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Full text of "Sämmtliche Canzonen des Luis de Camoens"

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oens Canzonen. 


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Süämmtliche Canzonen 


des 


Luis de Gamoens, 


Zum erſten Male deutſch 


von 


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wer Wilhelm Storck. 


Paderborn. 
Druck und Verlag von Ferdinand Schöningh. 
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XI. 
XII. 
XIII. 
XIV. 
XV. 
VI. 
XVII. 
III. 


Inhalt. 


Einleitung 


Beſchwichtigung der . EN, 


Amor's loſe Streiche. 
Schwanenlied 5 
Scheidegruß nach 1 ü 
Die Schönheit der Geliebten 
Auf Banda. . 
Ihre Augen . 

Ihr Antlitz. 

Härte der Geliebten 

Am Ras Aſſer 
Lebensſchickſale . 
Schmuckloſe Reize. 

Im Kloſtergarten . 
Vorrecht der Liebenden 
Morgenklage 

Bilder und Blumen 
Klagelied einer Hirtin 
Unvergleichlich . 
Anmerkungen 


Abkürzungen. 


Adamson = John Adamson, Memoirs of the life and writ- 
ings of Luis de Camoens, London, 1820; 2 Bände. 

JF. = Jose da Fonseca, Os Lusiadas, Paris, Baudry, 1846. 

MM. = Os Lusiadas, nova edicäo segundo a do Morgado 


Matteus . .. corrigida pelo Dr. Caet. Lopes de Moura. 
Pariz, Didot, 1847. 
OC. = Obras completas de Luis de Camöes, corr. e emend. 


pelo cuidado e diligencia de J. V. Barreto Feio e J. 
G. Monteiro. Hamburgo, Langhoff, 1834; 3 Bände. 

PL. = Parnaso Lusitano ou Poesias selectas . . . Paris, 
Aillaud, 1826 — 1834; 6 Bändchen, herausgegeben von 
Sole da Fonſeca. 

Sämmtl. Idyll. = Sämmtliche Idyllen des Luis de Camoens. 
Zum erſten Male deutſch von C. Schlüter und W. Storck. 
Münſter, Ruſſell, 1869. | 

Schäfer = Heinrich Schäfer, Geſchichte von Portugal. Hamburg 
(und Gotha) 1836 — 1854; 5 Bände. 

V. di L. (Le Rime di Francesco Petrarca in) Vita di Laura. 


Einleitung. 


Luis de Camoens hat feine Canzonen, ſowie fie uns 
vorliegen, nicht ſelbſt geſammelt und geordnet. Eine Zu— 
ſammenſtellung ſeiner „rimas“ oder kleineren Gedichte — 
zu dieſen gehören auch die Canzonen — unter dem Titel 
‚Parnaso‘, eine Arbeit, mit welcher ihn ſein Freund Diogo 
do Couto, der portugieſiſche Geſchichtsſchreiber, als dieſer 
und andere hochherzige Landsleute 1568/69 in Moçam— 
bique des dürftigen Dichters ſich annahmen, vielfach be— 
ſchäftigt ſah, wurde von diebiſcher Hand entwendet und 
ging unwiederbringlich verloren.?) Erſt 1595, ſechszehn 
Jahre nach dem Tode des Luſiadenſängers, veröffentlichte 
Fernando Rodrigues Lobo Surrupita die erſte Sammlung. 
Um nicht wenige Stücke vermehrt, welche der Dichter Ma— 
noel de Faria e Souſa (1590 — 1649) — zum Theil 


) Vgl. Anm. zu Canz. XI. 
2) Vgl. MM. p. 73 und beſonders p. 402, wo die bezüg- 
liche Stelle aus Couto (Dec. VIII, Cap. 28) mitgetheilt wird. 


X 


gewiß mit Unrecht?) — für Camoens'ſche Gedichte ge- 
halten hatte, erſchienen die Rimas ſpäter in wiederholten 
Auflagen. 

Sämmtliche Ausgaben leiden an einem empfindlichen 
Mangel. Die Sammler und Herausgeber begnügten ſich 
lediglich damit, das Aufgefundene in Sonette, Idyllen, Can— 
zonen uſw. abzutheilen, ohne innerhalb dieſer Gruppen 
die Zeit der Abfaſſung für die Reihenfolge der einzelnen 
Gedichte zu berückſichtigen. „Es erregt Befremden,“ ſagt 
ein portugieſiſcher Kritiker“), „daß Manoel de Faria, der 
auf ſeinen Eifer und ſeine Begeiſterung für Camoens jo 
viel ſich zu Gute thut, dieſen Uebelſtand nicht beſeitigt hat.“ 
Und doch wäre es zweifelsohne damals noch möglich ge— 
weſen, über Zeit und Anlaß mancher Gedichte, ſowie über 
Perſonen und Zuſtände, welche von Camoens berührt werden, 
näheren Aufſchluß zu gewinnen. 

Auch in der Hamburger Ausgabe ſämmtlicher Werke 
des großen Dichters iſt der beregte Fehler nicht gehoben. 
Dort ſtehen die Canzonen, an der Zahl jiebenzehn?), OC., 
tom. II, pag. 300-3596). Da die beiden Herausgeber 
an der hergebrachten Vertheilung der Gedichte in einzelne 
Gruppen, wie es ſcheint7), nicht ängſtlich feſthalten zu 
ſollen glaubten, ſo begreift man ſchwer, warum ſie das 


3) Vgl. betreffs der Idyllen meine Einleitung („Camoens' 
Leben und Idyllen“) zu: Sämmtl. Idyll. S. XVII ff. 

4) Vgl. MM. p. 74. 

5) Auf welcher Ausgabe in J. G. Th. Gräße's Handbuch der 
allgemeinen Literaturgeſchichte uſw. Leipzig 1850, III?, 160 die 
Angabe: „16 Cancsens“ beruht, weiß ich nicht. 

6) Die Canzonen: IV, VI, X fand ich außerdem abgedruckt 
in: PL., III, 146 — 176. — Abgeſehen von der Orthographie 
ſtimmen die Texte der 00. und des PL. überein. 

7) Vgl. OC., III, 504, nota zu p. 185, v. 20. 


XI 


unter den ‚Odes“ an zweiter Stelle ſtehende Gedichts) den 
Canzonen beizufügen unterlaſſen haben. Vermuthlich über— 
ſahen ſie, wie wahrſcheinlich nicht minder alle früheren 
Herausgeber, den kleinen Epilog am Schluſſe des Gedichtes, 
das ſogenannte ‚Öeleite‘?) der Canzone, welches zwar keinen 
weſentlichen Beſtandtheil dieſer lyriſchen Unterart, wohl 
aber deren charakteriſtiſchen Zierat ausmacht. Aber ſchon 
die auffällige, überkünſtliche, nach Art der provenzaliſchen 
Dichtung ganz und gar aus „coblas unisonans' 10), oder 
„Körnern' beſtehende, gemeinſchaftliche Reimbindung ſämmt— 
licher Strophen hätte ſie an die entſprechenden Canzonen 
Petrarca's 1) und Bembo's 12) erinnern müſſen, zumal ſie 
doch ſelber zu einer Vergleichung des portugieſiſchen Dich— 
ters mit ſeinen italiäniſchen Vorgängern auffordern !). 


8) Vgl. OC., II, 363-365. 

9) Vgl. Friedrich Diez, Ueber die erſte portugieſiſche Kunſt— 
und Hofpoeſie. Bonn, Weber, 1863. S. 70 f. | 

10) Bol. F. Diez, a. a. O., S. 58. 

11) Vgl. Petrarca's (V. di L.) Canz. II. 

12) Vgl. Bembo's Canzone: Si rubella d' Amor ne si 
fugace etc. in: Opere del Cardinale Pietro Bembo, Venezia 
1729, Tom. II, Gli Asolani, pag. 34 b. 

13) Vgl. OC., t. II, p. XV, wo es heißt: „In den Canzonen 
ließ er Petrarca, Bembo und die übrigen Dichter, welche hier in 
Betracht kommen, weit hinter ſich zurück. Wer ſich einer Ver⸗ 
gleichung unterziehen will, wird das auf's Beſte beſtätigt finden.“ 
— Daß Camoens die Gedichte Bembo's kannte, zeigt deutlich eine 
nachgebildete Stelle in den Canzonen (vgl. Anm. zu Canz. ) 
ſowie eine andere Stelle im ‚Filodemo‘ (OC., III, 409), wo 
Bembo als Vertheidiger der platoniſchen Liebe mit Petrarca zu— 
ſammengeſtellt wird. Wie hoch Camoens „die toskaniſche Poeſie“ 
ſchätzte, ſieht man namentlich aus der VI. Ode (OC., II, 375, 


XII 


Nur in der Canzonengruppe kann und darf das Gedicht 
ſeinen Platz finden, ſo daß nunmehr die Zahl der Can⸗ 
zonen auf 18 ſich erhöht und die der Oden, deren man 
bisher 12 zählte, um eine ſich mindert. 


Camoens' Canzonen ſind nach Stoff und Form ſehr 
mannigfaltig. Ihr reicher Inhalt iſt dadurch beſonders 
anziehend, daß manches Streiflicht auf des Dichters Leben 
fällt. Einzelne Nachrichten über ihn entſtammen nur dieſer 
Quelle. Dem reizenden Halbdunkel der Gedichte, welches 
nach dieſer Seite ſtets von Neuem zu Klärungsverſuchen 
anlockt, verleiht die äußere Geſtalt in ihrer wechſelnden 
Schönheit einen erhöhten Zauber. Vierzehn Strophenge— 
füge treten uns in den achtzehn Canzonen entgegen. Ueber— 
haupt hat die Canzone — in der deutſchen Dichtung, 
abgeſehen von Ueberſetzungen, eine ſeltene Erſcheinung!“) 
— nach Stoff ſowohl wie Form nicht jo beengende Gren— 
zen, daß der erſtere etwa auf elegiſche Empfindungen, die 
letztere auf ein beſtimmtes Maß, wie z. B. beim Sonette 
der Fall iſt, ſich eingeſchränkt ſähe. Vielmehr bietet die 
ganze Gemüthswelt, das unendliche Meer der wogenden 
Stimmungen, nicht minder der Canzone wie der Lyrik 
insgemein, den mannigfachſten Stoff zu künſtleriſcher Be— 
handlung. Nur hat der Dichter dafür Sorge zu tragen, 
daß die Geſtaltung der Gedankenglieder dem Prachtge— 
wande der Canzonenſtrophe entſpreche und das kunſtreiche 
Gefüge ſich nicht als marterndes Prokruſtesbette erweiſe. Aber 


11 ff.); doch ſelbſtbewußt verheißt er dort ſeiner Gefeierten, ſie 
werde einſt Beatrice und Laura an Ruhm überragen. 

14) Vgl. A. Koberstein, Grundriss der Geschichte der 
deutschen Nationalliteratur, 5. umgearb. Aufl. von K. Bartsch, 
Leipzig, 1872; Bd. III, S. 273 und Anm. 40. 


XIII 


das iſt keine beſondere Regel, ſondern ein allgemeines Ge— 
ſetz, angewandt auf den beſonderen Fall. 

Ihrer äußeren Geſtalt nach beſteht die Canzone, wie 
überall, ſo auch bei Camoens aus mehreren gleichartigen 
Strophen. Bei der Geſtaltung des ſtrophiſchen Gefüges 
iſt der Canzonendichter ebenſowenig wie in der Wahl des 
Stoffes an eine beſondere Regel gebunden, ſondern ein— 
zig ein allgemeines Geſetz, wie es faſt durchgängig in der 
romaniſchen Kunſtlyrik beobachtet wird, ſetzt ſeinem Belieben 
mehr oder minder eine Schranke, ich meine das Geſetz der 
Dreitheiligkeit. Darnach gliedert ſich, wie jene Benennung 
ſchon angiebt, die Strophe in drei Theile. Die beiden 
erſten darunter entſprechen einander ganz genau in Zahl 
und Maß der Verszeilen; wir können dieſe, wie unſere 
Meiſterſänger es thaten, als „Stollen“ bezeichnen, dürfen 
aber dabei nicht vergeſſen, daß die beiden Stollen im Ro— 
maniſchen zwar metriſch genau übereinſtimmen müſſen, je— 
doch in der Zeilenbindung durch den Reim freier als im 
Deutſchen behandelt und z. B. in der Ordnung ab : ba 
ft. ab : ab, oder abe : bac ſt. abe : abe mit Vorliebe 
verfettet werden. Der dritte Theil — im Gegenſatze zu 
den beiden erſten, welche man unter der Bezeichnung ‚Auf— 
gejang‘ zuſammenfaßt, auch ‚„Abgeſang' genannt — iſt ab— 
weichend gebaut und ſelbſtändig gereimt, ſteht aber in der 
Regel nach Bau und nach Reim zum Aufgeſange in deut— 
licher Angliederung; denn ſein Umfang überragt das Maß 
wenigſtens eines Stollen, meiſtentheils ſogar beider, und 
wie die Stollen durch ihre geſammte Reimbindung als zu— 
ſammengehörig ſich kennzeichnen, ſo iſt auch der dritte Theil 
faſt ohne Ausnahme, wenngleich viel loſer, mit den beiden 
erſten dadurch verknüpft, daß eine Zeile des Abgeſanges, 
gewöhnlich die erſte, durch ihr Reimwort nach dem Auf— 
geſange zurückweist. 


XIV 


Die dargelegte Gliederung des Rahmens zieht zu— 
gleich für ſeinen Umfang die entſprechenden Grenzlinien. 
Es ſind nämlich der Verszeilen mindeſtens ſo viel nöthig, 
daß die Dreitheilung noch möglich, und höchſtens ſo viel 
erlaubt, daß ſie noch deutlich bleibt. Die kleinſte Dreithei— 
lung nach den aufgeſtellten Regeln geſtattet die Siebenzahl “s) 
der Verszeilen, nämlich 2: 2: 3. Nach der entgegen- 
geſetzten Seite bildet der Geſchmack des Dichters die wün— 
ſchenswerthe Schranke. Camoens hat als äußerſtes Maß 
zwanzig Verszeilen mit der Gliederung 3: 3: 14, und 
zwar, wie Petrarca, bloß ein einziges Mal angewandt, 
nämlich in der elften Canzone, vielleicht der ſchönſten, welche 
je gedichtet wurde. Im „Geleite' entſchuldigt der Dichter 
die „Breit' und Schwere“ des Liedes, nicht ohne einen 
Seitenblick, wie es ſcheint, auf Petrarca's entſprechende 
Canzone zu werfen. In den meiſten Fällen beſteht die 
Strophe bei Camoens aus 13 oder 15 Verszeilen. Sams 
biſcher Rhythmus iſt faſt ausnahmeloſe Regel. Die Verſe 
ſind gewöhnlich entweder Langzeilen von 11 oder Kurz— 
zeilen von 7 Sylben, wenn der Reim weiblich iſt, und 
haben ſelbſtverſtändlich eine Sylbe weniger bei männlichem 
Reime. Gemeiniglich ſchließt die Canzone mit einem ‚Ge— 
leite“, welches eine Anrede oder einen Auftrag an das Lied 
enthält und vollſtändig oder theilweiſe in Maß und Reim 
den Abgeſang wiederholt, bei Camoens jedoch einigemal 
abweichend gebildet iſt. 

Die nachſtehende Ueberſetzung, im Deutſchen die erſte 
vollſtändige ), zu welcher gemeinſchaftliche Studien mit 


15) Camoens bedient ſich in der achtzehnten Canzone einer 
ſiebenzeiligen, aber untheilbaren Strophe; vergl. Anm. zu Canz. 
XVIII. 5 
16) Zwei Canzonen, die VI und die X, hatte bereits L. von 


XV 


meinem Freunde und Collegen, Herrn Prof. Dr. C. Schlüter 
mir nächſten Anlaß gaben, beläßt die Canzonen in der üb— 
lichen Reihenfolge, fügt ihnen das bisher als Ode behandelte 
Stück bei und giebt den einzelnen Gedichten Ueberſchriften. 
Eine Umſtellung, etwa nach der muthmaßlichen Zeit der 
Abfaſſung (vgl. die Anm.), mochte ich nicht vornehmen. 
Für den Kenner bedarf es nicht der Verſicherung, daß die 
Ueberſetzung in Versmaß und Reimſtellung genau der Vor— 
lage entſpricht. Camoens aber verwendet, wie in den Lu— 
ſiaden, ſo namentlich in den Canzonen, neben den weiblichen 
auch männliche Reime 17), ohne deren Wechſel einem Geſetze 
zu unterwerfen. Die Ueberſetzung vermeidet dieſe Willkür; 
unreiner Reime, deren es freilich bei Camoens giebt, ge— 
ſtattet ſie ſich keinen. 

Die beigegebenen Anmerkungen behandeln Stoff und 
Form der Canzonen, Zeit und Ort ihrer Abfaſſung, ihre 
Beziehungen zu anderen Gedichten, die Lebensſchickſale des 
Dichters, den überlieferten, hie und da verderbten Text uſw. 

Ueber den dichteriſchen Werth der Camoens'ſchen Can— 
zonen ſoll mein Urtheil dem Leſer nicht vorgreifen. Der 
Lobpreis des Liebhabers — und als ſolcher ſteht doch ein 
Ueberſetzer ſeiner Vorlage gegenüber — klingt gewöhnlich 
übertrieben und wird nicht ſelten mit Recht beanſtandet, 
weil ſein Auge aus Gewöhnung oder Verblendung die 
Fehler der Geliebten leicht und gerne überſieht; unzart 


Arentsſchildt in ſeinen „Völkerſtimmen“ (Hannover, Helwing, 
1847) S. 17 ff. in deutſcher Ueberſetzung veröffentlicht. 

17) So hat z. B. das 92. Sonett (OC., II, 47) nur männ⸗ 
liche Reime (vgl. Anm. zu Canz. XI). — Die Reime ‚memoria : 
historia“ u. ä. dürfen wie im Deutſchen ‚entſchuld'gen: huld'gen“ 
u. ä., obwohl ſie, genau genommen, gleitende ſind, als weib— 
liche gelten. 


XVI 


dagegen würde ſein Benehmen erſcheinen, wollte er auf 
etwaige Mängel gefliſſentlich die Blicke Anderer hinlenken. 
So mögen denn ſtatt meiner über die achtzehn Canzonen 
oder ‚Lieder‘, in deren Heimat drei Welttheile und ihre 
Meere ſich theilen, portugieſiſche Kritiker vor dem deutſchen 
Leſer urtheilen. Wird man doch, wie ich hoffe, nicht un⸗ 
gerne vernehmen, welche Stellung und Bedeutung Camoens' 
Landsleute unter deſſen kleineren Gedichten ſowie innerhalb 
der einſchlägigen romaniſchen Lyrik überhaupt und insbe⸗ 
ſondere der einheimiſchen den Canzonen zuerkennen. | 

„Camoens hat bewunderungswürdige Sonette“, jagt 
J. L. Garrett 18), „er hat ausgezeichnete Idyllen, aber 
unter den kleineren Gedichten ſind vor allen anderen die 
Canzonen das Bedeutendſte und Vollendetſte. Dieſe Dicht- 
art gewann durch Camoens einen Adel und eine Hoheit, 
welche man ſelbſt bei Petrarca vergebens ſucht.“ Ä 

Ein ähnliches Urtheil hatte ſchon Surrupita 19) ges 
fällt: „Obwohl Camoens in allen Dichtformen und be— 
ſonders in kurzen Verszeilen Hervorragendes geleiſtet hat, 
ſo übertreffen doch bei Weitem alles andere ſeine Canzonen; 
in dieſer Gattung braucht er Petrarca, Bembo und Gar— 
cilaſo, — Dichter, denen man auf dieſem Gebiete das 
höchſte Lob ſpendet, nicht zu beneiden.“ 

Ausführlicher handelt Joje Maria de Souza “) über 
Camoens' Canzonen: 


18) Vgl. deſſen kurzgefaßte ‚Historia da lingua e poesia 
portugneza‘ in: PL., f. I, P 
19) Vgl. PL., III, 164. 
20) J. M. de Souza- Botelho, Morgado de NMatteus 
in ſeiner: ‚Vida de Luis de Camöes‘ (Os Lusiadas ... 
Pariz, Didot, 1817.). 


XVII 


„Wäre unſere Sprache,“ bemerkt dieſer Gelehrte? ), 
„ſo bekannt wie die italiäniſche, der Name Camoens würde 
ſicherlich durch ſeine lyriſchen Gedichte ebenſo berühmt ſein 
wie Petrarca's Name. Fruchtbar und geſchmeidig, wie 
Camoens' Genius war, hat er die Dichtarten, welche ſein 
Zeitalter kannte und liebte, alleſammt angebaut, und weil 
er in jeder Ausgezeichnetes geleiſtet und für einige den 
ihnen in Portugal eigenthümlichen Styl ausgeprägt und 
feſtgeſtellt hat, ſo kann man ſagen, daß die Kenntniß der 
Werke des Luis de Camoens genügt, um eine Anſchauung 
von der geſammten portugieſiſchen Dichtung im ſechszehnten 
Jahrhundert zu gewinnen. Daß Camoens über ſämmtliche 
Dichter jener Epoche??) auch als Lyriker hervorragt, iſt 
eine unbeſtrittene Thatſache. Und dieſes muß um ſo größere 
Bewunderung erregen, wenn man in Betracht zieht, daß 
ſeine Leiſtungen auf dieſem Felde entweder früheſte Verſuche 
ſeiner Jugend oder unwillkürliche Ergüſſe ſeiner Gefühle 
und gelegentliche Darſtellungen ſeiner Lebensſchickſale ſind, 
ohne daß er ſpäter daran gefeilt hätte 

„Um Camoens' Verdienſte als lyriſchen Dichters recht 
würdigen zu können, muß man im Gedächtniſſe behalten, 
daß er nach Sä e Miranda (1495 - 1558) einer von 
den erſten war, welche den italiäniſchen Styl einbürgerten; 
aber ſein an den Vorbildern der Griechen und Römer ge— 
läuterter und gebildeter Geſchmack, ſeine dichteriſche Ader 
und ſeine wohllautreiche Verstechnik ſicherten ihm alsbald 
ſeinen Platz über all den Dichtern der genannten Schule. 

„Unter den Italiänern hatte vorzugsweiſe Petrarca 


e MM. p. 72 ff. 

22) Dieſe Epoche, in welche Camoens' Leben (1525—1579) 
fällt, heißt in der Geſchichte der portugieſiſchen Sprache und Lite⸗ 
ratur das goldene Zeitalter. 


* * 


XVII 


durch feine literariſchen Arbeiten und ſeine lyriſchen Dich— 
tungen der italiäniſchen Sprache die Reize der antiken 
Poeſie zu Eigen gemacht und zugleich andere ſeiner Aus- 
drucksweiſe und jenem Zeitalter eigenthümliche Vorzüge 
damit verbunden. Mit der Lyrik dieſes Dichters, dem 
Denkmale ſeines Ruhmes ?), läßt ſich am füglichſten Ca⸗ 
moens' Lyrik in Vergleich ſtellen. Und wer ohne Vor— 
urtheil dabei zu Werke geht, der kann und wird nach 
meiner Ueberzeugung die Camoens'ſche Lyrik der Petrar— 
chiſchen ſicherlich nicht unterordnen. Mir wenigſtens ſcheint 
es unbeſtreitbar, daß die lyriſchen Gedichte des Portugieſen 
an dichteriſchem Schwunge denen des italiäniſchen Vor— 
gängers nicht nachſtehen und an Wohlklang der Verſe, 
an Schönheit der Sprache, an Lebhaftigkeit der Bilder 
und an Sinnigkeit der Empfindungen ihnen gleichkommen, 
während ſie vor den Petrarchiſchen den großen Vorzug 
haben, daß ſie weniger mit geſuchten Gedankenſpielen und 
dunkelen Spitzfindigkeiten überladen find und eine bei Wei- 
tem reichere Fülle bedeutender Gedanken einſchließen. 
„Beide Dichter liebten mit der edelſten, reinſten Nei- 


23) Dagegen bildet Camoens' Ruhmesdenkmal in Heimat und 
Fremde vorzugsweiſe jener Schwanengeſang eines Heldenvolkes, 
die Luſiaden. Dieſe epiſche Dichtung „umfaßt“ nach Friedr. 
von Schlegel (Sämmtl. Werke, 2. Orig.⸗Ausg., Wien 1846; II, 
67) „die ganze Poeſie ſeines Volkes; unter allen Heldengedichten 
der alten und neuen Zeit iſt keines in dem Grade national, und 
niemahls iſt auch ſeit dem Homer ein Dichter von ſeiner Nation 
in dem Maaße verehrt und geliebt worden, wie Camoens, jo daß 
ſich alles noch übrige Gefühl des Vaterlandes, bei dieſer gleich 
nach ihm von ihrer Herrlichkeit herabgeſunkenen Nation, faſt an 
dieſen Einen Dichter heftet, der ihr und uns mit Recht ſtatt vieler 
anderen Dichter und einer ganzen Literatur gelten kann.“ 


XIX 


gung und mit treuer, inniger Hingabe, ohne daß ihre 
Wünſche ſich verwirklichen konnten, und Beiden widerfuhr 
das traurige Geſchick, die Geliebte ihres Herzens überleben 
zu müſſen. Ihre Lage, während ſie den Gegenſtand ihrer 
Liebe beſangen und betrauerten, war alſo eine ähnliche. 
Gleichwohl erſcheinen die Lebensverhältniſſe des Einen wie 
des Anderen jo eigenthümlich geſtaltet, daß ſie einen durchaus 
verſchiedenen Einfluß auf die Dichtungen Beider ausübten, 
auf die Camoens'ſche den unvortheilhafteſten, den günſtigſten 
auf die Petrarchiſche?“). Petrarca war glücklich, reich, 
geachtet und geſucht von Herren und Fürſten; behaglich floß 
ſein Leben dahin, bald in einem hübſchen Landhauſe, bald 
an den Höfen der Großen, in dem ſchönſten und gebildet— 
ſten Lande der Welt; ſeine Muße widmete er ungeſtört 
der Wiſſenſchaft und der Dichtkunſt. Camoens dagegen 
war arm, befeindet, verbannt; den beſten Theil ſeines 
Lebens brachte er, fern vom Vaterlande, in unwirthlichen 
Ländern zu; und dem geräuſchvollen Waffenhandwerke ſich 
zu entziehen und dem ſtillen Dienſte der Muſen ſich zu 
widmen, gelang ihm kaum auf Augenblicke, die obendrein 
durch Mißmuth und Verdruß ihm vergällt wurden, indem 
er ſchlechten Lohn für ſeine Kriegsdienſte fand und von 
ſeinen undankbaren Landsleuten ſogar arge Mißhandlungen 
erfuhr. 

„Außerdem darf man nicht vergeſſen, daß Petrarca 
Zeit und Muße hatte, ſeine Gedichte zu verbeſſern, zu ver— 


24) Von einem anderen Geſichtspunkte aus kann man das 
gerade Gegentheil behaupten: mit des ritterlichen Camoens ebenſo 
leidenſchaftlicher wie unglücklicher Liebe zu der unvermählten Katha— 
rina de Ataide läßt ſich, wie mir ſcheint, des ſchwärmeriſchen Pe— 
trarca galanter Minnedienſt für die verehelichte Frau Laura de 
Sade doch kaum vergleichen. 


XX 


vollkommnen und zu veröffentlichen; nicht ſo Camoens. Und 
trotz jo vieler Nachtheile ſteht dennoch der portugieſiſche 
Dichter dem italiäniſchen Meiſter auf deſſen eigenſtem Ge⸗ 
biete nicht nur nicht nach, ſondern übertrifft ihn ſogar 
vielfach. 1 
„Camoens' Canzonen ſtimmen mit denen Petrarca's 
und Bembo's überein??) und ſind wahrhaft bewunderungs— 
würdig durch die Schönheit der Sprache und durch den 
Wohlklang der Verſe. Inniger als Luis de Camoens hat 
Keiner in Petrarca's Dichtung ſich hineingelebt; aber Ca— 
moens' Lyrik, das wage ich zu behaupten, iſt der Petrar— 
chiſchen überlegen durch die nachhaltige Kraft der Gedanken 
ſowie durch die lebendige Schilderung der Naturſcenen, die er 
malt wie Einer, der ſelber ſie geſehen und empfunden hatte?“), 


25) Der Ausdruck: ‚As suas cancdes säo conformes as 
de Petrarca, e de Bembo‘ (vgl. MM. p. 76) hat etwas Schie⸗ 
lendes. Bezieht man ihn auf Stoff und Gehalt, ſo paßt er 
eigentlich nur auf die Jugend⸗Canzonen, und ſelbſt auf dieſe bloß 
im Ganzen und Großen. Denn an eine Uebereinſtimmung, wie 
fie z. B. im Sonett CI (OC., II, 51) mit Petrarca's (V. di L.) 
Sonett I ſich findet, d. h. an eine mehr oder minder freie Ueber⸗ 
ſetzung iſt nicht im Entfernteſten zu denken. — Von der Form 
verſtanden, trifft jener Ausdruck, genau genommen, nur acht Can⸗ 
zonen, nämlich: IV, VI, VII I, I e ü 
denen Camoens im Ganzen viererlei entlehnte Geſätze verwendet; 
vgl. das Nähere in den Anm. zu den einzelnen Canzonen. 

286) A. von Humboldt (Kosmos, II, 58 f.) ſagt in dieſer 
Hinſicht von Camoens: „Jene individuelle Naturwahrheit, die aus 
eigener Anſchauung entſpringt, glänzt im reichſten Maaße in 
dem großen National-Epos der portugieſiſchen Literatur... 
Camoens iſt im eigentlichſten Sinne des Worts ein großer See— 
maler.“ 


| 
| 
XXI 


— ein Vorzug, welchen künſtelnde Phantaſie nicht zu 
erſetzen vermag.? “) 

„Von den Canzonen möchte ich drei anführen, welche 
mir die drei berühmteſten Petrarca's, die ſogenannten Schwe— 
ſtern?s), zum Preiſe der Augen Lauras, bei Weitem zu 
Alibertreffen ſcheinen: 

„Die zehnte Canzone: 


| 


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| 
| 
| 
) 


| 

| Nah’ einem Berg, der ftarr im Strahl der Sonnen 
Diaſteht und dürr, voll Mißgeſtalt und Grauſen, 

| Verfeindet allem Leben und verhaßt — — um. 


| „Ihre Abfaſſung fällt in die Zeit, als der Dichter 
vor dem Cap Guardafui kreuzte. Sie iſt ein Muſter har— 
monievollſter Poeſie und athmet die glühendſte Liebe. Auf's 
| Tiefe muß ſich Jeder gerührt fühlen, wenn jener ausge— 
zeichnete Mann, getrennt von ſeinem Vaterlande und ſeiner 
‚Geliebten, unter jo entfernten Himmelsſtrichen Kriegsdienſte 


———ß5ð—E — 


| 27) Friedr. Bouterwek spec der portugieſiſchen Poeſie 
und Beredſamkeit, Göttingen 1805, S. 192 f.) ſpricht ſich in ähn⸗ 
licher Weiſe aus. 

28) Vgl. Petrarca's (V. di L.) Canz. VIII, IX, X, nach 
dem Vorgange des Dichters, ‚le tre sorelle‘ genannt. ‚Die 
drei Schweſtern“ werden, wie K. Kekule und L. von Biegeleben 
(Die Reime des Francesco Petrarca, Stuttgart und Tübingen 
1844, S. 164) bemerken, „von den Italienern zum Schönſten, 
Be: und Vortrefflichſten gerechnet, was jemals in der lyri— 


ſchen Poeſie Italiens geleiſtet worden iſt. Taſſoni nennt ſie die 
Königinnen aller Canzonen und ſagt, ſie allein reichten hin, Pe— 
ſtrarca den Dichterkranz zu erwerben; über fie ſei gar nicht zu 
reden, als nur um ſie mit den höchſten Lobſprüchen zu über— 
häufen.“ — Und dennoch wird jeder Kenner dem oben ſtehenden 
Urtheile des Portugieſen beizupflichten nicht umhin können. 


XXII 


thuend, einſame Klagen voll Schmerz und Sehnſucht in den 
ſchönſten, zarteſten Verſen aushaucht. | 


„Die elfte Canzone: 


So komm herbei, Papier, du zuverläſſ'ger 
Aufzeichner meiner nie verſiegten Klagen, 
Der treu mir lindern hilft der Schmerzen Wuth; uſw. 


„Sie iſt ebenfalls in Aſien??) verfaßt. Der Dichter F 
beklagt darin die traurigen Wechſelfälle ſeines bewegten 
Lebens. Selbſt das härteſte Herz wird zu Mitleid erweicht, 
und wer Empfindung und Verſtändniß für Camoens hat, 
kann ſich dem mächtigen Eindrucke nicht entziehen, welchen 
der Schmerzensſchrei erregt: 


Kein menſchlich Mitleid war mir hold gewogen, 
Kalt hatten all die Freunde mich verlaſſen 
Im erſten Unglück; als das zweite kam, 
Erblickt' ich nirgend Land, um Fuß zu faſſen, 
Die Luft zum Athmen wurde mir entzogen, 
Ja, Zeit und Welt verſchloß ſich meinem Gram. 


„Ein Wehgefühl überwältigt die Seele, wenn man das | 
äußerſte Elend betrachtet, welchem der hervorragende Mann 
ſich anheimgegeben ſah durch: | 


Unbilden, wie jie deren Spruch' entſtammten, 
Zu deren Knecht das Menſchenthum verdammten 
Der Welt verworr'ner Gang und ihr Verhängniß. 


29) Ich kann dieſer Anſicht nicht beitreten, vergl. Anm. zu | 
Canz. XI. | 


XXIII 


ö „Die ſechste Canzone: 


Erwärmt die ew'ge Lohe 
Ein Inſelland, im fernen Oſt gelegen, 
| Mit fremder Völkerſchaft; uſw. 


| Mit ungewohnter Kraft 


ö „Dieſe Canzone iſt auf den Molukkens“) gedichtet und 
ebenſo ausgezeichnet durch Friſche der Schilderung wie durch 
Glut der Empfindung.“ 


Münſter im Mai 1873. 
N Wilhelm Storck. 
| 30) J. M. de Souza denkt dabei, wie allgemein geſchieht, an 


(bie Inſel e (vgl. MM. p. 38); mit Unrecht, wie ich glaube; 
vgl. Anm. zu Canz. VI. 


mn nn — 9 — — 


— — — En nn TE 7 


1. 


Beschwichtigung det Sehnsucht. 


Holdſel'ge Herrin, wenn ich vor mir ſehe 

Das Haupt von Gold und Schnee, die lichten Wangen, 
Den ſanften Mund, das Lächeln hold und klar, 
Den weißen Hals, den Buſen reizumfangen: 

5 So wünſch' ich nichts von mir als Liebeswehe, 
Von Euch nur dieſe Schau für immerdar. 
Vor Gott und Welt fürwahr 
Gehör' ich Euch; ich ſteh' entflammt wie Feuer 
Durch Thränen, die ich weine, 

10 Und bin, obwohl ich Euer, 
Mir zugethan, weil Euch ich minn' und meine, 
Mit ſolcher Glut, daß ſchier um Euch ich leide 

Aus Eiferſucht auf mich und mich beneide. 


Camoens, Canzonen. 1 


2 


Und iſt zuweilen Kummer mir beſchieden, 
15 Weil nicht die Geiſteskraft mir ward zu Theile, 
Um völlig zu verſteh'n den ſüßen Schmerz: 
So flieh' ich vor mir ſelbſt und flücht' in Eile 
Zu Eurem Blick und werde ſo zufrieden, 
Daß alle Qual ſich kehrt in frohen Scherz. 
20 So kann und darf das Herz, 
Dem Ihr im Leide, das ich muß ertragen, 
Gewährt ſo reiches Leben, 
Sich ſelber nur verklagen, 
Weil's nie zu ſolchem Glück ſich kann erheben; 
25 Und dennoch darf auch dies mich nicht beſchweren, 
Denn daß ich Euer, giebt mir Werth und Ehren. 


Und ſollt' Euch Amor kränken, wie ich glaube, 
Durch mein Begehr, das, niedrig und befangen, 
Zu tollem Unverſtande mich verdammt; 
30 Ja, ſollt' ich mehr als Euch zu ſchau'n verlangen: 
So trägt der Leib die Schuld, der aus dem Staube, 
Und nicht der Geiſt, der aus dem Aether ſtammt. b 
Iſt ſo der Sinn entflammt, | 
Daß unbewußt ich Sünde drum begehe, 
35 Muß mich die Schau entſchuld'gen; 
Doch wie ich widerſtehe, 
Um ſo verweg'nen Wünſchen nicht zu huld'gen, 
Beut Kraft dazu mir Euer Blick, der hehre, 
Und Eure Schönheit reicht mir Waff' und Wehre. 


3 


40 Als Bogen nahm, zum Kampf ſich anzuſchicken, 
Die zarten, dunkeln Brau'n der blinde Schütze 
Und flocht die feine Schnur ſich aus dem Haar; 
Und weil an Euch er Alles hielt für nütze, 

So ſchuf er Pfeile ſich aus Euren Blicken, 

45 Da Jedem, der Euch ſieht, ſie dräu'n Gefahr. 
Solch ſchönes Augenpaar 
Verleiht gewiſſen Sieg des Gottes Waffen, 

Der gen die Herzen wüthet; 
Und wenn ſie Leid uns ſchaffen, 

50 So iſt's ein Schmerz, den hoher Ruhm vergütet; 
Ja, Waffen ſind's, die, wenn ſie uns vernichten, 
Im Tode ſelbſt zum Dank uns noch verpflichten. 


Wer um Gedanken und Geſeufz und Zähren, 
Erhab'ne Herrin, Klage mag beginnen, 
55 Iſt feig' im Leide, das um Euch er hegt. 
Kann, wer Euch liebt, wohl größ' res Glück gewinnen, 
Als ſolch ein Sehnen ohne Wank zu nähren, 
Indem er weint und ſüßer Träume pflegt? 
Wem das Verdruß erregt, 


60 Der muß Erleicht'rung ſeinem Leid verſagen, 


Auf daß es ihm gefalle; 

Und heiter ſoll er tragen, 

Um ihrer werth zu ſein, die Leiden alle; 

Denn dieſer Schmerz kann Solche nur belaſten, 


65 Die ſeine Herrlichkeit noch nicht erfaßten. 


1* 


1 
Or 


80 


4 


Zeigt Schwäche nun mein Geiſt in trüber Stunde 
Und ſtört Verdruß die Ruhe mir im Herzen, 
So hab' ich dies Geheimniß nicht in Acht; 
Und aller Schuld an meinen Weh'n und Schmerzen 
Freiſprech' ich Amor drum mit Fug und Grunde 
Und habe Dank ſogar ihm dargebracht. 
Ein ſolcher Glaube macht 
Mich würdig, daß ich Eures Blickes Gnade 
Und Euer Lächeln ſchaue; 
Doch führen keine Pfade 
Von jener hin zu dieſer Himmelsaue; 
Und ſo erfreu'n voll Furcht ſich Seel' und Sinne 
An einem Glücke, das ich nie gewinne. 


Verzicht' ich ſo auf meinen Troſt mit Gründen, 
So wiſſ', o Lied: mit Worten täuſch' ich gerne 
Des Herzens Sehnſucht, wenn der Troſt mir ferne. 


| II. 


Amor's lose Sireithe, 


| — TEEN 


| | Den Unbeſtand des Glückes will ich fingen, 
Will all den ſüßen Trug des blinden Knaben — 
Süß, wenn er nicht entſchwänd' in ſolcher Haſt — 
Beſingen, um das Herz mit Troſt zu laben. 


or 


Sind mir zur Laſt die Schmerzen, die mich zwingen, 
Sei auch den Menſchen mein Geſang zur Laſt; 
Und klingt aus kalter Bruſt verwildert faſt 

Mein Lied um früh're Luſt und jetz'ges Wehe: 

An ſolcher Wandlung ſehe 

10 Jedweder meiner Qual Beweis und Zeichen, 

Da Fehl und Fehl ſich ſtets die Hände reichen; 

1 Und voll Vertrau'n, daß dies als wahr beſtehe — 

Sofern das Lied wahrhaft'ges Leid verkündet — 


6 


Verklag' ich Amor's Hang zu loſen Streichen, 
15 Der jetzt mit dem Verſtande ſteht verbündet, 
Bloß um zu ſtrafen, was da ward geſündet. 


Amor entbot Geſetz' und hielt mir keine: 

Einſichtig ward der blinde; ſo verwandelt, 
Uebt mit Verſtand an mir er Unverſtand. 

20 Und hab' ich unrecht auch an ihm gehandelt: 
Verſtand und Pein ſah Keiner im Vereine, 
Und Wahn und Liebe ſind ſich nah' verwandt. 
Für ſein Gebahren ſucht' er Gründ' und fand 
Erlog'nen Anlaß bald, um mich zu tödten; 

25 Denn um zu ſolchen Nöthen 
Verdammt zu ſein, zu dieſen Höllenſchmerzen, 
Trug Uebermuth ich nicht genug im Herzen, 
Da meine Wünſche nie ſich mehr erhöhten, 
Als er's gewollt; und wird es ſo geſchlichtet, 

30 Daß ich verbüße ſein verweg'nes Scherzen, 
So wißt, daß Amor ſelbſt, der nun mich richtet, 
In Schuld mich ſtürzt' und ſtrafend mich vernichtet. 


Den hehren Augen, als ſie einſt zum Kreiſe 
Sich meiner Sinne hold herniederließen, 


2 
on 


Gab meine Seel’ ich gern zum Aufenthalt; 
Und voll Begier, mehr Liebes zu genießen, 
Bot ihnen dann mein Herz ich dar als Speiſe, 
Das willig dem Befehl ſich fügte bald; 

Doch ſeit es lag vor ihnen dergeſtalt, 


— rg u 


40 


45 


60 


7 


Daß ſeiner Sehnſucht Ziel ſie wohl verſtanden 

Und klar es darin fanden, 

Was unbedacht der Zunge war entflogen: 

Steh' ich verſchmachtend ſtets in Stromeswogen, 

Wo meines Dienſtes Frucht mir ſchwebt vor Handen; 
Doch will ich pflücken, ſo entwiſcht ſie ſchnelle, 

Und will ich ſchöpfen, iſt die Flut verzogen, 

So daß mich Durſt und Hunger hier zur Stelle 
Mehr quält als Tantalus an Baum und Quelle. 


Und als nach Ihr, die meine Seel' erquickte, 
All meine Wünſch' in nied're Glut verſanken, 
Ward jo mit Täuſchung meiner Gier gezahlt: 
Mir trug die Wolke dauernder Gedanken 
Ihr Bild an's Herz, und feſt im Arm umſtrickte 
Ich träumend, was ich wachend mir gemalt; 
Und weil ich dann nach Luſt davon geprahlt, 
Mir werd' ein überſchwänglich Glück zu Theile, 
So leid' ich mehr derweile 
Und werd', an einem Rade feſtgebunden, 

In ew'gem Umſchwung tauſendfach geſchunden: 
Bald ſteig' ich hoch, bald ſink' ich tief in Eile, 
Vertrau'n gewinn' ich und verfall' in Trauer 
Und ſuch' und fliehe mich zu allen Stunden. 
So trifft mich Rach', Ixion gleich, mit rauher 
Beſtrafung, wechſelnd ſtets in ſteter Dauer. 


8 


65 Als kühn dem ſüßen, überird'ſchen Schemen 
Mein ird'ſcher Trieb genaht zu ſel'ger Labe, 
Doch ohne zu begreifen, was er that — 

Denn ihrem Reiz entſproß der blinde Knabe, 
Deß bitt'rer Pfeil, um Rach' an mir zu nehmen, 

70 Wahnſinnig ſtrafte den verweg'nen Rath —: 

Da gab mir Amor für die Miſſethat 

Verdienten Lohn, und, um mich mehr zu plagen, 

Soll Rückerinn'rung nagen, 

Umkreiſend her und hin die Seiten beide, 

Mir ohne Raſt und Ruh' am Eingeweide, 

Ein Nimmerſatt, der ſtets in Schlund und Magen 

Den Hunger wachſen ſieht mit jedem Biſſen, 


—4 
OT 


Auf daß ſie nimmer mich zu quälen meide. 
So muß ich leben, nie der Pein entriſſen, 
80 Ein neuer Tityus, ohn' es klar zu wiſſen. 


Von Liebe, die ich Andern raubt' im Stillen 
Und im verſtellten Buſen zu verſtecken 
Trugvoll verſtand, genoß ich und genas; 
Ich wußte ſo die Täuſchung zu verdecken, 
85 Daß ſolche Glut ich, war ſie mir zu Willen, 
Mit Lieb' erſtickte, die ich nicht beſaß; 
Doch gab mir Amor bald gerechtes Maß 
Der Züchtigung mit rächeriſchem Grollen: 
Aufklomm ich wider Wollen 
90 Zum Berg der Härte, den in Euch ich ſehe, 
Mit jenem wucht'gen Felsblock „Sehnſuchtswehe“, 


9 


Ich wälz' auf's Neu', den Gipfel zu erſiegen, 
Umſonſt! er ſtürzt auf's Neu', wie klug ich drehe; 
95 Nicht ſtaune, Siſyphus! — ich würd' erliegen, 
Hätt' ich im Drang der Pein ihn nicht erſtiegen. 


Der ſtets an Glückes Rand mir muß entrollen; 


| So zeigt ſich meinem hungernden Begehren 
Das höchſte Glück, auf daß mit herbern Peinen 
Belaſte ſein Verluſt den trüben Muth, 

10 00 Dem Geiz'gen gleich, dem Nachts im Traum erſcheinen 
| Verborg'ne Schätz', um den Beſitz zu mehren 

Und zu beſänft'gen ſeines Durſtes Glut; 

ö Aufwachend geht er hin mit haſt'ger Wuth, 

Um nachzugraben an erträumter Stelle; 

105 Doch was er ſucht, hat ſchnelle 

Sein Mißgeſchick zu Kohlen umgeſtaltet, 

So daß die Gier nur mächt'ger in ihm waltet, 
Weil, was er hofft', entfloh wie Wind und Welle. 
| So macht verſtandlos Amor mich zur Stunde; 
110 Denn wer da weilt, wo Nacht und Nebel ſchaltet, 
| Der litte nicht jo ſchwer im Höllenſchlunde, 

| Verblieb' ihm nicht vom Himmelsglück die Kunde. 


I Laß ab, o Lied! — Was könnt' ich weiter jagen? 
Doch ſoll der Schrei, zu lindern, was ich dulde, 
115 Kund thun der Welt, wer meinen Tod verſchulde. 


h ee) a ——— 


| 


| 
| 
| 
| 
| 


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10 


III. 


Schu anen liel. 


Schon hat die roſighelle 
Frühgöttin aufgethan des Morgens Thore 
Und rings vom Nebelflore 
Die Berg' entſchleiert durch des Lichtes Welle; 
Nie raſtend eilt der ſchnelle 
Lichtgott ihr nach, ſehnſüchtig, ſich zu freuen 
Am holden Blick der Scheuen, 
Auf ſeinen Roſſen, die, erſchlafft vom Laufen, 
Im friſchen Thau der Kräuter ſich verſchnaufen, 
Und ſteigt empor, um Licht und Luſt zu ſtreuen; 
Der kleinen Vögel Reigen | 
Hüpft froh erwacht in Büſchen und Gezweigen 
Und grüßt den lichten Tag in Flur und Hain 
Mit Melodei'n, die ſüß zum Himmel ſteigen. 


ri 


15 Das rauhe Dickicht malen, 

Sobald ihr Angeſicht die reizerfüllte 

Frühgöttin kaum enthüllte, 

Lichtgrüne Schimmer und verklärte Strahlen. 

O wonnevolle Qualen! 
20 O Wirken Amor's, groß und ohne Gleichen! 

Mich läßt er das erreichen, 

Daß immerdar, allwo ich geh' und ſtehe, 

Ein ſeraphgleiches Angeſicht ich ſehe, 

Das ſanft mich ſtimmt, wie trüb die Tag' entſchleichen. 
25 Du aber dank', o feine 

Aurora, dem Geſchick, weil ungemeine 

Anmuth es dir verlieh und wohlgewillt 

Dich ſchuf zum Bild ſo hehrer Schön' und Reine. 


Im heitern Licht der Frühe 


30 Erſcheint mir, die den Tod mir giebt, die Holde 


Mit ihrem Haar von Golde, 

Dem nimmer Gold ſich gleicht, wie ſehr es glühe. 
Schnell ſcheucht und ohne Mühe 

Dies Licht die düſt're Finſterniß mir drinnen 


35 Von meinem ſüßen Sinnen; 


Das Thaugeperle, das die Blümchen ſaugen, 
Sind Thränen, müd' und trüb, aus meinen Augen, 
Die ob der Freud' an meiner Qual verrinnen; 
Die Vögel, die da ſingen, 
40 Gefühle ſind's, die meiner Seel' entklingen, 


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Er 


60 


12 
Den ſelt'nen Reiz lobpreiſend mit Getön 
So göttlich ſchön, daß Staunen ſie erzwingen. 


Gleichwie ſich's wohl begeben, 
Daß Kranke, faſt entrückt dem ſüßen Lichte, 
Sah'n heilige Geſichte 
Vor ihrem Blick in letzter Stunde ſchweben: 
So ſieht, indeß mein Leben, 
Das Ihr, o meine Herrin, ſeid, mir ſchwindet, 
Mein Geiſt, der ſtets ſich findet 
In Eurer Näh', der Leibeshaft entſprungen, 
Euch vor ſich in Geſtalt der ewigjungen 
Aurora, die das Dunkel überwindet. 
O hochbeglücktes Scheiden! 
O Seligkeit, in Wahrheit zu beneiden! 


5 Wenn nur die Sehnſucht Sterben nicht verwehrt; 


Denn Leben kehrt, darf ſolche Luſt mich weiden. 


Doch geht die Kraft zur Neige, 
Die meine Seel' aus dieſer Schau geſogen, 
Und iſt geſchwind verflogen, 
Sobald der Lichtgott ſteht am Himmelsſteige; 


Und dünkt's Euch ſchwach und feige, 


Daß ſo ich ſiech' und ſterb' in Klag' und Weinen: 
Die Schuld an ſolchen Peinen 

Trägt Amor oder Ihr, die ſtets er meidet, 
Weil Ihr ſo lange Trennung mir beſcheidet, 
Auf daß ſich Noth und Tod in mir vereinen; 


13 


Und wandl' ich ohne Gnade, 
Ein Menſch aus Fleiſch und Bein, des Todes Pfade, 
So flieht das Leben, das mir Amor lieh; 

70 Mein war ich nie: mein Tod iſt Euer Schade. 


O Schwanenlied, erdacht in letzter Stunde! 
Dem harten, kalten Steine 
Sei als Gedächtnißzeichen im Vereine 
Mit meiner Grabinſchrift du eingehau'n; 
75 Denn Todesgrau'n durchbebt ſchon mein Gebeine. 


IV. 


Scheillegruss nath Coimbra. 


Am Glanz der Sonnenſtrahlen 

Hinwandeln nimmer raſtend 
Die Waſſer des Mondego bis zum Meere; 
Dort war's, wo meine Qualen, | 

5 Allmählich ſchwerer laſtend, 
Begannen einſt zu dauerndem Beſchwere. 
Auf daß mich Gram verzehre, 

Erſchien auf dem Gefilde, 
Dem wonn'gen, mir die Holde, 

10 Das Haupt von Schnee und Golde, 
Das ſanfte Lächeln und der Blick voll Milde, 
Das Antlitz huldumſtrahlt, 
Das ſtets vor meiner Seele ſteht gemalt. 


| 
| 
| 15 
Mir war ein Loos beſchieden, 

i 15 Genehm und lieb dem Herzen, 

Auf jener Flur, der friſchen, reizgeſchmückten; 


Erlangt' ich Ruhm durch Schmerzen, 

| Die aus jo ſchönen Augen mich durchzückten. 
| 

l 


| Mit meinem Krieg im Frieden, 
| 


0 Mich täuſchten und beglückten 
Hoffnungen alle Morgen; 
So lebt' ich viele Tage 
Ein Leben, frei von Plage, 
In ſüßem Glück verloren und geborgen; 
25 Doch ach! was ſoll das jetzt, 
Da nie der Augen Reiz mich mehr erletzt? 


| Wer hätte ſagen jollen, 
| Es könnt' auch dieſe Liebe, 
So tief und heiß, vielleicht zu Ende gehen? 
30 Und wer befürchten wollen, 
Daß mein Geſchick mich triebe, 
Auf dieſer Welt Euch, Herrin! fern zu ſtehen? 
So daß ich müßte ſehen 
Dereinſt in kurzen Stunden 
35 Mein Hoffen all verkümmert, 
Dien eitlen Wunſch zertrümmert 
Und Alles — nur Erinn'rung nicht — verſchwunden! 
Denn die verläßt mich nicht, 
Bis einſt der Mund Lebwohl für immer ſpricht. 
| 


40 


50 


En! 
O 


60 


16 


Die größte Freud' im Schmerze, 
Die mit mir zieht in's Weite 
Und die mich Armen, hoff' ich, hält am Leben, 
Die iſt, daß Euer Herze, 
Seitdem ich Euch mich weihte, 
Nie ſo, wie meins, der Liebe ſich ergeben; 
Nun werden nicht durchbeben 
Seit unſerm Scheidetage 
Euch jene bittern Wehen, 
Die mir zu Herzen gehen; 
Denn trüber wär' um Euern Schmerz die Klage, 
Als um das eigne Leid; 


Ich ſterbe gern, wenn Ihr zufrieden ſeid. 


Nun ſollſt du dich vereinen, 
Mein Lied, auf ihrem Gange 
Den klaren Wogen durch die Au'n und Weiden 
Und ſeufzend um mich weinen, 
Auf daß wie eine lange 
Geſchichte man vernehme meine Leiden 
Und mein Gedächtnißmal 
Verbleiben all die Thränen ohne Zahl. 


v. 


Die Schönheit ler Geliebten. 


Vermöchte ſich dem Herzen 


#2 | 
| 
Mein Sinnen, ſüß und innig, 


| 
Wie's drin ſich birgt, aufſchreiend zu entringen, 


And dürft? es von den Schmerzen, 
5 So wild und widerſinnig, 
O Herrin, ganz geheim Euch Kunde bringen: 
Dann könnt' es wohl gelingen, 
| Daß Euer harter Sinn 
| Unnähme Güt’ und Milde 
| 10 Und ich, der durch's Gefilde 
Ruhmlos ich flattre jetzt und traurig bin, 
| Sangreich zum Himmel hin 
Mich hüb', ein weißer Schwan, und Tongebilde 
Ergöſſ' und im Gedicht 
15 Mein Leiden malt' und Euer Angeſicht. 


Camoens, Canzonen. 


1 


18 


Die Augen würd' ich malen, 

Die ſchönen, drin der Kleine 

Gefeſſelt ſitzt, von ihrem Glanz erblindet; 

Im Schmuck der gold'gen Strahlen 
20 Das Haar, vor deſſen Scheine 
Der Sonne lichter Strahl verbleicht und ſchwindet; 
Das Haupt, wie keins ſich findet 
Auf dieſem Erdenrund; 
In des Geſichtes Mitten 
Die Naſe ſchön geſchnitten, 
Und hier und dort zur Seit' ein Roſengrund; 


1 
or 


Den anmuthvollen Mund, 
Deß Lob zu künden Jedem wird beſtritten, 
Ein Schatz, begehrt und hold, 

30 Deß Zähne Perlen ſind, die Worte Gold. 


Dann ſollte klar man ſehen, 
Wie ſich Natur erhöhte, 
Holdſel'ge Herrin, als ſie Euch geſtaltet; 
Indeß in meinen Wehen 
35 Der Welt die Schau ſich böte, 
Wie Eure Schönheit wirkt in mir und waltet. 
Nur daß Ihr, wie verkaltet, 
Mein Herz zerquält und brecht, 
Das würd' ich nimmer ſagen, 
40 Damit Euch anzuklagen ö 
Ob ſolchen Fehls ſich Keiner je erfrecht. 
Und früge man mit Recht: 


fu 
ou 


19 


Was ſtirbſt du? ſpräch' ich dies auf ſolche Fragen: 


Weil ſie ſo ſchön und hehr; 
Sonſt ſterb' ich ihretwillen nimmermehr. 


Wenn unbedachter Weiſe, 
Herrin, ich je Euch kränkte 
Und von Euch ſchriebe, was ich nicht ergründe, 
Und ſo in meinem Preiſe 


50 All Eure Reiz' umſchränkte, 


Daß Menſchenwitz etwas davon verſtünde: 

So wär' an dieſer Sünde, 

Beſäng' Euch ſo mein Mund, 

Schuld einzig nur die Liebe; 

Denn wenn ich ſtumm verbliebe, 

Würd' Euer Lob aus meiner Qual doch kund; 
Und wo man aus dem Grund 

Die Folg' erklärte, ſpräch' aus freiem Triebe 
Und ohne Furcht mein Gram: 

Wer mich bemerkt, der weiß, woher ich kam. 


Flugs wieſ' ich dann die immer 
Sehnſücht'gen Augen Allen; 
Das Seufzen, das die Seele rafft von hinnen; 
Der Freud' erlog'nen Schimmer; 


65 Der Schritte müdes Wallen; 


Das Reden, ohne ſein mich zu entſinnen; 
Ein Zürnen mit mir drinnen 
Und ein Beſchwicht'gen dann; 


2* 


75 


80 


85 


20 


Ein Wagen und Verzagen, 

Keck Gehen, um zu fragen, 

Und ſchüchtern Flieh'n, bevor ich noch begann, 
Bis ich den Schluß gewann, 

Es ſei das Ziel von allem Thun und Sagen 
Herzweh' und Thränenflut 

Und Eure Kält' und meine Liebesglut. 


Doch, Herrin, wem gelängen 
Je Wort', um meine Schmerzen 
Mit Curer Schönheit in Vergleich zu bringen 
Und laut in ſüßen Klängen 
Die Herrlichkeit im Herzen, 
Die Amor mir verleiht, herauszuſingen? 
Denn nimmer kann's gelingen 
Des Menſchen winz'ger Kraft, 
Die wucht'ge Laſt zu heben, 
Eh Hülf' ihm nicht im Streben 
Ein holder Blick, ein ſüßer Trug verſchafft 
Und macht ihm ſeine Haft 
So lieblich und ſo mühelos ſein Leben, 
Daß ihm zu Luſt ihr Lob 


0. Sich wandelt, wenn er ſchrieb und ſie erhob. 


Nicht mehr, o Lied! Sind nicht genug der Verſe, 


So wünſche Keiner noch 
Von dir ſich mehr; zu wenig wären's doch. 


VI. 


| Auf Baul. 


I 3 


| Mlit ungewohnter Kraft 

Erwärmt die ew'ge Lohe 

Ein Inſelland, im fernen Oſt gelegen, 

Mit fremder Völkerſchaft; 

| 5 Des Winters Hand, die rohe, 

| Bringt Luft und Grün hier Auen und Gehegen; 
Dem Luſitaner Degen 

| Iſt rings das Land verfallen 


| In Strömen heißen Bluts; 

10 Zaubriſch umgürtet ruht's 

Von Meereswogen, die es hold umwallen; 

| Blick weidet ſich und Heerde 

| An Gras und Kraut, das hier entſprießt der Erde. 


22 


dein Mißgeſchick gebot, 


15 Daß hier von meinem Leben, 


20 


H 


Das nimmer mein, ein großer Theil entſchwände, 
Damit ich hier im Tod 

Durch Mars' gewalt'ges Streben 

Ein blutig Grab und Angedenken fände. 
Wenn Amor zugeſtände, 

Daß noch für dieſe Jahre 

Mir werde zum Erſatz 

In der Geſchicht' ein Platz, 

Den einſt ein ſchönes Augenpaar gewahre: 
Für ſolch ein ſüß Gedenken 

Würd' ich das Leben und die Luſt verſchenken. 


Doch dieſer eitle Traum 
Läßt mir zu bitt'rem Leide 
Trugvolle Hoffnung vor der Seele ſchweben. 
Gieb nicht dem Wahne Raum, 
Mein Herz, der Tod beſcheide, 
Was unerreichbar blieb im langen Leben. 
Längſt hab' ich aufgegeben 
So gänzlich dies Vertrauen, 
Daß, Zweifelmuth im Blick, 
Vor all dem Mißgeſchick 
Ich gar verlern', im Tode Troſt zu ſchauen. 
Ach! Eines nur vergönnte 
Mir Leben: — wenn ich nicht mehr hoſſen könnte. 


| 
| 
| 23 
40 Was auch die Augen ſah'n, 
Nichts kann mir Staunen regen, 
Dia hoffnungslos zu ſein mir gar benommen. 
| Das ward mir angethan; 
Selbſt dieſen Brand zu legen, 
45 Der mich verzehrt, — wie könnt' ich dazu kommen! 
| Glaubt nicht, ich ſei beklommen, f 
Man könne mein vergeſſen; 
Ach, ſolcherlei Gefahr 
| Gewänn' ich lieb ſogar; 
50 Dann hielt' ein Fürchten doch mein Herz beſeſſen. 
| Wer ſollte je vermeinen, 
Es könne Hoffnung ohne Furcht erſcheinen! 


I Wer noch verlieren kann, 

N Nur der vermag zu beben; 

55 Wem fein Verluſt mehr möglich, — weh' ihm, wehe! 
Schuld ſeid Ihr, Herrin, dran; 

Denn mir den Tod zu geben 

Gnügt' eine Stunde, wo ich Euch nicht ſehe. 
| Ihr machtet, daß ich ſtehe 

60 umſtrickt von falſchem Hoffen; 

| Doch kränkt mich das noch mehr: 

Ich galt Euch nie ſo ſehr, 

Daß Euer Zorn mich hätte je getroffen; 
Wer ſo gering erſchienen, 


— 


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65 Vermag jo ſüße Qual nicht zu verdienen. 


| 


| 
| 


80 


90 


24 


Es that ſo lieb und lind 
Die Liebe mit mir immer, 
Wie's jetzt ſich klar ausweist in meinen Leiden; 
Denn hat gefehlt ein Kind, 
Iſt keine Strafe ſchlimmer, 
Als die verdiente Straf' ihm nicht beſcheiden; 
Und nimmer braucht zu meiden 
Der unglückſel'ge Kranke, 
Fand ihn des Arztes Blick 


5 Verfallen dem Geſchick, 


Was immer ihm behagt an Epeij’ und Tranke; 

So ließ auch mir die Liebe 

Verweg'ne Wünſche, Hoffnungen und Triebe. 
Nun quält mir Tag für Tag 

Vergang'nes Glück die Seele, 

Seit ich verbannt ein trübes Leben führte. 

Ob Jemand wähnen mag, 

Ich hätte ſolche Fehle, 

Daß drob ſo ſchwere Strafe mir gebührte? 

So kleiner Irrthum ſchürte 

Die Rach' in Eurem Herzen 

Mir, Herrin, ſo zur Pein! 

Ihr treibt ja Wucher ein. 

Doch ſollten Euch des Weitverbannten Schmerzen 

Gewähren Freud' und Frieden, 

Sei meiner Qual nie Raſt und Ziel beſchieden. 


Und Hain’ ihr am Gelände, 

Mit deren Laub ſich edle Sieger ſchmücken; 

95 Die ihr für Pfleg' und Hut 

N Des geiz'gen Pflanzers Hände 

| Vom ſelben Stamm laßt mehrlei Früchte pflücken; 
| Euch möge nie bedrücken, 


| 
| 
O ſchöne, klare Flut 
| 


| Wofern in meinen Qualen 
‚100 Ihr Lab’ und Troſt mir weiht, 

Ein Ungemach und Leid, 

Dieweil der Mond empfängt der Sonne Strahlen, 
| Auf daß die Nachwelt lerne, 

N Man ſterbe nicht durch Trennung oder Ferne. 


105 Mein Lied, verbannt hier bleibſt du, — eine Stimme, 
Nackt, ungehört, erkaltet, 
| Bis einst die Zeit zur Echo dich geſtaltet. 


I. 


Ihre Augen. 


Amor gebeut, ich ſoll in ſüßen Tönen, 
Was meiner Seel' er eingeprägt, beſingen; 
Er wendet vor, das lind're meine Pein, 
Und ſagt, um mit dem Leid mich auszuſöhnen: 
5 Das Lob ſo ſchöner Augen, die mich fingen, 
Im Lied zu künden, werde Troſt mir leih'n. 
Zu dieſem Selbſtbetrug, ſo ſchlau und fein, 
Entſchlöſſ' ich einzig ſchon mich Amor's wegen, 
Stemmt' er ſich nicht dagegen, 
9 Indem er meinen Geiſt mit Qual umnachtet; 
Doch kraft der holden Züge, 
Die ich beſinge, wag' ich höh're Flüge; 
Und faſſ' ich nicht, was mein Geſang ertrachtet, 
Zu Hülfe ruf' ich dann 
15 Den ſchönen Blick, der mehr als Amor kann. 


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40 


27 


Unkundig Amor's bracht' ich hin mein Leben, 
Verachtend ſeine Pfeil' und ſeine Tücke, 
Dieweil ich davon lebt' und Nahrung nahm; 
Ein falſcher Amor, dem ich mich ergeben, 
Indeß ich Tauſenden zerſtört' ihr Glücke, 

Ließ mich verlachen Andrer Liebesgram. 
Phoebus betrat den Stier und Prokne kam, 
Des Achelous Horn goß Flora nieder: 

Da wogten hin und wieder, 

Gelöst von Amor's Hand, die gold'nen Locken, 
Die vor dem Wind entflohen; 

Dem Augenpaar entſchoß lebend'ges Lohen; 
Die Roſen blühten aus des Schneees Flocken; 
Ein Lächeln ach! entſtand, 

Um eine Bruſt zu ſprengen von Demant. 


Es kam — ich weiß nicht was — mit ſüßem Hauche 


Und wirkte neu und wunderbar Bewegung, 
Die auch Empfindungsloſes ſelbſt bezwang: 
Die vielgeſchwätz'ge Schaar in Buſch und Strauche 
Miſcht' ungewohnte Tön' in Liebesregung, 
Wie's meine Sehnſucht thut, in ihren Sang; 
Der klare Bach ſtand ſtill in ſeinem Gang, 
Entflammt vom Angeſicht, ſo rein und milde; 
Es blühte das Gefilde, 

Berührt von ihren göttlichſchönen Füßen; 

Es neigten ſich die Zweige, 

Sie gönnten nicht ſein Glück dem Wieſenſteige 


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60 


Und wollten auch demüthig ſie begrüßen; 
Ja, ringsum außer ſich 
War Alles über ſie, — ich über mich. 


Denn ſehend, daß ſie mit Vernunft beſeele 
Das Unvernünft'ge, fühlt' ich Furcht und Sorge, 
Welch eine Wandlung werd' an mir geſcheh'n; 
Ich kam zur Einſicht, daß mir Einſicht fehle 
Und Amor ſo viel bloß davon mir borge, 

Um ſeine wirkungsvolle Macht zu ſeh'n: 

Er ließ gewalt'ge Rach' an mir ergeh'n, 
Indem er mein Gefühl den Bergen ſchenkte 
Und deren Härte ſenkte 

In meine Bruſt, daß dort Entgelt ſie leiſte. 
Welch liebevoll Entſcheiden! 0 
Fühlloſe Berg' in eine Kraft zu kleiden, 

Die früher wohnt' in einem Menſchengeiſte! 
Seht, ein Betrug voll Luſt! 

Ward zum Gemeingewinn doch mein Verluſt! 


Als mein Empfinden der Vernunft entbehrte, 


Da mußte Gram mir der Gedank' erregen, 


Sie wäre nun der Gier zur Sklavin da; 
Nur daß zuletzt mein Sinnen mich belehrte, 


5 Es ſei Vernunft, daß hier Vernunft erlegen, 


Weil aus ſo hehrem Grunde das geſchah; 
So daß Vernunft, die ich verloren ſah, 


29 


| Grad’ im Verluſt mir ward zurückbeſchieden, 

| Und nun in Ruh’ und Frieden 

70 Feindſel'ge Dinge dicht beiſammen leben. 

| O herrliches Vereinen! | 
Muß nicht die Urſach' Allen göttlich ſcheinen, 
Aus der ſo große Wirkung ſich ergeben, 

Daß zu Vernunft ſich ſchier | 

In einem Herzen wandelte die Gier? 


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Hier Jah ich Amor's Macht ſich überfeinen: 
Empfinden mußte das Empfindungsbaare 
Und durch mich ſelbſt ich ſelbſt zu Grunde geh'n; 
Fürwahr! ich ſah Natur ſich ſelbſt verneinen 
80 Und glaubt’, es ſei dem ſchönen Augenpaare 
Unmöglich nichts, als hold mich anzuſeh'n; 
Und als ich fühlt', es ſei um mich geſcheh'n, 
Hat ſtatt der Sinne, die ſich deß begaben, 
Ich weiß nicht wer gegraben 
85 Mit der Erinn'rung Stift mir tief in's Herze 
Den Kern des Wehgeſchickes 
Und eingeprägt zugleich den Reiz des Blickes, 
Der einzig Urſach' iſt an all dem Schmerze. 
Hier gab ich als Bericht 
90 Abſchrift des Herzens bloß und kein Gedicht. 


Mein Lied, bezweifelt Jemand, 
Was von den ſchönen Augen du berichtet, 


Weil er ſie nicht geſehen; 

So gieb zur Antwort: Göttliches Verſtehen 
95 Wird nimmermehr von menſchlichem gerichtet; 

Nur ein Gedanke frommt, 

Daß Glaube der Vernunft zu Hülfe kommt. 


1 

| VIII. 
| 

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ht Autlite. 


5 Rn 


| 

| Amor gebeut, mein Herzeleid zu fingen, 
Z3Biuſtände, wie kein Lied ſie noch verkündet 

| Und auf der Welt kein Menſch erlebt zuvor; 
Er meint, es läg' ein Troſt darin begründet, 

| 5 Und will, ich ſoll noch vor den Richter bringen, 
0 Was längſt ich, wie er wußte, ſchon verlor; 

| Ich bin Partei; wer leiht ein gläubig Ohr? 
Doch iſt der Reiz ſo groß, mich zu beklagen 


0 Und laut von mir zu ſagen, 

10 Ich ſei gefeſſelt von ſo ſchönen Zügen, 

| Daß er ein Widerſtehen 

| Nicht kennt und allen Ruhm benimmt den Wehen, 
Die gar ſo ſeltſam ſind und voll Vergnügen, 
Diaß einſt auf dieſes Lied 

4 Man wen'ger gläubig als verwundert ſieht. 


| 
| 


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1 


32 


Ich lebte vor dem blinden Gott in Frieden; 


Doch war ich ſo geneigt, in Haft zu leben, 
Daß mich die Freiheit dünkte Laſt und Leid. 


Entzündet ward von ſelbſt in mir das Streben, 


Es möcht' ein ſüßes Ziel mir ſein beſchieden, 
Wie's toller Jugend Halt und Zier verleiht. 
Schon kehrt' auf's Neu' des Jahres erſte Zeit: 
In Freud' erſtrahlten die begrünten Auen, 
Da ließ mich Amor ſchauen 

Im ſanften Spiel der Frühlingsluft die loſen 
Goldfäd'gen Lockenwellen; 

Die Augen, denen Licht und Glut entquellen; 
Inmitten Schnee's erblüht, die duft'gen Roſen; 
Die Züge, hold und hehr, 

Die Bangen mir erregen und Begehr. 


Es kam — ich weiß nicht was — mit ſüßem 1 


Und wirkte neu und wunderbar Bewegung, 
Die auch Empfindungsloſes ſelbſt bezwang: 
Ganz ungewohnte Tön' in Liebesregung 


Wob die geſchwätz'ge Schaar in Buſch und zen 


Wie's meine Sehnſucht thut, in ihren Sang; 
De klare Bach Stand ſtill in feinem Gang, 
Entflammt vom Angeſicht, ſo rein und milde; 
Es blühte das Gefilde, 

Berührt von ihren göttlichſchönen Füßen; 
Es neigten ſich die Zweige; 
Sie gönnten nicht ſein Glück dem Wieſenſteige 


7 
1 


| 
| 
| 


99 
20 


und wollten auch demüthig ſie begrüßen; 
| Ja, ringsum Alles lag 
45 Beſeelt von Leben: Erde, Luft und Tag. 


| Und als ich ſah, daß fie Vernunft gegeben 
Dem Unvernünft'gen, ſehnt' ich mich zu wiſſen, 
| Was mir Vernünft'gen werde nun geſcheh'n; 
Und meiner Satzung ſah ich mich entriſſen, 
io Verwandelt all mein Sein zu and’rem Leben 
Und ſah Vernunft mir und Verſtand vergeh'n; 
Sie kam, von Amor ſo mit Macht verſeh'n, 
Daß ganz ſie mich beraubte meiner Sinne 
Und dieſe zu Gewinne — 
55 Wie, weiß ich nicht — trotz den Naturgeſetzen 
| Den Bäumen und den Hainen 

Gab ringsumher, den Kräutern, Quellen, Steinen, 
Die dann ihr Reiz erfüllte mit Ergetzen; 
N Ich ſtaunt' und ſtand erſtarrt 
4 Gleichwie ein Baum, empfindungslos und hart. 


| 

1 Als Sinn mir und Gefühl ſie nun entwunden, 
Da blieb nur Eins, drin ganz der Geiſt ſich kehrte, 

| Menſchliche Gier blieb ganz allein noch da; 

| Nur daß — ich weiß nicht wer — mich dann belehrte, 
65 Es ſei Vernunft, wenn hier Vernunft entſchwunden, 
Weil aus ſo hehrem Grunde das geſchah; 

So daß Vernunft, die ganz verbannt ich ſah, 


Camoens, Canzonen. 


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34 


Grad' im Verluſt mir ward zurückbeſchieden 
Und nun in Ruh' und Frieden 

Feindſel'ge Dinge dicht beiſammen leben. 

O wunderbar Geſchicke! | 

Wohl ſcheint die Urſach' übergroß dem Blicke, 
Aus der ſo mächt'ge Wirkung ſich ergeben, 
Daß nun im Herzen ſchier 


Vernünftig gilt die unvernünft'ge Gier. 


Seitdem ich meiner Gier nun preisgegeben, 
Ja, drein verwandelt war und aufgegangen, 
Einſam und ſcheu und meiner unbewußt, 
Hab' im Verluſt ich ſolchen Troſt empfangen, 
Daß Alles, was ich ſehe, mir daneben 
Unnütz erſcheint, nicht aber mein Verluſt. 
Als voll des ſüßen Truges war die Bruſt, 
Hat ſtatt der Sinne, die ſich deß begaben, 
In's Herz mir eingegraben 
Amor des Angeſichts erhab'ne Züge, 

So mild und ernſt und bieder, 


Des Lächelns Anmuth und den Reiz der Glieder; 


Und weil ſo großes Gut nicht zur Genüge 
Zu bergen dort gelang, 
Entquillt's dem Munde nun und wird Geſang. 


Mein Lied, bezweifelt Jemand, 
Was von dem ſchönen Antlitz du berichtet, 


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es nicht geſehen; | 
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nimmermehr von menſchlichem gerichtet; 
| Gedanke frommt, 
Glaube der Vernunft zu Hülfe kommt. 
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IX. 


Härte ler Geliebten, 


ER füge mich dem Weh', 
Verzweifelt tief im Herzen, 
Und ruf' Euch in's Gedächtniß meine Peinen; 
Weil ich verdammt mich ſeh', 


— 
(> 


Schuldig an all den Schmerzen, 

Die ich verdien' und die Ihr gebt, zu ſcheinen; 
Das kann ich nicht verneinen: 

Selbſt war zum Theil ich Schuld 

Am Leide, das ich trage; 

Sehnſüchtig all die Tage, 

Trug Euern Aufſchub ſtets ich voll Geduld; 


) 


Doch kam mir kein Verdacht, 
Unedles werde je von Euch vollbracht. 


Und war es Eure Wahl, 
Nie mehr an mich zu denken, 


20 


25 


40 


37 


Wie mir es deutlich wird aus vielen Zeichen, 
So will in meiner Qual, 

Ich Euern Blick nur lenken 

Auf dies Vergeſſen, um Euch zu erreichen: 
Seht, wie mit herben Streichen 

Ohn' Ende, Tag auf Tag, 

Mich Euer Stolz getroffen; 

Und wie das eitle Hoffen, 

Das glückverheißend mir im Herzen lag, 
Erinn'rung ruft zurück; 


Denn nur in ihr beruht mein Ruhm und Glück. 


Und wär' es Euch bekannt, 
Daß dieſe Wahrheit reiner 
Als lichtes Gold iſt aus Arabiens Auen, 
So würd' ich meinen Stand, 
Der trüb und hart wie keiner, 
Trotz Eurem Widerſpruch gemildert ſchauen; 
Gern ſtellt' ich voll Vertrauen, 
Da hier ich ohne Fehl, 
Dem Richter dar die Sache, 
Daß der ein Urtheil mache 
Und zeige, was gerecht iſt, ohne Hehl; 
Doch fürcht' ich, daß der Tod 
Euch dann um mich und mich um Euch bedroht. 


In Euch geſchrieben ſah 
Ich Euer kaltes Weſen | 
Und ſah's im Herzen, dem Ihr gebt das Leben; 


38 


Nun war Enttäuſchung da; 


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60 


Doch konnt' ich nicht geneſen: 


5 Es ſtieß auf Widerſtand ihr mächtig Streben; 


Denn eh mich kann entheben 

Der Sinne dieſe Pein, 

Kommt mein Verſtand im Streite 

Zu Hülf', und ihm zur Seite 

Steht reichgeſchmückt mit köſtlichem Geſtein 
Ein ſtarkes Söldnerpaar, 

Das Licht mir und Geleit iſt immerdar. 


Ich ſteh' in dieſer Hut 
Nun ohne Furcht und Sorgen, 
Gönnt auch das Schickſal nimmer mir zu raſten; 
Doch könnt' es, matt an Wuth, 
Sei's heute, ſei es morgen, 
Aus Laſt, mich zu belaſten, mich entlaſten; 
Und wenn mich einſt erfaßten — 
Nichts wünſch' ich wahrlich mehr — 
Noch größ're Weh'n und Schmerzen: 
Ohn' alle Furcht im Herzen 
Ertrüg' ich das, und wär' es noch ſo ſchwer; 
So ſteh' ich ſo bewehrt, 


5 Daß ſelbſt der Tod mein Weſen nicht verkehrt. 


Mein Lied, und zweifelſt du 
An alſo hartem Sinn — N 


Du kannſt die Wahrheit ſeh'n — geh' ſelber hin. 


Rn 
X. 


Am Mas Asset. 


Mah' einem Berg, der ſtarr im Strahl der Sonnen 
Daſteht und dürr, voll Mißgeſtalt und Grauſen, 
Verfeindet allem Leben und verhaßt — — 

Nicht Vogel mag, noch wildes Thier dort hauſen, 
5 Kein Bach entſpringt, noch ſprudelt dort ein Bronnen, 
Paoch ſäuſelt hold im Wind ein grüner Aſt; 
Im Volke hört, wer deſſen Sprach' erfaßt, 
Mißglückter Weiſ' ihn nennen: der Beglückte; 
Ihn hat des Himmels Hand 
10 Gepflanzt an jene Stelle, 
Allwo ein Meeresarm mit mächt'ger Welle 
Arabiens Rauheit, drin gegründet ſtand 
Einſt Berenike, weit von Habeſch rückte; 
Dort ſteht er auf der Küſte, 


15 Wohin die glühe Sonne geht zur Rüſte — — 


40 


Dem Berge nah' iſt jenes Kap zu ſchauen, 

Das Afrika's nach Oſt geſchwung'nem Strande 
Die Grenze ſteckt, das Kap Aromata; 
Aromata vordem, das dann im Lande 

20 Mit roherer Benennung ſeiner rauhen 
Einwohner Mund im Zeitenlauf verſah. 
Auf dieſes Meer, wo's, jenem Arme nah), 
In deſſen Gurgel brauſend ſucht zu dringen, 
Hinſchleppt' auf ein'ge Zeit 

25 Mich meines Schickſals Tücke; 
Vom kurzen Leben ſollt' ein kurzes Stücke 
In dieſes Welttheils wüſter Einſamkeit 
Auch hier betrübt ich und vergrämt verbringen, 
Auf daß von meinem Leben 

30 Bruchtheilchen ſei'n an alle Welt gegeben. 


Hier weilt' ich und verbrachte traur'ge Tage, 
Einſame, knechtiſche, betrübte, ſchlimme, 
Voll Zorn, Beſchwerde, Gram und Mißgeſchick; 
Nicht bloß erhub ſich gegen mich im Grimme 
35 Mühſal und Meereskält' und Sonnenplage, 
Und dunſt'ger Luftkreis, glühend, ſchwer und dick; 
Nein, die Gedanken ſelbſt, die ſonſt den Blick 
Erheitert und beſchwichtigt ſtets das Herze, 
Sie ſtanden feindlich da 
40 Und ließen früh'rer Zeiten 
Flüchtiges Glück dem Geiſt vorübergleiten, 
Das einſt ich, als ich lebt', auf Erden ſah, 


| 
\ 4 


| Zwiefache Wucht zu geben meinem Schmerze 


Und klar mir zu bekunden: 
45 Die Erde ſei doch reich an frohen Stunden. 
| 


Hier mußte Zeit und Leben ich vergeuden. 
Mit ſolcherlei Gedanken, deren Schwingen 
So hoch empor mich hoben, daß ich fiel — 
Denkt, ob's ein Leichtes iſt, hinabzuſpringen — 
50 Aus Phantaſiegebilden eitler Freuden 
In ein Verzweifeln ohne Maß und Ziel. 
Hier wurde jach der Träume ſüßes Spiel 
In Weinen und Geſeufz mir umgeſchaffen, 
Daß rings die Luft erſcholl; 
55 Hier jammert' im Gefängniß 
Des Leibes meine Seel' in Noth und Drängniß, 
Von Schmerz umſtellt, vergrämt und kummervoll, 
Und preisgegeben ohne Wehr' und Waffen 
Den ungeſtümen Streichen 
60 Fortunens, unbarmherzig ohne Gleichen. 


Dem Herzen blieb kein Hoffen auf Erquickung, 
Und allumher gewahrt' ich keine Stelle, 
Um auszuruh'n mein Haupt, ſo müd' und ſchwer; 
Schmerz Alles nur und Alles Schmerzes Quelle, 
65 Doch nicht zum Tod, auf daß den Kelch der Schickung 
Die Seele trinke bis zum Grunde leer. 
Mein Seufzen bringt zur Ruh' das zorn'ge Meer; 


80 


90 


42 


Die Winde wiegt, ſo ſcheint es, meiner Stimme 
Wehklag' in leiſen Schlaf: 

Der Himmel nur, die Sterne 

Und mein Verhängniß ſeh'n voll Härt' es gerne, 
Daß ewig neu Verluſt und Leid mich traf; 
Zeugniß von ihrer Macht und ihrem Grimme 
Soll geben, wie ich glaube, 


Ein armer Wurm, der tief ſich krümmt im Staube. 


Wenn all der Noth Gewißheit nur entſpränge, 
Ich ſolle noch dem ſchönen Augenpaare, 
Das einſt ich ſah, erſcheinen lieb und werth; 


Wenn dieſes trübe Lied im Lauf der Jahre 

Weit ſchallend noch zum Ohr der Holden dränge, 

In deren Blick mir Leben war beſcheert; 

Wenn dann, ein wenig nur in ſich gekehrt, 
Sie regen Sinns in raſcher Folg' erwöge 

Die längſt entſchwund'ne Zeit 

Der lieblichen Verirrung, 

Der ſüßen Qual, der ſeligen Verwirrung, 

Die gern ich ſucht' um ſie und litt bereit, 

Und durch ihr Herz — ſpät zwar — ein Mitleid zöge, 
So daß ſie Gram empfände 

Und ihre Härt' im Stillen ſich geſtände: 


Das würde, wüßt' ich's nur, mit ſüßer Labe 
Erquicken, was noch bleibt von meinem Leben, 


| 


Und meine Pein beſchwicht'gen lind und mild. 
Ach, Herrin! welche Macht iſt Euch gegeben, 
95 Daß Ihr ein Herz, dem alle Luſt zu Grabe 
Schon lange ging, mit ſüßem Truge ſtillt! 
| Schwebt vor dem Geiſte kaum mir Euer Bild, 
| Wird aller Schmerz und aller Gram zu Nichte; 


| 
| | 43 


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Stark fühl ich mich und kühn, 
00 Wenn Euer bloß ich denke, 
| Daß vor dem Tod ich nicht die Stirne ſenke 


And Hoffnungen im Herzen mir erblüh'n, 
Durch die ich bald mit fröhlichem Geſichte 
| Seh’ alle Qual zerronnen 
| 


05 In ſüße Träumerei'n und ſel'ge Wonnen. 


* In ſolchem Sinnen weil' ich hier und frage 
Nach Euch die Lüft', o Herrin, die da wehen 
Von dort herüber ſo verliebt und lind; 
Die Vögel frag' ich, ob ſie Euch geſehen, 
110 Wie, wo, in weſſen Näh', an welchem Tage, 
Zu welcher Stund' und was Ihr treibt und ſinnt. 
Das hebt den Muth, und neue Kraft gewinnt 
Mein müdes Leben, um hinwegzuräumen 
Unglück und Laſt und Leid, 
115 Nur weil ich gern Euch ſähe, 
Euch Dienſt' erwieſ' und blieb’ in Eurer Nähe. 
Sie bringe Rath, — begütigt mich die Zeit; 


Doch meine Sehnſucht kannte nie ein Säumen 


44 


Und reißt mir unvermuthet 
120 Des Herzens Wunden auf, daß neu es blutet. 


So leb' ich, und befragt, o Lied, dich Jemand: 
Warum ich denn nicht ſterbe; 
Kannſt du erwiedern: Darum, weil ich ſterbe. 


XI. 


Eebenssthichsale, 


| So komm herbei, Papier, du zuverläſſ'ger 

| Aufzeichner meiner nie verſiegten Klagen, 

| Der treu mir lindern hilft der Schmerzen Muth; 

Nimm auf das Unrecht, das in allen Tagen 

E Seither mir anthut meines Sterns gehäſſ'ger 
Rathſchluß, für Wehruf taub und Thränenflut; 
Ein wenig Waſſer gieb der großen Glut, 
Daß eine Qual aufziſchend ſich entbinde, 

Wie keine drang in Menſchenhirn und Herz, 

10 Und melde dann den Schmerz, 

An Gott und Welt und Volk und — alle Winde, 
Vor denen oft ich ſchon die ſchwere Pein 

Wie jetzt beweint' umſonſt mit trüber Seele; 


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46 


Doch weil ich auserſeh'n zu Fehl und Irrſal, 
Iſt ſicher mir verhängt auch dieſes Wirrſal; 
Und weil ich immerdar das Ziel verfehle, 


Wer kann, geſchieht's auch jetzt, der Schuld mich zeih'n? 


Als Troſt und Zuflucht bleibt mir dies allein: 


In Weiſ' und Wort zu irren unverſchuldet: 


Weh', wer mit gar ſo Wen'gem ſich geduldet! 


Längſt ſchwand der Wahn, es könne Troſt mir ſchaffen 


Ein Klagelaut; doch wen mit wildem Grimme 


Der Schmerz ergriff, den zwingt er aufzuſchrei'n. 


Schrei'n werd' ich; doch iſt ſchwach und matt die Stimme 


Und kann der Wucht die Seele nicht entraffen, 
Selbſt nicht erleichtern kann der Schrei die Pein. 
Wer ſollte Zähren mir und Seufzer leih'n 

Und ihrer gar ſo viele mir gewähren, 

Daß meinem Leide käme gleich die Zahl? 

Wer hätte Harm und Qual | 

Auch je geheilt durch Seufzer und durch Zähren? 
So thu' ich kund, wozu mich mächtig drängt 
Unwill' und Kummer und — ihr ſtetes Mahnen, 
Ein Schmerz von größ'rer Kraft und läng'rer Dauer. 
Herkomme, wer verzweifelt ſitzt in Trauer, 
Fortgehe, wer noch folgt der Hoffnung Bahnen, 
Ja, wer getäuſcht am Schein der Hoffnung hängt; 
Weil Jener nur Befähigung empfängt 

Von Amor und Fortuna, kraft der Wehen, 


40 Die ſelbſt er litt, die mein'gen zu verſtehen. 


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47 


Als ich entſtieg dem mütterlichen Grabe 
Und kam zur Welt, nahm alſogleich das Walten 
Unſel'ger Sterne mich in Frohn und Zwang; 
Freiheit des Willens ward mir vorenthalten; 
Denn oft erkannt' ich Beſſ'res ſchon als Knabe 
Und folgte Schlecht'rem, — nicht aus eignem Drang. 
Und daß ſich ſteig're mit der Jahre Gang 
Die Laſt der Schmerzen, ward in kurzen Stunden, 
Als kaum das Licht mein Auge noch erhellt, 
Der blinde Gott beſtellt, 
Ohn' Unterlaß das Herz mir zu verwunden. 
Des Kindes Thrän' entrann ſchon im Geleit 
Von Liebesträumerei und Herzbedrängniß, 
Und aus dem Wiegenbett der Ton der Schmerzen 
Klang wie ein Seufzerlaut aus trübem Herzen; 
So ſtand im Einklang Alter und Verhängniß. 
Und lullte man mich ein zur Dämmerzeit 
Und ſang mir vor ein Lied von Lieb' und Leid, 
Dann überkam mich gleich ein ſüßer Schlummer; 
So war verwandt mein Herz mit Gram und Kummer. 


Mich ſäugt' ein Wild; denn aller Weibestriebe — 


Das wollten des Geſchickes Tück' und Ränke — 


War Jene baar, die ihre Bruſt mir bot. 

So ward ich aufgenährt, auf daß ich tränke 
In frühſter Kindheit ſchon das Gift der Liebe, 
Weil ich's im reifern Alter unbedroht 
Einſchlürfen ſollt' und finden nicht den Tod. 


—] 


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48 


Bald trat vor Augen dann von jenem ſchönen 
Menſchlichen Wild das Gleichniß mir und Bild, 
So giftig und ſo mild, 

Das nie der Hoffnung Bruſt mich wollt' entwöhnen; 
Dann kam das Urbild ſelber, licht und klar, 
Das Weh' und Wahn, darein ich je verſunken, 
In's Herz mir goß, hochmüthig und verkaltet, 
Ein irdiſch Weib — ſo war ihr Leib geſtaltet; 
Doch ihrer Seel' entſprühten Himmelsfunken; 
In Gang und Haltung, Stirn und Augenpaar 
Lag lockend Unheil, reizende Gefahr; 

Denn Alles gab Natur in holder Einung, 
Was lieb und ſchön, der herrlichen Erſcheinung. 


Manch neues Weh', manch unbekanntes Leiden 
Ward gegen mich von Amor ohne Säumen 
Nicht bloß verſucht, nein! voll in's Werk geſetzt: 
Fühlloſigkeit, die rauh den Sehnſuchtsträumen, 
Dran Seel' und Sinn nur allzugern ſich weiden, 
Glückſel'ge Plane mit Gewalt zerfetzt 
Und all das Herz im tiefſten Grund verletzt; 
Gedankenbilder dann und Scheingeſtalten 


Von künft'ger Luſt und wonnigem Geſchick, 


Wie vor dem trunknen Blick 

Tollkühne Hoffnungen ſie gern entfalten; 
Verbitt'rung dann, trat kalter Hohn mir nah', 
Der ſchonungslos, wie keck und ungezügelt 
Mein Wunſch mich täuſchte, zeigt' in voller Klarheit; 


| 
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49 


95 Wahrſag'riſch Klügeln auch und dann als Wahrheit 
Feſthalten, was ich Gutes draus geklügelt, 
Und Leugnen, was mir Uebles drin geſchah, 
Nachſinnend, wie das Schlimme, was ich ſah, 
Mir böte dar willkommnere Beſcheidung; | 


| 100 Doch allzuviel war ſolcher Narrentheidung. 


Mit ihren Strahlen wie mit Zauberkünſten 
Verſtand ſie mich des Herzens zu berauben, 
Das allgemach ſich durch die Augen ſtahl 
Und unbemerkt entſchwand — wer ſollt' es glauben? — 


| 105 Wie von benetztem Tuch in leichten Dünſten 


| 
| 


Die Feuchtigkeit verfliegt im Sonnenſtrahl. 

Ihr Angeſicht, das Wonne giebt und Qual, 
Für deſſen Reiz kein Wort genügt zum Preiſe 
Und „hoch und hehr“ erſcheint zu kahl und kalt, 


110 Und ihres Blicks Gewalt, 


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Die Alles hält gebannt in ihrem Kreiſe: 

Die beiden bot mir dar des Schickſals Hand 
Als Zaubertrank, der and'res Sein und Weſen 
Mit ſeiner Kraft mir Jahrelang beſchieden; 


115 Und mit der Wandlung war ich ſo zufrieden, 


Daß arg getäuſcht ich wähnte mich geneſen 
Und vor die Augen mir den Schleier band, 
Der mir verbarg, wie trüb es um mich ſtand: 
Mein Leiden wuchs, ſowie mit Wohlbehagen 
120 Ein Kind an deren Bruſt, die's einſt getragen. 


Camoens, Canzonen. 4 


50 


Doch wer beſchriebe, wie ich fern ihr lebte, 
Wie Alles, was ich ſah, mir mißbehagte 
Und wie das Herz nie weilte, wo ich ſtund; 
Ich klagt' und wußte nicht, warum ich klagte; 
Ich ging und ſah kein Ziel; ich ſeufzt' und bebte 
In tiefſter Seel' und kannte nicht den Grund; 
Und wenn die Qual, die aus dem Höllenſchlund 
Zur Welt heraufſtieg, wenn das Weh' mich quälte, 
Das mehr als alle quält und nimmer ruht, 
130 Das häufig bitt're Wuth 

Und ſüßen Gram im Herzen ſchon vermählte: 


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1 


Dann — wildempörten Sinns um all das Leid 
Verwünſcht' ich Lieb' und dennoch wünſcht' ich Liebe 
Und ſuchte rings der Sehnſucht ohne Hoffen 

135 Ein and'res Ziel, von Racheluſt getroffen; 
Doch ſchwer entſagt das Herz gewohntem Triebe. 
Dann tauchten Träum' empor aus früh’rer Zeit, 
Ein Schmerzgefühl, wohlthuend und geweiht, 
Das all das Wühlen mir und all das Gähren 


140 In weiche Klagen löst' und ſanfte Zähren. 


Dann ſucht' Entſchuldigung ich auszugrübeln; 
Denn inn'ge Neigung wehrt' es meinem Herzen, 
An der Geliebten eine Schuld zu ſeh'n; 
Ausflücht' erſann ſich drum aus Furcht vor Schmerzen 
145 Mein Lebensdrang und lehrte mich den Uebeln 
Durch Selbſtbetrug und Täuſchung widerſteh'n; 
Ein Theil der Jahre ſchwand in ſolchen Weh'n. 


51 


Entriß ein Sinnenrauſch mich dann ſo harter 
Beſchwerniß kurze Zeit und insgeheim, 
150 So war er nur ein Keim 
Endloſer, unausſprechlich bitt'rer Marter. | 
Von Gram zu Gram dies ſtete Wechſelſpiel, 
Dies eitle Sinnen, dies verlor'ne Säumen 
Erſtickte dann das lieberglühte Bangen 
155 In meiner Seele, das beſtänd'ge Hangen 
An all den lieblichen, verliebten Träumen, 
Darin ſich einſt mein ſchwaches Herz gefiel; 
Und endlich war der langen Härte Ziel: — 
Denn wer vermöcht' im Kampf mit ihr zu dauern? — 
160 Willkommen ward mein Leiden mir und Trauern. 


So ward ich hingedrängt in and're Richtung; 

Nicht ich, — des Schickſals Wille war der Thäter; 

Ich hätte nie gewählt mir ſolch ein Loos: 

Die ſüße Heimat floh ich meiner Väter 
165 Und ging zur See, die Fährniß und Vernichtung 

Rings dräuend barg in ihrem weiten Schooß. 

Mars' Wuth erfuhr ich dort mit Stich und Stoß; 

Dem Auge bot die Hand des Ungeheuers 

Bald ſchon des Dienſtes Frucht, ſo herb und wild; 
170 Auf dieſem meinem Schild 
Erglänzt das Wappenmal des grimmen Feuers. 
Auch irrt' ich fremd und fern von Strand zu Strand; 
Von Völkern, Sprachen, Sitten ward mir Kunde, 
Von Erd' und Himmel, wie ſie rings beſchaffen; 

4* 


52 


175 Fortunens Gunſt verſucht' ich zu erraffen, 
Die ungerecht uns richtet all zu Grunde, 
So Alt wie Jung, indem uns ihre Hand 
Ein Hoffen zeigt, hell leuchtend wie Demant; 
Doch fällt's zu Boden, gleicht es allem Glücke: 
180 Es iſt ein brechlich Glas und ſpringt in Stücke. 


Kein menſchlich Mitleid war mir hold gewogen, 
Kalt hatten all die Freunde mich verlaſſen 
Im erſten Unglück; als das zweite kam, 
Erblickt' ich nirgend Land, um Fuß zu faſſen, 
185 Die Luft zum Athmen wurde mir entzogen, 
Ja, Zeit und Welt verſchloß ſich meinem Gram. 
Welch Räthſelſpiel, verwirrt und wunderſam! 
In's Leben hingeſtellt, und doch im Leben 
Von Allem, deſſen es bedarf, entblößt; 
190 Niemals im Tod erlöst, 
Und immer doch dem Tod anheimgegeben! 
Ach, alle Pein ertrug ich, alle Qual, 
Anfeindung und Verbannung und Gefängniß, 
Unbilden, wie ſie deren Spruch' entſtammten, 
Zu deren Knecht das Menſchenthum verdammten 
— Der Welt verworr'ner Gang und ihr Verhängniß: 
All das ertrug ich, Leiden ohne Zahl, 
Zu feſt verknüpft mit dieſem Marterpfahl, 
Den oft das Schickſal, ſtürmend ohn' Erbarmen, 
200 Anpackt' und niederwarf mit wucht'gen Armen. 


— 
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OT 


RT NULL LU [U een ri EEE SEE 


Mein Leid erzähl’ ich nicht wie nach der Landung 
Von Wetterſturm und Wellenſturz berichtet 
Ein Schiffer frohgemuth in ſich'rer Bucht; 
| Die Flut des Unfalls, grimm und hochgeſchichtet, 
205 Wälzt ruhelos mich fort zu Riff und Brandung 


| 

| 

| 53 
| 

| 

| 


Und alles Thun erlahmt in Zweifelſucht: 

Kein dräuend Unheil treibt mich mehr zur Flucht, 
| Und nimmer lockt mich täuſchende Vergnügung; 
Nie half mir auf, was Menſchenwitz erdacht, 

210 Drum hab' ich höh'rer Macht 

Mich ganz ergeben, Gottes heil'ger Fügung. 

| Nur was ich hör' und ſehe, dem entſprießt 

| Zuweilen noch ein Troſt in all den Schmerzen; 
| Doch wenn ich, menſchlich ſchwach, dem Lauf der Dinge 
215 Nachſinn' im Geiſt und vor das Auge bringe, 

| Was früh're Zeit tief eingeprägt dem Herzen: 
Ach, Brod und Waſſer, das der Leib genießt, 
Iſt dann die Thräne, die dem Aug' entfließt 
Und linder nur herniederrinnt und milder, 
220 Erſchuf die Phantaſie ſich Wonnebilder. 


Ja, könnte das geſcheh'n, daß ihre Flüge s 
Umlenkt' und rückgewandt wie mein Gedächtniß 
Die Zeit beträte meiner Kindheit Bahn 
Und all des Irrthums liebliches Vermächtniß 
225 Mir wiedergäb' und mich hinübertrüge 
Zu meiner Jugend duft'gem Blumenplan; 
Und daß die Sehnſucht nach dem ſüßen Wahn 


230 


235 


240 


245 


54 


Zu höh'rer Luſt empor ſich dürfte ranken, 
Begeiſtert durch der Rede Zauberklang, 

Der mir zu neuem Sang 

Vordem erſchloſſen Bilder und Gedanken; 

Und daß ich ſähe Flur und Thal und Hain, 

Und das Geſicht, drin Roſ' und Schnee verbündet, 
Der Glieder Anmuth und der Sitten Feinheit, 
Der Seel' erhab'ne Huld, in deren Reinheit 

Ein irdiſch niedrer Trieb ſich nie entzündet 


Und nie ſich zeigt' auch nur mit flücht'gem Schein 


Ach, eitler Wunſch, verlocke nicht zur Pein 
Mein armes Herz! ich kann ja nicht bezähmen 
All dein verlor'nes Sehnen und Zergrämen. 


Nicht mehr, o Lied, nicht mehr! ich ſpräche gar 
Viel Jahre lang und merkt' es nicht; und haſſen 
Die Leute dich ob deiner Breit' und Schwere: 
Niemand vermag, ſo ſprich, im weiten Meere 
Die Waſſer all mit kleinem Krug zu faſſen; 

Auch ſing' ich nicht aus Ruhmbegier, fürwahr! 
Weichlichem Sinn zu ſchmeicheln, — nackt und baar 
Von meinem Leid iſt dieſes die Geſchichte; 


Ach, wären's Mährchen doch und Traumgeſichte! 


F r ͤ —c f ] ͤwi:iʃ—˙Üd!M̃ . —k—.—̃—ʃ . —˙ — m! ̃ —Ü'Ä 00 ²⁰ẽͥT! e e e e 


XII. 


Sehmnchlose Meize, 


Die rothe Blum’, erſeh'n 
Aus tauſend rings umher, wenn Flur und Haide 
Im Maienſchmucke ſteh'n, 
Erfreute nimmermehr ſo ſüß und innig 
5 Ein Mädchen, ſanft und ſinnig, 
Der Mutter Herzensſorg' und Augenweide, 
Wie mich die Huldgeſtalt im ſchlichten Kleide, 
Der nicht im Stande wäre 
Saturn zu widerſteh'n in ſeiner Sphäre. 


10 Ein wilder Waſſerquell, 
Den keine Künſtlerhand erbaut' im Lande, 
Nein! der da klar und hell, 
Ein Werk des Himmels, dem Geſtein entgleitet, 


56 


Hat nie das Herz geweitet 

15 Dem müden Jäger ſo im Mittagsbrande, 
Wie Labe mir zu geben war im Stande 
Ein ungeſchminkt Gebilde, | 
Dem hold ſich neigt ſelbſt Jupiter, der wilde. 


Das Obſt, im Laub verſteckt 

20 Am Zweige hangend, wie es grad’ entſproſſen, 
Stimmt nimmer, dort entdeckt, 
Den Finder, der's vergleicht mit Milch und Blute, 
Zu alſo frohem Muthe, 
Wie mich der Reiz, der, keiner Kunſt entfloſſen, 

25 Ward von Natur der Schönheit zum Genoſſen, 
Der Reiz der Lockenringe, 
Drob Mars als Hirte gern zur Weide ginge. 


Der Morgenröthe Glanz, 
Wenn Roſ' und Lilie ſie aus ihrem Haare 
30 Verſtreut zu reichem Kranz 
Mit ungeſuchter Zier, erregt den Blicken 
Nie ſolch ein ſüß Erquicken, 
Wie's Jedem ſtrahlt vom grünen Augenpaare, 
Dem einmal nur das ſchöne, ſinn'ge, klare 
In holder Unſchuld lachte, 
Drob zum Amphrys Apoll den Tago machte. 


0 
OT 


Berghöhen, hold umſpannt 
Von Bäumen rings, die all das Dickicht ſchmücken 


57 


Mit ſchatt'ger Laubeswand, 
40 Die keine Scheere je verſetzt' in Trauer, 
Vermögen den Beſchauer 
| Mit ihrem Grün jo nimmer zu beglücken, 
| Wie dieſes Grün der Augen zum Entzücken, 
So überreich an Hoffen, 
45 Daß Amor froh, 15 1 ward betroffen. 


Der Vögel froher Sang, 
Den ihre Kehlen ohne Kunſt erheben 
Am grünen Bergeshang, 
| Kann nimmer in dem ſchatt'gen Waldgeſtäude 
| 50 So ſüße Luft und Freude 
Dem Wandersmann auf ſeinem Pfade geben, 
Wie ſüß die ſchlichten Worte mich umſchweben, 
Vl.ooll Lieblichkeit und Minne, 
So daß Merkur ſie rauben Stab und Sinne. 


55 Der Bäche klare Flut, 

Die kühl dem Felſenſpalt im Sprung entweichen 

In der Geſträuche Hut, | 

Diann raſch im Thal das zarte Grün der Auen 
Mit Perlenſchmelz bethauen 

| 60 Und mit Gemurmel unſerm Blick entſchleichen, 

Erfreut uns nicht ſo ſehr, wie ohne Gleichen 

Ihr Weſen, ſcheu und ſpröde, 

Vor dem Diana ſanft erſcheint, die ſchnöde. 


58 


Dies Weſen, Lied, — du darfſt daran gemahnen — 
65 Gebietet nun als Sieger 
Saturn und Jupiter und Mars, dem Krieger, 
Apoll und Venus, wie Merkur, Dianen 
Und all den Sternen rings auf ihren Bahnen. 


XIII. 


| I Ülostergarten, 


8 


Glückſel'ger Garten du, 
Trin holdem Streite fröhnen 
Natur und Kunſt und ſich den Sieg beneiden; 
In deiner Schattenruh' 

5 Darf ſich an allem Schönen, 
Was je der Geiſt erſann, das Auge weiden; 
Kein Urtheil kann entſcheiden, 

Da Herz und Sinn beſtrickt, 
Ob mehr die Kunſt dir brachte, 

10 Ob mehr Natur dir lachte, 

Ob Erd', ob Himmel milder auf dich blickt; 

Denn heiter wölbt der blaue 

| Luftkreis ſich ſtets ob deiner prächt'gen Aue. 


— 


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15 


20 


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30 


60 


Froh trägt die ſchmucke Laſt 
Der Berg, doch mag die Welle 
Des Zezere befremdet kaum entweichen, 
Weil du verachtend faſt 
Schauſt ſeiner Fluten Helle, 
Die deinen Fuß ſammt Pera hold umſchleichen; 
Gemälde ſonder Gleichen, 
Wie keins Apelles ſchuf, 
Steh'n hier wie Räthſelfragen, 
Und Myrthenſtauden ragen 
Voll Leben und vernichten Skopas' Ruf; 
Und ew'ge Raſt beſchieden 
Iſt heil'ger Freud' in dir und inn'rem Frieden. 


Des alten Babylon 
Luſtgärten, die bekannten, 
Soll nicht die Welt hinfort als Wunder preiſen, 
Obwohl mit hellem Ton 
Vordem ſie ſtaunend nannten 
„Die ſchwebenden“ der Fama Wort' und Weiſen; 
Wer mag noch Ehr' erweiſen 
Alkinous' Gartenkunſt 
Und Dichterlob erhärten 
Noch für Mäcenas' Gärten, 
Der großen Geiſtern Huld erwies und Gunſt? 
Wo Fama weil' und walle, 5 
Sei kund gethan dein Ruhm mit lautem Schalle! 


61 


40 Denn wenn im Alterthum 
Goldäpfel lieblich ſchmückten 
Den zaubervollen Hain der Heſperiden 
Und dort zu hohem Ruhm 
Sie trotz des Drachen pflückten 
45 Die vielgewalt'gen Hände des Alciden: 
Dir wurde mehr beſchieden; 
Du lehrſt das keuſche Herz 
Befried'gen ſein Begehren, 
Niedriger Scheelſucht wehren — 
50 Goldäpfel, nie erſiegt mit Stahl und Erz — 
Der Hölle Macht bezwingen 
Durch Gutesthun des Himmels Glück erringen. 


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(=>) 


So laſſe Gott dich mild 
Für alle Zeit genießen 
55 Des hohen Glückes, das er dir erweiſet, 
| Und uns in dir ein Bild 
Der Glorie ſich erſchließen, 
Die laut der Engel Mund bekennt und preiſet, 
| Auf daß, ſolang' umkreiſet 
60 Der Himmel Meer und Land, 
Das Wunder ſeiner Gnade, 
Das Brod der Bundeslade, 
Das fern von uns den Tod der Seele bannt, 
ö Im Jubel ſchön'rer Pſalmen 
| 65 Stets triumphir' in uns mit reichern Palmen. 


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=] 


Or 


80 


62 


O daß der Monde Gang 
Dein Glück dir lang' erneue, 
Das deines Gründers Hand dir mitgegeben, 
Auf daß am hehren Rang 
Er ſtets in dir ſich freue 
Und hold erheit're ſtets der Seinen Leben! 
Ein Jeder möge ſtreben, 
Dem weiſen Neſtor weit 
An Werth voranzuſtehen, 
Und ſich beſchieden ſehen 
In rüſt'ger Kraft die längſte Lebenszeit, 
Und in der Jahre Reigen 
An Würd' und Adel ſtets im Innern ſteigen. 


Mein Lied, obgleich die Ehren 
Des Berges voll Entzücken 
Durch deinen Klang du nicht vermagſt zu mehren, 
So könnt' es doch wohl glücken, | 
Daß dir der Mund, der dieſe Rhythmen lenkte, 
Den Garten preiſend, ew'ge Dauer ſchenkte. 


. ²˙ ꝛ-˖.d ˙ . ²˙ ]XU — A eee 


— 


XIV. 


Porretht det Fiebenden, 


Her mit bedächt'gem Streben 
Die Räthſel der Natur zu löſen dachte, 
Mag, was Athen ihm brachte, 
Dem wilden Meer und flücht'gen Winde geben: 
5 Mir bot durch Qual im Leben 
Längſt Amor neue Lehren, 

Die durch Erfahrung vollbewährt ich fand 
Und deren kein' im Alterthum bekannt; 
Denn Amor ſucht mein Weſen zu verkehren, 
0 So daß der Weiſen Schule nie erſah 

An andern Gegenſtänden, 


Ort 


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Was unter Amor's Händen mir geſchah. 


64 


Der Vogel lebt im reinen 
Luftkreis, im Meeresgrund des Proteus Heerde; 


15 Der Menſch gehört der Erde 


OT 


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> 


OT 


0 


Auf dieſer Welt, ſelbſt eine Welt im Kleinen; 
Ich muß vertheilt erſcheinen 

Den Elementen allen: 

Mein Mund der Luft, der Erde mein Verſtand; 
Dies wirkt der Sinn und Jenes Amor's Hand; 
Dem Feuer iſt mein Herz anheimgefallen; 
Jedoch das Waſſer, das dem Aug' entrinnt, 
Trotzt jeglicher Erfahrung, 

So daß die Flamme Nahrung draus gewinnt. 


Sonſt ſchlich ſich Amor ſachte 
Durch's Aug’ in's Herz hinein auf ſich'rem Stege; 
Jetzt geht er and're Wege: 
Denn als ein Augenpaar mir Wunden brachte, 
Da liebt' ich, eh ich's dachte, 
Wie wer, vom Schuß getroffen, 
Nicht ſieht die Urſach' und die Wirkung ſpürt. — 
Blind irrt umher, von blindem Wahn geführt, 
Wer Sehnen für verbunden hält mit Hoffen: 
In meiner Bruſt, der ſolche Satzung fremd, 
Starb jeder Hoffnung Schimmer, 
Doch lebt die Sehnſucht immer ungehemmt. 


Wer wird hinfort noch lehren, 
Daß Gleiches gern an Gleichem ſich erfreue 


65 


Und vor dem Tod ſich ſcheue, 
40 Was ſterblich iſt, und ſuch' ihn abzuwehren? 
FJiolg' ich doch einem hehren, 
Menſchlichgeſtalten Wilde, 
| Deß Herz von Demant iſt, von Stahl die Bruſt; 
Mein Blut begehrt's und ſinnt in grauſer Luſt 
45 Auf meinen Tod, fremd aller Güt' und Milde; 
Sbo daß ich ſelbſt, als wär' ich ohne Sinn, 
| Aufſuche mein Verderben 


| 
| 
| 
| 
| 
| 
| 
| 


und finde nur im Sterben noch Gewinn. 


es 


An größ'rem Wahne hingen, 

50 Die feſt vermeinten, ſicher ſei die Kunde, 

| Daß dem enthüllten Grunde 

| Die Folge ſtets entſprech' in allen Dingen: 

| Mich ſollt' ein Wild bezwingen, | 
Das, ganz aus Schnee beſtehend, | 

55 Mich ſteckt' in Brand und Stoff dem Feuer beut, 

Dieweil es ſelbſt nie wird von Glut bedräut, 

Als Schneegebilde ſtets der Flamm' entgehend; 

Drum ſchließ' ich — denn als irrig und bethört 

FJallt jener Satz zuſammen —: 

60 Schnee habe niemals Flammen noch zerſtört. 


Das überſieht man nimmer, 
Daß mit der Urſach' auch die Wirkung ſchwindet; 
Nur wo ſich Brennſtoff findet, 
Entloht die Flamme raſch mit hellem Schimmer; 


Camoens, Canzonen. 


| 


or 


65 


—4 
On 


80 


66 


Doch Sie erſcheint mir immer, 

Die Huldgeſtalt, voll Leben, 

Die Amor Nachts mir, Tags mein Sinnen malt: 
Und wenn Apoll nicht mehr am Himmel ſtrahlt, 
Dann ſeh' im Dämmerſchein die Hold' ich ſchweben. 
Nährt Amor ohne Licht die Augen nun, 

So wirkt bei Nacht nicht minder — 

Das leugnet nur ein Blinder — Amor's Thun. 


Es irrt ſich, wer entſchloſſen 
Das Ganze größer nennt, die Theile kleiner; 
Denn Amor hat mit ſeiner 
Gewalt mich ganz in meine Seel' ergoſſen; 
Dem Glück iſt Furcht entſproſſen, 
Es könne mir entrinnen; 
Und ſtellt die Angſt ſonſt Manchem rechts und links 
Zur Seit' in ſeinem Wahn Chimär' und Sphinx 


Zukünft'gen Uebels, das die Stern' ihm ſpinnen: 


Ich ſeh' in mir, wie durch geheime Kraft, 
Bin ich bei frohſtem Muthe, 
Das gegenwärt'ge Gute Sorge ſchafft. 


Es ſei'n die Eigenſchaften, 
So lehrt man, an den Dingen ſtets erſchienen; 
Doch ſeh' an mir ich Mienen, 
Ausdruck und Farbe des Geſichts noch haften, 
Obwohl mir ganz entrafften 


90 Jedwedes ſonſt'ge Leben 


67 


Mein bitt'rer Gram und meine herbe Noth. 

So leb' ich leidend, bin mit Freuden todt, 

Und hab' im Tod ſo viel Verſtandes eben, 

Um in der längſt entfloh'nen Seele Weh'n 
95 Tod, Leben, Kommen, Scheiden 

Vereint in einem Leiden klar zu ſeh'n. 


Mein Lied, ich glaub' und ſchließ' aus dieſen Gründen: 
Entweder ward den Dingen auf der Welt 
Ein and'res Sein erleſen, 
[00 Oder es ward mein Weſen ganz verſtellt. 


XV. 


Morgeußhlage. 


lie? Träum' ich? Oder ſeh' ich dort die Reine, 
Die ſtets im Geiſt ich ſehe? 
Oder erzeugt mein Wehe 
Das ſüße Bild wie ſonſt, daß ſtets ich weine? 
5 Doch ſollt' im Dämmerſcheine 
Des Traumes aus der dunkeln 
Kühlſchatt'gen Nacht das ſchöne Licht ſich heben 
Und nicht am Tage funkeln, 
Von ſeinem Glanz umſtrahlt und ſeinem Blau? 
10 O heißerſehnte Schau 
Der holden Nymphe, Stern du voller Leben! 
So lang' auf düſt'rem Meere mußt' ich ſchwimmen, 
Und den Polarſtern ſah ich nicht erglimmen! | 


69 


Bezaubert barg in dieſer Augen Kreiſe 
15 Sich meine Seel' im Stillen, 
Seit ſie nach höh'rem Willen 
Verbannt mir folgen ſollt' im Erdengleiſe. 
Ihr ſeid mir Weg und Weiſe, 
Das höchſte Gut zu ſehen 
20 Und aller Dinge Grund mir aufzuklären: 
Hat aus ihm doch Entſtehen 
Irdiſche Schön' und zu ihm Wiederkehr; 
Kommt doch vom Aether her 
Himmliſches Licht und ſteigt zu jenen Sphären. 
25 Warum verſagt dem Herzen, krank und trübe, 
Ihr nun die Schau, die mich zu Gott erhübe? 


Goldfarb'ge Locken, ſollt' es euch beglücken, 
Mich heimlich zu erhaſchen, 
So ſtrickt die gold'nen Maſchen, 
30 Drin Mars ſich einſt mit Venus ließ berücken. 
Oft, ſeit die Au'n ſich ſchmücken 
Alldort mit Blüth' an Blüthe, 
Wo Euer ſchöner Fuß ſich hold bewegte, 
Erſehnt' ich im Gemüthe, 
35 Gleich dieſen Blumen auch emporzublüh'n; 
Vielleicht daß dann im Grün 


Durch Euren Fuß, der Scham dem Schnee erregte, 


Zur Blum' ich würde, drob in alten Tagen 


Durch Flora's Gunſt verſtummten Juno's Klagen. 


70 


40 Doch wo verbargt Ihr Euch, mein ſüßes Hoffen, 
Mit alſo haſt'gem Schritte, 
Wie zu des Waldes Mitte 
Die Hinde flieht, von ſpitzem Pfeil getroffen? 
Ihr Augen, ſteht ihr offen 
45 Für nichts als ſolch ein Scheiden, 
So ſchließt euch lieber, ewiglich zu ſchlafen, 
Als ſolchen Schmerz zu leiden, 
Wenn ihr zerfließen ſeht ſo ſüßen Trug. 
Jetzt wißt ihr klar genug 
50 Durch Schmerz und Schaden, die ſo hart mich trafen, 
Indem der holde Traum mir brach in Stücke: 
Kein läng'res Unglück giebt's als kurzes Glücke. 


Beglückt Endymion du! dir nahte ſachte, 
Auf daß ſie Luſt dir brächte, 
55 Selen' im Traum der Nächte; 
Ach, wer doch nie aus ſolchem Schlaf erwachte! | 
Dein Neid, Aurora, brachte 
Mir nichts wie Todesſchmerzen, 
Als meine Wimpern traf dein Lichtgefunkel; 
Doch willſt du mir im Herzen | 
Mit deinem Strahl zerſtreu'n die düſt're Nacht, | 
Biſt du umſonſt erwacht; | 
Erſcheinen muß mir, ſoll das trübe Dunkel 
Der Augen wandeln ſich in lichte Wonne, | 
65 Ein and’rer Oſt mit Morgenröth' und Sonne. 


S 


6 


2 


71 


Belebt, o Lied, mich nimmer 
Von meinem Stern der ſchöne, ſanfte Schimmer, 
So ſiehſt du bald vergeh'n in Gram und Trauer 
Mein Leben gleich der Blum' im Regenſchauer. 


XVI. 


Bilder un Blumen. 


Inmitten ſchroff gethürmter Bergesrücken 
Mit dunkeln Wäldern rings und ſchatt'gen Hainen 
Strömt, wiederhallend an den Felsgeſteinen 
Gewäſſer, nie verſiegend, zum Entzücken, 
5 Nach Buina's Uferſtrand, dem aller Enden 
Lob ſie ſpenden, 
Weil in immer 
Grünen Schimmer 
> Dort ſich kleiden 
10 Au'n und Weiden, 
Für Aug' und Herz ſo reich an Reiz und Wonne, 
Daß Schön'res niemals ſah der Strahl der Sonne. 


13 


| 

In eil'gem Laufe kommen dort die Bäche, 
Nachdem ſie Gras und Blumen reich begoſſen, 

15 Neptun's gewalt'gen Waſſern zugefloſſen, 

| Verſchied'nem Rinnſal folgend auf der Fläche; 
Manch weißes Müſchlein glänzt im gold'nen Sande 


| Rings am Strande; 
Vögel fliegen 

20 Oder wiegen 

1 * Sich auf Zweigen 
Wie zum Reigen 


und füllen, holden Liederſtreit erregend, 
| Mit ſanftem Wohllaut allumher die Gegend. 


25 Süß ſingt die Nachtigall, im Strauch verborgen, 
| Antwort ihr giebt der Fink, der munt're Schläger; 
Im Buſch das Rebhuhn ſpürt den nahen Jäger 

| Und vom Verſteck auffliegt's in Angſt und Sorgen, 
| Dem flücht'gen Winde gleich, mit kräft'gem Flügel, 
20 Schutz am Hügel 

| Zu gewinnen; 

Kein Entrinnen! 

Nimmer irrend 

| Folgt ihm ſchwirrend 

35 Der raſch're Pfeil, von ſich'rer Hand entſendet, 
Und wund zu Boden ſinkt es und verendet. 


74 


Hier fliegt von Aſt zu Aſt, am blutbeſpritzten 
Bruſtflaume kenntlich, Prokne rings im Kreiſe 
Und ſucht der jungen Brut begehrte Speiſe; 

40 Es folgt die munt're Wachtel dem verſchmitzten 
Lockruf des Vogelſtellers zu den Netzen, 
Deß Ergetzen, 
In den Maſchen 
Sie zu haſchen; 
45 Kommt betrogen 
Sie geflogen 
Zum gold'nen Weizen, den er liſtig ſtreute, 
Verfällt ſie ihrem Feinde bald als Beute. 


Die Haubenlerche ſingt im Rebenlaube, 

50 Die Turtel girrt, es ſchwätzt der Staar geſchäftig, 
Hoch auf dem Oelbaum ſchlägt die Amſel kräftig, 
Und aus dem Neſte huſcht die Ringeltaube. 

Flink holt das Bienlein, ſummend durch die Lüfte, 
Würz'ge Düfte 
55 Von der Aue 
Kühlem Thaue, 
Süße Gaben, 
Die's in Waben 
Als gold'nen Honig ſauber hält geſpeichert, 
60 Mit dem uns Ariſtäus' Gunſt bereichert. 


75 


Halb überdeckt vom Blättergrün der Ranken, 
| Erglüh'n die Trauben hier in reichſter Fülle; 
Hold funkeln aus der Bäume laub'ger Hülle 
| Vielart'ge Früchte, die im Winde ſchwanken; 
65 Die Fiſche tanzen frohgemuth im kühlen 
Grund und wühlen, 
Bis die ſchnelle 
| Silbermelle 
Sand und kleine 
70 Weiße Steine 
ö Sammt rothen Müſchlein nach des Ufers Kieſeln 
| Hintreibt und weicht zurück mit ſanftem Rieſeln. 


Hier haben ihren Stand in Waldverſtecken 
| Rings kalydon'ſche Thier' und Reh’ und Hirſche, 
75 Die ſelbſt im Flieh'n ſich ängſten auf der Pirſche, 
9 Weil ihre Läuf' im Trott ſie ſtets erſchrecken. 
Kaninchen auf der Haid' und Haſen zittern, 
| Wenn ſie wittern 


| 


| In der Runde, 
80 Daß ſich Hunde 
Nah'n zum Fange; 
Scheu und bange 
Preisgeben ſie dem grimmen Feind ihr Lager 
Und zahlen Ferſengeld an ihre Plager. 


76 


00 
OT 


Manch farb'ge Blum’ enthüllt die zarten Triebe 
Dem milden Zephyr hier im Sonnenſcheine; 
Der ſchöne Hyacinthus ſteht alleine, 
Noch immer eingedenk der alten Liebe; 
Auf jedem Blättchen wahrt er eingetragen 
90 Seine Klagen. 
Flora ſchaltet 
Hier und waltet 
Reich an Güte: 
Blüth' an Blüthe 
95 Voll Glanz und Duft verſtreut ſie ſtets auf's Neue, 
Auf daß ſie rings die Lieben all erfreue. 


Narciſſus beugt ſich hier zur klaren Quelle, 
Verliebt in ſeine Schönheit ohne Gleichen; 
Des Haines Zweige, die herniederreichen, 

100 Erſcheinen wie verklärt im Thau der Welle. 
Adonis, dem in Lieb' und Luſt die Hehre 
Von Cythere 
Saß zur Seite, 
Schmückt die weite 
Flur als Blume, 


pad 
(=>) 
ot 


Die zum Ruhme 
Die Göttin ſchuf ihm gleich an Reiz und Schöne, 
Daß Keiner Erycinens Glut verhöhne. 


17 


Holdſel'ger Blumengrund, ſo recht geſchaffen 
110 Jedwedem Liebenden zu Luſt und Nabe, 
um hier im Grünen, wenn der blinde Knabe 
Ihn auserkor als Ziel der ſpitzen Waffen, | 
Beim Klang der Wogen, die im Sand verrinnen, 
| Nachzuſinnen 

115 Süßen Peinen 

Und den feinen 

Schmuck der Wieſen 

Zu erkieſen, 

Auf daß er duft'ge Blumenkränze winde 

120 Und ſchönen Nymphen geb' als Angebinde: 


So bracht' ich meiner Göttin zum Beweiſe 
Der Lieb' ein Kränzchen, das ich ſelbſt gebunden, 
Und wollte drin mein Wünſchen ihr bekunden 
Durch ein Vergißmeinnicht geheim und leiſe; 
125 Doch ging, als wenn Vergißmeinnur ſein Name, 
| Mir zum Grame 

| Kalt und ſchnöde 

| Fort die ſpröde 

| Stolzgeblähte; 

iso Sie verſchmähte 

| Die Blüthen all, nicht darum, weil's die meinen, 
Nein, weil in ihr bei weitem mehr erſcheinen. 


ot 


am} 


ort 


XVII. 


Mlageliel einer Hirt, 


Vergnügt und froh verbracht' ich einſt die Stunden, 
Um Amor und Fortunen unbekümmert, 
Sorgloſen Herzens und mit friſchem Muth; 
Ein Augenblick hat all die Luſt zertrümmert, 
Und im Verluſte hab' ich nun gefunden: 
Nie dauern lang' auf Erden Glück und Gut. 
Denn als ich ganz mich glaubt' in ſich'rer Hut 
Vor Amor's Qual und Plage, 
Weil frei mir meine Lage 
Und unerreichbar ſchien für Amor's Pfeile: 
Da ſah ich mich in Eile — 
Wie, weiß ich nicht — von ſolcher Noth betroffen, 
Daß nur im Tod mein Hoffen 
Auf jenes Glück ſich wieder kann erheben. 
Ach, wie ſo langſam ſchleicht das trübe Leben! 


19 


Wie hat ſich mein Felicio doch ergangen 
Und mancher and're Hirt ſo oft in Klagen 
Ob meiner Härte, die mir wohlgefiel! 
Denn tauber blieb ich Aermſt' in all den Tagen, 
20 Als taubes Felsgeſtein und taube Schlangen, 
Und hielt ihr Lieben all für eitel Spiel. 


Nun büß' ich meinen Trotz nur allzuviel: 


Mein Sinnen all und Sehnen 

Geht einzig nur auf Jenen, 

25 Der nimmer Antwort giebt, wie laut ich flehe; 
Schon deckt ja, wie ich ſehe, 

Die Erde deß Gebein, um den ich weine, 

Den nun ich minn' und meine, 

Und dem ich all mein Herz dahingegeben. 

30 Ach, wie ſo langſam ſchleicht das trübe Leben! 


| Gewann ſich höh'ren Ruhm aus meiner Trauer, 
| Grauſamer Amor, dein berühmter Name? 
Bewog dich ſonſt ein Grund zur Grauſamkeit, 
Die alſo mich zerquält mit bitt'rem Grame, 
35 Daß die Geduld erlahmt an Kraft und Dauer? 
| Sit aber grauſam deine Weſenheit, 
So war genug für mich das gleiche Leid, 
Das Andern du beſcheideſt; 
Doch weil du nur dich weideſt, 
40 Wenn du mich ringen ſiehſt mit EN 
So willſt du mir im Herzen 
Die herbſte Noth erhöh'n zu herb'ren Nöthen, 


45 


60 


80 


Doch nimmermehr mich tödten, 
Auf daß in Qual ſtets Leib und Seel' erbeben. 
Ach, wie ſo langſam ſchleicht das trübe Leben! 


Wo find' ich Freude noch auf dieſer Erde? 
Wen kann ich rufen, der ſich zu mir neige? 
Wer weiß mir Troſt zu leih'n in meiner Noth? 
Nichts Liebes giebt's, das meinem Blick ſich zeige, 
Und nichts erblick' ich, das mir lieb noch werde; 
Denn der mir lieb einſt war, erlag dem Tod. 
War je ein Weib, die Amor's Machtgebot 
In ſolches Elend brachte: — 

Sie hoffte doch und dachte, 

Noch ſei ein Heil im Leben ihr beſchieden; 
Mein Leben bleibt hienieden 

Ein einzig Leid, das nimmer ruht und raſtet 
Und um ſo ſchwerer laſtet, 

Je länger Mond' auf Monde mir entſchweben. 
Ach, wie ſo langſam ſchleicht das trübe Leben! 


Anmuth'ge Flur, tiefſchatt'ges Waldgeſtäude, 
Liebliche Waſſer, harte Felsgeſteine, 
Wo freien Sinns ich chedem geſchwärmt; 


Folgſame Heerd' am duft'gen Blumenraine, 


O 
0 


Die Theil ihr hattet einſt an meiner Freude: 
Verlaßt mich nicht, da jetzt mein Herz ſich härmt! 
Und hat euch je ein Mitgefühl erwärmt, 

So kommt und helft mir klagen, 


el 


| 

| 

Da mir in Angſt und Zagen 
70 Der Odem und das Wort erſtirbt im Munde. 
Diooch wann, zu welcher Stunde, 

| Ich Aermſte! wann ach! jol ich Troſt empfahen? 
Wann darf ich dir mich nahen, 


Mein Hirt, und mit den Armen dich umweben? 
75 Ach, wie ſo langſam ſchleicht das trübe Leben! 
| 


Doch ſcheint es faſt ein zu verweg'nes Wähnen, 
Wollt' ich umweben dich mit meinen Armen, 
Weil einſt ich Kälte dir entgegentrug: 

| So wird ſich Amor meiner Noth erbarmen; 

0 80 Denn wenn du drüben weißt um meine Thränen, 
So ſcheint die Strafe, glaub' ich, dir genug. 

1 Und lenkt dich noch der Liebe ſanfter Zug, 
Geetreu dem früh’ren Drange, 

So wirſt du zum Empfange, 

85 Ich weiß gewiß, mir nah'n mit holdem Gruße. 
Nun lernt aus meiner Buße, 

Ihr Alle, wie ſich Härte rächt mit Schmerzen; 
Denn Amor giebt den Herzen 

Gerechte Strafe für ihr Widerſtreben. 

90 Ach, wie ſo langſam ſchleicht das trübe Leben! 


— — — 
— — me 


Camoens, Canzonen. 


Or 


10 


XVIII. 


ln vergleichlick, 


ti ſolchem Reiz auf Stirn und Mund und Wange 
War fern im Oſt zu ſchauen 
Aurora niemals beim Beginn des Maien, 
Der weit und breit ausſpendet bunt Geſchmeide, 
Wie jenes ſchöne Wild, das ſchnell zerſtückte 
All mein Gebein mit nie verſiegten Wehen, 


Darin ich mich verzehre. 


Kein Veilchen that ſich auf am Wieſenhange, 
Kein Röschen auf den Auen, 
Um rings den Lüften ſüßen Duft zu leihen, 
Zur Zeit des Sommers, der verſengt die Haide, 
Wie dieſe Blume, die ſo hold ſich ſchmückte 
Und ihren Schein verhüllte, kaum geſehen, 
Zu Gram mir und Beſchwere. 


— ee 


15 


20 


1 
G 


35 


83 


Kein flinkes Nymphchen, ſchön, erzürnt und bange, 
Verfolgt im Waldesgrauen 
Vom Satyr, dem erbarmend würde weihen 
Mitleid ein wildes Thier im Liebesleide, 
Entfloh, die Qual verachtend, die ihn drückte 
Und ſüße Pein ihn dünkte beim Entſtehen, 
So raſch, wie mir die Hehre. 


Nie rief Natur hervor im Schaffensdrange 
Rings auf der Erde Gauen 
Ein Weib, ſo ſchön und kalt, die meinem Schreien 
Nie leiht Gehör, dieweil ich ſchon verſcheide; 
Doch muß das Leben, das ſie mir entrückte, — 
Klar ſeh' ich's ein — jo wonniglich vergehen, 


Daß nichts ich mehr begehre. 


Wohl ſtrebte meine Seel' in Red' und Sange 
Mit muthigem Vertrauen 
Ob ihrer Schönheit Lob an Lob zu reihen, 
Bereit, zu künden, was das Herz mir weide; 
Doch wähnt' ich, daß der Sonnenflug mir glückte, 
So war's um mein gewagtes Thun geſchehen; 
Ich ſank in Nacht und Leere. 


Der ſüße Reiz, an dem ſich gern und lange 

So Herz wie Aug' erbauen; 
Das ſchöne Haar, mit dem die Lüft' im freien 
Wettſtreit ſich hold ergetzen, mir zum Neide; 
a 65 


84 


40 Der holde Blick, der meine Seel' entzückte 
Und dem ich Sein und Leben gab zu Lehen, 
Entzieh'n mir Waff' und Wehre. 


Doch nimmer acht' ich, ob mit Qual und Zwange, 
Mit wilden Weh'n und rauhen 
45 Gefahren ohn' Ermatten und Verzeihen 
Voll Neid mich Amor ſtraf' und nie vermeide, 
Mir jede Luſt zu rauben, die ich pflückte, 
Und kalt wie Stein trotz Bitten mir und Flehen 
Das arme Herz verſehre. 


50 Zur Sonn' allein muß ſtets die Blick' ich drehen, 
In der ich Gott verehre. 


| Anmerkungen. 
| 
. 


Offenbar wollten die Sammler und Herausgeber der Can— 
zonen dadurch, daß ſie dieſem Liede einen Platz vor dem vierten 
be, dem Leſer zu verſtehen geben, es falle in die Studienjahre 
des Dichters auf der Univerſität zu Coimbra. Man wird dieſer 

Anſicht beiſtimmen müſſen. Wahrſcheinlich iſt es vor dem Jahre 
1545 (vgl. Anm. zu Ganz. XI) verfaßt. Am „Mondegoſtrand im 
Glanz der klaren Wogen“ (vgl. Son. 133 in Sämmtl. Idyll. S 
VI) hielt den jugendlichen Camoens eine zarte Neigung auf längere 
si gefeſſelt. Vor ſeinem Abſchiede von der Geliebten, „dem 
Haupt von Schnee und Golde“, welchen Canz. IV beſingt, liegt 
ohne Zweifel dieſes Gedicht; ob es aber gerade die früheſte zu 
Coimbra verfaßte Canzone ſei und daher die erſte Stelle ihr 
gebühre, weiß ich weder zu verneinen noch zu bejahen. 

Dem Geleite gemäß habe ich die Canzone: „Beſchwichti— 
gung der Sehnſucht“ überſchrieben. Der Dichter zeichnet ein 
Bruſtbild der Geliebten, deren reizende Erſcheinung wechſelnde und 
einander widerſprechende Gefühle und Zuſtände in ſeinem Herzen 
bewirkt „Verweg'nen Wünſchen“ wehrt ihre erhabene Schönheit, 
1 


! 


1 


86 


die todbringende Rüſtung des Liebesgottes. Schmerz und Qual 
bedrängen den Liebenden unabläſſig; aber dieſe Marter iſt Luſt 
und Glück und bringt Ruhm und Herrlichkeit. „Ein ſolcher Glaube“ 
giebt gerechten Anſpruch auf Gnade und Beſeligung; doch von der 
einen „Himmelsaue“, ihrem Blicke, „führen keine Pfade“ zu ihrem 
Lächeln, der anderen „Himmelsaue“. 

Die Strophenform erinnert an Petrarca's (V. di L.) Canz. 
XX; nur erſcheinen dort die 10. und 11. Zeile in umgekehrter 
Stellung und die Reime des Abgeſanges in folgender Ordnung: 
addeeff. Camoens' Aenderung iſt eine Verſchönerung. 

V. 5. de meu nao quero mais que meu desejo wieder⸗ 
holt ſich in Son. 152, V. 9 . . . que o meu desejo. — V. 20 ff. 
Vgl. Petrarca's (V. di L.) Son. XII, 7 f. anima, assai rin- 
graziar dei, — che fosti a tanto onor degnata allora. — 
Dieſer Gedanke iſt in der fünften Elegie (OC. III, 175) eingehender 
behandelt; vgl. auch die achte (OC. III, 193) gegen Ende. — In 
V. 53: lagrimas, e suspiros, pensamentos ... hat die Binde— 
partikel einen ganz ungewöhnlichen Platz. Man erwartet: lagr., 
susp. e pens. 


II. 
Was Goethe's Harfner von den himmliſchen Mächten ſingt: 

„Ihr laßt den Armen ſchuldig werden, 

Dann überlaßt ihr ihn der Pein“ — 1 
bildet, auf „Amor's loſe Streiche“ angewandt, das Thema 
dieſer Canzone, welches in verſchiedenen Variationen durchgeführt 
wird. Zunächſt vergleicht ſich der Dichter mit Tantalus. Wie 
dieſer die Götter, welche er einſt bei ſich bewirthete, auf die Probe 
ſtellte, indem er ihnen ſeinen Sohn als Speiſe auftragen ließ, und 
wie er außerdem durch Ausſchwatzen von Geheimniſſen an den 


— nn nn 
1. — 


87 


Göttern ſich verging, ähnlich hat der Liebende gefehlt und muß 
Gleiches erdulden: 
| Quaerit aquas in aquis et poma fugacia captat 


Tantalus: hoc illi garrula lingua dedit. 
One Am,IT, 2, 48 


| Dann erinnert den Dichter ſein Loos an Srion. Dieſer hatte 
ö der Juno begehrlich nachgeſtellt und ſtatt der entflohenen Göttin 
ein ihr ähnliches Wolkengebilde umarmt. Die Rache ließ nicht 
ö auf ſich warten: 


Volvitur Ixion et se sequiturque fugitque. 
Ovid. Met. IV, 461. 


| Ferner ſtellt ſich der Dichter als ein neuer Tityus dar. Frevent— 
lich hatte ſich dieſer Rieſe der Latona genähert und ward von Apollo, 
dem Sohne der Göttin, für ſein Vergehen geſtraft. In der Unter— 
welt, wo ſein Körper neun Joch Landes bedeckt, hackt ihm ein 
Geier die jedesmal mit dem zunehmenden Monde nachwachſende 
Leber aus: 


Viscera praebebat Tityos lanianda, novemque 
iugeribus distractus erat. 
Ovid. Met. IV, 457. 


So wird der Dichter für ſeine verbrecheriſche Begierde durch Amor 
beſtraft, der gleichſam als Sohn der Geliebten — „denn ihrem 
Reiz entſproß der blinde Knabe“ (V. 68) — für die Mutter als 
Rächer auftritt. - 

Auch Siſyphus, der verſchlagene Räuber, findet am Dichter 
in Vergehung und Beſtrafung einen Genoſſen. Camoens hat 
offenbar die Schilderung der Odyſſee XI, 593 ff. gekannt. Bei 
Voß lautet die Stelle: 

„Auch den Siſyfos ſah ich, umhäuft von ſchrecklicher Drangſal, 
Eines Marmors Schwere mit großer Gewalt fortheben. 
Angeſtemmt mit Hand und mit Fuß, arbeitet' er machtvoll, 


88 


Ihn von der Au aufwälzend zur Anhöh. Glaubt’ er ihn aber 
Schon auf den Gipfel zu drehn; da mit Einmal ſtürzte die Laſt um; 
Hurtig mit Donnergepolter entrollte der tückiſche Marmor. 

Dann von vorn arbeitet' er angeſtrengt; daß der Angſtſchweiß 
Rings den Gliedern entfloß, und Staub umwölkte das Antlitz. 


In der letzten Strophe endlich faßt der Dichter, wobei er 
einer weiteren Vergleichung ſich bedient, das Einzelne unter einem 
allgemeineren Geſichtspunkte zuſammen und bezeichnet die Höllen- 
qualen, welche die Verbrecher in der Unterwelt leiden, und damit 
zugleich ſeine eigenen, deshalb als ſchwerer und ſchmerzlicher, weil 
ihm wie ihnen „vom Himmelsglück die Kunde“ verbleibt. 

In welches Jahr die Abfaſſung dieſer Canzone zu ſetzen ſei, 
bleibt zweifelhaft. Man kann nicht wiſſen, ob Camoens ſie noch 
zu Coimbra (— 1545) oder erſt ſpäter zu Liſſabon (1548) ge⸗ 
dichtet habe. Vermuthlich gab Anlaß, in nächſter Nähe der dritten 
ihr einen Platz anzuweiſen, die ſinnreiche Anwendung der antiken 
Mythologie, ein glücklicher Griff des Dichters. 

Die Strophenform findet ſich weder bei Petrarca, noch bei 
Bembo; ſie iſt dadurch auffallend, daß den volltönigen Gang der 
Langzeilen, gleichwie in Canz. XI, nur einmal eine Kurzzeile 
unterbricht. Beſonders reich iſt die Reimbindung: abe : bac: 
cddeedteft. | 

V. 14 iſt fehlerhaft überliefert. Schon die Reimglieder er⸗ 
weiſen, daß desconcérto ft. desengano ſtehen muß und alſo zu 
leſen iſt: saiba o mundo d' Amor o desconcerto. 


— — — — 


89 


III. 


Welchem Umſtande dieſe Canzone ihren Platz vor der vierten 


verdanke, läßt ſich unſchwer errathen. Wahrſcheinlich glaubte man 
in der beſungenen Herrin 


„mit ihrem Haar von Golde, 
dem nimmer Gold ſich gleicht, wie ſehr es glühe,“ 


jenes geliebte „Goldköpfchen mit ſeinem ſchneeweißen Teint“ ſuchen 
zu müſſen, welchem der Dichter zu Coimbra feine Huldigungen 
darbrachte. Eine ſolche Annahme, wofern ſie wirklich obgewaltet 
bat, wäre freilich kaum haltbar. Denn Goldhaar (cabellos d' 


ouro) erfreut ſich bei Camdoens mannigfachen Lobpreiſes auch in 


| ſolchen Gedichten, die zweifelsohne an Katharina de Ataide gerichtet 


find, jo daß hierin die beiden Damen ſowohl einander wie ihrem 
Dichter glichen, der ſelber hellblondes, faſt ſafrangelbes Haar hatte; 
vgl. OC. II, p. LXVI. Ueberhaupt müſſen die Coimbranerin und 
Katharina in ihrer äußeren Erſcheinung nicht geringe Aehnlichkeit 
gehabt haben, wenn man die Worte, Canz. XI, V. 68 ff. nicht in 


figürlichem — was kaum angeht — ſondern im eigentlichen Sinne 


aufzufaſſen hat. Trotzdem bedünkt es mich kaum zweifelhaft, welche 
von beiden gemeint ſei, wenn man den Geſammt-Eindruck des. 
Gedichtes zu Rathe zieht und mit Canz. XV (vgl. Anm.), welche 
ebenfalls ein Morgentraumbild zum Gegenſtande hat, eine Ver— 
gleichung anſtellt. 

Nach einer mythiſch- gefärbten Schilderung des anbrechenden. 


Tages, in welcher dem ſchnellen Lichtgotte (Sol, V. 6) Sehnſucht 


beigelegt wird nach der ſcheuen Frühgöttin (Manhäa, V. I u. 15), 
ſtellt der Dichter die belebende Wirkung des Lichtes auf die ganze 
Natur als eine Umwandlung durch die gewaltige Macht der Liebe 
dar. Ihr Einfluß auf ſein Weſen läßt ihn immerdar und überall 
das ſeraphgleiche Angeſicht der Geliebten erblicken. Von ihrer „ſo 
hehren Schön' und Reine“ ſieht er beim aufdämmernden Morgen— 
lichte einen Abglanz in der Frühgöttin (Aurora, V. 25 u. 52) und 


90 


fordert dieſe auf, dem gütigen Geſchicke dafür zu danken, daß ſie 
nach dem Bilde ſeiner Geliebten geſchaffen ſei. Auch an Macht iſt 
die Geliebte der Göttin überlegen; denn einzig Katharinens Er— 
ſcheinung bewirkt die Aufhellung in ſeinem Herzen, den Blumen- 
thau in ſeinen Augen und den Vogelgeſang in ſeiner Seele. Aber 
der Dichter iſt wie ein Todkranker, dieſe Schau gleicht einer Ver— 
zückung kurz vor dem Sterben, und nur die Sehnſucht nach dieſer 
Augenweide hält ihn noch am Leben. Mit Aurora's Verſchwinden 
erlahmt ſeine letzte Kraft, weil die Geliebte, das Urbild der Göttin, 
nimmer erſcheint. Amor oder Katharina d. i. die Liebe zu ihr 
verſchuldet ſein Unglück — Verbannung und Siechthum — und 
ſein bevorſtehender Tod wird der Geliebten Schade ſein, weil er 
einzig und allein ihr gehört. Im Geleite wünſcht ſich der Sterbende 
dieſes „Schwanenlied“ als Grabinſchrift. 

Darnach ſcheint mir die dritte Canzone, das trübe Gegenſtück 
zu der fünfzehnten, während der Verweiſung vom Hofe, zwiſchen 
1548 und 1550, verfaßt und alſo an Katharina gerichtet zu ſein 
und müßte, der Abfaſſungszeit nach eingereiht, unmittelbar an 
Canz. XV, ihr heiteres Vorbild, ſich anſchließen. 

Die Strophenform erinnert an Petrarca's (V. di L.) Canz. 
XVIII, freilich nur im Allgemeinen, indem Camoens die neunte 
(Kurz⸗) Zeile fallen läßt, die drei Theile anders gliedert (2: 2: 
10) und die künſtliche Reimbindung etwas vereinfacht. 

V. 1. manhäa klein zu ſchreiben, wie die Hamburger Her- 
ausgeber es thun, führt zu unrichtiger Auffaſſung; a Manhäa 
gilt dem Dichter hier gleichbedeutend mit Aurora, wie V. 25 und 
52 beweiſen. — V. 5. Wie V. 1 a Manhäa, jo iſt o Sol zu 
ſchreiben; denn es bedeutet hier jo viel wie Phoebus. In der Ueber— 
ſetzung mußten daher ſchon wegen des grammatiſchen Geſchlechtes 
die beiden Wörter: „der Morgen“ (a Manhäa) und „die Sonne“ 
(o Sol) anderweitig erſetzt werden. In der erſten Elegie (vgl. 
. HL, 158, 19) in ſich eine ganz ähnliche Stelle; doch tritt 
die Perſonification dort nicht fo bedeutſam hervor, indem die Aus⸗ 


I 
| 


| 


1 
|| 


91 


N | deutung Aurorens als eines Abbildes der Geliebten fehlt. — 
allen früheren Ausgaben lauten die Verſe 1—4: 


* 

1 

* | 

* | 
1 

j 

. I 

‚E 


Ja a roxa Manhäa clara 

as portas do oriente vinha abrindo; 

dos montes descobrindo 

a negra escuridäo da luz avara. 
Die OC. ändern in V. 3 dos montes in os montes und er- 
läutern die vier Verſe in den ‚Notas‘ zu dieſer Stelle (II, 404) 
durch die Umredung: Vinha apparecendo a manhäa, ea escu- 
ridäo ia descobrindo os montes. Aber zunächſt vermißt man 


| |) bei dieſer Aenderung im Texte die nothwendige Bindepartikel e; 
dann iſt die Fügung ſchleppend und durch das vorgeſchobene Object 


ſtörend; endlich gewinnt der Sinn nicht dabei, ſondern verliert. 
Vor Allem aber ſteht entgegen der Umſtand, daß ein neues Subject 
und zwar ein ſachliches: a negra escuridäo eintritt und zwiſchen 
die Perſonificationen: Manhäa und Sol zwieſpaltend ſich einſchiebt, 
ſo daß die mythiſche Färbung durchaus verwiſcht wird. Wozu 
aber die Aenderung? Die Stelle iſt ebenſo klar wie ſchön in der 


früheren, ohne Zweifel urſprünglichen Faſſung. Das Verbum 
N descobrir bedeutet: enthüllen, entblößen, entdecken (auch im Sinne 
von avistar) und mit Acc. und Gen.: etwas von etwas ab- 
nehmen. Folglich wäre der Gedanke, zu welchem die Verſe 33—35 


eine genau ſich anſchließende, meine Anſicht beſtätigende Parallele 
bieten, wörtlich ſo zu überſetzen: „von den Bergen abnehmend die 
ſchwarze, nach dem Lichte begierige Finſterniß“. — V. 15. Man 
ſchreibe: A Manhäa bella. — V. 58. Alle früheren Ausgaben 
leſen: se mo näo impedir o meu desejo. Die Hamburger 


Ausgabe hält die Lesart für fehlerhaft (OC. II, 404) und ſchreibt 


me ft. mo. Soll die Beziehung auf das vorhergehende partida 
oder gloria grammatiſch genau ſein, ſo muß ma geleſen werden. 
— V. 60. Die Ueberſetzung der Verſe 57 ff. weicht in V. 60 
von der Vorlage ab. Dieſe lautet: 


92 
57 Porém a natureza, 
que nesta pura vista se mantinha, 
me falta tào asinha, 
60 como o solfaltar soe & redondeza. 


Das ließe ſich etwa fo geben: „Aber die Lebenskraft, welche an 
dieſer reinen Schau ſich nährte, gebricht mir ſo raſch, wie die 
Sonne dem Erdkreiſe zu gebrechen pflegt.“ — Zunächſt befremdet, 


daß hier die Sonne (o sol) als Lichtkörper herbeigeholt wird, 
während das Gedicht den Lichtgott (o Sol) in ſeiner Beziehung 
zur Frühgöttin und beide überhaupt in ihrer Wirkung auf die 
umgebende Natur, ſowie insbeſondere die Erſcheinung Aurora's in 
ihrem Einfluß auf die Vorſtellung des liebenden Dichters uns 
vorführt. Durchaus in dieſer Perſonification beruht das ganze 
Lied, und aus ihr erklären ſich leicht und gefällig die einzelnen 
Gedanken und Bilder. Wenn man im Auge behält, daß „die reine 
Schau“ der Anblick Aurora's iſt, in welcher der Dichter das Ab⸗ 
bild der Geliebten ſieht, jo muß der Vergleich ihres raſchen Ver⸗ 
ſchwindens mit dem raſchen Verſchwinden der Abendfonne wenigſtens 
als ganz äußerlich und faſt gezwungen erſcheinen, und zwar um ſo 
mehr, je weniger die Abendſonne mit der Morgenrböthe zu ſchaffen 
hat. Viel näher, ja geradezu nahe lag es, das raſche Verſchwinden 
Aurora's mit dem raſchen Aufſteigen Sol's in Beziehung und 
Vergleichung zu ſtellen, weil beide Vorgänge wie Urſache und Wir⸗ 
kung ſich verhalten: Aurora, das Bild der Geliebten und damit 
die Lebenskraft des Dichters, ſchwindet ſo raſch, wie raſch Sol 
emporſteigt. Einen ſolchen Vergleich wird man hoffentlich nicht 
unpoetiſch ſchelten; ein Dichter, dem Camoens manche Schönheit 
abgelauſcht hat, Ovid, vergleicht in ähnlicher Weiſe den raſchen 
Wechſel zwiſchen Erröthen und Erbleichen auf Arachne's Wangen, 
indem er ſagt: | 
ut solet aer 
purpureus fieri, cum primum aurora movetur 
et breve post tempus candescere solis ab ortu. 
Ovid. Met. VI, 47 sq. 


93 


Die Verderbung der Stelle ſcheint auf unleſerlicher Schreibung zu 
beruhen. Aus nicht deutlich erkennbarem: sahe sobre hat man: 
sohe sohe (wie das Wort bei Camoens ſonſt geſchrieben wird) 
geleſen und mußte nun nothgedrungen ein sohe ſtreichen und aus 
dem falta der voraufgehenden Zeile den erforderlichen Infinitiv 
faltar herbeiziehen. Ich glaube daher das Urſprüngliche hergeſtellt 


zu haben, wenn ich leſe: 


(60) como o Sol sahe sobre a redondeza. 


V. 68. Vgl. OC. III, 194, 18. — V. 69. Statt deo wird man 
deu ſchreiben müſſen, wie der Binnenreim meu es erheiſcht. Ca— 
moens bildet zwar in der II. und III. Conjugation die 3. Sgl. 
Perf. gemeiniglich auf -o; doch erlaubt er ſich des Reimes wegen 
auch die heutzutage herrſchende Bildung auf -u, welche Joſé da 
Fonſeca in ſeiner Luſiaden-Ausgabe (Paris. Baudry, 1846) durch— 
aus anwendet. — So erſcheint deu im Reime bei Camoens mehr 
we zehnmal z B: 00. I, 354, 5; III, 90, 22; 106, 16 uſw. 
Ueberdies findet ſich in den Luſiaden (OC. I, 261, 19) accendeu 
außer dem Reim (MM. hat: accendeo). Darum wird auch OC. 


II, 264, 2 f. seu: deu zu ſchreiben ſein, um ſo mehr als ſich 
Camoens (OC. II, 72, 13) ſogar: Venos (: menos) in einem 


Sonette geſtattet. Daraus geht hervor, daß ſchon damals die 


Vokale o und u in tonloſer Stellung einen dumpferen Laut hatten 


—ͤ—— — — — 


und kein ſcharfer Unterſchied zwiſchen ihnen hervortrat; vgl. Fr. 


Diez, Gramm. der Roman. Sprach., I?, 372. — Camoens aber 


behandelt die Reimbindung nicht gerade ängſtlich, und doppelte 
Conſonanz findet ſich zu Dutzenden auf einfache gereimt; in einer 


Serxtine (00. III, 151 f.) vertritt na penna zweimal das End- 


wort pena. 


94 


IM: 


Bewegten Herzens hatte der junge Dichter um 1545 — das 
Jahr iſt nicht genau zu ermitteln — nach beendigten Studien den 
reizenden Muſenſitz am Mondego, die „ſüße Ruhſtatt ſeiner Träum' 
und Thränen“ (vgl. Son. 133 in Sämmtl. Idyll. S. VI) ver⸗ 
laſſen. In jenem Sonette blicken die Augen des Scheidenden noch 
einmal auf die ſchimmernden Wogen, denen er zum Lebewohl die 
Worte zuruft: 


Wohl kann des Schickſals Hand die Staubeshülle 
Der Seel' entführen über Thal und Hügel, 
Weithin durch Meergebraus und Sturmgebrülle: 


Doch eilt der Geiſt, gehemmt von keinem Zügel, 
Allher zum Bad in deiner Fluten Fülle 
Auf der Gedanken leichkbewegtem Flügel. 


Wie im Sonette dem Mondego, ſo ſendet Camoens in der vierten 
Canzone ſeinen „Scheidegruß nach Coimbra“ an die Geliebte. 


Das Geleite des ebenſo wehmüthig wie ſchlicht hinfließenden 
Gedichtes ſchien mir lange Zeit hindurch etwas Phantaſtiſches zu 
haben und den harmoniſchen Eindruck der Canzone zu ſtören. 
Aber das Auffällige verlor ſich und der Auftrag an das Lied ge— 
wann für mich Beziehung und Bedeutung, als mir ‚Inez' Liebe“, 
ein kleiner Quell zu Coimbra, in den Sinn kam. In Coimbra 
nämlich, wohin das Lied entſandt wird, war die ſchöne Inez de 
Caſtro wegen ihrer Liebe zu dem damaligen Infanten, ſpäteren 
Könige Pedro I., dem ſie heimlich vermählt war, auf Befehl 
Affonſo's IV., ſeines Vaters, im Jahre 1355 ermordet worden. 
Die Thränen der Coimbranerinnen um Inez' Tod wandelten ſich 
in den ſogenannten ‚Liebesquell' (konte -dos-amores), welcher ſich 
dort bei einer Villa, im ehemaligen Garten des Palaſtes der Inez 
de Caſtro, noch heute findet, eine Metamorphoſe, die Camoens 


95 


in der berühmten Inez-Epiſode der Luſiaden (III, 155) be⸗ 


ſingt: 


1 — 


Es weint' um Inez' Tod an jener Stelle 
Coimbra's Töchterſchaar noch lange Zeit; 
Die Flut der Thränen ward zum klaren Quelle, 
Der ew'ge Dauer dem Gedächtniß leiht; 
Denn „Inez' Liebe“ heißt die Silberwelle, 
Wo treuer Lieb' einſt Inez ſich geweiht; 
Der friſche Quell erquickt die Blüthentriebe; 
Aus Thränen ſtammt er und ſein Nam' iſt Liebe. 
Die Strophenform iſt der Petrarchiſchen (V. di L.) Canzone 


XIV entlehnt; Camoens bedient ſich ihrer in ſeinen Canzonen 
viermal. — Das Geleite iſt nicht nach der Regel gebildet; es 


wiederholt nicht den Abgeſang oder einen Theil desſelben, ſondern 
beſteht aus dem ſechszeiligen Aufgeſange und den beiden Schluß— 
zeilen des Abgeſanges. 

V. 17. em paz com minha guerra erinnert an Petrarca's 
(V. di L.) Ganz. XIII, V. 22, bedeutet hier aber: das Ungeſtüm 
des Herzens war durch die Zuneigung der Geliebten beſchwichtigt. 
— V. 28 iſt d' amor und nicht d' Amor zu ſchreiben. — V. 47 
muß man wohl: de nosso (it. vosso) apartamento leſen. — 
V. 52 kehrt OC. III, 195, 24 genau wieder. 


V. 

Die Zeit der Abfaſſung für dieſe Canzone zu beſtimmen, 
giebt „das Haar im Schmuck der gold'gen Strahlen“ keinen 
Anhalt (vgl. Anm. zu Canz. III); doch wird das ſchwungvolle Lied 
wohl vor 1548 verfaßt und an Katharina gerichtet ſein. 

„Die Schönheit der Geliebten“ — das iſt der Ge— 
dankengang des Gedichtes — kann der Dichter, und machte er noch 


Pu 


96 


To viel Verſe (V. 91 ff.), nicht mit gebührendem Preiſe erheben, 
weil die Schmerzen der Sehnſucht, welche er ihr heimlich auszu⸗ 
ſprechen keine Gelegenheit hat (V. 1 ff.), ihn daran behindern. 

Die Strophenform beruht ohne Zweifel auf Bembo's Vor— 
gange (vgl. zu V. 1— 13), iſt jedoch nur eine Weiterbildung des 
Petrarchiſchen Geſätzes der vorigen Canzone, indem der Abgeſang 
um eine Kurzzeile und eine Langzeile vergrößert wird. Bembo 
vermehrt dabei bloß die Reimbindung im Abgeſange, Camoens ; 
bereichert ſie dagegen. Man vergleiche das Reimſchema bei 

Petrarca: c dee df f; 
Bembo: c dee e (X Y) deff; 
Camoens: c dae e d (d e) ff; 

V. 1—13 find einer Canzone Bembo's (Gli Asolani, II, 
42b) entlehnt. Die entſprechende Str. I, mit welcher Petrarca's 
(V. di L.) Canz. XIII zu Anfange ſich vergleichen läßt, will ich 
ganz herſetzen: 

Se ' pensier che m' ingombra, 
com’ è dolce e soave 
nel cor, cosi venisse in queste rime: 
anima saria sgombra 
del peso, ond' ella è grave; 
ed esse ultime van ch' A Eine 9 
Amor pid forti lime 
useria sovra 'I fianco 
di chi n' udisse il suono; 
io che fra gli altri sono 
quasi augello di selva oscuro umile, 
— andrei eigno gentile 
poggiando per lo ciel canoro e bianco; 
e fora il mio bel nido 
di piu famoso ed onorato grido. 


*) Vielleicht mit Weglaſſung von ed zu leſen: esse ultime 
(sc. rime) che van anderian prime. 


be x 
j — 
I 

1 


| 


97 


V. 11. Den passaro, im Gegenſatze zum eysne (V. 12), durfte 
die deutſche Ueberſetzung nicht beibehalten. — V. 17 f. Auf das 
Wortſpiel: nas meninas — o menino muß die deutſche Sprache 
verzichten; Camoens wendet es häufiger an, z. B. OC. II, 31, 
3 f.; 387, 25 f. — Ueber Amor's Erblindung vgl. 0C. II, 72, 
5 f. — Zu der übrigen Schilderung vgl. AO =I, 40, 1 ff.; 66, 


Ie; 138, 15 ff.; 374, 3 ff.; 387, 9 ff.; III, 96, 
4 ff. — V. 31 ff. Vgl. OC. III, 227, 4 ff., wo der Gedanke 
ſich faſt wörtlich wiederholt. — V. 46 ff. Vgl. OC. III, 176, 
1 ff. Vgl. 0C. II, 41, 15 ff. 


VI. 


Um Zuſammengehöriges nicht zu trennen, will ich bei Erläute⸗ 


N rung der ſechsten Canzone von V. 1—13, aus denen in Verbin⸗ 
dung mit V. 92 ff. Ort und Zeit der Abfaſſung ſich ergeben, 
zunächſt Abſtand nehmen. Der Kern des Liedes (V. 14— 91) iſt 
ſpröde und hat etwas Sprunghaftes durch die ſpintiſirende Sophiſtik 
des Schmerzes: Mit Freude würde der Dichter ſterben (vgl. zu 
V. 14), wenn die Geliebte — Katharina — von ſeinem Ruhme 


einſt erführe. Aber alle Hoffnung dünkt ihn trugvoll; trotzdem 


ſiſt es ihm unmöglich, nicht mehr zu hoffen. Dieſer Gemüthszu⸗ 


ſtand würde ihm Staunen erregen, wenn es überhaupt noch Staunens— 


werthes für ihn geben könnte, ſeitdem es ihm ſogar benommen iſt, 
hoffnungslos zu ſein; vgl. Elegie II, V. 37 ff. (OC. III, 161): 


Will nichts ich hoffen mehr in all der Noth, 
So kann ich's nicht; Sehnſucht und Liebe wehren 
Mir jeden Schritt, wenn Heil ich ſuch' im Tod. 
Furcht kennt er nicht; warum — jagt uns Son. 210 (OC. II, 
106), welches ich hier einzuſchalten mir erlaube: 


Camoens, Canzonen. 7 


98 


Das markerſchütternde Gebrüll der Schlachten 
Mit Mord und Brand, wenn Erz- und Feuerregen 
In Schutt und Aſche Städt' und Dörfer legen 
Und eines Felsgebirges Trotz verachten — 


Es kann mit Furcht deß Blicke nicht umnachten, 
Der einſt geſchaut dem ſchönen Aug' entgegen, 
Das Sorg' und Angſt mir bannt auf Todeswegen 
Und kühn mich macht in allem Thun und Trachten. 


Dem Erz und Feuer biet' ich Leib und Leben 
Und geb' es Preis, allwo Gefahr erſcheint, 
Und kann als Phönix frei der Flamm' entſchweben; 


So ernſtlich hat kein Leid es noch gemeint, 
Ich konnte ſeinem Griff mich ſtets entheben; 
Nur Amor hielt mich feſt, mein herbſter Feind. 


In weiter Ferne vergeſſen zu werden, macht ihn nicht beklommen. 
olch eine Sorge würde ihm ſogar lieb ſein; dann hätte er doch 


2 


wenigſtens einige Furcht; aber hoffend, ohne zu fürchten, iſt er 


ſich ein Räthſel; denn 
in allem Thun 


Folgt immerdar die Furcht der Hoffnung Schritten. 
Luſ. VIII, 66. 


Dies Alles hat einzig und allein die Geliebte verurſacht. Um ſo 


unbarmherziger aber behandelt ſie ihn, je leichter ſie ſeinem elenden 
Leben dadurch ein Ende zu machen vermöchte, daß ſie ſeiner Vor⸗ 
ſtellung nur auf eine Stunde ihr Bild entzöge. Aber fie ftraft , 


ihn auf's Empfindlichſte, indem ſie die verdiente Strafe, den Tod, 


ihm nicht gewährt, ſondern durch Verlängerung ſeines Leidens ge⸗ 
wiſſermaßen mit Wucher Rache an ihm nimmt. Gerne will er 


indeß dulden, wenn ſie es wünſcht, und lernen ſoll an ihm die 
Nachwelt: i 
71 e 


Man ſterbe nicht durch Trennung oder Ferne. 


7 
= 


9 


| Suchen wir nun feſtzuſtellen, wann die Canzone geſchrieben 
ſei. Aus dem Geleite (V. 105) erfahren wir, daß Camoens 

damals in der Verbannung lebte. Darnach muß die Abfaſſung 
| des Gedichtes innerhalb der Jahre 1556 —1561 fallen, welche der 

Dichter, durch den Governador Francisco Barreto (1555—1558) 
aus Goa verwieſen (vgl. V. 46 ff., 79 ff., 89) an verſchiedenen 
Orten zubrachte. Ferner erſehen wir aus V. 5 f. ganz unzwei⸗ 
deutig, daß ſie in den Monaten gedichtet iſt, wo in Europa „des 
Winters Hand, die rohe“ das Scepter führt. Nehmen wir hinzu, 
| daß Camoens nach V. 14 ff. damals ſchon „einen großen Theil 
| jeines Lebens“ auf jenem „im fernen Dit gelegenen Inſellande“ 
(V. 3) verbracht Hatte, jo erhalten wir als Zeit der Abfaſſung des 
Liedes mit großer Wahrſcheinlichkeit die erſten Monate des Jahres 
1559 oder vielleicht die letzten des RUSSEN, als Camoens 
| bereits zwei volle Jahre aus Goa verbannt war. Später kann die 
| Canzone nicht angelegt werden; denn die Vergünſtigung durch den 
Vicekönig Conſtantino de aden (vgl. Anm. zu Canz. XI) 
fällt, wie mir ſcheint, gegen Ablauf des Jahres 1559. Chrono— 
logiſch eingereiht müßte demnach das Gedicht hinter Canz. X und 


705 > 0 2 . 
vor Canz. XI einen Platz einnehmen. 


Es übrigt die andere Frage: Wo iſt die Canzone gedichtet 
worden? — Während ſeiner Verbannung lebte 5 zunächſt, 
wie man annimmt, einige Zeit in Malakka (Luſ. X, 123), dann 
kurze Zeit vielleicht auf den (eigentlichen) Molukken (Ruf, X, 132) 
und ohne Zweifel längere Zeit, wie ich im Folgenden darzuthun 
mich anſchicke, auf den gewöhnlich mit den Amboina-Inſeln zu 
den Molukken gezählten Banda-Inſeln (Luſ. X, 133) und endlich 
die letzte Zeit zu Macao in China (Luſ. X, 129 f.). Gewöhnlich 
bezieht man die Schilderung V. 1—13 und V. 92—97 (val. 
00. II, p. XLVI und MM. p. 38) auf Ternate, die nördlichſte 
Inſel unter den (eigentlichen) Molukken mit einer Stadt gleiches 
Namens, wo die Portugieſen 1522 das Fort St. Joo angelegt 
hatten (vgl. Schäfer III, 318). Mir ſcheint es indeß mehr als 


7 * 
1 


100 


zweifelhaft, ob Ternate gemeint fein könne. Wer die Schilderung 
von Ternate, wie fie A. R. Wallace (der Malayiſche Archipel, 
Reiſeerlebniſſe u. a w. deutſch von A. B. Meyer, Braunſchweig 
1869, Bd. II, S. 1 ff.) aus eigener Anſchauung giebt, mit Ca⸗ 
moens' Widehttden vergleicht, wird zwar im Allgemeinen Ueber⸗ 
einſtimmung finden, wie ja überhaupt die (eigentlichen) Molukken⸗ 


und die Banda-Inſeln in ihrem Geſammt-Charakter große Aehn⸗ 


lichkeit mit einander haben. Liest man dagegen die Beſchreibung 
der „vulkaniſchen Gruppe von Banda“ (Wallace I, 408 ff.), jo 


iſt ein Zweifel kaum mehr möglich, daß Camoens' ſechste Canzone 


in „dem alten portugieſiſchen Fort“ gedichtet iſt, neben welchem 
jetzt die „Strohbedachten Hütten der Eingeborenen“ ſtehen. Der 
engliſche Naturforſcher ſcheint den portugieſiſchen Dichter nicht ge— 
kannt zu haben; ſonſt würde er ſicherlich ſeiner erwähnt und auf 
unſer Gedicht, ſowie auf verſchiedene Stellen in den Luſiaden, auf⸗ 
merkſam gemacht haben. 


reine Anſicht, daß die ſechste Canzone auf den Banda-Inſeln 


entſtanden iſt, hat ihre Hauptſtütze in den Verſen 1—13 und 92 — 
104. Bevor ich jedoch dieſe näher erläutere, will ich noch be— 
merken, daß Camoens die Banda-Gruppe genauer als die Mo- 
lukken (Tidor und Ternate) zu kennen ſcheint; ja, mich will faſt 
bedünken, daß Ternate ihm bloß durch ganz vorübergehenden 
Aufenthalt bei kürzeren ne eee bekannt en war; 
ſonſt würde er Luſ. X, 132 

Sieh dort im Meere, wo das Licht der Frühe 
Erſcheint, die vielen Inſeln weit und breit; 
Tidor und auch Ternate, wo der glühe 
Bergkegel ragt und Flammenwogen ſpeit ), 
Wo's heiße Näglein giebt, die einſt mit Mühe 
Der Portugieſ' erwirbt im blut'gen Streit, 
Und gold'ne Vögel, die in Lüften leben 
Und nur im Tod herab zur Erde ſchweben — 


*) Der Vulkan Gunong-Gama-Lama. 


101 


das Fäbelchen von den Paradiesvögeln, welche auf den Molukken 
lebend gar nicht vorkommen, ſondern nur todt, ihre Bälge nämlich 
als Handelsartikel, von Neu-Guinea aus dorthin gebracht werden 
(ogl. Wallace I, 21 und II, 359 ff.), nicht für baare Münze 
ausgeben. Dagegen iſt nicht zu verkennen, daß Camoens die Banda— 
Inſeln als beobachtender Augenzeuge beſchreibt, indem er ganz 
individuelle Züge: die farbige Pracht der reichen Vegetation und 
die bunten Schwärme der großen Tauben, ſowie deren Lebensweiſe 
(vgl. Wallace II, 56, 98 u. 168) hervorhebt. „Ungeachtet des 
geringen Umfanges und der iſolirten Lage dieſer kleinen [Banda⸗— 
Inſeln“, ſagt Wallace (J, 411 f.), „ſind ſie von beträchtlichem 
Werthe geweſen und ſind es noch als Haupt-Muskatnußgärten 
der Erde. Faſt die ganze Oberfläche iſt mit Muskatnüſſen bepflanzt, 
welche unter dem Schatten der hohen Kanarienbäume (Kanarium 
commune) wachſen. Der vulkaniſche Boden, der Schatten und 
die außerordentliche Feuchtigkeit dieſer Inſeln ſcheinen dem Mus⸗ 
katnußbaume gerade zuzuſagen. Das ganze Jahr hindurch findet 
man Blumen und reife Früchte. — Wenig cultivirte Pflanzen 
ſind ſchöner als Muskatnußbäume. Sie ſind hübſch geformt und 
glattblätterig, zwanzig bis dreißig Fuß hoch, und tragen kleine 
gelbliche Blumen. Die Frucht iſt von der Größe und Farbe einer 
Pfirſich, aber etwas oval. Sie iſt von einer zäh fleiſchigen Con- 
ſiſtenz, ſpringt in der Reife auf und zeigt die dunkelbraune Nuß 
inwendig von der carmoiſinrothen [ſogenannten] Muskatblüthe be— 
deckt; ſie bietet ſo einen ſehr reizvollen Anblick dar. Innerhalb 
der dünnen harten Schale der Nuß liegt der Saame, welcher die 
Muskatnuß des Handels iſt. Die Nüſſe werden von den großen 
Tauben Banda's gegeſſen, welche die [jogenannte] Blüthe ver— 
dauen, aber die Nuß mit dem Saamen unbeſchädigt auswerfen.“ 
Und damit vergleiche man: 
Sieh dort der Flut die Banda Grupp' entſteigen, 

Die bunt im Schmelz der rothen Frucht erſtrahlt; 

Der Schwarm der Vögel hüpft im frohen Reigen 

Und macht ſich mit der grünen Nuß bezahlt. Luſ. X, 133. 


102 

Gehen wir zur Erläuterung des Einzelnen über: V. 4. „Mit 
fremder Völkerſchaft“; zu Camoens' Zeit war Banda von Papuas 
bewohnt, jetzt leben dort Miſchlinge; vgl. Wallace I, 415. — V. 
7 ff. Die Herrſchaft über die Gewürz-Inſeln überhaupt hatte den 
Portugieſen ſehr viel Blutes gekoſtet, wie man aus Schäfer, Bd. 
III u. IV an verſchiedenen Stellen erſieht. — V. 10 f. Vgl. zu 
V. 92. — V. 12 f. „Dieſe Inſel [Banda], ein herrlicher Garten 
von Muskatbäumen, gewährt den reizendſten Anblick, und da Dies 
ſelben mit einer Menge zwiſchen ihnen wachſender, wohlriechender 
Pflanzen und Kräuter zu gleicher Zeit blühen und duften, ſo füllen 
ſie die Luft mit einer Miſchung von Wohlgerüchen, mit denen 
keine anderen zu vergleichen ſind.“ Schäfer III, 316. — V. 14 ff. 
Nach längerem Aufenthalte auf Banda hatte Camoens, wie es 
ſcheint, in einem Treffen mit den Eingeborenen gefährliche Wunden 
erhalten und bedenklich krank darniedergelegen. — V. 20 ff. Ca⸗ 
moens wurde von ſeinen kampferprobten Landsleuten wegen ſeiner 
Tapferkeit ſehr geſchätzt; vgl. Schäfer IV, 319. Ueber Heldenmuth 
und Kriegsruhm ſpricht er mehrfach; vgl. u. a. Luſ. IV, 78; V, 
92 ff.; VI, 95 ff.; Eleg. IV (OO. IE 72, Ey Der De 
„ſchöne, klare Flut“ (rio formoso e claro) iſt ohne Zweifel das 
Meer von Banda, welches V. 10 f. deutlicher: hum rio de 
maritimas ägoas saudosas genannt wird. Dieſe meine Ver⸗ 
muthung finde ich durch Wallace's (J, 408) Schilderung beſtätigt: 
„Banda iſt ein lieblicher kleiner Fleck Erde; die drei Inſeln ſchließen 
einen ſicheren Hafen ein, von dem aus kein Ausgang ſichtbar iſt 
und der ſo durchſichtiges Waſſer beſitzt, daß lebende Korallen und 
ſelbſt die kleinſten Gegenſtände deutlich auf dem vulkaniſchen Sand 
und in einer Tiefe von ſieben bis acht Faden zu ſehen ſind.“ — 
V. 93. Ohne alle Frage iſt der prächtige, Jahr aus Jahr ein 
Blüthen und Früchte zugleich tragende (vgl. V. 5 f.) Muskatnuß⸗ 
baum (Myrifica aromatica) gemeint, welcher nach Schäfer (III, 
316) „nur auf der Inſel Banda wächst“, freilich erſt ſeit 
der Herrſchaft der Holländer, deren Gewinnſucht ſeinen Anbau 
lediglich auf die Inſel beſchränkte, wo er am meiſten ſich fand 


—— — . — 


103 


und am beſten fortkam; „denn kein bekannter Ort der Erde,“ ſagt 
Wallace (I, 412), „kann Muskatnüſſe jo billig produciren wie 
Banda.“ — V. 94. Seine Blätter ſind lorbeerähnlich. — V. 97. 
„Vom ſelben Stamm mehrlei Früchte“ (d' hum tronco 86 
diversos fructos) kann meines Erachtens ebenfalls nur auf den 
Muskatnußbaum gehen, indem Camoens offenbar einerſeits die 
Muskatnuß und andrerſeits die (ſogenannte) Muskatblüthe als 
verſchiedene Früchte bezeichnet. — V. 101. Camoens denkt wohl 
an die Erdbeben, von denen die Inſeln des malayiſchen Archipels 
überhaupt, beſonders aber die Banda-Inſeln oft heimgeſucht werden; 
vgl. über die häufigen Ausbrüche des Gunong-Api d. i. des Feuer- 
berges auf Banda: Dr. S. Friedmann, Die oſtaſiatiſche Inſelwelt 
(Leipzig, Spamer 1868), Bd. I, S. 264 und Wallace I, 408 ff.: 
„Der immer rauchende Vulcan thürmt ſeine nackte Spitze an einer 
Seite [des Banda⸗Hafens] auf ... Faſt jedes Jahr kommt hier 
ein Erdbeben vor und in Zwiſchenräumen von wenigen Jahren ein 
ſehr heftiges, welches Häuſer niederwirft und ganze Schiffe aus 
dem Hafen in die Straßen trägt.“ — V. 105 ff. Camoens 
klagt ſein Leiden, aber Keiner hört ſeine Klage. Aehnlich ſagt 
der verbannte Dichter in der Paraphraſe des 136. Pſalms (OC- 
III, 9) V. 186 ff. 

Der Verbannung herben Schmerz, 

Den ich gern ſäh' eingehauen 

Hartem Stein und feſtem Erz, 

Kann ich keinem Ohr vertrauen; 

So verbüßt den Fehl das Herz. 
Die Canzone bleibt alſo verbannt „auf Banda“ „eine Stimme, 
nackt, ungehört, erkaltet“, bis die Zeit d. i. mit der Zeit die 
Menſchenwelt ſie liest und nach Camoens fragt. Dann wird ſie, 
gleich der böotiſchen Bergnymphe Echo (vgl. Ovid. Met. III, 
358 ff.) Antwort ertheilen. 

Ueber die Strophe vgl. zu Canz. IV. 


104 


VII und VIII. 


Die Zwillings-Canzonen — jo könnte man VII und VIII 
wohl nennen — führen uns von der „ſchönen, klaren Flut“ des 
Banda-Meeres (Canz. VI) viel Hunderte Seemeilen weſtwärts nach 
der Königsſtadt am Tago. Sie ſind Kinder früherer, glücklicher 
Tage, als Camoens das „Cap der Hoffnung“ noch nicht umſegelt 
hatte, 

Ein Name, der mit Sehnen, bang und heiß, 
An Zeiten mich gemahnt, die längſt verflogen. 
Eleg, H., If. 


Ihre Abfaſſung fällt in „die ſchöne Zeit der jungen Liebe“. 
Der adelliche Jüngling hatte um 1545 die Univerfität am Mon⸗ 
dego verlaſſen und lebte ſeitdem zu Liſſabon in den Kreiſen des 
Hofes. Wahrſcheinlich an einem Charfreitage (15472) und in der 
Kirche zu den fünf Wunden (vgl. OC. II, p. XXXVI und p. 39) 
überfiel ihn Amor auf's Neue 


Und ſtürmte die Vernunft in hartem Streite 
Durch eine ſelt'ne, himmliſche Geſtalt. 
Son. 77 in Sämmtl. Idyll. S. VII. 


Die Coimbranerin war vergeſſen, und Katharina de Ataide wurde 
Glück und Unglück ſeines Lebens. „Ihre Augen“ beſingt Canz. 
VII, und Canz. VIII „ihr Antlitz“. Das Jahr, in welchem 
das erwähnte Sonett und unſere Zwillings-Canzonen entſtanden 
ſind, iſt mit völliger Sicherheit nicht anzugeben; vgl. indeß Anm. 
au Sp 

Portugieſiſche Kritiker haben die Zwillingsſchweſtern darauf 
angeſehen, welche die jüngere und welche die ſchönere ſei (vgl. O0. 
II, p. XXXVI und p. 322, Nota); indeß über die Schönheit 
entſcheidet der Geſchmack, und über die Erſtgeburt könnte nur der 
Dichter uns aufklären; daher wurden auch jene müßigen Fragen 


— 
— 


— 


r — — . 


105 


zu Gunſten bald der einen, bald der anderen Schweſter beant⸗ 
wortet. Denken wir ſie uns neben, nicht nach einander geſtellt. 

Die Strophenform gleicht der Bembo'ſchen in den drei Can⸗ 
zonen (Gli Asolani, p. 54 b ff.), nur daß Camoens in Canz. 
VIII die Reime des Aufgeſanges abe: bac ſtellt. Fr. Bouterwek 
a. a. O. S. 193 1) theilt von Ganz. VIII die 3. Strophe mit 
und macht die Bemerkung: „Die ganze Canzone iſt Nachahmung 
einer ähnlichen des Bem bo“, ohne den Fundort zu bezeichnen. 
Zunächſt ſcheint darnach der genannte Literarhiſtoriker die VII 
Canzone, welche namentlich in der 3. (und 4.) Strophe (ſowie im 
Geleite) mit der VIII faſt durchaus übereinſtimmt, gar nicht ge— 
kannt zu haben. Nach der behaupteten Aehnlichkeit aber mit einer 


Bembo'ſchen Canzone zu ſuchen — nur V. 82 ff. erinnern einiger⸗ 
maßen an Bembo (Gli Asol., 55a, 3. 14 ff.) — rathe ich Jedem 


ab; es iſt vergebens. 


Canz. VII. 


V. 22. Nach dem Vorgange Petrarca's: (F. di L.) Son. 
IX, I f.; Canz. XVIII, 88; Trionfo d' Amore J, 4 und anderer 
Dichter bedient ſich Camoens einigemal ſolcher dichteriſchen, nicht 
zweifelloſen Zeitangaben, z. B. Luſ. V. 2, woſelbſt der 8. Juli 
1497, wie wir aus anderer Quelle erfahren, auf ſolche Weiſe 
bezeichnet wird. In Luſ. II, 72, einer Stelle, welche der unſerigen 
jo genau wie möglich entſpricht, iſt der 15. April — nicht der 5., 
wie Fonſeca (Os Lus., p. 441) und Donner (Die Luſ. 3. A., 
S. 386) angeben — und zwar 1498 (nicht wie Donner a. a. O. 
angiebt: 1490) gemeint. — Phoebus oder die Sonne tritt in 
unſerer Zeit in das Sternbild des Stieres zwiſchen dem 20. und 
22. April. Streicht man 10 Tage ab, da die Canzone vor Ein— 
führung des Gregorianiſchen Kalenders (5/15 October 1582) ge— 
dichtet iſt, ſo erhält man den 10.— 12. April. Dazu ſtimmen 
natürlich die übrigen Angaben: um dieſe Zeit kommt Prokne, 
die Schwalbe, und in jenen Tagen ſchüttet Flora, die Frühlings- 


106 


göttin, aus dem Horne des Acheloos (vgl. Ovid. Met. IX, 85 ff.) 
oder der Amalthea (vgl. Ovid. Fast. V, 121 ff.) d. i. aus ihrem 
Füllhorne Blumen und Blüthen aus. Da nun Camoens nach 
Son. 77, wofern die Auslegung der Verſe 1—4 das Richtige 
trifft, am Charfreitage in der Kirche zu den fünf Wunden Ka⸗ 
tharina zum erſten Male ſah, ſo würde etwa von 1545—1547 
— denn wahrſcheinlich wurde er 1548 vom Hofe verwieſen — 
der paſſende Charfreitag zu ſuchen ſein. Keſſelmeyer's „Stellbarer 
Univerſal-Kalender“ ergiebt die betreffenden Data mit müheloſer 
Sicherheit. Die drei Charfreitage ſind darnach der 3., 23. und 
8. April. Der nach allen Seiten offenbar entſprechendſte iſt der 
Charfreitag im Jahre 1547: der 8. April. — Ich glaube indeß 
nicht zu viel Gewicht darauf legen zu dürfen; hat doch auch 
Petrarca, offenbar um den Beginn ſeines Liebesleides auf einen 
Gedenktag der Kirche zu legen, den 6. April 1327, d. i. den Montag 
der damaligen Charwoche, für den Charfreitag jenes Jahres, d. i. 
für den 10. April ausgegeben. — — V. 28. . . in niveo mixtum 
candore ruborem (Ovid. Met. III, 423) ſchildert Camoens 
vielfach, z. B. Son. 8; 60; 78; 186; Luſ. IX, 36; Canz. VIII, 
28. — V. 80. Vgl. OC. II, 392, 22 ff. — V. 89. Dieſer 
Gedanke kehrt mehrfach bei Camoens wieder; vgl. OC. I, 302, 
3 f.; III, 161, 5 ff.; 175, 24 5 82 


Canz. VIII. 


V. 5 f. Vgl. Canz. IX, 33 ff. — V. 16 leſen die 00: 
Em vivia do cego Amor isento —. 
Die Präpoſition em in modaler Bedeutung (vgl. Fr. Diez, Eramm. 
der Roman. Sprach. III?, 166, 6, wo indeß aus dem Portugie⸗ 
ſiſchen kein Beiſpiel angegeben wird) wie franz. en, deutſches als 
zu faſſen — ein Gebrauch, welcher bei Camoens mehrfach ſich 
findet, z. B. OC. II, 14, 1 und II, 23, 2 u. 3, wo dieſes em 
viermal erſcheint — geht nicht wohl an, weil der Vers in dieſem 


— D2ſ2o——— Mn er 
. 


— — — — 


107 


Falle unbedingt lauten müßte: Vivia do cego Amor em isento. 
Wahrſcheinlich iſt e m Druckfehler, deren die OC. keine angeben, 
aber mehrere haben, und wird in eu zu ändern ſein; vgl. 0C. 


II, 137, 15: Eu vivia de lagrimas isento. — V. 22. Vgl. 


Dante's Inf. I, 36 f. und dazu die Erklärer. — V. 28. Vgl. 
Canz. VII, V. 28. 8 


IX. 


Anlaß zu dieſer Canzone gab dem Dichter die „Härte der 
Geliebten“. Ohne Zweifel wird ſie, wie die Zwillings-Can⸗ 
zonen, auf Katharina ſich beziehen und in ihrer Nähe, alſo vor 
1548, geſchrieben ſein. Camoens hat ein desengano (v. 45) — 
ein Schulausdruck der Liebeskunſt, den das deutſche Wort „Ent— 
täuſchung“ (V. 43) nicht deckt — d. i. den deutlichen Beweis von 
Seiten der Geliebten erhalten, daß er Hoffnung und Wunſch auf— 
geben könne. Er glaubt ſich vergeſſen und erinnert daher nur an 
„dies Vergeſſen“, um die Geliebte „erreichen“ zu können (V. 19), 
weil in ihrem erkalteten Herzen kein anderer Anknüpfungspunkt für 
ſeine trotzdem fortdauernde, aber jetzt nur in der Erinnerung ihn 
ehrende und beſeligende (V. 25 f.) Neigung zu ihr ſich bietet. Die 
Härte der Geliebten gegen ſein Herz iſt ein ſo ſchweres Vergehen, 
daß der Richter auf Katharinens Tod erkennen würde; aber ihr 
Tod wäre zugleich ſein Tod (V. 33 ff.). Auch kann er trotz der 
Enttäuſchung (desengano) nicht geneſen; denn „ihr (der Ent— 
täuſchung und ihrer Wirkung d. i. der verletzten Empfindung) mächtig 
Streben“ ſtößt auf dauernden Widerſtand, indem des Dichters 
Verſtand, welcher die Schönheit der Geliebten ſtets von Neuem wahr— 
nimmt, und Katharinens Augen, „ein ſtarkes Söldnerpaar“ in 
Amor's Dienſten und zugleich des Dichters „Licht und Geleit“, 
nicht zulaſſen, daß „dieſe Pein“ der Enttäuſchung ihn der Sinne 


108 


beraube und ſein Herz für die Geliebte unempfindlich mache (V. 
40 ff.). So will er ſich denn beruhigen; vielleicht wird es dem 
Schickſal dereinſt noch läſtig, ſo unabläſſig ihn zu plagen (V. 
56 ff.). Aber ſelbſt größeren Wehen ſieht er furchtlos entgegen 
(V. 59 ff.). Witzig iſt das Geleite: entweder wird das Lied Be— 
ſtätigung oder der Dichter Befriedigung gewinnen. 

Ueber die Strophe vgl. zu Canz. IV. — Das Geleite iſt 
nicht nach der Regel geſtaltet; ſonſt müßte der erſte Vers eine Lang— 
zeile ſein. 

V. 4. condena, ſpan. Form, welche Camoens des Reimes 
halber häufiger anwendet ft. condemna, vgl. OC. II, 117, 28. 
— V. 50. Vgl Petrarca's (V. di L.) Canz. IV, V. 17. — 
V. 58. Dem etwas froſtigen Wortſpiele: com pena de penarme 


me despene — wollte die Ueberſetzung nicht ausweichen. 
W 
„Am Ras Aſſér“ hat Camoens die zehnte — in aller 


modernen Dichtung, wie einige Portugieſen (PL. III, 171) ur⸗ 
theilen, die ſchönſte — Canzone geſchrieben, und ſo habe ich ſie 
überſchrieben, um dadurch ſofort einem ſeltſamen Irrthume der 
Hamburger Herausgeber zu begegnen. In „Camoens' Leben“ 
handeln nämlich die OC. (II, p. XLV) von des Dichters Ver— 
bannung durch den Governador Francisco Barreto. Sie laſſen 
den Verbannten von Goa nach dem glücklichen Arabien, dann 
nach Ternate (vgl. dagegen die Anm. zu Canz. VI) und endlich 
nach Macao ſich begeben. Es heißt a. a. O.: „Zuerſt verweilte er 
am Berge Feliz im gleichnamigen [d. i. glücklichen! Arabien, wie 
man aus Ganz. X erſieht, welche der Dichter gerade damals, in 
der Verbannung ſchrieb, und nicht auf einem Seezuge, wie Manoel 


109 


Severim und Manoel de Faria e Souſa annehmen; denn ſonſt 
würde er weder ſagen, noch Grund haben zu ſagen: 


Hier weilt' ich und verbrachte traur'ge Tage, 
Einſame, knechtiſche, betrübte, ſchlimme, 
Voll Zorn, Beſchwerde, Gram und Mißgeſchick — 


V. 31 ff. 


inſofern weder die Tage, welche er in Dienſten ſeines Vaterlandes 
zubrachte, knechtiſche (forcados) ſein würden, weil er ihm aus 
Neigung diente; noch einſame (solitarios), weil er für ſich allein 
ohne Kampfgenoſſen doch nicht zur See ging; noch voll Zorn (de 
ira cheios), weil dieſer doch nur in einer erlittenen Beleidigung 
oder Unbill ſeinen Grund haben kann.“ 


Sicherlich würden die Hamburger Herausgeber die patriotiſch— 
pſychologiſche Erörterung ſich geſpart haben, wenn ihnen Severim 
und Faria e Souſa verrathen hätten — oder wußten dieſe es ſelber 
nicht? — wie der Berg: 


cujo nome, do vulgo introduzido, 
he Feliz, por antiphrasi infelice — 


. 


im Munde der Anwohner denn eigentlich heiße und wo er liege. 
— Die Anſiedler von Somali, am Cap Guardafui oder, wie es 
früher hieß, Aromata, zum Theil Nachkommen vor alten Zeiten 
eingewanderter und in der Nähe jenes Berges ſeßhafter Araber, 
ſind es, welche: 
Mißglückter Weiſ' ihn nennen: der Beglückte — 
V. 8. 

d. i. Ras Aſſer = monte Feliz = beglückter Berg oder beglücktes 
Cap. Das Gedicht verſetzt uns alſo an die äußerſte Oſtküſte Afrika's 
(V. 16 ff.). Dieſer Umſtand bietet uns die Möglichkeit, für dieſe 
Canzone genauer als für irgend eine andere die Zeit ihrer Abfaſ— 
ſung zu beſtimmen. 


110 


Der Vicekönig Pedro Mascarenhas (23. Sept. 1554 — 16. 
Juni 1555) hatte nämlich in dem letztgenannten Jahre, wahr⸗ 
ſcheinlich im Februar, Manoel de Vasconcellos mit einer Flotte 
gegen die Schiffe der Mauren in das rothe Meer entſandt. Der 
Seezug war erfolglos. Unverrichteter Sache kehrte die Flotte zurück 
und lief in Goa wieder ein im October 1556. Namentlich hatten 
die Monſune oder Wechſelwinde, hier (V. 106 f.) die von Nord⸗ 
weſt ſtreichenden Lüfte, das Unternehmen vereitelt. Wenn die 
Verſe 109 ff. nicht poetiſche Floskel find — und bei Camoens wird 
man das am allerwenigſten annehmen dürfen — ſo iſt die Canzone 
etwa im November-December des Jahres 1555 gedichtet, als die 
europäiſchen Zugvögel — Standvögel giebt es nach V. 4 in der 
Umgebung des Ras Aſſér nicht — wahrſcheinlich alſo europäiſche 
oder, wie der Dichter ſie ie portugieſiſche Schwalben dort um⸗ 
herſchwärmten. 

Die Strophenform ſtimmt im Aufgeſange mit Ganz. VIII 
und iſt im Abgeſange eine verſchönernde Umbildung des in den 
„Zwillings⸗Canzonen“ angewandten Gefüges. Camoens hat nämlich 
den 10. Vers (Langzeile) und den 11. Vers (Kurzzeile) in dem 
Geſätze der VII und VIII Canzone hier ihren Platz wechſeln 
laſſen und die Reimbindung aus: cddeffegg in cdeffedgg umge⸗ 
wandelt. 


N 7 Ter 


V. 7 f. Der überlieferte Text: 


cujo nome, do vulgo introduzi do, 
he Feliz, por antiphrasi infelice — 


(s deſſen Name, vom Volke eingeführt, Feliz [= der beglückte 
iſt, mit mißglückter Benennung) enthält offenbar Fehler; denn der 
Name des Berges iſt in Wirklichkeit nicht „Feliz“, wie die Ham⸗ 
burger Herausgeber annehmen (ſ. o.). Folglich kann auch die 
Benennung Feliz, abgeſehen davon, daß in dieſem Falle der Zuſatz: 
do vulgo introduzido durchaus überflüſſig wäre, nicht von dem 
Volke eingeführt ſein. Der Name Feliz iſt vielmehr nichts als 
die portugieſiſche Ueberſetzung des entſprechenden arabiſchen Wortes 


111 


‚asser‘. Einem Dichter wie Camoens eine jo ſtümperhafte Rede- 
weiſe wie: „ſein Name, vom Volke eingeführt, iſt Feliz“ ſtatt: 
„jein Name, in's Portugieſiſche überſetzt, iſt Feliz“ zutrauen wollen, 
wäre faſt eine Beleidigung. Wer aber vollends die Art und Weiſe, 
wie Camoens fremde Namen anführt z. B. Luſ. VI ne 22, E, 26, 
, 2; N, 95, 8; 96, 7 f.; 97, 1; 127, 
1 f. u. a. m. in Vergleich zieht, dem muß nothwendig die hier 
vorfindliche Lesart als irrige Leſung undeutlich geſchriebener Wörter 
ſich ergeben, ein Vorkommniß, auf welches die Hamburger Heraus⸗ 
geber nicht jelten ihre Textkritik ſtützen, wie aus ihren ‚Notas‘ zu 
erſehen iſt. Mit leiſeſter Aenderung der Schriftzüge ergiebt ſich 
einfach und ungezwungen: 
cujo nome, do vulgar traduzido etc. 


— deffen Name, aus der Volks- (oder Landes⸗) Sprache überſetzt, 
„beglückt“ heißt, mit mißglückter Benennung. — Bei Camoens 
heißt „Volks⸗ oder Landes⸗Sprache“ mit mannigfachem Ausdruck 
— die Belege will ich nicht häufen — z. B. Lus. V, 63: a lin- 
gua, Lus. V, 76: alinguagem, ja Lus. X, 96 ſogar: o romance! 
(da terra) = die Landesſprache am Fluſſe Oby in Afrika! — 0 
vulgar aber iſt auf dem romaniſchen Sprachgebiete als Bezeich- 
nung der Volks⸗ oder Landes-Sprache durchaus gewöhnlich. — 
Wer ‚traduzido‘ für wenig dichteriſch hält, der leſe u. a. Son. 
90 (OC. II, 46, 12) und klage den Dichter an. 

V. 11. = das rothe Meer. — V. 13. Berenike, ehedem 
ein Handelsplatz in Arabien, jetzt Ruinen bei Aſſyun. — V. 14 f. 
Auf der afrikaniſchen Küſte, welche der im rothen Meere kreuzenden 
Flotte der Portugieſen weſtlich lag. — V. 16 ff. Vgl. Luſ. X, 
7. Die Einwohner nennen das Cap (vgl. A. G. Reuſchle, Hand⸗ 
buch der Geographie, Stuttgart 1858, I, 417): Jordanfun oder 
Dſchard⸗Hafun, vielleicht entſtellt aus: Dſchard⸗al⸗fum [= Steppe 
(an) der Mündung], ein Name, welcher verglichen mit Aromata 
(= Wohlgerüche), dem portugieſiſchen Ohre (V. 19 ff.) mißtönig 
vorkam. Die Portugieſen trieben mit dem Fremdworte Volks- 


9 


112 


eiymologie und machten daraus: Guardafui (= Wache war ich). 
— V. 24 ff. Im Ganzen ungefähr von Juni 1555 bis Juni 
1556, zur Zeit der Abfaſſung der Canzone (Nov.⸗Dec. 1555) etwa 
fünf Monate. — V. 29 f. Wenn man Amerika, was Camoens 
noch zu thun ſcheint — freilich war der Irrthum im Jahre 1555 
beſeitigt, — als zu Aſien gehörig betrachtet, ſo iſt des Dichters 
Ausſage buchſtäblich wahr. — V. 31-36 beziehen fi) auf die 
trübſelige Lage der Seeleute. Aus Son. 100 (OC. II, 51) er: 
fahren wir, daß eine mörderiſche Seuche die Schiffsmannſchaft 
befallen hatte. In jenem Sonette führt Camoens einen Freund 
und Genoſſen, welcher der Seuche erlegen war, redend ein und 
läßt ihn klagen: 


Mich zeugte Portugal im grünen, theuern 
Heimländchen Alemquer; verderbter Odem, 
Der angefüllt dies Staubgefäß zum Rande, 


Gab Fiſchen mich zum Fraß in deinem Brodem, 
Du Habeſch-Meer, das Geiz und Glut befeuern, 
Ach! ſo entfernt vom ſel'gen Heimatlande. 
Sämmtl. Idyll. S. IV. 


V. 41: „Flüchtiges Glück“ (breve gloria — kurze Herrlichkeit) — 
vielleicht ungefähr das Glück eines Jahres; vgl. die Anm. zu 
Ganz. XI. — V. 42. Vgl. V. 81. — V. 75 Bol. Luſ. 1, 106, 
7 f. — V. 122 f. Der identiſche Reim (mouro : mouro) ver 
ſtärkt den ausgedrückten Begriff. — V. 123: porque mouro = 
weil ich ſterbe d. i. weil ich immer am Sterben bin. 


* 


113 


XI. 


In der elften Canzone ſchildert uns der Dichter ſeine „Lebens— 
ſchickſale“ in ergreifenden Zügen, und daher dürfte hier der ge— 
eignetſte Platz ſein, um die Andeutungen, welche Camoens ſelbſt in 
einzelnen Gedichten darüber macht, mit anderen Nachrichten kurz 
zuſammenzuſtellen. 

Im Jahre 1643 fand Manoel de Faria in der Liſſaboner 
Dienſtrolle für Oſtindien aus dem Jahre 1550 folgende Aufzeich— 
nung: „Luis de Camoens, Sohn des Simon Vaz [de Camoens! 
und der Anna de Sa ſe Macedo], wohnhaft zu Liſſabon im 
Mauren⸗Viertel [St. Sebaſtian's Kirchſpiel], Escudeiro lein Adel⸗ 
licher vierten Ranges], 25 Jahre alt“ uſw. Man hat daraus als 
Geburtsjahr 1525 und Liſſabon als Geburtsort gefolgert. Des 
Knaben Geburtstag ſcheint der Sterbetag der Mutter geweſen zu 


ſein; vgl. Canz. XI, V. 41. 


Wahrſcheinlich gehörte Camoens ſchon der Univerfität an, als 


| dieſe im Jahre 1537 zum dritten Male jeit der Gründung (1290) 
von Liſſabon nach Coimbra verlegt wurde. Nach Vollendung ſeiner 


Studien um 1545 verließ er den Muſenſitz am Mondego, wo 


ſeine Familie angeſehene Verwandte hatte, und trat zu Liſſabon in 


die Kreiſe des Hofes. Die zarte Neigung zu einer Coimbranerin 


(vgl. Canz. IV) war vergeſſen, als er Katharina de Ataide, eine 


Palaſtdame der Königin, wahrſcheinlich um Oſtern 1547 geſehen 


hatte; vgl. Son. 77 und 35 ſowie Canz. VII (Anm. zu V. 22) 


u. VIII. Ohne Namen und unter Verſtecknamen: Natercia (= 
Caterina), Dynamene u. a. wurde in klangvollen Liedern, die zu— 


weilen auch den Namen Liſo (= Lois) enthalten, die Geliebte ge— 


feiert. Die vornehme Dame war für die dichteriſchen Huldigungen 


nicht unempfindlich; bald aber wurde das Einvernehmen offen— 
kundig, und die ſpärlichen Glücksgüter des Dichters wie die glän— 


zende Lage der Geliebten mochten das Ihrige dazu beitragen, daß 


— — — 


die Strenge der damaligen Geſetze gegen Liebesverhältniſſe im könig— 
Camoens, Canzonen. 8 


114 


lichen Palaſte (vgl. Schäfer III, 8 f.) zur Anwendung gebracht 
und der Unglückliche nach einem Städtchen am Tago, wahrſchein⸗ 
lich nach Santarem, vom Hofe verwieſen ward. Dies Ereigniß 
fällt vielleicht in das Jahr 1548. In der erſten Elegie (OC. III, 
157 ff.) ſchildert er die Lage des Dichters Ovid während deſſen 
Verbannung in Tomi und fährt dann fort (V. 25 ff.): 


23 So führt auch mir die Phantaſie ein Bild 
Des Lebens vor, an dem ich jetzt verkranke, 
Verbannt vom Glück, das einſt mir wohlgewillt. 


Vergang'ne Luſt betrachtet mein Gedanke, 
Die Herz und Sinn verlieren nimmermehr 
30 Und mein Gedächtniß wahrt mit feſter Schranke. 


Nun ſeh' ich, wie die Freuden, ſchal und leer, 
Durch ihren Wechſel, der des Menſchen Tage 
So flüchtig macht, enttäuſchen ſein Begehr. 

Wie wenig Schuld ich bin an meiner Lage, — 
Nachdenken ſagt mir's, das betrübend wägt, 
Wie ohne Grund mir ward verhängt die Plage. 


0 
O 


Denn eine Strafe, die mit Recht man trägt, 
Wohl weiß ich, daß ſie mit dem Schmerz verſöhne; 
Doch bitter trifft, was ohne Grund uns ſchlägt. 


Wie der unglückliche Dichter an Katharina mit ganzer Seele 
hing und damals in Sebnſucht ſich zergrämte, erfahren wir aus 
den unmittelbar folgenden Terzinen: 


40— Allwenn dem Gott des Lichts das Thor die ſchöne 
Frühgöttin öffnet und verſprengt den Thau, 
Und Philomel' erneut die Klagetöne: 


Dann kehrt — im Schlaf verſcheucht von meiner Brau' — 
Mein Gram im Traum; denn mir bereitet Kummer, 
45 Was Alles rings erquickt in Wald und Au'. 


| 


115 


Und plötzlich aufgeweckt aus halbem Schlummer — 
Unaufgeweckt vielmehr; denn Qual und Zwang 
Macht dumpfer ſtets des Menſchen Sinn und dummer — 


Fortſchleich' ich mühſam dann mit trägem Gang 


50 Und ſuche Raſt und ſitze lang’ am Hügel, 


55 


60 


SY 
S 


70 


Hingebend all mein Herz dem trüben Hang.“ 


Der Marter ſatt, die ohne Zaum und Zügel 
Mich wild beſtürmt, hinblick' ich dann mit Leid, 


Wohin der Geiſt ſich ſchwingt auf leichtem Flügel. 


Nur Felsgebirge ſeh' ich weit und breit 
Und ohne Reiz' und Blumen Gründ' und Auen, 
Wo's Blumen gab und Reiz' in früh'rer Zeit. 


Den reichen Tago ſeh' ich aus den Gauen 
Auf klarer Wog' entführen Kahn um Kahn, 
Die ſchwimmend bald der Wünſche Ziel erſchauen; 


Der eine hier, mit Segeln angethan, 
Der and're dort, mit leichtem Ruderſchlage, 
Verfolgt im Flutkryſtall die kühle Bahn. 


Und zu den Waſſern ſprech' ich dann und klage, 
Die nimmer doch verſtehen, was ich litt 
Und was ich troſtlos weine ſtets und zage: 

„Ihr flücht'gen Wogen, hemmt den raſchen Schritt! 
Ich darf mit euch nicht wandern im Vereine, 
So nehmt von mir doch dieſe Thränen mit. 

Ach, bis der wonnevolle Tag erſcheine, 
Da frei und froh mit euch ich ziehen kann, — 
Wie mag ſo lang' ich harren, ſo alleine! 


Nur läſſig ach! ſchleicht ſolch ein Glück heran, 


Und eher geht mein Leben wohl zu Ende, 
75 Bevor zu Ende geht der harte Bann.“ 


8 * 


116 


Im Jahre 1550 (ſ. o.) finden wir Camoens im Begriff, auf 
See zu gehen, um in Oſtindien ſeinem Vaterlande zu dienen. Aus 
unbekannten Gründen ändert er den anfänglichen Plan und ſchließt 
ſich an die portugieſiſche Kriegsmannſchaft in Afrika. Ueber ſeinen 
Aufenthalt in Ceuta giebt uns die zweite Elegie (00 C III, 160 ff.) 
an einen befreundeten Herrn in Liſſabon, Antonio de Noronha 
(vgl. M. M. p. 395), näheren Aufſchluß: 


Wie jener Nymphe *), die zu wilder Glut 
Entflammte maßlos einſt der ſchöne Knabe“), 
Der liebentbrannt ſich ſchaut' in klarer Flut — 


Ihr ließ der Göttin“) Zorn als einz'ge Labe 
5 Stets nur das letzte Wort, als ihr Gebein 
Verwandelt ward zu ihrem Felſengrabe —: 


So will die Qual auch mir vom frühern Sein 
Nichts mehr als dieſe Worte bloß gewähren, 
Die letzten, die ich ſchreib' in meiner Pein. 
10 Gönnt Amor dem Verbannten hier in Zähren 
Zu leben noch, ſo ſoll die Spanne Zeit 
Den Gram um mein verlor'nes Glück nur nähren. 
Und ſtaunt Ihr, Herr, weil Ihr mich doch bereit 
Und noch im Stande ſeht, darob zu klagen: 
15 Die Augenblick' entwend' ich meinem Leid. 
Denn wer ein ſolches Weh' vermag zu tragen 
Und trotz der bittern Pein am Leben bleibt, 
Behält die Kraft auch, Andern dies zu ſagen. 
Auch ſchreib' ich ſelbſt nicht, wie mich Qual zerreibt; 
20 Ich überſetze, was in's kummerſchwere, 
Trübſel'ge Herz ſehnſücht'ge Liebe ſchreibt. 


*) Echo. — * Narciſſus. — ***) Juno. 


117 


So weil’ ich hier in dauerndem Beſchwere 
Und ſchleppe tiefbedrückt der Schmerzen Wucht 
Einſam den Strand entlang am weiten Meere; 
25 Und ſeh' es nah'n und geh'n in wilder Flucht, 
Wie's ungeſtüm ſich wälzt und vielgeſtaltig 
Sich brauſend bäumt und bricht in breiter Bucht; 
Und ſein Gewoge, wüthend und gewaltig, 
Wie's unbezähmbar wühlt am Uferſtrand 
30 Und einen Schlund gräbt, klaffend, tief und ſpaltig. 
Kaum leiſtet noch die Erd' ihm Widerſtand: 
Sie beut, die ſchwäch're, dar ihr Eingeweide, 
Aufſtöhnend dumpf, von Schmerzen übermannt. 
Das Alles ſeh' ich an mit einem Neide, 
35 Der meinem Wollen ſtets ein Halt gebot, 
Wie feſt ich auch mich glaubte beim Entſcheide. 
Will nichts ich hoffen mehr in all der Noth, 
So kann ich's nicht; Sehnſucht und Liebe wehren 
Mir jeden Schritt, wenn Heil ich ſuch' im Tod. 
40 Zuweilen ſinn' ich, ob ſich mein Begehren, 
Da Alles hier mir neu und unbekannt, 
Nicht laſſe doch auf and're Ziele kehren. 
Dann prüft der Geiſt, was Alles hier ich fand: 
Den Menſchenſtamm, ſeltſam in Sitt' und Leben, 
45 Den fremden Himmel und das fremde Land; 
Den Berg“) beſteig' ich, den der Held aus Theben, 
Herakles, einſt von Kalpe's Höhe ſchied, 
Um einen Weg dem Mittelmeer zu geben; 
Dann ſpäht das Aug', ob's wohl die Stell' erſieht, 
50 Wo früher lag der Hain der Heſperiden, 
Den trotz des Drachen nicht der Held vermied; 


) Abyla. 


55 


60 


70 


80 


118 


Dann ſtellt, geweckt vom Bilde des Aleiden, 
Antäus' Rieſenkraft dem Blick ſich dar, 

Dem größ're, fiel zur Erd' er, war beſchieden; 

Bis einſt der Heldenarme mächtig Paar 
Hob und zerdrückte dort den Ungeſchlachten, 

Wo ihm verſagt der Mutter *) Hülfe war. 

Doch mag ich dies und das im Geiſt betrachten 
Und mit den Waffen zieh'n zu Kampf und Streit: 
Die Gluten dauern, die das Herz entfachten. 

Rings wandelt Alles ſich im Lauf der Zeit, 
Der Monde Flucht will keinem Ding geſtatten, 

Zu dauern wandellos in Feſtigkeit. 
Voll Freude ſah ich einſt in Au'n und Matten, 


5 Auf Höh'n und Bergen durch des Lenzes Hand 


Viel Farben hold in buntem Spiel ſich gatten; 
Und ſah die Vöglein treiben ſüßen Tand 
Mit Melodei'n, die ſelbſt dem Felsgeſteine 
Gefühl entlockten und der Bergeswand; 
Ich ſah erfreu'n mich Alles im Vereine: 
Von tauſend Freuden, die ſich fort und fort 
Wanklos mir boten, ſah getrübt ich keine. 


Jetzt dünkt mich ſchier verwandelt Zeit und Ort; 


Betret' ich Au'n, ſo ſcheint's, als ob ſie trügen 
Farblos Gewand, um meinen Schmerz verdorrt. 

So ſcheint das Mißgeſchick es ſtets zu fügen: 
Deß Blicken, der ein Mißvergnügen trägt, 


Zeigt mißvergnügt ſogar ſich das Vergnügen. 


Ach, Amor und Fortuna! ſchmerzlich ſchlägt, 
Unſäglich eure Hand, die all den Herzen, 
Schuldloſen ſelbſt, zum Lohn nur Reue wägt. 


*) = der Erde. 


WERE N — EEE 


| 


| 


| 


119 


Wenn Furcht und Hoffnung ſtets in böſen Scherzen 
Den Dulder prüften, war's euch nicht genug? 
Warum ihn quälen noch mit Trennungsſchmerzen? 


85 Ihr habt ein Herz verkehrt, das linde ſchlug, 
Damit ſich nimmer von Geſeufz und Zähren 
Abkehren möge mein Gedankenzug. 


Und hab' ich mich gewöhnt, das Leid zu nähren, 
So ſchafft ihr ſelbſt im Leid mir Unbeſtand, 
90 Um nimmer Raſt dem Herzen zu gewähren. 


Denn wenn im Gram Beruhigung ich fand 
Und ſüßen Trug mir wußte zu erſinnen, 
Der Wunſch und Hoffnung baut' auf ſchwachen Sand: 
So ſchwingt Fortuna, flößt mir ſolch Beginnen 
95 Labſal in's Herz, mit flinker Hand das Rad, 
Daß neuem Schmerz ſtets neue Thränen rinnen. 
Das zeigt genugſam, was ich litt und that, 
Und leicht erräth, was Alles ich verſchwiegen, 
Wer ſchon jo fährdevollen Weg betrat“). 
100 Kann weiche Herzen Mitgefühl beſiegen, 
Um ein gepreßtes Herz, von Qual geſchwellt, 
Mit Troſt begütigend in Schlaf zu wiegen: 
So bitt' ich, Herr, daß, Eurem Brief geſellt, 
Aus Eurem Land mir komme manche Kunde; 
105 Vielleicht, daß eine mich zufrieden ſtellt. 
Denn bannt das Schickſal auf ſo manche Stunde 
Vom Glücke mich, bis daß der müde Geiſt 
Sein Kerkerhaus verläßt auf dieſem Runde: 


*) Antonio de Noronha hatte, wie Camoens, eine unglückliche 
Liebe; vgl. Anm. zu Canz. XVII. 


120 


Wo des Cocytus ſchwarze Flut umkreist 
110 Schwer niederhangende Gebüſch' und Sträuche, 
Dort preiſ' ich noch, was ſtets die Seele preist; 
Und ob die Nacht dort ſtets den Tag verſcheuche 
Und ſtarre Felſenklüfte ſteh'n umher 
Und Pein und Qual rings herrſch' und Peſt und Seuche: 
115 Soll meine Stimme, matt und kummerſchwer, 
Die ſchönen Züge doch im Lied erheben, 
Die meinem Blick entſchwinden nimmermehr; 
Und deſſen Blick nie wieder kann entſchweben 
Eurydice's Geſtalt, — mit meinem Preis 
120 Wird Orpheus ſeiner Leier Klang verweben. 


Verliebte Schatten lauſchen rings im Kreis 
Und weinen, eingedenk vergang'ner Tage; 
Hoch ſchwillt der Strom von Thränen, bang und heiß. 


Salmoneus findet Raſt in ſeiner Plage, 
125 Und Belus' Töchtern füllt ſich bis zum Rand 
Des Faſſes Höhlung mit dem Thau der Klage; 
Denn Liebe ſtirbt nicht, lebt der Leib verbannt, 
Und wen'ger noch, bezwang ihn Todesſchauer; 
Die Seele hat ja ewigen Beſtand, 
130 Und Lieb', ihr tiefſtes Weſen, ew'ge Dauer. 


In einem Seetreffen gegen die Marokkaner, in der Straße 
von Gibraltar, trug ihm ſeine Tapferkeit den Verluſt des rechten 
Auges (vgl. Canz. XI, V. 168 ff. und OC. III, 483, 8 ff.), aber 
bei ſeiner Rückkehr nach Liſſabon, wahrſcheinlich 1552, keine Be⸗ 
förderung ein. Sein Entſchluß war nun gefaßt: er wollte Por⸗ 
tugal nicht mehr ſehen. Es traf ſich, daß gerade ein kleines 
Geſchwader nach Oſtindien abgehen ſollte, und Camoens trat als 
Stellvertreter eines anderen Escudeiro auf dem Capitänſchiffe in 
Dienſt und erhielt 2400 Reis (beinahe 4 Thlr.) als Handgeld; 
vgl. MM. p. 393. Im März 1553 ſegelten die vier Schiffe von 


a in ME EEE ů 


121 


Liſſabon ab. Wind und Wetter begünftigten Anfangs die Fahrt, 
und Camoens hatte Muße, ſehnſüchtigen Träumereien nachzuhangen, 
wie er ſelber einem Freunde es ſchildert in der dritten Elegie V. 
58 ff. (OC. III, 164): 


58 Was eitle Hoffnung Frohes uns verheißt, 
Das muß in Tod und Wechſel bald vergehen, 

60 Und Leid umdunkelt Auge dann und Geiſt. 

Längſt weiß ich, Herr, wie ſchwer und hart in Wehen 
An Wonnen die Erinn'rung uns zerquält; 
Dem Tod der Hoffnung dankt ſie ihr Entſtehen. 

Und wollt Ihr ſeh'n, wie fein ſie und gewählt 

65 Leid bringt den Seelen ſtets, den ſehnſuchtkranken, 

Lest meinen Kummer, lang und breit erzählt. — 
Gott Aeolus entließ aus Haft und Schranken 

Mit güt'ger Hand den ſanften Zephyr nun, 

Und ich die Sehnſucht und die Gramgedanken. 

70 Aufrecht, den Dreizack haltend, ſtand Neptun; 
Vom Kiele ward der weiße Schaum zerſchieden; 
Froh war die Schiffsmannſchaft bei ſolchem Thun. 

Uns folgte nach die Schaar der Nereiden; 
Lind wiegte die verliebte Galatee 
75 Beſchwicht'gend all die Wind' in ſtillen Frieden. 
Zu leichten Wellchen kräuſelten die See 
Mit Silbermüſchlein rings durch leiſes Tunken 
Dynamene, Melantho, Panopee. 
Mein Aug', in Rückerinn'rung ganz verſunken, 

80 Sah ſtier und ſtarr zur ruhevollen Flut, 

Von ruheloſer Flut getrübt und trunken. 

Was längſt entſchwand, mein früh'res Glück und Gut, 
Das ſchien wie Gegenwart emporzuſteigen, 
Als hätt' in ihrem Lauf die Zeit geruht. 


122 


85 Mißmuthig, regungslos, nach langem Schweigen, 
Mit Seufzern, tief und ſchwer, doch halb erſtickt, 
Um meinen Schmerz den Andern nicht zu zeigen: 

„Ihr klaren Nymphen,“ ſprach ich, „wenn ihr blickt 
Mit Freud' auf reine Lieb' und noch ein Denken 

90 Euch weilt im Geiſt und euer Herz beſtrickt: 

So bitt' ich, ſolltet einſt die Schritt' ihr lenken 
Zum mächt'gen Tago, wo er geht, den Zoll 
In Thetys', eurer Herrin, Schooß zu ſenken; 

Und ſeh'n den Weidegrund, von Blumen voll, 

95 Und ſchimmernd Gold aufſammeln aus dem Sande, 
Die reiche Frucht, die ſeiner Flut entquoll; 

Mit einem Müſchlein ſchreibet dann am Strande 
In Verſen, ſüß und hold, was hier ihr ſeht; 
Vielleicht erweicht es dort ein Herz im Lande. 
100 Und wer als Hirt an jenem Ufer geht 
Und einſt mich hörte, liest im feuchten Grunde 
Von eurer Hand, wie trüb es um mich ſteht.“ 


Und Jene zeigten mir mit Aug' und Munde 
Im Wellenſpiel, ſie ſeien gern bereit, 
105 Zu leiſten, was ich bat in jener Stunde. — 


Später wurde das Geſchwader von einem heftigen Seeſturme 
überfallen, und nur das Capitänſchiff entkam mit genauer Noth 
und ankerte, ohne von dem Untergange der drei anderen zu wiſſen, 
im September des Jahres vor Goa. ö 


106 Treu gab ein ſolch Gedenken mir Geleit, 
So lange windſtill lagen rings die Wogen, 
Und blieb mir treu in Sturm und Fährlichkeit. 
Denn als wir grad' um's Kap der Hoffnung bogen — 
110 Ein Name, der mit Sehnen, bang und heiß, 
An Zeiten mich gemahnt, die längſt verflogen — 


123 


Und ſahen dort am neuen Himmelskreis, 
Wie hell das neue Glanzgeſtirn erfunkelt, 
Der zweiten Achſe ſtrahlender Beweis: 


115 Da wird die Nacht von Wolken jach verdunkelt, 
Vom Himmel weicht der letzte Strahl des Lichts, 
Und rings im weiten Meere murrt's und munkelt; 


Das Weltgebäude ſcheint des Gleichgewichts 
Gänzlich beraubt und windet ſich in Krämpfen; 
120 Bald ragt ein Flutgebirg' und bald zerbricht's; 


Süd ringt mit Nord und nimmermehr ſich dämpfen 
Will ihre Wuth, die Sturmgeheul erregt; 
Das Segeltuch zerbirſt bei ihren Kämpfen; 


Die Stricke pfeifen ſchrill, vom Wind gefegt; 
125 Die ganze Schiffsmannſchaft, an ihrem Heile 
Verzweifelnd, ſchreit zum Himmel angſtbewegt; 


Vulkan's Geſchoſſe wirft mit zorn'ger Eile 
Zeus' mächt'ge Hand; gehüllt in düſt're Nacht, 
| Bebt Pol und Pol beim Schlag der Donnerkeile. 


130 Da wies ſich Amor recht in ſeiner Macht, 
Der nimmer floh, wenn Angſt und Noth mich plagte, 
Nein! treuer harrt, iſt Müh' mir zugedacht; 


So daß, den Tod vor Augen, dort ich ſagte: 
„Herrin! gedächtet noch dereinſt Ihr mein, 
135 Vergäß' ich Alles, drob ich ſchier verzagte.“ 


Ja, kein Begegniß kann ſo mächtig ſein, 
Daß treue Lieb' es könnt' im Innern ſtören, 
Trat recht in's Herz einmal ſie tief hinein. 
Als ſicher, Herr, kann Eins ich Euch beſchwören, 
140 Daß nie die hehrſte Liebe fand und gab, 
Wer ſtets die Liebſte ſehen konnt' und hören. — 


124 


In Goa angelangt, ſcheint Camoens Verſchiedenes bemerkt zu 
haben, was ihm als Ehrenmanne und Vaterlandsfreunde nicht 
bloß mißbehagte, ſondern als gefahrbringend für den Charakter 
der Portugieſen und die Machtſtellung des Heimatlandes vorkam. 
Schon im November 1553, nicht lange nach ſeiner Ankunft, nahm 
er Theil an einem Seezuge gegen den König von Chembe. An 
die Erwähnung dieſes Unternehmens ſchließt ſich dem Freunde 
gegenüber die einſichtige Bemerkung, ſeine Landsleute möchten doch 
Ackerbau und Viehzucht nicht vergeſſen. Wie richtig der Dichter 
geurtheilt hatte, zeigt der Verlauf der portugiefiſchen Geſchichte. 
Nur zu bald krankte Portugal an ſeiner Größe. 


142 So führte mich des Schickſals Herrſcherſtab 
Zu dieſem vielerſehnten, weiten Strande, 
Jedwedes armen Ehrenmannes Grab). 


145 Nur wenig Thorheit treibt das Volk im Lande, 
Viel mehr die Unſern und in manchem Stück; 
Bald ſah man dort uns ſchon im Kriegsgewande: 

Wir forderten ein Inſelland zurück, 
Das Chembe's Fürſt mit Räuberhand genommen 

150 Dem Fürſten Porka's, und wir hatten Glück. 

Ein ſtark Geſchwader kamen wir geſchwommen 
Aus Goa's Bucht, des Vicekönigs Heer; 
Was Waffen trug, war Alles mitgekommen. 

Nach leichtem Angriff wich des Volkes Wehr, 

155 Das ſich im Kampf bedient gekrümmter Bogen; 
Wir ſtraften fie mit Tod und Brande ſchwer. | 

Die Inſel war mit Waſſer rings durchzogen, | 
So daß man hin und her mit Booten fuhr; | 
Ein neu Venedig war's in Meereswogen. | 

| 
| 


*) Vgl. 00. III, 482, 22. 


125 
160 Wir weilten dort zwei Tag’ im Ganzen nur, 
Die letzten ſollten's ſein für den und dieſen, 
Die jetzt am Styx durchzieh'n die kalte Flur. 


Heilkräftig hat ſein Waſſer ſich bewieſen 
Für Manchen ſchon, der lebend ſich beſtrebt, 
165 Nach Nitterart ein Leben zu erkieſen. — | 


Wie doch der Ackersmann ſo glücklich lebt! 
Erkännt' er nur in Arbeit und Beſchwerde, 
Welch ſel'ger Fried' um ſeine Felder ſchwebt. 
| Brod ſpendet ihm gerecht und mild die Erde, 
170 Den reinen Trunk gewährt der klare Born, 

Und Milch der Schafe hundertzähl'ge Heerde. 
ö Nachtgrauen kennt er nicht und Meereszorn; 
| Nicht geht er ſuchen nach des Oſtens Steinen, 
Und nimmer ſtört ihn auf des Krieges Horn. 


175 Der Bäum' Ertrag genügt ihm für die Seinen, 
Und nimmer raubt ihm ſeinen Schlaf zu Nacht 
| Des eitlen Goldes trügeriſches Scheinen. 


Fehlt ihm das Feſtkleid, reich an Duft und Pracht, 
| Gefärbt mit Aſſur's glanzbegabter Tinte 
180 Und aus attal'ſchem Seidenſtoff gemacht; 


Und mangeln ihm die prächt'gen Labyrinthe 
Im Styl Korinth's aus Paros' Marmorſtein, 
Rubinen und Smaragd' und Hyacinthe; 
| Und gleißt am Eſtrich nicht des Goldes Schein: 
185 So ſtrahlt der Weidegrund von tauſend Blüthen, 
| Und Ziegen ſpringen froh am grünen Rain. 
Vielfarbig glänzt die Flur, mit holderglühten 
Obſtfrüchten neigt der Baum zum Grund ſich nieder, 
Wo Hirten ruhen und die Heerde hüten. 


126 


190 Dort ſchallen Korydon's und Thyrſis' Lieder, 
Und dorten ſtand Aſträa's Fuß zuletzt, 
Bevor ſie ſtieg zum reinen Himmel wieder. 
Glückſelig, wem das ſchöne Ziel geſetzt, 
Friedlich und froh zu leben im Vereine 
195 Der zahmen Schäflein, die er pflegt und letzt! 


Um als Krieger Ruhm und Stellung zu erwerben, vielleicht 
auch die überſeeiſchen Gedenkſtätten portugieſiſcher Großthaten für 
ſein „mühevolles Lied“ (vgl. u. V. 211; duro canto) aus eigener 
Anſchauung kennen zu lernen, war Camoens in Seedienſt getreten. 
In unſerer Elegie beklagt er ſchmerzlich (vgl. Canz. XI, V. 161 ff.), 
ſeinen Lieblingsſtudien — geographiſchen, hiſtoriſchen, mythologiſchen 
— nicht mehr nachgehen zu können. Dennoch will er die „Lu⸗ 
ſiaden“ — man bedenke, daß dieſe Elegie zu Anfange des Jahres 
1554 geſchrieben wurde — zu Ende führen, wofern nicht der Tod 
ihn frühzeitig hinraffe. Er beneidet den Landmann; denn: 


196 Leicht prüft er all die Dinge, groß' und kleine, 
Nach Grund und Folge, wie Natur ſie thut; 

Wie Regen bald, bald kalter Schnee erſcheine: 
Sol's weite Bahn, der nie am Himmel ruht; 

200 Wie Luna's Antlitz glänz' in fremdem Lichte, 

Wenn Phoebus uns entzog der Strahlen Glut; 
Warum ſie ihren Weg ſo raſch verrichte, 
Und wie das All ein Himmel dreh' im Kreis; 
Wann Venus uns begünſt'ge, wann vernichte. 

205 Das Alles kann, wer Mars in Müh' und Schweiß 
Nachfolgen muß, nicht prüfen noch gewahren, 
Dieweil er von Gefahr nur hört und weiß. 

Doch wiſſet, Herr, mag rauh ſich auch gebahren 
Fortunens Macht, die gar ſo fern mich ſchied 
210 Von allem Glück, und dräu'n mir mit Gefahren: 


127 


Sein Ziel verfolgt mein mühevolles Lied, 
So lange nicht der Tod nach Gram und Schmerzen 
Vor Rhadamanthus' Richterſtuhl mich zieht; 

Wenn ſolch ein Glück noch harrt betrübter Herzen. 


Seit dem Februar 1555 finden wir Camoens bei einem langen, 


erfolgloſen Unternehmen im rothen Meere. (Vgl. Canz. X und 


Anm.) Mißmuthig und unzufrieden kam er im October 1556 
nach Goa zurück. Ein ſatiriſches Gedicht Disparates na India 


„ Thorheiten in Indien; vgl. OC. III, 46), durch welches der 


damalige Governador Francisco Barreto ſich getroffen fühlte, war 
ohne Zweifel die Urſache, daß der Dichter alsbald verhaftet, ver⸗ 
urtheilt und verbannt wurde (vgl. Canz. VI und Anm.). Wahr⸗ 
ſcheinlich erſt unter der Regierung des Vicekönigs Conſtantino de 


| Braganga (15581561) wurde ſeine Lage dadurch gebeſſert, daß 


er in Macao, woſelbſt noch heute die Camoens-Grotte ſein An⸗ 
denken bewahrt, die Oberverwaltung des Nachlaſſes der Verſtorbenen 


erhielt. Dies geſchah, wie mich dünkt, gegen Ablauf des Jahres 


— 


1559, nachdem Camoens durch ein Lobgedicht, in welchem er den 
Vicekönig wegen der Einnahme der wichtigen Stadt Daman in 
Cambaya am 2. Februar 1559 (vgl. Schäfer IV, 221 ff.) als 


Mehrer des Reichsgebietes feiert, die Blicke dieſes ebenſo edlen wie 
großen Mannes auf ſich gelenkt hatte. Aus den zwanzig Octaven 


— 


— 


— — — 


dieſer Epiſtel — es iſt die zweite (OO. III, 217 ff.) — will ich 
Einiges mittheilen: 


Erlauchter, ſelt'ner Fürſt, der Ihr auf ſtraffen 
Und ſtarken Schultern ſchwere Bürde führt, 
So viel zu ſorgen habt, ſo viel zu ſchaffen, 
Wie's dieſem weiten Reich ſich wohl gebührt, 

5 Und immerdar erſcheint in Wehr' und Waffen, 
Um Meer und Land, das Euer Scepter ſpürt, 
Von Räubern zu befrei'n und aus den Banden, 
Mit denen Ottomannen es umwanden: 


128 


13 Nähm' Eure Zeit ich Euch mit buntgereihten 
Und langen Verſen: würd' ich mich, fürwahr! 

15 Indeß ich weither müß'ge Bilder hole, 
Verſünd'gen ſchwer am allgemeinen Wohle. 


Auch nännte man mich liſtig und verſchlagen 

Und einen Schmeichler, ſüßlich und gewandt, 

Dieweil ich komm', Euch meine Noth zu klagen, 
20 Und ſuche Huld von Eurer mächt'gen Hand, 

Wollt' Euer Lob in rauhem Lied ich ſagen, 

Dem Volk zum Trotz und ſeinem Unverſtand; 

Man ſchölte, daß ich Hülfe mir erkrieche 

In all dem Unrecht, dran ich leid' und ſieche. 


25 Nein, nur die Wahrheit, die im freien Richter 
Viel wirkt — der weiſe Knab' “) erfuhr's vordem, 
Den Perſiens Fürft**) neu zünden hieß die Lichter 
Im neuen Tempel zu Jeruſalem — 

Sie treibt zu ſchlichtem Preis für Euch den Dichter, 

30 Iſt's auch dem dummen Volke nicht genehm, 

Vor Jenem “**), der Euch nimmer kann erreichen; 
Nicht feile Hoffnung, Lohn mir zu erſchleichen. 


Bakchus f) und Romulus und all die hehren 
Halbgötter, hochgeehrt im Erdenkreis, 


*) Zorobabel; vgl. III Buch Esra, Kap. 3 ff. 
*) Darius Hyſtaſpis. — ***) Francisco Barreto. — 1 
+) Hier als Eroberer Indiens und Freund des Luſus, der | 


nach der Sage mit Ulyſſes nach Portugal kam und Liſſabon 
gründete. 


129 


35 Als auf der Welt den übermenſchlich ſchweren 
Arbeiten einſt ſie weihten Müh' und Schweiß, 
Beklagten, daß der wohlverdienten Ehren, 
Die ihre Thaten als gerechten Preis 
Erwarten dürften aus des Volkes Händen, 


| 40 Sie ſtets und überall beraubt ſich fänden. 


O 


Auch Jener“), der in Tingi's Flur den mächt'gen 
| Antäus einſt gewürgt, der Heldengeiſt, 
Der jetzt ein würdiger Genoß nach prächt'gen 
Großthaten im Olymp den Göttern heißt, 
45 Erfuhr, daß nie, böswillig zu verdächt'gen, 
Aufhört der blaſſe Neid, bis einſt zerreißt 
| Des Leibes Schleiertuch; denn hier im Leben 
| Wird Keinem der verdiente Ruhm gegeben. 


97 Ich weiß und Alle wiſſen's, daß geweitet 
Sich einſt das Reich erblickt durch Eure Hand; 
Schon hat Euch Daman's feſter Wall bereitet 
100 Ein ſolch Gedächtniß in Cambaya's Land, — 
Ein Wall, mit dem der Tod vergebens ſtreitet, 
Weil Ihr gegründet ſeinen Fortbeſtand 
Auf Waiſen “*), die mit Männern Ihr verſorgtet, 
| Und Dienste, die um guten Lohn Ihr borgtet. 


) Herakles. 

k) Verwaiſte Mädchen, die zum Chriſtenthume übertraten und 
mit Portugieſen ſich vermählten. Schon Affonſo d' Albuquerque 
hatte, um die Bevölkerung zu ſteigern, die Verſchmelzung der Indier 
mit den Portugieſen zu bewirken und den Uebertritt jener zum 
Chriſtenthume zu befördern, die Heirathen zwiſchen Portugieſen 


Camoens, Canzonen. 9 


u — U— — — 


130 


113 Von Euch den würd'gen Namen darf bekommen 
Daman, geziert mit reichem Ehrenkranz, 

115 Gleichwie, dem erſten Conſtantin entnommen, 
Noch heut' ein gleicher Name ziert Byzanz. 


137 Nicht fürchtet, Herr, des dummen Volks Gebahren, 
Das keinen Dank gewährt für ſolche That; 
Ihm wird die Zukunft reichen Lohn bewahren, 

140 Dem ſtets mit Haß die Gegenwart ſich naht. 


3 * * . 0 


153 Demoſthenes, beſtürmt vom Volk mit Plagen, 
Rief einſt: „O Pallas!“ als es ihn verdroß, 

155 „Ach, daß die drei Scheuſale dir behagen, 
Die Schlang' und Eul' und der gemeine Troß!“ 
Gab's denn, von Volksgift frei, in allen Tagen 
Wohl Ruhm, der ew'ge Dauer in ſich ſchloß? 
An tauſend Römer will ich nicht gemahnen, 

160 Ihr ſtammt ja ſelbſt vom Volk der Luſitanen. 


Im Jahre 1561 erhielt Camoens, wie es ſcheint, die Erlaub⸗ 
niß, nach Goa zurückzukehren. Nach der Meinung Einiger (vgl. 
MM. p. 38), denen ich beiſtimme, litt er auf dieſer Rückfahrt von 
Macao — Andere (vgl. JF. p. XI) verlegen das Unglück auf die 
Hinfahrt — unweit der Mündung des Fluſſes Mecom an der 
Küſte von Cambaya Schiffbruch. Schwimmend rettete er das, 


und Indierinnen begünſtigt. Die Heirathenden erhielten eine Bei⸗ 
ſteuer aus dem königlichen Schatze und außerdem Felder und 
Gärten der entflohenen oder erſchlagenen Eingeborenen. Vgl. 
Schäfer III, 239. | 


131 


nackte Leben und jein unſterbliches Gedicht, wie er die Tethys in 
den Luſiaden (X, 128) vorherſagen läßt: 


Einſt wird der Strom leutſelig und gelinde 
In ſeinem Schooß aufnehmen jenes Lied, 
Das grauſem Schiffbruch, fährdevollem Winde 
Und trügeriſchen Klippen kaum entflieht 
In Hunger, Gram und Kummer, wenn das blinde 
Urtheil an Jenem ausgeführt man ſieht, 
Dem ſeiner Leier klangbegabte Saiten 
Mehr Ruhm hinfort als Erdenglück bereiten. 


Dieſen Aufenthalt am Fluſſe Mecom beſingt, wie man glaubt, 
die Paraphraſe des 136. Pſalms (OC. III, 9 ff.): 


An den Waſſern, die da geh'n 
Hin durch Babel, ſaß ich nieder, 
Thränenfeucht die Augenlider. 

Was in Sion mir geſcheh'n, 

Trat mir vor die Seele wieder; 
Und es rann mir von den Wangen 
Ungehemmt der Zähren Flut; 

Ich verglich mit trübem Muth 
Babel dieſem Leid und Bangen, 
Sion dem verlor'nen Gut. 


Endlich nach Goa zurückgelangt, ging der Dichter neuen Ver— 


drießlichkeiten entgegen. Veruntreuungen während ſeiner amtlichen 
Thätigkeit in Macao wurden ihm Schuld gegeben, und kaum ſollte 


er, glänzend gerechtfertigt, ſeiner Haft entlaſſen werden, als ein 

unbarmherziger Gläubiger, Miguel Roiz Coutinho gt. Fios-ſeccos 

(= Dürrefäden) wegen einer Forderung von zweihundert Cru— 

zados dagegen Einſpruch erhob. Camoens wandte ſich an den 

damaligen, „durch ſein joviales Weſen und ſeine witzigen Einfälle 
9* 


132 


ſehr beliebten“ (vgl. Schäfer IV, 225) Vicekönig Francisco Cou⸗ 
tinho, Grafen von Redondo (1561 — 1564), mit dem nachſtehenden 
Gedichte (OC. III, 87 f.) und ward aus dem Schuldgefängniſſe 
befreit: | 


Giebt's 'nen Satan, der jo keck if, 
Daß er vor der grimmen Sichel 
Dieſes „Dürrefäden“ Michel 
Nimmermehr in Furcht und Schreck iſt? 


Setzt der Schall von ſeinem Hieber 
Nun in Angſt die Höllengrube, 
Daß ſich ſcheu'n die Beelzebube: 
Soll ich ſteh'n, nicht fliehen lieber? 


Wenn ich flöhe, wär's bedächtig; 
Doch ich darf gen all' und dieſen 
„Dürrefäden“, Herr! erkieſen 
Euch zum Schild, bewährt und mächtig. 


Sorget nur, daß ich, ein Kranker, 
Den an's Ruder band der Flegel, 
Streich' im Hafen frei die Segel, 
Eh' Ihr lichtet Euren Anker. N 
Sämmtl. Idyll. S. XIII f. 


Im Laufe mehrerer Jahre, welche Camoens der Feder und 
dem Degen widmete, reifte in ihm der Plan, nach Liſſabon zurüd- 
zukehren. Katharina war unterdeß geſtorben, — man glaubt, 
zwiſchen 1564 — 1568 —; vgl. Sämmtl. Idyll., S. X f., 181 ff. 
u. 236. Er wollte dem jungen Könige Sebaſtian, der nach der 
Vormundſchaft ſeiner Mutter (1557 — 1562) und der Regentſchaft 
des Cardinal-Infanten Henrique (1562—1568) die Regierung über⸗ 
nommen hatte, ſein großes Epos widmen. Da wußte Pedro 


I 


133 


Barreto, welcher von Goa als Statthalter nach Sofala ging, den 
dürftigen Dichter, indem er ihm zweihundert Cruzados zur Aus— 
rüſtung für die Reiſe darbot, durch Zureden als Gefährten zu ge— 
winnen. Aber der unedle Mann behandelte ihn auf der Fahrt 
und in Mocambique wie ſeinen Diener. Hochherzige Landsleute, 
Diogo do Couto, Heitor da Silveira, Duarte de Abreu u. A. 
kauften ihn aus dieſer Sklaverei los und brachten ihn auf ihrem 
Schiffe im Jahre 1569 nach Liſſabon zurück. Dort herrſchte die Peſt, 
und der ſechszehnjährige König mied die Hauptſtadt. 

Nach vielen Bemühungen erhielt Camoens zur Herausgabe 
ſeiner Luſiaden endlich die königliche Bewilligung, aber für das 
ſtolze Werk ſeines Lebens keine königliche Belohnung: nach unſerem 
Gelde eine Jahresrente von 25 Thalern. 

Des Dichters Elend dauerte bis zu ſeinem Tode. Man be— 
richtet, daß er von Almoſen lebte, und wir erfahren ſeine Armuth 
aus einem Gedichte an König Sebaſtian, welchem Papſt Gregor 
XIII. im Jahre 1575 (vergl. Adamson I, 284) einen h. Seba⸗ 
ſtians⸗ Pfeil als Wahrzeichen glorreichen Sieges über die Mauren 
zugejandt hatte, eine Reliquiengabe, die Camoens in neun Stanzen 
beſingt (vgl. Anm. zu Canz. XIII). Es heißt dort, in der dritten 
Epiſtel (OC. III, 223 ff.) am Schluſſe: 


Demüthig naht dies Lied und will beſingen 
Als wahrer Herold Euer Reich und Land; 
Fürſten geziemt Wohlthun vor allen Dingen, 
So nehmt's mit königlicher milder Hand; 
Verdient es nicht, Belohnung zu erringen, — 
Ich bin zufrieden, wenn es Gnade fand: 
So mög' Euch, der“) ſo viel Euch gab im Leben — 
Namen und Heilthum —, ſeinen Segen geben! 


) Der h. Sebaſtian. 


154 


Aber der Dichter fand keine ſpendende und der König keine 


ſegnende Hand. Sebaſtian verlor Reich und Leben bei Alcacer 1578, 


und 1579 ſtarb Camoens in Armuth und Elend zu Liſſabon. Sein 


letzter Seufzer galt dem heißgeliebten, verblutenden Vaterlande. 
In dem Bruchſtücke eines kurz vor ſeinem Tode geſchriebenen 
Briefes (MM. p. 44) ſagt der Dichter: „Endlich geht mein 
Leben zur Neige, und Alle werden erkennen, wie ich meinem Vater— 


lande ſo anhing, daß ich mich nicht begnügte, in ihm zu ſterben, 


ſondern zu ſterben mit ihm.“ 
An ſeinem Todesbette ſtand ein Barfüßer-Bruder Joſepe 


Indio. Dieſer ſchrieb in ein Exemplar der Luſiaden, welches 1 


früher dem Barfüßer-Kloſter zu Guadalaxara gehörte und ſpäter 
in Lord Holland's Beſitze war (MM. p. 44 f.), folgende Worte: 
„Traurigeres kann es nicht geben, als einen ſo großen Genius 


im Elende zu ſehen. Ich ſah ihn ſterben in einem Hospitale zu 
Liſſabon. Er hatte kein Leintuch, um ſich zu bedecken, und hatte 


doch in Oſtindien ſiegreich gekämpft (triunfado) und war 5500 
Meilen weit auf See geweſen. Fürwahr, ein bedeutſamer Wink 


für Alle, die Tag und Nacht mit nutzloſen Studien ſich abmühen, 


wie die Spinne mit Netzweben, um Fliegen zu fangen!“ 

Ein Grab fand Camoens hart am St. Annenkloſter der 
Franciskaner⸗Konnen. Nur mit Mühe war jeine Gruft zu ent- 
decken, als Goncalo Coutinho (1595) ſeine irdiſchen Ueberreſte 


ausheben und in jener Kirche beiſetzen ließ mit der Inſchrift: 


„Hier ruht Luis de Camoens, der größte Dichter ſeiner Zeit; er 
lebte arm und elend, und ſo ſtarb er auch im Jahre 1579.“ 

Die St. Annen⸗Kirche fiel beim Erdbeben 1755 in Trümmer. 
Keiner dachte an Camoens' Grab, als man fie ſpäter wieder auf- 
baute, und ſo weiß Niemand die Ruheſtätte des Dichters. 


Zu Canz. XI: 


Die Anſichten über Zeit und Ort der Abfaſſung dieſer Can⸗ 
zone weichen von einander ab. Nach MM. p. 77 wäre ſie in 


939 er 2 1 


135 


Alten gedichte; wann und wo? wird nicht gejagt. Die Ham- 
burger Herausgeber bemerken (OC. II, p. LVIID: „Im letzten 
Viertel ſeines Lebens ſah ſich Camoens von Allen ſo völlig ver— 
laſſen und ſo ſcheußlichem Elende preisgegeben, daß ſein Sklave 
— oder richtiger ſein Freund, — der ihm aus Java gefolgt war, 
Namens Antonio, Nachts Almoſen erbettelte, damit ſein Herr 
nicht Hungers ſtürbe In dieſer verzweifelten Lage ſcheint 
jene unvergleichliche Canz. XI geſchrieben zu ſein, ein Klagelaut 
der Seele, der ſeinen Widerhall finden wird in der Menſchenwelt, 


ſolange noch Jemand portugieſiſch ſpricht oder verſteht.“ — Ich 


pflichte dieſer Anſicht bei. Offenbar liegen die Jahre thatkräftigen 
Ringens (1550 — 1569) nach einem beſſeren Looſe ſchon geraume 
Zeit zurück. Katharina iſt todt; kein Sehnen bringt die „kurze 
Herrlichkeit“ wieder; „was Menſchenwitz erdacht“ — auch ſeine 
Luſiaden, deren Widmung an König Sebaſtian, ſowie ihre Auf⸗ 
nahme in Portugal (1572 erſchienen die erſte und die zweite Auf⸗ 
lage), außerdem die (dritte) Epiſtel an den König (vergl. oben) 
und die dreizehnte Canzone (vgl. die Anm.) an des Königs Oheim, 


den Cardinal⸗Infanten Henrique — das alles hat dem armen 
Dichter nicht aufgeholfen. „Höh'rer Macht“ hat er jetzt ſich ganz 
anheimgegeben, „Gottes heil'ger Fügung“. — Das war ohne 
3 bweifel in den letzten Lebensjahren des großen Mannes dauernde 
Stimmung, wie ſie faſt noch ernſter und düſterer in den „Grab⸗ 


gedanken“ (OC. II, 47) hervortritt: 


Was könnt' ich wünſchen noch, worauf vertrau'n? 
Woran ſich einſt mein liebend Herz ergetzt, — 
Neid wurd' es und Verdruß und Tod zuletzt; 
Das iſt das Ende; darauf kann man bau'n. 


Mir macht das Leben vor dem Leben Grau'n; 
Daß großer Gram nicht tödtet, weiß ich jetzt; 
Und giebt's ein Weh', das mehr in Qual verſetzt, — 
Schau'n muß ich das; denn Alles ſoll ich ſchau'n. 


136 


Der Tod vermied trotz meinem Wunſch im Leid 
Mein Leben; was zu miſſen ſchmerzlich war, 
Das mußt' ich miſſen ſchon vor langer Zeit. 


Unlieb' im Leben ſah ich immerdar, 
Im Tod die letzte Pein; — ich bin bereit, 
Weil dazu nur die Mutter mich gebar. 


Beide Gedichte, dieſes (92.) Sonett und unſere Canzone, 
möchte ich daher nach dem Jahre 1573 anſetzen. 


Die Strophenform ſtimmt genau mit Petrarca's (V. di L.) 
Ganz. I und Bembo's Ganz. VI in deſſen Rime p. 22a. ff. 
Auch Andere haben ſich dieſes Gefüges bedient, z. B. Garcilaſo. 
Man kann nicht ſagen, das Verhältniß des Abgeſanges zu den 
Stollen = 14: 3: 3 ſei ein angemeſſenes. Auch die Reimbindung 
des Abgeſanges iſt eben nicht überſichtlich: cdeedfghhgffii, da 
nur einem geübten und aufmerkſamen Ohre die Bindung f: ff. 
noch erkennbar bleibt (vgl. V. 243). Aber mächtige Wirkung 
übt doch der umfangreiche Strophenbau. 


V. 41. (ſ. o.) Camoens ſcheint das erſte und einzige Kind 
ſeiner Eltern geweſen zu ſein. Zunächſt läßt ſich dafür geltend 
machen, daß nirgends Geſchwiſter erwähnt werden; dann deutet 
der Ausdruck: a materna sepultura — OC. III, 201, 11 wird 
der Mutterſchoß: o materno e escuro ninho genannt — zu klar 
auf den Tod der Mutter hin (vergl. V. 61); endlich erfahren 
wir, daß mit unſerem Dichter, „weil er unvermählt blieb“ (vgl. 
JF. p. VID, dieſe Linie der Camoens ausſtarb. — V. 45. 
Vgl. Ovid. Met. VII, 19 ff. und Petrarca's (V. di L.) Canz. 
XXI, l. V. — V. 64 ff. Vgl. OC. III, 23, 6 ff. und ebend. 
40, 4. — V. 68 ff. Der Ausdruck „Menſchliches Wild“ zur 
Bezeichnung der Geliebten iſt bei Petrarca häufig gebraucht, (V. 
di I.:) Canz. V, 39 ff; Canz. , 5. 
und ebenſo bei Camoens: OC. II, 38, 1; 178, 12 f.; 368, 19; 


137 


III, 190, 4; 230, 9 u. ö. — „Das Gleichniß und Bild“ u. ſ. w. 
iſt die Coimbranerin, „das Urbild“ (V. 72) Katharina. — 


V. 95. Derlei abergläubiſche Dinge ſuchte ſchon König Joao J. 
(1385 — 1433) auszurotten; vgl. Schäfer II, 230. Daß fie ein 


— — —— — 


Jahrhundert ſpäter ſelbſt in beſſeren Kreiſen unaustilgbar an— 
dauerten, zeigt dieſe Stelle. — V. 105 ff. Vgl. Ovid. Met. III, 
488. — V. 164. „Die ſüße Heimat meiner Väter“ (o patrio 
ninho) erinnert an viele andere Stellen bei Camoens, z. B. Luf. 
I, 10; VII, 68; VIII, 3; 71; X, 52; 94 u. a. m. — Als der 
Dichter im J. 1550 Seedienſte nahm, lebte ſein Vater noch; er 
war Bürge für den Sohn, als dieſer in die Dienſtrolle ſich ein— 
zeichnen ließ. Bei der zweiten Einzeichnung im Jahre 1552 
war der Vater nicht zugegen; vielleicht war er ſchon todt; vgl. 
MM. p. 393 f. — V. 165. Vgl. OC. III, 116 ff. — V. 1688 ff. 
beziehen ſich auf den Verluſt des rechten Auges, wahrſcheinlich 
durch ein mattes Sprengſtück einer Kanonenkugel (ſ. o.). Das 
erloſchene Auge iſt der „Schild mit dem Wappenmal des grimmen 
Feuers“ (V. 171). Wie die Hamburger Herausgeber (OC. II, 


p. XAXXVI) auf den Gedanken verfielen, hier ſei ein wirklicher 
Wappenſchild des Dichters gemeint, auf welchem, um die unver- 


löſchliche Liebesglut und das verheerende Kriegsfeuer zu verſinn— 
bilden, ein Phoenix über Flammen ſchwebend gemalt war, — iſt 
kaum zu begreifen; vgl. JF. p. VIII. Anlaß gab wohl das 210. 
Sonett (ſ. o. Anm. zu Canz. VI.) — V. 172. Vgl. Luſ. VI, 95 ff.; 
VII, 78 ff.; X, 128 und 147. — V. 173 ff. Vgl. Son. 89. — 
V. 184 ff. verſtehen die Hamburger Herausgeber (OC. II, p. L) 


von Camoens' Einkerkerung unter dem Governador Francisco 


— —— — E r 


Barrett. Dann müßte man V. 182 u. 184 jo überſetzen: 


182 Kalt traten ſelbſt die Freunde mir entgegen — 
184 Gebrach mir Raum, die Füße zu bewegen — 


Aber dieſe traurige Lage fällt in den Winter 1556/57 und 
wird daher erſt ſpäter (V. 192 ff.) mit wenigen Strichen gefenn- 


138 


zeichnet. — V. 185 f. Vgl. Son. 76. — V. 194 ff. Vgl. 


Luſ. X, 23 f. Derartige Unbilden kommen auf Rechnung König 


Joäo's III. (1521 — 1557), des Governadors Francisco Barreto 
(1555 — 1558) und König Sebaſtian's (1568 - 1578). — V. 198. 


IV, 262 f. und X, 75. — V. 229 f. Vgl. 00. II, 375, 21 ff. 
und Sämmtl. Idyll. IV, V. 9 ff. und dazu die Anm. — V. 233 ff. 
Vgl. Son. 35 (Sämmtl. Idyll. S. VIII.). — V. 244. Vgl. 
Petrarca's (V. di L.) Canz. XV, 85; 00% , 58,21; I 
39, 13. 


XII. 


Der Geliebten „ſchmuckloſe Reize“ preist der Dichter in 
ſieben Strophen, indem er jedesmal kunſtvoll verſchlungene Doppel⸗ 


I 


Zur Bezeichnung des Körpers bedient ſich Camoens oft jeltjamer | 
Ausdrücke; vgl. Luſ. IV, 103; V, 48; Son. 100; Canz. X, 75; 
OC. III, 164, 1 u. ö. — V. 217 f. erinnern an Ovid. Met. 


| 
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| 


vergleiche anwendet. Die ſchlichte Naturſchönheit, wie fie in Roſe, 


Quell, Obſt uſw. hervortritt, erſcheint dem Dichter weniger 


wonnig, als die Gefeierte im ſchlichten Kleide u. ſ. w., welche 
Götter entzückt, beſänftigt, verwandelt uſw. Im Geleite ſtellt 


der Dichter, Alles kurz zuſammenfaſſend, ihr holdes Weſen als 
Sieger über die Himmliſchen dar. 8 | 

Das Gedicht ſcheint in die heitere Jugendzeit, alſo vor das 
Jahr 1548 zu gehören. 


Die Strophenform habe ich bei Petrarca und Bembo nicht 
gefunden. Sie weist in ihrem Bau zwar das Geſetz der Drei⸗ 
theiligkeit auf im Verhältniß von 2: 2 : 5, verwiſcht aber 
dieſe Gliederung durch die eigenthümliche Reimſtellung ab: ac: 
ebbdd, welche die Stollen nur einmal unter ſich, dagegen zweimal | 
mit dem Abgeſange, und dadurch dieſen und jene faſt ebenjo mit 


— F eg 
— .. BE Tan". "2 


139 
einander verbindet, wie der Satzbau Vergleichendes und Ver— 
glichenes mitſammen verknüpft. — Das Geleite iſt regellos. 

V. 9. Saturn iſt hier als gewaltiger Titan und zugleich 
als — zu Camoens' Zeit — äußerſter Planet unſeres Sonnenſyſtems 
gedacht; vgl. Ovid. Ibis, v. 217. — V. 18. „Jupiter, der 
wilde“ — als Donnergott; vergl. Ovid. Am. II, 5, 51. — 


V. 27. Mars, der Kriegsgott, wurde zugleich als Gott der Heerden 
verehrt. — V. 33. Die OC. leſen: | | 


que faz a luz dos vossos olhos bellos . 


Die Lesart vossos kann ich unmöglich für richtig halten. 


In dem ganzen Gedichte wird die Geliebte niemals angeredet, 


und darum ſtört vossos das einheitliche Gepräge. Wahrſcheinlich 
hat Camoens: dos verdes olhos bellos geſchrieben, wie ich über— 


ſetzt habe, — eine Schönheit, welche mehrfach von unſerem Dichter 


geprieſen wird, z. B. 00. II, 221, 10; III, 95, 14 ff. Daß 


im Folgenden: na [verdura] d’esses olhos, clara e pura (V. 48) 


meiner Anſicht entgegenſtehe, wird Keiner behaupten wollen, 
wenngleich es auf den erſten Blick ſo ſcheinen könnte. Denn wie im 


ganzen Gedichte, welches paralleliſtiſch ausgeführt iſt, die Gedanken 
ſich ähneln, ſo werden in den einzelnen Strophen einzelne Aus— 
drücke wiederholt. Ohne Zweifel jedoch gab die zweimalige 
Nennung der grünen Augen in unmittelbarer Aufeinanderfolge 
(Str. 4 u. 5) den nächſten Anlaß, den Ausdruck dort, wo es am 
leichteſten geſchehen konnte, zu beſeitigen und verdes in vossos 
zu ändern, wobei man freilich, kurzſichtig genug, den Charakter 
des Liedes außer Acht ließ. Und was gewann man im Grunde 


damit? Gar nichts! Der Anſtoß, daß zweimal, und zwar un— 


mittelbar nach einander, die Augen beſungen werden, fällt dadurch 
nicht fort. Und ſind die Augen der Geliebten einmal grün, ſo 
ſind es ja doch, wenn der Dichter ihre Augen beſingt, keine anderen, 
als eben die grünen Augen, mag ein Kritiker den Ausdruck be— 
anſtanden oder nicht. — V. 36. Apollo würde gern, ſowie er 


140 


einſt am Fluſſe Amphryſus in Theſſalien die Heerden ſeines ge⸗ 
liebten Dienſtherrn Admetus zu Pherä hütete (vgl. Virg. Georg. 
III, I, ff. und Tibull. II, 3, 11 3), nume am Tags zu 
Liſſabon ſeinen Weideplatz erwählen. — V. 37. Amor iſt froh, 
mit ihren Reizen Alles beſiegen zu können, Venus bange, von 
ihrem Liebreiz beſiegt zu werden. — V. 38 ff. Die Verſe: 


das ärvores que fazem a espessura 
com os ramos copados 
alegre, que mäo destra os näo cultiva — 


enthalten einen Widerſpruch. Die ungeſchmückte Anmuth kann 
nur der natürlichen Schönheit eines Dickichtes mit un beſchnittenen 
Zweigen verglichen werden. Camoens ſchrieb ohne Zweifel: 


co’os ramos näo copados 


wie der Zuſatz: que mäo destra os näo cultiva beſtätigt; vgl. 
OC. I, 147, 2 u. 23; III, 208, n ers 
verliert, was ihn unter den Göttern auszeichnet, Heroldsſtab und 
Beredſamkeit. — V. 63. Diana ſteht der Geliebten an jungfräu⸗ 
licher Schüchternheit nach. — V. 68. Die Götternamen gehören 
meiſtentheils zugleich Geſtirnen an. 


e 


Die Hamburger Herausgeber erzählen in Camoens' Leben 
(OC. II, p. XXXVII). „der Dichter habe während ſeiner Ver⸗ 
bannung in Santarem ein paar Tage als Gaſt bei einem Freunde 
gelebt, welcher nicht weit vom Fluſſe Zezere Haus und Garten 
gehabt habe.“ Das iſt eine Erfindung, zu welcher dieſe Canzone 
den Anlaß gab. Einfacher erſcheint die Sache, wie fie Joe Maria 


141 


de Souza (MM. p. 397) ſich denkt. Da muß Camoens „nahe 
am Zezere, der zu Punhete in den Tago einmündet“, die Zeit 
ſeiner Verbannung verbringen, und für dieſe Behauptung wird 
die erſte Strophe unſerer Canzone als Beweisgrund aufgeführt. 

Nach dieſen Erklärungen, wofern ſie richtig wären, fiele die 
dreizehnte Canzone zwiſchen die Jahre 1548 und 1550 und brächte 
uns zu dem Beſitzthume eines mit dem Dichter vielleicht gleich— 
alterigen Freundes, welcher nach V. 72 Familienvater ſein müßte. 
Daß dieſe Annahmen nichts als Luftſchlöſſer ſind, glaube ich be— 
weiſen zu können. Ob der „glückſel'ge Garten“ (V. 1), welcher 
im Beſitze ſeines Schöpfers (autor) ſich wohlbefindet (V. 68 f.), 
in der Nähe von „Punhete“ lag, weiß ich freilich nicht und 
kann dieſe Bemerkung nicht ausnutzen, da Karten und Hand— 
bücher, ſelbſt die größeren, keinerlei Aufſchluß über Pera 
(V. 19) geben. 

Sehen wir nun ſelber zu! — Camoens beſchreibt einen 
Garten, deſſen natürliche Lage ſo ſehr verſchönert iſt durch künſt— 
liche Anlage, daß der reißende Zezere, welcher das untere Ende 
des Gartens „ſammt Pera“ (com Pera, v. 19) umgiebt und be= 
ſpült, in ſeinem Laufe „befremdet“ innehält, weil der ſchöne Garten 
von der Anhöhe aus „faſt verachtend“ auf ſeine reizenden Geſtade 
herabſchaut. Droben wechſeln Terraſſe, Rondell und Parterre und 
bilden durch kunſtvolle Gruppirung der Gräſer und Blumen bunt— 

farbige Räthſelbilder, wahrſcheinlich Embleme, Symbole, Wappen— 
ſchilder u. dgl., welche Apelles' Gemälde übertreffen, während den 
Myrthenſtauden, welche zu allerhand Figuren zugeſtutzt ſind, Skopas“ 
Marmorgeſtalten nicht gleichkommen (V. 1— 24). Die berühmte— 
ſten Gärten des Alterthums, „die ſchwebenden“ der Semiramis, 
die obſtreichen des Alkinous, die prunkhaften des Mäcenas darf 
Fama nicht mehr preiſen (25 —39); ja ſelbſt „der zaubervolle 
Hain der Heſperiden“, deſſen Goldäpfel Herakles durch Beſiegung 
des Drachen gewann, kann ſich mit dieſem Garten nicht verglei— 
chen (40—45). Und warum nicht? — Weil in ſeinem Bereiche 
„heil' ger Freud' und inn'rem Frieden ew'ge Raſt beſchie— 


142 


den“ iſt (25 f.), weil des „keuſchen Herzens Begehren“ auf ſeinem 
Grunde ohne „niedrige Scheelſucht befriedigt“ wird (47 ff.) und 
weil in ſeiner Hut „Goldäpfel“ gedeihen und reifen, welche des 
Kriegers Mannheit und Muth nimmermehr erringt: Beſiegung der 
Hölle „durch Gutesthun“ (co' a caridade = durch Caritas) und 
die Erkämpfung des Himmels (50 ff.). — — Wer über Beete 
und Büſche und Bäume nun hinausblickt, der ſieht im Hinter⸗ 
grunde der Umhegung Ordenshaus und Kirche: er befindet ſich 
mitten „im Kloſtergarten“. 

Dieſe meine Anſicht beſtätigen die Verſe 53—65. Offenbar 
waren ſie etwas undeutlich geſchrieben, und gerade aus dem 
Grunde, weil man V. 25 f. und 46 — 52 in ihrer Bedeutung 
nicht gewürdigt hatte, blieben ſie unverſtanden und erlitten wahr⸗ 
ſcheinlich ſchon im erſten Abdrucke die freilich höchſt geringfügige 
Entſtellung, welche ſie ſelbſt in der Hamburger Ausgabe noch 
aufweiſen. Dieſe betrachtet die betreffende 5. Strophe als un⸗ 
vollendet und ſchließt ſie mit einem Komma und einer Reihe Punkte. 
Sie lautet dort (OC. II, 344, 30 ff.): 


53 Por tanto da ventura, 
para ti reservada, 

55 te deixe o Ceo gozar perpetuamente; 
porque sejas figura 
da gloria avantajada 
delle mesmo, e qu'em ti se represente; 
porqu'em quanto sustente 

60 0 ceo, o mar e a terra, 

Seus feitos milagrosos, 

mysterios mais gloriosos, 
com que a morte das almas nos desterra, 
por onde em nossas almas 

65 com mais pompas triumpha e com mais palmas, 


143 


Meine Berichtigung der Strophe hat ihren Angelpunkt in 
V. 63. — „Wodurch er (nämlich der Himmel S Gott) den Tod 
der Seele von uns verbannt“, das iſt einzig die hl. Euchariſtie, 
— alſo: ſeine (Gottes) wunderbare That, das glorreichſte Ge— 
heimniß, und durchaus nicht (wie freilich die verderbte Stelle 
beſagt) „ſeine wunderbaren Thaten, die glorreichſten Geheimniſſe“! 
— Mit jener einzig möglichen Auslegung von V. 63 haben wir 
die durchaus nothwendige Beſſerung der Verſe 61 und 62 ge⸗ 
wonnen. Es giebt nämlich nur ein einziges „glorreichſtes 
Geheimniß“: „das hh. Altarsſakrament, und daher kann 
V. 62 nur gelautet haben: mysterio mais glorioso ſtatt des 
widerſinnigen Plurals. Da aber dieſe Appoſition, welche durch 
das Fehlen des Artikels als ſolche ſich kennzeichnet, ihre Beziehung 
erheiſcht, ſo muß dieſe in der voraufgehenden Zeile ſtecken. Die 
Herſtellung, welche der Gedanke ebenſowohl wie der Reim ver— 
langt, ergiebt ſich leicht und ſicher als: seu feito milagroso; denn 
„ſeine (Gottes vor allen anderen) wunderbare That“ iſt eben 
nur eine, die Transſubſtantiation. — Zu dieſer Verwandlung 
der Mehrzahl in die Einzahl vergleiche man die ähnliche Ueber— 
lieferung und die gleiche Beſſerung von Luſ. X, 128 und dazu 
die Anm. in PF. p. 563. — Woher aber die Plurale? — 
Wahrſcheinlich wähnte man zu: o ceo, o mar e a terra, wie 
man V. 60 irrig ſchrieb und interpungirte, in V. 61 eine Appo⸗ 
ſition finden und daher die Mehrzahl ſetzen zu ſollen. Dies 
| machte dann des Reimes halber auch die Aenderung von V. 62 
nothwendig, welchen man nunmehr von den Sakramenten ins— 
geſammt verſtand, und durch beide Verderbungen ging für V. 65 
das erforderliche Singular-Subject verloren. Doch ſehen wir das 
Einzelne an! Auch in V. 60 hat ſich ein kleiner Irrthum ein- 
geſchlichen. Der Himmel d. i. Gott (o Ceo, vgl. V. 55) bleibt 
in der ganzen Strophe das grammatiſche oder das logiſche Sub— 
ject und bildet auch in V. 60 das nothwendige Subject, welches 
| im überlieferten Texte nach Schreibung und Interpunktion ver— 
13 iſt, zu dem zweigliederigen Objecte: Land und Meer 


| 
\ 


| 


144 


— die Erde. Man ſchreibe daher, wie die OC. in V. 55 thun, 
auch in V. 60: o Ceo (= Gott) ft. o ceo und tilge das Komma 
vor o mar: 


em quanto sustente 
60 o Ceo o mar ea terra, 


und vergleiche dazu Luſ. VIII, 2% f I 
147, 21; 150, 25; III, 197, 17 f. — Auf dieſe Weiſe iſt auch 
die erforderliche Beziehung für seu (ſt. seus) in V. 61 gewonnen 
und das Subject für den Unterſatz: porqu' etc. wieder klar 
gelegt. Dieſer Abſichtsſatz fordert ſtatt des Indicativs triumpha 
— denn dies iſt das zugehörige Verbum — den Conjunctiv tri- 
umphe wegen porqu' (V. 59) und dadurch gewinnt denn auch 
die Strophe als Ganzes den ſyntaktiſch wie techniſch durchaus 
nöthigen Abſchluß. Aber woher kam der Indicativ triumpha in 
die Zeile? — Man hatte V. 64 fälſchlich por onde etc. geleſen 


und bezog das Verbum auf dieſe relativiſche Beiordnung, weil | 
durch die Setzung der Plurale in V. 61 f. das Subject abhanden 
gekommen war. Für por onde — in der Vorlage war offenbar das 


Urſprüngliche nicht deutlich zu leſen — das Richtige herzuſtellen, 


hält nicht ſchwer. Der portugieſiſche Ausdruck für das bibliſche 1 
„Wohnen“ Gottes in Gott wohlgefälligen Menſchen iſt als Ver⸗ 


bum: morar, als Subſt.: a morada (vgl. Ev. Joh. XIV, 23 in: 


Ant. Pereira, O novo testamento, Londres 1847, und außer⸗ 


dem in unſerer Canz. V. 26). Daher wird zu ſchreiben ſein: 


morando em ſt. por onde em, eine Aenderung, welche N 
den Schriftzügen nach ſehr nahe liegt und vom Gedanken durch⸗ 
aus gefordert wird. Zu meiner Rechtfertigung habe ich mit“ 
einiger Ausführlichkeit die Verderbung des Textes und deren Ent⸗ 
ſtehung darlegen zu ſollen geglaubt; wie geringfügig meine Aen⸗ | 
derungen ſind, mag der bereinigte Abdruck der ganzen Strophe 


zeigen: 


145 


| 53 Por tanto da ventura, 
| para ti reservada, 
55 te deixe o Ceo gozar perpetuamente; 
f porque sejas figura 
da gloria avantajada 
delle mesmo e qu'em ti se represente; 

N porqu’, em quanto sustente 
| 60 o Ceo o mar e a terra, 
j seu feito milagroso, 
mysterio mais glorioso, 

| com que a morte das almas nos desterra, 
morando em nossas almas 

65 com mais pompas triumphe e com mais palmas. 


Auch die letzte Strophe (V. 66—78) beſtätigt meine Anſicht, 
Haß wir uns hier „im Kloſtergarten“ befinden. Der Wunſch 
indauernden Gedeihens für den Garten lenkt die Blicke des Dichters 
auf den Schöpfer (o autor) desſelben, der „ſeines hehren (oder 
erhabenen) Ranges“ (de seu sublime estado) in dieſer Umgebung 
| genießen und Seele und Sinn der Seinigen erfreuen ſoll uſw. 
Unter den „Seinigen“, welche an Weisheit und Lebensdauer Neftor 
beſiegen ſollen, kann man ſich kaum Kinderchen eines Freundes 
denken; ſie ſind wohl keine anderen, als die Mönche und Brüder 
des Ordenshauſes. 

Fragt man mich, wann der Dichter am Zezere geweſen und 
dieſe Canzone geſchrieben habe, ſo antworte ich: Nicht in jungen 
Jahren; nicht in jener Zeit, als er, vom Hofe verwieſen, zu San- 
tarem lebte. Wenn er wirklich damals ein paar Tage dort ge- 
weilt hätte, wie wäre es möglich geweſen, daß der ſtürmiſche Jüng— 
ling, deſſen glühende Sehnſucht nie ein Säumen kannte, wie er 
ſogar ſieben Jahre ſpäter noch von ſich ſagte (vgl. Canz. X, V. 
118 f.) — wie wäre es möglich geweſen, daß er damals, im 
wilden Gewoge leidenſchaftlicher Gefühle, ſelbſt in dem heiligſtillen 
Gehege einſamer Kloſtermauern, die gleichmüthige Ruhe hätte finden 


Camoens, Canzonen. 10 


146 


und feſthalten können, um ein jo janft hinfließendes Gedicht zu 
verfaſſen? Gerade dieſer Umſtand beſtimmt mich, an eine andere 
Möglichkeit zu denken, welche für mich beinahe Wahrſcheinlichkeit 4 
geworden iſt: Die Canzone wurde in Portugal nach des Dichters 
Rückkehr aus Aſien und Afrika gedichtet und zwar in einem Kloſter“ 
bei Pera (2) am Zezere, und der Schöpfer des Kloſtergartens iſt 
nicht bloß ein Abt unter vielen, der ſich zufällig an GartenfunftF 
vergnügt, ſondern dieſer Abt iſt zugleich ein Mann hehren oder 
erhabenen Ranges, und das ſcheint mir Niemand anders ſein zu 
können, als Henrique (1512 — 1580), der ſechste Sohn König Mas | 
noels, mit vierzehn Jahren Prior von Santa Cruz in Coimbra, 
acht Jahre ſpäter Erzbiſchof von Braga, 1539 Generalinquiſitor 
von Portugal und deſſen auswärtigen Beſitzungen, 1540 (der erſte) 
Erzbiſchof von Evora, 1545 Cardinal, 1561 Legatus a latere 
im portugieſiſchen Reiche, 1564 Erzbiſchof von Liſſabon, Regent 
von 1562—1568, [König von 1578—1580] und — Abt von 
Alcobaga und andern Klöſtern des Benedictiner⸗Ordens. 
Vgl. Schäfer III, 367 ff. und Faria y Sousa, Europa portu- 
guesa (Lisboa 1680), Bd. III, S. 58 ff. Die Canzone verſetzt 
uns alſo wahrſcheinlich in einen Kloſtergarten des Benedictiner⸗ 
Ordens. — Zweifelsohne hatte der arme Dichter den hohen Herrn 
in deſſen Lieblingsſchöpfung am Zezere aufgeſucht. Wie er den 
heiligen Sebaſtianspfeil (vgl. Anm. zu Canz. XI) feierte, um König 
Sebaſtians Hand ſich zu öffnen, ſo ſuchte er die Gunſt und Gnade 
des erhabenen Cardinal-Infanten durch dieſen Lobpreis zu ges | 
winnen; wahrſcheinlich umſonſt, — denn Henrique „galt für karg“ 
wie Schäfer (III, 419) jagt, „indem er zwar jelten abſchlug, aber 
herzlich ſchlecht gab“; vgl. Faria y Sousa, Rimas varias de 
Luis de Camoens (Lisboa 1685), Tom. I, Vida del poeta, | 
8. 2 
V. 19. Wo das Dörfchen (2) Pera liegt — wäre Pera ein 
Nebenflüßchen des Zezere, jo müßte: co’a Pera ft. com Pera 
ſtehen (S „die ſammt der Pera deinen Fuß umſchleichen“) —, | 
weiß ich nicht und kann deshalb das (Benedictiner-) Kloſter nicht 


147 


näher beſtimmen. — Das Geleite (V. 79 ff.) ift fein und Stolz: 
Camoens' „Mund, der dieſe Rhythmen lenkte“, hatte damals — 
wahrſcheinlich waren die Luſiaden ſchon veröffentlicht — Ruhm 
1 und konnte alſo dem Liede, welches ich nach 1572 anſetze, 
ewige Dauer verheißen. 
| Ueber die Strophenform vgl. zu Ganz. IV. — Das Geleite 
8 
iſt regellos gebildet. 
ö 
| 


J 

0 XIV. 

Die idealiſtiſche Pointe des Petrarchiſchen (V. di L.) Sonettes 
‚XI, P. 12 ff.: 


„Das iſt ein Vorrecht“ — hör ich Amor ſagen — 
4 „Der Liebenden, du haft es ſelbſt erfahren: 
11 „Naturgeſetzen ſind ſie ganz enthoben“ — 


hat vielleicht dem jungen Studenten, der eben in Coimbra „Colle⸗ 
gium Logicum“ gehört hatte, den nächſten Anlaß gegeben, jenes 

„Vorrecht der Liebenden“ mit humoriſtiſchen Arabesken zu 
umrahmen. 


f Der Strophenform nach bildet dieſes Lied ein Seitenſtück zu 
E III; nur daß ſie Meier Verſe hat und die Reimbindung 
nicht ſo = iſt. 

| V. 61. Zu: Bem no (Bem-n-o) effeito vgl. Lus. VII, 
4, 1 u. 5, 1, ſowie Fr. Diez, Gramm. der Roman. Sprach. II?, 
88). — Die V. 63 f. find verderbt; denn das Ueberlieferte: 


| que o fogo mais se accende, 
estando ä vista, donde mais ausente; 


! 
| 1 
| 
1 


143 


könnte doch nur einen Sinn haben, wenn der Dichter fi) mangel⸗ 
haft ausgedrückt hätte und etwa ſagen wollte: „denn das Feuer 
[der Liebe]! entzündet ſich mehr, wenn gegenwärtig iſt, worin es 
am meiſten abweſend, [nämlich die kalte Geliebte.“ Doch dem 
ſteht entgegen, daß dieſer Fall keine Ausnahme zu dem allgemeinen 
Geſetze bildet; denn der Anblick der Geliebten iſt ja die Urſache, 
welche das Feuer erwirkt, und ihre eigene Kälte kommt dabei gar 
nicht in Betracht. Sollte aber ein Ausnahmefall hier angegeben 
werden, ſo müßte mas ſt. que ſtehen. Abgeſehen davon, fehlt 
auch dem Unterſatze: donde mais ausente das Verb. finit., und 
obendrein hebt der Dichter in V. 65 durch die Partikel mas den 
Eintritt der Ausnahme von dem Geſetze ſcharf und deutlich hervor. 
Es müſſen daher die V. 63 f. ein concretes Beiſpiel zu dem ab⸗ 
ſtracten Lehrſatze in V. 61 f. enthalten haben, und daher iſt zu 
ſchreiben 


— ——— — — —— — — 


que o fogo mais se accende, 
estando à vista donde se sustente. 


Der Gegenſatz iſt: Sie aber ſteht deutlich und lebensvoll und ein⸗ 
wirkend vor mir, auch wenn ſie abweſend iſt, immer und überall. 
— V. 70 ff.: 


— — — —— —— — —— — 


70 pois se sem luz Amor os olhos ceva, 
cego, se näo concede 
qu’em nada a Amor impede a escura treva. 


enthalten ebenfalls einen Fehler. Zu: cego fehlt das Verb. finit. 
he, und das Relativ quem muß nothwendig für se eintreten, 
damit zugleich für cego he das erforderliche Subject ſich finde. 


V. 71 muß alſo lauten: 


cego he quem näo concede —. 


Veranlaßt ward die Verderbung des he quem durch das se sem 
der voraufgehenden Zeile. — V. 80. „Chimär' und Sphinx“, 


149 


ſtatt deren Jeder Charybdis und Skylla erwartet, um jo mehr als 
Camoens ſonſt überall die genaueſte Kenntniß der antiken Mytho⸗ 
logie an Tag legt, find durch den Reim geſichert. Quandoque 
bonus dormitat Homerus, — V. 87 ff. o riso (V. 88) ſteht 
im grellſten Widerſpruche zu allem Folgenden und wird daher zu 
beſſern ſein in: o siso, — eine Anſicht, welche mir V. 93: vive 
o sentido zu beſtätigen ſcheint. Hinter V. 87 f. fehlt ſeltſamer⸗ 
weiſe der durchaus erforderliche einſchränkende Satz, und daher ſind 
die Verſe 87 ff. ſtatt: 


87 mas inda em mi se sente 
o pensamento, a cör, o riso, o gesto; 
e, tendo todo o resto 

90 da vida ja perdido 
neste tormento meu täo duro e esquivo, 
a gostos morto estou etc. 


mit leiſer Aenderung zu ſchreiben und zu interpungiren: 


87 mas inda em mi se sente 
o pensamento, a côr, o SISO, o gesto, 
e stan do todo o resto 

90 da vida ja perdido 
neste tormento meu täo duro e esquivo; 
a gostos morto estou etc. 


Ay. 


Die fünfzehnte Canzone, eine „Morgenklage“, könnte nach 
V. 10—17 während der Verbannung des Dichters in Santarem 
verfaßt ſcheinen; indeß bei näherer Prüfung findet ſich das keines⸗ 
weges beſtätigt. Die Verſe 14—17 beziehen ſich nämlich nicht auf 
die Verweiſung vom Hofe, ſondern enthalten ein Stück Platonis— 


“ 150 


mus: Des Dichters Seele, einft mit der Seele der Geliebten Eins, 
barg ſich, bei der Trennung beider in irdiſche Leiber, in Katharinens 
Augen — denn Katharina wird die Gefeierte ſein — und nur im 
Anſchauen ihrer Augen kann er Weg und Wiederkehr zu den Licht— 
gefilden gewinnen; vgl. Petrarca's (V. di L.) Sonett XII. — 
Gegen die Abfaſſung des Gedichtes nach 1548 ſpricht auch das 
Geleite; nach dieſem muß es wenigſtens nicht unmöglich ſein, die 
Geliebte bald zu ſehen. 

Das Lied berührt ſich dem Stoffe nach einigermaßen mit der 
3. Canzone; doch iſt die Ausgeſtaltung und Farbengebung eine 
durchaus verſchiedene. — Die Nacht geht eben zu Ende; im Oſten 
dämmert das Taglicht (vgl. V. 57-65). Camoens wacht auf 
und glaubt, ſchlaftrunken und traumbefangen, Katharinens Geſtalt 
zu ſehen, eine Schau, deren er lange entbehrt hatte (V. 1— 13). 
Seine Freude darüber veranlaßt ihn zum Lobpreiſe ihrer erheben— 
den Schönheit ſowie zum Tadel ihrer betrübenden Schüchternheit 
(13-26). Gerne ſähe er ihre ſpröde Scheu in liebendes Entgegen— 
kommen ſich wandeln. Dieſer Gedanke vermittelt den verzückten 
Idealismus der voraufgehenden Strophe mit der realiſtiſchen Keck— 
heit der folgenden Verſe (27 — 39), deren Wünſche zwar in mytho— 
logiſche Bilder (vgl. Hom. Odyss. VIII, 266 ff. u. Ovid. Fast. 
V, 183 ff.) ſich einzuhüllen ſuchen, dennoch aber bewirken, daß Ka— 
tharinens Bild, wie es in Camoens' Seele ſich abſpiegelt (val. 
V. 1—9), der Hinde gleich, wenn ein ſpitzer Pfeil ſie traf, ſeinen 
Blicken ſich entzieht. Genau betrachtet birgt der dichteriſche Schleier 
für Katharina de Ataide das ohne Zweifel begründete Lob, welches 
Camoens nach ihrem Tode (vgl. Canz. XI, 234237) unum⸗ 
wunden und deutlich auszuſprechen ſich geſtattet, — ein weiterer 
Beweis für meine in „Sämmtl. Idyll.“ S. IX ausgeſprochene 
Anſicht. — Traurig über „das kurze Glück“ wünſcht der Dichter, 
Endymion's ewiger Schlaf (vgl. Prop. Eleg. II, 15, 15 f. u. 
Cic. Tusc. I, 38, 92) möge ſeine Augen befallen, damit Aurora 
(vgl. Canz. III) ſie nie wieder zum Lichte und zur Trauer auf⸗ 
wecke. 


1 


151 ” 


V. 68 f. Vgl. Virg. Aen. IX, 436 f.; Luſ. III, 134; Idyll. 
I, 249 f. 


Die Strophenform finde ich weder bei Petrarca noch bei 
Bembo. Sie verwiſcht, nicht zu ihrem Vortheile, wie mir ſcheint, 
den regelrechten Bau der Stollen durch die ungewöhnliche Reim— 
bindung abb: aac : dceedff, welche dem Ohre die Auffaſſung 
des Verhältniſſes der Zeilen (3: 3: 7) faſt unmöglich macht. 


Das Geleite wiederholt die vier letzten Zeilen des Abgeſanges, 
aber mit ſelbſtändiger Reimbindung in den beiden Anfangs- 
werſen. 


XVI. 


Die heitere Laune des Gedichtes und das gewählte Lob in der 
letzten Strophe beſtimmen mich zu der Annahme, daß dieſe „Bilder 
und Blumen“ wahrſcheinlich vor 1548 und zwar für Katharina 
zu einem Strophenkranze aufgereiht wurden. Wer „Buina's Ufer⸗ 
ſtrand“ (a ribeira de Buina) (V. 5) kennt, mag urtheilen, ob 
dem farbigen Gemälde die wirkliche Landſchaft entſpreche, und außer— 
dem die Schilderung der Liebesinſel in den Luſ. IX, 52 ff. ver⸗ 
gleichen. 


Die Strophenform kommt weder bei Petrarca noch bei Bembo 
vor. Sie zeichnet ſich durch die fünf eingeſtreuten trochäiſchen Vier— 
ſylbler vor allen übrigen aus und hat etwas heiter Erfriſchendes. 

V. 17. „im gold'nen Sande“ — des Tago (2). — V. 37ff. 
Soll hier Prokne (vgl. Ovid. Met. VI, 668 ff.) wegen des blut— 
beſpritzten Bruſtflaumes die Rauchſchwalbe (hirundo rustica) ſein, 
jo paſſen die Zuſätze nicht genau. Vgl. OC. III, 179, 28: 


152 


A domestica Progne anda banhada 
no sangue de seus filhos, em vinganca 
da triste Philomela profanada. | 


Man ſollte erwarten: de seu filho, nämlich des Itys. — 
V. 53 ff. Camoens folgt hier dem Glauben der Alten, der Honig 
werde nicht erſt von den Bienen aus dem Safte der Blumen be— 
reitet, ſondern er falle im Thau fertig aus der Luft nieder — 
daher mel aörium bei Virgil (Georg. IV, 1) — und werde von 
den Bienen nur aufgeſammelt. — V. 60. Ariſtäus, ein alter 
Heros der Griechen, berühmt durch Bienenpflege uſw.; vgl. Virg. 
Georg. IV, 317 ff. — V. 74. „kalydon'ſche Thiere“ = Eber (vgl. 
Ovid. Met. VIII, 260 ff.) — V. 87 ff. Vgl. u. A. Ovid. Met. 
X, 162 ff. und Ovid. Fast. V, 224; 


Et manet in folio scripta querela sua. 


— V. 96. „die Lieben“ = (Clytie, Crocus, Smilax,) Nareiſſus 
(V. 97; vgl. Ovid. Met. III, 346 ff.), Adonis (V. 101; vgl. a. 
a. O. X, 561 ff.) u. A. m., welche, in Blumen verwandelt, durch 
Flora's Gunſt alljährlich erneuten Lebens ſich freuen; vgl. Ovid. 
Fast. V, 221 ff. — V. 101 ff. „die Hehre von Cythere“ — 
Venus. Auf der Inſel Cythere landete die Göttin, als ſie dem 
Meere entſtieg; die Phoenicier bauten ihr dort einen prächtigen 
Tempel. — V. 108. Erycina, Beiname der Venus von dem 
Berge Eryx in Sicilien. Dort war von ihrem und Butes' Sohne, 
Namens Eryx, der Göttin ein Tempel errichtet. — V. 123 f. 
Das Wortſpiel: 


que Ihe queria bem, bem lhe mostrava 
o bem-mequeres entre tantas flores: 
porem, como se föra mal-mequeres etc. 


läßt ſich im Deutſchen nicht genau wiedergeben. Die Blume, welche 
im Portugieſiſchen beide Namen trägt, iſt Chrysanthemum leu- 
canthemum und wird von Verliebten als Orakelblume benutzt. 


| 


153 


Man zupft die Blättchen aus und ſpricht, wie Margarete in Goethe's 
Fauſt: „Er liebt mich — liebt mich nicht“, ſo abwechſelnd die 
Worte: bem me queres, mal me queres (= du liebſt mich — 
liebſt mich nicht). Das letzte Blättchen giebt mit dem Orakel- 


ſpruche zugleich der Blume den einen oder den anderen Namen 


und damit deren Bedeutung in der Blumenſprache: entweder als 
Freude oder als Kummer. Das ganze Spiel erſieht man deutlich 
aus einer Stelle der „Opera jocoseria : Guerras do Alecrim e 
[da] Mangerona‘ in: ‚Theatro comico portuguez‘, Lisboa 
1759, Tom. II, pag. 213 ff. Simicupio wünſcht daſelbſt von 
Sevadilha zu wiſſen, ob ſie ihn liebe oder nicht. Sie räth ihm, 
ein malmequer' (nicht: malmequeres, wie es doch bei Camoens 
auch OC. III, 188, 3 heißt) darnach zu fragen. Er pflückt eine 
ſolche Blume, zupft die Blättchen aus und ſingt dabei folgende 


Aria: 


Oraculo de amor, 

propicio me responde 

nas ancias d' este ardor! 

Bem me queres, mal me queres, 
bem me queres, mal me queres. 
Mal me queres, disse a flor. 

Ay de mim, que me quer mal 
teu ingrato malmequer ! 


XVII. 


Die ſiebenzehnte Canzone iſt das „Klagelied einer Hirtin“ 
über den Tod des Hirten Felicio, deſſen Liebe ſie mit verſtellter 
Kälte erwiedert hatte. Der herbe Verluſt hat ihr im Herzen zu 
ſpäte Reue geweckt, und Vereinigung mit dem Geliebten im Tode, 
wenn er drüben ſie noch liebt, iſt ihr einziger Wunſch. 


Camoens, Canzonen. 11 
= 


154 


Man könnte das Lied ebenſowohl unter die Idyllen (vgl. 
Sämmtl. Idyll. S. 69 ff.) ſtellen, und dort würde es am beſten 
gleich nach Idylle J zu ſtehen kommen. Denn zunächſt erinnert 
es ſofort in Stimmung und Färbung an das ſpaniſch und in 
Terzinen abgefaßte Klagelied der Aonia (vgl. Sämmtl. Idyll. I, 
397439); — ich bemerke hier nachträglich zu Idylle I, V. 385, 
daß Aonia ein Anagramm iſt aus Joana (= ſpan. Juana, Tochter 
Kaiſer Karl's V. und Gemahlin des Thronfolgers Jodo von Por⸗ 
tugal, welcher 1554 ſtarb) und daß darnach Aonio (a. a. O. 
V. 391) gebildet wurde und für Joo ſteht; — außerdem aber 
finde ich in Lamberto Gil's ſpaniſcher Ueberſetzung ausgewählter 
Gedichte des Luis de Camoens (Madrid, de Burgos, 1818), Bd. 
III, S. 328 zu unſerem Gedichte die Bemerkung: „Dieſe Canzone 
wurde auf den Tod Don Antonio Noronha's [Tionio's; vgl. zu 
Sämmtl. Idyll. I, 95] gedichtet; ſie iſt einer Dame in den Mund 
gelegt, welche die alten Handſchriften Margarita nennen und wahr- 
ſcheinlich die Marfiſa [die OC. haben in Idylle I, 259: Marfida] 
der erſten Idylle ſein wird.“ Ant. de Noronha, Enkel Pedro's de 
Menezes, Gouverneurs von Ceuta, liebte Margarita de Silva, 


Enkelin des Conde de Abrantes; Antonio's Vater Francisco, zweiter 


Conde de Linhares, war dieſem Verhältniſſe abhold und ließ ſeinen 
Sohn, um ihn aus der Nähe der Geliebten zu entfernen, bei dem 
Beſatzungsheere in Ceuta eintreten (vgl. Adamson I, 86). Dort 
fiel Antonio am 18. April 1553. Darnach war unſer Gedicht 
wohl urſprünglich beſtimmt geweſen, als Trauer⸗Canzone in Idylle 
J eingelegt zu werden. Wahrſcheinlich gab Camoens dieſen Plan 
auf, um feinen in blutiger Schlacht gefallenen Freund durch Fron— 
delio's Klagelied (Idylle I, 145 — 284), ebenfalls in Canzonenform, 
ausgiebiger und würdiger zu feiern. Ich habe keinen Grund, Gil's 
Mittheilung zu bezweifeln und halte die ſiebenzehnte Canzone für 
gleichzeitig mit Idylle I verfaßt, nämlich vor Januar 1555 (vgl. 
Anm. zu Sämmtl. Idyll. S. 215 f.). b 

Die Strophenform erinnert an Idylle IV (vol. a. a. O. 
S. 55—68). In unſerer Canzone iſt bloß der Unterſchied, daß 


155 
der Abgeſang um zwei gepaart reimende Kurzzeilen vermehrt wurde 
exxddeeff ft. cddeeff. Die ungetrennten Reime ſtimmen zu den 
ruhigen Klagetönen, welche der Refrain (vgl. Frondoſo's Lied in 
Idylle IV) ſtets zu dem Moll⸗Accorde vereinigt: en wie ſo lang⸗ 
ſam ſchleicht das trübe Leben!“ 
V. 19 f. Vgl. Ovid. Am. III, 7, 58 u. OC. II, 205, 10. 


XVIII. 


Die achtzehnte Canzone, über deren Reimbindung und Ver— 
ſetzung an dieſen Platz die Einleitung das Nöthige bemerkt, ſtellt 
die Geliebte als „unvergleichlich“ dar und wurde ohne Zweifel 
von Camoens in jüngeren Jahren, jedenfalls vor 1548 verfaßt, 
bevor leidenſchaftliche Gefühle dem Dichter auf provenzaliſche Eier— 
tänze im Reim zu verzichten geboten. Sie iſt eine Form-Studie 
nach Petrarca und Bembo. Die beiden Muſter ſind in der Reim— 
kunſt erreicht, in klarer Durchführung und feinſinniger Gliederung 
des Gedankens übertroffen. Die vier erſten Strophen betrachten 
die Schönheit der Geliebten und zeigen eine gewiß nicht zufällige 
Zweitheilung, indem Str. I und II eine engere Zuſammengehörig— 
keit und genauere Uebereinſtimmung durch die Vergleichung unbe— 
ſeelter Erſcheinungen (Aurora und Blumenflur) mit den Reizen 
der Gefeierten aufweiſen, während Str. III und IV mit den vor⸗ 
aufgehenden in paralleliſtiſcher Angliederung dadurch verknüpft 
find, daß fie die Nymphenwelt (Str. III) und die Frauenwelt 
(St. IV), alſo beſeelte Weſen, der Geliebten gegenüberſtellen. Mit 
gleichem Kunſtbewußtſein werden darauf die folgenden drei Strophen 
und das Geleite einheitlich zuſammengehalten, indem die Wirkung 
der geſchilderten Schönheit auf den liebenden Dichter in drei 
Strophen zur Darſtellung kommt, und zwar in Str. V die dichte— 
riſche Begeiſterung, in Str. VI die wehrloſe Hingabe und in Str. 


156 


VII die unerſchütterliche Ausdauer, während das zweizeilige Geleite, 
den Inhalt aller ſieben Strophen zuſammenfa ſſend, die Schönheit 
der Geliebten und ihre Einwirkung auf den Liebenden aus der 
Gottähnlichkeit ihrer Erſcheinung herleitet. Betrachten wir nun 
die Strophenform, ſo weist dieſe an und für ſich keine Dreigliede⸗ 
rung auf, und kann es nicht, weil die verſchiedenen Reimkörner 
und die ungleichen Zeilen widerſtreben. Aber die Canzone muß, 
worauf die inhaltliche Gliederung unverkennbar hinweist, als ein 
einziges, umfangreiches Strophengefüge mit Stollen und Abgeſang 
aufgefaßt werden unter dem Zahlenverhältniß 2: 2: 3% oder, 
nach Zeilen ausgedrückt, 14 : 14: 23. — Wer Petrarca's und 
Bembo's entſprechende Canzonen (ſ. die Einleitung) vergleicht — 
beide haben acht Strophen und ein zweizeiliges Geleite —, der 
wird mir beipflichten, daß Camoens' Studie die Muſter bei Weitem 
übertrifft. 


Verlag von Ferdinand Schöningh in Pede det. . 
Bertyn, G. Gedichte. Dritte verb. Aufl. 264 Seit. 
8. | eleg. geh. 1 Thlr. 15 Sgr. 
Dibkkfige, E. v. Heimathgeſchichten. 292 S. kl. 8. 
geh. 1 Thlr. 15 Sgr. 
Maud. Ein Gedicht von A. 2 ee überſetzt bon 
T. M. Weber. 112 Sa 8. geh. 15 Sgr. 
e geb. 27 Sgr. 
More, Marg. Tagebuch 1522. 1525. Deutſch 

Dr. Ad. Bacmeiſter. Dritte Ausg. mit Einleiti ung 
und Noten von F. 3. Köhler. 284 S. 32. auf chineſ. 
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Dape, Sof. Der treue Eckart. Epos-von Deulſchlands a 
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lands Auferſtehung in zwölf Geſängen. Zweite 

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