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5 2
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>
i vg 9 A
uber Hi i
2 = 1
f ern or? x
—
—
Der
Schrec K AN Ar A
Säredenstäum am Se
oder die
mitternachtlice Todtenglocke.
Vom Verfaſſer des Lorenzo,
Zweite Auflage.
Mit 1 Kupfer.
— —— —̃̃ä— 7
Chemnitz |
bei * Starke.
1822.
4 } a
*
. „Weder des Weges? — tönte der
. Zuruf einer maͤnnlichen Stimme, aus dem
wildberwachſenen Gebuͤſche, durch die
Stille der Nacht, dem einfamen Wand⸗
rer entgegen, der jetzt durch das Felſen
thal ſchuͤchtern daher ſchritt. Forſchend
blickte dieſer umher, als er in dem Schim⸗
mer des Mondes einen Alten erblickte,
der, mit einem ſtarken Baumaſte bewaff;
net / ihm in den Weg trat und fragend
%
2
fottfuhr: „ Wle kommſt du in dieſe ſchau⸗
i Wildniß ?“
„Ich möchte dir dieſe Frage ch |
| geben,“ — erwiederte der Wanderer, ins
diem er einen Schritt zuräctrat, und mit
ſchuͤchternem Blick den Waldbewohner bes
trachtete , deſſen rauhes Aeußere fo ganz
zu dieſer Wildniß paßte.
8 Ich kann dir dieſe Frage ſehr leicht
| beantworten, — nahm der Alte das
Wort. — Ich bin Bodo, der Bewohner
| 5 der Grotte, die dort hinter dem wildver⸗
4 wachſenen Gebuͤſ che jener 5 uͤberhangende
Fels mir zur Wohnung ſchenkt. Dich
| fchrecht mein Aeußeres, doch ſey ohne
N Furcht / es traͤgt das Gepräge dieſer
Wildnuß, aber fo rauh und unfreundlich SE:
dieſe und jenes iſt, fo viele Ruhe und
Milde wohnt in ihrer beider Innerm.
| 5
Die Stürme eines feindlichen Geſchicks
ſcheuchten mich in dieſe Dede, und fegs
nend danke ich dem Himmel, daß er hler⸗
ber mich leitete, um fern von dem Geräus
ſche der Welt dieſe zu vergeffen, den vers
lornen Seelenfrieden wieder zu finden,
und Ruhe und Troſt ſo manchem armen
Herzen wieder zu geben, aus welchem dieſe
beiden menſchenfreundlichen Gegen des
Lebens entwichen.
„Dann ſegne auch ich dankend den
Himmel, der meinen irren Fuß hierher
leitete, — fiel der Fremde ein, — denn 5
auch mein Herz bedarf Troſt und Ruhe.“
Bodo. Wiederum ein Ungläcklicher!
5 das ſagte mir ſchon deine Erſcheinung;
denn nur Unglück und Leiden ſuchen Orte
wie dieſen auf, und ſelten betrat wohl
noch der Fuß eines Glücklichen dieſe Wilds
4 „
niß. Cipm die Hand teitk end.) Sey mit
willkommen Sohn des Ungluͤcks, raſte
bier von den Schlägen: eines feindſeligen
Geſchicks in meiner friedlichen Wohnung.
Doch fage mir, was dich eigentlich in
dieſe . DRIN 90905
Mb e
Tr emd er. Du baſt es ſchon getagt
win Unglück, Mehr aber noch der Schall
eines Glöckleins, der dumpf und ſchauer⸗
lich, wie der weinerliche Ton der Todten⸗
glocke, durch das Gebuͤſche zu mir heruͤber
toͤnte und mir die Hoffnung ſchenkte, hier
in dieſer Gegend vielleicht ein gaſtfreund⸗
liches Obdach fuͤr mich zu finden.
Bodo. Wuͤnſche dir Gluͤck dazu,
Fremdling, daß du mich gefunden haſt, 5
und daß du jener Todtenglocke nicht weis
ter folgteſt. Ihr Ruf iſt keinesweges daß
8 8
zu 057 A Hoffnungen wie die delnigen
zu befriedigen. |
Fremder. Wie das??
Bodo. Jener Todtenglocke Ton iſt
Ruf des Ungluͤcks; gefährlicher dem eins
ſamen Wanderer, als der truͤgende Schim⸗
mer des Irrlichtes, das tuͤckiſch ihn zu ſich
lockt, um ihn in das Verderben zu führen,
Fremder. Woher kommt dieſer ver-
derbende Ungluͤcksruf, und welche Bes
wandniß hat es damit? |
Bodo. Biſt du ſo ganz Seni 5
in dieſer Genend, daß die Geruͤchte von
dem Schreckensthurme, der dort am to
benden Waſſerſturze des Felſens ſich er⸗
a hebt, dein Ohr nicht erreichen konnten 2
Fremder. Einſt war ich nicht ganz
| Fremdling in dieſer Gegend, doch mein
Uasluͤck hat mich der ganzen Erde zum
6
Fremdling gemacht. Von jenem Schrek,
kensthurme, wie du ihn nennſt, hörte
ich nie etwas. Was iſt es mit dieſem
Bodo. Niemand weiß etwas mehr
von ihm, als was die Volksſagen davon
erzaͤhlen, die ihn als eine Behauſung
menſchenſcheuer Spuckgeiſter nennen. Ich
ſelbſt kann es jedoch beſtätigen, daß jene
Sagen mehr als leere Gerüchte find. Tief
| hinter jenen alten bemoosten Mauern liegt
ein Geheimniß vergraben, das nur durch
abentheuerliche Schreckniſſe ſich ankuͤndigt,
und die Verwegenheit des kuͤhnen For⸗
ſchers von ſich zuruͤckſcheucht. . Wenn ich
bei naͤchtlicher Weile mit meinen geſam⸗
melten Heilungsfräutern nach meiner ſtil⸗
len Klauſe zuruͤckkehrte, und mein Pfad
mich an dem Ufer des Sees jenes Schrek⸗
7
kenthurms vorüber führte, dann ward oft
mein Ohr durch ein heftiges, dem Toben
der empörten Orkane ähnliches Getöfe er
ſchreckt, und mein Auge gewahrte in dem
flimmernden Mondeslichte fremdartige duf⸗
tige Geiſtergeſtalten, die um die grauen
Mauern des Thurmes und über dem Spies
f 15 des See's ſchwebten. N
Ren Und jener .
Bodo. Iſt fuͤr einen Jeden die
ſchrecenvoll Warnung, jene Gegend eis
ligſt zu fliehen, wenn er ſich zu der Zeit
dorthin verirrt, wo die Spukgeiſter ihren 5
Umgang halten. Die Bewohner der Ge⸗
gend kennen die Deutung dieſes Tons
der ſogenannten mitternächtlichen Todten⸗
| glocke / und fliehen ſchnell vorüber, : damit
nicht der müthende, Orkan fie ergreife fi ie
in die Strudel des Waſſerſturzes ſchleu⸗
8
dre und ſie in die Untiefe des Sees ver⸗
grabe. Schon Manchem/ welchen Neu-
gierde oder Unbekanntſchaft mit den
ſoll dieſes traurige Loos zu Theil gewor⸗
Schreckniſſen jener Gegend dorthin führte,
den ſeyn, und ſtreng haͤlt der Befehl des
Gebieters der umliegenden Gegend, des
mächtigen Grafen Olivaro Morrino, Je-
den, bis auf eine gewiſſe vorgezeichnete
Weiter von dem See und ten 11
| ien entfernt. eee
Fremder. Cin dem Tone der uUeberra⸗
ſchung.) Morrino ſagſt du?
Bodo. Caufmerkſamer ihn betrachtend.)
So ſagte ich. Dir ſcheint dleſer Name nicht
| 25 zu ſeyn. Kennſt du dieſen Morrino?
Fremder. Ich hoͤrte mancherlei Ger
aan von EAN und am ae 55 0
9
Bodo. Wohl mag mancher Seufzer
über ſeine Härte auf ihm laſten; gleich⸗
wohl moͤchte er mehr zu bemitleiden, als
zu haſſen ſeyn; denn feine Härte iſt nur
das Erzeugniß von gewiſſen ungluͤcklichen
Ereigniſſen, und ſein Charakter hat man⸗
che gute und weiche Seite, die er aber
vorſaͤtzlich und mit gewaltſamer Anftrens
gung unterdrückt. Davon wirſt du dich
ſehr bald uͤberzeugen koͤnnen, wenn dein
Weg an einem feiner Schloͤſſer dich vors |
Bone und du in demſelben ange 0 |
Ware
Fremder. Wer duͤrfte dieses bei
Norrinos feindſeligem Charakter wagen?
Bodo. Dieſe Widrigkeit des Cha⸗
rakters hat auf ſeine Gaſtfreundſchaft keis
nen Einfluß. Er iſt der Beſitzer mehrer |
anſehnlichen Schloͤſſer und der umliegeus
10 =
den Geg end / und jedes derſelben Rebe dem
Wandrer gaftfreundli offen, ja es iſt
ſogar Befehl des Grafen, jeden vorüder⸗
b ziehenden Fremdling anzuhalten und ibn
in die Burg einzuladen, wo er ſtets Ruhe,
Erholung und Erquickung jeder Art fin⸗
det. Weniger iſt dieſes jedoch der Fall
mit der Burg Oranto, der Stammfeſte
‚feines Hauſes, ie welcher er gewoͤhnlich
ſich aufhält. Jedoch würde ſich auch dieſe
dir öffnen und dir gaſtfreundliche Auf
nahme ſchenken, wenn du es nur ſo viel
als moͤglich vermeideſt, ihm unaufgefors
dert zu nahe zu kommen, oder dich in die
Geheimniſſe der Burg und des Grafen
eindraͤngen zu wollen. Sorgfaͤltig weicht
er dem Anblicke der Menſchen aus, und
wie ſehr iſt der Zuſtand deſſen zu bemits
leiden, der bis zu dieſer an Menſchen
? 21
haß grenzenden | Menſchenſcheue herab⸗
. 8 9
Fremder. (mit ſchmeribaftem Aus⸗
druck) Ach ja! er iſt hoͤchſt elend; denn
was bleibt ihm dann noch als Reiz des
Lebens, wenn das ſchoͤne Band zerriſſen |
iſt / das ihn voll Liebe und Zutrauen an
die Menſchen bindet?
Bodo. Du ſcheinſt dich in einem
zhnllchen Falle zu ep Dein.
e e n n
Fremder. Mein Name ging mit
meinem Gluͤcke, mit den Freuden meines
Lebens verloren. Ich habe keinen Na,
men mehr. |
Bodo. Armer Mensch! du chen
kaum an dem maͤnnlichen Alter zu ſtehen
und biſt ſchon durch ſo harte prüfungen
des Unglüds gegangen? e
12
Fremder. Es gehoͤrt nur eine kurſe
Reihe von Tagen dazu, um die Erfah⸗
rung zu machen, daß Leiden und Schmer⸗
zen von der Wiege bis zur Gruft die
treueſten Gefaͤhrten des Lebens ſind. Der
Menſch beginnt mit Thraͤnen ſeinen Lauf
und endet ihn mit Thraͤnenſchmerzen, und
ehe noch in ihm der unterſcheidende Sinn
fuͤr Wohl und Wehe ſich entfaltet, bringt
er ſchon das Gefühl der Schmerzen als
Erbtheil der e Natur mit N
in das Leben. |
Bodo. Deine Be beit guewöht
Bere einzelne Falle, und ift dann lel⸗
der ſehr wahr. Aber abgerechnet die Un⸗
annehmlichkelten und Schmerzen, unter
welchen der werdende Menſch und deſſen
innere und äußere Vorzuͤge ſich entwik⸗
keln, ſo ſind eine zahlloſe Menge von
13
| Schmerzen und Leiden, die Erzeugniſſe
des Menſchen ſelbſt, ſeiner Phantaſie oder
ſeiner Thorheit. Traͤgſt auch du vielleicht
f en ſelbſt verſchuldetes Elend?
Fremder. Nein, Bodo, mir fluch⸗
te das Schickſal ſchon bei meiner Ges
burt, und dieſer Fluch folgte mir in taus
ſendfachen Geſtalten des Elends durch
alle Momente des Lebens bis hierher.
Bodo. So hebe deinen Blick mm
thig und hoffnungsvoll empor; denn was
Laune des Zufalls und der Außenwelt uns
giebt oder vorenthaͤlt, das iſt wandelbar
und voruͤbergehend wie Weibergrillen,
und ſo gewiß der Tag der Nacht auf der
Ferſe folgt und ihre Schatten zerſtreut,
ſo gewiß zerſtreuet auch das milde Sons
nenlicht einer beſſern Zukunft die nähts
05 liche Gau deiner trüben Gegenwart, |
14 1
Faſſe dieſe tante Hoffnung) armer Un
gluͤcklicher, vielleicht iſt hier der Marks
Mein, an welchem dein Elend ſich endet.
Fremder. Wehe dem unglückll⸗
chen / der ſeine Hoffnung auf ein nn
truͤgeriſches Vielleicht bauen muß.
Bodo. Gleichwohl wird er 5 !
ganz elend ſeyn. Immer werden noch
Freuden unter den Dornen ſeines Pfades
ihm ſproſſen, ſo lange der freundliche
Stern der Hoffnung ihm durch die dis
Fern Nebel ſchimmert, die ihm die Aus
ſicht in heitere Fernen verhuͤllen. Nur in
dem Toben der Gewiſſensangſt eines durch
Schuld verfinſterten Innern geht dieſer
milde Stern unter, um in den Grauen
der Verzweiflung ganz zu verlöfchen, ſo |
wie im Gegentheil bei einem vorwurfs,
freien Herzen der Glaube an Gott und
1 15
Vorſehung die heilige Fackel iſt, die ihn
immer neu und ſchöͤner anzuͤndet und ihn
vor dem Verlöſchen ſichert. |
Fremder. Wo lernteſt du fe
wit RR |
Bo do. Wo anders als in der echo,
is Unglücks, die eben dadurch ihren
wohlthaͤtigen Einfluß auf den Menſchen
am ſtäͤrkſten zeigt, daß ſie die ſicherſte
Fuͤhrerin zu hoͤherer Kenntniß und zur
richtigern Einſicht in die Natur und das
Weſentliche des Menſchen und der We
ſenkette und des ewigen unbeſtaͤndigen
Wechſels der Außenwelt iſt.
Fremder. Deine Worte dringen
Glanz zu meinem Herzen und mins
gen mich zur Hochachtung und zum Zu⸗
trauen gegen dich. Wer biſt du?
Bodo. Ich habe es dir ſchon ge
22
a |
ſagt. Jedoch laß uns abbrechen. Der
Mond ſchwebt dort hinter dem Walde
hinab, Mitternacht iſt voruͤber, du biſt
ermüdet und bedarfſt der Ruhe. Willſt
du mit dem dich begnügen, was meine
einſame friedliche Wohnung in dieſer
Wildniß dir darbieten kann, ſo iſt fie. bes
reit dich gern aufzunehmen. 4 A
Fremder. Dankbar hehe ich nel |
Anerbieten Ann ur aus
Bodo. So folge mir. PER
Der Alte ergriff des Juͤnglings Hand
und leitete ihn durch das Dickicht hin
durch, durch welches ihnen aus einer klel⸗
nen Entfernung ein Licht entgegen ſchim⸗
merte und den Weg nach Bodo's Woh
nung bezeichnete. Noch wenige Schritte
waren ſie von dem Felſen entfernt, an
deſſen Fuße Bodo's Hütte ſich unter dem
. 27
uͤberhangenden Geſtraͤuche verſteckte, als
der dumpfe weinerliche Schall jener Tops
tenglocke wiederholt aus der Ferne Deräber
toͤnte.
„Horch!“ flͤſterte der Juͤngling fels
nem Führer zu, „ſchon wieder ertönt je⸗
ner raͤchſelhafte Gkockenton, der 1 a
ber lockte. |
et; das / — fiel ihm Bodo el
„Hier hat dieſer Todtenglocke Ton nichts
Furchtbares mehr fuͤr dich. Keiner jener
feindſeligen Dämonen des Schreckensthur
mes naht ſich dieſer meiner friedlichen
Hätte. Begieb dich hinein, bediene dich
alles Deſſen, was du in meiner Wohnung
findeſt, als deines Eigenthums, das Gaſtz
freundſchaft dir darbietet. Pflege der Ruhe,
und haſt du dich durch Schlaf erquickt, dank
m wir wehe. gest a ich dich allein.“
2
—
18 | 5 RE
Er riß ſich von des Fünglings Hand
los und eilte durch das Gebuͤſch der Ge;
gend zu, aus welcher der Ton der mitters |
N nächtlichen Glocke heruͤberzukommen ſchien.
5 Verwundert ſtand der Jüngling da und
blickte Bodo nach. Gern waͤre er ihm
nachgefolgt ‚um zu erfahren wohin der
i Greis noch ſo tief in der Nacht eile und
ob vielleicht jener Glockenruf auf deſſen
i Entfernung von ihm Bezug habe, allein
ehe er einen Entſchluß faſſen konnte, war
i Bodo in der Dunkelheit der Nacht ven
banden e .
„ PAR
Der Jaͤngling benutzte die ihm ertheilte
Erlaubniß und trat in Bodo's Hütte, Er
fand ein geraͤumiges Behaͤltniß, in welt
chem er bei dem duͤſtern Schimmer einer
Lampe die groͤßte Nettigkeit und Ordnung
bemerkte. Im Hintergrunde gewahrte er
eine nur leicht angelehnte Thuͤre, die in
ein anſtoßendes Gemach zu fuͤhren ſchien.
95 Ein kleines Geraͤuſch innerhalb jenes Ge⸗
machs reifte feine Neugierde, leiſe ſchlich
ai
20 g
er hinzu und oͤffnete dle Thüͤre. Die Lam;
pe warf ihren Schimmer hinein und ließ 5
zwel nette und reinliche Binſ enlager bemer⸗
ken, auf deren einem ein holder blondges
lockter Knabe fanft ſchlummerte.
Ueberraſcht von dieſem Anblick, trat
der Fremdling näher zu dem Lager, indem
er den holden Schlaͤfer genauer betrachtete
und mit innigem Wohlgefallen auf den
Zuͤgen deſſelben verweilte. Je aufmerkſa⸗
ö mer er den Knaben betrachtete um ſo
mehr glaubte er auch eine auffallende
Aehnlichkeit in dem Geſichte dieſes llebens,
würdigen Knaben mit gewiſſen, ihm ſelbſt
| ehe theuern Zuͤgen zu bemerken 4 Ob⸗
gleich der Fremdling ſich uͤberredete, zu
| glauben, daß dieſe ſcheinbare Aehnlichkelt
nur auf einer Taͤuſchung der Sinne berus
Bes die von der kebhafüigkeit erzeugt wer
*
de, womit gewiſſe Erinnerungen allent;
balben ihm vorſchwebten, fo war gleich⸗
wohl dieſe Taͤuſchung zu angenehm fuͤr
ihn, als daß er ſich ſo leicht von derſelben
trennen ſollte. Er nahm auf einem Seſ⸗ 5
ſel neben dem Lager des ſchlummernden
Knaben Platz und verſank in tiefes
Nachdenken, in welchem ihn endlich ein
ſanfter Schlummer beſchlich und ſich feis
ner Sinne bemaͤchtigte ; um feiner Phan;
taſie Gelegenheit zu geben, in halbwa⸗
chen Traͤumen die vorigen Gebilde Nerſel
| ben weiter auszuführen,
Unbemerkt von ihm war indeß der
Morgen emporgedaͤmmert, als ein kleines
Geräuſch in dem größern Gemach der
Hütte ſeinen Schlummer verſcheuchte. Er
® blickte auf, er ſahe ſich von dem Schim⸗
mer des jungen Tages, der Durch die
—
22
Fenſter hereinbrach umfloſſen und Bodo
leiſe hereintreten, der ſich ſehr verwun-
derte, als er ſeinen Gaſt wachend und
| außerhalb des iR ihn bereit en La⸗
| gers fand. |
5 „Haſt du der Ruhe und 1 fo
wenig vonndthen, “ — redete ihn Bodo
an, — „daß du We e SAN |
15 Fremde r. Verworkene Bilder der
Vergangenheit haben mich um dieſe Ruhe
gebracht, und eingewiegt von dem liebs
lichen Trugbilde neuaufgelebter Lebens
freuden, genoß ich hier an der Seite dies
ſes Holden Schlaͤfers die Süßigkeit eines
Schlummers, wie ie fie Ar a jan.
entbehren mußte. > |
Bodo. Möge ein Feen Ge
1 5 dieſe lieblichen Gebilde der Phanta⸗
23 f
ſie dir et PR ſchoͤnen gott
umwandeln! e e RN
Frem der. Nimm meinen herlichen
Dank für dieſen menſchenfreundlichen
Wunſch! Guter Bodo, ich habe dich
ſelbſt dieſe Nacht um deinen Schlummer
gebracht und dich aus deiner 5
ec verdrängt. ee
Bodo. Kümmere dich darüber nicht.
Ju weſſen Innerm Ruhe wohnt, der ruht
allenthalben wohl, ſey es auf weichem
Flaum oder auf duftender Wieſenmatte,
oder am nackten Felſenhang. Ich entbehts a
te die Süßigkeit des Schlummers nicht.
Fremder. Jedes deiner Worte ff
net dir mein Herz mehr und mehr voll Zu⸗
trauen, das die freundliche Aufnahme,
welche du mir ſchenkteſt, und deine eb
muͤthigkelt mir abzwingen. .
a. .
Bodo. Gleichwohl weiß ich noch
nicht einmal, mit welchem Namen ich 850
| nemme fol.
Fremder. Ich fühle das 1
| dleſts Vorwurfs, aber, guter Alter, bal
te es nicht fuͤr Mangel an Vertrauen zu
dir und deiner Rechtſchaffenheit / wenn
mein Mund verheimlichte, was ich ſelbſt
5 ſo gern auf immer vergeſſen moͤchte. Wenn |
/ du einen Namen für deinen unglücklichen
Gaſt brauchſt, ſo nenne ihn Godwin —
(mit bittendem Blick und, don) aber eu
Bodo, Chönel einfallend) >
Ich verſtehe dich und erlaſſe dir, dein Un
glück ehrend, eine Erklärung und Schil⸗
derung deſſelben. Sey wer und was du
willſt, du biſt unglücklich, dieß it mir ge⸗
nug / um dir meine Freundſchaft zu ſchenken.
8 7
5 8 Pr
Fremder. Du biſt ein edler Mann,
deſſen Freundſchaft zu verdienen ich ſuchen
werde. — Doch ſage mir, wer iſt dieſer
holde Knabe? |
Bodo. Auch ein Sohn d des Um
gluͤcks, der es aber zu feinem Wohl noch
955 weiß, daß er es iſt.
Fremder. Armer Knabe! das ſag⸗ |
te mir mein Herz wohl, indem es mich bei 8
deinem erſten Erblicken ſo maͤchtig nach
dir hinzog, daß dich das Ungluͤck mit mir
verwandt amacht. habe. Wem so 5
er an?
Bode. Mir. Er iſt mein Ehn. |
Fremder. Dein Sohn? — Wie
pie dieſes tele bei feiner Iugend und
deinem Alter?
Bodo. Sein Ungluck und fein bes
. FR ihm bei mir Kindesrecht ertheilt.
*
Nicht durch die Bande des Bluts, aber
durch die nicht minder ſchoͤnen Bande,
welche von der einen Seite Menſchenliebe
und von der andern Seite meine Dank;
barkeit knuͤpfen, iſt Goldo an Bodo und
diefer an jenen gefnäpft,
Fremder. Ich verſtehe: Be
5 Pflegevater und Erzieher. |
Bodo. So iſt es; doch ihm ſelbſt
bin ich mehr. Ihm bin ich Vater im el
gentlichſten Sinne des Worts, denn er
ahnet es nicht daß noch irgend Jemand
außer mir ſey der naͤhere Rechte an ihn
und ſeine kindliche Liebe habe.
Firemder. Glückliche Unwiſſenheit!
Moͤchten wir doch ſtets in dieſem wohl;
thaͤtigen Eigenthume der Kindheit bleiben!
Denn nur in dieſer Unwiſſenheit des Kna⸗
benalters liegt der ganze Inbegriff wahren
16
*
*
ee
27
Glucks, das in eben dem Grade abnimmt,
als jene ſich bei der W der an
neren Sinne verliert, 7 ;
Bo d o. Deine Meinung iſt bert
nicht die meinige. Zu dem wahren Gluck
des Menſchen gehört vorzüglich alich, daß
er Gefühl für dieſes Glück habe und das
innige Wohlbehagen uͤber das Angenehme
ſeiner Lage auffaſſe / welches nur der uns
terſcheidende Sinn des reifern Alters er
theilt. Wer das Gluck und die Freuden
des Lebens wahrhaft und in ihrer ganzen
ſchoͤnen Fuͤlle genießen und in dem Beſitze
derſelben wirklich glͤcklich geprieſen wer?
den ſoll, der muß auch mit den Schmer;
zen und Bitterkeiten des Sehens |
rn
25 Frender. 84 kannſt zum Ebel 5
Recht haben, ſo gern auch mein Inneres,
28 ee
von dem Uebermaaß meines Ungluͤcks day
nieder gedruckt, dir widerſprechen möchte,
— Doch erlaube mir noch einige Fragen
in 1 auf dieſen Knaben.
Bodo. Du ſcheinſt ſehr tobten
Aathel an ihm zu nehmen.
Fremder. Ich laͤugne es nicht.
he Aus Weſchet Urſache.
Fremder. Noch kenne ich dieſe
ce nicht. Vielleicht liegt fie in der viel;
leicht nur eingebildeten Aehnlichkeit einlger
Zuͤge in dem Geſichte deines Pfleglings
mit andern mir ewig unvergeßlichen, ewig
theuern Zügen y welche die Erinnerung an
vergangene Zeiten ſo lebhaft in meiner
Seele weckt. Wer ſind oder waren 5
Eltern dieſes Knaben?
Bodo. Ein dichter Schleier 1
geheimnißvoll über die Geſchichte dieſes
a
Knaben eben Ich darf m nicht
hinweg zlehn. 8
Fremder. St Diefer Säleer 115
ſchwinden?
Bodo. O ja! das hoffe 1 zu Gott.
Goldo ſelbſt wird einſt dieſen Schleier hin
wegreißen und das Geheimniß enthuͤllen,
das bis dahin in der Erde duͤſterm Grun⸗
de in Mitternacht vergraben liegt. Doch 5
eine höhere Macht, die der Sterblichen
Sckickſale lenkt, muß es beſtimmen, wenn
der Augenblick der Enthüllung erſchienen
i ich darf ihr nicht vorgreifen.
Fremder. Soll die Goubeit Wun,
der thun?
Bod o. Deren bedarf es nicht. =
Wenn ich aber jetzt ſchon dieſem Knaben
mehr ſagte, als ihm zu wiſſen gut iſt, 8
würde ich ihm einen ſehr ſchlechten Dienf
1
erweiſen und ſein Verderben beſchleunl
gen, das ſein een ſelbſt uͤber ihn
bringen wuͤrde.
Fremder. Wenn ben dann der
Schleier fallen? N
Bodo. Wenn jenes e
Trauergeläute der Todtenglocke verhallt,
nicht mehr die Geiſter der unterirdiſchen
Gruft mit bangen Klagetönen um den
Schreckensthurm und uͤber den duͤſtern
See, in Trauer gehuͤllt, ſchweben und den
Wandrer ſchrecken, wenn Menſchenhaß
und Lebensuͤberdruß ſich in Menſchenliebe
und heitre Froͤhlichkeit wandeln und uͤber
den Ruinen des Schreckensthurmes Sele
na mit freundlichem Silberſtrahle aus den
Schatten der Nacht heraufſchwebt, dann
iſt auch Goldo's neuer gene ehen
erſchienen. a
31
| Fremde r. Cmit allem Ausdruck der
3 2 Selena? 1
Bodo. (ihn aufmerkfom ia. J
So ſagte ich. Befremdet dich dieſer
Name des freundlichen Wan Nr
moge
Fremder. Dunkel und bel 1015
if deine Rede. Moͤchte die Ahnung von
dem, was fie bedeuten koͤnnte mehr als
bloſe leere Ahnung ſeyn! Re
Bodo. Ich verſtehe dich nicht. Dei
: ange auch ich an zu ahnen ©
Fremder (einfallend.) unterdräcke
| jede Vermuthung, wenn ſie auf mich und
meine Schickſale Bezug hat, denn ſie kann
zu nichts Wirklichem führen, wohl aber
den kaum in meiner Bruſt wieder aufs
glimmenden Funken von Zutrauen zu den
Menſchen ſchnell wieder ausloͤſchen und |
35
mich wiederum Binausiagn in 1
leere Einoͤden.
Bodo. Wie das?
Fremder. Weine uͤber 1110 Bor
do! Meine Zunge iſt auf en Ei
ich muß ſchweigen. \
Bodo, Weine über dich ſelbſt / un,
glücklicher! denn voll Zutrauen den Kum⸗
mer, der uns drückt, mittheilend in ein
| gutes theilnehmendes Herz niederlegen zu
konnen, das iſt noch im größten unglück
Gluͤck und vermindert die ſchwerſte Bin.
de, Wehe dem, der dieſe Erleichterung
feiner Laſt ſich ſelbſt verſag! |
Fremder. Du thuſt mir unrecht,
wenn du glaubſt / daß dieſes bei mir der
Fall ſey. Heiß und innig ſehne ich mich
nach dieſer Mittheilung, am meiſten ges
gen dich und hier in dieſer Gegend, aber
| 35
furchtbar, wie ein Daͤmon der Hölle, tritt
ein Schreckgeſpenſt drohend bor mich hin
uud heißt mich ſchweigen.
Bodo. Mich duͤnkt, ich kenne dieſes
Schreckgeſpenſt. | N
Fremder. Unmoͤglich.
Bodo. Sein Name If Olivaro 0
Morrino. — Das ploͤtzliche Erbleichen
deiner Wange beſtaͤtigt es deutlich genug,
daß dieſer Name dich ſchreckt. Doch fen 5
ohne Furcht; wer du auch ſeyn und wel
chen Grund du auch haben magſt, dieſen
Morrino zu ſcheuen, in Bodo's friedlicher
Hütte wohnt der Verrath nicht.
Golde war erwacht und trat herein,
indem er Bodo entgegenhuͤpfte und ſich
mit einem freundlichen „Guten Morgen,
Vater!“ an ihn anſchmiegte. Seine Ga
genwart unterbrach das vorige Geſpräch,
wie es ſchien, ſehr zur Zufriedenheit des
| Fremdlings, den die vorigen Aeußerungen
des Alten in eine heftige Angſt und Unru⸗
be verſetzt hatten.
„Wer iſt dieſer fremde Mann, Va,
ter 2“ fragte der Knabe, indem er den
Fremden mit ſeinen großen blauen ae n
verwundernd anblickte.
„Ein Freund von mir und inf er Saft, 5
erwiederte Bodo. | N |
| „So ſey willkommen, — wandte
ſich der Knabe zu Godwin, indem er ihm
traulich die Hand Paar »Dift du
rn rl
God wi 2 ones. daran, ae
ner? 3
Knabe. Beinahe moͤchte ich es. Du
ſiehſt ſo finſter, ſo unfreundlich, und der
Vater ſagt, die Stirn des guten Menſchen
ſey ſtets rein und heiter, wie ſein Herz.
8. Bodo. ihn unterbrechend) Doch
koͤnnen ſie auch bisweilen unangenehme
Ereigniſſe des Lebens trüben und ſie mit
Furchen des Kummers umziehen.
—
36
Knabe. N das bei dir der da,
fremder Mann?
Godwin. Ach ja wol f
Knabe. (indem er ſich an ihn traulich
anſchmiegt und liebkoſend feine Wange ſtreichelt.)
Armer Mann, du dauerſt mich. Doch
bleib du nur bei uns und du wirſt bald
wieder int uns und durch uns froh wer⸗
den. Der Vater hat ſchon manchen Kran
ken geheilt utid manchen Trauernden froh
gemacht; er wird auch dir helfen. Ka
wahr, guter Vater? 8
Bodo. Gewiß. (mit Wärme St
wins Hand drückend, bedeutend) Aber der
Kranke muß Zuirauen zu ſeinem Arzte ha
f ben und dadurch die Kur befördern helfen.
Bodo brach das Geſpraͤch ab und fuͤhr⸗
te ſeinen Gaſt an der N des kleinen .
Goldo hinaus in das Freie. |
| 37
Es war ein ſchöͤner herzerhebender
Morgen. 5 Sanfte erquickende Kühlung
hauchte Iuen in den lieblichſten Wohlges
ruͤchen der Kraͤuter und Blumen aus den
bethaueten Wieſenmatten entgegen; die
Harmonien ! der Saͤnger des Waldes um;
toͤnten fie und über dem Walde ſchwebte
in ſchöner ſtiller Majeſtäͤt die Koͤnigin des
Tages empor und vervielfaͤltigte ihren
Glanz in tauſendfarbigem Schmelze in den
een des Graſes.
Hohe begeiſternde Schauer ergriffen
den Fremdling, als Bodo ernſt und feier
lich mit entblöftem Haupte ihm zur Seite
Rand, die Hände über die Bruſt gefaltet,
ſein Auge mit dem reinſten Ausdrucke ho
her Andacht gegen die Morgenſonne wand;
te, und der Knabe vor ihm an dem fanfs
ten n Abhange eines kleinen Lugels auf die
58 |
Knie ſank und, ebenfalls mit gegen die
Morgenſonne gerichtetem Blick, Segen
für Bodo und deſſen Gaſt und für ſich
von dem Allguͤtigen erflehte, deſſen Größe,
Guͤte und Macht ihn Bodo in ſeinen Wer⸗
ken zu erkennen und zu verehren gelehrt
hatte. Maͤchtig von Gefühl durchdrun⸗
gen, ſank der Fremdling neben dem bes
tenden Knaben auf das Knie; auf dem
Fittig ſeelenvoller Andacht ſchwang ſich
e Geiſt dem Himmel zu. 1
Wohlthaͤtig geſtaͤrkt durch dieſes Gebet
und von einer fo füßen Ruhe erfüllt, wie
er ſie ſeit langer Zeit nicht gefühlt hat
te / richtete ſich Godwin empor, und Bo
do ar mit ihm nach der ran zu
ruͤck. |
” „Ich muß dich jetzt auf einige geit
berlaſſen “ — redete ihn Bodo an, nach⸗ |
39
dem fie ein frugales Frühſtuͤck genoſſen
hatten, „aber bald bin ich wieder bei
dir. | 1 8
„Wohin gehſt du?“ fragte der Gaſt.
„Mein ehrwuͤrdiger Beruf ruft mich
jetzt an das Krankenlager einer armen
huͤlfsbeduͤrftigen Mutter von fünf vater⸗
loſen Waiſen, denen meine aͤrztliche Hülfe
die Mutter wieder geben ſoll, — erwies
derte Bodo. — Mein langer Aufenthalt
in dieſer Gegend gab mir Muſe, meine
Lieblingswiſſenſchaft fortzuſetzen, den
Heilkraͤften der Natur nachzuſpuͤren und
die Wirkfamfeit der Pflanzen und Kraͤu⸗
ter mit Vortheil anwenden zu lernen. So
nuͤtze ich auch noch in meiner gluͤcklichen
Abgeſchiedenheit von der Welt ihr und
den Menſchen.“
5 0 muß dich immer mehr und mehr
40
hochachten und bewundern,“ — 1
der Fremdling. — „Darf ich dich vor
begleiten? “u
s Das nicht 7 — b ihm Bodo in
Du bedarfſt Zerſtreuung und biſt ſelbſt i
noch zu wenig genefen, als daß der Ans
blick einer Leidenden nicht die Krankheit
deiner Seele verf chlimmern ſollte. Ueber 5
laß dich bis zu meiner Ruͤckkehr der Hand
meines Sohnes. Er wird dich mit un⸗
ſerm gluͤcklichen Aſyl bekannt machen und
kein unangenehmer Geſellſchafter für dich
ſeyn. Gehe wohin es dir beliebt, nur
überſteige nicht die Grenzen dieſer uns 5
umgebenden Waldungen. Vor allen
Dingen ermahne ich dich laß dich nicht
die Neugierde zu der Unbeſonnenheit vers
führen, in das geheimnißvolle Dunkel ges 5
wiſſer Dinge eindringen zu wollen, auf
a
| 41
welche ich dich vorhin aufmerkſam machte.
Fuͤr dich möchte dieſe Keckheit mehr, als für
manchen Andern gefaͤhrlich werden. Wenn
dir an deiner Sicherheit und Freiheit gele⸗
gen ift, fo meide die Gegend des Schrek⸗
kensthurms am See. Die Gegend iſt ſehr
unficher, der Wald hat Augen, jeder Baum
hat Ohren und kann dich verrathen.“ 5
Er druͤckte des 0 RN und
eilte davon.
An des Knaben Hand wandelte Godwin
durch das Felſenthal dahin, indem er ein
Geſpraͤch mit ſeinem kleinen Führer ans
knuͤpfte und ſich ſehr über den hellen
Verſtand deſſelben freute, der bei dieſern
Unterhaltung hervorleuchtete. Er wuͤnſch⸗
te einige genaue Nachrichten uͤber Bodo
zu erhalten, allein Goldo konnte ihm
hieruͤber weiter nichts ſagen, als daß fein
Vater in der groͤßten Abgeſchiedenheit von
| 43
dem Geraͤuſche der Welt lebe, aus weh
cher er nur bisweilen einigermaaßen her⸗
austrete, um Gutes um ſich her zu vers
breiten und Kranken, Nothleidenden
oder andern Huͤlfsbeduͤrftigen zu helfen
oder ſie zu troͤſten und ihnen zu rathen;
weshalb er auch von den Bewohnern der
umliegenden Gegend mit einer ausge⸗
N ER: und Siebe PR
werde. 5
unter dieſem Gefpräche tamen ſie an
einen lichten Ausſchnitt des Waldes, wel;
cher eine ſehr angenehme freie Aus ſicht in
die von hohen Felſen begrenzte Ferne oͤff⸗
nete, innerhalb welcher ſich ein weites
Thal ausbreitete und ſeitwaͤrts unter abs
wechſelnden Feldern und fruchtbaren Hüs
geln die Thuͤrme einiger Schloͤſſer in ſchoͤ⸗
ner Perspektive uͤber den daran anſchlie⸗
4⁴
ßenden Waldungen und Selen ſich 5
hoben. |
Von feinem Kleinen Führer Sache
0 Godwin auf ſeine deshalb an ihn gericht
teten Fragen, daß jene Schlöffer dem Du 5
ſitzer der ringsumherliegenden Gegend,
einem Grafen Morriuo, ‚gehörten, der
ringsumher unter dem Namen des
ſchwarzen Mannes gefiohen werde, weil
er ſtets, in ſchwarze Trauerkleider ver⸗
hüllt, einſam und meuſchenfeindlich uns
her ſchleiche und jedes Menſchengeſicht
Mie e RT |
Mit einem tiefen Seufzer blickte Gods 1
win nach einer dieſer Burgen hin, die
weiter hinaus in dunſtiger Ferne zwi?
ſchen den Felſen empor ſprang und wel⸗
che vor den uͤbrigen ſeine Aufmerkſam⸗ 0
keit beſonders auf ſich zu ziehen ſchien.
45
Doch ſchnell wandte er ſich hinweg.
„Komm, Knabe,“ — ſprach er, —
„dieſe Schloͤſſer, hinter deren Mauern
manche That verübt ward, die vielleicht
ſo ſchwarz als das jetzige Aeußere ihres
Beſitzers ſeyn mochte, ſind haͤßliche Steh
ken in dieſem ſchoͤnen Naturgemaͤlde und
zwingen mich, meinen Blick mit 0
hinwegzuwenden. ““
„So laß uns weiter gehen!“ — er:
wiederte Goldo, indem er mit ſeinem
Gefaͤhrten einen Weg ſeltwaͤrts durch das
8 Gebuͤſch einſchlug. |
In duͤſtres gedanken volles Schwel,
gen verſunken, ſchritt Godwin an der
Seite des muntern Knaben hin, als er
plotzlich durch den Schimmer einer in
weißen Stein ausgehauenen verſchleier⸗ |
ien weiblichen Figur aus feinem Nach⸗
46
denen, aufgefcheucht ward. Auf einem
kleinen mit Cypreſſen umgebenen Raſen⸗
huͤgel hob ſich die Figur empor, welche
den tiefſten Schmerz ausdruͤckte und fehns |
ſuchtsvoll nach einer Stelle des waldigen
Goebüͤſches hinzublicken ſchien, durch wel⸗
ches ein ane Ne heruͤber
drang. 5 ve
Mag bedeutet dies? — baue
Godwin überraſcht. |
| Goldo. Wir ſtehen hier auf eis
185 heiligen dem Andenken einer from⸗
men Dulderin geweihten Stelle. Dies
iſt das Denkmal meiner ee Mut-
ter. 5 1 j Ye
Godwin. Deiner en A 0
Name? er re
Goldo. Ich bade knee we,
nig als ihre Schickſale. 73
47
Godwin. Ruht ſie vielleicht unter
dieſem Huͤgel?
Goldo. Ich vermuthe es. Täglich ö
fuͤhrt mich der Vater hierher, um fuͤr das
Heil ihrer Seele zu beten. In meiner
fruͤhern Kindheit verweilte oͤfters mein
Vater in mondhellen Nächten mit mir an
dieſer Stelle. Dunkel wie im Traume er⸗
innre ich mich deſſen noch, wie alsdann
dieſer Stein geben hatte, mich die Ge⸗
ſtalt meiner Mutter umſchwebte mich
auf ihren Armen liebkoſend wiegte und uns
ter Thraͤnen, wie ein Schatten, verſchwand.
Der Vater verneinte zwar das Alles,
ſchalt mich oft einen Traͤumer, wenn ich
davon ſprach, aber gewiß es war r mehr
als Traum. |
Der Knabe flieg den Hügel hinauf,
ſank an dem Fußgeſtelle der Figur auf die
48
Knie und verſank in ein ſtilles Gebet, von
deſſen andachts voller Innigkeit fein bered⸗ |
tes zum Himmel gerichtetes Auge ſo laut
ſorach, daß der Fremdling von einem hei,
ligen begeiſternden Schauer unwillküͤhr⸗
lich ſich ergriffen fuͤhlte, und im Gebet
neben dem betenden Knaben auf das W |
ſank.
Eine heimiſche feierliche Eiike berech 0
te rings umher, die nur durch das vor:
hin bemerkte dumpfe Brauſen aus der der
ne unterbrochen ward.
„Was bedeutet jenes Geraͤuſch dort f
hinter dem Walde?“ — fragte Gods
win, als der Knabe Ei ER vollendet 4
hatte.
Es iſt das Getöſe des Waſſ erfolg
dort an dem Schreckensthurme,“ — er 5
wiedert Goldo. — „Folge mir nur wa
’
f
=
3
49
nige Schritte durch das Dickicht und du
kannſt ihn ſelbſt in der Ferne ſehn. Doch
vergiß ja nicht dabei, was dir mein Bas
ter zur Warnung ſagte, die unweit des
Ufers am See errichteten ſchwarzen Stei⸗
ne bezeichnen die Grenze, bis zu welcher
man ſich dieſem See naͤhern darf.
Godwin folgte dem Knaben durch eis
nen engen und duͤſtern unter dem übers
hangenden Geſtraͤuche verborgnen Weg, der
ihn bald an eine freie Stelle brachte, wo
der Wald durch einen großen See unters
brochen ward, der ſich weit hinaus er⸗
ſtreckte und von dicken Waldungen ringss
umher begrenzt war. Der Knabe machte
den Fremdling auf mehrere ſchwarze Stei⸗
b ne aufmerkſam ’ die in abwechſ elnden Zwi⸗
ſchenraͤumen um den See herum aufgerich⸗
tet waren und die Grenze bezeichneten,
| 4.
60
bis zu odd man ſi 0 dem Ste ebe |
| dane 100
RR Rügte. r 98 ms einen dieser
5 ſtarrte, von ungewohnt äͤngſt⸗
lichbangen Gefühlen beengt, über die
Waſſerflaͤche des Sees hin, nach dem ge⸗
genſeitigen Ufer, zu welchem ein hinter
A demſelben weit ausgedehnter Felsrücken
den Weg unzugaͤnglich zu machen ſchien,
und wo ein hoher Felſen über die übrigen:
im Vordergrunde derſelben vorſprang, der
ſich ſchroff und ſteil Über den See hinaus;
bog und durch ſeinen Abhang ein kleines
Eiland bildete, auf welchem ſich ein alter,
zum Theil verfallener Thurm erhob. 9 och |
von dem ſteilen Gipfel des Felſens er goß
ſich ein Wogenſturz, der mit gewaltigem,
dem Donner aͤhnlichen Toben an den uns |
geheuern Steinmaſſen ſich brach und aus den 5
i
einzelnen Klüften des Felſens wieder her⸗
vorſtrömte und ſich über den Schreckens
thurm ſchaumend herab in den See
KR | |
Der Fremdling war in dem furchtbar
ſchönen Anblick verloren und ſtarrte mit
underwandten Blicken nach dem Schrek⸗
kensthurme hin, der ſich hinter dem
uͤber ihm herabtobenden Wogenſturze,
wie hinter einem ee b ven
ſteckte.
„„Das iſt der erich e Sie
thurm, den die menſchenfeindlichen Daͤt
monen des Sees bewohnen“ — fluͤſterte
der Knabe ängflih. — Laß uns hier
nicht lange verweilen, n es a eh
gut ſeyn hier. 5
„Kann ich dieſen Thurm nicht in der
Nahe betrachten “ fragte der Fremdling.
5% ,
„um des Himmels Willen / wo denkſt
du hin 2 — fiel ihm Goldo aͤugſtlich ein.
— Haft du die Warnung meines Vaters
wegen?“ 9 e
Godwin. Ich bemerke 9956 ah
kleinen Rachen, der abſichtlich an dem by
hange des Ufers unter dem Geſtrippe vers
ſteckt zu ſeyn ſcheint. Mit deſſen Huͤlfe
muß es leicht ſeyn, den Thurm zu errei⸗
Gold o. Gewahrſt du nicht die drei
ſchwarzen Steine, an welche der Nachen
befeſtigt iſt, um einen Frevel dieſer Art
zu verhindern? Gieb dieſen Gedanken
auf! Du würdeſt dieſes Wagſtͤck mit
| dem Leben bezahlen; denn kein Sterblicher
nahte ſich noch a ae jenem ee
kensorte. '
Godwin. ee e mir uh
Sr
| 5 55
Buſen bewoltſam engendes Gefühl zieht
mich ers nach EN ee
Ma, N 5
same befhmwöre dich,!“ — a ihm
der Knabe ein, indem er ſich aͤngſtlich
bittend an ihn anflammerte, — unter
druͤcke jede Verſuchung zu einem Frevel,
der dich ohne Rettung in Tod und Verder⸗
ben ſtuͤrzen und den Schatten der Unglück
lichen beigeſellen würde, die dort in dem
tobenden Waſſerſturze von den Daͤmonen
des Sees erwürgt wurden. Ach, warum
mußte ich dich auch hierher fuͤhren 45
Mein Vater würde es mir nie verzei⸗
hen, wenn du dich nicht zurückhalten lie
Bet.“ Feſt hielt ihn Goldo umklammert,
indem er ängftlich ſeine Kräfte anſtreng⸗
um den ki he mit at aa
ziehen. i | 885
n 7
*
4
5
S
54
Jetzt Een Godwin d die fernen. Töne
einer klagenden Stimme zu vernehmen, |
welche, von dem wilden Getöfe des Waſ⸗
ſerſturzes uͤbertaͤubt, von der Gegend
des Schreckensthurmes herüberzukommen
ſchienen. Er fand und lauſchte how
chend und er glaubte vernehmlicher als
vorher die Klagetöne einer fingenden Seins |
me von den fie begleitenden: ſchwermuͤchl⸗
gen Akkorden einer Sala zu anterſcel l
den.. 1
Ihr Mächte des Himmels 1
s uns!“ — rief der Knabe angſtvoll aus,
indem er Godwin noch feſter umklammerte
das iſt die Lockſtimme des gefürchteten:
Spukgeiſtes, rette dich und nich dach ;
ſchnelle Flucht!“ A ö
„ Beruhige dich, — redete ihm God
win zu, — das if nicht die verderbende
Stimme eines ſchadenfrohen Spukgeiſtes.
Das find Toͤne, wie ſie nur Leiden und
tiefer ſchmerzvoller Kummer erzeugen. Ich
bin zu vertraut mit dieſen Tonen, als daß
ich ſie verkennen ſollte, und um ſo tiefer
dringen ſie auch in mein Inneres ein.
Irgend ein Ungluͤcklicher ſchmachtet viel
leicht unter der Laſt eines dort verſteck⸗
ten Bubenſtuͤcks nach Erloͤſung, und je
der dieſer herzzerreißenden Klagetoͤne iſt
ein Auftuf zur Hufe. — Laß mich,
guter 3 56 PA h widerſte⸗ er
3)
m. 6 ai RT er
— Mit e Aengſllichkelt
ſchmiegte ſich bittend der Knabe an ihn
an, um ihn von feinem kühnen Unterneh;
men zuruͤckzuhalten, doch jetzt ſchlugen mit |
verſtärktem Ton die verhallenden Klages
tone herüber an Godwins Ohr. Er—
= — N * — Pr
56
griffen und maͤchtig erſchůttert von den |
ſelben riß er ſich gewaltſam von Goldo's
Hand los und ſtuͤrzte das Felſenufer
des Sees hinab in den ce Par
ben. e 15 rn
Das ande des 5 0 be,
Im machen, ei! 25
Mit EBEN Hand ſprragte Godwin |
die Kette, welche den Nahen an die ö
ſchwarzen Steine am Ufer befeſtigte, 5
und eben war er im Begriff „das leichte 1
Fahrzeug von dem Ufer abzuſtoßen und
dem Thurme zuzurudern, als plotzlich
eine Schaar Bewaffneter durch das Ger f
buͤſch hervorbrachen, ſich mit widem
Grimm tobend in den Nachen ärzten
ſich nach einer fruchtloſen Gegenwehr des |
kühnen Schiffers bemächtigten und ihn
1 ; re
4 4 p * f - * „
N Br A), } . 27 2 le
57
gebunden mit ſch ben durch ben Wald
eee E 8
Haͤnderingend und ſchreiend um Huͤlfe
fürzte Goldo durch das Gebuͤſch der vis
terlichen Hütte zu.
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Zu foät bereute Godwin feinen Frevel,
womit er die gutgemeinte Warnung des
gutmuͤthigen Bodo und Goldo's verachtet
hatte. Er mußte jetzt das Schlimmſte
fuͤr ſich befürchten, und aͤngſtlich ſchlug
ſein Herz gegen ſeine Bruſt, als er in der
Mitte ſeiner Räuber den Ausgang des
Waldes erreichte / und mit Schrecken den
Felſen erblickte, 195 welchem 855 die il: |
Dranto erhob,
Fe ee ˖ —— Fe
2 8
2 R ER ö
S
59
Die Burg war in kurzer Zelt erreicht,
und mit einem von der Hoͤhe hinab in das
Thal zurückſchauenden Jammerblicke nahm
der Unglückliche auf immer Abschied von
der Welt, als er den Felſen erſtiegen hat⸗
te und die eiſernen Pforten der Burg hin,
ter ihm klirrend zuſammenſchlugen.
Si; Er ward nach einem engen duͤſtern
Behaͤltniß gebracht, wo er geraume Zeit ſich
allein überlaffen blieb und Muſe genug er⸗
hielt, ſeine Uebereilung zu beſeufzen.
Schon brach die Daͤmmerung des Abends
durch das kleine Gitterfenſter zu ihm her⸗
ein, als die Thuͤre ſich öffnete und der.
Graf Morrino in feiner ſchwarzen Trauer:
kleidung, von einigen ihm vorleuchtenden
Knechten begleitet, mit wildem zornfun⸗
(en: Blick zu ihm hereintrat.
Erbleichend vor Schreck taumelte der
N
Fremdling bei Mottos Ka erſchüt⸗
terndem Anblicke zurück; doch ſein Schreck
verminderte ſich / als jetzt Bodo hinter dem |
1 u ‚A n RER a) a 1
Grafen hervortrat. Zitternd, wie im Fie⸗
berfroſte, bebten die Glieder des Gefange⸗
nen, als der Graf vor ihn hintrat und
ihn lange mit ſcharfen durchdringenden
Blicken betrachtete. Ruhiger athmete er
jedoch wieder empor, als er bemerkte / daß
ſeine Zuͤge dem Grafen 1755 bekannt w |
| ſeyhn ſchienen. Be
Morrino fragte den gert 55
abe Tone nach ſeinem Namen, ſeiner N
Herkunft und nach der Urſache feines fer
velhaften Unternehmens in Beziehung auf
den Thurm am See. Godwin ſuchte ſich
uber das Letztere ſo gut als moͤglich zu
| entſchuldigen / indem er offenherzig be
kannte daß ihn Menſchenliebe und die \
1
. — —-—
; ; 61
| Bermitungn: irgend einen Ungluͤcklichen
dort zu finden und ihm wo moͤglich zu hel
fen, in die Verſuchung gefuͤhrt habe, d m
Befehle des Grafen zuwider zu handeln.
Der Grimm, der aus Morrino's Augen
ihm entgegen flammte, und ſeine vom Zorn
5 beſtugelte Stimme zeigten deutlich genug,
wie wenig ihm dieſe e ge⸗
nuͤgte. a
Des Grafen 9405 gegen den rend
he: vermehrte ſich noch um vieles, als
dieſer auf die wegen ſeiner Herkunft und
Schickſale an ihn gerichteten Fragen eine
ſehr unbefriegende Antwort gab, und der
Strenge des Grafen und feinen Drohun⸗
gen einen kalten berachtenden Trotz ent
eee Pe 5
„Werft ihn in den ee — sin
Morrino knirſchend den Knechten zu, —
6˙
dort ſchmachte er ſo lange, bis Hunger
und Durſt ihn zum Gerippe auszehren
und ſeinen Trotz zur Nachgiebigkeit und
5 s” einem offenen Geſtaͤndniſſe zwingen.“
„Herr Graf, — nahm Bodo, mit bit⸗
tendem Ton, das Wort, — Anne
Euch meiner Worte und Eueres Verſpre⸗
chens. Vergoͤnnt mir nur wenige ere, 5
blicke geheimes Gehör, und ſchont den un
En bis dahin.“
Ohne jedoch auf dieſe Bitte zu won, 1
winkte der Graf den Knechten, welche den
5 Fremdling hinaus und in einen unterirdi⸗
es finſtern Kerker ſchleppten.
Von dumpfem Moderduft umgeben
lichen Hülfe entfernt, allein und feinem
Schmerz hingegeben in der oͤden Finſter
niß. Düfter, wie dieſe, war es in der
2 — 5
1 — * x
GE De Er rer
0
— [2 ?
ale rn et ur“
| 63
Seele des Ungluͤcklichen, und eine Art
von Betaͤubung, die an Stumpfſinn grenz⸗
te, hatte ſich ſeiner bemaͤchtigt. So warf
er ſich auf das vom Moder befeuchtete
ſpaͤrliche Strohlager am ſteinernen Boden,
und ſchauerlich brachen ich feine Seufzer
an den Suchen Wafer den des Ker⸗
ar iS 757 22
Allmaͤhlig kehrte ER Befi innung 519
rück , aber nur um das Schreckliche feis
ner Lage in ſeiner ganzen furchtbaren
Groͤße zu 2 fühlen, 5 Unter Qualen der
Hoͤlle durchwachte der Ungluͤckliche eine
fuͤrchterliche Leidensnacht. Sie floh end⸗
lich vorüber, und über ihm lag bereits
laͤngſt ſchon die Erde von dem milden
Glanze der Sonne umfloſſen * während
in feinem öden Kerker noch immer uns
durchdringliche Finſterniß herrſchte, die
kein freundlicher ON von außen 15 |
ſtreuen konnte.
Von Hunger und brennendem Durſt
gefoltert; ſeufzte der Arme den Tod her⸗
bei, von welchem ihn jetzt bei der bekann⸗
ten grauſamen Härte Morrino's feines
menſchliche Huͤlfe mehr ſchien befrein zu
Ä koͤnnen; da hörte er Fußtritte auf der zu
ſeinem Kerker führenden ſteinernen Trep⸗
pe, und bald darauf die Schloͤſſer und
Riegel vor der Kerkerthuͤre raſſeln. Die
Thuͤre öffnete ſich, und ein Knecht mit
einer Fackel naͤherte ſich ihm ſtillſchwei⸗
gend, aber freundlich, und winkte ihm, ihm
zu folgen. Godwin befolgte dieſen Wink,
indem er aus dem Kerker trat, ſeinem
Fuͤhrer die lange ſteile Treppe hinauf folg⸗
te, und dieſer ihn in einen geraͤumigen
Saal fuͤhrte, wo er in einem der an
. 6⁵
cob enden inner den Maßen ſprechen
hoͤrte.
. Die Thuͤre des Zimmers ward nach u
ner kleinen Pauſe geoͤffnet und Godwin
ward von ſeinem bisherigen Fuͤhrer hin⸗
eingeſchoben und allein gelaſſen. Er ber
merkte kaum, daß der Graf ſich mit Bodo
in dieſem Zimmer befand, als bei ſeinem
Eintritte ein weibliches Portrait an der ge⸗
genuͤber befinolichen Wand ſeine Aufmerk⸗
ſamkeit in einem ſo hohen Grade auf ſich
zog, daß er dadurch nothwendig einen fehr
gefährlichen Verdacht gegen ſich haͤtte bei
dem Grafen erregen muͤſſen, wenn er nicht
noch ſchnell genug durch den ſcharfen bes -
| obachtenden Blick des Grafen auf ſich ſelbſt
ware wieder aufmerkſam gemacht und vers
| anlaßt worden, ſeine heftige Erſchuͤtte⸗
rung unter dem Vorwande ‚einer durch
1 6
66
Hunger und Durſt serufacten unt
lichkeit zu verbergen. 1 5
„Auf einen Wink des Grafen naͤherte
ſich Bodo dem Jünglinge und erquickte
ihn durch einen labenden Trank, indem er
ihm zugleich verſtohlen einen beredten Binf
gab, ſich zu faſſen. |
Nach einer Pauſe, waͤhrend welcher
der Graf abſichtlich des Fremdlings Blicke
nach dem Bilde hinzuleiten und ihn ſcharf
zu beobachten ſchien, wiederholte er ſeine
geſtrigen Fragen an Godwin, aber in ei⸗
hei 5 | sans ede weichen a x
klaren 0 ein Gemiſch eh d N
ungluͤcksfaͤlle einen dichten Schleier über
ſeine Lebensgeſchichte verbreitet habe, 70 den
nur ſein Tod hinwegziehen koͤnne. |
9 00 Bin in En Gewalt;“ — fuhr N
07
er fort, da er ſahe, daß Morrino uͤber i
vier Erklärung nicht in Zorn gerieth,
ſondern vielmehr in ein duͤſtres Nachden⸗
ken verſank. — Entrinnen kann ich Euch
nicht, wenn ich es auch wollte, und ich
muß es ertragen, was Ihr uͤber mich
verfäget. Toͤdtet mich! ich scheue den
Tod nicht, denn, ach, mein Elend iſt
ſo hoch geſtigen daß ich nur von ihm
Erlöſung hoffen kann und die Hand noch
dankbar ſegnen werde, die ihn mir gibt.
Ihr ſeyd ſelbſt nicht gluͤcklich, Ihr werdet
daher auch das Unglück Andrer zu wärs
digen wiſſen, o fo gewahrt mir nur die
Bitte: ehrt mein Unglück, laßt mich nicht
langſam und martervoll in Verzweiflung
ſterben „laßt mich ſchnell und bald vollen;
den und zwingt mich nicht weiter frucht;
los zu einem Geftänonifl e, das für mich
68 ; ; 1
zweifaches Verbrechen ſeyn und mir die
2 Schauder des Todes verdoppeln fügte.
k „Es ſey dann! — wandte ſich hiers
auf der Graf zu ihm, nachdem er ihn
einige Augenblicke lang mit düſterm Blick
beobachtet hatte. — Verdanke es dieſem
wackern Alten, daß ich meinen harten
Sinn gegen | dich geändert habe und bei
dir — gerade wo ich es vielleicht am
wenigſten Urſache haben mochte, — eine
mal von meiner Strenge abweiche. Bodo
hat fuͤr dich eine ſehr gefährliche Buͤrg⸗
ſchaft übernommen und mein Herz hat fie
willig angenommen; zeige nun, ob du
deſſen würdig biſt. Obgleich ich dein Un:
gluͤck noch nicht kenne, fo hat es dennoch ö
dich mir verwandt gemacht. Ich ehre
dein Unglück, das Schonung zu fordern
ſcheint, und will meine Hand nicht nach
—
*
; 5 69
deinem Reben ausſtrecken. Wenn meine
Haͤrte nicht deinen Starrſinn beugen und ;
das Band deiner Zunge zu einem Bes
kenntniſſe loͤſen konnte, das mich vielleicht
zu deinem erſten und redlichſten Freunde
machen koͤnnte, fo will ich verfuchen,
was Schonung, Guͤte und Re uͤber
dich vermögen.“ |
Der Graf zog die Glocke. Pirro, der
alte Verwalter des Schloſſes, trat herein.
„Folge dieſem deinem Fuͤhrer, — ſprach
der Graf zu dem Fremdling, — und
ſey unbeſorgt. “ — Godwin wollte fpres
chen, d och der Graf winkte ihm mit der
Hand und Pirro fuͤhrte ihn hinaus.
7e
. \ 6,
Pirro führte den Juͤngling in ein heites
res nett ausmeublirtes Gemach in dem ge. ;
genfeitigen Flügel des Schloſſes, das eine
ſehr angenehme Ausſicht in den Garten
und drüber hinaus in das weitausgebrei⸗
tete blumenreiche Thal ſchenkte, in deſſen
Hintergrunde jener Schreckensthurm am
See die Ausſicht in die Ferne hemmte.
Der Juͤngling bezeigte ſeine Zufrie⸗ 9
denheit über dieſes immer. „Deſto beſ⸗
I
an 7%
fer, wenn es Euch gefällt, — antwortete
Pirro, — denn der Graf hat es, fo
lange Ihr hier bleiben werdet, zu Eurer
Wohnung beſtimmt. Wenn Ihr die Eins
ſamkeit liebt, ſo wird es Euch hier fehe
wohl gefallen; denn ihr werder hier ganz
ungeſtoͤrt leben, da Niemand leicht in
dieſen Fluͤgel kommt, am allerwenigsten
der en: der dieſes Zimmer vorzuͤglich
flieht.“ 3 |
| ER das? — age Godwin. ei
Der Alte zuckte mit den Achſeln und
trug ihm eine ſehr ſchmackhafte Mahl-
zeit auf, indem er ihn ermunterte, hei
ter und froh zu ſeyn und es ſich ſchmecken
zu laſſen. Pirro reichte ihm einen Bes
cher Wein. „Was verbirgt jene Gardi⸗
mer“ — fragte Godwin, indem eine
grauſeidne mit ſchwarzem Flor garnirte
98 | a
Gardine an der Seitenwand feinen Bick |
auf ſich zog.
„Das Bild des ehemaligen 1 i
ners dieſes Zimmers und der angrenzenden |
Gemaͤcher;“ — antwortete der Alte —
und hierin liegt zugleich die Antwort f
auf Eure vorige Frage uͤber die urſa⸗ 5
che, warum der Graf dieſe Ae ei |
meidet.
te Godwin.
„Ich habe wenigſtens keinen Befehl 4
„Darf ich das Bild (ont 2 _ tos
es Euch zu verwehren, — antwortete
Piero, indem er nach dem Bilde ging und
eine herabhängende ſeidne Schnur anzog,
worauf die beiden Gardinen von einander
rauſchten und das Portrait eines pe
ſchoͤnen Juͤnglings zeigten.
Pets durſchüttert bebte Godwin iu⸗ 0
N
€ 75
rück; er vermocht' es im, ſich aufrecht N
zu halten; er warf ſich in einen Seſſel
und ſtarrte bleich und zitternd das Bild
an, wahrend Pirro geſchwaͤtzig fortfuhr:
„Dies war Enrico, der einzige Sohn und
Liebling meines Gebieters, ein trefflicher
| Juͤngling, in welchem der Graf fein gan⸗
zes Glück und feinen größten Reichtum |
umfaßte. Die Hand eines Feindes er:
ſchlug ihn, und mit ihm ſenkte man den
hoͤchſten Stolz und das ſchoͤnſte Gluͤck
meines Gebieters in die Gruft Er Ka
ſanft!“ „% x 138% g
Sr ruhe fanfe! ke Rammte God⸗
win. 8 b a s
„Kanntet Ihr ihn? — 21 515 Pirro,
indem er fi ich nach dem Gaſte umblickte
und äber feine bleiche Geſtalt und ſeinen
ſtarren nach dem Bild gerichteten Blick
7
erſchrack. — Mein Gott! was iſt Euch
begegnet? rief er aus. — Eure Wange
if bleich? Ihr zittert? e
2 7 „Laß es gut ſeyn, — erwiederte God⸗
win, indem er ſi ich zu faffen bemüht war,
— es geht vorüber „das ſchnell Abwech⸗
ſelnde meiner Lage, die Moderduft des
Kerkers, Hunger und Dur hatten ee
entkraͤftet. | a,
„Erquickt Euch durch a Wen, — |
unterbrach ihn der Alte, indem er mit
angſtlicher Geſchäftigkelt einſchenkte und
a Godwin den Becher aufdrang. 7
18 „Eine unglͤckliche Phyſi ognomle, —
fuhr Godwin fort, — die mich an einen
unglücklichen Jugendfreund erinnert. Die⸗
ſe traurige E Erinnerung wird mir meinen 4
Aufenthalt in I Amer ſeht las a
tern“! „VVV 7
75
„Das ſoll fie nicht, — fiel ihm der
Alte guthmuͤthig ein, indem er hinauseil⸗
te, eine Stufenleiter holte, und ohne ſich
an die Einwendungen des Gaſtes zu keh⸗
ren, das Portrait nebſt den Gardinen von
der Wand herunter nahm und es in das
Seitenzimmer trug. 5
»Was wird der Graf dazu fagen?«
L redete ihn Godwin an, als er wieder
zu ihm hereintrat.
„Seyd deshalb ganz e —
erwiederte Pirro. — Der Graf eint
nicht hierher und kann nichts davon er⸗
fahren, daß ich dieſes Euch fo h
Bild Euern Blicken entzog.“ |
Godwin. Diefes Bild an und für
ſich ei mir keinesweges zuwider,
denn ich kannte den ungluͤcklichen nicht;
nur die Aehnlichkeit ſeiner Zuͤge mit denen
eines ungluͤcklichen Freundes iſt es, die
eine traurige Erinnerung in mir erregt.
| Pirro. Gleichviel. Erfuͤhre es auch
der Graf, wie es durchaus nicht geſchehen
kann, ſo weiß ich / daß er das Geſchehene
5 ſehr billigen wuͤrde, da es ſein ausdruck
f licher Befehl iſt, Euch Euern Aufenthalt
in dieſem Schloſſe ſo angenehm als möͤg⸗
| lich zu machen und Euch mit all' der Ach
tung und Sorgſamkeit zu begegnen / wel
che einem Freunde vom Hauſe gebuͤhrt. a
Godwin. Bin ich ein m von *
dieſem Hauſe? a }
Piero, Die Gaſfreundſchaft mel,
nes Gebieters erhebt Euch dazu / obgtei
er vielleicht auch wohl noch andre urſachen
dazu haben kann / EM ee e,
zeichnen.
Godwin. eur Bent us sn
5 i 1
| hinter dieſer ne Auszeichnung eini⸗
ge Argliſt verborgen liegen? — denn unt
moͤglich kann dieſe EN Guͤte
und Freundſchaft dem Charakter eines
Mannes eigen ſeyn, der ringsherum als
ein Wafſhenſeknd n. und ER sefoßen
| wird. | 0 Sy i
Pirro. Darüber mögt Jr ſelbſt
am beſten urtheilen koͤnnen; denn Ihr
| müßt es am beſten wiſſen, ob dieſe Euere
Beſorgniß vielleicht in Beziehung auf ges
; wiſſe mir unbekannte Verhaͤltniſſe gegruͤn⸗
det ſey. | Im Allgemeinen kann ich Euch 5
jedoch hieruͤber beruhigen, in ſo fern Ihr
nicht der Erſte und Einzige ſeyd, der
eine gaſtfreundliche Aufnahme hier findet.
Er ſelbſt flieht zwar voll bitterm Groll die
Menſchen und ihren Anblick; die Freude
kennt ſein Herz nicht; ſtil und einſam, wie
78 0 7
in einem Todtengewoͤlbe ift es um uns
her, ſchüͤchtern ſchleichen die Bewohner
des Schloſſes, wie Geſpenſter des Grabes /
umher / um die dem Grafen angenehme
Stille nicht zu ſtören, die nur ſeine ban⸗
gen Seufzer unterbrechen, und fein Sams
merblick ſcheucht Jeden von ihm zuruck, g
wenn er, in tiefe Trauer gehuͤllt, wie ein
f ſchreckendes Geſpenſt der Schattenwelt
durch die oͤden Saͤle und Gaͤnge des
Schloſſes dahin ſchwebt. Gleichwohl ſteht
dieſes Schloß eben fo, "wie ſeine übrigen
Schloͤſſer, jedem vorüberziehenden Wand⸗
rer gaſtfreundlich offen. Noch mehr: ſei⸗ N
ne Gaſtfreundſchaft geht ſo weit, daß die
ausgestellten Wächter feiner Schlöſſer
‚ausdrücklich angewieſen find, jeden Frem:
den in dieſen Gegenden anzuhalten und ö
ihn ſogar wider ſeinen Willen in die naͤch / f
79
fe feiner Burgen einzuführen, um ihn
dort zu bewirthen und ihn ſo lange dort
zu verpflegen, bis der Graf felbſt die Er⸗
laubniß giebt, ihn weiter reiſen zu laſſen.
Weigerung kann hierbei nichts helfen;
denn welcher Reiſende der freundlichen
Einladung nicht folgen ſollte, der wuͤrde
der Gewalt und dem auge e
muͤſſen.
Go d w in. Sonderbat. Woher f reibt
ſich dieſes raͤthſelhafte Benehmen des Gras
fen, das mit ſeinen menſchenfeindlichen
Geſinnungen ſo ganz im „ |
ſteht? RR:
Pirro. Wer kann diefes bei des
Grafen Verſchloſſenheit beſtimmen? Doch
fol dieſe übertriebene Gaſtfreundſchaft auf
gewiſſen fruͤhern unglücklichen Ereigniſſen
des Grafen beruhen, und zum Theil mit
er ; | |
feinem: Menfgengeet ſehr in eee
eben = 2
| EEE faſſe ich ih Su
| 5 Alter, du ſcheinſt einigen Anthell an
mir zu nehmen; iſt dies keine Taͤuſchung
ſo ſchenke mir dein Vertrauen und mir |
eine Bitte. N 5 5
Pir ro. Allerdings 11 i pe
ei an Euch; das bin ich meinem alten
| redlichen Freunde Bodo ſchuldig, der Euch
mir ſehr angelegentlich empfohlen hat.
Ihm und ſeiner Sorgfalt verdanke ich 27
daß ich noch bin und lebe, er hat ein
bleibendes Recht auf meine Dankbarkeit,
und was ich fuͤr Euch that und noch thun
78 koͤnnte, das iſt blos ein geringer Abtrag
der Schuld, die ich dem wackern Bodo
nie ganz abtragen kann. Habt Ihr daher
ein Anliegen an h ſo werde ich 0
=
. 5 81
gern befriedigen, wenn es nicht gegen meis
ne enderweltägen ältern Pflichten ſtreitet.
Godwin. So geſtehe ich dir denn, daß
mich die Angelegenheiten des Grafen und
die geheimnißvollen Naͤthſel, die in die⸗
ſem Schloſſe und der umliegenden Gegend
verborgen liegen, ſehr intereſſiren. Du
wüͤrdeſt dir ein bleibendes Verdienſt um
mich und meine Ruhe erwerben, wenn
du mich mit dem Befentlichften dieſer
Rathſel bekannt machteſt. x a
Pirro betrachtete ihn einige Nen
blicke mit zweifelhaften Mienen, doch ließ ;
er ſich endlich ; zu der Gewaͤhrung dieſer
Bitte bereit finden, indem er Godwin
verſprach, mit einbrechender Nacht zu
ihm zu kommen, und ihn unter dem Vers
ſprechen der ſtrengſten Verſchwiegenheit,
fo viel, als er ſelbſt davon wiſſe, mit den
6
.
82 4 .
Angelegenheiten des Grafen vertraut zu |
machen.
»Laßt Euch brngenn e von 1 dieſen
- Rärhfeln nicht abhalten, Euch, dem Bil
len des Grafen gemäß, Euern Aufenthalt
benen Schranken zu gehen, oder wohl gar
einen Verſuch zur Flucht zu wagen, der
durchaus verungluͤcken und Euch der gan,
5
in dieſem Schloſſe fo angenehm, als möge.
lich zu machen, — fuhr Pirro fort, —
denn wißt, Ihr habt Erlaubniß, Euch ins
nerhalb dieſes Schloſſes und des Gartens
zu zerſtreuen / wie Ihr wollt. Nur bitte
ich Euch, dieſe Erlaubniß nicht zu miß⸗
brauchen und uͤber die Euch vorgeſchrie
!
7
zen Rache des Grafen ausſetzen muͤßte.
Er ging und ließ Godwin allein.
— e—— — ———̈
n .
* erh 2
*
Te:
Godwin verſank in ſtummes Nachdenken,
indem er die mancherlei Scenen ſeines Le
bens an ſeiner Seele voruͤberfuͤhrte und
8 bemuͤht war / die Ereigniſſe und ſeltſamen
Begebenheiten der Vergangenheit mit: des
nen der Gegenwart und den noch zu er; f
wartenden der Zukunft in Verbindung zu
bringen, einen Zuſammenhang darin zu 0
finden und aus den Reſultaten feiner
Selbſtbetrachtung zweckmaͤßige Entſchlie⸗
ßungen fuͤr die Zukunft zu faffen. |
1
»
*
8⁴ i 8 1
Seine Unruhe und Beſorgniſſe vers b
mehrten ſich / je ſorgfältiger er das auf⸗ 0
fallend ſeltſame freundſchaftliche Betragen 8
des Grafen gegen ſich in Verbindung mit
einigen Aeußerungen deſſelben und andern
dabei obmwaltenden Umſtaͤnden erwog. .
ſahe wohl ein, daß er Bodo größtenteils
die mit des Grafen verſchrieener Graufams 0
keit und Härte im offenbaren Widerſpru⸗
ae ſtehende Milde deſſelben gegen fi I
verdanken habe, und daß dieſer Alte mes
‚fentlichen: Antheil an der ſchnellen Wen
dung ſeines Schickſals habe, allein ſo
gewiß er auch bei fich überzeugt war, daß
es Bodo wahrhaft redlich mit ihm meine
und daß hinter deſſen Huͤlfsleiſtungen kel
ne geheime Tuͤcke und Argliſt verſteckt lie
gen koͤnne, um ihn deſto ſicherer zu mas
chen und ihn, deſto er zu verderben,
1 .
En
| 85
ſo war gleichwohl ſelbſt dieſes liebevolle
Entgegenkommen dieſes Greiſes gegen ihn,
als einen ihm voͤllig Unbekannten) ſo
raͤthſelhaft, daß er ſich unmöglich aus dem
ſeltſamen Gewirre ſeiner Ideen und Ver
muthungen herauswinden konnte.
Alles um ihn her ſchien feine Beſorg /
| niß, wegen einer geheimen Argliſt des
Grafen, zu begruͤnden; ſelbſt das Zimmer,
das ihm zu ſeiner Wohnung in dem Schloſ⸗
ſe war angewieſen worden. Es war fuͤr
ihn das Schlimmſte zu befürchten, wenn
es mehr Zufall geweſen war, daß der
Graf gerade dieſe Zimmer ſeines ermorde⸗
ten Sohnes für feinen Saft gewaͤhlt hatte.
Mit vieler Sehnſucht ſahe er daher
ö der folgenden Nacht entgegen, wo Pirro g
| fein Verſprechen erfüllen und ihm vielleicht
uͤber alles dieſes einige Auskunft geben
86
wurde. 5 Er blieb den größten Theil des
Toges ſich ch ſelbſt uͤberlaſſen, ohne weder f
den Grafen noch irgend feine Leute zu
4
Geſichte zu bekommen, außer den alten
Pirro, der ihm das Eſfen bröchte ?
„Ihr macht Euch ſelbſt vorſätzlich zum
Gefangenen, — ſprach Pirro zu ihm, als
er gegen Abend wieder kam und ſich nad
feinen: tend igen Wuͤnſchen erkundigte —
5 warum macht Ihr Euch nicht im Saulen i
einige Zerftvenung ? 5
„Ich fand bis jetzt noch Stoff genug
zur Unterhaltung in mir ſelbſt— ante
wortete Godwin; ; — doch werde ich nun⸗ a
genießen, wenn es mir erlaubt iſt.“ N
»Ihr habt völlige Freiheit, innerhalb |
dieſes Schloſſes und des angrenzenden
Gartens zu gehen, wohin es Euch gefällt 75
mehr den ſchoͤnen Abend in dem Garten
| 87
E fuhr Pirro fort — kein Menſch wird
Euch hindern. Doch als Freund ermahn'
ich Euch nochmals, ſeyd vorſichtig und
vergeßt nicht, daß Ihr insgeheim uͤberall
beobachtet werdet, wenn Ihr Euere Lage
| nicht vorſaͤtzlich verſchlimmern wollt. Im
Vertrauen muß ich Euch ſagen, daß es
mir beinahe ſcheint, als wenn man eine
ueberelung von Euch erwarte; je unbe
fangener Ihr Euch Euern Besbachtern
zeigt, um ſo beffer wird es fuͤr 15
ſeyn ö
Godwin drückte dem gutmüͤthigen Al;
ten dankbar die Hand, indem dieſer wie⸗
der von ihm ging, und er ſelbſt ſchritt
durch die Säle hindurch nach dem Gar;
ten. In den anſtoßenden Saͤlen und
Zimmern ſtieß er auf einige | Bedienten,
welche ſich ehrerbietig vor ihm verbeugten
86
und weiter nicht auf ihn zu achten ſchie⸗ i
nen. Gleichwohl entging es ſeiner is
ſamkelt nicht, daß einer dieſer Leute ihm
in einiger Entfernung verſtohlen folgte ;
und ihn bis in die Gänge des Gartens |
nicht aus den Augen ließ. Ohne diefe
Bemerkung zu verrathen, ging Godwin
ſeinen Gang ruhig fort und ſchritt lang-
ſam durch die Alleen und Blumengzue
des Gartens dahin. 1
Der herannahende Abend athmet lb
Kühlung ihm entgegen; von den Beeten
| fliegen die angenehmſten Wohlgeruͤche
aus den Kelchen der Blumen zu ihm
empor, und ſanfte Abendwinde ee
ten mit leichtem Saͤuſeln in den Blaͤt⸗
tern eines kleinen Gehoͤlzes, aus wel
chem ihm die ſchmelzenden Töne einiger
gelen entgegen toͤnten und ihn
*
. | 89
in das heimische 2 We des h eins
luden. |
Lauſchend auf die ſchwermüthigen
Seufzer dieſer lieblichen Saͤngerin der
Nacht, die fo rein und ſchöͤd in dle gleich
geſtimmten Akkorde feines Innern eingrifs
fen, machte er einige Gänge durch das
kleine Luſtwaͤldchen, die ihn an dem Ende
des Waͤldchens an einen in altem Styl er-
bauten und ringsumher von Zypreſſen um⸗
ſchatteten Pavillon fuͤhrten. Er naͤherte
5 ſich dem Eingange deſſelben „und als er
die Thuͤre nur leicht eingeklinkt fand, oͤff;
nete er fie und trat hinein. Sie fuͤhrte zu
zweite Thuͤre, die in das Innere des Ger
Ed
baͤudes führte, Er ſtand eine Weile und
Taufe, und ald er alles fill um ſich
her fand, gerleth er in Berfuhung, auch
9% \
das dune des 1 kennen 15 le,
nen. 0
Leiſe öffnete er die Thuͤre und ſchuͤch
tern trat er in ein geraͤumiges aber durch⸗
aus ſchwarz ausgeſchlagenes Gemach, das
einem Todtengewöle glich. Von der ges.
wolbten Decke herab hing eine Ampel,
| welche das Gemach mit duͤſterm Schim,
mer matt erhellte. In dem Hintergrunde
zog eine weibliche Buͤſte von weißem Mar-
mor Godwins Aufmerkſamkeit auf fi,
die auf einem ſarkophagaͤhnlichen Fuß,
geſtelle errichtet war, zu welchem einige
Stufen fuͤhrten. An das Fuß geſtelle lehn⸗
te ſich ein von weißem Stein gehauener
weinender Genius an, deſſen Trauerblick
auf die in goldnen Buchſtaben dem Fuß,
geſtelle eingeſetzten Worte ae war:
Verlorne Freuden. 8
91
Godwin fühlte ſich von einem heiligen
Schauer maͤchtig ergriffen; ein heftiges
Zittern bemeiſterte ſich feiner, das ihm
kaum Kraft genug ließ, ſich aufrecht zu
erhalten, als er bekannte Züge in der
weiblichen Buͤſte zu bemerken glaubte, und
eben war er im Begriff, ſich dem Monu⸗
mente zu naͤhern, als der Graf langſam—
feierlich in ſeiner Trauerkleidung herein;
trat. Sein duͤſtrer Blick fiel auf den
Fremdling, und nachdem er ihn eine Fleis
ne Weile ſtumm und mit dem Ausdrucke
tiefer Wehmuth betrachtet hatte, winkte
er mit der Hand, ſich zu entfernen. Gods
win gehorchte dieſem Winke und e
er | ee
In W eee von dem Pas
vllon warf ſich Godwin in dem Gebüfche
auf eine zwischen Zypreſſen angebrachte
2
1 | 5
. 98 = 1
Raſenbank und verſank in ein berworre; 1
nes Gemiſch von Ideen und Vermuthun⸗
gen uͤber das, was er in der ſchwarzen
Todtenhalle geſehen hatte, aus welchem
er ſich nicht herauswinden konnte. Mit
unverwandtem Blick ſahe er nach dem
Pavillon hinuͤber und hoffte, daß der
Graf denſelben bald wieder verlaſſen und
ihm ( Gelegenheit geben ſollte, ſich mit dem,
Innern der Todtenhalle naͤher bekannt z
machen, als ein kleines naͤherndes Ge,
raͤuſch in dem Gebuͤſche ihn aus ſeinem ö
Nachdenken emporſcheuchte. Er blickte
auf und bemerkte den alten Bodo, der ſich
leiſe dem Pavillon naͤherte und in denſel⸗
ben hineinſchluͤpfte. a . 1
Neue Zweifel und Beſorgniſſe ben
jetzt in Godwins Seele auf, und mit ges
ſpanntet Erwartung ſahe er dem aue
blicke entgegen, wo Bodo wieder heraus⸗
kommen wuͤrde, um ſich alsdann ihm in
den Weg zu ſtellen und ihn uͤber ſeine
Vermuthungen und SEN um ie |
zu bitten.
Langſam und unter einer ſteigenden
Unruhe ſchlich Godwin die Zeit mit traͤ—
gem Schneckengange vorüber, Die zu⸗
nehmende Dunkelheit des Abends huͤllte
die Gegend ringsumher in ihren magis
ſchen Schleier, freundlich blickte der Mond
durch die duͤſtern Zypreſſen zu ihm herab
und ſchon ſank der Abendſtern hinter die
weſtlichen Gebirge nieder, als endlich die
Thuͤre des Pavillons fi öffnete, Bor
do in Geſellſchaft des Grafen herauskam
und der Letztere die Thüre hinter nö ſorg⸗
m verſchloß. |
Godwin preßte f 975 um I anbenett
96 „%
Graft, erinnert Euch an Euer Verſpre⸗
chen, ich muß ganz frei und nach en |
| Gutduͤnken handeln koͤnne n...
55 „Du haſt mein Wort, unterbrach Un
der Graf, — ich will einmal deinen
Anſchlag 05 weitere Pruͤfung anneh⸗
men und dich in nichts hindern. Doch 2
ſieh dich vor, daß du dich nicht verrech⸗
neſt, du haft eine gefährliche EN
übernommen. . e ee
4 »»Laßt das gut kei — erwiederte 5
Bodo, — ich müßte mich ſehr ſchlechk
auf Menſchen und die Erforſchung ihrer |
Gemuͤther verſtehen, oder ich habe mei;
nen Mann ſo gut gefaßt, daß er mir gewiß
nicht entwiſchen ſoll. Ich hoffe meine Rech
nung ſo richtig auskalkulirt zu haben, daß |
mir um das Facit den nicht When a
kann.“. 3
I
Mehr konnte Godwin von diefem Ge
ſpraͤche nicht erlauſchen / da Beide jetzt um
einen Bogengang einlenklen und ſich ent;
fernten; doch hatte er ſchon genug ges
höret, um reichhaltigen Stoff zu neuen
Selbſtbetrachtungen und Beſorgniſſen da;
durch erhalten zu haben, da dieſes abges
brochene Geſpräch des Grafen mit Bodo
zum Theil weſentlichen Bezug auf ihn
ſelbſt zu haben ſchien. Er ſchluͤpfte
ſchuͤchtern aus dem Garten und ee
eg fen Zimmer.
98
N * * I
0
1 5 "öfter \ epaufenofem, Saum |
| ſtand Godwin an das Fenſter gelehnt J
und blickte hinaus in die von dem Daͤm⸗
merlichte des Mondes beleuchtete Ferne,
wo im duͤſtern Grau der PAAR,
Y am See die Perſpektive ſchloß.
f Von dem Schloßthurme toͤute der Seh ö |
gerſchlag der Mitternachtsſtunde durch die
feierliche Stille, mit unverwandtem Blick
*
hing fein Auge an der b duftigen chatten;
0
7
k
4
ahnlichen Geſtalt des Thurmes und auf
99.
der Nachtluͤfte Fittig ſchwebte feine Seele
voll tiefen nachdenkenden Ernſtes um die
alten Mauern deſſelben. In Vermuthun⸗
gen und baͤngliche Zweifel und Beſorgniſſe
verloren, gaukelte ihm ſeine Phantaſie
wunderſeltſame Traͤume vor, als ihn ein
fanfter Schlag auf die Schulter aus dis
ſen Schwaͤrmereien weckte. Ueberraſcht
blickte er ſich um, und Pirro, der alte
Schloß verwalter, ſtand hinter ihm, der,
ohne von ihm bemerkt zu werden, teile
' bereingetrsten war.
„Ich komme, mein b dcbe Wort zu
löſen, — redete Pirro ihn an, — doch
thut es mir leid, daß ich Euch in Euern
Selöfberrahtangen flöre,
Du ſtoͤrſt mich nicht, — - unterbrach
ihn Godwin, — ich freue mich, dich bei
—
100
mir zu ſehen. Seit der Abenddaͤmmerung
ſahe ich deiner Ankunft erwartungsvoll
entgegen. Die Nacht üͤberraſchte mich hier
an dieſem Fenſter, wo jener Thurm hin⸗
ter dem herabſtroͤmenden Waſſerſturze / in
welchem der Mond ſich ſo ſchauerlich ſpie
gelt, meinen Blick an ſich feſſelte und mich
in tiefes Nachdenken verſetzte!! “
Pirro. Es kann Euch zu nichts fuͤh⸗
ren. An jenem Thurme ſcheitert jeder
forſchende Blick und kein menschliches Aw
| ge dringt durch den geheimnißvollen Schlei⸗ ö
er, der ſein Inneres verhuͤllt. 1
Godwin. Du haſt mir Aufſchluß N
uͤber dieſe und aͤhnliche dahin en ö
Raͤthſel verſprochen. ale, . 1
Pirro. In Beziehung auf en .
Thurm würde ich Euch mit Unwahrheit 1
hintergehen muͤſſen wenn ich Euch etwas
101
Beſtimmtes davon mittheilen wollte. Es
iſt dieſer Thurm mit dem See der Ort,
dem ſich Niemand in der umliegenden Ge
gend ohne Noth zu nähern wagt. Ueber⸗
haupt iſt jene Gegend fo aͤußerſt unſicher
und gefaͤhrlich, und die Geruͤchte von den
Schreckniſſen derſelben ſind ſo ſchauder⸗
haft / daß es kaum des darüber ertheilten
Befehles des Grafen dazu bedurft hätte,
einen Jeden bis auf eine durch ſchwarze
Steine am ufer des Sees bezeichnete Weite
davon zuruͤckzuhalten und alles weitere Uns i
glück zu verhüten, welches die Schreckniſſe
des Kriegs auf ſo mannigfaltige Art ſchon
uͤber Manchen gebracht haben ſollen, der
in der tobenden Brandung des Waſſerſtur⸗
zes feinen frevelnden Vorwitz mit dem e⸗
ben bezahlte. Kein Menſch aus dieſer
Gegend wird es daher wagen, ſich über
*
102
die Grenze des Waldes zu berſteigen;
ſchuͤchtern fliehen die benachbarten Lands
bewohner mit beflügelter Eile denjenigen
Theil des Waldes / hinter welchem jener
gefuͤrchtete See ſich ausdehnt, und aͤngſt⸗
lich ſchlaͤgt der verſpaͤtete Wandrer das
Kreuz und wandelt mit weggewandtem Ger
ſicht voruͤber, wenn in ſtiller Mitternacht
der ſchauerliche Ton der Todtenglocke bis;
weilen berüberdrößnt und ihm 1
ſeine Eile zu verdoppeln. = er
Godwin. Sonderbar. Sollte der
Graf die Geheimniſſe jenes Thurmes und
| des Sees nicht kennen, oder vielleicht gar
in dieſelben verflochten fen 9
Pirro. Wer kann das mit einiger
Gewißheit beſtimmen, da er ſelbſt über
Alles, was ihn und ſeine Angelegenheiten u
betrifft, das geheimnißvollſte Stillſcwei⸗
8
0 | 205
gen beobachtet, und der leiſeſte Verdacht,
daß irgend Jemand etwas mehr als ihm
ſelbſt lieb wäre, davon ahnen koͤnne, ſei⸗
nen Zorn im hoͤchſten Grade gegen 0 0 |
entflammen wuͤrde. 8
Godwin. Gleichwohl hoffte ich ganz
gewiß von dir etwas Näheres uͤber ihn
und ſeine Angelegenheiten zu erfahren.
Pirro. So viel mir ſelbſt davon bes
kannt iſt, will ich Euch gern, im Ve
trauen auf Eure unberletzllche Wesel
wi anvertrauen. |
Er ſetzte ſich traulich an Godwin's
Seite / und nachdem Beide einige Bechen
Weins zuſammen geleert hatten, begann
win feine: Erzählung. |
„„Bei aller Macht und bei allem Reichs:
i durch welche ſich der Graf Mora
no auszeichnet, — hub er an — konnte er
104.
ſich Ae nicht Gluͤck Ruhe und See⸗
lenfrieden erkaufen, um deren ſchoͤnen
Genuß er wohl manchen Armen ſeiner un⸗
terthanen beneiden mag. Sogar ward das,
wodurch er Gluck und Freude zu erhalten
hoffte „öfters die Quelle neuer Leiden.“ |
Godwin. Dann wäre er wirklich :
fehr zu bemitleiden. | 13
Pirro. | Gewiß das iſt er; denn
Ni er auch jetzt fo Manche gehaͤſſige |
f Seite des Charakters hat, die Jeden ſchen
von ihm zurüͤckſtoßt, ſo war dieſes doch
b einzig nur die Folge ſeines Unglücks. Von 0
Jugend an ſchien der Fluch eines feindfelis f
gen Geſchicks auf ihm zu laſten, den ſich 4
feine Familie durch ihre Bedrückungen
und Verfolgungen gegen eine andere graf 2
liche Familie fol in vergangenen Zeiten zus 1
gezogen haben. A |
*+
7
105
Godwin. Wie das? u
Pirro. Von langen Zeiten her leb
te die Familie Morrino mit dem alten
graͤflichen Stamme Beverini in ununter⸗
brochenem Hader und in rachſuͤchtiger
Feindſchaft. Schwer lag der Haß Mor⸗
rino's auf den Beberini's, daß es dem
Ahnherrn der Letztern, Romano Beve—
rini/ gelungen war, dem ſtolzen, ehr⸗
und rangſuͤchtigen Caͤſare Morrino den
Rang abzugewinnen, denſelben um die
Gunſt des Koͤnigs zu bringen und ſich
über ihn hinweg zum Statthalter von
Trapani empor zu ſchwingen. Der dar
durch entſtandene Haß und Verfolgungs⸗
geiſt der Familie Morrino gegen die Bes
verini's pflanzte ſich von dem Vater auf
den Sohn und von dieſem auf den Enkel
bis auf neure Zeiten fort, und gab Ver⸗
1
106
anlaffang zu den gefährlichften Zwiſtigkel
ten zwiſchen beiden Theilen. Ich wage
es nicht, die Gerüchte von den mancher,
lei gehäffigen Kunſtgriffen und verächtli⸗
chen Intriguen nachzuſchwatzen welche .
die Familie Morrino gegen das Haus Ber
verini ſoll angewandt haben; bis es der
8 Erſtern gelang, das Vergeltungsrecht an 1
der Letztern auszuüben, fie von ihrer
vorigen glänzenden Höhe, herab und in
Schmach und Schande und druckende Ar
muth zu ſtuͤrzen. i 5
Godwin. Ich erinnere are von
dieſen Verfolgungen und Feindſeligkeiten 2
| gehört zu haben. Der Haß der Familie 3
Morrino gegen die Beverini war fo Befr -
tig / daß fie nicht eher raſtete, als bis der
ihr verhaßte Stamm Beverini gaͤnzlich |
ausgerottet war. Der Letzte dieſes edlen
107
Stammes ſtarb verbannt, geächtet durch
die Hände feiler Meuchler, welche Mor⸗
rino gegen ihn ſoll gedungen haben.
Piero. Ganz recht, ſo ſagt das
Gerücht. Nur zwei Sproͤßlinge dieſes
Stammes, Selena und Guido, waren vonn
demſelben uͤbrig geblieben, und nur ihre |
unſchuldsvolle Kindheit ſicherte dieſe vor
dem Verderben und vor der .. ih⸗
rer Feinde.
Godwin. Wo beben dleſe Kinder?
2 Pir ro. Der Vater ihrer verſtorbe⸗
nen Mutter, der edle Antonio Orbizo,
nahm ſich der armen vater und mutter⸗
loſen Waiſen an. Er erzog ſie fern von
dem Geräusche der Welt auf feinem ein
ſamen Landgute mit der vaͤterlichſten
Sorgfalt, und weit umher wurden dieſe
| beyden Kinder der Gegenſtand allgemeiner
108 i 5
Liebe und Bewunderung, vorzuͤglich wegen
ihrer menſchenfreundlichen Tugend und
wegen ihrer außerordentlichen, ausgezeich⸗
neten, zaͤrtlichen Anhaͤnglichkeit an einan⸗
der und wegen ihrer wechfelſeitigen inni⸗
gen Geſchwiſterliebe. | ee
Godwin. Hatten diefe 1 4
den liebenswuͤrdigen Tugenden und Vor⸗
zuͤge der beiden Kinder vielleicht auch eis
nen für fie günftigen Einfluß auf Morrino |
und feinen Familienhaß 2 -
Pirro. Keineswegs. Er hörte die
Lobpreifungen von dieſen beiden liebens⸗
wuͤrdigen Kindern mit verbiſſenem Grimm, |
der um fo heftiger war, je weniger er ſich
in Anſehung feines Sohnes Enrico aͤhn—
licher vortheilhafter und ruͤhmlicher Nach⸗
richten erfreuen konnte. Im Gegentheil 5
entſtanden von allen Seiten die lauteſten
109
Klagen über Eurico's Wildheit, Bosheit
und geheime Tücke und über fo vielfältige
Ungezogenheiten deſſelben, welche Geruͤch⸗
te und Klagen jedoch der verblendete Bas
ter, aus zu großer blinder Liebe fuͤr ſei⸗
nen Liebling um ſo mehr für Verlaͤum;
dung hielt, jemehr der Knabe ſich gegen
ihn zu verſtellen und den a zu mas
chen wußte.
Godwin. Und jene nn Kinder
r vielleicht dafuͤr leiden, daß En;
rico der Achtung und Liebe fuͤr unwerth
geachtet ward, welche man ihnen ſchenkie?
Pirro. Es trug wenigſtens vieles das
zu mit bei, das Feuer der Zwietracht,
das unter der Aſche fortglimmte, zu naͤh⸗
ren und es am Ende zu hellen Flammen |
anzufachen, als Guido und Enrico auf
ö der hohen Schule zuſammen trafen. Der
110
arme und unbeguterte Beverini hatte dert
um ſo mehr von dem Uebermuthe und der 4
argliftigen Feindſchaft des reichen und ö
ſtolzen Morrino zu dulden, als dieſer
allenthalben in der Achtung und Liebe der ;
angeſehenſten Familien der Stadt hinter
dem armen und huͤlfsbeduͤrftigen Beveri⸗
ni zuruck bleiben mußte. Die ſtille von
kriechender Schmelchelel entfernte Br
ſcheidenheit des Letzteen, ſein ae
ter Fleiß, feine Kenntuiſſe und mehrere
Beiſpiele, wodurch er feine warme, ge
raͤuſch⸗ und anſpruchsloſe Menſchenliebe
mit der größten Selbſtoerlaugnung und
mit bedeutenden Aufopferungen, ja ſogar a
mit Gefahr ſeines Lebens bewieſen hatte,
hatten ihm das Wohlwollen der bedeu⸗
tendſten Perſonen und namentlich des all 5
gemein beliebten Prinzen Breſari und des
\ 2 111
ehrwuͤrdigen und „dienten Biſchoffs von
Catania in einem f 0 hohen Grade erwor⸗
ben, daß ihm die glaͤnzendſten Zirkel offen
ſtanden, von deren Zutritt der folge Mor;
rino entfernt blieb.
Godwin. Ich kann mir 3 daß +
manche unangenehme Mißhellig⸗
keiten zwiſchen beiden Sünglingen veran;
laßt wurden; doch laß uns davon abbres
chen, wenn dieſe Verhaͤltniſſe nicht wer
ſentlichen Bezug auf die Angelegenheiten
des Grafen haben „über welche ich Aufı
ſchluß von die zu erhalten wünſchte.
Pirro. Ihr werdet ſogleich hören,
daß jene Mißhelligkeiten einen ſehr bes
deutenden Bezug auf das haben, was f
Ihr eigentlich zu wiſſen verlangt. En
rico ſuchte den ihm verhaßten Guido in
mancherlei arglifiige Händel und Gefah⸗
112
ren zu berſricken / erh dieſer gleich
wohl immer mit eben ſo vieler Klugheit, s
als Gewandtheit aus wich. Das Miß lin,
gen ſeiner argliffigen Anſchlaͤge vermehrte ö
0 Enrico's Haß und Groll gegen Guido in |
einem hohen Grade, aber als er auch ſo⸗ 4
gar in dieſem ihm verhaßten Feinde feis E
nen ‚begünfligten Nebenbuhler bei der
Nichte des vorhin erwaͤhnten Biſchoſfs, 5
der jungen, eben fo reizenden, als tugends
haften Marquiſin Iſabella Guarini er⸗ a
kannte, welche eine der erfien Schönheiten
des ganzen Val di Demona war, und
noch mehr wegen ihrer hohen Tugend, ais
| wegen des Zaubers ihrer Schoͤnheit allge⸗
mein verehrt ward, da loderte ſeine Wuth
und feine Nachſucht zu den hellſten Slam
men auf. Vergebens wandte Enrico als ö
les an, um feinen Feind aus dem Herzen ö
h Ü \
.
1 *
Wr
113
der reizenden Iſabella zu verdraͤngen und
ſich in demſelben einzuſchleichen; die Mars
quiſin beſtrafte feine Verlaͤumdungen und
ſeine kriechenden Schmeicheleien mit kal⸗
ter Verachtung, und zeichnete, mit Beis
ſtimmung ihres ehrwuͤrdigen Oheims, den
glücklichen Beverini durch ihre ganze Zaͤrt⸗
lichkeit nur noch mehr aus. a
ö Godwin. Genug davon, lieber
Alter. Ich habe dieſen Guido Beverini
damals genauer gekannt, ich weiß, daß
dieſer beneidete Gluͤckliche plotzlich von
der ſchwindelnden Hoͤhe ſeines Glucks,
durch den ſchnell erfolgten Tod feiner ges |
liebten Guarini, herabgeſtürzt ward. Ich
weiß, daß ſi c dieſen plötzlichen Tod, der
eine Folge von einer Indtgeſtion ſeyn
ſollte, welche ſich Iſabella bei der Feier
ihres ſechzehnten Geburtsfeſtes ſollte zu⸗
13 71
\
114
gezogen haben, anfangs Niemand recht er⸗
klaren konnte, bis man Spuren von einer |
Vergiftung an dem Leichname bemerkte.
Pirro. Ganz recht; ſo wißt Ihr 1
auch wohl, daß deshalb ein fürchterli der
Verdacht gegen den jungen Morrino in
Beverin's Seele entſtand; daß der Letz
tere, in tobender Verzweiflung über den {
Verlust ſeiner geliebten Iſabella / Rache
gegen den bermeinten Mörder. ſchnaubte, ö
und dieſe an ihm g zu Ber ;
ſuchte? VV
Godwin, (ach beſinnend) Davon if \
mir nichts erinnerlich ich mußte gleich J
nach jenen Auftritten Catania und weinen
Freund Beberini verlaſſen, von welchem 1
er
ich auch ſeitdem nichts weiter gehört babe.
Pirro. So kann ich Euch ſagen,
daß ſein Plan. der Nache gegen Enrico an 1
b
a. r E
a
8
11
deſſen Argliſt ſcheiterte, indem er der Ras
che ſeines Feindes durch die Dolche zweier
Banditen zuvorzukommen ſuchte, welche
Guido eines Abends an dem Fuße des
Monte Gibello anfielen, die dieſer aber
durch ſeine Gewandtheit und Beherztheit,
mit Beihuͤlfe eines dazu gekommenen jum
gen Officiers, übermältigte und den Einen
dieſer beiden Mörder niederſtieß, mähs
rend der Andre ſich durch die Flucht ret⸗
tete. Durch den zu Boden geſtuͤrzten Moͤr⸗
der hatte Guido, ehe jener ſeine ſchwarze
Seele ausathmete, den Namen deſſen er-
fahren, der ihn zu dieſem Morde gedun⸗
gen hatte; es war Enr co Morrino.
Godwin. Abſcheulich.
Pirro. Jetzt kannte die Wuth und
Rachſucht des jungen Beverini gegen ſei⸗
nen Feind keine Grenzen mehr; er duͤr⸗
1 116
ſtete nach ſeinem Blute und fo ſorgfaͤltig
ſich Jener auch vor ihm verbarg und ſchon -
Anſtalt getroffen hatte, Catania wieder
ſchnell zu verlaſſen und hierher zu feinem
Vater zuruck zu eilen, fo drang dennoch
Guido zu ihm ein und zwang ihn zu ei
nem Zweikampf, in welchem der Sohn
meines Gebieters unterlag. Dieſer war
über den Tod feines einzigen Sohnes un,
tröftlich und in Verzweiflung. Er hatte
in demfelben, in blinder Zärtlichkeit fuͤr
ihn, fein ganzes Gluͤck umfaßt, und in |
Abm nun auch alles verloren, was ſeinem
Herzen theuer war, da er Niemand weis |
ter hatte, der feine Liebe mit Enrico their
ö len konnte da deſſen Geburt ſeiner ge⸗
=
1
1
hi
liebten Gemahlin Roſaura das Leben ges %
raubt hatte. Sein verzweiflungsvoller
Schmerz über Enrico's Verluſt, war da
1
N
117
her ſo groß und heftig als ſein Grimm
und feine Rachſucht gegen den Mörder -
ſeines Lieblings, den er nunmehr zwie⸗
fache Urſache hatte, unverſoͤhnlichſt zu
haſſen. Allenthalben ließ er dem jungen
Beverini nachſpͤren und auflauern, und
die bedeutendſten Summen wurden von
ihm dem verſprochen, der ihm den Ver-
haßten lebendig uͤberliefern würde, Gul⸗
do war jedoch ſchon vorher durch eine
ſchnelle Flucht, wozu ihn vielleicht ſelbſt
ſeine Freunde mochten veranlaßt haben,
der ihm drohenden Gefahr entronnen, und
als Morrino ſich der Gelegenheit beraubt
ſahe, feinen gluͤhenden Durſt nach Rache
an dem Mörder feines Lieblinge zu loschen,
fo brach er, von Wuth und Rache ent
brannt, auf, um die Schweſter des Moͤr⸗
ders zum Opfer f einer Rache zu machen,
118 n 8 5 8
und in ihr den letzten Sproͤßling des er,
lauchten Beverini'ſchen Stammes nr ver⸗
nichten. 178 N
Godwin. Der Unmenſch! was konn-
te die Arme fuͤr das ae ihres Brus
ders? |
5? ee Denn frohe die Kadı |
ſucht des Grafen nicht. Die arme Sele⸗
na fuͤhrte den Namen Beverini, und ſchon
dieſes war für ihn genug, um ihn zu eis
ner That zu veranlaſſen, vor welcher er, 5
bei kälteren Blut, ſelbſt wuͤrde een |
| erröthen muͤſſen. f 5
Godwin. Ich zittere für die Un⸗ ö
glückliche, Was war ihr Schickſaln?̃
| Pirro. In der Stille der Nacht f
ward das Landhaus des gutmuͤthigen Or-
bizo überfallen, und mit Gewalt ward Se⸗ N
lena aus den Armen ihres väterlichen
„2:9
Freundes geriffen und auf das Schloß des
Grafen Morrino gebracht. Mit hohem
ſchadenfrohen Entzuͤcken empfing diefer den
vorangeeilten Boten, der ihm die Nachricht
von dem gelungenen Anſchlage uͤberbrach⸗
te, und ſorgſam mochte er uͤber Planen
bruͤten, wie er feine Rache am empfind⸗
lichſten an Selenen koͤnne geltend machen /
als dieſe ſelbſt i in der Mitte ihrer Raͤuber
mit all dem edlen Anſtande, der ihrem ho⸗
hen Sinne und gebildeten Geiſte eigen war,
vor ihm erſchien, und ihr Anblick ſeine
Wuth und feinen Grimm gegen ſie ent
waffnete. Gezwungen mußte er dem ho⸗
hen Zauber ihrer allgemein bewunderten
Schoͤnheit huldigen; der Ausdruck des
tiefſten Schmerzes der, mit edler Größe
der Seele vereint, den Zauber ihrer Reize
um vieles erhöhete, die fanfte Hingebung
120 5 5
der armen huͤlfloſen Dulderin wirkten ſo
heftig auf das Herz dieſes harten Man⸗
nes, daß er gänzlich umgeändert und mit f
ſich ſelbſt uͤber dieſe unwillkuͤhrliche um:
wandlung zu zuͤrnen ſchien. Aus Schaam
vor ſeiner Gefangenen und um ihr ſeine
Schwaͤche zu verbergen, begab er ſich eis
lends hinweg, um ſich zu ſammeln und i
ſich zur Ausführung feines vorigen Plans
der Rache zu ermannen, doch mit ſich |
ſelbſt uneins, erſtarb der Befehl, Selenen
einzukerkern, immer wieder auf feinen
Lippen, er begnuͤgte ſich blos damit, ſie
vor der Hand in ein kleines duͤſteres, einem
Gefaͤngniß aͤhnlichem Gemach des Schloſſes
einfperren zu laſſen, während er ſelbſt in
einem beftändigen heftigen Kampfe mit ſei⸗
—
N ”
nem Innern, ſtill und in ſich gekehrt, ums
herſchlich oder ſich in ſein Kabinet verſ chloß. 5
e
Godwin. Und Selena?
Pirro. Dieſe vertrauerte ihr unglͤck
liches Leben in ſtillem Harme. Weniger
fuͤr ſich ſelbſt als wegen ihres Oheims
und ihres heißgeliebten ungluͤcklichen Bru⸗
ders beſorgt, nagte ein heftiger Gram
an ihrem Herzen, der endlich die Bluͤthe
ihrer Geſundheit angriff und fuͤr ihr Leben
das Schlimmſte befürchten ließ.
| Godwin. Wie benahm fh Morris
no dabei? A
Pirro. Selenens tiefer Schmerz
und ihre unverſchuldeten Leiden zwangen
ihm Ehrfurcht und Schonung ab. Er ſahe
die Bluͤthe ihrer Geſundheit dahin welken,
ihre Wangen verbleichen und das ſanfte
| Feuer ihrer Augen verlöfchen, und geruͤhrt
wandte er nun alles an, der armen Leis |
denden ihr Schickſal zu erleichtern und
122
gung zuvorzukommen. Ja noch mehr, er
| zwang ſich ſogar dazu, feine Nachſucht
und ſeinen Haß gegen ihren Bruder in ih⸗
rer Gegenwart zu unterdruͤcken, wenn er
ſich mit ihr in Geſpraͤchen aus ihrer frühen
2 Jugend vertiefte und Selena dann immer
das Geſpraͤch auf ihren ung iätklich ei Bru⸗
der lenkte, ihm das hohe Glück ihrer bei
derſeitigen zaͤrtlichen Geſchwiſterliebe und
ihren Wuͤnſchen durch ſchnelle Befriedi⸗ b
die mancherlei ſchonen Scenen ihrer beis
der barmlofen Kindheit mit den blendend⸗
ſten Farben ſchilderte. Mit heißer Sehn—
ſucht wuͤnſchte Selena ihren geliebten
Oheim und ihren Bruder um ſich zu ſ. ehen,
oder von dem Letztern nur einige beſtimm
te Nachrichten zu erhalten, und der Graf, ö
der ſich immer mehr an Selenens ange.
nehmen Umgang gewoͤhnte, immer groͤßeres 1
7
127.
| Vergnügen in ihrer traulichen Unterhal⸗
tung fand und alles an wandte, um ſich
ſelbſt ihrem Herzen werth zu machen,
ſaͤumte nicht, ihr wo moͤglich zu der Be⸗
friedigung ihres Wunſches wegen ihres
Oheims behuͤlflich zu ſeyn. Er ſendete
Boten an den ehrwuͤrdigen Orbizo ab, um
dieſem von dem heißen ſehnſuchtsvollen
Verlangen ſeiner Nichte nach feiner Ges
ſellſchaft Nachricht zu geben und ihn
freundſchaftlich zu ihr einladen zu laffen,
um Selenen durch deſſen unvermuthete
Ankunft auf dem Schloſſe angenehm zu
uͤberraſchen: allein dieſe Bemuͤhung war
vergebens. Orbizo hatte gleich nach Se⸗
lenens Entführung feinen bisherigen Auf⸗
enthalt verlaſſen, wahrſcheinlich in der
Abſicht, den verkappten Raͤubern nachzu⸗ |
eilen und ihnen ihre Beute wieder zu ent⸗
124
reißen, aber Niemand wußte, wo der
wuͤrdige Alte hingekommen war, und alle
5 angewandte Muͤhe, ihn aus fuͤndig zu ma⸗
chen, blieben fruchtlos. Je weniger das
her Selena ihr Verlangen von dieſer Sei⸗ 0
te befriedigt ſehen konnte, um fo mehr
befeelte fie der ſehnſuchtsvolle Wunſch,
das Herz des Grafen für ihren unglücs
lichen Bruder zu ruͤhren und demſelben ſel⸗
ne Verzeihung auszuwirken. Allein ſo gern 0
auch der Graf die Wuͤnſche feiner ſchoͤnen
Gefangenen zu beftiedigen ſuchte / ſo hart
näckig verwelgerte er ihr die Gewaͤhrung
dieſer Bitten. Sein unverſöhnlicher Haß
gegen den Moͤrder ſeines Sohnes und ſeine \
Verfolgungen gegen denſelben dauerten ;
ununterbrochen fort, und die oft wieder ⸗ |
holten Bemühungen Selenens, ihn zu bes 4
fänftigen und sänfigere Geſinnungen f
—
—
u N
— —
9 — ae
P
1
125
Guido einzuflöͤßen, erbitterten ihn nur
noch mehr, ſo daß endlich Selena, um
nicht ſich ſelbſt und ihren ungluͤcklichen
Bruder noch mehr dem Grimme des har⸗
ten Mannes auszuſetzen, ihre Thraͤnen
um Guido in ſeiner Gegenwart und ihre
fruchtloſen Bitten unterdruͤckte, um es
in Geduld abzuwarten, bis die alles hei
lende Zeit und kaͤlteres Nachdenken die
dem Grafen durch den Verluſt f eines Soh⸗
nes geſchlagene Wunde heilen und ihn auf 5
beſſere Geſinnungen für ihren Bruder brins
gen wuͤrde. So ſtanden dieſe Angelegen;
heiten, als endlich der Graf durch die
zuberlaͤßige Nachricht auf das angenehmſte
uͤberraſcht ward, daß es den dem unglüch
lichen Guido nachgeſchickten Verfolgern
gelungen fey, ihm auf die Spur zu kom⸗
men und ihn durch ihre Helfershelfer in
4
a
4 *
e
den Apenuinen bei Rini der woc. des
Grafen zu opfern. 0 |
Godwin. Guter Gott! wie 905 |
/ dleſe Todesnachricht auf das Herz der
armen Schweſter gewirkt haben.
Pier d. Der Graf war ſchlau genug a
um feines eignen Vortheils willen, dieſe a
Nachricht vor Selenen auf das forgfäftigs a
a zu verbergen und fie durch andere
falſche Nachrichten zu täufhen. Er brach
te ſie auf ſein eutfernteres Schloß Gua; ö
ſtills. um jedes etwanige Gerät von
dem Tode ihres Bruders deſto beſſer von
ihr zurück zu halten, und um ihr Zweifel
gegen die Wahrheit dieſer Gerüchte beizu,
bringen, wenn fie fi ch dennoch elnmal zu
a ihrem Ohre ſchleichen ſollten, auch ihr
die verlorene Ruhe wieder zu geben und
ſie deſto beſſer nach feinen Wuͤnſchen ſtim }
127
men zu können, mußte ich mich in einer
paffenden Verkleidung auf Guaſtilla eins
ſchleichen und Selenen einen untergeſcho⸗
benen Brief von ihrem Bruder mit den
vortheilhafteſten Nachrichten von ihm und
ö feiner glücklichen Lage einhändigen.
Godwin. Das thateſt du?
Pirro. Ich that es, und es geſchah f
zu Selenens Ruhe. 88 Ihre Freude über
dieſe Nachricht kannte keine Grenzen, die
Heiterkeit und Seelenruhe, welche ſeit ſo
langer Zeit ihr armes mit Kummer be.
laſtetes Herz geflohen hatten, kehrten auf's
Neue in daſſelbe zuruͤck, und N
einen deſto hoͤhern Zauber uͤber ihr ganzes
ſchoͤnes Weſen. Der Graf benutzte dieſe
ihre gluͤckliche Stimmung zu ſeinem Vor;
theil „indem er ihre Freude, ohne deren |
Grund von ihr zudringlich zu erforſchen,
2
A
388.
mit ihr theilte und guͤnſtigere Geſinnun⸗
1 gen gegen Guido affektirte, auch endlich
mit ſeiner Bewerbung um ihr Herz und
ü ihre Hand gegen ſie hervortrat. Seine
liebevolle Zärtlichkeit; feine Milde, Schmein
cheleien und glänzenden Verſprechungen, 1
beſiegten Selenens Bedenklichkeit, und
brachten ſie dahin, ſeinen Bitten unter
drr unerlaͤßlichen Bedingung nachzugeben,
daß er ſeine bisherigen Verfolgungen ihres
Graf durch die zuverlaͤßigen Nachrichten
45
Bruders auf immer einſtellte. Da der
von dem Tode feines Feindes von dieſer
Seite ziemlich beruhigt worden war ſo
bequemte er ſich endlich nach einigem ſchein⸗ 0
baren Straͤuben dazu, Selenen das feier⸗ 1
liche Gelübde darzubringen , feine Bemis
hungen, Godwins Aufenthalt auszukund⸗ |
2 | ie
ſchaften, um Rache an ihm zu nehmen,
a .
—
1 — NE 3
K .
und ſeine zeitherigen Verfolgungen des
| ungluͤcklichen Fluͤchtlings abzubrechen, ſo
lange dieſer nicht ſelbſt keck genug ſeyn
f wuͤrde ‚ afeine Schonung zu mißbrauchen
und ſich ihm oder Selenen zu nuͤhern, wo
er alsdaun verbunden ſeyn wuͤrde, den
me tee Sohnes an ihm zu raͤchen.
Godwin. Selena ging Diele «Bes
aten in e an: 1 W acli
Pirro. Allerdings. Die Vernäh⸗
. ward mit einem dem Reichthume und
Anſehen des Grafen angrmeſſenen Glanze
auf Guaſtilla vollzogen, und mit der neuen
Graͤfin Morrino kehrten auchn Freude,
Gluͤck und Zufriedenheit in die bisher vers
oͤdeten und freudenleeren Schloͤſſer des
Grafen, wie in die Hütte feiner; Voſallen
zuruck. Der Graf liebte ſeine junge, lies
bens wuͤrdige Gemahlin mit einer bis zur
5 I |
1 er 5
hoͤchſten Schwaͤrmerei getriebenen Zärts
lichkeltz ſein eifrigſtes Beſtreben war dar⸗
auf gerichtet, ihre Liebe in einem eben ſo
hohen Grade zu verdienen, und Selena
blieb nicht unempfindlich bei dieſen feinen
Bemühungen und den taufendfältigen Bes
weiſen ſeiner unbegrenzten Liebe fuͤr ſie.
Die Achtung, welche ihr ſein liebevolles
und mildes Betragen gegen ſie in ihrem
Unglück, wo ſie ſo ganz feiner Gewalt
preis gegeben war, wögelteungen hatte,
ging bald in volle gegenſeltige Zuneigung
über, Das hohe Glück ihrer Gegenwart a
ſchien immer mehr und mehr jede düstere
Erinnerung an die traurige Vergangen-
heit in ihrem Innern zu verwiſchen, da |
zumal der Graf fortfuhr, ſie von Zeit zu
Zeit durch untergeſchobene guͤnſtige Nach,
richten von ae Bruder zu ue
— a RER:
| 131
An der Seite ihres Gemahls, der fein
ganzes hoͤchſtes Lebensgluͤck in Selenen
umfaßte, blühete ihre jugendliche Schön;
heit in verjuͤngtem Zauber empor, und die
Ruhe und Heiterkeit, welche ſie jetzt be⸗
lebten, erhoͤhten das Gluͤck des Grafen.
Nut alsdann, wenn Selena zuweilen das
Geſvraͤch mit ihm auf ihren Bruder und.
auf den Wunſch, ihn einmal zu fehen,
leitete, kehrten duͤſtre Wolken des Uns
| muths auf die Stirne des Grafen zuruͤck,
und mit kraͤnkendem Verdruß ſchien er es
zu bemerken, daß er die Liebe ſeiner Ge⸗
mahlin noch immer mit dem ihm noch im
Tode ſo verhaßten Guido theilen mußte,
und daß fie dieſem ſogar vor ihm den
Vorzug in ihrem Herzen gab. Der Ruf
von der hohen Tugend und Schönheit der
jungen ‚Gräfin Morrino verbkeitete ſich g
| ſchenfreundlichkeit und Milde gegen die
82.
rern
immer mehr und RR und ihre Men,
Armen und Hülfsbedürfligen machten fie.
bald zu dem wuͤrdigen Gegenſtande allge⸗ f
meiner Bewunderung und Verehrung.
um ſeiner Gemahlin deſto mehr Gelegen⸗ 1
heit zu angenehmen Zerſtreuungen zu ge⸗ 4
| ben / hatte der Graf, kurz nach ſeiner
Vermaͤhlung das Schloß Sarento in der
Nahe der Hauptſtadt zu ſeinem und Se.
lenens Wohnorte gewaͤhlt, und bald war
dieſes der Sammelplat der angeſehenſten
Perſonen, welche die Liebenswuͤrdigkeit
und Tugend der ſchoͤnen Graͤfin dahin zog.
Feſte wechſelten mit Feſten aller Art ab,
1 und wider ihren Willen ward die Graͤfin ö
in einen Steudel von Ergöͤtzlichkeiten ge,
riſſen die fie kaum mehr zu ſich ſelbſt
kommen ließen. Allein eben dieſer um
e a A en ee S-
1
55
;
9
1
2
.
unterbrochene Wirbel von Ergöslichfeiten,
der Selenen gewaltſam dahin riß und
namentlich das auffallende immer ſtäͤrkere
Hinzudraͤngen feiner Freunde und Gaͤſte
zu Selenen und die ſuͤßen Schmeicheleien
und Freundſchaftsbewerbungen der 'gläns
zenden Menge gegen fi e, weckten und
nahrten die dem Charakter des Grafen
elgenthümliche Eiferſucht in einem ſo g
hohen Grade, daß ſeine bisherige Ruhe
und Heiterkeit immer mehr und mehr abs
nahmen. Die Graͤfin erkannte jedoch
zeitig genug die Urſache des Truͤbſt uns
ihres Gemahls ſo vielen Zwang er ſich
auch gegen ſie auflegte, und ehe das N
Uebel der Eiferſucht zu feſte Wurzel in
ihm ſchlagen konnte, ſuchte ſie demſelben
durch einen raſchen Entſchluß und eine
f reiwillige Entfagung ihrer e Ver,
Be
15%
gnügungen‘ zuvorzukommen. Aus Scho⸗
nung fuͤr ihren Gemahl verbarg ſie dieſem
die wahre Urſache ihres Entſchluſſes, ins
dem ſie, unter dem Vorwande eines es
berdruſſes an ihrer bisherigen geräufchs
vollen Lebensart, fi ch von der Nähe der |
Stadt und aus ihren glaͤnzenden Zirkeln
entfernte, und, mit Beiſtimmung ihres Sen
mahls, die kleine aber äußerſt reizende Bik
la deſſelben, Ceriga, zu ihrem Aufenthalte j
wählte, welche, ungeachtet ihrer Entfer J
i
ge Tage in jeder Woche auf Cerigo ganz 5
nung von der Haupiſtadt, dennoch bequem ö
genug fuͤr den Grafen lag, um ſeine So
| mahlin, ohne Hintanſetzung ſeiner glänzens |
den Verhaͤltniſſe am Hofe, in ihrer Ein a
ſamkeit beſuchen und von Zeit zu Zeit das ö
Schloß Sorento verlaſſen und; immer einig,
dem Gluͤcke ſeines Herzens leben zu konnen.
135
SOON SEN Du ſpannſt meine ganze
Erwartung auf die folgenden Schickſale
der Gräfin. 500 10 00 85
| Sina Menſchengluͤck gleicht der
Sonnenhitze: dem hoͤchſten Grade folgt
ein Unwetter und mit den Maͤchten des b
ae Schickſals iſt fein, ewiger Friede
zu ſchließen; denn ſchnell und unbermu⸗
thet ſchreitet durch ſie das Unglück daher.
Auch Morrino und ſeine Gemahlin waren
zu glͤͤcklich, als daß dieſes Gluͤck haͤtte von
langer Dauer bleiben koͤnnen. Die ſchoͤnen
beſeligenden Freuden des gluͤcklichen Gat⸗
ten, welche der Graf in ſeiner Gemahlin
in ihrer ganzen ſchoͤnen Fuͤlle genoß, er
hielten jest einen neuen Zuwachs durch
die zu hoffenden eben ſo ſchoͤnen Freuden
des glaͤcklichen Vaters, indem ihm eines
Tages Selena bei ſeiner Ankunft bei ihr mit
136
5 ee e e aufen, b
ne einen raten aa Gi gur ;
lichen Liebe erfreuen werde. Das Ent
züͤcken des Grafen bei dieſ er Nachricht
war uͤber jeden Ausdruck erhaben, ſeine
Sorgfalt für die Bequemlichkeit und Pfle-
ge ſeiner Gemahlin ſtieg mit feiner Zaͤrt
lichkeit für fie auf den hoͤchſten ‚Grad, in⸗
dem er jetzt ſeltener, als jemals von ihr
wich und ſie vor jedem rauhen Luͤftchen, a
das ſie anwehen konnte, zu verwahren
ſuchte. Endlich erſchien die heiß erſehnte
und zugleich mit aͤngſtlicher Unruhe und 4
Beſorgniß gefürchtere Stunde welche in 8
der glücklichen Geburt einer kleinen Toch
5 ter feine ſchoͤnſten Hoffnungen frönte, und }
ihn gleichſam in ein Meer von ſeligen 1
Freuden ech en e den 5
2
=
gluͤckberauſchten Vater an die hehren Ge⸗
ſtade der Seligen zu wiegen ſchienen.
Einen gluͤcklichern Mann, als den Grafen,
gab es jetzt weit und breit nicht, und ſein
Junetes ſchien kaum Raum genug für das x
uͤberſtroͤnende Vollmaaß feines Glucks zu
haben. Um ſo auffallender war es, daß
die Graͤfin dieſe Freude ihres Gemahls
nicht mit voller Seele, ſondern mit eini⸗
gem Zwange zu theilen ſchien, unter wel⸗ |
chem ſie in ſeiner Gegenwart einen tiefen
Kummer zu verbergen ſchien. Ungeachtet
des ſich ſelbſt aufgelegten Zwanges ent
ging ihre immer hoͤher ſteigende Unruhe
und aͤngſtliche Verlegenheit dem Grafen
nicht. Vergebens drang er jedoch in ſie,
ihm die Urſache ihres geheimen Miß mu;
thes zu entdecken. Die Gräfin wich ſei⸗
nen Fragen und Bitten unter mancherlei
7
138
erkünſtelten Heiterkeit ſo geſchickt aus,
daß der Graf ihr von dieſer Seite nicht
Vorwande und unter der Maske einer
beikommen konnte, ſondern ſich mit die;
fer erzwungenen Heiterkeit und Ruhe ſei⸗
ner Gemahlin mußte begnuͤgen laſſen.
f Allein der Mangel an Zutrauen und Of⸗
fenbeit, den er hierbei bei feiner Gemah⸗
lin gegen ſich zu bemerken glaubte, weck⸗
ten ſein Mißtrauen gegen fi ie und die ges
faͤhrlichſten Zweifel an ihrer Liebe und
Treue in ſeiner Seele. Er zwang ſich
zur Verſtellung gegen ſie, und ohne ſeine
innere Unruhe und ſeinen Verdacht gegen
ſie zu verrathen, ließ er ſeine Gemahlin
und jeden ihrer Schritte durch einen ver;
trauten treuen Diener, den eben fo vers
ſchmitzten, als eigennuͤtzigen und hinter⸗
liſtigen Caſelli/ insgeheim ſehr genau
8 — 2
— or.: ⏑⁰Ui: —˙ UL———p̃ ne ne En "N ͤ ¶˙ͤ ͤ us nn u nm,
| ö 139
beobachten. Dieſer Caſelli verrieth end⸗
lich dem Grafen, daß die allgemein bes
| wunderte Tugend und Unſchuld feiner
jungen und ſchoͤnen Gemahlin nichts als
Gleisnerei ſey, um ihn deſto ſicherer zu
betruͤgen, daß ſie in den Armen eines
Juͤnglings, der ſeit geraumer Zeit in der
Gegend der Villa Ceriga, unter dem
Namen Bernardo verborgen lebte „ſeis
ner Leichtglaͤubigkeit ſpotte und mit dieſem
Unbekannten in einem verbotenen Umgan⸗
ge lebe und geheime Zuſammenküͤnfte mit
ihm in dem angrenzenden Parke veranſtal⸗
te, wo ſie Caſelli eines Abends in der
traulichſten Stellung in den Armen ihres
Buhlers uͤberraſcht hatte.
Godwin. Schrecklich! |
Pirro. Ich bin nicht im Stande,
Euch zu ſchildern, wie uͤberaus heftig dieſe
5 4
| Er
Nachricht den Grafen und ſeine gluͤhende
Eiferſucht und Rachſucht empoͤrte. Et
ſahe ſich auf das ſchaͤndlichſte berrathen,
1 5 . ſich von der/ die er mit ſo unbegrenzter
Zärtlichkeit liebte, treulos betrogen und
für all' feine Liebe auf die empdrendſte
Art belohnt; ſelbſt der Umſtand, daß 5
Selena gerade dieſ e Villa Ceriga zu ihrem
t
r Du
Aufenthalte gewählt hatte, vermehrte jetzt
ſeinen Grimm, indem er nunmehr den
i
N
EN
2
„ wahren Beweggrund zu dieſer Wahl zu 1
erkennen glandte, der, ſeiner Meinung
9
nach, kein andrer geweſen war, als ihrem
\ Buhler näher zu kommen, da man ihm
ſagte / daß ſie ſchon waͤhrend ihres Auf⸗
enthaltes auf Sarento die Bekanntſchaft ö
2 t demfelßen insgeheim unterhalten bar ö
N Er glaubte von ſeiner Schande und
ere vollkommen uͤberzeugt zu ſehm j
ee en a a
.
x 5 Be
und ‚fein; Gum kannte keine Grenzen,
als Selena die vertraute Bekanntſchaft
mit dem Unbekannten nicht laͤugnete / aber
ihre Unſchuld und Tugend mit Thraͤnen
und den feierlichſten Schwͤͤren betheuerte,
und ſie auf keine Weiſe dazu zu bewegen
war, den Namen dieſes Fremdlings zu
nennen, | da ihr nach ihrer Verſicherung |
ein feierliches Gelübde ein ewiges Still
ſchweigen üben: ſeinen Namen auflege.
Sie ſahe ſich der ganzen Wuth ihres Ge⸗
mahls aüsgeſetzt, deſſen vorige Liebe und
Zärtlichkeit in den ſchrecklichſten Haß
a uͤbergegangen war, und nur ein fein aus
geſ onnener Plan einer empfindlichen lang⸗
ſam marternden Rache konnte ihn dahin
bringen, ſie ſelbſt und die kleine Aurora,
die er, als Baſtard jenes Unbekannten, |
ee: in der erſten Wuth nicht feinem
14
Grimme aufjuopfern. Alle diejenigen,
welche die Gräfin kannten und als ihre
Wohlthaͤterin verehrten, zitterten fuͤr ihr
Leben, ſo wenig fie dieſelbe uͤber das Ges
a ſchehene zu entf chuldigen wagten. enn |
Godwin. Guter Gott! So wagte
es Niemand, ſich der armen Selena an:
zunehmen und ſie zu rechtfertigen? War 1
ihr Vergehen ſo ganz erwieſen / daß es
tene Rechtfertigung zuließ ? vr
Piero. Waͤre ſie wirklich schuldlos 1
e warum haͤtte ſie es unterlaſſen, 7
ſich zu rechtfertigen? Ihr Stillſchweigen |
uber den Namen ihres Verführers und
die ſchnelle Flucht deſſelben beſtaͤtigten ihr
Verbrechen. Sie mußte ihrem bis zur
ſchrecklichſten Wuth ergrimmten Gemahle
hierher auf dieſes oͤde und entlegene Schloß
Oranto folgen, wo ſie im ſtrengſten Ge
Werne
Di
1 einſam und von allen lebenden
Weſen entfernt die fi ch ihrer haͤtten huͤlf
reich annehmen konnen, ihr Leben ver⸗
trauerte und Muſe genug erhielt, ihr
ſtrafbares Vergehn zu bereuen. Ihre
Lage verſchlimmerte ſich noch me hr da⸗
durch / daß ihr der Graf unter den ſchreck;
- Nike ee hatte, hie
e ie in das Gefängniß ash
hatte, und die in ihrem Elende ihr einzi⸗
ges Glück ausmachte, aus ihren Armen
| zu alen und fie. als Baſtard feinem Zor⸗
ne zu o opfern, wern die Gräfin, nicht ihr 1
verbrecheriſches Stillſchweigen braͤche und
offenherzig ihr Verbrechen und den Nas
men ihres Verfuͤhrers geſtuͤnde.
Godwin. Ungluͤckſelige Selena! 15
Pirro. Ja wohl ungluͤckſelig! Uns
Sodwin. Deine Erzaͤhlung were
44
glückfeliger wochde als der Graf grauſam 5
genug war bei ihrem fortdauernden Süll⸗ 2
ſchweigen f eine Drohung wirklich in Er a
x fuͤllung zu bringen, und, ungeachtet der
i Verzweiflung der unglücklichen Mutter,
das kleine Mädchen mit Gewalt aus Ses
lenens Armen reißen ließ, ohne daß ſie
dͤder irgend Jemand das weitere Schick⸗ f
al des Kindes beſtimmt erfuhr / das wahr,
ſcheinlich mit ſeinem Leben fuͤr das Ber
brechen ſeiner Mutter büßen mußte.
lich und erſchuͤttert mich maͤchtig. %
Pirro. Sie wird ſogleich e
ſeyn.“ In einem lebloſen Zuſtande fand
man Selenen, und ihr bermenineses ben
Schmerz, ihr Jammer bei dem Ewachen
aus ihrer Betäubung rührte die haͤrteſte .
Gemüther. Doch zur Verwunderung ih⸗
| ie 145
rer Wächter verſtummte vloͤtzlich ihr vers
zweiflungsvoller Jammer, ihre Thraͤnen
vertrockneten und ihr wilder Schmerz ging
in ſtille Trauer und duͤſtere Schwermuth
über, welches man als die heilſame Folge
des Beſuchs eines alten ehrwuͤrdigen Or⸗
densgeiſtlichen betrachtete, der ſich zu ih
rem Troſte bei ihr eingedraͤngt hatte.
Ihre Wachter fuͤhlten tiefes Mitleid mit
ihrem Zustande, welches fie jedoch forgs
faͤltig vor dem Grafen verbergen mußten;
denn dieſer blieb ungeruͤhrt und unerbitts
lich gegen ſie. Als er entdeckte, daß das
file Leiden der unglücklichen. Dulderin
und ihr ſchwermuthsvoller Blick ihre
Waͤchter ruͤhrte und er vielleicht befuͤrch!
tete, daß dieſe ihr Gelegenheit zur Flucht
geben möchten, war er fogar hart genug,
auch dieſe von ihr zu entfernen, und nur
10
erſt ſpaͤterhin, als die ſchwarze Flagge
des Todes von dem Thurme des Schloſ⸗
ſes herabwehete erfuhr es die benachbar⸗
te Gegend, daß, nach einer kurzen Krank; |
heit „der Tod den Leiden der armen Dub
derin ein Ziel geſteckt hatte. Von allen
Seiten drängten ſich die Bewohner der
Gegend herbei, um die Ausgelittene noch
einmal zu ſehen und ihr an ihrem Sarge
Thränen ſtiller Wehmuth zu weihen; aber
der ſtrenge Befehl des Grafen und die
ſtets ſorgfaͤltig verſchloſſ, en gehaltenen Zu⸗
gaͤnge zu dem Schloſſe hielten Jeden, der
ſich der Leiche nähern wollte, von derſel /
ben entfernt. Bei naͤchtlicher Weile, oh⸗
ne Sang und Klang, ward der Leichnam in
5 Grabgewoͤlbe des Gartens beigeſetzt.
Godwin. (heftig bewegt) Alſo todt? |
wirklich todt ? \ Der
8 5 147 5
Pir ro. So iſt es. Dort in jenem
Pavillon, der, von Zypreſſen umduͤſtert,
an der weſtlichen Grenze des Gartens die
ſes Schloſſes ſich erhebt, befindet ſich die
i Todtenhalle, in welcher die Gebeine der
Hingeſchiedenen die Verweſung deckt.
Taͤglich weilt der Graf noch jetzt an ihrem
Grabe und an dem Denkmale, das er
uͤder demſelben errichtete und das oft ſeine
heißen Thraͤnen benetzen. Selenens Tod
| ſchien einen fuͤrchterlichen Eindruck auf
x das Herz des Grafen gemacht zu haben.
Sein voriger Grimm, ſeine Wuth waren
verſchwunden, und hatten einem ſtillen
Grame in ſeiner Seele Platz gemacht, der
endlich in einen ſchwarzen Menſchengroll
uͤberging. Er zog ſich aus dem Geraͤu⸗
| ſche der Welt gaͤnzlich zuruck, und ver⸗
bannte ſich in dieſe oͤde Einſamkeit des
0
Schloſſes Oranto, das die Ueberreſte ſei⸗
ner dahingeſchiedenen, vielleicht gar von
ihm ermordeten Gemahlin in ſich faßt,
1
und deſſen Pforten jedem feiner ehemali⸗
gen Freunde und Bekannten verſchloſſen |
bleiben; denn jedes Menſchengeſicht, in
welchem er bekannte Züge entdeckt, ſcheint
ihn mit Schaudern und Entfegen durch
die Erinnerung verlorner Freuden der
Vergangenheit von ſich zuruͤckzuſcheuchen.
Godwin. Gleichwohl ſtehen die Pfor⸗ |
ten dieſes Schloſſes dem einſamen Wan⸗
| derer zu jeder Tageszeit klare Das faſſe f
. 9
ich nicht.
f en Doch ie es fo, a ſich a
dleſes eben ſo wie manches andere in dem
Betragen und in der Lebens weiſe des Gra
fen raͤthſelhaft iſt. Dieſe ſeine ſcheinbare f
Gaſtfreundſchaft beruht jedoch vielleicht
149
auf fehr begreiflichen nn Ur⸗
ſachen. 4
Godwin. Darf 90 fie wiſſen 2 1
Pirro. Ich habe Euch ſchon zu viel
geſagt, als daß ich nicht auch noch meine
Vermuthung in dieſer Hinſicht dem bereits
Geſagten beifuͤgen ſollte. Habe ich mehr
entdeckt, als die Klugheit heiſchte, ſo mag
es Bodo rechtfertigen / der mich dazu auf⸗
forderte, Euch alles zu ſagen. ch
Godwin. Sorgt nicht, guter Als
ter. Ich bin kein Boͤſewicht, und würde
mich ſelbſt verabſcheuen muͤſſen wenn
1
ich Euer und Eures Freundes Vodo Zu⸗
trauen zu mir durch ſchaͤndlichen Verrath
e ai he nat
Pirro. Nun wohl. Mit dem To⸗
de der Gräfin Selena ging zwar die Er-
bitterung des Grafen gegen ſie ſelbſt zu
150 e f N
Grabe, aber nicht fo hit: fein üs dd
ſeine Rachſucht gegen ihren Verfuͤhrer,
den buͤbiſchen Bernardo, von welchem man
ſwaͤterhin ſo viel entdeckt haben ſoll, daß
er ein junger Nobili aus Venedig und ein
Anverwandter der ungluͤcklichen Familie
Sotoria geweſen ſey, der als Fluͤchtling
umherſchweife. Die Kundſchafter des
Grafen Morrino ſind uͤberall ausgeſtellt,
a um ihn ausfündig zu. machen, und in der
8
Vermuthung, daß dieſer Bernardo viel
lleicht auf innern Antrieb ſeines Herzens
in dieſe Gegend irgend einmal zuruͤckkom⸗
men konne, um Nachrichten von der Ges
liebten ſeines Herzens einzuziehen, ſi nd
die um die Schloͤſſer des Grafen bei dog
und Nacht ausgeſtellten Waͤchter und
Spione deſſelben beordert, jeden vorüber
ziehenden Fremdling anzuhalten, ihn auf 4
N
85
das naͤchſte dieſer Schloͤſſer einzuladen
und ihn ſogar wider ſeinen Willen mit
Gewalt dahin zu bringen, um ihn gaſt,
freundlich zu bewirthen und zu verflegen,
oder vielmehr ihn unter der Maske von
Edelmuth und Gaſtfreundſchaft zu erfor
Shen, ob er vielleicht der laͤngſt erwartete
verhaßte Bernardo fen. Ihr befindet
Euch hier in dem naͤmlichen Falle. Euer
verdächtiges Umherſchleichen in der Ge,
gend, das man ſchon ſeit mehrern Tagen
dae nd ſo e Andere, was
Ä ee ea gegen Euch ſehr vers d
ſtaͤrkt und Euch ſeinen Zorn in einem ſo
hohen Grade zugezogen haben, daß nur
der alte ehrwurdige Bodo, durch ſeine thaͤs
tigſte Verwendung und Furſprache, Euch
dem bedroheten Verderben entziehen konnte.
152 a N
3 Geb in. Hat dieſer Bodo ſo gar
5 viele Gewalt über den harten menſchen⸗
| feindlichen Mann? Und wer . denn
eigentlich diefer Bodo ?
Pirro. Niemand kennt ihn genau
und weiß etwas mehr von ihm, als daß
er ſich ſeit mehrern Jahren in der Einſam⸗
keit jener Wildniß, unfern des verrufenen
S
See's, niedergelaffen hat, wo er ſich durch
ſeine Menſchenfreundlichkeit und ausge⸗
zeichnete Frömmigkeit die allgemeine Liebe
und Ehrfurcht der ganzen umliegenden
Gegend in einem fo hohen Grade erwor
ben hat, daß ſogar der Graf bei aller ſei⸗ ö
ner Macht wurde zittern muͤſſen, wenn
er dem guten Greiſe nur ein Haar kruͤm⸗
men wollte; allein dies hat Bodo auch
nicht im Geringſten zu befuͤrchten. Er
hat eine ganz eigene und beſondere Gabe,
153
ſich die Herzen der Menſchen geneigt zu
machen, und ‚fo iſt es ihm denn auch ges
lungen, ſich das Herz des Grafen, unge⸗
achtet deſſen menſchenfeindlichen Geſin⸗
nungen, in einem hohen Grade zu gewin—
nen. Er iſt der Einzige, dem der Graf
fein Zutrauen und feine Freundſchaft
ſchenkt, und der zu jeder Zeit ungerufen
und unangemeldet zu ihm kommen darf.
Doch bedient ſich Bodo dieſer Erlaubniß
nur ſelten und bei beſonders bedeutenden
Vorfaͤllen, fo daß der Graf öfters über
die lange Abweſenheit ſeines Vertrauten
von dem Schloſſe aͤußerſt beſorgt um ihn
und unzufrieden deshalb mit ihm war. Oef⸗
ter als jemals ſpukt aber dieſer Greis ſeit
einigen Tagen und Nächten, wie ein licht;
ſcheues Geſpenſt, in dem Schloſſe und
bei dem Grafen umher / fo daß man wohl
füͤglich auf bedeutende Vorfälle fließen
dürfte, welche feine beſtaͤndige Anweſen⸗
heit auf dem Schloſſe enen due
moͤgen.
Godwin. Sonderbar, Glaub d du
dieſen Bodo hinlaͤnglich zu kennen, um
entſcheiden zu koͤnnen, ob er und ſein ver⸗ 5
daͤchtiges Umherſchleichen, fo wie fein Zus
ſammenſtecken mit dem Grafen nicht auf
8 wan eine dle zu fürchten fey?
Pirro. Seyd außer Sorgen. Ich
Rn ihn genau, und Ihr moͤgt ſeyn wer
N Ihr wollt und zu fürchten haben, was es
auch immer fen, ihn habt Ihr nicht zu
fuͤrchten. Er hat Euch ſeine Freund⸗ |
ſchaft, feinen Schutz und ſeinen Beiſtand
verſichert / und fo koͤnnt Ihr ganz ſicher
darauf rechnen, daß er lieber ſich ſelbſt
aufopfern, als ſeine Zuſage brechen wuͤr⸗ 0
155
de. Er ſelbſt hat Euch mir angelegent⸗
lichſt auf die Seele gebunden und mich
' veranlaßt, Euch Dinge zu erzählen; die
ich kaum meinem vertrauteſten Freunde,
am allerwenigſten einem Manne anver⸗
a trauen wuͤrde, der mir ganz fremd iſt,
wenn nicht dieſer Bodo fuͤr Euch die
Buͤrgſchaft bel mir übernommen. hätte.
Godwin. Dieſer Alte iſt mir ganz
Raͤthſel, und ich begreife nicht, wodurch 8
ich ſeine Aufmerkſamkeit und Freund ſchaft
in einem 12 Men Grade 5 er gezogen
Nabe e N
Pir ro. Darüber bn r allein 2 |
nur aufflären, ) |
Godwin. e mir nur ni |
| eine Frage.
Pirro. Welche?
Godwin. Welche Bewandiulß pt
166
es mit dem Schreckensthurme und jenem
näceligen Glockenrufe? a en ee
Pirro. Ich habe mich daruͤber ſchon c
erklärt und muß es wiederholen, daß ich |
Euch die Antwort auf alle dieſe und aͤhns
liche Fragen in Beziehung auf dieſe Dinge
ſchuldig bleiben muß, weil ich eben ſo we⸗
nig / als jeder Andere in dem Schloſſe,
etwas mehr von dieſ en Dingen weiß, als
daß ſie da find, daß jener See der See
Averno genannt wird, daß mancherlei 7
abentheuerliche Gerüchte von den feindſell⸗
gen Geiſtern in dieſem See und dem dort
befindlichen Schreckensthurme ſich hier hers
um verbreitet haben, und daß die dort her,
umſchleichenden Spukgeiſter eben fo ſehr,
als der ſchauerliche Ton jener Glocke, welche
unter dem Namen der mitternaͤchtlichen |
Todtenglocke bekannt iſt / einen Jeden von je /
| g 0
157
ner Gegend zuruͤckſ cheuchen. Mehr zu erlau⸗
ſchen wuͤrde ſich Niemand erdreuſten; denn
eben ſo furchtbar, als die dort hauſenden
Schreckgeſpenſter ſchrecken die Drohungen
und der Zorn des Grafen Jedermann von
dieſer Erſpaͤhung der dort verborgenen Ge⸗
heimniſſe zuruͤck. Der Zorn des Grafen
wuͤrde keine Grenzen bei einem Frevel die⸗
fer Art kennen, und man raunt fi hin und
wieder grauſende Scenen der Art ins Ohr.
0 Godwin. Ich muß es bekennen, daß
ich deſſen ungeachtet ſehr begierig bin, jes
nen See Averno mit ſeinen Schreckniſſen
e kennen zu lernen. |
Pirro. Haltet ein! Eine ſolche Heuer
rung darf ich, als treuer Diener des Grafen
Morrino, ohne Verletzung meiner ihm ge⸗
lobten Pflicht, nicht hoͤren. Wollt Ihr aber
auf Freundesrath achten, ſo unterdruͤckt
158 5 5
jeden Gedanken dieſer Art, daß ihn der g
Graf ja nicht erlauſche, um Eure Freiheit
wuͤrde es dann ſogleich geſchehen ſeyn,
und ohne die Befriedigung Eures Wunſches
erhalten zu koͤnnen, würdet Ihr das Schlim⸗
mere noch zu befuͤrchten haben
Der junge Tag daͤmmerte bereits im duͤ |
ſtern Grau in oͤſtlicher Ferne herauf, als Pir⸗
ro/ nachdem ihm Godwin nochmals das
unberbruͤchlichſte Stüllſchweigen uͤber das
Erzaͤhlte feierlichſt gelobt hatte, ſich von
dieſem entfernte und leiſe wieder sur Shi |
re hinausſchlüpfte. i BR
Godwin begab ſich auf ſein Lager,
aber die Erzählung des alten Schloßver Ä
walters hatte ſo heftig auf ihn gewirkt, daß
er nur erfi ſpaͤterhin, als es ſchon begann f
in dem Schloſſe lebhaft zu werden in ei⸗ *
nen leichten Schlummer ſank.
F
4. *
* A
Sr
38 2 .
TEE
159
Die Sonne ſtand ſchon ziemlich hoch
uͤber dem Walde, als Godwin erwachte.
Er verließ ſein Lager, und von mancher⸗
lei beunruhigenden Ideen und Beforgnifs
ſen beengt, trat er an das geöffnete Sen ;
ſter. Sein Blick durchflog das weite
Thal, das ſich an dem Fuße des Schloß
berges in dem lieblichſten Farbengemiſch
vor ihm ausbreitete. Ueber die Aue da⸗
her trugen die linden Morgenluͤfte die
160 | |
Harmonien der befiederten Saͤnger des
Haines zu ſeinem Ohre; heiter ſchwang
ſich in einer kleinen Entfernung vor ihm
eine Lerche in die reinere Himmelsluft,
und ihr freudiges Schwirren weckte und
naͤhrte ſeine bangen aͤngſtlichen Gefuͤhle
noch mehr. Sehnſuchtsvoll folgte fein
truͤber Blick der muntern Saͤngerin und
| ihren leichten Samingungen in dem I
nen Aether.
„O daß ich mit dir leicht a d fröhlich |
dahin flattern und des freien Lebens mit
dir mich freuen könnte I. — feufjte er
traurig. — Fuͤr mich iſt dieſe Hoffnung 9
wiederkehrender Freiheit verſchwunden.
Finſtere Wolken umfloren die Ausſicht
meiner Zukunft. Dieſer Schatten bon
ö Freiheit, den mir Morrino hier vergoͤnnt,
läßt mich den Verluſt meiner wirklichen
Sn“ . 4
„ ae
8 ——— ED
— — 3 —
.
161
Ftelheit nur deſto ſchmerzhafter fühlen, Wie
wird dies alles endlich mit mir enden?
„Gut, — unterbrach ihn plotzlich
eine maͤnnliche Stimme in dieſem Selbfts
geſpraͤche. Erſchrocken blickte er ſich um,
und er erblickte Pirro, der in der halbge
oͤffneten Thuͤre ſtand und das Ende ſeines
Selbſtgefpraͤchs belauſcht hatte. |
» Erheitert Euern trüben ſchmermuths⸗
vollen Sinn — fuhr Pirro freundlich ge⸗
gen ihn fort. — Eures Schickſals duͤſtre
Wolken ſcheinen ſich zu zerſtreuen. Ich
bin der Bote, der Euch Eure Freiheit ans
kuͤndigt. Ihr ſeyd frei und könnt gehen,
wohin es Euch gefaͤllt. «
„Traͤum' ich oder iſt es Wahrheit? —
fragte Godwin erſtaunt. — Ich bin frei?
der Graf läft mich ungehindert ziehen?!“
„Ungehindert, wohin es Euch beliebt.“
11
162
Godwin. Das faffe ich nicht. Bun
derſeltſam fpielt Laune und Zufall mit
mir; ſoll ich immer nur der Ball des blins
den Ungefaͤhrs bleiben! Ich werde ergrifs
fen, wie ein Verbrecher hierher geſchleppt,
in den Kerker geworfen und mit den graus /
famften Martern bedroht, ohne zu wiſſen
warum. Schnell werde ich wieder der Nacht |
meines Kerkers entriſſen, gepflegt und be⸗
dient wie ein Freund bon diefem Haufe, ö
und jetzt kuͤndigt man mir (aber meine Frei⸗
heit an, ohne die Urſachen von dieſer ſeltſa⸗ 1
men Wendung meines Schickſals zu kennen. |
Wer kann hierin Zuſammenhang finden? ö
Pirro. Gruͤbelt nicht uͤber das Wie 0
und Warum, ſondern freut Euch, daß es \
fo iſt. Niemand wird Euch dieſe Raͤthſel f
ldſen koͤnnen, und ich geſtehe es offen und ö
frei, daß ich eine fo ſchnelle und oünfige
163
Wendung Eures side nicht vermu⸗
thete.
Godwin. Ahneſt du auch nicht, was
eigentlich wohl die ſchnelle Sinnesaͤnderung
des Grafen gegen mich bewirkt haben mag .
Pirro. Wie vermoͤchte ich das, da
unſer ſtrenger Gebieter nicht gewohnt iſt,
uns, ſeinen Dienern, die Urſachen ſeiner oft
ſehr ſeltſamen Befehle anzudeuten. Viel⸗
leicht vermuthete man in Euch eine andere
Perſon, als man wirklich in Euch fand, und
uͤberzeugt von ſeinem vorigen Irrthume,
ſucht der Graf vielleicht den Fehler ſeines
Irrthums wieder gut zu machen, indem
er billig genug iſt, Euch ohne Weiteres
die Freiheit wieder zu geben.
Godwin. Ich vermag es nicht, eine
Spur aus dieſem mich umhuͤllenden Dun⸗
kel zu finden. Wird es mir vergoͤnnt ſeyn,
164
den Grafen vor meiner ei e a:
mal zu ſprechen?
Bern Nein „dieſen Wunſch müßt
Ihr unterdrücken. Der Graf iſt für Nies
mand mehr zu fprechen. Er hat ſich men⸗
ſchenfeindlicher als jemals in jene ſchwarze
Todtenhalle des Gartens verſchloſſen. Mit
düſterm finſterm Blick erhielt ich nur mit
halben Worten von ihm den Befehl zu Eu⸗
rer Freilaſſung, und den Auftrag, Euch uns
verzuͤglich von dief em Schloſſ e zu entfernen.
Godwin. Ich verſinke immer tiefer
in Nathſel. Er giebt mir die Freiheit und
gleichwohl entzieht er ſich meinem Anblicke?
Iſt dieſer ihm ſo ſehr zuwider? f
Pirro. Dem Menſchenfeinde iſt der
Anblick eines jeden Menſchengeſichts ji
der. Wollt Ihr meinen gutgemeinten Rath
annehmen, fo benutzt ſchnell die Euch er,
x
165
thellte Erlaubniß, Euch hinwegbegeben zu
dürfen. Seltſam find die Launen des Gras _
fen, ſeltſamer in Stimmungen, wie dieſ e in
welche er jetzt wieder verſunken iſt. Im Ders
trauen befenne ich Euch, daß ich der ſchein⸗
baren Guͤte des Grafen gegen Euch nicht
ganz traue; darum benutzt den gegenwaͤr⸗
tigen Augenblick, ehe der Graf vielleicht in
feiner wechſelnden Laune wieder zurück
nimmt, was er Euch, wie es fehlen, ſehr
ungern und wider Willen gab, denn wenn
ich mich nicht ganz in ihm taͤuſchte, ſo |
glaubte ich zu bemerken, daß ihm der Be⸗
fehl zu Eurer Freilaſſung einige Alufivens
gung koſtete.
Godwin. Neue ae | /
Pirro. Wenn ich mich nicht truͤge,
ſo duͤrftet Ihr leicht Eure jetzige Freiheit
weniger der Guͤte des Grafen Fals viel
166 aa
mehr der thaͤtigſten Verwendung Bodo's
fuͤr Euch zu verdanken haben. |
# Godwin. Zu dieſem will ich eilen,
vielleicht daß er meinen Bitten nachgiebt
und den Schleier von dieſen Raͤthſeln hin⸗
wegzieht. Gleichwohl geſtehe ich, daß ich
jetzt ungern dieſes Schloß verlaffe und daß
ich wenigſtens ſehr gern jene ſchwarze Tods
tenhalle noch einmal beſucht haͤtte. aa
Pirro. Wo denkt Ihr hin? Keiner
von den Bewohnern diefes Schloſſes dürfte
es wagen, ſich dem geheimnißvollen Ge⸗
‚ wölbe der Todtenhalle zr nähern. a
Godwin. So muß ich mich wundern,
daß ich geſtern auf meinem Spaziergange N
in dem Garten nach jenem Pavillon mich
angezogen fuͤhlte und ungeſtraft in jene
geheimnißvolle Halle eintreten durfte, un-
e der Graf ſelbſt kurz Rn meinem
3
de ö
„
Eintritt zu mir hereintrat und mich dort
fand.
Pirro. Wie benahm er ſich dabei,
als er Euch dort fand? Ä
Godwin. Seine Miene drückte weht
tiefe Schwermuth als Zorn aus, und nur
eine leichte Wolke des Unwillens ſchien
uͤber ſeine Stirne zu gleiten, als er mir
mit der Hand winkte, mich zu entfernen.
Pirro. So gehoͤrt dieſes mit zu den
Raͤthſeln, welche mir des Grafen Betras
gen gegen Euch unerklaͤrbar machen. Ein
Anderer als Ihr wuͤrde dieſe Keckheit ges
wiß ſehr empfindlich haben buͤßen muͤſſen.
Gleichwohl moͤchte ich Euch nicht rathen,
dieſen Verſuch zu wiederholen, zum zwei⸗
ten Male duͤrftet Ihr wohl ſchwerlich ſo
leicht wieder davon kommen; auch wuͤr⸗
det Ihr von nun an alle Zugänge zu dem
168 f |
Garten und Bi Todtenhalle wieder feſt
verſchloſſen finden. ;
Godwin. So bleibt mir r denn fre
lich nichts übrig, als dem Willen Nes
a nachzukommen.
| Pirro. Thut das. Gehabt Euch wohl
und vergeßt den alten treuer Pirro nicht.
Godwin. Wie könnte ich das? Ich
i gehe jetzt als dein großer Schuldner von
dir. Du biſt mir mit Freundſchaft und
Zutrauen entgegengekommen, du haſt mein |
Herz durch freundliche Zuſprache erheitert,
nimm dafür jetzt meinen waͤrmſten Dank,
bis vielleicht eine beſſere Zukunft mir ver
goͤnnt, dir mehr als Worte zu geben.
Pirro. Laßt das gut ſeyn. Bodo
hat ſchon im Voraus vergolten; was ich
auf ſeine eigene Veranlaſſung fo gern für
Euch und zu Eurer Beruhigung that.
\
|
<
| 169
Gern hatte ich noch mehr fuͤr Euch ge⸗ |
than, aber ich habe noch andere Pflichten
als die der Freundſchaft auf mir. Ihr
geht jetzt zu Bodo; gruͤßt dieſen wackern
redlichen Freund herzlich von mir. ü
Godwin druͤckte den alten treuen Freund
mit Waͤrme an ſein Herz und ging. Pirro
gab ihm bis an die äußere Pforte des Schloſ⸗
ſes das Geleite und winkte ihm noch von
der Höhe einen freundlichen Abſchied nach.
| 170
10.
Godwin eilte den Felſen hinab und ath⸗
mete zum erſten Male wieder aus freier
Bruſt empor, als er den Fuß deſſelben
und daß ſich daran anſchließende Thal er-
reicht hatte. Noch einmal blickte er zurück
nach der Höhe, von welcher die alten grau-
en Mauern des Schloſſes, von dem Glan⸗ N
ze der Morgenfonne umfloffen, herab⸗
ſchimmerten, und wie ein buntes abentheu⸗ f
erliches Gemiſch ſchwerer Traͤume ſchwebte 4
die Erinnerung der auf Oranto ihn betrofs 4
fenen Scenen an feinem Geiſte vorüber,
1
1
*
171
Mit einem Seufzer, der ſich aus ſeiner Bruſt
herauf preßte, riß er ſich von dieſen Erinnes
rungen los, um nun zu überlegen, nach
welcher Gegend er ſich wenden muͤſſe, um
Bodo's einſame Felſenwohnung zu finden,
als er ſich rufen börte, Ueberraſcht blickte er
ſichum und der kleine Goldo huͤpfte ihm mit
freudiger Geberde aus dem Kehle ent
gegen.
„„Wie kommſt du ie fragte 05
Godwin.
i „Ich habe dich hier erwartet,“ fiel
| ihm der Knabe ein.
God win. Wußteſt du denn, daß ich
hierher kommen wuͤrde?
Goldo. Ei freilich, der Vater hatte
es mir ja geſagt und mir die Freude ges
macht mich hierher zu ſchicken, um dich
bier im Gebuͤſche zu erwarten und dich zu
172 ? / 3 1
ihm zu führen. O wie freue ich mich, f
daß du wieder da biſt! der arme Goldo ö
hat viel, ſehr viel, um dich geweint. 4
Godwin. (mit Nüprung.) Guter Kna⸗ N
be! du nimmſt ſo vielen warmen Antheil ö
an mir! wie wohl thut es meinem armen ;
verwaiſten Herzen, mich von einem foggıms 4
ſchuldigen guten Herzen geliebt zu fühlen, 5
Goldo. Du bleibſt doch nunmehr bei nns. 1
Godwin. So lange als es mein Schick
ſal mir vergoͤnnt. Ach wie gern moͤchte ich i
auf immer in jener friedlichen Einſamkeit N
weilen; denn dort in dem Geraͤuſche der
Welt habe ich nichts mehr zu hoffen und
nichts mehr zu gewinne. w
| Goldo. So bleib bei uns, es wird b
dir gewiß gefallen. Du wirſt ganz ei
ee und ruhig leben. f “
Godwin. Gmendaft) aa —
173
Schwerlich wird mein Herz wieder jemals
Ruhe fühlen; denn auch der letzte fpärs
liche Ueberreſt derſelben, von truͤgeriſcher
Hoffnung genaͤhrt / iſt jetzt verſchwunden.
Goldo. Er wird ſchon wiederkehren.
Du ſollſt nichts weiter zu befuͤrchten ha⸗
ben; der Vater har es geſagt. Die boͤ⸗
ſen Menſchen, die dich letzthin von mir
riſſen und dich fortſchleppten, ſollen dir
nun kein Leid wieder zufuͤgen, wenn du
nicht ſelbſt muthwillig die Gefahr aufſu⸗
cheſt. Doch komm, komm! der Vater
wartet mit Ungeduld auf uns.
Der Knabe nahm ihn bei der Hand 15 |
und zog ihn mit aͤngſtlicher Eile durch das
Gebuͤſch nach Bodo's einſamer Huͤtte, vor
welcher ihm Bodo entgegen kam und ihm
f traulich die Hand zum Willkommen druͤckte.
„Wie ſehr freue ich mich, dich wieder
74
zu ſehen! — redete Godwin den Greis
an — noch vor wenigen Stunden Hätte
ich es kaum zu hoffen gewagt. Doch ich
brauche dir es wohl nicht erſt zu erzählen,
was mir ſeit der Zeit, als wir uns das
letztemal ſahen, begegnet iſt.“
Ich weiß alles, fiel ihm Bodo ein;
— es waͤre deine eigene Schuld geweſen,
wenn wir uns niemals wieder geſehen
haͤtten. Doch laß uns das Vergangene
1 und uns der Gegenwart freuen.‘ 6
Godwin hatte ſo viele und mancherlei
Fragen an ihn zu thun, aber Bodo ward
bei der leiſeſten Berührung ſolcher Gegen
ſtaͤnde fo ernſt und feierlich zuruͤckhaltend,
daß er ſich durchaus nicht in ihn finden
konnte. Sorgfaͤltigſt wich Bodo allen
Fragen ſeines Gaſtes und jedem Geſpraͤche ö
über Morrino und das / N was Godwin auf 5
N
5 2
ee 2 R *
— N 8 —
u ER —
175
Oranto geſehen und gehört hatte, aus, und
ſein ganzes Betragen gegen Godwin ſchien
ſo veraͤndert und verlegen zu ſeyn, daß
dieſer nicht umhin konnte, mit Bitten in
ihn zu dringen, ihm die Urſache ſeines ver?
aͤnderten Betragens gegen ihn zu nennen.
„Junger Mann, — erwiederte ends
lich Bodo ernſt — rechte deshalb mit dir
ſelbſt, wenn jetzt eine Scheidewand zwi⸗
ſchen uns Beide gezogen iſt, welche mir
den Zugang zu dir verwehrt, und die ich
nicht mehr vermag wieder niederzureißen,“«
Godwin. Biſt du nicht mehr mein |
Freund? 5 e
Bodo. (mit Feuer.) Beim Himmel!
das bin ich, und jetzt mehr als jemals.
Wuͤßteſt du den Zuſammenhang von dem,
was geſchah, du wuͤrdeſt des halb nicht
mehr in Zweifel ſtehen koͤnnen. Ja, Fremd⸗
. 176
ling, ich bin dein Freund; aber ich würde
nicht mein Freund ſeyn, wenn ich jetzt
| noch von Dingen ſprechen wollte, deren
\
glaubte in den Hafen eingelaufen zu ſeyn
und die Auflöfung des verworrenen Knaͤuls
meiner Schickſale zu erhalten, von Freun
deshand ſogar wieder aufs neue hinausge⸗
traurig! Habe ich nur darum ſo lange mit
den Wellen meines ungeftümen Schickſals
lleiſeſte Erwähnung mich zum Verräter,
x zum Meineidigen machen würden. Du
ſelbſt Haft durch deine Uebereilung neue be,
deutende Pflichten mir aufgebuͤrdet, an
nur das felerliche Geluͤbde, ſie ſtreng und
gewiſſenhaft zu erfüllen, war das Löſegeld f
fuͤr deine Freiheit und dein Leben. Meine
Zunge iſt gebunden, ſie muß ſchweigen. .
Godwin. Fuͤrwahr, das iſt ſehr ;
gekämpft damit ich hier, wo ich nun endlich
177
ſtoßen werden fol in die undurchdringliche
Sinfterniß und in die unſichre See des ka
bens, wo kein n Ares mir
re 5
Bodo. (nit Nach mch Er wird dir leuch⸗
ten. Doch du ſelbſt mußt dir ihn anzuͤnden.
Godwin. Wie vermag ich ohne deine
wu. den Weg zu ihm zu finden ?
Bo do. Es iſt ein Etwas in dir, deſ⸗
fen leiſe Stimme dich m als meine 88 8
leiten wird. Lo.
Godwin. Bodo, habe ich dich durch
e Zurückhaltung erzuͤrnt und
gekränkt, und kann Vertrauen von meiner
Seite das deinige mir wieder verſchaffen, ſo
bin ich augenblicklich dazu bereit, jede ander;
weitige Beſorgniß zu unterdruͤcken, dich ganz
offen und aufrichtig mit dem Gange meines
Lebens vertraut zu machen und den Schleier
10
—
178
vor deinen Blicken binwegzuzlehen, der die
Begebenheiten meines Lebens verhuͤllt. 3
Bo do. (heftig einfallend) Um keinen Preis
in der Welt moͤchte ich dich jetzt noch dazu
auffordern, wenn ich als Freund dir rathen
will. Dieſe Aufrichtigkeit iſt jetzt zu ſpaͤt, jetzt |
würde fie mit anderweitigen Pflichten zus
fammenteffen und vieleicht dich verderben.
Bodo. Verderben? — Unmoͤglich |
wuͤrde Bodo hierzu die Hand bieten können 5
und mein Vertrauen ſo mißbrauchen.
Bo do. Sey unbeſorgt, und uͤberlaß
| es der Zeitund dem mächtigen Arme des Al N
les leitenden Schickſals, dich aus dem Dun, }
5 kel, das dich jetzt umſchattet, heraus und
in das Helle zu fuͤhren. Daß dieſes gen
ſchehe und recht bald geſchehen wird, das
hoffe ich mit feſter Zuverſicht, wenn du
nicht ſelbſt dem vor ſatzlich entgegenhandelſt/
| | 178
was ich in der Ferne dem Schooße der Zu⸗
kunft ſich fuͤr dich entwinden ſehe.
Godwin. Bas fol mit mir geſche⸗
hen? Was kann oder was muß ich thun?
Wohin ſoll ich mich wenden?
Bodo. Du biſt dir vor der Ba
ſelbſt überlaffen und vollig frei und kannſt
gehen, wohin du ſelbſt willſt, kein Menſch
wird dich weiter hindern.
Godwin. Ich bin voͤllig frei? 90
kann gehen wohin ich auch nur immer will?
Alſo wohl auch nach jenem fee
thurme? f 5 .
Vo do. (mit einigem Unwillen) Frage
5 nichts mehr / denn ich kann dir keine
Frage weiter beantworten. Mich duͤnkt, daß
du bereits genug erfahren habeſt, um auns
mehr ſelbſt zu wiſſen, was dir gut und heils
ſam oder nachtheilig ſeyn kann. Ich darf
180
dir nichtmehr Guck nicht mehr dich war,
nen und von Uebereilungen zurückhalten,
oder die Freiheit deines Willens im Mins
deſten beſchraͤnken. Thue, handle, wie es
dir ſelbſt gut duͤnkt; willſt du mich und die
10 Gegend noch in dieſer Stunde verlaſſen, |
ſo werde ich es nicht hindern; willſt du
noch länger bei mir verweilen, ſo wird dies
ſes mit meinem Wunſche zufammentreffen
und mir Freude machen, aber rathen darf I
ich weder zu dem einen noch zu dem andern.
Godwin. Mein längeres Verweilen
wird dir Freude machen und mit deinem el⸗ }
genen Wunſche zuſammentreffen? O wie
gern befrledige ich dann dieſen deinen
Wunſch/ der mit den Wuͤnſchen meines Bes
zens fo harmoniſch zufammenfließt. Ich bleis
be bei dir, guter Alter. Es gefaͤllt mir ſo wohl
in dieſem friedlichen Aſyle, daß ich ahl
——
— ig 2 1
T
Sr SE
: RL 181
Willens waͤre, ſo lange bei dir zu bleiben,
bis du ſelbſt mich wuͤrdeſt gehen heißen.
Bodo. Junger Mann, verſprich nicht
mehr, als du zu erfuͤllen auch im Stande
5 ſeyn kannſt. Der Menſch und ſein Thun und
Handeln wird durch Umſtaͤnde beſtimmt,
die eine hoͤhere Hand weiſe ſo ordnet, daß
er dadurch freiwillig den Planen des ewigen
Schickſols gemaͤß handle und die ihm un;
ſichtbar vorgezeichneten Pfade zum glückli⸗
chen Ziele führen. Wenn auch dieſe Pfade
noch fo lange durch Nacht und Graus und
duͤſtere Dorngewinde gehen, doch führen fie
am Ende zum hellen Ziel. Bleib bei mir, ſo
lange es dir gefällt, du wirft mich ſtets willig
und bereit finden, dir deinen Aufenthalt
bei mir ſo angenehm zu machen, als es die
Umfände mir vergoͤnnen. Nur das Einzige
bite ich dich: : wenn dir meine Freundſchaft
/
182 | 85
werth if, ſo beruͤhre nicht wieder gewiſſe
Saiten, die in meinem Herzen f o widrig klin
gende Diſſonanzen angeben, und laß uns
über Dinge ſchweigen, die nur die Zeit dir .
entraͤthſeln kann.
Die Unterhaltung nahm baldeeinen trau⸗
lichern Ton an. Bodo unterhielt feinen Gaſt 3
mit der Einrichtung feiner kleinen Haus,
wirthſchaft und über die Art und Weiſe ſel⸗
ner nützlichen Thaͤtigkeit, indem er ihm meh⸗
/
rere Scenen erzählte, wo es ihm gelungen
war, bald durch ſeine Zuredungen und Vor⸗ |
ſtellungen Zwiſte und weitlaͤufige Streitig /
| kelten in Familien zu ſchlichten, erbitterte
Gemuͤther gegen einander auszuſoͤhnen und
die gehaͤſſigſten Feinde zu Freunden zu maß
chen, bald durch Rath und Troſt Leidende
im Ungluͤck aufzurichten und ſie mit Kraft
und Muth neu beſeelt, ſie aus Kummer! und a
185
Armuth zu führen, bald durch feine Kennt;
niß der Heilkraͤfte der Natur und deren Ans
wendung Kranke dem Siechbette und den
Pforten des Grabes zu entreißen, und ſo
auf vielfaͤltige Art e und Segen um
ſich her zu verbreiten.
So verſtrich 1 3 mancherlei Eu
zaͤhlungen und traulichen Geſprachen dem
Fremdlinge ſehr angenehm. Der Abend
daͤmmerte endlich heran, als Bodo, nachdem
er mit feinem Gaſte und dem kleinen Pflege;
ſohne unter einer hohen Pappel vor der Huͤt⸗
te ein laͤndliches Mahl verzehrt hatte, von
Godwin ſich beurlaubte und ſich entfernte.
„Wohin mag der Vater gehn?“ fragte
Godwin den Knaben, als Bodo in dem Ger
buͤſche des Waldes ſich ſeinen nachſehen⸗
den Blicken entzogen hatte.
»Ich weiß es nicht, 0 erwiederte der
—
184
Knabe. — Es gefchleht ſehr oft, daß er
; von mir geht und bis tief in die Nacht abs |
weſend iſt. Bisweilen bemerkte ich, wenn
der Ton einer Glocke in der Nacht aus der 5
Ferne herüberfi alte und mich aus dem leich⸗
ten Schlummer aufweckte, daß der Vater
alsdann eilig ſein Lager verließ und hin⸗ 5
% wegellte. Was aber dieſer Glockenton bedeu⸗
ten und wohin der Vater gewohnlich gehen
mag / das habe ich nie von ihm erfahren.
Wenn ich anfangs ihn deshalb befragte, er
hielt ich immer keine beſtimmte Antwort, |
ſondern mit einer Thräne im Auge ſprach
er zu mir: Kind, wenn du einſt zum Man⸗
ne gereift biſt, dann wird ſich dir dies Al
9 son ſelbſt Sen Jetzt die nicht, 5
ö u | 27
Godwin. Due 0 dieſer Borte ö
185
Sinn; aber mich duͤnkt, es liege viel Be
deutung dahinter verborgen. R
Goldo. Wir wollen nicht aber
grübeln, ſondern die Zeit ruhig abwarten,
die Alles aufklären ſoll und die nicht mehr
fern iſt / wie noch heute beim Erwachen
der Vater mich verſicherte, indem er mich, da
\ ich aͤngſtlich nach dir ihn fragte, mit Unge⸗
ſtuͤm an ſich druͤckte und ausrief: „Freue
dich, Kind! der Schluͤſſel zu den Geheim⸗
niſſen der ſchwarz verhuͤllten Tiefe ſcheint
gefunden zu ſeyn, und auch dir lacht eine
ſegenvolle Zukunft dann heiter entgegen.“
Godwin. Sagte er das? 1 er
das wirklich? 2 .
Gol do. So ſagte er allerdings, aber
ich verſtand es nicht, was er eigentlich ſa⸗ 5
gen wollte; doch laß das. Du haſt mir
noch nicht erzählt, wie es dir ergangen iſt,
186 | \
ſeitdem ich dich nicht ſahe. Sage mir es
Godwin. Wohl und wehe iſt es ab
wechſelnd mir ergangen, lieber Goldo.
Goldo. Ach, ich habe viel um dich
geweint. Wo wareſt du denn und wohin
| ſchleppten dich denn jene böfen Maͤnner?
Godwin. Auf das Schloß Oranto
zu dem Grafen Morrino.
Golde. Da iſt es dir 855 tor ö
ſchlimm gegangen? f
Go dwin. Anfangs allerdings. Ich 6
ſtreng gefangen in einem finſtern Kerker.
N G old o. O wenn ich das gewußt hätte! !
Godwi n. Nun, 955 Wee du denn
1 thun wollen? 15 ö
Gold o. Ich Hätte dich frei gemacht |
Godwin. Das haͤtteſt du wohl |
ſchwerlich bewerkſtelligen Eönnen. e 4
| 187
Goldo. Ei und doch! Ich hätteden
Vater gebeten, mich zu dem ſchwarzen Mans
ne zu fuͤhren, und ich hätte ihn alsdann
gebeten, daß er dich frei laſſen ſolle.
Godwin. Wuͤrde er auch wohl auf
deine Bitten geachtet haben? |
Goldo. Ganz gewiß. Er ift mir ſehr
geneigt. Oft, wenn er meinen Vater hier
in unſrer Einfamfelt befuchte, hat er mich
liebkoſend auf den Armen gehalten und feis
ne Freude gehabt, wenn ich ihm die Wange |
ſtreichelte und durchaus die tiefen Falten,
welche tiefer Gram auf ſeine Stirne gegra—
ben hat, weggläaͤtten wollte. Er hat ſich
oft und viel mit mir beſchaͤftigt, ſich ill
und in ſich gekehrt an meinen Spielen er
goͤtzt. Bisweilen aber fuhr er plotzlich bei
meinem Anblicke wild zuſammen, und wenn
ich erſchrocken mich ſchmeichelnd an ihn an⸗
„„
ſchmiegte und ihn fragte: „ Biſt du bose,
ſchwarzer Mann? Hat Goldo dir etwas 5
zu Leid gethan a fo ſprach er alsdann mild
zu mir: „Nein, Knabe, du haft mir nichts
zu Leid gethan, aber dein Anblick macht boͤſe
Traͤume in mir rege; drum gehe, gehe Gol;
do!“ — Wenn mich dann der Vater ſchnell
von ihm hinwegfuͤhrte, dann hörte ich, daß
er ihm bisweilen zurief: „Guter Bodo, wie
gluͤcklich muß der Vater fol eines Kindes
ſeyn? Wie hoͤchſt ungluͤcklich iſt der, der
es ſeyn konnte und es nicht ſeyn durfte! 1 5
Das Alles verſtehe ich nun freilich nicht,
aber doch weiß ich, daß er meine Bitte,
dich frei zu laſſen, gewiß würde befriedigt
haben, denn er iſt mir viel zu gut, und
laͤngſt ſchon hatte er mich an Kindesſtatt zu
Es
33
9
N.
f
ſich auf das Schloß genommen, wenn der
Vater mich ihm hätte uͤberlaſſen wollen.
0
8
Kia
a
ER TE,
| 189
Unter dieſen und aͤhnlichen Geſpraͤchen
mit Goldo ging der Abend voruͤber und die
Nacht breitete ihren verſchwiegenen Schleis
er uͤber die ſchlummernde Welt aus. Vom
Schlafe überwältigt, begab fich der Kna⸗
be auf fein Lager, wo er bald in einen ſanf⸗
ten Schlummer ſank. Auch Godwin warf
ſich auf das fuͤr ihn bereit ſtehende Lager,
um die Süßigkeiten eines erquickenden
Schlummers zu genießen, aber die Un⸗
terhaltungen mit Bodo und dem kleinen
Goldo hatten die mancherlei verworrenen
Ideen, Vermuthungen und baͤnglichen
Zweifel uͤber die Scenen der vergangenen
Tage um vieles in ihm vermehrt. Sie ver;
ſcheuchten den Schlummer von ſeinem Lager
und hielten ihn wach und nachdenkend.
3 a IL
.
-
fein Lager und eilte hinaus vor die Hütte,
3
i Die Mitternacht war bereits angebrochen,
lieblich blickte der Mond zwiſchen den Aeſten
der Baͤume, welche ſich uͤber der Huͤtte
woͤlbten, durch das niedrige Huͤttenfenſter;
ruhig und ſanft, wie ein ſchlafender En-
gel, ſchlummerte Goldo, mit ſeelenvollen |
Blicken und tiefem Gefühl ruhte Godwins
Auge auf den Zügen des holden Schlaͤfers. a
Innig bewegt und von baͤnglichſuͤßen Ges. 1
fühlen einer leiſe in ſeinem J Innern anfpres 1
chenden Erinnerung verließ endlich Godwin
N
P Die Nacht war ſo heiter und ſchoͤn, die 8
feierliche Ruhe, die ringsumher in der von
dem magiſchen Schimmer des Mondes be⸗
leuchteten Gegend herſchte, war fuͤr Godwin
ſo einladend zum Genuſſe, daß er unmöglich
der Verſuchung zu einem kleinen Spazier;
gange in den buſchigen Gaͤngen des Wal;
des widerſtehen konnte. .
Langſam und in ſich e RER
er durch die öde Stille der Nacht dahin, und
unwillkuͤhrlich fuͤhrte ihn ſein ſcheuer Tritt
in die Gegend des Waldes, wo aus der Baus
me Dämmerung die weiße Geſtalt des ſtei⸗
nernen Bildes von Goldo's Mutter wie ein
Geiſt der Unterwelt ihm entgegenſchimmerte,
das Fluͤſtern der vom Winde bewegten Blaͤt⸗
ter ſchien die Naͤhe leichter aͤtheriſcher We⸗
ſen zu verkuͤnden, die ſich in den mancher⸗ |
lei grotesken Schattengeſtalten, die fi ch von
192 |
dem Zauberſchimmer des Mondes in dem
Gebüͤſche zuſammenſetzten, zu verkoͤrpern
ſchienen; das leiſe ziſchende Seufzen des
Windes durch die Spalten einer alten vers
witterten Fichte vermehrte das Grauſende
der Gegend. Von einem widrigen Schauder
ergriffen, ſchritt Godwin an dem Hügel vor-
über und nach der Gegend hin, von welcher
aus der Ferne das Geraͤuſch des Waſſ erfalls
an dem geheimniß vollen Schreckensthurme
dumpf heruͤberbrauſ te. Selbſt einem wan⸗
dernden Schatten des Grabes ähnlich, wars
delte er durch das Dickicht in der naͤchtlichen
Stille dahin, nach einer lichten Stelle des
Waldes, die ihm das bereinquellende Mon⸗
denlicht verrieth, und wo der Wald einen
kleinen Ausſchnitt bildete, der nach dem
Ufer des Sees fuͤhrte. Hier ſetzte ſich God⸗
win an einem der dort aufgerichteten ſchwar-⸗
193
95 Worlungeſtelne Er den eee
Raſen. s
Ein hehres Schweigen, das nur durch
das Brauſen des Waſſerſturzes an dem Fels
ſen des Schreckensthurmes unterbrochen
ward, herrſchte ringsumher. Die ganze Nas ;
tur feierte fill und eruſt; laue Weſtwinde
ſpielten leiſe in den fä aͤuſelnden Blättern der
Baͤume und in dem hohen Graſe am Ufer,
und unter den Schatten der Bäume huͤpften
unten die leichten Silberwellen des Sees
dem Ufer zu. Vom reinen Aether blickte der
Mond mild und freundlich durch das duͤſtere
Grau der verſch lungenen Baumaͤſte zu God;
win herab und verſilberte vor ihm die kryſtal⸗
lene Waſſerſaͤule des herabrauſchenden
Waſſerſturzes, deſſen am Fuße des Felſens
ſchaͤumend ſich brechende Wogen in leichte
kraͤuſelnde Wellen zerfloſſen, die plaͤtſchernd
13
194 Bi
zwiſchen dem niedrigen Geſtrippe am Ufer
hindurchſchluͤpften und um die Steine des
Felſenufers ſpielten, waͤhrend, gleich liebli⸗
chen Traumbildern, die Sterne auf den kraͤu⸗
ſelnden Ruͤcken der Silberwellen ſich wieg⸗
ten. Tiefe Ruhe, wie die ein es ſanft Schlum⸗
mernden, lag über die Gegend verbreitet,
nur Godwin's Inneres konnte dieſe Ruhe
nicht theilen. Eine bängliche Beklommenheit
engte ihm die Vruſt, und ſein auf die grauen
Mauern des Schreckensthurms geheftetes
Auge verriet die verworrenen ‚Gefühle,
die fein Herz in Unruhe erhielten.
Mit hoher Erwartung lauſchte er, daß
der wehmuͤthige, f anft klagende Geſang der
Wr vorletzten Nacht wiederholt aus dem Thur⸗ |
me zu ihm heruͤbertoͤnen werde, doch kein
Laut war zu vernehmen, und ſelbſt die ſchmei⸗ !
chelnden Nachtwinde, die mit feinen Locken
\
| 195
fpielten, ſchienen ihren Athem an ſich zu hal⸗
ten, um das hehre Schweigen der ſchlum⸗
mernden Natur nicht zu unterbrechen.
Schwankend in ſeinen Entſchluͤſſen, und
ungewiß mit ſich ſelbſt, ob er das Wagſtuͤck
jener Schreckensnacht noch einmal beginnen
und einen Verſuch, ſich dem Thurme uns
been, wiederholen, oder ob er es unterlaffen
ſolle, kaͤmpfte in ſeinem Innern. Eine war⸗ g
nende Stimme in ſeinem Buſen ſchien ihm
davon abzurathen, aber die Verſuchung war
zu ſtark, und die ringsumher herrſchende
5 Stille, die keinen verſteckten Lauſcher fuͤrch⸗
ten ließ / ſchien zu guͤnſtig für das Wagſtuͤck,
als daß er es hätte fo leicht aufgeben koͤnnen.
Schon war er im Begriffe, daſſelbe zu begin;
nen, als er ſeitwaͤrts in dem Gebuͤſche in einer
kleinen Entfernung einige männliche Stim⸗
men vernahm, die ſich zu nähern ſchienen.
4
lag. Das Raſſeln der Kette, mit welcher
.
+ Ueberraſ cht blickte er nach der Gegend
hin / als zwei männliche Geſtalten ſich durch
das Dickicht hindurch wanden und dem Ufer
des Sees ſich naͤherten. Forſchend blickte
Godwin nach dieſen nächtlichen Wanderern
bin, und kaum wagte er ſeinen Augen zu
trauen, als er in Beiden, von dem Glanze
des Mondes beſtrahlt / Bodo in der Geſell⸗
ſchaft des Grafen Morrino erkannte, wel;
chen etztern ſeine ſchwarze We
kenntlich machte. N
Godwin druͤckte ſi ch tiefer hinter den
| ſchwarzen Stein, an welchem er ruhte, in
das hohe Gras, und belauſchte unbemerkt
die Scene. Beide gingen jetzt das ufer
des Sees hinab, der Stelle zu, wo der
bekannte Nachen im Geſtraͤuche verſteckt
der Rachen am ufer befeſtigt war, vertief
197
Godwin, daß derſelbe losgekettet werde,
und wenige Augenblicke darauf ſah er Bon
do und Morrino auf der ſpiegelnden Waſ⸗
ſerflaͤche des Sees hinuͤber und dem Schrek⸗
kensthurme zurudern. 5 0
Verwunderungs voll blickte er den .
lchen Schiffern nach, bis ſie in der Ferne
an dem Fuße des Felſens hinter dem her⸗
abſtuͤrzenden Waſſer verſchwanden.
Von bangen Ahnungen und Vermu⸗
thungen mächtig ergriffen, flog ſeine Seele
hinuͤber nach dem Thurme, und gern hätte
er in dieſem Augenblicke Alles darum auf,
geopfert, wenn er jetzt auf dem Fittig der
lauen Nachtwinde hätte hinübergleiten und
die Geheimniſſe dort belauſchen fönnen, de⸗
ren myſtiſches Dunkel eben jetzt bielleicht
gelichtet ward. Allein wenn ſich auch ein
zweiter Nachen feinen Blicken gezeigt hatte,
1
198 8
der ihn Hätte aufnehmen und hinuͤber nach
dem Thurme führen koͤnnen, f o wuͤrde den⸗
noch die Gegenwart des Grafen und deſſen
zu fuͤrchtende wuͤthende Rache ſeinem kuͤh⸗
nen Entſchluſſe/ dieſe Fahrt zu wagen, wie
ein furchtbarer Rieſe entgegengetreten ſeyn
und ihn davon zurückgeſchreckt haben.
Sorgſam lauſchte Godwin umher, ob
er vielleicht von der Naͤhe des Thurmes
heruͤber etwas vernehmen koͤnne; doch kein
| leifer Laut drang zu ſeinem Ohre, Alles
war wieder ſtill wie zuvor, dle ringelnden
a Wellen, welche die Furchen das Kahns
zuruͤckließen, indem er den See durchſchnitt,
waren wieder verſ chwunden, und ruhig lag
die Spiegelfläche des Sees wieder ti
feinen Ufern. RR el
Vergebens hoffte Godwin, die beiden
nächtlichen Schiffer wieder zurückkehren zu
199
ſehen; ohnt weiter etwas von Bodo oder
Morrino zu erblicken, ſchlichen die Stun
den der Nacht dahin. In duͤſtern Traum⸗
gebilden der Phantaſie uͤberraſchte ihn end⸗
lich der Schlaf, und verhinderte ihn, weiter
zu bemerken, was um ihn her vorging.
* 5
*
— | ; | g
200 . 5
15 Dr
Der junge Tag war bereis erwacht und
N das brennende Morgenroth glühte durch R
die verſchlungenen Aeſte der Bäume im
Walde heruͤber und vergoldete die grauen
Mauern des alten Thurmes und die dar
über herabſtroͤnende Waſſerfluth, als ein
leichtes Klopfen auf die Schulter Godwin
aus ſeinem Schlummer aufweckte. Er
ſchrak auf und erblickte den kleinen Goldo,
der ſich uͤber ihn hinbeugte und ihn zu er
muntern ſuchte. Zuͤrne nicht, wenn ich deinen 5
Schlummer flörte, redete ihn der Knabe anz 5
201
mir war bange um dich, als ich dich bei meis
nem Erwachen nicht in unferer. Wohnung
und nicht im Walde traf, und der Vater
ſchickte mich hierher, um dich aufzuſuchen.
„„Wo iſt dein Vater?“ fragte Godwin.
5 „Er erwartet dich dort unter den Zypreſ⸗
ſen auf dem Grabeshuͤgel meiner Mutter,“ f
antwortete Goldo, indem er ſich an Godwins
Arm dug und ihn Bu das Bet ch mit ſich
fortzog. 5
An das ſteinerne Si von Goldos Mut
ter gelehnt und in Nachdenken verfunfen, 5
traf Godwin dort ſeinen alten Freund Bodo
auf dem Huͤgel, der ihm die Hand entge⸗
5 genreichte, als er ſich demſelben mit einem
| freundlichen Morgengruſſe näherte,
„Du unterhaͤltſt dich mit den Todten?““
3 fenge Godwin. n
| „Sage liabe mit den aus den RN
202
ſungen der Todten neu aufkeimenden Hoff i
| nungen und Freuden;“ erwiederte Bodo.
Godwin. Giebt das Grab t ng A
Freuden zuruͤc k!! e
Bodo. Die höchſten u ad begluͤckend⸗ |
ften für die Zukunft; oder meineſt du, daß
hier an den Geſtaden des Todes, wo die
Stürme des Lebens verhallen und die Wa
gen menſchlichen Elendes ſich brechen, mit
des Lebens dahin fliehender Kraft auch der
Goͤtterfunken in dem Menſchen, der den
Staub belebt, verlöfchen und das hohe Stück
deffelben verſchwinden könne? Aus dem
Grabe, aus den Rainen der Verheerung ent-
wickeln ſich neue Generationen hoͤherer Voll⸗ 19
8 kommenheit. Gegenwaͤrtig verſteigen ſi 0 4
jedoch meine Wünfge und Hoffnungen
nicht bis in die Gefilde der Zukunft über 5
dem Grabe, fie verweilen nur an der Erde
205
Godwin. Wird dieſe noch deine Wins
g ſche und Hoffnungen befriedigen und Freu |
den fuͤr dich aus dem Grabe War nen
aufſproſſen laſſen. e
Bodo. Jede Sonne bringt neue Freu⸗
den und neues Gluͤck mit ſich auf die Erde,
und nahe ihrem glanzvollen Aufgange iſt
die Sonne, die mir und dir neue hohe
Freuden mit ſich bringen wird. Schon ver⸗
kuͤndet der milde Schimmer Aurorens den
fanft aufdaͤmmernden Tag unſers neu erwa⸗
chenden Gluͤcks. (m Tone hoher Begeiſterung.)
Ich ſehe die duͤſtern Wolken, die Aurorens
goldnen Schimmer bisher verhuͤllten, ver⸗
ſchwinden! ich ſehe ſie hervorbrechen, ihren
Glanz mit Selenens ſanftem Silberlichte
vermiſchen, und, von dem heitern Aether;
glanze einer glücklichen zur Gegenwart ges
reiften Zukunft erwärmt, Gräber ſich öffs
| a0. 8
nen und aus denſelben neues Gluck und “
neue höhere: Freuden hervortreten. e
u; Godwi n. Fuͤr mich gluͤht kein Mor
genroth neuer Freuden mehr empor. 6
rig zurückgefunker) Euch,, entflohene ſchöne
Tage/ weckt kein Morgenroth. ka Me
hin und todt iſt todt! ee
Bodo. Hoͤre die ermunternde Stim⸗
me der Freundſchaft, kleinmuͤthiger Zweif⸗ a
ler, hebe deinen Blick muthig und froh
empor, hold wie jener blendende Glanzauro; a
rens, der dort durch das Gebuͤſch gluͤht, wird
eine ſchoͤnere Aurora bald deine Wangen vs,
then und in deinen wenden ARM
ſich ſpiegelnn. er
| Godwi n. Ich berſebe dich nicht, Bol,
ken, ſchwarz und duͤſter/ wie die eines furcht / 3
f baren Unwetters, verhuͤllen meine Aus ſicht;
mehr als jemals tappe ich im Finſtern umher
205
5 und aͤngſtlich klopft von ungewiſſen Zweifeln
5
beſtuͤrmt mein Buſen der Zukunft entgegen,
aber gleichwohl dringt dieſe deine dunkelſin⸗
nige Verheißung wohlthaͤtig zu meinem Her⸗
zen. Dein Blick, der Blick eines Verklaͤrten,
| der hohe Ausdruck des Entzuͤckens in deinen
Mienen und Worten giebt deiner Rede
Kraft, und leiſe ſpricht fühe Ahnung ſchwach
aufdaͤmmernder Hoffnung in meinem In;
nern an. Bodo, du wuͤrdeſt ein hohes Ver
dienſt um mich dir erwerben, wenn du dieſer
dunkeln Ahnung Gewißheit geben wollteſt.
Bodo. Cernſt und bedeutend) Du vers
langſt mehr, als ich gewähren darf. Was
mein Blick lieſt in den Sybilliſchen Büchern
des Schickſ als, das muß die Zukunft auf das
Geheiß des ewigen Schickſals ſelbſt entzif⸗
fern, das ungeſtraft ſich nicht in ſeine Rech⸗
te greifen läßt, Dir ſelbſt wird es aufbes
206
halten ſeyn, ie Entzifferung der wage
zu beſchleunigen.
Godwin. Du verſenkſt mich in de 1
ſto größere Raͤthſel.
Bo do. Ceinfallend). Die alle ein 2
loͤſen wird. Doch laß uns dieſes Geſpraͤch
abbrechen und des ſchoͤnen Morgens uns
freuen. Eigenſinnig ſind die verborgenen
Maͤchte des Geſchicks, ihren geheimen tief
verſchleierten Willen vor der Zeit verrathen,
würde nur ihren Groll rege machen. I
habe meine Abſicht erreicht, wenn ich durch
den dunkeln Sinn meiner Worte deinen
Muth fuͤr die Thaͤtigkeit, welche die nahen⸗ |
de Zeit der Enthüllung deines Schickſals
von dir heiſchen moͤchte, neu belebte und |
dir Kraft ertheilte, im etwanigen Sturme
aufrecht zu ſtehen und nicht zu wanken. |
Er faßte Godwin bei der Hand ei
207
führte ihn mit ſich aus dem Dickicht heraus
in das Freie. 5 .
Rlingsumher war Alles Leben. Im ſcön, |
ſten Schmucke des Morgens lag die blühen .
de Landſchaft vor ihnen da, lachende Wief en
breiteten ſich wie ein grüner Teppich über
die Gegend aus, und wechſelten mit goldnen
Feldern, die, vom ſanften Athem des Win⸗
des bewegt, den beobachtenden Blicken in
leichten Wellen entgegenwogten. Auf frucht
baren Hügeln huͤpften muntere Heerden, und
leichtfuͤßige Ziegen klimmten an den angren⸗
zenden Felſen empor. Die Schallmeie der
Hirten ertoͤnte durch das Blürhenthal und
weckte das Echo in dem Walde; alles ringss
umher ſchien nur eine gemeinſchaftliche
Stimme zum Aufrufe zur Freude und zum
hohen Genuſſe der bluͤhenden ee...
We zu haben. 0
0 185 Dinge aus.
208 .
An Godwins Innerm ſchien dieſer Auf⸗
ruf kalt voruͤberzugehen, es ward von andern
baͤnglichen Gefuͤhlen bewegt, welche Bodos
vorige Rede in ihm erweckt hatte. Doch ver;
gebens blieb ſeine Bemühung, das Geſpraͤch
wieder auf die vorigen Gegenftände zu leiten 5
und Bodo eine deutlichere Erklaͤrung abzu⸗ 0
gewinnen; dieſer beharrte Über dieſes Alles |
auf dem ſtrengſten Stillſchweigen, und
wich ſorgfaͤltig jeder 5 0 een dies .
sn
So oft Godwin einige Augenblick für
ſich ſelbſt erhaſchen konnte, zog ihn ein duch
les Gefuͤhl nach dem Ufer des Sees hin, um 4
dort ſeinem Nachdenken ſich uͤberlaſſen zu a
koͤnnen und den Entſchluß in feinem Innern
zu befeſtigen, die Geheimniſſe des Schrek;
kensthurmes zu erforſchen. J In dieſem Nach. |
denken verſunken, si er ſi ch jetzt age
7
0
1
i
Ne
3
3
1
.
A
I
209
ben Stele wieder in das Gras gelagert,
wo er in der verwichenen Nacht Bodo
und den Grafen auf ihrer Waſſerfahrt
nach dem Thurme belauſcht hatte. Eine
Guitarre, die er bei Bodo fand und ihn auf
ſeinen Spaziergängen begleitete, war auch
jest ſelne Unterhaltung. Den Blick auf
den Thurm geheftet, ſpielten ſeine Finger
nachlaͤſſig in den Saiten, und ihre weh⸗
muͤthigen Akkorde weckten die Erinnerung
ſeiner dahingeſchiedenen Jugendfreuden
mit neuer Lebhaftigkeit in ſeiner Seele,
und feine wehmuths vollen Gefuͤhle loͤſten
fi bald in Worte auf. Von den Akkor⸗
den der Guitarre begleitet fang er ſchwer j
aufathmend: e
Koſend wie des Frühlings fanfte Lüfte,
oſig, wie Aurorens Purpurſaum,
Lahend / wie des Maien Blüthendüfte, a
14 ü
„„ 5 Me
Rann er bin, der Kindheit goldner Traun;
Schwand auf ewig in die Dammerungen,
Wo, von kalter duͤſtrer Nacht verfehtungen N
Hingewürgt⸗ vom Zahne grauer Zeit, Nr
Modert meines Lebens Seligkeit. 5
e In ſchwermüthigen Diſſonanzen
verhallten die Molltöne der angefchlas
genen Saiten, als ſchnell eine andere s
männliche Stimme in dem NEN vn
fiel: A N v
| Doch es ſcwebt aus u See
nr Von dem ſchoͤnſten Morgenroth umglübt,
Durch, die weite Flammenbabn der Sterne,
i x Wie der Tag, wenn er eee
Sanſt ein ‚Genius auf Bephoreflägeln
Auf des Dulders Pfad. Von Biumenbügeln
Sauſelt mild fein Gehehithaudh. herab,
45 und reicht ihm der Hoffnung Zanberfab,
ueberraſcht blickte Godwin ſich um,
"iR
211
und Bodo trat aus dem Gebuͤſche hinter
ihm hervor und 0 RAR laͤchelnd
eee N |
Ohne jedoch ein weiteres Gespräch
hierüber anzuknuͤpfen, welches fo leicht
auf die Gegenſtaͤnde, deren Erwähnung |
Bodo ſo ſorgfaͤltig auszuweichen ſchien,
haͤtte fuͤhren koͤnnen, ließ es Bodo blos
bei einer flüchtigen Ermahnung zur Hoffe
nung der gluͤcklichern Zukunft bewenden,
und fuͤhrte ihn mit ſich durch das Geſtraͤu⸗
che fort, indem er ſagte : „Das iſt kein
Dit, der die jetzt einige Zerſtreuung ger
ben und deinen trüben Blick aufheitern ö
koͤnnte.“— „Doch iſt es gerade der Ort,
fuͤr welchen mein Inneres ſo vieles Inter-
eſſe fuͤhlt, nach welchem es mich maͤchtig
und unwiderſtehlich hinzieht,“ fiel ibm Gods
| win ein, indem er ſich noch einmal nach
sr
21
dem Thurme anblick und aus ſeinem
Auge der Entſchluß ſtrahlte, ſich durch
Nichts von der Erforſchung der Näthſel *
jenes Thurmes abſchrecken zu laſſen. „
6 Bodo ſtarrte ihn mit ſcharfem, durch⸗
i dringende Blick an, und ſchien Godwins
| Entſchluß in ſeinen Blicken zu leſen, aber
keine Sylbe verrieth einiges Mißderguü 3
g gen oder einigen Tadel über dieſen Ent
ſchluß. Er ſchwieg, und nur ein Geufs |
zer, der ſich aus feiner Bruf heraufpreßte, ö
ä und ein ſeelenvoller Blick ſeines ſich zum 3
Himmel erhebenden Auges ſchien ein ge
| wiſſes aͤngſtlich sbanges Gefuͤhl bei ſeiner
| gemachten Bemerkung zu verrathen. 5 |
Unter mancherlel traulichen Geſpraͤchen ee
mit Bode und dem kleinen Goldo, welcher i
Letztere ſich gar nicht wieder von Godwin 4
trennen wollte, ſondern ihn auf jedem
ER
re
213
Schritte wie fein Schatten begleitete, um
ihn von der Gegend zuruͤckzuhalten, die
für ihn gefährlich. war, ſchlichen Gods
win die Stunden des Tages dahin. Dank⸗
bar ſegnete er den letzten ſcheidenden Blick
der Sonne, als dieſe endlich hinter den
Wolken hinabſank und die Nebel der Daͤm⸗
merung in dunkeln Maſſen ſich über das
Thal und langſam zu den Gipfeln der Hüs 90
gel und Felſen empormälgten , die Ferne
ſich in dunkle Schatten huͤllte und der Mond
langfam in Oſten heraufſchwebte. Se
Mit dem Eintritte der Nacht nahm
Bodo einige heilende Kräuter zu ſich und
entfernte ſich um; wie er fagte, feinem
kranken Freunde, dem Eigenthuͤmer eines
kleinen Vorwerks in der Nähe, zu Hülfe
zu ellen. Godwin konnte unmoͤglich der
Versuchung widerſehen, ſich ſelbſt davon
*
214
zu überzeugen, wohin Bodo gehe. Er
ſchlich ihm daher in einiger Entfernung
nach, und bemerkte mit Vergnügen, daß
er den vorher genannten Weg einfchlug. ;
Godwin eilte daher in die Huͤtte wieder
zurück. Der kleine Goldo lag noch wach
auf feinem Lager, und wollte durchaus
nicht eher vom Schlumm er ſich überwaͤl⸗
tigen laſſen, als bis Godwin ſich zur Rus
he begeben hätte, weil er, feinem Ge,
ſtaͤndniſſe gemäß, befürchtete, daß Gods
win ſich wieder nach der Gegend am See
ſchleichen und dort wieder von den boͤſen
1600 Männern ergriffen werden moͤchte. So ö
ſehr ſich auch Godwin uͤber dieſe liebevolle h
Beſorgniß des Knaben fuͤr ſich freute, 1
ſo ſehr wuͤnſchte er auch wieder auf der 3
andern Seite f jetzt von dieſem aufmerk,
ſamen Tiobaiie befreiet zu tm
5 215
Er ſtellte ſich men ſchlaͤfrig / und
warf ſich auf das fuͤr ihn bereitſtehende
Lager. Beruhigt uͤberließ ſich nun der
Knabe dem Schlummer, den er nur mit
Anſtrengung bis hierher von ſich zuruͤck⸗
‚gedrängt hatte. Kaum bemerkte Godwin,
daß der Kleine feſt ſchlafe, ſo erhob er
ſich wieder ſtill von ſeinem Lager und
ſchluͤpfte leiſe d geraͤuſchlos zu der Thuͤ⸗
re hinaus, und eilte durch die Stille der
Nacht dahin, dem en des Sees er
dem e enen
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MEIN: 1 3. 2 8 Sa > Er Fi 2 N EN
& war eine ſchoͤne angenehme Mond,
nacht. Leichtes wollichte Gewoͤlk gleitete
an dem dunkelblauen Aether dahin „durch
er en leichten filberfarbenen Schleier der.
Mond halb verſteckt hinduchfalüpfte und
einen abwechſelnden daͤmmernden Schim. 4
mer über die Gegerd-verbreitete.
Schuͤchtern trat Godwin aus dem Ge 1
bͤſche heraus und forſchend durchflog ſein 2
Auge die Gegend, doch weit umher herrſch⸗
te ein tiefes Todesſchweigen, das nur
durch das Geräuſch des Waſſerſturzes am
S
70 d Se
F
n 2 2 ee
OEL REDNER te yet ns
8
.
n
; 3 217
Schreckensthurme und das Fluͤſtern des
Windes in den Blaͤttern der Bäume uns
terbrochen ward, und einſam klagte in
dem Gebuͤſche eine "Rage Ipee 1
muͤthigen Toͤne.
* Mitternacht war bereits vorüber und
an einen der am Ufer des Sees aufges
richteten ſchwarzen Steine gelehnt, lauſch⸗
te er, ob ae zn der mitternaͤchtlichen
Todtenglocke ſich würde hören laſſen, doch 85
Alles blieb ſtill wie zuvor. Langſam ſchilch
er an dem Ufer dahin, um zu erforſchen,
ob vielleicht ein Beobachter in dem Gebuͤ⸗
ſche verborgen ſey , doch nirgends war die
Spur eines Menſchen zu entdecken.
Sein Auge ſuchte den bekannten Na⸗
chen und entdeckte ihn leicht, wie er frei
und losgekettet zwiſchen den ihn beſchir⸗
menden Geſtraͤuch am Ufer ſich auf den 775
*
*
218 Ron:
plaͤtſchernden Wellen ſchaukelte. Leb⸗
haft ſchwebte ihm die Scene jener Un⸗
glucksnacht vor, die ihn an dieſer Stelle
in die Hände von Morrino's verborgenen
Aufpaſſern fuͤhrte, und von un willkuͤhr⸗
lichem Schauder ergriffen, blickte er ſich
nach den etwa hervorſpringenden Berräs
thern um, indem er ſich dem Abhange des
ufers näherte. Mit ungewiſſem Schritt
ſchwankte er vorwärts, und in dem ſtaͤr⸗
kern Schlagen ſeines Herzens ſchien eine N
treue innere Stimme ihn zuruͤckhalten zu
wollen. Unentſchloſſen ſtand er da und
blickte über die Waſſerflaͤche des Sees nach
dem Thurme hinuͤber „da ſchlich in einem l
ſanften Fluͤſtern der wehmüthige Geſang,
den er ſchon juͤngſt bemerkt hatte, n
}
j
4
dem Thurme herüber zu ſeinem Ohre; 7
und dieſe klagenden Toͤne weckten ſeinen a
*
219
Entſchluß auf's neue und e ſeinen
Muth. 0
„Komme was da wolle, — ſprach er
entſchloſſen zu ſich ſelbſt, — es ſey ge⸗
wagt; — und kuͤhn ſprang er hinab in
den ſchwankenden Nachen.
Alles blieb noch ſtill, wie zuvor, ſelbſt |
die lauen Nachtwinde ſchienen ihren Athem
an ſich zu halten kein Luͤftchen bewegte
den See, und die Brandung des Waſſer⸗
falles am Felſen verlor ſich nur in leichte
Wellen, die langſam dem Ufer zuwallten,
und auf ihren kraͤuſelnden Ruͤcken das
Bild des Mondes wiegen: ©
Mit raſchem Muthe ſtieß Godwin den
Nachen vom Ufer ab, den eine unſichtbare
bülfreiche Hand zur Begünstigung ſeines
Unternehmens von der Kette, womit er
an dem ufer befeſtigt war / losgemacht zu
8 .
haben ſchien, und langſam ruderte er über |
die kryſtallene Flaͤche des Sees dahin. *
naͤher e er dem Thurme kam, um ſo deut / 2
licher vernahm er auch die Akkorde einer N
Guitarre, in deren wehmuͤthigen Nach
klang der vorige Klaggeſang verhalte, und
die wirklich aus dem e herüber g
drangen. > e
| Nach einer kleinen Yanfe etönten die 3
| angeſchlagenen Molltöne der Guitarre aufs 1
neue, und jetzt fiel eine fanft klagende 4
weibliche Stimme in diefelben. ein. Von 4
hohen bänglich füßen Erinnerungen ver-
gangener Zeiten durchſchauert, glaubte
Godwin kaum ſeinen Ohren trauen zu duͤ⸗ 1
fen als er jetzt dem Thurme naͤher ganz 1
3 deutlich folgenden ihm ſehr bekannten weh 1
muͤthigen Geſang vernahm: 5 2 1
Als mein Leben voll Blumen bing,
“
und ich im fliegenden Kleide
Laͤchelnd der Zukunft entgegen! ging, |
Da Honite mein Buſen voll Hoffnung und
. Freude.
Doch bin 10 bin und todt iſt todt! Ä
Euch, entflohne ſchoͤne Tage,
Weckt kein Morgenrotb 25 |
Hin if Bin 105 an in i
aus, 990 ee dein m um⸗
wand,
Ale ich in been Stunden
Endlich wieder den Theuern ande 2
Da heilten ſie alle, die blutenden Wunden. =
Doch bin iſt hin und todt iſt tobt! n
um das Grab der trauernden Melee
Glaͤnit kein Morzenrotb i a
Hin iſt hin und tobt iſt but: |
e
2
222
Ztoßfos fed ich so tiefen een
Einſam in bangem Eimatkens N
Brich, o du armes verwaiſ'tes Her,
und ſuche dir Frieden im Reiche der Schatten.
Ach hin iſt bin und tobt iſt todt! ”
Schimmre bald auf meinem Hügel, 1
Sanftes Morgenroth!
Hin iſt hin und todt iſt tobt! |
Mit geſpannter Yufmerkfannfeit Rand
Godwin horchend in dem Nachen an dem
Abhange des Felſens / maͤchtig und voll
5 hoher Ahnung klopfte ſein Herz, und jeder
Ton des ſchwermuͤthigen Geſangs hallte
ſtark und kraͤftig in feinem Innern wies
der. Der Geſang verhallte ſchweigend in
die nachhallenden ihn begleitenden Diſſo⸗
nanzen der bebenden Saiten der Guitarre
2
.
70
a
*
9
4
und mächtig von dem Gefühl feiner neu
auflebenden frohen Hoffnung dau ſazmen 1
225
fiel er in den vorigen Geſang ein, indem
er denſelben durch die folgende Strophe
in der vorigen ihm ſo bekannten Melodie,
aber durch einen küſchben durch Durtoͤne
fortgefuͤhrten Gang begleitete. |
Diurch das Grauen der Mitternacht
Fuüͤhret nach langem Ermatten je
Uns der Liebe bezaubernde Macht,
Die Frende zurück aus dem Reiche der Schatten.
Neu verjüngt durch Grab und Tod,
um das Grab der trauernden Liebe,
Glaͤnzt das Morgenroth)
en der Liebe Machtgeboat.
Kaum hatte Godwin dieſen Geſang ans
4 enen ſo erſchien eine weiße weibliche
Geſtalt oben an dem Gitterfenſter des
| Thurmes welche den unbekannten Saͤn⸗
ger mit dem Ausdrucke des hoͤchſten Eu
ſtaunens zu betrachten ſchien.
%
J es etwas Wirfliches, was mein
Auge erblickt? — rief Godwin der Ge
ſtalt zu / iſt eben in dir und biſt du
ein menschliches Velen, das hier unter
Schrecken des Grabes in dieſer furchtbaren
Wildniß das Leben vertrauert, ſo gieb
Rede! ſage mir, wer du biſt und wie iR
zu helfen if.‘ JJ
N *Ich moͤchte dir dieſe Fragen IR ;
geben, — fluͤſterte eine weibliche Stimme |
herab, — doch ſey wer du willſt, kuͤhner
Beiträge, helfen kannſt du mir nicht
N nimm meinen Dank für deinen guten Wil⸗
len und entferne dich ſchnell. Verrätherei
und M ordſucht lauſchen ringeumher und ;
}
jedes Geſtraͤuch hat Ohren. Fuͤrchte die
Argliſt meiner verſteckten Lauſcher!“
Ich fürchte weder dieſe beiten
noch ihre Mordſucht und Veiter 5
„
5 Ä 225
fiel Godwin ein. Nicht vergebens will ich
den mancherlei mich umringenden Gefahr
ren Trotz geboten und mein Leben gewagt
haben. Jaſſe Muth, ungluͤckliche / ich ers
80 als Retter, als Helfer!“ |
15 „Umſonſt! — ſeufzte die Geſtalt. —
Du verſchwendeſt vergeblich deine Kraft
und deinen Muth an den ſteinernen Rippen
dieſes Thurmes. Schloͤſſer und Riegel
und die Starke dieſer Mauern 1885 dei⸗
ner Kraft.“
| „Laß ſehen! — erwiederte Godwin.
— Ich fuͤhle in meinem Arme die Kraft
eines Rieſen und Muth genug in meiner
Bruſt um dieſen Felſen gegen den Him?
mel zu ſprengen und es mit der Hölle ſelbſt
edges um deine Rettung zu voll;
enden. = |
»Was in das 2 — fuhr er e
16
226 | |
| fort, als er in der Nähe des Thurmes
. vernahm. — Biſt du nicht
allein? — ich höre ein Geräuſch.! “ |
RE bin allein, — antwortete die |
Geſtalt, — und das Geraͤuſch, welches
ich vernehme, iſt der Wind, der durch 2
Riſſe dieſer Mauern ziſcht.
Eine grauſende Muſi Ei — ee
f Godwin. | - N
„Die ich leider nur zu ſehr gechehe |
bin, — unterbrach ihn die Geſtalt, zu
doch horch! — mich duͤnkt, ich hoͤre in der
| Naͤhe meines Kerkers ein duͤſteres Geräuf ch,
das wohl nicht das Heulen des Windes
| feyn möchte. — Fliehe! fliehe e 1
| 150 ehe es zu ſpaͤt wird.“
Godwin befeſtigte den Nachen an dem
Selfenufer und flieg hinauf. — „Sen ung
au um mich! — rief er der egal
u
— —
| 227
zu, — laß mich handeln! unmöglich kann
ich dieſen Ort ſo wieder verlaſſen, wie
ich hergekommen bin. Ich bin ſehr bes
gierig, die Hefage ai ge zu
wiſſen. “ |
Leiſe ſchlich er nach der d Sin,
von welcher das bemerkte Geraͤuſch herzu⸗
kommen ſchien / und erſtaunt ſah er, daß
die kleine eiſerne Thuͤre, welche den Ein⸗ 8
gang des Thurmes verwahrte „von den
leicht herabhaͤngenden Schloͤſſern und Niet
geln befreiet / offen fand, und daß der
Zugwind mit derſelben fpielte und dadurch
jenes Geraͤuſch veranlaßte. a
„Freue dich, Ungluͤckliche! — rief God⸗
win hinauf, — fühle von neuem Muthe,
von froher Hoffnung dich belebt! Eine uns
ſichtbare menſchenfreundliche Hand begüns
ſtigt mein Beginnen. Die Schloͤſſer und
en
Riegel des Eingangs ſind d
ie hängen frei herab, die Thuͤre mien
Kerkers iſt offen. ; |
O dann fliehe, kuͤhner Seen
2 die weibliche Stimme aͤngſtlich sr f
b ſaͤume nicht, hinter dieſer ſcheinba⸗
u ee enz deines Unternehmens
lauſcht ſi ſicher Verrath und geheime Tuͤcke.“
J fürchte weder den einen noch die
andere, — rief Godwin entſchloſſen aus /
ich hoffe zu Gott, der mich als Retter dir
ſendet und bis hierher meinen Schritt
durch die mich umringenden Gefahren lei⸗ f
tete, den Weg zu dir zu finden und d wah
rare zu vollenden.“
Mit gefaßtem Muthe fie er er gegen die
Shtre, mit widrigem Ton ſeufzte ſie in
ihren Angeln und klirrend flog ſie auf,
e Modergeruͤche hauchten ihm bei
2 229
ſeinem Eintritte entgegen, und mit vorge⸗
haltenen Haͤnden ſchritt er durch die dicke
undurchdringliche Finſterniß hin, die ihn
umgab. Eine Mauer hemmte feine Schrit;
te; und ein moderiger Lufthauch, der an
feiner Wange hinſtrich , verrieth ihm, daß
eine Oeffnung in der Mauer ſey. Er
tappte im Finſtern an der Mauer hin,
und fand eine zweite ebenfalls nur leicht
angelegte eiſerne Thuͤre ' die ſich unter
dem Drucke feiner Hand knarrend oͤffnete
und ihn zu einer ſtellen ſteinernen Treppe 825
führte, welche nach der Höhe hinaufging.
Mit ſchuͤchternen Schritten ſchwankte
er bedaͤchtig uͤber dle morfchen. zum Theil
zerfallenen Stufen hinauf und fand nun
als er die Hoͤhe erreicht hatte, unentfchlofs
fen da, nach welcher Seite er ſich wenden
ſollte. „Ich bin gluͤcklich bis hierher vor |
230
gedrungen, — rief er aus, — jetzt gieb
mir ein Zeichen, Unglücklicher wenn du in
der Nähe bift, wo ich dich finde.“
„Hier bin ich! — ſeufzte eine weib |
Ache Stimme feittwärts durch eine Thuͤre,
welche ein matter durch das Schlüsselloch
derſelben hindurch dringender Waile
5 mer ihm verrieten.
Godwin fand zur Vermehrung feiner.
| Verwunderung / auch an dieſer Thuͤre die
Riegel hinweggezogen, die daranhängen⸗
den Schloͤſſer geöffnet und die Thuͤre ſelbſt
nur leicht eingeklinkt. Er oͤffnete ſie und
trat in ein duͤſtres ſteinernes Behaͤltniß, |
das von dem ſchwachen Schimmer einer
Lampe matt erhellt ward, und in e
Winkel gepreßt, erblickte er eine weibliche
Geſtalt im langen weißen geichenkleide,
welche dem Hereintretenden ſchuͤchtern und
231
mit ER Ausdrucke aͤngſtlicher bien
entgegen blickte.
Ueberraſcht prellte Godwin bei dem
Anblicke dieſer bleichen, mehr einem Schat⸗
ten der Unterwelt als einem lebenden We
ſen ahnlichen Leichengeſtalt zuruͤck. Mit
ſtarrem Blick war ſein Auge auf fie gericht
tet, doch wie von einem plöglichen Donner
durchſchuͤttert, ‚rief er aus : „Ihr Maͤchte |
des Himmels! — S elena? a
du ? — biſt du es wirklich? —
5 Von dieſem Zurufe durchbebt, ſchwank
te fie näher, und mit einem unartikulirten
Ausrufe der entzuͤckenvollſten Ueberras |
ſchung ſtuͤrzte fi ſie in Godwins nach ao aus
gebreitete N
*
Lex
63
©
*
. e e
PS Im
Erd und Himmel ſchienen ſich jetzt vor
den trunkenen Blicken der ſich wiederfin⸗
denden beiden Liebenden in entzuͤckenden
Kreiſen zu drehen. Ihr Mund ſchwieg, a
aber ihre ganze Seele ſprach deſto lauter
und vernehmlicher in ihren Blicken; in 3
hoͤrbaren Schlägen ſtuͤrmten ihre Herzen
in einer langen feurigen Umarmung eins
ander entgegen, bis denn endlich der erſte
heftige Sturm der Empfindungen ſich all⸗
mählig legte, die uͤberraſchten Sinne ſich
\ 233
aus ihrer Betaͤubung ſammelten und Bei⸗
der Gefuͤhle in Worte ſich aufloͤſen konnten.
„Selena!“ — ſtammelte Godwin,
indem er ſie in einer wiederholten Umar⸗
mung mit feurigem Ungeſtüm an ſich
ſchloß. — „Du lebſt! Du wirſt mit
wiedergegeben? du ſchlummerſt nicht in der
Todtenhalle von Oranto? — Welches
Wunder hat dich mir erhalten?“ ;
Nein, mein Geliebter, ze fluͤſterte
Selena mit ſeelenvollem Ausdrucke tiefge⸗
fuͤhlter Wonne, indem fie ſich mit Innig⸗
keit an ihn anſchmiegte,— ich ſchlummere
nicht in Oranto's Todtenhalle; ich bin dir
wiedergegeben. Ich lebe, aber ein ſchreck⸗
liches Leben, ſchauderhafter als zehnfa⸗
cher Tod — hier in 8 8 5 ee
Oede. .
| »Und was entriß dich dem Wa mit
—
234
05 welchem die ganze Gegend Rn 1 Ä
iur Godwin. E 5
„Die Rache des Grafen, der einen
ſönelen Tod im Verhältniß mit dem mich
) befchuldigten Verbrechen als Wohlthat fuͤr
mich betrachtete, und mich hier zu langſa⸗
men Qualen aufſparte, erwiederte Selena. i
a Der Wuͤtherich!“ — rief en |
ſchaudernd. f 17
„Treu dem Gelübde, das ich .die
mein Geliebter in der Stunde lone,
hafter Trennung, um dich der Rache des
Grafen zu entziehen, ablegte, — fuhr |
Selena fort, — ertrug ich gern und wil⸗ i
lig den Haß und die Rachfucht des belei⸗ |
digten Gemahls, ertrug ich gern Kerker
und Schmach und Schande. Ein offenes /
freies Geſtaͤndniß wuͤrde mich dem allen
entzogen haben, aber die Folge davon
| 235
wuͤrde dein Verderben geweſen ſeyn, und
ſo bebte ich doppelt vor dieſem Meineide
zurück, ich duldete und ſchwieg. Ich war
lebendig todt und begraben in dieſen
Mauern; doch alles, was ich hier Jahre
lang erduldete und litt, wiegt dieſer Aus
genblick des unverhofften Wiederfindens
auf. Cindem ſie ihre Arme um feinen Nacken
ſchlingt und ihn freudig an ſich drückt.) Ich
habe dich wieder! dich, der mir theurer
als mein Leben iſt! und keine Macht der
Erde ſoll nun faͤhig ſeyn, dich wieder aus
meinen Armen zu reißen.“ 1
Bis ich ihn herausreiße! donnerte eine
N Stimme den Wonnetrunkenen zu. 5
Erſchrocken fuhr Godwin empor, und
mit einem Aus rufe des heftigſten Ent,
ſetzens ſank Selena in Godwins Arme zu⸗
ruͤck und verbarg ihr Geſicht an feinem
„„ 15 1
Buſen, als der Graf Morrino mit ſchreck⸗
lich drohender Geberde und ee |
den Augen hereintrat. e
In dieſe Schlinge gingſt du at
Boͤſewicht!“ — donnerte er mit Re
fluͤgelter Stimme Godwin entgegen. — f
f Jetzt ſollſt du mir ſo leicht nicht wieder |
entwifchen wie damals, als du in den
Armen jener Treuloſen mich um meine Ruhe
| und mein häusliches Gluͤck beſtableſt. “
Bodo draͤngte ſich ch jetzt hinter dem Gras
fen hervor und an ſeine Seite, indem er
dieſen von Godwin und Selenen zurück j
“ bielt. „Gedenkt eures Verſprechens —
| redete er ihm zu, — mäßige noch Euern
Grimm! Ich habe Eure gräfliche Ehre zum
| > Unterpfande, daß Ihr mir es aberlaſen ö
1 den 9 0 . = 2
az n. a
2
r
Er
For N ya
N . 237
Auflöfung ? — erwiederte der Graf zornig.
Sagt nicht dieſer Anblick deutlich genug,
daß meine Vermuthung Wahrheit war,
und daß dieſer Fremdling der Nichtswür;
dige wirklich ift, den meine gerechte Rache
ſo lange vergebens ſuchte? — Sieh hin! f
liegt die Buhlerin nicht noch jetzt in feiner
verbrecheriſchen Umarmung? f
„Die heiligſten Bande, welche die
Gottheit ſelbſt um unſer beider Herzen
ſchlang, heiligen dieſe Umarmung, die Ihr
verbrecheriſch ſcheltet — erwiederte Gods
win mit gefaßtem Tone. Er Ich bin in
Eurer Gewalt, entrinnen kann und werde
ich Euch nicht wieder, aber wage es Nie-
mand, ſich mir zu nähern, der nicht mehr
als ein Leben zu verlieren hat. (er zieht eis
nen Dolch aus dem Gürtel und schwingt ibn
drohend gegen den Grafen.) Nur der Tod ſoll
238 a
mich wieder aus den ie Meiner um
glücklichen Schweſter reißen. gr
Graf. im Tone der beſtiaßen uber
ſchung) Der Schweſter? — | |
Godwin. Meiner armen, unſchuldig
gemißhandelten ungluͤcklichen Schweſter,
die alle Qualen Eurer Grauſamkeit fehwelb -
gend duldete, um mich, ihren ungluͤckli⸗ |
chen f von Euch verfolgten Bruder, Eurer
| Rache zu entziehen. Je bin der a
liche Guido Beverini. ER
Graf. Beverini? — e
Bo do. Nun, Motrino 2 — Wb
ſagt Ihr nun?
Graf. Gerechter Gott! wie Sar
pen fällt es mir von den Augen. Laßt mir
Zeit / mich zu ſammeln. Ai f
Guido. u Bodo) Du wußteſt 400
vermutheteſt wenigſtens, wer ich ſeh/ und.
239
gebrauchteſt die Maske der Freundſchaft 2
nur dazu, um mir dieſe Schlinge zu legen
und mich in das Verderben zu locken?
(ſchmerzhaft) Das ahnete ich nicht! Mens
ſchengeſichter ſind Larven, Edelmuth und
Freundſchaft ſind zum Spielwerk von Boͤß⸗
ſewichtern herabgeſunken! Wehe dem, der
noch Zutrauen für Menſchen hegt!
Bodo. Gemach! halte deine Vor,
wuͤrfe zurück! ſte ſi nd et und 15 5
mich nicht. |
Mit Ungeſtuͤm draͤngte ſich jetzt der
Graf zwiſchen Bruder und Schweſter, ins
dem er Selenen aus Guidd's Armen ems
porhob und fie aus ihrer Ohnmacht zu er⸗
muntern ſuchte. „Selena! — rief er mit
herzerſchuͤtterndem Ton, — Weib! armes
ungluͤckliches Weib! erwache! — o, helft
mir fie ermuntern! — fie ſtirbt! ?!
240 :
Matt ſchlug Selena die Augen auf, mit
verſtoͤrtem Blick ſtarrte fie um ſich her, und
i heftig ſchauderte ſie zuſammen/ als ſie ſich
in den Armen des Grafen erblickte.
ö 25 Gott fen gepriefen ! rief der Graf aus.
Sie lebt! fie wird mir wiedergeſchenkt!““
Mit verhuͤlltem Geſicht war Selena
in des Grafen Arm zurückgeſunken und
ſtreckte ihren Arm nach ihrem Bruder aus.
| „Du wendeſt dein Auge von mir bin,
weg / — fuhr der Graf fort, — du ſreckſt
deine Hand nach dem Bruder aus? —
| hat nur dieſer noch Antheil an daun
5 Herzen / ſo nehme er dich hin nds 9
a „Wo bin ich? — Wenne Selena,
| ag aus einem tiefen Traume e,
242
nicht mit dieſem herzzerſchneidenden Jam
merblicke an, der mich wegen meiner ſchreck⸗
lichen Taͤuſchung und Ungerechtigkeit anz
BAR Mein ſchrecklicher Anklaͤger iſt in mir.
Selena. Höre ich recht? — er
ich dieſer Umwandlung trauen? Pi
Graf. Du darfſt es! — Das Sie
gel deiner Verſchwiegenheit iſt gelöft, arme
Dulderin! er ſelbſt hat es zerbrochen, den
ich als Ehebrecher, als Raͤuber meiner
Ruhe und meines häuslichen Glucks vers
folgte, und in welchem ich jetzt den un
gluͤcklichen Bruder umarme.
Er riß Guido mit Hagen in feine
WW
„Morrino!“ — rief Guido verwun⸗
dert — „welche ſchnelle Umwandlung? —
Ihr haßt mich nicht mehr? Ihr umarmt
den Moͤrder Eures Sohnes, den Ihr ſo
lange auf das Grauſamſte verfolgtet? ee
Graf. Laß das! — ich umarme den
16 5
*
unglücklichen Bruder meines ae
Weibeg,, der dieſes mir wiedergiebt.
dieſem Kuſſe nimm meine Verzeihung Fe
das Gefchehene und ein gaͤnzliches Vergeſ⸗
ſen deſſelben. Zeit und Nachdenken und
mein Unglück haben mich über jene Aufs
tritte anders denken gelehrt. Mein Sohn
Enrico war — (ſchnell abbrechend, mit tiefer
Webmuth) Doch erlaß mir ein Geſtändniß,
das dem Vater ſchmerzhaft ſeyn muß. Ru⸗
he und Verzeihung der Aſche des Vollen
deten! — Hilf jetzt mir das Herz deiner
Schweſter wieder gewinnen. 5
Selen a. (indem fe mit n
Entzücken ihre Arme um finen® Nacken ſchlingt)
Morrino!l - 5
Gul do. Guter Gott! — Das faſſe 10 |
nicht! — Wem verdanke ich dieſe fehnelleg
| ee meines Verfolgers? 1
Graf. Der Alles heilenden ee und
Diefem hier. Cauf Bodo ieigend)
Guido. Dir, Bodo? So habe ih
dir vorhin unrecht gethan? ln 35
Graf. Ohne ihn und ſeine kraͤftige
Verwendung und Ermahnungen waͤret Ihr
Beide, du und Selena, laͤngſt en ein
Opfer meiner Rache.
Guido. Was bewog dich, edler Greis,
u unferer fo thätig anzunehmen ?
Bo do. Konnte ich weniger für die uns
bintec Kinder meiner Schweſter thun? 2
Cer wirft den falſchen Bart und das falſche,
ſein Gef rt beſchattende Haupthaar von fh)
Erkennt in mir Euern 1 0 c bin ans |
an .. 5
N
wir 7
| 15. 15
Er war es ſ. elbſt, der redliche Orbizo, der in
1 dieſe ihn unkenntlich machende Kleidung ſich
gehuͤllt hatte, um feiner unglücklichen Nichte
zu Hülfe zu eilen und ihr Troſt zu bringen.
Troſtlos bejammerte er den Verluſt ſei⸗
ner geliebten Pflegetochter, als dieſe ihm
durch die Miethlinge des Grafen war ges
waltſam entriſſen worden. Vergebens bot
er Alles auf, um die Rauber oder eine Spur
von ihnen zu entdecken, und zu entdecken,
wohin fie Selenen moͤchten gebracht haben.
Traurig kehrten die ausgeſandten Boten zu⸗
ruck, ohne die geringſte Spur von Selenen
\
33 ;
245
oder ihren Raͤubern entdeckt zu haben, und
der Schmerz des guten Alten grenzte an Ver⸗
zweiflung, und machte ihm feinen bisherigen
Aufenthalt, wo ihn Alles umher an ſeine
geliebte Pflegetochter erinnerte, zur Hoͤlle.
Mit dem feſten Entſchluſſe, Selenen
wieder zu finden, verkaufte er ſein friedliches
Landgut, und fo wanderte er am Wander-
ſtabe, auf gut Gluͤck, im Vertrauen auf die
Vorſehung in die Welt hinaus. Vergebens
hoffte er jedoch von dem einen Tage zum
andern, einige Kundſchaft von Selenen
zu erhalten; kein Menfch, wohin er ſich
auch wandte, konnte ihm auf ſeine Fragen
und Erkundigungen Antwort geben. Trau
rig und mit Seufzern begruͤßte er jeden
Morgen und jeden Abend, wenn er mit
wunden Füßen und erſchoͤpften Kräften
hier und dort in einer laͤndlichen Hüte
einkehrte und ſich ein Nachtlager erbat.
Lange ſchon war er in fruchtloſen
246 8
Nachforſchungen eth t als er end»
lich in dieſe Gegend kam, wo ihn krank
und auß erſt erſchoͤpft ein alter ehrwuͤrdiger
Klausner, der menſchenfreundliche Ariſto,
in ſeine Klauſe aufnahm, ihn pflegte und
wartete, und ihn nach einer langanhalten⸗
den Krankheit, durch feine beſondern Kennt
niſſe der Pflanzen und Kraͤuter und nn
Heilkräfte; dem Tode wieder entriß.
Sein menſchenfreundlicher Wirth und
Arzt ward bald ſein Freund, und Beide
fuͤhlten ſich taͤglich mehr und mehr voll
Zutrauen an einander gekettet, ſo daß ih⸗
nen gegenſeitig ihr Umgang unentbehrlich
ward. Sie theilten ſich wechſelſeitig ihre
Schickſale mit, und die innige Theilnahme
des edelmuͤthigen Ariſto an dem Kummer
ſeines Freundes, uͤber Selenens Schickſal,
trug Vieles dazu bei, denſelben zu ver
mindern. Ariſto ließ es nicht allein dabei
bewenden, ſeinen trauernden Freund zu
247
troͤſten und durch feine freundfchaftliche Zus.
ſprache in ſeinem Kummer aufzurichten,
ſondern er ließ es ſich auch eifrigſt angele⸗
gen ſeyn, ſich wegen Selenens und ihres
Bruders auf Kundſchaft zu legen:
Nach manchen vergeblichen Verſuchen,
etwas von der einen oder dem andern zu
erforſchen, gelang es ihm endlich, Sele⸗
nens Schickſal auszukundſchaften und zu er;
lauſchen, daß ſie f eit kurzem in den Mauern
des Schloſſes Oranto eingekerkert ſe .
Aus Schonung gegen ſeinen Freund
Orbizo verſchwieg er jedoch dieſem einige
Zeit lang dieſe Nachricht, die deſſen noch
ſo ſchwaͤchlicher Geſundheit ſehr leicht hätte:
nachtheilig werden koͤnnen. Er ſuchte ihn
vielmehr durch mancherlei Beſchaͤftigungen
zu zerſtreuen und von den ihn beunruhi⸗
genden Gegenſtaͤnden abzuziehen; indem
er ihn an feiner gemeinnuͤtzigen Thaͤtigkeit
Antheil nehmen ließ, ihm feine Erfahrun-
N
*
248
ger und Kenntniſſe in der en mit; N
theilte, und ih nur allmaͤhlig auf die Nach
richt von Selenens traurigem Schickſale
vorbereitete, bis er endlich ſein Ende nahe
fuͤhlte, und er wenige Tage vor ſeinem
3 Freunde Alles entdeckte.
Thraͤnen des liefgefuͤhlteſten
ne und des Danks übergab Drbizo \
die Ueberreſte ſeines dahin geſchiedenen
Freundes dem Schooße der Erde, und zog
nunmehr ſelbſt auf genauere Kundſchaft
nach Selenen aus. Hier ward er durch
die Trauerpoſt uͤberraſcht, daß die un-
glückliche Selena der Härte ihres Schick
ſals unterlegen habe, und durch den Tod
von ihren Leiden befreiet worden ſey.
Mit tobendem Schmerz im Bufen über
dieſen doppelten Verluſt kehrte Orbizo ein-
ſam und verlaffen in frine Eindde zurück.
Kein freundlicher Strahl von ſchmeichelnder
Hoffnung lichtete das furchtbare Dunkel ſei⸗
.
r
- 249
ner Seele, und ſein liebſter Aufenthalt war
auf Ariſto's Grabe, wo er mit Gedanken
an dieſen und an Selenen und an ihr bei⸗
derſeitiges gluͤckliches Wiederſehen in den
Gefilden der Unſterblichkeit ſich beſchaͤftigte.
In tiefe Trauer und Wehmuth vers
ſenkt, war er einſt eben im Begriffe, tief
in der Nacht von Ariſto's Grabe nach ſei⸗
ner Klauſe zuruͤckzukehren, als er tief in
dem Gebuͤſche auf einen Mann ſtieß , der
ſchuͤchtern durch das Dickicht hindurch⸗
ſchluͤpfte, und auf einem engen bufchigen
Pfade durch das Gebuͤſche hindurch dem
nahegelegenen See Averno zueilte. Orbizo
eilte ihm nach, und kam eben an den See,
als der Unbekannte ſich in einen an dem
Ufer befeſtigten Nachen warf und dem
Schreckensthurme zuruderte.
Orbizo folgte dem naͤchtlichen Schiffer
mit den Augen, bis er an dem Fuße des
Thurmes ſich ſeinen Blicken entzog. Leiſe
230
ſprach die Vermuthung in ſeinem Innern
an, daß dort vielleicht irgend ein ver⸗
ſtecktes Bubenſtück verborgen liege, und
auf den ſchwellepden Raſen hingelagert,
erwartete er die a 05 e
r ten. RE
Dieſer erſchien endlich Wire und abel |
Orbe zu bemerken, wollte er wieder durch
das Gebuͤſch zurückeilen, ale ihm Orbizo
ſchnell in den Weg trat und ihn anhielt.
Ueberraſcht ſchrak dieſer heftig zuſammen;
doch ſeine Ueberraſchung und ſein Schreck
verlor ſich bald wieder, als ihn Orbizo
anredete und er in dieſem den ehrwuͤrdigen
Klausner dieſer Wildniß und feinen Der
kannten erkannte. Nicht weniger ward
Orbizo angenehm uͤberraſcht, als er in
dem Unbekannten Pirro, den alten treuen
Diener des menſchenfeindlichen Morrino,
erblickte, der bei naͤchtlicher Weile die als
todt beweinte Graͤfin in ihrem oͤden Kerker
*
2510
mit Speise und Trank verſorgte, und eben
= dieſes Geſchaͤft beſorgt hatte.
Nur noch vor kurzer Zeit hatte Orbizo,
als Klausner Bodo, dieſen Pirro dem
Siechbette wieder entriſſen, und die Dank⸗
barkeit fuͤr dieſen wichtigen Dienſt öffnete
Pirro jetzt ſehr bald den Mund uͤber das
Geheimniß des Schreckensthurmes.
Mit freudiger Verwunderung vernahm
Orbizo, daß feine ungluͤckliche Nichte noch
lebe, und daß die Nachricht von ihrem
Tode nur von dem Grafen erdichtet wor⸗
den fen „um den Plan ſeiner Rache gegen
Selenen deſto ungeftörter ausführen zu
koͤnnen, und alle etwanige Nachforſchun⸗
gen nach ihr zu vereiteln. Orbizo wuͤnſchte
angelegentlichſt, Selenen ſelbſt zu ſehen
und zu ſprechen, und von ihr zu erfor
ſchen, in wie fern ſie wegen des ſie be⸗
ſchuldigten Vergehens ſchuldig fey, oder
nicht, und ob ihr gegenwaͤrtiges trauriges
8
— 5 —
Loos verdiente Strafe ſey; allein ſo gern
ihm auch Pirro hierzu Gelegenheit vers:
ſchafft hätte, fo mußte er dennoch noth⸗
gedrungen davon abſtehen, da überall die
geheimen Auflaurer des Grafen im Gebuͤ⸗
ſche verſteckt lagen und die Gegend auf
das aufmerkſamſte beobachteten. |
Dennoch fand Orbizo- mit Beihuͤlfe des
treuen Pirro bald darauf Gelegenheit, ſich
in den Schreckensthurm einzuſchleichen; ins
dem er das Gewand eines Ordensgeiſtli⸗
chen mählte, und ſich in dieſer Verkleis
dung Selenen naͤher brachte, ohne von ihr
erkannt zu werden, um fie über den Ver⸗
luſt ihres Kindes zu troͤſten.
Der Schein war zu ſehr gegen Sele; ;
nen, und ihr ſtrenges Stillſchweigen über
die wahre und eigentliche Beſchaffenheit
des ihr zum Verbrechen gerechneten Um
gangs mit jenem Fremdlinge ſprach zu
deutlich fuͤr die Beſchuldigung des Grafen 1
253
gegen fie, als daß fie Orbizo hätte ent
ſchuldigen oder rechtfertigen koͤnnen. Mit
ſchauderndem Unwillen ſahe er auf die
vermeinte Verderbtheit des Herzens ſeiner
vor dem fo unbeſcholtenen und tugendhaf-
ten Nichte hin, und ſein empoͤrtes Gefuͤhl 8
war ſo heftig, daß der Ausbruch deſſelben
ihn beinahe gegen Selenen verrathen hätte,
wenn er nicht ſchnell ſich geſammelt und
ſeinen aufbrauſenden Unwillen hinter dem
gerechten Eifer des beleidigten ſittlichen
Gefuͤhls des Dieners der Gottheit verſteckt
haͤtte. Selena ertrug die Vorwuͤrfe des
ehrwürdigen Geiſtlichen mit Geduld, und
koante unr mit Thraͤnen antworten, weh
che das Mitleid Orbizo's rege machten,
und ihn aufforderten, ſich der ungiädtis
chen Gefallenen anzunehmen und ſie durch
ſanfte Troͤſtung in ihrem e
AR Schmerz aufzurichten.
Um Selenen u weſentlichere Dim
254
leiſten und fie öfter ſehen und fprechen zu
koͤnnen, ſuchte ſich Orbizo dem Grafen
Morrino zu nähern und ſich in fein Zus
trauen einzuſchleichen. Nach vielen und
mannichfaltigen fruchtloſen Verſuchen und
Bemuͤhungen gelang es ihm endlich, ſeine
a
Abſicht zu erreichen; indem er des Grafen
Eigenheiten des Charakters fo gut zu bes
nutzen wußte / daß dieſer, nach der erſten !
Bekanntſchaft, bald in dem alten einfieds
leriſchen Waldbewohner Bodo den Mann
zu finden waͤhnte, der mit ihm ſelbſt feine
menſchenfeindlichen Geſinnungen theilte,
indem derſelbe eben fo viele traurige Erfah⸗
rungen, als er, von der Bosheit und Heim
tuͤcke der Menſchen geſammelt zu haben
ſchien, um dieſe und die Welt auf immer zu !
fliehen. Genug, der ſchlaue Bodo fand ſehr
bald den Weg zu Morrino's Herzen, und
„wußte ihm feinen Umgang ſo werth zu ma⸗
chen, daß er ihm bald unentbehrlich ward. ;
235
Bodo gab dem Grafen ſelbſt Einfhläs
a wie er vielleicht den unbekannten Ders
‚führer feiner Gemahlin erhaſchen koͤnne,
indem er in der Vorausſetzung, daß jener
vermeinte Rauber des haͤuslichen Glücks
Morrino's einmal wieder in die Gegend
zurückkehren werde, um Nachrichten von
Selenen einzuziehen, den Rath gab, über;
all geheime Auflaurer aus zuſtellen, und
jeden Voruͤberwandernden anzuhalten, in
die zunaͤchſt gelegene Burg des Grafen zu
fuͤhren, ihn dort gaſtfreundlich zu bewir⸗
then und ihn auszuforſchen ob er viel⸗
5 der Gehaßte fen. e
Der Graf genehmigte nicht allein dies |
Yen: Vorſchlag, ſondern trug Bode auch
ſelbſt dieſes Geſchaͤft auf, nicht allein die
Gegend des Waldes, ſondern vorzuͤglich
auch den See Averno mit ſeinem Schrek⸗
kensthurme zu belauſchen; indem er ihm
zugleich freien Zutritt zu Selenen verſtat⸗
256 |
tete, und ihm uͤbertrug, fie ſtreng zu be⸗
obachten, fie über die bewußte Angelegen⸗ ;
heit auszuforſchen / und ihr bei ihrer abs
wechſelnden immer mehr und mehr zuneh⸗
menden Kraͤnklichkeit Huͤlfe zu leiſten.
Am dieſes Letztere deſto beſſer zu bewerk⸗
ſtelligen, ließ Bodo oben auf dem alten
zerfallenen Thurme eine Glocke anbringen,
deren Strang zu Selenen hinabging, ſo
daß fie dieſe Glocke anziehen und ihm da-
durch ein Zeichen geben konnte, wenn die
Arme ſeines aͤrztlichen oder freundſchaftli⸗
chen Rathes oder ſeines Schutzes beduͤrfe.
Argleich unterhielt er ſelbſt die abenteuer
lichen Gerüchte von dem Schreckensthurme
und die mancherlei Maͤhrchen von der Tod⸗
tenglocke / um jeden Vorwitzigen deſto mehr 1
davon entfernt zu halten.
Ohne von Selenen erkannt zu weden
war Bodo ihr als theilnehmender Freund N
zur Seite. en Seufzer und ihrer seh
257
nen ſumme Klagen ish feinen aufnerk
ſamen beobachtenden Blicken ſehr bald, wel⸗
cher Kummer an ihrem armen Herzen nage,
und naͤhrten die Vermuthung immer mehr
und mehr in ihm, daß des Grafen Be
ſchuldigung einer verbrecheriſchen Treulo⸗
ſigkeit ſeiner Gemahlin auf einem Irrthu⸗
me beruhe, den er aber auf keine Art zu he⸗
ben im Stande war, da Selena auf ſeine
deshalb wiederholten Ermahnungen, Vor⸗
ſtellungen und Bitten um ein offenes frei
muͤthiges Bekenntniß mit Thraͤnen in ihn
drang, dieſer Gegenſtaͤnde ferner nicht zu ge
denken und ihr unverbruͤchliches Stillſchwei⸗
gen zu ehren, das keinesweges Eigenſinn
oder Furcht vor größerer Strafe, ſondern
Pflicht ſey, welche ein feierliches Geluͤbde
eines ewigen S tillſchweigens ihr auflege.
Bodo ſaͤumte nicht, den Grafen mit 8
feiner Vermuthung von Selenens Unſchuld
bekannt zu machen, und dieſer hing noch
18 a ee
1
258 | N
vlel zu ſehr mit Zaͤrtlichkeit an ihr, als daß
er nicht dieſe Vermuthung hätte einiger
maßen in ſich aufnehmen ſollen. Gleichwohl
erlaubten ſeine beleidigte Ehre und ſein
Stolz nicht, auf eine bloſe Vermuthung,
ohne uͤberzeugende Beweiſe, Selenen Ver⸗
zeihung und Freiheit zu ſchenken; aber um
8 ſo mehr war er bemuͤht, ſich die Ueberzeus
gung von Selenens Unſchuld zu verſchaf⸗
fen. So ſehr er es ſich auch vorher feſt
vorgenommen hatte, die ſcheinbar Treuloſe
nie wiederzuſehn, ſo veraͤnderte dennoch
Bodo's Vermuthung dieſe Geſinnungen
dahin, daß er dieſem abwechſelnd Geſell⸗
ſchaft leiſtete, wenn er bei naͤchtlicher Weile
nach dem Schreckensthurme ruderte, aber
unzufriedener und unwillig er als zuvor kehr
te er immer wieder von Selenen zuruͤck, da
ſie durch Nichts dahin zu bringen war, ihr
Stillſchweigen zu brechen. Nur Bodo's
angeſtrengter Thaͤtigkeit und ſeinen eifri
0
269
gen Verwendungen fuͤr he hatte es Selena
zu verdanken, daß der wilde Schmerz über
feine Lage und fein Unwille über Selenens
hartnaͤckiges Stillſchweigen nicht in ſolchen
Augenblicken in größere Härte und Strenge
gegen ſie uͤbergingen. 1
Ihr tief in ſich ſelbſt verſchloſſenes
gramvolles Leiden griff bald Selenens obs
nedieß ſchwaͤchliche Geſundheit an und warf
fie auf ein langwieriges Krankenlager, auf
welchem die arme Dulderin mit freudiger
Hoffnung den Tod glaubte herannahen zu |
ſehen. Ihre Krankheit machte es noth⸗
wendig der armen Gefangenen eine Waͤr⸗
terin zu geben, und Bodo waͤhlte hierzu,
mit Beiſtimmung des Grafen, eine arme
Wittwe aus dem benachbarten Dorfe, des
ren Verſchwiegenheit, Treue und regſame
Thaͤtigkeit fuͤr die Kranke er ſich durch viel
fältige wohlthaͤtige Unterſtuͤtzung der Armen
ſchon vorher erworben hatte.
—
2 — ——
aa Be we —y
ne
Hefter als jemals rief ihn jetzt die nacht
liche Glocke zur Huͤlfe der armen Selena bins.
uͤber in den Schreckensthurm. Die Ausbrüs
che ihrer zerrütteten Phantaſie in ihren Fies
bertraͤumen und die Nachrichten der Warte
rin, welche den Auftrag ug die Kranke
ſorgfaͤltig zu beobachten, beffätigten Bodo's
Vermuthungen von Selenens Schuldloſig⸗
keit noch mehr. Jemehr er jetzt hierdurch
auf die Wahrheit und die eigentliche Des
ſchaffenheit der Gegenſtaͤnde, welche die
Beſchuldigung einer Treuloſigkeit gegen
Selenen bewirkt hatten, allmählig hinges
leitet ward, um ſo eifriger ließ es ſich auch
Bodo mit der nöthigen Vorſicht und Bes
butſamkeit angelegen ſeyn, den Grafen
allmaͤhlig auf den Punkt hin zu fuͤhren,
wohin er ihn nothwendig haben mußte,
wenn die Folgezeit den Schleier von Se
. lenens Geheimniſſe ganzlich binwegzoͤge,
um alsdann den Grafen durch die Auflös
| 261
fung dieſer Näthfel wirklich ſo ſehr zu ber
gluͤcken und zufrieden zu ſtellen, daß er
um des wiedererlangten Genuſſes ſeines
haͤuslichen Gluͤcks willen alles Uebrige der
vorigen Zeiten, was ſeinen Groll gegen
das Geſchlecht der Beverini unterhalten
und verſtaͤrkt hätte, vergeſſen koͤnne.
In einigen lichten Augenblicken führte
Bodo den Grafen ſelbſt an das Kranken
lager feiner Gemahlin, weil dieſe es aus
druͤcklich verlangte, um in der gewiſſen
Hoffnung ihrer baldigen Aufloͤſung Abſchied
von ihm zu nehmen. Geruͤhrt und auf
das Diefſte erſchuͤttert fand Morrino an
dem Krankenlager, als Selena, mit der
feierlichen Verſicherung, daß fie unſchul⸗
dig ſey, ihn dringend bat, ihr zu verzei⸗
hen, daß ſie durch ihr Stillſchweigen,
welches ſelbſt der Tod nicht löfen konne,
ihm fo viele Leiden verunſacht habe. Doch
dieſe Scene war fo angrelfend fuͤr Selena,
262
daß ſie ateifer * er uber ng
| ruͤckſank. i
Mit zerriſſenem Beizen cite der Graf
in ſein Schloß zuruck, wo er ſich in die
Todtenhalle des Gartens verſchloß, und
mit dem wilden Schmerze in feinem Bus
ſen kaͤmpfte. Sein Haß gegen den Unber
kannten, der alle dieſe Leiden über ihn und
Selenen gebracht, und durch ſeine ſchnelle
Flucht den Verdacht gegen Selenen und
deren ſtraͤflichen Umgang mit ihm beſtaͤrkt
hatte, wuchs um fo höher, je weniger ſich
derſelbe zeigen wollte, um die Naͤthſel zu
ldoſen. Der Grimm des Grafen war daher
auch um ſo ſtaͤrker gegen Godwin, als
dieſer ihm endlich in die Hände fiel, und
alle umſtaͤnde bei ſeinem Ergreifen, ſo wie
ſein eignes Benehmen, den Verdacht gegen
ihn beftärkten, daß er wirklich der vermein
te Verfuͤhrer Selenens fen, dem der Graf fo
lange Zeit vergebens nachgeſpuͤrt hatte.
Se
| | a
Bodo war jetzt nicht mäßig, den Grimm
des Grafen gegen Godwin zu mildern und
ihn für feine Plane zu ſtimmen, welche auf
die nunmehrige Aufloͤſung aller bisherigen |
geheimniß vollen Raͤthſel hinzielten; da er
ohne viele Muͤhe in dieſem Fremdlinge ſei⸗
nen ungluͤcklichen Neffen vermuthete.
Um ſich noch mehr von ſeiner Vermu⸗
thung und den darauf gebauten Hoffnungen
von Selenens Schuldloſigkeit zu uͤberzeu⸗
gen, erhielt Pirro von Bodo den Auftrag,
Godwin durch feine Erzählung ſo zu faſſen,
daß er ſich unwillkuͤhrlich verrathen mußte.
Seine auffallende Ueberraſchung bei dem
Anblicke von Enrico's Bilde, feine Aeuße⸗
rungen und vorzüglich feine warme Ans
hänglichkeit an Selenen und feine Theil
nahme an ihrem ſchrecklichen Schickſale lies
ßen Bodo keinen Zweifel weiter uͤbrig/ daß
er wirklich der fen, wofür er ihn hielt.
Am nun aber auch mit einem Male den
264 | 9 05
Knoten des ganzen Naͤthſels auch vorzuͤ⸗
lich in Anſehung Selenens aufzuloͤſen, bes
redete Bodo den Grafen dazu, Godwin frei
zu geben, ihm denſelben zu uͤberlaſſen und
ſeines Winkes gewaͤrtig zu ſeyn, um ihm
ſogleich in den Schreckensthurm zu folgen
und dieſen Unbekannten dort zu belauſchen, 3
da dieſer, wenn nicht alles truͤgen ſollte, |
nicht zögern würde, feine Frelheit dazu zu
benutzen, den Thurm zu beſuchen, für wel-
chen er ſchon ſo viel Intereſſ e verrathen hatte.
6
c
Sest war das Räthſel glͤͤcklich gelöft, in
dem hoͤchſten Grade der freudigſten Ueber⸗
raſchung ſtuͤrmten Guido und Selena dem
ehrwuͤrdigen Greiſe Orbizo entgegen, und
eines gemeinſchaftlichen Entzuͤckens Hoch:
| gefühl durchgluͤhte Aller Herzen.
„Mein Oheim! mein guter, lleber, vär
terlicher Freund! — rief Selena, indem
fie ſich an Orbizo's Hals anklammerte, —
wer mir das geſagt haͤtte, daß ich in dem
edelmuͤthigen Bodo, der ſich meiner im
Elende, in Kummer und Krankheit ſo thäs
tig annahm, meinen vaͤterlichen Erzieher
266
und Freund vor mir ſaͤhe. Graufamer
Mann! daß Ihr mir dieſes nicht früher
entdecktet! es wuͤrde mir mein Anlaß um
Vieles erleichtert haben!“
„Du irrſt, liebe Nichte! — 1
fie Orbizo. — Nur meine .
konnte dir den Vortheil fuͤr die Folge ver
ſchaffen, den mein Plan heiſchte. Ich hatte
mir in meiner Maske dein Vertrauen, deine
Liebe zu verdienen gewußt du ehrteſt und
vertrauteſt Bodo, was bedurfte es mehr zu
deiner Beruhigung? Nur als Bodo konnte
ich den Weg zu dem Zutrauen deines Ges
mahls finden, den der Name Orbizo mir
wuͤrde auf immer verſperrt haben, da 3
fein einmal aufgeregtes Mißtrauen alsdann
in meinen Verwendungen fuͤr dich und in 4
meinen Bemühungen, dich und deine
Schuldloſigkeit zu vertheidigen und in f
Schutz zu nehmen, nur den Eigennutz und
die When Vorliebe des Oheims für A
IE
a
8 267
feine Nichte wuͤrde erblickt haben, wenn auch
nicht ſchon an ſich ſelbſt Jeder, der zu der
Familie Beverini gehörte, ihm ſo verhaßt
geweſen wäre. Dieſen Haß im Allgemeinen
mußte ich zuvoͤrderſt beſiegen, ehe ich ſeinen
Groll gegen dich bekaͤmpfen und mich ihm
in meiner wahren Geſtalt zeigen konnte.
Selena. Es wuͤrde nur eines Win⸗
kes von Euch, mein theurer Oheim, bedurft
haben, um hieruͤber meine Zunge zu binden.
Oiebizo. Deine Krankheit wuͤrde dich
verhindert haben, dieſem Vorſatze treu zu
5 bleiben. Deine Fiebertraͤume waren es, die
mir den Schleier oͤffneten, der dein Geheim
niß verhuͤllte, ſie wuͤrden auch mich, ohne
daß du es wollteſt, ſehr leicht haben verra⸗
then koͤnnen. Wuͤrdeſt du auch wohl dem
Oheim haben entdecken koͤnnen, was dein
Geluͤbde des unverletzlichen Stillſchweigens
dir befahl, dem treuen Bodo und ſeinen wie
. derholten dringenden Bitten zu verhehlen 2
7 = 5 2 vi . a %
ua ee
IL)
525 5 7
Wenn du dieſesauch wirlich gewaltt hätte,
fo würde meine eigene Gewiſſenhaftigkeit
ſich dagegen geſtraͤubt haben, inſofern dieſe 8
es unmoͤglich wurde haben zugeben koͤnnen,
dich deinem Geluͤbde untreu und unwuͤrdig
zu machen und dich zu einem Geftändniffe
zu verleiten, das weder jahrelange Leiden x
und die Schrecken des Todes, noch Schmach /
Schande und die Bitten deines unglückli⸗
chen Gemahls dir entlocken konnten.
Selena. Mein theurer Oheim, mein
Gemahl, Ihr werder mich Beide entſchul⸗
digen, wenn ich Euch daran erinnere, daß
nur dieſes mein ſtrenges Stillſchweigen uͤber
jene unfeligen Miß verſtaͤndniſſe meinen un-
glücklichen, verfolgten Bruder der Rache
des Grafen entziehen konnte. Er wuͤrde als⸗
dann zwar von feinem Irrthume zuruͤckge⸗
kommen ſeyn und in jenem Fremdlinge nicht a
mehr meinen Verfuͤhrer gehaßt haben, aber
I Radfi ucht gegen den Bruder als Moͤr⸗
ö
|
8
. ͤ ͤ
13 N \ 269
der feines Lieblings würde darum nicht ver⸗
mindert worden ſeyn. Hier lag alſo die Liebe,
das Zutrauen und die Ruhe meines Ge⸗
mahls und mein eigenes Wohl in der einen
Waagſchaale, und dort die Freiheit und das
Leben eines ungluͤcklichen Brudersi in der an⸗
dern; wer kann mich deshalb verdammen,
wenn mein Herz und meine Pflicht als
Schweſter der Letztern den Ausſchlag gab?
und wenn ich, um meinen armen unglücklis
chen Bruder zu retten, lieber ſelbſt elend war,
als mir Leben und Freiheit auf ſeine Koſten
erkaufen wollte, wenn ich um ſeinetwillen
Ruhe, Gluͤck, alle Lebens freuden, und/ was
mir theurer als dieſes Alles war, meinen
anette Ruf und 8 2 51
be 2 —
„Graf. Gren du u haſt dir elbe |
und mir dadurch vorſaͤtzlich eine Hölle hie⸗
nieden bereitet. Wie leicht würde es dir
gelungen ſeyn, durch ein offenes freimuͤ“
= .
a
270
thiges Geſtaͤndniß meinen Haß gegen deis
nen Bruder zu beſiegen. |
Orbizo. Glaubt das nicht, Mortis!
Ihr ſeyd im Begriffe, Euch ſelbſt zu taͤu⸗
ſchen. Laßt mich euch darauf aufmerkſam
machen, daß kein offenes freimuͤthiges Ber
kenntniß Eurer Gemahlin, keine Bitten,
Shränen und Vorſtellungen derſelben in der
Hauptſache etwas wuͤrden geaͤndert haben.
Ihr glaubtet Guido todt, und nur dem tod⸗
ten Feind konntet Ihr einigermaßen vers .
zeihen, den lebenden wuͤrdet Ihr mit neuer
Wuth verfolgt haben, und ſelbſt Eure uns
gluͤckliche Gemahlin, wuͤrde dadurch in
Euerm Herzen verloren haben, daß fie hin
ter Euerm Ruͤcken einen vertrauten Umgang
mit dem Euch ſo verhaßten Guido unterhal-
ten hatte, und, aller Drohungen ungeachtet, 5
noch immer mit voller Zaͤrtlichkelt an ihm
hing. Nur größeres Leiden, größeres un-
glück; als der Schmerz Über Enrico's Ben
x 1 55 272
luſt, konnte Euern Haß gegen Beverint til,
gen. Erinnert Euch, wie vlele Muͤhe und
Anſtrengung es mich koſtete, Euch endlich
auf den Punkt zu bringen, wo Ihr Euch
fähig fühltet, durch gaͤnzliches Vergeſſen
und Verzeihen des Vergangenen Euch Eu
re Ruhe und Euer . une He
zu erkaufen.
Graf. Ich wage es dichte dir zu N
IE ich muß es vielmehr bekennen,
daß ich Anfangs! nur in der zuverſichtlichen
Ueberzeugung von der Untruͤglichkeit der
erhaltenen Nachrichten von Beverini's Tode
mir das Verſprechen von dir entlocken ließ,
ihm zu verzeihen. Noch jetzt begreife ich
nicht, wie jene Nachrichten truͤgen konnten,
und wie du, Ungluͤcklicher, deinen Verfol⸗
gern und meiner Rache entrinnen konnteſt?
Guido. Wunderbar genug ward ich
durch die Hand der Vorſehung erhalten.
Graf. So waren die Papiere und je
272 1 5
nes kleine Gemaͤlde Selenens, das von
deiner Hand gemahlt war und welche man
bei dir wollte gefunden haben / und mir. übers
ſchickt wurden, untergeſchoben ? du ae |
190 c in den Apenninen ermordet?
Guido. Jene Papiere bowell/ als ;
| auch Selenens Bildniß kamen von mir,
und ich fiel wirklich in den Apenninen durch
Moͤrderhand, aber gleichwohl erhielt mich
der Himmel. Mit wenigen Worten will
ich Euch daruͤber verſtaͤndigen. Unſtaͤt und
fluͤchtig irrte ich umher, und dicht auf der
Ferſe folgten mir die von Euch gemletgen
ten Verfolger. Krank und erſchoͤpft kam
ich uach Rini/ und um ſo viel als moͤglich
verborgen zu bleiben, ſuchte und fand ich
eine willige Aufnahme in der aͤrmlichen 1
Wohnung einer der niedrigſten und ver:
worfenſten Menſchenklaſſe, eines gewiſſen
EN Carlo Baſigli, der zu den Lazaroni „und 1
zwar zu der Klaſſe der Mondezart deore 4
2.275
‚gehörte, und deſſen freundſchaftliche Unter⸗
ſtuͤtzung und Pflege während meiner Krank
heit ich mir durch einen Ring von Werth er
kaufte, welchen ich nebſt einigen wenigen
andern Koſtbarkeiten mir gerettet hatte. Ich
entdeckte in meinem Wirthe/ ungeachtet fer
ner Übrigen Verworfenheit, ein dankbares
Herz, und der bedeutende gelöfte Werth des
Ringes / welchen ich ihm bis auf einige Scudi
5 uͤberließ, erwarb mir ſeine ganze Ergeben |
heit. Man hatte jedoch auch hier meine An⸗
weſenheit ausgekundſchaftet, und ſchon lau
erte der gedungene Meuchler auf mich / deſſen ve‘
Dolch mich niederſtoßen ſollte. Ich erholte
mich allmaͤhlig wieder von meiner Krankheit
und fing an, an der Hand meines bisherigen
Pflegers Carlo kleine Spaziergänge im Frei⸗
en und in den nahgelegenen Gebirgen zu mas
chen, wo ich am verborgenſten zu bleiben
waͤhnte. Auf einem ähnlichen Spaziergange is
mit Baſigli war es, wo ich; als dieſer ſich et
f 3 18 | „ 8
was von mir entfernt hatte und ich an dem
Fuß des Monte Velino gelagert, feine Rüde
kehr erwartete plötzlich von einem Under
kannten überfallen und niedergeſtoßen
ward. Ich behielt jedoch ſo viel Zeit uͤbrig
meinen Begleiter zu Huͤlfe herbeizurufen,
und dem Stoße des Meuchelmoͤrders durch
eine Wendung zu entgehen ſo daß der Dolch
den Weg zu meinem Herzen verfehlte. Nur 1
Baſigli's Ankunft der auf mein Geſchrei
ſchnell herbeiſprang / rettete mich aber von
einem zweiten Dolchſtoße. Betaͤubt ſank ich
auf den Naſen zurück, und als ich mich wies
der ermunterte / fand ich mich in Baſigli's
Huͤtte, und ſowohl dieſen, als auch jenen 4
Meuchelmöͤrder um mich beſchaͤftigt, meine a
Wunde zu verbinden und mich aus meiner %
Betaͤubung zu erwecken. Ich erfuhr, daß
Baſigli ein Freund des gedungenen Meuchel⸗ 9
moͤrders fey, und um dieſem den auf meine
A
9 1 2
Ermordung geſetzten Preiß zu verſchaffen, 7
r
275
mich ſelbſt vor allen weitern Verfolgungen
ſicher zu ſtellen, haͤndigte ich ihm meine mit
Blut befleckten Kleider, einen Theil der bei
mir gefuhrten Papiere und das Portrait mei⸗
ner Schweſter/ wovon ich mit ſchon in Catas
nia eine Copie genommen hatte / ein, um fi ch
damit legitimiren zu koͤnnen ‚ und fo ent
sing ich dem Tode.
Gra f. Wofuͤr ich j⸗ tzt dem 1 mit
hoher Inbrunſt danke! Es wird mir ſchwer 0
werden, mich jemals daruber zu entſchuldi⸗
gen, daß ich von blinder Rachſucht mich ſo
tief unter meine Würde konnte herabwuͤrdi⸗
gen laſſen. Kannſt du mir e
Beberin!? Er |
Guido. Laßt uns Beide und ah ae
auf immer das Geſchehene und der Ver-
| gangenheit truͤbe Erinnerungen vergeſſen,
um unſer gegenwaͤrtiges hohes Glück deſto
| nacht und reiner zu genießen. 55
We Ich habe mich ſelbſt um einen
weſentlichen Theil dieſes Glückes gebracht,
der nun auf immer fuͤr mich dahin iſt.
(ſchmerbaft an Selenens Bruſt bingeſchmiegt)
Ach Selena! ich habe dir und mir mehr
g geraubt / als ich uns Beiden erſetzen und
l du ich mir ſelbſt jemals verzelhen kann.
Selena. (ihn liebevoll an ſich druckend) 5
Habt Ihr nicht Eure Selena, rein und
1 5 ſchuldlos und tugendhaft/ wieder ſeht Ihr
nicht all' unſere Lieben um kai 1285 ö was
braucht Ihr noch? 5
Graf. herzhaft lichen) a.
E alle unſre Lieben? — ö Nein, nicht
Abe! In unſerm Kreiſe iſt noch eine
N kuckt, welche nur die Foltern meines He |
zeens ausfüllen. Die Wonne des glückli
chen Gatten, die Freuden des Freundes
lachen mir Unmürdigen aus Euern lik
ken, Ihr guten Menſchen, entgegen, aber 4
die Seligkeit des glücklichen Vaters habe N
ich um Dualen der Hölle Senf: Gm |
EEE TB ea Ewa a a ee a Ak ne
a,
277
dem er ſich wild aus Selenens Armen reißt)
Nein, nein, ich darf nicht an dieſem Herz
zen ruhen / dem ich eine ſo ſchreckliche
Wunde berfeßte; ich bin unwerth Eurer
Liebe, Eurer Verzeihung. Ihr muͤßt den
unnatuͤrlichen Vater in mir verfluchen, der 15
fein einziges Kind aus blinder e
cher Wuth vernichten konnte. She
Selena. Canft iurebend);; Mein Ge⸗ |
e zuruck in meine Arme, hier 8
an meinem a iſt A für Sur Un,
ene ene 8 50 Ind N i
Graf. unglücklich - — 0 wobl bin
ich das. Mitten unter der Seligkeit dieſes
Augenblicks ein unglüͤckſeliger weinender
Abadonna. Selena, Guido, Orbizo! 1 fluchet
mir nicht bemitleidet mich! ich bin ungläds |
lich und muß es bleiben. Mitten unter den
Blumen der Gegenwart grinſt mich das
Schreckgeſpenſt der Vergangenheit an, mit
ER und n Kaen wähle ich Ra
e e
drohenden Schatten meiner kleinen unſchul⸗
digen Aurora, und ſein ſchmerzhaftes Laͤ s
cheln weckt in meinem Innern die furcht⸗ .
bare Stimme, deren Zuruf „Mörder!“ bis 1
in die verborgenſte Tiefe meines He a
ſchrecklich wlederhallt. 805
Selena ſchlang ihre Arme um u |
Bi Nacken und preßte ihn mit feurigem Uns 1
geſtuͤm an ihr Herz. Seine Thraͤnen ran,
nen in ihren Buſen „ und mit herzzerrei⸗
ßendem Ton ſtammelte er?: „Düfte: und
in Nebel gehuͤllt, geht die Sonne meines
neu erwachenden Gluͤcks auf, Aurorens
| ſanftes Lächeln erhöht es nicht! .. Er
|
an‘ „Freundeshand wird auch dieſe düſtern, 4
Aurorens ſanftes Lächeln verhüllende Nebel
Dir verſcheuchen! — rief Orbizo ihm a 1
Dtft war der Ton jener Todtenglocke, der
den Wandrer in ſchauerlicher Meet
N ſchreckte/ der Ruf, welcher den treuen Bodo
durch Nacht und Graus als Helfer und
BE N ——
a nn
#
a
%
0 279
Tröſter heruͤber zu der lebendig Todten in
dieſen Kerker rief. Jetzt rufe der hellere Ton |
dieſer Glocke die Todten zurück in das Leben.
Er ging auf die Seite und riß mit freu;
diger Haſt an dem Strange der Glocke, der
an der Mauer herabhing. Laut ſchallte der N
Ton der Glocke von der Höhe des Thurm
durch die Stille der Nacht. Alle ſtanden
und ſtaunten den Greis an, ohne zu wiſ⸗
fen, was fie zu dem Allen ſagen ſollten.
„Aurorens goldner Schimmer bricht
durch die Schatten der Nacht, — rief
Ordizo im Tone der Begeiſterung aus, und
feine Mienen waren die eines Verklaͤrten;
— und die Morgenſonne wird hier nur
gluͤckliche Menſchen beſtrahlen!! )
Jetzt öffnete fi ch die Tpüre des Gen
| faͤngniſſes Fackelglanz drang herein, und
von einigen Dienern des ae gefuͤhrt/
trat der kleine Goldo herein. a
880 „Was ſoll ich denn hier bea — fragte
—
280
| der K leine traurig, indem ſein Auge for-
*
ſchend die Verfammlung durchlief, und mit
Verwunderung ſtaunte er Drbizo an, als er
dieſen ſo ganz verwandelt und von dem al⸗
ten Bodo nur noch das Gewand erblickte.
ier, nimm deine Aurora von mir
zuruͤck, f und fey nun auch gluͤcklicher Vas
ter!“ — rief Orbizo dem Grafen zu und
ſchleuderte ihm den Kleinen in die Arme.
5 „Aurora? 2 — ſtammelte der Graf in
dem Tone der hefügſten Ueberraschung. 273
„Sie iſt es; — fuhr Orbizo fort, —
ich war es, der dieſes unſchuldige Kind del. |
ner Rache entriß/ es in Knabenkleidung dei
nen Augen entzog und ſo es in meiner Ein⸗
ſamkeit erzog und für dieſen gegenwärtigen
Augenblick der Wonne aufſparte.“
„Gott! Gott! rief der Graf mit fenb f
gem Entzücken zu viel der Seligkeit auf
einmal. Weib, Vater, Bruder! tretet her
und helft dieſe Wonne mir tragen! ?!
| 5 " 281
Selena und ihr Bruder ſanken von bei⸗
den Seiten mit ausgebreiteten Armen dem
Grafen an den Bufen, ihr laut aufſchwellen⸗
des Hochgefuͤhl dieſes köſtlichen Augenblicks
konnte ſich nur in unartikulirten Tönen des
uͤberſtroͤmenden Entzuͤckens auflöfen, und
ihnen zur Seite ſtand der edle Orbizo, und
weidete feine entzuͤckten Blicke an dieſer
ſchoͤnen Scene, deren Schoͤpfer er war.
Dir, gute Tochter, — redete er ends
lich Selenen an, — dir iſt diefe Vertvands
luag meines kleinen Goldo in deine Tochter
Aurora nichts Neues, dieſe Entdeckung
allein konnte damals in jener Schreckens
Runde, wo man das Kind grauſam aus
den Armen der ungluͤcklichen Mutter riß,
dieſe von Verzweiflung retten. Jetzt, Se⸗ |
lena, jetzt ſiehſt du die Prophezeihung del⸗
nes Freundes Bodo erfuͤllt, als er feine
Aufſicht uͤber dieſen Schreckensthurm dazu
Ä benutzte, dich in unbelauſchten Naͤchten aus
282 i
demſelben zu fuhren, um dir auf jenem Grab
huͤgel im Walde deine gerettete Tochter zus
zuführen und dich von ihrer Rettung mit
eigenen Augen zu überzeugen und Troſt und
Ruhe in dein armes zerriſſenes Mutterherz
zu gießen. Biſt du mit mir zufrieden?? “
O mein Vater! beſter theuerſter Vas
ter! mein Mund vermag es nicht, weinen
Dank, meine Freude zu ſtammeln, die hier
fo maͤchtig meinen Buſen beſtuͤrmen!“ —
rlef Selena und preßte ihn mit ungeſtuͤs
mem Entzuͤcken in die Arme.
Wie den Träumenden war es jetzt en,
dieſe gluͤcklichen Menſchen, und in dem bes
taͤubenden Uebermaaße der Wonne ertwachs
ten ſie nur allmaͤhlig aus ihrem füßen Trau ö
me, um ſi ch in dem Gebiete der deute
den Wirklichkeit wiederzufinden. ie
Morrino's, Selenens und Guldo's der.
4 ben glich von nun an einem einzigen ſchos
nen Sröhlingstage. Jeder junge Morgen
3
283
brachte: ben neues Gluͤck und neuen Ser
gen, und die innige warme Theilnahme des
edlen Orbizo erhob ihr Gluck noch mehr.
Nur ſpaͤterhin truͤbte das Schickſal dieſen
Vollgenuß ihres Gluͤcks wieder, indem es
ihren Herzen durch den Tod ihres vaͤterli⸗
chen Freundes Orbizo eine Wunde ſchlug,
die nur die Hand der Alles heilenden Zeit
und die Hoffnung des frohen Wiederſehens
über dem Grabe wieder heilen konnte.
Auf dem Grabe des Vollendeten ehrten
fe ſtets fein Andenken mit Thränen des
Danks und der Liebe, und ſpaͤt noch waren
die Geſchichten des Schreckensthurmes am
See und der mitternaͤchtlichen Todtenglocke
die Erzählungen, unter welchen der Abend
dieſe glücklichen Menſchen in dem Kreiſe
9955 Sinder und Enkel Überrafgue. |
. 8 75
+
; 1 vodlate del N Heil. g. Druckp. 16 ‚gr
Bei dem Verleger digſes Buchs ſind auch
a 5 0 folgende Schriften erſchienen und
in allen Buchhandlungen zu haben.
1 Frantz Graf von, Biographie mit
„feinem Bildniß. gr. 3. 8 9%:
FAniello, Thomas, Volksanführer zn Neapel,
Biographie mit deſſen Bildniß. ar 8. 8 gr.
Binnt, K., Bildungs ortefe für die Jugend,
zur Uebung im Styl und zur angenebmen
„ ite verm. und verb. Aufl.
e , f „ gr.
- 4Catbating II., Raiferin von Rutland, Bis
graphie mit deren Bildniß. gr. 8. 8 gr
1Chriſtine, Koͤnigin von ge Biographi
mit deren Bildniß, = 8 gr.
Cromwell; Ofivier, en von England,
Biographie mit deſſen Bildniß. gr. 8. 8 gr.
Dante; Alighieri, la vita nuova e le rime, ;
2. riscontrate coi mygliori exemplari EN
Duͤrer, Albrecht, Btoäganbie mit deſſen Bil
niß. gr. 8. N 8 f
ee Auguſt Herrmann, ‚Stifter des W̃
8 f nbanſes zu Halle, Biographie mit deſſen
Vildviß. gr. 8. e
18: iederch II., König von Preußen, Biogra⸗
hie. g 8. 6 Br
Ceſchrcte, getreue und sufanınenbängende, hg
11 | 0 ee
— 1
franöflſchen dame 3 Thle. mit dem
Bildniß Ludwig XVI. 82. tſtbhlr.
beſciche der . des Werimiltan
NRNaopes pierre, aus dem Franz. von .
v. Archendolz. gr. 8. 18 gr.
Aenne J. P., Berufsreiſe durch Deutſch⸗
land, Preußen und Polen, in den Jah⸗
ren 1805 — 1808. gr. 38. 1.151, lr. 8 gr.
+&ufiao III., König von. Scnten. 2 Thle.
ut 2 Kofrn., 8, 2 thlr.
en Graf Ewald Friedrich von, königl.
Preuß. Staatsminiſter, Biographie mit
deſſen Bildniß. gr. 8. 2% N
j8eniles, Ninon v., Biographie. gr. 11 8 gr.
ILojola, Ignatius v., ‚Stifter des Jeſuftenor⸗
dens, Gta mit eſſen Au /
gr. 8. 2 1 8 gr.
wart, wie es war, oder Gemälde dieſer
Hauptſtadt und ihrer Umgebungen in den
Jahren 1806 und 1807. 5 Briefen von
einem reiſenden Deutſchen. 8. ꝛte wobl⸗ 8
feilere Ausgabe. ble. 4 gr.
Peter der Große, Kaiſer von Rußland, Bio⸗
graphie. gr. 8. Ak,
Pope, Alexander, Biograpdie mit deſſen
Bildniß. r 8. eg.
1Reinhards Erbebungen über Welt und Ge⸗
| nme in Gott und Zukunft; chriſtliche
mas a Beruhigung über die in:
1
vollkommenbeiten und Uebel des Erdenle⸗
ni er bens, aus den Religionsvortraͤgen des feel.
a Oberbolot. Dr. Reinhard belogen von M.
J. K. Weikert. 8. 1818. 2 tblr. 18 gr.
* H
Homane und S auſpiele. f
Aurora oder das Kind d. Hoͤlle . Scaufp. in 5 A.
Naeue wohlfeilere Ausg mit 4 K. 8 20 gr.
Biograph ien, neue der Wahnſinnigen, aus der
wirklichen Welt, 1 wahr im roman⸗
tiſchen Gewande. 8. 1 thlr.
Caͤeilie oder die natürliche Tochter. 12. 18 gr.
Chriſtel oder die ſchoͤne Spitzenkloͤpplerin im
| Erzgebirge, mit 1 Kpfr. 8. 1 thlr.
Eleonore ‚Königin von Frankreich oder © „
ſchichte des zweiten Kreunzuges, ein hiſto⸗
riſch⸗ romantiſches Gemälde. 2 Thle. mit
| Wo Sn 2 thlr.
arme die, von der Garenburg oder Kampf
u. Pflicht; v. Verf. des Schreckensthurms
am Ser. Neue Ausgabe mit 1 Kpfr. 8.
N ı thlr. 16 gr.
Sue die kluge, Gemahlin des franz. Conſuls
iu Sant: 2 Tble. 8. 955 n 12 10
ee e ee 2 Bde. Neue
Ausg. 255 1 thlr. 16 gr.
rann 115 eine Robinſonade, nen erzaͤhlt
von J. C. H. Haken, Verf. der grauen
Mappe de. 8. t tdlr. 12 gr.
Beichf inn und Wahn in l v. Stier
derike Lohmann. 2te Aufl. 83. i tblr.
Euftreifen in die a Welt 8 die Maͤhr⸗
chenſpiegel. 1 e ee,
Hpoeynben; Ertiblungen ) Maͤhrchen, Gedichte
e. von W. Willmar, A. Clarus und H. Stei⸗
V en tb,
Alarenlelo Nektarine v., eine Geſchichte ald. er⸗
ſten Jabrzehend unſers Jahrhunderts von
Wild. von Gersdorff. 8. I thlr.
Mädchen, das, unter den Huſaren, oder Heroine
15 0 Charlotte von Bioͤrenſkold, herausgegeben
von C. A. Seidel. 2 Thle. Neue Ausg. m.
1 K. 8. hlt d gr.
age Buchs 27 80. beſonders mit 2 Kpfen.
1 thlr. 10 gr.
Mutditd⸗ die ſchöne; Ueberall und Nirgends, oder
8 der Schutzgeis der Ungluͤckl ; eine Geiſterſage
aus dem gten und loten Jahrhundert.
Neue Ausg. mit 1 Kpfr: 8. ı thlr. 6 gr.
u und Angelika, eine Samiliengefehichte
vom Verf. des Grafen Zerner. we
Ausg. 2 Thle. mit 1 K. 8. 2 thlr. 8 gr.
Theater, das neue der Deutschen, eine e luftige
Comoͤdte in 2 Aufjügen. gr. 8. s gr.
N Wilhelm und Julie. 8. ar
Zerner, Graf, und feine Famili e, vom Verf. E
| bes eee 2 Tble. 8. 2 thlr. 12 .
Enaltee, Dr. © 5 atnoiſce Heſchichte. N
8. I ;thlr. 4 gr.
̃ Samt ung Vämtſchter Radırichten zur Saͤchſ.
Geſchichte, berausg. v. J. G. Grundig u.
5 Klotzſch. 12 Sie mit Kpfrn. 8.
= 5 khlr. einzeln jeder Ban 5 12 gr.
| Soden, J. Reichsgraf 6% Thal a u- Melpomtene. 2 2
| 2 Hfte. m. 2 ſchoͤnen K. gr. 4. 1 tölr. 16 gr.
Ide la Varenne, J. A L. M., die Verbrechen Ma⸗
rats u. anderer Wuͤrger, a. d. Franzoͤſ. übers
‚fest von J W. 9. Archenholz. 8. 16 gr.
1 Waſbington, Georg, Biographie mit deſſen
Bildniß, gr. 8. 3 ar.
ei Charakteriſtik Dr. Martin Luthers.
f . ar.
| Bir dd Carat iR II., Koͤ⸗
| Nas von 0 0 Bas se 3 en
Are f
* W
Ast Leh
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