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Full text of "Schreckensthurm am See, oder, Die mitternächtliche Todtenglocke"

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5 2 


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http://www.archive.org/details/schreckensthurma00kern 


> 


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2 = 1 
f ern or? x 
— 
— 


Der 
Schrec K AN Ar A 


Säredenstäum am Se 


oder die 


mitternachtlice Todtenglocke. 


Vom Verfaſſer des Lorenzo, 


Zweite Auflage. 


Mit 1 Kupfer. 
— —— —̃̃ä— 7 
Chemnitz | 
bei * Starke. 
1822. 


4 } a 
* 


. „Weder des Weges? — tönte der 
. Zuruf einer maͤnnlichen Stimme, aus dem 
wildberwachſenen Gebuͤſche, durch die 
Stille der Nacht, dem einfamen Wand⸗ 
rer entgegen, der jetzt durch das Felſen 
thal ſchuͤchtern daher ſchritt. Forſchend 
blickte dieſer umher, als er in dem Schim⸗ 
mer des Mondes einen Alten erblickte, 
der, mit einem ſtarken Baumaſte bewaff; 
net / ihm in den Weg trat und fragend 


% 


2 
fottfuhr: „ Wle kommſt du in dieſe ſchau⸗ 
i Wildniß ?“ 

„Ich möchte dir dieſe Frage ch | 
| geben,“ — erwiederte der Wanderer, ins 


diem er einen Schritt zuräctrat, und mit 
ſchuͤchternem Blick den Waldbewohner bes 


trachtete , deſſen rauhes Aeußere fo ganz 
zu dieſer Wildniß paßte. 

8 Ich kann dir dieſe Frage ſehr leicht 
| beantworten, — nahm der Alte das 
Wort. — Ich bin Bodo, der Bewohner 
| 5 der Grotte, die dort hinter dem wildver⸗ 

4 wachſenen Gebuͤſ che jener 5 uͤberhangende 

Fels mir zur Wohnung ſchenkt. Dich 
| fchrecht mein Aeußeres, doch ſey ohne 


N Furcht / es traͤgt das Gepräge dieſer 
Wildnuß, aber fo rauh und unfreundlich SE: 


dieſe und jenes iſt, fo viele Ruhe und 
Milde wohnt in ihrer beider Innerm. 


| 5 
Die Stürme eines feindlichen Geſchicks 
ſcheuchten mich in dieſe Dede, und fegs 
nend danke ich dem Himmel, daß er hler⸗ 
ber mich leitete, um fern von dem Geräus 
ſche der Welt dieſe zu vergeffen, den vers 
lornen Seelenfrieden wieder zu finden, 
und Ruhe und Troſt ſo manchem armen 
Herzen wieder zu geben, aus welchem dieſe 
beiden menſchenfreundlichen Gegen des 
Lebens entwichen. 

„Dann ſegne auch ich dankend den 


Himmel, der meinen irren Fuß hierher 


leitete, — fiel der Fremde ein, — denn 5 
auch mein Herz bedarf Troſt und Ruhe.“ 
Bodo. Wiederum ein Ungläcklicher! 
5 das ſagte mir ſchon deine Erſcheinung; 
denn nur Unglück und Leiden ſuchen Orte 
wie dieſen auf, und ſelten betrat wohl 
noch der Fuß eines Glücklichen dieſe Wilds 


4 „ 
niß. Cipm die Hand teitk end.) Sey mit 
willkommen Sohn des Ungluͤcks, raſte 
bier von den Schlägen: eines feindſeligen 
Geſchicks in meiner friedlichen Wohnung. 
Doch fage mir, was dich eigentlich in 
dieſe . DRIN 90905 
Mb e 
Tr emd er. Du baſt es ſchon getagt 
win Unglück, Mehr aber noch der Schall 
eines Glöckleins, der dumpf und ſchauer⸗ 
lich, wie der weinerliche Ton der Todten⸗ 
glocke, durch das Gebuͤſche zu mir heruͤber 
toͤnte und mir die Hoffnung ſchenkte, hier 
in dieſer Gegend vielleicht ein gaſtfreund⸗ 
liches Obdach fuͤr mich zu finden. 
Bodo. Wuͤnſche dir Gluͤck dazu, 
Fremdling, daß du mich gefunden haſt, 5 
und daß du jener Todtenglocke nicht weis 
ter folgteſt. Ihr Ruf iſt keinesweges daß 


8 8 
zu 057 A Hoffnungen wie die delnigen 
zu befriedigen. | 

Fremder. Wie das?? 

Bodo. Jener Todtenglocke Ton iſt 
Ruf des Ungluͤcks; gefährlicher dem eins 
ſamen Wanderer, als der truͤgende Schim⸗ 
mer des Irrlichtes, das tuͤckiſch ihn zu ſich 
lockt, um ihn in das Verderben zu führen, 


Fremder. Woher kommt dieſer ver- 


derbende Ungluͤcksruf, und welche Bes 
wandniß hat es damit? | 

Bodo. Biſt du ſo ganz Seni 5 
in dieſer Genend, daß die Geruͤchte von 
dem Schreckensthurme, der dort am to 
benden Waſſerſturze des Felſens ſich er⸗ 
a hebt, dein Ohr nicht erreichen konnten 2 
Fremder. Einſt war ich nicht ganz 
| Fremdling in dieſer Gegend, doch mein 
Uasluͤck hat mich der ganzen Erde zum 


6 

Fremdling gemacht. Von jenem Schrek, 

kensthurme, wie du ihn nennſt, hörte 
ich nie etwas. Was iſt es mit dieſem 
Bodo. Niemand weiß etwas mehr 
von ihm, als was die Volksſagen davon 


erzaͤhlen, die ihn als eine Behauſung 


menſchenſcheuer Spuckgeiſter nennen. Ich 
ſelbſt kann es jedoch beſtätigen, daß jene 
Sagen mehr als leere Gerüchte find. Tief 
| hinter jenen alten bemoosten Mauern liegt 


ein Geheimniß vergraben, das nur durch 


abentheuerliche Schreckniſſe ſich ankuͤndigt, 
und die Verwegenheit des kuͤhnen For⸗ 
ſchers von ſich zuruͤckſcheucht. . Wenn ich 


bei naͤchtlicher Weile mit meinen geſam⸗ 


melten Heilungsfräutern nach meiner ſtil⸗ 
len Klauſe zuruͤckkehrte, und mein Pfad 
mich an dem Ufer des Sees jenes Schrek⸗ 


7 
kenthurms vorüber führte, dann ward oft 
mein Ohr durch ein heftiges, dem Toben 
der empörten Orkane ähnliches Getöfe er 
ſchreckt, und mein Auge gewahrte in dem 
flimmernden Mondeslichte fremdartige duf⸗ 
tige Geiſtergeſtalten, die um die grauen 
Mauern des Thurmes und über dem Spies 
f 15 des See's ſchwebten. N 

Ren Und jener . 

Bodo. Iſt fuͤr einen Jeden die 
ſchrecenvoll Warnung, jene Gegend eis 
ligſt zu fliehen, wenn er ſich zu der Zeit 
dorthin verirrt, wo die Spukgeiſter ihren 5 
Umgang halten. Die Bewohner der Ge⸗ 
gend kennen die Deutung dieſes Tons 
der ſogenannten mitternächtlichen Todten⸗ 
| glocke / und fliehen ſchnell vorüber, : damit 
nicht der müthende, Orkan fie ergreife fi ie 
in die Strudel des Waſſerſturzes ſchleu⸗ 


8 


dre und ſie in die Untiefe des Sees ver⸗ 


grabe. Schon Manchem/ welchen Neu- 


gierde oder Unbekanntſchaft mit den 


ſoll dieſes traurige Loos zu Theil gewor⸗ 


Schreckniſſen jener Gegend dorthin führte, 


den ſeyn, und ſtreng haͤlt der Befehl des 


Gebieters der umliegenden Gegend, des 
mächtigen Grafen Olivaro Morrino, Je- 


den, bis auf eine gewiſſe vorgezeichnete 


Weiter von dem See und ten 11 
| ien entfernt. eee 

Fremder. Cin dem Tone der uUeberra⸗ 
ſchung.) Morrino ſagſt du? 
Bodo. Caufmerkſamer ihn betrachtend.) 
So ſagte ich. Dir ſcheint dleſer Name nicht 
| 25 zu ſeyn. Kennſt du dieſen Morrino? 
Fremder. Ich hoͤrte mancherlei Ger 


aan von EAN und am ae 55 0 


9 
Bodo. Wohl mag mancher Seufzer 
über ſeine Härte auf ihm laſten; gleich⸗ 
wohl moͤchte er mehr zu bemitleiden, als 
zu haſſen ſeyn; denn feine Härte iſt nur 
das Erzeugniß von gewiſſen ungluͤcklichen 
Ereigniſſen, und ſein Charakter hat man⸗ 
che gute und weiche Seite, die er aber 
vorſaͤtzlich und mit gewaltſamer Anftrens 
gung unterdrückt. Davon wirſt du dich 
ſehr bald uͤberzeugen koͤnnen, wenn dein 
Weg an einem feiner Schloͤſſer dich vors | 


Bone und du in demſelben ange 0 | 


Ware 

Fremder. Wer duͤrfte dieses bei 
Norrinos feindſeligem Charakter wagen? 
Bodo. Dieſe Widrigkeit des Cha⸗ 
rakters hat auf ſeine Gaſtfreundſchaft keis 
nen Einfluß. Er iſt der Beſitzer mehrer | 
anſehnlichen Schloͤſſer und der umliegeus 


10 = 
den Geg end / und jedes derſelben Rebe dem 
Wandrer gaftfreundli offen, ja es iſt 
ſogar Befehl des Grafen, jeden vorüder⸗ 
b ziehenden Fremdling anzuhalten und ibn 
in die Burg einzuladen, wo er ſtets Ruhe, 
Erholung und Erquickung jeder Art fin⸗ 
det. Weniger iſt dieſes jedoch der Fall 
mit der Burg Oranto, der Stammfeſte 

‚feines Hauſes, ie welcher er gewoͤhnlich 
ſich aufhält. Jedoch würde ſich auch dieſe 
dir öffnen und dir gaſtfreundliche Auf 
nahme ſchenken, wenn du es nur ſo viel 
als moͤglich vermeideſt, ihm unaufgefors 
dert zu nahe zu kommen, oder dich in die 
Geheimniſſe der Burg und des Grafen 
eindraͤngen zu wollen. Sorgfaͤltig weicht 
er dem Anblicke der Menſchen aus, und 
wie ſehr iſt der Zuſtand deſſen zu bemits 
leiden, der bis zu dieſer an Menſchen 


? 21 
haß grenzenden | Menſchenſcheue herab⸗ 
. 8 9 
Fremder. (mit ſchmeribaftem Aus⸗ 
druck) Ach ja! er iſt hoͤchſt elend; denn 
was bleibt ihm dann noch als Reiz des 
Lebens, wenn das ſchoͤne Band zerriſſen | 
iſt / das ihn voll Liebe und Zutrauen an 
die Menſchen bindet? 
Bodo. Du ſcheinſt dich in einem 
zhnllchen Falle zu ep Dein. 
e e n n 
Fremder. Mein Name ging mit 
meinem Gluͤcke, mit den Freuden meines 
Lebens verloren. Ich habe keinen Na, 
men mehr. | 
Bodo. Armer Mensch! du chen 
kaum an dem maͤnnlichen Alter zu ſtehen 
und biſt ſchon durch ſo harte prüfungen 
des  Unglüds gegangen? e 


12 
Fremder. Es gehoͤrt nur eine kurſe 
Reihe von Tagen dazu, um die Erfah⸗ 
rung zu machen, daß Leiden und Schmer⸗ 
zen von der Wiege bis zur Gruft die 
treueſten Gefaͤhrten des Lebens ſind. Der 
Menſch beginnt mit Thraͤnen ſeinen Lauf 
und endet ihn mit Thraͤnenſchmerzen, und 
ehe noch in ihm der unterſcheidende Sinn 
fuͤr Wohl und Wehe ſich entfaltet, bringt 
er ſchon das Gefühl der Schmerzen als 
Erbtheil der e Natur mit N 
in das Leben. | 
Bodo. Deine Be beit guewöht 
Bere einzelne Falle, und ift dann lel⸗ 
der ſehr wahr. Aber abgerechnet die Un⸗ 
annehmlichkelten und Schmerzen, unter 
welchen der werdende Menſch und deſſen 
innere und äußere Vorzuͤge ſich entwik⸗ 
keln, ſo ſind eine zahlloſe Menge von 


13 
| Schmerzen und Leiden, die Erzeugniſſe 
des Menſchen ſelbſt, ſeiner Phantaſie oder 
ſeiner Thorheit. Traͤgſt auch du vielleicht 
f en ſelbſt verſchuldetes Elend? 
Fremder. Nein, Bodo, mir fluch⸗ 
te das Schickſal ſchon bei meiner Ges 
burt, und dieſer Fluch folgte mir in taus 
ſendfachen Geſtalten des Elends durch 
alle Momente des Lebens bis hierher. 
Bodo. So hebe deinen Blick mm 
thig und hoffnungsvoll empor; denn was 
Laune des Zufalls und der Außenwelt uns 
giebt oder vorenthaͤlt, das iſt wandelbar 
und voruͤbergehend wie Weibergrillen, 
und ſo gewiß der Tag der Nacht auf der 
Ferſe folgt und ihre Schatten zerſtreut, 
ſo gewiß zerſtreuet auch das milde Sons 
nenlicht einer beſſern Zukunft die nähts 
05 liche Gau deiner trüben Gegenwart, | 


14 1 
Faſſe dieſe tante Hoffnung) armer Un 
gluͤcklicher, vielleicht iſt hier der Marks 
Mein, an welchem dein Elend ſich endet. 
Fremder. Wehe dem unglückll⸗ 


chen / der ſeine Hoffnung auf ein nn 


truͤgeriſches Vielleicht bauen muß. 
Bodo. Gleichwohl wird er 5 ! 
ganz elend ſeyn. Immer werden noch 
Freuden unter den Dornen ſeines Pfades 
ihm ſproſſen, ſo lange der freundliche 
Stern der Hoffnung ihm durch die dis 
Fern Nebel ſchimmert, die ihm die Aus 
ſicht in heitere Fernen verhuͤllen. Nur in 
dem Toben der Gewiſſensangſt eines durch 
Schuld verfinſterten Innern geht dieſer 
milde Stern unter, um in den Grauen 
der Verzweiflung ganz zu verlöfchen, ſo | 
wie im Gegentheil bei einem vorwurfs, 
freien Herzen der Glaube an Gott und 


1 15 
Vorſehung die heilige Fackel iſt, die ihn 
immer neu und ſchöͤner anzuͤndet und ihn 
vor dem Verlöſchen ſichert. | 
Fremder. Wo lernteſt du fe 
wit RR | 
Bo do. Wo anders als in der echo, 
is Unglücks, die eben dadurch ihren 
wohlthaͤtigen Einfluß auf den Menſchen 
am ſtäͤrkſten zeigt, daß ſie die ſicherſte 
Fuͤhrerin zu hoͤherer Kenntniß und zur 
richtigern Einſicht in die Natur und das 
Weſentliche des Menſchen und der We 
ſenkette und des ewigen unbeſtaͤndigen 
Wechſels der Außenwelt iſt. 
Fremder. Deine Worte dringen 
Glanz zu meinem Herzen und mins 
gen mich zur Hochachtung und zum Zu⸗ 
trauen gegen dich. Wer biſt du? 
Bodo. Ich habe es dir ſchon ge 


22 


a | 
ſagt. Jedoch laß uns abbrechen. Der 
Mond ſchwebt dort hinter dem Walde 
hinab, Mitternacht iſt voruͤber, du biſt 
ermüdet und bedarfſt der Ruhe. Willſt 
du mit dem dich begnügen, was meine 
einſame friedliche Wohnung in dieſer 
Wildniß dir darbieten kann, ſo iſt fie. bes 
reit dich gern aufzunehmen. 4 A 
Fremder. Dankbar hehe ich nel | 
Anerbieten Ann ur aus 
Bodo. So folge mir. PER 
Der Alte ergriff des Juͤnglings Hand 
und leitete ihn durch das Dickicht hin 
durch, durch welches ihnen aus einer klel⸗ 
nen Entfernung ein Licht entgegen ſchim⸗ 
merte und den Weg nach Bodo's Woh 
nung bezeichnete. Noch wenige Schritte 
waren ſie von dem Felſen entfernt, an 
deſſen Fuße Bodo's Hütte ſich unter dem 


. 27 
uͤberhangenden Geſtraͤuche verſteckte, als 
der dumpfe weinerliche Schall jener Tops 
tenglocke wiederholt aus der Ferne Deräber 
toͤnte. 
„Horch!“ flͤſterte der Juͤngling fels 
nem Führer zu, „ſchon wieder ertönt je⸗ 
ner raͤchſelhafte Gkockenton, der 1 a 
ber lockte. | 
et; das / — fiel ihm Bodo el 
„Hier hat dieſer Todtenglocke Ton nichts 
Furchtbares mehr fuͤr dich. Keiner jener 
feindſeligen Dämonen des Schreckensthur 
mes naht ſich dieſer meiner friedlichen 
Hätte. Begieb dich hinein, bediene dich 
alles Deſſen, was du in meiner Wohnung 
findeſt, als deines Eigenthums, das Gaſtz 
freundſchaft dir darbietet. Pflege der Ruhe, 
und haſt du dich durch Schlaf erquickt, dank 
m wir wehe. gest a ich dich allein.“ 


2 
— 


18 | 5 RE 
Er riß ſich von des Fünglings Hand 
los und eilte durch das Gebuͤſch der Ge; 
gend zu, aus welcher der Ton der mitters | 
N nächtlichen Glocke heruͤberzukommen ſchien. 
5 Verwundert ſtand der Jüngling da und 
blickte Bodo nach. Gern waͤre er ihm 
nachgefolgt ‚um zu erfahren wohin der 
i Greis noch ſo tief in der Nacht eile und 
ob vielleicht jener Glockenruf auf deſſen 
i Entfernung von ihm Bezug habe, allein 
ehe er einen Entſchluß faſſen konnte, war 
i Bodo in der Dunkelheit der Nacht ven 

banden e . 


„ PAR 


Der Jaͤngling benutzte die ihm ertheilte 
Erlaubniß und trat in Bodo's Hütte, Er 
fand ein geraͤumiges Behaͤltniß, in welt 
chem er bei dem duͤſtern Schimmer einer 
Lampe die groͤßte Nettigkeit und Ordnung 
bemerkte. Im Hintergrunde gewahrte er 
eine nur leicht angelehnte Thuͤre, die in 
ein anſtoßendes Gemach zu fuͤhren ſchien. 
95 Ein kleines Geraͤuſch innerhalb jenes Ge⸗ 
machs reifte feine Neugierde, leiſe ſchlich 


ai 


20 g 

er hinzu und oͤffnete dle Thüͤre. Die Lam; 
pe warf ihren Schimmer hinein und ließ 5 
zwel nette und reinliche Binſ enlager bemer⸗ 


ken, auf deren einem ein holder blondges 
lockter Knabe fanft ſchlummerte. 


Ueberraſcht von dieſem Anblick, trat 


der Fremdling näher zu dem Lager, indem 
er den holden Schlaͤfer genauer betrachtete 


und mit innigem Wohlgefallen auf den 


Zuͤgen deſſelben verweilte. Je aufmerkſa⸗ 
ö mer er den Knaben betrachtete um ſo 


mehr glaubte er auch eine auffallende 
Aehnlichkeit in dem Geſichte dieſes llebens, 
würdigen Knaben mit gewiſſen, ihm ſelbſt 


| ehe theuern Zuͤgen zu bemerken 4 Ob⸗ 
gleich der Fremdling ſich uͤberredete, zu 
| glauben, daß dieſe ſcheinbare Aehnlichkelt 


nur auf einer Taͤuſchung der Sinne berus 


Bes die von der kebhafüigkeit erzeugt wer 


* 


de, womit gewiſſe Erinnerungen allent; 
balben ihm vorſchwebten, fo war gleich⸗ 
wohl dieſe Taͤuſchung zu angenehm fuͤr 


ihn, als daß er ſich ſo leicht von derſelben 


trennen ſollte. Er nahm auf einem Seſ⸗ 5 


ſel neben dem Lager des ſchlummernden 


Knaben Platz und verſank in tiefes 
Nachdenken, in welchem ihn endlich ein 


ſanfter Schlummer beſchlich und ſich feis 


ner Sinne bemaͤchtigte ; um feiner Phan; 
taſie Gelegenheit zu geben, in halbwa⸗ 
chen Traͤumen die vorigen Gebilde Nerſel 


| ben weiter auszuführen, 
Unbemerkt von ihm war indeß der 


Morgen emporgedaͤmmert, als ein kleines 


Geräuſch in dem größern Gemach der 
Hütte ſeinen Schlummer verſcheuchte. Er 
® blickte auf, er ſahe ſich von dem Schim⸗ 


mer des jungen Tages, der Durch die 


— 


22 
Fenſter hereinbrach umfloſſen und Bodo 
leiſe hereintreten, der ſich ſehr verwun- 
derte, als er ſeinen Gaſt wachend und 
| außerhalb des iR ihn bereit en La⸗ 
| gers fand. | 
5 „Haſt du der Ruhe und 1 fo 
wenig vonndthen, “ — redete ihn Bodo 
an, — „daß du We e SAN | 


15 Fremde r. Verworkene Bilder der 
Vergangenheit haben mich um dieſe Ruhe 
gebracht, und eingewiegt von dem liebs 
lichen Trugbilde neuaufgelebter Lebens 
freuden, genoß ich hier an der Seite dies 
ſes Holden Schlaͤfers die Süßigkeit eines 
Schlummers, wie ie fie Ar a jan. 
entbehren mußte. > | 

Bodo. Möge ein Feen Ge 
1 5 dieſe lieblichen Gebilde der Phanta⸗ 


23 f 


ſie dir et PR ſchoͤnen gott 
umwandeln! e e RN 
Frem der. Nimm meinen herlichen 
Dank für dieſen menſchenfreundlichen 
Wunſch! Guter Bodo, ich habe dich 
ſelbſt dieſe Nacht um deinen Schlummer 
gebracht und dich aus deiner 5 
ec verdrängt. ee 
Bodo. Kümmere dich darüber nicht. 
Ju weſſen Innerm Ruhe wohnt, der ruht 
allenthalben wohl, ſey es auf weichem 
Flaum oder auf duftender Wieſenmatte, 
oder am nackten Felſenhang. Ich entbehts a 
te die Süßigkeit des Schlummers nicht. 
Fremder. Jedes deiner Worte ff 
net dir mein Herz mehr und mehr voll Zu⸗ 
trauen, das die freundliche Aufnahme, 
welche du mir ſchenkteſt, und deine eb 
muͤthigkelt mir abzwingen. . 


a. . 
Bodo. Gleichwohl weiß ich noch 


nicht einmal, mit welchem Namen ich 850 


| nemme fol. 


Fremder. Ich fühle das 1 


| dleſts Vorwurfs, aber, guter Alter, bal 


te es nicht fuͤr Mangel an Vertrauen zu 


dir und deiner Rechtſchaffenheit / wenn 


mein Mund verheimlichte, was ich ſelbſt 


5 ſo gern auf immer vergeſſen moͤchte. Wenn | 
/ du einen Namen für deinen unglücklichen 


Gaſt brauchſt, ſo nenne ihn Godwin — 
(mit bittendem Blick und, don) aber eu 


Bodo, Chönel einfallend) > 


Ich verſtehe dich und erlaſſe dir, dein Un 


glück ehrend, eine Erklärung und Schil⸗ 


derung deſſelben. Sey wer und was du 


willſt, du biſt unglücklich, dieß it mir ge⸗ 


nug / um dir meine Freundſchaft zu ſchenken. 


8 7 


5 8 Pr 
Fremder. Du biſt ein edler Mann, 
deſſen Freundſchaft zu verdienen ich ſuchen 
werde. — Doch ſage mir, wer iſt dieſer 
holde Knabe? | 
Bodo. Auch ein Sohn d des Um 
gluͤcks, der es aber zu feinem Wohl noch 
955 weiß, daß er es iſt. 

Fremder. Armer Knabe! das ſag⸗ | 
te mir mein Herz wohl, indem es mich bei 8 
deinem erſten Erblicken ſo maͤchtig nach 
dir hinzog, daß dich das Ungluͤck mit mir 
verwandt amacht. habe. Wem so 5 
er an? 

Bode. Mir. Er iſt mein Ehn. | 

Fremder. Dein Sohn? — Wie 
pie dieſes tele bei feiner Iugend und 
deinem Alter? 
Bodo. Sein Ungluck und fein bes 
. FR ihm bei mir Kindesrecht ertheilt. 


* 


Nicht durch die Bande des Bluts, aber 
durch die nicht minder ſchoͤnen Bande, 
welche von der einen Seite Menſchenliebe 
und von der andern Seite meine Dank; 
barkeit knuͤpfen, iſt Goldo an Bodo und 
diefer an jenen gefnäpft, 
Fremder. Ich verſtehe: Be 
5 Pflegevater und Erzieher. | 
Bodo. So iſt es; doch ihm ſelbſt 
bin ich mehr. Ihm bin ich Vater im el 
gentlichſten Sinne des Worts, denn er 
ahnet es nicht daß noch irgend Jemand 
außer mir ſey der naͤhere Rechte an ihn 
und ſeine kindliche Liebe habe. 
Firemder. Glückliche Unwiſſenheit! 
Moͤchten wir doch ſtets in dieſem wohl; 
thaͤtigen Eigenthume der Kindheit bleiben! 
Denn nur in dieſer Unwiſſenheit des Kna⸗ 
benalters liegt der ganze Inbegriff wahren 


16 
* 
* 
ee 


27 
Glucks, das in eben dem Grade abnimmt, 
als jene ſich bei der W der an 
neren Sinne verliert, 7 ; 
Bo d o. Deine Meinung iſt bert 
nicht die meinige. Zu dem wahren Gluck 
des Menſchen gehört vorzüglich alich, daß 
er Gefühl für dieſes Glück habe und das 
innige Wohlbehagen uͤber das Angenehme 
ſeiner Lage auffaſſe / welches nur der uns 
terſcheidende Sinn des reifern Alters er 
theilt. Wer das Gluck und die Freuden 
des Lebens wahrhaft und in ihrer ganzen 
ſchoͤnen Fuͤlle genießen und in dem Beſitze 
derſelben wirklich glͤcklich geprieſen wer? 
den ſoll, der muß auch mit den Schmer; 
zen und Bitterkeiten des Sehens | 
rn 
25 Frender. 84 kannſt zum Ebel 5 
Recht haben, ſo gern auch mein Inneres, 


28 ee 
von dem Uebermaaß meines Ungluͤcks day 
nieder gedruckt, dir widerſprechen möchte, 
— Doch erlaube mir noch einige Fragen 
in 1 auf dieſen Knaben. 
Bodo. Du ſcheinſt ſehr tobten 
Aathel an ihm zu nehmen. 
Fremder. Ich laͤugne es nicht. 
he Aus Weſchet Urſache. 
Fremder. Noch kenne ich dieſe 
ce nicht. Vielleicht liegt fie in der viel; 
leicht nur eingebildeten Aehnlichkeit einlger 
Zuͤge in dem Geſichte deines Pfleglings 
mit andern mir ewig unvergeßlichen, ewig 
theuern Zügen y welche die Erinnerung an 
vergangene Zeiten ſo lebhaft in meiner 
Seele weckt. Wer ſind oder waren 5 
Eltern dieſes Knaben? 
Bodo. Ein dichter Schleier 1 
geheimnißvoll über die Geſchichte dieſes 


a 

Knaben eben Ich darf m nicht 
hinweg zlehn. 8 
Fremder. St Diefer Säleer 115 
ſchwinden? 


Bodo. O ja! das hoffe 1 zu Gott. 


Goldo ſelbſt wird einſt dieſen Schleier hin 
wegreißen und das Geheimniß enthuͤllen, 
das bis dahin in der Erde duͤſterm Grun⸗ 
de in Mitternacht vergraben liegt. Doch 5 
eine höhere Macht, die der Sterblichen 
Sckickſale lenkt, muß es beſtimmen, wenn 
der Augenblick der Enthüllung erſchienen 
i ich darf ihr nicht vorgreifen. 

Fremder. Soll die Goubeit Wun, 
der thun? 

Bod o. Deren bedarf es nicht. = 
Wenn ich aber jetzt ſchon dieſem Knaben 
mehr ſagte, als ihm zu wiſſen gut iſt, 8 
würde ich ihm einen ſehr ſchlechten Dienf 


1 


erweiſen und ſein Verderben beſchleunl 
gen, das ſein een ſelbſt uͤber ihn 
bringen wuͤrde. 

Fremder. Wenn ben dann der 
Schleier fallen? N 

Bodo. Wenn jenes e 
Trauergeläute der Todtenglocke verhallt, 
nicht mehr die Geiſter der unterirdiſchen 
Gruft mit bangen Klagetönen um den 
Schreckensthurm und uͤber den duͤſtern 
See, in Trauer gehuͤllt, ſchweben und den 
Wandrer ſchrecken, wenn Menſchenhaß 
und Lebensuͤberdruß ſich in Menſchenliebe 
und heitre Froͤhlichkeit wandeln und uͤber 
den Ruinen des Schreckensthurmes Sele 
na mit freundlichem Silberſtrahle aus den 
Schatten der Nacht heraufſchwebt, dann 
iſt auch Goldo's neuer gene ehen 
erſchienen. a 


31 
| Fremde r. Cmit allem Ausdruck der 
3 2 Selena? 1 
Bodo. (ihn aufmerkfom ia. J 
So ſagte ich. Befremdet dich dieſer 
Name des freundlichen Wan Nr 
moge 
Fremder. Dunkel und bel 1015 
if deine Rede. Moͤchte die Ahnung von 
dem, was fie bedeuten koͤnnte mehr als 
bloſe leere Ahnung ſeyn! Re 
Bodo. Ich verſtehe dich nicht. Dei 
: ange auch ich an zu ahnen © 
Fremder (einfallend.) unterdräcke 
| jede Vermuthung, wenn ſie auf mich und 
meine Schickſale Bezug hat, denn ſie kann 
zu nichts Wirklichem führen, wohl aber 
den kaum in meiner Bruſt wieder aufs 
glimmenden Funken von Zutrauen zu den 
Menſchen ſchnell wieder ausloͤſchen und | 


35 


mich wiederum Binausiagn in 1 
leere Einoͤden. 

Bodo. Wie das? 

Fremder. Weine uͤber 1110 Bor 
do! Meine Zunge iſt auf en Ei 
ich muß ſchweigen. \ 

Bodo, Weine über dich ſelbſt / un, 
glücklicher! denn voll Zutrauen den Kum⸗ 
mer, der uns drückt, mittheilend in ein 
| gutes theilnehmendes Herz niederlegen zu 
konnen, das iſt noch im größten unglück 
Gluͤck und vermindert die ſchwerſte Bin. 
de, Wehe dem, der dieſe Erleichterung 
feiner Laſt ſich ſelbſt verſag! | 
Fremder. Du thuſt mir unrecht, 
wenn du glaubſt / daß dieſes bei mir der 
Fall ſey. Heiß und innig ſehne ich mich 
nach dieſer Mittheilung, am meiſten ges 
gen dich und hier in dieſer Gegend, aber 


| 35 
furchtbar, wie ein Daͤmon der Hölle, tritt 
ein Schreckgeſpenſt drohend bor mich hin 
uud heißt mich ſchweigen. 

Bodo. Mich duͤnkt, ich kenne dieſes 
Schreckgeſpenſt. | N 
Fremder. Unmoͤglich. 


Bodo. Sein Name If Olivaro 0 


Morrino. — Das ploͤtzliche Erbleichen 
deiner Wange beſtaͤtigt es deutlich genug, 
daß dieſer Name dich ſchreckt. Doch fen 5 
ohne Furcht; wer du auch ſeyn und wel 
chen Grund du auch haben magſt, dieſen 
Morrino zu ſcheuen, in Bodo's friedlicher 
Hütte wohnt der Verrath nicht. 


Golde war erwacht und trat herein, 
indem er Bodo entgegenhuͤpfte und ſich 
mit einem freundlichen „Guten Morgen, 
Vater!“ an ihn anſchmiegte. Seine Ga 
genwart unterbrach das vorige Geſpräch, 
wie es ſchien, ſehr zur Zufriedenheit des 
| Fremdlings, den die vorigen Aeußerungen 
des Alten in eine heftige Angſt und Unru⸗ 
be verſetzt hatten. 

„Wer iſt dieſer fremde Mann, Va, 


ter 2“ fragte der Knabe, indem er den 
Fremden mit ſeinen großen blauen ae n 
verwundernd anblickte. 
„Ein Freund von mir und inf er Saft, 5 
erwiederte Bodo. | N | 
| „So ſey willkommen, — wandte 
ſich der Knabe zu Godwin, indem er ihm 
traulich die Hand Paar »Dift du 
rn rl 
God wi 2 ones. daran, ae 
ner? 3 
Knabe. Beinahe moͤchte ich es. Du 
ſiehſt ſo finſter, ſo unfreundlich, und der 
Vater ſagt, die Stirn des guten Menſchen 
ſey ſtets rein und heiter, wie ſein Herz. 
8. Bodo. ihn unterbrechend) Doch 
koͤnnen ſie auch bisweilen unangenehme 
Ereigniſſe des Lebens trüben und ſie mit 
Furchen des Kummers umziehen. 


— 


36 

Knabe. N das bei dir der da, 
fremder Mann? 

Godwin. Ach ja wol f 

Knabe. (indem er ſich an ihn traulich 

anſchmiegt und liebkoſend feine Wange ſtreichelt.) 
Armer Mann, du dauerſt mich. Doch 
bleib du nur bei uns und du wirſt bald 
wieder int uns und durch uns froh wer⸗ 
den. Der Vater hat ſchon manchen Kran 
ken geheilt utid manchen Trauernden froh 
gemacht; er wird auch dir helfen. Ka 
wahr, guter Vater? 8 

Bodo. Gewiß. (mit Wärme St 
wins Hand drückend, bedeutend) Aber der 
Kranke muß Zuirauen zu ſeinem Arzte ha 
f ben und dadurch die Kur befördern helfen. 

Bodo brach das Geſpraͤch ab und fuͤhr⸗ 
te ſeinen Gaſt an der N des kleinen . 
Goldo hinaus in das Freie. | 


| 37 
Es war ein ſchöͤner herzerhebender 
Morgen. 5 Sanfte erquickende Kühlung 
hauchte Iuen in den lieblichſten Wohlges 
ruͤchen der Kraͤuter und Blumen aus den 
bethaueten Wieſenmatten entgegen; die 
Harmonien ! der Saͤnger des Waldes um; 
toͤnten fie und über dem Walde ſchwebte 
in ſchöner ſtiller Majeſtäͤt die Koͤnigin des 
Tages empor und vervielfaͤltigte ihren 


Glanz in tauſendfarbigem Schmelze in den 


een des Graſes. 
Hohe begeiſternde Schauer ergriffen 
den Fremdling, als Bodo ernſt und feier 
lich mit entblöftem Haupte ihm zur Seite 
Rand, die Hände über die Bruſt gefaltet, 
ſein Auge mit dem reinſten Ausdrucke ho 
her Andacht gegen die Morgenſonne wand; 
te, und der Knabe vor ihm an dem fanfs 
ten n Abhange eines kleinen Lugels auf die 


58 | 
Knie ſank und, ebenfalls mit gegen die 
Morgenſonne gerichtetem Blick, Segen 
für Bodo und deſſen Gaſt und für ſich 
von dem Allguͤtigen erflehte, deſſen Größe, 
Guͤte und Macht ihn Bodo in ſeinen Wer⸗ 
ken zu erkennen und zu verehren gelehrt 
hatte. Maͤchtig von Gefühl durchdrun⸗ 
gen, ſank der Fremdling neben dem bes 
tenden Knaben auf das Knie; auf dem 
Fittig ſeelenvoller Andacht ſchwang ſich 
e Geiſt dem Himmel zu. 1 

Wohlthaͤtig geſtaͤrkt durch dieſes Gebet 
und von einer fo füßen Ruhe erfüllt, wie 
er ſie ſeit langer Zeit nicht gefühlt hat 
te / richtete ſich Godwin empor, und Bo 
do ar mit ihm nach der ran zu 
ruͤck. | 

” „Ich muß dich jetzt auf einige geit 
berlaſſen “ — redete ihn Bodo an, nach⸗ | 


39 
dem fie ein frugales Frühſtuͤck genoſſen 
hatten, „aber bald bin ich wieder bei 

dir. | 1 8 

„Wohin gehſt du?“ fragte der Gaſt. 

„Mein ehrwuͤrdiger Beruf ruft mich 
jetzt an das Krankenlager einer armen 
huͤlfsbeduͤrftigen Mutter von fünf vater⸗ 
loſen Waiſen, denen meine aͤrztliche Hülfe 
die Mutter wieder geben ſoll, — erwies 
derte Bodo. — Mein langer Aufenthalt 
in dieſer Gegend gab mir Muſe, meine 
Lieblingswiſſenſchaft fortzuſetzen, den 
Heilkraͤften der Natur nachzuſpuͤren und 
die Wirkfamfeit der Pflanzen und Kraͤu⸗ 
ter mit Vortheil anwenden zu lernen. So 
nuͤtze ich auch noch in meiner gluͤcklichen 
Abgeſchiedenheit von der Welt ihr und 

den Menſchen.“ 
5 0 muß dich immer mehr und mehr 


40 


hochachten und bewundern,“ — 1 
der Fremdling. — „Darf ich dich vor 


begleiten? “u 
s Das nicht 7 — b ihm Bodo in 


Du bedarfſt Zerſtreuung und biſt ſelbſt i 
noch zu wenig genefen, als daß der Ans 
blick einer Leidenden nicht die Krankheit 


deiner Seele verf chlimmern ſollte. Ueber 5 


laß dich bis zu meiner Ruͤckkehr der Hand 
meines Sohnes. Er wird dich mit un⸗ 
ſerm gluͤcklichen Aſyl bekannt machen und 
kein unangenehmer Geſellſchafter für dich 
ſeyn. Gehe wohin es dir beliebt, nur 


überſteige nicht die Grenzen dieſer uns 5 


umgebenden Waldungen. Vor allen 
Dingen ermahne ich dich laß dich nicht 


die Neugierde zu der Unbeſonnenheit vers 
führen, in das geheimnißvolle Dunkel ges 5 
wiſſer Dinge eindringen zu wollen, auf 


a 


| 41 
welche ich dich vorhin aufmerkſam machte. 
Fuͤr dich möchte dieſe Keckheit mehr, als für 
manchen Andern gefaͤhrlich werden. Wenn 
dir an deiner Sicherheit und Freiheit gele⸗ 
gen ift, fo meide die Gegend des Schrek⸗ 
kensthurms am See. Die Gegend iſt ſehr 
unficher, der Wald hat Augen, jeder Baum 
hat Ohren und kann dich verrathen.“ 5 
Er druͤckte des 0 RN und 
eilte davon. 


An des Knaben Hand wandelte Godwin 
durch das Felſenthal dahin, indem er ein 
Geſpraͤch mit ſeinem kleinen Führer ans 
knuͤpfte und ſich ſehr über den hellen 
Verſtand deſſelben freute, der bei dieſern 
Unterhaltung hervorleuchtete. Er wuͤnſch⸗ 
te einige genaue Nachrichten uͤber Bodo 
zu erhalten, allein Goldo konnte ihm 
hieruͤber weiter nichts ſagen, als daß fein 

Vater in der groͤßten Abgeſchiedenheit von 


| 43 
dem Geraͤuſche der Welt lebe, aus weh 
cher er nur bisweilen einigermaaßen her⸗ 
austrete, um Gutes um ſich her zu vers 
breiten und Kranken, Nothleidenden 
oder andern Huͤlfsbeduͤrftigen zu helfen 
oder ſie zu troͤſten und ihnen zu rathen; 
weshalb er auch von den Bewohnern der 
umliegenden Gegend mit einer ausge⸗ 
N ER: und Siebe PR 
werde. 5 

unter dieſem Gefpräche tamen ſie an 
einen lichten Ausſchnitt des Waldes, wel; 
cher eine ſehr angenehme freie Aus ſicht in 
die von hohen Felſen begrenzte Ferne oͤff⸗ 
nete, innerhalb welcher ſich ein weites 
Thal ausbreitete und ſeitwaͤrts unter abs 
wechſelnden Feldern und fruchtbaren Hüs 
geln die Thuͤrme einiger Schloͤſſer in ſchoͤ⸗ 
ner Perspektive uͤber den daran anſchlie⸗ 


4⁴ 
ßenden Waldungen und Selen ſich 5 
hoben. | 
Von feinem Kleinen Führer Sache 

0 Godwin auf ſeine deshalb an ihn gericht 
teten Fragen, daß jene Schlöffer dem Du 5 
ſitzer der ringsumherliegenden Gegend, 
einem Grafen Morriuo, ‚gehörten, der 
ringsumher unter dem Namen des 
ſchwarzen Mannes gefiohen werde, weil 
er ſtets, in ſchwarze Trauerkleider ver⸗ 
hüllt, einſam und meuſchenfeindlich uns 
her ſchleiche und jedes Menſchengeſicht 
Mie e RT | 
Mit einem tiefen Seufzer blickte Gods 1 
win nach einer dieſer Burgen hin, die 
weiter hinaus in dunſtiger Ferne zwi? 
ſchen den Felſen empor ſprang und wel⸗ 
che vor den uͤbrigen ſeine Aufmerkſam⸗ 0 
keit beſonders auf ſich zu ziehen ſchien. 


45 
Doch ſchnell wandte er ſich hinweg. 
„Komm, Knabe,“ — ſprach er, — 
„dieſe Schloͤſſer, hinter deren Mauern 
manche That verübt ward, die vielleicht 
ſo ſchwarz als das jetzige Aeußere ihres 
Beſitzers ſeyn mochte, ſind haͤßliche Steh 
ken in dieſem ſchoͤnen Naturgemaͤlde und 
zwingen mich, meinen Blick mit 0 
hinwegzuwenden. ““ 

„So laß uns weiter gehen!“ — er: 
wiederte Goldo, indem er mit ſeinem 
Gefaͤhrten einen Weg ſeltwaͤrts durch das 
8 Gebuͤſch einſchlug. | 
In duͤſtres gedanken volles Schwel, 
gen verſunken, ſchritt Godwin an der 
Seite des muntern Knaben hin, als er 
plotzlich durch den Schimmer einer in 
weißen Stein ausgehauenen verſchleier⸗ | 
ien weiblichen Figur aus feinem Nach⸗ 


46 


denen, aufgefcheucht ward. Auf einem 


kleinen mit Cypreſſen umgebenen Raſen⸗ 
huͤgel hob ſich die Figur empor, welche 
den tiefſten Schmerz ausdruͤckte und fehns | 
ſuchtsvoll nach einer Stelle des waldigen 
Goebüͤſches hinzublicken ſchien, durch wel⸗ 
ches ein ane Ne heruͤber 
drang. 5 ve 
Mag bedeutet dies? — baue 
Godwin überraſcht. | 
| Goldo. Wir ſtehen hier auf eis 
185 heiligen dem Andenken einer from⸗ 
men Dulderin geweihten Stelle. Dies 
iſt das Denkmal meiner ee Mut- 
ter. 5 1 j Ye 
Godwin. Deiner en A 0 
Name? er re 
Goldo. Ich bade knee we, 
nig als ihre Schickſale. 73 


47 

Godwin. Ruht ſie vielleicht unter 
dieſem Huͤgel? 

Goldo. Ich vermuthe es. Täglich ö 
fuͤhrt mich der Vater hierher, um fuͤr das 
Heil ihrer Seele zu beten. In meiner 
fruͤhern Kindheit verweilte oͤfters mein 
Vater in mondhellen Nächten mit mir an 
dieſer Stelle. Dunkel wie im Traume er⸗ 
innre ich mich deſſen noch, wie alsdann 
dieſer Stein geben hatte, mich die Ge⸗ 
ſtalt meiner Mutter umſchwebte mich 
auf ihren Armen liebkoſend wiegte und uns 
ter Thraͤnen, wie ein Schatten, verſchwand. 
Der Vater verneinte zwar das Alles, 
ſchalt mich oft einen Traͤumer, wenn ich 
davon ſprach, aber gewiß es war r mehr 
als Traum. | 

Der Knabe flieg den Hügel hinauf, 
ſank an dem Fußgeſtelle der Figur auf die 


48 


Knie und verſank in ein ſtilles Gebet, von 
deſſen andachts voller Innigkeit fein bered⸗ | 
tes zum Himmel gerichtetes Auge ſo laut 


ſorach, daß der Fremdling von einem hei, 


ligen begeiſternden Schauer unwillküͤhr⸗ 


lich ſich ergriffen fuͤhlte, und im Gebet 


neben dem betenden Knaben auf das W | 


ſank. 


Eine heimiſche feierliche Eiike berech 0 
te rings umher, die nur durch das vor: 
hin bemerkte dumpfe Brauſen aus der der 


ne unterbrochen ward. 


„Was bedeutet jenes Geraͤuſch dort f 
hinter dem Walde?“ — fragte Gods 
win, als der Knabe Ei ER vollendet 4 


hatte. 
Es iſt das Getöſe des Waſſ erfolg 


dort an dem Schreckensthurme,“ — er 5 


wiedert Goldo. — „Folge mir nur wa 


’ 


f 


= 


3 


49 

nige Schritte durch das Dickicht und du 

kannſt ihn ſelbſt in der Ferne ſehn. Doch 

vergiß ja nicht dabei, was dir mein Bas 

ter zur Warnung ſagte, die unweit des 

Ufers am See errichteten ſchwarzen Stei⸗ 
ne bezeichnen die Grenze, bis zu welcher 
man ſich dieſem See naͤhern darf. 
Godwin folgte dem Knaben durch eis 
nen engen und duͤſtern unter dem übers 
hangenden Geſtraͤuche verborgnen Weg, der 

ihn bald an eine freie Stelle brachte, wo 

der Wald durch einen großen See unters 

brochen ward, der ſich weit hinaus er⸗ 
ſtreckte und von dicken Waldungen ringss 
umher begrenzt war. Der Knabe machte 
den Fremdling auf mehrere ſchwarze Stei⸗ 
b ne aufmerkſam ’ die in abwechſ elnden Zwi⸗ 
ſchenraͤumen um den See herum aufgerich⸗ 
tet waren und die Grenze bezeichneten, 

| 4. 


60 
bis zu odd man ſi 0 dem Ste ebe | 
| dane 100 
RR Rügte. r 98 ms einen dieser 
5 ſtarrte, von ungewohnt äͤngſt⸗ 
lichbangen Gefühlen beengt, über die 
Waſſerflaͤche des Sees hin, nach dem ge⸗ 
genſeitigen Ufer, zu welchem ein hinter 
A demſelben weit ausgedehnter Felsrücken 
den Weg unzugaͤnglich zu machen ſchien, 
und wo ein hoher Felſen über die übrigen: 
im Vordergrunde derſelben vorſprang, der 
ſich ſchroff und ſteil Über den See hinaus; 
bog und durch ſeinen Abhang ein kleines 
Eiland bildete, auf welchem ſich ein alter, 
zum Theil verfallener Thurm erhob. 9 och | 
von dem ſteilen Gipfel des Felſens er goß 
ſich ein Wogenſturz, der mit gewaltigem, 
dem Donner aͤhnlichen Toben an den uns | 
geheuern Steinmaſſen ſich brach und aus den 5 


i 


einzelnen Klüften des Felſens wieder her⸗ 
vorſtrömte und ſich über den Schreckens 
thurm ſchaumend herab in den See 
KR | | 
Der Fremdling war in dem furchtbar 
ſchönen Anblick verloren und ſtarrte mit 
underwandten Blicken nach dem Schrek⸗ 
kensthurme hin, der ſich hinter dem 
uͤber ihm herabtobenden Wogenſturze, 
wie hinter einem ee b ven 
ſteckte. 

„„Das iſt der erich e Sie 
thurm, den die menſchenfeindlichen Daͤt 
monen des Sees bewohnen“ — fluͤſterte 
der Knabe ängflih. — Laß uns hier 
nicht lange verweilen, n es a eh 
gut ſeyn hier. 5 

„Kann ich dieſen Thurm nicht in der 
Nahe betrachten “ fragte der Fremdling. 


5% , 

„um des Himmels Willen / wo denkſt 
du hin 2 — fiel ihm Goldo aͤugſtlich ein. 
— Haft du die Warnung meines Vaters 
wegen?“ 9 e 
Godwin. Ich bemerke 9956 ah 
kleinen Rachen, der abſichtlich an dem by 
hange des Ufers unter dem Geſtrippe vers 
ſteckt zu ſeyn ſcheint. Mit deſſen Huͤlfe 
muß es leicht ſeyn, den Thurm zu errei⸗ 

Gold o. Gewahrſt du nicht die drei 
ſchwarzen Steine, an welche der Nachen 
befeſtigt iſt, um einen Frevel dieſer Art 
zu verhindern? Gieb dieſen Gedanken 
auf! Du würdeſt dieſes Wagſtͤck mit 
| dem Leben bezahlen; denn kein Sterblicher 
nahte ſich noch a ae jenem ee 
kensorte. ' 
Godwin. ee e mir uh 


Sr 


| 5 55 
Buſen bewoltſam engendes Gefühl zieht 
mich ers nach EN ee 
Ma, N 5 
same befhmwöre dich,!“ — a ihm 
der Knabe ein, indem er ſich aͤngſtlich 
bittend an ihn anflammerte, — unter 
druͤcke jede Verſuchung zu einem Frevel, 
der dich ohne Rettung in Tod und Verder⸗ 
ben ſtuͤrzen und den Schatten der Unglück 
lichen beigeſellen würde, die dort in dem 
tobenden Waſſerſturze von den Daͤmonen 
des Sees erwürgt wurden. Ach, warum 
mußte ich dich auch hierher fuͤhren 45 
Mein Vater würde es mir nie verzei⸗ 
hen, wenn du dich nicht zurückhalten lie 
Bet.“ Feſt hielt ihn Goldo umklammert, 
indem er ängftlich ſeine Kräfte anſtreng⸗ 
um den ki he mit at aa 
ziehen. i | 885 


n 7 
* 
4 

5 

S 


54 
Jetzt Een Godwin d die fernen. Töne 
einer klagenden Stimme zu vernehmen, | 
welche, von dem wilden Getöfe des Waſ⸗ 
ſerſturzes uͤbertaͤubt, von der Gegend 
des Schreckensthurmes herüberzukommen 
ſchienen. Er fand und lauſchte how 
chend und er glaubte vernehmlicher als 
vorher die Klagetöne einer fingenden Seins | 
me von den fie begleitenden: ſchwermuͤchl⸗ 
gen Akkorden einer Sala zu anterſcel l 
den.. 1 
Ihr Mächte des Himmels 1 
s uns!“ — rief der Knabe angſtvoll aus, 
indem er Godwin noch feſter umklammerte 
das iſt die Lockſtimme des gefürchteten: 
Spukgeiſtes, rette dich und nich dach ; 
ſchnelle Flucht!“ A ö 
„ Beruhige dich, — redete ihm God 
win zu, — das if nicht die verderbende 


Stimme eines ſchadenfrohen Spukgeiſtes. 
Das find Toͤne, wie ſie nur Leiden und 
tiefer ſchmerzvoller Kummer erzeugen. Ich 
bin zu vertraut mit dieſen Tonen, als daß 
ich ſie verkennen ſollte, und um ſo tiefer 
dringen ſie auch in mein Inneres ein. 
Irgend ein Ungluͤcklicher ſchmachtet viel 
leicht unter der Laſt eines dort verſteck⸗ 
ten Bubenſtuͤcks nach Erloͤſung, und je 
der dieſer herzzerreißenden Klagetoͤne iſt 
ein Auftuf zur Hufe. — Laß mich, 


guter 3 56 PA h widerſte⸗ er 


3) 


m. 6 ai RT er 
— Mit e Aengſllichkelt 


ſchmiegte ſich bittend der Knabe an ihn 
an, um ihn von feinem kühnen Unterneh; 
men zuruͤckzuhalten, doch jetzt ſchlugen mit | 
verſtärktem Ton die verhallenden Klages 
tone herüber an Godwins Ohr. Er— 


= — N * — Pr 


56 
griffen und maͤchtig erſchůttert von den | 
ſelben riß er ſich gewaltſam von Goldo's 
Hand los und ſtuͤrzte das Felſenufer 
des Sees hinab in den ce Par 
ben. e 15 rn 
Das ande des 5 0 be, 
Im machen, ei! 25 
Mit EBEN Hand ſprragte Godwin | 
die Kette, welche den Nahen an die ö 
ſchwarzen Steine am Ufer befeſtigte, 5 
und eben war er im Begriff „das leichte 1 
Fahrzeug von dem Ufer abzuſtoßen und 
dem Thurme zuzurudern, als plotzlich 
eine Schaar Bewaffneter durch das Ger f 
buͤſch hervorbrachen, ſich mit widem 
Grimm tobend in den Nachen ärzten 
ſich nach einer fruchtloſen Gegenwehr des | 
kühnen Schiffers bemächtigten und ihn 


1 ; re 
4 4 p * f - * „ 
N Br A), } . 27 2 le 


57 
gebunden mit ſch ben durch ben Wald 


eee E 8 
Haͤnderingend und ſchreiend um Huͤlfe 


fürzte Goldo durch das Gebuͤſch der vis 


terlichen Hütte zu. 


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5 
/ 


Zu foät bereute Godwin feinen Frevel, 
womit er die gutgemeinte Warnung des 
gutmuͤthigen Bodo und Goldo's verachtet 
hatte. Er mußte jetzt das Schlimmſte 
fuͤr ſich befürchten, und aͤngſtlich ſchlug 
ſein Herz gegen ſeine Bruſt, als er in der 


Mitte ſeiner Räuber den Ausgang des 


Waldes erreichte / und mit Schrecken den 
Felſen erblickte, 195 welchem 855 die il: | 


Dranto erhob, 


Fe ee ˖ —— Fe 


2 8 
2 R ER ö 
S 


59 
Die Burg war in kurzer Zelt erreicht, 
und mit einem von der Hoͤhe hinab in das 
Thal zurückſchauenden Jammerblicke nahm 
der Unglückliche auf immer Abschied von 
der Welt, als er den Felſen erſtiegen hat⸗ 
te und die eiſernen Pforten der Burg hin, 
ter ihm klirrend zuſammenſchlugen. 
Si; Er ward nach einem engen duͤſtern 
Behaͤltniß gebracht, wo er geraume Zeit ſich 
allein überlaffen blieb und Muſe genug er⸗ 
hielt, ſeine Uebereilung zu beſeufzen. 
Schon brach die Daͤmmerung des Abends 
durch das kleine Gitterfenſter zu ihm her⸗ 
ein, als die Thuͤre ſich öffnete und der. 
Graf Morrino in feiner ſchwarzen Trauer: 
kleidung, von einigen ihm vorleuchtenden 
Knechten begleitet, mit wildem zornfun⸗ 
(en: Blick zu ihm hereintrat. 
Erbleichend vor Schreck taumelte der 


N 


Fremdling bei Mottos Ka erſchüt⸗ 
terndem Anblicke zurück; doch ſein Schreck 


verminderte ſich / als jetzt Bodo hinter dem | 


1 u ‚A n RER a) a 1 
Grafen hervortrat. Zitternd, wie im Fie⸗ 


berfroſte, bebten die Glieder des Gefange⸗ 


nen, als der Graf vor ihn hintrat und 
ihn lange mit ſcharfen durchdringenden 
Blicken betrachtete. Ruhiger athmete er 


jedoch wieder empor, als er bemerkte / daß 
ſeine Zuͤge dem Grafen 1755 bekannt w | 


| ſeyhn ſchienen. Be 


Morrino fragte den gert 55 
abe Tone nach ſeinem Namen, ſeiner N 


Herkunft und nach der Urſache feines fer 


velhaften Unternehmens in Beziehung auf 


den Thurm am See. Godwin ſuchte ſich 


uber das Letztere ſo gut als moͤglich zu 


| entſchuldigen / indem er offenherzig be 


kannte daß ihn Menſchenliebe und die \ 


1 


. — —-— 


; ; 61 
| Bermitungn: irgend einen Ungluͤcklichen 
dort zu finden und ihm wo moͤglich zu hel 
fen, in die Verſuchung gefuͤhrt habe, d m 
Befehle des Grafen zuwider zu handeln. 
Der Grimm, der aus Morrino's Augen 
ihm entgegen flammte, und ſeine vom Zorn 
5 beſtugelte Stimme zeigten deutlich genug, 
wie wenig ihm dieſe e ge⸗ 
nuͤgte. a 

Des Grafen 9405 gegen den rend 
he: vermehrte ſich noch um vieles, als 
dieſer auf die wegen ſeiner Herkunft und 
Schickſale an ihn gerichteten Fragen eine 
ſehr unbefriegende Antwort gab, und der 
Strenge des Grafen und feinen Drohun⸗ 
gen einen kalten berachtenden Trotz ent 
eee Pe 5 
„Werft ihn in den ee — sin 
Morrino knirſchend den Knechten zu, — 


6˙ 


dort ſchmachte er ſo lange, bis Hunger 


und Durſt ihn zum Gerippe auszehren 
und ſeinen Trotz zur Nachgiebigkeit und 
5 s” einem offenen Geſtaͤndniſſe zwingen.“ 

„Herr Graf, — nahm Bodo, mit bit⸗ 
tendem Ton, das Wort, — Anne 


Euch meiner Worte und Eueres Verſpre⸗ 
chens. Vergoͤnnt mir nur wenige ere, 5 
blicke geheimes Gehör, und ſchont den un 


En bis dahin.“ 


Ohne jedoch auf dieſe Bitte zu won, 1 


winkte der Graf den Knechten, welche den 
5 Fremdling hinaus und in einen unterirdi⸗ 
es finſtern Kerker ſchleppten. 
Von dumpfem Moderduft umgeben 


lichen Hülfe entfernt, allein und feinem 
Schmerz hingegeben in der oͤden Finſter 
niß. Düfter, wie dieſe, war es in der 


2 — 5 
1 — * x 
GE De Er rer 


0 


— [2 ? 
ale rn et ur“ 


| 63 
Seele des Ungluͤcklichen, und eine Art 
von Betaͤubung, die an Stumpfſinn grenz⸗ 
te, hatte ſich ſeiner bemaͤchtigt. So warf 
er ſich auf das vom Moder befeuchtete 
ſpaͤrliche Strohlager am ſteinernen Boden, 
und ſchauerlich brachen ich feine Seufzer 
an den Suchen Wafer den des Ker⸗ 
ar iS 757 22 
Allmaͤhlig kehrte ER Befi innung 519 
rück , aber nur um das Schreckliche feis 
ner Lage in ſeiner ganzen furchtbaren 
Groͤße zu 2 fühlen, 5 Unter Qualen der 
Hoͤlle durchwachte der Ungluͤckliche eine 
fuͤrchterliche Leidensnacht. Sie floh end⸗ 
lich vorüber, und über ihm lag bereits 
laͤngſt ſchon die Erde von dem milden 
Glanze der Sonne umfloſſen * während 
in feinem öden Kerker noch immer uns 
durchdringliche Finſterniß herrſchte, die 


kein freundlicher ON von außen 15 | 


ſtreuen konnte. 


Von Hunger und brennendem Durſt 
gefoltert; ſeufzte der Arme den Tod her⸗ 
bei, von welchem ihn jetzt bei der bekann⸗ 


ten grauſamen Härte Morrino's feines 


menſchliche Huͤlfe mehr ſchien befrein zu 
Ä koͤnnen; da hörte er Fußtritte auf der zu 
ſeinem Kerker führenden ſteinernen Trep⸗ 
pe, und bald darauf die Schloͤſſer und 
Riegel vor der Kerkerthuͤre raſſeln. Die 


Thuͤre öffnete ſich, und ein Knecht mit 


einer Fackel naͤherte ſich ihm ſtillſchwei⸗ 
gend, aber freundlich, und winkte ihm, ihm 


zu folgen. Godwin befolgte dieſen Wink, 


indem er aus dem Kerker trat, ſeinem 


Fuͤhrer die lange ſteile Treppe hinauf folg⸗ 
te, und dieſer ihn in einen geraͤumigen 
Saal fuͤhrte, wo er in einem der an 


. 6⁵ 
cob enden inner den Maßen ſprechen 
hoͤrte. 


. Die Thuͤre des Zimmers ward nach u 


ner kleinen Pauſe geoͤffnet und Godwin 
ward von ſeinem bisherigen Fuͤhrer hin⸗ 
eingeſchoben und allein gelaſſen. Er ber 
merkte kaum, daß der Graf ſich mit Bodo 
in dieſem Zimmer befand, als bei ſeinem 
Eintritte ein weibliches Portrait an der ge⸗ 
genuͤber befinolichen Wand ſeine Aufmerk⸗ 
ſamkeit in einem ſo hohen Grade auf ſich 
zog, daß er dadurch nothwendig einen fehr 
gefährlichen Verdacht gegen ſich haͤtte bei 
dem Grafen erregen muͤſſen, wenn er nicht 
noch ſchnell genug durch den ſcharfen bes - 
| obachtenden Blick des Grafen auf ſich ſelbſt 
ware wieder aufmerkſam gemacht und vers 
| anlaßt worden, ſeine heftige Erſchuͤtte⸗ 
rung unter dem Vorwande ‚einer durch 
1 6 


66 
Hunger und Durſt serufacten unt 
lichkeit zu verbergen. 1 5 
„Auf einen Wink des Grafen naͤherte 
ſich Bodo dem Jünglinge und erquickte 
ihn durch einen labenden Trank, indem er 
ihm zugleich verſtohlen einen beredten Binf 
gab, ſich zu faſſen. | 
Nach einer Pauſe, waͤhrend welcher 
der Graf abſichtlich des Fremdlings Blicke 
nach dem Bilde hinzuleiten und ihn ſcharf 
zu beobachten ſchien, wiederholte er ſeine 
geſtrigen Fragen an Godwin, aber in ei⸗ 
hei 5 | sans ede weichen a x 
klaren 0 ein Gemiſch eh d N 
ungluͤcksfaͤlle einen dichten Schleier über 
ſeine Lebensgeſchichte verbreitet habe, 70 den 
nur ſein Tod hinwegziehen koͤnne. | 
9 00 Bin in En Gewalt;“ — fuhr N 


07 
er fort, da er ſahe, daß Morrino uͤber i 
vier Erklärung nicht in Zorn gerieth, 
ſondern vielmehr in ein duͤſtres Nachden⸗ 
ken verſank. — Entrinnen kann ich Euch 
nicht, wenn ich es auch wollte, und ich 
muß es ertragen, was Ihr uͤber mich 
verfäget. Toͤdtet mich! ich scheue den 
Tod nicht, denn, ach, mein Elend iſt 
ſo hoch geſtigen daß ich nur von ihm 
Erlöſung hoffen kann und die Hand noch 
dankbar ſegnen werde, die ihn mir gibt. 
Ihr ſeyd ſelbſt nicht gluͤcklich, Ihr werdet 


daher auch das Unglück Andrer zu wärs 


digen wiſſen, o fo gewahrt mir nur die 


Bitte: ehrt mein Unglück, laßt mich nicht 


langſam und martervoll in Verzweiflung 
ſterben „laßt mich ſchnell und bald vollen; 
den und zwingt mich nicht weiter frucht; 
los zu einem Geftänonifl e, das für mich 


68 ; ; 1 
zweifaches Verbrechen ſeyn und mir die 
2 Schauder des Todes verdoppeln fügte. 
k „Es ſey dann! — wandte ſich hiers 
auf der Graf zu ihm, nachdem er ihn 
einige Augenblicke lang mit düſterm Blick 
beobachtet hatte. — Verdanke es dieſem 
wackern Alten, daß ich meinen harten 
Sinn gegen | dich geändert habe und bei 
dir — gerade wo ich es vielleicht am 
wenigſten Urſache haben mochte, — eine 
mal von meiner Strenge abweiche. Bodo 
hat fuͤr dich eine ſehr gefährliche Buͤrg⸗ 
ſchaft übernommen und mein Herz hat fie 
willig angenommen; zeige nun, ob du 
deſſen würdig biſt. Obgleich ich dein Un: 
gluͤck noch nicht kenne, fo hat es dennoch ö 
dich mir verwandt gemacht. Ich ehre 
dein Unglück, das Schonung zu fordern 
ſcheint, und will meine Hand nicht nach 


— 


* 


; 5 69 
deinem Reben ausſtrecken. Wenn meine 
Haͤrte nicht deinen Starrſinn beugen und ; 
das Band deiner Zunge zu einem Bes 
kenntniſſe loͤſen konnte, das mich vielleicht 
zu deinem erſten und redlichſten Freunde 
machen koͤnnte, fo will ich verfuchen, 
was Schonung, Guͤte und Re uͤber 
dich vermögen.“ | 

Der Graf zog die Glocke. Pirro, der 
alte Verwalter des Schloſſes, trat herein. 
„Folge dieſem deinem Fuͤhrer, — ſprach 
der Graf zu dem Fremdling, — und 
ſey unbeſorgt. “ — Godwin wollte fpres 
chen, d och der Graf winkte ihm mit der 
Hand und Pirro fuͤhrte ihn hinaus. 


7e 


. \ 6, 


Pirro führte den Juͤngling in ein heites 
res nett ausmeublirtes Gemach in dem ge. ; 
genfeitigen Flügel des Schloſſes, das eine 
ſehr angenehme Ausſicht in den Garten 
und drüber hinaus in das weitausgebrei⸗ 
tete blumenreiche Thal ſchenkte, in deſſen 
Hintergrunde jener Schreckensthurm am 
See die Ausſicht in die Ferne hemmte. 

Der Juͤngling bezeigte ſeine Zufrie⸗ 9 
denheit über dieſes immer. „Deſto beſ⸗ 


I 


an 7% 
fer, wenn es Euch gefällt, — antwortete 


Pirro, — denn der Graf hat es, fo 


lange Ihr hier bleiben werdet, zu Eurer 
Wohnung beſtimmt. Wenn Ihr die Eins 
ſamkeit liebt, ſo wird es Euch hier fehe 
wohl gefallen; denn ihr werder hier ganz 
ungeſtoͤrt leben, da Niemand leicht in 
dieſen Fluͤgel kommt, am allerwenigsten 
der en: der dieſes Zimmer vorzuͤglich 
flieht.“ 3 | 
| ER das? — age Godwin. ei 
Der Alte zuckte mit den Achſeln und 
trug ihm eine ſehr ſchmackhafte Mahl- 
zeit auf, indem er ihn ermunterte, hei 
ter und froh zu ſeyn und es ſich ſchmecken 
zu laſſen. Pirro reichte ihm einen Bes 
cher Wein. „Was verbirgt jene Gardi⸗ 
mer“ — fragte Godwin, indem eine 
grauſeidne mit ſchwarzem Flor garnirte 


98 | a 
Gardine an der Seitenwand feinen Bick | 


auf ſich zog. 


„Das Bild des ehemaligen 1 i 
ners dieſes Zimmers und der angrenzenden | 
Gemaͤcher;“ — antwortete der Alte — 
und hierin liegt zugleich die Antwort f 
auf Eure vorige Frage uͤber die urſa⸗ 5 
che, warum der Graf dieſe Ae ei | 


meidet. 


te Godwin. 


„Ich habe wenigſtens keinen Befehl 4 


„Darf ich das Bild (ont 2 _ tos 


es Euch zu verwehren, — antwortete 


Piero, indem er nach dem Bilde ging und 
eine herabhängende ſeidne Schnur anzog, 
worauf die beiden Gardinen von einander 
rauſchten und das Portrait eines pe 


ſchoͤnen Juͤnglings zeigten. 


Pets durſchüttert bebte Godwin iu⸗ 0 


N 


€ 75 
rück; er vermocht' es im, ſich aufrecht N 
zu halten; er warf ſich in einen Seſſel 
und ſtarrte bleich und zitternd das Bild 
an, wahrend Pirro geſchwaͤtzig fortfuhr: 
„Dies war Enrico, der einzige Sohn und 
Liebling meines Gebieters, ein trefflicher 
| Juͤngling, in welchem der Graf fein gan⸗ 


zes Glück und feinen größten Reichtum | 


umfaßte. Die Hand eines Feindes er: 
ſchlug ihn, und mit ihm ſenkte man den 
hoͤchſten Stolz und das ſchoͤnſte Gluͤck 
meines Gebieters in die Gruft Er Ka 
ſanft!“ „% x 138% g 

Sr ruhe fanfe! ke Rammte God⸗ 
win. 8 b a s 
„Kanntet Ihr ihn? — 21 515 Pirro, 
indem er fi ich nach dem Gaſte umblickte 
und äber feine bleiche Geſtalt und ſeinen 
ſtarren nach dem Bild gerichteten Blick 


7 
erſchrack. — Mein Gott! was iſt Euch 
begegnet? rief er aus. — Eure Wange 
if bleich? Ihr zittert? e 
2 7 „Laß es gut ſeyn, — erwiederte God⸗ 
win, indem er ſi ich zu faffen bemüht war, 
— es geht vorüber „das ſchnell Abwech⸗ 
ſelnde meiner Lage, die Moderduft des 
Kerkers, Hunger und Dur hatten ee 
entkraͤftet. | a, 
„Erquickt Euch durch a Wen, — | 
unterbrach ihn der Alte, indem er mit 
angſtlicher Geſchäftigkelt einſchenkte und 
a Godwin den Becher aufdrang. 7 
18 „Eine unglͤckliche Phyſi ognomle, — 
fuhr Godwin fort, — die mich an einen 
unglücklichen Jugendfreund erinnert. Die⸗ 
ſe traurige E Erinnerung wird mir meinen 4 
Aufenthalt in I Amer ſeht las a 
tern“! „VVV 7 


75 
„Das ſoll fie nicht, — fiel ihm der 
Alte guthmuͤthig ein, indem er hinauseil⸗ 


te, eine Stufenleiter holte, und ohne ſich 


an die Einwendungen des Gaſtes zu keh⸗ 
ren, das Portrait nebſt den Gardinen von 
der Wand herunter nahm und es in das 
Seitenzimmer trug. 5 
»Was wird der Graf dazu fagen?« 
L redete ihn Godwin an, als er wieder 
zu ihm hereintrat. 

„Seyd deshalb ganz e — 
erwiederte Pirro. — Der Graf eint 
nicht hierher und kann nichts davon er⸗ 
fahren, daß ich dieſes Euch fo h 
Bild Euern Blicken entzog.“ | 

Godwin. Diefes Bild an und für 
ſich ei mir keinesweges zuwider, 
denn ich kannte den ungluͤcklichen nicht; 
nur die Aehnlichkeit ſeiner Zuͤge mit denen 


eines ungluͤcklichen Freundes iſt es, die 
eine traurige Erinnerung in mir erregt. 
| Pirro. Gleichviel. Erfuͤhre es auch 
der Graf, wie es durchaus nicht geſchehen 
kann, ſo weiß ich / daß er das Geſchehene 
5 ſehr billigen wuͤrde, da es ſein ausdruck 
f licher Befehl iſt, Euch Euern Aufenthalt 
in dieſem Schloſſe ſo angenehm als möͤg⸗ 
| lich zu machen und Euch mit all' der Ach 
tung und Sorgſamkeit zu begegnen / wel 
che einem Freunde vom Hauſe gebuͤhrt. a 
Godwin. Bin ich ein m von * 
dieſem Hauſe? a } 
Piero, Die Gaſfreundſchaft mel, 
nes Gebieters erhebt Euch dazu / obgtei 
er vielleicht auch wohl noch andre urſachen 
dazu haben kann / EM ee e, 


zeichnen. 


Godwin. eur Bent us sn 


5 i 1 
| hinter dieſer ne Auszeichnung eini⸗ 
ge Argliſt verborgen liegen? — denn unt 
moͤglich kann dieſe EN Guͤte 
und Freundſchaft dem Charakter eines 
Mannes eigen ſeyn, der ringsherum als 
ein Wafſhenſeknd n. und ER sefoßen 
| wird. | 0 Sy i 
Pirro. Darüber mögt Jr ſelbſt 
am beſten urtheilen koͤnnen; denn Ihr 
| müßt es am beſten wiſſen, ob dieſe Euere 
Beſorgniß vielleicht in Beziehung auf ges 
; wiſſe mir unbekannte Verhaͤltniſſe gegruͤn⸗ 
det ſey. | Im Allgemeinen kann ich Euch 5 
jedoch hieruͤber beruhigen, in ſo fern Ihr 
nicht der Erſte und Einzige ſeyd, der 
eine gaſtfreundliche Aufnahme hier findet. 
Er ſelbſt flieht zwar voll bitterm Groll die 
Menſchen und ihren Anblick; die Freude 
kennt ſein Herz nicht; ſtil und einſam, wie 


78 0 7 
in einem Todtengewoͤlbe ift es um uns 
her, ſchüͤchtern ſchleichen die Bewohner 
des Schloſſes, wie Geſpenſter des Grabes / 
umher / um die dem Grafen angenehme 
Stille nicht zu ſtören, die nur ſeine ban⸗ 
gen Seufzer unterbrechen, und fein Sams 
merblick ſcheucht Jeden von ihm zuruck, g 
wenn er, in tiefe Trauer gehuͤllt, wie ein 
f ſchreckendes Geſpenſt der Schattenwelt 
durch die oͤden Saͤle und Gaͤnge des 
Schloſſes dahin ſchwebt. Gleichwohl ſteht 
dieſes Schloß eben fo, "wie ſeine übrigen 
Schloͤſſer, jedem vorüberziehenden Wand⸗ 
rer gaſtfreundlich offen. Noch mehr: ſei⸗ N 
ne Gaſtfreundſchaft geht ſo weit, daß die 
ausgestellten Wächter feiner Schlöſſer 
‚ausdrücklich angewieſen find, jeden Frem: 
den in dieſen Gegenden anzuhalten und ö 
ihn ſogar wider ſeinen Willen in die naͤch / f 


79 
fe feiner Burgen einzuführen, um ihn 
dort zu bewirthen und ihn ſo lange dort 
zu verpflegen, bis der Graf felbſt die Er⸗ 
laubniß giebt, ihn weiter reiſen zu laſſen. 
Weigerung kann hierbei nichts helfen; 
denn welcher Reiſende der freundlichen 
Einladung nicht folgen ſollte, der wuͤrde 
der Gewalt und dem auge e 
muͤſſen. 

Go d w in. Sonderbat. Woher f reibt 
ſich dieſes raͤthſelhafte Benehmen des Gras 
fen, das mit ſeinen menſchenfeindlichen 
Geſinnungen ſo ganz im „ | 
ſteht? RR: 

Pirro. Wer kann diefes bei des 
Grafen Verſchloſſenheit beſtimmen? Doch 
fol dieſe übertriebene Gaſtfreundſchaft auf 
gewiſſen fruͤhern unglücklichen Ereigniſſen 
des Grafen beruhen, und zum Theil mit 


er ; | | 
feinem: Menfgengeet ſehr in eee 
eben = 2 
| EEE faſſe ich ih Su 
| 5 Alter, du ſcheinſt einigen Anthell an 
mir zu nehmen; iſt dies keine Taͤuſchung 
ſo ſchenke mir dein Vertrauen und mir | 
eine Bitte. N 5 5 
Pir ro. Allerdings 11 i pe 
ei an Euch; das bin ich meinem alten 
| redlichen Freunde Bodo ſchuldig, der Euch 
mir ſehr angelegentlich empfohlen hat. 
Ihm und ſeiner Sorgfalt verdanke ich 27 
daß ich noch bin und lebe, er hat ein 
bleibendes Recht auf meine Dankbarkeit, 
und was ich fuͤr Euch that und noch thun 


78 koͤnnte, das iſt blos ein geringer Abtrag 


der Schuld, die ich dem wackern Bodo 
nie ganz abtragen kann. Habt Ihr daher 
ein Anliegen an h ſo werde ich 0 


= 


. 5 81 
gern befriedigen, wenn es nicht gegen meis 
ne enderweltägen ältern Pflichten ſtreitet. 

Godwin. So geſtehe ich dir denn, daß 
mich die Angelegenheiten des Grafen und 
die geheimnißvollen Naͤthſel, die in die⸗ 
ſem Schloſſe und der umliegenden Gegend 
verborgen liegen, ſehr intereſſiren. Du 
wüͤrdeſt dir ein bleibendes Verdienſt um 
mich und meine Ruhe erwerben, wenn 
du mich mit dem Befentlichften dieſer 
Rathſel bekannt machteſt. x a 

Pirro betrachtete ihn einige Nen 
blicke mit zweifelhaften Mienen, doch ließ ; 
er ſich endlich ; zu der Gewaͤhrung dieſer 
Bitte bereit finden, indem er Godwin 
verſprach, mit einbrechender Nacht zu 
ihm zu kommen, und ihn unter dem Vers 
ſprechen der ſtrengſten Verſchwiegenheit, 
fo viel, als er ſelbſt davon wiſſe, mit den 

6 


. 


82 4 . 


Angelegenheiten des Grafen vertraut zu | 


machen. 


»Laßt Euch brngenn e von 1 dieſen 
- Rärhfeln nicht abhalten, Euch, dem Bil 


len des Grafen gemäß, Euern Aufenthalt 


benen Schranken zu gehen, oder wohl gar 


einen Verſuch zur Flucht zu wagen, der 


durchaus verungluͤcken und Euch der gan, 


5 


in dieſem Schloſſe fo angenehm, als möge. 
lich zu machen, — fuhr Pirro fort, — 
denn wißt, Ihr habt Erlaubniß, Euch ins 
nerhalb dieſes Schloſſes und des Gartens 
zu zerſtreuen / wie Ihr wollt. Nur bitte 
ich Euch, dieſe Erlaubniß nicht zu miß⸗ 
brauchen und uͤber die Euch vorgeſchrie 


! 


7 


zen Rache des Grafen ausſetzen muͤßte. 
Er ging und ließ Godwin allein. 


— e—— — ———̈ 
n . 
* erh 2 
* 
Te: 


Godwin verſank in ſtummes Nachdenken, 
indem er die mancherlei Scenen ſeines Le 
bens an ſeiner Seele voruͤberfuͤhrte und 
8 bemuͤht war / die Ereigniſſe und ſeltſamen 
Begebenheiten der Vergangenheit mit: des 
nen der Gegenwart und den noch zu er; f 
wartenden der Zukunft in Verbindung zu 
bringen, einen Zuſammenhang darin zu 0 
finden und aus den Reſultaten feiner 
Selbſtbetrachtung zweckmaͤßige Entſchlie⸗ 
ßungen fuͤr die Zukunft zu faffen. | 


1 


» 


* 


8⁴ i 8 1 
Seine Unruhe und Beſorgniſſe vers b 
mehrten ſich / je ſorgfältiger er das auf⸗ 0 
fallend ſeltſame freundſchaftliche Betragen 8 
des Grafen gegen ſich in Verbindung mit 
einigen Aeußerungen deſſelben und andern 
dabei obmwaltenden Umſtaͤnden erwog. . 


ſahe wohl ein, daß er Bodo größtenteils 


die mit des Grafen verſchrieener Graufams 0 


keit und Härte im offenbaren Widerſpru⸗ 
ae ſtehende Milde deſſelben gegen fi I 
verdanken habe, und daß dieſer Alte mes 
‚fentlichen: Antheil an der ſchnellen Wen 
dung ſeines Schickſals habe, allein ſo 
gewiß er auch bei fich überzeugt war, daß 
es Bodo wahrhaft redlich mit ihm meine 
und daß hinter deſſen Huͤlfsleiſtungen kel 
ne geheime Tuͤcke und Argliſt verſteckt lie 


gen koͤnne, um ihn deſto ſicherer zu mas 


chen und ihn, deſto er zu verderben, 


1 . 


En 


| 85 
ſo war gleichwohl ſelbſt dieſes liebevolle 
Entgegenkommen dieſes Greiſes gegen ihn, 
als einen ihm voͤllig Unbekannten) ſo 
raͤthſelhaft, daß er ſich unmöglich aus dem 
ſeltſamen Gewirre ſeiner Ideen und Ver 
muthungen herauswinden konnte. 
Alles um ihn her ſchien feine Beſorg / 
| niß, wegen einer geheimen Argliſt des 
Grafen, zu begruͤnden; ſelbſt das Zimmer, 
das ihm zu ſeiner Wohnung in dem Schloſ⸗ 
ſe war angewieſen worden. Es war fuͤr 
ihn das Schlimmſte zu befürchten, wenn 
es mehr Zufall geweſen war, daß der 
Graf gerade dieſe Zimmer ſeines ermorde⸗ 
ten Sohnes für feinen Saft gewaͤhlt hatte. 

Mit vieler Sehnſucht ſahe er daher 
ö der folgenden Nacht entgegen, wo Pirro g 
| fein Verſprechen erfüllen und ihm vielleicht 
uͤber alles dieſes einige Auskunft geben 


86 


wurde. 5 Er blieb den größten Theil des 


Toges ſich ch ſelbſt uͤberlaſſen, ohne weder f 
den Grafen noch irgend feine Leute zu 


4 


Geſichte zu bekommen, außer den alten 
Pirro, der ihm das Eſfen bröchte ? 


„Ihr macht Euch ſelbſt vorſätzlich zum 
Gefangenen, — ſprach Pirro zu ihm, als 
er gegen Abend wieder kam und ſich nad 
feinen: tend igen Wuͤnſchen erkundigte — 
5 warum macht Ihr Euch nicht im Saulen i 


einige Zerftvenung ? 5 


„Ich fand bis jetzt noch Stoff genug 
zur Unterhaltung in mir ſelbſt— ante 
wortete Godwin; ; — doch werde ich nun⸗ a 


genießen, wenn es mir erlaubt iſt.“ N 


»Ihr habt völlige Freiheit, innerhalb | 
dieſes Schloſſes und des angrenzenden 
Gartens zu gehen, wohin es Euch gefällt 75 


mehr den ſchoͤnen Abend in dem Garten 


| 87 
E fuhr Pirro fort — kein Menſch wird 
Euch hindern. Doch als Freund ermahn' 
ich Euch nochmals, ſeyd vorſichtig und 
vergeßt nicht, daß Ihr insgeheim uͤberall 
beobachtet werdet, wenn Ihr Euere Lage 
| nicht vorſaͤtzlich verſchlimmern wollt. Im 
Vertrauen muß ich Euch ſagen, daß es 
mir beinahe ſcheint, als wenn man eine 
ueberelung von Euch erwarte; je unbe 
fangener Ihr Euch Euern Besbachtern 
zeigt, um ſo beffer wird es fuͤr 15 
ſeyn ö 

Godwin drückte dem gutmüͤthigen Al; 
ten dankbar die Hand, indem dieſer wie⸗ 
der von ihm ging, und er ſelbſt ſchritt 
durch die Säle hindurch nach dem Gar; 
ten. In den anſtoßenden Saͤlen und 
Zimmern ſtieß er auf einige | Bedienten, 
welche ſich ehrerbietig vor ihm verbeugten 


86 


und weiter nicht auf ihn zu achten ſchie⸗ i 
nen. Gleichwohl entging es ſeiner is 
ſamkelt nicht, daß einer dieſer Leute ihm 
in einiger Entfernung verſtohlen folgte ; 
und ihn bis in die Gänge des Gartens | 
nicht aus den Augen ließ. Ohne diefe 
Bemerkung zu verrathen, ging Godwin 
ſeinen Gang ruhig fort und ſchritt lang- 
ſam durch die Alleen und Blumengzue 
des Gartens dahin. 1 
Der herannahende Abend athmet lb 
Kühlung ihm entgegen; von den Beeten 


| fliegen die angenehmſten Wohlgeruͤche 
aus den Kelchen der Blumen zu ihm 


empor, und ſanfte Abendwinde ee 
ten mit leichtem Saͤuſeln in den Blaͤt⸗ 
tern eines kleinen Gehoͤlzes, aus wel 
chem ihm die ſchmelzenden Töne einiger 


gelen entgegen toͤnten und ihn 


* 


. | 89 


in das heimische 2 We des h eins 


luden. | 


Lauſchend auf die ſchwermüthigen 


Seufzer dieſer lieblichen Saͤngerin der 


Nacht, die fo rein und ſchöͤd in dle gleich 


geſtimmten Akkorde feines Innern eingrifs 
fen, machte er einige Gänge durch das 


kleine Luſtwaͤldchen, die ihn an dem Ende 
des Waͤldchens an einen in altem Styl er- 


bauten und ringsumher von Zypreſſen um⸗ 
ſchatteten Pavillon fuͤhrten. Er naͤherte 
5 ſich dem Eingange deſſelben „und als er 


die Thuͤre nur leicht eingeklinkt fand, oͤff; 


nete er fie und trat hinein. Sie fuͤhrte zu 


zweite Thuͤre, die in das Innere des Ger 


Ed 


baͤudes führte, Er ſtand eine Weile und 


Taufe, und ald er alles fill um ſich 


her fand, gerleth er in Berfuhung, auch 


9% \ 
das dune des 1 kennen 15 le, 
nen. 0 
Leiſe öffnete er die Thuͤre und ſchuͤch 
tern trat er in ein geraͤumiges aber durch⸗ 
aus ſchwarz ausgeſchlagenes Gemach, das 
einem Todtengewöle glich. Von der ges. 
wolbten Decke herab hing eine Ampel, 
| welche das Gemach mit duͤſterm Schim, 
mer matt erhellte. In dem Hintergrunde 
zog eine weibliche Buͤſte von weißem Mar- 
mor Godwins Aufmerkſamkeit auf fi, 
die auf einem ſarkophagaͤhnlichen Fuß, 
geſtelle errichtet war, zu welchem einige 
Stufen fuͤhrten. An das Fuß geſtelle lehn⸗ 
te ſich ein von weißem Stein gehauener 
weinender Genius an, deſſen Trauerblick 
auf die in goldnen Buchſtaben dem Fuß, 
geſtelle eingeſetzten Worte ae war: 
Verlorne Freuden. 8 


91 
Godwin fühlte ſich von einem heiligen 
Schauer maͤchtig ergriffen; ein heftiges 
Zittern bemeiſterte ſich feiner, das ihm 
kaum Kraft genug ließ, ſich aufrecht zu 
erhalten, als er bekannte Züge in der 
weiblichen Buͤſte zu bemerken glaubte, und 
eben war er im Begriff, ſich dem Monu⸗ 
mente zu naͤhern, als der Graf langſam— 
feierlich in ſeiner Trauerkleidung herein; 
trat. Sein duͤſtrer Blick fiel auf den 
Fremdling, und nachdem er ihn eine Fleis 
ne Weile ſtumm und mit dem Ausdrucke 
tiefer Wehmuth betrachtet hatte, winkte 
er mit der Hand, ſich zu entfernen. Gods 
win gehorchte dieſem Winke und e 
er | ee 
In W eee von dem Pas 
vllon warf ſich Godwin in dem Gebüfche 
auf eine zwischen Zypreſſen angebrachte 


2 
1 | 5 


. 98 = 1 
Raſenbank und verſank in ein berworre; 1 
nes Gemiſch von Ideen und Vermuthun⸗ 
gen uͤber das, was er in der ſchwarzen 
Todtenhalle geſehen hatte, aus welchem 
er ſich nicht herauswinden konnte. Mit 
unverwandtem Blick ſahe er nach dem 
Pavillon hinuͤber und hoffte, daß der 
Graf denſelben bald wieder verlaſſen und 
ihm ( Gelegenheit geben ſollte, ſich mit dem, 
Innern der Todtenhalle naͤher bekannt z 
machen, als ein kleines naͤherndes Ge, 
raͤuſch in dem Gebuͤſche ihn aus ſeinem ö 
Nachdenken emporſcheuchte. Er blickte 
auf und bemerkte den alten Bodo, der ſich 
leiſe dem Pavillon naͤherte und in denſel⸗ 
ben hineinſchluͤpfte. a . 1 
Neue Zweifel und Beſorgniſſe ben 
jetzt in Godwins Seele auf, und mit ges 
ſpanntet Erwartung ſahe er dem aue 


blicke entgegen, wo Bodo wieder heraus⸗ 
kommen wuͤrde, um ſich alsdann ihm in 
den Weg zu ſtellen und ihn uͤber ſeine 


Vermuthungen und SEN um ie | 


zu bitten. 
Langſam und unter einer ſteigenden 
Unruhe ſchlich Godwin die Zeit mit traͤ— 
gem Schneckengange vorüber, Die zu⸗ 
nehmende Dunkelheit des Abends huͤllte 
die Gegend ringsumher in ihren magis 
ſchen Schleier, freundlich blickte der Mond 
durch die duͤſtern Zypreſſen zu ihm herab 
und ſchon ſank der Abendſtern hinter die 
weſtlichen Gebirge nieder, als endlich die 
Thuͤre des Pavillons fi öffnete, Bor 
do in Geſellſchaft des Grafen herauskam 
und der Letztere die Thüre hinter nö ſorg⸗ 
m verſchloß. | 
Godwin preßte f 975 um I anbenett 


96 „% 
Graft, erinnert Euch an Euer Verſpre⸗ 

chen, ich muß ganz frei und nach en | 
| Gutduͤnken handeln koͤnne n... 
55 „Du haſt mein Wort, unterbrach Un 


der Graf, — ich will einmal deinen 


Anſchlag 05 weitere Pruͤfung anneh⸗ 
men und dich in nichts hindern. Doch 2 
ſieh dich vor, daß du dich nicht verrech⸗ 
neſt, du haft eine gefährliche EN 
übernommen. . e ee 
4 »»Laßt das gut kei — erwiederte 5 
Bodo, — ich müßte mich ſehr ſchlechk 
auf Menſchen und die Erforſchung ihrer | 
Gemuͤther verſtehen, oder ich habe mei; 
nen Mann ſo gut gefaßt, daß er mir gewiß 
nicht entwiſchen ſoll. Ich hoffe meine Rech 
nung ſo richtig auskalkulirt zu haben, daß | 
mir um das Facit den nicht When a 
kann.“. 3 


I 

Mehr konnte Godwin von diefem Ge 
ſpraͤche nicht erlauſchen / da Beide jetzt um 
einen Bogengang einlenklen und ſich ent; 
fernten; doch hatte er ſchon genug ges 
höret, um reichhaltigen Stoff zu neuen 
Selbſtbetrachtungen und Beſorgniſſen da; 
durch erhalten zu haben, da dieſes abges 
brochene Geſpräch des Grafen mit Bodo 
zum Theil weſentlichen Bezug auf ihn 
ſelbſt zu haben ſchien. Er ſchluͤpfte 
ſchuͤchtern aus dem Garten und ee 
eg fen Zimmer. 


98 


N * * I 
0 


1 5 "öfter \ epaufenofem, Saum | 
| ſtand Godwin an das Fenſter gelehnt J 


und blickte hinaus in die von dem Daͤm⸗ 
merlichte des Mondes beleuchtete Ferne, 
wo im duͤſtern Grau der PAAR, 
Y am See die Perſpektive ſchloß. 


f Von dem Schloßthurme toͤute der Seh ö | 
gerſchlag der Mitternachtsſtunde durch die 


feierliche Stille, mit unverwandtem Blick 


* 


hing fein Auge an der b duftigen chatten; 


0 


7 


k 
4 


ahnlichen Geſtalt des Thurmes und auf 


99. 


der Nachtluͤfte Fittig ſchwebte feine Seele 
voll tiefen nachdenkenden Ernſtes um die 


alten Mauern deſſelben. In Vermuthun⸗ 


gen und baͤngliche Zweifel und Beſorgniſſe 


verloren, gaukelte ihm ſeine Phantaſie 
wunderſeltſame Traͤume vor, als ihn ein 


fanfter Schlag auf die Schulter aus dis 
ſen Schwaͤrmereien weckte. Ueberraſcht 
blickte er ſich um, und Pirro, der alte 
Schloß verwalter, ſtand hinter ihm, der, 
ohne von ihm bemerkt zu werden, teile 


' bereingetrsten war. 


„Ich komme, mein b dcbe Wort zu 


löſen, — redete Pirro ihn an, — doch 


thut es mir leid, daß ich Euch in Euern 


Selöfberrahtangen flöre, 
Du ſtoͤrſt mich nicht, — - unterbrach 
ihn Godwin, — ich freue mich, dich bei 


— 


100 
mir zu ſehen. Seit der Abenddaͤmmerung 
ſahe ich deiner Ankunft erwartungsvoll 
entgegen. Die Nacht üͤberraſchte mich hier 
an dieſem Fenſter, wo jener Thurm hin⸗ 
ter dem herabſtroͤmenden Waſſerſturze / in 
welchem der Mond ſich ſo ſchauerlich ſpie 
gelt, meinen Blick an ſich feſſelte und mich 
in tiefes Nachdenken verſetzte!! “ 

Pirro. Es kann Euch zu nichts fuͤh⸗ 
ren. An jenem Thurme ſcheitert jeder 
forſchende Blick und kein menschliches Aw 
| ge dringt durch den geheimnißvollen Schlei⸗ ö 
er, der ſein Inneres verhuͤllt. 1 
Godwin. Du haſt mir Aufſchluß N 
uͤber dieſe und aͤhnliche dahin en ö 
Raͤthſel verſprochen. ale, . 1 

Pirro. In Beziehung auf en . 
Thurm würde ich Euch mit Unwahrheit 1 
hintergehen muͤſſen wenn ich Euch etwas 


101 


Beſtimmtes davon mittheilen wollte. Es 
iſt dieſer Thurm mit dem See der Ort, 


dem ſich Niemand in der umliegenden Ge 
gend ohne Noth zu nähern wagt. Ueber⸗ 
haupt iſt jene Gegend fo aͤußerſt unſicher 
und gefaͤhrlich, und die Geruͤchte von den 
Schreckniſſen derſelben ſind ſo ſchauder⸗ 
haft / daß es kaum des darüber ertheilten 
Befehles des Grafen dazu bedurft hätte, 


einen Jeden bis auf eine durch ſchwarze 


Steine am ufer des Sees bezeichnete Weite 


davon zuruͤckzuhalten und alles weitere Uns i 
glück zu verhüten, welches die Schreckniſſe 
des Kriegs auf ſo mannigfaltige Art ſchon 


uͤber Manchen gebracht haben ſollen, der 
in der tobenden Brandung des Waſſerſtur⸗ 


zes feinen frevelnden Vorwitz mit dem e⸗ 


ben bezahlte. Kein Menſch aus dieſer 


Gegend wird es daher wagen, ſich über 


* 


102 


die Grenze des Waldes zu berſteigen; 


ſchuͤchtern fliehen die benachbarten Lands 


bewohner mit beflügelter Eile denjenigen 


Theil des Waldes / hinter welchem jener 
gefuͤrchtete See ſich ausdehnt, und aͤngſt⸗ 
lich ſchlaͤgt der verſpaͤtete Wandrer das 


Kreuz und wandelt mit weggewandtem Ger 


ſicht voruͤber, wenn in ſtiller Mitternacht 
der ſchauerliche Ton der Todtenglocke bis; 
weilen berüberdrößnt und ihm 1 
ſeine Eile zu verdoppeln. = er 

Godwin. Sonderbar. Sollte der 


Graf die Geheimniſſe jenes Thurmes und 
| des Sees nicht kennen, oder vielleicht gar 


in dieſelben verflochten fen 9 
Pirro. Wer kann das mit einiger 


Gewißheit beſtimmen, da er ſelbſt über 


Alles, was ihn und ſeine Angelegenheiten u 
betrifft, das geheimnißvollſte Stillſcwei⸗ 


8 


0 | 205 
gen beobachtet, und der leiſeſte Verdacht, 
daß irgend Jemand etwas mehr als ihm 
ſelbſt lieb wäre, davon ahnen koͤnne, ſei⸗ 
nen Zorn im hoͤchſten Grade gegen 0 0 | 
entflammen wuͤrde. 8 
Godwin. Gleichwohl hoffte ich ganz 
gewiß von dir etwas Näheres uͤber ihn 
und ſeine Angelegenheiten zu erfahren. 
Pirro. So viel mir ſelbſt davon bes 
kannt iſt, will ich Euch gern, im Ve 
trauen auf Eure unberletzllche Wesel 
wi anvertrauen. | 
Er ſetzte ſich traulich an Godwin's 


Seite / und nachdem Beide einige Bechen 


Weins zuſammen geleert hatten, begann 
win feine: Erzählung. | 
„„Bei aller Macht und bei allem Reichs: 
i durch welche ſich der Graf Mora 
no auszeichnet, — hub er an — konnte er 


104. 
ſich Ae nicht Gluͤck Ruhe und See⸗ 
lenfrieden erkaufen, um deren ſchoͤnen 


Genuß er wohl manchen Armen ſeiner un⸗ 


terthanen beneiden mag. Sogar ward das, 
wodurch er Gluck und Freude zu erhalten 
hoffte „öfters die Quelle neuer Leiden.“ | 
Godwin. Dann wäre er wirklich : 
fehr zu bemitleiden. | 13 
Pirro. | Gewiß das iſt er; denn 
Ni er auch jetzt fo Manche gehaͤſſige | 
f Seite des Charakters hat, die Jeden ſchen 
von ihm zurüͤckſtoßt, ſo war dieſes doch 
b einzig nur die Folge ſeines Unglücks. Von 0 
Jugend an ſchien der Fluch eines feindfelis f 
gen Geſchicks auf ihm zu laſten, den ſich 4 
feine Familie durch ihre Bedrückungen 
und Verfolgungen gegen eine andere graf 2 
liche Familie fol in vergangenen Zeiten zus 1 
gezogen haben. A | 


*+ 
7 


105 

Godwin. Wie das? u 
Pirro. Von langen Zeiten her leb 
te die Familie Morrino mit dem alten 
graͤflichen Stamme Beverini in ununter⸗ 
brochenem Hader und in rachſuͤchtiger 
Feindſchaft. Schwer lag der Haß Mor⸗ 
rino's auf den Beberini's, daß es dem 
Ahnherrn der Letztern, Romano Beve— 
rini/ gelungen war, dem ſtolzen, ehr⸗ 
und rangſuͤchtigen Caͤſare Morrino den 
Rang abzugewinnen, denſelben um die 
Gunſt des Koͤnigs zu bringen und ſich 
über ihn hinweg zum Statthalter von 
Trapani empor zu ſchwingen. Der dar 
durch entſtandene Haß und Verfolgungs⸗ 
geiſt der Familie Morrino gegen die Bes 
verini's pflanzte ſich von dem Vater auf 
den Sohn und von dieſem auf den Enkel 
bis auf neure Zeiten fort, und gab Ver⸗ 


1 


106 


anlaffang zu den gefährlichften Zwiſtigkel 


ten zwiſchen beiden Theilen. Ich wage 
es nicht, die Gerüchte von den mancher, 


lei gehäffigen Kunſtgriffen und verächtli⸗ 
chen Intriguen nachzuſchwatzen welche . 


die Familie Morrino gegen das Haus Ber 
verini ſoll angewandt haben; bis es der 
8 Erſtern gelang, das Vergeltungsrecht an 1 
der Letztern auszuüben, fie von ihrer 


vorigen glänzenden Höhe, herab und in 


Schmach und Schande und druckende Ar 


muth zu ſtuͤrzen. i 5 
Godwin. Ich erinnere are von 


dieſen Verfolgungen und Feindſeligkeiten 2 
| gehört zu haben. Der Haß der Familie 3 
Morrino gegen die Beverini war fo Befr - 
tig / daß fie nicht eher raſtete, als bis der 
ihr verhaßte Stamm Beverini gaͤnzlich | 
ausgerottet war. Der Letzte dieſes edlen 


107 
Stammes ſtarb verbannt, geächtet durch 
die Hände feiler Meuchler, welche Mor⸗ 
rino gegen ihn ſoll gedungen haben. 

Piero. Ganz recht, ſo ſagt das 
Gerücht. Nur zwei Sproͤßlinge dieſes 


Stammes, Selena und Guido, waren vonn 


demſelben uͤbrig geblieben, und nur ihre | 
unſchuldsvolle Kindheit ſicherte dieſe vor 
dem Verderben und vor der .. ih⸗ 
rer Feinde. 
Godwin. Wo beben dleſe Kinder? 
2 Pir ro. Der Vater ihrer verſtorbe⸗ 
nen Mutter, der edle Antonio Orbizo, 
nahm ſich der armen vater und mutter⸗ 
loſen Waiſen an. Er erzog ſie fern von 
dem Geräusche der Welt auf feinem ein 
ſamen Landgute mit der vaͤterlichſten 
Sorgfalt, und weit umher wurden dieſe 
| beyden Kinder der Gegenſtand allgemeiner 


108 i 5 
Liebe und Bewunderung, vorzuͤglich wegen 
ihrer menſchenfreundlichen Tugend und 
wegen ihrer außerordentlichen, ausgezeich⸗ 
neten, zaͤrtlichen Anhaͤnglichkeit an einan⸗ 
der und wegen ihrer wechfelſeitigen inni⸗ 
gen Geſchwiſterliebe. | ee 
Godwin. Hatten diefe 1 4 
den liebenswuͤrdigen Tugenden und Vor⸗ 
zuͤge der beiden Kinder vielleicht auch eis 
nen für fie günftigen Einfluß auf Morrino | 
und feinen Familienhaß 2 - 
Pirro. Keineswegs. Er hörte die 
Lobpreifungen von dieſen beiden liebens⸗ 
wuͤrdigen Kindern mit verbiſſenem Grimm, | 
der um fo heftiger war, je weniger er ſich 
in Anſehung feines Sohnes Enrico aͤhn— 
licher vortheilhafter und ruͤhmlicher Nach⸗ 
richten erfreuen konnte. Im Gegentheil 5 
entſtanden von allen Seiten die lauteſten 


109 
Klagen über Eurico's Wildheit, Bosheit 
und geheime Tücke und über fo vielfältige 
Ungezogenheiten deſſelben, welche Geruͤch⸗ 
te und Klagen jedoch der verblendete Bas 
ter, aus zu großer blinder Liebe fuͤr ſei⸗ 
nen Liebling um ſo mehr für Verlaͤum; 
dung hielt, jemehr der Knabe ſich gegen 
ihn zu verſtellen und den a zu mas 
chen wußte. 
Godwin. Und jene nn Kinder 
r vielleicht dafuͤr leiden, daß En; 
rico der Achtung und Liebe fuͤr unwerth 
geachtet ward, welche man ihnen ſchenkie? 
Pirro. Es trug wenigſtens vieles das 
zu mit bei, das Feuer der Zwietracht, 
das unter der Aſche fortglimmte, zu naͤh⸗ 
ren und es am Ende zu hellen Flammen | 
anzufachen, als Guido und Enrico auf 
ö der hohen Schule zuſammen trafen. Der 


110 


arme und unbeguterte Beverini hatte dert 
um ſo mehr von dem Uebermuthe und der 4 
argliftigen Feindſchaft des reichen und ö 


ſtolzen Morrino zu dulden, als dieſer 


allenthalben in der Achtung und Liebe der ; 


angeſehenſten Familien der Stadt hinter 


dem armen und huͤlfsbeduͤrftigen Beveri⸗ 


ni zuruck bleiben mußte. Die ſtille von 


kriechender Schmelchelel entfernte Br 


ſcheidenheit des Letzteen, ſein ae 


ter Fleiß, feine Kenntuiſſe und mehrere 


Beiſpiele, wodurch er feine warme, ge 


raͤuſch⸗ und anſpruchsloſe Menſchenliebe 


mit der größten Selbſtoerlaugnung und 
mit bedeutenden Aufopferungen, ja ſogar a 


mit Gefahr ſeines Lebens bewieſen hatte, 


hatten ihm das Wohlwollen der bedeu⸗ 
tendſten Perſonen und namentlich des all 5 
gemein beliebten Prinzen Breſari und des 


\ 2 111 
ehrwuͤrdigen und „dienten Biſchoffs von 
Catania in einem f 0 hohen Grade erwor⸗ 
ben, daß ihm die glaͤnzendſten Zirkel offen 
ſtanden, von deren Zutritt der folge Mor; 
rino entfernt blieb. 
Godwin. Ich kann mir 3 daß + 
manche unangenehme Mißhellig⸗ 
keiten zwiſchen beiden Sünglingen veran; 
laßt wurden; doch laß uns davon abbres 
chen, wenn dieſe Verhaͤltniſſe nicht wer 
ſentlichen Bezug auf die Angelegenheiten 
des Grafen haben „über welche ich Aufı 
ſchluß von die zu erhalten wünſchte. 
Pirro. Ihr werdet ſogleich hören, 
daß jene Mißhelligkeiten einen ſehr bes 
deutenden Bezug auf das haben, was f 
Ihr eigentlich zu wiſſen verlangt. En 
rico ſuchte den ihm verhaßten Guido in 
mancherlei arglifiige Händel und Gefah⸗ 


112 
ren zu berſricken / erh dieſer gleich 
wohl immer mit eben ſo vieler Klugheit, s 
als Gewandtheit aus wich. Das Miß lin, 
gen ſeiner argliffigen Anſchlaͤge vermehrte ö 
0 Enrico's Haß und Groll gegen Guido in | 
einem hohen Grade, aber als er auch ſo⸗ 4 
gar in dieſem ihm verhaßten Feinde feis E 
nen ‚begünfligten Nebenbuhler bei der 
Nichte des vorhin erwaͤhnten Biſchoſfs, 5 
der jungen, eben fo reizenden, als tugends 
haften Marquiſin Iſabella Guarini er⸗ a 
kannte, welche eine der erfien Schönheiten 
des ganzen Val di Demona war, und 
noch mehr wegen ihrer hohen Tugend, ais 


| wegen des Zaubers ihrer Schoͤnheit allge⸗ 


mein verehrt ward, da loderte ſeine Wuth 

und feine Nachſucht zu den hellſten Slam 
men auf. Vergebens wandte Enrico als ö 
les an, um feinen Feind aus dem Herzen ö 
h Ü \ 


. 
1 * 


Wr 


113 
der reizenden Iſabella zu verdraͤngen und 
ſich in demſelben einzuſchleichen; die Mars 
quiſin beſtrafte feine Verlaͤumdungen und 
ſeine kriechenden Schmeicheleien mit kal⸗ 
ter Verachtung, und zeichnete, mit Beis 
ſtimmung ihres ehrwuͤrdigen Oheims, den 
glücklichen Beverini durch ihre ganze Zaͤrt⸗ 
lichkeit nur noch mehr aus. a 
ö Godwin. Genug davon, lieber 
Alter. Ich habe dieſen Guido Beverini 
damals genauer gekannt, ich weiß, daß 
dieſer beneidete Gluͤckliche plotzlich von 
der ſchwindelnden Hoͤhe ſeines Glucks, 
durch den ſchnell erfolgten Tod feiner ges | 
liebten Guarini, herabgeſtürzt ward. Ich 
weiß, daß ſi c dieſen plötzlichen Tod, der 


eine Folge von einer Indtgeſtion ſeyn 


ſollte, welche ſich Iſabella bei der Feier 
ihres ſechzehnten Geburtsfeſtes ſollte zu⸗ 


13 71 


\ 


114 


gezogen haben, anfangs Niemand recht er⸗ 


klaren konnte, bis man Spuren von einer | 
Vergiftung an dem Leichname bemerkte. 


Pirro. Ganz recht; ſo wißt Ihr 1 


auch wohl, daß deshalb ein fürchterli der 
Verdacht gegen den jungen Morrino in 
Beverin's Seele entſtand; daß der Letz 
tere, in tobender Verzweiflung über den { 
Verlust ſeiner geliebten Iſabella / Rache 
gegen den bermeinten Mörder. ſchnaubte, ö 
und dieſe an ihm g zu Ber ; 


ſuchte? VV 


Godwin, (ach beſinnend) Davon if \ 
mir nichts erinnerlich ich mußte gleich J 
nach jenen Auftritten Catania und weinen 
Freund Beberini verlaſſen, von welchem 1 


er 


ich auch ſeitdem nichts weiter gehört babe. 
Pirro. So kann ich Euch ſagen, 
daß ſein Plan. der Nache gegen Enrico an 1 


b 


a. r E 


a 


8 


11 


deſſen Argliſt ſcheiterte, indem er der Ras 
che ſeines Feindes durch die Dolche zweier 
Banditen zuvorzukommen ſuchte, welche 
Guido eines Abends an dem Fuße des 
Monte Gibello anfielen, die dieſer aber 
durch ſeine Gewandtheit und Beherztheit, 
mit Beihuͤlfe eines dazu gekommenen jum 
gen Officiers, übermältigte und den Einen 
dieſer beiden Mörder niederſtieß, mähs 
rend der Andre ſich durch die Flucht ret⸗ 
tete. Durch den zu Boden geſtuͤrzten Moͤr⸗ 
der hatte Guido, ehe jener ſeine ſchwarze 
Seele ausathmete, den Namen deſſen er- 
fahren, der ihn zu dieſem Morde gedun⸗ 
gen hatte; es war Enr co Morrino. 
Godwin. Abſcheulich. 

Pirro. Jetzt kannte die Wuth und 
Rachſucht des jungen Beverini gegen ſei⸗ 
nen Feind keine Grenzen mehr; er duͤr⸗ 


1 116 
ſtete nach ſeinem Blute und fo ſorgfaͤltig 
ſich Jener auch vor ihm verbarg und ſchon - 


Anſtalt getroffen hatte, Catania wieder 


ſchnell zu verlaſſen und hierher zu feinem 


Vater zuruck zu eilen, fo drang dennoch 


Guido zu ihm ein und zwang ihn zu ei 


nem Zweikampf, in welchem der Sohn 
meines Gebieters unterlag. Dieſer war 


über den Tod feines einzigen Sohnes un, 


tröftlich und in Verzweiflung. Er hatte 
in demfelben, in blinder Zärtlichkeit fuͤr 
ihn, fein ganzes Gluͤck umfaßt, und in | 
Abm nun auch alles verloren, was ſeinem 
Herzen theuer war, da er Niemand weis | 
ter hatte, der feine Liebe mit Enrico their 


ö len konnte da deſſen Geburt ſeiner ge⸗ 


= 


1 


1 
hi 


liebten Gemahlin Roſaura das Leben ges % 


raubt hatte. Sein verzweiflungsvoller 
Schmerz über Enrico's Verluſt, war da 


1 


N 


117 
her ſo groß und heftig als ſein Grimm 
und feine Rachſucht gegen den Mörder - 
ſeines Lieblings, den er nunmehr zwie⸗ 
fache Urſache hatte, unverſoͤhnlichſt zu 
haſſen. Allenthalben ließ er dem jungen 
Beverini nachſpͤren und auflauern, und 
die bedeutendſten Summen wurden von 
ihm dem verſprochen, der ihm den Ver- 
haßten lebendig uͤberliefern würde, Gul⸗ 
do war jedoch ſchon vorher durch eine 
ſchnelle Flucht, wozu ihn vielleicht ſelbſt 
ſeine Freunde mochten veranlaßt haben, 
der ihm drohenden Gefahr entronnen, und 
als Morrino ſich der Gelegenheit beraubt 
ſahe, feinen gluͤhenden Durſt nach Rache 
an dem Mörder feines Lieblinge zu loschen, 
fo brach er, von Wuth und Rache ent 
brannt, auf, um die Schweſter des Moͤr⸗ 
ders zum Opfer f einer Rache zu machen, 


118 n 8 5 8 
und in ihr den letzten Sproͤßling des er, 
lauchten Beverini'ſchen Stammes nr ver⸗ 
nichten. 178 N 
Godwin. Der Unmenſch! was konn- 

te die Arme fuͤr das ae ihres Brus 
ders? | 

5? ee Denn frohe die Kadı | 
ſucht des Grafen nicht. Die arme Sele⸗ 
na fuͤhrte den Namen Beverini, und ſchon 


dieſes war für ihn genug, um ihn zu eis 


ner That zu veranlaſſen, vor welcher er, 5 
bei kälteren Blut, ſelbſt wuͤrde een | 
| erröthen muͤſſen. f 5 
Godwin. Ich zittere für die Un⸗ ö 
glückliche, Was war ihr Schickſaln?̃ 
| Pirro. In der Stille der Nacht f 

ward das Landhaus des gutmuͤthigen Or- 
bizo überfallen, und mit Gewalt ward Se⸗ N 
lena aus den Armen ihres väterlichen 


„2:9 
Freundes geriffen und auf das Schloß des 
Grafen Morrino gebracht. Mit hohem 
ſchadenfrohen Entzuͤcken empfing diefer den 
vorangeeilten Boten, der ihm die Nachricht 
von dem gelungenen Anſchlage uͤberbrach⸗ 
te, und ſorgſam mochte er uͤber Planen 
bruͤten, wie er feine Rache am empfind⸗ 
lichſten an Selenen koͤnne geltend machen / 
als dieſe ſelbſt i in der Mitte ihrer Raͤuber 
mit all dem edlen Anſtande, der ihrem ho⸗ 
hen Sinne und gebildeten Geiſte eigen war, 
vor ihm erſchien, und ihr Anblick ſeine 
Wuth und feinen Grimm gegen ſie ent 
waffnete. Gezwungen mußte er dem ho⸗ 
hen Zauber ihrer allgemein bewunderten 
Schoͤnheit huldigen; der Ausdruck des 
tiefſten Schmerzes der, mit edler Größe 
der Seele vereint, den Zauber ihrer Reize 
um vieles erhöhete, die fanfte Hingebung 


120 5 5 


der armen huͤlfloſen Dulderin wirkten ſo 


heftig auf das Herz dieſes harten Man⸗ 


nes, daß er gänzlich umgeändert und mit f 
ſich ſelbſt uͤber dieſe unwillkuͤhrliche um: 


wandlung zu zuͤrnen ſchien. Aus Schaam 
vor ſeiner Gefangenen und um ihr ſeine 
Schwaͤche zu verbergen, begab er ſich eis 
lends hinweg, um ſich zu ſammeln und i 


ſich zur Ausführung feines vorigen Plans 


der Rache zu ermannen, doch mit ſich | 


ſelbſt uneins, erſtarb der Befehl, Selenen 


einzukerkern, immer wieder auf feinen 
Lippen, er begnuͤgte ſich blos damit, ſie 


vor der Hand in ein kleines duͤſteres, einem 


Gefaͤngniß aͤhnlichem Gemach des Schloſſes 
einfperren zu laſſen, während er ſelbſt in 


einem beftändigen heftigen Kampfe mit ſei⸗ 


— 
N ” 


nem Innern, ſtill und in ſich gekehrt, ums 
herſchlich oder ſich in ſein Kabinet verſ chloß. 5 


e 

Godwin. Und Selena? 

Pirro. Dieſe vertrauerte ihr unglͤck 
liches Leben in ſtillem Harme. Weniger 
fuͤr ſich ſelbſt als wegen ihres Oheims 
und ihres heißgeliebten ungluͤcklichen Bru⸗ 
ders beſorgt, nagte ein heftiger Gram 
an ihrem Herzen, der endlich die Bluͤthe 
ihrer Geſundheit angriff und fuͤr ihr Leben 
das Schlimmſte befürchten ließ. 
| Godwin. Wie benahm fh Morris 
no dabei? A 

Pirro. Selenens tiefer Schmerz 
und ihre unverſchuldeten Leiden zwangen 
ihm Ehrfurcht und Schonung ab. Er ſahe 
die Bluͤthe ihrer Geſundheit dahin welken, 
ihre Wangen verbleichen und das ſanfte 
| Feuer ihrer Augen verlöfchen, und geruͤhrt 
wandte er nun alles an, der armen Leis | 
denden ihr Schickſal zu erleichtern und 


122 


gung zuvorzukommen. Ja noch mehr, er 
| zwang ſich ſogar dazu, feine Nachſucht 
und ſeinen Haß gegen ihren Bruder in ih⸗ 


rer Gegenwart zu unterdruͤcken, wenn er 


ſich mit ihr in Geſpraͤchen aus ihrer frühen 
2 Jugend vertiefte und Selena dann immer 
das Geſpraͤch auf ihren ung iätklich ei Bru⸗ 
der lenkte, ihm das hohe Glück ihrer bei 
derſeitigen zaͤrtlichen Geſchwiſterliebe und 


ihren Wuͤnſchen durch ſchnelle Befriedi⸗ b 


die mancherlei ſchonen Scenen ihrer beis 


der barmlofen Kindheit mit den blendend⸗ 


ſten Farben ſchilderte. Mit heißer Sehn— 


ſucht wuͤnſchte Selena ihren geliebten 


Oheim und ihren Bruder um ſich zu ſ. ehen, 


oder von dem Letztern nur einige beſtimm 
te Nachrichten zu erhalten, und der Graf, ö 


der ſich immer mehr an Selenens ange. 


nehmen Umgang gewoͤhnte, immer groͤßeres 1 


7 


127. 


| Vergnügen in ihrer traulichen Unterhal⸗ 
tung fand und alles an wandte, um ſich 


ſelbſt ihrem Herzen werth zu machen, 


ſaͤumte nicht, ihr wo moͤglich zu der Be⸗ 
friedigung ihres Wunſches wegen ihres 
Oheims behuͤlflich zu ſeyn. Er ſendete 
Boten an den ehrwuͤrdigen Orbizo ab, um 
dieſem von dem heißen ſehnſuchtsvollen 
Verlangen ſeiner Nichte nach feiner Ges 
ſellſchaft Nachricht zu geben und ihn 
freundſchaftlich zu ihr einladen zu laffen, 
um Selenen durch deſſen unvermuthete 
Ankunft auf dem Schloſſe angenehm zu 
uͤberraſchen: allein dieſe Bemuͤhung war 
vergebens. Orbizo hatte gleich nach Se⸗ 
lenens Entführung feinen bisherigen Auf⸗ 
enthalt verlaſſen, wahrſcheinlich in der 
Abſicht, den verkappten Raͤubern nachzu⸗ | 
eilen und ihnen ihre Beute wieder zu ent⸗ 


124 


reißen, aber Niemand wußte, wo der 
wuͤrdige Alte hingekommen war, und alle 
5 angewandte Muͤhe, ihn aus fuͤndig zu ma⸗ 


chen, blieben fruchtlos. Je weniger das 
her Selena ihr Verlangen von dieſer Sei⸗ 0 


te befriedigt ſehen konnte, um fo mehr 


befeelte fie der ſehnſuchtsvolle Wunſch, 
das Herz des Grafen für ihren unglücs 


lichen Bruder zu ruͤhren und demſelben ſel⸗ 


ne Verzeihung auszuwirken. Allein ſo gern 0 
auch der Graf die Wuͤnſche feiner ſchoͤnen 


Gefangenen zu beftiedigen ſuchte / ſo hart 
näckig verwelgerte er ihr die Gewaͤhrung 


dieſer Bitten. Sein unverſöhnlicher Haß 


gegen den Moͤrder ſeines Sohnes und ſeine \ 
Verfolgungen gegen denſelben dauerten ; 
ununterbrochen fort, und die oft wieder ⸗ | 
holten Bemühungen Selenens, ihn zu bes 4 


fänftigen und sänfigere Geſinnungen f 


— 


— 


u N 
— — 

9 — ae 
P 


1 


125 
Guido einzuflöͤßen, erbitterten ihn nur 
noch mehr, ſo daß endlich Selena, um 
nicht ſich ſelbſt und ihren ungluͤcklichen 
Bruder noch mehr dem Grimme des har⸗ 
ten Mannes auszuſetzen, ihre Thraͤnen 
um Guido in ſeiner Gegenwart und ihre 
fruchtloſen Bitten unterdruͤckte, um es 
in Geduld abzuwarten, bis die alles hei 
lende Zeit und kaͤlteres Nachdenken die 
dem Grafen durch den Verluſt f eines Soh⸗ 


nes geſchlagene Wunde heilen und ihn auf 5 


beſſere Geſinnungen für ihren Bruder brins 
gen wuͤrde. So ſtanden dieſe Angelegen; 
heiten, als endlich der Graf durch die 
zuberlaͤßige Nachricht auf das angenehmſte 
uͤberraſcht ward, daß es den dem unglüch 
lichen Guido nachgeſchickten Verfolgern 
gelungen fey, ihm auf die Spur zu kom⸗ 
men und ihn durch ihre Helfershelfer in 


4 
a 
4 * 

e 


den Apenuinen bei Rini der woc. des 
Grafen zu opfern. 0 | 


Godwin. Guter Gott! wie 905 | 
/ dleſe Todesnachricht auf das Herz der 


armen Schweſter gewirkt haben. 


Pier d. Der Graf war ſchlau genug a 
um feines eignen Vortheils willen, dieſe a 
Nachricht vor Selenen auf das forgfäftigs a 
a zu verbergen und fie durch andere 
falſche Nachrichten zu täufhen. Er brach 
te ſie auf ſein eutfernteres Schloß Gua; ö 
ſtills. um jedes etwanige Gerät von 


dem Tode ihres Bruders deſto beſſer von 


ihr zurück zu halten, und um ihr Zweifel 
gegen die Wahrheit dieſer Gerüchte beizu, 
bringen, wenn fie fi ch dennoch elnmal zu 


a ihrem Ohre ſchleichen ſollten, auch ihr 
die verlorene Ruhe wieder zu geben und 
ſie deſto beſſer nach feinen Wuͤnſchen ſtim } 


127 
men zu können, mußte ich mich in einer 
paffenden Verkleidung auf Guaſtilla eins 
ſchleichen und Selenen einen untergeſcho⸗ 
benen Brief von ihrem Bruder mit den 
vortheilhafteſten Nachrichten von ihm und 
ö feiner glücklichen Lage einhändigen. 
Godwin. Das thateſt du? 
Pirro. Ich that es, und es geſchah f 
zu Selenens Ruhe. 88 Ihre Freude über 
dieſe Nachricht kannte keine Grenzen, die 
Heiterkeit und Seelenruhe, welche ſeit ſo 
langer Zeit ihr armes mit Kummer be. 
laſtetes Herz geflohen hatten, kehrten auf's 
Neue in daſſelbe zuruͤck, und N 
einen deſto hoͤhern Zauber uͤber ihr ganzes 
ſchoͤnes Weſen. Der Graf benutzte dieſe 
ihre gluͤckliche Stimmung zu ſeinem Vor; 
theil „indem er ihre Freude, ohne deren | 
Grund von ihr zudringlich zu erforſchen, 


2 


A 


388. 


mit ihr theilte und guͤnſtigere Geſinnun⸗ 


1 gen gegen Guido affektirte, auch endlich 


mit ſeiner Bewerbung um ihr Herz und 


ü ihre Hand gegen ſie hervortrat. Seine 


liebevolle Zärtlichkeit; feine Milde, Schmein 


cheleien und glänzenden Verſprechungen, 1 


beſiegten Selenens Bedenklichkeit, und 


brachten ſie dahin, ſeinen Bitten unter 


drr unerlaͤßlichen Bedingung nachzugeben, 
daß er ſeine bisherigen Verfolgungen ihres 


Graf durch die zuverlaͤßigen Nachrichten 


45 


Bruders auf immer einſtellte. Da der 


von dem Tode feines Feindes von dieſer 
Seite ziemlich beruhigt worden war ſo 
bequemte er ſich endlich nach einigem ſchein⸗ 0 
baren Straͤuben dazu, Selenen das feier⸗ 1 
liche Gelübde darzubringen , feine Bemis 


hungen, Godwins Aufenthalt auszukund⸗ | 


2 | ie 
ſchaften, um Rache an ihm zu nehmen, 


a . 


— 


1 — NE 3 
K . 


und ſeine zeitherigen Verfolgungen des 
| ungluͤcklichen Fluͤchtlings abzubrechen, ſo 
lange dieſer nicht ſelbſt keck genug ſeyn 
f wuͤrde ‚ afeine Schonung zu mißbrauchen 
und ſich ihm oder Selenen zu nuͤhern, wo 
er alsdaun verbunden ſeyn wuͤrde, den 
me tee Sohnes an ihm zu raͤchen. 
Godwin. Selena ging Diele «Bes 
aten in e an: 1 W acli 
Pirro. Allerdings. Die Vernäh⸗ 
. ward mit einem dem Reichthume und 
Anſehen des Grafen angrmeſſenen Glanze 
auf Guaſtilla vollzogen, und mit der neuen 
Graͤfin Morrino kehrten auchn Freude, 
Gluͤck und Zufriedenheit in die bisher vers 
oͤdeten und freudenleeren Schloͤſſer des 
Grafen, wie in die Hütte feiner; Voſallen 
zuruck. Der Graf liebte ſeine junge, lies 
bens wuͤrdige Gemahlin mit einer bis zur 
5 I | 


1 er 5 
hoͤchſten Schwaͤrmerei getriebenen Zärts 


lichkeltz ſein eifrigſtes Beſtreben war dar⸗ 
auf gerichtet, ihre Liebe in einem eben ſo 


hohen Grade zu verdienen, und Selena 


blieb nicht unempfindlich bei dieſen feinen 
Bemühungen und den taufendfältigen Bes 
weiſen ſeiner unbegrenzten Liebe fuͤr ſie. 
Die Achtung, welche ihr ſein liebevolles 
und mildes Betragen gegen ſie in ihrem 
Unglück, wo ſie ſo ganz feiner Gewalt 
preis gegeben war, wögelteungen hatte, 
ging bald in volle gegenſeltige Zuneigung 
über, Das hohe Glück ihrer Gegenwart a 


ſchien immer mehr und mehr jede düstere 


Erinnerung an die traurige Vergangen- 
heit in ihrem Innern zu verwiſchen, da | 


zumal der Graf fortfuhr, ſie von Zeit zu 
Zeit durch untergeſchobene guͤnſtige Nach, 
richten von ae Bruder zu ue 


— a RER: 


| 131 
An der Seite ihres Gemahls, der fein 
ganzes hoͤchſtes Lebensgluͤck in Selenen 
umfaßte, blühete ihre jugendliche Schön; 
heit in verjuͤngtem Zauber empor, und die 
Ruhe und Heiterkeit, welche ſie jetzt be⸗ 
lebten, erhoͤhten das Gluͤck des Grafen. 
Nut alsdann, wenn Selena zuweilen das 
Geſvraͤch mit ihm auf ihren Bruder und. 
auf den Wunſch, ihn einmal zu fehen, 
leitete, kehrten duͤſtre Wolken des Uns 

| muths auf die Stirne des Grafen zuruͤck, 
und mit kraͤnkendem Verdruß ſchien er es 
zu bemerken, daß er die Liebe ſeiner Ge⸗ 

mahlin noch immer mit dem ihm noch im 
Tode ſo verhaßten Guido theilen mußte, 
und daß fie dieſem ſogar vor ihm den 
Vorzug in ihrem Herzen gab. Der Ruf 

von der hohen Tugend und Schönheit der 
jungen ‚Gräfin Morrino verbkeitete ſich g 


| ſchenfreundlichkeit und Milde gegen die 


82. 


rern 


immer mehr und RR und ihre Men, 


Armen und Hülfsbedürfligen machten fie. 
bald zu dem wuͤrdigen Gegenſtande allge⸗ f 
meiner Bewunderung und Verehrung. 
um ſeiner Gemahlin deſto mehr Gelegen⸗ 1 
heit zu angenehmen Zerſtreuungen zu ge⸗ 4 
| ben / hatte der Graf, kurz nach ſeiner 
Vermaͤhlung das Schloß Sarento in der 
Nahe der Hauptſtadt zu ſeinem und Se. 
lenens Wohnorte gewaͤhlt, und bald war 
dieſes der Sammelplat der angeſehenſten 
Perſonen, welche die Liebenswuͤrdigkeit 

und Tugend der ſchoͤnen Graͤfin dahin zog. 
Feſte wechſelten mit Feſten aller Art ab, 
1 und wider ihren Willen ward die Graͤfin ö 
in einen Steudel von Ergöͤtzlichkeiten ge, 
riſſen die fie kaum mehr zu ſich ſelbſt 
kommen ließen. Allein eben dieſer um 


e a A en ee S- 


1 
55 
; 
9 
1 
2 
. 


unterbrochene Wirbel von Ergöslichfeiten, 
der Selenen gewaltſam dahin riß und 
namentlich das auffallende immer ſtäͤrkere 
Hinzudraͤngen feiner Freunde und Gaͤſte 
zu Selenen und die ſuͤßen Schmeicheleien 
und Freundſchaftsbewerbungen der 'gläns 
zenden Menge gegen fi e, weckten und 
nahrten die dem Charakter des Grafen 
elgenthümliche Eiferſucht in einem ſo g 
hohen Grade, daß ſeine bisherige Ruhe 
und Heiterkeit immer mehr und mehr abs 
nahmen. Die Graͤfin erkannte jedoch 
zeitig genug die Urſache des Truͤbſt uns 
ihres Gemahls ſo vielen Zwang er ſich 
auch gegen ſie auflegte, und ehe das N 
Uebel der Eiferſucht zu feſte Wurzel in 
ihm ſchlagen konnte, ſuchte ſie demſelben 
durch einen raſchen Entſchluß und eine 
f reiwillige Entfagung ihrer e Ver, 


Be 


15% 


gnügungen‘ zuvorzukommen. Aus Scho⸗ 
nung fuͤr ihren Gemahl verbarg ſie dieſem 


die wahre Urſache ihres Entſchluſſes, ins 
dem ſie, unter dem Vorwande eines es 


berdruſſes an ihrer bisherigen geräufchs 
vollen Lebensart, fi ch von der Nähe der | 
Stadt und aus ihren glaͤnzenden Zirkeln 

entfernte, und, mit Beiſtimmung ihres Sen 


mahls, die kleine aber äußerſt reizende Bik 
la deſſelben, Ceriga, zu ihrem Aufenthalte j 


wählte, welche, ungeachtet ihrer Entfer J 


i 


ge Tage in jeder Woche auf Cerigo ganz 5 


nung von der Haupiſtadt, dennoch bequem ö 
genug fuͤr den Grafen lag, um ſeine So 


| mahlin, ohne Hintanſetzung ſeiner glänzens | 


den Verhaͤltniſſe am Hofe, in ihrer Ein a 
ſamkeit beſuchen und von Zeit zu Zeit das ö 
Schloß Sorento verlaſſen und; immer einig, 


dem Gluͤcke ſeines Herzens leben zu konnen. 


135 

SOON SEN Du ſpannſt meine ganze 

Erwartung auf die folgenden Schickſale 
der Gräfin. 500 10 00 85 

| Sina Menſchengluͤck gleicht der 

Sonnenhitze: dem hoͤchſten Grade folgt 

ein Unwetter und mit den Maͤchten des b 


ae Schickſals iſt fein, ewiger Friede 


zu ſchließen; denn ſchnell und unbermu⸗ 
thet ſchreitet durch ſie das Unglück daher. 
Auch Morrino und ſeine Gemahlin waren 
zu glͤͤcklich, als daß dieſes Gluͤck haͤtte von 
langer Dauer bleiben koͤnnen. Die ſchoͤnen 
beſeligenden Freuden des gluͤcklichen Gat⸗ 
ten, welche der Graf in ſeiner Gemahlin 
in ihrer ganzen ſchoͤnen Fuͤlle genoß, er 
hielten jest einen neuen Zuwachs durch 
die zu hoffenden eben ſo ſchoͤnen Freuden 
des glaͤcklichen Vaters, indem ihm eines 
Tages Selena bei ſeiner Ankunft bei ihr mit 


136 


5 ee e e aufen, b 


ne einen raten aa Gi gur ; 

lichen Liebe erfreuen werde. Das Ent 
züͤcken des Grafen bei dieſ er Nachricht 
war uͤber jeden Ausdruck erhaben, ſeine 
Sorgfalt für die Bequemlichkeit und Pfle- 
ge ſeiner Gemahlin ſtieg mit feiner Zaͤrt 
lichkeit für fie auf den hoͤchſten ‚Grad, in⸗ 
dem er jetzt ſeltener, als jemals von ihr 


wich und ſie vor jedem rauhen Luͤftchen, a 


das ſie anwehen konnte, zu verwahren 
ſuchte. Endlich erſchien die heiß erſehnte 
und zugleich mit aͤngſtlicher Unruhe und 4 
Beſorgniß gefürchtere Stunde welche in 8 
der glücklichen Geburt einer kleinen Toch 
5 ter feine ſchoͤnſten Hoffnungen frönte, und } 
ihn gleichſam in ein Meer von ſeligen 1 
Freuden ech en e den 5 


2 


= 


gluͤckberauſchten Vater an die hehren Ge⸗ 
ſtade der Seligen zu wiegen ſchienen. 
Einen gluͤcklichern Mann, als den Grafen, 
gab es jetzt weit und breit nicht, und ſein 

Junetes ſchien kaum Raum genug für das x 


uͤberſtroͤnende Vollmaaß feines Glucks zu 
haben. Um ſo auffallender war es, daß 
die Graͤfin dieſe Freude ihres Gemahls 
nicht mit voller Seele, ſondern mit eini⸗ 


gem Zwange zu theilen ſchien, unter wel⸗ | 


chem ſie in ſeiner Gegenwart einen tiefen 
Kummer zu verbergen ſchien. Ungeachtet 
des ſich ſelbſt aufgelegten Zwanges ent 
ging ihre immer hoͤher ſteigende Unruhe 


und aͤngſtliche Verlegenheit dem Grafen 
nicht. Vergebens drang er jedoch in ſie, 


ihm die Urſache ihres geheimen Miß mu; 


thes zu entdecken. Die Gräfin wich ſei⸗ 
nen Fragen und Bitten unter mancherlei 


7 


138 


erkünſtelten Heiterkeit ſo geſchickt aus, 
daß der Graf ihr von dieſer Seite nicht 


Vorwande und unter der Maske einer 


beikommen konnte, ſondern ſich mit die; 


fer erzwungenen Heiterkeit und Ruhe ſei⸗ 
ner Gemahlin mußte begnuͤgen laſſen. 
f Allein der Mangel an Zutrauen und Of⸗ 


fenbeit, den er hierbei bei feiner Gemah⸗ 


lin gegen ſich zu bemerken glaubte, weck⸗ 


ten ſein Mißtrauen gegen fi ie und die ges 
faͤhrlichſten Zweifel an ihrer Liebe und 
Treue in ſeiner Seele. Er zwang ſich 


zur Verſtellung gegen ſie, und ohne ſeine 
innere Unruhe und ſeinen Verdacht gegen 
ſie zu verrathen, ließ er ſeine Gemahlin 
und jeden ihrer Schritte durch einen ver; 
trauten treuen Diener, den eben fo vers 
ſchmitzten, als eigennuͤtzigen und hinter⸗ 
liſtigen Caſelli/ insgeheim ſehr genau 


8 — 2 
— or.: ⏑⁰Ui: —˙ UL———p̃ ne ne En "N ͤ ¶˙ͤ ͤ us nn u nm, 


| ö 139 
beobachten. Dieſer Caſelli verrieth end⸗ 
lich dem Grafen, daß die allgemein bes 
| wunderte Tugend und Unſchuld feiner 
jungen und ſchoͤnen Gemahlin nichts als 
Gleisnerei ſey, um ihn deſto ſicherer zu 
betruͤgen, daß ſie in den Armen eines 
Juͤnglings, der ſeit geraumer Zeit in der 
Gegend der Villa Ceriga, unter dem 
Namen Bernardo verborgen lebte „ſeis 
ner Leichtglaͤubigkeit ſpotte und mit dieſem 
Unbekannten in einem verbotenen Umgan⸗ 
ge lebe und geheime Zuſammenküͤnfte mit 
ihm in dem angrenzenden Parke veranſtal⸗ 
te, wo ſie Caſelli eines Abends in der 
traulichſten Stellung in den Armen ihres 
Buhlers uͤberraſcht hatte. 
Godwin. Schrecklich! | 
Pirro. Ich bin nicht im Stande, 
Euch zu ſchildern, wie uͤberaus heftig dieſe 


5 4 
| Er 


Nachricht den Grafen und ſeine gluͤhende 


Eiferſucht und Rachſucht empoͤrte. Et 
ſahe ſich auf das ſchaͤndlichſte berrathen, 


1 5 . ſich von der/ die er mit ſo unbegrenzter 


Zärtlichkeit liebte, treulos betrogen und 


für all' feine Liebe auf die empdrendſte 


Art belohnt; ſelbſt der Umſtand, daß 5 


Selena gerade dieſ e Villa Ceriga zu ihrem 


t 
r Du 


Aufenthalte gewählt hatte, vermehrte jetzt 


ſeinen Grimm, indem er nunmehr den 


i 
N 


EN 
2 


„ wahren Beweggrund zu dieſer Wahl zu 1 
erkennen glandte, der, ſeiner Meinung 


9 


nach, kein andrer geweſen war, als ihrem 


\ Buhler näher zu kommen, da man ihm 


ſagte / daß ſie ſchon waͤhrend ihres Auf⸗ 


enthaltes auf Sarento die Bekanntſchaft ö 
2 t demfelßen insgeheim unterhalten bar ö 
N Er glaubte von ſeiner Schande und 

ere vollkommen uͤberzeugt zu ſehm j 


ee en a a 


. 


x 5 Be 
und ‚fein; Gum kannte keine Grenzen, 
als Selena die vertraute Bekanntſchaft 
mit dem Unbekannten nicht laͤugnete / aber 
ihre Unſchuld und Tugend mit Thraͤnen 
und den feierlichſten Schwͤͤren betheuerte, 
und ſie auf keine Weiſe dazu zu bewegen 
war, den Namen dieſes Fremdlings zu 
nennen, | da ihr nach ihrer Verſicherung | 
ein feierliches Gelübde ein ewiges Still 
ſchweigen üben: ſeinen Namen auflege. 
Sie ſahe ſich der ganzen Wuth ihres Ge⸗ 
mahls aüsgeſetzt, deſſen vorige Liebe und 
Zärtlichkeit in den ſchrecklichſten Haß 

a uͤbergegangen war, und nur ein fein aus 
geſ onnener Plan einer empfindlichen lang⸗ 
ſam marternden Rache konnte ihn dahin 
bringen, ſie ſelbſt und die kleine Aurora, 
die er, als Baſtard jenes Unbekannten, | 


ee: in der erſten Wuth nicht feinem 


14 
Grimme aufjuopfern. Alle diejenigen, 
welche die Gräfin kannten und als ihre 
Wohlthaͤterin verehrten, zitterten fuͤr ihr 
Leben, ſo wenig fie dieſelbe uͤber das Ges 
a ſchehene zu entf chuldigen wagten. enn | 
Godwin. Guter Gott! So wagte 
es Niemand, ſich der armen Selena an: 
zunehmen und ſie zu rechtfertigen? War 1 
ihr Vergehen ſo ganz erwieſen / daß es 
tene Rechtfertigung zuließ ? vr 
Piero. Waͤre ſie wirklich schuldlos 1 
e warum haͤtte ſie es unterlaſſen, 7 
ſich zu rechtfertigen? Ihr Stillſchweigen | 
uber den Namen ihres Verführers und 
die ſchnelle Flucht deſſelben beſtaͤtigten ihr 
Verbrechen. Sie mußte ihrem bis zur 
ſchrecklichſten Wuth ergrimmten Gemahle 
hierher auf dieſes oͤde und entlegene Schloß 
Oranto folgen, wo ſie im ſtrengſten Ge 


Werne 


Di 


1 einſam und von allen lebenden 
Weſen entfernt die fi ch ihrer haͤtten huͤlf 
reich annehmen konnen, ihr Leben ver⸗ 
trauerte und Muſe genug erhielt, ihr 
ſtrafbares Vergehn zu bereuen. Ihre 
Lage verſchlimmerte ſich noch me hr da⸗ 
durch / daß ihr der Graf unter den ſchreck; 
- Nike ee hatte, hie 
e ie in das Gefängniß ash 
hatte, und die in ihrem Elende ihr einzi⸗ 
ges Glück ausmachte, aus ihren Armen 
| zu alen und fie. als Baſtard feinem Zor⸗ 
ne zu o opfern, wern die Gräfin, nicht ihr 1 
verbrecheriſches Stillſchweigen braͤche und 
offenherzig ihr Verbrechen und den Nas 
men ihres Verfuͤhrers geſtuͤnde. 
Godwin. Ungluͤckſelige Selena! 15 
Pirro. Ja wohl ungluͤckſelig! Uns 


Sodwin. Deine Erzaͤhlung were 


44 
glückfeliger wochde als der Graf grauſam 5 
genug war bei ihrem fortdauernden Süll⸗ 2 

ſchweigen f eine Drohung wirklich in Er a 
x fuͤllung zu bringen, und, ungeachtet der 
i Verzweiflung der unglücklichen Mutter, 
das kleine Mädchen mit Gewalt aus Ses 
lenens Armen reißen ließ, ohne daß ſie 
dͤder irgend Jemand das weitere Schick⸗ f 
al des Kindes beſtimmt erfuhr / das wahr, 
ſcheinlich mit ſeinem Leben fuͤr das Ber 
brechen ſeiner Mutter büßen mußte. 


lich und erſchuͤttert mich maͤchtig. % 

Pirro. Sie wird ſogleich e 
ſeyn.“ In einem lebloſen Zuſtande fand 
man Selenen, und ihr bermenineses ben 
Schmerz, ihr Jammer bei dem Ewachen 
aus ihrer Betäubung rührte die haͤrteſte . 
Gemüther. Doch zur Verwunderung ih⸗ 


| ie 145 
rer Wächter verſtummte vloͤtzlich ihr vers 
zweiflungsvoller Jammer, ihre Thraͤnen 
vertrockneten und ihr wilder Schmerz ging 
in ſtille Trauer und duͤſtere Schwermuth 
über, welches man als die heilſame Folge 
des Beſuchs eines alten ehrwuͤrdigen Or⸗ 
densgeiſtlichen betrachtete, der ſich zu ih 
rem Troſte bei ihr eingedraͤngt hatte. 
Ihre Wachter fuͤhlten tiefes Mitleid mit 
ihrem Zustande, welches fie jedoch forgs 
faͤltig vor dem Grafen verbergen mußten; 
denn dieſer blieb ungeruͤhrt und unerbitts 
lich gegen ſie. Als er entdeckte, daß das 
file Leiden der unglücklichen. Dulderin 
und ihr ſchwermuthsvoller Blick ihre 
Waͤchter ruͤhrte und er vielleicht befuͤrch! 
tete, daß dieſe ihr Gelegenheit zur Flucht 
geben möchten, war er fogar hart genug, 
auch dieſe von ihr zu entfernen, und nur 


10 


erſt ſpaͤterhin, als die ſchwarze Flagge 
des Todes von dem Thurme des Schloſ⸗ 
ſes herabwehete erfuhr es die benachbar⸗ 
te Gegend, daß, nach einer kurzen Krank; | 
heit „der Tod den Leiden der armen Dub 
derin ein Ziel geſteckt hatte. Von allen 
Seiten drängten ſich die Bewohner der 
Gegend herbei, um die Ausgelittene noch 
einmal zu ſehen und ihr an ihrem Sarge 
Thränen ſtiller Wehmuth zu weihen; aber 
der ſtrenge Befehl des Grafen und die 
ſtets ſorgfaͤltig verſchloſſ, en gehaltenen Zu⸗ 
gaͤnge zu dem Schloſſe hielten Jeden, der 
ſich der Leiche nähern wollte, von derſel / 
ben entfernt. Bei naͤchtlicher Weile, oh⸗ 
ne Sang und Klang, ward der Leichnam in 
5 Grabgewoͤlbe des Gartens beigeſetzt. 
Godwin. (heftig bewegt) Alſo todt? | 
wirklich todt ? \ Der 


8 5 147 5 
Pir ro. So iſt es. Dort in jenem 


Pavillon, der, von Zypreſſen umduͤſtert, 


an der weſtlichen Grenze des Gartens die 


ſes Schloſſes ſich erhebt, befindet ſich die 


i Todtenhalle, in welcher die Gebeine der 


Hingeſchiedenen die Verweſung deckt. 
Taͤglich weilt der Graf noch jetzt an ihrem 
Grabe und an dem Denkmale, das er 
uͤder demſelben errichtete und das oft ſeine 
heißen Thraͤnen benetzen. Selenens Tod 


| ſchien einen fuͤrchterlichen Eindruck auf 


x das Herz des Grafen gemacht zu haben. 


Sein voriger Grimm, ſeine Wuth waren 


verſchwunden, und hatten einem ſtillen 


Grame in ſeiner Seele Platz gemacht, der 
endlich in einen ſchwarzen Menſchengroll 


uͤberging. Er zog ſich aus dem Geraͤu⸗ 


| ſche der Welt gaͤnzlich zuruck, und ver⸗ 
bannte ſich in dieſe oͤde Einſamkeit des 


0 


Schloſſes Oranto, das die Ueberreſte ſei⸗ 
ner dahingeſchiedenen, vielleicht gar von 


ihm ermordeten Gemahlin in ſich faßt, 


1 


und deſſen Pforten jedem feiner ehemali⸗ 


gen Freunde und Bekannten verſchloſſen | 


bleiben; denn jedes Menſchengeſicht, in 


welchem er bekannte Züge entdeckt, ſcheint 


ihn mit Schaudern und Entfegen durch 


die Erinnerung verlorner Freuden der 


Vergangenheit von ſich zuruͤckzuſcheuchen. 


Godwin. Gleichwohl ſtehen die Pfor⸗ | 


ten dieſes Schloſſes dem einſamen Wan⸗ 


| derer zu jeder Tageszeit klare Das faſſe f 
. 9 


ich nicht. 


f en Doch ie es fo, a ſich a 


dleſes eben ſo wie manches andere in dem 


Betragen und in der Lebens weiſe des Gra 
fen raͤthſelhaft iſt. Dieſe ſeine ſcheinbare f 
Gaſtfreundſchaft beruht jedoch vielleicht 


149 


auf fehr begreiflichen nn Ur⸗ 


ſachen. 4 
Godwin. Darf 90 fie wiſſen 2 1 

Pirro. Ich habe Euch ſchon zu viel 
geſagt, als daß ich nicht auch noch meine 


Vermuthung in dieſer Hinſicht dem bereits 


Geſagten beifuͤgen ſollte. Habe ich mehr 
entdeckt, als die Klugheit heiſchte, ſo mag 


es Bodo rechtfertigen / der mich dazu auf⸗ 
forderte, Euch alles zu ſagen. ch 


Godwin. Sorgt nicht, guter Als 
ter. Ich bin kein Boͤſewicht, und würde 


mich ſelbſt verabſcheuen muͤſſen wenn 


1 


ich Euer und Eures Freundes Vodo Zu⸗ 
trauen zu mir durch ſchaͤndlichen Verrath 


e ai he nat 


Pirro. Nun wohl. Mit dem To⸗ 
de der Gräfin Selena ging zwar die Er- 
bitterung des Grafen gegen ſie ſelbſt zu 


150 e f N 


Grabe, aber nicht fo hit: fein üs dd 


ſeine Rachſucht gegen ihren Verfuͤhrer, 


den buͤbiſchen Bernardo, von welchem man 


ſwaͤterhin ſo viel entdeckt haben ſoll, daß 
er ein junger Nobili aus Venedig und ein 


Anverwandter der ungluͤcklichen Familie 


Sotoria geweſen ſey, der als Fluͤchtling 


umherſchweife. Die Kundſchafter des 


Grafen Morrino ſind uͤberall ausgeſtellt, 


a um ihn ausfündig zu. machen, und in der 


8 


Vermuthung, daß dieſer Bernardo viel 


lleicht auf innern Antrieb ſeines Herzens 


in dieſe Gegend irgend einmal zuruͤckkom⸗ 
men konne, um Nachrichten von der Ges 


liebten ſeines Herzens einzuziehen, ſi nd 
die um die Schloͤſſer des Grafen bei dog 
und Nacht ausgeſtellten Waͤchter und 
Spione deſſelben beordert, jeden vorüber 


ziehenden Fremdling anzuhalten, ihn auf 4 


N 


85 
das naͤchſte dieſer Schloͤſſer einzuladen 
und ihn ſogar wider ſeinen Willen mit 
Gewalt dahin zu bringen, um ihn gaſt, 
freundlich zu bewirthen und zu verflegen, 
oder vielmehr ihn unter der Maske von 
Edelmuth und Gaſtfreundſchaft zu erfor 
Shen, ob er vielleicht der laͤngſt erwartete 
verhaßte Bernardo fen. Ihr befindet 
Euch hier in dem naͤmlichen Falle. Euer 
verdächtiges Umherſchleichen in der Ge, 
gend, das man ſchon ſeit mehrern Tagen 
dae nd ſo e Andere, was 


Ä ee ea gegen Euch ſehr vers d 
ſtaͤrkt und Euch ſeinen Zorn in einem ſo 
hohen Grade zugezogen haben, daß nur 
der alte ehrwurdige Bodo, durch ſeine thaͤs 
tigſte Verwendung und Furſprache, Euch 
dem bedroheten Verderben entziehen konnte. 


152 a N 
3 Geb in. Hat dieſer Bodo ſo gar 
5 viele Gewalt über den harten menſchen⸗ 
| feindlichen Mann? Und wer . denn 
eigentlich diefer Bodo ? 


Pirro. Niemand kennt ihn genau 


und weiß etwas mehr von ihm, als daß 


er ſich ſeit mehrern Jahren in der Einſam⸗ 


keit jener Wildniß, unfern des verrufenen 


S 


See's, niedergelaffen hat, wo er ſich durch 


ſeine Menſchenfreundlichkeit und ausge⸗ 


zeichnete Frömmigkeit die allgemeine Liebe 
und Ehrfurcht der ganzen umliegenden 
Gegend in einem fo hohen Grade erwor 
ben hat, daß ſogar der Graf bei aller ſei⸗ ö 
ner Macht wurde zittern muͤſſen, wenn 


er dem guten Greiſe nur ein Haar kruͤm⸗ 


men wollte; allein dies hat Bodo auch 
nicht im Geringſten zu befuͤrchten. Er 
hat eine ganz eigene und beſondere Gabe, 


153 
ſich die Herzen der Menſchen geneigt zu 
machen, und ‚fo iſt es ihm denn auch ges 
lungen, ſich das Herz des Grafen, unge⸗ 
achtet deſſen menſchenfeindlichen Geſin⸗ 
nungen, in einem hohen Grade zu gewin— 
nen. Er iſt der Einzige, dem der Graf 
fein Zutrauen und feine Freundſchaft 
ſchenkt, und der zu jeder Zeit ungerufen 
und unangemeldet zu ihm kommen darf. 
Doch bedient ſich Bodo dieſer Erlaubniß 
nur ſelten und bei beſonders bedeutenden 
Vorfaͤllen, fo daß der Graf öfters über 
die lange Abweſenheit ſeines Vertrauten 
von dem Schloſſe aͤußerſt beſorgt um ihn 
und unzufrieden deshalb mit ihm war. Oef⸗ 
ter als jemals ſpukt aber dieſer Greis ſeit 
einigen Tagen und Nächten, wie ein licht; 
ſcheues Geſpenſt, in dem Schloſſe und 
bei dem Grafen umher / fo daß man wohl 


füͤglich auf bedeutende Vorfälle fließen 
dürfte, welche feine beſtaͤndige Anweſen⸗ 
heit auf dem Schloſſe enen due 


moͤgen. 


Godwin. Sonderbar, Glaub d du 
dieſen Bodo hinlaͤnglich zu kennen, um 
entſcheiden zu koͤnnen, ob er und ſein ver⸗ 5 
daͤchtiges Umherſchleichen, fo wie fein Zus 
ſammenſtecken mit dem Grafen nicht auf 
8 wan eine dle zu fürchten fey? 

Pirro. Seyd außer Sorgen. Ich 
Rn ihn genau, und Ihr moͤgt ſeyn wer 


N Ihr wollt und zu fürchten haben, was es 


auch immer fen, ihn habt Ihr nicht zu 
fuͤrchten. Er hat Euch ſeine Freund⸗ | 
ſchaft, feinen Schutz und ſeinen Beiſtand 
verſichert / und fo koͤnnt Ihr ganz ſicher 
darauf rechnen, daß er lieber ſich ſelbſt 
aufopfern, als ſeine Zuſage brechen wuͤr⸗ 0 


155 
de. Er ſelbſt hat Euch mir angelegent⸗ 
lichſt auf die Seele gebunden und mich 
' veranlaßt, Euch Dinge zu erzählen; die 
ich kaum meinem vertrauteſten Freunde, 
am allerwenigſten einem Manne anver⸗ 
a trauen wuͤrde, der mir ganz fremd iſt, 
wenn nicht dieſer Bodo fuͤr Euch die 
Buͤrgſchaft bel mir übernommen. hätte. 
Godwin. Dieſer Alte iſt mir ganz 


Raͤthſel, und ich begreife nicht, wodurch 8 


ich ſeine Aufmerkſamkeit und Freund ſchaft 
in einem 12 Men Grade 5 er gezogen 

Nabe e N 
Pir ro. Darüber bn r allein 2 | 
nur aufflären, ) | 
Godwin. e mir nur ni | 
| eine Frage. 

Pirro. Welche? 

Godwin. Welche Bewandiulß pt 


166 
es mit dem Schreckensthurme und jenem 
näceligen Glockenrufe? a en ee 
Pirro. Ich habe mich daruͤber ſchon c 

erklärt und muß es wiederholen, daß ich | 
Euch die Antwort auf alle dieſe und aͤhns 
liche Fragen in Beziehung auf dieſe Dinge 
ſchuldig bleiben muß, weil ich eben ſo we⸗ 
nig / als jeder Andere in dem Schloſſe, 
etwas mehr von dieſ en Dingen weiß, als 
daß ſie da find, daß jener See der See 
Averno genannt wird, daß mancherlei 7 
abentheuerliche Gerüchte von den feindſell⸗ 
gen Geiſtern in dieſem See und dem dort 
befindlichen Schreckensthurme ſich hier hers 
um verbreitet haben, und daß die dort her, 
umſchleichenden Spukgeiſter eben fo ſehr, 
als der ſchauerliche Ton jener Glocke, welche 
unter dem Namen der mitternaͤchtlichen | 
Todtenglocke bekannt iſt / einen Jeden von je / 

| g 0 


157 
ner Gegend zuruͤckſ cheuchen. Mehr zu erlau⸗ 
ſchen wuͤrde ſich Niemand erdreuſten; denn 
eben ſo furchtbar, als die dort hauſenden 
Schreckgeſpenſter ſchrecken die Drohungen 
und der Zorn des Grafen Jedermann von 
dieſer Erſpaͤhung der dort verborgenen Ge⸗ 
heimniſſe zuruͤck. Der Zorn des Grafen 
wuͤrde keine Grenzen bei einem Frevel die⸗ 
fer Art kennen, und man raunt fi hin und 
wieder grauſende Scenen der Art ins Ohr. 

0 Godwin. Ich muß es bekennen, daß 
ich deſſen ungeachtet ſehr begierig bin, jes 
nen See Averno mit ſeinen Schreckniſſen 
e kennen zu lernen. | 

Pirro. Haltet ein! Eine ſolche Heuer 
rung darf ich, als treuer Diener des Grafen 
Morrino, ohne Verletzung meiner ihm ge⸗ 
lobten Pflicht, nicht hoͤren. Wollt Ihr aber 
auf Freundesrath achten, ſo unterdruͤckt 


158 5 5 
jeden Gedanken dieſer Art, daß ihn der g 
Graf ja nicht erlauſche, um Eure Freiheit 
wuͤrde es dann ſogleich geſchehen ſeyn, 
und ohne die Befriedigung Eures Wunſches 
erhalten zu koͤnnen, würdet Ihr das Schlim⸗ 
mere noch zu befuͤrchten haben 
Der junge Tag daͤmmerte bereits im duͤ | 
ſtern Grau in oͤſtlicher Ferne herauf, als Pir⸗ 
ro/ nachdem ihm Godwin nochmals das 
unberbruͤchlichſte Stüllſchweigen uͤber das 
Erzaͤhlte feierlichſt gelobt hatte, ſich von 
dieſem entfernte und leiſe wieder sur Shi | 
re hinausſchlüpfte. i BR 
Godwin begab ſich auf ſein Lager, 
aber die Erzählung des alten Schloßver Ä 
walters hatte ſo heftig auf ihn gewirkt, daß 
er nur erfi ſpaͤterhin, als es ſchon begann f 
in dem Schloſſe lebhaft zu werden in ei⸗ * 
nen leichten Schlummer ſank. 


F 


4. * 
* A 


Sr 


38 2 . 
TEE 


159 


Die Sonne ſtand ſchon ziemlich hoch 
uͤber dem Walde, als Godwin erwachte. 
Er verließ ſein Lager, und von mancher⸗ 
lei beunruhigenden Ideen und Beforgnifs 
ſen beengt, trat er an das geöffnete Sen ; 
ſter. Sein Blick durchflog das weite 
Thal, das ſich an dem Fuße des Schloß 
berges in dem lieblichſten Farbengemiſch 
vor ihm ausbreitete. Ueber die Aue da⸗ 
her trugen die linden Morgenluͤfte die 


160 | | 

Harmonien der befiederten Saͤnger des 
Haines zu ſeinem Ohre; heiter ſchwang 
ſich in einer kleinen Entfernung vor ihm 
eine Lerche in die reinere Himmelsluft, 
und ihr freudiges Schwirren weckte und 


naͤhrte ſeine bangen aͤngſtlichen Gefuͤhle 


noch mehr. Sehnſuchtsvoll folgte fein 


truͤber Blick der muntern Saͤngerin und 
| ihren leichten Samingungen in dem I 


nen Aether. 


„O daß ich mit dir leicht a d fröhlich | 
dahin flattern und des freien Lebens mit 
dir mich freuen könnte I. — feufjte er 
traurig. — Fuͤr mich iſt dieſe Hoffnung 9 
wiederkehrender Freiheit verſchwunden. 
Finſtere Wolken umfloren die Ausſicht 
meiner Zukunft. Dieſer Schatten bon 


ö Freiheit, den mir Morrino hier vergoͤnnt, 
läßt mich den Verluſt meiner wirklichen 


Sn“ . 4 
„ ae 
8 ——— ED 


— — 3 — 


. 


161 
Ftelheit nur deſto ſchmerzhafter fühlen, Wie 
wird dies alles endlich mit mir enden? 

„Gut, — unterbrach ihn plotzlich 
eine maͤnnliche Stimme in dieſem Selbfts 
geſpraͤche. Erſchrocken blickte er ſich um, 
und er erblickte Pirro, der in der halbge 
oͤffneten Thuͤre ſtand und das Ende ſeines 
Selbſtgefpraͤchs belauſcht hatte. | 
» Erheitert Euern trüben ſchmermuths⸗ 
vollen Sinn — fuhr Pirro freundlich ge⸗ 
gen ihn fort. — Eures Schickſals duͤſtre 
Wolken ſcheinen ſich zu zerſtreuen. Ich 
bin der Bote, der Euch Eure Freiheit ans 
kuͤndigt. Ihr ſeyd frei und könnt gehen, 
wohin es Euch gefaͤllt. « 

„Traͤum' ich oder iſt es Wahrheit? — 
fragte Godwin erſtaunt. — Ich bin frei? 
der Graf läft mich ungehindert ziehen?!“ 
„Ungehindert, wohin es Euch beliebt.“ 


11 


162 
Godwin. Das faffe ich nicht. Bun 
derſeltſam fpielt Laune und Zufall mit 
mir; ſoll ich immer nur der Ball des blins 
den Ungefaͤhrs bleiben! Ich werde ergrifs 
fen, wie ein Verbrecher hierher geſchleppt, 
in den Kerker geworfen und mit den graus / 
famften Martern bedroht, ohne zu wiſſen 
warum. Schnell werde ich wieder der Nacht | 
meines Kerkers entriſſen, gepflegt und be⸗ 
dient wie ein Freund bon diefem Haufe, ö 
und jetzt kuͤndigt man mir (aber meine Frei⸗ 
heit an, ohne die Urſachen von dieſer ſeltſa⸗ 1 
men Wendung meines Schickſals zu kennen. | 
Wer kann hierin Zuſammenhang finden? ö 
Pirro. Gruͤbelt nicht uͤber das Wie 0 
und Warum, ſondern freut Euch, daß es \ 
fo iſt. Niemand wird Euch dieſe Raͤthſel f 
ldſen koͤnnen, und ich geſtehe es offen und ö 
frei, daß ich eine fo ſchnelle und oünfige 


163 


Wendung Eures side nicht vermu⸗ 


thete. 

Godwin. Ahneſt du auch nicht, was 
eigentlich wohl die ſchnelle Sinnesaͤnderung 
des Grafen gegen mich bewirkt haben mag . 
Pirro. Wie vermoͤchte ich das, da 
unſer ſtrenger Gebieter nicht gewohnt iſt, 
uns, ſeinen Dienern, die Urſachen ſeiner oft 
ſehr ſeltſamen Befehle anzudeuten. Viel⸗ 
leicht vermuthete man in Euch eine andere 
Perſon, als man wirklich in Euch fand, und 
uͤberzeugt von ſeinem vorigen Irrthume, 
ſucht der Graf vielleicht den Fehler ſeines 

Irrthums wieder gut zu machen, indem 
er billig genug iſt, Euch ohne Weiteres 
die Freiheit wieder zu geben. 

Godwin. Ich vermag es nicht, eine 
Spur aus dieſem mich umhuͤllenden Dun⸗ 
kel zu finden. Wird es mir vergoͤnnt ſeyn, 


164 
den Grafen vor meiner ei e a: 
mal zu ſprechen? 
Bern Nein „dieſen Wunſch müßt 
Ihr unterdrücken. Der Graf iſt für Nies 
mand mehr zu fprechen. Er hat ſich men⸗ 
ſchenfeindlicher als jemals in jene ſchwarze 
Todtenhalle des Gartens verſchloſſen. Mit 
düſterm finſterm Blick erhielt ich nur mit 
halben Worten von ihm den Befehl zu Eu⸗ 
rer Freilaſſung, und den Auftrag, Euch uns 
verzuͤglich von dief em Schloſſ e zu entfernen. 
Godwin. Ich verſinke immer tiefer 
in Nathſel. Er giebt mir die Freiheit und 
gleichwohl entzieht er ſich meinem Anblicke? 
Iſt dieſer ihm ſo ſehr zuwider? f 
Pirro. Dem Menſchenfeinde iſt der 
Anblick eines jeden Menſchengeſichts ji 
der. Wollt Ihr meinen gutgemeinten Rath 
annehmen, fo benutzt ſchnell die Euch er, 


x 


165 
thellte Erlaubniß, Euch hinwegbegeben zu 
dürfen. Seltſam find die Launen des Gras _ 
fen, ſeltſamer in Stimmungen, wie dieſ e in 
welche er jetzt wieder verſunken iſt. Im Ders 
trauen befenne ich Euch, daß ich der ſchein⸗ 
baren Guͤte des Grafen gegen Euch nicht 
ganz traue; darum benutzt den gegenwaͤr⸗ 
tigen Augenblick, ehe der Graf vielleicht in 
feiner wechſelnden Laune wieder zurück 
nimmt, was er Euch, wie es fehlen, ſehr 
ungern und wider Willen gab, denn wenn 
ich mich nicht ganz in ihm taͤuſchte, ſo | 
glaubte ich zu bemerken, daß ihm der Be⸗ 
fehl zu Eurer Freilaſſung einige Alufivens 
gung koſtete. 

Godwin. Neue ae | / 
Pirro. Wenn ich mich nicht truͤge, 
ſo duͤrftet Ihr leicht Eure jetzige Freiheit 
weniger der Guͤte des Grafen Fals viel 


166 aa 
mehr der thaͤtigſten Verwendung Bodo's 
fuͤr Euch zu verdanken haben. | 
# Godwin. Zu dieſem will ich eilen, 
vielleicht daß er meinen Bitten nachgiebt 
und den Schleier von dieſen Raͤthſeln hin⸗ 
wegzieht. Gleichwohl geſtehe ich, daß ich 
jetzt ungern dieſes Schloß verlaffe und daß 
ich wenigſtens ſehr gern jene ſchwarze Tods 
tenhalle noch einmal beſucht haͤtte. aa 
Pirro. Wo denkt Ihr hin? Keiner 
von den Bewohnern diefes Schloſſes dürfte 
es wagen, ſich dem geheimnißvollen Ge⸗ 
‚ wölbe der Todtenhalle zr nähern. a 
Godwin. So muß ich mich wundern, 
daß ich geſtern auf meinem Spaziergange N 
in dem Garten nach jenem Pavillon mich 
angezogen fuͤhlte und ungeſtraft in jene 
geheimnißvolle Halle eintreten durfte, un- 
e der Graf ſelbſt kurz Rn meinem 


3 
de ö 


„ 


Eintritt zu mir hereintrat und mich dort 
fand. 
Pirro. Wie benahm er ſich dabei, 
als er Euch dort fand? Ä 
Godwin. Seine Miene drückte weht 
tiefe Schwermuth als Zorn aus, und nur 
eine leichte Wolke des Unwillens ſchien 
uͤber ſeine Stirne zu gleiten, als er mir 
mit der Hand winkte, mich zu entfernen. 
Pirro. So gehoͤrt dieſes mit zu den 
Raͤthſeln, welche mir des Grafen Betras 
gen gegen Euch unerklaͤrbar machen. Ein 
Anderer als Ihr wuͤrde dieſe Keckheit ges 
wiß ſehr empfindlich haben buͤßen muͤſſen. 
Gleichwohl moͤchte ich Euch nicht rathen, 
dieſen Verſuch zu wiederholen, zum zwei⸗ 
ten Male duͤrftet Ihr wohl ſchwerlich ſo 
leicht wieder davon kommen; auch wuͤr⸗ 
det Ihr von nun an alle Zugänge zu dem 


168 f | 
Garten und Bi Todtenhalle wieder feſt 
verſchloſſen finden. ; 
Godwin. So bleibt mir r denn fre 
lich nichts übrig, als dem Willen Nes 
a nachzukommen. 
| Pirro. Thut das. Gehabt Euch wohl 
und vergeßt den alten treuer Pirro nicht. 
Godwin. Wie könnte ich das? Ich 
i gehe jetzt als dein großer Schuldner von 
dir. Du biſt mir mit Freundſchaft und 
Zutrauen entgegengekommen, du haſt mein | 
Herz durch freundliche Zuſprache erheitert, 
nimm dafür jetzt meinen waͤrmſten Dank, 
bis vielleicht eine beſſere Zukunft mir ver 
goͤnnt, dir mehr als Worte zu geben. 
Pirro. Laßt das gut ſeyn. Bodo 
hat ſchon im Voraus vergolten; was ich 
auf ſeine eigene Veranlaſſung fo gern für 
Euch und zu Eurer Beruhigung that. 
\ 
| 


< 


| 169 
Gern hatte ich noch mehr fuͤr Euch ge⸗ | 
than, aber ich habe noch andere Pflichten 
als die der Freundſchaft auf mir. Ihr 
geht jetzt zu Bodo; gruͤßt dieſen wackern 
redlichen Freund herzlich von mir. ü 

Godwin druͤckte den alten treuen Freund 

mit Waͤrme an ſein Herz und ging. Pirro 
gab ihm bis an die äußere Pforte des Schloſ⸗ 
ſes das Geleite und winkte ihm noch von 
der Höhe einen freundlichen Abſchied nach. 


| 170 


10. 


Godwin eilte den Felſen hinab und ath⸗ 
mete zum erſten Male wieder aus freier 
Bruſt empor, als er den Fuß deſſelben 
und daß ſich daran anſchließende Thal er- 
reicht hatte. Noch einmal blickte er zurück 


nach der Höhe, von welcher die alten grau- 
en Mauern des Schloſſes, von dem Glan⸗ N 


ze der Morgenfonne umfloffen, herab⸗ 


ſchimmerten, und wie ein buntes abentheu⸗ f 
erliches Gemiſch ſchwerer Traͤume ſchwebte 4 
die Erinnerung der auf Oranto ihn betrofs 4 
fenen Scenen an feinem Geiſte vorüber, 


1 
1 


* 


171 
Mit einem Seufzer, der ſich aus ſeiner Bruſt 
herauf preßte, riß er ſich von dieſen Erinnes 
rungen los, um nun zu überlegen, nach 
welcher Gegend er ſich wenden muͤſſe, um 
Bodo's einſame Felſenwohnung zu finden, 
als er ſich rufen börte, Ueberraſcht blickte er 
ſichum und der kleine Goldo huͤpfte ihm mit 
freudiger Geberde aus dem Kehle ent 
gegen. 
„„Wie kommſt du ie fragte 05 
Godwin. 
i „Ich habe dich hier erwartet,“ fiel 
| ihm der Knabe ein. 
God win. Wußteſt du denn, daß ich 
hierher kommen wuͤrde? 

Goldo. Ei freilich, der Vater hatte 
es mir ja geſagt und mir die Freude ges 
macht mich hierher zu ſchicken, um dich 
bier im Gebuͤſche zu erwarten und dich zu 


172 ? / 3 1 
ihm zu führen. O wie freue ich mich, f 
daß du wieder da biſt! der arme Goldo ö 
hat viel, ſehr viel, um dich geweint. 4 
Godwin. (mit Nüprung.) Guter Kna⸗ N 
be! du nimmſt ſo vielen warmen Antheil ö 
an mir! wie wohl thut es meinem armen ; 
verwaiſten Herzen, mich von einem foggıms 4 
ſchuldigen guten Herzen geliebt zu fühlen, 5 

Goldo. Du bleibſt doch nunmehr bei nns. 1 
Godwin. So lange als es mein Schick 
ſal mir vergoͤnnt. Ach wie gern moͤchte ich i 
auf immer in jener friedlichen Einſamkeit N 
weilen; denn dort in dem Geraͤuſche der 
Welt habe ich nichts mehr zu hoffen und 
nichts mehr zu gewinne. w 
| Goldo. So bleib bei uns, es wird b 

dir gewiß gefallen. Du wirſt ganz ei 
ee und ruhig leben. f “ 

Godwin. Gmendaft) aa — 


173 
Schwerlich wird mein Herz wieder jemals 
Ruhe fühlen; denn auch der letzte fpärs 
liche Ueberreſt derſelben, von truͤgeriſcher 
Hoffnung genaͤhrt / iſt jetzt verſchwunden. 
Goldo. Er wird ſchon wiederkehren. 
Du ſollſt nichts weiter zu befuͤrchten ha⸗ 
ben; der Vater har es geſagt. Die boͤ⸗ 
ſen Menſchen, die dich letzthin von mir 
riſſen und dich fortſchleppten, ſollen dir 
nun kein Leid wieder zufuͤgen, wenn du 
nicht ſelbſt muthwillig die Gefahr aufſu⸗ 
cheſt. Doch komm, komm! der Vater 
wartet mit Ungeduld auf uns. 


Der Knabe nahm ihn bei der Hand 15 | 


und zog ihn mit aͤngſtlicher Eile durch das 
Gebuͤſch nach Bodo's einſamer Huͤtte, vor 
welcher ihm Bodo entgegen kam und ihm 
f traulich die Hand zum Willkommen druͤckte. 

„Wie ſehr freue ich mich, dich wieder 


74 
zu ſehen! — redete Godwin den Greis 


an — noch vor wenigen Stunden Hätte 
ich es kaum zu hoffen gewagt. Doch ich 


brauche dir es wohl nicht erſt zu erzählen, 


was mir ſeit der Zeit, als wir uns das 


letztemal ſahen, begegnet iſt.“ 


Ich weiß alles, fiel ihm Bodo ein; 


— es waͤre deine eigene Schuld geweſen, 
wenn wir uns niemals wieder geſehen 


haͤtten. Doch laß uns das Vergangene 


1 und uns der Gegenwart freuen.‘ 6 


Godwin hatte ſo viele und mancherlei 


Fragen an ihn zu thun, aber Bodo ward 
bei der leiſeſten Berührung ſolcher Gegen 
ſtaͤnde fo ernſt und feierlich zuruͤckhaltend, 
daß er ſich durchaus nicht in ihn finden 


konnte. Sorgfaͤltigſt wich Bodo allen 


Fragen ſeines Gaſtes und jedem Geſpraͤche ö 
über Morrino und das / N was Godwin auf 5 


N 


5 2 

ee 2 R * 
— N 8 — 
u ER — 


175 
Oranto geſehen und gehört hatte, aus, und 
ſein ganzes Betragen gegen Godwin ſchien 
ſo veraͤndert und verlegen zu ſeyn, daß 
dieſer nicht umhin konnte, mit Bitten in 
ihn zu dringen, ihm die Urſache ſeines ver? 
aͤnderten Betragens gegen ihn zu nennen. 
„Junger Mann, — erwiederte ends 
lich Bodo ernſt — rechte deshalb mit dir 
ſelbſt, wenn jetzt eine Scheidewand zwi⸗ 
ſchen uns Beide gezogen iſt, welche mir 
den Zugang zu dir verwehrt, und die ich 
nicht mehr vermag wieder niederzureißen,“« 
Godwin. Biſt du nicht mehr mein | 
Freund? 5 e 
Bodo. (mit Feuer.) Beim Himmel! 
das bin ich, und jetzt mehr als jemals. 
Wuͤßteſt du den Zuſammenhang von dem, 
was geſchah, du wuͤrdeſt des halb nicht 
mehr in Zweifel ſtehen koͤnnen. Ja, Fremd⸗ 


. 176 


ling, ich bin dein Freund; aber ich würde 


nicht mein Freund ſeyn, wenn ich jetzt 


| noch von Dingen ſprechen wollte, deren 


\ 


glaubte in den Hafen eingelaufen zu ſeyn 
und die Auflöfung des verworrenen Knaͤuls 
meiner Schickſale zu erhalten, von Freun 
deshand ſogar wieder aufs neue hinausge⸗ 


traurig! Habe ich nur darum ſo lange mit 
den Wellen meines ungeftümen Schickſals 


lleiſeſte Erwähnung mich zum Verräter, 
x zum Meineidigen machen würden. Du 
ſelbſt Haft durch deine Uebereilung neue be, 


deutende Pflichten mir aufgebuͤrdet, an 


nur das felerliche Geluͤbde, ſie ſtreng und 


gewiſſenhaft zu erfüllen, war das Löſegeld f 
fuͤr deine Freiheit und dein Leben. Meine 
Zunge iſt gebunden, ſie muß ſchweigen. . 

Godwin. Fuͤrwahr, das iſt ſehr ; 


gekämpft damit ich hier, wo ich nun endlich 


177 
ſtoßen werden fol in die undurchdringliche 
Sinfterniß und in die unſichre See des ka 
bens, wo kein n Ares mir 
re 5 

Bodo. (nit Nach mch Er wird dir leuch⸗ 
ten. Doch du ſelbſt mußt dir ihn anzuͤnden. 
Godwin. Wie vermag ich ohne deine 
wu. den Weg zu ihm zu finden ? 

Bo do. Es iſt ein Etwas in dir, deſ⸗ 
fen leiſe Stimme dich m als meine 88 8 
leiten wird. Lo. 

Godwin. Bodo, habe ich dich durch 
e Zurückhaltung erzuͤrnt und 
gekränkt, und kann Vertrauen von meiner 
Seite das deinige mir wieder verſchaffen, ſo 
bin ich augenblicklich dazu bereit, jede ander; 
weitige Beſorgniß zu unterdruͤcken, dich ganz 
offen und aufrichtig mit dem Gange meines 
Lebens vertraut zu machen und den Schleier 


10 


— 


178 
vor deinen Blicken binwegzuzlehen, der die 
Begebenheiten meines Lebens verhuͤllt. 3 
Bo do. (heftig einfallend) Um keinen Preis 
in der Welt moͤchte ich dich jetzt noch dazu 
auffordern, wenn ich als Freund dir rathen 
will. Dieſe Aufrichtigkeit iſt jetzt zu ſpaͤt, jetzt | 
würde fie mit anderweitigen Pflichten zus 
fammenteffen und vieleicht dich verderben. 
Bodo. Verderben? — Unmoͤglich | 
wuͤrde Bodo hierzu die Hand bieten können 5 
und mein Vertrauen ſo mißbrauchen. 
Bo do. Sey unbeſorgt, und uͤberlaß 
| es der Zeitund dem mächtigen Arme des Al N 
les leitenden Schickſals, dich aus dem Dun, } 


5 kel, das dich jetzt umſchattet, heraus und 


in das Helle zu fuͤhren. Daß dieſes gen 
ſchehe und recht bald geſchehen wird, das 
hoffe ich mit feſter Zuverſicht, wenn du 
nicht ſelbſt dem vor ſatzlich entgegenhandelſt/ 


| | 178 
was ich in der Ferne dem Schooße der Zu⸗ 
kunft ſich fuͤr dich entwinden ſehe. 

Godwin. Bas fol mit mir geſche⸗ 
hen? Was kann oder was muß ich thun? 
Wohin ſoll ich mich wenden? 

Bodo. Du biſt dir vor der Ba 
ſelbſt überlaffen und vollig frei und kannſt 
gehen, wohin du ſelbſt willſt, kein Menſch 
wird dich weiter hindern. 

Godwin. Ich bin voͤllig frei? 90 
kann gehen wohin ich auch nur immer will? 
Alſo wohl auch nach jenem fee 
thurme? f 5 . 

Vo do. (mit einigem Unwillen) Frage 
5 nichts mehr / denn ich kann dir keine 
Frage weiter beantworten. Mich duͤnkt, daß 
du bereits genug erfahren habeſt, um auns 
mehr ſelbſt zu wiſſen, was dir gut und heils 
ſam oder nachtheilig ſeyn kann. Ich darf 


180 
dir nichtmehr Guck nicht mehr dich war, 
nen und von Uebereilungen zurückhalten, 
oder die Freiheit deines Willens im Mins 
deſten beſchraͤnken. Thue, handle, wie es 
dir ſelbſt gut duͤnkt; willſt du mich und die 
10 Gegend noch in dieſer Stunde verlaſſen, | 
ſo werde ich es nicht hindern; willſt du 
noch länger bei mir verweilen, ſo wird dies 
ſes mit meinem Wunſche zufammentreffen 
und mir Freude machen, aber rathen darf I 
ich weder zu dem einen noch zu dem andern. 
Godwin. Mein längeres Verweilen 
wird dir Freude machen und mit deinem el⸗ } 
genen Wunſche zuſammentreffen? O wie 
gern befrledige ich dann dieſen deinen 
Wunſch/ der mit den Wuͤnſchen meines Bes 
zens fo harmoniſch zufammenfließt. Ich bleis 
be bei dir, guter Alter. Es gefaͤllt mir ſo wohl 
in dieſem friedlichen Aſyle, daß ich ahl 


—— 


— ig 2 1 
T 
Sr SE 


: RL 181 

Willens waͤre, ſo lange bei dir zu bleiben, 
bis du ſelbſt mich wuͤrdeſt gehen heißen. 

Bodo. Junger Mann, verſprich nicht 


mehr, als du zu erfuͤllen auch im Stande 


5 ſeyn kannſt. Der Menſch und ſein Thun und 
Handeln wird durch Umſtaͤnde beſtimmt, 
die eine hoͤhere Hand weiſe ſo ordnet, daß 
er dadurch freiwillig den Planen des ewigen 
Schickſols gemaͤß handle und die ihm un; 


ſichtbar vorgezeichneten Pfade zum glückli⸗ 


chen Ziele führen. Wenn auch dieſe Pfade 


noch fo lange durch Nacht und Graus und 


duͤſtere Dorngewinde gehen, doch führen fie 
am Ende zum hellen Ziel. Bleib bei mir, ſo 
lange es dir gefällt, du wirft mich ſtets willig 
und bereit finden, dir deinen Aufenthalt 
bei mir ſo angenehm zu machen, als es die 
Umfände mir vergoͤnnen. Nur das Einzige 


bite ich dich: : wenn dir meine Freundſchaft 


/ 


182 | 85 
werth if, ſo beruͤhre nicht wieder gewiſſe 


Saiten, die in meinem Herzen f o widrig klin 
gende Diſſonanzen angeben, und laß uns 


über Dinge ſchweigen, die nur die Zeit dir . 


entraͤthſeln kann. 
Die Unterhaltung nahm baldeeinen trau⸗ 


lichern Ton an. Bodo unterhielt feinen Gaſt 3 


mit der Einrichtung feiner kleinen Haus, 


wirthſchaft und über die Art und Weiſe ſel⸗ 
ner nützlichen Thaͤtigkeit, indem er ihm meh⸗ 


/ 


rere Scenen erzählte, wo es ihm gelungen 


war, bald durch ſeine Zuredungen und Vor⸗ | 
ſtellungen Zwiſte und weitlaͤufige Streitig / 
| kelten in Familien zu ſchlichten, erbitterte 


Gemuͤther gegen einander auszuſoͤhnen und 


die gehaͤſſigſten Feinde zu Freunden zu maß 
chen, bald durch Rath und Troſt Leidende 


im Ungluͤck aufzurichten und ſie mit Kraft 


und Muth neu beſeelt, ſie aus Kummer! und a 


185 

Armuth zu führen, bald durch feine Kennt; 
niß der Heilkraͤfte der Natur und deren Ans 
wendung Kranke dem Siechbette und den 
Pforten des Grabes zu entreißen, und ſo 
auf vielfaͤltige Art e und Segen um 
ſich her zu verbreiten. 

So verſtrich 1 3 mancherlei Eu 
zaͤhlungen und traulichen Geſprachen dem 
Fremdlinge ſehr angenehm. Der Abend 
daͤmmerte endlich heran, als Bodo, nachdem 
er mit feinem Gaſte und dem kleinen Pflege; 
ſohne unter einer hohen Pappel vor der Huͤt⸗ 
te ein laͤndliches Mahl verzehrt hatte, von 
Godwin ſich beurlaubte und ſich entfernte. 

„Wohin mag der Vater gehn?“ fragte 
Godwin den Knaben, als Bodo in dem Ger 
buͤſche des Waldes ſich ſeinen nachſehen⸗ 
den Blicken entzogen hatte. 

»Ich weiß es nicht, 0 erwiederte der 


— 


184 


Knabe. — Es gefchleht ſehr oft, daß er 
; von mir geht und bis tief in die Nacht abs | 


weſend iſt. Bisweilen bemerkte ich, wenn 
der Ton einer Glocke in der Nacht aus der 5 
Ferne herüberfi alte und mich aus dem leich⸗ 
ten Schlummer aufweckte, daß der Vater 

alsdann eilig ſein Lager verließ und hin⸗ 5 


% wegellte. Was aber dieſer Glockenton bedeu⸗ 


ten und wohin der Vater gewohnlich gehen 


mag / das habe ich nie von ihm erfahren. 


Wenn ich anfangs ihn deshalb befragte, er 


hielt ich immer keine beſtimmte Antwort, | 


ſondern mit einer Thräne im Auge ſprach 

er zu mir: Kind, wenn du einſt zum Man⸗ 
ne gereift biſt, dann wird ſich dir dies Al 
9 son ſelbſt Sen Jetzt die nicht, 5 


ö u | 27 


Godwin. Due 0 dieſer Borte ö 


185 
Sinn; aber mich duͤnkt, es liege viel Be 
deutung dahinter verborgen. R 
Goldo. Wir wollen nicht aber 
grübeln, ſondern die Zeit ruhig abwarten, 
die Alles aufklären ſoll und die nicht mehr 
fern iſt / wie noch heute beim Erwachen 
der Vater mich verſicherte, indem er mich, da 
\ ich aͤngſtlich nach dir ihn fragte, mit Unge⸗ 
ſtuͤm an ſich druͤckte und ausrief: „Freue 
dich, Kind! der Schluͤſſel zu den Geheim⸗ 
niſſen der ſchwarz verhuͤllten Tiefe ſcheint 
gefunden zu ſeyn, und auch dir lacht eine 
ſegenvolle Zukunft dann heiter entgegen.“ 
Godwin. Sagte er das? 1 er 
das wirklich? 2 . 
Gol do. So ſagte er allerdings, aber 
ich verſtand es nicht, was er eigentlich ſa⸗ 5 
gen wollte; doch laß das. Du haſt mir 
noch nicht erzählt, wie es dir ergangen iſt, 


186 | \ 
ſeitdem ich dich nicht ſahe. Sage mir es 
Godwin. Wohl und wehe iſt es ab 
wechſelnd mir ergangen, lieber Goldo. 
Goldo. Ach, ich habe viel um dich 
geweint. Wo wareſt du denn und wohin 
| ſchleppten dich denn jene böfen Maͤnner? 
Godwin. Auf das Schloß Oranto 
zu dem Grafen Morrino. 
Golde. Da iſt es dir 855 tor ö 
ſchlimm gegangen? f 
Go dwin. Anfangs allerdings. Ich 6 
ſtreng gefangen in einem finſtern Kerker. 
N G old o. O wenn ich das gewußt hätte! ! 
Godwi n. Nun, 955 Wee du denn 
1 thun wollen? 15 ö 
Gold o. Ich Hätte dich frei gemacht | 
Godwin. Das haͤtteſt du wohl | 
ſchwerlich bewerkſtelligen Eönnen. e 4 


| 187 
Goldo. Ei und doch! Ich hätteden 
Vater gebeten, mich zu dem ſchwarzen Mans 
ne zu fuͤhren, und ich hätte ihn alsdann 
gebeten, daß er dich frei laſſen ſolle. 
Godwin. Wuͤrde er auch wohl auf 
deine Bitten geachtet haben? | 
Goldo. Ganz gewiß. Er ift mir ſehr 
geneigt. Oft, wenn er meinen Vater hier 
in unſrer Einfamfelt befuchte, hat er mich 
liebkoſend auf den Armen gehalten und feis 
ne Freude gehabt, wenn ich ihm die Wange | 
ſtreichelte und durchaus die tiefen Falten, 
welche tiefer Gram auf ſeine Stirne gegra— 
ben hat, weggläaͤtten wollte. Er hat ſich 
oft und viel mit mir beſchaͤftigt, ſich ill 
und in ſich gekehrt an meinen Spielen er 
goͤtzt. Bisweilen aber fuhr er plotzlich bei 
meinem Anblicke wild zuſammen, und wenn 
ich erſchrocken mich ſchmeichelnd an ihn an⸗ 


„„ 
ſchmiegte und ihn fragte: „ Biſt du bose, 


ſchwarzer Mann? Hat Goldo dir etwas 5 


zu Leid gethan a fo ſprach er alsdann mild 
zu mir: „Nein, Knabe, du haft mir nichts 
zu Leid gethan, aber dein Anblick macht boͤſe 


Traͤume in mir rege; drum gehe, gehe Gol; 


do!“ — Wenn mich dann der Vater ſchnell 


von ihm hinwegfuͤhrte, dann hörte ich, daß 


er ihm bisweilen zurief: „Guter Bodo, wie 
gluͤcklich muß der Vater fol eines Kindes 
ſeyn? Wie hoͤchſt ungluͤcklich iſt der, der 
es ſeyn konnte und es nicht ſeyn durfte! 1 5 
Das Alles verſtehe ich nun freilich nicht, 
aber doch weiß ich, daß er meine Bitte, 


dich frei zu laſſen, gewiß würde befriedigt 


haben, denn er iſt mir viel zu gut, und 
laͤngſt ſchon hatte er mich an Kindesſtatt zu 


Es 
33 
9 

N. 
f 


ſich auf das Schloß genommen, wenn der 
Vater mich ihm hätte uͤberlaſſen wollen. 


0 


8 


Kia 


a 


ER TE, 


| 189 
Unter dieſen und aͤhnlichen Geſpraͤchen 
mit Goldo ging der Abend voruͤber und die 
Nacht breitete ihren verſchwiegenen Schleis 
er uͤber die ſchlummernde Welt aus. Vom 
Schlafe überwältigt, begab fich der Kna⸗ 
be auf fein Lager, wo er bald in einen ſanf⸗ 
ten Schlummer ſank. Auch Godwin warf 
ſich auf das fuͤr ihn bereit ſtehende Lager, 
um die Süßigkeiten eines erquickenden 
Schlummers zu genießen, aber die Un⸗ 
terhaltungen mit Bodo und dem kleinen 
Goldo hatten die mancherlei verworrenen 
Ideen, Vermuthungen und baͤnglichen 
Zweifel uͤber die Scenen der vergangenen 
Tage um vieles in ihm vermehrt. Sie ver; 
ſcheuchten den Schlummer von ſeinem Lager 
und hielten ihn wach und nachdenkend. 


3 a IL 


. 


- 


fein Lager und eilte hinaus vor die Hütte, 


3 


i Die Mitternacht war bereits angebrochen, 


lieblich blickte der Mond zwiſchen den Aeſten 
der Baͤume, welche ſich uͤber der Huͤtte 


woͤlbten, durch das niedrige Huͤttenfenſter; 


ruhig und ſanft, wie ein ſchlafender En- 
gel, ſchlummerte Goldo, mit ſeelenvollen | 
Blicken und tiefem Gefühl ruhte Godwins 
Auge auf den Zügen des holden Schlaͤfers. a 
Innig bewegt und von baͤnglichſuͤßen Ges. 1 
fühlen einer leiſe in ſeinem J Innern anfpres 1 
chenden Erinnerung verließ endlich Godwin 


N 
P Die Nacht war ſo heiter und ſchoͤn, die 8 
feierliche Ruhe, die ringsumher in der von 
dem magiſchen Schimmer des Mondes be⸗ 
leuchteten Gegend herſchte, war fuͤr Godwin 
ſo einladend zum Genuſſe, daß er unmöglich 
der Verſuchung zu einem kleinen Spazier; 
gange in den buſchigen Gaͤngen des Wal; 
des widerſtehen konnte. . 
Langſam und in ſich e RER 
er durch die öde Stille der Nacht dahin, und 
unwillkuͤhrlich fuͤhrte ihn ſein ſcheuer Tritt 
in die Gegend des Waldes, wo aus der Baus 
me Dämmerung die weiße Geſtalt des ſtei⸗ 
nernen Bildes von Goldo's Mutter wie ein 
Geiſt der Unterwelt ihm entgegenſchimmerte, 
das Fluͤſtern der vom Winde bewegten Blaͤt⸗ 
ter ſchien die Naͤhe leichter aͤtheriſcher We⸗ 
ſen zu verkuͤnden, die ſich in den mancher⸗ | 
lei grotesken Schattengeſtalten, die fi ch von 


192 | 

dem Zauberſchimmer des Mondes in dem 
Gebüͤſche zuſammenſetzten, zu verkoͤrpern 

ſchienen; das leiſe ziſchende Seufzen des 
Windes durch die Spalten einer alten vers 

witterten Fichte vermehrte das Grauſende 

der Gegend. Von einem widrigen Schauder 

ergriffen, ſchritt Godwin an dem Hügel vor- 
über und nach der Gegend hin, von welcher 

aus der Ferne das Geraͤuſch des Waſſ erfalls 

an dem geheimniß vollen Schreckensthurme 

dumpf heruͤberbrauſ te. Selbſt einem wan⸗ 
dernden Schatten des Grabes ähnlich, wars 

delte er durch das Dickicht in der naͤchtlichen 

Stille dahin, nach einer lichten Stelle des 
Waldes, die ihm das bereinquellende Mon⸗ 

denlicht verrieth, und wo der Wald einen 
kleinen Ausſchnitt bildete, der nach dem 
Ufer des Sees fuͤhrte. Hier ſetzte ſich God⸗ 
win an einem der dort aufgerichteten ſchwar-⸗ 


193 
95 Worlungeſtelne Er den eee 
Raſen. s 
Ein hehres Schweigen, das nur durch 
das Brauſen des Waſſerſturzes an dem Fels 
ſen des Schreckensthurmes unterbrochen 
ward, herrſchte ringsumher. Die ganze Nas ; 
tur feierte fill und eruſt; laue Weſtwinde 
ſpielten leiſe in den fä aͤuſelnden Blättern der 
Baͤume und in dem hohen Graſe am Ufer, 
und unter den Schatten der Bäume huͤpften 
unten die leichten Silberwellen des Sees 
dem Ufer zu. Vom reinen Aether blickte der 
Mond mild und freundlich durch das duͤſtere 
Grau der verſch lungenen Baumaͤſte zu God; 
win herab und verſilberte vor ihm die kryſtal⸗ 
lene Waſſerſaͤule des herabrauſchenden 
Waſſerſturzes, deſſen am Fuße des Felſens 
ſchaͤumend ſich brechende Wogen in leichte 
kraͤuſelnde Wellen zerfloſſen, die plaͤtſchernd 
13 


194 Bi 
zwiſchen dem niedrigen Geſtrippe am Ufer 
hindurchſchluͤpften und um die Steine des 
Felſenufers ſpielten, waͤhrend, gleich liebli⸗ 
chen Traumbildern, die Sterne auf den kraͤu⸗ 
ſelnden Ruͤcken der Silberwellen ſich wieg⸗ 
ten. Tiefe Ruhe, wie die ein es ſanft Schlum⸗ 
mernden, lag über die Gegend verbreitet, 
nur Godwin's Inneres konnte dieſe Ruhe 
nicht theilen. Eine bängliche Beklommenheit 
engte ihm die Vruſt, und ſein auf die grauen 
Mauern des Schreckensthurms geheftetes 
Auge verriet die verworrenen ‚Gefühle, 
die fein Herz in Unruhe erhielten. 
Mit hoher Erwartung lauſchte er, daß 
der wehmuͤthige, f anft klagende Geſang der 
Wr vorletzten Nacht wiederholt aus dem Thur⸗ | 
me zu ihm heruͤbertoͤnen werde, doch kein 
Laut war zu vernehmen, und ſelbſt die ſchmei⸗ ! 
chelnden Nachtwinde, die mit feinen Locken 


\ 


| 195 
fpielten, ſchienen ihren Athem an ſich zu hal⸗ 
ten, um das hehre Schweigen der ſchlum⸗ 
mernden Natur nicht zu unterbrechen. 

Schwankend in ſeinen Entſchluͤſſen, und 
ungewiß mit ſich ſelbſt, ob er das Wagſtuͤck 
jener Schreckensnacht noch einmal beginnen 
und einen Verſuch, ſich dem Thurme uns 
been, wiederholen, oder ob er es unterlaffen 
ſolle, kaͤmpfte in ſeinem Innern. Eine war⸗ g 
nende Stimme in ſeinem Buſen ſchien ihm 
davon abzurathen, aber die Verſuchung war 
zu ſtark, und die ringsumher herrſchende 
5 Stille, die keinen verſteckten Lauſcher fuͤrch⸗ 
ten ließ / ſchien zu guͤnſtig für das Wagſtuͤck, 
als daß er es hätte fo leicht aufgeben koͤnnen. 
Schon war er im Begriffe, daſſelbe zu begin; 
nen, als er ſeitwaͤrts in dem Gebuͤſche in einer 
kleinen Entfernung einige männliche Stim⸗ 
men vernahm, die ſich zu nähern ſchienen. 


4 


lag. Das Raſſeln der Kette, mit welcher 


. 
+ Ueberraſ cht blickte er nach der Gegend 


hin / als zwei männliche Geſtalten ſich durch 
das Dickicht hindurch wanden und dem Ufer 
des Sees ſich naͤherten. Forſchend blickte 
Godwin nach dieſen nächtlichen Wanderern 


bin, und kaum wagte er ſeinen Augen zu 
trauen, als er in Beiden, von dem Glanze 


des Mondes beſtrahlt / Bodo in der Geſell⸗ 
ſchaft des Grafen Morrino erkannte, wel; 


chen etztern ſeine ſchwarze We 
kenntlich machte. N 
Godwin druͤckte ſi ch tiefer hinter den 


| ſchwarzen Stein, an welchem er ruhte, in 


das hohe Gras, und belauſchte unbemerkt 
die Scene. Beide gingen jetzt das ufer 


des Sees hinab, der Stelle zu, wo der 


bekannte Nachen im Geſtraͤuche verſteckt 


der Rachen am ufer befeſtigt war, vertief 


197 
Godwin, daß derſelbe losgekettet werde, 
und wenige Augenblicke darauf ſah er Bon 
do und Morrino auf der ſpiegelnden Waſ⸗ 
ſerflaͤche des Sees hinuͤber und dem Schrek⸗ 
kensthurme zurudern. 5 0 
Verwunderungs voll blickte er den . 
lchen Schiffern nach, bis ſie in der Ferne 
an dem Fuße des Felſens hinter dem her⸗ 
abſtuͤrzenden Waſſer verſchwanden. 
Von bangen Ahnungen und Vermu⸗ 
thungen mächtig ergriffen, flog ſeine Seele 
hinuͤber nach dem Thurme, und gern hätte 
er in dieſem Augenblicke Alles darum auf, 
geopfert, wenn er jetzt auf dem Fittig der 


lauen Nachtwinde hätte hinübergleiten und 


die Geheimniſſe dort belauſchen fönnen, de⸗ 
ren myſtiſches Dunkel eben jetzt bielleicht 
gelichtet ward. Allein wenn ſich auch ein 
zweiter Nachen feinen Blicken gezeigt hatte, 


1 


198 8 
der ihn Hätte aufnehmen und hinuͤber nach 
dem Thurme führen koͤnnen, f o wuͤrde den⸗ 
noch die Gegenwart des Grafen und deſſen 
zu fuͤrchtende wuͤthende Rache ſeinem kuͤh⸗ 
nen Entſchluſſe/ dieſe Fahrt zu wagen, wie 
ein furchtbarer Rieſe entgegengetreten ſeyn 
und ihn davon zurückgeſchreckt haben. 
Sorgſam lauſchte Godwin umher, ob 
er vielleicht von der Naͤhe des Thurmes 
heruͤber etwas vernehmen koͤnne; doch kein 
| leifer Laut drang zu ſeinem Ohre, Alles 
war wieder ſtill wie zuvor, dle ringelnden 
a Wellen, welche die Furchen das Kahns 
zuruͤckließen, indem er den See durchſchnitt, 
waren wieder verſ chwunden, und ruhig lag 
die Spiegelfläche des Sees wieder ti 
feinen Ufern. RR el 

Vergebens hoffte Godwin, die beiden 
nächtlichen Schiffer wieder zurückkehren zu 


199 
ſehen; ohnt weiter etwas von Bodo oder 
Morrino zu erblicken, ſchlichen die Stun 
den der Nacht dahin. In duͤſtern Traum⸗ 
gebilden der Phantaſie uͤberraſchte ihn end⸗ 
lich der Schlaf, und verhinderte ihn, weiter 
zu bemerken, was um ihn her vorging. 


* 5 


* 


— | ; | g 
200 . 5 
15 Dr 


Der junge Tag war bereis erwacht und 


N das brennende Morgenroth glühte durch R 


die verſchlungenen Aeſte der Bäume im 


Walde heruͤber und vergoldete die grauen 


Mauern des alten Thurmes und die dar 
über herabſtroͤnende Waſſerfluth, als ein 


leichtes Klopfen auf die Schulter Godwin 


aus ſeinem Schlummer aufweckte. Er 
ſchrak auf und erblickte den kleinen Goldo, 
der ſich uͤber ihn hinbeugte und ihn zu er 


muntern ſuchte. Zuͤrne nicht, wenn ich deinen 5 


Schlummer flörte, redete ihn der Knabe anz 5 


201 

mir war bange um dich, als ich dich bei meis 
nem Erwachen nicht in unferer. Wohnung 
und nicht im Walde traf, und der Vater 
ſchickte mich hierher, um dich aufzuſuchen. 

„„Wo iſt dein Vater?“ fragte Godwin. 

5 „Er erwartet dich dort unter den Zypreſ⸗ 
ſen auf dem Grabeshuͤgel meiner Mutter,“ f 
antwortete Goldo, indem er ſich an Godwins 
Arm dug und ihn Bu das Bet ch mit ſich 
fortzog. 5 
An das ſteinerne Si von Goldos Mut 
ter gelehnt und in Nachdenken verfunfen, 5 
traf Godwin dort ſeinen alten Freund Bodo 
auf dem Huͤgel, der ihm die Hand entge⸗ 
5 genreichte, als er ſich demſelben mit einem 
| freundlichen Morgengruſſe näherte, 
„Du unterhaͤltſt dich mit den Todten?““ 
3 fenge Godwin. n 
| „Sage liabe mit den aus den RN 


202 
ſungen der Todten neu aufkeimenden Hoff i 
| nungen und Freuden;“ erwiederte Bodo. 
Godwin. Giebt das Grab t ng A 


Freuden zuruͤc k!! e 


Bodo. Die höchſten u ad begluͤckend⸗ | 
ften für die Zukunft; oder meineſt du, daß 
hier an den Geſtaden des Todes, wo die 
Stürme des Lebens verhallen und die Wa 
gen menſchlichen Elendes ſich brechen, mit 
des Lebens dahin fliehender Kraft auch der 
Goͤtterfunken in dem Menſchen, der den 
Staub belebt, verlöfchen und das hohe Stück 


deffelben verſchwinden könne? Aus dem 
Grabe, aus den Rainen der Verheerung ent- 


wickeln ſich neue Generationen hoͤherer Voll⸗ 19 


8 kommenheit. Gegenwaͤrtig verſteigen ſi 0 4 


jedoch meine Wünfge und Hoffnungen 
nicht bis in die Gefilde der Zukunft über 5 
dem Grabe, fie verweilen nur an der Erde 


205 
Godwin. Wird dieſe noch deine Wins 
g ſche und Hoffnungen befriedigen und Freu | 
den fuͤr dich aus dem Grabe War nen 
aufſproſſen laſſen. e 
Bodo. Jede Sonne bringt neue Freu⸗ 
den und neues Gluͤck mit ſich auf die Erde, 
und nahe ihrem glanzvollen Aufgange iſt 
die Sonne, die mir und dir neue hohe 
Freuden mit ſich bringen wird. Schon ver⸗ 
kuͤndet der milde Schimmer Aurorens den 
fanft aufdaͤmmernden Tag unſers neu erwa⸗ 
chenden Gluͤcks. (m Tone hoher Begeiſterung.) 
Ich ſehe die duͤſtern Wolken, die Aurorens 
goldnen Schimmer bisher verhuͤllten, ver⸗ 
ſchwinden! ich ſehe ſie hervorbrechen, ihren 
Glanz mit Selenens ſanftem Silberlichte 
vermiſchen, und, von dem heitern Aether; 
glanze einer glücklichen zur Gegenwart ges 
reiften Zukunft erwärmt, Gräber ſich öffs 


| a0. 8 
nen und aus denſelben neues Gluck und “ 
neue höhere: Freuden hervortreten. e 
u; Godwi n. Fuͤr mich gluͤht kein Mor 
genroth neuer Freuden mehr empor. 6 
rig zurückgefunker) Euch,, entflohene ſchöne 
Tage/ weckt kein Morgenroth. ka Me 
hin und todt iſt todt! ee 
Bodo. Hoͤre die ermunternde Stim⸗ 
me der Freundſchaft, kleinmuͤthiger Zweif⸗ a 
ler, hebe deinen Blick muthig und froh 
empor, hold wie jener blendende Glanzauro; a 
rens, der dort durch das Gebuͤſch gluͤht, wird 
eine ſchoͤnere Aurora bald deine Wangen vs, 
then und in deinen wenden ARM 
ſich ſpiegelnn. er 
| Godwi n. Ich berſebe dich nicht, Bol, 
ken, ſchwarz und duͤſter/ wie die eines furcht / 3 
f baren Unwetters, verhuͤllen meine Aus ſicht; 
mehr als jemals tappe ich im Finſtern umher 


205 


5 und aͤngſtlich klopft von ungewiſſen Zweifeln 


5 


beſtuͤrmt mein Buſen der Zukunft entgegen, 
aber gleichwohl dringt dieſe deine dunkelſin⸗ 


nige Verheißung wohlthaͤtig zu meinem Her⸗ 
zen. Dein Blick, der Blick eines Verklaͤrten, 


| der hohe Ausdruck des Entzuͤckens in deinen 


Mienen und Worten giebt deiner Rede 
Kraft, und leiſe ſpricht fühe Ahnung ſchwach 
aufdaͤmmernder Hoffnung in meinem In; 


nern an. Bodo, du wuͤrdeſt ein hohes Ver 
dienſt um mich dir erwerben, wenn du dieſer 


dunkeln Ahnung Gewißheit geben wollteſt. 


Bodo. Cernſt und bedeutend) Du vers 
langſt mehr, als ich gewähren darf. Was 


mein Blick lieſt in den Sybilliſchen Büchern 


des Schickſ als, das muß die Zukunft auf das 


Geheiß des ewigen Schickſals ſelbſt entzif⸗ 


fern, das ungeſtraft ſich nicht in ſeine Rech⸗ 


te greifen läßt, Dir ſelbſt wird es aufbes 


206 


halten ſeyn, ie Entzifferung der wage 
zu beſchleunigen. 

Godwin. Du verſenkſt mich in de 1 
ſto größere Raͤthſel. 

Bo do. Ceinfallend). Die alle ein 2 
loͤſen wird. Doch laß uns dieſes Geſpraͤch 
abbrechen und des ſchoͤnen Morgens uns 
freuen. Eigenſinnig ſind die verborgenen 
Maͤchte des Geſchicks, ihren geheimen tief 
verſchleierten Willen vor der Zeit verrathen, 
würde nur ihren Groll rege machen. I 

habe meine Abſicht erreicht, wenn ich durch 
den dunkeln Sinn meiner Worte deinen 
Muth fuͤr die Thaͤtigkeit, welche die nahen⸗ | 
de Zeit der Enthüllung deines Schickſals 
von dir heiſchen moͤchte, neu belebte und | 
dir Kraft ertheilte, im etwanigen Sturme 
aufrecht zu ſtehen und nicht zu wanken. | 

Er faßte Godwin bei der Hand ei 


207 
führte ihn mit ſich aus dem Dickicht heraus 
in das Freie. 5 . 

Rlingsumher war Alles Leben. Im ſcön, | 
ſten Schmucke des Morgens lag die blühen . 
de Landſchaft vor ihnen da, lachende Wief en 
breiteten ſich wie ein grüner Teppich über 
die Gegend aus, und wechſelten mit goldnen 
Feldern, die, vom ſanften Athem des Win⸗ 
des bewegt, den beobachtenden Blicken in 

leichten Wellen entgegenwogten. Auf frucht 
baren Hügeln huͤpften muntere Heerden, und 
leichtfuͤßige Ziegen klimmten an den angren⸗ 
zenden Felſen empor. Die Schallmeie der 
Hirten ertoͤnte durch das Blürhenthal und 
weckte das Echo in dem Walde; alles ringss 
umher ſchien nur eine gemeinſchaftliche 
Stimme zum Aufrufe zur Freude und zum 
hohen Genuſſe der bluͤhenden ee... 
We zu haben. 0 


0 185 Dinge aus. 


208 . 
An Godwins Innerm ſchien dieſer Auf⸗ 
ruf kalt voruͤberzugehen, es ward von andern 


baͤnglichen Gefuͤhlen bewegt, welche Bodos 


vorige Rede in ihm erweckt hatte. Doch ver; 


gebens blieb ſeine Bemühung, das Geſpraͤch 


wieder auf die vorigen Gegenftände zu leiten 5 
und Bodo eine deutlichere Erklaͤrung abzu⸗ 0 
gewinnen; dieſer beharrte Über dieſes Alles | 
auf dem ſtrengſten Stillſchweigen, und 
wich ſorgfaͤltig jeder 5 0 een dies . 


sn 


So oft Godwin einige Augenblick für 
ſich ſelbſt erhaſchen konnte, zog ihn ein duch 
les Gefuͤhl nach dem Ufer des Sees hin, um 4 
dort ſeinem Nachdenken ſich uͤberlaſſen zu a 


koͤnnen und den Entſchluß in feinem Innern 
zu befeſtigen, die Geheimniſſe des Schrek; 


kensthurmes zu erforſchen. J In dieſem Nach. | 


denken verſunken, si er ſi ch jetzt age 


7 

0 
1 
i 
Ne 
3 
3 
1 
. 
A 
I 


209 
ben Stele wieder in das Gras gelagert, 
wo er in der verwichenen Nacht Bodo 
und den Grafen auf ihrer Waſſerfahrt 
nach dem Thurme belauſcht hatte. Eine 
Guitarre, die er bei Bodo fand und ihn auf 
ſeinen Spaziergängen begleitete, war auch 
jest ſelne Unterhaltung. Den Blick auf 
den Thurm geheftet, ſpielten ſeine Finger 
nachlaͤſſig in den Saiten, und ihre weh⸗ 
muͤthigen Akkorde weckten die Erinnerung 
ſeiner dahingeſchiedenen Jugendfreuden 
mit neuer Lebhaftigkeit in ſeiner Seele, 
und feine wehmuths vollen Gefuͤhle loͤſten 
fi bald in Worte auf. Von den Akkor⸗ 
den der Guitarre begleitet fang er ſchwer j 
aufathmend: e 

Koſend wie des Frühlings fanfte Lüfte, 

oſig, wie Aurorens Purpurſaum, 

Lahend / wie des Maien Blüthendüfte, a 
14 ü 


„„ 5 Me 
Rann er bin, der Kindheit goldner Traun; 
Schwand auf ewig in die Dammerungen, 
Wo, von kalter duͤſtrer Nacht verfehtungen N 
Hingewürgt⸗ vom Zahne grauer Zeit, Nr 
Modert meines Lebens Seligkeit. 5 
e In ſchwermüthigen Diſſonanzen 
verhallten die Molltöne der angefchlas 
genen Saiten, als ſchnell eine andere s 
männliche Stimme in dem NEN vn 
fiel: A N v 
| Doch es ſcwebt aus u See 
nr Von dem ſchoͤnſten Morgenroth umglübt, 
Durch, die weite Flammenbabn der Sterne, 
i x Wie der Tag, wenn er eee 
Sanſt ein ‚Genius auf Bephoreflägeln 
Auf des Dulders Pfad. Von Biumenbügeln 
Sauſelt mild fein Gehehithaudh. herab, 
45 und reicht ihm der Hoffnung Zanberfab, 
ueberraſcht blickte Godwin ſich um, 


"iR 


211 
und Bodo trat aus dem Gebuͤſche hinter 
ihm hervor und 0 RAR laͤchelnd 
eee N | 
Ohne jedoch ein weiteres Gespräch 
hierüber anzuknuͤpfen, welches fo leicht 
auf die Gegenſtaͤnde, deren Erwähnung | 
Bodo ſo ſorgfaͤltig auszuweichen ſchien, 
haͤtte fuͤhren koͤnnen, ließ es Bodo blos 
bei einer flüchtigen Ermahnung zur Hoffe 
nung der gluͤcklichern Zukunft bewenden, 
und fuͤhrte ihn mit ſich durch das Geſtraͤu⸗ 
che fort, indem er ſagte : „Das iſt kein 
Dit, der die jetzt einige Zerſtreuung ger 
ben und deinen trüben Blick aufheitern ö 
koͤnnte.“— „Doch iſt es gerade der Ort, 
fuͤr welchen mein Inneres ſo vieles Inter- 
eſſe fuͤhlt, nach welchem es mich maͤchtig 
und unwiderſtehlich hinzieht,“ fiel ibm Gods 
| win ein, indem er ſich noch einmal nach 


sr 


21 


dem Thurme anblick und aus ſeinem 
Auge der Entſchluß ſtrahlte, ſich durch 
Nichts von der Erforſchung der Näthſel * 
jenes Thurmes abſchrecken zu laſſen. „ 
6 Bodo ſtarrte ihn mit ſcharfem, durch⸗ 
i dringende Blick an, und ſchien Godwins 
| Entſchluß in ſeinen Blicken zu leſen, aber 
keine Sylbe verrieth einiges Mißderguü 3 
g gen oder einigen Tadel über dieſen Ent 
ſchluß. Er ſchwieg, und nur ein Geufs | 
zer, der ſich aus feiner Bruf heraufpreßte, ö 
ä und ein ſeelenvoller Blick ſeines ſich zum 3 
Himmel erhebenden Auges ſchien ein ge 
| wiſſes aͤngſtlich sbanges Gefuͤhl bei ſeiner 
| gemachten Bemerkung zu verrathen. 5 | 
Unter mancherlel traulichen Geſpraͤchen ee 
mit Bode und dem kleinen Goldo, welcher i 
Letztere ſich gar nicht wieder von Godwin 4 
trennen wollte, ſondern ihn auf jedem 


ER 
re 


213 
Schritte wie fein Schatten begleitete, um 
ihn von der Gegend zuruͤckzuhalten, die 
für ihn gefährlich. war, ſchlichen Gods 
win die Stunden des Tages dahin. Dank⸗ 
bar ſegnete er den letzten ſcheidenden Blick 
der Sonne, als dieſe endlich hinter den 
Wolken hinabſank und die Nebel der Daͤm⸗ 
merung in dunkeln Maſſen ſich über das 
Thal und langſam zu den Gipfeln der Hüs 90 
gel und Felſen empormälgten , die Ferne 

ſich in dunkle Schatten huͤllte und der Mond 
langfam in Oſten heraufſchwebte. Se 

Mit dem Eintritte der Nacht nahm 

Bodo einige heilende Kräuter zu ſich und 

entfernte ſich um; wie er fagte, feinem 

kranken Freunde, dem Eigenthuͤmer eines 
kleinen Vorwerks in der Nähe, zu Hülfe 
zu ellen. Godwin konnte unmoͤglich der 

Versuchung widerſehen, ſich ſelbſt davon 


* 


214 
zu überzeugen, wohin Bodo gehe. Er 
ſchlich ihm daher in einiger Entfernung 
nach, und bemerkte mit Vergnügen, daß 
er den vorher genannten Weg einfchlug. ; 
Godwin eilte daher in die Huͤtte wieder 
zurück. Der kleine Goldo lag noch wach 
auf feinem Lager, und wollte durchaus 
nicht eher vom Schlumm er ſich überwaͤl⸗ 
tigen laſſen, als bis Godwin ſich zur Rus 
he begeben hätte, weil er, feinem Ge, 
ſtaͤndniſſe gemäß, befürchtete, daß Gods 
win ſich wieder nach der Gegend am See 
ſchleichen und dort wieder von den boͤſen 
1600 Männern ergriffen werden moͤchte. So ö 
ſehr ſich auch Godwin uͤber dieſe liebevolle h 
Beſorgniß des Knaben fuͤr ſich freute, 1 
ſo ſehr wuͤnſchte er auch wieder auf der 3 
andern Seite f jetzt von dieſem aufmerk, 
ſamen Tiobaiie befreiet zu tm 


5 215 
Er ſtellte ſich men ſchlaͤfrig / und 
warf ſich auf das fuͤr ihn bereitſtehende 
Lager. Beruhigt uͤberließ ſich nun der 
Knabe dem Schlummer, den er nur mit 
Anſtrengung bis hierher von ſich zuruͤck⸗ 
‚gedrängt hatte. Kaum bemerkte Godwin, 
daß der Kleine feſt ſchlafe, ſo erhob er 
ſich wieder ſtill von ſeinem Lager und 
ſchluͤpfte leiſe d geraͤuſchlos zu der Thuͤ⸗ 
re hinaus, und eilte durch die Stille der 
Nacht dahin, dem en des Sees er 
dem e enen 


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MEIN: 1 3. 2 8 Sa > Er Fi 2 N EN 


& war eine ſchoͤne angenehme Mond, 
nacht. Leichtes wollichte Gewoͤlk gleitete 
an dem dunkelblauen Aether dahin „durch 


er en leichten filberfarbenen Schleier der. 
Mond halb verſteckt hinduchfalüpfte und 
einen abwechſelnden daͤmmernden Schim. 4 


mer über die Gegerd-verbreitete. 


Schuͤchtern trat Godwin aus dem Ge 1 
bͤſche heraus und forſchend durchflog ſein 2 
Auge die Gegend, doch weit umher herrſch⸗ 
te ein tiefes Todesſchweigen, das nur 
durch das Geräuſch des Waſſerſturzes am 


S 


70 d Se 


F 


n 2 2 ee 
OEL REDNER te yet ns 


8 
. 
n 


; 3 217 
Schreckensthurme und das Fluͤſtern des 
Windes in den Blaͤttern der Bäume uns 
terbrochen ward, und einſam klagte in 
dem Gebuͤſche eine "Rage Ipee 1 
muͤthigen Toͤne. 

* Mitternacht war bereits vorüber und 
an einen der am Ufer des Sees aufges 
richteten ſchwarzen Steine gelehnt, lauſch⸗ 
te er, ob ae zn der mitternaͤchtlichen 


Todtenglocke ſich würde hören laſſen, doch 85 


Alles blieb ſtill wie zuvor. Langſam ſchilch 
er an dem Ufer dahin, um zu erforſchen, 

ob vielleicht ein Beobachter in dem Gebuͤ⸗ 
ſche verborgen ſey , doch nirgends war die 
Spur eines Menſchen zu entdecken. 

Sein Auge ſuchte den bekannten Na⸗ 
chen und entdeckte ihn leicht, wie er frei 
und losgekettet zwiſchen den ihn beſchir⸗ 
menden Geſtraͤuch am Ufer ſich auf den 775 


* 


* 


218 Ron: 
plaͤtſchernden Wellen ſchaukelte. Leb⸗ 


haft ſchwebte ihm die Scene jener Un⸗ 


glucksnacht vor, die ihn an dieſer Stelle 


in die Hände von Morrino's verborgenen 


Aufpaſſern fuͤhrte, und von un willkuͤhr⸗ 


lichem Schauder ergriffen, blickte er ſich 


nach den etwa hervorſpringenden Berräs 
thern um, indem er ſich dem Abhange des 


ufers näherte. Mit ungewiſſem Schritt 
ſchwankte er vorwärts, und in dem ſtaͤr⸗ 
kern Schlagen ſeines Herzens ſchien eine N 


treue innere Stimme ihn zuruͤckhalten zu 
wollen. Unentſchloſſen ſtand er da und 


blickte über die Waſſerflaͤche des Sees nach 
dem Thurme hinuͤber „da ſchlich in einem l 


ſanften Fluͤſtern der wehmüthige Geſang, 


den er ſchon juͤngſt bemerkt hatte, n 


} 
j 


4 


dem Thurme herüber zu ſeinem Ohre; 7 


und dieſe klagenden Toͤne weckten ſeinen a 


* 


219 
Entſchluß auf's neue und e ſeinen 
Muth. 0 
„Komme was da wolle, — ſprach er 
entſchloſſen zu ſich ſelbſt, — es ſey ge⸗ 
wagt; — und kuͤhn ſprang er hinab in 
den ſchwankenden Nachen. 

Alles blieb noch ſtill, wie zuvor, ſelbſt | 
die lauen Nachtwinde ſchienen ihren Athem 
an ſich zu halten kein Luͤftchen bewegte 
den See, und die Brandung des Waſſer⸗ 
falles am Felſen verlor ſich nur in leichte 
Wellen, die langſam dem Ufer zuwallten, 
und auf ihren kraͤuſelnden Ruͤcken das 
Bild des Mondes wiegen: © 
Mit raſchem Muthe ſtieß Godwin den 
Nachen vom Ufer ab, den eine unſichtbare 
bülfreiche Hand zur Begünstigung ſeines 
Unternehmens von der Kette, womit er 
an dem ufer befeſtigt war / losgemacht zu 


8 . 
haben ſchien, und langſam ruderte er über | 
die kryſtallene Flaͤche des Sees dahin. * 
naͤher e er dem Thurme kam, um ſo deut / 2 
licher vernahm er auch die Akkorde einer N 
Guitarre, in deren wehmuͤthigen Nach 
klang der vorige Klaggeſang verhalte, und 
die wirklich aus dem e herüber g 
drangen. > e 
| Nach einer kleinen Yanfe etönten die 3 
| angeſchlagenen Molltöne der Guitarre aufs 1 
neue, und jetzt fiel eine fanft klagende 4 
weibliche Stimme in diefelben. ein. Von 4 
hohen bänglich füßen Erinnerungen ver- 
gangener Zeiten durchſchauert, glaubte 
Godwin kaum ſeinen Ohren trauen zu duͤ⸗ 1 
fen als er jetzt dem Thurme naͤher ganz 1 
3 deutlich folgenden ihm ſehr bekannten weh 1 
muͤthigen Geſang vernahm: 5 2 1 
Als mein Leben voll Blumen bing, 


“ 


und ich im fliegenden Kleide 

Laͤchelnd der Zukunft entgegen! ging, | 

Da Honite mein Buſen voll Hoffnung und 

. Freude. 

Doch bin 10 bin und todt iſt todt! Ä 

Euch, entflohne ſchoͤne Tage, 

Weckt kein Morgenrotb 25 | 

Hin if Bin 105 an in i 
aus, 990 ee dein m um⸗ 

wand, 

Ale ich in been Stunden 

Endlich wieder den Theuern ande 2 

Da heilten ſie alle, die blutenden Wunden. = 

Doch bin iſt hin und todt iſt tobt! n 

um das Grab der trauernden Melee 

Glaͤnit kein Morzenrotb i a 

Hin iſt hin und tobt iſt but: | 


e 


2 


222 
 Ztoßfos fed ich so tiefen een 
Einſam in bangem Eimatkens N 
Brich, o du armes verwaiſ'tes Her, 
und ſuche dir Frieden im Reiche der Schatten. 
Ach hin iſt bin und tobt iſt todt! ” 
Schimmre bald auf meinem Hügel, 1 
Sanftes Morgenroth! 
Hin iſt hin und todt iſt tobt! | 
Mit geſpannter Yufmerkfannfeit Rand 
Godwin horchend in dem Nachen an dem 
Abhange des Felſens / maͤchtig und voll 
5 hoher Ahnung klopfte ſein Herz, und jeder 
Ton des ſchwermuͤthigen Geſangs hallte 


ſtark und kraͤftig in feinem Innern wies 
der. Der Geſang verhallte ſchweigend in 


die nachhallenden ihn begleitenden Diſſo⸗ 


nanzen der bebenden Saiten der Guitarre 


2 
. 


70 
a 
* 

9 


4 


und mächtig von dem Gefühl feiner neu 


auflebenden frohen Hoffnung dau ſazmen 1 


225 
fiel er in den vorigen Geſang ein, indem 
er denſelben durch die folgende Strophe 
in der vorigen ihm ſo bekannten Melodie, 
aber durch einen küſchben durch Durtoͤne 
fortgefuͤhrten Gang begleitete. | 
Diurch das Grauen der Mitternacht 
Fuüͤhret nach langem Ermatten je 
Uns der Liebe bezaubernde Macht, 
Die Frende zurück aus dem Reiche der Schatten. 
Neu verjüngt durch Grab und Tod, 
um das Grab der trauernden Liebe, 
Glaͤnzt das Morgenroth) 
en der Liebe Machtgeboat. 
Kaum hatte Godwin dieſen Geſang ans 
4 enen ſo erſchien eine weiße weibliche 
Geſtalt oben an dem Gitterfenſter des 
| Thurmes welche den unbekannten Saͤn⸗ 
ger mit dem Ausdrucke des hoͤchſten Eu 
ſtaunens zu betrachten ſchien. 


% 


J es etwas Wirfliches, was mein 
Auge erblickt? — rief Godwin der Ge 
ſtalt zu / iſt eben in dir und biſt du 
ein menschliches Velen, das hier unter 
Schrecken des Grabes in dieſer furchtbaren 
Wildniß das Leben vertrauert, ſo gieb 
Rede! ſage mir, wer du biſt und wie iR 
zu helfen if.‘ JJ 
N *Ich moͤchte dir dieſe Fragen IR ; 
geben, — fluͤſterte eine weibliche Stimme | 
herab, — doch ſey wer du willſt, kuͤhner 
Beiträge, helfen kannſt du mir nicht 
N nimm meinen Dank für deinen guten Wil⸗ 
len und entferne dich ſchnell. Verrätherei 


und M ordſucht lauſchen ringeumher und ; 


} 


jedes Geſtraͤuch hat Ohren. Fuͤrchte die 
Argliſt meiner verſteckten Lauſcher!“ 
Ich fürchte weder dieſe beiten 
noch ihre Mordſucht und Veiter 5 


„ 


5 Ä 225 
fiel Godwin ein. Nicht vergebens will ich 
den mancherlei mich umringenden Gefahr 
ren Trotz geboten und mein Leben gewagt 
haben. Jaſſe Muth, ungluͤckliche / ich ers 
80 als Retter, als Helfer!“ | 
15 „Umſonſt! — ſeufzte die Geſtalt. — 
Du verſchwendeſt vergeblich deine Kraft 
und deinen Muth an den ſteinernen Rippen 
dieſes Thurmes. Schloͤſſer und Riegel 
und die Starke dieſer Mauern 1885 dei⸗ 
ner Kraft.“ 

| „Laß ſehen! — erwiederte Godwin. 
— Ich fuͤhle in meinem Arme die Kraft 
eines Rieſen und Muth genug in meiner 
Bruſt um dieſen Felſen gegen den Him? 
mel zu ſprengen und es mit der Hölle ſelbſt 
edges um deine Rettung zu voll; 
enden. = | 

»Was in das 2 — fuhr er e 

16 


226 | | 
| fort, als er in der Nähe des Thurmes 
. vernahm. — Biſt du nicht 
allein? — ich höre ein Geräuſch.! “ | 
RE bin allein, — antwortete die | 
Geſtalt, — und das Geraͤuſch, welches 
ich vernehme, iſt der Wind, der durch 2 
Riſſe dieſer Mauern ziſcht. 
Eine grauſende Muſi Ei — ee 
f Godwin. | - N 
„Die ich leider nur zu ſehr gechehe | 
bin, — unterbrach ihn die Geſtalt, zu 
doch horch! — mich duͤnkt, ich hoͤre in der 
| Naͤhe meines Kerkers ein duͤſteres Geräuf ch, 
das wohl nicht das Heulen des Windes 
| feyn möchte. — Fliehe! fliehe e 1 
| 150 ehe es zu ſpaͤt wird.“ 
Godwin befeſtigte den Nachen an dem 
Selfenufer und flieg hinauf. — „Sen ung 
au um mich! — rief er der egal 


u 
— — 


| 227 
zu, — laß mich handeln! unmöglich kann 
ich dieſen Ort ſo wieder verlaſſen, wie 
ich hergekommen bin. Ich bin ſehr bes 
gierig, die Hefage ai ge zu 
wiſſen. “ | 

Leiſe ſchlich er nach der d Sin, 
von welcher das bemerkte Geraͤuſch herzu⸗ 
kommen ſchien / und erſtaunt ſah er, daß 
die kleine eiſerne Thuͤre, welche den Ein⸗ 8 
gang des Thurmes verwahrte „von den 
leicht herabhaͤngenden Schloͤſſern und Niet 
geln befreiet / offen fand, und daß der 
Zugwind mit derſelben fpielte und dadurch 
jenes Geraͤuſch veranlaßte. a 

„Freue dich, Ungluͤckliche! — rief God⸗ 
win hinauf, — fühle von neuem Muthe, 
von froher Hoffnung dich belebt! Eine uns 
ſichtbare menſchenfreundliche Hand begüns 
ſtigt mein Beginnen. Die Schloͤſſer und 


en 
Riegel des Eingangs ſind d 
ie hängen frei herab, die Thuͤre mien 
Kerkers iſt offen. ; | 
O dann fliehe, kuͤhner Seen 
2 die weibliche Stimme aͤngſtlich sr f 
b ſaͤume nicht, hinter dieſer ſcheinba⸗ 
u ee enz deines Unternehmens 
lauſcht ſi ſicher Verrath und geheime Tuͤcke.“ 
J fürchte weder den einen noch die 
andere, — rief Godwin entſchloſſen aus / 
ich hoffe zu Gott, der mich als Retter dir 
ſendet und bis hierher meinen Schritt 
durch die mich umringenden Gefahren lei⸗ f 
tete, den Weg zu dir zu finden und d wah 
rare zu vollenden.“ 
Mit gefaßtem Muthe fie er er gegen die 
Shtre, mit widrigem Ton ſeufzte ſie in 
ihren Angeln und klirrend flog ſie auf, 
e Modergeruͤche hauchten ihm bei 


2 229 
ſeinem Eintritte entgegen, und mit vorge⸗ 
haltenen Haͤnden ſchritt er durch die dicke 
undurchdringliche Finſterniß hin, die ihn 
umgab. Eine Mauer hemmte feine Schrit; 
te; und ein moderiger Lufthauch, der an 
feiner Wange hinſtrich , verrieth ihm, daß 
eine Oeffnung in der Mauer ſey. Er 
tappte im Finſtern an der Mauer hin, 
und fand eine zweite ebenfalls nur leicht 
angelegte eiſerne Thuͤre ' die ſich unter 
dem Drucke feiner Hand knarrend oͤffnete 
und ihn zu einer ſtellen ſteinernen Treppe 825 
führte, welche nach der Höhe hinaufging. 

Mit ſchuͤchternen Schritten ſchwankte 
er bedaͤchtig uͤber dle morfchen. zum Theil 


zerfallenen Stufen hinauf und fand nun 


als er die Hoͤhe erreicht hatte, unentfchlofs 
fen da, nach welcher Seite er ſich wenden 
ſollte. „Ich bin gluͤcklich bis hierher vor | 


230 

gedrungen, — rief er aus, — jetzt gieb 
mir ein Zeichen, Unglücklicher wenn du in 
der Nähe bift, wo ich dich finde.“ 
„Hier bin ich! — ſeufzte eine weib | 


Ache Stimme feittwärts durch eine Thuͤre, 


welche ein matter durch das Schlüsselloch 
derſelben hindurch dringender Waile 
5 mer ihm verrieten. 

Godwin fand zur Vermehrung feiner. 
| Verwunderung / auch an dieſer Thuͤre die 
Riegel hinweggezogen, die daranhängen⸗ 
den Schloͤſſer geöffnet und die Thuͤre ſelbſt 
nur leicht eingeklinkt. Er oͤffnete ſie und 
trat in ein duͤſtres ſteinernes Behaͤltniß, | 


das von dem ſchwachen Schimmer einer 


Lampe matt erhellt ward, und in e 
Winkel gepreßt, erblickte er eine weibliche 
Geſtalt im langen weißen geichenkleide, 
welche dem Hereintretenden ſchuͤchtern und 


231 
mit ER Ausdrucke aͤngſtlicher bien 
entgegen blickte. 

Ueberraſcht prellte Godwin bei dem 
Anblicke dieſer bleichen, mehr einem Schat⸗ 
ten der Unterwelt als einem lebenden We 
ſen ahnlichen Leichengeſtalt zuruͤck. Mit 
ſtarrem Blick war ſein Auge auf fie gericht 
tet, doch wie von einem plöglichen Donner 
durchſchuͤttert, ‚rief er aus : „Ihr Maͤchte | 
des Himmels! — S elena? a 
du ? — biſt du es wirklich? — 

5 Von dieſem Zurufe durchbebt, ſchwank 
te fie näher, und mit einem unartikulirten 
Ausrufe der entzuͤckenvollſten Ueberras | 
ſchung ſtuͤrzte fi ſie in Godwins nach ao aus 
gebreitete N 


* 
Lex 
63 
© 


* 


. e e 


PS Im 


Erd und Himmel ſchienen ſich jetzt vor 
den trunkenen Blicken der ſich wiederfin⸗ 
denden beiden Liebenden in entzuͤckenden 
Kreiſen zu drehen. Ihr Mund ſchwieg, a 
aber ihre ganze Seele ſprach deſto lauter 
und vernehmlicher in ihren Blicken; in 3 
hoͤrbaren Schlägen ſtuͤrmten ihre Herzen 
in einer langen feurigen Umarmung eins 
ander entgegen, bis denn endlich der erſte 
heftige Sturm der Empfindungen ſich all⸗ 
mählig legte, die uͤberraſchten Sinne ſich 


\ 233 
aus ihrer Betaͤubung ſammelten und Bei⸗ 
der Gefuͤhle in Worte ſich aufloͤſen konnten. 
„Selena!“ — ſtammelte Godwin, 
indem er ſie in einer wiederholten Umar⸗ 
mung mit feurigem Ungeſtüm an ſich 
ſchloß. — „Du lebſt! Du wirſt mit 
wiedergegeben? du ſchlummerſt nicht in der 
Todtenhalle von Oranto? — Welches 
Wunder hat dich mir erhalten?“ ; 
Nein, mein Geliebter, ze fluͤſterte 
Selena mit ſeelenvollem Ausdrucke tiefge⸗ 
fuͤhlter Wonne, indem fie ſich mit Innig⸗ 
keit an ihn anſchmiegte,— ich ſchlummere 
nicht in Oranto's Todtenhalle; ich bin dir 
wiedergegeben. Ich lebe, aber ein ſchreck⸗ 
liches Leben, ſchauderhafter als zehnfa⸗ 
cher Tod — hier in 8 8 5 ee 
Oede. . 
| »Und was entriß dich dem Wa mit 


— 


234 
05 welchem die ganze Gegend Rn 1 Ä 
iur Godwin. E 5 
„Die Rache des Grafen, der einen 
ſönelen Tod im Verhältniß mit dem mich 
) befchuldigten Verbrechen als Wohlthat fuͤr 
mich betrachtete, und mich hier zu langſa⸗ 
men Qualen aufſparte, erwiederte Selena. i 
a Der Wuͤtherich!“ — rief en | 
ſchaudernd. f 17 
„Treu dem Gelübde, das ich .die 
mein Geliebter in der Stunde lone, 
hafter Trennung, um dich der Rache des 
Grafen zu entziehen, ablegte, — fuhr | 
Selena fort, — ertrug ich gern und wil⸗ i 
lig den Haß und die Rachfucht des belei⸗ | 
digten Gemahls, ertrug ich gern Kerker 
und Schmach und Schande. Ein offenes / 
freies Geſtaͤndniß wuͤrde mich dem allen 
entzogen haben, aber die Folge davon 


| 235 
wuͤrde dein Verderben geweſen ſeyn, und 
ſo bebte ich doppelt vor dieſem Meineide 
zurück, ich duldete und ſchwieg. Ich war 
lebendig todt und begraben in dieſen 
Mauern; doch alles, was ich hier Jahre 
lang erduldete und litt, wiegt dieſer Aus 
genblick des unverhofften Wiederfindens 
auf. Cindem ſie ihre Arme um feinen Nacken 
ſchlingt und ihn freudig an ſich drückt.) Ich 
habe dich wieder! dich, der mir theurer 
als mein Leben iſt! und keine Macht der 
Erde ſoll nun faͤhig ſeyn, dich wieder aus 
meinen Armen zu reißen.“ 1 
Bis ich ihn herausreiße! donnerte eine 
N Stimme den Wonnetrunkenen zu. 5 
Erſchrocken fuhr Godwin empor, und 
mit einem Aus rufe des heftigſten Ent, 
ſetzens ſank Selena in Godwins Arme zu⸗ 
ruͤck und verbarg ihr Geſicht an feinem 


„„ 15 1 
Buſen, als der Graf Morrino mit ſchreck⸗ 
lich drohender Geberde und ee | 
den Augen hereintrat. e 
In dieſe Schlinge gingſt du at 
Boͤſewicht!“ — donnerte er mit Re 
fluͤgelter Stimme Godwin entgegen. — f 
f Jetzt ſollſt du mir ſo leicht nicht wieder | 
entwifchen wie damals, als du in den 
Armen jener Treuloſen mich um meine Ruhe 
| und mein häusliches Gluͤck beſtableſt. “ 
Bodo draͤngte ſich ch jetzt hinter dem Gras 
fen hervor und an ſeine Seite, indem er 
dieſen von Godwin und Selenen zurück j 
“ bielt. „Gedenkt eures Verſprechens — 
| redete er ihm zu, — mäßige noch Euern 
Grimm! Ich habe Eure gräfliche Ehre zum 
| > Unterpfande, daß Ihr mir es aberlaſen ö 
1 den 9 0 . = 2 


az n. a 


2 
r 


Er 


For N ya 


N . 237 
Auflöfung ? — erwiederte der Graf zornig. 
Sagt nicht dieſer Anblick deutlich genug, 
daß meine Vermuthung Wahrheit war, 
und daß dieſer Fremdling der Nichtswür; 
dige wirklich ift, den meine gerechte Rache 
ſo lange vergebens ſuchte? — Sieh hin! f 
liegt die Buhlerin nicht noch jetzt in feiner 
verbrecheriſchen Umarmung? f 

„Die heiligſten Bande, welche die 
Gottheit ſelbſt um unſer beider Herzen 
ſchlang, heiligen dieſe Umarmung, die Ihr 
verbrecheriſch ſcheltet — erwiederte Gods 
win mit gefaßtem Tone. Er Ich bin in 
Eurer Gewalt, entrinnen kann und werde 
ich Euch nicht wieder, aber wage es Nie- 
mand, ſich mir zu nähern, der nicht mehr 
als ein Leben zu verlieren hat. (er zieht eis 
nen Dolch aus dem Gürtel und schwingt ibn 
drohend gegen den Grafen.) Nur der Tod ſoll 


238 a 
mich wieder aus den ie Meiner um 
glücklichen Schweſter reißen. gr 

Graf. im Tone der beſtiaßen uber 
ſchung) Der Schweſter? — | | 

Godwin. Meiner armen, unſchuldig 
gemißhandelten ungluͤcklichen Schweſter, 
die alle Qualen Eurer Grauſamkeit fehwelb - 
gend duldete, um mich, ihren ungluͤckli⸗ | 

chen f von Euch verfolgten Bruder, Eurer 
| Rache zu entziehen. Je bin der a 
liche Guido Beverini. ER 

Graf. Beverini? — e 

Bo do. Nun, Motrino 2 — Wb 
ſagt Ihr nun? 

Graf. Gerechter Gott! wie Sar 
pen fällt es mir von den Augen. Laßt mir 
Zeit / mich zu ſammeln. Ai f 

Guido. u Bodo) Du wußteſt 400 
vermutheteſt wenigſtens, wer ich ſeh/ und. 


239 
gebrauchteſt die Maske der Freundſchaft 2 
nur dazu, um mir dieſe Schlinge zu legen 
und mich in das Verderben zu locken? 
(ſchmerzhaft) Das ahnete ich nicht! Mens 
ſchengeſichter ſind Larven, Edelmuth und 
Freundſchaft ſind zum Spielwerk von Boͤß⸗ 
ſewichtern herabgeſunken! Wehe dem, der 
noch Zutrauen für Menſchen hegt! 
Bodo. Gemach! halte deine Vor, 

wuͤrfe zurück! ſte ſi nd et und 15 5 
mich nicht. | 

Mit Ungeſtuͤm draͤngte ſich jetzt der 
Graf zwiſchen Bruder und Schweſter, ins 
dem er Selenen aus Guidd's Armen ems 
porhob und fie aus ihrer Ohnmacht zu er⸗ 
muntern ſuchte. „Selena! — rief er mit 
herzerſchuͤtterndem Ton, — Weib! armes 
ungluͤckliches Weib! erwache! — o, helft 
mir fie ermuntern! — fie ſtirbt! ?! 


240 : 
Matt ſchlug Selena die Augen auf, mit 
verſtoͤrtem Blick ſtarrte fie um ſich her, und 
i heftig ſchauderte ſie zuſammen/ als ſie ſich 
in den Armen des Grafen erblickte. 
ö 25 Gott fen gepriefen ! rief der Graf aus. 
Sie lebt! fie wird mir wiedergeſchenkt!““ 
Mit verhuͤlltem Geſicht war Selena 
in des Grafen Arm zurückgeſunken und 
ſtreckte ihren Arm nach ihrem Bruder aus. 
| „Du wendeſt dein Auge von mir bin, 
weg / — fuhr der Graf fort, — du ſreckſt 
deine Hand nach dem Bruder aus? — 
| hat nur dieſer noch Antheil an daun 
5 Herzen / ſo nehme er dich hin nds 9 
a „Wo bin ich? — Wenne Selena, 
| ag aus einem tiefen Traume e, 


242 


nicht mit dieſem herzzerſchneidenden Jam 
merblicke an, der mich wegen meiner ſchreck⸗ 
lichen Taͤuſchung und Ungerechtigkeit anz 
BAR Mein ſchrecklicher Anklaͤger iſt in mir. 

Selena. Höre ich recht? — er 
ich dieſer Umwandlung trauen? Pi 

Graf. Du darfſt es! — Das Sie 
gel deiner Verſchwiegenheit iſt gelöft, arme 
Dulderin! er ſelbſt hat es zerbrochen, den 
ich als Ehebrecher, als Raͤuber meiner 
Ruhe und meines häuslichen Glucks vers 
folgte, und in welchem ich jetzt den un 
gluͤcklichen Bruder umarme. 

Er riß Guido mit Hagen in feine 
WW 

„Morrino!“ — rief Guido verwun⸗ 
dert — „welche ſchnelle Umwandlung? — 
Ihr haßt mich nicht mehr? Ihr umarmt 
den Moͤrder Eures Sohnes, den Ihr ſo 
lange auf das Grauſamſte verfolgtet? ee 

Graf. Laß das! — ich umarme den 

16 5 


* 


unglücklichen Bruder meines ae 
Weibeg,, der dieſes mir wiedergiebt. 
dieſem Kuſſe nimm meine Verzeihung Fe 
das Gefchehene und ein gaͤnzliches Vergeſ⸗ 
ſen deſſelben. Zeit und Nachdenken und 
mein Unglück haben mich über jene Aufs 
tritte anders denken gelehrt. Mein Sohn 
Enrico war — (ſchnell abbrechend, mit tiefer 
Webmuth) Doch erlaß mir ein Geſtändniß, 
das dem Vater ſchmerzhaft ſeyn muß. Ru⸗ 


he und Verzeihung der Aſche des Vollen 


deten! — Hilf jetzt mir das Herz deiner 
Schweſter wieder gewinnen. 5 

Selen a. (indem fe mit n 
Entzücken ihre Arme um finen® Nacken ſchlingt) 
Morrino!l - 5 

Gul do. Guter Gott! — Das faſſe 10 | 
nicht! — Wem verdanke ich dieſe fehnelleg 
| ee meines Verfolgers? 1 

Graf. Der Alles heilenden ee und 
Diefem hier. Cauf Bodo ieigend) 


Guido. Dir, Bodo? So habe ih 
dir vorhin unrecht gethan? ln 35 

Graf. Ohne ihn und ſeine kraͤftige 
Verwendung und Ermahnungen waͤret Ihr 
Beide, du und Selena, laͤngſt en ein 
Opfer meiner Rache. 

Guido. Was bewog dich, edler Greis, 
u unferer fo thätig anzunehmen ? 

Bo do. Konnte ich weniger für die uns 
bintec Kinder meiner Schweſter thun? 2 
Cer wirft den falſchen Bart und das falſche, 
ſein Gef rt beſchattende Haupthaar von fh) 
Erkennt in mir Euern 1 0 c bin ans | 
an .. 5 


N 
wir 7 


| 15. 15 


Er war es ſ. elbſt, der redliche Orbizo, der in 


1 dieſe ihn unkenntlich machende Kleidung ſich 


gehuͤllt hatte, um feiner unglücklichen Nichte 
zu Hülfe zu eilen und ihr Troſt zu bringen. 

Troſtlos bejammerte er den Verluſt ſei⸗ 
ner geliebten Pflegetochter, als dieſe ihm 
durch die Miethlinge des Grafen war ges 
waltſam entriſſen worden. Vergebens bot 
er Alles auf, um die Rauber oder eine Spur 
von ihnen zu entdecken, und zu entdecken, 
wohin fie Selenen moͤchten gebracht haben. 
Traurig kehrten die ausgeſandten Boten zu⸗ 
ruck, ohne die geringſte Spur von Selenen 


\ 


33 ; 
245 
oder ihren Raͤubern entdeckt zu haben, und 
der Schmerz des guten Alten grenzte an Ver⸗ 
zweiflung, und machte ihm feinen bisherigen 
Aufenthalt, wo ihn Alles umher an ſeine 
geliebte Pflegetochter erinnerte, zur Hoͤlle. 
Mit dem feſten Entſchluſſe, Selenen 
wieder zu finden, verkaufte er ſein friedliches 
Landgut, und fo wanderte er am Wander- 
ſtabe, auf gut Gluͤck, im Vertrauen auf die 
Vorſehung in die Welt hinaus. Vergebens 
hoffte er jedoch von dem einen Tage zum 
andern, einige Kundſchaft von Selenen 
zu erhalten; kein Menfch, wohin er ſich 
auch wandte, konnte ihm auf ſeine Fragen 
und Erkundigungen Antwort geben. Trau 
rig und mit Seufzern begruͤßte er jeden 
Morgen und jeden Abend, wenn er mit 
wunden Füßen und erſchoͤpften Kräften 
hier und dort in einer laͤndlichen Hüte 
einkehrte und ſich ein Nachtlager erbat. 
Lange ſchon war er in fruchtloſen 


246 8 


Nachforſchungen eth t als er end» 
lich in dieſe Gegend kam, wo ihn krank 
und auß erſt erſchoͤpft ein alter ehrwuͤrdiger 
Klausner, der menſchenfreundliche Ariſto, 
in ſeine Klauſe aufnahm, ihn pflegte und 
wartete, und ihn nach einer langanhalten⸗ 
den Krankheit, durch feine beſondern Kennt 
niſſe der Pflanzen und Kraͤuter und nn 
Heilkräfte; dem Tode wieder entriß. 
Sein menſchenfreundlicher Wirth und 
Arzt ward bald ſein Freund, und Beide 
fuͤhlten ſich taͤglich mehr und mehr voll 
Zutrauen an einander gekettet, ſo daß ih⸗ 
nen gegenſeitig ihr Umgang unentbehrlich 
ward. Sie theilten ſich wechſelſeitig ihre 
Schickſale mit, und die innige Theilnahme 


des edelmuͤthigen Ariſto an dem Kummer 


ſeines Freundes, uͤber Selenens Schickſal, 
trug Vieles dazu bei, denſelben zu ver 
mindern. Ariſto ließ es nicht allein dabei 
bewenden, ſeinen trauernden Freund zu 


247 
troͤſten und durch feine freundfchaftliche Zus. 
ſprache in ſeinem Kummer aufzurichten, 
ſondern er ließ es ſich auch eifrigſt angele⸗ 
gen ſeyn, ſich wegen Selenens und ihres 
Bruders auf Kundſchaft zu legen: 
Nach manchen vergeblichen Verſuchen, 
etwas von der einen oder dem andern zu 
erforſchen, gelang es ihm endlich, Sele⸗ 
nens Schickſal auszukundſchaften und zu er; 
lauſchen, daß ſie f eit kurzem in den Mauern 
des Schloſſes Oranto eingekerkert ſe . 
Aus Schonung gegen ſeinen Freund 
Orbizo verſchwieg er jedoch dieſem einige 
Zeit lang dieſe Nachricht, die deſſen noch 
ſo ſchwaͤchlicher Geſundheit ſehr leicht hätte: 
nachtheilig werden koͤnnen. Er ſuchte ihn 
vielmehr durch mancherlei Beſchaͤftigungen 


zu zerſtreuen und von den ihn beunruhi⸗ 


genden Gegenſtaͤnden abzuziehen; indem 
er ihn an feiner gemeinnuͤtzigen Thaͤtigkeit 
Antheil nehmen ließ, ihm feine Erfahrun- 


N 


* 


248 


ger und Kenntniſſe in der en mit; N 
theilte, und ih nur allmaͤhlig auf die Nach 
richt von Selenens traurigem Schickſale 
vorbereitete, bis er endlich ſein Ende nahe 
fuͤhlte, und er wenige Tage vor ſeinem 


3 Freunde Alles entdeckte. 


Thraͤnen des liefgefuͤhlteſten 


ne und des Danks übergab Drbizo \ 


die Ueberreſte ſeines dahin geſchiedenen 
Freundes dem Schooße der Erde, und zog 


nunmehr ſelbſt auf genauere Kundſchaft 


nach Selenen aus. Hier ward er durch 


die Trauerpoſt uͤberraſcht, daß die un- 
glückliche Selena der Härte ihres Schick 
ſals unterlegen habe, und durch den Tod 


von ihren Leiden befreiet worden ſey. 


Mit tobendem Schmerz im Bufen über 


dieſen doppelten Verluſt kehrte Orbizo ein- 
ſam und verlaffen in frine Eindde zurück. 
Kein freundlicher Strahl von ſchmeichelnder 

Hoffnung lichtete das furchtbare Dunkel ſei⸗ 


. 


r 


- 249 
ner Seele, und ſein liebſter Aufenthalt war 
auf Ariſto's Grabe, wo er mit Gedanken 
an dieſen und an Selenen und an ihr bei⸗ 
derſeitiges gluͤckliches Wiederſehen in den 
Gefilden der Unſterblichkeit ſich beſchaͤftigte. 

In tiefe Trauer und Wehmuth vers 
ſenkt, war er einſt eben im Begriffe, tief 
in der Nacht von Ariſto's Grabe nach ſei⸗ 
ner Klauſe zuruͤckzukehren, als er tief in 
dem Gebuͤſche auf einen Mann ſtieß , der 
ſchuͤchtern durch das Dickicht hindurch⸗ 
ſchluͤpfte, und auf einem engen bufchigen 
Pfade durch das Gebuͤſche hindurch dem 
nahegelegenen See Averno zueilte. Orbizo 
eilte ihm nach, und kam eben an den See, 
als der Unbekannte ſich in einen an dem 
Ufer befeſtigten Nachen warf und dem 
Schreckensthurme zuruderte. 

Orbizo folgte dem naͤchtlichen Schiffer 
mit den Augen, bis er an dem Fuße des 
Thurmes ſich ſeinen Blicken entzog. Leiſe 


230 
ſprach die Vermuthung in ſeinem Innern 
an, daß dort vielleicht irgend ein ver⸗ 
ſtecktes Bubenſtück verborgen liege, und 
auf den ſchwellepden Raſen hingelagert, 
erwartete er die a 05 e 
r ten. RE 

Dieſer erſchien endlich Wire und abel | 
Orbe zu bemerken, wollte er wieder durch 
das Gebuͤſch zurückeilen, ale ihm Orbizo 
ſchnell in den Weg trat und ihn anhielt. 
Ueberraſcht ſchrak dieſer heftig zuſammen; 
doch ſeine Ueberraſchung und ſein Schreck 
verlor ſich bald wieder, als ihn Orbizo 
anredete und er in dieſem den ehrwuͤrdigen 
Klausner dieſer Wildniß und feinen Der 
kannten erkannte. Nicht weniger ward 
Orbizo angenehm uͤberraſcht, als er in 
dem Unbekannten Pirro, den alten treuen 
Diener des menſchenfeindlichen Morrino, 
erblickte, der bei naͤchtlicher Weile die als 
todt beweinte Graͤfin in ihrem oͤden Kerker 


* 


2510 
mit Speise und Trank verſorgte, und eben 
= dieſes Geſchaͤft beſorgt hatte. 

Nur noch vor kurzer Zeit hatte Orbizo, 
als Klausner Bodo, dieſen Pirro dem 
Siechbette wieder entriſſen, und die Dank⸗ 
barkeit fuͤr dieſen wichtigen Dienſt öffnete 
Pirro jetzt ſehr bald den Mund uͤber das 
Geheimniß des Schreckensthurmes. 
Mit freudiger Verwunderung vernahm 
Orbizo, daß feine ungluͤckliche Nichte noch 
lebe, und daß die Nachricht von ihrem 
Tode nur von dem Grafen erdichtet wor⸗ 
den fen „um den Plan ſeiner Rache gegen 
Selenen deſto ungeftörter ausführen zu 
koͤnnen, und alle etwanige Nachforſchun⸗ 
gen nach ihr zu vereiteln. Orbizo wuͤnſchte 
angelegentlichſt, Selenen ſelbſt zu ſehen 
und zu ſprechen, und von ihr zu erfor 
ſchen, in wie fern ſie wegen des ſie be⸗ 
ſchuldigten Vergehens ſchuldig fey, oder 
nicht, und ob ihr gegenwaͤrtiges trauriges 


8 
— 5 — 


Loos verdiente Strafe ſey; allein ſo gern 
ihm auch Pirro hierzu Gelegenheit vers: 
ſchafft hätte, fo mußte er dennoch noth⸗ 
gedrungen davon abſtehen, da überall die 
geheimen Auflaurer des Grafen im Gebuͤ⸗ 


ſche verſteckt lagen und die Gegend auf 


das aufmerkſamſte beobachteten. | 


Dennoch fand Orbizo- mit Beihuͤlfe des 


treuen Pirro bald darauf Gelegenheit, ſich 
in den Schreckensthurm einzuſchleichen; ins 


dem er das Gewand eines Ordensgeiſtli⸗ 


chen mählte, und ſich in dieſer Verkleis 
dung Selenen naͤher brachte, ohne von ihr 


erkannt zu werden, um fie über den Ver⸗ 


luſt ihres Kindes zu troͤſten. 


Der Schein war zu ſehr gegen Sele; ; 
nen, und ihr ſtrenges Stillſchweigen über 


die wahre und eigentliche Beſchaffenheit 
des ihr zum Verbrechen gerechneten Um 


gangs mit jenem Fremdlinge ſprach zu 


deutlich fuͤr die Beſchuldigung des Grafen 1 


253 
gegen fie, als daß fie Orbizo hätte ent 
ſchuldigen oder rechtfertigen koͤnnen. Mit 

ſchauderndem Unwillen ſahe er auf die 
vermeinte Verderbtheit des Herzens ſeiner 
vor dem fo unbeſcholtenen und tugendhaf- 
ten Nichte hin, und ſein empoͤrtes Gefuͤhl 8 
war ſo heftig, daß der Ausbruch deſſelben 
ihn beinahe gegen Selenen verrathen hätte, 
wenn er nicht ſchnell ſich geſammelt und 
ſeinen aufbrauſenden Unwillen hinter dem 
gerechten Eifer des beleidigten ſittlichen 
Gefuͤhls des Dieners der Gottheit verſteckt 
haͤtte. Selena ertrug die Vorwuͤrfe des 
ehrwürdigen Geiſtlichen mit Geduld, und 
koante unr mit Thraͤnen antworten, weh 
che das Mitleid Orbizo's rege machten, 
und ihn aufforderten, ſich der ungiädtis 
chen Gefallenen anzunehmen und ſie durch 
ſanfte Troͤſtung in ihrem e 
AR Schmerz aufzurichten. 
Um Selenen u weſentlichere Dim 


254 


leiſten und fie öfter ſehen und fprechen zu 
koͤnnen, ſuchte ſich Orbizo dem Grafen 


Morrino zu nähern und ſich in fein Zus 


trauen einzuſchleichen. Nach vielen und 


mannichfaltigen fruchtloſen Verſuchen und 


Bemuͤhungen gelang es ihm endlich, ſeine 


a 


Abſicht zu erreichen; indem er des Grafen 
Eigenheiten des Charakters fo gut zu bes 
nutzen wußte / daß dieſer, nach der erſten ! 
Bekanntſchaft, bald in dem alten einfieds 
leriſchen Waldbewohner Bodo den Mann 
zu finden waͤhnte, der mit ihm ſelbſt feine 
menſchenfeindlichen Geſinnungen theilte, 


indem derſelbe eben fo viele traurige Erfah⸗ 


rungen, als er, von der Bosheit und Heim 
tuͤcke der Menſchen geſammelt zu haben 
ſchien, um dieſe und die Welt auf immer zu ! 
fliehen. Genug, der ſchlaue Bodo fand ſehr 
bald den Weg zu Morrino's Herzen, und 


„wußte ihm feinen Umgang ſo werth zu ma⸗ 


chen, daß er ihm bald unentbehrlich ward. ; 


235 
Bodo gab dem Grafen ſelbſt Einfhläs 
a wie er vielleicht den unbekannten Ders 
‚führer feiner Gemahlin erhaſchen koͤnne, 
indem er in der Vorausſetzung, daß jener 
vermeinte Rauber des haͤuslichen Glücks 
Morrino's einmal wieder in die Gegend 
zurückkehren werde, um Nachrichten von 
Selenen einzuziehen, den Rath gab, über; 
all geheime Auflaurer aus zuſtellen, und 
jeden Voruͤberwandernden anzuhalten, in 
die zunaͤchſt gelegene Burg des Grafen zu 
fuͤhren, ihn dort gaſtfreundlich zu bewir⸗ 
then und ihn auszuforſchen ob er viel⸗ 
5 der Gehaßte fen. e 
Der Graf genehmigte nicht allein dies | 
Yen: Vorſchlag, ſondern trug Bode auch 
ſelbſt dieſes Geſchaͤft auf, nicht allein die 
Gegend des Waldes, ſondern vorzuͤglich 
auch den See Averno mit ſeinem Schrek⸗ 
kensthurme zu belauſchen; indem er ihm 
zugleich freien Zutritt zu Selenen verſtat⸗ 


256 | 

tete, und ihm uͤbertrug, fie ſtreng zu be⸗ 
obachten, fie über die bewußte Angelegen⸗ ; 
heit auszuforſchen / und ihr bei ihrer abs 
wechſelnden immer mehr und mehr zuneh⸗ 

menden Kraͤnklichkeit Huͤlfe zu leiſten. 

Am dieſes Letztere deſto beſſer zu bewerk⸗ 
ſtelligen, ließ Bodo oben auf dem alten 
zerfallenen Thurme eine Glocke anbringen, 
deren Strang zu Selenen hinabging, ſo 
daß fie dieſe Glocke anziehen und ihm da- 
durch ein Zeichen geben konnte, wenn die 
Arme ſeines aͤrztlichen oder freundſchaftli⸗ 
chen Rathes oder ſeines Schutzes beduͤrfe. 
Argleich unterhielt er ſelbſt die abenteuer 
lichen Gerüchte von dem Schreckensthurme 
und die mancherlei Maͤhrchen von der Tod⸗ 
tenglocke / um jeden Vorwitzigen deſto mehr 1 
davon entfernt zu halten. 
Ohne von Selenen erkannt zu weden 
war Bodo ihr als theilnehmender Freund N 
zur Seite. en Seufzer und ihrer seh 


257 


nen ſumme Klagen ish feinen aufnerk 
ſamen beobachtenden Blicken ſehr bald, wel⸗ 
cher Kummer an ihrem armen Herzen nage, 
und naͤhrten die Vermuthung immer mehr 
und mehr in ihm, daß des Grafen Be 
ſchuldigung einer verbrecheriſchen Treulo⸗ 
ſigkeit ſeiner Gemahlin auf einem Irrthu⸗ 
me beruhe, den er aber auf keine Art zu he⸗ 
ben im Stande war, da Selena auf ſeine 
deshalb wiederholten Ermahnungen, Vor⸗ 
ſtellungen und Bitten um ein offenes frei 
muͤthiges Bekenntniß mit Thraͤnen in ihn 
drang, dieſer Gegenſtaͤnde ferner nicht zu ge 
denken und ihr unverbruͤchliches Stillſchwei⸗ 
gen zu ehren, das keinesweges Eigenſinn 
oder Furcht vor größerer Strafe, ſondern 
Pflicht ſey, welche ein feierliches Geluͤbde 
eines ewigen S tillſchweigens ihr auflege. 
Bodo ſaͤumte nicht, den Grafen mit 8 
feiner Vermuthung von Selenens Unſchuld 
bekannt zu machen, und dieſer hing noch 
18 a ee 


1 


258 | N 
vlel zu ſehr mit Zaͤrtlichkeit an ihr, als daß 
er nicht dieſe Vermuthung hätte einiger 
maßen in ſich aufnehmen ſollen. Gleichwohl 
erlaubten ſeine beleidigte Ehre und ſein 
Stolz nicht, auf eine bloſe Vermuthung, 
ohne uͤberzeugende Beweiſe, Selenen Ver⸗ 

zeihung und Freiheit zu ſchenken; aber um 
8 ſo mehr war er bemuͤht, ſich die Ueberzeus 
gung von Selenens Unſchuld zu verſchaf⸗ 

fen. So ſehr er es ſich auch vorher feſt 
vorgenommen hatte, die ſcheinbar Treuloſe 
nie wiederzuſehn, ſo veraͤnderte dennoch 
Bodo's Vermuthung dieſe Geſinnungen 
dahin, daß er dieſem abwechſelnd Geſell⸗ 
ſchaft leiſtete, wenn er bei naͤchtlicher Weile 
nach dem Schreckensthurme ruderte, aber 
unzufriedener und unwillig er als zuvor kehr 
te er immer wieder von Selenen zuruͤck, da 
ſie durch Nichts dahin zu bringen war, ihr 
Stillſchweigen zu brechen. Nur Bodo's 
angeſtrengter Thaͤtigkeit und ſeinen eifri 


0 


269 
gen Verwendungen fuͤr he hatte es Selena 


zu verdanken, daß der wilde Schmerz über 


feine Lage und fein Unwille über Selenens 
hartnaͤckiges Stillſchweigen nicht in ſolchen 


Augenblicken in größere Härte und Strenge 


gegen ſie uͤbergingen. 1 

Ihr tief in ſich ſelbſt verſchloſſenes 
gramvolles Leiden griff bald Selenens obs 
nedieß ſchwaͤchliche Geſundheit an und warf 
fie auf ein langwieriges Krankenlager, auf 


welchem die arme Dulderin mit freudiger 


Hoffnung den Tod glaubte herannahen zu | 
ſehen. Ihre Krankheit machte es noth⸗ 


wendig der armen Gefangenen eine Waͤr⸗ 
terin zu geben, und Bodo waͤhlte hierzu, 


mit Beiſtimmung des Grafen, eine arme 


Wittwe aus dem benachbarten Dorfe, des 


ren Verſchwiegenheit, Treue und regſame 


Thaͤtigkeit fuͤr die Kranke er ſich durch viel 


fältige wohlthaͤtige Unterſtuͤtzung der Armen 


ſchon vorher erworben hatte. 


— 


2 — —— 
aa Be we —y 


ne 


Hefter als jemals rief ihn jetzt die nacht 
liche Glocke zur Huͤlfe der armen Selena bins. 
uͤber in den Schreckensthurm. Die Ausbrüs 
che ihrer zerrütteten Phantaſie in ihren Fies 
bertraͤumen und die Nachrichten der Warte 
rin, welche den Auftrag ug die Kranke 

ſorgfaͤltig zu beobachten, beffätigten Bodo's 
Vermuthungen von Selenens Schuldloſig⸗ 
keit noch mehr. Jemehr er jetzt hierdurch 
auf die Wahrheit und die eigentliche Des 
ſchaffenheit der Gegenſtaͤnde, welche die 
Beſchuldigung einer Treuloſigkeit gegen 
Selenen bewirkt hatten, allmählig hinges 
leitet ward, um ſo eifriger ließ es ſich auch 
Bodo mit der nöthigen Vorſicht und Bes 
butſamkeit angelegen ſeyn, den Grafen 
allmaͤhlig auf den Punkt hin zu fuͤhren, 
wohin er ihn nothwendig haben mußte, 
wenn die Folgezeit den Schleier von Se 
. lenens Geheimniſſe ganzlich binwegzoͤge, 

um alsdann den Grafen durch die Auflös 


| 261 
fung dieſer Näthfel wirklich ſo ſehr zu ber 
gluͤcken und zufrieden zu ſtellen, daß er 

um des wiedererlangten Genuſſes ſeines 
haͤuslichen Gluͤcks willen alles Uebrige der 
vorigen Zeiten, was ſeinen Groll gegen 
das Geſchlecht der Beverini unterhalten 
und verſtaͤrkt hätte, vergeſſen koͤnne. 
In einigen lichten Augenblicken führte 
Bodo den Grafen ſelbſt an das Kranken 
lager feiner Gemahlin, weil dieſe es aus 
druͤcklich verlangte, um in der gewiſſen 
Hoffnung ihrer baldigen Aufloͤſung Abſchied 
von ihm zu nehmen. Geruͤhrt und auf 
das Diefſte erſchuͤttert fand Morrino an 
dem Krankenlager, als Selena, mit der 
feierlichen Verſicherung, daß fie unſchul⸗ 
dig ſey, ihn dringend bat, ihr zu verzei⸗ 
hen, daß ſie durch ihr Stillſchweigen, 
welches ſelbſt der Tod nicht löfen konne, 
ihm fo viele Leiden verunſacht habe. Doch 
dieſe Scene war fo angrelfend fuͤr Selena, 


262 

daß ſie ateifer * er uber ng 
| ruͤckſank. i 
Mit zerriſſenem Beizen cite der Graf 
in ſein Schloß zuruck, wo er ſich in die 
Todtenhalle des Gartens verſchloß, und 
mit dem wilden Schmerze in feinem Bus 
ſen kaͤmpfte. Sein Haß gegen den Unber 
kannten, der alle dieſe Leiden über ihn und 
Selenen gebracht, und durch ſeine ſchnelle 
Flucht den Verdacht gegen Selenen und 
deren ſtraͤflichen Umgang mit ihm beſtaͤrkt 
hatte, wuchs um fo höher, je weniger ſich 
derſelbe zeigen wollte, um die Naͤthſel zu 
ldoſen. Der Grimm des Grafen war daher 
auch um ſo ſtaͤrker gegen Godwin, als 
dieſer ihm endlich in die Hände fiel, und 


alle umſtaͤnde bei ſeinem Ergreifen, ſo wie 


ſein eignes Benehmen, den Verdacht gegen 
ihn beftärkten, daß er wirklich der vermein 

te Verfuͤhrer Selenens fen, dem der Graf fo 

lange Zeit vergebens nachgeſpuͤrt hatte. 


Se 


| | a 
Bodo war jetzt nicht mäßig, den Grimm 
des Grafen gegen Godwin zu mildern und 
ihn für feine Plane zu ſtimmen, welche auf 
die nunmehrige Aufloͤſung aller bisherigen | 
geheimniß vollen Raͤthſel hinzielten; da er 
ohne viele Muͤhe in dieſem Fremdlinge ſei⸗ 
nen ungluͤcklichen Neffen vermuthete. 

Um ſich noch mehr von ſeiner Vermu⸗ 
thung und den darauf gebauten Hoffnungen 
von Selenens Schuldloſigkeit zu uͤberzeu⸗ 
gen, erhielt Pirro von Bodo den Auftrag, 
Godwin durch feine Erzählung ſo zu faſſen, 
daß er ſich unwillkuͤhrlich verrathen mußte. 
Seine auffallende Ueberraſchung bei dem 
Anblicke von Enrico's Bilde, feine Aeuße⸗ 
rungen und vorzüglich feine warme Ans 
hänglichkeit an Selenen und feine Theil 
nahme an ihrem ſchrecklichen Schickſale lies 
ßen Bodo keinen Zweifel weiter uͤbrig/ daß 
er wirklich der fen, wofür er ihn hielt. 

Am nun aber auch mit einem Male den 


264 | 9 05 
Knoten des ganzen Naͤthſels auch vorzuͤ⸗ 
lich in Anſehung Selenens aufzuloͤſen, bes 
redete Bodo den Grafen dazu, Godwin frei 
zu geben, ihm denſelben zu uͤberlaſſen und 
ſeines Winkes gewaͤrtig zu ſeyn, um ihm 
ſogleich in den Schreckensthurm zu folgen 
und dieſen Unbekannten dort zu belauſchen, 3 
da dieſer, wenn nicht alles truͤgen ſollte, | 
nicht zögern würde, feine Frelheit dazu zu 

benutzen, den Thurm zu beſuchen, für wel- 
chen er ſchon ſo viel Intereſſ e verrathen hatte. 


6 
c 


Sest war das Räthſel glͤͤcklich gelöft, in 
dem hoͤchſten Grade der freudigſten Ueber⸗ 
raſchung ſtuͤrmten Guido und Selena dem 
ehrwuͤrdigen Greiſe Orbizo entgegen, und 
eines gemeinſchaftlichen Entzuͤckens Hoch: 
| gefühl durchgluͤhte Aller Herzen. 

„Mein Oheim! mein guter, lleber, vär 
terlicher Freund! — rief Selena, indem 
fie ſich an Orbizo's Hals anklammerte, — 
wer mir das geſagt haͤtte, daß ich in dem 
edelmuͤthigen Bodo, der ſich meiner im 
Elende, in Kummer und Krankheit ſo thäs 
tig annahm, meinen vaͤterlichen Erzieher 


266 


und Freund vor mir ſaͤhe. Graufamer 
Mann! daß Ihr mir dieſes nicht früher 


entdecktet! es wuͤrde mir mein Anlaß um 


Vieles erleichtert haben!“ 
„Du irrſt, liebe Nichte! — 1 
fie Orbizo. — Nur meine . 


konnte dir den Vortheil fuͤr die Folge ver 


ſchaffen, den mein Plan heiſchte. Ich hatte 
mir in meiner Maske dein Vertrauen, deine 


Liebe zu verdienen gewußt du ehrteſt und 


vertrauteſt Bodo, was bedurfte es mehr zu 
deiner Beruhigung? Nur als Bodo konnte 
ich den Weg zu dem Zutrauen deines Ges 
mahls finden, den der Name Orbizo mir 
wuͤrde auf immer verſperrt haben, da 3 
fein einmal aufgeregtes Mißtrauen alsdann 
in meinen Verwendungen fuͤr dich und in 4 
meinen Bemühungen, dich und deine 
Schuldloſigkeit zu vertheidigen und in f 


Schutz zu nehmen, nur den Eigennutz und 
die When Vorliebe des Oheims für A 


IE 


a 


8 267 
feine Nichte wuͤrde erblickt haben, wenn auch 
nicht ſchon an ſich ſelbſt Jeder, der zu der 
Familie Beverini gehörte, ihm ſo verhaßt 
geweſen wäre. Dieſen Haß im Allgemeinen 
mußte ich zuvoͤrderſt beſiegen, ehe ich ſeinen 
Groll gegen dich bekaͤmpfen und mich ihm 
in meiner wahren Geſtalt zeigen konnte. 

Selena. Es wuͤrde nur eines Win⸗ 
kes von Euch, mein theurer Oheim, bedurft 
haben, um hieruͤber meine Zunge zu binden. 
Oiebizo. Deine Krankheit wuͤrde dich 
verhindert haben, dieſem Vorſatze treu zu 
5 bleiben. Deine Fiebertraͤume waren es, die 
mir den Schleier oͤffneten, der dein Geheim 
niß verhuͤllte, ſie wuͤrden auch mich, ohne 
daß du es wollteſt, ſehr leicht haben verra⸗ 
then koͤnnen. Wuͤrdeſt du auch wohl dem 
Oheim haben entdecken koͤnnen, was dein 

Geluͤbde des unverletzlichen Stillſchweigens 
dir befahl, dem treuen Bodo und ſeinen wie 
. derholten dringenden Bitten zu verhehlen 2 


7 = 5 2 vi . a % 
ua ee 
IL) 

525 5 7 


Wenn du dieſesauch wirlich gewaltt hätte, 


fo würde meine eigene Gewiſſenhaftigkeit 


ſich dagegen geſtraͤubt haben, inſofern dieſe 8 
es unmoͤglich wurde haben zugeben koͤnnen, 


dich deinem Geluͤbde untreu und unwuͤrdig 
zu machen und dich zu einem Geftändniffe 


zu verleiten, das weder jahrelange Leiden x 


und die Schrecken des Todes, noch Schmach / 


Schande und die Bitten deines unglückli⸗ 
chen Gemahls dir entlocken konnten. 
Selena. Mein theurer Oheim, mein 


Gemahl, Ihr werder mich Beide entſchul⸗ 


digen, wenn ich Euch daran erinnere, daß 
nur dieſes mein ſtrenges Stillſchweigen uͤber 
jene unfeligen Miß verſtaͤndniſſe meinen un- 
glücklichen, verfolgten Bruder der Rache 


des Grafen entziehen konnte. Er wuͤrde als⸗ 


dann zwar von feinem Irrthume zuruͤckge⸗ 
kommen ſeyn und in jenem Fremdlinge nicht a 
mehr meinen Verfuͤhrer gehaßt haben, aber 


I Radfi ucht gegen den Bruder als Moͤr⸗ 


ö 
| 


8 


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13 N \ 269 
der feines Lieblings würde darum nicht ver⸗ 
mindert worden ſeyn. Hier lag alſo die Liebe, 
das Zutrauen und die Ruhe meines Ge⸗ 
mahls und mein eigenes Wohl in der einen 
Waagſchaale, und dort die Freiheit und das 
Leben eines ungluͤcklichen Brudersi in der an⸗ 
dern; wer kann mich deshalb verdammen, 
wenn mein Herz und meine Pflicht als 
Schweſter der Letztern den Ausſchlag gab? 
und wenn ich, um meinen armen unglücklis 
chen Bruder zu retten, lieber ſelbſt elend war, 
als mir Leben und Freiheit auf ſeine Koſten 
erkaufen wollte, wenn ich um ſeinetwillen 
Ruhe, Gluͤck, alle Lebens freuden, und/ was 
mir theurer als dieſes Alles war, meinen 
anette Ruf und 8 2 51 
be 2 — 

„Graf. Gren du u haſt dir elbe | 
und mir dadurch vorſaͤtzlich eine Hölle hie⸗ 
nieden bereitet. Wie leicht würde es dir 
gelungen ſeyn, durch ein offenes freimuͤ“ 


= . 
a 


270 


thiges Geſtaͤndniß meinen Haß gegen deis 
nen Bruder zu beſiegen. | 
Orbizo. Glaubt das nicht, Mortis! 
Ihr ſeyd im Begriffe, Euch ſelbſt zu taͤu⸗ 
ſchen. Laßt mich euch darauf aufmerkſam 
machen, daß kein offenes freimuͤthiges Ber 
kenntniß Eurer Gemahlin, keine Bitten, 
Shränen und Vorſtellungen derſelben in der 
Hauptſache etwas wuͤrden geaͤndert haben. 
Ihr glaubtet Guido todt, und nur dem tod⸗ 
ten Feind konntet Ihr einigermaßen vers . 
zeihen, den lebenden wuͤrdet Ihr mit neuer 
Wuth verfolgt haben, und ſelbſt Eure uns 
gluͤckliche Gemahlin, wuͤrde dadurch in 
Euerm Herzen verloren haben, daß fie hin 
ter Euerm Ruͤcken einen vertrauten Umgang 
mit dem Euch ſo verhaßten Guido unterhal- 
ten hatte, und, aller Drohungen ungeachtet, 5 
noch immer mit voller Zaͤrtlichkelt an ihm 
hing. Nur größeres Leiden, größeres un- 
glück; als der Schmerz Über Enrico's Ben 


x 1 55 272 
luſt, konnte Euern Haß gegen Beverint til, 
gen. Erinnert Euch, wie vlele Muͤhe und 
Anſtrengung es mich koſtete, Euch endlich 

auf den Punkt zu bringen, wo Ihr Euch 
fähig fühltet, durch gaͤnzliches Vergeſſen 


und Verzeihen des Vergangenen Euch Eu 


re Ruhe und Euer . une He 
zu erkaufen. 

Graf. Ich wage es dichte dir zu N 
IE ich muß es vielmehr bekennen, 
daß ich Anfangs! nur in der zuverſichtlichen 
Ueberzeugung von der Untruͤglichkeit der 
erhaltenen Nachrichten von Beverini's Tode 
mir das Verſprechen von dir entlocken ließ, 
ihm zu verzeihen. Noch jetzt begreife ich 
nicht, wie jene Nachrichten truͤgen konnten, 
und wie du, Ungluͤcklicher, deinen Verfol⸗ 
gern und meiner Rache entrinnen konnteſt? 
Guido. Wunderbar genug ward ich 
durch die Hand der Vorſehung erhalten. 

Graf. So waren die Papiere und je 


272 1 5 
nes kleine Gemaͤlde Selenens, das von 
deiner Hand gemahlt war und welche man 
bei dir wollte gefunden haben / und mir. übers 
ſchickt wurden, untergeſchoben ? du ae | 


190 c in den Apenninen ermordet? 


Guido. Jene Papiere bowell/ als ; 
| auch Selenens Bildniß kamen von mir, 
und ich fiel wirklich in den Apenninen durch 
Moͤrderhand, aber gleichwohl erhielt mich 
der Himmel. Mit wenigen Worten will 
ich Euch daruͤber verſtaͤndigen. Unſtaͤt und 
fluͤchtig irrte ich umher, und dicht auf der 
Ferſe folgten mir die von Euch gemletgen 
ten Verfolger. Krank und erſchoͤpft kam 
ich uach Rini/ und um ſo viel als moͤglich 
verborgen zu bleiben, ſuchte und fand ich 
eine willige Aufnahme in der aͤrmlichen 1 
Wohnung einer der niedrigſten und ver: 
worfenſten Menſchenklaſſe, eines gewiſſen 
EN Carlo Baſigli, der zu den Lazaroni „und 1 
zwar zu der Klaſſe der Mondezart deore 4 


2.275 
‚gehörte, und deſſen freundſchaftliche Unter⸗ 
ſtuͤtzung und Pflege während meiner Krank 
heit ich mir durch einen Ring von Werth er 
kaufte, welchen ich nebſt einigen wenigen 


andern Koſtbarkeiten mir gerettet hatte. Ich 


entdeckte in meinem Wirthe/ ungeachtet fer 
ner Übrigen Verworfenheit, ein dankbares 
Herz, und der bedeutende gelöfte Werth des 
Ringes / welchen ich ihm bis auf einige Scudi 


5 uͤberließ, erwarb mir ſeine ganze Ergeben | 


heit. Man hatte jedoch auch hier meine An⸗ 


weſenheit ausgekundſchaftet, und ſchon lau 


erte der gedungene Meuchler auf mich / deſſen ve‘ 
Dolch mich niederſtoßen ſollte. Ich erholte 
mich allmaͤhlig wieder von meiner Krankheit 
und fing an, an der Hand meines bisherigen 
Pflegers Carlo kleine Spaziergänge im Frei⸗ 
en und in den nahgelegenen Gebirgen zu mas 
chen, wo ich am verborgenſten zu bleiben 
waͤhnte. Auf einem ähnlichen Spaziergange is 
mit Baſigli war es, wo ich; als dieſer ſich et 

f 3 18 | „ 8 


was von mir entfernt hatte und ich an dem 
Fuß des Monte Velino gelagert, feine Rüde 
kehr erwartete plötzlich von einem Under 
kannten überfallen und niedergeſtoßen 
ward. Ich behielt jedoch ſo viel Zeit uͤbrig 
meinen Begleiter zu Huͤlfe herbeizurufen, 
und dem Stoße des Meuchelmoͤrders durch 
eine Wendung zu entgehen ſo daß der Dolch 
den Weg zu meinem Herzen verfehlte. Nur 1 
Baſigli's Ankunft der auf mein Geſchrei 
ſchnell herbeiſprang / rettete mich aber von 
einem zweiten Dolchſtoße. Betaͤubt ſank ich 
auf den Naſen zurück, und als ich mich wies 
der ermunterte / fand ich mich in Baſigli's 
Huͤtte, und ſowohl dieſen, als auch jenen 4 
Meuchelmöͤrder um mich beſchaͤftigt, meine a 
Wunde zu verbinden und mich aus meiner % 
Betaͤubung zu erwecken. Ich erfuhr, daß 
Baſigli ein Freund des gedungenen Meuchel⸗ 9 
moͤrders fey, und um dieſem den auf meine 
A 


9 1 2 


Ermordung geſetzten Preiß zu verſchaffen, 7 


r 


275 
mich ſelbſt vor allen weitern Verfolgungen 
ſicher zu ſtellen, haͤndigte ich ihm meine mit 


Blut befleckten Kleider, einen Theil der bei 


mir gefuhrten Papiere und das Portrait mei⸗ 
ner Schweſter/ wovon ich mit ſchon in Catas 
nia eine Copie genommen hatte / ein, um fi ch 
damit legitimiren zu koͤnnen ‚ und fo ent 
sing ich dem Tode. 

Gra f. Wofuͤr ich j⸗ tzt dem 1 mit 


hoher Inbrunſt danke! Es wird mir ſchwer 0 


werden, mich jemals daruber zu entſchuldi⸗ 
gen, daß ich von blinder Rachſucht mich ſo 
tief unter meine Würde konnte herabwuͤrdi⸗ 
gen laſſen. Kannſt du mir e 
Beberin!? Er | 

Guido. Laßt uns Beide und ah ae 
auf immer das Geſchehene und der Ver- 
| gangenheit truͤbe Erinnerungen vergeſſen, 
um unſer gegenwaͤrtiges hohes Glück deſto 
| nacht und reiner zu genießen. 55 
We Ich habe mich ſelbſt um einen 


weſentlichen Theil dieſes Glückes gebracht, 
der nun auf immer fuͤr mich dahin iſt. 


(ſchmerbaft an Selenens Bruſt bingeſchmiegt) 


Ach Selena! ich habe dir und mir mehr 


g geraubt / als ich uns Beiden erſetzen und 


l du ich mir ſelbſt jemals verzelhen kann. 
Selena. (ihn liebevoll an ſich druckend) 5 
Habt Ihr nicht Eure Selena, rein und 


1 5 ſchuldlos und tugendhaft/ wieder ſeht Ihr 
nicht all' unſere Lieben um kai 1285 ö was 


braucht Ihr noch? 5 


Graf. herzhaft lichen) a. 
E alle unſre Lieben? — ö Nein, nicht 
Abe! In unſerm Kreiſe iſt noch eine 
N kuckt, welche nur die Foltern meines He | 

zeens ausfüllen. Die Wonne des glückli 

chen Gatten, die Freuden des Freundes 
lachen mir Unmürdigen aus Euern lik 

ken, Ihr guten Menſchen, entgegen, aber 4 

die Seligkeit des glücklichen Vaters habe N 

ich um Dualen der Hölle Senf: Gm | 


EEE TB ea Ewa a a ee a Ak ne 


a, 


277 


dem er ſich wild aus Selenens Armen reißt) 
Nein, nein, ich darf nicht an dieſem Herz 
zen ruhen / dem ich eine ſo ſchreckliche 
Wunde berfeßte; ich bin unwerth Eurer 
Liebe, Eurer Verzeihung. Ihr muͤßt den 
unnatuͤrlichen Vater in mir verfluchen, der 15 
fein einziges Kind aus blinder e 
cher Wuth vernichten konnte. She 
Selena. Canft iurebend);; Mein Ge⸗ | 
e zuruck in meine Arme, hier 8 
an meinem a iſt A für Sur Un, 
ene ene 8 50 Ind N i 
Graf. unglücklich - — 0 wobl bin 
ich das. Mitten unter der Seligkeit dieſes 
Augenblicks ein unglüͤckſeliger weinender 
Abadonna. Selena, Guido, Orbizo! 1 fluchet 
mir nicht bemitleidet mich! ich bin ungläds | 
lich und muß es bleiben. Mitten unter den 
Blumen der Gegenwart grinſt mich das 
Schreckgeſpenſt der Vergangenheit an, mit 
ER und n Kaen wähle ich Ra 


e e 


drohenden Schatten meiner kleinen unſchul⸗ 


digen Aurora, und ſein ſchmerzhaftes Laͤ s 
cheln weckt in meinem Innern die furcht⸗ . 
bare Stimme, deren Zuruf „Mörder!“ bis 1 
in die verborgenſte Tiefe meines He a 


ſchrecklich wlederhallt. 805 


Selena ſchlang ihre Arme um u | 


Bi Nacken und preßte ihn mit feurigem Uns 1 


geſtuͤm an ihr Herz. Seine Thraͤnen ran, 
nen in ihren Buſen „ und mit herzzerrei⸗ 


ßendem Ton ſtammelte er?: „Düfte: und 
in Nebel gehuͤllt, geht die Sonne meines 
neu erwachenden Gluͤcks auf, Aurorens 
| ſanftes Lächeln erhöht es nicht! .. Er 


| 


an‘ „Freundeshand wird auch dieſe düſtern, 4 
Aurorens ſanftes Lächeln verhüllende Nebel 


Dir verſcheuchen! — rief Orbizo ihm a 1 
Dtft war der Ton jener Todtenglocke, der 


den Wandrer in ſchauerlicher Meet 
N ſchreckte/ der Ruf, welcher den treuen Bodo 


durch Nacht und Graus als Helfer und 


BE N —— 
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% 


0 279 
Tröſter heruͤber zu der lebendig Todten in 
dieſen Kerker rief. Jetzt rufe der hellere Ton | 
dieſer Glocke die Todten zurück in das Leben. 
Er ging auf die Seite und riß mit freu; 
diger Haſt an dem Strange der Glocke, der 


an der Mauer herabhing. Laut ſchallte der N 


Ton der Glocke von der Höhe des Thurm 
durch die Stille der Nacht. Alle ſtanden 
und ſtaunten den Greis an, ohne zu wiſ⸗ 
fen, was fie zu dem Allen ſagen ſollten. 

„Aurorens goldner Schimmer bricht 
durch die Schatten der Nacht, — rief 
Ordizo im Tone der Begeiſterung aus, und 
feine Mienen waren die eines Verklaͤrten; 
— und die Morgenſonne wird hier nur 
gluͤckliche Menſchen beſtrahlen!! ) 

Jetzt öffnete fi ch die Tpüre des Gen 
| faͤngniſſes Fackelglanz drang herein, und 
von einigen Dienern des ae gefuͤhrt/ 
trat der kleine Goldo herein. a 
880 „Was ſoll ich denn hier bea — fragte 


— 


280 


| der K leine traurig, indem ſein Auge for- 


* 


ſchend die Verfammlung durchlief, und mit 
Verwunderung ſtaunte er Drbizo an, als er 
dieſen ſo ganz verwandelt und von dem al⸗ 
ten Bodo nur noch das Gewand erblickte. 
ier, nimm deine Aurora von mir 
zuruͤck, f und fey nun auch gluͤcklicher Vas 
ter!“ — rief Orbizo dem Grafen zu und 

ſchleuderte ihm den Kleinen in die Arme. 
5 „Aurora? 2 — ſtammelte der Graf in 


dem Tone der hefügſten Ueberraschung. 273 


„Sie iſt es; — fuhr Orbizo fort, — 


ich war es, der dieſes unſchuldige Kind del. | 
ner Rache entriß/ es in Knabenkleidung dei 
nen Augen entzog und ſo es in meiner Ein⸗ 
ſamkeit erzog und für dieſen gegenwärtigen 


Augenblick der Wonne aufſparte.“ 


„Gott! Gott! rief der Graf mit fenb f 


gem Entzücken zu viel der Seligkeit auf 
einmal. Weib, Vater, Bruder! tretet her 


und helft dieſe Wonne mir tragen! ?! 


| 5 " 281 
Selena und ihr Bruder ſanken von bei⸗ 
den Seiten mit ausgebreiteten Armen dem 
Grafen an den Bufen, ihr laut aufſchwellen⸗ 
des Hochgefuͤhl dieſes köſtlichen Augenblicks 
konnte ſich nur in unartikulirten Tönen des 
uͤberſtroͤmenden Entzuͤckens auflöfen, und 
ihnen zur Seite ſtand der edle Orbizo, und 
weidete feine entzuͤckten Blicke an dieſer 
ſchoͤnen Scene, deren Schoͤpfer er war. 
Dir, gute Tochter, — redete er ends 
lich Selenen an, — dir iſt diefe Vertvands 
luag meines kleinen Goldo in deine Tochter 
Aurora nichts Neues, dieſe Entdeckung 
allein konnte damals in jener Schreckens 
Runde, wo man das Kind grauſam aus 
den Armen der ungluͤcklichen Mutter riß, 
dieſe von Verzweiflung retten. Jetzt, Se⸗ | 
lena, jetzt ſiehſt du die Prophezeihung del⸗ 
nes Freundes Bodo erfuͤllt, als er feine 
Aufſicht uͤber dieſen Schreckensthurm dazu 
Ä benutzte, dich in unbelauſchten Naͤchten aus 


282 i 


demſelben zu fuhren, um dir auf jenem Grab 
huͤgel im Walde deine gerettete Tochter zus 


zuführen und dich von ihrer Rettung mit 
eigenen Augen zu überzeugen und Troſt und 


Ruhe in dein armes zerriſſenes Mutterherz 
zu gießen. Biſt du mit mir zufrieden?? “ 
O mein Vater! beſter theuerſter Vas 
ter! mein Mund vermag es nicht, weinen 
Dank, meine Freude zu ſtammeln, die hier 
fo maͤchtig meinen Buſen beſtuͤrmen!“ — 
rlef Selena und preßte ihn mit ungeſtuͤs 


mem Entzuͤcken in die Arme. 


Wie den Träumenden war es jetzt en, 
dieſe gluͤcklichen Menſchen, und in dem bes 
taͤubenden Uebermaaße der Wonne ertwachs 

ten ſie nur allmaͤhlig aus ihrem füßen Trau ö 


me, um ſi ch in dem Gebiete der deute 
den Wirklichkeit wiederzufinden. ie 


Morrino's, Selenens und Guldo's der. 
4 ben glich von nun an einem einzigen ſchos 
nen Sröhlingstage. Jeder junge Morgen 


3 


283 
brachte: ben neues Gluͤck und neuen Ser 
gen, und die innige warme Theilnahme des 
edlen Orbizo erhob ihr Gluck noch mehr. 
Nur ſpaͤterhin truͤbte das Schickſal dieſen 
Vollgenuß ihres Gluͤcks wieder, indem es 
ihren Herzen durch den Tod ihres vaͤterli⸗ 
chen Freundes Orbizo eine Wunde ſchlug, 
die nur die Hand der Alles heilenden Zeit 
und die Hoffnung des frohen Wiederſehens 
über dem Grabe wieder heilen konnte. 

Auf dem Grabe des Vollendeten ehrten 
fe ſtets fein Andenken mit Thränen des 
Danks und der Liebe, und ſpaͤt noch waren 
die Geſchichten des Schreckensthurmes am 
See und der mitternaͤchtlichen Todtenglocke 
die Erzählungen, unter welchen der Abend 
dieſe glücklichen Menſchen in dem Kreiſe 
9955 Sinder und Enkel Überrafgue. | 


. 8 75 


+ 


; 1 vodlate del N Heil. g. Druckp. 16 ‚gr 


Bei dem Verleger digſes Buchs ſind auch 
a 5 0 folgende Schriften erſchienen und 
in allen Buchhandlungen zu haben. 


1 Frantz Graf von, Biographie mit 
„feinem Bildniß. gr. 3. 8 9%: 
FAniello, Thomas, Volksanführer zn Neapel, 
Biographie mit deſſen Bildniß. ar 8. 8 gr. 
Binnt, K., Bildungs ortefe für die Jugend, 
zur Uebung im Styl und zur angenebmen 
„ ite verm. und verb. Aufl. 
e , f „ gr. 
- 4Catbating II., Raiferin von Rutland, Bis 
graphie mit deren Bildniß. gr. 8. 8 gr 
1Chriſtine, Koͤnigin von ge Biographi 
mit deren Bildniß, = 8 gr. 
Cromwell; Ofivier, en von England, 
Biographie mit deſſen Bildniß. gr. 8. 8 gr. 
Dante; Alighieri, la vita nuova e le rime, ; 
2. riscontrate coi mygliori exemplari EN 


Duͤrer, Albrecht, Btoäganbie mit deſſen Bil 
niß. gr. 8. N 8 f 
ee Auguſt Herrmann, ‚Stifter des W̃ 
8 f nbanſes zu Halle, Biographie mit deſſen 
Vildviß. gr. 8. e 
18: iederch II., König von Preußen, Biogra⸗ 
hie. g 8. 6 Br 
Ceſchrcte, getreue und sufanınenbängende, hg 


11 | 0 ee 


— 1 


franöflſchen dame 3 Thle. mit dem 
Bildniß Ludwig XVI. 82. tſtbhlr. 
beſciche der . des Werimiltan 
NRNaopes pierre, aus dem Franz. von . 
v. Archendolz. gr. 8. 18 gr. 
Aenne J. P., Berufsreiſe durch Deutſch⸗ 
land, Preußen und Polen, in den Jah⸗ 
ren 1805 — 1808. gr. 38. 1.151, lr. 8 gr. 
+&ufiao III., König von. Scnten. 2 Thle. 
ut 2 Kofrn., 8, 2 thlr. 
en Graf Ewald Friedrich von, königl. 


Preuß. Staatsminiſter, Biographie mit 


deſſen Bildniß. gr. 8. 2% N 
j8eniles, Ninon v., Biographie. gr. 11 8 gr. 
ILojola, Ignatius v., ‚Stifter des Jeſuftenor⸗ 
dens, Gta mit eſſen Au / 
gr. 8. 2 1 8 gr. 
wart, wie es war, oder Gemälde dieſer 
Hauptſtadt und ihrer Umgebungen in den 
Jahren 1806 und 1807. 5 Briefen von 


einem reiſenden Deutſchen. 8. ꝛte wobl⸗ 8 
feilere Ausgabe. ble. 4 gr. 
Peter der Große, Kaiſer von Rußland, Bio⸗ 
graphie. gr. 8. Ak, 
Pope, Alexander, Biograpdie mit deſſen 
Bildniß. r 8. eg. 


1Reinhards Erbebungen über Welt und Ge⸗ 


| nme in Gott und Zukunft; chriſtliche 


mas a Beruhigung über die in: 


1 


vollkommenbeiten und Uebel des Erdenle⸗ 

ni er bens, aus den Religionsvortraͤgen des feel. 
a Oberbolot. Dr. Reinhard belogen von M. 
J. K. Weikert. 8. 1818. 2 tblr. 18 gr. 
* H 
Homane und S auſpiele. f 
Aurora oder das Kind d. Hoͤlle . Scaufp. in 5 A. 
Naeue wohlfeilere Ausg mit 4 K. 8 20 gr. 
Biograph ien, neue der Wahnſinnigen, aus der 
wirklichen Welt, 1 wahr im roman⸗ 
tiſchen Gewande. 8. 1 thlr. 
Caͤeilie oder die natürliche Tochter. 12. 18 gr. 
Chriſtel oder die ſchoͤne Spitzenkloͤpplerin im 
| Erzgebirge, mit 1 Kpfr. 8. 1 thlr. 
Eleonore ‚Königin von Frankreich oder © „ 
ſchichte des zweiten Kreunzuges, ein hiſto⸗ 
riſch⸗ romantiſches Gemälde. 2 Thle. mit 
| Wo Sn 2 thlr. 
arme die, von der Garenburg oder Kampf 
u. Pflicht; v. Verf. des Schreckensthurms 
am Ser. Neue Ausgabe mit 1 Kpfr. 8. 
N ı thlr. 16 gr. 
Sue die kluge, Gemahlin des franz. Conſuls 
iu Sant: 2 Tble. 8. 955 n 12 10 


ee e ee 2 Bde. Neue 
Ausg. 255 1 thlr. 16 gr. 
rann 115 eine Robinſonade, nen erzaͤhlt 
von J. C. H. Haken, Verf. der grauen 
Mappe de. 8. t tdlr. 12 gr. 
Beichf inn und Wahn in l v. Stier 
derike Lohmann. 2te Aufl. 83. i tblr. 
Euftreifen in die a Welt 8 die Maͤhr⸗ 
chenſpiegel. 1 e ee, 
Hpoeynben; Ertiblungen ) Maͤhrchen, Gedichte 
e. von W. Willmar, A. Clarus und H. Stei⸗ 


V en tb, 


Alarenlelo Nektarine v., eine Geſchichte ald. er⸗ 
ſten Jabrzehend unſers Jahrhunderts von 
Wild. von Gersdorff. 8. I thlr. 

Mädchen, das, unter den Huſaren, oder Heroine 

15 0 Charlotte von Bioͤrenſkold, herausgegeben 

von C. A. Seidel. 2 Thle. Neue Ausg. m. 

1 K. 8. hlt d gr. 
age Buchs 27 80. beſonders mit 2 Kpfen. 
1 thlr. 10 gr. 

Mutditd⸗ die ſchöne; Ueberall und Nirgends, oder 

8 der Schutzgeis der Ungluͤckl ; eine Geiſterſage 
aus dem gten und loten Jahrhundert. 
Neue Ausg. mit 1 Kpfr: 8. ı thlr. 6 gr. 

u und Angelika, eine Samiliengefehichte 

vom Verf. des Grafen Zerner. we 
Ausg. 2 Thle. mit 1 K. 8. 2 thlr. 8 gr. 


Theater, das neue der Deutschen, eine e luftige 
Comoͤdte in 2 Aufjügen. gr. 8. s gr. 

N Wilhelm und Julie. 8. ar 
Zerner, Graf, und feine Famili e, vom Verf. E 

| bes eee 2 Tble. 8. 2 thlr. 12 . 


Enaltee, Dr. © 5 atnoiſce Heſchichte. N 
8. I ;thlr. 4 gr. 

̃ Samt ung Vämtſchter Radırichten zur Saͤchſ. 
Geſchichte, berausg. v. J. G. Grundig u. 
5 Klotzſch. 12 Sie mit Kpfrn. 8. 
= 5 khlr. einzeln jeder Ban 5 12 gr. 
| Soden, J. Reichsgraf 6% Thal a u- Melpomtene. 2 2 
| 2 Hfte. m. 2 ſchoͤnen K. gr. 4. 1 tölr. 16 gr. 
Ide la Varenne, J. A L. M., die Verbrechen Ma⸗ 
rats u. anderer Wuͤrger, a. d. Franzoͤſ. übers 
‚fest von J W. 9. Archenholz. 8. 16 gr. 
1 Waſbington, Georg, Biographie mit deſſen 
Bildniß, gr. 8. 3 ar. 
ei Charakteriſtik Dr. Martin Luthers. 
f . ar. 
| Bir dd Carat iR II., Koͤ⸗ 

| Nas von 0 0 Bas se 3 en 


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