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Full text of "Schweizerische Volkslieder; mit Einleitung und Anmerkungen"

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SCHWEIZERISCHE 


VOLKSLIEDER. 


Mit  Einleitung  und  Anmerkungen  herausgegeben 


von 

Dr.  Ludwig  Tobler 

Professor  der  deutschen  Sprache  an  der   Unfversität   Zürich. 


Zweiter  Band. 


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FRAUEXFELD. 

Verlag  von  J.  Huber. 

1884. 


Gedruckt  in  J.  Huber's  Buchdruckerei  in:  Frauexfeld. 


Vorwort. 


Ein  zweiter  Band  dieser  Sammlung  ivar  urspriingiich 
7iicht  beabsichtigt ;  ich  glaubte  mit  der  in  dem  einen  gegebenen 
lieber  sieht  und  Aus7uahl  das  Interesse  der  Wissenschaft  und 
auch  weiterer  Kreise  befriedigt  zu  haben,  da  mein  eigenes 
Urtheil  über  den  ll'erth  unserer  Volkslieder  sehr  bescheiden 
lautet.  In  der  Einleitung  zu  dem  Bande,  der  nitn  der  erste 
geiuorden  ist  (S.  XI  oben),  war  gesagt,  daß  in  einer  zweiten 
Auflage,  luelche  aber  kaum  zu  hoffen  sei.  statt  der  ausführ- 
lichen Einleitung  mehr  ^ Texte  gegeben  und  dadurch  vielleicht 
manche  leser  besser  befriedigt  7i>erden  könnten.  Ob  es  statt- 
haft gewesen  wäre,  eine  solche  Umgestaltung  als  «  Ziueitc 
Auflage)^  erscheinen  zu  lassen,  kann  nun  un erörtert  bleiben; 
Thatsache  ist.  daß  viele  leser  und  Käufer  des  ersten  Bandes 
trotz  günstiger  Aufnahme  desfelben  sich  in  Absicht  auf  die 
Anzahl  resp.  die  spärliche  Ausiuahl  der  Texte,  besonders  der 
hi st ori sehen  Lieder,  getäuscht  gefunden  und  beschwert  haben. 

Ich  hatte  (a.  a.  O.)  vorausgesehen,  daß  solche  Stimmen 
laut  werden  würden,  aber  flicht  so  viele,  und  ich  hatte  geglaubt, 
mich  auf  zuenig  und  gar  nicht  bekannte  oder  scheuer  zugäng- 
liche Lieder  beschränken  zu  dürfen,  da  ich  Ja  zui^leich  angab, 
7V0  die  andern,  zum  Theil  leicht  zugänglich,  zu  finden  wären, 

II.  I 


7iur  nicht  alle  in  kritischen  Texten  und  mit  Erklärungen.  Ich 
begreife  nun,  daß  man  lieber  Alles  beisammen  haben  möchte, 
statt  es  erst  selbst  zusammensuchen  zu  müssen:  hätte  ich  aber 
den  Stof,  der  nun  auf  zwei  Bände  vert heilt  ist.  in  einen 
gefasst,  so  wäre  dieser  wahrscheinlich  weniger  gekauft  und 
gelesen,  also  der  Zweck  doch  wieder  nicht  ganz  erreicht  worden. 
Immerhin  fühlte  ich.  nachdem  Jenes  Bedauern  sich  mehrfach 
kundgegeben  hatte,  mich  verpflichtet,  nachträglich  den  Schaden 
zu  ersetzen,  und  dajj  dies  nun  in  Gestalt  eines  zweiten  Bandes 
geschieht,  hat  einzig  den  Nachtheil,  daß  sachlich  und  (bei  den 
historischen  Liedern)  auch  zeitlich  Zusammengehöriges  nun 
vom  Leser  selbst  aus  zwei  Bänden  zusammengestellt  werden 
muß.  wenn  er  die  vollständige  Reihe  übersehen  will.  Indessen 
wird  das  diesem  Band  beigegebenc  Gesammtregistcr  Jenes 
Geschäft  erleichtern. 

Die  im  ersten  Band  getroffene,  aber  nicht  von  allen 
Kritikern  gutgeheißene  Unterscheidung  zwischen  Haupttext  und 
Anhang  fällt  nun  weg:  aber  auch  andere  Grundsätze  und  Ge- 
sichtspunkte, von  denen  ich  mich  im  ersten  Band  vielleicht 
zu  ängstlich  leiten  ließ,  lasse  ich  nun  bei  Seite :  ich  gebe  ohne 
Bedenken  möglichst  viel  Stoff  ohne  Rücksicht  auf  Verschieden- 
heiten oder  Mängel  der  Form,  auch  ohne  Rücksicht  darauf,  ob 
geii'isse  Stücke  schon  bekannt,  vielleicht  auch  nicht  eigentliche 
oder  rein  schweizerische  Volkslieder  zu  nennen  sein  mögen. 

Im  historischen  Theil  ist  es  Jetzt  darauf  abgesehen, 
alle  Hauptercignisse  ujiserer  Geschichte  mit  Liedern  (wenn  auch 
mcht  Jedes  mit  allen  darauf  bezüglichen)  auszustatten :  bei 
den  übrigen  gebe  ich  eine  Ausicahl  der  besten  und  beliebtesten, 
die  in  dem  Verzeichniß  Bd.  I.  S.  CXLJ'III~CL  enthalten 
sind,  dazu  noch  einiges  JVeue.  7vas  mir  noch  nachträglich  mit- 
getheilt  -worden  oder  zur  Aufnahme  geeignet  erschienen  ist. 


Auf  den  Anspruch,  den  Fachmännern  Neues  zu  bieten,  muß 
ich  also  fast  ganz  verzichten :  ich  wende  mich  an  das  größere 
Publikum  der  Laien,  besonders  der  schweizerischen,  welche  aus 
patriotischem  Interesse  eine  Saimnlung  aller  in  der  Schweiz 
gangbar  gewesenen  J  'olkslieder  wünschen.  Ich  gebe  ihnen  hiemit 
das  Meiste  und  Beste,  was  ich  aus  den  oben  angegebenen 
Gründen  noch  zurückbehalten  hatte:  ich  gebe  ihnen  sogar 
Alles .  luas  ich  für  echt  und  gut  oder  wenigstens  in  irgend 
ei?ier  Beziehung  merkivürdig  halte :  aber  eine  vollständige 
Sammlung  alles  Vorhandenen,  ohne  Auswahl,  also  ohne  Rück- 
sicht auf  Ji'ertn.  dessen  Bestimmung  freilich  nie  von  Sub- 
jectivität  zu  befreien,  ist,  erhalten  sie  auch  dies  Mal  nicht  ; 
sonst  7väre  dieser  Band  auf  das  Doppelte  seines  Umfanges 
(und  Preises)  gestiegen  oder  es  müsste  ihm  noch  ein  dritter 
nachgeschoben  werden,  womit  doch  7i>eder  der  Sache  noch  den 
übereifrigen  Liebhabern  gedient  wäre. 

]Ver  Jahre  lang  mit  einem  solchen  Gegenstand  sich  ab- 
gegeben hat.  sollte  die  nöthige  Unbefangenheit  des  Urtheils 
über  den  JJ'erth  desfelben  erlangt  haben,  und  7i.>enn  er  ei  nes- 
theil s  billigen  Ansprüchen  des  Publikums,  auch  wo  sie  seiner 
Neigung  nicht  gerade  entsprechen,  nachzukommen  sucht,  so  icird 
er  gegen  weitergehende  Zumuthungen.  die  geradezu  seinem  Ge- 
schmack und  wissenschaftlichen  Gewissen  widersprechen,  sich 
verwahren  dürfen.  Daß  ich  unter  die  historischen  Lieder 
einige  .Stücke  aufgenommen  habe,  die  nicht  gut  oder  nicht  recht 
volksthümlich  (zum  l^heil  auch  nicht  mit  den  Ereignisseti  gleich- 
zeitig) sind,  geschah  theils  aus  Rücksicht  auf  möglichste  Voll- 
ständigkeit der  Ereignisse .  theils  um  geiüissen  Lesern  einen 
Begriff  davon  zu  geben,  daß  weitere  Proben  der  historisch- 
politischen Poesie  des  XVI f.  und  XVIII  Jahrhunderts  ihnen 
selbst  leicht  zu  viel  werden  könnten  oder  daß  wenigstens  manche 


Produkte  jener  Zeit  kaum  mehr  Volkslieder  genannt  werden 
können.  Uebrigens  habe  ich  mir  erlaubt,  besonders  von  solchen 
Stücken,  die  gar  weitläufig  und  im  Ganzen  nur  mittelmäßig 
sind,  einzelne  Strophai  wegzulassen.  Jedoch  immer  mit  aus- 
drücklicher Bemerkung  und  meistens  auch  mit  Angabe  des 
Hauptinhaltes  der  weggelassenen  Strophen.  Ich  bin  überzeugt, 
daß  auch  dieses  Verfahren  von  allen  Lesern  gebilligt  luürde. 
die  sich  die  Mühe  nehmen  wollten,  den  vollständigen  Wortlaut 
in  den  Origi?ialquellen  nachzusehen.  Es  darf  ?iie  vergessen 
werden,  daß  die  ganze  Sammlung,  von  der  diese  zwei  Bände 
eift  Theil  sind,  kein  reift  historisches,  sondern  ein  litterar- 
geschichtliches  Quellenwerk  sein  soll,  und  diesem  Ziueck  genügt 
für  Inhalt  und  Form  eine  Auswahl  vollkommen;  die  Historiker 
bleiben,  wenn  sie  überhaupt  von  den  Lieder?i  Notiz  nehmen 
und  Gebrauch  machen  loollen,  auf  die  vollständigen  Originale 
und  kritische  Vergleichung  derselben  mit  den  Urkunden  und 
Chroniken  atigeiüiese?i. 

Was  die  übrigen  Lieder  betrifft,  für  welche  ich  auch  Jetzt 
keinen  bessern  Namen  weiß  als  den  etwas  zweideutigen  aall- 
gemeiiico  (der  in  diesem  Gegensatz  kaum  ernstlich  missdeutet 
werden  kann),    so    sind    darunter    allerdings   viele  gemein 
deutsch  und  bei  uns  nur  ifnportirt :  aber  über  diese  Rücksicht 
setze  ich  mich,  gemäß  dem  oben  Gesagten,  nun  ebe?i  auch  hin- 
weg, indem  ich  Alles  geben  will,  was  unserm  Volk  als  geistige 
Nahrung  gedient  hat,  sei  es  von  innen  oder  außen  geflossen  ; 
für  den  letztern  Fall   dienen   die  meist  im   ersten  Band  ge- 
gebenen Verweisungen  und  Vergleichufigen.  Die  altern  balladen- 
artio;en  Lieder  sind  leider  meistens  nur  in  verkümmerter  Gestalt 
überliefert   und  könne?i  keinen  reinen  Genuß  gewähren;   aber 
ich  setze   den  kultur-  und  litterar -historischen  Gesichtspunkt 
über  den  rein  ästhetischen,  glaube  übrigens,  auch  vom  letztern 


aus    dürfen    die    betreffenden    Produkte    manchen    eintönigen 
Schlachtliedei'u  an  die  Seite  gestellt  werden. 

JFie  endlich  im  ersten  Band,  obwohl  dort  mir  anhangs- 
weise, auch  Gebete  eine  Stelle  gefunden  haben,  so  gebe  ich  hier 
unter  den  aSprüchenf)  Aehnliches.  sogar  einige  Zaubersprüche, 
dergleichen  seit  ältester  Zeit  zur  Poesie  gezählt  haben  und  die 
jedenfalls  durch  ihre  Alterthümlichkeit  merkzuürdig  sind.  Das 
eigentliche  Kinderlied  bleibt  auch  dies  Mal  ausgeschlossen, 
ausgenommen  ein  Stück,  als  Probe  von  einst  hochheiligen  und 
ernsten  Liedern,  die  zuletzt  nur  noch  im  Kinderspiel  Z.uflucht 
gefunden  und  nianigf altige  Variationen  erfahren  haben.  Da 
indessen  im  Anhang  zum  ersten  Band  einige  Kinderlieder  aus- 
nahmsweise  aufgenommen  nwrden  sind,  so  dürfen  noch  einige 
Parallelen  und  A'achträge  dazu  Platz  finden,  sei  es  auch  nur, 
um  die  Grenze  zu  markiren.  Daß  die  kurzen  Reimsprüche  der 
eriuac hsenen  Jugend  eine  Nachlese  ergeben  haben,  bedarf 
wohl  keiner  Entschuldigung. 

Betreffend  die  Gestalt  der  Pcxte.  insbesondere  auch 
die  sprachliche,  in  Absicht  auf  Mischung  von  Schriftsprache 
und  Dialekt,  gelten  die  im  ersten  Band  aufgestellten  und  be- 
folgten Grundsätze.  Strenge  Consequenz  ist  aber  dabei  äusserst 
schwer,  iceil  die  Quellen  der  Mittheilungen  gar  so  verschieden 
sind,  und  besonders  in  der  Orthographie  wird  man  Ungleich- 
heiten zu  entschuldigen  finden.  —  Die  reichlichen  Nachträge 
zum  ersten  Band,  auf  welche  besonderer  Fleiß  verwendet 
worden  ist.  empfehle  ich  zur  Beachtung. 

Schließlich  bleibt  mir  noch  der  JJ'unsch  auszusprechen, 
daß  das  schweizerische  Volk  gerade  in  diesem  Band,  der  ihm 
ganz  besonders  zugeeignet  ist.  einen  Spiegel  seiner  Vergangenheit 
erkennen  und  diese  Zeugnisse  derselben,  trotz  ihrer  unregel- 
mäßigen Gestalt,  in  Ehren  halten  möge! 


Viel  reichere  Quellen  Jener  Selbsterkenntniß  icnlrden  frei- 
lich eröffnet,  wenn  die  in  den  Vorarbeiten  zum  Schweizerischen 
Idiotikon  enthaltenen  Sammlungen  von  Sitten  und  Bräuchen, 
Sprichwörtern  und  Redensarten  zur  Bearbeitung  und  Heraus- 
gabe gelangen  könnte?!.  Aber  dazu  fehlt  den  Redaktoren  des 
Idiotikons  Zeit  und  Arbeitskraft  oder  Unterstützung  durch 
jüngere  Kräfte ;  sie  müssen  sich  begnügen,  aus  jener  Fülle  von 
Stoff  möglichst  viel  in  das  Wörterbuch  hinei?izuzieheti  und  was 
sich  dort  nicht  unterbringen  lässt,  einem  künftigen  besondern 
Sammelwerk  vorzubehalten. 

Zürich,  im  August  1884. 

LT. 


Einleitung. 


Ueber  die  historischen  Volkslieder  und  ihre  Verfasser. 

In  der  Einleitung  zu  Bd.  I.  S.  LXXV  ff.  ist  über  die  ver- 
schiedenen Gegenstände  und  Formen  der  allgemeinen 
Volkslieder,  auch  über  die  Herkunft  und  Verbreitung  der- 
selben, ausführlich  gehandelt  worden,  während  ich  mich  Ije- 
treffend  die  Verfasser  und  den  Charakter  der  historischen 
Lieder  auf  einen  früher  geschriebenen  Aufsatz  bezog,  der 
wohl  nur  den  Geschichtsforschern  bekannt  und  zugänglich 
sein  kann.  Da  nun  schon  die  Symmetrie  zu  verlangen  scheint, 
daß  auch  dieser  Band  noch  mit  einer  Einleitung  ausgestattet 
werde,  so  wird  der  (iegenstand  dersell)en  eben  das  sein 
müssen,  was  dort  nur  durch  ein  Citat  vertreten  war.  Die 
treffliche  Abhandlung  des  Herrn  Prof.  Meyer  v.  Knonau,  auf 
die  ich  sonst  nochmals  verweisen  könnte,  hat  wohl  nicht  die 
verdiente  Verbreitung  gefunden  und  könnte  allerdings  inso- 
fern nicht  genügen,  als  sie  sich  wesentlich  auf  das  XV.  Jahr- 
hundert beschränkt,  welches  freilich  die  Blüthezeit  jener 
Dichtungen  war.  Die  vielen  Nachweise,  welche  Herr  von 
Liebenau  im  Anzeiger  f.  Schweiz.  Geschichte  (s.  Bd.  I.  S.  IV) 
über  Existenz.  Bedeutung  und  Wirkung  einzelner  historischer 
Lieder  und  über  Lebensumstände  und  Schicksale  einzelner 
Verfasser  von  Liedern  jener  Art  gegeben  hat,  sind  in  jener 
Zeitschrift  zerstreut  und  den  Lesern  unserer  Texte  wenig 
zugänglich.     Es  soll  also  hier  zusammengefasst  werden,  was 


II  EINLEITUNG 

in  den  angeführten  Spezialarbeiten  Wesentliches  enthalten 
ist,  obwohl  der  richtige  Ort  für  solche  Darstellung  die  Ge- 
sammtgeschichte  der  schweizerischen  Litteratur  wäre. 

Das  historische  Volkslied  der  Schweiz  hat  natürlich  keine 
wesentlich  andere  Entstehung  als  das  allgemein  deutsche; 
man  kann  nur  sagen,  daß  die  Anläße  zur  Entstehung  solcher 
Lieder  auf  unserm  Boden  verhältnissmäßig  zahlreicher  und 
manigfaltiger  waren  als  anderswo,  nämlich  die  politischen 
Ereignisse  selbst  und  der  durch  die  Fülle  und  Wucht  der- 
selben gesteigerte  Pulsfchlag  des  öffentlichen  Lebens,  beson- 
ders von  der  Mitte  des  XIV.  bis  zum  Schluß  des  XV,  Jahr- 
hundens.  Abgesehen  von  Liedern  aus  der  mit  mythischen 
Elementen  versetzten  Heldensage,  deren  Bekanntschaft  in  der 
Schweiz  wir  an  mehreren  Stellen  des  ersten  Bandes  (XXI  ff. 
XXIV.  LXXV)  bemerkt  haben,  sind  im  deutschen  Reiche 
historische  Volkslieder  d.  h.  Dichtune^en,  welche  aus  dem 
Schooß  des  Volkes  bei  Anlaß  bestimmter  Ereignisse  und  unter 
dem  frischen  Eindruck  derselben  hervorgiengen.  seit  dem 
IX.  Jahrhundert  bezeugt.  Aus  den  zahlreichen  Zeugnissen, 
welche  Grimm  (Deutsch.  Sag.  Bd.  IL  S.  IX  -XI),  v.  Lilien- 
cron  (Hist.  Volksl.  p]d.  I,  S.  XXVI),  Wackernagel  (Gesch.  d. 
deutsch.  Litt.,  2.  Ausg.,  S.  97. 179)  beigebracht  haben,  sei  hier 
nur  eines  hervorgehoben,  welches  sich  bei  einem  schweizer- 
ischen Geschichtschreiber  findet.  Der  jüngere  Eckehard  (de 
casib.  S.  Galli  I.  25  bei  Goldast)  sagt,  er  wolle  den  von  Erz- 
bischof Hatto  von  Mainz  an  Adelbert  von  Babenberg  ver- 
übten Verrath  nicht  erzählen,  weil  er  durch  Volkslieder  be- 
kannt genug  sei,  und  ebendaselbst  (S.  29)  berichtet  er,  es 
werde  von  den  Thaten  eines  gewissen  Grafen  Kuno,  genannt 
Kurzibold  (einem  Gefährten  des  Kaisers  Otto  L),  noch  allerlei 
gesungen.  L'eberdies  wird  mehrfach  bezeugt,  daß  solche 
Lieder  noch  geraume  Zeit,  z.  B.  200  Jahre,  nach  dem  Ereigniß, 
dem  sie  ihre  Entstehung  verdankten,  gesungen  wurden,  wie 
wir  denn  auch  auf  unserm  Gebiet  in  späterer  Zeit  ähnliche 
Dauerhaftigkeit  einzelner  Lieder  bemerkt  haben  (Bd.  I,  S.  XVI. 
XXXIII.  222  —  223).    Andrerseits  ist  allerdings  auch  der  Fall 


EINLEITUNG  III 

eingetreten,  daß  die  Erinnerung  an  das  historische  Ereigniß 
sich  verdunkelte  und  ein  dasfelbe  betreffendes  Lied  sagenhaft 
romantische  Gestalt  annahm.  Ein  solcher  Fall  ist  bei  uns 
noch  aus  neuerer  Zeit  die  Geschichte  von  Fridli  Bucher 
(Bd.  I,  S.  CIL  io6),  so  daß  das  jenen  ^Lann  betreffende  Lied 
nicht  mehr  unter  die  historischen  aufgenommen  werden 
konnte.  Umgekehrt  ist  freilich  auch  möglich  und  vielleicht 
bei  dem  Lied  von  Roni  Sattel  (Bd.  L  S.  104)  der  Fall  ein- 
getreten, daß  einem  bereits  sagenhaften  Lied  eine  neue  Be- 
ziehung auf  ein  wirkliches  Ereigniß  untergelegt  wurde. 

Wer  waren  die  Verfasser  und  Verbreiter  solcher 
Lieder,  zunächst  in  Deutschland  und  im  früheren 
Mittelalter?  Positive  Nachrichten  darüber  haben  wir  nicht, 
wir  dürfen  aber  und  müssen  fast  vermuthen:  es  waren  die- 
selben sog.  fahrenden  Sänger,  denen  auch  die  Pflege  der 
Heldensage  anvertraut  war.  Sie  waren  nicht  ein  nach  außen 
abgeschlossener,  innerlich  zunftmäßig  gebundener  Stand,  aber 
immerhin  Leute,  die  zwar  nicht  (^ allgemeine»,  sondern  höch- 
stens etwas  geistliche  Bildung,  aber  eine  gewisse  geregelte 
Kunstfertigkeit  durch  üebung  erworben  hatten.  Das  Publikum 
dieser  fahrenden  Sänger  war  bald  das  Landvolk,  das  etwa 
an  großen  Festen  und  Märkten  (Messen)  in  einer  Stadt  zu- 
sammenfloß, bald  die  ansäßige  Bürgerschaft  der  Städte  auf 
ihren  Zunftstuben,  dann  aber  auch  der  auf  Burgen  hausende 
Adel  und  zuletzt  sogar  Fürstenhöfe,  deren  höherm  Geschmack 
man  sich  anzubequemen  versucht  und  verstanden  hatte.  Das 
fahrende  Leben  dieser  Leute  einerseits,  ihre  Sprachgewandt- 
heit andrerseits  und  das  Bedürfniß  der  Obrigkeiten  und  Herr- 
schaften brachte  es  mit  sich,  daß  man  die  Sänger  gelegentlich 
auch  als  Boten  in  politischen  Angelegenheiten  benützte,  wofür 
sie  dann  wohl  bestimmten  Lohn  em])fiengen.  während  die 
Belohnung  ihrer  künstlerischen  Leistungen  von  der  Crunst  und 
Freigebigkeit  ihrer  Zuhörer  abhängig  war.  Beide  Verricht- 
ungen ließen  sich  leicht  ver])inden ;  denn  der  fahrende  ^L1nn. 
der  einen  bestimmten  Auftrag  auszurichten  hatte,  konnte 
unterwegs   seinen   freien  (iesang   nach  Belieben  verwerthen, 


IV  EINLEITUNG 

und  während  er  Kunde  von  neuen  Ereignissen  erfuhr  und 
verbreitete,  konnte  er  daneben  die  alten,  aber  immer  wieder 
gern  gehörten  Sagen  auftischen.  Auf  seiner  Wanderung  konnte 
er  auch  die  Stimmung  der  Landesgegenden,  durch  die  er 
kam,  erforschen  oder  dieselbe  durch  Gespräch  und  Gesang 
sogar  selbst  machen  helfen,  wenn  er  die  Fähigkeit  besaß, 
ein  frisches  Lied  oder  einen  witzigen  Spruch  in  einer  Bad- 
oder Trinkstube  im  richtigen  Moment  anzubringen. 

Wenn  wir  uns  ungefähr  so  die  Lebensweise  fahrender 
Sänger  in  Deutschland  etwa  vom  XII.  bis  zum  XIV.  Jahr- 
hundert zu  denken  haben,  so  darf  dieses  Bild  freilich  nicht 
ohne  Weiteres  auf  die  Schweiz,  und  zwar  vom  XIV.  bis  zum 
XVI.  Jahrhundert,  übertragen  werden.  Hier  fehlten  nicht  nur 
einheimische  Fürsten,  sondern  auch  der  Adel  hatte  Mühe 
sich  zu  behaupten ;  der  Sänger  war  also  auf  die  Bürgerschaft 
und  die  Obrigkeit  einiger  zu  Wohlstand  und  Macht  empor- 
strebender Städte  angewiesen.  Dagegen  war  das  politische 
Leben  eben  dort  so  lebhaft  und  Wechselfälle  aller  Art,  auch 
kriegerische  Ereignisse  so  häufig,  daß  Stoff  zu  Berichten  nie 
mano^eln  konnte  und  das  Vorhandensein  von  Personen,  die 
geeignet  waren,  auch  den  gemeinen  Mann  durch  geflügelte 
Worte  für  schwebende  Streitfragen  zu  interessiren,  erwünscht 
sein  musste.  Fahrende  Sänger  von  Bemf  und  bedeutendem 
Geschick  mag  es  wohl  auf  unserm  kleinen  Gebiet  und  in 
den  immerhin  engen  Verhältnissen  desfelben  wenige  gegeben 
haben;  doch  enthalten  unsere  Lieder  manche  (nachher  zu 
besprechende)  Andeutung,  daß  auch  Leute  jener  Art  nicht 
ganz  fehlten.  Im  Uebrigen  muß  gelten,  was  schon  im  ersten 
Band  S.  LXXVI  gesagt  wurde,  daß  die  Verfasser  historischer 
Lieder  neben  dieser  gelegentlichen  Thätigkeit  entweder  ein 
friedliches  Handwerk  oder  das  im  XV.  Jahrhundert  nur  allzu 
sehr  emporkommende  des  Krieges  betrieben,  welches  letztere 
seinen  Anarehörio^en  allerdings  die  für  Poesie  unentbehrliche 
lebendige  Anschauung  der  Ereignisse  gewährte,  aber  den  Sinn 
für  schöne  Sprache  und  Versform  weniger  zu  pflegen  geeignet 
war.     Einzelne  Liederdichter   scheinen   auch  Inhaber   unter- 


EINLEITUNG  V 

geordneter  Staatsämter  gewesen  und  zu  entsprechenden  Boten- 
diensten benützt  worden  zu  sein,  aber  nur  wenige  werden, 
und  gewiß  nicht  durch  ihr  Dichten,  sondern  durch  andere 
Leistungen,  zu  höheren  Stellen  emporgestiegen  sein,  wie  etwa 
in  Luzern  Hans  Halbsuter  (der  aber  später  wieder  herunter 
kam)  und  Hans  Birker  (s.  Bd.  I,  S.  224).  Erst  das  XVI.  Jahr- 
hundert mit  seinem  erhöhten  Streben  nach  geistiger  Bildung 
konnte  es  mit  sich  bringen,  daß  auch  Leute  von  anderweitiger 
litterarischer  Fähigkeit  undThätigkeit,  wie  Hans  Salat,  Nikiaus 
Manuel,  Pamphilus  Ciengenbach,  zugleich  des  historischen 
Volksliedes  sich  annahmen,  ohne  doch  Hervorragendes  darin 
zu  leisten,  weil  die  P]lüthezeit  dieser  Dichtung  eben  bereits 
vorüber  war. 

Beneidenswerth  war  die  Stellung  der  gewöhnliclien  Ver- 
fasser historischer  Volkslieder  auf  keinen  Fall ;  denn  wenn 
sie  auch  etwa  für  eine  tüchtige  oder  erwünschte  Leistung 
einen  Lohn  aus  der  Staatskasse  erhielten  (wie  z.B.  der  Dichter 
des  Liedes  vom  Mülhauser  Zug,  s.  Anzeiger  1877.  S.  305  oben), 
so  riskirten  sie  daneben,  wenigstens  seit  den  bittern  religiösen 
Parteikämpfen  des  XVL  Jahrhunderts,  Anklage,  Verfolgung 
und  Bestrafung  von  Seite  ihrer  kantonalen  Obrigkeit  auf 
Verlangen  benachbarter  Regierungen .  welche  sich  durch 
Lieder  der  (Gegenpartei  beleidigt  und  geschädigt  fanden,  oder 
von  Seite  der  Tagsatzung,  welche  im  Interesse  des  öffent- 
lichen Friedens  jene  Ausflüsse  des  Parteihaders  unterdrücken 
zu  müssen  glaubte'.  Die  Volksdichter  des  XV.  Jahrhunderts, 
welche  meistens  von  Kampferfolgen  gegen  äußere  Feinde 
zu  berichten  hatten,  durften  ungestraft  ihrer  Zunge  den  Lauf 
lassen ;  aber  zu  hohen  Ehren  und  P2inkünften  haben  auch 
sie  es  nicht  gebracht;  viele  von  ihnen  und  besonders  die- 
jenigen,   welche   nicht    einmal  ihren  Namen   nennen,   klagen 


'  Vgl.  z.  B.  An^eiger  1877,  S.  508  zu  den  Jahren  1546  und  1578, 
1880,  S.  272,  I,  und  noch  wegen  des  neuen  Tellenliedes  17 12  Anz. 
1877,  S.  310.  1880,  S.  274,  12,  wegen  des  Liedes  auf  die  Kampfe  in 
Zug   1733   Anzeiger   1880,  S.  311,  19. 


VI  EINLEITUNG 

über  Armut,  so  z.  B.  der  Dichter  des  Liedes  von  der  Schlacht 
bei  Grandson  CBd.  II,  S.  6i   oben). 

Was  übrigens  die  Nennung  der  Namen  betrifft,  so  war 
sie  bei  diesen  Liedern  ursprünglich  so  wenig  üblich,  als  sie 
bei  den  allgemeinen  Volksliedern  es  je  gewesen  ist,  weil  es 
im  A\'esen  des  Volksgesanges  lag,  daß  der  Sänger  eben  nicht 
als  Person,  sondern  nur  als  Organ  des  Gemeingeistes  gelten 
wollte.  Erst  später  mochte  es  vorkommen,  daß  der  Verfasser 
eines  ].iedes  sich  darum  nicht  nannte,  weil  er  fürchten 
musste,  für  seine  Auslassungen  zur  Rechenschaft  gezogen  und 
bestraft  zu  werden.  Im  XIV.  Jahrhundert,  welches  aber  über- 
haupt erst  wenige  Lieder  aufweist,  kommen  noch  keine  Namen 
vor ;  denn  daß  die  Schlußftrophe  des  großen  Liedes  von  der 
Schlacht  bei  Sempach  erst  dem  XV.  Jahrhundert  angehört, 
ist  am  betreffenden  Orte  gezeigt  (Bd.  I,  S.  222.  II,  21  —  22). 
Erst  im  XV.  Jahrhundert,  zuerst  im  Alten  Zürichkrieg,  werden 
Namen  genannt  und  die  Nennung  ist  dann  vorherrschende 
Sitte  bis  in's  XVI.,  doch  keineswegs  ausfchließlich.  denn 
daneben  nennt  sich  der  Verfasser  noch  oft  nur  «  ein  Schwizer- 
knab^),  «ein  Eidgenoß  v,  etwa  mit  dem  Zusatz  «ein  freier, 
junger  rt,  oder  er  nennt  höchstens  seinen  Heimatkanton  ;  auch 
kommt  vor,  daß  zwei  oder  mehrere  zusammen  gearbeitet  zu 
haben  versichern,  wobei  um  so  weniger  Grund  war,  die  Ein- 
zelnen als  solche  zu  nennen.  Nicht  unbemerkt  darf  bleiben, 
daß  auch  Frauen  sich  in  solchen  Dichtungen  versuchten. 
Das  Lied  von  Frischhans  Theiling  und  Hans  Waldmann  gibt 
sich  als  von  einem  c^  Töchterlin »  verfasst,  wahrscheinlich 
der  Schwester  des  Erstgenannten  (s.  v.  Liebenau  im  Anzeiger 
1877,  S.  305),  und  ein  Lied  von  der  Schlacht  bei  Marignano 
sang  nach  Angabe  von  ^Verner  Steiner  eine  Frau  von  Ein- 
siedeln, welche  wahrscheinlich  unter  den  Opfern  jener  Schlacht 
einen  Angehörigen  zu  beklagen  hatte  (vgl.  Bd.  I,  S.  XXXVIII 
und  XLIII  unten).  Im  XVII.  Jahrhundert  verschwinden  die 
Namen  wieder  fast  ganz  und  machen  den  oben  angeführten 
unbestimmteren  Angaben  Platz,  etwa  mit  dem  Zusatz,  daß 
der  Verfasser  dem  Ereigniß  persönlich  beigewohnt  habe.  Was 


EINLEITUNG  VII 

das  XV.  und  XVI.  Jahrhundert  an  Namen  bieten,  soll  nun 
aufgezählt  werden,  verbunden  mit  den  spärlichen  Nachrichten, 
die  aus  den  Liedern  selbst  oder  anderen  Quellen  über  die 
Lebensumstände  einzelner  Dichter  geschöpft  werden  können, 
und  mit  Angabe  der  von  ihnen  verfassten  Lieder,  welche  in 
dem  Verzeichniß  des  ersten  Bandes  (S.  XXXVI  ff.)  allerdings 
bereits,  aber  nach  der  chronologischen  Ordnung,  angeführt 
sind.  Hier  empfiehlt  es  sich,  die  geographische  Reihenfolge 
nach  den  Kantonen  zu  befolgen,  obwohl  bei  weitem  nicht 
alle  XIII  Orte  der  alten  Eidgenossenschaft,  dagegen  auch 
einige  zweifelhafte  Grenzgebiete  vertreten  sind.  Der  Vorrang 
gebührt  der  Stadt  Luzern.  welche  die  meisten  Dichter  her- 
vorgebracht oder  wenigstens  zeitweise  beherbergt  hat. 

Wenn  das  große  Sempacher  Lied  ganz  oder  theilweise 
den  altern  Halbsuter  zum  Verfasser  hat,  der  von  1382  — 1434 
bezeugt  ist  (auffallend  lange,  zumal  da  er  schon  1382  ver- 
heil atet  gewesen  sein  soll  I),  so  ist  über  diesen  nach  v.  Liebenau 
(Anz.  1877,  S.  306)  sonst  nichts  bekannt,  als  daß  er  Bürger 
von  Luzern  gewesen  sein  muß,  da  er  sich  1434  um  die  Stelle 
eines  Weibels  bewarb.  Reichlicher  sind  die  (a.a.O.  S.  305  — 8 
zusammengestellten)  Nachrichten  über  den  Jüngern  Hans 
Halbsuter  von  Roth,  der  ein  ziemlich  bewegtes  Leben 
geführt  und  verschiedene  Berufe  ausgeübt  haben  muß.  Als 
Bürger  der  Stadt  Luzern  erscheint  er  1435  '•>  ^^  wurde  vom 
Rath  zu  verschiedenen  Dienstleistungen  beigezogen  und  für 
dieselben  mit  Wein  und  Geld  belohnt.  Den  alten  Zürich- 
krieg machte  er  als  Schütze  mit  und  wurde  auch  Schützen- 
meister. Von  1441  — 1464  war  er  Mitglied  des  Großen  Rathes; 
1449  Gerichtsweibel,  in  den  50er  Jahren  Kornhausmeister. 
Im  Plappartkrieg  1458  diente  er  als  Läufer  und  half  beim 
Rechnungswesen.  1468  lieferte  er  dem  Staate  Rahmen  und 
Zuber,  aber  auch  Pulver  und  Ledersäcke.  Aus  dem  Feldzug 
von  1476  kehrte  er  verwundet  zurück  und  bekam  Staats- 
unterstützung wie  andere  Invaliden. 

Ein  Zeitgenosse  von  ihm  war  Hans  Ower  (Auer),  der 
das  Lied  von  der  Schlacht  bei  Ragatz  verfasst  hat.    Er  war 


VIII  EINLEITUNG 

nach  V.  T.iebenau  (Anzeiger  1873,  ^-  279.  1879,  S.  304)  nicht 
von  Luzern,  sondern  wahrscheinlich  von  Schafifhausen  ge- 
bürtig, um  1440  Bürger  in  Basel,  sjiäter  in  Luzern,  wo  er 
zuweilen  als  Stadtläufer  verwendet  wurde.  Er  war  Knecht 
bei  einem  Klaus  Wanner.  der  seit  1449  als  Rathsherr  und 
Richter  erscheint  und  von  Welti  Wanner  zu  unterscheiden 
ist.  der  J373  für  eine  Wanne  das  Bürgerrecht  von  Luzern 
erhalten  haben  soll. 

Etwas  später,  bald  nach  1468.  erscheint  in  Luzern,  aber 
ebenfalls  nicht  als  von  dort  stammend,  Toni  (Anton)  Stein - 
huser.  gebürtig  von  Wyl,  zeitweise  in  Appenzell  wohnhaft. 
Am  Schlüsse  seines  Liedes  vom  Waldshuterzug,  den  er  mit- 
machte, sagt  er.  er  diene  schönen  Fräulein  und  preise  ihre 
Ehre.  Demnach  müsste  er  ein  verspäteter  Nachzügler  der 
Minnesänger  gewesen  sein,  aber  in  Luzern  wenigstens  scheint 
er  nicht  so  harmlos  gelebt  zu  haben ;  denn  er  war  in  einen 
Streithandel  verwickelt,  kam  1482  in"s  (iefängniß,  musste 
Urfehde  schwören,  und  das  Land  verlassen,  wurde  jedoch 
bald  wieder  begnadigt  (v.  Liebenau  im  Anzeiger  1873. 
S.  280—281). 

Der  Zeit  nach  folgt  Rudolf  Montigel  (auch  Monzigel 
geschrieben),  der  das  Lied  von  der  Ewigen  Richtung  und 
eines  von  der  Schlacht  bei  Grandson  verfasste.  welches  Lütolf 
dem  Hans  Viol  zuschrieb  (Anfang:  «  Oesterrich,  du  schläfst 
gar  lang  I  »).  Daß  Montigel  Bürger  von  Luzern  gewesen  sei, 
ist  nirgends  ausdrücklich  bezeugt ;  aber  im  Bürgerrodel  von 
Luzern  wird  erwähnt,  daß  er  bei  (irandson  verwundet  und 
in  Bern  verpflegt  wurde,  was  4  Gulden  kostete.  Prof.  Meyer 
V.  Knonau  (S.  53)  hält  ihn  nicht  für  einen  Schweizer,  sondern 
für  einen  österreichischen  Unterthan,  jedoch  wohl  nur  auf 
Grundlage  des  ersten  Liedes,  da  ihm  die  von  Liebenau  im 
Anzeiger  (1880,  S.  272)  beigebrachte  Angabe  aus  dem  Frei- 
burger Archiv  noch  nicht  bekannt  sein  konnte. 

Ein  Lied  von  der  Schlacht  bei  Murten  (Bd.  II,  S.  61) 
sang  Hans  Viol  von  Luzern,  und  derselbe  bald  nachher  das 
von  der  Schlacht  bei  Giornico  (II.  70),  an  dessen  Schluß  er 


EINLEITUNG  IX 

seine  Lebensverhältnisse  als  armselig  darstellt.  Ueber  seine 
Person  wusste  Lütolf  in  seinem  Aufsatz  <•  Luzerns  Schlacht- 
liederdichter »  (Geschichtsfreund  XVIII,  187»  nichts  beizu- 
bringen als  die  Notiz,  daß  um  das  Jahr  1443  im  Steuerbuch 
ein  Vyola  vorkomme. 

Im  Schwabenkrieg  sang  Hans  Wick  von  Luzern  das  Lied 
von  der  Schlacht  im  Schwaderloh  (II,  77)  und  1515  ein  Lied 
von  der  Aufnahme  Mülhausens  in  die  Eidgenossenschaft  (l. 
S.  XXXVII).  Am  Ende  des  Schwabenkrieges  verfasste  ein 
Sänger,  der  sich  «  ein  alter  Gris  »»  nennt,  ein  Lied,  welches 
einen  Rückblick  auf  den  L'rsprung  und  Verlauf  des  Krieges 
enthält.  Die  von  Hans  Lenz  verfasste  Reimchronik  des 
Schwabenkrieges,  welche  unter  andern  auch  jenes  Lied  ent- 
hält, nennt  in  der  letzten  Strophe  als  Verfasser  desfelben 
einen  Peter  Meiler  von  Rapperswyler.  wohnhaft  bei  Luzern 
und  auch  in  Appenzell  wohl  bekannt.  Herr  v.  Liliencron 
scheint  jenen  Namen  mit  dem  des  Peter  Müller  zu  iden- 
tifiziren,  der  das  in  den  Anfang  des  Krieges  fallende  Lied 
Bd.  I,  S.  25  verfasjte.  und  es  ist  allerdings  auffallend,  daß 
auch  dieser  Peter  Müller  am  Zürichsee.  dann  wieder  in  Appen- 
zell (und  im  Rheinthal,  dagegen  nicht  in  Luzern)  sitzend 
genannt  wird.  Prof.  Meyer  v.  Knonau  bezweifelt  die  Identität 
der  Person:  aber  Meiler  konnte  leicht  aus  Müller  verderbt 
werden,  besonders  wenn  man  etwa  noch  an  das  am  Zürich- 
see, nicht  weit  von  Rapperswyl  auf  demselben  Ufer  liegende 
Dorf  Meilen  dachte.  Da  die  anderen  Quellen  des  Liedes 
vom  alten  Gris  keinen  Verfasser  nennen,  so  hat  wahrschein- 
lich Lenz  dasfelbe  auf  eigene  Vermuthung  hin  dem  Verfasser 
des  frühern  Liedes,  dessen  Namen  er  zugleich  entstellte,  zu- 
geschrieben, nebst  dem  aus  ähnlichen  Schlüssen  anderer  Lieder 
entnommenen  Bekenntniß.  daß  er  «viel  mehr  verthue.  als  er 
habe»,  und  hat  ihn  nach  Luzern  versetzt,  weil  er  wusste,  daß 
dort  andere  Sänger  heimisch  waren. 

Unzweifelhaft  nach  Luzern  gehört  Hans  Birker.  der  den 
Zug  nach  Genua  1507  fBd.  I.  S.  XXXV)  und  den  Leinlaken- 
krieg (1521.  Bd.  I,  S.  XXXVIIIj   mitgemacht  und  be.sungen 


X  EINLEITUNG 

hat   und  später  Schultheiß   geworden   ist    (v.  Liebenau,    Das 
alte  Luzern  S.  ^2 — ;^;^). 

Die  Lebensumstände  und  Schriften  von  Hans  Salat  sind 
durch  Bjechtolds  Buch  bekannt  geworden.  Er  hat  ein  Lied 
auf  die  Schlacht  bei  Kappel  verfasst,  nach  Baschtold  noch 
ein  zweites,  welches  aber  in  anderm  Geist  gehalten  ist  (siehe 
Bd.  I,  S.  XLI),  später  dann  noch  ein  Lied  von  dem  Zug 
eidgenössischer  Söldner  in  die  Picardie  1543  (a.  a.  O.  XLIII). 

Endlich  ist  hier  noch  zu  nennen  Hans  Kraft  von  Zo- 
fingen, später  in  Luzern.  der  die  Schlacht  bei  Dreux  1562 
(Bd.  L  S.  XLVI)  mitmachte  und  besang  und  den  Drucker 
(Apiarius  in  Bern),  der  den  Text  seines  Liedes  verändert 
hatte,  verklagte  (s.  Anzeiger  1873,  S.  326  ff.).  Betreffend  seine 
Lebensumstände  entnehme  ich  den  dortigen  Angaben,  daß 
er  1552  das  Bürgerrecht  von  Luzern  erkaufte,  1559  —  1566 
die  Stadtschreiberei  und  1566— 1567  das  Schultheißenamt  in 
Willisau  versah,  wo  er  seine  Erziehung  genossen  hatte.  Von 
dort  siedelte  er  später  nach  Luzern  über,  wo  er  vom  Unter- 
schreiber zum  Stadtschreiber  aufstieg.  Vom  König  von  Frank- 
reich bezog  er  eine  ansehnliche  Pension.  1573  machte  er 
einen  zweiten  Feldzug  nach  Frankreich  als  Hauptmann  mit 
und  nahm  als  Oberst  an  der  Einnahme  von  La  Rochelle 
Theil.  Heimgekehrt  starb  er  1575  an  der  Pest.  Rennward 
Cysat,  sein  Stellvertreter  und  Nachfolger  im  Amt  des  Stadt- 
schreibers, widmete  ihm  einen  ehrenvollen  Nachruf. 

Herr  v.  Liebenau  erwähnt  im  Anzeiger  (1873,  S.  279) 
unter  den  Luzerner  Dichtern  noch  einen  Batt  (Beatus)  Rippel. 
von  dem  mir  nichts  bekannt  geworden  ist.  Das  Spottlied, 
das  Martin  Müller  1583  mit  Andern  bei  einem  Gelage  auf 
den  Herzog  von  Savoyen  machte,  besitzen  wir  nicht,  und 
ein  Spottlied  auf  Uri  und  Unterwaiden,  das  1603  Jakob 
Widmer  von  Luzern  sang  (a.  a.  O.  281),  war  vielleicht  nicht 
von  ihm  selbst  verfasst. 

In  Bern  und  dessen  Gebiet  finden  wir  Namen  von  Ver- 
fassern historischer  Lieder  nur  wenige ,  während  aus  dem 
XVL  und  XVn.  Jahrhundert,   wo    dort   geistlicher  Volks- 


KINLEITUNG  XI 

gesang  blühte  (vgl.  Bd.  I,  S.  LXXVII  ff.  224),  auch  Namen 
von  Dichtern  dieser  Schule  überliefert  sind.  Der  berühmteste 
Name  ist  der  des  Nikiaus  Manuel,  der  sein  Lied  von  der 
Schlacht  bei  Bicocca  kurz  vor  der  Zeit  sang,  wo  er  durch 
seine  Volksfchauspiele  der  Reformation  zum  Durchbruch  ver- 
half. Etwas  später  fällt  Nikiaus  Schorr,  Kürschner,  der  ein 
Lied  auf  den  Genfer  /.ug  1536  und  eines  betreffend  die  all- 
gemeine Zeitlage  um  1552  (daneben  vielleicht  noch  andere) 
verfasst  hat  (vgl.  Bd.  L  S.  LIII — IV).  Vm  dieselbe  Zeit  lebte 
in  Bern,  wenn  auch  nicht  dort  geboren,  der  namhafte  und 
fruchtbare  Dichter  Benedikt  Gletting,  dessen  theilweise 
gehaltvolle  Lieder  aber  mehr  der  geistlichen  Richtung  an- 
gehören. Michael  Stettier  feierte  in  einem  Liede  das  BUnd- 
niß  zwischen  Bern  und  Graubünden  1603.  nachdem  er  im 
Jahr  vorher  ein  Gedicht  über  den  verwirrten  Zustand  der 
Welt  verfasst  hatte,  (iwer  Ritter  dichtete,  wahrscheinlich 
auf  Bestellung  und  um  Lohn,  Loblieder  auf  einzelne  Städte 
und  Landschaften  (vgl.  Bd.  I,  S.  222),  ebenso  Ulrich  Wirri 
von  Aarau,  von  dem  wir  auch  ein  Gedicht  über  die  Schlacht 
bei  Dornach  besitzen  (Bd.  L  S.  XXXIV).  Peter  Bichsel  von 
Trachselwald,  der  1580  ein  « Tratzlied  wider  ein  fromme 
Oberkeit  von  Bern  <>  sang,  wurde  vom  Vogt  gethürmt  (An- 
zeiger 1873,  S.  283). 

Aus  dem  benachbarten  Frei  bürg  dürfen  wir  schon  der 
Sprache  wegen  nicht  viel  erwarten.  Dort  « im  Saanenlande  0 
lebte  im  Anfang  des  XVL  Jahrhunderts  der  oben  schon  ge- 
nannte Hans  Lenz,  ein  geborner  Schwabe,  später  Bürger 
von  Freiburg  und  daselbst  fester  ansäßig  als  der  dichterisch 
bedeutendere  Veit  Weber  aus  der  Schwestersladt  im  Breisgau, 
der  nur  vorübergehend  im  Burgunder  Krieg  das  Lob  der 
Eidgenossen  sang  und  darum  hier  nicht  mitgezählt  wird,  da 
wir  ja  einheimische  Sänger  genug  haben.  Lenz  war  vor  dem 
Ausbruch  des  Schwabenkrieges  Hauslehrer  von  fünf  jungen 
Freiburger  Patriziern  gewesen,  deren  Schicksale  während  des 
Krieges  er  in  seiner  Reimchronik  desfelben  mit  erzählt.  Daß 
er  in  diese  eine  Anzahl  Lieder  von  Andern,  aber  auch  einige 

II.  II 


XII  EINLEITUNG 

von  ihm  selbst  aufgenommen  hat,  ist  im  Bd.  I,  S.  VII.  XXXII. 
XXXIII  angeführt.  Ueber  seine  Chronik  und  die  von  Ludwig 
Sterner,  der  jene  abschrieb  und  der  seinigen  anhängte,  hat 
neuestens  Prof.  Vetter  im  Anzeiger  (1884,  S.  269  ff.)  gründ- 
liche Untersuchungen  veröftentlicht.  —  Ueber  Löwenstein  von 
Freiburg,  der  die  Schlacht  bei  Dreux  oder  Blainville  (1562) 
mitgemacht  und  besungen  hat,  weiß  ich  nichts  Weiteres  an- 
zugeben. 

In  Basel  finden  wir  von  Namen  nur  Kaspar  Jöppel, 
der  den  Eintritt  der  Stadt  in  den  Bund  besang,  und  den 
durch  andere  Dichtungen  und  Schriften  mehr  als  durch  seine 
Lieder  von  den  Schlachten  bei  Agnadello  (1509)  und  Novara 
(1513)  bekannten  Pamphilus  Gengenbach. 

Gehen  wir  von  Basel  aufwärts,  so  gelangen  wir  in  das 
Grenzgebiet  der  sog.  4  Waldstätte  am  Rhein,  welche  mit  den 
Eidgenossen  zeitweise  verbündet,  jedenfalls  mit  den  Schick- 
salen derselben  nahe  verbunden  waren.  Hier  finden  wir  den 
tf  Isenhofer  von  Waldshut»  (Tschudi),  von  dem  wir  leider 
nur  ein  Lied  (Bd.  II,  23)  und  von  dessen  Person  wir  keine 
weitere  Kunde  besitzen.  Aus  Lauffenburg  stammte  Matthias 
Zoll  er.  der  den  Zug  nach  Blomont  (II,  52)  und  die  Schlachten 
bei  Murten  und  Nancy  besang.  Da  Zoller  im  erstgenannten 
Liede  sich  eine  stählerne  Stans^e  zuschreibt  und  der  nicht 
genannte  Dichter  des  Nancy -l^iedes  dasfelbe  Attribut,  zu- 
gleich aber  Wohnsitz  in  Bern  von  sich  angibt,  so  ist  an  der 
Identität  der  Person  kaum  zu  zweifeln  und  muß  Zoller  später 
einmal  in  Bern  gewohnt  haben. 

Im  Thurgau  finden  wir  einzig  Hans  von  Anwil,  Ver- 
fasser des  Liedes  von  der  Belagerung  von  Lauffenburg  (11,33). 

In  Zürich  ist  der  erste  Name,  der  uns  begegnet  (da 
der  des  Schärers  von  lUnau,  der  Waldmanns  Tod  besang, 
wohl  nur  Appellativ  ist),  Utz  Eckstein,  dessen  Lied  von 
der  Disputation  zu  Baden,  sowie  das  auf  dasfelbe  Ereigniß 
bezügliche  von  N.  Manuel,  freilich  an  der  Grenze  der  eigent- 
lichen Volkslieder  steht,  indem  es  eine  geistige  Schlacht 
zum  Gegenstand  hat.    Vgl.  Bd.  I,  S.  XLIII  und  223.    Wenig 


EINLEITUNG  XIII 

Später  finden  wir  Kaspar  Suter  von  Horgen.  1546— 155() 
Schulmeister  in  Zug.  der  die  Schlacht  bei  Carmiol  (1544) 
besang,  die  er  wahrscheinlich  mitgemacht  hatte,  und  1549 
eine  Schweizer  Chronik,  hauptsächlich  auf  Grundlage  der 
Gessler'schen,  zu  schreiben  unternahm,  von  der  ein  hand- 
schriftlicher Auszug  existirt.  CDiese  Angaben  verdanke  ich 
gütiger  Mittheilung  des  Herrn  Prof.  O.  v.  Wyß.) 

Aus  dem  XVII.  Jahrhundert  kann  genannt  werden  Hans 
Rynacher.  Schulmeister,  mit  seinem  Lied  auf  den  Veltlincr 
Mord,  und  kurz  nachher  Gottlieb  Rainkli  (Renggli  V)  mit 
seinem  I.obspruch  auf  die  Prättigauer :  gegen  Ende  des 
XMII.  Jahrhunderts  ein  Lied  auf  die  Patrioten  am  See  (1794) 
von  Bürger  Studer  von  Männedorf  und  ein  Lied  auf  die 
Rettung  der  Stadt  Zürich  (1799)  von  Heinrich  Hotz.  Aber 
die  letztgenannten  Dichtungen  und  Personen,  sowie  viele 
ähnliche,  berühren  jenes  zweifelhafte  Mittelgebiet  zwischen 
Volksliedern  und  halb  kunstmäßigen  Gelegenheitsdichtungen, 
welches  ich  schon  im  ersten  Band  (vgl.  S.  LXXVIII)  zu  ver- 
meiden suchte  und  auch  jetzt  nicht  weiter  betreten  möchte. 
Einzelne  Namen  tauchen  noch  manche  zerstreut  da  und  dort 
auf,  so  in  Zug  Melchior  Schell,  Verfasser  des  neuen  Tellen- 
liedes  1712  (Bd.  I.  S.  LXVII)  und  Franz  Karl  Bengg.  Ver- 
fasser eines  Liedes  auf  den  Kampf  der  Harten  und  Linden 
(a.  a.  O.  LXVIIIj,  aber  weitere  Notizen  über  die  betreffenden 
Persönlichkeiten  weiß  ich  nicht  beizubringen. 

Schließlich  muß  gesagt  werden,  daß  die  bisher  aufge- 
zählten Namen  zufällig  nicht  einmal  durchgängig  mit  Liedern 
verbunden  sind,  die  besondern  A\'erth  haben,  und  daß  viele 
namenlos  überlieferte  Lieder  an  poetischem  und  histor- 
ischem Werth  die  erstem  übertreffen.  Als  Beispiele  dafür 
führe  ich  die  zwei  St.  Galler  Lieder  (Bd.  II,  S.  39  und  74) 
an,  von  denen  das  erstere  seine  Verfasserschaft  am  Schlüsse 
witzig  versteckt  wie  das  von  Solothurn  (IL  91),  und  das  Lied 
der  zwei  Schwizerknaben  von  der  Schlacht  bei  Nancy  (II,  66). 
dem  an  wahrhaft  niederschmetternder  Gewalt  wohl  in  unserer 
ganzen  Sammlung  nichts  gleichkommt. 


XIV  EINLEITUNG 

Größeres  Interesse  als  die  Kenntniß  todter  Namen  oder 
sonst  unbedeutender  Personalien  erwecken  einige  Eigen- 
tbünilichkeiten  des  Stiles  und  Geistes  der  Lieder 
selbst,  woraus  sich  schließlich  auch  ein  Urtheil  über  den 
poetischen  und  historischen  Werth  der  Lieder  ergeben 
wird. 

Während  die  Schlußftrophen  meist  Angaben  über  die 
Person  des  Dichters  enthalten,  tragen  die  Anfänge  der  Lieder 
einen  allgemeinen  Charakter :  beide  neigen  zu  formelhaften 
Wendungen.  Eine  hübsche  Ausnahme  von  der  Einförmigkeit 
der  Anfänge  ist  es,  wenn  der  Dichter,  wie  einst  die  Minne- 
sänger thaten,  von  der  Jahreszeit  seinen  Ausgang  nimmt; 
aber  während  dort  der  Lenz  die  Liebe  erneuert,  eröffnet  er 
hier  Kriegszüge  und  erfrischt  den  Kampfesmuth.  Vgl.  z.  B. 
II,  23.  I,  15.  Veit  Webers  Lied  vom  Zug  der  Eidgenossen 
nach  Pontarlier  (1475)   beginnt: 

Der  Winter  ist  gar  lang  gesin, 
des  hat  getrurt  meng  vögelin, 
das  iezt  gar  frölich  singet, 
uf  grüenem  zwi  hört  nian's  im  wald 
gar  süeßiglich  erklingen. 

Der  Mei  hat  'bracht  gar  menig  blat, 
darnach  man  groß  verlangen  hatt, 
die  heid  ist  worden  grüene ; 
darumb  so  ist  gezoo:en  uß 
gar  menig  man  so  küene. 

Wenn  die  Zahl  der  ausziehenden  Männer  noch  ausdrück- 
lich mit  derjenigen  der  entsprießenden  Blätter  verglichen 
würde,  so  hätten  wir  eine  Parallele  zu  einem  bekannten 
homerischen  Bilde! 

Oder  statt  der  Jahreszeit  erscheint  die  Tageszeit: 

Oesterrich,  du  slafest  gar  lano^! 

daß  dich  nit  weckt  der  vogelsang ! 

hast  dich  der  mette  (Frühmesse)  versumet ! 

Der  Burgunner  hat  sich  gan^  vermessen, 

er  wolt  zu  Bern  und  Friburg  küechlin  essen: 

der  bär  hat  im  die  pfannen  gerumet! 

(Rudolf  Montigels  LieJ  von  der  Schlacht  bei  Grandson.) 


EINLEITUNG  XV 

Bilder  wie  das  von  der  Ernte  in  der  S(  hlacht  bei  Sempach 
(II,  16.  34)  und  Züge  wie  der  von  den  Bienen  (ebd.  II,  15) 
sind  leider  selten.  Zu  den  stehenden  Zügen  in  den  besten 
Liedern  des  XV,  Jahrhunderts  gehört  die  rühmende  Aufzähl- 
ung der  an  den  Ereignissen,  besonders  siegreichen  Schlachten, 
betheiliglen  eidgenössischen  Orte,  auch  ihrer  Angehörigen 
und  Verbündeten.  Natürlich  mussten  dabei  formelhafte  all- 
gemeine Redensarten  sich  einstellen,  welche  dem  Stil  nicht 
zum  Vortheil  gereichen,  und  es  mochten  über  jenen  Lob- 
sprüchen gelegentlich  die  Thatsachen  verkürzt  werden :  ich 
habe  daher  in  den  Texten  solche  Stellen,  wenn  sie  sich  gar 
zu  breit  machten,  weggelassen,  immerhin  mit  ausdrücklicher 
Angabe  dieses  Verfahrens.  Etwas  belebter  werden  jene  Auf- 
zählungen, wenn  statt  der  Namen  oder  neben  ihnen  die 
Farben  und  Wappen  der  einzelnen  Orte  angeführt  werden; 
insbesondere  boten  die  in  Wappen  vorkommenden  Thiere, 
meistens  wehrhafte:  Löwe,  Bär.  Stier.  Steinbock,  bei  den 
Feinden  auch  ITau.  Adler  (der  in  dem  Liede  II,  81  spöttisch 
zur  Krähe  herabgesetzt  wird,  wonach  die  dortige  Anmerkung 
zu  berichtigen  ist)  und  Schlange,  die  Möglichkeit,  personifizirt 
und  unmittelbar  handelnd  eingeführt  zu  werden.  Dasfelbe 
gilt  in  etwas  geringerm  Grade  von  den  Geschützen,  welche 
(wie  die  (Hocken)  Namen  trugen.  Ferner  konnte  das  Interesse 
dadurch  erhöht  werden,  daß  neben  den  weltlichen  Helden 
die  Heiligen  des  Himmels,  welche  als  Schutzpatrone  einzelnen 
Orten  besonders  nahe  standen,  zur  Hülfe  angerufen  und  mit 
einem  wirksamen  Antheil  an  den  Siegen  bedacht  wurden. 
Daß  die  h.  Jungfrau  Maria  mit  ihrem  Sohn  besonders  häufig 
angerufen  wird,  versteht  sich,  auch  noch  im  XVI.  Jahrhundert, 
nachdem  die  (ilaubenstrennung  eingetreten  war;  denn  die 
meisten  Dichter  jener  Zeit  waren  Katholiken. 

Aber  Beichte  und  Buße  werden  schon  früher  aus  dem 
religiösen  Gebiet  bildHch  in's  kriegerische  gezogen;  so  im 
Sempacher  Liede  (II,  lo,  vgl.  Bd.  L  S,  XXIV),  und  die  Re- 
ligion hinderte  auch  sonst  nicht,  daß  neben  der  Frömmigkeit 
die  kriegerische  Wildheit  jener  Zeit  in  den  Liedern  zu  vollem 


XVI  EINLEITUNG 

Ausdriuk  kam,  neben  der  gerechten  Siegesfreude  auch  bitterer 
Hohn  auf  die  unterlegenen  Feinde.  Der  von  unvermeidlichem 
Muthwillen  bis  an  tollen  Uebermuth,  von  erlaubter  Beutelust 
bis  zu  schadenfroher  ZerstÖrungsfucht  ausfchweifende  Sinn 
der  damaligen  Krieger  zeigt  sich  am  derbsten  in  den  Liedern 
vom  Mulhauser  und  W'aldshuter  Zug  (Bd.  II,  S.  43.  49)  und 
von  dem  nach  Blomont  (ebd.  S.  52).  Wenn  die  gesunde  und 
edle  Kraft  der  Lieder  des  XIV.  Jahrhunderts  im  XV.  theil- 
weise  in  Derbheit  und  Roheit,  die  Kühnheit  in  Grausamkeit 
übergeht,  und  wenn  im  Alten  Zürichkrieg,  in  der  Reformations- 
zeit, im  Bauernkrieg  und  in  den  Vilmerger  Kriegen  die  Partei- 
leidenschaft, zum  Theil  auch  Haß  gegen  einzelne  Personen, 
unverholen  hervorbrechen,  so  mag  dies  in  moralischer  Be- 
ziehung ein  ungünstiges  Spiegelbild  des  Zeitgeistes  und  der 
Zeitläufe  sein:  der  poetische  VVerth  der  Lieder  wird  erst 
gefährdet,  wenn  statt  lebensfrischer  Anschauung  und  kräftiger 
schlagender  Kürze  Trockenheit,  Schwerfälligkeit,  Nüchtern- 
heit und  Mattigkeit  der  Darstellung  sich  einstellen,  was  seit 
der  zweiten  Hälfte  des  XVI.  Jahrhunderts  nicht  selten  zu 
beobachten  ist. 

\\'as  endlich  die  vom  geistigen  Inhalt  nirgends  trennbare 
poetische  Form  in  Absicht  auf  Reinheit  und  Glätte  des 
sprachlichen  Ausdrucks,  des  Versmaßes  und  Reimes  betrifft, 
so  darf  man  nicht  vergessen,  daß  unsere  Lieder,  auch  die 
besten  des  XV.  Jahrhunderts,  einer  Zeit  angehören,  wo  Sprache 
und  Verskunst  in  allen  deutschen  Landen  darniederlagen ;  es 
muß  also  auch  in  dieser  Beziehung  zunächst  der  Maßftab 
der  Zeit  an  sie  gelegt  werden. 

Die  Frage  endlich,  ob  den  Liedern  irgend  welcher  Werth 
als  historischen  Quellen  zukomme,  gehört  zwar  mehr  in 
das  Gebiet  der  Geschichte  als  in  das  der  Litteratur,  ist  aber 
von  dem  poetischen  Charakter  der  Lieder  auch  nicht  ganz 
trennbar.  Abgesehen  von  einzelnen  Ausnahmen,  zu  denen 
z.  B.  gewisse  Bestandtheile  des  Sempacher  Liedes,  vielleicht 
auch  der  in  mehreren  Formen  überlieferten  Lieder  von  den 
Schlachten  bei  Dornach   und  bei  Kappel,   ferner   diejenigen 


EINLEITUNG  XVII 

Lieder  gehören,  welche  einen  Rückblick  auf  den  ganzen  Ver- 
lauf eines  Krieges  enthalten,  sowie  die,  welche  zum  voraus, 
weil  nachweislich  bedeutend  später  verfasst,  als  unecht  aus- 
geschieden wurden,  tragen  die  übrigen  durchaus  den  Stempel 
der  Gleichzeitigkeit,  der  freilich  noch  keine  objective  Wahr- 
heit im  Sinne  wissenschaftlicher  Kritik,  sondern  zunächst 
höchstens  subjective  Wahrhaftigkeit  verbürgt.  Nicht  jeder 
einzelne  Zug,  den  sie  berichten,  darf  als  unfehlbares  Zeugniß 
einer  Thatsache  gelten,  aber  ein  Streben,  die  Thatsachen 
durch  absichtliche  willkürliche  Zuthaten  zu  entstellen,  gibt 
sich  nirgends  kund,  sondern  es  sollten  Nachrichten,  die  bald 
nach  dem  Ereigniß  aus  dem  Munde  von  Augenzeugen  oder 
ihnen  Nahestehender  in  Umlauf  gekommen  waren,  in  dieser 
Gestalt  wiedergegeben  werden.  Im  Eifer  mag  die  Darstellung 
etwas  gefärbt,  es  mögen  einzelne  Angaben  übertrieben  worden 
sein,  aber  beides  kaum  in  höherm  Grade,  als  dasfelbe  Ver- 
fahren in  prosaischen  Geschichtsquellen  (Chroniken)  zum 
Vorschein  kommt.  \\'o  nun  gleichzeitige  Prosaberichte  vor- 
liegen, kann  man  die  Glaubwürdigkeit  der  Lieder  an  jenen 
messen,  und  man  mag.  wo  eine  Differenz  erscheint,  im  Durch- 
schnitt jenen  den  Vorzug  geben:  keineswegs  aber  ist  man 
berechtigt.  Züge  von  Liedern,  welche  sirh  in  Prosatpiellen 
nicht  bestätigt,  aber  auch  nicht  bestritten  finden,  ohne  Wei- 
teres als  unhistorisch  zu  verwerfen.  Auch  die  Schreiber  von 
Urkunden  und  Chroniken  wussten  nicht  Alles  oder  brauchten 
nicht  Alles  zu  sagen,  was  sie  wussten:  es  kommt  also  nur 
auf  die  innere  Wahrheit  resp.  Wahrscheinlichkeit  an,  und  wer 
Spezialangaben  eines  Liedes,  ausgenommen  etwa  in  Zahlen, 
verwirft,  muß  nachweisen,  daß  es  leichter  war,  dieselben  zu 
ersinnen,  als  aus  der  L'eberlieferung  zu  schöpfen.  Die  Lieder 
sind  im  Ganzen  zu  behandeln  wie  andere  historische  Quellen. 
Es  ist  also  auszuscheiden  i)  was  gegen  natürliche  Möglich- 
keit verstößt;  2)  was  ausdrücklichen  Angaben  sonst  glaub- 
würdiger anderer  Quellen  widerstreitet  oder  im  Gegentheil 
als  aus  parallelen  Fällen  nachahmend  übertragen  sich  ver- 
rälh  ;  3)  was  das  Ge])räge  bewusster  Parteitendenz  trägt.    Im 


XVIII  EINLEITUNG 

Uebrigen  mögen  manche  Einzelheiten  fraglich  bleiben,  andere 
aber  erwecken  und  verdienen  durchaus  Glauben  und  sind  als 
werthvolle  Ergänzungen  der  übrigen  Berichte  zu  schätzen.  Der 
historische  Werth  der  Lieder  ist  aber  überhaupt  nicht  haupt- 
sächlich nach  solchen  Einzelheiten  zu  beurtheilen,  sondern 
vielmehr  nach  dem  Gesammteindruck  der  Stimmung,  die  sie 
beseelt.  Es  spiegelt  sich  darin  unmittelbarer  und  treuer  als  in 
irgend  welchen  anderen  Quellen  nicht  nur  im  Allgemeinen 
Geist  und  Sitte  des  Volkes  in  der  betreffenden  Zeit,  sondern 
Art  und  Grad  der  Theilnahme  des  gemeinen  Mannes, 
der  Masse  des  Volkes,  an  den  Ereignissen  und  Thaten.  Dies 
ist  in  aller  Geschichte  ein  Moment,  das  zwar  bis  auf  neuere 
Zeit  hintangesetzt  worden  ist,  heutzutage  aber  immer  mehr 
in  den  Vordergrund  tritt.  Die  Urkunden  mögen  das  Knochen- 
gerüst der  Geschichte  darstellen,  die  Chroniken  Fleisch  und 
Blut,  aber  das  eigentliche  seelische  Leben,  der  Pulsfchlag 
der  Zeit,  ist  am  untrüglichsten  aus  den  Liedern  zu  vernehmen. 
13er  Verfasser  einer  Chronik,  der  den  Ereignissen  räumlich 
und  zeitlich  fern  stand  und  Berichte  von  mehreren  Seiten 
gesammelt  haben  mochte,  konnte  vollständiger  berichten  und 
darum  auch  unbefangener,  besonnener  und  gerechter  urtheilen 
als  der  mitten  im  Sturm  und  Drang  der  Ereignisse  stehende 
und  fortgerissene  Dichter,  aber  eben  jene  zeitliche  und  räum- 
liche Ferne  musste  ihm  entziehen,  was  auf  mittelbarem  Wege 
schwer  zu  ersetzen  ist,  den  Lebensathem  der  unmittelbaren 
Wirklichkeit,  der  durch  Leidenschaft  erhöht,  aber  nicht  leicht 
verfälscht  werden  kann.  Denn  man  hat  zu  allen  Zeiten  ge- 
funden, daß  eben  in  der  Leidenschaft  die  innerste  Wahrheit 
des  menschlichen  Gemüthes  sich  enthülle,  und  darum  ist  sie 
nicht  nur  die  Seele  der  Poesie,  sondern  —  mit  Vorsicht 
gemessen  und  benützt  —  auch  ein  Moment  geschichtlicher 
Wahrheit,  die  von  der  Dichtung  nirgends  durch  eine  Kluft 
geschieden  ist. 


^-^^-^^ 


Historische  Lieder 


Inschriften  an  dem  Tellenhaus  in  Arth. 

Unter  dem  Bilde  von  JVilhelm  Teil: 

Ach,  ist  denn  jetzt  mein  Pfeil  und  Bogen 

so  gar  gebrochen  und  entflogen, 

da  Ehrgeiz  und  der  Eigennutz 

bei  dieser  Zeit  der  erste  Schutz, 

da  man  durch's  schnöde  Geld  und  Gut 

bald  ehret  eines  Jeden  Hut. 

Werner  Stauffacher : 

Wenn  Eigennutz  kein  V  ortheil  spielt. 

Auf  g'rechte  Sachen  man  nur  zielt, 

Aufrichtigkeit  die  Rathschläg  stellt, 

Vertrauigkeit  sich  mit  aufstellt, 

Ist  dieses  dann  der  rechte  Bund, 

Wann  mehr  das  Herz  spricht  als  der  Mund. 

Arnold  Melchlhal: 

Auf  Gottes  Hilf  sei  d'  Hoffnung  g'stellt, 

Mit  dieser  hat's  noch  niemal  g'fehlt. 

Die  alt  Treu,  Lieb  und  Einigkeit 

War  jezt  das  Best  bei  dieser  Zeit : 

Wenn  Mund  und  Herz  noch  war  beisammen, 

So  hätten  wir  den  alten  Stammen. 

Obige  Inschriften  -wurden  den  Herausgebern  der  zweiten  Auflage  von  «  Des  Knaben 
VVunderhorn  >»  mitgetheilt  von  Dr.  A.  Lütolf. 


HISTORISCHE  LIEDER. 


Kampf  der  Städte  Bern  und  Biel  mit  dem  Bischof 

von  Basel.     1368. 

s.  Bd.  I,  S.  XXII. 

I.  Nu  hörent  jämerliche  klag, 
die  man  seit  im  lande ; 
im^  möchten  rittcr  und  ouch  knecht 
iemer  wünschen  schände. 


2.  Den  gotes  slüssel  sint  bekant^, 
die  sint  ze  röubern  worden ; 
si  stiften  mort  und  ouch  brant  — 
geschendet  si  ir  orden! 


3 


Der  ein"^  kam  gen  Biel  gerant, 
ir  mögent  in  wol  erkennen : 
bischof  Hindersich*  ist  er's  genant, 
als  in  die  Basler  nennen. 


^  bezieht  sich  auf  den  in  Str.  3  genannten  Bischof.  ^  anvertraut. 
^  einer  von  diesen;  ein  solcher.  *  Rückwärts,  mit  Beziehung  auf 
seinen  Treubruch,  Str.  4,  i — 2. 


HISTORISCHE 

4.  Er  schwur  in  uf  die  trüwe  sin, 

des  ist  er  meineid  worden; 

da  si  in  Hessen  zu  in  in, 
1 

5.  Mortlichen^  stünt  sin  sinn 
gegen  des  bistüms  lüten; 
grafen  und  herren  hatt'  er  da, 
als  ich  üch  wil  betüten. 

6.  Die  warent  gewapnet  weidelich^ 
mit  irem  beino:ewande ; 

was  die  im  rieten  heimlich, 
des  hat  er  iemer  schände. 

7.  Wenn  er  verriet  sin  gebiet, 
si  schrüwen  spöttiglich: 
«Ist  dis  dem  beren  nit  lieb, 
der  ber  der  lebet  nicht^. 

8.  Möchten  wir  in  ze  felde  han, 
das  Sachen  wir  gerne; 

im  wurd  wol  anders  getan 
und  allen  den  von  Berne ! » 

9.  Darumbe  wolt  der  bischof  geben 
wer  der  wolt,  der  näme!  — 
fünfzehentusent  guldin; 

lebte  der  ber,  er  käme^. 


^  Die  fehlende  Zeile  könnte  gelautet  haben  wie  2,  4  (sin  statt  ir) 
oder  das  Reimwort  könnte  morden  gewesen  sein.  ^  mörderisch,  oft 
aber  auch  nur:  verrätherisch.  ^  stattlich.  *  er  regt,  rührt  sich  doch 
nicht;  vgl.  9,  4.  ^  Der  Sinn  dieser  und  der  vorigen  Strophe  ist:  Der 
Bischof  hätte  viel  darum  gegeben,  die  Berner  zum  Kampfe  aufs 
offene  Feld  herauszulocken. 


LIEDER  5 

10.  Das  vernam  der  ruche  her; 
er  sante  so  geschwinde 
nach  dienern  und  eidgnossen, 
ein  keiserlich^  gesinde. 

11.  Er  zoch  dahin  gen  Biele ; 
not  ward  den  herren 

ab  der  bürg  zu  fliehen, 
si  gebeiten^  sin  nit  mere. 

12.  Die  selbe  wol  gelegen  bürg 
die  hat  der  ber  zerbrochen; 

er  lag  zwölf  tag  und  ouch  die  nacht, 
er  het  sich  gern  gerochen. 

13.  Gelegen  was  ir  geschah; 
die  mit  den  langen  gleven^ 
und  mit  dem  beingewande 
die  fluchent*  allesamt. 

14.  Der  ber  der  sucht  dll  umb  sich^, 
hüser  macht  er  türe^; 

si  smucktend'  sich  all  in  die  stett, 
das  kam  von  sinem  füre. 

15.  Das  blies  er  uß  sim  munde; 
die  do  wolten  edel  sin, 

die  warent  alle  verswunden; 
der  ber  für  heim  gesunde. 


^  stattlich.    -  warteten.    ^  Spiessen.     *  flohen.     ^  rings  herum. 
*  selten;  d.  h.  er  zerstörte  viel.    ^  drückten,  bargen. 


6  HISTORISCHE 

i6.  Der  bischof  sant  vil  zorniglich 
nach  sinen  Herren  allen: 
von  Lotringen  der  herzog, 
von  Blankenburg  mit  schalle, 

17.  Von  Tierstein,  von  Viann, 
wol  zwenzig  landesherren, 
die  ich  nit  all  erkant  — 

ir  Orden  ist  geschant. 

18.  Er  klagte  klagelichen: 
«  ab  des  beren  klawen 

wir  band  verloren  bürg  und  lant, 
wir  gewinnen  niemer  rawe^. 

19.  So  die  eidgenossen  sind  enw^eg, 
so  finden  wir  in  alleine 


so  ist  sin  macht  gar  kleine. 

20.  Er  hat  ein  loh^,  ist  mir  geseit, 
das  ist  der  Bremgarte; 

darin  so  wellen  w^ir  des  beren 
mit  viertusend  axen  warten. 

21.  Den  walt  wend  wir  abhouwen; 
es  müeßent  alle  guten  stett 
jamer  an  im  schouwen; 

die  reise  mueß  er  touwen^!» 


^  Ruhe.     ^  Wald;   vg],  21,  i.     ^  er  muß  diesen  Zug  verdauen; 
d.  h.  den  ihm  dadurch  verursachten  Schaden  leiden. 


LIEDER 

22.  Den  herren  ward  der  sold  geben; 
si  füren  frevenlichen^ 

hin  über  den  Howenstein; 
man  sach  vil  mengen  strichen, 

23.  Recht  als  ein  fromen^  man, 
der  bi  drien  milen^ 

gegen  Bern  nie  kam; 
die  roß  in  wurden  lam. 

24.  Ze  Grenchen  und  ze  Bellach 
da  mugent  ir  wunder  schowen: 
von  dannen  stalent  si  sich  nachts 
als  die  kranken  frowen. 

25.  Der  ber  wolt  si  erslichen  han"*; 
daß  si  im  entrunnen, 

das  rüwet  mengen  man ; 
si  waren  an  eren  lam. 

26.  Der  ber  gedacht  in  sinem  müt: 
wend  si  dis  iemer  triben? 

si  zennent^  dich  und  fliend  enweg; 
du  wilt  nit  me  beliben. 

27.  Und  für  all  über  Aar 

und  vor  sant  Martins  klafter^; 
da  w^ard  vil  mengem  swar' 
uf  dem  sloß  und  anderswar^. 


^  tollkühn,  frech.  ^  wacker,  tapfer;  natürlich  ironisch  gemeint. 
^  weiter  als  5  Meilen  ge<^en  oder  von  Bern.  •*  hätte  sie  gern  über- 
fallen, ertappt.  '"  reizen,  locken,  *^  Engpaß  auf  der  Straße  von  Biel 
über  Bözingen  ins  St.  Imer-Thal,  so  genannt,  weil  nach  der  Sage 
der  h.  Martin,  in  Gefahr  über  die  steile  Felswand  hinabzustürzen> 
seine  Arme  betend  Maftenueit  ausflreckte.     ^  schwer.     ^  — wo. 


HISTORISCHE 

28.  In  dem  gerüte  dar  er  kam, 
das  was  so  ser  verfeilet  ^; 

do  rümt  er  mit  den  klawen; 
er  sprach  zu  sinen  gsellen: 

29.  «Wir  koment  uf  den  rechten  plan: 
si  haben  hie  gehüwen, 

die  uns  den  Brems^arten  Heßen  stan; 
es  wil  uns  wol  ergan. » 

30.  Schier^  brach  er  in  sant  Imers  tal, 
da  er  ir  viel  verjaget; 

da  ergreif  er  si  mit  den  klawen, 
da  wurden  sie  verzaget. 

31.  Zu  dem  sloß  do  stund  sin  müt, 
darin  fand  er  si  uffe,^ 

dafür  nam  er  kein  gut. 
(sin  zorniglicher  müt"^.) 

32.  Er  greif  si  figentlichen^  an, 
daß  si  sich  sere  werten, 

mit  pfilen  und  mit  steinen  groß 
den  Sturm  si  beherten*^, 

l^.  Unz'   daß  si  der  ber  bezwang; 
er  slüg  si  all  ze  tode 
mit  sinem  üblen  zand^; 
das  hus  er  schier  verbrant. 


^  verhauen,  durch  Verhaue  ungangbar  gemacht.  ^  bald,  schnell. 
^  Variante:  fand  er  vil  mengen  man.  *  vielleicht:  in  zorniglichem 
müt.  Die  Strophe  ist  aber  jedenfalls  zerrüttet.  '°  feindlich,  erbittert. 
^  beherten:  behaupten,  aushalten.     ''  bis.     ^  Zahn. 


LIEDER 

34.  Der  ber  begonde  wüesten; 
do  er  sich  hat  gerochen, 

das  hus,  den  turn  ze  Taffen^ 
hat  er  beid  zerbrochen. 

35.  Münstertal  hat  er  verbrant, 
Münster  hat  er  gewüestet; 

er  fand  vil  schier  uf  der  wal^ 
die  toten  ane  zaL 

36.  Von  Solotern  die  eidgnossen 
die  sind  dem  beren  getrüwe ; 
si  machtent  da  ze  Grenfeld^ 
der  frowen  jamer  nüwe. 

37.  Man  sach's  den  von  Felsberg  übel  gan^ 
die  paner  man  in  nam; 

Solotern  fürt  s'  mit  im  heim, 
sie  hatten  schon  gefochten. 

38.  Der  bär  zwei  länder  hat  verbrant, 
zwei  turn,  zwei  sloß  zerbrochen, 
lüt  und  gut  gar  vil  geschant 
und  sich  gar  wol  gerochen. 

39.  —     —     —     —     —     — 

wirt  es  nicht  understanden^, 

er  spricht  dem  bischof:  schach! 
matt  ist  im  gar  nach. 


^  Tavannes  oder  DachsfelJen,  im  Münsterthal.  ^  Wahlstatt. 
3  Grandval  oder  Granfelden.  *  Str.  37  beginnt  im  Original  mit  der 
Zeile:  IVan  (denn)  si  erslügen  mengen  man,  was  sich  noch  auf  36,  4 
bezieht,  aber  unnöthig  ist  und  die  Strophe  überladet,  man  wolle  denn 
Zeile  4  weglassen  {schon  =  schön,  rühmlich).  ^  verhindert  (durch 
Dazwischentreten  eines  Dritten,  Vermittlung). 


10  HISTORISCHE 

Das  Lied  ist  leider  mangelhaft  überliefert,  immerhin  bietet  es 
auch  in  der  vorliegenden  Gestalt  treffliche  Stellen  und  im  Ganzen 
mehr  Einheit  der  Form  und  des  Tones  als  das  Lied  (oder  vielmehr, 
wie  Justinger  S.  145  sagt:  die  Lieder)  von  den  Guglern  (Bd.  I, 
S.  XXII,  5),  auf  dessen  Herstellung  man  verzichten  muß.  Ich  habe 
den  obigen  Text  im  Ganzen  übereinstimmend  mit  v.  Liliencron,  doch 
unter  Benutzung  einiger  von  Bartsch  (Germania  XI,  109)  und  G.  Studer 
(Archiv  des  hist. Vereins  von  Bern  Bd.  VI,  S.  258—264)  mitgetheilter 
Lesarten  gegeben.  Dem  Inhalt  nach  weicht  es  betreffend  die  Zeit- 
folge der  von  Str.  16  an  erzählten  Ereignisse  in  bemerkenswerther 
Weise  von  den  Chroniken  ab;  vgl.  v.  Lil.  I,  64.  Studer  a.a.O.  264 — 265. 


Schlacht  bei  Sempach.    1386, 

s.  Bd.  I,  S.  XXIII. 

I. 

1.  Die  niderländschen^  Herren 
die  zugent  ins  oberland. 
wend  si  der  reise  pflegen-, 
si  sönd  sich  baß  bewaren^, 
si  söllent  bicht  verjehen*; 
von  handhaften  Schwyzern^ 
ist  inen  we  beschehen. 

2.  «Wo  ist  nun  der  pfafFe, 
der  uns  bichten  sol?» 

«  Zu  Schwyz  ist  er's  gesessen. 


er  kan  wol  büße  geben : 

mit  scharpfen  hallenbarten 

so  gibt  man  inen  den  segen ! » 


^  bezeichnet  hier  natürlich  nur  das  Gebiet  des  Oberrheins  im 
Gegensatz  zum  Gebirge.  ^  diesen  Zug  unternehmen.  ^  vorsehen, 
ausrüsten.  '^  Beichte  thun.  ^  Lesart  von  W.  Steiner,  statt  oherländschen 
herren  bei  Ruß. 


LIEDER  1 1 


(( Das  ist  ein  scharpfe  büße, 

Herr  pie  domine  ^! 

die  wir  nun  tragen  müeßen; 

das  tut  uns  iemer  \ve. 

wir  müeßent's  iemer  klagen, 

daß  wir  die  Herten  büße 

von  Schwvzern  müeßen  trafen. » 


'ö' 


4.  \^on  Luzern  und  von  Ure, 
von  Schwyz,  von  Underwalden 
vil  menig  gut  biderman 

zu  Sempach  vor  dem  walde, 
do  inen  der  leu  bekam'-^, 
si  waren  hochgemeit^: 
« Herr  leu,  wiltu  hie  fechten, 
es  ist  dir  unverseit.» 

5.  Do  sprach  der  leu  zum  stiere: 
«du  fliegst*  mir  eben  recht; 
ich  han  uf  diser  beiden 

gut  ritter  und  ouch  knecht; 
ich  wil  dich's  wüssen  lan, 
daß  du  mir  hast  vor  Loupen 
ü;ar  vil  ze  leid  £;etan. 

6.  An  dem  Morgarten 
erschlügst  mir  mengen  man; 
ich  wil  dir's  hie  vergelten, 
ob  ich's  gefüegen^  kan.» 

«  So  ruck  harzühar^  baß, 
daß  dich  derselbe  pfaffe 
bichte  dester  baß !  » 


^  guter  Gott!    '^  begegnete,    ^erfreut.    *  kommst  gelegen.    ^  an- 
stellen, dazu  bringen.    ^  herzu. 


12  HISTORISCHE 

7.  Der  leu  begunde  rußen ^ 
und  schmucken  sinen  wadel^. 
do  sprach  der  stier  zum  leuen 
«wöU  wir's  versuchen  aber^, 
so  trit  herzühar  baß, 

daß  dise  grüene  beide 
von  blüt  werde  naß.» 

8.  Si  begonden  z'samen  treten, 
si  griffend's  frölich  an, 

bis  daß  derselbe  leue 

gar  schier"^  die  fluchte  nam; 

er  floch  hin  biß  an  bers: 


t? 


«wo  wiltu,  richer  leue? 


du  bist  nit  eren  wert. 

9.  Wiltu  mir  hie  entwichen 
uf  diser  beide  breit, 
es  stat  dir  lästerlichen^, 
wo  man  es  von  dir  seit, 
es  stat  dir  übel  an; 
du  hast  mir  hie  verlassen*' 
o^ar  meno:en  stolzen  man. 

IG.  Dinen  harnesch  «rüten 
hastu  mir  hie  verlan, 
darzü  zechen  houptpanner, 
si  steckent  uf  disem  plan ; 
es  ist  dir  gar  ein  schand, 
ich  han  dir's  angewunnen 
mit  ritterlicher  band. 


3 


^  schnauben,  brüllen,  "den  Schweif  einziehen.  ^  abermals.   *  bald, 
schimpflich.     ^  zurückgelassen. 


LIEDER  I 

IT.  Die  von  Mümpelgarten 

und  die  von  Ochsenstein  — 
man  muß  ir  lang  erwarten, 
ob  si  koment  heim : 
si  sind  ze  tod  erschlagen, 
zu  Sempach  vor  dem  Walde 
ligent  si  vergraben. 

12.  Martin  Malterer  von  Friburg^ 
mit  sinem  krusen  hart, 
darzü  die  von  Hasenburt:^ 
hieltent  uf  der  fart, 

und  vil  der  Oettinger^ 
und  ander  landesherren, 
den  was  die  reis  zu  schwer. 

13.  Die  von  Bremgarten 
und  die  von  Wintertur 
und  ander  landesherren  — 

den  ward  der  schimpft  zu  sur  — 
von  Brugg  und  ouch  von  Baden : 
ein  kü  mit  irem  schwänze 
hat  ir  vil  erschlagen. » 

14.  Kü  Blüemle  sprach  zum  stiere: 
« ich  muß  dir  iemer  klas:en : 
mich  wolt  ein  schwäbischer  herre 
gemulchen  haben; 

ich  schlug  in,  daß  er  lag, 
ich  [schlug]  in  dannoch  mere, 
daß  im  der  köpf  derbrach^. » 


^  im  Breisgau.  -  Herren  von  Eptingen.  ^  Spaß.  *  hier  (viel- 
leicht nur  Schreibfehler)  für  \er-,  sonst  zuweilen  (aber  nicht  schwei- 
zerisch) für  er-. 


14  HISTORISCHE 

15.  Nun  sprach  der  stier  zum  leuen  : 
« nun  bin  ich  hie  gewesen, 
du  hast  mir  dick^  getröuwet, 
ich  bin  vor  dir  genesen^, 
nun  ker  du  widerumb  heim 
zu  diner  schönen  frowen; 
din  er  sind  warUch  klein ! » 

Obiges  Lied  ist  von  dem  Chronisten  Ruß  mitgetheilt  als  das- 
jenige, welches  «nach  der  Schlacht »  gesungen  wurde,  womit  er  es 
von  einem  andern  zu  unterscheiden  scheint,  welches  erst  später  auf- 
kam. Die  handschriftliche  Sammlung  von  Werner  Steiner  in  Zug, 
aus  dem  Anfang  des  XVL  Jahrhunderts,  gibt  eine  kürzere  Fassung, 
in  welcher  Str.  5—6  und  12 — 15  des  Ruß'schen  Textes  fehlen.  Auch 
dieser  wird  aber  schwerlich  unmittelbar  oder  bald  nach  der  Schlacht 
so  gesungen  worden  sein,  denn  innerhalb  einer  Frist  von  100  Jahren 
bleibt  kein  Volkslied  unverändert.  Das  vorliegende  trägt  mehrere 
Spuren  sekundärer  Gestalt.  Zwar  daß  neben  dem  Bilde  vom  Beichten 
das  von  dem  Gespräch  und  Kampf  der  zwei  Thiere  steht,  möchte 
ich  nicht  so  bestimmt  wie  Herr  v.  Liliencron  (I,  122)  für  jene  An- 
sicht geltend  machen;  denn  das  Bild  vom  Kampf  der  Thiere  war 
■damals  so  beliebt  und  geläufig,  daß  es  sich  in  einem  Volkslied  (dessen 
Stil  ja  nie  nach  dem  der  Kunstdichtung  bemessen  werden  darf)  neben 
das  vom  Beichten  drängen  konnte,  zumal  da  auch  im  Thierepos 
Beichte  (neben  Wallfahrt)  vorkommt.  Die  Satzfügung  in  Str.  4  finde 
ich,  bei  meiner  Interpunktion,  ebenfalls  nicht  anstößig.  Aber  der 
W^ortlaut  im  Einzelnen  ist  mehrfach  mangelhaft  und  verräth  Flick- 
arbeit. Str.  3  enthält  etwas  matte  Wiederholung,  und  nach  Maßgabe 
von  Str.  7,  4  ist  zu  vermuthen,  daß  auch  vor  Str.  6,  5  ein  Bedingungs- 
satz gestanden  habe.  Die  Form  der  Wiedereinführung  des  Beichtens 
in  den  zwei  letzten  Zeilen  dieser  Strophe  ist  allerdings  ungeschickt. 

Immerhin  musste  das  Lied,  weil  es  einmal  aus  relativ  guter 
■Quelle  überliefert  ist  und  jedenfalls  echte  alte  Züge  enthält,  hier 
seine  Stelle  finden ;  daß  es,  obwohl  in  überarbeiteter  und  zerrissener 
Gestalt,  Bestandtheil  des  großen  Liedes  II  geworden  ist,  trägt  nur 
■dazu  bei,  dieses  letztere  um  so  mehr  als  durchgängiges  Flickwerk 
■erkennen  zu  lassen. 


oft.    -  am  Leben  geblieben. 


LIEDER 

II. 

1.  Im  tusend  und  drühundert 
und  sechs  und  achzig  jar 
do  hat  auch  got  besunder 
sin  gnad  getan,  ist  war, 

he,  der  eidgnoschaft,  ich  sag, 
tet  inen  groß  bistand, 
uf  sant  Cirillen  tag. 

2.  Es  kam  ein  herr  gezogen 
von  WilHsouw  uß  der  stat; 
do  kam  ein  imb^  geflogen, 
in  d'  Hnden  er  g'nistet  hat, 
he,  der  im  an'n  wagen  flog^, 
als  do  der  selbig  herre 

wol  für^  die  linden  Z02:. 

3 .  Das  dütet  fremde  geste ! 
so  redt  der  gmeine  man. 
do  sach  man  wie  die  veste 
dahinden  z'  Willisouw  brann. 
he,  si  redtend  uß  Übermut: 

«  die  Schwizer  wend  wir  töten, 
das  jung  und  alte  blüt!» 

4.  Si  zugend  mit  richem  schalle"* 
gen  Sursee  in  die  stat, 
dieselben  herren  alle, 

so  da  die  landschaft  hat. 
«  he,  und  kost  es  lib  und  leben, 
die  Schwizer  wend  wir  zwingen 
und  inen  ein  herren  geben !  » 


^  Bienenschwarm,     '^  Tschudi:   an  's  herzogen  waffen   er  flog. 
•'  an  (der  Linde)  vorbei.    *  mit  lautem  Lärm. 


l6  HISTORISCHE 

5.  Si  fiengend  nun  an  ziehen 
mit  ir  kostliclien  wat^; 

das  völklin  fieng  an  fliehen 
gen  Sempach  in  die  stat, 
he,  das  uf  den  ackern  was; 
den  herzog  sach  man  ziehen 
mit  einem  her,  was  groß. 

6.  Welch  frouwen  si  begriffend^, 
namend  si  zu  der  hand, 
hand  inen  abgeschnitten 

ob  dem  gürtel  ir  gewand. 

he,  und  Heßend  s'  lästerlich^  stan; 

da  batend  s'  got  von  himel, 

er  sött's  nit  une;'rochen  lan^. 

7.  An  einem  mäntag  früe 
do  man  die  mäder  sach 
letzt  müßen^  in  dem  touwe, 
davon  in  we  beschach. 

he,  do  si  gemäjet  hand, 

man  g'lobt^  in  z'  morgenbrote 

vor  Sempach  uf  dem  land. 

8.  Gar  bald  ruft  Hans  von  Küsnacht 
gen  Sempach  in  die  stat: 

« gend  nun  den  mädern  z'  essen, 
denn  si  sind  an  dem  mad; 
he,  das  wend  die  mäder  han, 
und  tünd  ir  das  nit  balde, 
ir  werdind  sin^  schaden  han!» 


^  Kleidung,  Rüstung.  ^  ergriffen,  trafen.  ^  schmählich.  *  hier 
folgen  im  Original  die  Str.  i  —  3  von  I  eingeschoben.  ^  der  Muße 
pflegen,  von  der  Arbeit  ruhen.    ^  versprach.  Tschudi:  bracht.    '  davon. 


LIEDER  17 

9.  Do  antwurt  im  geschwinde 
ein  burger  uß  der  stat: 
«  wir  wend  si  schlan  um  d'  grinde 
gar  schwier  in  irem  mad, 
he,  inen  gen  ein  morgenbrot, 
daß  ritter  und  ouch  knechte 
am  mad  wird  ligen  tot ! » 

IG.  «Wenn  kumt  das  selbig  morgenbrot, 
das  ir  uns  wellend  gen  ? » 
«wann  wir  die  küew  gemelken, 
so  sond  ir's  wol  vernen ; 
he,  wir  wend  üch  richten  an, 
daß  üwer  etwa  menger 
den  löffel  wird  fallen  lan ! » 

1 1 .  Gar  bald  si  das  vernamend 
von  Sempach  uß  der  bürg, 
daß  d'  eidgnossen  kamend. 
do  reit  der  von  Hasenburg, 
he,  er  spähet  in  dem  ban; 
do  sach  er  bi  einandern 
meng  eidgnossen  stan^ 

12.  Er  tet  zum  leger  keren, 
gar  bald  er  zu  in  sprach : 

«  ach,  gnädiger  fürst  und  herre, 
hetend  ir  hüt  üwer  gemach^, 
he,  allein  uf  disen  tag! 
das  völkU  hab  ich  beschouwet, 
si  sind  sar  unverzagt. » 


^  Im  Original  folgt  hier  eine  Strophe,  welche  unter  den  Eid- 
genossen die  Luzerner  hervorhebt  und  dann  auf  den  von  Hasenburg 
zurücklenkt.     -  würdet  ihr  euch  ruhig  verhalten;  vgl.  S.  25,  6. 

II.  2 


l8  HISTORISCHE 

13.  Do  redt  einer  von  Ochsenstein: 
«  Hasenburg  hasenherz  !  » 
im  antwurt  der  von  Hasenburg: 
«  dine  wort  bringend  mir  schmerz ; 
he,  ich  sag  dir  bi  trüwen  min : 


man  sol  noch  hüt  wol  sehen 
wer  der  zeeer  ^  werde  sin !  » 


14.  Si  bundend  uf  ir  hehiie 

und  woltend  s'  fürliin^  tragen; 
vo'n  schüchen  huwend  s'  d'  schnäbel, 
man  het  gefüllt  zwen  wagen, 
he,  der  adel  wolte  vornen  dran, 
die  armen  gmeinen  puren 
mußtend  dahinden  stan. 

15.  Züsamen  si  nun  sprachend : 
(( das  völkU  ist  also  klein ; 
söltind  unser  puren  schlahen, 
unser  lob  das  wurde  klein, 

he,  man  sprach :  die  puren  hand's  getan. » 
die  fromen  eids^enossen 
rüftend  got  im  himel  an: 

16.  «Ach,  richer  Christ  von  himel, 
durch  dinen  herten  tod 

hilf  hüt  uns  armen  sündern 
uß  diser  angst  und  not, 
he,  und  tu  uns  bistan, 
unser  land  und  lüte 
in  schirm  und  schütz  behau!  » 


^  zaghafter,  feiger.     "  vorwärts. 


LIEDER  19 

17.  Do  si  ir  bet  volbrachtend 
sot  zu  lob  und  ouch  zu  eer 
und  gotes  liden  gedachtend, 
sant  inen  got  der  Herr 

he,  strenge^  herz  und  manneskraft 
und^  daß  si  tapfer  kartend^ 
iez  gegen  der  ritterschaft'^. 

18.  Des  adels  her  was  veste 

in  Ordnung  dick  und  breit; 
verdroß  die  fromen  geste; 
ein  Winkelriet  der  seit: 
«he,  wend  ir's  g'nießen^  lan 
min  arme  kind  und  frouwen, 
so  wil  ich  ein  frefel'^  b'stan. 

19.  Trüwen,  lieben  eidgnossen, 
min  leben  verlür  ich  mit; 

si  band  ir  Ordnung  bschlossen, 
wir  mögend's  in  brechen  nit: 
he,  ich  wil  ein  inbruch  han, 
des  wellind  ir  min  geschlechte 
in  ewikeit  g'nießen  lan ! » 

20.  Hiemit  so  tet  er  fassen 

ein  arm  vol  spießen  b'hend, 
den  sinen  macht  er  ein  gassen, 
sin  leben  hat  ein  end ; 


*  stark,  tapfer.  -  so.  ^  kehrten,  sich  wandten.  *  Im  Original 
folgen  hier  die  Strophen  4 — 7  von  I  eingeschoben,  dann  noch  eine 
Strophe  (26)  mit  der  unwahrscheinlichen  Angabe,  man  habe  ;^u  den 
Eidgenossen  in  dm  Wald  hinein  geschossen.  =  entgelten.  ^  ursprüng- 
lich und  noch  hier  nur:  kühne  That. 


20  HISTORISCHE 

he,  er  hat  eins  löuwen  müt, 
sin  tapfer  manlich  sterben 
was  den  vier  waldsteten  gut. 

21.  Also  bestünde  brechen 
des  adels  Ordnung  bald 

mit  houwen  und  mit  stechen, 
o^ot  siner  seien  walt! 
he,  w^o  er  das  nit  het  getan, 
müßt  menger  from  eidgnosse 
sin  leben  verloren  han. 

22.  Si  schlügend  unverdrossen 
und  stachend  mengen  man 

und  rüftend,  die  fromen  eidgnossen, 
einandern  trüHch  an. 
he,  den  löuwen  es  ser  verdroß, 
der  stier  fieng  sich  an  sperren, 
dem  löuw^en  gab  er  ein  stoß^ 

23.  Der  löuw  fieng  an  zu  mauwen^ 
und  treten  hinder  sich^; 

der  stier  starzt*  sine  brawen 
und  gab  dem  löuwen  ein  stich, 
he,  daß  er  gar  kum  entrann: 
«ich  sag  dir,  ruche(r)  löuw^, 
min  weid  müßt  mir  hie  lan !  » 

Auf  Strophe  23  (32)  folgen  im  Original  zunächst  die  Strophen 
8  (im  Anfang  verändert),  15,  9,  10  von  I,  dann  4  Strophen,  welche 
die  Leistungen  der  vier  Waldstätte  in  der  Schlacht  der  Reihe  nach 


^  Hier  folgt  im  Original  eine  (auch  bei  Tschudi  fehlende)  Strophe 
(52),  welche  das  entstandene  Handgemenge  beschreibt.  ^  brüllen. 
^  rückwärts.  ^  Präteritum  von  sterben,  aufrichten.  Brauen  hier  =  Stirn 
(Hörner). 


LIEDER  21 

rühmen,  und  eine  weitere  Strophe  (42),  welche  den  Ausgang  des 
Kampfes  (ähnlich  unserer  Str.  25)  berichtet.  Mit  dieser  Strophe 
bricht  auch,  was  für  die  Kritik  zu  bemerken  ist,  der  Text  des  Liedes 
ab,  den  die  Einsiedler  Handschrift  von  Schodelers  Chronik  enthält. 
In  Str.  45 — 44  wird  der  Tod  des  Herzogs  Leopold  sammt  3  50  Adelichen 
gemeldet.  Dann  wird  (Str.  45  —  50)  erzählt,  wie  der  Schiffmann  Hans 
von  Rot  den  flüchtigen  Herzog  von  Cleve  (bei  Tschudi:  Herr  von 
Grec)  in  den  Sempacher  See  stürzte  und  zum  Lohne  für  diese  That 
die  Hälfte  der  dem  Todten  abgenommenen  Beute  erhielt.  Darauf 
wendet  sich  die  Erzählung  auf  den  Herzog  von  Oestreich  zurück, 
dessen  Gemahlin  die  Nachricht  von  seinem  Tod  empfängt  und  ihn 
in  Königsfelden  begraben  lässt  (Str.  51  —  53).  Sein  Schicksal  wird 
als  Folge  des  Uebermuthes  dargestellt,  womit  er  den  Krieg  gegen 
die  Eidgenossen  angefangen  und  auch  einen  Wagen  voll  Stricke  mit- 
genommen hatte  (Str.  54 — 56).  Es  folgt  eine  Reihe  von  Strophen 
(57 — 65;  Str.  57  =  Str.  1 1  von  I,  die  übrigen  erweitert  aus  I,  12  und  13, 
)8  und  59  nur  bei  Tschudi),  in  welcher  der  Antheil  der  einzelnen 
Städte  an  der  Niederlage  aufgezählt  wird,  wobei  das  Fähnlein  von 
Zofingen  eine  eher  mitleidige  als  rühmende  Erwähnung  findet.  Str.  66 
entspricht  der  Str.  14  von  I ;  den  Schluß  macht  die  viel  besprochene 
Strophe  67: 

Halbsuter  unvergessen, 

also  ist  er  genant, 

zu  Luzern  ist  er  gesessen 

und  was  gar  wol  erkant, 

he,  er  was  ein  biderman : 

dis  lied  hat  er  gemachet, 

als  er  ab  der  schlacht  ist  kan  (gekommen). 
Betreffend  die  letzten  Worte  verweise  ich  auf  Bd.  I,  S.  222.  Ein 
Halbsuter  wird  im  Jahr  1382  als  in  Luzern  wohnhaft  genannt.  Wenn 
die  Worte  «ah  der  Schlacht»  bedeuten  können  «aM5  der  Schlacht », 
so  könnte  jener  Halbsuter  unmittelbar  nach  der  Schlacht,  die  er  mit- 
gemacht hätte,  ein  Lied  von  derselben  verfasst  haben,  welches  aber 
gewiß  nicht  das  ganze  große  Flickwerk  war,  das  ihm  in  der  Schluß- 
strophe zugeschrieben  wird,  sondern  ein  kürzeres,  etwa  von  dem 
Umfang  und  Inhalt  des  in  unserm  Text  gegebenen  oder  von  I,  viel- 
leicht aber  vielmehr  dieses  selbst,  von  dem  Ruß  sagt,  es  sei  nach 
der  Schlacht  gesungen  worden,  während  er  ein  anderes  nicht  zu 
kennen  oder  in  jener  Eigenschaft  anerkennen  zu  wollen  scheint. 
Bedeuten  die  fraglichen  Worte  eine  Gedächtnißfeier  der  Schlacht 


22  HISTORISCHE 

so  müssen  sie  sich  auf  den  Jüngern  Halbsuter  (vielleicht  Nachkomme 
des  altern)  beziehen,  der  ein  ziemlich  angesehener  Bürger  von  Luzern 
war  (vgl.  Bd.  I,  S.  224  und  dazu  die  4.  Zeile  der  Schlußftrophe),  den 
alten  Zürichkrieg  mitmachte  und  erst  nach  1470  starb.  Dieser  Halb- 
suter könnte  aus  älteren  kleineren  Liedern,  die  schon  neben  I  vor- 
handen, aber  weniger  bekannt  sein  mochten,  überdies  aus  Erinnerungen 
von  Zeitgenossen  und  aus  Lokalsngen  von  Sempach  ein  größeres 
Lied  zusammengestellt  haben,  in  welches  auch  die  That  Winkelrieds 
aufgenommen  wurde.  Es  ist  nämlich  bemerkenswerth,  daß  die  in 
Winkelrieds  Worten  vorausgesetzte  Fürsorge  für  Hinterlassene  von 
im  Kriege  gefallenen  Bürgern  in  Luzern  gerade  um  die  Zeit  aufkam, 
in  w^elche  das  Lied  zu  setzen  wäre  und  in  welcher  auch  durch  den 
alten  Zürichkrieg,  den  Thurgauer  und  Waldshuter  Krieg  der  Kampf 
mit  Ocstreich  neu  erweckt  war.  Ob  ein  damals  entstandenes  Lied 
auch  schon  alle  die  Bestandtheile  enthielt,  die  in  unserm  Text  weg- 
gelassen sind,  ist  ungewiß  und  nicht  wahrscheinlich,  da  die  Hand 
eines  spätem  Bearbeiters,  der  ja  jedenfalls  in  der  letzten  Strophe  dem 
Halbsuter  als  « unvergessenen »  ein  Denkmal  gestiftet  haben  muß^ 
auch  andere  Anhänge  hinzugethan  haben  kann.  In  der  vollständigen 
Gestalt  ist  das  Lied  erst  nach  dem  Jahre  1530  bezeugt  und  die  Kritik 
ist  daher  vollkommen  berechtigt,  es  auf  eine  einfachere  zurückzuführen, 
obwohl  diese  niemals  mit  Sicherheit  herzustellen  sein  wird.  Daß 
die  erstere  weder  im  Inhalt  noch  in  der  Form  ein  einheitliches  Werk 
ist,  daß  sie  niemals  so  kann  gesungen  worden  sein  und  auch  heute 
nicht  mit  Genuß  gelesen  werden,  ist  offenbar.  Für  die  Kritik  im 
Einzelnen  muß  ich  auf  die  vortreffliche  Leistung  des  Hrn.v.  Liliencron 
verweisen,  dem  ich  nur  in  der  Ansicht  nicht  beistimmen  kann,  Str.  12 
(16)  des  Liedes  habe  nur  unter  der  Vorausfetzung  Sinn,  daß  die 
Eidgenossen  an  Zahl  überlegen  gewesen  seien,  wie  die  östreichischen 
Berichte  sagen.  Daß  die  Episode  von  dem  Schiffmann  Hans  Rot 
mit  der  von  dem  Fischer  Bachs  in  der  Zürcher  Mordnacht  überein- 
stimmt, ist  leicht  zu  bemerken,  schwerer  zu  entscheiden,  zu  welchem 
von  beiden  Ereignissen  sie  ursprünglich  gehöre;  denn  die  historische 
Priorität  der  Mordnacht  beweist  noch  nichts. 


LIEDER  23 


^ 


Aus  dem  alten  Zürichkriege. 

s.  Bd.  I,  S.  XXVI  und  S.  10. 
I.       1443. 

1.  Woluf,  ich  hör  ein  nüw  gedön, 
der  edel  vogel  sang! 

ich  truw  es  kom  ein  ganze  schön ; 

unweter  hat  sin  gang 

gerichsnet^  uf  der  heide, 

die  blümen  sint  erfroren. 

dem  adel  alls  ze  leide 

hand  puren  zesamen  geschworen. 

2.  Die  wulken  sind  ze  berg  gedruckt, 
das  schafft  der  sunnen  sjlanz: 

den  puren  wirt  ir  gwalt  gezuckt'^, 
das  tut  der  pfawenschwanz^. 
Blüemi^,  laß  din  lüejen^ 
gang  hein,  hab  din  gemach", 
es  gerät ^  die  herren  müejen, 
trink  uß  dem  mülibach! 


Belibest  du  daheima, 

du  hetist  güti  weid, 

dich  betrüepti  nieman 

und  beschäch  dir  nüt  ze  leid! 

Du  gerätst  ze  \vit  ußbrechen, 

das  tut  dem  adel  zorn : 

last  nit  von  dinem  stechen, 

man  schlecht  dich  uf  die  hörn ! 


^  geherrscht.  '^  entrissen.  ^  das  Zeichen  der  östreichischen  Partei. 
^  Kuhname;  vgl.  Kuh  Brüni  im  Sempacher  Liede.  ^  brüllen.  ^  halte 
dich  ruhig.     ^  beginnt. 


24  HISTORISCHE 

4.  Du  hast  ein  fart^  din  schwänz  gereckt 
hin  an  den  Zürichse; 

damit  so  hast  du  si  erschreckt, 

die  Schmach  die  tut  in  we. 

Wer  nun  den  andren  hab  betro2:en? 

ich  reden  als  die  toren^ : 

mich  dunkt,  der  pund  hab  sich  gebogen^, 

den  si  hand  zsamen  geschworen. 

5.  Nun  lügend  zu  üch  selber: 
ze  Zürich,  in  ihver  stat, 

da  lüejend  küe  und  kelber"^, 
wie^  man's  verboten  hat. 
Rütend  uß  den  gründe, 
der  das  unkrut  gebirt! 
ir  gelebend *^  noch  die  stunde, 
daß  es  üch  fröwen  wirt^ 

6.  Die  puren  tribend  wunder, 
ir  Übermut  ist  groß, 
Schwiz  und  Glaris  besunder, 
nieman  ist  ir  o:enoß^. 

Si  tragend  iez  die  kröne 
für  ritter  und  für  knecht ; 
wird  in  nun  der  lone, 
das  ist  nit  wider  recht. 


^  einmal.  -  ich  meine  in  meiner  Einfalt.  ^  im  November  wurden 
zwischen  Zürich  und  den  Eidgenossen  Absagebriefe  gewechselt.  *  es 
gab  in  Zürich  eine  eidgenössische  Partei,  welche  aber  eingeschüchtert 
wurde.  '"  wie  sehr  auch.  ^  erlebt.  '  Statt  dieser  Strophe  hat  Tschudi's 
Text  5  andere,  in  welchen  Zürich  ermuthigt  wird,  den  Kampf  mit 
den  Schwyzern  aufzunehmen.    ^  thut  es  ihnen  gleich. 


LIEDER 

7.  Ich  mein  iez  die  von  Berne : 
tünd  ouch,  als  üch  denn  dunkt! 
uns  zündt  ein  nüwer  Sterne^, 
heiter  ist  sin  funk ; 

Ir  heind  vil  mengen  puren : 
gewunn  es  sinen  gang^, 
si  brächen  üch  durch  die  muren, 
si  sparten  es  nit  lang. 

8.  Basel,  du  macht^  dich  fröwen, 
wan*  dir  wird  schier  din  Ion; 
macht  du  die  spis  nit  töwen^, 
man  git  dir  purgation ; 

die  rumet  dir  din  magen, 
darnach  wirst  du  gesund ! 
man  muß  dir  vil  vertragen^, 
wan  du  bist  in  dem  pund. 

9.  Es  ist  nit  alls  ergangen 
ie,  das  beschechen  sol ; 

die  fromen  gerät  belangen", 
die  falschen  gebeitend**  wol. 
Nun  hin,  es  komet  alles, 
der  nun^  gebeiten  mag; 
nieman  acht'  ir  schalles, 
es  wcndt  ein  halber  tas^*^. 


*  wohl  der  Bund  mit  Oestreich.  '^  wenn  es  so  fort  gienge. 
^  magst.  *  denn.  °  verdauen.  ^  sich  von  dir  gefallen  lassen.  ^  lange 
dünken.  *  warten.  ^  wenn  einer  nur.  ^"  In  3  folgenden  Strophen 
wird  das  zweideutige  Verhalten  der  aargauischen  Städte  gerügt,  da- 
gegen die  Festigkeit  von  Rappersvvyl  und  Winterthur  gerühmt  und 
bestärkt. 


26  HISTORISCHE 

10.  Die  zit  hat  sich  erloufen^, 
die  weit  ist  vil  ze  toub^ : 
man  muß  die  heiden  teufen^, 
so  meret  sich  der  gloub! 
Unrecht  hat  sinen  gange, 

ir  Übermut  ist  groß; 
vertreit  in's  der  adel  lange, 
si  sitzen  im  in  die  schoß. 

1 1 .  Der  künig  erfordref^  ie  sin  lüt 
und  ouch  darzü  sin  land^, 

das  recht  er  für  die  Fürsten  büt^; 

das  tut  den  puren  and'^. 

Ir  Übermut  der  ist  nit  klin, 

wan  das  lit  an  dem  tag: 

«wir  wein  im  rechtes  ghorsam  sin 

nach  unser  pundbrief  sag. 

1.2.  Wan  kämin  wir  für  die  herren, 
so  hetin  wir  uns  erwegen^; 
wir  müestend  w^derkeren, 
daheim  der  küegen^  pflegen; 
unser  herrschaft  wurd  denn  knecht, 
klein  schmal  wurd  unser  gebiet: 
well  der  künig  von  uns  das  recht, 
so  kom  ^en  Beckenried  ^^, 


^  es  hat  lange  genug  gewährt.  ^  man  hat  zu  wenig  darauf  ge- 
achtet. ^  man  muß  diesen  Leuten  einmal  den  Meister  zeigen.  ■*  be- 
gehrt zurück.  °  das  Aargau.  ^  will  es  auf  die  Entscheidung  der 
Fürsten  ankommen  lassen.  ^  Unlust.  ^  unsern  Vortheil  preisgegeben. 
Kühe.      ^*^  dort   hielten    die    Eidgenossen   am   6.  Januar  1445    eine 


Tagsatzung. 


LIEDER  27 


13.  Da  wellen  wir  im  losen!)) 
sprechend  die  melkerknaben ; 

die  knüw  gond  in  durch  d'  hosen, 
graw  rock  sieht  man  si  tragen. 
Ir  w^as  ein  michel  teile, 
beide  jung  und  alt; 
küng,  got  geb  dir  heile, 
wan  si  müegt^  din  gcwalt. 

14.  Si  schlügen  uf  den  sumber^, 
daß  es  im  berg  erhal; 
doch  was  es  in  ein  kumber, 
si  schrüwen  überal: 

« wer  gab  im  den  gewalte, 
daß  er  der  küng  sol  sin? 
daß  sin  der  tüfel  walte ! » 
Die  Fürsten  von  dem  Rin^. 

15.  Fürsten  und  ouch  heren 
beruft  er  umb  das  recht; 
zu  im  so  sollent  keren 
ritter  und  ouch  knecht; 
und  wer  von  fromkeit  sije, 
der  gang  mit  fröuden  dran : 
«Hie  Oestrich!))  ist  die  krije^, 
das  rufend  frow  und  man. 

16.  Wer  unrecht  welle  temmen, 
dem  rat  ich  zu  dem  schimpft; 
wend  ir  es  recht  bekennen^, 
so  heind  ir  guten  glimpf^. 


^  bemüht.     ^  Pauke.     ^  König  Friedrich  verdankte  seine  Wahl 
hauptsächlich   den   vier   rheinischen  Kurfürsten.     Auf  diese  Strophe 
olgen  zwei,  welche  den  gewählten  König  preisen,    *  Kriegsgeschrei. 
'"  Spiel.    ^  erkennen.     ^  Recht. 


28  HISTORISCHE 

Nu  werend  bi  zit,  ir  fromen, 
der  puren  Unvernunft; 
wan  wend  ir's  nit  verkomen\ 
es  wirt  ein  große  zunft! 

17.  Ir  sönd  üch  baß  bewaren-, 
denn  bißher  sii?  beschechen; 
wend  ir's  an  einander  sparen 
und  durch  die  finster  sechen, 
SO  ist  die  o^erst  2:etröschen, 
daß  man  üch  nüt  bekent^ : 
wend  ir  das  für  nüt  löschen, 
e  ob"*  es  üch  enbrent? 

18.  Es  sigend  stet  oder  puren, 
klein  ist  der  underscheid, 
es  teil  ein  wenio^  muren^, 
es  ist  in  allen  leid^; 

si  wären  selb  orern  heren 
und  sind  im "  doch  ze  OTob ; 
küng,  du  solt  in's  weren, 
so  meret  sich  din  lob. 

19.  Wan  es  hört  dinem  adel 
und  diner  herschaft  zu. 
Erschütt  den  pfawenwadel, 
es  win  in  noch  ze  frü. 

Man  muß  das  unfich'^  stöuben, 
so  behbt  das  essen  rein; 
mit  plifen  und  mit  töuben^ 
füert  man  die  brüte  hein. 


^  verhindern.  -  sollt  euch  besser  in  Acht  nehmen.  ^  so  daß 
man  von  euch  nichts  wissen  will.  *  jetzt  zusammeno^ezogen  eh,  ehe. 
^  ob  ein  wenig  Mauer  dazwischen  sei.  ®  sie  müssen  es  alle  büßen. 
^  dazu.    8  Ungeziefer.    ^  blasen. 


LIEDER  29 


20.  Nun  helfe  ^ot  dem  rechten 
mit  Schild  und  ouch  mit  sper; 
wan  gat  es  an  ein  fechten, 

es  kumt  noch  man^jer  her, 
der  umb  grechtikeit  lichtet, 
man  iindt  noch  biderb  lüt: 
wirt  es  nüt  änderst  gerichtet  \ 
si  wao^end  har  und  hüt-. 

21.  Der  dises  Uedli  hat  gemacht, 
der  ist  von  Isenhofen^; 

die  puren  hatten  sin  kein  acht, 

wan  er  saß  hinter  dem  ofen. 

Er  loset  irem  rate 

und  was  si  weltin  triben, 

an  einem  abend  spate ; 

er  hat's  nüt  müt*  z'  verschwisen. 


'ö' 


22.  Früe  an  einem  morcjen 
hüb  er  sich  dannen  bald; 
er  luff  dahin  mit  sorgen 
oben  durch  den  wald. 
Do  er  kam  uf  die  beide, 
in  ducht,  im  war  gelungen. 
Den  fromen  nüt  ze  leide 
hat  er  diß  lied  2:esuno:en. 


^  geschlichtet.  ^  Es  folgt  noch  eine  Strophe,  welche  zu  den 
Unthaten  der  Bauern  auch  den  Tod  des  Herzogs  Leopold  bei  Sempach 
in  Erinnerung  bringt.  ^  Tschudi  nennt  den  Dichter  «der  Isenhofer 
von  Waldshut».  An  einer  andern  Stelle  nennt  er  einen  Isenhofer 
als  östreichischen  Vogt  in  der  Feste  Freudenberg.    ^  gedenkt  es  nicht. 


-> 


0  HISTORISCHE 

II.      1443. 

1.  Xu  wellen  wir  aber  heben  an 
singen  als  ich's  vernomen  han, 
wie  es  ist  ergangen 

in  der  reis^  ze  Loufemberg; 
des  seit  man  nieman  schänden. 

2.  An  einem  samstag  das  beschach, 
daß  man  die  von  Bern  ziehen  sach 
zu  Keisten  under  der  Halden ; 

das  Sachen  burger  ze  Loufemberg, 
si  woltent  ere  behalten. 

3.  Si  zugent  gan  Loufemberg  in  die  reben; 
da  verlor  menger  man  sin  leben, 

der  do  wart  2:eschossen 

mit  denen  büchsen  von  Loufembers; 

das  hat  si  ser  verdrossen. 

4.  Basel  und  Bern  und  all  ir  eidgnossen 
die  brachtent  einen  orroßen^ 

grus  mit  gruwelichen  büchsen; 
die  richtent  si  vor  Loufemberg 
und  machtent  ein  e^roß  ^estübe^. 

5.  Drig  und  siebenzig  und  zwei  stein, 
einer  groß,  der  ander  klein, 

als  si  es  do  band  g'schossen 
zu  den  muren  ze  Loufemberg; 
des  sint  si*  noch  unerschrocken. 


^  Feldzug  nach.    -  Das  Original  hat :  grusen.    ^  Staubaufwerfen. 


^  die  Laufenburger. 


LIEDER  3 1 

6.  Si  schußend  zü^  dem  pfawenschwanz ; 
im  stand  sin  fedren  noch  alle  ganz, 
er  spricht  uf  sinen  trüwen : 

das  loch,  das  si  gemachet  hant, 
si  müeßent  machen  nüwen-. 

7.  Si  schußend  darzü  mengen  tag, 

bis  der  pfaw  den  hären  fangen  nam^, 
er  zoch  hinder  sin  muren; 
der  bär  sach  ruwenkHch*  hinus, 
im  grimmet^  von  herzen  truren. 

8.  Do  er  hieng  nebent  dem  sprachhus^, 
er  sach  gar  ellenklich^  harus: 

nu  helfen,  von  Bern  ir  herren,  — 
wand^  ich  was  ein  burger  zu  Bern  — 
daß  wir  's  leben  nüt  verlieren! 

9.  Der^  von  Basel  ich  nüt  verschwigen: 
dieselben  schußent  in  die  bilden  ^^, 
drü  hüser  hant  si  zerschossen 

und  eim  ein  tumen  uß  dem  lid; 
das  hat  Clewi^^  Schutz  verdrossen. 

IG.  Und  ist  das  nit  ein  großi  not? 

der  von  Loufemberg  ist  ein  kätzli  tot; 
das  hant  si  inen  erschossen; 
si  richtend  ein  groß  buchsen  daran ; 
das  hat  die  ander  kätzli  verdrossen. 


^  nach;  ebenso  7,  i.  -  von  neuem;  weil  es  nicht  groß  genug 
oder  schon  wieder  ausgefüllt  ist.  ^  Es  scheint,  daß  die  Laufenburger 
bei  einem  Ausfall  Berner  gefangen  nahmen.  *  (reiäglich)  traurig. 
'°  er  fühlte  grimmigen  Schmerz.  ^  Abtritt.  '  elendiglich.  ^  denn. 
^  derer;  ebenso   10,  2.     ^^  Steinschleuder,  Wurfmaschine.     '*  Klaus. 


32  HISTORISCHE 

11.  Der  schütz^  der  beschach  umb  mittennacht, 
das  kätzli  kont  sich  nit  haben  acht; 

und  hette  geschinen  d'  sunnen, 
als  es  tut  umb  mittentag, 
das  kätzli  war  wol  entrunnen! 

12.  Si  hattend  angeleit  einen  stürm; 
do  forchtend  si  den  großen  wurm 
ze  Loufemberg  in  dem  graben; 

si  tratend  alle  hinder  sich^, 
dieselben  Schwizerknaben. 

13.  Arow,  Zofingen  kent  man  wol; 
si  hant  getan,  als^  man  denn  sol 
in  den  offnen  kriegen : 
herlich^  hant  si  abgeseit 

mit  iren  absagbriefen. 

14.  Der  brief  kam  für  den  houptmann, 
als  ich's  vernomen  han ; 

darumb  lobt  man  ir  frommen^; 
band  das  ander  stett  getan, 
das  han  wir  nie  vernommen. 

15.  Von  Sanen  und  von  Siebental 
die  hattend  mengen  groben  man, 

die  kommen^  die  boum  wol  schinten, 
do  hant  si  ir  manheit  verbracht, 
in  mocht  nüt  baß  geHnsen^. 


ö 


16.  Wöllent  ir  hören,  was  ich  in  raten  wil 
si  sönt^  2:an  heim  schießen  zu  dem  zil 


^  Schuß.  ^  wichen  zurück.  ^  wie.  ^  förmHch,  ehdich.  °  ihr 
Thun,  Verfahren.  ^  vielleicht  hinnen,  können.  ^  sie  vermochten 
nichts  Besseres  auszurichten.    ^  sollen. 


LIEDER  3  3 

und  sönt  sich  des  bedenken  — 

der  küns:  zücht  wider  in  das  kind  — 

was  si  im  wellent  schenken. 

17.  An  dem  zisuig  wart  gemacht  der  frid, 
es  sol  nieman  tun  darwid^, 

weder  rüsten  noch  sich  stärken ; 
ist  der  frid  also  gehalten, 
das  mostend  ir  wol  merken. 

18.  Do  es  wart  in  der  finster  nacht, 
si  wanent-,  ir  nem  niemand  acht, 
si  rüsten  an  den  gießen^; 

si  woltend  darvon  nit  lan, 
man  müst  si  zwen"*  erschießen. 

19.  Schwarzwald,  got  geh  dir  glück  und  heil! 
das  wünsch  ich  dir  zu  minem  teil 

und  ouch  mit  tranzen  truwen''. 
Füerent  holz  und  wellen"  zu: 
wir  wein'   die  löcher  verbuwen. 

20.  Der  uns  das  liedli  gemachet  hat, 
Hans  von  Anwil^  ist  er  genant; 
er  hat  ein  gut  gedingen''. 

Wer  das  liedli  leren  wil, 
der  sol  mit  fröuden  sin2;en. 

Das  in  der  Sammluns:  v.  Liliencron's  noch  fehlende  Lied  ist  aus 
einer  Freiburger  Handschrift  mitgetheilt  von  Herrn  Staatsarchivar 
Schnemvlv. 


^  dem  Frieden  zuwider.  ^  wähnten.  ^  Stromschnellen.  *  zwei 
von  ihnen?  In  zwei  folgenden  Strophen  wird  der  Adel  der  Um- 
gegend und  die  Bürgerschaft  von  Waldshut  für  ihre  Laufenburg 
geleistete  Hülfe  gepriesen.  '"  Treuen.  ®  Reisigbündel.  ^  wollen.  ^  im 
Thurgau.     ''  Zuversicht. 

II.  .3 


34  HISTORISCHE 


III.       1444. 


1.  Die  Schwizer^  sind  ußzogen 
gen  Zürich  in  die  ern^ ; 

den  Ion,  den  si  verdienet  hand, 

den  wil  man  in  gen  gern. 

2.  Si  liand  geschniten  haber  und  körn 
vil  mengem  biderman ; 

si  lagen  zeiien  wuchen  vor  der  stat, 
mit  schänden  zuejend  s'  darvon. 

3.  Si  hand  gestürmet  an  die  stat, 
des  hand  si  nit  s^enossen^: 

wir  hand  der  rußigen  puren  vil 
erschla2:en  und  erschossen. 

4.  Nun  tröste  got  der  unsern  sei, 
für  d'  Schwizer  sol  nieman  bitten ; 
weit  gott  si  schwebtind  in  der  hell 
und  hetind  ouch  den  ritten^! 

5.  Si  zugend  gen  Basel  für  die  stat 
mit  fröuden  und  großem  schallen ; 
der  Delphin  si  empfangen  hat, 

es  kond  in  nit  ijefallen ! 


^  hier  natürlich  noch  in  dem  engern  Sinn  des  damaligen  Partei- 
verhältnisses. "^  Ernte,  eigentlich  und  bildlich  wie  die  Mäder  im 
Sempacher  Lied  II,  7—9.  ^''  davon  haben  sie  keinen  Gewinn  gehabt. 
"*  das  Fieber;  oft  in  Verwünschungen. 


LIEDER  35 

6.  Der  Xetstaler^  der  wollt  ritter  werden 
an  dem  edlen  blüt-, 

er  trüg  zwei  wiße  krüz  von  perlen 
und  het  ze  striten  müt. 

7.  Darumb  ist  er  ze  tod  erschlagen 
ze  Basel  uf  der  heid; 
under'm  galgen  lit  er  vergraben, 
das  ist  den  Schwizern  leid. 

8.  Bi  im  lit  nienger  rußiger  pur 
under'm  galgen  begraben^; 

das  band  s'  verdient  am  kilchenbrennen, 
dieselben  Schwizerknaben ! 

9.  Vor  Farnsberg  hüb  sich  großer  strit, 
der  wäret  wol  zehen  stunden, 

von  früe  biß  an  die  vesperzit; 
band  d'  Schwizer  wol  empfunden  I 

IG.  Der  Seiler  von  Zug"^  was  ouch  daran, 
Zürich  wolt  er  gewinnen; 
der  sold  ward  im  ze  Basel  bar, 
des  ist  er  wol  worden  innen! 

II.  Nun  losend,  ir  Schwizer  jung  und  alt: 
es  kost  üch  üwer  leben, 
daß  ir  dem  fürsten  von  Oesterrich 
sin  land  nit  wider  wend  creben. 


^  Rudolf  Netstaller,  Hauptmann  des  Glarner  Zuzu£,^s.  -  im  Kampfe 
gegen  den  östreichischen  Adel  und  neue  Ritter  wie  Stüßi  in  Zürich; 
vgl.  Bd.  I,  S.  13.  ^  widerspricht  der  Thatsache,  daß  die  bei  St.  Jakob 
an  der  Birs  gefallenen  Eidgenossen  von  den  Baslern  ehrlich  begraben 
■wurden.    *  Hauptmann   der  von  Zürich  abgezogenen  Zuger  Schaar. 


^6  HISTORISCHE 

12.  Die  Schwizer  kriegend  wider  recht  ; 
das  band  s'  von  einer  falschen  zungen, 
die  der  ammann  Reding  treit: 
wert  got  er  war  verbrunnen! 

Ob  das  Lied  von  einem  Zürcher  verfasst  ist,  mag  unausgemacht 
bleiben;  die  darin  bezeugte  Personenkenntniß  spricht  dafür.  Es  athmet 
starken  Parteihaß,  durfte  aber  als  Gegenstück  zu  dem  in  Bd.  I,  S.  lo 
mitgetheilten  Lied  von  schwyzerischer  Seite  eine  Stelle  finden,  zu- 
mal da  es  im  Uebrigen  gut  gehalten  und  auch  so  überliefert  ist  (von 
Tschudi). 


IV.    1446. 

1.  Gen  disem  werden  sumer 
so  wil  ich's  heben  an, 

ein  nüwes  lied  ze  singen  — 

ir  söllent's  wol  verstan  — 

alls  von  der  fromen  eidgnoßlchaft ; 

ir  lob  ist  wit  und  breit; 

das  tut  den  crroßen  herren  zorn 

und  ist  den  rütern  leid^ 

2.  Ze  Wallistat  an  der  letzi 
da  w^as  der  anefang, 

ze  Meienfeld  vor  dem  stetli^ 
da  inen  gar  wol  gelang. 
Die  lieben  eidgenossen 
sind  wol  der  manheit  ein  kern, 
ir  lob  das  wil  ich  meren 
und  tün's  von  herzen  gern. 


^  7  folgende  Strophen  erzählen  rückblickend  den  bisherigen  Ver- 
lauf des  Streites :  den  Abfall  der  Zürcher  vom  Bund,  die  Friedens- 
bemühungen des  Pfalzgrafen,  die  Verheerungen  der  Feinde,  die 
Tapferkeit  der  Eidgenossen. 


LIEDER  37 


In  dem  Oberlande 

was  üwer  größte  not, 

daß  ir  umb  üwer  bar  gelte 

nüt  fundent  ze  koufen  brot. 

Do  sprach  sich  menig  biderb  man 

« got  muß  es  geklaget  sin, 

daß  wir  in  disem  lande 

von  hunger  so  lident  pin!  » 

4.  An  einer  alten  fasnacht  früe 
do  was  in  kund  geton, 

wie  daß  sechstusend  rüter 
gen  Ragatz  wärind  kon. 
Die  biderben  eidgenossen 
sumptend  sich  nit  lang, 
gen  Ragatz  iltend  s'  balde 
und  woltend  s'  grifen  an. 

5.  Ze  Ragatz  vor  dem  dorfe 
da  was  der  größte  stoß ; 
ir  fromen  eidgenossen, 
üwer  fröude  die  was  groß. 
On  alles  hindersichscchen 
giengend  si  frölich  dran ; 

die  reine  magt,  die  got  gebar, 
die  well  si  niemer  verlan! 

6.  Do  ir  an  ein  fechten  kamend, 
do  schlügend  ir  frölich  dran ; 
die  herren  gerietend  wichen 
und  fluchend  bald  darvan ; 

ze  fliechen  was  in  gache^, 
hin  heim  stund  inen  der  sin; 


*  hatten  sie  Eile. 


38  HISTORISCHE 

d'  Eidmiossen  schlu2;end  ir  vil  ze  tod 
und  jagtend  s'  in  den  Rin^ 

7.  Von  Brandis  du  untrüwer  man, 
was  hast  du  o:eton? 

du  warist  zu  Bern  ein  bumer  — 
das  han  ich  wol  vernon  — 
und  liatest  ein  eid  2:esworen 
zu  den  herren  von  Bern : 
den  Ion,  den  du  verdienet  hast, 
den  sol  man  dir  sieben  o:ern. 

8.  Der  Ion  der  ist  dir  worden, 
als  ich's  vernomen  han; 
darnach  best  du  geworben, 
du  woltist  nit  müeßis:  ejan ; 
des  bist  wol  innen  worden 
von  der  eidgnossen  band : 

si  band  dich  2:'lert  ein  orden 
ze  Ra2:atz  im  Oberland ! 

9.  Junkher  Hans  von  Rechberg, 
du  hatist's  wol  bedacht, 

daß  du  den  tromen  eidg^nossen 
spise  hatist  gebracht- 
gen  Ragatz  in  das  dorfe, 
brot,  darzü  klaren  win : 
das  wart  den  eid2:enossen, 
selig  müeßint  s'  ewig  sin^! 


eine  folgende  Strophe  beschreibt  die  Siegesfreude  der  Eid- 
genossen. ^  es  wurden  Proviantwagen  erbeutet.  ^  5  folgende  Stropheni 
preisen  als  Theilhaber  am  Siege :  Schw\'z,  Giarus,  Uri,  Unterwalden^ 
Zug,  Bern  und  Solothurn. 


LIEDER  39 


10.  Die  reine  magt,  die  got  gebar, 
die  sollend  wir  rufen  an, 

und  ouch  ir  liebes  kindii, 
daß  si  uns  wellind  bigestan, 
und  alle  gottes  beigen  \ 
wie  die  genennet  sin ; 
der  gute  herr  sant  Fridlin 
well  unser  scbirniscbild  sin ! 

11.  Der  uns  diß  lied  gemacbet  bat, 
den  wil  icb  ücb  tun  bekant: 
zu  Luzern  ein  gut  gselle, 
Hans  Ower  ist  cr's  genant; 

er  singt's  mit  frigeni  mute, 
wo  er  ist  in  dem  land. 
Gott  well  die  eidgenossen 
bebüeten  vor  laster  und  scband. 


Zwist  des  Abtes  von  St.  Gallen  mit  der  Bürgerschaft. 

1451- 

s.  Bd.  I,  S.  XXVI. 

I.  Abt  Kaspar  von  sant  Gallen, 
geborn  im  Turbenthal  — 
wem  kann  es  w^ol  gefallen  ?  — 
er  büt  das  gotshus  fal-; 
er  wolt's  nacb  lanjj  vertuschet  han 
dem  abt  von  Petershusen, 
da  wolt  derselb  nit  dran. 


'  Heiligen.    ^  feil,  nach  der  Mundart  jener  Gegend. 


40  HISTORISCHE 

2.  Er  hat  versetzt  die  inflen^, 
das  doch  nit  zimlich^  ist; 
dabi  man  mag  begrifen 
sin  bösen  argen  Ust. 

das  gotshus  wirt  sin  küm  ergetzt^, 
und  ist  im,  als*  ich  mein, 
der  Stab  ist  och  versetzt. 

3.  Er  meint,  er  well  uns  erben"', 
davor  grot  trülich  si ! 

wir  wend  in  e  verderben, 
und  wärind  siner  dri. 
er  wil's  da  vorne  heben  an^, 
darum be  unser  vordem 
verlorn  band  mangen  man. 

4.  Er  meint,  wir  sölnt  ihm  schweren, 
als  ander  eigen  lüt; 

des  wTnd  wir  uns  erweren, 
und  solt's  uns  kosten  d'  hüt! 
er  het  desfelben  wol  emborn*; 
er  hat  das  selb  gesechen, 
daß  wir  dem  rieh  band  gschworn. 

3.  Er  stund  dem  küng  zer  siten, 
do  man  schwur  an  das  rieh; 
der  küng  wolt  mornent^  riten; 
der  abt  tet  nie  des  dich. 


^  Infel,  Bischofshut.  -  geziemend.  ^  für  diesen  Verlust  entschädigt. 
*  verhält  es  sich  wie  — .  '"  durch  Erbschaftsfteuern  und  -Abgaben 
ausfaugen.  ^  er  will  den  Streit  wieder  mit  dem  anfangen,  wogegen 
schon  unsere  Vorfahren  gekämpft  haben,  ^entbehrt;  er  hätte  wohl- 
gethan  das  zu  unterlassen.    ^  am  nächsten  Morgen. 


LIEDER  41 


als   ob  wir  warnt  sin  eigen  gsin; 
so^  het  er  billich  gesproclien : 
lat  üwer  schweren  sin ! 


6.  Er  wirbt  an  d'  eidgenossen 
iez  umb  ein  nüwen  pund; 

ich  getrüw,  er  leg  ein  bloßen^, 
er  redt  uß  falschem  ^rund. 
nend  si  in  an,  so  sind  si  tumb : 
er  gab  ein  guldin  z'  betenbrot^, 
do  si  z'  Basel"*  kamend  um. 

7.  Wend  ir  aber  hören 
naü:elnüwe  mär: 

der  fürst  hat  nienen  haber, 
die  kästen  die  sind  lär; 
da  wolt  er  leisten  einen  tag-'', 
daruf  wolt  er  betrachten, 
daß  er  och  füter  hab. 


8.  Er  schickt  zwen  iirade  recken 
hinab  zum  heil2;en  i^eist 
mit  zweien  langen  secken, 
daß  man  im  füter  leist^; 
der  heiUg  geist  hat  füters  gnüg; 
do  sprachent  die  ußern  meister, 
es  wäre  nit  ir  füg*. 


^  sonst.  -  Schande  einlegen;  vgl.  Bd.  I,  S.  11,  4.  ^  =  botenbrot, 
Lohn  für  (erwünschte)  Nachricht.  ^  bei  St.  Jakob  an  der  Birs.  ^  eine 
Versammlung  halten.     '^  liefere,  als  Abgabe.     '   ihre  Pflicht. 


42  HISTORISCHE 

9.  Er  hat  es  überschlagen^^ 
vil  witer  denn  man  meint; 
man  solt's  im  nit  vertraj^en ; 
plib  er  in  sim  convent, 
hülf  singen  meß  und  ander  zit, 
es  war  dem   orotshus  wäger^, 
denn  daß  er  z'  tacre  rit^. 

10.  Mit  fünf  und  zweinzig  pferden 
ist  er  2;en  Luzern  kon ; 

man  sieht  an  sinen   oreberden, 
er  hat  doch  not  darvon"^, 
unz  das  gotshus  nüt  me  hat; 
es  git  im  lützel  z'  schaffen -^ 
ob  der  convent  zer2:at. 

11.  Si  sind  darob  oresessen 
länger  denn  man  meint; 
si  band  das  ußs^emessen, 
der  abt  und  sin  convent, 

wie  si  uns  brächtind  von  dem  rieh, 
das'or  uns  0:0t  behüete 
und  kaiser  Friderich! 

12.  Das  lied  das  ist  i^emessen 
in  einem  schlechten*^  sinn 
ob  einem  mor^enessen, 
si'   trunkent  ^iaten  win. 

mich  wundert,  wer  das  hab  erdacht: 
si  sprechent,  Johannes  Pruner 
hab  es  von  Costanz  bracht. 


^  ausgedacht.  -  besser.   ^  Bezug  auf  7,  5.  -^er  wird  nicht  ruhen  (?)• 
wenig  zu  sorgen.    ^  schlichten.    ^  die  Verfasser   des  Liedes. 


LIEDER  43 

13.  Wär's  zu  sant  Gallen  gedichtet, 
das  brächt  uns  ungeUmpf; 
sunst,  wenn  es  wirt  verrichtet  \ 
so  züclit  man's  in  ein  schimpt  ^ ; 
so  wirt  uns  eins  zum  andern  g'schätzt^: 
band  wir  hie  nidnen^  g'sungen, 
si^  band  da  obnen  "'schwätzt! 

Der  überlieferte  Text  des  Liedes  hat  zwischen  Str.  11  und  12 
noch  eine,  welche  aber  wesentlich  nur  Str.  6  wiederholt  und  darum 
weggelassen  ist;  sie  ist  wahrscheinlich,  wie  vielleicht  auch  Str.  13, 
erst  etwas  später  zugesetzt,  nachdem  der  Abt  in  das  Landrecht  der 
Eidofenossen  aufecnommen  und  sein  Zwist  mit  der  Stadt  einem 
Schiedspruch  von  Bern  übergeben  war. 

Das  Lied  betrifft  zwar  kein  hochwichtiges  Ereigniß,  ist  aber  in 
seiner  Art  eines  der  besten,  die  wir  überhaupt  besitzen !  Daß  es  in 
St.  Gallen  selbst  entstand,  ist  wohl  trotz  Str.  12,  6—7  unzweifelhaft 
und  nur  um  so  ergötzlicher. 


Zug  in's  Sundgau  (Mülhauser  Krieg).     1468. 

s.  BJ.  I,  S.  XXVII. 

I .  Ein  liedH  wil  ich  heben  an : 
wilde  mär''  han  ich  vernan, 
und  wil  man's  d'  eidgnossen  nit  erlan, 
so  müßtend  s'  aber  in  d'  wite  kan'; 
da  müßtend  si  stechen  und  schlau, 
das  man  frilich  kan  wol  verstau, 
bumperlibum  aberdran  heiahan ! 

^  wenn  der  Zwist  geschlichtet  wird.  "  Scherz.  ^  eins  gegen  das 
andere  gerechnet.  •*  unten,  in  der  Trinkstube  oder  auf  der  Gasse. 
^  der  Abt  und  sein  Convent  in  ihrer  Berathung  Str.  11,  i— 4-  ^  selt- 
same Nachricht.  '  vgl.  Str.  3,  3—4.  Der  östreichische  Adel  jener 
Gegend  hatte  die  Eidgenossen  wiederholt  aufgefordert,  sie  sollten 
einmal  aus  ihren  Bergen  in's  Flachland  herauskommen.  Vgl.  Srr.  14, 3. 
17,  6.   19,  5. 


44  HISTORISCHE 

2.  Es  wütend^  drü  füli  durch  einen  bach, 
hüpscher  füli  icli  nie  gesach; 
der  vorderst  schwamm  dem  hindersten  nach, 
es  schuf,  daß  inen  was  worden  gach^. 
heben  eidgnossen,  wir  aber  tünd  in  schach^, 
wir  sönd  nit  vers^essen  diser  schmach! 
bumperhbum  u.  s.  w. 


-> 


Si  wend  nit  glouben  an  uns  han; 

nun  land  s'  uns  fröhch  grifen  an; 

si  wellend  uns  sin  nit  erlan, 

si  jehend  wir  dörfind  nit  ußer  kan ; 

wir  müßend  s'  ein  fart"^  an  d'  grind  schlan, 

das  hätend  unser  vordem  zithch  tan. 

bumperhbum  u.  s.  w. 

4.  Zu  Golpach^  lit  ein  breiter  steg, 
woluf,  gevatter,  wir  müend  enweg! 
ir  von  Weggen,  nun  sind  nit  trag, 
nun  merkend  uf,  was  ich  üch  säg! 

und  wenn  's  fändh  von  Trachsen  bi  uns  lag, 
so  schuchend^  wir  weder  wind  noch  reg. 
bumperhbum  u.  s.  w. 

5.  Wol  naher',  die  von  Sumiswald, 
köd  ußher^  ab  der  undern  bald, 
von  Frütingen  köd  jung  und  alt! 


^  wateten.  Es  scheint,  daß  drei  Ritter  einen  Streifzug  über  den 
Rhein  gemacht  hatten,  von  dem  sie  bei  Annäherung  der  Schweizer 
eilig  zurückkehrten.  -  Die  Ursache  war,  daß  sie  hatten  eilen  müssen. 
^  wir  bieten  ihnen  abermals  Schach,  greifen  sie  wieder  an.  *  einmal. 
^  Goldbach,  im  Emmenthal,  wie  noch  mehrere  der  nachher  genannten 
Ortschaften;  Trachsen  wohl  Trachselwald.  ®  würden  scheuen,  '  näher, 
herbei.     ®  kommt  heraus. 


LIEDER  45 

es  hat  iez  g'wunnen  ein  solche  gstalt, 
im  winter  ist  es  gwisslich  kalt, 
lieben  eidgnossen,  drum  ilend  bald! 
bumperlibum  u.  s.  w. 

6.  Wol  naher,  die  von  Dürenrot, 

und  bringend  uns  naher  win  und  brot, 
daß  wir  nit  werdind  hun^ers  tot ! 
ziehnd  frischlich  mit  dem  panner  rot, 
ja  bi  dem  wend  wir  [stan  in  not]^ 
und  bliben  lebend  oder  tot. 
bumperlibum  u.  s.  \v. 

7.  Wol  naher,  die  von  Sanen, 
die  fressind  hüener  und  hanen, 

sind  s'  nit  g'soten,  so  müend  s'  dran  zanen'^. 
biderben  eidgnossen,  wir  wend  üch  manen, 
daß  ir  kömind  under  unser  tanen, 
so  wend  wir  trostlich  mit  üch  voran ^. 
bumperlibum  u.  s.  w. 

8.  Wol  naher,  die  von  Undersibental, 

die  tragend  halparten  breit  und  schmal; 
was  si  treffend,  das  fallt  ze  tal, 
mensier  nimt  von  inen  ein  tall. 
wol  ußher  uß  den  ländern  überall, 
ir  von  stetten,  ziehnd  dran  mit  schall ! 
buniüerlibum  u.  s.  w. 

9.  Do  zugend  wir  über  den  Houwenstein  ab, 
menor  breiter  vierschröti2:er  Schwizerknab ; 


^  die  ein2:eklammerten  Worte   fehlen   in   der  Handschrift,    sind 
aber  ziemlich  sicher  zu  vermuthen.    ^  kauen,  nagen.    ^  der  Reim  ver- 


langt voranen. 


46  HISTORISCHE 

menger  hat  im  seckel  lützel  liab, 
hat  er  vil,  er  kam  sin  wol  ab! 
trüg  uf  der  achsel  ein  breiten  stab, 
damit  ein  ieder  2;üt  werschaft  2:ab. 
bumperlibum  u.  s.  \v. 

10.  Da  kamend  wir  sen  Liechstal  hin, 
darnach  stund  uns  gen  Basel  der  sinn ; 
wir  meintend,  wir  wettind  all  hinin, 
do  müßt  der  merteil  hie  ußen  sin. 

si  schiktend  uns  aber  brot  und  win, 
drum  schiktend  wir  warlich  's  s:elt  hinin. 
bumperlibum  u.  s.  w. 

11.  Wir  nit  ung'fressen^  warend  gsin, 
vergangen  was  uns  des  hungers  pin. 

wir  rüwtend  derselben  nacht  neben  dem  Rin, 

morndes  kamend  wir  gen  Kolmar  hin ; 

da  liefend  wir  in  die  keller  in 

und  wurdend  me  wan-  halb  voll  win. 

bumperUbum  u.  s.  w. 

12.  Wir  hattend  nit  vil  silberg'schirr  darbin^, 
wir  schanktend  in  mit  kühlen  in ; 
dennocht  wurdend  wir  voll  win, 

er  gieng  uns  tugendliche  in, 
verschwunden  was  uns  die  schwere  pin, 
wir  meintend,  es  sölt  wol  halb  harnist  sin'^. 
bumperHbum  u.  s.  w. 


^  ohne  gefressen  zu  haben.  Die  Handschrift  hat  das  g  nicht. 
^  als.  ^  darbinnen,  darin.  ^  Der  orute  Trunk  sollte  uns  fast  stärken 
wie  ein  Harnisch  (?). 


LIEDER  47 

13.  Do  kamend  wir  gen  Mowenhan^, 
da  henkt  man  türen  mit  widen  an^ ; 

da  ließend  wir  d'  gurren^  im  haber  gan, 
da  hattend  wir  schier  unrecht  tan : 
sie  jahend"*,  wir  dörftind  nit  ußher  kan ; 
si  Heßend  die  iren  schandlich  zer2:an'''! 
bumperHhum  u.  s.  w. 

14.  Die  herren  müßtend  uns  faren  ktn, 
si  woltend  nüt  mit  uns  anfan, 

und  wärend  s'  zii  uns  uf  d'  wite  kan, 

si  hettind  wol  unsi'schaffen  menschen  vernan^! 

si  torstend  uns  warlich  nit  bestan', 

si  ließend  uns  timendlich  ziehn  darvan. 

bumperlibum  u.  s.  w. 

15.  Do  kamend  wir  zum  wigerhus*^, 

da  namcnd  wir  die  guten  karpfen^  uß, 
daselben  lebtend  wir  im  sus ; 
etlich  machtend  zinq  quater  dus^^, 
damit  zoi^  das  i^elt  zum  seckel  uß, 
es  machet  mengem  ein  wilden  grus. 
bumperlibum  u.  s.  w. 

16.  Der  schimpf  was  im  besten  nun  wol  dran^^, 
wir  woltend  ein  ander  gattung  fahen  an. 


^  wahrscheinlich  entstellt;  nahebei  Mülhausen  liegt  ein  Moäen- 
heim  (was  freilich  auch  nicht  die  ursprüngliche  Form  des  Namens 
sein  wird).  -  Weidenbänder  um  die  Thürpfosten  gehängt,  wie  etwa 
an  Fallgattern.  ^  Stuten.  ^  sagten.  °  ihre  Mannschaft  auseinander- 
gehen. ^  grobe  Leute  kennen  gelernt.  '  wagten  uns  nicht  Stand  zu 
halten.  ®  Haus  bei  einem  Weiher.  ^  Die  Handschrift  hat:  krapfen,  viel- 
leicht nur  Schreibfehler.  ^°  franz.  cinq,  quatre,  deux;  Würfelspiel.  ^^  der 
Spaß  war  im  besten  Zug,  in  vollem  Gang. 


48  HISTORISCHE 

daß  man  baß  glouben  an  uns  möcht  han: 
wir  zuntend  das  schloß  inwendig  an, 
daß  es  in  grund  und  boden  verbrann; 
sidhar  sind  wir  nümen  ußhin  kan; 
si  hattind  uns  gern  daheimen  g'lan ! 

17.  Bumperlibum,  unrüw  das  kumt,  was  tut  uns? 
donner  blix  hagel  heiahan  aberdran ! 

far  nun  für\,  hinder  für,  troll  nahen,  Peterman^ ! 

unser  liden  gat  aber  an, 

und  wil  man  uns  sin  nit  erlan, 

müeßend  wir  aber  einmal  in  d'  wite  kan. 

bumperlibum  u.  s.  w. 

18.  Da  kamend  wdr  fürbaß  ins  Sundgöw  hin, 
da  stachend  wir  nider  meng  feistes  schwin, 
wir  sließend  bränd  zü'n  w^änden  in, 

den  rouch  sach  man  ouch  enet  dem  Rin; 
die  Brisgöwer  dachtend :  das  mögend  wild  gaste  sin, 
aot  b'hüet  uns,  daß  si  nit  kömend  zu  uns  hin, 
bumperlibum  u.  s.  w\ 

19.  Da  hattend  wir  ein  wilden  hurlebus^, 
die  Sundgöwer  hattend  darab  ein  grus; 
im  brand  jagtend  wir  d'  müse  hinuß, 
wir  hattend  ouch  eben  wild  da  hus! 

si  band  der  kü  sidhar  nümen  g'rüft  heruß, 
si  ersorgtend  w'ol  aber  ein  solchen  struß ! 
damit  ist  dises  liedU  uß. 

Daß  das  Lied   von  einem  Berner   verfasst   ist,    zeigt    schon   die 
Aufzählung  der  Ortschaften,  dazu  einiges  in  der  Sprache,    Ton  und 


^  vorwärts.     ^  ein  Petermann  von  Wabern  war  Hauptmann  der 
Berner  vor  Waldshut;  der  Name  erscheint  aber  auch  sonst  als  Lo- 


sungswort.   ^  Lärm. 


LIEDER  49 

Geist  des  Liedes  ist  etwas  wild  und  roh,  aber  eben  darin  ein  Spiegel 
des  damaligen  Kriegslebens.  Die  Strophe  ist  eigenthümlich,  weil  alle 
Zeilen  denselben  Reim  haben,  dazu  den  Refrain,  der  Trommelschlag 
und  Marschruf  bedeutet  und  nur  in  Str.  i6  ausbleibt,  weil  dort  eine 
kurze  Rast  anzunehmen  ist,  nach  welcher  die  folgende  Strophe,  mit 
Trommelsignal  anhebend,  neuen  Aufbruch  darstellt. 

Eine  Amtsrechnung  von  Grüningen  (Kt.  Zürich)  aus  dem  Jahr 
1556  enthält  die  Notiz:  i  Pfd.  5  S.  gab  Schmid  us  dem  Fischenthal 
von  dem  Lied  Bumberlibum. 


Zug  nach  Waldshut.     1468. 

1.  Ein  nihves  liedlin  heb  ich  an, 
das  singen  ich,  so  best  ich  kan, 
wie  es  stat  in  dem  lande. 

Der  adel  hat  gemacht  ein  pund 
und  hat  erdacht  ein  nüwen  fund, 
den  Schwizern  anz'tünd  ijroß  schände. 

2.  Si  tiengend  an  haben  groß  müei, 
si  meintend,  daß  zit  war  nun  hie, 
die  Schwizer  ^ar  z'  vertriben : 
«kämend  si  nun^  zu  uns  uf  d'  wit, 
so  köndind  wir  in  ^reben  strit, 

ir  müest  keiner  lebend  bliben.)) 

3.  Si  redtend  alle  überlut: 

« wir  gend  umb  niemand  nit  ein  krut, 
wir  b'gerend  an  die  eidgnossen. 


Der  bär  von  Bern  tar^  nit  harus, 
er  hat  ab  uns  ein  großen  grus, 
der  stier  tar  nümmen  stoßen. 


^  nur.     "^  wagt  (sich). 
II. 


50  HISTORISCHE 

4.  Der  Schwarzwald  vermag  mengen  man, 
mit  denen  wend  wir  frölich  dran, 

d*  Schafhuser  zwingen  in  ir  mure. 
Mülhusen  das  muß  liden  pin 
und  muß  oucli  unser  eigen  sin, 
es  muß  in  werden  sure ! » 

5.  Solcher  anschläg  tatend  s'  vil; 
darumb  ich  üch  nun  sino:en  wil: 
mich  dunkt,  der  wan  hab  s'  betrogen, 
des  sind  s'  im  Sungöw  innen  worden; 
die  eidgnossen  kamend  nach  ir  orden, 
si  sind  durch  's  Elsaß  'zogen. 

6.  Die  eidgnossen  namend  in  ir  müt^ 
und  zugend  a'n  Rin  für  Waldshüt, 
ir  panern  sach  man  s'  erschwingen, 
si  zugend  durch  berg  und  durch  tal, 
vil  stolzer  eids^nossen  one  zal 

hört  man  sin  hämisch  klingen. 

7.  Si  schlügend  uf  ir  zeit  und  hütten 
vor  der  stat  Waldshüt  nach  ir  sitten, 
zenächst  wol  an  ir  mure; 

si  schußend  drin  mit  i^ütem  müt 
und  schußend  ab  dem  Wald  sin  hüt; 
ward  denen  in  der  stat  sure! 

8.  Mit  mengerlei  büchsen  groß  und  klein 
schußend  si  mengen  herten  stein, 

daß  es  gar  wit  tat  brummen. 
Zehen  tusend  guldin  müßtend  s'  geben, 
daß  die  eidgnossen  si  Heßend  leben; 
des  hat  man  s'  kum  überkumen-. 


^  fasstcn  den  Plan.     -  dazu  hat  man  sie  mit  Mühe  gebracht. 


LIEDER 

9.  Enge  im  Hegö\v  hört  och  hernach \ 
d'  Schafhuser  lasst  man  us  der  acht, 
zweitusend  güldin  inen  darzü  'geben; 
der  Schwarzwald  ist  das  underpfand, 
Waldshüt  hat's  gelobt  mit  der  hand; 
es  was  in  nit  2;ar  eben-. 

IG.  Schwarzwald,  du  lügst  nit  wol  darzü, 
man  hat  dir  g'nomen  mengi  kü; 
von  der  letz-'^  sind  ir  schnell  geflochen, 
do  di  Schwizer  zugend  her; 
der  hinderst  füß  was  üch  unmär'^, 
üch  hat  übel  ab  in  g'schochen''! 

11.  Man  nam  in  rinder,  roß  und  schaf; 
abt  von  sant  Bläsi  ward  ouch  gestraft, 
dritusend  guldin  müßt  er  geben; 
damit  da  kauft  er  s'  ab  dem  Wald ; 
do  tribend  s'  iren  roub  s^ar  bald 

gen  Schaf husen,  kam  in  gar  eben^. 

12.  Von  Appenzell  so  kam  der  bär 
mit  zweien  von  sant  Gallen  her', 


^  Wenn  diese  Zeile  richtig  überliefert  ist,  so  kann  der  Sinn  der 
folgenden  Worte  kein  anderer  sein,  als  daß  Enge  (Engen),  ein  Ort 
im  Hegau,  nachher  auch  an  die  Reihe  kam,  sich  ergeben  zu  müssen. 
''■  gelegen,  wohlgefällig;  ebenso  Str.  11,  6;  dagegen  12,4:  recht. 
^  eine  Grenzschanze  bei  Waldkirch.  *  ihr  hattet  die  größte  Eile  zu 
■entfliehen.  ^  ihr  habt  vor  ihnen  arge  Scheu  gehabt.  ^  Eine  folgende 
Strophe  berichtet  von  einem  gelungenen  Streifzug  nach  Bondorf; 
eine  weitere  nennt  die  Namen  der  8  alten  Orte.  "'  Die  Banner  des 
Abtes  und  der  Stadt  St.  Gallen  müssen  also  ebenfalls  Baren  enthalten 
haben. 


52  HISTORISCHE 

ZU  Waldshüt  suchten  s'  weide. 
Waldshüt,  nun  halt  dich  eben  und  festi 
du  hast  gar  vil  der  frömbden  gest, 
vier  baren  tünd  dir  z'  leide. 

13.  Darumb  sing  ich  uß  gutem  müt 
DiD  nüwes  liedlin  von  Waldshüt. 
Toni  Steinhuser  was  och  im  here; 
ze  Appenzell  gat  er  uß  und  in, 
er  dienet  schönen  fröwlin  hn 
und  priset  in  ir  ere^. 


"V 


Burgunderkrieg. 

s.  Bd.  L  S.  XXVIl  und  S.  1 5. 

I.   Zug  nach  Blomont.    1475 

I.  Ein  vereinung  ist  lobeliche, 
der  große  pund  genant; 
zu  trost  dem  römschen  riche 
zugent  s'  in  burgunsch  land; 
da  haben  si  gewunnen 
beid,  stet  und  ouch  die  schloß ; 
gar  bald  es  ward  verbrunnen, 
si  fürten  gut  geschoß^. 


^  Diese  Notiz  über  Stand  und  Beruf  des  Sängers  ist  zwar  nicht 
ganz  klar,  aber  abweichend  von  den  Angaben  über  andere  Sänger 
solcher  Lieder;  dieser  müsste  ein  verspäteter  Nachfolger  der  Minne- 
singer gewesen  sein !  ^  In  2  folgenden  Strophen  wird  berichtet,  daß 
Straßburg  und  Basel  eidgenössische  Kriegsleute  besoldet  und  daß 
auch  Colmar  und  Schlettstadt,  Solothurn,  Freiburg  und  Biel  an  der 
Unternehmung  Theil  genommen  haben. 


LIEDER  55 

2.  In  Burgunn  sind  si  komen, 
mit  einem  harten  stürm 
band  si  Lila  gewannen, 

es  rümpft  sich  als  ein  wurm ; 
durch  wasser  warent  si  schwimmen, 
do  hüb  sich  angst  und  not ; 
si  mochten  nit  entrinnen, 
man  schlÜ2:  ir  vil  zu  tod^ 

3.  Grangi  ward  übergeben 

zu  des  von  Wirtemberg  band ; 
das  her  sach  man  streben 
vor  ßlomont  in  dem  land. 
der  Struß  tet  mengen  schalle, 
Metz  und  Keterlin, 
die  Reimerin  gar  balde, 
gieng  alls  z'en  muren  in-. 

4.  Blomont  was  ein  gut  festen, 
als  ich's  kum  ie  gesach, 
gebuwen  zem  allerbesten, 
alls  gold  ir  obertach; 

ir  werinen  und  muren 
das  was  unmäßiglich, 
sechzechen  schlich  dick  vor  truren^ 
und  achtzechen  desdich. 


^  Ein  Theil  der  Besatzung  von  Lisle  wollte  auf  dem  jenseitigen 
Ut'er  des  Doubs  entfliehen;  da  schwammen  Eidgenossen  durch  den 
Fluß  und  trieben  die  Flüchtigen  in  die  Festung  zurück.  Eine  folgende 
Strophe  berichtet,  daß  Lisle  und  einige  Schlösser  verbrannt  und  die 
Uebergabe  von  Oranges  angenommen  wurde.  ^  Struß  hieß  ein  straß- 
burgisches  Geschütz,  Käterlin  ein  östreichisches  von  Ensisheim,  Met:^e 
«in  bernisches,  die  Reiinerin  vielleicht  ein  baslerisches  oder  das  in 
einem  Lied  über  den  Schwabenkrieg  (Liliencron  II,  S.  416)  genannte 
Renülli  von  Ensisheim.  ^  wenn  die  Worte  richtig  sind,  so  können 
sie  wohl  nur  bedeuten :  vor  Schaden,  zur  Sicherheit. 


54  HISTORISCHE 

5.  Uf  einem  berg  höflichen^ 

lag  Blomont,  schloß  und  stat, 
vil  körb'^  so  fürstio^lichen 
das  her  «^ewürket  hat. 
Si  stürmten  die  stat  frölichen, 
des^  nam  menger  ein  stürz; 
von  dannen  müsten  si  wichen, 
die  leitern  warend  zu  kurz. 

6.  « Müeßen  wir  von  hinnen  wichen^ 
das  war  uns  iemer  schand, 

der  vereinung  so  lobeliche, 

dem  pund  in  tütschem  land ! » 

Bern,  Basel  man  besande"'^, 

vil  stet^  und  Solotar, 

mit  panern  kament  s'  zu  hande*^, 

brachten  ein  große  schar. 

7.  Gen  Blomont  in  das  schlösse 
da  kamen  ouch  die  mär, 
wie  daß  ein  macht  so  große 
der  bar  im  felde  war. 

«Nu  raten,  ir  herren  freche, 
w^r  w^erden  liden  not; 
wellent  si  den  stürm  nu  rächen, 
si  schlachen  uns  alle  tot !  )> 

8.  Das  schloß  gabent  si  uf  balle", 
Blomont  die  fürstlich  stat; 

man  brant's  mit  großem  schalle, 
ganz  man's  geschUssen  hat. 


^  stattlich;  thtnso  für  st  i glichen  Z.  3.    ^  Schanzenkörbe.    ^  dabei. 
■*  ließ  zu  Hülfe  kommen.    °  vielleicht  Biel  Stadt?   ^  alsbald.    '  bald. 


LIEDER  55 


Wer's  ie  gesach  fürstlichen, 
den  rüwet  sin  groß  Schönheit, 
daß  es  als^  jämerHchen 
zu  stucken  ist  seleit. 


ö' 


9.  Von  dannen  was  man  keren 
gen  Burgunn  in  schneller  il, 
des  riches  paner  zu  eren, 
wol  me  dann  achthalb  mil; 
Gramont  ward  gewunnen, 
in  blüt  las:  menger  rot ; 
gar  schnell  es  ward  verbrunnen, 
man  schliV  ir  hundert  tot. 

IG.  \'om  schloß  den  einen  heren 
im  turn  man  funden  hat ; 
den  fürt  man  da  mit  eren 
gen  Bern  alls-  in  die  stat. 
Valant^  was  man  ufgeben, 
si  zugen  nackent  ab, 
damit  frist'  man  ir  leben, 
man  brant'  vil  guter  hab. 

II.  Die  vereinunij  als  lobeliche 
zoch  wider  in  ir  land, 
zu  trost  dem  römschen  riebe, 
der  große  pund  genant. 
Si  band  ein  "üt  sjetrüwen 
zu  den  richsteten  hin ; 
es  mag  si  nit  gerüwen 
und  ist  ein  guter  sinn. 


^  so.    -  2:eradezu.    ^  Name  eines  Schlosses. 


HISTORISCHE 

12.  Zwölf  schloß  band  si  erlangen, 
darzü  dri  stet  so  gut. 
Er  füert  ein  stechelin^  Stangen, 
der  Zöllner^  es  singen  tut. 
Maria,  din  kind  hieng  bloße, 
das  well  es  understan^, 
daß  die  irruns:  s^roße 
werd  scbier  ein  ende  ban! 


II.   Von  dem  strit  vor  Granson. 

s.  ßi.  I.  S.  XXIX. 

1.  In  welscbem  land  hebt  sich  ein  struß, 
da  mag  wol  werden  etwas  uß, 

die  klawen  well  wir  wetzen: 
der  gir  treit  großen  Übermut, 
der  ber  und  stier  f^ar  wol  bebüt 
wend  manlich  mit  im  kretzen. 

2.  Zu  Granson  er  s'  betrogen  hat 
und  sichert  si  mit  falschem  rat, 
das  ward  an  in  gebrochen; 

die  fromen  lüt  hat  er  erhenkt, 
fürwar,  das  ist  im  nit  geschenkt, 
man  hat's  an  im  gerochen! 


0 


Dri  küng*  hat  er  gehept  im  feld 
und  siben  fürsten,  die  ich  meld. 


^  stählern.  -  Mathis  Zoller  von  Laufenburg,  der  auch  die  Schlachten 
von  Murten  und  Nancy  besungen  hat.  ^  über  sich  nehmen,  zu  Stande 
bringen.  *  Der  Herzog  von  Burgund  war  verbündet  mit  den  Königen 
von  England,  Neapel  und  Spanien. 


LIEDER  57 


den  pund  wolt  er  gewinnen ; 
sin  herren  er  begaben  wolt, 
ieglicher  ein  teil  besitzen  solt; 
des  müst  man  werden  innen. 

4.  Das  nam  der  ber  gar  snelle  war 
und  zoch  mit  sin  eidgnossen  dar 
und  taten  im  züschriben : 

weit  er  sin  ein  biderman, 
so  solt  er  s'  ritterlich  bestan 
und  ouch  im  felde  bliben. 

5.  Es  beschach  an  einem  samstag  frü, 
da  zoch  man  wider  Famerku^  zu, 
si  wolten's  mit  im  wagen, 

und  wisten  dennocht  wenig  das, 
daß  in  der  herzog  als  nach  was 
und  gcin  in  oronde  stachen^. 

6.  Da  warend  berg  und  tiefe  tal, 

der  weg  was  ruch  und  darzü  smal, 
dadurch  si  müsten  komen. 
Bern  und  Swiz  die  hüben  sich  ut 
und  zugen  dar  mit  irem  huf; 
der  herzog  hat's  vernomen. 

7.  Der  herzog  wolt  sin  nit  entbern, 
die  Berner  wolt  er  sechen  gern, 
er  meint,  si  wären  alleine; 

er  hat  wol  zechen  an  einen  man ; 
des  achtent  si  dennocht  kleine! 


'  Vauxmarcus.  -  so  nahe  war  und  ihnen  entgegen  zu  eilen  begann 


58  HISTORISCHE 

8.  Zürich  slüs:  mit  fröuden  dran 
mit  mens^em  ußenvelten  man 
und  Luzern  desgelichen; 
Undenvalden,  Zug  und  Glarus  gut 
die  slügen  dran  mit  friem  müt, 
die  Walchen  begonden  wichen. 

9.  Der  stier  von  Uri  lügen ^  ward, 
darab  erschrack  der  Walch  so  hart, 
die  freis^  was  im  zerrunnen. 

ein  küng  von  Xapels^  was  bi  im  do, 
den  treib  man  von  der  Wagenburg  so, 
die  ward  im  abgewunnen. 

IG.  Basel  das  kam  ouch  zem  spil, 

das  kond  wol  schießen  zu  dem  zil, 
der  schimpf"^  der  wolt  sich  machen;, 
sin  Wagenburg  die  was  nit  gar  ganz, 
si  Sprüngen  fröUch  an  den  tanz, 
man  hört  die  kürris  krachen. 

1 1 .  Soloturn  was  ouch  am  hatz, 
der  ber  der  tet  ein  harten  kratz 
und  Friburg  in  Oechtlande, 

der  widder  ouch  gestoßen  hat; 
Straßburg  kam  ein  teil  ze  spat, 
das  tet  im  selber  ande^. 

12.  Der  schimpf  der  wärt  ein  lange  wil, 
man  jagt  si  anderthalbe  mil, 


^  hier  =  lüejen,  brüllen.  -  Ungestüm,  Kühnheit,  Frevelmuth. 
^  Prinz  Friedrich  von  Tarent,  Sohn  des  Königs  Ferdinand  von  Neapel. 
^  Spaß.    =  Leid. 


LIEDER  59 


si  fluchen  mit  gewalte; 
er  rant  gen  Orben  in  die  stat, 
die  tor  hieß  er  besHeßen  trat\ 
sin  herz  eond  im  erkalten. 


ö' 


13.  Die  tütschen  rüten  die  taten  im  we, 
man  jagt'  ir  vil  in  einen  se, 

die  swimmen  wolten  leren ; 
vil  menger  Walch  darin  ertrank, 
ein  großes  schiff  zu  boden  sank, 
darin  vil  welscher  heren. 

14.  Vil  Silbergeschirr  und  rotes  gold 
ward  den  Eidgenossen  zu  sold, 
darzü  ein  güldin  sessel; 
vierhundert  und  zwenzig  büchsen  gut 
machten  inen  hochen  müt, 

der  hat  er  ouch  vers^essen. 

13.  Sin  sigel  er  verloren  hat,  ^ 

vil  berlin,  güldin,  sidin  wat, 
krön,  edelstein  so  glänze^; 
güldin  büecher,  kelch,  messgewand, 
ein  bischofhüt  man  ouch  da  tand, 
darzü  o;üldin  monstranzen. 

16.  Sin  tegen  rieh,  von  gold  so  rein, 
der  ist  ersetzt^  mit  edelm  g'stein, 
den  hat  er  ouch  verloren, 
größer  spot  im  nie  beschach, 
was  man  Burgunner  kriegen  sach ; 
das  tut  dem  wüetrich  zoren! 


^  nihd.  dräte,  schnell,  von  drcejen,  drehen.    ^  glänzend.    ^  ^'^setzt. 


60  HISTORISCHE 

17.  Der  von  Burgunn,  der  freidig^  man, 
der  hat  den  Sachen  nit  recht  getan, 
er  hat's  nit  wol  besonnen; 

der-  schönen  panern  hat  er  vil, 

kam  man  im  zwüschen  kuglen  und  zil, 

darvon  ist  er  entrunnen. 

18.  Herzog  Karle,  hörst  du  das? 
du  treist  den  Eidgenossen  haß, 
des  solt  du  nit  genießen; 

kein  herr  an  in  nie  nit  gewann; 
wiltu  von  dinem  krieg  nit  lan, 
es  wird  dich  bald  verdrießen! 

19.  Din  gut  ist  ietzunt  worden  feil, 

in  die  Eidgnossen  komen  ein  michel  teil. 

des  machtu  dich  wol  schämen. 

tut  dir  der  spot  nit  also  we, 

so  kum  harwider  und  bring  noch  me, 

so  sol  man's  von  dir  nemen. 

20.  Die  Eidgnoschaft  nacht  und  tas: 
in  keinen  nöten  nie  verlag^; 
des  tund  si  sich  bewisen 

mit  ir  manlichen  band; 

des  swebt  ir  lob  durch  alle  land 
hört  man  si  erlich  prisen*. 


^  übermüthig.  -  Der  Originaltext  hat  des,  was  allenfalls  den  Sinn 
■ergeben  könnte :  von  seinem  schönen  Panner  hat  er  viel  (ironisch 
für:  wenig)  Gewinn,  da  er  es  doch  in  der  Noth  hat  im  Stich  lassen 
müssen!  ^  blieb  unthätig,  erschlaffte.  *  die  Worte  durch  alle  land 
gehören  zu  beiden  Verben,  eine  in  diesen  Liedern  öfter  und  schon 
bei  den  mhd.  Dichtern  vorkommende  Konstruktion. 


LIEDER  6l 


21.  Der  uns  dis  liedlin  nüwe  sang, 
der^  tut  vil  manchen  irren  gang, 
gut  leben  ist  im  türe ! 
in  siner  teschen  ist  er  swach-, 
er  klao:et  ser  sin  uni^emacli, 
daß  ir  im  koment  zu  stüre^! 


III.    Schlacht  bei  Murten. 

s.  BJ.  I,  S.  XXIX. 

1.  Xun  merkend  all  geliche, 
mit  sins^en  so  heb  ich's  an 
von  dem  pund  so  kreftigliche 
mit  mengem  stolzen  man ; 

er  ist  ins  feld  gezogen 
mit  werhaftiger  band, 
der  gir  ist  ußgeflogen 
dem  baren  in  sin  land. 

2.  Er  hat  in  sinem  sinne  — 

mit  im  der  ^raf  von  Remunt*  — 

die  tütschen  land  ze  zwingen ; 

si  machten  einen  pund, 

si  schlügend  meng  hoch  gezelte 

für^  Murten  und  für  das  schloß, 

darvor  hat  er  in  dem  felde 

dri  hüten,  die  warend  groß. 


^  V.  Liliencron    hat   des,   vielleicht  nur  Druckfehler.    -  schlecht 
bestellt.    ^  Hülfe.    *  Romont.     '"  vor  —  hin. 


62  HISTORISCHE 


Er  sprach :  «  nun  merkend  mich  eben, 

die  stat  ist  nit  wol  b'hut; 

ir  sond  si  mir  ufgeben\ 

ich  frist  ihver  Hb  und  srüt. » 

si  gabend  im  antwurt  balde; 

si  kartend  sich  nüt  daran, 

si  truwtend  s'  wol  ze  bebaken^, 

er  war  ein  betromier^  man. 

4.  Das  tet  in  ser  verdrießen, 
daß  man  im  die  antwort  gab; 
mit  stürmen  und  mit  schießen 
da  wolt  er  nit  lassen  ab; 

an  die  muren  tet  er  richten 
zwo  büchsen,  die  warend  groß, 
und  tet  man  im  das  vernichten, 
den  büchsenmeister  (man  im)  erschoß. 

5.  Am  ziestag  gegen  der  nachte 
da  nam  er  für  sich  ein  sinn"^, 
er  stürmt  daran  mit  machte, 
die  stat  wolt  er  nehmen  in. 
vil  schier^  hat  er  verloren 
me  dann  tusent  man; 

das  tet  im  großen  zoren, 
doch  müs  er  si  faren  lan. 

6.  Darnach  am  samstag  morgen 
da  hüb  sich  groß  ungemach; 
der  herzog  lag  in  sorgen, 
den  pund  man  ziechen  sach 


*  übergeben.    -  behaupten.    ^  trügerisch,  wohl  im  Hinblick  auf 
sein  Verfahren   mit  der  Besatzung  von  Grandson.    *  Vorsatz,  Plan. 


*  gar  bald. 


LIEDER  63 

mit  trummen  und  mit  pfifen, 
si  namend  docli  got  ze  stür ; 
si  tetend  in  angrifen 
und  machtend  im  lachen  türM 

7.  Der  herzog  tet  sich  rüsten 
mit  sechshundert  tütscher  man, 
damit  wolt  er  sich  fristen, 

si  müstend  vornen  dran, 
für  sich  hat  er  genomen 
drißig  Schlangenbüchsen  ouch; 
die  brachtend  im  kein  fromen, 
si  schußend  doch  vil  zu  hoch. 

8.  Der  pund  tat  an  in  ziehen, 
der  herzog  satzt  sich  zu  wer; 
man  meint  er  solt  nit  fliehen 
mit  solchem  großen  her. 

sin  volk  was  schier  zertrennet 
und  kam  in  große  not; 
als  er  es  vername^, 
do  floch  er  mit  großem  spot. 

9.  Do  wurdend  im  erschlagen 
wol  achtzehntusend  man; 
i'n  se  tet  man  si  jagen 

vil  mc  dann  ich  zelen  kan. 

die  sind  darin  ertrunken, 

ir  wer  hatt  doch  kein  fng^, 

die  Walchen  mochtend  wol  denken, 

si  bettend  der  Tütschen  gnüg! 


'  In  5  Strophen  werden  nun  die  Mitglieder  des  Bundes  aufge- 
zählt, die  an  der  Schlacht  betheiligt  waren :  Oestreich,  Lothringen, 
die  eidgenössischen  Orte  und  die  mit  ihnen  verbündeten  elsäßischen 
Städte.  ^  sollte  wohl  etwa  lauten :  als  er  das  het  erkennet.  "  rechte  Art. 


64  HISTORISCHE 

10.  Diewil  man  si  tet  schlachen, 
do  tet  der  s^nif  von  Remunt 
zwen  schütze  in  die  State; 
erst  ward  die  flucht  im  kund, 
er  hüb  sich  bald  von  dannen, 
ein  fändli  man  im  schriet^, 
und  vierhundert  mannen 

die  blibend  da  im  ried. 

11.  Ir  flucht  was  uß  der  maßen, 
man  schlug  si  uß  dem  feld ; 
darin  hat  er  gelassen 

mer  dann  zehnhundert  zeit, 
der  herzog  von  Burgunne, 
der  graf  band  des  kein  g'winn; 
Murten  ist  noch  nit  gewunnen, 
es  kumt  wol  vor  in  hin^. 

12.  Der  pund  von  allen  orten 
zog  uf  der  walstat  zu  rat 
und  tet  der  Walchen  warten 
dri  tag  an  derselben  stat, 

ob  man  da  wolte  komen 
mit  werhaftiger  band; 
do  warend  s'  nit  also  fromen, 
das  ist  ein  große  schand. 

13.  Zu  Zürich  sieht  man  hangen 
zwei  panner,  acht  fändli  gut; 
menger  Walch  ist  kum  vergangen^, 
si  half  nit  ir  Übermut; 


^  schnitt  ab,  von  schroten.    ^  davon,  wird  gerettet.    ^  davon  ge- 
kommen, dem  Verderben  entgangen? 


LIEDER 

der  zal  weiß  ich  kein  namen; 
in  allem  pund  so  wit; 
die  Walchen  sond  sich  schämen 
der  schand  zu  ewiger  zit. 

14.  Herzog,  du  wilt  nun  kriegen, 
du  dunkst  dich  selb  gar  frisch: 
damit  tust  du  dich  triegen, 

die  schanz^  stat  under  dem  tisch, 
du  hast  geleit  ein  bloßen^, 
dir  feit  die  meisterschafc, 
dich  schlüjjen  die  eidi>nossen 
mit  ritterlicher  kraft. 

15.  Zu  Saffoy  in  dem  lande 
ein  edle  herzoo;in  — 
ward  ir  land  zu  schänden, 
das  schafft  ir  dünner  sinn^. 
het  si  den  pund  gehalten, 
als  ir  herr  vor  hat  tan, 

so  möcht  si  in  fröuden  alten : 
sus"^  muß  si  in  truren  stan. 

16.  Etlich^  der  sich  hat  g'spitzet'' 
und  hat  uf  den  pund  gespilt^  — 
die  in  der  lügen  ^  sitzend, 

ir  anschlag  hat  in  g'felt! 

man  mag  wol  schwigen  und  dußen^, 

doch  sol  man's  vergessen  nit: 

kam  es  einmal  zu  schulden, 

man  teilte  gnad  damit. 


^  das  Glück.  '^  s.  Bd.  I,  S.  11.  ^  daran  ist  ihr  Unverstand  Schuld. 
*  nun  aber,  ^mancher,  ^spitzig  reden;  sehnsüchtig  warten?  'sich 
lustig  machen  über  — .  ^  Lauer.  ^  sich  still  halten.   Schon  der  Mangel 

II.  5 


(f^  HISTORISCHE 

17.  Dis  liedli  hat  gesungen 
Hans  VieH  uß  friem  müt; 
vom  pund  ist  es  erklungen, 
von  den  Eidgnossen  gut. 
wo  man  ir  hört  gedenken, 
ir  lob  wirt  offenbar, 
das  liedli  wil  ich  üch  schenken 
in  ein  gut  selig  jar. 


IV.  Schlacht  bei  Nancv. 

s.  Bd.  I,  S.  XXX. 

1.  Nun  wend  wir  aber  heben  an 
das  best,  das  ich  gelernet  han: 
und^  wie  es  ist  ergangen 

zu  Nansen  zu, 

da  hatend  s'  all  ein  verlangen, 

2.  Herzog  von  Lutringen,  das  edel  blüt, 
er  schreib  den  pundgenossen  gut, 

ja  wie  er  war  gelegen 

vor  Nansen  zu 

mit  manchem  küenen  degen. 

3.  Der  pund  der  gab  vil  lüte  dar, 
der  eidgenossen  ein  große  schar 


des  Reims  zeigt,   daß  die  2  letzten  Zeilen   nicht   ganz  richtig  über- 
liefert sind. 

^  ein  Luzerner,  der  aber  schwerlich  die  auch  sonst  dort  un- 
passenden Zeilen  Str.  13,  i — 2  geschrieben  hat.  ^  nur  einführend, 
erklärend:  nämlich;  ebenso  8,4.   17,  2;  ähnlich  ja  2,  5.   10,  i. 


LIEDER  67 

mit  werhaftigen  handen 

fürt  er  mit  im 

wol  in  das  welsche  lande. 

4.  Zu  St.  Nikiausport ^  stund  in  der  sinn, 
da  lagend  vil  der  Walchen  in, 

si  wurdend  all  erschlagen. 

dem  Herzog  Karl 

von  Burgunn  tet  man's  sagen. 

5.  Er  rieht'  die  büchsen  uf  'em  plan, 
er  wont^,  der  pund  solt  komen  dar, 
der  won  hat  in  betrogen ; 

e  er  sich  bedacht, 

da  hat  man  in  überzogen. 

6.  Er  lag  in  einem  tiefen  hol, 

man  zog  im  zu,  das  wüst  er  wol, 
noch  dennochf^  wolt  er  nit  fliehen: 
wol  herlich  tet 
er  inen  engegen  ziehen. 

7.  Es  was  der  Welschen  ungelück; 
er  hat  bestellet  mengen  strick, 
daran  wolt  er  si  henken : 

an  sinen  tod 

er  tet  gar  wenig  denken ! 

8.  Si  knüwtend  nider  uf  dem  plan, 
si  rüftend  Marien  gots  müter  an 


^  St.  Nicolas-au  port,  nahe  bei  Nancy.  ^  für  "d/dnt,  wähnte,  "ujön, 
Wahn,  vgl.  Argwohn.  ^  nochdenn  =  dennoch;  daraus  bern.  nottm,  notti, 
nadisch;  Entlib.  niisti. 


68  HISTORISCHE 

mit  ufgehepten  bänden : 
und  kum  uns  zu  hilf 
an  unserm  letzten  ende! 

9.  Si  giengend  wider  uf  den  plan, 
si  griffend  s'  wider  gar  frölich  an 
mit  keiserlichem^  rechte. 
Karl  von  Bursjunn 
der  hat  vil  stolzer  knechte. 

IG.  Ja  si  lüffend  durch  studen  und  dorn, 
das  teten  si  uß  ganzem  zorn, 
dann  inen  was  so  gache^, 
si  schuchend^  nit 
das  kate  noch  die  lachen. 

11.  Do  er  die  scharpfen  halparten  sach, 
von  den  im  z'  Murten  we  geschach, 
dazu  die  langen  lanzen, 

w^olt  er  nit  me 

in  irem  reien  tanzen. 

12.  Den  vortanz  solt  er  han  getan, 
do  wolt  er  nit  im  feld  bestan, 
er  fieng  an  zu  fliehen; 

do  begunden  si 
frischUchen  nach  im  ziehen. 

13.  Er  g'steckte*  in  eim  graben  tief, 
menger  man  rann  unde  lief, 

bi  im  wolt  nieman  bliben; 

sin  end  müst  er 

allein  im  graben  vertriben  I 


^  herrlich,  stattHch,  vollkommen.    '^  sie  hatten  solche  Eile  oder 
Begier.    ^  scheuten.    *  blieb  stecken. 


LIEDER  69 

14.  Ja  er  ist  ie  gewesen  rieh, 
dem  sieht  er  iez  gar  ungeUch, 
man  hat  in  naket  funden; 
naket  und  bloß 

mit  sin  verserten  wunden. 

15.  Nun  fröuwe  dich,  du  Hagenbach, 
du  heigist  leid  oder  ungemach, 
din  herr  ist  zu  dir  komen! 

ür  beder  gwalt 

ist  üch  uf  erden  g'nomen! 

16.  Man  leit  den  herzogen  uf  ein  bar, 
man  fürte  in  gen  Nansen  zwar\ 
ze  tod  ward  er  erschlagen; 
herzog  Reinhart 

hat  in  zu  Nansen  begraben. 

17.  Man  buwt  ein  kapeilen  an  die  stat 
und  da  der  herzog  erschlagen  ward, 
mit  drien  messen  zu  meren^ ; 

di  wicht  man  in 

der  helgen  dri  künegen  ^re. 

18.  Der  uns  das  liedU  nüw  gesang, 
zwen  Schwizerknaben  sind  si  g'nant, 
si  hand's  gar  wol  gesungen. 

Karl  von  Burgunn 

ist  nümen  heim  gekomen ! 


^  wahrlich.    ^  das  Andenken,  die  Stiftung  zu  vermehren?  oder 
adv.:  überdies?  fortan? 


70  HISTORISCHE 


Schlacht  bei  Giomico.     1478. 

1.  Nun  merkend  offenbare 
was  iez  in  kurzer  frist 
gegen  einem  nüwen  jare 
ze  Girnis  geschehen  ist: 

die  schlang  von  Mailand  ist  zogen  uß, 
dem  stier  von  Uri  in  sin  land; 
des  ist  die  schlänge  komen  ze  schand; 
nun  merkend  uf  disen  struß ! 

2.  Bi  einem  kloster  da  lagen 

minr  herrn  der  eidgnossen  knecht. 
d'  Meiländer  begondend  sagen : 
das  spil  (das)  wird  uns  recht! 
ein  anschlag  tetend  si  behend, 
vil  bald  si  z'samen  kamend, 
vil  spieß  und  züg  si  namend, 
si  woltend  geben  end  ^ 

3.  Si  begondend  sich  besachen^ 
mit  werhaftiger  band ; 

ein  lager  woltend  s'  machen 

dem  stier  von  Uri  ins  land. 

ir  anschlag  der  was  hert  und  scharf, 

die  Tütschen  begondend  wichen, 

si  woltend  hinder  siehe 

gen  Girnis  in  das  dorf. 

4.  D'  Meiländer  das  ersachen, 

si  rucktend  wol  uf  dem  ban^, 
si  begondend  sere  gachen*, 
mer  denn  vierzechentusend  man. 


^  einen  entscheidenden  Schlag  führenv    ^  rüsten.    ^  Bahn,  in  der 
altern  Sprache  auch  masculin.    ^  eilen. 


LIEDER  71 

si  namend  für  sich,  nun  merkend  das, 
den  eidgnossen  wib  und  kind  z'  erstechen, 
den  schaden  wollend  s'  rechen, 
der  in  geschehen  was. 

5.  Do  si  bim  klösterU^  sahend 
den  büffelskopf  an  der  mur, 

d'  Meiländer  ir  wafen  namend, 
si  stakend  sich  gar  sur^ ; 
si  bicktend^  in  herab  mit  gwalt, 
mit  lüejen"*  und  mit  boßen, 
als  ob  s'  in  weltind  stoßen; 
ir  hoffart  was  mangfalt. 

6.  D'  Meiländer  schruwend  sere, 
vor  Bellenz  da  war  ein  hol, 
die  gräber^  wärend  lere, 

si  machtind  s'  widerum  vol ; 
dafür  da  hulf  weder  gut  noch  list! 
si  beroubtend  's  gotshus  unser  trowen, 
die  bernden*^  böum  tetend  s'  abhowen; 
vor  in  hatt  man  kein  frist^. 

7.  Mit  großer  macht  si  kamend, 
si  woltend  geben  end. 

der  eidgnossen  knecht  das  vernamend, 

si  rüsten  sich  ouch  behend. 

ir  houptman  gab  in  wis  und  1er: 

«  frisch  umb,  ir  knaben  alle ! 

ob  got  will,  so  gewinnen^ 

wir  hüte  gut  und  er ! » 


^  Poleggio.  ^  nahmen  eine  grimmige  Miene  an.  ^  hackten. 
*  brüllen.  '"  der  in  der  Schlacht  bei  Arbedo  (1422)  gefallenen  Eid- 
genossen. ^  (Obst)  tragenden.  ^  Ruhe,  Sicherheit.  ^  der  fehlende 
Reim  könnte  etwa  gelautet  haben :  gefalle  (werde  zu  Theil)  ims. 


72  HISTORISCHE 

8.  Ir  fromkeit  tet  sich  regen : 

der  eidgnossen  knecht  hochgemeldt 

si  zugend  in  entgegen 

alls  in  demselben  feld. 

ir  warent  kum  sechs  hundert  man, 

gar  ritterlich  und  gar  stille, 

nach  ires  herzen  wille 

griffend  vierzechen  tusent  an. 

9.  Ä^  das  was  ein  großer  grümel^, 
der  schimpf  was  ungehür^; 

« schüß,  stich,  schlach  in  schümel* ! 
wir  machend  d'  fiende  tür^ 
so  gar  mit  ritterlichem  müt, » 
sprach  einer  zu  dem  andern; 
man  strafet  die  Meilander 
mit  einer  scharpfen  rüt. 

IG.  Meilander  tet  man  erschlagen 
wol  sechszechen  hundert  man, 
die  andern  tet  man  jagen, 
das  feld  man  in  angVann; 
man  g'wann  in  an^  vil  großes  gut, 
acht  kostbarliche  schlangen, 
acht  und  zwenzig  edlen  gefangen; 
des  hattend  s'  fröud  und  müt. 

II.  Vil  haggenbüchsen  schwere, 
dreihundert  handbüchsen  gut, 
fünfhundert  armbrust  oder  mere 
ließend  d'  Meilander  in  der  hüt^; 


^  Interjektion  wie  das  he  im  Sempacher  Lied.  '^  gerüniel,  Lärm. 
^  der  Spaß  wurde  unheimlich.  *  auf  den  Schimel  (die  Pferde)  los? 
*  selten.    ®  ihnen  ab.    '  in  ihrer  festen  Stellung  zurück. 


LIEDER  73 

darzü  vil  mul^  und  hüpscher  roß 
ließend  d'  Meilander  an  der  hetze 
den  Tütschen  zu  einer  letze^ ; 
ei  wie  übel  das  si  verdroß ! 

12.  Sant  Gotthard  sol  man  prisen, 
er  schwebt  im  land  so  fri, 

er  tet  sin  kraft  bewisen, 

den  sinen  wonet  er  bi, 

als  ouch  den  fromen  Liviner, 

die  sind  gewesen  bi  der  selben  schlacht 

so  gar  mit  ritterlicher  macht; 

des  habend  si  pris  und  er. 

13.  Aber  tun  ich  melden: 

der  fromen  eidgnossen  knecht 

bleib  keiner  tot  im  felde; 

das  schuf  das  göttlich  recht. 

des  dankend  wir  dem  herren  krist 

und  Marien  der  vil  reinen 

und  den  helgen  kindUn  kleinen, 

ä  an  der  tag  es  g'schehen  ist. 

14.  O  Meiland,  wärstu  daheim  'bliben 
mit  dim  großen  Übermut, 
bettest  nit  z'  iiroß  hofFart  triben! 
man  spricht,  es  si  nit  gut. 

man  hat  in  gen^  der  kindlin  tag 
zu  einem  nüwen  jare  — 
vernemend  das  für  wäre  — 
ä  biß  daß  man  es  bessern  mag! 


^  Maulthiere.  '''  Abschiedsgeschenk.  Es  folgen  2  Strophen,  in 
welchen  Zürich,  Luzcrn,  Uri  und  Schwyz  als  Theilnehmer  am  Kampfe, 
dann  aber  die  Eidgenossen  insgesammt  gerühmt  werden.  ^  gegeben. 
Die  Schlacht  geschah  am  28.Dec.,  dem  Tag  der  Unschuldigen  Kiudlein. 


74  HISTORISCHE 

15.  Der  dis  liedli  am  allerersten  sang, 
Hans  Viol  ist  er's  genant, 
zu  Luzern  es  ze  lob  erklang 
den  eidgenossen  allen  sant. 
er  hat's  gesungen  uß  friem  müt; 
er  spricht,  es  war  menger  gerne  rieh 
und  lebte  ander  lüten  gHch : 
so  ^  vermögen  wir's  nit  all  am  gut ! 


Rorschacher  Klosterstreit.    1489. 

s.  Bd.  I,  S.  XXXI. 

1.  Wend  ir  hören  nüwe  mär: 

ein  rotfuchs  ist  uns  komen  her 
von  Wangen^  gen  sant  Gallen; 
sin  balg  der  gult  uns  pfening  vil, 
kam  er  uns  in  die  fallen! 

2.  Ein  nmves  lied  ich  frölich  sing  — 
o^ott  well,  daß  mir  darin  o^elins:  — 
von  Abt  üolrichen  Röschen; 

sin  balg  (der)  gult  uns  pfening  vil 
kam  er  uns  in  die  täschen. 

3.  An  einem  zinstag ^  es  beschach, 
daß  man  gar  fröHch  ziechen  sach 
die  von  sant  Gallen  schnelle 

in  die  Grub*  mit  richem  schall 
mit  denen  von  Appenzelle. 


^  so  wie  es  jetzt  ist,  nun  aber.    ^  im  Allgäu.    ^  Dienstag.    *  Dorf 
oberhalb  Rorschach. 


LIEDER  75 

4.  Und  do  si  zuchent  uß  der  Grub, 
wie  bald  sich  da  der  schimpft  erhüb 
mit  brennen  und  mit  brechen^, 

daß  der  roch^  gen  himel  für! 
für  war  mag  ich  das  sprechen. 

5.  Sant  Gall  der  hat  ein  zeichen  'tan 
ze  Rorschach,  als  ich  wol  verstan, 
won*  er  doch  nit  wil  haben 

kein  ander  kloster  denn  das  sin, 
da  er  in  lit  vergraben. 

6.  Gott  der  hat  uns  her  gesant 
sant  Gallen  her  us  Schottenland, 
das  hört  man  singen  und  sagen; 

den  hett  abt  Rösch  zu  Rorschach  gern, 
das  wil  man  im  nit  vertragen^. 

7.  Apt  Uoh,  laß  dich  nit  herfür! 
groß  Unglück  lit  dir  vor  der  tür, 
darin  macht  du  wol  komen, 
woh  du  vil  mengem  gotshusman 
das  sin  mit  gwalt  hast  g'nomen. 

8.  Ir  gotshuslüt,  sind  stät  und  fest, 
betrachtent  was  üch  sig  das  best, 
land  üch  vom  land  nit  triben! 

so  mügent  ir  mit  der  landlüt*^  hilf 
bi  er  und  o^üt  beliben. 


^  Spaß,  Spiel.    '^  des  halb   fertigen   neuen  Klosterbau's  In  Ror- 
schach.   ^  Rauch.    *  =  zuan,  weil.    '"  gestatten.    ^  der  Appenzeller. 


76  HISTORISCHE 

9.  Ein  starcher  steck  gewachsen  was^; 
darumb  redt  ammann  Reding^  das, 
man  sol  in  in  drü  zerspalten^. 
Nun  mactiet  uns  den  stecken  ganz, 
so  mögent  wir  's  land  behalten! 

10.  Abt  Uoli  ist  ein  roter"^  man, 
der  vil  unglück  machen  kan 
in  disem  land  besonder; 

gat  in  darin  vil  unglück  an^, 
das  nimpt  mich  nit  ein  wunder. 

11.  Apt  Uoli  heißt  von  recht  der  Rösch^ 
und  plät  sich  gegen  uns  als  ein  frösch, 
biß  daß  er  wird  zerspringen; 

so'  wird  vil  menger  gotshusman 
von  großen  fröden^  singen. 

12.  Apt  Uoli  ist  ein  untrüw  man, 
der  unser  stat  kein  güts  nit  gan^, 
das  hat  man  wol  vernomen; 
stund  es  an  mir,  er  müeßt  darzü^® 
sin  lebtag  niemer  komen. 

13.  Apt  Uoli  der  hat  hus  zu  Wil, 
da  tut  er  böser  anschläg  vil, 
wie  er  uns  mög  verderben; 
darmit  macht  er  nach  sinem  tod 
den  tüfel  zu  sinem  erben. 


^  der  Bund  der  Appenzeller,  der  Bürger  von  St.  Gallen  und  der 
Gotteshausleute.  ^  Landammann  Rudolf  Reding  von  Schwyz,  einem 
<Jer  Schirmorte  des  Klosters.  ^  mit  den  Verbündeten  getrennt  ver- 
handeln. *  er  hatte  rothe  Haare,  welche  bekanntlich  auf  einen 
schlimmen  Charakter  gedeutet  werden.  ^  geht  an  =  trifft.  ^  das  Ad- 
jectiv  rösch  bedeutet:  hart,  spröd;  barsch,  heftig,  'dann.  ^Freuden. 
®  gönnt.    ^°  zu  etwas  Gutem,  Glück. 


LIEDER  77 


14.  Apt  Uoli  hat  gesprochen  frig^ 
wie  zu  sant  Gallen  nit  me  sig 
dann  achtzechen  fromer  frowen^; 
darumb  hand  si  ein  urtel  'gen, 
daß  man  in  sol  zerhowen. 

15.  Apt  Uoli  der  hat  schmirwi^  gnüg, 
das  ist  gar  wol  der  boten  füg"*, 
die  er  damit  tut  salben 

und  uns  darumb  verlachen  tut 
in  orten ^  allenthalben. 

16.  Apt  Rösch  hat  lüt,  die  gaben  nend^ 
und  im  kein  spil  verloren  gend 

in  allen  sinen  gewerben; 

lat  man  im  nu  das  für  sich  gan^, 

so  muß  das  land  verderben! 


Schwabenkrieg. 

s.  Bd.  I,  S.  XXXII  und  S  25. 

I.  Schlacht  im  Schwaderloh.    1499. 

I.  An  einem  donstag  es  beschach 
uf  einem  witen  plan 


zu  Ermatinsen  vor  dem  wald, 


^ö 


do  sreif  man  die  figend  an; 


^  frei,  offen.  '^  er  hatte  sein  Vorhaben,  das  Kloster  nach  Ror- 
schach  zu  verlegen,  unter  Anderm  mit  Klagen  über  ausfchweifendes 
Leben  der  St.  Gallischen  Frauen  begründet.  ^  Schmiere,  Geld  zu 
Bestechungen.  *  das  kommt  den  Gesandten  der  Eidgenossen  zu  statten, 
die  den  Streit  vermitteln  oder  entscheiden  sollten.  ^  in  den  Kantonen, 
die  der  Abt  selbst  bereiste,  um  seine  Sache  zu  betreiben.  ^  Geschenke, 
Bestechungen  annehmen.     '  so  fortgehen,  ungestraft  hingehen. 


yS  HISTORISCHE 

die  von  Costenz  waren  uns  entrunnen, 
es  kost  si  mengen  man, 
vil  kostparlicher  schlangen 
band  si  dahinden  gelan. 

2.  Die  hauptlüt  ritten  z'semen 

und  machten  ein  Ordnung  schnell: 
«Woluf  in  sant  Jörgen  namen, 
daß  uns  die  sach  nit  fei! 
in  gotes  namen  wellen  wir  dran 
und  schlachen  frölich  drin; 
Maria,  laß  uns  in  fröiden  stan 
und  won  uns  allzit  bi!  » 

3.  Sie  beten  sich  vermessen 
am  selben  morgen  frü, 

ir  büchsen  teten  si  g'rechen^ 
gen  Ermatingen  zu. 
zwar  baten  si  gewunnen 
mit  vorteil  und  mit  rat, 
es  ist  si  aber  übel  gerüwen 
am  selben  abend  spat^. 

4.  Yil  ritter  und  vil  knechte 
Heßend  si  uf  dem  plan; 

die  von  Costenz  wolten  nit  me  fechten, 

si  machten  sich  darvon; 

und  welcher  nit  mocht  riten 

und  loufen  oder  gan, 

im  feld  müsten  si  bUben, 

den  schaden  müsten  si  han. 


'  rüsten,  richten.  -  Die  Schwaben  hatten  die  Vorhut  der  Eid- 
genossen überfallen  und  geschlagen,  aber  die  Hauptmacht  der  let;:tern 
führte  dann  einen  Gegenstoß  und  wetzte  die  Scharte  wieder  aus. 


LIEDER  79 

5.  Uß  Gottlieb  tet  man  schießen 
am  selben  abend  spat; 

es  tet  si  ser  verdrießen, 
daß  si  verloren  hand. 
Die  trumen  hört  man  klingen 
in  der  eidgenossen  hüt^; 
darumb  so  wil  ich  sinken 
uß  früschem  frien  müt-. 

6.  Vor  Gottlieben  an  dem  Rin 
da  hüb  sich  große  not; 

da  jagt  man  vil  der  Schwaben  in^, 
die  in  sich  trunken  den  tod; 
die  andern  tet  man  jagen, 
das  feld  man  do  gewann, 
darzü  hat  man  in  erschlaecn 
drüzehen  hundert  man. 

7.  Alle  die  im  züsatz'^  sind  gesin, 
die  ich  nit  nennen  kan; 

was  ere  hand  si  geleget  in, 

mag  man  wol  verstan. 

Inen  ist  ^ar  wol  ^elun^en 

im  Schwaderloch  vor  dem  wald; 

dri  fendlin  hand  si  gewunnen 

mit  krefti2:lichem  fjewalt. 

8.  Nun  sag  ich  das  on  allen  spot 
und  bi  der  trüwe  min, 

daß  wir  hand  gehept  das  glück  von  got 
und  von  Maria  der  müter  sin, 


^  feste  Stellung;  Hauptmacht.  ^  in  8  folgenden  Strophen  werden 
als  Theilnehmer  am  Kampfund  Siege  genannt  und  gerühmt:  Zürich, 
Bern,  Lu;!ern,  Uri,  Schwyz,  Unterwaiden,  Zug,  Freiburg,  Thurgau. 
St.  Gallen.    ^  da  —  in,  da  hinein,  in  den  Rhein.    *  Hülfsheer. 


8o  HISTORISCHE 

daß  wir  also  sind  obgelegen^ 
und  hand  gewannen  den  sig. 
Herr  gott,  frist  uns  lang  das  leben 
und  send  uns  din  s^ötlich  frid ! 

9.  Tusent  und  vierhundert 
im  nun  und  nünzig  jar 
da  haben  wir  gewunnen 
der  büchsen  ein  loblich  zal; 
eine  heißt  der  Seckel^, 
also  ist  si  genant, 
damit  wolt  man  bezalen 
drü  ort  im  Schwyzer  land. 

IG.  Der  uns  das  lied  nüwes  sang, 
Hans  Wick  ist  er's  genant; 
von  Luzern  ist  er  o:eburtig 
und  zu  Ure  wol  erkant. 
Er  ist  im  züsatz  gewesen 
zu  der  selben  zit, 
gen  disem  werden  meien^, 
der  uns  vil  fröiden  git. 


IL  Schlacht  bei  Glurns 

jetzt  genannt  «an  der  Calven»,  früher  « auf  der  Malserheide  ». 

s.  Bd.  I,  S.  XXXII. 

I.  So  will  ich  aber  singen, 
singen  ein  nüws  gedieht, 
wol  von  den  drien  bünden, 
wie  es  inen  ergangen  ist, 

^  gesiegt  haben.    -  von  Konstanz.    ^  Die  Schlacht  geschah  am 
II.  April,     zcert,  angenehm,  erwünscht. 


LIEDER  8l 

dem  Etschland  ist  \vol  erkant: 
die  krei^  ist  ußgeflogen 
dem  Steinbock  in  sin  Lind. 

2.  Es  tet  dem  edlen  Steinbock  zorn, 
do  er  vernam  die  gest : 

« krei,  du  bettest  \vol  emborn^, 
wärest  'bliben  in  dincm  nest! 
es  tut  dir  warlich  niemer  gut, 
ich  will  mich  an  dir  rächen, 
du  tribst  groß  Übermut.» 

3.  Der  Steinbock  was  sich  nit  sumen, 
er  macht  sich  uf  gar  bald: 

«  ein  letze ^  wend  wir  rumen 

bi  einem  grüenen  wald; 

die  Schmucker*  wellen  wir  grifen  an, 

daß  menge  frow  muß  weinen 

umb  iren  elichen  man !  » 

4.  Die  dri  pünd  kamen  gezogen 
am  pfingsttag  ins  Engadin: 

« frölich  wend  wir  es  wagen, 
Maria  w^elle  bi  uns  sin ! 
si  w^ill  uns  niemermer  verlan, 
darzü  der  bünden  künig^ 
sant  Lucius  mit  siner  krön. » 


^  Krähe,  das  Wappen  Tirols,  wie  der  Steinbock  das  von  Stadt 
und  Bisthum  Chur.  ^  entbehrt,  unterlassen.  ^  die  von  den  Tirolern 
aufgeworfene  Verschanzung  im  Engpaß  der  Calven,  am  Ausgang  des 
Münsterthals.  *  Bergknappen,  wohl  von  schmuchen,  sich  ducken.  Von 
einem  Bergwerk  mit  Schmelzhütte  soll  auch  die  Calve  ihren  Namen 
haben.    ^  Schutzpatron  des  Landes. 

II.  6 


82  HISTORISCHE 

5.  Am  mäntag  waren  si  komen 
gön  Münster  in  das  tal; 

die  schmucker  heten's  bald  vernomen, 

si  rüsten  sich  überall; 

si  heten  ein  letzi  fest. 

die  rüter  waren  d'  bünd  anschowen : 

«  da  komt  uns  frömbde  gest ! 

6.  Wir  wend's  inen  wol  entbieten, 
den  bünden  allgemein; 

unser  kilbe  sönd  si  sich  g'nieten\ 
keiner  kompt  inen  wider  heim ! 
w^ir  wend  in  schenken  uß  einem  faß, 
in  der  Etsch  wend  wir  s'  ertrenken, 
so  turfend  s'  niena  o;las^ !  » 

7.  Nig  von  Brandis^  begund  jechen"^: 
(( daß  üch  nit  fei  die  schanz ! 

an  der  steig  han  ich's  gesechen, 
heten  d'  buren  iren  fasnachttanz, 
namen  mengem  Swaben  sin  junges  leben 
ir  sönd  si  nit  verachten, 
den  rat  will  ich  üch  geben. 

8.  Dann  ich  will  ir  nit  beiten, 
das  red  ich  uf  minen  eid; 
si  spannten  mir  die  selten^, 
wurd  ich  inen  in  ir  hend. 


^  sie  sollen  sich  an  unserer  Kirchweih  ersättigen.  Vielleicht 
stand  das  Fest  irgend  eines  tirolischen  Kirchenpatrons  bevor.  ^  so 
bedürfen  sie  keine  Gläser;  vgl.  Bd.  I,  S.  28.  ^  war  in  einem  Gefecht 
am  Luziensteig  mit  den  Schwaben  gewesen.  *  sagen.  ^  würden  mich 
arff  misshandeln. 


LIEDER  83 

fliechen  wirt  morgen  min  bester  b'scheid; 
der  mit  mir  well  von  hinnen, 
es  wirt  im  niemer  leid^!  » 

9.  Die  schmucker  heten  für  sich  g'nomen^, 
die  letzi  nit  zu  verlan : 
«  ob  fünfzig  tuscnd  komen, 
wir  wend  si  wol  bestan, 
si  siend  Swizer  oder  bündlüt, 
es  bringt  in  keinen  fromen; 
umb  all  weit  gebend  wir  nüt !  » 

IG.  Die  dri  bünd  giengen  zu  rate  — 
heten  mengen  wisen  man  — 
an  eim  zinstag  abend  spate: 
wie  wend  wir  s'  grifen  an? 
« wir  wend  ordnen  ein  hinderhüt^, 
zwen  hufen  wend  wir  machen. » 
der  anslag  tucht  si  gut. 

11.  Da  es  was  umb  mittenacht, 

wie  bald  man  von  dannen  zoch! 

der  ein  huf  rückt  mit  macht 

über  ein  berg,  was  hoch, 

die  Schlingen  ist  der  berg  genant; 

wol  uf  dem  mitten  tage 

kam  man  in  der  fiend  land. 

12.  Die  dri  bünd  waren  ir  fiend  anschowen, 
wol  funfzehen  tusent  man : 

si  ruften  an  unser  frowen, 
sant  Luzi  mit  siner  krön : 


^  er  wird  es  niemals  bereuen.    '^  sich  vorgenommen.    ^  Hinter- 
halt, vielmehr  aber  eine  Umgehung;  s.  Str.  11,  3  —  5. 


84  HISTORISCHE 

«  die  wellen  uns  hüt  hilflich  sin ! » 
ir  Ordnung  waren  si  machen, 
ir  hufen  der  was  klein. 


I 


In  die  bündlüt  w^as  man  schießen, 

der  schlangen  heten  si  vil; 

die  bünd  was  es  verdrießen: 

«  wie  stan  wir  hie  still  zum  zil  ^  ?  » 

der  bünd  waren  viertusent  man, 

si  heten  löwes  müt, 

si  griffend  s'  frölich  an. 

14.  Der  houptman  sprach:  «  wir  wellen  rücken, 
dann  es  ist  an  der  zit; 

die  krei  wirft  uns  ab  die  brücken, 
vil  hufen  hat  si  mit  lüt. » 
den  ersten  hufen  griffen  si  an, 
von  inen  was  er  sich  wenken, 
er  weit  inen  nit  bestan. 

15.  Do  der  selbig  huf  was  fliehen, 
di  dri  bünd  wanten  sich  bald; 
seeen  inen  Sachen  si  ziehen 
zwen  hufen  uß  einem  wald. 

in  Maria  namen  griffen  si  s'  an; 
noch  verborgen  in  dem  w^alde 
hatt  die  krei  zwen  hufen  stan. 

16.  Noch  versorget^  heten  s'  die  letzi 
mit  lüten  und  büchsen  vil, 

vier  bastien  darin  gesetzet 
und  schußen  all  zu  eim  zil; 


^  nach  der  Abrede  sollte  die  Hauptmacht  mit  ihrem  Angriff  im 
Engpaß  auf  ein  Zeichen  warten,  das  der  über  den  Berg  gezogene 
Haufe   geben  würde;   unterdessen    blieb   sie  dem  Feuer  der  Feinde 


ausgesetzt.    "^  besetzt. 


LIEDER 

mit  schießen  triben  si  orroßen  sr^valt. 
der  Steinbock  was  die  kreien  jagen 
wol  in  dem  s^rücnen  wald. 

17.  «krei,  du  magst  nit  gar  entrünnen, 
ich  han  dir's  vor  geseit; 

groß  kumber  müstu  hüt  gewünnen, 

din  bosheit  wird  dir  leid ! 

ich  will  dich  bringen  in  jamers  not, 

daß  diser  e:rüener  walde 

von  blüt  muß  werden  rot !  » 

18.  Die  krei  was  sich  schmucken, 
in  dem  wald  si  umhar  floch ; 
die  federn  ward  man  ir  rupfen, 
die  fecken  si  nachar^  zoch ; 

man  rupft  ir  die  federn  uß  irem  swanz, 
daß  si  in  dem  grüenen  walde 
macht  mengen  krumen  tanz. 

19.  «Krei,  din  anslag  wend  dir  feien, 
die  dich  band  getunkt  gar  gut; 
mit  halebarten  wil  ich  dir  strelen 
und  zwacken-  mit  dinem  blüt! 

ich  will  dich  strelen  uf  den  grund, 
daß  du  fürhin^  solt  kennen 
die  puren  im  grawen  pund ! 

20.  Krei,  du  hattest  dich  vermessen, 
uß  dinem  Übermut 

mir  bereit  ein  abendessen ; 
das  kost  dich  lib  und  ^üt; 


*  hinter  sich  her.    federn,  Fittige.    ^  waschen.    ^  in  Zukunft. 


86  HISTORISCHE 

das  trank,  das  du  mir  hattest  bereit, 
das  müstu  selbs  ußtrinken, 
wär's  dir  im  herzen  leid ! » 

21.  Die  büchsen  was  man  inen  abeloufen^, 
als  uns  die  warheit  seit; 

pulver,  stein  dorft  man  nit  koufen, 
man  fand  es  darbi  bereit; 
daruß  schoß  menger  houptman  gut; 
von  dannen  begondend  s'  loufen, 
gestillet  was  ir  Übermut. 

22.  «Krei,  ich  han  mit  dir  gefochten 
wol  über  die  vierden  stund; 

an  dir  han  ich  mich  gerochen 
und  an  dinem  stechlin^  bund; 
die  letzi  han  ich  dir  g'wunnen  an, 
dine  büchsen  und  dine  banner 
müstu  den  pünten  lan ! » 


23' 


Da  hat  man  in  erschlagen 

im  wald  und  uf  dem  feld 

viertusent,  hört  man  klagen, 

die  man  do  hat  gezelt, 

on  die  in  der  Etsch  ertrunken  sind, 

der  zal  mag  niemant  wüssen; 

des  klagt  sich  menges  kind. 


24.  Do  sach  man  gar  bald  brinnen 
das  land  wol  überall, 
kein  hus  mocht  da  entrinnen 
im  berg  und  ouch  im  tal. 


^  im  Stiirmlauf  entreißen?  oder:  unterlaufen?     ^  stählern. 


LIEDER  87 

SO  erbarmen  mich  vil  kleiner  kind, 
daß  si  durch  ire  herren 
in  jamer  komen  sind. 

23.  Küng,  laß  von  dinem  kriegen, 
din  anslag  hand  dir  gefeit; 
du  wirst  dich  selbs  betriegen, 
die  puren  hand  dir  gestrelt. 
die  dri  bünd  woltest  du  zerbrochen  han, 
das  ist  dir  misselungen, 
es  kost'  dich  mengen  man. 

26.  Die  dri  bünd  hand  sich  verbunden 
wol  zu  dem  ruchen  stier; 

inen  ist  wol  gelungen ; 

der  beren  sind  ouch  vier^; 

der  Steinbock  hat  mengen  stolzen  man, 

in  träwen  und  in  nöten 

will  er  ouch  bi  in  stan. 

27.  Der  uns  das  lied  hat  gesungen 
und  singt  zu  diser  stund, 
keinem  herren  ist  er  verbunden, 
er  sitzt  im  grawen  bund ; 

zu  Cur  ist  er  gar  wol  bekant, 

sin  narung  ist  er  suchen 

in  tütsch  und  welschem  land. 


^  Es  sind  wohl  die  auch  in  früheren  Liedern  (Bd.  I,  S.  28,  und 
II,  S.  51,7)  gemeinten  von  Bern,  Abtei  und  Stadt  St.  Gallen  und  Appen- 
zell. Ueber  das  Historische  der  Schlacht  vgl.  die  ausführliche  und 
gründliche  Abhandlung  von  Prof.  Vetter  im  Jahrbuch  für  Schweiz. 
Geschichte  Bd.  VIII,  203 ;  über  theilweise  Entlehnungen  des  Liedes 
aus  anderen  ebd.  S.  252;  nur  sind  dort  gerade  die  Berührungen  mit 
dem   in  unserm  Bd.  I,  S.  25  ff.  mitgetheilten  (Str.  8 — 9)    übersehen. 


88  HISTORISCHE 

III.  Schlacht  bei  Dorneck. 

s.  Bd.  I,  S.  XXXIII. 

1.  An  einem  mändag  es  beschach, 

daß  man  die  Oesterricher  ziechen  sach, 
und^  Dorneck  wollen  si  beschowen; 
und  Dorneck,  du  vil  hoches  hus, 
du  tust  inen  \ve  in  den  ougen. 

2.  Si  zugent  an  der  Pirs  hinab, 

uf  Dorneck  was  menger  Swizerknab, 
si  band  sich  erlich  gehalten; 
si  sprachen :   « lant  si  komen  har, 
so  wend  wir's  got  lan  walten ! » 

3.  Si  kament  fürbaß  uf  dem  plan, 
die  buchsen  hant  si  fürher  getan, 
Dorneck  wolten  si  erschießen; 

si  buten  in  vil  der  snöden  wort, 
es  bes^ond  si  ser  verdrießen. 

4.  Si  zugent  noch  nächer  hinzu, 

si  lüejeten  recht  wie  ein  Swizer  kü, 
es  o^ond-  die  eid^nossen  verdrießen: 


ö' 


«  so  wend  wir's  Maria  klagen 


t> 


und  Jesum  dem  vil  stießen ! » 

5.  An  einem  montag  es  beschach, 
daß  man  das  leger  slachen  sach 
an  Dorneck  bi  der  feste; 
und  Dorneck,  du  vil  hoches  hus, 
dir  koment  vil  frömbder  oreste ! 


^  hier  öfter  in  der  zum  Lied  von  der  Schlacht  bei  Nancy  S.  66 
bemerkten  Weise  pleonastisch  gebraucht.     ^  =  hegond  5,  5. 


LIEDER  89 

6.  Der  vosit  der  was  ein  wiser  man : 

« ach  got,  wie  wellent  wir's  ^riten  an, 
daß  wir  die  sach  verenden  ? » 
er  ließ  schnell  ein  bot  hinuß, 
o:on  Liechstall  tet  er  in  senden. 

7.  Und  do  der  bot  gon  Liestall  kam, 
die  eidgnossen  warent  vor  im  do, 
si  saßen  in  allem  essen : 

« ich  biten  üch,  fromen  eidgnossen  gut, 
deren  uf  Dorneck  wellent  nit  vergessen !  » 

8.  Der  Schultheiß  hinder  dem  tische  saß 
und  er  den  boten  anesach: 

«und  bot,  was  ist  dir  angelegen?» 
«  ach  herr,  liebster  herre  min, 
und  Dorneck  das  ist  umbiegen  M» 

9.  Der  Schultheiß  was  ein  wiser  man, 
sin  essen  das  hatt  er  vor  im  stan, 
dannocht-  wolt  er  nit  bliben : 

« wolut,  ir  lieben  eidgnossen  gut, 

die  Landsknecht  wollen  wir  vertriben !  » 

IG.  Si  zugend  bald  ze  Liestall  uß, 

gegen  den  Osterrichern  hatten  si  keinen  grus, 
keiner  wolt  daheimcn  bliben; 
si  zugen  uß  früschem  friem  müt, 
von  Dorneck  wolten  si  s'  vertriben. 

II.  Und  Dorneck,  du  vil  hoches  hus, 
der  koch  der  slÜ2;  die  kuche  uf, 


*  belagert.    ^  s.  zum  Lied  von  der  Schlacht  bei  Nancy  S.  67. 


90  HISTORISCHE 

er  tet  die  häfen  schumen; 
eb^  es  ward  ein  halbe  stund, 
da  tet  man  in  die  kuche  rumen. 

12.  Si  zugend  an  dem  grüenen  wald  har, 
der  Osterrichern  was  ein  große  schar, 
si  band  sich  unerlich  gehalten, 

si  fluchen  über  die  grüene  beide  uß, 
die  köpf  tet  man  inen  spalten. 

13.  Die  eidgnossen  band  eine  list  erdacht, 

si  band  die  Schwaben  gen  Dorneck  'bracht^, 
si  und  ire  gesellen; 
ir  sind  ein  teil  von  Straßburg  gesin, 
es  mües^e^  wem  es  welle! 

14.  Si  sind  gestanden  uf  weichem  grund, 
di  tusend  bUben  tod  und  wund, 

das  plären*  tet  man  in  vertriben :. 

die  büchsen,  die  hatten  si  vor  Dorneck  'bracht, 

die  sind  den  eidgenossen  'bUben. 

15.  Der  uns  das  liedlin  nüwes  sang, 

ein  früscher  eidgenoß  ist  er's  genant, 
er  hat's  gar  frölich  gesungen; 
er  hat  meno:en  Swaben  erstochen 
und  mit  den  Straßburgern  gerungen. 


^  ehe.    ^  durch  Verbreitung  der  falschen  Nachricht,  die  Eidge- 
nossen seien  in 's  Thurgau  gezogen.  ^  bemühe,  thue  leid?   *  =  lüejen  4,2. 


LIEDER  91 

(( Von  den  Luther'schen  zu  Solothurn. » 

s.  Bd.  I,  S.  XLII. 

1.  Xun^  wend  wir  aber  heben  an 

und  singen  ein  liedlin,  weil  ich  kan, 
und^  wie  ich  hab  vernomen 
und  wie  der  Türk^  mit  großem  gwalt 
in  d'  eignofM'chaft  ist  komen. 

2.  Und  als  er  ist  von  Wien  entronnen, 
ist  er  auch  gon  Zürich  kommen, 

do  ward  er  ingelassen ; 

er  2:ab  dem  Zwins^li  vollen  sjwalt, 

solt  rauben  kilchen  und  Straßen. 

3.  Das  hat  im  got  nit  woln  vertragen, 
die  fünf  ort  hand  in  erschlagen; 
thüt  etlich  stett  verdrießen, 

die  hand  aus  gloggen  buchsen  g'macht 
und  wolten  uns  erschießen. 

4.  Zu  Solothurn  kamen  auch  acht  man, 
einen  schimpf  hand  si  gefangen  an, 
das  wolt  got  nit  vertragen; 

und  hetten  wir('s)  im*  recht  gethan, 
wir  hetten  s'  all  erschlagen. 

5.  Si  hetten  sich  auf  einmal  vermessen, 

z'  Schifflüten^  hetten  s'  z'  morgen  g'essen 


^  Die  Handschrift  hat  und.  -  hier  wie  im  Lied  von  der  Schlacht 
bei  Dorneck.  ^  hier  im  Sinn  von  Antichrist,  aber  mit  Beziehung  auf 
die  damahge  Türkengefahr  in  Oestreich.  *  ihm,  Dativ  von  c:;  recht 
als  Adverb,  nur  sollte  dann  das  vorangehende  es  wegfallen.  ^  ein 
Zunft  haus. 


92  HISTORISCHE 

mit  hämisch  und  mit  spießen 
und  wolten  uns  im  bett  ermorden, 
so  wir  läo:en  und  schliefen. 

6.  Do  si  sind  von  den  Schifflüten  kommen, 
das  büchsenhaus  hand  s'  ingenommen, 
die  stat  wolten  si  o^'winnen 

und  wolten  ein'r  frommen  eidgnoßfchaft 
ir  alten  bund  zertrennen. 

7.  Und  das  ist  war  und  nit  erlogen, 

uf  sant  Ursen  kilchhof  sind  si  zogen ; 
das  thet  uns  all  verdrießen; 
uf  allerheiligentag  es  geschach, 
thet  man  in  d'  vorstat  schießen. 

8.  Sant  Ursen  wend  wir  rufen  an, 
Maria  wöll  uns  beistand  thün 
und  ir  kind  für  uns  bitten, 
daß  es  in  unser  großen  not 
für  uns  welle  striten. 

9.  Die  heihgen  wend  wir  nit  vergessen, 
wollend  bliben  bi  der  messen 

und  bi  den  siben  sacramenten, 

die  uns  2:ott  der  herr  verlassen  hat 

an  sinem  letzten  ende. 

IG.  Noch  eins  und  das  ist  auch  darbi : 
si  sprechen,  es  si  ein  ketzeri, 
der  pabst  heig  uns  betrogen, 
und  was  er  uns  geleret  heig, 
das  si  alles  erloo:en. 


LIEDER 

1 1 .  Darbi  kan  ich's  nit  lassen  bliben, 

so^  man  im  evangelium  findt  geschriben 
von  den  falschen  lerern, 
si  werden  kommen  zur  letzten  zeit 
und  werden  das  volk  verkeren. 

12.  Der  uns  das  liedlin  new  gesang, 

« der  Niemand  hat's  gethan »  ist  er  genant, 
er  darf  sich  selbst  nit  nennen; 
denn  kam  er  under  die  luthrischen  baurn, 
si  thcäten  in  verbrennen ! 


93 


Ein  hüpsch  nüw  lied  von  der  schlacht, 

so  die  von  Bern  mit  dem   herzogen  von  Savoy  by  Nüwen^ 

gethon  habend. 

s.  BJ.  I,  S.  XLIII  und  S.  59. 

1.  O  Bern,  du  magst  wol  frölich  sin 
in  dinem  vaterlande ; 

got  hat  den  wenigen  mötzli^  din 
groß  gnad  than  und  bistande ; 
errettet  hat  er  s'  uß  todes  not; 
darumb  so  land  uns  danken  got, 
siner  miltcn  trüwen  hande ! 

2.  Daß  wir  allein  band  prist  din  nam, 
des  thet  uns  menger  hassen; 

das  hast,  herr,  nit  ung'rochen  g'lan, 
das  Schwert  thetst  selber  fassen 


^  da  (doch  vielmehr).    ^  Nyon.    ^  =  inütili,  junge  Bären. 


94  HISTORISCHE 

und  gabst's  dem  beren  in  sin  band, 
als  er  lag  zwüschend  roß  und  wand^ 
enet  Neus^  in  der  gassen. 


T 


;,.  Er  \vas  gezogen  durch  das  'birg 
schier  mit  fünfhundert  mannen, 
denen  stand  allein  ir  begird, 
zu  erlösen  die  verbannen^ 
in  Genf  um  der  gerechtikeit, 
mit  den  messknechten  hart  umleit*; 
si  \vurdend  hart  empfangen. 


4.  In  einem  trüppel  zugend  si  bar 
am  suntag  früe  zu  morgen; 
die  find  namen  ir  eben  war, 

si  labend  still  verborgen 

hinder  einem  grüenen  dicken  hag; 

vergeben  schußend  s'  uf  si  ab ; 

si  schrüwend :  dran  frisch  on  sorgen ! 

5.  Die  unseren  waren  heiligt  und  müed, 
si  hattend  2:ar  nüt  or'essen. 

in  drien  tagen,  der  spis  gar  öd^, 
schlahen  s'  sich  nit  vermessen^; 


^  beengt,  bedrängt.  -  jenseits  Nyon,  in  einem  Engpaß  bei  Gingins. 
Da  der  Rath  von  Bern  zunächst  für  Genf  noch  nichts  thun  wollte, 
waren  500  Freiwillige  vom  Bieler  und  Neuenburger  See  der  Stadt 
zu  Hülfe  gezogen.  Unter  Mangel  an  Lebensmitteln  bis  nach  Nyon 
gelangt,  ließen  sie  sich  am  10.  October  1555  in  jenen  Engpaß  locken, 
wo  ihrer  ein  weit  überlegenes  savoyisches  Heer  wartete;  sie  schlugen 
sich  aber  mit  starkem  Verlust  der  Feinde  durch.  ^  Gebannten.  *  von 
den  Katholiken  umlagert.  '"  ermattet,  erschöpft;  vgl.  heheUigen,  er- 
müden, plagen.  ^  leer  von  — .  "  (hatten)  sich  gefasst  gemacht  auf — .. 


LIEDER  95 

den  Jenfern  hattend  s'  geben  für^, 
vermeintend,  die  straß  war  gehür-, 
wollend  iez  zu  in  hassen^. 

6.  Aber  eb  man  durch  die  gassen  kam, 
der  fiend  hart  thet  schießen; 

da  hart  einer  siben  zu  bestan, 

vil  w'arend  werlos  on  spießen. 

do  sprachend  s' :  got  wird's  mit  uns  han ! 

ein  ietlicher  wolt  vornen  dran, 

der  fiend  mocht  sin  nit  g'nießen"*. 

7.  Do  sach  man  manchen  berner  knab 
mit  spießen  gar  nit  tclcn ; 

die  andern  brachend  durch  den  hag, 

do  gieng  es  an  ein  strelen ; 

ir  keiner  mocht  mer  z'  schießen  kan^, 

d'  schäft  thätend  s'  in  uf  d'  blatten*^  schlan, 

der  bär  thet  also  welen^. 

8.  Ein  herter  schimpft  gesach  man  nie 
mit  stechen  und  mit  schlachen; 

ein  ieder  thet  mer  dann  ich  hie 
mösi  sinken  oder  saeen. 
die  mötzli  auch,  klem,  jung  und  alt, 
trucktend  i'n  hufen  mit  gewalt, 
man  sach  gar  keinen  zagen. 


^  Nachricht  gegeben?    "^^eheuer,  sicher,    ^passieren,  hinziehen. 

*  der  Feind   konnte  von   solchem  Muth  keinen  Vortheil  gewinnen. 

*  kommen.  *^  Hirnschale,  Schädel.  '  wählen?  (griff  zu  diesem  Ver- 
fahren und  hatte  wohl  auch  keine  andere  Wahl?)  ^  Spaß,  im  Sinn 
von :  Kampf. 


96  HISTORISCHE 

9.  Der  tiend  sagt  selbs,  ich  hab's  gehört, 
es  g'schach  nie  glichs  in  landen ; 
ich  glaub,  es  sig  kein  spieß  enbört^, 
fünf  baren  sind  dran  g'standen. 
darbi  man  spürt  groß  gottes  gnad, 
die  er  den  sinen  geben  hat, 
der  2:eschmir\vten^  rott  zu  schänden, 

10.  Gar  thür  ward  menchem  des^  baren  tanz, 
besunders  den  gewichten; 

kein  gwer  in  siner  band  bleib  ganz, 
die  messknecht  thet  er  strichen; 
mit  spießen  er  den  segen  gab, 
mit  hallebarten  zoch  er  ab, 
büß  thet  er  in  verliehen*. 

11.  «Das  ist  warUch  ein  harte  büß», 
hört  ich  von  mengen  sagen, 

«ich  wönd^,  er  hett  ein  dorn  im  fuß, 
so^  thet  er's  trutzlich  wagen.» 
der  sich  doch  alles  rechten  flißt, 
erzürnt  man  in,  er  kratzt  und  bißt, 
messknecht  hat  er  thün  jagen. 

12.  Doch  so  bald  im  got  gab  den  sig; 
fünfhundert*  sind  umbkomen, 
siben  der  manne  und  ouch  ein  wib, 
zwen  knaben  allersamen. 


^  erhohen.  Die  folgende  Angabe  von  5  Bären  an  jedem  Spieß 
ist  wohl  auf  Str.  6,  4  zu  beziehen,  üsteri  liest  herren  statt  härm,  wohl 
mit  Beziehung  auf  6,  3.  -  geschmiert,  gesalbt,  zunächst  Priester,  dann 
Katholiken  überhaupt;  vgl.  gewicht,  geweiht  Str.  10,  2.  ^  Die  Hand- 
schrift hat  der,  wovon  doch  in  Zeile  3  auf  den  Singular  übergegangen 
wird.  ^  Dieses  Bild  wohl  aus  dem  Sempacher  Lied  I,  2  entlehnt. 
°  für  luänt,  wähnte.     ^  nun  aber.     ^  so  viele  von  den  Feinden,  die 


LIEDER  97 

si  band  ußzogen^  nie  kein  man, 
irs  güts  si  nüt  begeret  band, 
allein  gut  gwer  genomen*^. 

13.  Dis  lied  das  bat  ein  Berner  g'macbt, 
von  guter  gsellen  wegen, 
daß  si  wandlind  recbt,  tag  und  nacbt, 
gots  wort  in  si  ang'legen 
und  dis  tbüjind  zu  herzen  nen, 
daß  got  den  sig  mög  nen  und  gen, 
im  lob  und  dank  drum  sai?en. 


Ein  hüpsch  nüw  lied   von  der  schlacht  im  Bemund^ 

beschehen  am   Ostermontag  im   1544  jar. 
s.  Bd.  I,  S.  XLIII. 

I.  Im  namen  der  beiligen  dr\-faltigkeit 
so  wil  icb  beben  an ; 
got  vater,  sun  und  beiliger  geist, 
die  wollend  uns  nit  verlan ! 


folgenden  Angaben  beziehen  sich  auf  die  Berner,  unter  denen  auch 
einige  Frauen  gewesen  sein  sollen. 

^  Todte  ausgeplündert.  ^  6  folgende  Strophen  sind  weggelassen, 
welche  von  Unterhandlungen  berichten,  die  nach  diesem  Gefechte 
eintraten  und  die  Rückkehr  des  Freicorps  zur  Folge  hatten,  worauf 
doch  schon  im  nächsten  Jahre  die  Berner  mit  Heeresmacht  zur  Er- 
oberung der  Waadt  ausrückten.  ^  Piemont.  Die  Schlacht  heißt  auch 
«bei  Carignano».  Berichte  über  dieselbe  s.  im  Anzeiger  f.  Schweiz. 
Gesch.  1885,  S.  115  — 119.  Gegen  Ende  des  zwanzigjährigen  Krieges 
zwischen  Kaiser  Karl  V.  und  Franz  I.,  König  von  Frankreich,  hatte 
der  kaiserliche  General,  der  Marquese  von  Guasto,  im  Herbst  1545 
die  Franzosen  (und  die  mit  ihnen  verbündeten  Türken)  zur  Auf- 
hebung der  Belagerung  von  Nizza  gezwungen  und  die  Städte  Mondovi 

II.  7 


98  HISTORISCHE 

wir  thünd  dich  trüwlich  bitten : 
verlych  uns  gnad  und  kraft, 
und^  daß  wir  mö^ind  behalten 
das  lob  der  frommen  alten, 
einer  lobUchen  eidgnoschaft. 

2.  Nun  merkend  uf  groß  wunder, 
w^ie  es  ergangen  ist; 

davon  so  wend  wir  sinoren 
uß  gnad  herr  Jesu  Christ; 
hat  s^nad  s^ethan  besunder 
den  frommen  eidgnossen  gut. 
o  0:0t  in  dvnem  himel  — 
das  2;lück  ist  iezund  sinwel-   — 
hab  uns  in  dyner  hüt ! 

3.  Im  tusend  und  fünfhundert 
und  vier  und  vierzigsten  jar, 

do  liend  die  frommen  eido;nossen 
ein  großen  fcldstrvt  orethan 


und  Carignan  eingenommen.  Die  in  Mondovi  gelegenen,  in  franzö- 
sischem Dienste  stehenden  Eidgenossen  sollen  durch  einen  erdichteten 
Brief  zur  üebergabe  verlockt  worden  sein.  Bei  ihrem  Abzug  war 
zwischen  ihnen  und  spanischen  Truppen,  die  über  sie  herfallen  wollten, 
eine  Rauferei  entstanden.  Im  März  1544  begann  der  französische 
Befehlshaber,  der  junge  Herzog  von  Vendome,  den  Feldzug  mit  der 
Belagerung  von  Carignan,  und  als  der  Marquese  zum  Entsatz  heran- 
rückte, brachte  er  ihm  bei  Cerisole  eine  schwere  Niederlage  bei,  zu 
deren  Entscheidung  besonders  3400  Eidgenossen  beitrugen,  die  mit 
dem  Racheruf  «Mondovi!»  auf  die  Spanier  eindrangen.  König  Franz 
ließ  der  in  Baden  versammelten  Tagsatzung  durch  einen  Gesandten 
seinen  Dank  ausfprechen. 

^  so.    ^  kugelrund,  bildl.  wandelbar.    Der  Reim  ergibt  sich  aus 
der  mundartlichen   Ausfprache  simel ;  vgl,  Simeliherg. 


LIEDER  99 

an  dem  Ostermontag 

uf  einer  grüenen  heid, 

da  band  sy  ir  fyend  g'schlagen 

in's  küng  von  Frankrvchs  namen; 

ist  dem  maro^kvsen  leid. 

4.  Der  margkys  thüt  uns  schelten, 
embüt^  uns  böse  wort, 

er  wöU  uns  all  lan  henken 
und  darzü  schlahen  z'  tod, 
kein  Schwyzer  lassen  blvben, 
und  schlan  mit  svnem  beer, 
vom  küns:  wöll  er  sv  trvben, 
daß  SV  daheimen  blvben, 
wider  in  nit  krie^ind  meer. 

5.  Türken,  ketzer  thünd  s'  uns  sagen 
und  anders  noch  vil  meer; 

wir  wend's  got  trüwlich  klagen 
und  allem  himmelschen  beer, 
ja,  daß  die  frommen  eidgnossen 
also  verachtet  sind, 
frisch  uf,  ir  Schwvzerknaben, 
gen  fynden  wend  wir  traben, 
wend  schlahen  sy  uf  d'  grind! 

6.  Sy  band's  an  uns  erworben^ 
fürwar  an  mene^em  end ; 
ZU  Muntuwi:^  vor  der  stat, 
daran  wir  denken  wend. 


^  entbietet.    '^  es  um  uns  verdient. 


100  HISTORISCHE 

wie  SV  uns  band  gehalten 
kriegsrecht,  euch  frid  und  g'leit. 
wir  wend  trüwlich  uf  üch  warten 
mit  spieß  und  hallenbarten 
on  vorteil  uf  grüener  heid. 

7.  Ir  sind  im  land  umbzogen, 
trihend  groß  Übermut, 
Gar\-an^  vne^enommen, 
gemacht  pastyen^  gut, 
daselbs  vil  mütwill  triben, 
ouch  hoffart  und  bübery; 
ir  aßend  gut  kapunen 

und  hennen  gebraten^, 
rossfleisch  zületst  darby! 

8.  Der  margkys  kam  gezogen 
am  heiligen  ostertag 

mit  zwenzio:tusend  mannen 
zu  fuße,  ich  üch  sag; 
Garvan  wolt  er  spysen"^, 
entschütten  ^  mit  syner  macht, 
die  Franzosen  muß  ich  loben, 
sind  in  die  straß  fürzogen  ^, 
ein  scharmutz  mit  in  s^'macht. 

9.  Uf  möntag  an  dem  morgen 
do  brach  das  leger  uf; 

gen  fynden  ist  man  zogen 
von  Carmiölen  uß. 


^  Carignano.  -  Basteien,  Befestigungen.  ^  vielleicht:  und  ouch 
gebraten  hüener.  *  verproviantiren.  ^  entsetzen.  ®  ihnen  entgegen 
gezogen. 


LIEDER  10 1 

uf  eine  halbe  tütsche  myl 
sach  man  den  fyend  stan, 
vier  hufen  gwaltiglichen, 
zu  roß  desfelben  glychen, 
glißend^  wie  ein  Spiegelglas. 

10.  Do  fieng  man  an  scharmützen, 
das  wert'  dritthalbe  stund, 

das  groß  gschütz  thet  züher  rucken, 

ist  mengem  kriegsman  kund ; 

's  handgschütz  gieng.  wie  ein  hagel, 

das  groß  darunder  lut. 

fürwar,  ich  g'sach  kein  zagen : 

«  frisch  dran,  wir  wöUend's  wagen !  » 

schrüwcnd  die  houptlüt  gut. 

11.  Da  thet  man  z'samen  rucken 
uf  einer  heide  grüen ; 

ich  g'sach  sich  keinen  schmucken, 

die  fvend  warend  küen, 

trölich  mit  uns  zu  wagen, 

schwungend  die  fendly  hertür ; 

sy  thetend  uf  uns  tringen, 

von  mutwill  thatend  s'  springen. 

wir  machtend  in  gut  g'schirr-. 

12.  Die  Schwyzer  und  die  landsknecht 
die  griffend  einandren  an; 

da  gieng  es  an  ein  fechten, 
es  kostet  mengen  man. 


^  sie  glänzten.    -'  freundlichen  Empfang. 


102  HISTORISCHE 

die  Schwyzer  ich  drumb  loben, 
sy  sclilügend  dapfer  dn-n, 
sy  stachend  dr\'n  mit  spießen ; 
das  thet  d'  landsknecht  verdrießen, 
keiner  wolt  der  hindrest  syn. 

13.  Ein  Schwyzer  thet  lut  schr\'en: 
(( mit  den  hallbarten  herfür, 
flux  uf  die  rechten  syten ! » 

da  wurd  in  lachen  thür^ 
vil  edler  ritter  und  grafen 
die  woltend  wychen  nit. 
wir  schluckend  druf  on  truren 
glychwie  die  schwyzer  buren, 
schontend  des  adels  nit. 

14.  Wir  schlügend  s'  hindersich  z'  ruggen, 
aar  seer  sv  das  verdroß ; 

die  fvend  thatend  rucken 

mit  irer  Ordnung  groß 

und  thatend  heftig  str}'ten, 

sy  warend  wol  gerüst; 

die  Schwvzer  thatend  fechten 

mit  houwen  und  mit  stechen; 

den  grind  hand  wir  in  'bürst'. 

15.  Die  landsknecht  fiengend  an  wychen, 
ir  hoffart  hat  ein  end; 

sy  ließend  d'  fenly  schlyclien, 
die  flucht  sv  genommen  hend 


^  wurde  ihnen  das  Lachen  verleidet. 


LIEDER  103 

alls^  über  ein  wite  beide; 
da  was  ein  graben  groß ; 
sy  stakend  sich  zu  weren^, 
die  Schwyzer  ratend  s'  beren^ 
mit  iren  Schwertern  bloß. 

16.  Ir  fendly  band  wir  genommen, 
es  kam  nit  eins  darvon ; 

vil  houptlüt,  ritter,  graven 
und  mengen  edehiian, 
ja  die  wir  band  erschlagen, 
mengen  kriegsman  gut, 
sy  möchtend  ein  erbarmen 
so  vil  der  stolzen  armen ; 
die  heid  von  blüt  was  rot. 

17.  Sy  lagend  in  den  Straßen 
und  straktend  uf  ir  hend : 

«  bittend  üch,  frommen  eidgnossen, 

daß  ir  uns  tT'fano;en  nend 

und  fristind  unser  leben, 

helfind  uns  uß  diser  not. 

wend  leben  nach  üwrem  willen, 

durch  Jesus  Christus  willen, 

der  für  uns  leid^  den  tod.» 

18.  « Ir  band  uns  dröuwt  zu  henken, 
keinen  nit  lassen  gan, 

die  Franzosen  ufs  meer^  verkoufen. 
das  ander  alls  erschlan. 


^  an  einem  fort.    *  setzten  sich   zur  Wehr.    ^  schlagen.    *  litt. 
^  auf  die  Galeeren. 


104  HISTORISCHE 

das  wend  wir  üch  yntrenken, 

solch  hoffart  und  Übermut. 

das  leben  wend  wir  üch  schenken, 

daß  ir  daran  gedenkend, 

kein  Schwvzer  verschmähen  thünd. » 

19.  Die  Schlacht  die  nam  ein  ende, 
man  seit  got  lob  und  dank, 
die  trefano^nen  an  ein  hufen 
und  tatend  ein  widerschwank  ^. 
« lügend,  liebe  eidgnossen, 
über  dise  wvte  heid! 

es  ist  uns  keiner  entrunnen, 
ein  2:üt  lob  band  wir  s'wunnen; 
das  ist  dem  mar^kysen  leid. » 

20.  D'  Franzosen  sind  gestanden 
bi  uns  zu  rechten  svt, 

bv  den  drv  tu  send  mannen, 

band  'than  wie  biderb  lüt. 

die  band  d'  Taliöner^  g'schlagen 

und  einen  reisigen  huf, 

die  fendlv  alle  g'wunnen ; 

ir  ist  nit  vil  entrunnen, 

band  sv  all  g'riben  uf. 

21.  WVter  muß  ich  melden, 
wie  wvt  wir  s'  triben  band: 
ein  halbe  tütsche  mvle, 

da  wir  ersvunden^  band 


^  wir  brachten  die  Gefangenen  zusammen  und  kehrten  dann  auf 
das  Schlachtfeld  zurück  (?).  -  die  Italiener.  ^  erwinden:  ablassen 
(von  der  Verfolgung). 


LIEDER  105 


in  der  fynden  leger, 
Zirasoli  genant, 
nit  wyter  sind  sv  o:e\vichen, 
wir  iiand  s'  all  erstrichen^, 
geschlagen  mit  unser  hand. 

22.  Ein  Franzos  kam  getraben, 
der  selb  schrei  überlut: 

«  woluf,  ir  Schwvzerknaben, 
es  ist  ein  großer  huf, 
dieselben  sind  nit  jz'schlae^en, 
stond  dort  uf  grüener  heid. 
frisch  dran,  wir  wollend  fechten 
und  uf  sy  houwen  und  stechen ! » 
zu  strvten  was  man  geneigt. 

23.  Wir  thatend  gegen  in  tringen 
on  alle  Ordnung  hin; 

sv  ließend  's  s^schütz  erklingen 
und  woltend  abziehen  fvn. 
wir  trungend  uf  ir  Ordnung 
und  schlügend  dapfer  dryn 
mit  spießen  und  hallbarten; 
sy  woltend  uns  nit  warten, 
keiner  wolt  der  hindrist  svn." 

24.  Man  thet  sy  bald  umbryten^, 
sy  mochtend  entrünnen  nit, 
sy  müßtend  unser  beiten 
und  warend  gefangen  lüt. 


'  eingeholt,     ''■  überflügeln,  umzingeln. 


I06  HISTORISCHE 

die  Spanger  all  erschlagen, 
keinen  nit  lassen  gan; 
wend  inen  dis  mord^  yntrenken, 
keim  Spanger  gar  nüt  schenken : 
Muntuwig  bezalt  den  lon^ ! 

25.  Der  künig  unverdrossen 
spricht  das  by  syner  krön, 

er  lobt  die  frommen  eidgnossen, 
daß  sy  thünd  by  im  stan, 
daß  SV  ouch  helfend  b'halten 
stett,  schloß  und  wyte  land ; 
wo  sy  nit  by  im  bHben, 
man  gloubt,  er  wurd  vertriben 
uß  Frankrych  synem  land. 

26.  Er  spricht  zu  den  eidgnossen, 
er  wöll's  uns  g'nießen  lan, 

er  wöll  uns  eerlich  halten, 

diewyl  er  mög  's  leben  han, 

lieb  und  leid  mit  uns  lyden, 

uns  geben  ein  guten  sold  : 

« lönd  üch  nit  von  mir  try^ben, 

thünd  stät  by  mir  belyben, 

an  üch  rüwt  mich  kein  o:old ! » 

27.  Darmit  so  will  ich's  enden, 
wol  dis  gedieht  fürwar; 

ich  hoff,  gott  werd  uns  senden 
vil  glück  und  gute  jar, 


^  ihren  bei  Mondovi  begangenen  Verrath.  ^  Im  Original  folgen 
hier  10  Stroplien,  welche  in  trockener  Aufzählung  und  zum  Theil 
mit  Wiederholungen   den  Verlust   der  Feinde   und   den    Betrag   der 


LIEDER  107 


und  daß  wir  Irommen  eidgnossen 
in  frid  und  einigkeit 
,unser  alt  lob  ernüwen. 
zu  got  ruf  ich  in  trüwen, 
er  hab  uns  nüt  verseit. 

28.  Der  uns  dis  lied  nüw  gesang, 
von  nüwem  gedichtet  hat, 
das  hat  i^ethan  ein  krie^sman, 
wie  bald  er  kam  ab  der  schlacht. 
er  ist  wyt  umbher  zogen 
in  tütschem  und  welschem  land ; 
kein  trüw  kan  er  nit  finden, 
die  weit  ist  voller  sünden: 
Caspar  Suter*  ist  er  genant. 


Ein  Lied  von  der  grossen  Schlacht  und  Niderlag 
vor  Montecurt  in  Frankrych,  den  3.  Octobris  Anno  1569. 

s.  BJ.  I,  S.  XLVI. 

I.  Zuvor  wend  wir  anrüefen 
den  Herren  Jesum  Christ, 
US  ganzen  Herzen  Tiefe, 
dann  er  uns  big'standen  ist; 


Beute  angeben  (1500  Proviantwagen,  Büchsen  und  Munition,  Fahnen, 
Belagerungs^eug  und  Schiffe).  Die  Eidgenossen  sollen  nur  40  Mann 
verloren  haben,  die  Feinde  über  15000,  nicht  mitgerechnet  die  Ge- 
tangenen, worunter  3000  Landsknechte,  900  Spanier. 

^  Ein  Caspar  Suter  von  Horgen  (Kt.  Zürich)  wird  1549  als  Schul- 
meister in  Zug  erwähnt  und  hat  eine  Chronik  verfasst.  s.  Anzeiger 
f.  Schweiz.  Gesch.  1865,  Nr.  2,  S.  22 — 25.  Er  könnte  wohl  früher  den 
Feldzug  mitgemacht  und  das  Lied  gedichtet  haben.  (Nach  einer 
Mittheilung  von  Prof.  G.  v.  Wyß). 


I08  HISTORISCHE 

er  hat  uns  'geben  Stärk  und  Kraft, 
daß  wir  band  ing'leit  Ehre 
der  ganzen  Eidgnoßlchaft. 

2.  Es  ist  männiglichem  künde 
in  Frankrich  überall, 
wie  daß  der  Prinz  von  Conde 
mitsamt  dem  AmiraP 
hand  ang'richtet  Mord  und  Brand, 
im  Grund  wollen  verderben 
Frankrich  das  edel  Land. 


-> 


Und  haben  understanden 

zu  samlen  große  Macht, 

in  tütschen  und  welschen  Landen 

vil  der  Bündnissen  g'macht, 

sich  beworben  umb  Geld  und  Lüt:  ^ 

zwar-  der  Menschen  Anschläge 

wider  Gott  die  helten  nüt. 

4.  Mit  gar  großen  Finanzen^ 
sind  sie  gegangen  um, 

als  ob  sie  wolten  pflanzen 
das  Evangelium, 
daß  man's  verkündet  überall; 
hand  darmit  an  sich  'zo2:en 
von  Tütschen  ein  große  Zal. 

5.  Den  Herzogen  von  Zweibrücken 
hand  sie  'bracht  in  das  Spil, 
mit  iren  g'schwinden  Tücken, 
und  auch  des  Adels  vil. 


^  der  Admiral  Coligny,  das  Haupt  der  Hugenotten.    ^  wahrlich, 
hier  fast  =  aber.    ^  Kniffe,  Künste. 


LIEDER  109 


daß  er  inen  zuzogen  ist 
wol  mit  nüntusend  Pferden, 
die  waren  wol  o:erüst. 

6.  Von  Landsknechten  sind  gezogen 
der  Fänli  zwanzi^:  und  acht, 

die  sind  daher  o;eflo£jen 
in  Uebermüt  und  Pracht, 
sind  damit  g'fallen  in  Burgund 
und  hand  ang'fangen  brennen 
ghch  wie  der  türkisch  Hund. 

7.  Darnach  sind  sie  dem  Künig 
gefallen  in  das  Land ; 

es  bekümmert  sie  i2;ar  weni«^, 
ob  schon  mit  Mord  und  Brand 
vil  armer  Lüten  wurden  g'macht, 
all  Kirchen  Zier  zerrissen; 
uf  Bosheit  hatten  s'  Acht. 

8.  Französisch  Hugenotten 
die  ritten  vornen  dran 
mit  ihren  wißen  Rotten ; 
die  zündten  Dörfer  an, 
verschonten  weder  Wib  noch  Kind; 
mocht  inen  ein  Priester  werden, 

so  schlügen  s'  in  z'  Tod  geschwind. 

9.  Im  Dienst  hat  vor^  der  Künig 
ein  und  zwanzig  Fänli  gut, 
das  ducht  im  nun  zu  wenig 
von  Schwizer  zu  siner  Hut ; 

^  vorher. 


HO  HISTORISCHE 

darumb  beschickt  er  gar  g'schwind  und  b'hend 
der  Fänli  noch  drizehen, 
ein  b'sunders  Regiment  ^ 

10.  Das  Regiment  der  alten 
hatt  vor  oft  übel  Zit^, 
eerlich  band  sie  sich  g'halten, 
als^  wol  am  Tage  lit: 

bi  Irnack  uf  der  witen  Heid 
da  ward  der  Prinz  von  Conde 
im  Scharmutz  nider^'leit. 

11.  Der  Herzog  von  Zweibrücken 
hat  solches  wol  vernon ; 

er  wollt  versuchen  's  Glücke, 
dem  Amiral  biston; 
zu  im  zog  er  in  Büberi, 
sin  Hut  hat  in  gebissen, 
die  ward  im  'kratzet  fri. 

12.  Wir  mochten  s'  nit  erstrichen*, 
daß  si  uns  wolten  g'ston^; 

uf  Vorteil^  teten  s'  wichen, 
zogen  allweg  darvon, 
bis  daß  Gott  ein  Vernüegen  hatt'; 
der  kann  ein  Menschen  finden 
hie  und  an  jeder  Statt. 


^  Eine  hier  weggelassene  Strophe  rühmt  den  Eifer  dieser  neuen 
Truppe.  ^  schwere  Noth,  harten  Stand.  ^  wie.  Irnaclv:  Jarnac  an 
der  Charente.  *  einholen.  ^  Stand  halten.  ®  eine  vortheilhafte  Stellung 
suchend.  ^  bis  es  Gott  genug  dünkte.  Die  Wicic'schc  Handschrift 
hat:  einen  bim   Haar  hatt. 


LIEDER  I  I  I 


13.  Mit  inen  hat  man  g'scharmützet 
am  Fritag  vor  der  Schlacht; 
das  hat  sie  wenig  g'nützet, 
dann  man  ir  vil  umbracht; 
gern  hätt  man  sie  geschlagen  gar, 
da  wolten  si  nit  gestan, 
wichen  darvon  mit  G'far. 


14.  Am  Montag  früe  am  Morgen, 
als  nach  St.  Michaels  Tag, 
zogen  wir  unverborgen 
gegen  dem  Find,  icii  sag, 
als  man  zalt  nun  und  sechzig  Jar, 
daß  man  s'  lert  kirchen  berauben, 
und  sie  erilet  izar. 


15.  Li  d'  ^'orhüt  tet  man  stellen 
das  nüwe  Regiment; 
mit  iren  starken  G'sellen 
hand  sie  zum  ersten  ang'rennt, 
mitsamt  französischen  Schützen  s^uu 
die  sind  bi  uns  £:estanden 
bisits  in  der  \'orhut. 


16.  Die  Ordnunij:  ward  sjemachet 
an  allen  Orten  fest;, 
mit  Ernst  hat  man  betrachtet, 
daß  man  die  fremden  Gast, 
die  dem  Künig  im  Land  sind  g'sin, 
empfieng  mit  langen  Spießen 
und  schenkt  inen  den  Win. 


112  HISTORISCHE 

17.  Sie  hauend  wiße  Kleider 
glich  wie  die  Müllerknecht; 
wir  funden  s'  uf  der  Heide 
bi  Mirabion  gar  recht. 

ir  groß  gschütz  ließen  sie  abgan, 
das  tet  uns  wenig  Schaden, 
wir  Zossen  manlich  dran. 

18.  Man  hat  gar  handlich  g'schossen, 
unser  Geschütz  was  gut; 

das  hat  s'  übel  verdrossen, 
es  macht  s'  nit  wolgemüt; 
das  Herz  band  sie  verloren  g'han, 
dann  sie  mochten  wol  wissen, 
daß  s'  übel  waren  dran^ 

19.  Uf  d'  Knü  sind  wir  da  g'fallen, 
die  helge  Drifaltigkeit 

'beten,  daß  sie  uns  allen 
mit  ir  Barmherzis^keit 
verhebe  Stärk  und  Manneskraft, 
daß  wir  eerHch  gesiegend 
zu  Lob  der  Eidmioßfchaft. 

20.  Maria  mit  irem  Kinde 
die .  soll  auch  bi  uns  stan, 
uns  helfen  überwinden, 
darmit  in  Hut  werd  g'han 

der  war  und  alte  cristeUch  glaub 
und  daß  der  Kirchen  Zierde 
nit  also  werd  beraubt^. 


^  Eine  folgende  Strophe  rühmt  die  brave  Haltung  von  Offizieren 
und  Soldaten.  '^  Drei  folgende  Strophen  berichten,  daß  das  junge  Regi- 
ment der  Schweizer  die  Landsknechte  schlug,  das  alte  die  Hugenotten. 


LIEDER  1 1 


21.  Bi  uns  was  Herzog  Heinrich, 
künifi:  Karli  Bruder  fri, 

hat  sich  gehalten  gar  cerlich, 
Tütsch  Rüter  auch  darbi, 
vil  Reisig  und  Franzosen  gut, 
darzü  etUch  Itahener, 
sind  gesin  all  wolgemüt. 

22.  Es  gieng  an  allen  orten 
und  praschlet^  grusam  lut; 
man  brucht  nit  vil  der  Worten, 
es  kostet  ire  Hut; 

groß  Hufen  bhben  ligen  tot, 
sind  ut  einandren  'bürzlet 
und  hatten  izroße  Xot^. 


&• 


23 


Vom  Schimpf'^  wollt  man  nit  lassen, 

bis  in  die  finster  nacht; 

wir  zogen  inen  d'  Straßen 

und  hatten  uf  sie  Acht; 

ich  glaub  nit,  daß  ie  g'hört  wurd, 

daß  man  mit  so  kleinem  Schaden 

ein  solche  Tat  erwurb"*. 


24.  Niemand  soll  Wunder  nemen, 
ob  sie  Gott  hat  gestraft: 
in  irem  Prassen  und  Schlemmen 
band  sie's  einandern  'bracht: 
Es  gilt  uf  siben  Schwizer  hin, 
die  ich  will  niderstechen, 
daruf  trink  ich  den  Win ! 


^  prasselte.  ^  Zwei  weitere  Strophen  zählen  den  Verlust  der  Feinde 
nn  Geschütz,  Fahnen  und  Mannschaft  auf.  ^  Spaß,  Kampf.  ^  Eine  fol- 
gende Strophe  berichtet,  daß  die  Schweizer  Gott  für  den  Sieg  dankten. 

II.  8 


114 


HISTORISCHE 

25.  Der  Ander  tet  im  gesegnen 
und  schwur  bim  Sacrament: 
Wann  d'  Schwizer  uns  begegnen, 
um  bring  ich  schnell  und  behend 
wol  meer  dann  siben  Schwizer  stolz, 
sie  müeßen  nidertallen 

wie  von  einer  Ax  das  Holz! 

26.  Wir  hand  mit  langen  Spießen 
Bescheid  tun  uf  diß  Trank 
und  ließend  sie  des  or'nießen, 
daß  men^er  nidersank. 

die  Bilder  hatten  sie  zerhackt: 
also  g'schach  iren  köpfen, 
was  inen  uns^eschmackt^ 

27.  Jetzt  wollen  wir  Gott  bitten, 
daß  er  d'  Eid^nossen  o:üt 
vor  Unfall  wöll  behüeten, 
beschirmen  in  siner  hüt, 

allzit  verliehen  Kraft  und  Macht, 
auch  allen  Christenmenschen, 
daß  Einio;  werde  o;'macht. 

28.  Wer  dises  Lied  hat  g'machet, 
der  ist  g'sin  bi  der  Tat; 

das  hat  in  verursachet, 

daß  er's  oresuno^en  hat 

allen  Schwizern  zu  Lob  und  Eer 

er  nennt  sich  Bartli  Reygel, 

Unfall  der  si  im  feer^ ! 


^  unschmackhaft.    -  fern. 


LIEDER  115 

Der  Text  ist  vorwiegend  nach  der  bei  Wick  vorliegenden  Gestalt 
gegeben,  jedoch  an  einigen  Stellen  mit  Benutzung  des  spätem  Druckes. 
Str.  19,  6  hat  Wick:  beschinet.  Str.  23,  5  hat  Wick  vil  statt  ie.  24,  6 
nidQrschlahen,  drumb  trink  ich  disen  Win.  Str.  25,  i  hat  Wick:  uns 
besegnen.  Str.  27,7  hat  der  Druck:  daß  s'  einig  werden.  Einig  bei 
Wick  ist  Subst.  Einigung,  Friede.  Die  Ueberschrift  lautet  im  Druck: 
Von  dem  ritterlichen  Streit  und  Feldschlacht  vor  Mirabion,  geschehen 
im  1569  Jahr.  Schweizerische  Berichte  über  die  Schlacht  bei  Mon- 
contour  s.  Segesser,  L.  Pfyffer  Bd.  II,  S.  648 — 656. 


Ludwig  Pfyffer  und  Melchior  Lussi. 

s.  Bd.  I,  S.  XLVIIl. 

I.  Mich  dunkt,  es  welle  fehlen 
mit  loblicher  Eidtgnoschaft, 
dann  es  sind  etlich  gsellen, 
die  sind  mir  z'  vil  verhaft 
mit  frembden  fürsten  heren; 
das  sol  i'n  boden  nüt^; 
wann  man  nit  bald  thut  weren, 
kumbt  man  um  land  und  lüt. 


2.  Dann  daruf  tringt  gar  stiffer  — 
wiewol  er's  nit  hört  gern  — 
nämlich  Ludi  der  Pliffer, 
ein  Schultheiß  zu  Lucern. 
Ist  grad  derselbig  Ludi  — 
wann's  ist  wie  ich  hab  g'hört  — 
der  darzu  hälfen  wurdi, 
daß  ein  eidgnoschaft  wurd  zerstört. 


^  das  taugt  gar  nichts. 


II 6  HISTORISCHE 

3.  Ich  kan  doch  nit  vergässen 

der  großen  schmach  und  schand, 

die  da  wurd  zugemässen 

dem  2:anzen  schwizerland. 

Noch  wil's  Ludi  nit  b'trachten, 

daß  si  ouch  deren  sind, 

d,ie  man  mit  großem  verachten 

wurd  tryben  von  wyb  und  kind. 

4.  Dis  lied  wil  ich  verschenken 
den  beiden  gsellen  gemein: 
Melchior  Lussi  mag  wol  denken,, 
daß  ich  grad  in  ouch  mein; 
will  in  zum  Ludi  kochen, 

dann  er  hat's  wol  verdient: 
er  hat  gar  vil  versprochen 
uf  dem  ConciUo  z'  Trient. 

5.  Oft  band  sy  schon  ang'fangen, 
doch  hat's  Gott  alzit  g'wendt, 
daß  es  nit  ist  für'gangen 

und  sy  drab  wurden  g'schendt. 
Das  ist  iez  aber^  b'schächen, 
Gott  halt  uns  in  siner  hut; 
der  will  uns  witer  fürsächen 
und  all  trüw  eidtgnossen  gut. 

6.  Der  Ludi  ist  g'sandt  worden 
gen  Baden  uf  den  tag, 

da  er  mit  andern  orten 
sollt  riten,  als  ich  sag, 

^  wieder. 


LIEDER  117 

mit  dem  herzogen^  helfen  handlcn, 
daß  er  Genf  ließ  mit  frieden-; 
uß  wetag^  kont  er  nit  wandlen, 
ist  recht  daheime  bliben. 

7.  Ludi  ist  gar  krank  gewäsen, 
ja  wie  er  sich  kont  klagen ! 
ist  doch  bald  wider  g'näsen 
so  gar  in  kurzen  tagen. 

Es  möcht  ein  wunder  nämen, 
wer  im  hett  g'hulfen  so  glich ; 
ich  mein,  man  wird  in  kännen : 
ein  doctor,  ist  uß  Frankrich. 

8.  Vom  könii?  ist  er  i^'sandt  worden 
wol  in  ein  Eidtgnoschaft ; 

Ludi  alsbald  innen  worden, 
das  gab  im  wider  ein  kraft, 
daß  in  sin  roß  mocht  trägen, 
als  der  Franzos  solt  komcn; 
Ludi  reit  im  entizä^en 
und  ist  wider  z'recht  komen. 

Die  vier  letzten  Strophen  berichten,  daß  auf  der  Tagsatzung  in 
Solothurn  Einer  dem  PfytTer  sein  unsauberes  Treiben  vorgeworfen 
und  er  mit  seinem  schlechten  Gewissen  nicht  gewagt  habe,  jenen 
zu  verklagen.  Am  Schluß  wird  PfyfTer  gewarnt,  sich  in  Acht  zu 
nehmen:  Drum,  Ludi,  lueg  zum  Lym!  (gib  Acht,  daß  der  Leim 
nicht  überkocht !) 

Das  zweite  Gedicht,  nur  5  Strophen  von  je  7  Zeilen  enthaltend, 
nimmt  den  Pfyffer  nur  ironisch  in  Schutz,  indem  es  ihn  mit  Judas 
vergleicht,  dem  sein  Sündensold  nicht  gedieh;  Melchior  Lussi  mit 
Malchus,  dem  Petrus  zu  Trient  sein  Ohr  schädigte. 


^  von  Savovcn.    ■'  in  Ruhe.    ^  wegen  Krankheit. 


Il8  HISTORISCHE 

Der  Schweizer  Stier. 

s.  Bd.  I,  S.  XLIX. 

Es  trägt  der  mächtig  Schwitzer  Stier 
dreizehen  Ort,  seins  Krantzes  Zier, 
in  Hörnern  cingeflochten : 
Lös  auf  den  Kranz,  brich  ab  die  Hörn, 
ein  Frvheit  wirt  »ar  bald  verlorn, 
drum  er  lang  hat  gefochten. 

anno  1584. 

1.  Gott  hat  der  Eids^noßfchaft  in2:meiii 
natürlich  Muren  'geben : 

die  Alpen,  den  Roddan,  den  Rhein, 
Dorf,  Schlösser,  Stett  darneben. 

2.  A'n  Grenzen  sie  zwo  ^^orstett  hat, 
zwei  Hörnern  ich  s'  veri2:leiche : 
gegen  Teutschland  Costanz  die  Statt, 
Gent  gegen  Frankenreiche. 

3.  Die  erst  im  Teutschen  Krieg  durch  List 
der  Spaniern  ward  abtrungen; 

doch  durch  der  Teutschen  Treuwe  ist 
inen  nit  weiters  o:'luno:en. 

4.  Kompt  aber  Genf  in  frömde  Hand, 
wirt  diser  Schlüssel  genommen, 
werden  so  bald  in's  Schweizer  Land 
vil  schwarzer  Geste  kommen. 

5.  O  küener  Stier,  sich  auf  dein  Schanz  H 
die  Walen '^  mit  Gefärden 

buelen  um  deiner  Frevheit  Kranz, 
zum  Pfarren^  wirst  du  werden. 


^  sieh  auf  deinen  Vortheil !     ^  Welschen.    ^  Farren,  Opferstier. 


LIEDER  119 

6.  Wo  du  dein  Stärke  nicht  erhebst, 
Andrer  Freyheit  z'  erhalten, 
nicht  den  Tyrannen  widerstrebst, 
wie  s'than  hand  deine  Aken. 

7.  Das  Feur  ist  angezündet  schon 
in  der  Nachbawren  Hause: 

lösch'st  nicht  bei  Zeit,  wirt  auf  dich  kon 
das  Joch  durch  Krieges  Grause. 

8.  Die  Rehi^ion  hat  dich  bißhar 
mit  Gwalt  nicht  können  spalten : 
hüet  dich,  daß  nicht  durch  listig  Gtar 
dein  Bündtnuß  thüe  erkalten! 

Gott  möge  dinen  walten ! 


Der  heroische  wilde  Mann. 

Das  ist : 

Ein  neuw  Lied,  wie  die  mannhafte  Leut  in  dem  Zehen-Grichten- 

Pund,  in  Alter  Hoher  Raetia,   durch  Gottes  Hülf  mit  ihren 

Brüglen  die  Spanische  und  Leopoldische  auss  dem 

Land  geschlagen  haben. 

In  der  Weis:  Wilhelm  bin  ich  der  Teile. 

(Titelholzschnitt,  darstellend  einen  wilden  Mann,  der  mit  einer  Keule  einen  Feind 

niedergeschlagen  hat.) 

(Flieg.  Blatt  ohne  Ort  und  Jahr.)    Vgl.  Bd.  I,  S.  I.II. 

I.  Dein  Lob,  o  Wildermanne, 
dein  Stärke,  Dapferkeit 
wil  ich  bei  jedermanne 
außkünden  weit  und  breit 


120  HISTORISCHE 

dem  höchsten  Gott  zu  Ehren, 
dem  Vaterland  zu  gut, 
ihr  Lob  und  Ehr  zu  mehren, 
sine:  ich  auß  frischem  Mut. 

2.  Als  Münsterthal,  A^eldline 
vom  Spanier,  Leopold, 
mit  Gwalt  genomen  ine, 
hand  sie  durch  Geld  und  Gold 
gar  vil  verblendt  im  Lande, 
die  durch  Arglisti2:keit 

hand  aufgelöst  das  Bande, 
das  Band  der  Einigkeit. 

3.  Als  sie  zerstört  die  Trüwe, 
geschach  der  Ueberfall 

auf  Cleven,  Prettigöwe, 
aufs  Engadin  zumal; 
die  hand  sich  zwar  gewehret 
mit  starkem  Widerstand, 
doch  endlich  übermehret, 
sie  hatten  kein  Beistand. 

4.  Das  Land  war  eingenommen 
mit  Praktik  manigfalt, 

da  musten  gar  vil  Frommen 

hinweichen  von  dem  Gwalt. 

Auch  waren  etlich  g'fangen 

mit  Spott,  mit  Schmach  und  Schand; 

kein  Gnad  war  zu  erlangen, 

man  fürt  sie  auß  dem  Land. 

5.  Zu  Meyland  thaten  schmiden 
vil  Schmid  ein  newen  Fund, 
Gotts  Wort  gar  zu  vertreiben, 
außz'reuten  auf  den  Grund. 


LIEDER  121 


Verkauft  \var  das  Veitline, 
da  war  das  Münsterthal, 
ein  Pund  und  's  Engadine 
verlassen  liberal. 

6.  Wer  konnte  da  beschreiben 
die  Tvrannev  und  Zwan^^, 
so  die  Soldaten  triben 

mit  plündern,  Mord  und  Brand! 
Das  arme  \'olk  hat  müssen  — 
damit  ich  kurz  abbind  ^  — 
mit  Embd-  den  Hunger  büßen, 
Hcw  fressen  wie  die  Rind. 

7.  Bei  dem  ist  es  nicht  blieben: 
die  Seel  mußt  halten  dar^, 

ihr  Speis  that  man  abschneiden, 
Gotts  Wort  verbot  man  2:ar. 
Die  Hirten  von  den  Schafen 
vertrieb  man  also  g'schwind, 
die  Capuziner,  Pfaffen 
bald  eino^erissen  sind. 

8.  Die  Meß  hand  sie  ing'führet, 
die  Götzen  aufgericht', 

vil  Leut  hand  sie  verführet, 
vil  Kirchen  z'  Grund  gericht', 
gewütet  also  sehre, 
daß  sie  schier  achtzig:  Pfarr 
beraubt  der  reinen  Lehre 
in  kurzer  Zeit  fürwar. 


^  mich  kurz  fasse.    -  Avid,  zweites  Heu.    ^  iierhalten. 


122  HISTORISCHE 

'"^    9.  Wo  bin  ich  g'rathen  hine? 
gedacht  der  Wildemann; 
wo  sind  die  Pundsleut  meine? 
sie  hand  mich  gar  verlan ; 
ich  bin  sjebunden  sehre 
an  Leib  und  auch  an  Seel, 
kann  das  nicht  leiden  mehre, 
sonst  komm  ich  in  die  Höll. 

IG.  \'il  besser  ist  der  Tode, 
dann  leiden  diese  Band, 
darzu  vil  Angst  und  Note, 
groß  Hunger,  Schmach  und  Schand. 
Ihr  Prettigöwer  Knaben, 
wir  wend  sie  greifen  an ; 
thund  gwaltig  in  sie  schlagen, 
Gott  wird  uns  gwüß  nicht  lan. 

1 1 .  Die  Waffen  hat  man  g'führet 
hinweg  gar  auß  dem  Land : 
der  Wildmann  sich  vertu2:et 
gar  heimlich  in  sein  Wald, 
that  da  vil  Bengel  rüsten, 

die  trug  er  all  nach  Haus, 
damit  den  Schwaben  z'  bürsten, 
die  Spanier  z'  butzen  auß. 

12.  Den  zwölften  Tag  Aprellen 
bei  Tas:  der  W^ildemann 

that  wild  und  rauw  sich  stellen, 
griff"  d'  Schwaben  tapfer  an, 
erschlus:  mit  grünen  Stacken 
in  die  vierhundert  Mann 
zu  Grüsch  in  einem  Fläcken, 
kam  keiner  da  darvon. 


LIEDER  125 


13.  Also  hat  man  an'griffen 
zu  Schiers  ganz  ritterlich; 
die  Schwaben  sind  gewichen 
daselbsten  in  die  Kirch. 

Von  Wunder  kann  ich  sagen : 
die  Kirch  hei  ein  mit  Macht, 
die  hat  sie  all  erschlagen, 
Gott  hat's  allein  gemacht. 

14.  Von  Castels  sind  abzogen 
zweihundert  faul  Gesind, 
thund  mit  dem  Eid  anloben, 
nicht  z'  dienen  wider  d'  Pünd. 
Sie  ließen  sich  bestellen  \ 
vergaßen  Eid  und  Ehr; 

Gott  straft  bei  Fläsch  die  Gsellen, 
Sie  thund  kein  Schaden  mehr. 

15.  Als  Prettigöw  gefäget, 
sind  sie  gezogen  fort, 
hand  Meyenfeld  belagert, 
geschanzt  an  manchem  Ort. 
Der  Feind  that  sie  oft  plagen 
auß  Chur,  auß  Meyenfeld, 
man  that  sie  g waltig  jagen 
mit  Brüglen  auß  dem  Feld. 

16.  Bald  kommen  ist  Reitnawver 
ohngf^lhr  mit  tausend  Mann, 
wolt  tämmen^  d'  Prättigöwer, 
hat  Fläsch  gezündet  an. 


^  zum  Stehen  bringen,  zum  Bleiben  bewegen.  ^  zähmen,  hemmen. 


124  HISTORISCHE 

An  die  thund  sich  bald  wagen 
nur  fünf  und  achtzig  Mann, 
sechshundert  ihm  erschlagen; 
kein  Pundsmann  da  umkam. 


17.  Der  Obrist  Waldirone 
schickt  auß  gen  Haldenstein, 
ein  Anzahl  streitbar  Mannen 
besatzte  Lichtenstein. 

Der  Wildemann  die  Gäste 
mit  seiner  starken  Hand 
vertrieb  bald  aus  dem  Näste, 
vertrieb  sie  auß  dem  Land^ 

18.  Dieweil  der  Wilde  Manne 
also  behielt  das  Feld 

und  schlug  den  Waldirone, 
ergab  sich  Meyenfeld; 
mit  Forcht  und  auch  mit  Schrecken 
neunhundert  wol  armirt, 
erschreckt  durch  grüne  Stecken, 
sind  d'  Steigt  hinab  passirt^. 

19.  Gott  that  vorzeiten  stärken 
den  Helden  Samgar*  gut, 
daß  er  mit  einem  Stecken 
sechshundert  Mann  erschlug. 


^  Hier  sind  2  Strophen  ausgelassen,  welche  in  gleichem  Tone 
■^^^eitere  kleine  Gefechte  erzählen.  ^  Luziensteig.  ^  Hier  sind  4  Strophen 
ausgelassen  von  gleichem  Werthe  wie  bei  ^    *  Buch  der  Richter  3,  31. 


LIEDER  12 


">  r 


Der  Gott  dem  Wildenmanne 
sein  Stecken  fest  hat  g'macht, 
daß  er  dem  Waldirone 
erschlug  ein  solche  Macht  ^ 

20.  O  Wildermann,  du  haste 
dem  Spanier,  Leopold, 

mit  Bensilen  'zwacket  faste ^ : 
dich  mancher  preisen  solt. 
Fahr  fort,  o  Wildermanne, 
und  streit  für  Gottes  Ehr, 
so  wird  dein  großer  Name 
zunehmen  noch  vil  niehr. 

21.  Du  hast  dich  dapfer  gehalten, 
den  Schwaben  'kappet  ab^; 

o  Gott,  thu  ihn  erhalten 
und  stärke  seinen  Stab, 
daß  er  den  möee  führen 
ZU  deiner  Ehren  lang, 
sein  Land  auch  defendiren 
vor  Tyrannei  und  Zwane^. 


Bauernkrieg. 

s.  Bd.  I,  S.  LVI-LVIII  und  S.  47. 

I.  Spottverse  auf  die  Führer  der  Bauern. 

I.  O  du  verfluchtes  Baurengschlecht, 
vergift'te  Natterschlangen ! 
meinst  nit,  man  habe  billigs  Recht, 
mit  dir  ein  Streit  anz'fangen? 


^  In  2  folgenden  Strophen  werden  noch  Simson  und  David  als 
Beispiele  angeführt.    ^  arg  den  Kopf  gewaschen.    ^  derb  geantwortet. 


126  HISTORISCHE 

2.  Du  £:rober  KnoU,  du  Unverstand, 
bist  du  nit  ein  Bärnhüter? 
du  hast  gehandlet,  's  ist  ein  Schand, 
gUch  wie  des  Tüfels  Rüter^ 


Was  ist  der  Schölmen  Bauren  Lohn? 
wie  soll  man  sie  traktieren? 
von  Streuer^  g'macht  ein  schöne  Krön, 
ihr  Haupt  damit  zu  zieren. 

4.  Was  sagst  du,  schöner  Pannerheer, 
du  Edelgstein  der  Bauren, 

ietz  U2:st  wol  in  der  Mauren! 

5.  Vom  Meister  wirst  du  g'macht  zum  Knecht, 
ein  schöner  Pannermeister ! 

dem  Meister  Baltz^  g'hört  auch  sin  Recht 
umb  solche  hoche*  Geister! 

6.  Du  grober  Steiner,  du  grober  Gsell, 
du  grober  Ruodi  Stürmli, 

ein  Strick,  nit  länger  als  ein  Ell, 
ist  ^ut  für  solche  Würmli-''. 

7.  Wer  Fridli  heißt,  muß  fridli  sin, 
sonst  ist  sein  Nam  vergeben; 
war  Fridli  Bücher*^  fridli  s^sin 
und  fridsam  in  sim  Leben ! 


^  berittener  Trabant,  Vorreiter.  -  Streu,  Stroh;  wahrscheinlich 
nach  dem  Plural  Spreuer,  Spreu,  gebildet.  ^  Balthasar,  appellativ 
=  Scharfrichter.  "*  hochfliegende,  aufstrebende.  ^  Wurm  im  Sinne 
von  Schlange  (vgl.  i,  2)  oder:  Ungeziefer.    ^  s.  Bd.  I,  S.  106. 


LIEDER  127 

8.  Dem  Schultheiß  gab  er  bösen  Bscheid, 
ganz  frech,  ganz  unbesunnen; 

der  Galgen  ist  dir  schon  bereit, 
die  Schuld  ojib  diner  Zuns^en. 

9.  Den  Tod  hast  ausgestanden  schon, 
du  starker  Krummenacher! 

din  Stärke  gab  dir  diesen  Lohn, 
ietz  ruow  auf  dem  Gottsacher! 

IG.  Ietz  schwing,  ietz  ring,  ietz  stoß  den  Stein! 
der  Tod  hat  dich  gewunnen ; 
dem  Tod  ist  weder  Groß  noch  Klein, 
keiner  niemol  entrunnen. 

11.  Oberster  Amstein,  ihr  Strengheit ^  groß, 
die  Ehr  stellt  auf  ein  Seiten; 

Gnad  ist,  daß  Ihr  werdt  g'lassen  los 
und  auf  dem  Meer  könnt  reiten^ ! 

12.  Du,  Gundelinger,  du  richer  Bur, 
din  Richthumb  hast  verfallen^; 
ietz  luog  du  süeß  oder  sur, 
ietz  bitter  wie  ein  Gallen ! 

13.  Dir,  Holderen  Bur,  dir,  Hans  Amrein, 
dir  hat  man  Guts  gerathen ; 

das  Fleisch  ist  besser  als  das  Bein  — 
bist  auch  ein  feißer  Braten! 

14.  Du,  Krienser  Vogt,  du  falscher  Mann, 
luog  recht  mit  dinen  Augen : 

wil  du  nit  bist  ein  Bidermann, 
dem  Meister  Baltz  thust  taugen. 


^  hier  nur  Titulatur,  wie  in  :  gestrenger  Herr  u.  dgl,    ^  er  wurde 


zu  den  Galeeren  «  begnadigt ».    ^  verwirkt. 


128  HISTORISCHE 

15.  Du,  Lötscher,  bist  auch  in  der  Zal 
der  auserwölten  Bauren; 

din  Wohnung  ist  der  Kätzer  Saal, 
wer  will,  mag  umb  dich  trauren. 

16.  Herr  Christoph  Wäber  ist  siner  Pfar 
mit  Recht  und  wol  vorg'standen ! 

er  taugt  zur  Galioten^  Schar 
in  wilde  frönde  Landen. 

Das  obige  Stück  ist  aus  der  Bd.  I,  S.  LVII,  b  angegebenen  Quelle 
geschöpft,  aber  nur  mit  Auswahl,  immerhin  so,  daß  es  in  der  obigen 
Gestalt  ein  leidliches  Ganzes  bildet.  Str.  i  — 15  des  Originals  haben 
den  a.  a.  O.  kurz  mitgetheilten  Inhalt.  In  Str.  16  wird  bei  Anlaß 
der  Zerstörung  des  Vogelherds  auf  dem  Gütsch  der  Hauptführer  der 
Bauern,  Schibi,  genannt.  Str.  17.  18  sind  unsere  obigen  i.  2;  19.  20 
verheißen  Strafe  für  das  Verbrechen;  21.  22  enthalten  nichts  Wesent- 
liches. Str.  25  =  3  oben.  In  Str.  24.  25  werden  weitere  Strafen  an- 
gegeben, z.  B. : 

Ein  Zepter  von  eim  Munnithier  (Zuchtstier), 

mit  dem  soll  man  sie  ehren,  u.  s.  w. 
Str.  26 — 37  unsere  obigen  Str.  4 — 15.  Str.  38  ist  nur  Einleitung  zu 
39  =  Str.  16  oben.  In  Str.  40 — 45  werden  noch  mehrere  Mitschuldige 
genannt,  darunter  noch  zwei  Geistliche,  einer  Namens  Moli,  der  bald 
mit  den  Bauern,  bald  mit  den  Herren  hielt.  Die  letzten  Strophen 
(46 — 52)  sprechen  den  Wunsch  aus,  daß  Luzern  sein  Licht  wie  vor- 
mals leuchten  lasse  und  sein  Regiment  behaupte.  Der  in  Str.  4.  5 
besprochene  Pannerherr  war  Joh.  Emmenegger.  Ueber  ihn  und  die 
meisten  der  im  Gedicht  genannten  Bauernanführer  findet  man  nähere 
Angaben  bei  C.  Pfyffer,  Geschichte  von  Luzern  I,  336 — 342.  386. 


^  Galeerensträflinge. 


LIEDER  129 

II.  Abmahnung  vom  Wallfahren  zu  den  Gräbern 
der  hingerichteten  Rebellen. 

1.  Ihr  ßauren  alle  sammen, 

hört  zu,  \\i\  ihr  komt  z'samen 
bun  Hochg'richt  zu  Luzern  : 
es  ist  euch  hoch  verboten, 
\\i\  ihr  thüend  Gott  verspotten 
bim  Galgen  nah  und  fern. 

2.  Was  nützen  heilige  Oerter, 
Gottshäuser  und  auch  Klöster, 
was  nützen  die  Tempel? 

was  nützen  der  Heiligen  Beiner, 
wenn  heiliger  ist  der  Steiner, 
der  g'west  ist  ein  Rebell! 

3.  Was  sind  ihr  doch  für  Xaren, 
daß  ir  thund  Wallfahrt  fahren 
wol  zu  dem  Steiner  all, 

der  euch  mit  Rebelliren 
alle  hat  thun  verführen, 
euch  'bracht  in  Angst  und  Qual! 

Das  Gedicht,  aus  dem  hier  nur  wenige  Strophen  mitgetheilt 
werden  können,  umfasst  im  Original  ihrer  32.  Vgl.  die  Angaben 
Bd.  I,  S.  LVII,  c.  Es  beginnt  mit  der  obigen  Str.  i.  In  Str.  2.  5 
wird  der  Anstifter  dieser  Wallfahrten,  wenn  man  ihn  kennte  (!),  mit 
Todesftrafe  bedroht.  Str.  4  =  Str.  2  oben.  Str.  5  (mitgetheilt  von 
Lütolf  a.  a.  O.)  erzählt,  daß  einer  der  Galgenanbeter  mit  Erblindung 
gestraft  wurde.  Str.  6.  7  ohne  Bedeutung.  Str.  8  =  Str.  3  oben. 
Str.  9 — 14  erzählen,  wie  ein  altes  Weiblein  bei  seiner  Galgenandacht 
ertappt  wurde.  Weiterhin  werden  die  Bauern  ermahnt,  statt  an  diese 
Stätte  nach  Werdenstein  zu  wallfahren;  die  dortige  Maria  glaube 
sich  abgesetzt;  ebenso  die  h.  Emma,  die  ihren  Sitz  in  Emmen  auf- 
geschlagen  habe,   aber  in  Rom  geblieben  wäre,   wenn   sie  gewußt 

II.  9 


130  HISTORISCHE 

hätte,  daß  sie  hier  nicht  besser  geehrt  würde.  Ebenso  wird  der 
h.  Leontius  in  Muri  empfohlen.  In  Str.  28  wird  geklagt,  daß  auch 
Leute  aus  den  «Ländern»  (den  5  Urkantonen)  zu  dem  Galgen  wall- 
fahren. Eine  dorthin  gestellte  Wache  hat  Einige  gefangen  genommen. 
die  dann  barfuß  nach  Einsiedeln  wallfahren  müssen  (Str.  50). 


Vilmerger  Krieg. 

I.   Rapperschv/ylische  Buhlschaft  des  Generals 

Werdmüller. 

s.  Bd.  I,  S.  LIX. 

1.  Ein  reine  Magd  ihr  Kranz  noch  tragt 
und  prangt  trutz^  allen  Damen: 

sie  hat  das  Pn^'-  am  Zürcher  See 
und  gar  ein  großen  Xamen. 

2.  Ihr  Adel  thut  von  Grafen  Blut 
und  hohem  Gschlecht  her  quellen ; 
an  Gelt  und  Hab  geht  ihr  nichts  ab, 
kann  sich  sar  höflich  stellen. 


:> 


Ein  Müller  kam,  buhlt  um  die  Dam, 
gleich  da  d'  Fasnacht  an'gangen ; 
er  sucht  ihr  Ehr,  und  was  noch  mehr, 
hat  sie  schier  gar  umbfangen. 


4.  Die  Jungfraw  lacht  und  nur  veracht 
des  frechen  Müllers  Bitten ; 
sie  spricht  ihm  ab :   « kein  Lust  ich  hab » 
sagt  sie  mit  guten  Sitten. 


^  v/etteifernd  mit.     -  den  \'orrang. 


LIEDER  131 

5.  Er  bildt  ihm  ein,  es  muß  doch  sein, 
darzu  in  wenig  Tagen; 

setzt  wieder  an,  so  stark  er  kann: 
wird  aber^  im  abg'schlagen. 

6.  Der^  Baum  nit  gleich  den  ersten  Streich 
der  Müller  kann  umbfällen ; 

was  ihm  durch  List  nit  g'rathen  ist, 
soll  der  Gwalt  in's  Werk  stellen. 

7.  Zu  Wasser  und  Land,  durch  Schwert  und  Brand, 
mit  acht  und  vierzig  stucken ; 

fangt  an  und  spielt,  den  Kranz  es  gilt: 
o  Jungfrau,  thu  dich  ducken ! 


8.  Fünf  Wochen  lang  samt  seim  Anhang 
hat  er  sich  also  g'sprissen-"^; 
daß  etlich  Mahl  ein  große  Zahl 
in's  g'frorne  Gras  gebissen. 


9.  Man  wurf  und  schoß  Granaten  groß, 
auch  andere  Feurballen, 
die  doch  ohn  Schad,  mit  Wunderthat, 
auf  die  Jungfrau  gefallen. 

IG.  Vor  Sturm  und  Gschütz  hat  sich  beschützt 
die  Gräfin  außerkoren; 
an  disem  Danz  hat  sie  ihrn  Kranz 
und  Keuschheit  nicht  verloren. 


^  abermnls.    -  =  den.    ^  sich  sprißeii,  sich  anstrengen. 


132  HISTORISCHE 

11.  Das  hat  gemacht  und  verursacht 
bei  Gott  Marii^  Bitten, 

daß  sie  rein  blib  an  Seel  und  Lib 
vor,  in  und  nach  dem  Striten. 

12.  Er  kratzt  im  Kopf,  der  arme  Tropf, 
diser  un-Werthe- Müller, 

weil  er  schabab^,  drum  zieht  er  ab, 
heimwärts,  sein  Rad  zu  trüUen^. 

13.  Die  Fasnacht  wendt  sich  zu  dem  End: 
Müller,  willt  Hochzeit  machen, 

so  gang  und  schau  umb  ein  ander  Frau ; 
die  thut  dich  nur  verlachen. 

14.  Nichts  von  ir  hast  als  ein  Tannast^, 
des  Müllers  Roß  mit  schlage; 

auf  deinen  Hut  sich  schicken  thut, 
den  Meien^  drumb  jetzt  trage. 

15.  Henk  's  Fürfell  an,  den  Beutel  spann, 
in  deiner  Mühle  bleibe; 

kein  Gräfin  mehr  zur  Eh  begehr, 
bei  Deiness^leichen  weihe! 


^  verschmäht,  abgewiesen.  ^  drehen,  rollen.  ^  Ein  Tannast  war 
seit  dem  Reformationskrieg  das  Feldzeichen  der  KathoHken;  siehe 
Baechtold,  Hans  Salat  S.  89.    ^  festlicher  Blumenstrauß. 


LIEDER  133 

IL  Kurzweiliges  Vilmerger-Schlacht-Lied 

"Welche  geschehen  den  24.  Jenner  des  1656  Jahrs.  Componiert 

durch  Einen,  der  sich  in  währender  Schlacht 

ritterlich  gehalten. 

Getruckt  in  disem  Jahr, 
Da  die  Schlacht  fürüber  war. 
s.  Bd.  I,  s.  LX. 

1.  Nun  schweigen  still  und  haben  Ruh 
und  losen  mir  ein  wenig  zu, 

denn  ich  Hab  groß  \^erlangen, 
biß  sich  der  Schimpf  hat  außgemacht; 
wend  singen  die  Vilmerger-Schlacht, 
wie  es  ist  hergegangen. 

2.  Im  tausend  und  sechshundert  Jahr, 
sechs  und  fünfzig,  sing  ich  fürwahr, 
auf  Pauli-Bekehr-Abend 

thät  Gott  beschützen  die  Seinen  gut, 
band  Luzerner  mit  Freien  Acmptern  gut 
die  trutzigen  Berner  geschlagen. 

3.  Der  von  Erlach  zog  höflich^  dran, 
dreißig  Fahnen  thät  er  wol  han, 
vil  große  Stuck  dergleichen; 

er  sprach  auch  wol  bei  seinem  Eid, 
wöU  ziehen  in  d'  Luzerner-Weid, 
das  Papstthum  zu  vertreiben. 

4.  Er  zug  auf  d'  Meien-Grüne  gut, 
vierhundert  Mann  angreifen  thut, 
dieselben  thät  zerstören; 

etHch  führt  er  g'fangen  daher, 

sprach:  Seht,  wie  ist  so  stark  der  Bär! 

diß  thät  Erlachen  freuen. 


stattlich. 


134  HISTORISCHE 

5.  Er  kam  in's  Freien- Ampt  hinein 
ohn  Widerstand,  nahm  Dörfer  ein, 
thät  auch  Häuser  anzünden; 

dem  Land  ein  großen  Schaden  thut, 
verbracht  groß  Pracht  und  Uebermuth, 
wie  ich  jetzt  will  verkünden. 

6.  Zu  Hägligen  hand  s'  übel  Haus, 
Kirchen  und  Dörfer  'plünderet  auß, 
heilige  Bilder  sie  schänden, 

d'  Augen  ausg'stochen  ungeheur, 
drei  Kinder  würfen  s'  auch  in's  Feur, 
den  Müttern  auß  den  Händen. 

7.  Zu  Dottikon  hand  sie  mächtig  g'schendt^ 
die  Häuser  in  die  Aeschen  'brennt, 

sie  wend  sich  nit  begnügen, 
Bilder  d'  Nasen  abg'hauen  hand, 
sprachen,  Vilmergen  muß  in  Brand, 
thun  sich  dorthin  befügen. 

8.  Diß  hat  Lucern  zum  Zorn  bewegt, 
viertausend  Mann  zugen  auf  der  Stell 
mit  blaw  und  weißen  Zeichen, 

vil  Herren,  wie  ich  sagen  thu, 
die  zugen  auf  Vilmergen  zu, 
den  Bären  thut  man  streichen. 

9.  Die  Büchsen-Schützen  zündten  an, 
da  gieng  ein  großes  Krachen  an, 
thut  den  Bären  erwecken ; 

die  großen  Stuck  er  gleich  wol  g'hört, 
er  meint,  er  hab  ein  sichers  Ort, 
sein  Dapen^  wolt  er  strecken. 

^  Tatze. 


LIEDER  I  3  5 

10.  Er  zLig  mit  seinen  Fahnen  dran, 
da  stunden  zehen  tausend  Mann 
mit  vilen  Krieges -Wappen  ; 

vil  Adel  zug  wol  in  das  Feld, 
ein  starke  Ordnung  g'stellet  händ, 
meinten,  's  sollt  ihnen  g'rathen. 

11.  D' Lucerner  luffend  kecklich  dran, 
in  Gottes  Namen  griffen  s'  an 
mit  Spießen  und  Hellparten ; 
schlugen  vil   Herrn   und  Bauren   z'   iod, 
vil  lagen  in  dem  Blut  gar  rot, 

der  Bär  wollt  nimmer  warten. 

12.  Der  ein  ruft  ach,  der  ander  weh! 
es  thut  uns  jetzt  gar  übel  g'scheh, 
hätten  wir  d'  Sach  lassen  bleiben ! 
\'il  Ranzen  und  Wehr  sie  ligen  lönd, 
Capaunen-Fleisch,  wie  ihr  verstund, 
nit  alls  ist  zu  beschreiben. 

13.  Drei  Stund  der  Streit  wol  währen  thut, 
vergieng  dem  Bären   Freud   und  Muth, 
die  Flucht  mußt  er  wol  nemen ; 

das  thut  dem   Bären -Tatzen  weh, 
vermeinte  nit,  daß  ihm  sollt  g'scheh, 
thät  sich  gar  übel  schämen. 

14.  Zertrennet  war  sein  große  Macht, 
flieht  wol  biß  in  die  Mitternacht 
gen  Lenzburg  hinder  d'  Muren  ; 
verließ  auch  seinen  großen  Pracht, 
lag  dort  im  Schrecken  über  Xacht 
bei  der  Bärin  in  Truren. 


136  HISTORISCHE 

15.  Dem  Bären  wurd  gar  manchen  Stoß, 
zweitausend  bliben  wund  und  todt; 
beim  Küchlen  thund  sie  sich  säumen; 
sie  pangetierten^  in  Uebermuth, 

man  schenkt  ilm'  ein,  dunkt  sie  nit  £:ut, 
daran  band  sie  zu  schnaufen. 

16.  Zehn  Fahnen  hend  s'  dahinden  g'lan, 
zehen  Stuck  g'wünnt  man  auf  Hrden  stan; 
vil  Roß,  Karren  und  Wägen, 
Schauflen,  Hauen,  Munition, 

vil  Pulver,  Blei  thut  man  empfohn, 
diß  thut  man  alles  nemen. 

17.  Und  \veiters  ist  es  wol  bekant, 

wie  sie  umb  die  Todten  'beten  band, 
dieselbigen  abzutragen ; 
von  Majoren  wurd's  ihn'  vergönt, 
sechzig  Wägen  sie  b'schicken  thünd, 
sie  ladten  Fuder  wie  Garben. 

18.  Die  Berner  Bauren  gaben  B'scheid, 
da  sie  vernahmen  solches  Leid: 
das  ist  ein  armes  anschauen; 

das  Krieo^en  wend  wir  bleiben  Ion, 

es  bringt  uns  jetzt  ein  schlechten  Lohn, 

nach  Friden  wend  wir  schauen. 

19.  Maria  hat  g'spreit  ihr  Mantel  auß, 
gemacht  ein  Schirm  und  Mauren  drauß, 
drunder  sind  d'  Lucerner  g'standen. 
dann  ihren  sind's  so  wenio^  umbkon, 
vier  und  zwanzig,  wie  ich  vernon, 

in  d'  Seligkeit  seind  'o:anoren. 


^  bankettierten. 


LIEDER  137 

20.  Da  der  Feind  hat  vil  Schütz  gethan, 
rufen  sie  Jesus  und  Maria  an, 

ein  hells  Liecht  ist  entsprossen; 
drin  hend  die  Berner  Bauren  g'seh 
den  Rosenkranz  und  anders  meh, 
darob  sind  sie  ersclirocken. 

21.  \\'ir  danken  dir,  Herr  Jesu  Christ, 
daß  du  allzeit  unser  Helfer  bist, 
dem  g'hört  der  Sieg  und  Ehre ; 
auch  Maria  der  Jungfrau  rein 

und  allen  Heiligen  in's  gemein, 
die  wollen  wir  verehren. 

22.  Der  diß  Lied  componierct  hat, 

ein  Baur,  ist  g'wesen  an  der  Schlacht 
und  hat  ihm  wol  gelungen ; 
er  ist  auß  dem  Rußweiler  Ampt, 
zu  Wangen  ist  er  wol  bekant, 
von  neuem  hat  er's  g'sunojen. 


Toggenburger  Krieg. 

s.  Bd.  I,  S.  LXIV. 

I.  Die  von  der  Gelbsucht  glücklich  curierte 

Badanella 

oder  der  Stadt  Baden  Capitulation. 
Gedruckt  im  Jahr  1712. 

I.  Zarte  Jungfrau  Badanella, 

Wie  seht  ihr  so  kränklich  auß  ? 
Will  der  Magen  euch  geschwellen 
Oder  was  will  werden  drauß? 


138  HISTORISCHE 

Eure  Augen  thun  mir  sagen, 

Daß  die  Gelbsucht  euch  thut  plagen. 

2.  Es  ist  ja  schon  ganz  verblichen 
Euer  Stirnen  Helfenbein ; 
Von  den  Lefzen  ist  sjewichen 
Der  gefärbt  Corallenschein ; 
Euer  zuvor  schöne  Wangen 
Jetzt  mit  Rosen  nicht  melir  prangen. 


-> 


Euer  Leber  ist  verstopfet, 
Euer  Mao-en  oranz  verschleimt, 
Merkt,  der  Pulß  drumb  ungleich  klopfet 
Und  zur  Gsundheit  sich  nicht  reimt: 
Drum  so  müßt  ihr  euch  bequemen, 
Gute  Mittel  einzunehmen. 


4.  Weil  der  Leber  kleine  Röhrgen 
Bei  euch  hart  verstopfet  sein, 
Weil  vielleicht  noch  von  Vilmergen 
Alte  Grillen  stecken  drinn, 

Soll  ein  solches  altes  Trutzen 
Jetzt  des  Bcären  Sieg  außbutzen. 

5.  Weil  der  Magen  auch  ang'füUet 
Mit  zu  vielem  Gut  und  Geldt, 
Ist  ein  Mittel,  das  unwillet^ 
^^on  Herrn  Marte'^  angestellt, 
Wann  dem  Bär  on  Widerstreben 
Ihr  zum  Schatz  die  Schlüssel  sieben. 


^  zum  Erbrechen  reizt.    ^  der  hier  als  Arzt  vorgestellte  Kriegs- 


gott  Mars. 


LIEDER  139 

6.  Dieses  wird  gar  bald  außführen, 
Was  im  obern  Machen  z'  viel; 
Hernach  müßt  ihr  auch  purgieren 
Mit  dem  Rha^  zu  gleichem  Ziel; 
Hierbei  muß  man  Wermut  schlucken, 
Daß  das  Uebel  thu  fortrucken. 

7.  Ihr  müßt  hierauf  von  euch  geben 
Sechzis:  Stücke  ohnbeschwert, 
Alle  Fahnen  auch  darneben, 

Wie  Herr  Mars  von  euch  begehrt. 
Wann  ihr  Glocken^  dann  auch  kaufen, 
Werdt  ihr  etwas  leichter  laufen. 

8.  Neben  diesem  müßt  ihr  schwitzen, 
So  das  beste  Mittel  ist. 

Ohne  Landvoiit  niemahl  sitzen 
In  dem  Rath  zu  keiner  Frist; 
Schwitzen  müßt  ihr  noch  darneben, 
Schöne  Geltsumm  herzusreben. 

9.  Endlich  müßt  ihr  auch  benennen. 
Was  des  Uebels  Ursprung  sei. 
Daß  Herr  Doctor  kann  erkennen 
Und  wohl  rathen  auch  darbei, 
Was  inskünftis:  ihr  sollt  meiden. 
Wann  ihr  nicht  wollt  Krankheit  leiden. 

IG.  Böser  Luft  vor  allen  Sachen 
Schadet  euerm  Temperament, 
Kann  im  Blut  ein  Fäulniß  machen, 
B'sonders  den  man  Nordwind^  nennt. 


^  Rhabarber.  ^  Arznei  aus  Glockenblumen?  ^  Der  Einfluß  von 
Norden  her  ist  wohl  der  östreichische  (aus  den  vorderöstreichischen 
Landen  am  Rhein), 


140  HISTORISCHE 

Drum  solt  ihr  von  selben  Enden 
So  viel  möglich  euch  abwenden. 

11.  G'salzne  Speisen  müßt  ihr  lassen, 
Kalte  Milch  ist  auch  nicht  gut; 
Sauren  Essis:  müßt  ir  hassen 
Und  durch  süßer  Liebe  Glut 
Suchen  eurer  Oberherren 

Gunst  und  Gnade  zu  vermehren. 

12.  Löwentappen^  für  Jungfrawen 
Hat  gewisslich  großen  Ruhm, 
Bärsanickel  lasst  sich  schawen, 
Ein  wohlriechend  schöne  Blum; 
Diese  beiden  sollt  ihr  ehren, 
Können  euern  Wohlstand  mehren. 

13.  Nach  Gebrauch  der  Mittel  allen 
FHehet  auch  Melancholei; 
Lasst  euch  alles  Wohlgefallen, 
Denkt,  daß  alls  von  Gott  her  sei. 
Denkt,  daß  Er  die  Mittel  'geben, 
Zu  verbessern  euer  Leben. 

ZSB.  XVIII,  1976. 


^  Löwenklau  =  Bärenklau,  hier  aber  mit  Anspielung  auf  Zürich, 
wie  Bärsanickel  auf  Bern. 


LIEDER  141 

IL   Das  Bällen-Lied. 

Wahrhafter  Bericht,  wie's  an  der  Schlacht  auf  der  Bällen 
und  selbigen  Enden  hergegangen. 

Gedruckt  in  disem  Jahr  (1712). 

Vgl.  Bd.  I,  S.  LXVII. 

1.  Ein  Liedlin  will  ich  singen  thu 

von  Streit  und  Kampf  und  vil  Unruh, 
daß  sich  nun  hat  begeben 
in  der  Eidgnoßfchaft  hin  und  her; 
der  Züricher  Löu  und  Berner  Bär 
sie  fressen  Manchen  's  Leben. 

2.  Wann  ich  wurd  sagen  hin  und  her, 
wie  daß  alles  ergangen  Wcär, 

könt  ich  nicht  Wort  gnug  schöpfen : 
Zürich  und  Bern  ganz  unverzagt 
band  ihre  Feind  gar  brav  verjagt 
und  gaben  ihn'  auf  die  Köpfe. 

3.  Als  man  zeit  sibenzehnhundert  Jahr 
und  zwölf  darzu,  —  das  ist  ganz  wahr 
und  will  es  nicht  vergessen  — 

man  bauet  Schanzen  hin  und  her 
und  rüst'  sich  alls  zur  Gegenwehr; 
die  Schwyzer  wend  uns  fressen. 

4.  Auf  der  Bällen  stallt  ein  Schanz  fest, 
das  gefällt  nicht  den  Schwyzer  Gast, 
sie  wolten  sie  gar  verstören; 

sie  bilden's  ihnen  vergeblich  ein 
und  ist  alles  ein  falscher  Schein, 
wie  ihr  jezt  bald  werd'  hören. 


I/p 


HISTORISCHE 

5.  An  Maria  Magdalena  Tag 

da  ist  es  'gangen,  wie  ich  sag: 

sie  soffen  all  Curäschi, 

um  drei  am  Morgen  brachen  s'  ein 

und  brüllend  wie  die  wilden  Schwein, 

außlährten  ihre  Flaschen. 

6.  Sie  mördten  Männer,  Weib  und  Kind, 
auch  was  noch  junge  Töchtern  sind, 
ganz  grausam  thäten  s'  verüben ! 

das  hat  ja  manchem  Bidermann 
in  seinem  Herzen  weh  gethan 
und  ängstighch  betrübet. 

7.  Da  zogen  s'  von  dem  ßerglein  hin 
wohl  auf  die  Schanz  zur  Hütten  fin, 
da  thät  es  ihn'  missUns^en. 

Major  Werdmüller,  ein  tapfrer  xMann, 
er  sprach :  Nun  unerschrocken  dran ! 
die  Büchsen  hört  man  klingen. 

8.  Dort  wolten  s'  nicht  mehr  sein  allein 
und  zogen  auf  den  Segelrain  \ 

ihr  Fahnen  thun  sie  schwingen; 
sie  meinten,  es  sei  wohl  gethan, 
daß  ihrer  vil  zusam  sind  kon 
von  Aecjri  und  Menzincien. 

9.  Aber  ihr  Freude  währt  nit  lang, 
Zürich  macht  ihnen  angst  und  bang, 
thut  tapfer  auf  sie  knellen; 

es  währet  nicht  ein  halbe  Stund, 
ihr'  blieben  etlich  tod  und  wund, 
drum  eilten  s'  auf  die  Bällen. 


^  Name  einer  Anhöhe  bei  Hütten. 


LlEDhR  143 

10.  An  dreien  Orten  griffen  s'  an, 
ihr'  waren  wohl  dreitausend  Mann 
und  unser  kaum  dreihundert. 

Der  Major  Escher  sprach  uns  an: 
keiner  soll  keinen  Grausen  han, 
Gott  kann  hüt  thun  noch   Wunder. 

11.  Der  Hauptmann  Meyer  lustig  drauf, 
sein'  Officier  und  ganzer  Häuf,  * 
die  thäten  gar  nicht  wanken 

und  rutten  Gott  im  Himmel  an : 
« der  wird  gewüsslich  bei  uns  stahn, 
deß  wollend  wir  ihm  danken. 

12.  Wir  sind  ja  alle  herzhaft  Leut, 

wir  wend  uns  wehren  in  dem  Streit 
und  ehender  alle  sterben 
für  unser  Heimen,  Weib  und  Kind, 
obschon  nur  unser  wenig  sind, 
mit  Gott  den  Sieg  erwerben. » 

13.  Oringer  Hauptmann  drauf  und  dran 
sprach :  « jeder  thüe  was  er  kann, 
dann  es  ist  an  der  Zeite.» 

Wir  schoßen  zu  und  schlugen  druf, 
man  hörte  nichts,  dann  buff  buff  buff, 
da  gab  es  alsbald  Weite. 

14.  Sant  Magdalen  trugen  s'  in  dem  Luft 
an  einer  Stangen  aufgebutzt, 

die  solt  sie  herzhaft  machen. 
Sant  Magdalen  sie  hülflos  ließ, 
Gott  aber  uns  den  Sieia:  zustieß, 
deß  mussten  wir  herzlich  lachen. 


144  HISTORISCHE 

15.  Ihr  Geistlichkeit  ihn'  bhiset  ein, 

vor  Stich  und  Schützen  siclier  z'  sein, 

sie  seien  allsam  g'froren, 

und  henken  ihnen  Brieflein  an, 

ein  jeder  schlag  jezt  zehen  Mann  — 

und  händ's  gleichwol  verloren! 

16.  Ein  Pfaff,  der  von  Gallgeten  war 
und  auch  musst  beißen  in  das  Gras, 
drei  Hauptmann  waren  auch  drunder 
samt  andern  noch  mehr  Officier, 
Soldaten  und  auch  Füsilier, 
blessiert  und  tod  vierhundert. 

17.  Drauf  sind  sie  g'flohen  auß  dem  Land, 
mit  großer  Schmach  und  hoher  Schand 
sind  sie  darvon  geloffen; 

man  sagt  auch,  daß  noch  ihrer  vil 
geloffen  seien  durch  die  Sihl 
und  etlich  gar  ersoffen. 

18.  Ihr  Posten  hand  sie  all  verlan, 
ihr  Schanzen  ließen  s'  offen  stan, 
das  ist  ein  2:roßes  Wunder. 

Der  Löu  bekam  vil  Land  und  Leut, 

an  allen  Orten  große  Beut, 

auch  Stadt  und  Schlösser  drimder. 

19.  Kein  Küng  noch  Fürst  ist  weit  und  breit, 
der  so  vil  g'wonnen  in  kurzer  Zeit, 

und  w^nig  Volk  umkommen; 
nur  drei  und  dreißig  einzig  Mann 
an  allen  Orten  man  rechnen  kann, 
wie  ich  es  hab  vernommen. 


LIEDER  145 


20.  Gott  hat  uns  g'führet  auß  und  ein; 
gleich  wie  ein  Hirt  die  Schäfelein 
vor  Wölfen  thut  bewahren, 
also  ist  unser  Herr  und  Gott 
bei  uns  gesein  in  aller  Noth, 
auch  in  den  größten  Gfahren. 


t^' 


21.  O  Zürich,  lobe  Gott  den  Herrn, 
der  dich  gebracht  zu  großen  Ehr'n 
und  sende  dir  den  Frieden; 
dasfelb  nicht  in  Vergessen  stell, 
sonder  dank  ihm  mit  Leib  und  Seel, 
so  lang  du  lebst  hienieden. 

22.  Der  dieses  Liedlein  hat  gemacht, 

der  selbs  ist  g'wesen  bei  der  Schlacht; 

Gott  helf  uns  allen  samen 

auß  Kampf  und  Streit  und  allem  Leid 

in  die  ewig  himlische  Freud 

durch  Jesum  Christum.     Amen! 


Lied  für  die  Jäger  von  Burgdorf. 

Beschrieben  den  3.  April  1804  von  einem  jungen  Jäger  aus  dem 
Militär-Departement  Burgdorf.    A.  W. 

I,  Vivat,  es  leb  das  Berngebiet 
bis  an  der  Welt  ein  End! 
Vivat,  es  lebe  auch  dazu 
das  Jägerregiment! 
Das  auserlesne  Corps 
kommt  wiederum  hervor, 
nachdem  es  jetzt  fünf  Jahr  hindurch 
in  Schand  hat  müssen  stehn. 
II.  10 


146  HISTORISCHE 

2.  Wer  wollte  nicht  zu  Felde  ziehn 
für  unsre  Obrigkeit? 
Für  solche  sind  wir  jederzeit 
bis  in  den  Tod  bereit. 
Für  die  sind  wir  bereit, 
zu  ziehen  in  den  Streit; 
ietzund  geht  es  gar  tapfer  zu, 
drum  bleiben  wir  dabei. 


T 
D 


Der  Obrist  Weber  uns  kommandirt, 
als  wie  ein  Schweizerheld; 
Hauptmann  von  Büren  uns  exerzirt, 
an  dem  es  auch  nicht  fehlt. 
Der  General  ist  brav, 
die  Offizier  auch  all; 
sie  geben  uns  rechte  Munition, 
drum  laufen  wir  nicht  davon. 

4.  Das  ist  die  erste  Garnison, 
die  wdr  gewesen  sind; 

die  werden  wir  halten  brav  und  schon, 
die  Staatswacht  werden  wir  sein. 
Für  unsre  Obri2:keit 
sind  wir  all  Stund  bereit, 
ietzund  und  alle  Zeit, 
wann  sie  uns  nur  aufbeut. 

5.  Leb  wohl,  du  schönes  Berngebiet, 
wie  schwingst  du  dich  empor! 
und  unsre  gnädige  Obrigkeit 
kommt  wiederum  hervor. 

O  Bern,  du  schöne  Stadt, 

du  bist  gar  fein  und  s:latt, 

da  du  schon  sechs  Jahrhundert  bist 

ein  freie  RepubHk. 


LIEDER  147 

Aus  dem  Sammelband  L.  385  der  Kantonsbibliothek  Aarau.  — 
Das  Lied  wird  hier  nur  mitgetheilt,  weil  es  offenbar  eine  Erneuerung 
des  im  Bd.  I,  S.  67  enthaltenen  Fraubrunnen -Liedes  von  1798  ist, 
an  einigen  Stellen  mit  ausdrücklichem  Gegensatz.  Nach  Str.  4  folgen 
im  Original  noch  3  andere,  die  hier  weggelassen  sind,  weil  sie  nur 
in  matter  Weise  den  Abschied,  die  erhoffte  Rückkehr  und  besonders 
die  gute  Verpflegung  besingen,  welche  schon  100  Jahre  früher 
einem  andern  Berner  Soldaten  als  die  Hauptsache  erschienen  war 
(vgl.  Bd.  I,  S.  61  ff.).  Das  Aufgebot  von  Berner  Truppen  (unter 
welchen  «Jäger»  die  Schützenkompagnien  der  Infanterie  bezeichnen) 
war  in  Folge  des  zürcherischen  «Bockenkrieges»  (s.  Bd.I,  S.LXXII,  56) 
ergangen. 


Aufstand  der  Hailauer  Bauern  gegen  die  Stadt 

Schaffhausen.     1831. 

s.  Bd.  I,  S.  LXXIII. 

1.  Die  Hallauerbauern  die  sind  so  flink, 

sie  haben  das  Kriegen  so  recht  im  Sinn. 

2.  Sie  sind  gegangen  mit  Gewehr  und  Pistolen 
und  hand  zuerst  sollen  Pulver  liolen. 

3.  Sie  sind  gegangen  in's  ober  Neuhaus, 
dort  haben  sie  g'habt  noch  einen  Schmaus. 

4.  Kanonier  und  Scharfschütz  sind  auch  dabei 
und  Kanonen  sind's  auch  nocii  drei. 

5.  Sie  haben  sie  an  das  Thor  gestellt 

und  haben  wollen  schauen,  wie's  drin  ist  bestellt. 

6.  Der  Ober  sprach:   «Mit  üs  hät's  kei  Gfohr, 
blibed  nu  en  Schutz  wit  vo  dem  Thor!» 

7.  Und  als  das  Thor  war  aufgemacht, 
da  haben  sie  Einen  niden^emacht. 


148  HISTORISCHE 

8.  Sie  sind  gesprungen  als  wie  die  Stier, 
wenn  man  einen  schlägt,  so  springen  vier. 

9.  Am  Morgen  haben  die  Schaffhauser  patruUiert 
und  haben  vierzig  Gefangene  gekriegt. 

IG.  Sie  haben  sie  in  die  Stadt  'reingetührt, 
im  Zuchthaus  hat  man  sie  einquartiert. 

II.  Des  andern  Tags  da  länd  sie  s'  ha, 
bis  daß  der  Krieg  aufs  Neu  geht  a. 

Fragment.  —  ha  in  der  zweitletzten  Zeile  nach  der  Mundart  von 
Schaffhausen  =  heifm). 


Das  Dufour-Lied.     1847. 

Nach  der  Melodie  von  «Prinz  Eugen». 

1.  General  Dufour,  der  edle  Ritter, 

sollt  den  Schweizern  wiederum  kriegen 
alle  sieben  Sonderbundskanton; 
und  als  Alles  w^ohl  beraten, 
greift  er  an  mit  sein'  Soldaten, 
an  die  hundert  tausend  Mann. 

2.  Freiburg,  du  zuerst  von  allen 
mußt  vom  Sonderbund  abfallen, 
öffnen  eilig  deine  Tor; 

und  mit  klafterlangen  Schritten 

fliehen  fort  die  Jesuiten, 

w^arten  nicht  auf  «  Gottes  Zorn  »  ^ 


^  So    nannten    die    Soldaten    den   Artillerie -Oberst    Orelli  von 
Zürich  wegen  seiner  grimmigen  Miene. 


LIEDER  149 

3.  Doch  inzwischen  ganz  verstolen 
die  Luzerner  zu  sich  holen  ^ 
Hauptmann  Forrer  von  Dietwyl; 
und  weil  dieß  so  wohl  geglücket, 
sind  sie  wiederum  ausgerücket: 
doch  dieß  Mal  holen  sie  nicht  viel. 

4.  Denn  der  Scheller^  lässt  bei  Lunnern 
tüchtig  auf  sie  niedertunnern, 

bis  sie  laufen  all  davon; 
und  bei  Geltwyl  die  Aargauer 
nehmen's  auch  nicht  viel  genauer, 
jagen  sie  zum  Spott  und  Hohn. 

5.  Am  zweiundzwanzigsten  November  eben 
musst  auch  Zug  sich  übergeben, 
schickte  seinen  Parlementär, 

und  mit  Mann  und  Roß  und  Stucken 
thut  der  Gmür  hinunterrucken 
in  die  Stadt  von  Kappel  her. 

6.  Als  General  Dufour  dieß  vernommen, 
lässt  er  gleich  zusammenkommen 
sein'  Adjutant'  und  Obersten  all; 

er  tat  sie  wohl  instrugiren, 

wie  man  sollt  die  Truppen  führen 

und  Luzern  nun  greifen  an. 

7.  Oberst  Ziegler  sollt  angreifen 
mit  Infanterie  und  2:roßen  Pfeifen 


^  nehmen  gefangen.  ^  Hauptmann  Scheller  von  Thalw^-l  (Zürich; 
verhinderte  durch  das  Feuer  seiner  Batterie  den  Uebergang  der 
Sonderbündischen  über  die  Reuß. 


150  HISTORISCHE 

dort  den  Feind  bei  Gislikon; 
er  ließ  schlagen  eine  Brücken, 
daß  man  könnt  hinüberrucken 
mit  der  Armee  wol  über'n  Strom. 

8.  Oberst  Ziecjler  in  der  Mitten 
hat  als  wie  ein  Leu  gestritten, 
führt  den  Sturmmarsch  selber  an ; 
und  der  Feind,  um  sich  zu  retten, 
flüchtet  vor  den  Jägerketten 
schnell  den  Rotherbero^  hinan. 

9.  Denzler  auf  der  rechten  Seiten 
thät  das  Kanonieren  leiten, 
hat  Haubitzen  aufgeführt; 
feuert,  bis  aus  ihren  Schanzen 
heim  die  Sonderbündler  tanzen, 
Salis  selber  wird  blessirt. 

IG.  Gmür  auch  auf  der  linken  Flanken 

bringt  den  Feind  o:ar  bald  zum  Wanken, 
Meierskappel  nimt  er  ein; 
und  im  EntHbuch  bei  Schupfen 
tut  die  Feinde  wacker  tupfen 
die  Division  Ochsenbein. 

1 1 .  In  der  Xacht  nach  allen  Winden    • 
die  Verräter  tun  verschwinden 
und  Luzern  kriecht  schnell  zum  Kreuz. 
Sonderbund,  du  bist  verloren, 
wir  ziehn  ein  zu  allen  Toren: 
Vivat  hoch !  es  leb  die  Schweiz ! 


LIEDER 


lU 


12.  Held  Abvber«:  kann  nicht  halten 
Uri,  Schwvz  und  Undenvalden, 
Gurten  nicht  das  Rhonetal; 
drum  dir  ewig  Ruhm  gebühret, 
daß  du  uns  so  gut  getühret, 
Dufour,  unser  General! 


S.  T. 


Allgemeine  Lieder. 


ALLGEMEINE  LIEDER. 


1.  Episches. 


Nr.  I. 

1.  Mareie  wott  go  wandle, 
wott  alli  Land  ausgehn, 
wott  suchen  ihren  Sohn. 

2.  «  Hand  ihr  mein'  Sohn  nie  gesehen, 
mein'  allerherzHebsten  Sohn, 

den  ich  verloren  hab  ? » 

3.  «Mir  händ  ihn  nacht  spot  gesehen 
wol  in  eim  Judenhaus, 

ganz  blutig  sah  er  aus. 


4.  Er  treit  auf  seinem  Haupte 
von  Holz  ein  Dornenkron, 
das  Kreuz  treit  Jesus  schon. 

5.  Das  Kreuz  muß  Jesus  tragen 
durch  Jerusalem  die  Stadt, 
wo  er  vil  g'litten  hat. » 


156  ALLGEMEINE 

6.  Mareie  sitzt  nider  und  weinet, 
sie  weinet  gar  so  sehr 

um  ihren  Lieb  Gott  und  Herr. 

7.  Mareie,  du  solltist  nicht  weinen, 
du  solltest  nicht  traurig  sein; 

's  oranz  Himmelreich  ist  dein. 
Wesentlich  gleich  Mittler  Nr.  440. 


Nr.  2. 

1.  Dort  hinten,  dort  hinten 
bei  der  himlischen  Tür 
dort  steht  eine  arme  Seele, 
schaut  traurig  herfür. 

2.  Arme  Seele  mein,  arme  Seele  mein, 
o  kom  zu  mir  ein! 

beichte  du  mir  deine  Sünden, 
sei'n  sie  orroß  oder  sei'n  sie  klein. 

3.  Beichte  du  sie  mir,  beichte  du  sie  mir, 
beichte  du  sie  mit  Fleiß, 

dann  werden  deine  Kleider 
schneechridewiß. 

4.  So  wiß  und  so  wiß 

und  so  wiß  wie  der  Schnee 
wir  werden  einander 
im  Himelrich  g'seh. 

5.  In  dem  Himelrich,  in  dem  Himelrich, 
wo  du  selig  dann  bist, 

wo  Gott  Vater,  wo  Gott  Sohne, 
wo  Gott  heiliger  Geist  ist. 


LIEDER  157 

6.  Keine  Krankheit,  keine  Sünde 
im  Himmel  regiert, 

weil  Jesus  im  Garten 
herumen  spaziert. 

7.  O  wie  fälschlich  sind  die  Juden 
und  wie  lasterhaft  die  Welt, 
weil  Judas  seinen  Meister 
verraten  hat  um  das  Geld. 

Aus  der  handschriftlichen  Sammlung  von  Stutz.  —  Ein  mir  von 
Herrn  Lehrer  Fürst  mitgetheilter  Text  hat  folgende  Abweichungen : 
Str.  2,  2  was  schaust  du  so  traurig  drein,  3  kom  und  beicht  mir. 
Str.  3,  2  mit  allem  Fl.,  4  ja  alle  schneeweiß.  Str.  4,  3 — 4  und  dann 
wollen  wir  mit  einander  in  das  H,  eingehn.  Str.  5,  i  in  das  H.,  in 
das  himlische  Paradies.     Str.  6  und  7  fehlen. 


Nr.  3.     Sant  Katharinen  Segen. 

Sant  Katri  reist  über  ein  wite  Heid, 
vierundvierzig  Mil  weit  und  breit. 
Wer  bigegnet  ere  uf  der  Heid? 
Der  heidnisch  König,  der  frieg  si, 
eb^  si  wett  sis  Ehwib  si. 
«  O,  ob  i  wett  dis  Ehwib  si, 
wett  ender^  lo  verschnide  mi  junge  Lib!» 
Der  heidnisch  König  fiel  in  ein'  Zorn 
und  er  ließ  bauen  einen  Turn ; 
dri  tat  er  vil  Chrotten  und  Schlange, 
sant  Katri  nun  Tas^  drin  or'fan^e. 
Der  König  cham  uf  de  selbe  Grund, 
sant  Katri  war  no  früsch  und  g'sund : 


^  ob ;  umgekehrt  in  der  folgenden  Zeile  oh  statt  eh,  eher.    ^  eher. 


158  ALLGEMEINE 

«Jungfrau  Katri,  wer  het  di  ernehrt?» 

«\\'er  mi  ernehrt  het,  wird  mi  ernehre,  . 

Chrotten  und  Schlange  werde  mi  nit  verzehre. » 

Der  heidnisch  König  ließ  mache  'nes  Rad, 

vierundvierzig  Schermesscrli  dra; 

das  Rad  das  ließ  er  tribe, 

sant  Katri  ihre  Lib  verschulde. 

Wo  das  Bluet  lii  runn,  drü  Engeli  sunge, 

drü  Cherzeli  brünne,  alli  glich, 

si  zünde  sant  Katri  i's  Himelrich. 

Ein  Donnerchlapf  cham  vom  Himel  herab 

und  schuß  die  Speien^  us  dem  Rad; 

a  dene  Speie  war's  nit  gnue : 

vierthalbhundert  heidnisch  Mann  derzue. 


* 


Wenn  das  Gebet  all  Tag  wurd  g'sproche, 
wurd  kei  Biderma  no  g'hüwe-  no  g'stoche, 
kei  Jungfrau  g'schändt,  kei  schwangeri  Frau. 
Helf  is  Gott  zu  alle  guete  Dingen!    Amen. 

Aus  Lütolf  a.  a.  O.  541  —  542.  —  Ich  habe  nur  die  Verse  an 
emigen  Stellen,  wo  sie  mit  Füllwörtern  überhäuft  waren,  etwas  in's 
Maß  geschnitten;  übrigens  war  solche  unregelmäßige  Reimprosa  seit 
dem  XI.  Jahrhundert  üblich  und  findet  sich  auch  noch  in  einigen 
der  reformirten  Gebete,  die  in  Bd.  I  (S.  194  ff.)  mitgetheilt  sind.  Den 
letzten  Zeilen  nach  gehört  das  Gedicht  zu  den  Segensfprüchen,  die 
weiter  unten  mitgetheilt  sind;  es  ist  aber  hieher  gestellt,  weil  die 
epische  Einleitung  besonders  ausführlich  ist  und  ursprünglich  wohl 
selbständig  war. 


*  Speichen.     -  gehauen. 


LIEDER  159 

Nr.  4.    Tannhäuser. 

Vgl.  BJ.  I,  S.  102. 

1.  Tannhäuser  war  ein  junges  Bluet; 
der  wott  groß  Wunder  g'schaue; 

(er)  gieng  (wol)  auf  Frau  ^Venelis  Berg 
zu  selbige  schöne  Jungfraue. 

2.  Wo  er  auf  Frau  VreneUs  Berg  ist  cho, 
(do)  chlopft  er  an  a  d'  Pforte : 

« Frau  Vrene,  wend  er  mi  ine  lo  ? 
will  halten  eue  Orde. » 

3.  «Tannhäuser,  i  will  d'r  mi  G'spile  ge 
zu-m-ene  ehhche  Wibe. » 

«  Diner  G'spilinne  begehr  ich  nit, 
min  Leben  ist  mer  z'  liebe. 

4.  Diner  G'spilinne  darf  ^  ich  nüt, 
es  ist  mir  gar  hoch  verböte ; 

si  ist  ob  'em  Gürtel  Milch  und  Bluet- 
und  drunter  wie  Schlanijen  und  Ghrote. » 

5.  Tannhauser  saß  am  Figebaum, 
darunter  er  war  entschlafe ; 

es  chunt  em  für  i  sinem  Traum, 
er  müeß  uf  Rom  wallflihrte. 

6.  Wo  er  in  d'  Stadt  Rom  ine  chunt, 
wol  unter  's  höchsti  Thor(e), 
froi^t  er  dem  oberste  Priester  no, 
wo  in  der  Stadt  Rom  war(e). 


bedarf.     -'  wunderschön. 


1 60  ALLGEMEINE 

7.  Wo  er  i  d'  Chile  i-e  chunt, 

vor  'em  Pobst  thet  er  sich  g'neige: 
«  Gott  grüeze  eure  Heilige,  Pobst, 
mine  Sund  will  i  eu  a'zeige.» 

8.  Der  Pobst  het  do  en  düre  Stab, 
vo  Düri  war  er  g'spalte: 

c(  So  wenig  de  Stab  me  z'  grüene  chunt, 
so  wenig  magst  du  Ablaß  erhalte. » 

9.  «Und  wenn  i  nümme  z'  Gnade  chum 
und  nümme  mag  werde  bihalte, 

so  gön  i  uf  Frau  Vrenis  Berg 
und  lebe  bi-n-ihr  im  Walde.» 

IG.  Es  göt  nit  me  als  dritthalb  Tag, 
so  fieng  der  Stab  a  z'  gruene; 
er  treit  es  Laub  so  grüen  wie  Gras, 
darzue  drei  schöni  Blueme. 

11.  De  Pobst  schickt  sini  Boten  us, 

si  wüssed  cn  niene  me  z'  g'wahre; 
er  schickt  si  us  in  alli  Land: 
der  Tannhuser  blibt  verfahret 

12.  Si  chömed  uf  Frau  Vrenelis  Berg, 
chlopfed  a  d'  Pforte  und  die  ist  b'schlosse : 
((Tannhuser  soll  do  use  cho, 

sine  Sünde  sigen  em  no'g'losse. » 

13.  (( Zu-n-ech  use  cho  das  chan  i  nit, 
do  mueß  i  bliben  inne; 

mueß  bliben  bis  am  jüngste  Tag, 

(da  2:öt's  mer  erst  wie's  cha  und  mag.  2)» 


^  verschwunden.    -  Dieser  Vers  ist  offenbar  unecht :  ebenso  die 
zwei  noch  folgenden  Strophen,  obwohl  die  Beziehung  der  Frau  Vrene 


LIEDER  l6l 

14.  (Tannhuser  sitzt  am  steinige  Tisch, 
der  Bart  wachst  im  drum  umme; 
und  wenn  er  drü  Mal  ummen  isch, 
so  wird  der  jüngst  Tag  bald  chume.) 

15.  (Er  frogt  Frau  Vreneli  all  Fritig  spöt, 

ob  der  Bart  es  dritt(s)  Mol  umme  göt 
und  der  jüngsti  Tag  well  chume.) 

Das  Lied  ist  in  obiger  Gestalt  mitgetheilt  von  Rochholz,  Drei 
Gaugöttinnen  S.  147 — 149;  es  soll  von  einer  alten  Frau  im  Bezirk 
Baden  (Kt.  Anrgau)  ihrem  Arzt  in  die  Feder  diktirt  sein.  Der  Text 
ist  jedenfalls  an  manchen  Stellen  verdorben,  aber  Vergleichung  des- 
lelben  mit  dem  in  Bd.  I  (S.  102)  mitgeiheilten  sant- gallischen  (G) 
und  dem  (schon  mehrfach  gedruckten)  entlebuchischen  (E)  ist  nicht 
ohne  Interesse.  Da  der  letztere  in  Bd.  I  nicht  mitgetheilt  ist,  so  soll 
er  hier,  wenigstens  so  weit  er  von  dem  aargauischen  (A)  abweicht, 
noch  angeführt  werden.  Alle  drei  Gestalten  beruhen  auf  einer  Grund- 
lage, welcher  E  (=  Uhland,  Volkslieder  Nr.  297  C,  Mittler  Nr.  535) 
wohl  am  nächsten  kommt;  doch  ist  gerade  die  erste  Strophe  unsers 
A  und  G  (=  ühland  A  2)  besser  als  E  i — 2. 

E  I.  Wele  (wer)  groß  Wunder  schauen  will, 
der  gang  in  grüenen  Wald  use. 
Danhuser  war  ein  Ritter  guet, 
groß  Wunder  wolt  er  schauen. 

2.  Wa-n-cr  in  grüenen  Wald  use  kam 
zue  denen  schönen  Jungfrauen, 

sie  fiengen  an  ein  längen  Tanz, 
ein  Jahr  war  inen  ein  Stunde. 

3.  «Danhuser,  lieber  Danhuser  mein, 
weit  (wollt)  ier  bei  uns  verbleiben  ? 
ich  will  euch  die  jüngste  Tochter  ge 
zue  einem  eliche  Weibe.» 


(Venus,  Freid)  auf  den  Freitag  (Str.  15,  i)  einen  richtigen  Zug  ent- 
hält und  vielleicht  auch  die  Beziehung  des  Namens  Ta/mhäuser  auf 
den  Aufenthalt  im  Walde  (E  i,  A  9)  bemerkenswerth  ist. 

II.  II 


1 62  ALLGEMEINE 

4.  «Die  jüngste  Tochter  die  wil  ich  nid, 
sie  treit  den  Tüfel  in  ihre ; 

ich  g'se's  an  ire  brun  Augen  an, 
wie  es  in  ire  tuet  brinnen.« 

5.  «Danhuser,  lieber  Danhuser  mein, 
du  sollest  uns  nicht  schelten; 
wann  du  komst  in  disen  Berg, 

so  muest  du  es  etgelten. » 

6.  I.  Frau  Vrene  hat  ein  Feigenbaum, 
4.  Von  Sünden  sol  er  lassen. 

7.  Danhuser  stuend  uf  und  gieng  darvon, 
er  wolt  ge  Rom  ge  bichten; 
wa-n-er  ge  Rom  wol  ine  kam, 

war  er  mit  blutten  (bloßen,  nackten)  Füeßen. 

8.  1—2  =  7,  3—4. 

3.  er  fiel  auch  nider  auf  seini  Knie, 
seini  Sünden  wolt  er  abbüeßen. 

9.  wesentlich  =  A  8. 

10.  Er  kneuet  für  das  Kreuzaltar 
mit  außgespanten  Armen : 

« Ich  bitt  es  dich,  Herr  Jesus  Christ, 
du  wellist  meiner  erbarmen. » 

11.  Danhuser  gieng  zur  Kirchen  uß 
mit  seim  verzagten  Herzen : 

« Gott  ist  mir  allezeit  gnädig  g'si, 
iez  mueß  ich  von  em  lassen !  » 

12.  Wa-n-er  für's  Thor  hie  uße  kam, 
begegnet  im  üsi  Liebi  Frauen : 

«  Behüet  dich  Gott,  du  reini  Magd  ! 
dich  darf  ich  nimmen  anschauen. » 

13.  1—2  =  A  IG,  1—2. 

3.  Der  Pabst  schickt  uß  in  alli  Land, 
er  ließ  Danhuser  suchen. 

14.  Danhuser  ist  iez  nimmen  hier, 
Danhuser  ist  verfahren, 
Danhuser  ist  in  Frau  Vrenen  Berg, 
wolt  Gottes  Gnad  erwarten. 


LIEDER  163 

15.  Drum  sol  kein  Pabst,  kein  Kardinal 
kein  Sünder  nie  verdammen; 
der  Sünder  mag  sein  so  groß  er  will, 
kann  Gottes  Gnad  erlangen. 

Sagen  von  Schweizern,  die  in  den  Venusberg  kamen,  gibt 
Lütolf  S.  89.  Taimhuser  kommt  übrigens  noch  heute  in  Malters, 
Kt.  Luzern,  als  Geschlechtsname  vor;  ein  Tamihuser  war  im  Jahr  1640 
Pfarrer  in  Escholzmatt  im  Entlebuch,  wo  Stalder  das  Lied  (E)  fand; 
ein  Christen  Tannhuser  kommt  urkundlich  im  Jahr  1)1)  in  Graubünden 
vor.  Lütolf  S.  90.  Die  Uebertragung  der  Sage  vom  Bari  des  im 
Berg  verzauberten  Kaisers  auf  den  Tannhäuser  (A  14.  15)  war  auch 
luzernische  Sage.  Lütolf  S.  87.  üeber  Verena  =  Venus  =  Freia  s.  Roch- 
holz (a.  a.  O.  S.  1 50  ff.)  und  Schweiz.  Idiotikon  unter  Verene.  Aus 
jener  Gleichung  folgt  aber  keineswegs,  daß  der  Tannhäuser  eine 
Vermenschlichung  von  Wuotan  sei.  Ueber  die  Tannhäuser-Sage  und 
ihre  Parallelen  s.  noch  Herrig,  Archiv  Bd.  68,  S.  43  — 51. 


Nr.  5.     Der  König  von  Mailand. 

s.  Bd.  I,  S.  CV. 

1.  Weiß  mir  e  Herr,  hed  sibe  Sü 
und  nu  en  einzig  Töchterli. 
Der  Herr  der  stellt  e  Gastmal  a, 
er  ladt  vil  fremdi  Herre  dra. 

2.  Er  ladt  vil  fremdi  Herren  i, 
de  Künig  us  Mailand  au  derbi. 

Die  Tochter  hed  Har  so  gel  wie  Gold^ 
darum  wird  ihre  der  Künis:  hold. 


*  Das  Original  hat:  e  Haar,  ist  gelber  weder  Gold.    Vgl.  Dursli 
und  Babeli   i,  4. 


1 64  ALLGEMEINE 

3.  Das  Mägdli  wött  ge  schlafe  go, 
tritt  ihre  der  Künig  us  Mailand  no^; 
und  do-n-er  het  si  Wille  'to^, 

sitzt  er  uf's  Roß  und  rit't  dervo. 

4.  Do  vierzig  Wuche  sind  ume, 
de  Künig  der  ist  nie  kumme. 
Dem  Mägdli  wurd's  im  Siteli  weh, 
zu  einem  kleinen  Kindele. 

5.  «Ach  Brueder,  liebe  Brueder  mi, 
erlaub  du  mir  di  Kämmerli, 
erlaub  mir  di  Schlafgade^; 

klei  Kindeli  mue-n-i  habe.» 

6.  «Ach  Schwester,  liebi  Schwester  mi, 
's  Schlafkämmerli  soll  di  eige  si, 
ich  will  dir  ge  vil  Guet  und  Geld; 
bring  du  di  Kindli  recht  uf  d'  Welt ! » 

7.  «Ach  Brueder,  liebe  Brueder  mi, 
und  hätt  i  numme  no  Wiber  dri ! » 

«  Ach  Schwester,  liebi  Schwester  mi, 
die  Wiber  müend  gli  vorbände  si. » 


ö" 


8.  Und  do  das  Kind  gebore  war, 
die  eine  zu  der  andern  sprach; 
«Das  Kind  ist  hübsch  und  minniglich, 
es  sieht  dem  Künig  us  Mailand  glich.» 


^  nach.    -  gethan.    Im  Original  folgt  noch  die  Zeile :  In  vierzig 
Woche  will  er  wider  ko.    ^  Gaden,  Kammer. 


LIEDER  l6 

9.  Die  Mueter  an  de  Wände 
erloset  de  Reden  en  Ende^; 
sie  Sprung  dur  d'  Stegen  uf  und  ab, 
bis  daß  sie  zu  's  Mäs^dlis  Vater  kam. 

10.  «Hand  eister^  g'seit,  eui  Tochter  sei  fromm, 
iez  het  si  geboren  en  junge  Sohn; 
und  war  die  Tochter  eu  wie  mi, 
die  Red  mueß  uns  verschwis:e  si. 

Das  Kind  ist  wüest  und  grüselich, 
es  sieht  'em  leidige  Tüfel  glich. » 

12.  Der  Vater  fiel  in  e  cjroße  Zorn 

er  Sprung  wol  uf  die  Mure, 
rueft  alle  sine  Nachbure: 

13.  «Nachbure,  liebi  Nachbure, 
müend  mir  en  Galge  mure^; 
i  will  mi  Tochter  la  henke, 
ihre  junge  Sohn  ertränke. » 

14.  Der  Brueder  an  de  Wände 
erloset  de  Reden  en  Ende, 

er  loset  von  Anfang  bis  zum  End, 
bis  ihm  sini  Aeu2;li  Wasser  gend. 


^  erlauscht  die  Reden  vollständig;  vgl.  Str.  14  und:  Die  Braut- 
wahl Str.  5.  -  immer.  Das  Original  hat  gesproche  statt  g'seü.  ^  Das 
Original  hat  hier  noch  die  Zeile:  dra  mue  mi  Tochter  verfule. 


l66  ALLGEMEINE 

15.  «Ach  Schwester,  Hebi  Schwester  mi, 
mir  händ  e  zornigs  Väterli; 

er  will  di  lasse  henke, 
din  junge  Sohn  ertränke. » 

16.  Das  MägdU  setzt  si  uf  im  Bett, 

es  wünscht,  daß  's  Tinten  und  Federe  hätt^; 
es  tuet  e  Briefli  schribe 
sim  Herren  i  Mailand  ine. 

17.  «Ach  Brueder,  liebe  Brueder  mi, 
hätt  ich  e  kleines  Böteli, 
müeßt  mir  es  Briefli  trage, 
mim  Herren  i  Mailand  saoe. » 

18.  «Ach  Schwester,  liebi  Schwester  mi, 
das  BöteU  will  i  selber  si, 

will  dir  das  Briefli  trage, 
dim  Herren  i  Mailand  sage.  )> 

19.  Do-n-er  i's  Mailand  ine  kam, 

er  so  zu  selbigem^  Diener  sprach : 
« Ach  Diener,  liebe  Diener  mi, 
möcht  euere  Herr  deheime  si  ? » 

20.  «  O  nei,  min  Herr  ist  nit  deheim 

min  Herr  der  ist  geritten  us, 
(w^ol)  um  e  zarts  JungfräuH  us. » 


^  Original :  es  heischt  Dinte  und  Federe  her.    Dann  könnte  die 
erste  Zeile  etwa  gelautet  haben :  Dem  Mägdli  macht  der  B'richt  gar 


schwer.    ^  dortig. 


LIEDER  167 

21.  Der  Bot  der  kehrt  si  nit  dara, 

bis  er  zum  Herren  i  d'  Stube  kam^; 
was  zog  er  us  sim  Buese? 

22.  (« Sieh  hie,  sieh  hie,  o  Herre  mi, 
d^rin  kannst  sehe  wer  i  bi.» 

Eb^  er  das  Briefli  ganz  lese  kann, 

die  Thräne  ihm  in  d'  Schoß  abe  rann. 


23' 


«  Stönd  uf,  stönd  uf,  ihr  Ritter,  uf ! 
wir  müend  a'n  Rhinstrom  riten  us, 
(wol)  um  e  zarts  JungfräuU  us. 

24.  Und  du,  o  Hebe  Diener  mi, 
gang  sattle  mir  mi  Pferdeli, 
und  sattle  mir  das  beste  Pferd, 

das  unter  vierthalbhundcrt  war. »  — 

25.  Und  do-n-es  war  am  Fritig  früe, 
si  füered  das  Mägdli  us  so  früe; 
frumm  MägdU  wend  si  henke, 
sin  junge  Sohn  ertränke. 

26.  Und  do-n-es  uf  die  Leiter  trat^, 
es  den  Nachrichter  treuli  bat: 
«Nachrichter,  Heber  Nachrichter  mi, 
o  wart  du  no  ne  kleine  Wil. 


27- 


i  g'höre-n-e  scharfe  Riterei; 
i  hoff,  es  möcht  ein  drunter  si, 
möcht  mines  KindHs  Vater  si.» 


^  Original:  trat.     ^  ehe.    ^  Original:  kam;  vgl.  Note  ^ 


1 6S  ALLGEMEINE 

28.  Der  Nachrichter  ist  e  barmherzige  Ma, 
er  wartet  vierthalb  Stunden  ab; 

er  wartet  (und  wartet)  vierthalb  Stund, 
bis  daß  die  Schar  vo  Ritere  chund. 

29.  —     —     —     —     —     —     —     — ^ 

er  wünschet  allen  e  guete  Tag, 
dazu  ne  guete  Morge: 

«wen  wend  er  so  früe  versorge^? 

30.  In  unserem  Land  ist's  nit  der  Bruch, 
daß  ma  's  Wibervolk  tuet  henken  uf. » 
Was  zog  er  us  sim  Buese? 

Ein  Windel  von  schönem  Tceche^. 

31.  «Sieh  hie,  sieh  hie,  brun  Maidli  mi, 
wickle  du  din  kleines  Kindli  dri.» 
Was  zog  er  us  si'r  Scheide? 


32.  O  Wunder!  ein  schönglänziges  Schwert; 
er  stach  sin  Schwägerin"^  uf  die  Erd: 
«Wenn  i  den  Adel  nit  nieße  möcht^, 
so  stach  i  min  Schwab  er  uf  die  Erd. 


Ach  Anni^,  m.agst  's  Riten  erlide, 
magst  zu  mir  uf  mi  Pferd  stige? 
Du  muest  nu  riten  e  halbi  Stund, 
bis  daß  e  Gutsche  geeen  üs  chunt. » 


^  Die  fehlende  Zeile  muß  enthalten  haben,  daß  der  König  an- 
gekommen sei.  -  hinrichten  (sonst:  mit  den  Sterbesacramenten  ver- 
sehen. ^  Das  Original  hat  als  erste  Zeile  der  folgenden  Strophe: 
Voll  Wunder!  ein  schönes  TücheH.  *  Schwäherin,  Schwiegermutter. 
'°  hat  wohl  ursprünglich  gelautet:  wenn  er  seines  Adels  n.  n.  m., 
d.  h.  wenn  ich  nicht  auf  seinen  Adel  Rücksicht  nähme.    ®  Daß  hier 


LIEDER  169 


34.  «Worum  wott  i's  nit  besser  erlide, 
als  uf  de  hoch  Galgen  stige  ?  »  — 
Es  stoht  nit  meh  als  e  halb  Johr  a, 
der  Könis  stellt  e  Gastmal  a. 


'ö 


35.  «Ach  Anneli,  liebs  Anneli  mi, 
wend  mcr  au  lade  di  \^äterli  dri  ? » 
«O  nei,  o  nei,  min  Herr,  laß  si\ 
mi  Väterli  wend  mer  nit  lade  dri. » 

36.  «Es  fliegt  e  Vögeli  nit  so  hoch, 
es  lot  si  wider  nider: 

wenn  scho  di  Väterli  zornig  ist, 
der  Zorn  der  leit^  si  wider. » 

Das  merkwürdige  Lied  war  den  Herausgebern  des  « Wunder- 
horns>)  von  Wessenberg  niitgetheilt  worden;  es  trägt  in  der  Sprache 
einige  Merkmaie  aus  der  nordöstlichen  Schweiz,  kann  aber  natürlich 
nicht  in  reiner  Mundart  hergestellt  werden;  nur  einige  Unrichtig- 
keiten und  Unebenheiten  sind  im  obigen  Text  ausgeglichen.  Leider 
ist  das  Stück  auch  sonst  unvollständig  und  besonders  in  den  Reimen 
mangelhaft  überliefert.  Ich  habe  nur  an  den  wenigen,  in  den  Noten 
angegebenen  Stellen  Besserungen  versucht,  sonst  mich  begnügt,  die 
Vierzeiligkeit  der  Strophen  wenigstens  äußerlich  herzustellen,  während 
das  Original  einige  fünf-  und  dreizeilige  gibt.  Daß  einige  Strophen 
ganz  oder  theilweise  weibliche  Ausgänge  haben,  ist  nichts  Seltenes; 
offenbar  verderbt  oder  mangelhaft  in  Wortlaut  und  Sinn  sind  Str.  4. 
24.  32,  im  Reime  Str.  23.  25.  27. 


die  Jungfrau  auf  einmal  diesen  Namen  trägt,  erinnert  an  die  Anneli- 
Lieder  Bd.  I,  S.  115.  118,  wo  das  Mädchen  ebenfalls  auf's  Pferd  ge- 
hoben wird. 

^  Das  Original  hat  ein  drittes  0  nein  und  dann  Z.  4  drei(n),  was 
neben  dri  1.  2  unerträglich  ist.     ^  Original :  let. 


1 70  ALLGEMEINE 


Nr.  6.     Schön  Anneli. 
s.  Bd.  I,  s.  cv. 

1.  Es  ritt  ein  Rüter  durch  das  Ried, 
er  sung  mit  Lüsten  ein  Tagelied, 
er  sung's  mit  heller  Stimme, 

daß  's  zwischen  zwei  Bergen  tuet  klinge. 

2.  Das  Anneli  under  dem  Lädeli^  lag: 
«Wer  ist  iez,  der  so  singe  mag? 
Könnt  ich  nur  auch  so  singe, 
wett-  mit  ihm  vo  heime  springe ! » 

3.  «Anneli,  w^ottist  du  mit  mir  ga, 

ich  will  dich  lehren  alls  was  ich  ka; 

ich  will  dich  lehre  singe, 

daß  zwischen  zwei  Bergen  tuet  klinge^.» 

4.  Das  Anneh  springt  dur  d'  Stegen  uf, 
es  kleidt  si  i  Side  und  Sammet  druf, 
i  Sammet  und  sidige  Schnüere; 

de  Rüter  wott  's  Anni  verfüere. 

5.  Er  nahm  schön  Anneli  bim  Gürtelschloß, 
er  schwung's  wol  hinden  ufs  höchi  Roß"*^ 
und  fuer  mit  ihm  so  balde 

wohl  gegen  dem  finstren  Walde. 

6.  Sie  ritten  zum  kühlen  Brunnen, 
mit  Blut  war  er  überrunnen ; 
sie  kamen  zum  Haselstüdeli, 
darhinder  ruo^aet^  es  TübeH. 


^  Fensterladen.  "^  ich  wollte.  ^  Andere  Lesart :  ein  Lied  uf 
dreierlei  Stimme,  oder:  drei  Liedlein  auf  einer  Stimme  (Melodie). 
*  s.  Bd.  l,  S.  118,  ^.  °  girrt.  Den  blutigen  Brunnen  haben  andere 
Texte  erst  später,  nach  Str.  20. 


LIEDER  171 

7.  « Ach  Rüter,  liebe  Rüter  mi, 
was  rügget  echt  das  Tübeli? 

es  rugget,  du  sigist^  en  falsche  Ma, 
der  mir  min  Leben  nit  gönnen  mag. » 

8.  «Schön  Anneli  min,  es  rugget  nit  das; 
es  ist  öppis  anders,  ich  weiß  wol  was^ ; 
es  rügget  wege  sim  rote  Fueß, 

wo  es  im  Winter  dra  früre  mueß.» 

9.  Er  ritet  mit  ihm  über  Studen  und  Stock; 
es  schreit :  «  o  we,  mini  sidige  Rock !  » 

er  ritet  mit  ihm  über  Studen  und  Stei ; 

es  schreit:  «o  weh,  mini  schnewiße  Bei'^!» 

IG.  Er  spreitet  de  Mantel  i's  grücne  Gras, 
er  wett,  daß  's  Anneli  zu  ihm  saß: 
«  Ach  Anneli,  chum  mir  cho  luse^, 
mis  chruses  sjels  Haar  verzuse. » 

1 1 .  So  mängi  Locke  das  Anni  verzieht, 
so  mängi  Thräne  ihm  entfiel; 

er  luegt  ihm  under  die  Augen : 

«Was  weinst  du,  schönste  der  Frauen? 

12.  Weinist  du  um  dis  Vaters  Guet? 
oder  weinist  du  um  din  stolze  Muet? 
oder  weinst  du  um  dine  Ehren? 

es  mag  sie  dir  niemer  verwehren.» 


^  seist.  -  Diese  Zeile  ist  von  mir  ergänzt,  weil  beide  Texte  hier 
mangelhaft  überliefert  sind.  ^  Auch  diese  Strophe  kommt  in  dem 
andern  Anneli-Liede  (Bd.  I,  S.  118,  Str.  5.  6)  vor,  scheint  aber  hieher 
zu  gehören.  *  hier  nicht  im  gemeinen  Sinn  zu  nehmen,  sondern 
=  liebkosend  mit  den  Haaren  spielen.    Vielleicht  liegt  aber  darin  eine 


1 72  ALLGEMEINE 

13.  «Ich  weine  nid  um  mis  Vaters  Guet 
und  weine  nid  um  min  stolze  Muet: 
ich  weine-n-um  diese  Tanne, 

wo  elf  Jungfraue  dra  hange. » 

14.  «Schön  Anneli,  wein  du  nit  so  gli, 
du  muest  ja  doch  die  zwölfti  si, 
muest  z'  obrist  obe  dra  hange, 
muest  Kaiser!  werden  ob  alle. » 

15.  «Ach  Rüter,  liebe  Rüter  mein, 

laß  du  mich  schreie  drei  einzigi  Schrei. » 
•   «Ja  frili,  schrei  du  so  mänge-n-as  d'  witt\ 
die  junge  Waldvögeli  lose  dir  nit. » 

16.  Der  erste  Schrei,  wo  's  AnneU  het  than, 
es  ruefti  Gott  im  Himmel  an, 

er  soll  ihm  zu  Hilf  kommen  balde 
aus  diesem  finsteren  Walde. 

17.  Der  andere  Schrei,  wo  's  Anneli  het  than, 
es  ruefti  die  Mueter  Gottes  an, 

sie  soll  ihm  zu  Hilf  kommen  balde 
aus  diesem  finsteren  Walde. 

18.  Im  dritten  Schreie  schön  AnneU 
ruefte  sim  lieben  BrüederU : 
«Und  hilfst  du  mir  nicht  balde, 
so  bin  ich  verloren  im  Walde^ !  » 


Anspielung  darauf,  daß  der  Reiter  eine  Hautkranl<heit  (Grind)  an  sich 
hatte,  zu  deren  Heilung  er  das  Blut  von  Jungfrauen  suchte  (Blau- 
bart-Sage). 

^  willst.  -  Den  drei  Schreien  entsprechen  in  dem  andern  Liede 
(Bd.  I,  S.  119)  die  drei  Nägel,  mit  denen  das  in  ein  Pferd  verwandehe 
Anneli  beschlagen  werden  soll.  —  Die  beiden  let;^ten  Zeilen  dieser 


LIEDER  175 

19.  Der  Brueder  hinder  dem  Tischli  saß 
und  mit  sim  Völkli^  z'  Morgen  aß; 
es  dunkt  ihn  in  sinem  Sinne, 

er  g'höri  sis  Schwesteriis  Stimmet 

20.  «  Ach  KnechtU,  liebes  Knechtli  mi, 
ojang,  sattle  mir  mis  Pferdeli 

und  zäum's  mit  der  isige  Chette; 
i  will  mi  Schwester  ga  rette^!» 

21.  Und  wo-n-er  chunt  wol  mittst  i'n  Wald, 
der  Rüter  träiet^  es  Widenband: 

(( Träisch  es  für  mi  oder  träisch  es  für  di 
oder  träisch  es  für  mis  Schwesterli  ? » 

22.  «I  träi's  nit  für  mi  und  nit  für  di 
und  au  liit  für  dis  Schwesterli: 

i  traie's  für  mis  Rösseli, 

es  verzehrt'^  mir  aUi  die  Zäumeli. » 

23.  Er  bund  de  Rüter  hinten  a'n  Stiel-'', 
er  mag  sich  wehren  wie  er  will; 

er  mueß  de  Lohn  für  Alles  ha, 
wo  er  scho  i  dem  Wald  het  tha. 

24.  Er  nahm  schön  Anneli  bim  Gürtelschloß 
und  schwuns^'s  wohl  hinten  uf  sis  Roß 
und  fuer  mit  ihm  über  Studen  und  Stei 
und  fuer  mit  dem  Anneli  wieder  hei. 


Strophe  lauten  in  dem  von  mir  sonst  zu  Grunde  gelegten  Texte 
gleich  denen  der  zwei  vorhergehenden  Strophen;  aber  in  den  deutschen 
Parallelen  zeigen  sie  eine  Variation,  die  ich  oben  nachgebildet  habe. 
^  Hausgesinde,  Familie.  ■^  Diese  zwei  Zeilen  aus  dem  Text  von 
Rochholz.    ^  dreht.    *  zerreißt.    '"  an  den  Schweif  seines  Pferdes. 


1 74  ALLGEMEINE 

Der  vorstehende  Text  beruht  gröstentheils  auf  dem  von  Stalder 
mi  Entlebuch  vorgefundenen  und  in  Henne's  Schweizerblättern  1853, 
S.  210  mitgetheihen.  Rochholz  gibt  einen  erweiterten,  vom  dem  er 
selbst  sagt,  er  sei  aus  verschiedenen  (Quellen  zusammengestückt,  und 
der  schon  durch  sein  Versmaß  (Strophen  von  6  statt  4  Zeilen)  von 
den  andern  abweicht,  übrigens  neben  manchen  Verschnörkelungen 
einiges  Echte  enthalten  mag.  Ich  habe  ihn  mit  dem  andern,  der 
allerdings  auch  seine  Mängel  hat  (besonders  gegen  Ende),  stellen- 
weise zu  vermitteln  gesucht. 


Nr.  7.     Der  Dursli  und  d's  Babeli. 

s.  Bd.  I,  S.  CIV. 

1.  Es  het  e  Bur  es  Töchterli, 
mit  Name  heißt  es  Babeli; 

es  het  zweu  Züpfli,  si  sind  wie  Gold, 
drum  isch  ihm  au  der  Dursli  hold. 

2.  Der  Dursli  lauft  dem  ^^lter  na: 

«  O  Vater,  weit  ihr  mer  's  Babeli  la  ?  » 
« Mis  Babeli  isch  no  vil  zu  chlei, 
es  schlaft  das  Jar  no  wol  allei. » 

3.  Der  Dursli  lauft  in  einer  Stund, 
lauft  abe  bis  ge  Soleturn, 

er  lauft  die  Gassen  i  und  us, 

bis  daß  er  chunt  vor  's  Hauptmes  Hus. 

4.  «  O  Hauptme,  liebe  Hauptme  mi, 
i  will  mi  din2:en  i  Plauderen  i. » 
Der  Hauptme  zieht  de  Seckel  us 
und  sit  dem  Dursli  drei  Taler  drus. 


LIEDER  I 


n 


5.  Der  Dursli  geit  do  wider  hei, 
hei  zue  sim  liebe  Babeli  chlei: 
«  O  Babeh,  du  liebs  Babeli  mi, 
i  ha  mi  'duneen  i  Flanderen  i !  » 


'&' 


6.  Das  Babeli  lauft  wol  hinder  's  Hus, 
es  grint  ihm  schier  sini  Aeus:eli  us : 
((  O  Babeli,  tue  doch  nit  eso, 

i  wott  ja  wider  ume  cho. 

7.  Und  chum  i  über  's  Jar  nit  hei, 

so  will  i  der  schriben  es  Briefli  chlei; 
darinne  soll  e^eschribe  sta: 
I  wott  mis  Babeh  nit  verla.» 


Und  wenn  der  Himmel  papirig  war 
und  jede  Sterne-n-e  Schriber  war 
und  jede  Schriber  hätt  siebe  Hand, 
si  schriebe  doch  miner  Liebi  keis  Hnd! 

Der  obige  Text  ist  wesentlich  nach  dem  solothurnischen  gestaltet, 
wie  ihn  zuletzt  Schild,  Der  Großätti  aus  dem  Leberberg,  2.  Ausgabe, 
S.  176 — 177  gibt;  jedoch  habe  ich  die  spezifisch  solothurnische  Färbung 
der  Sprache  abgestreift,  weil  sie  nicht  auf  originaler  Ueberlieferung. 
sondern  erst  auf  mehrfacher  Rückübersetzung  des  Herder'schen  Textes 
in  die  Lokalmundart  beruht  (s.  Schild  a.a.O.  184).  Von  dem  Texte 
Herder-Schild  (K  S)  unterscheidet  sich  der  von  Wyß  (W),  der  auch 
in  die  Ausgabe  des  «Wunderhorns»  von  1846  aufgenommen  ist,  nicht 
nur  durch  bernische  Mundart,  sondern  auch  durch  Vermehrung  des 
Inhaltes,  indem  unsere  Strophen  2.  4  und  6  zu  je  zweien  erweitert 
sind  und  am  Schluß  die  Strophe  hinzugefügt  ist,  die  nun  auch  in 
der  ursprünglichen  Heimat  des  Liedes  solchen  Anklang  gefunden  hat, 
daß  dasfelbe  dort  nur  den  Namen  «Der  papirig  Himmel»  trägt.  Die 
fremde  Herkunft  und  weite  Verbreitung  dieses  Spruches  (der  hier 
immerhin  nicht  ungeschickt  angefügt  ist)  hat  R.  Köhler  in  «  Orient 
und  Occident»    Bd.  H,   S.  546  — 559   mit   glänzender  Gelehrsamkeit 


176  ALLGEMEINE 

nachgewiesen.  Vgl.  Alemannia  XI,  57.  Die  Antiquare  von  Solothurn 
haben  sich  bemüht,  auch  einen  historischen  Kern  der  Geschichte 
herauszufinden,  und  es  hat  sich  aus  ihren  Nachforschungen  in  den 
Taufbüchern  von  Grenchen  ergeben,  daß  das  « BabeH  »  als  Barbara 
Marti  am  28.  Oktober  1670  zu  Bettlach  geboren  war.  Seit  jener  Zeit 
sollen  auch  die  Werbungen  nach  Flandern  begonnen  haben.  Der 
Name  des  mit  jener  Barbara  verlobten  Soldaten  war  freilich  nach 
dem  amtlichen  Register  nicht  Durs,  sondern  Franz  Abri;  er  müsste 
also  durch  den  des  Kirchenpatrons  von  Solothurn,  St.Ursus,  verdrängt 
worden  sein.  Herr  Staatsfchreiber  Amiet  glaubt  sogar  die  unserm 
Lied  angehängten  Fortsetzungen  (mit  demselben  zuerst  im  Soloth. 
Wochenblatt  18 10  gedruckt),  weil  einzelne  Lokalsagen  und  Familien- 
angaben derselben  mit  Thatsachen  übereinstimmen,  als  echte  Volks- 
lieder aus  derselben  Zeit  betrachten  zu  dürfen,  s.  Schild  a.  a.  O. 
232 — 234.  Vgl.  aber  die  Schlussbemerkung  zu  dem  Liede  der  Guggis- 
berger:  Simeliberg. 

Ich  schließe  mit  einer  Auswahl  der  wichtigsten  Textverschieden- 
heiten, besonders  von  W  gegenüber  HS.  Str.  i,  2  hat  S  statt:  mit 
Name  heißt  es :  Me  seit  em  numme.  3  hat  W :  gel  w.  G.  Str.  2  W : 
Ätti  st.  Vater.  Str.  3,  i  W^:  i  vollem  Zorn.  Str.  4,  2  W:  Bruchst  du 
ke  Chnecht  (dieses  Wort  im  altern  Sinn  =  Kriegsmann,  vgl.  Lands- 
knecht). 3 — 4  hat  S:  tuet  der  Seckel  uf  und  g.  d.  D.  d.  Chrone 
(Kronenthaler)  druf  (d.  h.  als  Handgeld  auf  sein  Versprechen,  Dienste 
zu  nehmen).  H  hat  übrigens:  SQckQlscbnur.  Str.  5,  4  W:  'dinget. 
Str.  6,  3  S  :  briegg  st.  tue.  4  W:  z'  Jahr  (nach  Jahresfrist)  st.  wieder. 
Str.  7,  I — 2  W:  Und  chan-i-denn  nit  selber  cho,  will  dir  es  Briefli 
schribe  lo. 

Zur  Worterklärung  :  Str.  2,  i :  weit,  wollt.  6,  2  :  grint,  weint ; 
ebenso  briegg  6,  3  S. 

Ob  die  von  Kuhn  (Kuhreihen  und  Volkslieder  S.  33)  gegebene 
Melodie  (aus  G-Dur)  dieselbe  ist,  die  Herder  «leicht  und  steigend 
wie  eine  Lerche»  nennt,  weiß  ich  nicht.  Daß  Herder  den  Text 
«verkünstelt»  habe,  hätte  ich  Bd.  I,  S.  CIV  nicht  sagen  sollen;  in 
welcher  Gestalt  er  ihn  bekommen  hatte,  wissen  wir  nicht;  er  wird 
ihn  eben,  wie  andere  und  wie  es  dem  Zweck  seiner  Sammlung  an- 
gemessen war,  nur  etwas  verhochdeutscht  haben. 


LIEDER  177 

Nr.  8. 

Vgl.  Bd.  I,  S.  CVI. 

1.  Es  wend  zweu  Liebi  z'säme, 
wenn's  vor  'em  Wasser  g'si  möcht^; 
er  schrou  'em  Lieben  änet-, 

ob  es  nit  zünde  wert. 

2.  «Wol  frili  will  i  dir  zünde, 
wenn  du  da  übere  schwimst; 
wo  mues  i  das  Liechtli  stelle, 
daß 's  mir  nit  abewütscht^? 

3.  Stell  ich's  i  die  Höchi, 

so  löscht  mir's  ab  der  Wind, 

und  stell  ich's  i  die  Mitti, 

so  lösched  mir's  ab  die  Chind. 

4.  Und  stell  ich's  i  die  Teuti, 
dort  lit  das  alti  Wib; 

die  Hex  dort  nebe  dem  Seeli 
verlöscht's  mit  irem  Chib"^. 

5.  Dann  chaust^  du  nit  übere  finde 
und  blibst  verloren  im  See. 

Ach  Gott,  wie  will  ich  dir  zünde? 
ha  scho  keis  Liechtli  me ! » 

6.  Das  Anneli  sprung  zu  der  Mueter: 
« Erlaubet  mir's  an  den  See ! 

i  möcht  mini  Händeli  chüele, 
si  tuend  mer  gar  eso^  we.» 


^  stattfinden  könnte ;  vor  im  Sinn  von  Hinderniss.  ^  schrie,  rief 
dem  Liebchen  jenseits.  ^  herunterwischt.  ^  Zank,  Neid,  Groll.  ^  kannst. 
Zu  ergänzen  ist  bei  finden:  den  Weg,  die  Richtung.  ^  Das  Original 
hat  «im  Herze»,  was  hier  offenbar  nicht  passt. 

II.  12 


lyS  ALLGEMEINE 

7.  ((Ach  Tochter,  liebi^  Tochter, 
alleinig  muest  du  nit  gö; 

du  hast  ein  chUnes  Schwösterli, 
dasfelbig  muest  mit  dir  16. » 

8.  ((Ach  Mueter,  hebi  Mueter, 
mis  Schwösterli  ist  es  Chind; 
es  günnt  die  chHne  Blüemli  ab, 
die  no  nit  zitig  sind. » 

9.  ((Ach  Tochter,  liebi  Tochter, 
alleinig  muest  du  nit  gö; 

du  hast  ein  chlines  Brüederli, 
dasfelbig  muest  mit  dir  16. » 

IG.  ((Ach  Mueter,  liebi  Mueter, 
mis  Brüederli  ist  es  Chind; 
es  springt  de  chline  Vöglene  na, 
die  no  nit  g'federet^  sind. » 

11.  ((Ach  Tochter,  Hebi  Tochter, 
alleinig  muest  du  nit  go ; 
nimm  du  der  alti  Schiffma, 
derselbig  chaust  du  mit  16. » 

12.  ((Ach  Schiffma,  liebe  Schiffma, 
steck  du  der  Angel  ab ; 

fahr  du  dem  blauen  Striemeli^  na, 
du  findst  en  ertrunkne  Chnab ! » 


^  Das  Original  hat  hier  durchweg  lieheri,  was  jedenfalls  nicht 
Coniparativ,  sondern  nur  erweiterte  Positivform  sein  könnte.  *  be- 
fiedert,   ^  schmaler  Streifen. 


LIEDER  179 

13.  Er  zog  de  Jungchnab  use, 
'em  Anni  uf  sini  Schoß; 
bihüet  ihn  Gott  im  Himmel, 
daß  er  ihn  fahre  löt! 

14.  Es  g'schaut  ihn  umen  und  ume', 
es  g'schaut  ihm  sini  Hand; 

es  geb^  ihm  Gott  im  Himmel 
es  guets  glückseligs  End! 

15.  Es  g'schaut  ihn  umen  und  ume, 
es  g'schaut  ihm  au  sin  Mund; 
CS  geh  ihm  Gott  im  Himmel 

e  o:ueti  ojlückseli^i  Stund ! 

16.  Was  zog's  ihm  ab  sim  Finger? 
vo  Gold  es  Ringeli : 

« Ach  sä^,  du  liebe  Schiffma, 
das  soll  din  Finderlö  si !  » 

17.  Und  nahm  der  Jungchnab  i'n  Arfel"^ 
und  Sprung  mit  ihm  i'n  See^: 

«  Ade,  min  Vater  und  Mueter, 
ihr  g'sehnd  mi  nümmeme^!» 


^  von  allen  Seiten,  immer  ^viede^.  ^  Das  Original  hat  verleih, 
\vas  ganz  unvolksthümlich  ist.  ^  nimm.  *  in  den  Arm,  aber  eigentlich 
«  Arm-voll».  ^  Das  Original  hat  Boddesee,  was  doch  nicht  den  Boden- 
sce,  sondern  nur  «Tiefe  des  Sees»  meinen  könnte.  Eine  ähnliche 
Sage  soll  allerdings  auch  am  Bodensee  gespielt  haben  (s.  Rochholz, 
Aarg.  Sagen  I,  S.  36  oben);  in  neuerer  Zeit  findet  sie  sich  nur  noch 
am  Zuger  See.    ^  Die  zwei  letzten  Zeilen  lauten  im  Original,  offenbar 


1 80  ALLGEMEINE 

Nr.  9. 

1.  Im  Aergäu  sind  zweu  Liebi, 
die  hettid  enandere  gern. 

2.  Und  der  jung  Chnab  zog  zu  Chriege; 
wann  chunt  er  widerum  hei? 

3.  Ueber  's  Jar  im  andere  Sumer, 
wenn  d'  Stüdeli  trägid  Laub. 

4.  Und  's  Jar  und  das  war  umme, 

und  der  jung  Chnab  ist  widerum  hei. 

5.  Er  zog  dur  's  GässeH  ufe, 

wo  d's  schön  Anni  im  Fenster  läe. 


unecht:  «Es  soll  wege  minetwille  kei  Jüngling  sterbe  daß  (als)  de», 
d.  h.  kein  anderer  mehr.  Ich  gebe  den  Schluß  der  in  Deutschland 
verbreiteten  Form  des  Liedes,  mit  dem  das  unsrige  sonst  im  Ganzen 
übereinstimmt  (vgl.  Mittler  Nr.  57;  Simrock  Nr.  3;  Erk  Nr.  21  u.  s.w.). 
Im  Einzelnen  ist  unser  Text  allerdings  auch  noch  an  andern  Stellen 
eigenthümlich  (Str.  2 — 4.  13  — 15)  oder  mangelhaft  (Str.  i).  Nach 
Str.  5  muß  natürlich  ergänzt  werden,  daß  das  böse  Weib  das  Licht  ge- 
löscht habe.  Statt  Schiffmann  Str.  1 1  u.  s.  w.  dürfte  wohl  Fischer  gesetzt 
werden,  wie  in  den  Parallelen  steht.  Unklar  sind  die  letzten  Zeilen 
von  Str.  13,  wo  vielleicht  vor  fahren  die  Negation  zu  ergänzen  ist; 
auch  dürften  jene  Zeilen  und  die  entsprechenden  in  Str.  14.  15  viel- 
leicht geradezu  als  Worte  der  Jungfrau  aufgefasst  und  bezeichnet 
werden.  Geändert  habe  ich,  außer  den  angegebenen  Stellen,  an  dem 
von  Rochholz  (a.a.O.  S.  33  —  35)  gegebenen  Texte,  der  am  Hall- 
wyler  See  aufgezeichnet  ist,  nichts  als  einiges  Orthographische, 
z.  B.  ihn  statt  des  enklitischen  en,  dir  für  der,  wegen  der  Verständ- 
lichkeit, besonders  für  nicht  schweizerische  Leser.  Consequenz  in 
der  Schreibung  von  Lauten  und  Formen  ist  nirgends  beabsichtigt, 
weil  die  Forderuns:en  derselben  sich  oft  mit  denen  der  Deutlichkeit 
kreuzen.  Die  Ausdrücke  :^weu  Liebi  Str.  i  und  Jungchnah  Str.  13.  17 
kommen  auch  im  folgenden  Liede  vor. 


I 


LIEDER  l8l 

6.  «Gott  grüeß  di,  du  Hübschi,  du  Feini, 
vo  Herze  orefallst  du  mir  wol !  » 

7.  «Wie  chan  i  denn  dir  no  g'falle? 
ha  scho  lang  en  andere  Ma, 

8.  En  hübsche-n-und  en  riche, 
und  der  mi  erhalte  cha. » 

9.  Er  zog  dur  's  Gässeli  abe 
und  weinet  und  truret  so  ser. 

IG.  Do  begegnet  ihm  seini  Frau  Mueter: 
« Und  was  weinist  und  trurist  so  ser  ? » 

11.  « Was  sott  i  nit  weine  und  trure  ? 
i  ha  ja  keis  Schätzeli  me!  » 

12.  «Wcärist  du  deheime  blibe, 
so  hättist  dis  Schätzeli  no. » 

Der  Text  des  Liedes  bei  Wyß  (S.  48)  und  Kurz  (S.  112)  ist 
nicht  ganz  übereinstimmend  und  es  wird  auch  noch  mit  anderen 
kleinen  Abweichungen  gesungen ;  reine  Mundart  ist  nicht  herzustellen, 
schon  wegen  des  Mangels  der  einfachen  Form  des  Präteritum  Ind., 
für  welche  hier  und  in  andern  Liedern  entweder  die  schriftdeutsche 
oder  die  des  Conjunctiv  gesetzt  wird.  So  stehen  in  Str.  5  bei  Kurz 
neben  einander  die  Formen  ^og  (bei  Wyß  iiig)  und  lag.  Das  Ein- 
treten der  Conjunctivformen  war  durch  die  missverstandenen  Indicative 
tat  und  hätt  der  altern  Schriftsprache  (besonders  in  Volksliedern)  be- 
fördert. In  Str.  3,  I  habe  ich  statt  iif  das  meist  gehörte  über  gesetzt. 
Str.  5,  2  hat  Kurz  AnneJi  und  Fensterli,  Wyß  verborge  statt  im  Fenster, 
feini  (6,  i)  und  seini  (10,  i)  mit  ei  statt  i  habe  ich  nur  stehen  lassen, 
weil  beide  Q.uellen  es  haben.    11.  2  hat  Wyß:  ietz  han  i  k.  Seh.  m. 

Betreffend  die  strophische  Form  ist  zu  bemerken,  daß  (ähnlich 
wie  beim  « Simeliberg »)  je  ^wei  Zeilenpaare  durch  einen  Reim 
(resp.  Assonanz)  zu  einer  Strophe  verbunden  sind,  obwohl  die  Me- 
lodie nur  für  die  Hälfte  ausreicht.  So  gehören  wenigstens  Str.  i 
und  2,  3  und  4,  7  und  8,  9  und  10  zusammen,  während  zwischen 
5  und  6,  II  und  12  keine  Verbindung  besteht.    Indessen  ist  diese  auch 


l82  ALLGEMEINE 

für  die  anderen  Paare  weniger  eng  und  passend  als  beim  « Simeli- 
berg».  Uebrigens  stimmen  Str.  4 — 8  zum  Theil  wörtlich  mit  Str.  3 — 5 
von  Mittler  Nr.  loi  («Nichts  Besseres  kann  mich  erfreuen»)  und  das 
Ganze  scheint  nur  eine  Umbildung  dieses  Liedes  aus  dem  Tragischen 
in's  Elegische. 


Nr.  10.     Die  Kindsmörderin. 

s.  Bd.  I,  S.  CVI. 

1.  Es  wollt  ein  Hirt  i'n  WM  ustribe, 
er  g'hört  es  chleines  Chindeli  grine. 

2.  «I  g'höre  di  wol,  i  g'se  di  aber  nit, 
i  weiß  nit,  wer  dis  Müeterli  ist. » 

3.  «Mis  Müeterli  wott  Hochzit  habe, 
es  het  drü  chline  Chind  ver£:rabe. 

4.  Das  erst  hat  es  i's  Wasser  'trage, 
das  ander  under  de  Mist  vergrabe 

5.  Und  mi  i  grüene  Wald  use  g'steckt, 
mit  Laub  und  Aeste  mi  zuebedeckt. » 

6.  Er  nahm  das  Chind  wol  uf  sin  Arm 
und  mit  ihm  in  das  Wirtshus  kam. 

7.  «G'se  Gott,  g'se  Gott,  ihr  Hochzitgäst! 
die  oben  am  Tisch  mi  Mueter  ist. 

8.  Ach  Mueter,  du  darfst  keis  Chrcinzeli  trage, 
du  hast  drü  chleini  Chind  vergrabe. 

9.  Das  erst  hast  du  i's  Wasser  'trage, 
das  ander  under  de  Mist  vergrabe, 

IG.   Und  mi  i  grüene  Wald  use  g'steckt, 
mit  Laub  und  Aeste  mi  zuebedeckt. » 


LIEDER  183 

11.  «Und  wenn  i  soll  euere  Mueter  si, 
so  schlag  der  böse  Geist  dari. » 

12.  Sobald  si  nur  das  Wort  usfprach, 
der  böse  Find  in  die  Stube  brach. 

13.  «  Chum  weg,  chum  weg,  vom  Tisch  eweg, 
mit  mir  muest  trinke  Schwefel  und  Pech !  » 

Aus  dem  Kanton  Aargau,  —  An  dem  bei  Kurz  und  Simrock 
stehenden  Texte  habe  ich  nur  einige  geringe  Aenderungen  zum 
Zweck  des  Reimes  und  mit  Benutzung  der  deutschen  Parallelen  vor- 
genommen. Str.  5  und  15  haben  im  Original  eine  überzählige  und 
auch  überflüssige  dritte  Zeile.  Str.  6,  2  lautet  dort :  und  gieng  wol 
mit  i's  Wirthshus  abe.  Str.  7,  2 :  Die  Brut  die  saß  wol  oben  am 
Tisch.     Darauf  folgt: 

Wil  sie  des  Chindes  Müeterli  isch, 

das  Chind  wird's  selber  zeigen  an. 
Str.  II:   Und  wenn's  au  ist,  wie  's  Chindli  seit, 

so  schlag  der  böse  Geist  hinein. 
Str.  12,  2  habe  ich  brach  statt  kam  gesetzt.     Str.  7  hat  das  Original 
g'sä,  was  aus  gesegne  verkürzt  sein  könnte,  während  g'se,  aus  gesehe, 
auf  den  Anblick  der  Mutter  bezogen  werden  kann. 

Stutz,  der  in  semem  Buch  (a.  a.  O.)  einen  etwas  erweiterten  und 
verkünstelten  Text  gibt,  hat  in  seiner  handschriftlichen  Sammlung 
beim  Erscheinen  des  bösen  Geistes  folgende  merkwürdige  Variante: 

Der  bös  Geist  nimt  sie  bi  der  Hand 

und  führt  sie  in  das  Schwabeland, 

i's  Schwabeland,  i'n  höllische  Tod; 

dort  sitzed  drei  Gottbhüetis  (Teufel)  dervor. 

Der  erste  seit:  Willkum  lierin ! 

der  andre  schenkt  ihre  gnueg  darin, 

der  dritte  stoßt  sie  i  d'  Höll. 
Dazu  eine  noch  weniger  passende  Schlußftrophe. 


1 84  ALLGEMEINE 


Nr.  II. 

Vgl.  BJ.  I,  S.  CVII. 


o 


1.  Es  ziehnd  drei  Grafen^  über  Feld, 
verloren  haben  sie  Sack  und  Geld. 

2.  Sie  suchen  sich  ein  schön  Mägdlein  aus 
und  kommen  vor  schön  Annelis  Haus. 

3.  Schön  AnneU  sitzt  im  grüene  Chlee 

und  schreit,  sie  sölled  ihm  's  Lebe  nüd  neh. 

4.  Der  erste  seit:  «Das  Anneli  ist  min!» 
der  andre  seit :  «  Es  ist  min  wie  din !  » 

5.  Der  dritt  seit:   «Wie  ist  das  Anneli  so  wert! 
wend's^  teile  mit  eme  güldene  Schwert^. » 


^  Diese  Lesart  erklärt  sich  daraus,  daß  die  drei  Diebe,  wie  in 
den  deutschen  Parallelen  (Mittler  Xr.  1 17,  118)  ausdrücklich  steht,  sich 
als  Grafen  ausgaben.  ^  wir  wollen  es.  ^  Der  zunächst  folgenden 
Strophen  erinnerte  sich  Stutz  nicht  mehr,  gibt  aber  die  Fortsetzung 
der  Geschichte  in  Prosa.  Die  Drei  haben  das  Anneli  wirklich  in  drei 
Stücke  zerschnitten  und  dann  in  eine  Schlucht  («Tobel»)  hinab- 
geworfen. Nach  einiger  Zeit  sei  in  das  Wirthshaus  am  Rheine  (wo 
Anneli  gewohnt  hatte)  ein  Mann  gekommen,  welcher  der  Wirthin 
Kittel  zu  kaufen  anbot.  Sie  habe  dieselben  zu  sehen  verlangt.  Dann 
folgen  wieder  2  Strophen  : 

Er  schüttelt  ein  Kitteli  aus  dem  Sack, 
von  Schweiß  und  Blut  ist  es  noch  naß. 

Die  Wirtin  schreit:  Herr  Jesus  min! 
das  ist  mines  Annelis  Chitteli  g'sin ! 

Dies  habe  zur  Entdeckung  der  Mörder  geführt  und  sie  seien  lebendig 
gerädert  worden. 


LIEDER  '  185 

Nr.  12. 
s.  Bd.  I,  S.  CVII. 

1.  Es  wollt  ein  Jägerli  jage 
Drei  Stündlein  vor  dem  Tage 
Ein  Hirschlein  oder  ein  Reh. 

2.  Er  sah  auf  grüner  Heide 

Ein  Mädchen  in  schneeweißem  Kleide, 
Die  er  wolt  haben  zur  Eh. 

3.  Er  nahm  sie  bei  der  Mitte 

Und  führt  sie  in  sin  Schlafhütte, 
Wol  in  den  grünen  Klee. 

4.  Es  schlafen  zwei  Liebe  beisammen, 
Daß  sie  bv  einander  erwarmen, 
Vom  Aben  bis  an  den  Tas:. 

5.  «Stand  uf,  gut  Jäger,  gar  balde. 
Die  Sunne  schint  vor  dem  Walde, 
Die  Vögel  die  piilien  schon. 

6.  Stand  uf,  gut  Jäger,  denn  es  ist  Zeit! 

Du  hast  dich  verschlafen,  das  hat  mich  gefreut; 
Ein  reine  Jungfrau  bin  ich  noch. » 

In  den  folgenden  Strophen,  die  Ruckstuhl  in  Meiringen  nicht 
aufschreiben  konnte,  wird  erzählt,  daß  das  Mädchen  sich  von  dem 
Jäger  ab  und  einem  Soldaten  zuwenden  wollte.  Der  Jäger  wollte 
sie  dafür  erschießen,  ließ  sie  aber  auf  ihr  Flehen  am  Leben.  Dann 
folgte  der  Schluß: 

Er  leit  an  Stifel  und  Sporen : 

« lez  hab  ich  mein  Schätzli  verloren 

Und  finden  es  nimmer  mehr. » 


l86  ALLGEMEINE 


Nr.  13. 


1.  Es  isch  vor  der  Hütte, 
Es  chunt  mer  schier  für\ 
I  mein,  i  hör  bitte 

Und  klopfen  an  der  Thür. 

2.  I  mueß  doch  ga  fragen, 
Wer  duße  möcht  sein, 
Es  isch  nit  zu  trauen, 

I  laß  Niemand  ein. 

3.  «Ich  bin  halt  ein  Weidmann, 
Erschrick  nit  ab  mir, 

Ein  Jäger,  das  bin  ich, 
Hab  d'  Büx  nit  bei  mir. 

4.  Bin  auch  nit  versehen 
iMit  Pulver  und  Blei, 

Es  soll  dir  nichts  geschehen. 
Du  bist  vor  mir  frei. 

5.  Nehm  oft  mein  Weidmesser, 
Geh  mit  der  Büx  aus 

Und  bring  dann  mein  Ränzel 
Voll  Wildpret  nach  Haus.  )> 

6.  (  G'sehsch  oft  en  Hirsch  springe. 
Meinst  schon,  er  sei  dei. 

Er  kann  dir  ertrünnen-, 
Mueßt  wieder  leer  hei.  )> 


*  kommt  mir  beinahe  vor.     ^  entrinnen. 


LIEDER  187 

7.  «Ich  geh  US  uf  grün  Heide 
Und  biete  dir  Trutz; 
Du  willst  mir  nit  traue  — 
Bist  selber  nix  nutz ! » 

Mitgetheilt  von  Herrn  B.  Wyß  in  Solothurn,  mit  einigen  Zusatz- 
strophen, die  ich  weggelassen  habe.    Der  Dialekt  ist  sehr  gemischt. 


Nr.  14.     Die  Brautwahl. 

s.  Bd.  I,  S.  CXXI. 

1.  Es  si  nes  Mal  zwo  Gspile  g'sin  — 
Hoff  man  zue,  laß  nume  ga  — 

E  Richi  und  en  Armi. 

2.  Die  Richi  zu  der  Arme  sprach  — 
Hoff  man  zue  u.  s.  w. 

« Laß  mir  den  Knab  alleine. 

3.  Mi  jüngste  Brueder  geb  ich's  dir, 
Vo  d's  Vaters  Guet  es  Teili. » 

4.  «  Di  jüngste  Brueder  mag  ich's  nit, 
Vo  's  Vaters  Guet  keis  TeiH.)) 

5.  Der  Jungknab  hinter  dem  Hage  lag 
und  hört  dem  Reden  ein  Ende^ 

6.  Weil  es  ihm  eben  im  Sinne  lag: 
Uwedri^  will  i's  nemen? 


^  Vgl.  Der  König  von  Mailand  Str.  9,  2.  14,  2.  '  welche  von 
beiden.  Das  dem  weder  vorgesetzte  u  findet  sich  auch  in  dem  Lied : 
Es  isch  kei  sölige  Stamme.  Zu  den  sprachlichen  Eigenheiten  gehört 
auch  das  pleonastische  es.  s.  Schweiz.  Idiotikon  Sp.  512;  vgl.  Bd.  I, 
Nr.  51,  4. 


1 88  ALLGEMEINE 

7.  Die  Richi  ißt  keis  Haberbrot 
und  seit  nit  ^em  a  d'  Sunne. 

8.  Die  Armi  die  ist  hübsch  und  fin 
und  grad  die  will  i's  nemen. 

9.  I  will  mit  dem  Pflueg  ga  z'  Acher  faren 
und  du  chast  wacker  spinne. 

Aus  dem  Berner  Oberland. 


Nr.  15. 

1.  Es  wott  e  Frau  i's  Wirtshus  ga 
und  ire  Ma  wott  au  mitga. 

2.  « Ach  Ma,  du  muest  deheime  blibe, 
muest  mache,  daß  die  Chinder  schwige. » 

3.  Und  als  die  Frau  nach  Huse  kam, 
da  fieng  sie  sehr  zu  balgen^  an. 

4.  c(  Sag,  Ma,  was  hest  denn  du  getan, 
Sit  daß  ich  uf  em  Tanzbode  war?» 

5.  De  Ma  de  bückt  si  bis  a'n  Bode: 
«Ich  habe  drü  Mal  abgenommen^.» 

6.  Da  nahm  die  Frau  den  Chunklestock 
und  schlug  dem  Ma  es  Loch  i'n  Chopf. 

7.  De  Ma  de  springt  zum  Feister  us, 
und  chund  i  sines  Nachbers  Hus. 

8.  (fAch  Nachher,  was  i  dir  mueß  chlage: 
Mi  Frau  die  hed  mi  grusam  g'schlage!» 


*  zanken,  schelten.    ^  beim  Stricken. 


LIEDER  189 

9.  «Ach,  wärist  du  nu  gester  cho: 
Lueg,  mini  macht  mer's  au  eso ! 

10.  Chum,  mer  wend's  dem  Amme^  ^hlage, 
daß  is  eusi"^  Wiber  g'schlage. 

11.  Ach  Amme,  was  mer  dir  müend  chlage: 
eusi  Wiber  hend  is  s^'schla^e. » 

12.  «Hend  s'  i  g'schlage,  g'schet's  i  recht: 
was  sind  ir  euer  Wiber  Chnecht !  » 

Sullikon,  Kt.  Zürich.  —  Wesentlich  =  Mittler  Nr.  265.  Vgl.  Bd.  I, 
S.  CXI. 


Nr.  16. 

1.  Es  will  e  Frau  ut  Bade^  s^o 
und  will  de  Ma  nit  noche  lo*. 

2.  Wo  die  Frau  vo  Bade  chund, 
so  sitzt  de  Ma  ut  em  Ofebank. 

3.  «Wie  mengs  Ei  hed  's  HüenU  g'leid?» 
«Eis  hed's  sj'leit  und  zweu  vertreid^. » 

4.  « Ma,  du  hesch  si  g'esse, 

d'  Schale  lid  i  der  Aesche. » 

3.  Do  nimt  die  Frau  de  Reche 
und  will  de  Ma  versteche. 

6.  Do  springt  de  Ma  zum  Pfeister*^  us 
und  springt  i's  nächsti  Nochbershus. 


^  Ammann,  Amtnunn,  Ortsvorsteher.    ^  unsere.    '  der  berühmte 
Kurort  Baden  im  Aargau.     *  nach(kommen)  lassen.     *  verschleppt. 
Fenster. 


190 


ALLGEMEINE 


7.  «Die  Frau  die  hed  mi  g'schlage  do!» 
«  Und  mini  macht  mir's  au  eso ! » 

8.  «  Clium,  mer  wend  iez  z*säme  sto 
und  wend  die  Fraue  z'säme  schlo ! » 

Kt.  Luzern.  —  Im  Ganzen  =  Mittler  Nr.  265. 


Nr.  17.    's  bugglig  Männli. 

1.  Wenn  ig  in  das  Chuciieli  go, 
will  go-n-es  Süppli  choche, 
ist  das  buCT^lis:  Männli  do 
mit  sine  chrumme  Chnoche. 
Tas:  und  Nacht  kei  Rueih  nit  ha 
's  bugglig  MännU  mueß  i  ha; 
kei  Freud  han  i  me, 

wenn  i^  's  bu2:2;lis  Männli  s^'se. 

2.  Wenn  ig  in  das  StübeU  go, 
will  go  SüppH  esse, 

ist  das  bu2:^U^  Männli  do 
und  hat  die  halbi  g'fresse. 
Tag  und  Xacht  u.  s.  w. 


Wenn  lo,  in  das  Gärteli  2:0, 
will  es  BitzH  grase, 
ist  das  bugdio  MännU  do, 
gramplet^  mer  vor  der  Nase. 
Tag  und  Nacht  u.  s.  w. 


^  kleine  Geschäfte  machen. 


LIHDER  191 


4.  Wenn  ig  in  das  Ställi  go, 
will  das  Chüeli  melche, 
ist  das  bugglig  Männli  do 
mit  sine  chrumme  Scheiche^. 
Tag  und  Nacht  u.  s.  \v. 

5.  Wenn  ig  in  das  Chirchli  go, 
will  es  Bitzli  bete, 

ist  das  bugglig  Männli  do 

und  stüpft-  mi  mit  dem  Stecke. 

Tag  und  Xacht  u.  s.  w. 

Aus  dem  Buchsgau,  Kt.  Solothurn. 


Nr.  18.     Lügenmärchen. 

s.  Bd.  I,  S.  CXLIV. 

1.  I  gang  cmöl  de  Berg  uf  — 

he  Wunger  groß! 
do  g'sene-n-i  zwc  Storke 
in  eme  Mättli  morke^. 
's  nimt  mi  W^unger  über  Wunger, 
wie  die  Storke  könne  morke; 
ungerdesse  nimt's  mi  Wunger. 

2.  I  gang  emöl  de  Berg  uf  — 

he  Wunger  groß! 
do  g'sene-n-i  zwo  Gräie* 
in  eme  Mättli  mäie. 
's  nimt  mi  Wunger  über  Wunger, 
wie  die  Storke  könne  morke, 
wie  die  Gräie  könne  mäie; 
ungerdesse  nimt's  mi  W^unger. 


^  Beine  (eig.  Schinken),    ^stoßen.    ^  =  murken,  Flachsbrechen? 
*  Krähen. 


192  ALLGEMEINE 

3.  I  gang  emöl  u.  s.  w. 

do  2:'sene-n-i  zwe  Frösche 

in  ere  Tenne  drösche. 

's  nimt  mi  Wunsrer  u.  s.  w. 

4.  I  gang  emöl  u.  s.  w. 

do  s'sene-n-i  zwe  Schnecke 

in  eme  Müehli^  knette. 

's  nimt  mi  Wunger  u.  s.  w. 

5.  I  gang  emöl  u.  s.w. 

do  2'sene-ni  zwo  Mucke 
's  Brot  i'n  Ofe  schupfe^, 
's  nimt  mi  Wunder  u.  s.  w. 

6.  I  gang  emöl  de  Berg  uf  — 

he  Wunger  groß! 
do  2:'sene-n-i  zwo  Breme 
's  Brot  US  'em  Ofe  neme. 
's  nimt  mi  Wunger  über  Wunger, 
wie  die  Storke  könne  morke, 
wie  die  Gräie  könne  mäie, 
wie  die  Frösche  könne  trösche, 
wie  die  Schnecke  könne  knette, 
wie  die  Mucke  könne  schupfe, 
wie  die  Breme  könne  neme; 
ungerdesse  nimt's  mi  Wunger. 

Wackernagel,  Leseb.  II,  S,  IX  gibt  das  Stück  als  solothurnisch, 
die  Mundart  ist  aber  baslerisch  gefärbt.  Varianten  von  Stutz  s.  Bd.  I, 
a.  a.  O. 


^  kleine  Mulde.    -  schieben;  Stutz  hat  synonym  schugge. 


LIEDER 

Nr.  ig.      Amerika-Lied  eines  ausgewanderten 
Obersimmenthalers. 

s.  Bd.  I,  S.  CXIV. 

1.  Get  Acht,  i  will  ech  öppis  zelle^ 
vom  neue  Land  Amerika; 

i  ha  das  iezt  scho  lane:  2:eno  welle, 
u  ha's  de  näue  o:ens  la  sa^. 
es  ist  iezt  de  es  Jar  gli  scho, 
daß  mir  von  öch  hei  Abschid  g'no. 

2.  Wo  mir  von  ech  ewee:  si  Vanee, 
do  het's  is  we  'ta  nit  e  chli; 
mer  si  vor  Herzwe  fast  vergange, 
bis  mer  es  Mal  si  von  ech  or'si; 
dana  si  mer  bi  Paris  für^ 

und  über  's  Mer  dur  d's  Wasser  dür. 

3.  I  mueß  ech  z'erst  no  öppis  b'richte 
vom  Mer  und  vo  de  Welle  druff 

u  was  das  mängsmal  cha  verrichte 
mit  Lüt  und  Guet  da  obe  druff; 
es  het  mi  mängist  Wunner  g'no, 
iezt  bin  i  us  'em  Wunder  cho*. 

4.  Es  ist  e  grüselichi  Glunte^ 

wer's  nit  g'se  het,  der  glaubti's  nit, 
u  tüf  ist's,  daß  me  cha  kei  Chlumpe 
ganz  z'  Bode  la  am  lange  Seil; 
dir  chöt^  e  Jar  druff  ummi^  ga, 
dir  g'set  no  numme  Bitz^  derva. 


^93 


s 


^  er/.ählen.  ^  und  habe  es  dann  immer  irgendwie  unterlassen, 
vorbei.  Paris  auf  der  ersten  Silbe  betont.  *  jetzt  ist  meine  Neugierde 
befriedigt.  ^  Masse  von  Flüssigkeit.  ^  ihr  könnt.  '  herum.  »  noch 
nur  ein  kleines  Stück. 

H  13 


1 94  ALLGEMEINE 

5.  A  Himmel  uehi^  und  i  d's  Wasser, 
da  cha  me  gugge  wenn  es  ist^ ; 
sust  g'set  me  nit  vil  schöni  Sache, 
as  hie  u  da  e  große  Fisch ; 

und  mängist  si  da  Welle  cho, 

die  d's  Schiff  hei  ganz  uf  d'  Site  g'no. 

6.  E  b'hüet  is  Gott!  wie  het  es  g'walplet^! 
gU  war  es  z'  unnerobe  g'heit*. 

Da  het  me  recht  «:'seit :  Gott  es  walti ! 
u  deicht^,  es  müeße  g'storbe  si. 
E  Teil  hei  Aen2:ste  übercho 
u  d's  Lache  het's  is  alle  g'no. 

7.  Fast  all,  die  uf  'em  Mer  wei  rite^^, 
die  werde  chrank  die  ersti  Stun; 
das  Wagle"^  spürt  me  scho  bi  Zite 
u  chotze  mueß  me  wie  ne  Hun; 
mi  selber  het  es  tüchtig  g'no, 

i  ha  mi  Teil  fast^  übercho. 

8.  Chei  Wunner,  daß  me  albe  einist  ^ 
öpp  use  gugget  über  d'  Wan 

u  da  so  trurig  steit  u  geinet  ^^ 
u  deicht:  o  chämi  numme  Lan! 
Langwilig  ist  es,  das  ist  war, 
u  macht  eim  d's  Heimwe  sunnerbar. 

9.  Oepp  einist  a  me  Morge  g'schet  es, 
so  säge  die,  wo's  chenne,  eim : 
«lezt  rückt  es  de,  un  cärstig^^  geit  es 
mit  üs  zum  neue  Uefer  hi ! » 


^  An  den  H.  hinaut.  ^  wenn  es  dazu  kommt.  ^  geschwankt.  *  bald 
wäre  es  kopfüber  gestürzt.  '"  gedacht.  ^  wollen  fahren.  '  Wiegen. 
*  recht,  stark,  tüchtig.    ^  etwa  einmal.    *"  gähnt.    *^  ernstlich,  emsig. 


LIEDER  195 

Vor  Freude  wird's  eim  da  schier  bans;, 
un  eismal  tönt  es:  Lan,  Lan,  Lan! 

10.  Me  g'set's  no  numm  im  Blaue  usse 
grad  wie  nes  Wülchli  näher  cho ; 
doch  geit's  nit  lang,  so  cha  me  wüsse, 
daß 's  Lan  ist,  me  g'set  Hüble^  scho, 

u  gli  druf  hie  u  da  nes  Hus: 
Gottlob,  iezt  hört  de  d's  Walplen  uf. 

11.  Me  färt  g'schwin  ihi^  zu  der  Lücke, 
wo  d's  Mer  da  numme  chlis  me  ist: 
Da  bist  am  Lan,  du  Chetzers  Trucke^! 
ma  packt  si  drus,  was  best  was  gist"^. 
Da  steit  me  uf  der  neue  Wel 

u  seit  scho  englisch :  Very  well ! 

12.  Me  geit  u  g'schauet  afe  d'  Gegni 
un  öppe  d'  Stadt  u  lost  o^  d'  Lüt. 

Da  «Help  you  seif!»  so  seit  der  Yankee 
u  «Hilf  dir  selber!»  deicht  der  Dütsch. 
Wer  gnue  Geld  het,  ist  obe  druff; 
wer  keis  me  het,  ist  hie  o  uff^. 

13.  Die  Meiste  wotte  geng  bas  ihi', 
es  g'fallt  ne^  näue  niene^  recht 
u  wott  ne  si  nit  schicke  z'  blibe, 

's  guet  Lan  ist  z'  tür  u  d'  Lüt  si  z'  schlecht. 
Z'löst  anhi^^  chauft  me  denn  e  Bitz 
des  G'strüpps  u  baut  si  druf  e  Sitz. 


^  Hügel.  ^  hinein.  ^  verwünschte  Schachtel.  *  so  schnell  als 
möglich.  ^  auch.  ^  oben,  flott,  wohl  bestellt.  '  weiter  einwärts. 
^  ihnen.     ^  nirgends.     *°  zuletzt  hin,  dann. 


196  ALLGEMEINE 

14.  Das  Baue  ist  es  g'spässigs  Wese 

für  de  im  Busch,  wo's  chum  verma; 
me  sclileipft  e  Hufe  Trömle^  z'säme, 
öpp  i  d'r  Längi  so  u'g'far; 
dana  so  b'stellt  me  d'  Lüt  e  Tag 
u  lüpft  si  uf  u  leit  si  grad. 

15.  De  brucht's  nüt  me  as  Dach  u  Bode, 
zwei  Pfeister  dri  und  öpp  e  Tür, 

u  de  no  d'  Chleck^  mit  Dreck  z'  verschoppe', 

sust  blast  eim  ganz  der  Luft  derdür, 

und  hindenahi  es  Kamin, 

das  tuet's  de  fast*  u  g'heit  nit  in. 

16.  Verwiche  ^  han  i  afe  Schlange  — 

de  was  dir  numme  schös  weit  g'se^  — 

in  User  Stube  inne  g'fange; 

me  schücht''  se  nit,  es  soll  o  g'sche 

daß  g'wüssni  Lüt  ne  no  expreß 

in  irne  Stube  hei  es  Nest. 

17.  Me  het  hie  Vie  u  milcht  u  metzget, 
me  gugget  öpp  und  ziet  si  hi; 

me  nimt  e  Achs  u  geit  u  bätzget^ 
im  Holz  a  mengem  grobe  Baum; 
es  git  ech  Arbeit,  nit  für  G'spaß, 
hie  z'  mitz  im  Wal,  uf  frischem  Platz. 

18.  We  d's  Vie  furtlauft,  so  mueß  me  flueche, 
das  ist  e  Tusigtüfelsg'schicht ! 

vil  lieber  wett  i  no  ga  sueche 

bi  öch  uf  d' Allmit^  euers  G'ficht^^; 


^  Blöcke.  ^  Risse.  ^  verstopfen.  ^  das  leistet  genügenden  Dienst. 
^  neulich.  ^  und  ;?war  was  ihr  nur  Schönes  sehen  wollt.  '  scheut. 
^  hackt.    ^  Allmend.     ^°  Vieh,  bes.  kleines. 


LIEDER  197 

denn  disi  Allmit  seit  ech  no 
vo  Grenlan^  bis  ge  Mexiko. 

19.  Es  söllti  iezt  dem  Wylhofnerre-, 
dem  g'schickten  Ackerma  bi  öch, 
hie  öppe  g'wüssni  Stucki  g'höre 
und  sollti  druff  si  mit  sim  \^olch ; 
er  nützti  villicht  z'  halben  me, 

as  wenn  er  ßerner  Schultheiß  \vä. 

20.  Oepp  eine  söllti  Glogge  bringe 

u  no  nes  Wüschli^  Geld  derzue, 
hie  Chüe  ha  u  ne  Matte  dinge, 
der  Schwizerchäs  der  gülti  gnue; 
es  wä  nes  lustigs  Lebe  da 
für  eine,  de  recht  juchze  ma. 

21.  's  ist  nadisch^  nit,  wie  vil  Lüt  meine, 
hie  allz  so  söfli''  fadegrads; 

wer's  recht  grad  will,  ist  bas  dahinne 
no  öppe  uf  sim  alte  Platz; 
doch  flinggi  Lüt,  die  werche  möu^, 
die  chönmie  numme,  we  si  chöu^. 

22.  Dir  söUtit  chönne  dürhi*  g^'^'ilgQ 
u  selber  g'se  grad  wie-n-es  ist; 
es  würdi  villicht  Mänge  g'luste, 
u  Mänge  seiti:  nei,  nei  gwüß, 
wenn's  si  mueß,  will  i  lieber  no 
hie  um  mi  lotste  Chrüzer  cho. 


*  Grönland.  '^  der  berühmte  Landwirth  Fellenberg  in  Hofwyl 
bei  Bern.  "  kleiner  Wisch,  Handvoll.  *  doch,  übrigens.  *  alles  gar 
so  sehr.  ^  arbeiten  mögen.  '  mögen  nur  kommen,  wenn  sie  können. 
®  hindurch,  hinüber.  • 


198  ALLGEMEINE 

23.  I  chan  ech  wäger^  nit  recht  rate 
u  säge :  chömit,  oder  nit ; 
denn  üsers  Lebe  ist  e  Schatte, 
bis  daß  mer  2;a  i  d'  Ewigkeit: 
dert  finne  mer  enannere  scho, 
will's  Gott  doch,  öppe  frisch  und  fro. 

Das  Lied  soll  am  31.  Januar  1835  in  Buffalo  von  einem  gewissen 
J.  R.  abgeschrieben  und  später  in  die  Schweiz  gebracht  worden  sein, 
wo  es  besonders  im  Berner  Oberland  gesungen  wurde.  Weiterer 
Verbreitung  ist  es,  abgesehen  von  dem  fortdauernden  und  steigenden 
Interesse  an  der  Auswanderung  nach  Amerika,  auch  darum  werth, 
weil  es  in  ziemlich  reiner  Mundart  des  Obersimmenthaies  gehalten 
ist  und  zugleich  als  Sprachprobe  dienen  kann.  Nur  war  es  nicht 
möglich,  mit  den  gewöhnlichen  Schriftzeichen  alle  Eigenthümlich- 
keiten  jener  Mundart  auszudrücken.  Zu  denselben  gehört,  neben  dem 
Abfall  des  Lautes  t  nach  /  und  d  nach  n,  welcher  durch  Weglassung 
der  betreffenden  Buchstaben  unmittelbar  dargestellt  werden  konnte 
(Wel,  Wan  statt  Welt,  Wand  u.  s.  w.),  und  nn  statt  nd,  besonders  die 
Ausfprache  des  Doppellautes  ei  als  einfaches  trübes  i,  wodurch 
gewisse  Reime  richtiger  werden,  als  sie  in  der  Schrift  erscheinen, 
z.  B.  Str.  12,  2.  4  eim  (gesprochen  =  Schriftdeutsch  Umi)  :  hi(n).  Der 
Doppellaut  au  wird  als  ein  einfacher  zwischen  0  und  11  schwebend 
gesprochen.  Bemerkenswerth  ist  auch  das  ch  statt  k  in  hein,  kennen 
Str.  8,  I,  9,  2  (aber  12.  6  hat  das  Original  keis). 


wahrlich. 


ioSy 


LIEDER  199 


2.  Lyrisches. 


Nr.  20.      Simeliberg. 

s.  BJ   I,  S.CXX  ff. 

1.  's  isch  eben  e  Mönsch  uf  Erde  —  Simeliberg! 

—  und  d's  Vreneli  ab  em  Guggisberg 

und  d's  Simes^  Hans  Joggeli  enet^  dem  Berg  - 
's  isch  eben  e  Mönsch  uf  Erde, 
daß  ich  möcht  bi-n-im  si. 

2.  U  ma-n-er  mir  nit  werde^  —  Simeliberg! 

—  und  d's  Vreneli  u.  s.  w. 
und  d's  Simes  u.  s.  w. 

u  ma-n-er  mir  nit  werde, 
vor  Chummer  stirbe-n-i. 

3.  U  stirbe-n-i  de  vor  Chummer, 
so  leit  me  mi  i  d's  Grab. 

4.  I  mines  Büelis  Garte 
da  sta  zweu  Bäumeli. 

5.  Das  eini  treit  Muschgate, 
das  andri  \äo;eli"*. 

6.  Muscho:ate  die  si  süeßi 
u  d'  Nägeli  si  räß^. 


'  des  Simons.    ^  jenseits.    ^  kann  er  mir  nicht  zu  Theil  werden. 
*  Nelken.     ^  von  scharfem  Geschmack. 


200  ALLGEMEINE 

7.  I  gab's  mim  Lieb  z'  versueche, 
daß  's  miner  nit  vergeß. 

8.  Ha  di  no  nie  vergesse, 
han  immer  a  di  'denkt. 

9.  Es  si  nume^  zweu  Jare, 
daß  mi  han  a  di  e:' henkt. 

10.  Dort  unten  i  der  Tiefi 
da  steit  es  Mülirad. 

1 1 .  Das  malet  nüt  als  Liebi 

die  Nacht  und  auch  den  Tag. 

12.  Das  Mülirad  ist  'breche, 
die  Liebi  het  en  End^. 

Simeliherg  bedeutet  ohne  Zweifel  einen  Berg  von  runder  Gestalt; 
simel,  simhel,  mhd.  stnwel,  ganz  rund.  Einen  Simelipaß  gibt  es  im 
Kanton  Wallis.  Der  Berg  in  Grimms  Mährchen  Nr.  142  wird  als 
ein  großer  kahler  Berg  beschrieben,  heißt  eigentlich  Semst  und  wird 
nur  irriger  Weise  Simeli  genannt.  Doch  kommt  nach  Grimm  (Mährch. 
Bd.  III,  S.  225)  ein  Berg  Similes  auch  in  einer  alten  Urkunde  vor. 
Unklar  ist  auch  der  Sinn  des  Wortes  in  dem  Refrain  unseres  Liedes; 
denn  in  der  Heimat  des  letztern  (Guggisberg,  Kt.  Bern)  kommt  ein 
Simeliberg  geographisch  nicht  vor,  wohl  aber  ein  Ort  dieses  Namens 
in  Trachselwald  und  ein  Simmel-  oder  Sindelbüel  in  Guggisberg.  — 
Das  Lied  hat  eine  jener  Moll-Melodien,  welche  immer  für  Echtheit 
und  Alterthümlichkeit  (Verwandtschaft  mit  nordischen)  sprechen. 
Man  erkennt  aber  leicht  an  den  Reimen,  daß  eigentlich,  wie  bei  dem 
Lied  « Im  Aargäu  sind  zweu  Liebi «,  je  zwei  Zeilenpaare,  hier  Str.  i 
und  2,  4  und  5,  6  und  7,  8  und  9,  10  und  11  je  zusammen  eine 
vierzeilige  Strophe  ausmachen.    Str.  5  und  12  würden  dann  als  ungrad 


^  Der  gewöhnliche  Text  hat  die  schriftdeutschen  Formen  :  sind 
nunmehr.  ^  So  wird  nach  Wyß  häufig  und  besser  gesungen  statt: 
Mis  Lied  das  h. 


LIEDER  201 

nebenaus  fallen  und  könnten  auch  wirklich  wegbleiben.     Doch  war 
nach  K.  Ruckstuhi  (Alpenrosen   1823)  der  Schluß  des  Liedes: 

Wenn  zwei  von  einander  scheiden, 

so  geben  s'  einander  d'  H.ind, 
womit  wieder  ein  Ganzes  hergestellt  würde.  Vgl.  auch  Bd.  I,  S.  CXX. 
Es  soll  diesem  Lied,  wie  dem  von  «Dursli  und  Babeli»,  eine  wahre 
Geschichte  zu  Grunde  liegen,   deren  Held  Shnes  Hans  Joggeli  war. 
Aber  es  ist  ja  die  «alte  Geschichte,  die  immer  neu  wird»  (Heine). 


Nr.  21.     Der  Hochzit-Tanz. 

s.  Bd.  I,  S.  CXXVIII  und  S.  151. 

Die  Braut: 

Bin  alben^  e  werti  Töchter  g'si, 

bin  US  'eni  Hus,  cha  nümme^  dri, 

eh,  nümmc  dri  mir^  Lebe  lang! 

Der  Aetti,  d's  Müeti,  Brueder  u  Schwöster  u  wen-i  ha, 

die  mueß  ig  alli  iez  verla, 

mueß  hiege,  wie's  mer  dussc  gang. 

O  du  mi  trüli  werte  Schatz, 

iez  chumen  i,  hesch  mer  Platz? 

Der  Bräutigam: 

Bisch  frili  e  werti  Töchter  g'si, 

muest  ebe  so  ne  werti  si, 

e  werti  si  dir  Lebe  lanor. 

Der  Aetti,  d's  Müeti,  Brueder  u  Schwöster  u  wen  i  ha, 

hätte  längist  di  gern  bi  ne"^  g'ha, 

un  i  ha  'beitet^  scho  gar  lang. 

O  du  mi  trüli  werte  Schatz, 

chunst  endlig?    i  ha  der  Platz. 


^  einst.    ^  nicht  mehr,    ^  meiner  (Lebtage).    *  ihnen  (sich).    ^  ge- 
wartet. 


202  ALLGEMEINE 

Die  Gäste: 

Juheien,  ir  Burs  u  Meitscheni! 

hüt  soll  e  Tag  der  Freude  si, 

der  Freude  si  mit  Spiel  u  Klang! 

D'  Manne,  d'  Wiber,  Jungi  un  Alti  u  Jederma 

soll  lustig  si  u  Freud  dra  ha, 

mit  Esse,  Trinke,  Tanz  u  G'sang! 

Juhei,  sit  lustig,  sparet  nüt, 

ir  trülige  Hochzitlüt! 

Nach  Wyß  (Kuhreihen  und  Volksheder  S.  55)  wurde  obiges  Lied 
ehmals,  am  längsten  noch  in  der  Gegend  von  Bucheggberg  (Kanton 
Solothurn),  als  Vortanz  bei  den  Hochzeiten  gesungen;  jetzt  ist  es 
fast  ganz  verschollen.  Für  das  Alter  desfelben  zeugt  auch  die  von 
Kuhn  (S.  27)  mitgetheilte  eigenthümliche  Melodie  (D-Moll). 


Nr.  22.     Die  Klosterfrau. 

s.  Bd.  I,  S.  CXXIV. 

1.  's  ist  keis  verdrießlichers  Lebe, 
as  wenn  men  i  's  Chlösterli  got; 
darinne  muest  du  blibe, 

muest  alli  Schätzeli  mide. 
O  Himmel,  was  han  i  getan ! 
die  Liebi  ist  Schuld  daran. 

2.  Und  wenn  ich  i  d'  Chille  gange 
und  bete  mein  Brevier, 

und  wenn  ich  das  Gloria  patri  sing, 

so  ligt  mir  mein  Schätzeli  stets  im  Sinn. 

O  Himmel  u.  s.  w\ 


LIEDER  20 

3.  Wenn  ich  in  die  Stube  chume, 
dort  stat  mei  Tischli  allei ; 

ich  isse  das  Brod  und  trinke  de  Wi 
und  denke :  Hätt  i  mis  Schätzli  derbi ! 

4.  Wenn  ich  in  das  Chämmerli  chume, 
dort  stat  mis  BettU  allei; 

i  hge  dari,  daß  Gott  erbarm, 

und  denke:  Hätt  i  mis  Schätzli  im  Arm! 

5.  In  der  Nacht,  wenn  ich  erwache, 
so  grif  ich  hin  und  her; 

da  mag  ich  grife,  wo  ich  will, 
es  blibt  doch  Alles  leer. 

6.  Dort  chömed  mi  V^ater  und  Mueter, 
si  chömed  und  sueched  mi  hei ; 

si  hend  gar  schöni  Chleideli  a, 
und  ich  mues  i  der  Chutte  sta. 


■y 


Nr.  23. 

s.  Bd.  I,  s.  CXXI-II. 


1.  Ich  kann  und  mag  nicht  frölich  sein; 
wenn  ander  Lüt  schlafen, 

so  muß  ich  wachen, 
muß  traurie:  sein. 

2.  «Worum  mußt  du  denn  so  trurig  sein.'* 
dort  will  ich  dir  warte, 

im  Rosei2;arte, 

im  grüene  Chlee. » 


204  ALLGEMEINE 


0 


3.  Hast  mir  nüd  g'wartet,  bin  ich  dir  z'  schleclit; 
nimm  du  en  Riche, 

der  diner  gliche, 
do  tuest  du  recht. 

4.  So  mänge  setzt  uf  Hab  und  Guet: 
an  Gottes  Segen 

ist  alles  g'lege, 
wer's  glaube  tuet. 

5.  Der's  glaube  tuet,  der  ist  nicht  hie, 
ist  furtgegange, 

wird  wiederum  kumme, 
sei's  spot  oder  früe. 

6.  Wer  hat  uns  denn  das  Lied  gemacht? 
es  haben's  g'sunge 

drei  Guldschmidsjunge 
zur  ojuete  Nacht. 

Vgl.  Mittler  Xr.  903.  904.  1450.  Str.  4,  i  gibt  Stutz  auch  die 
Lesart :  Hast  g'meint,  ich  setz  — .  Str.  5,  3  hat  er,  offenbar  fehler- 
haft, ist  statt  vjird..     Nach  Str.  5  hat  er  noch: 

's  got  Mänge  fürt,  chunt  wiederum  hei 
und  treit  kein  guete  Strumpf  am  Bei. 

In  der  bernischen  Gestalt  des  Liedes  lautet 

Str.  2:  Du  liegst  mir  Tag  und  Nacht  im  Sinn; 
ich  muß  dich  meiden, 
muß  von  dir  scheiden, 
Herzliebste  mein ! 

3.  Und  von  dir  scheiden,  das  thut  weh; 
im  Röseligarte 
will  ich  dir  warte, 
im  grünen  Klee. 


LIEDER  205 

4.  «Bruchst  mir  nit  z' warte  im  grünen  Klee, 
wart  uf  ne  Riche, 

der  dir  ist  z'  gliche, 
der  dir  ist  recht. » 

5.  Der  mir  ist  recht,  der  ist  nicht  hier, 
ist  fortgegange, 

in  fremde  Lande, 
er  ist  im  Krieg. 


— .^ 


Nr.  24. 

1.  Ach  Schatz,  was  hab  ich  dir  Leides  gethan, 
Daß  du  nüd  redst  mit  mir? 

Was  haben  die  flilschen  Zungen  mitgebracht? 
Sie  betriegen  ja  mich  und  dich. 

2.  Ein  falsche  Zunge,  ein  lügenhafter  Mund, 
Was  wird  es  helfe  dir? 

Hätt  ich  nur  tausend  Dugote  mitgebracht. 
Dann  zog  ich  wieder  herfür  ^ 

3.  Tusend  Dugote  das  habe  aber  nüd, 
Drum  bin  ich  dir  zu  schlecht: 

Ich  bin  ein  armes  Mägetlein, 

Für  en  andere  bin  ich  schon  recht. 

4.  Ich  hoffe  emig  auh  noh  rieh  zu  werde. 
Aber  nüd  an  Geld  ond  Guet; 

Wenn  ich  nur  die  himmlische  Freud  erwerbe, 
Dann  bin  ich  schon  reich  genug. 


*  würde  ich  mehr  gelten. 


20  6  ALLGEMEINE 

5.  Die  himmlische  Freud,  das  ewige  Lebe, 
Das  wünsch  ich  meinem  Schatz ; 
Du  bist  mein  Schatz  und  bleibst  mein  Schatz 
Ade  zur  ^uete  Xacht! 

Stutz,  schriftliche  Sammlung.    Vgl.  Mittler  Nr.  909. 


Nr.  25. 

1.  Was  Besseres  kann  uns  erfreuen, 
als  wenn  uns  der  Sommer  angeht? 
Da  blühen  die  Rosen  im  Maien, 

d'  Husaren  marschiren  in's  Feld. 

2.  «  Gott  grüez  dich,  du  Hübschi,  du  Feini, 
von  Herzen  gefallest  du  mir; 

kein  Andre  kann  so  mich  erfreuen, 
ich  möchte  nur  bleiben  bei  dir. » 

3.  «Ich  brauche  dir  nicht  zu  gefallen, 
hab  schon  ein  andere  Schatz; 

der  ist  ein  Hübscher,  ein  Feiner, 
der  hat  in  meim  Herzen  ein  Platz. » 

4.  Was  zog  er  aus  der  Tasche? 
ein  Messer  so  scharf  gespitzt, 

und  stach's  seiner  Liebsten  in's  Herze, 
daß  's  rothe  Blut  gegen  ihn  sprützt. 

5.  Er  zog  das  Messer  ausen*, 
es  sah  rot  aus  von  Blut; 

er  sprach:  es  ist  ein  Grausen, 
was  falsche  Liebe  tut. 

^  heraus. 


LIEDER  207 

6.  So  geht's,  wenn  Eine  zwei  Schätzel  hat, 
's  thut  wunderselten  gut; 
wir  beide  haben's  erfahren, 
was  falsche  Liebe  tut. 

Aus  der   handschriftlichen    Sammlung   von  Stutz,     Vgl.  Mittler 
Nr.  loi  und  die  Bemerkung  zu  unserm  «Im  Aergäu  sind  zweu  Liebi». 


Nr.  26. 

Vgl.  Bd.  I,  S.  CXX  und  CVII. 

1.  Ach  iMueter,  liebi  Mueter, 
gib  du  mir  einen  Rat : 

es  lauft  mir  alle  Mori^en 
en  rote  Schwizer  na. 

2.  « Ach  Tochter,  liebi  Tochter, 
den  Rat  den  geb  ich  dir : 
Laß  du  den  Roten  fahren, 
bleib  noch  ein  Jahr  bei  mir. » 

3.  Ach  Mueter,  liebi  Mueter, 
der  Rat  der  ist  nüd  guet; 
der  Rot  der  ist  mir  lieber 
als  all  euer  Hab  und  Guet. 

4.  « Ist  dir  der  Rote  lieber 

als  all  mein  Hab  und  Guet, 
so  pack  dis  Bündeli  z'säme 
und  lauf  dem  Rote  zue. » 

5.  Ach  Mueter,  liebi  Mueter, 
der  Rot  der  häd  nüd  vil; 
gib  du  mir  hundert  Taler, 
chan  i  chaufe  was  i  will. 


208  ALLGEMEINE 

6.  «Ach  Tochter,  liebi  Tochter, 
der  Taler  sind  nüd  viel; 

din  Vater  hat  s'  verlumpet 
bi  Tanz  und  Kegelspiel. » 

7.  Hat  s'  mir  de  Vater  verlumpet 
bi  Tanz  und  Chegelspiel, 

so  möcht  si  en  Stei  drab  erbarme, 
daß  ich  sis  Töchterli  bi. 

8.  (War  ich  ein  Knab  gebore, 
wollt  ziehen  in  das  Feld, 

wollt  folo:en  Pfeifen  und  Trommen 
dem  Kaiser  um  sein  Geld.) 


Nr.  27.     Treue  Liebe. 

Vgl.  Bd.  I,  S  CXXIII. 

1.  Stets  i  Trure  mueß  i  lebe; 

säg,  mit  was  han  i's  verschuldt? 
wil  min  Schatz  isch  untrü  worde, 
mueß  i's  Hde  mit  Geduld. 

2.  Chumst  mir  zwar  us  minen  Auge, 
aber  nüd  us  minem  Sinn; 

hättist  mir  wol  dürfe  glaube, 
daß  i  trü  gewesen  bin. 


Rechti  Liebi  gat  vu  Herze, 
rechti  Liebi  brennet  heiß ; 
o  wie  wol  ist  einem  Mensche, 
der  nüd  weiß,  was  Liebi  heißt! 


LIEDER  209 

4.  Spilet  uf,  ir  Musikante, 
spilet  uf  das  Saitespil, 
minem  Schätzli  zu  Gefalle, 
mög's  verdrüße,  wen  es  will. 

5.  Bis  die  Berge  tuen  sich  büge 
und  die  Hügel  senke  sich, 

bis  der  Tod  mir  nimt  das  Lebe, 
so  lang  will  i  liebe  dich. 

6.  Bis  der  Mülstei  traget  Rebe, 
darus  flüßet  süeßer  Wi, 

bis  die  Distle  traged  Fige, 
so  lang  sollst  du  blibe  mi. 

Kt.  Glarus,  Sernftthal.  —  Str.  i,  2  lautet  in  der  Ueberlielerung: 
Stets  i  Trure  mueß  i  si;  um  das  schöne  Lied  rein  herzustellen,  habe 
ich  diese  Zeile  der  deutschen  Parallele  nachgebildet. 


Nr.  28.     Abschied. 


1.  Jetzund  ist  der  B'schluß  gemacht, 
Schönstes  Mädchen,  guete  Nacht ! 
Einen  Kuß  zum  Beschluß, 

Weil  ich  von  dir  scheiden  muß. 

2.  Beut  mir  deine  rechte  Hand 
Zum  getreuen  Unterpfand ! 

Ich  geh  fort  und  du  bleibst  hier, 
O  du  allerschönste  Zier. 


1 


Hast  g'meint,  du  wellist  die  schönste  sein? 
Nein,  es  gibt,  die  schöner  sein. 
Deine  Schönheit  wird  vergehn. 
Wie  die  Rosen  im  Garten  stehn. 
II.  14 


210  ALLGEMEINE 

4.  Kummt  ein  Reiflein  in  der  Nacht, 
Nimmt  de  Rosen  iri  Pracht, 
Ire  Pracht  nicht  allein. 
Deine  Schönheit  auch  dabei. 

Aus  dem  zürcherischen  Weinland,  mitgetheih  von  Lehrer  Fürst; 
es  sollen  noch  mehrere  Strophen  fehlen.  Das  sonst  genau  ent- 
sprechende «Herbstlied  vom  Rhein»  bei  Mittler  Nr.  102 1  hat  nur 
3  Strophen,  deren  erste  in  unserer  Fassung  zu  zweien  erweitert  ist. 


Nr.  29. 

1.  Das  AnneU  hat  en  Stricker^, 
es  stricket  alli  Nacht 

an  einer  sidene  Hube; 
si  ist  no  nüd  usg'macht. 

2.  Die  Hube-n-ist  vo  Side, 

die  Bändeli  sind  vo  Schnüer. 
« Chum  her,  du  wackers  Anneli, 
bind  dini  Hörli  zue^ !  » 

3 .  «  Cha  mini  HörU  nüd  binde, 
wend  s'  no  chlei  blibe  lo^; 
will  uf  einen  andere  Sumer 
zu-me-n-andere  Liebste  oro.» 

Handschriftlich  bei  Stutz,  vermischt  mit  dem  Liede  «Dort  oben 
uf  em  Berge».    Vgl.  Bd.  I,  S.  CXX  und  Mittler  Nr.  768  ff. 


V*- 


^  vielleicht:  de  Stricker;  jedenfalls  ist  gemeint:  Fleiß  zum  Stricken, 
nicht  die  Person  eines  Strickers  als  Geliebten.  ^  Das  Zubinden  der 
Haare  bezeichnet  den  Eintritt  in  den  Ehestand.  Vgl.  Bd.  I,  S.  143, 
Anm.  2.    ^  (wir)  wollen  sie  noch  ein  wenig  bleiben  lassen. 


LIEDER  2  1 1 

Nr.  30. 

1.  I  wäß^  e  Schwobetöchterli, 
Es  wott  gad^  nüme  diene; 

Es  hett  gad  lieber  en  rote  Rock, 
En  schöne  mit  schmale  Rieme. 

2.  Witt  du  gad  lieber  en  rote  Rock, 
En  schöne  mit  schmale  Rieme, 

So  gang  go  Augsburg  in  die  Stadt, 
Go  Herren  und  Gräfe  diene ! 

3.  «  Ond  Herren  ond  Gräfe  dien  i  nüd, 
I  ha  scho  vil  versproche; 

I  ha  die  rote  Röseli 

Ab  grüene  Meie  'broche !  » 

Appenzell  A.-Rh. 


Nr.  31. 

1.  Wo-n-i  chume  vor  's  Schätzeiis  Hus, 
ist  mis  Schätzen  nümmen^  uf. 

2.  Wo-n-i  chume  vor  's  Schätzeiis  Tür, 
sind  scho  alli  Rigeli  für*. 

3.  Ufe  g'stigen  und  d'  Red  verchcrf'', 
abeg'heit^  und  d'  Hose  verzert^. 

4.  Do  legg  i  mi  under  en  Birlibaum, 
bis  's  mir  vo  mim  Schätzeli  träumt. 

Fragment  eines  sant-gallischen  Kiltliedes. 


6 


^  weiß.   ^  gerade,  nur.   ^  nicht  mehr.   *  vorgeschoben.  ^  verstellt, 
heruntergefallen.    ^  zerrissen. 


212  ALLGEMEINE 

Nr.  32. 

1.  Nachtigall,  ich  hör  dich  singe, 

's  Herz  im  Lib  tuet  mir  zerspringe; 
kumme  nur  und  säg  mir  bold, 
wie  ich  mich  verhalte  soll. 

2.  Nachtigall,  ich  hör  dich  laufe, 
US  dem  Bächlein  tuest  du  saufe, 
stoßst  dein  Schnabel  in's  Bächlein  ein, 
meinst,  es  sei  der  beste  Wein. 

3.  Nachtigall,  der  hat  guet  wohne 
bi  der  Sunne,  bi  dem  Brunne, 
bi  der  Jungfrau  Nachtigall: 
Grüez  min  Schatz  vil  tausend  Mal. 

Stutz,  schriftliche  Sammlung.  —  Gleich  Str.  i.  2.  4  von  Mittler 
Nr.  599,  wo  aber  die  Str.  4,  1—2  lautet: 

Nachtigall,  wo  ist  gut  wohnen? 
Bei  der  Linde,  bei  den  Dohnen. 


Nr.  33.     Kühreihen  der  Emmenthaler. 

Vgl.  Bd.  I,  S.  CXXXV. 

I.  Es  isch  kei  sölige  Stamme 
oweder^  der  Chüej erstand; 
we  de  Meie  isch  vorhänge^, 
so  fahre  die  Chüejer  z'  Alp. 


^  weder  mit  vorgesetztem  0,  u,   und,  in  der  altern  Sprache  vor 

ragenden  Fürwörtern  nicht  selten,  s.  Schweiz.  Idiotikon  Sp.  321  und 

das  Lied  «Die  Brautwahl »,  Str.  6.    Hier  hat  aber  weder  die  Bedeutung 

«nur»,  welche   in  negativen  Vergleichungsfätzen  in   wie  übergeht. 

^  vorhanden,  gegenwärtig. 


LIEDER  213 

2.  Der  Meie  der  isch  iez  komme, 
die  Chüejer  gan  uf  e  Berg. 
B'hüet  Gott  mer  alli  mini  Fromme \ 
daß  keines  mer  freß  der  Bär! 

Schon  mit  Str.  3  beginnt  in  den  gedrucl^ten  Texten  die  Auf- 
zählung und  Anpreisung  der  Berge  des  Emmenthals  und  ihrer  Sen- 
nereien, offenbares  Machwerk.  Es  ist  sogar  zweifelhaft,  ob  auch  nur 
die  beiden  obigen  Strophen  echt  sind ;  einzig  die  mit  denselben  ver- 
bundene Melodie  (A-Moll)  spricht  dafür. 


Nr.  34.    Weberlied. 

1.  I  wönde  nüd  a^, 

Bis  i  e  schös  Schätzele  ha. 

2.  I  träje  nüd  zue, 

Das  mues  mi  Schätzeli  tue. 

3.  Lär  u-e  ge, 

D'  Lärli  müend  g'spuelet  se. 

4.  D'  Spüel  abe  ge, 

Si  müend  iez  g'wobe  se. 

5.  Iez  hau  i  gern  ab, 

Wil  i  e  schös  Schätzeli  ha(b). 

Appenzell  A.-Rh. 


'  =  Lohe,  Kühe.  Vgl.  Bd.  I,  S.  CXXXIII.  '^  amuinden,  \udreben, 
hinauf-  und  hinabgehen,  ahhauen,  —  technische  Ausdrücke  des  Hand- 
werks.    Lär,  Spule. 


214  ALLGEMEINE 

Nr.  35.     Aus  dem  «  Geistlichen  Vogelgesang  ». 

s.  Bd.  I,  S.  XCIX. 

I.  Wohlauf,  ihr  lieben  Vögelein, 
und  was  in  Lüften  schwebt, 
wohlauf,  lobt  Gott  den  Herren  fein, 
singt  all,  die  Stimm  erhebt! 
Dann  Gott  hat  euch  erschaffen 
zu  seinem  Lob  und  Ehr; 
G'sang,  Feder,  Schnabel,  Waffen 
kommt  alles  von  ihm  her. 


2.  Die  g'schwätzig  Schwalb  macht  Alles  toll, 
sie  plaudret  hin  und  her; 

früh  hat  sie  Kist  und  Kästen  voll, 

spat  ist  alls,  alles  leer. 

Zu  Morgens,  eh  die  Sonn  aufsteht, 

fangt  sie  zu  schwätzen  an; 

zu  Abends,  w^enn  sie  nidergeht, 

sie's  noch  nicht  lassen  kann. 

3.  Der  Staar  schwätzt,  schnadert,  pfift  und  singt, 
er  ist,  der  Alles  kann; 

in  sinen  Kopf  er  Alles  bringt, 

was  er  hört,  nimt  er  an. 

Er  tut  auf  Alles  losen 

und  merket  auf  mit  Fleiß ; 

er  wäscht  sein  schwarze  Hosen 

und  werded  doch  nüd  weiß. 


LIEDER 


215 


4.  Wann  der  Storch  hört  das  Qua  qua  qua, 
spaziert  er  auf  dem  xMoos; 
er  ist  dem  Fröschlein  gern  zu  nah 
und  geht  darüber  los. 
Er  zieht  ihm  über  d'  Ohre 
die  grüene  Hosen  ab; 
die  Schlacht  hat  er  verloren, 
der  gut  einfältig  Schwab. 


Aus  der  handschriftlichen  Siimmlung  von  Stutz,  der  aber  von 
der  ersten  Strophe  nur  die  erste  Zeile,  von  der  Schwalbe  nur  Z.  i — 4 
und  vom  Storch  Z.  i  nicht  hat.  Ich  habe  das  Uebrige  aus  Wacker- 
nagels Text  und  dessen  Varianten  ergänzt.  Das  Lied  hat  dort 
43  Strophen. 


Sprüche. 


SPRÜCHE. 


Zauberprüche. 


Zum  Stillen  von  Blutung,  dreimal  über  die  Wunde 

zu  sprechen. 

Blut  stang^ 

vergiß  den  Gang, 

wie  unser  Herrgott  den  Mann^, 

der  im  Rechten^  sitzt 

und  ein  falsches  Urteil  spricht 

und*  er  es  besser  weiß 

und  nicht  seit. 

Im  Namen  Gottes  des  Vaters  u.  s.  w. 


^  =  stand,  steh !    ^  ergänze :  vergisst.    ^  zu  Gerichte.    *  obwohl. 


220  SPRÜCHE 

2. 

Ueber  ein  verrenktes  Bein  von  Menschen  oder  Vieh. 

Es  gieng  ein  Hirsch  über  eine  Heide, 
er  gieng  nach  seiner  grünen  Weide; 
da  verrenkt  er  sein  Bein 
an  einem  Stein. 
Da  kam  der  Herr  Jesus  Christ 
und  schmiert's  mit  Salz  und  Schmer, 
daß  es  gieng  wie  bisher. 
Lii  Namen  Gottes  u.  s.w.;  (dreimal  zu  sprechen). 

Beide  Sprüche  mitgetheilt  von  Schild,  Der  Großätti  aus  dem 
Leberberg  I,  136.  Zu  i  vgl.  3 ;  2  ist  eine  der  zahlreichen  und  weit- 
verbreiteten Parallelen  des  altheidnischen  Zauberspruches,  über  den 
Kuhn,  Zeitschr.  f.  vergl.  Sprachforsch.  Bd.  XIII,  51  ff.  gehandelt  hat. 
Der  Name  Jesus  Christ  vertritt  den  eines  heidnischen  Gottes;  der 
Hirsch  an  Stelle  des  Pferdes,  das  in  den  parallelen  Sprüchen  erscheint, 
ist  wohl  das  in  der  germanischen  Mvthologie  und  auch  in  schwei- 
zerischen  Sagen  mehrfach  vorkommende  Symbol  der  Sonne.  Vgl. 
Kuhn,  Zeitschr.  f.  deutsche  Phil.  I,  S.  89  ff.  Vgl.  noch  den  folgenden 
Segen  über  ein  gelähmtes  Pferd  (Lütolf,  Sagen  und  Bräuche  S.  544): 

Du  Roß,  bist  du  verritten, 

wett  Gott,  es  war  vermitten ! 

Der  Mensch  der  woll  dir  wieder  helfen, 

der  am  Palmtag  einreit 

und  weder  Sattel  noch  Zaum  überschreit. 


Gegen  Wespenstich. 

WispeH,  Wäspeli,  stich  mi  nit! 
Wie  Gott  der  Herr  den  Mann  vergißt 
und  Gott  der  Herr  im  Rechte  sitzt, 
so  hesch^  du  di  Flug  und  d's  Reclite 
und  sellsch^  kei  Mönsch  me  steche. 


hast.    ^  sollst. 


SPRÜCHE  221 

4- 
Feuer  von  einem  Hause  abzuhalten. 

Sei  mir  gottwillkommen,  Feuers  Gast! 

Greif  nicht  weiter,  als  was  du  hast! 

Feuer,  ich  beschwöre  dich  bei  Gottes  Kraft, 

der  alle  Ding  erschaffen  hat : 

Feuer,  stand  still  um  Gottes  willen! 

Feuer,  stand  still  in  deiner  Glut, 

wie  der  Herr  Jesus  ist  gestanden  in  seim  rosenfarben  Blut. 

Du  sollt  nicht  weiter  kommen  von  dannen, 

sondern  behalt  deine  Funken  und  Flammen, 

wie  Maria  ihr  Jungfrauschaft  behalten  vor  allen  Damen 

vor  und  nach  der  Geburt. 

Feuer,  ich  beschwöre  dich  bei  Gottes  Kraft, 

der  uns  geheiliget  hat, 

du  legest  deine  Glut, 

bei  Jesus  seim  rosenfarben  Blut, 

das  er  für  uns  arme  Sünder  vergossen  hat. 

Feuer,  das  sei  dir  um  ein  Büß  gefehlt^. 

Beide  Sprüche  aus  derselben  Quelle  wie  i  und  2.  4,  fast  gleich- 
lautend bei  Birlinger,  Volksthüml.  aus  Schwaben  I,  201,  fand  sich  in 
der  Thürschwelle  eines  Hauses  in  Walperswyl  nebst  mehrerlei  zauber- 
kräftigen Pflanzen. 


^  wenn  das  Wort  richtig  überliefert  ist,  so  war  wohl  der  Sinn 
des  Satzes:  das  Feuer  sollte,  wenn  es  der  Beschwörung  nicht  ge- 
horchte, einer  Buße  verfallen  sein. 


222  SPRÜCHE 


Gebetsprüche. 


I. 

Beim  Händewaschen. 

lez  wasch  i  mini  Hand, 
dem  liebe  Herrgott  i's  End\ 
Sant  Johannes  ist  mi  Her; 
b'hüet  mi  Gott  a  Lib  und  Sei! 
B'hüet  mer  Gott  mini  feuf  Sinn, 
daß  mi  ke  böse  Geist  überwind ! 


2. 
Tischsegen. 

lez  wem-mer^  esse, 

's  bitter  Lide  und  Sterbe  nit  vergesse. 

's  heilig  Chrüz  ist  euse  Tisch, 

die  drei  Negel  sind  eusi  Fisch, 

das  rosefarb  Bluet  eusi  Spis  und  Trank : 

Herr  Gott,  mir  säge  dir  Lob  und  Dank! 

Beide  Sprüche  aus  Hergiswyl,  Kt.  Luzern,  mitgetheilt  von  A.  Lütolf, 
Sagen  und  }3räuche  aus  den  V  Orten,  S.  540—541. 


3- 
Nachtsegen. 

lez  liggen  ich  under  das  Chrüz  Christi, 
iez  liggen  ich  under  das  Liden  Christi, 
iez  liggen  ich  under  das  rosenfarben  Bluet, 
wo^  d'  Jungfrau  Maria  im  Herzen  trägen  tuet. 


^  soll  wohl  bedeuten:  zum  Andenken  an  den  Tod  des  Heilands. 
^  wollen  wir.    ^  vertritt  das  Pronom  relativ. 


SPRÜCHE  223 

lez  empfil  ich  mi  in  de  heilig  Segen, 

wo  Christus  über  die  ganze  Welt  hat  'geben. 

Sant  Johannes  lauft  über  Land, 

er  treit  das  h.  Sacrament  i  der  Hand, 

de  Chelch  wie  de  Wi, 

hinächt^  will  ich  wo]  b'segnet  si: 

Roserot^,  iez  chlag  ich  dir, 

mine  Not  die  chlag  ich  dir. 

Wenn  mis  Herz  bricht, 

mi  Mund  nümnie^  spricht, 

mini  Ore  nüd  me  g'höre, 

so  gon  ich  zur  liebe  Mueter  mi: 

Zu  Hilf  und  Trost  sto  mir  bi 

im  letsten  End.    Amen. 

Aus  dem  Kanton  Luzern,  bei  Lütolf  a.  a.  O.  S.  541. 


Weihnachtsfpruch. 

Christchindeli  mi, 

Laß  mich  dir  empfole  si. 

Mag's  i*  mir  nüd  g' werde  ^, 

So  nimm  mich  von  diser  Erde, 

Nimm  mich  uf  in's  Himmelrich 

Und  mache  mich  den  Engle  glich. 

Aus  Römersw\d,  Kt.  Luzern.  —  Wird  hergesagt  oder  gesungen, 
wenn  die  Weihnachtsfänger  in  der  h.  Nacht  die  Runde  von  Haus  zu 
Haus  machen  und  ein  kleines  Geschenk  in  Empfang  nehmen.  Manchen 
Orts  sind  es  dieselben,  die  das  Jahr  hindurch  auf  der  Orgel  singen. 


^  diese  Nacht.  ^^  scheint  hier  den  blutigen  Christus  selbst  zu 
bezeichnen.  ^  nicht  mehr.  *  pleonastische  Bezeichnung  des  Dativ. 
^  zu  Theil  werden. 


224  SPRÜCHE 

5- 
Kindergebet. 

's  Chindli  tuet  es  Schläfeli 
Wie-n-en  artis^s  Schäfeli. 
Chum,  du  herzigs  Engeli, 
Mit  dim  Liliestengeli, 
Sitz  du  zu  mim  Bettli  zue, 
Denn  han  ich  e  gueti  Rueh. 
Denn  schlaf  ich  die  ganzi  Nacht, 
Wenn  es  Engeli  bi  mer  wacht. 
Wenn  ich  denn  us  'em  Bettli  stige. 
Darfst  du  wider  i'n  Himmel  flüge. 

Hedingen  und  Weiningen,  Kt.  Zürich. 


-*-v 


Parodien. 


I. 

Schweizerisch  Gebet  um  Frieden. 

Lasst  eus  abermal  bete, 

für  eusre  Stadt  und  Flecke, 

»       ))  Wisen  und  Aecker, 

»       »  Küh  und  Geiße, 

))       ))  Wittwen  und  Waise, 

))       »  Roß  und  Rinder, 

»        ))  Wib  und  Kinder, 

»       »  Hennen  und  Hahne, 

»       »  Kessel  und  Pfanne, 

»       ))  Gans  und  Ente, 

»       »  Obersten  und  Re2:ente, 


SPRÜCHE  225 

Au  insonderheit  für  euser  ganzes  liebs  Vaterland 
Schwiz.  Wenn  der  blutig  Krieg  wett  cho,  wett  alls 
nä^,  so  wetten  wir  eus  trüli  wehre  und  ihn  niene  dure 
lo^,   au   den  Find   gar  z'  Tod  schlo   und  denn  singe: 

Eija,  Viktoria! 

Der  Find  ist  ko,  het  alles  g'no, 

het  d'  Feister  i'g'schlage,  het  's  BU  drus  'grabe, 

het  Kue^le  '£:osse  und  d'  Bure  erschösse. 

Eija,  Viktoria !  nu  het  der  Krieg  ein  Ende. 

Bibliographische  Angaben  über  die  merkwürdige,  wahrscheinlich 
im  Jahr  1656  verfasste •  und  später  mehrmals  mit  Aendcrungen  und 
Zusätzen  gedruckte  Schrift,  aus  deren  Anhang  das  obige  Gebet  ent- 
nommen ist,  gibt  Dr. Titus  Tobler,  Alte  Dialektproben  der  deutschen 
Schweiz,  St.  Gallen  1869,  S.  10 — 15.  Vgl.  Des  Knaben  Wundcrhorn, 
I.  Ausg.,  Bd.  III,  134;  2.  Ausg.,  Bd.  II,  623.  Vgl.  auch  unsern  Bd.  I, 
S.  LIII,  wo  der  Feind,  der  so  arg  hauste,  der  Schwede  genannt  wird, 
mit  Beziehung  auf  den  dreißigjährigen  Krieg. 


1.  Der  David  und  der  Salomo, 
Sind  beidi  großi  Sünder: 

Der  eine  schlad  die  Lüt  zu  Tod, 
Der  ander  machet  Chinder. 

2.  Der  David  und  der  Salomo 
Bikehred  si  im  Alter: 

Der  eini  macht  die  wise  Spruch, 
Der  ander  macht  de  Psalter. 

Stallikon,  Kt.  Zürich. 


^  alles  nehmen  wollte.     ^  nirgends  hindurch  lassen, 
II.  15 


226  SPRÜCHE 


Reimsprüche. 


I. 

En  alte  Ma, 

de  nüd  me  cha, 

de  mues  en  Fuerme  werde, 

und  wenn  er  nümme  chlöpfe  cha\ 

so  tued  men  en  under  d'  Erde, 

under  em  Bode  wol  vergrabe, 

d'  Schufle  recht  druf  ane  •  g'schlage, 

under  de  Bode  drü  Chlafter  tüf, 

daß  er  nümme  türe  schlüt. 

Stallikon,  Kt.  Zürich,  —  Etwas  kürzer  auch  aus  Stein  am  Rhein 
mitgetheilt,  mit  der  Bemerkung,  norddeutsche  Sagen  deuten  an,  man 
habe  alte  Leute  früher  lebendig  begraben.  Eine  Variante  zu  Z.  7 — 9 
lautet: 

Mit  der  Schufle  zugedeckt, 

daß  er  nümme  füre  schmöckt. 


2. 

Die  zwei  Schnitterinnen. 

Zu  Bd.  I,  S.  CXLIV. 

« Guete  Tag,  Mareieli, 

chum,  mer  wend  i  d'  Ern ! 

i  £:'se,  de  Roasje  crelet-  scho, 

und  's  Chorn  stöt  au  so  prächtig  do, 

's  ist  lustiger  as  fern.» 


^  nümme  chlöpfe  chönne,  mit  der  Peitsche  nicht  mehr  klatschen 
können,  ist  sprichwörtliche  Bezeichnung  männlichen  Unvermögens. 
^  wird  gelb. 


SPRÜCHE  227 


«  Tank  dr  ^  Gott,  Zusanneli, 
mag  wäger^  nüd  i  d'  Ern : 
i  han  e  rostigs  Sicheli 
und  's  tuet  mr  we  im  Rü^oreli 
au  schnid  i  gar  nüd  gern ! » 

Kt.  Zürich.  —  Mitgethcilt  von  Lehrer  Fürst. 


Luzern. 


3- 

Es  lütet  und  schlöd: 

de  Herren  i'n  Rot, 

de  Buren  i's  Chöd, 

de  Bueben  i  d'  Schuel, 

de  Meitschene  a'  Spinnstuel. 


4- 

Es  lütet  Mittag: 

de  Herren  i's  Grab, 

de  Bueben  i  d'  Schuel, 

de  Meitschene  i'  Bichtstuel. 


5- 

Es  nachtet  under  de  Bänke, 
die  Meitli  fahnd  a  denke, 
si  heigid^  na  kei  Garn. 
Es  chund  en  Hund 
und  bringt  es  Pfund : 
Wind  a,  wind  a,  wind  a^! 


^  danke  dir.     -  wahrlich.     ^  haben  (Conjunctiv),     *  anwinden, 
Garn  zum  Spinnen;  vgl.  das  appenzelHsche  Weberlied,  S.  213. 


228  SPRÜCHE 

Der  aus  Stallikon  (Kt.  Zürich)  mitgetheilte  Spruch  bezieht  sich 
vielleicht  ursprünglich  auf  den  zu  gewissen  Zeiten  eintretenden  Besuch 
der  den  Fleiß  der  Mädchen  prüfenden  göttlichen  Spinnerin  (Bertha, 
Frau  Holle),  zu  deren  Begleitung  auch  ein  Hund  gehört. 


6. 

Du  lustige  FilifauseP, 

du  Bändelimacher, 

du  bist  mer  nachte 

zum  Schätzen  'gange! 

« I  ha  dir's  nit  g'stole, 

i  ha  dir's  nit  g'no, 

i  ha's  nur  e  chh  g'liebet 

und  wider  lo  go. 

Wenn  du  mit  dim  Schätzeli 

so  eigeli^  witt  si, 

so  nim  es  Papirli 

und  wickle's  dari 

und  chauf  es  rots  Bändeh 

und  bind's  fest  zue, 

daß  kei  frönde  Schmarotzer 

dir  cha  derzue. » 

Tägerig,  Kt.  Aargau. 


7- 
Hut  isch  hüt  und  morn  isch  morn, 
am  Mändig  isch  mis  Hochsig. 
D'  Bruederlüt^  und  d'  Bettlerlüt 
das  sind  mini  Hochsio:lüt. 


'ö' 


^  Schelm,  Schalk.   '^  genau,  wunderlich,  wählerisch,  unverträglich. 
^  Waldbrüder,  Einsiedler.    Vgl.  Nr.  15. 


SPRÜCHE  229 


Ofewüsch  und  Ofegable 
das  sind  mini  Hochsigchnabe. 
I  gib  enen  e  Suppe 
vo  hunderttusig  Mugge; 
mit  Flöhnen  isch  si  g'salze, 
mit  Lüsen  isch  si  g'schmalze, 
mit  Rifen^  isch  si  'deckt, 
daß  si  de  Gäste  schmöckt. 


Zürich. 


8. 

Los,  was  s'  lüged  vo  mim  Schatz : 
Chräble^  chönn's  as  wie  ne  Chatz, 
liebli  sifif's  sust  überus: 
es  Näsli  wie-n-es  Schneggehus, 
Bäggeli  wie  Fleugetätsch^, 
unden  am  Mul  en  große  Latsch'*, 
Chünni^  und  Auge  —  los  au  du! 
heig's  as  wie  ne  Uzner  Su^, 
drü  Totzed  hagebuechi  Zänd': 
lez  hed  der  grüsH  Lug  en  End. 


Schwyz. 


9- 

Heil  und  Glück  und  Gottes  Segen 
komm  euch  zu  wie  Merzen-Regen. 
Kein  Unglück  sollt  ihr  erfahren, 
bis  der  Tod  nach  vielen  Jahren 
euch  das  Leben  knüpfet  ab 
und  euch  legt  in's  kühle  Grab. 


^  Grind.     *  kratzen.     ^  Fliegenflecken.     *  Schlinge,  verzogene 
Miene.    ^  Kinn.    ^  Uznacher  Schwein.    "  Zähne. 


230  SPRÜCHE 

Dann  sollt  ihr  werden  lieber  Gast 
in  dem  göttlichen  Palast. 
Bevor  aber  daß  das  geschieht, 
sag  ich  euch  noch  unter's  G'sicht: 
Ihr  müßt  haben  einen  Mann, 
der  beste,  der  nur  leben  kann, 
und  darzu  drü  liebe  Kind, 
die  so  schön  wie  Engel  sind, 
zwei  Büebli  und  ein  Meiteli 
zu  euerm  großen  Freudeh. 
Geh  Gott  und  St.  Elisabeth, 
daß  das  in  Erfüllung  geht! 


Den  19.  November  181 5  zur  Gratulation 
der  Elise  Sag. 


Schwyz. 


IG. 

Es  nussbäumigs  Redli^, 
e  möschigi^  Zwing,  — 
bim  Schätzli  bin  i  g'lege, 
es  isch  ekei  Süng^. 


II. 

Hinger  em  Hus  und  vor  em  Hus 
steit  e  läri  Banne*,  — 
Meitschi,  tue  mer  's  Pfeister^  uf, 
so  chan  ig  ine  gränne^. 


^  Spinnriidchen.   ^  aus  Messing.  '  Sünde.  *  Bretterwagen.  ^  Fen- 
ster.   ^  grinsen. 


SPRÜCHE  231 


12. 


Mi  Mueter  die  het  mi  uf  Rütschenett  g'schickt, 
do  hei  mer  die  Buebe  die  Eier  verdrückt. 
O  Rütschenett  hi,  o  Rütschenett  her, 
o  Mueter,  wenn's  nummen  all  Tag  eso  \vär! 


13 


Der  W'aldbrueder  im  HüttU 
het  's  Stübeli  g'wüscht, 
het  's  Beseli  lo  falle, 
het  's  Jümpferli  g'chüsst. 


14- 

Ich  und  du 
und  's  Müllers  Sü^ 
und  's  Herre^  Stier 
sind  üsere  vier. 


15- 

Drümol  siebe  sind  einezwänzg 
und  vieri  sind  e  Chrone^,  — 
wer  im  Winter  Geiße  hat, 
da  het  im  Sumer  Rone**. 


*  Sau.    "'  Pfarrer.    ^25  alte  Batzen.    *  heißt  auch  der  Koth  der 


Ziegen. 


232  SPRÜCHE 

16. 

's  schönst!  Schätzen,  wo-n-i  weiß, 

isch  im  Cheller  unde, 

het  es  hölzigs  Hemmeli  a, 

isch  mit  Ise  'bunde. 

Vgl.  das  altdeutsche  Trinklied: 

Den  besten  Buhlen,  den  ich  hab, 
der  liegt  beim  Wirt  im  Keller  u.  s.  w. 


17- 

I  wett^,  daß  mi  der  Tüfel  num^ 
und  i  war  i  der  Hell, 
und  daß  die  Hell  voll  Jumpfere  war 
und  i  war  ihre  Gsell. 
Nr.  10 — 17  aus  Solothurn.     (Schild,  Großätti.) 


18. 

Güggeli  uf  der  Stege, 
Hüenli  uf  em  Mist: 
Cha  mer  niemert  säge, 
wo  mis  Schätzeli  ist? 
Obfelden,  Kt.  Zürich. 


Glarus. 


19- 
Alli  Vögeli  singed  schön 
bis  am  Suntig  z  Abed; 
alli  Büebeh  hette  mi  ^ern 
ach  wie  bin  i  'plaget! 


möchte.    ^  nähme. 


SPRÜCHE  233 

20. 

Mer  hend  de  Pfütz^  im  Häfeli 
und  schütt  mer  e  du  nüd  us ! 
und  wenn  du  wottst  es  Schätzeli  ha, 
so  lues:  bi  Zite  druf! 

Obfelden,  Kt.  Zürich. 


21. 

Miner  Mueter  Haschimesser^ 

haut  uf  bede  Site : 

Schätzeli,  wenn  d'  mi  nümme  witt^, 

säg  mer's  denn  bi  Zite ! 


Bern;  Solothurn. 


22. 


's  ist  mer  eigeli^  nüd  dra  g'lege, 
wenn  d'  mi  du  scho  nümme  witt; 
es  ist  en  Andere  uf  der  Stege, 
wo^  mi  denn  na  lieber  hätt. 

Varianten  zu  Z,  3 — 4: 

Chanst  mer  cho  am  Törli  (QgQ^, 
wenn  der  en  Andcri  lieber  ist. 
Zu  Z.  4:  wo  mer  zeh  mal  lieber  ist. 
Oder:       eb^  du  nu  drab  abe  bist. 


*  Kuchen.  Der  Reim  gehört  zu  einem  Reihenspiel,  wo  man  sich 
zulet?t  zu  paaren  sucht.  ^  Messer  zum  Hacken  des  Fleisches  in  der 
Küche.  ^  wenn  du  mich  nicht  mehr  willst.  *  wahrlich.  ^  der.  ^  sprich- 
wörtliche Redensart  im  Sinn  von  Gleichgültigkeit,  Geringschätzung. 
^  ehe. 


234  SPRÜCHE 


Usteri. 


23' 


's  ist  mer  eigeli  nid  so  leid, 
wenn  mer  scho  min  Schatz  abseit; 
seit  er  mer  ab,  so  bin  i  fro, 
uf  en  andere  luec  i  scho. 


24. 

War  i  nit  e  schöns  Meitli, 
wenn  's  Gsichtli  nit  war? 
Hätt  i  nit  e  schöns  Hälsli, 
wenn  's  Chröpfli  nit  war? 


Kinderreime. 

Nachtrag  zu  Bd.  I,  S.  CXLIV. 


Storchlieder. 

I. 

Storch,  Storch,  Nickelbei\ 
trag  mi  über  de  Weiher  hei! 
Laß  mi  nienet  falle, 
bis  ge  Sant  Galle! 
Setz  mi  uf  ene  Haselstud, 
daß  i  sitze  wie-n-e  Brut! 
D'  Brut  schlat  ume, 
's  Vögeli  gumpet  ume, 
's  Chälbli  zieht  de  Rieme, 
im  Oberland  ist  niemer; 


^  Nickel-  wahrscheinlich  entstellt  aus  Stichel,  Stecken.    Rochholz 
Nr.  171  hat  Stlgelihei. 


SPRÜCHE  235 


im  Underland  hät's  gar  vil  Lüt, 
si  essed  Fleisch  und  gend  is  nüt 
und  schwered,  daß  de  Bode  stübt. 


Storch,  Storch,  lange  Schnabel, 

ich  will  di  lere  Silber  zahle. 

Wenn  de  Ro^f2:e  rifnet 

und  de  Müller  pfifet 

und  de  Beck  ke  Brot  me  hat, 

so  gat  de  Storch  i  d'  Müli. 

Dann  chunt  de  Vetter  Celi 

und  chauft  is  zwei  Par  SchüeH. 

Er  nimmt  de  Stecke-n-i  die  hnejcr  Hand 

und  rüert  e  bis  i's  Oberland. 

Im  Underland  ist  Vogelgsang; 

du  alte  Narr,  wie  lebst  so  lang 

mit  diner  lange  Nase ! 

Aus  Dielsdorf,  Kt.  Zürich.  Mitgetheilt  von  Lehrer  Fürst.  — 
Vgl.  Rochholz,  Kinderlied  S.  85  ff.  Vers  7 — 15  ist  in  beiden  Stücken 
angehängt  aus  andern  Kinderliedchen.  Zu  2,  7—9  vgl.  die  Bettler- 
hochzeit Bd.  I,  S.  206—207. 


Fastnachtbettellieder. 

Vgl.  Bd.  I,  S.  CXLIIl. 

I. 

Hinecht  ist  die  Fasenacht, 
gend  is  au  es  Chüechli  z'  Nacht 
Chüechli  raus,  Chüechli  raus! 
's  ist  ein  bravner  Paur  im  Haus. 


236  SPRÜCHE 

Der  Paur  hat  eine  Tochter, 
ire  Haare  wäre  geflochte. 
Drei  Roseblüemelein, 
ir  singed  dem  Pure  das  Küechelein. 
Das  Küechlein  ist  gibache, 
i  g'höre  d'  Pfanne  chrache. 
I  g'höre  d'  Schlüssel  chringle^, 
ich  hoff,  er  werded  mer's  bringe. 
D'  Ziegel  ligged  uf  em  Tach, 
i  weusch  i  au  e  gueti  Nacht. 
Gueti  Nacht  ist  aller  Welt, 
gend  is  au  e  Stümpli^  Gelt. 

Aus  Dielsdorf,  Kt.  Zürich.     Mitgetheilt  von  Lehrer  Fürst. 


Hutzgüri  geri, 

Stockfisch  und  Eri! 

Gebt  mir  au  en  Eierinanke^, 

i  will  ech  tusig  Male  danke. 

Gebt  mer  Mehl  und  Brot! 

Lueg,  wie  's  Hutzgüri  stot! 

Wenn  der  is  aber  nit  w^eit  ge*, 

so  wei  mer  ech  Chüe  und  Chelber  ne, 

mer  wei  ech  's  Hus  abdecke, 

mer  wei  ech  uferwecke. 


^  klingeln,  klirren.    -  Stück,   Häufchen.    ^  ein  Gericht,  Eier  in 
Butter  gebacken.    *  wenn  ihr  uns  nicht  geben  wollt. 


SPRÜCHE  237 

3- 

1.  Hut  ist  Mitti -Faste, 

mer  hei  kei  Chorn  im  C haste. 
Wie  der  Winter  ist  so  ehalt! 
Die  Röseli  vor  dem  grüene  Wald. 

2.  Si  gebe  schöni  Sache, 

mer  wei  drus  Chüechli  bache. 
Wie  der  Winter  u.  s.  w. 

3.  Mer  g'höre  's  Schlüsseli  chhngle, 
si  wei-n-is  d'  Eier  bringe. 

Wie  der  Winter  u.  s.  w. 

4.  Mer  g'höre  der  Brotchorb  gire*, 
si  wei-n-is  ßrod  abschnide. 

5.  Mer  g'höre  's  Gätterli  gäre^, 
si  wei-n-is  Anke  use  schäre^. 

6.  Mer  g'höre  d'  Frau  in  d'  Chammer  go, 
si  will  is  öppis  abe  lo. 

Wie  der  Winter  ist  so  ehalt! 
Die  Röseli  vor  dem  grüene  Wald. 

Heimatkunde  der  Gemeinde  Läufelfingen  (Baselland),  Liestal  1868, 
S.  155.  —  In  der  genannten  Gemeinde  bestand  der  Gebrauch,  daß 
um  die  Fastnachtzeit  5  —  6  Knaben  sich  vereinigten,  um  Gaben  zu 
sammeln.  Der  Größte  von  ihnen  verkleidete  sich  in  eine  maskirte 
Frauenfigur,  das  Hiitigür,  die  andern  trugen  Säcke.  Vor  den  Häusern 
sangen  sie  das  Lied  2.  Eine  ähnliche  Gesellschalt,  von  Mädchen, 
mit  einer  Maske  genannt  Weibehuib,  sang  das  Lied  3. 


-fct^- 


^  kirren.    '^  Gitterthüre  knarren.    ^  scharren. 


238  SPRÜCHE 

Wurstbettellieder. 

Zußd.I,  S.CXI.III  und  S.207. 

I. 
's  Chrumbbeising-e. 

I  weusch  en  guete-n-Abig, 

Gott  g'segni  eueri  Gabe, 

Gott  g'segni  eues  Essen  und  Trinke, 

Eueri  Sou  wird  nümme  hinke. 

Eueri  Sou  hat  e  chrumbes  Bei, 

Gemmer ^  e  Wurst,  se  chan  i  hei. 

Gemmer  nid  eso  kleini. 

Gemmer  zwo  für  eini. 

Gemmer  vu  der  Lebere, 

Se  chan  i  hei  zäbele^. 

Gemmer  vu  der  Lungge, 

Se  chan  i  hei  gumpe. 

Gemmer  vu  der  Site, 

Se  chan  i  hei  rite. 

Haued  ue^,  haued  abe, 

Lönd  de  Metzj^ermeister  strahle*. 

Im  zürcherischen  Weinland  an  «Metzgeten»  (Schweinschlacht- 
festen) vor  dem  Hause  des  Bauern  gesungen.  Mitgetheilt  von  Lehrer 
Fürst  in  Zürich. 


I  singe-n-um  ene  Wurst, 
's  sind  eusen  e  o:anzi  Purst ^ 
I  singe-n-um  ene  Hamme, 
I  mag  si  nüd  erlange. 


^  gebt  mir.   -  zappeln.  ^  aufwärts.  *  emsig  arbeiten.  °  Gesellschaft. 


SPRÜCHE  239 

I  singe-n-um  ene  Chrumbbei, 
Gemmer  eis,  so  gan  i  hei. 
Gemmer  ab  ere  Site, 
Se  chan  i  druff  heirite. 
Gemmer  zwo,  so  bin  i  froh, 
Gemmer  drei,  so  sind  er  frei^, 
Gemmer  sechs,  so  sind  er  recht, 
Gemmer  sibe,  so  bin  i  z'fride. 
Gemmer  acht,  so  lupf  i  d'  Chappe-n-und  säge 

guet  Nacht. 

Aus  Dielsdorf,  Kt.  Zürich.     Mitgetheilt  von  Lehrer  Fürst. 


Das  Kinderhed  von  den  drei  Jungfrauen. 

Rite  rite  RössH, 

z'  Bade  stat  es  Schlössli, 

z'  Bade  stat  es  Sumerhus, 

's  lueged  drei  Mareie  drus. 

Die  erst  spinnt  Side, 

die  ander  schnätzlet  Chride, 

die  dritt  spinnt  Haberstrau: 

B'hüct  mir  Gott  mis  BüebU  au! 

Dieser  zunächst  aus  dem  Gebiet  von  Zürich  entnommene  Text 
zeigt  die  in  den  meisten  Kantonen  verbreitete  Grundform;  Abweich- 
ungen in  einzelnen  Wörtern  und  Zusätze  werden  nachfolgend  ange- 
geben. Z.  2  :  statt  Baden  kommt  Basel  vor  in :  Basel,  Aargau  Frick- 
thal,  Solothurn;  Züri  oder  Sant  Gallen  im  Thurgau;  Bare  (Bern)  im 
Berner  Oberland.  —  Z.  3 :  Liestel  (Liestal)  in  Basel  und  Zug;  Rom 
in  Aargau  Baden  und  Frickthal,  Luzern,  Unterwaiden  Engelberg, 
Solothurn.  Vereinzelt  finden  sich  an  dieser  Stelle,  je  nach  der  Landes- 
gegend, auch  noch  andere  Orte  genannt,  z.  B.  Winterthur.    In  Glarus 


freundlich. 


240  SPRÜCHE 

gilt  an  beiden  Stellen  die  unbestimmte  Angabe :  det  (dort)  obe,  doch 
in  Kerenzen  auch  IFesen  und  WaUenstadt.  Sunnehus  Zürich  Fischenthal. 
Chronehus  Zürich  Stallikon.  Nunnehtis  Glarus  Kerenzen.  's  Frau  Gotte 
Hus  Basel.  Gloggehus  Berner  Oberland.  Weierhus  Aargau  Frickthal. 
In  Aargau  Zeinigen  lautet  Zeile  3 :  :^  Wih  isch  e  Wirtshus;  in  Baden 
ist  sie  zu  dreien  erweitert :  ;;^'  Klingnaii  ne  Brünneli,  :(  Kaiserstuel  ne 
Siinndi,  i'  Rom  stot  e  giddigs  Hus.  Goldis  oder  guldigs  Hus  gilt  auch 
in  Zürich  Oberland,  Appenzell,  Aargau,  Engelberg,  Glarus,  Luzern, 
Zug.  —  Z.  4:  Mareien  auch  in  Aargau  Baden,  Luzern,  Thurgau; 
Jungfrauen  in  Aargau,  Appenzell,  Glarus,  Solotharn,  Engelberg,  Zug. 
Fraue  Aargau  Zeinigen.  hübsch  Jumpfere  Zürich  Oberland,  schöni 
Jumpfere  Basel,  Berner  Oberland.  —  Z.  6:  So  auch  in  Aargau,  Luzern, 
Solothurn,  Thurgau,  Zug.  wicklet  oder  chnodet  (knotet,  knüpft)  IVtde 
Zürich  Oberland,  chläret  (klärt?)  Wide  Zürich  Zollikon  (jinch.  chläri, 
klare),  chrat^et  Chride  Appenzell,  rollet  Chride  Thurgau.  spinnt  Gold- 
ii'ide  Glarus.  —  Z.  7  :  spinnt  auch  in  Thurgau.  hackt  Zürich  Stallikon. 
häcklet  Berner  Oberland,  schnidt  Solothurn.  Im  Berner  Oberland 
lautet  Z.  5 :  Eini  ist  wie  Side,  Z.  7 :  Die  dritt  ist  wie  luters  Gold,  in 
Engelberg:  Die  dritt  chochet  es  Chollermues  (ein  Leibgericht  der  Sennen, 
aus  Mehl,  Rahm,  auch  Eiern,  alles  in  Butter  gebacken,  eine  Art 
Omelette).  Z.  5 — 7  in  Baselstadt:  Die  einti  wicklet  Wide,  die  andri 
stücklet  Chride,  die  dritti  spinnt  das  Glesigold.  —  Z.  8 :  Chindli  Zürich 
Stallikon.  Schätili  Zürich  Oberland,  Thurgau.  Die  ganze  Z.  8  lautet 
in  Solothurn:  Mi  liebs  Chindli,  schlof  mer  au.  In  Baselstadt:  D' Büebeli 
sind  de  Meiteli  hold.  Berner  Oberland :  Die  viert  ist  üsem  Hansi  hold. 
Engelberg:  Das  i  mit  ere  (ihr)  esse  mues. 

Mit  Zeile  7  zweigt   sich   eine  zweite  Gestalt   des  Liedes  ab, 
die  einen  neuen  Zug  einführt: 

7.  die  dritt  tuet  's  Törli  uf 

8.  und  lat  die  heilig  Sunnen  us. 

So  in  Aargau  (Holderbank,  Frickthal,  Zeinigen,  Baden),  Luzern,  Zug 
{liebi  St.  heilig).  Glarus :  Die  dritt  gat  i's  Sunnehus  und  lat  die  guldig 
Sunnen  us.  Luzern  auch:  Die  dritt  luegt  ^um  Tor  us.  St.  Gallen 
Rapperswvl:  ^um  Fenster  us. 

In  einer  dritten  Form  wird  die  zw^eite  fortgesetzt: 

Es  ist  es  Engeli  a  dr  Wand, 
es  häd  es  Glöggli  i  dr  Hand  ; 
wenn  mer's  g'höred  chlinge, 
so  wend  mer  alli  springe. 


SPRÜCHE  241 

So  in  Luzern  und  Zug;  im  erstem  Kanton  Z.  4  auch:  So  ivetid 
nur  -'  Himmel  springe.  Weitere  Varianten  dieser  Fomi  sind :  Z.  i  : 
hangt  St.  ist  Baden,  St.  Gallen  Rapperswyl,  Chnabcli  st.  Engeli  Aar- 
gau Frickthal,  Z.  3 — 4  :  Und  wenn  das  Engeli  chlinglet,  so  ist  e  heiligt 
Meß  im  Himel,  St.  Gallen  Rapperswvl,  Z.  4 :  So  springen  alli  Engeli 
i'n  Himel  ufe  i' Chille,  Aargau  Frickthal;  in  Baden:  alli  Chindli. 
Z.  5 — 4  in  Aargau  Zeinigen: 

Und  wenn  das  Glöggli  schlot, 
so  sind  mer  alli  tod; 
und  wenn  das  Glöggli  chlinglet, 
so  sind  mer  alli  im  Himel. 

Ebenso  in  Basel  Aeugst,  nur  ist  dort  die  dritte  Form  mit  der 
ersten  dadurch  verbunden,  daß  die  Fortsetzung  Z.  7  lautet: 

Die  dritti  leinet  (lehnt)  a  dr  Wand, 
si  hcd  ne  Glöggli  in  der  Hand  u.  s.  w. 

In  Luzern  kommt  auch  Verbindung  mit  der  zweiten  vor:  Si 
hed  es  Glöggli  u.  s.  w. 

Verkürzung  und  Verflachung  in  rein  weltlichen  Sinn  zeigt  die 
bernische  Form : 

Rite  rite  Rössli, 

z  Basel  (oder:  z'  Thun)  isch  es  Schlössli, 

z'  Bern  isch  es  Herrehus  (oder:  z' Thun  isch  es  Tubehus), 

da  luege  drei  Töchtere  zum  Fenster  us 

(oder:  da  luege  drei  schöni  Jumpferen  us). 

Neigung  zu  scherzhafter  Wendung  zeigen  schon  einige  der  zur 
Grundform  angeführten  Varianten ;  stärker  erscheint  dieselbe  in  fol- 
gender Gestalt: 

Rite  rite  Rössli, 

z'  Bade  stad  es  Schlössli, 

z'  Rom  stad  es  guldigs  Hus, 

es  luegid  zehn  Jungfraue  drus. 

Die  erst  macht  's  Fürli  a, 

die  zweit  leit  d'  Schitli  a, 

die  dritt  chochet  es  Haberbri, 

die  viert  schlat  ere  d'  Xase  dri. 

Die  (üft  chauft  es  nüs  Paar  Schue, 

die  sechst  git  ere  's  Geld  derzue. 

II  16 


242  SPRÜCHE 

Die  sibet  chaut't  es  Fässli  Wi, 
daß  die  acht  cha  lustig  si. 
Die  nünt  schüttet  's  Federebett, 
wo  die  zeht  dri  Hgge  sett. 

Walchwyl,  Kt.  Zug. 

Gemischt  mit  einem  andern  Spruch  ist  folgende  Fassung: 

Rite  rite  Rössli, 

z'  Bade  stot  e  Schlössli, 

z'  Klingnau  e  Brünneli, 

z'  Kaiserstuel  e  Sünneli, 

z'  Freiewil  e   Chäppeli. 

D'  Meitli  träged  Schäppeli, 

d'  Buebe  träged  Maie. 

De  Güggel  chunt  cho  chräie : 

Güggehü ! 

Z"  Morgen  am  drü 

chömed  drei  Mareie. 

Die  eint  spinnt  Side, 

die  ander  schnäflet  Chride, 

die  dritt  schnidt  Haberstrau: 

B'hüet  mer  Gott  mis  Chindli  au! 

Rochholz,  Alemann.  Kinderl.  Nr.  274. 

Noch  stärker  o^emischt,  und  zwar  nicht  nur  mit  der  Grundform, 
sondern  auch  mit  den  beiden  Nebenformen,  ist  folgende : 

's  Sünneli  schint, 

's  Vögeli  grint, 

's  hocket  under  em  Lädeli, 

's  spinnt  e  Sidefädeli; 

's  spinnt  en  lange  Fade, 

er  langet  bis  go  Bade, 

vo  Züri  bis  uf  Hauestei, 

vo  Hauestei  bis  widerum  hei.  — 

Z'  Rom  ist  es  guldigs  Hus, 

lueged  drei  Mareie  drus. 

Die  eint  spinnt  Side, 

die  ander  Floride, 

die  dritt  schnätzlet  Chride, 

die  viert  spinnt  Haberstrau, 

die  feuft  ist  eusi  liebi  Frau. 


SPRÜCHE  243 

Si  sitzt  enet  a  der  Wnnd, 
het  en  Oepfel  i  der  Hand. 
Si  got  durah  zum  Sunnehus 
und  lot  die  heilig  Sunnen  us 
und  lol  de  Schatten  ine 
für  iri  liebe   Chline. 
Und  wenn  mer's  g'hört  singe, 
chömed  alli  Engel  z'  springe. 

Rochholz,  a.  a.  O.  Nr.  275. 

Statt  grint,  zirpt  (Z,  2)  Var.  pßß,  singt.     Z.  6  auch: 

Es  hoppet  bis  go  Bade. 

Z'  Bade  stot  e  Sumerhus  u.  s.  \v. 

Daß  unser  Kinderlied,  sowohl  in  seiner  einfachsten  Gestalt  als 
in  seinen  Varianten  und  Zusätzen,  fast  in  allen  Gauen  von  Deutsch- 
land, zunächst  in  Elsaß  und  Schwaben,  dann  rheinabwärts  und  auch 
landeinwärts  bis  in  die  Mark  Brandenburg,  zahlreiche,  theils  wörtlich, 
theils  sachlich  übereinstimmende  Parallelen  findet,  ist  längst  erkannt; 
man  findet  solche  bei  Rochholz,  a.a.O.  S.  141  —  142.  144 — 145. 
Stöber,  Elsaß.  Volksbüchl.  Xr.  98 — 102.  Vonbun,  Vorarlb.  Sag.  S.  66. 
Meier,  Schwab.  Märch.  Nr.  87.  Kinderreime  Xr.  14.  15.  Simrock, 
Kinderbuch  Nr.  169 — 175.  Wolf,  Beiträge  z.deutsch.Myth.2, 179 — 181. 
Ausgemacht  ist  ferner,  daß  alle  diese  Kinderreime  in  ihrem  Haupt- 
inhalt, den  drei  Weiblichen  Wesen,  welche  das  Kind  besuchen  und 
begaben,  einen  ehrwürdigen  und  merkwürdigen  Ueberrest  heidnischen 
"Glaubens  darstellen,  der  am  reinsten  in  der  altnordischen  Ueber- 
lieferung  von  den  drei  Nornen  (entsprechend  den  Parcen  oder  Moiren 
des  klassischen  Alterthums)  erscheint,  aber  auch  noch  in  Deutsch- 
land (besonders  Baiern)  unter  allerlei  Verkleidung  unverkennbar  er- 
halten ist.  Vgl.  Wolf,  a.a.O.  167 — 205.  Simrock,  Myth.  341  —  5)0. 
Mannhardt,  Die  Götterwelt  der  deutschen  u.  nord.  Völker  321  —  328. 
Hier  kann  vom  Zusammenhang  und  ursprünglichen  Sinn  aller  jener 
Zeugnisse  nicht  ausführlich  gehandelt,  sondern  nur  der  schweizerische 
Beitrag  zu  demselben  nach  seinem  Wortlaut  noch  mit  einigen  Be- 
merkungen begleitet  werden,  wobei  auf  offenbare  spätere  Entstell- 
ungen keine  weitere  Rücksicht  genommen  wird. 

Die  Verschiedenheit  der  Ortsangaben  in  Z.  2  und  3  des  Grund- 
textes hat  natürlich  nichts  zu  bedeuten  als  eben  die  weite  Verbreitung 
des  Glaubens.  Wichtiger  sind  die  Varianten  zum  Schluß  von  Z.  3, 
aus  denen  der  ursprüngliche  Ausdruck    schwer   herauszufinden    oder 


244  SPRÜCHE 

zu  erschließen  ist.  Eine  himmlische  Wohnung  kam  den  Schicksals- 
göttinnen jedenfalls  zu  und  das  goldene  Haus  ist  von  dem  Sonnen- 
oder Sommei-haus  nicht  wesentlich  verschieden.  Glockenhaus  ist  na- 
türlich später,  kann  aber  einen  Thurm  bezeichnen,  dergleichen  auch 
die  heidnische  Zeit  kannte  (z.  B.  als  Wohnsitz  der  als  halbgöttlich 
verehrten  Seherin  Veleda  bei  Tacitus,  Hist.  4,  65).  IVeierhaus  auf  das 
Sit/cen  der  Nornen  an  einer  Quelle  zu  deuten  geht  nicht  wohl  an. 
Als  Nonnen  oder  Stifterinnen  von  Gotteshäusern  erscheinen  die  drei 
Frauen  in  der  deutschen  Sage  mehrfach;  unmittelbare  Entstehung 
dieses  Wortes  aus  Nornen  ist  unmöglich,  da  der  letztere  Name  in 
Deutschland  nie  verbreitet  war.  Ob  sie  Jungfrauen  (was  auch  in 
Deutschland  die  überwiegende  Bezeichnung  ist)  oder  Marien  genannt 
werden,  macht  insofern  etwas  aus,  als  der  letztere  Name  den  Ge- 
stalten ihren  heiligen  Charakter  bewahren  half,  während  der  erstere 
leicht  zu  Jungfern  in  gewöhnlichem  Sinne  abgeschwächt  werden 
konnte.  Daß  der  christliche  Name  Maria  vielfach  an  die  Stelle  von 
Namen  heidnischer  Göttinnen  trat,  ist  bekannt  genug.  Betreffend  die 
Dreizahl,  welche  auf  christlichem  Boden  an  den  drei  Marien  der 
Evangelien  eine  Stütze  fand,  braucht  auch  nur  erinnert  zu  werden, 
daß  sie  dem  Heidenthum  für  göttliche  Wesen  ebenso  beliebt  war, 
wie  sie  es  dem  Christenthum  geworden  ist.  Daß  in  einigen  Varianten 
die  Zahl  sich  zu  4  und  5,  sogar  einmal  zu  10  erweitert,  ist  offenbare 
scherzhafte  Entstellung.  (Etwas  Anderes  ist  die  Erweiterung  auf  die 
ebenfalls  heilige  Zahl  12  resp.  13  z.  B.  im  Mähfchen  vom  Dorn- 
röschen.) 

Wichtiger  ist,  daß  den  drei  Frauen  auch  drei  verschiedene 
Funktionen  zugetheilt  sind,  wobei  Wolf  an  den  Merseburger  Zauber- 
spruch von  den  dreigetheilten  Idisi  erinnert,  nur  daß  deren  Thätig- 
keit  eben  auf  den  kriegerischen  Anlaß  ihres  Auftretens  gerichtet  ist 
und  sie  in  ihrer  Dreiheit  doch  nur  einem  Zweck,  einer  Partei 
dienen.  Bei  den  Nornen  aber  und  den  ihnen  entsprechenden  weisen 
Frauen  der  spätem  Sage  ist  es  ein  stehender  Zug,  daß  sie  dem  Kinde, 
an  dessen  Wiege  sie  herantreten,  Ungleiches,  Heil  und  Unheil, 
schenken  oder  verkünden,  und  es  fragt  sich,  wie  dieser  Gegensatz 
in  unserm  Liede  sich  darstelle,  auf  welcher  Seite  die  Mehrheit  sei. 
Hier  gehen  nun  auch  die  Varianten  aus  einander,  indem  ein  Theil 
derselben,  aber  nur  der  kleinere,  zwei  günstige  Thätigkeilen  gegen 
eine  ungünstige  anführen  zu  wollen  scheint,  die  übrigen  aber,  und 
zwar  die  Mehrheit,  auf  umgekehrten  Sinn  deuten.  Daß  die  Thätigkeit 
der  Schicksalsgöttinnen    vorzugsweise    als   Spinnen    gedacht   wird, 


SPRÜCHE  245 

hat  das  germanische  Alterthum  wieder  mit  dem  klassischen  gemein 
und  kann  hier  nicht  weiter  erklärt  werden;  die  Verschiedenheit  der 
Drei  muß  also  im  Stoff  ihres  Gespinnstes  liegen. 

Daß  nun  das  Spinnen  von  Seide,  welches  in  allen  Parallelen 
übereinstimmend  voransteht,  günstige  Bedeutung  habe,  unterliegt 
wohl  keinem  Zweifel;  aber  auch  Goldweideii  (Glarus)  und  Glesigold 
(Baselstadt)  kann,  wenn  überhaupt  einen  Sinn,  nur  diesen  haben. 
Dasfelbe  gilt  von  der  Berneroberländer  Fassung,  wo  die  erste,  dann 
aber  auch  wieder  die  dritte  Jungfrau,  selbst  mit  Gold  verglichen 
wird.  Zu  bemerken  ist  hier  nur  der  Unterschied,  daß  die  glarnerische 
Form  das  Gold  zweimal,  also  zwei  günstige  Anzeichen  hat,  und 
die  stadtbaslerische  das  Gold,  also  das  Glück,  erst  an  dritter  Stelle, 
aber  darum  vielleicht  entscheidend.  Die  Schwierigkeit  häuft  sich  am 
meisten  auf  die  mittlere  Stelle  und  die  Bedeutung  ^tr  Kreide  oder 
IVeide  daselbst.  Das  letztere  Wort,  welches  wohl  älter  ist  als  das 
erstere,  kann  kaum  andern  als  ungünstigen  Sinn  haben,  braucht  aber 
nicht  gerade  auf  die  Weide  als  Werkzeug  der  Todcsftrafe  des  Hängens, 
sondern  nur  auf  Fesselung,  Hemmung  bezogen  zu  werden.  (Vgl.  cunio- 
widi  im  Merseburger  Spruch,  welches  übrigens  kurzen  Stammvokal 
hat.)  Kreide  erscheint  schon  bei  mittelhochdeutschen  Dichtern  in 
sprichwörtlicher  Reimverbindung  mit  Seide,  aber  zunächst  als  Gegen- 
satz zu  Gold,  z.  B.  in  der  Stelle: 

ir  macht  uz  golde  kriden 

und  werc  (Werg)  uz  guoter  siden    (Germ.  IX,  51), 

sowie  umgekehrt  die  Verwandtschaft  des  Goldes  mit  der  Seide  be- 
zeugt wird,  wenn  ein  Dichter  von  der  Jungfrau  Maria  sagt: 

do  du  Christcs  wurde  (wurdest)  swanger, 
do  wand  siden  zuo  dem  golde  gotes  wisheit; 

und  ein  anderer  von  der  Doppelnatur  Christi: 

do  menschlich  ward  din  bilde  (deine  Gestalt), 
do  war  (wirrte,  mischte)  sich  under  siden  flahs, 

wo  das  letzte  Wort  dem  IVerg  der  ersten  Stelle  und  der  Reiste  einer 
schwäbischen  Variante  entspricht,  von  dem  Haberstroh  unseres  Liedes 
noch  beträchtlich  abstehend,  doch  in  derselben  Richtung  absteigend. 
Positiv  mit  (weißer)  Seide  zusammengestellt  findet  sich  Kreide  nur 
einmal  in  Beziehung  auf  die  Farbe.  In  unserm  Liede  kommt  aber 
neben  der  stofflichen  Eigenschaft  der  Kreide  auch  die  an  derselben 
ausgeübte  Thätigkeit,   das  Schnätieln,   Hacken,  Kratzen  in   Betracht, 


246  SPRÜCHE 

welches  dem  Spinnen  der  Seide  gegenübersteht  und  eine  für  Gefühl 
und  Gehör  ebenso  unangenehme  Empfindung  erweckt,  wie  das 
Streichen  oder  Rauschen  glatter  Seide  eine  angenehme,  daher  als 
Bild  ungünstigen  Schicksals  aufgefasst  werden  kann. 

Von  Haberstroh  kann  spinnen  eigentlich  nicht  gesagt  werden, 
daher  die  Varianten  hacken  und  schneiden;  aber  da  die  Thätigkeit  der 
Frauen  einmal  vorzugsweise  als  ein  Spinnen  aufgefasst  werden  sollte 
(welchem  von  der  ungünstigen  Seite  das  Wickeln  oder  Knüpfen  von 
Weiden  einigermaßen  entspricht),  so  mochte  auch  jene  Verbindung, 
nur  dann  in  ironischem  Sinn,  annehmbar  erscheinen.  Wer  sich  daran 
stieß  und  zugleich  einen  günstigen  Schluß  haben  wollte,  mochte  eine 
Ausweichung  nach  einer  ganz  andern  Seite  versuchen;  daher  die 
scherzhafte  Wendung  vom  Kochen  einer  schmackhaften  Speise  (Engel- 
berg) oder  der  Uebergang  auf  die  neue  Vorstellung,  daß  die  dritte 
Frau  das  Thor  des  Himmels  dem  Sonnenschein  öffnet,  woran  sich 
dann  noch  weitere  Bilder  von  himmlischen  Herrlichkeiten  (der  Engel 
mit  dem  Glöcklein  u.  s.  w.)  schließen  konnten.  Daß  dies  Abweich- 
ungen von  dem  ursprünglichen  Bilde  und  fremdartige  Zuthaten  sind, 
ist  wolil  unbestreitbar;  aber  sie  finden  sich  auch  in  Deutschland, 
neben  zwei  andern  Varianten,  von  denen  die  eine  die  dritte  Frau 
ein  Kleid  (für  das  Kind)  spinnen,  die  andere  ein  Kind  aus  dem 
Brunnen  holen  lässt.  Von  der  erstem,  die  nach  Wolf  das  ursprüng- 
liche sein  soll,  findet  sich  bei  uns  keine  Spur,  von  der  zweiten  nur 
eine  schwache.  Nur  zufällig  ist  vielleicht  das  Zusammentreffen  der 
drei  Jungfrauen  unseres  Kinderliedes  mit  dem  Anfang  des  bekannten 
Volksliedes: 

Dort  oben  auf  hohem  Berge 

da  steht  ein  prächtiges  Haus; 

da  schauen  drei  schöne  Jungfräulein 

des  Abends  und  Morgens  heraus. 
Mittler  Nr.  769;  vgl.  Bd.  I,  S.  CXX.  Noch  schwächer  ist  die  Be- 
rührung des  Kinderliedes  mit  dem  Anfang  des  andern  (Simrock, 
Kinderbuch  Nr.  67),  wo  «ein  Herr  auf  einem  Rössli»  zu  einem 
«Schlössli»  kommt  und  die  aus  dem  Fenster  lugrende  Frau  nach  dem 
Betragen  ihrer  Kinder  fragt.  Aber  wenn  man  aus  den  oben  mit- 
getheilten  erweiterten  Formen  unseres  Liedes  und  vielen  ähnlichen 
Fällen  (dergleichen  auch  in  Bd.  I  vorgekommen  sind)  erkannt  hat, 
wie  leicht  einzelne  Bruchstücke  von  Liedern  sich  an  einander  heften, 
so  wird  man  geneigt,  auch  im  vorliegenden  Fall  die  Möglichkeit 
eines  Einflusses  offen  zu  lassen. 


SPRÜCHE  247 

Nachdem  im  Vorstehenden  der  Versuch  gemacht  ist,  das  Kinder- 
lied im  Zusammenhang  zu  erklären,  mögen  einige  nachträgliche  Be- 
merkungen Platz  finden,  welche  sich  dort  nicht  gut  einflechten  ließen, 
aber  vielleicht  dazu  beitragen,  einzelne  Punkte  noch  in  helleres  Licht 
zu  setzen. 

Die  spinnenden  Marien  erinnern  zunächst  noch  an  die  unter  dem 
Namen  Marienfäden,  Unserer  liehen  Frau  Sommer,  Mädchensommer,  auch 
Altweihersommer  bekannte  Naturerscheinung,  das  Gewebe  der  Herbst- 
spinne, welches  im  Norden  der  Göttin  Frigg  (Freia)  zugeschrieben 
wurde.  Daß  Sommer  hier  nicht  die  Jahreszeit  bedeutet,  sondern  ur- 
sprünglich ein  anderes  Wort  ist  (engl,  gossamer  für  godsamer,  feines 
Gewebe,  vgl.  ahd.  gotawehbi),  muß  zur  Erklärung  mithelfen,  und  auch 
die  Alten  IVeiber  statt  der  Mädchen  stören  nicht,  denn  ihr  Geschäft 
ist  vorzugsweise  das  Spinnen  wie  das  Weisfagen,  und  in  einer  Variante 
unseres  Liedes  (aus  dem  Odenwald)  kommen  statt  der  schönen  Jungfern 
wirklich  alte  Weiber  vor.  —  Daß  hinter  der  spinnenden  Königin  Bertha 
der  burgundischen  Sage  eine  spinnende  Göttin  steckt,  ist  längst  aus- 
gemacht. Li  der  Nürnberger  Todtenkapelle  befand  sich  eine  sogen. 
Marienspule  mit  Garn,  das  nie  ein  Ende  nahm.  Auf  einem  Seiden- 
faden schwebte  Maria  zur  Rettung  des  belagerten  Helmstädt  herbei. 
(Rochholz,  a.  a.  O.  S.  148.) 

IVeidenhioten  gelten  im  Aargau  als  schädliches  Hexenwerk  und 
werden  aufgelöst. 

Haherstroh  im  Gesrensatz  zu  Seide  kommt  auch  in  einem  Volks- 
lied  vor,  wo  ein  Bursche  von  seinem  Mädchen  verlangt,  es  müsse 
ihm  aus  Haberstroh  Seide  spinnen,  worauf  es  eine  ebenso  unerfüll- 
bare Forderung  an  ihn  stellt  (Uhland  I,  14).  Eine  Parallele  zu  unserm 
Spruch  vom  Hausfland  (Bd.  I,  S.  1 52)  lautet:  Haberstrau  heißt  mi  Frau. 

Kreide  deutet  Rochholz  (a.  a.  O.  S.  148)  auf  das  Homonym  Kreide 
=  Kriegsgeschrei,  also  Streit,  was  sachlich  nicht  unpassend  wäre;  aber 
die  Verba  schaben,  hacken  u.  s.  w.  deuten  doch  entschieden  auf  Kreide 
als  Stoff.  Daß  dieses  Wort  bildliche  Bedeutungen  hatte,  beweist  die 
bei  G.  V.  Keisersberg  und  S.  Brant  vorkommende  Redensart  Kreide 
streichen  =  trügerisch  schmeicheln,  und  vielleicht  kann  diese  Bedeutung 
auch  für  unsere  Stelle  geltend  gemacht  werden. 


Anhang. 


Berichtigungen  und  Nachträge 

zu  Bd.  I. 


S.  VII.  Ueber  Ludwig  Sterner  und  die  Reimchronik  von 
Lenz  s.  Vetter  im  Anzeiger  für  schweizer.  Geschichte  1884, 
S.  269  —  276. 

S.  XX,  5.  Statt  Liedes  ist  vielleicht  Lieder  zu  setzen, 
wenn  Justinger  (S.  145)  darunter  nicht  Strophen  versteht. 

S.  XXVII,  15.  Die  Verweisung  auf  die  Texte  soll  nicht 
bei  a,  sondern  bei   i)  stehen. 

S.  XXXV  fehlt  bei  23,  c,  i  Verweisung  auf  die  Texte 
S.  29. 

S.  XLVIII  unten  ist  die  Verweisung  auf  die  Texte  zu 
streic^hen,  s.  dagegen  Bd.  II,  S.  115. 

S.  LI,  39.  b.  Das  Lied  von  Rynacher  findet  sich  im  Archiv 
der  Familie  Steiner  von  Uitikon,  handschriftlich,  wahrschein- 
lich Original  des  Dichters,  46  Strophen,  Anfang:  «Nun  will 
ich  frölich  singen.»  —  Im  selben  Archiv  noch  ein  zweites 
Gedicht  über  die  damaligen  Eündnergeschichten,  in  denen 
ein  Steiner  die  Zürcher  kommandirte,  hauptsächlich  ihm  zu 
Ehren  auf  seine  Hochzeit  gedichtet.  Sehr  lang,  in  Alexan- 
drinern. 

S.  LIII.  Nach  Nr.  39  oder  zu  40  ist  nachträglich  ein- 
zuschalten die  Notiz   von  einem  Liede,   welches   kurz  nach 


252  ANHANG 

dem  U  eberfall  in  der  Klus  (20.  Sept.  1632)  in  Solothurn 
entstanden  und  für  Bern  verletzend  gewesen  sein  muß,  so 
daß  der  Rath  von  Solothurn  die  Verbreitung  desfelben  mit 
Strafe  bedrohen  musste.  Als  Verfasser  galt  Viktor  zur  Matten 
von  Solothurn,  der  aber  seine  Autorschaft  leugnete.  Noch  im 
Jahr  1646  wurde  ein  Solothurner  bestraft,  weil  er  das  Kluser 
Lied  gesungen  hatte.     Mittheilung  von  Herrn  Dr.  Fäh. 

Andere  Erinnerungen  an  die  Schweden  s.  Rochholz, 
Aarg.  Sagen  II,  279  ff. 

S.  LV  statt  Merey  zu  lesen  Mercy. 

S.  LXVII,  c,  2.  Dieses  Gedicht  vertritt  nicht  den  Stand- 
punkt von  Luzern,  sondern  von  Zürich  und  Bern  gegen 
Luzern  und  die  Länder  zugleich.  Das  Gedicht  3  findet  sich 
auch  auf  der  ZSB.  XVIII,  1976,  nebst  einer  Antwort.  Der- 
selbe Band  enthält  zwei  Lieder  von  dem  für  die  Katholiken 
gunstigen  Gefecht  bei  Sins. 

S.  LXXI,  c.  Das  Lied  auf  die  leere  Kasse  der  helvetischen 
Republik  ist  von  Häfliger;  s.  dessen  «  Schweizerische  Volks- 
lieder ))  S.  79. 

S.  LXXII,  57.  Im  Frühling  des  Jahres  1815  verfasste  der 
Friedensrichter  Ringier-Burkhard  von  Zofingen  ein  Spottlied 
auf  die  Berner,  was  ihm  den  Verlust  seiner  Stelle  zuzog.  — 
Im  zürcherischen  Bürkli- Kalender  181 5  steht  ein  mundart- 
liches Gedicht  «  Es  Wörtli  uf  die  neu  Verfassig  im  Kanton 
Zürich  ». 

S.  XCV.  Das  Lied  <(  Es  will  ein  Jungfrau  reisen  »  steht 
im  Register  der  Texte  unter  dem  Ansatz :  's  will  .  .  . 

S.  C.  Das  parodische  Kriegsgebet  ist  nun  im  Bd.  II,  S.  224 
abgedruckt. 

S.  CII  und  104.  Lütolf,  Sagen  S.  430  gibt  eine  Sage  von 
einem  Roni  Sattel  von  Mosen,  Kt.  Luzern,  auf  den  sich  das 
Lied  beziehen  soll. 

S.  CHI  oben.    Vgl.  auch  noch  Walliser  Sagen  S.  iii.  113. 


ANHANG  255 

S.  CIV,  Das  Lied  von  der  frommen  Spinnerin  wurde  in 
der  Gemeinde  Wald  gesungen. 

S.  CIV  unten.  Der  Ausdruck  «  verkünstelt  •>  ist  nicht 
richtig;  s.  nun  die  Anmerkung  zum  Liede  in  Bd.  II,  S.  176. 

S.  CVII  oben.  Ein  Anklang  an  jene  alte  Romanze  findet 
sich  auch  noch  in  einem  handschriftlichen  Fragment  bei  Stutz. 
Hieher  gehört  auch  ein  in  Schaffhausen  gefundenes  Fragment 
des  Liedes  von  dem  Mord  im  Haslacher  Thal.    Mittler  Xr.  95. 

S.  CXV.  Auf  die  Einwohner  der  zürcherischen  Gemeinde 
Fischenthal  sangen  noch  in  neuerer  Zeit  ihre  Nachbarn  in 
Wald  ein  Spottlied,  dessen  Anfang  lautete:  «Die  Fischethaler 
Nare    Ziehnd  de  Walder  Chare  »  (Karren). 

S.  CXXI  oben.  Eine  engere  symbolische  Beziehung  der 
Mühle  auf  Liebe  behauptet  Rochholz,  Drei  Gaugöttinnen 
S.  115  ft*. 

S.  CXXVI.  Zu  dem  Liedchen  w  üf  em  Bergli  bin  i 
g'sesse  »  vgl.  noch  Alem.  XI.  72.  Daß  Goethe  das  Liedchen 
gerade  so,  wie  er  es  unter  seine  Gedichte  aufgenommen  hat. 
aus  dem  Munde  des  Volkes  gehört  habe,  ist  unwahrscheinlich, 
aber  ebenso  unmöglich  ist  es,  eine  Grundform  desfelben  her- 
zustellen. Die  Melodie  wird  wohl  erst  zu  dem  Goeihe'schen 
Te.xt  gemacht  worden  sein. 

S.  CXXVIII.  In  den  Texten  (S.  153  ff.)  sind  nur  zwei 
Hochzeitlieder  mitgetheilt;  das  dritte  steht  nun  Bd.  II,  S.  201. 

S.  CXXXV  unten.  Spazier,  Wanderung,  gibt  im  Anhang 
noch  Stücke  von  zwei  andern  Liedchen. 

S.  CXXXVI.  Der  Verfasser  des  Liedes  «  De  Bur  ist  doch 
en  plagete  Ma  »  war  Johannes  Merz.  Bezirksrichter,  von  Buch 
am  Irchel,  Kt.  Zürich.  Ein  Antwortlied  erschien  im  Bürkli- 
Kalender  iSti. 

S.  CXLIV.  Ein  kürzeres  Wurstbettellied  hat  allerdings 
auch  Rochholz,  S.  98,  205  ;  ein  größeres  s.  nun  noch  Bd.  II, 
S.  238;  ebendaselbst  auch  drei  Fastnachtbettellieder  S.  235 
und  zwei  Storchlieder  S.  234. 


2  54  ANHANG 

S,  CXLVI.  Nach  Birlinger,  Alem.  XI,  Sz  ist  Rappetizli 
von  Rappen  abzuleiten,  vielleicht  weil  man  Musikanten,  damit 
sie  zu  einem  kurzen  Tanzliedchen  spielten,  nur  mit  Rappen 
bezahlte.  Aber  der  zweite  Theil  des  Wortes  bleibt  dabei 
unerklärt. 

S.  CXLVII.  Der  Reim  (.('s  isch  no  nit  lang»  u.  s.w.  steht 
Bd.  I,  S.  214.  26. 

S.  CLL  Nach  der  Angabe  c  mit  Nachtrag»  ist  Komma 
zu  setzen,  denn  die  folgende  Zahl  gibt  nicht  die  Seite  der 
Nachträge. 

S.  43,  Anm.  Unter  dem  Wolf  kann  nicht  Zürich,  sondern 
nur  Freiburg  gemeint  sein,  Zürich  war  nie  «Nachbar»  von 
Bern  und  zur  Theilnahme  an  jenem  Zug  auch  nicht  von  Bern 
eingeladen ;  es  nahm  vielmehr  eine  vermittelnde  Stellung  ein. 
Dagegen  passen  die  Angaben  auf  Freiburg,  dessen  Haltung 
allerdings  etwas  aktiver  war  als  im  Liede  geschildert  ist. 
Sein  Antheil  an  der  Beute  (die  Hamme  Str.  14,  6)  war  Ro- 
mont  und  Bulle.  Der  Löwe  mit  der  Krone  (Str.  13,  2)  kann 
nur  Savoyen  oder  Frankreich  sein,  aber  nicht  in  heraldischer 
Bedeutung.  Jörg  Hubelmann  (Str.  11,  i)  wird  als  Hauptmann 
der  Bernei  in  den  Abschieden  mehrmals  erwähnt.  Nägeli 
(Str.  10)  ist  der  Schultheiß  Franz  N.  von  Bern.  Mittheilung 
von  Herrn  Prof.  G.  v.  Wyß. 

S.  110.  Das  Hosebändli  war  in  der  Tracht  jener  Zeit 
das  Band,  womit  die  kurzen  Hosen  über  dem  Knie  gebunden 
wurden.     Mittheilung  von  Herrn  Konr.  Meier  in  Zürich. 

S.  ij8.  Eine  Parallele  zu  diesem  Lied  aus  Ostpreußen 
s.  Alemannia  XI,  59. 

S.  121  oben:  besonders  an  das  Ulinger  Lied,  s.  Bd.  II, 
S.  170. 

S.  136.  Zu  dem  Liede  Nr.  38  wurde  mir  nachträglich  von 
Herrn  Lehrer  Häderli  in  Zürich  folgende  Strophe  als  erste 
mitgetheilt : 


ANHANG  255 

1.  Als  icli  an  denselbigen  Abend  gedenke, 
da  ich  Abschied  von  dir  nahm, 

und  die  Sonne  scheint  allhier 
und  ich  scheiden  muß  von  dir 
und  mein  Herz  bleibt  stets  bei  dir. 

2.  Und  mein  Mutter  hat  Gfesasrt  u.  s.  \v, 

S,  137.  Der  Spruch  Xr.  40  ist  von  B.  Wyß  in  Solothurn 
selbst  gedichtet. 

S.  155.  Um  das  Jahr  1825  wurde  in  Neudorf  bei  Bero- 
münster,  Kt.  l^izern,  ein  Spottlied  auf  ein  Brautpaar  gemacht 
und  diesem  mit  Katzenmusik  bei  der  Rückkehr  von  der  Hoch- 
zeit gesungen,  weil  der  Bräutigam  ein  Fremder,  d.  h.  nicht 
Ortsbürger  war. 

S.  157  unten.  Das  Citat  «  Schwab.  Volkslieder  »  sollte 
nach  den  Varianten  stehen. 

S.  202.  Das  Nachtwächterlied  Nr.  8  ist  wohl  allgemein 
deutsch  ;  umgekehrt  wird  das  Lied  von  den  12  heiligen  Zahlen 
(Erk  Nr.  196.  198)  auch  bei  uns  gesungen.  Einen  etwas  ab- 
weichenden Text  des  erstem  gibt  Herzog,  Schweiz.  Volks- 
feste, Sitten  und  Gebräuche  S.  314  als  alten  Nachtwächter- 
ruf in  Thusis,  Kt.  Graubünden.  Ebendaselbst  S.  313  stehen 
Varianten  zu  den  in  Bd.  I,  S.  199.  20<3  mitgetheilten  kürzern 
Nachtwächterrufen  i.  3.  4.  5,  dort  als  in  Chur  üblich  gewesen. 

S.  205  —  206.  Zu  den  Rufen  beim  Scheibenwerfen  gibt 
Herzog,  a.a.O.  S.  215  —  216  einige  Varianten  und  sachliche 
Angaben  von  andern  Orten. 

S.  208,  2.  Die  Auffassung  des  Weibes  als  Ackerfeld  er- 
scheint auch  im  Koran,  Sure  2.  Mittheilung  von  Herrn 
Konr.  Meier  in  Zürich. 

S.  213,  19,  4  ist  zu  schreiben  Leid. 

S.  225.  Das  Fest  der  Drei  Könige  zu  Freiburg  s.  Herzog, 
a.  a.  O.  S.  153.    Vgl.  noch  ebd.  212. 


256 


ANHANG 


Nachträge  zu  Bd.  II. 


S.  190.  Das  Lied  vom  buckligen  Männchen  steht  in 
i(  Des  Knaben  Wunderhorn  0,  i.  Ausg.,  Bd.  III,  Anhang  S.  54 
vollständig  mit  8  Strophen. 

S.  191.  Parallelen  zu  Nr.  18  s.  Frommann,  Zeitschrift  für 
deutsche  Mundarten  V,  417 — 418.    Mittler,  Volksl.  Nr.  13 16. 

S.  207,  Nr.  26.  Dieses  Stück  hätte  mit  dem  wesentlich 
gleichen  im  Bd.  I,  S.  139  zusammengefasst  werden  sollen, 
enthält  aber  fast  durchgehende  Varianten. 

S.  241.  Zu  den  Versen  vom  Glöcklein  vgl.  das  Gebet 
Bd.  I,  S.  193,  Nr.  5. 


Berichtigung  zu  Bd.  II.     S.  219  lies:  Zaubersprüche. 


^A^-m 


Inhaltsangabe 
zu  Bd.  II. 


Vorwort. 

Einleitung  zu  den  historischen  Liedern   . 

Texte. 

1.  Historische  Lieder    .         .         .         . 

2.  Allgemeine  Lieder  .         .         .         . 
5.  Kleinere  Stücke. 

Sprüche         .         .         .         .         . 
Parodien        .         .         .         ,         . 
Kinderlieder  .         .         .         .         . 
Berichtigungen  und  Nachträge  zu  Bd.  I 
»  »  »  »     »11 


Seite 
I — XVIII 


3  —  1)1 

155—215 


.     219 

.     224 

•     254 

.     251 

■    256 

II. 


17 


Gesammtregister 


der  in  beiden  Bänden  enthaltenen  Liedertexte. 


/.  Historische  Lieder, 
chronologisch  geordnet  nach  den  Ereignissen. 

1.  Ursprung  der  Eidgenossenschatt  (Teilsage) 

2.  Alter  Bund  zwischen  Bern  und  Freiburg  (1245?) 

3.  Kampf  der  Städte  Bern  und  Biei  mit  dem  Bischof  von 

Basel   1568 

4.  Schlacht  bei  Sempach   1586, 
a.  Das  ältere  Lied  .... 
h.  Das  dem   Halbsuter  zugeschriebene  Lied 

5.  Schlacht  bei  Näfels  1588 

6.  Alter  Zürichkrieg   1443 — 1446. 
a.  Schmachlied  von  östreichisch-zürcherischer  Seite 
h.  Antwort  von  schwyzerischer  Seite 

c.  Belagerung  von  Laufenburg 

d.  Nach  der  Schlacht  bei  St.  Jakob  an  der  Birs 

e.  Schlacht  bei  Ragatz 

7.  Zwist  des  Abtes  von  St.  Gallen  mit  der  Bürgerschaft  145 1 

8.  Zug  in's  Sundgau  (Mülhausen)   1468 

9.  Zug  nach   W'aldshut   1468 

10.  Burgunder  Krieg. 
a.  «Ewige  Richtung»   1474. 
h.  Zug  nach   Blomont   147^  . 

c.  Schlacht  bei  Grandson   1476 

d.  Schlacht  bei  Murten   1476 

e.  Schlacht  bei  Nancy  1477 

11.  Schlacht  bei  Giornico   1478 

12.  Frischhans  Theiling  und  Hans  Waldmann   1487 


Ban 


Seite 

5 


IG 
15 

8 

IG 
30 

34 
36 
59 
43 
49 

1) 
52 
56 
61 
66 
70 


26o 


15- 
14. 


15- 
16. 

17- 
18. 


19. 

20. 

21. 
22. 

25- 

25- 


26. 


27. 
28. 
29. 


50. 

31- 


32. 


Rorschacher  Klosterstreit   1489 
Schwnbenkrieg   1499- 

a.  Herausforderung 

b.  Schlacht  im  Schwaderloh 

c.  Schlacht  bei  Glurns 

d.  Schlacht  bei  Dorneck 
Schlacht  bei  Novara   1513  . 
Reformation  in  Bern  . 
Die  Lutherischen  in  Solothurn   1533 
Zug  der  Berner  in's  Waadtland. 
a.  Gefecht  bei  Nyon   1535. 
h.  Bern  und  Frei  bürg    1536 
Zug  eidgenössischer  Söldner  nach  Piemont  (Schlacht 

bei  Cerisole)   1 544  . 
Zug  eidgenössischer  Söldner  nach  Frankreich  (Schlacht 

bei  Moncontour)   1569     .... 
Ludwig  Pfyffer  und  Melchior  Lussi  (1582) 
Der  Schweizer  Stier  (1584) 
Der  Prättigäuer  Prüs^elkrieg   1622 
Belagerung  von  Rheinfelden  durch  die  Schweden  1634 
Bauernkrieg  16)3. 

a.  Der  neue  Wilhelm  Teil  im  Entlebuch   . 
/'.  Artillerei-Lied  ..... 

c.  Spüttverse  auf  die  Führer  der  Bauern    . 

d.  ^'erehruno  der  Heiligen  unter  dem  Galgen 
Vilmerger  Krieg   16^6. 

a.   Belagerung  von  Rapperswyl  durch  General  Werd- 
müller ....... 

/'.  Schlacht  bei  Vilmergen  . 

Fall  von  Straßburg   1681 

Zug  schweizerischer  Söldner  nach  Griechenland   1688 

Toggenburger  Krieg  17 12. 

a.  Feldbericht  eines  bernischen  Soldaten 

h.  Capitulation  von  Baden  . 

c.  Gefecht  an  der  Bellenschan^e 

Aufstand  der  Liviner   1755. 

Zug  der  Zürcher  nach  Stein  a.  Rh.   1784 

Helvetische  Revolution   1798. 

a.  Gefecht  bei  Fraubrunnen 


Band  Seite 

n 

74 

I 

25 

II 

n 

II 

80 

II 

88 

I 

29 

I 

179 

II 

91 

II 

93 

I 

39 

II      97 


II 

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I      S-j 


26l 


h.  Kampf  der  Urkantone      ...... 

^.   ^a  ira      . 

35.  Belag-erung  von  Zürich  durch  General  Andermatt  1802 
34.  Aufgebot  bernischer  Schützen  1804  .... 
3).  Kantonale  Bewegungen   1830. 

a.  Volksversammlung  in  Balsthal  (Solothurn)    . 

b.  Aufstand  der  Hallauer  gegen  Schaffhausen    . 

36.  Der  Straußenlärm  in  Zürich   1839        .         .         .         . 

37.  Der  Sonderbundskrieg  1847 

Anhang:  Die  vier  Elemente  der  Eidgenossenschaft  (1558) 


Band  Seite 

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//.  Allgemeine  Lieder, 
alphabetisch  geordnet  nach  den  Anfangsworten. 


Ach  Gott,  wem  soll  ich  klagen? 

Ach  Mueter,  liebe  Mueter 

Ach  Schatz,  warum  so  traurig  ? 

Ach  Schatz,  was  hab  ich  dir  Leides  gethan? 

Ach,  wie  ein  so  harte  Krippe  . 

Alli  Meiteii  händ  au  Manne 

Anneli,  stand  uf,  d'  Brutreiher  sind  do     . 

Anneli,  wo  bist  gester  g'si  ?      .         . 

Bin  alben  e  werti  Töchter  g'si 

Buebe,  mer  wend  wollforte  go 

Chan  i  nit  gar  ordeli  tänzele? 

Danuser  war  ein  wundrige  Knab 

Das  Anneli  hat  en  Stricker 

De  Ma  hat  große  Hunger  g"ha 

Der  Schlüssel  zum  Himmel 

Der  Schwanewirt  sprung  zum  Thor  hinaus 

Der  Tod  und  der  kam  über  de  Rhi 

Die  Buechibersfer  Bure      .... 

Die  Fabrikante  z'  Dideldum 

Die  heiligen  drei  Könige  mit  ihrem  Stern 

Dies  ist  mein  ganzer  Lebenslauf 

Die  Vögel  sie  singen  lieblich  schön 

Dort  hinten  bei  der  himmlischen  Thür    . 

Dort  obe  vor  der  himmlische  Thür 


vol.  II,  159 


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262 


Ei  du  mein  schöne  Margret 

Ein  Liedlein  will  ich  heben  an 

Es  chunt  en  junge  Murergseil  . 

Es  gönd  drei  Bueben  uf  Dammerselle 

Es  hat  ein  König  ein  Töchterlein     . 

Es  het  e  Bur  es  Töchterli 

Es  isch  kei  sölio;e  Stamme 

Es  isch  vor  der  Hütte 

Es  kam  der  Tod  wo!  über  den  Rhein 

Es  kamen  zwei  Böteli  von  Willisau 

Es  ritt  ein  Reuter  den  Berg  hinauf 

Es  ritt  ein  Rüter  durch  das  Ried 

Es  sind  drei  arm  Seele 

Es  si  nes  Mal  zwo   Gspile  g'sin 

Es  tuot  das  Anneli  tVüo  ufsto  . 

Es  war  ein  heilige  Turtilla 

Es  war  ein  Sterbet  über  em  Rhi 

Es  wend  zweu  Liebi  z'same 

Es  will  e  Frau  uf  Bade  go 

Es  wolJt  ein  Hirt  i'n  Wald  ustribe 

Es  wollt  ein  Jägerli  jage  . 

Es  wott  e  Frau  i's  Wirtshus  ga 

Es  ziehed  drei  Grafen  über  Feld 

Frisch  auf  und  lustig  dran 

Frisch  auf  wol  in  das  Feld 

Get  Acht,  i  will  ech  öppis  zelle 

Guggu,  wo  bist  über  Winter  g'si? 

Heida!  die  liebe  Maiezit    . 

Helle  Sonnen,  helle  Strahlen     . 

Herzhüseli,  wie  bist  nur  volle  Freud  ! 

Hilf  mir,  Gott,  letzt  muß  ich  scheiden 

Ich  armes  Häsli  im  wite  Feld  . 

Ich  kann  und  mag  nicht  fröhlich  sein 

Ich  lag  in  einer  Nacht  und  schlief  . 

Ich  will  singen,  ich  weiß  wohl  was 

I  gang  emol  de  Berg  uf  . 

I  hä  mim  Schatz  en  Maie  g'macht  . 

I  han  es  Hämpfeli  Haber  g'streut 

I  loß  si  s^rüeße  ..... 


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Seite 

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I  wäß  e  Schwobetöchterli 

I  wönde  nüd  a  .... 

Im  Aergäu  sind  zweu  Liebi 

Im  Sommer  sind  d'  Tage  lang 

In  de  Bergele  tuet's  schneie 

In  Mitten  der  Xacht .... 

Jetzund  ist  der  B'schluß  gemacht 

Kommet,  ihr  Fürsten  und  Heiden 

Lazarus  und  seine  Schwestern  . 

Man  geiget  der  Braut  zur  Kirchenthür  ein 

Mareie  wott  2:0  wandle     . 

Mareili,  liebs  Mareili  mi    . 

Marianneli,  bist  dinne  ? 

Meine  Mutter  hat  gesagt  . 

Mis  Büöli  geit  über  Sapüner  Steg     . 

Morgens  wenn  die  Vögeli  singe 

Nachtigall,  ich  hör  dich  singe  . 

Nun  mein  Leichnam  geht  zum  Grabe 

O  Mensch,  steh  ab  von  deiner  Sund ! 

O  Tannebaum !  .... 

Regine  gieng  i'n  Garte 

Reich  und  Arm  soll  frölich  sein 

Roni  Sattel  hat  gewibet    . 

Rot  sind  alli  mini  Chleideli 

Sant  Katri  reist  über  ein  wite  Held 

Schönster  Obedstern 

Seht  an  die  zwei  Herzen  . 

's  isch  eben  e  Mönsch  uf  Erde 

's  isch  keis  verdrießlichers  Lebe 

's  spaziere  drei  Soldaten    . 

Stets  i  Trure  mueß  i  lebe 

Straßburg  mueß  ich  lassen 

's  will  eine  Jungfrau  reise 

Tannhäuser  war  ein  junges  Blut 

Und  daß  der  Wald  so  finster  ist 

Und  jetzt  fängt  das  Frücjahr  an 

Und  wenn  die  finstre  Nacht  thut  kommen 

Vo  Luzern  uf"  Wäggis  zue 

Was  Besseres  kann  uns  erfreuen? 


\'gi 


102 


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Was  hei  die  Chnabe  vo  Chappel  g'macht 
Was  wei  wir  wetten  von  eben  an  ? 
Weiß  mir  e  Herr,  hed  sibe  Sün 
Wenn  die  Bure  z'  Acher  fahren 
Wenn  ig  in  das  Chucheli  go    . 
Wie  mache's  denn  die  Becke? 
Wie-n-i  a'g'fange  ha  huse 
Wo  kommt  denn  au  der  Ehstand  her? 
Wo-n-i  chume  vor  's  Schätzeiis  Hus 


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Kleinere  Stüeke. 


on  Scheiben  am  Fastnachtfeuer 


Gebete 

Alpsegen     . 

Nachtwächterrufe 

Rufe  beim  Werfen  v 

Zaubersprüche     . 

Parodien     . 

Reimsprüche 

Storchlieder 

Fastnachtbettellieder 

Wurstbettellieder 

Das  Kinderlied  von  den  drei  Jungfrauen 


I,  191 


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