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SCHWEIZERISCHE
VOLKSLIEDER.
Mit Einleitung und Anmerkungen herausgegeben
von
Dr. Ludwig Tobler
Professor der deutschen Sprache an der Unfversität Zürich.
Zweiter Band.
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FRAUEXFELD.
Verlag von J. Huber.
1884.
Gedruckt in J. Huber's Buchdruckerei in: Frauexfeld.
Vorwort.
Ein zweiter Band dieser Sammlung ivar urspriingiich
7iicht beabsichtigt ; ich glaubte mit der in dem einen gegebenen
lieber sieht und Aus7uahl das Interesse der Wissenschaft und
auch weiterer Kreise befriedigt zu haben, da mein eigenes
Urtheil über den ll'erth unserer Volkslieder sehr bescheiden
lautet. In der Einleitung zu dem Bande, der nitn der erste
geiuorden ist (S. XI oben), war gesagt, daß in einer zweiten
Auflage, luelche aber kaum zu hoffen sei. statt der ausführ-
lichen Einleitung mehr ^ Texte gegeben und dadurch vielleicht
manche leser besser befriedigt 7i>erden könnten. Ob es statt-
haft gewesen wäre, eine solche Umgestaltung als « Ziueitc
Auflage)^ erscheinen zu lassen, kann nun un erörtert bleiben;
Thatsache ist. daß viele leser und Käufer des ersten Bandes
trotz günstiger Aufnahme desfelben sich in Absicht auf die
Anzahl resp. die spärliche Ausiuahl der Texte, besonders der
hi st ori sehen Lieder, getäuscht gefunden und beschwert haben.
Ich hatte (a. a. O.) vorausgesehen, daß solche Stimmen
laut werden würden, aber flicht so viele, und ich hatte geglaubt,
mich auf zuenig und gar nicht bekannte oder scheuer zugäng-
liche Lieder beschränken zu dürfen, da ich Ja zui^leich angab,
7V0 die andern, zum Theil leicht zugänglich, zu finden wären,
II. I
7iur nicht alle in kritischen Texten und mit Erklärungen. Ich
begreife nun, daß man lieber Alles beisammen haben möchte,
statt es erst selbst zusammensuchen zu müssen: hätte ich aber
den Stof, der nun auf zwei Bände vert heilt ist. in einen
gefasst, so wäre dieser wahrscheinlich weniger gekauft und
gelesen, also der Zweck doch wieder nicht ganz erreicht worden.
Immerhin fühlte ich. nachdem Jenes Bedauern sich mehrfach
kundgegeben hatte, mich verpflichtet, nachträglich den Schaden
zu ersetzen, und dajj dies nun in Gestalt eines zweiten Bandes
geschieht, hat einzig den Nachtheil, daß sachlich und (bei den
historischen Liedern) auch zeitlich Zusammengehöriges nun
vom Leser selbst aus zwei Bänden zusammengestellt werden
muß. wenn er die vollständige Reihe übersehen will. Indessen
wird das diesem Band beigegebenc Gesammtregistcr Jenes
Geschäft erleichtern.
Die im ersten Band getroffene, aber nicht von allen
Kritikern gutgeheißene Unterscheidung zwischen Haupttext und
Anhang fällt nun weg: aber auch andere Grundsätze und Ge-
sichtspunkte, von denen ich mich im ersten Band vielleicht
zu ängstlich leiten ließ, lasse ich nun bei Seite : ich gebe ohne
Bedenken möglichst viel Stoff ohne Rücksicht auf Verschieden-
heiten oder Mängel der Form, auch ohne Rücksicht darauf, ob
geii'isse Stücke schon bekannt, vielleicht auch nicht eigentliche
oder rein schweizerische Volkslieder zu nennen sein mögen.
Im historischen Theil ist es Jetzt darauf abgesehen,
alle Hauptercignisse ujiserer Geschichte mit Liedern (wenn auch
mcht Jedes mit allen darauf bezüglichen) auszustatten : bei
den übrigen gebe ich eine Ausicahl der besten und beliebtesten,
die in dem Verzeichniß Bd. I. S. CXLJ'III~CL enthalten
sind, dazu noch einiges JVeue. 7vas mir noch nachträglich mit-
getheilt -worden oder zur Aufnahme geeignet erschienen ist.
Auf den Anspruch, den Fachmännern Neues zu bieten, muß
ich also fast ganz verzichten : ich wende mich an das größere
Publikum der Laien, besonders der schweizerischen, welche aus
patriotischem Interesse eine Saimnlung aller in der Schweiz
gangbar gewesenen J 'olkslieder wünschen. Ich gebe ihnen hiemit
das Meiste und Beste, was ich aus den oben angegebenen
Gründen noch zurückbehalten hatte: ich gebe ihnen sogar
Alles . luas ich für echt und gut oder wenigstens in irgend
ei?ier Beziehung merkivürdig halte : aber eine vollständige
Sammlung alles Vorhandenen, ohne Auswahl, also ohne Rück-
sicht auf Ji'ertn. dessen Bestimmung freilich nie von Sub-
jectivität zu befreien, ist, erhalten sie auch dies Mal nicht ;
sonst 7väre dieser Band auf das Doppelte seines Umfanges
(und Preises) gestiegen oder es müsste ihm noch ein dritter
nachgeschoben werden, womit doch 7i>eder der Sache noch den
übereifrigen Liebhabern gedient wäre.
]Ver Jahre lang mit einem solchen Gegenstand sich ab-
gegeben hat. sollte die nöthige Unbefangenheit des Urtheils
über den JJ'erth desfelben erlangt haben, und 7i.>enn er ei nes-
theil s billigen Ansprüchen des Publikums, auch wo sie seiner
Neigung nicht gerade entsprechen, nachzukommen sucht, so icird
er gegen weitergehende Zumuthungen. die geradezu seinem Ge-
schmack und wissenschaftlichen Gewissen widersprechen, sich
verwahren dürfen. Daß ich unter die historischen Lieder
einige .Stücke aufgenommen habe, die nicht gut oder nicht recht
volksthümlich (zum l^heil auch nicht mit den Ereignisseti gleich-
zeitig) sind, geschah theils aus Rücksicht auf möglichste Voll-
ständigkeit der Ereignisse . theils um geiüissen Lesern einen
Begriff davon zu geben, daß weitere Proben der historisch-
politischen Poesie des XVI f. und XVIII Jahrhunderts ihnen
selbst leicht zu viel werden könnten oder daß wenigstens manche
Produkte jener Zeit kaum mehr Volkslieder genannt werden
können. Uebrigens habe ich mir erlaubt, besonders von solchen
Stücken, die gar weitläufig und im Ganzen nur mittelmäßig
sind, einzelne Strophai wegzulassen. Jedoch immer mit aus-
drücklicher Bemerkung und meistens auch mit Angabe des
Hauptinhaltes der weggelassenen Strophen. Ich bin überzeugt,
daß auch dieses Verfahren von allen Lesern gebilligt luürde.
die sich die Mühe nehmen wollten, den vollständigen Wortlaut
in den Origi?ialquellen nachzusehen. Es darf ?iie vergessen
werden, daß die ganze Sammlung, von der diese zwei Bände
eift Theil sind, kein reift historisches, sondern ein litterar-
geschichtliches Quellenwerk sein soll, und diesem Ziueck genügt
für Inhalt und Form eine Auswahl vollkommen; die Historiker
bleiben, wenn sie überhaupt von den Lieder?i Notiz nehmen
und Gebrauch machen loollen, auf die vollständigen Originale
und kritische Vergleichung derselben mit den Urkunden und
Chroniken atigeiüiese?i.
Was die übrigen Lieder betrifft, für welche ich auch Jetzt
keinen bessern Namen weiß als den etwas zweideutigen aall-
gemeiiico (der in diesem Gegensatz kaum ernstlich missdeutet
werden kann), so sind darunter allerdings viele gemein
deutsch und bei uns nur ifnportirt : aber über diese Rücksicht
setze ich mich, gemäß dem oben Gesagten, nun ebe?i auch hin-
weg, indem ich Alles geben will, was unserm Volk als geistige
Nahrung gedient hat, sei es von innen oder außen geflossen ;
für den letztern Fall dienen die meist im ersten Band ge-
gebenen Verweisungen und Vergleichufigen. Die altern balladen-
artio;en Lieder sind leider meistens nur in verkümmerter Gestalt
überliefert und könne?i keinen reinen Genuß gewähren; aber
ich setze den kultur- und litterar -historischen Gesichtspunkt
über den rein ästhetischen, glaube übrigens, auch vom letztern
aus dürfen die betreffenden Produkte manchen eintönigen
Schlachtliedei'u an die Seite gestellt werden.
JFie endlich im ersten Band, obwohl dort mir anhangs-
weise, auch Gebete eine Stelle gefunden haben, so gebe ich hier
unter den aSprüchenf) Aehnliches. sogar einige Zaubersprüche,
dergleichen seit ältester Zeit zur Poesie gezählt haben und die
jedenfalls durch ihre Alterthümlichkeit merkzuürdig sind. Das
eigentliche Kinderlied bleibt auch dies Mal ausgeschlossen,
ausgenommen ein Stück, als Probe von einst hochheiligen und
ernsten Liedern, die zuletzt nur noch im Kinderspiel Z.uflucht
gefunden und nianigf altige Variationen erfahren haben. Da
indessen im Anhang zum ersten Band einige Kinderlieder aus-
nahmsweise aufgenommen nwrden sind, so dürfen noch einige
Parallelen und A'achträge dazu Platz finden, sei es auch nur,
um die Grenze zu markiren. Daß die kurzen Reimsprüche der
eriuac hsenen Jugend eine Nachlese ergeben haben, bedarf
wohl keiner Entschuldigung.
Betreffend die Gestalt der Pcxte. insbesondere auch
die sprachliche, in Absicht auf Mischung von Schriftsprache
und Dialekt, gelten die im ersten Band aufgestellten und be-
folgten Grundsätze. Strenge Consequenz ist aber dabei äusserst
schwer, iceil die Quellen der Mittheilungen gar so verschieden
sind, und besonders in der Orthographie wird man Ungleich-
heiten zu entschuldigen finden. — Die reichlichen Nachträge
zum ersten Band, auf welche besonderer Fleiß verwendet
worden ist. empfehle ich zur Beachtung.
Schließlich bleibt mir noch der JJ'unsch auszusprechen,
daß das schweizerische Volk gerade in diesem Band, der ihm
ganz besonders zugeeignet ist. einen Spiegel seiner Vergangenheit
erkennen und diese Zeugnisse derselben, trotz ihrer unregel-
mäßigen Gestalt, in Ehren halten möge!
Viel reichere Quellen Jener Selbsterkenntniß icnlrden frei-
lich eröffnet, wenn die in den Vorarbeiten zum Schweizerischen
Idiotikon enthaltenen Sammlungen von Sitten und Bräuchen,
Sprichwörtern und Redensarten zur Bearbeitung und Heraus-
gabe gelangen könnte?!. Aber dazu fehlt den Redaktoren des
Idiotikons Zeit und Arbeitskraft oder Unterstützung durch
jüngere Kräfte ; sie müssen sich begnügen, aus jener Fülle von
Stoff möglichst viel in das Wörterbuch hinei?izuzieheti und was
sich dort nicht unterbringen lässt, einem künftigen besondern
Sammelwerk vorzubehalten.
Zürich, im August 1884.
LT.
Einleitung.
Ueber die historischen Volkslieder und ihre Verfasser.
In der Einleitung zu Bd. I. S. LXXV ff. ist über die ver-
schiedenen Gegenstände und Formen der allgemeinen
Volkslieder, auch über die Herkunft und Verbreitung der-
selben, ausführlich gehandelt worden, während ich mich Ije-
treffend die Verfasser und den Charakter der historischen
Lieder auf einen früher geschriebenen Aufsatz bezog, der
wohl nur den Geschichtsforschern bekannt und zugänglich
sein kann. Da nun schon die Symmetrie zu verlangen scheint,
daß auch dieser Band noch mit einer Einleitung ausgestattet
werde, so wird der (iegenstand dersell)en eben das sein
müssen, was dort nur durch ein Citat vertreten war. Die
treffliche Abhandlung des Herrn Prof. Meyer v. Knonau, auf
die ich sonst nochmals verweisen könnte, hat wohl nicht die
verdiente Verbreitung gefunden und könnte allerdings inso-
fern nicht genügen, als sie sich wesentlich auf das XV. Jahr-
hundert beschränkt, welches freilich die Blüthezeit jener
Dichtungen war. Die vielen Nachweise, welche Herr von
Liebenau im Anzeiger f. Schweiz. Geschichte (s. Bd. I. S. IV)
über Existenz. Bedeutung und Wirkung einzelner historischer
Lieder und über Lebensumstände und Schicksale einzelner
Verfasser von Liedern jener Art gegeben hat, sind in jener
Zeitschrift zerstreut und den Lesern unserer Texte wenig
zugänglich. Es soll also hier zusammengefasst werden, was
II EINLEITUNG
in den angeführten Spezialarbeiten Wesentliches enthalten
ist, obwohl der richtige Ort für solche Darstellung die Ge-
sammtgeschichte der schweizerischen Litteratur wäre.
Das historische Volkslied der Schweiz hat natürlich keine
wesentlich andere Entstehung als das allgemein deutsche;
man kann nur sagen, daß die Anläße zur Entstehung solcher
Lieder auf unserm Boden verhältnissmäßig zahlreicher und
manigfaltiger waren als anderswo, nämlich die politischen
Ereignisse selbst und der durch die Fülle und Wucht der-
selben gesteigerte Pulsfchlag des öffentlichen Lebens, beson-
ders von der Mitte des XIV. bis zum Schluß des XV, Jahr-
hundens. Abgesehen von Liedern aus der mit mythischen
Elementen versetzten Heldensage, deren Bekanntschaft in der
Schweiz wir an mehreren Stellen des ersten Bandes (XXI ff.
XXIV. LXXV) bemerkt haben, sind im deutschen Reiche
historische Volkslieder d. h. Dichtune^en, welche aus dem
Schooß des Volkes bei Anlaß bestimmter Ereignisse und unter
dem frischen Eindruck derselben hervorgiengen. seit dem
IX. Jahrhundert bezeugt. Aus den zahlreichen Zeugnissen,
welche Grimm (Deutsch. Sag. Bd. IL S. IX -XI), v. Lilien-
cron (Hist. Volksl. p]d. I, S. XXVI), Wackernagel (Gesch. d.
deutsch. Litt., 2. Ausg., S. 97. 179) beigebracht haben, sei hier
nur eines hervorgehoben, welches sich bei einem schweizer-
ischen Geschichtschreiber findet. Der jüngere Eckehard (de
casib. S. Galli I. 25 bei Goldast) sagt, er wolle den von Erz-
bischof Hatto von Mainz an Adelbert von Babenberg ver-
übten Verrath nicht erzählen, weil er durch Volkslieder be-
kannt genug sei, und ebendaselbst (S. 29) berichtet er, es
werde von den Thaten eines gewissen Grafen Kuno, genannt
Kurzibold (einem Gefährten des Kaisers Otto L), noch allerlei
gesungen. L'eberdies wird mehrfach bezeugt, daß solche
Lieder noch geraume Zeit, z. B. 200 Jahre, nach dem Ereigniß,
dem sie ihre Entstehung verdankten, gesungen wurden, wie
wir denn auch auf unserm Gebiet in späterer Zeit ähnliche
Dauerhaftigkeit einzelner Lieder bemerkt haben (Bd. I, S. XVI.
XXXIII. 222 — 223). Andrerseits ist allerdings auch der Fall
EINLEITUNG III
eingetreten, daß die Erinnerung an das historische Ereigniß
sich verdunkelte und ein dasfelbe betreffendes Lied sagenhaft
romantische Gestalt annahm. Ein solcher Fall ist bei uns
noch aus neuerer Zeit die Geschichte von Fridli Bucher
(Bd. I, S. CIL io6), so daß das jenen ^Lann betreffende Lied
nicht mehr unter die historischen aufgenommen werden
konnte. Umgekehrt ist freilich auch möglich und vielleicht
bei dem Lied von Roni Sattel (Bd. L S. 104) der Fall ein-
getreten, daß einem bereits sagenhaften Lied eine neue Be-
ziehung auf ein wirkliches Ereigniß untergelegt wurde.
Wer waren die Verfasser und Verbreiter solcher
Lieder, zunächst in Deutschland und im früheren
Mittelalter? Positive Nachrichten darüber haben wir nicht,
wir dürfen aber und müssen fast vermuthen: es waren die-
selben sog. fahrenden Sänger, denen auch die Pflege der
Heldensage anvertraut war. Sie waren nicht ein nach außen
abgeschlossener, innerlich zunftmäßig gebundener Stand, aber
immerhin Leute, die zwar nicht (^ allgemeine», sondern höch-
stens etwas geistliche Bildung, aber eine gewisse geregelte
Kunstfertigkeit durch üebung erworben hatten. Das Publikum
dieser fahrenden Sänger war bald das Landvolk, das etwa
an großen Festen und Märkten (Messen) in einer Stadt zu-
sammenfloß, bald die ansäßige Bürgerschaft der Städte auf
ihren Zunftstuben, dann aber auch der auf Burgen hausende
Adel und zuletzt sogar Fürstenhöfe, deren höherm Geschmack
man sich anzubequemen versucht und verstanden hatte. Das
fahrende Leben dieser Leute einerseits, ihre Sprachgewandt-
heit andrerseits und das Bedürfniß der Obrigkeiten und Herr-
schaften brachte es mit sich, daß man die Sänger gelegentlich
auch als Boten in politischen Angelegenheiten benützte, wofür
sie dann wohl bestimmten Lohn em])fiengen. während die
Belohnung ihrer künstlerischen Leistungen von der Crunst und
Freigebigkeit ihrer Zuhörer abhängig war. Beide Verricht-
ungen ließen sich leicht ver])inden ; denn der fahrende ^L1nn.
der einen bestimmten Auftrag auszurichten hatte, konnte
unterwegs seinen freien (iesang nach Belieben verwerthen,
IV EINLEITUNG
und während er Kunde von neuen Ereignissen erfuhr und
verbreitete, konnte er daneben die alten, aber immer wieder
gern gehörten Sagen auftischen. Auf seiner Wanderung konnte
er auch die Stimmung der Landesgegenden, durch die er
kam, erforschen oder dieselbe durch Gespräch und Gesang
sogar selbst machen helfen, wenn er die Fähigkeit besaß,
ein frisches Lied oder einen witzigen Spruch in einer Bad-
oder Trinkstube im richtigen Moment anzubringen.
Wenn wir uns ungefähr so die Lebensweise fahrender
Sänger in Deutschland etwa vom XII. bis zum XIV. Jahr-
hundert zu denken haben, so darf dieses Bild freilich nicht
ohne Weiteres auf die Schweiz, und zwar vom XIV. bis zum
XVI. Jahrhundert, übertragen werden. Hier fehlten nicht nur
einheimische Fürsten, sondern auch der Adel hatte Mühe
sich zu behaupten ; der Sänger war also auf die Bürgerschaft
und die Obrigkeit einiger zu Wohlstand und Macht empor-
strebender Städte angewiesen. Dagegen war das politische
Leben eben dort so lebhaft und Wechselfälle aller Art, auch
kriegerische Ereignisse so häufig, daß Stoff zu Berichten nie
mano^eln konnte und das Vorhandensein von Personen, die
geeignet waren, auch den gemeinen Mann durch geflügelte
Worte für schwebende Streitfragen zu interessiren, erwünscht
sein musste. Fahrende Sänger von Bemf und bedeutendem
Geschick mag es wohl auf unserm kleinen Gebiet und in
den immerhin engen Verhältnissen desfelben wenige gegeben
haben; doch enthalten unsere Lieder manche (nachher zu
besprechende) Andeutung, daß auch Leute jener Art nicht
ganz fehlten. Im Uebrigen muß gelten, was schon im ersten
Band S. LXXVI gesagt wurde, daß die Verfasser historischer
Lieder neben dieser gelegentlichen Thätigkeit entweder ein
friedliches Handwerk oder das im XV. Jahrhundert nur allzu
sehr emporkommende des Krieges betrieben, welches letztere
seinen Anarehörio^en allerdings die für Poesie unentbehrliche
lebendige Anschauung der Ereignisse gewährte, aber den Sinn
für schöne Sprache und Versform weniger zu pflegen geeignet
war. Einzelne Liederdichter scheinen auch Inhaber unter-
EINLEITUNG V
geordneter Staatsämter gewesen und zu entsprechenden Boten-
diensten benützt worden zu sein, aber nur wenige werden,
und gewiß nicht durch ihr Dichten, sondern durch andere
Leistungen, zu höheren Stellen emporgestiegen sein, wie etwa
in Luzern Hans Halbsuter (der aber später wieder herunter
kam) und Hans Birker (s. Bd. I, S. 224). Erst das XVI. Jahr-
hundert mit seinem erhöhten Streben nach geistiger Bildung
konnte es mit sich bringen, daß auch Leute von anderweitiger
litterarischer Fähigkeit undThätigkeit, wie Hans Salat, Nikiaus
Manuel, Pamphilus Ciengenbach, zugleich des historischen
Volksliedes sich annahmen, ohne doch Hervorragendes darin
zu leisten, weil die P]lüthezeit dieser Dichtung eben bereits
vorüber war.
Beneidenswerth war die Stellung der gewöhnliclien Ver-
fasser historischer Volkslieder auf keinen Fall ; denn wenn
sie auch etwa für eine tüchtige oder erwünschte Leistung
einen Lohn aus der Staatskasse erhielten (wie z.B. der Dichter
des Liedes vom Mülhauser Zug, s. Anzeiger 1877. S. 305 oben),
so riskirten sie daneben, wenigstens seit den bittern religiösen
Parteikämpfen des XVL Jahrhunderts, Anklage, Verfolgung
und Bestrafung von Seite ihrer kantonalen Obrigkeit auf
Verlangen benachbarter Regierungen . welche sich durch
Lieder der (Gegenpartei beleidigt und geschädigt fanden, oder
von Seite der Tagsatzung, welche im Interesse des öffent-
lichen Friedens jene Ausflüsse des Parteihaders unterdrücken
zu müssen glaubte'. Die Volksdichter des XV. Jahrhunderts,
welche meistens von Kampferfolgen gegen äußere Feinde
zu berichten hatten, durften ungestraft ihrer Zunge den Lauf
lassen ; aber zu hohen Ehren und P2inkünften haben auch
sie es nicht gebracht; viele von ihnen und besonders die-
jenigen, welche nicht einmal ihren Namen nennen, klagen
' Vgl. z. B. An^eiger 1877, S. 508 zu den Jahren 1546 und 1578,
1880, S. 272, I, und noch wegen des neuen Tellenliedes 17 12 Anz.
1877, S. 310. 1880, S. 274, 12, wegen des Liedes auf die Kampfe in
Zug 1733 Anzeiger 1880, S. 311, 19.
VI EINLEITUNG
über Armut, so z. B. der Dichter des Liedes von der Schlacht
bei Grandson CBd. II, S. 6i oben).
Was übrigens die Nennung der Namen betrifft, so war
sie bei diesen Liedern ursprünglich so wenig üblich, als sie
bei den allgemeinen Volksliedern es je gewesen ist, weil es
im A\'esen des Volksgesanges lag, daß der Sänger eben nicht
als Person, sondern nur als Organ des Gemeingeistes gelten
wollte. Erst später mochte es vorkommen, daß der Verfasser
eines ].iedes sich darum nicht nannte, weil er fürchten
musste, für seine Auslassungen zur Rechenschaft gezogen und
bestraft zu werden. Im XIV. Jahrhundert, welches aber über-
haupt erst wenige Lieder aufweist, kommen noch keine Namen
vor ; denn daß die Schlußftrophe des großen Liedes von der
Schlacht bei Sempach erst dem XV. Jahrhundert angehört,
ist am betreffenden Orte gezeigt (Bd. I, S. 222. II, 21 — 22).
Erst im XV. Jahrhundert, zuerst im Alten Zürichkrieg, werden
Namen genannt und die Nennung ist dann vorherrschende
Sitte bis in's XVI., doch keineswegs ausfchließlich. denn
daneben nennt sich der Verfasser noch oft nur « ein Schwizer-
knab^), «ein Eidgenoß v, etwa mit dem Zusatz «ein freier,
junger rt, oder er nennt höchstens seinen Heimatkanton ; auch
kommt vor, daß zwei oder mehrere zusammen gearbeitet zu
haben versichern, wobei um so weniger Grund war, die Ein-
zelnen als solche zu nennen. Nicht unbemerkt darf bleiben,
daß auch Frauen sich in solchen Dichtungen versuchten.
Das Lied von Frischhans Theiling und Hans Waldmann gibt
sich als von einem c^ Töchterlin » verfasst, wahrscheinlich
der Schwester des Erstgenannten (s. v. Liebenau im Anzeiger
1877, S. 305), und ein Lied von der Schlacht bei Marignano
sang nach Angabe von ^Verner Steiner eine Frau von Ein-
siedeln, welche wahrscheinlich unter den Opfern jener Schlacht
einen Angehörigen zu beklagen hatte (vgl. Bd. I, S. XXXVIII
und XLIII unten). Im XVII. Jahrhundert verschwinden die
Namen wieder fast ganz und machen den oben angeführten
unbestimmteren Angaben Platz, etwa mit dem Zusatz, daß
der Verfasser dem Ereigniß persönlich beigewohnt habe. Was
EINLEITUNG VII
das XV. und XVI. Jahrhundert an Namen bieten, soll nun
aufgezählt werden, verbunden mit den spärlichen Nachrichten,
die aus den Liedern selbst oder anderen Quellen über die
Lebensumstände einzelner Dichter geschöpft werden können,
und mit Angabe der von ihnen verfassten Lieder, welche in
dem Verzeichniß des ersten Bandes (S. XXXVI ff.) allerdings
bereits, aber nach der chronologischen Ordnung, angeführt
sind. Hier empfiehlt es sich, die geographische Reihenfolge
nach den Kantonen zu befolgen, obwohl bei weitem nicht
alle XIII Orte der alten Eidgenossenschaft, dagegen auch
einige zweifelhafte Grenzgebiete vertreten sind. Der Vorrang
gebührt der Stadt Luzern. welche die meisten Dichter her-
vorgebracht oder wenigstens zeitweise beherbergt hat.
Wenn das große Sempacher Lied ganz oder theilweise
den altern Halbsuter zum Verfasser hat, der von 1382 — 1434
bezeugt ist (auffallend lange, zumal da er schon 1382 ver-
heil atet gewesen sein soll I), so ist über diesen nach v. Liebenau
(Anz. 1877, S. 306) sonst nichts bekannt, als daß er Bürger
von Luzern gewesen sein muß, da er sich 1434 um die Stelle
eines Weibels bewarb. Reichlicher sind die (a.a.O. S. 305 — 8
zusammengestellten) Nachrichten über den Jüngern Hans
Halbsuter von Roth, der ein ziemlich bewegtes Leben
geführt und verschiedene Berufe ausgeübt haben muß. Als
Bürger der Stadt Luzern erscheint er 1435 '•> ^^ wurde vom
Rath zu verschiedenen Dienstleistungen beigezogen und für
dieselben mit Wein und Geld belohnt. Den alten Zürich-
krieg machte er als Schütze mit und wurde auch Schützen-
meister. Von 1441 — 1464 war er Mitglied des Großen Rathes;
1449 Gerichtsweibel, in den 50er Jahren Kornhausmeister.
Im Plappartkrieg 1458 diente er als Läufer und half beim
Rechnungswesen. 1468 lieferte er dem Staate Rahmen und
Zuber, aber auch Pulver und Ledersäcke. Aus dem Feldzug
von 1476 kehrte er verwundet zurück und bekam Staats-
unterstützung wie andere Invaliden.
Ein Zeitgenosse von ihm war Hans Ower (Auer), der
das Lied von der Schlacht bei Ragatz verfasst hat. Er war
VIII EINLEITUNG
nach V. T.iebenau (Anzeiger 1873, ^- 279. 1879, S. 304) nicht
von Luzern, sondern wahrscheinlich von Schafifhausen ge-
bürtig, um 1440 Bürger in Basel, sjiäter in Luzern, wo er
zuweilen als Stadtläufer verwendet wurde. Er war Knecht
bei einem Klaus Wanner. der seit 1449 als Rathsherr und
Richter erscheint und von Welti Wanner zu unterscheiden
ist. der J373 für eine Wanne das Bürgerrecht von Luzern
erhalten haben soll.
Etwas später, bald nach 1468. erscheint in Luzern, aber
ebenfalls nicht als von dort stammend, Toni (Anton) Stein -
huser. gebürtig von Wyl, zeitweise in Appenzell wohnhaft.
Am Schlüsse seines Liedes vom Waldshuterzug, den er mit-
machte, sagt er. er diene schönen Fräulein und preise ihre
Ehre. Demnach müsste er ein verspäteter Nachzügler der
Minnesänger gewesen sein, aber in Luzern wenigstens scheint
er nicht so harmlos gelebt zu haben ; denn er war in einen
Streithandel verwickelt, kam 1482 in"s (iefängniß, musste
Urfehde schwören, und das Land verlassen, wurde jedoch
bald wieder begnadigt (v. Liebenau im Anzeiger 1873.
S. 280—281).
Der Zeit nach folgt Rudolf Montigel (auch Monzigel
geschrieben), der das Lied von der Ewigen Richtung und
eines von der Schlacht bei Grandson verfasste. welches Lütolf
dem Hans Viol zuschrieb (Anfang: « Oesterrich, du schläfst
gar lang I »). Daß Montigel Bürger von Luzern gewesen sei,
ist nirgends ausdrücklich bezeugt ; aber im Bürgerrodel von
Luzern wird erwähnt, daß er bei (irandson verwundet und
in Bern verpflegt wurde, was 4 Gulden kostete. Prof. Meyer
V. Knonau (S. 53) hält ihn nicht für einen Schweizer, sondern
für einen österreichischen Unterthan, jedoch wohl nur auf
Grundlage des ersten Liedes, da ihm die von Liebenau im
Anzeiger (1880, S. 272) beigebrachte Angabe aus dem Frei-
burger Archiv noch nicht bekannt sein konnte.
Ein Lied von der Schlacht bei Murten (Bd. II, S. 61)
sang Hans Viol von Luzern, und derselbe bald nachher das
von der Schlacht bei Giornico (II. 70), an dessen Schluß er
EINLEITUNG IX
seine Lebensverhältnisse als armselig darstellt. Ueber seine
Person wusste Lütolf in seinem Aufsatz <• Luzerns Schlacht-
liederdichter » (Geschichtsfreund XVIII, 187» nichts beizu-
bringen als die Notiz, daß um das Jahr 1443 im Steuerbuch
ein Vyola vorkomme.
Im Schwabenkrieg sang Hans Wick von Luzern das Lied
von der Schlacht im Schwaderloh (II, 77) und 1515 ein Lied
von der Aufnahme Mülhausens in die Eidgenossenschaft (l.
S. XXXVII). Am Ende des Schwabenkrieges verfasste ein
Sänger, der sich « ein alter Gris »» nennt, ein Lied, welches
einen Rückblick auf den L'rsprung und Verlauf des Krieges
enthält. Die von Hans Lenz verfasste Reimchronik des
Schwabenkrieges, welche unter andern auch jenes Lied ent-
hält, nennt in der letzten Strophe als Verfasser desfelben
einen Peter Meiler von Rapperswyler. wohnhaft bei Luzern
und auch in Appenzell wohl bekannt. Herr v. Liliencron
scheint jenen Namen mit dem des Peter Müller zu iden-
tifiziren, der das in den Anfang des Krieges fallende Lied
Bd. I, S. 25 verfasjte. und es ist allerdings auffallend, daß
auch dieser Peter Müller am Zürichsee. dann wieder in Appen-
zell (und im Rheinthal, dagegen nicht in Luzern) sitzend
genannt wird. Prof. Meyer v. Knonau bezweifelt die Identität
der Person: aber Meiler konnte leicht aus Müller verderbt
werden, besonders wenn man etwa noch an das am Zürich-
see, nicht weit von Rapperswyl auf demselben Ufer liegende
Dorf Meilen dachte. Da die anderen Quellen des Liedes
vom alten Gris keinen Verfasser nennen, so hat wahrschein-
lich Lenz dasfelbe auf eigene Vermuthung hin dem Verfasser
des frühern Liedes, dessen Namen er zugleich entstellte, zu-
geschrieben, nebst dem aus ähnlichen Schlüssen anderer Lieder
entnommenen Bekenntniß. daß er «viel mehr verthue. als er
habe», und hat ihn nach Luzern versetzt, weil er wusste, daß
dort andere Sänger heimisch waren.
Unzweifelhaft nach Luzern gehört Hans Birker. der den
Zug nach Genua 1507 fBd. I. S. XXXV) und den Leinlaken-
krieg (1521. Bd. I, S. XXXVIIIj mitgemacht und be.sungen
X EINLEITUNG
hat und später Schultheiß geworden ist (v. Liebenau, Das
alte Luzern S. ^2 — ;^;^).
Die Lebensumstände und Schriften von Hans Salat sind
durch Bjechtolds Buch bekannt geworden. Er hat ein Lied
auf die Schlacht bei Kappel verfasst, nach Baschtold noch
ein zweites, welches aber in anderm Geist gehalten ist (siehe
Bd. I, S. XLI), später dann noch ein Lied von dem Zug
eidgenössischer Söldner in die Picardie 1543 (a. a. O. XLIII).
Endlich ist hier noch zu nennen Hans Kraft von Zo-
fingen, später in Luzern. der die Schlacht bei Dreux 1562
(Bd. L S. XLVI) mitmachte und besang und den Drucker
(Apiarius in Bern), der den Text seines Liedes verändert
hatte, verklagte (s. Anzeiger 1873, S. 326 ff.). Betreffend seine
Lebensumstände entnehme ich den dortigen Angaben, daß
er 1552 das Bürgerrecht von Luzern erkaufte, 1559 — 1566
die Stadtschreiberei und 1566— 1567 das Schultheißenamt in
Willisau versah, wo er seine Erziehung genossen hatte. Von
dort siedelte er später nach Luzern über, wo er vom Unter-
schreiber zum Stadtschreiber aufstieg. Vom König von Frank-
reich bezog er eine ansehnliche Pension. 1573 machte er
einen zweiten Feldzug nach Frankreich als Hauptmann mit
und nahm als Oberst an der Einnahme von La Rochelle
Theil. Heimgekehrt starb er 1575 an der Pest. Rennward
Cysat, sein Stellvertreter und Nachfolger im Amt des Stadt-
schreibers, widmete ihm einen ehrenvollen Nachruf.
Herr v. Liebenau erwähnt im Anzeiger (1873, S. 279)
unter den Luzerner Dichtern noch einen Batt (Beatus) Rippel.
von dem mir nichts bekannt geworden ist. Das Spottlied,
das Martin Müller 1583 mit Andern bei einem Gelage auf
den Herzog von Savoyen machte, besitzen wir nicht, und
ein Spottlied auf Uri und Unterwaiden, das 1603 Jakob
Widmer von Luzern sang (a. a. O. 281), war vielleicht nicht
von ihm selbst verfasst.
In Bern und dessen Gebiet finden wir Namen von Ver-
fassern historischer Lieder nur wenige , während aus dem
XVL und XVn. Jahrhundert, wo dort geistlicher Volks-
KINLEITUNG XI
gesang blühte (vgl. Bd. I, S. LXXVII ff. 224), auch Namen
von Dichtern dieser Schule überliefert sind. Der berühmteste
Name ist der des Nikiaus Manuel, der sein Lied von der
Schlacht bei Bicocca kurz vor der Zeit sang, wo er durch
seine Volksfchauspiele der Reformation zum Durchbruch ver-
half. Etwas später fällt Nikiaus Schorr, Kürschner, der ein
Lied auf den Genfer /.ug 1536 und eines betreffend die all-
gemeine Zeitlage um 1552 (daneben vielleicht noch andere)
verfasst hat (vgl. Bd. L S. LIII — IV). Vm dieselbe Zeit lebte
in Bern, wenn auch nicht dort geboren, der namhafte und
fruchtbare Dichter Benedikt Gletting, dessen theilweise
gehaltvolle Lieder aber mehr der geistlichen Richtung an-
gehören. Michael Stettier feierte in einem Liede das BUnd-
niß zwischen Bern und Graubünden 1603. nachdem er im
Jahr vorher ein Gedicht über den verwirrten Zustand der
Welt verfasst hatte, (iwer Ritter dichtete, wahrscheinlich
auf Bestellung und um Lohn, Loblieder auf einzelne Städte
und Landschaften (vgl. Bd. I, S. 222), ebenso Ulrich Wirri
von Aarau, von dem wir auch ein Gedicht über die Schlacht
bei Dornach besitzen (Bd. L S. XXXIV). Peter Bichsel von
Trachselwald, der 1580 ein « Tratzlied wider ein fromme
Oberkeit von Bern <> sang, wurde vom Vogt gethürmt (An-
zeiger 1873, S. 283).
Aus dem benachbarten Frei bürg dürfen wir schon der
Sprache wegen nicht viel erwarten. Dort « im Saanenlande 0
lebte im Anfang des XVL Jahrhunderts der oben schon ge-
nannte Hans Lenz, ein geborner Schwabe, später Bürger
von Freiburg und daselbst fester ansäßig als der dichterisch
bedeutendere Veit Weber aus der Schwestersladt im Breisgau,
der nur vorübergehend im Burgunder Krieg das Lob der
Eidgenossen sang und darum hier nicht mitgezählt wird, da
wir ja einheimische Sänger genug haben. Lenz war vor dem
Ausbruch des Schwabenkrieges Hauslehrer von fünf jungen
Freiburger Patriziern gewesen, deren Schicksale während des
Krieges er in seiner Reimchronik desfelben mit erzählt. Daß
er in diese eine Anzahl Lieder von Andern, aber auch einige
II. II
XII EINLEITUNG
von ihm selbst aufgenommen hat, ist im Bd. I, S. VII. XXXII.
XXXIII angeführt. Ueber seine Chronik und die von Ludwig
Sterner, der jene abschrieb und der seinigen anhängte, hat
neuestens Prof. Vetter im Anzeiger (1884, S. 269 ff.) gründ-
liche Untersuchungen veröftentlicht. — Ueber Löwenstein von
Freiburg, der die Schlacht bei Dreux oder Blainville (1562)
mitgemacht und besungen hat, weiß ich nichts Weiteres an-
zugeben.
In Basel finden wir von Namen nur Kaspar Jöppel,
der den Eintritt der Stadt in den Bund besang, und den
durch andere Dichtungen und Schriften mehr als durch seine
Lieder von den Schlachten bei Agnadello (1509) und Novara
(1513) bekannten Pamphilus Gengenbach.
Gehen wir von Basel aufwärts, so gelangen wir in das
Grenzgebiet der sog. 4 Waldstätte am Rhein, welche mit den
Eidgenossen zeitweise verbündet, jedenfalls mit den Schick-
salen derselben nahe verbunden waren. Hier finden wir den
tf Isenhofer von Waldshut» (Tschudi), von dem wir leider
nur ein Lied (Bd. II, 23) und von dessen Person wir keine
weitere Kunde besitzen. Aus Lauffenburg stammte Matthias
Zoll er. der den Zug nach Blomont (II, 52) und die Schlachten
bei Murten und Nancy besang. Da Zoller im erstgenannten
Liede sich eine stählerne Stans^e zuschreibt und der nicht
genannte Dichter des Nancy -l^iedes dasfelbe Attribut, zu-
gleich aber Wohnsitz in Bern von sich angibt, so ist an der
Identität der Person kaum zu zweifeln und muß Zoller später
einmal in Bern gewohnt haben.
Im Thurgau finden wir einzig Hans von Anwil, Ver-
fasser des Liedes von der Belagerung von Lauffenburg (11,33).
In Zürich ist der erste Name, der uns begegnet (da
der des Schärers von lUnau, der Waldmanns Tod besang,
wohl nur Appellativ ist), Utz Eckstein, dessen Lied von
der Disputation zu Baden, sowie das auf dasfelbe Ereigniß
bezügliche von N. Manuel, freilich an der Grenze der eigent-
lichen Volkslieder steht, indem es eine geistige Schlacht
zum Gegenstand hat. Vgl. Bd. I, S. XLIII und 223. Wenig
EINLEITUNG XIII
Später finden wir Kaspar Suter von Horgen. 1546— 155()
Schulmeister in Zug. der die Schlacht bei Carmiol (1544)
besang, die er wahrscheinlich mitgemacht hatte, und 1549
eine Schweizer Chronik, hauptsächlich auf Grundlage der
Gessler'schen, zu schreiben unternahm, von der ein hand-
schriftlicher Auszug existirt. CDiese Angaben verdanke ich
gütiger Mittheilung des Herrn Prof. O. v. Wyß.)
Aus dem XVII. Jahrhundert kann genannt werden Hans
Rynacher. Schulmeister, mit seinem Lied auf den Veltlincr
Mord, und kurz nachher Gottlieb Rainkli (Renggli V) mit
seinem I.obspruch auf die Prättigauer : gegen Ende des
XMII. Jahrhunderts ein Lied auf die Patrioten am See (1794)
von Bürger Studer von Männedorf und ein Lied auf die
Rettung der Stadt Zürich (1799) von Heinrich Hotz. Aber
die letztgenannten Dichtungen und Personen, sowie viele
ähnliche, berühren jenes zweifelhafte Mittelgebiet zwischen
Volksliedern und halb kunstmäßigen Gelegenheitsdichtungen,
welches ich schon im ersten Band (vgl. S. LXXVIII) zu ver-
meiden suchte und auch jetzt nicht weiter betreten möchte.
Einzelne Namen tauchen noch manche zerstreut da und dort
auf, so in Zug Melchior Schell, Verfasser des neuen Tellen-
liedes 1712 (Bd. I. S. LXVII) und Franz Karl Bengg. Ver-
fasser eines Liedes auf den Kampf der Harten und Linden
(a. a. O. LXVIIIj, aber weitere Notizen über die betreffenden
Persönlichkeiten weiß ich nicht beizubringen.
Schließlich muß gesagt werden, daß die bisher aufge-
zählten Namen zufällig nicht einmal durchgängig mit Liedern
verbunden sind, die besondern A\'erth haben, und daß viele
namenlos überlieferte Lieder an poetischem und histor-
ischem Werth die erstem übertreffen. Als Beispiele dafür
führe ich die zwei St. Galler Lieder (Bd. II, S. 39 und 74)
an, von denen das erstere seine Verfasserschaft am Schlüsse
witzig versteckt wie das von Solothurn (IL 91), und das Lied
der zwei Schwizerknaben von der Schlacht bei Nancy (II, 66).
dem an wahrhaft niederschmetternder Gewalt wohl in unserer
ganzen Sammlung nichts gleichkommt.
XIV EINLEITUNG
Größeres Interesse als die Kenntniß todter Namen oder
sonst unbedeutender Personalien erwecken einige Eigen-
tbünilichkeiten des Stiles und Geistes der Lieder
selbst, woraus sich schließlich auch ein Urtheil über den
poetischen und historischen Werth der Lieder ergeben
wird.
Während die Schlußftrophen meist Angaben über die
Person des Dichters enthalten, tragen die Anfänge der Lieder
einen allgemeinen Charakter : beide neigen zu formelhaften
Wendungen. Eine hübsche Ausnahme von der Einförmigkeit
der Anfänge ist es, wenn der Dichter, wie einst die Minne-
sänger thaten, von der Jahreszeit seinen Ausgang nimmt;
aber während dort der Lenz die Liebe erneuert, eröffnet er
hier Kriegszüge und erfrischt den Kampfesmuth. Vgl. z. B.
II, 23. I, 15. Veit Webers Lied vom Zug der Eidgenossen
nach Pontarlier (1475) beginnt:
Der Winter ist gar lang gesin,
des hat getrurt meng vögelin,
das iezt gar frölich singet,
uf grüenem zwi hört nian's im wald
gar süeßiglich erklingen.
Der Mei hat 'bracht gar menig blat,
darnach man groß verlangen hatt,
die heid ist worden grüene ;
darumb so ist gezoo:en uß
gar menig man so küene.
Wenn die Zahl der ausziehenden Männer noch ausdrück-
lich mit derjenigen der entsprießenden Blätter verglichen
würde, so hätten wir eine Parallele zu einem bekannten
homerischen Bilde!
Oder statt der Jahreszeit erscheint die Tageszeit:
Oesterrich, du slafest gar lano^!
daß dich nit weckt der vogelsang !
hast dich der mette (Frühmesse) versumet !
Der Burgunner hat sich gan^ vermessen,
er wolt zu Bern und Friburg küechlin essen:
der bär hat im die pfannen gerumet!
(Rudolf Montigels LieJ von der Schlacht bei Grandson.)
EINLEITUNG XV
Bilder wie das von der Ernte in der S( hlacht bei Sempach
(II, 16. 34) und Züge wie der von den Bienen (ebd. II, 15)
sind leider selten. Zu den stehenden Zügen in den besten
Liedern des XV, Jahrhunderts gehört die rühmende Aufzähl-
ung der an den Ereignissen, besonders siegreichen Schlachten,
betheiliglen eidgenössischen Orte, auch ihrer Angehörigen
und Verbündeten. Natürlich mussten dabei formelhafte all-
gemeine Redensarten sich einstellen, welche dem Stil nicht
zum Vortheil gereichen, und es mochten über jenen Lob-
sprüchen gelegentlich die Thatsachen verkürzt werden : ich
habe daher in den Texten solche Stellen, wenn sie sich gar
zu breit machten, weggelassen, immerhin mit ausdrücklicher
Angabe dieses Verfahrens. Etwas belebter werden jene Auf-
zählungen, wenn statt der Namen oder neben ihnen die
Farben und Wappen der einzelnen Orte angeführt werden;
insbesondere boten die in Wappen vorkommenden Thiere,
meistens wehrhafte: Löwe, Bär. Stier. Steinbock, bei den
Feinden auch ITau. Adler (der in dem Liede II, 81 spöttisch
zur Krähe herabgesetzt wird, wonach die dortige Anmerkung
zu berichtigen ist) und Schlange, die Möglichkeit, personifizirt
und unmittelbar handelnd eingeführt zu werden. Dasfelbe
gilt in etwas geringerm Grade von den Geschützen, welche
(wie die (Hocken) Namen trugen. Ferner konnte das Interesse
dadurch erhöht werden, daß neben den weltlichen Helden
die Heiligen des Himmels, welche als Schutzpatrone einzelnen
Orten besonders nahe standen, zur Hülfe angerufen und mit
einem wirksamen Antheil an den Siegen bedacht wurden.
Daß die h. Jungfrau Maria mit ihrem Sohn besonders häufig
angerufen wird, versteht sich, auch noch im XVI. Jahrhundert,
nachdem die (ilaubenstrennung eingetreten war; denn die
meisten Dichter jener Zeit waren Katholiken.
Aber Beichte und Buße werden schon früher aus dem
religiösen Gebiet bildHch in's kriegerische gezogen; so im
Sempacher Liede (II, lo, vgl. Bd. L S, XXIV), und die Re-
ligion hinderte auch sonst nicht, daß neben der Frömmigkeit
die kriegerische Wildheit jener Zeit in den Liedern zu vollem
XVI EINLEITUNG
Ausdriuk kam, neben der gerechten Siegesfreude auch bitterer
Hohn auf die unterlegenen Feinde. Der von unvermeidlichem
Muthwillen bis an tollen Uebermuth, von erlaubter Beutelust
bis zu schadenfroher ZerstÖrungsfucht ausfchweifende Sinn
der damaligen Krieger zeigt sich am derbsten in den Liedern
vom Mulhauser und W'aldshuter Zug (Bd. II, S. 43. 49) und
von dem nach Blomont (ebd. S. 52). Wenn die gesunde und
edle Kraft der Lieder des XIV. Jahrhunderts im XV. theil-
weise in Derbheit und Roheit, die Kühnheit in Grausamkeit
übergeht, und wenn im Alten Zürichkrieg, in der Reformations-
zeit, im Bauernkrieg und in den Vilmerger Kriegen die Partei-
leidenschaft, zum Theil auch Haß gegen einzelne Personen,
unverholen hervorbrechen, so mag dies in moralischer Be-
ziehung ein ungünstiges Spiegelbild des Zeitgeistes und der
Zeitläufe sein: der poetische VVerth der Lieder wird erst
gefährdet, wenn statt lebensfrischer Anschauung und kräftiger
schlagender Kürze Trockenheit, Schwerfälligkeit, Nüchtern-
heit und Mattigkeit der Darstellung sich einstellen, was seit
der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts nicht selten zu
beobachten ist.
\\'as endlich die vom geistigen Inhalt nirgends trennbare
poetische Form in Absicht auf Reinheit und Glätte des
sprachlichen Ausdrucks, des Versmaßes und Reimes betrifft,
so darf man nicht vergessen, daß unsere Lieder, auch die
besten des XV. Jahrhunderts, einer Zeit angehören, wo Sprache
und Verskunst in allen deutschen Landen darniederlagen ; es
muß also auch in dieser Beziehung zunächst der Maßftab
der Zeit an sie gelegt werden.
Die Frage endlich, ob den Liedern irgend welcher Werth
als historischen Quellen zukomme, gehört zwar mehr in
das Gebiet der Geschichte als in das der Litteratur, ist aber
von dem poetischen Charakter der Lieder auch nicht ganz
trennbar. Abgesehen von einzelnen Ausnahmen, zu denen
z. B. gewisse Bestandtheile des Sempacher Liedes, vielleicht
auch der in mehreren Formen überlieferten Lieder von den
Schlachten bei Dornach und bei Kappel, ferner diejenigen
EINLEITUNG XVII
Lieder gehören, welche einen Rückblick auf den ganzen Ver-
lauf eines Krieges enthalten, sowie die, welche zum voraus,
weil nachweislich bedeutend später verfasst, als unecht aus-
geschieden wurden, tragen die übrigen durchaus den Stempel
der Gleichzeitigkeit, der freilich noch keine objective Wahr-
heit im Sinne wissenschaftlicher Kritik, sondern zunächst
höchstens subjective Wahrhaftigkeit verbürgt. Nicht jeder
einzelne Zug, den sie berichten, darf als unfehlbares Zeugniß
einer Thatsache gelten, aber ein Streben, die Thatsachen
durch absichtliche willkürliche Zuthaten zu entstellen, gibt
sich nirgends kund, sondern es sollten Nachrichten, die bald
nach dem Ereigniß aus dem Munde von Augenzeugen oder
ihnen Nahestehender in Umlauf gekommen waren, in dieser
Gestalt wiedergegeben werden. Im Eifer mag die Darstellung
etwas gefärbt, es mögen einzelne Angaben übertrieben worden
sein, aber beides kaum in höherm Grade, als dasfelbe Ver-
fahren in prosaischen Geschichtsquellen (Chroniken) zum
Vorschein kommt. \\'o nun gleichzeitige Prosaberichte vor-
liegen, kann man die Glaubwürdigkeit der Lieder an jenen
messen, und man mag. wo eine Differenz erscheint, im Durch-
schnitt jenen den Vorzug geben: keineswegs aber ist man
berechtigt. Züge von Liedern, welche sirh in Prosatpiellen
nicht bestätigt, aber auch nicht bestritten finden, ohne Wei-
teres als unhistorisch zu verwerfen. Auch die Schreiber von
Urkunden und Chroniken wussten nicht Alles oder brauchten
nicht Alles zu sagen, was sie wussten: es kommt also nur
auf die innere Wahrheit resp. Wahrscheinlichkeit an, und wer
Spezialangaben eines Liedes, ausgenommen etwa in Zahlen,
verwirft, muß nachweisen, daß es leichter war, dieselben zu
ersinnen, als aus der L'eberlieferung zu schöpfen. Die Lieder
sind im Ganzen zu behandeln wie andere historische Quellen.
Es ist also auszuscheiden i) was gegen natürliche Möglich-
keit verstößt; 2) was ausdrücklichen Angaben sonst glaub-
würdiger anderer Quellen widerstreitet oder im Gegentheil
als aus parallelen Fällen nachahmend übertragen sich ver-
rälh ; 3) was das Ge])räge bewusster Parteitendenz trägt. Im
XVIII EINLEITUNG
Uebrigen mögen manche Einzelheiten fraglich bleiben, andere
aber erwecken und verdienen durchaus Glauben und sind als
werthvolle Ergänzungen der übrigen Berichte zu schätzen. Der
historische Werth der Lieder ist aber überhaupt nicht haupt-
sächlich nach solchen Einzelheiten zu beurtheilen, sondern
vielmehr nach dem Gesammteindruck der Stimmung, die sie
beseelt. Es spiegelt sich darin unmittelbarer und treuer als in
irgend welchen anderen Quellen nicht nur im Allgemeinen
Geist und Sitte des Volkes in der betreffenden Zeit, sondern
Art und Grad der Theilnahme des gemeinen Mannes,
der Masse des Volkes, an den Ereignissen und Thaten. Dies
ist in aller Geschichte ein Moment, das zwar bis auf neuere
Zeit hintangesetzt worden ist, heutzutage aber immer mehr
in den Vordergrund tritt. Die Urkunden mögen das Knochen-
gerüst der Geschichte darstellen, die Chroniken Fleisch und
Blut, aber das eigentliche seelische Leben, der Pulsfchlag
der Zeit, ist am untrüglichsten aus den Liedern zu vernehmen.
13er Verfasser einer Chronik, der den Ereignissen räumlich
und zeitlich fern stand und Berichte von mehreren Seiten
gesammelt haben mochte, konnte vollständiger berichten und
darum auch unbefangener, besonnener und gerechter urtheilen
als der mitten im Sturm und Drang der Ereignisse stehende
und fortgerissene Dichter, aber eben jene zeitliche und räum-
liche Ferne musste ihm entziehen, was auf mittelbarem Wege
schwer zu ersetzen ist, den Lebensathem der unmittelbaren
Wirklichkeit, der durch Leidenschaft erhöht, aber nicht leicht
verfälscht werden kann. Denn man hat zu allen Zeiten ge-
funden, daß eben in der Leidenschaft die innerste Wahrheit
des menschlichen Gemüthes sich enthülle, und darum ist sie
nicht nur die Seele der Poesie, sondern — mit Vorsicht
gemessen und benützt — auch ein Moment geschichtlicher
Wahrheit, die von der Dichtung nirgends durch eine Kluft
geschieden ist.
^-^^-^^
Historische Lieder
Inschriften an dem Tellenhaus in Arth.
Unter dem Bilde von JVilhelm Teil:
Ach, ist denn jetzt mein Pfeil und Bogen
so gar gebrochen und entflogen,
da Ehrgeiz und der Eigennutz
bei dieser Zeit der erste Schutz,
da man durch's schnöde Geld und Gut
bald ehret eines Jeden Hut.
Werner Stauffacher :
Wenn Eigennutz kein V ortheil spielt.
Auf g'rechte Sachen man nur zielt,
Aufrichtigkeit die Rathschläg stellt,
Vertrauigkeit sich mit aufstellt,
Ist dieses dann der rechte Bund,
Wann mehr das Herz spricht als der Mund.
Arnold Melchlhal:
Auf Gottes Hilf sei d' Hoffnung g'stellt,
Mit dieser hat's noch niemal g'fehlt.
Die alt Treu, Lieb und Einigkeit
War jezt das Best bei dieser Zeit :
Wenn Mund und Herz noch war beisammen,
So hätten wir den alten Stammen.
Obige Inschriften -wurden den Herausgebern der zweiten Auflage von « Des Knaben
VVunderhorn >» mitgetheilt von Dr. A. Lütolf.
HISTORISCHE LIEDER.
Kampf der Städte Bern und Biel mit dem Bischof
von Basel. 1368.
s. Bd. I, S. XXII.
I. Nu hörent jämerliche klag,
die man seit im lande ;
im^ möchten rittcr und ouch knecht
iemer wünschen schände.
2. Den gotes slüssel sint bekant^,
die sint ze röubern worden ;
si stiften mort und ouch brant —
geschendet si ir orden!
3
Der ein"^ kam gen Biel gerant,
ir mögent in wol erkennen :
bischof Hindersich* ist er's genant,
als in die Basler nennen.
^ bezieht sich auf den in Str. 3 genannten Bischof. ^ anvertraut.
^ einer von diesen; ein solcher. * Rückwärts, mit Beziehung auf
seinen Treubruch, Str. 4, i — 2.
HISTORISCHE
4. Er schwur in uf die trüwe sin,
des ist er meineid worden;
da si in Hessen zu in in,
1
5. Mortlichen^ stünt sin sinn
gegen des bistüms lüten;
grafen und herren hatt' er da,
als ich üch wil betüten.
6. Die warent gewapnet weidelich^
mit irem beino:ewande ;
was die im rieten heimlich,
des hat er iemer schände.
7. Wenn er verriet sin gebiet,
si schrüwen spöttiglich:
«Ist dis dem beren nit lieb,
der ber der lebet nicht^.
8. Möchten wir in ze felde han,
das Sachen wir gerne;
im wurd wol anders getan
und allen den von Berne ! »
9. Darumbe wolt der bischof geben
wer der wolt, der näme! —
fünfzehentusent guldin;
lebte der ber, er käme^.
^ Die fehlende Zeile könnte gelautet haben wie 2, 4 (sin statt ir)
oder das Reimwort könnte morden gewesen sein. ^ mörderisch, oft
aber auch nur: verrätherisch. ^ stattlich. * er regt, rührt sich doch
nicht; vgl. 9, 4. ^ Der Sinn dieser und der vorigen Strophe ist: Der
Bischof hätte viel darum gegeben, die Berner zum Kampfe aufs
offene Feld herauszulocken.
LIEDER 5
10. Das vernam der ruche her;
er sante so geschwinde
nach dienern und eidgnossen,
ein keiserlich^ gesinde.
11. Er zoch dahin gen Biele ;
not ward den herren
ab der bürg zu fliehen,
si gebeiten^ sin nit mere.
12. Die selbe wol gelegen bürg
die hat der ber zerbrochen;
er lag zwölf tag und ouch die nacht,
er het sich gern gerochen.
13. Gelegen was ir geschah;
die mit den langen gleven^
und mit dem beingewande
die fluchent* allesamt.
14. Der ber der sucht dll umb sich^,
hüser macht er türe^;
si smucktend' sich all in die stett,
das kam von sinem füre.
15. Das blies er uß sim munde;
die do wolten edel sin,
die warent alle verswunden;
der ber für heim gesunde.
^ stattlich. - warteten. ^ Spiessen. * flohen. ^ rings herum.
* selten; d. h. er zerstörte viel. ^ drückten, bargen.
6 HISTORISCHE
i6. Der bischof sant vil zorniglich
nach sinen Herren allen:
von Lotringen der herzog,
von Blankenburg mit schalle,
17. Von Tierstein, von Viann,
wol zwenzig landesherren,
die ich nit all erkant —
ir Orden ist geschant.
18. Er klagte klagelichen:
« ab des beren klawen
wir band verloren bürg und lant,
wir gewinnen niemer rawe^.
19. So die eidgenossen sind enw^eg,
so finden wir in alleine
so ist sin macht gar kleine.
20. Er hat ein loh^, ist mir geseit,
das ist der Bremgarte;
darin so wellen w^ir des beren
mit viertusend axen warten.
21. Den walt wend wir abhouwen;
es müeßent alle guten stett
jamer an im schouwen;
die reise mueß er touwen^!»
^ Ruhe. ^ Wald; vg], 21, i. ^ er muß diesen Zug verdauen;
d. h. den ihm dadurch verursachten Schaden leiden.
LIEDER
22. Den herren ward der sold geben;
si füren frevenlichen^
hin über den Howenstein;
man sach vil mengen strichen,
23. Recht als ein fromen^ man,
der bi drien milen^
gegen Bern nie kam;
die roß in wurden lam.
24. Ze Grenchen und ze Bellach
da mugent ir wunder schowen:
von dannen stalent si sich nachts
als die kranken frowen.
25. Der ber wolt si erslichen han"*;
daß si im entrunnen,
das rüwet mengen man ;
si waren an eren lam.
26. Der ber gedacht in sinem müt:
wend si dis iemer triben?
si zennent^ dich und fliend enweg;
du wilt nit me beliben.
27. Und für all über Aar
und vor sant Martins klafter^;
da w^ard vil mengem swar'
uf dem sloß und anderswar^.
^ tollkühn, frech. ^ wacker, tapfer; natürlich ironisch gemeint.
^ weiter als 5 Meilen ge<^en oder von Bern. •* hätte sie gern über-
fallen, ertappt. '" reizen, locken, *^ Engpaß auf der Straße von Biel
über Bözingen ins St. Imer-Thal, so genannt, weil nach der Sage
der h. Martin, in Gefahr über die steile Felswand hinabzustürzen>
seine Arme betend Maftenueit ausflreckte. ^ schwer. ^ — wo.
HISTORISCHE
28. In dem gerüte dar er kam,
das was so ser verfeilet ^;
do rümt er mit den klawen;
er sprach zu sinen gsellen:
29. «Wir koment uf den rechten plan:
si haben hie gehüwen,
die uns den Brems^arten Heßen stan;
es wil uns wol ergan. »
30. Schier^ brach er in sant Imers tal,
da er ir viel verjaget;
da ergreif er si mit den klawen,
da wurden sie verzaget.
31. Zu dem sloß do stund sin müt,
darin fand er si uffe,^
dafür nam er kein gut.
(sin zorniglicher müt"^.)
32. Er greif si figentlichen^ an,
daß si sich sere werten,
mit pfilen und mit steinen groß
den Sturm si beherten*^,
l^. Unz' daß si der ber bezwang;
er slüg si all ze tode
mit sinem üblen zand^;
das hus er schier verbrant.
^ verhauen, durch Verhaue ungangbar gemacht. ^ bald, schnell.
^ Variante: fand er vil mengen man. * vielleicht: in zorniglichem
müt. Die Strophe ist aber jedenfalls zerrüttet. '° feindlich, erbittert.
^ beherten: behaupten, aushalten. '' bis. ^ Zahn.
LIEDER
34. Der ber begonde wüesten;
do er sich hat gerochen,
das hus, den turn ze Taffen^
hat er beid zerbrochen.
35. Münstertal hat er verbrant,
Münster hat er gewüestet;
er fand vil schier uf der wal^
die toten ane zaL
36. Von Solotern die eidgnossen
die sind dem beren getrüwe ;
si machtent da ze Grenfeld^
der frowen jamer nüwe.
37. Man sach's den von Felsberg übel gan^
die paner man in nam;
Solotern fürt s' mit im heim,
sie hatten schon gefochten.
38. Der bär zwei länder hat verbrant,
zwei turn, zwei sloß zerbrochen,
lüt und gut gar vil geschant
und sich gar wol gerochen.
39. — — — — — —
wirt es nicht understanden^,
er spricht dem bischof: schach!
matt ist im gar nach.
^ Tavannes oder DachsfelJen, im Münsterthal. ^ Wahlstatt.
3 Grandval oder Granfelden. * Str. 37 beginnt im Original mit der
Zeile: IVan (denn) si erslügen mengen man, was sich noch auf 36, 4
bezieht, aber unnöthig ist und die Strophe überladet, man wolle denn
Zeile 4 weglassen {schon = schön, rühmlich). ^ verhindert (durch
Dazwischentreten eines Dritten, Vermittlung).
10 HISTORISCHE
Das Lied ist leider mangelhaft überliefert, immerhin bietet es
auch in der vorliegenden Gestalt treffliche Stellen und im Ganzen
mehr Einheit der Form und des Tones als das Lied (oder vielmehr,
wie Justinger S. 145 sagt: die Lieder) von den Guglern (Bd. I,
S. XXII, 5), auf dessen Herstellung man verzichten muß. Ich habe
den obigen Text im Ganzen übereinstimmend mit v. Liliencron, doch
unter Benutzung einiger von Bartsch (Germania XI, 109) und G. Studer
(Archiv des hist. Vereins von Bern Bd. VI, S. 258—264) mitgetheilter
Lesarten gegeben. Dem Inhalt nach weicht es betreffend die Zeit-
folge der von Str. 16 an erzählten Ereignisse in bemerkenswerther
Weise von den Chroniken ab; vgl. v. Lil. I, 64. Studer a.a.O. 264 — 265.
Schlacht bei Sempach. 1386,
s. Bd. I, S. XXIII.
I.
1. Die niderländschen^ Herren
die zugent ins oberland.
wend si der reise pflegen-,
si sönd sich baß bewaren^,
si söllent bicht verjehen*;
von handhaften Schwyzern^
ist inen we beschehen.
2. «Wo ist nun der pfafFe,
der uns bichten sol?»
« Zu Schwyz ist er's gesessen.
er kan wol büße geben :
mit scharpfen hallenbarten
so gibt man inen den segen ! »
^ bezeichnet hier natürlich nur das Gebiet des Oberrheins im
Gegensatz zum Gebirge. ^ diesen Zug unternehmen. ^ vorsehen,
ausrüsten. '^ Beichte thun. ^ Lesart von W. Steiner, statt oherländschen
herren bei Ruß.
LIEDER 1 1
(( Das ist ein scharpfe büße,
Herr pie domine ^!
die wir nun tragen müeßen;
das tut uns iemer \ve.
wir müeßent's iemer klagen,
daß wir die Herten büße
von Schwvzern müeßen trafen. »
'ö'
4. \^on Luzern und von Ure,
von Schwyz, von Underwalden
vil menig gut biderman
zu Sempach vor dem walde,
do inen der leu bekam'-^,
si waren hochgemeit^:
« Herr leu, wiltu hie fechten,
es ist dir unverseit.»
5. Do sprach der leu zum stiere:
«du fliegst* mir eben recht;
ich han uf diser beiden
gut ritter und ouch knecht;
ich wil dich's wüssen lan,
daß du mir hast vor Loupen
ü;ar vil ze leid £;etan.
6. An dem Morgarten
erschlügst mir mengen man;
ich wil dir's hie vergelten,
ob ich's gefüegen^ kan.»
« So ruck harzühar^ baß,
daß dich derselbe pfaffe
bichte dester baß ! »
^ guter Gott! '^ begegnete, ^erfreut. * kommst gelegen. ^ an-
stellen, dazu bringen. ^ herzu.
12 HISTORISCHE
7. Der leu begunde rußen ^
und schmucken sinen wadel^.
do sprach der stier zum leuen
«wöU wir's versuchen aber^,
so trit herzühar baß,
daß dise grüene beide
von blüt werde naß.»
8. Si begonden z'samen treten,
si griffend's frölich an,
bis daß derselbe leue
gar schier"^ die fluchte nam;
er floch hin biß an bers:
t?
«wo wiltu, richer leue?
du bist nit eren wert.
9. Wiltu mir hie entwichen
uf diser beide breit,
es stat dir lästerlichen^,
wo man es von dir seit,
es stat dir übel an;
du hast mir hie verlassen*'
o^ar meno:en stolzen man.
IG. Dinen harnesch «rüten
hastu mir hie verlan,
darzü zechen houptpanner,
si steckent uf disem plan ;
es ist dir gar ein schand,
ich han dir's angewunnen
mit ritterlicher band.
3
^ schnauben, brüllen, "den Schweif einziehen. ^ abermals. * bald,
schimpflich. ^ zurückgelassen.
LIEDER I
IT. Die von Mümpelgarten
und die von Ochsenstein —
man muß ir lang erwarten,
ob si koment heim :
si sind ze tod erschlagen,
zu Sempach vor dem Walde
ligent si vergraben.
12. Martin Malterer von Friburg^
mit sinem krusen hart,
darzü die von Hasenburt:^
hieltent uf der fart,
und vil der Oettinger^
und ander landesherren,
den was die reis zu schwer.
13. Die von Bremgarten
und die von Wintertur
und ander landesherren —
den ward der schimpft zu sur —
von Brugg und ouch von Baden :
ein kü mit irem schwänze
hat ir vil erschlagen. »
14. Kü Blüemle sprach zum stiere:
« ich muß dir iemer klas:en :
mich wolt ein schwäbischer herre
gemulchen haben;
ich schlug in, daß er lag,
ich [schlug] in dannoch mere,
daß im der köpf derbrach^. »
^ im Breisgau. - Herren von Eptingen. ^ Spaß. * hier (viel-
leicht nur Schreibfehler) für \er-, sonst zuweilen (aber nicht schwei-
zerisch) für er-.
14 HISTORISCHE
15. Nun sprach der stier zum leuen :
« nun bin ich hie gewesen,
du hast mir dick^ getröuwet,
ich bin vor dir genesen^,
nun ker du widerumb heim
zu diner schönen frowen;
din er sind warUch klein ! »
Obiges Lied ist von dem Chronisten Ruß mitgetheilt als das-
jenige, welches «nach der Schlacht » gesungen wurde, womit er es
von einem andern zu unterscheiden scheint, welches erst später auf-
kam. Die handschriftliche Sammlung von Werner Steiner in Zug,
aus dem Anfang des XVL Jahrhunderts, gibt eine kürzere Fassung,
in welcher Str. 5—6 und 12 — 15 des Ruß'schen Textes fehlen. Auch
dieser wird aber schwerlich unmittelbar oder bald nach der Schlacht
so gesungen worden sein, denn innerhalb einer Frist von 100 Jahren
bleibt kein Volkslied unverändert. Das vorliegende trägt mehrere
Spuren sekundärer Gestalt. Zwar daß neben dem Bilde vom Beichten
das von dem Gespräch und Kampf der zwei Thiere steht, möchte
ich nicht so bestimmt wie Herr v. Liliencron (I, 122) für jene An-
sicht geltend machen; denn das Bild vom Kampf der Thiere war
■damals so beliebt und geläufig, daß es sich in einem Volkslied (dessen
Stil ja nie nach dem der Kunstdichtung bemessen werden darf) neben
das vom Beichten drängen konnte, zumal da auch im Thierepos
Beichte (neben Wallfahrt) vorkommt. Die Satzfügung in Str. 4 finde
ich, bei meiner Interpunktion, ebenfalls nicht anstößig. Aber der
W^ortlaut im Einzelnen ist mehrfach mangelhaft und verräth Flick-
arbeit. Str. 3 enthält etwas matte Wiederholung, und nach Maßgabe
von Str. 7, 4 ist zu vermuthen, daß auch vor Str. 6, 5 ein Bedingungs-
satz gestanden habe. Die Form der Wiedereinführung des Beichtens
in den zwei letzten Zeilen dieser Strophe ist allerdings ungeschickt.
Immerhin musste das Lied, weil es einmal aus relativ guter
■Quelle überliefert ist und jedenfalls echte alte Züge enthält, hier
seine Stelle finden ; daß es, obwohl in überarbeiteter und zerrissener
Gestalt, Bestandtheil des großen Liedes II geworden ist, trägt nur
■dazu bei, dieses letztere um so mehr als durchgängiges Flickwerk
■erkennen zu lassen.
oft. - am Leben geblieben.
LIEDER
II.
1. Im tusend und drühundert
und sechs und achzig jar
do hat auch got besunder
sin gnad getan, ist war,
he, der eidgnoschaft, ich sag,
tet inen groß bistand,
uf sant Cirillen tag.
2. Es kam ein herr gezogen
von WilHsouw uß der stat;
do kam ein imb^ geflogen,
in d' Hnden er g'nistet hat,
he, der im an'n wagen flog^,
als do der selbig herre
wol für^ die linden Z02:.
3 . Das dütet fremde geste !
so redt der gmeine man.
do sach man wie die veste
dahinden z' Willisouw brann.
he, si redtend uß Übermut:
« die Schwizer wend wir töten,
das jung und alte blüt!»
4. Si zugend mit richem schalle"*
gen Sursee in die stat,
dieselben herren alle,
so da die landschaft hat.
« he, und kost es lib und leben,
die Schwizer wend wir zwingen
und inen ein herren geben ! »
^ Bienenschwarm, '^ Tschudi: an 's herzogen waffen er flog.
•' an (der Linde) vorbei. * mit lautem Lärm.
l6 HISTORISCHE
5. Si fiengend nun an ziehen
mit ir kostliclien wat^;
das völklin fieng an fliehen
gen Sempach in die stat,
he, das uf den ackern was;
den herzog sach man ziehen
mit einem her, was groß.
6. Welch frouwen si begriffend^,
namend si zu der hand,
hand inen abgeschnitten
ob dem gürtel ir gewand.
he, und Heßend s' lästerlich^ stan;
da batend s' got von himel,
er sött's nit une;'rochen lan^.
7. An einem mäntag früe
do man die mäder sach
letzt müßen^ in dem touwe,
davon in we beschach.
he, do si gemäjet hand,
man g'lobt^ in z' morgenbrote
vor Sempach uf dem land.
8. Gar bald ruft Hans von Küsnacht
gen Sempach in die stat:
« gend nun den mädern z' essen,
denn si sind an dem mad;
he, das wend die mäder han,
und tünd ir das nit balde,
ir werdind sin^ schaden han!»
^ Kleidung, Rüstung. ^ ergriffen, trafen. ^ schmählich. * hier
folgen im Original die Str. i — 3 von I eingeschoben. ^ der Muße
pflegen, von der Arbeit ruhen. ^ versprach. Tschudi: bracht. ' davon.
LIEDER 17
9. Do antwurt im geschwinde
ein burger uß der stat:
« wir wend si schlan um d' grinde
gar schwier in irem mad,
he, inen gen ein morgenbrot,
daß ritter und ouch knechte
am mad wird ligen tot ! »
IG. «Wenn kumt das selbig morgenbrot,
das ir uns wellend gen ? »
«wann wir die küew gemelken,
so sond ir's wol vernen ;
he, wir wend üch richten an,
daß üwer etwa menger
den löffel wird fallen lan ! »
1 1 . Gar bald si das vernamend
von Sempach uß der bürg,
daß d' eidgnossen kamend.
do reit der von Hasenburg,
he, er spähet in dem ban;
do sach er bi einandern
meng eidgnossen stan^
12. Er tet zum leger keren,
gar bald er zu in sprach :
« ach, gnädiger fürst und herre,
hetend ir hüt üwer gemach^,
he, allein uf disen tag!
das völkU hab ich beschouwet,
si sind sar unverzagt. »
^ Im Original folgt hier eine Strophe, welche unter den Eid-
genossen die Luzerner hervorhebt und dann auf den von Hasenburg
zurücklenkt. - würdet ihr euch ruhig verhalten; vgl. S. 25, 6.
II. 2
l8 HISTORISCHE
13. Do redt einer von Ochsenstein:
« Hasenburg hasenherz ! »
im antwurt der von Hasenburg:
« dine wort bringend mir schmerz ;
he, ich sag dir bi trüwen min :
man sol noch hüt wol sehen
wer der zeeer ^ werde sin ! »
14. Si bundend uf ir hehiie
und woltend s' fürliin^ tragen;
vo'n schüchen huwend s' d' schnäbel,
man het gefüllt zwen wagen,
he, der adel wolte vornen dran,
die armen gmeinen puren
mußtend dahinden stan.
15. Züsamen si nun sprachend :
(( das völkU ist also klein ;
söltind unser puren schlahen,
unser lob das wurde klein,
he, man sprach : die puren hand's getan. »
die fromen eids^enossen
rüftend got im himel an:
16. «Ach, richer Christ von himel,
durch dinen herten tod
hilf hüt uns armen sündern
uß diser angst und not,
he, und tu uns bistan,
unser land und lüte
in schirm und schütz behau! »
^ zaghafter, feiger. " vorwärts.
LIEDER 19
17. Do si ir bet volbrachtend
sot zu lob und ouch zu eer
und gotes liden gedachtend,
sant inen got der Herr
he, strenge^ herz und manneskraft
und^ daß si tapfer kartend^
iez gegen der ritterschaft'^.
18. Des adels her was veste
in Ordnung dick und breit;
verdroß die fromen geste;
ein Winkelriet der seit:
«he, wend ir's g'nießen^ lan
min arme kind und frouwen,
so wil ich ein frefel'^ b'stan.
19. Trüwen, lieben eidgnossen,
min leben verlür ich mit;
si band ir Ordnung bschlossen,
wir mögend's in brechen nit:
he, ich wil ein inbruch han,
des wellind ir min geschlechte
in ewikeit g'nießen lan ! »
20. Hiemit so tet er fassen
ein arm vol spießen b'hend,
den sinen macht er ein gassen,
sin leben hat ein end ;
* stark, tapfer. - so. ^ kehrten, sich wandten. * Im Original
folgen hier die Strophen 4 — 7 von I eingeschoben, dann noch eine
Strophe (26) mit der unwahrscheinlichen Angabe, man habe ;^u den
Eidgenossen in dm Wald hinein geschossen. = entgelten. ^ ursprüng-
lich und noch hier nur: kühne That.
20 HISTORISCHE
he, er hat eins löuwen müt,
sin tapfer manlich sterben
was den vier waldsteten gut.
21. Also bestünde brechen
des adels Ordnung bald
mit houwen und mit stechen,
o^ot siner seien walt!
he, w^o er das nit het getan,
müßt menger from eidgnosse
sin leben verloren han.
22. Si schlügend unverdrossen
und stachend mengen man
und rüftend, die fromen eidgnossen,
einandern trüHch an.
he, den löuwen es ser verdroß,
der stier fieng sich an sperren,
dem löuw^en gab er ein stoß^
23. Der löuw fieng an zu mauwen^
und treten hinder sich^;
der stier starzt* sine brawen
und gab dem löuwen ein stich,
he, daß er gar kum entrann:
«ich sag dir, ruche(r) löuw^,
min weid müßt mir hie lan ! »
Auf Strophe 23 (32) folgen im Original zunächst die Strophen
8 (im Anfang verändert), 15, 9, 10 von I, dann 4 Strophen, welche
die Leistungen der vier Waldstätte in der Schlacht der Reihe nach
^ Hier folgt im Original eine (auch bei Tschudi fehlende) Strophe
(52), welche das entstandene Handgemenge beschreibt. ^ brüllen.
^ rückwärts. ^ Präteritum von sterben, aufrichten. Brauen hier = Stirn
(Hörner).
LIEDER 21
rühmen, und eine weitere Strophe (42), welche den Ausgang des
Kampfes (ähnlich unserer Str. 25) berichtet. Mit dieser Strophe
bricht auch, was für die Kritik zu bemerken ist, der Text des Liedes
ab, den die Einsiedler Handschrift von Schodelers Chronik enthält.
In Str. 45 — 44 wird der Tod des Herzogs Leopold sammt 3 50 Adelichen
gemeldet. Dann wird (Str. 45 — 50) erzählt, wie der Schiffmann Hans
von Rot den flüchtigen Herzog von Cleve (bei Tschudi: Herr von
Grec) in den Sempacher See stürzte und zum Lohne für diese That
die Hälfte der dem Todten abgenommenen Beute erhielt. Darauf
wendet sich die Erzählung auf den Herzog von Oestreich zurück,
dessen Gemahlin die Nachricht von seinem Tod empfängt und ihn
in Königsfelden begraben lässt (Str. 51 — 53). Sein Schicksal wird
als Folge des Uebermuthes dargestellt, womit er den Krieg gegen
die Eidgenossen angefangen und auch einen Wagen voll Stricke mit-
genommen hatte (Str. 54 — 56). Es folgt eine Reihe von Strophen
(57 — 65; Str. 57 = Str. 1 1 von I, die übrigen erweitert aus I, 12 und 13,
)8 und 59 nur bei Tschudi), in welcher der Antheil der einzelnen
Städte an der Niederlage aufgezählt wird, wobei das Fähnlein von
Zofingen eine eher mitleidige als rühmende Erwähnung findet. Str. 66
entspricht der Str. 14 von I ; den Schluß macht die viel besprochene
Strophe 67:
Halbsuter unvergessen,
also ist er genant,
zu Luzern ist er gesessen
und was gar wol erkant,
he, er was ein biderman :
dis lied hat er gemachet,
als er ab der schlacht ist kan (gekommen).
Betreffend die letzten Worte verweise ich auf Bd. I, S. 222. Ein
Halbsuter wird im Jahr 1382 als in Luzern wohnhaft genannt. Wenn
die Worte «ah der Schlacht» bedeuten können «aM5 der Schlacht »,
so könnte jener Halbsuter unmittelbar nach der Schlacht, die er mit-
gemacht hätte, ein Lied von derselben verfasst haben, welches aber
gewiß nicht das ganze große Flickwerk war, das ihm in der Schluß-
strophe zugeschrieben wird, sondern ein kürzeres, etwa von dem
Umfang und Inhalt des in unserm Text gegebenen oder von I, viel-
leicht aber vielmehr dieses selbst, von dem Ruß sagt, es sei nach
der Schlacht gesungen worden, während er ein anderes nicht zu
kennen oder in jener Eigenschaft anerkennen zu wollen scheint.
Bedeuten die fraglichen Worte eine Gedächtnißfeier der Schlacht
22 HISTORISCHE
so müssen sie sich auf den Jüngern Halbsuter (vielleicht Nachkomme
des altern) beziehen, der ein ziemlich angesehener Bürger von Luzern
war (vgl. Bd. I, S. 224 und dazu die 4. Zeile der Schlußftrophe), den
alten Zürichkrieg mitmachte und erst nach 1470 starb. Dieser Halb-
suter könnte aus älteren kleineren Liedern, die schon neben I vor-
handen, aber weniger bekannt sein mochten, überdies aus Erinnerungen
von Zeitgenossen und aus Lokalsngen von Sempach ein größeres
Lied zusammengestellt haben, in welches auch die That Winkelrieds
aufgenommen wurde. Es ist nämlich bemerkenswerth, daß die in
Winkelrieds Worten vorausgesetzte Fürsorge für Hinterlassene von
im Kriege gefallenen Bürgern in Luzern gerade um die Zeit aufkam,
in w^elche das Lied zu setzen wäre und in welcher auch durch den
alten Zürichkrieg, den Thurgauer und Waldshuter Krieg der Kampf
mit Ocstreich neu erweckt war. Ob ein damals entstandenes Lied
auch schon alle die Bestandtheile enthielt, die in unserm Text weg-
gelassen sind, ist ungewiß und nicht wahrscheinlich, da die Hand
eines spätem Bearbeiters, der ja jedenfalls in der letzten Strophe dem
Halbsuter als « unvergessenen » ein Denkmal gestiftet haben muß^
auch andere Anhänge hinzugethan haben kann. In der vollständigen
Gestalt ist das Lied erst nach dem Jahre 1530 bezeugt und die Kritik
ist daher vollkommen berechtigt, es auf eine einfachere zurückzuführen,
obwohl diese niemals mit Sicherheit herzustellen sein wird. Daß
die erstere weder im Inhalt noch in der Form ein einheitliches Werk
ist, daß sie niemals so kann gesungen worden sein und auch heute
nicht mit Genuß gelesen werden, ist offenbar. Für die Kritik im
Einzelnen muß ich auf die vortreffliche Leistung des Hrn.v. Liliencron
verweisen, dem ich nur in der Ansicht nicht beistimmen kann, Str. 12
(16) des Liedes habe nur unter der Vorausfetzung Sinn, daß die
Eidgenossen an Zahl überlegen gewesen seien, wie die östreichischen
Berichte sagen. Daß die Episode von dem Schiffmann Hans Rot
mit der von dem Fischer Bachs in der Zürcher Mordnacht überein-
stimmt, ist leicht zu bemerken, schwerer zu entscheiden, zu welchem
von beiden Ereignissen sie ursprünglich gehöre; denn die historische
Priorität der Mordnacht beweist noch nichts.
LIEDER 23
^
Aus dem alten Zürichkriege.
s. Bd. I, S. XXVI und S. 10.
I. 1443.
1. Woluf, ich hör ein nüw gedön,
der edel vogel sang!
ich truw es kom ein ganze schön ;
unweter hat sin gang
gerichsnet^ uf der heide,
die blümen sint erfroren.
dem adel alls ze leide
hand puren zesamen geschworen.
2. Die wulken sind ze berg gedruckt,
das schafft der sunnen sjlanz:
den puren wirt ir gwalt gezuckt'^,
das tut der pfawenschwanz^.
Blüemi^, laß din lüejen^
gang hein, hab din gemach",
es gerät ^ die herren müejen,
trink uß dem mülibach!
Belibest du daheima,
du hetist güti weid,
dich betrüepti nieman
und beschäch dir nüt ze leid!
Du gerätst ze \vit ußbrechen,
das tut dem adel zorn :
last nit von dinem stechen,
man schlecht dich uf die hörn !
^ geherrscht. '^ entrissen. ^ das Zeichen der östreichischen Partei.
^ Kuhname; vgl. Kuh Brüni im Sempacher Liede. ^ brüllen. ^ halte
dich ruhig. ^ beginnt.
24 HISTORISCHE
4. Du hast ein fart^ din schwänz gereckt
hin an den Zürichse;
damit so hast du si erschreckt,
die Schmach die tut in we.
Wer nun den andren hab betro2:en?
ich reden als die toren^ :
mich dunkt, der pund hab sich gebogen^,
den si hand zsamen geschworen.
5. Nun lügend zu üch selber:
ze Zürich, in ihver stat,
da lüejend küe und kelber"^,
wie^ man's verboten hat.
Rütend uß den gründe,
der das unkrut gebirt!
ir gelebend *^ noch die stunde,
daß es üch fröwen wirt^
6. Die puren tribend wunder,
ir Übermut ist groß,
Schwiz und Glaris besunder,
nieman ist ir o:enoß^.
Si tragend iez die kröne
für ritter und für knecht ;
wird in nun der lone,
das ist nit wider recht.
^ einmal. - ich meine in meiner Einfalt. ^ im November wurden
zwischen Zürich und den Eidgenossen Absagebriefe gewechselt. * es
gab in Zürich eine eidgenössische Partei, welche aber eingeschüchtert
wurde. '" wie sehr auch. ^ erlebt. ' Statt dieser Strophe hat Tschudi's
Text 5 andere, in welchen Zürich ermuthigt wird, den Kampf mit
den Schwyzern aufzunehmen. ^ thut es ihnen gleich.
LIEDER
7. Ich mein iez die von Berne :
tünd ouch, als üch denn dunkt!
uns zündt ein nüwer Sterne^,
heiter ist sin funk ;
Ir heind vil mengen puren :
gewunn es sinen gang^,
si brächen üch durch die muren,
si sparten es nit lang.
8. Basel, du macht^ dich fröwen,
wan* dir wird schier din Ion;
macht du die spis nit töwen^,
man git dir purgation ;
die rumet dir din magen,
darnach wirst du gesund !
man muß dir vil vertragen^,
wan du bist in dem pund.
9. Es ist nit alls ergangen
ie, das beschechen sol ;
die fromen gerät belangen",
die falschen gebeitend** wol.
Nun hin, es komet alles,
der nun^ gebeiten mag;
nieman acht' ir schalles,
es wcndt ein halber tas^*^.
* wohl der Bund mit Oestreich. '^ wenn es so fort gienge.
^ magst. * denn. ° verdauen. ^ sich von dir gefallen lassen. ^ lange
dünken. * warten. ^ wenn einer nur. ^" In 3 folgenden Strophen
wird das zweideutige Verhalten der aargauischen Städte gerügt, da-
gegen die Festigkeit von Rappersvvyl und Winterthur gerühmt und
bestärkt.
26 HISTORISCHE
10. Die zit hat sich erloufen^,
die weit ist vil ze toub^ :
man muß die heiden teufen^,
so meret sich der gloub!
Unrecht hat sinen gange,
ir Übermut ist groß;
vertreit in's der adel lange,
si sitzen im in die schoß.
1 1 . Der künig erfordref^ ie sin lüt
und ouch darzü sin land^,
das recht er für die Fürsten büt^;
das tut den puren and'^.
Ir Übermut der ist nit klin,
wan das lit an dem tag:
«wir wein im rechtes ghorsam sin
nach unser pundbrief sag.
1.2. Wan kämin wir für die herren,
so hetin wir uns erwegen^;
wir müestend w^derkeren,
daheim der küegen^ pflegen;
unser herrschaft wurd denn knecht,
klein schmal wurd unser gebiet:
well der künig von uns das recht,
so kom ^en Beckenried ^^,
^ es hat lange genug gewährt. ^ man hat zu wenig darauf ge-
achtet. ^ man muß diesen Leuten einmal den Meister zeigen. ■* be-
gehrt zurück. ° das Aargau. ^ will es auf die Entscheidung der
Fürsten ankommen lassen. ^ Unlust. ^ unsern Vortheil preisgegeben.
Kühe. ^*^ dort hielten die Eidgenossen am 6. Januar 1445 eine
Tagsatzung.
LIEDER 27
13. Da wellen wir im losen!))
sprechend die melkerknaben ;
die knüw gond in durch d' hosen,
graw rock sieht man si tragen.
Ir w^as ein michel teile,
beide jung und alt;
küng, got geb dir heile,
wan si müegt^ din gcwalt.
14. Si schlügen uf den sumber^,
daß es im berg erhal;
doch was es in ein kumber,
si schrüwen überal:
« wer gab im den gewalte,
daß er der küng sol sin?
daß sin der tüfel walte ! »
Die Fürsten von dem Rin^.
15. Fürsten und ouch heren
beruft er umb das recht;
zu im so sollent keren
ritter und ouch knecht;
und wer von fromkeit sije,
der gang mit fröuden dran :
«Hie Oestrich!)) ist die krije^,
das rufend frow und man.
16. Wer unrecht welle temmen,
dem rat ich zu dem schimpft;
wend ir es recht bekennen^,
so heind ir guten glimpf^.
^ bemüht. ^ Pauke. ^ König Friedrich verdankte seine Wahl
hauptsächlich den vier rheinischen Kurfürsten. Auf diese Strophe
olgen zwei, welche den gewählten König preisen, * Kriegsgeschrei.
'" Spiel. ^ erkennen. ^ Recht.
28 HISTORISCHE
Nu werend bi zit, ir fromen,
der puren Unvernunft;
wan wend ir's nit verkomen\
es wirt ein große zunft!
17. Ir sönd üch baß bewaren-,
denn bißher sii? beschechen;
wend ir's an einander sparen
und durch die finster sechen,
SO ist die o^erst 2:etröschen,
daß man üch nüt bekent^ :
wend ir das für nüt löschen,
e ob"* es üch enbrent?
18. Es sigend stet oder puren,
klein ist der underscheid,
es teil ein wenio^ muren^,
es ist in allen leid^;
si wären selb orern heren
und sind im " doch ze OTob ;
küng, du solt in's weren,
so meret sich din lob.
19. Wan es hört dinem adel
und diner herschaft zu.
Erschütt den pfawenwadel,
es win in noch ze frü.
Man muß das unfich'^ stöuben,
so behbt das essen rein;
mit plifen und mit töuben^
füert man die brüte hein.
^ verhindern. - sollt euch besser in Acht nehmen. ^ so daß
man von euch nichts wissen will. * jetzt zusammeno^ezogen eh, ehe.
^ ob ein wenig Mauer dazwischen sei. ® sie müssen es alle büßen.
^ dazu. 8 Ungeziefer. ^ blasen.
LIEDER 29
20. Nun helfe ^ot dem rechten
mit Schild und ouch mit sper;
wan gat es an ein fechten,
es kumt noch man^jer her,
der umb grechtikeit lichtet,
man iindt noch biderb lüt:
wirt es nüt änderst gerichtet \
si wao^end har und hüt-.
21. Der dises Uedli hat gemacht,
der ist von Isenhofen^;
die puren hatten sin kein acht,
wan er saß hinter dem ofen.
Er loset irem rate
und was si weltin triben,
an einem abend spate ;
er hat's nüt müt* z' verschwisen.
'ö'
22. Früe an einem morcjen
hüb er sich dannen bald;
er luff dahin mit sorgen
oben durch den wald.
Do er kam uf die beide,
in ducht, im war gelungen.
Den fromen nüt ze leide
hat er diß lied 2:esuno:en.
^ geschlichtet. ^ Es folgt noch eine Strophe, welche zu den
Unthaten der Bauern auch den Tod des Herzogs Leopold bei Sempach
in Erinnerung bringt. ^ Tschudi nennt den Dichter «der Isenhofer
von Waldshut». An einer andern Stelle nennt er einen Isenhofer
als östreichischen Vogt in der Feste Freudenberg. ^ gedenkt es nicht.
->
0 HISTORISCHE
II. 1443.
1. Xu wellen wir aber heben an
singen als ich's vernomen han,
wie es ist ergangen
in der reis^ ze Loufemberg;
des seit man nieman schänden.
2. An einem samstag das beschach,
daß man die von Bern ziehen sach
zu Keisten under der Halden ;
das Sachen burger ze Loufemberg,
si woltent ere behalten.
3. Si zugent gan Loufemberg in die reben;
da verlor menger man sin leben,
der do wart 2:eschossen
mit denen büchsen von Loufembers;
das hat si ser verdrossen.
4. Basel und Bern und all ir eidgnossen
die brachtent einen orroßen^
grus mit gruwelichen büchsen;
die richtent si vor Loufemberg
und machtent ein e^roß ^estübe^.
5. Drig und siebenzig und zwei stein,
einer groß, der ander klein,
als si es do band g'schossen
zu den muren ze Loufemberg;
des sint si* noch unerschrocken.
^ Feldzug nach. - Das Original hat : grusen. ^ Staubaufwerfen.
^ die Laufenburger.
LIEDER 3 1
6. Si schußend zü^ dem pfawenschwanz ;
im stand sin fedren noch alle ganz,
er spricht uf sinen trüwen :
das loch, das si gemachet hant,
si müeßent machen nüwen-.
7. Si schußend darzü mengen tag,
bis der pfaw den hären fangen nam^,
er zoch hinder sin muren;
der bär sach ruwenkHch* hinus,
im grimmet^ von herzen truren.
8. Do er hieng nebent dem sprachhus^,
er sach gar ellenklich^ harus:
nu helfen, von Bern ir herren, —
wand^ ich was ein burger zu Bern —
daß wir 's leben nüt verlieren!
9. Der^ von Basel ich nüt verschwigen:
dieselben schußent in die bilden ^^,
drü hüser hant si zerschossen
und eim ein tumen uß dem lid;
das hat Clewi^^ Schutz verdrossen.
IG. Und ist das nit ein großi not?
der von Loufemberg ist ein kätzli tot;
das hant si inen erschossen;
si richtend ein groß buchsen daran ;
das hat die ander kätzli verdrossen.
^ nach; ebenso 7, i. - von neuem; weil es nicht groß genug
oder schon wieder ausgefüllt ist. ^ Es scheint, daß die Laufenburger
bei einem Ausfall Berner gefangen nahmen. * (reiäglich) traurig.
'° er fühlte grimmigen Schmerz. ^ Abtritt. ' elendiglich. ^ denn.
^ derer; ebenso 10, 2. ^^ Steinschleuder, Wurfmaschine. '* Klaus.
32 HISTORISCHE
11. Der schütz^ der beschach umb mittennacht,
das kätzli kont sich nit haben acht;
und hette geschinen d' sunnen,
als es tut umb mittentag,
das kätzli war wol entrunnen!
12. Si hattend angeleit einen stürm;
do forchtend si den großen wurm
ze Loufemberg in dem graben;
si tratend alle hinder sich^,
dieselben Schwizerknaben.
13. Arow, Zofingen kent man wol;
si hant getan, als^ man denn sol
in den offnen kriegen :
herlich^ hant si abgeseit
mit iren absagbriefen.
14. Der brief kam für den houptmann,
als ich's vernomen han ;
darumb lobt man ir frommen^;
band das ander stett getan,
das han wir nie vernommen.
15. Von Sanen und von Siebental
die hattend mengen groben man,
die kommen^ die boum wol schinten,
do hant si ir manheit verbracht,
in mocht nüt baß geHnsen^.
ö
16. Wöllent ir hören, was ich in raten wil
si sönt^ 2:an heim schießen zu dem zil
^ Schuß. ^ wichen zurück. ^ wie. ^ förmHch, ehdich. ° ihr
Thun, Verfahren. ^ vielleicht hinnen, können. ^ sie vermochten
nichts Besseres auszurichten. ^ sollen.
LIEDER 3 3
und sönt sich des bedenken —
der küns: zücht wider in das kind —
was si im wellent schenken.
17. An dem zisuig wart gemacht der frid,
es sol nieman tun darwid^,
weder rüsten noch sich stärken ;
ist der frid also gehalten,
das mostend ir wol merken.
18. Do es wart in der finster nacht,
si wanent-, ir nem niemand acht,
si rüsten an den gießen^;
si woltend darvon nit lan,
man müst si zwen"* erschießen.
19. Schwarzwald, got geh dir glück und heil!
das wünsch ich dir zu minem teil
und ouch mit tranzen truwen''.
Füerent holz und wellen" zu:
wir wein' die löcher verbuwen.
20. Der uns das liedli gemachet hat,
Hans von Anwil^ ist er genant;
er hat ein gut gedingen''.
Wer das liedli leren wil,
der sol mit fröuden sin2;en.
Das in der Sammluns: v. Liliencron's noch fehlende Lied ist aus
einer Freiburger Handschrift mitgetheilt von Herrn Staatsarchivar
Schnemvlv.
^ dem Frieden zuwider. ^ wähnten. ^ Stromschnellen. * zwei
von ihnen? In zwei folgenden Strophen wird der Adel der Um-
gegend und die Bürgerschaft von Waldshut für ihre Laufenburg
geleistete Hülfe gepriesen. '" Treuen. ® Reisigbündel. ^ wollen. ^ im
Thurgau. '' Zuversicht.
II. .3
34 HISTORISCHE
III. 1444.
1. Die Schwizer^ sind ußzogen
gen Zürich in die ern^ ;
den Ion, den si verdienet hand,
den wil man in gen gern.
2. Si liand geschniten haber und körn
vil mengem biderman ;
si lagen zeiien wuchen vor der stat,
mit schänden zuejend s' darvon.
3. Si hand gestürmet an die stat,
des hand si nit s^enossen^:
wir hand der rußigen puren vil
erschla2:en und erschossen.
4. Nun tröste got der unsern sei,
für d' Schwizer sol nieman bitten ;
weit gott si schwebtind in der hell
und hetind ouch den ritten^!
5. Si zugend gen Basel für die stat
mit fröuden und großem schallen ;
der Delphin si empfangen hat,
es kond in nit ijefallen !
^ hier natürlich noch in dem engern Sinn des damaligen Partei-
verhältnisses. "^ Ernte, eigentlich und bildlich wie die Mäder im
Sempacher Lied II, 7—9. ^'' davon haben sie keinen Gewinn gehabt.
"* das Fieber; oft in Verwünschungen.
LIEDER 35
6. Der Xetstaler^ der wollt ritter werden
an dem edlen blüt-,
er trüg zwei wiße krüz von perlen
und het ze striten müt.
7. Darumb ist er ze tod erschlagen
ze Basel uf der heid;
under'm galgen lit er vergraben,
das ist den Schwizern leid.
8. Bi im lit nienger rußiger pur
under'm galgen begraben^;
das band s' verdient am kilchenbrennen,
dieselben Schwizerknaben !
9. Vor Farnsberg hüb sich großer strit,
der wäret wol zehen stunden,
von früe biß an die vesperzit;
band d' Schwizer wol empfunden I
IG. Der Seiler von Zug"^ was ouch daran,
Zürich wolt er gewinnen;
der sold ward im ze Basel bar,
des ist er wol worden innen!
II. Nun losend, ir Schwizer jung und alt:
es kost üch üwer leben,
daß ir dem fürsten von Oesterrich
sin land nit wider wend creben.
^ Rudolf Netstaller, Hauptmann des Glarner Zuzu£,^s. - im Kampfe
gegen den östreichischen Adel und neue Ritter wie Stüßi in Zürich;
vgl. Bd. I, S. 13. ^ widerspricht der Thatsache, daß die bei St. Jakob
an der Birs gefallenen Eidgenossen von den Baslern ehrlich begraben
■wurden. * Hauptmann der von Zürich abgezogenen Zuger Schaar.
^6 HISTORISCHE
12. Die Schwizer kriegend wider recht ;
das band s' von einer falschen zungen,
die der ammann Reding treit:
wert got er war verbrunnen!
Ob das Lied von einem Zürcher verfasst ist, mag unausgemacht
bleiben; die darin bezeugte Personenkenntniß spricht dafür. Es athmet
starken Parteihaß, durfte aber als Gegenstück zu dem in Bd. I, S. lo
mitgetheilten Lied von schwyzerischer Seite eine Stelle finden, zu-
mal da es im Uebrigen gut gehalten und auch so überliefert ist (von
Tschudi).
IV. 1446.
1. Gen disem werden sumer
so wil ich's heben an,
ein nüwes lied ze singen —
ir söllent's wol verstan —
alls von der fromen eidgnoßlchaft ;
ir lob ist wit und breit;
das tut den crroßen herren zorn
und ist den rütern leid^
2. Ze Wallistat an der letzi
da w^as der anefang,
ze Meienfeld vor dem stetli^
da inen gar wol gelang.
Die lieben eidgenossen
sind wol der manheit ein kern,
ir lob das wil ich meren
und tün's von herzen gern.
^ 7 folgende Strophen erzählen rückblickend den bisherigen Ver-
lauf des Streites : den Abfall der Zürcher vom Bund, die Friedens-
bemühungen des Pfalzgrafen, die Verheerungen der Feinde, die
Tapferkeit der Eidgenossen.
LIEDER 37
In dem Oberlande
was üwer größte not,
daß ir umb üwer bar gelte
nüt fundent ze koufen brot.
Do sprach sich menig biderb man
« got muß es geklaget sin,
daß wir in disem lande
von hunger so lident pin! »
4. An einer alten fasnacht früe
do was in kund geton,
wie daß sechstusend rüter
gen Ragatz wärind kon.
Die biderben eidgenossen
sumptend sich nit lang,
gen Ragatz iltend s' balde
und woltend s' grifen an.
5. Ze Ragatz vor dem dorfe
da was der größte stoß ;
ir fromen eidgenossen,
üwer fröude die was groß.
On alles hindersichscchen
giengend si frölich dran ;
die reine magt, die got gebar,
die well si niemer verlan!
6. Do ir an ein fechten kamend,
do schlügend ir frölich dran ;
die herren gerietend wichen
und fluchend bald darvan ;
ze fliechen was in gache^,
hin heim stund inen der sin;
* hatten sie Eile.
38 HISTORISCHE
d' Eidmiossen schlu2;end ir vil ze tod
und jagtend s' in den Rin^
7. Von Brandis du untrüwer man,
was hast du o:eton?
du warist zu Bern ein bumer —
das han ich wol vernon —
und liatest ein eid 2:esworen
zu den herren von Bern :
den Ion, den du verdienet hast,
den sol man dir sieben o:ern.
8. Der Ion der ist dir worden,
als ich's vernomen han;
darnach best du geworben,
du woltist nit müeßis: ejan ;
des bist wol innen worden
von der eidgnossen band :
si band dich 2:'lert ein orden
ze Ra2:atz im Oberland !
9. Junkher Hans von Rechberg,
du hatist's wol bedacht,
daß du den tromen eidg^nossen
spise hatist gebracht-
gen Ragatz in das dorfe,
brot, darzü klaren win :
das wart den eid2:enossen,
selig müeßint s' ewig sin^!
eine folgende Strophe beschreibt die Siegesfreude der Eid-
genossen. ^ es wurden Proviantwagen erbeutet. ^ 5 folgende Stropheni
preisen als Theilhaber am Siege : Schw\'z, Giarus, Uri, Unterwalden^
Zug, Bern und Solothurn.
LIEDER 39
10. Die reine magt, die got gebar,
die sollend wir rufen an,
und ouch ir liebes kindii,
daß si uns wellind bigestan,
und alle gottes beigen \
wie die genennet sin ;
der gute herr sant Fridlin
well unser scbirniscbild sin !
11. Der uns diß lied gemacbet bat,
den wil icb ücb tun bekant:
zu Luzern ein gut gselle,
Hans Ower ist cr's genant;
er singt's mit frigeni mute,
wo er ist in dem land.
Gott well die eidgenossen
bebüeten vor laster und scband.
Zwist des Abtes von St. Gallen mit der Bürgerschaft.
1451-
s. Bd. I, S. XXVI.
I. Abt Kaspar von sant Gallen,
geborn im Turbenthal —
wem kann es w^ol gefallen ? —
er büt das gotshus fal-;
er wolt's nacb lanjj vertuschet han
dem abt von Petershusen,
da wolt derselb nit dran.
' Heiligen. ^ feil, nach der Mundart jener Gegend.
40 HISTORISCHE
2. Er hat versetzt die inflen^,
das doch nit zimlich^ ist;
dabi man mag begrifen
sin bösen argen Ust.
das gotshus wirt sin küm ergetzt^,
und ist im, als* ich mein,
der Stab ist och versetzt.
3. Er meint, er well uns erben"',
davor grot trülich si !
wir wend in e verderben,
und wärind siner dri.
er wil's da vorne heben an^,
darum be unser vordem
verlorn band mangen man.
4. Er meint, wir sölnt ihm schweren,
als ander eigen lüt;
des wTnd wir uns erweren,
und solt's uns kosten d' hüt!
er het desfelben wol emborn*;
er hat das selb gesechen,
daß wir dem rieh band gschworn.
3. Er stund dem küng zer siten,
do man schwur an das rieh;
der küng wolt mornent^ riten;
der abt tet nie des dich.
^ Infel, Bischofshut. - geziemend. ^ für diesen Verlust entschädigt.
* verhält es sich wie — . '" durch Erbschaftsfteuern und -Abgaben
ausfaugen. ^ er will den Streit wieder mit dem anfangen, wogegen
schon unsere Vorfahren gekämpft haben, ^entbehrt; er hätte wohl-
gethan das zu unterlassen. ^ am nächsten Morgen.
LIEDER 41
als ob wir warnt sin eigen gsin;
so^ het er billich gesproclien :
lat üwer schweren sin !
6. Er wirbt an d' eidgenossen
iez umb ein nüwen pund;
ich getrüw, er leg ein bloßen^,
er redt uß falschem ^rund.
nend si in an, so sind si tumb :
er gab ein guldin z' betenbrot^,
do si z' Basel"* kamend um.
7. Wend ir aber hören
naü:elnüwe mär:
der fürst hat nienen haber,
die kästen die sind lär;
da wolt er leisten einen tag-'',
daruf wolt er betrachten,
daß er och füter hab.
8. Er schickt zwen iirade recken
hinab zum heil2;en i^eist
mit zweien langen secken,
daß man im füter leist^;
der heiUg geist hat füters gnüg;
do sprachent die ußern meister,
es wäre nit ir füg*.
^ sonst. - Schande einlegen; vgl. Bd. I, S. 11, 4. ^ = botenbrot,
Lohn für (erwünschte) Nachricht. ^ bei St. Jakob an der Birs. ^ eine
Versammlung halten. '^ liefere, als Abgabe. ' ihre Pflicht.
42 HISTORISCHE
9. Er hat es überschlagen^^
vil witer denn man meint;
man solt's im nit vertraj^en ;
plib er in sim convent,
hülf singen meß und ander zit,
es war dem orotshus wäger^,
denn daß er z' tacre rit^.
10. Mit fünf und zweinzig pferden
ist er 2;en Luzern kon ;
man sieht an sinen oreberden,
er hat doch not darvon"^,
unz das gotshus nüt me hat;
es git im lützel z' schaffen -^
ob der convent zer2:at.
11. Si sind darob oresessen
länger denn man meint;
si band das ußs^emessen,
der abt und sin convent,
wie si uns brächtind von dem rieh,
das'or uns 0:0t behüete
und kaiser Friderich!
12. Das lied das ist i^emessen
in einem schlechten*^ sinn
ob einem mor^enessen,
si' trunkent ^iaten win.
mich wundert, wer das hab erdacht:
si sprechent, Johannes Pruner
hab es von Costanz bracht.
^ ausgedacht. - besser. ^ Bezug auf 7, 5. -^er wird nicht ruhen (?)•
wenig zu sorgen. ^ schlichten. ^ die Verfasser des Liedes.
LIEDER 43
13. Wär's zu sant Gallen gedichtet,
das brächt uns ungeUmpf;
sunst, wenn es wirt verrichtet \
so züclit man's in ein schimpt ^ ;
so wirt uns eins zum andern g'schätzt^:
band wir hie nidnen^ g'sungen,
si^ band da obnen "'schwätzt!
Der überlieferte Text des Liedes hat zwischen Str. 11 und 12
noch eine, welche aber wesentlich nur Str. 6 wiederholt und darum
weggelassen ist; sie ist wahrscheinlich, wie vielleicht auch Str. 13,
erst etwas später zugesetzt, nachdem der Abt in das Landrecht der
Eidofenossen aufecnommen und sein Zwist mit der Stadt einem
Schiedspruch von Bern übergeben war.
Das Lied betrifft zwar kein hochwichtiges Ereigniß, ist aber in
seiner Art eines der besten, die wir überhaupt besitzen ! Daß es in
St. Gallen selbst entstand, ist wohl trotz Str. 12, 6—7 unzweifelhaft
und nur um so ergötzlicher.
Zug in's Sundgau (Mülhauser Krieg). 1468.
s. BJ. I, S. XXVII.
I . Ein liedH wil ich heben an :
wilde mär'' han ich vernan,
und wil man's d' eidgnossen nit erlan,
so müßtend s' aber in d' wite kan';
da müßtend si stechen und schlau,
das man frilich kan wol verstau,
bumperlibum aberdran heiahan !
^ wenn der Zwist geschlichtet wird. " Scherz. ^ eins gegen das
andere gerechnet. •* unten, in der Trinkstube oder auf der Gasse.
^ der Abt und sein Convent in ihrer Berathung Str. 11, i— 4- ^ selt-
same Nachricht. ' vgl. Str. 3, 3—4. Der östreichische Adel jener
Gegend hatte die Eidgenossen wiederholt aufgefordert, sie sollten
einmal aus ihren Bergen in's Flachland herauskommen. Vgl. Srr. 14, 3.
17, 6. 19, 5.
44 HISTORISCHE
2. Es wütend^ drü füli durch einen bach,
hüpscher füli icli nie gesach;
der vorderst schwamm dem hindersten nach,
es schuf, daß inen was worden gach^.
heben eidgnossen, wir aber tünd in schach^,
wir sönd nit vers^essen diser schmach!
bumperhbum u. s. w.
->
Si wend nit glouben an uns han;
nun land s' uns fröhch grifen an;
si wellend uns sin nit erlan,
si jehend wir dörfind nit ußer kan ;
wir müßend s' ein fart"^ an d' grind schlan,
das hätend unser vordem zithch tan.
bumperhbum u. s. w.
4. Zu Golpach^ lit ein breiter steg,
woluf, gevatter, wir müend enweg!
ir von Weggen, nun sind nit trag,
nun merkend uf, was ich üch säg!
und wenn 's fändh von Trachsen bi uns lag,
so schuchend^ wir weder wind noch reg.
bumperhbum u. s. w.
5. Wol naher', die von Sumiswald,
köd ußher^ ab der undern bald,
von Frütingen köd jung und alt!
^ wateten. Es scheint, daß drei Ritter einen Streifzug über den
Rhein gemacht hatten, von dem sie bei Annäherung der Schweizer
eilig zurückkehrten. - Die Ursache war, daß sie hatten eilen müssen.
^ wir bieten ihnen abermals Schach, greifen sie wieder an. * einmal.
^ Goldbach, im Emmenthal, wie noch mehrere der nachher genannten
Ortschaften; Trachsen wohl Trachselwald. ® würden scheuen, ' näher,
herbei. ® kommt heraus.
LIEDER 45
es hat iez g'wunnen ein solche gstalt,
im winter ist es gwisslich kalt,
lieben eidgnossen, drum ilend bald!
bumperlibum u. s. w.
6. Wol naher, die von Dürenrot,
und bringend uns naher win und brot,
daß wir nit werdind hun^ers tot !
ziehnd frischlich mit dem panner rot,
ja bi dem wend wir [stan in not]^
und bliben lebend oder tot.
bumperlibum u. s. \v.
7. Wol naher, die von Sanen,
die fressind hüener und hanen,
sind s' nit g'soten, so müend s' dran zanen'^.
biderben eidgnossen, wir wend üch manen,
daß ir kömind under unser tanen,
so wend wir trostlich mit üch voran ^.
bumperlibum u. s. w.
8. Wol naher, die von Undersibental,
die tragend halparten breit und schmal;
was si treffend, das fallt ze tal,
mensier nimt von inen ein tall.
wol ußher uß den ländern überall,
ir von stetten, ziehnd dran mit schall !
buniüerlibum u. s. w.
9. Do zugend wir über den Houwenstein ab,
menor breiter vierschröti2:er Schwizerknab ;
^ die ein2:eklammerten Worte fehlen in der Handschrift, sind
aber ziemlich sicher zu vermuthen. ^ kauen, nagen. ^ der Reim ver-
langt voranen.
46 HISTORISCHE
menger hat im seckel lützel liab,
hat er vil, er kam sin wol ab!
trüg uf der achsel ein breiten stab,
damit ein ieder 2;üt werschaft 2:ab.
bumperlibum u. s. \v.
10. Da kamend wir sen Liechstal hin,
darnach stund uns gen Basel der sinn ;
wir meintend, wir wettind all hinin,
do müßt der merteil hie ußen sin.
si schiktend uns aber brot und win,
drum schiktend wir warlich 's s:elt hinin.
bumperlibum u. s. w.
11. Wir nit ung'fressen^ warend gsin,
vergangen was uns des hungers pin.
wir rüwtend derselben nacht neben dem Rin,
morndes kamend wir gen Kolmar hin ;
da liefend wir in die keller in
und wurdend me wan- halb voll win.
bumperUbum u. s. w.
12. Wir hattend nit vil silberg'schirr darbin^,
wir schanktend in mit kühlen in ;
dennocht wurdend wir voll win,
er gieng uns tugendliche in,
verschwunden was uns die schwere pin,
wir meintend, es sölt wol halb harnist sin'^.
bumperHbum u. s. w.
^ ohne gefressen zu haben. Die Handschrift hat das g nicht.
^ als. ^ darbinnen, darin. ^ Der orute Trunk sollte uns fast stärken
wie ein Harnisch (?).
LIEDER 47
13. Do kamend wir gen Mowenhan^,
da henkt man türen mit widen an^ ;
da ließend wir d' gurren^ im haber gan,
da hattend wir schier unrecht tan :
sie jahend"*, wir dörftind nit ußher kan ;
si Heßend die iren schandlich zer2:an'''!
bumperHhum u. s. w.
14. Die herren müßtend uns faren ktn,
si woltend nüt mit uns anfan,
und wärend s' zii uns uf d' wite kan,
si hettind wol unsi'schaffen menschen vernan^!
si torstend uns warlich nit bestan',
si ließend uns timendlich ziehn darvan.
bumperlibum u. s. w.
15. Do kamend wir zum wigerhus*^,
da namcnd wir die guten karpfen^ uß,
daselben lebtend wir im sus ;
etlich machtend zinq quater dus^^,
damit zoi^ das i^elt zum seckel uß,
es machet mengem ein wilden grus.
bumperlibum u. s. w.
16. Der schimpf was im besten nun wol dran^^,
wir woltend ein ander gattung fahen an.
^ wahrscheinlich entstellt; nahebei Mülhausen liegt ein Moäen-
heim (was freilich auch nicht die ursprüngliche Form des Namens
sein wird). - Weidenbänder um die Thürpfosten gehängt, wie etwa
an Fallgattern. ^ Stuten. ^ sagten. ° ihre Mannschaft auseinander-
gehen. ^ grobe Leute kennen gelernt. ' wagten uns nicht Stand zu
halten. ® Haus bei einem Weiher. ^ Die Handschrift hat: krapfen, viel-
leicht nur Schreibfehler. ^° franz. cinq, quatre, deux; Würfelspiel. ^^ der
Spaß war im besten Zug, in vollem Gang.
48 HISTORISCHE
daß man baß glouben an uns möcht han:
wir zuntend das schloß inwendig an,
daß es in grund und boden verbrann;
sidhar sind wir nümen ußhin kan;
si hattind uns gern daheimen g'lan !
17. Bumperlibum, unrüw das kumt, was tut uns?
donner blix hagel heiahan aberdran !
far nun für\, hinder für, troll nahen, Peterman^ !
unser liden gat aber an,
und wil man uns sin nit erlan,
müeßend wir aber einmal in d' wite kan.
bumperlibum u. s. w.
18. Da kamend wdr fürbaß ins Sundgöw hin,
da stachend wir nider meng feistes schwin,
wir sließend bränd zü'n w^änden in,
den rouch sach man ouch enet dem Rin;
die Brisgöwer dachtend : das mögend wild gaste sin,
aot b'hüet uns, daß si nit kömend zu uns hin,
bumperlibum u. s. w\
19. Da hattend wir ein wilden hurlebus^,
die Sundgöwer hattend darab ein grus;
im brand jagtend wir d' müse hinuß,
wir hattend ouch eben wild da hus!
si band der kü sidhar nümen g'rüft heruß,
si ersorgtend w'ol aber ein solchen struß !
damit ist dises liedU uß.
Daß das Lied von einem Berner verfasst ist, zeigt schon die
Aufzählung der Ortschaften, dazu einiges in der Sprache, Ton und
^ vorwärts. ^ ein Petermann von Wabern war Hauptmann der
Berner vor Waldshut; der Name erscheint aber auch sonst als Lo-
sungswort. ^ Lärm.
LIEDER 49
Geist des Liedes ist etwas wild und roh, aber eben darin ein Spiegel
des damaligen Kriegslebens. Die Strophe ist eigenthümlich, weil alle
Zeilen denselben Reim haben, dazu den Refrain, der Trommelschlag
und Marschruf bedeutet und nur in Str. i6 ausbleibt, weil dort eine
kurze Rast anzunehmen ist, nach welcher die folgende Strophe, mit
Trommelsignal anhebend, neuen Aufbruch darstellt.
Eine Amtsrechnung von Grüningen (Kt. Zürich) aus dem Jahr
1556 enthält die Notiz: i Pfd. 5 S. gab Schmid us dem Fischenthal
von dem Lied Bumberlibum.
Zug nach Waldshut. 1468.
1. Ein nihves liedlin heb ich an,
das singen ich, so best ich kan,
wie es stat in dem lande.
Der adel hat gemacht ein pund
und hat erdacht ein nüwen fund,
den Schwizern anz'tünd ijroß schände.
2. Si tiengend an haben groß müei,
si meintend, daß zit war nun hie,
die Schwizer ^ar z' vertriben :
«kämend si nun^ zu uns uf d' wit,
so köndind wir in ^reben strit,
ir müest keiner lebend bliben.))
3. Si redtend alle überlut:
« wir gend umb niemand nit ein krut,
wir b'gerend an die eidgnossen.
Der bär von Bern tar^ nit harus,
er hat ab uns ein großen grus,
der stier tar nümmen stoßen.
^ nur. "^ wagt (sich).
II.
50 HISTORISCHE
4. Der Schwarzwald vermag mengen man,
mit denen wend wir frölich dran,
d* Schafhuser zwingen in ir mure.
Mülhusen das muß liden pin
und muß oucli unser eigen sin,
es muß in werden sure ! »
5. Solcher anschläg tatend s' vil;
darumb ich üch nun sino:en wil:
mich dunkt, der wan hab s' betrogen,
des sind s' im Sungöw innen worden;
die eidgnossen kamend nach ir orden,
si sind durch 's Elsaß 'zogen.
6. Die eidgnossen namend in ir müt^
und zugend a'n Rin für Waldshüt,
ir panern sach man s' erschwingen,
si zugend durch berg und durch tal,
vil stolzer eids^nossen one zal
hört man sin hämisch klingen.
7. Si schlügend uf ir zeit und hütten
vor der stat Waldshüt nach ir sitten,
zenächst wol an ir mure;
si schußend drin mit i^ütem müt
und schußend ab dem Wald sin hüt;
ward denen in der stat sure!
8. Mit mengerlei büchsen groß und klein
schußend si mengen herten stein,
daß es gar wit tat brummen.
Zehen tusend guldin müßtend s' geben,
daß die eidgnossen si Heßend leben;
des hat man s' kum überkumen-.
^ fasstcn den Plan. - dazu hat man sie mit Mühe gebracht.
LIEDER
9. Enge im Hegö\v hört och hernach \
d' Schafhuser lasst man us der acht,
zweitusend güldin inen darzü 'geben;
der Schwarzwald ist das underpfand,
Waldshüt hat's gelobt mit der hand;
es was in nit 2;ar eben-.
IG. Schwarzwald, du lügst nit wol darzü,
man hat dir g'nomen mengi kü;
von der letz-'^ sind ir schnell geflochen,
do di Schwizer zugend her;
der hinderst füß was üch unmär'^,
üch hat übel ab in g'schochen''!
11. Man nam in rinder, roß und schaf;
abt von sant Bläsi ward ouch gestraft,
dritusend guldin müßt er geben;
damit da kauft er s' ab dem Wald ;
do tribend s' iren roub s^ar bald
gen Schaf husen, kam in gar eben^.
12. Von Appenzell so kam der bär
mit zweien von sant Gallen her',
^ Wenn diese Zeile richtig überliefert ist, so kann der Sinn der
folgenden Worte kein anderer sein, als daß Enge (Engen), ein Ort
im Hegau, nachher auch an die Reihe kam, sich ergeben zu müssen.
''■ gelegen, wohlgefällig; ebenso Str. 11, 6; dagegen 12,4: recht.
^ eine Grenzschanze bei Waldkirch. * ihr hattet die größte Eile zu
■entfliehen. ^ ihr habt vor ihnen arge Scheu gehabt. ^ Eine folgende
Strophe berichtet von einem gelungenen Streifzug nach Bondorf;
eine weitere nennt die Namen der 8 alten Orte. "' Die Banner des
Abtes und der Stadt St. Gallen müssen also ebenfalls Baren enthalten
haben.
52 HISTORISCHE
ZU Waldshüt suchten s' weide.
Waldshüt, nun halt dich eben und festi
du hast gar vil der frömbden gest,
vier baren tünd dir z' leide.
13. Darumb sing ich uß gutem müt
DiD nüwes liedlin von Waldshüt.
Toni Steinhuser was och im here;
ze Appenzell gat er uß und in,
er dienet schönen fröwlin hn
und priset in ir ere^.
"V
Burgunderkrieg.
s. Bd. L S. XXVIl und S. 1 5.
I. Zug nach Blomont. 1475
I. Ein vereinung ist lobeliche,
der große pund genant;
zu trost dem römschen riche
zugent s' in burgunsch land;
da haben si gewunnen
beid, stet und ouch die schloß ;
gar bald es ward verbrunnen,
si fürten gut geschoß^.
^ Diese Notiz über Stand und Beruf des Sängers ist zwar nicht
ganz klar, aber abweichend von den Angaben über andere Sänger
solcher Lieder; dieser müsste ein verspäteter Nachfolger der Minne-
singer gewesen sein ! ^ In 2 folgenden Strophen wird berichtet, daß
Straßburg und Basel eidgenössische Kriegsleute besoldet und daß
auch Colmar und Schlettstadt, Solothurn, Freiburg und Biel an der
Unternehmung Theil genommen haben.
LIEDER 55
2. In Burgunn sind si komen,
mit einem harten stürm
band si Lila gewannen,
es rümpft sich als ein wurm ;
durch wasser warent si schwimmen,
do hüb sich angst und not ;
si mochten nit entrinnen,
man schlÜ2: ir vil zu tod^
3. Grangi ward übergeben
zu des von Wirtemberg band ;
das her sach man streben
vor ßlomont in dem land.
der Struß tet mengen schalle,
Metz und Keterlin,
die Reimerin gar balde,
gieng alls z'en muren in-.
4. Blomont was ein gut festen,
als ich's kum ie gesach,
gebuwen zem allerbesten,
alls gold ir obertach;
ir werinen und muren
das was unmäßiglich,
sechzechen schlich dick vor truren^
und achtzechen desdich.
^ Ein Theil der Besatzung von Lisle wollte auf dem jenseitigen
Ut'er des Doubs entfliehen; da schwammen Eidgenossen durch den
Fluß und trieben die Flüchtigen in die Festung zurück. Eine folgende
Strophe berichtet, daß Lisle und einige Schlösser verbrannt und die
Uebergabe von Oranges angenommen wurde. ^ Struß hieß ein straß-
burgisches Geschütz, Käterlin ein östreichisches von Ensisheim, Met:^e
«in bernisches, die Reiinerin vielleicht ein baslerisches oder das in
einem Lied über den Schwabenkrieg (Liliencron II, S. 416) genannte
Renülli von Ensisheim. ^ wenn die Worte richtig sind, so können
sie wohl nur bedeuten : vor Schaden, zur Sicherheit.
54 HISTORISCHE
5. Uf einem berg höflichen^
lag Blomont, schloß und stat,
vil körb'^ so fürstio^lichen
das her «^ewürket hat.
Si stürmten die stat frölichen,
des^ nam menger ein stürz;
von dannen müsten si wichen,
die leitern warend zu kurz.
6. « Müeßen wir von hinnen wichen^
das war uns iemer schand,
der vereinung so lobeliche,
dem pund in tütschem land ! »
Bern, Basel man besande"'^,
vil stet^ und Solotar,
mit panern kament s' zu hande*^,
brachten ein große schar.
7. Gen Blomont in das schlösse
da kamen ouch die mär,
wie daß ein macht so große
der bar im felde war.
«Nu raten, ir herren freche,
w^r w^erden liden not;
wellent si den stürm nu rächen,
si schlachen uns alle tot ! )>
8. Das schloß gabent si uf balle",
Blomont die fürstlich stat;
man brant's mit großem schalle,
ganz man's geschUssen hat.
^ stattlich; thtnso für st i glichen Z. 3. ^ Schanzenkörbe. ^ dabei.
■* ließ zu Hülfe kommen. ° vielleicht Biel Stadt? ^ alsbald. ' bald.
LIEDER 55
Wer's ie gesach fürstlichen,
den rüwet sin groß Schönheit,
daß es als^ jämerHchen
zu stucken ist seleit.
ö'
9. Von dannen was man keren
gen Burgunn in schneller il,
des riches paner zu eren,
wol me dann achthalb mil;
Gramont ward gewunnen,
in blüt las: menger rot ;
gar schnell es ward verbrunnen,
man schliV ir hundert tot.
IG. \'om schloß den einen heren
im turn man funden hat ;
den fürt man da mit eren
gen Bern alls- in die stat.
Valant^ was man ufgeben,
si zugen nackent ab,
damit frist' man ir leben,
man brant' vil guter hab.
II. Die vereinunij als lobeliche
zoch wider in ir land,
zu trost dem römschen riebe,
der große pund genant.
Si band ein "üt sjetrüwen
zu den richsteten hin ;
es mag si nit gerüwen
und ist ein guter sinn.
^ so. - 2:eradezu. ^ Name eines Schlosses.
HISTORISCHE
12. Zwölf schloß band si erlangen,
darzü dri stet so gut.
Er füert ein stechelin^ Stangen,
der Zöllner^ es singen tut.
Maria, din kind hieng bloße,
das well es understan^,
daß die irruns: s^roße
werd scbier ein ende ban!
II. Von dem strit vor Granson.
s. ßi. I. S. XXIX.
1. In welscbem land hebt sich ein struß,
da mag wol werden etwas uß,
die klawen well wir wetzen:
der gir treit großen Übermut,
der ber und stier f^ar wol bebüt
wend manlich mit im kretzen.
2. Zu Granson er s' betrogen hat
und sichert si mit falschem rat,
das ward an in gebrochen;
die fromen lüt hat er erhenkt,
fürwar, das ist im nit geschenkt,
man hat's an im gerochen!
0
Dri küng* hat er gehept im feld
und siben fürsten, die ich meld.
^ stählern. - Mathis Zoller von Laufenburg, der auch die Schlachten
von Murten und Nancy besungen hat. ^ über sich nehmen, zu Stande
bringen. * Der Herzog von Burgund war verbündet mit den Königen
von England, Neapel und Spanien.
LIEDER 57
den pund wolt er gewinnen ;
sin herren er begaben wolt,
ieglicher ein teil besitzen solt;
des müst man werden innen.
4. Das nam der ber gar snelle war
und zoch mit sin eidgnossen dar
und taten im züschriben :
weit er sin ein biderman,
so solt er s' ritterlich bestan
und ouch im felde bliben.
5. Es beschach an einem samstag frü,
da zoch man wider Famerku^ zu,
si wolten's mit im wagen,
und wisten dennocht wenig das,
daß in der herzog als nach was
und gcin in oronde stachen^.
6. Da warend berg und tiefe tal,
der weg was ruch und darzü smal,
dadurch si müsten komen.
Bern und Swiz die hüben sich ut
und zugen dar mit irem huf;
der herzog hat's vernomen.
7. Der herzog wolt sin nit entbern,
die Berner wolt er sechen gern,
er meint, si wären alleine;
er hat wol zechen an einen man ;
des achtent si dennocht kleine!
' Vauxmarcus. - so nahe war und ihnen entgegen zu eilen begann
58 HISTORISCHE
8. Zürich slüs: mit fröuden dran
mit mens^em ußenvelten man
und Luzern desgelichen;
Undenvalden, Zug und Glarus gut
die slügen dran mit friem müt,
die Walchen begonden wichen.
9. Der stier von Uri lügen ^ ward,
darab erschrack der Walch so hart,
die freis^ was im zerrunnen.
ein küng von Xapels^ was bi im do,
den treib man von der Wagenburg so,
die ward im abgewunnen.
IG. Basel das kam ouch zem spil,
das kond wol schießen zu dem zil,
der schimpf"^ der wolt sich machen;,
sin Wagenburg die was nit gar ganz,
si Sprüngen fröUch an den tanz,
man hört die kürris krachen.
1 1 . Soloturn was ouch am hatz,
der ber der tet ein harten kratz
und Friburg in Oechtlande,
der widder ouch gestoßen hat;
Straßburg kam ein teil ze spat,
das tet im selber ande^.
12. Der schimpf der wärt ein lange wil,
man jagt si anderthalbe mil,
^ hier = lüejen, brüllen. - Ungestüm, Kühnheit, Frevelmuth.
^ Prinz Friedrich von Tarent, Sohn des Königs Ferdinand von Neapel.
^ Spaß. = Leid.
LIEDER 59
si fluchen mit gewalte;
er rant gen Orben in die stat,
die tor hieß er besHeßen trat\
sin herz eond im erkalten.
ö'
13. Die tütschen rüten die taten im we,
man jagt' ir vil in einen se,
die swimmen wolten leren ;
vil menger Walch darin ertrank,
ein großes schiff zu boden sank,
darin vil welscher heren.
14. Vil Silbergeschirr und rotes gold
ward den Eidgenossen zu sold,
darzü ein güldin sessel;
vierhundert und zwenzig büchsen gut
machten inen hochen müt,
der hat er ouch vers^essen.
13. Sin sigel er verloren hat, ^
vil berlin, güldin, sidin wat,
krön, edelstein so glänze^;
güldin büecher, kelch, messgewand,
ein bischofhüt man ouch da tand,
darzü o;üldin monstranzen.
16. Sin tegen rieh, von gold so rein,
der ist ersetzt^ mit edelm g'stein,
den hat er ouch verloren,
größer spot im nie beschach,
was man Burgunner kriegen sach ;
das tut dem wüetrich zoren!
^ nihd. dräte, schnell, von drcejen, drehen. ^ glänzend. ^ ^'^setzt.
60 HISTORISCHE
17. Der von Burgunn, der freidig^ man,
der hat den Sachen nit recht getan,
er hat's nit wol besonnen;
der- schönen panern hat er vil,
kam man im zwüschen kuglen und zil,
darvon ist er entrunnen.
18. Herzog Karle, hörst du das?
du treist den Eidgenossen haß,
des solt du nit genießen;
kein herr an in nie nit gewann;
wiltu von dinem krieg nit lan,
es wird dich bald verdrießen!
19. Din gut ist ietzunt worden feil,
in die Eidgnossen komen ein michel teil.
des machtu dich wol schämen.
tut dir der spot nit also we,
so kum harwider und bring noch me,
so sol man's von dir nemen.
20. Die Eidgnoschaft nacht und tas:
in keinen nöten nie verlag^;
des tund si sich bewisen
mit ir manlichen band;
des swebt ir lob durch alle land
hört man si erlich prisen*.
^ übermüthig. - Der Originaltext hat des, was allenfalls den Sinn
■ergeben könnte : von seinem schönen Panner hat er viel (ironisch
für: wenig) Gewinn, da er es doch in der Noth hat im Stich lassen
müssen! ^ blieb unthätig, erschlaffte. * die Worte durch alle land
gehören zu beiden Verben, eine in diesen Liedern öfter und schon
bei den mhd. Dichtern vorkommende Konstruktion.
LIEDER 6l
21. Der uns dis liedlin nüwe sang,
der^ tut vil manchen irren gang,
gut leben ist im türe !
in siner teschen ist er swach-,
er klao:et ser sin uni^emacli,
daß ir im koment zu stüre^!
III. Schlacht bei Murten.
s. BJ. I, S. XXIX.
1. Xun merkend all geliche,
mit sins^en so heb ich's an
von dem pund so kreftigliche
mit mengem stolzen man ;
er ist ins feld gezogen
mit werhaftiger band,
der gir ist ußgeflogen
dem baren in sin land.
2. Er hat in sinem sinne —
mit im der ^raf von Remunt* —
die tütschen land ze zwingen ;
si machten einen pund,
si schlügend meng hoch gezelte
für^ Murten und für das schloß,
darvor hat er in dem felde
dri hüten, die warend groß.
^ V. Liliencron hat des, vielleicht nur Druckfehler. - schlecht
bestellt. ^ Hülfe. * Romont. '" vor — hin.
62 HISTORISCHE
Er sprach : « nun merkend mich eben,
die stat ist nit wol b'hut;
ir sond si mir ufgeben\
ich frist ihver Hb und srüt. »
si gabend im antwurt balde;
si kartend sich nüt daran,
si truwtend s' wol ze bebaken^,
er war ein betromier^ man.
4. Das tet in ser verdrießen,
daß man im die antwort gab;
mit stürmen und mit schießen
da wolt er nit lassen ab;
an die muren tet er richten
zwo büchsen, die warend groß,
und tet man im das vernichten,
den büchsenmeister (man im) erschoß.
5. Am ziestag gegen der nachte
da nam er für sich ein sinn"^,
er stürmt daran mit machte,
die stat wolt er nehmen in.
vil schier^ hat er verloren
me dann tusent man;
das tet im großen zoren,
doch müs er si faren lan.
6. Darnach am samstag morgen
da hüb sich groß ungemach;
der herzog lag in sorgen,
den pund man ziechen sach
* übergeben. - behaupten. ^ trügerisch, wohl im Hinblick auf
sein Verfahren mit der Besatzung von Grandson. * Vorsatz, Plan.
* gar bald.
LIEDER 63
mit trummen und mit pfifen,
si namend docli got ze stür ;
si tetend in angrifen
und machtend im lachen türM
7. Der herzog tet sich rüsten
mit sechshundert tütscher man,
damit wolt er sich fristen,
si müstend vornen dran,
für sich hat er genomen
drißig Schlangenbüchsen ouch;
die brachtend im kein fromen,
si schußend doch vil zu hoch.
8. Der pund tat an in ziehen,
der herzog satzt sich zu wer;
man meint er solt nit fliehen
mit solchem großen her.
sin volk was schier zertrennet
und kam in große not;
als er es vername^,
do floch er mit großem spot.
9. Do wurdend im erschlagen
wol achtzehntusend man;
i'n se tet man si jagen
vil mc dann ich zelen kan.
die sind darin ertrunken,
ir wer hatt doch kein fng^,
die Walchen mochtend wol denken,
si bettend der Tütschen gnüg!
' In 5 Strophen werden nun die Mitglieder des Bundes aufge-
zählt, die an der Schlacht betheiligt waren : Oestreich, Lothringen,
die eidgenössischen Orte und die mit ihnen verbündeten elsäßischen
Städte. ^ sollte wohl etwa lauten : als er das het erkennet. " rechte Art.
64 HISTORISCHE
10. Diewil man si tet schlachen,
do tet der s^nif von Remunt
zwen schütze in die State;
erst ward die flucht im kund,
er hüb sich bald von dannen,
ein fändli man im schriet^,
und vierhundert mannen
die blibend da im ried.
11. Ir flucht was uß der maßen,
man schlug si uß dem feld ;
darin hat er gelassen
mer dann zehnhundert zeit,
der herzog von Burgunne,
der graf band des kein g'winn;
Murten ist noch nit gewunnen,
es kumt wol vor in hin^.
12. Der pund von allen orten
zog uf der walstat zu rat
und tet der Walchen warten
dri tag an derselben stat,
ob man da wolte komen
mit werhaftiger band;
do warend s' nit also fromen,
das ist ein große schand.
13. Zu Zürich sieht man hangen
zwei panner, acht fändli gut;
menger Walch ist kum vergangen^,
si half nit ir Übermut;
^ schnitt ab, von schroten. ^ davon, wird gerettet. ^ davon ge-
kommen, dem Verderben entgangen?
LIEDER
der zal weiß ich kein namen;
in allem pund so wit;
die Walchen sond sich schämen
der schand zu ewiger zit.
14. Herzog, du wilt nun kriegen,
du dunkst dich selb gar frisch:
damit tust du dich triegen,
die schanz^ stat under dem tisch,
du hast geleit ein bloßen^,
dir feit die meisterschafc,
dich schlüjjen die eidi>nossen
mit ritterlicher kraft.
15. Zu Saffoy in dem lande
ein edle herzoo;in —
ward ir land zu schänden,
das schafft ir dünner sinn^.
het si den pund gehalten,
als ir herr vor hat tan,
so möcht si in fröuden alten :
sus"^ muß si in truren stan.
16. Etlich^ der sich hat g'spitzet''
und hat uf den pund gespilt^ —
die in der lügen ^ sitzend,
ir anschlag hat in g'felt!
man mag wol schwigen und dußen^,
doch sol man's vergessen nit:
kam es einmal zu schulden,
man teilte gnad damit.
^ das Glück. '^ s. Bd. I, S. 11. ^ daran ist ihr Unverstand Schuld.
* nun aber, ^mancher, ^spitzig reden; sehnsüchtig warten? 'sich
lustig machen über — . ^ Lauer. ^ sich still halten. Schon der Mangel
II. 5
(f^ HISTORISCHE
17. Dis liedli hat gesungen
Hans VieH uß friem müt;
vom pund ist es erklungen,
von den Eidgnossen gut.
wo man ir hört gedenken,
ir lob wirt offenbar,
das liedli wil ich üch schenken
in ein gut selig jar.
IV. Schlacht bei Nancv.
s. Bd. I, S. XXX.
1. Nun wend wir aber heben an
das best, das ich gelernet han:
und^ wie es ist ergangen
zu Nansen zu,
da hatend s' all ein verlangen,
2. Herzog von Lutringen, das edel blüt,
er schreib den pundgenossen gut,
ja wie er war gelegen
vor Nansen zu
mit manchem küenen degen.
3. Der pund der gab vil lüte dar,
der eidgenossen ein große schar
des Reims zeigt, daß die 2 letzten Zeilen nicht ganz richtig über-
liefert sind.
^ ein Luzerner, der aber schwerlich die auch sonst dort un-
passenden Zeilen Str. 13, i — 2 geschrieben hat. ^ nur einführend,
erklärend: nämlich; ebenso 8,4. 17, 2; ähnlich ja 2, 5. 10, i.
LIEDER 67
mit werhaftigen handen
fürt er mit im
wol in das welsche lande.
4. Zu St. Nikiausport ^ stund in der sinn,
da lagend vil der Walchen in,
si wurdend all erschlagen.
dem Herzog Karl
von Burgunn tet man's sagen.
5. Er rieht' die büchsen uf 'em plan,
er wont^, der pund solt komen dar,
der won hat in betrogen ;
e er sich bedacht,
da hat man in überzogen.
6. Er lag in einem tiefen hol,
man zog im zu, das wüst er wol,
noch dennochf^ wolt er nit fliehen:
wol herlich tet
er inen engegen ziehen.
7. Es was der Welschen ungelück;
er hat bestellet mengen strick,
daran wolt er si henken :
an sinen tod
er tet gar wenig denken !
8. Si knüwtend nider uf dem plan,
si rüftend Marien gots müter an
^ St. Nicolas-au port, nahe bei Nancy. ^ für "d/dnt, wähnte, "ujön,
Wahn, vgl. Argwohn. ^ nochdenn = dennoch; daraus bern. nottm, notti,
nadisch; Entlib. niisti.
68 HISTORISCHE
mit ufgehepten bänden :
und kum uns zu hilf
an unserm letzten ende!
9. Si giengend wider uf den plan,
si griffend s' wider gar frölich an
mit keiserlichem^ rechte.
Karl von Bursjunn
der hat vil stolzer knechte.
IG. Ja si lüffend durch studen und dorn,
das teten si uß ganzem zorn,
dann inen was so gache^,
si schuchend^ nit
das kate noch die lachen.
11. Do er die scharpfen halparten sach,
von den im z' Murten we geschach,
dazu die langen lanzen,
w^olt er nit me
in irem reien tanzen.
12. Den vortanz solt er han getan,
do wolt er nit im feld bestan,
er fieng an zu fliehen;
do begunden si
frischUchen nach im ziehen.
13. Er g'steckte* in eim graben tief,
menger man rann unde lief,
bi im wolt nieman bliben;
sin end müst er
allein im graben vertriben I
^ herrlich, stattHch, vollkommen. '^ sie hatten solche Eile oder
Begier. ^ scheuten. * blieb stecken.
LIEDER 69
14. Ja er ist ie gewesen rieh,
dem sieht er iez gar ungeUch,
man hat in naket funden;
naket und bloß
mit sin verserten wunden.
15. Nun fröuwe dich, du Hagenbach,
du heigist leid oder ungemach,
din herr ist zu dir komen!
ür beder gwalt
ist üch uf erden g'nomen!
16. Man leit den herzogen uf ein bar,
man fürte in gen Nansen zwar\
ze tod ward er erschlagen;
herzog Reinhart
hat in zu Nansen begraben.
17. Man buwt ein kapeilen an die stat
und da der herzog erschlagen ward,
mit drien messen zu meren^ ;
di wicht man in
der helgen dri künegen ^re.
18. Der uns das liedU nüw gesang,
zwen Schwizerknaben sind si g'nant,
si hand's gar wol gesungen.
Karl von Burgunn
ist nümen heim gekomen !
^ wahrlich. ^ das Andenken, die Stiftung zu vermehren? oder
adv.: überdies? fortan?
70 HISTORISCHE
Schlacht bei Giomico. 1478.
1. Nun merkend offenbare
was iez in kurzer frist
gegen einem nüwen jare
ze Girnis geschehen ist:
die schlang von Mailand ist zogen uß,
dem stier von Uri in sin land;
des ist die schlänge komen ze schand;
nun merkend uf disen struß !
2. Bi einem kloster da lagen
minr herrn der eidgnossen knecht.
d' Meiländer begondend sagen :
das spil (das) wird uns recht!
ein anschlag tetend si behend,
vil bald si z'samen kamend,
vil spieß und züg si namend,
si woltend geben end ^
3. Si begondend sich besachen^
mit werhaftiger band ;
ein lager woltend s' machen
dem stier von Uri ins land.
ir anschlag der was hert und scharf,
die Tütschen begondend wichen,
si woltend hinder siehe
gen Girnis in das dorf.
4. D' Meiländer das ersachen,
si rucktend wol uf dem ban^,
si begondend sere gachen*,
mer denn vierzechentusend man.
^ einen entscheidenden Schlag führenv ^ rüsten. ^ Bahn, in der
altern Sprache auch masculin. ^ eilen.
LIEDER 71
si namend für sich, nun merkend das,
den eidgnossen wib und kind z' erstechen,
den schaden wollend s' rechen,
der in geschehen was.
5. Do si bim klösterU^ sahend
den büffelskopf an der mur,
d' Meiländer ir wafen namend,
si stakend sich gar sur^ ;
si bicktend^ in herab mit gwalt,
mit lüejen"* und mit boßen,
als ob s' in weltind stoßen;
ir hoffart was mangfalt.
6. D' Meiländer schruwend sere,
vor Bellenz da war ein hol,
die gräber^ wärend lere,
si machtind s' widerum vol ;
dafür da hulf weder gut noch list!
si beroubtend 's gotshus unser trowen,
die bernden*^ böum tetend s' abhowen;
vor in hatt man kein frist^.
7. Mit großer macht si kamend,
si woltend geben end.
der eidgnossen knecht das vernamend,
si rüsten sich ouch behend.
ir houptman gab in wis und 1er:
« frisch umb, ir knaben alle !
ob got will, so gewinnen^
wir hüte gut und er ! »
^ Poleggio. ^ nahmen eine grimmige Miene an. ^ hackten.
* brüllen. '" der in der Schlacht bei Arbedo (1422) gefallenen Eid-
genossen. ^ (Obst) tragenden. ^ Ruhe, Sicherheit. ^ der fehlende
Reim könnte etwa gelautet haben : gefalle (werde zu Theil) ims.
72 HISTORISCHE
8. Ir fromkeit tet sich regen :
der eidgnossen knecht hochgemeldt
si zugend in entgegen
alls in demselben feld.
ir warent kum sechs hundert man,
gar ritterlich und gar stille,
nach ires herzen wille
griffend vierzechen tusent an.
9. Ä^ das was ein großer grümel^,
der schimpf was ungehür^;
« schüß, stich, schlach in schümel* !
wir machend d' fiende tür^
so gar mit ritterlichem müt, »
sprach einer zu dem andern;
man strafet die Meilander
mit einer scharpfen rüt.
IG. Meilander tet man erschlagen
wol sechszechen hundert man,
die andern tet man jagen,
das feld man in angVann;
man g'wann in an^ vil großes gut,
acht kostbarliche schlangen,
acht und zwenzig edlen gefangen;
des hattend s' fröud und müt.
II. Vil haggenbüchsen schwere,
dreihundert handbüchsen gut,
fünfhundert armbrust oder mere
ließend d' Meilander in der hüt^;
^ Interjektion wie das he im Sempacher Lied. '^ gerüniel, Lärm.
^ der Spaß wurde unheimlich. * auf den Schimel (die Pferde) los?
* selten. ® ihnen ab. ' in ihrer festen Stellung zurück.
LIEDER 73
darzü vil mul^ und hüpscher roß
ließend d' Meilander an der hetze
den Tütschen zu einer letze^ ;
ei wie übel das si verdroß !
12. Sant Gotthard sol man prisen,
er schwebt im land so fri,
er tet sin kraft bewisen,
den sinen wonet er bi,
als ouch den fromen Liviner,
die sind gewesen bi der selben schlacht
so gar mit ritterlicher macht;
des habend si pris und er.
13. Aber tun ich melden:
der fromen eidgnossen knecht
bleib keiner tot im felde;
das schuf das göttlich recht.
des dankend wir dem herren krist
und Marien der vil reinen
und den helgen kindUn kleinen,
ä an der tag es g'schehen ist.
14. O Meiland, wärstu daheim 'bliben
mit dim großen Übermut,
bettest nit z' iiroß hofFart triben!
man spricht, es si nit gut.
man hat in gen^ der kindlin tag
zu einem nüwen jare —
vernemend das für wäre —
ä biß daß man es bessern mag!
^ Maulthiere. ''' Abschiedsgeschenk. Es folgen 2 Strophen, in
welchen Zürich, Luzcrn, Uri und Schwyz als Theilnehmer am Kampfe,
dann aber die Eidgenossen insgesammt gerühmt werden. ^ gegeben.
Die Schlacht geschah am 28.Dec., dem Tag der Unschuldigen Kiudlein.
74 HISTORISCHE
15. Der dis liedli am allerersten sang,
Hans Viol ist er's genant,
zu Luzern es ze lob erklang
den eidgenossen allen sant.
er hat's gesungen uß friem müt;
er spricht, es war menger gerne rieh
und lebte ander lüten gHch :
so ^ vermögen wir's nit all am gut !
Rorschacher Klosterstreit. 1489.
s. Bd. I, S. XXXI.
1. Wend ir hören nüwe mär:
ein rotfuchs ist uns komen her
von Wangen^ gen sant Gallen;
sin balg der gult uns pfening vil,
kam er uns in die fallen!
2. Ein nmves lied ich frölich sing —
o^ott well, daß mir darin o^elins: —
von Abt üolrichen Röschen;
sin balg (der) gult uns pfening vil
kam er uns in die täschen.
3. An einem zinstag ^ es beschach,
daß man gar fröHch ziechen sach
die von sant Gallen schnelle
in die Grub* mit richem schall
mit denen von Appenzelle.
^ so wie es jetzt ist, nun aber. ^ im Allgäu. ^ Dienstag. * Dorf
oberhalb Rorschach.
LIEDER 75
4. Und do si zuchent uß der Grub,
wie bald sich da der schimpft erhüb
mit brennen und mit brechen^,
daß der roch^ gen himel für!
für war mag ich das sprechen.
5. Sant Gall der hat ein zeichen 'tan
ze Rorschach, als ich wol verstan,
won* er doch nit wil haben
kein ander kloster denn das sin,
da er in lit vergraben.
6. Gott der hat uns her gesant
sant Gallen her us Schottenland,
das hört man singen und sagen;
den hett abt Rösch zu Rorschach gern,
das wil man im nit vertragen^.
7. Apt Uoh, laß dich nit herfür!
groß Unglück lit dir vor der tür,
darin macht du wol komen,
woh du vil mengem gotshusman
das sin mit gwalt hast g'nomen.
8. Ir gotshuslüt, sind stät und fest,
betrachtent was üch sig das best,
land üch vom land nit triben!
so mügent ir mit der landlüt*^ hilf
bi er und o^üt beliben.
^ Spaß, Spiel. '^ des halb fertigen neuen Klosterbau's In Ror-
schach. ^ Rauch. * = zuan, weil. '" gestatten. ^ der Appenzeller.
76 HISTORISCHE
9. Ein starcher steck gewachsen was^;
darumb redt ammann Reding^ das,
man sol in in drü zerspalten^.
Nun mactiet uns den stecken ganz,
so mögent wir 's land behalten!
10. Abt Uoli ist ein roter"^ man,
der vil unglück machen kan
in disem land besonder;
gat in darin vil unglück an^,
das nimpt mich nit ein wunder.
11. Apt Uoli heißt von recht der Rösch^
und plät sich gegen uns als ein frösch,
biß daß er wird zerspringen;
so' wird vil menger gotshusman
von großen fröden^ singen.
12. Apt Uoli ist ein untrüw man,
der unser stat kein güts nit gan^,
das hat man wol vernomen;
stund es an mir, er müeßt darzü^®
sin lebtag niemer komen.
13. Apt Uoli der hat hus zu Wil,
da tut er böser anschläg vil,
wie er uns mög verderben;
darmit macht er nach sinem tod
den tüfel zu sinem erben.
^ der Bund der Appenzeller, der Bürger von St. Gallen und der
Gotteshausleute. ^ Landammann Rudolf Reding von Schwyz, einem
<Jer Schirmorte des Klosters. ^ mit den Verbündeten getrennt ver-
handeln. * er hatte rothe Haare, welche bekanntlich auf einen
schlimmen Charakter gedeutet werden. ^ geht an = trifft. ^ das Ad-
jectiv rösch bedeutet: hart, spröd; barsch, heftig, 'dann. ^Freuden.
® gönnt. ^° zu etwas Gutem, Glück.
LIEDER 77
14. Apt Uoli hat gesprochen frig^
wie zu sant Gallen nit me sig
dann achtzechen fromer frowen^;
darumb hand si ein urtel 'gen,
daß man in sol zerhowen.
15. Apt Uoli der hat schmirwi^ gnüg,
das ist gar wol der boten füg"*,
die er damit tut salben
und uns darumb verlachen tut
in orten ^ allenthalben.
16. Apt Rösch hat lüt, die gaben nend^
und im kein spil verloren gend
in allen sinen gewerben;
lat man im nu das für sich gan^,
so muß das land verderben!
Schwabenkrieg.
s. Bd. I, S. XXXII und S 25.
I. Schlacht im Schwaderloh. 1499.
I. An einem donstag es beschach
uf einem witen plan
zu Ermatinsen vor dem wald,
^ö
do sreif man die figend an;
^ frei, offen. '^ er hatte sein Vorhaben, das Kloster nach Ror-
schach zu verlegen, unter Anderm mit Klagen über ausfchweifendes
Leben der St. Gallischen Frauen begründet. ^ Schmiere, Geld zu
Bestechungen. * das kommt den Gesandten der Eidgenossen zu statten,
die den Streit vermitteln oder entscheiden sollten. ^ in den Kantonen,
die der Abt selbst bereiste, um seine Sache zu betreiben. ^ Geschenke,
Bestechungen annehmen. ' so fortgehen, ungestraft hingehen.
yS HISTORISCHE
die von Costenz waren uns entrunnen,
es kost si mengen man,
vil kostparlicher schlangen
band si dahinden gelan.
2. Die hauptlüt ritten z'semen
und machten ein Ordnung schnell:
«Woluf in sant Jörgen namen,
daß uns die sach nit fei!
in gotes namen wellen wir dran
und schlachen frölich drin;
Maria, laß uns in fröiden stan
und won uns allzit bi! »
3. Sie beten sich vermessen
am selben morgen frü,
ir büchsen teten si g'rechen^
gen Ermatingen zu.
zwar baten si gewunnen
mit vorteil und mit rat,
es ist si aber übel gerüwen
am selben abend spat^.
4. Yil ritter und vil knechte
Heßend si uf dem plan;
die von Costenz wolten nit me fechten,
si machten sich darvon;
und welcher nit mocht riten
und loufen oder gan,
im feld müsten si bUben,
den schaden müsten si han.
' rüsten, richten. - Die Schwaben hatten die Vorhut der Eid-
genossen überfallen und geschlagen, aber die Hauptmacht der let;:tern
führte dann einen Gegenstoß und wetzte die Scharte wieder aus.
LIEDER 79
5. Uß Gottlieb tet man schießen
am selben abend spat;
es tet si ser verdrießen,
daß si verloren hand.
Die trumen hört man klingen
in der eidgenossen hüt^;
darumb so wil ich sinken
uß früschem frien müt-.
6. Vor Gottlieben an dem Rin
da hüb sich große not;
da jagt man vil der Schwaben in^,
die in sich trunken den tod;
die andern tet man jagen,
das feld man do gewann,
darzü hat man in erschlaecn
drüzehen hundert man.
7. Alle die im züsatz'^ sind gesin,
die ich nit nennen kan;
was ere hand si geleget in,
mag man wol verstan.
Inen ist ^ar wol ^elun^en
im Schwaderloch vor dem wald;
dri fendlin hand si gewunnen
mit krefti2:lichem fjewalt.
8. Nun sag ich das on allen spot
und bi der trüwe min,
daß wir hand gehept das glück von got
und von Maria der müter sin,
^ feste Stellung; Hauptmacht. ^ in 8 folgenden Strophen werden
als Theilnehmer am Kampfund Siege genannt und gerühmt: Zürich,
Bern, Lu;!ern, Uri, Schwyz, Unterwaiden, Zug, Freiburg, Thurgau.
St. Gallen. ^ da — in, da hinein, in den Rhein. * Hülfsheer.
8o HISTORISCHE
daß wir also sind obgelegen^
und hand gewannen den sig.
Herr gott, frist uns lang das leben
und send uns din s^ötlich frid !
9. Tusent und vierhundert
im nun und nünzig jar
da haben wir gewunnen
der büchsen ein loblich zal;
eine heißt der Seckel^,
also ist si genant,
damit wolt man bezalen
drü ort im Schwyzer land.
IG. Der uns das lied nüwes sang,
Hans Wick ist er's genant;
von Luzern ist er o:eburtig
und zu Ure wol erkant.
Er ist im züsatz gewesen
zu der selben zit,
gen disem werden meien^,
der uns vil fröiden git.
IL Schlacht bei Glurns
jetzt genannt «an der Calven», früher « auf der Malserheide ».
s. Bd. I, S. XXXII.
I. So will ich aber singen,
singen ein nüws gedieht,
wol von den drien bünden,
wie es inen ergangen ist,
^ gesiegt haben. - von Konstanz. ^ Die Schlacht geschah am
II. April, zcert, angenehm, erwünscht.
LIEDER 8l
dem Etschland ist \vol erkant:
die krei^ ist ußgeflogen
dem Steinbock in sin Lind.
2. Es tet dem edlen Steinbock zorn,
do er vernam die gest :
« krei, du bettest \vol emborn^,
wärest 'bliben in dincm nest!
es tut dir warlich niemer gut,
ich will mich an dir rächen,
du tribst groß Übermut.»
3. Der Steinbock was sich nit sumen,
er macht sich uf gar bald:
« ein letze ^ wend wir rumen
bi einem grüenen wald;
die Schmucker* wellen wir grifen an,
daß menge frow muß weinen
umb iren elichen man ! »
4. Die dri pünd kamen gezogen
am pfingsttag ins Engadin:
« frölich wend wir es wagen,
Maria w^elle bi uns sin !
si w^ill uns niemermer verlan,
darzü der bünden künig^
sant Lucius mit siner krön. »
^ Krähe, das Wappen Tirols, wie der Steinbock das von Stadt
und Bisthum Chur. ^ entbehrt, unterlassen. ^ die von den Tirolern
aufgeworfene Verschanzung im Engpaß der Calven, am Ausgang des
Münsterthals. * Bergknappen, wohl von schmuchen, sich ducken. Von
einem Bergwerk mit Schmelzhütte soll auch die Calve ihren Namen
haben. ^ Schutzpatron des Landes.
II. 6
82 HISTORISCHE
5. Am mäntag waren si komen
gön Münster in das tal;
die schmucker heten's bald vernomen,
si rüsten sich überall;
si heten ein letzi fest.
die rüter waren d' bünd anschowen :
« da komt uns frömbde gest !
6. Wir wend's inen wol entbieten,
den bünden allgemein;
unser kilbe sönd si sich g'nieten\
keiner kompt inen wider heim !
w^ir wend in schenken uß einem faß,
in der Etsch wend wir s' ertrenken,
so turfend s' niena o;las^ ! »
7. Nig von Brandis^ begund jechen"^:
(( daß üch nit fei die schanz !
an der steig han ich's gesechen,
heten d' buren iren fasnachttanz,
namen mengem Swaben sin junges leben
ir sönd si nit verachten,
den rat will ich üch geben.
8. Dann ich will ir nit beiten,
das red ich uf minen eid;
si spannten mir die selten^,
wurd ich inen in ir hend.
^ sie sollen sich an unserer Kirchweih ersättigen. Vielleicht
stand das Fest irgend eines tirolischen Kirchenpatrons bevor. ^ so
bedürfen sie keine Gläser; vgl. Bd. I, S. 28. ^ war in einem Gefecht
am Luziensteig mit den Schwaben gewesen. * sagen. ^ würden mich
arff misshandeln.
LIEDER 83
fliechen wirt morgen min bester b'scheid;
der mit mir well von hinnen,
es wirt im niemer leid^! »
9. Die schmucker heten für sich g'nomen^,
die letzi nit zu verlan :
« ob fünfzig tuscnd komen,
wir wend si wol bestan,
si siend Swizer oder bündlüt,
es bringt in keinen fromen;
umb all weit gebend wir nüt ! »
IG. Die dri bünd giengen zu rate —
heten mengen wisen man —
an eim zinstag abend spate:
wie wend wir s' grifen an?
« wir wend ordnen ein hinderhüt^,
zwen hufen wend wir machen. »
der anslag tucht si gut.
11. Da es was umb mittenacht,
wie bald man von dannen zoch!
der ein huf rückt mit macht
über ein berg, was hoch,
die Schlingen ist der berg genant;
wol uf dem mitten tage
kam man in der fiend land.
12. Die dri bünd waren ir fiend anschowen,
wol funfzehen tusent man :
si ruften an unser frowen,
sant Luzi mit siner krön :
^ er wird es niemals bereuen. '^ sich vorgenommen. ^ Hinter-
halt, vielmehr aber eine Umgehung; s. Str. 11, 3 — 5.
84 HISTORISCHE
« die wellen uns hüt hilflich sin ! »
ir Ordnung waren si machen,
ir hufen der was klein.
I
In die bündlüt w^as man schießen,
der schlangen heten si vil;
die bünd was es verdrießen:
« wie stan wir hie still zum zil ^ ? »
der bünd waren viertusent man,
si heten löwes müt,
si griffend s' frölich an.
14. Der houptman sprach: « wir wellen rücken,
dann es ist an der zit;
die krei wirft uns ab die brücken,
vil hufen hat si mit lüt. »
den ersten hufen griffen si an,
von inen was er sich wenken,
er weit inen nit bestan.
15. Do der selbig huf was fliehen,
di dri bünd wanten sich bald;
seeen inen Sachen si ziehen
zwen hufen uß einem wald.
in Maria namen griffen si s' an;
noch verborgen in dem w^alde
hatt die krei zwen hufen stan.
16. Noch versorget^ heten s' die letzi
mit lüten und büchsen vil,
vier bastien darin gesetzet
und schußen all zu eim zil;
^ nach der Abrede sollte die Hauptmacht mit ihrem Angriff im
Engpaß auf ein Zeichen warten, das der über den Berg gezogene
Haufe geben würde; unterdessen blieb sie dem Feuer der Feinde
ausgesetzt. "^ besetzt.
LIEDER
mit schießen triben si orroßen sr^valt.
der Steinbock was die kreien jagen
wol in dem s^rücnen wald.
17. «krei, du magst nit gar entrünnen,
ich han dir's vor geseit;
groß kumber müstu hüt gewünnen,
din bosheit wird dir leid !
ich will dich bringen in jamers not,
daß diser e:rüener walde
von blüt muß werden rot ! »
18. Die krei was sich schmucken,
in dem wald si umhar floch ;
die federn ward man ir rupfen,
die fecken si nachar^ zoch ;
man rupft ir die federn uß irem swanz,
daß si in dem grüenen walde
macht mengen krumen tanz.
19. «Krei, din anslag wend dir feien,
die dich band getunkt gar gut;
mit halebarten wil ich dir strelen
und zwacken- mit dinem blüt!
ich will dich strelen uf den grund,
daß du fürhin^ solt kennen
die puren im grawen pund !
20. Krei, du hattest dich vermessen,
uß dinem Übermut
mir bereit ein abendessen ;
das kost dich lib und ^üt;
* hinter sich her. federn, Fittige. ^ waschen. ^ in Zukunft.
86 HISTORISCHE
das trank, das du mir hattest bereit,
das müstu selbs ußtrinken,
wär's dir im herzen leid ! »
21. Die büchsen was man inen abeloufen^,
als uns die warheit seit;
pulver, stein dorft man nit koufen,
man fand es darbi bereit;
daruß schoß menger houptman gut;
von dannen begondend s' loufen,
gestillet was ir Übermut.
22. «Krei, ich han mit dir gefochten
wol über die vierden stund;
an dir han ich mich gerochen
und an dinem stechlin^ bund;
die letzi han ich dir g'wunnen an,
dine büchsen und dine banner
müstu den pünten lan ! »
23'
Da hat man in erschlagen
im wald und uf dem feld
viertusent, hört man klagen,
die man do hat gezelt,
on die in der Etsch ertrunken sind,
der zal mag niemant wüssen;
des klagt sich menges kind.
24. Do sach man gar bald brinnen
das land wol überall,
kein hus mocht da entrinnen
im berg und ouch im tal.
^ im Stiirmlauf entreißen? oder: unterlaufen? ^ stählern.
LIEDER 87
SO erbarmen mich vil kleiner kind,
daß si durch ire herren
in jamer komen sind.
23. Küng, laß von dinem kriegen,
din anslag hand dir gefeit;
du wirst dich selbs betriegen,
die puren hand dir gestrelt.
die dri bünd woltest du zerbrochen han,
das ist dir misselungen,
es kost' dich mengen man.
26. Die dri bünd hand sich verbunden
wol zu dem ruchen stier;
inen ist wol gelungen ;
der beren sind ouch vier^;
der Steinbock hat mengen stolzen man,
in träwen und in nöten
will er ouch bi in stan.
27. Der uns das lied hat gesungen
und singt zu diser stund,
keinem herren ist er verbunden,
er sitzt im grawen bund ;
zu Cur ist er gar wol bekant,
sin narung ist er suchen
in tütsch und welschem land.
^ Es sind wohl die auch in früheren Liedern (Bd. I, S. 28, und
II, S. 51,7) gemeinten von Bern, Abtei und Stadt St. Gallen und Appen-
zell. Ueber das Historische der Schlacht vgl. die ausführliche und
gründliche Abhandlung von Prof. Vetter im Jahrbuch für Schweiz.
Geschichte Bd. VIII, 203 ; über theilweise Entlehnungen des Liedes
aus anderen ebd. S. 252; nur sind dort gerade die Berührungen mit
dem in unserm Bd. I, S. 25 ff. mitgetheilten (Str. 8 — 9) übersehen.
88 HISTORISCHE
III. Schlacht bei Dorneck.
s. Bd. I, S. XXXIII.
1. An einem mändag es beschach,
daß man die Oesterricher ziechen sach,
und^ Dorneck wollen si beschowen;
und Dorneck, du vil hoches hus,
du tust inen \ve in den ougen.
2. Si zugent an der Pirs hinab,
uf Dorneck was menger Swizerknab,
si band sich erlich gehalten;
si sprachen : « lant si komen har,
so wend wir's got lan walten ! »
3. Si kament fürbaß uf dem plan,
die buchsen hant si fürher getan,
Dorneck wolten si erschießen;
si buten in vil der snöden wort,
es bes^ond si ser verdrießen.
4. Si zugent noch nächer hinzu,
si lüejeten recht wie ein Swizer kü,
es o^ond- die eid^nossen verdrießen:
ö'
« so wend wir's Maria klagen
t>
und Jesum dem vil stießen ! »
5. An einem montag es beschach,
daß man das leger slachen sach
an Dorneck bi der feste;
und Dorneck, du vil hoches hus,
dir koment vil frömbder oreste !
^ hier öfter in der zum Lied von der Schlacht bei Nancy S. 66
bemerkten Weise pleonastisch gebraucht. ^ = hegond 5, 5.
LIEDER 89
6. Der vosit der was ein wiser man :
« ach got, wie wellent wir's ^riten an,
daß wir die sach verenden ? »
er ließ schnell ein bot hinuß,
o:on Liechstall tet er in senden.
7. Und do der bot gon Liestall kam,
die eidgnossen warent vor im do,
si saßen in allem essen :
« ich biten üch, fromen eidgnossen gut,
deren uf Dorneck wellent nit vergessen ! »
8. Der Schultheiß hinder dem tische saß
und er den boten anesach:
«und bot, was ist dir angelegen?»
« ach herr, liebster herre min,
und Dorneck das ist umbiegen M»
9. Der Schultheiß was ein wiser man,
sin essen das hatt er vor im stan,
dannocht- wolt er nit bliben :
« wolut, ir lieben eidgnossen gut,
die Landsknecht wollen wir vertriben ! »
IG. Si zugend bald ze Liestall uß,
gegen den Osterrichern hatten si keinen grus,
keiner wolt daheimcn bliben;
si zugen uß früschem friem müt,
von Dorneck wolten si s' vertriben.
II. Und Dorneck, du vil hoches hus,
der koch der slÜ2; die kuche uf,
* belagert. ^ s. zum Lied von der Schlacht bei Nancy S. 67.
90 HISTORISCHE
er tet die häfen schumen;
eb^ es ward ein halbe stund,
da tet man in die kuche rumen.
12. Si zugend an dem grüenen wald har,
der Osterrichern was ein große schar,
si band sich unerlich gehalten,
si fluchen über die grüene beide uß,
die köpf tet man inen spalten.
13. Die eidgnossen band eine list erdacht,
si band die Schwaben gen Dorneck 'bracht^,
si und ire gesellen;
ir sind ein teil von Straßburg gesin,
es mües^e^ wem es welle!
14. Si sind gestanden uf weichem grund,
di tusend bUben tod und wund,
das plären* tet man in vertriben :.
die büchsen, die hatten si vor Dorneck 'bracht,
die sind den eidgenossen 'bUben.
15. Der uns das liedlin nüwes sang,
ein früscher eidgenoß ist er's genant,
er hat's gar frölich gesungen;
er hat meno:en Swaben erstochen
und mit den Straßburgern gerungen.
^ ehe. ^ durch Verbreitung der falschen Nachricht, die Eidge-
nossen seien in 's Thurgau gezogen. ^ bemühe, thue leid? * = lüejen 4,2.
LIEDER 91
(( Von den Luther'schen zu Solothurn. »
s. Bd. I, S. XLII.
1. Xun^ wend wir aber heben an
und singen ein liedlin, weil ich kan,
und^ wie ich hab vernomen
und wie der Türk^ mit großem gwalt
in d' eignofM'chaft ist komen.
2. Und als er ist von Wien entronnen,
ist er auch gon Zürich kommen,
do ward er ingelassen ;
er 2:ab dem Zwins^li vollen sjwalt,
solt rauben kilchen und Straßen.
3. Das hat im got nit woln vertragen,
die fünf ort hand in erschlagen;
thüt etlich stett verdrießen,
die hand aus gloggen buchsen g'macht
und wolten uns erschießen.
4. Zu Solothurn kamen auch acht man,
einen schimpf hand si gefangen an,
das wolt got nit vertragen;
und hetten wir('s) im* recht gethan,
wir hetten s' all erschlagen.
5. Si hetten sich auf einmal vermessen,
z' Schifflüten^ hetten s' z' morgen g'essen
^ Die Handschrift hat und. - hier wie im Lied von der Schlacht
bei Dorneck. ^ hier im Sinn von Antichrist, aber mit Beziehung auf
die damahge Türkengefahr in Oestreich. * ihm, Dativ von c:; recht
als Adverb, nur sollte dann das vorangehende es wegfallen. ^ ein
Zunft haus.
92 HISTORISCHE
mit hämisch und mit spießen
und wolten uns im bett ermorden,
so wir läo:en und schliefen.
6. Do si sind von den Schifflüten kommen,
das büchsenhaus hand s' ingenommen,
die stat wolten si o^'winnen
und wolten ein'r frommen eidgnoßfchaft
ir alten bund zertrennen.
7. Und das ist war und nit erlogen,
uf sant Ursen kilchhof sind si zogen ;
das thet uns all verdrießen;
uf allerheiligentag es geschach,
thet man in d' vorstat schießen.
8. Sant Ursen wend wir rufen an,
Maria wöll uns beistand thün
und ir kind für uns bitten,
daß es in unser großen not
für uns welle striten.
9. Die heihgen wend wir nit vergessen,
wollend bliben bi der messen
und bi den siben sacramenten,
die uns 2:ott der herr verlassen hat
an sinem letzten ende.
IG. Noch eins und das ist auch darbi :
si sprechen, es si ein ketzeri,
der pabst heig uns betrogen,
und was er uns geleret heig,
das si alles erloo:en.
LIEDER
1 1 . Darbi kan ich's nit lassen bliben,
so^ man im evangelium findt geschriben
von den falschen lerern,
si werden kommen zur letzten zeit
und werden das volk verkeren.
12. Der uns das liedlin new gesang,
« der Niemand hat's gethan » ist er genant,
er darf sich selbst nit nennen;
denn kam er under die luthrischen baurn,
si thcäten in verbrennen !
93
Ein hüpsch nüw lied von der schlacht,
so die von Bern mit dem herzogen von Savoy by Nüwen^
gethon habend.
s. BJ. I, S. XLIII und S. 59.
1. O Bern, du magst wol frölich sin
in dinem vaterlande ;
got hat den wenigen mötzli^ din
groß gnad than und bistande ;
errettet hat er s' uß todes not;
darumb so land uns danken got,
siner miltcn trüwen hande !
2. Daß wir allein band prist din nam,
des thet uns menger hassen;
das hast, herr, nit ung'rochen g'lan,
das Schwert thetst selber fassen
^ da (doch vielmehr). ^ Nyon. ^ = inütili, junge Bären.
94 HISTORISCHE
und gabst's dem beren in sin band,
als er lag zwüschend roß und wand^
enet Neus^ in der gassen.
T
;,. Er \vas gezogen durch das 'birg
schier mit fünfhundert mannen,
denen stand allein ir begird,
zu erlösen die verbannen^
in Genf um der gerechtikeit,
mit den messknechten hart umleit*;
si \vurdend hart empfangen.
4. In einem trüppel zugend si bar
am suntag früe zu morgen;
die find namen ir eben war,
si labend still verborgen
hinder einem grüenen dicken hag;
vergeben schußend s' uf si ab ;
si schrüwend : dran frisch on sorgen !
5. Die unseren waren heiligt und müed,
si hattend 2:ar nüt or'essen.
in drien tagen, der spis gar öd^,
schlahen s' sich nit vermessen^;
^ beengt, bedrängt. - jenseits Nyon, in einem Engpaß bei Gingins.
Da der Rath von Bern zunächst für Genf noch nichts thun wollte,
waren 500 Freiwillige vom Bieler und Neuenburger See der Stadt
zu Hülfe gezogen. Unter Mangel an Lebensmitteln bis nach Nyon
gelangt, ließen sie sich am 10. October 1555 in jenen Engpaß locken,
wo ihrer ein weit überlegenes savoyisches Heer wartete; sie schlugen
sich aber mit starkem Verlust der Feinde durch. ^ Gebannten. * von
den Katholiken umlagert. '" ermattet, erschöpft; vgl. heheUigen, er-
müden, plagen. ^ leer von — . " (hatten) sich gefasst gemacht auf — ..
LIEDER 95
den Jenfern hattend s' geben für^,
vermeintend, die straß war gehür-,
wollend iez zu in hassen^.
6. Aber eb man durch die gassen kam,
der fiend hart thet schießen;
da hart einer siben zu bestan,
vil w'arend werlos on spießen.
do sprachend s' : got wird's mit uns han !
ein ietlicher wolt vornen dran,
der fiend mocht sin nit g'nießen"*.
7. Do sach man manchen berner knab
mit spießen gar nit tclcn ;
die andern brachend durch den hag,
do gieng es an ein strelen ;
ir keiner mocht mer z' schießen kan^,
d' schäft thätend s' in uf d' blatten*^ schlan,
der bär thet also welen^.
8. Ein herter schimpft gesach man nie
mit stechen und mit schlachen;
ein ieder thet mer dann ich hie
mösi sinken oder saeen.
die mötzli auch, klem, jung und alt,
trucktend i'n hufen mit gewalt,
man sach gar keinen zagen.
^ Nachricht gegeben? "^^eheuer, sicher, ^passieren, hinziehen.
* der Feind konnte von solchem Muth keinen Vortheil gewinnen.
* kommen. *^ Hirnschale, Schädel. ' wählen? (griff zu diesem Ver-
fahren und hatte wohl auch keine andere Wahl?) ^ Spaß, im Sinn
von : Kampf.
96 HISTORISCHE
9. Der tiend sagt selbs, ich hab's gehört,
es g'schach nie glichs in landen ;
ich glaub, es sig kein spieß enbört^,
fünf baren sind dran g'standen.
darbi man spürt groß gottes gnad,
die er den sinen geben hat,
der 2:eschmir\vten^ rott zu schänden,
10. Gar thür ward menchem des^ baren tanz,
besunders den gewichten;
kein gwer in siner band bleib ganz,
die messknecht thet er strichen;
mit spießen er den segen gab,
mit hallebarten zoch er ab,
büß thet er in verliehen*.
11. «Das ist warUch ein harte büß»,
hört ich von mengen sagen,
«ich wönd^, er hett ein dorn im fuß,
so^ thet er's trutzlich wagen.»
der sich doch alles rechten flißt,
erzürnt man in, er kratzt und bißt,
messknecht hat er thün jagen.
12. Doch so bald im got gab den sig;
fünfhundert* sind umbkomen,
siben der manne und ouch ein wib,
zwen knaben allersamen.
^ erhohen. Die folgende Angabe von 5 Bären an jedem Spieß
ist wohl auf Str. 6, 4 zu beziehen, üsteri liest herren statt härm, wohl
mit Beziehung auf 6, 3. - geschmiert, gesalbt, zunächst Priester, dann
Katholiken überhaupt; vgl. gewicht, geweiht Str. 10, 2. ^ Die Hand-
schrift hat der, wovon doch in Zeile 3 auf den Singular übergegangen
wird. ^ Dieses Bild wohl aus dem Sempacher Lied I, 2 entlehnt.
° für luänt, wähnte. ^ nun aber. ^ so viele von den Feinden, die
LIEDER 97
si band ußzogen^ nie kein man,
irs güts si nüt begeret band,
allein gut gwer genomen*^.
13. Dis lied das bat ein Berner g'macbt,
von guter gsellen wegen,
daß si wandlind recbt, tag und nacbt,
gots wort in si ang'legen
und dis tbüjind zu herzen nen,
daß got den sig mög nen und gen,
im lob und dank drum sai?en.
Ein hüpsch nüw lied von der schlacht im Bemund^
beschehen am Ostermontag im 1544 jar.
s. Bd. I, S. XLIII.
I. Im namen der beiligen dr\-faltigkeit
so wil icb beben an ;
got vater, sun und beiliger geist,
die wollend uns nit verlan !
folgenden Angaben beziehen sich auf die Berner, unter denen auch
einige Frauen gewesen sein sollen.
^ Todte ausgeplündert. ^ 6 folgende Strophen sind weggelassen,
welche von Unterhandlungen berichten, die nach diesem Gefechte
eintraten und die Rückkehr des Freicorps zur Folge hatten, worauf
doch schon im nächsten Jahre die Berner mit Heeresmacht zur Er-
oberung der Waadt ausrückten. ^ Piemont. Die Schlacht heißt auch
«bei Carignano». Berichte über dieselbe s. im Anzeiger f. Schweiz.
Gesch. 1885, S. 115 — 119. Gegen Ende des zwanzigjährigen Krieges
zwischen Kaiser Karl V. und Franz I., König von Frankreich, hatte
der kaiserliche General, der Marquese von Guasto, im Herbst 1545
die Franzosen (und die mit ihnen verbündeten Türken) zur Auf-
hebung der Belagerung von Nizza gezwungen und die Städte Mondovi
II. 7
98 HISTORISCHE
wir thünd dich trüwlich bitten :
verlych uns gnad und kraft,
und^ daß wir mö^ind behalten
das lob der frommen alten,
einer lobUchen eidgnoschaft.
2. Nun merkend uf groß wunder,
w^ie es ergangen ist;
davon so wend wir sinoren
uß gnad herr Jesu Christ;
hat s^nad s^ethan besunder
den frommen eidgnossen gut.
o 0:0t in dvnem himel —
das 2;lück ist iezund sinwel- —
hab uns in dyner hüt !
3. Im tusend und fünfhundert
und vier und vierzigsten jar,
do liend die frommen eido;nossen
ein großen fcldstrvt orethan
und Carignan eingenommen. Die in Mondovi gelegenen, in franzö-
sischem Dienste stehenden Eidgenossen sollen durch einen erdichteten
Brief zur üebergabe verlockt worden sein. Bei ihrem Abzug war
zwischen ihnen und spanischen Truppen, die über sie herfallen wollten,
eine Rauferei entstanden. Im März 1544 begann der französische
Befehlshaber, der junge Herzog von Vendome, den Feldzug mit der
Belagerung von Carignan, und als der Marquese zum Entsatz heran-
rückte, brachte er ihm bei Cerisole eine schwere Niederlage bei, zu
deren Entscheidung besonders 3400 Eidgenossen beitrugen, die mit
dem Racheruf «Mondovi!» auf die Spanier eindrangen. König Franz
ließ der in Baden versammelten Tagsatzung durch einen Gesandten
seinen Dank ausfprechen.
^ so. ^ kugelrund, bildl. wandelbar. Der Reim ergibt sich aus
der mundartlichen Ausfprache simel ; vgl, Simeliherg.
LIEDER 99
an dem Ostermontag
uf einer grüenen heid,
da band sy ir fyend g'schlagen
in's küng von Frankrvchs namen;
ist dem maro^kvsen leid.
4. Der margkys thüt uns schelten,
embüt^ uns böse wort,
er wöU uns all lan henken
und darzü schlahen z' tod,
kein Schwyzer lassen blvben,
und schlan mit svnem beer,
vom küns: wöll er sv trvben,
daß SV daheimen blvben,
wider in nit krie^ind meer.
5. Türken, ketzer thünd s' uns sagen
und anders noch vil meer;
wir wend's got trüwlich klagen
und allem himmelschen beer,
ja, daß die frommen eidgnossen
also verachtet sind,
frisch uf, ir Schwvzerknaben,
gen fynden wend wir traben,
wend schlahen sy uf d' grind!
6. Sy band's an uns erworben^
fürwar an mene^em end ;
ZU Muntuwi:^ vor der stat,
daran wir denken wend.
^ entbietet. '^ es um uns verdient.
100 HISTORISCHE
wie SV uns band gehalten
kriegsrecht, euch frid und g'leit.
wir wend trüwlich uf üch warten
mit spieß und hallenbarten
on vorteil uf grüener heid.
7. Ir sind im land umbzogen,
trihend groß Übermut,
Gar\-an^ vne^enommen,
gemacht pastyen^ gut,
daselbs vil mütwill triben,
ouch hoffart und bübery;
ir aßend gut kapunen
und hennen gebraten^,
rossfleisch zületst darby!
8. Der margkys kam gezogen
am heiligen ostertag
mit zwenzio:tusend mannen
zu fuße, ich üch sag;
Garvan wolt er spysen"^,
entschütten ^ mit syner macht,
die Franzosen muß ich loben,
sind in die straß fürzogen ^,
ein scharmutz mit in s^'macht.
9. Uf möntag an dem morgen
do brach das leger uf;
gen fynden ist man zogen
von Carmiölen uß.
^ Carignano. - Basteien, Befestigungen. ^ vielleicht: und ouch
gebraten hüener. * verproviantiren. ^ entsetzen. ® ihnen entgegen
gezogen.
LIEDER 10 1
uf eine halbe tütsche myl
sach man den fyend stan,
vier hufen gwaltiglichen,
zu roß desfelben glychen,
glißend^ wie ein Spiegelglas.
10. Do fieng man an scharmützen,
das wert' dritthalbe stund,
das groß gschütz thet züher rucken,
ist mengem kriegsman kund ;
's handgschütz gieng. wie ein hagel,
das groß darunder lut.
fürwar, ich g'sach kein zagen :
« frisch dran, wir wöUend's wagen ! »
schrüwcnd die houptlüt gut.
11. Da thet man z'samen rucken
uf einer heide grüen ;
ich g'sach sich keinen schmucken,
die fvend warend küen,
trölich mit uns zu wagen,
schwungend die fendly hertür ;
sy thetend uf uns tringen,
von mutwill thatend s' springen.
wir machtend in gut g'schirr-.
12. Die Schwyzer und die landsknecht
die griffend einandren an;
da gieng es an ein fechten,
es kostet mengen man.
^ sie glänzten. -' freundlichen Empfang.
102 HISTORISCHE
die Schwyzer ich drumb loben,
sy sclilügend dapfer dn-n,
sy stachend dr\'n mit spießen ;
das thet d' landsknecht verdrießen,
keiner wolt der hindrest syn.
13. Ein Schwyzer thet lut schr\'en:
(( mit den hallbarten herfür,
flux uf die rechten syten ! »
da wurd in lachen thür^
vil edler ritter und grafen
die woltend wychen nit.
wir schluckend druf on truren
glychwie die schwyzer buren,
schontend des adels nit.
14. Wir schlügend s' hindersich z' ruggen,
aar seer sv das verdroß ;
die fvend thatend rucken
mit irer Ordnung groß
und thatend heftig str}'ten,
sy warend wol gerüst;
die Schwvzer thatend fechten
mit houwen und mit stechen;
den grind hand wir in 'bürst'.
15. Die landsknecht fiengend an wychen,
ir hoffart hat ein end;
sy ließend d' fenly schlyclien,
die flucht sv genommen hend
^ wurde ihnen das Lachen verleidet.
LIEDER 103
alls^ über ein wite beide;
da was ein graben groß ;
sy stakend sich zu weren^,
die Schwyzer ratend s' beren^
mit iren Schwertern bloß.
16. Ir fendly band wir genommen,
es kam nit eins darvon ;
vil houptlüt, ritter, graven
und mengen edehiian,
ja die wir band erschlagen,
mengen kriegsman gut,
sy möchtend ein erbarmen
so vil der stolzen armen ;
die heid von blüt was rot.
17. Sy lagend in den Straßen
und straktend uf ir hend :
« bittend üch, frommen eidgnossen,
daß ir uns tT'fano;en nend
und fristind unser leben,
helfind uns uß diser not.
wend leben nach üwrem willen,
durch Jesus Christus willen,
der für uns leid^ den tod.»
18. « Ir band uns dröuwt zu henken,
keinen nit lassen gan,
die Franzosen ufs meer^ verkoufen.
das ander alls erschlan.
^ an einem fort. * setzten sich zur Wehr. ^ schlagen. * litt.
^ auf die Galeeren.
104 HISTORISCHE
das wend wir üch yntrenken,
solch hoffart und Übermut.
das leben wend wir üch schenken,
daß ir daran gedenkend,
kein Schwvzer verschmähen thünd. »
19. Die Schlacht die nam ein ende,
man seit got lob und dank,
die trefano^nen an ein hufen
und tatend ein widerschwank ^.
« lügend, liebe eidgnossen,
über dise wvte heid!
es ist uns keiner entrunnen,
ein 2:üt lob band wir s'wunnen;
das ist dem mar^kysen leid. »
20. D' Franzosen sind gestanden
bi uns zu rechten svt,
bv den drv tu send mannen,
band 'than wie biderb lüt.
die band d' Taliöner^ g'schlagen
und einen reisigen huf,
die fendlv alle g'wunnen ;
ir ist nit vil entrunnen,
band sv all g'riben uf.
21. WVter muß ich melden,
wie wvt wir s' triben band:
ein halbe tütsche mvle,
da wir ersvunden^ band
^ wir brachten die Gefangenen zusammen und kehrten dann auf
das Schlachtfeld zurück (?). - die Italiener. ^ erwinden: ablassen
(von der Verfolgung).
LIEDER 105
in der fynden leger,
Zirasoli genant,
nit wyter sind sv o:e\vichen,
wir iiand s' all erstrichen^,
geschlagen mit unser hand.
22. Ein Franzos kam getraben,
der selb schrei überlut:
« woluf, ir Schwvzerknaben,
es ist ein großer huf,
dieselben sind nit jz'schlae^en,
stond dort uf grüener heid.
frisch dran, wir wollend fechten
und uf sy houwen und stechen ! »
zu strvten was man geneigt.
23. Wir thatend gegen in tringen
on alle Ordnung hin;
sv ließend 's s^schütz erklingen
und woltend abziehen fvn.
wir trungend uf ir Ordnung
und schlügend dapfer dryn
mit spießen und hallbarten;
sy woltend uns nit warten,
keiner wolt der hindrist svn."
24. Man thet sy bald umbryten^,
sy mochtend entrünnen nit,
sy müßtend unser beiten
und warend gefangen lüt.
' eingeholt, ''■ überflügeln, umzingeln.
I06 HISTORISCHE
die Spanger all erschlagen,
keinen nit lassen gan;
wend inen dis mord^ yntrenken,
keim Spanger gar nüt schenken :
Muntuwig bezalt den lon^ !
25. Der künig unverdrossen
spricht das by syner krön,
er lobt die frommen eidgnossen,
daß sy thünd by im stan,
daß SV ouch helfend b'halten
stett, schloß und wyte land ;
wo sy nit by im bHben,
man gloubt, er wurd vertriben
uß Frankrych synem land.
26. Er spricht zu den eidgnossen,
er wöll's uns g'nießen lan,
er wöll uns eerlich halten,
diewyl er mög 's leben han,
lieb und leid mit uns lyden,
uns geben ein guten sold :
« lönd üch nit von mir try^ben,
thünd stät by mir belyben,
an üch rüwt mich kein o:old ! »
27. Darmit so will ich's enden,
wol dis gedieht fürwar;
ich hoff, gott werd uns senden
vil glück und gute jar,
^ ihren bei Mondovi begangenen Verrath. ^ Im Original folgen
hier 10 Stroplien, welche in trockener Aufzählung und zum Theil
mit Wiederholungen den Verlust der Feinde und den Betrag der
LIEDER 107
und daß wir Irommen eidgnossen
in frid und einigkeit
,unser alt lob ernüwen.
zu got ruf ich in trüwen,
er hab uns nüt verseit.
28. Der uns dis lied nüw gesang,
von nüwem gedichtet hat,
das hat i^ethan ein krie^sman,
wie bald er kam ab der schlacht.
er ist wyt umbher zogen
in tütschem und welschem land ;
kein trüw kan er nit finden,
die weit ist voller sünden:
Caspar Suter* ist er genant.
Ein Lied von der grossen Schlacht und Niderlag
vor Montecurt in Frankrych, den 3. Octobris Anno 1569.
s. BJ. I, S. XLVI.
I. Zuvor wend wir anrüefen
den Herren Jesum Christ,
US ganzen Herzen Tiefe,
dann er uns big'standen ist;
Beute angeben (1500 Proviantwagen, Büchsen und Munition, Fahnen,
Belagerungs^eug und Schiffe). Die Eidgenossen sollen nur 40 Mann
verloren haben, die Feinde über 15000, nicht mitgerechnet die Ge-
tangenen, worunter 3000 Landsknechte, 900 Spanier.
^ Ein Caspar Suter von Horgen (Kt. Zürich) wird 1549 als Schul-
meister in Zug erwähnt und hat eine Chronik verfasst. s. Anzeiger
f. Schweiz. Gesch. 1865, Nr. 2, S. 22 — 25. Er könnte wohl früher den
Feldzug mitgemacht und das Lied gedichtet haben. (Nach einer
Mittheilung von Prof. G. v. Wyß).
I08 HISTORISCHE
er hat uns 'geben Stärk und Kraft,
daß wir band ing'leit Ehre
der ganzen Eidgnoßlchaft.
2. Es ist männiglichem künde
in Frankrich überall,
wie daß der Prinz von Conde
mitsamt dem AmiraP
hand ang'richtet Mord und Brand,
im Grund wollen verderben
Frankrich das edel Land.
->
Und haben understanden
zu samlen große Macht,
in tütschen und welschen Landen
vil der Bündnissen g'macht,
sich beworben umb Geld und Lüt: ^
zwar- der Menschen Anschläge
wider Gott die helten nüt.
4. Mit gar großen Finanzen^
sind sie gegangen um,
als ob sie wolten pflanzen
das Evangelium,
daß man's verkündet überall;
hand darmit an sich 'zo2:en
von Tütschen ein große Zal.
5. Den Herzogen von Zweibrücken
hand sie 'bracht in das Spil,
mit iren g'schwinden Tücken,
und auch des Adels vil.
^ der Admiral Coligny, das Haupt der Hugenotten. ^ wahrlich,
hier fast = aber. ^ Kniffe, Künste.
LIEDER 109
daß er inen zuzogen ist
wol mit nüntusend Pferden,
die waren wol o:erüst.
6. Von Landsknechten sind gezogen
der Fänli zwanzi^: und acht,
die sind daher o;eflo£jen
in Uebermüt und Pracht,
sind damit g'fallen in Burgund
und hand ang'fangen brennen
ghch wie der türkisch Hund.
7. Darnach sind sie dem Künig
gefallen in das Land ;
es bekümmert sie i2;ar weni«^,
ob schon mit Mord und Brand
vil armer Lüten wurden g'macht,
all Kirchen Zier zerrissen;
uf Bosheit hatten s' Acht.
8. Französisch Hugenotten
die ritten vornen dran
mit ihren wißen Rotten ;
die zündten Dörfer an,
verschonten weder Wib noch Kind;
mocht inen ein Priester werden,
so schlügen s' in z' Tod geschwind.
9. Im Dienst hat vor^ der Künig
ein und zwanzig Fänli gut,
das ducht im nun zu wenig
von Schwizer zu siner Hut ;
^ vorher.
HO HISTORISCHE
darumb beschickt er gar g'schwind und b'hend
der Fänli noch drizehen,
ein b'sunders Regiment ^
10. Das Regiment der alten
hatt vor oft übel Zit^,
eerlich band sie sich g'halten,
als^ wol am Tage lit:
bi Irnack uf der witen Heid
da ward der Prinz von Conde
im Scharmutz nider^'leit.
11. Der Herzog von Zweibrücken
hat solches wol vernon ;
er wollt versuchen 's Glücke,
dem Amiral biston;
zu im zog er in Büberi,
sin Hut hat in gebissen,
die ward im 'kratzet fri.
12. Wir mochten s' nit erstrichen*,
daß si uns wolten g'ston^;
uf Vorteil^ teten s' wichen,
zogen allweg darvon,
bis daß Gott ein Vernüegen hatt';
der kann ein Menschen finden
hie und an jeder Statt.
^ Eine hier weggelassene Strophe rühmt den Eifer dieser neuen
Truppe. ^ schwere Noth, harten Stand. ^ wie. Irnaclv: Jarnac an
der Charente. * einholen. ^ Stand halten. ® eine vortheilhafte Stellung
suchend. ^ bis es Gott genug dünkte. Die Wicic'schc Handschrift
hat: einen bim Haar hatt.
LIEDER I I I
13. Mit inen hat man g'scharmützet
am Fritag vor der Schlacht;
das hat sie wenig g'nützet,
dann man ir vil umbracht;
gern hätt man sie geschlagen gar,
da wolten si nit gestan,
wichen darvon mit G'far.
14. Am Montag früe am Morgen,
als nach St. Michaels Tag,
zogen wir unverborgen
gegen dem Find, icii sag,
als man zalt nun und sechzig Jar,
daß man s' lert kirchen berauben,
und sie erilet izar.
15. Li d' ^'orhüt tet man stellen
das nüwe Regiment;
mit iren starken G'sellen
hand sie zum ersten ang'rennt,
mitsamt französischen Schützen s^uu
die sind bi uns £:estanden
bisits in der \'orhut.
16. Die Ordnunij: ward sjemachet
an allen Orten fest;,
mit Ernst hat man betrachtet,
daß man die fremden Gast,
die dem Künig im Land sind g'sin,
empfieng mit langen Spießen
und schenkt inen den Win.
112 HISTORISCHE
17. Sie hauend wiße Kleider
glich wie die Müllerknecht;
wir funden s' uf der Heide
bi Mirabion gar recht.
ir groß gschütz ließen sie abgan,
das tet uns wenig Schaden,
wir Zossen manlich dran.
18. Man hat gar handlich g'schossen,
unser Geschütz was gut;
das hat s' übel verdrossen,
es macht s' nit wolgemüt;
das Herz band sie verloren g'han,
dann sie mochten wol wissen,
daß s' übel waren dran^
19. Uf d' Knü sind wir da g'fallen,
die helge Drifaltigkeit
'beten, daß sie uns allen
mit ir Barmherzis^keit
verhebe Stärk und Manneskraft,
daß wir eerHch gesiegend
zu Lob der Eidmioßfchaft.
20. Maria mit irem Kinde
die . soll auch bi uns stan,
uns helfen überwinden,
darmit in Hut werd g'han
der war und alte cristeUch glaub
und daß der Kirchen Zierde
nit also werd beraubt^.
^ Eine folgende Strophe rühmt die brave Haltung von Offizieren
und Soldaten. '^ Drei folgende Strophen berichten, daß das junge Regi-
ment der Schweizer die Landsknechte schlug, das alte die Hugenotten.
LIEDER 1 1
21. Bi uns was Herzog Heinrich,
künifi: Karli Bruder fri,
hat sich gehalten gar cerlich,
Tütsch Rüter auch darbi,
vil Reisig und Franzosen gut,
darzü etUch Itahener,
sind gesin all wolgemüt.
22. Es gieng an allen orten
und praschlet^ grusam lut;
man brucht nit vil der Worten,
es kostet ire Hut;
groß Hufen bhben ligen tot,
sind ut einandren 'bürzlet
und hatten izroße Xot^.
&•
23
Vom Schimpf'^ wollt man nit lassen,
bis in die finster nacht;
wir zogen inen d' Straßen
und hatten uf sie Acht;
ich glaub nit, daß ie g'hört wurd,
daß man mit so kleinem Schaden
ein solche Tat erwurb"*.
24. Niemand soll Wunder nemen,
ob sie Gott hat gestraft:
in irem Prassen und Schlemmen
band sie's einandern 'bracht:
Es gilt uf siben Schwizer hin,
die ich will niderstechen,
daruf trink ich den Win !
^ prasselte. ^ Zwei weitere Strophen zählen den Verlust der Feinde
nn Geschütz, Fahnen und Mannschaft auf. ^ Spaß, Kampf. ^ Eine fol-
gende Strophe berichtet, daß die Schweizer Gott für den Sieg dankten.
II. 8
114
HISTORISCHE
25. Der Ander tet im gesegnen
und schwur bim Sacrament:
Wann d' Schwizer uns begegnen,
um bring ich schnell und behend
wol meer dann siben Schwizer stolz,
sie müeßen nidertallen
wie von einer Ax das Holz!
26. Wir hand mit langen Spießen
Bescheid tun uf diß Trank
und ließend sie des or'nießen,
daß men^er nidersank.
die Bilder hatten sie zerhackt:
also g'schach iren köpfen,
was inen uns^eschmackt^
27. Jetzt wollen wir Gott bitten,
daß er d' Eid^nossen o:üt
vor Unfall wöll behüeten,
beschirmen in siner hüt,
allzit verliehen Kraft und Macht,
auch allen Christenmenschen,
daß Einio; werde o;'macht.
28. Wer dises Lied hat g'machet,
der ist g'sin bi der Tat;
das hat in verursachet,
daß er's oresuno^en hat
allen Schwizern zu Lob und Eer
er nennt sich Bartli Reygel,
Unfall der si im feer^ !
^ unschmackhaft. - fern.
LIEDER 115
Der Text ist vorwiegend nach der bei Wick vorliegenden Gestalt
gegeben, jedoch an einigen Stellen mit Benutzung des spätem Druckes.
Str. 19, 6 hat Wick: beschinet. Str. 23, 5 hat Wick vil statt ie. 24, 6
nidQrschlahen, drumb trink ich disen Win. Str. 25, i hat Wick: uns
besegnen. Str. 27,7 hat der Druck: daß s' einig werden. Einig bei
Wick ist Subst. Einigung, Friede. Die Ueberschrift lautet im Druck:
Von dem ritterlichen Streit und Feldschlacht vor Mirabion, geschehen
im 1569 Jahr. Schweizerische Berichte über die Schlacht bei Mon-
contour s. Segesser, L. Pfyffer Bd. II, S. 648 — 656.
Ludwig Pfyffer und Melchior Lussi.
s. Bd. I, S. XLVIIl.
I. Mich dunkt, es welle fehlen
mit loblicher Eidtgnoschaft,
dann es sind etlich gsellen,
die sind mir z' vil verhaft
mit frembden fürsten heren;
das sol i'n boden nüt^;
wann man nit bald thut weren,
kumbt man um land und lüt.
2. Dann daruf tringt gar stiffer —
wiewol er's nit hört gern —
nämlich Ludi der Pliffer,
ein Schultheiß zu Lucern.
Ist grad derselbig Ludi —
wann's ist wie ich hab g'hört —
der darzu hälfen wurdi,
daß ein eidgnoschaft wurd zerstört.
^ das taugt gar nichts.
II 6 HISTORISCHE
3. Ich kan doch nit vergässen
der großen schmach und schand,
die da wurd zugemässen
dem 2:anzen schwizerland.
Noch wil's Ludi nit b'trachten,
daß si ouch deren sind,
d,ie man mit großem verachten
wurd tryben von wyb und kind.
4. Dis lied wil ich verschenken
den beiden gsellen gemein:
Melchior Lussi mag wol denken,,
daß ich grad in ouch mein;
will in zum Ludi kochen,
dann er hat's wol verdient:
er hat gar vil versprochen
uf dem ConciUo z' Trient.
5. Oft band sy schon ang'fangen,
doch hat's Gott alzit g'wendt,
daß es nit ist für'gangen
und sy drab wurden g'schendt.
Das ist iez aber^ b'schächen,
Gott halt uns in siner hut;
der will uns witer fürsächen
und all trüw eidtgnossen gut.
6. Der Ludi ist g'sandt worden
gen Baden uf den tag,
da er mit andern orten
sollt riten, als ich sag,
^ wieder.
LIEDER 117
mit dem herzogen^ helfen handlcn,
daß er Genf ließ mit frieden-;
uß wetag^ kont er nit wandlen,
ist recht daheime bliben.
7. Ludi ist gar krank gewäsen,
ja wie er sich kont klagen !
ist doch bald wider g'näsen
so gar in kurzen tagen.
Es möcht ein wunder nämen,
wer im hett g'hulfen so glich ;
ich mein, man wird in kännen :
ein doctor, ist uß Frankrich.
8. Vom könii? ist er i^'sandt worden
wol in ein Eidtgnoschaft ;
Ludi alsbald innen worden,
das gab im wider ein kraft,
daß in sin roß mocht trägen,
als der Franzos solt komcn;
Ludi reit im entizä^en
und ist wider z'recht komen.
Die vier letzten Strophen berichten, daß auf der Tagsatzung in
Solothurn Einer dem PfytTer sein unsauberes Treiben vorgeworfen
und er mit seinem schlechten Gewissen nicht gewagt habe, jenen
zu verklagen. Am Schluß wird PfyfTer gewarnt, sich in Acht zu
nehmen: Drum, Ludi, lueg zum Lym! (gib Acht, daß der Leim
nicht überkocht !)
Das zweite Gedicht, nur 5 Strophen von je 7 Zeilen enthaltend,
nimmt den Pfyffer nur ironisch in Schutz, indem es ihn mit Judas
vergleicht, dem sein Sündensold nicht gedieh; Melchior Lussi mit
Malchus, dem Petrus zu Trient sein Ohr schädigte.
^ von Savovcn. ■' in Ruhe. ^ wegen Krankheit.
Il8 HISTORISCHE
Der Schweizer Stier.
s. Bd. I, S. XLIX.
Es trägt der mächtig Schwitzer Stier
dreizehen Ort, seins Krantzes Zier,
in Hörnern cingeflochten :
Lös auf den Kranz, brich ab die Hörn,
ein Frvheit wirt »ar bald verlorn,
drum er lang hat gefochten.
anno 1584.
1. Gott hat der Eids^noßfchaft in2:meiii
natürlich Muren 'geben :
die Alpen, den Roddan, den Rhein,
Dorf, Schlösser, Stett darneben.
2. A'n Grenzen sie zwo ^^orstett hat,
zwei Hörnern ich s' veri2:leiche :
gegen Teutschland Costanz die Statt,
Gent gegen Frankenreiche.
3. Die erst im Teutschen Krieg durch List
der Spaniern ward abtrungen;
doch durch der Teutschen Treuwe ist
inen nit weiters o:'luno:en.
4. Kompt aber Genf in frömde Hand,
wirt diser Schlüssel genommen,
werden so bald in's Schweizer Land
vil schwarzer Geste kommen.
5. O küener Stier, sich auf dein Schanz H
die Walen '^ mit Gefärden
buelen um deiner Frevheit Kranz,
zum Pfarren^ wirst du werden.
^ sieh auf deinen Vortheil ! ^ Welschen. ^ Farren, Opferstier.
LIEDER 119
6. Wo du dein Stärke nicht erhebst,
Andrer Freyheit z' erhalten,
nicht den Tyrannen widerstrebst,
wie s'than hand deine Aken.
7. Das Feur ist angezündet schon
in der Nachbawren Hause:
lösch'st nicht bei Zeit, wirt auf dich kon
das Joch durch Krieges Grause.
8. Die Rehi^ion hat dich bißhar
mit Gwalt nicht können spalten :
hüet dich, daß nicht durch listig Gtar
dein Bündtnuß thüe erkalten!
Gott möge dinen walten !
Der heroische wilde Mann.
Das ist :
Ein neuw Lied, wie die mannhafte Leut in dem Zehen-Grichten-
Pund, in Alter Hoher Raetia, durch Gottes Hülf mit ihren
Brüglen die Spanische und Leopoldische auss dem
Land geschlagen haben.
In der Weis: Wilhelm bin ich der Teile.
(Titelholzschnitt, darstellend einen wilden Mann, der mit einer Keule einen Feind
niedergeschlagen hat.)
(Flieg. Blatt ohne Ort und Jahr.) Vgl. Bd. I, S. I.II.
I. Dein Lob, o Wildermanne,
dein Stärke, Dapferkeit
wil ich bei jedermanne
außkünden weit und breit
120 HISTORISCHE
dem höchsten Gott zu Ehren,
dem Vaterland zu gut,
ihr Lob und Ehr zu mehren,
sine: ich auß frischem Mut.
2. Als Münsterthal, A^eldline
vom Spanier, Leopold,
mit Gwalt genomen ine,
hand sie durch Geld und Gold
gar vil verblendt im Lande,
die durch Arglisti2:keit
hand aufgelöst das Bande,
das Band der Einigkeit.
3. Als sie zerstört die Trüwe,
geschach der Ueberfall
auf Cleven, Prettigöwe,
aufs Engadin zumal;
die hand sich zwar gewehret
mit starkem Widerstand,
doch endlich übermehret,
sie hatten kein Beistand.
4. Das Land war eingenommen
mit Praktik manigfalt,
da musten gar vil Frommen
hinweichen von dem Gwalt.
Auch waren etlich g'fangen
mit Spott, mit Schmach und Schand;
kein Gnad war zu erlangen,
man fürt sie auß dem Land.
5. Zu Meyland thaten schmiden
vil Schmid ein newen Fund,
Gotts Wort gar zu vertreiben,
außz'reuten auf den Grund.
LIEDER 121
Verkauft \var das Veitline,
da war das Münsterthal,
ein Pund und 's Engadine
verlassen liberal.
6. Wer konnte da beschreiben
die Tvrannev und Zwan^^,
so die Soldaten triben
mit plündern, Mord und Brand!
Das arme \'olk hat müssen —
damit ich kurz abbind ^ —
mit Embd- den Hunger büßen,
Hcw fressen wie die Rind.
7. Bei dem ist es nicht blieben:
die Seel mußt halten dar^,
ihr Speis that man abschneiden,
Gotts Wort verbot man 2:ar.
Die Hirten von den Schafen
vertrieb man also g'schwind,
die Capuziner, Pfaffen
bald eino^erissen sind.
8. Die Meß hand sie ing'führet,
die Götzen aufgericht',
vil Leut hand sie verführet,
vil Kirchen z' Grund gericht',
gewütet also sehre,
daß sie schier achtzig: Pfarr
beraubt der reinen Lehre
in kurzer Zeit fürwar.
^ mich kurz fasse. - Avid, zweites Heu. ^ iierhalten.
122 HISTORISCHE
'"^ 9. Wo bin ich g'rathen hine?
gedacht der Wildemann;
wo sind die Pundsleut meine?
sie hand mich gar verlan ;
ich bin sjebunden sehre
an Leib und auch an Seel,
kann das nicht leiden mehre,
sonst komm ich in die Höll.
IG. \'il besser ist der Tode,
dann leiden diese Band,
darzu vil Angst und Note,
groß Hunger, Schmach und Schand.
Ihr Prettigöwer Knaben,
wir wend sie greifen an ;
thund gwaltig in sie schlagen,
Gott wird uns gwüß nicht lan.
1 1 . Die Waffen hat man g'führet
hinweg gar auß dem Land :
der Wildmann sich vertu2:et
gar heimlich in sein Wald,
that da vil Bengel rüsten,
die trug er all nach Haus,
damit den Schwaben z' bürsten,
die Spanier z' butzen auß.
12. Den zwölften Tag Aprellen
bei Tas: der W^ildemann
that wild und rauw sich stellen,
griff" d' Schwaben tapfer an,
erschlus: mit grünen Stacken
in die vierhundert Mann
zu Grüsch in einem Fläcken,
kam keiner da darvon.
LIEDER 125
13. Also hat man an'griffen
zu Schiers ganz ritterlich;
die Schwaben sind gewichen
daselbsten in die Kirch.
Von Wunder kann ich sagen :
die Kirch hei ein mit Macht,
die hat sie all erschlagen,
Gott hat's allein gemacht.
14. Von Castels sind abzogen
zweihundert faul Gesind,
thund mit dem Eid anloben,
nicht z' dienen wider d' Pünd.
Sie ließen sich bestellen \
vergaßen Eid und Ehr;
Gott straft bei Fläsch die Gsellen,
Sie thund kein Schaden mehr.
15. Als Prettigöw gefäget,
sind sie gezogen fort,
hand Meyenfeld belagert,
geschanzt an manchem Ort.
Der Feind that sie oft plagen
auß Chur, auß Meyenfeld,
man that sie g waltig jagen
mit Brüglen auß dem Feld.
16. Bald kommen ist Reitnawver
ohngf^lhr mit tausend Mann,
wolt tämmen^ d' Prättigöwer,
hat Fläsch gezündet an.
^ zum Stehen bringen, zum Bleiben bewegen. ^ zähmen, hemmen.
124 HISTORISCHE
An die thund sich bald wagen
nur fünf und achtzig Mann,
sechshundert ihm erschlagen;
kein Pundsmann da umkam.
17. Der Obrist Waldirone
schickt auß gen Haldenstein,
ein Anzahl streitbar Mannen
besatzte Lichtenstein.
Der Wildemann die Gäste
mit seiner starken Hand
vertrieb bald aus dem Näste,
vertrieb sie auß dem Land^
18. Dieweil der Wilde Manne
also behielt das Feld
und schlug den Waldirone,
ergab sich Meyenfeld;
mit Forcht und auch mit Schrecken
neunhundert wol armirt,
erschreckt durch grüne Stecken,
sind d' Steigt hinab passirt^.
19. Gott that vorzeiten stärken
den Helden Samgar* gut,
daß er mit einem Stecken
sechshundert Mann erschlug.
^ Hier sind 2 Strophen ausgelassen, welche in gleichem Tone
■^^^eitere kleine Gefechte erzählen. ^ Luziensteig. ^ Hier sind 4 Strophen
ausgelassen von gleichem Werthe wie bei ^ * Buch der Richter 3, 31.
LIEDER 12
"> r
Der Gott dem Wildenmanne
sein Stecken fest hat g'macht,
daß er dem Waldirone
erschlug ein solche Macht ^
20. O Wildermann, du haste
dem Spanier, Leopold,
mit Bensilen 'zwacket faste ^ :
dich mancher preisen solt.
Fahr fort, o Wildermanne,
und streit für Gottes Ehr,
so wird dein großer Name
zunehmen noch vil niehr.
21. Du hast dich dapfer gehalten,
den Schwaben 'kappet ab^;
o Gott, thu ihn erhalten
und stärke seinen Stab,
daß er den möee führen
ZU deiner Ehren lang,
sein Land auch defendiren
vor Tyrannei und Zwane^.
Bauernkrieg.
s. Bd. I, S. LVI-LVIII und S. 47.
I. Spottverse auf die Führer der Bauern.
I. O du verfluchtes Baurengschlecht,
vergift'te Natterschlangen !
meinst nit, man habe billigs Recht,
mit dir ein Streit anz'fangen?
^ In 2 folgenden Strophen werden noch Simson und David als
Beispiele angeführt. ^ arg den Kopf gewaschen. ^ derb geantwortet.
126 HISTORISCHE
2. Du £:rober KnoU, du Unverstand,
bist du nit ein Bärnhüter?
du hast gehandlet, 's ist ein Schand,
gUch wie des Tüfels Rüter^
Was ist der Schölmen Bauren Lohn?
wie soll man sie traktieren?
von Streuer^ g'macht ein schöne Krön,
ihr Haupt damit zu zieren.
4. Was sagst du, schöner Pannerheer,
du Edelgstein der Bauren,
ietz U2:st wol in der Mauren!
5. Vom Meister wirst du g'macht zum Knecht,
ein schöner Pannermeister !
dem Meister Baltz^ g'hört auch sin Recht
umb solche hoche* Geister!
6. Du grober Steiner, du grober Gsell,
du grober Ruodi Stürmli,
ein Strick, nit länger als ein Ell,
ist ^ut für solche Würmli-''.
7. Wer Fridli heißt, muß fridli sin,
sonst ist sein Nam vergeben;
war Fridli Bücher*^ fridli s^sin
und fridsam in sim Leben !
^ berittener Trabant, Vorreiter. - Streu, Stroh; wahrscheinlich
nach dem Plural Spreuer, Spreu, gebildet. ^ Balthasar, appellativ
= Scharfrichter. "* hochfliegende, aufstrebende. ^ Wurm im Sinne
von Schlange (vgl. i, 2) oder: Ungeziefer. ^ s. Bd. I, S. 106.
LIEDER 127
8. Dem Schultheiß gab er bösen Bscheid,
ganz frech, ganz unbesunnen;
der Galgen ist dir schon bereit,
die Schuld ojib diner Zuns^en.
9. Den Tod hast ausgestanden schon,
du starker Krummenacher!
din Stärke gab dir diesen Lohn,
ietz ruow auf dem Gottsacher!
IG. Ietz schwing, ietz ring, ietz stoß den Stein!
der Tod hat dich gewunnen ;
dem Tod ist weder Groß noch Klein,
keiner niemol entrunnen.
11. Oberster Amstein, ihr Strengheit ^ groß,
die Ehr stellt auf ein Seiten;
Gnad ist, daß Ihr werdt g'lassen los
und auf dem Meer könnt reiten^ !
12. Du, Gundelinger, du richer Bur,
din Richthumb hast verfallen^;
ietz luog du süeß oder sur,
ietz bitter wie ein Gallen !
13. Dir, Holderen Bur, dir, Hans Amrein,
dir hat man Guts gerathen ;
das Fleisch ist besser als das Bein —
bist auch ein feißer Braten!
14. Du, Krienser Vogt, du falscher Mann,
luog recht mit dinen Augen :
wil du nit bist ein Bidermann,
dem Meister Baltz thust taugen.
^ hier nur Titulatur, wie in : gestrenger Herr u. dgl, ^ er wurde
zu den Galeeren « begnadigt ». ^ verwirkt.
128 HISTORISCHE
15. Du, Lötscher, bist auch in der Zal
der auserwölten Bauren;
din Wohnung ist der Kätzer Saal,
wer will, mag umb dich trauren.
16. Herr Christoph Wäber ist siner Pfar
mit Recht und wol vorg'standen !
er taugt zur Galioten^ Schar
in wilde frönde Landen.
Das obige Stück ist aus der Bd. I, S. LVII, b angegebenen Quelle
geschöpft, aber nur mit Auswahl, immerhin so, daß es in der obigen
Gestalt ein leidliches Ganzes bildet. Str. i — 15 des Originals haben
den a. a. O. kurz mitgetheilten Inhalt. In Str. 16 wird bei Anlaß
der Zerstörung des Vogelherds auf dem Gütsch der Hauptführer der
Bauern, Schibi, genannt. Str. 17. 18 sind unsere obigen i. 2; 19. 20
verheißen Strafe für das Verbrechen; 21. 22 enthalten nichts Wesent-
liches. Str. 25 = 3 oben. In Str. 24. 25 werden weitere Strafen an-
gegeben, z. B. :
Ein Zepter von eim Munnithier (Zuchtstier),
mit dem soll man sie ehren, u. s. w.
Str. 26 — 37 unsere obigen Str. 4 — 15. Str. 38 ist nur Einleitung zu
39 = Str. 16 oben. In Str. 40 — 45 werden noch mehrere Mitschuldige
genannt, darunter noch zwei Geistliche, einer Namens Moli, der bald
mit den Bauern, bald mit den Herren hielt. Die letzten Strophen
(46 — 52) sprechen den Wunsch aus, daß Luzern sein Licht wie vor-
mals leuchten lasse und sein Regiment behaupte. Der in Str. 4. 5
besprochene Pannerherr war Joh. Emmenegger. Ueber ihn und die
meisten der im Gedicht genannten Bauernanführer findet man nähere
Angaben bei C. Pfyffer, Geschichte von Luzern I, 336 — 342. 386.
^ Galeerensträflinge.
LIEDER 129
II. Abmahnung vom Wallfahren zu den Gräbern
der hingerichteten Rebellen.
1. Ihr ßauren alle sammen,
hört zu, \\i\ ihr komt z'samen
bun Hochg'richt zu Luzern :
es ist euch hoch verboten,
\\i\ ihr thüend Gott verspotten
bim Galgen nah und fern.
2. Was nützen heilige Oerter,
Gottshäuser und auch Klöster,
was nützen die Tempel?
was nützen der Heiligen Beiner,
wenn heiliger ist der Steiner,
der g'west ist ein Rebell!
3. Was sind ihr doch für Xaren,
daß ir thund Wallfahrt fahren
wol zu dem Steiner all,
der euch mit Rebelliren
alle hat thun verführen,
euch 'bracht in Angst und Qual!
Das Gedicht, aus dem hier nur wenige Strophen mitgetheilt
werden können, umfasst im Original ihrer 32. Vgl. die Angaben
Bd. I, S. LVII, c. Es beginnt mit der obigen Str. i. In Str. 2. 5
wird der Anstifter dieser Wallfahrten, wenn man ihn kennte (!), mit
Todesftrafe bedroht. Str. 4 = Str. 2 oben. Str. 5 (mitgetheilt von
Lütolf a. a. O.) erzählt, daß einer der Galgenanbeter mit Erblindung
gestraft wurde. Str. 6. 7 ohne Bedeutung. Str. 8 = Str. 3 oben.
Str. 9 — 14 erzählen, wie ein altes Weiblein bei seiner Galgenandacht
ertappt wurde. Weiterhin werden die Bauern ermahnt, statt an diese
Stätte nach Werdenstein zu wallfahren; die dortige Maria glaube
sich abgesetzt; ebenso die h. Emma, die ihren Sitz in Emmen auf-
geschlagen habe, aber in Rom geblieben wäre, wenn sie gewußt
II. 9
130 HISTORISCHE
hätte, daß sie hier nicht besser geehrt würde. Ebenso wird der
h. Leontius in Muri empfohlen. In Str. 28 wird geklagt, daß auch
Leute aus den «Ländern» (den 5 Urkantonen) zu dem Galgen wall-
fahren. Eine dorthin gestellte Wache hat Einige gefangen genommen.
die dann barfuß nach Einsiedeln wallfahren müssen (Str. 50).
Vilmerger Krieg.
I. Rapperschv/ylische Buhlschaft des Generals
Werdmüller.
s. Bd. I, S. LIX.
1. Ein reine Magd ihr Kranz noch tragt
und prangt trutz^ allen Damen:
sie hat das Pn^'- am Zürcher See
und gar ein großen Xamen.
2. Ihr Adel thut von Grafen Blut
und hohem Gschlecht her quellen ;
an Gelt und Hab geht ihr nichts ab,
kann sich sar höflich stellen.
:>
Ein Müller kam, buhlt um die Dam,
gleich da d' Fasnacht an'gangen ;
er sucht ihr Ehr, und was noch mehr,
hat sie schier gar umbfangen.
4. Die Jungfraw lacht und nur veracht
des frechen Müllers Bitten ;
sie spricht ihm ab : « kein Lust ich hab »
sagt sie mit guten Sitten.
^ v/etteifernd mit. - den \'orrang.
LIEDER 131
5. Er bildt ihm ein, es muß doch sein,
darzu in wenig Tagen;
setzt wieder an, so stark er kann:
wird aber^ im abg'schlagen.
6. Der^ Baum nit gleich den ersten Streich
der Müller kann umbfällen ;
was ihm durch List nit g'rathen ist,
soll der Gwalt in's Werk stellen.
7. Zu Wasser und Land, durch Schwert und Brand,
mit acht und vierzig stucken ;
fangt an und spielt, den Kranz es gilt:
o Jungfrau, thu dich ducken !
8. Fünf Wochen lang samt seim Anhang
hat er sich also g'sprissen-"^;
daß etlich Mahl ein große Zahl
in's g'frorne Gras gebissen.
9. Man wurf und schoß Granaten groß,
auch andere Feurballen,
die doch ohn Schad, mit Wunderthat,
auf die Jungfrau gefallen.
IG. Vor Sturm und Gschütz hat sich beschützt
die Gräfin außerkoren;
an disem Danz hat sie ihrn Kranz
und Keuschheit nicht verloren.
^ abermnls. - = den. ^ sich sprißeii, sich anstrengen.
132 HISTORISCHE
11. Das hat gemacht und verursacht
bei Gott Marii^ Bitten,
daß sie rein blib an Seel und Lib
vor, in und nach dem Striten.
12. Er kratzt im Kopf, der arme Tropf,
diser un-Werthe- Müller,
weil er schabab^, drum zieht er ab,
heimwärts, sein Rad zu trüUen^.
13. Die Fasnacht wendt sich zu dem End:
Müller, willt Hochzeit machen,
so gang und schau umb ein ander Frau ;
die thut dich nur verlachen.
14. Nichts von ir hast als ein Tannast^,
des Müllers Roß mit schlage;
auf deinen Hut sich schicken thut,
den Meien^ drumb jetzt trage.
15. Henk 's Fürfell an, den Beutel spann,
in deiner Mühle bleibe;
kein Gräfin mehr zur Eh begehr,
bei Deiness^leichen weihe!
^ verschmäht, abgewiesen. ^ drehen, rollen. ^ Ein Tannast war
seit dem Reformationskrieg das Feldzeichen der KathoHken; siehe
Baechtold, Hans Salat S. 89. ^ festlicher Blumenstrauß.
LIEDER 133
IL Kurzweiliges Vilmerger-Schlacht-Lied
"Welche geschehen den 24. Jenner des 1656 Jahrs. Componiert
durch Einen, der sich in währender Schlacht
ritterlich gehalten.
Getruckt in disem Jahr,
Da die Schlacht fürüber war.
s. Bd. I, s. LX.
1. Nun schweigen still und haben Ruh
und losen mir ein wenig zu,
denn ich Hab groß \^erlangen,
biß sich der Schimpf hat außgemacht;
wend singen die Vilmerger-Schlacht,
wie es ist hergegangen.
2. Im tausend und sechshundert Jahr,
sechs und fünfzig, sing ich fürwahr,
auf Pauli-Bekehr-Abend
thät Gott beschützen die Seinen gut,
band Luzerner mit Freien Acmptern gut
die trutzigen Berner geschlagen.
3. Der von Erlach zog höflich^ dran,
dreißig Fahnen thät er wol han,
vil große Stuck dergleichen;
er sprach auch wol bei seinem Eid,
wöU ziehen in d' Luzerner-Weid,
das Papstthum zu vertreiben.
4. Er zug auf d' Meien-Grüne gut,
vierhundert Mann angreifen thut,
dieselben thät zerstören;
etHch führt er g'fangen daher,
sprach: Seht, wie ist so stark der Bär!
diß thät Erlachen freuen.
stattlich.
134 HISTORISCHE
5. Er kam in's Freien- Ampt hinein
ohn Widerstand, nahm Dörfer ein,
thät auch Häuser anzünden;
dem Land ein großen Schaden thut,
verbracht groß Pracht und Uebermuth,
wie ich jetzt will verkünden.
6. Zu Hägligen hand s' übel Haus,
Kirchen und Dörfer 'plünderet auß,
heilige Bilder sie schänden,
d' Augen ausg'stochen ungeheur,
drei Kinder würfen s' auch in's Feur,
den Müttern auß den Händen.
7. Zu Dottikon hand sie mächtig g'schendt^
die Häuser in die Aeschen 'brennt,
sie wend sich nit begnügen,
Bilder d' Nasen abg'hauen hand,
sprachen, Vilmergen muß in Brand,
thun sich dorthin befügen.
8. Diß hat Lucern zum Zorn bewegt,
viertausend Mann zugen auf der Stell
mit blaw und weißen Zeichen,
vil Herren, wie ich sagen thu,
die zugen auf Vilmergen zu,
den Bären thut man streichen.
9. Die Büchsen-Schützen zündten an,
da gieng ein großes Krachen an,
thut den Bären erwecken ;
die großen Stuck er gleich wol g'hört,
er meint, er hab ein sichers Ort,
sein Dapen^ wolt er strecken.
^ Tatze.
LIEDER I 3 5
10. Er zLig mit seinen Fahnen dran,
da stunden zehen tausend Mann
mit vilen Krieges -Wappen ;
vil Adel zug wol in das Feld,
ein starke Ordnung g'stellet händ,
meinten, 's sollt ihnen g'rathen.
11. D' Lucerner luffend kecklich dran,
in Gottes Namen griffen s' an
mit Spießen und Hellparten ;
schlugen vil Herrn und Bauren z' iod,
vil lagen in dem Blut gar rot,
der Bär wollt nimmer warten.
12. Der ein ruft ach, der ander weh!
es thut uns jetzt gar übel g'scheh,
hätten wir d' Sach lassen bleiben !
\'il Ranzen und Wehr sie ligen lönd,
Capaunen-Fleisch, wie ihr verstund,
nit alls ist zu beschreiben.
13. Drei Stund der Streit wol währen thut,
vergieng dem Bären Freud und Muth,
die Flucht mußt er wol nemen ;
das thut dem Bären -Tatzen weh,
vermeinte nit, daß ihm sollt g'scheh,
thät sich gar übel schämen.
14. Zertrennet war sein große Macht,
flieht wol biß in die Mitternacht
gen Lenzburg hinder d' Muren ;
verließ auch seinen großen Pracht,
lag dort im Schrecken über Xacht
bei der Bärin in Truren.
136 HISTORISCHE
15. Dem Bären wurd gar manchen Stoß,
zweitausend bliben wund und todt;
beim Küchlen thund sie sich säumen;
sie pangetierten^ in Uebermuth,
man schenkt ilm' ein, dunkt sie nit £:ut,
daran band sie zu schnaufen.
16. Zehn Fahnen hend s' dahinden g'lan,
zehen Stuck g'wünnt man auf Hrden stan;
vil Roß, Karren und Wägen,
Schauflen, Hauen, Munition,
vil Pulver, Blei thut man empfohn,
diß thut man alles nemen.
17. Und \veiters ist es wol bekant,
wie sie umb die Todten 'beten band,
dieselbigen abzutragen ;
von Majoren wurd's ihn' vergönt,
sechzig Wägen sie b'schicken thünd,
sie ladten Fuder wie Garben.
18. Die Berner Bauren gaben B'scheid,
da sie vernahmen solches Leid:
das ist ein armes anschauen;
das Krieo^en wend wir bleiben Ion,
es bringt uns jetzt ein schlechten Lohn,
nach Friden wend wir schauen.
19. Maria hat g'spreit ihr Mantel auß,
gemacht ein Schirm und Mauren drauß,
drunder sind d' Lucerner g'standen.
dann ihren sind's so wenio^ umbkon,
vier und zwanzig, wie ich vernon,
in d' Seligkeit seind 'o:anoren.
^ bankettierten.
LIEDER 137
20. Da der Feind hat vil Schütz gethan,
rufen sie Jesus und Maria an,
ein hells Liecht ist entsprossen;
drin hend die Berner Bauren g'seh
den Rosenkranz und anders meh,
darob sind sie ersclirocken.
21. \\'ir danken dir, Herr Jesu Christ,
daß du allzeit unser Helfer bist,
dem g'hört der Sieg und Ehre ;
auch Maria der Jungfrau rein
und allen Heiligen in's gemein,
die wollen wir verehren.
22. Der diß Lied componierct hat,
ein Baur, ist g'wesen an der Schlacht
und hat ihm wol gelungen ;
er ist auß dem Rußweiler Ampt,
zu Wangen ist er wol bekant,
von neuem hat er's g'sunojen.
Toggenburger Krieg.
s. Bd. I, S. LXIV.
I. Die von der Gelbsucht glücklich curierte
Badanella
oder der Stadt Baden Capitulation.
Gedruckt im Jahr 1712.
I. Zarte Jungfrau Badanella,
Wie seht ihr so kränklich auß ?
Will der Magen euch geschwellen
Oder was will werden drauß?
138 HISTORISCHE
Eure Augen thun mir sagen,
Daß die Gelbsucht euch thut plagen.
2. Es ist ja schon ganz verblichen
Euer Stirnen Helfenbein ;
Von den Lefzen ist sjewichen
Der gefärbt Corallenschein ;
Euer zuvor schöne Wangen
Jetzt mit Rosen nicht melir prangen.
->
Euer Leber ist verstopfet,
Euer Mao-en oranz verschleimt,
Merkt, der Pulß drumb ungleich klopfet
Und zur Gsundheit sich nicht reimt:
Drum so müßt ihr euch bequemen,
Gute Mittel einzunehmen.
4. Weil der Leber kleine Röhrgen
Bei euch hart verstopfet sein,
Weil vielleicht noch von Vilmergen
Alte Grillen stecken drinn,
Soll ein solches altes Trutzen
Jetzt des Bcären Sieg außbutzen.
5. Weil der Magen auch ang'füUet
Mit zu vielem Gut und Geldt,
Ist ein Mittel, das unwillet^
^^on Herrn Marte'^ angestellt,
Wann dem Bär on Widerstreben
Ihr zum Schatz die Schlüssel sieben.
^ zum Erbrechen reizt. ^ der hier als Arzt vorgestellte Kriegs-
gott Mars.
LIEDER 139
6. Dieses wird gar bald außführen,
Was im obern Machen z' viel;
Hernach müßt ihr auch purgieren
Mit dem Rha^ zu gleichem Ziel;
Hierbei muß man Wermut schlucken,
Daß das Uebel thu fortrucken.
7. Ihr müßt hierauf von euch geben
Sechzis: Stücke ohnbeschwert,
Alle Fahnen auch darneben,
Wie Herr Mars von euch begehrt.
Wann ihr Glocken^ dann auch kaufen,
Werdt ihr etwas leichter laufen.
8. Neben diesem müßt ihr schwitzen,
So das beste Mittel ist.
Ohne Landvoiit niemahl sitzen
In dem Rath zu keiner Frist;
Schwitzen müßt ihr noch darneben,
Schöne Geltsumm herzusreben.
9. Endlich müßt ihr auch benennen.
Was des Uebels Ursprung sei.
Daß Herr Doctor kann erkennen
Und wohl rathen auch darbei,
Was inskünftis: ihr sollt meiden.
Wann ihr nicht wollt Krankheit leiden.
IG. Böser Luft vor allen Sachen
Schadet euerm Temperament,
Kann im Blut ein Fäulniß machen,
B'sonders den man Nordwind^ nennt.
^ Rhabarber. ^ Arznei aus Glockenblumen? ^ Der Einfluß von
Norden her ist wohl der östreichische (aus den vorderöstreichischen
Landen am Rhein),
140 HISTORISCHE
Drum solt ihr von selben Enden
So viel möglich euch abwenden.
11. G'salzne Speisen müßt ihr lassen,
Kalte Milch ist auch nicht gut;
Sauren Essis: müßt ir hassen
Und durch süßer Liebe Glut
Suchen eurer Oberherren
Gunst und Gnade zu vermehren.
12. Löwentappen^ für Jungfrawen
Hat gewisslich großen Ruhm,
Bärsanickel lasst sich schawen,
Ein wohlriechend schöne Blum;
Diese beiden sollt ihr ehren,
Können euern Wohlstand mehren.
13. Nach Gebrauch der Mittel allen
FHehet auch Melancholei;
Lasst euch alles Wohlgefallen,
Denkt, daß alls von Gott her sei.
Denkt, daß Er die Mittel 'geben,
Zu verbessern euer Leben.
ZSB. XVIII, 1976.
^ Löwenklau = Bärenklau, hier aber mit Anspielung auf Zürich,
wie Bärsanickel auf Bern.
LIEDER 141
IL Das Bällen-Lied.
Wahrhafter Bericht, wie's an der Schlacht auf der Bällen
und selbigen Enden hergegangen.
Gedruckt in disem Jahr (1712).
Vgl. Bd. I, S. LXVII.
1. Ein Liedlin will ich singen thu
von Streit und Kampf und vil Unruh,
daß sich nun hat begeben
in der Eidgnoßfchaft hin und her;
der Züricher Löu und Berner Bär
sie fressen Manchen 's Leben.
2. Wann ich wurd sagen hin und her,
wie daß alles ergangen Wcär,
könt ich nicht Wort gnug schöpfen :
Zürich und Bern ganz unverzagt
band ihre Feind gar brav verjagt
und gaben ihn' auf die Köpfe.
3. Als man zeit sibenzehnhundert Jahr
und zwölf darzu, — das ist ganz wahr
und will es nicht vergessen —
man bauet Schanzen hin und her
und rüst' sich alls zur Gegenwehr;
die Schwyzer wend uns fressen.
4. Auf der Bällen stallt ein Schanz fest,
das gefällt nicht den Schwyzer Gast,
sie wolten sie gar verstören;
sie bilden's ihnen vergeblich ein
und ist alles ein falscher Schein,
wie ihr jezt bald werd' hören.
I/p
HISTORISCHE
5. An Maria Magdalena Tag
da ist es 'gangen, wie ich sag:
sie soffen all Curäschi,
um drei am Morgen brachen s' ein
und brüllend wie die wilden Schwein,
außlährten ihre Flaschen.
6. Sie mördten Männer, Weib und Kind,
auch was noch junge Töchtern sind,
ganz grausam thäten s' verüben !
das hat ja manchem Bidermann
in seinem Herzen weh gethan
und ängstighch betrübet.
7. Da zogen s' von dem ßerglein hin
wohl auf die Schanz zur Hütten fin,
da thät es ihn' missUns^en.
Major Werdmüller, ein tapfrer xMann,
er sprach : Nun unerschrocken dran !
die Büchsen hört man klingen.
8. Dort wolten s' nicht mehr sein allein
und zogen auf den Segelrain \
ihr Fahnen thun sie schwingen;
sie meinten, es sei wohl gethan,
daß ihrer vil zusam sind kon
von Aecjri und Menzincien.
9. Aber ihr Freude währt nit lang,
Zürich macht ihnen angst und bang,
thut tapfer auf sie knellen;
es währet nicht ein halbe Stund,
ihr' blieben etlich tod und wund,
drum eilten s' auf die Bällen.
^ Name einer Anhöhe bei Hütten.
LlEDhR 143
10. An dreien Orten griffen s' an,
ihr' waren wohl dreitausend Mann
und unser kaum dreihundert.
Der Major Escher sprach uns an:
keiner soll keinen Grausen han,
Gott kann hüt thun noch Wunder.
11. Der Hauptmann Meyer lustig drauf,
sein' Officier und ganzer Häuf, *
die thäten gar nicht wanken
und rutten Gott im Himmel an :
« der wird gewüsslich bei uns stahn,
deß wollend wir ihm danken.
12. Wir sind ja alle herzhaft Leut,
wir wend uns wehren in dem Streit
und ehender alle sterben
für unser Heimen, Weib und Kind,
obschon nur unser wenig sind,
mit Gott den Sieg erwerben. »
13. Oringer Hauptmann drauf und dran
sprach : « jeder thüe was er kann,
dann es ist an der Zeite.»
Wir schoßen zu und schlugen druf,
man hörte nichts, dann buff buff buff,
da gab es alsbald Weite.
14. Sant Magdalen trugen s' in dem Luft
an einer Stangen aufgebutzt,
die solt sie herzhaft machen.
Sant Magdalen sie hülflos ließ,
Gott aber uns den Sieia: zustieß,
deß mussten wir herzlich lachen.
144 HISTORISCHE
15. Ihr Geistlichkeit ihn' bhiset ein,
vor Stich und Schützen siclier z' sein,
sie seien allsam g'froren,
und henken ihnen Brieflein an,
ein jeder schlag jezt zehen Mann —
und händ's gleichwol verloren!
16. Ein Pfaff, der von Gallgeten war
und auch musst beißen in das Gras,
drei Hauptmann waren auch drunder
samt andern noch mehr Officier,
Soldaten und auch Füsilier,
blessiert und tod vierhundert.
17. Drauf sind sie g'flohen auß dem Land,
mit großer Schmach und hoher Schand
sind sie darvon geloffen;
man sagt auch, daß noch ihrer vil
geloffen seien durch die Sihl
und etlich gar ersoffen.
18. Ihr Posten hand sie all verlan,
ihr Schanzen ließen s' offen stan,
das ist ein 2:roßes Wunder.
Der Löu bekam vil Land und Leut,
an allen Orten große Beut,
auch Stadt und Schlösser drimder.
19. Kein Küng noch Fürst ist weit und breit,
der so vil g'wonnen in kurzer Zeit,
und w^nig Volk umkommen;
nur drei und dreißig einzig Mann
an allen Orten man rechnen kann,
wie ich es hab vernommen.
LIEDER 145
20. Gott hat uns g'führet auß und ein;
gleich wie ein Hirt die Schäfelein
vor Wölfen thut bewahren,
also ist unser Herr und Gott
bei uns gesein in aller Noth,
auch in den größten Gfahren.
t^'
21. O Zürich, lobe Gott den Herrn,
der dich gebracht zu großen Ehr'n
und sende dir den Frieden;
dasfelb nicht in Vergessen stell,
sonder dank ihm mit Leib und Seel,
so lang du lebst hienieden.
22. Der dieses Liedlein hat gemacht,
der selbs ist g'wesen bei der Schlacht;
Gott helf uns allen samen
auß Kampf und Streit und allem Leid
in die ewig himlische Freud
durch Jesum Christum. Amen!
Lied für die Jäger von Burgdorf.
Beschrieben den 3. April 1804 von einem jungen Jäger aus dem
Militär-Departement Burgdorf. A. W.
I, Vivat, es leb das Berngebiet
bis an der Welt ein End!
Vivat, es lebe auch dazu
das Jägerregiment!
Das auserlesne Corps
kommt wiederum hervor,
nachdem es jetzt fünf Jahr hindurch
in Schand hat müssen stehn.
II. 10
146 HISTORISCHE
2. Wer wollte nicht zu Felde ziehn
für unsre Obrigkeit?
Für solche sind wir jederzeit
bis in den Tod bereit.
Für die sind wir bereit,
zu ziehen in den Streit;
ietzund geht es gar tapfer zu,
drum bleiben wir dabei.
T
D
Der Obrist Weber uns kommandirt,
als wie ein Schweizerheld;
Hauptmann von Büren uns exerzirt,
an dem es auch nicht fehlt.
Der General ist brav,
die Offizier auch all;
sie geben uns rechte Munition,
drum laufen wir nicht davon.
4. Das ist die erste Garnison,
die wdr gewesen sind;
die werden wir halten brav und schon,
die Staatswacht werden wir sein.
Für unsre Obri2:keit
sind wir all Stund bereit,
ietzund und alle Zeit,
wann sie uns nur aufbeut.
5. Leb wohl, du schönes Berngebiet,
wie schwingst du dich empor!
und unsre gnädige Obrigkeit
kommt wiederum hervor.
O Bern, du schöne Stadt,
du bist gar fein und s:latt,
da du schon sechs Jahrhundert bist
ein freie RepubHk.
LIEDER 147
Aus dem Sammelband L. 385 der Kantonsbibliothek Aarau. —
Das Lied wird hier nur mitgetheilt, weil es offenbar eine Erneuerung
des im Bd. I, S. 67 enthaltenen Fraubrunnen -Liedes von 1798 ist,
an einigen Stellen mit ausdrücklichem Gegensatz. Nach Str. 4 folgen
im Original noch 3 andere, die hier weggelassen sind, weil sie nur
in matter Weise den Abschied, die erhoffte Rückkehr und besonders
die gute Verpflegung besingen, welche schon 100 Jahre früher
einem andern Berner Soldaten als die Hauptsache erschienen war
(vgl. Bd. I, S. 61 ff.). Das Aufgebot von Berner Truppen (unter
welchen «Jäger» die Schützenkompagnien der Infanterie bezeichnen)
war in Folge des zürcherischen «Bockenkrieges» (s. Bd.I, S.LXXII, 56)
ergangen.
Aufstand der Hailauer Bauern gegen die Stadt
Schaffhausen. 1831.
s. Bd. I, S. LXXIII.
1. Die Hallauerbauern die sind so flink,
sie haben das Kriegen so recht im Sinn.
2. Sie sind gegangen mit Gewehr und Pistolen
und hand zuerst sollen Pulver liolen.
3. Sie sind gegangen in's ober Neuhaus,
dort haben sie g'habt noch einen Schmaus.
4. Kanonier und Scharfschütz sind auch dabei
und Kanonen sind's auch nocii drei.
5. Sie haben sie an das Thor gestellt
und haben wollen schauen, wie's drin ist bestellt.
6. Der Ober sprach: «Mit üs hät's kei Gfohr,
blibed nu en Schutz wit vo dem Thor!»
7. Und als das Thor war aufgemacht,
da haben sie Einen niden^emacht.
148 HISTORISCHE
8. Sie sind gesprungen als wie die Stier,
wenn man einen schlägt, so springen vier.
9. Am Morgen haben die Schaffhauser patruUiert
und haben vierzig Gefangene gekriegt.
IG. Sie haben sie in die Stadt 'reingetührt,
im Zuchthaus hat man sie einquartiert.
II. Des andern Tags da länd sie s' ha,
bis daß der Krieg aufs Neu geht a.
Fragment. — ha in der zweitletzten Zeile nach der Mundart von
Schaffhausen = heifm).
Das Dufour-Lied. 1847.
Nach der Melodie von «Prinz Eugen».
1. General Dufour, der edle Ritter,
sollt den Schweizern wiederum kriegen
alle sieben Sonderbundskanton;
und als Alles w^ohl beraten,
greift er an mit sein' Soldaten,
an die hundert tausend Mann.
2. Freiburg, du zuerst von allen
mußt vom Sonderbund abfallen,
öffnen eilig deine Tor;
und mit klafterlangen Schritten
fliehen fort die Jesuiten,
w^arten nicht auf « Gottes Zorn » ^
^ So nannten die Soldaten den Artillerie -Oberst Orelli von
Zürich wegen seiner grimmigen Miene.
LIEDER 149
3. Doch inzwischen ganz verstolen
die Luzerner zu sich holen ^
Hauptmann Forrer von Dietwyl;
und weil dieß so wohl geglücket,
sind sie wiederum ausgerücket:
doch dieß Mal holen sie nicht viel.
4. Denn der Scheller^ lässt bei Lunnern
tüchtig auf sie niedertunnern,
bis sie laufen all davon;
und bei Geltwyl die Aargauer
nehmen's auch nicht viel genauer,
jagen sie zum Spott und Hohn.
5. Am zweiundzwanzigsten November eben
musst auch Zug sich übergeben,
schickte seinen Parlementär,
und mit Mann und Roß und Stucken
thut der Gmür hinunterrucken
in die Stadt von Kappel her.
6. Als General Dufour dieß vernommen,
lässt er gleich zusammenkommen
sein' Adjutant' und Obersten all;
er tat sie wohl instrugiren,
wie man sollt die Truppen führen
und Luzern nun greifen an.
7. Oberst Ziegler sollt angreifen
mit Infanterie und 2:roßen Pfeifen
^ nehmen gefangen. ^ Hauptmann Scheller von Thalw^-l (Zürich;
verhinderte durch das Feuer seiner Batterie den Uebergang der
Sonderbündischen über die Reuß.
150 HISTORISCHE
dort den Feind bei Gislikon;
er ließ schlagen eine Brücken,
daß man könnt hinüberrucken
mit der Armee wol über'n Strom.
8. Oberst Ziecjler in der Mitten
hat als wie ein Leu gestritten,
führt den Sturmmarsch selber an ;
und der Feind, um sich zu retten,
flüchtet vor den Jägerketten
schnell den Rotherbero^ hinan.
9. Denzler auf der rechten Seiten
thät das Kanonieren leiten,
hat Haubitzen aufgeführt;
feuert, bis aus ihren Schanzen
heim die Sonderbündler tanzen,
Salis selber wird blessirt.
IG. Gmür auch auf der linken Flanken
bringt den Feind o:ar bald zum Wanken,
Meierskappel nimt er ein;
und im EntHbuch bei Schupfen
tut die Feinde wacker tupfen
die Division Ochsenbein.
1 1 . In der Xacht nach allen Winden •
die Verräter tun verschwinden
und Luzern kriecht schnell zum Kreuz.
Sonderbund, du bist verloren,
wir ziehn ein zu allen Toren:
Vivat hoch ! es leb die Schweiz !
LIEDER
lU
12. Held Abvber«: kann nicht halten
Uri, Schwvz und Undenvalden,
Gurten nicht das Rhonetal;
drum dir ewig Ruhm gebühret,
daß du uns so gut getühret,
Dufour, unser General!
S. T.
Allgemeine Lieder.
ALLGEMEINE LIEDER.
1. Episches.
Nr. I.
1. Mareie wott go wandle,
wott alli Land ausgehn,
wott suchen ihren Sohn.
2. « Hand ihr mein' Sohn nie gesehen,
mein' allerherzHebsten Sohn,
den ich verloren hab ? »
3. «Mir händ ihn nacht spot gesehen
wol in eim Judenhaus,
ganz blutig sah er aus.
4. Er treit auf seinem Haupte
von Holz ein Dornenkron,
das Kreuz treit Jesus schon.
5. Das Kreuz muß Jesus tragen
durch Jerusalem die Stadt,
wo er vil g'litten hat. »
156 ALLGEMEINE
6. Mareie sitzt nider und weinet,
sie weinet gar so sehr
um ihren Lieb Gott und Herr.
7. Mareie, du solltist nicht weinen,
du solltest nicht traurig sein;
's oranz Himmelreich ist dein.
Wesentlich gleich Mittler Nr. 440.
Nr. 2.
1. Dort hinten, dort hinten
bei der himlischen Tür
dort steht eine arme Seele,
schaut traurig herfür.
2. Arme Seele mein, arme Seele mein,
o kom zu mir ein!
beichte du mir deine Sünden,
sei'n sie orroß oder sei'n sie klein.
3. Beichte du sie mir, beichte du sie mir,
beichte du sie mit Fleiß,
dann werden deine Kleider
schneechridewiß.
4. So wiß und so wiß
und so wiß wie der Schnee
wir werden einander
im Himelrich g'seh.
5. In dem Himelrich, in dem Himelrich,
wo du selig dann bist,
wo Gott Vater, wo Gott Sohne,
wo Gott heiliger Geist ist.
LIEDER 157
6. Keine Krankheit, keine Sünde
im Himmel regiert,
weil Jesus im Garten
herumen spaziert.
7. O wie fälschlich sind die Juden
und wie lasterhaft die Welt,
weil Judas seinen Meister
verraten hat um das Geld.
Aus der handschriftlichen Sammlung von Stutz. — Ein mir von
Herrn Lehrer Fürst mitgetheilter Text hat folgende Abweichungen :
Str. 2, 2 was schaust du so traurig drein, 3 kom und beicht mir.
Str. 3, 2 mit allem Fl., 4 ja alle schneeweiß. Str. 4, 3 — 4 und dann
wollen wir mit einander in das H, eingehn. Str. 5, i in das H., in
das himlische Paradies. Str. 6 und 7 fehlen.
Nr. 3. Sant Katharinen Segen.
Sant Katri reist über ein wite Heid,
vierundvierzig Mil weit und breit.
Wer bigegnet ere uf der Heid?
Der heidnisch König, der frieg si,
eb^ si wett sis Ehwib si.
« O, ob i wett dis Ehwib si,
wett ender^ lo verschnide mi junge Lib!»
Der heidnisch König fiel in ein' Zorn
und er ließ bauen einen Turn ;
dri tat er vil Chrotten und Schlange,
sant Katri nun Tas^ drin or'fan^e.
Der König cham uf de selbe Grund,
sant Katri war no früsch und g'sund :
^ ob ; umgekehrt in der folgenden Zeile oh statt eh, eher. ^ eher.
158 ALLGEMEINE
«Jungfrau Katri, wer het di ernehrt?»
«\\'er mi ernehrt het, wird mi ernehre, .
Chrotten und Schlange werde mi nit verzehre. »
Der heidnisch König ließ mache 'nes Rad,
vierundvierzig Schermesscrli dra;
das Rad das ließ er tribe,
sant Katri ihre Lib verschulde.
Wo das Bluet lii runn, drü Engeli sunge,
drü Cherzeli brünne, alli glich,
si zünde sant Katri i's Himelrich.
Ein Donnerchlapf cham vom Himel herab
und schuß die Speien^ us dem Rad;
a dene Speie war's nit gnue :
vierthalbhundert heidnisch Mann derzue.
*
Wenn das Gebet all Tag wurd g'sproche,
wurd kei Biderma no g'hüwe- no g'stoche,
kei Jungfrau g'schändt, kei schwangeri Frau.
Helf is Gott zu alle guete Dingen! Amen.
Aus Lütolf a. a. O. 541 — 542. — Ich habe nur die Verse an
emigen Stellen, wo sie mit Füllwörtern überhäuft waren, etwas in's
Maß geschnitten; übrigens war solche unregelmäßige Reimprosa seit
dem XI. Jahrhundert üblich und findet sich auch noch in einigen
der reformirten Gebete, die in Bd. I (S. 194 ff.) mitgetheilt sind. Den
letzten Zeilen nach gehört das Gedicht zu den Segensfprüchen, die
weiter unten mitgetheilt sind; es ist aber hieher gestellt, weil die
epische Einleitung besonders ausführlich ist und ursprünglich wohl
selbständig war.
* Speichen. - gehauen.
LIEDER 159
Nr. 4. Tannhäuser.
Vgl. BJ. I, S. 102.
1. Tannhäuser war ein junges Bluet;
der wott groß Wunder g'schaue;
(er) gieng (wol) auf Frau ^Venelis Berg
zu selbige schöne Jungfraue.
2. Wo er auf Frau VreneUs Berg ist cho,
(do) chlopft er an a d' Pforte :
« Frau Vrene, wend er mi ine lo ?
will halten eue Orde. »
3. «Tannhäuser, i will d'r mi G'spile ge
zu-m-ene ehhche Wibe. »
« Diner G'spilinne begehr ich nit,
min Leben ist mer z' liebe.
4. Diner G'spilinne darf ^ ich nüt,
es ist mir gar hoch verböte ;
si ist ob 'em Gürtel Milch und Bluet-
und drunter wie Schlanijen und Ghrote. »
5. Tannhauser saß am Figebaum,
darunter er war entschlafe ;
es chunt em für i sinem Traum,
er müeß uf Rom wallflihrte.
6. Wo er in d' Stadt Rom ine chunt,
wol unter 's höchsti Thor(e),
froi^t er dem oberste Priester no,
wo in der Stadt Rom war(e).
bedarf. -' wunderschön.
1 60 ALLGEMEINE
7. Wo er i d' Chile i-e chunt,
vor 'em Pobst thet er sich g'neige:
« Gott grüeze eure Heilige, Pobst,
mine Sund will i eu a'zeige.»
8. Der Pobst het do en düre Stab,
vo Düri war er g'spalte:
c( So wenig de Stab me z' grüene chunt,
so wenig magst du Ablaß erhalte. »
9. «Und wenn i nümme z' Gnade chum
und nümme mag werde bihalte,
so gön i uf Frau Vrenis Berg
und lebe bi-n-ihr im Walde.»
IG. Es göt nit me als dritthalb Tag,
so fieng der Stab a z' gruene;
er treit es Laub so grüen wie Gras,
darzue drei schöni Blueme.
11. De Pobst schickt sini Boten us,
si wüssed cn niene me z' g'wahre;
er schickt si us in alli Land:
der Tannhuser blibt verfahret
12. Si chömed uf Frau Vrenelis Berg,
chlopfed a d' Pforte und die ist b'schlosse :
((Tannhuser soll do use cho,
sine Sünde sigen em no'g'losse. »
13. (( Zu-n-ech use cho das chan i nit,
do mueß i bliben inne;
mueß bliben bis am jüngste Tag,
(da 2:öt's mer erst wie's cha und mag. 2)»
^ verschwunden. - Dieser Vers ist offenbar unecht : ebenso die
zwei noch folgenden Strophen, obwohl die Beziehung der Frau Vrene
LIEDER l6l
14. (Tannhuser sitzt am steinige Tisch,
der Bart wachst im drum umme;
und wenn er drü Mal ummen isch,
so wird der jüngst Tag bald chume.)
15. (Er frogt Frau Vreneli all Fritig spöt,
ob der Bart es dritt(s) Mol umme göt
und der jüngsti Tag well chume.)
Das Lied ist in obiger Gestalt mitgetheilt von Rochholz, Drei
Gaugöttinnen S. 147 — 149; es soll von einer alten Frau im Bezirk
Baden (Kt. Anrgau) ihrem Arzt in die Feder diktirt sein. Der Text
ist jedenfalls an manchen Stellen verdorben, aber Vergleichung des-
lelben mit dem in Bd. I (S. 102) mitgeiheilten sant- gallischen (G)
und dem (schon mehrfach gedruckten) entlebuchischen (E) ist nicht
ohne Interesse. Da der letztere in Bd. I nicht mitgetheilt ist, so soll
er hier, wenigstens so weit er von dem aargauischen (A) abweicht,
noch angeführt werden. Alle drei Gestalten beruhen auf einer Grund-
lage, welcher E (= Uhland, Volkslieder Nr. 297 C, Mittler Nr. 535)
wohl am nächsten kommt; doch ist gerade die erste Strophe unsers
A und G (= ühland A 2) besser als E i — 2.
E I. Wele (wer) groß Wunder schauen will,
der gang in grüenen Wald use.
Danhuser war ein Ritter guet,
groß Wunder wolt er schauen.
2. Wa-n-cr in grüenen Wald use kam
zue denen schönen Jungfrauen,
sie fiengen an ein längen Tanz,
ein Jahr war inen ein Stunde.
3. «Danhuser, lieber Danhuser mein,
weit (wollt) ier bei uns verbleiben ?
ich will euch die jüngste Tochter ge
zue einem eliche Weibe.»
(Venus, Freid) auf den Freitag (Str. 15, i) einen richtigen Zug ent-
hält und vielleicht auch die Beziehung des Namens Ta/mhäuser auf
den Aufenthalt im Walde (E i, A 9) bemerkenswerth ist.
II. II
1 62 ALLGEMEINE
4. «Die jüngste Tochter die wil ich nid,
sie treit den Tüfel in ihre ;
ich g'se's an ire brun Augen an,
wie es in ire tuet brinnen.«
5. «Danhuser, lieber Danhuser mein,
du sollest uns nicht schelten;
wann du komst in disen Berg,
so muest du es etgelten. »
6. I. Frau Vrene hat ein Feigenbaum,
4. Von Sünden sol er lassen.
7. Danhuser stuend uf und gieng darvon,
er wolt ge Rom ge bichten;
wa-n-er ge Rom wol ine kam,
war er mit blutten (bloßen, nackten) Füeßen.
8. 1—2 = 7, 3—4.
3. er fiel auch nider auf seini Knie,
seini Sünden wolt er abbüeßen.
9. wesentlich = A 8.
10. Er kneuet für das Kreuzaltar
mit außgespanten Armen :
« Ich bitt es dich, Herr Jesus Christ,
du wellist meiner erbarmen. »
11. Danhuser gieng zur Kirchen uß
mit seim verzagten Herzen :
« Gott ist mir allezeit gnädig g'si,
iez mueß ich von em lassen ! »
12. Wa-n-er für's Thor hie uße kam,
begegnet im üsi Liebi Frauen :
« Behüet dich Gott, du reini Magd !
dich darf ich nimmen anschauen. »
13. 1—2 = A IG, 1—2.
3. Der Pabst schickt uß in alli Land,
er ließ Danhuser suchen.
14. Danhuser ist iez nimmen hier,
Danhuser ist verfahren,
Danhuser ist in Frau Vrenen Berg,
wolt Gottes Gnad erwarten.
LIEDER 163
15. Drum sol kein Pabst, kein Kardinal
kein Sünder nie verdammen;
der Sünder mag sein so groß er will,
kann Gottes Gnad erlangen.
Sagen von Schweizern, die in den Venusberg kamen, gibt
Lütolf S. 89. Taimhuser kommt übrigens noch heute in Malters,
Kt. Luzern, als Geschlechtsname vor; ein Tamihuser war im Jahr 1640
Pfarrer in Escholzmatt im Entlebuch, wo Stalder das Lied (E) fand;
ein Christen Tannhuser kommt urkundlich im Jahr 1)1) in Graubünden
vor. Lütolf S. 90. Die Uebertragung der Sage vom Bari des im
Berg verzauberten Kaisers auf den Tannhäuser (A 14. 15) war auch
luzernische Sage. Lütolf S. 87. üeber Verena = Venus = Freia s. Roch-
holz (a. a. O. S. 1 50 ff.) und Schweiz. Idiotikon unter Verene. Aus
jener Gleichung folgt aber keineswegs, daß der Tannhäuser eine
Vermenschlichung von Wuotan sei. Ueber die Tannhäuser-Sage und
ihre Parallelen s. noch Herrig, Archiv Bd. 68, S. 43 — 51.
Nr. 5. Der König von Mailand.
s. Bd. I, S. CV.
1. Weiß mir e Herr, hed sibe Sü
und nu en einzig Töchterli.
Der Herr der stellt e Gastmal a,
er ladt vil fremdi Herre dra.
2. Er ladt vil fremdi Herren i,
de Künig us Mailand au derbi.
Die Tochter hed Har so gel wie Gold^
darum wird ihre der Künis: hold.
* Das Original hat: e Haar, ist gelber weder Gold. Vgl. Dursli
und Babeli i, 4.
1 64 ALLGEMEINE
3. Das Mägdli wött ge schlafe go,
tritt ihre der Künig us Mailand no^;
und do-n-er het si Wille 'to^,
sitzt er uf's Roß und rit't dervo.
4. Do vierzig Wuche sind ume,
de Künig der ist nie kumme.
Dem Mägdli wurd's im Siteli weh,
zu einem kleinen Kindele.
5. «Ach Brueder, liebe Brueder mi,
erlaub du mir di Kämmerli,
erlaub mir di Schlafgade^;
klei Kindeli mue-n-i habe.»
6. «Ach Schwester, liebi Schwester mi,
's Schlafkämmerli soll di eige si,
ich will dir ge vil Guet und Geld;
bring du di Kindli recht uf d' Welt ! »
7. «Ach Brueder, liebe Brueder mi,
und hätt i numme no Wiber dri ! »
« Ach Schwester, liebi Schwester mi,
die Wiber müend gli vorbände si. »
ö"
8. Und do das Kind gebore war,
die eine zu der andern sprach;
«Das Kind ist hübsch und minniglich,
es sieht dem Künig us Mailand glich.»
^ nach. - gethan. Im Original folgt noch die Zeile : In vierzig
Woche will er wider ko. ^ Gaden, Kammer.
LIEDER l6
9. Die Mueter an de Wände
erloset de Reden en Ende^;
sie Sprung dur d' Stegen uf und ab,
bis daß sie zu 's Mäs^dlis Vater kam.
10. «Hand eister^ g'seit, eui Tochter sei fromm,
iez het si geboren en junge Sohn;
und war die Tochter eu wie mi,
die Red mueß uns verschwis:e si.
Das Kind ist wüest und grüselich,
es sieht 'em leidige Tüfel glich. »
12. Der Vater fiel in e cjroße Zorn
er Sprung wol uf die Mure,
rueft alle sine Nachbure:
13. «Nachbure, liebi Nachbure,
müend mir en Galge mure^;
i will mi Tochter la henke,
ihre junge Sohn ertränke. »
14. Der Brueder an de Wände
erloset de Reden en Ende,
er loset von Anfang bis zum End,
bis ihm sini Aeu2;li Wasser gend.
^ erlauscht die Reden vollständig; vgl. Str. 14 und: Die Braut-
wahl Str. 5. - immer. Das Original hat gesproche statt g'seü. ^ Das
Original hat hier noch die Zeile: dra mue mi Tochter verfule.
l66 ALLGEMEINE
15. «Ach Schwester, Hebi Schwester mi,
mir händ e zornigs Väterli;
er will di lasse henke,
din junge Sohn ertränke. »
16. Das MägdU setzt si uf im Bett,
es wünscht, daß 's Tinten und Federe hätt^;
es tuet e Briefli schribe
sim Herren i Mailand ine.
17. «Ach Brueder, liebe Brueder mi,
hätt ich e kleines Böteli,
müeßt mir es Briefli trage,
mim Herren i Mailand saoe. »
18. «Ach Schwester, liebi Schwester mi,
das BöteU will i selber si,
will dir das Briefli trage,
dim Herren i Mailand sage. )>
19. Do-n-er i's Mailand ine kam,
er so zu selbigem^ Diener sprach :
« Ach Diener, liebe Diener mi,
möcht euere Herr deheime si ? »
20. « O nei, min Herr ist nit deheim
min Herr der ist geritten us,
(w^ol) um e zarts JungfräuH us. »
^ Original : es heischt Dinte und Federe her. Dann könnte die
erste Zeile etwa gelautet haben : Dem Mägdli macht der B'richt gar
schwer. ^ dortig.
LIEDER 167
21. Der Bot der kehrt si nit dara,
bis er zum Herren i d' Stube kam^;
was zog er us sim Buese?
22. (« Sieh hie, sieh hie, o Herre mi,
d^rin kannst sehe wer i bi.»
Eb^ er das Briefli ganz lese kann,
die Thräne ihm in d' Schoß abe rann.
23'
« Stönd uf, stönd uf, ihr Ritter, uf !
wir müend a'n Rhinstrom riten us,
(wol) um e zarts JungfräuU us.
24. Und du, o Hebe Diener mi,
gang sattle mir mi Pferdeli,
und sattle mir das beste Pferd,
das unter vierthalbhundcrt war. » —
25. Und do-n-es war am Fritig früe,
si füered das Mägdli us so früe;
frumm MägdU wend si henke,
sin junge Sohn ertränke.
26. Und do-n-es uf die Leiter trat^,
es den Nachrichter treuli bat:
«Nachrichter, Heber Nachrichter mi,
o wart du no ne kleine Wil.
27-
i g'höre-n-e scharfe Riterei;
i hoff, es möcht ein drunter si,
möcht mines KindHs Vater si.»
^ Original: trat. ^ ehe. ^ Original: kam; vgl. Note ^
1 6S ALLGEMEINE
28. Der Nachrichter ist e barmherzige Ma,
er wartet vierthalb Stunden ab;
er wartet (und wartet) vierthalb Stund,
bis daß die Schar vo Ritere chund.
29. — — — — — — — — ^
er wünschet allen e guete Tag,
dazu ne guete Morge:
«wen wend er so früe versorge^?
30. In unserem Land ist's nit der Bruch,
daß ma 's Wibervolk tuet henken uf. »
Was zog er us sim Buese?
Ein Windel von schönem Tceche^.
31. «Sieh hie, sieh hie, brun Maidli mi,
wickle du din kleines Kindli dri.»
Was zog er us si'r Scheide?
32. O Wunder! ein schönglänziges Schwert;
er stach sin Schwägerin"^ uf die Erd:
«Wenn i den Adel nit nieße möcht^,
so stach i min Schwab er uf die Erd.
Ach Anni^, m.agst 's Riten erlide,
magst zu mir uf mi Pferd stige?
Du muest nu riten e halbi Stund,
bis daß e Gutsche geeen üs chunt. »
^ Die fehlende Zeile muß enthalten haben, daß der König an-
gekommen sei. - hinrichten (sonst: mit den Sterbesacramenten ver-
sehen. ^ Das Original hat als erste Zeile der folgenden Strophe:
Voll Wunder! ein schönes TücheH. * Schwäherin, Schwiegermutter.
'° hat wohl ursprünglich gelautet: wenn er seines Adels n. n. m.,
d. h. wenn ich nicht auf seinen Adel Rücksicht nähme. ® Daß hier
LIEDER 169
34. «Worum wott i's nit besser erlide,
als uf de hoch Galgen stige ? » —
Es stoht nit meh als e halb Johr a,
der Könis stellt e Gastmal a.
'ö
35. «Ach Anneli, liebs Anneli mi,
wend mcr au lade di \^äterli dri ? »
«O nei, o nei, min Herr, laß si\
mi Väterli wend mer nit lade dri. »
36. «Es fliegt e Vögeli nit so hoch,
es lot si wider nider:
wenn scho di Väterli zornig ist,
der Zorn der leit^ si wider. »
Das merkwürdige Lied war den Herausgebern des « Wunder-
horns>) von Wessenberg niitgetheilt worden; es trägt in der Sprache
einige Merkmaie aus der nordöstlichen Schweiz, kann aber natürlich
nicht in reiner Mundart hergestellt werden; nur einige Unrichtig-
keiten und Unebenheiten sind im obigen Text ausgeglichen. Leider
ist das Stück auch sonst unvollständig und besonders in den Reimen
mangelhaft überliefert. Ich habe nur an den wenigen, in den Noten
angegebenen Stellen Besserungen versucht, sonst mich begnügt, die
Vierzeiligkeit der Strophen wenigstens äußerlich herzustellen, während
das Original einige fünf- und dreizeilige gibt. Daß einige Strophen
ganz oder theilweise weibliche Ausgänge haben, ist nichts Seltenes;
offenbar verderbt oder mangelhaft in Wortlaut und Sinn sind Str. 4.
24. 32, im Reime Str. 23. 25. 27.
die Jungfrau auf einmal diesen Namen trägt, erinnert an die Anneli-
Lieder Bd. I, S. 115. 118, wo das Mädchen ebenfalls auf's Pferd ge-
hoben wird.
^ Das Original hat ein drittes 0 nein und dann Z. 4 drei(n), was
neben dri 1. 2 unerträglich ist. ^ Original : let.
1 70 ALLGEMEINE
Nr. 6. Schön Anneli.
s. Bd. I, s. cv.
1. Es ritt ein Rüter durch das Ried,
er sung mit Lüsten ein Tagelied,
er sung's mit heller Stimme,
daß 's zwischen zwei Bergen tuet klinge.
2. Das Anneli under dem Lädeli^ lag:
«Wer ist iez, der so singe mag?
Könnt ich nur auch so singe,
wett- mit ihm vo heime springe ! »
3. «Anneli, w^ottist du mit mir ga,
ich will dich lehren alls was ich ka;
ich will dich lehre singe,
daß zwischen zwei Bergen tuet klinge^.»
4. Das Anneh springt dur d' Stegen uf,
es kleidt si i Side und Sammet druf,
i Sammet und sidige Schnüere;
de Rüter wott 's Anni verfüere.
5. Er nahm schön Anneli bim Gürtelschloß,
er schwung's wol hinden ufs höchi Roß"*^
und fuer mit ihm so balde
wohl gegen dem finstren Walde.
6. Sie ritten zum kühlen Brunnen,
mit Blut war er überrunnen ;
sie kamen zum Haselstüdeli,
darhinder ruo^aet^ es TübeH.
^ Fensterladen. "^ ich wollte. ^ Andere Lesart : ein Lied uf
dreierlei Stimme, oder: drei Liedlein auf einer Stimme (Melodie).
* s. Bd. l, S. 118, ^. ° girrt. Den blutigen Brunnen haben andere
Texte erst später, nach Str. 20.
LIEDER 171
7. « Ach Rüter, liebe Rüter mi,
was rügget echt das Tübeli?
es rugget, du sigist^ en falsche Ma,
der mir min Leben nit gönnen mag. »
8. «Schön Anneli min, es rugget nit das;
es ist öppis anders, ich weiß wol was^ ;
es rügget wege sim rote Fueß,
wo es im Winter dra früre mueß.»
9. Er ritet mit ihm über Studen und Stock;
es schreit : « o we, mini sidige Rock ! »
er ritet mit ihm über Studen und Stei ;
es schreit: «o weh, mini schnewiße Bei'^!»
IG. Er spreitet de Mantel i's grücne Gras,
er wett, daß 's Anneli zu ihm saß:
« Ach Anneli, chum mir cho luse^,
mis chruses sjels Haar verzuse. »
1 1 . So mängi Locke das Anni verzieht,
so mängi Thräne ihm entfiel;
er luegt ihm under die Augen :
«Was weinst du, schönste der Frauen?
12. Weinist du um dis Vaters Guet?
oder weinist du um din stolze Muet?
oder weinst du um dine Ehren?
es mag sie dir niemer verwehren.»
^ seist. - Diese Zeile ist von mir ergänzt, weil beide Texte hier
mangelhaft überliefert sind. ^ Auch diese Strophe kommt in dem
andern Anneli-Liede (Bd. I, S. 118, Str. 5. 6) vor, scheint aber hieher
zu gehören. * hier nicht im gemeinen Sinn zu nehmen, sondern
= liebkosend mit den Haaren spielen. Vielleicht liegt aber darin eine
1 72 ALLGEMEINE
13. «Ich weine nid um mis Vaters Guet
und weine nid um min stolze Muet:
ich weine-n-um diese Tanne,
wo elf Jungfraue dra hange. »
14. «Schön Anneli, wein du nit so gli,
du muest ja doch die zwölfti si,
muest z' obrist obe dra hange,
muest Kaiser! werden ob alle. »
15. «Ach Rüter, liebe Rüter mein,
laß du mich schreie drei einzigi Schrei. »
• «Ja frili, schrei du so mänge-n-as d' witt\
die junge Waldvögeli lose dir nit. »
16. Der erste Schrei, wo 's AnneU het than,
es ruefti Gott im Himmel an,
er soll ihm zu Hilf kommen balde
aus diesem finsteren Walde.
17. Der andere Schrei, wo 's Anneli het than,
es ruefti die Mueter Gottes an,
sie soll ihm zu Hilf kommen balde
aus diesem finsteren Walde.
18. Im dritten Schreie schön AnneU
ruefte sim lieben BrüederU :
«Und hilfst du mir nicht balde,
so bin ich verloren im Walde^ ! »
Anspielung darauf, daß der Reiter eine Hautkranl<heit (Grind) an sich
hatte, zu deren Heilung er das Blut von Jungfrauen suchte (Blau-
bart-Sage).
^ willst. - Den drei Schreien entsprechen in dem andern Liede
(Bd. I, S. 119) die drei Nägel, mit denen das in ein Pferd verwandehe
Anneli beschlagen werden soll. — Die beiden let;^ten Zeilen dieser
LIEDER 175
19. Der Brueder hinder dem Tischli saß
und mit sim Völkli^ z' Morgen aß;
es dunkt ihn in sinem Sinne,
er g'höri sis Schwesteriis Stimmet
20. « Ach KnechtU, liebes Knechtli mi,
ojang, sattle mir mis Pferdeli
und zäum's mit der isige Chette;
i will mi Schwester ga rette^!»
21. Und wo-n-er chunt wol mittst i'n Wald,
der Rüter träiet^ es Widenband:
(( Träisch es für mi oder träisch es für di
oder träisch es für mis Schwesterli ? »
22. «I träi's nit für mi und nit für di
und au liit für dis Schwesterli:
i traie's für mis Rösseli,
es verzehrt'^ mir aUi die Zäumeli. »
23. Er bund de Rüter hinten a'n Stiel-'',
er mag sich wehren wie er will;
er mueß de Lohn für Alles ha,
wo er scho i dem Wald het tha.
24. Er nahm schön Anneli bim Gürtelschloß
und schwuns^'s wohl hinten uf sis Roß
und fuer mit ihm über Studen und Stei
und fuer mit dem Anneli wieder hei.
Strophe lauten in dem von mir sonst zu Grunde gelegten Texte
gleich denen der zwei vorhergehenden Strophen; aber in den deutschen
Parallelen zeigen sie eine Variation, die ich oben nachgebildet habe.
^ Hausgesinde, Familie. ■^ Diese zwei Zeilen aus dem Text von
Rochholz. ^ dreht. * zerreißt. '" an den Schweif seines Pferdes.
1 74 ALLGEMEINE
Der vorstehende Text beruht gröstentheils auf dem von Stalder
mi Entlebuch vorgefundenen und in Henne's Schweizerblättern 1853,
S. 210 mitgetheihen. Rochholz gibt einen erweiterten, vom dem er
selbst sagt, er sei aus verschiedenen (Quellen zusammengestückt, und
der schon durch sein Versmaß (Strophen von 6 statt 4 Zeilen) von
den andern abweicht, übrigens neben manchen Verschnörkelungen
einiges Echte enthalten mag. Ich habe ihn mit dem andern, der
allerdings auch seine Mängel hat (besonders gegen Ende), stellen-
weise zu vermitteln gesucht.
Nr. 7. Der Dursli und d's Babeli.
s. Bd. I, S. CIV.
1. Es het e Bur es Töchterli,
mit Name heißt es Babeli;
es het zweu Züpfli, si sind wie Gold,
drum isch ihm au der Dursli hold.
2. Der Dursli lauft dem ^^lter na:
« O Vater, weit ihr mer 's Babeli la ? »
« Mis Babeli isch no vil zu chlei,
es schlaft das Jar no wol allei. »
3. Der Dursli lauft in einer Stund,
lauft abe bis ge Soleturn,
er lauft die Gassen i und us,
bis daß er chunt vor 's Hauptmes Hus.
4. « O Hauptme, liebe Hauptme mi,
i will mi din2:en i Plauderen i. »
Der Hauptme zieht de Seckel us
und sit dem Dursli drei Taler drus.
LIEDER I
n
5. Der Dursli geit do wider hei,
hei zue sim liebe Babeli chlei:
« O Babeh, du liebs Babeli mi,
i ha mi 'duneen i Flanderen i ! »
'&'
6. Das Babeli lauft wol hinder 's Hus,
es grint ihm schier sini Aeus:eli us :
(( O Babeli, tue doch nit eso,
i wott ja wider ume cho.
7. Und chum i über 's Jar nit hei,
so will i der schriben es Briefli chlei;
darinne soll e^eschribe sta:
I wott mis Babeh nit verla.»
Und wenn der Himmel papirig war
und jede Sterne-n-e Schriber war
und jede Schriber hätt siebe Hand,
si schriebe doch miner Liebi keis Hnd!
Der obige Text ist wesentlich nach dem solothurnischen gestaltet,
wie ihn zuletzt Schild, Der Großätti aus dem Leberberg, 2. Ausgabe,
S. 176 — 177 gibt; jedoch habe ich die spezifisch solothurnische Färbung
der Sprache abgestreift, weil sie nicht auf originaler Ueberlieferung.
sondern erst auf mehrfacher Rückübersetzung des Herder'schen Textes
in die Lokalmundart beruht (s. Schild a.a.O. 184). Von dem Texte
Herder-Schild (K S) unterscheidet sich der von Wyß (W), der auch
in die Ausgabe des «Wunderhorns» von 1846 aufgenommen ist, nicht
nur durch bernische Mundart, sondern auch durch Vermehrung des
Inhaltes, indem unsere Strophen 2. 4 und 6 zu je zweien erweitert
sind und am Schluß die Strophe hinzugefügt ist, die nun auch in
der ursprünglichen Heimat des Liedes solchen Anklang gefunden hat,
daß dasfelbe dort nur den Namen «Der papirig Himmel» trägt. Die
fremde Herkunft und weite Verbreitung dieses Spruches (der hier
immerhin nicht ungeschickt angefügt ist) hat R. Köhler in « Orient
und Occident» Bd. H, S. 546 — 559 mit glänzender Gelehrsamkeit
176 ALLGEMEINE
nachgewiesen. Vgl. Alemannia XI, 57. Die Antiquare von Solothurn
haben sich bemüht, auch einen historischen Kern der Geschichte
herauszufinden, und es hat sich aus ihren Nachforschungen in den
Taufbüchern von Grenchen ergeben, daß das « BabeH » als Barbara
Marti am 28. Oktober 1670 zu Bettlach geboren war. Seit jener Zeit
sollen auch die Werbungen nach Flandern begonnen haben. Der
Name des mit jener Barbara verlobten Soldaten war freilich nach
dem amtlichen Register nicht Durs, sondern Franz Abri; er müsste
also durch den des Kirchenpatrons von Solothurn, St.Ursus, verdrängt
worden sein. Herr Staatsfchreiber Amiet glaubt sogar die unserm
Lied angehängten Fortsetzungen (mit demselben zuerst im Soloth.
Wochenblatt 18 10 gedruckt), weil einzelne Lokalsagen und Familien-
angaben derselben mit Thatsachen übereinstimmen, als echte Volks-
lieder aus derselben Zeit betrachten zu dürfen, s. Schild a. a. O.
232 — 234. Vgl. aber die Schlussbemerkung zu dem Liede der Guggis-
berger: Simeliberg.
Ich schließe mit einer Auswahl der wichtigsten Textverschieden-
heiten, besonders von W gegenüber HS. Str. i, 2 hat S statt: mit
Name heißt es : Me seit em numme. 3 hat W : gel w. G. Str. 2 W :
Ätti st. Vater. Str. 3, i W^: i vollem Zorn. Str. 4, 2 W: Bruchst du
ke Chnecht (dieses Wort im altern Sinn = Kriegsmann, vgl. Lands-
knecht). 3 — 4 hat S: tuet der Seckel uf und g. d. D. d. Chrone
(Kronenthaler) druf (d. h. als Handgeld auf sein Versprechen, Dienste
zu nehmen). H hat übrigens: SQckQlscbnur. Str. 5, 4 W: 'dinget.
Str. 6, 3 S : briegg st. tue. 4 W: z' Jahr (nach Jahresfrist) st. wieder.
Str. 7, I — 2 W: Und chan-i-denn nit selber cho, will dir es Briefli
schribe lo.
Zur Worterklärung : Str. 2, i : weit, wollt. 6, 2 : grint, weint ;
ebenso briegg 6, 3 S.
Ob die von Kuhn (Kuhreihen und Volkslieder S. 33) gegebene
Melodie (aus G-Dur) dieselbe ist, die Herder «leicht und steigend
wie eine Lerche» nennt, weiß ich nicht. Daß Herder den Text
«verkünstelt» habe, hätte ich Bd. I, S. CIV nicht sagen sollen; in
welcher Gestalt er ihn bekommen hatte, wissen wir nicht; er wird
ihn eben, wie andere und wie es dem Zweck seiner Sammlung an-
gemessen war, nur etwas verhochdeutscht haben.
LIEDER 177
Nr. 8.
Vgl. Bd. I, S. CVI.
1. Es wend zweu Liebi z'säme,
wenn's vor 'em Wasser g'si möcht^;
er schrou 'em Lieben änet-,
ob es nit zünde wert.
2. «Wol frili will i dir zünde,
wenn du da übere schwimst;
wo mues i das Liechtli stelle,
daß 's mir nit abewütscht^?
3. Stell ich's i die Höchi,
so löscht mir's ab der Wind,
und stell ich's i die Mitti,
so lösched mir's ab die Chind.
4. Und stell ich's i die Teuti,
dort lit das alti Wib;
die Hex dort nebe dem Seeli
verlöscht's mit irem Chib"^.
5. Dann chaust^ du nit übere finde
und blibst verloren im See.
Ach Gott, wie will ich dir zünde?
ha scho keis Liechtli me ! »
6. Das Anneli sprung zu der Mueter:
« Erlaubet mir's an den See !
i möcht mini Händeli chüele,
si tuend mer gar eso^ we.»
^ stattfinden könnte ; vor im Sinn von Hinderniss. ^ schrie, rief
dem Liebchen jenseits. ^ herunterwischt. ^ Zank, Neid, Groll. ^ kannst.
Zu ergänzen ist bei finden: den Weg, die Richtung. ^ Das Original
hat «im Herze», was hier offenbar nicht passt.
II. 12
lyS ALLGEMEINE
7. ((Ach Tochter, liebi^ Tochter,
alleinig muest du nit gö;
du hast ein chUnes Schwösterli,
dasfelbig muest mit dir 16. »
8. ((Ach Mueter, hebi Mueter,
mis Schwösterli ist es Chind;
es günnt die chHne Blüemli ab,
die no nit zitig sind. »
9. ((Ach Tochter, liebi Tochter,
alleinig muest du nit gö;
du hast ein chlines Brüederli,
dasfelbig muest mit dir 16. »
IG. ((Ach Mueter, liebi Mueter,
mis Brüederli ist es Chind;
es springt de chline Vöglene na,
die no nit g'federet^ sind. »
11. ((Ach Tochter, Hebi Tochter,
alleinig muest du nit go ;
nimm du der alti Schiffma,
derselbig chaust du mit 16. »
12. ((Ach Schiffma, liebe Schiffma,
steck du der Angel ab ;
fahr du dem blauen Striemeli^ na,
du findst en ertrunkne Chnab ! »
^ Das Original hat hier durchweg lieheri, was jedenfalls nicht
Coniparativ, sondern nur erweiterte Positivform sein könnte. * be-
fiedert, ^ schmaler Streifen.
LIEDER 179
13. Er zog de Jungchnab use,
'em Anni uf sini Schoß;
bihüet ihn Gott im Himmel,
daß er ihn fahre löt!
14. Es g'schaut ihn umen und ume',
es g'schaut ihm sini Hand;
es geb^ ihm Gott im Himmel
es guets glückseligs End!
15. Es g'schaut ihn umen und ume,
es g'schaut ihm au sin Mund;
CS geh ihm Gott im Himmel
e o:ueti ojlückseli^i Stund !
16. Was zog's ihm ab sim Finger?
vo Gold es Ringeli :
« Ach sä^, du liebe Schiffma,
das soll din Finderlö si ! »
17. Und nahm der Jungchnab i'n Arfel"^
und Sprung mit ihm i'n See^:
« Ade, min Vater und Mueter,
ihr g'sehnd mi nümmeme^!»
^ von allen Seiten, immer ^viede^. ^ Das Original hat verleih,
\vas ganz unvolksthümlich ist. ^ nimm. * in den Arm, aber eigentlich
« Arm-voll». ^ Das Original hat Boddesee, was doch nicht den Boden-
sce, sondern nur «Tiefe des Sees» meinen könnte. Eine ähnliche
Sage soll allerdings auch am Bodensee gespielt haben (s. Rochholz,
Aarg. Sagen I, S. 36 oben); in neuerer Zeit findet sie sich nur noch
am Zuger See. ^ Die zwei letzten Zeilen lauten im Original, offenbar
1 80 ALLGEMEINE
Nr. 9.
1. Im Aergäu sind zweu Liebi,
die hettid enandere gern.
2. Und der jung Chnab zog zu Chriege;
wann chunt er widerum hei?
3. Ueber 's Jar im andere Sumer,
wenn d' Stüdeli trägid Laub.
4. Und 's Jar und das war umme,
und der jung Chnab ist widerum hei.
5. Er zog dur 's GässeH ufe,
wo d's schön Anni im Fenster läe.
unecht: «Es soll wege minetwille kei Jüngling sterbe daß (als) de»,
d. h. kein anderer mehr. Ich gebe den Schluß der in Deutschland
verbreiteten Form des Liedes, mit dem das unsrige sonst im Ganzen
übereinstimmt (vgl. Mittler Nr. 57; Simrock Nr. 3; Erk Nr. 21 u. s.w.).
Im Einzelnen ist unser Text allerdings auch noch an andern Stellen
eigenthümlich (Str. 2 — 4. 13 — 15) oder mangelhaft (Str. i). Nach
Str. 5 muß natürlich ergänzt werden, daß das böse Weib das Licht ge-
löscht habe. Statt Schiffmann Str. 1 1 u. s. w. dürfte wohl Fischer gesetzt
werden, wie in den Parallelen steht. Unklar sind die letzten Zeilen
von Str. 13, wo vielleicht vor fahren die Negation zu ergänzen ist;
auch dürften jene Zeilen und die entsprechenden in Str. 14. 15 viel-
leicht geradezu als Worte der Jungfrau aufgefasst und bezeichnet
werden. Geändert habe ich, außer den angegebenen Stellen, an dem
von Rochholz (a.a.O. S. 33 — 35) gegebenen Texte, der am Hall-
wyler See aufgezeichnet ist, nichts als einiges Orthographische,
z. B. ihn statt des enklitischen en, dir für der, wegen der Verständ-
lichkeit, besonders für nicht schweizerische Leser. Consequenz in
der Schreibung von Lauten und Formen ist nirgends beabsichtigt,
weil die Forderuns:en derselben sich oft mit denen der Deutlichkeit
kreuzen. Die Ausdrücke :^weu Liebi Str. i und Jungchnah Str. 13. 17
kommen auch im folgenden Liede vor.
I
LIEDER l8l
6. «Gott grüeß di, du Hübschi, du Feini,
vo Herze orefallst du mir wol ! »
7. «Wie chan i denn dir no g'falle?
ha scho lang en andere Ma,
8. En hübsche-n-und en riche,
und der mi erhalte cha. »
9. Er zog dur 's Gässeli abe
und weinet und truret so ser.
IG. Do begegnet ihm seini Frau Mueter:
« Und was weinist und trurist so ser ? »
11. « Was sott i nit weine und trure ?
i ha ja keis Schätzeli me! »
12. «Wcärist du deheime blibe,
so hättist dis Schätzeli no. »
Der Text des Liedes bei Wyß (S. 48) und Kurz (S. 112) ist
nicht ganz übereinstimmend und es wird auch noch mit anderen
kleinen Abweichungen gesungen ; reine Mundart ist nicht herzustellen,
schon wegen des Mangels der einfachen Form des Präteritum Ind.,
für welche hier und in andern Liedern entweder die schriftdeutsche
oder die des Conjunctiv gesetzt wird. So stehen in Str. 5 bei Kurz
neben einander die Formen ^og (bei Wyß iiig) und lag. Das Ein-
treten der Conjunctivformen war durch die missverstandenen Indicative
tat und hätt der altern Schriftsprache (besonders in Volksliedern) be-
fördert. In Str. 3, I habe ich statt iif das meist gehörte über gesetzt.
Str. 5, 2 hat Kurz AnneJi und Fensterli, Wyß verborge statt im Fenster,
feini (6, i) und seini (10, i) mit ei statt i habe ich nur stehen lassen,
weil beide Q.uellen es haben. 11. 2 hat Wyß: ietz han i k. Seh. m.
Betreffend die strophische Form ist zu bemerken, daß (ähnlich
wie beim « Simeliberg ») je ^wei Zeilenpaare durch einen Reim
(resp. Assonanz) zu einer Strophe verbunden sind, obwohl die Me-
lodie nur für die Hälfte ausreicht. So gehören wenigstens Str. i
und 2, 3 und 4, 7 und 8, 9 und 10 zusammen, während zwischen
5 und 6, II und 12 keine Verbindung besteht. Indessen ist diese auch
l82 ALLGEMEINE
für die anderen Paare weniger eng und passend als beim « Simeli-
berg». Uebrigens stimmen Str. 4 — 8 zum Theil wörtlich mit Str. 3 — 5
von Mittler Nr. loi («Nichts Besseres kann mich erfreuen») und das
Ganze scheint nur eine Umbildung dieses Liedes aus dem Tragischen
in's Elegische.
Nr. 10. Die Kindsmörderin.
s. Bd. I, S. CVI.
1. Es wollt ein Hirt i'n WM ustribe,
er g'hört es chleines Chindeli grine.
2. «I g'höre di wol, i g'se di aber nit,
i weiß nit, wer dis Müeterli ist. »
3. «Mis Müeterli wott Hochzit habe,
es het drü chline Chind ver£:rabe.
4. Das erst hat es i's Wasser 'trage,
das ander under de Mist vergrabe
5. Und mi i grüene Wald use g'steckt,
mit Laub und Aeste mi zuebedeckt. »
6. Er nahm das Chind wol uf sin Arm
und mit ihm in das Wirtshus kam.
7. «G'se Gott, g'se Gott, ihr Hochzitgäst!
die oben am Tisch mi Mueter ist.
8. Ach Mueter, du darfst keis Chrcinzeli trage,
du hast drü chleini Chind vergrabe.
9. Das erst hast du i's Wasser 'trage,
das ander under de Mist vergrabe,
IG. Und mi i grüene Wald use g'steckt,
mit Laub und Aeste mi zuebedeckt. »
LIEDER 183
11. «Und wenn i soll euere Mueter si,
so schlag der böse Geist dari. »
12. Sobald si nur das Wort usfprach,
der böse Find in die Stube brach.
13. « Chum weg, chum weg, vom Tisch eweg,
mit mir muest trinke Schwefel und Pech ! »
Aus dem Kanton Aargau, — An dem bei Kurz und Simrock
stehenden Texte habe ich nur einige geringe Aenderungen zum
Zweck des Reimes und mit Benutzung der deutschen Parallelen vor-
genommen. Str. 5 und 15 haben im Original eine überzählige und
auch überflüssige dritte Zeile. Str. 6, 2 lautet dort : und gieng wol
mit i's Wirthshus abe. Str. 7, 2 : Die Brut die saß wol oben am
Tisch. Darauf folgt:
Wil sie des Chindes Müeterli isch,
das Chind wird's selber zeigen an.
Str. II: Und wenn's au ist, wie 's Chindli seit,
so schlag der böse Geist hinein.
Str. 12, 2 habe ich brach statt kam gesetzt. Str. 7 hat das Original
g'sä, was aus gesegne verkürzt sein könnte, während g'se, aus gesehe,
auf den Anblick der Mutter bezogen werden kann.
Stutz, der in semem Buch (a. a. O.) einen etwas erweiterten und
verkünstelten Text gibt, hat in seiner handschriftlichen Sammlung
beim Erscheinen des bösen Geistes folgende merkwürdige Variante:
Der bös Geist nimt sie bi der Hand
und führt sie in das Schwabeland,
i's Schwabeland, i'n höllische Tod;
dort sitzed drei Gottbhüetis (Teufel) dervor.
Der erste seit: Willkum lierin !
der andre schenkt ihre gnueg darin,
der dritte stoßt sie i d' Höll.
Dazu eine noch weniger passende Schlußftrophe.
1 84 ALLGEMEINE
Nr. II.
Vgl. BJ. I, S. CVII.
o
1. Es ziehnd drei Grafen^ über Feld,
verloren haben sie Sack und Geld.
2. Sie suchen sich ein schön Mägdlein aus
und kommen vor schön Annelis Haus.
3. Schön AnneU sitzt im grüene Chlee
und schreit, sie sölled ihm 's Lebe nüd neh.
4. Der erste seit: «Das Anneli ist min!»
der andre seit : « Es ist min wie din ! »
5. Der dritt seit: «Wie ist das Anneli so wert!
wend's^ teile mit eme güldene Schwert^. »
^ Diese Lesart erklärt sich daraus, daß die drei Diebe, wie in
den deutschen Parallelen (Mittler Xr. 1 17, 118) ausdrücklich steht, sich
als Grafen ausgaben. ^ wir wollen es. ^ Der zunächst folgenden
Strophen erinnerte sich Stutz nicht mehr, gibt aber die Fortsetzung
der Geschichte in Prosa. Die Drei haben das Anneli wirklich in drei
Stücke zerschnitten und dann in eine Schlucht («Tobel») hinab-
geworfen. Nach einiger Zeit sei in das Wirthshaus am Rheine (wo
Anneli gewohnt hatte) ein Mann gekommen, welcher der Wirthin
Kittel zu kaufen anbot. Sie habe dieselben zu sehen verlangt. Dann
folgen wieder 2 Strophen :
Er schüttelt ein Kitteli aus dem Sack,
von Schweiß und Blut ist es noch naß.
Die Wirtin schreit: Herr Jesus min!
das ist mines Annelis Chitteli g'sin !
Dies habe zur Entdeckung der Mörder geführt und sie seien lebendig
gerädert worden.
LIEDER ' 185
Nr. 12.
s. Bd. I, S. CVII.
1. Es wollt ein Jägerli jage
Drei Stündlein vor dem Tage
Ein Hirschlein oder ein Reh.
2. Er sah auf grüner Heide
Ein Mädchen in schneeweißem Kleide,
Die er wolt haben zur Eh.
3. Er nahm sie bei der Mitte
Und führt sie in sin Schlafhütte,
Wol in den grünen Klee.
4. Es schlafen zwei Liebe beisammen,
Daß sie bv einander erwarmen,
Vom Aben bis an den Tas:.
5. «Stand uf, gut Jäger, gar balde.
Die Sunne schint vor dem Walde,
Die Vögel die piilien schon.
6. Stand uf, gut Jäger, denn es ist Zeit!
Du hast dich verschlafen, das hat mich gefreut;
Ein reine Jungfrau bin ich noch. »
In den folgenden Strophen, die Ruckstuhl in Meiringen nicht
aufschreiben konnte, wird erzählt, daß das Mädchen sich von dem
Jäger ab und einem Soldaten zuwenden wollte. Der Jäger wollte
sie dafür erschießen, ließ sie aber auf ihr Flehen am Leben. Dann
folgte der Schluß:
Er leit an Stifel und Sporen :
« lez hab ich mein Schätzli verloren
Und finden es nimmer mehr. »
l86 ALLGEMEINE
Nr. 13.
1. Es isch vor der Hütte,
Es chunt mer schier für\
I mein, i hör bitte
Und klopfen an der Thür.
2. I mueß doch ga fragen,
Wer duße möcht sein,
Es isch nit zu trauen,
I laß Niemand ein.
3. «Ich bin halt ein Weidmann,
Erschrick nit ab mir,
Ein Jäger, das bin ich,
Hab d' Büx nit bei mir.
4. Bin auch nit versehen
iMit Pulver und Blei,
Es soll dir nichts geschehen.
Du bist vor mir frei.
5. Nehm oft mein Weidmesser,
Geh mit der Büx aus
Und bring dann mein Ränzel
Voll Wildpret nach Haus. )>
6. ( G'sehsch oft en Hirsch springe.
Meinst schon, er sei dei.
Er kann dir ertrünnen-,
Mueßt wieder leer hei. )>
* kommt mir beinahe vor. ^ entrinnen.
LIEDER 187
7. «Ich geh US uf grün Heide
Und biete dir Trutz;
Du willst mir nit traue —
Bist selber nix nutz ! »
Mitgetheilt von Herrn B. Wyß in Solothurn, mit einigen Zusatz-
strophen, die ich weggelassen habe. Der Dialekt ist sehr gemischt.
Nr. 14. Die Brautwahl.
s. Bd. I, S. CXXI.
1. Es si nes Mal zwo Gspile g'sin —
Hoff man zue, laß nume ga —
E Richi und en Armi.
2. Die Richi zu der Arme sprach —
Hoff man zue u. s. w.
« Laß mir den Knab alleine.
3. Mi jüngste Brueder geb ich's dir,
Vo d's Vaters Guet es Teili. »
4. « Di jüngste Brueder mag ich's nit,
Vo 's Vaters Guet keis TeiH.))
5. Der Jungknab hinter dem Hage lag
und hört dem Reden ein Ende^
6. Weil es ihm eben im Sinne lag:
Uwedri^ will i's nemen?
^ Vgl. Der König von Mailand Str. 9, 2. 14, 2. ' welche von
beiden. Das dem weder vorgesetzte u findet sich auch in dem Lied :
Es isch kei sölige Stamme. Zu den sprachlichen Eigenheiten gehört
auch das pleonastische es. s. Schweiz. Idiotikon Sp. 512; vgl. Bd. I,
Nr. 51, 4.
1 88 ALLGEMEINE
7. Die Richi ißt keis Haberbrot
und seit nit ^em a d' Sunne.
8. Die Armi die ist hübsch und fin
und grad die will i's nemen.
9. I will mit dem Pflueg ga z' Acher faren
und du chast wacker spinne.
Aus dem Berner Oberland.
Nr. 15.
1. Es wott e Frau i's Wirtshus ga
und ire Ma wott au mitga.
2. « Ach Ma, du muest deheime blibe,
muest mache, daß die Chinder schwige. »
3. Und als die Frau nach Huse kam,
da fieng sie sehr zu balgen^ an.
4. c( Sag, Ma, was hest denn du getan,
Sit daß ich uf em Tanzbode war?»
5. De Ma de bückt si bis a'n Bode:
«Ich habe drü Mal abgenommen^.»
6. Da nahm die Frau den Chunklestock
und schlug dem Ma es Loch i'n Chopf.
7. De Ma de springt zum Feister us,
und chund i sines Nachbers Hus.
8. (fAch Nachher, was i dir mueß chlage:
Mi Frau die hed mi grusam g'schlage!»
* zanken, schelten. ^ beim Stricken.
LIEDER 189
9. «Ach, wärist du nu gester cho:
Lueg, mini macht mer's au eso !
10. Chum, mer wend's dem Amme^ ^hlage,
daß is eusi"^ Wiber g'schlage.
11. Ach Amme, was mer dir müend chlage:
eusi Wiber hend is s^'schla^e. »
12. «Hend s' i g'schlage, g'schet's i recht:
was sind ir euer Wiber Chnecht ! »
Sullikon, Kt. Zürich. — Wesentlich = Mittler Nr. 265. Vgl. Bd. I,
S. CXI.
Nr. 16.
1. Es will e Frau ut Bade^ s^o
und will de Ma nit noche lo*.
2. Wo die Frau vo Bade chund,
so sitzt de Ma ut em Ofebank.
3. «Wie mengs Ei hed 's HüenU g'leid?»
«Eis hed's sj'leit und zweu vertreid^. »
4. « Ma, du hesch si g'esse,
d' Schale lid i der Aesche. »
3. Do nimt die Frau de Reche
und will de Ma versteche.
6. Do springt de Ma zum Pfeister*^ us
und springt i's nächsti Nochbershus.
^ Ammann, Amtnunn, Ortsvorsteher. ^ unsere. ' der berühmte
Kurort Baden im Aargau. * nach(kommen) lassen. * verschleppt.
Fenster.
190
ALLGEMEINE
7. «Die Frau die hed mi g'schlage do!»
« Und mini macht mir's au eso ! »
8. « Clium, mer wend iez z*säme sto
und wend die Fraue z'säme schlo ! »
Kt. Luzern. — Im Ganzen = Mittler Nr. 265.
Nr. 17. 's bugglig Männli.
1. Wenn ig in das Chuciieli go,
will go-n-es Süppli choche,
ist das buCT^lis: Männli do
mit sine chrumme Chnoche.
Tas: und Nacht kei Rueih nit ha
's bugglig MännU mueß i ha;
kei Freud han i me,
wenn i^ 's bu2:2;lis Männli s^'se.
2. Wenn ig in das StübeU go,
will go SüppH esse,
ist das bu2:^U^ Männli do
und hat die halbi g'fresse.
Tag und Xacht u. s. w.
Wenn lo, in das Gärteli 2:0,
will es BitzH grase,
ist das bugdio MännU do,
gramplet^ mer vor der Nase.
Tag und Nacht u. s. w.
^ kleine Geschäfte machen.
LIHDER 191
4. Wenn ig in das Ställi go,
will das Chüeli melche,
ist das bugglig Männli do
mit sine chrumme Scheiche^.
Tag und Nacht u. s. \v.
5. Wenn ig in das Chirchli go,
will es Bitzli bete,
ist das bugglig Männli do
und stüpft- mi mit dem Stecke.
Tag und Xacht u. s. w.
Aus dem Buchsgau, Kt. Solothurn.
Nr. 18. Lügenmärchen.
s. Bd. I, S. CXLIV.
1. I gang cmöl de Berg uf —
he Wunger groß!
do g'sene-n-i zwc Storke
in eme Mättli morke^.
's nimt mi W^unger über Wunger,
wie die Storke könne morke;
ungerdesse nimt's mi Wunger.
2. I gang emöl de Berg uf —
he Wunger groß!
do g'sene-n-i zwo Gräie*
in eme Mättli mäie.
's nimt mi Wunger über Wunger,
wie die Storke könne morke,
wie die Gräie könne mäie;
ungerdesse nimt's mi W^unger.
^ Beine (eig. Schinken), ^stoßen. ^ = murken, Flachsbrechen?
* Krähen.
192 ALLGEMEINE
3. I gang emöl u. s. w.
do 2:'sene-n-i zwe Frösche
in ere Tenne drösche.
's nimt mi Wunsrer u. s. w.
4. I gang emöl u. s. w.
do s'sene-n-i zwe Schnecke
in eme Müehli^ knette.
's nimt mi Wunger u. s. w.
5. I gang emöl u. s.w.
do 2'sene-ni zwo Mucke
's Brot i'n Ofe schupfe^,
's nimt mi Wunder u. s. w.
6. I gang emöl de Berg uf —
he Wunger groß!
do 2:'sene-n-i zwo Breme
's Brot US 'em Ofe neme.
's nimt mi Wunger über Wunger,
wie die Storke könne morke,
wie die Gräie könne mäie,
wie die Frösche könne trösche,
wie die Schnecke könne knette,
wie die Mucke könne schupfe,
wie die Breme könne neme;
ungerdesse nimt's mi Wunger.
Wackernagel, Leseb. II, S, IX gibt das Stück als solothurnisch,
die Mundart ist aber baslerisch gefärbt. Varianten von Stutz s. Bd. I,
a. a. O.
^ kleine Mulde. - schieben; Stutz hat synonym schugge.
LIEDER
Nr. ig. Amerika-Lied eines ausgewanderten
Obersimmenthalers.
s. Bd. I, S. CXIV.
1. Get Acht, i will ech öppis zelle^
vom neue Land Amerika;
i ha das iezt scho lane: 2:eno welle,
u ha's de näue o:ens la sa^.
es ist iezt de es Jar gli scho,
daß mir von öch hei Abschid g'no.
2. Wo mir von ech ewee: si Vanee,
do het's is we 'ta nit e chli;
mer si vor Herzwe fast vergange,
bis mer es Mal si von ech or'si;
dana si mer bi Paris für^
und über 's Mer dur d's Wasser dür.
3. I mueß ech z'erst no öppis b'richte
vom Mer und vo de Welle druff
u was das mängsmal cha verrichte
mit Lüt und Guet da obe druff;
es het mi mängist Wunner g'no,
iezt bin i us 'em Wunder cho*.
4. Es ist e grüselichi Glunte^
wer's nit g'se het, der glaubti's nit,
u tüf ist's, daß me cha kei Chlumpe
ganz z' Bode la am lange Seil;
dir chöt^ e Jar druff ummi^ ga,
dir g'set no numme Bitz^ derva.
^93
s
^ er/.ählen. ^ und habe es dann immer irgendwie unterlassen,
vorbei. Paris auf der ersten Silbe betont. * jetzt ist meine Neugierde
befriedigt. ^ Masse von Flüssigkeit. ^ ihr könnt. ' herum. » noch
nur ein kleines Stück.
H 13
1 94 ALLGEMEINE
5. A Himmel uehi^ und i d's Wasser,
da cha me gugge wenn es ist^ ;
sust g'set me nit vil schöni Sache,
as hie u da e große Fisch ;
und mängist si da Welle cho,
die d's Schiff hei ganz uf d' Site g'no.
6. E b'hüet is Gott! wie het es g'walplet^!
gU war es z' unnerobe g'heit*.
Da het me recht «:'seit : Gott es walti !
u deicht^, es müeße g'storbe si.
E Teil hei Aen2:ste übercho
u d's Lache het's is alle g'no.
7. Fast all, die uf 'em Mer wei rite^^,
die werde chrank die ersti Stun;
das Wagle"^ spürt me scho bi Zite
u chotze mueß me wie ne Hun;
mi selber het es tüchtig g'no,
i ha mi Teil fast^ übercho.
8. Chei Wunner, daß me albe einist ^
öpp use gugget über d' Wan
u da so trurig steit u geinet ^^
u deicht: o chämi numme Lan!
Langwilig ist es, das ist war,
u macht eim d's Heimwe sunnerbar.
9. Oepp einist a me Morge g'schet es,
so säge die, wo's chenne, eim :
«lezt rückt es de, un cärstig^^ geit es
mit üs zum neue Uefer hi ! »
^ An den H. hinaut. ^ wenn es dazu kommt. ^ geschwankt. * bald
wäre es kopfüber gestürzt. '" gedacht. ^ wollen fahren. ' Wiegen.
* recht, stark, tüchtig. ^ etwa einmal. *" gähnt. *^ ernstlich, emsig.
LIEDER 195
Vor Freude wird's eim da schier bans;,
un eismal tönt es: Lan, Lan, Lan!
10. Me g'set's no numm im Blaue usse
grad wie nes Wülchli näher cho ;
doch geit's nit lang, so cha me wüsse,
daß 's Lan ist, me g'set Hüble^ scho,
u gli druf hie u da nes Hus:
Gottlob, iezt hört de d's Walplen uf.
11. Me färt g'schwin ihi^ zu der Lücke,
wo d's Mer da numme chlis me ist:
Da bist am Lan, du Chetzers Trucke^!
ma packt si drus, was best was gist"^.
Da steit me uf der neue Wel
u seit scho englisch : Very well !
12. Me geit u g'schauet afe d' Gegni
un öppe d' Stadt u lost o^ d' Lüt.
Da «Help you seif!» so seit der Yankee
u «Hilf dir selber!» deicht der Dütsch.
Wer gnue Geld het, ist obe druff;
wer keis me het, ist hie o uff^.
13. Die Meiste wotte geng bas ihi',
es g'fallt ne^ näue niene^ recht
u wott ne si nit schicke z' blibe,
's guet Lan ist z' tür u d' Lüt si z' schlecht.
Z'löst anhi^^ chauft me denn e Bitz
des G'strüpps u baut si druf e Sitz.
^ Hügel. ^ hinein. ^ verwünschte Schachtel. * so schnell als
möglich. ^ auch. ^ oben, flott, wohl bestellt. ' weiter einwärts.
^ ihnen. ^ nirgends. *° zuletzt hin, dann.
196 ALLGEMEINE
14. Das Baue ist es g'spässigs Wese
für de im Busch, wo's chum verma;
me sclileipft e Hufe Trömle^ z'säme,
öpp i d'r Längi so u'g'far;
dana so b'stellt me d' Lüt e Tag
u lüpft si uf u leit si grad.
15. De brucht's nüt me as Dach u Bode,
zwei Pfeister dri und öpp e Tür,
u de no d' Chleck^ mit Dreck z' verschoppe',
sust blast eim ganz der Luft derdür,
und hindenahi es Kamin,
das tuet's de fast* u g'heit nit in.
16. Verwiche ^ han i afe Schlange —
de was dir numme schös weit g'se^ —
in User Stube inne g'fange;
me schücht'' se nit, es soll o g'sche
daß g'wüssni Lüt ne no expreß
in irne Stube hei es Nest.
17. Me het hie Vie u milcht u metzget,
me gugget öpp und ziet si hi;
me nimt e Achs u geit u bätzget^
im Holz a mengem grobe Baum;
es git ech Arbeit, nit für G'spaß,
hie z' mitz im Wal, uf frischem Platz.
18. We d's Vie furtlauft, so mueß me flueche,
das ist e Tusigtüfelsg'schicht !
vil lieber wett i no ga sueche
bi öch uf d' Allmit^ euers G'ficht^^;
^ Blöcke. ^ Risse. ^ verstopfen. ^ das leistet genügenden Dienst.
^ neulich. ^ und ;?war was ihr nur Schönes sehen wollt. ' scheut.
^ hackt. ^ Allmend. ^° Vieh, bes. kleines.
LIEDER 197
denn disi Allmit seit ech no
vo Grenlan^ bis ge Mexiko.
19. Es söllti iezt dem Wylhofnerre-,
dem g'schickten Ackerma bi öch,
hie öppe g'wüssni Stucki g'höre
und sollti druff si mit sim \^olch ;
er nützti villicht z' halben me,
as wenn er ßerner Schultheiß \vä.
20. Oepp eine söllti Glogge bringe
u no nes Wüschli^ Geld derzue,
hie Chüe ha u ne Matte dinge,
der Schwizerchäs der gülti gnue;
es wä nes lustigs Lebe da
für eine, de recht juchze ma.
21. 's ist nadisch^ nit, wie vil Lüt meine,
hie allz so söfli'' fadegrads;
wer's recht grad will, ist bas dahinne
no öppe uf sim alte Platz;
doch flinggi Lüt, die werche möu^,
die chönmie numme, we si chöu^.
22. Dir söUtit chönne dürhi* g^'^'ilgQ
u selber g'se grad wie-n-es ist;
es würdi villicht Mänge g'luste,
u Mänge seiti: nei, nei gwüß,
wenn's si mueß, will i lieber no
hie um mi lotste Chrüzer cho.
* Grönland. '^ der berühmte Landwirth Fellenberg in Hofwyl
bei Bern. " kleiner Wisch, Handvoll. * doch, übrigens. * alles gar
so sehr. ^ arbeiten mögen. ' mögen nur kommen, wenn sie können.
® hindurch, hinüber. •
198 ALLGEMEINE
23. I chan ech wäger^ nit recht rate
u säge : chömit, oder nit ;
denn üsers Lebe ist e Schatte,
bis daß mer 2;a i d' Ewigkeit:
dert finne mer enannere scho,
will's Gott doch, öppe frisch und fro.
Das Lied soll am 31. Januar 1835 in Buffalo von einem gewissen
J. R. abgeschrieben und später in die Schweiz gebracht worden sein,
wo es besonders im Berner Oberland gesungen wurde. Weiterer
Verbreitung ist es, abgesehen von dem fortdauernden und steigenden
Interesse an der Auswanderung nach Amerika, auch darum werth,
weil es in ziemlich reiner Mundart des Obersimmenthaies gehalten
ist und zugleich als Sprachprobe dienen kann. Nur war es nicht
möglich, mit den gewöhnlichen Schriftzeichen alle Eigenthümlich-
keiten jener Mundart auszudrücken. Zu denselben gehört, neben dem
Abfall des Lautes t nach / und d nach n, welcher durch Weglassung
der betreffenden Buchstaben unmittelbar dargestellt werden konnte
(Wel, Wan statt Welt, Wand u. s. w.), und nn statt nd, besonders die
Ausfprache des Doppellautes ei als einfaches trübes i, wodurch
gewisse Reime richtiger werden, als sie in der Schrift erscheinen,
z. B. Str. 12, 2. 4 eim (gesprochen = Schriftdeutsch Umi) : hi(n). Der
Doppellaut au wird als ein einfacher zwischen 0 und 11 schwebend
gesprochen. Bemerkenswerth ist auch das ch statt k in hein, kennen
Str. 8, I, 9, 2 (aber 12. 6 hat das Original keis).
wahrlich.
ioSy
LIEDER 199
2. Lyrisches.
Nr. 20. Simeliberg.
s. BJ I, S.CXX ff.
1. 's isch eben e Mönsch uf Erde — Simeliberg!
— und d's Vreneli ab em Guggisberg
und d's Simes^ Hans Joggeli enet^ dem Berg -
's isch eben e Mönsch uf Erde,
daß ich möcht bi-n-im si.
2. U ma-n-er mir nit werde^ — Simeliberg!
— und d's Vreneli u. s. w.
und d's Simes u. s. w.
u ma-n-er mir nit werde,
vor Chummer stirbe-n-i.
3. U stirbe-n-i de vor Chummer,
so leit me mi i d's Grab.
4. I mines Büelis Garte
da sta zweu Bäumeli.
5. Das eini treit Muschgate,
das andri \äo;eli"*.
6. Muscho:ate die si süeßi
u d' Nägeli si räß^.
' des Simons. ^ jenseits. ^ kann er mir nicht zu Theil werden.
* Nelken. ^ von scharfem Geschmack.
200 ALLGEMEINE
7. I gab's mim Lieb z' versueche,
daß 's miner nit vergeß.
8. Ha di no nie vergesse,
han immer a di 'denkt.
9. Es si nume^ zweu Jare,
daß mi han a di e:' henkt.
10. Dort unten i der Tiefi
da steit es Mülirad.
1 1 . Das malet nüt als Liebi
die Nacht und auch den Tag.
12. Das Mülirad ist 'breche,
die Liebi het en End^.
Simeliherg bedeutet ohne Zweifel einen Berg von runder Gestalt;
simel, simhel, mhd. stnwel, ganz rund. Einen Simelipaß gibt es im
Kanton Wallis. Der Berg in Grimms Mährchen Nr. 142 wird als
ein großer kahler Berg beschrieben, heißt eigentlich Semst und wird
nur irriger Weise Simeli genannt. Doch kommt nach Grimm (Mährch.
Bd. III, S. 225) ein Berg Similes auch in einer alten Urkunde vor.
Unklar ist auch der Sinn des Wortes in dem Refrain unseres Liedes;
denn in der Heimat des letztern (Guggisberg, Kt. Bern) kommt ein
Simeliberg geographisch nicht vor, wohl aber ein Ort dieses Namens
in Trachselwald und ein Simmel- oder Sindelbüel in Guggisberg. —
Das Lied hat eine jener Moll-Melodien, welche immer für Echtheit
und Alterthümlichkeit (Verwandtschaft mit nordischen) sprechen.
Man erkennt aber leicht an den Reimen, daß eigentlich, wie bei dem
Lied « Im Aargäu sind zweu Liebi «, je zwei Zeilenpaare, hier Str. i
und 2, 4 und 5, 6 und 7, 8 und 9, 10 und 11 je zusammen eine
vierzeilige Strophe ausmachen. Str. 5 und 12 würden dann als ungrad
^ Der gewöhnliche Text hat die schriftdeutschen Formen : sind
nunmehr. ^ So wird nach Wyß häufig und besser gesungen statt:
Mis Lied das h.
LIEDER 201
nebenaus fallen und könnten auch wirklich wegbleiben. Doch war
nach K. Ruckstuhi (Alpenrosen 1823) der Schluß des Liedes:
Wenn zwei von einander scheiden,
so geben s' einander d' H.ind,
womit wieder ein Ganzes hergestellt würde. Vgl. auch Bd. I, S. CXX.
Es soll diesem Lied, wie dem von «Dursli und Babeli», eine wahre
Geschichte zu Grunde liegen, deren Held Shnes Hans Joggeli war.
Aber es ist ja die «alte Geschichte, die immer neu wird» (Heine).
Nr. 21. Der Hochzit-Tanz.
s. Bd. I, S. CXXVIII und S. 151.
Die Braut:
Bin alben^ e werti Töchter g'si,
bin US 'eni Hus, cha nümme^ dri,
eh, nümmc dri mir^ Lebe lang!
Der Aetti, d's Müeti, Brueder u Schwöster u wen-i ha,
die mueß ig alli iez verla,
mueß hiege, wie's mer dussc gang.
O du mi trüli werte Schatz,
iez chumen i, hesch mer Platz?
Der Bräutigam:
Bisch frili e werti Töchter g'si,
muest ebe so ne werti si,
e werti si dir Lebe lanor.
Der Aetti, d's Müeti, Brueder u Schwöster u wen i ha,
hätte längist di gern bi ne"^ g'ha,
un i ha 'beitet^ scho gar lang.
O du mi trüli werte Schatz,
chunst endlig? i ha der Platz.
^ einst. ^ nicht mehr, ^ meiner (Lebtage). * ihnen (sich). ^ ge-
wartet.
202 ALLGEMEINE
Die Gäste:
Juheien, ir Burs u Meitscheni!
hüt soll e Tag der Freude si,
der Freude si mit Spiel u Klang!
D' Manne, d' Wiber, Jungi un Alti u Jederma
soll lustig si u Freud dra ha,
mit Esse, Trinke, Tanz u G'sang!
Juhei, sit lustig, sparet nüt,
ir trülige Hochzitlüt!
Nach Wyß (Kuhreihen und Volksheder S. 55) wurde obiges Lied
ehmals, am längsten noch in der Gegend von Bucheggberg (Kanton
Solothurn), als Vortanz bei den Hochzeiten gesungen; jetzt ist es
fast ganz verschollen. Für das Alter desfelben zeugt auch die von
Kuhn (S. 27) mitgetheilte eigenthümliche Melodie (D-Moll).
Nr. 22. Die Klosterfrau.
s. Bd. I, S. CXXIV.
1. 's ist keis verdrießlichers Lebe,
as wenn men i 's Chlösterli got;
darinne muest du blibe,
muest alli Schätzeli mide.
O Himmel, was han i getan !
die Liebi ist Schuld daran.
2. Und wenn ich i d' Chille gange
und bete mein Brevier,
und wenn ich das Gloria patri sing,
so ligt mir mein Schätzeli stets im Sinn.
O Himmel u. s. w\
LIEDER 20
3. Wenn ich in die Stube chume,
dort stat mei Tischli allei ;
ich isse das Brod und trinke de Wi
und denke : Hätt i mis Schätzli derbi !
4. Wenn ich in das Chämmerli chume,
dort stat mis BettU allei;
i hge dari, daß Gott erbarm,
und denke: Hätt i mis Schätzli im Arm!
5. In der Nacht, wenn ich erwache,
so grif ich hin und her;
da mag ich grife, wo ich will,
es blibt doch Alles leer.
6. Dort chömed mi V^ater und Mueter,
si chömed und sueched mi hei ;
si hend gar schöni Chleideli a,
und ich mues i der Chutte sta.
■y
Nr. 23.
s. Bd. I, s. CXXI-II.
1. Ich kann und mag nicht frölich sein;
wenn ander Lüt schlafen,
so muß ich wachen,
muß traurie: sein.
2. «Worum mußt du denn so trurig sein.'*
dort will ich dir warte,
im Rosei2;arte,
im grüene Chlee. »
204 ALLGEMEINE
0
3. Hast mir nüd g'wartet, bin ich dir z' schleclit;
nimm du en Riche,
der diner gliche,
do tuest du recht.
4. So mänge setzt uf Hab und Guet:
an Gottes Segen
ist alles g'lege,
wer's glaube tuet.
5. Der's glaube tuet, der ist nicht hie,
ist furtgegange,
wird wiederum kumme,
sei's spot oder früe.
6. Wer hat uns denn das Lied gemacht?
es haben's g'sunge
drei Guldschmidsjunge
zur ojuete Nacht.
Vgl. Mittler Xr. 903. 904. 1450. Str. 4, i gibt Stutz auch die
Lesart : Hast g'meint, ich setz — . Str. 5, 3 hat er, offenbar fehler-
haft, ist statt vjird.. Nach Str. 5 hat er noch:
's got Mänge fürt, chunt wiederum hei
und treit kein guete Strumpf am Bei.
In der bernischen Gestalt des Liedes lautet
Str. 2: Du liegst mir Tag und Nacht im Sinn;
ich muß dich meiden,
muß von dir scheiden,
Herzliebste mein !
3. Und von dir scheiden, das thut weh;
im Röseligarte
will ich dir warte,
im grünen Klee.
LIEDER 205
4. «Bruchst mir nit z' warte im grünen Klee,
wart uf ne Riche,
der dir ist z' gliche,
der dir ist recht. »
5. Der mir ist recht, der ist nicht hier,
ist fortgegange,
in fremde Lande,
er ist im Krieg.
— .^
Nr. 24.
1. Ach Schatz, was hab ich dir Leides gethan,
Daß du nüd redst mit mir?
Was haben die flilschen Zungen mitgebracht?
Sie betriegen ja mich und dich.
2. Ein falsche Zunge, ein lügenhafter Mund,
Was wird es helfe dir?
Hätt ich nur tausend Dugote mitgebracht.
Dann zog ich wieder herfür ^
3. Tusend Dugote das habe aber nüd,
Drum bin ich dir zu schlecht:
Ich bin ein armes Mägetlein,
Für en andere bin ich schon recht.
4. Ich hoffe emig auh noh rieh zu werde.
Aber nüd an Geld ond Guet;
Wenn ich nur die himmlische Freud erwerbe,
Dann bin ich schon reich genug.
* würde ich mehr gelten.
20 6 ALLGEMEINE
5. Die himmlische Freud, das ewige Lebe,
Das wünsch ich meinem Schatz ;
Du bist mein Schatz und bleibst mein Schatz
Ade zur ^uete Xacht!
Stutz, schriftliche Sammlung. Vgl. Mittler Nr. 909.
Nr. 25.
1. Was Besseres kann uns erfreuen,
als wenn uns der Sommer angeht?
Da blühen die Rosen im Maien,
d' Husaren marschiren in's Feld.
2. « Gott grüez dich, du Hübschi, du Feini,
von Herzen gefallest du mir;
kein Andre kann so mich erfreuen,
ich möchte nur bleiben bei dir. »
3. «Ich brauche dir nicht zu gefallen,
hab schon ein andere Schatz;
der ist ein Hübscher, ein Feiner,
der hat in meim Herzen ein Platz. »
4. Was zog er aus der Tasche?
ein Messer so scharf gespitzt,
und stach's seiner Liebsten in's Herze,
daß 's rothe Blut gegen ihn sprützt.
5. Er zog das Messer ausen*,
es sah rot aus von Blut;
er sprach: es ist ein Grausen,
was falsche Liebe tut.
^ heraus.
LIEDER 207
6. So geht's, wenn Eine zwei Schätzel hat,
's thut wunderselten gut;
wir beide haben's erfahren,
was falsche Liebe tut.
Aus der handschriftlichen Sammlung von Stutz, Vgl. Mittler
Nr. loi und die Bemerkung zu unserm «Im Aergäu sind zweu Liebi».
Nr. 26.
Vgl. Bd. I, S. CXX und CVII.
1. Ach iMueter, liebi Mueter,
gib du mir einen Rat :
es lauft mir alle Mori^en
en rote Schwizer na.
2. « Ach Tochter, liebi Tochter,
den Rat den geb ich dir :
Laß du den Roten fahren,
bleib noch ein Jahr bei mir. »
3. Ach Mueter, liebi Mueter,
der Rat der ist nüd guet;
der Rot der ist mir lieber
als all euer Hab und Guet.
4. « Ist dir der Rote lieber
als all mein Hab und Guet,
so pack dis Bündeli z'säme
und lauf dem Rote zue. »
5. Ach Mueter, liebi Mueter,
der Rot der häd nüd vil;
gib du mir hundert Taler,
chan i chaufe was i will.
208 ALLGEMEINE
6. «Ach Tochter, liebi Tochter,
der Taler sind nüd viel;
din Vater hat s' verlumpet
bi Tanz und Kegelspiel. »
7. Hat s' mir de Vater verlumpet
bi Tanz und Chegelspiel,
so möcht si en Stei drab erbarme,
daß ich sis Töchterli bi.
8. (War ich ein Knab gebore,
wollt ziehen in das Feld,
wollt folo:en Pfeifen und Trommen
dem Kaiser um sein Geld.)
Nr. 27. Treue Liebe.
Vgl. Bd. I, S CXXIII.
1. Stets i Trure mueß i lebe;
säg, mit was han i's verschuldt?
wil min Schatz isch untrü worde,
mueß i's Hde mit Geduld.
2. Chumst mir zwar us minen Auge,
aber nüd us minem Sinn;
hättist mir wol dürfe glaube,
daß i trü gewesen bin.
Rechti Liebi gat vu Herze,
rechti Liebi brennet heiß ;
o wie wol ist einem Mensche,
der nüd weiß, was Liebi heißt!
LIEDER 209
4. Spilet uf, ir Musikante,
spilet uf das Saitespil,
minem Schätzli zu Gefalle,
mög's verdrüße, wen es will.
5. Bis die Berge tuen sich büge
und die Hügel senke sich,
bis der Tod mir nimt das Lebe,
so lang will i liebe dich.
6. Bis der Mülstei traget Rebe,
darus flüßet süeßer Wi,
bis die Distle traged Fige,
so lang sollst du blibe mi.
Kt. Glarus, Sernftthal. — Str. i, 2 lautet in der Ueberlielerung:
Stets i Trure mueß i si; um das schöne Lied rein herzustellen, habe
ich diese Zeile der deutschen Parallele nachgebildet.
Nr. 28. Abschied.
1. Jetzund ist der B'schluß gemacht,
Schönstes Mädchen, guete Nacht !
Einen Kuß zum Beschluß,
Weil ich von dir scheiden muß.
2. Beut mir deine rechte Hand
Zum getreuen Unterpfand !
Ich geh fort und du bleibst hier,
O du allerschönste Zier.
1
Hast g'meint, du wellist die schönste sein?
Nein, es gibt, die schöner sein.
Deine Schönheit wird vergehn.
Wie die Rosen im Garten stehn.
II. 14
210 ALLGEMEINE
4. Kummt ein Reiflein in der Nacht,
Nimmt de Rosen iri Pracht,
Ire Pracht nicht allein.
Deine Schönheit auch dabei.
Aus dem zürcherischen Weinland, mitgetheih von Lehrer Fürst;
es sollen noch mehrere Strophen fehlen. Das sonst genau ent-
sprechende «Herbstlied vom Rhein» bei Mittler Nr. 102 1 hat nur
3 Strophen, deren erste in unserer Fassung zu zweien erweitert ist.
Nr. 29.
1. Das AnneU hat en Stricker^,
es stricket alli Nacht
an einer sidene Hube;
si ist no nüd usg'macht.
2. Die Hube-n-ist vo Side,
die Bändeli sind vo Schnüer.
« Chum her, du wackers Anneli,
bind dini Hörli zue^ ! »
3 . « Cha mini HörU nüd binde,
wend s' no chlei blibe lo^;
will uf einen andere Sumer
zu-me-n-andere Liebste oro.»
Handschriftlich bei Stutz, vermischt mit dem Liede «Dort oben
uf em Berge». Vgl. Bd. I, S. CXX und Mittler Nr. 768 ff.
V*-
^ vielleicht: de Stricker; jedenfalls ist gemeint: Fleiß zum Stricken,
nicht die Person eines Strickers als Geliebten. ^ Das Zubinden der
Haare bezeichnet den Eintritt in den Ehestand. Vgl. Bd. I, S. 143,
Anm. 2. ^ (wir) wollen sie noch ein wenig bleiben lassen.
LIEDER 2 1 1
Nr. 30.
1. I wäß^ e Schwobetöchterli,
Es wott gad^ nüme diene;
Es hett gad lieber en rote Rock,
En schöne mit schmale Rieme.
2. Witt du gad lieber en rote Rock,
En schöne mit schmale Rieme,
So gang go Augsburg in die Stadt,
Go Herren und Gräfe diene !
3. « Ond Herren ond Gräfe dien i nüd,
I ha scho vil versproche;
I ha die rote Röseli
Ab grüene Meie 'broche ! »
Appenzell A.-Rh.
Nr. 31.
1. Wo-n-i chume vor 's Schätzeiis Hus,
ist mis Schätzen nümmen^ uf.
2. Wo-n-i chume vor 's Schätzeiis Tür,
sind scho alli Rigeli für*.
3. Ufe g'stigen und d' Red verchcrf'',
abeg'heit^ und d' Hose verzert^.
4. Do legg i mi under en Birlibaum,
bis 's mir vo mim Schätzeli träumt.
Fragment eines sant-gallischen Kiltliedes.
6
^ weiß. ^ gerade, nur. ^ nicht mehr. * vorgeschoben. ^ verstellt,
heruntergefallen. ^ zerrissen.
212 ALLGEMEINE
Nr. 32.
1. Nachtigall, ich hör dich singe,
's Herz im Lib tuet mir zerspringe;
kumme nur und säg mir bold,
wie ich mich verhalte soll.
2. Nachtigall, ich hör dich laufe,
US dem Bächlein tuest du saufe,
stoßst dein Schnabel in's Bächlein ein,
meinst, es sei der beste Wein.
3. Nachtigall, der hat guet wohne
bi der Sunne, bi dem Brunne,
bi der Jungfrau Nachtigall:
Grüez min Schatz vil tausend Mal.
Stutz, schriftliche Sammlung. — Gleich Str. i. 2. 4 von Mittler
Nr. 599, wo aber die Str. 4, 1—2 lautet:
Nachtigall, wo ist gut wohnen?
Bei der Linde, bei den Dohnen.
Nr. 33. Kühreihen der Emmenthaler.
Vgl. Bd. I, S. CXXXV.
I. Es isch kei sölige Stamme
oweder^ der Chüej erstand;
we de Meie isch vorhänge^,
so fahre die Chüejer z' Alp.
^ weder mit vorgesetztem 0, u, und, in der altern Sprache vor
ragenden Fürwörtern nicht selten, s. Schweiz. Idiotikon Sp. 321 und
das Lied «Die Brautwahl », Str. 6. Hier hat aber weder die Bedeutung
«nur», welche in negativen Vergleichungsfätzen in wie übergeht.
^ vorhanden, gegenwärtig.
LIEDER 213
2. Der Meie der isch iez komme,
die Chüejer gan uf e Berg.
B'hüet Gott mer alli mini Fromme \
daß keines mer freß der Bär!
Schon mit Str. 3 beginnt in den gedrucl^ten Texten die Auf-
zählung und Anpreisung der Berge des Emmenthals und ihrer Sen-
nereien, offenbares Machwerk. Es ist sogar zweifelhaft, ob auch nur
die beiden obigen Strophen echt sind ; einzig die mit denselben ver-
bundene Melodie (A-Moll) spricht dafür.
Nr. 34. Weberlied.
1. I wönde nüd a^,
Bis i e schös Schätzele ha.
2. I träje nüd zue,
Das mues mi Schätzeli tue.
3. Lär u-e ge,
D' Lärli müend g'spuelet se.
4. D' Spüel abe ge,
Si müend iez g'wobe se.
5. Iez hau i gern ab,
Wil i e schös Schätzeli ha(b).
Appenzell A.-Rh.
' = Lohe, Kühe. Vgl. Bd. I, S. CXXXIII. '^ amuinden, \udreben,
hinauf- und hinabgehen, ahhauen, — technische Ausdrücke des Hand-
werks. Lär, Spule.
214 ALLGEMEINE
Nr. 35. Aus dem « Geistlichen Vogelgesang ».
s. Bd. I, S. XCIX.
I. Wohlauf, ihr lieben Vögelein,
und was in Lüften schwebt,
wohlauf, lobt Gott den Herren fein,
singt all, die Stimm erhebt!
Dann Gott hat euch erschaffen
zu seinem Lob und Ehr;
G'sang, Feder, Schnabel, Waffen
kommt alles von ihm her.
2. Die g'schwätzig Schwalb macht Alles toll,
sie plaudret hin und her;
früh hat sie Kist und Kästen voll,
spat ist alls, alles leer.
Zu Morgens, eh die Sonn aufsteht,
fangt sie zu schwätzen an;
zu Abends, w^enn sie nidergeht,
sie's noch nicht lassen kann.
3. Der Staar schwätzt, schnadert, pfift und singt,
er ist, der Alles kann;
in sinen Kopf er Alles bringt,
was er hört, nimt er an.
Er tut auf Alles losen
und merket auf mit Fleiß ;
er wäscht sein schwarze Hosen
und werded doch nüd weiß.
LIEDER
215
4. Wann der Storch hört das Qua qua qua,
spaziert er auf dem xMoos;
er ist dem Fröschlein gern zu nah
und geht darüber los.
Er zieht ihm über d' Ohre
die grüene Hosen ab;
die Schlacht hat er verloren,
der gut einfältig Schwab.
Aus der handschriftlichen Siimmlung von Stutz, der aber von
der ersten Strophe nur die erste Zeile, von der Schwalbe nur Z. i — 4
und vom Storch Z. i nicht hat. Ich habe das Uebrige aus Wacker-
nagels Text und dessen Varianten ergänzt. Das Lied hat dort
43 Strophen.
Sprüche.
SPRÜCHE.
Zauberprüche.
Zum Stillen von Blutung, dreimal über die Wunde
zu sprechen.
Blut stang^
vergiß den Gang,
wie unser Herrgott den Mann^,
der im Rechten^ sitzt
und ein falsches Urteil spricht
und* er es besser weiß
und nicht seit.
Im Namen Gottes des Vaters u. s. w.
^ = stand, steh ! ^ ergänze : vergisst. ^ zu Gerichte. * obwohl.
220 SPRÜCHE
2.
Ueber ein verrenktes Bein von Menschen oder Vieh.
Es gieng ein Hirsch über eine Heide,
er gieng nach seiner grünen Weide;
da verrenkt er sein Bein
an einem Stein.
Da kam der Herr Jesus Christ
und schmiert's mit Salz und Schmer,
daß es gieng wie bisher.
Lii Namen Gottes u. s.w.; (dreimal zu sprechen).
Beide Sprüche mitgetheilt von Schild, Der Großätti aus dem
Leberberg I, 136. Zu i vgl. 3 ; 2 ist eine der zahlreichen und weit-
verbreiteten Parallelen des altheidnischen Zauberspruches, über den
Kuhn, Zeitschr. f. vergl. Sprachforsch. Bd. XIII, 51 ff. gehandelt hat.
Der Name Jesus Christ vertritt den eines heidnischen Gottes; der
Hirsch an Stelle des Pferdes, das in den parallelen Sprüchen erscheint,
ist wohl das in der germanischen Mvthologie und auch in schwei-
zerischen Sagen mehrfach vorkommende Symbol der Sonne. Vgl.
Kuhn, Zeitschr. f. deutsche Phil. I, S. 89 ff. Vgl. noch den folgenden
Segen über ein gelähmtes Pferd (Lütolf, Sagen und Bräuche S. 544):
Du Roß, bist du verritten,
wett Gott, es war vermitten !
Der Mensch der woll dir wieder helfen,
der am Palmtag einreit
und weder Sattel noch Zaum überschreit.
Gegen Wespenstich.
WispeH, Wäspeli, stich mi nit!
Wie Gott der Herr den Mann vergißt
und Gott der Herr im Rechte sitzt,
so hesch^ du di Flug und d's Reclite
und sellsch^ kei Mönsch me steche.
hast. ^ sollst.
SPRÜCHE 221
4-
Feuer von einem Hause abzuhalten.
Sei mir gottwillkommen, Feuers Gast!
Greif nicht weiter, als was du hast!
Feuer, ich beschwöre dich bei Gottes Kraft,
der alle Ding erschaffen hat :
Feuer, stand still um Gottes willen!
Feuer, stand still in deiner Glut,
wie der Herr Jesus ist gestanden in seim rosenfarben Blut.
Du sollt nicht weiter kommen von dannen,
sondern behalt deine Funken und Flammen,
wie Maria ihr Jungfrauschaft behalten vor allen Damen
vor und nach der Geburt.
Feuer, ich beschwöre dich bei Gottes Kraft,
der uns geheiliget hat,
du legest deine Glut,
bei Jesus seim rosenfarben Blut,
das er für uns arme Sünder vergossen hat.
Feuer, das sei dir um ein Büß gefehlt^.
Beide Sprüche aus derselben Quelle wie i und 2. 4, fast gleich-
lautend bei Birlinger, Volksthüml. aus Schwaben I, 201, fand sich in
der Thürschwelle eines Hauses in Walperswyl nebst mehrerlei zauber-
kräftigen Pflanzen.
^ wenn das Wort richtig überliefert ist, so war wohl der Sinn
des Satzes: das Feuer sollte, wenn es der Beschwörung nicht ge-
horchte, einer Buße verfallen sein.
222 SPRÜCHE
Gebetsprüche.
I.
Beim Händewaschen.
lez wasch i mini Hand,
dem liebe Herrgott i's End\
Sant Johannes ist mi Her;
b'hüet mi Gott a Lib und Sei!
B'hüet mer Gott mini feuf Sinn,
daß mi ke böse Geist überwind !
2.
Tischsegen.
lez wem-mer^ esse,
's bitter Lide und Sterbe nit vergesse.
's heilig Chrüz ist euse Tisch,
die drei Negel sind eusi Fisch,
das rosefarb Bluet eusi Spis und Trank :
Herr Gott, mir säge dir Lob und Dank!
Beide Sprüche aus Hergiswyl, Kt. Luzern, mitgetheilt von A. Lütolf,
Sagen und }3räuche aus den V Orten, S. 540—541.
3-
Nachtsegen.
lez liggen ich under das Chrüz Christi,
iez liggen ich under das Liden Christi,
iez liggen ich under das rosenfarben Bluet,
wo^ d' Jungfrau Maria im Herzen trägen tuet.
^ soll wohl bedeuten: zum Andenken an den Tod des Heilands.
^ wollen wir. ^ vertritt das Pronom relativ.
SPRÜCHE 223
lez empfil ich mi in de heilig Segen,
wo Christus über die ganze Welt hat 'geben.
Sant Johannes lauft über Land,
er treit das h. Sacrament i der Hand,
de Chelch wie de Wi,
hinächt^ will ich wo] b'segnet si:
Roserot^, iez chlag ich dir,
mine Not die chlag ich dir.
Wenn mis Herz bricht,
mi Mund nümnie^ spricht,
mini Ore nüd me g'höre,
so gon ich zur liebe Mueter mi:
Zu Hilf und Trost sto mir bi
im letsten End. Amen.
Aus dem Kanton Luzern, bei Lütolf a. a. O. S. 541.
Weihnachtsfpruch.
Christchindeli mi,
Laß mich dir empfole si.
Mag's i* mir nüd g' werde ^,
So nimm mich von diser Erde,
Nimm mich uf in's Himmelrich
Und mache mich den Engle glich.
Aus Römersw\d, Kt. Luzern. — Wird hergesagt oder gesungen,
wenn die Weihnachtsfänger in der h. Nacht die Runde von Haus zu
Haus machen und ein kleines Geschenk in Empfang nehmen. Manchen
Orts sind es dieselben, die das Jahr hindurch auf der Orgel singen.
^ diese Nacht. ^^ scheint hier den blutigen Christus selbst zu
bezeichnen. ^ nicht mehr. * pleonastische Bezeichnung des Dativ.
^ zu Theil werden.
224 SPRÜCHE
5-
Kindergebet.
's Chindli tuet es Schläfeli
Wie-n-en artis^s Schäfeli.
Chum, du herzigs Engeli,
Mit dim Liliestengeli,
Sitz du zu mim Bettli zue,
Denn han ich e gueti Rueh.
Denn schlaf ich die ganzi Nacht,
Wenn es Engeli bi mer wacht.
Wenn ich denn us 'em Bettli stige.
Darfst du wider i'n Himmel flüge.
Hedingen und Weiningen, Kt. Zürich.
-*-v
Parodien.
I.
Schweizerisch Gebet um Frieden.
Lasst eus abermal bete,
für eusre Stadt und Flecke,
» )) Wisen und Aecker,
» » Küh und Geiße,
)) )) Wittwen und Waise,
)) » Roß und Rinder,
» )) Wib und Kinder,
» » Hennen und Hahne,
» » Kessel und Pfanne,
» )) Gans und Ente,
» » Obersten und Re2:ente,
SPRÜCHE 225
Au insonderheit für euser ganzes liebs Vaterland
Schwiz. Wenn der blutig Krieg wett cho, wett alls
nä^, so wetten wir eus trüli wehre und ihn niene dure
lo^, au den Find gar z' Tod schlo und denn singe:
Eija, Viktoria!
Der Find ist ko, het alles g'no,
het d' Feister i'g'schlage, het 's BU drus 'grabe,
het Kue^le '£:osse und d' Bure erschösse.
Eija, Viktoria ! nu het der Krieg ein Ende.
Bibliographische Angaben über die merkwürdige, wahrscheinlich
im Jahr 1656 verfasste • und später mehrmals mit Aendcrungen und
Zusätzen gedruckte Schrift, aus deren Anhang das obige Gebet ent-
nommen ist, gibt Dr. Titus Tobler, Alte Dialektproben der deutschen
Schweiz, St. Gallen 1869, S. 10 — 15. Vgl. Des Knaben Wundcrhorn,
I. Ausg., Bd. III, 134; 2. Ausg., Bd. II, 623. Vgl. auch unsern Bd. I,
S. LIII, wo der Feind, der so arg hauste, der Schwede genannt wird,
mit Beziehung auf den dreißigjährigen Krieg.
1. Der David und der Salomo,
Sind beidi großi Sünder:
Der eine schlad die Lüt zu Tod,
Der ander machet Chinder.
2. Der David und der Salomo
Bikehred si im Alter:
Der eini macht die wise Spruch,
Der ander macht de Psalter.
Stallikon, Kt. Zürich.
^ alles nehmen wollte. ^ nirgends hindurch lassen,
II. 15
226 SPRÜCHE
Reimsprüche.
I.
En alte Ma,
de nüd me cha,
de mues en Fuerme werde,
und wenn er nümme chlöpfe cha\
so tued men en under d' Erde,
under em Bode wol vergrabe,
d' Schufle recht druf ane • g'schlage,
under de Bode drü Chlafter tüf,
daß er nümme türe schlüt.
Stallikon, Kt. Zürich, — Etwas kürzer auch aus Stein am Rhein
mitgetheilt, mit der Bemerkung, norddeutsche Sagen deuten an, man
habe alte Leute früher lebendig begraben. Eine Variante zu Z. 7 — 9
lautet:
Mit der Schufle zugedeckt,
daß er nümme füre schmöckt.
2.
Die zwei Schnitterinnen.
Zu Bd. I, S. CXLIV.
« Guete Tag, Mareieli,
chum, mer wend i d' Ern !
i £:'se, de Roasje crelet- scho,
und 's Chorn stöt au so prächtig do,
's ist lustiger as fern.»
^ nümme chlöpfe chönne, mit der Peitsche nicht mehr klatschen
können, ist sprichwörtliche Bezeichnung männlichen Unvermögens.
^ wird gelb.
SPRÜCHE 227
« Tank dr ^ Gott, Zusanneli,
mag wäger^ nüd i d' Ern :
i han e rostigs Sicheli
und 's tuet mr we im Rü^oreli
au schnid i gar nüd gern ! »
Kt. Zürich. — Mitgethcilt von Lehrer Fürst.
Luzern.
3-
Es lütet und schlöd:
de Herren i'n Rot,
de Buren i's Chöd,
de Bueben i d' Schuel,
de Meitschene a' Spinnstuel.
4-
Es lütet Mittag:
de Herren i's Grab,
de Bueben i d' Schuel,
de Meitschene i' Bichtstuel.
5-
Es nachtet under de Bänke,
die Meitli fahnd a denke,
si heigid^ na kei Garn.
Es chund en Hund
und bringt es Pfund :
Wind a, wind a, wind a^!
^ danke dir. - wahrlich. ^ haben (Conjunctiv), * anwinden,
Garn zum Spinnen; vgl. das appenzelHsche Weberlied, S. 213.
228 SPRÜCHE
Der aus Stallikon (Kt. Zürich) mitgetheilte Spruch bezieht sich
vielleicht ursprünglich auf den zu gewissen Zeiten eintretenden Besuch
der den Fleiß der Mädchen prüfenden göttlichen Spinnerin (Bertha,
Frau Holle), zu deren Begleitung auch ein Hund gehört.
6.
Du lustige FilifauseP,
du Bändelimacher,
du bist mer nachte
zum Schätzen 'gange!
« I ha dir's nit g'stole,
i ha dir's nit g'no,
i ha's nur e chh g'liebet
und wider lo go.
Wenn du mit dim Schätzeli
so eigeli^ witt si,
so nim es Papirli
und wickle's dari
und chauf es rots Bändeh
und bind's fest zue,
daß kei frönde Schmarotzer
dir cha derzue. »
Tägerig, Kt. Aargau.
7-
Hut isch hüt und morn isch morn,
am Mändig isch mis Hochsig.
D' Bruederlüt^ und d' Bettlerlüt
das sind mini Hochsio:lüt.
'ö'
^ Schelm, Schalk. '^ genau, wunderlich, wählerisch, unverträglich.
^ Waldbrüder, Einsiedler. Vgl. Nr. 15.
SPRÜCHE 229
Ofewüsch und Ofegable
das sind mini Hochsigchnabe.
I gib enen e Suppe
vo hunderttusig Mugge;
mit Flöhnen isch si g'salze,
mit Lüsen isch si g'schmalze,
mit Rifen^ isch si 'deckt,
daß si de Gäste schmöckt.
Zürich.
8.
Los, was s' lüged vo mim Schatz :
Chräble^ chönn's as wie ne Chatz,
liebli sifif's sust überus:
es Näsli wie-n-es Schneggehus,
Bäggeli wie Fleugetätsch^,
unden am Mul en große Latsch'*,
Chünni^ und Auge — los au du!
heig's as wie ne Uzner Su^,
drü Totzed hagebuechi Zänd':
lez hed der grüsH Lug en End.
Schwyz.
9-
Heil und Glück und Gottes Segen
komm euch zu wie Merzen-Regen.
Kein Unglück sollt ihr erfahren,
bis der Tod nach vielen Jahren
euch das Leben knüpfet ab
und euch legt in's kühle Grab.
^ Grind. * kratzen. ^ Fliegenflecken. * Schlinge, verzogene
Miene. ^ Kinn. ^ Uznacher Schwein. " Zähne.
230 SPRÜCHE
Dann sollt ihr werden lieber Gast
in dem göttlichen Palast.
Bevor aber daß das geschieht,
sag ich euch noch unter's G'sicht:
Ihr müßt haben einen Mann,
der beste, der nur leben kann,
und darzu drü liebe Kind,
die so schön wie Engel sind,
zwei Büebli und ein Meiteli
zu euerm großen Freudeh.
Geh Gott und St. Elisabeth,
daß das in Erfüllung geht!
Den 19. November 181 5 zur Gratulation
der Elise Sag.
Schwyz.
IG.
Es nussbäumigs Redli^,
e möschigi^ Zwing, —
bim Schätzli bin i g'lege,
es isch ekei Süng^.
II.
Hinger em Hus und vor em Hus
steit e läri Banne*, —
Meitschi, tue mer 's Pfeister^ uf,
so chan ig ine gränne^.
^ Spinnriidchen. ^ aus Messing. ' Sünde. * Bretterwagen. ^ Fen-
ster. ^ grinsen.
SPRÜCHE 231
12.
Mi Mueter die het mi uf Rütschenett g'schickt,
do hei mer die Buebe die Eier verdrückt.
O Rütschenett hi, o Rütschenett her,
o Mueter, wenn's nummen all Tag eso \vär!
13
Der W'aldbrueder im HüttU
het 's Stübeli g'wüscht,
het 's Beseli lo falle,
het 's Jümpferli g'chüsst.
14-
Ich und du
und 's Müllers Sü^
und 's Herre^ Stier
sind üsere vier.
15-
Drümol siebe sind einezwänzg
und vieri sind e Chrone^, —
wer im Winter Geiße hat,
da het im Sumer Rone**.
* Sau. "' Pfarrer. ^25 alte Batzen. * heißt auch der Koth der
Ziegen.
232 SPRÜCHE
16.
's schönst! Schätzen, wo-n-i weiß,
isch im Cheller unde,
het es hölzigs Hemmeli a,
isch mit Ise 'bunde.
Vgl. das altdeutsche Trinklied:
Den besten Buhlen, den ich hab,
der liegt beim Wirt im Keller u. s. w.
17-
I wett^, daß mi der Tüfel num^
und i war i der Hell,
und daß die Hell voll Jumpfere war
und i war ihre Gsell.
Nr. 10 — 17 aus Solothurn. (Schild, Großätti.)
18.
Güggeli uf der Stege,
Hüenli uf em Mist:
Cha mer niemert säge,
wo mis Schätzeli ist?
Obfelden, Kt. Zürich.
Glarus.
19-
Alli Vögeli singed schön
bis am Suntig z Abed;
alli Büebeh hette mi ^ern
ach wie bin i 'plaget!
möchte. ^ nähme.
SPRÜCHE 233
20.
Mer hend de Pfütz^ im Häfeli
und schütt mer e du nüd us !
und wenn du wottst es Schätzeli ha,
so lues: bi Zite druf!
Obfelden, Kt. Zürich.
21.
Miner Mueter Haschimesser^
haut uf bede Site :
Schätzeli, wenn d' mi nümme witt^,
säg mer's denn bi Zite !
Bern; Solothurn.
22.
's ist mer eigeli^ nüd dra g'lege,
wenn d' mi du scho nümme witt;
es ist en Andere uf der Stege,
wo^ mi denn na lieber hätt.
Varianten zu Z, 3 — 4:
Chanst mer cho am Törli (QgQ^,
wenn der en Andcri lieber ist.
Zu Z. 4: wo mer zeh mal lieber ist.
Oder: eb^ du nu drab abe bist.
* Kuchen. Der Reim gehört zu einem Reihenspiel, wo man sich
zulet?t zu paaren sucht. ^ Messer zum Hacken des Fleisches in der
Küche. ^ wenn du mich nicht mehr willst. * wahrlich. ^ der. ^ sprich-
wörtliche Redensart im Sinn von Gleichgültigkeit, Geringschätzung.
^ ehe.
234 SPRÜCHE
Usteri.
23'
's ist mer eigeli nid so leid,
wenn mer scho min Schatz abseit;
seit er mer ab, so bin i fro,
uf en andere luec i scho.
24.
War i nit e schöns Meitli,
wenn 's Gsichtli nit war?
Hätt i nit e schöns Hälsli,
wenn 's Chröpfli nit war?
Kinderreime.
Nachtrag zu Bd. I, S. CXLIV.
Storchlieder.
I.
Storch, Storch, Nickelbei\
trag mi über de Weiher hei!
Laß mi nienet falle,
bis ge Sant Galle!
Setz mi uf ene Haselstud,
daß i sitze wie-n-e Brut!
D' Brut schlat ume,
's Vögeli gumpet ume,
's Chälbli zieht de Rieme,
im Oberland ist niemer;
^ Nickel- wahrscheinlich entstellt aus Stichel, Stecken. Rochholz
Nr. 171 hat Stlgelihei.
SPRÜCHE 235
im Underland hät's gar vil Lüt,
si essed Fleisch und gend is nüt
und schwered, daß de Bode stübt.
Storch, Storch, lange Schnabel,
ich will di lere Silber zahle.
Wenn de Ro^f2:e rifnet
und de Müller pfifet
und de Beck ke Brot me hat,
so gat de Storch i d' Müli.
Dann chunt de Vetter Celi
und chauft is zwei Par SchüeH.
Er nimmt de Stecke-n-i die hnejcr Hand
und rüert e bis i's Oberland.
Im Underland ist Vogelgsang;
du alte Narr, wie lebst so lang
mit diner lange Nase !
Aus Dielsdorf, Kt. Zürich. Mitgetheilt von Lehrer Fürst. —
Vgl. Rochholz, Kinderlied S. 85 ff. Vers 7 — 15 ist in beiden Stücken
angehängt aus andern Kinderliedchen. Zu 2, 7—9 vgl. die Bettler-
hochzeit Bd. I, S. 206—207.
Fastnachtbettellieder.
Vgl. Bd. I, S. CXLIIl.
I.
Hinecht ist die Fasenacht,
gend is au es Chüechli z' Nacht
Chüechli raus, Chüechli raus!
's ist ein bravner Paur im Haus.
236 SPRÜCHE
Der Paur hat eine Tochter,
ire Haare wäre geflochte.
Drei Roseblüemelein,
ir singed dem Pure das Küechelein.
Das Küechlein ist gibache,
i g'höre d' Pfanne chrache.
I g'höre d' Schlüssel chringle^,
ich hoff, er werded mer's bringe.
D' Ziegel ligged uf em Tach,
i weusch i au e gueti Nacht.
Gueti Nacht ist aller Welt,
gend is au e Stümpli^ Gelt.
Aus Dielsdorf, Kt. Zürich. Mitgetheilt von Lehrer Fürst.
Hutzgüri geri,
Stockfisch und Eri!
Gebt mir au en Eierinanke^,
i will ech tusig Male danke.
Gebt mer Mehl und Brot!
Lueg, wie 's Hutzgüri stot!
Wenn der is aber nit w^eit ge*,
so wei mer ech Chüe und Chelber ne,
mer wei ech 's Hus abdecke,
mer wei ech uferwecke.
^ klingeln, klirren. - Stück, Häufchen. ^ ein Gericht, Eier in
Butter gebacken. * wenn ihr uns nicht geben wollt.
SPRÜCHE 237
3-
1. Hut ist Mitti -Faste,
mer hei kei Chorn im C haste.
Wie der Winter ist so ehalt!
Die Röseli vor dem grüene Wald.
2. Si gebe schöni Sache,
mer wei drus Chüechli bache.
Wie der Winter u. s. w.
3. Mer g'höre 's Schlüsseli chhngle,
si wei-n-is d' Eier bringe.
Wie der Winter u. s. w.
4. Mer g'höre der Brotchorb gire*,
si wei-n-is ßrod abschnide.
5. Mer g'höre 's Gätterli gäre^,
si wei-n-is Anke use schäre^.
6. Mer g'höre d' Frau in d' Chammer go,
si will is öppis abe lo.
Wie der Winter ist so ehalt!
Die Röseli vor dem grüene Wald.
Heimatkunde der Gemeinde Läufelfingen (Baselland), Liestal 1868,
S. 155. — In der genannten Gemeinde bestand der Gebrauch, daß
um die Fastnachtzeit 5 — 6 Knaben sich vereinigten, um Gaben zu
sammeln. Der Größte von ihnen verkleidete sich in eine maskirte
Frauenfigur, das Hiitigür, die andern trugen Säcke. Vor den Häusern
sangen sie das Lied 2. Eine ähnliche Gesellschalt, von Mädchen,
mit einer Maske genannt Weibehuib, sang das Lied 3.
-fct^-
^ kirren. '^ Gitterthüre knarren. ^ scharren.
238 SPRÜCHE
Wurstbettellieder.
Zußd.I, S.CXI.III und S.207.
I.
's Chrumbbeising-e.
I weusch en guete-n-Abig,
Gott g'segni eueri Gabe,
Gott g'segni eues Essen und Trinke,
Eueri Sou wird nümme hinke.
Eueri Sou hat e chrumbes Bei,
Gemmer ^ e Wurst, se chan i hei.
Gemmer nid eso kleini.
Gemmer zwo für eini.
Gemmer vu der Lebere,
Se chan i hei zäbele^.
Gemmer vu der Lungge,
Se chan i hei gumpe.
Gemmer vu der Site,
Se chan i hei rite.
Haued ue^, haued abe,
Lönd de Metzj^ermeister strahle*.
Im zürcherischen Weinland an «Metzgeten» (Schweinschlacht-
festen) vor dem Hause des Bauern gesungen. Mitgetheilt von Lehrer
Fürst in Zürich.
I singe-n-um ene Wurst,
's sind eusen e o:anzi Purst ^
I singe-n-um ene Hamme,
I mag si nüd erlange.
^ gebt mir. - zappeln. ^ aufwärts. * emsig arbeiten. ° Gesellschaft.
SPRÜCHE 239
I singe-n-um ene Chrumbbei,
Gemmer eis, so gan i hei.
Gemmer ab ere Site,
Se chan i druff heirite.
Gemmer zwo, so bin i froh,
Gemmer drei, so sind er frei^,
Gemmer sechs, so sind er recht,
Gemmer sibe, so bin i z'fride.
Gemmer acht, so lupf i d' Chappe-n-und säge
guet Nacht.
Aus Dielsdorf, Kt. Zürich. Mitgetheilt von Lehrer Fürst.
Das Kinderhed von den drei Jungfrauen.
Rite rite RössH,
z' Bade stat es Schlössli,
z' Bade stat es Sumerhus,
's lueged drei Mareie drus.
Die erst spinnt Side,
die ander schnätzlet Chride,
die dritt spinnt Haberstrau:
B'hüct mir Gott mis BüebU au!
Dieser zunächst aus dem Gebiet von Zürich entnommene Text
zeigt die in den meisten Kantonen verbreitete Grundform; Abweich-
ungen in einzelnen Wörtern und Zusätze werden nachfolgend ange-
geben. Z. 2 : statt Baden kommt Basel vor in : Basel, Aargau Frick-
thal, Solothurn; Züri oder Sant Gallen im Thurgau; Bare (Bern) im
Berner Oberland. — Z. 3 : Liestel (Liestal) in Basel und Zug; Rom
in Aargau Baden und Frickthal, Luzern, Unterwaiden Engelberg,
Solothurn. Vereinzelt finden sich an dieser Stelle, je nach der Landes-
gegend, auch noch andere Orte genannt, z. B. Winterthur. In Glarus
freundlich.
240 SPRÜCHE
gilt an beiden Stellen die unbestimmte Angabe : det (dort) obe, doch
in Kerenzen auch IFesen und WaUenstadt. Sunnehus Zürich Fischenthal.
Chronehus Zürich Stallikon. Nunnehtis Glarus Kerenzen. 's Frau Gotte
Hus Basel. Gloggehus Berner Oberland. Weierhus Aargau Frickthal.
In Aargau Zeinigen lautet Zeile 3 : :^ Wih isch e Wirtshus; in Baden
ist sie zu dreien erweitert : ;;^' Klingnaii ne Brünneli, :( Kaiserstuel ne
Siinndi, i' Rom stot e giddigs Hus. Goldis oder guldigs Hus gilt auch
in Zürich Oberland, Appenzell, Aargau, Engelberg, Glarus, Luzern,
Zug. — Z. 4: Mareien auch in Aargau Baden, Luzern, Thurgau;
Jungfrauen in Aargau, Appenzell, Glarus, Solotharn, Engelberg, Zug.
Fraue Aargau Zeinigen. hübsch Jumpfere Zürich Oberland, schöni
Jumpfere Basel, Berner Oberland. — Z. 6: So auch in Aargau, Luzern,
Solothurn, Thurgau, Zug. wicklet oder chnodet (knotet, knüpft) IVtde
Zürich Oberland, chläret (klärt?) Wide Zürich Zollikon (jinch. chläri,
klare), chrat^et Chride Appenzell, rollet Chride Thurgau. spinnt Gold-
ii'ide Glarus. — Z. 7 : spinnt auch in Thurgau. hackt Zürich Stallikon.
häcklet Berner Oberland, schnidt Solothurn. Im Berner Oberland
lautet Z. 5 : Eini ist wie Side, Z. 7 : Die dritt ist wie luters Gold, in
Engelberg: Die dritt chochet es Chollermues (ein Leibgericht der Sennen,
aus Mehl, Rahm, auch Eiern, alles in Butter gebacken, eine Art
Omelette). Z. 5 — 7 in Baselstadt: Die einti wicklet Wide, die andri
stücklet Chride, die dritti spinnt das Glesigold. — Z. 8 : Chindli Zürich
Stallikon. Schätili Zürich Oberland, Thurgau. Die ganze Z. 8 lautet
in Solothurn: Mi liebs Chindli, schlof mer au. In Baselstadt: D' Büebeli
sind de Meiteli hold. Berner Oberland : Die viert ist üsem Hansi hold.
Engelberg: Das i mit ere (ihr) esse mues.
Mit Zeile 7 zweigt sich eine zweite Gestalt des Liedes ab,
die einen neuen Zug einführt:
7. die dritt tuet 's Törli uf
8. und lat die heilig Sunnen us.
So in Aargau (Holderbank, Frickthal, Zeinigen, Baden), Luzern, Zug
{liebi St. heilig). Glarus : Die dritt gat i's Sunnehus und lat die guldig
Sunnen us. Luzern auch: Die dritt luegt ^um Tor us. St. Gallen
Rapperswvl: ^um Fenster us.
In einer dritten Form wird die zw^eite fortgesetzt:
Es ist es Engeli a dr Wand,
es häd es Glöggli i dr Hand ;
wenn mer's g'höred chlinge,
so wend mer alli springe.
SPRÜCHE 241
So in Luzern und Zug; im erstem Kanton Z. 4 auch: So ivetid
nur -' Himmel springe. Weitere Varianten dieser Fomi sind : Z. i :
hangt St. ist Baden, St. Gallen Rapperswyl, Chnabcli st. Engeli Aar-
gau Frickthal, Z. 3 — 4 : Und wenn das Engeli chlinglet, so ist e heiligt
Meß im Himel, St. Gallen Rapperswvl, Z. 4 : So springen alli Engeli
i'n Himel ufe i' Chille, Aargau Frickthal; in Baden: alli Chindli.
Z. 5 — 4 in Aargau Zeinigen:
Und wenn das Glöggli schlot,
so sind mer alli tod;
und wenn das Glöggli chlinglet,
so sind mer alli im Himel.
Ebenso in Basel Aeugst, nur ist dort die dritte Form mit der
ersten dadurch verbunden, daß die Fortsetzung Z. 7 lautet:
Die dritti leinet (lehnt) a dr Wand,
si hcd ne Glöggli in der Hand u. s. w.
In Luzern kommt auch Verbindung mit der zweiten vor: Si
hed es Glöggli u. s. w.
Verkürzung und Verflachung in rein weltlichen Sinn zeigt die
bernische Form :
Rite rite Rössli,
z Basel (oder: z' Thun) isch es Schlössli,
z' Bern isch es Herrehus (oder: z' Thun isch es Tubehus),
da luege drei Töchtere zum Fenster us
(oder: da luege drei schöni Jumpferen us).
Neigung zu scherzhafter Wendung zeigen schon einige der zur
Grundform angeführten Varianten ; stärker erscheint dieselbe in fol-
gender Gestalt:
Rite rite Rössli,
z' Bade stad es Schlössli,
z' Rom stad es guldigs Hus,
es luegid zehn Jungfraue drus.
Die erst macht 's Fürli a,
die zweit leit d' Schitli a,
die dritt chochet es Haberbri,
die viert schlat ere d' Xase dri.
Die (üft chauft es nüs Paar Schue,
die sechst git ere 's Geld derzue.
II 16
242 SPRÜCHE
Die sibet chaut't es Fässli Wi,
daß die acht cha lustig si.
Die nünt schüttet 's Federebett,
wo die zeht dri Hgge sett.
Walchwyl, Kt. Zug.
Gemischt mit einem andern Spruch ist folgende Fassung:
Rite rite Rössli,
z' Bade stot e Schlössli,
z' Klingnau e Brünneli,
z' Kaiserstuel e Sünneli,
z' Freiewil e Chäppeli.
D' Meitli träged Schäppeli,
d' Buebe träged Maie.
De Güggel chunt cho chräie :
Güggehü !
Z" Morgen am drü
chömed drei Mareie.
Die eint spinnt Side,
die ander schnäflet Chride,
die dritt schnidt Haberstrau:
B'hüet mer Gott mis Chindli au!
Rochholz, Alemann. Kinderl. Nr. 274.
Noch stärker o^emischt, und zwar nicht nur mit der Grundform,
sondern auch mit den beiden Nebenformen, ist folgende :
's Sünneli schint,
's Vögeli grint,
's hocket under em Lädeli,
's spinnt e Sidefädeli;
's spinnt en lange Fade,
er langet bis go Bade,
vo Züri bis uf Hauestei,
vo Hauestei bis widerum hei. —
Z' Rom ist es guldigs Hus,
lueged drei Mareie drus.
Die eint spinnt Side,
die ander Floride,
die dritt schnätzlet Chride,
die viert spinnt Haberstrau,
die feuft ist eusi liebi Frau.
SPRÜCHE 243
Si sitzt enet a der Wnnd,
het en Oepfel i der Hand.
Si got durah zum Sunnehus
und lot die heilig Sunnen us
und lol de Schatten ine
für iri liebe Chline.
Und wenn mer's g'hört singe,
chömed alli Engel z' springe.
Rochholz, a. a. O. Nr. 275.
Statt grint, zirpt (Z, 2) Var. pßß, singt. Z. 6 auch:
Es hoppet bis go Bade.
Z' Bade stot e Sumerhus u. s. \v.
Daß unser Kinderlied, sowohl in seiner einfachsten Gestalt als
in seinen Varianten und Zusätzen, fast in allen Gauen von Deutsch-
land, zunächst in Elsaß und Schwaben, dann rheinabwärts und auch
landeinwärts bis in die Mark Brandenburg, zahlreiche, theils wörtlich,
theils sachlich übereinstimmende Parallelen findet, ist längst erkannt;
man findet solche bei Rochholz, a.a.O. S. 141 — 142. 144 — 145.
Stöber, Elsaß. Volksbüchl. Xr. 98 — 102. Vonbun, Vorarlb. Sag. S. 66.
Meier, Schwab. Märch. Nr. 87. Kinderreime Xr. 14. 15. Simrock,
Kinderbuch Nr. 169 — 175. Wolf, Beiträge z.deutsch.Myth.2, 179 — 181.
Ausgemacht ist ferner, daß alle diese Kinderreime in ihrem Haupt-
inhalt, den drei Weiblichen Wesen, welche das Kind besuchen und
begaben, einen ehrwürdigen und merkwürdigen Ueberrest heidnischen
"Glaubens darstellen, der am reinsten in der altnordischen Ueber-
lieferung von den drei Nornen (entsprechend den Parcen oder Moiren
des klassischen Alterthums) erscheint, aber auch noch in Deutsch-
land (besonders Baiern) unter allerlei Verkleidung unverkennbar er-
halten ist. Vgl. Wolf, a.a.O. 167 — 205. Simrock, Myth. 341 — 5)0.
Mannhardt, Die Götterwelt der deutschen u. nord. Völker 321 — 328.
Hier kann vom Zusammenhang und ursprünglichen Sinn aller jener
Zeugnisse nicht ausführlich gehandelt, sondern nur der schweizerische
Beitrag zu demselben nach seinem Wortlaut noch mit einigen Be-
merkungen begleitet werden, wobei auf offenbare spätere Entstell-
ungen keine weitere Rücksicht genommen wird.
Die Verschiedenheit der Ortsangaben in Z. 2 und 3 des Grund-
textes hat natürlich nichts zu bedeuten als eben die weite Verbreitung
des Glaubens. Wichtiger sind die Varianten zum Schluß von Z. 3,
aus denen der ursprüngliche Ausdruck schwer herauszufinden oder
244 SPRÜCHE
zu erschließen ist. Eine himmlische Wohnung kam den Schicksals-
göttinnen jedenfalls zu und das goldene Haus ist von dem Sonnen-
oder Sommei-haus nicht wesentlich verschieden. Glockenhaus ist na-
türlich später, kann aber einen Thurm bezeichnen, dergleichen auch
die heidnische Zeit kannte (z. B. als Wohnsitz der als halbgöttlich
verehrten Seherin Veleda bei Tacitus, Hist. 4, 65). IVeierhaus auf das
Sit/cen der Nornen an einer Quelle zu deuten geht nicht wohl an.
Als Nonnen oder Stifterinnen von Gotteshäusern erscheinen die drei
Frauen in der deutschen Sage mehrfach; unmittelbare Entstehung
dieses Wortes aus Nornen ist unmöglich, da der letztere Name in
Deutschland nie verbreitet war. Ob sie Jungfrauen (was auch in
Deutschland die überwiegende Bezeichnung ist) oder Marien genannt
werden, macht insofern etwas aus, als der letztere Name den Ge-
stalten ihren heiligen Charakter bewahren half, während der erstere
leicht zu Jungfern in gewöhnlichem Sinne abgeschwächt werden
konnte. Daß der christliche Name Maria vielfach an die Stelle von
Namen heidnischer Göttinnen trat, ist bekannt genug. Betreffend die
Dreizahl, welche auf christlichem Boden an den drei Marien der
Evangelien eine Stütze fand, braucht auch nur erinnert zu werden,
daß sie dem Heidenthum für göttliche Wesen ebenso beliebt war,
wie sie es dem Christenthum geworden ist. Daß in einigen Varianten
die Zahl sich zu 4 und 5, sogar einmal zu 10 erweitert, ist offenbare
scherzhafte Entstellung. (Etwas Anderes ist die Erweiterung auf die
ebenfalls heilige Zahl 12 resp. 13 z. B. im Mähfchen vom Dorn-
röschen.)
Wichtiger ist, daß den drei Frauen auch drei verschiedene
Funktionen zugetheilt sind, wobei Wolf an den Merseburger Zauber-
spruch von den dreigetheilten Idisi erinnert, nur daß deren Thätig-
keit eben auf den kriegerischen Anlaß ihres Auftretens gerichtet ist
und sie in ihrer Dreiheit doch nur einem Zweck, einer Partei
dienen. Bei den Nornen aber und den ihnen entsprechenden weisen
Frauen der spätem Sage ist es ein stehender Zug, daß sie dem Kinde,
an dessen Wiege sie herantreten, Ungleiches, Heil und Unheil,
schenken oder verkünden, und es fragt sich, wie dieser Gegensatz
in unserm Liede sich darstelle, auf welcher Seite die Mehrheit sei.
Hier gehen nun auch die Varianten aus einander, indem ein Theil
derselben, aber nur der kleinere, zwei günstige Thätigkeilen gegen
eine ungünstige anführen zu wollen scheint, die übrigen aber, und
zwar die Mehrheit, auf umgekehrten Sinn deuten. Daß die Thätigkeit
der Schicksalsgöttinnen vorzugsweise als Spinnen gedacht wird,
SPRÜCHE 245
hat das germanische Alterthum wieder mit dem klassischen gemein
und kann hier nicht weiter erklärt werden; die Verschiedenheit der
Drei muß also im Stoff ihres Gespinnstes liegen.
Daß nun das Spinnen von Seide, welches in allen Parallelen
übereinstimmend voransteht, günstige Bedeutung habe, unterliegt
wohl keinem Zweifel; aber auch Goldweideii (Glarus) und Glesigold
(Baselstadt) kann, wenn überhaupt einen Sinn, nur diesen haben.
Dasfelbe gilt von der Berneroberländer Fassung, wo die erste, dann
aber auch wieder die dritte Jungfrau, selbst mit Gold verglichen
wird. Zu bemerken ist hier nur der Unterschied, daß die glarnerische
Form das Gold zweimal, also zwei günstige Anzeichen hat, und
die stadtbaslerische das Gold, also das Glück, erst an dritter Stelle,
aber darum vielleicht entscheidend. Die Schwierigkeit häuft sich am
meisten auf die mittlere Stelle und die Bedeutung ^tr Kreide oder
IVeide daselbst. Das letztere Wort, welches wohl älter ist als das
erstere, kann kaum andern als ungünstigen Sinn haben, braucht aber
nicht gerade auf die Weide als Werkzeug der Todcsftrafe des Hängens,
sondern nur auf Fesselung, Hemmung bezogen zu werden. (Vgl. cunio-
widi im Merseburger Spruch, welches übrigens kurzen Stammvokal
hat.) Kreide erscheint schon bei mittelhochdeutschen Dichtern in
sprichwörtlicher Reimverbindung mit Seide, aber zunächst als Gegen-
satz zu Gold, z. B. in der Stelle:
ir macht uz golde kriden
und werc (Werg) uz guoter siden (Germ. IX, 51),
sowie umgekehrt die Verwandtschaft des Goldes mit der Seide be-
zeugt wird, wenn ein Dichter von der Jungfrau Maria sagt:
do du Christcs wurde (wurdest) swanger,
do wand siden zuo dem golde gotes wisheit;
und ein anderer von der Doppelnatur Christi:
do menschlich ward din bilde (deine Gestalt),
do war (wirrte, mischte) sich under siden flahs,
wo das letzte Wort dem IVerg der ersten Stelle und der Reiste einer
schwäbischen Variante entspricht, von dem Haberstroh unseres Liedes
noch beträchtlich abstehend, doch in derselben Richtung absteigend.
Positiv mit (weißer) Seide zusammengestellt findet sich Kreide nur
einmal in Beziehung auf die Farbe. In unserm Liede kommt aber
neben der stofflichen Eigenschaft der Kreide auch die an derselben
ausgeübte Thätigkeit, das Schnätieln, Hacken, Kratzen in Betracht,
246 SPRÜCHE
welches dem Spinnen der Seide gegenübersteht und eine für Gefühl
und Gehör ebenso unangenehme Empfindung erweckt, wie das
Streichen oder Rauschen glatter Seide eine angenehme, daher als
Bild ungünstigen Schicksals aufgefasst werden kann.
Von Haberstroh kann spinnen eigentlich nicht gesagt werden,
daher die Varianten hacken und schneiden; aber da die Thätigkeit der
Frauen einmal vorzugsweise als ein Spinnen aufgefasst werden sollte
(welchem von der ungünstigen Seite das Wickeln oder Knüpfen von
Weiden einigermaßen entspricht), so mochte auch jene Verbindung,
nur dann in ironischem Sinn, annehmbar erscheinen. Wer sich daran
stieß und zugleich einen günstigen Schluß haben wollte, mochte eine
Ausweichung nach einer ganz andern Seite versuchen; daher die
scherzhafte Wendung vom Kochen einer schmackhaften Speise (Engel-
berg) oder der Uebergang auf die neue Vorstellung, daß die dritte
Frau das Thor des Himmels dem Sonnenschein öffnet, woran sich
dann noch weitere Bilder von himmlischen Herrlichkeiten (der Engel
mit dem Glöcklein u. s. w.) schließen konnten. Daß dies Abweich-
ungen von dem ursprünglichen Bilde und fremdartige Zuthaten sind,
ist wolil unbestreitbar; aber sie finden sich auch in Deutschland,
neben zwei andern Varianten, von denen die eine die dritte Frau
ein Kleid (für das Kind) spinnen, die andere ein Kind aus dem
Brunnen holen lässt. Von der erstem, die nach Wolf das ursprüng-
liche sein soll, findet sich bei uns keine Spur, von der zweiten nur
eine schwache. Nur zufällig ist vielleicht das Zusammentreffen der
drei Jungfrauen unseres Kinderliedes mit dem Anfang des bekannten
Volksliedes:
Dort oben auf hohem Berge
da steht ein prächtiges Haus;
da schauen drei schöne Jungfräulein
des Abends und Morgens heraus.
Mittler Nr. 769; vgl. Bd. I, S. CXX. Noch schwächer ist die Be-
rührung des Kinderliedes mit dem Anfang des andern (Simrock,
Kinderbuch Nr. 67), wo «ein Herr auf einem Rössli» zu einem
«Schlössli» kommt und die aus dem Fenster lugrende Frau nach dem
Betragen ihrer Kinder fragt. Aber wenn man aus den oben mit-
getheilten erweiterten Formen unseres Liedes und vielen ähnlichen
Fällen (dergleichen auch in Bd. I vorgekommen sind) erkannt hat,
wie leicht einzelne Bruchstücke von Liedern sich an einander heften,
so wird man geneigt, auch im vorliegenden Fall die Möglichkeit
eines Einflusses offen zu lassen.
SPRÜCHE 247
Nachdem im Vorstehenden der Versuch gemacht ist, das Kinder-
lied im Zusammenhang zu erklären, mögen einige nachträgliche Be-
merkungen Platz finden, welche sich dort nicht gut einflechten ließen,
aber vielleicht dazu beitragen, einzelne Punkte noch in helleres Licht
zu setzen.
Die spinnenden Marien erinnern zunächst noch an die unter dem
Namen Marienfäden, Unserer liehen Frau Sommer, Mädchensommer, auch
Altweihersommer bekannte Naturerscheinung, das Gewebe der Herbst-
spinne, welches im Norden der Göttin Frigg (Freia) zugeschrieben
wurde. Daß Sommer hier nicht die Jahreszeit bedeutet, sondern ur-
sprünglich ein anderes Wort ist (engl, gossamer für godsamer, feines
Gewebe, vgl. ahd. gotawehbi), muß zur Erklärung mithelfen, und auch
die Alten IVeiber statt der Mädchen stören nicht, denn ihr Geschäft
ist vorzugsweise das Spinnen wie das Weisfagen, und in einer Variante
unseres Liedes (aus dem Odenwald) kommen statt der schönen Jungfern
wirklich alte Weiber vor. — Daß hinter der spinnenden Königin Bertha
der burgundischen Sage eine spinnende Göttin steckt, ist längst aus-
gemacht. Li der Nürnberger Todtenkapelle befand sich eine sogen.
Marienspule mit Garn, das nie ein Ende nahm. Auf einem Seiden-
faden schwebte Maria zur Rettung des belagerten Helmstädt herbei.
(Rochholz, a. a. O. S. 148.)
IVeidenhioten gelten im Aargau als schädliches Hexenwerk und
werden aufgelöst.
Haherstroh im Gesrensatz zu Seide kommt auch in einem Volks-
lied vor, wo ein Bursche von seinem Mädchen verlangt, es müsse
ihm aus Haberstroh Seide spinnen, worauf es eine ebenso unerfüll-
bare Forderung an ihn stellt (Uhland I, 14). Eine Parallele zu unserm
Spruch vom Hausfland (Bd. I, S. 1 52) lautet: Haberstrau heißt mi Frau.
Kreide deutet Rochholz (a. a. O. S. 148) auf das Homonym Kreide
= Kriegsgeschrei, also Streit, was sachlich nicht unpassend wäre; aber
die Verba schaben, hacken u. s. w. deuten doch entschieden auf Kreide
als Stoff. Daß dieses Wort bildliche Bedeutungen hatte, beweist die
bei G. V. Keisersberg und S. Brant vorkommende Redensart Kreide
streichen = trügerisch schmeicheln, und vielleicht kann diese Bedeutung
auch für unsere Stelle geltend gemacht werden.
Anhang.
Berichtigungen und Nachträge
zu Bd. I.
S. VII. Ueber Ludwig Sterner und die Reimchronik von
Lenz s. Vetter im Anzeiger für schweizer. Geschichte 1884,
S. 269 — 276.
S. XX, 5. Statt Liedes ist vielleicht Lieder zu setzen,
wenn Justinger (S. 145) darunter nicht Strophen versteht.
S. XXVII, 15. Die Verweisung auf die Texte soll nicht
bei a, sondern bei i) stehen.
S. XXXV fehlt bei 23, c, i Verweisung auf die Texte
S. 29.
S. XLVIII unten ist die Verweisung auf die Texte zu
streic^hen, s. dagegen Bd. II, S. 115.
S. LI, 39. b. Das Lied von Rynacher findet sich im Archiv
der Familie Steiner von Uitikon, handschriftlich, wahrschein-
lich Original des Dichters, 46 Strophen, Anfang: «Nun will
ich frölich singen.» — Im selben Archiv noch ein zweites
Gedicht über die damaligen Eündnergeschichten, in denen
ein Steiner die Zürcher kommandirte, hauptsächlich ihm zu
Ehren auf seine Hochzeit gedichtet. Sehr lang, in Alexan-
drinern.
S. LIII. Nach Nr. 39 oder zu 40 ist nachträglich ein-
zuschalten die Notiz von einem Liede, welches kurz nach
252 ANHANG
dem U eberfall in der Klus (20. Sept. 1632) in Solothurn
entstanden und für Bern verletzend gewesen sein muß, so
daß der Rath von Solothurn die Verbreitung desfelben mit
Strafe bedrohen musste. Als Verfasser galt Viktor zur Matten
von Solothurn, der aber seine Autorschaft leugnete. Noch im
Jahr 1646 wurde ein Solothurner bestraft, weil er das Kluser
Lied gesungen hatte. Mittheilung von Herrn Dr. Fäh.
Andere Erinnerungen an die Schweden s. Rochholz,
Aarg. Sagen II, 279 ff.
S. LV statt Merey zu lesen Mercy.
S. LXVII, c, 2. Dieses Gedicht vertritt nicht den Stand-
punkt von Luzern, sondern von Zürich und Bern gegen
Luzern und die Länder zugleich. Das Gedicht 3 findet sich
auch auf der ZSB. XVIII, 1976, nebst einer Antwort. Der-
selbe Band enthält zwei Lieder von dem für die Katholiken
gunstigen Gefecht bei Sins.
S. LXXI, c. Das Lied auf die leere Kasse der helvetischen
Republik ist von Häfliger; s. dessen « Schweizerische Volks-
lieder )) S. 79.
S. LXXII, 57. Im Frühling des Jahres 1815 verfasste der
Friedensrichter Ringier-Burkhard von Zofingen ein Spottlied
auf die Berner, was ihm den Verlust seiner Stelle zuzog. —
Im zürcherischen Bürkli- Kalender 181 5 steht ein mundart-
liches Gedicht « Es Wörtli uf die neu Verfassig im Kanton
Zürich ».
S. XCV. Das Lied <( Es will ein Jungfrau reisen » steht
im Register der Texte unter dem Ansatz : 's will . . .
S. C. Das parodische Kriegsgebet ist nun im Bd. II, S. 224
abgedruckt.
S. CII und 104. Lütolf, Sagen S. 430 gibt eine Sage von
einem Roni Sattel von Mosen, Kt. Luzern, auf den sich das
Lied beziehen soll.
S. CHI oben. Vgl. auch noch Walliser Sagen S. iii. 113.
ANHANG 255
S. CIV, Das Lied von der frommen Spinnerin wurde in
der Gemeinde Wald gesungen.
S. CIV unten. Der Ausdruck « verkünstelt •> ist nicht
richtig; s. nun die Anmerkung zum Liede in Bd. II, S. 176.
S. CVII oben. Ein Anklang an jene alte Romanze findet
sich auch noch in einem handschriftlichen Fragment bei Stutz.
Hieher gehört auch ein in Schaffhausen gefundenes Fragment
des Liedes von dem Mord im Haslacher Thal. Mittler Xr. 95.
S. CXV. Auf die Einwohner der zürcherischen Gemeinde
Fischenthal sangen noch in neuerer Zeit ihre Nachbarn in
Wald ein Spottlied, dessen Anfang lautete: «Die Fischethaler
Nare Ziehnd de Walder Chare » (Karren).
S. CXXI oben. Eine engere symbolische Beziehung der
Mühle auf Liebe behauptet Rochholz, Drei Gaugöttinnen
S. 115 ft*.
S. CXXVI. Zu dem Liedchen w üf em Bergli bin i
g'sesse » vgl. noch Alem. XI. 72. Daß Goethe das Liedchen
gerade so, wie er es unter seine Gedichte aufgenommen hat.
aus dem Munde des Volkes gehört habe, ist unwahrscheinlich,
aber ebenso unmöglich ist es, eine Grundform desfelben her-
zustellen. Die Melodie wird wohl erst zu dem Goeihe'schen
Te.xt gemacht worden sein.
S. CXXVIII. In den Texten (S. 153 ff.) sind nur zwei
Hochzeitlieder mitgetheilt; das dritte steht nun Bd. II, S. 201.
S. CXXXV unten. Spazier, Wanderung, gibt im Anhang
noch Stücke von zwei andern Liedchen.
S. CXXXVI. Der Verfasser des Liedes « De Bur ist doch
en plagete Ma » war Johannes Merz. Bezirksrichter, von Buch
am Irchel, Kt. Zürich. Ein Antwortlied erschien im Bürkli-
Kalender iSti.
S. CXLIV. Ein kürzeres Wurstbettellied hat allerdings
auch Rochholz, S. 98, 205 ; ein größeres s. nun noch Bd. II,
S. 238; ebendaselbst auch drei Fastnachtbettellieder S. 235
und zwei Storchlieder S. 234.
2 54 ANHANG
S, CXLVI. Nach Birlinger, Alem. XI, Sz ist Rappetizli
von Rappen abzuleiten, vielleicht weil man Musikanten, damit
sie zu einem kurzen Tanzliedchen spielten, nur mit Rappen
bezahlte. Aber der zweite Theil des Wortes bleibt dabei
unerklärt.
S. CXLVII. Der Reim (.('s isch no nit lang» u. s.w. steht
Bd. I, S. 214. 26.
S. CLL Nach der Angabe c mit Nachtrag» ist Komma
zu setzen, denn die folgende Zahl gibt nicht die Seite der
Nachträge.
S. 43, Anm. Unter dem Wolf kann nicht Zürich, sondern
nur Freiburg gemeint sein, Zürich war nie «Nachbar» von
Bern und zur Theilnahme an jenem Zug auch nicht von Bern
eingeladen ; es nahm vielmehr eine vermittelnde Stellung ein.
Dagegen passen die Angaben auf Freiburg, dessen Haltung
allerdings etwas aktiver war als im Liede geschildert ist.
Sein Antheil an der Beute (die Hamme Str. 14, 6) war Ro-
mont und Bulle. Der Löwe mit der Krone (Str. 13, 2) kann
nur Savoyen oder Frankreich sein, aber nicht in heraldischer
Bedeutung. Jörg Hubelmann (Str. 11, i) wird als Hauptmann
der Bernei in den Abschieden mehrmals erwähnt. Nägeli
(Str. 10) ist der Schultheiß Franz N. von Bern. Mittheilung
von Herrn Prof. G. v. Wyß.
S. 110. Das Hosebändli war in der Tracht jener Zeit
das Band, womit die kurzen Hosen über dem Knie gebunden
wurden. Mittheilung von Herrn Konr. Meier in Zürich.
S. ij8. Eine Parallele zu diesem Lied aus Ostpreußen
s. Alemannia XI, 59.
S. 121 oben: besonders an das Ulinger Lied, s. Bd. II,
S. 170.
S. 136. Zu dem Liede Nr. 38 wurde mir nachträglich von
Herrn Lehrer Häderli in Zürich folgende Strophe als erste
mitgetheilt :
ANHANG 255
1. Als icli an denselbigen Abend gedenke,
da ich Abschied von dir nahm,
und die Sonne scheint allhier
und ich scheiden muß von dir
und mein Herz bleibt stets bei dir.
2. Und mein Mutter hat Gfesasrt u. s. \v,
S, 137. Der Spruch Xr. 40 ist von B. Wyß in Solothurn
selbst gedichtet.
S. 155. Um das Jahr 1825 wurde in Neudorf bei Bero-
münster, Kt. l^izern, ein Spottlied auf ein Brautpaar gemacht
und diesem mit Katzenmusik bei der Rückkehr von der Hoch-
zeit gesungen, weil der Bräutigam ein Fremder, d. h. nicht
Ortsbürger war.
S. 157 unten. Das Citat « Schwab. Volkslieder » sollte
nach den Varianten stehen.
S. 202. Das Nachtwächterlied Nr. 8 ist wohl allgemein
deutsch ; umgekehrt wird das Lied von den 12 heiligen Zahlen
(Erk Nr. 196. 198) auch bei uns gesungen. Einen etwas ab-
weichenden Text des erstem gibt Herzog, Schweiz. Volks-
feste, Sitten und Gebräuche S. 314 als alten Nachtwächter-
ruf in Thusis, Kt. Graubünden. Ebendaselbst S. 313 stehen
Varianten zu den in Bd. I, S. 199. 20<3 mitgetheilten kürzern
Nachtwächterrufen i. 3. 4. 5, dort als in Chur üblich gewesen.
S. 205 — 206. Zu den Rufen beim Scheibenwerfen gibt
Herzog, a.a.O. S. 215 — 216 einige Varianten und sachliche
Angaben von andern Orten.
S. 208, 2. Die Auffassung des Weibes als Ackerfeld er-
scheint auch im Koran, Sure 2. Mittheilung von Herrn
Konr. Meier in Zürich.
S. 213, 19, 4 ist zu schreiben Leid.
S. 225. Das Fest der Drei Könige zu Freiburg s. Herzog,
a. a. O. S. 153. Vgl. noch ebd. 212.
256
ANHANG
Nachträge zu Bd. II.
S. 190. Das Lied vom buckligen Männchen steht in
i( Des Knaben Wunderhorn 0, i. Ausg., Bd. III, Anhang S. 54
vollständig mit 8 Strophen.
S. 191. Parallelen zu Nr. 18 s. Frommann, Zeitschrift für
deutsche Mundarten V, 417 — 418. Mittler, Volksl. Nr. 13 16.
S. 207, Nr. 26. Dieses Stück hätte mit dem wesentlich
gleichen im Bd. I, S. 139 zusammengefasst werden sollen,
enthält aber fast durchgehende Varianten.
S. 241. Zu den Versen vom Glöcklein vgl. das Gebet
Bd. I, S. 193, Nr. 5.
Berichtigung zu Bd. II. S. 219 lies: Zaubersprüche.
^A^-m
Inhaltsangabe
zu Bd. II.
Vorwort.
Einleitung zu den historischen Liedern .
Texte.
1. Historische Lieder . . . .
2. Allgemeine Lieder . . . .
5. Kleinere Stücke.
Sprüche . . . . .
Parodien . . . , .
Kinderlieder . . . . .
Berichtigungen und Nachträge zu Bd. I
» » » » »11
Seite
I — XVIII
3 — 1)1
155—215
. 219
. 224
• 254
. 251
■ 256
II.
17
Gesammtregister
der in beiden Bänden enthaltenen Liedertexte.
/. Historische Lieder,
chronologisch geordnet nach den Ereignissen.
1. Ursprung der Eidgenossenschatt (Teilsage)
2. Alter Bund zwischen Bern und Freiburg (1245?)
3. Kampf der Städte Bern und Biei mit dem Bischof von
Basel 1568
4. Schlacht bei Sempach 1586,
a. Das ältere Lied ....
h. Das dem Halbsuter zugeschriebene Lied
5. Schlacht bei Näfels 1588
6. Alter Zürichkrieg 1443 — 1446.
a. Schmachlied von östreichisch-zürcherischer Seite
h. Antwort von schwyzerischer Seite
c. Belagerung von Laufenburg
d. Nach der Schlacht bei St. Jakob an der Birs
e. Schlacht bei Ragatz
7. Zwist des Abtes von St. Gallen mit der Bürgerschaft 145 1
8. Zug in's Sundgau (Mülhausen) 1468
9. Zug nach W'aldshut 1468
10. Burgunder Krieg.
a. «Ewige Richtung» 1474.
h. Zug nach Blomont 147^ .
c. Schlacht bei Grandson 1476
d. Schlacht bei Murten 1476
e. Schlacht bei Nancy 1477
11. Schlacht bei Giornico 1478
12. Frischhans Theiling und Hans Waldmann 1487
Ban
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14.
15-
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19.
20.
21.
22.
25-
25-
26.
27.
28.
29.
50.
31-
32.
Rorschacher Klosterstreit 1489
Schwnbenkrieg 1499-
a. Herausforderung
b. Schlacht im Schwaderloh
c. Schlacht bei Glurns
d. Schlacht bei Dorneck
Schlacht bei Novara 1513 .
Reformation in Bern .
Die Lutherischen in Solothurn 1533
Zug der Berner in's Waadtland.
a. Gefecht bei Nyon 1535.
h. Bern und Frei bürg 1536
Zug eidgenössischer Söldner nach Piemont (Schlacht
bei Cerisole) 1 544 .
Zug eidgenössischer Söldner nach Frankreich (Schlacht
bei Moncontour) 1569 ....
Ludwig Pfyffer und Melchior Lussi (1582)
Der Schweizer Stier (1584)
Der Prättigäuer Prüs^elkrieg 1622
Belagerung von Rheinfelden durch die Schweden 1634
Bauernkrieg 16)3.
a. Der neue Wilhelm Teil im Entlebuch .
/'. Artillerei-Lied .....
c. Spüttverse auf die Führer der Bauern .
d. ^'erehruno der Heiligen unter dem Galgen
Vilmerger Krieg 16^6.
a. Belagerung von Rapperswyl durch General Werd-
müller .......
/'. Schlacht bei Vilmergen .
Fall von Straßburg 1681
Zug schweizerischer Söldner nach Griechenland 1688
Toggenburger Krieg 17 12.
a. Feldbericht eines bernischen Soldaten
h. Capitulation von Baden .
c. Gefecht an der Bellenschan^e
Aufstand der Liviner 1755.
Zug der Zürcher nach Stein a. Rh. 1784
Helvetische Revolution 1798.
a. Gefecht bei Fraubrunnen
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65
184
I S-j
26l
h. Kampf der Urkantone ......
^. ^a ira .
35. Belag-erung von Zürich durch General Andermatt 1802
34. Aufgebot bernischer Schützen 1804 ....
3). Kantonale Bewegungen 1830.
a. Volksversammlung in Balsthal (Solothurn) .
b. Aufstand der Hallauer gegen Schaffhausen .
36. Der Straußenlärm in Zürich 1839 . . . .
37. Der Sonderbundskrieg 1847
Anhang: Die vier Elemente der Eidgenossenschaft (1558)
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//. Allgemeine Lieder,
alphabetisch geordnet nach den Anfangsworten.
Ach Gott, wem soll ich klagen?
Ach Mueter, liebe Mueter
Ach Schatz, warum so traurig ?
Ach Schatz, was hab ich dir Leides gethan?
Ach, wie ein so harte Krippe .
Alli Meiteii händ au Manne
Anneli, stand uf, d' Brutreiher sind do .
Anneli, wo bist gester g'si ? . .
Bin alben e werti Töchter g'si
Buebe, mer wend wollforte go
Chan i nit gar ordeli tänzele?
Danuser war ein wundrige Knab
Das Anneli hat en Stricker
De Ma hat große Hunger g"ha
Der Schlüssel zum Himmel
Der Schwanewirt sprung zum Thor hinaus
Der Tod und der kam über de Rhi
Die Buechibersfer Bure ....
Die Fabrikante z' Dideldum
Die heiligen drei Könige mit ihrem Stern
Dies ist mein ganzer Lebenslauf
Die Vögel sie singen lieblich schön
Dort hinten bei der himmlischen Thür .
Dort obe vor der himmlische Thür
vol. II, 159
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79
98
98
1)6
97
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Ei du mein schöne Margret
Ein Liedlein will ich heben an
Es chunt en junge Murergseil .
Es gönd drei Bueben uf Dammerselle
Es hat ein König ein Töchterlein .
Es het e Bur es Töchterli
Es isch kei sölio;e Stamme
Es isch vor der Hütte
Es kam der Tod wo! über den Rhein
Es kamen zwei Böteli von Willisau
Es ritt ein Reuter den Berg hinauf
Es ritt ein Rüter durch das Ried
Es sind drei arm Seele
Es si nes Mal zwo Gspile g'sin
Es tuot das Anneli tVüo ufsto .
Es war ein heilige Turtilla
Es war ein Sterbet über em Rhi
Es wend zweu Liebi z'same
Es will e Frau uf Bade go
Es wolJt ein Hirt i'n Wald ustribe
Es wollt ein Jägerli jage .
Es wott e Frau i's Wirtshus ga
Es ziehed drei Grafen über Feld
Frisch auf und lustig dran
Frisch auf wol in das Feld
Get Acht, i will ech öppis zelle
Guggu, wo bist über Winter g'si?
Heida! die liebe Maiezit .
Helle Sonnen, helle Strahlen .
Herzhüseli, wie bist nur volle Freud !
Hilf mir, Gott, letzt muß ich scheiden
Ich armes Häsli im wite Feld .
Ich kann und mag nicht fröhlich sein
Ich lag in einer Nacht und schlief .
Ich will singen, ich weiß wohl was
I gang emol de Berg uf .
I hä mim Schatz en Maie g'macht .
I han es Hämpfeli Haber g'streut
I loß si s^rüeße .....
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I wäß e Schwobetöchterli
I wönde nüd a ....
Im Aergäu sind zweu Liebi
Im Sommer sind d' Tage lang
In de Bergele tuet's schneie
In Mitten der Xacht ....
Jetzund ist der B'schluß gemacht
Kommet, ihr Fürsten und Heiden
Lazarus und seine Schwestern .
Man geiget der Braut zur Kirchenthür ein
Mareie wott 2:0 wandle .
Mareili, liebs Mareili mi .
Marianneli, bist dinne ?
Meine Mutter hat gesagt .
Mis Büöli geit über Sapüner Steg .
Morgens wenn die Vögeli singe
Nachtigall, ich hör dich singe .
Nun mein Leichnam geht zum Grabe
O Mensch, steh ab von deiner Sund !
O Tannebaum ! ....
Regine gieng i'n Garte
Reich und Arm soll frölich sein
Roni Sattel hat gewibet .
Rot sind alli mini Chleideli
Sant Katri reist über ein wite Held
Schönster Obedstern
Seht an die zwei Herzen .
's isch eben e Mönsch uf Erde
's isch keis verdrießlichers Lebe
's spaziere drei Soldaten .
Stets i Trure mueß i lebe
Straßburg mueß ich lassen
's will eine Jungfrau reise
Tannhäuser war ein junges Blut
Und daß der Wald so finster ist
Und jetzt fängt das Frücjahr an
Und wenn die finstre Nacht thut kommen
Vo Luzern uf" Wäggis zue
Was Besseres kann uns erfreuen?
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Was hei die Chnabe vo Chappel g'macht
Was wei wir wetten von eben an ?
Weiß mir e Herr, hed sibe Sün
Wenn die Bure z' Acher fahren
Wenn ig in das Chucheli go .
Wie mache's denn die Becke?
Wie-n-i a'g'fange ha huse
Wo kommt denn au der Ehstand her?
Wo-n-i chume vor 's Schätzeiis Hus
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Kleinere Stüeke.
on Scheiben am Fastnachtfeuer
Gebete
Alpsegen .
Nachtwächterrufe
Rufe beim Werfen v
Zaubersprüche .
Parodien .
Reimsprüche
Storchlieder
Fastnachtbettellieder
Wurstbettellieder
Das Kinderlied von den drei Jungfrauen
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