Leitung  L,.  Der 
Relaishebelkontakt  ist,  je  nachdem  im  Stöpselumschalter  1,  2  der 
Wechselstift  im  Loche  1  oder  2  steckt,  nebst  der  Ortsbatterie  b  zum 
Wecker  oder  zum  Morseschreiber  S  yerbunden.  Im  Schliessungskreise 
des  durch  F  versinnlichten  Fernsprechapparatsatzes  liegt  die  zweite 
Spulen  Windung  des  Relais  R;  letzteres  ist  daher  befähigt,  nicht  bloss 
die  zum  Telegraphieren  dienenden  Batterieströme,  sondern  auch,  wie  ein 
richtiger  Liduktionsüber trager,  die  telephonischen  Wellenströme  au8 
der  Leitimg  L^Lg  nach  F  oder  umgekehrt  von  F  nach  LjL^  zu  über- 

Fig.  18. 


r^Hilililh-^Tfl'N'h- 


t-ß93-x- 


^LiA X  ^-J 


mittein.  Besondere  Anrufvorrichtungen  sind  für  den  Fernsprechverkehr 
keine  erforderlich,  weil  das  Anrufen  am  einfachsten  und  zweckmässig- 
sten  ebenso  wie  beim  Telegraphieren,  nämlich  mit  dem  Morsetaster  T 
und  durch  den  Wecker  geschieht.  Es  gilt  als  Regel,  dass  nur  in 
jener  Zeit  telephoniert  werden  darf,  wo  die  Linie  nicht  zum  Tele- 
graphieren in  Anspruch  genommen  ist,  sollte  aber  ausnahmsweise  die 
Möglichkeit  des  Fernsprechens  auch  dann  gewahrt  bleiben,  während 
in  der  Leitung  telegraphiert  wird,  so  lässt  sich  dies  immerhin  erreichen, 
wenn  zwischen  den  zwei  Sprechstellen,  die  vor  allem  Nachbarstationen 
sein  müssen,  keine  Unterbrechungsstelle,  d.  h.  kein  Morsetaster  in  der 
Leitung  liegt.  Ausserdem  müssen  natürlich  auch  die  Telephonapparat- 
sätze an  Erde  gelegt  sein,  damit  die  elektrostatische  Induktion  aus- 
hilfsweise eintreten  kann,  wenn  während  des  Telephonierens  in  irgend 
einer  Station  der  Morsetaster  in  Thätigkeit  gesetzt  wird  und   zufolge 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  Schwachstrom! eitungen.  297 

der  damit  verbundenen  Linien-  bezw.  Stromunterbrechung  die  elektro- 
magnetische Induktion  ausbleibt. 

Derartige  Einrichtungen,  bei  welchen  es  wie  bei  den  oben  zuletzt 
geschilderten  lediglich  erstrebt  wird,  auf  einer  Linie  den  telephonischen 
Betrieb  neben  dem  telegraphischen  nach  Bedarf  und  Befinden  durch- 
zuführen, haben  besonders  bei  den  Eisenbahnen  eine  grosse  Verbreitung 
gefunden  und  werden  die  mannigfachen  Anwendungen  dieser  Gattung 
späterhin  noch  wiederholt  in  Betracht  zu  ziehen  sein;  hieher  gehören 
davon  lediglich  einzelne  sogenannte  Zugmeldeleitungen,  auf  welchen 
die  Morsetelegraphen  mit  Streckentelephonen  kombiniert  sind.  Dass 
diese  Leitungen  die  von  Station  zu  Station  über  den  Zugsverkehr  und 
dessen  Sicherungen  erforderlichen  Mitteilungen  zu  vermitteln  haben, 
in  der  Regel  auf  Buhestrom  geschaltet  und  mit  den  elektrischen  Läute- 
werken (Glockenapparaten)  zusammengelegt  werden,  wurde  bereits  auf 
S.  266  bis  277  ausführlich  erwähnt;  ausnahmsweise  kommen  aber  auf 
Bahnlinien  mit  besonders  dichtem  Zugsverkehr  solche  Leitungen  vor, 
welche  lediglich  dem  telegraphischen  Zugsmeldedienst  gewidmet  und 
an  Stelle  von  Hilfstelegrapheneinrichtungen  mit  sogenannten  Strecken- 
telephonen versehen  sind.  Eben  diese  wohl  mit  Fernsprecheinrichtungen, 
nicht  aber  mit  den  Läutewerken  kombinierten  Zugsmeldeleitungen  ge- 
hören noch  unter  Absatz  D. 

Bei  mancher  diesfälligen  Einrichtung  der  König  1.  preussischen 
Staatsbahnen  hat  die  Bahnstation  zwei  in  einem  Schränkchen  unter- 
gebrachte Telephone,  wovon  das  eine,  das  Hörtelephon,  am  Kontakt- 
hebel eines  gewöhnlichen,  selbstthätigen  Umschalters  hängt,  während 
das  Sprechtelephon  an  der  Innenseite  des  Schrankthürchens  befestigt 
ist.  In  dieser  Ruhelage  sind  die  Telephone  ausgeschaltet,  dieselben 
gelangen  jedoch  in  den  Schluss  der  Zugmeldeleitung,  sobald  das  Hör- 
telephon vom  Umschalter  abgehoben  wird.  Die  Schränke  der  Bahn- 
wärter auf  der  Strecke  enthalten  nur  ein  Telephon,  den  Ausschalter 
und  einen  gewöhnlichen  Morsetaster  (Unterbrechungstaster).  Jedes 
solche  Wärtertelephon  wird  gleichfalls  beim  Abheben  von  dem  Um- 
schalter samt  dem  zugehörigen  Morsetaster  in  die  Zugsmeldeleitung 
eingeschaltet.  Will  ein  Bahnwärter  mit  einer  der  die  Strecke  ab- 
schliessenden Bahnstation  in  telephonischen  Verkehr  treten,  so  nimmt 
er  sein  Telephon  vom  Ausschalterhaken  und  gibt  dann  mittels  des 
Morsetasters  jenes  Morsezeichen,  welches  als  Anruf  für  die  gewünschte 
Station  festgesetzt  ist,  und  wiederholt  dasselbe  so  lange,  bis  sich  die 
letztere  am  Telephon  meldet.  Der  betreffende  Stationsbeamte,  welcher 
am  Morseschreiber  den  Anruf  empfangen  und  sodann  seinen  Telephon- 


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298  KohlfQrst. 

satz  eingeschaltet  hat,  meldet  sich  mit  dem  Bemerken:  «StationN. N. 
hier**  und  sodann  wickelt  sich  das  Gespräch  in  gewöhnlicher  Weise 
weiter  ab.  Der  Telephonsatz  der  Stationen  hat  lediglich  mit  Rücksicht 
auf  das  im  Amtszimmer  nicht  selten  herrschende  starke  Geräusch  je 
ein  besonderes  Hör-  und  Sprech telephon,  ein  Bedürfnis,  das  bei  den 
Wärterapparaten  nicht  vorliegt.  Das  Telephonkästchen  der  Strecken- 
posten ist  verschlossen.  Der  Schlüssel  dazu  hängt  an  einer  kurzen 
Bindfadenschleife  unten  aus  dem  Kästchen  heraus;  der  Knoten  der 
Schleife  befindet  sich  jedoch  innerhalb  des  Schränkchens.  Um  den 
Schlüssel  benützen  zu  können,  muss  sonach  der  Bindfaden  durch- 
geschnitten werden.  Diese  Erschwerung  des  Zutrittes  zum  Telephon 
hat  den  Zweck,  dem  beliebigen  privaten  Gesprächswechsel  der  Wärter 
unter  sich  zu  steuern.  Damit  jedoch  der  Bahnwärter  und  sein  Ab- 
löser die  erforderliche  Uebung  in  der  Benützung  der  Telephoneinrichtung 
erlangen  und  bewahren,  öflEnet  der  Bahnmeister,  welcher  einen  Reserve- 
schlüssel zu  dem  Apparatkästchen  besitzt,  dieses  allmonatlich  einmal 
und  lässt  ein  Uebungsgespräch  mit  der  Station  führen.  Hat  der  Bahn- 
wärter anlässlich  eines  Unfalles  oder  sonstigen  aussergewöhnlichen^ 
wichtigen  Ereignisses  wegen  das  Telephon  benützen  müssen,  so  obliegt 
es  dem  Bahnmeister  späterhin,  und  zwar  so  bald  wie  möglich,  den 
oben  beschriebenen  Verschluss  wiederherzustellen.  Will  in  Notfällen 
eine  Station  die  Wärter  ans  Telephon  rufen,  so  geschieht  dies  mittels 
eines  auf  der  Läutelinie  abzugebenden  Läutesignals  (Alarmsignal)  ^). 
Bei  diesen  Einrichtungen  der  preussischen  Staatsbahnen  und  vielen 
ähnlichen  Anlagen  in  Deutschland  sind  in  der  Regel  die  bekannten 
Siemens  &  Halsk eschen  sogenannten  Präzisionstelephone  verwendet. 
Ein  wesentlich  deutlicherer  und  deshalb  leichterer  Fernsprech- 
verkehr zwischen  Bahnwärter  und  Stationen  lässt  sich  natürlich  durch 
Heranziehung  von  Mikrophonen  erreichen,  wie  sie  beispielsweise  von 
Siemens  &  Halske  eigens  zur  Aufstellung  in  mit  Ruhestrom  be- 
triebenen Zugsmeldeleitungen  hergestellt  werden.  Hiebei  ist  die  An- 
ordnung getroffen,  dass  nicht  nur  die  Bahnstationen  von  den  Bahn- 
wärtern, sondern  auch  die  letzteren  einzeln  oder  gemeinsam  ohne 
Beihilfe  von  auf  der  Läutewerkslinie  zu  gebenden  Läutesignalen  an- 
gerufen werden  können.  Zu  diesem  Behufe  erhält  jede  Sprechstelle 
einen  Anrufwecker,  und  zwar  entweder  einen  für  Ruhestromschaltung 

^)  Ein  eigenes  Läutesignal  (Glockensignal),  welches  ausdrücklich  zu  dem 
Zwecke  geschaffen  ist,  die  Streckenwärter  zum  Telephon  zu  rufen,  wurde  beispiels- 
weise  1890  auf  der  Qotthardbahn  durch  Telegrapheninspektor  A.  Baechtold 
zur  Einführung  gebracht  (vergl.  Elektrotechn.  Zeitschrift  Bd.  12,  p.  98). 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  Schwachstromleitimgen.  299 


vorgesehenen  Selbstunterbrecher,  oder  einen  Wechselstromwecker.  Im 
ersteren  Falle,  in  welchem  der  verwendete  Anrufwecker  genau  den  auf 
S.  295  besprochenen  gleicht,  braucht  jeder  Posten  auch  wieder  einen 
TJnterbrechungstaster  zum  Anrufen  und  es  unterliegt  keiner  Schwierig- 
keit, die  Wecker  so  kräftig  zu  bauen  oder  etwa  die  Orts-  bezw.  Mikro- 
phonbatterie so  kräftig  zu  wählen,  dass  der  Anruf  auch  ausserhalb  des 
Wärterhauses  auf  eine  mehr  oder  minder  grosse  Entfernung  vernehmbar 
wird.  Diese  Wecker  werden  allerdings  bei  jeder  Tasterbenützung, 
d.  h.  bei  jeder  Unterbrechung  des  Ruhestromes  in  der  Linie  und  somit 
auch  beim  Telegraphieren  mitspielen,  ein  Umstand,  der  es  ermöglicht, 
dass  sich  die  mit  Telephonsätzen  ausgerüsteten  Bahnwärter  auch  unter- 
einander anrufen  können,  wenn  dies  gewünscht  würde.  Dementgegen 
hat  das  Mitspielen  der  Wecker  den  Nachteil,  dass  die  Bahnwärter  durch 
das  viele,  für  sie  bedeutungslose  Geklingel  hinsichtlich  des  Anrufes 
ihrer  eigenen  Sprechstelle  an  Aufmerksamkeit  und  rascher  Auffassung 
einbüssen.  Bei  Anwendung  von  Wechselstrom weckem  fällt  der  letzt- 
gedachte Uebelstand  weg,  denn  dieselben  ertönen  eben  nur  beim  wirk- 
Uchen  Anruf  seitens  der  Bahnstation,  in  welcher  zu  diesem  Behufe  je 
ein  6  lamelliger  Läuteinduktor  aufgestellt  ist.  Die  Bahnwärter  er- 
halten keinen  Magnetinduktor,  sondern  rufen  die  Stationen  ffir  alle 
Fälle  mittels  eines  Morsetasters  (Unterbrechungstasters),  so  dass  nur 
der  Anruf  bei  den  Wärtern  mit  Weckerzeichen,  in  den  Stationen  hin- 
gegen stets  mit  Morsezeichen  erfolgt.  Die  Widerstände  der  Femsprech- 
apparatsätze  sind  so  gewählt,  dass  zwei  bis  vier  Posten  gleichzeitig 
eingeschaltet  werden  können,  ohne  das  Abreissen  der  Morserelais  in 
den  Stationen  nach  sich  zu  ziehen. 

E.  Die  Telephonie  auf  Slgnalleitungen.  Zu  dieser  Gattung  von 
Doppelbenützung  müssen  —  strenge  genommen  —  an  erster  Stelle 
ausnahmslos  alle  gewöhnlichen  Femsprechanlagen  gezählt  werden, 
sobald  bei  denselben  der  Anruf,  sei  es  mittels  Arbeitsstrom-,  Ruhe- 
strom- oder  Wechselstromweckem ,  sei  es  mit  phonischen  Apparaten 
auf  einer  und  derselben  Leitung  durchgeführt  wird,  weil  in  diesem 
Falle  stets  zweierlei,  voneinander  vollständig  unterschiedene  Betriebs- 
formen nebeneinander  vorhanden  sind.  Eigentlich  gemeint  sind  hier 
jedoch  jene  Anordnungen,  welche  aus  dem  Bestreben  hervorgehen, 
bereits  vorhandene,  dem  Signaldienst  gewidmete  Leitungen  für  die 
Telephonie  mitzuverwenden,  ohne  dass  die  ursprüngliche  Benützungs- 
weise eine  Einbusse  erleidet.  Das  Einfachste  und  Naheliegendste  war 
diesfalls  die  Erweiterung  und  Anpassung  gewöhnlicher  Haus-  oder 
Hoteltelegraphen,    nämlich    Weckeranlagen    mit    Nummemkästchen 


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300  '  Kohlfürst. 

(Tableaux)  oder  dergl.  für  den  Telephonbetrieb.  Derartige  Ein- 
richtungen sind  denn  auch  beispielsweise  im  Januar  1886  für  Wil- 
helm Köhn  in  Deutschland  (vergl.  Zeitschrift  ftb:  Elektrotechnik  1887, 
p.  492),  desgleichen  im  April  1887  für  Chamond  in  Frankreich 
(vergl.  La  Lumiere  dlectrique  1888,  Bd.  XXVI,  p.  298)  patentiert 
worden;  eine  dritte  Abart  hat  ein  Unbekannter  in  La  Lumiere 
^lectrique  1887,  Bd.  XXV,  p.  217  veröflfentlicht  u.  s.  w.  Vor- 
wiegend waren  es  aber  die  Eisenbahnen,  welche  ihre  Signalleitungen 
zu  Doppelbenützung  heranzogen  und  dieses  System  höchst  vorteilhaft 
und  in  bedeutendster  Ausdehnung  zur  Verwertung  brachten.  Die 
älteste  hiehergehörende  Anordnung  mag  wohl  diejenige  gewesen  sein, 
welche  laut  Mitteilung  des  „Electrician**  (Bd.  VI,  p.  115)  im 
Jahre  1881  seitens  der  South-Western-Railway-Company  ein- 
geführt worden  war.  Diese  englische  Bahn  hat  nämlich  schon  Ende 
1880  ihren  Blocksignalleitungen  Gover-Bellsche  Telephone  zuge- 
schaltet, um  dadurch  die  Signalwärter  instandzusetzen,  sich  über 
besondere  Vorkommnisse  und  insbesondere  bei  etwaigen  Unfällen  über 
die  zu  treffenden  Hilfsmassregeln  verständigen  zu  können.  Aehnliche, 
dem  gleichen  Zwecke  dienende  Ergänzungen  der  elektrischen  Block- 
einrichtungen sind  auch  in  Deutschland  und  in  der  Schweiz  ziemlich 
häufig  und  finden  sich  z.  B.  auf  mehreren  Strecken  der  K.  württem- 
bergischen Staatsbahnen  in  nachstehender  Anordnung  (vergl. 
A.  Hassler,  „Die  elektrischen  Eisenbahnsignale'',  Stuttgart  1895). 
Die  Fernsprechapparatsätze  bestehen  aus  Hörtelephon  und  Mikro- 
phon, wie  es  Fig.  19  zeigt,  wo  die  Stromläufe  einer  Endstation  (End- 
blocksignalposten)  I  und  einer  Zwischenstation  (Zwischenblocksignal- 
posten)  II  ersichtlich  gemacht  sind.  Die  einzelnen  Blocksignalordnungen, 
deren  Apparatsätze  in  der  Zeichnung  der  Uebersichtlichkeit  wegen  nur 
durch  ein  längliches  Viereck  angedeutet  erscheinen,  sind  Siemens  & 
Halskesche  und  stimmen  hinsichtlich  ihrer  Schaltung  im  wesentlichen 
mit  der  in  Fig.  1  dargestellten  überein.  Die  Blockverschlüsse  werden 
mit  Wechselströmen,  die  Wecker  mit  gleichgerichteten,  stossweisen 
Strömen  betrieben  und  die  Erzeugung  dieser  beiden  Stromgattungen 
geschieht  mittels  Siemensscher  Magnetinduktoren  (vergl.  p.  261).  Die 
letzteren  sowie  die  Wecker  der  Blocksignaleinrichtung  dienen  zugleich 
für  den  Fernsprechverkehr  zur  Durchführung  des  Anrufes.  In  den 
Zwischenstationen  wie  U  sind  natürlich  die  BlockappfUratsätze  stets 
doppelt  und  in  den  Endstationen  wie  I  nur  einfach  vorhanden;  da- 
gegen hat  jede  Blocksignalstation  ohne  Unterschied  nur  einen 
Telephonsatz.     Um   aber  diesen   einen  Apparatsatz  in  den  Zwischen- 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  Schwachstromleitungen. 


301 


Stationen  nach  beiden  Bicfatungen  benützen  zu  können,  befinden  sich 
daselbst  zwei  Fussumschalter  t^  und  t^,  von  welchen  der  Signalwärter 
den  einen  oder  den  anderen  niederdrücken  muss,  wenn  er  nach  links 
oder  nach  rechts  ein  telephonisches  Gespräch  abzuwickeln  hat.  Für 
gewöhnlich  müssen  die  Apparate  die  in  der  Abbildung  gekenn- 
zeichnete Lage  besitzen,  so  dass  die  Weckerströme  gleichwie  die 
Blockier-  und  Deblockierströme  unbehindert  ihren  richtigen  Weg 
nehmen  können.  In  der  That  finden  die  Magnetinduktorströme  bei- 
spielsweise des  Endpostens  I  einerseits  über  die  untere  Blitzplatte  P^ 
den  Weg  zur  Erde  E,  andererseits  über  den  Umschalterhebel  u^,  den 
Ruhekontakt  3,  femer  über  i  und  die  Blitzplatte  in  die  Fernleitung  L^, 
um  in  II  über  die  Blitzplatte  P2,   über  i^,  den  Fussumschalter  t,   in 

Fig,  19. 


den  Blockapparatsatz  und  schliesslich  bei  E^  wieder  zur  Erde  zu  ge- 
langen. Zum  Telephonieren  sind  vorerst  die  Hörtelephone  vom  üm- 
schalterhaken  abzunehmen,  ausserdem  muss  in  den  beteiligten  Zwischen- 
stationen der  betreffende  Fussumschalter  niedergedrückt  werden.  Wenn 
in  dieser  Weise  die  Signalstationen  I  und  11  in  den  Sprechverkehr  treten, 
so  nehmen  die  Wellenströme,  beispielsweise  wenn  I  spricht,  von  der 
Sekundärrolle  s^  des  Mikrophoninduktoriums  einerseits  über  das  Hör- 
telephon Fl,  ferner  über  1,  Uj  und  den  Blockapparatsatz  zur  Erde  E, 
andererseits  über  i  und  die  Blitzplatte  in  die  Leitung  L^,  um  in  II 
über  die  Blitzplatte ,  den  Fussumschalter  t^ ,  a ,  u^ ,  1 ,  das  Hör- 
telephon F2  und  weiter  über  die  Sekundärrolle  Sg  des  Mikrophon- 
induktoriums und  über  i^  den  Weg  zur  Erde  E^  zu  finden.  Nachdem 
alle  Zwischenstationen  ganz  gleich  wie  II  eingerichtet  sind,  so  ist  an 


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302  Kohlfürst. 


der  Hand  der  Fig.  19  leicht  festzustellen,  wie  der  Stromlauf  sich  ge- 
staltet, wenn  II  etwa  mit  einer  Nachbarstation  III  in  telephonischen 
Verkehr  tritt,  zu  welchem  Ende  in  II  der  Fussumschalter  t,,  in  HI 
der  Fussumschalter  ti  niedergedrückt  sein  würde.  Wünscht  jedoch 
eine  Signalstation  über  die  Nachbarsignalstation  hinaus  zu  sprechen, 
beispielsweise  I  mit  der  in  der  Zeichnung  nicht  mehr  dargestellten 
Station  IQ,  so  vermittelt  die  zwischenliegende  Signalstation  11  ledig- 
lich den  Anruf  mit  Hilfe  des  Magnetinduktors  imd  des  Weckers  der 
Blockapparatsätze  und  stellt  sodann  die  Kurbel  eines  Umschalters  U 
auf  den  Kontakt  c  ein,  wodurch  ein  Plattenkondensator  C  zwischen 
die  beiden  Linienanschlüsse  a,  und  a^  eingeschaltet  wird,  der  die 
Station  für  die  telephonischen  Ströme  überbrückt.  Während  der  Ruhe- 
stellung ist  dieser  Umschalter  U  jedoch  stets  offen  zu  halten. 

Am  häufigsten  werden  bei  den  Eisenbahnen  Mitteleuropas  zur 
Telephonie  die  Läutewerkslinien  mitbenutzt,  welche  hiezu  schon 
deshalb  die  beste  Eignung  besitzen,  weil  sie,  wie  bereits  mehrfach  an 
anderer  Stelle  hervorgehoben  wurde,  stets  nur  je  zwei  Nachbar- 
stationen einer  Bahnstrecke  verbinden,  also  kurz  sind,  so  dass  sich  in 
ihnen  die  störenden  Induktionen  verhältnismässig  weniger  geltend 
machen,  als  in  den  anderen  elektrischen  Leitungen  der  Eisenbahnen, 
mit  Ausnahme  der  auf  p.  297  angeführten  Zugmeldeleitungen.  In 
den  Läutewerkslinien  dienen  die  Telephone  ebenfalls  nur  als  Ersatz 
von  Streckentelegraphen,  eine  Verwendungsweise,  welche  durch  den 
Umstand  gefördert  wurde,  dass  die  Behandlung  der  Telegraphen  mit 
Schwierigkeiten  verbunden  ist,  welche  beim  telephonischen  Fem- 
sprechen nicht  obwalten.  Somit  konnte  im  Wege  der  Doppelbenützung 
der  Läutewerkslinien  dem  Bedürfnisse  nach  einem  verhältnismässig 
billigen,  bequemen  und  ausreichenden  Nachrichtenmittel  zwischen  den 
Beamten  auf  den  Stationen  und  den  Bahnwärtern  auf  den  Strecken 
leicht  und  gründlich  abgeholfen  werden.  Da  die  Läutewerkslinie  an 
allen  mit  Läutewerken  versehenen  Wärterhäusem  oder  einer  zunächst 
denselben  befindlichen  Läutebude  zugeführt  ist,  so  sind  diese  Stellen 
zur  Zwischenschaltung  oder  zum  Anschlüsse  eines  Telephonsatzes 
unschwer  zurechtzumachen. 

In  der  Regel  wird  in  der  letztgedachten  Verwendungsweise  gleich- 
falls nur  ein  Nebeneinander  der  beiden  Betriebsformen  —  der 
Läutesignalisierung  und  des  telephonischen  Fernsprechens  —  verlangt, 
obwohl  sich  ebenso  leicht  die  gleichzeitige  Durchführung  ermög- 
lichen lässt,  wenn  der  Telephonsatz  nicht  in  die  Leitung  eingeschaltet, 
sondern,  wie  es  in  mehreren  bereits  betrachteten  Fällen  geschah,  nur 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  Schwachstromleitungen.  303 

mittels  eines  Kondensators  angeschlossen  wird.  Manche  Eisenbahn- 
verwaltungen  haben  als  Telephonanruf  ein  eigenes  Läutesignal  fest- 
gesetzt, das  entweder  bloss  Ton  den  Stationen  oder  auch  von  den  Bahn- 
wärtern gegeben  werden  kann  und  sämtlichen  Sprechstellen  als  Auf- 
forderung gilt,  den  Telephonsatz  einzuschalten  (vergl.  p.  298) ;  wieder 
andere  benützen  Wecker,  die  es  dann  gestatten,  auch  einzelne  Sprech- 
posten anzurufen.  Anrufwecker  sind  insbesondere  auf  solchen  Läute- 
werkslinien leicht  anzuwenden,  wo  die  Läutesignale  mittels  Magnet- 
induktionsströmen betrieben  werden.  Werden  in  solchen  Fällen  die 
Läutewerke  mittels  Wechselströmen  ausgelöst,  so  können  fQr  den  An- 
ruf ganz  gut  Wecker  in  Verwendung  genommen  werden,  welche  auf 
gleichgerichtete  Ströme  ansprechen,  ähnlich  etwa  wie  es  auf  den 
Blocksignalleitungen  nach  Fig.  1  geschieht.  Sind  die  Läutewerke  für 
den  Betrieb  mit  gleichgerichteten  Strömen  eingerichtet,  dann  kann  es 
genügen,  für  Anrufwecker  dieselbe  Stromgattung,  jedoch  von  abge- 
schwächter Stärke  zu  benützen.  Behufs  dessen  braucht  nur  der  An- 
ruftaster so  eingerichtet  zu  sein,  dass  er  bei  seiner  Gebrauchsnahme 
einen  angemessenen  Widerstandsdraht  vor  den  Magnetinduktor  schaltet, 
während  bei  der  Anwendung  des  Läutetasters  die  Ströme  unmittelbar 
in  die  Signalleitung  eintreten  können;  auch  müssen  selbstverständlich 
die  Abreissfedem  der  Weckeranker  schwächer  gespannt  sein  als  jene 
der  Läutewerke.  In  der  Regel  werden  solche  Anrufe  aber  nur  von 
den  Stationen  und  nicht  auch  von  den  Zwischenposten  ausgehen 
können,  weil  Magnetinduktoren  eben  nur  in  den  ersteren,  nicht  aber 
in  den  letzteren  vorhanden  sind. 

Auch  wenn  die  Läutewerkslinien  fOr  Gegenstrom-  oder  Ruhe- 
stromschaltung eingerichtet  sind,  lassen  sich  Anrufwecker  einschalten, 
welche  auf  schwache,  bezw.  abgeschwächte  Ströme  ansprechen,  allein 
es  wird  sich  dies  mit  Rücksicht  auf  die  grossen  Leitungswiderstände, 
welche  eine  Anzahl  solcher  hintereinander  eingeschalteter  Wecker  in 
den  Schliessungskreis  bringt,  als  wenig  vorteilhaft  erweisen,  sondern 
es  wird  vorzuziehen  sein,  einen  phonischen  Anruf,  etwa  wie  in  Fig.  16 
oder  17  anzuordnen.  In  Anbetracht  der  Kosten,  welche  durch  die 
Errichtung  einer  genügend  grossen  Zahl  von  Zwischensprechstellen 
auf  langen  Bahnlinien  erwachsen,  haben  sich  viele  Bahnverwaltungen 
—  und  das  ist  namentlich  in  Oesterreich,  Ungarn,  Serbien  und 
Rumänien  der  Fall  —  damit  begnügt,  lediglich  die  Bahnstationen  mit 
ständigen  Telephonsätzen  auszurüsten,  die  Bahn  Wärterposten  jedoch 
nicht.  Wohl  aber  sind  an  den  letzteren  Vorkehrungen  getroffen,  mit 
deren  Hilfe  in  Bedarfsfällen  eigens  hiezu  angepasste,  tragbare  Telephon- 

Sammlong  elektrotecimischer  Vortzflge.    I.  21 


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304  KohlfOrat 


apparatsätze,  welche  bei  allen  Zügen  mitgeführt  werden,  leicht,  rasch 
und  ohne  Gefahr  einer  störenden  Beeinflussung  der  Signaleinrichtung 
in  die  Läutewerkslinie  eingeschaltet,  bezw.  an  dieselbe  angeschlossen 
werden  können.  Eine  bei  mehreren  österreichischen  imd  ungarischen 
Eisenbahnen  angewendete  Vorrichtung  dieser  Art,  welche  Deckert  & 
Homolka  in  Wien  und  Budapest  erzeugen,  zeigt  Fig.  20.  Der  für 
gewöhnlich  Torhandenen,  einerseits  zur  leichteren  Einschaltung  des 
Läutewerkselektromagnetes  m,  andererseits  zur  Prüfung  desselben 
dienenden  Stöpselklemme  a,  b  wird  noch  eine  zweite,  in  einem  Käst- 
chen untergebrachte  ähnliche  zweilamellige  Stöpselklemme  p,  q  zu- 
gefügt, die  Ton  vorne  gesehen  genau  so  aussieht  wie  a,  b,  der  besseren 
üebersichtlichkeit  wegen  aber  in  der  Zeichnung  im 
^^'  Querschnitte  und  um  90^  gedreht  skizziert  erscheint. 

l^jjW  Diese  zweite  Klemme  dient  als  Telephoneinschalter 

'ITa  und  besteht  nebst  den  zwei  gegeneinander  isolierten 

Messingstücken  (Ausschalterlamellen)  p  und  q  noch 
aus  einem  von  q  isolierten  Kontaktstücke  c,  auf 
welchem  für  gewöhnlich  die  mit  dem  Stücke  p 
metallisch  verbundene  Feder  f  aufliegt,  so  dass 
hiedurch  ein  leitender  Weg  zvrischen  p  und  c  her- 
gestellt ist.  Bei  dieser  Buhelage  wird  mithin  dem 
aus  der  Leitung  L  kommenden  Läutestrom  über  a, 
m,  c,  f  und  p  der  Weg  in  die  zum  Nachbarposten  weiterführende 
Leitung  L^  oder  umgekehrt  stets  offen  sein.  Wird  jedoch  zwischen 
p  und  q  der  Stöpsel  S  eingesteckt,  so  hebt  dieser  die  Feder  f  von  c 
ab  und  schaltet  hiedurch  den  Läutewerkselektromagnet  ersichtlicher- 
massen  aus  der  Leitung  L  L^.  Dieser  mit  dem  einzuschaltenden 
Telephonsatz  durch  die  Anschlussdrähte  1  und  1^  in  Verbindung 
stehende  Stöpsel  S  besteht  aus  zwei  halbrunden  Metallstücken  s  und  s^, 
welche  durch  ein  Ebonitplättchen,  das  s  und  Sj  überragt  und  auch 
seitlich  vorsteht,  voneinander  isoliert  sind.  Das  Ebonitplättchen  muss 
über  s  und  s^  hinausragen,  damit  keine  leitende  Verbindung  zwischen 
diesen  beiden  Stöpselhälften  und  der  Feder  f  eintreten  kann ;  die  seit- 
lichen Vorsprünge  des  Ebonitplättchens  haben  hingegen  lediglich  als 
Führungen  zu  dienen,  weshalb  in  der  Holzplatte,  an  welcher  der  Aus- 
schalter p  q  befestigt  ist,  sich  ein  Schlitz  befindet,  der  das  Profil  des 
Stiftes  s  Sj  und  des  Ebonitplättchens  besitzt  und  sonach  gleichsam 
die  Bolle  eines  Schlüsselloches  und  Schlüsselbleches  spielt.  Es  ist 
diese  Anordnung  notwendig,  damit  der  Stöpsel  beim  Einstecken  stets 
nur  eine  Lage  annehmen  kann,  bei  welcher  die  messingenen  Fleisch- 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  Schwachstromleituogen.  305 


teile  seiner  Hälften  sich  an  die  Elemmenlamellen  p  und  q  anlegen. 
An  p  oder  q  ist  an  der  Innenseite  ein  kleiner,  in  der  Zeichnung  nicht 
dargestellter  federnder  Schüber  angebracht,  der  sich,  wenn  der  Schalt- 
stift ordenÜich  eingesteckt  wurde,  in  eine  eingedrehte  Nute  einschiebt 
und  es  auf  diese  Weise  yerhütet,  dass  der  Stift  durch  den  Druck  der 
Feder  f  gelockert  oder  aus  dem  Loche  herausgeschoben  werde.  Der 
als  Handgriff  des  Stiftes  dienende  Knopf  ist  aus  Ebonit  und  die  aus 
dem  Schutzkasten  des  tragbaren  Telephonapparatsatzes  kommenden, 
an  s  und  s^  angeschlossenen  Drähte  1  und  1^  sind  als  leonische  Schnur 
zusammengefasst.  Die  Apparatsätze  bestehen  für  die  hier  in  Betracht 
gezogene  Verwendung  gewöhnlich  aus  Mikrophon,  Induktorium  und 
Hörtelephon,  die  nebst  zwei  Trockenelementen  in  ein  gemeinsames 
Kästchen  untergebracht  sind,  aus  dem  die  obgedachte  Schnur  mit 
dem  Einschaltstöpsel  heraushängt.  Im  Gebrauchsfalle  wird  also  das 
tragbare  Telephon  an  Ort  und  Stelle  gebracht  und  nachdem  die 
erforderlichen  Läutesignale  abgegeben  worden  sind,  durch  Einstecken 
des  Schaltstiftes  S,  Fig.  20,  eingeschaltet.  Die  Telephonströme  finden 
in  diesem  Falle  ihren  Weg  von  L  über  a,  q,  s,  1, 1^,  s^  und  p  nach  L^. 
Nachdem  zufolge  des  vorausgegangenen  Läutesignals  die  Beamten  der 
die  Bahnstrecke  bezw.  die  Läutelinie  abgrenzenden  Stationen  gleich- 
falls ihren  Telephonsatz  eingeschaltet  haben,  kann  das  telephonische 
Gespräch  sofort  unter  gewissen,  festgesetzten  Einleitimgsformen  be- 
ginnen. 

Häufiger,  auch  auf  deutschen  und  schweizerischen  Eisenbahnen, 
finden  sich  als  Hilfstelephoneinrichtungen  in  Läutewerkslinien  Gat- 
tinger sehe  Apparatsätze,  wie  sie  p.  292  geschildert  wurden.  Die 
Telephonapparatsätze  der  Stationen  und  ebenso  alle  ständigen  Zwischen- 
sprechstellen  bei  den  Bahnwärtern  haben  in  diesen  Fällen  zumeist 
genau  die  in  Fig.  17  ersichtlich  gemachte  Anordnung.  In  allen  den 
Bahnstationen,  wo  zwei  Läutelinien  aneinander  stossen,  gibt  es  in  der 
Regel  doch  nur  je  einen  Telephonapparatsatz,  der  für  beide  Richtungen 
Dienst  zu  leisten  hat.  Bei  dieser  Yerwendungsweise  bedeuten  sodann 
in  Fig.  17  L^  die  Läuteb'nie,  welche  nach  der  linksliegenden,  und  Lg 
jene,  welche  nach  der  rechtsliegenden  Nachbarstation  läuft,  während 
M  die  gesamten  Läutewerksapparatsätze  der  Bahnstation  für  beide 
Anschlussstrecken  repräsentiert.  Die  Richtung,  aus  der  ein  phonischer 
Anruf  eintrifift,  wird  zwar  in  der  Praxis  gewöhnlich  schon  durch  ein 
vorausgegangenes  Läutesignal  angezeigt,  lässt  sich  jedoch  am  Fem- 
sprechapparatsatz ,  wie  p.  293  erwähnt  wurde,  durch  Oefihen  eines 
der   Umschalter   y   oder  jj    genau   und    sofort   feststellen.      In    den 


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306 


EohlfÜrst. 


Fig.  21. 


r^B 


§1 


Zwischensprechstellen  auf  der  Sta-ecke  bedeutet  hingegen  bei  Ein- 
richtungen nach  Fig.  17  M  lediglich  den  Läutewerkselektromagnet 
des  Signalpostens  etwa  einschliesslich  eines  Signaltasters,  und  L^  und 
Lg  sind  die  kommende  und  weitergehende  Läutesignalleitung. 

So  ziemlich  dieselbe  Schaltungsweise  wird  auch  für  tragbare 
Telephonapparatsätze  angewendet,  doch  sind  die  zu  einer  Sprechstelle 
gehörigen  Apparate,  welche  in  Fig.  21  schematisch  angedeutet  er- 
scheinen, in  eine  ihrer  ambulatorischen  Verwendungsweise  ange- 
messenere Form  gebracht,  d.  h.  dieselben  befinden  sich  in  einem 
tomisterartigen,  26  cm  hohen ,  30  cm  breiten  und  20  cm  tiefen ,  vom 
und  rückwärts  mit  je  einer  Klappthür  versehenen,  hölzernen  Trag- 
kasten —  vergl.  auch  Fig.  22,  wo  die- 
selben Theile  mit  den  gleichen  Buch- 
'         1  I  i  I  E  I   ^r      Stäben  bezeichnet  sind,  wie  in  Fig  21  — , 

^j3jä|  f^f^J\r^L.  a]     dessen  Inneres  durch  eine  Mittelwand  in 
üy  |1 1  ^*    t     ^^     einen  vorderen  und  rückwärtigen  Teil  ge- 

^— 1 — '     schieden  ist.   Im  Vorderteile  des  Kastens 

der  seiner  Höhe  nach  nochmals  geteilt 
ist,  erhalten  im  oberen  Abschnitte  das 
Sprechtelephon  bezw.  Mikrophon  M,  das 
Hörtelephon  Fg  und  das  zum  phonischen 
Anruf  bestimmte  Telephon  F^  ihren  Platz, 
zu  welchem  Ende  eigene  Stützen  und  Auf- 
laghölzer im  Kasten  angebracht  sind,  die 
vermöge  ihrer  Form  oder  mittels  Klemmfedem  die  benannten  Apparate  in 
zweckmässiger  Lage  festhalten.  Die  Telephone  können  zur  Oebrauchs- 
nahme  leicht  und  rasch  dem  Kasten  entnommen  werden  und  stehen  durch 
angemessen  lange  Leitungsschnüre  mit  den  anderen  noch  zugehörigen 
Apparaten  in  Verbindung.  Letztere  haben  ihren  Platz  in  dem  unteren 
Baum  des  vorderen  Kastenteiles,  der  durch  eine  zweite  Vorderwand 
abgeschlossen  ist,  und  umfassen  den  Anrufbaster  T,  dessen  Druck- 
knopf aus  dem  wagrechten  Verschlussbrettchen  des  vorgenannten 
Raumes  emporragt,  femer  das  Mikrophoninduktorium  S],  p^,  dann  einen 
kleinen  Ruhm  kor  ff  sehen  Induktionsapparat  s,  p  mit  dem  Nef  fachen 
Hammer  R  und  den  Rollenkondensator  C.  Eine  aus  drei  Hellesen- 
schen  Trockenelementen  bestehende  Batterie  B  ist  im  rückwärtigen 
Kastenteil  untergebracht  und  steht  in  einem  eigenen  Troge,  der  beim 
Einsetzen  in  den  Kasten  die  nötige  Batterieverbindung  durch  Feder- 
anschlüsse selbstthätig   bewirkt.     Der  mit   einem   zweckmässig  ange- 


brachten  Tragriemen  versehene  Kasten  wiegt,  vollständig  eingerichtet, 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  Schwachstromleitungen.  307 

10,5  kg  und  kann  mithin  ganz  leicht  von  einem  Manne  fortgeschafft 
werden.     Hinsichtlich  der  Apparate   bleibt  nun  noch  das  Eine  zu  er- 
wähnen, dass  das  löffeiförmige  Hörtelephon  Fg  mit  dem  Eohlenkömer- 
mikrophon  M  durch   einen  rechtwinkeligen  Bügel  steif  yerbunden  ist, 
derart,  dass  M  gerade  die  richtige  Lage  zum  Sprechen  erhalt,   wenn 
Fj  am  Ohre  des  Telephonierenden  liegt,  der  dabei  den  Bügel  mit  der 
Hand  festhält.    Da  die  Anbringung  eines  gewöhnlichen  automatischen 
Umschalters  ü ,  Fig.  21 ,  der  durch  das  Abnehmen  des  Telephons  in 
Wirksamkeit  treten   würde,   unthunlich  war,   wurde   derselbe   in  die 
Handhabe  des  Hörtelephons  verlegt,  wo  er  gleichfalls  sozusagen  auto- 
matisch wirkt,   indem  die  Hand   des  Telephonierenden  beim  Halten 
des  Telephonbügels  unwillkürlich  und  notgedrungen  auf  den  aus  der 
Handhabe  ein  wenig  Torstehenden ,  leicht  federnden  ümschalterknopf 
einen  Druck    ausübt,   der  die   zur  Einschaltung  des  Hörtelephons  Fg 
und    Schliessung    der   Mikrophonbatterie    B    erforderlichen    Eontakt- 
änderung herbeiführt.    Das  Anruftelephon  F^  ist  gleichfalls  ein  löffei- 
förmiges,  mit  Hufeisenmagnet,    aber  im  ganzen   etwas    stärker  und 
grösser  gebaut  als  F^ ;  dasselbe  kann  übrigens  während  des  Gespräches 
von  einer  zweiten  Person  als  Hörtelephon  benützt  werden.   Alle  ander- 
weitigen Apparate,   nämlich  der  bifilar  gewickelte  Rollenkondensator, 
das  Induktorium  des  Mikrophons  und  der  ßuhmkorffsche  Induktor 
mit  Neffschem  Hammer  sind  allerdings  so  angeordnet,   dass  sie  den 
möglichst  kleinsten  Raum  einnehmen,  unterscheiden  sich  jedoch  sonst 
in  nichts  von  den  gewöhnlichen  Apparaten  gleicher  Gattung.    Ist  der 
obgeschilderte  Telephonkasten  zu  einem  Wärtersignalposten  gebracht 
worden,  um  daselbst  in  Verwendung  zu  kommen,  so  erfolgt  die  Ein- 
schaltung   desselben    nach   vorausgegangenem    Oefihen    der   vorderen 
Klappenthür  mit  Hilfe  zweier,   fttr  gewöhnlich  im  Easteninnem  auf- 
bewahrter Leitungsschnüre ,  welchen   im  Leitungsschema  Fig.  21   die 
Stromwege  n  n^  und  i  i,  entsprechen  und  an  ihren  Enden  mit  Messing- 
stöpseln versehen  sind.   Zwei  am  Telephonkasten  angebrachte  E^lemmen 
dienen  zur  Aufnahme  je  eines  Stiftes  beider  Schnüre,  während  die  an 
den   zweiten   Schnurenden  befindlichen  Stifte    an   der  Blitzschutzvor- 
richtung P  metallischen  Anschluss  erhalten.    Die  letztere,  gewöhnlich 
eine  dreispangige  Breguetsche  oder  ähnliche  Blitzplatte,  welche  ohne- 
hin  an  jedem  Läutesignalposten    vorhanden  sein  muss,   ist   für   die 
bequeme   Zuschaltung  durch   die  Bohrungen  1,   2  und  3   vorbereitet, 
wo  die  freien  Schaltstöpsel  der  Zuleitungsschnüre  einfach  eingesteckt 
zu  werden  brauchen,  um  die  Einschaltung  zu  vollenden.    Hinsichtlich 
des  Anschlusses  n  steht  die  Wahl  unter  den  beiden  Elemmenlöchem 


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308 


Kohlfürst. 


Fig.  22. 


1  und  3  frei ;  es  empfiehlt  sich  jedoch,  das  erstere  zu  benützen,  wenn 
in  der  Richtung  der  Leitung  L,  und  das  andere  zu  wählen,  wenn 
gegen  L^  telephoniert  werden  soll,  damit  die  innerhalb  der  Blitz- 
platte P  eingeschaltete  Signaleinrichtung,  nämlich  der  Läutewerks- 
elektromagnet m,  der  Signaltaster  t  und  die  Ausschaltklemme  a  b 
hinter  dem  Telephonapparatsatz  zu  liegen  kommt.  Der  Anruf  erfolgt 
mittels  des  Tasters  T  und  sind  sowie  dabei  beim  Telephonieren  die  Vor- 
gänge wieder  dieselben,  wie  sie  auf  p.  292  bereits  in  Betracht  gezogen 
wurden.  Hie  und  da  ist  auch  daftlr  vorgesorgt,  dass  der  Oattingersche 

Telephonsatz  gleich  im  Freien  an 
die  Drahtleitung  der  Läutewerkslinie 
angeschaltet  werden  kann.  Es  ge- 
schieht dies  mit  Hilfe  einer  Stange  Y, 
Fig.  22,  aus  Bambusrohr,  die  ähn- 
lich wie  die  Angelstäbe  aus  mehreren, 
etwa  1,5  m  langen  Stücken  zusam- 
mengesetzt werden  kann.  Das  erste 
endigt  oben  in  einem  scharfeinge- 
bogenen Haken  und  unten  in  einem 
Messingschuh;  Haken  und  Messing- 
schuh sind  durch  einen  im  Linem 
des  Bambusrohres  gezogenen  Draht 
metallisch  verbunden.  Die  übrigen 
^     /    I  II  ^  Stäbe  haben  an  ihrem  unteren  Ende 

V^  /     /VS^v  i  ebenfalls  einen  solchen  Messingschuh, 

wie  der  erste  Stab  und  am  oberen  Ende 
eine  Messinghülse,  die  entsprechend 
weit  ist,  um  den  Schuh  eines  der  an- 
deren Stäbe  aufzunehmen.  Schuh  und 
Hülse  jedes  einzelnen  Stabes  stehen 
wieder  durch  einen  im  Bohrinnem  ge- 
zogenen Draht  in  leitender  Verbindung.  Wenn  also  V,  je  nachdem  der 
Leitungsdraht  hoch  oder  niedrig  am  Gestänge  hängt,  aus  zwei  oder 
drei  Stücken  zusammengesteckt  wird,  bildet  die  ganze  Stange  stets  einen 
ununterbrochenen  Leiter.  Wird  sie  schliesslich  mit  dem  Haken  auf 
den  Leitungsdraht  aufgehängt  und  zugleich  der  freie  Elemmenstöpsel  n 
der  zur  Ermöglichung  verschiedener  Längen  auf  einen  Wickel  ge- 
wundenen Leitungsschnur  n  n^  in  eine  der  Bohrungen  eingesetzt,  welche 
eigens  zu  diesem  Zwecke  in  der  Messinghülse  an  jedem  Stabende 
vorhanden  sind,  so  ist  die  erforderliche  Verbindung  zwischen  Telephon- 


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Die  gemischten  Betriebe  aaf  Schwachstromleitongen.  309 


apparatsatz  und  Leitung  hergestellt.  Als  Erdanschluss  dient  ein  ein- 
facher Messingbügel  k,  den  man  mittels  einer  kräftigen  Flügelschraube 
an  einer  blanken  SteUe  des  nächsten  Schienenstranges  S  am  Schienen- 
fasse festklenmit.  In  k  befindet  sich  wieder  eine  passende  Bohrung, 
in  welche  der  freie  Elemmenstöpsel  i  der  Leitungsschnur  i  i^  ein- 
gesteckt wird.  Der  Telephonapparatsatz  ist  hiemit  dienstbereit  und 
kann  in  der  bereits  mehrfach  besprochenen  Weise  verwendet  werden. 
F.  Die  Telephonie  In  Verbindung  mit  TelegrapMe  anf  Signal- 
leitungen, unter  diese  Art  Einrichtungen  zählen  lediglich  die  im 
Absätze  G  besprochenen,  gleichzeitig  als  Zugmeldeleitungen  oder  für 
Hilf  Stelegraphen  mitbenutzten  Läutesignalleitungen  (Läutewerkslinien, 
Olockenlinien)  der  Eisenbahnen,  insofern  sie  auch  noch  Telephon  zu- 
geschaltet erhalten.  Derartige  Dreifachbetriebe  sind,  weil  die  Doppel- 
ausnützung  der  Läutewerkslinien  sehr  verbreitet  ist,  bei  den  Eisen- 
bahnen Deutschlands,  Oesterreich-Üngarns ,  der  Schweiz  u.  a.  ver- 
hältnismässig häufiger  zu  finden,  als  die  im  Absätze  D  betrachtete 
Doppelbenützung  der  Zugmeldeleitungen  und  so  ziemlich  ebenso  häufig, 
als  die  im  Absätze  E  behandelte  Verwendung  reiner  Läutesignal- 
leitungen für  das  Femsprechen.  Es  ist  nicht  uninteressant,  dass 
gerade  auf  solchen  Leitungen,  welche  gleichzeitig  dem  Betriebe  der 
Läutesignale  und  des  Morsetelegraphen  dienen.  Versuche  über  die 
Möglichkeit,  Telegraphen  und  Telephone  auf  ein  er  Leitung  zu  betreiben, 
vorgenommen  worden  sind,  welche  zu  den  ältesten  und  ersten  gehören, 
von  denen  die  Fachlitteratur  Notiz  genommen  hat.  Diese  Versuche 
sind  übrigens  nicht,  wie  man  meinen  sollte,  im  Eisenbahninteresse, 
sondern  für  militärische  Zwecke  ausgeführt  worden,  und  die  Elektro- 
technische Zeitschrift  vom  Juni  1882  bemerkt  hierüber  auf  p.  244 
nachstehendes:  „Bei  den  Telephonierproben,  welche  vor  etwa  einem 
Jahre  seitens  der  Offiziere  des  in  Prag  liegenden  4.  Bataillons  des 
Genieregiments  Nr.  1  unter  Leitung  des  Majors  Herrn  Gatter  zwischen 
Sandthor  und  Weleslavin,  sowie  zwischen  Sandthor  und  Wyhybka 
u.  s.  w.  auf  den  Telegraphen-  und  Signalleitungen  ^)  der  Busch- 
tehrader  Eisenbahn  durchgeführt  wurden,  hat  man  auch  über  die 
doppelte  Ausnützbarkeit  der  Linie  vielfache  Versuche  angestellt.  Bei 
einiger  Gewöhnung  der  Aufnehmenden  konnte  unter  sonst  günstigen 
Umständen  anstandslos  telephoniert  werden,  während  gleichzeitig  die 
Telegraphenstationen  ihre  Telegramme  abwickelten.  Es  war  hiebei 
nicht  einmal  die  Länge  bezw.   der  Widerstand   der  Drahtleitung  von 


^)  Genau  so  angeordnet,  wie  es  Fig.  7  auf  p.  274  zeigt. 


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310  Kohlfarst. 


massgebendstem  Einflüsse,  sondern  die  äusseren  Geräusche  zunächst 
der  Telephone  und  die  Entfernung  der  Telephone  voneinander,  d.  i. 
die  Länge  und  der  Widerstand  der  Drahtleitimg  zwischen  Sprech-  und 
Hörtelephon,  sowie  der  allgemeine  Isolationszustand  der  Linie/ 

Obwohl  die  Ergebnisse  dieser  und  vieler  ähnlicher  Versuche 
ganz  ermutigend  waren,  mochten  sich  die  Eisenbahnen  anfänglich 
lange  nicht  entschliessen,  im  äusseren  Betriebsdienste  und  namentlich 
in  Verbindung  mit  den  Läutesignal-  und  Zugmeldeeinrichtungen  Tele- 
phone in  Verwendung  zu  nehmen.  Erst  als  diese  Apparate  an  sich 
Verbesserungen  erfahren  hatten  und  im  Dienste  der  Nebenbahnen 
als  reine  Femsprecher  sich  bewährten  und  ausbreiteten,  begann  man 
gegen  Ende  der  80er  Jahre  auch  auf  Hauptbahnen  Telephone  als 
Nachrichtenmittel  in  Kombination  mit  anderen  elektrischen  Betrieben, 
insbesondere  als  Vertreter  von  Hilfstelegraphen  —  worin  das  Wesen 
aller  der  in  den  Abschnitten  D  und  E  vorgeführten  verwandten  An- 
ordnungen besteht  —  in  Gebrauch  zu  nehmen. 

Ein  Vorschlag  von  0.  Saal  in  Erfurt  lautete  direkt  dahin,  die 
Morsestreckentelegraphen  bei  den  Bahnwärterposten  ihrer  schwierigen 
Bedienung  willen  (vergl.  p.  275)  zu  beseitigen  und  dafür  Telephone 
anzubringen.  In  den  Stationen  sollte  die  vorhandene  Morseeinrichtung 
der  für  Hilfstelegraphen  benützten  Läutesignallinie  zu  Zwecken  des 
Zugmeldedienstes  verbleiben  —  etwa  wie  es  in  Fig.  6  dargestellt 
ist  —  ausserdem  sollen  daselbst  aber  für  den  Nachrichtenverkehr  mit 
den  Streckenwärtern  gewöhnliche,  mit  Mikrophon  versehene  Telephon- 
apparatsätze zugeschaltet  werden.  Nach  Saals  Vorschlägen  (vergl. 
Elektrotechnische  Zeitschrift  1891,  p.  154)  soll  die  Wärtersprechstelle 
aus  einem  Wecker,  einem  Morseunterbrechungstaster  zum  Anrufen 
und  zwei  Telephonen,  eines  zum  Hören,  das  andere  zum  Sprechen, 
zusammengesetzt  sein.  Ein  gewöhnlicher  selbstthätiger  Umschalter 
hat  während  der  Ruhelage  den  Wecker  und  nach  Abhängen  des  Hör- 
telephons die  beiden  Telephone  in  die  Läutesignallinie  einzuschalten. 
Der  Wecker  wird  beim  Signalisieren  sowie  beim  Telegraphieren  (Morse 
auf  Ruhestrom)  mitspielen^  was  jedoch  nicht  verhindert,  dass  der 
Wärter  den  Ruf  wahrnimmt  und  auffasst,  wenn  er  mit  seinem  Sonder- 
zeichen langsam  und  deutlich  angerufen  wird.  In  der  Praxis  der 
deutschen  Eisenbahnen  hat  man  aber  gleich  anfanglich  —  wie  bereits 
auf  anderer  Stelle  bemerkt  worden  ist  —  auf  die  fragwürdige  Beihilfe 
von  Anrufweckem  in  Läutesignalleitungen  um  so  bereitwilliger  ver- 
zichtet, als  die  Initiative  zur  Benützung  der  Telephone,  welche  Hilfs- 
telegraphen  vertreten,  ohnehin  in  der  Regel  nur  vom  Bahnwärter  oder 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  Schwachstromleitongen. 


311 


von  dem  Zugführer  eines  liegengebliebenen  Zuges  ausgehen  wird,  und 
umgekehrt  eine  Aufforderung  der  Stationen  an  die  Wärter  ,,zum 
Telephon  zu  kommen'' ,  am  sichersten  und  wirksamsten  durch  ein 
Signal  mittels  der  Läutewerke  geschehen  kann. 

In  diesem  Sinne  sind  schon  vor  dem  oben  angeführten  Saalschen 
Vorschlag  beispielsweise  von  G.  Lorenz  in  Berlin  ausgeführte  Bahn- 
wärtertelephonsätze auf  doppelt  benützten  Läutewerksleitungen  zur 
Verwendung  gekommen,  die  aus  einem  mit  Gontrolverschluss  yersehenen 
Kästchen  E,  Fig.  23,  bestehen,  in  welchem  sich  ein  Anruftaster  T,  der 
Umschalter  ü  und  die  zwei  Telephone  F,  und  Fg  befinden,  wovon  F^ 
festgemacht  ist  und  als  Sprechtelephon  dient,  während  das  in  der 
Ruhezeit  auf  dem  ümschalterhebel  hängende  F^  die  Be- 
stimmimg hat,  als  Hörtelephon  benützt  zu  werden.  Hin- 
sichtlich  der  Verwendungsweise  und  Behandlung  dieser 
Femsprechstellen,  von  welchen  die  Abschlussstationen 
der  Läutewerkslinie  mittels  des  Tasters  T  durch  Morse- 
zeichen angerufen  werden  können,  gilt  im  allgemeinen 
alles  das,  was  auf  p.  298  und  über  die  in  den  einfachen 
Zugmeldeleitungen  der  Eisenbahnen  oder  in  den  ein- 
fachen Läutewerkssignalleitungen  zugeschalteten  Tele- 
phoneinrichtungen bemerkt  worden  ist.  Aehnliche 
Telephonapparatsätze  für  Eisenbahnwärter,  wie  die  vorstehenden, 
lieferten  Ende  der  80er  Jahre  auch  die  Firmen  W.  E.  Fein  in  Stutt- 
gart, Fr.  Reiner  in  München,  Fr.  Heller  in  Nürnberg,  G.  Wehr 
in  Berlin,  Peyer,  Favarger  &  Co.  in  Neuenburg  (Schweiz),  Zell- 
weger  &  Ehrenberger  in  üster  (Schweiz)  und  viele  anderer.  Uebrigens 
zieht  man  es  neuerer  Zeit  nicht  selten  vor,  die  Bahnwärter,  wenn  sie 
schon  mit  ständigen  Hilfstelephoneinrichtungen  versehen  werden,  zur 
Erhöhung  der  Lautwirkung  der  letzteren,  bezw.  um  das  Femsprechen 
leichter  und  sicherer  zu  gestalten,  gleichfalls  mit  Mikrophonen  aus- 
zurüsten, da  es  unter  den  jüngeren  Trockenelementen  viele  gibt,  die 
mit  sehr  grosser  Ausdauer  jede  erwünschte  Reinlichkeit  und  Handlich- 
keit verbinden  und  sonach  nmr  geringe  Unterhaltung  erfordern. 

Am  zweckdienlichsten  und  vollkommensten  bleibt  es  allerdings 
auch  unter  den  vorliegenden  Voraussetzungen,  wenn  die  der  gleich- 
zeitig für  die  Morsetelegraphie  und  Läutesignale  dienenden  Leitung 
beizuschaltenden  Telephone  nicht  unmittelbar  in  die  Linie  gebracht, 
sondern  nach  der  0.  Saalschen  (Fig.  16)  oder  Gattingerschen 
(Fig.  17  oder  Fig.  23)  Anordnung  mittels  Kondensatoren  angeschlossen 
werden.    Es  wird  hiedurch  nebst  der  Verminderung  von  Fehlerquellen 


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312  Kohlfürat. 


im  Schliessungskreise  der  Signalleitung  überdies  die  Füglichkeit  ge- 
schaffen, dass  sich  die  auf  einer  und  derselben  Leitung  hängenden 
Stationen  und  Zwischenstationen  gegenseitig  und  untereinander  einzeln 
anrufen  können.  Hiebei  ist  allerdings  vorausgesetzt,  dass  den  Kon- 
densatoren vorzügliche  Blitzschutzvorrichtungen  vorgeschaltet  seien, 
während  es  anderenfalls  vorzuziehen  bliebe,  die  Telephonapparatsatze 
nur  dann  und  so  lange  an  die  Signalleitung  anzuschliessen,  als  Oe- 
spräche  zu  führen  sind.  Bei  den  Anlagen  dieser  Art  tritt  der  inter- 
essante Fall  ein,  dass  sich  auf  einer  gemeinsamen  Leitung  sogar  vier 
verschiedene  Betriebsformen  unterscheiden  lassen:  die  Signalisierung 
geschieht  nämlich  mittels  Magnetinduktionsstrdmen  nach  Fig.  6  oder 
mit  Arbeitsströmen  bei  Oegenstromschaltung  nach  Fig.  8  oder  endlich 
durch  Unterbrechung  eines  Ruhestromes  wie  in  Fig.  7;  das  Tele- 
graphieren erfolgt  bezw.  durch  Batteriestromunterbrechung,  durch 
Batteriearbeitsströme  oder  mittels  Stromverminderung;  zum  phonischen 
Anruf  aber  dienen  intermittierende  Ströme,  und  undulatorische  Ströme 
sind  es  schliesslich,  welche  die  Telephonerregung  besorgen. 

Dass  sich  die  auf  p.  306  besprochenen  tragbaren  Telephon- 
apparatsätze auch  auf  Läutesignallinien  anwenden  lassen,  welche  für 
Morsetelegraphie  mitbenutzt  sind,  braucht  wohl  nicht  erst  besonders  her- 
vorgehoben zu  werden.  Dagegen  wäre  an  dieser  Stelle  vielleicht  noch 
zu  bemerken,  dass  tragbare  Anordnungen,  wie  sie  in  Fig.  22,  bezw. 
in  Fig.  21  ersichtlich  gemacht  wurden,  nämlich  die  Gattingerschen 
sogenannten  Feldtelephone,  an  jede  beliebige  Schwachstrom- 
leitung zur  Oebrauchsnahme  angeschlossen  werden  können.  Würde 
man  etwa  zwei  tragbare  Telephonapparatsätze  an  die  Fernleitung  irgend 
einer  Telegraphenleitung  im  Sinne  der  Fig.  22  anschliessen ,  so  ist 
sowohl  das  gegenseitige  Anrufen  als  das  Sprechen  zwischen  den  beiden 
in  dieser  Weise  improvisierten  Femsprechstellen  sofort  möglich  und 
letzteres  wird  auch  keinerlei  Störung  durch  das  Telegraphieren,  er- 
fahren, es  wäre  denn,  dass  sich  zwischen  den  beiden  Anschlussstellen 
Telegraphenstationen  befinden,  wo  Leitungsunterbrechungen  durch  die 
Thätigkeit  der  Sendervorrichtungen  (Taster  oder  dergl.)  herbeigeführt 
werden,  die  nicht  durch  Kondensatoren  (vergl.  p.  282)  überbrückt 
sind.  Hingegen  wird  ein  Nebeneinander  der  beiden  Betriebe  für  alle 
Fälle  möglich  sein,  d.  h.  die  Zeit,  in  der  nicht  telegraphiert  wird, 
kann  immerhin  anstandslos  telephoniert  werden;  ein  Umstand,  der 
namentlich  für  Militärzwecke  sehr  günstig  ins  Gewicht  fällt.  Nach 
den  Erfahrungen,  welche  f&r  die  Verwendbarkeit  des  obgedachten 
Feldtelephons  vorliegen,  kann  laut  eines  Erlasses  der  Generaldirektion 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  Schwachstromleitungeu.  313 


der  K.  K.  österreichischen  Staatsbahnen  vom  29.  Juli  1892  unter 
günstigen  Umständen  auf  direkten  Telegraphenleitungen  selbst  bis  auf 
50  km  Entfernungen  gesprochen  werden. 


Die  in  den  vorstehenden  Absätzen  A  bis  F  vorgeführten  Bei- 
spiele gemischten  Betriebes  auf  Schwachstromleitungen  sind,  wie 
schon  eingangs  einmal  erwähnt  wurde,  fast  ausschliesslich  nur  der 
Praxis  entnommen  und  bilden,  wenn  auch  lange  nicht  alles  Einschlägige, 
was  in  Anwendung  stand  oder  steht,  so  doch  alles  das,  was  grund- 
legend gewesen  oder  besonders  verbreitet  ist;  sie  geben  sonach  von 
dem  Wesen  der  Doppelbenützungen  im  allgemeinen  sowie  hinsichtlich 
der  Mittel  und  Wege,  solche  Einrichtungen  auf  ein  und  derselben 
Leitung  durchzuführen,  immerhin  ein  anschauliches  Bild.  Zur  Ver- 
vollständigung dieses  Bildes  mag  hier  nur  noch  eine  ganz  neue,  vorläufig 
allerdings  bloss  als  Vorschlag  in  Betracht  kommende  Doppelbeuützung 
nähere  Erwähnung  finden,  welche  dadurch  interessant  ist,  dass  sie 
von  allen  im  engeren  Gebiete  der  Telegraphie  bestehenden  Formen 
der  Zeichengebung  abweicht,  indem  es  Lichterscheinungen  sind,  welche 
die  Zeichen  des  Alphabetes  darstellen  sollen.  Seit  Reusser  im 
Jahre  1794  seinen  bekannten  Telegraphen  erfunden  hat,  bei  dem  die 
Zeichen  durch  den  elektrischen  Funken  dargestellt  wurden,  der  über 
Glastafeln  lief,  auf  welchen  aus  Stanniolplättchen  zusammengesetzte 
Buchstaben  aufgeklebt  waren  (vergl.  Zetzsche,  Handbuch  der  Tele- 
graphie Bd.  I,  p.  29),  und  seit  Böckmann  in  Kassel  im  gleichen 
Jahre  einen  ähnlichen,  jedoch  wesentlich  vereinfachten  Funkentelegraphen 
in  Vorschlag  brachte  (vergl.  Schellen,  Der  elektromagnetische  Tele- 
graph 1.  Aufl.  1850,  p.  47)  —  beiden  diesen  Systemen  lag  natürlich 
nur  die  Benützung  von  Reibungselektrizität  zu  Grunde  —  scheint  eine 
im  vorigen  Jahre  unter  Nr.  90557  für  Deutschland  patentierte  An- 
ordnung die  erste  zu  sein,  welche  zur  Bildung  telegraphischer  Grund- 
zeichen auf  Lichterscheinungen  zurückgegriffen  hat.  In  dieser  Be- 
ziehung können  nämlich  die,  insbesondere  neuerer  Zeit  mit  Hilfe  von 
elektrischen  Lampen  durchgeführten  Nachtsignalsysteme  für  militärische 
Zwecke,  für  die  Schiffahrt  und  hie  und  da  auch  für  Eisenbahnen  nicht 
in  Betracht  kommen,  da  sie  durchwegs  keine  Buchstabentelegraphen  sind. 
Bei  der  vorgenannten,  in  Fig.  24  schematisch  dargestellten  Anordnung 
ist  es  das  kürzere  oder  längere  Aufleuchten  einer  Geisler  sehen 
Röhre  Gj,   bezw.   0^,   welches   einfach    den   Punkt    und   Strich    des 


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314 


Kohlfürst. 


Mors  eschen  Alphabetes  vertreten  soll.  Zu  dem  Ende  besteht  die 
Einrichtung  jeder  Station  I  und  11  aus  einem  Ruhmkorffapparate,  dessen 
Primärrolle  p  nebst  dem  Neff sehen  (Wagn ersehen)  Hammer  r  mit 
einem  Arbeitsstromtaster  t  und  einer  Batterie  b  durch  Leitungsdrähte 
in  Verbindung  gebracht  sind.  Die  Sekundärspule  s  ist  dagegen  ent- 
weder zur  0 eis  1er sehen  Röhre  0  und  dann  über  e  und  die  Kurbel 
eines  Umschalters  u  zur  Erde  oder  über  g  direkt  zur  Erde  verbunden. 
Die  erstere  Umschalterlage,  bei  welcher  die  Kurbel  auf  e  gestellt  ist, 
wie  es  in  Fig.  24  die  Station  I  zeigt,  gilt  für  das  Empfangen,  die 
zweite,  wobei  der  Stromweg  wie  in  II  über  g  läuft,  für  das  Geben 
von  Depeschen.  Will  eine  Station,  z.  B.  II,  telegraphieren,  so  muss 
also  vorerst  die  Umschalterkurbel  auf  g^  gelegt  sein,  sodann  werden 

Fig.  24. 


/         Sq^^    T  "     l^ 


die  Zeichen  wie  Morsepunkte  und  -striche  mittels  des  Tasters  tj  ge- 
geben. Sobald  tg  den  Stromkreis  der  Batterie  h^  schliesst,  arbeitet 
der  Selbstunterbrecher  r^  und  die  auf  diese  Weise  durch  p^  geschickten 
intermittierenden  Ströme  werden  durch  s^  in  Wechselströme  umge- 
wandelt, femer  vom  Kondensator  C^  in  die  Femleitung  Lg  L^  und 
von  da  durch  den  Kondensator  C^  nach  s^  Übermittelt,  von  wo  sie 
über  Ol,  u^,  e,,  E^,  E^  und  u^  den  Rückweg  zur  Ausgangsstelle  finden. 
Die  Aufgabe  der  vorgeschalteten  Kondensatoren  ist  es,  den  Anschluss 
an  eine  gewöhnliche,  elektrische  Telegraphen-  oder  Signalleitung  zu 
ermöglichen,  wie  dies  beispielsweise  Fig.  24  hinsichtlich  einer  Morse- 
leitung ersichtlich  macht.  Die  Schaltungsweise  entspricht  so  ziemlich 
derjenigen  des  Gatting ersehen  phonischen  Anmfes  (Fig.  17  und  22), 
und  die  Geis  1er sehe  Röhre  tritt  genau  an  die  Stelle  des  Anruf- 
telephons. Eine  Anrufvorrichtung,  welche  hörbare  Zeichen  gibt,  müsste 
der  Anlage  übrigens  jedenfalls  beigefügt  werden,  sollte  sie  lebensfähig 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  Schwachstromleitungen.  315 


sein.  Ob  die  Betriebsströme  der  Oeisl  er  sehen  Bohren  die  Zeichen« 
Impulse  der  auf  derselben  Linie  hängenden  gewöhnlichen  Telegraphen 
wirklich  in  keiner  Weise  störend  zu  beeinflussen  vermögen,  oder  ob 
diesfalls  noch  besondere  Schutzmittel  anzuwenden  sind,  femer  auf 
welche  Distanzen  mittels  des  in  Fig.  24  dargestellten  Lichttelegraphen 
depeschiert  werden  könne,  alles  das  lässt  sich  wohl  erst  im  Wege 
praktischer  Versuche  feststellen. 

Soll  den  wirtschaftlichen  Vorteilen,  welche  mit  den  verschiedenen 
Doppel-  oder  Mehrfachbentitzungen  einer  und  derselben  Leitung  ver- 
bunden sind,  näher  nachgegangen  werden,  so  stellt  es  sich  ftirs  erste 
ausser  Frage,  dass  in  dieser  Beziehung  die  Verhältnisse  bei  den 
einzelnen  Gattungen,  wie  sie  in  den  Absätzen  A  bis  F  vorgeführt 
wurden,  keineswegs  gleich  liegen,  und  dass  diese  Verhältnisse  auch 
noch  durch  Zeit,  Ort  und  andere  Umstände  der  Anwendung  mehr 
oder  minder  einschneidende  Aenderungen  erfahren  können.  Zum 
mindesten  würde  es  mit  nenneswerten  Schwierigkeiten  verbunden  sein, 
den  Wert  der  einen  oder  anderen  Anordnung  genau  einzugrenzen, 
weil  dasjenige,  was  sich  davon  ziffermässig  berechnen  lässt,  nämlich 
die  Anschaffungs-  und  Unterhaltungskosten  flOr  die  ersparten  Leitungen 
nicht  immer  allein  massgebend  ist,  sondern  zumeist  durch  weitere, 
weniger  konkrete  Vorteile  vermehrt  oder  ebenso  durch  betriebstechnische 
Nachteile  des  Systems  vermindert,  ja  vielleicht  völlig  aufgehoben  werden 
kann.  Trotzdem  dürfte  es  wenigstens  hinsichtlich  der  meisten  in  die 
Praxis  eingedrungenen,  vielverbreiteten  gemischten  Betriebe  statt- 
haft erscheinen,  die  rechnungsmässigen  Kosten  der  durch  das  System 
ersparten  Leitungen  gleichzeitig  als  den  Minimalwert  desselben  anzu- 
sehen. In  diesem  Sinne  werden  beispielsweise  in  Deutschland,  wo 
von  den  vorhandenen  47  250  km  Bahnstrecken  annäherungsweise  20  ^/o 
mit  Blocksignaleinrichtungen  von  ausschliesslich  Siemens  &  Halske- 
scher Anordnung  versehen  sind,  welche  unter  die  im  Absätze  A,  Fig.  1, 
besprochenen  Doppelbenützungen  zählen,  für  die  zugehörige  freie 
Weckerverwendung  zum  Vor-  und  Rückmelden  Leitungen  im  Aus- 
masse von  9500  km  erspart,  was  —  für  1  km  Leitung  110  Mark 
mittlere  Gestehimgskosten ,  7,9  Mark  jährliche  Unterhaltung  und  eine 
4,4  ^/o  ige  Verzinsung  des  Anlagekapitals  angenommen  —  den  Wegfall 
einer  einmaligen  Ausgabe  von  1045000  Mark  und  einer  jährlich 
wiederkehrenden  Ausgabe  von  116860  Mark  bedeutet.  Mit  mehr  als 
doppelt  so  hohen  Beträgen  bewertet  sich  dieselbe  Ersparnis  für  die 
Eisenbahnen  in  Grossbritannien  und  Irland,  da  daselbst  beiläufig 
20000  km  Bahnstrecken  gleichfalls  mit  Blocksignaleinrichtungen  aus- 


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316  Kohlfüret. 


gerüstet  sind,  deren  Leitungen  für  den  eigentlichen  Block-  und  De- 
blockierdienst  sowie  für  den  zugehörigen  Vor-  und  Rückmeldedienst 
gleichzeitig  dienen.  In  ähnlicher  Weise  könnten  femer  wohl  auch 
fQr  die  gleichen  oder  verwandten  Anlagen  anderer  Länder  Ziffern 
aufgestellt  werden. 

Weniger  leicht  lässt  sich  etwas  Bestimmtes  über  den  Wert  der 
im  Absätze  B  angeführten  «Signalanlagen  auf  Telegraphen- 
leitungen**  nachrechnen,  da  dieselben  teils  bereits  veraltet  und  ver- 
lassen, teils  in  nur  geringem  Umfange  angewendet  sind.  Hingegen 
gemessen  die  unter  G  zusammengefassten  „Telegraphen  auf  Signa  1- 
leitungen''  eine  Verbreitung,  die  — was  Mitteleuropa  anbelangt  — 
grösser  ist,  als  jene  der  soeben  in  Betracht  gezogenen  Blocksignal- 
leitungen. Im  Gebiete  des  Vereines  Deutscher  Eisenbahn- 
verwaltungen, das  bekanntlich  die  Bahnen  Deutschlands,  Oesterreich- 
Ungarns,  Rumäniens,  einige  niederländische  und  belgische  Bahnen, 
sowie  die  Wien- Warschauer  Bahn  umfasst,  sind  mit  Beginn  des  ver- 
flossenen Jahres  57445  km  mit  Läutewerksignalen  (Olockensignalen) 
ausgestattet  gewesen,  von  welchen  mindestens  80  ^/o  gleichzeitig  für 
den  Morsetelegraphenverkehr  von  Station  zu  Station  oder  nebstdem 
auch  als  Streckentelegraphen  ausgenützt  werden.  Durch  die  Doppel- 
benützung dieser  45956  km  Läutesignalleitungen  bleibt  sonach  eine 
ebenso  lange  für  den  Zugmeldedienst  u.  dergL  dienende  Morseleitung 
erspart,  hinsichtlich  welcher  unter  Zugrundelegung  der  früher  benützten 
Mittelpreise  die  Anschaffungskosten  sich  auf  5055516  Mark  belaufen 
hätten  und  die  Unterhaltungskosten  nebst  Eapitalsverzinsung  jährlich 
565258  Mark  aufzehren  würden. 

Für  die  Wertberechnung  der  im  Absätze  D  behandelten  „Tele- 
phonie  auf  Telegraphenleitungen"  fehlen  wieder  nähere  sta- 
tistische Anhaltspunkte,  wenn  auch  bekannt  ist,  dass  mehrere  auf 
Grays  „elektroharmonischen  Telegraphen"  (vergl.  p.  278)  und  Edisons 
„Phonoplex'*  aufgebaute  Anordnungen  auf  grossen  amerikanischen  Tele- 
graphennetzen in  Verwendung  stehen,  wo  ihnen  die  Bolle  von  Viel- 
fachtelegraphen zugewiesen  ist.  In  Europa  fehlen  derartige  Anlagen, 
weil  die  Staatstelegraphenanstalten,  für  welche  diese  Ausnützung  der 
Leitungen  lediglich  in  Betracht  kommen  könnte,  fiirs  erste  —  Eng- 
land ausgenommen  —  Apparatsysteme  vorziehen,  welche  dauernde 
Zeichen  gewähren,  und  weil  die  Vielfachtelegraphen  für  die  europäischen 
Verhältnisse  sich  im  allgemeinen  nicht  gerade  als  ökonomisch  günstig 
erweisen.  (Vergl.  »Der  ökonomische  Wert  des  Duplex-,  Quadruplex- 
und  Multiplexapparates;  Zeitschrift  für  Elektrotechnick,  Bd.  III^  p.  390 


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Die  gemischten  Betriebe  auf  Schwachstromleitungen.  817 


und  439.)  Dafür  ist  das  Van  Rysselberghesche  System  auch  für 
Europa  höchst  wertvoll  geworden,  wenn  auch  nicht  in  dem  Masse,  als 
ursprünglich  angehofiFt  wurde.  So  schrieb  La  lumiere  ^lectrique, 
Bd.  XIII,  p.  520,  nach  den  Moniteur  beige  vom  4.  September  1884 
beiläufig  nachstehendes:  „Die  Tabelle  der  in  der  Welt  bestehenden 
2726779  km  Telegraphenleitungen,  welche,  den  Kilometer  nur  für 
150  Frank  angenommen,  ein  Kapital  von  409016850  Frank  reprä- 
sentieren, gibt  einen  Fingerzeig  über  den  Wert  der  Erfindung  des 
jungen  belgischen  Gelehrten.  Wenn  man  die  Unterhaltung  des  Drahtes 
auf  10  *^/o  anschlägt,  so  gibt  dies  einen  jährlichen  Aufwand  von 
40901685  Frank.  Aehnlich,  wären  auch  die  erste  Anschaffimg  und 
die  Unterhaltung  eines  vollständigen  Telephonnetzes  der  Welt  zu  ver- 
anschlagen. Würde  man  nun  das  Telegraphennetz  der  Welt  für  die 
gleichzeitige  Ausnützung  zum  Telephondienst  tauglich  machen,  so  kann 
man  die  bezüglichen  Kosten,  die  Patenttaxen  ungerechnet,  auf  10  Frank 
per  Kilometer  ansetzen,  was  zusammen  eine  Ziffer  von  27267  790  Frank 
ergibt.  Unter  der  berechtigten  Annahme,  dass  das  zukünftige  Tele- 
phonnetz der  Welt  schliesslich  ganz  dieselbe  Ausdehnung  gewinnen 
müsse,  wie  das  Telegraphennetz,  ergäbe  sich  durch  die  Anwendung 
des  Systems  Van  Rysselberghes  ein  Ersparnis  zunächst  von 
381749060  Frank  an  Herstellungskosten  nebst  einem  jährlichen  Be- 
trag von  40901685  Frank  an  Erhaltungskosten,  wobei  noch  nicht 
einmal  in  Rechnung  gezogen  ist,  dass  jede  telephonische  Uebertragung, 
wenn  sie  sich  in  vollkommener  Weise  abspielen  soll,  einer  doppelt  so 
grossen  Anzahl  von  Drähten  bedarf,  als  der  Telegraphendienst*  u.  s.  w. 
Diese  optimistischen,  fast  könnte  man  sagen  chauvinistischen  Voraus- 
setzungen haben  sich  allerdings  nicht  erfüllt  und  konnten  sich  nie  er- 
füllen, weil  sich  die  ökonomischen  Vorteile  des  Van  Rysselberghe- 
schen  Systems  gerade  bezüglich  der  vorliegend  einzig  und  allein  in 
Betracht  kommenden  Doppelbenützung  der  Telegraphenleitungen  für 
die  Telephonie  sehr  verringern  oder  auch  in  das  Gegenteil  umwandeln, 
wenn  das  System  auf  Linien  angewendet  werden  soll,  die  verhältnis- 
mässig kurz  sind  und  wo  eine  grosse  Zahl  Leitungsdrähte  neben- 
einander auf  einem  Gestänge  laufen.  Da  in  solchen  Fällen,  wie  bereits 
an  anderer  Stelle  hervorgehoben  wurde  (vergl.  p.  286),  bei  der  Ein- 
richtung auch  nur  einer  einzigen  Leitung  für  den  Doppelbetrieb  sämt- 
liche Stationen  aUer  nebeneinanderlaufenden  Leitungen  mit  den  Siche- 
rungsapparaten versehen  werden  müssen,  langen  die  vom  Moniteur 
beige  mit  10  Frank  per  Kilometer  bemessenen  Anschafi^gskosten 
nicht  im  entferntesten  aus,  sondern  diese  Kosten  erreichen  oder  über- 


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318  Kohlfüret. 


treffen  wohl  auch  jene  einer  neuen  Doppelleitung.  Deshalb  und  weil 
auch  die  Anhäufung  einer  grossen  Zahl  von  Nebenapparaten  in  den 
Aemtem  aus  mancherlei  Oründen  besser  vermieden  bleibt,  wird  unter 
den  oben  vorausgesetzten  Umständen  die  Errichtung  eigener  Telephon- 
femleitungen vielfach  vorgezogen.  Immerhin  ist  die  Verbreitung  des 
Van  Rysselbergheschen  Systems  bei  den  interurbaren  Telephon- 
anlagen, sowohl  in  Europa  als  insbesondere  auf  den  langen  Linien 
der  amerikanischen  Telegraphengesellschaften,  eine  grosse,  doch  liegen 
dafür  keine  genauen  ziffermässigen  Daten  vor.  Letzteres  gilt  auch 
hinsichtlich  der  auf  Eisenbahn-Morseleitimgen  eingerichteten  Telephon- 
anlagen (p.  297),  sowie  in  betreff  der  unter  E  und  F  behandelten  Tele- 
phonanordnungen auf  reinen  oder  mit  Telegraphen  kombinierten  Signal- 
leitungen. Es  lässt  sich  hinsichtlich  dieser  Anwendung  lediglich 
feststellen,  das  in  jenen  Ländern,  wo  für  die  Hauptbahnen  „durch- 
laufende Liniensignale''  (Läutewerkssignale,  Glockensignale)  ge- 
setzlich vorgeschrieben  sind,  wie  in  Deutschland  und  Oesterreich-Üngam, 
die  im  letzten  Decennium  neu  erbauten  Läutesignalleitungen  (Glocken- 
leitungen) in  der  Regel  gleichzeitig  auch  für  den  Strecken-  und  Hilfs- 
dienst mit  Telephonen  ausgerüstet  und  zu  deren  Betrieb  mitbenutzt 
werden.  Hingegen  verdienen  hier  etwa  einige  Beobachtungen  nach- 
getragen zu  werden,  die  vielleicht  künftighin  zu  Entwickelungen  führen 
können,  durch  welche  die  Anwendung  gewisser  Doppelbenützungen 
wesentlich  gefördert  würde. 

In  der  Elektrotechnischen  Zeitschrift  vom  30.  Oktober  1891 
(p.  580)  gibt  0.  Saal  die  eigentümliche  Beobachtung  bekannt,  dass 
bei  den  Versuchen  mit  einer  improvisierten  Morseleitung,  an  die  im 
Sinne  des  Schaltungsschemas  Fig.  16  Telephone  angeschlossen  waren, 
ein  direkt  in  die  Leitung  eingeschalteter  Morsefarbschreiber  (ein  so- 
genannter Enickhebel,  für  Ruhestrom)  mit  den  Telephonen  mitarbeitete. 
Derselbe  gab  nämlich  nicht  nur  den  phonischen  Aufruf  wieder,  sondern 
er  übertrug  auch,  wenn  auch  undeutlich,  das  gegen  das  Mikrophon 
Gesprochene.  Eine  ähnliche  Erscheinimg  berichtete  Fr.  Bechtold, 
Telegrapheninspektor  der  Oesterr.  Nordwestbahn,  am  9.  März  1892 
in  einer  Versammlung  des  Elektrotechnischen  Vereins  in  Wien  (vergl. 
Zeitschrift  für  Elektrotechnik  1892,  p.  164).  Als  derselbe  mit  trag- 
baren Telephonapparatsätzen  (vergl.  Fig.  21  und  22)  auf  einer  nach 
Fig.  7  angeordneten  LäutesignaUeitung  (Glockenleitung)  Proben  vor- 
nahm, kam  es  vor,  dass  die  Beamten  einer  Nachbarstation  II,  Fig.  7, 
welche  von  den  Versuchen  keinerlei  Kenntnis  besassen,  zu  ihrer  grössten 
üeberraschung  aus  dem   Morserelais  R^   heraussprechen  hörten,  und 


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Die  gemischten  Beiriebe  auf  Schwachstromleitungen.  319 

zv^ar  so  deutlich,  dass  sie  aus  der  Klangfarbe  die  sprechenden  Per- 
sonen erkannten.  Ueber  einen  dritten  Fall,  der  auf  einer  72  km  langen, 
zwischen  Laibach  und  Oottschee  neuerrichteten  Morseleitung  beobachtet 
wurde,  herichtet  Oskar  Wehr  in  der  „Zeitung  des  Vereines  Deutscher 
Eisenbahn  Verwaltungen'*,  Jahrg.  1894,  Nr.  51.  In  die  benannte  Leitung 
sind  im  Ruhestrom  13  Morsestationen  eingeschaltet,  ausserdem  aber 
auch  an  3  Haltestellen  und  den  3  ihnen  übergeordneten  Stationen, 
zusammen  also  an  6  Stellen  der  Leitung  Telephonapparatsätze  nach 
Fig.  17,  bezw.  21  mittels  Kondensatoren  angeschlossen.  Bei  der  sonst 
anstandslosen  Abwickelung  dieser  zwei  Betriebe  hat  man  wiederholt 
Gespräche  von  allen  6  Sprechstellen  in  den  Morsestationen  am 
Morserelais  deutlich  mithören  können.  Die  Lautwirkung  und  Ver- 
nehmbarkeit erhöht  sich  noch  ganz  wesentlich,  wenn  der  Beobachter 
das  Ohr  anstatt  an  das  Relais,  direkt  auf  die  aus  gut  trockenem  Eichen- 
holze hergestellte  Telegraphentischplatte  legt.  In  diesen  wie  in  allen 
früheren  Fällen  konnte  das  Mitsprechen  unter  anscheinend  ganz  gleichen 
Umständen  doch  nur  zeitweilig  und  ausnahmsweise  beobachtet  werden, 
ohne  dass  es,  wie  es  scheint,  bisher  gelungen  ist,  die  Bedingungen 
festzustellen,  unter  welchen  sich  die  im  Ruhestrom  befindlichen  Elektro- 
magnete  für  beide  Betriebsformen  gleichmässig  geeignet  erweisen. 
Wenn  diese  Bedingungen  einmal  erkannt  und  Apparate  konstruiert 
sein  würden,  welche  sich  je  nach  Wunsch  oder  Bedarf  als  telegraphische 
oder  als  telephonische  Empfanger  benützen  lassen,  hätte  dies  gewiss 
eine  wesentliche  Erweiterung  und  Vermehrung  des  gemischten  Be- 
triebes, namentlich  für  die  Zwecke  der  Armeen  und  Eisenbahnen 
zur  Folge. 

Als  endlicher  Abschluss  der  vorstehenden  Darlegungen  möge  nur 
noch  die  Bemerkung  gestattet  sein,  dass  es  eine  Reihe  von  Gebieten 
der  Wissenschaft  oder  der  öffentlichen  Wohlfahrt  gibt,  wie  beispiels- 
weise die  Astronomie,  die  Meteorologie,  die  Hydrotechnik  u.  s.  w., 
welche  zu  ihrem  Gedeihen  eines  ausgedehnten,  systematischen  Nach- 
richtendienstes bedürfen,  fUr  den  ihnen  derzeit  in  der  Regel  nur  spär- 
Uche,  zumeist  ganz  unzureichende  Hilfsmittel  zur  Verfolgung  stehen; 
es  Hesse  sich  nun  wohl  die  Frage  aufwerfen,  ob  es  nicht  möglich  wäre, 
durch  eine  praktische  Anwendung  von  gemischten  Betrieben  auf  den 
bestehenden  Telegraphenleitungen  mit  verhältnismässig  sehr  bescheidenen 
Kosten  dem  gedachten  Nachrichtendienste  einen  Vorschub  zu  leisten, 
wie  er  nur  immer  gewünscht  werden  könnte.  Es  sind  ja  in  allen 
Städten,  wo,  oder  zunächst  welchen  sich  astronomische  Institute,  hydro- 
technische Aemter  oder  dergl.  befinden,  ausnahmslos  eine  grössere  oder 

Sammlang  elektrotechnischer  Vorträge.    I.  22 


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320  Kohlftlrst. 

geringere  Zahl  von  direkten  Telegraphenlinien  für  den  öffentlichen 
Depeschenverkehr  vorhanden,  die  sich  durch  Ergänzung  nach  einem 
oder  dem  anderen  der  in  den  Absätzen  D,  E,  F  erläuterten  Systeme 
ohne  jegliche  Beeinträchtigung  der  bisherigen  Ausnützung  zu  einer 
Nebenverwendung  im  angedeuteten  Sinne  heranziehen  Hessen.  An- 
scheinend sind  es  lediglich  zwei  gewichtige  und  nicht  unberechtigte 
Bedenken,  welche  seitens  der  massgebenden  Behörden  gegen  derartige 
Ausführungen,  die  doch  nur  ganz  einfach  und  billig  sein  dürfen,  er- 
hoben werden  könnten,  nämlich  die  unverbürgte  Wahrung  des  De- 
peschengeheimnisses, d.  h.  die  etwaige  Möglichkeit  des  Mitlesens  und 
der  Zuwachs  von  Fehlerquellen,  welchen  die  Telegraphenleitungen  durch 
die  Kondensatoranschltisse  phonischer  Aemter  erleiden,  da  die  letzteren 
behufs  günstigen  Betriebes  und  schon  aus  wirtschaftlichen  Gründen 
vor  den  telegraphischen  Endämtem  einzuschalten  kämen.  Beide  diese 
störenden  umstände  Hessen  sich  aber  ersterenteils  vielleicht  mit  Hilfe 
von  Differenzialinduktoren ,  andemteils  durch  besonders  empfindliche, 
sicher  wirkende  Blitzschutzvorrichtungen  zureichend  bekämpfen.  Für 
alle  Fälle  hätte  es  hohen  Wert,  wenn  die  vorgedachten  Institutionen 
einer  vollen,  dauernden  Nutzniessung  des  ganzen  Telegraphennetzes 
eines  Bezirkes,  einer  Provinz,  eines  Landes  oder  Reiches  teilhaftig  ge- 
macht werden  könnten,  und  hiezu  scheinen  immerhin  durch  Anwendung 
des  gemischten  Betriebes  Mittel  und  Wege  geboten  zu  sein. 


•3«^ 


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Die  elektrischen  Transformationsmethoden. 

Von 
Ingenieur  C.  P.  Feldmann,  Köln-Ehrenfeld. 

Mit  31  Abbfldangen. 


1.  Allgemeines.  Alle  sogenannten  Stromerzeugungsmethoden 
sind  eigentlich  ümformungsmethoden ;  denn  wir  sind  nicht  im  stände, 
Energie  irgendwelcher  Art  zu  erzeugen;  alles,  was  uns  möglich  ist, 
beschränkt  sich  darauf,  Energie  aus  einer  ihrer  Erscheinungsformen 
in  eine  andere  überzuführen.  Das  Studium  der  Transformationsmethoden 
im  allgemeinen  imifasst  also  unsere  gesamten  Kenntnisse  in  allen 
Zweigen  der  angewandten  und  spekulativen  Naturwissenschaften.  Aber 
selbst  die  Beschränkung  auf  die  elektrischen  Transformationsmethoden 
ergäbe  noch  ein  viel  zu  umfangreiches  Thema;  sie  würde  ausser  den 
elektrischen  Umformern 

die  Dynamos  als  mechanisch-elektrische, 

die  Motoren  als  elektrisch-mechanische, 

die  Elemente  und  Accumulatoren  als  elektrisch-chemische, 

die  Lichtquellen  als  elektrisch-thermische 
Transformatoren  mit  einschliessen. 

Hievon  wollen  wir  nur  die  elektrisch-elektrischen  Umformungen 
betrachten  und  dabei  die  Grenzen  des  Gebietes  der  elektrisch-mecha- 
nischen und  mechanisch-elektrischen  Umformungen  nur  da  überschreiten, 
wo  die  Interessen  des  von  uns  zu  durchforschenden  Gebietes  der  elek- 
trisch-elektrischen Umformungen  dies  gebieterisch  erheischen. 

2.  Zweck  und  Einteilung.  Der  Zweck  aller  Transformation 
ist  die  Umwandlung  aus  einer  Form  in  eine  andere,  zweckmässigere. 

Dies  gilt  auch  für  die  Transformation  elektrischer  Energie.  Da 
aber  die  Leistung  einer  Energiequelle  gegeben  ist  durch  das  Produkt 

Summlnng  elektrotechnischer  Vorträge.    I.  23 


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322  C.  P.  Feldmaim. 

aus  der  Stromstarke  I,  der  Klemmenspannung  E  und  dem  cos  der 
äquivalenten  Phasenverschiebung  f  zwischen  beiden,  kann  die  elektrische 
Umformung  sich  erstrecken 

a)  auf  Herstellung  zweckmässigerer  Werte  der  Spannung  E, 

b)  auf  Herstellung  zweckmässigerer  Werte  des  Stromes  I, 

c)  auf  Herstellung  zweckmässigerer  Werte  der  Verschiebung  f. 
Damit  sind  aber   die  elektrischen  ümformungsmethoden  in  dem 

vorerwähnten  beschränkten  Sinne  noch  keineswegs  erschöpft;  denn  die 
£ME  E  in  GGS  Einheiten  ist  gegeben  durch  die  Beziehimg  E = E .  Z .  N .  oo, 
in  welcher  E  den  Eapp sehen  Formfaktor,  Z  die  Zahl  der  in  Serie 
geschalteten  Drähte,  N  die  Eraftlinienströmung,  (>»  die  Zahl  der  sekund- 
lichen Perioden  bedeuten,  und  es  sind  somit  weitere  ümformungs- 
methoden möglich: 

d)  zur  Herbeifllhrung  zweckmässigerer  Werte  des  Formfaktors  E^ 

e)  zur  Herbeiführung  zweckmässigerer  Werte    des    Eraftlinien- 
stromes  N, 

f)  zur  Herbeiführung  zweckmässigerer  Werte  der  Periodenzahl  co. 
Die  Umformung  unter  d)  kann  so   aufgefasst  werden,   dass  sie 

sowohl  die  Umwandlungen  der  Form  der  periodischen  Eurven  als  die 
Umwandlung  der  Stromart  in  zweckmässigere  Formen  und  Arten  umfasst. 

3.  Umwandler  der  Elemmenspannung.  Eüeher  gehört  als 
einfachster  und  zugleich  typischer  FaU  der  ruhende  Wechselstrom- 
transformator, dessen  Diagranun  in  Fig.  1  dargestellt  ist.  Er  ist  da- 
durch charakterisiert,  dass  auf  einem  Eisenkern  zwei  Bewickelungen 
angebracht  sind,  von  denen  die  primäre  mit  Wechselstrom  von  be- 
stimmter Periodenzahl  gespeist  wird,  während  in  der  sekundären  unter 
dem  Einflüsse  des  hiedurch  geschaffenen  Wechselfeldes  eine  Wechsel- 
spannung von  derselben  Periodenzahl  erzeugt  wird. 

Der  der  Primärspule  zugeflihrte  Strom  muss  sowohl  die  Nutz- 
leistung als  die  Effektverluste  decken;  er  muss  also  eine  Eomponente 
besitzen,  die  in  der  Richtung  der  EME  liegt.  Ausserdem  aber  muss  er 
zur  Erzeugung  des  Wechselfeldes  eine  wattlose  Eomponente  besitzen,  die 
senkrecht  auf  der  EME  steht  und  deren  Orösse  sich  leicht  aus  den  Dimen- 
sionen und  der  Permeabilität  des  magnetischen  Ereises  berechnen  lässt 
Die  Wirkimg  der  stets  vorhandenen  Streuung  kann  dann  nach  Eapp^) 
so  aufgefasst  werden,  dass  zu  dem  beiden  Spulen  gemeinsamen  Felde  N 
noch   zwei  Felder  hinzukommen,   und  zwar  ein  positives  N,,   welches 


')  Transformatoren  für  Wechselstrom  und  Drehstrom  p.  95. 


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Die  elektrischen  Transformationflmethoden. 


323 


die    primäre,    und   ein   negatives  N^,    welches    die    sekundäre   Spule 

durchsetzt.  

Bedeutet  in  Fig.  1^)  Oij  den  Sekundärstrom,  Oe^g  die  sekundäre 
Klemmenspannung,  e)fi^  den  Spannungsverlust  im  Widerstand  der  sekun- 
dären Spule,  so  muss  die  dem  nega- 
tiven  Streufelde  N,  entsprechende 
6egen-EME  der  n^-Windungen 

e^  =  4,44  OD  n^N^ .  10"« 
senkrecht  auf  i^  stehen  und  so 
gerichtet  sein,  dass  sie  die  Ab- 
nahme von  ig  zu  verhindern  strebt; 
sie  muss  also  in  Fig.  1  durch 
Oe.2  dargestellt  sein.  Das  nütz- 
liche Feld  N  muss  dann  im  stände 
sein,  eine  EME 

e,  =  4,44c^n,N.10-» 

zu  erzeugen,  welche  den  EM-Kräf- 
ten eB2  und  e,^  gerade  das  Gleich- 
gewicht hält.  Die  in  der  Sekun- 
därspule induzierte  EMK  muss 
also  im  Diagramm  durch  Oe^ 
gegeben  und,  wie  man  erkennt, 
gegen  den  Sekundärstrom  ver- 
schoben sein,  trotzdem  induk- 
tionsfreie Belastung  angenommen 
wurde. 

Die  sekundär  induzierte  EMK 
kann  nur  durch  die  wattlose  Kom- 
ponente i^  des  Leerstromes  io  hervorgerufen  sein,  die  senkrecht  zu  ihr 
steht  und  ihr  um  90^  voreilt;  die  primär  induzierte  EMK 

e^  =  4,44  OD  n,  .  N  .  10^^ 

dagegen  muss  dem  Strom  i^,  wieder  um  90®  voreilen  und  somit 
genau  in  der  Verlängerung  Oej  von  Oe,  liegen.  In  der  Richtung  Oej 
muss  auch  die  Wattkomponente  ih  des  Leerstromes  liegen,  die,  mit  e^ 
multipliziert,  gerade  die  Leerverluste  ergibt ;  _und  der  Leerstrom  selbst 
muss  somit  die  Resultante  Oio  aus  0\fi  und  Oih  sein. 


^)  Nach  Fig.  52  aus  Kapp  p.  97  entworfen. 


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324  C.  P.  Feldmann. 

Der  primäre  Nutzstrom  i^  =  — —  i^  =  Iq  i^  ist  dem  sekundären  ig 
genau  entgegengesetzt  gerichtet  und  ergibt  zusammen  mit  dem  pri- 
mären Leerstrom  i^   den   primären  Gesamtstrom  ii>  — ^ig,    der  im 

°i 

Diagramm  durch  Oi^  dargestellt  ist.  Dieser  Strom  erzeugt  im  Wider- 
stände der  primären  Spule  den  Spannungsverlust  Oa  und  durch  das 
Streufeld  N^  die  EM-Gegenkraft  e.i  =  4,44  eo  n^Nj .  ^o"®  =  Öe„. 

Die  Klemmenspannung,  die  dem  Transformator  primär  zuzu- 
führen ist,  muss  also  im  stände  sein,  der  primär  induzierten  EMKOe^, 
dem  primären  Spannungsverluste  Oa  und  der  primären  Selbstinduk- 
tionskraft Oe,i  gleichzeitig  das  Gleichgewicht  zu  halten;  sie  ist  also 
die  Resultante  Oe^i  dieser  drei  EME  und  zeigt  sich  wegen  der  Streu- 
ungen verschoben  gegen  sämtliche  Ströme  und  Spannungen  des  Dia- 
grammes. 

Das  Diagramm  ist  im  Interesse  der  Einfachheit  so  dargestellt 

worden,  dass  sämtliche  primären  Grössen  mit  dem  Faktor  — —  mul- 
tipliziert sind ;  es  hätte  sonst  statt  des  Diagrammes  der  Ströme  i^,  i^  i^ 
das  Diagramm  der  Ampere  Windungen  gezeichnet  werden  müssen. 

Man  erkennt  sofort,  dass  der  Transformator  nicht  nur  die  ur- 
sprünglich beabsichtigte  Umformung  der  hohen  ihm  zugefUhrten  Span- 
nung Cki  des  Verteilungsnetzes  in  die  niedrigere  Yerbrauchsspannung  e^o 
an  seinen  Klemmen  im  Verhältnis  der  Windungszahlen  vollzieht,  son- 
dern dass  gleichzeitig  auch   die  Ströme   angenähert  im  umgekehrten 

Verhältnisse  — —  umgeformt  werden.     Zugleich  vollzieht  sich  auch  je 
n, 

nach  der  Grösse  der  Belastung,  und  zwar  auch  bei  induktionsfreier 
sekundärer  Belastung,  selbstthätig  eine  gewisse  Umformung  der  Phasen- 
verschiebung des  primären  Stromes  gegen  die  Klemmenspannung  und 
der  Ströme  und  Spannungen  gegeneinander.  Der  ruhende  Wechsel- 
stromtransformator formt  also  bei  konstantem  Felde  und  konstanter 
Periodenzahl  wesentlich  nur  die  Ströme  und  Spannungen,  in  geringem 
Masse  aber  auch  die  Winkel  der  Phasenverschiebungen  um. 

Hält  man  nun,  wie  dies  bei  Beleuchtungsanlagen  meistens  der  Fall 
ist,  die  primäre  Klemmenspannung  der  Transformatoren  konstant,  so 
stellt  Fig.  2  den  normalen  Verlauf  aller  charakteristischen  Grössen  dar. 
Man  erkennt,  dass  der  Transformator  nur  zur  Erzielung  zweckmässi- 
gerer  Werte  der  Spannung  eingeführt  wurde,  und  dass  die  nebenbei 
erzielte  Umformung  der  Stromstärke,  die  meistens  eine  beträchtliche 


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Die  elektrischen  Transformatioiismethoden. 


325 


Erhöhung  derselben  bedeutet,  als  notwendige  Folge  des  Gesetzes  der 
Erhaltung  der  Energie  mit  in  den  Kauf  genommen  wird.  Das  Dia- 
gramm zeigt  auch  die  Veränderung  des  Umsetzungsverhältnisses  und 
der  primären  Phasenverschiebung  f^  mit  wachsender  Belastung. 

4.  Ruhender  Transformator  zur  Umformung  des  Stromes. 
Es  gibt  aber  auch  Beleuchtungssysteme,  bei  denen  man  den  Strom 
konstant  halten  will  und  bei  welchen  eine  zweckmässige  Umformung 
der  Spannung  des  ganzen  Systems  nur  gewünscht  wird,  damit  der 
Strom  konstant  gehalten  werden  kann.  Ein  solches  System  ist  die 
Beleuchtung  mittels  in  Serie  geschalteter   Drosselspulen   oder  Trans- 


Fig.  2. 


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formatoren,  das  durch  die  von  der  E.A.G.  Helios  ausgeführte  Be- 
leuchtungsanlage am  Kaiser  Wilhelm-Kanal  zu  neuem  Leben  erweckt 
wurde. 

Bei  dieser  Anlage  handelte  es  sich  darum,  die  Konstanz  des 
Stromes  zu  sichern,  selbst  wenn  einzelne  Glühlampen  sprangen  oder 
wenn  durch  die  Unbill  der  Witterung  mehrere  derselben  gleichzeitig 
zu  Grunde  gingen.  Man  hat  deshalb  die  Glühlampen  zu  25  Volt 
25  Kerzen,  die  in  Entfernungen  von  je  250  m  etwa  aufgestellt  sind, 
einzeln  an  die  Sekundärklemmen  von  kleinen  80  Watttransforma- 
toren angeschlossen,  deren  Primärspulen  zu  250  Stück  in  Serie  ge- 
schaltet sind.  Der  Stromkreis  verbraucht  also  nutzbar  6250  Volt  und 
verzehrt  ausserdem  in  seinem  Widerstände  1250  Volt,   so  dass  in  der 


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326 


C.  P.  Feldmann- 


Centrale  7500  Volt  erzeugt  und  auf  dünnen  Leitungen  50  km  weit 
geführt  werden  können.  Jede  Lampe  hat  dabei  nur  25  Volt,  und  von 
den  250  in  Serie  geschalteten  Lampen  können  etwa  ein  Viertel  gelöscht 
werden,  ohne  dass  der  Strom  merkbar  yariirt.  Primär-  und  Sekundär- 
spule der  Transformatoren  sind  identisch  und 
zu  einer  einzigen  Spule  verschmolzen,  d.  h.  es 
sind  nur  parallel  zu  den  Lampen  geschaltete 
Drosselspulen.  Das  Diagramm  der  dabei  ver- 
wendeten Drosselspulen  ist  leicht  zu  entwerfen; 
man  muss  nur  bedenken,  dass  dieselben  so 
gebaut  sind,  dass  sie,  gleichgiltig  ob  die 
Glühlampe  brennt  oder  nicht,  primär  unge- 
fähr denselben  Strom  aufnehmen  müssen;  man 
muss  also  den  Spulenstrom  i^,  der  um  fast  genau  90^  gegen  den 
Lampenstrom  ii  verschoben  ist,  gross  gegenüber  dem  Lampenstrom  i| 
machen;  der  Gesamtstrom  ist  dann  J,  die  Klemmenspannung  einer 
Lampe  ist  E;  die  Klemmenspannung  der  Drosselspule  bei  durchge- 
branntem Kohlenfaden  E^  und  es  verhält  sich,  sofern  der  magnetische 


E'         J 
Widerstand  konstant  bliebe,  ^=- = -r— . 

Üi  Im 


Da   aber   der  magnetische 


Widerstand  bei  der  grösseren  Zahl   von  Amp^rewindungen ,  die  dem 

grösseren  Strome  J  entsprechen,  grösser  wird,  die  Ejrafblinienzahl  also 

E'  J 

langsamer  wächst  als  der  Strom,   ist  -=-  <C  - — • 

Jli  Im 


Hat  man  z.  B.  fünf 


Lampen  in  Serie  geschaltet  (Fig.  4  a),  von  denen  zwei  gelöscht  werden 
sollen,    so    gilt  das  Diagramm  Fig.  4b  und   man    erkennt,    dass   bei 


^*^s 


passender  Wahl  der  Verhältnisse  sich  eine  fast  vollkommene  Konstanz 
von  E  für  konstanten  Strom  J  trotz  der  allerdings  beschränkten  Lösch- 
barkeit  erreichen  lässt. 


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Die  elektrischen  Transformationsmethoden. 


327 


Fig.  5. 


Dies  ist  dann  der  Fall,  wenn  die  Differenz  ££^  klein,  z.  B. 
=  0,02  bis  0,04  E  ist.  Man  kann  dann  E  konstant  halten  und  den 
Strom  J  sich  etwas  verringem  lassen;  stets  aber  wird  man  hier  bei 
fortschreitender  Löschung  eine  Verschiebung  des  ganzen  Systems  von 
Vektoren  bei  allmählich  wachsendem  Verschiebungswinkel  f  erhalten, 
entsprechend  dem  wachsenden  Ersätze  des  Nutzwiderstandes  der  Lampe 
durch  die  Reaktanz  der  Drosselspulen.  Analog  den  vorerwähnten 
Drosselspulen  verhalten  sich  Serientransformatoren  mit  voll  ausgebildeten 
Primär-  und  Sekundärspulen,  wie  Alexander  Rothert^)  gezeigt  hat. 

Fig.  5  stellt  den  neuesten  Umwandler  dar,  den  El  ihn 
Thomson^)  nach  diesem  Prinzip  gebaut  hat.  Die  zwei  Drossel- 
spulen KK',  von  denen  die  obere  etwas  schwerer  ist,  sind  in  Serie 
geschaltet  und  auf  denselben  Kern  C  ge- 
bracht; sie  neutralisieren  einander,  da 
sie  entgegengesetzt  gewickelt  sind,  in 
der  normalen  Stellung,  bei  der  sämt- 
liche Lampen  l  im  Serienkreise  brennen. 
Erlischt  eine  der  Lampen,  so  würde  der 
Strom  etwas  anwachsen,  wenn  die  Spulen 
sich  nicht  unter  der  Wirkung  des  stär- 
keren Stromes  etwas  abgestossen  und 
voneinander  entfernt  hätten.  Dadurch 
neutralisieren  sich  ihre  Wirkungen  nicht 
mehr  vollkommen,  und  es  kann  eine  ^ 
Drosselung  yon  solcher  Grösse  eintreten, 
dass  der  Strom  wieder  auf  seinen  nor- 
malen Wert  abnimmt.  Die  Bewegung  der  Spulen  wird  dabei  durch  das 
System  von  Rollen  P,  P',  Pg,  Pg  vermittelt,  von  denen  P  lose  auf  der 
Spindel  sitzt.  Wächst  der  Strom  durch  Eurzschluss  oder  dergl.  über- 
mässig an,  so  stösst  die  herabsinkende  Spule  E^  an  den  Anschlag  e, 
der  mittels  des  Hebels  L  den  Eontakt  F  unterbricht. 

Auch  der  von  Elihu  Thomson  beschriebene  Transformator 
(Fig.  6)  mit  einem  magnetischen  Nebenschluss  zur  Erzeugung  besonders 
starker  Streuung  ist  auf  ähnlichem  Prinzipe  aufgebaut^).  Sein  Dia- 
gramm lässt  sich  aus  Fig.  1  entwickeln,  indem  man  e^i  und  e^  sehr 
gross  wählt.  Man  erkennt  dann,  dass  für  wachsenden  Wert  des  sekun- 
dären Stromes  i^  die  Werte  von  e^i  und  eB2  zunehmen  und   somit  für 


^)  Elektrotechn.  Zeitschrift  1896,  p.  142. 
^  Elektrotechn.  Zeitschrift  1894,  p.  603. 
»)  Centralbl.  för  Elektr.  1889,  p.  111  f. 


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328 


C.  P.  Feldmann. 


Fig.  6. 


konstanten  Wert  yon  eki  die  Werte  von  e^  stark  abnehmen.  Dies  ist 
aber  gerade  der  Zweck  des  Transformators,  der  dazu  dienen  soll,  in 
Serie  geschaltete  Bogenlampen  zu  betreiben,  die  mit  Eurzschlussvor- 
richtung  versehen  sind. 

Sind  alle  Lampen  kurz  geschlossen,  so  hat  der  Sekundärstrom 
seinen  maximalen  Wert,  die  Klemmenspannung  ihren  minimalen;  brennen 
alle  Lampen,  so  ist  der  Sekundärstrom  minimal,  die 
Klemmenspannung  maximal.  Bei  passender  Wahl 
Yon  ];« ,  0.1  und  e^  kann  also  bei  konstantem  Werte 
von  e^i  eine  angenäherte  Regulierung  auf  kon- 
stanten Strom  ig  erzielt  werden.  Auch  hier  tritt 
allerdings  wegen  der  yariablen  Reaktanz  eine 
Variation  der  Phasenverschiebungen  ein.  Haupt- 
zweck war  hier  jedoch  die  Regulierung  auf  kon- 
stanten Strom.  Der  letzte  Transformator  formte 
dabei  auch  noch  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
den  Kraftlinienfluss  N  um. 

5.  Umformung  der  Phase.  Bei  Ver- 
teilungsanlagen werden  die  Leitungen  und  Ma- 
schinen durch  den  wattlosen  Strom  zuweilen  stark 
belastet.  Um  diesem  Uebelstande  zu  entgehen, 
hat  Swinburne  zuerst  die  Anwendung  von  Kondensatoren  vorge- 
schlagen, deren  wattlose  Ströme  den  Nutzströmen  um  90  ^  voreilen  und 
die  somit  im  stände  wären,  eine  Verringerung  oder  vollkommene  Auf- 
hebung der  resultierenden  wattlosen  Ströme  zu  bewirken.  Die  Prophe- 
zeiung Swinburnes,  dass  bald  keine  Wechselstromcentralen  ohne 
Kondensatoren  sein  würden,  hat  sich  jedoch  nicht  erfüllt,  weil  es  sehr 
schwierig  ist,  grössere  Kondensatoren  fQr  hohe  Spannungen  zu  bauen, 
die  auf  die  Dauer  halten,  fabrikmässig  herstellbar  und  dabei  massig 
teuer  sind.  Dagegen  hat  das  Studium  der  Kondensatorerscheinnngen 
allerlei  interessante  Erscheinungen  zu  Tage  gefördert,  von  denen  einige 
hier  besprochen  werden  sollen. 

Als  Ferranti  seine  Centrale  in  Deptford  in  Betrieb  nahm, 
zeigte  es  sich,  dass  er  um  so  weniger  Erregung  brauchte,  je  mehr  Kabel 
eingeschaltet  waren,  oder  mit  anderen  Worten,  dass  er  bei  konstanter 
Erregung  um  so  mehr  Spannung  erhielt,  je  mehr  Kapazität  er  durch 
Zuschalten  von  Kabeln  in  seinen  Stromkreis  einfügte.  Die  Erklärung 
gibt  das  Diagramm  Fig.  7,  das  Kapp^)  entworfen  hat. 


')  Transformatoren  für  Wechselstrom  nnd  Drehstrom  p.  116,  Fig.  71. 


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Die  elektrischen  TransformatioDsmethoden. 


329 


In  diesem  Diagramm  bedeutet  OS  die  Eurzschlussspannung,  d.  h. 

jene  im  Verhältnis  — ^  reduzierte  Spannung,  die  primär  aufzuwenden 

ist,  damit  die  durch  ein  Amp^remeter  kurzgeschlossene  Sekundärwickelung 
gerade  den  Sekundärstrom  liefert;  oS  bedeutet  den  auf  die  Sekundär- 
wickelung reduzierten  gesamten  Eupferverlust  in  beiden  Bewickelungen, 

also   oS  =  Oa  .  — —  +  e,'  e^a  aus  Fig.  1.   Schlägt  man  dann  aus  0  und 

o  Kreise  mit  dem  Radius  oe^  (Fig.  1),  so  trennt  der  Vektor  OA  J.  OS 
das  Diagramm  in  zwei  Teile.  Der  Teil  links  von  OA  entspricht  induk- 
tiver Belastung,  der  Teil  rechts  entspricht  Belastung  durch  Kapazität 

Fig.  7. 


und  ergibt  jenseits  des  Vektors  OB  Spannungserhöhung.  Für  die  Vor- 
eilung  ^^  ist  die  Spannungserhöhung  e^*e^\  für  die  Verzögerung  f 
ist  der  Spannungsabfall  e^ea;  fUr  die  Voreilung  ^^  heben  sich  Ka- 
pazität und  Eigenimpedanz  des  Transformators  gerade  auf. 

Der  Ferrantieffekt  ist  also,  wie  zuerst  Sahulka  nachgewiesen 
hat,  eine  einfache  Folge  des  Zusammenwirkens  der  Kapazität  der  Kabel 
und  der  Streufelder  der  Transformatoren.  Kompliziertere  Erscheinungen, 
Ober  die  ich  ^)  an  anderer  Stelle  berichtet  habe,  zeigen  sich,  wenn  man 
Kondensatoren  in  den  Sekundärkreis  der  Transformatoren  einschaltet; 
es  sind  dies  die  besonders  von  Pupin,  Rosa,  Bedell  und  Crehore 
untersuchten  Resonanz-  und  Konsonanzerscheinungen,  denen  auch  der 
Neustadt-Effekt  beizuzählen  ist.  Letzterer  besteht  darin,  dass  beim 
Ausschalten  eines  kleinen  Kondensators  im  Reste  des  Netzes  eine  Span- 


0  FeldmanD,  Elektrotechn.  Zeitschrift  1897,  p.  94. 


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330 


C.  P.  Feldmann. 


nungserhöhung  eintritt,  weshalb  man  bei  konzentrischen  Kabeln  den 
Innenleiter  zuerst  aus-,  den  Aussenleiter  zuerst  einschalten  soll. 

Eine  weitere  wichtige  Thatsache,  die  zuerst  durch  Swinburne 
und  Mordey  erwähnt,  dann  von  Dolivo-Dobrowolski  und  Lah- 
me y  er  praktisch  angewendet  wurde,  ergab  die  Beobachtung,  dass 
übererregte  Synchronmotoren  sich  wie  Kondensatoren  verhalten.  Hierauf 
kommen  wir  jedoch  noch  beim  rotierenden  Transformator  zurück. 

6.  Ruhender  Transformator  zur  Umwandlung  des  Form- 
faktors. Der  Formfaktor  hängt,  wie  zuerst  Kapp  nach^gewiesen  hat, 
in  hohem  Masse  von  dem  Verhältnis  der  Polbreite  zur  Teilung  ab; 
6r  ist  von  hohem  Einflüsse  auf  die  Verluste  von  Transformatoren,  von 
merkbarem  Einflüsse    auch   auf  das  Funktionieren   der  Bogenlampen 


Fig.  8. 


und  der  Motoren.  Die  reine  Sinuslinie,  die  den  Diagrammen  stets  zu 
Orunde  gelegt  wird,  wird  selten  erreicht.  Und  selbst,  wenn  sie  z.  B. 
bei  Leerlauf  erreicht  ist,  wird  sie  sich  bei  Belastung  der  Maschine 
durch  Apparate  mit  Hysteresis,  durch  Kondensatoren  oder  durch  den 
innerhalb  einer  Periode  stark  variierenden  Widerstand  von  Bogen- 
lampen sehr  bedeutend  ändern.  Fig.  8  stellt  einige  Kurven  dar,  die 
€.  P.  Steinmetz  ^)  beobachtet  hat.  Man  erkennt  dabei,  dass  der  von 
der  Dynamo  gelieferte  Strom  nahezu  sinusförmig  verläuft,  dass  aber 
die  Klemmenspannung  am  Bogen  stark  eingesattelt  ist  und  keine  Spur 
der  Sinuslinie  mehr  erkennen  lässt.  Der  Grund  hiefOr  ist,  wie  Stein- 
metz angegeben  hat,  der  innerhalb  der  Periode  wechselnde  Widerstand 


^)  Elektrotechn.  Zeitschrift  1892,  p.  567;  siehe  auch  Yoit,  Der  elektrische 
Lichtbogen  p.  55. 


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Die  elektrischen  Transformationsmethoden.  331 


des  Bogens.     Frith^)  hat  auch  gezeigt,   dass  weitere  Veränderungen 
der  Eurvenform  durch  Vorschaltwiderstände  eintreten. 

Diese  Aenderung  des  Formfaktors  ist  keineswegs  erwünscht;  sie 
ist  nur  nicht  zu  vermeiden  und  muss  mit  in  den  Kauf  genommen 
werden;  aber  eben  weil  sie  stets  auftritt,  darf  die  ursprüngliche  Form 
der  Kurven  durch  wichtigere  üeberlegungen  festgesetzt  werden.  Unter 
diesen  Erwägungen  tritt  allmählich  die  Frage  der  Motoren  mehr  und 
mehr  in  den  Vordergrund;  Kolben,  Rössler  und  Wedding  haben 
den  Einfluss  des  Formfaktors  auf  Motoren  untersucht  und  dabei  ge- 
funden, dass  sinusförmige  Kurven  geringere  Anlaufstromstärken  und 
etwas  höhere  Wirkungsgrade  ergeben.  Was  uns  hier  vor  allem  inter- 
essiert, ist  der  Einfluss  des  ruhenden  Transformators  auf  die  Umge- 
staltung des  Formfaktors  und  sein  Verhalten  gegenüber  Kurven  mit 
verschiedenen  Formfaktoren.  Ich  selbst  habe  hierüber  eine  Arbeit 
veröfFendicht  *),  bei  der  die  Kurven  jedoch  leider  falsch  und  nur  die 
Schlüsse  brauchbar  sind;  dann  haben  Rössler  und  Wedding  und 
zuletzt  Beeton,  Taylor  und  Barr  Untersuchungen  angestellt;  alle 
Untersuchungen  stimmen  darin  überein,  dass  bei  gleichem  EflFektivwert 
die  spitzen  Kurven  mit  grösserem  Formfaktor  entsprechend  der  kleineren 
Mazimalinduktion  kleineren  Hysteresisverlust  bewirken.  Beeton, 
Taylor  und  Barr  glauben  ausserdem  noch  experimentell  nachge- 
wiesen zu  haben,  dass  die  Wirbelstromverluste  vom  Formfaktor  fast 
vollkommen  unabhängig  sind.  Für  reine  oder  überwiegende  Licht- 
anlagen hätten  also  die  spitzen  Kurven  Anspruch  auf  eine  gewisse 
Bevorzugung.  Infolge  ihrer  variablen  Permeabilität  und  infolge  der 
Hysteresis  veiiLndern  auch  die  Transformatoren  selbst  die  Kurvenformen 
derart,  dass  sie  aus  einer  sehr  unregelmässigen  Klemmenspannung  eine 
viel  weniger  unregelmässige  Induktionskurve  ergeben^). 

Diese  Umwandlungen  des  Formfaktors  bei  ruhenden  Transfor- 
matoren sind  alle  nur  von  untergeordneter  Bedeutung;  sie  sind  alle 
nicht  direkt  beabsichtigt  und  deshalb  auch  nicht  als  Transformationen 
zur  Herbeiführung  zweckmässigerer  Werte  anzusehen.  Die  Umwand- 
lung, die  der  Bogen  selbst  hervorruft,  indem  er  aus  einer  spitzen 
Kurve  der  EMK  eine  flache  sich  selbst  zu  erzeugen  versucht,  grenzt 
allerdings  hier  an,  eben  weil  sie  die  zweckmässigere  ist. 

Eine  reine  Transformationsmethode  dieser  Art  ist  jedoch  die  von 


')  Electridan  87,  p.  817. 
^  Elektrotechn.  Zeitschrift  1895,  p.  478. 

»)  Vergl.  z.  B.  Fig.  3B  und  Fig.  4F  Electrician,  London,  Bd.  87,  p.  78, 
spitze  und  stumpfe  Karven. 


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332 


C.  P.  Feldmann. 


Scott   vorgeschlagene  Umwandlung   von  Zweiphasenstrom   in  Drei- 
phasenstrom  durch  Anlegung  der   einen  Phase  vom  Werte 


el/aT 


an 


die  Mitte  der  anderen  Phase  vom  Werte  e  (Fig.  9  u.  10).  Dieses  Trans- 
formierungssystem ist  in  grossartigem  Massstabe  bei  der  Niagara- 
anlage zur  Anwendung  gekommen,  weil  man  die  Maschinen  als  Zwei- 
phasenmaschinen bauen,  die  Femleitung  aber  mit  Dreiphasenströmen 
betreiben  wollte.  Zwischen  den  Punkten  ab,  bc,  ac  ergeben  sich 
nämlich    ohne    weiteres    drei    um    120^    gegeneinander    verschobene 

Fig.  9.  u.  10. 


5 


VSAA/WWW 


i^VVWWSr* 


jAVWWV       /WWWV 


Ströme.    Das  System  ist  auch  ohne  weiteres  anwendbar  auf  Dynamo- 
maschinen mit  zwei  um  eine  halbe  Periode  versetzten  Armaturen,  von 


denen  die  eine  die  EMK 


j|/3" 


erzeugt  und  an  die  Mitte  der  anderen 


mit  der  EMK  e  angeschlossen  ist.  Aber  solche  Armaturen  ergeben, 
wie  auch  die  Transformatoren  mit  unsymmetrischer  Belastung,  leicht 
unsymmetrische  Spannungsverteilungen. 

Hierhin  sind  auch  die  verschiedenen  Vorschläge  zur  Erzeugung 
eines  Drehfeldes  zu  klassifizieren,  also  alle  von  Tesla  und  Ferraris 
angegebenen  Methoden  zur  Erzeugung  der  Eunstphasen  durch  Parallel- 
schaltung eines  induktionsfreien  Stromkreises  mit  einem  Kreise,  der 
Induktanz  oder  Kapazität  enthält.  Hieher  gehört  auch  die  von  D^ri^) 
vorgeschlagene  Anordnung  zur  Erzeugung  eines  künstlichen  mehr- 
phasigen Drehfeldes  (Fig.  11).  Die  erste  Bewickelung  I  führt  den 
ursprünglichen  Wechselstrom,  die  dritte  führt  einen  um  60^  ver- 
schobenen  Strom   in  umgekehrter  Richtung;   die  zweite  Bewickelung 

')  Elektrotechn.  Zeitßchrift  1894,  p.  353. 


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Die  elektrischen  TransformationsmethodeD.  333 


besteht  aus  zwei  gleichen  Teilen,  von  denen  der  eine  den  Strom  I  in 
umgekehrter  Richtung,  der  andere  den  Strom  II  führt.  Es  ist  dann 
das  Feld  II  gegen  I  um  180-60 
=  120  ^  Feld  m  gegen  I  um 
180  +  60  =  240«  verschoben. 
Damit  der  Strom  III  um  60 « 
gegen  I  verschoben  werde, 
wird  solange  Reaktanz  zuge- 
fügt, bis  der  Leitungsfaktor 
=  0,5  ist;  die  Wickelung  A3  E» 
erhUt     dann     bei     doppelter 

Eemmenspannung    denselben  "" — T'^^^g"^  a  a  a  aa^a /^ 
Maximalwert  des  Stromes  wie  I  ^     ^    "  ^^ 

bei  einfacher  Spannung.  Das 
entstehende  Feld  ist  somit  ein  künstliches  dreiphasiges  Drehfeld.  Hiemit 
haben  wir  uns  wieder  dem  Gebiete  des  rotierenden  Transformators  ge- 
nähert, auf  den  wir  nunmehr  eingehen  wollen. 

7.  Der  rotierende  Transformator.  Der  bekannteste  der- 
selben ist  ein  Satz  gekuppelter  Gleichstromdynamos,  von  denen  die 
eine  als  Motor  z.  B.  von  einem  500  Voltnetze  läuft,  während  die 
andere  als  Dynamo  eine  Lichtanlage  mit  100  Volt  speist.  Die  üeber- 
setzung  ist  dabei  1 : 5  und  die  Stromstärken  verhalten  sich  auch  hier 
angenähert  umgekehrt  proportional  dem  üebersetzungsverhältnisse;  man 
könnte  die  Analogie  noch  weiter  treiben,  man  könnte  sogar  darauf 
verweisen,  dass  hier  zwar  in  den  äusseren  Kreisen  der  Leitungsfaktor 
gleich  1  ist,  aber  trotzdem  sich  auch  eine  zweimalige  Umformung  des 
Formfaktors  insofern  vollzieht,  als  der  Kommutator  zuerst  den  500  Volt- 
strom in  mehrphasigen  Wechselstrom  umwandelt  und  dann  den  im 
Anker  der  Dynamo  zirkulierenden  Wechselstrom  für  den  Beleuchtungs- 
kreis wieder  sammelt,  und  indem  er  ihn  übereinanderdeckt,  den  Gleich- 
strom abzugeben  ermöglicht.  Dieser  Fall  liegt  jedoch  etwas  ausser- 
halb des  Rahmens  der  hier  zu  betrachtenden  Vorgänge. 

Ein  rotierender  Transformator  allgemeinster  Art  ist  jedoch  auch 
der  Induktionsmotor.  Er  nimmt  Wechselstrom  von  bestimmter 
Spannung  und  Periodenzahl  in  seiner  primären  Wickelung  auf  und 
wandelt  ihn  in  Wechselstrom  anderer  Spannung,  anderer  Stromstärke 
und  Phasenverschiebung  und  anderer  Periodenzahl  um.  Der  sekundäre 
Kreis  kann  dabei  in  sich  kurz  geschlossen,  d.  h.  als  Kurzschlussanker 
ausgebildet  sein.  Das  Umsetzungsverhältnis  der  Perioden  heisst  die 
Schlüpfung.    Das  Diagramm  des  Induktionsmotors  ist  dabei  fast  genau 


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334 


C.  P.  FeldmaDn. 


Fig.  12  a  XL.  b. 


wie  beim  ruhenden  Wechselstromtransformator,  nur  dass  für  den  pri- 
mären und  sekundären  Teil,  wegen  der  verschiedenen  Periodenzahlen, 
verschiedene  geometrische  Orte  einzusetzen  sind.  Das  Diagramm  muss 
dabei  ^)  so  aufgefasst  werden  wie  fiir  den  Mehrphasentransformator. 

Für  den  Einphasentransformator  mit  variablem  Felde  müssen  wir 
uns  das  Diagramm  mit  Periodengeschwindigkeit  in  der  Richtung  der 
Uhrzeiger  rotierend  denken;  dann  zeigen  die  Projektionen  der  Vektor- 
grössen  auf  eine  räumlich  feststehende  Gerade  die  Einzelwerte  an,  die 
konstante  Richtung,  aber  variable  Grösse  besitzen. 

Beim  Mehrphasentransformator  müssen  wir  das  Diagramm  selbst 
als  Darstellung  der  während  der  Periode  konstanten,  aber  mit  Perioden- 
geschwindigkeit im  Transformator  rotierenden  (Grössen  ansehen. 

So  ist  es  auch  beim  Mehrphasenmotor.  Solange  der  Anker  still 
steht,  ist  der  Motor  nichts  anderes  als  ein  ruhender  Transformator  mit 

hoher  Streuung.  Da  aber  die  sekundäre 
Spule  beweglich  angeordnet  ist,  so  wird  sie 
nach  dem  Lenz  sehen  Gesetz  von  der  pri- 
mären Spule  abgestossen  werden  und  sich 
von  ihr  fortzubewegen,  d.  h.  zu  drehen 
streben.  Die  Tendenz  der  Portbewegung  ist 
an  jeder  sekundären  Spule  vorhanden  und 
erklärt  auch  die  seiner  Zeit  mit  soviel 
Erstaunen  aufgenommenen  Thomson- 
eflfekte«). 

Der  in  der  Feldbewickelung  fliessende 
Primärstrom  Jj,  der  Strom  im  Eurzschluss- 
anker  J,  und  der  Leerstrom  J»  bilden  wie 
beim  Transformator  ein  Stromdreieck,  dessen 
eine  Seite  J^  jedoch  nicht  konstant  ist  und 
dessen  Spitze  sich  auf  einem  Kreise  CD 
bewegt.  D^r  Durchmesser  dieses  Kreises 
kann  aus  den  Streufeldem  ermittelt  wer- 
den %  Das  Dreieck  aCC^  ist  also  nicht  rechtwinklig  wie  beim  ruhen- 
den Transformator. 


*)  Heyland,  Elektrotechs.  Zeitschrift  1894,  p.  561. 

^  El.  World  1887,  p.  258 ;  Elektrotechn.  Zeitschrift  1890,  p.  387  ff.:  Elektro- 
techn.  Zeitschrift  1891,  p.  707,  üppenborn. 

')  Yergl.  Heyland,  Elektrotechn.  Zeitschrift  1896,  p.  638;  Bebrend, 
Elektrotechn.  Zeitschrift  1897,  p.  165  und  G.  Kapp,  Elektromechanische  Kon- 
stnictionen  p.  82. 


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Die  elektrischen  Transformationsmethodeu. 


335 


Dem  Leerstrom  J^  entspricht  ein  Hauptfeld  CH,  das  sich  mit 
dem  primären  Streufelde  AC  zum  Gesamtfelde  AH  des  Erreger- 
teiles und  mit  dem  sekundären  Streufelde  GG^  zum  Felde  des  Eurz- 
schlussankers  G^  zusammensetzt.  Dieses  letztere  Feld  induziert 
den  sekundären  Kurzschlussstrom  J^  =  C'C,  steht  also  JL  auf  CG'r 
so   dass  G^  sich  auf  einem  Halbkreise  über  GH  bewegt. 


Fig.  13. 


7000     jtntjt 


1000  ZOOO  90€f0         dfOOO         6000 


7000 


Die  EME  steht  senkrecht  auf  dem  Leerstrome  oder  dem  ihm 
proportionalen  Erregerfelde  und  eilt  ihm  um  90^  vor. 

Es  bleibt  also  das  Erregerfeld  konstant;  aber  der  Magnetisierungs- 
strom bleibt  nicht  konstant,  sondern  ändert  sich  mit  der  Belastung 
und  der  Sekundärstrom  steht  wegen  der  Streuung  nicht  mehr  senk- 
recht zum  Magnetisierungsstrome. 


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336 


C.  P.  Feldmann. 


Fig.  13^)  zeigt  die  charakteristischen  Euryen  des  Induktions- 
motors  nach  Steinmetz.  Man  erkennt,  dass  mit  wachsender  Leistung 
die  Schlüpfimg  anfangs  wenig,  dann  starker  zunimmt,  dass  der  Motor 
also  elektrische  Energie  aufnimmt  und  mechanische  Energie  abgibt, 
dass  der  Motor  aber,  wenn  die  Schlüpf ung  zu  gross  wird,  aus  dem 
angenäherten  Synchronismus  fallt.  Wird  ihm  mechanische  Erafb  zuge- 
führt, so  arbeitet  er  trotz  seines  Eurzschlussankers  wie  eine  Dynamo 
und  dann  kann  er  bei  entsprechender  Felderregung  ebenso  wie  ein 
synchroner  Motor  zur  Phasenregelung  Verwendung  finden. 


•^ 


Fig.  14. 


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Fig.  14*)  gibt  die  Werte  des  Drehmomentes  für  einen  guten  Motor 
in  Abhängigkeit  von  der  Gleitung  oder  Schlüpfung  s.  Dasselbe  ist  o 
für  s  =  o,  d.  h.  für  Synchronismus,  nimmt  mit  zunehmender  Gleitung, 
d.  h.  mit  abnehmender  Geschwindigkeit  anfangs  zu  und  nach  Erreichung 
eines  Maximums  allmählich  wieder  auf  den  Wert  des  Drehmomentes 
beim  Stillstande  s  =  1  ab.  Wird  die  Gleitung  noch  weiter  vergrössert, 
so  entspricht  dies  der  Umkehrung  der  Botationsrichtung;  das  Dreh- 
moment behält  seine  Richtung  bei  und  ninmit  weiter  ab,  es  wirkt 
aber  jetzt  der  Rotationsrichtung  entgegen  und  erfordert  somit  zu  seiner 
üeberwindung  die  Zuführung  mechanischer  Leistung.    Wird  der  Syn- 


1)  Elektrotechn.  Zeitschrift  1897,  Heft  49,  p.  716,  Fig.  8. 
•)  Elektrotechn.  Zeitschrift  1897,  p.  709,  Fig.  10. 


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Die  elektrischen  Transformationfimethoden. 


337 


chronismus  überschritten,  d.  h.  s  =  o  gemacht,  so  kehrt  das  Drehmoment 
sein  Vorzeichen  um,  während  die  Rotationsrichtung  dieselbe  bleibt,  es 
entspricht  also  auch  der  negative  Teil  der  Kurve  des  Drehmomentes, 
der  dem  vorbesprochenen  positiven  Teile  ganz  ähnlich  gestaltet  ist, 
der  Aufwendung  mechanischer  Leistung;  allerdings  erreicht  der  nega- 
tive oder  Generatorteil  der  Drehmomentkurve  des  als  Generator  ober- 
halb  des  Synchronismus  betriebenen  Induktionsmotors  höhere  Werte, 


Fig.  15. 


-*Wt7       -tdoO     '3000     "^hOaO      -öOOO     '6000       '7000     -3000     sooo 


so  dass  er  als  Dynamo  oberhalb  des  Synchronismus  grösseres  Dreh- 
moment erfordert,  wie  er  ebensoviel  unterhalb  des  Synchronismus  als 
Motor  selbst  leisten  würde.  Die  Belastungskurven  (Fig.  15)  des  als 
Generator  betriebenen  Induktionsmotors  verlaufen  ganz  ähnlich  denen 
beim  Betriebe  mit  1  >  s  >•  o,  nur  dass  jetzt  mit  wachsender  Be- 
lastung die  Geschwindigkeit  wächst.  Der  Induktionsgenerator  kann 
also  nur  dann  als  Bremse  wirken,  wenn  der  äussere  Stromkreis  jene 
Forderungen  an  ihn  stellt,  die  seiner  Natur  entsprechen.     Er  kann 

Sammlimg  elektrotecbnischer  Vorträge.    I.  24 


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338 


C.  P.  Feldmann. 


einen  bestimmten  Strom  nur  bei  einem  bestimmten  Leistungsfaktor 
ergeben  und  in  dem  mit  ihm  übereinstimmenden  Stromkreis  müsste 
also  ein  bestimmter  Strom  ebensoviel  Voreilung  besitzen,  als  derselbe 
Strom  im  Induktionsgenerator  nacheilt.  Der  Motor  ist  oberhalb  und 
unterhalb  des  Synchronismus  nur  stabil  zwischen  dem  Maximum  des 
Drehmomentes,  jenseits  dieser  Qrenzen  ist  er  unstabil,  d.  h.  er  läuft 
als  Motor  selbstthätig  an  oder  fällt  als  Induktionsgenerator  in  Synchro- 
nismus zurück.  Er  könnte  deshalb  oberhalb  des  Synchronismus  ver- 
wendet werden,  um  FerrantiefiFekte  zu  anuUieren.     Hierauf  beruht  das 

Fig.  16  u.  17. 


D.ß.P.  Nr.  84855  von  Hutin  und  Leblanc,  das  zur  Aufrechterhaltong 
des  synchronen  Gl-anges  eines  Synchronmotors  die  Kuppelung  mit  einem 
asynchronen  Motor  versieht. 

Damit  haben  wir  jedoch  eigentlich  schon  ein  anderes  Gl-ebiet  be- 
treten, dem  wir  uns  jetzt  zuwenden  wollen. 

8.  Rotierende  Phasentransformatoren.  Der  rotierende  ideale 
Phasentransformator  ist  der  Synchronmotor  (Fig.  16).  Soll  von  einer 
Wechselstrommaschine  aus  ein  synchroner  Motor  betrieben  werden,  so 
fallen  die  IQemmenspannungen  beider  Maschinen  und  somit  die  ihnen 
entsprechenden   resultierenden^)  Feldamp^rewindungen  AF  zusammen 


>)  A.  Hey  Und,  Elektrotechn.  Zeitschrift  1896,  p.  633. 


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Die  elektrischen  Transformatioiismetlioden. 


339 


(Fig.  16)  und  der  Strom  J^^  in  beiden,  also  die  ihm  entsprechenden 
Ankeramp^rewindungen  FM  und  QF  besitzen  gleiche  Richtung  und 
gleiche  Grösse.  Die  induzierten  EME,  E^  und  Em  eilen  aber  im  Gl-ene- 
rator  der  Netzspannung  Eb  vor  und  bleiben  im  Motor  hinter  ihr  zurück. 
Die  Yoreilung  des  Stromes  auf  der  Mötorseite  ist  dadurch  charakteri- 
siert, dass  die  von  0  auf  FM  gefällte  Höhe  innerhalb  des  Dreiecks 
OFM  Hegt. 

untersucht  man  die  bei  konstanter  Leistung  und  Netzspannung 
ER  auftretende  Veränderung  der  Beziehung  zwischen  Ankerstrom 
Ja  =  FM  und  Motorenerregung  OM  für  yariable  Erregung,  so  hat  man 
zu  bedenken,  dass  konstanter  Leistung  konstanter  Inhalt  des  Dreiecks 
06M  entspricht,  dass  also  der  Punkt  M  sich  auf  einer  Geraden  MN 
parallel  OG  bewegen  wird.  Minimaler  Motorstrom  ergibt  sich  für 
GM'  J_  MN;  trägt  man  alle  erreichbaren  Werte  in  ein  rechtwinkeliges 
Koordinatensystem  ein,  so  erhält  man  die  von  Mordey  zuerst  be- 
obachtete V-förmige  Kurve  (Fig.  17),  die  in  Polarkoordinaten  einfach 
in  einen  Kreis  übergeht^). 

Bei  Veränderung  der  Leistung  verändert  sich  der  Radius  des 
Kreises.  Es  lässt  sich  also  durch  üebererregung  des  Motors,  also 
durch  Vergrösserung  der  Komponente  AM 
ein  minimaler  Strom  herstellen.  Bei  stär- 
kerer Erregung  eüt  der  Strom  vor,  bei 
schwächerer  bleibt  er  zurück;  nur  der 
Teil  der  V-Kurve  unterhalb  des  Punktes 
6'^  entspricht  dem  stabilen  Gange. 

Einen  von  der  A.E.G.  zur  Eichung 
der  Dobrowolskyschen  Phasenmeter  be- 
nutzten Phasenregler  hat  K.  Wilkens*) 
beschrieben.  Er  besteht  im  wesentlichen 
aus  einem  aus  Blechscheiben  zusammen- 
gesetzten Ringe  r,  der  eine  geschlossene 
Ringwickelung  W  trägt  und  im  Innern 
mit  einem  unterteilten  Eisenkern  K  aus- 
gestattet  ist.     Der  Wicklung  W   wird 

an  drei  um  120^  versetzten  Stellen  Drehstrom  zugeführt;  sie  ist 
wie  bei  einem  zweipoligen  Drehfelde  angeordnet  und  infolgedessen 
wandert  in  ihr  das  Maximum  der  Induktion  von  Windung  zu  Win- 


0  Blonde],  Th^rie  des  Motenrs  synchrones  1895. 
*)  Elektrotechn.  Zeitschrift  1896,  p.  501. 


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340 


C.  P.  Feldmann. 


dung.  Die  einzelnen  Windungen  W  sind  nun  an  eine  Eontaktbahn  C 
(Fig.  18)  angeschlossen,  auf  der  diametral  die  Federn  F  schleifen. 
Je  nach  der  Stellung  dieser  Federn  wird  nun  der  mittels  Schleif- 
ringen abgenommene  Strom  früher  oder  später  sein  Maximum  er- 
reichen; und  man  hat  es  durch  passende  Stellung  dieser  Federn  in 
der  Hand,  die  Phase  des  Stromes  um  einen  beliebigen  Winkel  gegen 
die  Phase  der  Spannung  in  irgend  einem  der  Drehstromzweige  zu  ver- 
schieben.    Für   die  Eichung   der  Phasenmeter  wird   die  Verschiebung 

Fig.  19. 


90^  gewünscht,  damit  man  mittels  eines  gewöhnlichen  Amp^remeters 
das  den  Leerstrom  anzeigende  Phasenmeter  eichen  kann.  Die  Er- 
reichung der  Phasenverschiebung,  90^,  erkennt  man  mit  Hilfe  eines 
Ganzschen  Wattmeters,  dessen  eine  Spule  vom  Hauptstrom  durchflössen 
wird,  während  die  andere  an  die  Spannungsklemmen  angelegt  ist;  bei 
genau  90^  Verschiebung  zwischen  Strom  und  Spannung  zeigt  dieses 
Instrument  keinen  Ausschlag  an.  Die  bei  der  Eichung  benutzte  Schal- 
tung zeigt  Fig.  19. 

9.  Transformatoren  des  Formfaktors.  Die  bekannteste  Form 
bei  rotierenden  Transformatoren  des  Formfaktors  bietet  eigentlich  die 
Anwendung  des  Kommutators  bei  Gleichstrommaschinen,  doch  soll  dies 
nur  erwähnt,  nicht  weiter  besprochen  werden.  Werden  aus  2  um  ^Ja 
oder  ^/s  Periode  versetzten  Punkten  einer  Gleichstrommaschine  Strome 
zu  2  oder  3  Schleifringen  geleitet  werden,  so  kann  von  denselben 
Zweiphasen-  oder  Dreiphasenstrom  entnommen  werden.  Die  Wechsel- 
spannung ist  dabei  für  Ein-  und  Zweiphasenstrom  je  nach  der  Pol- 
breite 75  bis  82  ^/o,  für  verketteten  Dreiphasenstrom  65  bis  71^/o  der 
Gleichspannung^).  Die  erste  Anordnung  eines  solchen  Umformers  f&r 
Einphasenstrom  ist  bereits  1887  von  Coerper  gegeben  und  durch  ein 
D.R.P.  Nr.  43538  geschützt  worden. 

^)  Siehe  Kapp,  Elektromech.  Konstr.  p.  28. 


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Die  elektrischen  TransformatioiiBmethodeii.  341 


Es  ist  also  infolge  der  Umwandlung  des  Formfaktors  eine  Um- 
wandlimg  der  Spannung  und  der  Stromstärke  vor  sich  gegangen. 

Auf  ähnlicher  Basis  beruht  die  Anwendung  der  3  Schleifringe 
zur  Abnahme  von  Dreiphasenstrom  für  Werkstättenbetrieb  und  von  3 
um  120  ^  versetzten  Pimkten  einer  Gleichstromarmatur,  die  nach  Kandös 
Patent,  D.R.P.Nr.90559,  gleichzeitig  zur  Beleuchtung  verwendet  werden 
soll.  Femer  gehört  hieher  die  Dreileiterdynamo  von  Dolivo-Dobro- 
wolskyi),  bei  der  die  Ueberlappung  zweier  Ströme  von  verschiedenem 
Formfaktor  nur  in  einem  Teile  des  Stromkreises  vor  sich  geht.  Ferner 
gehören  hieher  alle  sogenannten  Phasentransformatoren,  deren  Name  je- 
doch falsch  gewählt  ist.  Sie  transformieren  wohl,  wie  z.  B.  der  Scottsche 
ruhende  Transformator,  Zweiphasenstrom  in  Dreiphasenstrom,  charak- 
teristisch ist  für  sie  aber  die  Umwandlung  der  Zahl  der  Stromphasen 
in  eine  andere  Zahl,  also  die  Umwandlung  des  Formfaktors,  während 
die  Umwandlung  der  Phase  bei  gegebenem  Formfaktor  eigentlich  nur 
durch  Reaktanzen  bewirkt  werden  kann,  wie  eben  erwähnt. 

Unter  diesen  Transformatoren  des  Formfaktors  sind  in  folgendem 
einige  von  den  vielen  vorgeschlagenen  erwähnt. 

a)  Fig.  20  *)  stellt  die  Wirkungsweise  des  P  o  1 1  a  c  k  sehen  Wechsel- 
strom-Gleichstrom-Umformers dar;  man  erkennt,  dass  die  beiden  Bürsten- 
paare ab,  cd  (Fig.  21),  deren  einzelne  Bürsten  um  die  Punkte  F  und  G 
gegeneinander  verstellbar  sind,  im  stände  sind,  einen  veränderlichen  Teil 
des  gleichgerichteten  Stromes  abzuschneiden.  Dies  ist  erforderlich,  sobald 
es  sich  um  die  Ladung  einer  Akkumulatorenbatterie  mit  der  Gegen- 
EME,  MN  (Fig.  20)  handelt.  Der  von  dem  synchron  laufenden  Kom- 
mutator erzeugte  pulsierende  Gleichstrom  war  die  aus  Sinuslinie  durch 
direkte  Umklappung  entstandene  Kurve  A,  f,  g,  C^,  f^,  g^,  B.  Es 
ist  nun  durch  passende  Wahl  und  Sättigung  des  Transformators  mög- 
lich, eine  etwas  abgeflachte  EMK,  A,  R,  j,  C,  h^,  j^,  B,  zu  erhalten, 
und  von  dieser  schneiden  dann  Bürsten  durch  den  Kurzschluss  zwi- 
schen den  Lamellen,  den  sie  zu  erreichen  gestatten,  noch  die  Stücke 
unterhalb  MN  ab,  so  dass  der  gleichgerichtete  Strom  jetzt  den  pul- 
sierenden Verlauf  H,  R,  j,  J^,  H^,  h^,  j^,  J^  zeigt.  Man  erkennt  den 
Vorteil  der  abgeflachten  Kurven  gegenüber  dem  aus  der  Sinuslinie  er- 
haltenen Gleichstrome  F,  f,  g,  G^,  F^,  f,,  g^,  Gj  ohne  weiteres  aus 
der  Figur.  Der  Gleichrichter  besteht  aus  einem  kleinen  synchronen 
Motor,  dessen  verlängerte  Axe  den  Kommutator  trägt.     Letzterer  be- 


^)  Elektrotechn.  Zeitschrift  1894,  p.  323. 
^  Elektrotechn.  Zeitschrift  1894,  p.  109. 


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342 


C.  P.  Feldmann. 


steht  aus  zwei  Yoneinander  isolierten  Lamellensystemen  (Fig.  21,  1,  2, 
3,  4  und  5,  6,  7,  8),  die  mit  zwei  von  einander  isolierten  Schleifringen 
MN  verbunden  sind.     Einen  ganz  ähnlichen  Kommutator  trug  seiner 


Fig. 

20 

9        iftf 

^\'7^   T^'    \^,f"   - 

Si^  A3^''3^£  «^ 

:^;:fc  Z;^^    31 

_  ,_EhZ  :       jisi-! 

r-/r    — ■    — ™^              xTy 

,    ±2,^,^  ^3XS 

51  iJ>         5    J})     V^i|         Ä 

r    ^Tp^f      r    TTii 

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2~ 

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r 

"«•_      , 

:           "^ » 

Fig.  21. 


Zeit  auch  der  synchrone  Wechselstrommotor  von  Ganz  und  Comp. 
D.R.P.  Nr.  50908,  hier  sollten  die  zwei  leitenden  verbundenen  Bürsten- 
grade ebenfalls  einen  Teil  des  gleichgerichteten  Stromes  abschneiden, 

um  das  Feuer  am  Kollektor  zu  ver- 
mindern. 

Aehnlich  ist  auch  der  Gleich- 
richter angeordnet,  den  Ferranti 
zur  Speisung  von  Gleichstrombogen- 
lampen aus  Wechselstromnetzen  an- 
wendet. Er  besteht  nach  Hesketh^) 
aus  einem  ruhenden  Transformator, 
der  primär  Wechselstrom  mit  kon- 
stanter Spannung  aufnimmt,  ihn  dann 
sekundär  in  Strom  konstanter  Starke 
umwandelt  und  diesen  Strom  in  einen 
synchron  rotierenden  Kommutator 
sendet,  der  die  Umwandlung  in  Gleich- 
strom vollzieht.  Die  Anordnung  zur 
Umwandlung  des  Stromes  konstanter  Spannung  in  solchen  konstanter 
Stärke  ist  dabei,  ähnlich  wie  bei  Thomson,  dadurch  gegeben,  dass  die 
zwei  primären  Spulen  feststehend,  die  vier  Sekundärspulen  dagegen 
auf  den  Schenkeln  mit  Gegengewichten  verstellbar  sind. 


0  Electrician  37,  p.  474. 


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Die  elektrischen  Transformationsmethoden. 


843 


b)  Der  Injektor.  Dieser  Apparat  ist  von  Beeton,  Taylor 
und  Barr  zur  Untersuchung  des  Einflusses  verschiedener  Formfaktoren 
auf  die  Eisenverluste  in  Transformatoren  verwandt  und  neu  entworfen 
worden.  Er  besteht^)  aus  einem  Kommutator  mit  doppelt  so  vielen 
Segmenten,  als  der  Wechselstrom  Perioden  in  einer  Umdrehung  besitzt, 
und  dient  nur  dazu,  die  auf  ihm  schleifenden  Bürsten  während  eines 
variablen  Teils  der  Halbperiode  kurzzuschliessen  und  mit  ihrer  Hilfe 
Widerstand  oder  Kapazität  einzubringen.  Er  schliesst  sich  somit 
nahezu  an  die  vorbeschriebenen  Wechselstrom-Gleichstrom-Umformer 
als  eine  Verallgemeinerung  derselben  an.  Die  Erfinder  verwendeten 
eine  Perrantimaschine  mit  8  Perioden  per  Umdrehung  und  einen  In- 
jektor J  (Fig.  22)  mit   16  Segmenten,    auf  dem   die  Bürsten  b^,  b, 

Fig.  22. 


schleiften.  \  bestimmte  den  Moment,  in  welchem  der  Widerstand 
oder  die  Kapazität  eingebracht  wird,  die  Stellung  von  b^  bestimmte 
die  Dauer  der  Einschaltung.  Die  Bürsten  c  der  normalen  Joubert- 
schen  Kontaktvorrichtung  dienten  dazu,  zuerst  die  Kurvenform  zu  be- 
stimmen, und  dann  war  es  möglich,  den  Injektor  so  zu  stellen,  dass 
Widerstand  oder  Kapazität  während  genau  einer  Halbperiode  injiziert 
und  im  Kreise  belassen,  während  der  anderen  aber  kurzgeschlossen 
wurden.  Es  ergeben  sich  dann  aus  einer  und  derselben  Maschine 
nahezu  sinusförmige,  sehr  spitze  und  sehr  stumpfe  oder  doppelt  ge- 
sattelte Kurven,  so  dass  der  Injektor  ein  sehr  bequemes  Mittel  ist, 
den  Formfaktor  zu  Untersuchungszwecken  zu  transformieren.  A  und 
B  bedeuten  Quecksilberumschalter  zur  Aufnahme  der  Spannungskurven 
mittels  des  Elektrometers  E.     R  ist   ein  induktionsfreier  Widerstand 


0  Electrician  37,  p.  74,  auch  Elektrotechn.  Zeitschrift  1896,  p.  486. 


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344 


G.  P.  Feldmann. 


zur  Ermittelung  des  Verlaufes  der  Stromstärke  im  Primärkreise  des 
zu  untersuchenden  sekundär  offenen  Transformators  T. 

c)  Das  Einphasen-Zweiphasensystem  von  Ferraris-Arno. 
Wird  einem  Zweiphasenmotor  M  nur  in  einem  Spulensystem  AA 
(Fig.  23  a  u.  b^)  einphasiger  Wechselstrom  zugefQhrt  und  sein  Kurz- 
schlussanker K  in  Drehung  versetzt,  so  entsteht  im  zweiten  auf  einen 


Fig.  23  a. 


Fig.  23  b. 


Widerstand  R   geschlossenen  Spulensystem  BB   eine  um  90^  gegen 
EMK  verschobene  EMK. 

Bei  geeigneter  Wahl  der  Windungsverhältnisse  kann  natürlich 
ausser  der  Phasenverschiebung  noch  eine  Umsetzung  der  Spannungen 
erzielt  werden.  Dieser  Transformator  kann  also  mit  Fug  und  Recht 
den  eigentlichen  Phasentransformatoren  zugezählt  werden.    Das  System 

Fig.  24.  . 


aber,  das  durch  ihn  lebensfähig  gemacht  werden  soll,  ist  streng  ge- 
nommen zu  den  Umformungsmethoden  zur  Erreichung  anderer  Form- 
faktoren zu  zählen.  Wenn  der  mittels  des  rotierenden  Phasen-  und 
Spannungsumformers  AA^  BB'  aus  den  Einphasenleitungen  erhaltene 
Zweiphasenstrom  zum  Betriebe  zweiphasiger  Motoren  M  verwendet 
werden  soll  (Fig.  23  b)^   während    der   ursprüngliche  Einphasenstrom 

')  Elektrotechn.  Zeitschrift  1896,  p.  348. 


l 


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»UM 


Die  elektrischen  TraDsformationsmethodei).  345 

mittels  der  Transformatoren  T  zur  Speisung  der  Lampen  LL  dienen 
soll,  gilt  die  Schaltung  Fig.  24.  Fig.  25  zeigt,  wie  der  so  erhaltene 
Zweiphasenstrom  mittels  der  Scottschen  Schaltung  in  Dreiphasenstrom 
umgewandelt  werden  kann.  Wir  hahen  hier  also  eine  Kombination 
ruhender  und  rotierender  Transformatoren  zur  Erzielung  eines  zweck- 
mässigeren  Formfaktors  für  das  Drehfeld. 

Aus  demselben  Grunde  wie  das  eben  beschriebene  System  gehörte 
hieher  auch  das  vielbesprochene  monocyklische  System.  Sie  verwenden 
beide  ursprünglich  ruhende  Transformatoren  zur  Erzielung  zweck- 
mässigerer  Formfaktoren  für  die  Drehfelder  der  an  Einphasennetze 
angeschlossenen  Mehrphasenmotoren. 

d)  Das  monocyklische  System^).  Der  Name  ist  nicht  sehr 
glücklich  gewählt.     Das  System  soll  nach  Steinmetz'  Angaben  nur 

Fig.  25. 


Jkbgfis^ ^_ 


Haußäims 


eine  Modifikation  des  einphasigen  Wechselstromsystems  sein,  die  das- 
selbe zum  Betriebe  von  Motoren  mit  grösserer  Anzugskraft  geeignet 
macht.  Zu  diesem  Zwecke  besitzt  zunächst  die  Primärdynamo  eine 
Hauptwickelung  und  eine  Nebenwickelung,  die  zwei  in  der  Phase  und 
der  Grosse  verschiedene  EMK  liefern  (Fig.  25.)  Die  beiden  EME 
sind  um  90^  gegeneinander  verschoben,  die  Nebenwickelung  liefert 
nur  ein  Viertel  der  Spannung  der  Hauptwickelung  und  ist  mit  ihrem 
einen  Ende  an  die  Mitte  derselben  angeschlossen,  mit  dem  anderen  an 
einen  besonderen  mittleren  Schleifring  angelegt.  Da  die  Spannung  der 
Nebenwickelung  nur  25  ^/o  der  Hauptspannung  ist,  beträgt  die  Span- 
nungsdifferenz  zwischen  dem  mittleren  und  einem  der  äusseren  Schleif- 
ringe l/0,25*  -|-  0,5*  =  0,57  der  Hauptspannung  zwischen  den  beiden 
äusseren  Schleifringen. 

')  Elektrotechn.  Zeitschrift  1895,  p.  346,  389,  447,  586,  587,  597. 


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346 


C.  P.  Feldmann. 


Die  Schaltung  der  Motoren  ist  dabei  etwas  verschieden,  je  nach- 
dem zwei  Transformatoren  gleicher  Grösse  oder  ein  Haupt-  und  ein 
Hilfstransformator  verwendet  werden.  Im  ersten  Falle  ist  (Fig.  26 
und  27)  ab  die  primäre  Haupt-,  cd  die  primäre  Nebenspannung  und 
Ac  und  Cb  sind  die  resultierenden  SpannungsdifiFerenzen.    Der  Trans- 

Fig.  26. 


IC 

I 
~j 


Fig.  27. 


nrn     rmn 


'>i?- 


JdiateT* 


formator  setzt  nun  ab  in  AB  um,  cb  zu  CB  um.  Da  aber  die  Se- 
kundarspule  des  zweiten  Transformators  umgekehrt  angeschlossen  ist, 
ergibt  sich  als  Dreieck  der  sekundären  EM-Eräfte  ABC.  Der  Strom 
in   der  Leitung  C  des  Motors  ist  nahezu  doppelt  so  gross   als  in  B 


Fig.  28. 


Fig.  29. 


l 

ooioo 

1 

1 
1 
1 

mm» 


iüoiar 


/ 


und  A  und  die  Stromverteilung  entspricht  zwei  parallel  geschalteten, 
um  etwa  60  ^  gegeneinander  verschobenen  Einphasenwellen  CA  und  CB. 
Im  zweiten  Falle  (Fig.  28  und  29)  wird  die  Nebenspannung  cd 
in  anderem  üebersetzungsverhältnis  transformiert,  so  dass  das  Dreieck 
ABC  der  sekundären  EM-Kräfte  wieder  nahezu  gleichseitig  wird, 
während  im  Dreieck  der  primären   EMK  der  Winkel   bei  c  nahezu 


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Die  elektrischen  Transformationsmethoden.  347 


120  ^  war.  Das  System  ist  trotz  der  äusseren  Aehnlichkeit  verschieden 
vom  Dreiphasensysteme,  denn  die  EME  sind  in  der  Intensität  von- 
einander verschieden,  die  Ströme  sind  nahezu  phasengleich  unterein- 
ander und  besitzen  gegenüber  den  elektromotorischen  £jräften  die  in 
Fig.  27  und  29  durch  die  Doppelpfeile  angedeuteten  Richtungen,  wenn 
die  Phasenverschiebung  im  Motor  vernachlässigt  wird,  bei  Berücksich- 
tigung derselben  sind  sie  noch  etwas  dagegen  verspätet. 

e)  Der  Panchahuteur^).  Eine  ganz  von  dem  üebiichen  ab- 
weichende Lösung  der  Aufgabe,  Wechselströme  von  beliebiger  Spannung 
in  Gleichströme  von  ebenfalls  beliebiger  Spannung  umzuwandeln,  haben 
Hut  in  undLeblanc^  vorgeschlagen  und  mit  Erfolg  ausgeführt.  Sie 
gehen  von  dem  Grundgedanken  aus,  dass  bei  einem  Wechselstrom- 
umformer, dessen  beide  Stromkreise  um  denselben  Magnetkern  gewickelt 
sind,  in  den  g^enseitigen  Induktionen  und  in  den  Energieübermitte- 
lungen von  einem  Stromkreis  auf  den  anderen  nichts  sich  ändert,  wenn 
entweder  die  Zahl  der  Windungen  konstant  bleibt  und  der  Strom  sich 
sinusförmig  ändert  oder  der  Strom  konstant  bleibt  und  die  Zahl  der 
Windungen  sich  sinusförmig  ändert,  vorausgesetzt,  dass  in  beiden 
Fällen  die  Zahl  der  sinusförmigen  wechselnden  Ampferewindungen  die- 
selbe ist.  Es  sind  zwei  Ausführungsformen  mögUch.  Bei  der  einen 
wird  der  primären,  aus  2n  gleichen  Spulen  bestehenden  Wickelung 
Wechselstrom  zugeführt,  während  die  aus  n  Spulen  mit  sinusförmig 
zunehmender  Windungszahl  bestehenden  sekundären  Windungen  auf 
denselben  Eisenkern  aufgebracht  und  an  n  gleichbreite  Stege  eines 
Stromwenders  angeschlossen  sind.    Die  Windungszahl  der  ersten  Spule 

sei  z.  B.  Z  sin  a,  dann  ist  die  der  zweiten  Z  sin  (a  +  "ö — )'  ^^^  ^®^ 
p-ten  Spule  Z  sin  I  a  +  (p  —  1) J.  a  bedeutet  hierin  eine  willkür- 
liche Eonstante,  Z  eine  konstante  Windungszahl.    Lässt  man  nun  auf 

.     .       .     t 
dem  Stromwender  zwei  diametrale  Bürsten  mit  der  Geschwindigkeit  -f^, 

d.  h.  synchron  mit  dem  zugefahrten  Primärstrome  laufen,  so  wandelt 
der  Umformer  die  pro  Windung  des  Primärkreises  vorhandene  Span- 

2ic 

nung  El  sin  —=-  um  in    eine    gesamte  EME    zwischen    den  Bürsten 

E,  =  El  .  Z  .  sin*  — =-.    Diese  EME  hat  also  stets  dieselbe  Richtung, 
bleibt  aber  nicht  konstant;   will  man  also  eine  Akkumulatorenbatterie 
*)  Electrician  1894,  Bd.  7,  p.  254.  —  ")  D.R.P.  78825  u.  82383. 


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348  C.  P.  Feldmann. 

mit  dem  so  erhaltenen  gleichgericliteten  Strome  speisen,  so  kann  man 
entweder  eine  kräftige  Drosselspule  oder  passende  Kapazität  einfügen. 
Bei  der  zweiten  Ausführungsart  werden  die  Sekundärspulen  alle  mit 
der  gleichen  Windungszahl  gewickelt,  indem  man  die  eine  Hälfte  rechts 
von  einem  beliebig  angenommenen  Durchmesser  nach  rechts,  die  Hälfte 
links  von  diesem  Durchmesser  nach  links  wickelt  und  dann  die  Breite 
der  Stromwenderstege  in  dem  oben  geschilderten  Verhältnisse  verändert. 
Will  man  Mehrphasenströme  umwandeln,  so  kann  man  eine  ent- 
sprechende und  entsprechend  verschobene  Anzahl  von  Einphasenappa- 
raten übereinander  anordnen. 

Es  sind  noch  eine  Menge  anderer  beachtenswerter  Transforma- 
torenmethoden erfunden  worden,  die  alle  darauf  hinauslaufen,  dem 
Formfaktor  einen  für  bestimmte  Zwecke  besser  geeigneten  Wert  zu 
verleihen.  Eine  nahezu  vollständige  Aufzählung  derselben  würde  jedoch 
den  Rahmen  dieses  Vortrages  weit  überschreiten. 

Wir  wenden  uns  deshalb  zu  den  Methoden  der  Umformung  der 
Periodenzahl. 

10.  Umformung  der  Periodenzahl.  Sendet  man  in  das  Feld 
einer  Wechselstrommaschine  statt  des  zur  Erregung  dienenden  Gleich* 
Stromes  einen  Wechselstrom  gleicher  Phase,  so  erhält  man  im  induzierten 
Stromkreise  Wechselstrom  doppelter  Periodenzahl. 

Versetzt  man  in  einem  zweipoligen  Felde,  das  mit  Wechselstrom 
von  CO  sekundlichen  Perioden  erregt  wird,  zwei  aufeinander  senkrecht 
stehende  und  je  in  sich  kurzgeschlossene  Spulen  in  synchrone  Rotation, 
80  ergeben  sich  zwei  Ströme^)  von  der  Periodenzahl  <?<>,  die  um  eine 
Viertelperiode  gegeneinander  verschoben  sind.  Ihre  Magnetfelder  setzen 
sich  also  zu  einem  Drehfelde  zusammen,  das  2mal  so  schnell  rotiert 
als  die  Spulen.  Wenn  dieses  Drehfeld  entgegen  den  Spulen  rotiert, 
so  erhält  man  nur  ein  resultierendes  Drehfeld  mit  der  einfachen  Pe- 
riodenzahl; verwendet  man  aber  eine  von  Kor  da  voi^eschlagene  Kom- 
bination solcher  Spulen,  so  kann  man  das  Drehfeld  im  Sinne  der  syn- 
chron rotierenden  Spulen^)  zum  Umlauf  bringen  und  einen  Strom  von 
dreifacher  Periodenzahl  erhalten. 

Arnold  hat  ferner  gezeigt,  dass  zwei  zu  einander  senkrecht 
stehende,  in  sich  oder  durch  Widerstände  geschlossene  Spulen  bei  syn- 
chroner Drehung  innerhalb  eines  Wechselfeldes  Ströme  doppelter  Pe- 


^)  Arnold,  Elektrotechn.  Zeitschrift  1893,  p.  30;    Eorda,  Elektrotechn. 
Zeitschrift  1893,  p.  329. 

2)  Elektroteclm.  Zeitschrift  1893,  p.  355. 


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Die  elektrischen  Transformationsmethoden.  349 

riodenzahl  führen  oder  abzugeben  vermögen.     Dieser  Fall  ist  wichtig 
zum  Studium  der  Theorie  der  asynchronen  Motoren  ^). 

Die  asynchronen  Motoren  selbst  sind  aber  eigentlich  schon  als 
Transformatoren  der  Periodenzahl  anzusehen,  insofern  sie,  wie  erwähnt, 
die  primäre  Periodenzahl  im  Verhältnis  der  Schlüpfung  für  ihren  eigenen 
Sekundärkreis  transformieren.  Siemens  und  Halske  sind  so  weit 
gegangen,  den  Mehrphasenmotor  selbst  als  Umformer  der  Periodenzahl 
zu  verwenden.  Oeffnet  man  bei  einem  als  Mehrphasenentwickelung 
ausgeführten  Anker  eines  Mehrphasenmotors  einen  oder  mehrere  Anker- 
zweige ,  so  kann  man  die  Ankerwickelung  in  eine  einphasige  Wicke- 
lung umwandeln.  Dann  fällt,  wie  Görges  gezeigt  hat,  die  Umdrehungs-^ 
zahl  des  Motors  auf  die  Hälfte  ^).  Dasselbe  kann  auch  erzielt  werden 
durch  Einschaltung  von  Regulierwiderständen  in  die  Ankerstromkreise, 
wodurch  der  Formfaktor  geändert  wird*).  Die  Methode  ist  jedoch 
nach  Angabe  des  Erfinders  noch  nicht  vollkommen  zuverlässig,  da  diese 
Störung  im  normalen  Gl-ange  des  Motors  häufig  nicht  gerade  die  ge- 
wünschte Tourenänderung  ergibt.  Die  Methode  ist  hier  jedoch  aus 
theoretischem  Interesse  beachtenswert,  insofern  sie  eine  beträchtliche 
Verminderung  der  Periodenzahl  auf  einen  aliquoten  Teil  zulässt. 

Der  typische  Fall  eines  mechanischen  Periodentransformators  wird 
jedoch  durch  die  in  Fig.  30*)  dargestellte  Anordnung  gegeben,  die  Pro- 
fessor Bowland  patentiert  ist^).  Sie  besteht  aus  einer  Kombination 
eines  Stromwenders  A  mit  Schleif- 
ringen C  und  H,  wobei  je  nach  der 
Zahl  der  ableitenden  Schleifringe  H 
und  Bürsten  I  und  der  relativen  Ge- 
schwindigkeit des  rotierenden  Strom- 
wenders A  gegen  die  ebenfalls  ro- 
tierenden Bürsten  F  der  zugeführte 
Mehrphasenstrom  in  der  Zahl  der 
Perioden  und  der  Phasen  umgewan- 
delt werden  kann.  Fig.  31  zeigt  z.  B.  den  Stromwender  einer  Gleich- 
strommaschine, deren  Stromwenderstege  sich  ebenso  wie  die  des  Strom- 
wenders A  verhalten,   an  dessen  acht  Bürsten  F  acht  Ringe  H  ange- 


1)  Arnold,  Elektrotechn.  Zeitschrift  1893,  p.  256»  femer  Ferraris,  Elec- 
trician  38,  p.  110  S. 

*)  D.R.P.  87  754. 

')  Siehe  Görges,  Elektrotechn.  Zeitschrift  1896,  p.  571,  737. 

♦)  Elektrotechn.  Zeitschrift  1897,  p.  195. 

ß)  D.R.P.  88806. 


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350  C.  P.  Feldmann. 


schlössen  sind,  von  denen  durch  die  Bürsten  I  Sphasige  Wechselströme 
verschiedener  Periodenzahl  abgenommen  werden  können. 

Rein  elektrische  Periodentransformatoren  sind  alle  Resonanz- 
erscheinungen, als  insbesondere  alle  auf  die  Erreichung  hoher  Perioden- 
zahlen oder  kleiner  Wellenlängen  ausgehende  Anordnungen. 

Hertz  war  der  erste,  der  in  klassisch  gewordenen  Untersuchungen 
zeigte,   wie   man  durch  Abgleichung  einer  passend  gewählten  Induk- 

tanz  und  Kapazität  beliebig 
^^'  ^^'  kurze  Wellen  erhalten  konnte, 

wie  man  also  primäre  Wech- 
selströme durch  Resonanzfall 
beliebig  in  der  Periodenzahl 
und  damit  auch  in  der  Span- 
nung etwas  formieren  könne. 
Tesla  war  dann  der  erste, 
der  diesen  Strömen  hoher 
Periodenzahl  technische  Ver- 
wertung zu  erschliessen  suchte;  er  ist  auch  heute  noch  fest  von 
der  Zukunft  dieser  Ströme  überzeugt,  und  hat  neuerdings  den  Oscil- 
lator  patentieren  lassen  ^),  bei  dem  ein  mit  den  Wellen  des  zugeführten 
Stromes  synchron  laufender  Motor  die  Ladungen  eines  Kondensators 
derart  bewirkt,  dass  die  Zahl  der  Kondensatorenentladungen  ein  Viel- 
faches der  Zahl  der  Perioden  des  zugeführten  Wechselstromes  ist.  Zu 
den  neuesten  Anordnungen  der  durch  Resonanz  erzielten  Umformung 
der  Periodenzahl  und  Wellenlänge  gehört  auch  die  Femtelegraphie,  die 
auf  Grund  der  Arbeiten  von  Righi,  Lodge,  Preece  u.  a.  von  Mar- 
co ni  vorgeschlagen  und   mit  einigem  Erfolge  bereits  versucht  wurde. 

Schlussbemerkung. 

Ich  habe  mich  bemüht,  für  die  hauptsächlichsten  Transformations- 
methoden Beispiele  zu  geben. 

Dies  alles  sind  dem  Fachmanne  wohlbekannte  Thatsachen,  es 
sind  alte  Gedanken  in  einer  neuen  Form,  einer  neuen  Beleuchtung; 
und  wenn  einigen  von  Ihnen  durch  diese  vom  Ueblichen  abweichende 
Darstellungsweise  ein  bisher  unbekannter  Einblick  in  das  etwas  ver- 
wickelte Gebiet  der  Wechselstromtransformation  erschlossen  wird,  ist 
der  Zweck  dieses  Vortrages  erreicht.  Mathematische  Betrachtungen 
sind  sorgfältig,  hoffentlich  nicht  zum  wesentlichen  Schaden  des  Ganzen 
vermieden  worden. 


')  D.R.P.  93255. 


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Ueber  Motorelektrizitätszähler. 

Von 
Ingenieur  G.  Hummel,  München. 

Mit  18  AbbildoDgen. 


Einer  freundlichen  Aufforderung  folgend,  will  ich  heute  ver- 
suchen, Sie  über  Elektrizitätsmesser  zu  unterhalten.  Ich  sehe  davon 
ab,  Ihnen  die  geschichtliche  Entwickelung  dieser  Apparate  vorzu- 
führen, obwohl  diese  reizende  Momente  bietet;  ich  will  Sie  vielmehr 
nur  mit  Motorzählern  bekannt  machen,  weil  diese  gegenwärtig  die 
grösste  Bedeutung  erlangt  haben  und  voraussichtlich,  wenigstens  für 
die  nächste  Zukunft,  hauptsächlich  in  Betracht  kommen  dürften. 

Auf  diesem  speziellen  Gebiete  gebührt  Siemens  das  erste  Ver- 
dienst, weil  er  zuerst  einen  solchen  Zähler  auf  der  Ausstellung  in  Wien 
praktisch  vorführte.  Der  Apparat  von  Siemens  (Fig.  1)  bestand  im 
wesentlichen  aus  einem  kleinen  eisenfreien  Elektromotor,  durch  dessen 
Trommelarmatur  A  ein  konstanter,  zweckmässig  von  den  Yerteilungs- 
leitungen  abgezweigter  Strom  floss.  Die  erregenden  Feldspulen  H 
wurden  von  dem  zu  messenden  Strome  gespeist.  Mit  der  Achse  dieses 
Motors  war  direkt  ein  Flügelrad  F  verbunden,  welches  mit  dem  Motor 
in  Oel  lief  und  welches  die  vom  Motor  erzeugte  Arbeit  aufnahm. 

Marcel  Deprez  hat  später  nachgewiesen,  dass  das  Prinzip,  auf 
dem  der  Apparat  beruht,  falsch  ist.  Der  Beweis  ist  einfach  zu  führen. 
Die  Zugkraft  des  Motors  ist,  weil  der  Anker  von  einem  konstanten 
Strome  durchflössen  wird,  proportional  der  Hauptstromstärke.  Die 
Gegenzugkraft  der  Oeldämpfung  ist  dagegen  annähernd  proportional 
dem  Quadrate  der  Tourenzahl.  Bei  einem  richtig  funktionierenden 
Apparate  muss    dagegen    die  Tourenzahl  direkt  proportional  der  zu 


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352 


Hummel. 


messenden  Stromstärke  sein.     Der  Apparat  liefert  denmacfa   nur  bei 
einer  bestimmten  Belastung  richtige  Angaben. 

Deprez  machte  den  bemerkenswerten  Vorschlag,  man  solle  die 
mechanische  Dämpfung  durch  eine  elektrische  ersetzen.  Dement- 
sprechend sitzt  auf  der  Achse  des  Siemensschen  Motors  eine  Eupfer- 
scheibe,  die  in  einem  konstanten  Magnetfeld  läuft.  Diese  Scheibe 
hat  man  sich  als  Armatur  einer  kurzgeschlossenen  Dynamo  yorzustellen^ 
in  der  bei   der  Rotation  Ströme  entstehen.     Da  das  erregende  Feld 

Fig.  1. 


konstant  ist,  ist  die  Stärke  dieser  Strome  proportional  der  Tourenzahl, 
und  da  die  Gegenzugkraft  gleichfalls  proportional  den  erzeugten  Strömen 
ist,  ist  denmach: 

Zd  =  Ci  n, 

wobei  Zd  die  Gl-egenkraft  der  Dämpfung,  n  die  Tourenzahl  bedeutet. 
Andererseits  ist  die  Zugkraft  des  Motors  direkt  proportional  dem  durch 
die  erregenden  Spulen  fliessenden  Yerbrauchsstrom,  also  ist: 

Zm  =  Cj  .  J, 
wenn  Zm  die  Motorzugkraft,  J  die  Stärke  des  zu  registrierenden  Stromes, 
c,  eine  Konstante  ist.     Da  nun  Motorzugkraft  und  Dämpfungsgegen- 


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üeber  MotorelektrizKAtszähler.  353 

Zugkraft  einander  gleich  sein  müssen,  abgesehen  von  den  eventuellen 
Verlusten,  so  folgt: 

also 

Cj .  J  =  Ci  n 


^  _- 


c 


=  C, 


1 


d.  h.  die  Tourenzahl  des  Zählermotors  ist  proportional  der  zu  messen- 
den Stromstarke  J. 

Deprez  machte  in  seinen  geistreichen  Auseinandersetzungen 
weitere  Vorschls^e,  auf  die  ich  jedoch  nicht  eingehen  will,  weil  sie 
praktisch  undurchführbar  sind. 

Ich  habe  früh  mit  diesem  Zahler  gearbeitet,  aber  gefunden,  dass 
er  in  der  Praxis  nicht  anwendbar  ist,  weil  er  erst  zu  funktionieren  be- 
ginnt, wenn  die  erregende,  also  zu  messende  Stromsiärke  so  gross  ist, 
dass  der  Motor  die  unvermeidlichen  Beibungen  überwinden  kann.  Ich 
habe  nun  diesen  Fehler  dadurch  zu  eliminieren  gesucht,  dass  ich  den 
Nebenschlussstrom  zuerst  in  einigen  erregenden  Windungen  wirken  liess. 
Die  Zahl  dieser  Windungen  wurde  so  gross  gewählt,  dass  das  System 
durch  den  Nebenschlussstrom  allein  nahezu  zum  Anlaufen  gebracht 
wurde.  Kam  alsdann  noch  der  geringste  Hauptstrom  hinzu,  dann  trat 
sofort  Bewegung  ein. 

Im  übrigen  bestand  mein  Zähler,  dessen  Anordnung  in  Fig.  2 
schematisch  angegeben  ist,  im  motorischen  Teil  aus  den  von  dem  Ver- 
brauchsstrom durchflossenen  Hauptstromspulen  H  und  dem  rotierenden, 
vom  Spannungsstrom  durchflossenen  Anker  A,  welcher  nach  Art  der 
gewöhnlichen  Dynamoanker  konstruiert  ist. 

N  ist  die  von  demselben  Nebenschlussstrom  erregte  Eompensations- 
spule.  Der  bremsende  Teil  setzt  sich  zusammen  aus  der  Metallscheibe  D 
und  einem  oder  mehreren  konstanten  Magneten,  zwischen  deren  Polen 
die  Scheibe  D  sich  bewegte.  In  Fig.  2  sind  hiefÜr  permanente  Magnete 
angenommen;  dieselben  können  natürlich  ohne  Beeinträchtigung  des 
Effektes  auch  durch  konstant  erregte  Elektromagnete  ersetzt  werden. 

In  dieser  Form  wurde  der  Zähler  mit  Erfolg  in  die  Praxis  ein- 
geführt und  hat  sich  gerade  infolge  der  günstigen  Wirkung  der 
Eompensationsspule  N  derart  bewährt,  dass  er  bereits  in  nahezu 
200000  Exemplaren  verbreitet  ist. 

Verzichtet  man  bei  dem  Anker  A  auf  die  Anwendung  von  Eisen, 
so  ist  der  Apparat  direkt  anwendbar  für  Wechselstrom,  um  so  mehr, 
als  er  als  absolutes  Wattmeter  die  Phasenverschiebung  genau  berück- 

Sammlimg  elektrotechniBcher  Vorträge.    I.  25 


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Hummel. 


sichtigt.  Allein  er  leidet  unter  dem  schwerwiegenden  Nachteil,  dass 
er  auf  Bürsten  und  Stromabgeber  angewiesen  ist. 

Immerhin  dürfte  ihm  seine  Einfachheit  und  Zuverlässigkeit  speziell 
auf  dem  Gebiete  der  Oleichstromtechnik  für  die  nächste  Zeit  ein  be- 
trächtliches Anwendungsfeld  sichern. 

Mit  der  ungeahnt  lebhaften  Entwickelung  der  Wechselstromtechnik 
und  der  ausgedehnten  Verwendung  alternierender  Ströme  zu  Beleuch- 
tungszwecken und  zur  elektrischen  Arbeitsübertragung  trat  immer 
dringender  die  Aufgabe  in   den  Vordergrund,   zur  Registrierung   des 

Fig.  2. 


Wechselstromkonsums  zweckmässigere  Apparate  zu  konstruieren.  In 
der  Erkenntnis,  dass  die  Anwendung  von  Motoren,  welche  besonderer 
Kommutatoren  mit  Schleif  bürsten  bedürfen,  eine  Reihe  höchst  nachteiliger 
Erscheinungen  im  Oefolge  haben  würde,  war  das  Bestreben  der  Kon- 
strukteure hauptsächlich  darauf  gerichtet,  Motorzähler  unter  Verwendung 
von  Wechselstrommotoren  in  gleicher  Weise  durchzubilden,  wie  sie  für 
Oleichstrom  bereits  in  Verwendung  waren.  Schon  Ferraris  hatte 
darauf  hingewiesen,  dass  der  von  ihm  erfundene  Motor  fQr  Wechsel- 
stromzähler nutzbar  gemacht  werden  könne,  unter  Zugrundelegung 
der  Ferrarisschen  Ausführungen  hat  Blathj  in  durchaus  origineller 


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üeber  Motordektrizitätszähler,  355 


Weise  einen  Zähler  konstruiert,  welcher  heute  noch  zu  den  brauch- 
barsten einschlägigen  Instrumenten  zählt.  Schallenberger  und  nach 
ihm  Dune  an  und  andere  haben  etwas  abweichend  davon  auf  die  Ver- 
wendung des  Nebenschlussstromes  verzichtet  und  dadurch  Instrumente 
erhalten,  welche  naturgemäss  unter  dem  Nachteile  leiden  mussten,  dass 
sie  einerseits  nur  geringe  treibende  Kraft  entwickeln,  andererseits  die 
Phasenverschiebung  infolge  induktiver  Belastung  nicht  zu  berücksichtigen 
vermögen  und  Proportionalität  zwischen  Stromstärke  und  Tourenzahl 
kaum  zu  erzielen  gestatten,  zudem  lässt  die  Empfindlichkeit  dieser  In- 
strumente schon  deshalb  sehr  zu  wünschen  übrig,  weil  der  Motor  erst 
dann  zu  laufen  beginnt,  wenn  er  im  stände  ist,  die  sämtlichen  Eigen- 
widerstände zu  überwinden. 

Als  fruchtbarer  erwies  sich  die  praktische  Durchbildung  der  von 
Ferraris  herrührenden  Vorschläge,  von  welchen  ich  bei  der  Kon- 
struktion meines  neuen  Zählers  ausging,  der  lediglich  für  einphasigen 
Wechselstrom  bestimmt  war.  Nachdem  es  insbesondere  gelungen  war, 
Eisen  in  ausgedehntem  Masse  zu  verwenden  und  damit  grosse  Kraft- 
äusserung  bei  kleinen  Dimensionen  zu  erzielen,  waren  die  Arbeiten 
in  dieser  Richtung  sehr  erfolgreich. 

In  seiner  jetzigen  Form  enthält  dieser  Apparat  einen  Wechsel- 
strommotor mit  Kunstphase,  der  mit  einer  in  einem  konstanten  Magnet- 
feld rotierenden  Bremsscheibe  kombiniert  ist,  so  dass  auch  hier  die 
charakteristischen  Bestandteile  der  Motorzähler  sich  vorfinden;  allein 
die  ausserordentlich  einfache  Gestaltung  des  nach  Ferrarisschem  Prinzip 
ausgeführten  Motors  verleihen  ihm  eine  grosse  üeberlegenheit  über 
ältere  Konstruktionen. 

Wie  aus  Fig.  3  und  4  zu  erkennen  ist,  wird  der  Motoranker  ledig- 
lich durch  eine  Kupferglocke  Gt  repräsentiert,  welche  dem  Einflüsse 
der  feststehenden  induzierenden  Armatur  unterworfen  ist.  Letztere 
besteht  aus  dem  lamellierten  Eisenring  E;^,  welcher  mit  zwei  getrennten 
Wickelungen  armiert  ist.  Zwischen  den  vier  Polen  dieses  Armatur- 
eisens Ej  rotiert  die  Kupferglocke  G,  in  deren  Inneren  das  feststehende 
Ankereisen  E,  untergebracht  ist,  welches  durch  Verminderung  des 
magnetischen  Widerstandes  zwischen  den  Polschuhen  eine  Erhöhung 
des  Effektes  bewirkt.  Die  Hauptwickelung  H,  welche  von  dem  Ver- 
brauchsstrom durchflössen  wird,  ist  nach  Gramm  escher  Art  hergestellt, 
während  die  Nebenschlusswickelung  in  Rahmenform  zwischen  die  Pol- 
ansätze des  Armatureisens  E^  gelegt  wird.  Die  zwischen  Haupt-  und 
Spannungsstrom  bezw.  den  entsprechenden  Magnetfeldern  erforderliche 
Phasenverschiebung  um  eine  Viertelperiode  wird  entgegen   den  Kon- 


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356 


Hummel. 


struktionsprinzipien  der  bisherigen  Apparate  durch  einen  regulierbaren 
induktiven  Widerstand  im  Nebenschlussstromkreis  erreicht.   Die  Arbeit 

Fig.  3. 


dieses  Motors,  welche,  wie  leicht  einzusehen,  direkt  proportional  dem 
Wattkonsum  ist,  wird  vermittelst  der  in  einem  konstanten  Magnetfeld 


rotierenden  Dämpfungsscheibe  D  konsumiert,  so  dass  auch  hier  ein  von 
der  Zählerachse  aus  angetriebenes  Zählwerk  nach  entsprechender  Ueber- 


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Ueber  Motorelektrizitatszäbler.  357 


Setzung  den  Wattkonsum  angibt.  Wegen  der  im  Nebenschluss  er- 
zeugten Phasenverschiebung  von  fast  genau  90^  liefert  der  Zahler 
sowohl  bei  induktionsfreien  als  auch  bei  induktiver  Belastung  im  Haupt- 
stromkreis zuverlässige  Resultate.  In  äusserst  bequemer  Weise  kann 
bei  diesem  Instrumente  ohne  jegliche  Komplikation  der  ohnehin  geringe 
Einfluss  der  Beibungswiderstände  eliminiert  werden.  Schon  durch  den 
einfachen  gedrängten  Aufbau  des  Motors  ist  das  Gewicht  des  rotieren- 
den Teiles  gegenüber  den  älteren  Motorzählem  wesentlich  vermindert. 
Dazu  kommt  noch,  dass  die  Eupf erglocke  unter  dem  Einflüsse  des 
pulsierenden  Magnetfeldes  einen  nicht  unbeträchtlichen  elektromagneti- 
schen Auftrieb  erleidet  (Thomsonefifekt),  welcher  eine  für  die  Lebens- 
dauer des  Zählers  ausserordentlich  vorteilhafte  Entlastung  des  rotieren- 
den Systems  bewirkt  und  eine  bedeutende  Steigerung  der  Empfindlich- 
keit des  Apparates  zur  Folge  hat.  Um  auch  die  noch  verbleibenden 
minimalen  Reibungswiderstände  zu  kompensieren,  ist  dafür  Sorge  ge- 
tragen, dass  der  Nebenschluss  allein  schon  eine  Zugkraft  am  rotierenden 
Teil  ausübt,  welche  annähernd  hinreicht,  die  Reibung  zu  überwinden. 
Zu  diesem  Zwecke  sind  die  Polansätze  des  Armatureisens  E^  mit  ein- 
seitigen Hörnern  versehen,  welche  die  magnetische  Symmetrie  derart 
stören,  dass  an  der  Eupferglocke  ein  die  Widerstände  kompensierendes 
Drehmoment  zur  Geltung  kommt.  Infolgedessen  vermag  dann  der 
Zähler  schon  auf  die  geringsten  Hauptstromstärkeh  zu  reagieren. 

Die  wesentlichen  Vorzüge  dieses  Instrumentes,  welches  ungemein 
rasche  Verbreitung  gefunden  hat,  sind  also  kurz  folgende: 

1.  Stromabgeber  und  Bürsten  fallen  weg. 

2.  Der  Anker  ist  ausserordentlich  einfach,  weil  er  nur  aus  einer 
Eupferglocke  ohne  jede  Wickelung  besteht. 

3.  Der  Motor  lässt  die  Verwendung  von  Eisen  zu,  wodurch  bei 
geringstem  Wattverbrauch  des  Zählers  grösste  Arbeitsleistung  er- 
reicht wird. 

4.  Der  Zähler  liefert  sowohl  bei  induktionsfreier  als  auch  induk- 
tiver Belastung  des  Hauptstromkreises  richtige  Angaben. 

5.  Das  rotierende  Gewicht  ist  sehr  klein  und  wird  durch  den 
Thomsoneffekt  noch  teilweise  gehoben,  so  dass  die  Belastung  des 
Zapfens,  dessen  Reibung  und  Abnützung  ausserordentlich  vermin- 
dert wird. 

Als  weitere  Vorzüge  gesellen  sich  dazu:  der  einfache  gedrängte 
Aufbau  des  Zählers,  das  geringe  Gesamtgewicht,  gefällige  Form,  hohe 
Betriebssicherheit,  bequeme  Ablesung  vom  Zählwerk  etc. 

Eine  davon  abweichende  Eonstruktion  verwende  ich  bei  meinen 


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358 


Hummel. 


neuesten  Wechselstromzählern  für  kleine  Stromstarken,  deren  Aufbau 
durch  Fig.  5  illustriert  ist. 

Wie  beim  eben  erläuterten  Zähler  beruht  auch  die  Wirkung  dieses 
Instrumentes  auf  den  Ferraris  sehen  Versuchen  über  die  Bewegung 
eines  Metallcylinders  in  einem  magnetischen  Drehfeld.  Da  jedoch 
erfahrungsgemäss  die  zu  dessen  Erzeugung  erforderliche  Phasenver- 
schiebung von  90^  im  Spannungsstromkreis  praktisch  schwer  zu  er- 
reichen ist,  so  suchte  ich  die  Aufgabe:  , Erzielung  zweier  um  eine 
Viertelperiode  gegeneinander  verschobene  Magnetfelder"  dadurch  zu 
lösen,  dass  ich  sowohl  im  Nebenschluss-  als  auch  Hauptstrom  derartige 

Fig.  5. 


Verschiebungen  künstlich  erzeugte,  dass  zwischen  den  davon  erzeugten 
Magnetfeldern  die  geforderte  Verschiebung  um  eine  Viertelperiode  ent- 
steht. Die  Nebenschlusswickelung  N  umgibt  die  Schenkel  des  huf- 
eisenförmigen lamellierten  Eisenkörpers  E^,  zwischen  dessen  Polen  eine 
Aluminiumglocke  0  rotiert.  Im  Innern  der  Olocke  befindet  sich  der 
verstellbar  gelagerte  Eisenkern  Eg,  welcher  in  entsprechenden  Nuten 
die  in  der  Regel  aus  nur  wenigen  Windungen  bestehende  Hauptstrom- 
wickelung H  aufnimmt.  Während  durch  die  erstere  Einrichtung  er- 
reicht wird,  dass  der  Nebenschlusskreis  mit  hoher  Selbstinduktion  be- 
haftet ist,  mithin  zur  Erzielung  einer  entsprechenden  Phasenverschiebung 


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üeber  Motorelektrizitätszähler.  359 


keine  weiteren  Hilfsmittel  erforderlich  sind,  verfolgt  die  Anordnung 
der  Hauptstromwickelung  im  verstellbaren  Ankereisen  den  Zweck,  die 
Zugkraft  des  Motors  innerhalb  weiter  Gh'enzen  verändern,  dem  rotieren- 
den Teil  also  beliebige  Geschwindigkeit  erteilen  zu  können.  Die 
Phasenverschiebung,  welche  für  den  Hauptstromkreis  des  Zählers  ge- 
fordert wurde,  wird  dadurch  gewonnen,  dass  zur  Wickelung  H  ein 
induktiver  Widerstand  W  parallel  geschaltet  ist,  dessen  Einfluss  durch 
Verstellen  des  Eisenkernes  E  entsprechend  verändert  werden  kann. 
Ein  wesentlicher  Vorteil  dieser  Kombination  ist  darin  zu  erblicken,  dass 
ein  besonderes  bremsendes  System  nicht  erforderlich  ist,  weil  die  von 
dem  Nebenschlussfeld  auf  die  rotierende  Aluminiumglocke  ausgeübte 
Rückwirkung  direkt  dazu  dient,  die  Arbeit  des  Zählermotors  zu  kon- 
sumieren. Dass  auch  bei  diesem  Instrument  die  Entlastung  des  Zapfens 
durch  den  Thomsonefifekt  erfolgt  und  dadurch  die  Empfindlichkeit  des 
Instrumentes  sehr  gesteigert  wird,  bedarf  keiner  weiteren  Erklärung. 

Schon  im  Jahre  1891  hat  Aron  nachgewiesen,  dass  die  in  Dreh- 
stromanlagen verbrauchte  elektrische  Energie  durch  die  Summe  zweier 
Wechselstromarbeiten  zum  Ausdruck  gebracht  werden,  mithin  auch  die 
Messung  der  Drehstromarbeit  direkt  mittelst  zweier  Einphasenzähler 
erfolgen  kann,  deren  Angaben  zu  summieren  sind.  Von  derselben 
üeberlegung  ausgehend,  habe  ich  zwei  Einphasenzähler  derart  kom- 
biniert, dass  die  beiden  Armaturglocken  auf  gemeinsamer  Achse  sitzen, 
also  die  Summation  selbstthätig  erfolgt  und  ein  von  der  Achse  ange- 
triebenes Zählwerk  die  gesamte  Drehstromarbeit  gibt.  Durch  eine 
besondere  Schaltungsweise  der  Zählerstromkreise  gelang  es  hiebei,  die 
bei  dem  einfachen  Zähler  erforderliche  Phasenverschiebung  von  90  ®  zu 
umgehen  und  dafür  eine  Verschiebung  von  nur  30^  zu  substituieren, 
deren  Erreichung  keine  Schwierigkeiten  verursacht,  um  so  inehr,  als 
im  Motor  selbst  schon  diese  Verschiebung  fast  genau  gewonnen  wird. 
Da  der  Drehstromzähler  im  übrigen  mit  denselben  Eompensations- 
vorrichtungen  ausgestattet  ist,  welche  bei  dem  Einphasenzähler  ein- 
gehend besprochen  wurden,  so  steht  er  sowohl  in  Bezug  auf  Einfach- 
heit als  auch  Genauigkeit  vollkommen  auf  der  Höhe  der  modernen 
Elektrizitätszähler. 

Die  in  einem  Drehstromkreis  konsumierte  Arbeit  kann  als  Summe 
der  Arbeiten  zweier  einfacher  Wechselströme  dargestellt  werden.  Nach 
den  Ableitungen  von  Aron  imd  Behn-Eschenburg  sind  hiebei  die 
in  zwei  Zuleitungen  zirkulierenden  Ströme  jeweils  zu  kombinieren  mit 
der  Spannung,  welche  zwischen  dieser  Leitung  und  der  dritten  Leitung 
herrscht.     Sind  also,  wie  in  Fig.  6  angedeutet,  J»,  Jbf  Je  die  in  den 


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360 


Hummel. 


Hauptleitungen  fliessenden  Ströme,  E^,  Eg,  E3  die  zwischen  diesen 
Leitungen  herrschenden  Spannungen,  so  ist  die  gesamte  Drehstrom- 
arbeit : 

Ä JaE2   ^  J^Ej. 

Diese  Arbeit  wird  durch  Summation  der  von  zwei  Einphasen- 
wechselstromzählem  gemessenen  Teilarbeiten  gewonnen.  Werden  die 
beiden  Zähler  derart   miteinander  verbunden,    dass   ihre   rotierenden 

Fig.  6. 


> 


JSl. 


\,  "X   ■ 


Anker  auf  gemeinsamer  Achse  sitzen,  so  vollzieht  sich  diese  Summation 
selbstthätig  und  ein  von  der  Zählerachse  angetriebenes  Zählwerk  liefert 
direkt  den  gesamten  Energiekonsum  im  Drehstromkreis. 

Soll  die  Bestimmung  der  beiden  Teilarbeiten  vermittelst  zweier 
Einphasenwechselstromzähler  erfolgen,  welche  nach  Ferraris' Prinzip 
gebaut  sind,  so  müssen  die  Nebenschlussströme,  mit  Rücksicht  auf  die 


Eigenschaften  des  Ferrarisschen  Drehfeldes  um  genau  90^  g^en  ihre 
Spannungen  verschoben  werden,  wenn  die  Angaben  der  Instrumente 
auch  bei  induktiver  Belastung  der  Stromkreise  korrekt  sein  sollen. 
Wie  das  in  Fig.  7  dargestellte  Phasendiagramm  für  induktionsfreie 
Belastung  zeigt,  muss  also  der  in  dem  Zählermotor  I  auftretende 
Spannungsstrom,  welcher  der  Spannung  £,  entspricht,  dieselbe  Phase 
besitzen  wie  der  Strom  Jh;  andererseits  muss  der  im  Nebenschluss  des 


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üeber  Motorelektrizitätezähler.  3g] 

Zählermotors  U  zirkulierende  Spannungsstrom,  welcher  von  der  Span- 
nung El  herrührt,  in  der  Phase  mit  dem  Strom  J^^  übereinstimmen. 
Es  kommen  also  in  den  beiden  Zählern  je  zwei  Ströme  zur  Wirkung^ 
welche  in  der  Phase  um  120^  gegeneinander  verschoben  sind.  Da 
nun  bei  den  Drehstromnetzen  in  der  Regel  die  absoluten  Werte  der 
Spannungen  E^,  E^,  E3  gleich  gross  und  konstant  gehalten  werden^ 
so  ist  es  für  die  Wirkung  der  Nebenschlussströme  vollkommen  gleich- 
giltig,  welche  der  drei  Spannungen  hiefür  herangezogen  wird,  wenn 
nur  die  erforderliche  Phasenfolge  eingehalten  wird.  Aus  diesem  Grunde 
kombinieren  wir  in  dem  Zählermotor  I  den  Hauptstrom  J^  mit  der 
Spannung  E^,  in  Zählermotor  11  den  Hauptstrom  Jb  mit  der  Spannung  E^ 
und  erreichen  dadurch  den  Vorteil,  dass  diese  Spannungsströme  nach 
negativer  Schaltung  nur  mehr  um  30^  gegen  ihre  Spannungen  nach 
rückwärts  zu  verschieben  sind.  Wie  aus  dem  Phasendiagramm  Fig.  8 
zu  erkennen  ist,  erfüllen  die  so  gewonnenen  Spannungsströme  i^,  i,  die 
obigen  Forderungen,  vorausgesetzt,  dass  die  absoluten  Werte  der 
Spannungen  untereinander  gleich  sind. 

Die  Drehstromarbeit  repräsentiert  sich  dann  zu: 

A  =  J.  (-  El)  _  30«  -  Ja-  E3)  -  SO»; 

wenn  durch  die  negativen  Vorzeichen  bei  den  Spannungen  der  Schal- 
ttingssinn,  durch  den  Index  —  30  ^  die  künstlich  erzeugte  Bückwärts- 
verschiebung  der  Ströme  angedeutet  wird. 

Die  nunmehr  erforderliche  Phasenverschiebung  von  30  °  lässt  sich 
unter  allen  Umständen  leicht  erreichen,  um  so  mehr,  als  schon  durch 
die  induktive  Wirkung  des  Eisens  im  Zähler  selbst  der  Spannungs- 
strom eine  Phasenverschiebung  von  mehr  als  30®  erleidet.  Diese 
Phasendifferenz  kann  dann  durch  Vorschalten  eines  induktionsfreien 
Widerstandes  von  geeigneter  Orösse  auf  genau  30®  reduziert  werden^ 
so  dass  besondere  induktive  Widerstände  nicht  mehr  erforderlich  sind. 
Infolge  der  Höhe  des  Ohm  sehen  Widerstandes  gegenüber  der  relativ 
kleinen  Selbstinduktion  ist  die  Stärke  des  Nebenschlussstromes  nur  in 
geringem  Masse  von  der  Pol  wechselzahl  abhängig. 

Diesen  Oesichtspunkten  entsprechend  besteht  unser  Drehstrom- 
zähler Fig.  9  und  10  aus  zwei  Einphasenwechselstrommotoren  derselben 
Konstruktion,  wie  wir  sie  auch  bei  unseren  Wechselstromzahlem  ver- 
wenden. Der  induzierende  Teil,  welcher  mit  den  erregenden  Wicke-^ 
lungen  armiert  ist,  wird  von  einem  lamellierten  Eisenring  A  gebildet, 
zwischen  dessen  vier  Polansätzen  die  Eupferglocke  0  rotiert.  Die 
Wickelungen  der  beiden  Motoren  sind  in  der  aus  Fig.  11  ersichtlichen. 


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362 


Hammel. 


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Ueber  Motorelektrizitatszähler. 


363 


Weise  an  die  Verbrauchsleitungen  angeschlossen.  Die  beiden  Eupfer- 
glocken  sitzen  auf  gemeinsamer  Achse,  welche  gleichzeitig  die  in  einem 
konstanten  Magnetfeld  rotierende  Dämpfungsscheibe  D  trägt  und  ver- 
mittelst eines  Schneckentriebes  ein  Zählwerk  antreibt.  Letzteres  gibt 
die  verbrauchte  Drehstromenergie  direkt  in  Kilowattstunden  an. 

Durch  den  kompendiösen  Bau  des  Instrumentes  wird  das  rotierende 
Gewicht  auf  ein  Minimum  reduziert,  so  dass  die  Beanspruchung  der 
Lager  äusserst  gering  ist  und  die  Reibungsverluste  ungemein  vermindert 
werden.  Um  den  Zähler  von  der  Einwirkung  der  letzteren  vollkommen 
zu  befreien  und  ihm  grösste  Empfindlichkeit  zu  sichern,  erhalten  die 
beiden  Zählerarmaturen  in  der  von  den  Wechselstromzählem  bekannten 
Weise  unsymmetrische  Polansätze,  so  dass  schon  unter  der  Einwirkung 
der  Nebenschlussströme  allein  ein  Drehmoment  auf  die  Armaturglocken 
ausgeübt  wird,   welches  hinreicht,   die  Reibungswiderstände  zu   elimi- 


Fig.  11. 


gg. 


Jft. 


-m 


^^ 


_fi* 


nieren.  Der  Zähler  reagiert  deshalb  schon  auf  die  geringsten  Ströme 
in  den  Hauptwickelungen. 

Da  es  ohne  Schwierigkeit  gelingt,  die  theoretisch  geforderte 
Phasenfolge  der  wirksamen  Ströme  zu  erzielen,  so  berücksichtigt  der 
Zähler  die  von  induktiver  Belastung  herrührende  Phasenverschiebung, 
so  dass  er  sowohl  für  induktionsfreie  als  auch  induktive  Stromkreise 
allgemein  anwendbar  ist. 

Die  Querschnitte  der  Leitungen  im  Zähler  sind  so  reichlich  be- 
messen, dass  vorübergehende  üeberlastungen  keinen  schädlichen  Ein- 
fluss  ausüben,  weshalb  speziell  bei  Motoren  nur  die  normale  Betriebs- 
stromstärke für  die  Wahl  der  Zählertjpe  massgebend  ist. 

Durch  benachbarte  stromführende  Leitungen  werden  die  Angaben 
des  Zählers  in  keiner  Weise  beeinflusst,  weshalb  die  Leitungen  ausser- 
halb beliebig  geführt  werden  können. 

Da  es  für  die  richtige  Funktion  des  Zählers  unbedingt  nötig  ist, 
die  angegebene  Phasenfolge  der  Haupt-  und  Nebenschlussströme  ein- 
zuhalten,  so  ist  bei  der  Montage   des  Instrumentes  für  die  richtige 


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364  Hummel. 

Verbindung  der  Klemmen  mit  den  Leitungen  Sorge  zu  tragen.  Es  ist 
deshalb  folgende  Schaltregel  genau  zu  beachten: 

Man  schalte  den  Zahler  in  der  aus  Fig.  12  ersichtlichen  Weise 
in  das  Drehstromnetz  ein,  so  dass  die  Klemmen  3  und  3^  offen  bleiben, 
und  belaste  die  drei  Zweige  gleichmässig  mit  induktionsfreien  Wider- 
ständen. Läuft  nun  der  Zähler  derart,  dass  die  auf  der  Dämpfungs- 
scheibe befindliche  weisse  Marke  das  Fenster  von  rechts  nach  links 
passiert,  so  ist  die  Verbindung  richtig.  Es  ist  hierauf  der  dritte  Leiter 
zu  den  Klemmen  3  bezw.  3^  zu  führen. 

Läuft  jedoch  der  Zähler  nicht  in  dem  angegebenen  Sinne,  so 
vertausche  man  die  zu  den  Klemmen  1  und  2  führenden  Leitungen, 
worauf  wie  vorher  der  dritte  Leiter  mit  den  Klemmen  3  bezw.  3'  zu 
verbinden  ist. 

Der  verhältnismässig  komplizierte  Aufbau  der  Gleichstrommotoren 
lässt  nicht  erwarten,  dass  es  gelingt,  Motorzähler  für  Gleichstrom  von 
derselben  Einfachheit  herzustellen,   wie  die  Wechselstrominstrumente; 

Fig.  12. 


insbesondere  erfordert  die  Kommutierung  des  Gleichstromes  Konstruk- 
tionsglieder, welche  die  Empfindlichkeit  dieser  Instrumente  im  höchsten 
Ghrade  beeinflussen.  Allerdings  lassen  sich  die  mit  der  Anwendung  des 
Kommutators  verbundenen  Reibungsverluste  mit  grosser  Annäherung 
mittels  eines  Zusatzfeldes  kompensieren,  allein  die  Mängel  der  Kom- 
mutation  werden  dadurch  nicht  beseitigt.  Ich  habe  deshalb  bei  meinem 
neuen  Gleichstromzähler  eine  Idee  aufgegriffen,  welche  bereits  vor 
mehreren  Jahren  von  anderen  versuchsweise  angewendet  wurde.  Um 
den  bei  Kommutatoren  gewöhnlicher  Konstruktion  unvermeidlichen  Ge- 
fahren zu  begegnen,  verzichte  ich  auf  die  Anwendung  eines  rotieren- 
den Ankers  vollständig  und  benütze  als  motorischen  Teil  eine  eisen- 
freie  Kombination,  welche  mit  der  bei  Wattmetern  üblichen  Anordnung 
identisch  ist.  Zwischen  zwei  feststehenden  Spulen  H  (Fig.  13),  welche 
von  dem  Verbrauchsstrom  durchflössen  werden,  ist  eine  Nebenschluss- 
spule  N  drehbar  gelagert.  Letzterer  wird  der  Spannungsstrom  mittels 
biegsamer  Leitungen  zugeführt,  so  dass  der  Kommutator  mit  Schleif- 
bürsten  vollkommen   wegfällt.     Natürlich    ist   infolge   dieser   Strom- 


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üeber  Motorelektrizitätszähler. 


365 


Zuführung  die  Bewegung  der  Armatur  auf  einen  Bogen  von  maximal 
180^  beschränkt,  weshalb  stets,  wenn  die  bewegliche  Spule  die  ausserste 
Lage  erreicht  hat,  der  Strom  in  ihr  umzukehren  ist,  um  entgegen- 
gesetzte Drehung  zu  veranlassen.  Die  daraus  resultierende  oscilla- 
torische  Bewegung  hat  den  Vorzug,  dass  als  Bewegungs widerstände 
lediglich  die  Zapfenreibung  und  die  Spannung  der  Stromzuführungen 
auftreten.  Widerstände,  welche  nicht  nur  geringer  sind  als  die  B.eibung 
von  Schleif  bürsten,  sondern  auch  viel  weniger  zeitlichen  Variationen 
unterworfen  sind.  Die  von  dem  oscillierenden  Motor  geleistete  Arbeit 
wird  in  bekannter  Weise  dadurch  konsumiert,  dass  eine  auf  der  Motor- 

Fig.  13. 


achse  sitzende  Metallscheibe  D  zwischen  den  Polen  kräftiger  permanenter 
Magnete  schwingt.  Da  die  Zugkraft  des  eisenfreien  Motors  direkt 
proportional  dem  Wattkonsum  ist,  die  von  der  Dämpfung  verbrauchte 
Arbeit  proportional  der  Schwingungszahl  (bezw.  Geschwindigkeit)  des 
Systems  ist,  so  erfüllt  diese  Kombination  die  Forderung  genauer  Pro- 
portionalität zwischen  Schwingungszahl  der  Armatur  und  Wattkonsum. 
Ein  Zählwerk,  welches  die  Schwingungen  der  Spannungsspule  registriert, 
liefert  nach  entsprechender  üebersetzimg  die  verbrauchte  Energie  in 
Wattstunden  bezw.  Hektowattstunden. 

Um  von  dem  Zählermotor  alle  störenden  EinflQsse  fem  zu  halten. 


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366  Hummel. 

wird  die  ümschaltung  des  Stromes  in  der  Spannungsspule  vermittelst 
eines  Relais  bewirkt.  Dieses  wird  nach  jeder  Schwingung  der  Armatur 
dadurch  aktiviert,  dass  ein  auf  der  Zählerachse  sitzender  Eontaktarm 
in  der  Endlage  gegen  feste  Eontaktpunkte  trifft,  wodurch  ein  Teil  der 
Relaiswickelung  kurzgeschlossen  wird.  Dies  hat  die  Bewegung  des 
Relaisankers  zur  Folge,  welcher  seinerseits  die  ümschaltevorrichtung  ü 
bethätigt  und  den  Antrieb  des  Zählwerkes  bewirkt. 

Die  Eliminierung  der  Zapfenreibung  und  der  Spannung  der  Strom- 
zufilhrungen  zum  oscillierenden  Teil  erfolgt  vermittelst  eines  kleinen 
eisenarmierten  Hilfsmotors,  dessen  Anker  auf  der  Zählerachse  sitzt. 
Die  Wickelungen  dieses  Hilfsmotors  liegen  mit  der  Spannungsspule 
und  den  Wickelungen  der  Relaismagnete  hintereinander  geschaltet  in 
demselben  Nebenschlusskreis,  in  welchem  mit  Rücksicht  auf  die  ausser- 
ordentliche Empfindlichkeit  des  Instnmientes  nur  ein  Strom  von  etwa 
0,02  Ampere  erforderlich  ist. 

Ich  will  nicht  unerwähnt  lassen,  dass  unabhängig  von  mir  Herr 
Lotz  (Ragaz)  in  gleicher  Richtung  thätig  war  und  einen  osciUierenden 
Gleichstromzähler  konstruierte,  welcher  im  Prinzip  mit  meinem  eben 
erklärten  Zähler  identisch  ist. 

Dieser  Zähler  lässt  sich  auch  noch  in  einer  Variation  ausführen. 
Man  kann  ohne  weiteres  die  Hauptstromspule  mit  der  Nebenschluss- 
spule vertauschen.  Dann  kann  man  femer  statt  des  ganzen  Haupt- 
stromes nur  einen  kleinen  Bruchteil  desselben  verwenden.  Statt  des 
Nebenschlussfeldes  aus  vielen  dünnen  Windungen  kann  man  auch  einen 
permanenten  Magneten  wie  beim  d'Arsonvalgalvanometer  anwenden 
und  diesen  gleichzeitig  zur  Dämpfung  in  Kombination  mit  einer  Eupfer- 
glocke  benützen.  Das  Instrument  liefert  den  Stromkonsum  direkt  in 
Amp^restunden. 


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Scheinwerfer  und  Fernbeleuchtung. 

Von 
F.  Nerz  in  Nürnberg. 

Mit  86  Abbildangen. 


Bei  dem  rastlosen  Treiben  unserer  Zeit  kann  die  Nacht  nicht 
mehr  ganz  und  nicht  für  alle  zum  Ruhen  benützt  werden,  das  eifrigste 
Streben  des  Menschen  geht  dahin,  die  Nacht  womöglich  zum  Tag  zu 
machen,  d.  h.  Lichtquellen  zu  schaffen,  die  das  Tageslicht  Ersetzen 
sollen.  Die  Sonne,  der  Urquell  unseres  Lichtes,  deckt  am  Tage  unsere 
Bedürfnisse  in  ausgiebigster  Weise.  Das  uns  zukommende  Mass  von 
Licht  ist  durch  die  Entfernung  der  Erde  von  der  Sonne  bestimmt. 
Wir  schwelgen  in  diesem  Lichte  als  etwas  Selbstverständlichem,  unsere 
Augen  haben  sich  den  bestehenden  Verhältnissen  angepasst.  Was 
brauchen  wir  uns  Rechenschaft  zu  geben,  ob  uns  das  von  der  Sonne 
zugestrahlte  Mass  von  Licht  auch  zuträglich  sei;  wir  vertrauen  auf 
die  Weisheit  der  Schöpfung,  dass  sie  uns  das  zugeteilt  habe,  was  wir 
eben  brauchen,  dass  wir  weder  zu  viel  noch  zu  wenig  erhalten. 

Die  Erde  bringt  uns  durch  ihre  Drehung  in  wohlthuendem 
Wechsel  Tag  und  Nacht  für  unser  Schaffen  und  unsere  Ruhe.  Je 
nach  der  Lage  des  von  uns  bewohnten  Erdteils  zur  Sonne  oder  der 
Beschaffenheit  der  Atmosphäre  ändert  sich  tagsüber  die  Menge  des 
uns  zukommenden  Lichtes.  Soweit  unser  Organismus  diese  Verschieden- 
heit des  Lichtes  nicht  ertragen  kann,  sind  wir  mit  Einrichtungen  aus- 
gestattet, die  eine  Regelung  innerhalb  gewisser  Grenzen  zulässt.  Das 
Auge,  unser  vornehmstes  Organ,  welches  uns  zur  Wahrnehmung  alles 
dessen  befähigt,  was  um  uns  her  vorgeht,  verträgt  nur  eine  bestimmte 
Lichtmenge,  d.  h.  der  auf  die  Flächeneinheit  der  Netzhaut  unseres 
Auges  fallende  Lichtstrom  darf  ein  bestimmtes  Mass  nicht  überschreiten. 

Sammliiiig  elektrotechnischer  Vortrüge.    I.  26 


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368  F.  Nerz. 

Die  getroffenen  Sehnerven  wirken  auf  die  Regenbogenhaut  ein  und 
veranlassen  eine  Verkleinerung  ihrer  Oeffnung,  wenn  der  empfangene 
Lichtstrom  zu  stark,  und  eine  Yergrösserung,  wenn  derselbe  zu  schwach 
ist.  Diese  Oeffnung  in  der  Regenbogenhaut,  die  Pupille,  bildet  dem- 
nach einen  Regulator  für  den  auf  die  Netzhaut  fallenden  Lichtstrom. 
Wir  können  diesen  Vorgang  beim  Menschen  und  beim  Tiere  taglich 
beobachten.  Ist  das  Auge  auf  helle,  von  der  Sonne  beleuchtete  Gegen- 
stände gerichtet,  so  verkleinert  sich  die  Pupille  mehr  und  mehr;  sie 
ist  am  Abend  stets  grösser  als  mittags,  und  wird  um  so  grösser  sein, 
je  weniger  Licht  von  den  beobachteten  Gegenständen  in  unser  Auge 
gelangt.  Der  Verengung  als  auch  der  Erweiterung  der  Pupille  sind 
durch  die  Einrichtung  des  Auges  bestimmte  Grenzen  gesetzt.  Muten 
wir  den  beteiligten  Organen,  Netzhaut  und  Regenbogenhaut,  zu  viel 
zu,  so  versagen  sie  den  Dienst;  sie  ermüden,  und  wenn  wir  sie  zu 
zwingen  suchen,  so  werden  Schmerzgefühl  und  schliesslich  dauernde 
Schädigung  die  Folge  sein.  Die  Regelungsfahigkeit  der  Pupille  bewegt 
sich  aber  in  ziemlich  weiten  Grenzen ;  wir  lesen  ohne  Anstrengung  eine 
Druckschrift,  welche  mit  einer  Helligkeit  von  10  Meterkerzen  (Lux*)  be- 
leuchtet ist;  das  gleiche  Schriftstück  lesen  wir,  wenn  es  an  hellen 
Sommertagen  von  der  gesamten  Himmelshemisphäre  beschienen  ist. 
Haben  wir  auch  im  letzteren  Falle  die  Augen  etwas  weiter  vom  Schrift- 
stück entfernt,  so  kommt  dies  dem  Helligkeits Verhältnis  gegenüber  kaum 
in  Betracht;  den  Hauptausgleich  verdanken  wir  der  Thätigkeit  der 
Pupille. 

Wenn  wir  uns  zur  Aufgabe  machen,  einen  Ersatz  für  die  Sonne 
zu  schaffen,  so  ersehen  wir  schon  aus  Vorstehendem,  dass  wir  in  vielen 
Fällen  mit  bedeutend  schwächeren  Lichtquellen  auskommen  werden. 

Für  die  Befriedigung  unserer  häuslichen  Bedürfnisse  besitzen  wir 
im  Petroleum  und  Gas  Lichtquellen,  mit  denen  wir  lange  Zeit  gut 
ausgekommen  sind.  Bei  den  grossen  Fortschritten,  die  in  der  Gas- 
beleuchtungstechnik  gemacht  wurden,  könnte  diese  Beleuchtangsart 
auch  für  Fabriken,  Strassen  und  Plätze  noch  genügen.  Sobald  es  sich 
aber  darum  handelt,  von  einem  gegebenen  Punkt  aus  entfernte  unzu- 
gängliche Plätze  so  zu  beleuchten,  dass  wir  einzelne  Gegenstände  unter- 
scheiden können,  reichen  die  genannten  Mittel  nicht  mehr  hin. 

Um  von  einem  Kriegsschiffe  aus  Torpedoboote  in  solcher  Entfernung 
entdecken  zu  können,  dass  ihr  Angriff  erfolgreich  abgewiesen  werden 

')  In  der  Folge  setzen  wir  f^r  «Meterkerze "  und  «Normalkerze'  die  neu 
eingeführten  Bezeichnungen  ,Laz'  und  «Pyr*.  Näheres  über  diese  photometriscben 
Grossen  siehe  Blondel,  Elektrotechn.  Zeitschrift  1894,  S.  478. 


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Scheinwerfer  und  Fembeleachtung. 


369 


kann,  nach  dem  heutigen  Stande  ungefähr  1000  m,  genügt  eine  kräftige 
VoUmondbeleuchtung.  Wir  wollen  nun  untersuchen,  ob  es  uns  möglich 
ist,  eine  solche  zu  schaffen. 

Der  Vollmond  beleuchtet  unsere  Erdoberfläche  mit  einer  Hellig- 
keit von  rund  0,16  Lux.  Um  diese  Helligkeit  von  einer  1000  m  ent- 
fernten Lichtquelle  zu  erhalten,  mttsste  diese  eine  Stärke  von  160  000  Pyr 
besitzen.  Als  unsere  stärksten  Lichtquellen  gelten  zur  Zeit  solche, 
die  einen  Gleichstrom  von  150  Ampere  verbrauchen.  Fig.  1  zeigt  das 
Ausstrahlungsdiagramm  einer  solchen  Lampe.  Wir  sehen,  dass  unter 
ca.  45  ^  die  Zone  grösster  Intensität  liegt ;  diese  können  wir  für  Fem- 
beleuchtung leider  nicht  benützen,   da   sie  bei  'einer  Entfernung  von 

Fig.  1. 


1000  m  eine  Aufstellungshöhe  von  1000  m  bedingen  würde.  Sind  wir 
aber  auf  eine  Aufstellungshöhe  von  etwa  20  m  angewiesen,  so  können 
wir  nur  mit  einer  Lichtstärke  von  rund  11 000  Pyr  rechnen  und  das 
gäbe  in  1000  m  Entfernung  eine  Helligkeit  von  nur  0,011  Lux.  Mit 
frei  brennenden  Lichtquellen  kommen  wir  also  nicht  zum  Ziele.  Die 
Beleuchtung  in  der  nächsten  Umgebung,  auf  welche  man  am  liebsten 
ganz  verzichten  wollte,  ist  viel  zu  stark;  in  grösserer  Entfernung  hat 
man  eine  durchaus  unzulängliche  Beleuchtung.  Könnten  wir  Mittel 
finden,  das  Licht,  welches  auf  die  Beleuchtung  der  nächsten  Umgebung 
nutzlos  verwendet  wird,  zur  Fembeleuchtung  nut  heranzuziehen,  so 
würden  wir  schon  viel  gewinnen.  Denken  wir  z.  B.  die  aus  der  Zone 
höchster  Litensität  kommenden  Lichtstrahlen,  denen  nach  obigem  Dia- 


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370  F.  Nerz. 

gramm  eine  Intensität  von  rund  58  000  Pyr  zukommt,  von  einem  kegel- 
förmigen Spiegel  (Fig.  2)  so  abgelenkt,  dass  sie  in  einem  Umkreis  von 
1000  m  Entfernung  die  zu  beleuchtenden  Gegenstände  treffen,  so  würden 
wir  schon  bessere  Ergebnisse  verzeichnen.  Würde  der  auf  einen  bei- 
spielsweise in  1  m  Entfernung  angebrachten  Spiegel  fallende  Licht- 
strom unabgelenkt  bis  zu  1000  m  Entfernung  gelangen,  so  würde  er 
dort  eine  lO^ach  grössere  Fläche  beleuchten,  die  Helligkeit  würde 
also  hier  nur  mehr  0,000001  der  ursprünglichen  betragen.  Durch  die 
Ablenkung  am  Spiegel  wird  die  in  1000  m  Entfernimg  beleuchtete 
Fläche  abermals  vergrössert  und  zwar  im  Verhältnis  der  Sinus  der 
Ausstrahlungswinkel.  Das  Licht  würde  also  nochmals  im  umgekehrten 
Verhältnis  geschwächt,  so  dass  im  vorliegenden  Falle  nur  mehr  eine 
HelUgkeit  von  0,04  Lux  vorhanden  wäre. 


Fig.  2. 


10      o     ^o 


Der  vom  Eegelspiegel  aufgefangene  Lichtstrom  umfasst  einen 
ziemlich  grossen  Emissions winkel,  von  welchem  nur  ein  kleiner  Teil 
für  den  beabsichtigten  Zweck  ausgenützt  wird,  alle  über  den  Horizont 
hinausfallenden  Lichtstrahlen  verursachen  einen  unwiederbringlichen 
Verlust. 

Setzen  wir  nun  an  Stelle  des  Eegelspiegels  einen  anderen,  der 
dadurch  hergestellt  wird,  dass  eine  Hyperbel  (Fig.  3),  die  ihren  einen 
Brennpunkt  f  im  Lichtpunkte  unserer  Lampe  hat,  um  eine  durch  diesen 
Lichtpunkt  gehende  Vertikalachse  MN  sich  dreht,  so  werden  die  imter 
einem  Emissionswinkel  a  auf  den  hyperboloidisch  geformten  Spiegel 
fallenden  Strahlen  unter  einem  anderen  Emissionswinkel  ß  zurück- 
geworfen, der  durch  die  aus  dem  zweiten  Brennpunkt  fj  der  erzeugenden 
Hyperbel  kommenden  Fahrstrahlen  begrenzt  wird.  Durch  entsprechende 
Wahl  der  Hyperbel  haben  wir  es  in  der  Hand,  das  Verhältnis  der 
Emissionswinkel    mehr    oder  weniger   günstig  zu   gestalten;    die  Be- 


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Scheinwerfer  und  Fembeleucbtung.  371 

leuchtung  wird  dadurch  gegenüber  der  nach  Fig.  2  erhaltenen  im  Ver- 
hältnis der  Winkelöffiiungen  der  reflektierten  Strahlen  verstärkt. 

Eine  noch  weitergehende  Verstiu-kung  werden  wir  erhalten,  wenn 
wir  statt  der  Hyperbel  eine  Parabel  als  Erzeugende  einführen. 

Schreiten  wir  an  die  Ausführung  von  Apparaten  nach  der  letzt- 
beschriebenen Anordnung,  so  finden  wir  sehr  bald,  dass  wir,  um  von 
der  Lichtquelle  nicht  gar  zu  viel  zu  verlieren,  auf  sehr  grosse  Aus- 
messungen des  Hyperboloid-  oder  Paraboloidkegelspiegels  kommen. 
Derselbe  müsste  in  Grössen  hergestellt  werden,  wie  sie  die  ausführende 
Technik  nicht  zu  liefern  vermag. 

um  das  Möglichste  zu  erreichen,  muss  nach  anderen  Hilfsmitteln 
gesucht  werden.     Lassen  wir  den  von  einer  Bogenlampe  nach  unten 


Fig.  3. 

5lX 


y 


sd 


austretenden  Lichtstrom  auf  einen  Paraboloid-  oder  Hyperboloidspiegel 
fallen,  deren  Achsen  senkrecht  stehen  und  deren  Brennpunkte  mit  dem 
Lichtpunkte  der  Lampe  zusammenfallen,  so  erhalten  wir  einen  ge- 
schlossenen, nach  oben  zurückgeworfenen  Lichtkegel,  dessen  Spitzen- 
winkel eine  bestimmte  Grösse  anninmit.  Stellen  wir  diesem  Lichtstrahl 
einen  passend  geformten  Kegelspiegel  (Fig.  4),  dessen  Achse  mit  der 
des  Sammelspiegels  zusanunenfällt,  in  den  Weg,  so  können  die  Licht- 
strahlen so  zurückgeworfen  werden,  dass  sie  wie  gefordert  das  Vorfeld 
in  einem  Umkreis  von  1000  m  Entfernung  treffen  und  so  weit  hinaus 
beleuchten,  als  es  durch  den  Spitzenwinkel  des  Lichtkegels  beherrscht  ist. 
Mit  der  Verwendung  eines  Paraboloid-  oder  Hyperboloidspiegels 
kann  der  grösste  Teil  des  von  einer  Gleichstromlampe  ausgestrahlten 
Lichtes  für  den  beabsichtigten  Zweck  gewonnen  werden;  der  von  einem 


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372 


F.  Nerz. 


solchen  Spiegel  aufgenommene  Lichtstrom  könnte  von  einem  Spitzen- 
winkel bis  zu  180  ^  begrenzt  sein.  Dieser  Spitzen winkel,  gebildet  durch 
die  von  der  Lichtquelle  nach  dem  Bande  des  Spiegels  gezogenen 
Strahlen,  soll  in  Zukunft  Nutzwinkel  genannt  werden. 

Um  zu  ermitteln,  welchen  Gewinn  wir  durch  Vergrösserung  des 
Nutzwinkels  erhalten,  müssen  wir  uns  mit  der  räumlichen  Verteilung 
des  Lichtes  einer  Bogenlampe  noch  genauer  vertraut  machen.  Werden 
die  unter  verschiedenen  Ausstrahlungswinkeln  gemessenen  Lichtstarken 
in  einer  Kurve  aufgetragen,  so  erhalten  wir  die  in  Fig.  1  veranschau- 
lichte, schon  besprochene  Lichtverteilungskurve.  Bei  Beleuchtung  einer 
gleich  grossen  Fläche  in  1000  m  Entfernung  unter  Verwendung  von 

Fig.  4. 


verschiedenen  Sammelspiegeln  und  derselben  Lichtquelle  steht  die 
Helligkeit  im  Verhältnis  des  jeweils  vom  Sammelspiegel  aufgefangenen 
Lichtstromes.  Für  einen  bestimmten  Nutzwinkel  kann  man  den  Licht- 
strom ermitteln,  wenn  man  die  Spiegelfläche  in  sehr  kleine  Flächen- 
zonen zerlegt,  für  diese  einzelnen  Zonen  den  Lichtstrom  als  das  Produkt 
der  mittleren  IntensiiÄt  und  der  durch  die  Zone  ausgeschnittenen  Fläche 
ausrechnet  und  die  erhaltenen  Produkte  sunmiiert. 

Führt  man  diese  Rechnung  durch,  so  findet  man,  dass  mit  der 
zuletzt  geschilderten  Einrichtung  der  früher  erwähnten  gegenüber  die 
Helligkeit  in  1000  m  Entfernung  bis  zum  6fachen  erhöht  werden 
kann.  Wir  würden  also  damit  schon  eine  Helligkeit  von  0,24  Lux 
erreicht,  d.  h.  die  der  Vollmondbeleuchtung  überschritten  haben.    Die 


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Scheinwerfer  und  Fernbeleuchtung.  373 


thatsachlich  vorhandene  Helligkeit  bleibt  aber  weit  hinter  der  gerech- 
neten zurück,  weil  wir  einen  wichtigen  Umstand,  die  Absorption  in 
der  Atmosphäre  nicht  in  Rechnung  gezogen  haben.  Wenn  wir  aber 
auch  die  gleiche  Beleuchtung  wie  bei  Vollmond  feststellen,  so  werden 
wir  doch  1000  m  entfernte  Gegenstände  noch  nicht  gleich  gut  erkennen 
können.  Bei  Vollmond  ist  auch  unsere  nächste  Umgebung  mit  einer 
Helligkeit  von  0,16  Lux  beleuchtet,  bei  der  von  uns  geschaffenen  Ein- 
richtung sind  näherliegende  Gegenstände  weitaus  heller  beleuchtet  und 
der  von  diesen  Gegenständen  ins  Auge  gelangende  Lichtstrom  ist 
wesentlich  stärker  als  der  durch  die  Vollmondbeleuchtung  hervorgerufene. 
Das  von  entfernten  Gegenständen  im  Auge  entstehende  Bild  ist  des- 
halb in  hohem  Grade  verschleiert;  um  es  wahrzunehmen,  muss  die 
Beleuchtung  erheblich  stärker  sein  als  die  vom  Vollmond  erzeugte. 
Jedenfalls  reichen  die  bisher  beschriebenen  Vorrichtungen  nicht  aus. 
Auch  die  in  der  Leuchtturmtechnik  vielfach  gebrauchten  Fresn eischen 
Linsensysteme,  die  fast  eine  Ausnützung  des  ganzen  von  einer  Bogen- 
lampe ausgesandten  Lichtstromes  ermöglichen,  geben  keine  genügende 
Steigerung  der  Beleuchtung. 

In  sehr  vielen  Fällen  können  wir  uns  begnügen,  nur  einen  geringen 
Teil  des  Horizontes  unter  Licht  zu  setzen.  Gelingt  es  uns,  den  ganzen 
Lichtstrom,  den  wir  in  Fig.  4  benützt  haben,  auf  die  Beleuchtung  des 
sagen  wir  xten  Teiles  der  Fläche  des  zuerst  beleuchteten  Vorfeldes  zu 
verwenden,  so  können  wir  unsere  Aufgabe  als  gelöst  betrachten.  Lassen 
wir  z.  B.  in  Fig.  4  den  Kegelspiegel  weg,  so  erhalten  wir  einen  senk- 
recht in  die  Höhe  steigenden  Lichtstrahl.  Dreht  man  nun  Lampe  mit 
Parabolspiegel  um  eine  wagrechte  Achse  so  weit,  bis  der  Lichtkegel 
das  Vorfeld  in  der  gewünschten  Entfernung  trifft,  so  beleuchtet  man 
letzteres  in  einer  dem  Spitzenwinkel  des  Leuchtkegels  entsprechenden 
Ausdehnung.  Nehmen  wir  diesen  =  3^  an,  so  hat  das  Licht  gegen- 
über dem  durch  Fig.  4  gegebenen  Beispiel  im  Verhältnisse  360/3, 
d.  h.  um  das  120fache  an  Stärke  zugenommen.  Mit  dieser  letzten 
Aenderung  sind  wir  auf  eine  Einrichtung  gekommen,  die  uns  den  heute 
allerseits  in  Gebrauch  befindlichen  Scheinwerfer  für  Fembeleuchtung 
darstellt. 

Bevor  wir  uns  mit  diesem  eingehender  beschäftigen,  sei  ein 
kurzer  Rückblick  auf  die  thatsächliche  Entwickelung  des  Scheinwerfer- 
baues, die  von  der  bisher  geschilderten  abweicht,  gegeben. 

Schon  sehr  frühe  war  man  bemüht,  Parabolspiegel  in  Verbindung 
mit  verschiedenen  Lichtquellen  in  den  Leuchttürmen  zu  benützen.  Als 
Spiegelmaterial  diente  Metall,    welches    nach  und  nach  in  den  ver- 


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374  F.  Nerz. 

schiedensten  Zusammensetzungen  als  .Spiegelmetall^  verarbeitet  wurde. 
Es  war  schwierig,  Parabolspiegel  aus  solchem  Metall  genau  herzu- 
stellen und  auf  die  Dauer  in  gutem  Zustande  zu  erhalten;  sie  ergaben 
eine  geringe  Rückstrahlungsfähigkeit  und  verloren  sehr  bald  ihre 
Politur.  Nach  Versuchen  verschiedener  Forscher  gehen  bei  der  Zurück- 
werfung durch  Spiegelmetall  je  nach  der  Beschafifenheit  des  Materials 
zwischen  30  und  45®/o  verloren. 

Im  Glas,  welches  in  hohem  Grade  politurfahig  ist  und,  mit 
Silber  belegt,  die  höchste  Rückstrahlungsfähigkeit  besitzt,  hatte  man 
ein  vorzügliches  Spiegelmaterial;  es  scheiterten  aber  lange  Zeit  alle 
Versuche,  Parabolspiegel  aus  Glas  in  genügender  Genauigkeit  herzu- 
stellen. Man  wählte  deshalb  später  als  Ersatz  die  leichter  zu  schleifenden 
kugelförmigen  Spiegel.  Mit  deren  Einführung  war  man  aber  auf  An- 
wendung kleiner  Nutzwinkel  angewiesen.  Sobald  man  das  Ver- 
hältnis des  Spiegeldurchmessers  zur  Brennweite  über  eine  gewisse 
Grenze  steigern  wollte,  wurde  die  Abweichung  der  zurückgeworfenen 
Strahlen  vom  Parallelismus  zur  Achse  so  gross,  dass  ein  Gewinn  durch 
Vergrösserung  der  Spiegelfläche  nicht  mehr  erzielt  werden  konnte. 

Nachdem  Fresnel  mit  der  Konstruktion  von  optischen  Apparaten 
für  Leuchttürme  ganz  bedeutende  Erfolge  erzielt  hatte,  wurde  sein 
System  auch  für  Scheinwerfer  verwendet.  Eine  konvexe  Glaslinse  bildet 
ein  vorzügliches  optisches  Mittel,  um  Strahlen,  die  aus  deren  Brenn- 
punkt kommen,  so  zu  brechen,  dass  sie  alle  nahezu  parallel  zur  Achse 
der  Linse  austreten,  solange  der  Durchmesser  der  Linse  klein  ist 
gegenüber  ihrer  Brennweite.  Eine  derartige  Linse  nutzt  aber  eine 
gegebene  Lichtquelle  nur  in  geringem  Masse  aus.  Steigt  das  Ver- 
hältnis des  Durchmessers  zur  Brennweite,  wird  also  der  Nutzwinkel 
grösser,  so  wird  wie  beim  sphärischen  Spiegel  die  Abweichung  vom 
Parallelismus,  die  sphärische  Aberration,  bedingt  durch  die 
Kugelgestalt  der  Linse,  erheblich;  es  nimmt  die  Farbenzerlegung  des 
Lichtes  und  wegen  der  Dicke  des  Glaskörpers  die  Absorption  in 
diesem  zu. 

Um  diesen  üebelständen  zu  begegnen,  setzte  Fresnel  seine 
Linsen  aus  konzentrischen  Ringen  (Fig.  5)  zusammen.  Ausserdem  umgab 
er  sie  noch  mit  einem  System  von  total  reflektierenden  Prismenringen, 
welche  das  über  den  linsenförmigen  Körper  hinausfallende  Licht  noch 
mit  zur  Beleuchtung  entfernter  Objekte  heranzogen.  Er  erreichte  da- 
durch, dass  die  sphärische  Aberration  durch  Wahl  entsprechender 
Krümmungsradien  und  die  Absorption  infolge  geringer  Dicke  des  Glases 
vermindert  wurden.    In  den  total  reflektierenden  Prismenringen  war  ein 


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Scheinwerfer  und  Fernbeleuchtung. 


375 


Fig.  5. 


vorzügliches  Reflektionsmittel  gefunden.  Trotzdem  konnten  dieFresnel- 
sehen  Apparate,  die  in  der  Leuchtturmtechnik  heute  noch  unübertroffen 
dastehen,  neueren  Erfindungen  gegenüber  für  Scheinwerfer  das  Feld 
nicht  behaupten.  Es  war  schwierig,  die  einzelnen  Glasringe  derart 
genau  herzustellen,  dass  ihre  Brennpunkte 
alle  zusammenfielen;  ausserdem  behielten 
sie  immer  noch  sphärische  Abweichungen 
und  Farbenzerlegung.  Zudem  erfolgte  die 
Ablenkung  der  Lichtstrahlen  bei  einem 
Herausgehen  der  Lichtquelle  aus  dem 
Brennpunkte  bei  der  Linsen-  und  Prismen- 
anordnung in    entgegengesetztem   Sinne. 

Bückt  z.  B.  in  Fig.  5  die  Lichtquelle  aus 

dem  gemeinschaftlichen  Brennpunkt  f 
heraus  nach  f^,  so  werden  die  auf  die 
Linsenringe  fallenden  Lichtstrahlen  nach 
der  Achse  zu,  die  auf  die  Prismenringe 
treffenden  von  der  Achse  weg  unter  ver- 
schiedenen Winkeln  gebrochen.  Dadurch 
entsteht  eine  Verzerrung  des  Lichtbündels 
und  damit  eine  Vergrösserung  des  beleuchteten  Feldes,  selbstverständ- 
lich unter  Verminderung  der  Helligkeit. 

Ein  ganz  bedeutender  Fortschritt  wurde  auf  dem  Gebiete  der 
Schein  Werferkonstruktion  gemacht,  nachdem  der  französische  Genie- 
oberst M angin  gezeigt  hatte,  dass  man  bei  sphärischen  Hohlspiegeln 
die  Abweichung  von  paralleler  Reflexion  fast  vollständig  aufheben 
könne,  wenn  man  dem  Glaskörper  die  Form  einer  schwachen  Konvex- 
Eonkavlinse  gibt,  statt  ihn  wie  bisher  durch  parallele  Flächen  zu  be- 
grenzen. Durch  die  Linsenform  erleidet  der  auf  den  Spiegel  fallende 
und  von  der  belegten  Konvexseite  reflektierte  Strahl  an  der  Vorderseite 
eine  solche  Brechung,  dass  die  Abweichung  vom  Parallelismus  infolge 
der  Kugelgestalt  der  Hinterfläche  nahezu  aufgehoben  ist.  M angin 
stellte  das  Gesetz  für  das  Verhältnis  der  Krümmungshalbmesser  der 
beiden  Flächen  fest  und  fand,  dass  die  sphärische  Abweichung 
praktisch  als  aufgehoben  betrachtet  werden  könne,  wenn  der  Durch- 
messer des  Spiegels  nicht  grösser  gewählt  wird  als  seine  Brennweite. 
Ein  nach  diesem  Grundsatze  von  Sautter,  Lemonier  &  Co.  im  Jahre 
1876  angefertigter  Spiegel,  von  welchem  Fig.  6  ein  Bild  gibt,  besass 
wie  kein  bis  dahin  verwendetes  optisches  Mittel  in  hohem  Grade  die 
Eigenschaft,  aus  seinem  Brennpunkte  empfangene  Strahlen  parallel  der 


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376  F.  Nerz. 

Achse  zu  reflektieren.  Dagegen  konnte  er  der  verhältnismässig  grossen 
Brennweite  wegen  eine  gegebene  Lichtquelle  nur  in  geringem  Masse 
ausnützen,  sein  Nutzwinkel  betrug  etwa  60  ^.  Nach  verschiedenen  ver- 
geblichen Versuchen,  den  Nutzwinkel  zu  vergrössem,  verkürzte  später 
die  Firma  Sautter,  Harl^  &  Co.  die  Brennweite  des  Spiegels  und 
begnügte  sich  mit  einer  Annäherung  an  das  von  Mangin  aufgestellte 
Gesetz. 

Neben  den  Manginspiegeln  tauchte  bald  ein  neues  System  von  Re- 
flektoren ftlr  Scheinwerfer  auf.  Tschikolew  in  Petersburg  griff  auf 
den  Parabolspiegel  zurück,  setzte  ihn  aber,  da  wirkliche  Parabolspiegel 
aus  Glas  nicht  herzustellen  waren,  aus  sphärisch  geschliffenen  Ringen  zu- 
sammen, deren  Erümmungsmittelpunkt  im  Schnitte  der  Achse  mit  dem 
mittleren  Krümmungsradius  jenes  Parabelstückes  lagen,  das  sie  ersetzen 
sollten.    Siemens  &Halske  suchten  mit  diesem  Spiegel  eine  weitere 

Fig.  6. 


Annäherung  an  den  Parabolspiegel  dadurch  zu  erreichen,  dass  sie  die 
Erümmungsmittelpunkte  der  einzelnen  Ringe  aus  der  Achse  des  Spiegels 
heraus  und  möglichst  nahe  an  den  mittleren  Krümmungsmittelpunkt 
des  entsprechenden  Parabelstückes  verlegten  oder  mit  diesem  zusammen- 
fallen liessen.  Die  Herstellung  dieser  sogenannten  Meniskenringspiegel 
ist  mit  vielen  Schwierigkeiten  verknüpft;  sie  haben,  ähnlich  dem 
Fresnelapparat,  den  Mangel,  dass  die  Brennpunkte  der  einzelnen  Be- 
standteile nicht  leicht  genau  am  gleichen  Orte  zu  vereinigen  sind, 
femer,  dass  an  den  Fugen,  selbst  wenn  die  zusammenstossenden  Flächen 
genau  aneinander  geschliffen  sind,  immer  erhebliche  Teile  der  Spiegel- 
fläche für  den  beabsichtigten  Zweck  verloren  gehen.  Nachdem  es 
Schuckert  in  Nürnberg  im  Jahre  1886  gelungen  war,  Glasparabol- 
spiegel aus  einem  Stück  nach  einem  ihm  und  Professor  Munker 
patentierten  Verfahren  herzustellen,  war  zweifellos  der  beste  Spiegel 
für  Scheinwerfer  gefunden.     Der  Glasparabolspiegel  vereinigt  in  sich 


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Scheinwerfer  und  Fembeleuchtung. 


377 


alle  Vorteile  der  bis  dahin  vorhandenen  optischen  Mittel.  Es  sei  des- 
halb in  der  Folge  nur  mehr  von  Scheinwerfern  mit  Glasparabolspiegeln, 
wie  sie  von  der Elektrizitäts- Aktiengesellschaft  vormals  Schuckert&Co. 
hergestellt  werden,  die  Bede  und  deren  Wirkungsweise  zunächst  näher 
untersucht. 

Befindet  sich  eine  punktförmige  Lichtquelle,  welcher  die  gleich- 
massig  ausstrahlende  Intensität  J  zugedacht  ist,  im  Brennpunkte  eines 
vollkommen  genauen  Parabolspiegels,  so  werden,  Fig.  7,  alle  auf  den 
Spiegel  treffende  Strahlen  parallel  zur  Achse  zurückgeworfen. 


Fig.  7. 


:W^ 


In  der  gezeichneten  Parabel  wird  Punkt  B  dadurch  erhalten,  dass 
man  um  den  Brennpunkt  0  als  Mittelpunkt  einen  Kreisbogen  mit  dem 
Radius  p  =  f  +  x  =  A04-AD  beschreibt,  vom  Scheitel  der  zu  zeichnen- 
den Parabel  x  =  A  G  nach  rechts  aufträgt  und  in  G  eine  Senkrechte 
auf  AO  errichtet,  wobei  diese  Senkrechte  in  ihrem  Schnitte  mit  dem 
Kreise  DE  den  Parabelpunkt  B  ergibt.  Lassen  wir  BED  und  AGB 
um  die  gemeinschaftliche  Achse  A  0  sich  drehen,  so  erhalten  wir  eine 
Kugel-  und  eine  Paraboloidfläche  mit  gleichem  Oeffnungswinkel  BOH. 
Befindet  sich  in  0,  wie  oben  vorausgesetzt,  eine  punktförmige  Licht- 
quelle von  der  Intensität  J,  so  ist  der  auf  die  Kugelfläche  BDH 
fallende  Lichtstrom  proportional  der  Grösse  dieser  Fläche  (2icph)  und 


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378  ^'  Nerz. 

der  Intensität  der  Lichtquelle.  Nehmen  wir  für  h  =  2  x  den  gleichen  Wert 
p  .  1 1  —  cos  |- 1,  so  ist  der  gesamte  Lichtstrom  Q  = ^  ( 1  —  cos  y  l 

oder  für  ll  — cos-^)   den  gleichen  Wert  2  sin* -^  eingesetzt: 

Q  =  4Jicsin«-|-. 

Das  Paraboloid  BAH  nimmt  nun  genau  den  gleichen  Lichtstrom 
auf  und  würde,  immer  eine  Lichtquelle  ohue  räumliche  Ausdehnung 
vorausgesetzt,  das  Licht  als  Tollkommen  cylindrisches  Strahlenbündel 
parallel  der  Achse  ins  unendliche  werfen,  ohne  dass  der  Strahl  von 
seiner  ursprünglichen,  am  Spiegel  selbst  vorhandenen  Intensität  das 
geringste  einbüssen  würde.  In  beliebiger  Entfernung  würde  eine  Kreis- 
fläche von  der  Grösse  des  Spiegels  beleuchtet,  und  von  einem  in  den 
Lichtstrahl  gebrachten  Gegenstand  würde  man  in  beliebiger  Entfernung 
ein  getreues  Schattenbild  erhalten.  Wird  die  Brennweite  kleiner  ge- 
nommen, so  kann  die  gleiche  Lichtmenge  durch  einen  Spiegel  kleineren 
Durchmessers  aufgenommen  werden,  der  Durchmesser  des  cylindrischen 
Lichtstrahles  wird  kleiner  und  die  Lichtintensität  in  demselben  erhöht. 
Das  bisher  Gesagte  gilt  nur  von  einem  vollkommen  genauen  Parabol- 
spiegel ;  kein  anderes  optisches  Mittel  besitzt  die  gleichen  Eigenschaften. 

Aus  sphärischen  Bingen  zusammengesetzte  Spiegel  und  der  Mangin- 
spiegel  ergeben  infolge  ihres  sphärischen  Schliffes,  selbst  wenn  sie 
mathematisch  genau  hergestellt  werden  könnten,  immer  eine  Abweichung 
von  der  parallelen  Reflexion,  erzeugen  also  statt  eines  cylindrischen 
ein  konisches  Strahlenbündel,  welches  mit  der  Entfernung  eine  Ver- 
minderung der  Lichtintensität  proportional  der  Vergrösserung  des  Quer- 
schnittes des  Lichtbündels  zur  Folge  hat.  Mit  dem  Parabolspiegel 
hätten  wir  unter  den  soeben  geschilderten  Verhältnissen  das  erreicht, 
was  man  nach  dem  uns  von  der  Schule  her  bekannten  von  einem 
richtigen  Parabolspiegel  erwarten  muss  —  die  parallele  Reflexion 
von  aus  dem  Brennpunkt  kommenden  Strahlen.  Nach  dieser 
uns  von  früher  geläufigen  Vorstellung  staunt  häufig  genug  auch  der 
Techniker,  wenn  er  in  dem  von  einem  Scheinwerfer  mit  Parabolspiegel 
ausgehenden  Lichtstrahle  durchaus  kein  cylindrisches  Strahlenbündel 
erblicken  kann,  sondern  einen  ausgesprochenen  Strahlen kegel  fest- 
stellen muss. 

Selbst  der  mathematisch  genaue  Parabolspiegel  kann  kein  cylin- 
drisches Strablenbündel  erzeugen,  weil  eine  auf  einen  Punkt  beschränkte 
Lichtquelle  nicht  besteht;    sie  hätte  auch  für  den  Gebrauch   keinen 


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Scheinwerfer  und  Fembeleuchtung.  379 


Wert.  Würde  es  selbst  möglich  sein,  in  1000  m  Entfernung  Gegen- 
stande zu  erkennen,  von  denen  nur  eine  Fläche  von  der  Grösse  des 
verwendeten  Spiegels,  also  beispielsweise  eine  Fläche  von  0,9  m  Durch* 
messer  beleuchtet  ist,  so  würde  man,  wenn  diese  Fläche  in  einer 
Sekunde  genügend  überblickt  werden  kann,  zum  Absuchen  des  ganzen 
Horizontes  schon  1  Stunde  56  Minuten  brauchen. 

Jede  Lichtquelle  stellt  sich  als  ein  Körper  von  bestimmter  Aus- 
dehnung dar.  Befindet  sich  ein  derartig  leuchtender  Körper  mit  der 
Intensität  J,  welcher  zunächst  kugelförmig  vorausgesetzt  sei,  im  Brenn- 
punkte eines  Parabolspiegels,  so  ist  der  auf  letzteren  fallende  Licht- 
strom Q  wie  oben  ermittelt 

=  4Jä  sin*  -T". 
4 

Die  mittlere  Intensität  J^  der  vom  Spiegel  zurückgeworfenen  Strahlen 
eriribt  sich  aus 

wobei  Pm  den  mittleren  Fahrstrahl  (Radius  vector)  des  Paraboloids 
bedeutet. 

Ist  die  Lichtquelle  nicht  eine  Kugel,  sondern  nur  ein  Kugel- 
abschnitt, hat  die  Grundfläche  des  für  unsere  Rechnung  in  Frage 
kommenden  Teiles  der  Kugel  den  Durchmesser  d  =  ac  (Fig.  8),  und 
ist  die  Brennweite  des  Spiegels  f,  so  werden  die  mit  den  Fahrstrahlen 
zusammenfallenden  Lichtstrahlen  parallel  der  Achse,  ein  von  a  aus  auf 
den  Scheitel  des  Spiegels  fallender  Strahl  wird  nach  c  hin  zurück- 
geworfen. Der  Winkel,  welchen  die  Verbindungslinien  von  a  und  c 
mit  dem  Scheitel  einschliessen,  stellt  die  Abweichung  von  der  parallelen 
Reflexion,  bedingt  durch  die  räumliche  Ausdehnung  der  Lichtquelle, 
dar  und  gibt  das  Mass  für  die  theoretische  Streuung  oder  den  Leucht- 
winkel eines  Spiegelsystems  bei  Verwendung  einer  bestimmten  Licht- 
quelle. Wie  der  Scheitel,  so  wird  jeder  andere  Punkt  des  Spiegels 
die  Lichtstrahlen  unter  gleichen  Winkeln  zu  den  Fahrstrahlen  empfangen 
und  zurückwerfen.  Diese  Winkel  nehmen  gegen  den  Rand  hin  an 
Grösse  ab.  Jeder  Spiegelpunkt  erzeugt  einen  Lichtkegel,  dessen  Achse 
parallel  der  Spiegelachse  liegt.  Weil  sämtliche  Achsen  der  Lichtkegel 
innerhalb  eines  Cylinders  liegen,  dessen  Durchmesser  gleich  dem  Durch- 
messer des  Spiegels  ist,  die  Grundflächen  der  Kegel  aber  in  bestimmter 
Entfernung  verschiedene  Durchmesser  erhalten,  so  muss  die  durch  einen 
Scheinwerfer  hervorgebrachte  Beleuchtung  am  intensivsten  in  der  Mitte 
ausfallen  und  von  hier  nach  dem  Rande  zu  abnehmen.    Da  die  einzelnen 


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380 


F.  Nerz. 


Lichtstrahlen  nur  in  grösserer  Entfernung  vom  Spiegel  als  von  einem 
Punkte  ausgehend  betrachtet  werden  können,  in  der  Nähe  des  Spiegels 
aber  sich  in  unendlicher  Zahl  kreuzen,  so  werden  hier  in  das  Licht- 
bündel gebrachte  Gegenstände  schon  in  kurzer  Entfernung  keine  Schatten 
mehr  erzeugen,  dagegen  werden  die  Schatten  um  so  schärfer,  je  weiter 

Fig.  8. 


die  vom  Lichte  getroffenen  Gegenstände  vom  Scheinwerfer  selbst  ab- 
liegen. Der  grösste  Divergenzwinkel,  unter  welchem  die  Lichtstrahlen 
vom  Spiegel  aus  zurückgeworfen  werden,  soll  im  folgenden  Leucht- 
winkel genannt  werden;  er  ergibt  sich  nach  dem  Gesagten  aus 

_d_ 
2f  • 


^T- 


In  der  Entfernung  e  vom  Scheinwerfer,  welche  als  gross  voraus- 
gesetzt sei,  wird  eine  Fläche  beleuchtet,  deren  Durchmesser  F  sich  er- 
gibt aus 

F--p. 

Diese  Fläche  wird  nun,  vollkommene  Reflexion  beim  Spiegel  voraus- 
gesetzt, beleuchtet  durch  den  ursprünglichen  Lichtstrom 

4  Ja  sin*  -^. 
4 

Bei  vollkommen   parallelem  Strahlenbündel  würde  dieser  Licht- 


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Scheinwerfer  und  Fembeleuchtung.  381 

sixom  in  der  gleichen  Entfernung  sich  auf  eine  Fläche  — j —  verteilen 

(D  =  Durchmesser  des  Parabolspiegels  gesetzt). 

Durch  Verteilung  auf  die  grössere  Fläche  muss  die  Intensität  Ja 

der  Beleuchtung  im  Verhältnis  -=^  abnehmen.     Würde  die  Fläche  F 

ohne  Zuhilfenahme  eines  Spiegels  durch  die  Lichtquelle,  welche  wie 
bisher  frei  nach  allen  Seiten  gleichmässig  ausstrahlend  gedacht  ist, 
beleuchtet,  so  fiele  auf  diese  Fläche  der  Xichtstrom 

Qi  =  4  Jir  sin*  -r-. 

Das  Verhältnis     Lichtstrom  mit  Spiegel 
Lichtstrom  ohne  Spiegel 

4  Jt:  sin*  f-        sin*  -?- 
4  4 


4  Jtc  sin*  -7-        sin*  -7- 
4  4 

gibt  uns  das  Mass  fUr  die  verstärkende  Wirkung,  das  Verstärkungs- 
vermögen des  Spiegels  an.  In  Wirklichkeit  gestaltet  sich  das  Ver- 
hältnis etwas  anders  dadurch,  dass  der  auf  den  Scheitel  des  Spiegels 
fallende  Lichtstrom  zwar  über  den  Leuchtwinkel  a  zerstreut  wird,  für 
alle  übrigen  Flächenteile  aber  der  Stellung  der  leuchtenden  Oberfläche 
der  Lichtquelle  und  der  Entfernung  derselben  entsprechend  andere 
Streuungswinkel  in  Betracht  kommen. 

In  der  Praxis  können  wir  mit  genügender  Annäherung  zur  Ver- 
einfachung der  Rechnungen  statt  sin* -— und  sin*  -j-  die  Werte  D* 

D* 

und  d*  (d  =  Durchmesser  der  Lichtquelle)   setzen,   woraus   sich -jg- 

als  Verstärkungsvermögen  des  Spiegels  ergibt. 

Lichtquellen,  wie  wir  sie  bisher  vorausgesetzt  haben,  bestehen 
nicht.  Nach  dem  heutigen  Stande  der  Beleuchtungstechnik  kommt  für 
Scheinwerfer  nur  das  elektrische  Bogenlicht  in  Frage,  weil  es  mit  hoher 
Intensität  die  grösste  Annäherung  an  eine  punktförmige  Lichtquelle 
vereinigt.  Die  bisher  vorausgesetzte  Kugelgestalt  ist  dem  Bogenlicht 
nicht  eigen.  Als  hauptsächlichste  Quelle  des  Lichtes  gilt  hier  der 
glühende  Krater  der  positiven  Kohle,  und  dieser  ist  deshalb  in  den 
Brennpunkt  des  Spiegels  zu  bringen;  die  negative  Kohle  sendet  ver- 
hältnismässig wenig  Licht  aus  und  am  allerwenigsten  der  Lichtbogen 
selbst.      Einer    gleichmässigen    Lichtausstrahlung   steht    die    negative 


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382  F.  Nerz. 

Kohle  selbst  hindernd  im  Wege.  Dem  durch  Schattenwirkung  der- 
selben entstehenden  Verluste  suchte  man  auf  verschiedene  Weise  zu 
begegnen. 

Am  meisten  bekannt  wurden  jene  Lampen,  bei  denen  man  die 
Kohlen  gegen  die  Senkrechte  um  20 — 30^  verdrehte  und  die  negative, 
in  der  Regel  untere,  Kohle  dem  zu  beleuchtenden  Gegenstande  näher- 
rückte. Hiedurch  erreichte  man  eine  einseitig  vermehrte  Ausstrahlung; 
doch  zeigte  sich  diese  Anordnung  nur  bei  Scheinwerfern  mit  kleinen 
Nutzwinkeln  brauchbar. 

Erreicht  der  Nutzwinkel  einen  bestimmten  Wert,  so  zeigt  sich 
die  Lampe  mit  symmetrisch  angeordneten  Kohlen  überlegen.  Diese 
wird  naturgemäss  zur  Horizontallampe,  wenn  das  Licht  in  wagerechter 
Richtung  auf  entfernte  Gegenstände  zu  werfen  ist,  die  Achse  des  ver- 
wendeten Spiegels  also  wagerecht  liegt.  Die  Ueberlegenlieit  bei  sym- 
metiischer  Anordnung  der  Kohlen  darf  wohl  mit  Sicherheit  darauf 
zurückgeführt  werden,  dass  ein  Teil  des  von  der  negativen  Kohle  aus- 
gehenden Lichtes  vom  weissglühenden  Krater  der  positiven  Kohle 
reflektiert  wird  und  damit  den  von  letzterem  ausgehenden  Lichtstrom 
verstärkt. 

Schuckert  hat  die  Vorzüge  der  Horizontallampe  sofort  erkannt 
und  sie  von  Anfang  an  für  seine  Scheinwerfer  mit  Glasparabolspi^el 
verwendet.  Sautter,  Lemonier  &  Co.,  später  Sautter,  HarlS  &  Co. 
in  Paris,  die  Verfertiger  von  Manginspiegeln ,  hielten  nur  die  vorhin 
gestreifte  Schräglampe  für  ihre  Scheinwerfer  geeignet  und  verteidigten 
diese  auch  noch,  nachdem  im  Jahre  1890  M.  Burstyn  in  Pola  durch 
Versuche  selbst  für  den  Manginspiegel  mit  einem  Nutzwinkel  von  83  ^ 
die  Ueberlegenheit  der  Horizontallampe  nachgewiesen  hatte.  Erst  im 
Jahre  1894,  nachdem  der  Nutzwinkel  des  Manginspiegels  abermals  ver- 
grössert  worden  war,  gingen  auch  Sautter,  Harl^  &  Co.  zur  Ver- 
wendung der  Horizontallampe  über,  die  also  heute  allein  für  Schein- 
werferzwecke gebraucht  wird. 

Die  bisher  für  gleichmässig  ausstrahlende  Lichtquellen  ent- 
wickelten Formeln  lassen  sich  für  Scheinwerfer  mit  Horizontallampen 
nur  mit  grossen  Einschränkungen  verwenden.  Die  in  Fig.  1  dar- 
gestellte Kurve  gibt  uns  Aufschluss  über  die  räumliche  Verteilung 
der  Litensität  des  von  einer  Horizontallampe  ausgehenden  Licht- 
stromes. Fassen  wir  nur  den  auf  den  Parabolspiegel  fallenden  Teil 
des  Lichtstromes  ins  Auge,  und  suchen  von  diesem  auf  bekannte 
Weise  die  mittlere  Intensität  J„,  multiplizieren  diese  mit  der  Spiegel- 
fläche,  so  gibt  uns  das  erhaltene  Produkt,   wenn  wir  vorläufig  von 


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i 


Scheinwerfer  und  Fembeleuchtung.  383 

allen   Verlusten   absehen,    das   Mass   für   den   vom    Spiegel   zurück- 
geworfenen Lichtstrom 

Q2  =  4J„7csin*  -|^. 

Würde  nun  das  Licht,  vom  Spiegel  gleichmässig  verteilt,  in 
einem  durch  den  Spitzenwinkel  a  gegebenen  Strahlenkegel  zurück- 
geworfen, so  würde  in  gegebener  Entfernung  eine  Fläche  vom  Durch- 
messer F  und  der  Grösse  4e*w  sin*  -r  mit  der  Intensität 

4 

4J„wsin*-|-         J„8in2-|- 


4ice*8in*~7-  e*  sin* -7- 

4  4 

beleuchtet   werden.      Statt  sin*  -7-  und    e*  sin*  -j-  können   wir   ein- 

4  4 

J  D* 
facher  die  Werte  D*  und  F*  setzen  und  erhalten  J«  =     "  ^    .    Soweit 

wir  gleichmässige  Beleuchtung  voraussetzen  könnten,  würden  also  die 
früheren  Formeln  brauchbar  sein. 

Die  Beleuchtung  durch  den  vom  Spiegel  zurückgeworfenen  Licht- 
strahl erfolgt  nun  aber,  wie  wir  schon  oben  gesehen  haben,  nicht 
gleichmässig.  Die  Helligkeit  steigert  sich  bedeutend  gegen  die  Mitte 
des  Strahles  hin  und  nimmt  von  hier  zum  Rande  rasch  ab. 

Wenn  man  bedenkt,  dass  der  Lichtstrahl  dadurch,  dass  er  näher 
liegende  Gegensi^nde  sowohl  als  auch  die  in  der  Atmosphäre  schweben- 
den Dämpfe  und  Staubteilchen  beleuchtet,  einen  erheblichen  Lichtstrom 
ins  Auge  des  Beobachters  sendet,  so  ist  es  wohl  klar,  dass  der  zu  be- 
leuchtende Gegenstand  in  dem  Masse  verschleiert  wird,  als  man  einen 
grösseren  oder  geringeren  Teil  des  Strahles  zu  durchblicken  hat.  Man 
sucht  deshalb,  wo  es  zulässig  ist,  Gegenstände  mit  demjenigen  Rand 
des  Lichtstrahles  zu  beleuchten,  der  dem  Beobachter  zugekehrt  ist.  In 
der  Regel  aber  kommen  mehrere  Beobachter,  die  sich  nicht  immer  auf 
einer  Seite  des  Strahles  befinden,  in  Betracht  und  dann  muss  der  Gegen- 
stand möglichst  mit  der  Mitte  des  Scheinwerferstrahles  getroffen  werden. 
Um  nun  aber  dann  ebenso  gut  zu  sehen  als  mit  dem  Rande,  muss  die 
Helligkeit  in  der  Mitte  des  Strahles  eine  grössere  sein.  Man  sieht 
abo,  dass  die  räumliche  Verteilung  der  Helligkeit  im  Lichtstrahl  den 
Bedürfnissen  wohl  entsprechen  kann,  so  lange  der  Unterschied  in  der 
Helligkeit  nicht  gar  zu  gross  ist. 

Sammlimg  elektrotechnischer  Vorträge.    I.  27 


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384  F.  Nerz. 

Aufgabe  des  Erbauers  von  Scheinwerfern  bleibt  es,  hier  die 
richtigen  Grenzen  zu  ziehen.  Es  würde  zu  weit  führen,  alle  Möglich- 
keiten, die  ihm  hiefür  zu  Gebote  stehen,  zu  erörtern.  Erwähnt  sei 
nur,  dass  der  mathematisch  vollkommenste  Parabolspiegel  die  grössten 
Helligkeitsunterschiede  hervorrufen  wird.  Der  Verfertiger  von  Parabol- 
spiegeln hat  es  in  der  Hand,  bestimmte  Formveränderungen  zuzulassen, 
welche  die  unterschiede  bis  zu  einem  gewissen  Grade  ausgleichen. 
Eine  Steigerung  der  Achsenhelligkeit  bis  zu  33  ^/o  über  die  mittlere 
Helligkeit  des  Strahles  hat  sich  als  vorteilhaft  und  in  der  Praxis  wohl 
erreichbar  herausgestellt. 

«  Mitbestimmend  für  dieses  Verhältnis  und  bestimmend  für  das 
Mass  der  Helligkeit  im  Scheinwerferstrahl  überhaupt  ist  das  Ver- 
stärkungsvermögen, d.  h.  die  richtige  Wahl  von  Nutzwinkel  und  Leucht- 
winkel. Für  den  Nutzwinkel  sind  140  ®  und  für  den  Leuchtwinkel  3  ® 
als  obere  Grenze  zu  betrachten.  An  diesen  Eonstruktionsbedingungen 
sollte  nach  Möglichkeit  festgehalten  werden. 

Es  werden  nun  freilich  häufig  Bedingungen  gestellt,  die  ein  Ab- 
weichen von  dem  durch  die  Theorie  vorgezeichneten  Wege  nötig  machen, 
in  manchen  Fällen  ohne  zwingenden  Grund,  oft  nur,  um  an  einem  be- 
stehenden Gebrauche  festzuhalten.  So  wird  nicht  selten  verlangt,  dass 
die  Stromstärke  erhöht  wird  mit  der  bestimmten  Absicht,  damit  die 
Leuchtkraft  des  Scheinwerfers  zu  erhöhen.  Betrachten  wir  die  früher 
für  die  Intensität  der  Beleuchtung  entfernter  GegenstiLnde  entwickelte 
Formel 

J„  sin  2  ^ 


e*  sm*  -r- 
4 

und  bedenken,  dass  sowohl  die  mittlere  Intensität  J^  als  auch  der  Aas- 
druck sin^  -j-  der  Flächengrösse  des  Kraters  proportional  sind,   dass 

die  Kraterfläche  aber  im  Verhältnis  der  verbrauchten  elektrischen 
Energie  zunimmt,  ohne  dass  sich  bei  den  hier  in  Betracht  kommenden 
Stromstärken  die  spezifische  Helligkeit  nennenswert  steigert,  so  ergibt 

sich,   dass  das  Verhältnis —  bei  wachsender   Stromstärke  an- 

.  «  a 

sm*  -r 
4 

nähernd  gleichbleibt,   dass  also  mit  der  Wahl  grösserer  Stromstärke 

ein  wesentlicher  Gewinn  an  Leuchtkraft  nicht  erzielt  wird.    Trägt  man 

die   in   der   Zone   grösster   Helligkeit    gemessene   Intensii&t  in  Pyr, 


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Scheinwerfer  und  Fembeleuchtong. 


385 


dividiert  durch  den  Stromverbrauch  in  Watt,  in  einer  Kurve  (Fig.  9) 
auf,  so  sieht  man,  dass  bei  Lampen  geringen  Energieverbrauchs  eine 
erhebliche  Steigerung  der  spezifischen  Helligkeit  des  Kraters  bei  zu- 
nehmender Stromstarke  vorhanden  ist;  die  Kraterfläche  nimmt  nicht 
im  gleichen  Masse  zu,  wie  der  erzeugte  Lichtstrom. 

Bei  höheren  Stromstarken  wird  die  Steigerung  nur  sehr  gering. 
Zieht  man  dabei  in  Betracht,  dass  mit  zunehmender  Stromstärke  die 
Unregelmässigkeit  in  der  Bildung  der  Kraterform  zunimmt,  dass  das 
Kohlenmaterial  schlechter  wird,  so  kann  man  sagen,  dass  praktisch 
eine  Erhöhung  der  Helligkeit  nicht  eintritt. 


«m  e\^i  \iio^JC^<yX\ 

Fig 

.  9. 

\X    -I--     -■    -'- 

••  j 

, 

.  ^- 

45. 

■  - 

AA 

^^^ 

W        -                   — ^ 

^ 

0-        ^   - 

y  -        ^   - 

Ä         f2-t    - 

-j 

7      -t- 

'  it 

6     7- 

t 

5X 

i- 

uJt    --      - 

Hi_     __        . 

\ 

« 

- 

^                         --                - 

-     - 

1000       tOOO      iOOO      4000  .    5000       6000     JOOO       8000      9000    lOCOO 


Wo.\)C 


Haben  wir  bisher  auf  Grund  von  theoretischen  Betrachtungen 
die  Ghrundzüge  fOr  den  Bau  des  Scheinwerfers  festgestellt,  so  können 
wir  nun  untersuchen,  was  wir  mit  Scheinwerfern,  die  nach  diesen  Grund- 
zügen gebaut  werden,  zu  leisten  im  Stande  sind.  Vor  allem  wird  uns 
die  Frage  gestellt  werden:  Wie  weit  leuchtet  der  Scheinwerfer?  Wie 
weit  sieht  man  mit  dem  Scheinwerfer?  Diese  Fragen  sind  nicht  ein- 
fach und  nicht  kurz  zu  beantworten. 

Ein  Scheinwerfer  kann  auf  mehr  als  100  km  so  leuchten,  dass 
die  Wirkung  seines  Lichtstrahles  deutlich  wahrgenommen  wird,  erfüllt 
aber  die  Aufgabe,  entfernte  Gegenstände  so  zu  beleuchten,  dass  sie 
von  einem  in  der  Nähe  des  Scheinwerfers  aufgestellten  Beobachter  ge- 


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386  F.  Nerz. 

sehen  werden,  nur,  wenn  die  Entfernungen  einige  Kilometer  nicht  über- 
schreiten, um  für  letzteren  Fall  Anhaltspunkte  zu  gewinnen,  müssen 
wir  die  umstände,  unter  denen  das  Sehen  beleuchteter  Gegenstande 
erfolgt,  näher  betrachten. 

Das  Sichtbarwerden  solcher  Gegenstände  hängt  in  erster  Linie  ab : 

1.  Von  dem  aufgefangenen  Lichtstrom  (Lichtmenge). 

2.  Von  der  Beschaffenheit  der  beleuchteten  Fläche,  besonders  von 
der  Farbe  und  der  Fähigkeit,  empfangene  Lichtstrahlen  nach  dem  Orte 
d«8  Beobachters  zurückzuwerfen,  kurz  gesagt,  der  Rückstrahlungs- 
fahigkeit. 

S.  Von  der  Durchlässigkeit  der  Atmosphäre. 

4.  Von  der  Beschaffenheit  der  mitbeleuchteten  Umgebung  des  zu 
beobachtenden  Gegenstandes. 

Weiter  wird  die  Wirkung  noch  durch  Aufstellung  und  Hand- 
habung des  Scheinwerfers  beeinflusst. 

Im  folgenden  sollen  diese  allgemeinen  Gesichtspunkte  näher  be- 
trachtet werden. 

Setzen  wir  die  Leuchtkraft  E  eines  Scheinwerfers  gleich  dem 
Verhältnis  des  von  ihm  ausgehenden  Lichtstromes  zu  der  durch  den 
Leuchtwinkel  bedingten  räumlichen  Ausbreitung 

4J„  sin*-^" 
K  =  —  * 


.   j  a 

sm*  -r- 
4 

so  wird,  weil  das  Verhältnis  von  Nutz-  und  Leuchtwinkel  als  konstant 

angenommen  werden  kann,  der  Ausdruck eine  Eonstaute  C, 

sin*  -r 
4 

ausserdem  können  wir  für  sin*  ^-  den  früher  gewählten  Ausdruck  D* 

setzen.  Nennen  wir  femer  die  mittlere  Intensität  der  auf  den  Spiegel 
fallenden  Strahlen  i,  so  können  wir  für  weitere  Betrachtungen 
K  =  iCD*  annehmen. 

Die  Leuchtkraft  eines  Scheinwerfers  steht  also  im  geraden  Ver- 
hältnis zur  Flächengrösse  des  Spiegels  oder  einfacher  im  geraden  Ver- 
hältnis zum  Quadrat  des  Spiegeldurchmessers  und  zur  Flächenhelligkeit 
der  Lichtquelle,  letztere  gedacht  als  das  Verhältnis  des  von  der  Licht- 
quelle ausgehenden  Lichtstromes  zur  Flächengrösse  der  Lichtquelle,  also 
hauptsächlich  der  Kraterfläche  der  positiven  Eohle.  Solange  es  sich 
nur  um  die  Helligkeit  entfernter,  beleuchteter  Gegenstände   handelt 


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Scheinwerfer  und  Fembeleuchtung.  387 


und  nicht  um  die  Grösse  der  Fläche,  die  von  dem  Scheinwerferstrahl 
in  der  gegebenen  Entfernung  getroffen  wird,  kann  beim  Vergleich  yer- 
schieden  grosser  und  nach  gleichem  Prinzip  gebauter  Scheinwerfer  die 
Grösse  der  Eraterfl'äche  unberücksichtigt  bleiben ;  sie  tritt  erst  in  Rech- 
nung, wenn  die  Beleuchtung  grösserer  Flächen  in  Betracht  kommt, 
ganz  besonders,  wenn  Streuer  verwendet  werden  sollen.  Dagegen  mus», 
wenn  es  sich  um  verschieden  grosse  Spiegel  und  damit  auch  um  sehr 
verschiedene  Stromstärken  handelt,  die  Flächenhelligkeit  des  Kraters 
in  Rechnung  gezogen  werden. 

Bedeuten  in  Fig.  10  F  einen  mit  dem  Scheinwerfer  S  beleuchteten 
Gegenstand  und  0  den  Standpunkt  des  Beobachters,  so  möge  die  Ent- 
fernung zwischen  S  und  F  Leuchtweite  genannt  und  mit  a  bezeichnet 
werden,  F  —  0  =  b  soll  die  Sichtweite  heissen. 

Fig.  10. 

___  _     .^^ s 

■■P^•P8S^^^"^*-■T^■~>1^~  -  '  ^ """ - S^ 

^^5^?^  "^   --^:  -^-  :  W 

■■■'■■■■■i, 

Da  es  sich  bei  Scheinwerferversuchen  um  Entfernungen  handelt, 
denen  gegenüber  die  Grösse  des  Spiegeldurchmessers  verschwindet,  so 
kann  der  Scheinwerferstrahl  als  von  einem  Punkt  ausgehend  betrachtet 
werden. 

In  einer  bestimmten  Entfernung  e  (Fig.  11)  wird  eine  Fläche  voii 
der  Grösse  F  =  xy  mit  der  Helligkeit  h  beleuchtet.  Nennen  wir  die 
Summe  aller  auf  F  fallenden  Strahlen  des  Lichtstroms  Q,  so  ist  h  = 

-^  oder  Q  =  hF.   In  der  Entfernung  e^  wird  der  gleiche  Lichtstrom  Q 

eine  Fläche  von  der  Grösse  F^  =  x^  y^  mit  der  Helligkeit  hj  beleuchten 
und  es  ist  Q  =  hiFi.     Daraus  folgt: 

hiFi  =  h  .  F  oder  h^  :  h  =  F  :  F^  =  xy  :  x^y^*). 

Aus  Xj :  x  =  Cj :  e  und  yi  :  y  =  ©i  :  ©  ergibt  sich : 


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388 


F.  Nerz. 


Dies  in  die  Gleichung*)  eingesetzt,  erhält  man: 

e  * 
hi:h  =  xy:xy  .-^ 

oder 

hl :  h  =  e*  :  ej* 

als  Grundgesetz   f&r   die  Femwirkung   von  Lichtquellen,    in  Worten 
ausgedrückt: 

Die  Beleuchtung  entfernter  Gegenstände  steht  im  umge- 
kehrten Verhältnis  der  Quadrate  der  Abstände  von  der  Licht- 
quelle, oder  die  Beleuchtung  entfernter  Gegenstände  nimmt  ab 
im  Verhältnis  der  Quadrate  der  Entfernung. 
Haben  wir  für  eine  Scheinwerfergrösse  sowohl  Leuchtweite  als 
Sichtweite  ermittelt,   so  finden  wir  deren  Wert  fQr  andere   Spiegel- 


Fig.  11. 


grossen  unter  Berücksichtigung  des  vorher  Gesagten  durch  Rechnung. 
Der  grösseren  Verbreitung  Ton  Spiegeln  von  900  mm  Durchmesser 
entsprechend  nehmen  wir  diese  Spiegelgrösse  als  Massstab  und  leiten 
von  diesem  alle  übrigen  Werte  ab.  um  mit  demselben  bei  einer 
Leuchtweite  a  eine  Sichtweite  b  zu  erlangen,  ist  für  einen  gegebenen 
Gegenstand  eine  bestimmte  Helligkeit  erforderlich.  Die  Helligkeit  steht 
im  geraden  Verhältnis  zur  Leuchtkraft  (E  =  iGD'),  im  umgekehrten 
zum  Quadrat  der  Entfernung  a  des  Scheinwerfers. 

^        iCD« 

n  = 5 — . 

a* 

um  mit  einem  anderen  Scheinwerfer  S^  den  Gegenstand  in  der- 
selben Sichtweite  b  gleich  gut  zu  sehen,  muss  -^ — j^—  = 5 —  sein. 


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*  Scheinwerfer  und  Fembeleuchtung.  389 

Daraus  ergibt  sich: 

a  -x/WZT-a    ^\/5r 
*^""V      iD*      "*•    D    V   i 

d.  h.  die  mit  verschiedenen  Scheinwerfergrössen  ftlr  eine  gegebene  Sicht- 
weite erreichbaren  Leuchtweiten  stehen  im  Verhältnis  der  Spiegeldurch- 
messer und  der  Quadratwurzel  aus  dem  Helligkeitsverhaltniss  der  Licht- 
quellen. Wird  die  Sichtweite  der  Leuchtweite  gleich  und  nennen  wir 
diese  Entfernung  den  Wirkungskreis  e,  so  wird  die  Helligkeit  des  vom 
Gegenstand  auf  der  Netzhaut  des  Beobachters  erzeugten  Bildes  im  ge- 
raden Verhältnis  zur  Helligkeit  des  Gegenstandes  selbst  und  im  um- 
gekehrten Verhältnis  des  Quadrates  der  Entfernung  stehen, 

Setzen  wir  ftlr  h.  den  frfiher  gefundenen  Wert  ein,  so  erhalten  wir 

iCD» 

Wollen  wir  von  dem  gleichen  Gegenstand  bei  Beleuchtung  des- 
selben mit  einem  anderen  Scheinwerfer  S  ein  gleich  helles  Bild  er- 
halten, so  muss  hl  —  -^ — -^  sein,  woraus  sich  ergibt 


'i~V      iD«      -^V  D    •  V    i 


d.  h.  wenn  Sichtweite  und  Leuchtweite  gleich  sind,  stehen  die  mit  ver- 
schiedenen Scheinwerfergrössen  zu  erreichenden  Wirkungskreise  im  Ver- 
hältnis der  Quadratwurzeln  aus  den  Spiegeldurchmessem  und  der  vierten 
Wurzeln  aus  dem  Helligkeitsverhältnis  der  Lichtquellen. 

Haben  wir  nun  für  Scheinwerfer  von  900  mm  Spiegeldurchmesser 
die  Entfernungen,  in  welchen  bestimmte  Gegenstände  wahrgenommen 
bezw.  erkannt  werden  können,  festgestellt,  so  können  wir  die  mit 
anderen  Scheinwerfern  zu  erzielenden  Wirkungskreise  und  Leuchtweiten 
ohne  weiteres  berechnen.  Zur  Erleichterung  dieser  Aufgabe  sind  in 
der  beigefügten  Scheinwerfertabelle  die  feststehenden  Werte  aufgeführt. 
In  den  Reihen  12,  13,  18  und  19  sind  Leuchtweiten  und  Wirkungs- 
kreise für  verschiedene  Gegenstande  angegeben,  wie  sie  aus  der  Praxis 
sich  ergeben  haben. 

Die  bisher  angeführten  Formeln  gelten  für  konzentriertes  Licht. 
Soll  mit  Hilfe  von  Streuern  das  Licht  im  wagerechten  Sinne  ausge- 
breitet werden,  so  nimmt  die  Helligkeit  des  beleuchteten  Gegenstandes 


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Scheinwerfer  und  Fembeleuchtung.  391 

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im  Verhältnis  des  Leuchtwinkels  a  =  m<*  des  konzentrierten  Strahls 
zum  Ausbreitungs Winkel  ß  =  n^  ab;  ausserdem  kommt  dann  nicht  die 
Achsenhelligkeit  des  Scheinwerferstrahls,  sondern  die  mittlere  horizon- 
tale Helligkeit  in  Rechnung.  Diese  betragt  ungefähr  65  ^/o  der  Achsen- 
helligkeit. 

Der  Wirkungskreis  es  bei  Streuung  ergibt  sich  aus  dem  Wirkungs- 
kreis e  des  konzentrierten  Strahls  aus 


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In  der  Schein werfertabelle  sind  in  den  Reihen  14,  15,  16  und  17 
auch  hiefür  einige  Werte  der  Wirkungskreise  angegeben. 

Da  die  in  der  Tabelle  gegebenen  Zahlen  sich  für  dieselben  Gegen- 
stande verstehen,  die  mit  einem  Scheinwerfer  von  900  mm  Durchmesser 
unter  denselben  umständen  gesehen  werden,  so  sind  sie  ohne  weiteres 
brauchbar,  wo  es  sich  um  gleiche  Verhältnisse  handelt. 

Bei  Bemessung  des  Wirkungskreises  ist  femer  angenommen,  dass 
der  Scheinwerfer  gut  gehandhabt  wird,  dass  der  Gegenstand  also  mit 
der  Zone  grösster  HeUigkeit  getroffen  wird.  Nur  unter  dieser  Annahme 
ist  es  zulässig,  dass  in  der  Tabelle  auch  Scheinwerfer  mit  ausser- 
gewöhnlichem  Leuchtwinkel  nach  den  gleichen  Formeln  behandelt 
werden. 

Für  weitergehende  Rechnungen  müssen  in  erster  Linie  noch  die 
Flächengrössen  der  zu  beobachtenden  Gegenstände,  die  Rückstrahlungs- 
fähigkeit und  die  Absorption  der  Lichtstrahlen  in  der  Atmosphäre  in 
Rechnung  gesetzt  werden.  Der  von  einem  beleuchteten  Gegenstand 
ausgehende  Lichtstrom  steht  im  geraden  Verhältnis  zur  Flächengrösse 
und  zur  Rückstrahlungsfähigkeit  bezw.  zum  Farbenkoeffizienten  des- 
selben, letzteren  gedacht  als  das  Verhältnis  des  vom  Gegenstand  aus- 
gehenden Lichtstromes  zu  demjenigen,  der  erzeugt  würde,  wenn  eine 
vollkommen  weisse  Oberfläche  vorhanden  wäre. 

In  letzterer  Hinsicht  hat  man  beim  Scheinwerfer  mit  den  un- 
günstigsten Verhältnissen  zu  rechnen.  Torpedoboote  z.  B.  werden  immer 
mit  solchen  Farben  gestrichen  werden,  die  am  wenigsten  Licht  zurück- 
werfen. Als  solche  sind  schwarzgrau,  braun  und  schwarz  zu  nennen. 
Am  liebsten  würde  man  die  dem  Scheinwerferlichte  zu  entziehenden 
Gegenstände  mattschwarz  streichen;  solche  würden  sich  aber  bei  Mond- 
schein oder  in  nicht  ganz  dunklen  Nächten  scharf  von  dem  grauschwarz 
erscheinenden  Horizont  abheben,  weshalb  man  fast  überall  der  grau- 
schwarzen Farbe  den  Vorzug  gegeben  hat. 


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392  F.  Nerz. 

um  die  Absorption  in  der  Atmosphäre  in  Rechnung  zu  ziehen, 
müsste  die  für  einen  bestimmten  Ort  in  der  Entfernung  e  sich  er- 
gebende HeUigkeit  im  Verhältnis  (1  —  p)*  vermindert  werden,  wenn  p 
den  Betrag  der  Absorption  bezeichnet,  welcher  beim  Durchgang  durch 
1  km  in  der  Atmosphäre  yerursacht  wird. 

Bei  Scheinwerfenrersuchen  ist  die  Grösse  der  Absorption  in  der 
Regel  nicht  bekannt.  Der  Vergleich  zweier  Scheinwerfer  ist  nur  dann 
möglich,  wenn  sie  gleichzeitig  untersucht  werden.  Wird  ein  Versuch 
gleich  bei  einfallender  Nacht,  der  zweite  um  Mittemacht  angestellt, 
so  können,  ja  werden  in  den  meisten  Fällen  die  Resultate  mit  ganz 
gleichwertigen  Apparaten  oder  mit  ein  und  demselben  Scheinwerfer  ganz 
verschiedene  werden.  Bedenkt  man,  dass  die  Absorption  in  der  Atmo- 
sphäre zwischen  2  und  50  ^/o,  ja  noch  weit  darüber  betragen  kann,  so  wird 
man  sich  über  die  Wichtigkeit  dieses  Faktors  ein  Bild  machen  können. 

Dass  die  Sichtweite  ein  höchst  ungenaues  Mittel  zur  Beurteilung 
der  Leistung  von  Scheinwerfern  ist,  geht  aus  den  früheren  Betrach-. 
tungen  hervor. 

Wir  haben  beim  Vergleich  zweier  Scheinwerfer  die  Wirkungs- 
kreise e  und  e^  gefunden  aus 


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Nehmen  wir  einen  Scheinwerfer  einem  zweiten  um  36®/o  über- 
legen, die  Beleuchtungswerte  der  beiden  Scheinwerfer  also  im  Ver- 
hältnis 1,36  :  1  stehend  an  und  suchen  wir  für  den  ersten  Scheinwerfer 
den  Wirkungskreis,  wenn  derselbe  für  einen  bestimmten  G^^nstand 
bei  dem  zweiten  1250  m  war,  so  finden  wir  nur  eine  Erhöhung  der- 
selben um  ^100  m.  Um  den  Wirkungskreis  von  3000  auf  3300  m,  also 
um  10  ^/o  zu  erhöhen,  muss  die  Leistung  des  Scheinwerfers  schon  um 
rund  50®/o  höher  sein. 

Es  ist  sehr  schwierig,  Unterschiede  von  Entfernungen,  die  10  ^,o 
nicht  übersteigen,  in  der  Nacht,  wo  jeder  vergleichende  Massstab  fehlt, 
festzustellen;  ebenso  schwierig  ist  es  deshalb,  bei  Beleuchtung  eines 
entfernten  Objektes  Helligkeitsunterschiede  von  selbst  30  ^/o  mit  dem 
freien  Auge  zu  beurteilen. 

Ueber  den  Beleuchtungswert  eines  Scheinwerfers  können  deshalb 
nur  photometrische  Messungen,  die  freilich  sehr  oft  wiederholt  werden 
müssen,  Auskunft  geben. 

In  der  zweiten  Tabelle  wurde  versucht,  einige  Zahlen  über  die 
teils  photometrisch  ermittelten,  teils  gesuchten   Werte  der  mit  ver- 


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Scheinwerfer  und  Fembelenchtung. 


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394  F.  Nerz. 

schiedenen  Scheinwerfern  erzielten  Intensitäten  zusammenzustellen;  es 
kann  sich  hier  selbstverständlich  nur  um  Näherungswerte  handeln. 

Die  Beschaffenheit  der  mitbeleuchteten  Umgebung  kann  sehr 
störend  auf  die  Beobachtung  einwirken;  ein  dunkler  Gegenstand  auf 
hellem  Grunde  ist  schwer  zu  erkennen,  wenn  er  nicht  durch  seine 
Grösse  und  Form  auffällt;  Bodenerhebungen,  die  scharfe  Schlag- 
schatten ins  Ge^de  werfen,  verändern  das  Aussehen  einer  Gegend  so 
bedeutend,  dass  selbst  geübte  Beobachter  einer  guten  Schulung  be- 
dürfen, um  fremde  Gegenstande  herauszufinden. 

Nachdem  wir  bisher  die  Wirkungsweise  des  Scheinwerfers  unter- 
sucht haben,  gehen  wir  jetzt  zur  Verwendung  desselben  und  zu  den 
dabei  zu  stellenden  Bedingungen  über.  Zuerst  mögen  für  die  Armee 
dienende  Scheinwerfer  behandelt  werden. 

Für  den  Festungskrieg  müsste  als  erste  Bedingung  gelten, 
Scheinwerfer  so  hoch  wie  möglich  über  dem  zu  beleuchtenden  Vor- 
felde aufzustellen.  Damit  werden  allzulange  Schlagschatten  vermieden, 
und  der  Lichtstrahl  schneidet  erst  in  grösserer  Entfernung  ins  Gelände 
ein,  hat  somit  von  seiner  blendenden  Wirkung  schon  wesentlich  ein- 


Im  allgemeinen  sind  zwei  Arten  von  Scheinwerfern  in  Betracht 
zu  ziehen: 

1.  Suchlichter,    welche  auf  grosse  Entfernungen  wirken    sollen, 

2.  Scheinwerfer  für  die  Aufhellung  des  nahen  Geländes  zur  Be- 
leuchtung von  Minensperren  oder  zur  Verhinderung  von  Torpedo- 
angriffen, in  der  Folge  Sperrlichter  genannt.  Für  Minensperren  ist 
eine  Aufstellung  der  Scheinwerfer  nicht  zu  hoch  über  der  Wasserlinie 
vorzuziehen,  weil  dann  der  beleuchtete  Gegenstand  auf  lange  Strecken 
seines  Weges  im  Lichte  bleibt,  ohne  dass  der  Scheinwerfer  verstellt 
werden  müsste. 

Suchlichter  kommen  im  Feld-  und  Festungskrieg  für  die  Küsten- 
verteidigung und  auf  Kriegsschiffen  zur  Verwendung. 

Wenn  im  Feld-  und  Festungskrieg  hohe  Aufstellung  des  Schein- 
werfers als  Ziel  zu  erstreben  ist,  so  kann  bei  der  Küstenverteidigung 
eine  Aufstellung  nahe  der  Wasserlinie  vorzuziehen  sein,  wenn  die 
Küstenbatterieen  und  der  Beobachterstand  hoch  über  der  Wasser- 
fläche liegen. 

Nicht  selten  wird  an  ein  und  denselben  Scheinwerfer  die  Auf- 
gabe gestellt,  als  Suchlicht  und  Sperrlicht  gleichzeitig  zu  dienen;  man 
stattet  denselben  mit  Streuern  und  Fernbewegungseinrichtungen  aus, 
um  ihn  für  alle  Fälle  benützen  zu  können.     Das  Ergebnis  ist  in  der 


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Scheinwerfer  und  Fembeleuchtung. 


Regel  ein  Misserfolg;  ein  häufiges  Wechseln  des  Streuers  gegen  das 
Abschlussglas  erschwert  den  Dienst,  Um  auf  Erfolg  rechnen  zu 
können,  muss  die  Aufgabe  getrennt  werden;  zur  Beleuchtung  von 
Minensperren  sind  Scheinwerfer  zu  verwenden,  die  mit  Streuern  ver- 
sehen sind,  welche  die  Sperre  in  der  ganzen  Ausdehnung  unter  Licht 
setzen.  Diese  Scheinwerfer  sind  in  der  einfachsten  Weise  ausgeftlhrt 
und  bedürfen,  einmal  aufgestellt,  fast  gar  keiner  Bedienung.  Zum 
Absuchen  des  Horizontes  benützt  man  unabhängig  von  den  vorigen 
aufgestellte  Suchlichter,  die  mit  elektromotorischer  Bewegung  ausge- 
stattet und  mit  dem  Beobachter  durch  mehrlitzige  Eabel  verbunden 
sind;  ein  Vielfachumschalter  ermöglicht  die  Wahl  der  Stromwege  für 
die  verschiedenen  Bewegungsarten. 

Den  mannigfachen  Ansprüchen  Rechnung  tragend,  müssen  wir 
noch  eine  weitere  Unterteilung  für  Scheinwerfer  und  Zubehör  eintreten 
lassen  und  unterscheiden  in  der  Folge: 

A.  Scheinwerfereinrichtungen  für  Feldgebrauch. 

B.  Scheinwerfereinrichtungen  für  Binnenfestungen. 

C.  Scheinwerfereinrichtungen  für  Küstenfestungen. 

D.  Scheinwerfereinrichtungen  für  Kriegsschiffe. 

A.  Scheinwerfereinrichtungen  für  den  Feldgebrauch. 

Der  Wert  von  Beleuchtungseinrichtungen  für  den  Feldkrieg  wird 
heute  von  verschiedenen  Seiten  noch  bezweifelt.  Die  versuchsweise  bei 
Manövern  zur  Anwendung  gebrachten  Beleuchtungs wagen  und  Schein- 
werfer haben  zu  ausschlaggebenden  Erfolgen  nicht  geführt;  häufig 
waren  Misserfolge  zu  verzeichnen.  Ab  und  zu  auftauchende  Gerüchte 
über  gelungene  Beleuchtungsversuche  bei  diesen  und  jenen  Manövern 
geben  aber  doch  Zeugnis  einerseits  von  der  Wichtigkeit  der  Sache, 
andererseits  von  der  Schwierigkeit,  eine  richtige  Lösung  der  Feld- 
beleuchtungsfrage zu  finden. 

Die  Anforderungen  an  diese  Beleuchtungseinrichtungen  dürfen 
nicht  zu  hoch  gestellt  werden;  vor  allem  können  nur  sehr  leichte,  d.«h. 
leicht  trag-  oder  fahrbare  Gegenstände  in  Frage  kommen.  Ein  Blick 
in  die  beigefügten  Tabellen  zeigt,  dass  Scheinwerfer  ganz  geringer 
Grösse  im  Vergleich  zu  grossen  schweren  Modellen  schon  ansehnliche 
Leistungen  ergeben.  Apparate  mit  Glasparabolspiegeln  von  60  cm 
Durchmesser  müssen  als  nicht  zu  überschreitende  Grenze  für  den  Feld- 
gebrauch gelten.  Auf  letztere  wäre  nicht  die  als  normal  angegebene 
Stromstärke  von  60  Amp.  zu  verwenden,  sondern  es  müsste  die  Strom- 


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396 


F.  Nerz. 


quelle  auf  40  Amp.  beschränkt  werden.  Der  Wirkungskreis  des 
Scheinwerfers,  Modell  G  60,  ist  bei  Aufwand  von  40  Amp.  praktisch 
der  gleiche,  wie  bei  60  Amp.,  die  Stromquelle  aber,  gewöhnlich  ein 
sogenannter  Beleuchtungswagen,  wird  bei  geringerer  Stromstärke  erheb- 
lich leichter,  d.  h.  transportfähiger  und  damit  felddiensttauglich.  In 
der  Regel  dürfte  schon  ein  Scheinwerfer  Modell  6  45  mit  30  bis 
35  Amp.  allen  billigen  Anforderungen  genügen. 


Fig.  12. 


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Als  Stromquelle  wäre  ein  Beleuchtungswagen  für  eine  Leistung 
von  etwa  2400  Watt  genügend.  Ob  man  Wagen  mit  Dampf  oder 
Benzin-  und  Petroleummotoren  den  Vorzug  geben  soll,  kann  hier  nicht 
ohne  weiteres  entschieden  werden.  Wo  man  auf  die  Ausbildung  des 
Personals  zur  Bedienung  des  Beleuchtungsparks  nicht  ganz  besondere 
Sorgfalt  legt,  wird  der  Dampfwagen  vorzuziehen  sein,  weil  man  für 
denselben  leichter  sachverständiges  Bedienungspersonal  findet,  als  f&r 
Benzin-  oder  Petroleummotoren.  Die  Elektrizitäts-Aktiengesellschaft 
vormals  Schuckert  &  Co.  bringt  für  den  Felddienst  einerseits  einen 
Dampfwagen  mit  einer  de  Laval-Turbine,  einer  für  fahrbare  Einrich- 


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Scheinwerfer  und  Fembeleuchtong.  397 


tungen  ganz  vorzüglich  geeigneten  Dampfmaschine,  in  Vorschlags 
andererseits  Wagen  mit  Petroleum-  oder  Benzinmotoren  ganz  speziell 
für  fahrbare  Zwecke  gebaut. 

Scheinwerfer  und  Kabel  müssen  in  der  Regel  auf  besonderem 
Transportwagen  mitgeführt  werden;  Fig.  12  gibt  das  Bild  eines  solchen 
Transportwagens.  Derselbe  führt  Messinstrumente  und  das  für  den 
Gebrauch  nötige  Zubehör  an  Kohlen  etc.  mit  sich.  Wenn  das  Kabel 
nicht  am  Beleuchtungswagen  untergebracht  werden  kann,  so  findet  das- 
selbe über  den  Hinterradem  auf  der  Plattform  des  Scheinwerfertrans- 
portwagens Platz.  Nur  wenn  auf  gute  Wege  gerechnet  werden  kann, 
ist  es  zulässig,  Kabel  und  Scheinwerfer  auf  dem  Beleuchtungswagen 
selbst  mitzuführen. 

Es  ist  wohl  anzunehmen,  dass  in  nicht  allzufemer  Zeit  Wagen 
mit  Petroleummotoren  allein  für  Felddienstzwecke  in  Betracht  kommen 
werden;  Benzinmotoren  sind  heute  zwar  noch  leichter  in  Betrieb  zu 
halten,  aber  die  Beschaffung  von  Petroleum  an  beliebigem  Orte  macht 
viel  geringere  Schwierigkeiten  als  die  von  Benzin. 

B.  Scheinwerfer  für  Binnenfestungen. 

Den  jeweiligen  Verwendungszwecken  entsprechend,  können  die 
hieher  gehörigen  Scheinwerferanlagen  dreierlei  Ausflihrungen  nötig 
machen : 

1.  Maschinenanlagen  und  Scheinwerfer  sind  fest  aufgestellt, 

2.  Maschinenanlage  ist  fest,  der  Scheinwerfer  beweglich, 

3.  Maschinenanlage  und  Scheinwerfer  sind  beweglich. 

Für  den  ersten  Fall  können  für  die  Maschinenanlage  direkt  ge- 
kuppelte Dampfdynamos  oder  auch  Benzinmotoren,  direkt  mit  der 
Dynamomaschine  gekuppelt,  Verwendung  finden.  Petroleummotoren, 
die  vorläufig  nur  für  geringere  Leistungen  gebaut  werden,  konunen 
nur  für  kleine  Anlagen  in  Frage. 

Bei  fester  Aufstellung  des  Scheinwerfers  ist  derselbe  in  so  hohem 
Orade  den  feindlichen  Geschossen  ausgesetzt,  dass  er  eines  besonderen 
Schutzes  bedarf.  Am  wirksamsten  erweist  sich  die  Aufstellung  in 
einem  drehbaren,  gepanzerten  Stand,  der  zum  Leuchten  gehoben  und 
bei  Schussbedrohung  versenkt  werden  kann  (Fig.  13).  Zur  Vermei- 
dung grösserer  Leuchtöfibungen ,  zum  Teil  aber  auch  der  mit  zu- 
nehmender Grösse  hochansteigenden  Kosten  wegen,  begnügt  man  sich 
hier  mit  der  Verwendung  von  60  cm  Spiegeldurchmesser.  Diese  Ein- 
richtungen leisten  hauptsächlich  in  vorgeschobenen  kleinen  Festungs- 


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398 


F.  Nerz. 


werken,  in  Sperrforts,  gute  Dienste.  Für  die  belgischen  Maasbefesti- 
gungen sind  Scheinwerferanlagen  dieser  Art  von  Schuckert  &  Co.  in 
grosser  Anzahl  ausgeführt  worden. 

Kann  man  sich  mit  der  Leistung  von  Scheinwerfern  dieser  Grösse 
nicht  begnügen,  so  lässt  sich  unter  Beibehaltung  des  hebbaren  Schein- 
werferstandes für  grössere  Scheinwerfer  ein  Schutz  dadurch  schaffen, 


V 

dass  der  Panzerdeckel  nicht  mitgehoben  und  gesenkt,  sondern  bei  ver- 
senktem Scheinwerfer  über  die  Schachtöffnung  geschoben  wird. 

Von  einem  englischen  Offizier,  Oberst  Bucknill,  wurde  zum 
Schutze  der  Scheinwerfer  eine  Einrichtung  vorgeschlagen,  welche  in 
der  Elektrotechnischen  Zeitschrift  1889,  S.  110  beschrieben  ist.  Hinter 
einer  Wallkrone  ist  der  Scheinwerfer  an  einem  Ende  eines  Wage- 
balkens um  eine  horizontale  Achse  neigbar  befestigt ;  am  anderen  Ende 


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Scheinwerfer  und  Fembeleuchtung. 


399 


des  Wagebalkens  befindet  sich,  gleichfalls  um  eine  horizontale  Achse 
drehbar,  ein  ebener  Spiegel.  Letzterer  ragt  über  die  Wallkrone  hin- 
aus; der  tief  gelegene  Scheinwerfer  sendet  sein  Strahlenbündel  nach 
dem  Planspiegel,  und  dieser  wirft  es  nach  dem  Gelände  ausserhalb  des 
Festungswerkes.     Der  Wagebalken  ruht  mit  seiner  Mittelunterstützung 

Fig.  14. 


auf  einer  Drehvorrichtung,   wodurch   der  Lichtstrahl  in  horizontalem 
Sinne  beliebig  verdreht  werden  kann. 

Einrichtungen  dieser  Art  dürften  nur  in  seltenen  Fällen  Anwen- 
dung finden  können,  denn  1.  erfährt  der  vom  Scheinwerfer  ausgehende 
Lichtstrahl  bei  der  Reflexion  am  ebenen  Spiegel  je  nach  der  Güte  des 
letzteren  einen  Verlust  von  10  bis  30®/o,  2.  bietet  die  Aufstellung  dem 
Scheinwerfer  nur  gegen  Geschosse  mit  flacher  Flugbahn  Schutz;   Ge- 

Sammlnng  elektrotechnischer  Vorträge.    I.  «28 


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400  F.  Nerz. 

schösse  mit  steiler  Flugbahn  sind  dem  Scheinwerfer  fast  so  gefahrlich, 
als  wenn  er  in  freiem  Felde  stünde. 

Einen  sehr  wirksamen  Schutz  gewähren  in  Felsen  gehauene  oder 
bombensicher  angelegte  Unterstände,  die  noch  durch  starke  eiserne 
Thüren  geschützt  werden  können.  Der  Scheinwerfer  steht  mit  Roll- 
wagen auf  Schienen  und  wird  erst  im  Bedarfsfalle  aus  dem  Unter- 
stande herausgefahren.  Beim  Leuchten  ist  die  Entfernung  des  Stand- 
punktes des  Scheinwerfers  erfahrungsgemäss  schwer  zu  schätzen,  und 
letzterer  deshalb  nur  Zufallstrefifern  ausgesetzt;  besteht  ernstere  Gefahr 
für  denselben,  so  fährt  man  ihn  in  den  schützenden  Unterstand  zurück. 
Zur  Aufstellung  der  Scheinwerfer  eignen  sich  nur  hochgelegene,  das 
Vorfeld  beherrschende  Punkte;  diese  dürfen  den  Batterien  nicht  zu 
nahe  liegen,  damit  die  Artillerie  durch  den  Lichtstrahl  selbst  und  die 
in  der  Nähe  des  Scheinwerfers  stets  vorhandene  Beleuchtung  der  Um- 
gebung nicht  gestört  wird.  Wenn  Maschinenanlage  und  Scheinwerfer 
an  feste  Aufstellungsplätze  gebunden  sind,  erfolgt  die  Stromführung 
in  der  Regel  durch  in  der  Erde  schusssicher  verlegte  Kabel;  wird 
der  Scheinwerfer  zum  Gebrauch  aus  Unterständen  herausgefahren,  so 
enden  die  Kabel  an  passendem  Orte  in  Anschlusssäulen  (Fig.  14),  die 
in  dem  genannten  Schacht  aufgestellt  sind.  Durch  kurze  Kabel  wird 
der  Scheinwerfer  mit  diesen  Anschlusssäulen  verbunden. 

2,  Maschinenanlage  fest,  der  Scheinwerfer  beweglich. 

Auch  hier  werden  für  den  Scheinwerfer,  wenn  die  Aufstellungs- 
plätze  nicht  zu  sehr  von  einander  entfernt  liegen,  schusssichere  Unter- 
stände geschaffen,  aus  denen  derselbe  erst  im  Bedarfsfalle  heraus- 
gefahren wird.  Wo  es  angängig  ist,  werden  die  verschiedenen  Auf- 
stellungspunkte durch  Schienengeleise  verbunden;  ist  dies  nicht  möglich, 
so  muss  für  den  Transport  ein  Wagen  mit  federnder  Plattform  Ver- 
wendung finden.  Der  Wagen  kann  Zubehör  und,  wie  in  Fig.  12  dar- 
gestellt, Messinstrumente  oder  nach  Fig.  15  das  nötige  Kabelmaterial 
aufnehmen. 

Wo  höhere  Aufstellungsorte  in  einer  Festung  nicht  vorhanden 
sind,  sucht  man  solche  dadurch  zu  schaffen,  dass  man  den  Transport- 
wagen mit  hochwindbaren  Plattformen  versieht.  Derartige  fahrbare 
Hochwindevorrichtungen  können  des  hohen  Gewichtes  halber  nur  bei 
günstiger  Bodenbeschaffenheit  Verwendung  finden. 

Die  Kabel  können  wie  im  ersten  Fall  ganz  in  die  Erde  verlegt 
werden;  dann  ist  an  jedem  Aufstellungsplatz  des  Scheinwerfers  eine  An- 
Schlusssäule  in  gemauertem  Schacht  vorzusehen,  an  welche  die  Schein- 
werferlampe durch  mehr  oder  minder  lange  Kabel  angeschlossen  wird. 


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Scheinwerfer  und  Fembeleuchtung. 


401 


Das  ganze  Leitungsmaterial  kann  aber  auch  erst  bei  Bedarf  aus- 
gelegt werden.  In  diesem  Falle  sind  gut  isolierte  Oummikabel,  mit 
Eisendraht  bewickelt,  zu  wählen.  Zum  Auslegen  dieser  Kabel  empfiehlt 
die  Elektrizitäts- Aktiengesellschaft  vormals  Schuckert&Co.  besonders 
konstruierte  fahrbare  Kabeltrommeln  (Fig.  16).  Ist  die  Entfernung 
zwischen  Maschine  und  Scheinwerfer  gross,   so  sind  mehrere  Kabel- 

Fig.  15. 


trommeln  hintereinander  zu  schalten  und  die  Enden  der  Kabel  durch 
Steckkontakte  oder  Kuppelungen  zu  verbinden. 

3.  Maschinenanlage  und  Scheinwerfer  sind  beweglich. 

Wenn  bestimmte  Aufstellungspunkte  weder  für  die  Maschinen- 
anlage noch  für  Scheinwerfer  geschaffen  werden  können,  kommen  als 
Stromquellen  Beleuchtungswagen  in  Betracht.   Für  solche  Einrichtungen 


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402 


F.  Nerz. 


sind  im  allgemeinen  die  gleichen  Gesichtspunkte  massgebend,  welche 
für  den  Feldgebrauch  gelten.  In  der  Regel  aber  kommen  grössere 
Scheinwerfer  als  dort  und  deshalb  auch  Beleuchtungswagen  mit  höherer 
Leistung  in  Frage.  Wird  die  Anlage  in  den  Dienst  des  Verteidigers 
gestellt,  so  wird  man  Dampfmotoren  den  Vorzug  geben,  weil  Wasser 
und  Brennmaterialien  leicht  zu  beschaffen  sind;  der  Angreifer  dagegen 
wird  sich,  der  leichteren  Mitführung  des  Brennmateriales  und  des  ge- 
ringen Wasserbedarfs  halber  besser  eines  Wagens  mit  Benzin-  oder 
Petroleummotor  bedienen. 

Fig.  16. 


Als  Transportmittel  dienen  für  Scheinwerfer  und  Kabel  die 
gleichen  Einrichtungen,  welche  unter  2.  kurz  angedeutet  wurden.  In 
Fällen,  wo  zwar  für  Beleuchtungswagen  und  Scheinwerfer  bestimmte 
Aufstellungspunkte  gegeben  sind,  für  beide  aber  ein  genügender  Schutz 
nicht  hergestellt  werden  kann,  so  dass  sie  bei  Schussbedrohung  weg- 
gefahren werden  müssen,  kann  auch  hier  mit  Vorteil  das  Kabel  unter- 
irdisch verlegt  und  an  bestimmten  Stellen  an  Anschlusssäulen  geführt 
werden;  von  letzteren  werden  dann  kurze  bewegliche  Kabel  zu  Be- 
leuchtungswagen und  Scheinwerfer  gelegt. 


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Scheinwerfer  und  Fembeleuchtung.  403 

Müssen  für  Beleuchtungswagen  und  Scheinwerfer  die  Aufstellungs- 
orte gewechselt  werden,  so  können  unterirdisch  verlegte  Kabel  nicht 
in  Betracht  gezogen  werden.  Es  ist  dann  das  Leitungsmaterial  erst 
bei  Bedarf  auszulegen;  für  die  hiezu  nötigen  Einrichtungen  gilt  das 
bereits  unter  2.  Gesagte. 

In  Binnenfestungen  kommt  wie  beim  Feldgebrauch  im  allge- 
meinen der  geschlossene  (konzentrierte)  Lichtstrahl  zur  Anwendung. 
Bei  Sperrforts,  besonders  in  gebirgigen  Gegenden,  wo  es  sich  häufig 
nur  um  die  Beleuchtung  bestimmter  Flächen  des  Gesichtsfeldes  handelt, 
die  in  der  Regel  in  nicht  sehr  grosser  Entfernung  liegen,  bedient  man 
sich  zuweilen  mit  Vorteil  des  horizontal  verbreiterten  Lichtstrahls,  des 
gestreuten  Lichts,  um  die  wichtigen  Terrainflächen  in  möglichst  grosser 
Ausdehnung  unter  Licht  zu  setzen.  Zur  Erreichung  dieses  Zweckes 
werden  unter  dem  Namen  „Streuer*  bekannte  Gläser  verwendet,  die 
dem  jeweiligen  Bedürfnis  entsprechend  für  verschiedene  Ausbreitungs- 
(Streuungs-)winkel  hergestellt  werden. 

C.  Scheinwerferanlage  für  Küstenfestungen. 

Die  früher  erwähnte  Unterscheidung  von  Suchlichtem  und  Sperr- 
lichtem kommt  hier  ganz  besonders  zur  Geltung.  Jede  grössere  Küsten- 
batterie, welche  zur  Verteidigung  eines  festen  Platzes  bei  einem  nächt- 
lichen Angriff  bestimmt  ist,  sollte  mindestens  ein  Suchlicht  zur 
Verfügung  haben.  Der  als  solches  dienende  Scheinwerfer  sollte  seit- 
wärts, ausserhalb  der  Batterie  und  möglichst  nahe  an  der  Meeresober- 
fläche aufgestellt  werden.  Er  erhält  elektromotorische  Bewegung  für 
beide  Achsen  und  kann  von  einem  in  der  Batterie  selbst  aufgestellten 
Beobachter  gerichtet  werden.  Der  Scheinwerfer  sollte  mit  Rädern  auf 
Schienen  stehen  und  für  den  Nichtgebrauch  in  einen  schusssicheren 
Unterstand  gefahren  werden. 

Neben  diesen  Suchlichtern  müssen  für  die  Beleuchtung  der  Wasser- 
fläche noch  Sperrlichter  aufgestellt  sein.  Die  Anzahl  dieser  Schein- 
werfer richtet  sich  nach  der  Zahl  der  Minensperren,  nach  deren  Aus- 
dehnung und  nach  der  Entfernung  des  Beobachters  von  der  Minensperre. 
Scheinwerfer,  die  als  Sperrlichter  dienen,  sind  stets  mit  Streugläsera 
auszurüsten.  Die  Grösse  der  zu  wählenden  Streuung  richtet  sich  gleich- 
falls nach  den  örtlichen  Verhältnissen.  Ist  die  Scheinwerfergrösse  ge- 
geben, so  können  für  bestimmte  Fälle  die  nötigen  Angaben  aus  den 
hier  beigefügten  Scheinwerfertabellen  entnommen  werden.  Im  allge- 
meinen dürften  für  Küstenfestungen  sowohl  für  Such-   als  auch  für 


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404  F.  Nerz. 

Sperrlichter  nur  Scheinwerfer  von  nicht  unter  900  mm  Spiegeldurch- 
messer in  Frage  kommen.  Als  Suchlichter  können  in  einzelnen  Fällen 
vielleicht  grössere  Spiegel  von  1100  oder  1500  mm  Durchmesser  gute 
Dienste  thun. 

Da  Sperrlichter  nur  eine  ganz  bestimmte  Aufgabe  zu  erfüllen 
haben,  so  können  sie  betriebsbereit  ein  für  allemal  auf  einem  be- 
stimmten Punkte  aufgestellt  bleiben.  Sie  sind  dann  aber  in  hohem 
Grade  Beschädigungen  durch  feindliches  Feuer  ausgesetzt,  und  es  ist 
nötig,  sie  in  ausgiebiger  Weise  zu  schützen.  Zu  diesem  Zwecke  sind 
Sperrlichter  hinter  festen  Panzerplatten  aufzustellen  und  nur  für  zeit- 
weiligen Gebrauch  auf  Schienen  ins  Freie  zu  fahren  oder  es  mtlssen 
die  Panzerplatten  mit  Oeffnungen  versehen  werden,  die  den  Lichtstrahl 
austreten  lassen.  Vor  diese  Oeffnungen  kann  ein  aus  kräftigen  Stahl- 
stäben bestehendes  Gitter  derart  angebracht  werden,  dass  die  Stäbe  in 
die  durch  die  einzelnen  Streuerstreifen  gebildeten  dunklen  Räume  zu 
stehen  kommen  (Fig.  17).  Die  vom  Scheinwerfer  kommenden  parallelen 
Strahlen  werden  durch  die  einzelnen  aus  plankonvexen  Gylinderlinsen 
bestehenden  Streuerstreifen  nach  deren  Brennlinien  hin  so  gebrochen, 
dass  zwischen  den  von  den  Lichtstrahlen  ausgefällten  Räumen  dunkle 
Räume  entstehen,  in  welche  kräftige  Stahlstäbe  eingesetzt  werden 
können. 

Wenn  diese  Schutzgitter  auch  nicht  kräftig  genug  sind,  um  Voll- 
geschossen  zu  widerstehen,  gewähren  sie  doch  Sprengstücken  gegen- 
über genügenden  Schutz.  Für  besseren  Schutz  bei  Nichtgebrauch  kann 
vor  das  Gitter  noch  eine  Panzerplatte  geschoben  werden. 

D.  Scheinwerfer  für  Kriegsschiffe. 

Wenn  man  in  dem  Scheinwerfer  für  Kriegszwecke  ein  Ver- 
teidigungs-  bezw.  Schutzmittel  erkannt  hat,  so  muss  dieser  auf  Kriegs- 
schiffen, wo  es  sich  um  den  Schutz  so  wichtigen,  kostbaren  Materials 
handelt,  eine  besonders  hervorragende  Rolle  spielen. 

Der  Scheinwerfer  allein  macht  es  möglich,  in  dunklen  Nächten 
den  Angriff  von  Torpedobooten  abzuwehren.  Der  blendende  Licht- 
strahl, vom  Verteidiger  richtig  gehandhabt,  erschwert  dem  Angreifer 
seine  Aufgabe  ganz  bedeutend;  er  wirkt  demoralisierend  auf  den 
Gegner  ein.  Die  im  Dunkel  der  Nacht  weitgeöffnete  Pupille  des  Auges 
lässt  bei  plötzlich  einfallendem  Lichtstrahl  einen  so  bedeutenden  Licht- 
strom auf  die  Netzhaut  gelangen,  dass  eine  üeberreizung  derselben 
eintritt  und  dass  der  Beobachter  auch  beim  Verschwinden  des  Licht- 


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Scheinwerfer  und  Fembeleuchtung. 


405 


eindrucks  nicht  mehr  sofort  in  der  Lage  ist,  die  nächste  Umgebung  zu 
erkennen.  Taucht  das  Licht  dann  wieder  auf,  wenn  das  Auge  kaum 
Zeit  gehabt  hat,  sich  wieder  an  die  Dunkelheit  zu  gewöhnen,  so  wirkt 
das   so   entnervend  auf  den  dem  Lichte  Zustrebenden  ein,   dass  nur 


Fig.  17. 


:i_A 


strenges  Pflichtbawusstsein  verbunden  mit  guter  Schulung  die  Voll- 
fÜhrung  der  gestellten  Aufgabe  möglich  machen^). 


')  Näheres  siehe:   Die   elektrische  Vorfeldbeleuchtung  von  Karl  Exler, 
Wien  1894,  Verlag  yon  Seidel  &  Sohn,  S.  160  u.  ff. 


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406  F.  Ne«. 

Der  Umstand,  dass  auf  einem  Kriegsschiffe  die  ganze  Schein- 
werferanlage auf  einen  verhältnismässig  kleinen  Baum  angewiesen  ist, 
kommt  der  Aussenbordbeleuchtung  nicht  zu  statten.  Um  so  grössere 
Sorgfalt  muss  deshalb  auf  richtige  Ausgestaltung  des  notwendigen  Zu- 
behörs und   auf  gute  Aufstellung  und  Bedienung  verwendet  werden. 

Eine  Aussenbordbeleuchtung  kann  nur  dem  Zwecke  entsprechen, 
wenn  die  zusammenwirkenden  Teile  und  Nebeneinrichtungen,  das  sind 

1.  die  Dampfmaschine, 

2.  der  Stromerzeuger,  d.  h.  die  Dynamomaschine, 

3.  die  Leitungsanlage  und  die  Regulierapparate, 

4.  die  Bedienung  der  Scheinwerferanlage, 

5.  der  Scheinwerfer  selbst, 

0.  die  Aufstellung  des  Scheinwerfers, 

7.  die  Befehlsübertragung 
einzeln  in  bester  Verfassung  sich  befinden. 

Bei  Entwurf  der  Dampfmaschinenanlage  werden  häufig  Be- 
dingungen gestellt,  die  eine  Störung  des  Betriebes  zur  Folge  haben. 
Die  Maschine  soll  recht  leicht  sein  und  den  geringsten  Raum  ein- 
nehmen; auch  für  die  Bedienung  kann  nur  sehr  wenig  Platz  ein- 
geräumt werden.  Mit  diesen  in  der  Regel  gestellten  Anforderungen 
ist  schon  der  Keim  zu  einem  chronischen  Leiden  der  Aussenbord- 
beleuchtung gelegt.  Kleine  Dampfmaschinen  von  hoher  Tourenzahl 
werden  bis  zur  Grenze  ihrer  Leistung  beansprucht,  bei  der  geringsten 
weiteren  Ueberlastung  ist  eine  Verminderung  der  Umdrehungsgeschwin- 
digkeit, deshalb  auch  der  Spannung  an  der  Dynamomaschine  und  end- 
lich ein  Versagen  bezw.  Erlöschen  des  Scheinwerfers  die  unausbleib- 
liche Folge.  Bei  Auswahl  der  Dynamomaschine  ist  vor  allem  die  für 
Scheinwerferlampen  nötige  Betriebsspannung  zu  berücksichtigen.  Ein 
Zuschlag  von  25,  besser  30  ^/o  gibt  dann  die  Betriebsspannung  der 
Dynamomaschine.  Diese  Zusatzspannung  wird  in  einem  sogenannten 
Beruhigungswiderstand  aufgenommen.  Beim  Fehlen  eines  solchen  Wider- 
standes oder  bei  zu  geringer  Bemessung  eines  solchen  kommen  geringe 
Schwankungen  in  der  Spannung  in  vollem  oder  doch  hohem  Betrage  auf 
die  Lampe,  während  sonst  der  Widerstand  einen  erheblichen  Teil  aus- 
gleicht. Deshalb  kann  man  schon  für  die  geringen  Stromstärken  in 
bürgerlichen  Anlagen  eines  Beruhigungswiderstandes  nicht  entbehren, 
um  so  mehr  muss  man  ihn  für  Scheinwerferanlagen  auf  Kriegsschiffen 
in  Anwendung  bringen.  In  den  meisten  Staaten  wird  auch  für  der- 
artige Anlagen  eine  Spannung  von  75,  meistens  80  Volt  zu  Orunde 
gelegt.     Ist  die  Spannung  zu  niedrig,  so  gerät  die  Lampe  des  Schein- 


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Scheinwerfer  und  Fembeleuchtung.  407 

Werfers  bei  den  geringsten  Verunreinigungen  der  Eohlenspitzen  in  Un- 
ruhe; Zucken,  Blasen  und  Wandern  des  Lichtbogens  rufen  derartigem 
Flackern  des  Lichtstrahles  hervor,  dass  der  Scheinwerfer  im  gegebenen 
Augenblick  mehr  schadet  als  nützt.  Dies  macht  sich  ganz  besonders 
bei  Verwendung  höherer  Stromstarken  bemerkbar.  Um  einige  Sicher- 
heit auf  tadelloses  Brennen  der  Scheinwerferlampe,  wovon  ja  der  ganze 
Erfolg  abhängt,  zu  haben,  sollte  man  auf  Schiffen  über  100  Amp.  gar 
nicht  verwenden. 

Aus  der  beigegebenen  Tabelle  sieht  man,  dass  die  Stromstärke 
beim  geschlossenen  Strahl  gar  nicht  jene  bedeutende  Rolle  spielt,  die 
man  derselben  von  vielen  Seiten  beilegt.  Man  sollte  deshalb  bei  Aus- 
wahl der  Stromstärke  sehr  vorsichtig  sein  und  sich  mit  dem  Erreich- 
baren begnügen,  ein  Schritt  weiter  führt  ins  unberechenbare  Feld  des 
Zufalls. 

Die  Dynamomaschine  soll  für  Scheinwerferbetrieb  eine  Com- 
poundmaschine  sein;  ist  die  Dampfmaschine  nicht  knapp,  so  wird  man 
mit  Vorteil  übercompoundieren,  d.  h.  man  wird  mit  zunehmender  Strom- 
stärke auch  die  Spannung  etwas  ansteigen  lassen.  In  letzterem  Falle 
hat  man  die  meiste  Oewähr  dafür,  dass  auch  bei  nicht  ganz  tadel- 
losem Kohlenmaterial  ein  gutes  Brennen  erzielt  wird. 

Wechselstrom  ist  nach  dem  heutigen  Stand  der  Technik  voll- 
ständig ausgeschlossen.  Der  Doppelkrater,  der  bei  Wechselstromlampen 
gebildet  wird,  verhindert  das  Zustandekommen  eines  gleichmässigen 
Lichtstrahles  und  ergibt  auch  eine  sehr  geringe  Verwertung  der  auf- 
gewendeten Energie.  Ausserdem  ist  bei  Wechselstrom  für  horizontale 
Anordnung  der  Kohlen  ein  ruhiges  Brennen  ungemein  schwer  zu 
erzielen. 

Ueber  die  Leitungsanlage  kann  hier  kurz  hinweggegangen 
werden;  die  in  anderen  Zweigen  der  Elektrotechnik  gemachten  Er- 
fahrungen und  dort  geltenden  Vorschriften  können  ohne  weiteres  auch 
hier  Platz  greifen.  Es  sind  nur  best  isolierte  und  gut  geschützte  Kabel 
zu  verwenden;  der  Querschnitt  derselben  und  die  Sicherungen  müssen 
grösser  als  der  Betriebsstromstärke  entsprechend  gewählt  werden,  weil 
der  Strom  beim  Einsetzen  neuer  Kohlen  längere  Zeit  bedeutend  über 
der  normalen  Stärke  bleibt.  Nimmt  man  hierauf  keine  Rücksicht,  so 
sind  Betriebsunterbrechungen  wegen  vorzeitiger  Durchschmelzung  der 
Sicherungen  unvermeidlich. 

Der  schon  oben  besprochene  Beruhigungs-  oder  Zusatzwiderstand 
kann  fest  eingestellt  oder  regulierbar  gemacht  werden.  Ist  er  nicht 
regulierbar,  so  kann  er  an  beliebiger  Stelle  des  Leitungsweges  unter- 


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408  F.  Nerz. 

gebracht  sein.  Für  höhere  Stromstarken  macht  man  den  Zusatzwider- 
stand häufig  regulierbar;  man  hat  es  dann  an  der  Hand,  bei  wech- 
selnder Spannung  den  Widerstand  entsprechend  zu  schalten.  In  der 
Nähe  des  Widerstandes  muss  ein  Spannungsmesser  angebracht  sein, 
der  die  für  die  Bethätigung  der  Scheinwerferlampe  nötige  Spannung 
anzeigt;  im  Maschinenraum  sollte  auch  ein  Strommesser  in  die  Schein- 
werferleituRg  eingeschaltet  werden.  Regulierbare  Zusatzwiderstande 
müssen  entweder  in  der  Maschinenstation  oder  besser  am  Scheinwerfer 
aufgestellt  werden.  Würde  der  Widerstand  zu  gross,  so  wird  er  in 
zwei  Teile  zerlegt,  der  grössere  nicht  regulierbare  Teil  kann  dann 
wieder  an  beliebigem  Orte  aufgestellt  werden.  Auch  der  Zusatzwider- 
stand muss  eine  vorübergehende  Ueberlastung  von  20  bis  30  ^/o,  ohne 
sich  zu  stark  zu  erhitzen,  vertragen. 

Eine  gut  geschulte  Bedienungsmannschaft  ist  die  erste  Be- 
dingung für  die  Lebensfähigkeit  einer  Scheinwerferanlage.  Letztere 
setzt  sich  aus  verwickelten  Einrichtungen  zusammen,  von  denen  jede 
ein  besonderes  Studium  erfordert.  Solange  alles  in  ordnungsgemässem 
Zustande  sich  befindet,  wird  man  auch  mit  weniger  gut  geschultem 
Personal  auskommen;  sowie  aber  irgend  welche  zufällige  Beschädi- 
gungen entstehen,  die  nicht  offen  zu  Tage  liegen,  können  durch  nicht 
sachgemässe  Untersuchung  allein  schon  die  schwersten  Fehler  begangen 
werden.  Die  Ausbildung  im  Scheinwerferdienst  kann  nicht  sorgfaltig 
genug  geübt  werden.  Das  Personal  sollte  möglichst  aus  gelernten 
Mechanikern  oder  Maschinenschlossern  bestehen,  aus  der  Elektrotechnik 
hervorgehende  Mannschaften  sind  selbstverständlich  vorzuziehen. 

Regelmässig  alle  Wochen  wiederkehrender  Unterricht,  mit  Leucht- 
proben verknüpft,  ist  gar  nicht  zu  umgehen.  Steht  das  Schiff  längere 
Zeit  ausser  Dienst,  so  sind  vor  Indienstnahme  folgende  Arbeiten  vor- 
zunehmen: 

1.  Die  Dampfmaschine  ist  so  weit  zu  zerlegen,  als  es  die  Bord- 
verhältnisse gestatten,  jedenfalls  müssen  alle  jene  inneren  und  äusseren 
Teile,  die  einer  Rostbildung,  ausgesetzt  sind,  nachgesehen  und  sorg- 
fältig gereinigt  werden. 

2.  An  den  Dynamomaschinen  sind  schon  nach  Ausserbetrieb- 
setzung Staub  und  Schmutz  zu  entfernen,  die  Stromabnehmerbürsten 
sind,  wenn  nötig,  abzuschneiden  oder  abzufeilen  und  aufs  neue  an  den 
Stromabgeber  anzupassen.  Der  Stromabgeber  muss,  sofern  er  noch 
rund  ist,  sorgfältig  abgefeilt  und  mit  Schmirgelpapier  abgezogen  werden, 
bis  alle  verbrannten  Stellen  verschwinden.  Ist  derselbe  durch  Funken- 
bildung zu  stark  beschädigt  oder  unrund  geworden,   so  muss  er  ab- 


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Scheinwerfer  und  Fembeleuchtung.  409 


gedreht  werden,  zu  welchem  Zwecke  besondere  Werkzeuge  vorhanden 
sein  müssen.  Nach  dem  Abdrehen  muss  wieder  mit  Schmirgelpapier 
nachgeglättet  werden.  Vor  Wiederaufnahme  des  Betriebes  nach  län- 
gerem Stehen  ist  das  Abschmirgeln  des  Stromabgebers  zu  wiederholen. 
Im  Betriebe  ist  streng  darauf  zu  achten,  dass  an  den  Bürsten  keine 
oder  wenigstens  nur  ganz  geringe  Funkenbildung  auftritt.  Wird  die 
Dynamomaschine  zeitweise  verschieden  belastet,  so  müssen  die  Bürsten, 
der  jeweiligen  Belastung  entsprechend  ^  durch  Drehen  der  Bürsten- 
halterbrücke auf  funkenloses  Arbeiten  eingestellt  werden.  Im  übrigen 
sind  alle  Vorschriften  für  Instandhaltung  der  Anlage,  die  von  den 
Lieferanten  gegeben  werden,  aufs  genaueste  zu  beachten. 

3.  Vor  Neuinbetriebsetzung  muss  auch  die  Leitung  in  Bezug  auf 
Isolation  vom  Schiffskörper  untersucht  werden.  Die  Prüfungsarten  sind 
zu  bekannt,  als  dass  hier  darauf  einzugehen  nötig  wäre.  Jeder  Isola- 
tionsfehler ist  sorgföltigst  zu  beheben. 

4.  Der  Scheinwerfer  selbst  ist  vollständig  zu  zerlegen,  sämtliche 
Eontaktflächen  sind  zu  reinigen  und  von  Oxyd  zu  befreien.  Sind  am 
Scheinwerfer  Elektromotoren,  so  müssen  bei  diesen  die  Stromabgeber 
rund  und  metallisch  rein  gehalten  werden.  Sind  die  den  Strom  zu- 
führenden Schleiffedem  zu  sehr  abgenützt,  so  werden  neue  eingesetzt. 
Sämtliche  Gläser  sind  aufs  peinlichste  zu  reinigen,  wobei  aber  Be- 
schädigungen durch  Zerkratzen  nicht  vorkommen  dürfen;  das  Putz- 
material muss  deshalb  vollkommen  staubfrei  gehalten  werden.  Für  die 
weitere  Behandlung  der  Scheinwerfer  sind  die  von  der  liefernden  Fabrik 
gegebenen  Vorschriften  strengstens  zu  beachten.  Es  ist  hauptsächlich 
darauf  zu  sehen,  dass  die  Scheinwerferlampe  stets  tadellos  selbstthätig 
arbeitet.  Nie  sollte  man  sich  auf  Handregulierung  verlassen.  In  wich- 
tigen Augenblicken  hat  der  Bedienungsmann  viel  zu  sehr  auf  die  Aus- 
führung der  gegebenen  Befehle  zu  achten,  als  dass  er  sich  viel  mit 
der  rechtzeitigen  und  richtigen  Nachstellung  der  Kohlen  befassen  könnte. 
Es  muss  unbedingt  von  der  Mannschaft  verlangt  werden,  dass  sie  die 
Wirkungsweise  des  Reguliermechanismus  der  Lampe  so  weit  versteht, 
dass  sie  bei  einem  Versagen  der  Lampe  den  Fehler  finden  und  be- 
seitigen kann.  Dies  kann  nur  durch  regelmässige  Unterweisung  und 
Schulung  des  Personals  erreicht  werden. 

Gehen  wir  nun  zum  Scheinwerfer  selbst  über,  so  ist  die  erste 
Frage:  WelcheScheinwerfer  sollen  genommen  werden?  Zur  Entscheidung 
dieser  Frage  müssen  zuerst  die  Aufgaben  vor  Augen  geführt  werden, 
deren  Lösung  der  Aussenbordbeleuchtung  zufällt.  Es  sollen  erstens 
grössere  feindliche  Fahrzeuge  in  möglichst  grosser  Entfernung  entdeckt 


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410  F.  Nerz. 

werden,  zweitens  soll  beim  Angriff  von  Torpedobooten  die  Wasser- 
fläche in  möglichst  grosser  horizontaler  Ausdehnung  auf  solche  Ent- 
fernungen beleuchtet  werden,  dass  Schnellfeuergeschütze  den  Angriff 
rechtzeitig  abwehren  können.  Drittens  soll  der  Scheinwerfer  zu  Be- 
fehlsübertragungen auf  grosse  Entfernungen  mittels  Signalisierung 
durch  Lichtblitze  und  viertens  bei  Landungsversuchen  oder  beim  Durch- 
fahren von  engen  Wasserstrassen  zur  Beleuchtung  der  Umgebung 
dienen.  Hier  sind  lediglich  die  zwei  ersten  Punkte  ins  Auge  zu  fassen, 
die  übrigen  ergeben  sich  von  selbst  durch  geeignete  Verwendung  des 
Vorhandenen. 

Artillerie  und  Aussenbordbeleuchtung  haben  in  gewissem  Sinne 
ähnliche  Aufgaben  zu  erfüllen.  Hier  ist  es  das  verräterische  Licht, 
dort  das  ve;rderbenbringende  Oeschoss,  das  feindliche  Fahrzeuge  er- 
reichen soll.  Wenn  die  Artillerie  für  den  Fern-  und  Nahkampf  sich 
verschiedener  Mittel  bedient,  so  fragt  es  sich,  ob  für  Aussenbord- 
beleuchtung in  beiden  Fällen  der  gleiche  Scheinwerfer  gut  geeignet  ist. 

Um  mit  dem  Scheinwerfer  auf  grosse  Entfernungen  eine  wirk- 
same Beleuchtung  zu  erreichen,  ist  es  notwendig,  dass  der  Lichtstrahl 
so  dicht  und  geschlossen  als  nur  möglich  zur  Verwendung  kommt. 
Der  Leuchtwinkel  darf  nicht  zu  gross  sein,  damit  die  nächste  Um- 
gebung nicht  mitbeleuchtet  wird;  kurz,  der  Scheinwerfer  muss  alle 
jene  Eigenschaften  besitzen,  die  im  Vorausgehenden  für  das  Suchlicfat 
zur  Bedingung  gemacht  wurden.  Soll  nun  derselbe  Apparat  zur  Be- 
leuchtung der  nächsten  Umgebung  bei  einem  drohenden  Torpedoangriff 
benützt  werden,  so  muss  der  Lichtstrahl  in  horizontalem  Sinne  eine 
möglichst  grosse  Ausbreitung  erfahren,  eine  Ausbreitung,  die  jedoch 
nur  so  weit  gehen  darf,  dass  bei  der  dadurch  bedingten  Verminderung 
der  Lichtstärke  die  notwendige  Sichtweite  erhalten  bleibt.  Zur  Er- 
zielung dieser  Ausbreitung  dienen,  wie  früher  beschrieben,  Streuer,  die 
an  Stelle  des  Abschlussglases  vor  den  Scheinwerfer  gesetzt  werden 
können  und  erst  im  Bedarfsfalle  ausgewechselt  werden.  Dieses  Wechseln 
von  Gläsern  ist  zeitraubend  und  wird  schwierig,  wenn  man  es  mit 
grösseren  Scheinwerfern  zu  thun  hat,  besonders  wenn  nur  ein  geringer 
Raum  für  die  Bedienung  zur  Verfügung  steht  und  heftiger  Wind  die 
Handhabung  erschwert.  Hat  der  Wachthabende,  dessen  ausschliessliche 
Aufgabe  es  im  Ernstfälle  ist,  die  nächste  Umgebung  des  Schiffes  im 
Auge  zu  behalten,  bei  gestreutem  Licht  mit  Mühe  ein  Torpedoboot 
entdeckt,  so  ist  es  von  der  grössten  Wichtigkeit,  das  verdächtige  Ob- 
jekt den  Bedienungsmannschaften  der  Geschütze  schnellstens  vor  Augen 
zu  führen;  dies  wird  am  besten  erreicht,  wenn  der  Wachthabende  so- 


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Scheinwerfer  und  Fembeleuchtung.  411 

fort  mehr  Licht  auf  den  gefundenen  Gegenstand  werfen  kann.  Sollte 
nun  erst  das  Abschlussglas  an  Stelle  des  Streuers  eingesetzt  werden, 
80  würde  die  kostbarste  Zeit  vergangen  und  das  Torpedoboot  inzwischen 
so  nahe  gekommen  sein,  dass  es  vielleicht  seinen  Schuss  schon  ab- 
geben konnte.  Wahrscheinlich  aber  ist  es,  dass  in  den  meisten  Fällen 
dann  auch  das  Licht  von  den  Streuern  genügt  hätte,  so  dass  das 
Wechseln  der  Gläser  ein  unnützes  Manöver  bleibt.  Der  Wunsch,  nach 
Belieben  den  geschlossenen  Strahl  oder  gestreutes  Licht  zur  Verfügung 
zu  haben,  führte  die  Firma  Schuckert  &  Co.  zur  Konstruktion  des 
sogenannten  Doppelstreuers,  der  zuerst  in  der  deutschen  Marine  Auf- 
nahme gefunden  hat^). 

Mit  dieser  Neuerung  war  die  Möglichkeit  gegeben,  von  geschlos- 
senem Lichtstrahl  ohne  weiteres  auf  beliebige  Streuungswinkel  bis  zu 
45  ®  überzugehen.  Der  Scheinwerfer  war  damit  sowohl  für  den  Fem- 
als  auch  für  den  Nahgebrauch  geeignet. 

Solange  nur  wenige  Scheinwerfer  an  Bord  aufgestellt  werden 
können,  verdienen  die  mit  Doppelstreuer  ausgestatteten  vor  allen  anderen 
Konstruktionen  den  Vorzug.  Erst  wenn  die  Frage,  ob  man  eine  grössere 
Anzahl  Scheinwerfer   aufstellen  könne,   bejahend  beantwortet  werden 


*)  „Die  Priorität  der  Erfindung  des  Doppelstreuers  wird  in  einigen  Ver- 
öffentlichungen von  der  Firma  Sautter,  Harlä  &  Co.  in  Paris  beansprucht.  Es 
mag  hier  der  Platz  sein,  den  Tbatbestand  festzulegen.  Gelegentlich  der  Teilnahme 
an  Versuchen  im  Kieler  Hafen  im  Jahre  1887  gewann  der  Verfasser  die  üeber- 
zeugung,  dass  die  damals  bekannten  Schein  werf erkonstruktionen  den  gestellten 
Anforderungen  gerade  in  Bezug  auf  Wechsel  der  Belenchtungsart  nur  mangelhaft 
entsprechen.  Er  stellte  es  sich  zur  Aufgabe,  in  diesem  Punkte  Abhilfe  zu  schaffen 
und  kam  zur  Konstruktion  des  beute  in  den  meisten  Kriegsmarinen  mustergiltigen 
Apparates.  Die  Firma  Schuckert  &  Co.  übernahm  damals  die  Ausführung  und 
meldete  die  Erfindung  zum  Patent  an,  wobei  der  Verfasser,  um  den  Schutzbereich 
thunlichst  gross  zu  gestalten,  auch  noch  andere  Lösungen  angegeben  und  auch 
auf  sie  die  Patentansprüche  ausgedehnt  hat.  Das  deutsche  Patentamt  wies  damals 
das  Gesuch  zurück,  weil  eine  von  den  angegebenen  Lösungen  schon  in  einem 
englischen  Patente  vom  Jahre  1879  enthalten  war.  Durch  Streichen  der  ent- 
sprechenden Ansprüche  in  dem  Patentgesuche  wäre  es  der  Firma  Schuckert  &  Co. 
leicht  gewesen,  ein  vollgiltiges  Patent  zu  erlangen;  da  es  ihr  aber  damals  nur 
daran  lag,  die  Erfindung  der  deutschen  Marine  zugängig  zu  machen,  so  ver- 
zichtete sie  auf  weitere  Verfolgung  der  Erfinderrechte  und  verschuldete  damit 
freilich,  dass  heute  dem  Erfinder,  der  von  der  englischen  Patentschrift  erst  durch 
die  Entscheidung  des  deutschen  Patentamtes  Kenntnis  erhielt,  die  Priorität  streitig 
gemacht  wird.  Eine  Genugthuung  wurde  dem  Verfasser  übrigens  von  seiten  der 
Firma  Sautter,  Harle  &  Co.  dadurch,  dass  diese  selbst  nicht  ihre  eigene, 
durch  oben  genanntes  englisches  Patent  geschützte  Erfindung  zur  Ausführung 
bringt,  sondern  die  von  ihm  angegebene  Anordnung.* 


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412  F.  Nen. 

kann,  wird  man  für  den  Nah-  und  Fernkampf  wie  bei  der  Artillerie 
verschiedene  Konstruktionen  benützen.  Für  den  ersten  Fall  wird  man 
Scheinwerfer  anwenden,  die  nur  mit  Streuer  versehen  sind,  für  den 
Femdienst  dagegen  wird  man  nie  Streuer  gebrauchen.  Die  Einrich- 
tungen werden  damit  wesentlich  vereinfacht,  der  Dienst  wird  erleichtert. 

Bei  Aufstellung  der  Scheinwerfer  wurden  früher  grosse 
Fehler  gemacht.  Die  Aufstellung  auf  der  Kommandobrücke  in  der 
Nähe  des  Beobachters  ist  zu  verwerfen,  weil  letzterer  vom  Lichtstrahl 
selbst  einen  viel  zu  grossen  Lichtstrom  im  Auge  aufnimmt;  um  neben- 
her fern  gelegene,  nur  schwach  beleuchtete  Gegenstände  ausfindig  zu 
machen. 

Der  Kommandant  eines  Schiffes,  das  an  einer  solchen  Aufstellung 
des  Scheinwerfers  leidet,  wird  nur  zu  häufig  Misserfolge  verzeichnen 
und  deshalb  nie  ein  Freund  von  Scheinwerfereinrichtungen  werden. 
Bei  Auswahl  des  Aufstellungsortes  ist  deshalb  vor  allem  zu  berück- 
sichtigen, dass  der  zwischen  Scheinwerfer,  beleuchtetem  Gegenstand 
und  Beobachter  gebildete  Winkel  thunlichst  gross  wird.  Gerade  weil 
auf  Schiffen  nur  verhältnismässig  geringe  Entfernungen  zu  erreichen 
sind,  so  sollte  man  mit  jedem  Meter  rechnen  und  nichts  unversucht 
lassen,  den  Scheinwerfer  möglichst  weit  vom  Beobachter  entfernt  auf- 
zustellen. Befindet  sich  eine  grössere  Anzahl  Scheinwerfer  an  Bord, 
dann  wird  man  gut  thun,  die  Aufgabe  für  die  Scheinwerfer  zu  trennen; 
die  für  Nahbeleuchtung  sind  so  weit  wie  möglich  unter  dem  Beob- 
achter nahe  an  der  Wasserlinie,  die  für  Fembeleuchtung  nach  Thun- 
lichkeit  hoch  an  den  Masten  aufzustellen. 

Die  Befehlsübertragung  macht  bei  Aussenbordanlagen,  wie 
im  Felddienst  bei  der  Armee,  immer  einige  Schwierigkeiten.  Wenn 
schon  in  Friedenszeiten  bei  üebungen  die  prompte  Ausführung  von 
Befehlen  infolge  von  Missverständnissen  zu  wünschen  übrig  lässt,  so 
müssen  die  Schwierigkeiten  im  Emstfalle,  wenn  alle  Kräfte  aufs  äusserste 
angespannt  sind,  noch  viel  grösser  sein.  Der  beim  Scheinwerfer  auf- 
gestellte Bedienungsmann  kann  nicht  sehen,  ob  er  einen  Gegenstand 
gefunden  hat  oder  nicht;  soll  letzterer  verfolgt  werden,  so  ist  man 
ganz  darauf  angewiesen,  dass  die  Befehle  des  Beobachters  genau  befolgt 
werden.  Zu  rasches  oder  zu  langsames  Drehen  lässt  häufig  den  Gegen- 
stand ausser  Sicht  kommen,  und  es  ist  mitunter  schwer,  oft  unmöglich, 
ihn  wieder  zu  finden.  Klingelleitung,  Sprachrohr  oder  Telephon  thun 
zwar  wohl  gute  Dienste,  entsprechen  aber  doch  nicht  immer  den  ge- 
stellten Anforderungen.  Bei  Scheinwerfern  für  Nahbeleuchtung,  die 
mit  Streuern  versehen  sind  und   ein  grösseres  Feld  beherrschen,  ge- 


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Scheinwerfer  und  Fembeleachtang.  413 


nügen  die  erwähnten  Einrichtungen  vollständig,  weil  der  beleuchtete 
Gegenstand  auch  bei  rascherem  Drehen  im  Lichte  bleibt.  Solche  für 
Fembeleuchtung  sollten  aber  am  liebsten  vom  Beobachter  selbst  ge- 
richtet werden  können.  Auch  dazu  bietet  die  Elektrotechnik  Mittel. 
An  beiden  Drehachsen  unter  Zwischenlage  entsprechender  Vorgelege 
angebrachte  Motoren  geben  die  Möglichkeit,  den  Scheinwerfer  von 
beliebiger  Entfernung  aus  nach  Bedarf  zu  richten.  Zweckmässig  kon- 
struierte Schaltapparate  gestatten  die  Bewegungen  vor-  oder  rück- 
^ngig  einzuleiten  und  dabei  auch  noch  die  Geschwindigkeit  in  be- 
stimmten Grenzen  zu  verändern.  Für  rasche  Drehungen  ist  eine  Be- 
fehlsvermittelung an  den  Bedienungsmann,  wie  vorhin  erwähnt,  nebenbei 
nicht  zu  entbehren,  da  häufig  ein  Schwenken  von  einer  Bordseite  zur 
anderen  notwendig  werden  wird,  und  dieses  Schwenken  mit  Hilfe  der 
elektromotorischen  Fembewegung  viel  zu  viel  Zeit  erfordern  würde. 
Die  elektromotorische  Bewegung  arbeitet  tadellos,  wenn  alles  sich  in 
gutem  Zustande  befindet;  die  Eontaktflächen  der  Schleifringe  müssen 
stets  rein  und  die  Motoren  gut  in  Ordnung  gehalten  werden.  Nach 
längerer  Ausserbetriebsetzung  muss  der  Scheinwerfer  vor  Inbetriebnahme 
so  weit  zerlegt  werden,  dass  die  fraglichen  Organe  nachgesehen  und 
gereinigt  werden  können. 

Wenn  nun  alle  Elemente,  aus  denen  sich  eine  Aussenbord- 
beleuchtung  zusammensetzt,  im  einzelnen  in  ordnungsgemässem  Zustand 
sich  befinden,  so  darf  auf  ein  richtiges  Zusammenarbeiten  gerechnet 
werden. 

Zuverlässig  arbeitende  Dampf-  und  Dynamomaschinen,  eine  sorg- 
fältig ausgeführte  Leitungsanlage,  eine  gut  unterrichtete  und  geschulte 
Bedienungsmannschaft,  zweckmässig  gebaute,  möglichst  einfach  zu  be- 
dienende Scheinwerfer,  welche  in  gut  ausgewählter  Stellung  sich  be- 
finden, eine  sichere  Befehlsübertragung  sind  die  einzigen  Mittel,  einer 
Aussenbordbeleuchtung  den  Erfolg  zu  sichern. 

Beschreibung  TOn  Scheinwerfern. 

Nachdem  wir  uns  mit  Theorie  und  Verwendungsweise  von  Schein- 
werfern vertraut  gemacht  haben,  möge  nun  noch  die  Beschreibung  der 
gangbarsten  Modelle  folgen. 

Zuerst  soll  der  einfachste  Scheinwerfer,  welcher  für  Festungs- 
und Felddienst  verwendet  wird,  eingehender  behandelt  werden. 


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Fig.  18. 


^^*^^^A-^fy;^-y|f-' 


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Scheinwerfer  und  Fembeleuchtung.  415 


Scheinwerfer  6.  90  mit  Nebenscblusslampe. 

Ein  cylindriscbes  Gehäuse  (Fig.  18  und  18a)  aus  Eisenblech  ist  an 
beiden  Enden  mit  kräftigen  Winkeleisen  versteift,  von  denen  der  hintere 
Bing  zur  Aufnahme  des  Parabolspiegels  24,  der  vordere  zum  An- 
bringen einer  aus  schmalen  ebenen  Glasstreifen  bestehenden  Abschluss- 
thüre  8  dient.  Im  unteren  Teile  des  Gehäuses  ist  eine  parallel  zur 
Achse  der  Gehäusetrommel  verlaufende  Oeffiiung  freigelassen,  welche 
dem  Körper  der  Horizontallampe,  die  sich  in  Längsftlhrungen  ver- 
schieben lässt,  Platz  gibt,  um  bei  brennender  Lampe  eine  über- 
mässige Erhitzung  des  Glasparabolspiegels  sowohl,  als  auch  des  Schein- 
werfergehäuses überhaupt  zu  verhindern,  sind  im  Gehäuse  neben  der 
Lampe  Lüftungsöffnungen  angebracht,  die  frische  Luft  zuströmen  lassen, 
während  die  erhitzte  Luft  durch  den  oben  auf  das  Gehäuse  gesetzten 
Kamin  entweicht.  Der  Kamin  und  die  Lüftungsöffhungen  sind  der- 
artig mit  Querwänden  durchzogen,  dass  sowohl  atmosphärische  Nieder- 
schläge abgehalten  sind,  ins  Innere  des  Gehäuses  einzudringen,  als 
auch  andererseits  dem  diffusen  Licht  der  Weg  nach  aussen  verlegt  ist. 

Seitlich  sind  am  Gehäuse  in  dessen  Schwerlinie  zwei  Drehzapfen  6 
angeordnet,  die,  in  Lager  von  gabelförmigen  Ständern  7  eingelegt, 
eine  Drehung  des  Gehäuses  um  eine  wagrechte  Achse  ermöglichen, 
dasselbe  also  in  senkrechtem  Sinne  auf  beliebige  Punkte  des  Vorfeldes 
zu  richten  gestatten.  Um  diese  Bewegung  langsam  und  sicher  ein- 
leiten zu  können,  bedient  man  sich  einer  mit  Handrad  versehenen,  an 
einem  der  Seitenständer  7  gelagerten  Schnecke ,  die  in  einen  am  Ge- 
häuse befestigten  Abschnitt  eines  Schneckenrades  eingreift. 

um  ins  Innere  des  Gehäuses  behufs  Reinigens  des  Spiegels  oder 
Einsetzen  von  Kohlen  gelangen  zu  können,  befinden  sich  auf  beiden 
Seiten  des  Gehäuses  Thüren,  die  entweder  um  Scharniere  aufgeschlagen 
oder  in  Falzen  zur  Seite  geschoben  werden  können.  Neben  den  Thüren 
erleichtem  mit  dunklen  Gläsern  abgedeckte  Schaulöcher  29  die  Beob- 
achtung des  Lichtbogens  der  brennenden  Lampe.  Ausserdem  zeigt  ein 
kleiner  optischer  Projektionsapparat  30  oben  am  Kamin  die  Form  des 
Lichtbogens  bezw.  der  Kohlenspitzen  von  oben  gesehen. 

Mittels  der  Seitenständer  ruht  das  Gehäuse  auf  einem  runden 
eisernen  Tische,  der  sich  unter  Zwischenlage  eines  Rollen-  oder  Kugel- 
kranzes auf  einem  gleichfalls  runden  Untersatze,  geführt  durch  einen 
Mittelzapfen,  leicht  dreht.  Am  Untersatz  ist  ein  Zahnkranz  angebracht, 
in  welchen  ein  am  Drehtisch  gelagertes  Ritzel  12  eingreift,  das  mittels 
Tellerkupplung  13    mit    einem   Schneckenvorgelege  zu   verbinden  ist. 


Sammlang  elektrotechnischer  Vorträge,    I. 


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Fig.  18  a. 


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Scheinwerfer  und  Fesnbeleuchtung.  417 

Wird  die  Kupplung  durch  Anziehen  der  geränderten  Scheibe  14  her- 
gestellt, so  kann  durch  Drehen  des  Handrades  15  Einstellung  der 
Bewegung  des  Gehäuses  in  horizontalem  Sinne  bewirkt  werden;  ist  die 
Kupplung  gelöst,  so  kann  das  Gehäuse  frei  um  seine  senkrechte  Achse 
gedreht  werden.  Für  diese  Bewegung  sowohl  als  die  oben  beschriebene 
Drehung  um  eine  wagrechte  Achse  sind  die  jeweiligen  Einstellungen 
an  Kreisteilungen  abzulesen. 

Die  Zuleitung  des  Stromes  geschieht  durch  am  Untersatz  an- 
gebrachte Klemmen;  von  hier  führen  Kabel  zu  isolirten  Schleiffedem, 
welche  den  Strom  auf  Schleifringe  übertragen,  die  isoliert  am  Dreh- 
tische aufgeschraubt  sind,  und  von  diesen  Bingen  leiten  biegsame  Kabel 
den  Strom  zu  den  Klemmen  der  Lampe.  Der  Glasparabolspiegel  24, 
in  einer  gusseisemen  Fassung  unter  Beilage  weichen  Materials  sorgfaltig 
gebettet,  ist  mittels  Stifbschrauben  und  Muttern  an  dem  Gehäusering 
befestigt;  das  überragende  Gehäuseblech  verhindert  das  Eindringen  von 
Wasser  an  der  Stossfuge.  Der  Spiegel  selbst  wird  durch  ein  eigenes, 
gut  ventiliertes  Gehäuse,  aus  sich  mehrfach  überdeckenden  Wänden 
bestehend,  vor  Witterungseinfiüssen  geschützt. 

Lampe.  Die  Lampe,  in  Fig.  19  in  Seitenansicht  und  Grundriss 
und  in  Fig.  20  in  Querschnitt  und  Rückansicht  dargestellt,  ist  für 
selbstthätigen  Betrieb  gebaut;  sie  kann  aber  auch  von  Hand  betrieben 
werden. 

Die  Einrichtung  für  den  selbstthätigen  Betrieb  besteht  im  wesent- 
lichen aus  zwei  Elektromagnetsystemen,  von  denen  das  eine  beim  Ein- 
schalten den  Lichtbogen  herstellt  und  deshalb  Bogenbilder  beisst, 
während  das  andere  den  stetigen  Nachschub  der  Kohlen  bewirkt 
und  Nachschubmagnet  genannt  wird.  Die  Wicklungen  des  Bogen- 
bilders  1,  2  liegen  im  Hauptstrom.  Vor  den  Polschuhen  des  Elektro- 
magneten schwingt  ein  zwischen  Spitzen  gelagerter  Eisenanker  3, 
welcher  durch  zwei  an  dem  Lampengehäuse  befestigte,  verstellbare 
Spiralfedern  von  den  Polschuhen  weggezogen  wird.  Ein  gabelförmiger 
Fortsatz  des  Ankers  umgreift  eine  Schneckenwelle  4  so,  dass  diese 
die  Ankerbewegung  mitmachen  muss. 

Auf  der  vertikalen  Achse  5  sind  befestigt  ein  Schneckenrad  6 
und  ein  Zahnrad  7;  letzteres  greift  in  die  beiden  Zahnstangen  8  und  9 
ein,  welche  an  leicht  beweglichen  Wagen  befestigt  sind.  An  geeigneten 
Ansätzen  dieser  letzteren  sind  die  zur  Spiegelachse  aufragenden  Kohlen- 
halterarme  isoliert  befestigt.  Der  Strom  wird  durch  leicht  biegsame 
Kabel  direkt  auf  diese  Arme  übertragen  und  so  den  Kohlen  zu- 
geführt 


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Fig.  19. 


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Scheinwerfer  und  Fembeleuchtiing. 


419 


Der  Winkel  des  Nachschubmag- 
neten 10,  an  welchem  der  Anker  zwi- 
schen Spitzen  drehbar  gelagert  ist,  trägt 
einerseits  eine  isolierte  Eontaktschraube 
11,  andererseits  den  mit  Eontaktfeder  12 
ausgerüsteten  Anker  13,  welcher  mittels 
zweier  Schrauben  14  und  15  und  ver- 
stellbarer Spiralfedern  16  gegen  den  An- 
schlag 17  gezogen  wird,  womit  sich 
gleichzeitig  die  Eontaktfeder  12  gegen 
den  Eontaktstift  18  anlegt.  Eontakt- 
feder und  Stift  liegen  samt  der  Magnet- 
wickelung im  Nebenschluss  zu  den  Eoh- 
len.  Dieser  Nebenschluss  wird  unter- 
brochen, sobald  der  Anker  13  vom 
Elektromagneten  10  bis  zu  einer  ge- 
wissen Grenze  angezogen,  und  wieder- 
hergestellt, wenn  der  Anker  durch  die 
Spiralfedern  16  abgehoben  wird.  Am 
Anker  ist  ein  Sperrkegel  19  befestigt, 
welcher  beim  Anzug  über  ein  auf  der 
Schneckenwelle  4  sitzendes  Sperrrad  20 
weggleitet,  beim  Rückgang  dagegen 
dieses  Sperrrad  mitnimmt  und  so  eine 
Drehung  der  Schnecke  4  bewirkt.  Diese 
Drehung  wird  durch  Vermittelung  des 
Schneckenrades  6  auf  das  Zahnrad  7  über- 
tragen und  damit  eine  entsprechende 
Annäherung  der  Eohlen  verursacht. 

Berühren  sich  beim  Schliessen  des 
Stromes  die  Eohlen  nicht,  so  tritt  der 
Nachschubmagnet  in  Thätigkeit,  dessen 
Anker  13  durch  das  stetige  OefiEhen 
und  Schliessen  des  Stromes  in  rasches 
Schwingen  versetzt  wird,  wodurch  Sperr- 
rad 20,  Schnecke  4  und  Zahnrad  7  ge- 
dreht und  damit  die  Eohlen  zusammen- 
geführt werden.  Eommen  dieselben  nun 
zur  Berührung,  so  wird  der  Strom  im 
Nachschubmagnet  10  nicht  mehr  unter- 


= 


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420  F,  Nerz. 

brocbeo,  der  Hauptmi^net,  Bogenbilder  1  und  2,  dag^en  kräftig  er- 
regt; er  zieht  infolgedessen  seinen  Anker  an  und  verschiebt  Schnecken- 
welle mit  Schneckenrad  und  Zahnrad  so,  dass  die  Kohlen  sich  von- 
einander entfernen  und  der  Lichtbogen  gebildet  wird. 

Schreitet  der  Abbrand  der  Kohlen  weiter  fort,  so  erlangt  der 
Nachschubmagnet  infolge  der  wachsenden  Spannung  eine  solche  Kraft, 
dass  er  mit  üeberwindung  der  Spiralfedern  16  seinen  Anker  anzieht, 
bis  der  Selbstunterbrecher  den  eigenen  Stromkreis  unterbricht,  worauf 
der  Anker  zurückschnellt  und  mittels  des  Sperrkegels  19  das  Sperr- 
rad 20,  also  auch  das  Schneckenrad  mit  Zahnrad  so  bewegt,  dass  die 
Kohlen  einander  genähert  werden.  Die  jedesmalige  Annäherung  ist 
zufolge  der  Schneckenübertragung  sehr  gering  und  erfolgt  in  so  kleinen 
Zeiträumen,  dass  der  Nachschub  stetig  und  unm^klich  erfolgt. 

Sind  die  Kohlen  bis  zu  einem  bestimmten  Hasse  abgebrannt,  die 
Zahnstangen  also  in  ihren  Endsiellungen  angekonunen,  so  wird  durch 
einen  an  der  positiven  Zahnstange  9  befindlichen  Stift  21  der  Strom 
des  Nachschubmagneten  10  durch  Abheben  einer  Feder  unterbrochen; 
der  Magnet  10  stellt  dann  seine  Thätigkeit  ein  und  der  Lichtbogen 
erlischt  nach  einiger  Zeit. 

um  den  Nachschub  der  Kohlen  von  Hand  vorzunehmen,  wird  der 
Hebel  2«3  an  der  Rückwand  der  Lampe  von  A  auf  H  gestellt,  wo- 
durch der  Stromkreis  des  Nachschubmagneten  unterbrochen  wird,  indem 
der  die  Verbindung  herstellende  Kontaktklotz  24  von  den  beiden  Federn 
weggezogen  wird.  Durch  Drehen  des  Handradchens  27  kann  dann  die 
Einstellung  der  Kohlen  von  Hand  bethätigt  werdai.  S.  auch  Fig.  21 
Gesamtansicht  der  geöfineten  Lampe. 

Das  Einstellen  des  leuchtenden  Kraters  in  den  Brenn- 
punkt des  Spiegels  erfolgt  durch  Drehung  eines  Handrades  5,  welches 
als  Mutter  ausgebildet  eine  an  der  Lampe  angebrachte  Schraaben- 
spindel  bewegt.  Nach  einmaliger  richtiger  Einstellung  wird  eine  am 
erwähnten  Projektionsapparat  30  angebrachte  Marke  mit  der  leuchtenden 
Fläche  des  Kraters  zur  Deckung  gebracht,  worauf  in  der  Folge  bei 
ungleichmässigem  Abbrand  der  Kohlen  oder  ungleichen  Kohlenlängeu 
nur  auf  Bestehenbleiben  dieser  Deckung  von  Krater  und  Marke  durch 
rechtzeitiges  Verschieben  der  Lampe  zu  achten  ist. 

Wenn  man  horizontal  angeordnete  Kohlen  in  der  Scheinwerfer- 
lampe benützt,  so  wird  der  leicht  bewegliche  Lichtbogen  durch  die 
Wirkung  der  Lüftungsöflhungen  nach  oben  gesogen,  was  in  kurzer 
Zeit  einen  schräg  nach  oben  brennenden  E^rater  und  damit  eine  un- 
günstige Ausnützung  des  Parabolspiegels,  der  in  der  unteren  EQUfte 


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Scheinwerfer  und  Fembeleuchtung. 


421 


nur  wenig  zur  Wirkung  käme,  zur  Folge  hätte.  Um  diese  ungünstige 
Wirkung  aufzuheben,  wurde  von  der  Firma  Schuckert  zuerst  die  nega- 
tive Kohle  um  einen  gewissen  Betrag  tiefer  gesetzt,  vom  Jahre  1888 
ab  wird  um  die  positive  Kohle  herum  dicht  hinter  der  Kraterflache 
ein  oben  offener  Eisenring  31   angeordnet,    welcher,   durch  den  die 

Fig.  21. 


Kohlen  durchfliessenden  Strom  ^magnetisiert,  über  dem  Lichtbogen  ein 
magnetisches  Feld  erzeugt,  das  bei  richtiger  Wahl  der  Ausmessungen 
den  Lichtbogen  so  viel  nach  abwärts  drückt,  als  er  durch  Wärme- 
wirkung nach  aufwärts  zu  ziehen  bestrebt  ist.  Diese  Einrichtung  wird 
heute  von  allen  Konstrukteuren,  welche  die  Horizontallampe  für  Schein- 
werfer angenonmien  haben,  benützt. 


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422  F.  Nerz. 

Elektromotorische  Fernbewegung  der  Scheinwerfer. 

Im  Vorausgehenden  wurde  an  verschiedenen  Stellen  besonders  bei 
den  Suchlichtern  von  elektromotorischer  Bewegung  gesprochen.  Die. 
Einrichtung,  die  es  ermöglicht,  den  Lichtstrahl'  von  beliebigem  Stand-' 
punkte  aus  auf  irgendwie  gelegene  Punkte  zu  richten,  kann  man  an 
jedem  Scheinwerfer  anbringen,  es  soll  deshalb  der  soeben  behandelte 
Scheinwerfer  weiter  ausgebaut  und  nachfolgend  eine  kurze  Beschreibung 
des  ergänzenden  Apparates  gegeben  werden. 

An  dem  Drehtische  des  Scheinwerfers  sind  zwei  kleine  Elektro- 
motoren 31  und  32,  Fig.  22  und  23  aufgesetzt;  der  Anker  des  einen 
ist  ohne  weiteres  auf  die  die  Bewegung  im  horizontalen  Sinne  bethä- 
tigende  Schneckenspindel  angebracht,  während  die  Ankerwelle  des 
zweiten  Elektromotors  unter  Zwischenschaltung  von  Vorgelegen  auf  die 
Vorrichtung  zum  Bewegen  des  Scheinwerfers  in  vertikalem  Sinne  ein- 
wirkt. Die  Elektromotoren  erhalten  ihren  Betriebsstrom  von  derselben 
Stromquelle,  die  auch  die  Scheinwerferlampe  speist.  Um  der  Anfor- 
derung, die  Bewegungen  des  Gehäuses  innerhalb  ziemlich  weiter  Grenzen 
mit  beliebiger  Geschwindigkeit  auszuführen,  gerecht  zu  werden,  schaltet 
man  vor  die  Feldmagnete  und  vor  die  Anker  Widerstände,  die  von 
dem  in  beliebiger  Entfernung  befindlichen  Schaltapparat  geregelt  werden 
können.  Zur  Erzielung  grösserer  Geschwindigkeit  wird  der  vor  die 
Feldmagnete  geschaltete  Widerstand  vergrössert  unter  gleichzeitiger 
Verringerung  des  Widerstandes  vor  dem  Anker.  Soll  der  Motor  lang- 
sam laufen,  so  wird  vor  den  Anker  mehr  Widerstand  geschaltet,  vor 
die  Feldmagnete  weniger. 

Die  Regelungsvorrichtung,  welche  zugleich  die  Umschaltung  f&r 
vor-  oder  rückgängige  Bewegung  der  Elektromotoren  enthält,  ist  in 
Fig.  24  schematifich  dargestellt.  Auf  einer  isolierenden  Platte  sind 
drei  konzentrische  Metallringe  befestigt,  von  denen  der  äussere  in  vier 
Quadranten  I,  II,  UI,  IV  geteilt  ist.  Dieser  letztere  sowie  auch  die 
ianeren  Ringe  b  und  c  stehen  mit  den  sechs  Anschlussklemmen  Rh, 
Rv  und  M  des  Umschalters  in  Verbindung.  Zwischen  den  Ringen 
liegen  zwei  Reihen  Kontaktknöpfe,  die  in  geeigneter  Weise  sowohl  unter- 
einander als  auch  mit  den  Klemmen  ^es  unten  liegenden  Regulier- 
widerstandes verbunden  sind.  Auf  den  Ringen  sowohl  als  auf  den 
konzentrischen  Knopfreihen  schleifen  vier  an  einem  Drehzapfen  ge- 
meinschaftlich und  isoliert  befestigte  Federn  a,  i,  d  und  k,  welche  die 
jeweilig  nötigen  Verbindungen  herstellen.  Das  Ganze  ist  in  einem 
Metallgehäuse  wasserdicht  eingeschlossen,  durch  dessen  Deckel  der  hohle 


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Scheinwerfer  und  Fernbeleuchtung. 


423 


Drehzapfen  nach  aussen 
geht  und  dort  einen 
kastenartigen  Hebel 
tragt,  in  dem  sich  eine 
Bleisicherung  f  und  die 
beiden  Unterbrecher- 
fedem  g  befinden.  Letz- 
tere sind  mit  den  Schleif- 
federn d  und  i  durch 
Drähte  verbunden.  Der 
Hebel  hat  an  seinem 
Ende  einen  Gh-iff,  der 
durch  eine  Feder  nach 
oben  gedrückt  wird,  wo- 
durch die  Verbindung 
zwischen  den  beiden 
Federn  g  aufgehoben 
ist.  Wird  dagegen  der 
Ghriff  niedergedrückt,  so 
wird  zwischen  die  Fe- 
dern g  ein  Metallstück 
eingeschoben  und  da- 
durch je  nach  der  Stel- 
lung des  Hebels  der 
Stromkreis  des  einen 
oder  des  anderen  Motors 
geschlossen,  d.  h.  die 
Armatur  desselben  in 
Drehung  versetzt. 

Auf  dem  Gehäuse 
sind  die  Aufschrif- 
ten »Rechts*,  »Auf*, 
»Links*,  »Ab*  ange- 
bracht; diese  entspre- 
chen der  Einstellung 
des  Schalthebels  auf  die 
Mitte  der  Quadranten  I, 
n,  m,  IV.  Wird  in 
dieser  Stellung  der  Griff 
niedergedrückt,  so  be- 


Fig.  22.        - 


4 ^^ i 

«OC  .0.    0      0      0        0       O       O        O     C        ^     .^       0       0       0      0    0    00» 


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Scheinwerfer  und  Fembeleuchtung.  425 

wegt  sich  das  Gehäuse  bezw.  der  von  demselben  ausgehende  Lichtstrahl 
in  entsprechender  Richtung  mit  seiner  gprössten  Geschwindigkeit.  Je  mehr 
man  den  Hebel  aus  diesen  Hauptstellungen  herausdreht,  um  so  lang- 
samer erfolgt  die  Bewegung  des  Lichtstrahles. 

Li  Fig.  24  gibt  die  Stellung  des  Schalthebels  die  schnellste 
Drehung  nach  ,|Links*)  also  entgegengesetzt  der  Drehrichtung  des 
Uhrzeigers  an.  Der  Stromweg  ist  dabei  der  folgende:  Von  der  +  Klemme 
führt  eine  Verbindung  zur  ersten  Klemme  des  Widerstandsrahmens  und 
zu  den  gleichbezeichneten  Kontaktknöpfen  der  inneren  Kontaktreihe, 
von  hier  findet  der  Strom  seinen  Weg  über  die  Kontaktplatte  d,  die 
Schmelzsicherung  f ,  bei  niedergedrücktem  Griff  über  die  Federn  gg 
durch  den  Verbindungsdraht  h  zur  Kontaktplatte  i,  von  hier  durch  den 
Metallquadranten  DI  zu  den  Klemmen  Bh  Rh  des  Ankers  des  Elektro- 
motors für  die  horizontale  Bewegung  des  Scheinwerfers.  Von  hier 
führt  eine  Verbindung  zum  Quadranten  I  und  von  da  durch  Kontakt- 
platte K  und  den  zweiten  Kontaktring  zurück  zur  — Klemme  der 
Stromquelle.  Bei  diesem  Stromwege  wurde  zwar  die  -4- Klemme  des 
Widerstandes  berührt,  es  wurde  aber  keiner  der  Vorschaltwiderstände 
benützt,  der  Anker  des  Elektromotors  erh*alt  also  die  volle  Betriebs- 
spannung. Von  der  +  Klemme  des  Widerstandes  aus  ist  aber  dem 
Strom  noch  ein  weiterer  Weg  geboten,  und  zwar  über  die  sämtlichen 
Widerstände  1,  2,  3,  4  und  5  durch  eine  Drahtverbindung  zum  gleich- 
schraffierten Kontaktknopf  der  äusseren  Knopfreihe  über  Kontakt- 
platte a,  den  inneren  Schleifring  b  zu  den  Klemmen  der  parallel  ge- 
schalteten Feldmagnete  MM,  von  hier  zurück  durch  den  äusseren 
Schleifring  c  zur  — Klemme  der  Stromquelle.  Der  Stromkreis  für  die 
Feldmagnete  enthält  also  den  ganzen  Widerstand,  das  Magnetfeld 
arbeitet  mit  geringster  Erregung  entsprechend  dem  oben  Gesagten. 

Ist  der  Schalthebel  nach  rechts  gelegt,  so  bleibt  die  Stromver- 
teilung die  gleiche  wie  im  vorigen  Falle;  es  wird  jedoch  der  Strom 
in  umgekehrter  Richtung  durch  den  Anker  geschickt,  wodurch  eine 
Drehung  des  Ankers  in  umgekehrter  Richtung  und  damit  des  Schein- 
werfers in  der  Richtung  des  Uhrzeigers  erfolgt. 

Der  gleiche  Vorgang  spielt  sich  ab  bei  einer  Stellung  des  Hebels 
auf  der  Mitte  der  Quadranten  TL  und  IV,  nur  mit  dem  unterschiede, 
dass  dann  die  Klemmen  Rv  Rv  des  Elektromotors  für  die  Bewegung 
im  vertikalen  Sinne  den  Ankerstrom  aufnehmen  und  dadurch  die  Ein- 
stellung des  Seheinwerfers  in  vertikalem  Sinne  erfolgt. 

Dreht  man  den  Hebel  aus  den  Hauptstellungen  für  schnell- 
sten Gang  heraus  und  verfolgt  die  Lagen  auf  den  übrigen  Kontakt- 


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^ 


IJ 


fti  ipj  W^  Wi=  lii 
lil  Uli  iii  Uli  ^^^^ 


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Fig.  25. 


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428  F-  Nerz. 

knöpfen,  so  findet  man  fUr  die  Verteilung  des  Widerstandes  folgende 
Stellungen : 

1.  vor  dem  Anker  keine  Widerstandsabteilung,  yor  dem  Magneten 
5  Widerstandsabteilungen, 

2.  yor  dem  Anker  1  Widerstandsabteilung,  yor  dem  Magneten 
4  Abteilungen, 

3.  yor  dem  Anker  1  Widerstandsabteilung,  yor  dem  Magneten 
3  Abteilungen, 

4.  yor  dem  Anker  2  Widerstandsabteilungen,  yor  dem  Magneten 
1  Abteilung. 

Diesen  yier  Stellungen  entsprechen  stetig  abnehmende  Geschwindig- 
keiten yon  der  yoUen  bis  zu  etwa  V«  derselben. 

Es  ist  nicht  ratsam,  den  Strom  für  die  elektromotorische  Be- 
wegung der  Scheinwerfer  dicht  yor  der  Scheinwerferlampe  abzuzweigen, 
wenn  die  Handhabung  auch  bei  nicht  brennender  Lampe  erfolgen  soll 
und  eine  Leitung,  welche  grossen  Spannungsyerlust  bei  brennender 
Lampe  yerursacht,  yorgeschaltet  ist;  die  Betriebsspannung  für  die 
Motoren  wOrde  in  diesem  Falle  bei  ein-  und  ausgeschalteter  Lampe 
eine  yerschiedene  sein.  Ist  der  Spannungsabfall  in  der  Leitung  da- 
gegen gering  und  ein  Beruhigungswiderstand  in  der  Nähe  des  Schein- 
werfers yorhanden,  so  kann  yor  dem  Widerstand  abgezweigt  werden. 
Da  der  Umschalter  ohnehin  entfernt  yom  Scheinwerfer  aufgestellt  wird, 
so  wird  es  Regel  sein,  dass  der  Umschalter  durch  ein  zweilitziges  Kahei 
direkt  mit  der  Stromquelle  yerbunden  wird. 

Ein  sechslitziges  Kabel  fOhrt  yom  Umschalter  zum  Scheinwerfer- 
untersatz und  wenn  die  Elektromotoren  auf  dem  Drehtisch  angebracht 
sind,  erhalten  sie  Strom  durch  Yermittelung  yon  Eontaktfedem  und 
Schleifringen  (Fig.  22).  Bei  den  neueren  Scheinwerfern,  besonders  bei 
jenen,  in  welchen  statt  der  zwischen  Untersatz  und  Drehtisch  gelegten 
KoUenkränze  Eugellagerung  yerwendet  ist,  sind  die  Elektromotoren  im 
Untersatz,  wie  in  Fig.  26  yeranschaulicht,  angeordnet  und  mittel» 
Schneckenyorgelege  und  Eettenübertragung  mit  den  auf  dem  Dreh- 
tisch angebrachten  Beweg^ngsmechanismen  yerbunden.  Li  diesem 
Falle  konmien  Schleiffedem  und  Schleifringe  fOr  die  Motoren  in 
Wegfall. 

Der  Umschalter  wird  auch  mit  zwei  Hebeln  ausgestattet,  wenn 
gefordert  wird,  dass  beide  Bewegungen  des  Scheinwerfers  gleichzeitig, 
jede  mit  beliebiger  Geschwindigkeit,  ausgef&hrt  werden  sollen. 


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Fig.  26. 


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430  F.  Nerz. 

Verständigung  durch  Zeichengeben  nach  dem  Morse- 
alphabet mit  Scheinwerfern. 

Nicht  nur  zur  Beleuchtung  des  Vorfeldes,  sondern  auch  zur  Ver- 
ständigung mit  vorgeschobenen  Posten  oder  zur  üebermittelung  von 
Befehlen  an  entfernte  Heeresabteilungen  oder  Schiffe  leistet  der  Schein- 
werfer vorzügliche  Dienste,  Zu  diesem  Zweck  muss  er  mit  besonderen 
Vorrichtungen,  die  es  gestatten,  das  Licht  nach  Belieben  abzublenden, 
sogenannten  Verdunkelungs-  oder  Signalisierapparaten  versehen  sein. 
Halbkreisförmige  Thüren,  die  um  seitlich  am  Scheinwerfergehäuse  an- 
gebrachte Scharniere  geöffnet  oder  geschlossen  werden  können  und  aus 
einzelnen  Blättern  bestehende  jalousieartig  angeordnete  Abblendevor- 
richtungen haben  gute  Dienste  gethan;  auch  Vorhänge,  welche  hinter 
dem  Abschlussglase  ins  Gehäuse  eingesetzt  und  durch  Zug  von  rück- 
wärts bedient  werden,  haben  Verwendung  gefunden;  ebenso  Abschluss- 
thüren  aus  Blech  mit  kleinen  Oeffnungen,  die  leicht  zu  öffnen  imd  zu 
schliessen  sind.  Alle  diese  Einrichtungen  zeigen  mehr  oder  minder 
grosse  ünvollkommenheiten.  Die  letzterwähnten  bringen  nur  einen 
geringen  Teil  des  Lichtstrahles  zur  Verwendung  und  sind  nicht  immer 
zum  Gebrauch  bereit,  können  vielmehr  erst  im  Bedarfsfalle  vor  das 
Gehäuse  gesetzt  werden.  Halbkreisförmige  um  Schaniiere  zu  öffnende 
Thüren  haben  den  Nachteil,  dass  sie  der  grossen  Ausladung  halber 
viel  Aufstellungsplatz  beanspruchen  und  bei  windigem  Wetter  nur  sehr 
schwer  bewegt  werden  können.  Für  dauernden  Gebrauch  zum  Sig- 
nalisieren sind  sie  kaum  geeignet.  Jalousieartige  Signalisierapparate 
haben  den  Anforderungen  noch  am  meisten  entsprochen;  auch  sie 
blenden  aber,  wenn  sie  stets  am  Gehäuse  bleiben  sollen,  einen  Teil 
des  nutzbaren  Lichtes  ab,  verringern  also  die  Leistungsfähigkeit  des 
Scheinwerfers.  Vorhänge  sind  nicht  haltbar;  bis  jetzt  steht  kein  Stoff 
zur  Verfügung,  der  bei  genügender  Geschmeidigkeit  auf  die  Dauer 
den  Einwirkungen  der  hohen  Wärme  des  Lichtstrahles  Widerstand 
leistet.  Alle  diese  Einrichtungen  leiden  auch  noch  an  dem  Umstände, 
dass  ein  vollständiges  Verdunkeln  des  Lichtes  nicht  gut  bewirkt  werden 
kann.  Die  kleinsten  Oeffnungen  lassen  noch  genügend  Licht  aus- 
strahlen, um  den  Aufstellungsplatz  des  Scheinwerfers  auf  erhebliche 
Entfernungen  zu  verraten. 

Irisblende. 

Die  neuesten  Scheinwerfer  der  Elektrizitäts-Aktiengesellschaft 
vormals  Schuckert  &  Co.  sind  mit  einer  Vorrichtung  ausgestattet,  die 


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Scheinwerfer  und  Fembelenchtung.  431 

entschieden  allen  vorgenannten  Apparaten  überlegen  ist.  Nach  dem 
Vorbilde  der  Irisblende  an  photographischen  Objektiven  versieht  sie 
auch  die  Scheinwerfer  mit  einer  Irisblende,  deren  Blätter  sich  in  eine 
mit  Falz  versehene,  in  der  Achse  des  Strahles  gelegene  feste  Blende 
hineinschieben.  Diese  Mittelblende  (Fig.  27)  hängt  an  Stahldrähten 
oder  stützt  sich  auf  Querspangen,  die  am  Gehäuse  befestigt  sind.  Die 
Irisblende  besteht  im  wesentlichen  aus  einer  Anzahl  dünner  kreisförmig 
ausgeschnittener  Blechstreifen,  die  mit  ihren  einen  Enden  DD  unter 
Zwischenlage  von  Lenkern  EE  an  einem  am  Scheinwerfergehäuse  fest 
angesetzten  Ring  A  bei  den  Punkten  FF  gelagert  sind.  Die  anderen 
Enden  hängen  an  Drehzapfen,  die  auf  einem  Ring  B  verteilt  sind,  der 
sich  in  dem  ersterwähnten  Ringe  unter  Zwischenlage  eines  Kugel- 
kranzes dreht.  Der  bewegliche  Ring  ist  mit  einer  Handhabe  versehen, 
die  durch  einen  Schlitz  im  Deckbleche  der  Blende  nach  aussen  vor- 
steht. In  den  Enden  des  Schlitzes  sind  Gummipuffer  eingesetzt,  die 
den  Stoss  beim  Anschlagen  der  Handhabe  mildem.  Fig.  27  zeigt 
in  der  oberen  Hälfte  die  Irisblende  in  geschlossenem,  halb-  oder  ganz 
ged&etem  Zustande.  In  der  unteren  Hälfte  ist  der  gleiche  Zustand 
unter  Weglassung  eines  grösseren  Teils  der  Blätter  veranschaulicht. 
In  der  geöffiieten  Stellung  der  Blende  legen  sich  die  Blätter  in  einen 
ringförmigen  Ausbau  des  Gehäuses,  alle  vor  einander  gelagert,  die 
festen  Drehpunkte  auf  den  ganzen  Ringumfang  verteilt.  Wird  der 
bewegliche  Ring  mittels  der  Handhabe  nach  der  Schlussstelle  hin 
gedreht,  so  treten  die  Blätter,  an  diesem  Ring  in  gleicher  Teilung 
gelagert,  aus  dem  ringförmigen  Ausbau  heraus,  verengem  die  Oeff- 
nung  mehr  und  mehr,  bis  sie^  sich  in  den  Falz  der  Mittelblende  ein- 
schieben und  so  die  ganze  Gehäuseöfihung  schliessen.  Die  Bleche 
sind  so  breit  gewählt,  dass  die  benachbarten  sich  schon  reichlich  über- 
decken; zieht  man  noch  in  Betracht,  dass  die  freien  Enden  der  Blätter 
noch  von  den  fesi^elagerten  Enden  der  gegenüberliegenden  Blätter 
verdeckt  werden,  so  ist  wohl  zu  verstehen,  dass  durch  diese  Vorrich- 
tung ein  vollständiges  Verdunkeln  erreicht  werden  kann.  In  der  That 
kann  bei  Scheinwerfern,  die  mit  Irisblende  ausgestattet  sind,  schon  in 
der  nächsten  Umgebung  nicht  der  geringste  Lichtschimmer  nach  aussen 
hin  wahrgenommen  werden.  Dieser  Umstand  ist  für  Kriegsschiffe, 
deren  Lage  der  Beobachtung  durch  den  Feind  entzogen  sein  soll,  die 
aber  ihre  Scheinwerfer  für  Torpedobootsangriffe  stets  bereit  haben 
müssen,  von  der  grössten  Bedeutung. 

Sammlnner  elektrotechnischer  Vortrüge.    I.  80 


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432 


F.  Nerz. 


Fig.  28. 


Der  Streuer. 

Wenn  wir  es  als  hervorragende  Eigenschaft  des  Scheinwerfer- 
spiegels erkannt  haben,  dass  der  Lichtstrom  einer  gegebenen  Licht- 
quelle in  einem  geschlossenen  Lichtstrahl  von  geringster  Streuung  f&r 
die  Beleuchtung  in  einer  bestimmten  Richtung  ausgenützt  wird,  so  haben 
wir  andererseits  schon  verschiedene  Fälle  berührt,  in  denen  es  er- 
wünscht oder  unbedingt  nötig  ist,  das  Feld  in  horizontaler  Richtung 
in  möglichst  grosser  Ausdehnung  zu   beleuchten.     Zu  diesem  Zwecke 

werden  optische  Gläser  ver- 
wendet, die  unter  dem  Namen 
Streuer   gleichfalls    schon   an 

verschiedenen  Stellen  erwähnt 

und  teilweise  erklärt  wurden. 
Fällt  paralleles  Licht  auf 
eine  gewöhnliche,  konvex  oder 
konkav  gestaltete  Glaslinse; 
die  durch  Eugelflächen  be- 
grenzt wird,  so  werden  sämt- 
liche Lichtstrahlen  so  ge- 
brochen und  weitergef&hrt, 
wie  wenn  sie  aus  dem  Brenn- 
punkte der  Linse  kämen;  sie 
treten  in  einem  Strahlenkegel 
aus,  der  seine  Spitze  im  Brenn- 
punkte der  Linse  hat.  Werden 
aber    nun    Abschnitte     eines 

Glascylinders,  sogenannte  Cy- 

linderlinsen  (Fig.  28)  benützt, 
so  treten  parallel  auffallende 
'"'  Lichtstrahlen   in   einer  Rich- 

tung ungebrochen  durch  das  Glas  hindurch,  in  der  anderen  werd^ 
sie,  wie  bei  der  kugelförmig  begrenzten  Linse  gebrochen,  d.  b.  die 
Cylinderlinse  besitzt  keinen  Brennpunkt,  sondern  eine  Brennlinie,  und 
sämtliche  Strahlen  werden  so  gebrochen,  dass  sie  ins  Feld  austreten 
als  ein  Lichtkeil,  dessen  Schneide  die  Brennlinie  bildet.  Stellen  wir 
eine  Anzahl  solcher  Gläser  zu  einer  runden  Scheibe  von  der  Grösse 
des  Abschlussglases  derart  zusammen,  dass  sämtliche  Streifen  parallel 
zu  einander  angeordnet  sich  in  vertikaler  Lage  befinden,  so  erhalten 
wir  eine  Eleihe  von  Lichtkeilen,  die  das  Licht  in  der  Senkrechten  nur 


y^i 


y% 


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Scheinwerfer  und  Fernbeleuchtong. 


433 


unter  dem  durch  die  Ausdehnung  des  ELraters  bedingten  Leuchtwinkel 
ins  Vorfeld  gelangen  lassen.  In  der  Horizontalen  dagegen  überlagern 
sich  alle  mit  gleicher  Streuung  austretenden  Lichtkeile  vollkommen, 
so  dass  innerhalb  des  Streuwinkels  horizontal  eine  ganz  gleichm'assige 
Beleuchtung  erzielt  wird;  über  den  Streuwinkel  hinaus  findet,  wie  beim 
geschlossenen  Strahl,  sehr  schnell  eine  Abnahme  der  Helligkeit  statt. 
Fig.  29  zeigt  die  räumliche  Verteilung  des  Lichtes;  es  bedeuten:  die 
Abscissen  die  Streuung  in  Graden,   die  Ordinaten   die  Intensitäten  im 

Fig.  29. 


JlK 


<£ 


Ib 


6*       5*       4*       5*       2*       r       0*       r       2*       5*       4*       5*       6' 

beleuchteten  Felde.  Kurve  A  gilt  für  den  geschlossenen  Strahl,  B  zeigt 
einen  durch  die  Achse  gelegten  Schnitt  in  der  Horizontalen  und  C  den 
zugehörigen  Schnitt  in  der  Senkrechten;  beide  letzteren  Kurven  verstehen 
sich  für  die  Verwendung  eines  das  Licht  auf  12  ^  ausbreitenden  Streuers. 
Wie  wir  gesehen  haben,  entspricht  der  einfache  Streuer  nicht 
allen  Anforderungen  auf  Kriegsschiffen.  Es  soll  deshalb  auch  der 
schon  genannte  Scheinwerfer  mit  Doppelstreuer  kurz  beschrieben  werden. 

Scheinwerfer  mit  Doppelstreuer. 

Fig.  30  zeigt  einen  Apparat,  der  sich,  was  Untersatz  und  Be- 
wegungsvorrichtungen anbelangt,  von  den  bisher  beschriebenen  Modellen 
nicht  unterscheidet ;  der  Scheinwerfer  ist  mit  elektromotorischer  Fem- 
bewegung ausgestattet;  die  Elektromotoren  sind  auf  dem  Drehtisch 
aufgesetzt.  Das  Gehäuse  zeigt  wesentliche  Aenderungen ;  an  Stelle  des 
Abschlussglases  oder  des  einfachen  Streuers  sind  zwei  Streuer  ange- 
bracht, deren  Gläser  unter  sich  parallel  stehen,  so  zwar,  dass  je  zwei 
zusammenwirkende  Gläser  des   vorderen   oder   hinteren   Streuers  sich 


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Fig.  30. 


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Fig.  30a. 


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436  F.  Nerz. 

optisch  Yollkommen  decken.  Beide  Streuerscheiben  können  durch  eine 
Parallelführung  einander  genähert  oder  um  die  Summe  der  Brennweiten 
der  Gläser  von  einander  entfernt  werden.  Bei  dem  in  Fig.  30  und  30  a 
dargestellten  Scheinwerfer  sitzt  der  vordere  Streuer  mit  zwei  Führungs- 
rollen auf  seitlichen  Leisten  (34)  des  Gehäuses  und  ist  mit  demselben 
ausserdem  durch  acht  in  Büchsen  eingeschlossene  Doppelfedern  (35) 
verbunden.  Er  ist  somit  als  feststehend  zu  betrachten,  abgesehen  von 
dieser  federnden  Aufhängung,  die  erforderlich  ist,  um  die  Gläser  starken 
Lufterschütterungen  gegenüber,  wie  sie  durch  das  Abfeuern  von  in  der 
Nähe  befindlichen  Geschützen  erzeugt  werden,  zu  schützen;  die  Anord- 
nung von  zwei  sich  entgegen  wirkenden  Federn  sichert  eine  bestimmte 
Ruhelage.  Der  hintere  Streuer  erhält  eine  Parallelverschiebung,  einer- 
seits durch  Führung  zweier  Rollen  auf  denselben  Gleitschienen  (34). 
andererseits  durch  nach  rückwärts  gehende  Längsstäbe  (38),  die  mit 
dem  Streuerrahmen  verbunden  und  mit  Oesen  versehen  sind,  welche 
durch  einen  Schlitz  im  Gehäuse  nach  aussen  vorstehen  und  je  eine  der 
Streben  aus  Rundstahl  umfassen,  auf  welchen  die  Tragzapfen  des  Ge- 
häuses befestigt  sind.  Quer  durch  das  Gehäuse  geht  eine  dünne  Welle  (39), 
auf  deren  Enden  ausserhalb  des  Gehäuses  beiderseits  kleine  Ketten- 
rollen  und  einerseits  ein  Handrad  (42)  befestigt  sind.  Die  über  die 
Eettenrollen  gelegten  Ketten  gehen  beiderseits  über  hinten  am  Gehäuse 
gelagerte  Führungsrollen  und  sind  mit  Spannvorrichtungen  ausgestattet. 
Die  vorhin  erwähnten,  aus  dem  Gehäuse  heraustretenden  Oesen  fassen 
den  oberen  Kettenstrang,  werden  also  bei  einer  Drehung  des  Hand- 
rades (42)  in  vor-  oder  rückgängigem  Sinne  verschoben,  wobei  der 
hintere  Streuer  in  gleichem  Sinne  mitgenommen  wird.  Zur  Aufrecht- 
erhaltung der  Schwerpunktslage  werden  an  dem  unteren  Kettenstrang 
befe3tigte  Bleigewichte  entgegengesetzt  dem  Streuer  verschoben. 

Sind  durch  Verstellen  des  hinteren  beide  Streuer  um  die  Summe 
ihrer  Brennweiten  voneinander  entfernt,  so  werden  die  vom  Parabol- 
spiegel reflektierten  Strahlen  aa  (Fig.  31)  vom  ersten  Linsensystem  so 
gebrochen,  dass  sie  sich  in  der  Brennlinie  f  der  Linsen  vereinigen  und 
von  hier  aus  divergieren.  Die  Punkte  f  sind  auch  die  Brennlinien 
des  zweiten  äusseren  Linsensystems  von  kürzerer  Brennweite;  treffen 
nun  die  divergierenden  Strahlen  auf  diese  Linsen,  so  werden  sie,  als 
aus  deren  Brennlinien  kommend,  wieder  parallel  gemacht. 

Weil  die  äusseren  Linsen  eine  geringere  Brennweite  haben,  als  die 
inneren,  so  werden  sie  nicht  in  ihrer  ganzen  Breite  vom  divergieren- 
den Lichtbündel  getroffen  und  bleibt  deshalb  zwischen  den  nach  dem 
Durchgang  durch  die  zweiten  Linsen  parallel  gewordenen  Strahlen  ein 


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Scheinwerfer  und  FembeleucMung. 


437 


Raum,  der  kein  Licht  erhält  uud  somit  dem  Flügel  F  des  jalousieartigen 
Signalisierapparates  Platz  gibt,  der  also  kein  nutzbares  Licht  abfängt. 
Sind  die  Linsen  der  beiden  Streuer  in  ihrer  Nahestellung,  so  werden 
die  vom  Parabolspiegel  kommenden  Strahlen  aa  durch  das  erste  Linsen- 
system in  gleicher  Weise  wie  im  vorigen  Falle  nach  der  Brennlinie 
dieser  Linsen  hin  gebrochen.  Ehe  dieselben  jedoch  zur  Vereinigung 
kommen,  treffen  sie  auf  die  Linsen  des  zweiten  Streuers,  wodurch  die 
schon  konvergierenden  Strahlen  noch  mehr  konvergierend  gemacht  wer- 
den; die  beiden  Linsen  wirken  dann  wie  eine  einzige  von  geringerer 
Brennweite.   Da  die  Lichtstrahlen  die  Linsen  konvergierend  verlassen,  in 

Fig.  81. 


G 


a                 1 

a_ .\ 



deren  gemeinschaftlicher  Brennlinie  f  ^  sich  kreuzen  und  erst  von  hier  aus 
unter  dem  Streuungswinkel  A  divergieren,  so  bleibt  auch  bei  dieser  An- 
ordnung ein  dunkler  Raum  ftir  die  Flügel  F  des  Signalisierapparates. 
Fig.  32  und  33  zeigen  eine  neue  Konstruktion  des  mit  gleichen 
Mitteln  ausgestatteten  Scheinwerfers.  •  Der  Untersatz  hat  Kugellagerung 
erhalten;  die  Elektromotoren  für  die  Bethätigung  der  Fembewegung 
sind  vom  Drehtisch  weg  in  den  Untersatz  verlegt  und  in  eine  wasser- 
dichte Schutzhülle  eingebaut  worden.  Der  Doppelstreuer  ist  unabhängig 
vom  Scheinwerfergehäuse  in  ein  besonderes  Gehäuse  eingebaut  und  kann 
als  Ganzes  vor  das  Scheinwerfergehäuse  gesetzt,  nach  Bedarf  abgenom- 
men und  gegebenenfalls  auch  durch  ein  Abschlussglas  ersetzt  werden. 


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B      C ic 


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J 


440  F.  Nerz. 

Zur  Parallelverschiebung  der  Streuer  dient  folgende  Einrichtung. 
An  den  beiden  Versteifungswinkeln  des  Streuergehäuses  sind  unter  120  ^ 
verteilt  drei  rechts-  und  linksgängige  Schraubenspindeln  gelagert,  die 
in  entsprechend  am  Umfange  der  Streuer  angebrachte  Muttern  passen. 
Auf  einer  am  besten  zur  Hand  liegenden  Spindel  ist  ein  Kegelrad  auf- 
gesetzt, in  welches  ein  zweites,  mit  einer  nach  aussen  gehenden  Achse 
versehen,  eingreift.  Ein  auf  dem  äusseren  Ende  dieser  Achse  ange- 
brachtes Handrad  gestattet  somit  ein  Drehen  der  Spindel.  Alle  drei 
Spindeln  tragen  auf  ihrem  inneren  Ende  Zahnräder,  welche  in  einen, 
auf  Kugeln  zentrisch  zum  Gehäuse  gelagerten,  Zahnkranz  eingreifen. 
Die  Bewegung  der  durch  Handrad  gedrehten  Spindel  wird  unter  Ver- 
mittlung des  mitgedrehten  Zahnkranzes  auch  auf  die  anderen  zwei 
Schraubenspindeln  übertragen,  wodurch  ein  von  drei  Punkten  ausgehen- 
des gleichmässiges  Zusammen-  oder  Auseinanderschrauben  der  beiden 
Streuer  bewirkt  wird.  Die  zum  völligen  Abdunkeln  des  Scheinwerfers 
dienende  Irisblende  ist  hier  zwischen  dem  Scheinwerfer-  und  dem 
Streuergehäuse  eingesetzt.  Da  die  Irisblende  zum  raschen  Zeichengeben 
auf  die  Dauer  nur  schwer  benützt  werden  kann,  ist  hier  noch  ein 
jalousieförmiger  Signalisierapparat  vorgesehen ;  derselbe  hängt  an  dem 
vorderen  Streuer  und  nimmt  an  dessen  Bewegung  teil. 

Soll  an  Stelle  des  Doppelstreuers  ein  Abschlussglas  treten,  so 
muss  dieses  in  ein  schweres  Qehäuse  eingesetzt  werden,  damit  das 
Gleichgewicht  des  ganzen  Scheinwerfergehäuses  aufrecht  erhalten  bleibt. 

Scheinwerfer  für  Handelsmarine  und   für  Effekt- 
beleuchtungen etc. 

Nachdem  bisher  nur  von  Einrichtungen  die  Rede  war,  die  für 
Militär  oder  Kriegsmarine  gebraucht  werden,  soll  der  Vollständigkeit 
halber  noch  erwähnt  werden,  dass  auch  die  Handelsmarine  sich  kleiner 
Scheinwerfer  bei  der  Durchfahrt  von  Wasserstrassen  (hauptsächlich  des 
Suezkanals)  zur  Beleuchtung  der  Ufer  und  des  Fahrwassers  bedient. 
Der  bei  diesen  Scheinwerfern  zur  Ausbreitung  des  Lichtes  dienende 
Streuer  ist  für  den  Suezkanal  so  konstruiert,  dass  an  eine  dunkle, 
5  ^  umfassende  Zone  sich  rechts  und  links  beleuchtete  Zonen  von  eben- 
falls 5®  Ausdehnung  anschliessen.  Die  Scheinwerfer  selbst  sind  vor 
dem  Bug  des  Schiffes  in  besonders  dazu  gebauten  Gehäusen  aufgestellt. 

Auch  Bagger,  Eisbrecher  und  Zollschiffe  bedienen  sich  mit  Vor- 
teil der  Scheinwerfer  bei  ihrer  nächtlichen  Thätigkeit. 

Zur  Hervorbringung  besonderer  Beleuchtungswirkungen ,  auf 
Bühnen,  bei  festlichen  Gelegenheiten,  kann  man  heute  des  Scheinwerfers 


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Fig.  82. 


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Fig.  33. 


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Scheinwerfer  und  Fembeleuchtang.  443 

kaum  mehr  entbehren.  Die  herrlichen  Faxbenspiele  der  «Fontaine 
lumineuse"  auf  der  Ausstellung  in  Paris,  die  zauberhaften  Lichtwirkungen 
der  Wasserfälle  der  Orotte  auf  der  elektrotechnischen  Ausstellung  in 
Frankfurt  a.  M.  im  Jahre  1891,  alle  massig  und  grossartig  wirkenden 
Effekte  bei  leuchtenden  Springbrunnen  der  letzten  Ausstellungen  werden 
durch  Scheinwerfer  hervorgerufen. 

Auch  die  vervielfältigenden  Künste  ziehen  Nutzen  aus  der  Eigen- 
schaft der  Scheinwerfer,  eine  gegebene  Lichtquelle  in  möglichst  vor- 
teilhafter Weise  auszunützen  und  zur  Beleuchtung  von  Flächen  be- 
liebiger Ausdehnung  zu  verwenden. 

Vor  das  Scheinwerfergehäuse  wird  eine  Scheibe  mit  zunächst 
vertikal  durchlaufenden  Streugläsem  gesetzt,  die  das  Licht  in  horizon- 
talem Sinne,  in  der  Regel  unter  einem  Winkel  von  20^  ausbreiten. 
Dicht  vor  diese  Scheibe  kommt  eine  zweite  mit  horizontal  durchlaufen- 
den Streuern,  die  eine  gleiche  Ausbreitung  in  vertikalem  Sinne  hervor- 
ruft. Der  Umstand,  dass  jeder  einzelne  Olasstreifen  das  erhaltene  Licht 
unter  vorstehend  angegebenem  Winkel  in  gleicher  Ausdehnung  ver- 
breitet, das  Licht  sämtlicher  Oläser  sich  demnach  übereinanderlagert, 
ermöglicht  eine  vollkommen  gleichmässige  Beleuchtung  einer  gegebenen 
Fläche,  deren  Orösse  durch  Veränderung  des  Abstandes  des  Schein- 
werfers oder  durch  Wahl  passender  Streuungsgrade  dem  Bedürfnisse 
angepasst  werden  kann.  Unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  kommt 
man  mit  einer  Entfernung  von  5  m  aus  und  beleuchtet  dabei  eine  Fläche 
von  ungefähr  1,8  m  Höhe  und  Breite  ganz  gleichmässig. 

Die  Helligkeit  der  Beleuchtung  in  dieser  Entfernung  von  5  m  mit 
Benützung  eines  Scheinwerfers  von  60  cm  Spiegeldurchmesser,  einer 
Lampe  von  60  Amp.  und  bei  einer  Streuung  von  20^,  also  die  Be- 
leuchtung einer  Fläche  in  der  oben  angegebenen  Orösse,  steht  zu  der 
Helligkeit,  hervorgebracht  durch  direkte  Beleuchtung  von  der  Sonne, 
in  dem  Verhältnis  von  ungefähr  1:3,  d.  h.  die  Helligkeit  ist  etwas 
mehr,  als  ^/s  der  durch  Sonnenbeleuchtung  erzielten.  Die  beschriebene 
Einrichtung  eignet  sich  hauptsächlich  zur  Aufnahme  von  Oelgemälden ; 
im  übrigen  zu  allen  Arbeiten  der  vervielfältigenden  Photographie. 

StromqaeUen  für  Scheinwerfer. 

Wenn  für  Scheinwerfer  Strom  aus  grösseren  bestehenden  Elek- 
trizitätswerken nicht  zur  Verfügung  steht  oder  der  Bezug  aus  solchen 
in  Eriegszeiten  gefährdet  erscheint,  so  müssen  besondere  Anlagen  ge- 
schaffen werden.     Als  Kraftquelle  können,  je  nach  Umfang  und  Lage 


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444  F.  Nerz. 

der  Maschinenstation,  Dampfmaschinen  mit  Kessel,  Benzin-  und  Pefcro- 
leummotoren,  in  seltenen  Fällen  Oasmotoren  Verwendung  finden.  In 
der  Regel  hat  man  sich  bis  jetzt  sogenannter  Dampfdynamos,  schnell- 
laufende vertikale  Dampfmaschinen  mit  direkt  angekuppelter  Dynamo- 
maschine, bedient.  Einrichtungen  dieser  Art  sind  zur  Genüge  bekannt 
und  können  hier  übergangen  werden. 

Es  sollen  in  folgendem  nur  fahrbare  Stromerzeugungsanlagen 
etwas  eingehender  behandelt  werden.  Das  Nächstliegende  war,  sich 
der  Dampfmaschine  zu  bedienen  und  diese,  sowie  Kessel  und  Dynamo- 
maschine auf  einem  Fahrgestell  zu  vereinigen.  Auch  hier  gebührt  der 
französischen  Firma  Sautter,  Lemonnier  &  Co.,  Paris,  das  Ver- 
dienst, bahnbrechend  gearbeitet  zu  haben;  ihre  Beleuchtungswagen 
waren  lange  Zeit  mustergiltig  und  von  keinem  anderen  Verfertiger  solcher 
Fahrzeuge  erreicht.  Als  Dampfmaschine  wurde  die  Dreicylinder- 
Brotherhoodmaschine  benützt,  welche  ungefähr  950  Umdrehungen  in 
der  Minute  machte  und  direkt  mit  einer  Dynamomaschine  gekuppelt 
war.  Die  hohe  Umdrehungszahl  der  Dampfmaschine  ermöglichte  die 
Verwendung  von  Maschinen  geringen  Gewichtes,  was  für  fahrbare  Ein- 
richtungen ausschlaggebend  war.  Als  Kessel  kamen  Fieldsche  Elöhren- 
kessel  in  Gebrauch.  Wenn  es  sich  um  geringe  Leistungen  handelte, 
so  konnten  Beleuchtungswagen  dieser  Art  recht  gute  Dienste  leisten; 
für  höhere  Leistungen  wurden  sie  zu  schwer. 

Im  Jahre  1885  nahm  auch  die  Firma  S.  Schuckert  den  Bau 
von  Beleuchtungswagen  auf.  Mit  Siederohrkessel  von  der  Lokomotiv- 
fabrik Krauss  &  Co.  in  München  und  Viercylindermotoren ,  System 
Abraham,  einer  der  Brotherhoodmaschine  ähnlichen  Dampfmaschine, 
gelang  es  ihr,  eine  fahrbare  Beleuchtungseinrichtung  zu  scha£fen,  mit 
der  sie  gegenüber  dem  französischen  Beleuchtungswagen  einen  bedeuten- 
den Vorsprung  gewann  und  zwar  gerade  in  einem  wichtigen  Punkte, 
im  Gewichte.  Bei  gleicher  Leistung  erzielte  sie  ein  Gewicht  von  rund 
3800  kg,  während  der  französische  Wagen  rund  4700  kg  wog.  Ende 
der  achtziger  Jahre  bis  heute  entspann  sich  nun  zwischen  verschiedenen 
Firmen  ein  Wettstreit,  dessen  Ziel  die  Erreichung  geringsten  Gewichtes 
bei  höchster  Leistung  war.  Verminderung  des  Kesselgewichtes  und 
Erhöhung  der  Umdrehungszahl  der  Dampfmaschine  konnten  allein  Ver- 
besserungen bringen,  die  Dynamomaschine  passte  sich  unter  allen  Um- 
ständen der  Dampfmaschine  an. 

In  der  Folge  sollen  nun  von  der  Elektrizitäts- Aktiengesellschaft 
vormals  Schuckert  &  Co.  in  den  letzten  Jahren  gelieferte  Beleuch- 
tungswagen beschrieben  werden. 


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Scheinwerfer  und  Fembeleuchtung. 


445 


Beleuchtungswagen  mit  Dampfturbine. 

Die  Plattform  eines  vierräderigen,  grösstenteils  aus  Eisen  ge- 
bauten Wagens  (Fig.  34)  ist  nach  rückwärts  zu  einem  ringförmigen 
Träger  ausgebildet,   auf  welchen  sich   ein  mit  der  Peuerbüchse  nach 


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446  F.  Nerz. 

unten  durchgehender  Siederohrkessel  aufsetzt.  Vor  dem  Kessel,  gleich- 
falls nach  unten  vorstehend,  ist  an  der  Plattform  ein  Wasserkasten 
angebracht,  aus  welchem  während  des  Betriebes  der  Kessel  mit  Wasser 
versorgt  wird.  Zwischen  Kessel  und  Wasserkasten  geht  die  der  Feuer- 
büchse wegen  etwas  ausgekröpfbe  Achse  der  Hinterlader  durch,  auf 
welche  sich  unter  Vermittelung  von  geschichteten  Blattfedern  die  Platt- 
form des  Wagens  stützt.  Das  Vorderteil  der  Plattform  ist  nach  unten 
kastenförmig  ausgebaut  und  ruht  auf  einem  vollständig  durchlenkbaren 
Untergestell.  In  dem  kastenförmigen  Unterbau  sind  die  für  den  Be- 
trieb nötigen  Werkzeuge  und  Materialien  untergebracht. 

Zwischen  Vorder-  und  Hinterrädern  ist  auf  die  Plattform  des 
Wagens  die  Dampfmaschine  aufgesetzt,  und  mit  dieser  direkt  gekuppelt 
befindet  sich  über  den  Vorderrädern  die  Dynamomaschine  in  einem 
Blechgehäuse,  das  sie  vor  atmosphärischen  Niederschlägen  schützt. 
Die  der  Dampfmaschine  zugekehrte  Wand  des  Schutzgehäuses  ist  nach 
oben  verlängert  und  nimmt  ausser  dem  Nebenschlussregulaior  einen 
Strom-  und  Spannungsmesser  auf.  Ausserdem  dient  es  einem  die 
Dampfmaschine  und  Apparate  schützenden  Dache  als  Stütze.  Auf  der 
anderen  Seite  wird  das  Dach  durch  zwei  von  der  Plattform  ausgehende 
Stäbe  getragen.  Von  einem  seitlich  am  Kessel  angebrachten  Ventil, 
welches  mit  Handrad  bethätigt  werden  kann,  führt  ein  Rohr  den  frischen 
Dampf  zur  Maschine,  ein  zweites,  etwas  weiteres  Rohr  führt  den  Ab- 
dampf in  das  Rauchrohr  des  Kessels,  hier  in  einem  Ring  endigend, 
der  mit  einer  nach  oben  gehenden  düsenfSrmigen  Oefhung  versehen 
ist,  durch  welche  der  Dampf  austritt  und  durch  den  Kamin  ins  Freie 
befördert  wird,  dabei  den  Zug  des  Kamins  verstärkend. 

Kessel.  Der  Kessel  ist  fUr  zwölf  Atmosphären  Betriebsdruck 
gebaut;  er  besteht  aus  einem  inneren  cylindrischen  und  einem  äusseren 
konischen,  sich  nach  oben  erweiternden  Stahlmantel.  Beide  sind  oben 
durch  das  Rauchrohr,  unten  durch  die  Feuerbüchse  verbunden.  Der 
innere  Kesselmantel  ist  mit  einer  grossen  Anzahl  quer  durchlaufender 
Siederöhren  versehen,  die  sich  vielfach  kreuzend  überlagern.  Die  Rost- 
stäbe sind  in  Bündeln  zusammengesetzt  in  die  Feuerbüchse  eingelegt. 
Der  Kessel  ist  mit  den  üblichen  Armaturstücken  reichlich  ausgestattet. 
Es  sind  vorgesehen: 

1.  Ein  Sicherheitsventil,  welches  Dampf  entweichen  lässt,  wenn 
die  Spannung  über  zwölf  Atmosphären  steigt. 

2.  Zwei  Manometer,  von  denen  eines  dem  Heizer,  das  andere  dem 
Maschinisten  die  vorhandene  Dampfspannung  anzeigt. 

3.  Zwei  Wasserstandsgläser  mit  Schutzgitter.  Diese  imd  die  Mano- 


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Scheinwerfer  und  Fembeleuchtung.  447 


meter  sind  für  den  Nachtbetrieb  mit  Beleuchtungsvorrichtungen  aus- 
gestattet. 

4.  Ausser  den  Wasserstandsgläsern  sind  noch  zwei  Probierhähne 
angebracht;  der  obere,  am  Orte  des  höchst  zulässigen  Wasserstandes 
vorgesehene  darf  nur  Dampf,  der  untere,  an  der  Stelle  des  noch  zu- 
lässigen tiefsten  Wasserstandes  eingesetzt,  nur  Wasser  austreten  lassen. 

5.  Ein  Füllhahn  für  das  Einbringen  des  Wassers. 

6.  Ein  Dampfaustrittsventil ,  welches  den  Dampf  dem  Motor 
zufahrt. 

7.  Ein  Ventil,  welches  mittels  eines  Rohres  Frischdampf  durch 
den  Schornstein  bläst,  behufs  Verstärkung  des  Zuges  im  Rauchrohre. 

8.  Verschiedene  Hähne,  welche  Dampf  für  die  Speiseapparate 
liefern  und  zum  Entleeren  des  Kessels  dienen,  Verschlussbolzen  für  die 
Oeffiiungen,  die  zum  Reinigen  des  Kessels  dienen. 

9.  Speiseköpfe  mit  Rückschlagventilen,  durch  welche  das  Speise- 
wasser in  den  Kessel  eintritt.  Die  Rückschlagventile  verhindern  den 
Austritt  von  Wasser  aus  dem  Kessel  und  werden  bethätigt,  wenn  der 
Kesseldruck  den  Druck  der  Speisevorrichtung  übersteigt. 

10.  Zwei  Injektoren,  welche  unter  der  Wirkung  von  Frischdampf 
die  Füllung  des  Kessels  übernehmen. 

11.  Eine  Handpumpe,  welche  dem  gleichen  Zwecke  dient.  Eine 
von  diesen  drei  Speisevorrichtungen  genügt  in  der.  Regel  allein,  um  das 
verdampfte  Wasser  wieder  zu  ersetzen. 

Heizmaterial.  Der  Kessel  kann  mit  Steinkohlen  oder  mit  einer 
Mischung  von  Steinkohlen  und  Coaks  geheizt  werden;  im  Notfalle  kann 
auch  gutes  Brennholz  benützt  werden;  doch  erfordert  dies  grosse  Auf- 
merksamkeit des  Heizers.  Sobald  die  Dampfspannung  drei  Atmosphären 
überschritten  hat,  kann  zur  Beschleunigung  der  Anhöizperiode  Dampf 
zur  Verstärkung  des  Zuges  benützt  werden. 

Dampfmaschine.  Als  Dampfmaschine  ist  eine  de  Laval- 
Turbine  benützt,  deren  Konstruktion  hier  als  bekannt  vorausgesetzt 
werden  darf.  Die  Turbinenwelle  macht  bei  neun  Atmosphären  Dampf- 
druck 24000  Umdrehungen  in  der  Minute  und  arbeitet  auf  ein  Vor- 
gelege mit  zehnfacher  üebersetzung ,  so  dass  die  Vorgelegewelle 
2400  Umdrehungen  macht.  Mit  dieser  Welle  ist  direkt  gekuppelt  eine 
Dynamomaschine  mit  Compound wicklung,  welche  bei  2400  Um- 
drehungen 7200  Watt  liefert. 

Der  ganze  Beleuchtungswagen  wiegt  rund   3360  kg,   wovon  die 

Hauptlast,  rund  2460  kg,  auf  die  EUnterräder  kommen.    Dieser  Wagen 

ist  für  Feldgebrauch   noch  recht  schwer;    ausserdem  macht  es  auch 
Sammlimg  elektrotechnlseher  Vorträge.   I.  81 


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448  F.  Nerz. 

Schwierigkeiten,  überall  das  nötige  Wasser  zu  beschaffen,  auch  die  Zu- 
fuhr von  Brennmaterial  ist  nicht  immer  leicht. 

Durch  Verwendung  von  Benzinmotoren  schuf  die  Elektrizitäts* 
aktiengesellschaft  vormals  Schuckert&Co.  ein  dem  Dampf  wagen 
in  vieler  Hinsicht  überlegenes  Fahrzeug. 

Beleuchtungswagen  mit  Benzinmotor. 

Auf  einem  vierräderigen  Fahrgestelle  (Fig.  35)  sind,  geschützt 
durch  ein  Holzgehäuse,  ein  viercylindriger  Benzinmotor,  geliefert  von 
der  Daimlermotorengesellschaft  in  Gannstatt,  und  die  Dynamomaschine 
untergebracht.  Der  mit  Schwungrad  versehene  Motor  befindet  sich 
über  der  Achse  der  Hinterräder  und  treibt  die  Dynamo  unter  Vermitte- 
lung  eines  Kreisseiltriebes  mit  dem  üebersetzungsverhältnisse  1  :  2. 
Die  Verwendung  des  Ereisseiltriebes  ermöglicht  bei  der  angegebenen 
Uebersetzung  einen  geringen  Abstand  der  Achsen  und  damit  einen 
gedrängten  Bau  des  Wagens. 

Der  Gas  bereitende  Benzinbehälter,  der  Verdunstungsapparat,  be- 
findet sich  am  Gestelle  des  Motors,  das  verbrauchte  Benzin  wird  aus 
einem  auf  dem  Dache  des  Wagens  angebrachten  Oefässe  ersetzt.  Beim 
Andrehen  des  Motors  wird  durch  das  Benzin  des  Verdunstungsapparate» 
Luft  gesaugt,  welche  sich  dabei  mit  Benzindämpfen  sättigt.  Durch 
einen  Regulierhahn  wird  das  so  erzeugte  Benzingas  vor  Eintritt  in  die 
Cylinder  nochmals  mit  atmosphärischer  Luft  gemischt,  so  dass  es  da» 
für  die  Verbrennung  richtige  Gemenge  erhält.  Die  Kolben  des  Benzin- 
motors saugen  bei  ihrem  Niedergange  dieses  Gasgemenge  in  die  Cy- 
linder und  komprimieren  es  beim  nächsten  Kolbenhub.  In  der  höchsten 
Kolbenstellung,  also  im  Zustande  der  stärksten  Verdichtung,  entzündet 
sich  das  Gasgemenge  an  der  glühenden  Innenwand  von  Platinzünd- 
hüten, die  durch  besondere  Benzinlampen  stets  in  glühendem  Zustande 
erhalten  werden.  In  diesen  Zündhüten  bleiben  nach  der  Explosion 
gasförmige  Verbrennungsrückstände  zurück,  die  nicht  wieder  entzündet 
werden;  die  beim  weiteren  Arbeitsvorgang  neuerdings  angesaugten 
Gasmengen  verdichten  die  im  Zündhute  angesammelten  Gktse  erst  im 
Zustande  höchster  Kompression  so  weit,  dass  sie  selbst  an  die  glühen- 
den Wände  gelangen  und  sich  entzünden ;  die  Explosion  fallt  demnach 
stets  mit  dem  Zustande  höchsten  Druckes  zusammen. 

Die  verbrennenden  Gase  bewirken  durch  Expansion  einen  Arbeits- 
druck auf  die  Kolben,  diQ  diese  Kraft  auf  die  Kurbelachse  übertragen 
und  sie  in  Drehung  versetzen. 


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Scheinwerfer  und  Fembeleuchtung. 


449 


Die  Cylinder  des  Motors  werden  durch  die  Verbrennung  der  Gase 
in  hohem  Grade  erhitzt  und  müssen  deshalb  künstlich  ausgiebig  gekühlt 
werden.  Zu  diesem  Zwecke  sind  sie  mit  Wasserkammem  umgeben,  in 
welchen  das  erwärmte  Wasser  stets  durch  kühles  ersetzt  werden  muss. 


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450  F.  Nerz. 

Das  hiezu  nötige  Wasser  wird  in  Rippenkühlgefässen  mitgeführt^ 
von  denen  das  Hauptkühlgefass  ausserhalb  des  Kastens  über  dem  Vorder- 
gesteile  des  Wagens  angebracht  ist,  während  weitere  Behälter  sich  auf 
dem  Dache  des  Wagens  befinden.  Das  Hauptkühlgefass  ist  senkrecht 
von  einer  grossen  Anzahl  Metallröhren  durchzogen,  welche  der  Luft 
behufs  Kühlung  Durchzug  gewähren ;  ausserdem  werden  diese  Röhren 
mittels  einer  Brause  mit  Wasser  besprengt,  welches  beim  Verdampfen 
der  Umgebung  Wärme  entzieht  und  somit  die  Kühlung  verstärkt. 

Die  Kühlung  der  Gylinder  erfolgt  nun  in  der  Weise,  dass  eine 
vom  Motor  selbst  angetriebene  Pumpe  aus  dem  Hauptkühlgefluse 
Wasser  ansaugt  und  in  die  die  Gylinder  umgebenden  Kühlmäntel  drückt, 
von  wo  aus  das  erwärmte  Wasser  wieder  dem  Kühlgefäss  zugeführt 
wird.  Das  zum  Besprengen  dieses  ßefasses  benützte  Wasser  wird  aua 
den  auf  dem  Dache  befindlichen  Behältern  entnommen,  in  einem  trichter- 
förmigen Sammelbecken  aufgefangen  und  durch  eine  zweite  Pumpe 
nach  dem  Dache  zurückgeführt,  um  von  hier  wieder  nach  der  Brause 
zu  gelangen.  Das  am  Hauptkühlgefass  durch  Verdampfen  verloren  ge- 
gangene Sprengwasser  wird  aus  einem  im  Innern  des  Wagenkasten» 
aufgestellten  Vorratsbehälter  entnommen. 

Die  auf  dem  Wagen  mitgeführten  Benzin-  und  Wasservorräte 
reichen  für  einen  siebenstündigen  Betrieb  aus. 

Auf  dem  Dache  des  Wagens  befindet  sich  noch  ein  Schalldämpfer, 
welcher  bestimmt  ist,  das  durch  den  Auspuff  verursachte  Geräusch  zu 
mildem. 

Die  Rückwand  des  Wagenkastens  ist  zu  einem  Schaltbrette  aus- 
gebildet, auf  welchem  ein  Nebenschlussregulator,  ein  Strom-  und  eish 
Spannungsmesser,  sowie  die  Anschlussklemmen  Platz  gefunden  haben. 

Die  Dynamo  ergibt  bei  900  Umdrehungen  in  der  Minute  5600  Watt. 

Das  Gewicht  des  Wagens  beträgt  einschliesslich  Wasser  und 
Benzin  für  einen  siebenstündigen  Betrieb  ca.  3200  kg,  ohne  Wasser 
und  Benzin  2800  kg. 

Wenn  in  Anbetracht  der  geringeren  Leistung  die  Gewichtsver- 
minderung nicht  bedeutend  genannt  werden  kann,  so  besitzt  der  Wagen 
dem  Dampf  wagen  gegenüber  den  grossen  Vorteil,  dass  er  leicht  in 
gefülltem  Zustande  gefahren  werden  kann  und  innerhalb  weniger 
Minuten  betriebsfertig  ist,  dass  er  ausserdem  auch  au  Orten  zu  ver- 
wenden ist,  wo  Wasser  nicht  zur  Verfügung  steht,  da  er  solches  stets 
mitführen  kann. 

Dem  Benzinwagen  wird  der  Vorwurf  gemacht,  dass  er  eine» 
Brennmateriales  bedürfe,   das  nicht  überall  zur  Verfügung  steht,   be- 


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Scheinwerfer  und  Fembeleuchtung.       .  451 

sonders  nicht  in  Peindesland.  Wenn  nun  aber  der  Bedarf  gegeben 
ist,  so  ¥rürde  man  sich  wohl  auch  damit  abfinden,  Benzin  in  genügen- 
der Menge  mitzuführen.  Dem  Petroleummotor  gegenüber  hat  der 
Benzinmotor  immer  noch  den  Vorzug,  dass  ein  Absatz  von  festen  Ver- 
brennungsrückständen in  viel  geringerem  Masse  auftritt.  Gleichwohl 
ist  nicht  zu  verkennen,  dass  bei  den  grossen  Fortschritten  im  Bau  von 
Petroleummotoren  diesen  als  Motoren  für  Beleuchtungswagen  die  Zu- 
kunft gehört. 

Beleuchtungswagen  mit  Petroleummotor. 

Fig.  36  stellt  ein  von  der  Elektrizitäts- Aktiengesellschaft  vormals 
Schuckert&Co.  konstruiertes  Fahrzeug  mit  einem  Petroleummotor, 
System  Daimler,  dar,  welches  allen  billigen  Anforderungen  gerecht 
werden  dürfte. 

Der  Aufbau  des  Wagens  entspricht  im  wesentlichen  dem  des 
Benzinmotorwagens.  lieber  den  üinterrädem  befindet  sich  der  Petro- 
leummotor, der  mit  einer  Dynamomaschine  direkt  gekuppelt  ist.  Eine 
Verlängerung  der  Dynamoachse  betreibt  den  Ventilator  einer  Kühl- 
einrichtung, welche  über  dem  Vordergestell  des  Wagens  Platz  gefunden 
hat.  Der  Wagen  ist  auf  den  Stirnseiten  mit  Bretterwänden  versehen, 
während  er  auf  den  Seiten  durch  untereinander  vertauschbare  Segel- 
tuchschiebethüren  (in  der  Abbildung  weggelassen)  abgeschlossen  ist; 
das  aus  gewölbtem  Blech  hergestellte  Dach  trägt  oben  den  Schall- 
dämpfer für  den  Auspuff  des  Motors.  Die  vordere  Holzwand  ist  als 
Schaltbrett  ausgebildet  und  enthält  die  gleichen  Apparate,  wie  die  vor- 
beschriebenen Wagen.  Unter  dem  Wagenrahmen  zwischen  Motor  und 
Dynamomaschine  ist  der  Petroleumbehälter  untergebracht. 

Der  Petroleummotor  arbeitet  mit  zwei  Gylindem  und  leistet  bei 
500  Umdrehungen  in  der  Minute  12  Pferdekräfte. 

Die  Bildung  des  zum  Betriebe  nötigen  ßasgemenges  vollzieht  sich 
selbstthätig  in  der  Weise,  dass  beim  Niedergang  des  Kolbens  sowohl 
Luft,  als  auch  flüssiges  Petroleum  gleichzeitig  angesaugt  werden.  Durch 
den  am  Motor  selbst  angebrachten  Vergaser,  welcher  vor  der  Inbetrieb- 
setzung durch  zwei  Oebläselampen  angewärmt  wird  und  während  des 
Betriebes  durch  die  heizende  Wirkung  des  Auspuffes  auf  höherer  Tem- 
peratur erhalten  bleibt,  wird  das  Petroleum  in  Gas  verwandelt,  welches 
dann  mit  Lufb  vermengt  das  brennbare,  explosive  Gasgemisch  gibt. 
Beim  höchsten  Kolbenstand,  also  im  Zustand  des  höchsten  Druckes 
kommt  das  Oasgemisch  mit  Hilfe  des  von  aussen   glühend  erhaltenen 


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Scheinwerfer  und  Fembeleuchtung.  453 

ZUndhutes  zur  Explosion,  wodurch  der  Kolben  wieder  abwärts  getrieben 
wird.  Die  durch  Expansion  der  verbrennenden  Gase  erzeugte  Kraft 
wird  in  üblicher  Weise  auf  die  Kurbelwelle  übertragen.  Beim  zweiten 
Hinaufgehen  des  Kolbens  werden  die  verbrannten  Gase  durch  die  Aus- 
puffventile in  den  Schalldämpfer  und  von  da  ins  Freie  geleitet,  worauf 
sich  der  ganze  Vorgang  wiederholt.  Auch  bei  diesem  Motor  ist  der 
Verbrennungsraum  des  Cylinders  mit  einem  Kühlmantel  umgeben  und 
dadurch  ist  ein  Kühlraum  geschaffen,  durch  welchen  mittels  einer 
Gentrifugalpumpe  Kühlwasser  gedrückt  wird.  Das  erwärmte  Kühlwasser 
wird  in  dem  über  dem  Vordergestell  befindlichen  Kühlgefäss,  durch- 
setzt mit  vielen  Metallröhren,  durch  welche  mit  Hilfe  des  eingangs 
erwähnten  Ventilators  grosse  Mengen  von  Luft  gesaugt  werden,  wieder 
abgekühlt,  um  aufs  neue  zur  Gylinderkühlung  benützt  zu  werden. 

Die  direkt  gekuppelte  Dynamomaschine  leistet  bei  500  Um- 
drehungen in  der  Minute  7200  Watt.  Der  ganze  Wagen  hat  ein- 
schliesslich Petroleum  und  Wasser  für  einen  siebenstündigen  Betrieb 
ein  Gewicht  von  2600  kg;  es  ist  somit  gegenüber  dem  Beleuchtungs- 
wagen mit  Dampfturbine,  der  die  gleiche  Leistung  gibt,  ein  bedeuten- 
der Fortschritt  erzielt. 

Schlussbemerkung. 

Nachdem  im  vorausgehenden  die  Mittel  zur  Fembeleuchtung  be- 
handelt wurden,  wäre  hier  wohl  der  Platz  zur  Erörterung  der  Frage, 
wie  sich  die  Einrichtungen  in  den  letzten  Kriegen  bewährt  haben. 
Leider  sind  hierüber  wenig  Mitteilungen  an  die  Oeffentlichkeit  gelangt. 
In  Massauah  1888  und  Marokko  1894  sollen  günstige  Erfolge  erzielt 
worden  sein  (siehe  K.  Exler,  „Die  elektrische  Vorfeldbeleuchtung*, 
S.  5).  Auch  im  chinesisch-japanischen  Kriege  sind  Scheinwerfer  auf 
beiden  Seiten  verwendet  worden.  Die  Japaner  hatten  auch  das  kleinste 
Modell  der  von  der  Firma  Schuckert&Co.  gebauten  Beleuchtungs- 
wagen mit  Dampfbetrieb  in  Verbindung  mit  einem  kleinen  Schein- 
werfer im  Feldkriege  benützt  und  sollen  damit  gute  Erfahrungen  ge- 
macht haben.  In  allen  diesen  Fällen  war  es  aber  nur  eine  geringe 
Zahl  von  Apparaten,  die  zur  Verfügung  standen;  doch  verdient  die 
Thatsache  Erwähnung,  dass  Nachfrage  und  Verwendung  von  Schein- 
werfern nach  diesem  Kriege  eine  erhebliche  Steigerung  erfuhren. 

Auch  im  spanisch-amerikanischen  Kriege  wurde  öfter  über  die 
Thätigkeit  der  Scheinwerfer  berichtet;  ein  Urteil  über  den  Verteidigungs- 
wert derselben  steht  noch  aus.  Jedenfalls  hat  man  von  Küsten- 
beleuchtungsapparaten wenig  gehört. 


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454  F.  Nerz. 

Bei  Flottenmanövern  spielt  die  Aussenbordbeleuchtung  eine  grosse 
Rolle.  Bei  planmässiger  kaltblütiger  Anwendung  der  Scheinwerfer 
dürfte  es  Torpedobooten  schwer  werden,  ihr  Ziel  zu  erreichen.  Nur 
üebereifer  in  der  Verfolgung  der  ersten  Angreifer  wird  es  einem 
folgenden  Torpedoboote  unter  Umständen  möglich  machen,  mit  Erfolg 
vorzugehen. 

Der  vrirkliche  Wert  des  Scheinwerferlichtes  kann  erst  im  Ernst- 
fälle, wenn  gleich  gut  ausgerüstete  Gegner  sich  gegenüberstehen,  fest- 
gestellt werden. 

Auf  diese  Entscheidung  warten  wir  gerne  noch  recht  lange  und 
begnügen  uns  vorläufig  mit  den  Schlüssen,  die  aus  den  üebungen  der 
Flotten  gezogen  werden  können.  Danach  möchte  heute  wohl  kein 
Schiffskommandant  das  Scheinwerferlicht  missen,  wenn  es  auch  die 
grosse  Zahl  von  Hilfsapparaten  an  Bord  noch  um  einige  weitere  ver- 
mehrt. 


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Die  bisherigen  Versuche  mit  elektrischen  Zugtelegraphen. 

Von 

Oberingenieur  L.  Eohlfttrst, 

Kaplitz  bei  Budweis. 
Mit  12  Abbildangen. 


Mit  dem  Namen  Zugtelegraphen  werden  im  allgemeinen 
jene  Einrichtungen  bezeichnet,  deren  Zweck  es  ist,  eine  Nachrichten- 
gebung  zwischen  den  auf  einem  und  demselben  Schienenstrange  ver- 
kehrenden Eisenbahnzügen  —  untereinander  —  oder  zwischen  den 
Zügen  und  den  Stationen  oder  sonstigen  Stellen  der  Bahnstrecke  zu 
ermöglichen.  Das  Kriterium  der  Zugtelegraphen  besteht  in  der  Füg- 
lichkeit,  an  den  Zügen  während  der  Fabrt  mit  ELilfe  eigener  Zeichen- 
apparate aus  der  Feme  Nachrichten  zu  empfangen;  Anordnungen, 
welche  bloss  die  Abgabe  von  Nachrichten  seitens  der  auf  der  Fahrt 
begriffenen  Züge  an  die  Stationen  oder  an  verschiedene  bestimmte 
Stellen  ermöglichen,  gehören  nicht  hieher. 

Unter  den  Zugtelegrapheneinrichtungen  gibt  es  solche,  bei  welchen 
auf  den  Zügen  lediglich  der  Empfang,  und  solche,  bei  welchen  nebst- 
dem  die  Abgabe  von  Nachrichten  vorgesehen  ist.  Eine  zweite  Scheidung 
ergibt  sich  aus  dem  Umstände,  dass  ein  Teil  der  elektrischen  Zug- 
telegraphen hinsichtlich  der  von  den  Zügen  zu  empfangenden  Nach- 
richten sich  lediglich  auf  gewisse,  aus  beständig  wiederkehrenden 
Eisenbahnbetriebsvorgängen  hervorgehende  Weisungen  beschränkt,  die 
durch  einfache  Zeichen,  Signale,  darstellbar  sind,  während  eine  zweite 
Gattung,  welche  man  wohl  die  „eigentlichen  Zugtelegraphen''  oder 
die  „Zugtelegraphie  im  engeren  Sinne''  nennen  könnte,  den  Austausch 
umfänglicher  Nachrichten  von  ganz  beliebigem  Inhalte  gestatten.  Es 
darf  gewiss  als  besonders  bemerkenswert  gelten,  dass  die  Idee  ^er 
magnet-elektrischen  Zugtelegraphie  bereits  zu  Tage  trat,  als  die  ganze 

Sammlang  elektrotechnischer  Vortrage.    I.  32 


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456  L-  Kohlfürst. 

elektrische  Telegraphie  sozusagen  noch  in  den  Kinderschuhen  stand 
und  überhaupt  erst  2  Jahre  früher  den  Eisenbahnen  dienstbar  geworden 
war.  Die  Verkehrsverhältnisse  der  englischen  Bahnen  hatten  sich 
damals,  nämlich  an  der  Schwelle  der  vierziger  Jahre  unseres  Jahr- 
hunderts, bereits  ganz  stattlich  zu  entwickeln  begonnen;  die  Anzahl 
der  Züge  vermehrte  sich,  die  Zuggeschwindigkeiten  mussten  erhöht 
werden,  und  Hand  in  Hand  damit  ging  selbstverständlich  die  Entwicke- 
lung  des  Signal wesens.  Es  fehlte  sonach  nicht  an  unliebsamen  Er- 
fahrungen darüber,  dass  die  sichtbaren  Signale  bei  Nebel,  Schneesturm, 
schweren  Gewitterregen,  Rauch  oder  Staub  an  Deutlichkeit  mehr  oder 
minder  einbUssen,  dass  während  der  Dunkelheit  Signallampen  ver- 
löschen, oder  dass  sie  zu  spät  angezündet  werden  können,  oder  dass 
das  Lokomotivpersonal  zufolge  Ablenkungen,  welche  irgend  eine  sich 
nötig  erweisende,  anderweitige  Dienstverrichtung  mit  sich  bringt,  ein 
Signal  nicht  rechtzeitig  wahrnimmt.  Hiegegen  kannte  man  hörbare 
Signale,  durch  welche  die  sichtbaren  angemessen  ergänzt  und  unter- 
stützt werden  sollten,  namentlich  die  Knallsignale  noch  nicht,  sondern 
letztere  haben  erst  im  Jahre  1845  seitens  der  London-Birmingham- 
Bahn  zuerst  *)  Verwendung  gefunden.  Während  sich  demzufolge  und 
in  Anbetracht  der  damals  noch  geringen  Vollkommenheit  der  Signal- 
vorrichtungen die  Schwächen  der  sichtbaren  Signale  weit  lebhafter 
geltend  machten  als  heutzutage,  war  andererseits  durch  die  1839  auf 
der  Great-Western-Bahn  stattgehabte  erfolgreiche  Einführung  eines 
elektrischen  Telegraphen,  sowie  insbesondere  durch  die  1841  erfolgte 
Errichtung  einer  ähnlichen,  auf  der  London-Blackwall-Bahn  die 
Zugdeckung  glänzend  durchführenden  Anlage  die  Hoffnungen  auf  eine 
allumfassende  Anwendung  der  Elektricität  im  Nachrichten-  und  Siche- 
rungswesen der  Eisenbahnen  in  einem  Masse  geweckt  worden,  dass 
selbst  ruhiger  denkende  Fachleute  von  dem  neuen  Hilfsmittel  eine 
völlige  Umwälzung  der  bis  dahin  bestandenen  Eisenbahnbetriebsform  *) 
erwarteten.  Diese  enthusiastischen  Voraussetzungen,  welche  sich  aller- 
dings erst  späterhin  und  nur  allmählich  in  wesentlich  anderer  Art  und 
Weise  erfüllt  haben,  erklärte  es,  wieso  in  England  zu  einer  Zeit  bereits 
Zugtelegraphen  geplant  wurden,  wo  am  europäischen  Kontinente 
elektrische  Eisenbahntelegraphen  überhaupt  noch  gar  nicht  in  Ver- 
wendung standen. 


*)  Vergl.  M.  M.  Freiherr  v.  Weber,  Das  Telegraphen-  und  Signal wesen 
der  Eisenbahnen,  Weimar  1867,  p.  120. 

*)  Vergl.  W.  F.  Cooke,  Telegraphie  Railroads,  London  1842. 


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Die  bisherigen  Versuche  mit  elektrischen  Zugtelegraphen.  457 

Die  erste  Idee  eines  Zugtelegraphen  fällt  nämlich  in  das  Jahr  1841 
und  rührte  von  Alexander  Bain  und  Thomas  Wright  her, 
welche  bei  ihrer  Erfindung  der  damals  auf  den  meisten  englischen 
Bahnen  herrschenden  Gepflogenheit,*  den  Zügen  sogenannte  «Lotsen- 
maschinen**  vorauszuschicken,  Rechnung  trugen.  Nach  der  im 
Patente  vom  21.  Dezember  des  bezeichneten  Jahres  angeführten  Be- 
schreibung sollten  zwischen  den  beiden  Schienensträngen  des  Eisen- 
bahngleises auf  die  Schwellen  längs  der  ganzen  Strecke  zwei  schienen- 
formige  Stromleiter  gelegt  werden,  auf  welche  zwei  federnde  Stempel 
von  der  Zuglokomotive  und  zwei  ähnliche  Stempel  von  der  beiläufig 
eine  englische  Meile  vorausfahrenden  Lotsenlokomotive  herabreichen. 
Auf  der  letzteren  sollte  der  Stromweg  einer  mitgeführten  Batterie  durch 
den  Kugelregulator  der  Lokomotive  und  zu  den  schleifenden  Stempeln 
geführt  sein,  während  auf  der  Zuglokomotive  zwischen  den  beiden 
Kontaktstempeln  ein  aus  einer  Drahtspule,  einem  Magnetstab  und 
einem  Laufwerk  bestehender  Zeichenapparat  eingeschaltet  werden  sollte. 
Solange  die  Lotsenlokomotive  sich  bewegte,  wäre  die  Leitung  durch 
die  Kugeln  des  Regulators  unterbrochen ;  fände  die  Lokomotive  jedoch 
ein  Hindernis,  demzufolge  die  Fahrt  eingestellt  werden  müsste,  dann 
hätte  der  niedergehende  Regulator  den  Stromschluss  herzustellen,  dem- 
zufolge auf  der  Zuglokomotive  der  Magnetstab  abgelenkt  und  das 
Laufwerk  ausgelöst  werden  sollte,  welch  letzteres  die  Aufgabe  hatte, 
die  Dampfpfeife  auszulösen.  Bis  zu  einem  praktischen  Versuche  ist 
das  Bain -Wright  sehe  Projekt  nicht  gediehen,  es  bildet  jedoch  den 
Ausgangspunkt  für  eine  grosse  Reihe  verwandter  Entwürfe,  Vorschläge 
oder  Ausführungen,  die  seither  bis  in  die  jüngsten  Tage  immer  wieder 
auftauchen  und  deren  wesentlichste  Vertreter  nachstehend  des  näheren 
in  Betracht  gezogen  werden  sollen.  Letzteren  Falls  wird  es  zweckdien- 
lich sein,  im  allgemeinen  thunlichst  die  chronologische  Ordnung  ein- 
zuhalten, dabei  aber  die  oben  angegebene  natürliche  Gruppenteilung 
vorzunehmen  und  jene  Einrichtungen,  welche  bloss  Signale  vermitteln, 
in  die  Vorderreihe  zu  stellen,  weil  sie,  wenn  auch  die  jüngeren,  so 
doch  die  einfacheren  sind. 

A.  Elektrische  Zngtelegraphen,  welche  bloss  Signale  vermitteln. 
Bevor  einzelne  Beispiele  von  Einrichtungen  dieser  Gattung  näher  be- 
sprochen werden,  bleibt  zu  erinnern,  dass  für  sie  alle  der  „Empfang 
von  Nachrichten  seitens  der  Eisenbahnzüge  während  der 
Fahrt"  die  charakteristische  Grundlage  bildet,  dass  jedoch  im  Hin- 
blick auf  den  Zweck,  welcher  der  Nachrichtengebung  zu  Grunde  liegt, 
keineswegs   sämtliche   Anordnungen    übereinstimmen,    wenngleich    sie 


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458  L-  Kohlfüret. 

vorwiegend  bestimmt  sind,  für  die  Zugdeckung  bezw.  als  Blocksignal 
zu  dienen.  Hinsichtlich  der  letztgedachten,  als  Blocksignale  ver- 
wendeten Zugtelegraphen  mag  ferner  gleich  hier  anschliessend  —  um 
spätere  Wiederholungen  vermeiden-  zu  können  —  darauf  aufmerksam 
gemacht  werden,  dass  bei  denselben  in  der  Regel  eine  doppel- 
gleisige Bahn  vorausgesetzt  ist,  und  dass  die  für  das  rechtsseitige 
oder  linksseitige  Gleis  in  Betracht  gezogene  Einrichtung  immer  auch 
für  das  zweite  Gleis  in  ganz  gleicher  Anordnung  vorhanden  sein  muss, 
wenngleich  —  selbstverständlich  durch  Umwendung  —  der  verkehrten 
Zugrichtung  angepasst.  Falls  eine  dieser  Blocksignaleinrichtungen 
ausnahmsweise  für  die  Verwendung  auf  eingleisigen  Eisenbahnen 
bestimmt  sein  sollte,  dann  wird  dieser  Umstand  stets  besonders  her- 
vorgehoben werden. 

Die  älteste  und  —  wie  nicht  versäumt  werden  darf,  hervor- 
zuheben —  eine  der  durchdachtesten  der  zur  Gruppe  A  gehörigen 
Anordnungen  ist  ein  Zugtelegraph  von  Tyer,  welcher  die  in  Ent- 
fernungen von  je  einer  englischen  Meile  auf  der  Bahnstrecke  errichteten 
Signalwärterposten  (Blockposten)  in  den  Stand  setzte,  jedem  einzelnen 
Zug  direkt  bekannt  zu  geben,  ob  die  Bahn  frei  ist  oder  nicht.  Auch 
erhielten  die  Blockposten  eine  Rückmeldung,  welche  ihnen  den  richtigen 
Empfang  der  an  die  Züge  abgegebenen  Nachrichten  bestätigte.  Zu 
diesem  Ende  waren  bei  jedem  Blockposten  je  zwei ,  6  m  lange ,  auf 
gefimissten  Querhölzern  befestigte  Kupferstreifen  a^,  a^,  ag  ...  und 
^v  ^2»  '^.'i  •  •  •  (Fig-  1)  i™  Gleise  vorhanden,  auf  welchen  während  der 
Vorbeifahrt  des  Zuges  zwei  auf  der  Lokomotive  angebrachte  federnde 
Bügel  als  Stromabnehmer  schleiften.  Eine  dieser  beiden  Leitungen, 
nämlich  b^,  b2,  bf  .  .  .,  diente  lediglich  als  Erdanschluss ,  die  andere 
hiegegen  war  durch  eine  Drahtleitung  L^,  L2,  L3  .  .  .  mit  den  Signal- 
apparaten des  am  Ende  der  Blockstrecke  befindlichen  Blockpostens  und 
einer  daselbst  aufgestellten  Batterie  B  verbunden,  und  dann  gleichfalls 
an  Erde  E  gelegt.  Die  Signalapparate  des  Blockpostens  bestanden  aus 
zwei  parallel  in  den  Schliessungskreis  geschalteten  Elektromagneten  M 
und  M^,  wovon  der  Anker  des  ersteren  in  der  abgerissenen  Lage  das 
Signal  „Strecke  frei*"  und  in  der  angezogenen  Lage  das  Zeichen  «Strecke 
besetzt  darstellte;  hiegegen  gab  der  zweite  Elektromagnet  hörbare 
Zeichen,  indem  sein  klöppeiförmiger  Anker  bei  jeder  Anziehung  an 
eine  Glocke  schlug.  Ausserdem  war  noch  ein  dritter  Elektromagnet  M^ 
vorhanden,  dessen  Anker  die  Aufgabe  hatte,  mit  einer  Nase  n  den 
Anker  A  bei  jedesmaliger  Erregung  von  M  in  der  angezogenen  Lage 
festzuhalten,  auch  wenn  M  wieder  stromlos  geworden.   Ausserdem  be- 


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Die  bisherigen  Versuche  mit  elektrischen  Zagtelegraphen. 


459 


fand  sich  am  Blockposten  nur  noch  ein  Stromschliesser  U,  mit  dem 
der  Signalwärter  die  Batterie  ein-  oder  ausschalten  konnte,  und  die 
beiden  Schalthebelstellungen  trugen  gleichfalls  die  Aufschrift  ,  Strecke 
frei"  bezw.  „Strecke  besetzt '^.  Auf  den  Zuglokomotiven  waren  zwischen 
den  schon  früher  erwähnten  zwei  Stromabnehmern  ebenfalls  zwei 
zeichengebende  Elektromagnete  eingeschaltet,  wovon  der  Anker  des 
ersteren  bei  abgerissener  Lage  im  Fensterausschnitte  eines  am  Führer- 
stande angebrachten  Signalkästchens  ein  rotes,  in  angezogener  Lage 
ein  weisses  Scheibchen  ersehen* liess,  was  gleichbedeutend  war  mit 
Halt  und  Frei.  Der  Anker  des  zweiten  Elektromagnetes  gab  bei 
jeder  Anziehung  ein  Glockenzeicheja  und  war  späterhin  auch  zur  Aus- 


Fig.  1. 


^eainn\d£rläockstrickjt Z'3  B       llII~J    "     'Beginn cOfrBlocKstredt^-'i 


CL3       \ 


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^E^, 


■F^ 


TT 


IS 


lösung  einer  besonderen  Dampfpfeife  eingerichtet;  ein  dritter,  nicht 
in  den  Schliessungskreis  der  beiden  zeichengebenden  Apparate  ge- 
schalteter Elektromagnet  diente  lediglich  als  Sperrvorrichtung  für  den 
Scheibchenapparat,  ganz  so  wie  Mg  für  A  auf  den  Blockposten.  So- 
lange kein  Zug  in  der  Blockstrecke  vorhanden  w^r,  zeigte  der  Zeichen- 
apparat am  Blockpfosten  auf  ,, Strecke  frei**,  die  Anker  sämtlicher 
drei  Elektromagnete  blieben  abgerissen  und  die  Batterie  B  eingeschaltet, 
wie  es  Fig.  1  darstellt.  Wenn  unter  diesen  Verhältnissen  ein  Zug  in 
die  Strecke  einfuhr,  verband  er  durch  die  Stromabnehmer  der  Loko- 
motive über  seine  Signalapparate  die  Stromleitung  zur  Erde,  weshalb 
auf  der  Maschine   ein  Glockenzeichen   erfolgte  und   der  Scheibchen- 


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460  L-  Kohlfürst. 

apparat  Weiss  zeigte,  so  dass  der  Maschinenfübrer  wusste,  die  be- 
gonnene Strecke  sei  unbesetzt.  Desgleichen  erfolgte  am  zugehörigen 
Blockposten  das  Glockenzeichen  und  das  Signal  «Strecke  besetzt", 
demzufolge  der  Signalwärter  den  Batterieschalthebel  H  gleichfalls  auf 
«Strecke  besetzt"  umlegte,  d.  h.  den  Batterieanschluss  unterbrach. 
Ein  nachfahrender  Zug  konnte  sonach  beim  Eintritt  in  die  Strecke 
keinen  Stromschluss  herbeiführen,  also  auch  kein  Freisignal  erhalten; 
er  musste  den  diesfälligen  Bestimmungen  gemäss  vorerst  stehen  bleiben 
und  durfte  dann  seine  Fahrt  nur  langsam  mit  äusserster  Vorsicht  fort- 
setzen, bis  er  zum  Hindernisse  vordrang  oder  bei  einem  nächsten  Block- 
posten das  Signal  «Strecke  frei"  erhielt.  Der  Signalwärter  durfte 
den  Schalthebel  jedoch  unbedingt  erst  dann  wieder  auf  «Strecke  frei* 
stellen,  wenn  sein  Zeichenapparat  dieses  Signal  zeigte,  und  letzteres 
war  nur  möglich,  wenn  durch  Thätigwerden  des  Elektromagnetes  Mg 
A  von  n  losgelassen  wurde.  Diese  Rückstellung  erfolgte  gleichzeitig 
mit  der  Aufhebung  der  Sperre  an  dem  Lokomotivzeichenapparate  imd 
wieder  durch  Vermittlung  des  Zuges  selbst,  sobald  er  mit  einem 
zweiten  Paare  von  Stromabnehmern,  das  an  der  Lokomotive  angebracht 
war,  zwei  entsprechend  weit  hinter  dem  Blockposten  ins  Gleis  ein- 
gelegte kurze  Kontaktschienen  c^,  Cg,  c.j .  .  .  und  d^,  d^,  d.  . . .  tiberfuhr, 
von  welchen  die  eine  (dj,  d^,  i.^  .  .  .)  Erdschluss  besass,  während 
die  andere  (c^,  c.,,  c.^  .  .  .)  durch  eine  Leitung  Ij,  L,,  l,  .  .  .  mit  den 
betrefifenden  Elektromagneten  Mg  verbunden  war.  Nachdem  auf  diese 
Weise  beim  Signalwärter  «Strecke  frei"  einlangte,  steUte  er  auch 
wieder  den  Batteriehebel  auf  «Strecke  frei"  und  ein  nächster  Zug 
durfte  somit  wieder  nachrücken.  Diese  bereits  1851  erfundene  An- 
ordnung war  einige  Zeit  hindurch  auf  der  Bahnstrecke  London-Dover 
nicht  ohne  Erfolg  in  Verwendung,  wurde  aber  schon  nächsten  Jahres 
durch  die  bekannte  Ty  er  sehe  Blocksignaleinrichtung,  bei  der  die  Signal- 
wärter mit  Hilfe  sichtbarer  Streckensignale  die  Zugfolge  regeln,  er- 
setzt^). Bemerkenswert  ist  es,  dass  die  Ty  ersehe  sinnreiche  Sperrung 
eines  Elektromagnetankers  durch  einen  zweiten  bei  mehreren  ganz 
modernen  Eisenbahnsignaleinrichtungen,  wie  beispielsweise  bei  den 
Hallschen*)  und  bei  den  Hattem  er  sehen*)  Annäherungs-(Ueber- 
weg-)Signalen,  wieder  vorteilhafte  Verwertung  gefunden  hat. 


*)  Vergl.  Glösener,  Traite  general  des  applications  des  relectricite,  Paria 
und  Lattich  1861,  1,  p.  806. 

*)  Centralblatt  der  Bauverwaltung  1890,  p.  372. 

»)  Dinglera  Polytechn.  Journal  1895,  298,  p.  110  and  1897,  S06,  p.  117. 


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Die  bisherigen  Versuche  mit  elektrisclien  Zugtelegraphen.  461 

Im  Jahre  1853  sind  auf  der  spanischen  Eisenbahn  Madrid- Aran- 
juez  Versuche  mit  einem  von  Manuel  Fernando  de  Castro  er- 
dachten Signaleinrichtung  gemacht  worden,  deren  Wesenheit  darin 
bestand,  dass  auf  den  Zuglokomotiven,  gleichgiltig,  ob  sie  sich  folgten 
oder  entgegenfuhren,  ein  Lärmwecker  ausgelöst  wurde,  sobald  sich 
zwei  Züge  auf  eine  bestimmte  Entfernung  nahe  kamen.  Jede  Loko- 
motive hatte  ein  Relais  und  eine  Batterie,  die  hintereinander  geschaltet 
einerseits  an  einen  Stromabnehmer  angeschlossen,  andererseits  an  Erde 
gelegt  waren ;  das  Relais  hatte  den  Lärmwecker  defr  Lokomotive  durch 
Schliessung  eines  Ortsstromes  thätig  zu  machen.  Der  Stromabnehmer 
war  vorne  an  der  Brust  der  Lokomotive  als  ein  seitlich  vorstehender, 
federnder  Arm  angebracht  und  berührte  stetig  eine  längs  der  Bahn- 
strecke vorhandene  Stromleitung,  welche  etwa  1  m  höher  als  die 
Schienen  des  Gleises  neben  demselben  auf  Pflöcken  isoliert  befestigt 
war.  Diese  Leitung  war  zweiteilig  und  bestand  aus  stehenden  Blech- 
streifen ai,  aj,  a.j  .  .  .  und  b,,  bj,  b,  .  .  .  (Fig.  2)  von  je  1  km  Länge, 

Fig.  2. 


G 

a. 

ax. 

CL.1 

au 

^^^^^^ 

b. 

ix 

hs 

h. 

die  sich  von  Mitte  zu  Mitte  übergriffen.  Eine  Auslösung  des  Lärm- 
weckers erfolgte  sonach,  sobald  sich  die  Züge  auf  einen  halben  Kilometer 
näherten,  in  welchem  Falle  die  Lokomotiveinrichtungen,  die  Leitung 
und  Erde  einen  geschlossenen  Stromkreis  bildeten.  Um  dieselbe  Ein- 
richtung auch  für  eingleisige  Bahnen  auszunützen,  brachte  De  Castro 
an  den  Lokomotiven  einen  Batterieumschalter  an,  mit  dem  die  der 
Fahrtrichtung  entsprechenden  Polanschlüsse  der  Batterie  bewirkt  wur- 
den, damit  sich  die  Batterieströme  zweier  entgegenfahrenden  Züge 
gleichfalls  addierten  und  nicht  aufhoben.  De  Castro  beschreibt  seinen 
Zugtelegraphen  in  einem  Schriftchen  „L'electricite  et  les  chemins  de 
fer*,  Paris  1859,  lässt  darin  aber  unerörtert,  wie  zwei  Züge,  welche 
sich  zu  nahe  kommen  und  demzufolge  beide  gleichzeitig  das  nämliche 
Wamungssignal  erhalten,  darüber  klar  werden,  ob  sich  der  in  gefahr- 
drohende Nähe  geratene  Zug  vorne  oder  rückwärts  befindet. 

Ein  Jahr  später  entwarf  Kapitän  Guyard  ^)   eine  Anordnung, 
welche  mit  der  eben  geschilderten  im  wesentlichen  ganz  übereinstimmte, 


^)  Yergl.  Du  Moncel,  Expos^  des  applications  de relectricite,  5.  Aufl.,  5,  p. 23. 


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462  L-  KohlfÜrat 


und  die  gleich  der  De  Castro  sehen  ebensowenig  zur  Anwendung  ge- 
langte, als  eine  im  Jahre  1854  yon  Carr  &  Barlow  ^)  erdachte  Ein- 
richtung verwandter  Art.  Oleichfalls  als  totgeborene,  für  die  selbst- 
thätige  Zugdeckung  geplante  Zugtelegraphen')  wären  dann  noch  an- 
zuführen jene  Yon  Abb^  Magnat,  Goghland,  Ghrestin,  Cheneusac 
(1854),  Erkmann(1855),  Reville-Dumoulin,  Gay,  Mat,  Peudefer, 
Scias  (1856),  Lafollye  (1857)  und  noch  viele  andere.  Allein  der 
Grund,  warum  alle  diese  Erfindungen  trotz  ihrer  vielversprechenden 
Pi'Ogramme  es  nicht  einmal  zu  praktischen  Versuchen  gebracht  haben, 
lag  damals  nicht  etwa  lediglich  in  der  klaren  Erkenntnis  an  den  mass- 
gebenden Stellen,  dass  die  vorgeschlagenen  Einrichtungen  entweder 
überhaupt  unausführbar  oder  unzweckmässig  seien,  oder  dass  es  un- 
möglich sei,  sie  dauernd  in  tadellosem  Betrieb  zu  erhalten,  sondern 
vorwiegend  in  wirtschaftlichen  Bedenken.  In  der  fraglichen  Zeit  be- 
sassen  ja  die  Eisenbahnverwaltungen  im  allgemeinen  noch  einen  aus- 
gesprochenen Widerwillen,  irgendwie  nennenswertere  Geldopfer  fttr 
Zugsicherungseinrichtungen,  soweit  diese  nicht  in  Besserungen  des 
Oberbaues  oder  der  Bahnbewachung  bestanden,  aufzuwenden,  und  liessen 
sich  hierin  alles  unter  zäher  Abwehr  erst  durch  wiederholte  schwere 
Unfälle  abringen.  Wie  sollte  man  sich  zu  wirklich  kostspieligen  und 
hinsichtlich  des  Erfolges  durchaus  ungewissen  Experimenten  bereit 
finden?  Diese  Fragwürdigkeit  des  Wertes  der  Zugtelegraphen  war 
in  der  That  damals  noch  ungleich  grösser  als  heutigen  Tages,  denn 
man  hatte  nicht  einmal  fUr  ihren  Betrieb  geeignete  Elektrizitätsquellen 
zur  Verfügung.  Die  durchdachtesten,  sinnreichsten  Anordnungen  —  und 
es  gab  ja  auch  solche  unter  den  angeführten  Systemen  —  mussten  also 
schon  an  der  Unzulänglichkeit  der  Hilfsmittel  ihren  Wert  völlig  einbüssen. 

Nur  der  letzte  zur  oben  angeführten  Reihe  gehörende,  von 
E.  Vincenzi^)  erdachte  Zugtelegraph  hatte  es  wieder  bis  zu  praktischen 
Versuchen  gebracht,  welche  im  Jahre  1861  auf  der  Bahnlinie  Florenz- 
Adrezzo  stattfanden  und  in  der  Gruppe  B  nochmals  Erwähnung  finden. 

Von  da  an  erfuhr  der  Erfindungseifer  auf  einschlägigem  Gebiete, 
nachdem  sich  die  namentlich  in  betreff  der  Durchführung  einer  voll- 
kommen verlässlichen,  räumlichen  Zugdeckung  auf  die  Zugtelegraphen 
gesetzten  Hoffnungen  nicht  erfüllen  wollten,  eine  begreifliche  Erkäl- 
tung, und  es  finden  sich  einschlägige  Entwürfe  —  wenige  in  der  zweiten 
Ghruppe  erwähnte  angenommen  —  anscheinend  erst  wieder  zu  Beginn 

^)  Yergl.  Society  of  Telegraph  Engineen  2,  p.  251  u.  265. 

')  Vergl.  E.  Schmitt,  Das  Signalweseo,  p.  854. 

*)  Vergl.  Organ  für  die  Fortschritte  des  Eisenbahnwesens  2,  p.  268. 


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Die  bisherigen  Versuche  mit  elektrischen  Zugtelegraphen. 


4(53 


der  siebziger  Jahre.  Zu  dieser  Zeit  hatte  L artig ue,  damals  Tele- 
graphenchef der  französischen  Nordbahn,  Tyers  Idee,  dem 
auf  der  Fahrt  begriffenen  Zuge  durch  selbstthätiges  Wirksamwerden 
der  Lokomotivpfeife  das  Warnungssignal  zu  geben  und  diese  Aus- 
lösung der  Dampfpfeife  im  elektrischen  Wege  vollziehen  zu  lassen 
(vergl.  S.  459),  wieder  neu  aufgenommen.  Die  von  Lartigue  ge- 
meinschaftlich mit  Porrest  konstruierte,  von  der  Firma  Digney 
fr  eres  in  Paris  ausgeführte  elektrische  Dampfpfeife  ^)  (Fig.  3)  gleicht 
einer  gewöhnlichen  solchen  Vorrichtung,  welche  ertönt,  sobald  durch 
ein  Niederziehen  des  um  den  Zapfen  N  drehbaren  Hebels  H  die  Ventil- 
stange D  nach   abwärts   gedrückt   und   auf  diese  Weise   dem  Dampf 

Fig.  3. 


der  Weg  aus  dem  Einströmungsrohr  R  zur  Pfeife  P  am  Ventil  c  frei- 
gemacht wird.  Während  der  Ruhelage  ist  jedoch  H  durch  den  Hebel  Hj 
und  die  beiderseits  angelenkte  Verbindungsstange  VV  dauernd  hoch- 
gehoben, weil  der  an  H^  festsitzende,  aus  einem  Stahlstab  hergestellte 
Anker  A  von  dem  kräftigen  Hu gh esschen  Magnete  M  festgehalten 
wird.  Letzterer  besteht  aus  einer  Anzahl  aneinander  gelegter,  kräftiger 
Hufeisenmagnete  m,  deren  beide  Schenkel  am  Polende  in  Schuhen  aus 
weichem  Eisen  zusammengefasst  werden;  letztere  sind  zu  cylindrischen 
Kernen  ausgearbeitet,  auf  welchen,  wie  bei  gewöhnlichen  Elektro- 
magneten, die  Drahtspulen  M  sitzen.  Der  den  Polschuhen  von  den 
Stahlmagneten    mitgeteilte  Magnetismus  wirkt  sehr   kräftig    auf  den 

»)  Vergl.  Dr.  E.  Schmitt,  Das  Signalwesen,  Prag  1878,  p.  572. 


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464  L-  Kohlfürst. 

mit  den  ungleichnamigen  Polen  vorgelegten  Anker  A  und  hält  ihn  in 
der  Ruhelage  der  Dampfpfeife,  welche  Fig.  3  ersichtlich  macht,  fest. 
Nimmt  jedoch  ein  elektrischer  Strom  durch  die  Spulen  in  jener  Rich- 
tung seinen  Weg,  welche  hinsichtlich  ihrer  magnetisierenden  Wirkung 
dem  Sinne  der  vorhandenen  Polarität  des  Magnetes  M  entgegengesetet 
ist,  so  hört  die  Anziehung  des  Ankers  auf,  und  dieselbe  wird,  wenn 
der  betreiFende  Strom  genügend  stark  ist,  in  Abstossung  umgewandelt. 
Es  kann  daher  die  um  V  V  gewickelte  Wurmfeder  F  in  Wirksamkeit 
treten  und  den  Hebel  H^  in  die  durch  gestrichelte  Linien  bezeichnete 
Lage  hinabschnellen,  wodurch  die  Dampfpfeife  thätig  gemacht  wird. 
Das  ROckstellen  der  Pfeife  muss  der  Lokomotivführer  mit  der  Hand 
ausführen,  indem  er  den  Knopf  K  nach  aufwärts  drückt  und  hiedurch 
das  vordere  Ende  von  H^  dem  Magnete  M  so  nahe  bringt,  dass  der 
Anker  A  wieder  daselbst  festgehalten  bleibt,  vorausgesetzt,  dass  die 
Spulen  des  Hughesschen  Elektro magnetes  bereits  stromlos  sind. 
L artig ue  liess  sich  gar  nicht  erst  in  Versuche  ein,  seinen  Zeichen- 
apparat für  die  Zwecke  unmittelbarer  Zugdeckung  zu  verwerten,  son- 
dern beschränkte  sich  darauf,  ihn  lediglich  als  Ergänzung  zu  ständigen, 
sichtbaren  Streckensignalen  in  der  Form  eines  Vorsignals  auszu- 
nützen. Nach  vorausgegangener  längerer  und  sorgfältiger  Prüfung 
der  elektrischen  Lokomotivpfeife  hatte  sich  nämlich  im  Jahre  1874 
die  französische  Nordbahn  bestimmt  gefunden,  vorerst  ihre  schnell- 
fahrenden Züge  damit  auszurüsten  und  allen  zur  Deckung  von  Bahn- 
höfen oder  sonstigen  wichtigen  Punkten  der  Bahn  aufgestellten  Signal- 
scheiben (Wendescheiben)  eine  Einrichtung  zu  geben,  vermöge  welcher 
an  den  Lokomotiven  bei  Annäherung  an  diese  Deckungssignale  die 
Lartiguesche  Pfeife  ausgelöst  wird,  wenn  die  Signalscheibe  auf 
„Verbot  der  Fahrt"  gestellt  ist,  hingegen  stumm  bleibt,  im  Falle 
letztere  auf  „Erlaubte  Fahrt **  steht.  Auf  diese  Weise  sollte  die  Mög- 
lichkeit, dass  gewisse  wichtige  sichtbare  Haltsignale  aus  irgend  welchen 
Gründen  nicht  oder  verspätet  wahrgenommen  und  überfahren  würden, 
vollständig  ausgeschlossen  werden.  Die  Einfachheit  dieser  Einrichtung^) 
erhellt  aus  Fig.  4,  in  der  bei  Q,  C^,  Cj  die  Stelle  angedeutet  erscheint, 
an  welcher  die  Pfeifenauslösung  erfolgt,  während  S  die  Wendescheibe 
darstellt,  deren  Haltsignalzeichen  auf  der  Lokomotive  durch  die  Dampf- 
pfeife P  ergänzt  werden  soll.  Es  ist  behufs  dessen  das  eine  Ende  E  der 
Spulen  des  Pfeifenelektromagnetes  M  (Fig.  3)  mit  dem  Metallkörper  der 


^)  Yergl.  L.  Kohlfürst,  Die  elektrischen  Einrichtungen  der  Eisenbahnen» 
Wien  1888,  p.  146. 


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Die  bisherigen  Versuche  mit  elektrischen  Zugtelegraphen. 


465 


Lokomotive  verbunden,  also  durch  die  weitere  Vermittlung  der  Räder 
der  Maschine  und  der  Schienen  des  Eisenbahngleises  an  Erde  gelegt, 
während  vom  zweiten  Spulenende  ein  isolierter  Draht  L  zu  einer  am 
Lokomotivgestelle  isoliert  angebrachten  MetaUdrahtbürste  C  leitende 
Verbindung  herstellt.  Etwa  150  bis  200  m  von  dem  sichtbaren  Signal  S 
befindet  sich  im  Gleismittel  ein  sogenannter  „Erokodilkontakt",  welcher 
aus  einer  2  m  langen,  hölzernen  Längsschwelle  C^,  Cg  besteht,  deren  obere 
Fläche  mit  Kupferblech  bekleidet  und  mit  einer  zum  Signal  S  führenden 
Leitung  L^  leitend  verbunden  ist.  Die  Längsschwelle  wird  von  eisernen 
Fussgestellen  getragen,  die  in  kleinen  Steinsockeln  eingesetzt  sind;  vor 
C^,  Cg  liegt  noch  ein  hölzernes,  keilförmiges  Anlaufstück  Q.  Die  Leitung  L^ 
geht  von  Cj,  C^  zu  einem  an  der  Wendescheibe  angebrachten  Strom- 
schliesser  c  und  sodann  als  Leitung  L^  zu  einer  im  nächsten  Bahn- 
wärterhause oder  in  der  nächsten  Station  untergebrachten  Batterie  B  und 

Fig.  4. 


schliesslich  zur  Erde  Ej.  Der  Stromschliesser  c  ist  so  eingerichtet,  dass 
er  bei  der  Haltlage  der  Signalscheibe  S,  d.  i.  wenn  dieselbe  mit  ihrer 
Fläche  senkrecht  zum  Gleis  steht,  die  beiden  Anschlussleitungen  L^ 
und  Lg  verbindet,  diese  Verbindung  hingegen  löst,  wenn  die  Scheibe 
mit  ihrer  Fläche  parallel  zum  Gleis,  d.  i.  auf  „Erlaubte  Fahrt **  ge- 
stellt ist.  Nähert  sich  also  ein  Zug  dem  Signal,  während  dieses  die 
erstgedachte  Lage  besitzt,  dann  wird,  sobald  die  Lokomotive  mit  der 
Metallbürste  über  Q  auf  0,,  Cg  gelangt,  der  Strom  der  Batterie  B  in 
die  Spule  der  Lartigueschen  Dampfpfeife  über  L^,  c,  L^,  Cj,  Cg,  C,  P 
und  Erde  seinen  Weg  finden  und  die  Auslösung  des  Apparates  be- 
wirken. Wie  die  Erfahrung  beweist,  genügt  die  bei  den  Expresszügen 
obwaltende  Berührungsdauer  zwischen  der  Drahtbürste  C  und  dem 
Exokodilkontakt  von  nur  0,2  Sekunden  vollständig,  um  die  Auslösung 
stets  pünktlich  zu  bewirken,  und  diese  guten  Erfahrungen  der  Nord- 


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466  L.  Kohlfaret. 

bahn  gaben  Anlass,  dass  im  Jahre  1876  der  französische  Minister  für 
öffentliche  Arbeiten  die  elektrische  Lokomotivpfeife  allen  Eisenbahn- 
▼erwaltungen  zur  Einführung  empfahl.  Besonders  bemerkt  zu  werden 
▼erdient  der  Umstand,  dass  das  Lartiguesche  System  zu  Beginn 
der  achtziger  Jahre  eine  eigentümliche  Erweiterung  erfahren  hat,  in- 
sofern Delebecque  und  Bandarali^)  mit  dem  obengeschilderten 
Vorsignal  fttr  «Halt'  zugleich  das  thatsächliche  Anhalten  des  Zuges 
verbanden.  Die  Genannten  gaben  nämlich  der  elektrischen  Dampf- 
pfeife einen  zweiten,  ganz  ähnlichen  Apparat  bei,  an  welchem  die 
Stange  YV  (Fig.  3)  nach  abwärts  gekehrt  ist,  und  beim  Abreissen  des 
Ankers  an  Stelle  des  Dampfpfeifenhebels  Hj  den  Hahn  des  zum  In- 
jektor der  Sm ith sehen  Yakuumbremse  führenden  Dampfrohres  ö&et, 
so  dass  die  Bremse  selbstthätig  zur  Wirksamkeit  gelangt.  Diese  An- 
ordnung wird  übrigens  nicht  nur  im  Sinne  der  Fig.  4  vor  Strecken- 
signalen, wenn  sie  auf  „Halt"  stehen,  sondern  auch  durch  Vermitt- 
lung der  auf  den  Zügen  der  französischen  Nordbahn  für  die  Reisenden 
und  das  Zugpersonal  vorhandenen  Prudhomm eschen*)  Notsignal- 
einrichtung angewendet.  Mit  elektrischen  Dampfpfeifen  und  teilweise 
mit  Bandaralis  Bremsenauslösung  waren  im  Jahre  1883  bereits 
520  Lokomotiven  der  französischen  Nordbahn  ausgerüstet  und  gleich- 
zeitig 606  Deckungssignalscheiben  mit  Erokodilkontakten  versehen. 

Was  in  Frankreich  unterblieb,  nämlich  das  Lartiguesche  be- 
währte Lokomotivsignalmittel  auch  für  die  Zugdeckung  zu  verwerten, 
wurde  in  Italien  durch  den  Professor  der  Universität  Genua  Giulio 
Ceradini  durchzuführen  versucht.  Jede  Lokomotive  war  mit  zwei, 
in  einem  gemeinsamen  Kästchen  untergebrachten  Lartigu eschen 
Dampfpfeifen  ungleichen  Tones,  der  sogenannten  Sicherheitspfeife 
und  einer  Achtungspfeife,  versehen  und  führte  für  die  letztere  eine 
eigene  Batterie  mit  sich.  Die  Bahnstrecke  war  nach  gewöhnlicher  Art 
in  Blockstrecken  eingeteilt  und  an  jedem  ihrer  Abschlüsse  (Bahnhofs- 
gebäude oder  Bahnwärterhaus)  für  jedes  Oleis  je  eine  Batterie  und 
ein  Zeichengeber  vorhanden,  welcher  bei  freier  Bahn  ein  ganz  weisses 
Feld,  bei  besetzter  Strecke  einen  roten  Stern  sichtbar  machte.  Am 
Anfang  jeder  Blockstrecke  lagen  zwei  Krokodilkontakte  im  Gleise,  von 
welchen  der  eine,  für  die  Sicherheitspfeife  bestimmte,  durch  eine  Tele- 


*)  Vergl.  Elektarotechnische  Zeitschrift  vom  Januar  1885,  p.  23  und  Kohl- 
fürst, Die  Fortentwickelung  der  elektrischen  Eisenbahneinrichtungen»  Wien 
1891,  p.  288. 

*)  Vergl.  £.  Brame,  Etüde  sur  les  signaux  des  chemins  de  fer  ä  donble 
voie,  Paris  1867,  p.  148;  Zetzsche,  Handbuch  der  Telegraphie  4,  p.  458. 


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Die  bisherigen  Versuche  mit  elektrischen  Zugtelegraphen.  467 

graphenleitung  mit  dem  Zeichenapparate  des  zugehörigen  Blockpostenis, 
der  zweite,  für  die  Achtmigspfeife  bestimmte,  hingegen  direkt  mit  einer 
Erdleitung  verbunden  war.  Am  Ende  der  Blockstrecke  befand  sich 
bloss  e  ]  n  Erokodilkontakt,  der  wieder  durch  einen  Leitungsdraht  mit 
dem  obgedachten  Zeichenapparat  in  Verbindung  stand.  Die  Leitungen 
der  aufeinanderfolgenden  Blockstrecken  übergriffen  sich  um  150  bis 
200  m ,  so  dass  ein  Zug  bereits  in  die  nächstfolgende  Strecke  ein- 
gefahren war,  bevor  er  die  durchfahrene  verliess.  Die  Wirksamkeit 
der  Ceradini  sehen  Signaleinrichtung,  welche  im  wesentlichen  als  eine 
Kombination  desLartigueschen^)  und  des  Tyerschen  Zugtelegraphen 
angesehen  werden  darf,  lässt  sich  an  der  Hand  der  Fig.  1  ganz  gut 
verfolgen,  wenn  man  sich  denkt,  dass  an  Stelle  des  Handumschalters  U 
ein  Relaiskontakt  am  Elektromagneten  M  vorhanden  sei,  derart,  dass 
die  von  der  Batterie  B  zu  ü  geführte  Leitung  j  bei  der  Kontakt- 
schraube C  und  der  Leitungsdraht  i  beim  Anker  A  angeschlossen 
wird ,  femer  dass  die  Streckenkontakte  a^  b^ ,  a^  bg  ...  und  Cj  dj, 
c^  dg  .  .  .  Krokodilkontakte  seien.  Schliesslich  ist  allerdings  zu  der  in 
Fig.  1  dargestellten  Ausrüstung  bei  jedem  der  Einfahrtskontakte,  wie 
a^  bg ,  a^  b^  .  .  . ,  ein  zweiter  parallel  liegender  Krokodilkontakt  noch 
hinzuzudenken.  Fährt  ein  Zug  in  die  Teilstrecke  2  bis  3  ein,  er- 
tönen beide  Dampfpfeifen,  und  zwar  die  Achtungspfeife  lediglich  um 
die  Einfahrtstelle  zu  bezeichnen,  die  Sicherheitspfeife  hingegen  als 
Signal,  dass  die  Strecke  frei  ist.  Die  Auslösung  der  erstgenannten 
Pfeife  erfolgt  durch  den  Erdschluss  des  zugehörigen  Krokodilkontaktes 
mit  Hilfe  der  Lokomotivbatterie,  jene  der  zweiten  Pfeife  vermöge  der 
Batterie  B,  welche  über  M  und  L^  in  Schluss  gelangte,  wobei  am 
Blockpostenapparate  der  Anker  A  angezogen  und  unter  n  gelegt  wird, 
demzufolge  hier  das  Zeichen  für  „Strecke  besetzt"  erscheint  und 
zugleich  der  Ankerkontakt,  d.  i.  die  Verbindung  zwischen  der  Batterie 
und  dem  Streckenkontakt  a^  bg ,  aufgehört  hat.  Gelangt  der  Zug  zu 
dem  Endkontakt  Cg  dg ,  dann  ertönt  neuerdings  die  Sicherheitspfeife, 
und  da  der  betreffende  Auslösestrom  der  Batterie  B  über  Mg  geht, 
fällt  A  in  die  normale  Ruhelage  für  „Strecke  frei"  zurück,  wodurch 
sich  auch  der  Ankerkontakt  wiederheratellt.  Unter  dieser  Voraus- 
setzung würden  sonach  bei  der  Einfahrt  eines  nachfolgenden  Zuges 
gleichfalls  beide  Pfeifen  ertönen,  während  vorher,  ehe  der  vorauf- 
gegangene Zug  über  Cg  dg  hinweggelangt  ist,  nur  die  Achtungspfeife 
allein  ertönen  könnte,  was  das  Signal  für  „Strecke  besetzt"  bedeutet 


*)  Vergl.  La  Lnmiere  ^lectrique  1879,  1,  p.  165. 


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468 


L.  Kohlfüret. 


Fig.  5. 


und  dem  Lokomotivführer  als  Befehl  gilt,  seine  Fahrt  nur  langsam 
und  mit  grösster  Vorsicht  fortzusetzen.  Die  ersten  Versuche  mit  der- 
artigen Zugtelegraphen  erfolgten  im  Herbste  1879  auf  der  Bahnstrecke 
Genua-Spezia  und  sind  befriedigend  ausgefallen  ^)-  Ein  paar  Jahre 
später  wurde  das  System  auf  der  neuerbauten  Pontebba-Bahn  nochmals 
in  Versuch  genommen,  doch  scheint  es  weder  hier  noch  dort  zu  einer 
dauernden  Anwendung  gekommen  zu  sein. 

Fast  zu  derselben  Zeit  war  in  Amerika  eine  ganz  ähnliche,  von 
Puntnam*)  angegebene  Signaleinrichtung  aufgetaucht,  welche  günstige 
Erfolge  versprach,  so  dass  sich  auch  die  k.  k.  österreichischen  Staats- 
bahnen über  Einschreiten  Baron  Clemens  v.  Trotts  zur  Gtestat- 
tung  von  Versuchen  veranlasst  fand,  welche  auf  der  Strecke  Penzing- 
Hetzendorf  nächst  Wien  mit  ganz  befriedigenden  Ergebnissen  statt- 
gefunden haben.  Der  auf  den  Lokomotiven 
angebrachte  Zeichenapparat  bestand  aus  einem 
Elektromagneten  M  (Fig.  5),  welcher  bei 
stromdurchflossenen  Spulen  einen  Anker  A, 
der  mit  dem  Klöppel  k  und  den  eine  kleine 
Scheibe  S  tragenden  Arm  h  steif  verbunden 
war,  festhielt.  Bei  dieser  Ankerlage,  welche 
die  normale  ist  und  dem  Signal  „Strecke  frei* 
entspricht,  kann  S  nicht  gesehen  werden,  weil 
sie,  durch  den  Spalt  des  Kästchens  eingezogen, 
hinter  der  Kastenwand  verborgen  bleibt  Er- 
folgt jedoch  eine  Unterbrechung  des  durch 
M  gehenden  Stromes,  dann  fällt  A  vermöge 
des  Zuges  der  Abreissfeder  f  ab,  der  Klöppel 
schlägt  an  die  Glocke  und  die  Scheibe  S  ist  sichtbar  geworden.  Der 
Zeichenapparat  hat  also  in  diesem  Falle  die  in  Fig.  5  dargestellte 
Lage  angenommen,  was  dem  Lokomotivführer  als  Gefahrsignal  gilt. 
Die  Glockenschläge  wiederholen  sich  fortlaufend  zufolge  der  Loko- 
motivschwingungen, die  sich  auf  den  Klöppel  k  übertragen,  da  f  nach 
aufwärts,  das  an  der  Rückstellschnur  befestigte  Gewichtchen  G  jedoch 
nach  abwärts  zieht,  der  Ankerhebel  selbst  aber  in  der  gezeichneten 
Lage  ausgewogen  ist.  Das  eine  Spulenende  L  schliesst  an  einen  iso- 
lierten Draht,  welcher  die  leitende  Verbindung  zu  der  am  Lokomotiv- 


0  La  Lumiere  electrique  1880,  2,  p.  350. 

^  Vergl.  Zeitung  des  Vereines  Deutscher  Eisenbahnverwaltungen  vom  10.  Sep- 
tember 1880;  Oesterr.  Eisenbahnzeitung  1882,  Nr.  10. 


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Die  bisherigen  Versuche  mit  elektrischen  Zugtelegraphen. 


409 


gestelle  isoliert  angebrachten  Metalldrahtbürste  P  (Fig.  6)  herstellt; 
das  zweite  Spulenende  Lj  (Fig.  5)  steht  hingegen  mit  der  auf  der 
Lokomotive  mitgefUhrten  Stromquelle  (einer  galvanischen  Batterie  oder 
auch  einer  von  der  Lokomotive  bewegten  magnetelektrischen  oder  Dyna- 
momaschine) in  Verbindung,  deren  zweiter  Pol  zu  einer  an  dem  Tender 
angebrachten  Kontaktbürste  P^  (Fig.  6)  anschliesst.  Die  beiden  Kon- 
taktbürsten sind  so  gestellt,  dass  sie  auf  einem  der  beiden  Schienen- 
stränge des  Gleises  hinstreifen.  Was  die  Strecke  anbelangt,  so  ist  sie 
wieder  in  eine  der  Dichte  des  Zugverkehrs  angemessene  Anzahl  Ab- 
schnitte von  je  3  bis  5  km  Länge  geteilt  und  an  jedem  Teilungs- 
punkte (Station  oder  Bahnwärterposten)  mit  besonderen  Steuerungs- 
apparaten (Doppelrelais)  ausgerüstet;  ausserdem  ist  in  jenem  Schienen- 
strange, auf  welchem  die  Lokomotivbürsten  schleifen,  ein  Stück  des 
Stranges  von  etwa  2  bis  3  Schienenlängen  von  den  Schwellen  und  von 


Fig.  6. 


^.  lA  5 


den  anstossenden  Schienen  durch  nichtleitende  ünterlags-  und  Zwischen- 
platten sorgfältigst  isoliert.  Diese  Schienenstücke  c^ ,  Cg ,  C3 ,  C4  .  .  . 
(Fig.  6)  sind  mit  den  Apparaten  an  den  Blockposten  durch  Telegraphen- 
leitungen in  der  Art  verbunden,  wie  es  die  Abbildung  ersehen  lässt. 
Solange  eine  Lokomotive  das  zwischen  je  zwei  isolierten  Schienenstellen 
liegende  Gleis  befährt,  wird  der  Signalapparat  des  Maschinenführers 
von  einem  Dauerstrom  durchflössen  sein,  der  jedoch  in  dem  Momente 
aufhört,  wo  die  vordere  Kontaktbürste  auf  das  isolierte  Schienenstück 
gelangt.  Dass  dieser  das  Haltsignal  hervorrufende  Vorgang  nur  ein- 
treten könne,  wenn  die  Strecke  besetzt  ist,  nicht  aber  auch,  wenn  sie 
frei  ist,  gehört  zur  Aufgabe  des  Blockpostenapparates.  In  der  That 
vermittelt  der  zwischen  den  beiden  Elektromagneten  M  und  m  liegende 
Anker  stets  einen  Nebenweg  für  den  Signalstrom,  solange  der  Relais- 
kontakt y  s  geschlossen  bleibt,  wie  es  in  Fig.  6  bei  den  Signalposten  11 
und  IV  dargestellt  erscheint.  Fährt  die  Lokomotive  in  ein  isoliertes 
Stück  c  ein,  wie  es  beim  Blockposten  III  ersichtlich  gemacht  ist,  dann 


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470  L-  KohlfÜrat. 

geht  auf  der  Lokomotive  der  elektrische  Strom  nicht  mehr  kurzw^  von 
Bürste  zu  Bürste,  sondern  über  c»,  s^^,  y.^,  x^,  a^ ;  ein  Haltsignal  kann 
nicht  erfolgen.  Tritt  der  Zug  in  die  nicht  isolierte  Schienenstrecke  S, 
über,  dann  gelangt  der  Strom,  solange  die  rückwärtige  Eontaktbürste 
noch  auf  c^  schleift,  über  h.^,  Lg,  Mg,  1^,  m^,  s^  und  c,  und  während  der 
Lokomotivapparat  auch  jetzt  wieder  unausgelöst  bleibt,  findet  hingegen 
eine  Erregung  der  Elektromagnete  M2  und  m^  statt,  derzufolge  in  III 
der  Anker  A  vom  Eontakt  s.^  abgehoben  und  auf  die  isolierte  Stell- 
schraube dj,  gelegt  und  in  II  der  auf  d^  gelegene  Anker  in  die  ge- 
zeichnete Lage  zurückgestellt  wird.  Würde  in  der  Zeit,  wo  der  in 
Betracht  gezogene  Zug  sich  noch  in  der  Strecke  III  bis  lY  befindet, 
ein  nachfahrender  bei  HI  eintreffen,  erhielte  er  hier  das  Haltsignal, 
weil  nunmehr  der  sonst  oflFene  Nebenweg  gleichfalls  unterbrochen  ist 
und  deshalb  die  Auslösung  des  Zeichenapparates  unbedingt  erfolgen 
muss.  Puntnam,  dem  bezüglich  der  von  ihm  auf  amerikanischen 
Bahnlinien  vorgenommenen  Versuche  seitens  der  Board  of  Rail  Road 
Comraissioners  of  Massachusetts  eine  offizielle,  günstig  lautende 
Bescheinigung  ausgestellt  worden  ist,  hat  sein  System  nach  amerika- 
nischer Gepflogenheit  auch  als  Sicherungseinrichtung  hinsichtlich  Dreh- 
brücken, Schiebebühnen,  Schienenbrüche  und  Weichenverriegelungen 
zurecht  gemacht,  was  in  Anbetracht  des  Ruhestrombetriebes  keiner 
Schwierigkeit  unterliegt.  Letztere  gewährt  es  ja  auch,  jeden  Bahn- 
bediensteten durch  einen  einfachen  Unterbrecher  in  stand  zu  setzen, 
im  Notfalle  Haltsignale  zu  geben.  Puntnam  hat  schliesslich  den 
Lokomotivapparat  noch  durch  einen  Registrierer  vervollständigt,  der 
jedes  empfangene  Haltsignal  auf  einem  Papierstreifen  aufschreibt. 

Mit  dem  soeben  geschilderten  Systeme  hat  eine  in  jüngster  Zeit 
auf  amerikanischen  Bahnen  versuchte  einschlägige  Einrichtung  von 
Wilfrid  Boult^)  einige  Aehnlichkeit,  doch  sind  bei  der  letzteren 
insofern  ganz  neue  Wege  eingeschlagen,  als  keine  mit  dem  Zug  direkt 
verbundenen  stromzuführenden  Leitungen  vorhanden  sind.  Vorausgesetzt 
ist  fürs  erste  auch  in  diesem  Falle  wieder,  dass  die  beiden  Gleise  der 
Doppelbahn  in  ziemlich  gleiche  Teilstrecken  ...  2,  3,  4  .  .  .  (Fig.  7) 
zerlegt  seien,  welche  die  dem  Zwecke  der  räumlichen  Zugdeckung  ent- 
sprechenden Längen  besitzen.  An  den  Punkten,  wo  diese  Blockstrecken 
zusammenstossen  und  bei  gewöhnlichen  Blocksignaleinrichtungen  ein 
optisches  Blocksignal  aufgestellt  ist  und  ebenso  an  einer  etwa  500  m 


0  Vergl.  Dinglers  Polytechn.  Journal  1897,   306,  p.  185  und  Zeitschrift 
für  Elektrotechnik,  Wien  1898,  p.  65. 


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Die  bisherigen  Versuche  mit  elektrischen  Zugtelegraphen. 


471 


vorher  befindlichen  Gleisstelle,  wo  sonst 
das    zum    vbrgedachten ,     eigentlichen 
Blocksignal    gehörende    Vorsignal 
steht,  befinden  sich  keine  solchen  Sig- 
nale,   weil    der   Maschinenführer  jedes 
Zuges  daselbst  die  betreffenden  Zeichen 
unmittelbar  auf  der  Lokomotive  erhält. 
Nach  amerikanischer  Gepflogenheit  wer- 
den bekanntlich  bei  Streckenblockanlagen 
die  Blocksignale  (Home   signals)   stets 
durch  Vorsignale  (Distant  signals)  unter- 
stützt, welch  letztere  mit  den  ersteren 
gekuppelt  sind  und  also  dieselben  Zeichen 
geben  wie  die  eigentlichen  Blocksignale ; 
das  Zeichen  „Strecke  besetzt"  des  Vor- 
signals gilt  natürlich  nicht   als  abso- 
lutes   Haltsignal,    sondern    veranlasst 
den    Maschinenführer,    nur    die    Fahr- 
geschwindigkeit so  weit  zu  verringern, 
dass  der  Zug  beim  Blocksignal  unbe- 
dingt   stehen    bleibt,    falls    dieses    die 
Fahrt  verbietet.    Zur  Signaleinrichtung 
der  Lokomotiven  gehören  fürs  erste  zwei 
kleine,    in  verglasten   Kästchen    ange- 
brachte,   aus    Aluminium    hergestellte 
Flügelsignale,  welche  rechts  und  links 
vom   Führerstande   ihren   Platz    haben, 
bei  Nacht  entsprechend  beleuchtet  sind 
und  ganz  dieselben  Signalzeichen  geben 
wie  die   sonst  auf  der  Strecke    aufge- 
stellten Mastsignale,  indem  an  denselben 
das  Flügelchen  entweder  die  wagerechte 
oder  eine  schräge  Lage   einnimmt   und 
ersteren    Falls    Halt,    letzteren    Falls 
Frei    bedeutet.     Es    entspricht   femer 
das   zur  rechten  Hand   des  Maschinen- 
führers befindliche  Signalkästchen  dem 
eigentlichen  Blocksignal,  das  linksseitige 
hingegen     dem    Vorsignal.      Ein     mit 

diesen    beiden    sichtbaren    Lokomotiv- 
Sammlong  elektrotechnischer  Vorträge.    I. 


88 


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472  ^'  Kohlfüret. 

Signalen  verbundener  Meldewecker  läutet  jedesmal,  so  oft  der  Zug 
eine  jener  Streckenstellen  passiert,  welche  dem  Standpunkte  eines 
Blocksignals  oder  eines  Vorsignals  entsprechen,  gleichgiltig ,  ob  das 
Signalbild  des  einen  bezw.  des  anderen  Miniatursemaphors  dabei 
eine  Aenderung  erfährt  oder  nicht.  Ein  zweiter  Wecker  (Signal- 
wecker) gibt  lediglich  Annäherungssignale,  indem  er  nur  dann  ertönt, 
wenn  sich  der  Zug  einem  Blocksignal  nähert,  das  die  Fahrt  ver- 
bietet. Die  Hervorrufung  der  sichtbaren  wie  hörbaren  Lokomotiv- 
signale erfolgt  mit  Hilfe  magnetischer  Felder,  welche  an  bestimmten 
Punkten  im  Gleise  angebracht  werden  und  aus  einer  Anzahl  senk- 
recht gestellter  stählerner  Magnetstäbe  bestehen,  die  gleich  den  Zähnen 
eines  Rechens  mit  ihren  oberen,  nordmagnetischen  Enden  an  einer 
flachen  Eopfschiene  aus  weichem  Eisen  festgemacht  sind.  Auf  jedem 
der  Stahlstäbe  steckt  eine  Drahtspule,  und  sämtliche  dieser  Spulen  liegen 
hintereinandergeschaltet  in  einer  Stromleitung.  Je  nachdem  sich  in 
letzteren,  also  auch  in  den  Spulen,  Strom  befindet  oder  nicht,  besitzt 
die  Kopfschiene  der  magnetischen  Batterie  die  entgegengesetzte  Polarität 
der  oberen  Magnetstabenden  oder  dieselbe  Polarität,  weil  eben  die 
Stärke  und  Richtung  des  benützten  Stromes  so  gewählt  ist,  dass  er 
den  vorhandenen  Magnetismus  der  Stäbe  aufhebt  und  umkehrt.  Jede 
der  besagten  magnetischen  Batterien  befindet  sich  in  einem  sorgfältig 
abgedichteten,  oben  mit  Messingblech  abgeschlossenen  langen  Holz- 
kasten, der  an  derjenigen  Stelle  des  Eisenbahngleises  in  den  Bahn- 
körper eingebettet  wird,  wo  damit  Signale  hervorgerufen  werden  sollen. 
Das  magnetische  Feld  muss  um  so  länger  sein,  je  rascher  die  von 
demselben  zu  beeinflussenden  Züge  fahren,  d.  h.  die  Anzahl  der  an 
einer  gemeinsamen  Kopfschiene  zu  vereinigenden  Einzelmagnete  wird 
um  so  reichlicher  zu  bemessen  sein,  je  grösser  die  auf  den  betreffenden 
Bahnstrecken  vorkommenden  Maximalfahrgeschwindigkeiten  der  Züge 
sind.  Um  die  Wirkung  der  magnetischen  Felder  auf  die  Zeichenapparate 
der  Lokomotive  zu  übermitteln,  sind  an  dieser  eigene  Auslöserelais 
derart  befestigt,  dass  sie  während  der  Zugfahrt  ganz  nahe  über  die  in 
der  Strecke  liegenden  Magnetkasten  hinweggelangen.  Jedes  Relais  be- 
steht aus  einem  ü-formigen  Stabe  aus  weichem  Eisen,  dessen  die 
polarisierte  Relaiszunge  tragender  Schenkel  entsprechend  nach  abwärts 
verlängert  und  zu  unterst  mit  einem  als  flache  Längsschiene  aus- 
gebildeten Schuh  versehen  ist,  so  dass  dieser  vermöge  seiner  Länge 
beim  Passieren  eines  Streckenmagnetfeldes  immer  gleich  zwei  oder  drei 
Einzelmagnete  des  letzteren  übergreift.  Wird  bei  dieser  Gelegenheit 
der  Relaisschuh  positiv  influenziert,  so  legt  sich  die  Relaiszunge  nach 


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I 


Die  bisherigen  Versuche  mit  elektrischen  Zugtelegraphen.  473 

rechts  und  schliesst  dadurch  den  Ortsstrom  einer  von  der  Lokomotive 
mitgeführten  galvanischen  Batterie  in  der  Weise,  dass  der  von  dem 
polarisierten  Anker  eines  gewöhnlichen  Elektromagnetes  bewegte  kleine 
Signalfltigel  im  zugehörigen  Kästchen  die  wagerechte  Lage  erhält.  Wird 
hingegen  der  Relaisschuh  negativ  influenziert,  dann  fällt  die  Relais- 
zunge nach  links  und  das  bezügliche  Signalflügelchen  stellt  sich  schräg. 
In  beiden  Fällen  ertönt  auqh  der  Meldewecker.  Für  jeden  der  kleinen 
Flügelsignalapparate  und  ebenso  für  den  Signalwecker  muss  natürlich 
je  ein  eigenes  Auslöserelais  an  der  Lokomotive  vorhanden  sein,  und 
wie  die  zwei  Signalkästchen  links  und  rechts  vom  Führerstande  ihren 
Platz  haben,  so  ist  auch  das  Auslöserelais  für  die  Vorsignalzeichen 
links,  jenes  für  die  Blocksignalzeichen  rechts  und  schliesslich  das  Relais 
des  Haltsignalvor Weckers  in  der  Mitte  des  Lokomotivgestelles  angebracht. 
Uebereinstimmend  damit  liegen  die  Streckenmagnetfelder  für  die  Block- 
signale rechts,  jene  für  die  Vorsignale  links  vom  Gleis  und  jene  für 
den  Signalwecker  in  der  Mitte  des  Gleises.  Für  Auslösungen  des 
Meldeweckers,  welche  lediglich  die  Block-  und  Vorsignalstellen  kenn- 
zeichnen, besitzt  jedes  der  zwei  für  die  Lokomotivflügelsignale  be- 
stimmten Auslöserelais  noch  eine  zweite  Zunge  mit  Mittelstellung, 
derart,  dass  bei  jeder  Magnetisierung  des  Relaisschenkelschuhes  eine 
kontaktgebende  Zungenablenkung,  also  eine  Stromschliessung  im  Melde- 
wecker erfolgt,  worauf  die  Relaiszunge  wieder  in  ihre  Mittellage  zurück- 
kehrt. In  der  schematischen  Darstellung,  welche  Fig.  7  von  der  Block- 
streckeneinrichtung ...  2,  3,  4  .  .  .  darbietet,  sind  die  den  eigentlichen 
Blocksignalen  entsprechenden  Streckenmagnete  mit  .  .  .  Hjj,  H^,  H5  .  .  ., 
die  Signalweckerstreckenmagnete  mit  .  .  .  Wy ,  W^ ,  W5  .  .  .  und  die 
Vorsignalstreckenmagnete  mit .  . .  Dg,  D^,  D5,  D^  . .  bezeichnet.  Durch- 
fährt ein  Zug  die  Bahnstrecke,  so  gelangt  er  innerhalb  jeder  Block- 
teilstrecke zuerst  über  den  Streckenmagnet  D,  wobei  der  Meldewecker 
ertönt,  ausserdem  ersieht  der  MaschinenfOhrer  auf  seinem  linksseitigen 
Flügelsignal,  ob  das  Hauptblocksignal  die  Weiterfahrt  erlaubt  oder 
nicht;  überfährt  dann  der  Zug  den  Streckenmagnet  W,  von  welcher 
Gattung  in  der  Zeichnung  nur  je  einer  angedeutet  erscheint,  während 
in  Wirklichkeit  zwischen  D  und  H  stets  mehrere  in  Abständen  von 
etwa  100  m  ins  Gleis  gelegt  sind ,  so  ertönt  der  Signalwecker  des 
Lokomotivführers,  falls  die  nächste  Blockstrecke  noch  besetzt  ist,  wo- 
gegen er  bei  freier  Fahrt  stumm  bleibt.  Beim  Streckenmagnetfelde  H 
endlich  ertönt  neuerdings  der  .Meldewecker  und  zugleich  stellt  sich, 
falls  ein  Signal  Wechsel  eintritt,  im  rechtsseitigen  Signalkästchen  der 
Flügel   in   die  betreffende   Signallage.     Eine   Umstellung    der  beiden 


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474  L-  Kohlfarat. 

Lokomotivflügelsignale  findet  jedoch  selbstverständlich  nicht  statt,  so- 
lange der  Zug  im  Verlaufe  seiner  Fahrt  mit  dem  bezüglichen  Aus- 
löserelais ü6er  Streckenmagnetfelder  von  gleicher  Polarität  gelangt, 
während  der  Melde  wecker  für  alle  Fälle  beim  Passieren  eines  der 
Streckenmagnete  D  und  H  laut  wird.  Zur  Vervollständigung  der  Ein- 
richtung ist  an  dem  Endpunkte  ...  2,  3,  4  .  .  .  jeder  Blockstrecke  ein 
Relais  ins  Gleis  gelegt  mit  einem  Anker  . ,  .  Aj ,  A3 ,  A^  .  .  . ,  dessen 
Hebel,  wenn  er  seiner  Abreissfeder  folgen  kann,  einen  Kontakt . . .  Cg,  c^, 
c^  .  .  .  schliesst.  Die  letztgedachte  Ankerlage  ist  jedoch  nicht  bloss  von 
dem  magnetischen  Zustand  des  zugehörigen  Elektromagnetes  .  .  .  M,, 
M3,  M4  .  .  .,  sondern  überdem  von  der  Lage  eines  Sperrhakens  ...  hg, 
hj,  h^ . . .  abhängig,  welcher  auf  der  Drehachse  eines  Magnetstabes  . . .  a^, 
a3,  a^  .  .  .  festsitzt.  Letzterer  bewegt  sich  zwischen  den  beiden  als 
Polschuhe  geformten  Enden  der  beiden  Schenkel  je  eines  aus  weichem 
Eisen  hergestellten,  wagerecht  liegenden  Hufeisens  .  .  .  mg  m^ ,  m,  m,, 
m^  m^  .  .  . ,  welches  sich  samt  dem  Magnetanker  und  dem  Relais  in 
einem  oben  mit  Messingblech  abgedeckten,  wohlgedichteten  Schutz- 
kasten befindet,  der  ähnlich  wie  die  Streckenmagnetkasten  in  dem 
Bahnkörper  eingebettet  liegt.  Behufs  Beeinflussung  dieser  Vorrichtung 
befindet  sich  an  jeder  Lokomotive  ein  kräftiger  Hufeisenmagnet  oder 
zweischenkeliger  Elektromagnet,  dessen  Schenkel  so  gestellt  sind  und 
so  tief  nach  abwärts  reichen,  dass  sie  beim  Passieren  der  betreffenden 
Streckenstellen  knapp  über  die  Schenkel  der  Hufeisen  . . .  m^  m^,  m^  m^, 
m^  m^  .  .  .  hinweggelangen ,  so  wie  es  in  der  Abbildung  bei  2  durch 
strichpunktierte  Linien  angedeutet  erscheint.  Natürlich  ist  die  in  Fig.  7 
dargestellte  Lage  insofern  nicht  die  richtige,  als  die  Teile,  damit  sie 
recht  deutlich  werden,  um  90^  gedreht  sind,  denn  in  Wirklichkeit 
liegen  die  Schenkel  der  Hufeisen  .  .  .  m,  mg,  mg  mg,  m^  m^  .  •  .  parallel 
zu  den  Schienensträngen.  In  dem  Augenblick,  wo  die  Lokomotive  eine 
Streckenrelaisstelle .  .  .  2,  3,  4  .  .  .  überfährt,  magnetisiert  N  S  das  Huf- 
eisen ...  mg  mg ,  mg  m^ ,  m^  m4  .  .  .  im  entgegengesetzten  Sinne  des 
Ankermagnetismus,  weshalb  .  .  .  ag,  ag,  a^  .  .  .  zwischen  die  Polschuhe 
seines  Hufeisens  gezogen,  aber  auch  sofort  wieder  ausgelassen  wird 
und  seine  Ruhelage  wieder  einnimmt,  weil  das  durch  den  Haken  ...  hg, 
hg,  h^  .  .  .  ausgeübte  Ueberge wicht  kräftiger  wirkt,  als  die  vermöge 
des  Ankermagnetismus  bestehende  gewöhnliche  Anziehung;  nur  wenn 
letztere  noch  durch  die  Magnetisierung  des  Hufeisens  vermehrt  wird, 
kann  die  soeben  betrachtete  Ankerauslösung  eintreten,  wobei  gleich- 
zeitig der  Ankerhebel  des  zugehörigen  Relais  vom  Haken  losgelassen 
wird,   daher   die   Schliessung  des  Relaiskontaktes  erfolgt.     Sämtliche 


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Die  bisherigen  Versuche  mit  elektrischen  Zugtelegrapben.  475 

Streckenrelais  sind  untereinander  und  mit  den  Streckenmagneten  durch 
gewöhnliche  Telegraphenleitungen  ...  lg,  Is,  l^i  I5  •  .  m  femer  ...  Lg, 
Lg,  L^,  L5  .  .  .  und  .  .  .  L'j,  L'g,  L'^,  L'5  .  .  .,  sowie  mit  einer  einzigen, 
in  einer  Station  aufgestellten  Accumulatorenbatterie  verbunden.  Letztere 
besorgt  gleich  den  Betrieb  einer  längeren  Bahnstrecke  und  ist  es  am 
zweckdienlichsten,  die  Stromführungen  der  Anlagen  beider  Oleise  der 
Doppelbahn  zu  einem  einzigen  Schliessungskreise  zusammenzufassen. 
Der  Ruhestrom,  welchen  die  Batterie  in  diesen  über  .  .  .  L'^i  ig,  Mg, 
La,  D3,  W3,  H3,  L'3,  i3,  M3,  L„  D„  W„  H„  L\,  i„  M„  L5,  D5,  W,, 
H5,  L^5  .  .  .  fortlaufend  geschlossenen  Schliessungskreis  sendet,  erteilt 
vermöge  seiner  Bichtung  und  Starke  den  Elektromagneten  Südmagne- 
tismus, nämlich  jene  Polarität,  welche  dem  Signal  für  erlaubte 
Fahrt  entspricht,  wogegen  die  entgegengesetzte,  bei  stromlosem  Zu- 
stande vorhandene  Polarität  (Nordmagnetismus)  der  Streckenmagnete 
das  Signal  Fahrt  verboten  bewirkt.  Auf  die  Elektromagnete  . . . Mj, 
Mg,  M^  .  .  .  kann  der  vorgedachte  Ruhestrom  unter  gewöhnlichen  Ver- 
hältnissen keinen  Einfluss  nehmen,  weil  deren  Spulen  aus  zwei  gleichen 
Hälften  .  •  .  qa  p«»  qs  Ps»  ^4  P*  •  •  •  bestehen,  die  im  ungleichen  Sinne 
gewickelt  sind  und  sich  hinsichtlich  ihrer  magnetisierenden  Wirkungen 
gegenseitig  aufheben.  Während  der  gewöhnlichen  Ruhelage  des  Strecken- 
relais, welche  in  3  ersichtlich  gemacht  ist,  hat  sonach  M3  keinen  Magne- 
tismus, und  lediglich  der  Haken  hg  verhindert  den  Abfall  des  Relais- 
hebels. Kommt  jedoch  eine  Lokomotive  an  der  Stelle  vorüber,  dann 
erfolgt  die  in  2  versinnlichte,  schon  weiter  oben  besprochene  Einziehung 
des  Hufeisenankers,  der  zur  Seite  gedrehte  Haken  lässt  den  Relais- 
hebel los  und  dieser  schliesst  den  Relaiskontakt.  Da  die  Ablenkung 
des  Hufeisenmagnetes  nur  einen  Augenblick  anhält,  kehrt  der  Haken 
gleich  vTieder  in  seine  gewöhnliche  Ruhelage  zurück  und  die  Teile 
haben  dann  die  bei  4  dargestellte  Lage.  Das  ist  also  das  Verhältnis, 
welches  —  um  das  der  Zeichnung  zu  Grunde  liegende  Beispiel  zu  ver- 
folgen —  der  Zug  Z^  herbeigeführt  hat,  indem  er  die  Gleisstelle  4 
passierte  und  in  die  Bahnstrecke  4  bis  5  einfuhr.  Durch  den  bei  C4 
entstandenen  Kontakt  wurde  über  1^,  C4,  i^,  L'^,  H^,  W^,  D^,  L4  und  pg 
ein  kurzer  Schluss  hergestellt,  demzufolge  die  Streckenmagnete  D^,  W^ 
und  H4  stromlos  wurden  und  sonach  ihren  Nordmagnetismus  zurück- 
gewonnen haben,  vermöge  welchem  sie  bei  etwaiger  Befahrung  durch 
einen  nachfahrenden  Zug  diesem  das  Haltsignal  geben  würden.  Bevor 
der  Zug  Z^  die  Blockstelle  4  passiert  hatte,  d.  h.  solange  er  sich 
zwischen  3  und  4  bewegte,  besass  in  3  das  Relais  dieselbe  Stellung 
wie  jetzt  in  4 ;  die  Spulen  der  Streckenmagnete  D3,  W3  und  H3  waren 


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476  L.  Kohlfürst. 

stromfrei  und  letztere  hatten  soDach  die  Polarität  für  Halt;  dadurch 
aber,  dass  nach  der  Bethätigung  von  a^  in  4  der  kurze  Schluss  über  Cj 
entstanden  ist,  wurde  auch  die  Spule  P3  des  Elektromagnetes  M3  strom- 
los. Der  durch  q.j  gehende  Strom  konnte  wirksam  werden  und  den 
Anker  A,,  zur  Anziehung  bringen,  infolgedessen  der  Kontakt  c^  unter- 
brochen wurde  und  sich  der  Relaishebel  wieder  auf  hg  legte.  Beim 
Befahren  des  Relais  4  hat  also  der  Zug  1  nicht  nur  seine  Deckung 
durch  die  Magnete  D^,  W^  und  H^  bewirkt,  sondern  gleichzeitig  die 
Freigebung  der  verlassenen  Blockstrecke  3  bis  4  durchgeführt.  Der 
dem  Zuge  Zj  nachfolgende  Zug  Z^  wird  bei  D3,  W3  und  H3  kein 
Haltsignal  erhalten  haben,  wohl  aber  würde  ihm  durch  D^,  W^  und  H^ 
die  Weiterfahrt  verboten  werden,  käme  er  bei  diesem  Streckenmagnete 
früher  an,  als  der  Zug  Z^  aus  der  Blockstrecke  4  bis  5  in  die  Block- 
strecke 5  bis  G  übergetreten  ist. 

Mit  der  Boult  sehen  Einrichtung  wäre  nunmehr  die  Reibe  der 
für  eine  beschränkte  Nachrichtengebung  bestimmten  Zugtelegraphen 
erschöpft,  insoweit  es  sich  lediglich  um  Anordnungen  handelt,  welche 
auf  Eisenbahnen  zur  Verwendung  gelangen  sollen,  die  mit  Dampf- 
lokomotiven betrieben  sind.  Seitdem  sich  aber  die  elektrischen 
Eisenbahnen  so  glänzend  entwickelt  haben,  fehlt  es  auch  für  diese 
Betriebsform  nicht  an  Entwürfen  von  Zugtelegraphen,  welche  eben- 
falls der  Gruppe  A  zugeordnet  werden  können.  Hieher  zählt  u.  a. 
eine  ganz  besonders  einfache  und  wohldurchdachte,  vom  Regierungs- 
baumeister C.  P.  Feldmann  entworfene  Anordnung^)  für  Doppel- 
bahnen, welche  auf  beiden  Gleisen  übereinstimmend  in  der  Weise 
durchgeführt  ist,  wie  es  die  schematische  Darstellung  (Fig.  8)  für  ein 
üleis  ersichtlich  macht.  Fürs  erste  wird  wieder  die  Bahnlinie  in  an- 
gemessen lange  Blockstrecken  Bj,  Bg,  B^,  B^  .  .  .  geteilt.  Von  der 
Generatordynamo  G  des  Elektricitätswerkes  gelangt  der  Strom  in  die 
längs  der  ganzen  Bahnlinie  kontinuierlich  verlaufende  Speiseleitung 
Li  Lj ;  die  von  derselben  abzweigende  Kontaktleitung  ist  in  bestimmte, 
voneinander  getrennte  Stücke  Cj,  Cg,  C^,  C^  .  .  .  geteilt,  und  jedes 
dieser  den  Blockstrecken  entsprechenden  Leitungsstücke  steht  mit  der 
Speiseleitung  während  des  ordnungsmässigen  Ruhezustandes  durch 
einen  beweglichen  Umschalterhebel  Uj,  U^,  U3,  U^  .  .  .  und  den 
Spangenabschluss  c^,  Cg,  c^,  c^  .  .  .  in  leitender  Verbindung.  Ausser- 
dem ist  noch  die  von  den  Schienen  oder  sonstwie  gewonnene  Rück- 
leitung Lg  Lo  und  eine  sogenannte  Bremsleitung  1, ,  lg ,  I3,  1^ . . .  vor- 

*)  Vergl.  Centralblatt  der  Bauverwal tung  1895,  p.  24. 


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Die  bisherigen  Versuche  mit  elektrischen  Zugtelegraphen. 


477 


banden,  wovon  die  erstere  wieder  stetig  längs  der  ganzen  Bahnlinie 
verlauft,  während  die  letztere  aus  ebenso  vielen  und  ebenso  langen 
Stücken  besteht,  wie  die  Kontaktleitung.  Jedes  einzelne  Stück  der 
Bremsleitung  steht  durch  einen  Anschlussdraht  d^,  dg,  dy,  d^  .  .  .  mit 
der  Bückleitung  LgL^  in  Verbindung,  und  in  jedes  derselben  ist  ein 
kräftiger  Elektromagnet  oder  ein  ebensolches  Solenoid  M^,  Mg,  Mjj,  M^ . . . 
eingeschaltet.  Das  sich  in  der  durch  den  Pfeil  angedeuteten  normalen 
Fahrtrichtung  bewegende  Motorfahrzeug  W  berührt  mit  seinem  Strom- 
abnehmer S  stets  nur  die  Kontaktleitung,  durch  deren  Vermittlung 
es  den  erforderlichen  Strom  bezieht,  welch  letzterer  seinen  Weg  von 
G  über  L^,  üj,  c^,  Cjj,  S,  W  und  Lg  nimmt.  Wenn  aber  das  Fahrzeug 
eine  Blockstrecke  verlässt  und  dabei   den  Umschalter  passiert,   stellt 


Fig.  8. 


es  diesen  auf  mechanischem  Wege,  nämlich  mittels  eines  geeigneten 
Mitnehmers,  in  die  zweite  Kontaktlage  um,  wie  es  U^  zeigt,  derart, 
dass  die  zwischen  Speiseleitung  und  Kontaktleitung  bestandene  Ver- 
bindung bei  Cg  aufgehoben  und  dafür  die  erstere  bei  ig  mit  der  Brems- 
leitung I4  verbunden  wird.  Diese  Umstellung  erfolgt  also  an  sämt- 
lichen Umschaltern  jedesmal  dann,  w  enn  ein  Zug  die  betreffende  Block- 
strecke verlässt  und  in  die  nächste  eintritt;  vermöge  dieses  Vorganges 
wird  die  Kontaktleitung  C^  der  verlassenen  Strecke  isoliert.  Ein  nach- 
fahrender Zug  erhält  demzufolge,  wenn  er  in  die  Blockstrecke  B^ 
gelangt,  solange  die  Strecke  B3  noch  besetzt  ist,  keinen  Strom  und 
wird  in  diesem  Falle  bei  nicht  besonders  ungünstigen  Streckenverhält- 
nissen von  selbst  zum  Halten  kommen.  Eine  Weiterfahrt  des  Folge- 
zuges ist  in  einem  solchen  Falle  erst  dann  wieder  möglich,  wenn  der 
vordere   Zug  —  um   bei    dem   der   Fig.   8   unterlegten    Beispiele    zu 


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478  L.  Kohlfürat. 


bleiben  — ,  in  die  Blockstrecke  Cg  übertretend,  den  Umschalterhebel  U^ 
auf  ij  gestellt  hat,  wodurch  ein  Zweig  des  Betriebsstromes  von  L^ 
aber  XJg,  i^  in  die  Bremsleitung  I3  und  über  M3,  d,  und  L,  seinen 
Weg  findet,  so  dass  M3  den  als  Elektromagnetanker  oder  Solenoidkem 
ausgeführten  Umschalterhebel  U3  in  die  normale  Lage  auf  C3  zurück- 
bringt, wodurch  C4  wieder  Strom  erhalten  kann  und  die  Blockstrecke  B^ 
für  einen  nachfahrenden  Zug  wieder  fahrbar  wird.  Ersichtlicher- 
massen bleibt  die  Bremsleitung  jeder  Blockstrecke  ebensolange  strom- 
durchflossen,  als  die  Speiseleitung  daselbst  zufolge  des  Yerweilens 
eines  Zuges  in  der  Nachbarstrecke  stromlos  bleibt.  Auf  Bahnlinien 
mit  Teilstrecken,  welche  nur  geringe  Längen  erhalten  können,  oder 
wo  die  Gefällsverhältnisse  das  Anhalten  erschweren,  erhalten  daher 
die  elektrischen  Lokomotiven,  bezw.  Motorwagen  noch  einen  zweiten 
Stromabnehmer  s,  welcher  an  der  Bremsleitung  läuft  und  durch  Ver- 
mittlung eines  in  die  Abzweigung  eines  Vorschaltewiderstandes  w 
geschalteten  Beiais  R  mit  einer  Alarmglocke  G  oder  noch  besser  mit 
einer  selbstthätig  wirkenden  Bremse  —  etwa  nach  Art  der  Dele- 
becque  &  Banderalischen  Vorrichtung  (vergl.  S.  466)  —  in  Ver- 
bindung steht,  und  also  in  Thätigkeit  gerät,  sobald  der  Zug  in  eine 
Strecke  einfahrt,  deren  Nachbarstrecke  noch  durch  einen  voraus- 
gegangenen Zug  besetzt  ist.  Die  Umschalter  sind  überdem  so  ein- 
gerichtet, dass  sie  in  Notfällen  auch  mit  der  Hand  verstellt  werden 
können,  um  es  zu  ermöglichen,  einem  etwa  liegen  gebliebenen  Zuge 
von  rückwärts  zu  Hilfe  zu  kommen  und  durch  Nachschieben  flott 
zu  machen. 

Verflossenen  Jahres  (1897)  hat  der  amerikanische  Elektroinge- 
nieur M.  P.  Saphy  in  mehreren  europäischen  Staaten  die  Patentierung 
nachstehender  Einrichtung^)  angestrebt:  Längs  der  Strecke  der  mit 
Dampf  oder  Elektricität  betriebenen  Eisenbahn  soll  von  Station  zu  Station 
oberhalb  des  Gleises  an  entsprechend  aufgestellten  Trägem  eine  bezw. 
eine  zweite  Stromleitung  angebracht  werden,  die  am  vorderen  Ende 
isoliert,  am  rückwärtigen  jedoch  mit  einer  in  der  Station  (am  Bahnhof) 
befindlichen  Dynamomaschine  verbunden  ist.  Mit  dieser  Leitung  steht 
die  Lokomotive  jedes  Zuges  nach  Art  der  Stromzuftlhrung  elektrischer 
Tramways  mit  Oberleitung  durch  einen  Stromabnehmer  (Trolley)  in 
Verbindung.  Auf  jeder  Lokomotive  befindet  sich  ein  Beiais,  ein 
Läutewerk  mit  Batterie,  ein  Umschalter  und  eine  Dynamomaschine. 
Davon  ist  das  Relais  einerseits  mit  dem  Stromabnehmer,  andererseits 


')  Vergl.  Oesterr.  Eisenbahnzeitung  vom  1.  Januar  1898,  p.  10. 


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Die  bisherigen  Yersache  mit  elektrischen  Zugtelegraphen.  479 

mit  dem  Eisenkörper  des  Fahrzeuges,  also  mit  dem  Gleise  bezw.  mit 
der  Rückleitung  verbunden ;  im  Ankerschlusse  des  Relais  liegt  für  ge- 
wöhnlich die  Dynamo,  deren  Strom  auf  ein  Ventil  einwirkt,  das  die 
Dampfzuströmung  unterbricht  bezw.  einen  Ausschalter  thätig  machte 
der  den  Weg  des  Betriebsstromes  zum  Motor  aufhebt.  Gleichzeitig 
wirkt  der  Strom  der  Lokomotiydynamo  auf  den  Anlasshebel  der  kon- 
tinuierlichen Bremse  des  Zuges.  Es  kann  sonach  Yon  der  Station 
aus  ein  auf  der  Strecke  befindlicher  Zug  zum  Stillstande  gebracht 
werden,  indem  der  Stationsbeamte  durch  den  Druck  auf  einen  Taster 
den  Strom  seiner  Dynamomaschine  schliesst.  Hiedurch  wird  der 
Relaisanker  auf  der  Lokomotive  angezogen,  und  die  in  Thätigkeit 
tretende  Lokomotiydynamo  unterbricht  den  Dampf-  oder  Stromzutritt, 
während  sie  gleichsam  die  Bremse  wirksam  macht.  Nach  einem 
solchen  Anhalten  kann  der  Maschinenführer  mittels  seines  Umschalters 
an  Stelle  der  Dynamomaschine  das  Läutewerk  in  den  Ankerschluss 
des  Relais  bringen  und  auf  diese  Weise  mit  Hilfe  bestimmter  Glocken* 
Signale  noch  weitere  Aufträge  von  der  Station  erhalten. 

B.  Zugtelegraphen  im  engeren  Sinne.  Auch  die  Reihe  der  elek- 
trischen Einrichtungen,  welche  es  sich  zur  Aufgabe  stellen,  zwischen 
den  fahrenden  Zügen  untereinander  oder  zwischen  den  Zügen  und 
Stationen  den  Austausch  beliebiger  Depeschen  zu  ermöglichen,  isi 
zahlreich,  und  die  Mittel  und  Wege,  welche  zur  Erreichung  dieses  aller- 
dings höchst  verlockenden  Zieles  Anwendung  gefunden  haben,  erweisen 
sich  fast  noch  mannigfacher,  als  jene  bei  der  Gruppe  A.  Uebrigens 
lassen  es  mehrere  ^Zugtelegraphen  im  engeren  Sinne**  nicht 
unversucht,  mit  dem  beliebigen  Nachrichtenverkehr  auch  noch  einen 
zur  Sicherung  der  Züge  dienenden  Signalaustausch  nach  Art  der  An- 
wendungen A  zu  verbinden. 

Der  älteste  über  den  blossen  Entwurf  hinausgelangte  und  wenig- 
stens im  Modell  ausgeführte  Zugtelegraph  der  Gruppe  B  rührt  vom 
Grafen  Du  MonceP)  her  und  wurde  im  Dezember  1854  der  fran- 
zösischen Akademie,  sowie  nächsten  Jahres  auf  der  Weltausstellung 
vorgeführt.  Zum  Betriebe  dieser  Anordnung  waren  längs  der  Bahn 
zwei  gewöhnliche  Drahtleitungen,  nämlich  eine  Telegraphen-  und  eine 
Signalleitung,  erforderlich;  ferner  mussten  im  Eisenbahngleise  von 
Kilometer  zu  Kilometer  je  zwei  Kontaktschienen  ausgelegt  sein,  von 
welchen  die  eine  mit  der  vorgenannten  Telegraphen-,  die  zweite  mit 
der  Signalleitung  durch  einen  Zweigdraht  in   Verbindung  stand.     Im 


0  Vergl.  Du  Moncel,  Expose  d'application  de  relectricit^,  2.  Aufl.,  2,  p.  185. 


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480  L.  Kohlfüret. 

Gepäckwagen  jeden  Zuges  sollten  drei  federnde,  aus  je  einer  am  un- 
teren Ende  keulenförmig  verstärkten,  in  einer  Führungshttlse  beweg- 
lichen Eisenstange  bestehende  Stromabnehmer  vorhanden  und  örtlich 
so  angebracht  sein,  dass  der  erste  davon  auf  einem  der  beiden 
Schienenstränge  des  Gleises  schleifend  den  Erdleitungsanschluss  bildete, 
wogegen  der  zweite  während  der  Fahrt  des  Zuges,  beim  Passieren 
der  Blockstreckenenden  über  die  Signalkontaktschienen  und  der  dritte 
über  die  Telegraphenkontaktschienen  der  Strecke  hinstreifte.  Weiters 
befanden  sich  im  Gepäckwagen  oder  auf  der  Lokomotive  ein  voll- 
ständiger Br^guetscher  Zeigertelegraph,  dann  ein  Wecker  und 
ein  Signalapparat,  welch  letzterer  aus  einem  Elektromagneten  bestand, 
dessen  polarisierter  Anker  je  nach  seiner  Lage  eine  weisse  oder 
rote  Scheibe  sichtbar  machte.  Auf  den  Stationen  sollten  sich  gleich- 
falls Batterieen  befinden,  sowie  je  ein  Umschalter  und  ein  Galvanoskop ; 
ausserdem  aber  noch  ein  wie  eine  Uhr  von  60  cm  Durchmesser  an- 
geordneter Controlapparat,  der  so  aufzustellen  war,  dass  er  auch  von 
dem  Zugpersonale  beobachtet  werden  konnte.  Für  gewöhnlich  stand  nur 
die  Signaleinrichtung  in  Thätigkeit,  welche  die  Aufgabe  hatte,  im 
Gepäckwagen  bezw.  auf  der  Lokomotive  den  Wecker  auszulösen  und 
am  Zeichenapparat  die  rote  Scheibe  hervortreten  zu  lassen,  sobald 
ein  Zug  in  einer  der  durch  die  Kontaktschienen  abgegrenzten  Kilo- 
meterstrecken einfährt,  wo  sich  bereits  ein  anderer  Zug  befindet. 
Gleichzeitig  sollte  der  am  Zifferblatte  des  Stationscontrolapparates  um- 
laufende Zeiger  ersehen  lassen,  in  welcher  Kilometerstrecke  sich  je- 
weilig ein  Zug  befindet.  Sollte  telegraphiert  werden,  mussten  die 
betreffenden  Züge  stehen  bleiben  und  sich  so  aufstellen,  dass  der 
dritte  Stromabnehmer  auf  einer  der  Telegraphenkontaktschienen  des 
Gleises  aufruhte;  sodann  konnte  der  vom  Zug  raitgeführte  Telegraphen- 
apparatsatz samt  Batterie  eingeschaltet  und  in  gewöhnlicher  Art  die 
Depeschierung  abgewickelt  werden.  Zu  einem  praktischen  Versuche 
ist  es  mit  dem  gutgemeinten,  aber  völlig  verfehlten  Du  Moncelschen 
Projekte  schon  deshalb  nie  gekommen,  weil  es  seitens  der  fachmän- 
nischen Kreise  gleich  von  vornhinein  mit  gerechtfertigtem  Misstrauen 
aufgenommen  wurde. 

Um  so  mehr  muss  die  optimistische  Wohlmeinung  wunder- 
nehmen, welche  in  derselben  Zeit  einem  allerdings  viel  einfacheren 
Zugtelegraphen  entgegengebracht  wurde,  mit  dem  der  sardinische 
Generaltelegraphendirektor    Gaetano    Bonelli^)     aufgetreten    war. 


*)  6.  Bonelli,  Du  tel^graphe  des  locomotives,  Paris  1856. 


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Die  bisherigen  Versuche  mit  elektrischen  Zugtelegraphen.  4g  1 

Freiherr  v.  Weber  ^)  bemerkt  hierüber  wörtlich:  »Der  Gedanke  an 
die  Annehmlichkeiten  und  Vorteile,  die  es  gewähren  könnte,  wenn 
man  jeden  Augenblick  vom  in  voller  Fahrt  begrififenen  Zuge  aus 
sich  mit  den  Stationen,  ja  sogar  mit  den  anderen  fahrenden  Zügen 
in  Rapport  zu  setzen  im  stände  wäre,  leitete  darauf  hin.  Die  Vorteile 
waren  freilich  weit  mehr  imaginär,  als  positiver  Art,  aber  sie  er- 
schienen vielen  als  so  bedeutend,  dass  sie  zur  Zeit  des  Auftauchens 
der  Erfindung  im  Jahre  1855  das  Heil  des  Eisenbahnwesens  von 
Verfolgung  der  Ideen  Bonellis  abhängig  erblickten  und  Gelehrte  von 
Verdienst,  wie  z.  B.  der  allerdings  etwas  enthusiastische  Couche^), 
ernstlich  auf  Einführung  des  Systems  drangen.**  Die  in  Rede  stehende 
Einrichtung  war  in  der  That  insofern  verhältnismässig  einfach,  als 
sie  sich  darauf  beschränkte,  die  Züge  und  Stationen  wie  gewöhnliche 
Telegraphenämter  auszurüsten  und  durch  eine  eigene,  in  das  Eisen- 
bahngleis eingelegte  Stromleitung  zu  verbinden.  Letztere  bestand  aus 
einer  0,02  m  dicken ,  0,03  m  breiten ,  kantig  gestellten  Walzeisen- 
schiene, welche  fortlaufend  etwa  0,1  m  hoch  über  Schienenoberkante 
in  Gleismitte  auf  Porzellanglocken  und  eisernen,  je  2  m  voneinander 
entfernten  Stützen  befestigt  war.  Eine  von  der  Lokomotive  nach 
unten  ragende  kräftige  Bogenfeder,  die  während  der  Fahrt  ununter- 
brochen auf  der  Oberkante  der  Leitungsschiene  hinschleifte,  vermittelte 
die  leitende  Verbindung  zu  dem  vom  Zuge  mitgefübrten  Apparatsatze, 
während  das  Metallgestelle  und  die  Räder  der  Lokomotive  den  Erd- 
anschluss  besorgten.  Bei  den  mit  dem  Bon  ellischen  Zugtelegraphen 
noch  im  Jahre  1855  auf  einer  beiläufig  8  km  langen  Strecke  zwischen 
Paris  und  Saint- Cloud  angestellten  praktischen  Versuchen  waren  in 
den  Stationen  und  auf  den  Lokomotiven  Wheats  tone  sehe  Nadel- 
telegraphen und  je  ein  Wecker  und  eine  Batterie  von  20  Daniell- 
elementen  vorhanden.  Die  Kosten  der  Anlage  berechneten  sich  mit 
562  Franken  pro  Kilometer.  Diese  Versuche  verliefen  anfänglich  ganz 
günstig,  allein  schon  innerhalb  eines  Monats  erwies  sich  die  ganze 
Einrichtung  als  für  die  Dauer  undurchführbar,  teils  wegen  der  öfteren 
Brüche  der  Leitungsschiene ,  teils  wegen  der  Stromableitung  u.  s.  w. 
Für  die  Sicherung  der  Zugfahrten  an  sich  hatte  die  Anlage  selbstver- 
ständlich gar  nichts  geleistet^). 

')  Vergl.  M.  M.  Freiherr  v.  Weber,  Das  Telegraphen-  und  Signalwesen, 
Weimar  1867,  p.  119. 

*)  Vergl.  M.  C.  Couche,  Sur  la  telegraphie  des  traina  et  le  parti  qu'on 
pourrait  en  tirer,  Paris  1856. 

*)  Vergl.  Etenaud,  Telegraphie,  1,  p.  171. 


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482  L.  Kohlfürst. 

Einen  jener  Zugtelegraphen,  welche  nach  Art  des  DuMoncel- 
sehen  mit  der  Möglichkeit  eines  telegraphischen  Verkehrs  mit  einer  selbst- 
tbätigen  Signaleinrichtung  für  die  Zugdeckung  verbunden  sein  sollte, 
war  jener  von  E.  Vincenzi.  Jeder  Zug  und  jede  Eisenbahnstation 
(Bahnhof)  besass  ausser  einem  ftlr  Gegenstrombetrieb  eingerichteten, 
nur  ausnahmsweise  in  Dienst  zu  stellenden  Telegraphenapparatsatz 
einen  Wecker  nebst  einer  Batterie.  Sämtliche  dieser  Batterieen  hatten 
dieselbe  Elementenzahl  und  lagen  mit  dem  positiven  Pol  an  Erde» 
Von  jeder  Station  ging  eine  Fernleitung  aus,  welche  am  anderen 
Ende  unangeschlossen,  d.  h.  isoliert  blieb;  daftir  waren  auf  der 
Strecke  zwischen  der  Nachbarstation  in  Abstanden  von  je  1  km 
neben  dem  Gleise  in  Wagentritthöhe  wagerechte,  mit  der  Femleitung 
durch  einen  Zweigdraht  leitend  verbundene  Eisenstäbe  auf  je  zwei 
Pfähle  derart  befestigt,  dass  sie  bei  der  Vorbeifahrt  jeden  Zuges  durch 
vier  am  Tender  angebrachte,  isolierte,  aber  mit  den  elektrischen 
Lokomotivapparaten  verbundene  Federn  berührt  wurden.  Solange  die 
Batterieen  ihre  normale  Schaltung  behielten,  konnten  bei  dieser  Ge- 
legenheit keinerlei  Stromäusserungen  zu  Tage  treten,  weil  sich  die 
Batterie  der  Station  und  jene  des  Zuges  gegenseitig  aufhoben;  wurde 
jedoch  vorher  an  einer  oder  an  der  anderen  Stelle  die  Batterie  aus- 
geschaltet oder  ihr  Strom  umgekehrt,  dann  erfolgte  bei  der  Vorbei- 
fahrt des  Zuges  sowohl  auf  der  Lokomotive  als  in  der  Station  die 
Weckerauslösung.  Li  gleicher  Weise  trat  eine  Störung  des  Gleich- 
gewichtszustandes in  der  Leitung  ein,  sobald  ein  zweiter  Zug  in  die- 
selbe Bahnstrecke  gelangte  und  in  demselben  Momente  eine  Eontakt- 
stelle überfuhr,  wo  dies  vom  vorausgehenden  Zuge  geschah.  Wollte 
sich  ein  Zug  in  telegraphische  Verbindung  mit  der  Station  setzen,  so 
hatte  er  an  einem  der  Streckenkontakte  anzuhalten  und  so  Aufstellung 
zu  nehmen,  dass  eine  oder  mehrere  der  Stromabnehmerfedem  des 
Tenders  mit  einer  der  Leitungskontaktstangen  in  Berührung  waren. 
Dann  liess  sich  mit  Hilfe  eines  Kommutators  ein  bestimmtes  Wecker- 
signal geben,  demzufolge  die  Station  ihren  Apparatsatz  einschaltete, 
worauf  die  weitere  Abwickelung  des  telegraphischen  Wechselverkehrs 
in  gewöhnlicher  Weise  vor  sich  gehen  konnte.  In  derselben  Weise 
konnten  innerhalb  einer  und  derselben  Bahnstrecke  auch  zwei  Züge 
in  telegraphische  Verbindung  treten,  wenn  beide  die  vorgedachte  Auf- 
stellung an  Kontaktstellen  genommen  hatten.  Mit  dem  Vincenzi- 
schen^)  Zugtelegraphen  ist,  wie  bereits  S.  462  erwähnt  wurde,  seitens 


*)  Vergl.  Organ  fQr  die  Fortachritte  des  EiBenbohnweseDS  2,  p.  2Ö8. 


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Die  bisherigen  Versuche  mit  elektrischen  Zugtelegraphen.  483 


der  toskanischen  Eisenbahn   auf  der  Strecke  Florenz-Adrezzo 
im  Jahre  1861  ein  Versuch  gemacht  worden. 

Eine  wesentlich  vollkommenere  Anordnung  mit  Gegenstrom- 
schaltung,  bei  welcher  jedoch  eine  fortlaufende  Verbindung  des 
Zuges  mit  der  Telegraphenleitung  und  die  Verwendung  von  Morse- 
apparaten vorausgesetzt  wird,  wurde  von  F.  v.  Ronneburg^)  in 
Vorschlag  gebracht.  Hiebei  war  die  Stromzuftlhrung  fast  so  geplant, 
wie  einige  Jahre  später  die  oberirdischen  Zuleitungen  nach  dem  so- 
genannten Trolleywiresystem  für  elektrische  Eisenbahnen  her- 
gestellt wurden.  Der  Leitungsdraht  sollte  längs  der  ganzen  Strecke 
etwa  3  m  hoch  über  Schienenoberkante  gespannt  und  mittels  wage- 
rechter, an  den  Isolatoren  am  Telegraphengestänge  festgemachter  Spiralen 
nahezu  bis  in  das  Ladeprofil  der  Züge  gebracht  sein.  Bei  jedem  Zuge 
sollte  an  der  Wand  des  als  Telegraphenstation  eingerichteten  Gepäck- 
wagens eine  auf  einen  wagerechten,  gleichfalls  spiralförmigen  Träger 
sitzende  Metallrolle  so  gestellt  sein,  dass  sie  während  der  ganzen, 
zwischen  zwei  Bahnstationen  abzuleistenden  Fahrt  des  Zuges  gegen 
den  Leitungsdraht  gedrückt  wird  und  an  demselben  fortrollend  dauernd 
"Kontakt  bildet.  Von  dieser  Rolle  r  (Fig.  9),  welche  der  Leitung  L^,  Lg 
entlang  gleitet,  führt  ein  Anschlussdraht  zu  dem  vom  Eisenbahnzuge 
mitgeführten  Apparatsatze,  welcher  das  gewöhnliche,  für  Ruhestrom- 
betrieb eingerichtete  Morserelais  R,  einen  ünterbrechungstaster  T,  den 
Morseschreiber  M  und  die  Ortsbatterie  b  umfasst.  Der  Ruhekontakt 
des  Tasters  T  ist  durch  einen  Draht  mit  dem  Eisengestelle  des  Wagens 
und  sonach  durch  Achsen,  Räder  und  Schienen  an  Erde  gelegt.  Li 
den  beiden  die  Strecke  abschliessenden  Bahnstationen  I  und  11  be- 
findet sich  überall  ein  gleichfalls  für  Ruhestrom  eingerichtetes  Relais  R^ 
bezw.  Rj,  mit  polarisiertem  Anker,  und  zwar  hat  der  Anker  von  R^ 
die  entgegengesetzte  Polarität  von  jenem  des  Relais  Rg.  In  I  und  II 
sind  femer  die  einander  entgegengeschalteten,  gleichstarken  Batte- 
rieen  B^  und  Bg  aufgestellt  und  die  zweiarmigen  Taster  T^  und  T2 
vorhanden,  mit  denen,  wenn  man  sie  mittels  des  Knopfes  K^  bezw.  Kg 
niederdrückt,  der  Strom  der  zugehörigen  Batterie  Bj  bezw.  B^  um- 
gekehrt wird.  Solange  kein  Zug  zwischen  I  und  II  verkehrt,  sind  in 
beiden  Stationen  die  Relaisanker  abgerissen,  weil  sich  die  Ströme  von 
ßx  und  Bg  gegenseitig  aufheben;  in  dieser  Zeit  könnte  jede  Station 
unter  Ausschaltung  oder  Umkehrung  ihrer  Batterie  mittels  eines  ge- 
wöhnlichen einhebeligen  Morsetasters  nach  der  anderen  telegraphieren. 


»)  Vergl.  Dinglers  Polytechn.  Journal  1875,  217,  p.  208. 


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484 


L.  Kohlfürst 


Noch  leichter  geht  dies  aber,  wenn  die  Taster  Tj  und  Tg  in  der 
Weise  benützt  werden,  wie  die  Taster  einer  auf  amerikanischen 
Ruhestrom  geschalteten  Morselinie,  d.  h.  indem  man  die  Morse- 
zeichen durch  Heben  des  Tasterknopfes  kennzeichnet,  statt  durch 
Niederdrücken.  Fährt  jedoch  ein  Zug  in  die  Strecke  ein,  dann 
sind  infolge  des  über  R  und  T  entstandenen  Erdschlusses  E  alle 
drei  R^laisanker  angezogen,  nämlich  R^  durch  den  Strom  von  Bp 
R  durch  den  Strom  von  B^  --|-  B^  und  Rg  durch  jenen  von  Bg.  Be- 
nützt der  Zugführer  seinen  ünterbrechungstaster  T,  so  macht  er 
alle  drei  Relais  abreissen,  d.  h.  er  kann  gleichzeitig  nach  I  und  II 
telegraphieren,  wobei  sein  Relais  mitspielt.  Will  eine  Station,  z.  B.  II, 
mit  dem  Zuge  depeschieren,  so  werden  die  Morsezeichen  durch  Nieder- 
drücken des  Tasters  T,  hervorgerufen,  denn  es  durchlaufen  in  diesem 
Falle  zwei  gleichstarke,  einander  entgegengesetzte  Ströme  das  Relais  R, 


Fig.  9. 


BaJutstaiioH  1 

LA 


JEiscnhhaJtrt  xug 

"^||"|K* 


BahTtstailonM 


und  dasselbe  wird,  wie  bei  der  Stromunterbrechung,  ansprechen.  Zu- 
gleich schreibt  auch  der  Morse  Mg,  weil  der  durch  Rg  laufende  Strom 
vermöge  der  Polarität  des  Ankers  die  Wirkung  der  Abreissfeder  von 
Rg  unterstützt;  das  Relais  R^  in  I  spielt  jedoch  nicht  mit,  weil  dessen 
Anker  durch  die  von  II  ausgehende  Stromvermehrung  nur  um  so 
fester  angezogen  bleibt.  Ebenso  würden  von  der  Station  II,  wenn  I 
mit  dem  Zuge  korrespondiert,  die  Zeichen  nicht  mitgelesen  werden 
können.  Diese  Zugtelegraphen  sollten  zugleich  als  Controleinrichtung 
hinsichtlich  der  Fahrgeschwindigkeit  der  Zllge  dienen,  indem  an  be- 
stimmten Stellen  der  Bahnstrecke  —  was  insbesondere  an  den  Ueber- 
brückungen  von  Bahnüberwegen  ohnehin  nicht  vermieden  werden 
könnte  —  die  Leitung  abgesetzt  und  durch  einen  höher  liegenden 
Draht  ersetzt  werden  sollte.  Beim  Vorbeifahren  an  diesen  Stellen 
verlässt  das  Kontaktröllchen  die   Leitung,   alle   drei   Morse   schreiben 


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Die  bisherigen  Versuche  mit  elektrischen  Zugtelegraphen.  485 


einen  entsprechend  langen  Strich ,  und  diese  selbstthätig  telegraphierten 
Striche  können,  wenn  sich  der  Papierstreifen  der  Morseschreiber  mit 
einer  gleichmässigen  bestimmten  Geschwindigkeit  abwickelt,  in  der 
That  den  jeweiligen  Ort  des  Zuges,  sowie  seine  Fahrgeschwindigkeit 
ersehen  und  tiberwachen  lassen. 

Diese  v.  Konneburg  sehe  Idee  wurde  in  Schweden  durch 
Daliström  verbessert  und  brachte  es  daselbst  1880  bis  zu  einem 
vorübergehenden  praktischen  Versuche.  Dallström  benutzte  als  Strom- 
abnehmer an  den  Zügen  eine  sattelförmig  eingebogene  Eisenblech- 
trommel, die  mit  Hilfe  entsprechend  isolierter  Lagergestelle  auf  dem 
Dache  des  Gepäckwagens  angebracht  und  mit  den  im  Wageninnem 
untergebrachten  Morseapparaten  in  leitende  Verbindung  gesetzt  war. 
Der  längs  der  Bahnstrecke  gezogene  Leitungsdraht  stieg  auf  senk- 
rechten, an  Auslegern  isoliert  befestigten  Spiralen  und  hatte  eine 
Lage,  vermöge  welcher  er  die  Kontakttrommel  jedes  in  der  Strecke 
fahrenden  oder  stehenden  Zuges  fortlaufend  berührte. 

Ein  anderer  Zugtelegraph,  bei  welchem  ebenfalls  Moraeapparate 
mit  Gegenstromschaltung  und  das  Eisenbahngleis  als  Rückleitung  An- 
wendung finden  sollten,  wurde  1881  in  Frankreich  von  D'Auriac^) 
angeregt.  Das  Abweichende  daran  bestand  in  der  Ausführung  der  Zuleitung, 
welche  auch  in  Deutschland  durch  ein  Reichspatent  (Nr.  17975)  geschützt 
war,  und  einesteils  aus  einem  am  Gepäckwagen  jedes  Zuges  vor- 
handenen Eontaktrade,  welches  federnd  gelagert  ist  und  sich  mittels 
eines  Handrades  beliebig  höher  oder  tiefer  einstellen  lässt,  anderer- 
seits aus  der  Stromleitung  bestehen  sollte,  welche  an  den  Schwellen 
des  Gleises  angebracht  und  aus  drei  zwischen  zwei  Wagenschienen 
festgeklemmten,  kantig  gestellten  verzinkten  Flacheisen   gebildet   ist. 

Zwischen  Dallström  und  D'Auriac  hatte  sich  auch  C.  Bondi*), 
Professor  am  Staatsgymnasium  in  Triest,  mit  dem  Entwürfe  eines 
Zugtelegraphen  beschäftigt,  welcher  ausser  dem  telegraphischen  Ver- 
kehr zwischen  den  fahrenden  Zügen  und  den  Stationen  zugleich  die 
selbstthätige  Zugdeckung,  ähnlich  wie  die  Ceradinische  Anordnung 
(vergl.  S.  466),  ermöglichen  sollte ;  doch  waren  an  Stelle  der  Lokomotiv- 
pfeifen sichtbare  und  hörbare  Streckensignale  in  Aussicht  genommen. 

Recht  eigentümlich  war  der  Weg,  welchen  ein  amerikanischer 
Kapitän,   C.  W.  William^),  einschlug,   um  die  telegraphische  Ver- 


*)  Vergl.  Elektrotechn.  Zeitschrift,  Juni  1882,  p.  249. 
*)  Vergl.  Oesterr.  Eisenbahnzeituog  1880,  Nr.  24,  S.  335. 
')  Vergl.  Engineering  84,  p.  14. 


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486  L.  Kohlfürst. 


bindung  vermittelst  der  bekannten,  auf  amerikanischen  Ruhestrom 
geschalteten  Morseklopfer  zwischen  den  in  Bewegung  begriffenen 
EisenbahnzUgen  und  den  Stationen  der  betreffenden  Eisenbahnlinie  zu 
ermöglichen.  Die  Stromzuführung  bestand  in  einer  längs  der  Strecke 
errichteten,  durch  häufige  Lücken  unterbrochenen  Telegraphenleitimg. 
Die  Enden  dieser  Unterbrechungsstellen  waren  an  Kontaktschienen 
gebracht,  die  auf  den  Querschwellen  des  Bahngleises  festlagen.  Die 
Kontaktschienen  trugen  zwei  Metallrollen,  welche  mit  den  zur  Leitung 
führenden  Anschlussdrähten  in  Verbindung  standen.  Wurden  diese 
Rollen  niedergedrückt,  so  entstand  eine  Unterbrechung  des  Linien* 
Stromes ;  befanden  sie  sich  in  normaler  Lage,  so  blieb  der  Strom  ge- 
schlossen. Der  Boden  des  Eisenbahnwagens,  welcher  die  Telegraphen- 
apparate enthielt,  hatte  einen  vorstehenden  Schuh  mit  zwei  Metall- 
streifen oder  Stangen,  welche  während  der  Fahrt  des  Zuges  mit  den 
besagten  Rollen  in  Berührung  traten,  diese  niederdrückten,  den  Strom- 
kreis an  dieser  Stelle  unterbrachen,  aber  dafür  den  Apparatsatz  des 
Wagens  in  die  Leitung  einschalteten.  Die  Streifen  besassen  eine  ge- 
nügende Länge,  um  den  Wagen  mit  Hilfe  der  dicht  nebeneinander 
angeordneten  Kontaktschienen  und  Rollen  dauernd  in  dem  Stromkreis 
zu  erhalten,  indem  der  durch  eine  Rolle  und  einen  der  Streifen  in  die 
Apparate  des  Wagens  gelangende  Strom  stets  durch  den  zweiten 
Streifen  und  die  zweite  Rolle  seinen  Weg  in  die  Leitung  zurückfand. 
Mit  einer  solchen  Einrichtung  wurden  im  Jahre  1882  auf  einer  etwa 
800  m  langen  Strecke  der  Atlanta-  and  Charlotte-Eisenbahn 
in  Amerika  Versuche  angestellt,  wobei  die  Kontaktschienen  in  Ent- 
fernungen von  12,2  m  angebracht  waren.  Telegramme  wurden  im 
Zuge  sowohl  während  des  Stillstandes  als  auch  während  der  Fahrt 
aufgenommen.  Die  grösste  Fahrgeschwindigkeit  belief  sich  letzteren 
Falls  auf  40  km  in  der  Stunde. 

Von  da  an  trat  in  der  Erfindung  von  „Zugtelegraphen  mit  direkter 
Stromzuführung"  eine  mehrjährige  Pause  ein,  welche  von  E.  Delphieu, 
Kassier  der  französischen  Staatstelegraphen,  mit  einem  Projekte  unter- 
brochen wurde,  das  nach  dem  „Journal  t^l^graphigue**  vom  25. Mai 
1889  berufen  sein  sollte,  nebst  der  Ermöglichimg  des  telegraphischen 
Verkehrs  der  Züge  gleichzeitig  alle  nur  immer  wünschenswerte  Zugsiche- 
rungen zu  leisten;  Näheres  über  die  Anordnung  und  das  weitere 
Schicksal  dieses  Systems  ist  jedoch  nicht  bekannt  geworden.  Eben- 
falls im  Jahre  1889  wurde  in  Deutschland  dem  amerikanischen  Inge- 
nieur Perls  unter  Nr.  50258  vom  5.  Februar  ein  Zugtelegraph  pa- 
tentiert,   zu    welchem    mit    Nr.   54801  vom  4.   März   1890  noch  ein 


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Die  bisherigen  Versuche  mit  elektrischen  Zugtelegraphen.  487 

Nachtragspatent  erteilt  worden  ist.  Mit  dieser  Einrichtung  haben  im 
Jahre  1893  —  als  Privatversuch  des  Erfinders  —  auf  der  königl. 
preussischen  Militärbahnstrecke  Malchow-Marienfelde  praktische 
Erprobungen  0  stattgefunden.  Die  Leistungen  dieses  Zugtelegraphen 
erstreckten  sich  nach  drei  Richtungen:  1.  verhüteten  Warnungs- 
aignale,  welche  auf  der  Lokomotive  hervorgerufen  wurden,  jede  gefähr- 
liche Annäherung  hintereinander  oder  einander  entgegenfahrender 
Züge;  2.  wurde  in  gleicher  Weise  jeder  Zug  vor  seiner  Einfahrt  in 
clie  Station  gewarnt,  falls  die  Einfahrtweiche  auf  ein  Gleis  gestellt 
war,  auf  dem  sich  bereits  ein  Zug  befand;  3.  konnten  die  Stationen 
mit  den  in  der  anstossenden  Strecke  stehenden  oder  fahrenden  Züge 
oder  die  zwischen  zwei  Nachbarstationen  auf  der  Strecke  befindlichen 
Züge  untereinander  in  telephonischen  Verkehr  treten.  Zu  dem  Ende 
waren  im  Gleismittel ,  50  mm  höher  als  die  Schienenoberkanten ,  drei 
je  175  mm  voneinander  entfernte,  aus  hochkantig  gestellten,  an  Por- 
zellanisolatoren befestigten ,  5  mm  starken  und  8  mm  breiten ,  ver- 
zinkten Flacheisen  hergestellte  Leitungen  vorhanden.  Davon  lief  die 
mittlere  Leitungsschiene  ohne  jegliche  Unterbrechung  von  Station  zu 
Station,  wo  sie  mittels  Kabel  an  je  einem  Telephonapparatsatz  an- 
schloss  und  schliesslich  an  Erde  gelegt  war;  diese  Leitung  diente 
lediglich  zur  Vermittlung  des  Fernsprechers  zwischen  Stationen  und 
Zügen.  Die  rechta  und  links  liegenden  Leitungsschienen  hatten  vor- 
wiegend der  Zugdeckung  zu  dienen' und  waren  in  bestimmten  Ab- 
sätzen unterbrochen,  derart,  dass  die  Lage  der  Unterbrechungsstellen 
in  den  beiden  Leitungsstreifen  abwechselten,  genau  so,  wie  es  De  Castro 
anwendete  (vergl.  S.  461)  und  wie  es  Fig.  2  ersichtlich  macht.  Zur 
Durchführung  der  unter  2.  angeführten  Leistung  waren  die  drei 
Leitimgsschienen  sowohl  im  Hauptgleis  als  im  Abzweigungsgleis  fort- 
gesetzt, und  befanden  sich  an  den  Weichenstellvorrichtungen  Um- 
schalter, durch  welche  die  gedachten  Leitungsfortsetzungen  mit  den 
von  der  Strecke  kommenden  Leitungsschienen  selbstthätig  genau  so 
in  leitende  Verbindung  gebracht  wurden,  wie  die  Weiche  lag,  d.  h. 
wenn  die  Weiche  fürs  Hauptgleis  stand,  setzte  sich  dahin  auch  die 
Leitung  fort,  wogegen  die  im  Abzweigungsgleis  angebrachte  Leitungs- 
fortsetzung ausser  Kontakt  gebracht  war.  Bei  der  zweiten  Weichen- 
lage trat  das  umgekehrte  Verhältnis  ein.  Zur  Zeichengebung  auf  der 
Lokomotive  befand  sich  bei  jedem  Zuge  ein  aus  8  Trockenelementen 


0  Vergl.  Glasers  Annalen  für  Gewerbe  und  Bauwesen  1894,  Heft  1,  p.  7 
Elektrotechn.  Zeitschrift  1894,  p.  204. 

Saonnlimg  elektroteclmischer  Vorträge.    I.  34 


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488  L.  Kohlfarat. 

ä  1 ,5  Volt  bestehende  Batterie  in  einem  beiläufig  30  cm  langen,  20  cm 
breiten  und  ebenso  hohen  Kästchen,  dann  ein  Wecker,  femer  eine  Vor- 
richtung zum  selbstthätigen  elektrischen  Auslösen  der  Lokomotivpfeife 
oder  der  Pressluftbremse  des  Zuges,  und  schliesslich  ein  vollständiger 
Telephonapparatsatz.  Diese  Teile  mit  den  drei  Leitungen  in  Anschluss 
zu  bringen ,  war  die  Aufgabe  dreier  am  Tender  isoliert  befestigter^ 
nach  abwärts  federnder  Bügel,  welche  Stromabnehmerbarsten  trugen, 
mit  denen  sie  auf  den  Leitungsschienen  schleiften.  Zwischen  den 
beiden  seitlichen  Leitungsschienen  war  die  obgenannte  Batterie  mit 
dem  Wecker  und  dann  die  Vorrichtung  zur  Auslösung  der  Dampf- 
pfeife oder  Zugbremse  eingeschaltet;  dementgegen  stand  der  zur 
mittleren  Leitungsschiene  führende  Stromabnehmer  mit  dem  Telephon- 
apparatsatze in  Verbindung,  der  andererseits  durch  den  Metallkörper 
der  Lokomotive  und  die  Räder  an  Erde  lag.  Hiedurch  waren  somit 
die  erforderlichen  Vorbedingungen  geschaffen,  dass  ein  in  den  seit- 
lichen Leitschienen  vorhandener  Strom  seinen  Weg  zu  dem  Lokomotiv- 
wecker finden  und  diesen  thätig  machen  konnte,  oder  dass  ebensowohl 
von  der  Lokomotivbatterie  ein  Strom  seinen  Weg  zu  einer  Station 
oder  zu  einem  zweiten  in  derselben  Strecke  befindlichen  Zuge  finden 
und  ersteren  Falls  den  Anrufwecker  der  Station  auslösen  oder  letzteren 
Falls  die  Dampfpfeifen  oder  Bremsen  der  beiden  Züge  thätig  machen 
konnte,  falls  sich  die  beiden  Züge  etwa  so  nahe  gekommen  wären ^ 
dass  zwischen  ihnen  in  den  beiden  seitlichen  Leitungsstreifen  nur  mehr 
eine  einzige  Unterbrechungsstelle  lag.  Der  Perl s sehe  Zugtelegraph 
war  ersichtlichermassen  nichts  weiter  als  eine  Kombination  mehrerer  der 
bereits  erwähnten  und  erläuterten  älteren  Systeme,  mit  der  einzigen 
Neuerung,  dass  an  die  Stelle  von  Telegraphenapparaten  das  Telephon  trat. 

Zu  derselben  Zeit,  in  welcher  die  soeben  besprochenen  Versuche 
auf  der  königl.  preussischen  Militärbahn  stattfanden,  wurden  auch  in 
Algier,  und  zwar  auf  der  zu  den  Bergwerken  Mokta  el  Hadid 
führenden  Zweigbahnlinie,  das  Zugtelegraphensystem  eines  Ingenieurs 
Etienne^)  angeblich  mit  bestem  Erfolge  erprobt.  Der  diesbezüg- 
lich durch  die  einschlägigen  Fachblätter  gelaufene  Bericht  beschränkt 
sich  jedoch  lediglich  auf  den  obigen  Umstand  und  auf  die  Wiedergabe 
des  Etienn eschen  Programms,  welches  sich  vom  Perls sehen  bloss 
insofern  unterscheidet,  als  für  den  Depeschenverkehr  nicht  Telephon,  son- 
dern Zeiger-  oder  Schreibtelegraphen  zur  Verwendung  gelangen  sollen. 

Als  jüngster  der  Zugtelegraphen  mit  direkter  Leitungszuführung,. 


»)  Vergl.  Le  G^nie  civil  vom  1.  Mftrz  1893. 


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Die  bisherigen  Versuche  mit  elektrischen  Zugtelegraphen. 


489 


über  welchen  Näheres  bekannt  geworden  ist,  wäre  nunmehr  eine 
von  C.  D.  Royse  und  W.  A.  Royse^)  in  Amerika  (Indianapolis) 
erdachte  Einrichtung  anzuführen,  welche  sich  wie  das  v.  Rönne burg- 
schfe  Projekt,  mit  dem  sie  überhaupt  grosse  Aehnlichkeit  besitzt,  ledig- 
lich auf  die  Ermöglichung  eines  telegraphischen  Verkehrs  der  fahren- 
den Züge  untereinander  und  mit  den  Stationen  beschränkt.  Die 
Stromleitung  erhält  ihren  Platz  in  der  Mitte  des  Eisenbahngleises  und 
besteht  aus  einem  schmalen,  isoliert  verlegten,  fortlaufenden  Eisen- 
bande, das  nicht  schwerer  ist  als  1,5  bis  2  kg  per  laufenden  Meter. 
Diese  Leitung  wird  in  den  Stationen  zum  Apparatsatze,  einem  Relais 
Ri  und  Rj  (Fig.  10)  mit  Morseklopfer  K^  und  K^,  dann  zur  Linien- 
batterie Bi  bezw.  B2  geführt,  welch  letztere  gleich 'stark  und  beide 
mit  dem  Zinkpol  zur  Erde  angeschlossen  sind.  Die  Stationsrelais 
haben  die  gewöhnliche  Anordnung  für  Arbeitsstrom  und  nur  geringen 

Fig.  10. 


Eis  enh^fütn  xug 


Spulenwiderstand,  allein  sehr  stark  gespannte  Arbeitsfedern,  so  dass 
nur  stärkere  Ströme  die  Ankeranziehung  bewirken  können,  während  bei 
schwachen  Strömen  die  Anker  abgerissen  bleiben.  Ist  kein  Zug  in 
der  Strecke,  so  können  die  beiden  Stationen  I  und  II  mit  Hilfe  ihrer 
Taster  T^  und  T^  depeschieren,  indem  diese,  wenn  sie  niedergedrückt 
werden,  eine  kurze  Verbindung  zwischen  Leitung  und  Erde  herstellen, 
demzufolge  die  Batterieen  B^  und  Bj  in  den  getrennten  Stromkreisen 
voll  zur  Thätigkeit  gelangen  und  die  Anziehung  der  Relaisanker  be- 
wirken. Dabei  arbeitet  R^  durch  den  Strom  von  B^  und  Rg  durch 
jenen  von  B^;  hiegegen  bleiben  während  der  Ruhelage  der  Taster 
auch  die  Relaishebel  in  Ruhe,  d.  h.  abgerissen,  weil  sich  B^  und  B^ 
gegenseitig  aufheben  und  die  Leitung  also  regulär  stromlos  ist.  Die 
Einrichtung  der  Züge  wird  durch  einen  bürstenförmigen  Stromabnehmer  r, 
welcher  auf  der  Leitungsschiene  L^,  L^  schleift,  mit  dem  Schliessungs- 


')  Vergl.  The  electrical  Engineer,  New  York,  16.  September  1897. 


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490  ^'  Kohlfürat 


kreise  in  Verbindung  gebracht  und  besteht  aus  dem  Relais  R  mit 
dem  Morseklopfer  K  und  der  Ortsbatterie  b,  femer  aus  dem  Morse- 
taster T  und  dem  durch  die  Eisenteile  des  Fahrzeuges  und  das  Gleis 
vermittelten  Erdanschluss  E.  Ausser  der  Abwesenheit  der  Linien- 
batterie weist  die  Zugeinrichtung  gegenüber  der  Stationseinrichtung 
noch  die  Absonderheit  auf,  dass  das  Relais  R  für  Ruhestrom  einge- 
richtet ist  und  einen  Spulenwiderstand  von  1000  bis  1500  Ohm  be- 
sitzt. Fährt  ein  Zug  in  die  Strecke  ein,  so  gehen  die  Ströme  beider 
Linienbatterieen  durch  R  zur  Erde,  der  Anker  von  R  wird  also  an- 
gezogen; dagegen  sind  die  durch  R|  und  Rg  gelangenden  Ströme 
infolge  des  grossen  Spulenwiderstandes  von  R  zu  schwach,  um  die 
Ankeranziehung  bewirken  zu  können.  Auf  diese  Weise  bleiben  also  auch 
nach  der  Zugeinfahrt  sämtliche  Relais  unthätig,  solange  von  keinem 
der  Taster  Gebrauch  gemacht  wird.  Anderen  Falls  entsteht  jedoch 
durch  den  Tasterschluss  ein  kurzer  Nebenweg  zur  Erde,  der  etwa 
höchstens  einen  Widerstand  von  1  Ohm  besitzt,  also  fast  den  ganzen 
Strom  der  beiden  Linienbatterieen  ableitet  und  die  Spulen  von  R 
nahezu  stromlos  macht,  weshalb  der  Anker  abreisst.  Zugleich  wird 
in  den  durch  den  niedergedrückten  Taster  neu  entstandenen  Schliessungs- 
kreisen links  die  Batterie  B^,  rechts  die  Batterie  B,  voll  zur  Geltung 
kommen,  weshalb  die  Relais  R^  und  R^  ebenso  arbeiten,  wie  früher, 
wo  kein  Zug  in  der  Strecke  war.  Diese  Vorgänge  bleiben  ganz  die- 
selben, gleichgiltig ,  ob  ein  Stationstaster  oder  der  Taster  im  Zuge 
zur  Benützung  kommt,  und  in  allen  Fällen  spielen  stets  alle  drei 
Relais  mit:  R^  und  R^  durch  die  Stromvermehrung,  R  vermöge  der 
Stromverminderung.  Dasselbe  Verhältnis  bleibt,  wie  es  sich  an 
der  Hand  der  Zeichnung  leicht  feststellen  lässt,  auch  dann  noch  auf- 
recht, wenn  gleichzeitig  zwei  Züge  in  der  Strecke  vorhanden  sind. 
Die  gestellte  Aufgabe  ist  vorliegenden  Falles,  was  die  elektrische  Strom- 
schaltung anbelangt,  in  der  That  ebenso  einfach  als  sinnreich  gelöst. 
Die  allerletzte  Nachricht^)  über  eine  hieher  gehörige  Einrichtung 
kommt  gleichfalls  aus  Amerika  und  lautet,  dass  ein  von  Georg 
Trott  in  Chicago  erfundener  Zugtelegraph  auf  der  Pennsylvania- 
bahn der  praktischen  Erprobung  unterzogen  werden  wird;  jeder  auf 
der  Fahrt  begriffene  Zug  soll  mit  der  nächsten,  in  der  Richtung  seiner 
Fahrt   liegenden    Station    fortlaufend    in    telegraphischer    Verbindung 

^)  Noch  jÜDger  ist  allerdings  ein  vom  österr.  k.  k.  Hauptmann  Stefan 
Rendulic  erfundener,  hinsichtlich  seiner  Anordnung  noch  unbekannter  Zug- 
telegraph, für  den  im  November  1898  in  allen  Ländern  Patente  angesucht  wor- 
den sind. 


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Die  bisherigen  Versuche  mit  elektrischen  Zugtelegraphen.  491 


stehen  und  jederzeit  von   dort  Nachrichten   empfangen    oder   solche 
dahin  abgeben  können. 

Seit  Beginn  der  achtziger  Jahre  war  übrigens  in  Amerika  auch 
hinsichtlich  der  zur  Gruppe  B  zählenden  Einrichtungen  ein  reger  Eifer 
erwacht,  jenen  Schwierigkeiten  aus  dem  Wege  zu  gehen,  welche  bei 
den  elektrischen  Zugtelegraphen  vornehmlich  in  der  Durchführung 
einer  direkten  Stromzuführung  liegen,  und  die  bezüglichen 
Bestrebungen  haben  zu  ganz  ungeahnten,  hochinteressanten  Ergeb- 
nissen geführt,  wenn  auch  der  Eisenbahnbetrieb  daraus  den  erhofften 
und  erstrebten  Nutzen  nicht  zu  ziehen  vermochte.  In  Anbetracht  der 
Eigenart  dieser  „Zugtelegraphen  ohne  direkte  Stromzuführung **  erschien 
es  gerechtfertigt,  sie  aus  der  allgemeinen  chronologischen  Reihe  der 
Gruppe  B  loszutrennen  und  für  sich  zu  behandeln.  Der  erste  ein- 
schlägige praktische  Versuch  wurde  mit  einer  kleinen  Anlage  gemacht, 
welche  Ingenieur  Phelps  im  Jahre  1884  auf  dem  Harlem  River- 
Flügel  der  New  Haven-Eisenbahn  eingerichtet  hatte.  Phelps^)  war 
schon  mehrere  Jahre  früher  auf  die  Idee  verfallen,  an  Stelle  der 
direkten,  mittels  eines  Gleitkontaktes  zu  bewirkenden  ^^i^omzuführung 
die  elektrische  Induktion  treten  zu  lassen,  zu  welchem  Ende  er  zwei 
getrennte,  gegenseitig  in  Wechselwirkung  tretende  Stromkreise  her- 
stellte, nämlich  einen  längs  der  Strecke  von  Station  zu  Station  und  einen 
zweiten  auf  jenem  Eisenbahnwagen  des  Zuges,  welcher  die  Telegraphen- 
apparate enthielt.  Ersterer  bestand  aus  einem  Bronzedraht,  der  im 
Eisenbahngleis  an  niedrigen ,  auf  den  Querschwellen  des  Oberbaues  be- 
festigten Isolatoren  gespannt  und  in  den  beiden  die  Strecke  abschliessen- 
den Stationen  zu  den  Telegraphenapparaten  geführt  war,  die  anderer- 
seits an  Erde  lagen.  Zum  Schutze  dieses  Leitungsdrahtes  bedeckte 
denselben,  seinem  ganzen  Verlaufe  nach,  eine  5  cm  starke  Holzrinne, 
an  deren  Stelle  bei  Weichen,  Bahnüberwegen  oder  Qleiskreuzungen 
ein  entsprechend  tief  in  den  Bahnkörper  verlegtes  Gasrohr  trat.  Den 
Stromkreis  am  Wagen  bildete  ein  isolierter  Kupferdraht  von  beiläufig 
2500  m  Länge,  welcher  in  90  Windungen  auf  einen  senkrechten 
Rahmen,  der  in  der  Richtung  der  Längsachse  den  ganzen  Wagen 
umfasste,  aufgewickelt  war.  Jener  Teil  dieser  Windungen,  welche 
unter  dem  Wagen  liefen,  wurde  von  einem  50  mm  weiten,  am  Wagen- 
gestelle befestigten  Gasrohr  umschlossen,  dessen  Lager  so  gewählt 
war,  dass  es  sich  stets  parallel  oberhalb  der  vorbetrachteten  Strecken-  % 
leitung  und  maximal  175  mm  von  derselben  entfernt  befand.    Jeder  von 


Vergl.  Electrical  World  6,  p.  182. 


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492  L.  KohlfÜrst. 

einer  der  Stationen  durch  die  Streckenleitung  gesendeter  Strom  er- 
zeugte in  den  Wagendrahtwindungen  einen  Induktionsstrom,  welcher 
ein  höchst  empfindliches  Relais  zu  schliessen  und  auf  diese  Weise 
einen  gewöhnlichen  Morseklopfer  in  Thätigkeit  zu  bringen  hatte.  In 
den  Stationen  stand  als  Empfangsapparat  kein  Beiais,  sondern  nur  je 
ein  Telephonklopfer  in  Verwendung.  Noch  in  demselben  Jahre  (1884) 
machte  Phelps  ganz  zufallig  die  überraschende  Beobachtung^),  dass 
man  bei  4  Fuss  (1,22  m)  Entfernung  der  Wagen drahtroUe  von  der 
Streckenleitung  noch  ganz  gut  mittels  der  Induktionsströme  telegra- 
phieren konnte;  daraufhin  versuchte  er  es,  auf  der  Doppelbahn  mit 
nur  einer  Streckenleitung  das  Auslange  zu  finden,  was  keinem  An- 
stand unterlag.  Demzufolge  verminderten  sich  die  Anlagekosten  des 
Systems,  welche  sich  ursprünglich  auf  150  Dollars  für  eine  Meile 
(1,6  km)  beliefen,  auf  nur  50  Dollars.  Bei  der  verbesserten  und  ver- 
einfachten Anordnung  war  als  Streckenleitung  nur  ein  gewöhnlicher 
Telegraphendraht  verwendet,  welcher  auf  je  25* Fuss  (7,5  m)  Entfer- 
nung auf  besonders  dazu  hergestellten  Isolatoren  an  den  Verbin  dungs- 
laschen der  Eisenbahnschienen  eines  Gleisstranges  etwa  3  Zoll  (75  mm) 
ausserhalb  des  Gleises  gespannt  wurde.  Die  Drahtrolle  des  Wagens 
kam  auf  die  Aussenseite  des  letzteren  und  umlief  ihn  seiner  ganzen 
Breite  und  Länge  nach,  d.  h.  der  ursprünglich  stehend  angebrachte 
Rahmen  für  die  Windungen  lag  nunmehr  wagerecht,  so  dass  bei  jeder 
Fahrtrichtung  eine  Längsseite  der  Drahtrolle  des  Wagens  der  Strecken- 
leitung zugewendet  war.  In  den  Stationen  befand  sich  je  eine  Batterie 
von  30,  im  Telegraphenwagen  des  Zuges  eine  solche  von  10  Fuller- 
elementen :  ersteren  Orts  wurden  die  Depeschen  in  der  Form  von  Morse- 
zeichen auf  einem  Telephon  abgehört;  im  Wagen  befand  sich  jedoch 
als  Empfaugsapparat  ein  gewöhnlicher  amerikanischer  Morseklopfer, 
den  ein  in  die  Drahtrolle  des  Wagens  eingeschaltetes  D'Arlincour- 
sches  Relais  im  Schliessungskreise  einer  Ortsbatterie  bethätigte.  Die 
Zeichengebung  geschah  allerorts  mittels  je  eines  gewöhnlichen  Morse- 
arbeitsstromtasters ,  und  die  ganze  Einrichtung  entsprach  ihrer  Auf- 
gabe vortrefflich. 

Wie  es  scheint,  waren  es  diese  günstigen  Ergebnisse,  welche 
Edison,  Gilliland,  Batcherol  u.  a.  mehr  zu  ähnlichen  Be- 
mühungen anregten  und  die  es  veranlassten,  dass  die  Phelpsschen 
Versuche  in  Verbindung  mit  einer  von  William  Wilay  Smith*) 
herrührenden,  demselben  bereits  1881  patentierten  Idee  weiter  verfolgt 

')  Vergl.  Electrical  World  6,  p.  613. 
2)  Vergl.  Revue  industrielle  1886,  p.  105. 


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Die  bisherigen  Versuche  mit  elektrischen  Zugtelegraphen.  493 

wurden.  Im  Sinne  Smiths  sollten  für  die  Zugtelegraphen  nicht  erst 
besondere  Streckenleitungen  hergestellt,  sondern  statt  solchen  die  Ge- 
samtheit der  bereits  längs  der  Bahnen  gewöhnlich  vorhandenen  Tele- 
graphenleitungen herangezogen  und  auf  denselben  also  eine  Art  Doppel- 
telegraphie  durchgef&hrt  werden.  Da  sich  diese  Telegraphenleitungen, 
deren  Enden  an  Erde  liegen,  in  ihrer  Gesamtheit  als  die  eine  Be- 
legung eines  riesigen  Kondensators  ansehen  lassen,  so  soUte  eine 
zweite  Belegung  auf  jedem  Zuge  hergestellt  werden,  und  die  zwischen 
der  letzteren  und  den  Telegraphenleitungen  vorhandene  Luftschicht 
würde  dann  die  Rolle  des  Nichtleiters  des  Kondensators  übernehmen. 
Nach  diesem  Grundgedanken  schufen  Edison  und  Gilliland^)  eine 
Anordnung,  wie  sie  durch  Fig.  11  ersichtlich  gemacht  ist.  Bei  der- 
selben wurden  sämtliche  Wagen  der  Züge  ihrer  ganzen  Länge  nach 
mit  Kupferblechstreifen  versehen,  die  vom  Wagenkörper  durch  Ebonit- 
zwischenlagen isoliert  waren.  Von  Wagen  zu  Wagen  standen  die 
Kupferstreif en'vermittelst  biegsamer  Kuppelungsschnüre  in  leitender  Ver- 
bindung. Die  in  einem  geeigneten  Wagenabteil  untergebrachten  Tele- 
graphenapparate wurden  zwischen  die  vorgedachte  Blechbelegung  Q^  Q^ 
und  einer  durch  das  GesteU  des  betreffenden  Fahrzeuges  imd  durch 
das  Gleis  vermittelten  Erdleitung  eingeschaltet;  ihre  Anordnung  und 
Verbindung  war  ganz  die  gleiche,  wie  in  den  Bahnstationen,  nur  dass  in 
letzterer  der  Anschluss  an  die  Telegraphenleitungen  L^,  L^,  L3 . . .  durch 
eine  gleiche  Anzahl  Plattenkondensatoren  C^,  C^  .  .  .  vermittelt  wird. 
Im  Wagen  führt  also  der  Draht  m  gleich  unmittelbar  von  dem  Blech- 
belag Q^,  Q^  zu  den  sekundären  Windungen  S  einer  Induktionsrolle  J 
nach  dem  Telephon  F  und  dann  zu  den  Eisenteilen  des  Wagengestelles, 
d.  h.  zur  Erde  E.  Ein  vom  Drahte  m  abzweigender  Nebenschluss  n 
nimmt  seinen  Weg  durch  den  Kurbelumschalter  U  und  kann  also 
durch  letzteren  beliebig  hergestellt  oder  unterbrochen  werden.  Die 
primären  Windungen  P  bilden  mit  einer  aus  5  oder  6  Bunsenelementen 
bestehenden  Batterie  B  und  einem  Unterbrechungsrade  R  einen  ört- 
lichen Schliessungskreis,  in  dessen  Nebenschlüsse  der  Arbeitsstrom- 
taster T  liegt.  Das  Kontaktrad  R  wird,  wenn  telegraphiert  werden 
soll,  durch  ein  Federtriebwerk  in  gleichmässige  Umdrehungen  ver- 
setzt, wobei  die  Schleiffeder  f  abwechselnd  einen  leitenden  oder  nicht- 
leitenden Radteil  berührt,  und  sonach  eine  Folge  von  kurzen  Strömen 
durch  die  primäre  Rolle  P  gelangt,  welche  die  sekundäre  Rolle  als 
eine   entsprechende   Folge  von  Wechselströmen  in   die  Leitung  m  E 


^)  La  Lumina  ^lectrique  19,  p.  161. 


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494 


L.  Kohlfiirst. 


weitergibt.  Während  der  Ruhelage  befindet  sich  jedoch  der  Weg  m  E 
durch  die  Kurbel  U  in  kurzem  Schlüsse.  Soll  vom  Zuge  aus  tele- 
graphiert werden,  ist  daselbst  also  vorerst  das  Rädchen  R  in  Gang 
zu  setzen;  sodann  wird  U  geöffiiet,  wodurch  das  Telephon  Pj  in  den 
Stationen  zu  ,, brummen*  beginnt.  Die  in  S  des  Wagens  entstehenden 
Wechselströme  laden  nämlich  den  Kupferbelag  Q^,  Q^  am  Zuge,  und 
diese  Ladungen  erzeugen  in  zweiter  Reihe  dementsprechende  Ladungen 
in  sämtlichen  längs  der  Bahnlinie  gezogenen  Telegraphenleitungen,  die 
sich  in  den  Stationen  wieder  den  Kondensatoren  C^ ,  C^  .  .  .  mitteilen 
und  schliesslich,  über  Uj  nach  F^  gelangend,  den  Weg  zur  Erde  E^ 
nehmen.  Wird  unter  diesen  Verhältnissen  der  Taster  T  im  Wagen 
niedergedrückt,    so  hört  während  der  Dauer  des  Tasterschlusses  die 

Fig.  11. 
^^  j.  _     Stoutdiae  TeUfn^ajohenleitanaen  längs  der  Bahn 


stromunterbrechende  Wirkung  des  Rades  R  und  die  sich  daran  knüpfende 
Ladungserscheinung  auf;  es  schweigen  sonach  auch  die  Telephone  der 
Stationen.  Die  kurzen  oder  langen  Tasterschliessungen  äussern  sich 
demgemäss  als  ebenso  kurze  oder  lange  Brummpausen,  die  wie  am 
Morseklopfer  nach  dem  Gehör  von  F^  abgelesen  werden.  Ganz  die 
gleichen  elektrischen  Vorgänge  wickeln  sich  im  umgekehrten  Wege 
ab,  wenn  die  Depesche  von  einer  Station  abgeht  und  im  Zuge  em- 
pfangen wird.  Sind  in  den  Stationen  noch  andere  Apparatsätze  vor- 
handen, so  müssen  die  zugehörigen  Taatervorrichtungen,  wenn  sie  bei 
der  Gebrauchnahme  Unterbrechungen  des  Schliessungskreises  veran- 
lassen, wie  z.  B.  Morsetaster  für  Arbeits-  oder  für  Ruhestromschaltung^ 
durch  Kondensatoren  ^)  überbrückt  werden,  wie  dies  auf  allen  Leitungen 


^)  Vergl.  Dr.  E.  Voit,  Sammlung  elektrotechn.  Vortrage  1,  Heft  7  u.  8,  p.  282. 


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Die  bigherigen  Versuche  mit  elektriBchen  Zugtelegraphen.  495 


geschieht,  auf  welchen  gleichzeitig  telephoniert  und  telegraphiert  werden 
soll.  Der  erste  praktische  Versuch  mit  den  vorgeschilderten  Zug- 
telegraphen hat  1885  auf  der  Strecke  Clifton-Tottenville  mit 
einem  daselbst  täglich  regelmässig  verkehrenden,  aus  fünf  Wagen  be- 
stehenden Personenzuge  stattgefunden.  Etwa  ein  Jahr  später  richtete 
die  Consolidated  Railway  Telegraph  Company  in  New  York  eine  ver- 
wandte Anlage  auf  der  Bahnstrecke  Gersey  City-Easton^  ein, 
doch  waren  daselbst  anstatt  der  Plattenkondensatoren  C^,  Cg,  C3  .  .  . 
(Fig.  11)  je  vier  hintereinander  geschaltete  Spulenkondensatoren  an- 
gewendet, und  an  Stelle  des  ünterbrechungsrädchens  B  befand  sich 
ein  Selbstunterbrecher  (Neff scher  Hammer),  den  eine  eigene  kleine 
Batterie  500  Schwingungen  in  der  Minute  machen  liess.  Der  Taster  T 
war  so  eingeschaltet,  dass  er  bei  niedergedrücktem  Hebel  den  Selbst- 
unterbrecher in  den  Stromkreis  der  aus  10  Fullerelementen  bestehen- 
den Batterie  B  brachte;  demgemäss  wurden  vorliegenden  Falles  die 
Punkte  und  Striche  vom  Telephon  F  nicht  als  Pausen,  sondern  durch 
kurzes  bezw.  längeres  ^ Brummen''  dargestellt. 

Eine  ganz  ähnliche  Einrichtung  wurde  1887  auch  auf  der 
Lehigh- Walley-Eisenbahn*)  erprobt  und  gleich  der  früher  er- 
wähnten einer  aus  hervorragenden  amerikanischen  Fachmännern  und 
Journalisten  bestehenden  Prüfungskommission  im  Betriebe  vorgeführt. 
Die  hiebei  wahrgenommenen  interessanten  Erscheinungen  und  die  mit 
Hilfe  der  Induktionsströme  erzielten  überraschenden  Erfolge  hatten 
selbstverständlich  allgemein  das  grösste  Aufsehen  erregt. 

Gleich  nächsten  Jahres  brachte  die  obenbezeichnete  New  Yorker 
Eisenbahntelegraphengesellschaft  ein  neues,  drittes  System  ^)  zum  Ver- 
suche, das  zwischen  dem  Phelps  sehen  und  dem  Edison  sehen  gleich- 
sam die  Mitte  hält.  Es  wurde  wieder  zur  Verwendung  einer  eigenen 
Streckenleitung  zurückgekehrt,  welche  2,5  bis  3  m  vom  Bahngleise  ihren 
Platz  erhielt  und  sich  von  gewöhnlichen  Telegraphenleitungen  ledig- 
lich dadurch  unterschied,  dass  der  3  bis  4  mm  starke  Eisen-  oder  Stahl- 
draht auf  viel  niedrigeren  Säulen  hing.  Als  Kondensatorplatte  der 
Züge  diente  einfach  das  Blechdach  des  betreflFenden  Telegraphen- 
wagens, oder  wo  eine  'metallene  Decke  nicht  vorhanden,  eine  an  der 
Seitenwand  des  Telegraphenwagens  unter  den  seitlichen  Vorsprüngen 
des  Daches  angebrachte,  1  cm  starke  Messingröhre  oder  Messingstange. 


')  Vergl.  Scientific  Am,  vom  Oktober  1887,  p.  240. 

«)  Vergl.  Electrical  World  1888,  Nr.  16,  p.  204. 

3)  Vergl.  ^itschrift  für  Elektrotechnik  1888,  p.  146. 


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496  L-  KohlfQrst. 

Im  Wagen  waren  sämtliche  Apparate  mit  Ausnahme  der  Batterie 
auf  einem  Brette  befestigt,  weiches  der  Telegraphenbeamte  während 
der  Arbeit  auf  dem  Schosse  hielt.  Der  als  Helmtelephon  ausgefQhrte 
Empfangsapparat  wurde  ans  Ohr  gehängt,  so  dass  beide  Hände  des 
Telegraphisten  frei  blieben.  Als  Betriebsbatterie  des  Zuges  dienten 
12  kleinere,  in  einem  Kästchen  verschlossene  Zinkkohlenelemente.  Der 
Widerstand  der  dickdrähtigen  Wickelung  (P,  Fig.  11)  betrug  ungefähr 
3,5  Ohm,  jener  der  diinndrähtigen  (S,  Fig.  11)  bis  250  Ohm  und  jener 
des  Empfangtelephons  F  1000  Ohm.  Die  Bahnhofseinrichtung  unter- 
schied sich  von  der  Wageneinrichtung  bloss  insofern,  als  das  eine 
Ende  der  dünndrähtigen  Bewickelung  des  Induktoriums  ersteren  Orts 
nicht  hinter  F^,  sondern  durch  Vermittlung  eines  Morseapparatsatzes 
an  Erde  geführt  war.  Dieser  Umstand  ermöglichte  es,  auf  der  Strecken- 
leitung des  Zugtelegraphen  nebst  dem  Betriebe  mittels  Telephon- 
klopfern im  Wechselverkehr  der  Stationen  auch  jenen  mit  Morse- 
klopfern durchzuführen,  und  es  lag  überdem  die  Füglichkeit  vor, 
beide  Verständigungsmittel,  wenn  nötig,  gleichzeitig  in  Anwendung  zu 
bringen.  Die  zuletzt  geschilderte  jüngere  Anordnung  der  Consoli- 
dated Railway  Telegraph  Company  in  New  York  war  es  auch, 
welche  von  dieser  Gesellschaft  den  beim  internationalen  Eisenbahn- 
kongress  in  St.  Petersburg  im  Jahre  1892  anwesenden  Fachmännern 
in  einem  Probezuge  der  Baltischen  Eisenbahn  im  Betriebe  vorgeführt 
worden  ist. 


Vor  allem  anderen  fällt  in  den  vorstehenden  Anführungen  die 
beträchtliche  Zahl  und  ausserordentliche  Mannigfaltig- 
keit der  Einrichtungen  und  Entwürfe  auf,  welche  sämtlich  dahin 
zielen,  den  Eisenbahnzügen  während  der  Fahrt  den  Empfang  von 
Nachrichten  zu  ermöglichen,  sei  es  im  Wechselverkehr  der  Züge  unter- 
einander oder  mit  den  Stationen,  sei  es  in  der  Kombination  beider 
dieser  Verständigungswege.  In  der  That  geht  denn  auch  der  inner- 
halb des  Gebietes  der  Zugtelegraphen  von  den  Konstrukteuren  dar- 
gelegte Eifer,  welcher  überdem,  wie  sich  zeigte,  schon  seit  den 
Kinderjahren  der  Eisenbahnen  fast  ohne  wesentliche  Unterbrechung 
bis  auf  die  jüngste  Zeit  gleich  rege  geblieben  ist,  weit  über  die  er- 
reichten und  erreichbaren  Erfolge  hinaus.  Diese  aussergewöhnliche 
Erscheinung  lässt  sich  jedoch  unschwer  erklären.  Schon  die  un- 
mittelbare Nachrichtengebung  auf  Entfernungen,  in  denen  eine 
Wahrnehmung  durch  die  Sinne   nicht  mehr  möglich  ist,   hat  an  sich 


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Die  bisherigen  Versuche  mit  elektrischen  Zugtelegraphen.  497 


ihr  Bestechendes,  wie  erst  vorliegenden  Falles,  wo  mit  Hilfe  derselben 
jedem  einzelnen  Eisenbahnzuge  die  Füglichkeit  geboten  werden  sollte, 
fortlaufend  über  etwaige  sich^  seiner  Fahrt  entgegenstellende  Hinder- 
nisse Kenntnis  zu  erhalten  oder  ebenso  seine  eigene  Gegenwart,  sobald 
dieselbe  für  andere  Züge  eine  Gefahr  in  sich  schliesst,  den  letzteren 
auf  eine  genügende  Entfernung  kundzugeben.  Würde  ein  solches 
Nachrichtensystem  noch  dahin  erweitert,  dass  die  Verständigung  nicht 
bloss  auf  bestimmte,  gleichbleibende  Mitteilungen  beschränkt  zu  werden 
braucht,  sondern  wie  im  gewöhnlichen  telegraphischen  Verkehr  sich 
auf  jeden  beliebigen  Inhalt  erstrecken  kann,  dann  wäre  damit  ein 
geradezu  ideales  Mittel  zur  Förderung  und  Erleichterung  des  Eisen- 
bahnbetriebes im  allgemeinen,  sowie  zur  Sicherung  der  Eisenbahnzüge 
im  besonderen  gewonnen.  Dieses  glänzende  Ziel  ist  es  gewesen,  das 
den  Autoren  vorschwebte,  und  welches  trotz  der  sich  in  der  Praxis 
entgegenstellenden  Schwierigkeiten  eine  unerschöpfliche  Quelle  der  An- 
regung zu  immer  neuen  Versuchen  bot.  Im  weiteren  erklärt  sich 
der  Beichtum  an  Projekten  auch  noch  dadurch,  dass  eine  nennens- 
werte Zahl  der  Konstrukteure  und  Projektanten,  ja,  dass  der  grösste 
Teil  derselben  nicht  eigentlich  Fachmänner  und  daher  mit  den  Hinder- 
nissen, welche  sich  der  praktischen  Ausführung  von  durchaus  betriebs- 
sicheren Anlagen  der  obgedachten  vollkommensten  Zugtelegraphen 
entgegenstellen  und  die  anscheinend  unüberwindlich  sind,  keineswegs 
genügend  vertraut  waren.  Diese  Hindernisse,  welche  in  der  Schwierig- 
keit gipfeln,  an  dem  fahrenden  Zug  eine  wirklich  zweckmässige  und 
dauerhafte  Stromzuflihrung  zu  stände  zu  bringen,  reichten  nun  allerdings 
nicht  hin,  die  Erfindungslust  einzudämmen,  dagegen  boten  sie  ohne 
Frage  den  Anlass,  das  Programm  der  Zugtelegraphen  bescheidener 
zu  stellen,  und  daraus  ergab  sich  eben  ihre  grosse  Mannigfaltigkeit. 
Leider  haben  es  aber  selbst  jene  Einrichtungen,  von  welchen  bloss 
eine  verminderte  Leistung  geboten  werden  sollte,  zu  keinem  durch- 
schlagenden Erfolg  gebracht,  sondern  lediglich  das  allereinfachste 
System,  nämlich  die  als  Vorsignal  zu  optischen  Streckensignalen  ver- 
wendete Lartiguesche  elektrische  Lokomotivpfeife*)  (vergl.  S.  462), 


0  Aehnliche  Zugtelegraphen  wie  der  Lartiguesche,  inbegriffen  der  selbst- 
ihätigen  Bremsenaualösung  von  Delebecque  und  Bandarali  (vergl.  p.  466), 
sind  auf  einigen  englischen  Bahnen  in  Gebrauch  und  werden  seit  März  1898  auch 
auf  den  k.  k.  österreichischen  Staatsbahnen  (Direktionsbezirk  Villach)  versucht. 
In  beiden  diesen  Fällen  ist  die  Einrichtung  jedoch  keine  elektrische,  sondern 
lediglich  eine  mechanische.  Mit  dem  Drahtzuge  denjenigen  Streckensignals,  zu 
dessen  Ergänzung  das  mit  der  Thätigmachung  der  Zugbremae  verbundene  Loko- 


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498  L-  EoblfQrst. 


vermochte  sich  auf  einer  Eisenbahn,  begünstigt  durch  die  milden 
klimatischen  Verhältnisse  Frankreichs,  so  weit  einzubürgern,  dass  es 
regulär  und  dauernd  im  Gebrauche  steht;  alle  übrigen  sind  über  das 
Probestadiüm  gar  nie  hinausgekommen  oder  stehen  noch  im  Versuche. 
Diese  Thatsache  bildet  einen  vielsagenden  Gegensatz  zur  an- 
scheinenden Begehrenswertigkeit  der  Zugtelegraphen,  von  denen  —  wie 
man  meinen  sollte  —  mindestens  jene  zur  Gruppe  A  gehörenden,  für  den 
Eisenbahnbetrieb  so  wichtigen  Zugdeckungseinrichtungen  gedeihen 
müssten,  welche  der  kostspieligen,  schwer  durchführbaren  Anordnung 
einer  dauernden  leitenden  Verbindung  zwischen  Zug  und  Stromquelle 
aus  dem  Wege  gehen  und  ihre  Aufgabe  bloss  mit  Hilfe  kurzer  Eon- 
takte gerecht  zu  werden  trachten.  Dieselben  sind  doch  für  alle  Falle 
den  gewöhnlichen,  beispielsweise  auf  einigen  amerikanischen  Eisen- 
bahnen im  Gebrauche  stehenden  selbstthätigen  Blocksignalen, 
bei  welchen  die  Nachrichtengebung  durch  ständige  optische  Strecken- 
signale geschieht,  insofeme  überlegen,  als  bei  dem  unmittelbaren  Em- 
pfang von  Signalen  auf  der  Lokomotive  nicht  nur  jene  Fährlichkeiten 
(vergl.  S.  456)  wegfallen,  die  mit  der  Nachrichtenvermittlung  durch 
eine  Zwischenstelle  unter  Umständen  verbunden  sein  können,  sondern 
auch  die  Aufmerksamkeit  der  Maschinenführer  ausschliesslich  nur  für 
solche  Befehle  und  Meldungen  in  Anspruch  genommen  ist,  welche 
wirklich  dem  betreflFenden  Zuge  gelten.  Wird  aber  in  eine  schärfere 
Prüfung  eingegangen,  dann  offenbaren  sich  gar  bald  mancherlei  ge- 
wichtige Schattenseiten,  die  es  begreiflich  machen,  warum  selbst  die 
obgedachte  Gattung  von  Zugtelegraphen  im  Eisenbahnbetriebe  keinen 
Fuss  zu  fassen  vermag.  Ihr  Entwurf  erscheint  an  sich  äusserst  ein- 
fach,   denn    er    braucht   lediglich    zwei    Bedingungen    Rechnung  zu 


motivpfeifeiisigiial  dienen  soll,  wird  auf  den  englischen  Bahnen  (vergl.  Dinglers 
Polytechn.  Journal  1893,  287,  p.  162  und  1898,  810,  p.  154)  im  Gleise  ein 
Daumen  aufgestellt  oder  niedergelassen,  an  dem  sich  ersteren  Falls  eine  mit  der 
Dampfpfeife  und  dem  Bremsveutilhebel  verbundene  Auslö^estange  fangt,  so  daas 
sie  in  die  Höhe  geht  und  die  gewünschte  Auslösung  vollführt.  Bei  der  in  Oester^ 
reich  versuchten  Einrichtung  geht  eine  ähnliche  Auslösestange  an  der  Lokomotive 
nach  aufwärts  und  en^jgt  oben  in  einem  Enickhebel ;  200  m  vor  dem  optischen 
Signal  ist  die  Bahn  durch  einen  aus  Gitterwerk  hergestellten  Bogen  Überbrückt, 
der  eine  wagerechte  Führungsstange  trägt,  auf  welcher  das  mit  dem  Drahtzuge 
des  optischen  Signals  in  Verbindung  gebrachte  Auslösestück  hin  und  her  gleitet. 
Steht  das  Hauptsignal  auf  Verbot  der  Fahrt,  dann  befindet  sich  das  sonst  zur 
Seite  gerückte  Auslösestück  genau  oberhalb  des  Gleismittels  und  bewirkt  bei  der 
Durchfahrt  des  Zuges  das  Knicken  des  Auslösehebelendes  an  der  Lokomotive,  wad 
das  Thätigwerden  der  Dampfpfeife  und  der  Vakuumbremse  zur  Folge  hat.  " 


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Die  bisherigen  Versuche  mit  elektriechen  Zugtelegraphen.  499 

tragen,  nämlicli  erstens,  dass  die  Bahnstrecke  in  eine  Anzahl  Stücke 
geteilt  sei,  welche  eine  der  örtlichen  Verkehrsdichte  angemessene  Länge 
besitzen,  und  zweitens,  dass  in  jeder  derartigen  Teilstrecke  sich  nie 
mehr  als  nur  ein  einziger  Zug  befinde,  zu  welchem  Ende  jeder 
Lokomotivführer,  bevor  er  einen  Bahnabschnitt  verlässt,  benachrichtigt 
werden  muss,  ob  die  zunächst  kommende  Strecke  bereits  oder  noch 
durch  einen  Zug  besetzt  ist  oder  ob  sie  frei  ist,  wobei  die  zuerst  an- 
geführte Nachricht  als  Befehl  gilt,  den  Zug  anzuhalten,  sowie  die 
letztere  als  Erlaubnis,  die  Fahrt  fortzusetzen.  Da  ergibt  sich  denn 
gleich  eine  recht  einschneidende  Misslichkeit:  Wenn  nämlich  bei  den 
durch  optische  Streckensignale  vermittelten  Zugdeckungs(-Block-)An- 
lagen  ein  Zug  das  Signal  »Strecke  besetzt"  vorfindet,  kann  er, 
beim  Signal  oder  zunächst  desselben  anhaltend,  das  Eintreffen  der  Nach- 
richt „Strecke  frei*  abwai1;en  und  sodann  seine  Fahrt  wieder  in  nor- 
maler Geschwindigkeit  aufnehmen.  Bei  den  in  Betracht  gezogenen 
Zugtelegraphen  lässt  sich  dieser  Vorgang  keineswegs  in  gleicher 
Einfachheit  abwickeln,  denn  hier  kann  die  Stelle,  wo  ein  Zug  anhält, 
um  nicht  in  eine  „ besetzte '^  Strecke  einzufahren,  nie  dieselbe  sein, 
wo  er  die  Nachricht  „Strecke  besetzt**  erhalten  hat  und  wo  der 
Zug  also  auch  wieder  in  der  Lage  wäre,  nach  dem  Freiwerden  der 
Nachbarstrecke  die  Erlaubnis  zur  regelrechten  Weiterfahrt  zu  em- 
pfangen. Um  letzteres  zu  ermöglichen,  müsste  sich  der  Zug  erst 
wieder  zu  der  überfahrenen  Signalstelle  zurückbegeben  und  daselbst 
auf  dem  richtigen  Empfangspunkte  (Kontakt)  Aufstellung  nehmen, 
eine  Massregel,  auf  deren  Durchführung  in  praxi  gar  nicht  gedacht 
werden  könnte.  Unter  den  zu  Grunde  gelegten  Voraussetzungen  bleibt 
vielmehr  nichts  übrig,  als  die  Nachricht  „Strecke  besetzt*  ihres 
Charakters  als  absolutes  Fahrverbot  zu  entkleiden  und  zu  einem  war- 
nenden Signal  abzuschwächen,  indem  es  allen  Zügen,  welche  infolge 
der  bezeichneten  Nachricht  ihre  Fahrt  einstellen,  gestattet  wird,  ohne 
eine  Aufhebung  des  empfangenen  Befehles  abzuwarten  —  da  ja  ohne- 
hin an  dieser  Stelle  kein  Freisignal  erhältlich  ist  —  die  Fahrt  lang- 
sam und  mit  Vorsicht  fortzusetzen,  bis  entweder  der  vorausfahrende 
oder  liegen  gebliebene  Zug  erreicht  wird  oder  bei  der  nächsten  Block- 
signalstelle die  Nachricht  „Strecke  frei"  einläuft.  Ist  ein  voraus- 
gegangener Zug  liegen  geblieben,  erscheint  es  sonach  nicht  ausge- 
schlossen, dass  eine  relativ  unbeschränkte  Zahl  von  hintereinander 
fahrenden  Zügen  in  derselben  Blockstrecke  zusammentreffen,  eine 
Durchführungsweise  der  räumlichen  Zugdeckung,  welche  vom  bahn- 
betriebstechnischen Standpunkte   aus  selbstverständlich  für  wesentlich 


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500  ^-  Kohlfürst. 

minderwertiger  gilt,  als  die  strenge,  absolute  Blockeinrichtung.  Letztere 
ist  jedoch  nur  bei  jenen  Zugtelegraphen  aus  der  A-Gruppe  ausführ- 
bar, welche  im  Sinne  der  De  Gastro  sehen  Anordnung  (vergl.  S.  461) 
mit  übergreifenden,  fortlaufenden  Stromzuleitungen  versehen  sind.  Die- 
selbe Beschränkung  besteht  auch  hinsichtlich  der  Verwendbarkeit  auf 
eingleisigen  Bahnen,  wo  lediglich  die  zuletzt  benannten  Systeme  sich 
benützen  lassen,  während  selbst  für  diese  wenigen  Ausnahmen  noch 
der  Uebelstand  obwaltet,  dass  sich  zwar  sowohl  die  entgegenkommenden 
als  yorgefahrenen  oder  nachfolgenden  Züge,  sobald  sie  auf  eine  be- 
stimmte Entfernung  nahe  kommen,  durch  das  Signal  «Strecke  be- 
setzt" ankündigen,  dass  jedoch  zur  näheren  Unterscheidung  dieser 
auch  das  Verhalten  des  signalempfangenden  Zuges  sehr  ungleich  be- 
stimmenden Nachrichten  erst  wieder  ausserordentlich  verwickelte  und 
weitläufige  Nebeneinrichtungen  erforderlich'  würden. 

In  Verfolgung  der  weiter  oben  erwähnten  Schattenseiten  kommt 
ferner  zu  erwägen,  dass  bei  allen  den  Zugtelegraphen,  bei  welchen 
die  Nachrichtengebung  nicht  durch  Vermittlung  eines  kontinuierlichen, 
sondern  nur  eines  kurz  vorübergehenden  Anschlusses  zwischen  Zug 
und  Stromleitung,  nämlich  durch  leitende  Gleisstücke,  durch  kürzere 
oder  längere  Kontaktschienen,  durch  Radtaster,  Schienendurchbiege- 
kontakte  oder  dergl.  geschieht,  der  Nachrichtenempfang  natürlich  auf 
der  Lokomotive  und  zwar  unmittelbar  seitens  des  Maschinenführers 
zu  erfolgen  hat,  sowie  dass  jene  Eontaktgebungen ,  welche  die  zur 
Deckung  des  Zuges  dienenden  Signale  „Strecke  besetzt*  hervor- 
rufen oder  vorbereiten,  von  der  Zugspitze  bezw.  vom  ersten  Räder- 
paar, jene  Kontaktgebungen  hingegen,  welche  die  Signale  „Strecke 
frei*'  veranlassen,  vom  Zugende  bezw.  vom  letzten  Räderpaar  bewirkt 
werden  sollen.  Gerade  der  letztangeführten  Bedingung  ist  bei  keinem 
der  in  Frage  stehenden  Systeme  entsprochen,  was  als  ein  schwerer 
Mangel  angesehen  werden  muss,  der  freilich  fast  allen  verwandten  elektri- 
schen Eisenbahnsignalanlagen  im  gleichen  Masse  anhaftet.  Erst  neuester 
Zeit   haben    einzelne  Konstrukteure  ^)   in  Erwägung    der  Möglichkeit 


^)  Die  ersten  praktischen  Versuche,  dieser  Erkenntnis  Rechnung  zu  tragen, 
sind  in  Deutschland  und  zwar  auf  den  preusaischen  Staats  bahnen  gemacht 
worden,  allerdings  zuvörderst  nur  für  Sicherungen  von  Ein-  und  Ausfahrten  auf 
Bahnhöfen.  Eine  nach  den  in  Betracht  zu  ziehenden  Grundsätzen  ausgeführte, 
jedoch  nicht  elektrische,  sondern  rein  mechanische  Einrichtung  fQr  zwei  Weichen- 
Strassen  ist  auf  dem  Bahnhofe  Grevenbroich  bereits  seit  Mai  1891  mit  günstigem 
Erfolge  in  Benützung.  Am  Ende  der  durch  ein  optisches  Fahrsignal  zu  \er- 
schliessenden  Fahrstrassen  wird  gleichzeitig  mit  der  Verriegelung  der  zugehörigen 


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Die  bisherigen  Verancbe  mit  elektrischen  Zugtelegraphen.  501 

von   Zugtrennungen   die   Vermittlung   der  lösenden   Kontaktgebungen 
dem  letzten  Fahrzeug  der  Züge  vorbehalten. 

Weichen  ein  Arm,  der  sogenannte  Schlussriegel,  welcher  für  gewöhnlich  nach 
abwärts  gekehrt  ist,  senkrecht  aufgestellt;  derselbe  muss  durch  einen  am  letzten 
Wagen  der  Züge  angebrachten  Arm,  der  sogenannten  Schlussstange,  erst  in 
die  ursprüngliche  Lage  wieder  zurückgedrückt  werden,  ehe  die  Verriegelung  der 
Weichen  aufgehoben  werden  kann.  Im  gleichen  Sinne  sind  1892  von  der  Eisen- 
bahnsignalbauanstalt  M.  Jüdel  &  Co.  in  Braunschweig  Sicherungsanlagen  ent- 
worfen und  ausgeführt  worden,  mit  welchen  unter  anderem  auf  dem  Güterbahn- 
hof Grunewald  für  die  Einfahrt  der  von  Wilmersdorf  kommenden  Züge  be- 
friedigende Versuche  gemacht  wurden.  Auch  diese  Einrichtung  beschränkt  sich 
auf  die  Sicherung  von  Fahrstrassen :  Ein  neben  dem  Ein-  oder  Ausfahrtssignal 
ins  Gleis  eingelegter  Badtaster  (Streckenkontakt)  wird  durch  die  erste  Achse  jedes 
vorbeikommenden  Zuges  thätig  gemacht.  Der  infolge  dieses  Tasterschlusses  zum 
Stellwerk  gelangende  elektrische  Strom  legt  daselbst  den  Riegel,  welcher  die  be- 
zügliche Weichenstrasse  verschliesst,  fest.  Der  Weichensteller  kann  also,  sobald 
ein  Zug  mit  seiner  Spitze  das  für  ihn  freigegebene  Fahrsignal  passiert  hat,  die 
Lage  der  Weichen  nicht  mehr  ändern,  wohl  aber  ist  es  ihm  währenddem  ohne 
weiteres  möglich,  das  Fahrsignal  einzuziehen.  Der  elektrisch  erzielte  Verschluss 
der  Weichenstrasse  kann  gleichfalls  nur  wieder  auf  elektrischem  Wege  aufgehoben 
werden,  und  zwar  mit  Hilfe  einer  besonderen  Eontaktvorrichtung,  welche  am 
Ende  der  Fahrstrasse  neben  dem  Gleise  ihren  Platz  findet.  Diese  Vorrichtung 
besteht  aus  einer  Säule,  auf  der  ein  drehbarer  ungleicharmiger  Hebel  angebracht 
ist,  dessen  kürzerer  Arm  durch  eine  ki'äftige  Spannfeder  festgehalten  und  nach 
abwärts  gezogen  wird,  wodurch  der  längere  Arm  —  Schlussriegel  genannt  — 
dauernd  in  der  aufrecht  stehenden  Lage  erhalten  bleibt.  Die  Drehachse  des 
Hebels  steht  in  geeigneter  Weise  mit  einem  Schleiffederkontakte  oder  einem 
Quecksilberkontakte  derart  in  Verbindung,  dass  der  Stromschluss  erfolgt,  sobald 
der  Schlussriegel  zur  Seite  gedrückt  wird.  Letzteres  geschieht  durch  einen  auf 
dem  letzten  Fahrzeuge  (Packwagen)  jedes  Zuges  in  angemessener  Höhe  befestigten, 
seitlich  abstehenden  Arm  —  Zugschlussstange  geheissen  — ,  der  bei  der  Vor- 
beifahrt des  Zuges  den  Schlussriegel  trifft  und  zur  Seite  kippt.  Die  Entsendung 
des  Entriegelungsstromes  ist  überdem  keineswegs  dem  besagten  Schlussriegel- 
kontakt allein  überantwortet,  da  sich  der  Schlussriegel  —  sei  es  zufällig  oder  ab- 
sichtlich —  allenfalls  mit  der  Hand  aus  der  Ruhelage  bringen  Hesse;  es  ist  viel- 
mehr zunächst  des  Schlussriegelständers  noch  ein  gewöhnlicher  Streckenkontakt 
eingelegt,  der  nur  durch  den  fahrenden  Zug  in  Thätigkeit  gebracht  werden  kann 
und  der  gleichzeitig  mit  dem  Schlussriegelkontakt  in  Schluss  kommen  muss,  wenn 
die  Entriegelung  der  Fahrstrasse  im  Stellwerk  erfolgen  soll.  Die  bei  dieser  An- 
lage zur  Geltung  gekommenen  Grundsätze  weiter  verfolgend,  hat  königl.  Re. 
gierungsbaumeister  Feldmann  in  Köln  a.  R.  einen  Entwurf  ausgearbeitet,  welcher 
nicht  nur  die  Sicherung  der  Fahrstrassen  auf  den  Bahnhöfen  berücksichtigt,  son- 
dern gleichzeitig  auch  die  Sicherung  der  Strecke  mit  einbezieht.  Das  hiedurch 
entstehende  Ganze  erscheint  allerdings  vorzüglich  geeignet,  alle  Unfälle,  um  deren 
Verhütung  es  sich  handelt  —  ünföUe  durch  vorzeitiges  Umstellen  der  Weichen 
oder  vorzeitiges  Freigeben  einer  Blockstrecke  —  schlechterdings  unmöglich  zu 
machen.    (Vergl.  Centralblatt  der  Bauverwaltung  1893»  Nr.  8 A,  p.  83) 


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502  L-  Kohlfürst. 


Welche  Wichtigkeit  diese  Anordnung  für  die  Sicherheitsgewähr 
der  betreffenden  Einriebtungen  ist,  darauf  wurde  schon  früher  einmal 
an  anderer  Stelle^)  aufmerksam  gemacht  unter  Zugrundelegung  eines 
Vorfalles  aus  der  Praxis,  welcher  sich  am  4.  Januar  1886  auf  einer 
mit  selbstthätigen  elektrischen  Blocksignalen  versehen  gewesenen 
schweizerischen  Bahnstrecke  ereignet  hat.  Der  Verlauf  dieses  Vor- 
falles lässt  sich  an  der  Hand  der  Fig.  12  leicht  verfolgen,  wo  in  I 
die  drei  aneinanderstossenden  Blockabschnitte  1,  2  und  3  nebst  zwei 
zugehörigen  Signalstellen  S2  und  8«^,  ferner  die  blockierenden,  nämlich 
das  Signal  „Strecke  besetzt"  bewirkenden  Kontakte  C^,  C3  .  .  .  und 
die  deblockierenden,  d.  i.  die  das  Signal  „Strecke  frei*  veranlassenden 
Kontakte  c^ ,  C2  .  .  .  dargestellt  erscheinen ;  es  sind  das  die  Haupt- 
punkte der  Bahnstrecke,  welche  den  übrigen  Teilen  H,  HI,  IV  und  V 
der  Abbildung  zu  Grunde  liegt.  Ausserdem  sind  in  I  die  Telegraphen- 
leitungen, welche  zur  Verbindung  der  Signale  mit  den  Kontakten  vor- 
handen sein  müssen,  durch  gestrichelte  Linien  angedeutet.  Der  schwere 
Güterzug  Z^  mit  100  Achsen,  den  in  der  nächsten  Station  zwei  nach- 
folgende schnellfahrende  Personenzüge  fahrplanmässig  zu  Überholen 
haben,  hat  an  seiner  Fahrzeit  wegen  schadhaft  gewordener  Maschine 
bereits  starke  Einbusse  erlitten  und  vermag  auf  der  ansteigenden 
Strecke  3  nur  ganz  langsam  vorwärts  zu  kommen.  Als  derselbe  end- 
lich mit  dem  ersten  Bäderpaar  der  Lokomotive  den  Kontakt  c^ 
erreicht  und  dadurch  die  bei  S^  bestandene  Deckung  des  Block- 
abschnittes 2  aufhebt,  ist  auch  schon  der  erste  Folgezug  Zj  bei  dieser 
Stelle  angelangt  (Fig.  12,  U)  und  zufolge  des  Signals  «Strecke  frei** 
in  die  Strecke  2  eingefahren,  wobei  er  dieselbe  durch  Bethätigung  des 
Kontaktes  C2  wieder  ordnungsgemäss  blockiert.  Lizwischen  rückt  Z^ 
mühsam  vorwärts,  befindet  sich  aber  zu  dem  Zeitpunkte,  in  welchem 
Zg  den  blockierenden  Kontakt  Cg  passiert,  mit  einem  Teil  seiner  Wagen 
noch  hinter  dem  deblockierenden  Kontakt  c,;  das  von  Z^  bei  S^  be- 
wirkte Signal  „Strecke  besetzt"  (Fig.  12,  HI)  wird  daher  durch 
jenes  Räderpaar  des  Zuges  Z^,  welches  zunächst  des  eben  in  Betracht 
gezogenen  Momentes  der  Signalumstellung  auf  den  Kontakt  c^  gelan^j^, 
nochmals  umgestellt,  also  wieder  auf  „Strecke  frei"  (Fig.  12,  IV) 
zurückgebracht,  während  Z^  auf  seiner  Weiterfahrt  durch  Vermittlung 
des  Kontaktes  c^  auch  den  Blockabschnitt  1  freimacht  und  seinen  Weg 
verfolgt,  bis  ihm  das  Signal  S3  Halt  gebietet.     Unterdessen  ist  auch 


^)  Vergl.  L.Kohl  für  st,  Die  Fortentwickelung  der  elektrischen  Eisenbahn* 
einrichtungen,  Wien  1891,  p.  201. 


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Die  bisherigen  Versuche  mit  elektrischen  Zogtelegraphen.  503 


der  zweite  Folgezug  Z^  bei  S^  eingetroffen  und  findet  hier  das  ge- 
fälschte Signal  „Strecke  frei^  vor;  er  fährt  also  gleichfalls  mit 
normaler  Geschwindigkeit  in  den  Blockabschnitt  2,  wo  er  nächst  S^ 
den  ungedeckten  Zug  Z^  einholt.  Genau  in  dieser  Weise  hatte  sich 
der  obenerwähnte  Vorfall  auf  der  Bahnstrecke  Aarburg-Olten  ab- 
gewickelt, und  wenn  es  dabei  trotz  der  anscheinenden  Unabwendbar- 
keit  einer  Katastrophe  zu   keinem  Unfälle   kam ,   lag   dies    lediglich 

Fig.  12. 

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,ji^,  c,^         ^,| 


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im  Zusammentreffen  günstiger  örtlicher  Umstände  und  insbesondere 
in  der  Umsicht  und  Geistesgegenwart  des  Personals  der  beiden  ge- 
fährdeten FolgezOge. 

Ob  sich  nun  die  selbstthätige  Nachrichtengebung  im  Wege 
optischer  Streckensignale  oder  unmittelbar  auf  der  Lokomotive  voll- 
zieht, ob  die  hiebei  massgebende  Femwirkung  pneumatisch,  hydraulisch 
oder  elektrisch  erfolgt,  fär  alle  Fälle  bleibt  die  ungünstige  gefahrliche 
Sachlage  aufrecht,  wenn  einerseits  die  Hervorrufung  des  blockierenden 
Signals  seitens  der  Züge  durch  eine  nur  vorübergehende  Verrichtung, 
wie  z.  B.  die  Bethätigung  eines  Pedals  oder  eines  Eontaktes  oder  dergl. 

'  Samxnliing  elektrotechnischer  Vorträee.    I.  35 


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504  L.  Kohlfürst. 

geschieht,  während  andererseits  die  deblockierende  Pernwirkung  durch 
jedes  einzelne  Fahrzeug  oder  Räderpaar  der  Züge  in  gleicher 
Art  veranlasst  werden  kann.  Bei  allen  selbsttbätigen  Blocksignaleinrich- 
tungen dieser  Anordnung  ist  jeder  Zug  im  stände,  ausser  der  ersten 
regulären  Deblockierung  der  rückliegenden  Blockstrecke  noch  so  viele 
weitere  Umwandlungen  des  bezüglichen  Signals  von  , Strecke  besetzt* 
in  „Strecke  frei**  hervorzurufen,  als  im  Verlaufe  jener  Zeit,  welche 
er  braucht,  um  die  betreffende  Bethätigungsstelle  (den  Radtaster,  Durch- 
biegekontakt oder  dergl.)  zu  befahren,  durch  nachfolgende  Züge  die 
rückwärtige  Nachbarstrecke  blockiert  wird.  Diesem  Uebelstande  gegen- 
über können  auch  jene  Vorrichtungen,  welche  mitunter  an.  den  Rad- 
tastern oder  Streckenkontakten  angebracht  werden  und  diesen  Apparat 
eine  gewisse  Zeit  lang  verhindern,  nach  einer  erfolgten  Gebrauch- 
nahme  neuerlich  in  Wirksamkeit  zu  treten,  nur  als  unzureichendes 
Palliativ  gelten,  ebenso  wie  die  Verlegung  des  zur  selbsttbätigen  De- 
blockierung dienenden  Apparates  aus  der  nächsten  in  die  zweitnächste 
Blockstrecke,  denn  durch  diese  Massnahmen  wird  allerdings  die  Mög- 
lichkeit von  Signalfälschung  der  in  Betracht  gezogenen  Art  hinaus- 
geschoben, d.  h.  vermindert,  aber  keineswegs  vollkommen  beseitigt. 
Letzteres  ist  übrigens,  theoretisch  wenigstens,  selbst  dann  nicht  er- 
reicht, wenn  im  Sinne  der  weiter  oben  erwähnten  Vorschläge  die 
Thätigmachung  der  deblockierenden  Vorrichtung  lediglich  dem  Zug- 
schlüsse überantwortet  wird,  weil  es  nicht  ausgeschlossen  erscheint, 
dass  ein  Zug  an  kritischer  Stelle  zurückschieben  muss,  eine  Eventua- 
lität, die  praktisch  allerdings  so  ferne  liegt,  dass  sie  die  allem  anderen 
überlegenen  Vorzüge  der  „  Zugschlussstange  *^  (vergl.  Anmerkung  auf 
S.  500)  durchaus  nicht  zu  beeinträchtigen  vermag.  Am  besten  liesse 
sich  das  erwogene  Uebel  bei  den  einschlägigen  Zugtelegraphen  der 
Gruppe  A  auf  negativem  Wege  bekämpfen,  indem  nämlich  die  Ein- 
richtung getroffen  wird,  dass  das  Verhältnis,  welches  die  selbstthätige 
Blockierung  des  Blockabschnittes  bewirkt,  während  des  ganzen  Auf- 
enthaltes des  daselbst  befindlichen  Zuges  und  an  jeder  Stelle  des  Ab- 
schnittes aufrecht  erhalten  bleibt  und  erst  aufhört,  bis  der  betreffende 
Zug  mit  seinem  letzten  Fahrzeug  in  die  nächste  Blockstrecke  über- 
getreten ist.  Zu  dem  Ende  muss  entweder  jeder  Zug,  sowohl  an  seiner 
Spitze  wie  an  seinem  Ende,  mit  einer  Vorrichtung  zum  Stromabnehmen 
versehen  sein,  welche  beide  innerhalb  der  ganzen  Strecke  mit  der 
Stromleitung  im  fortlaufenden  Kontakt  bleiben,  oder  es  müssen  die 
Gleise  bezw.  die  Schienenstränge  der  einzelnen  Blockabschnitte  selbst 
als  Stromleiter  in  Verwendung  kommen,  wie  es  beispielsweise  seitens 


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Die  bisherigen  Versuche  mit  elektrischen  Zugtelegraphen.  505 

der  Amerikaner  Binnay^),  Pope  und  Hendrickson'^),  William 
Robinson»),  Otto  Gassett*),  Thomas  S.  Hall'^),  Westing- 
house^}  u.  a.  fttr  gewöhnliche  selbstthätige  Blocksignaleinrichtungen 
geschehen  ist.  Im  efsteren  Sinne  könnten  z.  B.  die  Zugtelegraphen  von 
E.  Vincenzi  (S.  482)  u.  a.  zurecht  gerichtet  werden;  von  letzterer 
Anordnung  gibt  es  jedoch  merkwürdigerweise  keinen  einzigen  Zug* 
telegraphen,  obwohl  gerade  durch  die  Heranziehung  der  Gleise  als 
Stromleitungen  derartige  Anordnungen  sich  verhältnismässig  weit  ein- 
facher ausführen  liessen,  als  solche  mit  besonderen  Kontaktleitungen. 
So  oder  so  ist  man  aber  auch  hier  wieder  zu  der  Hauptschwierigkeit, 
nämlich  zu  der  kontinuierlichen  Verbindung  des  fahrenden  Zuges  mit 
der  Stromzuleitung,  zurückgelangt,  der  durch  die  kurzen  Kontakte  aus- 
gewichen werden  sollte. 

Das  Isolieren  der  Gleise  oder  die  Errichtung  von  besonderen 
Stromleitungen  erfordert  verhältnismässig  hohe  Anschaffungskosten,  und 
die  Unterhaltung  solcher  Anlagen,  inbegriffen  der  zugehörigen,  auf  den 
Strecken  oder  auf  den  Zügen  zu  verteilenden  Stromquellen,  ist  ebenso 
umständlich  als  kostspielig.  Diese  Misslichkeiten,  zusammen  mit  den 
weiter  oben  in  Erwägung  gezogenen  Uebelständen,  lassen  für  jene 
Zugtelegraphen,  die  als  selbstthätige  Streckenblockeinrichtimgen  für 
Dampfeisenbahnen  dienen  sollen,  kaum  eine  nennenswerte  Zukunft 
erhoffen.  Ob  und  inwieweit  die  von  Boult  (vergl.  S.  470)  geplante 
Umgehung  des  kontinuierlichen  Leitungsanschlusses  zu  einem  günstigen 
Ergebnis  führen  wird,  lässt  sich  noch  nicht  absehen,  aber  selbst  im 
besten  Falle  wird  auch  dieses  System  die  Anforderungen,  welche  man 
auf  europäischen  Bahnen  an  solche  Sicherungseinrichtung  stellt,  nie 
genügen  können.  Vorläufig  scheint  einzig  nur  jene  bereits  mehrfach 
erwähnte  einfachste  Form,  bei  welcher  die  Nachricht  auf  der  Lokomotive 
nichts  anderes  sein  will  als  die  Ergänzung,  Unterstützung  oder  Verschär- 
fung der  gewöhnlichen  Eisenbahnsignale,  d.  h.  wo  der  Zugtelegraph 
lediglich  die  Rolle  eines  Ankündigungs-  oder  Vorsignals  zu  wichtigen 


0  Vergl.  Journal  of  the  Society  of  Telegraph  Engineer,  London,  2,  p.  275. 

')  Vergl,  Zetzsches  Handbuch  der  Telegraphie  4,  p.  626. 

»)  Vergl.  The  Raibroad  Gazette  1874,  p.  127. 

4)  Vergl.  The  Railroad  Gazette  vom  26.  März  1880. 

*)  Vergl.  The  Railroad  Gazette  1879,  p.  563,  577,  589;  Dinglers  Poljrtechn. 
Journal  1896,  299,  p.  190;  Elektrotechn.  Zeitschrift  1880,  p.  885  und  420;  1891, 
p.  189;  1895,  p.  754  und  1896,  p.  330. 

«)  Vergl.  Dinglers  Polytechn.  Journal  1893,  290,  p.  278;  1896,  800,  p.  181 : 
Elektroteehn.  Zeitschrift  1893,  p.  725;  1896,  p.  880. 


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506  L-  Kohlfürst. 

Strecken*  oder  Stationssignalen  versieht,  Anwartscbaft  auf  Verbreitung 
zu  besitzen  und  auch  zu  verdienen ,  wenngleich  es  immerhin  pessi- 
mistische Eisenbahnbetriebstechniker  gibt,  welche  den  Wert  derartiger 
Anordnungen  fragwürdig  halten,  weil  hiedurch  die  Aufmerksamkeit 
des  Maschinenpersonals  für  die  optischen  Signale  herabgemindert 
würde  und  sonach  beim  Versagen  des  Lokomotivsignals  bei  sonst 
gleichen,  ungünstigen  Umständen  die  Nichtbeachtung  oder  die  nicht 
rechtzeitige  Beachtung  eines  Haltsignals  eher  möglich  erschiene 
als  sonst. 

Ganz  anders,  nämlich  ungleich  günstiger,  liegen  die  Verhältnisse 
hinsichtlich  einer  möglichen  zukünftigen  Verbreitung  der  als  Block- 
einrichtung wirkenden  Zugtelegraphen  bei  den  elektrischen  Eisen- 
bahnen, deren  ganze  Betriebsweise  und  Einrichtung  von  vomhinein 
alle  wünschenswerten  Erleichterungen  fttr  die  Herstellung  von  kon- 
tinuierlichen Stromzuleitungen  darbieten,  also  die  billige,  leichte  und 
zweckdienliche  Durchführung  gerade  jener  Anordnung  gewährleisten, 
welche  die  beste  oder  vielmehr  die  einzig  gute  ist.  Es  kann  in  der 
That  nur  eine  Frage  der  Zeit  sein,  dass  sich  denjenigen  elektrischen 
Eisenbahnen,  auf  welchen  schnellfahrende  Züge  verkehren,  sowie  über- 
haupt allen  elektrischen  Bahnen,  wenn  sie  über  den  Rahmen  des  ge- 
wöhnlichen Tramverkehrs  hinauswachsen,  ähnliche  Sicherungseinrich- 
tungen wie  die  Feldmann  sehen  (S.  476)  geradezu  von  selbst  auf- 
zwingen. 

Um  nun  auch  auf  die  Zugtelegraphen  der  Gruppe  B  einen 
prüfenden  Blick  zu  werfen,  erscheint  zuvörderst  bemerkenswert,  dass 
sie  betreifs  ihres  Endzweckes  drei  Unterabteilungen  unterscheiden 
lassen,  nämlich  Einrichtungen,  die  bloss  bestimmt  sind,  der  Bequem- 
lichkeit und  den  Bedürfnissen  der  Reisenden  Rechnung  zu  tragen, 
dann  solche,  welche  nebenbei  oder  ausschliesslich  die  Sicherung  und 
Förderung  des  Zugverkehrs  besorgen  sollen,  und  schliesslich  solche, 
deren  Aufgabe  es  ist,  mit  Hilfe  der  freien  Nachrichtengebung  der 
Förderung  des  Zugverkehrs  zu  dienen  und  zugleich  durch  selbst- 
thätige  Signalgebung  die  Fahrt  der  Züge  zu  sichern.  Davon  lässt 
sich  den  beiden  ersteren  Anordnungsformen  eine  gewisse  Wünschens- 
wertigkeit  hinsichtlich  derjenigen  Eisenbahnen  nicht  absprechen,  wo 
die  Stationen  und  Bahnwärterhäuser,  wie  es  auf  manchen  aussereuro- 
päischen  Eisenbahnen  vorkonunt,  sehr  weit  voneinander  liegen  und 
die  Züge  ziemlich  selbständig,  d.  h.  mehr  unter  der  Leitung  der  Zug- 
führer als  der  Stationsbeamten,  verkehren.  Hier  liegt  es  ja  auch,  wenn 
man  insbesondere  Amerika  ins  Auge  fasst,  im  berechtigten  Bestreben 


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Die  bisheri^n  Versuche  mit  elektrischen  Zagtelegraphen.  507 

der  verschiedenen  Eisenbahngesellschaften,  in  ihren  den  FemTerkehr 
besorgenden  Personenzügen  den  Beisenden  neben  Speise-,  Bauch-, 
Lese-  und  Baderaumen  eine  Postamtsstelle  und  andere  Annehmlich- 
keiten zu  gewähren.  Mehr  aus  dem  diesfalligen  Wettbewerbe  als  aus 
eisenbahntechnischen  Gründen  sind  denn  auch  zu  Beginn  der  achtziger 
Jahre  die  auf  S.  491  besprochenen  hochinteressanten  Versuche  her- 
vorgegangen. Ganz  Amerika  war  anfanglich  von  den  Erfolgen  Phelps 
und  den  sich  sehr  bald  noch  weiter  daran  knüpfenden  überraschenden 
Entdeckungen  enthusiasmiert,  allein  die  Wohlmeinung  der  zunächst 
beteiligten  Unternehmungen  erfuhr  sehr  bald  eine  Herabminderung, 
als  es  sich  zeigte,  dass  die  entdeckten  wunderbaren  Induktionswir- 
kungen mehr  fUr  die  Wissenschaft  Interesse  bieten,  als  sie  Eignung 
besitzen,  der  Praxis  dienstbar  gemacht  zu  werden.  Die  Verwertung 
der  neben  den  Bahngleisen  vorhandenen  gewöhnlichen  Telegraphen- 
leitungen als  zeichenübermittelnde  Kondensatoren  gelingt  nur  stellen- 
weise unter  günstigen  Nebenumständen,  da  die  ungleiche  Lage  und 
Entfernung  des  Leitungsgestänges  vom  fahrenden  Zuge  nicht  ohne 
störende  Bückwirkungen  bleiben.  Bald  laufen  die  Leitungsdrähte  am 
Fusse  von  Dämmen,  bald  auf  den  Kanten  hoher  Einschnitte,  bald  liegen 
zwischen  ihnen  und  den  Gleisen  Gebäude,  Brückenträger,  oder  die  Lei- 
tung umgeht  einen  Tunnel,  einen  Bahnhof;  kurz,  ziur  Ermöglichung 
einer  halbwegs  gleichbleibenden,  sicheren  Betriebsfahigkeit  des  Zug- 
telegraphen erschiene  es  geboten,  das  längs  der  Bahn  aufgestellte 
Leitungsgestänge  fortlaufend  in  gleichbleibender  Entfernung  vom  Gleise 
anzubringen.  Das  würde  mit  mancherlei  ünzuträglichkeiten  und  nennens- 
werten Kosten  verbunden  sein,  weshalb  bei  den  jüngsten  einschlägigen 
Systemen  (vergl.  S.  495)  wieder  zur  Errichtung  und  Verwendung  einer 
eigenen,  bloss  für  den  Zweck  des  Zugtelegraphen  vorbehaltene  Leitung 
zurückgegriffen  worden  ist.  Aber  selbst  die  verminderten  Kosten  für 
diese  Leitung,  welch  letztere  übrigens  eine  ständige  Belästigung  der 
Gleisunterhaltung  bildet,  vermehrt  durch  die  Auslagen  für  die  Zug- 
und  Stationsapparate  und  die  Kosten  für  einen  Telegraphenbeamten 
bei  jedem  Zuge,  erscheinen  durch  die  für  den  Privatdepeschendienst 
erzielbaren  Vorteile  nicht  gerechtfertigt.  Dies  gilt  im  allgemeinen  in 
Amerika  sowohl  als  in  noch  viel  grösserem  Masse  in  Europa,  wo  die 
Bahnstationen  zumeist  so  dicht  aneinander  liegen  und  es  den  Reisenden 
fast  überall  möglich  ist,  die  Aufgabe  eines  Telegrammes  durchzuführen, 
allenfalls  sogar  in  Stationen,  wo  der  Zug  nicht  anhält,  indem  die 
Niederschrift  unter  Beilage  der  Gebühr  in  ein  Couvert  gebracht,  zum 
Wagenfenster  hinausgeworfen  wird.   Ganz  anders  stellt  sich  die  Wert- 


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508  L.  Kohlffirst. 

bemessung  des  Systems,  wenn  —  was  ja  ursprünglich  immer  als  die 
eigentliche  Wesenheit  der  Zugtelegraphen  gedacht  war  —  der  un- 
behinderte Nachrichtenwechsel  entweder  ausschliesslich  oder  doch  haupt- 
sächlich zur  Sicherung  des  Zugverkehrs  und  auch  sonst  zur  Förderung 
des  Eisenbahnbetriebes  ausgenützt  wird.  Allerdings  bleibt  für  diese 
Anwendungsform  gleichfalls  manches  zu  bemängeln  übrig,  wie  in  erster 
Linie  die  naheliegende  Möglichkeit,  dass  wegen  Abwickelung  einer  viel- 
leicht wenig  dringenden  Betriebsdepesche  sich  das  Eintreffen  oder  Ab- 
gehen einer  wirklich  dringenden  Nachricht  unheilvoll  verspäten  kann. 
In  dieser  Beziehung  sind  die  Anordnungen  der  Gruppe  A,  bei  denen 
wohl  nur  ein  einfaches  Signal  gegeben  werden  kann,  das  aber  selbst- 
thätig  und  im  richtigen  Augenblicke  erfolgt,  unverhältnismässig 
sicherer,  geradeso  wie  den  letzteren  —  ausgenommen  bei  elektrischen 
Eisenbahnen  —  eine  richtig  angeordnete,  stabile  Blocksignaleinrichtung 
als  überlegen  gelten  darf.  Es  lässt  sich  femer  hinsichtlich  der  guten 
Dienste,  welche  die  gedachten  Zugtelegraphen  immerhin  in  Vertretung 
von  Strecken-  und  Hilfstelegraphen  zu  leisten  geeignet  erscheinen, 
nicht  übersehen,  dass  auf  dieselben  in  der  Regel  doch  nur  bei  leichten 
Vorkommnissen,  wie  z.  B.  beim  Liegenbleiben  der  Züge  wegen  Ma- 
schinengebrechen oder  dergl.,  mit  Sicherheit  gerechnet  werden  dürfte ; 
bei  ernstlichen  Unfällen  jedoch  und  namentlich  bei  Entgleisungen 
müssten  ganz  besonders  glückliche  Zufälle  auftreten,  wenn  die  kon- 
tinuierliche Leitung  oder  die  Telegrapheneinrichtung  am  Zuge  unbe- 
schädigt und  dienstfähig  bleiben  soll.  Also  besitzen  auch  hierin 
stationäre  Anlagen  die  bessere  Eignung.  Was  endlich  jene  Einrich- 
tungen aus  der  Gruppe  B  anbelangt,  welche  mit  der  freien,  beliebigen 
Nachrichtengebung  eine  auf  die  Zugsicherung  abzielende  selbstthätige 
Signalgebung  verbinden,  so  haften  ihnen  natürlich  die  gesamten  Vorzüge 
und  Mängel  der  beiden  Gruppen  A  und  B  an,  und  je  mehr  sie  zu  leisten 
versprechen,  desto  weniger  Vertrauen  verdienen  sie  hinsichtlich 
der  Verlässlichkeit;  die  meisten  davon  entsprechen  überhaupt  nicht 
einmal  der  ersten  und  wichtigsten  Bedingung,  welche  vom  eisenbahn- 
betriebstechnischen Standpunkte  an  derarte  Sicherungssysteme  zu  stellen 
sind,  nämlich  dass  ein  Versagen  der  Vorrichtung  höchstens  nur  eine 
Verzögerung,  nie  aber  eine  Gefahrdung  der  Züge  nach  sich  ziehen 
könne.  Es  darf  mm  wohl  ohne  Gefahr,  ernsteren  sachlichen  Wider- 
sprüchen zu  begegnen,  mit  dürren  Worten  herausgesagt  werden,  dass 
es  bisher  —  die  auf  S.  497  angefahrte  Ausnahme  abgerechnet  —  keinen 
Zugtelegraphen  für  Dampflokomotivbahnen  gibt,  durch  welche  die 
mit  solchen  Einrichtungen  verbundenen   Kosten  und  Schwierigkeiten 


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Die  bisherigen  Versuche  mit  elektrischen  Zugtelegraphen.  509 

hereingebracht  würden  und  für  die  mit  Rücksicht  auf  ihre  Eigenart 
und  Leistung  ein  wirklicher  Bedarf  vorläge.  Lediglich  flir  den  zu 
gewärtigenden  erweiterten  Zukunftsbetrieb  elektrischer  Eisenbahnen 
scheinen,  wie  schon  mehrfach  betont  worden  ist,  Sicherungseinrichtungen 
nach  Art  der  in  Gruppe  A  angeführten  Zugtelegraphen  eine  vorzüg- 
liche Eignung  zu  versprechen  und  Aussicht  auf  eine  hervorragende 
Entwickelung  zu  haben. 

Im  grossen  Ganzen  ist  sonach  das  Ergebnis  der  vorstehenden 
Erwägungen  für  die  Bewertung  der  elektrischen  Zugtelegraphen  eher 
ein  negatives  als  positives,  und  es  läge  demnach  die  gewissermassen 
gerechtfertigte  Frage  nahe,  warum  denn  erst  alte  und  neuere  Ent- 
würfe zusammengetragen  und  kritisch  untersucht  worden  seien,  wenn 
sie  fiir  die  Praxis  nur  beschränkte  Brauchbarkeit  besitzen.  Darauf 
käme  zu  erwidern,  dass  ja  abschreckende  Beispiele  gleichfalls  eines 
unterrichtenden  Wertes  nicht  entbehren,  und  dass  es  für  die  beteiligten 
Kreise  immerhin  einiges  Interesse  besitzt,  an  die  Licht-  und  Schatten- 
seiten von  bereits  Versuchtem  oder  bereits  TJeberwundenem  erinnert  zu 
werden  zu  einer  Zeit,  in  der  Bahnunfälle  zahlreicher  als  sonst  vor- 
gekommen sind  und  hinterher  von  Berufenen  und  Unberufenen  immer 
wieder  neue  Abhilfen  erdacht  und  empfohlen  werden,  über  deren  Wert 
oder  Unwert  sich  wesentlich  leichter  und  rascher  ein  Urteil  gewinnen 
lässt,  wenn  man  sie  mit  dem  bereits  Dagewesenen  aus  verwandten 
Gebieten  in  Vergleich  ziehen  kann. 


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