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SITZUNGSBERICHTE
DER
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN
el CLASSE
DER KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
SECHZEHNTER BAND.
Jaurcang 1855. Herr I on Il.
(Wit 30 Tafeln.)
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WIEN.
AUS DER K. K. HOF- UND STAATSDRUCKEREI.
IN COMMISSION BEI W. BRAUMÜLLER, BUCHHÄNDLER DES K. K. HOFES UND DER
K. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN:
1855.
SITZUNGSBERICHTE
DER KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.
SECHZEHNTER BAND.
WIEN.
AUS DER K. K. HOF- UND STAATSDRUCKEREI.
IN COMMISSION BEI W. BRAUMÜLLER, BUCHHÄNDLER DES K. K. HOFES UND DER
K. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
1855.
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INHALT.
Seite
—_—_—_
Sitzung vom 12. April 1855.
Rochleder, Über das Trocknen der zu analysirenden Substanzen . 3
Sandberger, Über Anoplotheca, eine neue Brachiopoden-Gattung.(Mit 1 Tafel, ) 3
Fialkowski, Construction des Kreises und der Ellipse. (Mit 12 Tafeln.) ah
Haidinger, Die konische Refraction am Diopsid, nebst Bemerkungen über
einige Erscheinungen der konischen Refraetion am Aragon 113
— Die Lichtabsorption des Cadmacetits, der Krystalle des essigsauren
Cadmiumoxydes 131
Sitzung vom 19. April 1855.
Zantedeschi, Della interferenza luminosa, che presenta il filo metallico
comune a’ due eircuiti chiusi, e dello stato d’ incandescenza delle
parti del eireuito, che non sono comuni ad ambedue; con alcune
osservazioni sulla natura dell’ elettrico, calorico e luce e della loro
reciproca dipendenza 140
Sitzung vom 26. April 1855.
Reuss , Paläontologische Miscellen er. 144
Haidinger, Die Krystalle des essigsauren Manganoxyduls 145
Kenngott, Mineralogische Notizen, betreffend die bekannten Spaeies- Kar-
stenit, Dolomit, Millerit, Turmalin, Galaktit, Wasser, Plagionit,
Diopsid, Zinkit, Caleit und Felsöbänyt, sowie zwei neue: den Enstatit
im Geschlechte der Augit-Spathe und den Pseudophit im Geschlechte
der Serpentin-Steatite. (Siebzehnte Folge.) . 2 Hin
Sedlaczek, Der Copir-Zirkel, eine einfache Einrichtung des Pantographen 180
Hauer, Über die Cephalopoden aus dem Lias der nordöstlichen Alpen 183
Stellwag v. Carion, Die Accommodationsfehler des Auges. n 2 az A
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften - . 282
Tabellarische Übersicht der Witterung in Österreich im März 1855.
(Mit 2 Tafeln.)
Sitzung vom 10. Mai 1855.
Fitzinger, Bericht über Herrn Vincenz Maria Gredler’s Mollusken-Fauna
TORE ee N ie RE TREE AAN 287
Hlasiwetz, Über die Zusammensetzung des Ursons . . x... 295
Fritsch, Resultate der im Jahre 1854 in Wien und an einigen anderen
Orten des österreichischen Kaiserstaates angestellten Vegetations-
heohachiungen, ©. Ya. rel narsasıe Veen e 2947
VI
Seite
nn
Türck, Beobachtungen über das Leitungsvermögen des menschlichen Rücken-
markes. (Mit Irmarel) v2. - ee
Peters, Die Nerineen des oberen Jura in Öster N (Mit A Tafeln.) ee
Zepharovich, Jaulingit, ein neues fossiles Harz aus der Jauling nächst St. Veit
a..d. Triesting in Nieder-Österreich . . .. . . „zes
Wedl, Helminthologische Notizen. (Mit 3 Tafeln.) . . . 2... ae
— Zur Ovologie und Embryologie der Helminthen. (Mit 2 Tafeln. B. . 3957
Sitzung vom 18. Mai 1855.
Hauer, Über neue Verbindungen des Chlorcadmiums mit basischen Chlor-
metallen . . . 5 BIREREES NE < u a 0 ON
Pick, Über die Sicherheit mn omieirfecher Höhenmessiissn (wit 1 Tafel.) . 415
Schönbichler, Die Complanation des schiefen Kegels durch Vermittelung
der Integrale [de sin’ py(1—ksin”’g)” und de cos" po (1—k
cos? 9)” und Auflösung dieser Integrale in trigonometrische, durch
einen stäten logarithmischen Caleul berechenbare Faetoren . . . 7
Stur, Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Dilu-
vium und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und
ihrer, Umgebung... .s..0. 0 uch en
Oeltzen, Eigene Bewegungen von Fixsternen, abgeleitet aus der Ver-
gleichung der Histoire celeste mit den Ar gelander’schen nörd-
lichen Zonen . . ... Segen 1 2 er
Verzeichniss der eingegangenen Peuckscheten En a
Tabellarische Übersicht der Witterung in Österreich im April 1855.
(Mit 2 Tafeln.)
SITZUNGSBERICHTE
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
- MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.
XVI. BAND. I. HEFT.
JAHRGANG 1855. — APRIL.
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SITZUNG VOM 12. APRIL 1855.
Eingesendete Abhandlungen.
Über das Trocknen der zu analysirenden Substanzen.
Von dem w. M. Dr. Friedrich Rochleder.
Ich habe vor einiger Zeit der kaiserl. Akademie eine Untersuchung
über Saponin und Äseulin vorgelegt, die ich mit HerrnDr. Schwarz
in Gemeinschaft ausgeführt habe. Beide Substanzen wurden in der
Zwischenzeit von anderen Chemikern untersucht, das Saponin von
Overbeck und von Bolley, das Äseulin von Zwenger. Sowohl
OverbeckalsBolley erhielten bei der Analyse des Saponin andere
Zahlen als ich und Dr. Schwarz. Die Analyse des gelatinösen
Körpers, der durch Einwirkung von Säuren in der Wärme aus
Saponin neben Zucker entsteht, gab Bolley ebenfalls andere Resul-
tate als wir erhalten hatten, dagegen fand Overbeck für diesen
Körper dieselbe procentische Zusammensetzung wie wir. Ich setze
der Übersicht halber die Zusammenstellung der verschiedenen Ana-
lysen neben einander, wie sie Bolley selbst gegeben hat.
Saponin aus Gypsophila Struthium.
Aus Senega.
Overbeck,. Bolley. Bussy. F.Rochl. u. Schwarz. Bolley.
46341 — 855 — 510 — 54 — 32:96
H 751 0 — 67 — TA — 12 — 6:10
Ben — 16 — A049 — 20-94
Spaltungsproduct des Saponin,
Aus Rosskastanien. Senega. Gypsophila. F, Rochl.u.Schwarz.
Fremy, Bolley. Bolley. Overbeck. bei 120°,
726° —.. 59:20 —- 60% — 6330 —. 6935
re 770 — 760° — 576 — 8:57
03439 — 3310 — 3233. — 279 — 23-08
1
A Rochleder.Über das Trocknen der zu analysirenden Substanzen.
Bolley macht in seiner Abhandlung darauf aufmerksam, dass
die Differenzen nicht auf das Austreten von mehr oder weniger
Wasser zurückführbar sind. Bei Gelegenheit einer Untersuchung über
die Rosskastanien, die bald vollendet sein wird, hatte ich es abermals
mit einem Stoff zu thun, der Saponin genannt wird. Ich suchte den
Grund der Differenzen bei dieser Gelegenheit zu ermitteln, und glaube,
dass es nicht überflüssig ist, darüber ein paar Worte zu sprechen.
Die Quelle der Differenzen ist das Trocknen der Substanzen. Nicht
nur das Saponin, sondern viele andere Körper verändern bei dem Trock-
nen ihre Zusammensetzung, ohne dabei eine sichtbare Veränderung zu
erleiden. Ich habe mehrere Stoffe, die früher analysirt wurden, in dieser
Beziehung untersucht und bei denselben bei einem geänderten Verfah-
ren des Trocknens, eine andere Zusammensetzung als früher gefunden.
Ich beschreibe hier kurz den Apparat, dessen ich mich gegen-
wärtig zum Trocknen bediene, weil er leicht zu construiren ist, wenig
kostet und es möglich macht eine Substanz innerhalb einer Stunde
vollkommen zu trocknen.
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Der Hahn H wird bei a auf die Luftpumpe geschraubt, bei 5 ist
der Apparat mit einem Gefässe, das mit Kohlensäure gefüllt ist, durch
ein Rohr von vuleanisirtem Kautschuk verbunden. Als Gefäss dient am
besten ein Sack von Kautschuk. Bei B ist ein Ölbad, dessen Temperatur
durch ein Thermometer ersichtlich ist, in dem Bade befindet sich ein
Gefäss von starkem Glas mit weiter Mündung S welches dazu dient
die zu troeknende Substanz in einem Glasrohr hineinzubringen. Durch
Pumpen, während derHahn 4 geöffnet ist, wird in S die Luft verdünnt,
durch Öffnen des Hahnes H’ nachdem H geschlössen wurde, füllt sich
der Apparat mit Kohlensäure. Durch wiederholtes Auspumpen in dieser
Weise wird der Apparat gänzlich mit Kohlensäure gefüllt. Man schliesst
darauf den Hahn 4’ und pumpt aus. Hierauf erhitzt man das Ölbad auf
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Sandberger. Über Anoplotheca, eine neue Brachiopoden-Gattung. 5
den beliebigen Temperatursgrad, während von Zeit zu Zeit durch den
Hahn 7’ Kohlensäure zugelassen wird, die in dem Chlorcaleiumrohr C’
getrocknet wird, worauf der Hahn 7 geschlossen, der Hahn H geöffnet
und die Kohlensäure ausgepumpt wird, die ihre aufgenommene Feuch-
tigkeit in dem Chlorealeiumrohr € abgibt.
Im luftleeren Raume erhitzt, geben die Substanzen schnell Wasser
ab, das durch die trockene Kohlensäure weggeführt wird. Eine Oxyda-
tion ist dabei unmöglich, das Trocknen ist in kurzer Zeit vollendet.
Ich führe hier die Analyse des reinen Äseulin an, das auf diese
Weise getrocknet, von Herrn Kawalier in meinem Laboratorium
analysirt wurde.
0:2687 Äseulin geben 0.5135 ee 0:1209 Wasser, oder in 100 Theilen:
H 499
210% 42-90
100-00 |
Diese Zusammensetzung habe ich und Dr. Schwarz gefunden,
die Analysen vonZwenger sind daher nicht weiter zu berücksich-
tigen. Die Formel, welche ich für das Äseulin und Äseuletin aufgestellt
habe, werden durch die Zusammensetzung eines Körpers bestätigt,
welcher entsteht, wenn Äseulin mit Barytwasser gekocht wird, so wie
durch die Zusammensetzung der prachtvollen Farbestoffe, die aus dem
Äseuletin erzeugt werden können und in einer bestimmten Beziehung
zum Orcein stehen. Alle diese Producete lassen sich mit der Formel
des Äsculin von Zwenger nicht in Einklang bringen.
Über Anoplotheca, eine neue Brachiopoden - Gattung.
Von Dr. Fridolin Sandberger, .
Professor der Mineralogie und Geologie am grossh. Polytechnieum zu Karlsruhe ete.
| (Mit I Tafel.)
Die genauere Untersuchung der paläozoischen Schichten und
Versteinerungen des Herzogthums Nassau, welche von meinem Bru-
der, Dr.G. Sandberger in Wiesbaden und mir während einer Reihe
von Jahren durchgeführt wurde, führte zu mancherlei neuen und
unerwarteten Thatsachen, von denen ein Theil dem wissenschaft-
liehen Publicum in dem von uns veröffentlichten Werke: „Die Ver-
steinerungen des rheinischen Schichtensystems“, 1.— 8. Lieferung
mit XLI Tafeln, Wiesbaden 1850—55, bereits vorgelegt wurde.
Während die Bearbeitung der Crustaceen, Annulaten, Cephalopoden,
6 Sandberger.
Gasteropoden, Pteropoden und Pelekypoden bereits geschlossen und
meist veröffentlicht ist, konnte die der Brachiopoden, Radiaten,
Polyparien, Bryozoen, Amorphozoen und Pflanzen nicht gleichzeitig
mit dem Erscheinen der sie enthaltenden Tafeln beendigt werden
und wird erst in der Schlusslieferung mitgetheilt werden, die gegen
Sommer erscheinen soll.
Indessen fand sich trotz der im Ganzen nicht sehr bedeutenden
Zahl von Brachiopoden, welche nach den von uns befolgten Prinei-
pien als gute Arten veröffentlicht werden konnten, manches Detail,
welches die schönen Arbeiten, die in der neuesten Zeit von King,
Davidson, E. Suess, Deslongehamps u. A. über diese Classe
gemacht wurden, ergänzen konnte, und selbst eine neue Gattung,
welche ich im Folgenden näher zu beschreiben gedenke. Sie gehört
der tiefsten Abtheilung des rheinischen Systems an, dem Spiriferen-
sandstein, und wurde von Schnur in der Eifel, von uns im nörd-
lichen Nassau bei Haigerseelbach unweit Dillenburg, dann bei Lahn-
stein und an verschiedenen anderen Orten der Gegend von Coblenz
aufgefunden. Ihre äussere Form, welche der Terebratula lepida
Goldf. ungemein gleicht, liess eine Spiriferiden-Gattung vermuthen,
indessen sind die inneren Charaktere, die allein entscheidenden, gänz-
lich von denen der Spiriferiden verschieden. Die wesentlichen Eigen-
schaften habe ich in der folgenden Definition zusammengefasst:
Testa ovata, convexo-concava, imperforata, area et deltidio
carens. Margo cardinalis areuatus, margines interni inerassati. In
valva ventrali majore, convexa, dentibus satis erassis armata, septum
parvulum medianum, inferne fissum, usque ad mediam partem lineae
dimidiantis non produetum, conspieuum. Impressiones musculorum
cardinalium satis latae ad latera septi, impressio minor ovalis addueto-
ris ad finem inferum ejusdem sitae. Rami duo impressionum vascula-
rium primi ordinis in utroque fine supero museulorum eardinalium
ineipientes angulo obliquo ad marginem profieiseuntur, quem bifidi
attingent, ramis trifidis lateralibus centrum versus emissis. Valva
dorsalis paullo concava. Processus cardinalis bipartitus, parvulus
inter laminas, foveis dentes exeipienlibus excavatas, intermedius. Sub
his ad utrumque latus septi latioris mediani impressio ovalis ampla,
bipartita museulorum adduetorum obvia, e qua rami impressionum
vascularium, quorum alter in fine supero, alter in fine infero impressio-
nis utraeque adductoris oritur, angulo obliquo ad marginem pro-
Über Anoplotheea, eine neue Brachiopoden-Gattung. T
fieiseuntur. Impressio parvula, rotundata, satis concava ignotae originis
praeterea sub processu cardinali ad finem superum septi mediani exstat.
Schale von eiförmigem Umrisse, convex-concav, ohne Stiel-
öffnung, Schlossfeld und Deltidium. Der Schlossrand ist gekrümmt,
die inneren Ränder etwas aufgeworfen, von Eindrücken der Börstchen
des Mantels radial gefurcht. Die Bauchklappe ist die grössere. In
ihr liegen am Schlossrande zwei kräftige Zähne, auf der Mitte zieht
sich vom Buckel bis zur Hälfte der Länge der Klappe eine schmale
Wandplatte herab, welche am unteren Ende gespalten ist. Zu beiden
Seiten derselben bemerkt man die Eindrücke der Schlossmuskeln, am
unteren Ende den kleinen eiförmigen des Schliessmuskels. Am oberen
Ende der Schlossmuskeln entspringt jederseits ein Hauptast der
Gefäss- Eindrücke, welcher in schiefer Richtung nach dem Rande
verläuft, ehe er diesen erreicht aber einen dreispaltigen seitlichen
Ast nach der Mitte zu absendet und sich selbst spaltet. Die Rücken-
klappe ist nicht bedeutend vertieft. Ihr kleiner Schlossfortsatz ist
gespalten, jederseits begrenzt ihn eine kräftige Lamelle, in welcher
die tief ausgehöhlten Zahngruben liegen. Unter diesen sieht man auf
jeder Seite einer diekeren auf der Mitte herabziehenden Wandplatte
einen breiten ovalen, durch eine schwache, schief stehende Leiste
getheilten Schliessmuskel-Eindruck, an dessen oberem und unterem
Rande je ein in schiefer Richtung gegen den Rand laufender Haupt-
ast von Gefäss-Eindrücken entspringt. Ein kleiner, runder, tiefer
Eindruck unter dem Schlossfortsatz am oberen Ende der Wandplatte
ist zur Zeit noch unerklärt.
Durch den Mangel einer Stielöffnung, der Area und des Deltidiums,
ihr artieulirtes Schloss und die Verästelung der Gefäss -Eindrücke
erscheint Anoplotheca zunächst der Gattung Koninckina E. Suess
(Davidson, Introduction Pl. VII, Fig. 194—198; Woodward, Manual of
the Mollusca, II, p.231) aus den oberen Triasschichten von St. Cassian
verwandt, über deren Museulatur zur Zeit nichts Näheres bekannt ist.
Von Productus und den ihm zunächst verwandten Gattungen ist Ano-
plotheca schon durch das gänzliche Fehlen der Stacheln verschieden;
auch die Lage und Gestalt der Muskel-Eindrücke, ‚welche bei den
Produetiden mit Ausnahme von Chonetes verästelt erscheinen, ist bei
Anoplotheca wesentlich anders. Vor der Hand wird die neue Gattung
am besten mit Koninckina zusammengestellt werden, bis etwa neue
_ Entdeckungen ihre Stellung definitiv entscheiden.
8. Sandberger. Über Anoplotheca, eine neue Brachiopoden-Gattung.
Die einzige Art ist Anoplotheca lamellosa, deren Beschreibung
ich ebenfalls beifüge.
Anoplotheca lamellosa Sandb.
Terebratula venusta Schnur in Palaeontographiea; Bd. III, S. 180, Taf. XXIV,
Fig. 3. — Produetus lamellosus Sandb. Atlas zum Rhein. Schiehtensystem.
Taf. XXXIV, Fig. 18 bis 18 d.
Schale von eiförmigem oder quereiförmigem Umrisse, mit brei-
ten, blätterigen, eoncentrischen Anwachsrippen geziert. Die ziemlich
convexe Bauchklappe zeigt einen nicht sehr tiefen Sinus, auf dessen
Seiten sechs Längsfalten hervortreten, welche bei ausgewachsenen
Exemplaren über der Mitte verschwinden. Die nicht sehr stark ver-
tiefte Rückenklappe ist in derselben Weise längsgefaltet wie die
Bauchklappe.
Anoplotheca lamellosa kommt an den oben angeführten Locali-
täten stets gesellig vor.
Bei der grossen Zahl paläozoischer Brachiopoden, deren innere
Charaktere gegenwärtig noch ganz unbekannt sind, hat auch die
gegenwärtige kleine Mittheilung vielleicht ein gewisses Interesse,
indem sie für eine zur Zeit nur in der Triasgruppe bekannte Familie
einen Repräsentanten in so alten Schichten nachweist.
Erklärung der Abbildungen.
Fig. 1. Bauchklappe eines jüngeren Exemplars. Laubachthal bei Coblenz.
»„ 2. Abdruck der Rückenklappe der schmaleren Form. Haigerhütte bei
Dillenburg. |
-» 3. Abdruck der Rückenklappe der breiteren Form. Laubachthal.
Inneres der Bauchklappe mit den Zähnen d. ”
Kern derselben mit den Eindrücken der Zähne d, der Schlossmuskeln
ce und der Schliessmuskeln «. Laubachthal.
Kern derselben Klappe mit den Eindrücken der Gefässe v.
» 7. Inneres der Rückenklappe; j Schlossfortsatz, f Zahngruben, s Septum,
a Schliessmuskel-Eindrücke, x Eindruck unbekannten Ursprungs. Hai-
gerseelbach bei Dillenburg.
» 8. Rückenklappe; @ Schliessmuskel-Eindrücke, v Gefäss-Eindrücke. Lau-
bachthal bei Coblenz.
» 9. Rückenklappe mit den randlichen Eindrücken horniger in den Mantel
eingesenkter Börstchen,
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Fialkowski. Construction des Kreises und der Ellipse. N)
Vorträge.
Construction des Kreises_ und der Ellipse.
Von Nicolaus Fialkowski,
Architecten und Lehrer der Geometrie und Baukunst an der Communal- Unterrealschule in Gumpendorf
(Mit XII Tafeln.)
(Vorgelegt in der Sitzung vom 21. Juli 1853.)
- Allgemeines Verfahren mittelst zweier Geraden jeden beliebigen Punkt
einer Kreislinie zu bestimmen, welche einem gegebenen Quadrate ein-
geschrieben wird.
Side
Construetion,
Es sei (Fig. 1) ABCD das gegebene Quadrat, in welchem eine
Kreislinie eingeschrieben werden soll. Man halbire jede der vier
Seiten dieses Quadrates, ziehe in diesem die beiden Halbirungslinien
EF und GH, so ist bekanntlich M als Mittelpunkt der einzuschreiben-
den Kreislinie; ferner sind EM = FM = GM = HM als Halbmesser,
und daA@ = B@ = BF = CF.... gemacht wurde, die Punkte
E, F, G, Hals Punkte dieser Kreislinie, und zwar als gegeben zu
_ betrachten.
Wird nun die Seite BC über ihren Endpunkt B, und der Durch-
messer EF über F hinaus verlängert, auf den zwei so erhaltenen
Linien vom Punkte F aus gleich lange Stücke abgeschnitten, also
FI = FK gemacht, ferner der Punkt / mit H und @ mit K durch
Gerade verbunden, so ist der Durchschnittspunkt dieser zwei Geraden,
d. i. der Punkt N ein Punkt derjenigen Kreislinie, welche dem gege-
benen Quadrate ABCD eingeschrieben werden soll.
Wie man aus der Construction sieht, wird es sich hier darum
handeln, zu beweisen, ob der Winkel @NH, welchen wir der Kürze
wegen mit x bezeichnen wollen, ein rechter ist; weil die zwei Eck-
punkte G und H des Dreieckes @NH ohnehin Punkte des Kreises sind.
10 Fialkowski.
Beweis.
Betrachtet man zuerst die zwei Dreiecke CHJ und GKM, so
findet man CJ = MK
CH — MG nach der Construction,
und der Winkel p= 19 als Rechte;
folglich ist das A HCJ » MGK,
daher der-<[ aß,
und der X ya
Da aber GH || CJ ist,
so ist der <L a=a;
es ist aber aß
daher en
Da nun B+y+p=2Eıwmdp=B ist,
so folgt B+y=R
aber ee
also auch a+y=R
und da ©-+a+Yy = 2R, so folgt, wenn man diese
zwei letzten Gleichungen von einander abzieht
Pr — Ihn:
Da nun die Punkte @ und 4 Halbirungspunkte der zwei gegen-
überliegenden Seiten des Quadrates ABCD, in welchem der Kreis
eingeschrieben werden soll, mithin Punkte dieses Kreises sind, und
der Winkel z£ = R bewiesen wurde, so muss der Punkt N ein Punkt
des Kreises sein, w. z. b. w.
Diese Construction ist ganz allgemein giltig, weil wir, um den
Punkt N der Kreislinie zu erhalten, den Hilfspunkt J beliebig ange-
nommen und so den Beweis geführt haben. Was also von diesem
Punkte gilt, das lässt sich auch von jedem andern Punkte erweisen.
Ganz auf dieselbe Art ist in derselben Figur auch der Punkt N’
construirt worden, wobei aber nur der Durchmesser über dessen
Endpunkt E hinaus verlängert wurde; es ist daher gleichgiltig, ob
man den Hilfspunkt J auf der Seite oder auf deren Verlängerung
annimmt.
8.2.
Aus der näheren Betrachtung der Fig. 2 folgt sofort, dass man
für jeden einzelnen Quadranten von dem einen oder dem andern End-
punkte desselben angefangen, solche Construction der Punkte ins
Unendliche fortsetzen kann, und dass, je weiter man sie fortsetzt,
Construction des Kreises und der Ellipse. 11
desto näher und näher die so bestimmten Punkte der Kreislinie an
einander fallen, so zwar, dass die BC und EF ins Unendliche ver-
längert werden müssten, wenn man nach dieser Construction den
Punkt @, d. i. den Halbirungspunkt der Seite AB erhalten wollte.
S.E
Bestimmung der correspondirenden Punkte.
Hat man auf die angegebene Weise für den einen oder den andern
Quadranten mehrere Punkte construirt, so wie in Fig. 2 für den
Quadranten F@ die Punkte N, N’, N", N",N"'.... und wollte man
in dem zweiten Quadranten die diesen Punkten gegenüber liegenden
Punkte auffinden, so werden die in der Halbirungslinie und ihrer Ver-
längerung, d. i. in der Axe bereits aufgefundenen Punkte benützt,
wozu man also die Seite BC nach abwärts nicht zu verlängern
braucht. |
Ist z.B. der Punkt S (Fig. 2) mittelst der Geraden HP und GL
aufgefunden worden, und will man den diesem Punkte correspon-
direnden Punkt bestimmen, so benützt man die zwei in dem Durch-
messer und dessen Verlängerung liegenden Punkte Z und m, indem
man Z mit H verbindet und aus @ durch m eine Gerade führt, bis die
HL iin T geschnitten wird, wodurch man auch das Stück EQ = EP
erhält.
| Dass man die correspondirenden Punkte auchmittelst der parallel
gezogenen Sehnen erhalten kann, ist ohnehin bekannt, allein dies
ist nur bei der Kreislinie immer der Fall; bei der Ellipse aber
als dem Bilde der Kreislinie, und besonders in der Perspective ist
es nicht immer möglich, mittelst der parallelen Sehnen die corre-
spondirenden Punkte zu bestimmen, wesshalb jedesmal für die eine
Hälfte der Ellipse die nothwendigsten Punkte eonstruirt werden
müssen, wozu sich das in Fig. 2 bei der Bestimmung der Punkte $
und T angegebene Verfahren besonders eignet.
S.A4.
Eine sehr nützliche Anwendung von der in den zwei vorher-
gehenden $$. angegebenen Construction wird man bei der Construc-
tion der Ellipse machen können; wir wollen aber zuerst untersuchen,
_ wie die vorzüglichsten Punkte des Kreises und dann die der Ellipse
gefunden werden.
Betrachten wir zu diesem Behufe Fig. 3, wo in dem gegebenen
Quadrate ABCD der Kreis EGFH eingeschrieben ist. Zieht man in
12 Fialkowski.
diesem Quadrate die beiden Diagonalen, so werden sie den Kreis in
vier Punkten schneiden. Diese vier Punkte des Kreises wollen wir,
beziehungsweise des dem Kreise umschriebenen Quadrates, weil sie
zugleich in den Diagonalen liegen, Diagonalpunkte nennen; jene aber,
welche zugleich in den Seiten des Quadrates sind, wollen wir mit
dem Namen Seitenpunkte bezeichnen, um uns später desto leichter
ausdrücken zu können.
Da nun einem Kreise unzählig viele Quadrate umschrieben
werden können, so folgt daraus, dass es auch unzählig viele solche
Diagonal- und Seitenpunkte geben kann.
Die angeführten acht Punkte sind bei der Construction der
Ellipse die vorzüglichsten; sie können am leichtesten und am
schnellsten aufgefunden werden, und sind in den meisten Fällen zur
Construction dieser Curve für einen geübten Zeichner hinreichend.
8.5. |
Bekanntlich können die Seitenpunkte der Ellipse beim per-
speetivischen Quadrate als gegeben betrachtet werden; es handelt
sich daher in der Perspective bei den gewöhnlichen Zeichnungen
meistens nur darum, wie die Diagonalpunkte auf die einfachste Art
zu bestimmen sind. Hat man nun auch diese aufgefunden, so sind
dann zur Construction dieser Curve im Ganzen acht Punkte, mittelst
welchen sie sich in besagten Fällen sehr leicht ausführen lässt.
Wendet man beim perspectivischen Zeichnen den Grundriss an, so
lassen sich die Diagonalpunkte sehr leicht bestimmen; dies ist aber
nicht so leicht der Fall, ohne Benützung des Grundrisses, wenn in
einem auf eine andere Art bereits gezeichneten perspectivischen
Quadrate eine Ellipse eingezeichnet werden soll.
Solche Punkte aufzufinden, haben sich schon die ersten Per-
spectiv-Zeichner bemüht, und man hat bei gewöhnlichen Zeichnungen
vor allen andern noch bis heut zu Tage diejenige Methode am meisten
in Anwendung gebracht, wo die Seite des dem Kreise umschriebenen
Quadrates in sieben gleiche Theile getheilt wird ; allein diese Methode
ist nur für Zeichnungen von kleinem Massstabe anwendbar, indem
sie nur annäherungsweise ist. Man begeht nach diesem Verfahren
bei Ellipsen von kleineren Durchmessern auch geringe Fehler; je
grösser aber die Ellipse gezeichnet werden soll, desto grösser wird
auch der Fehler sein, so zwar, dass bei einer Ellipse, deren grosse
Axe etwa 6 — 10 Zoll beträgt, diese Methode gar nicht ange-
s
n:
ER.
{
Construction des Kreises und der Ellipse. 13
wendet werden kann, indem der Fehler handgreiflich gross wird.
Des Zusammenhanges wegen wollen wir diese Methode näher unter-
suchen. Theilen wir die Seite AB (Fig. 3) des gegebenen Quadrates
ABCD in sieben gleiche Theile, so dass BJ = 1/, AB wird, so hat
man, da B@= '/, AB ist, BJ=®/, BG und GJ = 5/, BG; dasselbe
gilt auch in Bezug auf die Seite BC. Es ist daher @J = OL und
KL MO nach der Construction. Sollte nun der Punkt X, welcher
in der Diagonale liegt, zugleich auch in der Peripherie des Kreises
sein, so muss:
OL:+ KL? = OR:
sein; danun OL—KL - 5/, ist, wenn OK —=1 gesetzt wird, so ist,
wenn man diese Werthe in die obige Gleichung substituirt:
Zu ea Eee ie
49 49
50 i B
also müsste em 1 sein, was absurd ist.
Man sieht also, dass der Punkt X nicht in, sondern ausserhalb
der Peripherie in der Diagonale liegt, weil das Resultat um !/;,
grösser ist, als es sein sollte. Es ist daher der Fehler, den man
nach dieser Construction begeht 1/,, Zoll, Schuh u. s. w., je nach-
dem man zum Halbmesser des Kreises einen Zoll, Schuh u. s. w.
annimmt.
Wie lang sollte nun ie Stück OL—=KL sein, um den Durch-
- schnittspunkt in der Peripherie und zugleich in der Diagonale zu
erhalten? Dies lässt sich trigonometrisch sehr leicht finden; denn
da OK —1, der Winkel KOL = 45° ist, so hat man:
KL = OK sin 45°
KL = 1x<sin 45° = sin 45°,
daher log KL = log sin 45°
und log sin 45° = 9-8494850 — 10,
daher log KL = 0:8494850 — 1= log 0:7071068,
also ist KL = OL = 07071068.
Liesse sich nun das Stück XL = OL durch eine bequeme Zahl
ausdrücken, so könnte man daraus auch eine einfache und richtige
Construction ableiten, allein dies ist nicht der Fall; denn wird der so
14 Fialkowski.
gefundene Decimalbruch 07071068 in einen gemeinen, dieser in
einen Kettenbruch verwandelt, und werden sodann von diesem die
Näherungsbrüche gesucht, so hat man:
ee 7071068 1767767 1
- 40000000 2500000 1 ia 1
wovon
die ersten brauchbaren Näherungsbrüche sind. Die Nenner dieser
Brüche zeigen jedesmal an, in wie viel gleiche Theile die halbe
Seite oder der Radius getheilt werden soll, und die Zähler, wie viel
man solche Theile für die Abseisse und Ordinate zu nehmen hat.
Wird nun die halbe Seite oder der Radius in drei gleiche Theile
2
getheilt, und AL=0L= z genommen, so ist der Fehler, da
2 1
a + (z) =! sein sollte, zu gross, d.i. ge also erfolgt der
Durchschnittspunkt innerhalb der Peripherie in der Diagonale. Nimmt
5 i 5 5 :
man KL=0OL= —an, so ist, da (-)+ (-)-1 sein sollte,
FE 7 7 |
der Fehler — an: also ebenfalls noch zu gross, und der Durch-
schnittspunkt erfolgt in der Diagonale, jedoch ausserhalb der
12
Peripherie. Wird fernee = 0L= 7 gesetzt, so hat man
as u ee
Dead
144 + 144 288 .
und da az
| 289
ferner 1 — 289 gesetzt werden kann, so
folgt, wenn man diese zwei Brüche von einander abzieht
289 — 288 ER
239 289°
also ist der Fehler - bedeutend kleiner; noch kleiner wird der
29
Fehler, wenn man ÄL=0L= u setzt.
Man kann also mittelst der so aufgefundenen Werthe durch
Näherungsbrüche dem wahren Werthe so nahe kommen als man
I
Construction des Kreises und der Ellipse. 15
will. Die Construction der Ellipse für die zwei letzten Fälle ist auf
Taf. I in Fig. 3° und Fig. 3 dargestellt.
Wird nur die erste Decimalstelle des gefundenen Decimal-
bruches 0:7071068 genommen, und ÄL=0L= n gesetzt, so muss
die halbe Seite in 10 gleiche Theile getheilt, und durch den siebenten
Theilungspunkt eine Parallele gezogen werden, um den Diagonal-
punkt des Kreises zu erhalten; in welchem Falle man den Fehler
gleich = begeht, also beinahe so gross als in dem Falle, wenn
KL= . gesetzt wird. Die Construction der Ellipse für den Fall,
wenn die Seite in zehn gleiche Theile getheilt wird, ist auf Taf. 1,
Fig. 37.
Man sieht also daraus, dass es nicht möglich ist mittelst
einer ähnlichen Eintheilung die Diagonalpunkte mathematisch richtig
aufzufinden. Gäbe es nun auch eine Eintheilung dieser Art, vermittelst
welcher die Construction der Diagonalpunkte des Kreises und folglich
auch der Ellipse mathematisch richtig ausführbar wäre, so würde es
doch für die Praxis von keinem besonderen Nutzen sein, indem jede
Eintheilung unbequem, den Fehlern unterworfen und zeitraubend
ist, und wie wir in der Folge sehen werden, mehr als jede von uns
angegebene Verfahrungsart Zeit in Anspruch nimmt.
8.6.
In den neueren Werken über die Perspective, vorzüglich in den
Werken von Thibault, Vergnauld u. m. a. findet man ausser der
bereits angeführten Methode, mehrere andere, nach welchem man
einzelne Punkte der Ellipse finden kann. Obschon einige derselben
mathematisch richtig sind, so kann man sie doch nieht die vorzüg-
lichsten nennen, weil man auch bei diesen die Eintheilung machen
muss.
In den neuesten Werken über die Perspective findet man ein
mathematisch richtiges Verfahren mittelst der Abseissen und Ordi-
naten; dieses ist allerdings sehr einfach, wenn mit der ganzen
Distanz gearbeitet wird. Es muss aber jedesmal, um in der Perspec-
_ tive schöne Bilder zu erzielen, die Entfernung des Beobachters von
der Tafel ziemlich gross angenommen werden, so dass der betref-
fende Distanzpunkt ausserhalb der Zeichenfläche fällt. In diesem
Falle muss mit der halben Distanz oder mit einem kleineren Theile
16 Fialkowski.
derselben, welcher noch auf der Zeichenfläche aufgetragen werden |
kann, gearbeitet werden. |
Wird in einem solchen Falle zur Construction der Ellipse das
Verfahren mittelst Abseissen und Ordinaten angewendet, so muss
jede der letzteren unvermeidlich in 2, 3 oder » gleiche Theile
getheilt, und in die Drehungsaxe umgelegt werden, was allerdings
ebenfalls zu umständlich und zeitraubend ist.
Wir werden nun in folgenden $$. sehen, auf welch einfache
Art, ohne Eintheilung und ohne Hilfskreis die Diagonalpunkte so wie
auch andere beliebige Punkte des Kreises und folglich auch der
Ellipse bestimmt werden.
Re;
Bestimmung der Diagonalpunkte bei einer Kreislinie.
Soll nach der im $. 1 angegebenen Construction der Diagonal-
punkt N (in Fig. 4) bestimmt werden, so entsteht die Frage, wie
lang muss die Seite .5C über B hinaus verlängert werden, um den
Punkt N der Kreislinie in der Diagonale zu erhalten?
Es muss die Verlängerung der Seite BC = V2—1 sein; zu
diesem Behufe muss folgender Satz bewiesen werden:
Wenn man die eine Halbirungslinie EF des Quadrates ABCD
über den Endpunkt F hinaus, und die Seite BC über B hinaus ver-
längert, diese Verlängerungen von F aus mit dem Radius gleich der
Neunziger-Sehne schneidet, ferner den so erhaltenen Punkt J mit Z
und X mit @ verbindet, so ist der Durchschnittspunkt dieser zwei
Geraden ein Diagonalpunkt des Kreises, d. h. er liegt in der Diago- f
nale, zugleich aber auch in der Peripherie desjenigen Kreises,
welcher dem Quadrate ABCD eingeschrieben wird. |
Beweis.
Wird N mit E, H und F, sodann E mit @, und H mit F ver-
‚nnden, n a . nn er u nach der Construction,
und MN = MN,
folglich ist das A EMN © AHMN,
daher der ep:
ebenso ist EG = FH
GN = FN ) nach der Construction,
und EN = HN |
folglich ist das A EGN & FHN,
Bo
4
e.
Construction des Kreises und der Ellipse. 17%
und daher der X WR;
da ferner FN=GN
FG = FK nach der Construc-
und der X =ıBFG = = | Ben
so ist a=-ß=-y=-4,
daher auch DER 0, 2
somit ist << HFN=KFN,
und da HF = KF nach der Construction”
und | FN=FN
ist, so folgt A HFN » KFN,
daher De 2:
es ist aber w = z nach dem Bewiesenen,
folglich ist Dr 3
da nun geer rat =,
und v=a+P
ist, so folgt y-ı = —
Wir haben somit w=2,V0=2,0=V,
R
»=-ya-ß-17-5,
Did e ;
und da w-c+y+z4+v= 2R R
und WE — a
so ist | c+y+?z-+42?2v = 2R,
also a@4+y+z+R =2R,
folglich a+y+2z=h,
oder der <[ ENF=R.
Da nun E und F Endpunkte des Durchmessers EF also Punkte
des Kreises sind, und der Winkel ENF ein rechter ist, so liegt der
Punkt N in der Peripherie des Kreises; er liegt aber zugleich in der
' Diagonale, folglich ist er ein Diagonalpunkt des Kreises, w. z. b. w.
Dasselbe gilt auch in Bezug auf das Dreieck @NH; denn:
da oo e-+-y+z=R
und w—%
ist, so hat man z+y+uw=hßh,
oder es ist der GNH = R,w.z.b.w.
Was nun von diesem Diagonalpunkte gilt, das lässt sich auch
von jedem der drei übrigen Punkte auf ähnliche Art erweisen.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVI. Bd. I. Hft. e 2
18 Fialkowski
Ist also in dem Quadrate ABCD die Diagonale BD gezogen, so
braucht man nur die Halbirungslinie oder den Durchmesser EF
dieses Quadrates zu verlängern, diese Verlängerung dann aus F
mit dem Radius gleich der diesem Kreise entsprechenden Neunziger-
Sehne FG in K zu schneiden, und den so erhaltenen Durehschnitts-
punkt X mit dem Halbirungspunkte @ der Seite AB zu verbinden,
wodurch man den Punkt N des Kreises in der Diagonale erhält. Den-
selben Punkt findet man aber auch dadurch, wenn man, wie Fig. 5,
Taf. II zeigt, die Verlängerung der Seite BC ebenfalls mit dem-
selben Radius in J schneidet, und den so erhaltenen Punkt mit dem
Halbirungspunkte der Seite CD verbindet.
Um den correspondirenden Punkt für N" Fig. 4 unterhalb der
EF zu erhalten, muss die zweite Diagonale AC gezogen, und der
Punkt X mit H verbunden werden, wie es durch Pfeile angezeigt ist.
SER.
Construetion der Ellipse mittelst der vier Diagonalpunkte.
Der im $. 7 aufgestellte und begründete Satz gibt uns ein
leichtes Mittel an die Hand, auch bei der Ellipse die vier Diagonal-
punkte zu finden, ohne dass man irgend eine Seite des Rechteckes
oder Parallelogrammes, worin eine Ellipse eingeschrieben werden
soll, einzutheilen braucht. Auf Grund des erwähnten Satzes kann
dies auf zweifache Weise geschehen, wie wir sogleich sehen wer-
den. Vorerst wollen wir aber eine Betrachtung anstellen, und sehen,
welche Punkte ungeändert oder fix bleiben, und welche man zur
Construction der Ellipse mit Vortheil in dem Falle benützt, wenn
man sich dieselbe durch die Drehung des Kreises um dessen Durch-
messer entstanden denkt.
Es sei nun (Fig. 6) ABCD das Quadrat und ZGFH der ihm
eingeschriebene Kreis gegeben. Zieht man in diesem Quadrate die
beiden Diagonalen AC und BD, und bestimmt nach dem angeführten
Verfahren die vier Diagonalpunkte N, P, 0, S des eingeschriebenen
Kreises, so werden, wenn man sich den Kreis EGFH um dessen
Durchmesser EF gedreht denkt, und das Auge des Beobachters in
unendlicher Entfernung annimmt, die Punkte und Linien folgender
Maassen ihre Lage verändern:
Kommt bei dieser Drehung der Punkte A nach A’, so bleibt der
Punkt B nach der Drehung in derjenigen Horizontalen, welche durch
|
F'
Construction des Kreises und der Ellipse. 19
A' parallel zur Drehungsaxe EF' gezogen wird; mag der Punkt A
nach der Drehung in der durch denselben gezogenen Verticalen oder
seitwärts derselben sich befinden. Ist also der Punkt A nach der Dre-
hung in der Verticalen AD, so muss der Punkt B in der Verticalen
BC sein, und es wird AB nach der Drehung in die Lage A’B’ kom-
men; in derselben Entfernung aber von der Drehungsaxe muss ver-
möge der Voraussetzung der Distanz des Beobachters auch die Seite
CD bleiben, also in der Lage C’D’. Aus diesem Grunde müssen auch
die beiden Halbirungspunkte @ und H in der Verticalen @H sich
befinden; denkt man sich nun die Gerade HJ, in welcher sich der
Diagonalpunkt N befindet, so fest verbunden, dass, wenn das Quadrat
ABCD gedreht wird, dieselbe gleichzeitig mitgehen muss, so kommt
sie nach der Drehung in die Lage H’N', wobei deren Punkt X in der
Drehungsaxe ungeändert bleibt.
Da ferner jeder Punkt nach der Drehung in derselben Verticalen
bleibt, in welcher er sich vor der Drehung befand, so muss der
Punkt N in derselben Verticalen auch nach der Drehung bleiben, in
| welcher er vor der Drehung war; da nun der Punkt N in der Ver-
tiealen NN’ zugleich aber auch in der Geraden H’N’ ist, so muss
er im Durchschnittspunkte dieser zwei Geraden also in N’ sein.
Dasselbe geschieht mit allen Diagonalpunkten, wenn die Drehung
um die Axe EF' gedacht und das Auge des Beobachters in unendlicher
Entfernung angenommen wird.
Um aber die drei übrigen Diagonalpunkte der, in dem durch
die Drehung entstandenen Rechtecke A’B'C'D’, einzuschreibenden
Ellipse zu erhalten, ziehe man die beiden Diagonalen A’C’ und
B'D', übertrage den fixen Punkt X auf die entgegengesetzte Seite,
_ verbinde dann @’ mit K’, und HZ’ mit K und K’ durch gerade Linien,
‚und verlängere sie bis zu den Diagonalen, welche in den Punkten
P', 0', S’ geschnitten werden; diese sind alsdann die verlangten
Diagonalpunkte der zu zeichnenden Ellipse.
8.9.
Abgekürztes Verfahren bei der Construction der Diagonalpunkte einer
Ellipse.
Da es zu umständlich wäre bei der Construction der Ellipse die
zwei Hilfsfiguren, d. i. den Kreis und das ihm umschriebene Quadrat
zu zeichnen, so wird man hierbei viel einfacher auf folgende Art ver-
fahren müssen :
2 “
20 Fialkowski.
Es seien zur Construction der Ellipse (Fig. 7) die beiden
Axen AB und CD ihrer Grösse und Richtung nach gegeben, wess-
halb auch das Rechteck EFGH als gegeben betrachtet werden
kann. Wird in diesem Rechtecke die kleine Axe CD nach aufwärts
und die Seite F@ nach abwärts verlängert, ferner OJ=OB und BK
gleich der Entfernung BJ gemacht, sodann J mit K und C’mit Z durch
Gerade verbunden, und letztere bis M verlängert, so ist M ein Ellipsen-
punkt in der Diagonale des dieser Ellipse umschriebenen Recht-
eckes, also ein Diagonalpunkt der zu zeichnenden Ellipse.
Die drei übrigen Diagonalpunkte werden gefunden, indem man
aus O mit dem Radius gleich der Entfernung OM die Diagonalen
durchschneidet, wodurch die drei Punkte N, M', N’ als die übrigen
verlangten Diagonalpunkte erfolgen.
Man kann sie aber auch dadurch finden, indem man den fixen
Punkt Z auf die entgegengesetzte Seite des Mittelpunktes O nach Z
überträgt, sodann aus C durch ZL’ und aus D durch Z und Z bis zu
den Diagonalen gerade Linien führt.
Auf ähnliche Art wird man auch (Fig. 8) bei der Construetion
einer Ellipse verfahren, wenn die zwei conjugirten Axen AB und CD,
folglich auch das Parallelogramm EF@GH gegeben sind. Man ziehe näm-
lich durch den Halbirungspunkt O die JK_LAB, und in dem Endpunkte
B der Axe AB die BL_LAB, mache dann 0J = OK = OB, und BL
gleich der Entfernung BK, verbinde J mit L, und C mit M durch
Gerade und verlängere die letztere, d. i. die CM bis N, so ist dieser
Punkt ein Diagonalpunkt der Ellipse; die anderen drei Punkte werden
mittelst des übertragenen Punktes M', wie oben erklärt wurde,
gefunden; oder vermittelst der Parallelen, wie es durch die Pfeile
angezeigt ist.
$. 10.
Ein anderes Verfahren bei der Bestimmung der Diagonalpunkte einer
Ellipse. -
Wir haben in $. 8, Fig. 6 gezeigt, dass einer der vier Diagonal-
punkte eines Kreises dadurch bestimmt wird, indem man die Ver-
längerung der Seite BC mit dem Radius gleich der Neunziger-Sehne
FG aus F in J schneidet u. s.w., wodurch man nach weiterer Operation
den Diagonalpunkt N erhält, Wir haben aber in $.7, Fig. 4 bewiesen,
dass man denselben Diagonalpunkt auch dadurch erhält, indem man mit
dem Radius gleich der Neunziger-Sehne aus demselben Punkte die
Construction des Kreises und der Ellipse. 21
Verlängerung des Durchmessers EF in K schneidet, und diesen Punkt
mit dem Punkte @ verbindet.
Um daraus ein Verfahren für die Construction der Diagonal-
punkte einer Ellipse abzuleiten, müssen wir den gegebenen Kreis
sammt den ihm umschriebenen Quadrate drehen und genau betrachten,
was während der Drehung mit denjenigen Punkten geschieht, welche
zur Construction der Diagonalpunkte im Kreise erforderlich waren.
Bei dieser Drehung wollen wir das Auge des Beobachters in
unendlicher Entfernung, und zwar einmal in der Mitte der zu dre-
henden Figur, sodann seitwärts derselben rechts oben annehmen.
Es sei nun (Fig. 9) das Quadrat ABCD und der ihm einge-
schriebene Kreis EGFH, in welchem der Diagonalpunkt N auf eine
der zwei letzteren Arten bestimmt wurde, gegeben. Wird bei der
Drehung die erstere Stellung des Beobachters angenommen, so blei-
ben die ausserhalb der Axe liegenden Punkte stets in den durch sie
senkrecht auf dieAxe gezogenen Geraden ; es können demnach jedes-
mal, sobald die Stellung eines Punktes, z. B. des Punktes A bestimmt
ist, auch die übrigen Punkte DB, D, @ ete. sehr leicht gefunden wer-
den, indem das Quadrat ABCD als ein Rechteck erscheint, !B’—=AB,
A'@= AG wird, während der Punkt X als ein Punkt der Axe unge-
ändert bleibt.
Somit wird der Diagonalpunkt N nach der Drehung in der
Diagonale B’D', zugleich aber auch in der Geraden @’K sich befinden,
daher im Durchschnittspunkte dieser zwei Geraden also in N’ sein.
Wird die besagte zweite Stellung des Beobachters angenom-
men, so können auch in diesem Falle, wenn die Lage eines Punktes
z. B. des Punktes A bestimmt ist, die übrigen drei Punkte B, D, @
sehr leicht ermittelt werden, indem das Quadrat ABCD in ein Paral-
lelogramm übergeht, da alle ausserhalb der Axe befindlichen Punkte
in denjenigen Geraden bleiben, welche durch die Fusspunkte der
betreffenden Normalen parallel zur Seite des Parallelogrammes gezo-
sen werden, während der Punkt X wie zuvor fix bleibt.
Da nun der Punkt N nach der Drehung in der Diagonale B’ D”,
zugleich aber auch in der Geraden @”K liegt, so muss er im Durch-
- schnittspunkte dieser zwei Geraden also in N” sein w. z. b. w. Das-
selbe gilt auch von jedem der drei übrigen Diagonalpunkte.
Aus dieser Betrachtung ergibt sich die nächstfolgende Con-
struetion der Diagonalpunkte einer Ellipse.
a2. Fialkowski.
s. 11.
Construction der Diagonalpunkte einer Ellipse mittelst der Verlängerung der
grossen Axe oder des grösseren eonjugirten Durchmessers.
a) Es sei zur Construction der Ellipse (Fig. 10) AB die grosse
und CD die kleine Axe gegeben; man zeichne das entsprechende
Rechteck EFGH, verlängere die grosse Axe, trage auf dieser Ver-
längerung vom Punkte B aus die entsprechende Neunziger-Sehne auf,
verbinde den so erhaltenen Punkt X mit C und D, so sind die zwei
Durchschnittspunkte in den Diagonalen, d. i. die Punkte Z und M
die verlangten Diagonalpunkte. Die zwei übrigen Diagonalpunkte
werden mittelst der durch die ersteren zwei Punkte gezogenen Paral-
lelen gefunden, oder indem man aus O mit OL= OM die Diagonalen
auf der entgegengesetzten Seite schneidet.
Was die schnelle Auffindung der entsprechenden Neunziger-
Sehne betrifft, so kann dies dadurch geschehen, dass man die kleine
Axe verlängert, selbe aus O mit der halben grossen Axe hier in J
schneidet, oder dass man, wenn irgend ein rechter Winkel schon
vorhanden ist, auf dessen Schenkeln vom Scheitelpunkte aus die halbe
grosse Axe aufträgt, und die so erhaltene Hypotenuse auf die Ver-
längerung der grossen Axe überträgt.
6) Sind AB und CD (Fig. 11) die beiden conjugirten Axen, so
construire man das entsprechende Paralleloegramm EFGH, ziehe in
diesem die beiden Diagonalen, verlängere den grösseren conjugirten
Durchmesser AB bis K, so dass BK gleich der entsprechenden
Neunziger-Sehne wird, und verbinde den hierdurch erhaltenen Punkt
K mit den Endpunkten des kleinen conjugirten Durchmessers durch
gerade Linien, welche die Diagonalen in den Punkten M und N
schneiden, und die verlangten Diagonalpunkte der Ellipse geben.
Die zwei anderen Diagonalpunkte werden auf die eine oder die
andere bekannte Art gefunden.
Um hierbei die entsprechende Neunziger-Sehne zu erhalten,
wird auf AB in O eine Normale gezogen, diese dann aus demselben
Punkte mit dem halben grösseren Durchmesser, d. i. mit OB in J
geschnitten ; oder wenn ein rechter Winkel schon vorhanden ist, nach
dem bereits Gesagten verfahren.
Ein geübter Zeichner wird aber weder die grosse Axe zu ver-
längern, noch irgend eine andere Hilfslinie völlig zu ziehen brauchen,
und auf folgende Art verfahren können:
Construction des Kreises und der Ellipse. g 23
Man beschreibe in der Richtung der kleinen Axe mit dem Radius
gleich der halben Grossaxe einen kleinen Bogen, lege die Kante des
Lineals an die kleine Axe an, und ohne deren Verlängerung gänzlich
zu ziehen, durchschneide man diesen Bogen, wodurch die Entfernung
BJ als die Neunziger - Sehne erfolgt. Nun wird mit dieser aus B in
der Richtung der grossen Axe ein kleiner Bogen beschrieben, die
Kante des Lineals an die grosse Axe angelegt, und der Bogen bei K
geschnitten; wird endlich an diesen Punkt und an C die Kante des
Lineals angelegt, und die Diagonale bei M eingeschnitten, so ist
dieser der verlangte Diagonalpunkt; ebenso findet man auch den Punkt
N, ohne dass man die Gerade DK zu ziehen braucht.
&. 12.
Nähere Betrachtung der Entstehungsart der Parallelogramme und die daraus
abgeleiteten Constructionsarten der Ellipse.
Es sei A’B'C’D' (Fig. 12, Taf. III) ein Rechteck; dieses kann
man sich auf verschiedene Art entstanden denken, unter andern aber
auch dadurch, indem man das Quadrat ABCD um die Axe EF dreht und
dabei das Auge des Beobachters in unendlicher Entfernung annimmt.
Man kann sich aber dasselbe Rechteck auch durch die Drehung des
Quadrates abed um die Axe @ H' entstanden denken. Im ersten
‚Falle erhält man das Rechteck A’B'C’D' als das Bild des Quadrates
ABCD, wenn die Projection von dem Auge des Beobachters in der
Verlängerung der Geraden @H in unendlicher Entfernung ange-
nommen wird; im zweiten Falle aber ist dasselbe Rechteck als das
Bild des kleinen Quadrates adcd, wenn man die Projection von dem
Auge des Beobachters in der Verlängerung der Geraden EF an-
nimmt. Um dies mehr anschaulich zu machen, wurden hier die beiden
Hauptlinien, d. i. die Horizontal- und Vertical-Linie aus der unend-
lichen Entfernung an die Seiten des Rechteckes A’B’C'D' näher
gerückt, wobei uns A® die umgelegte Entfernung des Beobachters
für den ersten, und A® für den zweiten Fall versinnliceht; es bleibt
also der Distanzpunkt immer in der Verlängerung der Diagonale des
Rechteckes A’B’C’D'. Somit erscheint dieses Rechteck in Bezug
auf das Quadrat ABCD so, wie man es sich gewöhnlich vorstellt;
im zweiten Falle aber erscheint dasselbe Rechteck bezüglich des
Quadrates abed als ein verzehrtes Bild, welches auch ganz richtig
ist. Denn wird das Auge des Beobachters in der Verlängerung der
Diagonale 3’D' in unendlicher Entfernung angenommen, so erscheint
2A Fialkowski.
die Gerade A’B’ als das Bild der Geraden A’D’; dasselbe gilt auch
in Bezug auf die Seite C’D', indem A®’= A'® obgleich in unend-
licher Entfernung als umgelegte Distanzen einander gleich sein müs-
sen, wobei A’B’und auch C’ D’als die Trassen der Tafel angenommen
werden. Wird aber B’C'’ als die Trasse der Tafel gedacht und das
Auge des Beobachters in A angenommen, so wird B’C’ als das
Bild der Geraden C’D’ u.s. w. erscheinen. Dasselbe Gesetz findet
auch in Fig. 13 Statt, und man kann sich eins und dasselbe Paral-
leloegramm A’B'C’D' durch die Drehung zweier verschiedenen
Quadrate entstanden denken; jedesmal aber wird die zu je zwei
parallelen Seiten parallel gezogene Halbirungslinie als die Seite des-
jenigen Quadrates sein, durch dessen Drehung das Parallelogramm
entstanden gedacht werden kann.
Wird also das Quadrat AbCD um die Axe EF gedreht, so kommt
bei gewisser Stellung des Auges die Seite AB nach A’B', BC nach
B’C' u. s. w., bei einer andern Stellung des Auges wird die Seite de
von dem (Quadrate abed nach B’C' und ad nach A’D' kommen
u. s. w. Es erscheint also von zwei verschieden grossen Quadraten
dasselbe Parallelogramm, wie aus den beiden Figuren ersichtlich ist.
&. 13.
Diese Erscheinung gibt uns ein treffliches Mittel an die Hand,
manche Aufgaben über die Ellipse und insbesondere die Construction
der Diagonalpunkte auf eine noch einfachere Art, als wir es in den
vorhergehenden $$. gezeigt haben, auszuführen.
' Es sei AB (Fig. 14) die grosse, CD die kleine Axe und EFGH
das entsprechende Rechteck; verlängert man in diesem die grosse
Axe AB und macht die Verlängerung gleich der Neunziger-Sehne
des über der grossen Axe, als Durchmesser angenommen, beschrie-
benen Kreises, verbindet den Punkt X mit dem Endpunkte C der zwei-
ten Axe, so ist der Durchschnittspunkt dieser Geraden mit der Dia-
gonale, d. i. der Punkt N ein Punkt der in diesem Rechtecke einzu-
schreibenden Ellipse, wie bereits bewiesen wurde. Wir haben aber
in dem vorhergehenden $. gesehen, wie das Rechteck EFGH durch
die Drehung des Quadrates efgh, dessen Seite gleich CD gemacht
wird, entstanden gedacht werden kann. Ist dies nun der Fall, so
muss, die Neunziger-Sehne des diesem Quadrate eingeschriebenen
Kreises auf der Verlängerung der kleinen Axe aufgetragen, und der
so erhaltene Punkt mit dem Halbirungspunkte verbunden, ebenfalls
Construction des Kreises und der Ellipse. 25
der Diagonalpunkt der Ellipse erfolgen. Es muss also, wenn OL=0C
"gemacht, sodann CL von C aus auf der Verlängerung der CD aufge-
tragen und M mit B verbunden wird, die Diagonale von dieser
Geraden in einem Punkte geschnitten werden, welcher ein Diagonal-
punkt der Ellipse ist, also derselbe Punkt wie zuvor.
Dasselbe ist auch bei dem Parallelogramme, wie Fig. 15 zeigt.
Auch hier wird, wie bereits bewiesen wurde, der Diagonalpunkt mit-
telst der Verlängerung des grossen conjugirten Durchmessers erhal-
ten u. s. w. Da aber das Parallelogramm EF@H auch durch die Dre-
hung des Quadrates efgh entstanden gedacht werden kann, so ist
auch hier die Construction des Diagonalpunktes mittelst der Verlän-
gerung der CD mathematisch richtig. Wird also der kleinere conju-
girte Durchmesser verlängert, diese Verlängerung gleich der Neun-
.ziger-Sehne des mit der halben kleinen conjugirten Axe beschrie-
benen Kreises gemacht, und der so erhaltene Punkt mit dem einen
oder dem andern Endpunkte der zweiten Axe verbunden, so ist der
Durchschnittspunkt dieser Geraden mit der entsprechenden Diagonale
ebenfalls ein Diagonalpunkt der Ellipse.
Man kann daher bei der Auffindung eines Diagonalpunktes auf
eine noch einfachere Art verfahren, als es bereits gezeigt wurde,
und dies wollen wir sogleich sehen.
$. 14.
Construction der Diagonalpunkte einer Ellipse, wenn nur die kleine Axe oder
nur der kleinere conjugirte Durchmesser verlängert werden kann.
Es sei Fig. 16 AB die grosse und CD die kleine Axe, ferner
EFGH das diesen Axen entsprechende Rechteck, in welchem die
Ellipse eingezeichnet werden soll. Man verlängere die kleine Axe
CD über den Endpunkt C hinaus, mache OJ=0C, CK=(CJ, und ver-
binde den zuletzt erhaltenen Punkt X mit A und B durch Gerade,
welche die Diagonalen in M und P schneiden; diese Punkte sind dann
die verlangten Diagonalpunkte der Ellipse.
Wollte man auf dieselbe Art auch die zwei anderen Diagonal-
punkte erhalten, so müsste die Axe CD auch noch unterhalb der Axe
AB verlängert, im Übrigen aber wie bei den ersten zwei Punkten
verfahren werden.
Wie man sieht, ist dieses Verfahren noch viel einfacher und
genauer, als das in $. 9, Fig. 7, und in $. 11, Fig. 10 angegebene,
26 Fialkowski.
weil man darnach viel schneller, schärfer und deutlicher den verlang-
ten Durchschnittspunkt in der Diagonale erhält, wie uns dies Fig. 14
zeigt, wo man den Diagonalpunkt N auf zweifache Weise bestimmt
sehen kann.
Dasselbe findet auch bei einem Parallelogramme Statt.
Sind die beiden conjugirten Durchmesser AB, CD (Fig. 17)
also auch das Parallelogramm EF@H gegeben, und soll in demselben
eine Ellipse eingezeichnet werden, so ziehe man die beiden Diago-
nalen, errichte in ihrem Durchschnittspunkte O0 auf dem grösseren
oder kleineren eonjugirten Durchmesser eine Verticale, hier JO_LAB,
durchschneide diese Verticale mit dem Radius = OC bei J und die
OB bei K, verlängere den kleineren conjugirten Durchmesser und trage
auf dieser Verlängerung von C aus die Entfernung JK auf, so dass
CL=JKist. Wird dann der so erhaltene Punkt Z mit A und B durch
Gerade verbunden, so sind die Durchschnittspunkte M und N die
verlangten Diagonalpunkte der Ellipse. Um die zwei übrigen Diagonal-
punkte Pund Q zu erhalten, wird die Axe CD auch nach der ent-
gegengesetzten Seite verlängert, im Übrigen aber wie vorhin ver-
fahren; oder man mache OP=ON und 00=OM, was bei den
Parallelogrammen und Rechtecken sehr anwendbar ist.
Es wird wohljeder Sachkundige zugeben müssen, dass diese Con-
structionsart so einfach ist, als man sich nur wünschen kann; denn
man braucht hierbei keine Eintheilung zu machen, keinen zu grossen
Raum zur Verlängerung der Axen, und erhält die Durchschnittspunkte
in jedem Rechtecke und Parallelogramme für die Diagonalpunkte sehr
scharf und deutlich.
&. 15.
Hat man die Richtigkeit dieser Constructionen eingesehen und
sich den Gang der Sache gemerkt, so kann man bei der Construction
der Diagonalpunkte einer Ellipse die eine oder die andere Verfahrungs-
art anwenden, je nachdem es auf der Zeichenfläche der Raum gestat-
tet, die kleine oder die grosse Axe, den kleineren oder den grösseren
eonjugirten Durchmesser nach der einen oder der andern Richtung
zu verlängern.
Zur Controle können beide Axen über einen ihrer Endpunkte
hinaus verlängert werden; auch ist es selten der Fall, dass man
mit dem Raume so beschränkt ist, um die beiden Axen nach der einen
oder der andern Richtung nicht verlängern zu können.
u er a
f
ua ner ee u u a 2
en
Construction des Kreises und der Ellipse. . 27
Wir werden übrigens später sehen, dass man die Diagonalpunkte
auf eine andere Art auflinden kann, ohne dass man die eine oder die
andere Axe zu verlängern braucht; vorläufig wollen wir unter-
suchen, auf welche Art man jeden beliebigen Punkt einer Ellipse mit-
telst der im $. 2, Fig. 2 angegebenen Construction bestimmen kann.
..'16;
Bestimmung eines beliebigen EL der Ellipse mittelst der fixen Punkte
und der Verlängerung der grossen Axe oder des grösseren conjugirten
Durchmessers.
Betrachten wir zu diesem Behufe die Fig. 18, Taf. IV, wo das
Quadrat ABCD und der ihm eingeschriebene Kreis EF@H gegeben
ist; verlängern wir die beiden verticalen Seiten AD und BC, wie
auch den Durchmesser EF, nehmen auf der Verlängerung der Seite BC
den Punkt J beliebig an, machen FÄ=JF, und ziehen die zwei Gera-
den JH und @X, so ist nach $. 1 der Durchschnittspunkt dieser zwei
Geraden, d. i. der Punkt Z in der Peripherie des Kreises, welcher
dem Quadrate ABCD eingeschrieben ist. Wird nun die Drehung die-
ses Kreises um den Durchmesser EF als Drehungsaxe vorgenommen,
so wird, der bereits gemachten Erklärung zu Folge, der Punkt L
nach der Drehung in der Geraden @’K, zugleich aber auch in der
durch Z gezogenen Verticalen sein; er liegt aber auch in der Geraden
JH’, folglich muss er im Durchschnittspunkte dieser drei Geraden, d.i.
in L' liegen. Da nun der Punkt Z ein Punkt der Peripherie des Krei-
ses ist, so muss der Punkt Z’ ein Ellipsenpunkt sein; was also von
diesem Punkte gilt, das lässt sich auch von jedem andern Punkte
erweisen.
Man hat daher zur Construction eines beliebigen Punktes der
Ellipse zwei fixe Punkte, wie hier die Punkte X und » zu bestimmen,
und solche nach der angegebenen Art gehörig in Anwendung zu brin-
gen. Diese zwei fixen Punkte werden aber auch zur Bestimmung der
drei übrigen Punkte, welche mit dem schon aufgefundenen Ellipsen-
punkte in der horizontalen, vertiealen, wie auch in der diagonalen
Richtung correspondiren, benützt.
Man findet nämlich den mit dem Punkte L’ correspondirenden
Punkt M', indem man X mit H' durch eine Gerade verbindet, und
aus @’ durch den Punkt » bis zu dieser ebenfalls eine Gerade führt.
Werden ferner die zwei fixen Punkte auf die entgegengesetzte
Seite der kleinen Axe übertragen, so findet man auf eben solehe Art
28 Fialkowski.
auch die zwei übrigen correspondirenden Punkte, d. i. die Punkte N’
und P', wie aus der Figur einleuchtend ist.
Sa
Aus der im vorhergehenden $&. angegebenen Construction lässt
sich mit Hinweglassung der zwei Hilfsfiguren, d.i. des Quadrates und
des ihm eingeschriebenen Kreises, wie auch mehrerer anderer der
Erklärung wegen gezogenen Hilfslinien, eine einfache Methode für
die Construction eines beliebigen Punktes der Ellipse ableiten.
Betrachten wir zu diesem Behufe nochmals die Fig. 18 so fin-
den wir, dass die zwei Dreiecke HCJ und @OK congruent sind, und
da OF || @O, Fn || CH und FO=FC ist, auch FO = Fn sein muss;
man braucht daher nicht, um den fixen Punkt » zu finden, die Seite
des Quadrates zu verlängern, in derselben einen Punkt anzunehmen
und die Hilfslinie 4J zu ziehen, sondern nur irgend ein Stück dieser
Seite, hier z. B. das Stück FO, in die Axe um den Endpunkt F
umzulegen.
Der fixe Punkt K in der Verlängerung der grossen Axe wird
gefunden, indem man beide Axen verlängert, die Verlängerung der
kleinen Axe aus dem Mittelpunkte O mit dem Radius gleich der gros-
sen Halbaxe schneidet, sodann aus diesem Durchschnittspunkte durch
Q bis zu der Verlängerung der grossen Axe eine Gerade führt, welche
übrigens gänzlich weggelassen werden kann, da man nur den Punkt
O und X zu markiren und zu benützen braucht, wie im nächstfolgen-
den $. gezeigt werden soll.
Se le:
Allgemeines Verfahren, jeden beliebigen Punkt einer Ellipse zu finden.
a) Wenn die grosse und die kleine Axe gegeben sind.
Sind AB und CD (Fig. 19) die beiden Axen, so verlängere man
jede über einen ihrer Endpunkte, hier die Ab über B und die CD über
C hinaus, mache dann OJ=OB, und errichte im Endpunkte B eine
Verticale, also Bw _ AB in B. Sollte nun irgend ein Ellipsenpunkt
bestimmt werden, so nehme man in der Verlängerung der grossen
Axe einen beliebigen Punkt X an, lege an diesen Punkt und an J das
Lineal an, und schneide die Verticale Bw in m ein; lege dann das
hierdurch erhaltene Stück Bm um den Punkt B in die Axe AB um
(indem man aus B mit Bm einen Bogen beschreibt). Wird endlich
C mit K durch eine Gerade verbunden, ferner aus D durch m’ eine
Construction des Kreises und der Ellipse. 29
zweite Gerade so geführt, dass die erste in Z geschnitten wird, so ist
L ein Ellipsenpunkt.
Um die drei übrigen Punkte zu erhalten, wird Om” =0Om’
gemacht, ferner aus D durch m” die Gerade Dm”N, aus C durch m’
die Gerade CM und durch m” die CP gezogen, sodann Mm’ = Nm"
— Pm" = Lm' gemacht. Die so erhaltenen Punkte M, N, P sind eben-
falls Ellipsenpunkte.
Man erhält also vier Punkte und mit Einschluss der vier End-
punkte der beiden Axen im Ganzen acht Punkte der Ellipse.
b) Wenn die beiden conjugirten Durchmesser gegeben sind.
Es sei (Fig. 20) AB der grössere und CD der kleinere conju-
girte Durchmesser, also beide ihrer Grösse und Richtung nach, gege-
ben. Man verlängere den grösseren conjugirten Durchmesser AB
über einen dessen Endpunkte hier über B hinaus, errichte sowohl in
‚demjenigen Endpunkte, über welchen dieser Durchmesser verlängert
wurde, als auch in dessen Halbirungspunkte O Normale, also Bu LAB
in B, und Ou_L AB in O, und schneide von der letzteren aus O das
Stück OJ=OB ab. Sollte nun irgend ein Punkt der Ellipse bestimmt
werden, so nehme man in der Verlängerung der AB irgend einen
Punkt K an, lege an diesen wie auch an den Punkt J die Kante des
Lineals an, und schneide die Normale Bu in m ein. Wird dann das
hierdurch abgeschnittene Stück Bm in die Axe AB umgelegt, also
Bm'=Bm gemacht, der Punkt € mit X durch eine Gerade verbunden
und aus D durch m’ eine Gerade bis zum Durchschnitte mit der CK
geführt, so ist Z ein Ellipsenpunkt.
Die übrigen drei Punkte werden mittelst der paräliel gezogenen
Sehnen gefunden, oder auch, wenn man den fixen Punkt m’ auf die
entgegengesetzte Seite überträgt, und auf ähnliche Art, wie bei
Fig. 19 verfährt.
c) Wenn nur einer der conjugirten Durchmesser, und eine zum
_ zweiten derselben parallele Sehne gegeben sind, oder was dasselbe
ist, wenn in einem perspectivischen Quadrate eine Ellipse einge-
schrieben werden soll. |
Es sei (Fig. 21) EF@H das perspectivische Quadrat, in welchem
die Gerade CD als der eine von den zwei conjugirten Durchmessern,
und die Gerade AB als die zum zweiten Durchmesser parallele Sehne
gegeben ist. Man verlängere die Gerade AB über A hinaus, errichte
im Endpunkte A und im Halbirungspunkte O eine Senkrechte, und
30 Fialkowski.
mache von der letzteren das Stück OJ=4A0. Soll nun irgend ein
Ellipsenpunkt gefunden werden, so nehme man in der Verlängerung
der AB einen Punkt Kan, lege an diesen und an den Punkt J die
Kante des Lineals an und schneide die in A errichtete Senkrechte
in m ein. Wird ferner Am’—= Am gemacht, der Punkt X mit C
durch eine Gerade verbunden und aus D durch m’ ebenfalls eine
Gerade so geführt, dass die CK geschnitten wird, so ist der Durch-
schnittspunkt dieser zwei Geraden, d. i. der Punkt Z, ein Ellipsen-
punkt.
Wird ferner der Punkt Dmit Xdurch eine Gerade verbunden, und
aus C durch m’ eine zweite Gerade geführt, so ist der Durchschnittspunkt
dieser zwei Geraden, d. i. der Punkt M, ebenfalls ein Ellipsenpunkt.
Die zwei correspondirenden Punkte N und P werden mittelst
der zu AB parallel gezogenen Sehnen gefunden, indem man Np—=Lp
und Pg=Mg macht.
Da nun der Punkt X in der Verlängerung der Axe beliebig ange-
nommen wurde, so gilt diese Construction auch von jedem andern
beliebigen Punkte.
S. 19.
Um die Richtigkeit dieser Construction im dritten Falle noch
besser einzusehen, müssen wir die Fig. 22 näher ins Auge fassen.
Es sei ABCD das Quadrat und in diesem der Kreis EGFH in der.
verticalen Ebene gegeben. Wird in @ der Augepunkt und in A der
Distanzpunkt angenommen, so ist nach der Construction das per-
spectivische Quadrat A’B’C’D’ —= dem Quadrate ABCD; oder es
ist das perspectivische Quadrat A’B’C’D' diejenige Figur, welche
durch die Drehung des geometrischen Quadrates ABCD um die als
Drehungsaxe angenommene Sehne EF in der perspectivisch horizon-
talen Ebene entstanden ist. Ist also in dem Quadrate ABCD ein Kreis
eingezeichnet, so geht er bei der Drehung des Quadrates mit, und
alle Punkte mit Ausnahme der in der Axe liegenden verändern gesetz-
mässig ihre ursprüngliche Lage. Man kann daher auch in diesem Falle
die Bestimmung der Punkte in der Peripherie des Kreises nach der
Drehung so vornehmen, wie wir es in Fig. 21 angeführt haben; auf
ähnliche Art wird auch in diesem Falle der Beweis geführt, wie wir
es bei der Fig. 18 gethan haben, mit dem Unterschiede, dass hier
die Punkte @ und ZH’ mittelst des Distanzpunktes bestimmt werden,
wesshalb sie von der Drehungsaxe verschiedene Entfernungen haben.
ee u
na
Construction des Kreises und der Ellipse. 31
Man nimmt also auch hier in der Seite BC’irgend einen Punkt J
an, beschreibt aus F mit JF einen Bogen bis X, verbindet @ mit K
und 4 mit J durch eine Gerade, so ist der Durchschnittspunkt N
dieser zwei Geraden, nach dem bereits Erwiesenen, ein Punkt des
Kreises. Da nun das Quadrat A’B'C’D'’ perspectivisch gleich ist dem
Quadrate ABCD, mithin AB’= AB, C'D’=CD, also auch 4’@
—B'’@ =AG, und CH =HD'—= HD u. s. w., so kommt @ nach
@’ und Hnach ZH’, während X in der Drehungsaxe ungeändert bleibt;
es wird daher der Punkt N nach der Drehung in der Geraden @'K,
zugleich aber auch in der Geraden 4’J’, folglich im Durchschnitts-
punkte dieser zwei Geraden, d.i. in N’ sein. Da also der Punkt
N ein Punkt der Peripherie des Kreises EGFH ist, und N’ dem Punkte
N entspricht, so muss N’ nach der besagten Drehung nothwendiger
Weise ein Punkt der Ellipse sein, indem jede Stellung des Kreises
nach der Drehung eine Ellipse ist, welche durch die Stellung des
Beobachters bestimmt wird.
Was nun von diesen Punkten gilt, das lässt sich auch von jedem
andern Punkte erweisen, welcher auf ähnliche Art eonstruirt wird.
Die mit den aufgefundenen Punkten correspondirenden Punkte
werden auf die bereits angeführte Art erhalten.
Bei diesem Verfahren ist im Allgemeinen noch das zu bemerken,
dass, im Falle mehr als acht Punkte zur Construction der Ellipse erfor-
dert werden, die Drehungsaxe beiderseits verlängert werden muss,
weil sich sonst auf der einen Seite zu viele Linien anhäufen, und
dadurch die Construction verwirren. In Fig. 22 sind die zwei fixen
Punkte X und Z in ungleichen Entfernungen von dem Mittelpunkte O
angenommen worden. Mittelst eines jeden solchen Punktes sind vier
Punkte sehr leicht gefunden, und man hat somit im Ganzen, wenn die
vier Punkte E, @’, F, H' mit eingerechnet werden, zwölf Punkte der
Ellipse.
S. 20.
Aus der näheren Betrachtung der Figuren 19, 20 und 21 sieht
man sogleich ein, dass das der in Fig. 19 gezeichneten Ellipse um-
schriebene Rechteck EF@H, ferner das in Fig. 20 umschriebene
Parallelogramm ZFGH, und das in Fig. 21 umschriebene perspeeti-
vische Quadrat EFGH für einen geübten Zeichner ganz entbehrlich
sind. Man wird daher nach der in dem vorhergehenden $. angege-
benen Art in jedem der drei Fälle beliebig viele Punkte der Ellipse
32 Fialkowski.
bestimmen können, ohne dass man, wie es bei der Construction der
Diagonalpunkte sein muss, das Rechteck, Parallelogramm oder das
umschriebene perspectivische Quadrat zuerst zu zeichnen braucht,
wie dies aus Fig. 23—25 erhellet.
Die drei letzten Figuren wurden absichtlich so klein gewählt,
um zugleich zu zeigen, wie scharf und deutlich auch in dem kleinen
Massstabe die Punkte der Ellipse bestimmt werden können.
In solehen Fällen werden wohl ausser den vier gegebenen
Punkten nur noch vier andere Punkte erforderlich sein, um ein genaues
Bild dieser Curve zu erhalten ; sollten aber, was insbesondere bei Krei-
sen von grösserem Durchmesser geschehen muss, mehrere Punkte
bestimmt werden, um ein noch genaueres Bild des Kreises zu erhal-
ten, so werden ebenso für jeden in der Verlängerung des als Drehungs-
axe angenommenen Durchmessers beliebigen fixen Punkt, ähnlicher
Weise vier Ellipsenpunkte erfolgen. Immer aber muss man gegen
die Endpunkte der grossen Axe oder des grösseren conjugirten
Durchmessers die Punkte gedrängter annehmen, weil die Krümmung
der besagten Curve um F, so wie um E Fig. 22, am stärksten ist, daher
auch die Wendung derselben an diesen zwei Stellen am sorgfältig-
sten bestimmt werden muss. Dies unterliegt nach unserer Art und
Weise gar keiner Schwierigkeit, wie aus dem bereits Gesagten folgt,
und was in allen drei Fällen auch graphisch durchgeführt wurde.
Sl
Es ist bereits erklärt worden, $. 12, Fig. 12 und 13, dass eine
und dieselbe Ellipse durch die Drehung verschieden grosser Kreise
entstanden gedacht werden kann, nämlich durch die Drehung des,
über der grossen oder kleinen Axe, über dem grösseren oder
kleineren conjugirten Durchmesser, beschriebenen Kreises. Sie
kann aber auch durch die Drehung eines Kreises, welcher über was
immer für einer Sehne beschrieben wird, entstanden gedacht werden;
welches dann erfolgt, wenn man verschiedene Kreise von zwei ver-
schiedenen Standpunkten betrachtet, in welchem Falle jedesmal die-
jenige Gerade als Drehungsaxe anzunehmen ist, über welcher ein
Kreis beschrieben, und durch dessen Drehung die Ellipse entstanden
gedacht wird.
Diese Erscheinungen geben uns Mittel an die Hand, in den drei
nachfolgenden Fällen eine Ellipse zu construiren.
Construction des Kreises und der Ellipse. 3
8.128.
Construetion der Ellipse, «) wenn nur die kleine Axe, 5) der kleinere eonjugirte
Durchmesser, oder ce) wenn nur die Sehne verlängert werden kann.
a) Wenn die beiden Axen gegeben sind, und wenn nur die
_ kleine Axe verlängert werden soll.
Es sei (Taf. V, Fig. 26) AB die grosse und CD die kleine Axe
gegeben; man verlängere die kleine Axe C’Düber deren beide Endpunkte
hinaus, errichte in diesen zwei Punkten Verticale, also Cu _ CD in C,
und Do _L CD in D, und mache OC’—= 0C=0OD =der halben klei-
nen Axe. Sollte nun nach dieser Vorbereitung irgend ein Punkt der
Ellipse bestimmt werden, so lege man die Kante des Lineals an den
Punkt C’ und an irgend einen Punkt in der Verlängerung der CD an,
und schneide die in © oder D errichtete Senkrechte ein. Wird z. B.
der Punkt E angenommen, an diesen so wie an ©’ die Kante des
Lineals angelegt, die Verticale Dw in m eingeschnitten, ferner Dm’
—= Dm gemacht, sodann A mit E durch eine Gerade verbunden, und aus
B durch m’ eine zweite Gerade, bis AE geschnitten ist, geführt, so
ist der Durchschnittspunkt dieser zwei Geraden, d. i. der Punkt M, ein
Ellipsenpunkt.
Ebenso wird auch der Punkt N gefunden, indem man den Punkt
Fin der Verlängerung der CD annimmt, an diesen Punkt so wie an
C' die Kante des Lineals anlegt, die Vertieale Cu in n einschneidet,
Cn'=Cn macht, sodann A mit F durch eine Gerade verbindet, und
aus B durch »' eine zweite Gerade bis AF führt, wodurch der Durch-
schnittspunkt N als Ellipsenpunkt erfolgt. |
Für jeden dieser zwei Punkte werden mittelst der zu CD gezo-
genen Parallelen auch die drei übrigen eorrespondirenden Punkte
sehr leicht gefunden, somit hat man zur Construction der verlangten
Ellipse im Ganzen zwölf Punkte.
b) Wenn die beiden conjugirten Durchmesser gegeben sind,
und wenn nur der kleinere verlängert werden darf. |
Es sei (Fig. 27) zur Construetion der Ellipse AB als der grös-
sere und CD als der kleinere eonjugirte Durchmesser, und zwar beide
ihrer Grösse und Richtung nach gegeben. Man verlängere die Axe
CD beiderseits, halbire sie in O, errichte in diesem Halbirungspunkte
oberhalb und unterhalb der Axe CD Senkrechte, und mache dann
C'0=D'0= (0=D0 gleich der halben kleinen Axe. Ebenso wer-
den in den beiden Endpunkten der kleineren Axe CD Normale, jedoch
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVI. Bd. I. Hft. 3
3A Fialkowski.
unbestimmt lang und so errichtet, dass sie in die Fläche des von den
beiden Axen gebildeten stumpfen Winkels fallen. Es wird also
Cu LCD in C, und Dw _ CD in D gezogen.
Sollte nun irgend ein Ellipsenpunkt bestimmt werden, so nehme
man in der Verlängerung der CD z. B. den Punkt E an, verbinde die-
sen mit C’ (wobei nur der Einschnitt bei m gemacht zu werden
braucht) und mache dann Dm' = Dm.
Wird endlich A mit E verbunden, und aus B durch m’ eine
Gerade bis AE geführt, so ist der Durchschnittspunkt dieser zwei
Geraden, d. i. der Punkt M, ein Punkt der Ellipse.
Die drei mit diesem Punkte correspondirenden Punkte M', M”,
M"' werden mittelst der Parallelen auf bekannte Art gefunden.
Sollten nun noch vier Punkte der Ellipse erforderlich sein, so
nehme man auf der entgegengesetzten Seite den Punkt F an, verbinde
ihn mit D', mache Cn'’= (On, verbinde F mit B durch eine Gerade und
ziehe aus A durch rn’ ebenfalls eine Gerade, so dass die erste dadurch
in N geschnitten wird. Die drei correspondirenden Punkte werden
ebenfalls mittelst der Parallelen gefunden, wie oben. Man erhält somit,
mit Einschluss der vier Endpunkte der Axen, zwölf Punkte der Ellipse.
c) Wenn ein conjugirter Durchmesser und eine zum zweiten
conjugirten Durchmesser parallele Sehne gegeben ist, und wenn nur
die letztere verlängert werden kann.
Ist (Fig. 28) AB der grössere eonjugirte Durchmesser und CD
die zum zweiten Durchmesser parallele Sehne gegeben, so verlängere
man die Sehne CD beiderseits, lege durch den Halbirungspunkt dieser
Axe eine Normale, mache dann C'0O=D'0=(CO0=DO, errichte
in C und D Senkrechte, und verfahre im Übrigen wie in den zwei
vorhergehenden Fällen.
Die in den Endpunkten der Axe CD gezogenen Senkrechten müs-
sen jedesmal auch hier so gezogen werden, dass sie stets in die Fläche
des von den Axen gebildeten stumpfen Winkels fallen, weil sonst bei
der Bestimmung mehrerer Punkte in der Zeichenfläche sehr leicht eine
Verwirrung entsteht.
8. 23.
Es ist wohl leicht begreiflich, dass bei jeder Construction der
Ellipse, also auch bei dieser trotz ihrer Einfachheit sich desto mehr
Linien anhäufen, je mehr Punkte man für die Ellipse bestimmen will;
hat man aber die Richtigkeit dieser Construction eingesehen, und sich
Construction des Kreises und der Ellipse. 35
den Gang der Sache gemerkt, so kann man bei dieser Methode manche
Hilfslinien eher weglassen, als bei einer andern Verfahrungsart, so
dass man für je vier Punkte stets nur eine einzige Gerade zu ziehen
braucht, wie aus den bereits angeführten Beispielen (Fig. 23—28)
ersichtlich ist. Was die fixen Punkte betrifft, so braucht für diese
nur die Axe verlängert zu werden, und es werden für je vier Punkte
der Ellipse nur zwei fixe Punkte in der Drehungsaxe erforderlich
sein.
Es verdient daher diese Methode wegen ihrer Einfachheit und
Deutlichkeit vor allen andern bisher bekannten Methoden den Vorzug,
zumal da man hierbei sowohl den Hilfskreis als auch viele andere
Hilfslinien, wohl auch jede Eintheilung gänzlich entbehren kann.
Wir haben somit die Construction der Ellipse in ihrer ganzen
Allgemeinheit durchgeführt, bewiesen und erläutert; werden aber in
folgenden $&$. auch noch andere daraus abgeleitete Methoden und
vor Allem ein äusserst interessantes Gesetz über die Construction des
Kreises kennen lernen.
$. 24.
Construction der Ellipse, wenn nur die kleine Axe verlängert und gleich der
grossen gemacht werden kann.
Wenn wir die in vorhergehenden $$. gegebenen Erklärungen
sammt den hierzu gehörigen Figuren näher untersuchen, und die
gesetzmässigen Veränderungen der ausserhalb der Drehungsaxe lie-
genden Punkte und Linien gehörig ins Auge fassen, so ergibt sich für
den Fall, wenn man nur die kleine Axe verlängern kann, eine interes-
sante Construction, welche besonders dann mit grossem Vortheile
angewendet wird, falls die Differenz der beiden Axen bedeutend grös-
ser, also auch zwei, drei oder mehrmal grösser als die kleine Axe ist.
Dieser Vortheil besteht darin, dass man nach dieser Methode die
Punkte der Ellipse bedeutend schärfer und deutlicher erhalten kann,
als nach der bekannten Methode mittelst der beiden Brennpunkte;
ausserdem hat sie den Vortheil, dass sie mit gleichem Erfolge in allen
am häufigsten vorkommenden Fällen angewendet werden kann, was
bei jener nicht der Fall ist, indem wegen der Brennpunkte immer die
beiden Axen gegeben oder gesucht werden müssen. Sie ist folgende:
Es seien (Fig. 29) zur Construction der Ellipse die beiden Axen
AB und CD gegeben; man verlängere die kleine Axe beiderseits,
=
36 Fialkowski.
beschreibe aus dem Mittelpunkte O mit dem Radius gleich der halben
grossen Axe OB einen Viertelkreis, schneide zugleich auch unter-
halb der Axe AB das Stück OF = AO = OE ab, trage dann eine
beliebige Einheit, z. B. Ox auf der grossen Axe von O aus nach den
beiden Richtungen mehrmals auf (hier beiderseits dreimal), wodurch
man die Punkte «, ß, y und «', B’, y’ erhält. Nun wird jeder von
den drei Punkten «, ß, y mit dem Punkte F durch Gerade verbun-
den, diese dann so weit verlängert, bis der Bogen AF in den Punkten
m, n und p geschnitten ist, und durch jeden der so auf dem Bogen
AE erhaltenen Punkte eine Normale auf die Axe AB geführt; diese -
sind mm’, nn’ und pp’. Werden endlich aus D durch die Durch-
schnittspunkte «, ß, y Linien bis zu den gezogenen Normalen geführt,
so erfolgen die u. 1, I, II als die drei er
Ellipsenpunkte.
Um die diesen drei Punkten unterhalb der grossen Axe ent-
sprechenden Ellipsenpunkte zu erhalten, werden aus C durch die
Punkte «, B, y abermals Linien bis zu den entsprechenden Verlän-
gerungen der Normalen gezogen, wodurch man die Punkte 7’, IJ', IIT'
als die verlangten correspondirenden Ellipsenpunkte findet.
Wegen dieser Punkte müssen die zur Bestimmmung der drei
ersten Ellipsenpunkte erforderlichen Normalen über die Axe nach
abwärts gleichzeitig gezogen werden, so dass man auf diesen Ver-
längerungen noch die Durchschnittspunkte unterhalb der Axe finden
kann, ohne sie erst verlängern zu müssen.
Die diesen sechs Punkten rechts der kleinen Axe correspondi-
renden Punkte werden gefunden, wenn man aus C wie aus D durch
a', ß', y' Gerade zieht, sodann @«’I"= «al, I" =PL,Y II" =y1J,
und ebenso a’I"—=a'!', B'II""=P’II" u. s. w. macht.
Sind nun die Stücke 0x = aß = Py = 0x’ = OB’ = Oy’ange-
nommen, so wird auch CT’ || DI", CIT' || DIT’, CIII' || DIII’" u. s. w.
sein, und man braucht nur, wenn aus C und D durch «’, B:4 y’ Linien
bereits gezogen sind, aus den schon bestimmten Punkten J, II, III
und aus /’, IT’, III’ durch den Mittelpunkt O bis zu den entsprechen-
den durch «&’, ß’, y’ gezogenen Geraden ebenfalls gerade Linien zu
führen, wodurch man die verlangten Punkte erhält.
Beweis.
Bevor 'wir diese Construction auch in anderen Fällen graphisch
darstellen, wollen wir zuerst untersuchen, ob die nach diesem
Construction des Kreises und der Ellipse. 7
Verfahren gefundenen Punkte auch wirklich Ellipsenpunkte sind.
Es lässt sich hierbei der Beweis theils anschaulich, theils rein
mathematisch führen.
I.
Da FO=EO=BO gemacht wurde, so ist Fein Punkt des mit
dem Halbmesser OB beschriebenen, also desjenigen Kreises, aus
welchem die Ellipse ABCD durch die Drehung um AB entstanden
gedacht wird. Ist nun irgend ein Punkt, z. B. m mit F durch eine
Gerade verbunden, so hat diese Linie, wenn AB als Drehungsaxe an-
genommen wird, den fixen Punkt &; es wird daher durch diesen
Punkt die Lage der Linie Fm nach der Drehung bestimmt. Kommt
z. B. der Punkt F'nach D, so wird die Gerade Fm in die Lage DJ
gelangen; es ist also der Punkt m in der Geraden DJ, er liegt
aber auch in der Verticalen mm’, also im Durchschnittspunkte dieser
zwei Geraden, d. i. in /, folglich ist der Punkt / ein Punkt der Ellipse,
w. z. b. w.
Was nun von diesem Punkte gilt, das gilt auch von jedem andern,
da m willkürlich angenommen wurde; oder:
I.
Da mm! || EF ist, so findet man dass das Am’ Ixc»DO«, und
das Amm «a FOx«; es gelten daher folgende zwei Proportionen:
1), 7B077 02° — Im "m &
und 2) FO :0& = mm’: m'«,
oder wenn der Kürze wegen Oa=wu, m'a=v, ferner bekannter
Weise
AO u, BO —5
und
Om —e, Im — %
gesetzt, sodann diese Werthe in die zwei obigen Proportionen sub-
stituirt werden.
io) a
2) m. — mm.)
oder bruchweise geschrieben:
- (D
NEE DÄRERENE RRNOEEETGNN) -
38 Fialkowski.
dividiren wir diese zwei Gleichungen Glied für Glied mit einander,
so erhalten wir
[44
6 y A
a a a a ee N
es handelt sich nun in dieser Gleichung um die Grösse mm’; denken
wir uns zu diesem Behufe die Om gezogen, so finden wir, da das
Dreieck Om’'m rechtwinkelig ist: (Om): = (mm’)® + (Om’)®, also
mm‘ = Y (Om)? — (Om')®.
Da aber Om = AO—=a und Om!’ = x gesetzt wurde, so ist:
mm' —= Vae—e:: man erhält daher durch Substitution in der
Gleichung (II) |
nal, Ten ag
a Var x? a
quadrirt man diese Gleichung, so folgt
b? Fe y?
a ara?
a? a?r— x
oder Zaun
hieraus a? y? = b? (a — a?)
und aa y? — a? b?—b2 a2,
folglich b? 22:4, a2 y? = a?.b2,
2 2
woraus Er — - =
also eine bekannte Gleichung der Ellipse folgt.
Dieselbe Relation muss aber auch bei jedem andern Punkte
erfolgen, also ist der Punkt I ein Punkt der Ellipse, w. z. b. w.
&. 25.
Dass diese Construction in allen Fällen ausführbar ist, wird wohl
leicht einzusehen sein; allein sie gewährt nur dann einen grossen Vor-
theil, wenn die Differenz der Axen bedeutend gross ist, wie die graphi-
sche Darstellung Fig. 30 zeigt. Denn bestimmt man nach der bekannten
Methode mittelst der zwei Brennpunkte z. B. die vier Punkte x, y, w,z,
so sieht man, dass sich die Bögen sowohl bei #, y wie auch bei
w und z schief schneiden, daher auch die Durchschnittspunkte dieser
Bögen, welche Ellipsenpunkte sein sollen, sehr undeutlich werden.
Da nun hier sowohl der wahre als auch der wahrscheinliche Punkt in
Construction des Kreises und der Ellipse. 39
der Richtung der Gedachten ©y liegen, so ist dabei der geringste
Fehler sehr empfindlich, was nach der von uns angeführten Methode,
wie Fig. 30 zeigt, nicht der Fall ist. Im Gegentheile man bekommt die
als Ellipsenpunkte erhaltenen Durchschnittspunkte sehr scharf und
deutlich, und je näher man mit der Bestimmung derselben gegen die
Endpunkte der grossen Axe geht, je deutlicher und schärfer erhält
man sie auch.
In dieser Figur wird auch gezeigt, auf welche Art die in $. 25
angegebene Construction vereinfacht werden kann. Es werden näm-
lich die zu EF gezogenen Parallelen, d. i. die Verticalen mm’, nn’, pp’
nach abwärts verlängert, ferner m’ I = mL," I! = „I, p III = p' III
und g IV’ = gIV gemacht, sodann die Entfernung der Normalen IT,
IIIT, IIIIII u. s. w. auf die entgegengesetzte Seite der kleinen
Axe übertragen, im Übrigen aber wie bei der Bestimmung der
Punkte 7,7, II, IT, III, III u. s. w. verfahren.
8.26.
Construetion der Ellipse, wenn die beiden conjugirten Durchmesser gegeben
sind, und wenn keiner derselben verlängert wird.
Die in den zwei vorhergehenden $$. angegebene Methode
gewährt auch in dem Falle einen grossen Vortheil, wenn nur die
beiden conjugirten Durchmesser gegeben sind. Es seien (Fig. 31)
AB und CD solche Durchmesser, welche ihrer Grösse und Richtung
nach gegeben sind; man nehme den grösseren derselben als den
Durchmesser desjenigen Kreises an, durch dessen Umdrehung die
zu zeichnendeEllipse entstanden gedacht wird ; beschreibe mit dessen
Hälfte aus O einen Viertelkreis, suche auf die bei Fig.30 angegebene
Weise die fixen Punkte «a, 5, c und m’, x‘, p', ziehe dann durch
letztere zum kleinen conjugirten Durchmesser Parallele, und durch-
schneide sie aus den Endpunkten eben dieses Durchmessers durch
Gerade. Hier sind sie aus D geschnitten und m I, = m’T, nU=nIT,
pIlI= pIII gemacht.
Auf ähnliche Art werden auch die Punkte /’I/'IIT', ferner
I" II" III" gefunden, indem man m’ O= m’O, "O=n"O.... macht,
und im Übrigen wie vorhin verfährt.
Beweis.
Was den Beweis betrifft, so kann dieser wie im $. 24, Fig. 29
auf zweierlei Art geführt werden, denn es stehen auch hier entweder
AO Fialkowski.
die fixen Punkte der Drehungsaxe und die hierdurch bestimmten
Lagen der Geraden, in welchen sich die Punkte des Kreises nach der
Drehung befinden, zu Gebote,.oder es werden z. B. für den Punkt J,
oder I’ die vier Dreiecke DxO, Iam', D'«xO und mam', von denen je
zwei und zwei mit einander ähnlich sind, benützt, indem man daraus
die zwei brauchbaren Proportionen aufstellt.
Es ist nämlich:
1) 04:0D = am’ : Im
2) 0a: OD = am : mm'.
Setzt man hier der Kürze wegen
0D =
S
S
|
ferner Om
0a =
RD vu
e:a = v:Yoar-a”?
oder bruchweise geschrieben |
UND
v””,
Br v
en Var a,
Dividirt man diese zwei
einander, so folgt
Gleichungen Glied für Glied durch-
vwVua?r— x?
m 0)
Va?r— «'?
Br
RL. 0
Basen.
woraus man
a
v
erhält. Diese Gleichung beiderseits quadrirt, gibt
a’?
woraus ar y?
und ai?
daher b?a’2 + a? y?
x? y*
und daraus ee
Y
/
OB =
OCu—nb,
x, Im!
K, am!
und denkt sich die Gerade Om gezogen, so ist auch mm’ bestimmt,
indem nm! = V’Om = Om N aBE 7% ‚ welehe Werthe in die
zwei obigen Proportionen substituirt, gibt sofort:
’
U
a
——
.v
Y
y
l
a2 —2'2
Da
b’? (a?—.x'?)
a? b’r—b'? x'?,
a? b’?,
1,
Construction des Kreises und der Ellipse. 41
also eine Gleichung der Ellipse für das schiefwinkelige Coordinaten-
System folgt, welches mit unserer Construction nach der gegebenen
Bedingung vollkommen übereinstimmt; folglich ist der Punkt J ein
Ellipsenpunkt.
Auf ähnliche Art lässt sich der Beweis auch für jeden andern
Punkt führen; es ist daher die angegebene Construction auch in dem
Falle mathematisch richtig, wenn die beiden conjugirten Axen
gegeben sind.
Bei dieser Construction ist nur noch das zu bemerken, dass man
in zwei Ellipsenquadranten die Durchschnittspunkte, welche Ellipsen-
punkte sind, sehr scharf und deutlich erhält, hingegen in anderen zwei
Quadranten fallen dieselben etwas. undeutlich aus, wie aus Fig. 31
ersichtlich ist. Es müssen demnach im ähnlichen Falle diejenigen
Punkte der Ellipse bestimmt werden, welche in der Fläche des von
den beiden Axen gebildeten stumpfen Winkels liegen.
&n2H.
Construction der Ellipse nach dieser Art in der Perspeetive.
Es ist wohl leicht begreiflich, dass sich die Ellipse auf so eben
angegebene Art auch in einer jeden perspectivischen Ebene con-
struiren lässt, indem, wie Fig. 31 zeigt, die zu dem kleineren conju-
girten Durchmesser durch die Fusspunkte der Normalen gezogenen
parallelen Sehnen, wenn sie gehörig verlängert werden, durch den
Augepunkt gehen müssen.
Allein wir finden für überflüssig die graphische Durchführung
dieses Falles, weil wir dafür eine viel einfachere Construction bereits
angegeben haben, und in den folgenden $$. u andere einfache
Constructionen angeben wollen.
Des Zusammenhanges wegen werden wir hier nur noch das
Interessante dieser Construction für den Fall hervorheben, wenn der
Hilfskreis über der kleinen Axe beschrieben wird, wobei gar keine
Axe verlängert zu werden braucht.
8.28.
Construction der Ellipse, wenn der Hilfskreis über der kleinen Axe beschrieben
wird, und keine von den beiden Axen verlängert werden darf.
Es sei (Fig. 32) AB die grosse und CD die kleine Axe gegeben;
man beschreibe über der kleinen Axe CD einen Kreis, nehme in
A2 Fialkowski.
der Peripherie desselben den Punkt E beliebig an, fälle aus diesem
Punkte eine Normale auf diese Axe, also EF LCD, verbinde den
Punkt Z mit A’ durch eine Gerade, welche die CD in @ schneidet,
verlängere die Normale EF nach aufwärts und führe aus dem End-
punkte A der grossen Axe durch den Punkt @ eine Gerade, bis die
Verlängerung der Normalen hier in #4 geschnitten wird, so ist dieser
Durchschnittspunkt ein Punkt der Ellipse, deren grosse Axe AB
und die kleine CD ist.
Um die mit diesem Punkte correspondirenden Punkte der Ellipse
zu erhalten, wird durch den gefundenen Punkt 4 die HH’ || AB
gezogen, sodann FH’ —= FH gemacht, ferner durch H die HH" und
durch 4’ die HH" || CD geführt u. s. w., wodurch man also vier
Punkte der Ellipse erhält. -
Allerdings wäre diese Construction sehr vortheilhaft, wenn der
Durchschnittspunkt H etwas schärfer zu bestimmen wäre, welcher
desto undeutlicher wird, je grösser die Differenz der beiden Axen ist.
Sie kann also nur in dem Falle angewendet werden, wenn die
Differenz der beiden Axen klein ist.
Beweis.
Der Beweis für die Richtigkeit dieser Construction wird auf
ähnliche Art wie bei der Fig. 29—31 geführt.
Nehmen wir zu diesem Behufe den Anfangspunkt der Coordi-
naten in O an, setzen der Kürze wegen:
40=B0O=a
c=DO=b
RO #2, HH 2. |
bezeichnen ferner GO mit m und FG mit n, so haben wir da das
AFGEwnAA'GO:-und das A FGHwAGO, folgende zwei brauchbare
Proportionen:
1) FG: FE= G0:A0
2) FG: FH = 60: 40
und daher wenn man die obigen Werthe substituirt.
n:FE=m:b
a
oder bruchweise geschrieben
|
s|S |
eo
Construction des Kreises und der Ellipse. A3
dividirt man diese zwei Gleichungen durch einander, so folgt:
ET re ee
FErn 5 'm
y a
FE "Er . o . . . . . . («).
Nun handelt es sich um den Werth von FE; diesen finden wir,
wenn wir uns die Hilfslinie EO gezogen denken, weil dann:
| EF = V EO:—FO»;
da aber EO = CO = b, und FO —= « ist, so hat man sofort
EF= Ve;
substituiren wir in die Gleichung («) den Werth für EF, so haben wir:
4
Seel
quadriren wir diese Gleichung beiderseits, so folgt:
y? a?
Dart Br.
und | by? = arb?—uarX?,
folglich EEE TRÄNEN
Da wir nun CO mit 5 und BO mit a bezeichnen, so müssen wir
auch das Stück FO statt « mit y, und FH statt y mit x bezeichnen,
indem hier die grosse Axe AB nur die scheinbare kleine Axe ist,
daher, wenn wir in der Gleichung (y) statt a*, b? und statt b2, a?
setzen, folgt sofort
x? y°
Ze
also eine bekannte Gleichung der Ellipse, somit ist der Punkt HZ ein
Ellipsenpunkt; es ist daher auch jeder Punkt, welcher nach diesen
Daten auf ähnliche Art gefunden wird, ein Ellipsenpunkt, w. z. b. w.
8.29.
Construction der Ellipse nach dieser Art, wenn die zwei conjugirten
Axen gegeben sind.
Es seien AB und CD (Fig. 33) die zwei ihrer Grösse und Rich-
tung nach gegebenen conjugirten Axen; man beschreibe über der
kleinen Axe CD einen Kreis, ziehe in diesem die C’D'’ LCDin 0,
nehme den Punkt E beliebig an, verbinde ihn mit D’ durch eine
Gerade, welche die CD in @ schneidet; wird nun aus E die EFFLCD
AA Fialkowski.
gezogen, durch den Fusspunkt F dieser Normalen die HH’ || AB
gelegt, und aus A durch den Punkt @ eine Gerade so geführt, dass
die HH’ in H geschnitten wird, so ist der Durchschnittspunkt H ein
Ellipsenpunkt. Da auch hier zwei Paar ähnliche Dreiecke gefunden
werden, so lässt sich hierbei der Beweis so wie in den früheren
Fällen führen.
Ist die Differenz der beiden conjugirten Durchmesser nicht gar
gross, so kann man ohne weiters auch diese Methode mit Vortheil
anwenden, wobei nur noch das zu bemerken ist, dass bei der Con-
struction der Ellipsenpunkte nur die durch den Fusspunkt der Nor-
malen zur grossen Axe geführten Parallelen völlig gezogen zu
werden brauchen, alle anderen können weggelassen werden, wenn
die Hilfspunkte markirt sind.
$. 30.
Des Zusammenhanges wegen wollen wir hier eine “Atteabe
anreihen, welche in manchen Fällen auf die gewöhnliche Art nicht so
leieht ausführbar ist, nämlich: Es soll von einem ausserhalb der
Ellipse gegebenen Punkte an diese eine Tangente geführt werden,
wobei weder die Axen noch die Brennpunkte gegeben sind. Ist also
ABCD (Fig. 34°) die gegebene Ellipse, so ziehe man zwei zu einan-
- der parallele Sehnen AB || CD, halbire jede derselben, ziehe durch
die Halbirungspunkte A und A’ eine dritte Sehne und halbire auch
diese in O, welcher Punkt bekannter Weise der Mittelpunkt der
gegebenen Ellipse, somit EF die eine und die durch O parallel zu AB
geführte Gerade @H. die zweite conjugirte Axe sein muss; es wird
daher der über EF oder @H beschriebene Kreis derjenige sein, durch
dessen Drehung die gegebene Ellipse entstanden gedacht werden muss.
Wird alsdann durch den gegebenen Punkt a die am || @H, durch
m die ma’ || @'H', ferner a mit H verbunden, und aus 7’ durch den
zuletzt erhaltenen fixen Punkt » eine Gerade bis ma’ gezogen, so ist
« derjenige Punkt, von welchem aus an den aus O mit dem Radius OE
beschriebenen Kreis eine Tangente vor der Drehung gezogen wurde.
Wird dann aus diesem Punkte «a an den Kreis eine Tangente geführt,
ferner durch den so erhaltenen Berührungspunkt J’ die J’K || @'O
und die JK || O@ gezogen, so ist J der Berührungspunkt für die aus
a an die Ellipse zu ziehende Tangente.
Um die Richtigkeit dieser Construction desto leichter einzusehen,
wird die gegebene Ellipse durch die Drehung des aus O mit dem
Construction des Kreises und der Ellipse. ; Ab
Radius OE beschriebenen Kreises E@'’F'H’ entstanden gedacht, wobei
alle auf die Drehungsaxe gezogenen Normalen aus bekannten Grün-
den parallel zu @H bleiben, wesshalb auch die ma’ und J'X parallel
zu @H gezogen;werden müssen; somit ist der Punkt J der zu suchende
Berührungspunkt, und aJg die verlangte Tangente.
Sehon aus der Construction sieht man ein, dass diese Auflösung
allgemein ist, und es wird daher auch gleichgiltig sein, ob die an den
Kreis gezogene Tangente die Drehungsaxe schneidet oder nicht. Man
kann aber die Axe jedesmal so erhalten, dass der Durchschnittspunkt
derselben mit der Tangente noch auf die Zeichenfläche fällt, was
lediglich von der Wahl der Richtung der zwei zuerst zu ziehenden
parallelen Sehnen abhängt. Sind die beiden Axen gegeben, so ist die
Auflösung dieser Aufgabe viel einfacher, indem man dann viele Linien
entbehren kann. In diesem Falle wird aber jedesmal eine von den
zwei möglichen Tangenten die Verlängerung der Axe schneiden,
wodurch man einen fixen Punkt als Hilfspunkt erhält, wie dies
Fig. 34® ersichtlich macht.
$. 31.
Construetion der Ellipse mittelst der Umlegung der Ordinaten in die
Drehungsaxe.
Wenn man Fig. 12 und 13 näher in Betrachtung zieht und
bedenkt, wie das Bild irgend eines Punktes auf der Tafel bestimmt
wird, so ergibt sich hieraus ein interessantes Verfahren, in einem
beliebigen Rechtecke oder Parallelogramme eine Ellipse mittelst
beliebig vieler Punkte zu construiren.
Soll nämlich (Taf. VI, Fig. 35) in dem Rechtecke EFGH eine
Ellipse eingeschrieben werden, so beschreibe man über AB als Durch-
messer einen Kreis, ziehe in diesem die Ordinaten JJ’, KK , LL’, MM’,
NN’, PP’, beschreibe mit den Radien gleich diesen Ordinaten aus
deren Fusspunkten die Halbkreise so, dass der Durchmesser und dessen
Verlängerung geschnitten wird, oder was dasselbe ist, man lege jede
Ordinate um deren Fusspunkt beiderseits desselben in die Axe um, und
ziehe dann durch die so in der Axe erhaltenen Punkte zu der einen
_ oder der andern Diagonale des Rechteckes EFGH Parallele, bis die
entsprechenden Ordinaten geschnitten werden. Wird z. B. die Ordi-
nate MM’ in die Axe umgelegt, so erhält man rechts derselben in der
Axe den Punkt m, und links den Punkt m’; ebenso erhält man, wenn
die Ordinate NN’ in die Axe umgelegt wird, einerseits den Punkt z
A6 i Fialkowski.
und anderseits den Punkt z’ in derselben u. s. w. Werden alsdann
aus m nach links oben, und aus m’ nach rechts unten zu der Diagonale
EG Parallele gezogen, so wird durch die erste die Ordinate MM’
in m” und durch die zweite Parallele dieV erlängerung dieser Ordinate
unterhalb der Axe in »”’ geschnitten; und jeder dieser zwei Punkte
ist ein Punkt der in das Rechteck EFGH einzuschreibenden Ellipse.
Beweis.
Vergleicht man die durch diese Construction entstandenen Drei-
ecke M'mm", N'nn' u. s. w. mit dem Dreiecke EFG, so findet man,
dass sie mit einander ähnlich sind, indem die homologen Seiten zu ein-
ander parallel sind; es ist nämlich EF || M’m, M'm" || FG, mm! I EG
u. s. w. Man kann daher folgende Proportion aufstellen:
Mm Mm = N'n" : N n=P 9". Pp—FGr BR.
und da CD=FG und EF— AB ist, so hat man durch Substitution
Mm": Mm=Nn": Nn=P'yp":P’'p=CD: AB, also wenn
man nur die zwei Dreiecke M’mm”' und EF@ mit einander vergleicht:
M'm’ : Mm=F@G: EF oder
Mm’:M m=(CD:AB. .„ . . za
Setzen wir nun der Kürze wegen
MO=x und Mm —=y,
ferner AB=?2aund CD=2,
so brauchen wir nur noch die M’m, welehe nach der Construction
gleich M'Mist, durch Rechnung zu finden; denken wir uns also zu
diesem Behufe die MO gezogen, so haben wir:
MO -MWM +0;
und da MO = BO, und MM = M'm
ist, ferner BO =awd MO=x
gesetzt wurde, so folgt:
M'M—=V «@— 2:=M'm.
Substituirt man diese Werthe in die obige Gleichung ©. so
erhält man:
Me: Ve —=%b:2a=b:a
und hieraus ay=b Ve— x,
welche Gleichung beiderseits quadrirt sofort gibt:
| a? y?— b? (a?— x?) = a? b?—b? x%,
daher b? x -+ a? y? = a* b?
os
EEE En
Construction des Kreises und der Ellipse. AY
und hieraus durch Division mit a? b?
2
folgt —_ _ =
eine bekannte Gleichung der Eilipse; folglich ist der durch diese
Construction gefundene Punkt m” ein Ellipsenpunkt.
Was nun von diesem Punkte gilt, das lässt sich auf ähnliche
Art auch von jedem andern Punkte erweisen, welcher auf ähnliche
Art gefunden wird.
&. 32.
Construction der Ellipse in einem Parallelogramme nach der in $. 31 ange-
gebenen Art.
Sind zur Construction einer Ellipse die beiden econjugirten Axen
sowohl ihrer Grösse als auch ihrer Richtung nach gegeben, so wird
hierbei auf ähnliche Art wie bei dem Rechtecke verfahren, mit dem
Unterschiede, dass die Ellipsenpunkte nicht in den Ordinaten, son-
dern in den durch die Fusspunkte derselben zu der kleinen Axe ge-
zogenen Parallelen liegen; wesshalb in diesem Falle durch die Fuss-
punkte der Ordinaten zu der kleinen Axe parallele Gerade gezogen,
und mittelst der durch die umgelegten Endpunkte der Ordinaten zu
der Diagonale gezogenen Parallelen geschnitten werden müssen.
Sollte also für diesen Fall irgend ein Punkt der Ellipse bestimmt
werden, so beschreibe man Fig. 36 mit dem halben conjugirten
Durchmesser, also mit BO aus O einen Bogen Bu; nehme auf diesem
irgend einen Punkt J an, ziehe dann die Ordinate JX, lege sie um den
Fusspunkt Kin die Axe um, ziehe durch diesen Fusspunkt die NP ]| CD,
endlich aus M die MN || EG, und aus L die LP ebenfalls parallel
zu EG, wodurch man die zwei Ellipsenpunkte N und ? erhält.
Wird ferner LO=KO gemacht, durch den Punkt Z eine Paral-
lele zu CD gezogen, und LO=LR=KN abgeschnitten, so erfolgen
die Punkte Q und A als die zwei correspondirenden Punkte für N
und P, wodurch man also vier Punkte der Ellipse gefunden hat.
Beweis.
Der Beweis für die Richtigkeit dieser Construction wird auf
ähnliche Art wie beim Rechtecke geführt; denn man braucht nur die
zwei Dreiecke EFG und MNK mit einander zu vergleichen, so findet
man dass sie einander ähnlich sind, indem je zwei und zwei Seiten
48 Fialkowski..
=>
nach der Construction zu einander parallel, daher die gleichliegenden
Seiten gerade proportionirt sind, nämlich:
KN: KN=F@G:EF=CD: AB.
Setzt man der Kürze wegen
| KO=e, KEN =y);
ferner EG=(CD=%'
und EF=AB=2a',
zieht die Hilfslinie 0J, und sucht die JX, welche gleich KM ist,
(indem KM gleich JK gemacht wurde), so findet man auch hier,
wenn die entsprechenden Werthe substituirt werden :
y:Vor— ar =b':ar,
woraus | er = —= 1,
also ebenfalls eine bekannte Gleichung der Ellipse erfolgt; es ist
daher auch für diesen Fall die Richtigkeit der angegebenen Construc-
tion nachgewiesen.
$. 38.
Der dritte Fall dieser Construction tritt dann ein, wenn in einem
perspectivischen Quadrate eine Ellipse eingeschrieben werden soll.
Wir unterlassen indessen die graphische Durchführung dieses Falles,
weil man, wie in $. 6 bereits erwähnt wurde, diese Construetion
nicht jedesmal mit Vortheil benützen kann. Auch ist diese Construc-
tion in der Perspective nicht mehr neu, indem man sie in einigen
neuen Werken über die Perspective findet.
Der Beweis kann auch in diesem Falle auf ähnliche Art, wie
beim Parallelogramme geführt werden, indem die d@rch den Fuss--
punkt der Ordinaten gezogenen Parallelen nach dem Hauptpunkte,
jene aber, welche zur Diagonale parallel geführt werden, nach dem
Distanzpunkte convergiren.
Wird nun, was in der Perspeetive meistens geschehen muss, um
ein schönes Bild des Gegenstandes zu erzielen, mit irgend einem
Theile der Distanz gearbeitet, so muss auch von jeder Ordinate der
eben so vielte Theil jedesmal abgeschnitten werden, was allerdings
unbequem und zeitraubend ist. |
$. 34.
Bei der in $. 31 gezeigten Construetion ergibt sich noch Fol-
gendes: Werden, wie Fig. 37 zeigt, die Ordinaten in gleicher Entfer-
nung von einander und ziemlich gedrängt angenommen, sodann aus den
Construction des Kreises und der Ellipse. A9
Fusspunkten dieser Ordinaten mit den Radien gleich diesen Ordinaten
- Kreise beschrieben, so entsteht dadurch eine Figur, deren Umfang sich
desto mehr einer Ellipse nähert, je mehr Ordinaten man annimmt, und
wenn eine von ihnen so gezogen wird, dass sie den Quadranten halbirt.
Die grösste Entfernung eines Punktes auf der Verlängerung der
grossen Axe von dem Mittelpunkte ‚derselben, erhält man dann, wenn
man mit der Ordinate gleich dem Sinus von 45° einen Kreis auf die
besagte Art beschreibt. In Fig. 38 schneidet ein solcher Kreis die
Axe XX' in A’, alle anderen Punkte, welehe mittelst der nächst-
folgenden Ordinaten erhalten werden, rücken wieder zurück, so dass
der letzte Punkt links in A sein wird.
Alsdann wird das Verhältniss der beiden Axen dieser Ellipse
wie V2:1 sein, denn es ist, wenn A’m und Om gezogen werden:
A’'m = mO
AO = CO
und da der <[ A’mO = A00 ist,
so ist das A A'mO & A0C,
daher AO—=HAL;
es ist aber, wenn AO = (O0 =1 gesetzt wird,
AC—=4A'0—V2 und CD=2;
folglich ist AB ::CD= 2V2:2
oder a:db= V2:l.
Bei dieser Construction kommen noch zwei besondere Eigen-
schaften zum Vorschein : «) Wird durch die Ordinaten, wie in Fig. 37,
der Durchmesser AB in eine gewisse Anzahl gleicher Theile getheilt,
so fallen die Durchschnittspunkte der auf besagte Art beschriebenen
Kreise in die Ordinaten; 5) wird aber durch die Ordinaten wie
in Fig. 38 die Peripherie in eine gewisse Anzahl gleicher Theile
getheilt, so berühren sich die Kreise in der Abseissenaxe. |
Letzteres folgt desshalb, indem wie Fig. 38° zeigt, wenn der
Punkt E in der Peripherie des Kreises beliebig angenommen, ferner
EF_LAO, COiLAB und EG_LCO gezogen, sodann BH=CE
gemacht, und HJ_LJO geführt wird u. s. w.
FO=cos a=sin ß= JK
und JO— cos B=sina=FK
daher FO+JO=FK-+JK;
es ist aber FO+JO=FJ, |
also auch FK+JK=FJ;
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XV. Bd. I. Hft. A
50 Fialkowski
folglich berühren sich die aus F und J mit ihren Ordinaten beschrie-
benen Kreise in K. Dasselbe gilt auch von jedem andern Punkte.
Man kann für eine solche Ellipse nur mittelst zwei Ordinaten
mehrere Punkte, so wie auch die zweite Axe bestimmen, und diese
Curve mit Vortheil aus Kreisbögen zusammensetzen, wie dies Fig. 39
zeigt. h
8.35.
Construction der Ellipse in einem Rechtecke, wenn der Hilfskreis über der
kleinen Axe beschrieben wird.
Viel interessanter wird die im $. 31 angegebene Construction,
wie auch der Beweis, wenn man sich die Ellipse durch die Drehung
des Kreises, welcher mit der halben kleinen Axe oder mit dem
halben kleinen eonjugirten Durchmesser über demselben aus dessen
Halbirungspunkte beschrieben wird, entstanden denkt.
Wir haben im $. 12 bei der Erklärung der Fig. 12 und 13
bereits nachgewiesen, dass man sich jedes Rechteck oder Parallelo-
gramm durch die Drehung zweier verschiedener Quadrate, folglich
auch die einzuschreibenden Ellipsen durch die Drehung zweier ver-
schiedener Kreise entstanden denken kann. Für den Fall, wenn die
Ellipse durch die Drehung eines mit der grossen Halbaxe oder
mit dem halben grösseren conjugirten Durchmesser beschriebenen
Kreises entstanden gedacht wird, ist die Construction im $. 31 und
32 bereits nachgewiesen; wir werden nun auch für den so eben
erwähnten Fall zuerst die Construction zeigen, sodann dieselbe
nachweisen. |
Man beschreibe aus O (Fig. 40) mit dem Radius OB = 04
einen Kreis, ziehe in diesem die Ordinate JÄ, verlängere sie nach
ab- und aufwärts, und durchschneide aus X mit JK die AB in L, deren
Verlängerung aber in M; wird alsdann durch Z zu der Diagonale
EG eine Parallele gezogen, welche die Verlängerung der Ordinate,
d. i. die mn in N schneidet, so ist dieser Punkt ein Ellipsenpunkt.
Wird ferner aus demselben Punkte zu der zweiten Diaganale eben-
falls eine Parallele, also ZN’ || FH gezogen bis mn geschnitten wird,
so ist auch dieser Punkt, d. i. N’, ein Ellipsenpunkt, und zwar der-
jenige, welcher mit dem ersten correspondirt.
Diese zwei Punkte kann man aber auch dadurch erhalten, indem
man aus M die MN’ || EG und MN || FH zieht.
Construction des Kreises und der Ellipse. 51
Beweis.
Zum Behufe des Beweises muss man entweder die Axen mit
einander oder die Abseisse mit der Ordinate verwechseln, was auch
ganz richtig ist; denn wenn man sich die in das Parallelogramm
einzuzeichnende Ellipse (Fig. 40) als das Bild des aus O mit OB
beschriebenen Kreises vorstellt, so ist es nichts anderes, als ein
verzerrtes Bild, beziehungsweise der kleinen Axe, in welchem Bilde
die kleine Axe nicht kleiner, sondern grösser erscheint.
Man muss also dann JK = KN' setzen, welches perspectivisch
richtig ist, wenn das Auge des Beobachters in unendlicher Entfer-
nung angenommen wird.
Man kann aber den Beweis für die Richtigkeit dieser Con-
struction auch auf folgende Art führen:
Da das Dreieck ÄLN’ vo HGF ist, so findet folgende Propor-
tion Statt:
LK: NK = HG: FG,
es ist aber HG = AB
und FG —=CD,
also BR SN KR ABACDH:: 2 2 rl
Setzen wir der Kürze wegen:
HG = AB = 2b
FG =CD= 20
und nehmen den Anfangspunkt der Coordinaten im Mittelpunkte O an,
so wird, wenn man sich durch N’eine Parallele zu AB gezogen denkt,
das Stück Op = N’K— x abgeschnitten, wo dann N’ p= O0K=y ist.
Man hat daher durch Substitution dieser Werthe in die Glei-
chung («)
i LK: = =2b:2a—=b:a....(P).
in welcher Proportion nur noch das erste Glied unbekannt ist.
Denkt man sich nun OJ gezogen, so folgt aus dem recht-
winkeligen Dreiecke OJK:
2
JK = VJ0 OR
da aber 0J)=0B=b
und OK =y
ist, so folgt JK= y b: — y°;
es ist aber JK = LK
A*
52 i Fialkowski.
nach der Construction,
also | JK = y b?— y:,
welcher Werth für LK in die Gleichung (ß) substituirt, gibt
Ve—-a2:2—=b:a,
woraus, a vb — y® — HB.
Diese Gleichung beiderseits quadrirt gibt sofort
a? (a? — y?) — b? x?
a? b? a Na — b? x?
b? 2? + a?y? — a?b?
und hieraus = a
also eine bekannte Gleichung der Ellipse folgt. Es muss daher jeder
auf ähnliche Art bestimmte Punkt ein Ellipsenpunkt sein, w. z. b. w.
Zu derselben Relation gelangt man auch, wenn man aus dem
angegebenen Grunde AB —= 2a und CD = 25 setzt und darnach
auch die Abscissen und Ordinaten bezeichnet.
8. 36.
Construction der Ellipse in einem Parallelogramme, wenn der Hilfskreis über
dem kleinen conjugirten Durchmesser beschrieben wird.
Auch in diesem Falle ist die Construction der Ellipse ähnlich
mit der im $. 85 angegebenen.
Ist (Fig. 41) AB der kleinere und CD der grössere conjugirte
Durchmesser der Grösse und Richtung nach gegeben, so kann auch
das der zu zeichenden Ellipse umschriebene Parallelogramm EFGH
als gegeben betrachtet werden.
Ist dieses Parallelogramm gezeichnet, und in demselben die
beiden Diagonalen gezogen, so beschreibe man über dem kleinen con-
jugirten Durchmesser AB einen Hilfskreis, nehme in der Peripherie
desselben den Punkt Jan, ziehe die diesem Punkte entsprechende
Ordinate JK, und lege sie beiderseits in die Axe AB um, wodurch
man den Punkt L und M erhält. |
Wird endlich durch den. Fusspunkt dieser Ordinate die Gerade
mn || OD gezogen, und aus dem Punkte Z die LN || FH geführt, so
ist der Durchschnittspunkt dieser zwei Geraden, d. i. N ein Punkt
der zu zeichnenden Ellipse.
u nn a
Construction des Kreises und der Ellipse. 53
Wird ferner aus dem Punkte Z die LN’ || E@ gezogen, so er-
folgt der Punkt N’ als ein zweiter und zwar als correspondirender
Punkt des Punktes N derselben Ellipse.
Man kann aber dieselben Punkte erhalten, wenn man aus dem
Punkte M zu den entsprechenden Diagonalen Parallelen zieht, wie aus
der Figur ersichtlich ist.
Beweis.
Vergleicht man die in dieser Figur entstandenen Dreiecke mit
'einander, so findet man bezüglich des Punktes N das ALNK w
FGH, daher:
LE: NK = GH: FG;
es ist aber | GH—=AB= 2),
und FG = CD = 2a;
also LK:NK = AB: CD= 2%':2d—=b':a...(«).
Nimmt man nun die conjugirten Axen als die Coordinaten-
Axen an, so hat man, wenn die Abseissenaxe mit der Ordinatenaxe
verwechselt wird, Ok =y und NK=«.
Denkt man sich ferner auch die Hilfslinie JO gezogen, so folgt
aus dem rechtwinkeligen Dreiecke JKO:
U 0 208
Da nun die Gedachte 0J =O0B=b
‚und OR —='7j ist,
so hat man JK—V be—y®;
es ist aber IK — LK nach der Construction,
daher LK = Vir—y® 3
Werden nun diese Werthe in die Gleichung (x) substituirt,
so folgt:
Vor ye:e=b:a
woraus man Pa Y2 — B4, erhält.
welche Gleichung beiderseits quadrirt sofort gibt:
7 a?(b?--y?) = br?
ar br — ury? = br?
und hieraus — + ie —
also ebenfalls eine Gleichung der Ellipse. daher ist jeder auf diese
Art gefundene Punkt ein Ellipsenpunkt.
BA Fialkowski.
8. 37.
Fassen wir die vier Figuren 35, 36, 40, 41 näher ins Auge,
so folgt daraus, dass im ersten Falle Fig. 35 und 40 die Ordinaten
nicht verlängert zu werden brauchen , im zweiten Falle aber, sind
die durch den Fusspunkt der Ordinaten zu der nicht verlängerten Axe
gezogenen Parallelen ganz entbehrlich, sobald man die beiden mittelst
des Umlegens der Ordinate in der Axe erhaltenen Punkte benützt.
So gut man also im ersten Falle die Ordinate nicht zu ver-
längern und im zweiten Falle durch den Fusspunkt derselben eine
Hilfslinie nicht zu ziehen braucht, eben so gut braucht man nicht
alle vier Linien, welche für je zwei Punkte ein Parallelogramm bilden,
zu ziehen.
Man wird daher aus jedem der zwei umgelegten Punkte Z und M
(Fig. 42 und 43) zu der einen der zwei Diagonalen eine entspre-
chende Parallele ziehen, und diese dann aus denselben Punkten parallel
zu der zweiten Diagonale einschneiden. Werden überdies die Punkte
L und M entgegengesetzt übertragen, so können mit einem Schlage
mittelst der zu den Diagonalen gezogenen Parallelen alle vier Punkte
bestimmt werden, wobei die meisten Linien, welche hier der Erklä-
rung wegen gezogen werden mussten, also auch die Hilfskreise weg-
gelassen werden können, wie dies aus Figur 42 und 43 leicht einzu-
sehen ist. z
$. 38. |
Construction des Kreises mittelst zweier um zwei fixe Punkte drehbaren
Geraden.
Wir kommen nun zu einem äusserst interessanten Gesetze über
die Construction des Kreises, welches sich bei der genaueren Unter-
suchung des in $. 1 und 2 aufgestellten Satzes näher ergeben hat.
Es sei (Taf. VII, Fig. 44) ABCD ein Quadrat, in welchem jede
der vier Seiten halbirt, sodann je zwei gegenüberliegende Halbi-
rungspunkte mit einander durch Gerade verbunden, und überdies auch
die Gerade FG gezogen; es ist also MF der Halbmesser desjenigen
Kreises, welcher dem Quadrate ABCD eingeschrieben wird, FG: die
_ Diagonale des Viertelquadrates, daher ist sie auch die Sehne des
Viertelbogens, oder kurzweg Neunziger-Sehne.
Wird nun die Neunziger -Sehne FG, z. B. in 4, die MF aber
in Amal so viele gleiche Theile, als in wie viel die F@ getheilt
wurde, also in 4? gleiche Theile getheilt; wird ferner die durch
Construction des Kreises und der Ellipse. 55
die Eintheilung der Neunziger-Sehne erhaltene Einheit F/, auf der
Verlängerung des Halbmessers EF Amal aufgetragen, so ist, wenn
der Halbirungspunkt @ mit dem Punkte 7’ auf FU, und der Eckpunkt
B mit 1 auf MF durch Gerade verbunden werden, der Durchschnitts-
punkt I" dieser zwei Geraden ein Punkt der Peripherie desjenigen
Kreises, welcher dem Quadrate ABCD eingeschrieben werden soll.
Eben so gibt, @ mit II’ auf FU, und B mit 4 oder 2? auf MF ver-
bunden, den Punkt /J", ferner @ mit IIT' auf FU und B mit 9 oder 3?
auf MF den Punkt //T', und endlich gibt, @ mit IV’ auf FU und B mit 16
oder 42 auf MF durch Gerade verbunden, den Punkt /V’’; so also, dass
alle vier Punkte I", IT", IIT', IV’ in der Peripherie des dem gege-
benen Quadrate ABCD eingeschriebenen Kreises liegen.
Fassen wir diese Construction näher ins Auge, so sehen wir,
dass der Construction eines jeden Kreises durch die Eintheilung des
Halbmessers und der Neunziger - Sehne zwei verschiedene Einheiten,
welche von einem und demselben Punkte nach entgegengesetzten
Richtungen auf einer Geraden aufgetragen werden, zu Grunde liegen.
Wird demnach die Einheit Fi = . — = des Halbmessers
MF' von F angefangen auf EF und dann auf deren Verlängerung noch
weiter, so oft als es auf der Zeichenfläche geht, aufgetragen, die so
erhaltenen Theilungspunkte von F angefangen mit natürlichen Zahlen
bezeichnet, und diejenigen Punkte, auf welche bei der Bezeichnung
die Quadrate der natürlichen Zahlen fallen, deutlicher markirt 1),
sodann die Einheit der Neunziger - Sehne auf der Verlängerung der
EF so oft von F aus aufgetragen, als es auf der entgegengesetztien
Seite Quadratzahlen gibt, so gilt das aufgestellte Gesetz auch dann,
und es gibt somit, wie Fig. 44 zeigt:
Die Gerade @J’ mit der Geraden B 1 oder B1? den Punkt I"
BEENGIl 25%, eur sonBaeı erdi
% Ur @T\ 25 media Us Saal“
» 1 2] VE Bi w Bilßng-IsBAre Pi nl
5 RHUNG Yin a 5125 za Ba DpmBSR |, yoialg
" A RA ons anne) Ends 5 N
1) Wir wollen diejenigen Punkte, auf welche bei der Bezeichnung der Theilungs-
punkte die Quadrate der natürlichen Zahlen fallen, Quadratpunkte nennen, um
uns bei der Erklärung desto kürzer und leichter ausdrücken zu können.
56 Fialkowski.
und endlich der in unendlicher Entfernung liegende Punkt einer-
seits mit @, und der diesem Punkte entsprechende Quadratpunkt andern-
seits mit 5 verbunden, gibt den Halbirungspunkt der Seite AB, so
also, dass die Gerade @& mit der Geraden Bo >= ©, oder mit
Bo? auf die obige Art in Verbindung gebracht, den Punkt @ gibt.
Auf diese Art kann man also für einen jeden Quadranten belie-
big viele Punkte bestimmen, und solche Construction der Punkte für
jeden einzelnen Viertelkreis ins Unendliche fortsetzen, indem man
die zwei senkrecht aufeinander stehenden Durchmesser nach den vier
Richtungen verlängert, und bei der Bestimmung der Punkte auf eben
die Weise vorgeht, wie bei dem ersten gezeigt wurde.
8. 39.
Bevor wir nun die Richtigkeit dieser Construction nachweisen,
wollen wir zuerst ebenfalls einen neuen, hierzu erforderlichen Lehr-
satz für Quadratzahlen aufstellen und begründen, d. h. wir wollen
zuerst zeigen, auf welche Art man durch geometrische Construction
die Quadrate der natürlichen Zahlen auf dem Durchmesser für den
Fall erhält, wenn die Sehne von 90° oder Neunziger-Sehne in eine
beliebige Anzahl gleicher Theile getheilt wird.
Es sei nun ACBK (Fig. 45) ein mit einem beliebigen Halb-
messer beschriebener Kreis; man ziehe in diesem die Neunziger-
Sehne BC, theile sie in eine beliebige Anzahl gleicher Theile, be-
schreibe mit dem Radius gleich einem solchen Theile aus dem einen
Punkte dieser Sehne hier aus B einen Kreis, weleher den ersten in Z,
den Radius BO in @ und dessen Verlängerung in F schneidet; so
entstehen, wenn die Geraden AE, EF, EG und BE gezogen werden,
zwei rechtwinkelige Dreiecke, d.i. das Dreieck AEB und EFG, in
welchem Falle, wenn von ihrem gemeinschaftlichen Scheitelpunkte E
die Normale EH gezogen wird, das Stück AH gefunden werden kann.
Bekanntlich ist die Neunziger-Sehne hier BC = Y 2, wenn der
Halbmesser BO=r=1 gesetzt wird. Denkt man sich nun 5C etwain
vier gleiche Theile getheilt, und einem solchen Theil zum Halbmesser
für den zweiten Kreis @EFK' genommen, so istb@ =BD=BE =
BF = - V_ 2%; es sei ferner der Kürze wegen EH — h, BH = «,
GH=ywdBG = BH+GH= sc -+y,wdaB0O=er=1
ist, so folgt AH =? — eund FH = x + . N
”
E
r
{
3
Construction des Kreises und der Ellipse. 57
Nach diesen Voraussetzungen finden folgende zwei Proportionen
statt:
Es ist BH:EH = EH: AH
und da | AH = AB—BH
ist, sohatman BH:EH= EH:AB—BH..... .(e);
eben so ist GH: EH = EH: FH
und da FH = BH-+ BF
ist, so folgt GH:EH=EH:BH-+-BF .....(B).
Substituirt man in diesen zwei Proportionen die obangeführten
Werthe, so hat man:
EINER MOL) 2.2 NAT
und y:h=h:(@+ z 9?) UOTE EN
somit aus («') h? = x (?—e)
und aus (P’) Ra G + = v2).
daher © (?2—2) = y (« — nn v2). ER N
es ist aber a+y= v2 — BG.
somit — 2 v2—z,
folglich durch Substitution in (7)
3 14.2
x (?—x) = = v2—e) (z v2+®).
1 EN
woraus 27°—X? = (= V 2) —ır?
1
also | 2 — m 2 |
und hieraus = ran dh folgt
; 16 Ar 2
= wenn der Halbmesser
des Grundkreises, d..BO=r — 1 gesetzt, die Neunziger-Sehne
BC in vier gleiche Theile getheilt, und aus 3 mit dem Halbmesser
gleich einem solchen Theile der Punkt E auf der Peripherie des
Grundkreises bestimmt wird. Eben so findet man
Es ist somit das Segment BH = x
|
4 | Aen/ 28 4
für z+y— V2e—- 5-5
3 yo 3° 9
Ce Var 4? 16
Pr) 24 y 7V22 =. 0. |
58 Fialkowski.
Um diesen Satz ganz allgemein nachzuweisen, bezeichnen wir
die Anzahl Theile, in welche die Neunziger-Sehne BC getheilt wird
mit 2 und die Anzahl derjenigen Theile, welche man zum Radius des
Hilfskreises nimmt mit p, so ist der Radius für den Hilfskreis (auf
den Radius r = 1 bezogen) an. v- pr daher nach der
n
angeführten Proportion:
23h =h: Rad): ee
y:h—h:(e +! Y2)
somit aus («) h? = x (?—x),
und aus (ß) h=y & + [ v2).
daher = 2a) = y(e +5 72): il Az Me
da nun auch hier
| BH+6CH=-«+y=!?v2
ist, so folgt a L 25
und daher, wenn dieser Werth in die Gleichung (y) substituirt wird
x (2 —r) = © va — «) (Eva+ ©),
woraus x (?—) = ee 22,
somit 27—a? = = Be
also Ir — 2 ’
folglich a
folgt, w. z. b. w.
Da nun eine jede Gerade in eine beliebige Anzahl gleicher
Theile geometrisch theilbar ist, so gilt dies von jedem beliebigen
Punkte des Quadranten und dessen entsprechender Sehne.
2
Löst man die Gleichung x = = in eine Proportion auf, so
erhält man:
z:p=p:n,
d. h. in Worten ausgedrückt: Jedes Stück der Neunziger - Sehne ist
die mittlere geometrische Proportionale zwischen dem Quadrate
|
%
Construction des Kreises und der Ellipse. 59
dieser Sehne und demjenigen Segmente des Durchmessers, welches
zwischen dem einen Endpunkte der Sehne und dem Fusspunkte der-
jenigen Ordinate liegt, deren Peripheriepunkt mit diesem Sehnen-
stücke aus demjenigen Endpunkte, dem das Segment anliegt,
bestimmt wird. |
Man kann daher mittelst der aus diesem Satze abgeleiteten Con-
struction für jede beliebige Eintheilung der Neunziger - Sehne auf
dem Durchmesser die Eintheilungslinien für die Quadrate der natür-
lichen Zahlen erhalten, ohne den Durchmesser eintheilen zu müssen.
Wird nun in der Gleichung « = E \
N
n=%&undp = 1, )(woi eine durch die Ein-
1
2, theilung der Neunzi-
— a, ger-Sehne erhaltene
A Einheit bezeichnet)
gesetzt, so erhält man:
4° 1
für == 1, ee,
Ze , AR 16
Br 4
„p=4,x = — = —, | (vom Halbmesser
4° 16 \
92 9 des Grundkrei-
” > d, ve — = — F)
4? 16
D — A, = — = —
‚? ‚316 &£16
Es sind daher die Zähler der so erhaltenen Brüche die Quadrate
der natürlichen Zahlen, welche nach der angeführten Construction
dadurch gefunden werden können, wenn man nach und nach mit den
Radien gleich den Zählern der Brüche: 1%, %/, 3/, und %/, oder
im Allgemeinen mit Re von der Neunziger-Sehne aus F die Peri-
pherie des Grundkreises durchschneidet, und von diesen Durch-
schnittspunkten die Ordinaten zieht.
Dieser Satz gilt aber auch dann, wenn auf der Verlängerung
1
der Neunziger - Sehne = derselben aufgetragen wird, denn es ist
(Fig. 46), wenn man die Sehne BC = Y2 und ihre Verlängerung
1
JO = = v2 setzt, d. h. wenn man » + - soleher Theile zum
Radius des Hilfskreises nimmt:
60 Fialkowski.
ahs=eihr (282) re ae
ai 17,2 :
yiR-h:le var va).. So
‚ daher au (ad) = x (?—r),
ie 1 Re
und aus ($) M=y(ae+ve+ „je
: ur i högaee
folglich = 2a) =-y(e ++). u Fran 2 ee ee
es ist aber
en 1 I
nu vVaı va DM Ba
daher
a 1
PUR
folglich den Werth für y in (y) substituirt, gibt ferner:
a Fe Bi 1
» 2—a)- vE+ re) VE+—rNHte),
4 14,53. ei wish
2) - (Er rer r)t
A 2
22 ®- (vet N).
2 d
che ion sur
4 2
2 1 n”" +2n +1
2 —1 Eu er Fee
an n 1: n? 4 Mr
woraus endlich
(n + 1)? .
= nie erhalten wird.
Da nun die Neunziger - Sehne in » gleiche Theile getheilt und
n + 1 solehe Theile zum Radius des Hilfskreises genommen wurde,
so ist auch hier x — dem Quadrate der genommenen Theile divi-
dirt durch das Quadrat derjenigen Anzahl Theile, in welche die Sehne
getheilt wurde. |
Dieser Satz gilt auch dann, wenn auf der Verlängerung der
5 1
Neunziger - Sehne der —te Theil derselben 1, 2,3 ... oder m mal
”R
aufgetragen wird, denn es ist:
N ee RE Le
y:h=-h:(@e+v2+—Y2) Ze net a
_ Construetion des Kreises und der Ellipse. | 61
folglich aus (x) h? = x (?— 2),
und aus (P) 29 («+ v2 + — y2),
daher
2 @— 2)=y(e +V2+ — y2) here
da nun
© Mm Mi
Na N
ist, also
— m SCH
so erhält man durch Substitution in die Gleichung (y):
& m se m.
x (2—2) = (v3 = Er v2—«) (v2 + er v2 ) ;
she m, 22
3a—er — (v2 + —Y2) —ar.
2 - (v2+ Zr2)=2+2.7 2
woraus
2m m? n? +2 mn + m?
nt 2; Er Zi Se Be MEFTSIERTER
n n n
; (n+ m)?
folglich = ART =
also ganz allgemeiner Ausdruck erhalten wird, w. z. b. w.
Je grösser also die Anzahl Theile, in welche die Neunziger-
Sehne getheilt werden soll, angenommen wird, desto öfter lässt sich
ein solcher Theil auf einer geringen Ns dieser Sehne, und
ebenso auch der erste Werth für = — am: dem Durchmesser und
n?
dessen Verlängerung auftragen, wodurch man also auch desto mehr
Punkte nach der besagten Construction erhält.
8.40.
Aus der näheren Betrachtung der Fig. 46 sieht man leicht ein,
dass die Verlängerung der Sehne BC beliebig lang gemacht werden,
hingegen der Radius für den Hilfskreis bei der jedesmaligen Ein-
theilung der Sehne das Maximum — 2r des Grundkreises erhalten
kann; was auch ganz natürlich ist, indem der Grundkreis mit einem
grösseren Radius als 2r aus dessen einem Peripheriepunkte gar
62 Fialkowski.
nicht geschnitten werden kann, und der Punkt A, d. i. der Endpunkt
des Durchmessers AB, wird der letzte Durchschnittspunkt sein,
dessen Ordinate gleich Null ist.
(rn + m)?
Da also in der Gleichung x = „= sowohl » als m
bekannt sind, und die Neigung der Neunziger-Sehne, wie auch deren
Verlängerung dieselbe bleibt, aber auch » constant ist, so folgt
daraus, dass man für jeden Werth vonp=n-+ m, auch den ent-
sprechenden Werth für « berechnen kann, wenngleich der Grund-
kreis mit dem Radius p = n + m nicht geschnitten wird.
Wird demnach die Neunziger-Sehne in zwei gleiche Theile
getheilt, so hat man vermöge der Gleichung x = =
für p = SW? :-(5) =;-
»-, mel) -,
„2, 0-6)-:
» P=2v, :- 65) -7-
Be F er 3 =
a Vi ee) m %
Wird die Sehne in drei gleiche Theile getheilt, so ist:
wm e-l)-r
ya Pete b
‚P= 2 2=-()- 27-1.
Kun 2 4\2 16
> By Ak
De 512 25
» Dez. he. = ne mug?
» P=— N, »- (2) =
Wird die Sehne in vier gleiche Theile getheilt, so folgt:
rim)
nn
Construction des Kreises und der Ellipse. 63
B “r 212 4
für p = v2,2=(,) mer
A MN? m?
” Dr, V%: == (7) zur,
und allgemein, wenn die Neunziger-Sehne in z gleiche Theile
getheilt wird, erhält man im Allgemeinen:
mp im e-l)-i
‚= vn 2=-(l)- 5,
also ganz allgemein
Aus dieser schematischen Darstellung sieht man, dass, wenn
m —= nist, 2 = 1 erfolgt, für welchen Fall also x gleich dem
Radius des Grundkreises ist. Daraus folgt ferner, dass man auf dem
Radius des Grundkreises so viele x erhalten kann, als in wie viele
Theile die Neunziger -Sehne getheilt werden soll, und dass man
desto mehr x und folglich auch desto mehr Punkte des Kreises
erhält, je grösser die Anzahl ist, in welche die Neunziger-Sehne
getheilt wird.
Wird aber nur irgend ein Theil der Neunziger -Sehne genom-
‘men, so dass man nicht bestimmt weiss, der wie vielte Theil von
dieser er ist, so kann auch dann, jedoch nur allein durch Construction,
das entsprechende x gefunden werden.
64 Fialkowski.
&. 41. Gen
Da nun die Neunziger-Sehne BC in eine beliebige Anzahl glei-
cher Theile getheilt werden kann, so folgt daraus, dass p unzählig
viele Werthe annehmen kann, es kann daher unter andern
Va
—e
—V 3
u. s. w. gleich den bekannten Linien gesetzt werden; es wird also
1 ı2 1 8
a, = 1.2 (7,) - _ -___
dem halben Radius,
% ANNE 5, 4 2 a
frp-r—- 22 = (7,) ae Fe
dem doppelten Radius,
N au Var 08 16
ee ae
dem Radius,
1 “ 1 > 2 a 1
- (v2) 2 A
dem vierten Theil des Radius,
? er 2y2 64
fürp 22 2 75 an
dem doppelten Durchmesser.
"Bei den zuletzt angeführten Werthen für x muss der Ausdruck
V 2 beibehalten werden, weil hier den im Zähler substituirten Zahlen
die Einheit des Grundkreises zu Grunde liegt.
Anmerkung. Von diesen so eben angeführten und berechneten Werthen
für © werden wir einige zur Construction der Ellipse benützen.
8.42.
Wir werden nun hier das in $. 38 angegebene Gesetz mittelst
des im $. 39 und 40 entwickelten Satzes zu beweisen suchen.
Es sei also (Fig. 47) ABCD das gegebene Quadrat, in welchem
jede der vier Seiten halbirt, und je zwei gegenüber liegende Hal-
‚birungspunkte durch Gerade mit einander verbunden werden, deren
Durehsehnittspunkt bekanntlich der Mittelpunkt des diesem Quadrate
einzuschreibenden Kreises ist, die Linien selbst aber Durchmesser
dieses Kreises sind.
Man verlängere nun die Halbirungslinie EF über F' hinaus,
beschreibe mit einem beliebigen Theile der Neunziger-Sehne F@ aus
Construction des Kreises und der Ellipse. 65
deren Endpunkte F einen Kreis, welcher den Grundkreis in N, dessen
Durchmesser in J und die Verlängerung desselben in X schneidet.
Wird nun aus dem Durchschnittspunkte N auf EF die Normale
NP gezogen, der Fusspunkt derselben mit B, der Punkt @ aber mit
K durch Gerade verbunden, so ist der Durchschnittspunkt dieser
zwei Geraden, d. i. der Punkt Q, ein Punkt in der Peripherie des
dem Quadrate ABCD eingeschriebenen Kreises.
Beweis.
Um die Richtigkeit dieser Behauptung ganz allgemein durch-
zuführen, wollen wir die höhere Analysis zu Hilfe nehmen, welche
uns auf jede gegebene Frage eine auf diese passende Antwort gibt.
' Nimmt man nun (Fig. 47) den Anfangspunkt der Coordinaten
im Mittelpunkte des dem Quadrate ABCD eingeschriebenen Kreises,
also in O an, so hat man hier die Gleichungen für die zwei Geraden @K
und BP aufzustellen und ihren gemeinschaftlichen Durchschnitispunkt
zu bestimmen, welches sich sehr leicht bewerkstelligen lässt, indem
die zwei Punkte B und @ nach der in $.38, Fig. 44 gegebenen Con-
struction fixe Punkte sind.
Nach dem ah Bewiesenen ist das Segment der Neunziger-
Sehne, d. i. FP - wo n. die Anzahl Theile anzeigt, in welche
die Neunziger-Sehne F @ getheilt wird, und p, wie viel man solche
Theile zum Radius des Hilfskreises genommmen hat.
Bekanntlich ist die allgemeine Gleichung irgend einer Geraden
CR ee ee SPRERRE 19
Da nun der Punkt @ fix ist, so hat man
OG=ereb-—l,
daher
y=ar+b =jantr =.ar 41... 4.7. (B).
Nun ist aber für die Gerade @K die Abseisse
- Lyrtr=Pys+1
nach der Construction; daher durch Substitution in (B)
ya V2+1)+1 u ur ehlind)P
setzt man nun y=®, so ist
0=a(f V2+1)+1
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVI. Bd. I. Hft. 5
66 Fialkowski.
woraus
«(FV2+1)=—1,
u re we
also
1a Rand
n+pV2
substituirt man diesen Werth in die Gleichung (ß), so hat man sofort
—_n —NEX
= + [|———) +5 = — +1,
9 008 u
daher
—nıx'
'=—— +1... ......0.(D.
y eyat ()
Dies ist also die Gleichung der Geraden @X, deren Punkt
G fix ist.
hat man abermals die allgemeine Gleichung irgend einer Geraden
y— asısı.b "ee 2 MV
Nun ergibt sich aus der näheren Betrachtung der Construction,
dass im Allgemeinen für y=r, auch #==r erfolgt; man hat daher durch
Substitution in «'
es ist aber für den Punkt ? der Geraden BP nach der Construction
die entsprechende Abseisse
2 2
= r— 5-1-5
n? z
welcher Werth für & in «' substituirt, gibt.
2 2
y=alr—-5)+b — ai.) + «Seile
"Setzt man nun y= 0, so folgt
= all) +1.
n?®
Wird ferner von dieser Gleichung die Gleichung (P’) abgezogen,
2
so erhältmn 0O— r—= a (1-5) +1 -- (ar +1)
r— at A)+1-ar— 1
= 4 (1%) —ar,
und wenn r = 1 gesetzt wird,
Um die Gleichung für die zweite Gerade, d.i. für BP zu finden,
= ar dar 4 1lıoa, . (BIs
|
Construction des Kreises und der Ellipse. 67
2
folgt sofort —1 = a(1-%)—a
ap? a
und l=-1a—- % —u=—
2
also 1 Ebel}
Rn
woraus man
2=— 0p2, solelich: a — = erhält;
welcher Werth für a in die Gleichung (ß’) substituirt, gibt ferner
n?
hieraus
und durch Substitution dieses Werthes in (Y)) fügt
n® 1 n?
ER
folglich ist
2 m! 2
YV-r— at re
als die Gleichung der zweiten Geraden, d.i. der BP, deren fixer
Punkt B ist.
Um nun den Durchschnittspunkt dieser zwei Geraden zu be-
stimmen, muss man aus diesen zwei gefundenen Gleichungen für
diese Geraden das «’ und y’ suchen. Zu diesem Behufe zieht man die
eine Gleichung von der andern ab, hier II von I, und hat somit:
m pe oe +1) — = +1),
p p?
— na na n?
un —— 1 a SSDIH 1,
ER h apart p? e=
na n® x n?
daher a N pe
a 0 n + p V? p* p? 3
. n? f N n? np? — n? (n+pY?)
nit gt n? np? —n? (n + pV2)
som N TEST ET re ne
B- p®(n + p V2)
folglich he u p® (n + pY?2)
p? np —n?®(n+pYV?2)'
welcher Bruch gehörig abgekürzt
ZRR n(n + a Je
n(n + pV2) + p?
gibt.
68 Fialkowski.
Folglich ist, gehörig bezeichnet, die gesuchte Abseisse
wirt _
n(n + pV?2)-+p?
welcher Ausdruck allgemein, also für jeden beliebigen Punkt gilt.
Um den Werth der entsprechenden Ordinate zu finden, hat man
den zuletzt gefundenen Werth für @’ in die Gleichung (II) zu substi-
tuiren, und erhält somit:
a nA
P°On(n+pYV2) +p? p
„ n° (n Eu 18 v2) n?
Trmarnden m
welcher Ausdruck auf gleiche Benennung gebracht, gibt sofort:
Je ld ee at. ee
pP? pn (atp Ve) +p% |
IR n: + n3p V2 — n®— np VY2 —n?p? + n?p? + np®V2-+ p%
N p? in (n+p V2) + p*
DE EV I TODE FIRE)
ä pn? +npY%+p?) PP la +npV2-+p?)
2 + p® V2-
ei D. a na Ne Ze ; anıit, ‚AsGEN.
n? + np V2+p? n(n+pY2) + p*
Somit ist dies der Werth der entsprechenden Ordinate, welcher
allgemein also für jeden beliebigen Punkt gilt, und zwar aus dem
Grunde, weil auch auf der Neunziger -Sehne ein beliebiger Punkt
angenommen wurde.
Es sind daher:
+ pV2 nn V%
BE? DE Dr Ed in.
n(n+pY2)tp? m+p+npYV2
a PETE IE TER
| n(n+pYD)+p mr punpt? =
die zwei Gleichungen, welche zur Bestimmung des Durchschnitts-
punktes der zwei fraglichen Geraden erforderlich sind.
Lassen wir also diese zwei Gleichungen co&xistiren, so muss,
wenn der Durchschnittspunkt dieser zwei Geraden BP und @KX in der
Peripherie des aus.O mit OF beschriebenen Kreises erfolgen soll,
(2)? —: (y")? — r? —= 1 sein.
Construction des Kreises und der. Ellipse. 69
Substituirt man hier für ©’ und y” die in Il und IV gefundenen
Werthe, so muss auch dann
Burzrn I” ne lan=i
nn +pYD+p) Inm+tpvY)+p
erfolgen.
Werden die zwei vor dem Gleichheitszeichen stehenden Aus-
drücke quadrirt, wie dies angezeigt ist, so erhält man, indem beide
Ausdrücke gleiche Nenner haben:
r (n+pV?) * (p(p+nV?) | „et ar Dora
en v Hp) In lan+pV2)+pT
n? (n? +2npV% + 2p?) + p?(p?+?2npV?2 + 2n?)
[n (n+p Y2) +p°]? *
oder wenn im letzten Theile des Zählers mit 9° hinein multiplieirt
wird
n? (n? +2np V2 + 2p°) + p*+?2np? V2 +2n?p?
[r (n+p V2 )+p?]
Hebt man bei den letzten zwei Ausdrücken im Zähler 2 p® als
Factor heraus, so hat man sofort
n? (n?+2npV2% +2p)® 4 ?np? (n+pVY2) +p*
[n (n+p Y&)+p°T°
und dan? + 2npv2 + 2 p® = (n + p Y?)? ist, so übergeht der
obige Ausdruck in
nn? (n+pV2)? + 2np? (n+pVY?2)+pt.
Ü [n (n+p Y2)+p°]°
vergleicht man in diesem Bruche den Zähler mit dem Nenner, so sieht
man sogleich, dass sie einander gleich sind, denn a (2 +pYV?)
-+ p? aufs Quadrat erhoben, gibt den Zähler. Da also
[n (n+p Y2) +p?]? = n? (n+pV2 )? + 2np? (n + pVY2%) + p*
gesetzt werden kann, so ist auch
[la +pY2)+ PR _
Rln+pY2) PT
Es ist daher der Durchschnittspunkt Q, dessen Abseisse
5 n (n + pV?)
a = ==
n(n+pYV%)+p?
r— 1.
ra) Fialkowski.
und dessen Ordinate
"— ee kp gefunden wurde,
n(n +pY2)+p* |
ein Punkt des Kreises w. z. b. w. |
Was nun von diesem Punkte gilt, das lässt sich auch von jedem
andern, welcher auf ähnliche Weise construirt wird, auf dieselbe Art
erweisen.
$. 48.
| |
Da man den — ten Theil der Neunziger- Sehne auf der Ver-
längerung des Durchmessers EF über F hinaus, ins Unendliche auf-
tragen kann; da ferner auch auf der enigegengesetzten Seite des
Punktes F' auf dem Durchmesser, wie auch auf dessen Verlängerung
ebenfalls so viele Punkte vermittelst des Auftragens des diesem Theile
1 \
entsprechenden Segmentes = —. bestimmt werden können, so folgt
n
daraus, dass die angegebene Construction der Punkte der Kreislinie
ebenfalls ins Unendliche fortgesetzt werden kann, und zwar müssen
für jeden correspondirenden Quadranten die Hilfslinien insbesondere
gezogen werden, während die auf dem Durchmesser EF und auf
dessen beiderseitigen Verlängerungen bereits bestimmten Punkte auch
für die correspondirenden Quadranten ungeändert bleiben.
Denkt man sich nun unzählig viele Paare von solchen Linien
nach dem aufgestellten Gesetze gezogen, deren jedes ihren gemein-
schaftlichen Durchschnittspunkt in der Peripherie des Grundkreises
hat, so wird das letzte Paar offenbar in eine Linie zusammenfallen,
und zwar werden beide Linien auf die Seite AB zu liegen kommen,
mithin den Punkt @ gemeinschaftlich haben.
Ob dabei die Linie @X& in die Lage B@ käme, wäre wohl
gleichgiltig, weil in derselben der fragliche Punkt @ ohnehin liegt,
indem @K oo eine Stellung der Linie @F oder @K nach der Drehung
um den Punkt @ ist; und da dieser Punkt mit einem in unendlicher
Entfernung in der Richtung der Verlängerung des Durchmessers EG
gedachten Punkte durch eine Gerade verbunden werden soll, so muss
das Stück B@ als ein Theil solcher Linie, also auch als ein Theil der
aus dem Punkte @ zu EF gezogenen Parallelen, mithin @X © als die
Verlängerung der @B angesehen werden. Nun wird aber 5 mit
einem Punkte verbunden, welcher in einer viel weiteren Entfernung
Construction des Kreises und der Ellipse. 71
gedacht wird, nämlich in der Entfernung oo >< oo = 002, also muss
BF: um so mehr mit EF parallel sein, daher mit AB zusammen-
fallen, und folglich den Punkt @ in sich enthalten.
| Es muss also die Gerade @X oo? mit BF oo den Halbirungspunkt
G der Seite AB geben.
S. AA.
Wärden die Linien 51, BA, B9, B16, 525 u. s.w. (Fig. 44) so
weit verlängert, bis die dem Punkte @ gegenüberliegende Seite CD
wie auch deren Verlängerung geschnitten ist, so wird auch diese, da
MF || CD ist, so eingetheilt, dass ihre Theile der Ordnung nach sich
wie die ungeraden Zahlen, und die hierdurch erhaltenen Abseissen,
vom Punkte C aus gerechnet, wie die Quadrate der natürlichen Zah-
len verhalten, deren Linear -Einheit das erste Segment der Seite
CD, d.i. C1, ist.
Wir erhalten somit folgende Verhältnisse:
2.3 61 .:1.:4 : Alias 9lia6l—dtia #5 27
1.) C1:CA :C9 ,C.10 =1?2:22:52: 4°,
oder wenn wir der Kürze wegen den ersten Theil Cl=a, den zwei-
ten 14 = 5, den dritten 49 = c u. s. w. setzen, und die letzte
entsprechende Zahl mit 22 + 1 bezeichnen, so erhalten wir für (I)
folgenden allgemeinen Ausdruck:
a:b:e:d:...#:y:2z=1:3:5:17:9:...:%(n—2)+R
:2 (n—1) +1}:Q2n +1)
oder
Bee eye line TI. (?n — 5):
(2n — 3) : (2n — 1): N +1).
Werden ferner auch die Abscissen der Kürze wegen mit x, x’,
&"' und die letzte Zahl mit n bezeichnet, so erhält man für (II) im
Allgemeinen:
elle. u. Sen ei 2 12 9,89 Ar
(n — 2)? : (n — 1)?:n?.
Es ist also gleichgiltig, ob man den Radius oder die zu dem-
selben parallele Seite des Quadrates eintheilt, um die diesen Reihen
entsprechenden Linien für Segmente und Abseissen, und hierdurch
aueh die Punkte /’, II’, III’ u. s. w. des Kreises zu erhalten, was
aus der Ähnlichkeit der Dreiecke BDC und BMF u. s. w. folgt.
12 Fialkowski.
Wird übrigens die Seite CD benützt, so wird das Stück 01
doppelt so gross sein, als das Segment F1 auf dem Radius MF, weil
MF = /, CD oder 2MF = CD ist.
Dasselbe gilt auch in Bezug auf die Verlängerung des Durch-
messers und der besagten Seite.
Auf ähnliche Art könnte man die Punkte 1", I’, IT’ u. s. w.
erhalten, wenn man nur die Seite CD, jedoch beiderseits verlängert,
wobei, wie aus der Construction ersichtlich ist, mn = np = pg
und doppelt so gross als Fl = 1.2 = 2. 3 u. s. w. sein müssen.
Wird also die Sehne in 4 gleiche Theile getheilt, so müssen
auf Cg zwei solche Theile als Einheit von m aus aufgetragen werden;
wird sie in 5 gleiche Theile getheilt, so müssen ebenfalls 2 solche
Theile auf mg aufgetragen werden, und allgemein; wird die Sehne
FG in n gleiche Theile getheilt, so müssen bt von solchen Theilen
n
auf mg aufgetragen werden, während man den Halbmesser MF oder
die Seite CD in n? gleiche Theile theilt.
$. AB.
Ehe wir die Anwendung dieser Construction auf die Construc-
tion der Ellipse zeigen, wollen wir zuerst einige daraus abgeleitete
Sätze angeben.
I. Wird in einem Quadrate, aus dessen einer Ecke mit dem
Radius gleich dessen Seite ein Viertelkreis beschrieben, über die
zweite nächstanliegende Ecke die eine Seite hinaus verlängert; diese
Verlängerung mittelst einer aus der dritten Ecke durch den
Diagonalpunkt gezogenen Geraden abgeschnitten, in eine beliebige
Anzahl gleicher Theile getheilt, die Theilungspunkte mit der dritten
Ecke so verbunden, dass der aus der ersten Ecke beschriebene
Viertelkreis geschnitten wird, und aus der vierten Ecke durch die
Durchschnittspunkte dieses Bogens bis zu der verlängerten Seite
Gerade geführt, so verhalten sich die so erhaltenen Stücke der ver-
längerten Seite wie die ungeraden Zahlen, und die hierdurch be-
stimmten Abseissen wie die Quadrate der natürlichen Zahlen, deren
erste Zahl 1 die letzte aber die zweite Potenz derjenigen Zahl ist,
welche die Anzahl Theile der abgeschnittenen und eingetheilten Ver-
längerungen anzeigt.
Ist also (Fig. 48) AD der aus C mit CD beschriebene Viertel-
bogen, Dp die Verlängerung, Dm = mn = np, und m, n, p mit
Construction des Kreises und der Ellipse. 13
A verbunden, die Ba, Bb, Be als die aus B durch die Durchschnitts-
punkte m‘, n', p' gezogenen Geraden, so verhalten sich die hierdurch
auf der Seite C D abgeschnittenen Theile gerade so, wie die auf ein-
ander folgenden ungeraden Zahlen, daher:
BicbRe erloisınb
und die Abseissen, wie die Quadrate der natürlichen Zahlen, also:
Zt ER TE 2 Er IE F
Dasselbe findet ebenfalls Statt, wenn die abgeschnittene Ver-
längerung in eine beliebige Anzahl gleicher Theile getheilt wird.
Man kann daher nach diesem Verfahren jede beliebige Gerade
in eine beliebige Anzahl Theile theilen, die sich so zu einander ver-
halten, wie die ungeraden Zahlen, und die Abseissen dieser Geraden,
wie die Quadrate der natürlichen Zahlen.
Der Beweis wird hierbei so geführt, wie für die Fig. 44, wess-
halb noch die Neunziger-Sehne und die Ordinaten für die Punkte
m’, n', p' gezogen werden müssen.
$. 46.
Wird über der Hypotenuse AC (Fig. 49) eines rechtwinkeligen
Dreieckes ABC ein Kreis beschrieben, in diesem der Durchmesser
_ EF_L auf die Hypotenuse AC gezogen, die Tangente @C gleich
der halben Hypotenuse, und die Verlängerung derselben gleich
der dieser Verlängerung anliegenden Kathete gemacht, sodann aus B
eine Ordinate gezogen, so schneiden sich die 3 gezogenen Linien
EJ, H@, FK wie auch die Kreislinie in einem einzigen Punkte.
Dieser Satz ist, wie in $. 28 nachgewiesen wurde, allgemein
giltig, nur mit dem Unterschiede, dass dort die Linie FX nicht
in Betracht gezogen wurde; da aber im $. 1 und 2 bewiesen wurde,
dass, wenn mit einem beliebigen Radius aus € ein Bogen so beschrie-
ben wird, dass die in € errichtete Senkrechte und die Verlänge-
| rung des Durchmessers AC geschnitten wird, die zwei Geraden EJ
und FK sich in einem Punkte der Peripherie schneiden, und in dem
‚allgemeinen Beweise $. 28 nachgewiesen wurde, dass HK und EJ
sich ebenfalls in einem Punkte der Peripherie des Kreises schneiden,
so müssen sich alle 3 Geraden, EJ, FK, HG und auch die Kreislinie
in einem einzigen Punkte schneiden.
| 8. 47.
Dies Verfahren, wie wir es bei der Construction der Fig. 44
gesehen haben, mittelst: der Eintheilung einer Seite die Punkte des
A Fialkowski.
Kreises zu finden, dient ebenfalls zur Construction der Ellipse, in-
dem die Punkte, mittelst welchen die Hilfslinien gezogen, und wodurch
die Punkte der Ellipse aufgefunden werden, immer in der Drehungs-
axe, somit fix bleiben, wenn man sich die Ellipse durch die
Drehung eines Kreises um dessen Durchmesser entstanden denkt,
wie bereits bei der ersten Construction der Ellipse erklärt wurde.
Soll nun irgend eine Ellipse construirt werden, so muss man
zuerst die Neunziger-Sehne in eine gewisse Anzahl gleicher Theile
theilen; am bequemsten und leichtesten ist es dieselbe in 2, A, 8,
16, 32 ..... gleiche Theile zu theilen, weil diese Eintheilung, wie
Fig. 50 (a) zeigt, ohne Hilfe eines Zirkels also blos mittelst der
Reissschiene und des 45° Dreieckes sehr schnell ausgeführt werden
kann, und zwar auf folgende Art:
Ist AC = BC, und <[{ ACB = R, also AB die Neunziger-Sehne,
so führe man
Cm _ıL4ABwundm 1_14C
1-2: AB, 9 UI 1540
H, 304..AB 3 7.8, 1 Jun
I1,A; 1: AB. 1.0. 1N = AO,
1 1
wodurch AA= 16 AB= Ze AB
und AV = 40 — 7540 erhalten wird.
Auf diese Art kann man sowohl die Sehne als auch den Halb-
messer nicht nur in 4, sondern auch in 8, 16, 32, 64 .....,d.i.
in jede beliebige Potenz von 2 ohne Zirkel eintheilen; allein die
Eintheilung der Neunziger-Sehne so wie des Halbmessers in 4 oder
16 gleiche Theile ist für den besagten Zweck hinreichend.
Des Zusammenhanges wegen wird die Construction der Ellipse
auch nach dieser Art in den nächstfolgenden $$. angereiht.
$. A8.
Construetion der Ellipse mittelst der Eintheilung der Neunziger - Sehne und
der einen Seite des den Axen entsprechend umschriebenen Rechteckes oder
Parallelogrammes.
a) Wenn die beiden Axen gegeben sind und die Ellipse durch die
Drehung des über der grossen Axe beschriebenen Kreises entstan-
den gedacht wird.
Es sei (Fig. 50) AB die grosse und CD die kleine Axe und
EFGH das diesen Axen entsprechend umschriebene Rechteck der
zu zeichnenden Ellipse. Man verlängere die grosse und auch die
Construction des Kreises und der Ellipse. 15
kleine Axe so, dass man auf der kleinen von O aus das Stück 0J
— OB abschneiden kann, und verbinde den Punkt J mit B, so ist
. die Gerade JB die Neunziger-Sehne desjenigen Kreises, durch dessen
Drehung die in das gegebene Rechteck einzuzeichnende Ellipse ent-
‚standen gedacht wird.
Man theile also die Gerade JB in eine beliebige Anzahl gleicher
Theile (hier des kleinen Mafsstabes wegen in 2), trage dann einen
solchen Theil von B aus auf der Verlängerung der grossen Axe so
oftmal auf, als in wie viele Theile die JB getheilt wurde, und ver-
binde die so erhaltenen Punkte mit dem Endpunkte C’ der kleinen Axe.
Nun theile man die grosse Halbaxe BO oder die Seite @H in
n® mal so viele gleiche Theile, als in wie viele die Neunziger-Sehne
JB: getheilt wurde, also in 2? — 4 gleiche Theile, und verbinde die
zwei Quadratpunkte 1 und 4 der Seite @H mit dem Endpunkte F
durch Gerade, so gibt der Durchschnittspunkt der Geraden FA mit
CIT den Ellipsenpunkt N. Ebenso ist der Durchschnittspunkt P der
Geraden #1 mit CT ein Ellipsenpunkt.
Dieselben Punkte der Ellipse wird man erhalten, wenn man,
wie bereits nachgewiesen wurde, statt @H die halbe Grossaxe OB
in die entsprechend gleiche Anzahl Theile theilt.
b) Wenn die beiden conjugirten Durchmesser ihrer Grösse und
Richtung nach gegeben sind, und wenn die zu zeichnende Ellipse
durch die Drehung des über dem grösseren eonjugirten Durchmesser
beschriebenen Kreises entstanden gedacht wird.
Es sei nun (Fig. 51) AB der grössere und CD der kleinere
eonjugirte Durchmesser, und EF@H das diesen Durchmessern ent-
sprechend umschriebene Paralleloegramm der zu zeichenden Ellipse.
| Man verlängere den grösseren eonjugirten Durchmesser AB
über B hinaus, errichte in dem Halbirungspunkte O der AB eine
Senkrechte, schneide auf dieser von O aus das Stück OJ = OB und
ziehe JB, welche, wie bereits gesagt, die entsprechende Neunziger-
Sehne des betreffenden Kreises ist. Man theile alsdann die JB in eine
beliebige Anzahl gleicher Theile (hierin 3), trage dann einen solchen
Theil auf der Verlängerung der AB von B aus so oftmal auf, als in
wie viele gleiche Theile die JB getheilt wurde, und verbinde jeden
so auf der Verlängerung von AB erhaltenen Punkt mit dem Endpunkte
C des kleinen eonjugirten Durchmessers. Wird endlich die Seite HG
in n? mal so viele gleiche Theile getheilt, als in wie viele die JB
76 Fialkowski.
getheilt wurde (hier in 3? = 9 gleiche Theile), und jeder Quadrat-
punkt der Seite @H mit dem Eekpunkte F durch Gerade verbunden,
so sind die Durchschnittspunkte dieser Geraden mit den früher gezo-
genen, die Punkte der zu zeichnenden Ellipse; hier sind M, N, P die
verlangten drei Punkte der Ellipse. Die diesen drei Punkten corre-
- spondirenden Punkte werden auf bereits besagte Art gefunden.
c) Wenn die beiden Axen gegeben sind und die Ellipse durch
die Drehung des über der kleinen Axe beschriebenen Kreises ent-
standen gedacht wird.
Es sei (Fig. 52) AB die kleine und CD die grosse Axe, und
EFGH das diesen Axen entsprechend umschriebene Rechteck der
zu zeichnenden Ellipse.
Man verlängere die kleine Axe AB über B hinaus, mache
0C' = OB, so ist, wenn B mit C' verbunden wird, die Gerade BC‘
die entsprechende Neunziger-Sehne. Man theile also die BC’ in eine
beliebige Anzahl gleicher Theile, trage einen solchen Theil auf der
Verlängerung der AB so oft auf, als in wie viele die BC' getheilt
wurde; nun theile man die kleinere Seite @H in die entsprechende
Potenz gleicher Theile, und verfahre im Übrigen, wie vorhin bei
Fig. 50 und 51 gezeigt wurde.
d) Wenn die beiden conjugirten Durchmesser gegeben sind,
und die Ellipse durch die Drehung des über dem kleinen conjugirten
Durchmesser beschriebenen Kreises entstanden gedacht wird.
Es sei (Fig. 53) AB der kleinere, CD der grössere con-
jugirte Durchmesser, und EFGH das diesen beiden Durchmessern
entsprechend umschriebene Parallelogramm.
Man verlängere den kleineren conjugirten Durchmesser, errichte
in dessen Halbirungspunkte O eine Senkrechte und mache sie gleich
OB, verbinde C’ mit B, so ist BC’ die entsprechende Neunziger-
Sehne; nun wird die BC’ in eine beliebige Anzahl gleicher Theile
getheilt, ein soleher Theil auf der Verlängerung der AB aufgetragen,
ferner auch die @H in die entsprechende Potenz getheilt 2 im
Übrigen wie bereits gemeldet wurde verfahren.
8. 49.
Wie man aus dem Beweise für die Richtigkeit der Construction
des Kreises in Fig. 44 und aus diesen vier Constructionen der
Ellipsen sieht, ist der letzte Punkt der Ellipse bei jeder beliebigen
Eintheilung der Neunziger-Sehne in der Diagonale desjenigen Recht-
Construction des Kreises und der Ellipse. TI
eckes oder Parallelogrammes, in welchem die Ellipse eingeschrieben
werden soll.
So ist in allen vier letzten Figuren der letzte Punkt für den
Ellipsenquadranten BC in der Diagonale FH, welches schon in den
ersten $$. dieser Abhandlung bewiesen wurde.
- Wollte man aber für denselben Ellipsenquadranten noch mehrere
Punkte, welche über dem Diagonalpunkte hinaus liegen, auffinden, so
müsste man auf der Verlängerung der Drehungsaxe die betreffende
Einheit der entsprechenden Neunziger-Sehne so oftmal auftragen, als
wie viele weitere Punkte der Ellipse gesucht werden sollen; es müssten
aber auch ebenso viele Quadratpunkte auf der Verlängerung der Axe
gesucht, und die entsprechenden Punkte mit Cund F verbunden werden.
Hierbei ist nur noch das zu bemerken, dass man einige weitere
Quadratpunkte mittelst der schon aufgefundenen erhalten kann, So
findet man z. B. den Quadratpunkt 81 (Fig. 52), indem man BO von
B aus auf B ©© neunmal aufträgt, wesshalb auch 33 auf Bu dreimal
aufgetragen werden muss, um den zweiten Hilfspunkt zu erhalten.
"Was nun den Beweis für die Richtigkeit der Construction dieser
Punkte betrifft, so ist er sehr leicht in jedem der vier angeführten
Fälle durch die Drehung des betreffenden Grundkreises abzuleiten,
was übrigens aus den früheren Beweisen ohnehin klar ist.
Was aber die Anwendung und Brauchbarkeit dieser Construction
betrifft, so haben die ersten zwei, welche in Fig. 50 und 51 angeführt
wurden, immer den Vorzug, weil man hierdurch diejenigen Punkte der
Ellipse, von denen die Wendung dieser Curve am meisten abhängt,
sehr leicht und zwar deutlich bestimmt, und keine grosse Verlängerung
der Axe braucht. In den letzten zwei Fällen hingegen werden nur die
mittleren Punkte deutlich, die ersteren und letzteren aber werden je
undeutlicher, je weiter man sich dem Punkte B oder C nähert.
Wir haben also des Zusammenhanges wegen diese Methode
angeführt, und gehen sogleich zu einer andern über, bei welcher
man gar keine Eintheilung zu machen braucht.
&. 50.
Construetion der Ellipse mittelst der Fusspunkte der Ordinaten und der diesen
Ordinaten entsprechenden und in die Verlängerung der Drehungsaxe umgelegten
Sehnen.
a) Wenn die beiden Axen gegeben sind, und wenn die grosse
Axe verlängert werden soll.
| 78 Fialkowski.
Es sei (Taf. VIII, Fig. 54) AB die grosse und CD die kleine
Axe, ferner EFGH das den zwei gegebenen Axen entsprechend
umschriebene Rechteck der zu zeichnenden Ellipse.
Man beschreibe aus dem Mittelpunkte O mit BO einen Hilfs-
bogen Bu, nehme auf demselben einen beliebigen Punkt an (hier den
Punkt J), beschreibe dann aus B mit BJ einen Bogen, bis die. Ver-
längerung der grossen Axe AB in X geschnitten wird; fälle von dem
auf dem Hilfsbogen Bu angenommenen Punkte J eine Normale auf
AB, und verbinde den Fusspunkt Z dieser Normalen mit Fund @
durch Gerade; wird endlich der Punkt X mit C und D verbunden, so
erhält man die zwei Durchschnittspunkte M und N, welche die ver-
langten Ellipsenpunkte sind.
Die zwei correspondirenden Punkte werden auf bekannte Art
gefunden.
b) Wenn die beiden conjugirten Durchmesser gegeben sind, und
der grössere verlängert werden soll.
Es sei (Fig. 55) AB der grössere und CD der kleinere the
girte Durchmesser, ferner EF@H das diesen Axen entsprechend um-
schriebene Parallelogramm. Soll nun nach dieser Bedingung eine
Ellipse construirt werden, so beschreibe man über dem grösseren
conjugirten Durchmesser mit dem Radius gleich dem halben diesem
Durchmesser einen Bogen Bu, nehme in demselben einen beliebigen
Punkt an, fälle auf AB eine Ordinate JL, mache BK=BJ und ver-
fahre im Übrigen wie im vorhergehenden Falle.
c) Wenn die beiden Axen gegeben sind, und wenn die kleine
verlängert werden soll.
Sind AB und CD (Fig. 56) die beiden Axen, und soll nur die
kleine Axe verlängert werden, wenn die Ellipse construirt wird, so
nehme man die kleine Axe als den Durchmesser, zugleich aber
auch als Drehungsaxe desjenigen Kreises an, durch dessen Umdre-
hung die zu zeichnende Ellipse entstanden gedacht wird ; beschreibe
über der kleinen Axe einen Halbkreis oder nur einen Bogen, nehme auf
demselben einen beliebigen Punkt an, ziehe die Ordinate, z. B. JL und
verfahre im Übrigen wie in einem der zwei vorhergehenden Fälle.
d) Wenn die beiden conjugirten Durchmesser gegeben sind,
und wenn nur der kleinere verlängert werden soll.
Auch in diesem Falle wird man den kleinen Durchmesser als
den Durchmesser desjenigen Kreises annehmen, durch dessen
BER. R >
Construction des Kreises und der Ellipse. 79
Drehung die zu zeichnende Ellipse entstanden gedacht wird. Im Übrigen
wird das Verfahren ganz ähnlich mit den vorhergehenden Fällen,
welches aus der Fig. 57 deutlich zu ersehen ist.
e) Construction der Ellipse nach dieser Art in der Perspective.
Wenn wir alle diese vier Fälle näher ins Auge fassen und
bedenken, dass die gezogenen Ordinaten in jedem Halbkreise bis zum
Mittelpunkte zunehmen, und dann wieder abnehmen, so dass z. B. in
Fig. 56 die Ordinate im Endpunkte A gleich O wird, so ergibt sich
daraus Folgendes: Da im Punkte A die Ordinate O ist, so wird die
diesem Punkte entsprechende Sehne gleich dem Durchmesser AB
sein; der entfernteste Punkt von 3 auf der Verlängerung der Axe
AB wird der Punkt P sein; und wenn Pmit C, und A mit F durch
Gerade verbunden wird, so ist Q derjenige Punkt, welcher auf die be-
sagte Art als der letzte für den Ellipsenquadranten BC gefunden wird.
Wie man einen Diagonalpunkt bestimmt, ist ohnehin bekannt,
und man hätte dann im Ganzen zwölf Punkte für die zu zeichnende
Ellipse, welche in manchen Fällen hinreichend wären. Allein in den
Fällen, wenn die Zeichnung in grösserem Mafsstabe ausgeführt wird,
handelt es sich noch insbesondere um die nahe an den Endpunkten
der Drehungsaxe EF (Fig. 54) herumliegenden Punkte dieser Curve,
in welchem Falle zwischen dem Diagonalpunkte und dem Berührungs-
punkte dieser Linie, wenigstens noch ein Punkt gesucht werden muss;
wesshalb auch eine Ordinate gezogen, oder wenigstens deren Peri-
pheriepunkt so wie der Fusspunkt bestimmt werden muss.
Sollte also (Fig. 58) in dem perspectivischen Quadrate ABCD
eine Ellipse eingeschrieben werden, so zeichne man aus dem Mittel-
punkte M mit dem Radius MF einen Bogen Fu, nehme auf demselben
irgend einen Punkt J an, fälle die Ordinate JA, mache FL=FJ, ver-
- binde den so erhaltenen Punkt Z mit den Punkten @ und F, und den
Punkt X mit Bund C, so sind die hierdurch entstandenen Durch-
schnittspunkte J und I’ Ellipsenpunkte.
Die Diagonalpunkte // und /J’ werden auf die bekannte Art erhal-
ten, nämlich indem man aus Fmitder entsprechenden Neunziger- Sehne
die Verlängerung der ZF einschneidet; die Punkte III und IIT werden
mittelst des Punktes E’ erhalten, indem man die Verlängerung der EF
mit EF aus Fin E’ schneidet und im Übrigen wie bekannt verfährt.
Auf diese Art erhält man für die zu zeichnende Ellipse im
Ganzen 16 Punkte.
s0 Fialkowski.
8. 31.
e
Construction der Ellipse ohne Hilfskreis und ohne Ordinaten.
Es soll (Fig. 59) in dem perspectivischen Quadrate ABCD eine
Ellipse eingeschrieben werden.
Man ziehe in diesem die beiden Diagonalen AC und BD, (welche
wir hier die Hauptdiagonalen nennen wollen), ferner die EB und HB
(welche zum Unterschiede Nebendiagonalen heissen sollen), und führe
durch J zu EF eine Parallele bis EA in L geschnitten ist, wodurch
EA in L perspectivisch halbirt wird; ebenso halbirt man die HC in
N, indem man aus 2 durch den Halbirungspunkt X eine ‘Gerade führt;
auch dieser Punkt wird mit B verbunden.
Nach dieser kleinen Vorarbeit wird aus F die Fm unter einem
Winkel von 45° gegen EF gezogen, in E eine Senkrechte errichtet
bis die Fm in m geschnitten wird, ferner aus E und M die Ep und
Ms normal auf Fm geführt. Wird nun aus F mit dem Radius = Fm
die Verlängerung der Axe EF in m’ geschnitten, so ist, wenn man
m’ mit @ verbindet, der Punkt / in ZB ein Ellipsenpunkt. Was die
übrigen Punkte betrifft, so ist der Punkt JI im Durchschnitte der
Geraden n’@ mit der Nebendiagonale EB; der Punkt III liegt in der
Hauptdiagonale; der Punkt /V liegt in der Nebendiagonale BH und
in der Geraden @g'; der Punkt V liegt in der Geraden BN und in
der @s’; somit sind ohne Hilfskreis und ohne Ordinaten für den
Ellipsenquadranten F@ fünf Punkte gefunden worden. Da also wie
bekannt, die unterhalb der Axe mit diesen Punkten correspondirenden
Punkte mittelst der Punkte m’, n’, p’, q’, s’ und der entsprechenden
Diagonalen sehr leicht gefunden werden, so haben wir für die halbe
Ellipse 10, somit für die Ganze 20, und mit Einschluss der vier
gegebenen Punkte im Ganzen 24 Punkte derEllipse, welches wohl für
die meisten Fälle hinreichend ist.
Diese Construction ist nicht nur wegen ihrer Einfachheit, son-
dern auch desshalb empfehlbar, weil man sie sehr leicht merken
kann, sobald man weiss, wie die fünf fixen Punkte in der Verlängerung
des als Drehungsaxe angenommenen Durchmessers, d. i. die Punkte
m',n',p', q’, s’ auf Ey bestimmt werden.
Es wird nämlich der erste Punkt s’ aus F mit der halben Neun-
ziger Sehne bestimmt; der zweite, d. i. g’ mit dem Radius gleich der
grossen Halbaxe oder gleich dem grösseren halben eonjugirten Durch-
Construction des Kreises und der Ellipse. 81
messer; der dritte, d. i. p’ mit der ganzen Sehne; der vierte, d. i.
n' mit dem doppelten Radius, und der fünfte, d. i. m’ mit der dop-
pelten Sehne bestimmt. Der erste dieser Punkte entspricht der Gera-
den LB, der zweite der EB, der dritte der BD, der vierte der DH,
und der fünfte der Ceraden BN aus den bereits angeführten Gründen.
Werden zur Construction der Ellipse nur 12 Punkte erfordert,
so kann man entweder so verfahren, dass man zwei fixe Punkte auf
der Axe mit der ganzen und halben Neunziger-Sehne, wie Fig. 58
(a), oder mit der ganzen und halben Axe, wie Fig. 58 (5) zeigt,
bestimmt. Letzteres Verfahren ist höchst einfach. Hierbei braucht
man nur noch das zu merken, dass im ersten Falle die Diagonale des
ganzen und Viertel-Rechteckes, im zweiten Falle aber die Diagonalen
der halben Rechtecke von dem der Ellipse umschriebenen Rechtecke
als Hilfslinien gezogen werden.
$. 52.
Nähere Untersuchung der in $. 42 Fig. 47, angegebenen Construction der
Punkte einer Kreislinie.
Obgleich nach der in den vorhergehenden $$. angegebenen
Construction der Ellipse der Übelstand vermieden wird, dass man
keine Eintheilung zu machen braucht, so könnte uns doch mancher
praktische Zeichner hinsichtlich des Raumes, den man zur Verlän-
_ gerung der Axe benöthiget, einen Vorwurf machen. Um nun auch die-
sen Übelstand zu heben, wollen wir nochmals die im $. 42, Fig. 47
angegebene Construction in Betracht ziehen, und hierbei die analy-
tische Geometrie nochmals zu Hilfe nehmen. Wir werden also unter-
suchen, ob es nicht möglich wäre mit Benützung eines kleineren
Raumes ohne die Axe zu verlängern nach dieser Art beliebig viele
Punkte der Kreislinie zu finden. Betrachten wir nochmals die Fig. 47,
Taf. VII, so finden wir, dass aus dem Punkte F mit dem Radius gleich
FN der Durchmesser EF in J, und dessen Verlängerung in X
geschnitten wird.
Da also nach der früheren Erklärung FN = E 2, aber FK
—=JF=FN ist, so kann man für jede dieser drei Linien den Werth
v2 setzen; es wird daher auf der Verlängerung der Geraden BP
auch ein zweiter Punkt des Kreises möglich sein. Um daher auch
einen zweiten Punkt zu finden, verfahre man folgendermassen:
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVl. Bd. I. H£t. 6
82 Fialkowski.
Es sei (Taf. IX, Fig. 60) AB= CD und senkrecht auf einander
in ihrem Halbirungspunkte, aus welchem Punkte auch der Viertelkreis
BC beschrieben ist; man errichte im Endpunkte B eine Senkrechte,
mache deren Stück BE=0C = OB, nehme auf dem Bogen BC irgend |
einen Punkt an, hier N, fälle von diesem eine Ordinate NP und be-
schreibe aus B mit BN einen Kreis, so ist hierdurch der Durchmesser
AB in @ und dessen Verlängerung in F geschnitten. Wird nun aus E
durch den Fusspunkt der Ordinate eine Gerade geführt, sodann C mit
F und @ verbunden, und die C@ so weit verlängert, dass die aus E
durch den Punkt P gezogene Gerade bei S geschnitten wird, so ist
sowohl der Durchschnittspunkt Q als auch S Punkte in der Peripherie
des aus O mit OB=0C beschriebenen Kreises, wovon wir uns so-
gleich überzeugen werden. Die Richtigkeit des Punktes Q ist bereits
nachgewiesen worden; wir wollen nun hier auch die des zweiten, d. i.
des Punktes S durch die analytische Geometrie nachweisen.
Zum Behufe dessen wollen wir diejenige Gleichung, welche für
die aus dem Eckpunkte durch den Fusspunkt der Nomalen geführte
Gerade aufgestellt wurde, benützen, indem der fragliche Punkt in der
Verlängerung dieser Geraden liegen soll.
Die in 8.42 gefundene BISIRRUnE der Geraden BP, hier der ES ist:
ve +1 ei),
Um nun die Gleichung für die Gerade C@S aufzufinden, hat
man OB — BG — ©; und da OB = r, ud BE = BN—V %,
also@-r— _V 2 2 ist, so folgt durch Substitution in die gemein
Gleichung einer Geraden
y=aua F—7V2) + b,
und dar=5b= 1 ist nach der Construction, so hat man sofort:
y=all — ZV2) +1;
setzt man nun y = 0, S0 ist
o=al—EV2)+1
und — 1=a(l— EV»),
daher
RG: | —1 —ın
4, == u, DV Su
Se
BREEER
Construction des Kreises und der Ellipse. 83
folglich
—n
ee 2
Diesen Werth für « in die allgemeine Gleichung einer Geraden
substituirt, gibt:
—NT
Ina
Da nun nach der Construction das Stück BE = b für jeden belie-
bigen Punkt constant bleibt und =r=1 ist, so folgt allgemein
—ın& ;
n —-pV% -- 1 . . . . (1 )-
Vergleicht man diese Gleichung mit der früher gefundenen
Gleichung (I) so sieht man, dass sie mit jener, das Zeichen im
Nenner ausgenommen, vollkommen übereinstimmt.
Um nun das betreffende x und y zu finden, werden wir diese
zwei Gleichungen, d. i. die früher gefundene Gleichung (II) und die
hier aufgestellte (II’) von einander abziehen.
Man erhält also:
q / ne
Y —
n? n? —nd
a):
a, — Gr. ae a le
und o0—= Beat
somit = — ne + Fee
hebt man in diesem Ausdrucke «’ als Factor heraus, so folgt:
n? n? n
ee = = 4
p? (= g% n—p v2 ) a:
woraus
n? n? n
ee Tl,
ar p? e se a)
n? n®(n—p V2) + np?
also = —:- a
p pP" (n—p Y2 )
und u, N) 2)
pn? (n—p VE) +np®
6*
SA Fialkowski.
Zähler und Nenner mit np? dividirt, gibt sofort:
ROTER v2)
len v2) Hope
also gehörig bezeichnet, ist
R nn—pVY2) mm v2
a n(n + pV2)+p? e" n—npV?2 + p2
Substituirt man diesen Werth für x in die Gleichung (I), so hat
man:
—n n (n—p V2)
1 —— . +1,
J n—p V? n? + p®—np Y3
2
SET To En 1,
n? + p? mV? +
—n? + n? +p?-npV2
somit =
und u IL
n? + p®—np V2
also ist, gehörig abgekürzt
pr—np V2
n? + p®— np V?2
Es ist also für den Punkt S die Abseisse
n—np V2-
da
a" —
n?+p®—npV2
und die Ordinate
np V2
om + p?—np v2
Lassen wir nun diese zwei Gleichungen co&xistiren, so muss,
wenn der Punkt S in der Peripherie des Kreises liegen soll
+ —r-1
sein, und daher auch, wenn für x” und y” die gefundenen Werthe
substituirt werden
—-r—1
Ca
n? + pe—np V2 n? + p?—np V2
erfolgen; da nun in den beiden Ausdrücken die Nenner einander gleich
sind, so ühergeht der obige Ausdruck in
(n’—np v2)? + (p®—np Y2)? Ass
(n? + p®—-np V2 )?
SUEFZBERR
Construction des Kreises und der Ellipse. 35
Quadrirt man also diese Ausdrücke wirklich, so erhält man:
n®—2ansp V2 —2np? V2 + An?p?
n?—2ndp V% —2np? V2 + An?p®
und da Zähler und Nenner einander gleich sind, so folgt
1=1:;
es liegt daher der Punkt 5 in der Peripherie des aus O0 mit OB
beschriebenen, folglich desjenigen Kreises, in dessen Peripherie auch
der Punkt Q liegt; w. z. b. w.
Man erhält also stets zwei Punkte in der Peripherie, wenn
man aus dem Punkte B (Fig. 61) mit dem Radius = 2 v2 einen
Halbkreis so beschreibt, dass sowohl der Grundkreis, als auch dessen
Durchmesser und die Verlängerung desselben geschnitten wird u. s. w.
St
Es kann wohl sehr leicht die Frage entstehen, warum wir
gerade die Neunziger-Sehne eingetheilt, und sowohl die Construction
als auch die Rechnung darauf basirt haben; welche Frage so zu
sagen gewisser Massen sich von selbst aufdringt. Denn, kann man
die Neunziger-Sehne eintheilen, warum denn nicht auch eine andere
Sehne, warum nicht den Halbmesser ?
Die Antwort darauf wird die sein, dass man dieselbe Operation
mit jeder andern Sehne, wie auch mit dem Halbmesser vornehmen
kann; und es wird jedesmal die Construction des Kreises auf die
angegebene Art möglich sein, obgleich die auf dem als Abscissenaxe
angenommenen Durchmesser erhaltenen Segmente für jede andere
Linie ein anderes Gesetz befolgen. Da aber vermittelst der Einthei-
lung der Neunziger-Sehne das interessanteste Gesetz für die Seg-
mente des Durchmessers erfolgt, ferner die Eintheilung dieser Sehne
in der Praxis einen gewissen Vortheil gewährt, so haben wir diese
Linie allen andern vorgezogen.
Um also auch der obigen Frage zu genügen, wollen wir auch
den Halbmesser theilen, und mittelst dieser Theile die Construction
nach der angegebenen Art vornehmen. Es sei zu diesem Behufe.
Fig. 62° der Halbmesser BC des gegebenen Kreises in eine belie-
bige Anzahl gleicher Theile getheilt, sodann aus B mit dem Halb-
messer gleich einem solchen Theile der Hilfskreis F@JL beschrie-
ben, welcher den gegebenen Kreis in @, den Halbmesser BC in F
s6 Fialkowski.
und dessen Verlängerung in J scheidet; wird nun aus dem Punkte @
auf AB eine Normale gezogen, sodann aus E durch den Fusspunkt
dieser Normalen eine Gerade geführt, ferner der Punkt Jmit D durch
eine Gerade verbunden, und aus D durch F ebenfalls eine Gerade
geführt, bis die aus Z durch den Fusspunkt der Normalen geführte
Gerade geschnitten wird, so sind X und Z Punkte des gegebenen
Kreises.
Verbinden wir den Durchschnittspunkt @ mit den Punkten A, F,
B, J, so entstehen, wie zuvor, zwei rechtwinkelige Dreiecke AGB
und FGJ, aus welchen folgende zwei Proportionen sich ergeben:
BH:GH = GH:'AH. le, WIN
FH: GH = GH HJ... ande
da nun AH = AB—BH
und HI = BH-BJ
ist, so hat man durch Substitution dieser Werthe
| BH:GH= GH:AB—BH....(V)
und FH:GH = GH:BH+ BJ... .(M).
Setzen wir nun der Kürze wegen:
GH=h,BH—=o.,FH =9,
ferner BFE=-BJ=@+y=4BO=— 7,50 ist,
wenn r = 1 gesetzt wird,
= +y= — und AH = 2;
daher durch Substitution in die obigen Proportionen
z:’h =h:. ar)... . Sale
1
vh-h:let—) ec.
somit hat man aus («) h?— 2. (2-2)
und aus (P) "=y(#-+-):
1 -
daher x» (2 —r) = y (x =- ) 00
Da nun a+y= = gesetzt wird,
; 1
so ist Dee te
1 1
also x (2—2) = (- — x) (-- ar x) lied Maas
somit ee
n?
Construction des Kreises und der Ellipse. 87
und a 2 D
rt
folglich 2-5:
Wird ferner für x + y nach und nach = = ; - ... . substi-
tuirt, so erhält man jedesmal aus den zwei aufgestellten Proportionen
oder unmittelbar aus der Rn (r') die entsprechenden Werthe
für x.
Wird also im Allgemeinen der Halbmesser des Grundkreises
in n gleiche Theile getheilt, und p solche Theile für den Halbmesser
des Hilfskreises genommen, so ist dann
eE
x SE Yy ur N ’
daher —— . —s,
also nach 7) 2(?—x) = es = «) (# 28 x)
somit BD ga pe,
N
und a 2,
n
folglich ist Ki — - „ als eine allgemeine Gleichung für
die Segmente.
Lösen wir diese Gleichung in eine Proportion auf, so hohen wir:
22:p=p:n,
d. h. in Worten ausgedrückt: Der Halbmesser des Hilfskreises ist die
mittlere geometrische Proportionale zwischen dem doppelten Seg-
mente und dem (Quadrate der Anzahl Theile, in welche der Halb-
messer des Grundkreises getheilt wird.
Werden mittelst dieser Gleichung die Segmente für die Einthei-
lung des Halbmessers in 2, 3,4... (n—1), n gleiche Theile
berechnet, so erhält man Brüche, deren Zähler die Quadrate der
natürlichen Zahlen sind, deren Nenner aber eine Reihe der
zweiten Ordnung bilden, nämlich:
2:22, 2:3%, 2-42, 2:52, 2-62, 2:72, 2:82,
oder
8% 1%, 82, 905.872; %98, :128
deren constante Differenz die Zahl 4 ist.
38 Fialkowski.
Für die Eintheilung der Sehne von 120° = y3, wird x = e.
und die mittelst dieser Gleichung berechneten Segmente geben
Brüche, deren Zähler eine Reihe der zweiten Ordnung ist, nämlich:
3,.12727:248..59,38..21.1%
mit der constanten Differenz 6. Für die Eintheilung der Sehne von
Ton Kun Dre
450 — V: N ste — a V2
Das interessanteste Gesetz ist also nur jenes mittelst der Ein-
theilung der Neunziger-Sehne, welches wir bereits angegeben haben.
Wird daher was immer für eine Linie, in wie viel immer gleiche
Theile getheilt und eine beliebige Anzahl gleicher Theile zum Halb-
messer des Hilfskreises genommen, so hat man, wenn dieser mit o
bezeichnet wird, aus den zwei rechtwinkeligen Dreiecken A@B
und FGJ
2? — 2)=-p—2)e+®)
24
woraus = -
die allgemeinste Gleichung für die Segmente folgt.
$.54
Es frägt sich nun jetzt, ob man mittelst dieser allgemeinen
Gleichungen für die Segmente nach dem früheren Verfähren die
Punkte des Kreises bestimmen kann. Wir wollen dies untersuchen,
und zwar der ganzen Allgemeinheit wegen durch die höhere Analysis.
Beweis.
Da hier die Voraussetzung in Betreff der fixen Punkte dieselbe
ist, und daher die zwei Punkte D und E für jedes Paar von Linien,
mittelst deren die Kreispunkte bestimmt werden, ungeändert bleiben,
so haben wir auch hier für jede der zwei Geraden eine Gleichung
aufzustellen und sodann den Durchschnittspunkt dieser Geraden zu
bestimmen.
Ist also der Ursprung der Coordinaten im Mittelpunkte des
Grundkreises, und die allgemeine Gleichung irgend einer Geraden
y= ax + b, so haben wir nach unserer Construction für die
Gerade DJ
ei
daher | yaaa AN BE
Construction des Kreises und der Ellipse. 89
da ferner nach der Construction für dieselbe Gerade das Stück
CJ die Abseisse und
C’=BC+BbBJ=1-+p,
also = ,17 pist,
sohat mansofort y=a(1+p) +1;
setzt mannun y= 0,
so hat man o=a(ll+p)-+1
3
also — re und daher durch Substitution in . («)
Be . Hannlea Srban.n ur) ra Arne Boat
als die Gleichung der Geraden DJ, deren fixer Punkt D ist.
Um die Gleichung für die zweite Gerade aufzufinden, hat man
abermals
y=az-+b, |
und da nach der Construction y = r ist, so hat man
m aihunnihunae en ea SUR
Da ferner für die Gerade EH das Stück CH die Abseisse, und
CH—=BC—BH=-1—%,
also u ee ist,
so folgt durch Substitution in die allgemeine Gleichung einer Geraden
2 —
y=a (> e“) + 5b;
setzt man nun auch hier y = 0, so hat man ferner
a ee:
zieht man von dieser Gleichung die früher gefundene Gleichung («')
ab, so erhält man
o0—r—=da rn,
also —r=da ae
und a gesetzt,
ist ferner 2 (> it
somit —1-al-1)-.lCH)-—ar
90 Fialkowski.
folglich Da
Pr
substituirt man diesen Werth für « in die mit («’) bezeichnete Glei-
chung, so erhält man
2
Tr = 53 IF -+ b,
und für Bel
2
folgt = „= an
woraus b=-1— ze folgt;
werden endlich die für a und 5 gefundenen Werthe in die allgemeine
Gleichung einer Geraden substituirt, so erhält man
2
U 2 |
Ye u 1 2er
als die Gleichung der Geraden ZH, deren fixer Punkt E ist.
Um nun den Durchschnittspunkt dieser zwei Geraden zu be-
stimmen, muss man aus den für sie gefundenen Gleichungen das =”
und y" suchen. Ziehen wir zu diesem Behufe diese zwei Gleichungen
von einander ab, so erhalten wir
2 2 a |
ng gr 4 gr en
a7 4, u Fun: (1 —D)
2 zu 2
dah > en |
aher 0 Pr a r
na 1 2
a tz
2 2(e +1) +
folglich MM
: z +1)
N A ne Nana
woraus X SE, D
p P(p+1)
de De ag LE
Te 2ER) re 2er
es ist also wi eh als der allgemeine Ausdruck
Pr ep h2
für die Abseisse.
Substituiren wir diesen Werth für x’ in die Gleichung (I),
so folgt
2 2(e +1) 2
RE N 1
2 e me naoy} 2 Rt
h Aloe +1 2
a +9 Rn ı
RR +2P+N) P
ehe
Construction des Kreises und der Ellipse. 91
3 a
. | p* (0? +?2P +?)
A A ei
er p* (pP? +2p + 2)
welcher Ausdruck im Zähler gehörig reduciri, gibt ferner
Be en, er. _ rte.,
Br, Plata) Prror?
folglich ist
9
2
N — Ba > _ als der allgemeine Ausdruck für die Ordinate.
P+2p+?
Lassen wir die zwei Gleichungen
RR Beste,
Hh ro pP? +%p +2 . . . . . . . u)
Aa DER (+2) (IV)
Pot 2 |
coexistiren, so muss, wenn der Durchschnittspunkt der zwei Geraden
DJ und EH in der Peripherie des Grundkreises erfolgen soll,
Hr
sein, somit auch die dafür substituirten Werthe
2(e+1) (e@+2) }2
ee rer Serie
erfolgen.
Quadrirt man diesen Ausdruck auch wirklich, so folgt sofort
2(e+1) 2 Rle+%) 2 400 +2o +1) +p*lo?+4o+4)
rn er (Pr
Ap®+8p +4 +0p*+%03+4p?
: (P? + 2p +9?
Re N N ae
HA HE +Ep +
also ist wirklich der Durchschnittspunkt X in der Peripherie des
mit BC beschriebenen Kreises.
Es bleibt uns noch zu untersuchen übrig, ob der Punkt L eben-
falls in der Peripherie desselben Kreises liegt.
Um dies zu erweisen, brauchen wir nur noch eine Gleichung für
die durch den Punkt F geführte Gerade DL aufzustellen, indem die
Gleichung für die Gerade EL ungeändert bleibt.
_ Ist also y= ax + db die Gleichung einer Geraden, und die
Abseisse für die Gerade DL, das Stück
CF=BC—bBF=r—opo=1-—»
also ce=1—pP
9
92 Fialkowski.
ferner DI
shtmn y=all—o)+b=all—p)-+1;
setzt man y-=0%
so folgt o=a(ll—p) +1.
also —1l1=a(l —p)
Iglich a den,
folg mern
substituirt man diesen Werth für « in die allgemeine Gleichung einer
Geraden, so erhält man
= —_ 4b- +1 os, (4%)
als die Gleichung der Geraden DL, deren fixer Punkt D ist.
| Um nun den Durchschnittspunkt dieser zwei Geraden zu
bestimmen, müssen wir aus der Gleichung (I) und der früher gefun-
denen Gleichung (II) das «" und y" suchen.
Ziehen wir zu diesem Behufe diese zwei Gleichungen von ein-
ander ab, so folgt
ee Re en --
reach) ah me
200. ra a
See eg
2 ae 2
Ta are
2 2 1
a
| a le De?
WORAUS U = —i ann
p? elor)
BUBEN ey ee
Be eo
an a De en er)
Zee
folgt; also gehörig bezeichnet, ist die gesuchte Abseisse
NEL Tee (p Fe 1) 2
E Tina Bl).
Substituirt man diesen Werth für ©’ in die Gleichung (II), so hat man
RN 2 = (p aa 1) u. 2
Mer a
y" ne Be (o Era 1) 2
ker er A Pr
Construction des Kreises und der Ellipse. 93
ie Irre rt) RE 2p +2)
Pl —%p +2)
er ar 2 +2
N Pe —2p+%)
EN RE RE ET REN DENE
ern Az
ee sesnchte Ordinate g = Ze 9 .,.,..am.
pP —-2p+2
Soll nun der Punkt Z in der Peripherie des Kreises liegen, so
muss (z”)? + (y”’)? = r? = 1 sein, somit auch die dafür substi-
tuirten Werthe
r 2 p— 1)? pP (e— 2) = a
pa —2p +1) pP —2p+2
erfolgen.
Werden diese Ausdrücke auch wirklich quadrirt, so folgt sofort
ee p(p —?) "- ae
a: Pr +N) (ae
kp 21) + Ale — +)
li (Pe —2p +2)?
ne
(pP? — 2 p + 2)?
P—Ap? +80? — Sp +A ü
$]
ET
es ist daher auch der zweite Durchschnittspunkt, d. i. der Punkt Z
in der Peripherie des Kreises.
Wirdp = u e gesetzt, also das betreffende Segment
Rn
5 |
eo u so erhält man folgende Gleichungen:
ee Marne
für die Gerade DJ y = Sragr u a Ba had aA Ba Ta nd an N)
; an? 2n?
Pe EL) ELy = p: Rn aa a LE ae . (ID),
Sr
Bayer ten
und als Bedingungsgleichungen für die Durchschnittspunkte dieser
Geraden
f
eg
n(n+p) +p?
2 2
und y' et a an ARE SEE. ER (IV),
n(n+p)+p?
9A Fialkowski.
oder
a a)
L, == nn _p) +p: sd 01 1a, Be, ae (IT)
„ —2np+ p? /
Y, — Ba ao . . ®. [ . 0} . . (IV )»
zn (n —p) + p?
7 2n(n+p) Z
‚Tan adnsp. au
" +?np+p® „
Tg ae ar
Daraus ergibt sich also, dass es gleichgiltig ist, mit welchem
Radius man den Hilfskreis beschreibt, um die Hilfspunkte in der Axe
zu erhalten. Der Unterschied besteht nur darin, dass die mittelst der
gezogenen Normalen erhaltenen Segmente ein verschiedenes Gesetz
befolgen, je nachdem man diese oder jene Linie eintheilt.
$. 55.
Aus dem Vorhergehenden lässt sich folgender Lehrsatz ableiten :
Wird in einem Kreise durch den Fusspunkt einer Ordinate aus
der einen Ecke des diesem Kreise umschriebenen Quadrates eine
Gerade gezogen, und aus dem dieser Ecke zunächst anliegenden
Halbirungspunkte der Seite dieses Quadrates zwei Gerade so geführt,
dass die auf dem Durchmesser und dessen Verlängerung erhaltenen
Durchschnittspunkte von dem zweiten derselben Ecke zunächst anlie-
genden Halbirungspunkte so weit abstehen, als der Peripheriepunkt
der Ordinate von dem letzteren Halbirungspunkte, so liegen die zwei
Durehschnittspunkte der drei Geraden in der Peripherie des Kreises,
oder wenn wir nur den Durchschnittspunkt des Durchmessers
berücksichtigen, so hat man folgenden Satz:
Wird in einem Kreise durch den Fusspunkt der Ordinate aus
der einen Ecke des diesem Kreise umschriebenen Quadrates eine
Gerade geführt, und aus dem dieser Ecke zunächst anliegenden
Berührungspunkte der mit der Ordinate nicht parallelen Seite eine
zweite Gerade so geführt, dass sie sich in der Peripherie des
Kreises schneiden, so ist das auf der Abseissen-Axe abgeschnittene
Stück gleich der dieser Ordinate entsprechenden Sehne, welche der
benützten Ecke am nächsten anliegt u. s. w.
Da jeder Ordinate im Halbkreise zwei Sehnen entsprechen, so
‚kann man bei der Bestimmung der Kreispunkte jede derselben
Construction des Kreises und der Ellipse. 95
benützen, wie dies Fig. 61 zeigt, in welchem Falle man doppelt so
viele Punkte erhält, als es mit Benützung nur der einen Sehne mög-
lieh ist. Denn wird die Ordinate JP gezogen und aus B mit der
Sehne BJ der Durchmesser AB in K und dessen Verlängerung in L
geschnitten und auf die besagte Art verfahren, so erhält man den
Punkt / und //; wird nun auch aus dem zweiten Endpunkte des Durch-
messers AB mit der zweiten Sehne, d. i. mit 4J dieser Durchmesser
in M und dessen Verlängerung in N geschnitten, ferner aus E durch
den Fusspunkt ? eine Gerade geführt, € mit N und M verbunden und
die CM verlängert, so erhält man die Punkte //J und IV; und wenn
die so aufgefundenen fixen Punkte in der Axe, wie auch der untere
Halbirungspunkt D und die zwei Eckpunkte @ und H benützt werden,
so erhält man acht Punkte, somit im Ganzen, wenn auch die paralle-
len Sehnen gezogen werden, 16 Punkte in der Peripherie des Kreises.
Dieser merkwürdige Satz gibt uns ein Mittel an die Hand die
Ellipse in allen Fällen mit grossem Vortheile zu construiren, indem
man zur Bestimmung von 8 Punkten nur einen einzigen Punkt auf dem
Durchmesser oder dessen Verlängerung zu bestimmen braucht, wie
wir aus den nächstfolgenden Beispielen sehen werden.
$. 56.
Bevor wir dies durch einige Beispiele erläutern, wollen wir
zuerst über die Construction der Fig. 61 eine genaue Betrachtung
anstellen, und sehen welchePunkte man in der Peripherie des Grund-
kreises erhalten kann, wenn wir uns die AF um den Punkt F gedreht
denken, und B als den Anfangspunkt betrachten.
Offenbar wird nach dieser Construction, wie man aus Fig. 62
sieht, der eine letzte Punkt in der Peripherie der Punkt A sein, weil
nach dem früher erklärten die Normale für A gleich o wird, und daher
der oberhalb des Durchmessers AB in der Geraden AF liegende
Punkt V’ der letzte in dem Quadranten BC sein. Wir können daher
nach dieser Construction allein keine weiteren Punkte bestimmen.
Wird aber diese Construction mit der in Fig. 44 angegebenen in
Verbindung gebracht, so erhält man, wie Fig. 63 zeigt, nach den bei-
den Richtungen auch noch weitere Punkte auf den beiderseitigen
Verlängerungen des Durchmessers AB, mithin auch noch weitere
Punkte in der Peripherie des Kreises, so dass wenn die Gerade EZB
immer weiter und weiter gegen C gerückt wird, auch die hierdurch
96 Fialkowski.
bestimmten Punkte der Peripherie näher und näher an den Punkt C
kommen; wird endlich die aus E gezogene Linie parallel zu AB, so
fallen beide Punkte zusammen, und zwar im Berührungspunkte € der
Seite des diesem Kreise umschriebenen Quadrates, oder in dem
Berührungspunkte der zu AB parallel geführten Tangente.
Es wird also_die letzte Stellung der um den Punkt E Bed ehten
Geraden eine Tangente sein.
/ Man kann daher mittelst der Ordinaten die Punkte in der Peri-
pherie des Kreises nach den beiden Richtungen nur bis zu der Linie
AE erhalten; wollte man aber über diese hinaus auch noch weitere
Punkte in der Peripherie erhalten, so muss man nach der in $. 38
(Fig. 44) angegebenen Construction verfahren, indem man von B aus
nach den beiden Richtungen die entsprechenden Einheiten gesetz-
mässig aufträgt, wie dies aus Fig. 68 ersichtlich ist.
Hier wurde die Neunziger- Sehne BC in drei gleiche Theile
getheilt, und ein solcher Theil auf der Axe XY von B aus beiderseits
aufgetragen, sodann die diesem Theile entsprechenden Quadrat-
punkte vermittelst der Quadrat-Einheit 3 1 des Halbmessers BO von
B aus in der Richtung nach links bestimmt.
Sı5T.
Wir werden mit Hilfe des im $. 55 angegebenen Satzes Con-
struction der Ellipse vornehmen, wobei wir zwei Fälle unterscheiden
wollen: A. wenn eine der zwei gegebenen Axen verlängert wird, und
B. wenn gar keine verlängert werden darf.
A. Construction der Ellipse, wenn eine von den zwei Axen verlängert werden
darf.
a) Construction der Ellipse, wenn die grosse Axe verlängert
werden kann.
Es sei (Fig. 64) AB die grosse, CD die kleine Axe, und EFGH
das diesen Axen entsprechend umschriebene Rechteck. Man verlän-
gere die grosse Axe AB über B hinaus, beschreibe über AB aus O
mit dem Radius gleich OB einen Bogen Bu, nehme auf demselben
einen beliebigen Punkt X an, fälle aus diesem eine Lothrechte auf
die grosse Axe, welche in Z geschnitten wird. Nun beschreibe man
aus B mit dem Radius gleich der Entfernung BK einen Halbkreis,
der die grosse Axe in M und deren Verlängerung in N schneidet.
Wird endlich aus E durch den Punkt Z eine Gerade geführt, sodann
ur Far
Construction des Kreises und der Ellipse. 97
C mit M und N verbunden und die CM so verlängert, dass die aus E
geführte Gerade geschnitten wird, so erhält man P und Q als Ellip-
senpunkte. |
Führt man aus F ebenfalls durch Z. eine Gerade und aus D
durch M und N zwei Geraden, so schneiden sie sieh ebenfalls in zwei
Punkten, d. i. in ?' und 0‘, welche zu den früheren zwei Punkten
eorrespondirende Punkte sind.
Zu diesen vier so gefundenen Punkten werden in der unteren
Hälfte der Ellipse auch die vier correspondirenden Punkte, wie dies
durch Pfeile angezeigt ist, gefunden.
b) Construction der Ellipse, wenn der grössere conjugirte Durch-
messer verlängert werden kann.
Sind AB und CD (Fig. 65) die beiden eonjugirten Durchmesser,
und ZFGH das diesen Axen entsprechende Parallelogramm, so ver-
längere man die AB über B hinaus, beschreibe aus O mit OB einen
Bogen Bu, nehme auf demselben einen beliebigen Punkt J an, fälle
von demselben eine Ordinate JK, lege die gedachte Sehne BJ um den
Punkt B einmal in die Axe und dann in deren Verlängerung um, wie
dies mittelst des gezogenen Halbkreises angedeutet ist, und verfahre
im Übrigen wie im vorhergehenden Falle.
c) Construction der Ellipse, wenn nur die kleine Axe verlängert
werden darf.
Es sei (Fig. 66) AB die kleine und CD die grosse Axe; man
verlängere die kleine Axe AB über B hinaus, beschreibe über dieser .
Axe einen Halbkreis oder nur einen Bogen (hier den Halbkreis AC’B),
nehme auf demselben einen beliebigen Punkt Jan, fälle von demselben
eine Normale auf AB und mache LB=BM== der Entfernung BJ ; wird
endlich aus F durch den Fusspunkt X der Ordinate JK eine Gerade
geführt, sodann C mit M und L verbunden und die CZ bis P verlän-
gert, so ist N der eine und P der zweite Punkt der Ellipse. Werden
ferner die Linien @Q, DQ und DM gezogen, so erfolgen abermals
zwei Punkte der Ellipse.
Die correspondirenden Punkte werden auf bekannte Art gesucht,
wie dies aus der Figur ersichtlich ist.
d) Construction der Ellipse, wenn nur der kleinere conjugirte
Durchmesser verlängert werden darf.
Es sei (Fig. 67) AB der kleinere, CD der grössere conjugirte
Durchmesser, und EF@GH das diesen Durchmessern entsprechend
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVI. Bd. I. Hft. 7
98 Fialkowski.
umschriebene Parallelogramm. Soll in diesem nur die AB verlängert
werden, so wird auch hier so verfahren wie im vorhergehenden
Falle, wie sich dies aus der Figur ersehen lässt.
Wie man aus allen diesen Fällen sieht, muss man jedesmal das
den gegebenen Axen entsprechend umschriebene Rechteck oder
Parallelogramm oder wenigstens dessen zwei Eckpunkte bestimmen;
allein da es jedesmal besser ist in jedem der vier Endpunkte der
gegebenen Axen Tangenten zu ziehen, weil dadurch sehr leicht ver-
hütet wird, dass die Ellipse über dieselben nicht hinaustritt, so ist
auch das jedesmal umschriebene Rechteck oder Parallelogramm gar
nicht überflüssig; von den anderen Linien aber werden diejenigen
weggelassen werden können, welche zuletzt gezogen werden sollen,
weil man an den betreffenden Stellen nur einen Einschnitt zu machen
braucht. Wenn man also dies streng nimmt, so brauchte man hier in
jedem der vier Fälle nur zwei Hilfslinien zu ziehen, d. i. diejenigen
nur, welche aus den zwei Eckpunkten durch den Fusspunkt der Ordi-
naten geführt werden. In der Fig. 64 sind diese EQ und FO’; in
Fig. 65 sind FR und @®; in Fig. 66 sind F'’P und @0, und in Fig. 67
sind FR und @P solche Linien, in deren jeder zwei Punkte der Ellipse
liegen.
$. 58.
B. Construetion der Ellipse mit Hilfe des im $.55 angegebenen Satzes, wenn gar
keine Axe verlängert werden darf.
Es soll in dem Trapeze EFGH (Fig. 68) als dem perspectivi-
schen Quadrate, in welchem AB und CD als gegeben betrachtet
werden können, eine Ellipse construirt werden.
Betrachtet man die früheren vier Fälle genau, so ergibt sich
sogleich, dass auch hier die Construction nicht schwer ist; wird also
AB als der Durchmesser desjenigen Kreises angenommen, durch des-
sen Umdrehung die einzuschreibende Ellipse entstanden gedacht
wird, so ist CD als ein zweiter perspectivischer Durchmesser. Wird
nun aus O mit OB ein Bogen beschrieben, in demselben irgend ein
Punkt angenommen, von demselben eine Ordinate gefällt, die Ent-
fernung BJ in die AB um den Punkt B umgelegt, sodann aus C und
D durch den Punkt Z, und aus F und @ durch den Punkt X Gerade
geführt, so sind die zwei Durchschnittspunkte dieser vier Geraden,
Construction des Kreises und der Ellipse. 99
d. i. Mund N Punkte der in das perspectivische Quadrat EFGH ein-
zuzeichnenden Ellipse.
Aufähnliche Art wird man daher in jedem Rechtecke oder Paral-
lelogramme, ohne dass man die Axen verlängert, Ellipsenpunkte
bestimmen können, wobei jedesmal nur zwei Punkte erfolgen, wenn
vier Linien gezogen werden; allein auch hier können zwei wegge-
lassen werden, indem man in den zwei aus den Eckpunkten geführten
Geraden Einschnitte macht.
$. 39.
Construetion der Diagonalpunkte, ohne dass irgend eine der zwei Axen verlängert
werden darf.
Es sei zur Construction der Ellipse das perspectivische Quadrat
EFGH (Fig. 69), folglich auch die AB und CD gegeben; man ziehe
die beiden Diagonalen EG, FH, errichte im Mittelpunkte O die
JO 1 AB, mache JO = BO —= AO, und beschreibe mit dem Radius
gleich der Entfernung. AJ aus A den Bogen JK, und aus B den
Bogen JL. Werden endlich aus C und D durch K und Z vier Gerade
so geführt, dass die Diagonalen geschnitten werden, so sind die da-
durch erhaltenen vier Durchschnittspunkte, d. i. M, N, P, Q die ver-
langten Diagonalpunkte der in das perspectivische Quadrat EFGH
einzuschreibenden Ellipse.
Wie man aus der Figur sieht, werden in jedem perspectivischen
Quadrate zwei der vier Punkte viel schärfer und deutlicher erhalten als
die anderen zwei; man wird sich daher an jene mehr als an diese halten
müssen. Bei einem Parallelogramme werden je zwei und zwei in der-
selben Diagonale liegenden Punkte gleich scharf geschnitten, bei
einem Rechtecke werden alle vier unter einem gleichen, mehr oder
weniger deutlichen Schnitt erhalten, je nachdem die Differenz der
beiden Axen mehr oder weniger gering ist. Es ist jedoch diese
Methode viel einfacher als die in den ersten $$. dieser Abhandlung
angegebenen, weil man hier weder den Durchmesser zu verlängern
noch keine Eintheilung zu machen braucht; ja man kann sogar die
drei Bögen, welche hier zur Bestimmung der zwei fixen Punkte X
und Z beschrieben worden sind, wie auch die vier Geraden, welche
durch diese zwei Punkte aus C und D gezogen wurden, weglassen,
indem man in den Diagonalen nur die Einschnitte macht.
q*
100 Fialkowski.
8. 60.
Allgemeines Verfahren, beliebig viele Punkte einer Ellipse zu finden, ohne dass
eine von den zwei Axen oder einer von den zwei eonjugirten Durchmessern ver-
längert zu werden braucht.
Es sei (Taf. X, Fig. 70) AB der grössere, CD der kleinere con-
jugirte Durchmesser, und EFG@H das diesen Durchmessern entspre-
chend umschriebene Parallelogramm. Man beschreibe aus O mit OB
den Bogen Bu, nehme auf demselben beliebig viele Punkte an, hier drei,
d.i. a, b, c, fälle von jedem derselben eine Ordinate auf AB, und ziehe
aus jedem der zwei Ecken Fund @ durch die Fusspunkte dieser Ordina-
ten gerade Linien. Werden nun die diesen Ordinaten entsprechenden
Sehnen Ba, Bb, Be in die AB um den Punkt B umgelegt, und aus C und
D durch die auf diese Art erhaltenen Punkte m, n, p Gerade geführt,
bis die ihnen entsprechenden aus den Eckpunkten gezogenen Geraden
geschnitten sind, so erhält man hier die Punkte I, II, IH und I’, I’, II’.
Die Richtung der letzteren sechs Linien wurde nur mittelst
Pfeile bezeichnet.
Werden zu den so gefundenen sechs Punkten auch die corre-
spondirenden Punkte gesucht, so erhält man bei Annahme von drei
Punkten auf dem Hilfsbogen im Ganzen 16 Punkte für die zu zeich-
nende Ellipse.
Auf diese Weise kann man für jeden gegebenen Fall beliebig
viele Punkte finden.
8. 61.
Construetion der Polygone in den perspeetivischen Ebenen.
Mit Hilfe der aufgestellten Sätze von der Construction des Krei-
ses, kann man jedes Polygon, welches in einer verticalen, horizontalen
oder in irgend einer gegen die Bildfläche schiefen Ebene, in die per-
spectivisch horizontale, verticale, oder in irgend eine schiefe Ebene
bringen, ohne dass man sich des Distanzpunktes bedient, wie dies
sogleich gezeigt werden soll.
Es sei (Fig. 71) das sternförmige Polygon acegilin der ver-
tiealen Ebene gegeben; man soll dies in die perspectivisch-horizon-
tale Ebene drehen, wenn das Auge in unendlicher Entfernung ange-
ncmmen wird. Natürlicher Weise muss hier die verkürzte Linie ce‘
gegeben sein. Es wird also das dieser Sternfigur umschriebene Qua-
drat CDEF nach der Drehung in ein Parallelogramm übergehen,
Construction des Kreises und der Ellipse. 101
welches alsdann C’D‘E’F' sein wird. Es handelt sich daher hier nur
um die vier Punkte a, e, g, !, welche vermöge $. 31 (Fig. 33 u. 34)
auf eine höchst einfache Art gefunden werden. Ist nämlich das Paral-
lelogramm C'D'E'F' gezeichnet, so ziehe man in diesem eine von den
zwei möglichen Diagonalen (in deren Verlängerung in unendlicher
Entfernung der Distanzpunkt sich befinden muss); fälle von den
Punkten @ und e die al und eg lothrecht auf AB, und führe durch die
Punkte » und p die a'l‘ wie auch e‘g‘ parallel zu C‘F'. Werden end-
lich die ap so wie en um ihre Fusspunkte beiderseits in die Axe p 'n'
umgelegt und durch die so erhaltenen Punkte p‘ und p'' zu der
gezogenen Diagonale CE‘ Parallele geführt, bis die durch p und »
parallel zu €’F’ gezogenen Geraden geschnitten werden, so erhält
man die vier verlangten Punkte, welche hier «', e', g’, !', sind. Diese
mit einander, wie auch andere schon bestimmten Punkte durch
Gerade verbunden, geben die verlangte Sternfigur in der Ebene
C'D'’E'F', wie aus der Figur ersichtlich ist.
Wären nun die Wege für die drei Punkte a, c, e, d. i. die entspre-
chenden Ellipsen, welche während der Drehung beschrieben werden,
gezeichnet, so könnte man mit Leichtigkeit jede beliebige Stellung
dieses Polygons angeben.
Auf diese Art kann man jedes beliebige regelmässige wie
unregelmässige Polygon in einer beliebigen Ebene darstellen.
8. 62.
Ist die Entfernung des Beobachters von der Tafel bestimmt, so
müssen für einen jeden gegebenen Punkt zwei fixe Punkte in der
Drehungsaxe gesucht werden, mittelst welchen man dann den gege-
benen Punkt in die perspectivische Ebene bringt.
Es sei (Fig. 72) der Punkt a in der verticalen Ebene gegeben,
man soll ihn in die perspeetivisch-horizontale Ebene bringen.
Bekanntlich wird jeder Punkt aus der verticalen Ebene in die
perspectivisch-horizontale gebracht, wenn man eine diesem Punkte
entsprechende Ordinate zieht, durch deren Fusspunkt eine Linie nach
dem Hauptpunkte führt u. s. w.
Allein wir wollen in dieser Aufgabe die Bedingung einführen,
dass durch diesen Punkt die ihm entsprechende Ordinate nicht gezo-
gen werden darf. Man wird daher in diesem Falle folgendermassen
verfahren können: Es sei ZZ die Horizontal-Linie, vv’ die Vertiecal-
102 Fialkowski.
Linie, deren Durchschnittspunkt @ der Augepunkt, und A der
Distanzpunkt. Man ziehe also eine beliebige Gerade mn, führe durch
deren Fusspunkt p eine Linie nach dem Hauptpunkte, mache mp=np,
und zn'p perspectivisch gleich n'p = mp=np. Wird nun m mit a ver-
bunden und die ma bis zu der Axe xy verlängert, so ist b der eine fixe
Punkt; wird ferner 2 mit « verbunden, so ist e der zweite fixe Punkt; da
also der Punkt m‘ in der perspectivisch-horizontalen Ebene ist, so
liegt der Punkt « in der Geraden m'b; aber eben aus dem Grunde
liegt derselbe Punkt auch in der Verlängerung der Geraden n’'c,
folglich muss er im Durchschnittspunkte dieser zwei Geraden und
daher in @' sein.
Sind mehrere Punkte gegeben, so können alle solche mittelst
der zwei Punkte m‘ und »‘ in der verlangten Ebene entsprechend
gefunden werden, ohne dass man sich weiters des Distanzpunktes
bedient. |
Si
Construetion eines regelmässigen Fünfeckes in der perspectivisch-horizontalen
Ebene.
Es sei (Fig. 73) das regelmässige Fünfeck abede in der verti-
calen Ebene, welche zugleich parallel zur Bildfläche ist, gegeben. Die-
ses Fünfeck soll in derjenigen perspectivisch-horizontalen Ebene ge-
zeichnet werden, welche durch den horizontalen Durchmesser des die-
sem Polygone umschriebenen Kreises normal auf die Tafel gelegt wird.
Man ziehe zu diesem Behufe CO und BD _L AB, verbinde die Fuss-
punkte dieser Senkrechten mit dem Augepunkte durch Gerade, und
suche auf diesen mittelst des Distanzpunktes die dem Punkte c, € und
D entsprechenden Punkte e’C’ und D'. Ist dies geschehen, so ver-
binde man den Punkt ce mit a durch eine Gerade, welche die ABin «a
schneidet, führe dann aus D durch den Eckpunkt a dieses Fünfeckes
eine Gerade bis die Axe @y in a” geschnitten wird, und man erhält
zwei fixe Punkte «’ und a”; wird alsdann D’ mit a” verbunden, und
aus c’ durch @’ eine Gerade geführt bis die D’«” geschnitten wird,
so ist der Durchschnittspunkt dieser zwei Geraden, d. i. «'' das Bild
des Punktes « in der perspectivisch-horizontalen Ebene.
Wird ferner C mit b verbunden, so ist 6’ der eine fixe Punkt,
und ch bis zu der Axe verlängert gibtden zweiten fixen Punkt 5’ ; daher
c' mit 5” verbunden, und aus €’ dureh 5’ eine Gerade geführt, gibt
Construction des Kreises und der Ellipse. 103
den gesuchten Punkt 5’ ebenfalls in derselben Ebene. Die anderen
. zwei Punkte d’ und e’ werden mittelst der durch die gefundenen
Punkte gezogenen Parallelen bestimmt.
Streng genommen braucht man für jeden Punkt nur eine Gerade
zu ziehen, weil die zwei fixen Punkte nur mittelst des Einschneidens
gefunden werden, wie bereits erklärt wurde.
$. 64.
Construetion eines unregelmässigen Polygons in der perspectivisch-horizontalen
Ebene.
Die Construetion unregelmässiger Polygone geschieht auf eben
diese Art, wie die der regelmässigen; mit dem Unterschiede, dass
dabei mehr fixe Punkte bestimmt werden müssen, weil keine corre-
'spondirenden Punkte vorhanden sind, oder wenigstens ist es selten der
Fall, dass es solche gibt.
Im Allgemeinen muss hierbei über der Axe ein Quadrat verzeich-
net werden, wie hier (Fig. 74) das Quadrat MNPOQ, dessen zwei
Eckpunkte M und N so beschaffen sein müssen, dass man von diesen
aus, durch die Polygonpunkte Gerade geführt, die Schnittpunkte in
der Axe erhalten kann, d. h. es müssen die Punkte M und N bedeutend
höher oder niederer als alle Polygonpunkte liegen; wo im letzteren
Falle die in der Axe liegenden Punkte ausgenommen sind.
Man verbinde also die Fusspunkte P und Q der Verticalen MP
und NO mit dem Augepunkte 2, und mache M’P perspectivisch gleich
MP und ebenso N’Q perspectivisch gleich NO; mittelst dieser zwei
Punkte werden die gegebenen Polygonpunkte auf folgende Art
bestimmt: Der Punkt a hat in Bezug auf den Punkt M den fixen
Punkt in «’ und in Bezug auf den Punkt N, den fixen Punkt @”; es
liegt somit der fragliche Punkt in der Geraden M’a’ und in der Gera-
den N’a”, folglich im Durchschnittspunkte dieser zwei Geraden,
4.1. ma":
Auf dieselbe Weise werden auch alle übrigen Punkte Sefün den,
wie die Figur zeigt. f
Am Schlusse dieser Construction erhält man zuweilen die letzten
Punkte nur durch die Verlängerung der Seiten. So findet man den
Punkt f”’ indem man nur in Bezug auf den Punkt M den einen fixen
Punkt f sucht, fg bis zu der Axe verlängert, M’ mit f’ verbindet und
aus f”’ durch g'” eine Gerade führt.
104 Fialkowski.
S. 65.
Construction der Ellipse von der Ellipse in den perspectivischen Ebenen.
Einen viel grösseren Vortheil gewährt die im vorhergehenden.
angegebene Verfahrungsart bei der Construction einer Ellipse von
der gegebenen Ellipse. Dieser Fall tritt dann ein, wenn das Bild
eines Kreises gezeichnet werden soll, dessen Ebene einfach oder
doppelt schief gegen die Tafel ist, denn wenn man in jedem dieser
Fälle dem gegebenen Kreise ein Quadrat umschreibt, so ist dessen
Bild nach der orthogonalen Projection in der horizontalen Ebene für
den ersten Fall ein Rechteck und für den zweiten Fall ein Parallelo-
gramm, und daher wird jedesmal das Bild des gegebenen Kreises
eine Ellipse sein.
Ist also die horizontale Projeetion eines Kreises gegeben, so
kann man in dieser Projectionsebene nach der angegebenen Art die
Hilfspunkte der Drehungsaxe suchen, und solche auch in der per-
spectivisch-horizontalen Ebene bestimmen.
Da aber jedesmal das perspeetivische Parallelogramm gezeichnet
werden muss, und da bekanntlich der Ellipse unzählig viele
Parallelogramme umschrieben werden können, so folgt daraus,
dass man auch ein Parallelogramm verzeichnen kann, dessen zwei
Seiten parallel zur Basis der Tafel sind.
Ist dies geschehen, so findet man auch sehr leicht den zur
Basis in der perspectivisch-horizontalen Ebene parallelen Durch-
messer, mittelst dessen man auch beliebig viele Punkte der Ellipse
finden kann, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen.
Wir wollen uns aher hierbei, um die Sache desto deutlicher zu
geben, des geometrischen Grundrisses bedienen. Nehmen wir also
zuerst den Fall an, wenn die Ebene des Kreises schief gegen die
horizontale Projectionsebene ist, und normal auf der Tafel, ohne
dabei horizontal oder vertical zu sein.
Es sei also in diesem Falle (Taf. XI, Fig. 75) A’ B’ die grosse
und €’ D’ die kleine Axe der Ellipse A’C’B'D', welche dem Recht-
ecke EF'@ H eingeschrieben ist.
Es sei ferner E’F’ die horizontale und E’ @" die verticale
Trasse derjenigen Ebene, in welcher der Kreis sich befindet, dessen
Bild die Ellipse A’ C’B'D’ in der horizontalen Ebene ist.
Man zeichne also das Rechteck EFGH perspectivisch gleich
dem Rechtecke EF'@H, ziehe in diesem die beiden Diagonalen,
Construction des Kreises und der Ellipse. 105
und durch deren Durchschnittspunkt O die CD || zur Basis der Tafel,
so ist CD als der Durchmesser desjenigen Kreises anzusehen, durch
dessen Drehung aus der vertiealen Ebene in die perspectivisch-
horizontale diejenige Ellipse entstanden gedacht wird, welche in
das Rechteck EF@H eingeschrieben werden soll.
Es ist somit dieser Fall auf den im $. 22, Fig. 28 zurückgeführt,
und hinsichtlich der weiteren Construction als ein solcher behandelt.
Es wird nämlich, wie in Fig. .28 die CD verlängert, durch O eine
CD
Senkrechte geführt, O0" = 0D" = = gemacht, sodann in C nach
aufwärts und in D nach abwärts Lothrechte gezogen, und mittelst
dieser wie auch mittelst der zwei Punkte C” und D” auf der Axe
XX' die fixen Punkte als Hilfspunkte und dann auch die der Ellipse,
wie in $. 22, Fig. 28, gesucht.
$. 66.
Construction der Ellipse von der Ellipse, wenn in der Projec-
tionsebene keine von den zwei Axen gegeben ist.
Ist bei der Projection eines Kreises, dessen Ebene doppelt
schief gegen die Bildfläche also weder die grosse noch die kleine
Axe der so erhaltenen Ellipse gegeben, oder wenn solche auch
gegeben wären, keine von denselben parallel zur Basis der Tafel,
so lässt sich auch dieser Fall auf einen einfachen redueiren. Es
braucht hierbei nur die Projeetion des Mittelpunktes gegeben zu
sein, wo dann durch diesen Punkt ein zur Basis paralleler Durch-
messer gezogen, und mittelst der Tangenten auch ein zweiter als con-
jugirter Durchmesser aufgefunden werden kann.
Es sei nun (Fig. 76) die Ellipse A’C’B’D' als die horizontale
Projection eines Kreises, dessen Ebene doppelt schief gegen die beiden
Projectionsebenen ist; es sei ferner 0’ der Mittelpunkt dieser Ellipse.
Man ziehe A’B’ parallel zur Basis der Bildfläche, ferner EF' | @H
| A’B’, suche die Berührungspunkte C’ und D', verbinde sie mit ein-
ander durch eine Gerade und ziehe E’H’ || F'@’ || CD’. Man bringe
ferner AB’ und C’ D’ in die perspectivisch-horizontale Ebene,
wodurch man in derselben die zwei Geraden AB und CD erhält. Es
ist also AB als der Durchmesser desjenigen Kreises anzusehen,
durch dessen Drehung aus der verticalen Ebene um diesen horizon-
talen Durchmesser in die perspectivisch-horizontale Ebene die zu
zeichnende Ellipse entstanden gedacht wird.
106 Fialkowski.
Wird also AB beiderseits verlängert, ferner Au, pg und Bw
normal auf AB gezogen, sodann Op = Og gemacht, so kann man im
Übrigen ganz nach der im &. 22, Fig. 28 angegebenen Weise ver-
fahren, wie dies aus der Figur zu ersehen ist, wo hier mittelst der
vier fixen Punkte mnr's' acht Punkte für die zu zeichnende Ellipse
gefunden wurden.
8 67.
Construction der Ellipse von der gegebenen Ellipse, wenn jene
durch die Drehung um die grosse Axe aus der verticalen Ebene in
die perspectivisch -horizontale entstanden gedacht wird. Es sei
(Fig. 77) die Ellipse ACBD in der verticalen Ebene so gegeben,
dass die grosse Axe AB parallel zur Basis der Tafel ist; es sei
ferner ZZ die Horizontal-Linie, vv’ die Vertical-Linie, A der
Distanzpunkt und @ der Augepunkt. Man verlängere die grosse
Axe AB beiderseits, ziehe zwei Lothrechte in beliebiger Entfer-
nung von einander, also MPund NB_LAB, mache MP=NB=BP,
führe dann durch die Fusspunkte dieser zwei Senkrechten, also durch
P und B gerade Linien nach dem Augepunkte, mache MP = MP
—D'P= N Bin der durch AB gelegt gedachten perspectivisch-
horizontalen Ebene. Es entspricht also der Punkt M’ demPunkte M, der
Punkt N dem Punkte N u. s. w. Nun führe man aus dem Punkte M
eine Gerade Mm so, dass die gegebene Ellipse in zwei Punkten « und
b geschnitten wird; da nun die Punkte M’ und m in der perspeecti-
visch-horizontalen Ebene liegen, und die Gerade M’'m der Mm ent-
spricht, so müssen in derselben Ebene auch die zwei Punkte « und
b liegen; wird ferner aus N durch a die Gerade N«, und aus dem-
selben Punkte durch 5 die Gerade Nß gezogen, so liegen die zwei
Punkte a und 5 auch in diesen Geraden, welche die zwei fixen Punkte
n und p haben. Werden endlich aus N’ durch die zwei fixen
Punkte 2» und p Gerade geführt, d. i. Nn« und Npß’, so sind die
zwei Durchschnittspunkte dieser zwei Geraden, mit der Geraden
M'm, d. i. a’ und b’ Punkte der verlangten Ellipse.
Da ferner die zwei aus N gezogenen Geraden die gegebene
Ellipse in « und ß schneiden, so benützt man dies, verbindet « und
B mit M, bestimmt dadurch die zwei fixen Punkte r und g, führt
dann durch diese aus MW Gerade, wodurch sich « und P’ als die
zwei anderen Punkte der verlangten Ellipse ergeben.
Construction des Kreises und der Ellipse. 107 °
Werden zu diesen Punkten auch die correspondirenden Punkte
gesucht, so hat man im Ganzen zwölf Punkte der zu zeichnenden
Bllipse.
Um auch hier das Anhäufen von Linien zu vermeiden, verfahre
man auf die bereits angegebene Weise, und lasse bei der Bestim-
mung der fixen Punkte die unnöthigen Hilfslinien weg, indem man
nur die Einschnitte in der Axe macht.
Wird z.B. der fixe Punkt m bestimmt, « und 5b markirt, so
braucht man die Gerade Mm nicht zu ziehen, sondern die Kante des.
Lineals um den fixen Punkt m bis auf M’ zu drehen und nur die M’'m
zu ziehen u. s. w., was der praktische Zeichner ohnehin leicht ein-
sehen wird.
Man braucht also auch hier, um zwei Punkte der Ellipse zu
bestimmen, nur eine einzige Linie zu ziehen, wenn sonst die Hilfs-
punkte so wie die fixen Punkte gehörig aufgefunden und kennbar
bezeichnet werden.
Wie man aus diesem Beispiele sieht, ist die Construction der
' Ellipse von der Ellipse höchst einfach; und zwar aus dem Grunde,
weil jede aus dem einen oder dem andern Hilfspunkte M oder N
gezogene Gerade die gegebene Ellipse in zwei Punkten schneidet,
aber nur Einen fixen Punkt hat.
Auch ist die angeführte Construction allgemein giltig und in den
meisten Fällen anwendbar, mag die Drehungsaxe durch den Mittel-
punkt der Ellipse gehen, dieselbe schneiden, berühren, oder ausserhalb
derselben gegeben sein.
$. 68.
Zum Schlusse dieser Abhandlung wollen wir nur noch eine
Aufgabe anführen, deren einfache aber auch allgemeine Lösung bisher
nicht bekannt ist, nämlich: Es soll eine Ellipse construirt werden,
wenn nur eine Axe und eine Tangente gegeben ist.
Die Anwendung dieser Aufgabe kommt, wie Taf. XII, Fig. 78
und 79 zeigt, in der Baukunst bei der Construction der Bohlendächer
vor, wo nämlich die Kanten der Sparen ED und DH Fig. 78 als die
Tangenten, und die Spannweite AB als die grosse Axe gegeben ist,
OC aber nicht bekannt ist.
Hier handelt es sich vorerst um die geometrische Construction
der Berührungspunkte der gegebenen Tangenten, alsdann aber über-
108 Fialkowski.
haupt um die Construction beliebig vieler Punkte für die zu zeich-
nende Ellipse.
Bekanntlich sind hierbei zwei Fälle zu unterscheiden, denn ent-
weder werden sich die zwei gegebenen Geraden, gehörig verlängert,
noch auf der Zeichenfläche schneiden, oder es ist dies nicht der Fall.
Die Lösung des ersten Falles findet man wohl in den Lehr-
büchern der analytischen Geometrie, allein die des zweiten nicht,
und es dürfte daher die Lösung des zweiten Falles durch die Con-
struction nicht überflüssig sein; sie ist folgende:
Es sei (Fig. 80) AB die grosse Axe und fg die Richtung der
Tangente, welche durch die Ordinaten Am und Bn gegeben ist. Der
Berührungspunkt dieser Tangente wird gefunden, wenn man Am
über A nach abwärts verlängert, Ag —= Am macht, g mit n durch
eine Gerade verbindet, welche die gegebene Axe in O' schneidet,
und in diesem Durchschnittspunkte eine Senkrechte errichtet, bis die
gegebene Tangente in E geschnitten wird; so ist Z der gesuchte
Berührungspunkt.
Wird ferner Bp = Bn gemacht, und durch p und g eine Gerade
geführt, so ist diese, d. i. t' g‘, eine zweite Tangente der zu zeich-
nenden Ellipse.
Man kann daher, wenn eine Tangente gegeben ist, auch eine
zweite auf diese Art sehr leicht auffinden, und daher ein Trapez
hier mnpg construiren, in welchem sich nach bekannten perspectivi-
schen Grundsätzen eine Ellipse einschreiben lässt, welche dann die
verlangte Ellipse sein wird.
Um für diese Ellipse beliebig viele Punkte zu bestimmen, wird
ferner Fig. 80° aus O' mit dem Radius O'E = O'F der Hilfskreis
A'’EB'F beschrieben, und nach einer oder der andern von uns an-
gegebenen Methode vorgegangen, indem man EF als Drehungsaxe
annimmt und in derselben die erforderlichen fixen Punkte aufsucht.
Man wird also auch hier am bequemsten zuerst die Diagonal-
punkte suchen, indem man aus E mit dem Radius gleich AE die
‘ Verlängerung der Axe FE in @ schneidet, sodann @ mit A und
B verbindet, wodurch die Diagonalen in H und X geschnitten werden;
die mit diesen zwei Punkten correspondirenden Punkte werden auf
bekannte Art gefunden.
Da hier die Punkte oberhalb der Axe AB verschieden hoch
liegen, so werden mittelst der zur grossen Axe AB gezogenen
WERE
Construction des Kreises und der Ellipse. 109
Parallelen noch vier Punkte, somit im Ganzen zwölf Punkte für die
zu zeichnende Ellipse gefunden.
Man kann aber mittelst der Ordinaten oder nach $. 22, Fig. 28
auch noch mehr Punkte sehr leicht finden.
Es erübrigt uns noch bei dieser Aufgabe, die Auffindung der
kleinen Axe zu bestimmen, deren Richtung ohnehin bekannt ist; denn
legt man durch den Halbirungspunkt O der grossen Axe die CD loth-
recht auf AB, so liegt in dieser die kleine Axe. Hat man nun zuerst
mehrere Punkte der Ellipse aufgefunden und diese gezeichnet, so wird
dadurch gewissermassen auch die kleine Axe begrenzt.
Man untersucht also die Richtigkeit der Endpunkte der so er-
haltenen Axe, z. B. des Punktes C', auf folgende Art: Es wird näm-
lich der zu untersuchende Punkt C’ mit A durch eine Gerade ver-
bunden, aus E mit EL ein Halbkreis beschrieben, welcher den aus
O0‘ beschriebenen Kreis in J schneidet; ferner aus J die JJ‘ normal
auf EF gezogen, und aus m durch J' eine Gerade geführt, bis sie die
AC' schneidet; erfolgt nun der Durchschnittspunkt dieser zwei Geraden
in der Geraden CD, so ist dieser ein Endpunkt der kleinen Axe 1).
$. 69.
Um das im letzten Paragraphe angegebene Verfahren gehörig
zu begründen, wollen wir annehmen, dass sich die zwei gegebenen
Geraden, d. i. die grosse Axe und die Tangente, wenn sie gehörig
verlängert werden, noch auf der Zeichenfläche schneiden, wie
Fig. 81 zeigt.
Es sei also AB die grosse Axe und m'n‘ die Tangente, welche
sich in & schneiden, durch welchen Durchschnittspunkt aber auch
die correspondirende Tangente p‘g' gehen muss.
Legt man nun durch A und B die Verticalen m‘g' und n'p', so
entsteht dadurch das Trapez m’ n'p'g‘, in welchem die Diagonalen
gezogen und bis zu der durch den Punkt @ gezogenen Geraden
ZZ‘ verlängert, dieselbe in A und A’ schneiden. Es ist daher 2
der Augepunkt, A, A’ die Distanzpunkte, und 2A =Q& A’ die Ent-
fernung des Beobachters von der Tafel. Somit ist hier m’n'p'g' das
perspectivische Quadrat, welches bei dieser Distanz aus dem
geometrischen Quadrate mpg entstanden ist, und weil die Distanz
1) Wir behalten uns vor über die Bestimmung der Axen als ein Anhang zu dieser
Abhandlung vorzulegen.
110 Fialkowski.
zu gering ist, als ein verzehrtes Bild dieses Quadrates erscheint.
Denn wie bekannt, erscheint ein und derselbe Kreis bei verschie-
denen Distanzen des Beobachters auch verhältnissmässig mehr oder
weniger gestreckt und gedrückt, jedoch behält er immer die Form
einer Ellipse.
Wird die Distanz gleich o, so ist dann die grosse Axe &
lang, ist hingegen die Distanz oo gross, so wird die grosse Axe = 0
u. Ss. w., was allerdings auch von anderen Punkten abhängt.
Ebenso kann man sich diese Ellipse durch die Drehung des aus
0’ mit O‘F über EF in der verticalen und zur Tafel parallelen Ebene
beschriebenen Kreises entstanden denken, wobei nach den Grund-
sätzen der Perspective mg || np als Parallele zur Tafel auch nach
der Drehung stets parallel bleiben müssen, während mn und pg,
gehörig verlängert durch den Augepunkt @ gehen müssen, wenn der
Kreis aus der verticalen und zur Tafel parallelen Ebene in die per-
spectivisch horizontale und normale auf die Tafel gedreht wird.
Kommt dann bei der Drehung dieses Kreises der Punkt A nach A‘,
so muss gleichzeitig B nach B‘ kommen, indem die aus A und A’
durch O0’ gezogenen Geraden, die in B errichtete Senkrechte
in = und p' schneiden u. s. w. Es kommt m nach m’, n nach
n, p nach p’ und g nach g’, und somit ist m'n'p’g’ das Bild des
Quadrates mnp g. ü
Was also von diesem Quadrate gilt, das gilt auch von jedem
Punkte der Ellipse, indem ein jeder solcher bei der bestimmten
Distanz verhältnissmässig seine Lage verändern musste.
Die Richtigkeit der Construction bei der Bestimmung beliebiger
Anzahl von Punkten für die Ellipse erfolgt aus der früher erklärten
Verfahrungsart (Fig. 21 — 24).
Aus der näheren Betrachtung der Fig, 81 folgt ferner, dass man
auch in dem 1. Falle, wenn die zwei gegebenen Linien sich noch auf
der Zeichenfläche schneiden, sowohl den Berührungspunkt als auch
beliebig viele Punkte der Ellipse auf eine höchst einfache Art auf-
finden kann. Denn man braucht nicht einmal die beiden gegebenen
Linien bis zu ihrem gemeinschaftlichen Durchschnittspunkte zu ver-
längern und ebenso auch nicht über der grossen Axe einen Kreis zu
beschreiben, sobald man die von uns angegebene Verfahrungsart
kennt, wie in einem geometrischen Trapeze oder perspectivischen
Quadrate die Ellipsenpunkte gefunden werden. |
Construction des Kreises und der Ellipse. 111
8.70.
_ Wir haben in Fig. 12 und 13 bereits erklärt, dass man sich
eine und dieselbe Ellipse auf verschiedene Art entstanden denken
kann. In Fig. 12 und 13 entstehen die Ellipsen durch die Drehung
zweier verschiedener Kreise, wovon der eine über der grossen und
der andere über der kleinen Axe beschrieben wird.
Wird also über der grossen Axe (Fig. 81) ein Quadrat MNPOQ
verzeichnet, so dass die grosse Axe eine zu den zwei gegenüber-
liegenden Seiten dieses Quadrates parallele Halbirungslinie bleibt,
und in diesem Quadrate ein Kreis eingeschrieben, so kann man sich
die Ellipse AC’BD’ auch durch die Drehung dieses Kreises entstanden
denken. Diese Entstehungsart kann man aber nur dann benützen,
wenn die Lage des Punktes C nach der Drehung bestimmt ist, was
bei der vorgelegten Aufgabe in der Baukunst nie der Fall ist.
‘Eine nähere Betrachtung der vorgelegten Aufgabe (Fig. 80)
zeigt uns, dass jedesmal, wenn eine Tangente gegeben ist, stets
sechs Tangenten als gegeben betrachtet werden können, wovon je
zwei und zwei correspondirende Tangenten sind.
In dem angeführten Falle werden zur Construction der Ellipse vier
Tangenten benützt, d. i. diejenigen zwei, welche die Verlängerung der
grossen Axe schneiden oder schneiden sollen, und die zwei, welche
in den Endpunkten der grossen Axe normal auf diese gezogen werden.
Es entsteht hierdurch das geometrische Trapez, welches in Bezug auf
den Augepunkt so wie auf den Distanzpunkt nichts anderes als ein
perspectivisches Quadrat ist, ohne welches man die Lösung der vor-
gelegten Aufgabe im zweiten Falle nicht im Stande ist auszuführen.
Sind aber zwei verschiedene Tangenten gegeben, so können
auch zwei verschiedene Trapeze, deren jedes die Höhe gleich der
grossen Axe hat, gezeichnet werden, und bei der Bestimmung der
- Ellipsenpunkte ist es hinreichend die vier Diagonalpunkte zu bestim-
_ men, indem man mittelst der parallelen Sehnen auch die correspon-
direnden Punkte sehr leicht auffinden kann, in welchem Falle also
im Ganzen 24 — 26 Punkte der Ellipse, also mehr als ein geübter
Zeichner braucht, gefunden werden.
S. 71.
Ganz allgemein wird diese Aufgabe gestellt, wenn man die
Ördinaten, mittelst deren die Tangente bestimmt wird, unter einem
beliebigen Winkel annimmt, wie Fig. 82 zeigt, wo dann die Axe
112 Fialkowski.
AB nur einer von den zwei conjugirten Durchmessern ist, von Se
zweiten aber nur die Richtung gegeben ist.
Es ist daher in diesem Falle zur Construction der Ellipse eine
Tangente {4 und ein conjugirter Durchmesser AB gegeben.
Die Auflösung dieser Aufgabe ist folgende:
Da die Richtung des zweiten conjugirten Durchmessers gegeben
ist,:so ziehe man durch A und B die EF und HG || CD, mache
AF = AE und BG = BJH, und verbinde @ mit F durch eine Gerade,
wodurch das geometrische Trapez oder das perspectivische Quadrat
EF@GH entsteht. Werden in diesem die beiden Diagonalen EG und
FH gezogen, und durch den Durchschnittspunkt, welcher in der AB
erfolgen muss, eine Parallele zu CD geführt, so sind Jund X Be-
rührungspunkte dieser Tangenten an die zu zeichnende Ellipse. Wird
ferner aus O0’ mit 0'’J = O'K über JK ein Kreis beschrieben, so ist
er derjenige, durch dessen Drehung aus der vertiealen Ebene in die
perspeectivisch-horizontale um die Axe JX die zu zeichnende Ellipse
entstanden gedacht wird.
Vergleicht man Fig. 81 mit 82, so sieht man, dass die Con-
struction der letzteren ganz allgemein ist, denn es gibt in der per-
spectivisch-horizontalen oder verticalen Ebene, welche normal auf
der Bildfläche ist, jedesmal nur eine einzige Linie, welche geome-
trisch entweder horizontal oder vertical ist; alle anderen Linien sind
schief, indem sie nach .dem Hauptpunkte oder nach irgend einem
andern Verschwindungspunkte convergiren.
Es sind also Fig. 82 EF und GH, ferner JK und CD, welche zu
einander parallel gezogen wurden, nichts anderes als die zur Basis der
Tafel gezogenen Parallelen, wenn man sich die Glastafel oder die
Bildfläche in EF und in deren Verlängerung aufgestellt denkt. Daher
ist auch dieser Fall auf den im $. 22, Fig 28 reducirt, wo dann die
Construetion der Ellipsenpunkte nach dieser oder jener Weise vorge-
nommen werden kann. Wie man aus Fig. 82 sieht, braucht man
hierbei nur die vier Diagonalpunkte zu bestimmen, weil man schon
dadurch, indem sie in verschiedener Höhe sind, im Ganzen 14 Punkte
für die zu zeichnende Ellipse erhält.
Es ist daher die Lösung der zuletzt vorgelegten Aufgabe, wie
wir gesehen haben, selbst dann höchst einfach, wenn man den Durch-
schnittspunkt der beiden gegebenen Geraden auf der Zeichenfläche
nicht erhalten kann, und die Richtung der beiden Axen beliebig ist.
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Sitzungsb. d.k.Akad.d.W. math.naturw. C1.XVI Bd. 1 Heft. 1855.
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Haidinger. Die konische Refraetion am Diopsid. 113
Auf ähnliche Art würde man verfahren, wenn die kleine Axe
und verschiedene Tangenten gegeben sind, wie dies Fig. 79 zeigt,
wo zugleich die Anwendung dieser Aufgabe versinnlicht wird.
Da nun auch in diesem Falle die Construction der Ellipse ganz
analog mit der im letzteren Falle angegeben ist, so finden wir es
für überflüssig, selbe hier durchzuführen.
Dass sich aus den hier aufgestellten und bewiesenen Construc-
tionen auch noch andere ableiten lassen, ist wohl nicht zu zweifeln,
welches der Untersuchung der Wissenschaft anheimgestelll bleibt.
Die konische Refraction am Diopsid, nebst Bemerkungen über
einige Erscheinungen der konischen Refraction am Aragon.
Von dem w. M. W. Haidinger.
1. Als Vorwort zu einer Mittheilung, die sich auf den Diopsid
bezieht, bitte ich um Erlaubniss, wenn auch nicht für mich selbst,
eine Reelamation zu erheben, veranlasst durch meine frühere
Darstellung der Geschichte der Studien in Bezug auf die Lage der
optischen Axen desselben !). Meinem hochverehrten Freunde Gustav
Rose verdanke ich nämlich die Kenntniss der Thatsache, dass Herr
Dr. Julius Wilhelm Ewald in Berlin bereits im Jahre 1837, also
mehrere Jahre vor Herrn Professor Miller’s Mittheilung in den
Cambridge Transactions die Verhältnisse der optischen Axen des
Diopsids mit vollständiger Genauigkeit dargestellt hat. Es geschah
dies in seiner schönen Inaugural-Dissertation De Crystallis duorum
axium opticorum dissertatio optica, die nur in lateinischer Sprache
für sich veröffentlicht wurde, wovon aber leider keine Auszüge in die
periodische wissenschaftliche Literatur übergingen.
Aber Herrn Dr. Ewald’s Abhandlung enthält noch eine ee
die als Berichtigung oder vielmehr als eine Ergänzung zu meiner
früheren Angabe dienen kann, indem sie eine directe Beobachtung
an die Stelle einer Schlussfolgerung stellt. Aus den Beobachtungen
in Fig. 3 und Fig. 4 hatte ich nämlich für die Fig. 2 den Charakter
1) Pleochroismus einiger Augite und Amphibole. Sitzungsberichte d. kais. Akademie
d. Wissensch. 1854. Bd. 12, S. 1074.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVI, Bd. I. H£t. 8
114 Haidinger.
der optischen rothen und blauen Axenkeile combinirt und geschlossen,
dass für beide Axen die rothen Keile innen, zunächst der Ersten
Mittellinie oder optischen Elastieitäts-Hauptaxe liegen. Herr Dr.
Ewald dagegen untersuchte unmittelbar eine senkrecht auf die
Hauptaxe geschnittene Platte, in welcher sich beide Ringsysteme gut
vergleichen liessen. Sie waren von gleicher elliptischer Gestalt, aber
unterschieden sich doch dadurch von einander, dass bei dem einen
der blaue, bei dem andern der rothe Keil zu innerst lag — ?n altero
systemate ruber, in altero caeruleus color ad interiorem partem
versus est. Pag. 25. Welche Lage übrigens diese beiden verschie-
denen Farbenkeile in Bezug auf die Krystallaxe des Diopsids haben,
ist hier nicht gesagt, und daher eine wünschenswerthe Aufgabe für
spätere Untersuchung. Jedenfalls gebührt Herrn Dr. Ewald die
Anerkennung , dass er es war, der zuerst den oa Charakter
der Diopsidkrystalle festgestellt hat.
2. Auch einer früheren Beobachtung derldio staurophanie des
Diopsids muss ich hier gedenken, nämlich durch Herrn Biot, der
vor langen Jahren die grünen Axenbüschel auf gelblichem Grunde
wahrnahm, wie dies Herr v. Senarmont in seiner schönen Arbeit
über die künstlich gefärbten pleochromatischen Krystalle mittheilt ').
3. Noch ist die konische Refraction an wenigen Krystallen beob-
achtet worden. Man kennt sie vorzüglich am Aragon. Die Verhält-
nisse unter welchen sie erscheinen musste, waren zuerst theoretisch
entwickelt, und sodann durch Versuche bestätiget worden, beides
meisterhaft, das erste bekanntlich blos von der Fresnel’schen
Voraussetzung der dreifachen Elastieität des Lichtäthers in drei
senkrecht auf einander stehenden Richtungen ausgehend durch Sir
William R. Hamilton ?), den Entdecker der wahren Gestalt der
Wellenfläche für die Fortpflanzung des Lichtes in zweiaxigen Kry-
stallen, und namentlich der Tangentialkreise, welche die Axenpunkte
umgeben, aus deren Dasein unmittelbar die Nothwendigkeit der
konischen Refraetion floss, das zweite durch Herrn Professor
1) M.Biot a bien voulu metire ü ma disposition un echantillon de diopside vert
ou il les avait reconnues (ces phenomenes) depuis longues annees. Experi-
ences sur la production artificielle du polychroisme dans les substances eristalli-
sees ; par M. H. de Senarmont. Annales de Chimie et de Physique, 3. serie, t. XLI.
2) Third Supplement to an Essay on the Theory of Systems of Rays. Transactions
of the Royal Irish Academy 1830—1835. Vol. 17, pag. 1.
EWR
Zu
Die konische Refraction am Diopsid. 115
Humphrey Lloyd !), der durch die feinsten physicalischen Messungen
die Wahrheit des mathematischen Ausspruches bestätigte. Gegen-
wärtig erscheint es uns allerdings als nicht möglich, dass die Be-
stätigung hätte fehlen können, dennoch war man seiner Zeit sehr
darauf gespannt, und sie hat daher auch vieles Aufsehen erregt,
billig durch die von allen Seiten entfaltete wissenschaftliche Tiefe
und Hingebung dem so höchst anregenden Gegenstande, der so
mächtig unter andern auch den Geist des grossen Physikers
Plücker erfasste.
„Kein physiealischer Versuch hat einen solehen Eindruck auf
„meinen Geist gemacht, wie der der konischen Refraction. Ein
„einziger Lichtstrahl, der in einen Krystall eindringt und als Licht-
„kegel wieder heraustritt, das war eine unerhörte Sache, und ohne
„alle Analogie. Herr Hamilton verkündete sie, von der Gestalt der
„Welle ausgehend, die durch lange Rechnungen einer abstracten
„Theorie abgeleitet war. Ich gestehe, ich hätte verzweifelt, ein so
„ausserordentliches Ergebniss durch die Erfahrung bestätigt zu
„sehen, welches einzig durch die Theorie vorausgesagt war, die
„Fresnel’s Genius neuerlich geschaffen hatte. Als aber Herr Lloyd
„bewiesen hatte, dass die Versuche gänzlich mitHerrn Hamilton's
„Vorhersagung übereinstimmten, musste jedes Vorurtheil gegen eine
„so wunderbar gestützte Theorie verschwinden“ ?).
Die Beobachtungen wurden von Lloyd am Aragon durchge-
führt. Sie sind leicht bis zu einer gewissen Ausdehnung anzustellen,
wenn man sich einmal in der Krystallform orientirt hat. Herr Dr.
Beer gibt ferner noch an: „Ich glaube behaupten zu können, die
1) On the Phenomena presented by Light in its passage along the Axes of Biaxal
erystals. Ibidem Vol. 17. I. 45. — Poggend. Annalen 1833. Bd. 37, S. 91 u. 104.
2) Aucune experience physique n’a fait autant d’impression sur mon esprit que
la refraction conique. Un rayon de lumiere unique entrant dans un erystal et
sortant sous l’aspeet d’un eöne lumineux : c’etait une chose inouie et sans ana-
logie. M. Hamilton Uannongait en partant de la forme de l’onde, qui avait ete
deduite par de longs caleuls d’une theorie abstraite. J’avoue que j’aurais des-
espere& de voir confirmer par U’ experience un resultat si extraordinaire, predit
par la seule theorie que le genie de Fresnel avait nouvellement ereee. Mais M.
Lloyd ayant demontre que les experiences etaient en parfaite concordance avec
les predietions de M. Hamilton, tout prejuge contre une theorie, si merveilleuse-
ment soutenue a dü disparaitre. — Crelle, Journal für reine und angewandte
Mathematik 19, S. 44. — Moigno, Repertoire d’ optique moderne. T. I, pag. 97.
g*
116 | Haidinger.
„konische Refraetion am Salpeter beobachtet zu haben“ 1). Ferner:
„Eben so leicht wie beim Aragonit lässt sich die innere konische
Refraetion in einer Platte von doppeltehromsaurem Kali beobachten, die
‚derjenigen Spaltungsfläche parallel ist, welehe auf der einen optischen
Axe ungefähr senkrecht steht“ ?2). Das hohe Interesse, welches die
erste Bestätigung erregte, ist nun freilich auf dieselbe beschränkt, und
da sie nun von Herrn Dr. Beer bis zu den anorthischen Krystallen
ausgedehnt ist, so würde auch der augitische Diopsid, dessen Sym-
metrie zwischen der des Aragons und des Chromsalzes liegt, kaum
zu einer eigenen Mittheilung geeignet gehalten worden sein, wenn
die Erscheinungen der konischen Refraction nicht gleichzeitig mit
denen des Pleochroismus aufgetreten wären, durch welchen einige
der Erscheinungen sehr an Deutlichkeit gewinnen, um derentwillen
man sie vielleicht anziehend finden wird. |
4. Während ich mit der Untersuchung der pleochromatischen
Verhältnisse des Diopsids beschäftiget war, fiel mir der grosse
Unterschied in den Angaben der Werthe für zwei Brechungsexpo-
nenten in Herrn Dr. Beer’s Zusammenstellung den optischen Con-
stanten zweiaxiger Krystalle?) auf, nämlich für die mittlere Brechung
B = 1'680 nach Miller, dagegen u = 1'378 für ein unbestimm-
tes Brechungsverhältniss nach Jamin aus der Beobachtung des
Haupteinfallswinkels. Je grösser der Winkel des bei der konischen
Refraction gebildeten Kegels ist, um desto leichter musste die Beob-
achtung sein. Beim Aragon beträgt für die innere konische Refraction
dieser Winkel 10 55’ und doch stehen die Exponenten der stärksten
und schwächsten Brechung nach Rudberg nur in dem Verhältnisse
von «= 169084: y—= 1'53264, oder eo 1103. Beim Diopsid -
musste dieser Winkel viel grösser sein, da schon das Verhältniss des
angegebenen ß:x = 1:1'2122 ist. An das idiostaurophane Zwil-
lingskrystall-Stück AB, Fig. 1, von 8°/, LinienLänge zwischen zwei
parallelen ‚ senkrecht auf die Axe der gewöhnlichen Zwillinge
geschliffenen Flächen XA und BD, wie es in meiner frühern Mit-
1) Einleitung in die höhere Optik, S. 369.
2) Ableitung der Intensitäts- und Polarisations-Verhältnisse des Lichtringes bei der
inneren konischen Refraction. — Poggendorff’s Annalen 1852. Bd. 85, S. 79.
3) Einleitung in die höhere Optik, S. 392.
Die konische Refraction am Diopsid. 117
theilung 1) beschrieben ist, wurde einfach ein Stück schwarzes
Fig. 1. Papier CD mit einem feinen Nadelstiche bei E
aufgeklebt, so dass der durch die kleine Öff-
nung E in der Richtung der optischen Axe E@
hindurchdringende Strahl noch die Fläche AK
traf. Eine Loupe auf dem Wege @H gehalten
zeigte deutlich zwei Bilder von E, die mit
grosser Leichtigkeit zum Zusammenfallen ge-
bracht werden konnten, wobei sich alsogleich
der Lichtring mit dem schwarzen Mittelpunkte
ausbildete. Nach dieser leichten, schon von
Lloyd angegebenen Methode hatte mir vor
längerer Zeit Herr Regierungsrath v. Ettings-
hausen die innere konische Refraction an Aragonkrystallplatten
gezeigt, namentlich an einer trefflichen zehn Linien dicken, von dem
Mechaniker Hirsehmann in Berlin gelieferten, zu dem Zwecke
der Beobachtung in Messing gefassten Platte, die er mir nun zur
Vergleichung mit den Ergebnissen des Diopsids freundlichst mit-
theilte. Eine nur wenig dünnere Platte von Aragon hatte Herr Pro-
fessor v. Nörrenberg während einer Anwesenheit in Wien für
Herrn v. Ettingshausen eigenhändig geschliffen.
Auch in der Richtung FE entlang der optischen Axe des durch
die Zwillingsflächen ZW von dem AD getrennten andern Individuums
KB des Zwillingskrystalles sah man deutlich den Lichtring, wenn-
gleich nur der Theil FI der Axe ihn in dieser Richtung besitzt, und
zwischen J und £ nur ein Compensationsprisma aus dem andern
Individuum AE bestehend liegt.
Schon in der schönen Lloyd’schen Abhandlung sind die Er-
scheinungen der verschiedensten Art beschrieben, namentlich auch
solche Untersuchungsmethoden gewählt, um die Erscheinungen der
innern konischen Refraction und die der äussern von einander
getrennt übersehen zu können, den aus dem Krystall heraustretenden
eylindrischen Lichtstrom der ersten und den konischen Lichtstrom
der zweiten.
1) Pleochroismus einiger Augite und Amphibole. Sitzungsberichte d. kais. Akademie
d. Wissensch. 1854. Bd.12, S. 1074.
118 Haidinger.
Auf einem Schirme aufgefangen, oder auf die Netzhaut projieirt
ist im vollkommensten Zustande das eine wie das andere ein heller
Ring oder Kreis. Dem „einfachsten und interessantesten Falle, wo
eine kreisförmige ebene Welle von geringem Durchmesser auf eine
dicke Krystallplatte senkrecht, und in der Richtung der optischen
Axe auffällt“ 1), ist auch für die innere konische Refraction die oben
angeführte Abhandlung des Herrn Dr. Beer gewidmet.
Bei dem Diopsid erscheinen die zwei Bilder der Loupe ver-
schiedenfarbig, das eine gelb das andere grün, in dem Lichtringe
war der Unterschied der einen Seite von der andern zu sehr ver-
waschen, um noch deutlich gesehen zu werden, es schien mir
wünschenswerth zuerst ihre gegenseitige Lage genauer festzuhalten,
da jede der Farben mit einem bestimmten Polarisationszustande ver-
bunden ist, und die Kenntniss der Lage der Farben auch einige
Einsicht in die Kentniss der Lage der Polarisationsrichtungen geben
konnte.
Fig. 2. Man sehe immer wie in Fig. 1
mit der Loupe in 4, nach dem Punkte
in E hin, und wähle zum Anfange der
Untersuchung die Lagen in der Ebene
der Axen, also Fig. 2 von @ gegen
die Zwillingsfläche Z, und sodann von
G von der Zwillingsfläche weg gegen
A fortschreitend. Dort wie hier erhält
man zwei Bilder der Lichtöffnung
bei E, aber gegen die Zwillings-
fläche Z zu ist das von der Axe GE
entferntere Bild « grün, das nähere © gelb, gegen die Seite A zu ist
das nähere Bild » grün, das entferntere e ist gelb. Die optische Axe
zeigt also in Beziehung auf den Endpunkt @ gerade den entgegen-
gesetzten Charakter nach beiden Seiten zu in der Ebene der beiden
optischen Axen, je nachdem an diesen Seiten die rechtwinkeligen
Axen der kleinsten und grössten Elastieität BE und CE liegen, wo
BE die Hauptaxe oder erste Mittellinie ist, und CE die zweite Mittel-
linie. Übrigens ist jedes der gelben Bilder senkrecht auf die Ebene
1) Beer, Poggendorf’s Annalen 1852. Bd. 85, S. 67.
Die konische Refraction am Diopsid. Zn)
Fig. 8. - der Axen polarisirt, jedes der grünen in
5 der Ebene der Axen. Das Grün der letz-
f Q d tern ist also senkrecht auf die Axe der
O g O mittlern Geschwindigkeit polarisirt, und
“ 91,0 - gehört also auch als Farbe zu dieser Axe,
a9- Oi MrO- O8 und zu dem von Miller angegebenen
E20) Brechungs-Exponenten 1'680.
an or Die Lage und Polarisation von a, 2,
n n n und e, ist auch in Fig. 3 als Grund-
ansicht gegeben. Von der Axe aus-
gehend und senkrecht auf die Ebene der Axen untersucht, also in
den sogenannten Kreisschnitten des Wellen-Ellipsoides sind die
Bilder ce und / ebensowohl wie die g und p vollkommen gleichfarbig,
gelblichgrün, sie sind auch wie jede der beiden. verschiedenfarbigen
Bilderpaare senkrecht auf einander polarisirt, aber die Polarisations-
richtungen stehen nicht senkrecht oder parallel den Kreisschnitten,
sondern sie machen mit denselben Winkel von 45°. Dies folgt
augenscheinlich schon aus dem Umstande, dass die Polarisations-.
richtung von a beginnend, wo sie in der Ebene der Axen liegt, für
das äussere Bild, durch 5, c, d herumgeführt in dem Bilde e wieder
senkrecht auf der Ebene der Axen steht. Das Bild hat in Bezug auf
den Mittelpunkt M einen Winkel von 180° beschrieben, die Polarisa-
tion nur einen Winkel von 90°. Bei 90° Drehung des Bildes ist also
die Polarisationsrichtung nur um 45° gedreht.
Für diese und die dazwischen lie-) ist die Drehung und die Polarisationsrichtung
genden Bilder
a 00 00
b 450 220 30'
C 900 450
d 135° 67° 30
e 180° 900
Ganz das Gleiche gilt für den andern äussern Halbkreis, durch
a, h, g, f nach e; und ebenso für die beiden innern Halbkreise n, o,
pP, 9, i und n, m, !, k, i. Den Polarisationsrichtungen entsprechend,
gehen die Farben allmählich den erwähnten Haibkreisen folgend von «a
| bis e aus Grün in Gelb, von 2 bis 2 vonGelb in Grün über. Man sieht
leicht, dass die Polarisation dieser nur wenig ausserhalb des Berüh-
120 Haidinger.
rungskreises welcher die Axe @E umschliesst, untersuchten Bilder
vollkommen mit der schönen Darstellung der Polarisation auf der
Peripherie des Berührungskreises der Wellenfläche, so wie mit der
Figur übereinstimmt, welche von Beer in Fig. 176, 2 gegeben ist.
Es ist dies das Gesetz der konischen Polarisation wie
es Hamilton) für innere und äussere konische Refraction ent-
wickelt, und auch Lloyd seinerseits wieder durch Versuch gefun-
den und bestätiget hat. Es zeigt sich hier durch die Austheilung der
diehromatischen Farbentöne nur noch anschaulicher gemacht.
5. Die Beobachtung dieser Bilder geschah in der deutlichsten
Sehweite durch eine Loupe, bei einer Entfernung, in welcher genau
in der Richtung der Axe die Bilder in den Lichtring zusammenflossen.
Das Auge und die Loupe näher an den Krystall oder entfernter gehal-
ten gab keinen Ring, sondern einen hellen inneren Punkt von einem
dunkeln Ring umgeben, der selbst wieder von einem hellern aber
etwas weniger lebhaften Streifen umfasst wird. Später verglich ich
die Erscheinungen mit gleichartigen am Aragon. Manches fiel mir
auf, über das ich mich gerne belehrt hätte, doch fand ich nicht
genügende Auskunft. Eine grössere Arbeit über den Gegenstand zu
Fig. 4. unternehmen, liegt mir auch zu ferne,
MEN da sie doch mancherlei Hilfsmittel erfor-
dert, die weder zur Hand noch schnell
vorzubereiten sind; doch möchte ich
auch nicht gerade verschweigen, was
mir merkwürdig schien, um vielleicht
anderwärts als Anregung zu einer
Reihe von Forschungen zu wirken,
die das höchste Interesse ge-
währten.
_ Bei der oben angewendeten Art
der Beobachtung, einfach durch die
Loupe hat man eigentlich, wenn sich
der Ring vollständig bildet die äus-
sere und innere konische Re-
fraetion zugleich zu einer ein-
zigen Figur zusammenwirkend.
1) A. a. 0., 8.138 u. fl.
Die konische Refraction am Diopsid. 121
Es sei nämlich in der Fig. 4, auf der Ebene des Kreisschnit-
tes des Wellen-Ellipsoides verzeichnet, ABCD die senkrecht auf
die Axe FL (secundäre optische Axe, Cusp ray, Hornstrahl)
geschnittene Krystallplatte, EF' sei der Weg einer senkrecht gegen
AB fortschreitenden kreisförmigen ebenen Welle von geringem
Durchmesser, so besteht gewiss das Ergebniss der innern koni-
schen Refraction aus den zwei Wegen der in zwei Richtungen
gebrochenen Welle FG und FH. Wo sie aus der Krystallplatte
heraustreten beginnt der Lichteylinder @ HIK. Eine ebene kreis-
förmige Welle, die im Innern des Krystalles den der Axe parallelen
Weg FL zurücklegt , verlangt zu ihrer Bildung vermöge der
äussern konischen Refraction eine unendliche Anzahl von Wellen
im Durchschnitte hier durch MF und NF angedeutet deren Wege
kegelförmig in F zusammentreffen. Bei L verlassen die Wellen wie-
der die Krystallplatte, und ihre Wege gehen dem Einfallskegel paral-
lel weiter fort im Durchschnitte in den Richtungen LO und LP.
Eine Projection in der Entfernung RS würde den vollen Lichtring
zeigen. Zwei concentrische Ringe würden sowohl für die Entfer-
nung R, S,, als auch für die Entfernung R, S, erscheinen. Im Ein-
zelnen wurden diese beiden Erscheinungen bereits von Lloyd nach-
gewiesen, die kegelförmige Ausdehnung der äussern, der gleichblei-
bende Durchmesser des Cylinders der innern konischen Refraction.
Die Divergenz des äussern Kegels ist sehr unbedeutend (205651),
ebenso auch die Divergenz des Innern (1955), durch dessen Ein-
fluss der Cylinder gebildet wird. Schon die Krystalllinse bringt die
Erscheinungen zur Convergenz und dadurch zur Projection auf der
Netzhaut. Die erstere wird durch die Loupe vermehrt, und man sieht
Alles grösser und deutlicher; sehr schöne Bilder sah ich auch durch
ein Mikroskop bei 56facher Linearvergrösserung. Auch Herr Regie-
rungsrath v. Ettingshausen hatte die Ringe durch ein Mikroskop
mit ähnlicher schwacher Vergrösserung untersucht.
Der Einfachheit wegen bei der Entfernung RS, Fig. 5, begin-
_ nend, bringt man die Strahlen des Cylinders früher zur Con-
vergenz nach SK und RI, Fig. 5, während der vorher divergirende
äussere Kegel zu der späteren Convergenz nach RO und SP kommt.
Die Lage der Netzhaut in TU empfängt das Bild eines von der
innern und äussern Refraction gebildeten scharf begrenzten Ringes.
Bei der Lage 7, U, ist dieinnere helle Scheibe durch die innere, der
122 Haidinger.
mehr verwaschene umgebende Ring durch
die äussere konische Refraction gebildet;
bei der Lage 7, U, umgekehrt die helle
Scheibe durch die äussere Refraction, der
nahme des Bildes durch den Convergenz-
Apparat, die Loupe, oder das Auge ohne
Loupe näher und näher an CD, Fig. 4, den
Austritt der Strahlen aus der Krystallplatte,
so fasst man auch den Kegel der äussern
Refraetion immer näher an der Spitze, in-
dem man sich mehr und mehr dem Punkte
L nähert. Die Grenze dieser Erscheinungen
ist, wenn man das Auge unmittelbar an den
Krystall hält, zu innerst eine der entge-
genstehenden Öffnung ganz gleiche kleine helle Scheibe, offenbar
das Ende des Kegels der äussern konischen Refraction selbst, weil
das Auge unmittelbar an der Spitze desselben sich befindet, und so-
dann zwei concentrische schwach beleuchtete Kreisflächen, welche
durch die doppelte Strahlenbrechung nach den sämmtlichen einfallen-
den Richtungen hervorgebracht werden, welche von dem Winkel der
Grösse der Pupille abhängen. Es sei in Fig. 6, EF die Projecetion der
die Ebene der Axen und zur Orientirung AX die Projection der auf
der Ebene der Axen senkrecht stehenden Ebene durch die Mittel-
linie, oder die Projeetion der Axe der mittleren Elastieität. Die Figur
Fig. 6. gibt eine Idee der eben be-
schriebenen Erscheinung,
doch nur unvollkommen,
weil die Beweglichkeit
der Natur fehlt, durch
welche bei der geringsten
Neigung der Krystall-
platte in der Richtung der
Ebene der Axen zu beiden
Seiten der helle Punkt aus
der Mitte sich nach seitwärts bewegt, und das Ganze das Ansehen
von zwei mit ihrer Spitze vereinigten Kegeln erhält, deren Basen die
umgebende mehr verwaschene Ring durch
die innere. Setzt man den Anfang, die Auf-
Die konische Refraetion am Diopsid. 123
Kreise sind, die übrigens bei stärkerer Neigung ebenfalls in andere,
nämlich in elliptische Formen übergehen. Sieht man genau in der
Richtung der Mittellinie hin, so gewahrt man zwei deutlich über ein-
| Fig. 7. ander liegende elliptische Flä-
| chen Fig. 7, aber keine helle
. Scheibe mehr. Die letzte fehlt,
weil kein, aus Wellen von allen
Seiten zusammengesetzter Licht-
strom vorhanden ist, wie in der
Richtung der Axe FL in Fig. A.
Die Polarisationsriehtung
der über einander liegenden
Ellipsenflächen geht der grossen Axe derselben parallel; wo sich die
Flächen der beiden decken, ist der Lichtstrom in den zwei senkrecht
auf einander stehenden den ah entsprechenden Richtungen
polarisirt.
Beide Erscheinungen, Fig. 6 und 7, erklären sich leicht aus der
ee des Vorganges im Krystall und im Auge.
Fig. 8.
Es sei AB Fig. 8 die Lichtöffnung in der von dem Auge abge-
wendeten Seite der Krystallplatte, CD die Gesichtsaxe der Krystall-
linse EF' mit der Pupille @H. Das Bild des Punktes B an der Grenze
der eintretenden Lichtwelle entsteht jenseits des Durchkreuzungs-
punktes 0, in dem Punkte 7, durch die Gesammtwirkung der Strah-
len, welche zwischen @ und H eintraten. Für @ wird der Strahl BK
beim Austritte aus dem Krystall in die Luft vom Loth abgelenkt nach
KL, und dann wieder zumLoth gebrochen bei Z. Auf der entgegenge-
setzten Seite der Pupille ist auf gleiche Weise der Weg der Wellen-
grenze BMNI. Je grösser der Brechungsexponent des Krystalls
ist, um desto stärker die Ablenkung bei X und M, desto stärker also
auch die Divergenz der beiden Linien XZ und MN, und desto grösser
124 Haidinger.
auch die Entfernung des Punktes / von der Pupille @H. Aber die
Netzhaut empfängt die Strahlen schon in der Lage PQ. Statt eines
Bildes /, dem Rande B der bei AB eintretenden Welle angehörig,
erhält die Netzhaut den über eine der Gestalt der Pupille entspre-
chende Scheibe RS verbreiteten Eindruck.
Dem entgegengesetzten Rande A entspricht der Projection auf
der Netzhaut ein dem R gegenüber liegender Punkt R,, zwischen
welchem und 2 auf der Netzhaut eine der Pupille entsprechende
gleichförmig beleuchtete Scheibe entstehen muss, während jenseits
R und R, Alles dunkel bleibt. Je grösser der Brechungsexponent,
desto grösser folglich auch der Durchmesser der beleuchteten
Scheibe.
Die zwei concentrischen einander durchkreuzenden Ellipsen,
Fig. 7, in der Richtung der Mittellinie entstehen durch den Einfluss
der doppelten Strahlenbrechung. In einem isotropen Mittel wäre
nämlich z. B. in Luft, das Bild der kleinen Lichtöffnung AB auf der
Netzhaut die grössere, weniger stark beleuchtete Scheibe RS.
Längs der Mittellinie der doppeltbrechenden Platte gesehen
werden die Durchschnitte der Lichtkegel auf der Netzhaut, oder die
Grenzen der Welle den Hauptschnitten der Wellenfläche entlang
durch die Maxima der Entfernungen vom Mittelpunkte der Erschei-
nung und von einander bestimmt, der mehr abgelenkte Strahl bringt
den Endpunkt der grösseren, der weniger abgelenkte den der kleineren
Axe jeder der beiden kreuzweise gegen einander liegenden Ellipsen
hervor.
Die eine Ellipse wird so durch die innere, die andere durch die
äussere Schale der Wellenfläche gebildet, die Polarisation jeder
derselben findetin der Richtung der grossen Diagonalen Statt, wovon
man sich leicht überzeugt, wenn man eine Turmalinplatte vor die
Öffnung AB, Fig. 8, in den beiden senkrecht aufeinander stehenden
Richtungen hält. Die Polarisationsrichtung der einen Ellipse steht
also senkrecht auf der Polarisationsrichtung der andern.
Man unterscheidet leicht, dass die Erscheinung der beiden
Ellipsen, obwohl gleichzeitig auf der Netzhaut, doch eigentlich die
eine hinter der andern liegt, denn wenn man die Mittellinie einen
kleinen Winkel mit der Sehrichtung einschliessen lässt, indem man
die dem Auge zunächst liegende Seite der Krystallplatte ein wenig
vom Auge wegwendet, so weicht die scheinbar dem Auge nähere
Die konische Refraction am Diopsid. 125
Ellipse in eben derselben Richtung vor der entfernteren weg, welche
ihren Platz behauptet. In der hier betrachteten Lage ist diejenige
Ellipse, deren grössere Axe in der Ebene der optischen Axen der
Aragonplatte liegt, die scheinbar entferntere, diejenige, deren
grössere Axe senkrecht auf der Ebene der optischen Axen steht, die
scheinbar nähere. Indessen wirken sie doch ungeachtet ihrer kreuz-
weise gegen einander liegenden Polarisation nicht auslöschend wie
zwei Turmalinplatten, sondern die der einen angehörigen Schwin-
gungen gehen ungehindert neben denen der andern in dem dipolari-
sirten Lichtstrome fort.
Man kann von dem Punkte der einander deckenden Ellipsen,
Fig. 7, ausgehend, durch allmähliche Drehung der Krystallplatte in der
Ebene der Axen, ohne das Auge zu verwenden bis zu der Erscheinung
Fig. 6, gelangen. Auch hier gibt die flachkegelförmige Vertiefung in
den Axenpunkten der Wellenfläche die zwei divergirenden auf ein-
ander folgenden Richtungen der Wellen, von der Axenspitze (cusp)
beginnend kreisförmig längs der innern und äussern Schale. Die in
die Krystallplatte eintretende Welle ist kreisrund, der doppelte con-
centrische Austritt aus derselben ebenfalls, und gleichfalls auch der
Eintritt der divergirenden Wellen in die Pupille, welche also nach
_ den zwei Geschwindigkeiten des Lichtes am Rande der Welle auch
zwei aber concentrische kreisförmige Bilder auf die Netzhaut bringt.
‚Die Polarisation findet nun nicht mehr in zwei senkrecht auf einander
stehenden Richtungen Statt, sondern sie stimmt ganz, wie es auch
nicht anders sein kann mit der Polarisation des Ringes selbst
überein.
Man halte von der Mittellinie beginnend eine Turmalinplatte jen-
seits der kleinen Lichteintrittsöffnung, so dass die Polarisations-
richtung des durch die Turmalinplatte hindurchgehenden Lichtes in
der Ebene der zwei optischen Axen der Krystallplatte liegt. Die
innere Seite der äussern Kreisscheibe, zunächst der Mittellinie, «a;
wird gänzlich absorbirt, und verschwindet also im Gesichtsfeld, die
Seite a der äussern Kreisscheibe bleibt hell, auch die obern und
untern Räume c und c; von der innern Kreisscheibe wird dagegen
b, dunkel und 5 bleibt hell, eben so wie c, und c, genau wie dies die
oben bei Fig. 3 erwähnte konische Polarisation Hamilton’s verlangt.
6. Selbst bei einigen etwas dunkler gelb gefärbten Aragonplatten
bemerkt man eine, den zwei nicht sehr von einander verschiedenen
126 | Haidinger.
Farbentönen der Elastieitätsaxen entsprechende Farbenverschiedenheit
in den beiden Bildern. Ich versuchte die Liehtströme durch
kräftigere Farbentöne polarisirten Lichtes bei starker Erhel-
lung zu färben, was auch in der That sehr leicht gelang, indem ich
vor die kleine Lichtöffnung eine angemessene Vorrichtung klebte, und
zwar nahm ich eine Platte von Andalusit mit einer Platte von Cordierit
dergestalt combinirt, dass die helleren Töne absorbirt waren. Dasnoch
hindurchfallende tiefe Violett zerfällt in der diehroskopischen Loupe
in zwei senkrecht auf einander polarisirte Töne, blutroth und berliner-
blau. Man hatte nun ganz ähnlich der Erscheinung des natürlichen
pleochromatischen Diopsids, in Fig. 3, aber in viel lebhaftern,
sehönern Farben, die Gegensätze von Roth und Blau in der Ebene
der Axen, mit dem Violett des Übergangs in der Ebene senkrecht
auf dieselbe. Von den zwei Ellipsen in Fig. 6 war die eine roth, die
andere blau, die Farben der Kreisscheiben in Fig. 7 zeigten sich
analog den Erscheinungen bei Anwendung des Turmalins, gerade so,
. wie auch der eigentliche Ring in der günstigsten Beleuchtung doch
noch die Verschiedenheit der Farbentöne zu beiden Seiten in der
Ebene der Axen erkennen liess. Alle diese Erscheinungen erforder-
ten indessen grosse Aufmerksamkeit bei der blosen Anwendung der
Loupe. Im Mikroskop hat man sie deutlicher und auch mehr in der
Hand. Aber die stärkere Vergrösserung erfordert tiefere Farbentöne
der färbenden Platten, und stärkeres Licht, um ihre Wirkung sicht-
bar zu machen, weil sie dann überhaupt zu viel Licht absorbiren,
So wurde die Farbe des Cordierits beinahe zu einem milehweissen
nur wenig blaulichen Tone verdünnt. |
7. Es lag sehr nahe, die Bilder des Mikroskops durch eine Do p-
pelspathplatte zu betrachten, namentlich in derjenigen Stellung,
wo die Polarisation der nun sichtbaren beiden Bilder mit der Ebene
der Axen, und der auf diese Ebene senkrechten Ebene übereinstimmen.
Es trennten sich nun sehr schön die beiden nahe mondsichelförmigen.
Bestandtheile des eigentlichen Ringes zunächst der Mitte, der Ebene
der Axe angehörig, von den beiden am meisten contrastirenden Far-
ben durch die gemischte gegen die Spitzen zu in die entigegen-
gesetzte übergehend. In der Ebene der Axen sind nämlich die Farben
vollständig getrennt, und ihre Polarisation stimmt, dem Gesetze der
konischen Polarisation entsprechend mit der Polarisation der beiden
Doppelspathbilder überein, während in der Ebene senkrecht auf die
Die konische Refraction am Diopsid. 127
Ebene der Axen beide Farben gemischt sind, aber auch die zwei vor-
handenen Polarisationsrichtungen beide Ebenen unter Winkeln von
.45° schneiden. |
8. Die bisherigen Wahrnehmungen, obwohl sie bereits die beiden
senkrecht auf einander stehenden Ströme des polarisirten Lichtes
in verschiedenen Farbentönen unterscheiden liessen, zeigten diese
doch gewöhnlich viel matter als man sie erwartet hatte, weil durch
die Absorption der Platten viel Licht verloren ging, und die Ver-
grösserung selbst die Töne in ihrer Intensität herabstimmte. Aber
eine senkrecht auf die Axe geschnittene Quarzplatte,
unter den analysirenden Kalkspath auf das Mikroskop gelegt, musste
die sehönsten der Dicke derselben entsprechenden Töne der
Interferenzringe erzeugen. Der Versuch folgte sogleich dem
Gedanken; das Bild entsprach der Erwartung. Es verdient durch
die Pracht seiner Farben in hohem Grade von den Freunden der
optischen Erscheinungen aufgesucht zu werden. Die Quarzplatte
deren ich mich bediente, war eine rechtsdrehende, sie polarisirte
nahezu das Blau des zweiten Ringes bei paralleler Stellung der
_ Polarisirer; bei der Herumdrehung oben rechts der analysirenden Vor-
richtung folgten die Farbentöne blau, violett, roth, orange, gelb,
/ Fig. 9. grün. In den sämmtliche Farben
gleiehzeitig zeigenden Lichtringen
folgte von oben gegen Rechts fort-
schreitend entgegengesetzt blau,
grün, gelb, orange, roth, violett. In
den beiden Fig. 9 und 10 stellt EF
die Ebene der Axen vor, um die
Lage der Beobachtung der Erschei-
nungen zu orientiren. Man beginnt
von der Mittellinie, deren Projeetion
als Punkt M bezeichnet ist, senk-
recht auf die Axe der mittlern
Blastieität AX. In der Fig. 9 sieht
| man die Lage der Farbentöne, wie
sie entstehen, wenn man das Bild des Lichtringes durch den in der
Richtung der Ebene der Axen der Aragonplatte polarisirten Licht-
strom des Doppelspathes auf der Netzhaut empfängt; Fig. 10 ist das
Bild durch den senkrecht auf die vorhergehenden ‚„ also auch senk-
128 R - Haidinger.
recht auf die Ebene der Axen polarisirten Lichtstrom. Dreht man den
Doppelspath oben rechts herum, aus der Lage Fig. 9 bis in die Lage
Fig. 10, also um einen Winkel von 90°, so ist der Farbenton 5,
Fig. 9, um 180°, also um den doppelten Winkel bis d, Fig. 10
vorgeschritten. Dieses unmittelbar aus der Lage der konischen Pola-
risation folgende Verhältniss könnte nicht eintreten, wenn nicht die
Farbenfolge in dem Lichtringe gerade die entgegengesetzte von der-
jenigen wäre, welche die Quarzplatte zeigt, wenn sie für sich auf
ihre Farbenfolge durch Drehung des Analysirers untersucht wird.
Das Bild in Fig. 9 ist in Bezug auf Farbe das Complement zu dem
in Fig. 10, aber nur mit demselben Charakter der Drehung, beide
rechts oder beide links, nicht eine Ergänzung von Links zu Rechts;
die gleichen Farben erscheinen in dem einen gerade um 180° ent-
gegengesetzt denselben Farben in den andern.
Die unmittelbare Erscheinung der verschiedenen Farbentöne bei
verschiedenen Azimuthal-Lagen der analysirenden Doppelspathplatte
lässt sich vielleicht am anschaulichsten auf folgende Art bezeichnen:
Man stelle die analysirende Platte so, dass eine ihrer Polarisa-
tionsrichtungen mit der Ebene der Axen übereinstimmt, die andere
senkrecht darauf steht. Durch die erste betrachte man den Punkt des
Lichtringes zunächst der Mittellinie. Er besitzt einen gewissen
Farbenton A, sein Complement B erscheint an der entgegengesetzten
Seite des Lichtringes. Lässt man nun den Doppelspath eine Azinu-
thal-Drehung um einen Winkel @ machen, so schreitet die Farbe A
um den doppelten Winkel 2% in der Richtung der Drehung fort, und
zwar gleichzeitig mit den sämmtlichen anderen Farbentönen, deren
verhältnissmässige Lage gegen einander unverändert bleibt. Diese
auf den ersten Augenblick überraschende Schnelligkeit der Bewegung
ist aber auch erforderlich um bei einer Drehung von 90°, wenn also
die Polarisationsrichtung des analysirenden Apparates senkrecht auf
derjenigen steht, welche der Lichtstrom bei der ersten Beobachtung
- hatte, den um 180° von A entfernten complementären Farbenton B
auf die Stelle nächst der Mittellinie zu bringen, welche vorher der
Ton A einnahm.
9. Mit den gegenwärtigen Bemerkungen sind immer noch nicht
alle sonderbaren Beziehungen erörtert, die sich mir darboten, und
welche ich nicht anderwärts bemerkt fand. Möchte sich bald ein
Freund dieser schönen Erscheinungen finden, der sie weiter untersuchte
Die konische Refraction am Diopsid. 129
und mit möglichster Ausführlichkeit darstellte. Zwei Erscheinungen
sind indessen gar zu auffallend, als dass ihrer hier nicht doch mit
wenigen Worten gedacht werden sollte, nämlich die so scharf
ausgesprochenen schwarzen Linien, welche den Lichtring
radial durchsetzen, auf welche Herr Plateau aufmerksam
machte, und den dunklen feinen Kreis im Lichtring von
Herrn Prof. Poggendorfft). Der letztere erscheint wohl vorzüg-
lich deutlicher diesseits und jenseits der deutlichsten Sehweite des
Lichtringes und hat, wenn die kleine Lichteinfallsöffnung dem
Mikroskope genähert wird zu beiden Seiten schwache blaue, wenn
sie entfernt wird eben so zu beiden Seiten rothe Dispersionssäume,
während sich die entgegengesetzten rothen und blauen Säume zu
innerst und zu äusserst der ganzen Erscheinung des dann eigent-
lich eoncentrischen Doppelringes finden. Übrigens geht, wenn man
die Loupe nähert oder entfernt, jede der beiden durch den dunkeln
Streif getrennten krummen Lichtlinien für sich und entgegengesetzt
der andern in eine Conchoide über, zum Beweise, dass die Axe des
Cylinders nicht zugleich die Axe des Kegels ist, sondern dass sie
unter einem, wenn auch ganz kleinen Winkel divergiren, obwohl
beide Axen in der Ebene der optischen Axen der Platte liegen. Die
' radialen Streifen hatte auch Herr Regierungsrath v. Ettingshausen
als einen sehr der Erklärung bedürfenden Gegenstand bezeichnet.
Ich möchte hier nur beifügen, dass man sie sehr deutlich bei Anwen-
dung eines Mikroskopes bei 56facher Vergrösserung wahrnimmt,
sei es in den farblosen Ringen im gewöhnlichen Lichte, sei es in den
beiden senkrecht auf einander polarisirten Lichtströmen des Dop-
pelspathes, sei es endlich farbig durch dichromatische Platten vor
der kleinen Lichtöfifnung, oder durch die gyroidische Polarisation
der Bergkrystallplatte wie in Fig. 9 und Fig. 10. Nicht nur bei den
vollkommen gebildeten Lichtringen sieht man sie, sondern sehr deut-
lich schon an den über einander liegenden Bildern der Lichtöffnung,
in der Riehtung der Mittellinie oder nahe derselben betrachtet, aber
etwas ausserhalb der deutlichsten Sehweite. |
10. Die oben Fig. 7 erwähnten Ellipsen bilden die Grenze einer
Reihe von Erscheinungen, deren Anfang jenseits des vollkommen
1) Moigno, Repertoire d’Optique moderne. I, 98.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVI. Bd. I. H£t. 9
130 Haidinger. Die konische Refraction am Diopsid.
deutlich sichtbaren Punktes ein Kreuz von zwei über ein-
Fig. 11. ander liegenden schma-
len Bändern, Fig. 11 ist, die
bereits sehr deutlich die auf den
längern Seiten senkrecht ste-
7 henden Streifen zeigen. Aus den
Liehtbändern bildet sich, wenn
man den Krystall gegen dieRich-
tung der optischen Axe fort-
schreitend mehr und mehr neigt,
allmählich der Liehtring. Je kleiner die Öffnung, desto mehrkommt auch
besonders im Mikroskop die Erscheinung von Lichtstreifen. Als Vor-
bereitung zu einer Erklärung der einen wie der andern möchte ich sie
mit den Zantedeschi’schen Longitudinalstreifen des Speetrums,
oder mit den von P&clet beschriebenen Linien 1) in Beziehung stellen.
11. Man sieht die Longitudinalstreifen sehr schön mit
freiem Auge durch ein Prisma gegen eine so weit entfernte Ker-
zenflamme hinblickend, dass sie ebenfalls von dem freien Auge direet
besehen nur als eine runde Scheibe, der Pupille entsprechend erscheint.
Die Streifen gehen durch das ganze Spectrum; an der äussersten Kante
wo man nur mehr das Roth als die am wenigsten abgelenkte Farbe
sieht, zeigt ein schönes Plössl’sches Prisma von 60° einen mittlern
hellen, dann zwei dunkle, dann wieder zwei helle Streifen, die
dunkeln Streifen an den Grenzen hellerer und weniger heller Theile
des betrachteten hellen Gegenstandes, gerade wie die namentlich
von Knochenhauer gegebene Erklärung jener Streifen durch ein
Fernrohr betrachtet. Die feinen Streifen in den Ringen der konischen
Refraction würden also am Ende durch Dispersionsränder erfolgen,
ursprünglich veranlasst durch die Begrenzung der kleinen Öffnung,
durch welche die Lichtwelle in den Krystall tritt.
5
N T
SUSE
1) Moigno, Repertoire d’Optique moderne. II, 616.
®
Haidinger. Die Lichtabsorption des Cadmacetits, u. s. w. 131
Die Lichtabsorption des Cadmacetits, der Krystalle des
essigsauren Cadmiumoxydes.
Von dem w. M. W. Haidinger.
Welcher Physiker hätte nicht längst als pium desiderium an die
Möglichkeit eines Krystalles gedacht, der von zwei senkrecht gegen
einander polarisirten Lichtströmen den einen hindurch liesse, den
andern vollständig absorbirte, der also ähnlich dem altbekannten
Turmalin, dem in neuerer Zeit entdeckten Herapathit, abgesehen von
der Farbe, oder überhaupt einem gleich von der Natur gegebenen
Nichol’schen Prisma gliche!
Wenn auch nieht ganz vollständig, doch sehr nahe, näher
wenigstens als irgend ein anderer bekannter Krystall, unter gewissen
Verhältnissen in der That selbst ganz vollständig, kommt einem
solchen Ideal das kürzlich von Herrn Karl Ritter v. Hauer zuerst
dargestellte essigsaure Cadmium, zusammengesetzt nach der Formel
C,H, CdO, + 3 Ag; indem es ganz farblos ist, und doch nach den
drei senkrecht auf einander stehenden Elastieitätsaxen verschiedene
'Liehtabsorption zeigt, nach einer derselben in bedeutendem Grade.
Nichts schien auf den ersten Blick bei diesen wohlgeformten
Sraulichweissen öfters zolllangen und zwei bis drei Linien dicken
Krystallen auf besonders merkwürdige optische Verhältnisse hinzu-
deuten. u
Als ich aber wenigstens vorläufig den Charakier der doppelten
Strahlenbrechung in zweiBildern, welche durch ein von der Länge der
Krystalle parallelen Flächen gebildetes brechendes Prisma hervorge-
bracht werden prüfen wollte, war ich sehr überrascht nur ein einziges
Bild zu erhalten, welches indessen und zwar nahe in der Richtung
der Axe der Krystalle vollkommen polarisirt war. Nur in ganz dünnen
Krystallen zeigte sich das zweite, stärker gebrochene Bild deutlich,
in den dickeren war es entweder ganz vollständig oder wenigstens
bis auf eine ganz schwache Spur absorbirt. Und dies alles bei voll-
kommener Farblosigkeit, die Absorption der zwei senkrecht auf
einander polarisirten Strahlen verschieden, aber doch durch das
ganze prismatische Speetrum hindurch gleichförmig stattfindend.
9%
132 Haidinger. Die Lichtabsorption des Cadmacetits,
Nun war es höchst einladend, die weitern Verhältnisse zu ent-
wickeln. Zuerst für die Orientirung der Lage die regelmässigen Formen.
Eine spätere genaue Bestimmung den Forschern überlassend,
welche mit einem Reflexions-Goniometer zu arbeiten gedenken, wandte
ich die, der hochverehrten Classe von mir am 5. October 1854 vor-
gelegte graphische Methode der Entwickelung und Messung an. Das
Ergebniss derselben war so günstig, dass ich wünschen muss, als
Empfehlung zur Anwendung derselben, den ganzen Vorgang hier
mitzutheilen.
Fig. 1. Die Symmetrie der Krystalle zeigte so-
. gleich den Charakter des augitischen Krystall-
systems. Man musste aiso die Projection auf
der Längsfläche zu entwerfen beginnen, um die
Abweichung der Axe und die Winkel der Hemi-
domen kennen zu lernen.
In der Stellung I erhielt ich die Linie CD
und DI, die verlängert und mit einem Trans-
porteur gemessen Winkel von 100° und 80°
einschliessen, daher die Abweichung der Axe
10° = MAP Fig. 3 beträgt.
In der Stellung II erschien die Projection
von 41H als Linie AB, der
Winkel ABI = 135° 10’; der
Winkel BAM = 44° 50.
In der dritten Stellung III
war GH dieProjection der Com-
binationskante zwischen der vor-
dern Fläche von ©© A und der
rückwärtigen Flächeeines Augi-
toides. Eine Parallellinie durch
den Punkt D gezogen traf die
Axenlinie AA’ in 4’ genau in
der doppelten Entfernung von.
AM. Da nun A’F die Lage der
Combinationskante des Augitoi-
des hat, welches mit parallelen
Combinationskanten zwischen
der Base 0 und oo A liegt, so
der Krystalle des essigsauren Cadmiumoxydes. 133
Fig. 3. ist DF die Lage der rückwärtigen
Axenkante desselben, und das Augitoid
selbst unmittelbar entwickelt = —A,
wenn das vordere Hemidom + H ist.
Eine Stellung IV gab den Win-
kel von © A gegen die anliegende
Fläche von oo A = 135° 30".
Eine Stellung V gab den Winkel
an der Axenkante von — A, deren
Projection in Fig. 2 durch DF ausge-
drückt ist = 60°.
Da ich die Messungen nur für
annähernde nahm, so begnügte ich
mich, in den Ausdrücken für die Axen mit der ersten Decimalstelle,
Die Abweichung von 10° hätte das Verhältniss von a:d = 5671
erfordert, wobei ich die logarithmische Entwickelung Kürze halber
übergehe; dem Verhältniss von a = 57 entspricht ein Winkel der
Abweichung von 9057.
Man hat ferner
b= atang (PAM + MAB) — 1
—= 57 x tang (957 + 44950) — 1,
daraus folgt 5 = 8:075 — 1. Nimmt man wieder 5 = 7 ohne Deei-
_ malstellen, so folgt der Winkel MAB — 44084.
Zur Bestimmung von c hat man
| ce = b cos 9 57 x tang 22° 15’; c also — 2'822.
Ich nahm 2-8 und hatte also
a:b:c:d—=5171:7:28:1;
für ce = 2°8 ist aber der Winkel des Querschnittes statt 22015’ nur
220 6 oder 0A = 135048’, und dessen Supplement = 44° 12.
Vermittelst der Formel (Handb. d. bestimm. Mineralogie, p. 144)
Baaeı a2 (b2 02) — ec? (b — d)?
ey Tate) + ebd}
fand sich die Axenkante y' = 5903.
13A Haidinger. Die Lichtabsorption des Cadmacetits,
Diese Axenkante ist um 0° 21’ kleiner als die Messung. Aber es
war auch durch die Annahme von e = ?2'8 statt = 2'82, der scharfe
Winkel des Querschnittes von 00 A statt 44° 30’ nur 44012, also
ebenfalls schärfer.
590 39
.—
Man braucht also nur in dem Grundverhältnisse wirklich das
gefundene 2'82 für c setzen, also:
a:b:c:d = 5'1:7:2:82:1,
um in dem Kantenwinkel von 60° einen Controlwinkel zu haben, der
bis auf die Minute übereinstimmt. Es sind nach dem eben entwickel-
ten Grundverhältnisse:
Der Ausdruck er x tang gehört aber zu fang 30°.
die Winkel: gemessen: berechnet:
0:00H 1000 ar
+H:H 1350 10' 1350 26°
scharfen 440 21' 44021
ten ae (yn0 ag 1350 39'
— A: — A (Kante y') 60° 0 60° 0
Gewiss willich nicht dieser grossen Übereinstimmung einen höhe-
ren Werth beilegen, als sie wirklich besitzt, wenn die ursprüngliche
Schätzung der Winkel keinen Anspruch auf eine entsprechende
Genauigkeit machen kann, wie dies auch erst kürzlich Herr Bra-
vais, aus Veranlassung von Untersuchungen schliesst, deren Zweck
war zu erforschen, in wie ferne das Auge im Stande sei, den Paral-
lelismus zweier gerader Linien zu beurtheilen. Auch nach Herrn Elie
de Beaumont erscheint eine Linie nicht mehr horizontal, wenn sie
um 0° 10’ von dem wahren Horizont abweicht 1). Dennoch spricht
sie so sehr für die Anwendbarkeit des graphischen Verfahrens der
Entwickelung und Messung von Krystallen,, vorzüglich wenn die
Flächen nicht den höchsten Grad von Vollkommenheit besitzen,
dass ich gerne der genaueren Darstellung des Verfahrens einige
Zeilen widmen wollte, als Anregung für jüngere Forscher.
DieLage der Elastieitätsaxen ist, übereinstimmend mit den zahl-
reichen von Herrn Professor Miller nachgewiesenen Fällen, in
1) Bericht von Herrn Elie de Beaumont in der Sitzung der Academie des
sciences in Paris am 19. März 1855. — Moigno, Cosmos, 4, Annee. 6. Vol.
pag. 330.
der Krystalle des essigsauren Cadmiumoxydes. 135
keiner einfachen Beziehung des Parallelismus zu den Hauptlinien
der Krystalle, denn nur eine derselben fällt mit der krystallogra-
phischen Queraxe zusammen.
Fig. 4. Nach den Elastieitätsaxen sind die
sa Bilder der dichroskopischen Loupe in
[I] Fig.4 orientirt, welche die Projeetion des
Sea Do gewöhnlichen Krystalles auf der Längs-
an fläche oder der Ebene der Abweichung
darstellt. Auf Fig. 2 bezogen macht eine
der Elastieitätsaxen NO mit der krystal-
c
bg]
h lographischen Axe AA’ einen Winkel
a] oA oA AAO von etwa 12° und zwar in ent-
IH gegengesetzter Lage des Perpendikels
AP auf die Base Q, deren Projection
hier CD ist.
Die Helligkeit der Töne der Durch-
sichtigkeit ist nun folgende:
a mehr absorbirt als d, etwas mehr als c, dunkelster‘
b am wenigsten absorbirt, hellster ) Ton.
c mehr absorbirt als 5, mittlerer
Man beobachtet die Unterschiede leicht, wenn man die Kry-
stalle in der, in der Figur angedeuteten Stellung durch die dichro-
skopische Loupe betrachtet, und ist besonders durch den sehr starken
Gegensatz der Helligkeit der beiden Bilder « und 5b in einer gegen
die krystallographische Hauptaxe etwas schiefen Stellung überrascht.
Bedient man sich statt der dichroskopischen Loupe einfach eines vor
das Auge gehaltenen Turmalinplättchens, und betrachtet den, in der
Entfernung des deutlichen Sehens dahinter gestellten Krystall, in den
beiden durch die Polarisationsriehtung von a und 5 in Fig. 4 ange-
deuteten senkrecht auf einander stehenden Lagen, so erscheint der
Krystall in der einen vollkommen durchsichtig, in der anderen aber
nahe undurchsichtig, und so dunkel grau, dass man an Schwarz
erinnert wird, wenn auch bei einer Dicke von nahe vier Linien
diese totale Absorption noch nicht erreicht schien.
Da aber die Krystalle zum Theil nur von ziemlich unvoll-
kommenen Flächen begrenzt sind, so stellte ich zur vorläufigen Prü-
fung der Stärke der Absorption und in Folge derselben, der Reinheit
136 Haidinger. Die Liehtabsorption des Cadmacetits,
des polarisirt durchgelassenen Lichtstromes folgenden Versuch an:
Auf eine der durch © A bezeichneten Krystallflächen klebte ich mit
Canadabalsam in Äther gelöst, sehr diekflüssig, eine Glasplatte. Auf
die mit derselben den Winkel von 44° 30’ einschliessenden Fläche
desselben Prismas, welche also von der vorhergehenden durch die
Querfläche &© H getrennt ist, klebte ich ein Glasprisma von 45°, so
dass das Krystallprisma achromatisirt war. |
In der Richtung des Strahles konnte man beim Hindurchsehen
durch die nahe parallelen Flächen entfernte Gegenstände vollkommen
deutlich ausnehmen. Wurde nun eine dichroskopische Loupe in die
Sehriehtung gebracht, so verschwand das eine senkrecht auf die
Polarisationsrichtung des Salzes polarisirte Bild derselben vollständig,
so dass nicht die geringste Spur desselben übrig blieb, gerade als
ob man die beiden Bilder durch ein Nichol’sches Prisma betrachtet
hätte. Dennoch hatten nur etwa zwei Linien Dicke des Salzes
gewirkt, denn die ganze aus dem Krystallprisma und dem Salze
bestehende Platte war nicht dieker als vier Linien, und zwei
Linien wurden ungefähr von dem achromatisirenden Glasprisma ein-
genommen. |
Ich beschränke mich gegenwärtig auf die vorstehenden Anga-
ben, welche, so viel mir scheint, dazu ganz geeignet sind, die
höchste Aufmerksamkeit der Physiker für die in Rede stehenden
Krystalle des essigsauren Cadmiumoxydes zu erregen. Vieles fehlt
indessen noch zur genaueren Charakterisirung, auf das ich später
zurückzukommen hoffe, da Herr v. Hauer bereits eine neue Menge
des Salzes zur Krystallbildung angesetzt hat. Heute möchte ich nur
noch für dasselbe, und da ich hoffe, dass es zwar nun zum ersten
Male, aber später noch sehr oft genannt werden wird, den specifi-
schen Namen Cadmacetit vorschlagen, der übrigens in etimolo-
gischer Beziehung für sich selbst spricht.
Namentlich hoffe ich, dass es möglich sein wird, aus den
grösseren nun zu erwartenden Krystallen zu Polarisationsversuchen
taugliche Platten zu erhalten. Einstweilen dient es als Beispiel der
gleichzeitigen Existenz von dreierlei Graden von Absorption nach
den drei senkrecht auf einander stehenden Elasticitätsaxen bei voll-
kommener Farblosigkeit. Es war mir nicht möglich die geringste
Abweichung von reinem Weiss oder Grau, überhaupt von „Farblos *
wahrzunehmen.
der Krystalle des essigsauren Cadmiumoxydes. #37
Zweierlei Grade von Absorption an einaxigen Krystallen bei
vollkommener Farblosigkeit, wenn auch von minderer Intensität, hat
indessen bereits Herr Dr. Beer, und zwar am Kalkspath erwähnt,
indem er an einer Varietät das ordinäre, in der Richtung der Axe
polarisirte Bild grau, das extraordinäre, senkrecht auf die Axe pola-
risirte vollkommen weiss fand t).
Die folgenden Angaben über die chemischen Verhältnisse des
Cadmacetits verdanke ich demDarsteller desselben, Herrn k. k. Haupt-
mann Karl Ritter v. Hauer, dem gegenwärtigen, ausgezeichneten
Vorstande des chemischen Laboratoriums der k. k. geologischen
Reichsanstalt.
Das Metallderivat der Essigsäure mit Cadmiumoxyd bildet nach
einer Angabe von Stromeyer Krystalle, und zwar kleine, stern-
förmig zusammengehäufte Nadeln. Nach den Angaben von Meissner
und John ist es nicht krystallisirbar, sondern bleibt beim Abdampfen
seiner wässerigen Lösung als eine gallertartige Masse zurück 1).
Eine neuere Arbeit über dieses hiernach in Frage gebliebene
Salz existirt nicht.
Wiederholte Versuche führten mich zu dem Resultate, dass
beide der obigen Angaben in gewisser Beziehung ihre Richtigkeit
haben. Denn erstlich gelang es, die zur Bildung des Salzes in kry-
stallinischer Form günstigen Bedingungen so weit zu erforschen,
dass das Erhalten schöner Krystalle nicht mehr vom Zufalle abhängig
erschien, wodurch die Existenz dieses Individuums ausser allen
Zweifel gestellt ist; andererseits zeigte sich jedoch, dass beim Ab-
dampfen der wässerigen Lösung desselben in der Wärme, besonders
wenn keine freie Säure zugegen ist, eine Krystallbildung nicht statt-
findet.
Zur Darstellung der Lösung ergab sich als am zweckmässigsten
die Anwendung von Cadmiumoxyd, erhalten durch Glühen des kohlen-
sauren Oxydes, welches von der Essigsäure, namentlich in der
Wärme, leicht aufgesogen wird. Behandelt man unmittelbar kohlen-
saures Oxyd mit Essigsäure, so geht die Zersetzung auch wenn die
Säure eoncentrirt ist, sehr flau vor sich; es bildet sich ein volumi-
nöser, schwer zerstörbarer Schaum, welcher die Anwendung sehr
grosser Gefässe nothwendig macht, um das Übersteigen zu verhüten
3) Poggendorff's Annalen, 1851. Bd. 82, S. 429.
138 Haidinger. Die Liehtabsorption des Cadmacelits,
und es bedarf bei grösseren Quantitäten tagelanges Digeriren in der
Wärme, um die Säure annähernd zu sättigen.
Dampft man die erhaltene Lösung in der Wärme ein, so
_ bekomint dieselbe nach und nach die Consistenz eines dieken Gummi,
und trocknet endlich weiter ein, ähnlich der essigsauren Magnesia,
ohne zu krystallisiren. Lässt man jedoch eine bis zur Syrupdicke
eingedampfte Lösung möglichst langsam erkalten, und ist die Lösung
stark sauer, so erhält man stäts Krystalle. Ein eigentliches weiteres
Aufziehen schon erhaltener Krystalle gelang mir bisher nicht; denn
legt man solche Krystalle in frische, dem Krystallisationspunkte nahe
gebrachte Lösungen, so werden sie von neu sich bildenden Indivi-
duen inkrustirt, ohne weiter anzuwachsen. Es müssen daher grosse
Krystalle gewissermassen in einem Anschusse erhalten werden.
Dies wird dadurch ermöglicht, dass die Löslichkeit des Salzes in der
Hitze eine sehr bedeutend höhere ist, als in der Kälte. Es sind
sonach drei Hauptbedingungen, welche die Darstellung grosser, gut
ausgebildeter Krystalle befördern:
1. Den richtigen Punkt zu treffen, bis zu welchem die freie Säure
des Salzes eingedampft werden soll. Hat man zu weit ein-
gedampft, so schiessen beim Erkalten zu viele Krystalle an,
die Individuen haben keinen Raum zu ihrer Entwickelung und
bilden eine verworrene Masse. Ist hingegen die Lösung vor
dem Erkaltenlassen noch zu wenig concentrirt, so bilden.
sich wohl einige Krystalle, dieselben erreichen aber keine
ansehnliche Grösse. Im ersteren Falle fügt man daher etwas
Wasser zu, erwärmt neuerdings bis zur Lösung des Ganzen,
und lässt erkalten. Im zweiten Falle dampft man etwas weiter
ein. Diese Operationen lassen sich mit derselben Quantität
beliebig oft wiederholen, und es gelingt daher stäts schöne
Krystalle zu erhalten.
2. Ein möglichst langsames Erkaltenlassen, welches im Verlaufe
durch Anwendung künstlicher Kältemischungen gesteigert
werden kann.
3. Anwendung einer grossen Quantität, denn diese ermöglicht, wie
überhaupt bei allen Salzen das Erhalten grösserer Krystalle,
und dann erleichtert es ein langsames Erkaltenlassen.
Es gelang mir auf diese Art bereits Säulen von der Länge eines
Zolles zu erhalten, indem ein halbes Pfund des Metalles angewendet
der Krystalle des essigsauren Cadmiumoxydes. 139
wurde. Da ich in diesem Augenblicke eine Lösung von mehreren
Pfunden in Arbeit habe, so wie mit einer künstlichen Färbung der
Kıystalle beschäftigt bin, so müssen weitere Details einem späteren
Berichte vorbehalten bleiben.
Die chemische Zusammensetzung des Salzes ergab sich gleich
der des essigsauren Zinkoxydes nach der Formel:
C,H,CdO, —+ 3 Ag.
für den lufttrockenen Zustand desselben. Da die Essigsäure eine
einbasische Säure ist, so schien es vor der Hand genügend nur die
Menge des Oxydes zu bestimmen.
1'561 Gramm in Wasser gelöst und mit Kalihydrat gefällt,
gaben 0°699 Gramm —= 4478 Procente Cadmiumoxyd.
1'458 Gramm gaben 0°659 Gramm — 45:19 Procente Oxyd.
Dies gibt im Mittel 44-98 Procente Cadmiumoxyd.
Theorie Versuch
1 Atom CdO 64 45:07 A498
1’, 'CH,0, 51 35.91 35:84
Re = (0) 27 19-01 19-18
. DIT 142 99-99 100-00
Beim Trocknen über Schwefelsäure verwittert das Salz, an
trockener Luft ist es unveränderlich, an feuchter zerfliesslich.
140 = Zantedeschi. Della interferenza luminosa,
SITZUNG VOM 19. APRIL 1855.
Eingesendete Abhandlung.
Della interferenza luminosa, che presenta il filo metallico
comune a’ due circuiti chiusi, e dello stato d’ incandescenza
delle parti del circuito, che non sono comuni ad ambedue; con
alcune osservazioni sulla natura dell’ elettrico, calorico e luce
e della loro reciproca dipendenza,
di Zantedeschi.
Lo studio dei fenomeni luminosi e calorifici, che presentano i
eireuiti chiusi metallieamente, e comunicanti fra di loro, riesce della
piu alta importanza, poiche sembra, «
N
che possa spargere qualche luce sulla
natura di questi agenti e sulla loro
dipendenza dalla elettricita.
Il filo, che chiudeva i poli dei
due elettromotori, & rappresentato da
CBAG, DBAE. In questi due eir-
euiti, AC & la parte di filo comune.
Esso era di platino del diametro di
mezzo millimetro erescente, AB era
della lunghezza di sette centimetri, e
ciascuna delle parti CB, BD, EA,
@4A di tre centimetri, non compresa
la porzione immersa nel mercurio in
@, E,D,C. Gli elettromotori, dei
quali io feci uso, furono alla Grove e
alla Bunsen che useirono dalle rino-
mate uffieine di Duboseq e Ruhmkorff
di Parigi. L’ elettromotore alla Grove
era composto di 10 elementi, caricato
con acido azotico di 45° B. e con
C
+
che presenta il filo metallico comune a’ due eircuiti chiusi, ecc. 141
acqua acidulata con acido solforico, che segnava 12° B. Lo zinco con
nitrato di mercurio era stato perfettamente amalgamato. E la pila
alla Bunsen era formata di 19 elementi carieati egualmente di ae'do
azotico e di acqua acidulata con acido solforico al medesimo grado.
Con eiascuno dei due elettromotori ho successivamente esplorata
Tazione calorifica e l’incandescenza.
Chiuso il eircolo in @ e C coll’ elettromotore alla Grove ebbj
l’incanlescenza di tutto il filo @ABC sino al bianco, comunquesi fosse
la eorrente diretta da@in ABC, ovvero da C in BAG. Identiei effetti
io m’ebbi collo stesso elettromotore, eompiendo il eircolo inEeDe
dirigendo la corrente positiva tanto da Kin ABD, quanto da Din BAE.
Rinnovati gli stessi identici esperimenti coll’ elettromotore alla
Bunsen, non ho potuto avere che l’incadescenza della solla parte di AB
e solo portata al calor rosso. |
Assicuratomi della costanza di questi effetti, feci trapasso all’
esperimenti delle due simultanee opposte correnti, dirigendo quella
fornita dall’ elettromotore alla Grove da C in BAG, e quella fornita
dell’ elettromotore alla Bunsen da E in ABD. Compiuto da prima il
eircolo coll’ apparato alla Grove in @,C colla corrente diretta da C in
BAG, ed ottenuta l’incandescenca al bianco di tutto il filo, ho chiuso
il eircolo coll’ elettromotore alla Bunsen, dirigendo la corrente da E
in ABD. Subito l’ineandescenza di AB diminul, e per gradi in aleuni
seeondi si ridusse ad una temperatura del calor oseuro , ma perd supe-
riore ben di molto a quella dell’ aria ambiente, che era eirca di +1°R.
come lo dimostro il termometro, senza ehe perö abbia potuto determi-
nare la sua precisa temperatura. E frattanto le parti @4, BC con-
servarono perfettamente la loro incandescenza at bianco, e rimasero
tuttavia oscure le parti EA, BD. Tutto il filo adunque, EABD, si
conservo 0souro in confronto delle porzioni di fill @A, BC, che erano
incandescenti al bianco.
Questo fenomeno, che mi ha sorpreso, e che reco meraviglia a’
miei uditori, che assistevano alla lezione del 13 Febrajo 1855, mi fece
ripetere piü volte l’ esperienza, per comprovarne la costanza. Assieu-
ratomi di questa, per verificare in un modo assoluto, se sul filo AB
coesistevano le due opposte correnti, ovvero se non ne esisteva alcuna,
tagliai il flo AB, ed allora si resero incandescenti ancora le parti
EA, BD. M’ebbi adunque incandescenti al rosso i fili CBD, G@AE.
Prova evidente, che le correnti eircolavano nei due elettromotori
142 Zantedeschi. Della interferenza luminosa,
sommandosi; ma prova ancora evidente che il filo AB non rimane
estraneo alle due opposte correnti, ossia che il filo AB si presto al
simultaneo passaggio delle due opposte correnti. Era stato indotto ad
ammettere questo risultamento da tutti i precedenti miei studii, ed
ancora dal vedere BD, AE oseuri, mentre erano ineandescenti CB
ed AG. Non poteva, io. comprendere, che eircolando le due correnti
per CBD, EAG, lasciato anche parzialmente da parte AB, potes-
sero conservarsi incandescenti @A, CB; ed oscure le parti BD
ed AE. Ma l’argumentum erueis si fu quello del taglio del
filo AB.
Questoinaspettato fenomeno delle due incadescenze parziali divise
dal filo oscuro comune alle due opposte correnti mi confermo nelle
mie dottrine dinamiche, che luce e calorico non sieno, che effetti
secondarii delle correnti elettriche, che movimenti vibratorii prodotti
nei sistemi molecolari dei corpi dai ripetuti impulsi delle onde elet-
triehe. Il earattere delle eorrenti elettriche & vibratorio, come mi sono
eonvinto da miei esperimenti. Nel carattere adunque vibratorio vi & la
eausa sufliciente dei ripetuti impulsi, e nei ripetuti impulsi, la cagione
suflieiente deli’ esaltamento delle vibrazioni de’ gruppi molecolari de
corpi. Fino a che non sia oltrepassato il limite della elastieitä, i gruppi
molecolari tolti dalla loro naturale posizione vi saranno richiamati dalla
forza attrattiva. |
Ora nella. parte del filo comune alle due correnti, i gruppi. mole-
colari saranno sottoposti ad impulsi uguali e contrarii, nell’ ipotesi
che le due sineroniche correnti, sieno di eguale intensitä; e in questo.
caso non vi sarä n& luce n& calorico sulla porzione di filo comune alle
due correnti, dovendosi trovare i sistemi molecolari in una condizione
d’equilibrio. Ma nell’ipotesi che le eorrenti sieno di ineguale intensitä,
ineguali saranno pure gli impulsi impressi, e pereio i gruppi molecolari
oseilleranno nella direzione dei prevalenti impulsi ceolla differenza di
azione di questi sopra di quelli. In questo caso nel file comune alle
due correnti esisteranno per lo meno vibrazioni cealorifiche osceure;
dieco per lo meno vibrazioni calorifiche oseure, perche vi potrebbero
essere ancora, secondo il diverso grado d’ intensitä, delle vibrazioni
luminose. Nel caso mio non vi ebbero che vibrazioni oscure ealorifiche,
dimostrate dal termometro; e ai due lati @A, BC l’azione cealorifiea
era cosi intensa da fondere il eristallo dei recipienti, ripieni di mer-
eurie, col quale si chiudeva il eircolo. |
che presenta il filo metallico comune a’ due eircuiti chiusi, ecc. 143
L’ oseuritä eompleta del filo comune AB, mi fece escludere
Tipotesi, che le due opposte eorrenti avessero a camminare ai due lati-
opposti del filo comune, imaginando un piano verticale, che lo avesse
a dividere in due semicilindri eguali, perche in questa ipotesi le in-
tensita luminose avrebbero dovuto apparire concentrate & questi due
lati opposti; rimasi pereioö fermo nell’ idea del prineipio dei piceoli
moti sovrapposti, come ho seritto nella mia precedente Memoria (Atti
delle adunanze del Gennajo 1855 dell’ I. R. Istituto
Veneto) sul sineronismo del passaggio delle due op-
poste correnti nel eondutiore comune ai due cireuiti
chiusi ed isolati dalla terra.
Dopo tutto questo, eredo, che apparisca chiaro il concetto, che
io mi sono formato della elettrieitä, del ealorico e della luce. L’ elet-
trico e materia elastica sollecitata da un moto di projezione, dovuto
all’ esercizio della sua erescente elastieita nella progressiva sua divi-
sione. Il calorico e la luce non sono che effetti, o moti vibratorii, delle
ripetute projezioni di materia in condizione elastica, che non ha per
Inco aequistato quel sommo grado, che & contrasegnato dall’irraggia-
mento proprio al calorico e alla luce.
Da eiö si puö dedurre come l’elettrico generi calorico e luce;
e come luce e calorico possano ancora produrre elettrico. Materia
elastica in projezione, od onde di correnti elettriche, esaltano il
moto vibratorio spontaneo dei corpi, o generano calorico e luce od
esaltate. vibrazioni dei movimenti spontanei oscillatorii dei sistemi
molecolari, che recano in condizione elastica la materia aggregata.
L’antegonismo delle due forze attrazione ed elasticitä, e il conse-
quente moto intestino molecolare de’ corpi pare sia il fondamento
d’ ogni fenomeno.
Sostituiti al luogo del filo AB due fili paralleli della stessa natura
di AB, diametro e lunghezza, e portati ad un apparente conlatto, ho
veduto che l’intensitä della incandescenza nelle parti attigue era mag-
giore della intensitä della incandescenza nelle parti esterne anche
nel ease che le due correnti camminassero in direzione opposta.
Il che dimostra come questo caso meriti di essere distinto dal primo.
In altro mio seritto divo’ de’ lavori de’ Fisiei in questo argomento.
144 Reuss. Paläontologische Miscellen.
SITZUNG VOM 26. APRIL 1855.
Ringesendete Abhandlungen.
Paläontologische Miscellen.
Von dem w. M., Prof. Dr. Reuss in Prag.
(Auszug aus einer für die Denkschriften bestimmten Abhandlung.)
Diese Abhandlung enthält vier von einander unabhängige Auf-
sätze. Im ersten wird ein im Prager Museum aufgefundener Original-
rest der Dronte (Didus ineptus) beschrieben, bestehend aus dem
Oberkiefer, dem Zwischenkiefer, den Nasen- und Gaumenbeinen. Er
stimmt mit den schon bekannten analogen Theilen des Schädels von
Oxford und Kopenhagen überein, dürfte aber einem besonders alten
Individuum angehört haben. )
Der zweite Aufsatz behandelt ein im Pläner von Patek in
Böhmen aufgefundenesBruchstück des Rückenschildes einer Seeschild-
kröte, welche vollkommen mit der Chelonia Benstedi Ow. aus der
weissen Kreide Englands übereinkömmt. Es ist dies der erste in
Böhmen entdeckte Schildkrötenrest. |
Die dritte Notiz gibt die Beschreibung des Lepidoderma Imhof
Rss., eines aus dem das Hangende der Steinkohle bei Wilkischen
ohnweit Pilsen bildenden Schieferthone stammenden Krusters, der
der aus devonischen und Kohlenkalkschichten -bekannten Gattung
Eurypterus sehr nahe steht, sich aber durch die feinschuppige Haut
und das Vorkommen in reinen Süsswasserschichten unterscheidet.
Das Thier scheint am meisten mit den Phyllopoden übereinzukommen;
eine sichere Bestimmung seiner Stellung ist wegen des Mangels der
Füsse, Fühler u. s. w. nicht möglich.
Im vierten Theile der Abhandlung endlich wird die Aufmeakl
samkeit auf in der jüngsten Zeit im Pläner des weissen Berges bei
Haidinger. Die Krystalle des essigsauren Manganoxyduls. 1 45
Prag gefundene Reste von Zähnen und Knochen gelenkt, welche
wahrscheinlich einem kolossalen Reptile aus der Familie der Kro-
kodilier angehören und der ebenfalls der Kreideformation eigen-
thümlichen Gattung Polyptychodon zunächst stehen dürften. Wegen
des Mangels der äusseren Schmelzfalten an den grossen konischen
Zähnen wurde dem fraglichen Thiere der Name Aptychodon_ creta-
ceus beigelegt.
Die Krystalle des essigsauren Manganoxyduls.
Von dem w. M. W. Haidinger.
Die grossen schönen Krystalle des essigsauren Manganoxyduls
verdienen wohl eine eigens denselben gewidmete Mittheilung, durch
die Leichtigkeit, mit der man sie aus verhältnissmässig kleinen Mengen
von Auflösung gross ziehen kann, durch ihre Beständigkeit an der
Luft und das schöne Rosenroth ihrer Farbe, am meisten vielleicht
durch den, wenn auch in nicht sehr dunkeln Tönen so deutlich her-
vortretenden Trichroismus.
Ich hatte diesen letzteren bereits vor einiger Zeit wahrgenom-
men, als mir der k. k. Herr Hauptmann, Karl Ritter von Hauer, die
ersten von ihm dargestellten Krystalle zur Ansicht überbrachte, aber
die Farbentöne waren doch noch sehr blass, da die längste Dimension
der Krystalle nicht mehr als dreiviertel Zoll betrug, und ich bat ihn
daher recht dringend, Alles anzuwenden, um grössere Krystalle zu
erhalten, was ihm denn auch vorzüglich gut gelang.
Man kann nicht Studien über den Trichroismus machen, ohne
zugleich sich in den regelmässigen Formen zu orientiren.
Die Hauptform der Fig. 1 war wohl bald nachgewiesen, auch
ein Paar Winkel graphisch gemessen, aber es erschien auf den
Flächen p, parallel dem Durchschnitte mit der breiten Fläche der
Krystalle ein sehr flacher einspringender Winkel. Es standen daher
mehr zeiterfordernde Arbeiten in Aussicht, als ich gerade zu beginnen
mir vornehmen konnte, und ich hoffte, einer unserer jüngeren kry-
stallographischen Freunde würde die Sache bis auf den Grund
durchnehmen.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVI. Bd. I. Hft. 10
146 Haidinger.
Dies ist auch in der That der Fall gewesen und ich verdanke
Herrn Dr. Hochstetter die im Folgenden enthaltenen Angaben.
Herr von Hauer selbst stellte dasjenige zusammen, was sich auf die
chemischen Verhältnisse bezieht, und was hier den ferneren Betrach-
tungen vorangeschickt werden soll. Auf diese Art hatte sich jedoch
meine Erwartung, dass sich meine Bemerkungen nur einfach einer
Mittheilung jener Herren anschliessen würden, nicht erfüllt. Alles
kam zu mir zurück, und damit auch die Veranlassung zu dem
gegenwärtigen Berichte.
„1. Das essigsaure Manganowydul. Von Karl Ritter v. Hauer.
Nach John liefert die Lösung des kohlensauren Manganoxyduls in
kochender wässeriger Essigsäure luftbeständige, durchsichtige, blass-
rothe rhombische Tafeln, die an zwei entgegengesetzten Enden zuge-
schärft sind. Das Salz enthält seiner Angabe zufolge 30 Procent
Oxydul, ist in 31/, Theilen Wasser, und auch in Weingeist löslich.
Klauer gibt an, es bilde büschelförmig vereinigte rhombische
Säulen, die in 3 Theilen kaltem Wasser löslich sind. Endlich existirt
noch von Fromherz eine Notiz über dieses Salz, worin er anführt,
es lasse sich dasselbe auch in farblosen Nadeln erhalten unter übrigens
nicht näher angegebenen Umständen t).
Ich habe das Salz durch Auflösen des kohlensauren Oxyduls in
concentrirter Essigsäure dargestellt. Die Essigsäure wirkt auf diese,
gleichwie auf viele andere kohlensaure Verbindungen nur langsam
ein. Die Auflösung erfordert geraume Zeit und Anwendung von
Wärme; wird diese letztere auch bis zur Siedhitze gesteigert, so
findet dennoch eine vollständige Sättigung der Säure nicht Statt.
Übrigens ist dies für die Krystallbildung durchaus nicht störend,
denn das essigsaure Manganoxydul hat, so wie viele andere essigsaure
‚Verbindungen die Eigenschaft, aus sauren Lösungen leichter zu
krystallisiren. Da kohlensaures Manganoxydul fast stäts eine geringe
Menge Oxyd beigemengt enthält, welches sich bei der Darstellung
desselben während dem Auswaschen bildet, so erscheint auch die
Auflösung dann nie farblos, sondern ist bräunlich, im günstigsten Falle
rosenroth. Auch durch oftmaliges Umkrystallisiren verschwindet die
Farbe nie ganz. Selbst schon fast vollkommen farblose Lösungen
setzen noch immer rosenrothe Krystalle ab. Die Krystallisation erfolgt
1) Gmelin’s Handbuch der organischen Chemie. A. Aufl., I. Th., Seite 639.
Die Krystalle des essigsauren Manganoxyduls. 147
leicht beim freiwilligen Verdunsten, wie bei Anwendung gelinder
Wärme, und es lassen sich die Krystalle, wiewohl langsam, zu bedeu-
' tender Grösse heranziehen. Es gelang so. rhombische Blätter von
mehr als einen Zoll in der Länge zu erhalten.
Es wurde versucht, das Salz unter modifieirten Umständen
anschiessen zu lassen; aus sauren, wie aus mehr neutralen Lösungen
unter Anwendung von Wärme, und durch freiwilliges Verdunsten-
lassen, auch durch Concentriren und Erkaltenlassen. In allen diesen
Fällen bekam ich stäts Krystalle von der Form, wie sie John beschrieb,
und es gelang nie, das in farblosen Nadeln auftretende Salz, welches
Fromherz anführt, zu erhalten.
Behufs der Analyse genügt es, in Rücksicht, dass die Essigsäure
eine einbasische Säure ist, die Menge des Oxyduls zu bestimmen.
1'429 Gramm Substanz hinterliessen nach dem Glühen 0450 Gramm
Oxydoxydul = 29:29 Procente Oxydul. aY
1:343 Gramm gaben 0417 Gramm Oxydoxydul = 28°88 Procente
Oxydul. |
Daher im Mittel 29.08 Procente Manganoxydul. Dieses Resultat
führt zu der Formel:
C,H,MnO, + 4 Ag.
Theorie: Versuch:
1 Atom MnO 35:6 29:03 29:08
17%, '€,H.0;. 51 41 :60 41-65
Kin hsHO 86 29-36 29-27
C,H,MnO, +4 Aq. 122-6 99-99 10000
Für die Analyse war das Salz bei gewöhnlicher Zimmertem-
peratur getrocknet worden. Durch langes Aufbewahren in trockener
Luft verliert es einen kleinen Theil seines Wassers, ohne jedoch
desshalb eine Veränderung im äussern Ansehen zu zeigen. Eine
Analyse von Krystallen, welche seit einigen Monaten aufbewahrt
worden waren, ergab 29:67 Procente Manganoxydul, was einem
Wassergehalte von nur 27:83 Procenten entspricht. Beim Trock-
nen über Schwefelsäure verwittert es, bei 100° C. verliert es
sein Krystallwasser fast vollständig, und zwar binnen wenigen
Stunden.“
2. Die Krystallform des essigsauren Manganosxyduls. Von Dr.
‘Ferdinand Hochstetter. „Zwei- und eingliederig. (Monoklinoe-
drischh Naumann.)
10*
148 Haidinger.
Die dünntafelförmigen
Krystalle erscheinen als
rhombische Prismen (p)
mit Abstumpfung der schar-
7, | fen Seitenkanten (B)Schief-
7 endfläche (c) und hinterem
Augitpaar (0). |
Folgende Winkel wurden bestimmt:
gemessen : berechnet :
Neigung von pzup = 130° 22 1300 2%
M Bernlen) = A90 36,
» a a A
> SEN 640 35
5 „db,c= M 0
5 SL 0 00T N
0„p' = 136° 18 136° 15
5 » 0,0 — 1270 4%
Die Messungen wurden mittelst des Frankenheim'’schen
Reflexionsgoniometers im k. k. mineralogischen Cabinet ausgeführt,
und immer das Mittel aus mehreren Messungen aus verschiedenen
Krystallen genommen. Ausserdem wurden noch nach Haidinger's
graphischer Methode die Flächenwinkel von ce gemessen und zwar
«— 124° A0', auffallender Weise aber die Winkel $ und £ nicht
immer beide gleich, nämlich = 117° 40’ gefunden, sondern bei mehre-
ren grösser aufgezogenen Krystallen % ungefähr = 116°, ß’ —= 119°,
als wären die Krystalle ein-und zweigliederig, ein Verhältniss, das aber
wohl in der unregelmässigen Ausbildung der bei dieser Messung in
Betracht kommenden Kanten m bei grösseren Krystallen durch Juxta-
position und Zwillingsbildung seinen Grund haben mag.
Die Axenzeichen der Flächen sind:
b= 00a: b: o0c
0= d b ce
Aus den gemessenen Winkeln ergibt sich das Verhältniss der
drei Axen:
a:b:c = 1: 1'90%: 1'246
Die Krystalle des essigsauren Manganoxyduls. 149
Der spitze Neigungswinkel der Hanptaxe (c) zur Klino diagonale
(Axe a) |
C= 61 AT,
oder die Abweichung der Hauptaxe
RB, 2801
Bezeichnung der Gestalten:
nach Mohs: = . P+o . Pr+& P—&,
0 p b e
nach Naumann: oP.oP.oPw.-—P.
p 0 b c
Rammelsberg beschrieb die Krystalle zuerst als zweiglie-
derig (Pogg. 90:52), neuerdings als zwei- und eingliederig (Hand-
buch der krystallographischen Chemie, Seite 289), fasste jedoch die-
selben dünntafelartigen Krystalle als Combination zweier Augitpaare
(p und 0) und zweier Hexaidflächen (b undc) auf, von denen die
letztere c vorherrscht. Die obige Stellung scheint die naturgemässere,
zumal da unter den von Herrn Karl Ritter von Hauer dargestellten
Krystallen die Grundform (p, c) als rhombisches Prisma mit Schief-
endfläche für sich sehr schön vorkommt.
Bei Weitem die grösste Anzahl der untersuchten Krystalle sind
aber Zwillinge parallel der Schiefendfläche (c) zusammengesetzt.
Dadurch muss statt der Kante Ku mit 136° 15’, wenn die Prismen-
flächen (p, p) unmittelbar zusammenstossen, eine Kante von 129°
10’ entstehen, die ich jedoch nie beobachten konnte, da die Zwillinge
immer durch Individuen gebildet sind, an
hr Beg denen das Augitpaar auftritt. Daher ent-
ec stehen entspringende Winkel sowohl an der
| sbL,,
“ | /p’ vorderen Seite der Krystalle durch Zusam-
5 P mentreten von p mit p’, als an der hintern
\ I |
20, durch Zusammentreten von o und o' wie in
Fig. 2. Jedoch sind zwei andere Fälle sehr
häufig. Die Flächen o und o’ sind bei beiden
5 o Individuen so ausgedehnt, dass p und p’
p ganz verschwinden und so durch o und o’
} “ „ einerseits ein ein-, anderseits ein aussprin-
sender Winkel von 143° 20’ gebildet wird.
"Fig. 38. Fig. 4.
150 Haidinger.,
Fig. 3. Messungen gaben diesen Winkel in Werthen, die zwischen
143° und 143° 40’ schwankten. Oder es stossen o des einen Indivi-
duums und 9 des andern unmittelbar zusammen und bilden dann
einen sehr stumpfen einspringenden Winkel von 172° 55’ wie in
Fig. A.
Solche Zwillingsbildungen scheinen bei grösser aufgezogenen
Krystallen sich auch mehrmals zu wiederholen. Ausserdem findet
auch eine blosse Juxtaposition in paralleler Stellung Statt.
Spaltbar nach der Basisfläche c, tafelförmig, lichtrosenroth,
durchsichtig.“
3. Der Trichroismus der Krystalle. Den Farbentönen entspre-
Im chend sind die optischen Elasti-
eitätsaxen in folgender Weise
orientirt,
Die eine derselben c steht
senkrecht auf der Längsfläche
ooH, und liegt also parallel der längsten Linie in den Krystallen, oder
der krystallographischen Queraxe, von den andern beiden, welche in
der Ebene der Abweichung liegen, steht die eine a nahe senkrecht
auf der Basis o, die andere 5 steht senkrecht auf « und ec.
Die Krystalle zeigen folgende Farbentöne:
Axenfarben
a b e
Axe Normale Queraxe
Kleinere, Farblos Weiss, in sehr blas- | Gelblich weiss
sesViolett geneigt
3/y' lange
Hell rosenroth |Tiefrosenroth in das |Gelblich roth zwi-
Kermesinrothe schen fleischroth
geneigt und honiggelb II
Hellster Mittlerer Dunkelster -
Ton
‚|| Grössere,
1/
1'/,'' lange
Krystalle
Der Farbenton « ist sehr viel heller als 5 und c, die beiden
letzteren stehen sich an Intensität sehr nahe, doch erhält man deutlich
die angegebene Verschiedenheit, wenn man ziemlich gleiche Dieke
von Krystallen vergleicht.
Im Ganzen erscheinen die Krystalle mehr oder weniger tief
rosenroth, ganz feine tafelartige Krystalle wohl sehr blass. Sehr nette
Die Krystalle des essigsauren Manganoxydul. 151
Krystalle befanden sich auch in der von Herrn Professor Böttger
der k. k. geologischen Reichsanstalt gesandten Sammlung.
Zur Untersuchung der Breehungsexponenten bereitete ich drei
Prismen vor, zwei parallel der Axe « anschliessend, gleichgeneigt an
die Diagonalen 5 und c, aus welchen augenscheinlich folgte, dass der
senkrecht auf a polarisirte Strahl, der am wenigsten gebrochene oder
abgelenkte ist, und eines in horizontaler Lage parallel der krystallo-
graphischen Queraxe c anschliessend gleichgeneigt an dieDiagonale b,
woraus sich eben so deutlich der senkrecht auf d polarisirte Strahl
schwächer gebrochen herausstellte, als der senkrecht auf c polarisirte.
Senkrecht auf 5 steht also die Ebene der optischen Axen. Die Absorp-
tion folgt übrigens sehr gut dem Babinet’schen Gesetz, indem mit
der stärkeren Brechung auch die stärkere Absorption verbunden ist.
Man wird bemerken, dass in meinen Angaben über den Trichrois-
mus eine andere krystallographische Methode befolgt ist, als in Herrn
Dr. Hochstetter’s Darstellung der Formen. Ich glaubte an letzterer
Nichts ändern, oder sie durch die von mir vorgeschlagenen Elemente
ersetzen zu sollen. Gewähren lassen dürfte im Einzelnen wohl
jetzt für Original-Mittheilungen das Einzige sein, wobei man das
Studium der Natur fördert. Sind ja doch alle Methoden nur Mittel zur
Verständigung. Dass ich die von mir befolgte nicht aufgebe, oder
gegen eine andere vertausche, wird aber auch mir wohl Niemand
verargen. Es wäre mir dann bald selbst unmöglich, aus dem Labyrinthe
wieder herauszukommen. Als ich vor zehn Jahren das Handbuch der
bestimmenden Mineralogie an das Licht förderte, konnte ich hoffen,
dass es mir gelingen würde, durch fortgesetzte mineralogische Lehr-
curse eine wahre Schule zu gründen, es war also meine Pflicht, in
allen Abtheilungen der Lehre nach Kräften für Vereinfachung und
Deutlichkeit zu wirken. Ungeachtet später eingetretener, für diese
Richtung nachtheiliger Verhältnisse, hat sich doch sehr Vieles von
dem was ich vorschlug, in weiten Kreisen Bahn gebrochen. Es wäre
gewiss unbescheiden, zu verlangen, dass Alles angenommen würde,
wo es doch unvermeidlich bleibt, dass jeder neue Vorschlag doch nur
immer ein Versuch genannt werden muss. Blieb ich nun fast gänz-
‚lieh allein für verschiedene Abtheilungen der krystallographischen
Darstellungen, während ich sehe wie oft man sich mit unvollkomm-
neren ganz veralteten Weisen begnügt, so will ich um so mehr
nie den wahren Zweck aus dem Auge verlieren, Klarheit und Ver-
152 Kenngott.
ständniss des Gegenstandes. Daher je weniger überhaupt Schlag-
wörter der Schule, desto besser, dagegen Unterstützung der An-
' schauung durch Zeichnungen der Krystalle.
Mineralogische Notizen, betreffend die bekannten Species :
Karstenit, Dolomit, Milerit, Turmalin, Galaktit, Wasser,
Plagionit, Diopsid, Zinkit, Caleit und Felsöbanyt, sowie zwei
neue: den Enstatit im Geschlechte der Augit-Spathe und den
Pseudophit im Geschlechte der Serpentin-Steatite.
(Siebzehnte Folge.)
Von Dr, Adolf Kenngott.
(Vorgelest in der Sitzung vom 15. März 1855.)
1. Die rauhenBasisflächen anKrystallen des Kar-
stenit. An einem schönen Exemplare krystallisirten Karstenits von
Aussee in Steiermark, welches das k. k. Hof-Mineralien-Cabinet vor
Kurzem von dem Mineralienhändler Dr. Baader in Wien angekauft
hatte, und welches deutliche aufgewachsene und verwachsene Kry-
stalle zeigt, konnte ich mit Bestimmtheit beobachten, wodurch die
Basisflächen als rauhe erscheinen. — Die blass fleischrothen bis fast
farblosen, durchscheinenden bis durchsichtigen Krystalle stellen die
gewöhnliche Combination der orthorhombischen Quer-, Längs- und
Basisflächen dar, an deren Combinationsecken die Flächen der Grund-
gestalt (der orthorhombischen Pyramide mit den Endkantenwinkeln
121°32' und 108° 35’ und den Seitenkantenwinkeln 990 7’) oder
auch noch mit dieser die Flächen der orthorhombischen Pyramiden
der Querreihe 2 P3 und 3 P3 auftreten.
Schon mit freiem Auge konnte man sehen, dass die Coulas
nationskanten der Basisflächen mit allen rundum liegenden Flächen
keine horizontalen Kantenlinien darstellen, sondern dass der ganze
Rand gekerbt erscheint, und dieses mit der Flächenbeschaffenheit
der Basis zusammenhängt. Unter der Loupe betrachtet, zeigt essich
nun, dass eigentlich keine Basisflächen vorhanden sind, nicht die
Spur davon, sondern, dass anstatt derselben zahllose kleine End-
ecken homolog gruppirter Grundgestalten durch ihre Summe die
Mineralogische Notizen. 153
Basisflächen gleichsam dem freien Auge eonstruiren, welches nur den
Totaleindruek empfängt und eine rauhe Fläche zu sehen glaubt.
Die Karstenitkrystalle, welche im Grossen die Combinations-
gestat So PS. P&.0OP.P (mit oder ohne 2 P3 und3 P3)
zeigen, stellen demnach ein Aggregat homolog gruppirter Kryställ-
chen der Combinationsgestalt P. oo P& . oo P& (mit oder ohne
2P2und3P5) dar und durch die Summe aller Endecken von P,
welche nahezu in einer Ebene liegende Scheitelpunkte darbieten,
werden die scheinbar rauhen Basisflächen construirt, während die
Quer- und Längsflächen eben und glatt erscheinen. Oft erscheinen
auch im Zusammenhange mit dieser homologen Gruppirung die Quer-
flächen schwach vertical gestreift, welche Sireifung sich auf den
Pyramidenflächen entsprechend fortsetzt.
Bisweilen zeigen die Krystalle mangelhafte Ausbildung der
Theile, Zerklüftungen, wie sie mannigfach an Karstenitkrystallen
beobachtet werden, und Lücken oder Höhlungen von unregelmässiger
Gestalt im Innern der Masse. Auch in diesen sieht man an den den
Basisflächen parallelen Oberflächentheilen der Höhlungen dieselbe
Ausbildung der Endecken der Grundgestalt, wie aussen. Farblose
kleine Gypskrystalle sind ziemlich zahlreich auf den Karstenitkry-
stallen aufgewachsen zu bemerken und orangegelbe Cölestinkrystalle
erscheinen da und dort ein- und aufgewachsen.
An und für sich wäre es von keiner besonderen Bedeutung,
wenn man an Krystallen die Erscheinung rauher Flächen auf gewisse
‚kleine Krystalltheile zurückführen kann und die kleinen hervorragen-
den Theile mit den Spaltungsstücken in Zusammenhang gebracht
werden können, oder wenn man wenigstens sichtlich nachzuweisen
vermag, dass die kleinen die grossen Krystalle zusammensetzenden
Kryställchen auch sonst noch so vorkommen und die Übergänge an
nahe liegenden Stücken sichtbar werden. Hier aber finden diese
beiden Fälle nicht Statt, indem man die Combinationsgestalt
P.oP&.cooP& einzeln nicht beobachtete und die Karstenit-
krystalle keine Spaltungsflächen parallel den Flächen der Grund-
gestalt bis jetzt haben finden lassen, dieselben auch hier nicht vor-
handen sind. Man muss vielmehr nach dem ganzen Stücke urtheilen,
dass die auflösende Einwirkung des Wassers auf den Karstenit, mit
welcher die Bildung der so häufig und auch hier als Begleiter auf-
tretenden Gypskrystalle zusammenhängt, an den Karstenitkrystallen
154 Kenngott.
die ursprünglichen Basisflächen derartig umgewandelt hat. Da nun
der Karstenit in absteigendem Grade sehr vollkommen spaltbar
parallel den Längs-, Quer- und Basisflächen ist, auch Spuren von
Spaltbarkeit parallel dem Prisma oo P gefunden werden, so ist das
Heraustreten der Endecken von P anstatt der Basisflächen hier um so
interessanter, weil die Krystalle sonst keine Einwirkung weiter auf
den übrigen Flächen zeigen, und sich somit die Basisflächen als die
für die Erosion empfindlichsten darstellen, was mit der Vertheilung
der Moleküle im Zusammenhange stehen muss.
Die Einwirkung des Wassers auf den Karstenit, durch welche
die kleinsten Theilehen in gewisser Ordnung hinweggenommen wer-
den, musste dabei eine sehr langsame sein, weil die durch die
Erosion hervortretenden Theile der die Endecken von P bildenden
Pyramidenflächen an Stärke des Glanzes den ursprünglieh in der
Combination auftretenden P-Flächen nicht viel nachstehen und die
so entstandenen rauhen Basisflächen nach dem Grade des Hervor-
tretens der Endecken in der Stärke des Glanzes noch zwischen dem
Matten und dem Wenigglänzend wechseln. |
Die aufgewachsenen Gypskryställchen, welche eine unzweifel-
hafte Folge der Auflösung des Karstenit im Wasser sind, zeigen in
ihrer Lage unter einander und zu den Krystallen des Karstenit keine
Regelmässigkeit und Harmonie, sie setzten sich an, wo sie gerade
Platz fanden. Da wo sie häufiger auftreten als hier und die Masse
des Karstenit mehr zurück tritt, entstehen Gemenge von Gyps- und
Karstenitkrystallen, gleichsam als wären dieselben gleichzeitig ent-
standen.
2. Notiz über eine Krystallgestalt des Dolomit.
Ein zweites bemerkenswerthes Beispiel rauher Flächen hatte
ich Gelegenheit an einem Exemplare des sogenannten Miemit von
Glücksbrunn bei Gotha in Sachsen zu beobachten, welches mir
durch sein eigenthümliches Aussehen auffiel. Das spargelgrüne
Mineral bildet einen krystallinischen Überzug, an dessen Oberfläche
die nahe gruppirten kleinen hervorragenden Krystalle deutlich zu:
sehen sind. Es trat an dem Stücke das sonst gewöhnliche Gepräge
rhomboedrischer Krystallbildung gar nicht hervor, wie man es bei
anderen derartigen Überzügen von Dolomit und ähnlichen sieht und
ich war desshalb über das Stück selbst bei vorübergehender Betrach-
tung zweifelhaft. Ich fand jedoch bald die Erklärung in der eigen-
Mineralogische Notizen. 1 5 5
thümlichen Bildung der einzelnen Individuen, welche erwähnt zu
werden verdient. Die Krystalle bilden nämlich die Combination
2R.R, die Flächen R bilden schmale Abstumpfungsflächen der
Endkanten an 2 R', fallen aber durch ihren Glanz auf, während die
Flächen 2R' nur in gewissen Richtungen schimmernd sind. Dies
liegt nun daran, dass sie als Flächen gar nicht vorhanden sind,
sondern die scheinbaren Flächen 2 R’' durch homolog gestellte Sei-
tenecken der Rhomboeder R gebildet werden, welche als sehr kleine
Partialgestalten die Krystalle zusammensetzen und dadurch scheinbar
die rauhen Flächen 2 Z’ hervorbringen. Es ist also eigentlich nur die
Grundgestalt % vorhanden, und die vielen homolog gruppirten Kry-
ställchen dieser Form erzeugen die Combinationsgestalt 2%. R der
mit freiem Auge sichtbaren Krystalle, die Flächen R treten durch
ihren Glanz hervor und das Ganze hat das Aussehen, als wären tafel-
artige Krystalle vorhanden, welche in das orthorhombische Krystall-
system gehörten.
3. Krystallgestalt des Millerit von Saarbrücken.
An zwei Exemplaren des unter dem Namen Haarkies bekannten
Millerit von Saarbrücken in Rheinpreussen, welche von HerrnDr. M.
Bondi in Dresden an das k. k. Hof-Mineralien-Cabinet in Wien ein-
gesendet wurden, fand ich die bereits schon früher von mir an
Exemplaren dieser Species von anderen Fundorten bestimmte Com-
bination des hexagonalen Prisma in normaler, und des in diagonaler
Stellung. Bei der Zartheit der linearen Kryställchen hatten sich nicht
alle Flächen gleichmässig entwickelt und es liessen sich nicht alle
zwölf Flächen auffinden, doch zeigte sich hier in dem Mangel
einzelner keine bestimmte Tendenz, trigonale Prismen zu bilden,
indem kein regelmässiger Wechsel der fehlenden (oder der Beobach-
tung entgehenden) Flächen bemerkt werdenkonnte. An dem einen der
beiden Exemplare sind Kluftflächen in der Schwarzkohle mit Siderit-
krystallen besetzt und auf diesen sitzen diehaarförmigen Krystalle des
Millerit, begleitet von einigen kleinen undeutlichen messinggelben
Krystallkörnern, welche Chalkopyrit zu sein scheinen. An dem ande-
ren Stück sind Kluftflächen in Schieferthon mit weissen Caleit- und
gelben Sideritkrystallen bekleidet und die Kryställchen des Millerit
sind sehr zart und büschelförmig gruppirt. Der Ausgangspunkt bei
dieser Gruppirung ist, wie ich es an englischem Millerit von Merthyr
Tydvil in Wales bemerkte, ein graues metallisches Korn. Chalkopyrit
156 Kenngott.
ist auch hier in kleinen Krystallkörnern als Begleiter zu sehen,
welche einzeln verstreut aufgewachsen und etwas deutlicher als an
dem vorigen Exemplare sind.
A. Über eine Krystallverbindung des Turmalin.
Ein Krystallstück eines dunkelblaugrünen durchsichtigen Tur-
malin (aus Brasilien), an welchem die beiderseitigen Endflächen
durch Abbrechen nicht mehr sichtbar, sondern nur die prismatischen
Flächen zu sehen waren, zeigte einen interessanten Wechsel in der
successiven Ausbildung. Es hatte sich nämlich um einen bereits aus-
. gebildeten Krystall durch Ansatz weiterer Turmalinmasse von gleicher
Beschaffenheit der Krystall vergrössert, eine Erscheinung, welche
man an anderen Turmalinkrystallen, so wie auch an Krystallen
anderer Species, wie z. B. bei (Quarz und Fluss nicht selten beobach-
ten kann, und welche in ihrer Deutlichkeit oft durch einen Wechsel
der Farbe oder durch andere Verhältnisse unterstützt wird. Hier
erlaubte das eine abgebrochene Ende die Umwachsung dadurch zu
erkennen, dass der innere Krystall ein wenig aus der weiteren Um-
hüllung herausragte.
Das Interessante bei dieser Weiterbildung des Krystalls besteht
in dem Wechsel der prismatischen Flächen und derselbe wird aus
der beifolgenden Figur ersichtlich,
welche die beiderlei Gestaltungen im
horizontalen Querdurchschnitte dar-
‚stellt. Die Wahl der Namen bezüglich
der Stellung ist eine willkürliche,
weil keine Endflächen vorhanden sind
und es könnte eben so gut die Benen-
nung eine umgekehrte sein, was auf
die Darstellung keinen Einfluss hat.
Während der äussere Krystall die Flächen des hexagonalen
Prisma in diagonaler Stellung oo P2 (d) zeigt, an welchem die
abwechselnden Kanten durch die Flächen eines trigonalen Prisma in
normaler Stellung Bi (n) gerade abgestumpft sind, und die Flächen
des trigonalen Prisma in normaler Stellung Ze nur an zwei Kanten
in Spuren zu sehen sind, zeigt der innere Keystall die Flächen des
hexagonalen Prisma in normaler Stellung oo P mit gleichzeitiger Aus-
bildung der beiden Hälften-Gestalten °- und a (n und =‘)
Mineralogische Notizen. 157
und von den Flächen des hexagonalen Prisma in diagonaler Stellung
sind an dem inneren Krystalle nur schwache Spuren an den Combi-
nationskanten der beiden trigonalen Prismen zu erkennen. Dabei sind
die Flächen der Prismen in normaler Stellung glatt, während die des
Prisma in diagonaler Stellung vertical gestreift sind. Jedenfalls steht
dieser Wechsel in der Ausbildung der Gestalt mit der oft vorkom-
menden verschiedenen Ausbildung der Endflächen in Zusammenhang
und ist auf die verschiedene FL REN Elektrieität des
Turmalin zurückzuführen.
5. Nachträgliche Bemerkung über den Galaktit.
Nachdem ich den Galaktit in der eilften Folge meiner mineralo-
gischen Notizen (Märzheft des Jahrganges 1854 der Sitzungsberichte
der mathematisch-naturwissenschaftlichen Classe der kais. Akademie
der Wissenschaften, Band XII, Seite 290) beschrieben hatte, theilte
mir Herr Sectionsrath W. Haidinger mit, dass er bei seiner
Anwesenheit in England in früherer Zeit dem bezüglichen Minerale
den Namen wegen der weissen Farbe gegeben habe, und dass der
damals vorliegende Fundort Glenfarg in der Grafschaft Perth in
Schottland war.
6. Über einige Erscheinungen beim Krystallisiren
des Wassers. |
Die durch mehrere Wochen andauernde niedrige Temperatur
dieses Winters gestattete mir einen Krystallisationsprocess in seinem
Verlaufe zu beobachten, auf dessen Beginn ich durch Zufall auf-
merksam wurde, und welcher eigenthümliche Erscheinungen aufwies.
In einem zum k. k. Hof-Mineralien-Cabinete gehörigen Souterrain-
locale wurde ich bei eintretendem Froste auf ein Abblättern eines’
Kalkanstriches und Hebung ganzer Lagen aufmerksam und nach
kurzer Zeit sah ich eine täglich zunehmende Eisbildung folgender
Art:
Eine Wand, auf deren Ziegeln eine Lage Mörtel wie gewöhnlich
als Verputz angeworfen ist, und welcher dann mit einem dünnen Kalk-
anstrich versehen ist (wie diese Theile die beifolgende Figurangibt, «
die Ziegeln, 5 den Verputz, c den Anstrich), ist mit hygroskopischem
Wasser erfüllt und ist so gelegen, dass auf der einen Seite, wo die
Krystallisation eintrat, eine mindere Temperatur war, als auf der
anderen. Die Ziegel und der Verputz sind poröser als der Kalk-
anstrich und dieser bildet eine, wenn auch dünne, doch immerhin
a
158 Kenngott.
cohärente Schicht, welche das Wasser weniger hindurch lässt. Das
wenige Wasser, welches durch die Ziegel und den Verputz hindurch-
gedrungen war, und sich innerhalb des möglichen Zwischenraumes
zwischen Anstrich und Verputz befindet, begann durch die äussere
Kälte zuerst fest zu werden, zu krystallisiren, wodurch eine Erwei-
terung des Zwischenraumes zwischen Verputz und Anstrich erzwun-
gen wurde, welche auf die Entfernung der dünnen Anstrichdecke ein-
wirkte, so dass dieselbe sich unmerklich erhob. Aus dem Verlaufe
_ der Beobachtungen zu schliessen, begannen sich durch den Krystal-
lisationsprocess sehr viele Individuen zu bilden, so viele vielleicht,
als Poren an der Oberfläche des Verputzes vorhanden waren.
Der Act der Krystallisation auf der Oberfläche des Verputzes in
dem Zwischenraume zwischen dem Verputz und dem Anstrich ver-
grösserte den Zwischenraum momentan und die Krystallisationskraft
veranlasste das im Verputz befindliche Wasser der nächsten Nach-
barschaft, sich den beginnenden Krystallen anzuschliessen, sie zog
die Atome oder Moleküle desselben aus dem Verputze heraus, ver-
grösserte (verlängerte) die begonnenen Krystalle von der Ansatz-
fläche aus, drängte die Krystallanfänge vorwärts und erweiterte somit
noch mehr den Zwischenraum zwischen dem Verputz und Anstrich,
welcher letztere wieder etwas dadurch gehoben werden musste. Das
durch die Krystallisationskraft aus dem obersten Theile des Verputzes
herausgezogene Wasser veranlasste leere Räume und das Wasser der
anderen Theile der Wand drang hindurch und durch die Porosität,
respective Capillarität der Masse nach und nun konnte das einmal
Mineralogische Notizen. 159
begonnene Wachsen der Krystalle sich fortsetzen , so lange die übri-
gen Verhältnisse und die Menge des vorhandenen Wassers es
möglich machten.
Der Anstrieh wurde immer weiter vom Verputz weggedrängt
und durch das Eis gehoben, das Eis selbst bildete eine immer dichter
werdende Schicht d (stellenweise bis einen halben Zoll dick) und
war in seiner Masse parallel laufend faserig, wie ähnliche Gänge aus-
füllende Massen von Salz, Gyps oder Caleit, dabei klar und ziemlich
durchsichtig. Die linearen Krystalloide erhielten ihren eontinuirlichen
Zuwachs von der Basis aus und wurden so unmerklieh und im engsten
Anschluss der Massentheilehen vergrössert, dass keine Absätze oder
Schiehtungen parallel der Wand oder senkrecht auf die Längsaxe
der Fasern bemerklich wurden. Der Anstrich bröckelte sich an ein-
zelnen Stellen durch das ungleiche Wachsthum der Individuen zum
Theil los. |
An Stellen, wo kein Anstrich vorhanden war oder derselbe
weniger Cohärenz und Sprünge zeigte, erhoben sich lineare Krystal-
loide von anscheinend prismatischer Gestalt mit vertical gestreiften
Flächen und faseriger Bildung im Innern (e in der Figur), die auch
‚zum Theil als spitze pyramidale Gestalten (f) erschienen (verjüngte
Krystalle, wie beim Quarz), auf der Oberfläche des Verputzes ver-
einzelt, haarförmig bis zur Dieke einer Schreibfederspule und dar-
über. Dieselben wuchsen langsam, aber im Allgemeinen etwas schnel-
ler als die faserigen Schichten, und krümmten sich zum Theil frei-
willig in freiem Raume des Locales in der Luft, wie gebogene Gyps-
krystalle, welche Krümmungen constant den einmal eingeschlagenen
Weg verfolgten, so dass dergleichen Krystallstengel fortwachsend
(g in der Figur) mit ihrem Anfange wieder den Verputz berührten
und in dieser Stellung selbst noch an Länge zunahmen. Ich beobach-
tete dergleichen Krystalloide bis zur Länge eines Zolles.
Die faserigen Massen zeigten unter starker Vergrösserung
parallele röhrenförmige Hohlräume und gereihte Bläschen, welche
die eng verwachsenen linearen Krystalloide von einander trennten
und nach unten (gegen den Verputz hin) an Ausdehnung zunahmen,
Ich entfernte nun an einigen Stellen die Lage des Anstrichs von
der Oberfläche der faserigen Massen, schnitt dieselben in einem
Flächenraume von zwei Zoll so zu, dass die Oberfläche möglichst
glatt und eben war, und erwartete so das weitere Verhalten. Auf
160 | . Kenngott.
diesen Flächen erhoben sich nur einzelne, lange, haarförmige Kry-
stalle von ansehnlicher Länge (2) und faserige Krystallgruppen (k),
welche sich gewöhnlich an ihren Enden hakenförmig krümmten und
der Anblick dieser Massen mit ihren emporgesprossenen Krystallen
und faserigen Gruppen ist aus dem Durchschnitte 2 ersichtlich. (James
D. Dana beschrieb Seite 188 der vierten Auflage seines System of
mineralogy ähnliche gekrümmte faserige Gruppen linearer Krystal-
loide des Eises, welehe sich an Baumstämmen bildeten und ein
ähnliches Hervorspriessen der Krystalle darstellen.)
Solche einzelne haarförmige Krystalle und faserige Gruppen
emporwachsender linearer Kryställchen von ansehnlicher Länge und
täuschender Gleichheit des Aussehens beobachtete ich an einem
Stücke vitrioleseirenden Markasits, aus dessen Oberfläche viele Kry-
stalle eines weissen Vitriolsalzes ebenso emporstiegen.
71. Nachträgliche Bemerkungen über den Plagionit.
Als Anhang zu den früher von mir beschriebenen und für Wolfs-
bergit gehaltenen Krystallen des Plagionit (siehe die sechzehnte
Folge meiner mineralogischen Notizen in dem Februarhefte des Jahr-
ganges 1855 der Sitzungsberichte der mathem.-naturw. Classe der
kais. Akademie der Wissenschaften), welche sich durch ihre ein-
fache Krystallgestalt auszeichnen, habe ich eine in kugelig-blätteri-
gen Partien vorkommende Abänderung des Plagionit zu erwähnen,
welche gleichfalls für Wolfsbergit ausgegeben wurde. Nachdem sich
nämlich die früher beschriebenen Krystalle als Plagionit erwiesen
hatten, übersandte Herr Dr. Bondi in Dresden zwei eigenthümliche
Druschen an das k. k. Hof-Mineralien-Cabinet, welche ihm gleichfalls
als Wolfsbergit zugekommen waren und über welche er jetzt gleich-
falls Zweifel hegte. Er übersandte sie mit dem richtigen Bemerken, |
dass er etwas Ähnliches von Wolfsberg noch nieht gesehen habe.
Die angestellte Untersuchung liess mich finden, dass die lamel-
laren Krystalloide, welche die kugelig-blätterigen Partien zusammen-
setzen, stark gekrümmt sind, und wo sie deutlicher werden, auch
die von mir beschriebene einfache Combination des Plagionit erken-
nen lassen, und dass dazu die eigenthümliche Streifung sehr viel
beiträgt, wenn man damit die Streifung vergleicht, wie sie von
G. Rose am Wolfsbergit angegeben wurde. Das Aussehen der kuge-
ligen Partien erinnert an gewisse Caleitkugeln, die durch Krystalle
in der Gestalt eines stumpferen Rhomboeders zusammengesetzt
Mineralogische Notizen. 1 61
werden und das Analogon derselben würde für sie die allereinfachste
in der genannten Folge angegebene Combination sein. Dieselbe tritt
jedoch da, wo die einzelnen Krystalle sich erkennen lassen nicht
hervor, sondern man beobachtet nur die dem Titanit ähnliche. Die
Oberfläche der Kugeln ist nicht glatt, sondern der Zusammensetzung
gemäss gekerbt. Vor dem Löthrohre liessen sich die Bestandtheile
des Plagionit mit Bestimmtheit nachweisen. Der Fundort ist Wolfs-
berg am Harz und die Kugeln sind mit Caleit und Quarz verwachsen.
Ein zur Ansicht beigefügtes Exemplar des echten Wolfsbergit
zeigte nur dünne tafelartige Krystalle mit starker Streifung der breiten
Flächen. An den Enden waren sie verbrochen, scheinbar recht-
winkelig gegen die Hauptaxe parallel dem horizontalen Hauptschnitt,
woran man die von G. Rose bestimmte undeutliche Spaltungsfläche
parallel den orthorhombischen Basisflächen erkennen konnte.
8. Eine dem Serpentin ähnliche Pseudomorphose
des Diopsid.
Von dem k. k. Rechnungs-Officialen Herrn L. Kaczvinsky
erhielt ich zur Bestimmung ein Exemplar eines sogenannten krystallisir-
ten Serpentin angeblich aus China stammend und einen losen Krystallvon
gleicher Beschaffenheit. Die Untersuchung ergab, dass diese dem Ser-
pentin sehr ähnlichen Krystalle umgewandelte Krystalle des Diopsid
sind, wie derselbe als Abänderung des Augit in blassgrünen am Ende
auskrystallisirten Krystallen im Alathale in Piemont und an anderen
Orten vorkommt. Die bezüglichen Krystalle mögen auch, dem Ganzen
nach zu schliessen, aus dem Piemontesischen, nicht aus dem Chinesi-
schen stammen. Die Combination ist oo Poo . (oo Poo).coP mit einer
vorderen und einer hinteren Hemipyramide und anderen Flächen in
Spuren. Spaltbarkeit ist nicht mehr zu bemerken und der Bruch ist
uneben. Unrein pistaziengrün und durch eingewachsene fremdartige
Theile gelblich gefleckt, schwach wachsartig glänzend, trüb durch-
scheinend. Härte = 2:5 — 3°0. Milde, im Striche grau. Speeifi-
sches Gewicht — 2°801. Fast fettig anzufühlen.
An dem Stücke, welches die Krystalle aufgewachsen zeigt,
bemerkt man auf dem Gemenge von Aktinolith und Caleit, welches
die gemeinschaftliche Unterlage bildet, noch ein zweites Umwand-
lungsproduet als neuere Bildung, nämlich als Überzug kleine
Partien eines stalaktitischen kugelig-nierenförmigen Minerals, wel-
ches am meisten an den Dermatin erinnert. Es ist licht graulichgelb
Sitzh. d. mathem.-naturw. Cl. XVI. Bd. I.Hft. 11
162 Kenngott.
und gelblichbraun gefärbt, an der Oberfläche wachsartig glänzend,
durchscheinend und etwas fettig anzufühlen. Die Härte ist — 2:5 und
es ist gleichfalls milde. i
9. Über den Enstatit, eine neue Species in dem
Geschlechte der Augit-Spathe. |
Gleichzeitig mit der dem Serpentin ähnlichen Pseudomorphose
des Diopsid, welche oben (unter Nr. 8) beschrieben worden ist,
erhielt ich von dem k. k. Rechnungs-Offieialen, Herrn L. Kaez-
vinsky ein kleines Stück zur Bestimmung, welches gleichfalls ein
körnig-krystallisirter Serpentin in derbem aus China sein sollte. Das
Aussehen des dichten Minerals, in welchem die Krystalle eingewach-
sen waren, sprach unzweifelhaft dafür, dass es ein Serpentin sei,
obgleich es auch nicht der Fall war, wie ich weiter unten besprechen
werde, sondern eine eigene Species, der Pseudophit. Die in dem
diehten Minerale aber eingewachsenen Krystalle hatten nicht die
geringste Ähnlichkeit mit Serpentin, sondern erinnerten im ersten
Augenblicke an Skapolith, wozu noch die rechtwinkelig vierseitigen,
scheinbar quadratischen Gestalten des Querbruches der linearen Kry-
stalle, die Farbe und der Glanz beitrugen. China erschien mir auch
als problematisches Vaterland, und ich salı desshalb unter den Ska-
polithen in den Sammlungen des k. k.Hof-Mineralien-Cabinetes nach,
ob sich nicht ein gleiches Mineral vorfände. Ich war auch bald so
glücklich, in der Reservesammlung, unter der Etiquette: glasiger
Skapolith im edlen Serpentin vom Berge Zdjar in Mähren, ein iden-
tisches Stück zu finden, hörte von dem Mineralienhändler Herrn Dr.
Bader, dass der Fundort ganz richtig sei, da er selbst früher
reichliches Material dieses Skapolith im Serpentin gehabt, und fand
auch in dem Werke des Herrn Professor F. A. Kolenati (die
Mineralien Mährens und österreichisch Schlesiens , deren Fundorte
und ökonomisch-technische Verwendung, Brünn 1854), auf Seite 41,
unter Skapolith, dass Skapolith in gegliederten, discordant gelagerten
Stangen, eingewachsen im Serpentin vom Berge Zdjar bei Aloysthal
angegeben war. Zur weiteren Vergleichung und Untersuchung erhielt
ich auch noch zwei Exemplare aus den Sammlungen der k.k. geolog.
Reichsanstalt und durch meinen geehrten Freund, den k. k. Militär-
Verpflegs-Verwalter Herrn Schmidt in Brünn, zwei Exemplare aus
dortigen Sammlungen zugesendet, so dass mir nun hinreichendes
Material dieses schönen mährischen Minerals zu Gebote stand.
er
Mineralogische Notizen. 163
Auf den Anschein hin, dass das Mineral Skapolith wäre, wofür
es seit langer Zeit ausgegebenund in die Sammlungen übergegangen
war, prüfte ich einen kleinen Splitter vor dem Löthrohre und fand
zu meiner Überraschung, dass das Mineral fast unschmelzbar war
und sich bei starkem Feuer an den Kanten nur ein wenig abrundete,
dass es mit Kobaltsolution befeuchtet und geglüht nicht blau wurde,
dass es in Salzsäure nicht löslich war und bei Anwendung selbst
feinen Pulvers und langem Kochen in der Säure keine Spur von
Kalkerde sich zeigte. Hieraus und weil es scheinbar in Serpentin
eingewachsen war, schloss ich, dass es vielleicht ein Skapolith sein
könnte, der anstatt Kalkerde Talkerde enthielte und übergab somit
dem k. k. Hauptmann Herrn Karl Ritter v. Hauer wohl ausgesuchtes
Material zur analytischen Bestimmung, so wie auch gleichzeitig von
dem dichten Minerale, dem scheinbaren Serpentine, dem nunmehri-
gen Pseudophit, und er übernahm die Untersuchung mit gewohnter
freundlicher Bereitwilligkeit.
Inzwischen setzte ich meine Untersuchungen fort und als-ich das
Resultat der Analysen erfuhr , trafen meine Untersuchungen mit den
erhaltenen Resultaten zusammen und es zeigte sich, dass das frag-
liche krystallisirte Mineral kein Skapolith, auch kein talkerdehaltiger
sei, sondern dass es ein Augit-Spath ist, das Analogon des W ollasto-
nit, das Bisilikat der Talkerde, 3Mg0.2Si0,, welches somit als
eigene Species constatirt wurde. Die Eigenschaften dieses von mir
mit dem Namen Enstatit belegten Minerals sind nun nachfolgende:
Es findet sich krystallisirt in langen eingewachsenen linearen
Krystallen, welche so fest eingewachsen sind, dass sie sich äusserst
schwierig aus der Grundmasse heraus trennen lassen und viel eher
zerbrechen. Selten gelingt es, ein Krystallstück so herauszulösen,
dass dessen Flächen ringsum sichtbar sind. Hiermit sind aber nur die
Flächen in der verticalen Zone gemeint, welche für die eines quadrati-
schen Prisma gehalten wurden; Endflächen waren an keinem der
Stücke zu erhalten. Der Grund der schwierigen Trennbarkeit und
der unvollkommenen Ausbildung äusserer Krystallflächen liegt in dem
sicher grossen Widerstande, welchen die Krystalle bei ihrer Bildung
innerhalb der Masse fanden, wie man aus dem Ganzen ersieht.
Die linearen Krystalle sind nämlich, worauf sich auch der von
Herrn Professor Kolenati gebrauchte Ausdruck „gegliedert“
bezieht, häufig an mehreren Stellen quer durchgebrochen und die
11* |
164 u Renhiebikt,
Bruchstücke etwas verschoben, wodurch ein gewissermassen geglie-
dertes Aussehen erzeugt wird. Die durch die Verschiebung entstan-
denen Zwischenräume sind mit der damals noch weichen Grundmasse
ausgefüllt worden, so dass die Krystalle, da ohnehin noch die nächste
Umgebung um die ganzen Krystalle in dem Bereiche des Contactes
etwas dunkler erscheint, und die Krystallstücke wie dunkel umsäumt
in der lichten grünen Masse liegen. Diese dunklere Umsäumung, eine
scheinbare, aber doch nicht wirklich verschiedene und von der Grund-
masse getrennte Hülle der Krystalle ist sehr schmal, und man könnte
diese durch die Färbung unterschiedene Schicht bei der natürlichen
Grösse der Krystalle (2 — 6 Millimeter dick und 4 — 6mal so
lang) etwa mit einem dicken Federstrich vergleichen, den man um
die Krystalle herumzöge, um sie in ihrem Umrisse zu bezeichnen.
_ Die durch das Verschieben der Bruchstücke der geknickten Krystalle
entstandenen und durch die Grundmasse ausgefüllten Zwischenräume
sind oft über ein Millimeter breit und die Querbrüche bald rechtwin-
kelig bald schiefwinkelig gegen die Hauptaxe, was vielleicht nur
von der verschiedenen Ansicht bei verschiedener Lage herrührt.
Man erinnert sich hierbei an die geknickten Beryll- und Turma-
linkrystalle und kann sich recht gut vorstellen, dass die Enstatitkry-
stalle in einer weichen breiartigen Masse sich bildeten und als lange
lineare Krystalle durch irgend welche Bewegung in der weichen
Masse geknickt und die Bruchstücke etwas verschoben wurden, dass
aber die Grundmasse noch immer weich genug war, um die Lücken
' in continuo auszufüllen. Die dunklere Farbe im Contact ist nicht
auffallend und man findet sie oft bei Krystallen, welche fest einge-
sehlossen sind.
Die Flächen der verticalen Zone entsprechen den Flächen des
Augitgeschlechtes, als klinorhombische Quer- und Längsflächen, wel-
che rechtwinkelig gegeneinander stehen und zu der Deutung quadrati-
scher Prismen Veranlassung gaben. Dass es aber die klinorhombischen
Quer- und Längsflächen wirklich sind, zeigt ausserdem die Spaltbar-
keit, indem die Krystalle deutlich spaltbar parallel den Flächen des
klinorhombischen Prisma von nahezu 87° sind, ausserdem auch noch
Spaltungsflächen parallel den Quer- und Längsflächen selbst bemerk-
bar sind. Der Unterschied der Spaltbarkeit ist für die zweierlei Flä-
chenpaare wenig verschieden, in beiden Fällen aber die Spaltbarkeit
sehr nachstehend der deutlichen Spaltbarkeit parallel den Prismen-
Mineralogische Notizen. 165
flächen. Man kann nur durch jene schwach das Bild eines Kerzen-
lichtes wahrnehmen, während man auf den Spaltungsflächen parallel
den Prismenflächen ziemlich deutliche Bilder äusserer Gegenstände
erhält, die noch deutlicher wären, wenn nicht ein gewisses Zerrissen-
sein und faseriges Aussehen in der Längsrichtung der Spaltungsflächen,
wahrscheinlich die Folge der mehrfachen Spaltbarkeit, wie man es bei
dem Skapolith und Wollastonit auch sieht, die Deutlichkeit hinderte.
Die Krystalle des Enstatit sind graulichweiss, zum Theil etwas
gelblich oder grünlich, der glasartige Perlmutterglanz ist auf den
vollkommenen Spaltungsflächen ziemlich stark, die Krystallflächen
selbst sind aber matt oder schimmernd, wie man es bei dem festen
Verwachsensein nicht anders erwarten kann. Halbdurchsichtig bis
an den Kanten durchscheinend, in kleinen Spaltungsstückchen fast
durehsichtig und farblos. Strich weiss; spröde. Härte = 5°5. Speci-
fisches Gewicht = 3:10 — 3:13.
Vor dem Löthrohre ist das Mineral, wie schon oben angegeben
wurde, für sich fast unschmelzbar, es wird weiss und undurchsichtig
und rundet sich an den Kanten etwas ab und erlangt, unter der Loupe
betrachtet, an diesen Stellen das Aussehen eines weissen emailartigen
Überzuges. Mit Kobaltsolution geglüht erscheint keine blaue Farbe.
In Salzsäure ist der Enstatit nicht löslich, auch bei Anwendung des
Pulvers konnte ich keine Löslichkeit bemerken.
Wegen der Beharrlichkeit vor dem Löthrohre habe ich den
Namen Enstatit gewählt, von dem griechischen Worte &vorarns,
der Gegner, um dadurch auf den wesentlichen Gegensatz in Rücksicht
auf die anderen Augit-Spathe hinzudeuten und das Merkmal hervorzu-
heben, durch welches es sich so leicht von dem Skapolith unterschei-
det, mit dem es verwechselt wurde.
Herr Karl Ritter v. Hauer fand in 100 Theilen nachfolgende
Bestandtheile:
1: 2.
56-91 57-28 Kieselsäure,
2:50 | Thonerde,
Sn 0 Eisenoxydul,
35 AA 3625 Talkerde,
0.41 s als Verlust beim Erwärmen bis 100° C.
i Wasser‘
1.51 " als Verlust beim Glühen.
166 Kenngott,
Die Zerlegung geschah mittelst kohlensauren Natrons. Nach
dem Glühen zeigt das gepulverte Mineral eine lichtbraune Färbung.
Von Kalkerde war keine Spur vorhanden. Die geringe Menge Thon-
erde und Wasser rührt, wie die unten angegebene Analyse des Pseu-
dophit zeigt von demselben her, da es nicht möglich war, denselben
gänzlich davon zu trennen.
Die Berechnung ergibt nachfolgende Äquivalentverhältnisse::
12-563 Kieselsäure, oder 2'000 oder 2
0'486 Thonerde, 0:077
0'767 Eisenoxydul,
17:720 Talkerde, | 18:487 u 3
1'677 Wasser, 0:269
woraus die Formel 3MgO . 2Si0, hervorgeht.
Der in das Geschlecht der Augit-Spathe gehörige Enstatit (dei
gleiche meine Bearbeitung des Mohs’schen Mineralsystems, Seite 69)
bildet somit ein neues Glied dieses schönen und in sich so vielfach
gegliederten Geschlechtes, welches sich durch die allgemeine Formel:
3RO.2SiO, (den Akmit ausgeschlossen) darstellen lässt und sich
wesentlich durch die vier Basen: die Kalkerde, die Talkerde, das
Eisenoxydul und das Manganoxydul in isomorphen einfachen und
zusammengesetzteren Verbindungen auszeichnet, zu denen sich noch
selten das Natron und das Zinkoxyd gesellt.
Durch den Enstatit ist es gestattet, ein übersichtliches Schema
zusammenzustellen, welches die Verbindung aller Glieder auf das
Deutlichste darstellt und wo die mineralogische Abgrenzung der ein-
zelnen Species durch den Wechsel der vikarirenden Stoffe einerseits
bestimmt, andererseits erschwert wird, wenn drei oder vier, selbst
fünf Basen zusammentreten. Ich glaube, dass das beigegebene Schema
dazu dient, zu zeigen, welche Species und wie sie zu unterscheiden
sind, und dass die Wahl, wohin man einzelne Augit-Spathe zu setzen
habe, nieht schwierig ist. Um die Übersicht des Schema zu erleich-
tern, habe ich die Schreibweise der Formeln gewählt, welche den
Sauerstoff durch Punkte ausdrückt, und das Schema gestaltet sich
nun folgendermassen ;
Mineralogische Notizen. 167
Wollastonit Diopsid Enstatit
Ben ....., EN SER Mg: Sie
’ Ca3 2
lg Si? =
° Fe3 x
&- 3 Augit Er
20a3) &., o Ca® Se, Mg> =
Sina R Te: j iv} a
= s # us =“
Es Ca: R = 5
e. Mn3? Si?
© Fe3
2
=. Jeffersonit ;
N 3
Base nn | STAR URIRL Ar. BE Res Si?
e3
Rhodonit Fowlerit Grunerit
Vier Species, der Wollastonit .. = 3Ca0 .2Si0,
s Enstatlt..... —= 3Mg0 ..2Si0,
„ Grunerit.... = 3FeO .2Si0,
„ Rhodonit.... = 3MnO .2Si0,
bilden gleichsam die extremsten Glieder des Geschlechtes und die
übrigen Species erscheinen als Mischlinge dieser vier Glieder. Durch
das Auftreten von zwei verschiedenen Basen in der Zusammen-
setzung lassen sich wieder, so weit es bekannt ist, fünf Haupttypen
unterscheiden, wobei auf geringe Mengen der anderen vikarirenden
Bestandtheile nicht Rücksicht genommen wurde und es bilden
der Diopsid...... — 3Ca, Mg0.2Si0,
„ Hedenbergit... = 3Ca, Fe0.28Si0,
"oBustamit”. ..". — 8Ca, MnO. 2Si0,
„ Hypersthen ... = 3Mg, FeO.2Si0,
Stkowlerit.o... — 3Fe, MnO.2Si0,
die entsprechenden Mittelglieder, in denen auch einzelne Vorkomm-
nisse aufgenommen werden müssen, wo andere Bestandtheile in unter-
geordneten Mengen eintreten, um nicht ohne Grund die Anzahl der
Species zu vermehren. Es können hierbei freilich Fälle eintreten,
wo von den beiden basischen Hauptbestandtheilen der eine bedeutend
168 Kenngott.
zurücktritt, diese Übergänge sind dann nothwendigerweise den
Hauptgliedern einzuverleiben. Zwei derartige Übergänge wurden,
weil sie als solche eigends getrennt worden sind, beispielweise bei-
gefügt, der Bronzit und der Pajsbergit, dieselben entfallen aber als
eigene Species und werden nur denjenigen Species beigesellt, der
sie entsprechend der Berechnung am nächsten stehen.
Durch das Zusammentreten von mehr als zwei Basen in entspre-
chender Menge können nun mehrere Mischlinge hervorgehen und von
diesen wurden zwei wesentliche hervorgehoben,
der Augit — 80a, Mg, FeO . 2Si0,
„ Jeffersonit = 3Ca, Mn, FeO . 2Si0;,
ohne dass desshalb in jenem das Manganoxydul, in diesem die Talkerde
ausgeschlossen sind. Die Analysen des Jeffersonit haben auch Zink-
oxyd ergeben, doch gehören unter diese Gruppe auch andere Augit-
Spathe, die man nicht Jeffersonit genannt hat, die aber die angeführ-
ten der Bestandtheile als wesentliche enthalten, und hiernach glaube
ich, ist die Trennung dieses Gliedes am zweckmässigsten zu
gestatten.
Minerale, welche man als Diallag, Diaklasit, Schillerspath, Mala-
kolith u. s. w. trennte, gehören ihren Bestandtheilen gemäss in eine
der obigen Gruppen und sind als eigene Species, namentlich, wenn
eine beginnende Veränderung ihres Zustandes einzelne Eigenschaften
verschieden erscheinen lässt, nicht zu trennen, den Nephrit hat man
dann füglich als einen dichten Diopsid oder Augit aufzufassen. Der
Breislakit scheint sich dem Fowlerit anzuschliessen, da Chapm an
neben der Gestalt des Augit in dem Silikate als die wesentlichen Basen
Eisen- und Manganoxydul hervorhebt. |
Eine eigenthümliche Reihe würde der Aegyrin beginnen, welche
neben Eisenoxydul noch Natron enthält. Seine Zusammensetzung
scheint bis jetzt der Formel 3Fe, Na0.2SiO, zu entsprechen und
seine übrigen Eigenschaften machen es nothwendig, ihn in das
Geschlecht der Augit-Spathe zu stellen. In Hinblick auf das obige
Schema eröffnet der Aegyrin eine neue Reihe von Silikaten und es
dürften sich in dieser oder in einer anderen Richtung noch mehr
Species auffinden, welche den Umfang des Geschlechtes bezüglich
der basischen Bestandtheile erweitern. Dem Aegyrin am nächsten
steht dann der Akmit, dessen chemische Formel aber noch bezüglich
Mineralogische Notizen. 169
des Eisenoxyduls bei der Übereinstimmung in den Gestalten
der Aufklärung bedarf. Dieselbe aber macht es trotzdem möglich,
ihn, wie es am passendsten erscheint, als Augit-Spath in dem
Systeme einzureihen.
Bei den verschiedenen Ansichten über den Begriff der Mineral-
species dürfte es leicht Mineralogen geben, welche mehr, andere
welche weniger Species aufstellen möchten, als hier in dem Augitge-
schlechte aufgestellt worden sind, je nachdem es ihre Ansichten er-
heischen. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass man da, wo vika-
rirende Bestandtheile vorhanden sind, mit grosser Vorsicht ein zu viel
und zu wenig vermeiden muss, um nicht völlig ineonsequent gegen-
über anderen Species zu werden. Je mehr dergleichen Gruppen eng
zusammengehörender Species aufgefunden werden, wozu die jährlich
steigende Anzahl der Species beiträgt, um so richtiger werden wir in
der Folge beurtheilen können, wie weit der Umfang einer jeden Spe-
cies grundsätzlich ausgedehnt werden kann und werden dafür allge-
meine Regeln aufzustellen im Stande sein. Es ist dabei durchaus nicht
immer nothwendig, dass, wie bei den Alaun-Salzen, den Epidot- und
Amphibol- Spathen, den Granat- und Spinell-Skleriten und anderen,
alle derartigen isomorphen Glieder, welche unter dieselbe allgemeine
chemische Formel fallen, in dasselbe Geschlecht gehören, dessen
ungeachtet, wird aber die Wahl der Mittelglieder, wie sie oben vor-
genommen wurde, die zweckmässigste Vertheilung der einzelnen
Vorkommnisse in besondere Species nach sich ziehen und es wird
weder genügen, alle unter einer allgemeinen Formel stehende in eine
Species zu vereinen, noch zweckmässig sein, so viele Species aufzu-
stellen, als specielle Formeln möglich sind, in denen die Mengen
der vikarirenden Bestandtheile gegenseitig durch Zahlenverhältnisse
abgegrenzt werden.
Zur Vergleichung mit obiger Gruppirung und zum Beweise, wie
zweckmässig die Wahl der Mittelglieder ist, dient zum Beispiel die
Reihe rhomboedrisch-krystallisirender Biearbonate, indenen dieselben
Basen wie oben vorkommen. Sie unterscheiden sich nur dadurch,
dass sie nicht in ein Geschlecht, ja nicht einmal in eine Ordnung
gehören. Die bezüglichen Mineral-Species sind folgende:
170 Kenngott.
Magnesit Mesitin Siderit Monheimit Smithsonit
Ne Fe
Meter... ie | BR Le RER NN u en Zr
S C Di F &
= ya ‘e r e ==
Sigg © Nin ( ie
- Mg =
j Ankerit
IESRU NER NEE Mn
Caleit Rhodochrosit
10. Über den Pseudophit, eine neue Species in
dem Geschlechte der Serpentin-Steatite.
Die so eben beschriebenen Krystalle des Enstatit vom Berge
Zdjar bei Aloysthal in Mähren sind, wie bereits erwähnt worden
ist, in einem dichten grünen Minerale eingewachsen, welches dem
Aussehen nach für Serpentin gehalten wurde und in der That mit
demselben die überraschendste Ähnlichkeit hat. Der Zufall wollte es,
dass ich es für gut fand, reines Material desselben auszusuchen, um
es von Herrn Karl Ritter von Hauer analysiren zu lassen, obgleich
ich selbst nicht daran dachte, dass es etwas anderes als Serpentin
sei. Um so mehr überraschte das Resultat der Analyse, weil es eine
grosse Verschiedenheit von dem Serpentin zeigte. Herr Karl Ritter
von Hauer nämlich fand in 100 Theilen nachfolgende Bestand-
theile:
15 2.
33.51 3333 Kieselsäure,
Rfen: Thonerde,
2.58 1803 isenozydl
34-41 3367 Talkerde,
0-46 » Wasser bei 100° C.
2735 1261, }als EEE! | beim Glühen,
Die Zerlegung geschah mittelst kohlensauren Natrons. Von
Kalkerde wurde keine Spur gefunden.
Die daraus berechneten Äquivalentverhältnisse sind folgende;
7397 Kieselsäure, 2-466 oder 4'932 oder 5
3'000 Thonerde, 1 2 2
0:717 Eisenoxydul, daie) ala
17-205 Talkerde, bar 22 5974 11 12
14'166 Wasser, 4122 9-AAA 9
Mineralogische Notizen. 171
ie zweckmässigste Art, die erhaltenen
42Mg0 9HO 241,0, 380,
zu verbinden, um eine Formel aufzustellen, ist wohl folgende :
1(Mg0.HO) 2(HO.AIl,O,) 5(MgO.SiO,),
wodurch die einfache Formel |
5[MgO.HO + MgO.Si0,] + 2[MgO.HO + HO.AI,O, |
hervorgeht.
Wegen der grossen Ähnlichkeit mit dem Serpentin habe ich
nun dieses Mineral Pseudophit genannt (Ophit gleichbedeutend
mit Serpentin), um diese Ähnlichkeit und die Verwechslung mit Ser-
pentin auszudrücken. Es gehört diese Species in das Geschlecht der
Serpentin-Steatite (siehe meine Bearbeitung des Mohs’schen Mine-
ralsystems, Seite 44) und wird seine passendste Stelle neben dem
Piotin erhalten, welcher sich wie der Saponit durch seinen Thon-
erdegehalt neben Talkerde, Kieselsäure und Wasser auszeichnet.
Die übrigen Eigenschaften dieses Minerals sind folgende:
Das Mineral ist unkrystallinisch und dicht, mit unvollkommen
muscheligem Bruche im Grossen und splitterigem Bruche im Kleinen,
die Bruchstücke sind nicht scharfkantig. Hin und wieder sieht man
unter der Loupe kleine glänzende Schüppchen, welche auf eine sehr
geringe Beimengung eines glimmerigen Minerals hindeuten, deren
Menge aber verschwindend ist.
Die Farbe ist ein grauliches Oliven- bis Pistaziengrün, mehr
oder weniger dunkel.
Die Stücke sind an den Kanten, und wenn sie klein sind, ganz
durchscheinend.
Glanz ist nicht vorhanden, das Mineral ist matt oder wenig
schimmernd. Milde, fein anzufühlen, fast etwas fettig; Strich weiss.
Härte = 2:5. Speeifisches Gewicht = 2:75 — 277.
Vor dem Löthrohre wird es für sich weiss oder gelb, und ist
unschmelzbar. Im Glaskolben erhitzt gibt es ziemlich reichlich
Wasser. In Salzsäure nur unvollkommen löslich, da grössere Stück-
chen selbst in concentrirter tagelang fast unverändert bleiben und das
Pulver auch nur langsam zersetzt wird, keine Kieselgallerte bildend,
‘sondern ein weisses Kieselpulver zurücklassend.
172 Kenngott.
11. Über den Isomorphismus des Zinkoxydes (des
Zinkit) und des Schwefelkadmium (des Grenockit).
Nachdem dureh die nicht mineralogischen Krystalle des Zink-
oxydes die krystallographischen Verhältnisse dieser Verbindung,
welche auch als Mineral vorkommt, richtig erkannt worden waren, so
liessen sich ihre Gestalten mit denen anderer analoger Verbindungen
vergleichen, zumal dieselben insofern die Aufmerksamkeit erregen
mussten, weil sie nicht tessularisch sind. G. Rose machte in seinem
krystallo-chemischen Mineralsysteme S. 65 darauf aufmerksam, dass
der Endkantenwinkel einer hexagonalen Pyramide in normaler Stellung
1270 40—43' beträgt und mit einem analogen Winkel bei dem
Korund so nahe übereinstimmt, dass der Unterschied nur 20’ beträgt.
Er hob desshalb diese Übereinstimmung des Zinkoxydes, eines ein-
atomigen Oxydes, mit dem Korund,einem Sesquioxyde als sehr merk-
würdig hervor und betrachtete sie als einen derjenigen Fälle, die
wir nach unseren jetzigen Theorien nicht erklären können und mit
allen ähnlichen im Auge behalten müssen, um eine Erklärung dafür
zu finden.
| So riehtig diese Bemerkung an sich ist, wenn man wegen der
nahen Übereinstimmung des betreffenden Winkels den Zinkit und
Korund für isomorph hält, so glaube ich doch, dass man auf diese
Übereinstimmung, selbst wenn sie noch näher läge, keinen so gros-
sen Werth zu legen hat, und dass man keinen Fall des wirklichen
Isomorphismus vor sich hat. Wir finden bisweilen bei verschieden-
artigen Verbindungen übereinstimmendeKrystallgestalten und können
dann diese Übereinstimmung wohl kaum höher anschlagen, als wenn
wir verschiedenartige Verbindungen tessularisch krystallisirt finden.
Bemerkenswerther scheint mir der Umstand zu sein, dass das Zink-
oxyd mit seinen hexagonalen Krystallgestalten ein Beweisstück mehr
für die übereinstimmenden Verhältnisse ist, welche sich bei gewissen
binären Verbindungen der einfachsten Art zeigen.
Der Isomorphismus und Dimorphismus (oder allgemeiner der
Polymorphismus) haben uns schon vielfache Aufklärung gegeben und
jetzt, wo man die Krystallographie in der Ausdehnung an Krystallen
überhaupt, mineralischen und nicht mineralischen (den fälschlich
künstlichen) betreibt, wie es die Wichtigkeit des Gegenstandes
erfordert, haben wir noch öftere zu erwarten. So zeigt sich auch
hier, dass das Zinkoxyd mit seinen hexagonalen Gestalten kein ver-
Mineralogische Notizen. 173
einzelter Fall ist, sondern dass dasselbe in eine Gruppe gehört, in
welcher wir schon das richtige Verhältniss ahnen konnten. Wir fin-
den von den Elementen beginnend in allen Verbindungsstufen krystal-
lographische Verhältnisse im Einklange mit den chemischen und
können bereits die Beispiele des Isomorphismus in reichlicher
Anzahl aufführen, nebenbei aber finden wir auch von den Elementen
beginnend in allen Verbindungsstufen Beispiele des Dimorphismus,
seltener des Isodimorphismus, welche aber auch nicht dem blossen
Zufalle zugerechnet werden können, sondern ihre Begründung finden
müssen.
Die binären Verbindungen in dem einfachsten Verhältnisse
zeichnen sich durch die tessularischen Gestalten aus und der Iso-
morphismus ist hier durchaus nicht zu verkennen. Es ist schon eine
grosse Anzahl dieser tessularischen Krystallspeeies bekannt und
mehrere finden sich als Mineralspecies vor. Ausihrer Zusammen-
stellung
KF KCl KBr K)
NaF NaCl NaBr NaJ
AmCl AmJ
LiF LiCl
CaF
MsO
uUcl Uo
FeCl FeO FeS
MnS
NiO
CdO
ZoJ ZnS
PbJ PbO PbS PbSe PbhTe
AgCl AgBr Ags AgSe
HgS HgSe
Cu,Cl Cu,0 Cu,S
lässt sich wohl der Schluss ziehen, dass alle binären Verbindungen
der einfachsten Art, welche durch die Elemente Te, Se, S, 0; J,
Br, Cl, F
mit den Metallen (und dem gleichgeltenden Ammonium und dem Dop-
peltkupfer,
K, Na, Am, Li; Ba, Sr, Ca,Mg; U, Ni, Co, Fe, Mn, Cr; Sn, Cd,
Zn, Ti; Pb, Ag, Hg, Cu, und anderen
gebildet werden, tessularisch krystallisiren können und als isomorphe
Stoffe und Verbindungen, namentlich innerhalb gewisser Gruppen
auch als vikarirende Bestandtheile zu gelten haben.
174
Kenngott.
Viel seltener treten diese Verbindungen in hexagonalen Krystall-
gestalten auf, nachweisbar
NiS, FeS, CdS, ZnO, PbJ, HgS
und unter diesen sind FeS, CdS, ZnO, welche einen Isomorphismus
nachweisen und im Vergleiche mit den tessularisch krystallisirenden
Verbindungen
FeO, FeS, CdO, ZnS
den Isodimorphismus, welcher möglicherweise durchgängig bestehen
kann, deutlich hervortreten lassen. Wenn wir übersichtlich die bis
jetzt bekannten Krystallgestalten der drei Species: FeS (Pyrrhotin),
CdS (Grenockit) und ZnO (Zinkit) zusammenstellen, so zeigen sich
zufolge der bisherigen Bestimmungen nachfolgende Resultate.
FeS Cds ZnO
oP beob. beob. beob.
op ” ” ”
oP2 a nicht beob. Mn
P 126° 5% ; 125052’ 1270 26’; 1240 37° 1270 32’ ; 1240 16
pP nicht beob. nicht beob. 1350 56° ; 97014
2.24. 44382.36/5 3909071390 394 1872 33) nicht beob.
=P nicht beob. nicht beob. 1440 54; 740 10'
ip “ 1550 29’ ; 509 56’ nicht beob.
ıP 170034, 180 56 nieht beob. *
ıp nicht beob. N 1230 20’ ; 1430 207
ıP 121028 ; 1550 48 5 nicht beob.
P2 1289 40' s 120° 0 » B2)
parallel oP vollkommen unvollkommen deutlich spaltbar.
„ Vico 2” weniger deutlich deutlich wen. deutl. „
Ausserdem ist es auch bekannt, dass Schwefelkadmium wie
Schwefeleisen als vikarirende Bestandtheile für Schwefelzink, bei-
spielsweise in der Species der Blende selbst vorkommen, so wie um-
gekehrt auch die Oxyde als gegenseitige Stellvertreter beobachtet
werden. Der Isodimorphismus ist daher gewiss ausser allem Zweifel
gestellt und es kann bei unserer verhältnissmässigen beschränkten
Kenntniss der krystallographischen Verhältnisse nicht auffallen, dass
Schwefelkadmium und Zinkoxyd hexagonal, Kadmiumoxyd und
Schwefelzink tessularisch krystallisiren, sondern es muss gerade
dieses wechselweise Vorkommen bei ohnehin übereinstimmenden
Gestalten und bei dem bekannten Vikariren in anderen Verbindungen
der Beweis sein, dass Isodimorphismus hier obwaltet.
Mineralogische Notizen. 175
Nachträglich ist hier anzuführen, dass Desceloizeaux (Ann.
d. chim. et d.phys. XL, 85) die Angaben Dufr&noy’s (vergl. meine
Übersicht der Resultate min. Forsch. 1853, 44) bestätiget hat, dass
der eitronengelbe Jodit aus Chili hexagonal und isomorph mit
Greenockit krystallisirt. Proben von Chanareillo in Chili, schwefel-
gelbe, durchsichtige, im Bruche demantartig glänzende, parallel oP
sehr leicht spaltbare Krystalle liessen ausser oP und ooP die hexa-
gonalen Pyramiden 2? = 122° 12’ und 150° 14
Pi= 1279.36! .,,.,1240%. 0
pP = 1550 26),..,.,.50022'
finden. Ausserdem fand J. L. Shmith (Sillim. Amer. Journ. XVII,
374), dass der Jodit aus Chili = AgJ ist, wonach sich diese
Species als isomorphe den obigen drei angeführten anreiht.
12. Notiz über eine Zwillingsbildung des Caleit.
In einem Stücke dichten grauen Caleits, welcher im wilden
Anger am Salzberge bei Hall in Tirol in einer Höhe von 6000 Fuss
vorkommend gefunden wurde, woselbst dieser durch seine eigenthüm-
liche oolithisch-knollige Bildung im Grossen auffällt und desshalb von
Escher von der Linth Riesenoolith genannt wurde, finden sich
kleine unregelmässige Drusenräume, besetzt mit sehrkleinen farblosen
und durchsichtigen Krystallen von Caleit. Dieselben bieten ein Beispiel
von Zwillingsbildung dar, wie man es sonst nicht zu sehen gewohnt
ist, wenn auch das Gesetz der Zwillingsbildung ein bekanntes ist.
Auf den ersten Blick erscheinen die kleinen aufgewachsenen
und aufliegenden Krystalle als spitze trigonale Pyramiden, deren
Endecken durch die Flächen einer sehr stumpfen trigonalen Pyra-
mide in gleicher Stellung dreiflächig zugespitzt sind, die Flächen der
letzteren gerade auf die Flächen der ersteren auf-
gesetzt, wie die beifolgende Figur angibt.
Genauer betrachtet, namentlich unter der
Loupe sieht man eine sehr stumpfe Kante in der
Mitte der Paralleltrapeze, welche die Flächen der
vorherrschenden Gestalt bilden, wie dieselbe an
der Figur durch die langgestrichelten Linien an-
gedeutet ist, so dass die trigonale Pyramide
zur ditrigonalen Pyramide wird, deren über den
Flächen der trigonalen liegende Flächenpaare einen sehr stumpfen
Winkel bilden.
176 Kenngott.
Da die ditrigonalen, so wie die trigonalen Pyramiden am Caleit
nicht vorzukommen pflegen, so würde man sich die Erscheinungs-
weise dieser Krystalle so erklären müssen, dass Zwillinge der
bekannten Art (zwei Skalenoeder mit gemeinschaftlicher Hauptaxe
und Basisfläche, so zur Hälfte in einander verwachsen und das eine
um 1/, seines Umfanges um das andere herumgedreht, dass drei
abwechselnde stumpfe vierkantige Ecken und drei abwechselnde ein-
springende Ecken entstehen) so verwachsen sind, dass von den
beiden Skalenoedern noch weniger als die Hälften da sind, und somit
die drei abwechselnden einspringenden Ecken verschwinden, und
durch drei spitze symmetrische vierkantige Ecken ersetzt werden.
Auf diese Art werden die rhomboedrischen Zwillinge zu trigonalen
und die skalenoedrischen Zwillinge zu ditrigonalen Pyramiden.
Dass nun die oben angegebenen Krystallgestalten wirklich der-
artige Zwillinge sind, dies zeigt deutlich der eine aufliegende Kry-
stall, welcher gerade so aufliegt, dass man eine der drei abwechseln-
den stumpfen symmetrisch-vierkantigen Ecken sehen kann. Man
bemerkt daselbst, wie auch in der Figur durch die gestrichelten
Linien es ferner angedeutet ist, eine Fläche, welche an jedem ein-
zelnen Skalenoeder als die eines sehr spitzen Rhomboeders auftreten
würde, aufgesetzt auf die stumpfen Endkanten und die Seitenecken
schief abstumpfend. Ein geringes Hervortreten der besagten Flächen
unterstüzt durch eine sichtliche Ungleichheit der beiden Individuen
in der Grösse bringt eine geringe Verschiebung der Theile, ein
Übereinandergreifen an dieser Ecke hervor und die Combinations-
kanten des Rhomboeders mit dem Skalenoeder lassen sich unter der
Loupe als sehr stumpfe, jedoch deutlich erkennen.
Wäre diese Fläche an allen stumpfen vierkantigen Ecken zu
sehen, was vielleicht wirklich der Fall ist, durch die Kleinheit und
Lage der aufgewachsenen Krystalle nicht deutlich wird, so würde
dieses Rhomboeder im Zwillinge eine stumpfe Zuschärfung der
stumpfen vierkantigen Ecken hervorbringen, während sie bei dem
tiefen Eindringen der beiden Skalenoederhälften an den spitzen vier-
kantigen Ecken gar nicht erscheint.
Bei der gewöhnlichen Ausbildung derartiger Skalenoeder-
zwillinge müsste dann eine solche Rhomboederfläche einspringende
diedrische Winkel an der Stelle der spitzen vierkantigen Ecken
zeigen.
Mineralogische Notizen. 177
Das betreffende Stück hatte der Assistent am k. k. Hof-Minera-
lien-Cabinete Herr E.Suess, von seiner vorjährigen Untersuchungs-
reise mitgebracht und mir zur näheren Kenntnissnahme übergeben.
13. Bemerkungen über ein mit dem Felsöbanyt
verwechseltes Mineral. |
Nachdem durch den Herrn Sectionsrath W. Haidinger und
Herrn Karl Ritter von Hauer festgestellt worden war, dass das von
W. Haidinger mit dem Namen Felsöbanyt belegte Mineral eine
eigene Species ist, welche wesentlich Wasser, Thonerde und
Schwefelsäure in dem Verhältnisse enthält, dass man dafür die For-
mel 2(3H0.Al,O,)-+4H0.SO, aufstellen kann, erscheint es mir noth-
wendig, darauf aufmerksam zu machen, dass noch ein anderes
kugeliges Mineral unter dem Namen Felsöbanyt in den Handel
gekommen ist, welches jedenfalls von dem echten Felsöbanyt ver-
schieden zu Verwechselungen Veranlassung geben dürfte.
Das kugelige Mineral, welches mir von drei verschiedenen Sei-
ten zur Ansicht zukam, ist von Kapnik, enthält auch Wasser, Thon-
erde und Schwefelsäure und ist, so viel man ohne Analyse im Ver-
gleiche mit dem Felsöbanyt Haidinger’s beurtheilen kann, nicht
dasselbe Mineral.
Das erste Stück erhielt ich durch den k. k. Finanz-Coneipisten
in Hermannstadt, Herrn E. A. Bielz zugesendet. Man sieht auf kry-
stallisirtem Tetraedrit und Quarz aufgewachsene kugelige und
büschelige Partien nadelförmiger Kryställchen. Die Kugeln sind
gelblichweiss, an den Kanten durchscheinend, unter der Loupe
betrachtet an der Oberfläche rauh, durch Krystallenden, welche wie
es scheint, orthorhombische Domen darstellen. Zerbrochen zeigen
die Kugeln exeentrisch strahlige Bildung und die einzelnen trennbaren
Nadeln sind fast durchsichtig und farblos. Der Glanz ist auf den
Kugeln glasartig, auf den durchgebrochenen Theilen durch die
strahlige Bildung zwischen Glas- und Perlmutterglanz. Ausser den
kleinen Kugeln und büscheligen Partien, welche die Kryställchen
mehr vereinzelt zeigen, sind sämmtliche Tetraedritkrystalle wie
grau beschlagen, was ebenfalls Krystallanfänge dieses Minerals sind.
Die Härte ist = 3:5 — 4:0 und dürfte, wenn sie sicher bestimmt
werden könnte, vielleicht noch höher sein.
In Salzsäure unlöslich. Die Kugeln zerlegen sich beim Kochen
nach und nach nur in die einzelnen Nadeln. Im Glasrohre erhitzt gab
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVI. Ba. I. Hft. 12
178 Kenngott.
es ziemlich reichlich Wasser unter gleichzeitiger Entwiekelung schwe-
feliger Säure, welche das Lackmuspapier röthet, so wie auch das
Wasser sauer reagirt. Die ausgeglühte Kugel war grau, mit Kobalt-
solution befeuchtet und geglüht, wurde sie schön blau.
Wegen des Mangels an disponiblen Material konnte ich dem
k. k. Hauptmann Karl Ritter v. Hauer nur sehr wenig Stoff zur
qualitativen, wenn möglich zur quantitativen Bestimmung übergeben
(90 Milligrammen) und er fand
6°20 Schwefelsäure,
75-75 Thonerde,
18°55 Wasser (Verlust)
mit demBemerken, dass das Resultat wenig Anspruch auf Genauigkeit
machen könne, sich aber jedenfalls herausstelle, dass die Zusammen-
setzung keine Ähnlichkeit mit der von ihm bestimmten des Felsö-
banyts zeige. |
Bei seiner Anwesenheit in Wien schenkte der Mineralienhändler,
Herr Dr. A. Krantz in Bonn, ein Exemplar dieses vermeintlichen
Felsöbanyts von Kapnik an das k. k. Hof-Mineralien-Cabinet, welches
er in mehreren Exemplaren aquirirt hatte. Es bildet aufgewachsene
Kugeln von 1—2 Millimeter im Durchmesser auf einem krystallini-
schen Gemenge von Blende, Pyrit, Bleiglanz und Tetraedrit. Die
Kugeln sind zusammengesetzt aus radial gestellten linearen Kryställ-
chen, die Oberfiäche der Kugeln ist auch durch die hervorragenden
Krystallenden, welche sich hier, wie in dem obigen Stücke durch die
Beobachtung unter der Loupe als orthorhombische Domen erkennen
und deuten liessen. Farbe, Glanz, Durchsichtigkeit und alle anderen
Verhältnisse zeigten sich ebenso, wie in dem zuerst beschriebenen
Stücke, nur war das hier in Rede stehende von viel frischerem und
schönerem Aussehen.
Ein drittes Exemplar desselben Minerals, angeblich zwar von Fel-
söbänya, richtiger aber auch von Kapnik erhielt ich von Sr. Excellenz
dem Herrn Grafen von Beroldingen in Wien zur Ansicht und
Bestimmung, dessen schöne Sammlung noch manches für die
Wissenschaft wichtige Exemplar zu neuen Beobachtungen liefern
wird. Auch hier sieht man auf einem krystallinisch - körnigen
Gemenge von Pyrit, Bleiglanz, Blende und Chalkopyrit aufgewachsene
aber um vieles grössere Kugeln mit matter oder wenig schimmern-
der und kaum unebener Oberfläche. Innen sind die Kugeln radial-
Mineralogische Notizen. 179
faserig, die oberste Schicht ist fast dicht mit bemerkbarer eon-
centrisch schaliger Bildung entsprechend der äusseren Kugelform.
Während der innere krystallinische Theil fast farblos oder gelblich,
durchsichtig bis halbdurchsichtig, fast seidenglänzend in Perlmutter-
glanz geneigt ist, -ist die äussere Schicht gelblichweiss und an den
Kanten durchscheinend, wesshalb die Kugeln durch diese Rinde
undurchsichtig erscheinen. Im Übrigen gleicht dieses Mineral den
beiden anderen und die Bestandtheile sind Thonerde, Schwefelsäure
und Wasser.
Aus Allem geht hervor, dass hier ein kugeliges Mineral von
gleichen Bestandtheilen von Kapnik mit dem echten Felsöbanyt
Haidinger's von Felsöbänya verwechselt wird, wesshalb zu
wünschen ist, dass durch eine Analyse der Unterschied constatirt
werde. Die morphologischen und physicalischen Eigenschaften allein
dürften nicht ausreichend sein, so lange nicht reichlicheres Material
vorliegt als das mir vorgelegene und die Krystalle beider so mikro-
skopisch kleine erkennbare Theile zeigen. Die bis jetzt unterscheid-
baren Eigenschaften sprechen entschieden für eine neue Species.
14. Caleit, als Einsehluss in Pleonast.
Einer kurzen Erwähnung verdient der krystallisirte schwarze
Pleonast, welcher sich am Monzoniberge in Tirol eingewachsen in
einem grauen, ausBatrachit und Caleit bestehenden Gemenge vorfindet
und das Oktaeder als Krystallform zeigt. Mehrere der eingewachsenen,
meist scharf ausgebildeten Krystalle sind durch das Formatisiren
des Stückes zufällig zerschlagen und von ihnen enthalten einige ein
unvollkommen ausgebildetes Caleitindividuum als mittleren weissen
Kern, um welchen die schwarze Pleonastmasse herum ungestört die
äussere Gestalt ausbildete. Der eingeschlossene Caleit bildet einen
Krystall, dessen äussere Flächen sich nicht in ihrer Umgrenzung
darstellen konnten, weil dies die umhüllende Pleonastmasse hinderte,
man erkennt aber die Anwesenheit nur eines Individuums durch die
im Durchbruche dargelegte Spaltungsfläche, welche nur eine ist und
bis an die Pleonastmasse fortläuft.Das Volumen derartiger Caleitkerne
ist nicht gering und beträgt selbst die Hälfte des ganzen Volumens
der Pleonastkrystalle. Gleicher blaulichweisser körniger Caleit um-
schliesst auch an einzelnen Stellen die Pleonastkrystalle oder bildet
für sich in dem Gemenge des Batrachit und Caleit deutlich ausge-
schiedene Partien.
12 *
180 . Sedlaezek.
Vorträge.
Der Copir- Zirkel, eine einfache Einrichtung des Panto-
graphen.
Von Josef Sedlaczek ,
Mechaniker des k.k. physicalischen Institutes.
Das Prineip, welches der Einrichtung meines Pantographen
zum Grunde liegt, dürfte sich folgender Massen am fasslichsten dar-
0
Fig. 1.
C
stellen lassen. Es sei eine auf einer Ebene (auf einem Reissbrette)
vorhandene Zeichnung A, B, C in einem vorgeschriebenen Verhält-
nisse, z. B. in einem Drittheil ihrer Grösse zu copiren. Man nehme
in dieser Ebene irgend einen Punkt O, denke sich von demselben zu
allen Punkten, wie A, B, C u. s. w., der Zeichnung gerade Linien
0A, OB, OC u. s. w. gezogen und auf jeder derselben von O aus
gegen A, B, Cu. s. w. hin Stücke Oa, Ob, Oc. u. s. w. abgeschnitten,
welche im Vergleiche mit den ganzen Linien in dem geforderten
. Verhältnisse kleiner. sind; also, in dem gewählten Beispiele 0a =
17,04, 0b =1/,0B, 0c=1/; 0C u. s. w., so stellen die solcher
Weise bestimmten Punkte a, b, ce u. s. w. offenbar den Umfang einer
Figur dar, welche dem vorgelegten Originale vollkommen ähnlich
und bezüglich desselben in dem verlangten Verhältnisse verkleinert
‚Der Copir-Zirkel, eine einfache Einrichtung des Pantographen. _ 181
ist. Hätte man nun zwei gewöhnliche Zirkel-Instrumente zur Hand,
wovon die Schenkel des einen in dem geforderten Verhältnisse kürzer
wären, als die des andern und denkt man sich, nachdem man mit dem
grösseren Zirkel nach und nach jeden der von O an das Original
gehenden Fahrstrahlen OA, OB, OC u. s. w. gefasst hat, dem klei-
neren Zirkel dieselben Öffnungen gegeben, die dabei der grössere
erhält, so würde der kleinere Zirkel mit der einen Spitze in dem
Fixpunkte O eingesetzt, mit der andern Spitze in den entsprechenden
Linien OA, OB, 0C u. s. w. die Punkte a, db, cu. s. w. markiren;
- der kleinere Zirkel muss, wie leicht einzusehen ist, von selbst die
gehörigen Öffnungen annehmen, wenn man den zu O gehenden
Schenkel mit jenem des grossen Zirkels in eine und dieselbe Rich-
tung fallen, und die Spitze des andern Schenkels in jeden zu
verkürzenden Fahrstrahl eingreifen lässt. Letztere Bedingung wird
mit grösster Leichtigkeit zu erfüllen sein, wenn die Ebene in welcher
sich der kleinere Zirkel öffnet, mit jener des grösseren überein-
stimmt; denn dann käme es nur darauf an, dass auch der kürzere
Schenkel das Reissbrett berührt, sobald der längere an die zu
copirenden Stellen gebracht wird, wobei es ganz gleichgiltig bleibt,
welche Lagen bei den verschiedenen Schritten die gemeinschaftliche
Öffnungsebene der Zirkel annimmt.
Das von mir construirte Instrument, welches ich hier der hohen
kaiserl. Akademie vorzuzeigen die Ehre habe, ist die genaue Verwirk-
lichung des soeben Erklärten.
-
7
Fig. 2.
18 2 Sedlaczek. Der Copir-Zirkel, eine einfache Einrichtung des Pantographen.
Wie aus Fig. II ersichtlich ist, bilden die Schenkel de und ef
den grösseren, dg und gh den kleineren Zirkel, welche beide um die
Axen g und e in einerlei Ebene beweglich sind, so zwar dass die
drei Punkte d, h, f in jeder Richtung und Ausdehnung in eine und
dieselbe Gerade fallen, wobei d eine Stahlspitze, h ein Bleistift und
f ein Griffel ist, welcher letztere längs dem Originale herum bewegt
wird. Der Abstand von d bis e ist = ef und beträgt bei vorliegendem
Instrumente 300 Millimeter. Dadurch dass sich die Axe 9, in der
Richtung der Stahlspitze d, in einer Nuth verschieben und feststellen
lässt, und längs dieser eine mit den Punkten de correspondirende
Scala angebracht ist, wird ermöglicht, jedes beliebige Verhältniss
dg zu de herzustellen; zu welchem Behufe auch nur eine einzige
Scala nothwendig ist, indem der kürzere Schenkel gh, welcher
ebenfalls mit Nuth und Schieber versehen ist, und mit der Axeg
in Verbindung steht, ganz einfach so gestellt wird, dass, bevor man
zu zeichnen beginnt, die Bleistiftspitze A, sowie der in einer Hülse
verschiebbare Griffel f mit der Stahlspitze d, am zusammengelegten
Instrumente zusammenfallen. |
Hierdurch wären nun alle Bedingungen erfüllt, welche das
Gelingen einer richtigen Zeichnung voraussetzt, wenn man noch die
Vorsicht übt, die Bleistiftspitze, welche sich durch den Gebrauch
abnützt, wodurch der Zirkelschenkel kürzer wird, von Zeit zu Zeit
nachzustellen. Sollte das Instrument die Zeichnung auf einmal nicht
umfassen können, müssen Papier und Original nach Bedarf über-
einander gelegt, und letzteres partienweise copirt werden. Was
endlich das Vergrössern einer Zeichnung betrifft, so dürfen nur Blei-
stift und Griffel verwechselt werden; besondere Genauigkeit ist aber
hier so wenig wie bei gewöhnlichen Pantographen zu erreichen, da
sich hierbei die Fehler multiplieiren.
Hauer. Über die Cephalopoden aus dem Lias der nordöstlichen Alpen. 183
Über die Cephalopoden aus dem Lias der nordöstlichen
Alpen.
Von dem ce. M. Franz Ritter v. Hauer.
(Auszug aus einer für die Denkschriften bestimmten in der Sitzung am 26. April 1855
vorgelegten Abhandlung.)
Lange bekannt ist das Vorkommmen zahlreicher Cephalopoden-
reste an verschiedenen Fundstellen in den nordöstlichen Alpen, die
der Liasformation angehören. Abgesehen von älteren Schriftstellern
geben Partsch, Boue, Münster, Lill, Sedgwick und
Murchison mehr oder weniger ausführliche Schilderungen solcher
Localitäten.
Erst etwas später wurde die Bestimmung einzelner Arten ver-
sucht: so veröffentlichten Quenstedt, Schafhäutl, Kuder-
natsch Listen der in Adneth bei Hallein vorkommenden Arten,
Stur solche der Cephalopoden von Enzesfeld und Hörnstein, Merian
und Escher aus verschiedenenLocalitäten in Vorarlberg, Emmrich
von der Kammerkar- und Lofer-Alpe. Ich selbst gab ausgedehntere
Listen in meiner Abhandlung über die Gliederung der Trias-, Lias-
und Juragebilde der nordöstlichen Alpen !) und später die vollstän-
dige Beschreibung der Arten von zwei Familien und zwar der Hetero-
phylien 2) und Capricornier 3).
Die vorliegende Abhandlung nun enthält die Fortsetzung dieser
Arbeit, ausgedehnt auf alle übrigen Cephalopoden welche die hiesigen
‘Sammlungen, namentlich das Museum der k. k. geologischen Reichs-
anstalt aus dem Lias der nordöstlichen Alpen enthalten. Vorausge-
schickt ist eine kurze Übersicht der geologischen Verhältnisse der
wichtigsten Fundorte, von denen der bei Weitem grösste Theil jener
Gruppe des oberen Lias der nordöstlichen Alpen angehört, die unter
dem Namen der Adnether Schichten bekannt ist, und in dem Zuge
der Kalkalpen zwischen Wien und dem Salzaflusse liegt; abgesehen
von den durch ihren Reichthum an Cephalopoden längst berühmten
Marmorbrüchen bei Adneth unweit Hallein in Salzburg, nach welcher
1) Jahrbuch der k. k, geologischen Reichsanstalt. IV, S. 715.
?) Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie der Wissenschaften. Bd. XII, S. 861.
3) Dieselben Bd. XIII, S. 94.
184 | 1
Localität diese Gruppe der alpinen Liasformation benannt wurde, und
den namentlich durch die Untersuchungen von HerrnD. Stur genauer
bekannt gewordenen Fundstellen bei Enzesfeld und Hörnstein, verdient
namentlich ein Zug von roth gefärbten Adnether Kalksteinen Beach-
tung, der von der Westseite des Sparberberges südsüdwestlich von
St. Wolfgang über die Pockwandalpe, die Hesskaralpe, Altbüchelalpe,
Schreinbachalpe, Zinkeneckalpe, den: Hintergrund des Königsbach-
grabens, die Königsbachalpe, den Nordfuss des Gennerhornes, südlich
an den Tiefenbachalpen vorüber, über den Kropfberg, die Anzenberg-
alpe, den Spielberg und Hochgrimming bis in das Mertelbachthal
fort bekannt ist. Die Gesteine dieses Zuges, der in seiner ganzen
Erstreckung. von mehr als sieben geographischen Meilen von Herrn
M.V.Lipold verfolgt wurde, bilden eine nur wenig mächtige deut-
lich geschichtete Lage die allenthalben unmittelbar auf den dunkel
gefärbten Kössener Schichten aufliegt und von jüngeren jurassischen
Kalksteinen überdeckt wird.
Auch die zweite dem oberen alpinen Lias angehörige Gesteins-
gruppe, die Hierlatzschichten, lieferte beinahe an allen Punkten an
welchen sie bisher aufgefunden wurde, so namentlich am Hierlatz bei
Hallstatt, und auf der Gratzalpe südwestlich von Golling zahlreiche
Cephalopoden. ?
Weit ärmer dagegen an Überresten aus der genannten Thier-
elasse ist der untere Lias der nordöstlichen Alpen; aus den Dach-
steinkalken, den Starhembergschichten und den Grestener Schichten
kennt man bisher beinahe nur unbestimmbare Bruchstücke, und selbst
die Kössener Schichten lieferten bisher an einer einzigenLocalität, zu
Ennzesfeld bei Wien, eine grössere Zahl gut erhaltener Exemplare.
Die Gesammtzahl der Cephalopodenarten aus dem Lias der nord-
östlichen Alpen nun, die mir bisher genauer bekannt geworden sind
beträgt bei 65, nämlich 60 Ammoniten, 4 Nautilen und 1 Orthoceras;
davon sind 31 bisher nur aus dem Gebiete der Alpen, Karpathen und
Appenninen bekannt, die übrigen finden sich auch in dem Lias der
nordeuropäischen Gebiete. |
Im unteren Lias der nordöstlichen Alpen kenne ich bisher
12 Arten, von denen 4 auch in den oberen Lias desselben Gebietes
übergreifen; in dem Letzteren fanden sich daher 57 Arten.
Die Kössener Schichten, welche jene 12 Arten enthalten,
haben zwei Arten, den sehr sicher bestimmten A. eylindricus Sow.
Über die Cephalopoden aus dem Lias der nordöstlichen Alpen. 185
und das nur unsicher abgegrenzte O. orthoceropsis mit den Adnether
und mit den Hierlatzschichten gemeinschaftlich, eine Art der A. mima-
tensis d’Orb. fand sich in den Kössener und Adnether Schichten,
und eine der A. abnormis Hau. in den Kössener und in den Hierlatz-
schichten.
Fünf von den erwähnten 12 Arten der Kössener Schichten finden
sich auch im nordeuropäischen Lias: drei derselben A. bisulcatus
Brug., A. kridion Hehl und A. Moreanus d’Orb. gehören daselbst _
der tiefsten Liasetage dem Terrain Sinemurien d’Orbigny’s oder
der Etage & nach Quenstedt an, A. obliquecostatus wird von
Quenstedtim Lias Ö und A. mimatensis von d’Orbigny im ober-
sten Lias oder dem Terrain toarcien angegeben.
Die Adnether Schichten enthalten 45 Arten, von denen 8
bereits auch in den Hierlatzschichten bekannt geworden sind. Nahe die
Hälfte dieser Arten, nämlich 23, finden sich auch im nordeuropäischen
Lias, davon 4 nurim Sinemurien oder tiefsten Lias, 9 im Liasien oder
mittleren Lias, und 6 in Toareien oder obersten Lias; eine der Nauf.
intermedius scheint durch alle Liasetagen durchzugehen, zwei der
Am. tatricus und A. Zignodianus greifen selbst in den Jura über; von
Naut. Gravesianus d’Orb. sind Lagerstätte und Fundort unbekannt.
Die Hierlatz- Schichten endlich beherbergen 19 Arten. Von
diesen kennt man nur 5 im nordeuropäischen Lias, alle gehören
daselbst der mittleren Gruppe dem Terrain liasien an.
Keine der Cephalopodenarten der alpinen Triasformation, nament-
lich der an Geschöpfen dieser Classe so reichen Hallstätter Schichten
konnte bisher in dem Lias unserer nordöstlichen Alpen mit Sicher-
heit nachgewiesen werden; zwar wurden bisher keine genügenden
Merkmale aufgefunden um die von Savi und Meneghini als
Belemnites orthoceropsis bezeichnete Orthocerenart die weit ver-
breitet im Lias der Alpen, Appenninen und Karpathen vorkömmt, von
dem O. alveolare Quenst. aus den Hallstätter Schichten zu unter-
scheiden, doch liegen von ersterer Art bisher nur unvollständige
Steinkerne vor, die eine genauere Vergleichung nicht gestatten. Ganz
_ ähnliche Orthoceren mit randlichem Sipho wurden übrigens selbst
auch im Jura der Alpen aufgefunden.
Was die dem südeuropäischen Schichtensysteme bisher eigen-
thümlichen Cephalopodenarten des Lias betrifft, so haben sie beinahe
durchgängig den Typus der gewöhnlichen Lias-Cephalopoden, und
186 Hauer. Über die Cephalopoden aus dem Lias der nordöstlichen Alpen.
stehen zum Theil schon früher bekannten Arten sehr nahe, Die grosse
Mehrzahl der Ammoniten schliessen sich genau den Familien der Arie-
ten, der Faleiferen, der Capricornier, der Fimbriaten und der Hetero-
phyllen an, also jenen Familien die auch ausser den Alpen besonders
bezeichnend für die Liasformation sind; sie contrastiren in dieser Be-
ziehung ungemein auffallend mit den Cephalopoden der zunächst unter
ihnen folgenden Triasgebilde, die grossentheils ganz eigenthümlichen
Familien angehörig, nicht einmal durch analoge Formen ausser den
Alpen vertreten sind.
Schliesslich sei es erlaubt zu bemerken, dass die hier in Kürze
angedeuteten Hauptergebnisse der Untersuchung der Lias-Cephalo-
poden der nordöstlichen Alpen im Allgemeinen sehr gut mit jenen
übereinstimmen, welche die erst theilweise veröffentlichten ungemein
genauen Untersuchungen des Herrn E. Suess in Betreff der Brachio-
poden 1) und des Herrn Dr. M. Hörnes in Betreff der Gasteropoden
und Acephalen ergaben.
1) Vergleiche dessen Brachiopoden der Kössener Schichten. Denkschriften d. kaiserl.
Akademie der Wissenschaften, Bd. VII.
Stellwag. Die Accommodationsfehler des Auges. 187
Die Accommodationsfehler des Auges.
Von Dr, Karl Stellwag von Carion.
(Mit II Tafeln.)
(Vorgetragen in der Sitzung vom 12. April 1855.)
Die Aecommodationsfehler des Auges haben trotz der überaus
grossen und sich stätig steigernden Häufigkeit ihres Vorkommens
bisher noch nicht jene Beachtung gefunden, welche sie ihrer hohen
Wichtigkeit wegen verdienen. Es fehlt noch an einer Bearbeitung
derselben, welche auch nur einigermassen genügend genannt werden
könnte. Das Schwankende in den herrschenden Ansichten über den
Accommodationsvorgang bot einen zu unsicheren Boden für
physicalische Erörterungen seiner Abweichungen von der Norm und alle
gemachten diesfälligen Versuche scheiterten an der Unmöglichkeit, die
_ auf theoretischem Wege gewonnenen Resultate mit den Ergebnissen
der täglichen Erfahrung in Einklang zu bringen und umgekehrt.
Erst neuester Zeit ist für derartige Untersuchungen die Bahn
gebrochen worden durch Cramer’s glänzende Entdeckung (Het
accommodatievermogen der oogen etc. Haarlem 1853), welche
Helmholtz (Monatsbericht der k. preuss. Akademie der Wissen-
schaften 1853, Februar) durch selbstständige Untersuchungen bestä-
tiget und erweitert hat. Durch diese Entdeckung ist der Accommo-
dationsvorgang zu einem Gegenstande unmittelbarer Beob-
achtung gemacht und Einsicht in die wirkenden Factoren eröffnet
worden. Es dient dieselbe meinen Erörterungen zur Grundlage.
Die Schwierigkeiten, welche sich einer naturwissenschaftlichen
Discussion der Aecommodationsfehler entgegenstellen, sind indessen
noch ausnehmend gross und die grösste derselben liegt wohl in der
ungenügenden Kenntniss und in den individuellen Schwankungen
jener Werthe, welche als Constanten oder Variable in die dioptrischen
Verhältnisse des Auges eingehen. Ich habe die anerkannt besten
Quellen in dieser Beziehung benützt und aus’ der Vergleichung der-
selben Mittelwerthe zu erlangen gesucht, welche sich dem wahren
Mittelwerthe möglichst nähern dürften. Als solche Mittelwerthe habe
ich folgende gefunden und lege sie meinen Rechnungen zu Grunde.
188 Stellwag.
Der Krümmungsradius der vorderen Hornhauffläche. . ..... 3"456
m N „ hinteren In Blur lg
= ii „ vorderen Linsenfläche . . . ..... 3"071
i R „ hinteren EN 2
„ absolute Brechungsexponent der Cornealsubstanz . . . .„ . 1'339
" " h, des Humor aqueus. . .... 1337
NEL N „ Glaskörpers 10. 1'339
Die Dieke der Cornea im Centrum, „un 2 2 nn 0"4
„.„Axe des Krystallkörpers .... eu...) a. 2"0
0 19. Vorderkammerraumes" „u 1. I Ju 2 DL 0"8
Der Abstand der Netzhaut von der Hinterfläche der Linse . . . . 6'734
Es wurden die Krümmungsradien durch Redu etion der von Krause ange-
gebenen Rotationsflächen auf die Kugel gewonnen. Die Brechungsindiees habe
ich nach Brewster’s und Chossat’s Messungen bestimmt, indem die neuester
Zeit von W. Krause veröffentlichten Werthe noch der Bestätigung ihrer Rich-
tigkeit bedürfen. Die Axen der einzelnen dioptrischen Medien sind ebenfalls nach
Krause gewählt und nur die Kammeraxe um 0"3 verkleinert, indem das Auf-
liegen des Pupillarrandes auf der Linsenoberfläche derzeit kaum mehr geleugnet
werden kann, unter dieser Voraussetzung aber das Zenith der Vorderkapsel
um 02 vor der Ebene der Pupille gelegen sein muss, indem der Abstand
dieser Ebene von der Cornealhinterfläche i” beträgt.
Es entgeht mir keinesweges das Ungenügende dieser Werth-
bestimmungen, doch dürften sich ihnen vor der Hand kaum viel
bessere substituiren lassen. Übrigens handelt es sich gar nicht um
die Berechnung mathematisch genauer Zahlenwerthe,
welche letztere in jedem einzelnen Falle ohnehin andere sein müssen
wegen den bedeutenden individuellen Schwankungen der einzelnen
Factoren.. Aufgabe ist es blos, eine Einsicht in die
Verhältnisse zu gewinnen, welche auf die Licht-
brechung im Auge Einfluss nehmen und Abweichungen,
derselben von der Norm begründen können. Dazu aber
genügen jene Werthe vollkommen.
Der genannte Zweck macht durchsichtige und möglichst em-
pfindliche Formeln nothwendig. Ich glaube als solehe die Stam-
pfer’schen bezeichnen zu dürfen, und bediene mich derselben um
so lieber, als sie mit Zugrundelegung der oben aufgeführten Werthe
einerseits zu Resultaten führen, welehe den Ergebnissen der Experi-
mente sehr nahe kommen; andererseits aber auch Reductionen in
den erforderlichen Berechnungen leicht möglich machen und so der
Übersichtlichkeit wesentlich dienen. Die Formeln, welche Listing
(R. Wagner’s Handwörterbuch der Phys. 4 Bd., S. 504) zu
Die Accommodationsfehler des Auges. 189
solchen Zwecken empfohlen hat, stehen sowohl in Bezug auf Mani-
pulationsleichtigkeit, als auch in Betreff der durch sie gewonnenen
. Resultate den Stampfer’schen weit nach. Die Wichtigkeit, welche
man Ersteren neuerer Zeit beigelegt hat, bestimmt mich, näher in
sie einzugehen, gleich im Vorhinein bemerkend, dass Listing in
der Bestimmung der Radien der Trennungsflächen und in der Distanz
der Scheitelpunkte der letzteren etwas gar zu willkürlich vorgegan-
gen und demnach nicht zu nur einigermassen genügenden Resultaten
gelangt ist; dass aber eine Substitution annäherungsweise richtiger
Werthe in seine Gleichungen noch weiter vom Ziele abführt. Worin
der Grund dessen liegt, ist mir unbekannt, aber Thatsache ist es, die
Ergebnisse der Listing’schen und der Stampfer’schen Formeln
sind bei Zugrundelegung derselben Werthe sehr different.
So zum Beispiele erscheint bei Berechnung der Refraction parallel auf-
fallender Strahlen in der Cornea nach Stampfer’s Methode die hintere
Brennweite = 13"75, vom Scheitelpunkte der Cornealvorderfläche an gerechnet,
während die hintere Brennweite nach Listing —= 14"1035 ist, bezogen auf
denselben Punkt als Anfangspunkt der Coordinatenaxe. Nimmt man nämlich
die Dieke der Cornea in ihrem mittleren Theile N— N, —=0"4, den Radius der
Vorderfliche r—=3"456, den Radius der hinteren Fläche r, =2”772, den
Brechungsexponenten der Luft n=1, denIndex der Cornealsubstanz 2,1339
und jenen des Kammerwassers n,—1'337, welcher letztere Unterschied eher
zu gering, als zu gross ist, und substituirt sie in die Listing’schen Formeln,
so ergibt sich
uz— == — 0098,
T
N, — N,
u=— —= 0:0007215,
u
N, — N
t = ——— = 0:02937,
N!
ehe zer t — + 0:99707274,
h= t == t = + 0:02987,
lat) — + u, + u = — 0°0972806,
= (u) = fu +1 = + 1:00002155,
gl — hk —= 0:9999999984.
Für die Hauptpunkte E und E, wäre die Stellung auf der a Axe:
E — N = — 0:00022153
N, — E, = + 0:0402317.
ur
Der erste Hauptpunkt läge 0'00022153 vor der vorderen Cornealfläche,
„ zweite ” „ 0”0402317 „ » hinteren
das Interstitium beider 2, — E = 0:3597898.
2]
190 Stellwag.
Für die beiden Brennpunkte F und F} ergäbe sich die Lage:
N — F= + 10'279
F, — N,= + 1370359
Der erste Brennpunkt läge 10”279 vor der vorderen Cornealfläche,
„ zweite R „ 13”70359 hinter der hinteren Fe
Die beiden Brennweiten f und f, wären
f = 10279
fı = 13744
fı_ "2 _ 4.397.
f n
Für die beiden Knotenpunkte D und D, ergäbe sich
N, —n |
D-E=D)-E =-—-— — = fh -f=3:464.
D-—-N = 3'464 — 0:00022153,
D,— N = 3°464 — 0:040,
N, — D, = -—- 3°46% + 0:040 = — 3 A424.
Der erste Knotenpunkt läge nieht ganz 3"464 hinter der vorderen Cornealfläche,
„ zweite 4 » 342% hinter der hinteren Cornealfläche.
Das Interstitium beider DD — D=E, — E= 0:36.
Bei der Reduction auf eine einzige brechende Fläche ergibt sich für den
mittleren Hauptpunkt die Stellung 0”154 hinter dem Scheitelpunkte der vorderen
Cornealoberfläehe. Hier muss die imaginäre, redueirte Cornealbrechungsfläche
die optische Axe schneiden. Als Abstand des mittleren Knotenpunktes von
diesem mittleren Hauptpunkte, oder was gleichbedeutend ist, als Radius jener
redueirten Brechungsfläche erscheint der Werth 3”5156. Als vordere Brenn-
weite f ergibt sich f—=10-433; als hintere Brennweite f,—13"94906 und als
Probe der Richtigkeit |
h_® _ 1.337
in
1
In den Stampfer’schen Formeln erscheint dagegen r = ——— ;
3'456
1
u ; N— N =g9=0-4; —m—0-7468; —— my = 1:002 und
2.772 N; Ng
1 1
als hintere Vereinigungsweiten #*=— und F,—=— der beiden Trennungs-
1
flächen der Hornhaut ergeben sich bei einer Objectsdistanz D = mM oo
(1\—-m)r —-—md=f=0:07325
BU 1
— U. 0792 Zn
1—gf 13.35
dm) %
und
13-35 + — 13"73.
Die Accommodationsfehler des Auges. | 191
Am auffälligsten sind die Differenzen zwischen den Ergebnissen der
Stampfer’schen und Listing’schen Rechnungsoperationen, wenn man die
Brennweite des gesammtendioptrischen Apparates berechnet.
Zu diesem Zwecke ist es aber vor Allem nothwendig, sich über die Refrae-
tion der Liehtstrahlen in dem Krystallkörper einige Einsicht zu verschaffen und
namentlich die äuserst schwierige und unter den gegenwärtigen Verhältnissen
kaum mit einiger Genauigkeit ausführbare Bestimmung des Ganges der Licht-
strahlen im Innern des Krystalles selbst zu umgehen. Dazu führt nur ein Weg,
nämlich der, die Linse als eine homogene Masse zu betrachten und das
Brechungsverhältniss zu eruiren, welches die homogen gedachte Linsensubstanz
haben müsste, um damit der Krystallkörper, bei unveränderter Axenlänge und
unveränderten Krümmungshalbmessern der beiden Oberflächen, parallel auf die
Cornea auffallende Strahlen auf der Netzhaut zur Vereinigung bringen könnte,
wobei natürlich von der chromatischen und sphärischen Aberration ganz
abgesehen wird. Dieser Zweck lässt sich mittelst der Stampfer’schen Formeln
leicht realisiren.
Es ist die innere optische Axe des Auges 9"534 lang. Der Scheitelpunkt
der Krystallkörpervorderfläche liegt auf der optischen Axe 0"8 von dem Centrum
der hinteren Cornealoberfläche entfernt. Die Brennweite der Cornea ist 13”35.
Die Distanz D des scheinbaren Bildes für die Linsenvorderfläche ist demnach
D=— 12”55 und der reeiproke Werth — d=0"07968. Der Brechungs-
exponent des Kammerwassers n,—1'337, jener des Krystallkörpers als Ganzes
genommen ist n,, der des Glaskörpers n,—=1:'339. Der Radius der vorderen
Linsenfläche A, —=3"071, der Radius der hinteren Linsenfläche R,—?2"?2 und
die Axenlänge des Krystallkörpers „—=?2”0. Wenn nun sehr weit entfernte
Objeete auf der Netzhaut noch scharfe und deutliche Bilder erzeugen, so müssen
fast parallele, oder parallele auf die Cornea auffallende Strablen ihre Vereini-
gung 6"734 hinter dem Scheitelpunkte der hinteren Linsenfläche finden, denn
dieses ist der Abstand des Netzhauteentrums von dem Mittelpunkte der Hinter-
kapsel. Man hat nach Stampfer’s Formeln für die Vereinigungsweite F', der
parallel auf die Cornea auffallenden Strahlen nach ihrer Brechung in dem Krystall-
körper F,— — 6'734. Ist nun der relative Breehungsexponent für die vordere
Linsenfläche M,, jene für die Linsenhinterfläche M, und sind m, und m, ihre
reciproken Werthe, also
N, n,
M, ==; AZ —
N; N,
n n
3 2
M, ——— ; M,— =—
N, N,
1 1 1 N 2
_ femerr ——r; ——r; — =d; — = fi, so lässt sieh der absolute
R, R, D KR,
Brechungsexponent der homogen gedachten Linsenmasse leicht durch Substi-
tution der genannten Werthe aus den Stampfer’schen Formeln berechnen. Es
verwandeln sich die beiden folgenden Grundformeln
l
(M—-m)n +md=fi
192 Stellwag.
und wegen F,—9=D,, also d, =
(d—m;)r, — Dar rla
nach ihrem m Übergange i in die folgende
rn — Mr —r9fı + rm gfı — m; fı
di 07,
al
7, — mr, —1r,9fı + ramgfı —myf,
wo F, eine essentiell negative Zahl bedeutet, durch Substitution des Werthes
(1-—-m,)r; + md, für f, und der Werthe
=='f,, (ader
—F,,
en en Be
für m, und — für m, in die
N, N;
7
nachstehende Gleichung des zweiten Grades:
, [tn rrngNlt
n, [ns —n;gr, —Fanzr, + Fanzrır,g + Fer, THU
—Pırzgdın, — Fırın, + Fand] +
nz [ag rı a, —n; ga, d)A—Fyr,)].
Nennt man den Coöfficienten der n? | A; jenen der n,|B und den der 23 |;
so ergibt sich, da
B BE we
5 AAr 2 A
Fr n; der Werth 1'418. Dieser Werth in die Stampfer’schen Grundformeln
substituirt, ergibt
1, ——
= 0:09373,
Rn - 1189;
F, = — 6'716,
also nur um 0018 zu klein, womit die Senff’sche Behauptung widerlegt ist,
als müsse eine statt des Krystalles in die Kapselhöhle substituirte homogene
Masse einen Brechungsindex von 1'539 haben, um abgesehen von der sphärischen.
und chromatischen Aberration denselben Effeet hervorzubringen, als die ge-
schichtete Linse mit ihrem gegen das Centrum wachsenden Index und mit
abnehmenden Radien der Schichten.
Benützt man nun diesen für den imaginären Totalindex der Linse gefundenen
Werth für die Stellung der redueirten Cornealbrechungsfläche zur Berechnung
der Haupt-, Brenn- und Knotenpunkte nach der Listing’sechen Methode und
setzt man statt der von Listing angenommenen und allzusehr abweichenden
Werthe für die Brechungsexponenten 2, 2,, 2,, n, für die Radien vr, r,, r, und
für die Abstände der Scheitelpunkte der 3 Trennungsflächen N, — N, N,—N,
die wenigstens der Natur mehr entspechenden folgenden
n—=1;n, —1°337; n, —1:118;n. —1:-339,
r=3"316; 7, = 3071; r, — 22,
N —N =0-8 + 0:246 — 1"046;
N,—N,=?",
Die Accommodationsfehler des Auges. | 193
so ergibt sich mit Berücksichtigung der von Listing gebrauchten Bezeich-
nungsweisen
—n
ER AR un Nena
r
ae a
r
u 2 2 Qu9a59
Y,
a el 0-07823
= ———=-+
1
wi a Dar 1:410%
rvnnaiene", |
2
BU ar 02) — 0:820359,
= (tur), PASS,
k = (ut u,t;U5,) = — 0092601,
= (tu, t,u,) = 1051272,
gda—= hk = 0'999998,
also erst in der sechsten Deeimalstelle um zwei Einheiten zu klein.
Für die Hauptpunkte E und E, ist dann
Br N-0:5597
N, — E,= + 25969.
Der erste Hauptpunkt liegt 0"5537 vor der redueirten Cornealfläche,
„ zweite Fr » 2'597 ,„ ,„ hinteren Linsenfläche,
Se “ » 0449 hinter der redueirten Cornealfläche,
das Interstitium e = E, — E = 10027.
Für die beiden Brennpunkte F' und F, ist
| N —F = 11-353,
F, — N, = 11862.
Der erste Brennpunkt liegt 11”353 vor der redueirten Cornealfläche,
„ zweite Es „» 11°862 hinter der hinteren Linsenfläche.
n nr
Die erste Brennweite f = 11'353 — 0554 = — g: — 10'799,
>. fi = 11-862 4 2:397— -?—14:439,
ee, an
f n
Für die beiden Knotenpunkte D und D, ist
D—-E=D, —E, — mn -— f= 366,
D = N — 3° 1063.
| "N, —-D, = —1:068.
'Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVI. Bd. I. Hft. 13
194 Stellwag.
Der erste Knotenpunkt liegt 3"003 hinter der redueirten Cornealfläche
„ zweite B „4.068. „ hinteren Linsenfläche,
” ” ” ” 0 : 06 ” ” ” E]
Das Interstitium D, — D = 1”003, übereinstimmend mit e.
Die Reduction ergibt für die beiden Brennweiten f’ und f”’
f' = 11'228
f" =15:0327
2 N.
Bi 1339
N
Der mittlere Hauptpunkt erscheint nach der Reduction 0”124 vor der
redueirten Cornealfläche, also 0”03 hinter der vorderen Hornhautoberfläche
der mittlere Knotenpunkt aber erscheint 3”577 hinter der redueirten und 3"701
hinter der vorderen Hornhautoberfläche, |
Der dioptrische Apparat des Auges liesse sich nach dem BER.
als eine einzige brechende Fläche von 3"701 Radius betrachten, welche Fläche
0”03 hinter der vorderen Cornealoberfläche die optische Axe des Auges
schneidet, vorne von Luft, hinten von einem Medium mit dem Breehungsexpo-
nenten = 1"339 umgeben ist und eine vordere Brennweite von 11"228, eine
ur
hintere Brennweite von 150327 hat. In dieser Distanz von 15”0327 müsste die
Netzhaut vor der imaginären Trennungsfläche ausgespannt, der Bulbus in der
Richtung der optischen Axe, also um ein Namhaftes verlängert gedacht werden.
Ein so bedeutendes Abweichen der Rechnungsresultate von den
in der Natur gegebenen Verhältnissen, welches übrigens schon
Donders (Nederlandsch Lancet 1852, 1. Jahrg., S.529) gerügt hat,
drückt nothwendig der Werth des Listing’schen Verfahrens sehr
herab, um so mehr, als eben Schemata für die Strahlenbrechung im
Auge vor Allem nur Anwendung finden, wenn es sich handelt, gewisse
Probleme, z. B. die Grösse der Netzhautbilder, Sehwinkel, die
Stellung der Bilder auf der Netzhaut u. s. w. auf bequemere Weise
zu lösen, ein namhaftes Hinausrücken der Netzhaut aber auf die
Richtigkeit der gewonnenen Resultate sehr missliebig influenziren
muss. Es bleibt also nichts übrig, als vor der Hand von den
Haupt-, Brenn- und Knotenpunkten Listing’s, sowie von den
darauf basirten Folgerungen anderer Autoren, namentlich Vollk-
manns (R. Wagner’s Handwörterb. der Phys., Bd. 3, .1. Abth.
Art. „Sehen“) abzusehen, und, vertrauensvoll auf jenen Forscher
hinblickend, zu hoffen, er werde in der nächsten Zukunft seine
schönen mathematischen Deduetionen für an richtige
Gr undgrössen einrichten.
Die Accommodationsfehler des Auges. 195
Mittlerweile kommt man, glaube ich, besser zum Ziele, wenn
es sich um eine bequeme Formel für ein redueirtes Auge
handelt, wenn man sich die sämmtlichen Refractionen der Strahlen
im Bulbus auf die Vorderfläche der Cornea, als der einzigen Tren-
nungsfläche zweier verschiedener Medien, vereinigt denkt, und deren
_ Abstand von dem Centrum der Netzhaut in der Richtung der opti-
schen Axe mit Krause = 9"934 denkt, ihr den natürlichen
Radius 2 —= 3"456 belässt und nun frägt, was muss ein den gesamm-
ten Bulbusraum erfüllendes homogenes Medium für einen Brechungs-
exponenten haben, um damit bei 2? = 3"456 und beliebiger Distanz D
des Objectes das Bild auf der Netzhaut, also 9"934 = F hinter der
Cornealoberfläche zu Stande komme?
Setzt man zu diesem Ende den Index der Luft =1, so ergibt sich aus der
Stampfer’schen Grundformel
(1—m)r-md=f
für unendliche D
(1 — m) r= f, also ee kon
F
M= —— = 1'533.
F—R
Für endliche D erscheint die Stampfer’sche Grundformel nach und nach
in den Gestalten
1 1
nn er
(i—m)r — md f
1%
—F=o
1 1 1
R MR MD
R? M?D
—F=o0
M?RD—- RMD- MR?
| F(D+R)
DR P)
wo F und R constant, D eine willkürliche Grösse ist. Für D=100" wäre
dann M—=1:586.
Nach diesen Voraussetzungen ist es nun möglich, näher in das
Thema meiner Arbeit einzugehen.
Die conjugirten Vereinigungsweiten der im dioptrischen Appa-
rate des Auges zur Brechung kommenden Lichtstrahlen stehen in
einem bestimmten gegenseitigen Verhältnisse. Es wächst die hintere
Vereinigungsweite mit der Abnahme der vorderen und zwar um so
13”
196 Stellwag.
rascher, je näher das Gesichtsohjeet der Hornhaut rückt. Der Coefhi-
eient dieses Verhältnisses ist aber ein anderer, als der für einfache
Linsen geltende, da sich im dioptrischen Apparate des Auges eine
ganze Reihe von Trennungsflächen eombinirt. Dadurch geschieht es,
dass die absoluten Werthe der hinteren Vereinigungsweiten inner-
halb sehr enger Grenzen variiren, nur um relativ wenige Linien
verschieden sind, es möge das Objeet in unendlicher Ferne oder in
der vorderen Brennweite der Hornhaut stehen.
Bei völliger Unveränderlichkeit des Accommodations-Apparates würden sich
nach den angegebenen Mittelwerthen parallel auf die Cornea auflallende Strahlen
6'734 hinter dem Centrum der hinteren Kapselhälfte vereinigen; Strahlen, welehe
aus einem 100" von der Cornea entfernten Punkte divergiren, aber 7"374
hinter jenem Kapselcentrum zur Vereinigung kommen, was eine Differenz von
0"64 ergibt. Die vordere Brennweite der Cornea findet man, wenn man mit
Zugrundelegung der angeführten Werthe
dm), -md=fi
m; fı
(im), + — = fp—0
IR |
setzt und nun d, sucht. Es ist, wenn (1 — m,)rı; =a, (1 - m,)r,—=b gesetzt
wird
% m, (a — m, d
b+ LIE NUN —= 0 und
m, mı — by m
D- a A NEN 10-298.
b—byga-+-m,a
Objeete, welehe nahe 10”3 vor der Cornea liegen , senden also parallele
Strahlen auf die Linsenvorderfläche. Der absolute Brechungsexponent der auf
homogene Masse reducirten Linse ist nun 1'418, also m; —=0 943; m,—=1'134,
also:
(1 m,)r,— fs = 0-0185649
Mm
ee,
F, m 25" 66.
Strahlen, welehe von Objeeten kommen, die 10” 3 vor der Hornhaut liegen,
vereinigen sich also 25”66 hinter dem Mittelpunkte der hinteren Kapselober-
fläche und während einer Differenz der vorderen eonjugirten Vereinigungsweiten
von o bis 100" nur eine Differenz der hinteren Vereinigungsweiten von 0"64
entspricht ; wächst die Differenz der letzteren auf 18'286, wenn das Object von
100” Distanz auf 10"3 hereinrückt.
Wären die lichtempfindenden Elemente der Netzhaut körper-
lose mathematische Punkte, so würde jede, selbst die geringste
Verschiebung des Gesichtsobjeetes nach vorwärts oder rückwärts
Die Accommodationsfehler des Auges. 197
eine entsprechende Veränderung in dem dioptrischen Apparate des
Sehorganes nothwendig machen, widrigenfalls nicht ein scharfes und
möglichst lichtstarkes Bild des Gegenstandes, sondern nur Zerstreu-
ungskreise zur Wahrnehmung kommen könnten. Die Körperlichkeit
und namentlich die Axenrichtung der stab- und zapfenförmigeu
Körper, welche neuerer Zeit als die eigentlichen lichtempfindenden
Elemente der Netzhaut erkannt worden sind, machen die Sache aber
anders. Bei der elementaren Einfachheit dieser Gebilde muss in
Bezug auf den, zum Gehirne fortgepflanzten, sinnlichen Eindruck
es völlig gleichgiltig sein, welcher Punkt ihres Körpers von dem
Scheitel eines Lichtkegels getroffen wird. In so ferne erscheint
die räumliche Ausdehnung der zapfen-und stabför-
migen Netzhautkörper als ein Moment, welches die
Nothwendigkeit accommodativer Veränderungen im
dioptrischen Apparate des Auges beschränkt und
insbesondere bei grösseren Objectsdistanzen als ein
gewichtiger Factor in die Schale fällt, um so mehr
aber an Einfluss verliert, je näher der Gegenstand
dem Auge rückt.
Die Länge der Netzhautzapfen beträgt nach Kölliker (Mikrosk. Anatom.
2. Bd., 2. Hälfte, S. 64 9) im Grunde des Auges 0”036. Nehmen wir an, die
Vereinigung parallel auf die Cornea auffallender Strahlen fiele gerade auf das
vordere Ende dieser Zapfen und die Vereinigungsweite, vom Centrum der
hinteren Kapsel gerechnet, sei 6"734. Um den Einfluss der Zapfenlänge zu
erörtern, darf man nur F, =6'1734 + 0:036 = 677 setzen und bei übrigens
unveränderten Werthen rückwärts rechnen. Es ist f, = 0°1477; m, = 0'9443;
m; —=1:061 etc. und
| m; fs
1—m,;)r NE LS LE = + 0:0788
ee 1+9f; f:
fr |
1: ae == == 0.0747
( M;)Tr, + eg fı Ir
(1 — u Searkn „2 n unoan
i+qfi
D = 103093 = 7'16.
Es kann das Auge demnach eigentlich nie für
einen einzigen Punkt aecommodirt sein, sondern
immer nur für eine ganzeReihe stätig hinter einander
gelegener Punkte, für eine Linie, deren Länge mit der
198 Stellwag.
deutlichen Sehweite zunimmt, und welche von dem Punkte, für
welchen der Accommodationsapparat optisch eingerichtet ist, nicht
halbirt, sondern in zwei ungleiche Theile getheilt wird, deren vor-
derer den hinteren an Längenausdehnung mehr weniger übertrifft.
Nur ausserhalb dieser Linie, dies- und jenseits ihrer
Endpunkte, gelegene Objecte werden undeutlich gese-
hen und die Undeutlichkeit ist Folge der Nichtisolation der sinn-
lichen Eindrücke, sie ist darin begründet, dass die von je einer
Masseinheit der Objeetoberfläche ausgehenden Strahlenkegel nicht
in je Einem stab- oder zapfenförmigen Netzhautkörper zur Vereini-
gung kommen, sondern in Form von Zerstreuungskreisen auf die
Stabschichte der Retina gelangen, in Form von Zerstreuungskreisen,
deren jeder im Verhältnisse zu seiner Grösse eine grössere oder
| geringere Zahl neben einander stehender Stäbe und Zapfen gleich-
zeitig und gleichmässig aflieirt, während umgekehrt wieder jeder
einzelne Zapfen und Netzhautstab von einer grösseren oder geringe-
ren Zahl von Zerstreuungskreisen sinnlich angeregt wird.
Insoferne aber die Grösse dieser Zerstreuungskreise nicht allein
abhängt von der Differenz zwischen der Entfernung des Objectes und
zwischen dem Abstande des Einen entsprechenden Endpunktes jener
Linie, sondern in sehr hohem Grade beeinflusset wird von der Grösse
der Pupille, so kann auch die Undeutlichkeit der optischen Wahr-
nehmung nicht blos eine Funetion sein von der Distanz des Objectes
und der Accommodationsweite, sondern sie muss gleichzeitig auch in
Verbindung mit dem Pupillendurchmesser gedacht werden. Es
liegt in dem Spiele der Pupille, so wie in der Anwen-
dung künstlicher Diaphragmen und in der Ver
engerung der Lichtspalte ein die Deutlichkeit opti-
scher Wahrnehmungen erhöhender Factor.
Es sei Fig. 1 L die hintere Kapsel und a sowie g seien die Austrittspunkte
für die äussersten Strahlen der beiden Kegel «eg und ac,9g, deren Basis ag
offenbar von der Grösse der Pupille abhängt. N sei die Netzhaut und diese
werde von den Zertreuungskreisen dd, und nn, getroffen, deren ersterer dem
Strahlenkegel acg, der zweite dem Strahlenkegel «c}9 angehört. Es ist nun
der Flächeninhalt A des Zerstreuungskreises dd,, A=de*r und der Flächen-
inhalt B von nn, ist B=ne?r; de=cetang aundne= c,etang ß. Es sind
aber ce und c,e die Differenzen zwischen der hinteren Vereinigungsweite der
im dioptrischen Apparate gebrochenen Strahlen und dem Abstande der Netzhaut
vom optischen Centrum des Refraetionsapparates, fang a und tang f aber sind.
Functionen von ab.
Die Accommodationsfehler des Auges. 199
J. Czermak in Prag (Sitzungsberichte der kais. Akad. der
Wissensch. zu Wien, 12. Bd., S. 322) gebührt das Verdienst, auf
die angeführten Verhältnisse zuerst aufmerksam gemacht und sie auf
experimentellem Wege als thatsächlich gegeben nachgewiesen zu
haben. Er nennt ganz treffend jene Linien, für welche der dioptrische
Apparat jeweilig eingerichtet ist, Accommodationslinien und
unterscheidet sie solcher Gestalt von dem Accommodations-
punkte, d. i. von jenem Punkte, für dessen Entfernung das Auge
eigentlich optisch eingestellt ist.
Ganz übereinstimmend mit jenen theoretischen Deduetionen
ergeben seine Versuche, dass die Accommodationslinie mit der Ent-
fernung des Accommodationspunktes von dem Auge wachse; dass
der letztere nicht die Accommodationslinie halbire, sondern deren
dem Auge zugekehrten Ende näher liege; dass das allmähliche Un-
deutlichwerden der diesseits und jenseits der Accommodationslinie
gelegenen Objecte an dem, dem Auge zugekehrten Ende weit rascher
als an dem anderen Ende zunehme, und dass endlich die Accommo-
dationslinie um so schärfer begrenzt sei, dass ihr vorderes und
hinteres Ende sich um so schärfer abmarke, je näher dem Auge der
Aceommodationspunkt liegt, in Bezug auf welches letztere Verhält-
niss die gewöhnliche Verengerung der Pupille beim Nahesehen von
hauptsächlichem Einflusse ist.
Die Veränderungen, welche im dioptrischen Apparate eingeleitet
werden müssen, um denselben für gewisse Objeetsdistanzen einzu-
stellen, sind in Bezug auf Quantität und Qualität nicht allein von der
Objeetsdistanz als solcher abhängig, sondern auch und zwar vor-
wiegend von der Lage und Länge der natürlichen Sehlinie
des Auges.
Als solche bezeichne ich jene Accommodationslinie, für welche
das Auge bei völliger Unthätigkeit des Accommodationsmuskels ein-
gestellt ist. Ihr jenseitiger Endpunkt ist immer zugleich der Fern-
punkt des Auges: indem der Druck des Aecommodationsmuskels
nur eine Verkürzung der deutlichen Sehweite zu bewerkstelligen im
Stande ist. Jön |
Diese natürliche Sehlinie variirt nun je nach den Individuen
ausnehmend in Lage und Länge, denn sie ist Function einer langen
Reihe von Factoren, deren jeder individuellen Schwankungen unter-
worfen ist.
200 Stellwag.
Vorerst sind es die Krümmungsvarianten der Cornealvorder-
fläche, welche, obschon innerhalb enger Grenzen eingeschlossen,
dennoch sehr namhafte Differenzen in den Ablenkungen der auffallen-
den Strahlen bewirken. Weiters sind es Abweichungen in der
Wölbung der hinteren Cornealoberfläche, die wahrscheinlich
gegebenen Verschiedenheiten in dem Brechungsindex der Hornhaut-
substanz , die eclatanten Differenzen in der Kammeraxe, weiters
höchst bedeutende, bald angeborne, bald acquirirte Abweichungen
der Krümmungsradien der Linsenblattlagen und die handgreifliche,
mit dem Alter des Individuums stetig zunehmende Dichtigkeit des
Krystalls. Kaum geringer anzuschlagen als diese Momente sind aber
die Formvarianten des Augapfels als Ganzes und damit die Differen-
zen in der Länge der optischen Axe, denn davon hängt die Distanz
der Netzhautstab-Schichte vom optischen Mittelpunkte des Licht-
brechungsapparates und sofort die zum Deutlich- und Scharfsehen
erforderliche Länge der hinteren conjugirten Vereinigungsweite der
das Auge treffenden Strahlen ab.
Diese Verhältnisse machen, dass eine ganz gleiche Accommo-
dationsbestrebung, ja ein ganz gleiches Mass ausgeübten Accommo-
dationsdruckes, in verschiedenen Individuen eine sehr ungleiche
Verschiebung der Accommodationslinie zur Folge hat; umgekehrt
aber, dass die Einstellung des dioptrischen Apparates für eine
bestimmte Objeetsdistanz in verschiedenen Augen ein sehr verschie-
denes Mass von Kraftanstrengung des Accommodationsmuskels
erfordert, unter gewissen Umständen sogar eine ganz entgegen-
gesetzte Richtung der Accommodationsthätigkeit nothwendig erschei-
nen lässt.
Die natürliche Sehlinie des Auges bestimmt solchermassen den
Fernpunkt und das Mass des Accommodationsdruckes, welches wirken
muss, um den dioptrischen Apparat des Auges für jede beliebige,
diesseits des Fernpunktes gelegene Distanz optisch einzustellen.
Insoferne das Mass des möglicher Weise auszuübenden Accommoda-
tionsdruckes in jedem Falle ein gegebenes, beschränktes ist, wird
die natürliche Sehlinie auch in Bezug auf die Lage des Nahe-
punktes, d.i. des diesseitigen Endpunktes der kür-
zesten Accommodationslinie, bestimmend.
Dieses Mass der aufwendbaren und als Druck wirkenden Kraft
des Aeecommodationsmuskels einerseits, und die natürliche Sehlinie
Die Accommodationsfehler des Auges. 201
anderseits sind also die Factoren, welche die absolute Seh-
weite des Auges, die Länge der den Fern- und Nahepunkt ver-
bindenden Linie, so wie deren Lage auf der verlängerten optischen
Axe, bestimmen. Die Länge und Lage dieser Linie ist nun aber der
Massstab, nach welchem allein die Norm und der Grad sich beur-
theilen lassen, in welchem der dioptrische Theil der Sehfunetion von
den als Norm geltenden Verhältnissen abweicht. Es liegt daher auf
der Hand, dass die Acecommodationsfehler des Auges vom wissen-
schaftliehen Standpunkte aus nur eingetheilt werden können in
solche, welche ihren Grund finden in anatomischen Missverhältnissen
des gesammten Augapfels oder der einzelnen lichtbrechenden Medien,
weiters in solche, welche durch Functionsbeschränkung des Accom-
modationsmuskels bedingt sind und drittens in solche, welche beide
Momente als Ursache erkennen lassen.
Eine solche Eintheilung erschwert jedoch die Darstellung und
tritt der Übersichtlichkeit des zu Erörternden in den Weg, indem
sie, wie das Folgende herausstellen wird, vielseitig Wiederholungen
nothwendig macht. In Anbetracht dessen ziehe ich es daher vor,
nach althergebrachter Sitte den dioptrischen Effect jener Abweichun-
gen in dem Baue der lichtbrechenden Medien und des Auges als
Ganzes, sowie in der Funetion des Aecommodationsmuskels, der Ein-
theilung zu Grunde zu legen, die letzterwähnten Verhältnisse aber
blos zur Untersuchung ätiologisch differenter Unterarten der einzel-
nen Accommodationsfehler zu benützen. Ich spreche demnach vorerst
von der Kurzsichtigkeit, sodann von der Weitsichtigkeit und von der
Übersichtigkeit inderen Verbindung mit der Asthenopie und dem gänz-
lichen Mangel des Accommodationsvermögens, so wie mit dem Ver-
zerrtsehen.
Die Kurzsichtigkeit oder Myopie.
Der jenseitige Endpunkt der natürlichen Sehlinie normalsich-
tiger Augen kann nicht wohl anders, als in unendlicher Ferne gele-
gen gedacht werden, und die Beschränkung, welche sich bezüglich
der Tragweite des Gesichtssinnes geltend macht, kann nicht sowohl
auf dem Unvermögen beruhen, den dioptrischen Apparat des Auges
für grosse endliche und selbst für unendliche Entfernungen einzu-
stellen; sondern muss auf anderen Gründen beruhen. Es wäre sonst
nämlich ganz unerklärbar, wie es möglich ist, den Mond und die
202 Stellwag.
Schatten seiner Unebenheiten in scharf contourirten Bildern wahrzu-
nehmen. |
Ein solches Moment, welches die Tragweite des Gesichtssinnes
beschränkt, liegt nun bestimmt in der Abnahme der Netzhautbild-
grösse. Die letztere, d. i. die Grösse der Netzhautbilder, steht näm-
lich in geradem Verhältnisse zu der Grösse des Objeetes und zur
Länge der hinteren conjugirten Vereinigungsweite der Strahlen ; im
umgekehrten Verhältnisse aber zur Entfernung des Objeetes und zu
dem jeweiligen Grade des Refractionszustandes des dioptrischen
Apparates.
Ist D der Abstand des Objeetes und F die eonjugirte Vereinigungsweite,
1 der Brechungsexponent der Luft und M jener des auf die vordere Corneal-
oberfläche redueirten dioptrischen Apparates, so ist der Vergrösserungs-
Coeffieient m |
für D= & wird das Netzhautbild also unendlich klein und es bedarf unend-
licher Grössen des Objeetes, um damit sein Netzhautbild ein oder das andere
liehtempfindende Element der Retina decken und sofort eine unvermischte
Wahrnehmung vermitteln könne.
Die Objectsdistanz, als der numerisch stärkste Faetor ist aber
hier hauptsächlich massgebend und bewirkt, dass die von noch so
grossen Masseinheiten der leuchtenden Oberflächen ausgehenden
Strahlenkegel endlich nicht mehr auf einzelnen Zapfen oder Stäben
der Netzhaut isolirt werden können, sondern Strahlenkegel von einer
grösseren oder geringeren Zahl von Objecten oder Objecttheilen auf
einem und demselben jener Netzhautelemente zur Vereinigung kommen,
und sofort nur gemischte Eindrücke sich zum Gehirne fortpflanzen
können.
Immerhin jedoch ist das erwähnte Verhältniss nieht im Stande
das Netzhautbild irgend eines fernen Objectes zum Verschwinden zu
bringen, es kann dasselbe nur auf die Grösse eines Punktes redueiren,
und gemischte Eindrücke setzen eine Mannigfaltigkeit von Objeeten
in gewissen Aichungen des Gesichtsfeldes voraus. Das Unsichtbar-
werden ferner Objeete kann daher nicht allein auf die Abnahme der
Netzhautbildgrösse. gesetzt werden, es fordert noch ein anderes
Moment zu seiner Erklärung und das ist einerseits das Beugungs-
speetrum, andererseits aber die Schwächung des Lichtes im geo-
Die Accommodationsfehler des Auges. 203
metrischen Verhältnisse, wenn die Dieke der Durchgangsmedien im
arithmetischen wächst.
Insoferne wird der Pupillendurchmesser und der wirkliche Glanz
der Gesichtsobjecte von höchstem Belange. Letzterer ist es auch,
welcher die Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit der Sterne bestimmt,
und im Vereine mit dem Beugungsspectrum, durch die, in Proportion
zur Intensität des auf die Netzhaut ausgeübten Reizes, sich steigernde
Irradiation auch die scheinbare Grösse der Sterne beeinflusset. Alle
Sterne sollten als leuchtende Punkte erscheinen, und ist der dioptrische
Apparat für einen derselben eingestellt, so muss er es auch für die
anderen sein. Was aber von den Sternen gilt, das hat auch in Bezug
auf terrestrische Objecte seine Geltung.
Die Myopie kann daher nicht schlechtweg als das Unvermögen
eines Auges erklärt werden, ferne Objecte in scharfen und deutlichen
Bildern zur Wahrnehmung zu bringen; sondern nur als das Unver-
mögen, scharfe und deutliche Wahrnehmungen von
solehen fernen Objecten zu vermitteln, welche ihrer
Grösse und ihrem wirklichen Glanze nach, bei rich-
tiger Einstellung des dioptrischen Apparates und bei
Integrität der lichtempfindenden Theile, in scharfen
und deutlichenBildern zur Anschauung kommen müssten.
Mit Festhaltung dieses Begriffes ergibt sich als die optische
Wesenheit der Myopie die Vereinigung der von fernen Objecten
ausgehenden Strahlenkegel vor der Netzhautstabschichte. Das Ver-
schwommensein der Contouren in den von fernen Objecten zur Wahr-
nehmung kommenden Bildern findet demnach seinen Grund darin,
dass die Strahlenkegel, welche von je einer der Distanz des Objectes
entsprechenden Masseinheit seiner Oberfläche ausgehen, nicht mehr
in je einem Zapfen oder Stabe der Netzhaut zur Vereinigung kommen;
sondern dass jeder dieser Strahlenkegel in Form eines Zerstreuungs-
kreises eine bald grössere bald kleinere Anzahl von Stäben und Zapfen
gleichzeitig und gleichmässig affieirt, umgekehrt aber jeder einzelne
‚dieser Zapfen und Stäbe von einer mit ihrer Grösse zunehmenden
Zahl von Zerstreuungskreisen getroffen wird, der auf das Sensorium
commune fortgepflanzte Lichtreiz demnach ein gemischter sein muss.
Die Undeutlichkeit, die Liehtschwäche in den, scharfer Contouren
entbehrenden Netzhautbildern ferner Objecte ist aber eine Folge der
Abnahme des scheinbaren Glanzes, der Abnahme der Erleuchtungs-
20A Stellwag.
Intensität einer gewissen Masseinheit der Retina, welche Abnahme
mit der Grösse der Zerstreuungskreise im geraden Verhältnisse steht
und in Verbindung mit der beschränkten Reizempfängliehkeit der
Netzhaut die Wahrnehmung jener Zerstreuungskreise endlich unmög-
lich macht.
Die Grösse der die Netzhaut treffenden Zerstreuungskreise
bestimmt das Mass der Undeutlichkeit und des Mangels an scharfer
Begrenzung in den zur Wahrnehmung kommenden Bildern ferner
Objeete. Sie ist nicht allein Function der Differenz zwischen der
Vereinigungsweite und dem Abstande der Netzhaut vom optischen
Centrum des dioptrischen Apparates, sondern auch Funetion der
Öffnung des liehtbrechenden Apparates.
Kraft des letzterwähnten Verhältnisses finden myopische Augen
in der unwillkürlichen Verengerung des Sehloches bei Einwirkung
höherer Lichtgrade, und in der willkürlichen Verengerung der Lid-
spalte das Mittel, die Schärfe ihrer, ferne Objecte betreffenden, Wahr-
nehmungen auf Kosten der Lichtstärke zu vermehren. Dem entspre-
chend blinzeln (pösıv) denn auch myopische Augen beim Besehen
ferner Objecte im hellen Raume so gewöhnlich, dass man den wissen-
schaftlichen Namen des fraglichen Gesichtsfehlers davon hergeleitet hat.
In Anbetracht des ersterwähnten Verhältnisses ist es klar, dass
abgesehen von der Grösse und dem wirklichen Glanze des Objeetes
die Schärfe und Lichtstärke seines Netzhautbildes mit der Annäherung
an die Cornea zunehmen müsse, indem damit die hintere conjugirte
Vereinigungsweite wächst und sofort die Grösse der die Netzhaut
treffenden Zerstreuungskreise abnimmt. Da nun aber, um die hintere
conjugirte Vereinigungsweite um ein Merkbares zu verlängern, rela-
tiv um so grössere Verschiebungen des Objeetes in der Richtung
gegen das Auge erfordert werden, je ferner das Object vom Auge
absteht; so ergibt es sich, dass die Schärfe der Begrenzung und die
Lichtstärke der Netzhautbilder bei übrigens entsprechender Grösse
und entsprechendem wirklichen Glanze des Objectes nur dann merk-
lich erhöht werden könne, wenn die Hereinrückung des fernen Objec-
tes eine sehr namhafte ist, und dass die Kurzsichtigkeit über-
haupt sich nicht wohl anders als durch mangelnde
Schärfe und Undeutlichkeit der Netzhautbilder von
solchen Objecten charakterisiren könne, die dem
Auge relativ schon nahe stehen, höchstens einige
Die Aceommodationsfehler des Auges. 205
Schuhe oder selbst Zolle entfernt sind. Denn fallen die
Scheitel von Strahlenkegeln in die Netzhautstabschichte, welche
Strahlenkegel aus Punkten von mehreren Fussen Entfernung diver-
giren, so ist der Durchmesser der Zerstreuungskreise von Strahlen,
welche parallel auf die Cornea auffallen, schon ausserordentlich klein,
von dem Querdurchmesser der Stäbe und Zapfen nur wenig verschieden
und sofort die Isolation der Eindrücke noch möglich. Es liegt dem-
nach schon in dem optischen Charakter der Kurzsichtigkeit, dass die
_ absolute Sehweite auf einen Spielraum von nur wenigen Fussen oder
Zollen bei relativ geringem Abstande des Nahepunktes beschränkt sei.
Der Abstand des Nahepunktes ist nun bei Gegeben-
sein einer bestimmten natürlichen Sehlinie allein mehr abhängig
vondem Grade desnoch bestehenden Aecommodations-
vermögens. Es darf dieses nicht fehlen, ja der active Theil des
Adaptionsapparates muss eine der Norm nahezu gleichkommende Kraft
zu entwickeln im Stande sein, widrigenfalls man es nicht sowohl mit
Kurzsichtigkeit, als vielmehr mit Asthenopie oder mit völligem Mangel
des Aecommodationsvermögens, also mit zwei von Myopie sehr diffe-
renten Gesichtsfehlern zu thun hat.
Als fixes Grössenmass des, einem Auge zukom-
menden Accommodationsvermögens kann man nun die
Differenz betrachten zwisehen dem Netzhautabstande
und zwischen der kürzesten oder längsten, durch
Aceommodationsthätigkeit noch eorreetionsfähigen,
hinteren Vereinigungsweite des im normalen Refrac-
tionszustande verharrenden Lichtbreehungsappara-
tes. Insoferne die hinteren Vereinigungsweiten relativ sehr rasch
wachsen, wenn das ohnehin nahe Objeet noch näher dem Auge
gerückt wird; so ist es von selbst verständlich, dass demselben
Grössenmasse des Accommodationsvermögens sehr differente abso-
lute Sehweiten entsprechen werden, je nachdem das Auge normalsich-
tig oder myopisch ist, und dass die absolute Sehweite des kurzsich-
tigen Auges bei normaler Grösse der Adaptionsfähigkeit eine um so
kürzere werden müsse, je kürzer eben die natürliche Sehlinie ist, je
näher also der Fernpunkt der Cornea liegt. So kömmt es, dass in den
höchsten Graden der Myopie die absolute Sehweite endlich auf weni-
ger als einen Zoll herabsinkt und sofort eine fast verschwindende
wird, wenn man sie mit der absoluten Sehweite von Augen vergleicht,
206 Stellwag.
welche bei völligem Mangel des Accommodationsvermögens eine län-
gere natürliche Sehlinie haben. Es simulirt solehermassen ein im
hohen Grade kurzsichtiges Auge den Mangel der Accommodations-
fähigkeit, welche factisch besteht, während Augen mit langer natür-
licher Sehlinie den Bestand des thatsächlich abgehenden Adaptions-
vermögens nachahmen können.
Es geht daraus hervor, dass man die Grösse des in Rede stehen-
den Gesichtsfehlers nicht allein aus der Lage des Nahepunktes
bestimmen könne, indem eben ein kräftiges Accommodationsvermögen
den Nahepunkt stark hereinrückt, derselbe aber bei gleicher natür-
licher Sehlinie, aber vermindertem Aeccommodationsvermögen, hin-
ausrückt, und sich dem Fernpunkte nähert. Es geht daraus aber
auch hervor, dass der Fernpunkt bei dieser Grössenbestimmung
nicht zureiche, indem eine solche Grössenbestimmung eben der so
überaus wichtigen Accommodationsfähigkeit keine Rechnung trägt
und so zu falschen Resultaten führt. Nahepunkt und Fernpunkt, ihre
gegenseitige Lage und ihre Lage zum Auge, diese Momente zusam-
mengenommen, können allein nur die Beurtheilung der Grösse des
in Rede stehenden Gesichtsfehlers auf sichere Grundpfeiler stützen.
Insoferne erscheinen denn auch die verschiedenen Optometer
im engeren Wortsinne als ganz unzuverlässliche Mittel, wenn es sich
darum handelt, den Grad der Kurzsichtigkeit, d. i. die Länge und
Lage der absoluten Sehweite zu bestimmen. Die Accommedations-
linien treten hier störend in den Weg. Dass dem so sei, ergibt
sich schon daraus, dass ein Verfahren Czermak’s, die Accommoda-
tionslinien zur äusseren Wahrnehmung zu bringen, eben nur die An-
wendung eines nach Young'’s Prineip construirten Optometers ist.
Aus dem über die Accommodationslinien Gesagten ergibt es sich klar,
dass die Schwierigkeiten insbesondere die Bestimmung des Fernpunktes
treffen und um so grösser sein werden, je weniger nahe derselbe
dem Auge gerückt ist; dass aber die mit der Verkürzung zunehmende
Schärfe der Accommodationslinie die Absteckung des Nahepunktes
wesentlich erleichtern müsse, vorausgesetzt, dass der zu Unter-
suchende das Spiel seines Aecommodationsmuskels vollkommen in
der Gewalt hat. Darin liegt aber die zweite, subjeetive und jene ob-
jectiven weit überragende Schwierigkeit. Um sie zu überwinden,
bedarf selbst der Eingeweihte eine nicht geringe Übung; Laien
begreiflich zu machen, was gewünscht wird, ist aber fast unmöglich.
Die Accommodationsfehler des Auges. 207
Sie stellen den dioptrischen Apparat fast jedesmal anders ein, daher
denn auch die Resultate, welche der Optometer gibt, in verschiedenen
Versuchen etwas variiren. Sie würden mehr differiren bei Gegeben-
sein grösserer absoluter Sehweiten, wenn man es dahin bringen
könnte, dass die zu Untersuchenden bei Anwendung des Optometers
nicht immer den Accommodationsmuskel in die grösstmöglichsten
Spannungsgrade versetzten; allein dieses zu verhüten, ist fast un-
möglich, sie verkürzen die Accommodationsweite immer so viel es nur
geht, und daher geschieht es denn auch, dass die nach dem Optome-
ter gewählten Brillen der Regel nach im Gebrauche sich als zu scharf
erweisen, und es ist dabei natürlich gleichgiltig, ob das Optometer
nach Young's oder Scheiner's Prineip construirt ist. Es liefert
also eigentlich nur Punkte in der absoluten Sehweite,
keinesweges die Länge und Lage der letzteren. Es lässt
sich aus mehreren solchen Punkten wohl ein Schluss ziehen auf das
Vorhandensein einer Myopie, Presbyopie oder eines normalen Seh-
vermögens, allein das Mass jener Abweichungen lässt sich
daraus nicht leicht mit Bestimmtheit ermitteln.
Wenn es aber blos die Aufgabe ist, einzelne Punkte der abso-
luten Sehweite zu ermitteln, bedarf es nicht der eigens construirten
Optometer, jedes Fernrohr ersetzt das letztgenannte Instrument,
indem es durch die zum Deutlichsehen erforderlichen Verlängerungen
und Verkürzungen des Abstandes zwischen Objeetiv und Oecular
Punkte in der absoluten Sehweite bestimmen lässt. Als Gesichtsobjeet
von fixer Distanz und fixem wirklichen Glanze eignen sich am besten
bestimmte Sterne.
Auch der Augenspiegel wird insoferne zu einem Optometer.
Auch er gibt Punkte der absoluten Sehweite an, vorausgesetzt, dass
der Untersuchende die Fertigkeit besitzt, sein Accommodationsver-
mögen beliebig zu intendiren und bei jeder Untersuchung mit Bestimmt-
heit die Distanz anzugeben, für welche der dioptrische Apparat wäh-
rend der Untersuchung eingestellt war (Stellwag, Theorie der
Augenspiegel, Wien 1854, III und IV). Dieses ist aber ausserordent-
lich schwierig und es resultirt daraus ein Grad der Unzuverlässigkeit
in den Forschungsergebnissen, wie er nicht aufgewogen werden
kann von dem Umstande, dass mit der nothwendigen Erweiterung
der Pupille auch die Accommodationsthätigkeit des untersuchten Auges
vernichtet wird, und sofort die Einstellung des dioptrischen Apparates
208 Stellwag.
im Auge des Beobachteten als eine fixe zu betrachten ist, wenn man
davon absieht, dass der Mydriase in ihren verschiedenen Graden nicht
ganz gleiche Accommodationszustände entsprechen. |
In Anbetracht aller dieser Unzukömmlichkeiten darf man also
wohl behaupten, dass die Bemessung der absoluten Sehweite durch
Bestimmung des Nahe- und des Fernpunktes aus der Tragweite
des freien Auges an Verlässlichkeit den Ergebnissen der Anwen-
dung von jenen Optometern nicht nachstehe. Im Gegentheile erwächst
der fraglichen Untersuchungsmethode ein gewichtiger Vorzug daraus,
dass sie es weit leichter macht, den Kranken zu willkürlichem Wech-
sel seines Aceommodationszustandes zu bestimmen und zwar zum
Wechsel innerhalb der immer nur möglichen Grenzen.
Es ist aus der Einleitung klar, dass bei dieser Bestimmung nicht
allein die Distanz, sondern auch die davon abhängige Bildgrösse
des Objeetes und dessen wirklicher Glanz zu berücksichtigen
kömmt. Der wirkliche Glanz des Objectes ist nämlich ein Factor
des scheinbaren Glanzes und dieser bestimmt die Intensität des
auf die Netzhaut ausgeübten Reizes. Die Bildgrösse aber bestimmt die
Zahl der getroffenen lichtempfindenden Netzhautelemente und sofort
den Grad der Genauigkeit, in welcher das Detail des Gegenstandes
zur sinnlichen Wahrnehmung kömmt.-
Insoferne nun aber der scheinbare Glanz der Netzhautbilder auch
Funetion des Pupillendurchmessers ist, wird es wohl kaum möglich
sein, Varianten des ersteren und die daraus resultirenden Beobach-
tungsfehler gänzlich zu umgehen, selbst wenn man es in der Gewalt
hätte, den wirklichen Glanz des Objeetes willkürlich und der Entfer-
nung entsprechend wachsen und fallen zu lassen. Doch dürften die
solchermassen bedingten Fehler auf ein Minimum redueirt werden,
und schadlos zu vernachlässigen sein, wenn man als Probeobject ein,
mit sehr tief schwarzen Figuren bemaltes hellweisses Blatt Papier
derart in einem Zimmer befestiget, dass das helle Tageslicht seitlich
und in einer bestimmten, nahe constanten Richtung darauf fällt.
Es reicht die Breite eines mässig grossen Zimmers zu dem frag-
lichen Versuche aus, da wegen der grossen Länge der ferneren
Accommodationslinien Augen, welche auf 15—20 Fuss Entfernung
deutlich und scharf sehen, in den allermeisten Fällen auch für unend-
liche Distanzen sich einzustellen fähig sein werden, daher man es
auch nicht nothwendig hat, zur Vermeidung der aus der wechselnden
Die Accommodationsfehler des Auges. 209
Bildgrösse entspringenden Fehler eine unendliche Reihe von Objeeten
in den, allen Distanzen entsprechenden Dimensionen zur Anwendung
zu bringen und zwar um so weniger, als bei sehr grossen Entfernun-
gen das Beugungsspectrum und die Irradiation ohnehin das Endresul-
tat, die Bestimmung des Fernpunktes, sehr stark trüben. Aufgabe ist
es, die Bildgrösse zu einer constanten zu machen und sie so klein zu
wählen, dass jede Verminderung derselben einer Erkenntniss des
Objectes in seiner Detailzeichnung unmöglich machen müsste.
Ein sehr gutes Auge ist noch im Stande, auf hellweissem Grunde
schwarze Buchstaben von 0”2 Höhe, und entsprechender Dicke in
72” Abstand scharf und deutlich zu sehen, und das ist wohl in Bezug
auf das gewählte Gesichtsobjeet nahezu die innere Grenze der Mög-
‚liehkeit. Es entspricht diesen Dimensionen eine Netzhautbildgrösse
von 00172. Ein 15 Fuss abstehendes Objeet muss demnach 5"7, ein
12 Linien entfernter Gegenstand aber 0"061 Höhe haben, um ein
gleich grosses Bild auf der Netzhaut zu entwerfen.
Der Übersichtlichkeit halber benütze ich zu diesen Berechnungen das auf
die vordere Cornealoberfläche, als einzige Trennungsfläche, reducirte Auge. Es '
ist für dasselbe der Radius % der Trennungsfläche R = 3'456, die Axe oder
bezüglich der zu lösenden Aufgaben der Abstand der Netzhaut und der absolute
Breehungsexponent M des homogen gedachten Inhaltes
F(D+R)
RE »
wo D den Abstand des Gesichtsobjeetes bedeutet. Der Vergrösserungsco£ffieient
m ist
F
Anm
Wenn A die Höhe des Objeetes und a die Höhe des Netzhautbildes aus-
drückt, so erscheint
| AF A(R—R
a=Am= — —— = ——,
\ MD D+R
Für A=0"2 und D=72" ergibt sich a—= 0"0172, was dem Breiten-
durehmesser von 7°8 unmittelbar an einander stehender Zapfen, deren jeder im
Mittel nach Kölliker 0"0022 misst, entspricht. Damit nun a eine Constante
bleibe, muss für D= 2160" —=15’ das A= 5"7 werden; für D—=20" aber
das A= 0'061 sein, wie sich ergibt aus den Gleichungen
A(R-F) a(D+R)
= ——— und A=———.
DR R-F
Als Probeobject dürfte demnach eine Reihe von Buchstaben,
mit schwarzer Farbe auf weissem Papiere gezeichnet, deren Höhe
von 5°”7 bis 0"061 allmählich abnimmt, am besten entsprechen,
Sitzb. d. ınathem.-naturw. Cl. XVI. Bd. I. Hft. 14
210 Stellwag.
weil es nur der Nennung ihres Namens von Seite des Untersuchten
bedarf, um den Untersuchenden zu vergewissern, jener habe sie wirk-
lich in ihrer wahren Gestalt erkannt, was bei anderen Objeeten nicht
so leicht ist. Bei einer Reihe von Strichen z. B., die in ihren Dimen-
sionen allmählich abnehmen, täuscht sich der Untersuchte oft selbst über
die Zahl der scharf und deutlich gesehenen, da man Objeete, die
man voraus kennt, auch in undeutlichen Bildern unterscheidet und
das Urtheil von Laien über Schärfe der Bilder ein sehr schwankendes
ist. Wollte man aber beliebige andere Figuren als Gesichtsobjeete
wählen, so würde oft die mangelhafte Beschreibung des Gesehenen
das Urtheil trüben. Weil es nun aber auch nicht schwer ist, einzelne
Buchstaben in unscharfen Bildern zu unterscheiden, und sofort leicht
Fehler resultiren, erscheint es im Interesse der Verlässlichkeit noth-
wendig, nicht eine einfache Zeile von allmählich an Grösse abnehmen-
den Buchstaben als Gesichtsobjeet zu wählen, sondern eine Reihe von
Zeilen, deren jede Buchstaben von bestimmter Höhe im Worte ohne
Zusammenhang vereinigt enthält. Ich sage „Worte ohne Zusammen-
hang“, da in Sätzen leicht einzelne Worte aus dem Contexte erra-
then werden, ohne dass scharfe und deutliche Bilder der sie compo-
nirenden Buchstaben auf der Netzhaut zu Stande kommen. Tafel I
ist eine solche Scala, A deutet die Buchstabenhöhe, D die zugehörige
_ Distanz an.
| Selbstverständlich ist, dass jede dieser allenfalls unter einander
gestellten Zeilen immer senkrecht auf der verlängerten
optischen Axe des Auges stehen müsse, daher ihr Träger,
jenes Blatt Papier, in gleicher Höhe mit dem zu untersuchenden Auge
und vertical zu fixiren ist, weil mit der Neigung die Projeetion eine
andere wird.
Ist Fig. I, AB das geneigte und durch die verlängerte optische Axe des
Auges 00’ halbirte Gesichtsobjeet, so ist der halbe Gesichtswinkel o und die
Grösse des Netzhautbildes 2«e ist Function der Projeetion AC=AB.sin a,
wo sin a<1 und zwar um so kleiner ist, je mehr AB zu 00’ geneigt ist. Es wird
AC= 0, wenn sin a==0 ist, wenn demnach AB parallel zu 00’ wird.
Kann man nun, was einigermassen willkürlich angenommen
wurde, die Netzhautbildgrösse von 0"0172 wirklich als die innere
Grenze ansehen, unter welche ein Sinken nicht mehr stattfinden darf
sollen noch die Buchstaben in scharfen und deutlichen Bildern zur
Wahrnehmung kommen und sofort in ihrer Detailzeichnung erkannt
Die Accommodationsfehler des Auges. 211
werden: so gibt die erwähnte Scala ein ziemlich sicheres Mittel an
die Hand, den eigentlichen dioptrischen Fernpunkt sowohl, als den
Nahepunkt, sofort die absolute Sehweite zu bestimmen. Die Art und
Weise dieser Bestimmung liegt auf der Hand. Zu bemerken ist nur,
dass es nicht gleichgiltig sei, welche Zeile der zu Untersuchende bei
einem bestimmten Abstande fertig zu lesen im Stande ist, sondern
dass bei jeder Distanz immer die ganze Reihe von Zeilen, von der
grössten bis zu jener, deren Buchstabenhöhe gerade der Netzhaut-
bildgrösse von 0”0172 entspricht, in scharfen und deutlichen Bil-
dern wahrgenommen werden muss. Ohne Berücksichtigung dessen
wird man leicht Fehlschlüsse machen, da mit der Annäherung des
Objectes die relative Netzhautbildgrösse wächst und damit auch die
Möglichkeit, die Bilder selbst in Zerstreuungskreisen zu unterscheiden.
Nach diesen Vorausschickungen ist es nun auch möglich, von
dem Einflusse von Brillengläsern auf myopische Augen zu spre-
chen und ich gehe um so lieber in eine genauere Erörterung ihrer
dioptrischen Wirkungen ein, als in ihnen das Mittel zur Correetion
des fraglichen Gesichtsfehlers gegeben ist, und sie insoferne von der
höchsten praktischen Wichtigkeit erscheinen.
Sammellinsen vermindern die Divergenz auffallender Strah-
len. Vor das myopische Auge gehalten, verkürzen sie also die ohnehin
zu kurze hintere Vereinigungsweite noch mehr, vergrössern sofort
den Durchmesser der die Netzhaut treffenden Zerstreuungskreise und
vermindern sofort die Schärfe und Deutlichkeit der Netzhautbilder
noch weiter, indem sie eben den Fernpunkt scheinbar hereinrücken
und sohin die Differenz zwischen dessen Abstand und den Abstand
des Objeetes um ein Namhaftes vermehren. Zerstreuungsgläser
im Gegentheile vermehren die Divergenz auffallender Strahlen. Vor
das myopische Auge gehalten, und so mit dessen dioptrischem Apparat
_ eombinirt, verlängern sie die hintere conjugirte Vereinigungsweite, in-
dem sie scheinbar die vordere verkürzen. Ihre Wirkung ist daher
Verkleinerung und selbst gänzliche Aufhebung der Differenz zwischen
dem Abstande des Objectes und jenem des Fernpunktes, und sofortige
Steigerung der "Sehärfe und Deutlichkeit jener Bilder, welche von
jenseits des Fernpunktes gelegenen Objeeten auf der Netzhaut des
kurzsichtigen Auges entworfen werden.
Ist n der Brechungsexponent der Luft, n, jener des homogen gedachten
Inhaltes eines auf die vordere Cornealoberfläche redueirten Auges, p die vordere,
14*
212 Stellwag.
?, die hintere eonjugirteVereinigungsweite und sind f und f, die beiden Brenn-
weiten, sowie r der Radius der Trennungsfläche, so ist
INTER 7,
— ——. En.
n
. [) 1 .
erscheint p, zuklein, also — zu gross. Insoferne es sich um den Fernpunkt
i Pı
handelt, muss n, bereits den kleinstmöglichsten Werth erreieht haben und sofort
als Constante fungiren. Ebenso ist wegen der Unveränderlichkeit von r die
n,r
hintere Brennweite f} =—— —— dann eine Constante und es kann p, nur da-
n,—n
y
durch vergrössert und folgerecht — verkleinert werden, dass der Werth p ver-
P1
I
mindert wird, der Werth von — also steigt, aber negativ bleibt. Sammellinsen
können vor das Auge gestellt diesem Bedürfnisse, Verkleinerung von p, nicht
genügen. Ist nämlich 5 ihre Brennweite, » die Objeetsdistanz und v, die der
letzteren conjugirte Vereinigungsweite, so erscheint in Bezug auf die Brille
1 1 1
wo ©, =p+e ist, und ce den Abstand der Brille von der Vorderfläche der
Cornea bedeutet, welehen man hier als Constante aufzufassen hat. Ist » >b, steht
das Object ausser der Brennweite vor der Linse, so erscheint v, positiv und
n
sofort p und — in (1) negativ. Der Ausdruck (1) geht also über in
p
nn mn
——— — + —
Pa ER
» \ ar
was eine Zunahme von — und wegen der Constanz von », eine Abnahme von
Pi |
p, also gerade das Gegentheil von dem in sich schliesst, was bezweckt wird.
Wird »=b und sofort v, = ®, so ist auhp= & und p, =f1 d.h. die
Strahlen vereinigen sich in der hinteren Brennweite, also in dem kürzesten Abstande
hinter der Trennungsfläche des redueirten Auges. Wird aber v< b, so wird
wohl v, negativ und der Ausdruck (1) hat seine Giltigkeit, da p essentiel positiv
wird, allein es ist dann — <” — und v,>», es ist p grösser statt kleiner
v, 0)
geworden.
Für Zerstreuungslinsen hingegen ist
1 zud 1
———-(2+-).... De e)
v b v
So lange » positiv ist, der Gegenstand also vor der Linse liegt, muss
1 .
— > — und sofort v,< v sein, v, weiters negativ und p positiv bleiben, was
eben der Zweck ist.
Die Accommodationsfehler des Auges. 2153
Der Myops findet daher in einer vor das Auge gestellten Zerstreu-
ungslinse das Mittel, seinen Fernpunkt hinauszurücken, und zwar wird
eine um so schärfere Zerstreuungslinse erforderlich sein, um den jen-
seitigen Endpunkt der natürlichen Sehlinie auf eine gewisse Distanz
hinauszuschieben, je grösser eben diese Distanz und je grösser +die
Differenz zwischen der hinteren Brennweite des dioptrischen Appara-
tes und zwischen dem Abstand der Netzhautstabschichte vom optischen
Centrum der lichtbrechenden Medien ist, mit anderen Worten, ein je
höherer Grad von Kurzsichtigkeit vorliegt.
Wegen der Unveränderlichkeit von n, n, und f, muss in der Formel (1)
n Ni b i .
— wachsen, und sofort p abnehmen, wenn — zunimmt und sohin f, abnimmt.
1
. Es muss also die Brille eine um so kürzere negative Brennweite haben, weil
eben in (2) v, + e=p ist und 5 abnimmt, wenn v, verkleinert wird.
Es scheint nach diesem, als müsste die Brennweite der Linse bei
Gegebensein eines bestimmten Grades von Kurzsichtigkeit in einem
stätigen Verhältnisse zu- und abnehmen, wenn die Distanz des Objectes
steigt oder fällt. Doch dem ist nicht ganz so, die Nothwendigkeit
der Zu- und Abnahme der Brennweite wird durch das Verhältniss, in
welchem die beiden conjugirten Vereinigungsweiten der Zerstreu-
ungslinse zu einander stehen, so wie durch das Adaptionsvermögen
des myopischen Auges und sofort durch dessen absolute Sehweite in
relativ enge Grenzen eingeschlossen. Um die Sehweite des
myopischen Auges in das Unendliche zu verlängern,
genügt’ eine Zerstreuungslinse, deren um ihren Ab-
stand vom Auge verminderte Brennweite mit dem
jenseitigen Endpunkte der natürlichen Sehlinie zu-
sammenfällt. Mit Hilfe derselben Linse werden aber auch noch
scharfe und deutliche Bilder auf der Netzhaut zu Stande zu bringen
sein von Punkten, deren Abstand von der Linse der, um
die Entfernung der Linse vom Auge verminderten
Distanz des Nahepunktes des dioptrischen Apparates
eonjugirt ist. Eine Abnahme der negativen Linsenbrennweite
wird erst erforderlich, wenn es sich um Punkte handelt, deren Ent-
fernung vom Auge geringer ist, als die dem Nahepunkte des Auges
conjugirte Vereinigungsweite der Linse. Es muss die Brennweite
der Nulle gleich werden, wenn das Objeet im Nahepunkte selbst steht,
wobei der Abstand der Linse vom Auge vernachlässigt wird. Es muss
214 Stellwag.
jene positiv sein, es ist eine Sammellinse nothwendig, wenn der’
‚Gegenstand noch näher dem Auge rückt.
Wäre der Quotient jener Verhältnisse ein gleicher, in welchem
die beiden conjugirten Vereinigungsweiten der Zerstreuungslinse so-
wohl als des dioptrischen Apparates je zu einander stehen, so läge in
der richtigen Wahl der Zersteuungslinse ein Mittel: innerhalb der
oben angegebenen Grenzen die Lichtbrechung des myopischen Auges
jener im normalen Auge nahezu identisch zu machen, denn dann
müsste jeder Verrückung des Accommodationspunktes durch dieLinse
eine der Norm entsprechende Verlängerung der Accommodationslinie
parallel gehen; es müsste die jeweilig gegebene Accommodationslinie
des myopischen Auges durch die Brille in jene des normalen Auges
bei gleicher Adaptionsanstrengung verwandelt werden.
Es wäre dann bei Zugrundelegung der obigen Werthe und bei Vernach-
lässigung des Abstandes der Linse vom Auge, wenn &, y die Unbekannten sind,
ur
P:m +06 =p+=:p
pt m:p=vHty:v
7:9 +06 —=v+y:v
Es weichen aber diese Verhältnisse von einander ab, und daher
kann auch bei gleicher Adaptionsbestrebung die Aecommodationslinie
des, mit einer entsprechenden Zerstreuungslinse bewaffneten, myopi-
schen Auges niemals mit jener des normalen Auges zusammenfallen,
die Accommodationslinien desmyopischen Auges werden durch dieLinse
in einem anderen Verhältnisse variirt, als im normalen Auge ohne
Linse ; es entsprechen unter den genannten Umständen
inden beiden AugengleichenAccommodationspunkten
verschiedene Aecommodationslinien.
Immerhin jedoch dürften diese Differenzen relativ nur geringe
sein innerhalb der durch die absolute Sehweite des Auges und die
Brennweite der passenden Linse gesteckten Grenzen. Der mathe-
matische Beweis dafür ist wohl nicht herzustellen, da der Quotient
jenes Verhältnisses zur Zeit noch nicht erörtert werden konnte, in
welchem die beiden eonjugirten Vereinigungsweiten des dioptrischen
Apparates zu einander stehen. Doch spricht dafür die grosse Über-
einstimmung, welche sich ergibt aus der Vergleichung des Verhält-
nisses, in welchem die beiden conjugirten Vereinigungsweiten der
Linse zu einander stehen, mit den Ergebnissen der Czermak’schen
Die Accommodationsfehler des Auges. 21 5
Experimente bezüglich des Wechsels der Lage undLänge der Accom-
modationslinien. Es sind diese um so länger, je weiter der Accommo-
dationspunkt vom Auge absteht, und die hintere conjugirte Vereini-
gungsweite des dioptrischen Apparates fängt erst dann an, rasch zu
wachsen und sofort die Aeeommodationslinie auffallend zu verkürzen,
wenn der Accommodationspunkt bereits sehr nahe dem Auge gerückt
ist; sei es in Folge intensiver Adaptionsanstrengung oder abnormer
Verkürzung des Abstandes des Fernpunktes. Etwas ganz Analoges
zeigt sich nun auch in Bezug auf die Lichtbrechung in Zerstreuungs-
linsen. |
Ist v ein Punkt vor der Linse, v»+n ein zweiter weiter gelegener, b die
Brennweite der Linse, so sind die conjugirten Vereinigungsweiten v, und ®,
| vb (+n)b
nb?
Ve rare
Die Differenz der hinteren Vereinigungsweiten wird eine um so
kleinere bei gleichen Abständen zweier Punkte, je kleiner die Brenn-
weite der Linse ist; bei gleicher Brennweite der Linse aber, je näher
die beiden Objeete hereinrücken. Im Allgemeinen kann man also
sagen, die Differenz der hinteren Vereinigungsweiten wird eine um so
kleinere, je schärfer die Brille und je kleiner die Abstände der beiden
Objeete, von der Linse gerechnet, werden. Insoferne nun die Brenn-
weite der Linse, soll sie den dioptrischen Fernpunkt in unendliche
Ferne verlegen, eben von dem Abstande des Fernpunktes bestimmt
wird und nur um den Abstand der Linse vom Auge verschieden ist;
kann man auch sagen, die Differenz der hinteren Vereinigungsweiten
der Zerstreuungslinse werde um so kleiner, je höher der Grad der
Kurzsichtigkeit ist und je mehr die beiden Objeete an das mit der
Brille bewaffnete Auge heranrücken. In Anbetracht dieser Überein-
stimmung wird man daher auch nicht sehr fehlen, wenn man sagt, die
Differenzen der hinteren Vereinigungsweilen der richtig gewählten
Zerstreuungslinse fallen, wenn die Abstände der Objecte den norma-
len Accommodationslinien gleich gewählt wurden, zum grossen Theile
mit den Accommodationslinien des ‚entsprechenden myopischen Auges
216 Stellwag.
zusammen; diese letzteren werden durch die passende Linse in sol-
che verwandelt, welche von denen des normalsichtigen Auges nicht
sehr verschieden sind. Ist dieses aber richtig, und Experimente
lassen darüber keinen Zweifel, so muss auch ein myopisches Auge,
welches mit Hilfe einer entsprechenden Brille auf 15 Fuss Entfernung
scharfe und deutliche optische Wahrnehmungen vermitteln kann, auch
von unendlich fernen Objeeten scharfe und deutliche Netzhautbilder
erzeugen können, soweit nämlich die Irradiation, dieLiehtabnahme und
das Beugungsspecetrum nicht hinderlich in den Weg treten. Daher
lässt sich auch eine Scala, wie die oben beschriebene zu den Experi-
menten mit Brillen vortheilhaft als Object benützen. wi
Es ist nun aber selbstverständlich, dass in jedem einzelnen Falle
mehrere Linsen von verschiedener Brennweite scharfe und deutliche
scheinbare Bilder von Objecten, deren Distanz von Unendlich bis
15 Fuss variüirt, in der absoluten Sehweite des myopischen Auges zu
erzeugen vermögen und dass die mögliche Differenz dieser noch ent-
sprechenden Linsenbrennweiten gerade in der Länge der absoluten
Sehweite des Auges das Mass finde, welches sie nach keiner Rich-
tung hin überschreiten darf. Es scheint also für den ersten
Augenblick, als ob einem und demselben Auge meh-
rere Zerstreuungslinsen von verschiedener Brenn-
weite entsprechen könnten, und die geringe Sorgfalt, wel-
che Laien und Ärzte bei der Wahl der Brillen anwenden, lässt sich
gleichsam als ein empirisches Beweismittel für die Richtigkeit einer
solchen Ansicht verwerthen. Einige Überlegung führt jedoch zu einer
ganz anderen Auffassung der Dinge.
| Die Differenz zwischen der kürzesten und längsten unter den
hinteren Vereinigungsweiten des dioptrischen Apparates, welche
durch die Einrichtungsfähigkeit des Auges noch auf die Stabschichte
der Netzhaut geleitet werden können, ist eine von der Organisation
des letzteren und von der Functionskraft des Aecommodationsmuskels
abhängige, in jedem einzelnen Auge constante Grösse, also sind es
auch die ihr conjugirten Abstände des Nahe- und Fernpunktes, die
absolute Sehweite des Auges. Brillen verrücken nur scheinbar
das Gesichtsobject, ändern die relative Lage desselben zum Auge,
ohne jedoch jene Differenz und sofort auch die ihr conjugirte abso-
lute Sehweite irgendwie modifieiren zu können, ihre Wirkung
beschränkt sich darauf, ausserhalb der absoluten Sehweite gelegene
Die Accommodationsfehler des Auges. 2| 7
Gesichtsobjeete in dieselbe hereinzurücken. Daher ist denn auch
ihre diesfällige Leistungsfähigkeit durch die Länge der absoluten
Sehweite des Auges strenge begrenzt, mit anderen Worten, die
Zerstreuungslinse vermittelt im myopischen Auge
nur scharfe und deutliche Wahrnehmungen von Ob- |
jeeten, deren Distanzen, bezüglich der Lichtbre-
ehung in der Brille, Punkten in der absoluten Seh-
weite des Auges conjugirt sind.
Es ist sofort klar, dass aus allen jenen Zerstreuungslinsen,
welche von unendlich entfernten Objecten scharfe und deutliche
Bilder in der absoluten Sehweite des Auges erzeugen, jene das
Maximum der Leistungsfähigkeit erreicht, deren in
den Nahepunkt des Auges fallende hintere Vereini-
gungsweite der kürzesten Objectdistanz conjugirt
ist, deren Brennweite also die grösste Länge inner-
halb der Grenze hat, welche eben durch den Fern-
punktabstand gesteckt ist, mitanderen Worten, deren
Brennweite der um den Abstand der Linse vom Auge
verminderten Distanz des Fernpunktes gleichkömmt.
Je schärfer die Linse wird, desto mehr rückt der Nahepunkt des mit
der Linse combinirten dioptrischen Apparates hinaus, desto ver-
schwommener und undeutlicher müssen die Bilder werden , welche
von näher gelegenen Objecten auf der Netzhaut erzeugt werden, und
desto mehr erweitern sich die Grenzen, innerhalb welchen. das bril-
lenbewaffnete Auge scharfe und deutliche Wahrnehmungen zu ver-
mitteln ausser Stande ist.
’ 1 1 1 ‘ ö vb
Aus der Grundformel — + — = — — ergibt sieh nämlich v, =
b v+b
wo vd, den um den Abstand e der Linse vom Auge verminderten Abstand des
Nahepunktes bezeichnet.
Immerhin jedoch werden die aus diesen Verhältnissen resulti-
renden Fehler nie ganz zu vermeiden sein. Aus der Grundformel der
Liehtbrechung in Zerstreuungslinsen ergibt sich nämlich auch, dass
so lange die von einem Objeete auf die Linse fallenden Strahlen
divergent sind, die hintere Vereinigungsweite stäts kleiner als die
vordere conjugirte ist; dass Zerstreuungslinsen sofort in ihrer Com-
bination mit dem dioptrischen Apparate des Auges den Nahepunkt
218 Stellwag.
hinausrücken, auch wenn sie das Maximum der Leistungsfähigkeit
bezüglich des betreffenden Auges erreichen.
Damit im innigsten ursächliehen Zusammenhange steht die all-
bekannte Thatsache, dass Myopen, welche sich zum Fernsehen der
Zerstreuungsgläser bedienen, bei Besichtigung von Objecten, die
ihrer Kleinheit wegen dem Auge sehr nahe gehalten werden müssen,
die Brillen abzulegen sich gezwungen fühlen, ja selbst beim Lesen,
Sehreiben und ähnlichen Beschäftigungen in der Brille, auch wenn
sie richtig gewählt ist, ein wesentliches Hinderniss des scharfen und
deutlichen Sehens finden und dieses zwar auch für den Fall, als die
hintere Vereinigungsweite der Brille noch jenseits des Nahepunktes
reicht.
Abgesehen von der Hinausrückung des Fernpunktes kömmtbetreffs
dessen nämlich noch ein anderer Umstand in Betracht. Die natür-
liche Sehlinie des Auges ist eine unveränderliche Grösse, welche von
der Brennweite des dioptrischen Apparates bei völliger Ruhe des
Accommodationsmuskels bestimmt wird. Jede Verkürzung der
Objectsdistanz innerhalb des Fernpunktes macht eine verhältniss-
mässige Anstrengung des Accommodationsmuskels erforderlich; es
wird diese Anstrengung um so grösser, je näher das Object rückt,
und sie erreicht ihr Maximum, wenn das Gesichtsobjeet in dem Nahe-
punkte selbst angelangt ist. Nun ist die hintere Vereinigungsweite
der Zerstreuungslinsen immer kleiner als die vordere, so lange die
Lichtstrahlen divergent auf die Linsen fallen und diese Differenz ist
um so grösser, je schärfer die Brille ist. Sobald also ein Object in
der absoluten Sehweite des Auges gelegen ist, wird die Brille
zum scharfen, deutlichen Sehen des Gegenstandes
eine, relativ zum freien Auge, um so stärkere Anstren-
gungdesAccommodationsmuskelserforderlichmachen,
je näher sie das scheinbare Bild dem Nahepunkte ent-
wirft, und überschreitet dieses scheinbare Bild endlich den Nahe-
punkt, so wird auch das Maximum der Anstrengung zur Vermittlung
entsprechender Wahrnehmungen nicht mehr ausreichen. Und etwas
ähnliches gilt auch von Objecten, welche jenseits des Fernpunktes
gelegen sind. Bei gleichen Abständen des Gegenstandes werden
Brillen, welche noch scheinbare Bilder in der absoluten Sehweite
des Auges entwerfen, eine um so intensivere Kraftentwickelung des
Accommodationsmuskels zum Zwecke des scharfen und deutlichen
Die Accommodationsfehler des Auges. - 219
Sehens erforderlich machen, je näher dem Nahepunkte sie die Licht-
strahlen zur Vereinigung bringen, je schärfer sie sind.
Diese unverhältnissmässige Anstrengung des Accommodations-
muskels ist es nun, welche sich beim Gebrauche vonBrillen
unzweckmässig kurzer Brennweite alsbald unzwei-
deutig indem Hervortreten von Reizerscheinungen
im Auge kund gibt. Vorerst sind es die sensitiven Nerven-
zweige des Accommodationsmuskels, welche dessen übergrosse
Intention durch schmerzhafte Erregung und gesteigerte Erregbarkeit
verrathen. Das jedem Muskel eigenthümliche Gefühl von Angestrengt-
sein, die Empfindung einer gewissen Völle im Auge, selbst wahrer
intensiver Schmerz, Empfindlichkeit gegen jeden leichten das Auge
treffenden Reiz beurkunden das Gegebensein eines hyperästhetischen
Zustandes und steigern sich in dem Masse, als die Anstrengung des
Auges fortdauert. Das Gefässsystem bleibt nicht lange hinter den
Nerven zurück und Injeetion der Episcleralgefässe deutet hin auf
Congestionszustände im Bereiche des ciliaren Kreislaufes. Unter fort-
gesetzter Anstrengung des Accommodationsmuskels endlich irradiirt
sich die Hyperästhesie des Ciliarnervensystems bald auf die übrigen
Zweige des Quintus und auf die Netzhaut, ja auf das Gehirn, wovon
flüchtige Stiche im Ausstrahlungsbezirke des Augenastes, Gefühl von
lästigem Drucke in der Stirn- und Schläfengegend, mehr weniger
heftige Kopfschmerzen und das Gefühl der Blendung, die Empfind-
lichkeit des Auges gegen selbst mässiges Licht Zeugniss ablegen.
Sogar die Erregung von Entzündungen im Augapfel liegt diesen Ver-
hältnissen nicht allzufern, und Hyperästhesien im: Bereiche irgend
‚eines Gehirnnerven finden darin erhebliche Anregungsmomente für
Paroxysmen. |
Es sind dieses, ganz übereinstimmend mit der aufgestellten
Behauptung, dieselben Erscheinungen, welche sich im normal- und
weitsichtigen Auge geltend machen, wenn es längere Zeit für sehr
nahe Objecte intendirt wird beim Mikroskopiren, beim Lesen sehr
kleiner Schrift, überhaupt bei längerer Betrachtung von Objecten,
die ihrer Kleinheit halber dem Auge sehr nahe gehalten werden.
Dass kurzsichtige Augen ohne Anwendung von Brillen unter solchen
Verhältnissen weit länger aushalten, ja tagelang ohne alle Anstren-
gung sich solchermassen beschäftigen können, rührt nicht etwa
davon her, dass der kurzen Objectsdistanz halber die Netzhautbilder
220 | Stellwag.
grösser werden und sofort leichter in ihrer Detailzeichnung wahr-
genommen und erkannt werden. Der Vergrösserungscoöfficient ist bei
gleichen Abständen und Augenaxen im kurz- und normalsichtigen
Auge ein gleicher, im umgekehrten Verhältnisse zur Objeetsdistanz
‚stehender. Der Grund davon liegt einzig und allein darin, dass bei
gleich kurzem Abstande des Objectes dieses um so weiter hinter dem
Nahepunkte gelegen ist, und sofort seine scharfe und deutliche Abbil-
dung auf der Netzhaut eine um so geringere Intention des Accommo-
dationsmuskels erforderlich macht, je kurzsichtiger das Auge ist,
wobei :natürlich immer vorausgesetzt wird, dass das Objeet noch
innerhalb der absoluten Sehweite des normalsichtigen und myopischen
Auges stehe. Wohlaber ist in diesem letzterwähnten Verhältnisse
und gleichzeitig in der Zunahme der Netzhautbildgrösse bei Annähe-
rung des Objectes der Umstand begründet, dass Myopen gewöhnlich
eine sehr kleine Handschrift schreiben und sich vorzüglich zu
Geschäften eignen, die : der Kleinheit ihrer Objeete wegen ein
genaues und anhaltendes Sehen in sehr kurzen Distanzen mit sich
bringen.
Abgesehen von der Relation der conjugirten Vereinigungsweiten
der Zerstreuungslinse und deren Beziehung zur absoluten Sehweite
des Auges kömmt betreffs der Leistungsfähigkeit einer
Brille noch die Grösse des durch die Linse erzeug-
ten Bildes in Betracht. Aufgabe der Brille ist es nämlich nicht
nur scharfe und deutliche Bilder in der absoluten Sehweite zu
erzeugen, sondern auch die Grösse des Bildes in ein solches Ver-
hältniss zu dessen Abstand vom Auge zu bringen, dass die Dimensio-
nen des Netzhautbildes jenen gleich oder doch sehr nahe kommen,
welche das Netzhautbild im normalen unbewaffneten Auge bei
gleichem Abstande des Objectes Zeigt. Es ist nämlich die Netzhaut-
bildgrösse ein Factor von hoher Wichtigkeit, indem er einerseits im
engsten Bezuge steht zur Möglichkeit, die Objeete in ihrer Detail-
zeichnung zu erkennen; andererseits aber nebst der Convergenz-
stellung der Augenaxen, welche durch die Bewaffnung des Auges
mit Brillen nicht modifieirt wird, den hauptsächlichsten Anhaltspunkt
bei der Beurtheilung der Grösse und Entfernung des beschauten
Objectes abgibt.
Die Grösse des Netzhautbildes im unbewaffneten Auge steht nun
bei constanten Dimensionen des Objectes und richtiger Accommo-
ae
‘ =
a
Die Accommodationsfehler des Auges. >21
dation des dioptrischen Apparates im umgekehrten Verhältnisse zur
Distanz des Gegenstandes und zur Ablenkung des Lichtes in den
brechenden Medien, zur Stärke des Refractionszustandes des Auges;
im geraden Verhältnisse aber zur Länge des Netzhautabstandes,
' weleher Werth jedoch für jedes einzelne Auge eine Constante ist.
Sieht man von dem Abstande der Brille vom Auge ab, so ergibt sich
für die Grösse des Netzhautbildes in dem mit einer Zerstreuungslinse
bewaffneten Auge ein ganz gleiches Verhältniss.
_ Heisst nämlich A dieHöhe des Objeetes, A, jene des von der Linse erzeugten
scheinbaren Bildes und a die des Netzhautbildes, so ist
Av, Ab
Für das freie Auge ist
Für das mit der Brille bewaffnete Auge aber erscheint
”r _ Any %
EEE rn .
n,(vı + ©) nv vy +e
a=A
’
wov=»— c und ce den Abstand der Linse vom Auge bezeichnet, seiner
relativ zu p sehr geringen Grösse wegen aber ohne sonderlichen Nachtheil ver-
nachlässigt werden kann, so dass man die letzte Formel schreiben kann
Anp, Y
a= . F
np vı +e
Doch hat hier der quasi Refraetionsco&fficient des Auges einen
anderen Werth, er ist grösser ; denn entweder ist das Auge kurz-
siehtig, und Verstärkung der Lichtablenkung ist eben das Wesen der
Myopie; oder aber das Auge ist normalsichtig und dann macht die
Zerstreuungslinse eine grössere Anstrengung des Accommodations-
muskels erforderlich,. um ein scharfes und deutliches Bild auf der
Netzhaut zu Stande zu bringen, indem eben die Zerstreuungslinse
den Abstand des Gesichtsobjectes scheinbar verkürzt oder vielmehr,
weil das näher stehende scheinbare Bild der Linsenbrechung als
Gesichtsobjeet fungirt. | |
Es ist sofort klar, dass bei gleicher Grösse und Distanz des
Objeetes dessen Netzhautbild in einem mit Brillen negativer Brenn-
weite bewaffneten Auge jederzeit kleiner sein müsse, als in dem
gleichfalls richtig accommodirten freien Auge. Es können demnach
222 | Stellwag.
Zerstreuungslinsen den angestrebten Zweck niemals vollkommen
erreichen, immer verkleinern sie das Netzhautbild und zwar relativ
zu dem richtig adaptirten freien Auge um so mehr, je weiter sie das
scheinbare Bild des Objectes in die absolute Sehweite hereinrücken
und sofort die Grösse der erforderlichen Adaptionsanstrengung
steigern, je schärfer sie relativ zu dem gegebenen Grade von Kurz-
sichtigkeit sind.
Insoferne geht die Netzhautbildgrösse bei der Wahl der ent-
sprechenden Brillen bestimmend in die Verhältnisse ein. Es kann nur
jene Brille als die dem gegebenen Grade von Kurzsichtigkeit ent-
sprechende anerkannt werden, welche den aus der Verkleinerung des
Netzhautbildes resultirenden Fehler möglichst geringe macht. Dieses
ist aber jene Brille, welche bei einem gegebenen Objectsabstande die
Accommodationsanstrengung des myopischen Auges jener des nor-
malen freien Auges gleich macht, welche sofort ferne Gegenstände
unter völliger Ruhe des Accommodationsapparates in scharfen und
deutlichen Bildern auf der Netzhaut abgezeichnet erscheinen lässt,
mit anderen Worten, welche von fernen Gegenständen scheinbare
Bilder in dem Fernpunktabstande des Auges entwirft oder deren
negative Brennweite dem, um den Abstand der Linse vom Auge ver-
minderten Fernpunktabstande gleichkömmt. |
Also nicht nur die gegebene Lage und Länge der absoluten
Sehweite, sondern auch die Netzhautbildgrösse beeinflussen die
Leistungsfähigkeit der Brille und in der That macht sich der letzt-
genannte Factor so auffällig geltend, dass Verkleinerung der Objecte
schon längst als Zeichen einer zu scharf gewählten Zerstreuungslinse
empirisch anerkannt worden ist. Überdies erweiset sich ferner auch
noch der bereits mehrmals erwähnte Abstand der Linse vom
Auge als ein Moment von namhafter Wichtigkeit.
Da der Abstand des Fernpunktes sowohl als jener des Nahe-
punktes für jedes Auge gegebene, jeweilig unveränderliche, Grössen
sind, beeinflusset der genannte Factor vorerst schon in einem überaus
hohen Verhältnisse die absolute Sehweite des brillenbewaffneten
Auges. Um das scheinbare Bild eines unendlich weit entfernten
Gegenstandes in dem Fernpunktabstande des myopischen Auges zu
Stande zu bringen, bedarf es einer Brille von um so kleinerer
Brennweite, je weiter die Brille von dem Auge absteht; wenn aber
das Zerstreuungsglas an Brennweite abnimmt, so rückt in einem sehr
A
©
Die Accommodationsfehler des Auges. 323
raschen Verhältnisse der Nahepunkt des damit bewaffneten Auges
hinaus. Ist die Linse aber eine gegebene und dem Fernpunktabstande
des freien Auges entsprechend gewählte, so wird durch Entfernung
‚der Linse vom Auge nieht nur der Fernpunkt des mit der Brille com-
binirten dioptrischen Apparates in einem sehr rasch wachsenden
Verhältnisse hereingeschoben, sondern auch der Nahepunkt hinaus-
gerückt, der Fern- und Nahepunkt sofort einander genähert, die
absolute Sehweite verkürzt.
Diese Momente influenziren aber weiters schon an und für sich
den Werth des Verkleinerungsco@ffieienten des Netzhautbildes, in-
dem sie für jeden einzelnen Objeetsabstand den erforderlichen Re-
fractionszustand des dioptrischen Apparates um ein bedeutendes ver-
‚stärken und bedingen insoferne nahmhafte Differenzen zwischen den
optischen Wahrnehmungen des normalen freien und des brillen-
bewaffneten myopischen Auges. Überdies geht der Abstand der
. Brille vom Auge noch direct in den Nenner der Netzhautbildgrösse
ein und verursacht sehr bedeutende Abnahmen der letzteren, indem
eben die hintere Vereinigungsweite der Brille eine kurze ist und der
Abstand der Brille sofort einen grossen Einfluss ausübt.
Möglichste Verkürzung und völlige Unveränder-
lichkeit des Linsenabstandes sind daher dringendes
Gebot bei dem Gebrauche der Zerstreuungslinsen und
die Nichtbeachtung dessen bedingt um so grössere Fehler in den
optischen Wahrnehmungen, je schärfer eben die Brillen sind.
Die Mannigfaltigkeit und Unvermeidlichkeit der aus dem Brillen-
abstande resultirenden Fehler macht denn auch Schlüsse aus der
Leistung einer gegebenen Brille auf die Länge und Lage der absolu-
ten Sehweite des freien Auges sehr schwierig. Wissenschaftlich
genaue Daten lassen sich kaum auf solehem Wege gewinnen, indem
zu viele Factoren eingehen, deren strenge Bestimmung mannigfaltigen
Schwierigkeiten unterliegt , daher ist denn auch die Scala, wie sie
oben beschrieben wurde, für ein brillenbewaffnetes Auge
nicht ausreichend, sie macht wenigstens längere Berechnungen noth-
wendig, und ist nur bequem, wenn es sich um allgemeine Resultate
handelt. Dann ist aber wohl zu beachten, dass die Brille unter allen
Verhältnissen das Netzhautbild verkleinert, und dass sofort für jeden
gegebenen Abstand die Grenzgrösse des Objectes jene des normalen
und freien Auges um Etwas übersteigt.
Hu
aA Stellwag.
Die nosologisehen Momente der Kurzsichtigkeit,
sofort auch die ätiologischen und pathogenetischen,
sind überaus mannigfaltig und in jedem einzelnen Auge so verschie-
dener Combinationen fähig, dass eine übersichtliche Darstellung der-
selben nach ihrem absoluten und relativen Einflusse auf die dioptri-
sehen Verhältnisse des Auges zu den schwierigsten und derzeit kaum
lösbaren Problemen der pathologischen Optik gehört. Darum halte
ich im Interesse der Deutlichkeit eine Reduction des Auges auf eine
einzige Trennungsfläche mit Belassung seiner natürlichen Form und
Substitution eines homogenen Inhaltes von wandelbaren Brechungs-
exponenten für die erspriesslichste Grundlage der nachstehenden Erör-
terungen. In der That erscheinen in dem Grundgesetze der Licht-
brechung eines solchermassen reducirten Auges nur drei Factoren,
welche die dioptrischen Verhältnisse desselben beeinflussen. Der eine
dieser Factoren ist die Länge der optischen Axe des Auges, vom
Centrum der Cornealvorderfläche bis zur Stabschiehte der Netzhaut
gerechnet. Der andere Factor ist der für jedes Auge jeweilig eonstante
Krümmungsradius der Trennungsfläche und der dritte Factor ist der
jeweilige Refraetionszustand des Auges. Im letzteren vereinigen sich
gleichsam alle übrigen, aus dem anatomischen Baue der dioptrischen
Medien und aus der Thätigkeit des Accommodationsmuskels resultiren-
den Variationen der Lichtbrechung zu einem Ganzen, diese finden in
dem absoluten Brechungsexponenten des homogenen Füllungsmediums
des reducirten Auges ihren optischen Ausdruck.
Es ist das Grundgesetz der Liehtbrechung
ss
a üng L und ne (---)
1 ee RT nn > Alp
wo fı und f, die beiden eonjugirten Brennweiten des redueirten Auges, Fune-
tionen von n, darstellen.
Die optische Axe in der vorhin fixirten Bedeutung ist dem
Abstande der Netzhautstabschichte, also der zum scharfen und deut-
lichen Sehen erforderlichen hinteren Vereinigungsweite des dioptri-
schen Apparates äquivalent und bestimmt sofort bei Constanz des
Krümmungsradius der Trennungsfläche und unveränderlich gedachtem
Refraetionszustande der lichtbrechenden Medien die Lage und Länge
der natürlichen Sehlinie, also auch den Abstand des Fernpunktes und
damit das Abhandensein und Gegebensein der Myopie, sowie den Grad
derselben.
Die Accommodationsfehler des Auges. 225
Sie schwankt schon in der Norm innerhalb ganz ansehnlich wei-
ter Grenzen, ohne sich durch Beschränkung der absoluten Sehweite
zu offenbaren, indem der zweite und dritte Factor durch seine mög-
lichen Veränderungen das Mittel zur Fehlercorrection abgibt. Doch
haben diese Variationen des Refractionszustandes des Auges ihre
Grenzen und diese bestimmen denn auch den Übergangspunkt der
normalen in die abnorme Axenlänge des Auges.
Es ist diese Axenverlängerung des Bulbus in sehr
vielen Fällen begründet durch Krümmungsanomalien der
Sklera.
Diese finden ihren nächsten Grund wieder sehr häufig in mecha-
nischen Ausdehnungen des krankhaft affıeirten Gefüges der Albuginea
und kommen dann unter der Form der sogenannten Skleralstaphy-
lome zur Wahrnehmung. In ihnen erreicht die krankhafte Verlän-
gerung der optischen Axe das Maximum. Doch lässt sich von den-
selben als nosologischen Momenten einer wahren Kurzsichtigkeit
nicht sprechen, da sie eben pathologischen Processen auf Rechnung
gehören, welche die Funetionstüchtigkeit der Netzhaut immer im
hohen Grade beeinträchtigen oder ganz aufheben. Und es gilt dieses
sowohl von den Ausdehnungen der hinteren als der vorderen Hälfte
der Sklera, sowie von dem sogenannten totalen Skleralstaphylome.
Bei den Ektasien der vorderen Skleralhälfte kömmt noch die gleich-
zeitige Vergrösserung der Skleralöffnung mit davon abhängiger Ver-
dünnung und Krümmungsveränderung der Cornea in Betracht.
Nosologische Momente der Kurzsichtigkeit sind demnach nur
Krümmungsabweichungen der Sklera, welche, eine Verlängerung der
optischen Axe begründend, die Energien des lichtempfindenden Appa-
rates in keiner Weise benachtheiligen. Sie kommen als ange-
borne Formfehler des Auges vor. In niederen Graden sind
sie nur an der Leiche durch directe Messungen zu eruiren. In höhe-
ren Graden aber machen sie sich am Cadaver schon dem ungeübten
Auge durch sehr auffälliges Überwiegen des longitudinalen über den
äquatorialen Durchmesser bemerkbar, der Bulbus nähert sich einiger-
massen der Cylinderform. Ja schon im Lebenden beurkunden sich
diese Anomalien, wenn sie höhere Grade erreicht haben, durch unge-
wöhnliches Vorspringen des Bulbus und sofortige starke Wölbung
der Lider. Stark prominirende, glotzende Augen, deren äquatoria-
ler Durchmesser nicht proportional vergrössert erscheint, sind sehr
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVI. Bd. I. Hft. 15
226 Stellwag.
häufig in hohem Grade myopisch. Sie sind es nicht immer, weil in
reichlicher Entwickelung des Fettpolsters der Orbita ein Moment
gegeben ist, welches normal gebildete Augen ebenfalls vorspringen
macht und noch manches andere Bildungsverhältniss auf diese Erschei-
nung Einfluss nehmen kann, so zwar, dass das Glotzen geradezu mit
dem. entgegengesetzten Zustande, mit Presbyopie, sich zu paaren
vermag.
Der Einfluss der Axenlänge p, des Auges auf die Lage des Fernpunktes
p ergibt sich am besten aus der Substitution n—=1, n, =1'533. Für das
normale Auge ist fi = p, = 9"934, da p = & ist. Für p, = 10"6, also eine
Verlängerung der optischen Axe um 0”666 ergibt sich p =8"6; für p, =11",
d. i. eine Verlängerung um 1”066 aber wird p = 5'58.
Selbstverständlich ist die Myopie dieser Art immer angeboren
und kann wohl auch erblich werden. Sie macht sich alsbald geltend,
sobald das Kind mit Objeeten der Aussenwelt sich zu beschäftigen
anfängt und steigert sich von da an ganz gewöhnlich bis zur Grenze
des Mannesalters, indem der fehlerhatten Bildungsanlage eonform der
Bulbus fortfährt, sich vorwaltend nach der Längendimension zu ver-
grössern, ohne dass damit eine verhältnissmässige Änderung des
Refractionszustandes in dem dioptrischen Apparate parallel gienge.
Es ist dieses jene Form der Myopie, welche man seit der Zeit,
als die Schieloperation die Gemüther aller Oculisten aufregte, als
mechanische oder musculare Kurzsichtigkeit zu be-
schreiben pflegt. Man glaubt nämlich einen eausalen Zusammenhang
supponiren zu dürfen zwischen der Verlängerung des Augapfels und
der Thätigkeit seiner Muskeln. Doch haben die Untersuchungen der
Neuzeit diesen Nexus als nicht gegeben herausgestellt, indem sie dar-
thun, dass, falls die Augenmuskeln in der That Gestaltveränderungen
des normalen Bulbus zu begründen stark genug wären, die Zugwir-
kung derselben den Druck überbieten müsste und sodann in dem
Widerstande der Orbitalgebilde einerseits und in dem Widerstande,
welchen der Lidschliessmuskel und dieZugwirkung der geraden Augen-
muskeln jener der beiden schiefen entgegensetzen, anderseits eher
die Bedingungen für eine Axenverkürzung gegeben sein müssten.
Die angeblichen Heilungen der Myopie durch Myotomie finden darin
den Massstab ihres Werthes und es bedarf gar nicht weiter der Hin-
weisung auf den Umstand, dass verschiedene Operateure die Heilung
durch Trennung sehr verschiedener Augenmuskeln, bald der geraden,
Die Accommodationsfehler des Auges. 227
bald der schiefen, erzielt zu haben behaupten; während wieder die
Durchschneidung eines und desselben, geraden oder schiefen, Mus-
kels verschiedenen Berichterstattern zufolge ganz entgegengesetzte
- Resultate gehabt haben soll.
Ruete (Lehrb. der Ophth. 1853, S. 227) hat bereits die Un-
richtigkeit jener Behauptungen erkannt und den Zusammenhang einer
abnormen Thätigkeit der geraden Augenmuskeln mit Myopie theore-
- tisch und praktisch in die richtigen Grenzen eingeengt. Er fand, dass
in gewissen Fällen die Convergenz der Augenaxen ständig eine zu
_ grosse sei und dem zufolge die Kranken nach und nach gewöhnt wer-
den, nur nahe Gegenstände zu betrachten, worin eben ein ätiolo-
gisches Moment der Kurzsichtigkeit gelegen ist, wie das später Mit-,
zutheilende lehrt. Dass unter solchen Verhältnissen, und nur unter
diesen, eine Myotomie von günstiger Wirkung sein könne, ist klar und
wird auch durch die Erfahrung bestätiget.
Häufiger noch, als in Krümmungsveränderungen der Sklerotika,
finden Axenverlängerungen des Auges ihren nächsten
Grund in einem normwidrigen Hervortreten des Cen-
trums der Cornealvorderfläche. Insoferne nun Funetions-
tüchtigkeit der Netzhaut zum Begriffe der Myopie als eines rein
dioptrischen Fehlers gehört, sofort Ausdehnungen der vordern Skle-
ralhälfte und damit auch Vergrösserungen der Hornhautöffnung aus-
geschlossen sind: kann es sich hier nur um ein normwidriges Her-
vortreten der Cornealmitte als Folge vermehrter Krümmung der
Hornhaut, als Folge einer Verkürzung des Krümmungsradius, handeln.
Der Radius der Cornealvorderfläche geht aber in die Brennweite des
dioptrischen Apparates ein.
Es ist für das redueirte Auge
I u tere
Vortreibungen der Cornealmitte beeinflussen daher auf eine
zweifache Weise die Länge und Lage der natürlichen Sehlinie mit
demFernpunkte und verkürzen die Werthe derselben in einem, wahr-
haft staunenerregenden hohen Grade ; denn es genügt z. B. ein Her-
vorrücken des Cornealcentrums um 0184 mit sofortiger Verkür-
zung des Krümmungshalbmessers der vorderen Hornhautoberfläche
15*
228 Stellwag.
um 0"456, auf dass unter übrigens normalen Verhältnissen m Fern-
punkt des Auges auf 3” heranrücke.
Es sei Fig. II, 00! die verlängerte optische Axe des Auges, CC die
Cornea, deren Öffnung ad—d=2%"25 angenommen wird. Der Radius der
vorderen Cornealoberfläche sei be=ac=a=3"456, und nehme durch
Hervortreten des Centrums 5 auf 5, um 0"456 ab, so dass b,c, =a, =a,—=3"
wird. Es ist nun
d 3 d
a a—=0:651; — = sin = 0'175
a4
r—=1°58; siny= 00-1386
be, =a — c=2816;b,b=a, — be, = 0184.
In der Grundformel
— a ek,
Pı p fı
erscheint daher
Pı =9'934 + b,5—=10"118 und
n,r e 1)
m —8.6, wo r=3,:
Es ist also
n
_Rr Ah _grg_ghr
n Mm—fı
So geringe Differenzen in dem Halbmesser der Hornhautkrüm-
mung sind aber in der That dem freien Auge ganz unkenntlich, sie
können nur durch die sorgfältigsten parallaktischen Messungen am
Lebenden mit Sicherheit constatirt werden. Stampfer’s diesfäl-
lige Untersuchungen haben nun zwar seinen mündlichen Mittheilungen
zufolge eine Abhängigkeit der Myopie von solchen Krümmungsano-
malien der Cornea bis jetzt noch in keinem Falle dargethan; doch
zweifle ich nicht, dass die Kurzsichtigkeit bisweilen bei scheinbar
normal gebildeten Augen allein auf Krümmungsabweichungen der
Cornea beruhen möge; wobei ich indessen nicht umhin kann, noch-
mals zu bemerken, dass es sich hier um ausnehmend kleine, dem
freien Auge unmerkbare Differenzen handle, der von vielen Autoren
behauptete Zusammenhang von Myopie mit sichtlich vergrösserter
Vorderkammer, als mit einer Folge stärkerer Cornealwölbung, sofort
nur ein eingebildeter und in ganz anderen Verhältnissen begrün-
deter sei. |
Die Aceommodationsfehler des Auges. 229
Dem freien Auge merkbare Krümmungsanomalien involviren dem
Gesagten zufolge schon Grade der Kurzsichtigkeit, welehe durch Con-
cavbrillen, vermöge deren nothwendigen Abstand von der Cornea,
bereits unverbesserlich sind und daher auch meisthin als amblyo-
pische Schwäche des lichtempfindenden Apparates betrachtet und
beschrieben werden.
Sie kommen häufig vor, indem sie ebensowohl, wie die Abplat-
tungen der Cornea, sehr günstige Chancen ihres Zustandekommens in
Verletzungen und Geschwüren der Hornhaut mit nachfolgender An-
bildung schrumpfender Narbensubstanz finden, Sie sind
es, welche den Erfolg künstlicher Pupillenbildungen unge-
mein oft völlig zu nichte machen, insbesondere aber excentrische
Pupillen sehr stark in Misseredit gebracht haben. Excentrische Pupil-
len werden eben nur angelegt, wo das Hornhautcentrum durch krank-
hafte Processe getrübt ist, sofort die Bedingungen zur Abweichung
der Krümmung gegeben sind; während centrale Pupillen in den aller-
meisten Fällen nur bei völliger Integrität der Cornea, also bei nor-
maler Krümmung ihrer Oberflächen, künstlich eröffnet werden können.
Nur die völlige Vernachlässigung physicalischer Untersuchungen
erklärt es, wie ein auf Prognose und Therapie so stark influenzirendes
Moment gänzlich übersehen werden konnte, und unter den Indicatio-
nen der Pupillenbildung bisher noch keine Stelle gefunden hat. Man
zog es gründlichen Untersuchungen vor, einfach eine Amblyopie zu
supponiren, wo künstliche Pupillen bei genügender Öffnung dennoch
kein Sehen vermittelten und war sofort auch gezwungen, eine eigene
Art von Amblyopie zu creiren, bei der der Kranke das Licht und wohl
gar einzelne Abstufungen der Farbe zu unterscheiden vermag, durch
die künstliche Pupille aber deutliche Wahrnehmungen nicht gewinnt.
Es ist nach dem Gesagten an und für sich klar, dass Krümmungs-
abweichungen höherer Grade, wie sie im durchsichtigen Corneal-
staphylom mit Narbeneinlagerungen zur Beobachtung kommen, die
Projection selbst verschwommener Bilder auf der Netzhaut und sofort
auch die Wahrnehmung äusserer Objeete durch den Gesichtssinn
völlig unmöglich machen und dieses um so mehr, als nicht einmal
eine Correction durch geeignete Gläser denkbar erscheint.
Hier nämlich, wie in dem vorigen Falle, geht nicht nur die
Axenverlängerung des Auges und die Verkürzung des Krümmungshalb-
messers der Cornea in die Verhältnisse ein, sondern auch eine Unre-
230 Stellwag.
gelmässigkeit der Krümmung, ein Heraustreten der Wölbung
aus der Form einer Rotationsfläche und eine Schiefstellung ihrer Axe
zur optischen Augenaxe. Das nothwendige' Resultat soleher Ano-
malien sind natürlich Verzerrungen der auf der Netzhaut zu Stande
kommenden Lichtbilder, indem die Liehtkegel, deren Durchschnitte
jene Lichtbilder sind, selbst unregelmässig geformte werden.
Bei höhergradigen Krümmungsabweichungen treten diese Ver-
zerrungen nun wohl nicht leicht als solche in die Wahrnehmung, da
die die Netzhaut treffenden Zerstreuungskreise zu gross sind, und in
zu grosser Anzahl sich gegenseitig decken, als dass die Netzhaut die
Form der einzelnen zu sondern im Stande wäre. Wohl aber machen
sich diese Verzerrungen sehr bemerklich, wenn die nebenhergehende
Axenverlängerung des Auges und die Verkürzung des Krümmungs-
halbmessers der Hornhaut keine so bedeutende ist, dass der dritte
Factor der Liehtbrechungsverhältnisse im dioptrischen Apparate nicht
mehr ausreichen würde, um das Auge wenigstens für gewisse Objeets-
distanzen zu accommodiren. Es paart sich dann die Myopie mit
dem sogenannten Visus incorrectus oder Astigmatismus,
d.i. Gegenstände, welche in die der deutlichen Sehweite des Auges
stehen, oder mittelst Brillen .in die deutliche Sehweite scheinbar ver-
setzt werden, erscheinen, der Krümmungsirregularität der Hornhaut
entsprechend, nach dieser oder jener Richtung hin verlängert,
verkürzt, gekrümmt, geknickt u. s. w.
Leider gehen, obwohl Fälle von ausgesprochenem Kate
nicht gar seltene Vorkommnisse sind, direete Messungen solcher Cor-
nealverkrümmungen zur Zeit noch völlig ab, und es fehlen daher auch
die nothwendigen Anhaltspunkte für eine wissenschaftliche Begrün-
dung des Gesagten. Ein tieferes Eingehen in die Verhältnisse würde
wahrscheinlich auf Irrwege führen, wesshalb ich mich darauf be-
schränke, Cornealverkrümmungen als den häufigsten Grund des Astig-
matismus anzudeuten. Es dünkt mir dieses mehr als wahrscheinlich
in Anbetracht des überwiegenden Einflusses, welchen die Cornealvor-
derfläche auf die Lichtbrechungsverhältnisse des Auges ausübt, und
weiters in Anbetracht. einiger beobachteter Fälle, in welchen dem
freien Auge sichtbare Unregelmässigkeiten der Cornealvorderfläche
und der von ihr refleetirten Spiegelbilder mit formell ganz ent-
sprechenden Verkrümmungen der Netzhautbilder erwiesen werden
konnten. |
Die Accommodationsfehler des Auges. 231
So stark aber auch Axenverlängerungen des Auges und Krüm-
mungsdifferenzen der Cornea die Länge und Lage der absoluten Seh-
weite beeinflussen, so lässt sich dennoch die überwiegende
Wichtigkeit des drittgenannten Factors keinen Augen-
bliek übersehen. Nicht sowohl die Grösse seiner möglichen Schwan-
kungen, als vielmehr die Häufigkeit seiner Abweichungen von der
Norm sind es, welche ihn zu der ergiebigsten Quelle von dioptrischen
Gesichtsfehlern, zur häufigsten Ursache der Kurzsichtigkeit machen.
Er ist Function mehrerer veränderlicher Grössen, er wächst und fällt
mit diesen in geraden, aber sehr verschiedenen Verhältnissen, daher
denn auch Abweichungen dieser Grössen von der Norm die Licht-
brechungsverhältnisse des dioptrischen Apparates mittelbar durch die
Variationen des genannten Factors in sehr differenten Graden modifi-
eiren und einer speciellen Erörterung nothwendig bedürfen. Die
richtige Beurtheilung der einzelnen Grössen je nach ihrem Einflusse
auf den Refractionszustand des Auges führt dann unmittelbar zur Ein-
sicht in jene Abweichungen, welche Combinationen solcher Fehler in
den optischen Wahrnehmungen nothwendig bedingen müssen.
Der anatomischen Ordnung folgend, drängt sich dem Forscher
zuerst das Gefüge der Hornhaut auf, welches durch seinen
Brechungsexponenten die Refractionszustände des Auges
influenzirt. Leider ist nicht einmal der normale Werth desselben
mit der wünschenswerthen Genauigkeit eruirt, viel weniger sind es
daher die Grenzen, innerhalb welchen derselbe ohne Beeinträchti-
gung der normalen Structurverhältnisse und der optischen Gleich-
artigkeit zu schwanken fähig ist. Man kann demnach Differenzen des
Cornealbreehungsexponenten bisher nur als mögliche Quellen dioptri-
scher Gesichtsfehler ansehen, ohne irgend eine Basis zu haben, auf
welche sich Vermuthungen über die Häufigkeit und Grösse dieser
Abweichungen bauen liessen.
Eine Erhöhung des Brechungsexponenten von 1°339 auf 1°4 und eine
sofortige Substitution m; — und m; =1'4 in die Formeln ergibt
d = — 0"0329, also D—= — 3039, ein Hereinrücken des Fernpunktes auf 30"39.
Der Parallelismus der beiden Oberflächen der Descemeti
und die jedenfalls geringe Differenz zwischen dem Brechungsexponen-
ten der Cornealsubstanz und des Humor aqueus, die Kleinheit des
relativen Brechungsexponenten für die Lichtrefraction an der Hinter-
232 Stellwag.
fläche der Cornea macht, dass Krümmungsanomalien dieser letzt-
genannten Trennungsfläche unter allen Verhältnissen nur sehr
geringfügige Änderungen in der Länge der hinteren Vereinigungs-
weite der Lichtstrahlen begründen können, Änderungen, welche
nahezu verschwindend genannt werden dürften, da eben namhafte
Krümmungsabweichungen der: hinteren Cornealfläche ohne solche der
vorderen kaum denkbar erscheinen und der dioptrische Effeet der
letzteren dann nothwendig unverhältnissmässig vorschlagen muss.
Der vorgenannte Grund macht denn auch Abweichungen des
Humor aquweus bezüglich seiner Dichtigkeit, so weit dieses ohne
Verlust der optischen Gleichartigkeit möglich ist, unfähig, als selbst-
ständige Quelle merkbarer dioptrischer Gesichtsfehler aufzutreten.
Wohl aber sind Verminderungen seiner Masse durch
Verkürzung der Kammeraxe und sofort durch Vergrösserung
des Netzhautabstandes vom optischen Centrum des dioptrischen
. Apparates fähig, vorübergehend und selbst dauernd Myopie zu
erzeugen, wobei es natürlich sich von selbst versteht, dass es sich
hier nur um ganz bedeutende Differenzen in der Kammeraxenlänge
handeln könne.
Es liegt auf der Hand und bedarf keines näheren Beweises, dass
Diehtigkeitszunahme desKrystallkörpers den Ablenkungs-
winkel der passirenden Lichtstrahlen vergrössern und sofort in der
mit dem Lebensalter allmählich fortschreitenden Entwickelung der
Krystalllinse ein Moment gegeben sein müsse, welches auf die Lage
des Fernpunktes bestimmend mitwirkt, denselben hereinrückt. Und
doch lehrt die tägliche Erfahrung das Gegentheil, sie stellt es
ausser Zweifel, dass der Regel nach die Überschreitung des vierzig-
sten Lebensjahres bei unveränderter Lage des Fernpunktes den
Nahepunkt in einem namhaften Grade hinausschiebe, dass die Periode
des höheren Mannesalters sich meisthin mit Weitsichtigkeit- paare,
wenn früher das Auge ein normalsichtiges gewesen war.
Es ist dieses ein scheinbarer Widerspruch, welcher sich jedoch
sehr leicht löst, wenn man in Betracht zieht, dass die relativen
Brechungsverhältnisse der Linse, welche hier massgebend sind, mit
der Zunahme des absoluten Brechungsexponenten nicht in gleichem
Verhältnisse wachsen und abnehmen, sondern in einem viel geringe-
ren; dass sofort ihre möglichen Variationen, vermöge der Engheit
ihrer Grenzen, rücksichtlich des Einflusses auf die Ablenkung der
Die Accommodationsfehler des Auges. 233
Lichtstrahlen zurückbleiben hinter dem Effecte, welchen die bedeu-
tenden Differenzen, deren die Krümmungshalbmesser der vielen
Trennungsflächen der Linse in der Norm fähig sind, unzweifelhaft
erkennen lassen, indem eben die Accommodation des Auges für die
- Nähe erwiesener Massen nur das Resultat einer Verkürzung der
Krümmungsradien sämmtlicher Trennungsflächen des Krystalles dar-
stellt. Diese Verkürzung des Krümmungsradius der einzelnen Tren-
nungsflächen setzt nun eine gewisse Biegsamkeit der den Krystall
zusammensetzenden Schichten voraus; mit der Verdichtung der
Linsenelemente wächst aber der Widerstand, welcher dem Accom-
modationsmuskel entgegengesetzt wird, und sofort verengern sich
auch die Grenzen, innerhalb welchen der Krystall seine Krümmungs-
halbmesser zu wechseln im Stande ist, der Nahepunkt rückt hinaus
und das ist es eben, was man im Allgemeinen als Weitsichtigkeit
betrachtet.
So wichtig also auch die Dichtigkeitsverhältnisse des Krystalles
in Bezug auf die Dioptrik des Auges seien, so können sie doch nur
als untergeordnete Momente angesehen werden; die Form des
Krystalles überwiegt sie offenbar um ein Bedeutendes, nicht nur
bezüglich ihres Einflusses auf die Lichtablenkung, sondern auch in
Bezug auf die Häufigkeit der Fälle, in welcher sie dioptrische
Gesichtsfehler bedingt. Es unterliegt dieses nach den Resultaten,
welche die Untersuchungen myopischer Augen mittelst des Cramer'-
schen Ophthalmoskopes geliefert haben, keinem Zweifel (Het Accom-
modatievermogen ete., pag. 146), denn die Stellung der Linsen-
spiegelbilder ist jener gleich, welche in normalsichtigen Augen
während deren Accommodation für die Nähe beobachtet wird; das
Spiegelbild der vorderen Linsenfläche erscheint kleiner und von
jenem der hinteren Fläche um ein Namhaftes entfernt, ein Verhält-
niss, welches nur allein aus einer Convexitätsvermehrung der beiden
Kapselhälften erklärbar ist und eine Verkürzung der Krümmungs-
radien der einzelnen Trennungsflächen des Krystalles nothwendig in
sich schliesst. Leider fehlen noch Messungen dieser zu beobachten-
den Formveränderungen des Krystalles und damit auch die Anhalts-
punkte für Schlüsse auf die Grösse jener Abweichungen, welche
bestimmten Graden der Kurzsichtigkeit entsprechen.
In der Verbindung des Ophthalmoskopes mit zweckdienlichen
Messapparaten eröffnet sich der physiologischen und pathologischen
2A Stellwag.
Optik ein weites Feld künftiger Forschungen, welchen nicht nur
diese Lücke auszufüllen vorbehalten ist, sondern welche auch
‘bestimmt sind, zur richtigen Einsicht in jene Verhältnisse zu führen,
in welchen die beobachteten Krünmungsdifferenzen der Trennungs-
flächen des Krystalles zu anderen, dioptrische Gesichtsfehler
begründenden, Momenten steht; denn es lässt sich nach dem vorhin
Gesagten nicht übersehen, dass die Convexitätsvermehrung der
Krystallschiehten in manchen Fällen als nöthiges Correetionsmittel
von Anomalien anderer Bestandtheile des dioptrischen Apparates zu
fungiren berufen sein könne.
Krümmungsabweichungen des Krystalles sind bisweilen ange-
boren. Die Möglichkeit des Vorkommens einer in Formfehlern
der Linse begründeten Myopia eongenita erscheint sofort
unleugbar. Den bisherigen Beobachtungen zufolge dürfte sie öfter
mit Visus incorrectus gepaart sein, da eben dem freien Auge erkenn-
bare Krümmungsanomalien bisher immer mit auffälliger Unregel-
mässigkeit der Wölbung verbunden gesehen wurden,
Ähnliche Irregularitäten hängen jenen Krümmungsabweichun-
gen des Krystalles an, welche in manchen seltenen Fällen in Folge
gestörter Vegetationsverhältnisse der Linse, partieller staariger Zer-
fällniss und Aufsaugung, erworben werden und sofort auch einer mit
Astigmatismus combinirten Myopia acquisita zu Grunde liegen
können. |
Jedenfalls verschwinden diese Fälle ihrer Zahl nach gegen jene,
in welchen die der Myopie zu Grunde liegenden Con-
vexitätsvermehrungen des Krystalles in Folge über-
mässiger und anhaltender Anstrengung des Accom-
modationsmuskels erworben und frei von Irregulari-
täten sind, indem eben der Accommodationsmuskel mittelbar
durch das Petit'sche Wasser auf die Peripherie der Linse und zwar
auf alle Punkte derselben gleichmässig wirkt, Verkrümmungen der
Oberflächen und damit auch alle übrigen Trennungsflächen sofort
ausschliesst. Das Zusammenhalten der Resultate, welche das Cra-
mer’sche Ophthalmoskop liefert, mit den Ergebnissen statistischer
Forschungen über das Vorkommen und den möglichen ätiologischen
Grund der Myopie lassen darüber keinen Zweifel.
Es stellen die letzteren nämlich mit Bestimmtheit heraus, dass
die Erwerbung der Myopie in den allermeisten Fällen in die
Die Accommodationsfehler des Auges. 235
Periode zwischen dem achten und sechzehnten Lebensjahre falle, und
dass damit nicht etwa Evolutionsverhältnisse im nächsten Zusammen-
hange stehen, sondern nur allein die Anstrengungen, welche der
Aceommodationsapparat in dieser Lernepoche behufs der Erwer-
bung von Kenntnissen oder gewisser manueller Fertigkeiten zu
. machen gezwungen wird; denn ein bedeutendes procentarisches
‘ Verhältniss der Myopen zu Normal- und Weitsichtigen findet sich
nur dort, wo eben diese Bedingungen gegeben sind: bei Jünglingen,
welche sich den ernsteren Studien widmen, oder aber ihr Fort-
kommen in Geschäften suchen, die ein anhaltendes Sehen in die
nächste Nähe erfordern, endlich bei Mädchen jener Bürgerclassen,
welche ihre Lebenszeit nicht im Nichtsthun vergeuden können,
sondern angewiesen sind, sich in feineren weiblichen Arbeiten eine
Quelle redlichen Erwerbes zu eröffnen.
Eine gewisse, in den Organisationsverhältnissen des Auges
begründete Anlage zur Myopie lässt sich nun freilich nicht abstreiten,
weil eben die Zahl der die Kurzsichtigkeit acquirirenden Individuen
der genannten Kategorien nur eine procentarische, wenn auch hohe
ist. Ja die Existenz einer solchen Disposition lässt sich sogar durch
Thatsachen begründen.
Blastieität ist nämlich als Attribut des normalen Krystalles nach-
gewiesen. Sie gibt das Moment ab, welches den Krystallkörper zur
früheren Form zurückführt, wenn er unter dem Drucke des Accom-
modationsmuskels seine Krümmungshalbmesser verkürzt hatte und
der Contraetionsnisus dieses Muskels verringert wird. Doch ist diese
Blastieität keine absolute. Cramer (l. ce. p. 144) hat dieses schon
durch die Beobachtung nachgewiesen, dass an den ausgeschnittenen
Augen frisch getödteter Seehunde der Krystall die Fähigkeit verliere,
in seine normale Form zurückzukehren, wenn er längere Zeit hin-
durch in Folge eines heftigen, auf den Accommodationsmuskel ein-
wirkenden, elektrischen Stromes gedrückt und in der das Nahesehen
vermittelnden Gestalt erhalten worden war. Ein ganz gleiches Ver-
hältniss offenbart sich am lebenden Menschen. Anhaltendes, ange-
strengtes Sehen in die nächste Nähe, anhaltende Arbeiten am
Mikroskope oder'Fernrohre u. s. w. machen das Auge vorübergehend
kurzsichtig und diese Kurzsichtigkeit ist eben nichts als der Ausdruck
für eine, nach Aufhören des Accommodationsdruckes andauernde
Convexitätsvermehrung der Linse, also für eine zeitweilige Unfähigkeit
286 Stellwag.
des Krystallkörpers, unter allmählicher Vergrösserung des Fernpunkt-
abstandes in seine frühere Form zurückzukehren, für die, durch
anhaltende Spannung herbeigeführte Schwächung, Verminderung
seiner Elastieität. |
Das Mass der Adaptionsanstrengungen, welches in jedem ein-
zelnen Falle erfordert wird, um die Elastieität des Krystalles vor-
übergehend in einem gewissen Grade zu schwächen, sowie die Zeit,
innerhalb welcher die Linse unter solchen Verhältnissen in ihre
frühere Form zurückgeht und sofort das für die nächste Nähe adap-
tirte Auge wieder für‘die natürliche Sehlinie einrichtet, ist nun eine
nach den Individuen variable. Manche Augen vertragen sehr anhal-
tende und sehr intensive Anstrengungen des Accommodationsappara-
tes, ohne dass die darauf sich einstellende Myopie hohe Grade
erreicht und länger als einige Minuten andauert. Andere Augen hin-
gegen offenbaren schon nach relativ kurzen Intentionen für sehr
grosse Nähe ihre Affecetion durch hochgradige und viele Stunden
andauernde Myopie. In diesen Verhältnissen spricht sich klar eine
individuelle Verschiedenheit der dem Krystallkörper zukommenden
Rlastieitätsgrade aus und geringe Grade von Elastieität sind eben das,
was man als disponirendes Moment der Myopie bezeichnen kann.
Die Elastieität lässt sich nämlich gewissermassen als der Aus-
druck des Widerstandes betrachten, welchen die Theilchen einer
gegenseitigen Verschiebung, nicht Trennung, von Seite einer
äussern Kraft entgegensetzen. Je geringer die Elastieität, je geringer
der Widerstand der Theilchen ist, um so früher und leichter können
sie in ihrer gegenseitigen Verschiebung wieder ins Gleichgewicht
treten, d. h. die Fähigkeit verlieren, in ihre frühere gegenseitige
Lage zurückzukehren. Die Anwendung dessen auf den Krystallkörper
als den dioptrischen Theil des Accommodationsapparates macht jede
weitere Erörterung über den Zusammenhang anhaltender Adaptions-
bestrebungen für die Nähe mit ständigen Convexitätsvermehrungen
der Linse, wie sie sich objeetiv durch die Stellung und Grösse der
Spiegelbilder, subjeetiv durch Kurzsichtigkeit offenbaren, über-
flüssig; ja selbst das schnellere und langsamere Zustandekommen
höherer und niederer Grade der Myopie findet darin eine genügende
Erklärung.
Ist Verlust der Elastieität sofort gleichbedeutend mit Herstellung
des Gleichgewichtszustandes in den Attractionskräften der aus ihrer
Die Accommodationsfehler des Auges. 237
normalen Stellung verschobenen Theilchen, so ist es klar, dass der
Grad einer solchermassen erworbenen Myopie im Verhältnisse stehen
müsse zur Grösse des bedingenden Acecommodationsdruckes; dass
um so höhere Grade der Myopie in dem genannten ätiologischen
‘Momente ihren Entstehungsgrund finden, je stärkere Intentionen
des Accommodationsmuskels eine bestimmte anhaltende Beschäftigung
erheischt; dass Graveure, Uhrmacher u. dgl. sohin leicht höhere
Grade der Kurzsichtigkeit acquiriren, als Schreiber u. s. w., dass
endlich die üble Gewohnheit mancher Kinder, zu betrachtende
Objecte über Bedarf dem Auge zu nähern, die Myopie verhältniss-
mässig zu steigern fähig sei.
Es ist aber auch klar, dass auf solche Weise der Fernpunkt des
Auges niemals über das jenseitige Ende jener Linie hereingerückt
werden könne, für welche der dioptrische Apparat während der die
Myopie begründenden Beschäftigungen eingerichtet ist, dass sofort
der Grad der Myopie in dem zur Arbeit erforderlichen Aecommo-
dationszustande seine obere Grenze finde, welche er nie übersteigen
kann, ja weithin in den meisten Fällen nicht einmal erreicht, indem
eben die Elastieität des Krystalles immerhin eine sehr bedeutende ist
und ein völliger Verlust derselben bezüglich der spannenden Kräfte
nicht leicht eintreten kann. Es handelt sich daher, wie auch die
Erfahrung bestätiget, meisthin nur um eine Verminderung der
Elastieität; die Theilchen streben mit dem Nachlassen des
Aecommodationsdruckes noch immer in ihre frühere Lage zurück-
zukehren, sie kommen aber früher ins Gleichgewicht, als sie diese
erreicht und daher die verkürzten Krümmungsradien ihre normale
Länge wieder erlangt haben.
Es liegt daher auf der Hand, dass diese ätiologische Form der
Myopie so wenig wie die übrigen Formen, bei welchen der Accom-
modationsapparat ganz unberührt bleiben kann, die Adaptionsfähig-
keit des Auges nothwendig aufhebe, indem eben die Funetionstüchtig-
keit des Accommodationsmuskels und der Rest der Linsenelastieität
einen Gestaltwechsel des Krystalles fürder noch ermöglichen ; die
ständig gewordene Verkürzung der Krümmungshalbmesser schliesst
nur eine Verkürzung der absoluten Sehweite durch Hereinrückung des
Fernpunktes in sich, die Lage des Nahepunktes wird nur mittelbar
von ihr beeinflusset, betreffs deren ist nur die fortan noch wirksame
Grösse des Accommodationsdruckes bestimmend.
238 Stellwag.
Wie jeder andere Muskel ist nun auch der die Accommodation
für die Nähe vermittelnde der Übung fähig. Die tägliche
"Erfahrung lehrt es, dass namhaftere Anstrengungen des Accommo-
dationsapparates, z. B. beim Mikroskopiren, anfänglich leicht Gefühle
des Missbehagens, selbst Schmerzen im Auge u. s. w. hervorrufen,
späterhin aber leicht ohne alle lästigen Empfindungen durch Stunden
fortgesetzt werden können und dieses nicht nur dort, wo der Accom-
modationsmuskel durch ständige Convexitätsvermehrung des Krystalles
grösserer Mühewaltungen überhoben worden ist, sondern auch in
jenen Fällen, wo bei Integrität der Linsenelastieität der Aceommo-
dationsmuskel nach wie vor einen gleichen Widerstand zu über-
winden hat. Es spricht sich hierin eine Erstarkung des fraglichen
Muskels aus und darf ich auf einige diesfällige Untersuchungen
Schlüsse bauen, so muss ich die erwähnte Erstarkung einer Massen-
zunahme, einer Vermehrung der componirenden Muskelfibrillen, auf
Rechnung setzen.
Bei der in Rede stehenden ätiologischen Form der Myopie sind
die Theilchen der Linse nur für den, einem gewissen Accommo-
dationsdrucke entsprechenden Grad gegenseitiger Verschiebung ins
Gleichgewicht getreten. Für jede grössere Verschiebung von
Seite des auf sie wirkenden Aceommodationsdruckes besteht ein
solches Gleichgewicht noch nicht. In der Erstarkung des
Accommodationsmuskels liegt nun das Moment, welches
den Accommodationsdruck über das normale Maximum zu erheben
und sofort Krümmungsvermehrungen der Linse zu vermitteln im
Stande ist, wie sie in dem normalen Auge nicht ermöglicht
sind. Es ist sofort die Möglichkeit gegeben, dass die Herein-
rückung des Fernpunktes, welche durch die Convexitätsvermehrung
der Linse gesetzt wird, in Folge der Erstarkung des Accommo-
dationsmuskels durch Annäherung des Nahepunktes an das Auge
gleichsam recompensirt werde und in der That lehren Unter-
suchungen kurzsichtiger Augen hinsichtlich der Länge und Lage
der absoluten Sehweite, dass ihr Nahepunkt sehr oft die dem
‚normalen Auge vorgezeichnete Grenze gegen die Hornhaut hin über-
schreite, dass kurzsichtige Augen noch scharfe und deutliche Wahr-
nehmungen von Objecten vermitteln könnnen, welche ihrer allzu-
grossen Nähe wegen von Normalsichtigen nur in Zerstreuungskreisen
gesehen werden.
Die Accommodationsfehler des Auges. 239
Doch hat natürlicher Weise die Erstarkung des Accommo-
dationsmuskels und sofort auch die Verkürzung des Nahepunktabstan-
des ihre Grenze; anderseits aber liegt in der, die Kraftzunahme des
Muskels begründenden Übung des Accommodationsapparates für die
Nähe gerade das Moment, welches bei gegebener Disposition, bei
vorhandenem Elastieitätsmangel des Krystalles, dessen Krümmungs-
halbmesser und damit auch den Fernpunktabstand fort und fort zu
verkürzen im Stande ist.
Daraus ergibt sich klar der Erfolg überspannter Anstrengungen
des Accommodationsapparates zum Zwecke des Nahesehens, wie sie
namentlich häufig durch den Gebrauch zu scharfer Brillengläser
bedingt werden, welche schon, wie gesagt, die Bilder unendlich
ferner Objeete diesseits des Fernpunktes des damit bewaffneten
Auges entwerfen und sofort den Accommodationsapparat. gar nie zur
Ruhe kommen lassen, sondern einen um so grösseren Accommo-
dationsdruck auf die Linse erforderlich machen, je schärfer sie sind
und je geringer die Distanzen der Objecte sind, mit welchen sich
das Auge anhaltend zu beschäftigen gezwungen wird. Anfänglich
stränbt sich das Auge gegen den fortgesetzten Gebrauch der unpas-
senden Brille und beurkundet das Übermass seiner Belastung durch
reactive Erscheinungen im Gefäss- und Nervensysteme. Doch bald
gewöhnt es sich und zwar um so früher, je geringer eben die
Elastieität des Krystalles, je grösser die Disposition zur Myopie
ist. Wenige Tage reichen oft aus, also ein Zeitraum, innerhalb wel-
chem eine entsprechende Erstarkung des Muskels nicht wahrschein-
lich ist, daher eine Verminderung des dem Accommodationsdrucke
entgegentretenden Widerstandes nothwendig angenommen werden
muss. Diese Verminderung des Widerstandes involvirt aber den
Gleichgewichtszustand in den Attraetionskräften der aus ihrer frü-
heren gegenseitigen Lage verschobenen Theilchen, sofort eine ent-
sprechende Vermehrung der Linsenconvexität, womit denn auch der
dioptrische Apparat für kürzere Distanzen eingestellt und sofort der
Accommodationsapparat seiner Arbeit enthoben wird, so lange es
sich um Objecte einer gewissen Entfernung handelt, einer Ent-
fernung nämlich, welcher in Bezug auf die Lichtbrechung in der
Brille der um den Abstand der Brille vom Auge verminderte
Abstand des nunmehrigen Fernpunktes des freien Auges conju-
girt ist.
240 Ä Stellwag.
Würde das mit der fraglichen Brille bewaffnete Auge sich fortan
nur mit sehr entfernten Gegenständen beschäftigen, so wäre in der
ununterbrochenen Ruhe des Accommodationsmuskels eine Stabilität
der diesweiligen natürlichen Sehlinie begründet. Brillenbewaffnete
Augen beschäftigen sich aber, wie wohl Niemand zweifeln wird,
abwechselnd mit Objecten sehr verschiedener Distanzen und bethäti-
gen sofort den Accommodationsmuskel bald mehr, bald weniger. In
dieser Bethätigung liegt eben das Moment für die Convexitätsver-
mehrung der Linse und damit für eine weitere Hereinrückung des
Fernpunktes. Wenn also auch zu scharfe Brillen eine Zeit lang, nach
entsprechender Convexitätsverstärkung der Linse, passend werden
können, so liegt in ihrem Gebrauche doch schon der Keim ihres
endlichen Nichtzureichens, sie müssen, um die Tragweite des Auges
ins Unendliche auszudehnen, um so rascher mit noch schärferen ver-
wechselt werden, je weiter ihre Brennweite in die absolute Sehweite
des Auges hineinfällt, weil damit im Verhältnisse die Grösse des für
eine jede Objectsdistanz erforderlichen Accommodationsdruckes
wächst.
Es ergibt sich aus allem dem sogar klar, dass selbst in der eben
fixirten Bedeutung passende Brillen endlich für grössere Distanzen
unzureichend werden und einen Tausch mit schärferen Gläsern noth-
wendig machen können, ja dass der brillentragende Myops sogar
der Regel nach von Zeit zu Zeit zur Wahl von Brillen mit kürzerer
Brennweite sich gezwungen fühlen werde, weil er es eben kaum ver-.
meiden kann, durch Betrachtung näher gelegener Objeete und sofor-
tige Intention des Aecommodationsmuskels die en für weitere
Vermehrung der Linsenconvexität zu setzen.
Immerhin jedoch sind die Chancen für Verstärkung der Kurzsich-
tigkeit bei dem Gebrauche passender Brillen nur gering zu nennen
und sie können auf das Minimum gebracht werden durch zweckdien-
liche, d. i. ausschliessliche Benützung der Gläser zum Sehen in Fer-
nen, in welche das freie Auge nicht trägt. In der Nichtbeachtung
dieser Regel, in der gleichmässigen Benützung der Concavgläser zum
Sehen in die Ferne und in die nächste Nähe liegt der Grund dessen,
dass brillentragende Myopen häufig ihre Brillen wechseln und rasch
zu schärferen und schärferen Zerstreuungslinsen übergehen müssen.
Und doch ist die in dieser Regel gesetzte Beschränkung nichts weni-
ger als sehr empfindlich, wie sich leicht einsehen lässt, wenn man
Die Accommodationsfehler des Auges. 241
ins Gedächtniss zurückruft, was ich über die Länge der äusseren
Acceommodationslinien eines brillenbewaffneten Auges gesagt habe.
Die hohe Bedeutung einer richtigen Wahl der Brille tritt hier
‚ abermals in die Anschauung. Sie drängt sich noch mehr in den Vor-
dergrund, wenn man berücksichtigt, dass die Concavlinse nicht nur
den Fernpunkt, sondern auch den Nahepunkt hinausrückt, die absolute
Sehweite des brillenbewaffneten Auges sofort relativ zu jener des
normalsichtigen freien Auges verkürzt werden müsse, wenn der
_ Convexitätszunahme der myopischen Linse nicht eine entsprechende
Erstarkung des Accommodationsmuskels parallel geht; dass diese
Erstarkung aber einerseits ihre Grenze habe und keinesweges in
jedem Falle gegeben sei, ‚vielmehr in sehr vielen Fällen hinter dem
erforderlichen Masse zurückbleibe, häufig sogar vollkommen Null sei.
Die allmähliche Zunahme der Myopie führt am Ende also jeden-
falls zur Verkürzuug der absoluten Sehweite, sie paart sich mit
Schwäche des Accommodationsvermögens. Kommen die
Elementartheilchen der Linse zuletzt sogar in jener Lage ins Gleich-
gewicht, in welcher sie durch den grössten Kraftaufwand des
Accommodationsmuskels versetzt werden konnten; hat sohin der
Krystall für das Maximum des Aceommodationsdruckes seine Rlasti-
eität verloren und erstarkt fortan der Muskel nicht weiter: so ist
die Accommodation für verschiedene Entfernungen
_ aufgehoben, das Auge hat nur mehr eine einzige Accommodations-
linie und das ist die natürliche Sehlinie, welche um so kürzer
ist, je höhere Grade die Myopie erreicht hat, so zwar dass endlich
Nahe- und Fernpunkt nahezu zusammenfallen. |
Alle ausserhalb der natürlichen Sehlinie, bei blosser Schwäche
des Accommodationsvermögens alle ausserhalb der verkürzten ab-
soluten Sehweite, gelegenen Objeete können nur in Zerstreuungs-
kreisen gesehen werden und da Coneavgläser nur in der Erzeugung
scheinbarer Bilder innerhalb der absoluten Sehweite des myopi-
schen Auges ihre Nutzanwendung finden, können sie nur scharfe
und deutliche Wahrnehmungen von Objeeten vermitteln. helfen,
deren Distanz einem Punkte in der absoluten Sehweite des Auges
conjugirt ist. . Verschiedene Objectsdistanzen erfordern einsicht-
licher Weise dann Brillen differenter Brennweiten, sollen scharfe
und deutliche Bilder des Gegenstandes auf der Netzhaut erzeugt
werden und umgekehrt ist die Leistungsfähigkeit jeder einzelnen,
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVI. Bd. I. Hft, 16
‚2u2 . Stellwag.
übrigens entsprechenden Brille eine um so geringere, je geringer
eben der Rest des Accommodationsvermögens ist.
Die Schwächung des Accommodationsmuskels ist unter den
genannten Umständen eine relative. Der Accommodationsmuskel kann
seine normale Kraft behalten haben oder wohl gar erstarkt sein, aber
sein Einfluss auf die Gestalt der Linse ist geschwächt oder aufgeho-
ben, da eben deren Theilchen in der, dem Maximum des Accommo-
dationsdruckes nahezu oder völlig entsprechenden, gegenseitigen
Lagerung bereits ins Gleichgewicht getreten sind. Es liegt am Tage,
dass Vermehrung des Widerstandes von Seite des
Krystalles bei unveränderter Druckkraft des Muskels zu ähnlichen
Resultaten führen müsse. In der mit dem Lebensalter all-
mählich fortschreitenden Verdichtung des Krystalles
sind nun die Bedingungen für eine derartige Resi-
stenzzunahme desselben gegeben und dass sich diese Ver-
diehtung der Linse in der That geltend mache, lehren die Verände-
rungen, welche das Accommodationsvermögen kurzsichtiger Augen
in den späteren Lebensjahren der Regel nach eingeht. Die Überein-
stimmung dessen, was die tägliche Erfahrung auf dem Wege genaue-
rer Untersuchungen herausstellt, mit den Folgen, welche sich aus
einer Verdichtung des Krystalles theoretisch ableiten lassen, ist eine
zu grosse, als dass man an dem innigen Causalnexus zwischen jenen
Veränderungen in der absoluten Sehweite des Myops und der Ver-
dichtung der Linse einen Augenblick zweifeln könnte.
Die Resistenzzunahme der Linse involvirt nach
dem Vorhergehenden die Schwierigkeit einer Con-
vexitätsvermehrung in den Trennungsflächen des
Krystalles. Dem ganz entsprechend gehört denn auch eine weitere
Verkürzung des Fernpunktabstandes im myopischen Auge während
der zweiten Hälfte des Lebensalters zu den Seltenheiten. Die Erwer-
bung sowohl als dieallmähliche Zunahme der Kurzsichtigkeit sind Prä-
rogative der Jugend, während welcher der Krystall weich und bieg-
sam ist. Das reifere Alter müsste die Acquisition und die Vergrös-
serung eines vorhandenen Grades von Myopie ausschliessen, wenn
dafür in Axenverlängerungen des Bulbus und in Krümmungsvermeh-
rungen der Cornea nicht weit wirksamere Ursachen gegeben wären.
Anderseits stimmt damit ganz gut die allbekannte Thatsache
überein, dass die Myopie in den höheren Mannesjahren sich scheinbar
Die Accommodationsfehler des Auges. 243
etwas vermindere, indem der Kurzsichtige die Fähigkeit verloren
hat, Objeete in so grosser Nähe scharf und deutlich zu sehen, wie
früher und auch in der Leistungsfähigkeit seiner bisher gebrauchten
Brille eine Abnahme verspürt, da dieselbe mit einem Zerstreuungs-.
glase von längerer Brennweite vertauscht werden muss, wenn es sich
um Objectsdistanzen handelt, welche vordem noch in der absoluten
Sehweite des mit der gewohnten Brille bewaffneten Auges lagen und
zwar nahe dem Nahepunkte desselben, aber bereits jenseits des Fern-
punktes des freien Auges. Die behauptete Übereinstimmung springt
klar hervor, wenn man bedenkt, dass in diesen Verhältnissen sich ja
eben die, durch den erschwerten Gestaltwechsel des Krystalles
begründete Hinausschiebung des Nahepunktes im freien und brillen-
bewaffneten Auge ausspreche. |
Die vermeintliche Abnahme der Myopie erweist sich sohin nur
als eine scheinbare, sie ist eigentlich eine Verkürzung der
absoluten Sehweite, bedingt durch Schwächung oder
Aufhebung der Druckwirkung des Accommodations-
muskels, sie ist eine Annäherung des Nahepunktes an den Fern-
punkt, welcher letztere der Regel nach unverrückt seine Stellung zum
Auge bewahrt, wie sich eines Theils theoretisch aus dem relativen
Verluste der Linsenelasticität, anderseits thatsächlich aus directen
Untersuchungen und aus der unveränderten Leistungsfähigkeit der
gewohnten Brille bezüglich ferner Öbjecte ergibt.
Dabei darf jedoch der Umstand nicht vergessen werden, dass die
Verdichtung der Linse mit Abnahme ihrer Pellueidität einhergehe
und diese Verminderung der Durchsichtigkeit bei Betrachtung ferner
Objecte leicht die Lichtabsorption von Seite der Luft fühlbar machen
könne; daher Versuche mit schwächeren Brillen zur Constatirung der
"Unveränderlichkeit des Fernpunktes unerlässlich sind. Diese werden
der Regel nach ein negatives Resultat ergeben, aber nicht constant,
weil eben in der möglichen Axenverkürzung des Auges und Krüm-
mungsverminderung der Cornea Momente liegen, welche unabhängig
von der Linsengestalt die Lage des Fernpunktes verrücken.
Aber auch abgesehen von diesen letztgenannten Momenten lässt
sich die Behauptung mancher Autoren, mit zunehmendem Le-
bensalter eine Vergrösserung des Fernpunktabstan-
des und sofort die Nothwendigkeit eines Überganges
zu schwächeren Concavgläsern beobachtet zu haben, nicht
16*
AAA Stellwag.
unbedingt Lügen strafen. Der letztere Theil dieser Behauptung lässt
sich aus der Erfahrung thatsächlich beweisen; nur der daraus gezo-
gene Schluss auf eine zu Grunde liegende Vergrösserung des Fern-
punktabstandes ist unrichtig, wie sich leicht ergibt, wenn man in
Rechnung bringt, dass der Gebrauch von Concavbrillen bei Nichtbe-
dürftigen heutzutage ein sehr häufiger und gleichsam Mode geworden
ist, dass sogar die Weiber den Geruch der Gelehrtheit jenem einer
guten Hausfrau vorziehen und sich denselben zu erwerben suchen
durch den Gebrauch von Zerstreuungsgläsern in den verschiedensten
Fassungen. In der Jugend fügt sich allenfalls der Aecommodations-
apparat der aufgebürdeten Last. Doch mit der allmählichen Dichtig-
keitszunahme der Linse wächst die Schwierigkeit, falls es nicht wirk-
lich gelungen ist, in der Krystalllinse eine entsprechende Convexitäts-
vermehrung zu Wege zu bringen und endlich wird es zur Unmög-
lichkeit, den von der Brille gesetzten Bedarf an Muskeldruck aufzu-
bringen; der quasi Myops ist gezwungen, seiner Eitelkeit ein
Opfer zu bringen und zu schwächeren Brillen überzugehen oder sie
ganz zu meiden, selbst wenn nicht, wie dieses häufig geschieht, die
übermässige Anstrengung des Auges und der darin begründete Reiz
des Gefäss- und Nervensystems schwerere Folgen androht. Wer nur
einige Untersuchungen über den fraglichen Gegenstand gemacht hat,
wird hoffentlich dieRichtigkeit dieser Erklärungsweise bald bestätiget
finden und einsehen, dass in der Nothwendigkeit, zu schwächeren
Brillen überzugehen, ja selbst die concaven mit convexen zu vertau-
schen, nicht eine wirkliche Vergrösserung des Fernpunktabstandes,
sondern nur die Verminderung des möglichen Accommodationsdruckes
zur Äusserung komme.
Eine solche Verminderung des Accommodations-
druckes findet ihre Erklärung aber nicht allein in der bis-
her betrachteten relativen, sondern auch in der absoluten Kraft-
abnahme des Accommodationsmuskels, welche letztere
begründet wird in dem der Involutionsperiode eigenthümlichen und
vornehmlich in dem Muskelsysteme eclatant hervortretenden Atrophi-
sirungsprocesse, weiters in krankhaften Alterationen des Aecommoda-
tionsmuskels, in Leitungshemmungen seiner Nerven, in mechanischen
Behinderungen seiner Kraftentwickelung durch Verwachsungen,
Zusammenhangstrennungen u. s. w., überhaupt also in Zuständen,
welche gewöhnlich der Weitsichtigkeit zu Grunde liegen und dort ihre
Die Accommodationsfehler des Auges. 245
specielle Erörterung finden. Wo immer bei Gegebensein einer
Myopie das eine oder das andere der genannten Verhältnisse ins
Leben tritt, macht es sich auch alsbald geltend durch mehr weniger
rasche, unter gewissen von selbst verständlichen Umständen selbst
plötzliche und grösstmöglichste Annäherung des Nahepunktes an den
Fernpunkt.
Ist das Moment der Kraftabnahme nur einer allmähliehen Steige-
rung fähig, so kann die Verkürzung der absoluten Sehweite auch nur
langsam fortschreiten, bis endlich der Nahepunkt an der diesweiligen
inneren Grenze der natürlichen Sehlinie angelangt ist und sofort
Accommodationsveränderungen des dioptrischen Apparates unmöglich
geworden sind. Die auf genauere Forschungen basirte Erfahrung
gibt dafür die nothwendigen Belege an die Hand, sie lässt nicht nur
die allmähliche Vergrösserung des Nahepunktabstandes deutlich nach-
weisen; sondern spiegelt in den Ergebnissen der sie begründenden
Untersuchungen auch das allmähliche Nachlassen der Aceommodations-
kraft durch die Erscheinungen der sogenannten Asthenopie oder
Kopiopie ab.
Diese ist eben nichts als der symptomatische Ausdruck einer
momentanen Functionsuntüchtigkeit des Accommodationsmuskels als
Folge der Ermüdung durch vorausgegangene Adaptionsanstrengungen
und findet in dem Widerstande anderer ermüdeter Muskeln gegen
weitere Intentionen ihre vollständigste Analogie. Nur unrichtiger
Weise hat man selbe alsPrärogativ des presbyopischen Auges erklärt,
da sie meinen und Anderer Erfahrungen gemäss auch neben Myopie
zur Beobachtung kömmt. Hier wie dort äussert sie sich, wenn der
Accommodationsapparat längere Zeit hindurch zu intensiveren Anstren-
gungen gezwungen wurde, um das freie oder brillenbewaffnete Auge
für Objeetsdistanzen einzurichten, welche mit dem Abstande des
Nahepunktes nahezu zusammenfallen. Während dieser Anstrengungen
fangen dann die bisher in scharfen und deutlichen Bildern wahr-
genommenen Objecte an, vor dem Auge zu verschwimmen und der
Kranke fühlt das Bedürfniss, ihren Abstand allmählich zu vergrössern
und dieses zwar bei förtgesetzter Intention des Auges immer mehr, bis
endlich der Gegenstand in die natürliche Sehlinie hinausgerückt ist.
Reicht die Objectgrösse nicht mehr aus, um damit auf der Netzhaut
im Detail wahrnehmbare Bilder produeirt werden können, so genügt
aller Kraftaufwand nicht mehr, um selbe zur Anschauung zu bringen
2A6 Stellwag.
und der Versuch, sie gewaltsam zu fixiren, bedingt Reizerscheinungen,
wie selbe bereits oben geschildert wurden. Das Auge bedarf minuten-
langer Ruhe, worauf die Accommodation für die erforderliche Nähe
wieder in demselben Masse, wie vordem ermöglicht ist, um nach
einiger Anstrengung abermals unter allmählicher Entfernung des Nahe-
punktes mit völligem Unvermögen zur Adaption zu wechseln. Immer
kürzer und kürzer werden bei fortgesetzter Intention des Aecommoda-
tionsapparates die Fristen, innerhalb welehen die Einrichtung für die
kürzeren Accommodationslinien ermöglicht ist, während die Dauer
der zur Wiederherstellung des Adaptionsvermögens erforderlichen
Ruhezeiten wächst und der Nahepunktabstand zunimmt, bis dieser
eben das, von der natürlichen Sehlinie des Auges gesetzte, Maximum
erreicht hat und die Asthenopie endlich in den ständigen Man-
gel des Accommodationsvermögens übergegangen ist.
Dem Wesen der Myopie entsprechend sind natürlieh diese Orts-
veränderungen des Nahepunktabstandes, wie sie durch das Nachlassen
des Accommodationsdruckes bedingt werden, absolut sehr geringe
und zwar um so geringere, je kurzsichtiger das betreffende Auge ist.
Auch kann ein völliges Verschwimmen der Objeetbilder bis zur
Undeutlichkeit nur bei gewissen Objeeten gegeben sein, welche ihrer
Kleinheit halber diesseits der natürlichen Sehlinie gerückt werden
müssen, um im Detail wahrgenommen zu werden; denn bei grösseren
Objeeten kömmt die Netzhautbildgrösse nicht mehr in Betracht und
ihre Hinausschiebung in die natürliche Sehlinie muss jedenfalls hin-
reichen, um sie auch bei völliger Unthätigkeit des Accommodations-
apparates in scharfen und deutlichen Bildern auf der Netzhaut zu
projieiren. Nur die durch vorausgängige intensivere Anstrengungen
allenfalls hervorgerufenen Reizungen des Gefäss- und Nervensystems
im Auge können ihrer weiteren Betrachtung Hindernisse in den Weg
legen. Das Terrain der Asthenopie ist im myopischen Auge nach allem
dem also bestimmt ein sehr beschränktes, und die Erscheinungen,
durch welche sie sich kund gibt, lassen sich sehr leicht übersehen,
worin denn auch der Grund liegt, dass man selbe als mit Myopie unver-
einbar erklärt, und lieber auf Funetionsschwäche des lichtempfindenden
Apparates bezogen, als Dysopie oder Amblyopie beschrieben hat.
‚In der That trifft die Asthenopie und um so mehr der Mangel des
Accommodationsvermögens den Myops in vielen Fällen kaum viel
weniger hart, als ein geringer Grad von Amblyopie; in allen jenen
Die Accommodationsfehler des Auges. 2AT
Fällen nämlich, in welchen die Kleinheit der, den Kurzsichtigen dau-
ernd beschäftigenden Objecte deren grosse Annäherung an das Auge
erforderlich macht, und dadurch eben den Grund der Myopie, weiters
aber der Asthenopie und endlich des völligen Verlustes des Accom-
modationsvermögens gelegt hat. Die Fortsetzung dieser Beschäfti-
gung, z. B. des Lesens kleinen Druckes, kleiner Schriften u. s. w.,
wird nachgerade unmöglich, weil eben die dazu erforderliche
_ Hinausschiebung des Gesichtsobjeetes in die natürliche Sehlinie der
gemachten Voraussetzung nach die Netzhautbildgrösse unter das ent-
sprechende Mass herabdrückt und die Benützung von Concavgläsern
diesen Fehler nach dem Vorhergehenden nur vergrössern kann. Es
scheint nun freilich, als ob Convexgläser als Loupen angewendet,
durch scheinbare Vergrösserung des Objectes dem Auge einigermas-
sen behilflich werden könnten. Allein die Kürze des Fernpunktab-
standes macht namhaftere Vergrösserungen nur bei sehr starker An-
näherung des Gegenstandes an die Glaslinse und sofort auch an das
Auge möglich und tritt sofort einem Gebrauche solcher Loupen bei
den meisten Beschäftigungen entgegen.
Um eine Vergrösserung zu erzielen, muss nämlich v»>2b sein. Der Ver-
v
” Bere ie . . . 1
grösserungscoöffieient der Brechung in der Convexlinse ist aber —, wo »,
®
durch den Fernpunktabstand bestimmt wird und insoferne eine kleine Zahl ist,
während » den Abstand des Objertes von dem Glase bedeutet.
In Anbetracht dessen lässt sich nun wohl die Verwechselung
des so eben geschilderten Zustandes mit dem, was man unter dem
nichtssagenden Worte „Dysopie“ versteht oder zu verstehen vorgibt,
so wie mit der Amblyopie entschuldigen und zwar um so mehr, als
neben der Myopie thatsächlich nicht ganz selten Amblyopie einher-
geht, und als weiters, abgesehen von zufälligen Leitungshemmungen
im lichtempfindenden Apparate, sogar bisweilen einiger Causalzusam-
menhang zwischen beiden Krankheitsformen besteht.
In einer gewissen Anzahl von einschlägigen Fällen lässt sich
nämlich die complieirende Amblyopie einzig und allein nur beziehen
auf organische Folgen der, in intensiven und anhaltenden Accommo-
dationsanstrengungen begründeten Reizzustände des eiliaren Gefäss-
und Nervensystems; denn diese pflanzen sich gerne auf den licht-
empfindenden Apparat und selbst bis auf das Gehirn fort, wie das sie
charakterisirende Krankheitsbild deutlich erkennen lässt. Insoferne
2AS Stellwag.
nun solche anhaltende Intentionen des Auges für grosse Nähen die
gewöhnlichste Ursache der Kurzsichtigkeit abgeben, fliessen unter
gewissen Verhältnissen die Myopie und Amblyopie aus einer und
derselben Quelle, sie gehen nur scheinbar neben einander her, indem
sie gegenseitig im innigen Zusammenhange stehen. Das Warum der
Niehteonstanz ihrer gegenseitigen Verbindung ist zur Zeit ein unge-
löstes Problem, denn mit dem Worte „Disposition“ oder „disponi-
rende Augenschwäche“ ist wenig gesagt, obwohl die Objeetivität
derselben kaum in Zweifel gesetzt werden kann. Es steht nämlich fest,
dass manche Augen von der ersten Kindheit an jeder nur einiger-
massen bedeutenderen und anhaltenderen Anstrengung für die Nähe
durch rasches Auftreten schwer zu besänftigender Reizphänomene ent-
gegentreten und das sind eben die sogenannten schwachen Augen,
welche man von Alters her als unbrauchbar zu gewissen, das Nahese-
hen erfordernden Geschäften erklärt hat, indem man fand, dass sie
leichter als andere hochgradige Myopie und Amblyopie erwerben.
In gewissen Fällen der fraglichen Art geht aber die Kurz-
siehtigkeit direct ein in die Pathogenie der sie später eomplieiren-
den Amblyopie. Es kömmt nämlich ziemlich häufig vor, dass die
Myopie in dem einen Auge rascher entwickelt wird, als in dem
anderen, alsbald auch höhere Grade erreicht, ja sogar zur Asthe-
nopie und zum völligen Mangel des Accommodationsvermögens, also
zu ganz denselben Folgen führt, wie selbe bei Bestand der Myopie
bisweilen durch mechanische Hindernisse des Acecommodationsdruckes,
durch Verwachsungen der Iris, Verletzungen u. dgl., begründet wer-
den. Für die meisten Objeetsdistanzen ermangeln dann die Netz-
hautbilder der nöthigen Schärfe und Deutlichkeit, ja bei grossen Dif-
ferenzen in den hinteren conjugirten Vereinigungsweiten der beiden
Augen trüben die auf der Netzhaut des einen derselben erzeugten
Zerstreuungskreise die Wahrnehmungen des anderen, entsprechend
adaptirten, was die Kranken durch den Ausdruck: das kranke Auge
blende das relativ gesunde, zu versinnlichen trachten. Die Störung
ist bisweilen eine so bedeutende, dass der Kranke das eine Auge
beim genaueren Besehen von Objecten verdecken muss, und es durch
Übung selbst dahin bringt, das kränkere Auge etwas seitwärts zu
stellen, um die Netzhautbilder der betrachteten Objeete auf die
weniger empfindlichen Seitentheile der Netzhaut zu leiten. Jeden-
falls unterstützt das minder funetionstüchtige Auge das bessere nur
en
Die Accommodationsfehler des Auges. 249
wenig oder gar nicht, und wenn auch der Kranke nicht so häufig den
Strabismus erwirbt, so gewöhnt er sich doch nach und nach, seine
Aufmerksamkeit vornehmlich und endlich ausschliesslich den Ein-
drücken des tüchtigeren Auges zuzuwenden, während er das andere
vernachlässigt. Anhaltende Funetionsunthätigkeit führt im licht-
empfindenden Apparate aber gerade so wie in anderen Körpertheilen
zur Functionsuntüchtigkeit, ja selbst zur Atrophie, und Functions-
untüchtigkeit des lichtempfindenden Apparates ist eben das, was man
Amblyopie oder Amaurose nennt.
Trotz dieser innigen Verwiekelung der Myopie mit der Amblyo-
pie ist nichts destoweniger die Diagnose der letzteren keine sehr
schwere. Versuche mit jener Scala, welche ich zur Bestimmung des
Nahe- und Fernpunktes vorgeschlagen habe, leiten schon darauf, in-
dem sie herausstellen, dass die einer jeden Objeetsdistanz als innere
- Grenze entsprechende Grösse des Gegenstandes nicht mehr zureicht,
um deutliche Wahrnehmungen zu vermitteln, sondern dass in dieser
Beziehung das kurzsichtige und zugleich amblyopische Auge weit
hinter dem einfach myopischen, ja selbst hinter dem asthenopischen
und der Accommodation verlustigen Auge zurückbleibt; dass sofort die
' Grösse der Gesichtsobjeete, welche der Kranke in einem bestimm-
ten Abstande deutlich und scharf wahrnimmt, relativ zur Norm weit
grösseren Distanzen entspricht. Die Verkleinerung der Gesichts-
objeete durch Concavbrillen macht sich natürlich in gleicher Weise
fühlbar und ist- gewöhnlich die Ursache, dass dem amblyopischen
Myops gar keine Brillen für irgend eine Distanz sonderliche Unter-
stützung gewähren, dass höchstens Loupen unter den obigen Beschrän-
kungen einige Verbesserung des Sehvermögens erzielen; während
doch bei völligem Verluste des Accommodationsvermögens Brillen
verschiedener Brennweite das Auge noch für die differentesten
Objectsdistanzen einrichten. Dazu kömmt noch die ganz bedeutende
Abnahme des Gesichtes, wenn der Contrast der Färbung in den
Objeeten etwas zurücktritt, oder aber die Beleuchtungsintensität
des Gesichtsfeldes nur einigermassen, z. B. durch die Dämmerung,
vermindert wird.
Dieser Bedarf an starken Farbeneontrasten und grosser Beleuch-
tungsintensität sticht als Symptom der die Myopie complieirenden
Amblyopie um so schärfer hervor, als sie eben der allbekannten
Thatsache geradezu entgegenläuft, dass Kurzsichtige noch bei einer
250 Stellwase.
Erleuchtungsintensität feine Arbeiten verrichten, lesen, schreiben ete.
können, welche normalsichtigen und weitsichtigen Augen die Detail-
erkenntniss selbst grösserer Objecte schon einigermassen schwierig
macht. |
Es rührt diese scheinbare Schärfe des myopischen Auges gewiss
nicht von einer gesteigerten Empfindlichkeit der Netzhaut her, denn
diese müsste sich auch im hellen Raume zeigen. Der Grund dessen
ist ein rein physicalischer und beruht darauf, dass der scheinbare
Glanz der Netzhautbilder, die Erleuchtungsintensität einer Massein-
heit der Retina, hauptsächlich abhängt von der Erleuchtungsintensität
des Objectes und von dem Durchmesser der Pupille. Die dem Myops
ermöglichte starke Annäherung des Objeetes kommt hier nur inso-
ferne in Betracht, als sie die Schwächung des Lichtes beim Durch-
gange durch die absorbirende Luft vermindert.
Bei gleicher Erleuchtung des Objeetes steht der scheinbare
Glanz der Netzhautbilder im geraden Verhältnisse zur Grösse der
Pupille. Der Refractionszustand des myopischen Auges macht nun
aber den Bedarfan accommodativer Druckkraft zum Zwecke des Nahe-
sehens sehr gering, jader Nulle gleich. Der Sphineter pupillae braucht
demnach nicht als starker Widerhalt gegen die, den Accommoda-
tionsdruck vermittelnden Längsfasern zu funetioniren und kann ganz
dem Impulse der exeitomotorischen Nervenzweige folgen, unter den
genannten Umständen sich also relaxiren; während er im normal-
siehtigen und weitsichtigen Auge alle Kraft aufbieten muss, um dem
zur Accommodation für grössere Nähe erforderlichen Contractions-
nisus der Längsfasern das Gleichgewicht zu halten, und sofort auch
sewöhnlich während der Accommodation des Auges für die Nähe eine
namhaftere Verengerung der Pupille begründet, als dieses bei Myopen
der Fall ist, die bekanntlich sehr häufig schon bei mässiger Beleuch-
tung sehr weite Pupillen haben.
Die Weitsichtigkeit oder Presbyopie.
Im Gegensatze zur Myopie charakterisirt sieh dieser
Gesichtsfehler durch abnorme Vergösserung des
Nahepunktabstandes und darin begründetes Unvermögen des
Auges, scharfe und deutliche Wahrnehmungen von Objeeten zu ver-
mitteln, welche, vom Auge wenig abstehend, noch in der absoluten
Sehweite eines normalen Gesichtsorganes gelegen sind und ihrer
Die Accommodationsfehler des Auges. \ 251
Grösse, so wie ihrem wirklichen Glanze nach bei richtiger Ein-
stellung des dioptrischen Apparates und bei Integrität der licht-
empfindenden Theile in scharfen und deutlichen Bildern zur Anschau-
ung kommen müssten.
Die optische Wesenheit der Presbyopie ist demnach
Vereinigung der aus nahen Objeeten divergirenden Lichtstrahlen
hinter der Netzhautstabschichte und sofortige Projeetion von Zer-
streuungskreisen auf der Retina. Die Grösse dieser Zerstreuungs-
kreise bedingt das Mass der Undeutlichkeit und mangelnden Schärfe
in den optischen Wahrnehmungen und bestimmt zum Theile den
Grad der Weitsichtigkeit, indem sie nicht allein Function der
Pupillenweite, sondern auch der Differenz ist zwischen der, dem
Objeetsabstande conjugirten hinteren Vereinigungsweite des diop-
trischen Apparates und dem Abstande der Netzhautstabschichte vom
optischen Centrum des combinirten Linsensystems des Auges.
Der Begriff der Weitsichtigkeit schliesst es schon in sich, dass
die natürliche Sehlinie des presbyopischen Auges einem
objeetiv fernen Accommodationspunkte entsprechen, dass der
Fernpunktabstand demnach ein grosser, meisthin sogar ein unendlich
grosser sein müsse und dann die Tragweite des Auges nur in der
Lichtabnahme durch Absorption, so wie in dem Beugungsspeetrum
des Pupillarrandes ihre äussere Grenze finden könne. Anderseits
involvirt das Verhältniss, in welchem die hinteren conjugirten Ver-
einigungsweiten des dioptrischen Apparates zu den vorderen stehen,
und die Länge der stab- und zapfenförmigen: Netzhautkörper einen
relativ sehr kurzen, wenige Fusse betragenden Abstand der natür-
lichen Sehlinie des presbyopischen Auges. Insoferne aber die Pres-
byopie einen gewissen Grad von Accommodationsvermögen voraus-
setzt, da dieser die Weitsichtigkeit eben von dem Mangel des
Accommodationsvermögens unterscheidet: so ist es klar, dass bei
Gegebensein einer einfachen Weitsichtigkeit die Mangelhaftigkeit der
optischen Wahrnehmungen sich nur auf Objecte beziehen
könne, welche dem Auge absolut nahe stehen, von
demselben nur eine grössere Anzahl von Zollen entfernt sind.
Die absolute Sehweite des fernsichtigen Auges erscheint
sofort als eine sehr grosse, ja unendlich grosse, nach aussen meist
unbegrenzte; nur der Abstand des Nahepunktes unter-
scheidet die Weitsichtigkeit von der Normalsichtig-
252 Stellwaeg.
keit, ohne dass sich jedoch zwischen beiden eine bestimmte Grenze
ziehen liesse. Die Bestimmung des Nahepunktabstandes erweist sich
sohin als besonders wichtig, und dieses zwar um so mehr, als nach
dem Mitgetheilten die Fernsichtigkeit eben nur als eine Schwächung
des Accommodationsvermögens aufgefasst werden kann und sich
gerade in der Distanz des Nahepunktes das Maximum des noch
möglichen Accommodationsdruckes ausspricht, womit denn auch
eine Art Gradbestimmung der Presbyopie ermöglichet wird.
Betreffs der Erforschung des Nahepunktabstandes gilt nun das-
selbe, was ich bei Gelegenheit der Myopie mitgetheilt habe. Das
Schwankende in den Resultaten, welche Versuche mit den ver-
schiedenen Optometern ergeben, lässt ‚den Forscher zu keinem
bestimmten Schlusse kommen, und der Augenspiegel führt gar nur
zur Erkenntniss, dass das Auge im Momente der. Untersuchung für
Entfernungen eingerichtet sei, die den Abstand des beobachtenden
Auges übertreffen, ohne ein sicheres Urtheil über die Lage des
Nahepunktes zu gestatten. Daher erscheint denn auch wieder
die Benützung jener Scala, wie ich sie oben beschrieben habe,
empfehlungswerth.
Das Maximum des Aecommodationsdruckes reicht in fernsichti-
sen Augen nicht zu, um dem Netzhautabstande kleine Objeets-
distanzen zu conjugiren, mit anderen Worten, die Ablenkung der
Lichtstrahlen im dioptrischen Apparate des fernsichtigen Auges ist
eine zu geringe, als dass Lichtstrahlen von grösserer Divergenz auf
der Netzhautstabschiehte zur Vereinigung gebracht werden könnten.
Desswegen und weil der Abstand des Objectes in jedem Falle positiv
bleiben, das Gesichtsobjeet vor dem Auge stehen muss, sind Zer-
streuungslinsen ausgeschlossen, sobald es sich um Correetion
des fraglichen Gesichtsfehlers handelt. Nur Sammel-
linsen können einem solchen Zwecke förderlich sein und sie sind es
unter der gemachten Voraussetzung einer positiven Objectsdistanz
in der That, der Gegenstand möge nun innerhalb, in oder ausserhalb
der Linsenbrennweite gelegen sein; sie vermindern die Diver-
senz der das Auge treffenden Strahlen bei positiver
Objeetsdistanz, ihre Brennweite sei,welche sie wolle.
Correetion ist jedoch mit Aufhebung des fraglichen Gesichtsfeh-
lers nicht gleichbedeutend, die Leistungsfähigkeit convexer
Glaslinsen ist im Gegentheile unter allen Verhältnissen
Die Accommodationsfehler des Auges. i 253
durch die jeweilig unveränderliche Länge und Lage
der absoluten Sehweite des betreffenden fernsich-
tigen Auges bedingt und begrenzt; es können Sammel-
linsen nur dann scharfe und deutliche Wahrnehmungen von äusseren
Objeeten vermitteln helfen, wenn die von ihnen erzeugten schein-
baren Bilder zwischen den Nahe- und Fernpunkt des hinter ihnen
gelagerten Auges fallen.
Es ist dieses eine Beschränkung, die durch das Verhältniss, in
welchem die conjugirten Vereinigungsweiten einer Sammellinse zu
einander stehen, ausserordentlich fühlbar wird, trotz der meistens
‚unendlichen Länge der absoluten Sehweite. Kraft der Licht-
brechungsgesetze für Sammellinsen kann nämlich bei der Nothwen-
digkeit eines positiven Öbjectsabstandes eine jede einzelne, vor
das fernsichtige Auge gehaltene Convexlinse nur von solchen
Objeeten scheinbare Bilder in der absoluten Seh-
weite zu Stande bringen, deren Distanz kleiner, als
die Brennweite der Linse ist. Gegenstände, welche ausser-
halb der Brennweite der benützten Sammellinse stehen, erfordern
einen negativen Fernpunktabstand und eine Objectsdistanz, welche
die doppelte Brennweite der Linse erreicht, setzt bereits einen
numerisch gleichen, negativen Werth des jenseitigen Endes der
natürlichen Sehlinie voraus, sollen noch innerhalb der absoluten
Sehweite des fernsichtigen Auges scheinbare Bilder erzeugt werden.
Also nur für Objeetsdistanzen, welche kürzer sind,
als die Brennweite der betreffenden Sammellinse,'
findet das eigentlich fernsichtige Auge in dieser
einen optischen Behelf und der Presbyops ist daher gezwun-
gen, die Brille abzulegen, sobald es sich darum handelt, Gegenstände
in scharfen und deutlichen Bildern wahrzunehmen, welche ausser-
halb der Linsenbrennweite gelegen sind.
Die absolute Sehweite des mit einer Sammellinse
bewaffneten, fernsichtigen Auges findet also in
deren Brennweite ihre äussere Grenze und ist demnach
eine um so kürzere, je kürzer eben die Brennweite des angewandten
' Convexglases ist. Mit der Verkürzung der Linsenbrennweite nimmt
aber auch der Abstand des Nahepunktes eines, hinter dem Sammel-
glase befindlichen, fernsichtigen Auges zu und rückt sohin die innere
Grenze der absoluten Sehweite an die äussere heran.
254 Stellwag.
Sind v, und v, die hinteren negativen Vereinigungsweiten für die Abstände
v und v— r in Bezug auf eine Sammellinse mit der Brennweite 5 und nimmt
man 9%, — v%, =m, wo m die absolute Sehweite eines hinter der Linse befind-
lichen fernsichtigen Auges bedeutet, so ergibt sich aus der Gleiehung
r b?
@—bP® +r(w— 5)’
vu, —-Lb=
dass je kleiner b wird, die Differenz v—b abnehmen müsse, weil m = v, — v,
eine Constante ist.
Insoferne nun möglichst grosse absolute Sehweite
bei der Correetion der Presbyopie durch Sammellinsen offenbar von
grösster Wichtigkeit ist, erscheint die Wahl von Convexbrillen mit
möglichst langer Brennweite nothwendig, soll die
Leistungsfähigkeit des angewandten Hilfsmittels
ihrem Maximum sich nähern. Es würde hieraus einsichtlicher
Weise die Zweckdienlichkeit von Sammellinsen unendlicher Brenn-
weite, d.h. die Zweckwidrigkeit von Convexgläsern überhaupt
folgen, wenn grösste Länge der absoluten Sehweite das einzig
Bestimmende in dieser Beziehung wäre. Allein Hauptzweck ist, Ob-
jecte, welche innerhalb des Nahepunktabstandes eines
presbyopischen Auges gelegen sind, in dessen absoluter Seh-
weite scheinbar abzubilden. Mit der Verlängerung der Linsenbrenn-
weite vermindert sich aber die Differenz der beiden conjugirten Ver-
einigungsweiten der Convexlinse, wie dieses die Formel zeigt
Re | 1
— —m—
Es muss daher die Linsenbrennweite dem entsprechend eine um
so kleinere sein, je kleiner die Objeetsdistanz und je grösser der
Fernpunktabstand ist. Aufgabe ist es also, jene Sammel-
linse zu suchen, welehe der absoluten Sehweite
eines gegebenen fernsichtigen Auges die grösste
Differenz der innerhalb des Nahepunktabstandes
gelegenen Objeetsdistanzen conjugirt. Eine einfache
Betrachtung führt darauf, dass diesem Zwecke eine Sammel-
linse entspreche, deren Brennweite der, um den Ab-
stand der Brille vom Auge verminderten Distanz des
Nahepunktes gleicht, sie involvirt eine absolute Sehweite von
der Länge der halben Linsenbrennweite.
Die Accommodationsfehler des Auges. 255
A
Aus Be + — geht hervor, dass, um einen innerhalb des Nahe-
v v
punktes v , diesem aber unendlich nahe gelegenen Gegenstande mittelst einer
Sammellinse von grösstmöglichster Brennweite in der absoluten Sehweite des
Auges abzubilden, v,— ®, also b= v sein müsse. Dieses ist die eine Grenze,
denn sobald v> p, wird v, positiv und fällt angenommener Massen ausserhalb
die absolute Sehweite. Es soll nun aber eine Objeetsdistanz v — m dem
kürzesten v,, also einem v, von der Grösse des Nahepunktabstandes, eonjugirt
sein, also
1 1 ER vb
v-m b v vo, +b
vb (le
u„+b y+b
v— (—m)=m=b—
Die absolute Sehweite des mit einer Sammellinse bewaffneten Auges wächst
daher wie schon erwähnt, mit b. Das 5 darf aber den Nahepunktabstand, der
nun v, heisst, nicht übersteigen, höchstens kann 5=v, werden und dann ist
In Bezug auf den Effect von Brillengläsern kommen
aber auch noch andere Verhältnisse in Betracht und auch diese
müssen berücksichtiget werden, soll die Wahl einer bestimmten
Sammellinse gerechtfertiget erscheinen.
Die Einrichtung des Auges für die kürzeste Adaptionslinie,
deren innere Grenze eben der Nahepunkt ist, setzt als Bedingung
den grösstmöglichsten Kraftaufwand von Seite des Accommodations-
muskels voraus. Da nun die Differenz der beiden conjugirten Ver-
einigungsweiten einer Sammellinse um so kleiner wird, je grösser
‚die Brennweite des Convexglases ist, liegt es klar am Tage, dass
bei gegebener Objectsdistanz die erforderliche Adaptionsanstrengung
des brillenbewaffneten Auges eine um so grössere sein müsse, je
schwächer die Brille, je geringer in ihr die Ablenkung der
Liehtstrahlen ist. Sammellinsen von unverhältnissmässig langer
Brennweite unterstützen sofort das presbyopische Auge beim Nahe-
sehen nur sehr wenig und daher kömmt es, dass bei ihrem Gebrauche,
so wie bei der Intention des freien Auges, gerne Reizzustände im
Bereiche des Ciliarsystems auftreten, wie ich sie als Folge der An-
wendung zu scharfer Concavgläser bei myopischen Augen geschildert
habe, und dass diese Reizerscheinungen sich um so früher geltend
256 Stellwag.
machen und um so höhere Grade erreichen, für je kürzere Distanzen
das presbyopische Auge sich einzustellen bemüssigt ist und je länger
diese Anstrengung dauert. Der Fernsichtige ist gezwungen, den
Gegenstand so weit zu entfernen, als die Abnahme der Netzhautbild-
grösse nur immer erlaubt und darin liegt eben ein Kriterium für die
unzweckmässig grosse Länge der Brennweite einer Sammellinse.
Aber auch Brillen von unverhältnissmässig kurzer
Brennweite haben solche Reizungen im Bereiche des Ciliarsystems.
im Gefolge, ja diese treten noch früher und in namhafterem Grade in
die Beobachtung, als bei dem Gebrauche zu schwacher Convex-
gläser und doch ist bei solchen Linsen die Differenz der eonjugirten
Vereinigungsweiten eine sehr bedeutende, das scheinbare Bild selbst
sehr nahe gelegener Objeete kömmt weit entfernt vom Nahepunkte
des presbyopischen Auges zu Stande und überhebt sofort den Accom-
modationsmuskel der Nothwendigkeit bedeutenderen Kraftaufwandes.
Allein hier wirkt, wenn ich mich nicht täusche, ein anderes Moment
und das ist die übermässige Verkürzung der, der absoluten Sehweite
. des freien Auges eonjugirten Differenz der Objectsdistanzen. Diese
schliesst eine ausserordentliche Kürze der Acecommodationslinien des
brillenbewaffneten Auges in sich und bedingt sofort die Nothwendig-
keit eines beständigen Wechsels in dem Accommodationszustande, da
es kaum möglich ist, die Objeetsdistanz völlig unabänderlich zu
erhalten und schon die Abstandsdifferenzen, welche aus dem Zittern
der Hand und leichten Bewegungen des Kopfes resultiren, von sehr
bedeutendem Einflusse auf die Stellung des scheinbaren Bildes werden.
Es wirken hier meiner Meinung nach also dieselben Verhält-
nisse, welche das Lesen in einem bewegten Wagen so anstrengend
und ermüdend machen. Sie wirken in einem um so höheren Grade,
je thätiger noch der Accommodationsmuskel ist,' je mehr sieh dieser
bestrebt, den beständigen Wechsel in den optischen Wahrnehmungen
zu eorrigiren, je geringer also der Grad der Fernsichtigkeit ist.
Diese ist ihrer Wesenheit nach ja eben in Schwächung des Accom-
- modationsvermögens begründet und erscheint als eine um so bedeu-
tendere, je grösser diese Schwächung ist. Daher vertragen im
hohen Grade presbyopische Augen scharfe Gläser auch leichter, als
fernsichtige geringerer Grade. In jenen ist das Muskelspiel ein sehr
geringes, die Anstrengung, welche den: fortwährenden Wechsel:in
der Accommodation bedingt, also eine kleinere.
Die Accommodationsfehler des Auges. 2537
Endlich ist noch der Netzhautbildgrösse des brillen-
bewaffneten Auges zu gedenken. Sie ist ein wichtiges Moment, da
eben Gleichheit der optischen Wahrnehmungen mit
jenen des freien normalen Auges den Grad der Leistungsfähigkeit
einer Sammellinse mitbestimmt. . Betreffs dessen ergeben sich nun
ganz andere Verhältnisse, als bei dem Gebrauche von Zerstreuungs-
linsen von Seite Myopischer.
Ist « die Netzhautbildgrösse, A die Objeetsgrösse und A, die Grösse des
von der Sammellinse erzeugten scheinbaren Bildes, so erscheint
für das freie normale Auge
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a late) meta er
%
weil A, = ist. In Anbetracht der Grösse von ®, verschwindet wohl
—1 wird.
meisthin ec, so dass nahezu
[D)
1
Eine einfache Betrachtung ergibt, dass die Netzhautbildgrösse
des mit einer Sammellinse bewaffneten Auges, ausser von der
Objectsgrösse, fast ausschliesslich von dem Refractionszustande des
Auges und von dem Abstande des Gegenstandes von der Brille
abhänge und im umgekehrten Verhältnisse zu diesen Grössen wachse
und abnehme. Sie lehrt, dass Sammellinsen unter allen
Umständen eine Vergrösserung des Netzhautbildes
bewirken, da der gemachten Voraussetzung nach nur innerhalb
ihrer Brennweite gelegene Objecte in der absoluten Sehweite schein-
bar abgebildet werden und der Abstand dieses scheinbaren Bildes
immer die Objeetsdistanz übertrifft. Sie lehrt, dass die Vergrösserung
um so bedeutender sei, je grösser eben die Differenz der conjugirten
Linsenvereinigungsweiten ist, je kürzer also die Brennweite der
Linse wird. Sie lehrt aber auch, dass diese Vergrösserung, welche
aus dem Nachlassen des Accommodationsdruckes und der sofortigen
Verminderung des Refractionszustandes des Auges resultirt, weithin
zurücksteht gegen jene, welche eine Folge der, mit der Verkürzung
der Brennweite nöthig werdenden Annäherung des Objectes an die
Linse ist. Die Verkürzung des Nahe- und Fernpunktabstandes durch
Sammellinsen ist der Hauptfactor des Vergrösserungseo£fficienten,
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVI, Bd. 1. Hft. 17
258 Stellwag.
wie sich leicht ergibt, wenn man die geringen Schwankungen
des Refractionszustandes des Auges mit den halben Werthen der
möglichen Linsenbrennweiten vergleicht. Daher ist auch die
Nothwendigkeit, Objecte allzusehr dem brillen-
bewaffneten Auge zu nähern und namhafte Vergrös-
serung der Objecte schon längst als empirisches
Zeichen einer unzweckmässig scharfen Sammellinse
anerkannt.
Jene Betrachtung lehrt weiters, dass der Abstand der
Brille vom Auge nur bei sehr kleinen Differenzen der conjugirten
Vereinigungsweiten der Sammellinse, also bei sehr schwachen Brillen,
verkleinernd auf die Grösse des Netzhautbildes einwirke, in ihrer
Wirkung aber durch die vorerwähnten Verhältnisse jedenfalls mehr
als aufgehoben werde. Sie lehrt, dass bei grösseren Differenzen der
conjugirten Vereinigungsweiten der Einfluss des Brillenabstandes
vom Auge verschwinde und nur durch Verkürzung der Entfernung
des Objeetes von der Linse wirksam werde. Daher sieht man denn
auch presbyopische Greise es mit der Stellung ihrer Brillen nicht
genau nehmen, ja man findet, dass selbe eben so gut durch Hand-
gläser als durch Brillen im engeren Wortsinne lesen.
Auf die nosologischen Momente der Presbyopie
eingehend, stösst man, wie bei der Myopie, auf eine lange Reihe
von Verhältnissen, welche einem Hinausrücken des Nahepunktabstan-
des zu Grunde liegen können und, nach Reduction des dioptrischen
Apparates auf eine einzige Trennungsfläche in der angeführten
Weise, sich leicht in drei Hauptkategorien übersichtlich ordnen
lassen.
Vorerst sindes Krümmungsabweichungen der Skle-
rotika mit davon abhängiger Verkürzung der opti-
schen Augenaxe bei Integrität der lichtempfindenden Theile,
wie sie bisweilen als angeborne Bildungsfehler des Auges
vorkommen mögen und weiters Verflachungen der Hornhaut,
sie mögen nun angeboren oder durch theilweise Substanzverluste
und Ersatz durch Narbengefüge veranlasst sein. Doch fällt es auf
den ersten Blick auf, dass eine Weitsichtigkeit im engeren Wort-
sinne, soll sie auf solche Weise begründet werden, nothwendig eine
Verstärkung des dritten Factors voraussetzt. Ohne diesem ist
nämlich eine Hinausrückung des Fernpunktes über die positive
Die Accommodationsfehler des Auges. 259
Unendlichkeit, ein sofortiges, theilweises Negativwerden der absoluten
Sehweite unvermeidlich und berücksichtigt man das, was ich über
den Einfluss der genannten Verhältnisse auf die Licehtbrechung im
Auge gesagt habe, so kommt man leicht zur Einsicht, dass unter
solchen Verhältnissen auch die Vergrösserung des Nahepunktabstan-
des eine überaus grosse, ja dass in den meisten Fällen die absolute
Sehweite ihrer ganzen Länge nach eine negative werden müsse.
Fernsichtigkeit im engeren Wortsinne ist also nur mit verhältniss-
mässig sehr geringen Verkürzungen der optischen Augenaxe und
sehr schwachen Verflachungen der Hornhaut vereinbar und setzt
dann überdies noch eine namhafte Verstärkung des Refractions-
zustandes der dioptrischen Medien voraus.
Nach dem, was ich bisher beobachtet habe, ist es mir sehr
wahrscheinlich, dass eine nicht ganz geringe Anzahl jugendlicher
Presbyopen ursprünglich eine negative Sehweite besitzen und
erst nach der Hand weitsichtig im engeren Wortsinne werden,
indem die Linse unter. dem fortwährend erforderlichen, namhaften
Accommodationsdrucke ihre Krümmungen verstärkt, so dass also die
Hyperpresbyopie durch jene Verhältnisse, welche normal-
siehtige Augen myopisch machen, zur Fernsichtigkeit
umgestaltet wird. Das Cramer’sche Ophthalmoskop wird hoffent-
lich nicht lange säumen, Licht über diese noch sehr dunklen Probleme
zu verbreiten und durch den Nachweis einer Stellung der Spiegel-
bilder, wie sie dem Myops zukommt, bei Fernsichtigen die Frage
erledigen.
Vorkommnisse dieser Art sind indessen jedenfalls selten. Die
Fernsichtigkeit geht in den bei Weitern meisten Fällen der Regel
nach aus der Normalsichtigkeit hervor und dieses zwar unter
Umständen, welche auch nicht den geringsten Anhaltspunkt bieten,
um Verkürzungen der optischen Axe oder aber Verlängerungen
des Krümmungsradius wahrscheinlich zu machen, daher schon von
vornherein die Vermuthung viel für sich hat, die nächste Ursache
liege in Werthabnahme des Refractionszustandes des Auges.
Gegen Verlängerung der Kammeraxe als Grund der Presbyopie
spricht der Augenschein. Es bleibt daher nichts übrig, als das
ätiologische Moment in dem Aecommodationsapparate des
Auges zu suchen und dieses zwar um so mehr, als die Presbyopie
sich eben bei genauerer Untersuchung als das Unvermögen
17%
260 Stellwag.
beurkundet, den dioptrischen Apparat für nahe Objecte einzu-
stellen der Fernpunktabstand jenem der Norm aber ent-
spricht, ein sehr grosser, unendlicher, aber positiver ist; denn
wenn auch Fernsichtige Objecte , welche um ein Kleines jenseits der
Brennweite einer Convexbrille gelegen sind, zu unterscheiden ver-
mögen, so ist dieses eine einfache Folge des Verhältnisses, in
welchem die eonjugirten Vereinigungsweiten der Linse und des
dioptrischen Apparates zu einander stehen, und welches eine ausser-
ordentliche Kleinheit der die Netzhautstäbe treffenden Zerstreuungs-
kreise involvirt. |
In der That hat Cramer in fernsichtigen Augen die Stellung
der Spiegelbilder der beiden Krystalloberflächen als wenig
variabel oder ganz unveränderlich und jener entsprechend gefunden,
wie sie in normalsichtigen Augen während deren Einrichtung für
grosse Distanzen beobachtet wird. Er hat damit den Gestalt-
wechsel des Krystallkörpers bei der Presbyopie als
sehr beschränkt oder ganz aufgehoben nachgewiesen
und sohin in Anbetracht der dioptrischen Wirkungen, welche aus dem
Gestaltwechsel der Linse resultiren, den Schleier gelüftet, welcher
bisher über den nächsten Grund der Fernsichtigkeit im engeren
Wortsinne ausgebreitet war. |
Es liegt auf der Hand, dass eine solche Beschränkung des
Gestaltwechsels des Krystallkörpers nur das Resultat zweier Momente
sein könne: entweder einer Vermehrung des Widerstandes,
welche die Linse dem Accommodationsdrucke entgegensetzt, oder
einer Schwächung der wirkenden Kraft, also einer Verminde-
rung des Druckes, mit welchem der Accommodationsmuskel auf
den Krystallkörper einwirkt.
Für eine Widerstandsvermehrung des Krystallkör-
pers finden sich nun genügende Gründe in der, mit dem Lebens-
alter fortschreitenden, Entwickelung und damit gesetzten allmählichen,
anatomisch nachweisbaren, namhaften Verdichtung des Lin-
senkernes. Diese schliesst jene als nothwendige Folge in sich, da
Krümmungsveränderungen der oberflächlichen, stäts weich und bieg-
sam bleibenden Linsenschichten ohne jene der Kernlagen undenkbar
sind, sollen nicht leere Räume zwischen den einzelnen Schichten
entstehen. Geht einer solchen Vermehrung der Resistenz eine
Erstarkung des Accommodationsmuskels und sofort eine Vergrösserung
Die Accommodationsfehler des Auges. 261
des Adaptionsdruckes nicht parallel, so kann der Fernpunktabstand des
Auges sich wohl nicht ändern, die Distanz des Nahepunktes muss
aber nothwendig eine grössere werden und dieses selbst, wenn eine
Convexitätsvermehrung der oberflächlichen Linsenschichten unab-
hängig von jenen der Kernlagen möglich wäre, weil eben die äusse-
ren Strata des Krystalles auf die Ablenkung des Lichtes nur einen
sehr geringen Einfluss habe. Für eine solche Erstarkung des Accom-
modationsmuskels während der physiologisch gesetzlichen Verdich-
tung der Linse lassen sich aber weder im Leben noch im Cadaver
nur einigermassen plausible Gründe auffinden, Alles spricht vielmehr
für das Gegentheil. Der Schluss auf einen Causalnexus zwischen der
Presbyopie im engeren Wortsinne und zwischen der dem höheren
Lebensalter zukommenden Verdichtung des Krystalles ist sofort ein
gerechtfertigter, ja nothwendiger. |
Die Entwickelung der Fernsichtigkeit in früher normalsichtigen
Augen während der zweiten Lebenshälfte ist dem ganz entsprechend
eine nahezu constante Erscheinung, so zwar, dass man von zp£aoßus,
Greis, den Namen des fraglichen Gesichtsfehlers abzuleiten für gut
befunden hat.
Die Übereinstimmung geht aber noch weiter und erstreckt sich
selbst auf die feineren Züge in dem Bilde der Presbyopie, Bekannter-
massen sucht der Fernsichtige das Licht, um kleinere und darum nur
‚in der nächsten Nähe wahrnehmbare Objecte in klaren und deutlichen
Bildern zur Anschauung zu bringen; um bei künstlicher Beleuchtung
mit freien Augen zu lesen, ist er gezwungen, die lichtspendende
Flamme zwischen Objeetund das Auge zu stellen. Man ist allgemein sehr
geneigt, als Grund dessen eine Abnahme der Energie in der Netzhaut
und deren sofortigen Bedarf an stärkeren Reizeinwirkungen zu sup-
poniren. Es wird dabei übersehen, dass der Presbyops selbst wenig
erleuchtete Objeete in grossen Distanzen eben so leicht wie das
normalsichtige Auge unterscheidet und dass der scheinbare Glanz der
Objecte, die Erleuchtung einer Masseinheit ihres Netzhautbildes,
wesentlich Funetion der Pupillenweite sei, diese aber mit der Er-
leuchtungsintensität des Gesichtsfeldes im umgekehrten Verhältnisse
stehe; man vergisst weiter, dass mit der Position einer Lampe zwi-
schen Object und Auge ein wichtiger Behelf des deutlichen Sehens
wegfalle, die Vermehrung der Contrastwirkung in der Erleuchtung
der Netzhautbilder, Es sind dieses Momente, welche der Annahme
262 Stellwag.
einer Verminderung der Netzhautenergie geradezu entgegentreten.
Fasst man aber die Resistenzvermehrung des Krystalles ins Auge,
so gewinnt der factische Bedarf fernsichtiger Augen an stärkerer
Erleuchtung des Gesichtsfeldes eine ganz andere Bedeutung und
erscheint als ein wesentliches Attribut der Weitsichtigkeit im Greisen-
auge. Vergrösserung der Erleuchtungsintensität des Gesichtsfeldes
ist nämlich dasMittel, um den Sphincter pupillae zu möglichst kräf-
tigen und anhaltenden Contractionen zu bestimmen. Diese sind aber
Bedingung für die Ausübung eines Accommodationsdruckes, wie er bei
Resistenzzunahme des Krystalles zur Einrichtung des Auges für nahe
Distanzen erfordert wird.
Doch reicht die Resistenzvermehrung des Krystalles nicht hin,
um in allen Fällen die Presbyopie pathogenetisch zu erklären, ja
eine derartige Begründung der Fernsichtigkeit wird bisweilen gera-
dezu unwahrscheinlich und dennoch lehrt die Stellung der Linsen-
spiegelbilder im Auge, dass das Unvermögen, die Convexitäten des
Krystallkörpers genügend zu verstärken, das wesentlichste ursäch-
liche Moment abgebe. Es bleibt daher nichts übrig, als eine
Schwächung des Accommodationsdruckes zu subsumiren,
wofür sich zwar nicht jederzeit positive Belege auffinden lassen,
wohl aber Inductionsschlüsse, hergenommen aus der hochgradigen
Übereinstimmung, welche zwischen den äusseren Erscheinungen, dem
Vorkommen, der Entwickelung der Fernsichtigkeit und zwischen
einer Schwäche des Accommodationsmuskels als supponirtem Causal-
momente besteht.
Ohne Übung erlahmt jeder Muskel und es liegt kein Grund vor,
in dem Accommodationsmuskel eine Ausnahme von der Regel zu ver-
muthen. Ist dieses richtig, so muss die Fernsichtigkeit bei Land-
leuten, Jägern u. s. w., überhaupt bei Individuen und ganzen Völker-
schaften, deren Beschäftigung eine dauernde Betrachtung sehr kleiner
Objecte nicht mit sich bringt, häufiger vorkommen und frühzeitiger
auftreten, als unter entgegengesetzten Verhältnissen. In dem anhal-
tenden Gebrauche zu scharfer Convexbrillen aber muss in Anbetracht
der optischen Wirkung von Sammellinsen ein Moment liegen,
welches einen gegebenen Grad von Presbyopie zu erhöhen im Stande
ist, Dass in der That dem so sei, lehrt die tägliche Erfahrung.
Was hier Vermuthung ist, eine Schwäche des Accommoda-
tionsmuskels, wird in anderen, sehr häufigen Fällen im hohen Grade
Die Accommodationsfehler des Auges. 263
wahrscheinlich und findet in dem Involutionsprocesse des
greisen Körpers, namentlich in jenem des Muskelsystems älterer
Individuen, sein genetisches Moment. Eine Vergleichung des Ciliar-
muskels bei jugendlichen und alternden Individuen führt nämlich der
Regel nach auf ansehnliche Differenzen in der Massenhaftigkeit zum
Vortheile der ersteren und darf ich mich auf einige, freilich nicht
sehr zahlreiche, mikroskopische Untersuchungen stützen, so muss ich
Fettbildung mit nachfolgender Resorption der Muskelmasse als den
nächsten Grund bezeichnen, also einen Process, welcher auch in den
übrigen Muskeln des Greises, neuerer Zeit speciell in den Hilfs-
muskeln des Auges, nachgewiesen worden ist.
Es sind also eigentlich zwei Momente, welche in der Genese
der Fernsichtigkeit bei Greisen concurriren und, selbst physio-
logisch, die Presbyopie der späteren Altersperioden zu
einem normalen Zustand stempeln. Und wahrlich, es
bedarf beider Momente, soll die Zurückführung der Fernsichtigkeit
auf Resistenzvermehrung des Krystalles in weiten Grenzen zulässig
erscheinen.
Einerseits nämlich würde derselben eine nicht kleine Zahl von
Fällen entgegentreten, in welchen die Fernsichtigkeit den äusseren
Erscheinungen nach sehr rasch zur Entwickelung gekommen ist
und namhafte Grade erreicht hat, wie dieses an Individuen jenseits
der ersten Lebenshälfte thatsächlich gar nicht selten beobachtet wird,
nach schweren Krankheiten, nach länger dauernden stark deprimi-
renden Gemüthsaffeetionen und unter ähnlichen Verhältnissen. Die
Langsamkeit, mit welcher Verdichtung des Krystalles einhergeht,
schliesst letztere als alleinige Ursache der Presbyopie aus und
es wird die Resistenzvermehrung der Linse hier nur insoferne von
grosser Wichtigkeit, als sie blos ganz geringe Grade von Muskel-
schwächung in ihren Folgen viel auffälliger hervortreten macht.
Vermehrung des Widerstandes, wenn er nicht ein sehr namhafter
ist, schliesst nämlich die Möglichkeit der Überwindung von Seite
eines normalen Accommodationsmuskels nicht aus. Wenn dieser
aber geschwächt wird, wie es unter den genannten Umständen per
'analogiam wahrscheinlich wird, muss die Einrichtung des Auges
für die Nähe eine weit schwierigere, als bei jugendlichen Augen,
wenn nicht unmögliche werden und das ist eben Presbyopie im
engeren Wortsinne.
264 Stellwag.
Anderseits aber spricht sich das allmählige Nachlassen des Aecom-
modationsmuskels in der Involutionsperiode und während der Ent-
wickelung der Presbyopie zu deutlich symptomatisch aus, als dassman
auch nur einen Augenblick an der Betheiligung des genannten Organes
bei der Erzeugung der Fernsichtigkeit im Greisenauge zweifeln
dürfte. Es geht nämlich in den meisten Fällen die Normalsichtigkeit
unter den Erscheinungen der Asthenopie in die Presbyopie
über, ja die Kopiopie tritt nirgends so eclatant in die Wahrnehmung,
als in dem Auge älterer Individuen. Sie gehört ganz vornehmlich
der späteren Lebensperiode an, und wenn sie bisweilen in der
Jugend als Vorläufer der Presbyopie beobachtet wird, so sind die
begleitenden Umstände der Regel nach von der Art, dass ein der
Involution analoger Zustand des Muskels in hohem Grade wahr-
scheinlich wird, denn es findet sich dann der fragliche Gesichtsfehler
entweder in Individuen, welche durch Krankheiten oder andere Verhält-
nisse körperlich stark herabgekommen sind, oder neben geringeren Gra-
den von Irisatrophie oder endlich neben Paresen der betreffenden Nerven
und neben Strabismus mit davon ahhängiger Inanition des Auges.
Auch hier, wie bei der Kurzsichtigkeit, äussert sich die
Asthenopie durch das Unvermögen, Objecte von einer gewissen
kurzen Distanz längere Zeit zu fixiren, beim Schreiben , Lesen
u. s. w. auszudauern, namentlich bei künstlicher Beleuchtung,
die ihrer geringeren Intensität halber eine verhältnissmässig
stärkere Annäherung der Objecte voraussetzt, sofort grössere
Anstrengungen des Accommodationsmuskels nothwendig macht und
daher auch schon bei einfacher Fernsichtigkeit sich oft durch
den Bedarf an schärferen Sammellinsen zur Geltung bringt.
Der Asthenopische findet nach einiger Zeit, dass die Objecte minder
klar und deutlich zur Anschauung kommen. Umsonst wischt und
drückt er die Augen, nur allmähliche Vergrösserung der Objects-
distanz führt zu einiger Verbesserung des Gesichtes. Immer weiter
und weiter rückt er den Gegenstand vom Auge, bis endlich die Grösse
des Netzhautbildes nicht mehr zureicht, um Detailwahrnehmungen
zu vermitteln, oder aber bis die Abnahme der Erleuchtungsintensität
des Objectes störend in den Weg tritt. Vergebens strengt er das
Auge an, um für die erforderliche Nähe den dioptrischen Apparat ein-
zurichten, die Objeete verschwimmen vor den Augen und bald macht
sich das Gefühl der Reizung, des Druckes, der Völle im Auge
Die Accommodationsfehler des Auges. 265
bemerkbar, um sich bei fortgesetzter Intention zu wahren Schmerzen
zu steigern und selbst durch erhöhte Wärme und Injection der Ciliar-
gefässe objectiv zu offenbaren. Einige Ruhe, Fernsehen ohne Fixation
bestimmter Gegenstände retablirt wieder den Zustand, welcher vor
Beginn der anstrengenden Beschäftigung gegeben war, der Kranke
kann diese wieder ungehindert aufnehmen. : Doch schon nach kürze-
rer Zeit treten die vorgenannten Erscheinungen auf und die Dauer
der erforderlichen Ruhe wächst. Immer kürzer werden die Fristen
für das Nahesehen und länger die zur Erholung nöthigen Pausen,
bis endlich bei fortgesetzter Intention des Accommodationsmuskels
die Reizung des eiliaren Gefäss- und Nervensystemes jeden weiteren
Versuch, zu dem Geschäfte zurückzukehren, unmöglich macht. Es
bedarf des Schlafes, ja selbst einiger Tage Ruhe, um das Auge
wieder völlig zu retabliren. |
Es ist klar, dass Foreirungen, wie sie bisweilen durch die
Lebensverhältnisse der betreffenden Individuen nothwendig gemacht
werden, zu Hyperaemien und in Folge deren selbst zu krankhaften
Processen im Auge führen können, welche Functionsuntüchtigkeit der
licehtempfindenden Theile nothwendig im Gefolge haben. Die Erfahrung
lässt hierüber keinen Zweifel und in Anbetracht dessen haben sich auch
viele hochgeachtete Oculisten bewogen gefunden, die Asthenopie als
ein Übergangsstadium zur Amblyopie zu bezeichnen, ja selbe gera-
dezu als eine Amblyopie zu erklären und als Amblyopia ex pres-
byopia, als Hebetudo visus, als Amblyopia muscula-
ris u. s. w. zu beschreiben. Sie stützten sich nebstbei noch auf
den Umstand, dass der Asthenopische während des Anfalles durch
enge Kartenlöcher nahe Gegenstände nicht deutlicher wahrzunehmen
im Stande sei; bedachten dabei aber den Reizzustand des Auges nicht
und übersahen, dass der Kranke ferne Gegenstände deutlich sehe, sie
aber schwer fixire und dass das Sehen durch ein Kartenloch eben ein
Fixiren voraussetze.
Überdies ist der Übergang der Asthenopia presbyopica in Am-
blyopie keineswegs Regel, im Gegentheile Ausnahme. Der besorgte
Kranke findet, nach Mitteln suchend, in Sammellinsen bald den
gewünschten Behelf und überhebt so seinen Accommodationsmuskel
der übermässigen Anstrengung, womit denn auch die Gelegenheit zum
Hervortreten der Asthenopie beseitigt ist. Der gewöhnliche Ausgang
der Asthenopie ist dann auch die Fernsichtigkeit im engeren Wort-
266 Stellwae.
sinne. Eigentlich lässt sich die Asthenopie unter den genannten Um-
ständen nur als eine Äusserung der Presbyopie betrachten.
Einsichtlicher Weise ist die Fernsiehtigkeit mit Ausnahme
weniger Fälle, in welchen das ursächliche Moment derselben besei-
tiget werden kann, einer Gradverminderung oder gar einer Heilung
unfähig. Im Gegentheile, es liegen in der physiologischen Verdich-
tung der Linse und fortschreitenden Involution des Accommodations-
muskels genügende Gründe, um an eine stätige Zunahme derselben zu
glauben, wofür denn auch der Umstand spricht, dass Presbyopische
von Zeit zu Zeit gezwungen sind, die Brennweite ihrer Brille zu ver-
kürzen. Zunahme der Fernsichtigkeit ist aber mit Abnahme des
Accommodationsvermögens gleichbedeutend. Es scheint daher, als
ob die ursächlichen Verhältnisse der Presbyopie einen endlichen
Übergang derselben in völligen Mangel des Aecommoda-
tionsvermögens nothwendig mit sich brächten.
Es ist jedoch nicht dem so. Einen gewissen Grad von Aceom-
modationsvermögen behält das Auge der Regel nach bis in das
höchste Alter, es wäre denn, dass die allmähliche Verdichtung der
Linse Grade erreicht, welche bereits das Gegebensein eines Kern-
staares begründen, oder aber dass Verhältnisse zufällig eintreten,
welche auch im jugendlichen Alter eine Presbyopie mit völ-
ligem Mangel des Accommodationsvermögens herbei-
zuführen im Stande sind.
Als solche Verhältnisse müssen bezeichnet werden: Lähmungen
des Muskels als Folge von Leitungshemmungen in den betreffenden
Nerven, diese seien in was immer für Ursachen begründet; weiters
Lähmungen des Muskels durch Inanition in Folge dauernder Ver-
nachlässigung desselben, wie dieses besonders oft bei Strabismus
vorkömmt; weiters Lähmungen des Muskels, wie selbe gar häufig
durch krankhafte Vegetationsprocesse, namentlich durch Entzündung
und Produetbildung im Innern des Muskels und durch sofortige Atro-
phie seiner Fasern, gesetzt werden; Lageveränderungen der Iris
durch Synechien und dadurch bedingte Unmöglichkeit, einen Druck
auf die Ciliarfortsätze auszuüben; Verletzungen des Sphineters mit
davon abhängiger Unfähigkeit desselben, dem Zuge der Längsfasern
als Widerhalt zu dienen, vornehmlich Verletzungen, wie sie die Bil-
dung einer künstlichen Pupille bei Integrität der Linse mit sich
bringt; Mydriasis und Irideremie; Anheftung des Pupillartheiles der
Die Accommodationsfehler des Auges. 267
Iris an die vordere Kapsel u. s. w., also eine lange Reihe von
Zuständen, die übrigens noch nicht ersehöpft ist und wahrscheinlich
nicht so bald erschöpft werden wird, da mir einige Fälle von völligem
Accommodationsmangel eines Auges bei jugendlichen Individuen vor-
gekommen sind, bei denen sich auch nicht die mindeste Andeutung
‘des ursächlichen Momentes erörtern liess.
Es sollte unter diesen Umständen die absolute Sehweite des
Auges eine nach aussen unbegrenzte, unendliche sein. Doch findet
sich hier eine unendliche absolute Sehweite sehr selten,
denn einerseits ist der Gesichtsfehler sehr gewöhnlich auf Ein Auge
beschränkt und dieses wird vernachlässigt, worauf auch die Energie
der Netzhaut bald abnimmt; andererseits ist die Abnahme des Lich-
tes durch Absorption und insbesondere häufig die mechanische
Verengerung der Pupille mit dem darin begründeten Hervortreten
des Beugungsspeetrums dem Fernsehen entgegen. Endlich ist der
dioptrische Fernpunkt des Auges nicht in allen Fällen ein unendlich
weit abstehender und der Verlust des Accommodationsvermögens
reducirt die absolute Sehweite eben nur auf die natürliche Sehlinie.
Diese variirt aber bei verschiedenen Individuen mannigfaltig. Ver-
suche mit solehen Augen angestellt, werden daher sehr differente
Resultate bezüglich ihrer Tragweite geben und der Regel nach mit
verschiedenen Brillen Objecte verschiedener Distanzen zur Wahr-
nehmung bringen.
Die Übersichtigkeit oder Hyperpresbyopie.
Sie schliesst sich unmittelbar an den vorhergehenden Gesichts-
fehler an und stellt gleichsam nur einen höheren Grad des-
selben vor. Zahlreiche Übergänge verbinden beide mit einander,
so dass es ganz unmöglich ist, eine andere als künstliche
Trennung derselben vorzunehmen. Es erscheint in der Hyper-
presbyopie der Fernpunkt des Auges über die positive
Unendlichkeithinausgerückt. Insofern die der absoluten Seh-
weite des accommodationstüchtigen Auges conjugirte Differenz der
hinteren Vereinigungsweiten des dioptrischen Apparates stäts nur
innerhalb sehr geringer Grenzen schwankt, muss auch der Nahe-
punktabstand des übersichtigen Auges ein grösserer, als jener des
Presbyops sein. Das übersichtige Auge bedarf daher schon bei der
268 Stellwag.
Betrachtung ferner Objecte einer gewissen Adaptionsanstrengung.
In höheren Graden der Hyperpresbyopie aber reicht schon das Maxi-
mum des Accommodationsdruckes nicht mehr zu, um den dioptrischen
Apparat selbst für unendlich ferne Gegenstände einzustellen. Die
absolute Sehweite erscheint hier sofort bald als eine
discontinuirliche, zum Theile positive, zum Theile
negative, der Fernpunkt liegt hinter, der Nahepunkt
vor dem Auge; bald aber, und das sind die ausgesprochensten
Fälle von Übersichtigkeit, ist die absolute Sehweite ihrer
Sanzen Länge nach eine negative, bald längere, bald
kürzere, je nach dem Grade des noch bestehenden Accommoda-
tionsvermögens und je nach der grösseren oder geringeren Annähe-
rung des negativen Fernpunktabstandes.
Die optische Wesenheit der Übersichtigkeit liegt demnach
darin, dass die Brennweite des dioptrischen Apparates bei völliger
Ruhe des Accommodationsmuskels eine grössere ist, als der Abstand
der Netzhautstabschichte von dem optischen Centrum der liehtbrechen-
den Medien ; dass daher selbst nahezu parallel einfallende Strahlen
nur unter Voraussetzung accommodativer Vermehrung des Refractions-
. zustandes, oder unter gar keiner Bedingung, auf der Netzhautstab-
schichte zur Vereinigung gebracht werden können und sich hinter
diesem Stratum zu Objectbildern concentriren; dass aber der
dioptrische Apparat wohl für convergent auffallende
Strahlen eingerichtet ist und sofort Gesichtsobjecte
negativer Distanz zur Anschauung zu bringen vermöge.
Die Hyperpresbyopie niederen Grades charakteri-
sirt sich demnach durch das Unvermögen des freien Auges, Objecte
von mehreren Fussen Distanz klar und deutlich wahrzunehmen und
durch den Bedarf accommodativer Thätigkeit, sobald es sich um
scharfe Netzhautbilder weit entfernter Gegenstände handelt. Der
Hyperpresbyops höheren Grades aber sieht nahe und ferne
Objeete nur in Zerstreuungskreisen und keine Anstrengung des
Accommodationsmuskels vermag den Durchmesser der die Netzhaut
treffenden Zerstreuungskreise auf Null zu reduciren.
Die Grösse der Zerstreuungskreise bestimmt aber
das Mass der mangelnden Schärfe und zum Theile auch der Deutlich-
keit in den optischen Wahrnehmungen, wie ich dieses bereits
erwähnt habe. Der Übersichtige muss daher, wenn er optischer
Die Accommodationsfehler des Auges. 269
Hilfsmittel entblösst ist, in jeder möglichen Weise die Grösse der
Zerstreuungskreise zu verkleinern suchen, um die Fehlerhaftigkeit
seiner optischen Wahrnehmungen auf ein Kleinstes zu bringen und
in der Wahl dieser seiner Behelfe liegen bereits Momente, welche die
Diagnose des fraglichen Gesichtsfehlers zu leiten ver-
mögen.
Die Zerstreuungskreise wachsen mit der Differenz zwischen der
hinteren Vereinigungsweite der Strahlen und dem Abstande der
Netzhautstabschichte vom optischen Centrum des dioptrischen Appa-
rates. Doch ist dieses Wachsthum bei Integrität des Krystallkörpers in
sehr enge Grenzen eingeschränkt, weil dann jene Differenz selbst
nur innerhalb weniger Linien variabel ist und noch durch die Aecom-
modation des Auges wesentlich verkleinert werden kann. Der Einfluss
dieser Differenz aufdie Grösse der die Netzhaut treffenden Zerstreu-
ungskreise wird daher weithin überboten von jenem, welchen die
Öffnung des dioptrischen Apparates ausübt. Der Über-
sichtige blinzelt desshalb beim Besehen näherer Objeete noch mehr,
als der Myops und Verengerung der Pupille ist sein Hauptbestreben
um so mehr, als eben kräftige Contraction des Iriskreismuskels
Bedingung für ein Maximum des Accommodationsdruckes ist. Der
Hyperpresbyops bedarf daher einer sehr starken Erleuchtung des
Gesichtsfeldes, was ihn wesentlich von dem Kurzsiehtigen unter-
scheidet. Die Erleuchtung des Gesichtsfeldes genügt jedoch nicht,
auch das Objeet muss möglichst stark erleuchtet sein, um einerseits
die Contrastwirkung zu erhöhen, anderseits aber, um den Ausfall in
dem scheinbaren Glanz der Netzhautbilder, welcher aus der Ver-
kleinerung der Öffuung des dioptrischen Apparates resultirt, zu
decken. Der Übersichtige nähert daher die Objeete dem Auge sehr
bedeutend, stellt sie in möglichst günstige Richtung zur Lichtquelle
und wo es thunlich ist, auch senkrecht auf die optische Axe des
Auges. In Anbetracht dessen findet man denn auch die Hyperpres-
byopie in den Lehrbüchern, in welchen Praxis und Ungenauigkeit
gleichbedeutend sind, mit der Myopie zusammengeworfen und als
die höchsten Grade der Kurzsichtigkeit beschrieben,
bei welchen Zerstreuungslinsen nichts mehr wirken.
Die natürliche Sehlinie des übersichtigen Auges
ist eine negative und nimmt in Anbetracht des Verhältnisses, in wel-
chem die conjugirten Vereinigungsweiten des dioptrischen Apparates
270 Stellwag.
als eines Systems von Sammellinsen, zu einander stehen, um so
rascher an Länge ab, je näher ihr dem Auge zugewandtes
Ende, der Fernpunkt, der Netzhautstabschichte rückt.
Sie ist der eine Factor, das Maximum des durch die Aecommodations-
thätigkeit variablen Refractionszustandes des Auges aber der andere
Factor, welcher die Grösse der Differenz bestimmt, innerhalb |
welcher die hinteren Vereinigungsweiten des dioptrischen Apparates
' schwanken dürfen, soll ihre Zurückführung auf die Länge des Netz-
hautabstandes noch möglich sein. Dieser Differenz ist aber die
absolute Sehweite des Auges conjugirt. Es wird letztere
also eine um so grössere sein bei gleichem Fernpunktabstande, je
grösser das Accommodationsvermögen ist, und bei gleicher Adaptions-
fähigkeit des Auges, je weiter der Fernpunkt vom Auge absteht;
Verhältnisse, welche sehr leicht einzusehen sind, wenn man sich das
Auge als eine in ihren Krümmungsradien veränderliche Concavlinse
vorstellt und sich die Objecte hinter der Netzhaut gelegen denkt.
Aus den Combinationen verschiedener Werthe für die Grösse
des natürlichen Refractionszustandes und des Accommodationsver-
mögens ergeben sich begreiflicher Weise sehr differente Lagen und
Längen der absoluten Sehweite und es sind diese Unterschiede gross
genug, um die Aufstellung einer negativen Myopie und Pres-
byopie in reiner Form sowohl, als in Vergesellschaftung mit
Schwäche und völligem Mangel der Einrichtungsfähigkeit zu recht-
fertigen. Damit ist aber auch schon die Bestimmung des Nahe-
und Fernpunktes als Bedürfniss ausgesprochen.
Einer solchen Bestimmung genügen jedoch offenbar Augen-
spiegel nicht, da sie höchstens das Überwiegen der Brennweite
des dioptrischen Apparates über die Länge des Netzhautabstandes
herausstellen. Unter den Optometern kann höchstens der
Stampfer’sche zuResultaten führen, da bei den übrigen die Objects-
distanz eine positive und kleine ist. Aus demselben Grunde erscheint
aber auch die von mir vorgeschlagene Scala unbrauchbar. Sie
könnte höchstens zur Bestimmung des Nahepunktabstandes. dienen,
wird aber auch da nur sehr schwankende Resultate geben, da dieser
Abstand im hyperpresbyopischen Auge, wenn er überhaupt ein posi-
tiver ist, jederzeit einen namhaften Werth besitzt, einen Werth,
welcher schon sehr grosser Differenzen fähig ist, ohne in der Länge
der hinteren conjugirten Vereinigungsweiten fühlbar zu werden und
Die Accommodationsfehler des Auges. 271
damit auch so kleine Unterschiede in der Grösse der die Netzhaut-
stabschichte treffenden Zerstreuungskreise bedingt, dass dieselben
gleichsam verschwinden, insbesondere, da die Diekendurchmesser
der Stäbe und Zapfen in Betracht kommen ; daher es denn auch
geschehen kann, dass eine z. B. 15 Fuss entfernte Schrift von ent-
sprechender Grösse noch ziemlich deutlich und scharf gesehen wird,
obwohl der Nahepunktabstand des Auges ein negativer, aber sehr
grosser ist.
In Anbetracht dieser Umstände erlangen die Ergebnisse, welche
Versuche mit Brillengläsern liefern, einen hohen Werth
und dieses zwar trotz der ihnen anklebenden Mängel.
Das Maximum des Aeccommodationsdruckes reicht in übersichtigen
Augen nicht zu, um nur einigermassen divergirende Strahlen auf der
Netzhautstabschichte zur Vereinigung zu bringen, ja in den meisten
Fällen ist schon die Einrichtung für parallel einfallende Strahlen
unmöglich, das Maximum der Refraetion im dioptrischen Apparate
genügt nur für gewisse negative Distanzen. Insoferne aber die,
grossen positiven und grossen negativen Distanzen conjugirten,
hinteren Vereinigungsweiten des dioptrischen Apparates nahezu
zusammenfallen, wird es im Interesse der Verständlichkeit und
leichteren Übersicht erlaubt sein, den Betrachtungen über die
Leistungsfähigkeit von Brillen bei Hyperpresbyopie eine rein negative
Sehweite zu Grunde zu legen.
Da die Objectsdistanz unter allen Verhältnissen eine positive
bleiben muss, ist es von selbst verständlich, dass Zerstreuungslinsen
ausgeschlossen seien, sobald es sich um Correction einer Übersichtig-
keit handelt, dass nur Sammellinsen diesem Zwecke ent-
sprechen können, indem nur diese bei positiver Ob-
jeetsdistanz scheinbare Bilder in der absoluten Seh-
weite des hyperpresbyopischen Auges zu erzeugen
vermögen. Es ist aber auch klar, dass Sammellinsen nur von
solehen Objecten scharfe und deutliche Wahrnehmungen
vermitteln können, deren Abstand von der Linse ein
grösserer oder aber, bei diseontinuirlicher absoluter Sehweite,
ein nur um sehr wenig kleinerer ist, als die Linsen-
brennweite.
Schon hierin liegt eine sehr bedeutende Beschränkung bezüg-
lich der Wahl einer passenden Linse. Da nun aber die Aufgabe einer
212 | Stellwag.
Brille ist, eine mögliehst lange absolute Sehweite des
brillenbewaffneten Auges zu erzielen, liegt es klar am Tage,
dass nur eine Sammellinse als passend bezeichnet werden könne und
dass dieses jene sei, welche der gegebenen, negativen absoluten Seh-
weite die grösstenDistanzunterschiedeeonjugirt. Esist
aber auchklar, dass diehinterenVereinigungsweitendieser
gefundenen Brille die Länge und Lage der absoluten
Sehweite bezeichnen.
Wäre die negative absolute Sehweite des übersichtigen Auges
der Lage und Länge nach gleich der positiven absoluten Sehweite
des normalen Auges, d. h. stünde der Fernpunkt des übersichtigen
Auges in der Distanz des normalen Nahepunktes hinter dem opti-
schen Centrum desLichtbrechungsapparates und wäre der Nahepunkt
des Hyperpresbyops ein negativ unendlicher, so wäre die gesuchte
Verwandlung der negativen Sehweite in die normale positive durch
eine Sammellinse zu bewerkstelligen, deren Brennweite gleich ist
dem normalen Nahepunktabstande. Nur die Unmöglichkeit, die Brille
unmittelbar an die Hornhaut heranzurücken, würde dann als ein, die
absolute Sehweite verkürzendes Moment funetioniren. Jede schwä-
chere Brille würde den positiven Nahepunktabstand des brillenbe-
waffneten Auges vergrössern, jede schärfere den Fernpunkt herein-
rücken und sofort um so grössere Ausfälle in der Länge der absolu-
ten Sehweite erzeugen, je grösser der Unterschied in der Brenn-
weite ist.
So kleine Abstände des negativen Fernpunktes kommen jedoch
im übersichtigen Auge nicht immer vor, und wenn sie gegeben sind,
setzen sie ein, dem normalen völlig gleich kommendes, also sehr
bedeutendes Accommodationsvermögen voraus, soll der
negative Nahepunktabstand ein unendlich grosser werden. Dieser
Bedingung ist in der Natur aber nur sehr selten entsprochen, es paart
sich meisthin Kürze des negativen Fernpunktabstandes mit Kürze der
negativen Nahepunktdistanz (negative Kurzsichtigkeit) und
wo der Nahepunktabstand ein sehr grosser unendlicher ist, dort
erscheint auch der Fernpunkt gewöhnlich weit hinausgeschoben
(negative Fernsichtigkeit); während auch an Fällen kein
Mangel ist, in welchen die relativ kurze, negative absolute Sehweite
gleichsam die Mitte hält zwischen den erwähnten beiden Extremen
und sofort einen Zustand charakterisirt, der wegen Abgang eines
Die Accommodationsfehler des Auges. 273
besseren Namens einstweilen negative Mittelsichtigkeit
heissen möge.
Die Bestimmung der absoluten Sehweite und sofort
auch die Unterscheidung dieser drei künstlich getrennten und ohne
deutliche Grenze in einander übergehenden Grade der Übersichtigkeit
unterliegt keinen Schwierigkeiten. Die um den Abstand der Brille
vom Auge verminderte Brennweite der schärfsten Sammellinse, mit’
welcher der Hyperpresbyopische noch sehr ferne Gegenstände von
hinlänglichem wirklichen Glanze, am besten Himmelskörper, in klaren
und deutlichen Bildern wahrzunehmen fähig ist, gibt die Lage des
Fernpunktes. Die kürzeste Distanz aber, in welcher das betreffende
Auge mit derselben Sammellinse Objecte von entsprechender Grösse
und Erleuchtung in scharfen und deutlichen Bildern zur Anschauung
zu bringen vermag, ist dem, um den Brillenabstand vermehrten
Abstande des Nahepunktes conjugirt.
Ich sage „Objecte von entsprechender Grösse“ und beziehe
mich damit auf das, was ich bei Gelegenheit der Myopie in Betreff
der Bestimmung des Nahe- und Fernpunktes gesagt habe, erinnernd,
dass übermässige Kleinheit des Netzhautbildes Detailwahrnehmungen
unmöglich macht, auch wenn das Netzhautbild ein völlig scharfes und
hinlänglich lichtstarkes wäre; dass aber grosse Netzhautbilder selbst
bei ziemlich verschwommenen Umrissen noch die Unterscheidung des
Details gestatten und sofort ein Erkennen des Objectes möglich
machen. Eine Art Massstab, welchem die optischen Wahrnehmungen
des normalen freien Auges zu Grunde liegen, erscheint sofort bei der
Beurtheilung des übersichtigen Auges nach seiner Tragweite von
Wichtigkeit. Einen solchen Massstab liefert eben die oben beschrie-
bene Scala. Das Verhältniss, in welchem die conjugirten Vereini-
gungsweiten der Brille zu einander und zu der Accomodationslinie des
Auges stehen, macht sie verwendbar sowohl zur Bestimmung des Nahe-
als des Fernpunktes, wenigstens so weit es sich nicht um mathema-
tisch genaue, sondern nur praktisch brauchbare Resultate handelt.
Die unvermeidliche Vergrösserung der Netzhautbildgrösse durch
die Sammellinse macht jedoch bei Bestimmung der Grenzgrösse eine
Correctur nothwendig, welche zur Zeit aber nur annähernd und
schätzungsweise möglich ist, indem der Vergrösserungscoöfficient
von mehreren, in den einzelnen Fällen zum Theile noch unbestimm-
baren, Werthen abhängig ist und mit diesen sehr stark variirt.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVI. Bd. 1. Hft. 18
27A Stellwag.
n pı
Für das freie, normale Auge ist wieder «—Ä. und wenn »v den
Abstand des Objectes von der Vorderfläche einer ee und c deren Ab-
' stand vom Auge bedeutet, ist in Übereinstimmung mit den früher angewandten
Formeln
ee
n@+e)
Für das brillenbewafinete Auge aber erscheint
aA
n
a—=A, Bi ‚Alu, ME,
n,p n, (81 — €)
und weil
Av, b
A —
® v—b
ist, ergibt sich
a Eee
vn, (u —e) y —e nv
Am kleinsten ist diese Abweichung der Netzhautbildgrösse bei
der negativen Fernsichtigkeit, wenn es sich um grössere Objeets-
distanzen handelt. Selbst bedeutendere Abstände der Brille vom Auge
werden dann in ihrem Einflusse wenig merklich und der Refractions-
zustand des Auges kömmt jenem der Norm sehr nahe.
Grösser ist der Einfluss des Brillenabstandes bei negativer Fern-
sichtigkeit, wenn nahe Objecte zur Wahrnehmung gebracht werden
sollen und bei negativer Kurzsichtigkeit, wo er mit der Annäherung
des Objectes steigt und nur durch möglichste Verringerung der Ent-
fernung der Brille vom Auge. einigermassen geschwächt werden
kann. |
Im Allgemeinen kann man also wohl sagen, dass die Abwei-
chung der Netzhautbildgrösse von der Norm steige,
‚wenn die Brennweite der vor das Auge aufgepflanzten Sammellinse
abnimmt. Es verdient dieselbe die grösste Beachtung, indem die
Brennweite der in jedem Falle erforderlichen Brille nicht allein ab-
hängig ist von dem Refractionszustande des Auges und sofort als
eine jeweilig unveränderliche erscheint; sondern in Anbetracht des
gewöhnlich verminderten Accommodationsvermögens auch von der
Distanz des Objeetes beeinflusset wird und zwar so bedeutend, dass
Übersichtige der Regel nach mit keiner Brille für alle Distanzen aus-
reichen, sondern deren zwei oder selbst mehrere benöthigen, soll
das Auge sowohl für die Ferne ‘als Nähe accommodationsfähig
. werden. |
- will.
Die Accommodationsfehler des Auges. 275
Es wird dieses Jedermann einleuchten, wenn er in Erwägung
zieht, was ich von der Lage und Länge der absoluten Sehweite der
Übersichtigen mitgetheilt habe und wenn er damit das Verhältniss
der conjugirten Vereinigungsweiten in Sammellinsen in Vergleich
bringt. Es kann ihm dann nicht entgehen, was auch Versuche am
Hyperpresbyops herausstellen, dass zum Nahesehen bei einer und
der anderen Art der Übersichtigkeit eine schärfere Sammellinse, als
die vorhin diseutirte erfordert werde, und zwar eine, verhältniss-
mässig zu dieser letzteren um so schärfere, je nähere Objecte der
Hyperpresbyops zur klaren und deutlichen Wahrnehmung bringen
Die nosologischen Momente der Übersichtigkeit
sind ganz geeignet, diese Verhältnisse in noch helleres Licht zu stel-
len. Sie lassen sich wieder leicht nach jenen drei Factoren, welche
die Grösse der Ablenkung einfallender Lichtstrahlen im reducirten
Auge bestimmen, gruppiren und so im Interesse eines leichten Über-
blickes behandeln. |
Die natürliche Sehlinie ist die, dem Abstand und der Dicke der
Netzhautstabschichte conjugirte Differenz der vorderen Vereinigungs-
weiten des dioptrischen Apparates bei völliger Ruhe des Accommo-
dationsmuskels. Vergrösserung jenes Abstandes bringt unter übri-
gens normalen Verhältnissen die Kurzsichtigkeit zu Stande, Ver-
kürzung desselben aber kann bei gleichen Voraussetzungen nur
‘zur Übersichtigkeit führen, nicht aber zur Weitsichtigkeit, da
bei dieser die natürliche Sehlinie mit jener der Norm überein-
kömmt.
Eine Verkürzung der optischen Augenaxe bei völ-
liger Integrität der das Licht brechenden und empfindenden Theile
kann nach meinen so zahlreichen anatomisch-pathologischen Unter-
suchungen kaum durch krankhafte Processe im Bulbus bedingt wer-
den, es erscheint ein solcher Vorgang mindestens sehr unwahrschein-
lich, und es dürfte jene sofort kaum anderswo, als in abnormer Ent-
wickelung des Auges ihre Begründung finden. Leider fehlen bezüg-
liche Messungen noch ganz, nur Vermuthungen lassen sich über die
Beziehung vorkommender Fälle von Übersichtigkeit zu normwidriger
Axenlänge des Auges aufstellen. Doch entbehren diese Vermuthun-
gen nicht jeder erfahrungsmässigen Basis;in einer nicht ganz bedeu-
tungslosen Zahl der von mir untersuchten Fälle glaube ich eine auf-
276 Stellwag.
fallende Kleinheit und besonders ein Tiefliegen der Augen in ursäch-
lichen Zusammenhang mit der vorhandenen Hyperpresbyopie stellen
zu dürfen, um so mehr, als sich sonst keine Spur einer Abweichung
fand, und nebstbei auch ein ganz ausgezeichnetes Accommodations-
vermögen des mit der passenden Brille bewaffneten Auges nachwei-
sen liess, was einigermassen Bürge für die Normalität des dioptrischen
und accommodativen Apparates ist. Dass scheinbare Kleinheit des
Auges und ein Tiefliegen desselben nicht stets mit Übersichtigkeit
gepaart sind, kann begreiflicher Weise nicht als Gegengrund gelten,
eben so wenig als der Umstand, dass die Hyperpresbyopie auch in
scheinbar normal gebildeten, ja selbst in grossen und vorspringenden
Augen getroffen werde. Denn einerseits liegen in den Schwankungen
der beiden anderen in Rede stehenden Factoren Momente der
Correetion, anderseits aber Momente einer selbstständigen Ent- .
wickelung der Übersichtigkeit bei Normalität der Axenlänge des
Auges. | Ä
Besonders mächtig bezüglich des Einflusses auf die Lichtbre-
chung im Auge erweisen sich Verlängerungen des Horn-
hautradius, Abflachungen der Hornhaut, wie selbe so überaus
häufig im Gefolge von Narbeneinlagerungen in das Cornealgewebe
getroffen, noch häufiger aber wegen ihrer geringen Auffälligkeit für
das freie Auge übersehen und bisher noch völlig missachtet worden
sind. Die vorausgeschickte Erörterung des Causalzusammenhanges
zwischen Krümmungsvermehrungen und den höchstgradigen, nahezu
correetionsunfähigen Myopien überhebt mich der Nothwendigkeit, in
eine specielle Betrachtung der optischen Folgen einer Hornhautver-
flachung einzugehen. Diese ergeben sich aus jener. Sie sind um so
bedeutender, als der Krümmungsabweichung der Cornea eine Verkür-
zung der optischen Axe parallel geht, weiters aber die, der Nar-
benbildung vorausgehenden und sie bedingenden Substanzverluste
der Hornhaut sehr oft mit Entleerung des Krystallkörpers gepaart
sind oder späterhin die Entfernung der getrübten Linse aus der Seh-
axe nothwendig machen; überdies endlich meisthin Einlöthung von
Iristheilen in die Cornealnarbe. gesetzt und sofort die Möglichkeit
einer Correetion des Gesichtsfehlers durch accommodative Thätig-
keit aufgehoben wird.
Die Entfernung desKrystallkörpers aus der Seh-
axe präsentirt gleichsam den dritten unter den die Hyperpresbyopie
Die Accommodationsfehler des Auges. 277
begründenden Factoren. Alle übrigen auf den Refractionscoeffieien-
ten des redueirten Auges influenzirenden Verhältnisse verschwinden
beinahe gegenüber dem Mangel der Linse. Nur bedeutendere Abfla-
chungen dieses Organes, wie selbe bisweilen in Folge partieller staa-
riger Zerfällniss mit sofortiger Aufsaugung des Magma’s und Zurück-
lassung durchsichtiger Krystallschichten gesetzt werden, treten mit
ihnen in gleiche Rangordnung, während sie überdies, gleich den Cor-
nealverkrümmungen ein nosologisches Moment des sogenannten Visus
incorrectus abgeben können.
Die Häufigkeit des grauen Staares und seiner Operationen, sowie
künstlicher Pupillenbildungen mit Zerstörung des Krystalles machen
das in Rede stehende Moment zur ergiebigsten Quelle der Hyperpres-
byopie. Nicht Weitsichtigkeit, wie man glaubt, sondern Übersich-
tigkeit und zwar hochgradige Übersichtigkeit ist
das Ergebniss künstlicher oder durch krankhafte
Processe bedingter Entfernungen des Krystalles aus
der Sehaxe des Auges. Es ist den betreffenden Kranken ein
scharfes und deutliches Sehen in keine positive Entfernung ermög-
lichet, ihre absolute Sehweite ist der ganzen Länge nach eine nega-
tive. Eine Betrachtung der Lichtbreehungsverhältnisse in solchen
Augen stellt dieses klar heraus. Sie ergibt aber auch die Unwahr-
scheinlichkeit einer genügenden Correctur durch Änderung der ande-
ren, die Refraction im Auge beeinflussenden Factoren.
Es ist nämlich die Brennweite der Cornea 13”35 und die hintere Ver-
einigungsweite derselben für einen Objeetsabstand von 100" beträgt 14"93.
Dass eine Axenverlängerung des Auges durch Ausdehnung der Sklera unter
solchen Umständen selbst, wenn sie ohne gleichzeitige Abflachung der Cornea
möglich wäre, ungenügend ist, bedarf wohl keines Beweises. Dass aber krank-
hafte Veränderungen der Hornhautkrümmung den Verlust der Linse aufwiegen,
ja weit überbieten können bezüglich des Einflusses auf die Strahlenbrechung,
versteht sich von selbst. Schon eine Verkürzung des Hornhautradius um 0881
würde hinreichen, um im linsenlosen Auge unendlich ferne Objeete in scharfen
und deutlichen Bildern auf der Netzhaut abzuspiegeln, wenn auch eine solche
Ausdehnung eine Axenverlängerung des Auges nicht voraussetzen würde.
Der Brechungsindex M des redueirten Auges für D=», F=13'35 und
R=3'455 erscheint nämlich
F
M=——- —1°35.
R
278 Stellwag.
Aus der Formel (1 —m)r —md=f ergibt sich aber, wenn F—= 9"934,
1
M=1'35 und D=» gesetzt wird, wo F = 7 die Axenlänge des Auges ist,
A 1 1 ;
und M=—, D=—, R= — gesetzt wird
m d r
Eine solehe Verkürzung des Hornhautradius bringt aber ein Hervortreten
des Cornealeentrums und sofort eine Axenverlängerung des Auges um nahezu
0”5 mit sich, wie sich leicht durch Substitution des Werthes 2575 in die
Formeln der Note (S.228) berechnen lässt. Es bedarf also einer viel geringeren
Verkürzung des Hornhautradius, um den Verlust des Krystalles optisch zu
neutralisiren, die negative natürliche Sehlinie sofort in eine positive zu ver-
wandeln und der Möglichkeit eines solchen Vorkommnisses steht nichts mehr
im Wege. Allein ein Accommodationsvermögen zu begründen, ist eine solche
Ausdehnung der Cornea unfähig und es fällt sofort dieses Moment gerade dort
als Erklärungsgrund weg, wo es die scheinbar sehr bedeutende Länge der
absoluten Sehweite am nothwendigsten macht. Überdies findet eine solche
Ausdehnung ihre Bedingungen nur in krankhaften Verhältnissen, in Verminderung
der Resistenz des Cornealgefüges mit sofortiger relativer Verstärkung des auf
die Hornhauthinterwand wirkenden hydrostatischen Druckes. Ihr Mass liegt
daher nicht in der Willkür des übersichtig Gewordenen und es ist daher un-
wahrscheinlich, dass sie sich, auch nur in wenigen Fällen, gerade auf den,
durch die Lichtbrechungsverhältnisse des Auges begründeten Bedarf be-
schränken werde, dass sie also hier überhaupt von sonderlichem Belang sei.
Auch die Vorwölbung der Hinterkapsel mit dem Glaskörper, wie ich sie als
nach Staarextraetionen vorkommend nachgewiesen habe, reicht nicht aus, um
eine besonders merkliche Verkleinerung der die Netzhaut treffenden Zerstreu-
ungskreise zu ermöglichen. Nimmt man nämlich den Abstand g des Centrums
von der Hinterfläche der Hornhaut 9—=1 und den Krümmungsradius R der
vorgewölbten Vorderfläche des Glaskörpers R=2", was wohl die Grenze der
Möglichkeit erreicht, so ergibt sich mit Berücksichtigung des relativen
1'339 1'337 1 Earl
wegen Dan — 13°35
Brechungsexponenten M —= —— und m —
1337 1'339
(dA —m)r + md—= f= 0:0765 und F= 13"07.
Es ist zwar wahr, dass Fälle zur Beobachtung kommen, in wel-
chen trotz dem Abhandensein der Krystallinse noch ziemlich deut-
liche Wahrnehmungen ferner oder naher Objecte, ja selbst ein Sehen
in sehr verschiedenen Distanzen und sogar das Lesen von kleinerer
Druckschrift ermöglicht ist. Allein das sind ausserordentlich seltene
Fälle, und sie wurden viel zu wenig genau bisher untersucht, als
‚dass man sie als Beweise für das Zustandekommen scharfer Bilder
Die Accommodationsfehler des Auges. 279
auf der Netzhaut verwenden könnte. Es bleibt der Zukunft vor-
behalten, dureh Gewinnung von Zahlenwerthen eine Basis für
wahre naturwissenschaftliche Erörterungen zu gewinnen. Mittler-
weile bleibt blos Vermuthungen ein Spielraum, und darf man Analogien
trauen, so ist hier, wie bei den übrigen ätiologischen Formen der
Übersichtigkeit, das Spiel der Pupille und deren Einfluss auf
die Grösse der Zerstreuungskreise der gesuchte Behelf. In der That
erscheint völlige Freiheit der Pupillenbewegungen als dieBedingung,
unter welcher sich nach Verlust der Linse ein relativ so vortreff-
liches Sehvermögen zu retabliren vermag.
Es ist einleuchtend, dass Axenverkürzungen des Auges, sowie
Abflachungen der Hornhaut, wenn sie nicht mit Anomalien im Kry-
stalle oder in dem Accommodationsmuskel combinirt sind, der Adap-
tionsthätigkeit des Auges keinerlei Hindernisse in den Weg legen
können. Wirklich beurkundet sich auch der Bestand
eines Accommodationsvermögens sehr oft unter solchen
Umständen, wenn das Auge mit einer passenden Sam-
mellinse bewaffnet ist. Er beurkundet sich durch die Länge
der absoluten Sehweite, respective durch das Vermögen, scharfe und
deutliche Wahrnehmungen von Objecten zu vermitteln, die vermöge
ihres Distanzunterschiedes und ihrer Lage kaum in eine und dieselbe
Accommodationslinie fallen können.
Immerhin ist jedoch unter diesen Verhältnissen der Bestand
eines, dem normalen gleichkommenden Accommodations-
vermögens ein mehr als seltener Befund, in den allermeisten Fällen
spricht sich eine Schwäche der Adaptionsfähigkeit, ja
selbst ein völliger Mangel des Einrichtungsvermögens klar aus,
wie schon die in der Natur begründete Eintheilung der Übersichtig-
keit in eine negative Kurz- und Weitsichtigkeit, sowie in eine nega-
tive Mittelsichtigkeit klar darthut.
Als die pathogenetischen Momente einer solchen
Schwächung oder Aufhebung der Einrichtungsfähigkeit fungiren
natürlich dieselben Verhältnisse, welche ich bei Gelegenheit der
Myopie und Presbyopie namhaft gemacht habe. Aber auch der Ver-
lust des Krystalles ist ein solches Moment. Die Linse ist ja eben der
Träger des Accommodationsvorganges und es mangeln dem Auge
weitere Behelfe, um seine Sehlinie der Lage und Länge nach merk-
lich zu ändern. Versuche mit Staaroperirten, wenn ihr Auge mit
280 Stellwag.
der entsprechenden Brille bewaffnet ist, weisen dieses unzweifelhaft
nach, vorausgesetzt natürlich, dass dabei die Länge und Lage der
Acecommodationslinie berücksichtiget wird. Und wo ein solches Ver-
mögen zu bestehen scheint, dort dürfte wohl wieder nichts anderes,
als die Verkleinerung der Öffnung des dioptrischen Apparates und
sofort auch der die Netzhaut treffenden Zerstreuungskreise den
Erklärungsgrund abgeben.
Es ergibt sich dieses aus nachstehender Betrachtung. Es sei ein redueirt
gedachtes Auge durch eine Sammellinse von 36’ Brennweite, bei einem Abstand
ce=6'' derselben von der Trennungsfläche, für unendlieh entfernte Gegenstände
adaptirt. Weil R=3"456, F= 9"934, — D=30"" ist, erscheint sofort der
Brechungsindex M des homogen gedachten dioptrischen Mittels im redu-
eirten Auge
F(R—D)
= ——— 1'356.
D(kR—F)
Ra ; uk
Aus der Formel — — — — 7, lässt sich durch Substitution M—n,, D=p
Ppı P 1
und F=p,
en I Ea
ee
finden und durch Addition der Netzhaut-Zapfenläinge =0"036 zu p, auch die
betreffende Aeeommodationslinie berechnen. Für P1=9'934 + 0.036 = 9"97
und f}, =13°11 ergibt sich nämlich
a
nm -—f)
In Bezug auf die Brille und deren Abstand von der Trennungsfläche des
redueirten Auges ergibt sich nun v, — 36°69 und wegen b—36 ist
v b m f
u Da
Vi:
Die natürliche Sehlinie des brillenbewaffneten Auges würde unter solchen
Verhältnissen also von © bis 13'3 reichen.
Um das mit der genannten Brille bewaffnete Auge für Objeete von 120’
Distanz. zu accommodiren, müsste eine willkürliche und ohne alle Abflachung
der Hornhaut vor sich gehende Verlängerung der Augenaxe von 0"876 ermög-
lieht sein, denn für »=1%0"' und 5= 36" erscheint
vb
N .— 51"u3 -
v—b
und
yt=—p—=45"43;
Stellwag v.Carion. Die Acceommodationsfehler des Auges. bass
Aus d.k. k. Hof-u. Staatsdruckerei.
Sitzungsb. d.k. Akad. d.W. math. naturw. (1. XVIBd. 1 Heft. 1855.
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Die Accommodationsfehler des Auges. 281
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= Bu — 410"81
n,p+nfi
10:81 — 9:934 = 0876.
Eine relativ so bedeutende Verlängerung der optischen Axe liegt aber
ausser den Grenzen der Möglichkeit. Verkürzungen des Halbmessers der Horn-
hautkrümmung würden nun wohl freilich zureichen, um eine Accommodation für
jede beliebige Distanz zu ermöglichen. Allein wo liegen die mechanischen
Momente für einen willkürlichen Gestaltwechsel der Cornea ?
Eine einfache Betrachtung der anatomischen Verhältnisse des Auges lässt
. schon die Unmöglichkeit eines solehen Vorganges erkennen und der factische
Nachweis der jeweiligen Unveränderlichkeit der Cornealkrümmung durch parall-
aktische Messungen schliesst die Hornhaut als Accommodationsapparat
völlig aus. |
Es bleibt daher nichts, als etwaige Krümmungsveränderungen in der Wöl-
bung der vorgebauchten Vorderfläche des Glaskörpers übrig, um eine Accom-
modation im krystallberaubten Auge zu erklären. Die Beziehungen des Acecom-
modationsmuskels und der Ciliarfortsätze zu dem Umfang der Glaskörper-Vor-
derfläche machen in der That eine Adaption des Auges auf diese Weise denkbar.
Es frägt sieh nur, ob solehe Gestaltwechsel zureichend seien oder nicht; und
eine Berechnung ergibt als Resultat das Letztere. Ist nämlich das virtuelle Bild
der Sammellinse 45’’ hinter der Vorderfläche der Cornea gelegen, so ergeben
die Stampfer’schen Formeln für die Vereinigungsweite der Cornea 11”69.
Nimmt man nun den Abstand des Centrums der Glaskörper-Vorderfläche von der
Hinterfläche der Cornea einer Linie gleich, so dass die Distanz F der Netzhaut
F—=8"53 und der Abstand D des virtuellen Bildes von der brechenden Fläche
des Glaskörpers — D=10"69 wird, so ergibt sich wegen M—,, — 1:0015
aus
Ai—-m)r+md=f
Duenm)
— 0"0128,
MD—F
was wohl jeden weiteren Beweis für die Unzulänglichkeit der Glaskörperwölbung
bezüglich des Aecommodationsvorganges unnöthig macht.
18 et
2 8 2 Verzeichniss der
VERZEICHNISS
DER
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Observations made at the magnet. and meteor. Observatory of
Toronto. 2 Vol,, London 1853; 4°.
Observations made at the magnet. and meteor. Ohsertatery at
Hobarton. 3 Vol. London, 1850; 4°.
Observations on days of unusual magnetic disturbance made at
the British Colonial magnetie observatories. Vol. I, London
1851; 4°,
Observations made at the magnet. and meteor. Observatory at
St. Helena. Vol. I, London 1847; 4°.
Palomba, Luigi, Le uve si possono salvare dal Funghetto parassito.
Napoli 1855; 8°.
Pamätky archaeologiek& a mistopisne a. t.d. Dil I., sesitek 5., 6.
Pollidori, Filippo Luigi, Lettera intorno a 3 racconti sincroni
della presa di Negroponte fatto dai Turchi nel 1170 al Cav.
Cicogna etc. (Archivio stor. Ital. T. IX. Append.)
Quenstedt, Fr. Aug., Lepidotus im Lias E. Württembergs. Tü-
bingen 1847; 4°. |
Quenftedt, Fr. Aug., Beiträge zur rechnenden Kryftallographie.
Tübingen 1848 ; 4°.
— Ueber Pterodactylus suevicus im lithograph. Schiefer Würtem-
berg’3. Tübingen 1855; 4°,
Sabine, Edw., On some of the results obtained at the british eolo-
nial Magnetie observatories (s. 1. et d.).
Santini, M. E., Annotazioni intorno alla cometa periodica di Biela
ed alla 3 eometa del 1854. Venezia 1855; 8°.
Schott, H., Uraceen Betreffendes. Heft 1, 2. Wien 1854; 8°.
Schott, H. Aroideae. Nr. 2
Societe geologique de France. Bulletin, 1854. T. XI, Feuill. 1—7.
Society, Asiatic, of Bengal. Journal, 1854. Nr. 6.
2854 | Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften.
Society, Linnean of London. Proceedings. Nr. 1 — 58.
Society, Linnean Transactions. Vol. 1 — 21.
Society, Royal of London, Philosophical Transaetions, 22. Vol.
London 1850—1852; 4°.
Society, Abstracts ete. Vol. 1—5.
Stur, Dionys, die geolog. Beschaffenheit der Centralalpen zwischen
dem Hoch-Golling und dem Venediger. (Jahrbuch der geolog.
Reichsanstalt 1855; 4.)
Tijdschrift, Natuurkundig voor Nederlandsch Indie. Deel. IV,
Aflev. 3, 4. |
Toldy, Ferenez, Emlekbeszed Gröf Teleky Jözsef M. Academiai
elnök felett. Pesth 1855; 8°.
Verein, hiftor,, von und für Oberbayern, Archiv, Band 14, Heft 3.
ek » Sahresbericht für 1853.
Zantedeschi, Franz, Memoria sul simultaneo passagio delle cor-
renti elettriche opposte ai eircuiti metallici chiusi ed isolati
della terra ete. (Atti del Istituto Veneto. Serielll, T.1, punt. 5.)
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.
AVL BAND. II. HERT.
JAHRGANG 1855. — MAL.
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N
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Anm Ku .aaR, Mk
287
SITZUNG VOM 10. MAI 1855.
Bericht
über Herrn Vincenz Maria @redler’s Mollusken- Fauna
von Tirol.
Von dem w. M. Dr. 1. Fitzinger.
‘Herr Vincenz Maria Gredler, Professor der Naturgeschichte
- am Gymnasium zu Bozen, hat der mathematisch-naturwissenschaft-
lichen Classe der kais. Akademie der Wissenschaften eine hand-
schriftliche Abhandlung eingesendet, welche die Land- und Süss-
wasser-Conchylien der Grafschaft Tirol zum Gegenstande hat und
das Ansuchen gestellt, dieselben entweder im Ganzen in die Druck-
sehriften der kais. Akademie aufnehmen, oder theilweise in den
Sitzungsberichten derselben erscheinen lassen zu wollen.
Da nach dem $. 32 der Geschäftsordnung der kais. Akademie,
jede für die Denkschriften oder Sitzungsberichte bestimmte Abhand-
lung in einer Classen-Sitzung ganz oder im Auszuge entweder zu
lesen oder frei vorzutragen ist, der Herr Verfasser aber, welcher
fern von Wien lebt, dieser Vorschrift nicht entsprechen kann, so
habe ich es mit Vergnügen übernommen, aus dieser Abhandlung,
welche gerade eines jener Fächer betrifft, welche ich bei der kais.
' Akademie zur Zeit zu vertreten die Ehre habe, einen kurzen Auszug
zu verfassen, und denselben der geehrten Classe im Namen des
Herrn Verfassers vorzutragen.
Das vorgelegte Manuscript, welches 231/, Bogen ausmacht und
welchem zwei Tabellen und eine in Federzeichnung ausgeführte
Tafel mit vier Figuren beigefügt sind, bildet den ersten und zwar
bei weitem grösseren Theil der ganzen Arbeit und umfasst sämmt-
liche, bisher in Tirol beobachtete Land-Schnecken, mit Ausnahme
19*
2 88 Fitzinger. Bericht über Herrn Vincenz Maria
der noch zu unvollständig bekannten und auch in allen zoologischen
Werken nur höchst stiefmütterlich behandelten Familie der Nackt-
schnecken, welche der Herr Verfasser eben aus diesem Grunde
gänzlich zu übergehen für gut befunden hat. |
In einer Vorrede, welche er seiner auf mehrjährige Forschung
gegründeten Arbeit voranschickt, gibt er Rechenschaft über die
Hilfsmittel, welche ihm hierüber zu Gebote standen, und über die
Quellen aus denen er geschöpft. Auch zählt er hierin nicht nur jene
Schriften auf, welche denselben Gegenstand berühren und macht
die Männer namhaft, welche sich um die Kenntniss der Mollusken-
Fauna von Tirol verdient gemacht haben, sondern gibt auch genau
die Bezirke an, welche von jedem einzelnen derselben durchforscht
wurden und knüpft endlich hieran auch eine Übersicht seiner eigenen
Bereisungen, jenes in naturwissenschaftlicher Beziehung so reiche
Abwechslung darbietenden Landes.
Das Gebiet, welches seine Mollusken-Fauna umfasst, ist streng
durch die geographischen Begrenzungen des Landes abgeschlossen
und reicht nirgends über dieselben hinaus, daher auch in derselben
keine einzige Art aufgeführt erscheint, welche nicht innerhalb dieser
Landesgrenzen vorgefunden wurde.
Nach einer kurzen Zusammenstellung der in seinem. Werke
gebrauchten Abkürzungen, folgt in systematischer Reihenfolge die '
Aufzählung sämmtlicher seither in Tirol beobachteter, mit Gehäusen
versehener Land-Schnecken.
Das System, welches der Herr Verfasser hierbei beobachtet
hat, ist dasselbe, welches von den allermeisten Bearbeitern von
Local-Faunen in Anwendung gebracht wurde. Es gründet sich in
seinen grösseren Abtheilungen auf das Ferussac'sche System und
folgt in Bezug auf die Umgrenzungen der Gattungen den Ansichten
von Lamark, Draparnaud, Rossmaessler und den meisten
neueren Naturforschern, welche es vorgezogen haben umfangreichere
Gattungen anzunehmen und eine Zersplitterung derselben sorgfältig
zu vermeiden suchen.
Nach demselben Grundsatze sind auch die einzelnen Arten
begrenzt und minder erhebliche Formunterschiede nur als Varietäten
aufgeführt. |
Jeder Gattung ist der sie unterscheidende Charakter beigefügt
und ein daran gereihtes Schema, nach analytisch-dichotomischer
Gredler’s Mollusken-Fauna von Tirol. 289
Methode, enthält die auffallendsten und selbst dem Laien am deut-
lichsten in die Augen springenden Unterscheidungsmerkmale sämmt-
licher, jeder einzelnen Gattung angehöriger Arten.
Hierauf folgen gattungsweise und nach der Verwandtschaft ihrer
äusseren Formen an einander gereiht, die verschiedenen selbst-
ständigen Arten, unter Anführung der das Gebiet von Tirol berühren-
den Faunen und hie und da auch der nöthigsten Synonyme anderer
Autoren. Jede Art ist durch eine möglichst kurz gehaltene, genaue
Beschreibung scharf und deutlich abgegrenzt und vollständig kennt-
lich gemacht, so wie auch von den verschiedenen Abänderungen,
welchen sie unterliegen, von denen jedoch nur jene aufgenommen
wurden, die seither in Tirol beobachtet worden sind, eine kurze
Charakteristik beigefügt ist. Durch dieses Verfahren, welches ins-
besondere bei Local-Faunen nothwendig, ja selbst von höchster
Wichtigkeit ist, um jeden Zweifel über die Richtigkeit in der Bestim-
mung zu beseitigen, setzt der Herr Verfasser alle Jene, die sich mit
diesem Zweige der Wissenschaft zu befassen wünschen, in die Lage,
die aufgefundenen Arten sowohl als Abarten, ohne hierzu weiterer
Hilfsmittel zu benöthigen, richtig zu erkennen und leitet sie mittelst
der vielen beigefügten kritischen Bemerkungen durch das Labyrinth
der in der Conchiologie so häufig vorkommenden Nominal-Arten.
An diese kurzen und charakteristischen Beschreibungen der
einzelnen Arten endlich, reihet sich die Angabe ihres Aufenthaltes im
Allgemeinen, oder ihre Verbreitung je nach den Verhältnissen des
Bodens und der Vegetation, worauf eine umfassende Übersicht
ihrer topographischen Verbreitung folgt, welche durch eine voll-
ständige Aufzählung sämmtlicher seither bekannt gewordener Fund-
orte in Tirol, unter Angabe der Gewährmänner erläutert ist.
Am Schlusse sind zwei Tabellen beigefügt, von denen die erste
eine Zusammenstellung sämmtlicher in den Gebieten von Innsbruck
und Bozen vorkommender. Arten von Land-Schnecken enthält und
zugleich als Anhaltspunkt zu einer vergleichenden Übersicht über die
Vorkommnisse in Nord- und Süd-Tirol oder dies- und jenseits der
Central-Alpen dienen kann. In dieser Zusammenstellung ist ersicht-
lich gemacht, welche Arten jedem der beiden Bezirke eigenthümlich
sind und welche sie mit einander gemein haben. Es ergibt sich hier-
aus, dass dem Bezirke von Innsbruck 7, dem Bezirke von Bozen
30 Arten eigenthümlich sind, während 45 Arten in beiden Bezirken
290 Fitzinger. Bericht über Herrn Vincenz Maria
zugleich vorkommen. Da sonach dem Gebiete von Innsbruck nur
52 Arten zukommen, dem Bezirke von Bozen hingegen 75, mithin
um 23 Arten mehr, so stellt sich für Süd-Tirol, welches durch das
Bozener Gebiet vertreten wird, im Vergleiche zu Nord-Tirol, das
in dem Innsbrucker Gebiete einen Repräsentanten findet, ein über-
wiegender Reichthum an Arten heraus. Der Herr Verfasser glaubt
diesen grösseren Reichthum von Süd-Tirol vorzüglich durch das
tiefere Herabsteigen des Landes bei übrigens gleicher Erhebung mit
Nord-Tirol erklären zu können, indem sich sowohl das Gebiet von
Innsbruck als von Bozen bis zu einer Höhe von beiläufig 5000 Fuss
über dem Meeresspiegel erhebt, während jenes von Innsbruck sich
nur auf 1760 Fuss, das von Bozen hingegen selbst bis auf 650 Fuss
herabsenkt. |
Die zweite Tabelle endlich enthält eine Übersicht der in eben
diesen beiden Gebieten vorkommenden Arten von Land-Schnecken
nach ihrem gemeinschaftlichen Auftreten oder ihrem gesellschaftlichen
Vorkommen. ; A
Im Ganzen führt der Herr Verfasser 115 Arten tirolischer
Land-Schnecken auf und zwar von der Gattung Succeinea 4, Vitrina 3,
Helix 50, Achatina 4, Bulimus 3, Pupa 19, Vertigo 9, Balea 1,
Clausilia 15, Carychium 1, Cyelostoma 1, Pomatias 2 und
Acicula 3.
Hierunter befinden sich 4 neue, vom Herrn Verfasser aufge-
stellte Arten und zwar eine Art der Gattung Pupa und 3 Arten der
Gattung Vertigo, die auch auf der beigefügten Tafel abgebildet sind.
Es sind dies seine Pupa striata, Vertigo Genesiti, sulcata und
Leontina.
Die Arbeit des Herrn Gredler über die Mollusken-Fauna von
Tirol, welche mir zur Berichterstattung zugewiesen worden ist und
worüber ich der geehrten Classe einen kurzen Auszug ihres Inhaltes
vorzutragen die Ehre hatte, ist das Resultat mehrjähriger, mit Liebe,
Fleiss und Ausdauer unternommener Forschungen und beurkundet
die vollkommene Sachkenntniss des Herrn Verfassers in diesem
Zweige der Wissenschaft.
Es ist dies die erste umfassende Arbeit, welche über die Mollus-
ken-Fauna von Tirol zu Stande kam; denn Alles, was bisher hierüber
bekannt ist, beschränkt sich auf die wenigen vorausgegangenen Arbeiten
von Strobelund Betta, welche nur einzelne kleinere Gebiete jenes
Gredler’s Mollusken-Fauna von Tirol. 291
Landes berühren. Jedenfalls gebührt Herrn Gredler das Verdienst,
sehr viel zur genaueren Kenntniss über das Vorkommen und die
Verbreitung der Mollusken in Tirol beigetragen zu haben und seine
Arbeit reiht sich nicht nur in würdiger Weise jener von Schmidt
über die Mollusken von Krain und der von Gallenstein über die
Mollusken Kärntens an, sondern füllt auch eine höchst fühibar gewesene
Lücke aus, indem sie die Mollusken-Fauna der österreichischen
Monarchie mit den Vorkommnissen eines in dieser Beziehung noch
sehr wenig bekannt gewesenen, ziemlich ausgedehnten Landes
bereichert.
Der Gewinn, welcher hieraus für die Wissenschaft erwächst,
kann nicht zweifelhaft sein und ist jedenfalls ebenso gross wie jener,
welchen die Bearbeitung der Fauna irgend eines Landes der
Wissenschaft überhaupt zu bieten vermag.
Ich kann es nicht verhehlen, dass, bevor ich diese Asheif einer
genaueren Durchsicht unterzog, mir dieselbe beinahe zu umfangreich
für die akademischen Schriften geschienen habe. Nach sorgfältiger
Prüfung habe ich jedoch die Überzeugung gewonnen, dass nichts in
derselben enthalten sei, was überflüssig wäre, oder ohne eine wesent-
liche Beeinträchtigung des Ganzen weggelassen werden könnte.
| Wenn auch beinahe sämmtliche, in dieser Fauna vorkommende
* Arten bereits bekannte und beschriebene sind, so ist es doch nicht
thunlich, die ihnen beigefügten Beschreibungen hinwegzulassen und
sie für überflüssig oder entbehrlich zu betrachten, da es gerade bei
Local-Faunen von höchster Wichtigkeit ist, über die Richtigkeit in
- der Deutung und Bestimmung der Arten ausser allem Zweifel zu sein.
Insbesondere tritt die Wichtigkeit dieses Erfordernisses aber bei
einer Bearbeitung der Mollusken ein, indem die allermeisten Arten in
so mannigfaltigen Formen erscheinen, dass es ohne eine sehr genaue
und scharfe Angabe ihrer Kennzeichen geradezu unmöglich ist, mit
Sicherheit zu erkennen, welche Art oder Form unter dem angeführten
Namen verstanden sei. Die Richtigkeit dieser Behauptung erprobt
sich nur zu sehr in den Schriften selbst der ausgezeichnetsten Auto-
ren in diesem Fache, welche unter einem und demselben Namen
häufig ganz verschiedene Arten beschrieben und selbst abgebildet
haben. Der Name allein genügt nur in verhältnissmässig seltenen
Fällen und die Hinweglassung der Charaktere, welche allein nur
über die Richtigkeit in der Bestimmung der Arten entscheiden, hat
292; Fitzinger. Bericht über Herrn V. M. Gredler’s Mollusken-Fauna von Tirol.
nichtnur oft schon zu namenlosen Verwirrungen Veranlassung gegeben,
sondern häufig auch der Wissenschaft mehr zum Schaden als zum
Nutzen gereicht. Übrigens hat Herr Gredler seine Beschreibungen,
wenn man sie ihrer Gedrängtheit wegen überhaupt so nennen darf,
so kurz gefasst, dass selbst ihre Hinweglassung nur ein sehr kleines
Ersparniss von höchstens zwei Druckbogen erzielen könnte.
Eine Zurückweisung dieser wirklich gediegenen Arbeit, blos _
auf den Grund hin, dass sie einen Umfang von 9—10 Druckbogen in
Anspruch nehmen wird, schiene mir ungerecht und der Aufgabe und
Stellung der kais. Akademie nicht würdig. Auch glaube ich hervor-
heben: zu sollen, dass diese Arbeit von einem Manne rührt, der sich
bisher noch keinen Namen in der Wissenschaft zu machen Gelegen-
heit hatte, und für welchen daher wohl kaum irgend eine Aussicht
vorhanden ist, sein mühevolles Werk im Wege des Buchhandels zur
Veröffentlichung bringen zu können.
Die Verwirklichung des Wunsches, seine Arbeit durch die
kaiserliche Akademie oder mit Hilfe ihrer Unterstützung veröffentlicht
zu sehen, würde nicht nur höchst ermunternd auf ihn einwirken,
sondern ihn sicher auch bestimmen, die Erforschung der natur-
historischen Verhältnisse seines Vaterlandes auch auf andere Zweige
auszudehnen. |
Einen bestimmten Antrag hierüber zu stellen, behalte ich mir
für unsere vertrauliche Sitzung vor. |
Hlasiwetz. Über die Zusammensetzung des Ursons. 2953
Ringesendete Abhandlung.
Über die Zusammensetzung des ÜUrsons.
Von Prof, Dr. Hlasiwetz in Innsbruck.
Eine Probe dieses, vor Kurzem von H. Trommsdorff in dem
ätherischen Auszug der Blätter von Arbufus uva ursi aufgefundenen
Stoffes 1), die mir vom Entdecker freundlichst überlassen worden
war, gab bei 100° getrocknet und analysirt, folgende Zahlen:
I. 0:3070 Grm. Substanz gaben 0'882 Grm. CO, und 0:309 Grm. HO
II. 0.2628 „ R TR N tn AT ae
In 100 Theilen:
% I.
— 18:35 — 7845
Ü
H = 11:18 — 11:15
0 = 1047 — 10:40
100:00 — 100:00
Die einfachste, diesen Zahlen entsprechende Formel ist
C,H,,0,. Sie verlangt: C=78-43, H—= 11-11, O0 = 10°46.
Diese Zusammensetzung und die, schon in Trommsdorff's
Bericht angegebenen Eigenschaften stellen den Körper in die Reihe
der krystallisirten indifferenten Harze. Er schmilzt bei 198—200°C.
und erstarrt krystallinisch. Über seinen Schmelzpunkt erhitzt, bleibt
er amorph und wird rissig.
In den meisten seiner Eigenschaften, und der Zusammensetzung
nach vollständig kommt er mit dem Hartin C,.H;,0, überein, dem
krystallisirten Harze, welches Schrötter aus der Braunkohle von
Hart dargestellt und beschrieben hat ?).
Anmerkung.’ Das Aretuvin, welches aus dem Zerfallen des Arbutin hervorgeht,
ist nach der Untersuchung von A.Kawalier der Formel C,,H, 00,
entsprechend zusammengesetzt. Denken wir uns den Sauerstoff
durch Wasserstoff ersetzt, so entsteht die Verbindung C,,H;, die
durch einen Mindergehalt von 20, von dem Urson sich unter-
scheidet. Dr. Rochleder.
1) Archiv der Pharmacie, Bd. LXXX, S. 274,
2) Poggendorfi’s Annalen, Bd. 59, S. 46,
294 7 Fritsch. Resultate der im Jahre 1854
Vorträge.
Resultate der im Jahre 1854 in Wien und an einigen anderen
Orten des österreichischen Kaiserstaates a Vegeta-
tionsbeobachtungen.
Von dem ce. M. Karl Fritseh.
So wie im vorigen Jahre, erlaube ich mir auch in diesem, eine
gedrängte Übersicht der Vegetationsbeobachtungen vorzulegen, welche
in dem abgeflossenen Jahre 1854 in Wien und an mehreren anderen
Orten des österreichischen Kaiserstaates ausgeführt worden sind.
Ich bezwecke mit dieser Vorlage, die Theilnehmer an den Beob-
achtungen möglichst schnell in die Kenntniss zu setzen, einerseits
von den hauptsächlichen Ergebnissen ihrer Beobachtungen, anderer-
seits sie in reger Theilnahme an denselben zu erhalten; denn nur von
einer, nach einem bestimmten Plane mehrere Jahre hindurch eon-
sequent fortgesetzten Theilnahme ist die Ernte jener Früchte zu hoffen,
welche durch die Beobachtungen in Aussicht gestellt sind.
| Die Beobachtungen, deren Ergebnisse in den beigeschlossenen
Tabellen eingetragen sind, beziehen sich nur auf jene Pflanzen und
Phasen der Entwiekelung, welche in der von der k. k. Central-
Anstalt für Meteorologie ausgegangenen Instruction enthalten sind t).
Sie umfassen:
1. für die wiehtigsten Bäume und Sträucher die Zeit der Belau-
bung und Entlaubung;
2. für diese sowohl als für einige interessante krautartige
Pflanzen, welche perennirend sind, die Zeit der Blüthe;
3. für mehrere in national-ökonomischer Men ar
Pflanzen die Zeit der Fruchtreife;
4. für mehrere in derselben Hinsicht berücksichtigungswerthe
Pflanzen die Zeit der Saat, des Keimens, Blühens und Fruchtreifens.
Wie aus folgender Tabelle zu entnehmen ist, welche die Namen der
Orte, an welchen die Beobachtungen angestellt worden sind, mit ihrer
1) Die Beobachtungen über andere Pflanzen und Phasen der Entwickelung erscheinen mit
den hier zusammengestellten vereint, im Anhange zu den Jahrbüchern der meteoro-
logischen k. k. Central-Anstalt.
angestellten Vegetationsbeobachtungen. 29 5
geographischen Lage und Seehöhe, dann den Namen der Beobachter
enthält, ist die Zahl der Beobachtungsorte auf 28 gestiegen, welche so
ziemlich sich auf alle Länder des Kaiserreiches vertheilen, indem davon
entfallen, auf Böhmen 8, Mähren 1, Oberösterreich mit Salzburg 3,
Niederösterreich 2, Galizien mit der Bukowina 4, Siebenbürgen 3,
Ungarn 1, Kärnten und Krain 3, Tirol 2, Dalmatien 1.
Stationen in Österreich,
von welchen Vegetationsbeobachtungen vorliegen , die im Jahre 1854 angestellt
worden sind.
Länge Seehöhe |
Name des Ortes von Breite in Name des Beobachters
Toisen |
Ferro
46°52'| 756 |Herr Gemeinde-Vorsteher Franz
Tabernigg.
IBAN, 49 11 106 Med. Dr. Olexick.
Dzaslau. u u... 49 57 126 Dechant Pecenka.
Czernowitz . . - 48 17 114 Seminar-Spiritual
Blaeziewiez.
Deutschbrod . . 206 Prof. P. Norbert
Syehrawa.
Gastein (Wildbad) 1050 Med. Dr. Prühl.
Hermannstadt . . 223 Prof. Reissenberger.
Kahlenberg . . . 220 Hermann Bilhuber.
Klagenfurt . . . 225 Director Joh. Prettner.
Krakau 108 Felix Berdau, k.k. Ad-
junet der Botanik.
Kremsmünster. . 197 Sternwarte - Director P.
August Res’!huber.
Kronstadt. . . . 4 311 Prof. Eduard Lurtz.
Baibach 2. . 152 Prof. Peter Petruzzi.
Leutschau . . . 291 Med. Dr. Hlavaczek.
323 Apotheker Keil.
122 Prof. Dr. Columbus.
93 Fräulein Wilhelmine Fritsch.
nf 158 |Herr Forstmeister Gintl.
Saybusch. . . . 177 Med. Dr. Krziz.
Schössl SICH | 175 Direetor Bayer.
Senftenberg. . . 216 Astronom Theod.Brorsen.
Schüttenhofen. . 225 Med. Dr. Stropnicki.
Stanislau. . ... 112 KreisphysieusDr.Rohrer.
Strakonitz . . . Med.Dr. Stropnicki!)
Tröpelach . . Pfarrer David Pacher.
Wallendorf . . . Pfarrer Klops.
Wien (a) botan.
Garten. ; - 24 Adjunet Fritsch.
Wien (db) imFreien — Her ren Löw und Röll.
2 ?) |Herr Hauptmann Karl Lainer.
1) Übersiedelte im September 1854 nach Schüttenhofen.
2) Am Meeresgestade.
296 Fritsch. Resultate der im Jahre 1854
Diese Beobachtungen bezwecken seiner Zeit die Untersuchung,
wie und nach welchen Gesetzen sich die Zeiten gleichnamiger
Enntwickelungsstufen der Pflanzen mit der geographischen und physica-
lischen Lage der Orte ändern, während als weiter aussehender Zweck
der Entwurf eines genauen Kalenders der Flora eines jeden Ortes
angesehen werden kann, welcher ein Verzeichniss aller wichtigeren
Erscheinungen in der Pflanzenwelt enthält, welche im Laufe des
Jahres von Tag zu Tage sich ereignen. Der innige Zusammenhang mit
den meteorologischen Erscheinungen, welche in ähnlichen Perioden
vor sich gehen, unterliegt keinem Zweifel, wenn man die letzteren
auf ähnliche Weise zusammenstellt und vergleicht.
Während es in letzterer Hinsicht genügt, an einem oder einigen
wenigen Orten, um eine Controle der Ergebnisse zu erhalten, genaue
Beobachtungen, aber an möglichst vielen und verschiedenartigen
Pflanzen und Phasen ihrer Entwickelung anzustellen, ist es in ersterer
Beziehung, wenn es sich nämlich um die Abhängigkeit der periodi-
schen Erscheinungen im Pflanzenreiche von der geographischen Lage
und Seehöhe der Orte handelt, wünschenswerth, die Beobachtungs- |
stationen wo möglich zu vervielfältigen und gleichmässig in dem
Lande zu vertheilen, für welches die Vegetations-Verhältnisse ermittelt
werden sollen, wogegen es genügt, die Beobachtungen an u
aber besonders charakteristischen Pflanzen anzustellen.
Es ist aber noch überdies nothwendig, von Zeit zu Zeit, am besten
von Jahr zu Jahr die an den verschiedenen Orten angestellten Beob-
achtungen zu vergleichen und sich zu versichern, dass überall dieselbe
Methode der Beobachtung eingehalten und den Beobachtungen selbst
die gewünschte Sorgfalt gewidmet werde. Lässt man diese Arbeit
anstehen, bis eine hinreichende Anzahl von Beobachtungen vorliegt, um
die normalen, d. h. dem Durchschnitte mehrjähriger Beobachtungen
entsprechenden Verhältnisse abzuleiten, so läuft man Gefahr, dass
sich in die Reihe der Beobachtungen Fehler einschleichen, welche sich
im mehrjährigen Mittel nicht gegenseitig tilgen, sondern erhalten und
das Resultat um eine constante Grösse, deren eigentliche Ursache sich
oft nicht mehr vermitteln lässt, verkleinern oder vergrössern, und kann
demnach mit Recht besorgen, für die verschiedenen Stationen nicht
solche Daten zu erhalten, welche unter sich strenge vergleichbar sind.
Die Jahresberichte der schlesischen Gesellschaft für vaterländi-
sche Cultur in Breslau enthalten solche Berichte über die Vegetations-
angestellten Vegetationsbeobachtungen. 29%
beobachtungen, welche alljährlich in Preussisch- Schlesien und den
angrenzenden Ländern angestellt werden, von Herrn Dr. Cohn.
Schon einige Blicke in diese vortrefflichen Berichte genügen, um
sich von ihrer Nothwendigkeit für den beabsichtigten Zweck zu über-
zeugen.
Ähnliche Berichte sollen nun mit Genehmigung der mathem.-
naturw. Classe der hohen Akademie der Wissenschaften in ihren
Sitzungsberichten von Jahr zu Jahr erscheinen.
Zu solchen Prüfungen und Vergleichungen eignen sich am besten
Bäume und Sträucher, indem sie einerseits von den Verrichtungen
der Landwirthschaft unberührt ihren Entwickelungsgang vollenden
können, andererseits fast ganz unabhängig sind von dem Standorte, in
welchem sie wurzeln, in so ferne derselbe beschattet oder sonnig und
gegen diese oder jene Weltgegend geneigt sein kann. Sie ragen ohne
Rücksicht auf den Standort, mit ihren Wipfeln frei in die Luft empor
und empfangen an demselben Orte überall eine nahezu gleiche Menge
Wärme, Licht und Feuchtigkeit, in so weit ihnen dieselbe durch die
oberirdischen Organe zugeführt wird. Die krautartigen Pflanzen wer-
den hingegen durch den localen Standort so sehr in ihrer Entwickelung
beeinträchtigt, dass sie nach Verschiedenheit desselben beträchtlich
früher oder später blühen und die Früchte zur Reife bringen können.
Im botanischen Garten zu Wien blüht z.B. ein Exemplar von Aconi-
cum lycoctonum, W olfs-Eisenhut, das sich in dem Kernschatten einer
Baumgruppe entwickelt, um sechs Wochen später als ein anderes,
welches der freien Einwirkung der Insolation ausgesetzt ist. Aus
ähnlichen Gründen sehen wir nicht selten auf hoch gelegenen Orten,
‚deren Mitteltemperatur bedeutend tiefer als in der Ebene ist, Pflanzen
beträchtlich früher als hier blühen.
Die Pflanzenphysiologie weiss diese Erscheinung zu erklären;
sie soll uns hier nur als Thatsache dienen, welche die Wahl der
Pflanzen rechfertiget, die in der Instruction den Beobachtern anem-
pfohlen worden sind, indem sie der Mehrzahl nach den Holzgewächsen
angehören. Würden sie mit den periodischen Erscheinungen, welche
im Laufe des Jahres auf einander folgen, nicht fast ausschliessend der
vegetativen Sphäre angehören, welche sich auf die Erhaltung und
Kräftigung der Pflanze beschränkt, während die reproductive Sphäre
durch weniger augenfällige und nur kurz dauernde Erscheinungen
(Blüthe und Fruchtreife) charakterisirt ist, so wäre man weniger
298 Fritsch. Resultate der im Jahre 1854
genöthiget, aus den krautartigen Pflanzen Repräsentanten für eine
Kategorie von Erscheinungen in der Pflanzenwelt zu wählen, welche
die anziehendsten und zugleich am fähigsten sind, der Zeit nach
scharf bestimmt zu werden.
In der That zweifelt kaum ein Beobachter, wann er bei Pflanzen,
deren Blüthenorgane deutlich entwickelt sind, den Tag der Blüthe
anzusetzen habe; mit weit geringerer Sicherheit aber wird er den
Zeitpunkt der Belaubung auffassen, insoferne sie nicht eine bestimmte
augenfällige Erscheinung, sondern eine Reihe successiver Erschei-
nungen bildet, welche nur selten hervorstechende und daher scharf
aufzufassende Momente darbietet. Es dürfte daher nicht überflüssig
sein, dieselbe hier etwas näher zu betrachten.
Belaubung,
„wenn wenigstens an einem Baume von einem Laubblatte die Oberfläche sichtbar wird“.
Die Blattknospe ist mit wenigen Ausnahmen mit einer Hülle
umgeben, welche aus einer bald grösseren, bald kleineren Anzahl von
Theilen besteht, die man Schuppen, wohl auch Niederblätter nennt.
Sie unterscheiden sich von den eigentlichen Laubblättern, deren
Entwiekelungszeit allein nur aufzuzeichnen ist, durch die dunklere,
gewöhnlich braune Färbung, durch den Mangel an Rippen und Nerven,
dann auch durch ihre grosse Hinfälligkeit, da sie, wenn die ersten
Laubblätter ganz entwickelt sind, gewöhnlich schon entfärbt werden
und abfallen. Die erste Erscheinung, welche sich beim Erwachen der
Vegetation aus dem Winterschlafe zeigt, ist das sogenannte Schwellen
der Knospen, welches an den hellen Zonen erkannt wird, die sich
dadurch an der Blatthülle bilden, dass Theile derselben, welche frü-
her von anderen bedeckt waren, in Folge des sich vergrössernden
Umfanges der Knospe zum Vorschein kommen. Dauert das Schwellen
fort, so öffnet sich die Hülle und es dringen die Laubblattspitzen
hervor; dies ist der Moment, mit welehem die Aufmerksamkeit des
Beobachters zu beginnen hat. Gewöhnlich ist das Laubblatt, dessen
- Spitze sichtbar wird, noch zugefaltet oder gewickelt und es ist nur die
Unterfläche, welche die Oberfläche des Blattkegels bildet, sichtbar.
So wie sich aber dieser aufrollt oder entfaltet und dieOberfläche
des Laubblattes sichtbar zu werden anfängt, tritt der
Moment ein, den der Beobachter aufzufassen und in die Tabelle ein-
zutragen hat. Dies hat dann zu geschehen, wenn sich die Erscheinung
angestellten Vegetationsbeobachtungen. 299
erst an einem oder einigen wenigen Knospen eines einzelnen frei-
stehenden Baumes oder Strauches zeigt. Versäumt der Beobachter
diesen Moment, so wird er bei der Bestimmung des Zeitpunktes der
Belaubung einen bald grösseren, bald kleineren Fehler begehen und
im Allgemeinen einen zu späten Zeitpunkt annehmen.
In der Voraussetzung, dass die Belaubung in diesem Sinne von
allen Beobachtern aufgefasst worden ist, will ich nun die für die Zeit
der Belaubung an den verschiedenen Stationen gesammelten Daten
bei einigen Baumgattungen vergleichen.
Aesculus Hippocastanum, unsere Rosskastanie, belaubte sich
am 93. April in Prag
» 8 „ „ Laibach und Wien,
mat... v,„ Klagenfürt,
„16. ,„ , Strakonitz und Kremsmünster,
Bere... Dienz m Tirol,
„18. „» „ Schössl und Krakau,
RN Tinz,
28: 5, Pürglitz,
„2% 5» „ Hermannstadt,
=. 9.Maı „ Kronstadt,
» #& „ „ Deutschbrod, Senftenberg.
Die Zeiten der Belaubung dieses Baumes schwanken also in Öster-
reich nach Verschiedenheit der Stationen bis um vier Wochen, und doch
sind sehr wahrscheinlich bei weitem noch nicht die extremsten Stand-
orte des Kastanienbaumes in vorstehender Tabelle repräsentirt.
Für die Weiss-Birke (Betula alba) ergeben sich folgende Daten:
7. April in Wien,
12.797. Prag:
14. „ .„ Kremsmünster,
15. „ , Klagenfurt,
1%. „ „ Strakonitz,
al SS PUROIIZ,
21. „st Krakau,
22. 8 NEeNOrzaslau.
1. Mai „ Senftenberg,
5. „ „ Kronstadt und Saybusch
Also eine ähnliche Reihenfolge und Verschiedenheit in den
Zeiten der Belaubung. |
300 Fritsch. Resultate der im Jahre 1854
Diese beiden Beispiele dürften zur Nachweisung genügen, dass die
Beobachtungen Spielraum genug bieten, um seiner Zeit, wenn nämlich
von mehreren Stationen als bisher, mehrjährige Beobachtungen vor-
liegen werden, die Abhängigkeit der Zeit des Belaubens von der
geographischen Lage und Seehöhe, und das Gesetz, nach welchem
sich dieselben richtet, mit hinreichender Schärfe zu ermitteln und selbst
dieBehauptung zu rechtfertigen; dass die Pflanzen empfindlicher sind
für klimatische Unterschiede, als unsere meteorologischen Instrumente,
wenn die Beobachtungen mit hinreichender Sorgfalt angestellt werden.
In letzterer Hinsicht sind die Beobachtungen des Herrn Theodor
Brorsen in Senftenberg ausgezeichnet, ich will sie daher mit jenen
von Wien in der Absicht vergleichen, um zu zeigen, dass die Unter-
schiede in den Zeiten der Belaubung einerseits von der Pflanzenart, _
andererseits auch noch von der Jahreszeit abhängig sind, in welchen
die Belaubung stattfindet und im Allgemeinen abnehmen, wenn die
Epoche der Belaubung in eine spätere Jahreszeit fällt.
Der Reihenfolge in der Zeit nach belauben sich z. B.
Senftenberg | ws
Ribes Grossulara . .. 2... 10. März 11. April | 32. Tage
Daphne Mezereum . . ..... Bahn 18.1, 21.05
Philadelphus eoronarius . . .. . Beh 2b... 0 3 ,„
Kanus Laryax 5... „u ana la BD. Ba. 0, DI
kubustldaeus!U. 717, En 292%, Ba, DENN 5
Syringa vulgaris .. . . . EURRTERR ac: DR RER ee 1.10%
Berberis vulgaris...» .. 4. April 3. Mai 29. 75
Eorylus’ Avellana. NUR. 290, AU 21. April 17:95
Viburnum ‚Opulus). | 12... #9.41.04,% 6.108 3. Mai ZUSRES
Sorbus Aueuparia ». » ..... (DENE: ROSE: 23.25
Alnus elutmosa u... 0. 00a He, hr 24. April 17.7,
betulayalbarks Wie Sr Re, 1. Mai RN
kosa,eanınal.. une ee Mn, 28. April 21. 0%
Aeseulus Hippocastanum . . . . a, % 4. Mai 20.75
Prunus’avıuım 2 SHE en de 3 RR Sn 26: .%
Carpinus Betulus . ..: . . RE Det DB
Allıarerandtola, .. . . .munman 10: ',; DEN, abe
Ulmas/eampestris 1... I. Veran inr10.. 7, TR 237 0
Prunussdomestiea. 3. 2... nen. HL. 5 40. 0. 29.255
Populus pyramidalis. ... . WaRI@ıl. 5 2 30.7
Pyzus communis Y2....0.., 5 Spele: an a0 28.088
Hapusısilvakica ..../.....2%. ME N I Be SITE ER 14...
Prunusspmosa. . .... RANEK20, 10% 10.0 20.
Diliarparmıfaolal. go >, 4.8 a fayeıe: BU. te 23
Quereus pedunculata . ER nr ARE: 4.1.24 20:5
Robinia Pseudoacaeia . . . .. » 22 Tal, ZINN,
“ ”
Eraxinusexelsior Wo... ae 2. Mai 1 RER N
angestellten Vegetationsbeobachtungen. 301
Hieraus ergeben sich folgende mittlere Unterschiede:
Zahl
|
| Unter- det
Periode
| schied | pflanzen
1.—10. März .
20.—30. „ .
1.— 9. April .
Die Abnahme des Unterschiedes in den Zeiten der Belaubung
zwischen Senftenberg und Wien zeigt sich demnach im Allgemeinen
mit der Jahreszeit fortschreitend, wenngleich manche Baumgattungen,
die sich an einem der beiden Orte gleichzeitig belauben, an dem
anderen zu verschiedenen Zeiten das Laub entwickeln. Das auffal-
lendste Beispiel in obiger Zusammenstellung bietet die Ulme ( Ulmus
campestris), welche sich in Wien gleichzeitig mit der Sommerlinde
(Tilia grandifolia) und der Hainbuche (Carpinus Betulus) belaubte,
nämlich am 10. April, während sie in Senftenberg um 12 Tage später
das Laub entwickelt als die beiden anderen Bäume.
Diese Anomalie kann indess auch in der Individualität des Bau-
mes den Grund haben. Im botanischen Garten in Wien wurde die
Zeit der Belaubung von fünf verschiedenen Bäumen besonders aufge-
zeichnet. Im Durchschnitte aus drei Jahren fand man für die einzelnen
fünfIndividuen von Ulmus u folgende Zeiten der Belaubung:
a) 1%. April,
b) 11. Mai,
c) 29. April,
d) 6. Mai,
e) 5. Mai.
Also an demselben Beobachtungsorte nach Verschiedenheit
des Individuums derselben Baumart die Zeit der Belaubung um
19 Tage schwankend, während die Blüthezeiten nahezu überein-
stimmen. Sie waren nämlich bei
a) 7. April,
b)6. ,
A
d)5. »
EEG
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVI. Bd. II. Hft. 20
302 Fritsch. Resultate der im Jahre 1854
In dieser Beziehung erscheint es wünschenswerth, die Zeiten der
Erscheinung immer nach dem mittleren Verhalten mehrerer Indivi-
duen zu bestimmen, für die Ulme wäre z.B. die Zeit der Belaubung im
Mittel von a) bis e) der 2. Mai. Glücklicher Weise ist das angeführte
Beispiel nur ein excessiver Fall, da fast bei allen übrigen Baumarten
die einzelnen Individuen nahezu gleichzeitig sich belauben, wie drei-
jährige im botanischen Garten zu Wien angestellte Beobachtungen
gelehrt haben.
Blüthe
„Wenn wenigstens Eine an einer Pflanze ganz entwickelt ist.“
Während die Verhältnisse der Belaubung, von welchen hier
beispielsweise einige angedeutet worden sind, sich aus dem Grade
und Gange der Temperatur und Feuchtigkeit genügend erklären lassen,
kommt bei den krautartigen Pflanzen noch ein dritter Factor in Be-
tracht, der nicht minder mächtig einwirkt, besonders auf die Zeit der
Blüthe, es ist die Insolation oder Sonnenstrahlung, welche bei gleicher
Lufttemperatur die Zeit der Blüthe desto mehr beschleuniget, je inten-
siver sie ist. Es kommt daher sehr viel auf die Weltgegend an, gegen
'weleke der Standort der Pflanze abgedacht ist; da die Wirkung der
Insolation nach einem bestimmten Gesetze mit dem Höhenwinkel der
Sonne steigt oder fällt und eben desshalb auf eine analogeWeise wie
dieser vom Winter zum Sommer zunimmt. Ein nach Süden geneigter
Standort erhöht diese Wirkung, indem sich der Neigungswinkel des
selben mit dem Höhenwinkel der Sonne summirt, so lange der
Neigungswinkel den Winkel der Zeitdistanz der Sonne nicht über-
schreitet. Bei einem nach Norden abfallenden Standorte wird der
Höhenwinkel der Sonne um den Neigungswinkel des Standortes ver-
mindert, bis derselbe dem Höhenwinkel der Sonne gleich wird, bei
fernerer Zunahme hört die Insolation für die Pflanze ganz auf.
Strenge vergleichbar sind daher nur jene Beobachtungen ver-
schiedener Stationen, an welehen die Pflanzen an gleichnamigen
Standorten beobachtet worden sind. Diese Gleichnamigkeit bezieht
sich nicht allein auf die Neigung und Lage des Bodens in Bezug auf
die Weltgegend, sondern auch noch auf die Bedingung, dass die
Dauer der Beschattung und Insolation der Pflanze nahezu gleich sei
und in dieselben Tagestunden falle, eine Bedingung, welcher immer
genügt werden kann, wenn Pflanzen mit Standorten gewählt werden,
die möglichst der freien Luft exponirt sind.
angestellten Vegetationsbeobachtungen. 303
Aus diesen und ähnlichen Gründen erklären sich z. B. die
folgenden Verhältnisse der Blüthezeit.
Colehieum autumnale . ... . 7. Sept. | 14. August
Convallaria majalis . ..... 4. Mai 10. Mai
Rraoasia yesea |: ala." „iso 19. April 4.5
Galanthus nıvalis . . - . ..... 11. März 12. März
Hepakıea illoba . .. 2 2.0... Tat Beh
Iahum eandidum . ao. 0 +..% 25. . Juni 2. Juli
Daseissus poclieus '. ..... 0.» 1. Mai 22. April
Faeomaomieımnalıs © .» » . ! =. 1,7 mad. 11. Mai
Niolanederata . .. Yan Hsın. 29. März | 20. März
Es ist den Beobachtern’ in der Instruction aufgegeben worden,
die Zeiten der Erscheinungen dann einzutragen, wenn eine Erscheinung
zuerst bemerkt worden ist. An allen Orten, wo südliche Standorte
vorkommen, werden daher die angeführten Zeiten der Blüthe als für
die letzteren geltend angenommen werden können, besonders wenn
sich bei der Vergleichung der Beobachtungen verschiedener Orte
zeigen sollte, dass an einem, der in Bezeichnung auf Temperatur-
Verhältnisse einem andern nachsteht, wie z. B. Kremsmünster gegen
Wien, die Blüthezeiten früher eintreten, als in dem anderen.
So wird z. B. die Leberblume ( Hepatica triloba) in Kremsmünster
schon am 2. März als blühend angeführt, während sie in Wien erst
am 14. März ihre Blüthen öffnete. Die Dichter-Narzisse ( Narcissus
poeticus) blühte in Kremsmünster bereits am 22. April, in Wien am
1. Mai; die Pfingstrose ( Paeonia officinalis) dort am 11. Mai, hier am
17. Mai; das Veilchen (Viola odorata) am 20 März, in Wien hingegen
erst am 29, März. Hepatica triloba und Viola odorata befinden sich
im botanischen Garten in Wien, wo die Beobachtungen angestellt
worden sind, wie fast alle Pflanzen auf einem gegen Norden abge-
dachten Standorte, entsprechend der Lage des ganzen Gartens. Nar-
cissus poeticus, Paeonia officialis in Beziehung auf Insolation eher
auf einem weniger, als mehr begünstigten.
Das Maiglöckchen (Convallaria majalis), das Schneeglöckehen
(Galanthus nivalis) und die weisse Lilie ( Lilium candidum), welche
auf einem horizontalen sonnigen Standorte wachsen, blühen in Wien
auch richtig um einige Tage früher als in Kremsmünster.
20%
304 Fritsch. Resultate der im Jahre 1854
Es ist daher wünschenswerth, den Standort der Pflanzen, von
welchen die Daten mitgetheilt werden, näher zu bezeichnen, wozu
einige wenige Zeichen genügen. Man kann z. B. die Abdachung nach
der Weltgegend mit N= Norden, O—= Osten, S—= Süden, W— Westen,
eine sonnige Lage mit + = plus, eine schattige mit — = minus
bezeichnen, wonach sich die Bedeutung der Combinationen dieser
Zeichen von selbst ergibt. Es wäre z. B. S+ ein gegen Süden abge-
dachter sonniger, N+ ein gegen Norden abfallender, weder zu
sonniger, noch zu schattiger Standort u. s. w. Diese Zeichen könnten
dem Namen der Pflanze beigefügt werden. z. B. Convallaria majalis
S +, Hepatica triloba +. Die Bezeichnung der Abdachung fällt bei
horizontalem Standorte natürlich hinweg; die des Insolationsgrades
wäre auch in dem Falle beizufügen, wenn der Standort nicht über-
. wiegend sonnig oder schattig ist, so wie wir es an dem oben ange-
führten Beispiele bei Hepatica triloba sehen.
Bei Bäumen und Sträuchern ist die nähere Bezeichnung des
Standortes aus den bereits angeführten Gründen zwar weniger noth-
wendig, aber immerhin wünschenswerth.
Obgleich in der Instruetion in dieser Beziehung keine Anord-
nung getroffen worden ist, so dürften die an verschiedenen Orten
gefundenen Daten dennoch vergleichbarer sein, als es auf den ersten
Blick scheint; indem den Beobachtern, wie bereits erwähnt, aufge-
geben worden ist, immer das früheste Datum einer jeden Erscheinung
anzumerken, welches in der Regel von einem Standorte mit südlicher
Abdachung und sonniger Lage erhalten wird. Die Aufzeichnungen
dürften daher unter sich vergleichbarer sein, als mit Wien, wo die
Beobachtungen im botanischen Garten angestellt wurden, dessen
Terrain nach Norden abfällt. Doch senkt sich auch hier der Boden
nicht ununterbrochen gegen Norden, sondern wechselt mit Terrassen
von horizontaler Lage. Pflanzen, welche in diesen Theilen des Gartens
beobachtet worden sind, werden sich so gut zu Vergleichungen
eignen, wie Aufzeichnungen von anderen Orten. |
Beispielsweise mögen hier die Blüthezeiten der weissen Lilie
(Lilium candidum) angeführt sein, welche im botanischen Garten zu
Wien auf einem sonnigen horizontalen Standorte eultivirt wird. Die
Blüthezeiten waren:
IN) ZALa 1... Mey an 2 ann,
en. sl ur 2
angestellten Vegetationsbeobachtungen. 305
rar... '. am 80. Juni,
„Kremsmünster . „ 2. Juli,
msi"... „ 12."
Pestrakonitz . . ,„ 10. „
Diese Beobachtungen stimmen ziemlich gut mit der geographischen
Lage der Beobachtungsorte überein. Für das Maiglöckchen (Conval-
laria majalıs) ergeben sich folgende Blüthezeiten:
men. %.. ... am..4. Mai,
LE N
ze ei. a N,
Kremsmünster. .. . „ 10. „
2 IE A In OR
sitakonllz . 3... m. 1Dnnoz
stamslau..!. wo ... gg &
Hier zeigt sich nur in Prag eine etwas auffallende Verzögerung. Als
ein drittes Beispiel möge Narcissus poeticus, die Narzisse der Dichter
gelten. Sie blühte:
in Deutschhrod . . am 16. April,
„Kremsmünster. . „ 22. „
„ Wien . ET UR 1. Mai,
en el re gap
5 IE De
m rakoniiz “5 Da
Die bedeutend frühere Blüthezeit in Kremsmünster, noch mehr aber
in Deutschbrod ist sehr auffallend, während an den übrigen Orten
die Zeiten Ziemlich gut stimmen. Ob nicht eine Verwechslung mit
der gelben Narzisse (Narcissus Pseudonarcissus) stattfand? welche
bedeutend früher als die Diehter-Narzisse blüht.
Die Beobachtungen über die Blüthe eignen sich, weil sie einer
grösseren Genauigkeit als jene über die anderen Stadien des Pflan-
zenlebens fähig sind, am besten zur Entscheidung der Frage,
ob die Vegetations-Verhältnisse eines Jahres an irgend einer Station
normal oder anomal waren, d. h. ob die Blüthe der Pflanzen zur
gewöhnlichen oder ungewöhnlichen Zeit eintrat oder nicht, voraus-
gesetzt, dass die normale Blüthezeit nach mehrjährigen Beobach-
tungen bekannt ist,
306
Dies ist in Prag der Fall,
Fritsch. Resultate der im Jahre 1854
Unterschiede Anomalie nennen.
1) M.s. Kalender der Flora des Horizontes von Prag. Anhang zum Jännerhefte 1852
der Sitzungsberichte der mathem.-naturw. Cl. d. kais. Akad. d. Wissensch.
Aesculus Hippocastanum blühte 4.
Berberis vulgaris
Betula alba ... .
Convallaria majalis
Cornus mascula . . .
Corylus Avellana
Cytisus Laburnum . . .
Fragaria vesca
Fritillaria imperialis
Galanthus nivalis
Hepatica triloba. . ...
Juglans regia .». ....
Nareissus poetieus .. .
Nymphaea alba... .
Paeonia offieinalis. . .
Philadelphus coronarius
Populus pyramidalis . .
Prunus avium ;
„ domestica . . .
Pyrus communis. . .
u IMS AN ee.
Ouercus pedunculata
Ribes Grossularia . . .
Robinia Pseudoacacia
Rosa canina . ....
in eentöfolio: uch
Rubus Idaeus . .
Sambucus nigra . . . .
Sorbus Aucuparia . . .
Syringa vulgaris
Ulmus campestris . . -
Viburnum Opulus . . -
Viola odorata. . . . .
”
wo die Blüthezeiten vieler Pflanzen
aus mehrjährigen Beobachtungen berechnet werden konnten 1). Wir
wollen nun dieselben mit den im Jahre 1854 ausgemittelten, verglei-
chen und die Unterschiede mit + (plus) bezeichnen, wenn die Pflanze
im Jahre 1854 früher blühte, im Gegenfalle mit — as und die
Anomalie in
Tagen
Mai +
” ir
. April +
. Mai —
. April +
. März +
. Mai —
3
. April +
”
. April
. Maı
. April
3
Ba ee le ea
3
ja
sS So co- dw» X
”
[I
ST eoaok m Qo uHMoaosam om mo ©
angestellten Vegetationsbeobachtungen. 307
Geht man von der Voraussetzung aus, dass die Witterung auf
alle Pflanzen in demselben Sinne einwirkt, so sollte sich, wenn sich in
einer Jahreszeit bei einer oder der anderen Pflanze die Blüthezeit
verzögert oder beschleuniget hatte, eine ähnliche Wirkung auch bei
den übrigen gleichzeitig blühenden Pflanzen herausstellen. Wir wol-
len daher die Anomalien nach den Blüthezeiten zusammenstellen und
sehen, ob die in dieselbe Periode fallenden Anomalien in Beziehung
auf Grösse und Zeichen übereinstimmen. Zahlreich genug zu Ver-
gleichungen sind nur jene Anomalien, welche Blüthezeiten angehören,
die in folgende Dekaden fallen. |
io 32 er 5 2,50
Bro — dl Fr
en 1348. 40 '30,062641 325
Bei ra
Be, 10H ES 110 a
Die zusammengehörigen Anomalien bewegen sich mit wenigen
Ausnahmen innerhalb der Fehlergrenzen der Beobachtungen und nor-
malen Blüthezeiten, da auch die letzteren noch bis auf ein paar Tage
unsicher sind und beide Reihen nicht von demselben Beobachter
herrühren. |
Lässt man die mit einem Fragezeichen markirten Grössen unbe-
rücksichtiget und berechnet für alle Dekaden den Durchschnitt der
zusammengehörigen Grössen, so erhält man folgende
mittlere
Anomalie
1. bis 10. April —1
ie 0 43
14%. .10,.Mai —1
Ara 20, +1
21.h% ollı +6
Die Vegetations-Verhältnisse waren demnach im Jahre 1854
in Prag nahezu normal, d. h. die Pflanzen blühten fast zur gewöhn-
lichen Zeit, nur in den Perioden vom 11. bis 20. April, dann 21. bis
31. Mai zeigt sich eine Beschleunigung der Entwickelung um wenige
Tage,
308 Fritsch. Resultate der im Jahre 1854
Fruchtreife.
„Wenn wenigstens eine Frucht an einer Pflanze ganz reif ist.“
In Betreff der Fruchtreife wird es genügen, wenn die Herren
Beobachter die Zeiten derselben für jene Pflanzen angeben, welche
in national-ökonomischer Hinsicht von Wichtigkeit sind, dafür aber bei
der Bestimmung des Zeitpunktes der Fruchtreife mit um so grösserer
Sorgfalt vorzugehen.
Wir wollen von den verschiedenen Orten die Zeiten derFruchtreife
unserer Erdbeere (Fragaria vesca) vergleichen. Die Früchte reiften:
in Linz -............ 'am.020%. Mas,
SO NLIEN. N
„ Strakonitz . „. 42 Jun,
„ Senftenberg a Ve
eStanıslau® 2 .; 6 ve
„Kremsmünster . „ 18 „
3 BEN DES WE N RR a Ne Ba I
„ Hermannstadt: . -.. :, 720." ,
I, EI NE A eg Male
»SavBusch,.. ... 8 1. Juli.
Auffallend früh ist die Fruchtreife in Linz, auffallend spät in
Zara. In Linz findet man im Journale die Bemerkung: „Reife Erd-
beeren auf dem Markte“; es wäre also möglich, dass sie von einem
anderen Orte stammen oder künstlich zur Reife gebracht worden sind.
In Zara scheint die Monatszahl des Mai (5) mit jener des Juni (6)
verwechselt worden zu sein.
Als zweites Beispiel möge die Vogelkirsche (Prunus avium)
dienen. Die Früchte reiften :
in Zara... am “PO Man,
„Hermannstadt . , 6. Juni,
„Kremsmünster . „ 10. „
»Rronstadt. nv... .0,r Klon,
KilDale SEE ale Sn EDEN,
VOSTakau te. 2
41. Stanislau‘. Bw. 0
„Klawenftit nen, 1. Juli,
‚Ozaslau 4.8 07, Garn
4uSitrakonitz ol, Ban
„senftenbere, 10.1.
angestellten Vegetationsbeobachtungen. 309
Diese Daten dürften der geographischen Lage und Seehöhe der
Orte so ziemlich entsprechen, nur in Kremsmünster erscheint die
Fruchtreife auffallend frühzeitig.
Die Pflaumen (Prunus domestica) reiften:
Ba. .,2% am August,
aa un. 20... ,
2, E12 12 Dear AurERD En 7 EEE
Kallermannstädt 1, male,
Bzaslaus.. 2.2, 9. September,
„Kremsmünster . „ 10.
Beetanıslau 1.1, 1, 718,
„Kahlenberg . . „ 20.
„ Deutschbrod . . „ 26. M
DieBirnen (Pyrus communis) und Äpfel (Pyrus malus,) reiften:
P. communis P. malus
a banz....." am. 5% Juli,
Baukragsilnina „ıi, > PDERER 22. August,
en 3ellaaı 93.1
akonilz 1... 80... 5. 2
„ Kremsmünster „ 5. August,
osStanislau '. , k 2
BeRrakau ... „26. A DA. 2
Bei dieser Frucht kommt zu viel auf die Sorte an, als dass man
die an verschiedenen Orten gemachten Aufzeichnungen als strenge
vergleichbar betrachten könnte. Auch ist die Fruchtreife dieser
Obstgattungen mit viel zu wenig augenfälligen und schnell vorüber-
gehenden Erscheinungen verbunden, als dass sich die Zeit derselben
genau bestimmen liesse. Es ist daher wünschenswerth die Frucht-
sorte entweder näher zu bezeichnen oder die Beobachtunger an wil-
den Exemplaren anzustellen.
Die Fruchtreife des Weinstockes ist viel zu wichtig, als dass
wir uns versagen könnten, die wenigen vorliegenden Daten verglei-.
chend zusammenzustellen.
Fruchtreife von Vitis vinifera :
m Zara 12. ...am 19. -Ausust,
ran. 2 7. September,
„ Wien . IRTUE EINE O. 5
„ Kremsmünster . „ 20. &
„ Hermannstadt . . „ 8.
RL)
310 Fritsch. Resultate der im Jahre 1854
Beim Weinstock kommt viel darauf an, ob er im Freien steht
oder an einem Spalier gezogen wird, sowie auch die Tageszeit, zu
welcher der Stock von der Sonne beschienen wird. Die Herrn Beob-
achter werden daher ersucht, diese Verhältnisse bei den Beobach-
tungs-Daten zu bemerken.
Einjährige Pflanzen.
Die Zeiten der Blüthe und Fruchtreife einjähriger Pflanzen sind
nur dann von Werth, wenn zugleich die Saat- und Keimzeit ange-
geben wird, denn in der Regel blüht eine Pflanze und reifen ihre
Früchte desto später, je später sie gesäet wird, vorausgesetzt, dass
die Bedingungen des Keimes in beiden Fällen in gleichem Grade vor-
handen waren. Dies lässt sich nach der Zeit des Keimens beurtheilen,
es ist daher wünschenswerth, auch diese beizufügen. Abgesehen
davon, dass gerade die in national-ökonomischer Hinsicht wichtigsten
Pflanzen, wie z. B. unsere Getreidearten, die Hülsenfrüchte, der Lein,
Tabak, die Kartoffel u. s. w. einjährige, d. h. solche Pflanzen sind,
' welche in demselben Jahre, in welchem sie gesäet wurden, Früchte
tragen, sind sie auch noch in rein wissenschaftlicher Hinsicht, vor den
übrigen, den Beobachtern in dem Falle anzuempfehlen, wenn es sich
um die Beantwortung der bisher immer nur mehr oder weniger an-
nähernd, und daher nicht genau genug gelösten Frage handelt, wel-
cher Quantität von Wärme, Feuchtigkeit u. s. w. eine Pflanze bedarf,
um einen lohnenden Erfolg des Anbaues zu versprechen.
Die Beantwortung dieser Frage setzt die Kenntniss des Zeit-
punktes voraus, von welchem man bei der Summirung der Wärme-
grade u. s. w. auszugehen habe, wofür im Allgemeinen jener ange-
nommen wird, zu welchen die Pflanzen aus dem Winterschlafe er-
wachen, welchen Zeitpunkt man der Saatzeit der einjährigen Pflanzen
als adäquat annehmen kann. Bei letzteren ist also dieser Zeitpunkt
genau bestimmt, bei weitem weniger oder gar nicht hingegen bei den
perennirenden Pflanzen, weil bei den wenigsten derselben augen-
fällige Anzeichen des Erwachens vorkommen und wenn dies auch
nicht der Fall wäre, viel davon abhängt, bis zu welchem Grade der
Entwickelung die Keime im verflossenen Herbste gelangt sind.
Aus dem Vorangeschickten folgt von selbst, dass man die Zeiten
der Blüthe und Fruchtreife von verschiedenen Orten nicht unmittelbar
unter sich vergleichen kann, sondern nur die Unterschiede zwischen
angestellten Vegetationsbeobachtungen. tl
' gleichnamigen Phasen der Entwickelung, z. B. den Unterschied
in den Zeiten des Keimens und der Blüthe, der letzteren und der
Fruchtreife u. s. f., obgleich auch dann nur ein annähernd richtiges
Resultat erhalten wird, weil selbst an demselben Orte viel auf die
Jahreszeit ankömmt, in welcher die Entwickelung stattfand, da die
Pflanze z. B. in einer wärmeren Jahreszeit, vorausgesetzt, dass es zu-
gleich an hinreichender Feuchtigkeit nicht mangle, weniger Zeit
benöthigen wird, um von der Blüthe zur Fruchtreife zu gelangen, als
in der kälteren und dieVerhältnisse durch Temperatursummen u. s. w.,
daher genauer dargestellt werden könnten.
Dass die Zeit der Saat nicht immer die Bedingung des Keimen
in sich schliesst, erkennt man am besten aus den sehr ungleichen
Unterschieden der Zeiten des Säens und Keimens.
Beim Haber (Avena sativa) z. B. vergingen:
Ins Alles; „0.00 5,010
„ Kremsmünster . 18
„. Sirakomilz .. .. ..:.80
Er Mien. a
Tage, bevor die keimende Pflanze an der Erdoberfläche erschien.
Als zweites Beispiel möge die Kartoffel (‚Solanum tuberosum)
dienen, derenKnollen beträchtlich später gesteckt zu werden pflegen,
als die Saat des Sommergetreides vorgenommen wird. Es WereuEEN
bis zum Hervorspriessen der keimenden Pflanze Tage:
InBAlkUss nt) ai
„ Kremsmünster . 24
„ Strakonitz . . 44
» Deöpelaeh '.. . 16
In Alkus und Kremsmünster wurden die Knollen an demselben
Tage, nämlich am 15. April gesteckt, und dennoch erschien die Pflanze
hier bereits am 9. Mai, dort erst am 22. Mai an der Erdoberfläche.
In Tröpelach, wo die Pflanzung erst am 12. Mai vorgenommen
worden ist, gingen die Kartoffel um 6 Tage später auf, als in Alkus
und 11 Tage später als in Strakonitz, wo die Knollen bereits am
8. April dem Schoosse der Erde anvertraut worden sind.
Diese Beispiele genügen zu zeigen, dass es zweekmässiger ist,
die Blüthezeit mit der Keimzeit zu vergleichen, als mit dem Datum
der Saat. Es vergingen zwischen beiden Tagen, und zwar:
12 Fritsch. Resultate der im Jahre 1854
Zeitdauer vom Keimen bis zur Blüthe.
Krems-
münster
Avena sativa (Haber)
Cannabis sativa (Hanf)
[ep]
&
Hordeum vulgare (Gerste)
Linum usitatissimum (Lein)
Pisum sativum (Erbsen). .
Polygonum Fagopyrum (Heidekorn)
Solanum tuberosum (Kartoffel)
Zea Mays (Mais)
Wichtiger wohl ist die Vergleichung der Erntezeit mit der Zeit
des Keimens, welche sich mit Hilfe der vorstehenden und nachfolgenden
Tafel leicht bewerkstelligen lässt, denn um die Zeitdauer vom Keimen
der Pflanze bis zur Fruchternte zu finden, braucht man nur die ent-
sprechenden Zahlen beider Tafeln zu summiren.
Zeitdauer von der Blüthe bis zur Ernte.
Avena sativa (Haber)
Cannabis sativa (Hanf)
Hordeum vulgare (Gerste)
Linum usitatissimum (Lein)
Pisum sativum (Erbsen)
Polygonum Fagopyrum (Heidekorn) . .
Solanum tuberosum (Kartoffel)
Zea Mays (Mais)
Es scheint, dass die Fruchtreife verschieden aufgefasst wird,
indem einige Beobachter den Anfang, andere das Ende derselben
notiren, welches durch die Ernte bezeichnet ist. Da aber der Tag
der Ernte nicht selten ein willkürlicher ist, so wäre es vortheilhafter
den Anfang der Fruchtreife anzumerken, wie es auch in der Instruc-
tion angeordnet worden ist. Jedenfalls wird eine grössere Vergleich-
barkeit der Beobachtungen erzielt. In Wien, wo nur der Zeitpunkt
des Beginnens der Fruchtreife angemerkt worden ist, ist das Intervall
zwischen Blüthe und Fruchtreife kürzer, als an den meisten übrigen
angestellten Vegetationsbeobachtungen. 313
Orten. Die Zeit der Fruchtreife stimmt dann auch besser zur Zeit
der Blüthe, welche ebenfalls dann angemerkt wird, wenn eine oder
einige wenige Blüthen im Allgemeinen, nicht an allen einzelnen Pflan-
zen, ganz entwickelt sind. Man merkt z. B. die Blüthe des Roggens
(Secale cereale) dann an, wenn an einer oder einigen wenigen Ähren
im ganzen Beobachtungsbezirke die Staubfäden erscheinen, daher
auch die Samenreife, wenn an einer oder einigen wenigen Ähren
die Körner die Keimfähigkeit erlangt haben. Das Intervall zwischen
Blüthezeit und Samenreife wird nahezu dem mittleren Verhalten
aller Pflanzen der beobachteten Art entsprechend sein.
Laubfall.
„Wenn alle Laubblätter wenigstens an einem Baume abgefallen sind.“
Der Laubfall im Herbste, welcher an Holzgewächsen zu beob-
achten ist, geht selten regelmässig und allmählich vor sich, son-
dern erleidet gewöhnlich Störungen, welche bewirken, dass er bald
früher, bald später sein Ende erreicht. Eine anhaltend niedrige
Temperatur bei ruhiger Luft verzögert ihn in demselben Grade,
als ihn eine ungewöhnlich hohe Temperatur bei bewegter
Atmosphäre beschleuniget.
Solche Ursachen stören nur dann die Verhältnisse, welche sich
herausstellen, wenn man die Daten verschiedener Orte vergleicht,
wenn sie nur local auftreten und nicht allgemein verbreitet sind. Ist
in den normalen klimatischen Verhältnissen eines Ortes ein Grund
vorhanden, dass hier bei einer Baumgattung die Entlaubung früher
stattfinde, als an einem anderen, so wird dies auch geschehen, wenn
an beiden Orten übereinstimmende ausserordentliche Verhältnisse
stattfinden, z. B. eine anhaltende kühle oder warme Temperatur.
Die Hauptquelle der Störungen sind vielmehr ausserordentliche
Erscheinungen, welche nur local auftreten und schnell vorübergehen,
z. B. einzelne Stürme, Fröste u. s.w. Ein einziges Ereigniss dieser
Art reicht oft hin, um die meisten Bäume binnen kurzer Zeit ihres
Laubschmuckes ganz zu berauben, während sie denselben an anderen
Orten, welche von dem Ereignisse verschont blieben, noch mehr oder
‚weniger lange Zeit behalten.
Wir wollen nun einige Vergleichungen der Zeiten anstellen, zu
welchen an verschiedenen Stationen die vollständige Entlaubung statt-
gefunden hat.
314
Fritsch. Resultate der im Jahre 1854
Entlaubung der Rosskastanie (Aesculus Hippocastanum) :
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Es stellt sich heraus, dass die Entlaubung an den verschie-
denen Orten auf einen viel engeren Zeitraum beschränkt ist, als
andere Stadien des Pflanzenlebens, wie die Belaubung, Blüthe und
Fruchtreife, ein Beweis, dass sie nicht weniger durch andere Fac-
toren, als durch klimatische Verhältnisse bestimmt wird.
315
angestellten Vegetationsbeobachtungen.
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327
angestellten Vegetationsbeobachtungen.
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328 Fritsch. Resultate der im Jahre 1854 angestellten Vegetationsbeobachtungen.
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Türek. Beobacht. über das Leitungsvermögen d. menschl Rückenmarkes. 329
Beobachtungen über das Leitungsvermögen des menschlichen
hückenmarkes.
Von Med. Dr. Ludwig Türck.
(Mit I Tafel.)
Die Experimente, welche am lebenden Thiere angestellt wurden,
um die Leitungsvorgänge im Rückenmarke zu ermitteln, können
beim Menschen zum Theil durch die klinische Beobachtung solcher
Fälle ersetzt werden, in welchen Segmente des Rückenmarkes patho-
logisch-anatomische Veränderungen eingegangen sind.
Hierbei tritt an die Stelle der partiellen künstlichen Trennungen
am Thiere die Erkrankung einzelner Stellen des menschlichen
Rückenmarkes; in beiden Fällen hat man zu untersuchen, wie sich
Sensibilität und Motilität in den unterhalb gelegenen Theilen ver-
halten. |
Wenn aber ein Krankheitsfall in der angedeuteten Richtung
brauchbar sein soll, so sind meiner Meinung nach hierzu folgende
Bedingungen erforderlich:
1. Muss in einem durch den Krankheitsherd geführten Quer-
schnitt der absolute Mangel der leitenden Elemente, d. i. der Nerven-
röhren und in der grauen Substanz, auf welche sich jedoch meine
‚ Beobachtungen nicht erstreeken, auch der Nervenzellen constatirt
sein; denn nur dadurch weiss man, dass das erkrankte Rücken-
markssegment leitungsunfähig geworden ist, und lässt sich auf das
Leitungsvermögen der unversehrt gebliebenen Theile ein Schluss
ziehen 1). Es kommen häufig alte intensive partielle Erkrankungen
1) Fälle, in denen ich die Nervenröhren nur bis zu einem Minimum vermindert fand,
wurden daher unter die nachfolgenden Beobachtungen nicht aufgenommen. Ganz
ungenügend ist der von Dr. Marcel in Nr. 52 des Jahrganges 1854 der Gazette
medicale de Paris mitgetheilte Fall einer sogenannten weissen Rückenmarkserwei-
chung für die daraus auf Leitung der Sensibilität durch die Hinterstränge gezogenen
Schlüsse, indem hier die mikroskopische Untersuchung gänzlich fehlt, und es
nieht unwahrscheinlich ist, dass neben einem gewiss vorhanden gewesenen,
Jedoch wohl nur bei genauerer Untersuchung zu ermitteln gewesenen Rückenmarks-
leiden die sogenannte weisse Rückenmarkserweichung, wie dies so oft geschieht,
künstlich bei der Herausnahme des Rückenmarkes erzeugt wurde.
330 Türek. Beobachtungen über das
des Rückenmarkes vor, die so genannten Schwielen, welche mitunter
durch ihre graulich röthliche Farbe schon für das unbewaffnete
Auge in auffallender Weise von der Umgebung abstechen, und
dennoch weist das Mikroskop nicht selten eine beträchtliche Anzahl
von Nervenröhren in ihnen nach. Es ist demnach die mikroskopische
Untersuchung bei jeder noch so intensiven und noch so alten
Erkrankung unerlässlich, und zwar muss sie sich stäts über den
ganzen Querschnitt erstrecken, da das Verhalten der Nervenröhren
an verschiedenen Stellen eines solchen ein verschiedenes sein kann.
Da insbesondere in älteren derleiSchwielen öfter ein feinfaseriges
Gewebe vorkommt, welches die Nervenröhren zum Theil verbirgt,
so wird dadurch eine zweite Untersuchung nothwendig, in welcher
man die mittelst einer feinen nach der Fläche gekrümmten Scheere
abgehobenen Stückehen mit Kalilösung befeuchtet, um jenes Faser-
gewebe aufzulösen, oder durchsichtig zu machen.
Erst wenn dadurch keine Nervenröhren zum Vorschein kommen,
darf man sich des Fehlens derselben versichert halten.
2. Muss der Kranke kürzere Zeit vor dem Tode auf das Verhal-
“ ten der Sensibilität und Motilität untersucht worden sein.
3. Der Krankheitsprocess muss ein alter sein. Dadurch wird der
Übelstand aufgewogen, dass man fast nie in die Lage kommt, genaue
Beobachtungen in den allerletzten Tagen oder Stunden der Krankheit
anzustellen. Bei einer alten Rückenmarkskrankheit, deren Erscheinun-
gen seit Monaten stationär bleiben, und wo der Tod nicht etwa durch
ein Weiterschreiten des Rückenmarksleidens, sondern durch andere
Krankheiten als z.B. hypostatische Pneumonie, Resorption aus jauchen-
dem Deeubitus, Durchfall erfolgt, lässtsich nicht annehmen, dassin den
letzten Lebenstagen bis dahin erhaltene Nervenröhren untergegangen
sein sollten. Bei frischeren Fällen darf man dies wohl voraussetzen;
solche habe ich daher auch bei der vorliegenden Mittheilung ausge-
schlossen. Man kann aber endlich sicher sein, dass die Nervenröhren
in den Schwielen nicht etwa erst nach dem Tode zu Grunde gehen;
denn sie erhalten sich daselbst, wie man sich durch längere Auf-
bewahrung überzeugen kann, noch mehrere Tage nach dem Tode
eben so gut, als anderwärts.
Nachdem ich in den letzteren Jahren bemüht war, die auf
meiner Abtheilung des k. k. allgemeinen Krankenhauses vorgekom-
menen Fälle in der angegebenen Weise zu benützen, erlaube ich mir
|
nn
Leitungsvermögen des menschlichen Rückenmarkes. 331
die geringe Zahl der den aufgestellten Bedingungen entsprechenden
Beobaehtungen im Nachfolgenden mitzutheilen :
Der erste später noch einmal anzuführende Fall betraf einen im
October 1850 verstorbenen 35jährigen Mann (Josef Weinberger),
welcher mehrere alte Schwielen im Rückenmarke darbot, deren eine
an der rechten Seite des Halstheiles unterhalb der Insertion des
A. Halsnerven beginnend bis unterhalb jene des 6. Halsnerven reichte.
Sie war von schmutzig-röthlich-graulicher Farbe, in dünnen Schich-
ten schwach durchscheinend, von derber Consistenz, gegen die
Umgebung grösstentheils scharf abgegrenzt. Unter dem Mikroskope
bot sich ein feinfaseriges Gewebe dar. In einem durch sie zwischen
der 5. und 6. Halsnerveninsertion geführten Querschnitte zeigte sich
im ganzen rechten Hinterstrang auch nach Behandlung mit Kalilösung
keine Spur von Nervenröhren.
Der Kranke gab in den letzteren Monaten seines Lebens am
rechten Unterschenkel ein vermindertes Perceptionsvermögen gegen
Kälte an, welches ohne Zweifel einer ähnlichen an den Insertions-
stellen der obersten Lendennerven vorgefundenen Erkrankung zuge-
sehrieben werden muss; abgesehen davon, bot er bei wiederholter,
das letzte Mal 18 Tage vor dem Tode gepflogener Untersuchung,
vielleicht mit Ausnahme einzelner Stellen der nicht ganz genau unter-
suchten Hände und Finger nirgends Anästhesie dar. Er starb wahr-
scheinlich in Folge von Eiterresorption.
Ein zweiter Fall betrifft einen im Juli 1854 verstorbenen
20jährigen Tischlergesellen (Eduard Scheiner), bei welchem sich
nebst ähnlichen und auch jüngeren Processen an anderenStellen eine
ältere röthlich-grauliche Schwiele an den inneren Segmenten der
- Hinterstränge des Halsmarkes befand, welche von der Insertionsstelle
des 5. bis über jene des 6. Halsnerven reichte. Auf einem zwischen
diesen beiden Insertionen geführten Querschnitte fehlten die Nerven-
röhren aueh nach Behandlung mit Kali gänzlich (s. Fig. 1), während
sie an der Insertion des 6. Halsnerven in geringer Zahl vorhanden
waren.
18 Tage vor dem Tode war die Sensibilität gegen Berührung
im Verbreitungsbezirke des 5. und 6. Halsnerven der einen Seite nor-
mal, während sich die Anästhesie der unterhalb gelegenen Theile,
so wie aueh der zweiten oberen Extremität aus anderen jüngeren
Krankheitsherden erklärte. |
332 Türck. Beobachtungen über das
In diesen beiden Fällen hatte also dasFehlenderNervenröh-
ren durch die ganze Dicke eines oder an den inneren
Abschnitten beider Hinterstränge keine Anästhesie
unterhalb zur Folge gehabt; womit die von mir an Kaninchen
gemachte Beobachtung übereinstimmt, dass nach gänzlieher Trennung
der Hinterstränge keine merkbare Anästhesie in den hinter der
Trennung gelegenen Theilen eintritt.
(S. Ergebnisse physiologischer Untersuchungen über die
einzelnen Stränge des Rückenmarkes im Aprilhefte des Jahr-
ganges 1851 der Sitzungsberichte.) |
Die nachfolgenden Beobachtungen werden darthun, dass
durch den vollkommenenMangel der Nervenröhren in
einem sehr beträchtlichen Theileines Seitenstranges
und in den Vordersträngen keine Anästhesie unter-
halb gelegener Theile gesetzt wird.
Die bezüglichen Fälle sind der bereits angeführte des Joseph
Weinberger, in welchem eine in der Gegend der Insertion des
2. Halsnerven auf den hinteren Abschnitt des rechten Seitenstranges
treffende alte Schwiele im Querschnitt nach Behandlung mit Kali
keine Nervenröhren darbot. (S. Fig. 2.)
Der Verbreitungsbezirk des 2. Halsnerven war nicht auf seine
Sensibilität untersucht worden, es fand sich aber 18 Tage vor dem
Tode keine Anästhesie der tiefer unterhalb gelegenen Theile vor,
abgesehen von einer geringen, wie bereits erwähnt, in einem an-
deren Krankheitsherde gegründeten Anästhesie des rechten Unter-
schenkels.
In einem anderen Falle (Theresia Grubinger, gestorben im
November 1851) von alten, graulich-röthlichen Schwielen an mehre-
ren Stellen des Rückenmarkes und Gehirnes fehlten im Querschnitte
durch eine derselben zwischen der Insertion des 7. und 8. Brustner-
ven die Nervenröhren auch nach Behandlung mit Kali gänzlich, und
zwar im grössten Theil des rechten Seitenstranges, in beiden Vor-
dersträngen und im vordersten Abschnitte des linken Seitenstranges
(s. Fig. 3). Auch hier war bei wiederholter und noch 7 Tage vor
dem Tode vorgenommener Untersuchung keine Anästhesie tiefer
gelegener Theile zu ermitteln.
Diese Fälle stehen mit Experimenten an Thieren im Ein-
klange. Nach meinen Versuchen bewirkt die theilweise Trennung
Leitungsvermögen des menschlichen Rückenmarkes. 21345,
des einen Seitenstranges, — und nur sie allein — Anästhesie auf
der entgegengesetzten Seite unterhalb der Trennung, jedoch nicht
constant, und meist binnen 24 Stunden wieder vorübergehend, und
die Trennung der Vorderstränge ist, wie bekannt, ohne allen Einfluss
auf die Sensibilität. (S. Sitzungsberichte l. c.)
Bezüglich der Leitung des motorischen Impulses durch das
Rückenmark kann ich nur den schon früher benützten Fall der
Theresia Grubinger anführen, in welchem am Ursprunge des
Plexus brachialis und zwar oberhalb der Insertion der überwiegen-
den Mehrzahl seiner motorischen Fasern an beträchtlichen
Abschnitten der Seitenstränge die Nervenröhren
gänzlich in alten Schwielen untergegangen waren,
ohne dass in der letzten Zeit des Lebens Motilitäts-
störungen an den oberen Extremitäten zugegen gewesen wären.
Auch hier wurde die Abwesenheit der Nervenröhren nach Anwendung
einer Kalilösung constatirt. (S. Fig. 4, 5, 6.)
In meinen angeführten Versuchen an Kaninchen trat selbst nach
vollkommener Trennung eines Seitenstranges stäts nur eine unvoll-
kommene, bei unvollständiger Trennung mitunter binnen 24 Stunden
verschwindende Lähmung der oberen oder beider gleichnamigen
Extremitäten ein. (]. c.)
Wenn nun aus den vorliegenden Beobachtungen ersichtlich ist,
wie durch ausgebreiteten Mangel der Nervenröhren in verschiedenen
Bezirken der Marksubstanz noch keine merkbaren Störungen der
Sensibilität und Motilität bedingt werden, so steht damit nicht im
Widerspruche, dass anderseits Krankheitsherde des Rückenmarkes,
in denen die Nervenröhren nicht untergegangen sind, und zwar ins-
besondere in ihren früheren Stadien , intensive, ausgebreitete
Störungen der Sensibilität und Motilität zu setzen vermögen, oder
dass in Fällen, wo auch einzelne Spinal-Nervenursprünge in den
Krankheitsherd hineingezogen wurden, im Gebiete dieser
Nerven Anästhesie oder Lähmung auftritt, während für die unter-
halb gelegenen Körpertheile die Leitung der Sensibilität und
Motilität ebenso wenig eine Unterbrechung leidet, als in den obigen
Fällen.
Anhangsweise erlaube ich mir noch dasNachfolgende — obwohl
in einem wesentlichen Punkte mangelhafte aus dem Befunde des
Joseph Weinberger anzuführen:
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVI. Bd. II. Hft. 22
334 Türck. Beobachtungen über das
An jeder Seite des Halsmarkes fand sich eine grosse alte
Schwiele von der oben angegebenen Beschaffenheit; die der rechten
Seite begann zwischen der Insertion des 4. und 5. Halsnerven, und
reichte bis zwischen jene des 6. und 7.; die linksseitige begann an
der Insertion des 6. und endete unter jener des 8. Halsnerven.
(S. Fig. 7.)
In einem zwischen der Insertion des 5. und 6. Halsnerven geführ-
ten Querschnitte nahm die obere Schwiele mehr als die rechte Hälfte
des Rückenmarkes in ihrer ganzen Dicke (s. Fig. 8) und in einem
zwischen der Insertion des 6. und 7. Halsnerven geführten Quer-
schnitte die untere Schwiele mehr als die ganze linke Hälfte ein. _
(S. Fig. 9.) Leider fand ich in meinen Aufzeichnungen über den
mikroskopischen Befund dieser Schwielen nur die im Obigen benützte
Bemerkung, dass bei gänzlichem Fehlen der Nervenröhren im ganzen
rechten Hinterstrange der oberen Schwiele dennoch keine merkbare,
davon abhängige Anästhesie zugegen war.
Über das Verhalten der Nervenröhren an dem übrigen Theile
dieses Querschnittes fand ich nichts mehr vor; es ist jedoch wahr-
scheinlich, dass sie daselbst so wie auch in der zweiten nach dem
Krankheitsverlaufe älteren Schwiele beträchtlich vermindert waren,
und dennoch fand bei der Gegenwart so ausgebreiteter und so nahe
an einander gerückter Krankheitsherde nach Ablauf der früheren
Periode keine namhafte Anästhesie der unterhalb gelegenen Theile
und eine nur unvollkommene Lähmung der oberen Extremitäten Statt.
Abgesehen von einer Lähmung der Streckmuskeln der rechten oberen
Extremität, vollführte der Kranke alle Bewegungen beider oberen
Extremitäten rasch in grossen Exeursionen; nur bei kleineren combi-
nirten Bewegungen zitterte er bedeutend, und vermochte desswegen
z. B. keinen vollen Löffel zum Mund zu bringen; die vordere Brust-
wand wurde bei der Inspiration vollkommen gut gehoben. Die
Lähmung der unteren Extremitäten war in Erkrankung der unteren
Abschnitte des Rückenmarkes gegründet. |
Türck. Leitungsvermögen des menschl. Rückenmarkes.
Aus d. k.k. Hof-u. Staatsdruckerei.
Sitzungsb. d.k. Akad. d.W. math. naturw. Cl. XVIBd.2 Heft. 1855.
- Leitungsvermögen des menschlichen Rückenmarkes. 335
Erklärung der Abbildungen.
In den ersten sechs Querschnitten entspricht der rechte Rand der Figur
der rechten, der linke Rand der Figur der linken Seitenfläche des Rückenmarkes,
hh den hinteren, »v den vorderen Nervenwurzeln.
Die 3.—6. Figur wurden ganz genau nach den Präparaten abgemessen.
Auf der 1.—6. Figur entsprechen die geschwärzten Stellen den Durch-
schnitten durch die Schwielen. Im ganzen Umfange dieser Stellen war mit Aus-
nahme von 5b der 5. Figur zugleich ein gänzliches Fehlen der Nervenröhren
nachgewiesen worden. Auf der 7.—9. Figur bezeichnen die geschwärzten Stel-
len nur den Umfang der Schwielen.
Die der Mitte einer Nerveninsertionsstelle näher gelegenen Querschnitte
wurden als durch die Insertionsstellen geführte, die entfernter gelegenen als
zwischen zwei Insertionsstellen geführte angegeben.
Figur 1. Durchschnitt zwischen der Insertion des 5. und 6. Halsnerven. (Eduard
Scheiner.)
» *%. Querschnitt durch die Insertionsstelle des zweiten Halsnerven. (Joseph
Weinberger.)
» 3. Querschnitt zwischen der Insertion des 7.und 8.Brustnerven. (Theresia
Grubinger.)
» %. Querschnitt durch die Insertionsstelle des 5. Halsnerven. (Theresia
Grubinger.)
» 5. Querschnitt zwischen der Insertion des 5. und 6. Halsnerven. (Theresia
Grubinger.) In der Schwiele « fehlten die Nervenröhren gänzlich,
in der Schwiele 5 waren sie bis zu einem Minimum vermindert.
» 6. Querschnitt zwischen der Insertion des 7. und 8. Halsnerven. (Theresia
Grubinger.)
» 1. Ansicht der Vorderfliäche des Halsmarkes des Joseph Wein or erger.
Die Ziffern bezeichnen die entsprechenden Halsnervenpaare.
Die beiden folgenden Abbildungen, welche Durchschnitte durch die zwei
Schwielen dieses Halsmarkes darstellen, sind zur leichteren Vergleiehung mit
der 7. Figur in einer von jener der früheren Querschnitte verschiedenen Stellung
entworfen worden, so dass der obere Rand der Figur der Vorderfläche, der
untere Rand der Hinterfläche des Rückenmarkes entspricht, der rechte Rand der
Figur die linke Seitenfläche, und der linke Rand der Figur die rechte Seiten-
fläche des Rückenmarkes bezeichnet.
Die 8. Figur stellt einen Querschnitt zwischen der Insertion Bel 5. und 6,
Halsnerven, die 9. einen solehen zwischen der Insertion des 6. und 7. Hals-
nerven dar.
22 *
336 Pre, t#enrrsi
Die Nerineen des oberen ae in Österreich.
Von Dr. Karl F. Peters. |
(Mit IV Tafeln.)
(Vorgelegt in der Sitzung vom 26. April 1855.)
Das Studium der oberen Juraschichten in den nordöstlichen
Alpen hat mit der von Jahr zu Jahr erfreulicher fortgeschrittenen
Erforschung der älteren Gebilde nicht ganz gleichen Sehritt
gehalten. In Anbetracht der Vereinzelung der Ablagerungen, des im
Allgemeinen diseordanten Verhältnisses zu ihrer, den verschiedensten
Formationsgliedern angehörigen Unterlage, der Störungen, welche
sie mit diesen und mit den ihnen sehr innig verbundenen Neocomien-
schichten . gemeinschaftlich erfahren haben, und durch welche sie
theils in Thäler versenkt, theils als schroffe Gipfel isolirt wurden,
in Anbetracht endlich ihrer Armuth an Versteinerungen wird jeder
Kenner unserer Alpen diesen Mangel mit Nachsicht beurtheilen.
Bei den Aufnahmsarbeiten der k. k. geologischen Reichsanstalt
‚konnte an eine, in der ganzen nordöstlichen Alpenkette streng
durehzuführende Sonderung der einzelnen Glieder des Schichten-
complexes, welchen wir als oberen Jura zusammenzufassen Grund
hatten, nicht gedacht werden. Sie ist selbstverständlich Gegenstand
von Speeialuntersuchungen, deren Resultate der vorgenannten Schwie-
rigkeiten wegen nur langsam reifen können.
Wie wenig Material zur Kenntniss dieser Schiehten noch vor
Kurzem zu Tage gefördert war, zeigt v. Hauer’s Abhandlung
„Über die Gliederung der Trias-, Lias- und Juragebilde in den nord-
östlichen Alpen“ im Jahrbuche der k. k. geolog. Reichsanstalt 1853,
IV. Heft, Seite 715. (Vergl. Seite 761 u. ff.)
Im westlichen Theile des bisher untersuchten Terrains, in den
Salzburger Alpen, herrscht eine ziemliche Einförmigkeit der oberen
Juraschichten. Der rothe hornsteinreiche Kalk, welcher in der näch-
sten Nachbarschaft auf baierischem Gebiete (bei Ruhpolding) Ammo-
nites biplex Sow., A. bifurcatus Quenst., Aptychus latus nebst
no
„inIpin
Die Nerineen des oberen Jura in Österreich. 331
einem imbrieaten Aptychus führt 1) und wahrscheinlich zwei zu
trennende Schichten umfasst, setzt im Salzburgischen nicht über die
Saale fort; graue Kieselkalke und Kalkschiefer mit denselben Aptychen,
weleheLipold in mehreren Aufsätzen ?) unter dem Namen „Aptychen-
kalk des Jura“ oder „Schichten von Oberalm“ beschrieben hat, und
welche wir als ein Äquivalent des weissen Jura von Schwaben und
Franken ansehen, vertreten an der Salzach allein den oberen Jura.
In Ober- und Niederösterreich zeigte sich schon einige Mannig-
faltigkeit in diesen Schichten, welche uns vermuthen liess, dass hier
ausser der noch nicht genau bestimmten Etage, welcher der Kalk
zwischen St. Veit, Lainz und Hietzing bei Wien mit Aptychus latus
Voltz, Aptychus profundus Voltz, Aptychus depressus \ oltz,
und mehrere einzelne Partien am Nordabhange der niederöster-
reichischen Alpen angehören, noch andere Glieder des oberen Jura
vertreten sind ?).
Vor Allem erregte der Nerineenkalk, welcher denPlassen-
berg bei Hallstatt bildet, und auch am Sandling bei Aussee
von Simony und von Lipold gefunden wurde, unsere Aufmerk-
samkeit, und damit auf dem für die Geologie der Alpen classischen
Boden eine Schicht nicht länger ganz unbekannt bleibe, unternahm
ich die Untersuchung ihrer Versteinerungen, eine, der mechanischen
Schwierigkeiten wegen ziemlich mühevolle Arbeit.
Im Verlaufe derselben veranlasste mich die Identität mehrerer
Arten, insbesondere der Nerineen, mit den von Zeuschner
beschriebenen Versteinerungen des Kalkes von Inwald, südwestlich
vonKrakau und mit den nächst Stramberg beiNeutitschein
in Mähren vorkommenden, die merkwürdige Reihe von Kalkfelsen,
die sich von Niederösterreich aus am Nordrande der Karpathen weit -
nach Galizien hinein verfolgen lässt, einigermassen mit in den Kreis
meiner Betrachtung zu ziehen.
1) Emmrich, im Jahrbuche d.k. k. geol. Reichsanstalt. 1853, II, S. 387.
2) Neuerlich imJahrbuche d. k. k. geol. Reichsanstalt. 1854, III, S. 590, vgl. S. 594.
3) Behufs der Unterscheidung dieser Etage von dem unteren Neocomien, der in
der Regel auch nur. Aptychen führt, habe ich im vorigen Jahre eine Reihe von
Aptychenformen, welche sich durch ihr Vorkommen mit Aptychus Didayi Coqd.
als Neocomien - Versteinerungen erwiesen, in einer Notiz festgestellt (Jahrb. d.
k. k. geol. Reichsanstalt. 1854, II, S. 439), woraus sich auch ergab, dass die in
der älteren Abtheilung des „Wiener Sandsteins“ lagerweise vorkommenden Kalk-
schiefer, nicht mit dem Kalke von St. Veit in Verbindung gebracht werden dürfen,
sondern wirklich Neocomien sind,
338 Peters.
Über den Plassenkalk gibt es, unbestimmte Vermuthungen
abgerechnet, keine Literatur. Was ich über Lagerungsverhält-
nisse mittheilen werde, verdanke ich nebst eigener flüchtiger
Anschauung mündlichen Mittheilungen der Herrn Fr. v. Hauer und
E.Suess und der von Herrn Lipold ausgeführten Kartenaufnahme.
Über die mährisch-galizischen Kalke dagegen haben
mehrere Geologen, namentlich die Herren Boue&, Beyrich,
Glocker, Hohenegger, Pusch und Zeuscehner ihre Ansich-
'ten ausgesprochen. |
Mich fast ausschliesslich auf die Untersuchung der
Nerineen beschränkend, von welchen mir überdies aus Mähren
und Galizien kein sehr reiches Material za Gebote stand, kann ich
für die geologische Bestimmung dieser verschiedentlich gedeuteten
Schichten nur ein geringes Gewicht in die Wagschale legen.
Überhaupt gebot die geringe Zahl der identifieirbaren Arten die
grösste Vorsicht in Parallelisirungsversuchen.
Der Plassen bei Hallstatt. Nordwestlich von Hallstatt
erhebt sich über der Stufe des Salzberges, wo der berühmte Cepha-
lopodenkalk des Sommerau- und Steinbergkogels das Salzgebirge
überlagert, ein schroffer Kalkgipfel, der 6174 Fuss hohe Plassen
oder Blossenstein, welcher schon von Weitem durch seine lichte _
Farbe von den benachbarten Gebirgen sich auszeichnet.
Von den Berghäusern, 1299:36 Meter Meereshöhe nach L. v.
Buch, 3996 Fuss nach Weidmann, am Steinbergkogel vorbei,
das anfangs wenig steile östliche Gehänge des Berges ersteigend
trifft man bald zahlreiche Blöcke seines Gesteines, welche reich an
Petrefacten sind. Aus ihnen stammt auch der grösste Theil des von
mir benutzten Materiales.
Höher findet man den Kalk anstehend doch nicht deutlich
geschichtet, ebensowenig an der nördlichen und südlichen Seite, wo
man den Gipfel umgehend ins Gosauthal gelangen kann. Auf dem
Wege nördlich vom Salzberge haben die Herren v. Hauer und
Suess die bunten Schiefer (Werfener Schichten) anstehend
beobachtet, und auf der Klausalpe, wo man sich bereits gegen die
Gosau wendet, über jenen den rothen Crinoidenkalk, der unter dem
Namen „Klausschichten* — nach der Klausalpe im Echernthale
südlich von Hallstatt so genannt — beschrieben und als ein Äqui-
valent des braunen Juras gedeutet wurde. Diesen, nur in geringer
Die Nerineen des oberen Jura in Österreich. 339
Verbreitung erhaltenen Schichten ist der Plassenkalk, wahrscheinlich
unmittelbar, aufgelagert. Im übrigen Nordumfange mag er theils
auf dem Cephalopodenkalk, theils auf dem Salzgebirge ruhen,
an der ' westlichen Seite aber hat Herr Lipold nur den „Dach-
steinkalk“ (unteren Lias) als Liegendes- gefunden.
Das Gestein ist zum Theil ein blendend weisser breecien-
artiger, zum Theil ein gelblicher oder bräunlicher dichter Kalk.
Der erstere besteht ganz und gar aus Rollstücken von dichtem
weissen oder gelblichen Kalk und von organischen Resten, welche
durch die späthige Beschaffenheit des Versteinerungsmittels selbst an
frischen Bruchflächen wahrnehmbar sind. Das Cement ist ein meist
sehr feinkörniger, nur in den Hohlräumen der Versteinerungen
gröber ausgebildeter Kalk. Eine oolithische Structur kommt an
diesem Gestein nicht vor, wenngleich die dichtgedrängten Rollstücke,
welche in ihrer Grösse von der eines Mohnkornes bis zu 1!/, Zoll im
Durchmesser wechseln, den feiner zusammengesetzten Partien ein
oolithähnliches Ansehen verleihen.
Der dichte Kalkstein enthält Kalkspath nur in den Schalenresten
welche mitunter ziemlich häufig, doch nie so dieht gedrängt, auch
nie so stark abgerollt sind, wie in dem breecienartigen Kalk. Nichts
destoweniger sind sie aus letzterem viel leichter auszubringen.
Diese Gesteine haben die grösste Ähnlichkeit mit dem Kalk von
Inwald 1), nur ist das Kalksteinconglomerat von da minder fest,
die Gewinnung der Petrefacten, welche darin nicht besser erhalten
sind als am Plassen, demnach minder schwierig. Über ihre Ver-
theilung in dem nahezu 1500 Fuss mächtigen Schichteneomplex des
Plassen habe ich nichts verlässliches erfahren können, doch vermuthe
ich, dass der breeeienartige Kalk ähnlich wie bei Inwald unter-
geordnet in dem Dichten vorkommt.
Am Sandling bei Aussee liegen nach der Angabe Lipold's
die oberen Juragebilde durchwegs auf Liaskalken. Die Nerineen-
schiehten scheinen hier nicht die einzig vorkommenden zu sein, viel-
mehr geht aus Lipold’s Beobachtung hervor, dass Kalke, welche
1) Geognostische Beschreibung des Nerineenkalkes von Inwald und Roezyny
‘ von Zeuschner. Naturwissenschaftliche Abhandlungen, herausgegeben von Hai-
dinger. 1850, III. Bd., 1. Abtheilung, S. 133, vgl. S. 136.
340 Peters.
den Aptychenschichten entsprechen dürften, doch nicht hinrei-
chend durch Petrefacte charakterisirt sind, die Hauptmasse aus-
machen. |
Östlich von diesen beiden Gipfeln hat man in den Alpen wohl
an vielen Stellen die Aptychenkalke angetroffen, doch den, schon
petrographisch kenntlichen Nerineenkalk weisen unsere Sammlungen
von daher nicht auf. /
Erst ausserhalb der Alpen, im nordöstlichen Theil von Nieder-
österreich und im südlichen Mähren, treten die ihm entspre-
chenden Schichten des oberen Jura als Inselberge, einzeln und
reihenweise aus den tertiären Ablagerungen hervor. Graf Rasou-
mowsky gab schon im Jahre 1830 (Isis, Seite 143—162, und
Jahrbuch für Mineralogie ete., 1831, Seite 212) einige Notizen über
den Kalk von Ernstbrunn und die darin vorkommende Diceras. Auch
in den Schriften von Bou& und Partsch wird derselbe besprochen
und in neuerer Zeit hat Dr. Ferstl von Förstenau 1) eine ausführ-
lichere Beschreibung des niederösterreichisch-mährischen Jurakalk-
zuges sammt einer Liste der daraus bekannten Versteinerungen
gegeben, durch welche diese Schichten dem Coral-rag parallelisirt
werden ?). Die Nerineen sind schlecht, in der Regel nur als Stein-
kerne erhalten, so dass ich von Ernstbrunn (Semmelberg) nur
eine Art nachweisen konnte. Bessere Stücke kenne ich von Nikols-
burg.
Absehend von den im Innern von Mähren in der Umgegend von
Brünn vorkommenden oberen Juraschichten, aus deren ziemlich
reicher Fauna mir bisher keine Nerineen bekannt wurden, wende ich
mich zudem östlichen Zuge am Nordrande der Karpathen, aus welchem
mich insbesondere zwei Localitäten interessiren, Stramberg bei
Neutitschein in Mähren und Inwald südwestlich von Krakau.
Zwei, um die Geologie der nordöstlichen Länder Österreichs
hochverdiente Gelehrte, Hohe negger in Teschen undL. Zeusch-
ner in Krakau, haben umfassende Arbeiten über diese Gebilde
1) Geognostische Betrachtungen der Nikolsburger Berge. Inaugural-Dissertation,
Wien 1845 — und Berichte der Freunde der Naturwissenschaften, I. Bd., S. 89.
2) Ein umfassendes Literatur - Verzeichniss über die mährischen Vorkommnisse gibt
Freiherr v. Hingenau. Übersicht d. geol. Verhältnisse von Mähren und Österrei-
chisch-Schlesien. Wien 1852, S. 48—50.
Die Nerineen des oberen Jura in Österreich. 341
geliefert, welche lange vorher die Aufmerksamkeit vieler reisenden
Geologen auf sich gezogen hatten.
Bekanntlich tritt der Jurakalk in der ganzen Kette, theils nörd-
lich vor den an ihm abstossenden Teschener Schiefern als schroffe
Felsmasse auf (so bei Inwald), theils ist er durch Abstürze unter
denselben entblösst oder taucht kuppenförmig aus ihnen empor (wie
in der Neutitscheiner und Teschener Gegend), stäts von discordanten
Schichten überlagert. Die Teschener Schiefer, welche Zeuschner
einst irrthümlich für Pläner nahm (Berichte der Freunde der Natur-
wissenschaften, 2.Bd., Seite 479, im Juli 1847), wurden insbeson-
dere durch die Untersuchungen Hohenegger’s als Neocomien
erwiesen. Den Jurakalk hat Zeuschner zu wiederholtenmalen als
Coral-rag angesprochen (ebenda, und in seiner oben cit. Abhandlung)
und später im Einverständniss mit Hohenegger mehrere Nerinea-
arten von Inwald und Stramberg als identisch erkannt. (Hoheneg-
- ger, in den Berichten der Freunde der Naturwiss., 6.Bd,, S. 106 —
111.) In derselben Notiz spricht Hohenegger die volle Über-
zeugung aus, dass der Kalk von Stramberg , Kozobenz, Wischlitz
u. a. O. älter ist als die Teschener Schiefer und Sandsteine und
erläutert (Seite 112) ihr gegenseitiges Lagerungsverhältniss durch -
ein sehr instructives Profi. In der neuesten Zeit aber erklärt Hohen-
egger in seiner „Geognostischen Skizze der Nordkarpathen“
(Jahrbuch der k. k. geolog. Reichsanstalt 1852, 3, Seite 135), wie
er schon in einer früheren Notiz angedeutet hat (Ber. d. Freunde
d. Naturw., 5. Bd., S. 124, Jänner 1849), den Stramberger Kalk für
Neocomien, indem er einigen, nebst echten Juraversteinerungen bei
Stramberg vorkommenden Neocomienspecies eine hohe Geltung
beimisst und die, auf die Anwesenheit der Rhynchonella lacunosa
und anderer Brachiopoden gestützten Aussprüche von Bou& (Journalde
Geologie II, Seite 280), Beyrich (Karsten’s Archiv XVII, S. 67
und II, S. 574), Glocker (Acta academ. Leopoldin. XIX, Suppl. II,
pag. 283) undanderen Gelehrten für nicht hinreichend begründet hält.
Demgemäss müssten innerhalb der Periode des Neocomien
bedeutende Schichtenstörungen eingetreten sein, welche die oben
erwähnten Lagerungsverhältnisse hervorgebracht hätten. Obgleich
dies nicht eben wahrscheinlich ist und abgesehen von unseren Alpen
(in welchen wie gesagt, auch die oberen Jura-Aptychenschichten
den Neocomiengebilden conform gelagert sind), die Thatsachen in.
342 Peters
anderen Ländern keinesweges dafür sprechen, dürfen wir die Ansicht
Hohenegger's doch nicht ohne Weiteres beseitigen.
So behauptet er unter anderm, den Ammonites Grasianus d’Orb.,
eine bisher nicht angezweifelte Neocomienspecies, in dem Stram-
berger Kalke selbst gefunden zu haben.
Weniger anstössig scheint mir das Vorkommen angeblicher
Caprotinen, hinsichtlich welcher Hohenegger im Jänner 1849
(Ber. d. Freunde d. Naturwiss.) noch im Zweifel war, ob er nicht
dennoch Diceras vor sich habe. Unter dem Materiale unserer Samm-
lungen konnte ich keine Caprotina oder Requienia erkennen, doch
muss Hohenegger’s ausgezeichnete Sammlung mehr vollkommene
oder täuschende Exemplare enthalten, welche ihm sogar die Art-
bestimmung (Caprotina Lonsdalü d’Orb.) möglich machten. Da-
gegen ist das überaus häufige Vorkommen der beiden Dicerasarten
des Corallien (D. arietina Lam., und D. Luci Defr.) im Stram-
berger Kalke durch sehr genaue Untersuchungen des Schlosses und
die Identität der Exemplare mit denen von St. Mihiel im Dep. der
Maas ausser Zweifel gestellt.
Die Nerineen von Stramberg anbelangend habe ich mich ver-
* geblich bemüht, Kreidespecies nachzuweisen; nur eine Art, die
unten besprochene N. castor d’Orb., ist einer Neocomienspecies,
der N. Renauxiana d’Orb., nahe verwandt.
Die Petrographie des Stramberger Kalkes lässt noch manches
zu wünschen übrig. Ich weiss darüber nur, dass die ganze Ent-
blössung eine deutliche Schichtung nicht aufweist und dass, im
Gegensatze zu den alpinenLocalitäten und zu demFelsen bei Inwald,
das herrschende Gestein ein viel weniger reiner, ziemlich stark
mergeliger Kalk, ohne breceien- oder conglomeratartige Structur ist.
Es wäre demnach sehr erfreulich, wenn Herr Hohenegger
die Versteinerungen des Stramberger Kalkes (unter die etwa Exem-
plare aus den benachbarten Schiefern sich einschlichen), nochmals
prüfend, die Wissenschaft durch eine Monographie dieses interes-
santen Gebildes bereichern würde.
Den Kalk von Inwald hat Zeuschner (l. ce.) so vortreff-
lich beschrieben, dass in petrographischer Beziehung darüber kaum
mehr etwas zu sagen blieb. Gegen die Parallelisirung desselben mit
dem Oalcaire a Nerinees, Thirria, in Thurmann’s Essai sur les
soulevemens jurassiques du Porrentruy lässt sich vom damaligen
Die Nerineen des oberen Jura in Österreich. 343
Standpunkte nicht viel einwenden. Da jedoch von den wenigen Ver-
steinerungen, welehe Thurmann in dem genannten Werke aus dem,
Nerineenkalk von Porrentruy anführt, nur eine Art, seine Nerinea
Bruntrutana, bei Inwald vorkommt, welche nach Quenstedt in
der ganzen Etage e des oberen Jura von Schwaben häufig ist, und von
d’Orbigny ausschliesslich den Portlandsehichten zugeschrieben wird,
muss ich die darauf begründete Schichtenparallele für etwas zu enge
gefasst erklären, um so mehr als unter den von Zeuschner nebst
neuen Arten und unbestimmbaren Resten aufgezählten Species nur
eine, Nerita costellata Münster, der zum Theil gleichzeitigen, zum
Theil nächst älteren Etage corallien eigen ist, während Astrocoenia
pentagonalis d’Orb. (Astraea pentagonalis Münster, vorkommend
bei Nattheim und Hadenheim in Würtemberg) und Cryptocoenia
limbata d’Orb. (Astraea limbata Goldf., von Gingen in Würtem-
berg) dem Terrain Oxfordien angehören. Hinsichtlich der Astarte
elegans Sow., einer Bajocienspecies, dürfte wohl eine Täuschung
in der Bestimmung obwalten.
Kürzlich ist eine neue Localität bekannt geworden, von der die
k. k. geologische Reichsanstalt eine Menge schöner Versteinerungen
erhielt, welehe mit denen von Inwald vollkommen übereinstimmen.
Sie wurden nächst dem Dorfe Richalitz, etwa 3 Meilen nordöstlich
‘von Neutitschein aus einer (gegenwärtig ganz aufgearbeiteten) losen
Kalksteinmasse gewonnen, welche vermuthlich — wie dies an meh-
reren Orten in Galizien und Schlesien der Fall war — in den
Teschener Schiefern auf secundärer Lagerstätte sich befand.
Zeuschner's verdienstliche Bearbeitung der Inwalder Ver-
| steinerungen, welche Herrn d’Orbigny wahrscheinlich zu spät
bekannt geworden ist, als dass er sie in der Pal&ontologie francaise
hätte berücksichtigen können, bildet die Grundlage meiner Unter-
suchung, welche, insoferne sie eine Kritik des gegenwärtig Bekannten
enthält, manchen Irrthümern über die Nerineen des oberen Jura in
Österreich vorbeugen möchte. |
Das gegenwärtig an Arten schon so reiche Geschlecht
Nerinea, Defrance,
erhielt dadurch abermals einen Beitrag an neuen Formen, welche
ich, die Faltenbildung im Innern der Schale wie die äussere Sculp-
tur und die Verhältnisse der Spirale gleichmässig würdigend, als
3AA Piieitse.m.s
Species aufzustellen Grund habe. Ein grosser Theil derselben ist
mir nur an Bruchstücken ersichtlich geworden, die ich ohne alle
Zuthat abbilde. Exemplare, an welchen bei eigenthümlicher Falten-
bildung die äusseren Schalentheile nicht deutlich genug waren, habe
ich im Vorhinein ausgeschieden. Dagegen konnte eine fast identische
Faltenbildung jener Formen, deren Äusseres wesentliche Unter-
schiede zeigte, mich nicht abhalten, letztere als Speciescharaktere
zu erachten.
Aus den viel umfassenden Abhandlungen und Werken von
Bronn und Voltz, von Goldfuss, d’Orbigny und Agassiz,
so wie aus den mich hier zunächst angehenden Arbeiten über die
Versteinerungen des oberen Jura und meiner eigenen Beobachtung
glaube ich in dem Geschlechte Nerinea allerdings gewisse Arten-
gruppen zu erkennen, deren Typen durch mehrere Formationsglieder
fortsezten, jedoch eine Trennung desselben in mehrere Genera
scheint immer weniger statthaft, je mehr die Zahl der Arten
anwächst. Dem Versuch einer dergleichen künstlichen Trennung von
Sharpe dürften wenige Paläontologen zu folgen geneigt sein, am
allerwenigsten wären wohl die Verhältnisse des Nabels und des
Spindelcanales zu Gattungscharakteren geeignet, indem man oft Mühe
hat, sie als Charaktere der Arten fest zu halten.
N. Bruntrutana Thurm.
Taf. 1, Fig. 13.
1830. Nerinea Bruntrutana Thurman. Mem. de Strasbourg I, pag. 17.
1835/37. _, RN Bronn. Lethaea S. 399, Taf. 21, Fig. 13.
1836. 5 5 Bronn. Im Jahrbuch S. 556, Taf. VI, Fig. 13.
1836. ’ % Voltz. Im Jahrbuch S. 542.
1841/44. „ EAN Goldf. Petref. Germ. 3. S. 40, T. 175, Fig. 5.
1850. 5 5 Zeuschner. InHaidinger’s Abhandlungen 3.Bd.,
1. Abth., S. 137, Taf. 16, Fig. 5—8.
1850. N Mandelslohi Bronn. Bei Zeuschner a.a.0., S. 137, Taf.16,
; Fig. 9—12.
1850. = Bruntrutana d’Orbigny. Prodröme de paleon, stratigr. 2,
pag. 58. Etage Portlandien (16). |
1851. Es ” Bronn. Lethaea 3. Aufl, 3. Lieferung, S. 299.
1853. 5 “ d’Orbigny. Paleont. france. Terr. jur. pag. 154,
Pl. 283, Fig. —5.
In der Darstellung, welche Bronn von dieser Nerinea gibt, lässt
er es unentschieden ob sie genabelt ist, doch in derLethza (1. Aufl.)
Die Nerineen des oberen Jura in Österreich. 3A5
‚bildet er einen Durchschnitt ab, der einen regelmässigen und ziem-
lich weiten Spindelcanal zeigt und genau dem Durchschnitte ent-
spricht, welchen Goldfuss (Fig.5, 5) zeichnet. Die N. Bruntrutana
bei Zeuschner ist ohne Zweifel nach Br o nn’s Abbildung bestimmt
worden und die von ihm dargestellten Exemplare sowie eine grosse
Anzahl der mir vorliegenden, lassen sich mit den Darstellungen von
Bronn und Goldfuss, von denen man voraussetzen darf, dass
ihnen die wahre N. Bruntrutana zu Grunde lag, ungezwungen in
. Verbindung bringen.
D’Orbigny hat in der Paleontologie francaise, diese Art in
zwei getheilt und beschreibt die ungenabelten Formen als die eigent-
liche N. Bruntrutana, die genabelten aber, welche sich sowohl in der
Form der Falten als durch völlig ebene Umgänge auszeichnen sollen,
als N. Elea d’Orb., worunter auch der von Bronn im Jahrbuche
1836, Taf. VI, Fig. 18 abgebildete Steinkern mitbegriffen ist. Ob
d’Orbigny an der nabellosen Nerinea mit stark ausgeschweiften
Umgängen einen Spindelcanal, der vielleicht gegen das Ende der Axe
obliterirt, erkannte, lässt er unberührt. Man darf dies jedoch voraus-
setzen, da mit Ausnahme der genannten Fig. 18 im Jahrbuche keine
der älteren Abbildungen auf N. Elea d’Orb., sondern alle auf N. Brun-
trutana Thurm. bezogen werden. Das prachtvolle Exemplar, wel-
ches d’Orbigny abbildet, zeigt allerdings keine Spur von einem
Nabel, doch an dem von N. Elea (Pl. 285, Fig. 2) ist er eben so
wenig ersichtlich.
Mir ist an meinem hierher bezüglichen Materiale kein unge-
nabeltesExemplar vorgekommen, dagegen einige mit wohl erhaltenem
durehbohrtem Spindelende, welche im Übrigen mit der N. Bruntru-
tana, auch wie sie d’Orbigny darstellt, so sehr übereinstimmen, dass
sie, weit entfernt eine Beziehung auf N. Elea zu gestatten, von jener
- in der Diagnose lediglich durch das Wort (non umbilicata) unter-
schieden werden könnten. Ich habe mich demnach zur Aufstellung
einer neuen Art nicht verstehen können.
Um jeden Irrthum zu vermeiden, bilde ich eines der grössten
Exemplare, welches ich aus dem Plassenkalk erhielt und eines von
gewöhnlicher Grösse ab (Taf. I, Fig. 1, 2, 3), ersteres vorzüglich
desshalb, weil es äusserlich gut erhalten, mit der Abbildung von
d’Orbigny mehr übereinstimmt als irgend eines der älteren
Darstellungen.
346 S ee
Sehr häufig bei Inwald, ziemlich häufig im Plassenkalk, bei
Nikolsburg und bei Riehalitz. Im Stramberger Kalke scheint sie sehr
selten vorzukommen. |
Die Einziehung der N. Mandelslohi Bronn bei Zeusch-
ner zu rechtfertigen, erlaube ich mir folgende Darlegung. Zeusch-
ner, welcher hinsichtlich der genannten Art mehr Gewicht auf
Goldfuss (l. e. 8.39, Taf. 175, Fig. 4) legte als auf die Darstel-
lung Bronn’s (l. e. S. 553, Taf. 6, Fig. 26), die mit der von d’Or-
bigny (Terr. jur. pag. 105, Pl. 260) so wie mit den mir vorliegen-
den Exemplaren von Nattheim vollkommen übereinstimmt, hat gewisse
Exemplare von Inwald als N. Mandelslohi Bronn angesprochen.
Goldfuss beschreibt sie folgendermassen: „langkegelförmig, gena-
belt mit ebenen, glatten, dicht an einander schliessenden Umgängen,
die jedoch an den Näthen einen flach erhabenen Wulst
und auf der Zwischenfläche eine schwache Vertiefung bilden“. In der
Diagnose gebraucht er dagegen die Worte: „Anfractibus converius-
culis laevibus,“ die Abbildung entspricht dem Wortlaut der Beschrei-
bung nur hinsichtlich der letzteren Umgänge, während an den alten
Umgängen die Vertiefung nieht mehr in der Mitte sondern an der
Nath erscheint. Die Vermittlung stellt ein ganz ebenflächiger Um-
gang her. Da nun die wahre N. Mandelslohi leicht convexe Umgänge
mit vertieften Näthen hat, ein im Geschlechte Nerinea seltener Fall—,
muss ich annehmen, dass Goldfuss (Münster) entweder in der
Auffassung des offenbar nicht gut erhaltenen Exemplares der N. Man-
delslohi ivrte, oder dass seiner Darstellung eine stark abgeriebene
N. Bruntrutana Thurm. zu Grunde lag. .
Zeuschner gibt den Text von Goldfuss mit anderen mehr
prägnanten Worten wieder, der Art, dass dessen Irrthum sich nur
vergrössert und eine Form als N. Mandelslohi angesprochen wird,
welche der wahren ganz entgegengesetzt ist. Die Abbildungen,
welche Zeuschner davon gibt (Fig. 9—11), vermag ich nicht von
denen der N. Bruntrutana (Fig. 6 und 8) zu unterscheiden. Ist gleich _
bei der ersten (Fig. 12) der Hohlraum der Umgänge mehr von oben
nach abwärts zusammengedrückt als bei der letzteren (Fig. 7), so
gibt es doch eine Menge von Mittelformen und liegt darin keineswegs
der Charakter der N. Mandelslohi. Dieselbe kommt demnach bei
Inwald nicht vor, ebensowenig als am Plassen oder an einer andern
mir bekannten österreichischen Localität.
Die Nerineen des oberen Jura in Österreich. 347
N, Carpathica Zeuschner.
Taf. I, Fig. 4—6.
GeognostischeBeschreibung des Nerineenkalkes von Inwald u. s. w. Abhandlun-
gen, gesammelt von Haidinger. Wien 1850, III. Bd., I. Abth., S. 137,
Taf. XVII, Fig. 1—4.
N. testa conica, umbilicata, spira angulo 26— 31°; anfractibus
fere planis, inferne') limbatis, gradatis; apertura qua-
drangulari, plicis: labro 2, columella 3, complicatis.
Der Spiralwinkel hat eine Öffnung von 26 bis 31 Graden und
scheint sogar noch grösseren Schwankungen zu unterliegen (vergl.
bei Zeuschner Fig. 2); dieLänge des Gehäuses ist demnach sehr
verschieden, 60 bis über 80 Millim.
Das Gehäuse ist kegelförmig, in den Varietäten mit grösserem
Spiralwinkel kurz (Taf. 1, Fig. 4, 5), in der Regel weit genabelt. Die
mittleren Umgänge sind eben, schwach quergestreift (d. i. senkrecht
auf die Axe der Spirale), am unteren Rande mit einem wulstig aufge-
worfenen Saum versehen, welcher allmählich in die Fläche des nächst-
folgenden Umganges übergeht. Hierdurch erhält das Gehäuse einen
treppenförmigen Bau, dessen Verhältniss zu den einzelnen Umgängen
durch die unterhalb des Saumes deutlich ausgeprägte Nathlinie schon
aussen ersichtlich wird. An den ältesten Umgängen ändert sich das
insoferne, als der Saum sowohl nach abwärts als nach aufwärts abfällt
und die Umgänge dadurch inmitten etwas concav werden. An den
Jüngsten Umgängen drängt sich dagegen der mittlere, sonstebene Theil,
welcher hier überdies mit starken callösen Zuwachsstreifen verse-
hen ist, weiter als der Limbus heraus (Fig. 4). Bei den schlankeren
. Exemplaren gewahrt man feinere Zuwachsstreifen noch an den mitt-
leren Umgängen (Fig. 6). Der Mundrand ist an keinem der Exem-
plare erhalten, doch sieht man dass die Mundöffnung an den kurz
kegelförmigen.Gehäusen eine beinahe quadratische, bei der mehr
gestreckten eine länglich viereckige Form haben müsse.
In der Faltenbildung stimmt diese Art mit der N. Bruntrutana
Thurm., mit der N. Mandelslohi Bronn u. A. sonahe überein, dass
sich die aus der Betrachtung einer grossen Anzahl von Durchschnit-
ten ergebenden Unterschiede im einzelnen Falle kaum wahrnehmen
1) Inferne-superne: nach der bei den Wiener Paläontologen gebräuchlichen Stellung ;
ebenso : longitudinaliter = der Axe parallel, transversim = senkrecht auf die Axe.
348 ? Prestreir 8;
lassen. Als solche sind zu nennen: die grössere Länge der beiden
oberen Spindelfalten und die stärkere Abschnürung des zweitheiligen
Endes der unteren. Nach den Abbildungen, welche Zeuschner
von dieser Nerinea gibt und welche den in seinem Texte richtig ange-
wendeten Ausdrucke „treppenförmig“ nicht ganz rechtfertigen, hielt
ich die N. Carpathica für keine selbstständige Species, sondern
glaubte sie mit der N. Bruntrutana vereinigen zu müssen, von der
Zeuschner kleinere und abgeriebene Exemplare der ersteren gewiss
selbst nicht zu unterscheiden vermochte. Das (Taf, I, Fig. 4, 5) abge-
bildete Exemplar von Nikolsburg in Mähren, welches sich im k. k. Hof-
Mineralien-Cabinete befindet, hätte demnach auch zur Aufstellung
einer neuen Species veranlasst, wenn nicht der k. k. geolog. Reichs-
anstalt eine Sendung von ausgezeichneten Petrefacten aus Richa-
litz, wo die N. Carpathica eben so häufig ist wie bei Inwald,
aber viel besser erhalten, zugekommen wäre, aus welcher mir die
Eigenthümlichkeiten dieser Nerinea vollkommen klar wurden.
N. gradata d’Orb. (Terr. jur. S. 132, Taf. 272, Fig. 5—7) ist
ihr verwandt.
Nikolsburg, Richalitz, Inwald. Ihr Vorkommen am Plassen und
bei Stramberg ist zweifelhaft.
N. Haueri Peters.
Taf. U, Fig. 1-3.
N. testa elongata, conica, umbilicata; spira angulo 16—19°,
anfractibus excavatis laevigatis, superne tuberculatis;
plicis: labro 2, columella 3, complicatis.
Der Spiralwinkel beträgt 16—19 Grad, dem; zufolge die Länge
auf 60—66 Millim. veranschlagt werden darf. |
Das Gehäuse ist verlängert konisch, im Verhältniss zu de
starken Spindelcanal schwach genabelt. Die in der Mitte vertieften
Windungen erheben sich nach aufwärts zu einem starken grob-
höckerigen Wulst, oberhalb welcher die Nath verläuft. Die Mundform
ist nicht bekannt. In der Faltenbildung stimmt diese Art mit der
Vorbeschriebenen sehr nahe überein. |
Bemerkenswerth ist in dieser Beziehung, dass die Spindelfalten
derselben in einzelnen mittleren Umgängen mehr complicirt sind, als
dies bei N. Bruntrutana, Carpathica u. A. vorkommt, während der
jüngste Umgang blos einfache Falten enthält, welche in ihren gegen-
Die Nerineen des oberen Jura in Österreich. 349
seitigen Verhältnissen denen der N. Mandelslohi Bronn. mehr glei-
chen als denen der N. Bruntrutana. |
Von den Arten mit gleicher Faltenbildung unterscheidet sich die
eben beschriebene durch den starken Wulst und dessen Höcker, die
selbst an abgeriebenen Exemplaren noch kenntlich sind.
Selten im Plassenkalk.
Eine sehr kleine kegelförmige Nerinea, aus dem Plassenkalk,
welche die Faltenbildung der bisher genannten Arten hat, sich jedoch
durch eine besonders starke Streckung der Umgänge in der Richtung
der Axe von ihnen unterscheidet, gehört vermuthlich einer neuen
Species an, welche ich jedoch bei völliger Unbekanntschaft mit dem
Äusseren des Gehäuses nicht zu charakterisiren vermag 1).
N. Suessii Peters.
Taf. I, Fig. A—5.
N. testa elongata, imperforata; spira angulo (circa) 10—12°;
anfractibus excavatis laevigatis (?); plicis: labro 1 perob-
tusa, columella 3 convergentibus, simplicibus.
Der Spiralwinkel dieser Nerinea, welche ich nur aus Bruch-
'stücken kenne, scheint die Öffnung von 12 Grad nicht zu über-
schreiten, die Länge des Gehäuses würde dem zufolge über 150 Millim.
ausmachen.
Das Gehäuse ist lang kegelförmig, ungenabelt. Das, wie es
scheint, durchaus regelmässige Gewinde besteht aus ziemlich hohen,
in der Mitte ausgehöhlten Umgängen, welche, so viel man an den ziem-
lieh stark abgeriebenen Exemplaren entnehmen kann, eine glatte
Oberfläche haben. Der stark vortretende Wulst auf welchem die
Nath verläuft, gehört zum grösseren Theil dem oberen (rückwärti-
gen) Rand des Umganges an. Die Faltenbildung ist charakteristisch.
Von der Seitenwand ragt, wo sie aussen am meisten vertieft ist, eine
sehr stumpfe Falte nach einwärts; vor der Spindel entspringen in
nahezu gleich grossen Abständen drei einfache, nach aussen conver-
girende Falten, welche in der Nähe des (nicht erhaltenen) Mund-
randes eben so scharf ausgedrückt sind als im drittletzten Umgange.
1) Es verdient bemerkt zu werden, dass alle der bisher beschriebenen Artengruppe
angehörigen Nerineen des Plassenkalkes sich von den gleichartigen der nordöstlichen
Loealitäten durch eine Verlängerung des Hohlraumes der Windungen in der Rich-
tung der Axe auszeichnen.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVI. Bd. II. H£ft. 23
350 Peters
Diese Faltenbildung, durch welche unsere Art sich der vorher
betrachteten Gruppe anreiht, ist eine sehr seltene; nur N. Clio
d’Orb. (Terr. jur., S. 139, Taf. 275) aus dem Coral-rag hat eine
ähnliche. Eine viel entferntere Ähnlichkeit zeigen N. funiculosa
Voltz (Terr. jur., S. 85, Taf. 252, Fig. ”—10) aus dem Bathonien
und N. nodosa Voltz (l. e. S. 95, T. 254) aus dem oberen Oxford.
Kommt vor im Plassenkalk.
N. conulus Peters.
Taf. II, Fig 10—11.
N. testa conica, umbilicata, spira brevi, angulo 45°; anfractibus
laevigatis excavatis; apertura depressa triangulari; plicis
simplieibus: labro 1, columella 3 media brevissima.
Die Öffnung des Spiralwinkels beträgt A5 Grad, die ganze
Länge 00145. i
Das Gehäuse ist kurz kegelförmig, genabelt. Das regelmäs-
sige Gewinde besteht aus niedrigen, in der Mitte etwas ausgehöhlten,
übrigens glatten Umgängen, deren Seitenwände mit einer kurzen,
nach abwärts gerichteten Falte versehen sind, während die Spindel
eine lange sehr dünne Falte trägt, welche oben entspringt und nach
auswärts gekrümmt ist, nebst zwei von Innen entspringenden Falten
von ungleicher Grösse. Die oberste dieser (sämmtlich einfachen)
Falten setzt an der ziemlich glatten unteren Fläche des letzten
Umganges eine Strecke weit über die zusammengedrückt dreieckige
Mündung hinaus fort.
Selten im Plassenkalk.
N, Staszyeii sp. Zeuschner.
Taf. II, Fig. 6—9.
Actaeon Staszyeii Zeuschner (l. ec. S. 139, Taf. XVII, Fig. 16—19).
N. testa ovata imperforata, spira brevi; anfractibus laevigatis,
pro parte se invicem amplectentibus ; apertura compressa ;
plieis: columella 3 complicatis, labro 2.
Länge = 0:011—.0:035.
Zeuschner liess sich durch die puppenartige Form dieser
Schnecke bestimmen, sie in das Geschlecht Actaeon zu stellen, mit
der Bemerkung, dass sie etwa ein neues, Actaeon und Nerinea
Die Nerineen des oberen Jura in Österreich. 351
vermittelndes Geschlecht begründen dürfte. Man kennt nun bereits
mehrere dergleichen Arten mit kurzer Spindel, deren Umgänge stark
umfassend sind und deren Näthe nicht auf den Erhöhungen, sondern
in den Rinnen verlaufen, und welche nichtsdestoweniger von Nerinea
nicht getrennt werden können, da die Anwesenheit eines Canales
an der Mündung und das eigenthümliche Zurückbleiben der Lippe am
oberen Rande, welches sich zum mindesten in der Richtung der Zuwachs-
streifen ausspricht, bei einer Schnecke mit innen gefalteten Umgän-
gen über das Geschlecht vollgiltig entscheiden. An den Exemplaren,
welche Zeuschner beobachtet hat, waren weder Mündung noch
Zuwachsstreifen erhalten. Viel günstiger sind der Auffassung des
Geschlechtes die Exemplare von Stramberg, von denen ich zwei
abbilde (Fig. 6, 7 und 8).
Diese Art ist ausserordentlichen Schwankungen hinsichtlich
der äusseren Gestalt und der Faltung unterworfen. Nicht nur dass
es sehr stark bauchige neben ziemlich schlanken Formen gibt, auch
der Grad des Umfassens und die Weite des Spindelcanales ist sehr
verschieden.
Bei Richalitz kommen Exemplare vor, deren Canal innerhalb der
jüngsten Umgänge 4 Millim. weit ist (Fig. 9), bei Stramberg nebst
eben solchen wieder Exemplare, an welchen er so enge ist, dass er
durch senkrechte Schnitte gar nicht dargestellt werden kann. Einen
deutlichen Nabel habe ich an keinem Stücke wahrgenommen.
Die obere Lippenfalte ist an den Jüngsten Umgängen kaum ange-
' deutet, bei den sehr plumpen Exemplaren von Richalitz (Fig. 9)
erscheint sie auch an der älteren nur wenig ausgedrückt. Bei den letz-
teren werden die Zuwachsstreifen in dem Grade callös, dass sie den
jüngsten Umgängen ein höckeriges Ansehen geben, was bei abgerie-
benen Exemplaren leicht für eine wirklich höckerige Seulptur gehal-
ten werden könnte.
Sie ist häufig bei Inwald und Stramberg, und kommt ferner bei
Richalitz, am Plassen und am Sandling bei Aussee vor.
N. Moreana d’Orbigny.
Taf. III, Fig. sr.
D’Orbigny. Paldont. franc., Terrains jurass. S. 100, Taf. 257.
A. Buvignier. Statistique geologique ete. du departement de la Meuse. Paris
1852, S. 35, Taf. XXIV, Fig. 10—12 (in den Abbildungen als N. tornatella
Buvign.).
23*
352 Peters.
Diese ausgezeichnete Corallienspecies scheint im oberen - Jura
von’ Österreich nicht selten vorzukommen, wenigstens haben die bei-
den von mir am meisten beachteten Localitäten, der Plassen bei
Hallstatt und der Kalkfelsen bei Stramberg, ziemlich viele, mitunter
gut erhaltene Exemplare geliefert.
An einem Bruchstücke vom Plassen, welches den jüngsten Um-
gang der Schnecke enthält, fand ich den, an Nerinea so selten unver-
letzten Mundrand. Indem ich ihn hier abbilde (Fig. 5), vermag
ich die trefflichen Darstellungen zu ergänzen, welche d’Orbigny
und Buvignier von dieser Art gaben. Die Ausrandung (echan-
crure) die eine beträchtliche Tiefe erreicht, befindet sich nicht am
oberen Ende, sondern in der unteren Hälfte der Lippe, bevor diese
sich umfassend dem Umgange anlegt. Da jedoch der obere Theil
etwas verbrochen ist, wäre es immerhin möglich, dass auch an der
gewöhnlichen Stelle eine dergleichen, wenn auch weit geringere Aus-
randung vorkäme. Die Exemplare vom Plassen stimmen durch
ihren gedrungenen Bau und die Schroffheit der Absätze an den älteren
Umgängen mehr mit den Abbildungen von Buvignier als mit denen
von d’Orbigny überein (vergl. Fig. 6 und 7). Bei Stramberg
gibt es beiderlei Formen.
In der Nikolsburger Gegend kommen Steinkerne, mitunter von
kolossalen Dimensionen vor, welche dieser Art angehören.
N. Partschii Peters.
Taf. II, Fig. 1214.
N. testa subceylindrica, non umbilicata, spira angulo 12°; anfrac-
tibus laevigatis, inferne excavatis; plicis: labro 1, colu-
mella 3, inaequalibus simplicibus.
Der Spiralwinkel hat eine Öffnung von nur 12 Grad; der letzte
Umgang ist unbekannt. a
Das sehr lange, beinahe eylindrische ungenabelte Gehäuse baut
sich schraubenförmig aus ziemlich niedrigen, nicht steil gewundenen
Umgängen auf, welche bei einzelnen Exemplaren (Fig. 11, 12) bei-
nahe dutenförmig an einander gereiht und im letzteren Falle unten
(vorne) stark rinnenartig vertieft sind.
Doch gibt es auch Exemplare, an deren Umgängen die Aus-
höhlung etwas höher rückt und demgemäss die Rinne verstreicht
Die Nerineen des oberen Jura in Österreich. 353
(Fig. 13). Die Nath verläuft oberhalb des mehr oder weniger schar-
fen oberen Randes.
Die Faltung ist eigenthümlich: Ausser der vielen Arten eigenen
Seitenwandfalte gibt es drei einfache Spindelfalten, deren mittlere
sehr kurz ist. Hierdurch unterscheidet sie sich von allen Arten,
welche ihr dureh einen schraubenförmigen Bau ähnlich sind.
Diese Art ist bisher nur bei Stramberg beobachtet worden.
N. Orbignyana Zeuschner.
Taf..IIl, Fig. 13—14.
Zeuschner (l. e. S. 138, Tab. XVII, Fig. 10—11).
N. testa brevi conica umbilicata ; spira angulo 25° ; anfractibus
excavatis, superne tuberculatis, in medio cingulo granuloso
instructis ; plicis: labro 1, columella 3, simplicibus.
Einige instructive Exemplare setzen mich in die Lage die von
Zeuschner gegebene Beschreibung dieser Art zu ergänzen.
Obgleich nur mit einem sehr schmalen Spindelcanal versehen,
ist das Gehäuse doch genabelt.
Durch die Stellung und Form der drei Spindelfalten, welchen
nur eine Seitenwandfalte entgegensteht, hat der innere Bau dieser
Nerinea viele Ähnlichkeit mit den vorbeschriebenen Arten,
Kommt vor am Plassen und bei Inwald.
N, Hörnesi Peters.
Taf. II, Fig. 15—16.
N. testa elongata, conica, umbilicata (?), spira angulo 22°;
anfractıbus quidpiamexcavatis, superne nodosis, ceterum
laevibus; plicis: labro nulla, columella 3, simplicibus.
Der Spiralwinkel beträgt 22 Grad, der Suturalwinkel 70 Grad.
Das Gehäuse ist lang kegelförmig, wahrscheinlich genabelt,
wenigstens mit einem verhältnissmässig weiten Spindelcanal versehen.
Die Umgänge sind inmitten etwas vertieft, dabei glatt, nur am oberen
Rande mit rundlichen Knoten besetzt.
Das Innere ist durch den Mangel von Seitenwandfalten und drei
ziemlich gleichlange convergirende Spindelfalten ausgezeichnet.
Die Art, welche bisher nur durch Fragmente bekannt, doch hin-
reichend charakterisirt ist,. kommt (selten) im Plassenkalk vor.
354 { Peters
N. Zeuschneri Peters.
N. Voltzü Zeuschner (I, e. S. 138, Taf. XVI, Fig. 13 —1#).
N. testa elongata, conica, imperforata; spira angulo 18 — 20°;
anfractibus excavatis, superne et inferne tuberculatis;
plicis: labro 1, columella 2.
Der Spiralwinkel beträgt 18 — 20 Grad. Die Grösse ist unge-
mein veränderlich; es gibt Exemplare, welche am letzten und vor-
letzten Umgange 55 Millim. breit sind, und andere welche : an der ent-
sprechenden Stelle nicht über 28 Millim. messen.
Der Beschreibung welche Zeuschner von dieser Art gibt,
kann ich nur beistimmen, den Namen musste ich verändern, da er
bereits doppelt vergriffen war als Zeuschner die Versteinerungen
von Inwald und Rosezyny bearbeitete; durch Desiongehamps
1843 (Mem. de la soc. linn. de Normandie, pag. 7, pl. 8, Fig. 84) und
durch d’Archiac im selben Jahre.
N. Voltzii Deslongceh. hat zufällig in der Faltenbildung mit
N. Voltzii Zeuschner Ähnlichkeit (vergl. d’Orbigny terr. jur.
pag. 83, T. 252, Fig. 1, 2); die von d’Archiaec aufgestellte Art
beschreibt d’Orbigny unter dem Namen N. azxonensis d’Orb.
Beide gehören dem Bathonien an.
Durch die Faltenbildung sind der besprochenen Art ähnlich:
N. pseudocylindriea d’Orb. (Terr. jur. pag. 86, Pl. 252) aus dem Bathonien.
. scalaris d’Orb. (a. a. O., pag. 87, Pl. 253). i
. Defrancei Desh. (d’Orb. a. a. O., pag. 108, Pl. 262) aus dem Corallien.
. Castor d’Orb. (a. a. O., pag. 109, Pl. 262).
. Nantuacensis d’Orb. (a. a. O., pag. 110, Pl. 263).
. Bernardiana d’Orb. (a. a. O., pag. 112, Pl. 264).
. canalicuta d’Orb. (a. a. O., pag. 113, Pl. 264).
. Visurgis Roemer (Oolith, S. 148, Taf. 11, Fig. 26— 28).
* > (Goldfuss, Petref. germ.).
> ss (d’Orb., Terr. jur. pag. 122, Pl. 268).
subtriceineta d’Orb. (a. a. O., pag. 130, Pl. 271).
Calliope d’Orb. (a. a. O., pag. 133, Pl. 273).
Mariae d’Orb. (a. a. O., pag. 138, Pl. 275).
N. Clio d’Orb. (a. a. O., pag. 139, Pl. 275).
N. Turritella d’Orb. (a. a. O., pag. 143, Pl. 277).
N. Gaudryana d’Orb. (a. a. O., pag. 144, Pl. 277).
2222222
Die grosse Mehrzahl derselben gehört demnach dem französi-
schen Corallien an.
Die Nerineen des oberen Jura in Österreich. 355
Von allen diesen hat nur die N. Gaudryana mit der N. Zeusch-
neri auch in der Tracht und in der Oberflächenbeschaffenheit Ähn-
lichkeit, doch ist erstere, abgesehen von dem viel steileren Gewinde
durch den Mangel von Höckern am oberen Rande unterschieden. Von
Nerineen aus der Portland-Etage sind:
N. trinodosa V oltz (bei d’Orb.a. a. O., pag. 153, Pl. 283);
N. Erato d’Orb. (a. a. O., pag. 151, Pl. 282);
N. Santonensis d’Orb. (a. a. O., pag. 156, Pl. 284) ;
N. suprajurensis V oltz zum Thl. (neues Jahrb. 1836,S. 540 und 551, Taf. VI,
Fig. 1 und 2);
aus der Kreide:
N. gigantea d’Hombre Firmas (d’Orb. terr. eretac. pag. 77, Pl. 158)
durch die Faltenbildung und zum Theile durch die Tracht mit
unserer Art verwandt. |
> Mit N. suprajurensis V oltz ist die Ähnlichkeit im Bau so gross,
dass abgeriebene Exemplare beider Arten nicht von einander unter-
schieden werden können, und ich desshalb noch in Zweifel bin, ob die
N. suprajurensis V oltz nicht wirklich nebst der N. Zeuschneri bei
Stramberg vorkömmt.
Zeuschner gibt ganz richtig an, dass letztere keinen Nabel
hat, nichtsdestoweniger habe ich an kleineren Exemplaren aus dem
Plassenkalk einen Spindelcanal beobachtet, welcher dem der N. Man-
delslohi Bronn, N. gradata d’ Orb. u. m. A. ganz analog ist, durch
mehrere Umgänge fortsetzt und innerhalb des jüngsten Umganges
blind endigt.-
Diese Art kommt vor beiInwald, Stramberg und häufig am Plassen.
N. Castor d’Orbigny.
Taf. II, Fig. 17.
N. eastor d’Orb. (Terr. jur. pag. 109, Pl. 262, Fig. 3—4).
N. suprajurensis Voltz zum Thl. (neues Jahrb. 1836,S. 540 und 551; Taf. VI,
Fig. 3, a).
> bei Goldf. (Petref. germ. 3. Taf. 175, Fig. 10).
D’Orbigny hat eine Nerinea aus dem Coral-rag von Frankreich
und Belgien, welche mit der N. suprajurensis Voltz in allem
Wesentlichen übereinstimmt, den Spiralwinkelausgenommen, N. Castor
genannt, wodurch die von V oltz aufgestellte, drei Etagen des oberen
Jura durchgreifende Art, in zwei Arten zerlegt wird. Der ältere Name
bleibt den im Kimmeridgien und Portlandien vorkommenden Formen
356 Peters.
Im Kalke von Stramberg kommt eine hierher gehörige Nerinea
vor, welche einen Spiralwinkel von 24° hat, somit innerhalb die von
d’Orbigny angegebenen Grenzen von 21 — 25° fällt. Auch in
der Faltung und durch die Concavität inmitten der Umgänge stimmt
sie mit der N. Castor mehr überein als mit den mir vorliegenden
spitzigeren Exemplaren (von N. suprajurensis) aus dem Kimmeridgien
von Doubs, Porrentruy u. a. 0. Ich nehme sonach nicht Anstand
die Aufstellung der N. Castor gut zu heissen und die Nerinea von
Stramberg als solche anzusprechen. |
In Hinsicht auf die Ansicht Hohenegger's über den Kalk von
Stramberg darf ich nicht unerwähnt lassen, dass eine Neocomien-
species, Nerinea Renauzxiana d’Orb. (Terr. eret. pag.76, Pl. 157),
durch ihre Faltenbildung mit der besprochenen in der That viele
Ähnlichkeit hat, woraus nun freilich nichts Weiteres folgt, als dass
gewisse Typen in der Formationsreihe vom Grande Oolithe bis in die
oberen Neocomienschiehten durch eine grosse Anzahl von Arten
repräsentirt sind.
Die N. Castor d’Orb. kenne ich bisher blos aus dem Kalke von
Stramberg.
N. Strambergensis Peters.
Taf. III, Fig. 3, 4
N. testa brevi, conica, non umbilicata, spira angulo 27°; an-
fractibus parum excavatis, laevigatis, superne nodosis;
plicis labro 1, columella 2, simplicibus.
Der Spiralwinkel umfasst 27 Grad; der letzte Umgang ist nicht
bekannt.
Das Gehäuse ist kurz kegelförmig, allem Anscheine nach
ungenabelt. Die in der Mitte ein wenig vertieften Umgänge sind glatt
und tragen nur am oberen (hinteren) Rande Knötchen, wodurch das
Gehäuse einen beinahe treppenförmigen Bau erhält. Die Falten sind
im Wesentlichen den vorgenannten Arten gleich, nur ist der Hohl-
raum in der Richtung der Axe zusammengedrückt, so dass die Seiten-
wandfalte der unteren Spindelfalte gerade gegenüber steht.
Abgesehen davon ist diese Art durch die Grösse des Spiral-
winkels und ihre ganze Tracht von den Arten mit ähnlicher Falten-
bildung unterschieden. Ich nenne von letzteren hier besonders N.
canaliculata d’Orb. und N. dilatata d’Orb. aus dem Corallien und
Die Nerineen des oberen Jura in Österreich. 357
N. nodulosa Desh. (Expedition de Moree t. III, ii 4, pag. 185,
Molluse. pl. IV, Fig. 6, 8.)
Bei Stramberg und am Plassen.
"N. Haidingeri Peters.
; Taf. IV, Fig. 4, 5.
N. testa elongata, conica, imperforata; spira angulo 30°; an-
fractibus excavatis, costatis, superne et inferne nodosis ;
plieis: labro 1, columella 2, simplieibus.
Der Spiralwinkel beträgt 30 Grad; der letzte Umgang ist nicht
bekannt.
Das lang kegelförmige Gehäuse ist in Ermanglung eines Spindel-
canales wahrscheinlich ungenabelt. Das Gewinde besteht aus ziemlich
niedrigen, in der Mitte vertieften Umgängen, welche am oberen und
unteren Rande Knoten tragen, die unter einander durch wenig vor-
springende, ziemlich breite Rippen verbunden sind. Durch diese
Sculptur unterscheidet sich die Art von N. Zeuschnert, mit der sie
in der Faltenbildung vollkommen übereinstimmt. Die einzige Seiten-
wandfalte ist gerade nach einwärts gerichtet, von den beiden Spindel-
falten läuft die oben und innen entspringende nach ab- und auswärts,
die untere steht beinahe horizontal.
Von N. Zeuschneri und mehreren derselben verwandten Arten
unterscheidet sie sich noch durch die Grösse ihres Spiralwinkels.
Sie ist nicht selten im Plassenkalk und in den Polauer Bergen
bei Nikolsburg.
N. Hoheneggeri Peters.
Taf. II, Fig. 1, 2.
N. testa elongata, imperforata; spira angulo 13—15°; anfrac-
tibus complanatis, inferne nodosis, cingulis quinqgue granu-
losis, quorum quartus prominet, instructis,; apertura sub-
triangulari triplicata; plicis: labro 1, columella 2, sim-
plieibus, quarum inferior valde obtusa.
Der Spiralwinkel hat eine Eröffnung von 13—15 Grad, der
Suturalwinkel 70 Grad. Die Länge dürfte über 0'100 betragen.
Das Gehäuse ist sehr verlängert, beinahe eylindrisch, ziemlich
diekschalig, ungenabelt, die Umgänge sind im Ganzen -genommen
eben bis an die Ränder, welche sich gleichmässig erheben, und deren
unterer mit kleinen perlartigen Halbknoten versehen ist.
358 Peters.
Unmittelbar über demselben folgen’ drei, mit länglichen Körnern
besetzte Gürtel und darauf ein vierter, dessen Körner grösser sind
und welcher ein Weniges über der Mitte des Umganges sich befindet.
Zwischen demselben und dem oberen glatten Randwulst ist ein
fünfter gekörnter Gürtel angebracht, der am wenigsten ausgeprägt
ist und beinahe verdeckt wird von den schief über den Umgang
herabziehenden Zuwachsstreifen.
Die Mundöffnung ist unregelmässig dreieckig, die Lippe oben
seicht ausgerandet und mit einer Falte, die Spindel mit zwei Falten
versehen. Schon am Durchschnitte des ersten Umganges, in noch
höherem Grade in den älteren Umgängen, zeigen sich beide Spindel-
falten sehr von einander verschieden. Die untere ist überaus stumpf
und massig, die obere scharf und rinnenartig nach aufwärts
gekrümmt. Die Seitenwandfalte ist mässig scharf und ohne merkliche
Krümmung nach aufwärts gerichtet.
Diese Art ist mit mehreren Arten des Coral-rag von Frankreich
sowohl durch ihre Tracht als ihre Faltenbildung nahe verwandt; so
mit N. Mariae d’Orb., mit N. Bernardiana d’Orb. u. A., welche
viel spitziger sind, während andere verwandte Corallien-Arten, wie
N. Sequana Thirria und N. Visurgis Roemer, welche weit über .
Frankreich und Norddeutschland verbreitet sind, einen viel grösseren
Spiralwinkel haben. Unter allen diesen gibt es jedoch keine, welche,
abgesehen von kleinen Abweichungen in der Form und Stellung der
Falten, ihr in der äusseren Sculptur gleich kämen. Mit der N.
Roemeri Philippi (Philippi, im neuen Jahrb. 1837, Seite 294,
T. IN, Fig. 2; — Roemer, Norddeutsch. Oolith als N. fasciata
Voltz;— Goldfuss, Petref. germ. 3. Seite 43, T. 176, Fig. 5)
aus dem Coral-rag des Lindenerberges in Hannover hat sie eine ent-
ferntere Ähnlichkeit.
Diese Art kommt vor im Plassenkalk, bei Stramberg und bei
Inwald. Sehr schöne Exemplare hat man bei Richalitz gefunden. Die
Inwalder (Hohenegger’s Sammlung) sind klein und sehr gut
erhalten. |
| N. Santonensis d’Orbigny.
D’Orbigny. Terr. jur. pag. 156, Pl. 284.
Diese den Portlandschichten zugeschriebene Art erkenne ich an
Steinkörnern aus dem Stramberger Kalk. Sie unterscheiden sieh
Die Nerineen des oberen Jura in Österreich. 359
- durch den kleinen Spiralwinkel verbunden mit einer ausnehmend
scharfen unteren Spindelfalte von den mehrmal genannten ähnlichen
Arten, insbesondere von N. Hoheneggeri Peters. Auch bei Nikols-
burg und den Polauer Bergen scheint sie vorzukommen.
Eine ziemlich kurz konische Nerinea von Stramberg, welche
gleichfalls die bei den Portland-Arten herrschende Faltenbildung
zeigt, unterscheidet sich von den Bekannten wesentlich durch ihre
Tracht. In jener Beziehung steht sie der N. trinodosa V oltz, durch
ihren konischen Bau der N. salinensis d’Orb. nahe, ist aber viel
kleiner als diese. Leider ist die äussere Sculptur, welche eine ziem-
lich einfache zu sein scheint, nicht genügend erhalten.
N. erispa Zeuschner.
Zeuschner, in Haidinger’s Abhandlungen 3. Bd., 1. Abth., S. 138, Taf. XVII,
Fig. 12—15.
Selten bei Inwald. — Am Plassen (?). Abgeriebene Exemplare,
können mit einer folgenden Art, N. plassenensis Peters leicht ver-
wechselt werden.
N. conoidea Peters.
Taf. III, Fig. 8 und 9.
. N. testa brevi, conoidea, imperforata; anfractıbus excavatıs,
superne tuberculatis, ceterum laevigatis; plicis : labro
nulla, columella inaequalibus, simplicibus.
Das Gehäuse dieser ziemlich kurzen, eine Länge von 30 Millim.
in der Regel nicht überschreitenden Art ist konoidisch, ziemlich steil
gewunden, ungenabelt. Die in der Mitte vertieften Umgänge tragen am
oberen Rande perlenartige Knoten und sind übrigens glatt, nur hie und
da bemerkt man eine schwache Andeutung von Längsrippen, welche
von den Knoten herablaufen. Die längliche und zusammengedrückte
Mündung hat zwei der Spindel angehörige Falten, deren untere
kurz und stumpf ist bis zum völligen Verschwinden, während die
obere lang und schmal nach unten und aussen vorspringt.
Diese Art ist der N. cripsa Zeuschner sehr nahe verwandt,
in der Faltenbildung stimmen beide genau überein, so dass ich
anfangs glaubte, der Darstellung Zeuscehner’s hätten unvollkom-
mene Exemplare zu Grunde gelegen und beide seien wirklich
identisch. Indess wurde ich durch Exemplare aus der Hohenegger-
360 r Pedale:
schen Sammlung belehrt, dass dies nicht der Fall ist. N. erispa ist
ziemlich lang kegelförmig, hat einen Spiralwinkel von 20 Grad, und auf
ihrem schief abgeschnürten Wulste nie deutlich entwickelte Knoten.
Abgeriebene Exemplare lassen sich von der folgenden Art nicht
unterscheiden, mit der sie im Plassenkalk vorkommt.
Bei Inwald ist sie minder selten als N. crispa. Von anderen
Loealitäten kennen wir sie noch nicht 1).
N. Plassenensis Peters.
Tab. III, Fig. 1012.
N. testa brevi, imperforata; anfractibus complanatis, superne
nodosis, in medio stria granulosa cinctis; apertura com-
pressa biplicata; plicis: labro nulla, columella duabus
inaequalibus, simplicibus.
Der Spiralwinkel des aus der konischen in die konoidische Form
übergehenden Gehäuses lässt sich nicht mit Sicherheit abnehmen.
An den jüngsten Umgängen schön entwickelter Exemplare ist er
recht klein (12—15 Grad) an den älteren Umgängen öffnet er
sich bis zu 20, ja 25 Grad. Die Länge beträgt 20—34 Millim. Das
Gehäuse ist ungenabelt, viel weniger steil gewunden als bei der
vorhergehenden Art. Die ziemlich ebenen Umgänge schwellen am
oberen Rande zu einem Wulste an, der mit (10) Perlknötchen
besetzt ist. |
In der Mitte tragen sie einen schmalen gekörnten Gürtel, dessen
wenig vorspringende Körner jenen Knötchen correspondiren. Die
Mundöffnung ist zusammengedrückt, beinahe halbmondförmig mit
zwei Spindelfalten, welche denen der N. crispa in jeder Beziehung
gleichen.
Von Verwandtschaften dieser drei Arten kann wenig die Rede
sein; in der äusseren Sculptur kommen ihnen mehrere Arten nahe,
so z. B. der N. Plassenensis die N. nodosa Voltz (d’Orb. Terr.
jur. pag. 95, Pl. 254), ihre Faltenbildung aber ist ganz eigen-
thümlich. |
Ich habe dieser Nerinea den Namen Plassenensis gegeben, weil
sie die bei Weitem vorherrschende Art des Plassenkalkes ist,
1) Ein Exemplar in der Hohenegger’schen Sammlung ist 40 Millim. lang und aus-
gezeichnet konoidisch.
Die Nerineen des oberen Jura in Österreich. 361
manche Gesteinspartien sind ganz und gar davon erfüllt, und weil
ich sie bisher nur von dieser Localität kenne.
N. pyramidalis Münster.
| Taf. IV, Fig. 1—3.
1841-—44. Münster in Goldfuss: Petref. germ. 3. S. 45, Taf. 176, Fig. 11.
1850. N. depressa Voltz bei Zeuschner (Haidinger’s Abhandlung. 3. Bd.,
I. Abth., S. 137, Taf. XVI, Fig. 1—4).
Indem ich voraussehe, dass die Paläontologen mit Erstaunen
diesem Namen in einer Beschreibung von jurassischen Nerineen
begegnen werden, will ich gleich die Gründe angeben, welche mich
zu dessen Hervorziehung bewogen haben.
Wer meine Abbildungen mit der aus dem Goldfuss’schen
Werk eitirten aufmerksam vergleicht, insbesondere meine Fig. 1,
wird kaum bezweifeln, dass beide Exemplare derselben Art zu
Grunde liegen. Ich kann hinzu fügen, dass die äusseren Formen
meiner am Plassen bei Hallstatt vorkommenden Exemplare, welche
durch Glätte der etwas vertieften Umgänge und die Weise, nach der
sie an den Rändern anschwellen, mit der Münster’schen Species
aufs Genaueste übereinstimmen, vollkommen gut erhalten sind. N.
pyramidalis wird als eine aus der Gosau stammende und desshalb
von Münster in die Gosauformation versetzte Art beschrieben.
Der Plassenberg aber fällt steil gegen das Gosauthal ab, und es
können Geschiebe und Petrefacten von seiner Höhe recht wohl in
die auf Gosaugebilden ruhenden recenten Gehänge-Ablagerungen
gelangen.
Das Gestein des Plassen ist in seiner dichten bräunlichen
Varietät den Nerineen führenden Kalkschichten der oberen Kreide
des Gosauthales nicht so auffallend unähnlich, dass Graf Münster
an der Ausfüllungsmasse dieser. Nerineen hätte Anstoss nehmen
müssen. Da jedoch Petrefacten der Gosauformation von mehreren
Sammlern aufgespeichert werden, welche auch den Hallstätter Salz-
berg und seine Umgebungen besuchen, kann es wohl sein, dass die
fragliche Nerinee erst unter ihren Händen in Suiten von Gosauver-
steinerungen und so in Münster’s Besitz gerathen ist. — Wäre
N. pyramidalis Münster wirklich eine Versteinerung der Gosau-
ablagerungen, so müsste sie wohl durch die in neuerer Zeit im
grossartigsten Massstabe betriebenen Aufsammlungen wieder zum
362 Peters.
Vorschein gekommen sein, was nicht der Fall ist. Unsere überaus
reichen Suiten enthalten davon keine Spur.
Zu der von Münster gegebenen Beschreibung und Diagnose
habe ich nicht nöthig etwas beizufügen als etwa die Angabe des
Spiralwinkels, welcher an den Exemplaren vom Plassen zwischen
32 und 35° sehwankt, an denen von Stramberg und wie ich aus
Zeuschner’s Abbildung entnehme auch an denen von Inwald nicht
ganz 30° beträgt.
Fig. 1 stellt den Durchschnitt eines sehr grossen Exemplares,
Fig. 2 die untere Fläche des letzten Umganges eines kleineren, beide
vom Plassen dar, durch Fig. 3 ist ein an der äusseren Fläche etwas
abgeriebenes, im letzten Umgange aber vortrefflich erhaltenes Exem-
plar aus dem Stramberger Kalke abgebildet.
Nerinea depressa NV oltz, im Jahrb. 1836, Seite 540 und
549, T. VI, Fig. 17. (von Zeuschner, |. c. Seite 137, Taf. XVI,
Fig. 1—4), welche nach Gressly im Schildkrötenkalk — einer
Portlandschichte — bei Solothurn, nachBuvignier im Coral-rag an
der Maas vorkommt, hat bei einer mit der N. pyramidalis wesentlich
übereinstimmenden Faltenbildung „ganz ebene, glatte Umgänge“,
einen Spiralwinkel, welcher dem der Stramberger Exemplare nicht
gleich kommt. ER
Überdies sind die innen und aussen von der Falte an der
oberen Wand der Umgänge befindlichen Räume auffallend verschie-
den, was weder an der Nerinea vom Plassen noch an den von
Zeuschner beschriebenen Exemplaren beobachtet wird. .
Zeuschner’s Nerinea depressa unterscheidet sich von der
wahren auch durch den äusseren Bau der Umgänge. „Drei Viertheile
des oberen (nach unserer Aufstellung: unteren) Theiles sind ring-
förmig angeschwollen, das untere Viertheil ist glatt und vertieft. Bei
abgeriebenen Exemplaren sind die Umgänge glatt und eben.“ Doch
möchte ieh nicht annehmen, dass Voltz und Bronn die Charaktere
eben und glatt einer Art beigelegt hätten, von der sie nur abgerie-
bene Exemplare besassen. Dass übrigens die Convexität des Umgan-
ges nicht durchgehends 3/, desselben ausmache, zeigt Zeusch.ner’s
Fig. 4, bei deren Vergleichung mit meinen Abbildungen die Identität
beider schwer zu verkennen sein wird. |
Die Nerinea depressa Voltz bei d’Orbigny (Terr. jur.
p- 104, Pl.259, — auf der Tafel und im Prodröme als N. umbilicata
Die Nerineen des oberen Jura in Österreich. 363
Voltz —) welche er als eine charakteristische Corallienspecies
erklärt, lässt sich nicht minder schwer mit der Darstellung von Bronn
vereinbaren und es zeigen die völlig unzweideutigen Abbildungen von
Zeuschner und von d’Orbigny wie sehr verschiedene Formen
auf eine Art bezogen werden können, welche nicht hinreichend deut-
lich dargestellt ist oder dafür gehalten wird. In der N. depressa bei
d’Orbigny sind die Näthe das einzig Vertiefte, die Umgänge leicht
convex.
Es scheint mir, dass der berühmte Paläontolog als er die
Beschreibung dieser Nerinea mit den Worten schloss: „Cette espece
ne peut etre confondue avec aucune autre par son large ombilic
et par son pli unique sur la columelle“, augenblicklich zu wenig
Werth legte auf die, anderweitig von ihm so sehr gewürdigten äus-
seren Formen der Nerineen, wenn sie nicht mit auffallenden Verschie-
denheiten des Gewindes und der Faltung verbunden sind, und es
wäre besser gewesen, wenn er den Namen N. umbilicata Voltz der
„charakteristischen“ Species aus dem Corallien von Saint Mihiel,
Oyonnai (Ain) u. a. ©. belassen hätte.
Eine andere den hier besprochenen Nerineen ähnliche Art ist.
N. subpyramidalis Münster (Goldf. petr. germ. 3, Seite 40,
T. 175, Fig. 7) von Kehlheim an der Donau. Hinsichtlich dieser
muss ich bemerken, dass es mich Wunder nimmt, wie dOrbigny
die überaus weit genabelte, concav konische Nerinee aus dem P ort-
landien von Aigle-Pierre, Salins im Jura u.a. O., welche
er in der Paleontologie frangaise (Terr. jur. pag. 148, Pl. 279)
beschreibt, mit ihr identifieiren konnte. Denn abgesehen davon
dass die Falte weder in der Richtung noch in der Stellung der
genannten Art genau entspricht, gibt es auch bedeutende Ver-
schiedenheiten im Bau und im Spiralwinkel, welche mir diese Iden-
tifieation gewagt erscheinen lassen. Da die mehrfaltigen Nerineen
nach gleichwerthen Unterschieden in Arten zertheilt werden, dürfte
man wohl auch für die einfaltigen Formen das gleiche Verfahren
beanspruchen.
Der Faltenbildung nach ist der N. pyramidalis Münster auch
noch verwandt N. annulata Sharpe (Quarterly Journ. Novemb.
1849, Vol. 6, 1.Theil, Seite 101, T. XII, Fig. 16), durch ihre ring-
förmigen Umgänge aber leicht von ihr und jeder der vorgenannten
Arten zu unterscheiden.
364 Peters.
An die Betrachtung der Nerineen schliesse ich noch einige am
Plassen vorkommende Versteinerungen an, da ich unser Material von
dort — mit Ausnahme der Polyparien — gerne vollständig abhandeln
möchte.
CERITHIUM.
C. nodoso-striatum Peters.
Taf. IV, Fig. 6, 7.
€. testa turrita, angulo 27 — 30°; anfractibus gradatis, trans-
versim (2—3) striatis, superne nodosis, ultimo anfractu
inferne multistriato; apertura trapezoidali.
Der Spiralwinkel hat die Öffnung von 27—30 Grad, die Länge
beträgt 45—100 Millim., die grösste Breite 22—32 Millim.
Das starkwandige, thurmförmige Gehäuse ist treppenförmig auf-
gebaut aus niedrigen, unten mit zwei bis drei vorragenden Linien,
oben mit starken, glatten Knoten versehenen Umgängen.
Die Basis ist ganz mit feinen Transversalstreifen bedeckt, die
Mündung trapezoidal mit Abrundung der inneren Seite. Der Mund-
saum ist an keinem Exemplare erhalten.
Dieses ausgezeichnete Cerithium kommt vor im Plassenkalk
(Fig. 6) und bei Stramberg (Fig. 7), an letzterer Localität ziemlich
häufig, an der ersteren in besonders grossen Exemplaren.
NATICA.
N. Inwaldiana Zeuschner.
Taf. IV, Fig. 8.
Zeuschner (l. e. S.139, Taf. XV, Fig. 23, 24).
Ich bilde diese Natica nach Exemplaren aus dem Plassenkalk
hier nochmals ab, weil der charakteristische, überaus dieke Mundsaum,
welchen Zeuschner vollkommen richtig beschreibt, auf seiner
Abbildung gar nicht hervortritt.
Von Stramberg kenne ich diese Art nicht, dagegen kommt hier,
'so wie auch bei Nikolsburg
N. Dejanira d’Orbigny (Terr. jur., pag. 209, T. 296) in
ausgezeichneten Exemplaren vor. 1
Von niedrig gewundenen trochusartigen Schnecken fand ich im
Plassenkalk nur unbestimmbare Reste.
K.Peters. Nerineen d. ob. Jura. Tall
Pig.1
Steohmayer lit. Aus d.k.k
Fig. 1-3. Nerinea Bruntrutanae Thurm .
Wo, „ Carpathiea- X euschner.
Sitzungsb. d.k. Akad d.W. math. naturw. E1.XVIBd. 2 Heft. 1855.
K. Peters.
Fig 1.
Nerineen d. ob. Jura.
Tat 1.
Steohmayer lith. | Aus dk. k. Hof-u. Staatsdruckerei
F19 1-3. N Harteri Peters. Fig. 1.14. N conulus Peters.
„43 N Suessi Peters, „ #2J4 N. Partschü Peters.
„ 6-3. N. Staszyeil sp. Zeuschnen: „ I3.46 N. Hornesi Peters.
Fig. IL N Castor d’ Orb.
Sitzungsb. k. Akad. d.W math. naturw. C1.XVIBd. 2 Heft. 1855.
K. Peters. Nerineen d. ob. Jura. _ - lat. Ill.
Fig.10
Stwohmayer Tith.
Aus d.k.k.Hof-w. Staatsdruckerei.
Frg 1. 2. Nerinea Hoheneggeri Feters. Fig. BI Ierinen eonoidea- Peters.
„ 34: u Strambergensis l’eters. ee INOHE: 0 Plassenensis P’elers.
U
SH „» Soreana d’Orb, „ BH » Orbigngana Aentschner
Sitz u) d. k.Akad.d.W math. natur CI.XVIBd.2 Het. 1655.
B’r P AA 3 rar VERDIENT UT,
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R f
K. Peters. Nerineen d. ob. Jura. | : af. IV.
Fig.3
Strokmayer lith. : Aus d.k.k, Hof-v. Staatsdruckerer.
F1g 13. Nerinea pyramıdalıs MUNSE: Fig 6% (erithium nodoso - streeatunm Peters.
Dr Hacdingeri: Peters. Z 3 Jatiea Inmeldina Zeuschner:
Sitzungsb. d.k.Akad.d.W. math. naturw. CI.XVTBd. %Heft. 1855.
Die Nerineen des oberen Jura in Österreich.
365
h Von Zweischalern nur Diceras arietina Lam. in colossalen
| Fragmenten. Von dem Vorkommen Jieser Art und der D. Lucii Defr.
an den mährischen Localitäten war schon Eingangs die Rede. Nach
_ einemvonHerrn Prof. Zeuschner uns freundlich mitgetheilten Exem-
plare mit präparirtem Schlosse kommt letztere auch bei Inwald vor.
Nachstehende Tabelle t) diene zur Übersicht der
von folgenden Localitäten Schichten, in
welchen sie
Versteinerungen ausserÖsterreich
Plassen
bei
Hallstatt
vorkommen
Nerinea BruntrutanaTh.
N. Carpathiea Zeuschner
N. Haueri Peters
N. Suessti Peters
N. conulus Peters .
N. Staszyeiisp.Zeuschner
N. Moreana d’Orb.
N. Partschiüt Peters
N. Orbignyana Zeuschner
N. Hörnesi Peters
N. Zeuschneri Peters .
a N. castor d’Orb. . . .
; N. StrambergensisPeters
i N. Haidingeri Peters. .
i N. Hoheneggeri Peters
4 N. Santonensis d’Orb.
N. erispa Zeuschner
N. conoidea Peters .
N. Plassenensis Peters .
> In den Portland-
schichten von
Frankreich und
Schweiz.
X
£ nach Quenst.
Corallien.
Corallien.
|+X+ IX++ IX +++ +
Portland.
N. pyramidalis Münster
Cerithium nodoso - stria-
tum Peters
Früher irrthümlich
für eineKreide-
species gehal-
Re EEX.XAeR
\ D ten.
R Natica inwaldiana Zeu.
3 N. Dejanira d’Orb. Corallien.
2 Diceras arietina Lam. ?) | Corallien.
“ D. Lueii Defr. . + | Corallien.
‚ Daraus glaube ich folgern zu dürfen:
£ 1) Dass die am Plassen bei Hallstatt und am Sandling bei
\ Aussee befindlichen Nerineenkalke, deren geologische Stellung bisher
unbekannt war, mit den im nordöstlichen Theile von Niederösterreich,
in Mähren und weiter entlang dem Nordrand der Karpathen auftau-
chenden Jurakalkgebilden (den sogenannten Klippenkalken) identisch
4 sind;
1) -+ bedeutet das nicht häufige, >< das häufige, ><>< das sehr häufige Vorkommen,
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVT. Bd. IT. Hft. 24
a ee en Zn en en a6
366 Zepharovich.
2) dass dieselben (von vielen charakteristischen Coral-rag-Ver-
steinerungen aus anderen Thiergruppen, wie Diceras arietina Lam.,
Diceras Lucü Defr., Cardium corallinum Leym. u. a. m.) zwei
Nerineenspecies mit dem Coral-rag, eben so viele aber mit den Port-
landschichten des westlichen Europa’s gemein haben, dass sie demnach
keiner dieser Schichten ausschliesslich parallelisirt werden dürfen,
sondern wahrscheinlich beide der Art umfassen, dass eine Trennung
nicht ausführbar sein wird. Arten, welche die Kimmeridge-Schich-
‚ten ausdrücklich bezeichnen würden, sind bisher nicht bekannt;
3) dass endlich die grosse Zahl neuer Nerineen - Arten in dem
österreichischen oberen Jura eine von dem der westlichen Länder
überhaupt mehrfach abweichende Fauna voraussetzen lässt.
Eine weitere Ausführung und Prüfung dieser Folgerungen ist
von den bereits vorbereiteten Untersuchungen über die zahlreichen
übrigen Thierreste des oberen Jura in Mähren zu erwarten.
Jaulingil, ein neues fossiles Harz aus der Jauling nächst
St. Veit a. d. Triesting in Nieder-Österreich.
Von Vietor Ritter v. Zepharovich.
(Vorgelegt in der Sitzung vom 26. April 1855.)
Der gewerkschaftliche Braunkohlen-Bergbau in der sogenannten
grossen Jauling, südlich bei St. Veit a. d. Triesting, bietet nun
schon zum zweiten Male Gelegenheit über ein bemerkenswerthes
Vorkommen zu berichten. Die erste Mittheilung 1!) bezog sich auf
zwei grosse Stosszähne von Mastodon angustidens, welche man
nebst Backenzahn- und Schädelknochen-Fragmenten vor zwei Jahren
daselbst beim Stollentrieb im Liegend-Tegel des Haupt-Lignit-
Flötzes angefahren hatte; einleitend wurde damals auch eine kurze
Skizze der geognostischen Verhältnisse des Jaulinger Süsswasser-
Beckens gegeben. Das neue Harz aus dem Lignit selbst ist ein
Vorkommen des verflossenen Jahres, von welchem mir, wie früher
durch meinen Freund, den dortigen Montan-Beamten, Herrn J.B.
Engelmann, die erste Nachricht zugekommen war, welcher auch
1) Die Fossilreste von Mastodon angustidens aus der Jauling. Von V.R.v. Zepharo-
vich. Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, Bd. IV, 1853, S. 711.
Jaulingit, ein neues fossiles Harz aus der Jauling. 367
‚bald die versprochene Sendung nachfolgte, hinreichend Material
enthaltend, um ‚die wünschenswerthen Untersuchungen damit vor-
nehmen zu können.
Dieses Harz, für welches ich mir den Namen Jaulingit, von dem
Fundorte entlehnt, vorzuschlagen erlaube, hat in seinen dunkleren
Partien Ähnlichkeit mit Haidinger’s Ixolyt von Oberhart bei
Gloggnitz, in den lichteren mit manchem Suceinit. Es kommt in den,
dem 2 Schuh mächtigen Hauptflötze eingelagerten Lignit-Stämmen,
nach Dr. C. v. Ettingshausen’s Untersuchung einer Abies - Art
angehörig, ziemlich selten, und wie es scheint analog wie an unseren
jetzigen Coniferen, vorzüglich an verwundeten Stellen derselben vor.
Diese Stämme liegen plattgedrückt, an ihrer Basis 2 — 3 Fuss
messend, in einer Länge von mehreren Klaftern, vorzüglich hart
am Hangenden des Hauptflötzes, welches durch eine 18—20 zöllige
Tegel-Schichte, von dem oberen nur 3— 4 Zoll mächtigen Lignit-
Flötze getrennt wird, welches letztere sehr häufig auch derartige
gedrückte Stämme enthält. Stellenweise liegen die grossen Stämme
von den fest in einander verwachsenen Wurzelstöcken getrennt,
zuweilen jedoch sind sie mit ihnen noch im Zusammenhange,
erscheinen aber dann meist wie umgeknickt.
Das zur Untersuchung eingesandte Harz, stammte aus einer
nachweisbaren äusseren Verletzung eines Lignit- Stammes von der
grössten Dimension, nahe an seinem unteren Ende. An ähnlichen
Orten äusserlich, und im Innern der Stämme, wo diese unter den
mannigfaltigen Einwirkungen von aussen her, noch bevor sie hinweg
gerissen und zur Ablagerung gelangten, am weitesten zerbersteten,
sind die ergiebigsten Fundstellen des Harzes ; es bildet hier, reich-
licher ausgeflossen, grössere unregelmässige, meist knollige Massen,
während es sonst schmälere Längsspaltungen und Querklüfte im
Holze erfüllend in Gestalt dünner Platten, bis zu dem zartesten sich
abschuppenden Anfluge herab, erscheint.
Der Jaulingit hat eine lebhaft hyazinthrothe Farbe in den
frischen amorphen Partien, mit ausgezeichnet fettglänzenden, flach
muscheligen Bruchflächen, kleine Splitter, sind stark durchscheinend
bei gewisser Dünne selbst durchsichtig; das feinste Pulver ist
isabellgelb, gröberes ochergelb, beide letzteren Farben ebenfalls an
dem Harze zu beobachten, wo es als staubartiger Anflug oder in
stark rissigen und beschädigten Partien erscheint.
2% ”
368 Zepharovich.
Er ist sehr spröde, leicht zersprengbar, lässt sich leicht
zwischen den Fingern zu Staub zerreiben, wobei man einen
schwachen harzigen Geruch, ähnlich jenem des Kolophoniumharzes
bemerkt. Der Härte-Grad fällt zwischen Kalk und Gyps, das speci-
fische Gewicht, anscheinend reiner Stücke wechselt zwischen 1:098
und 1111, im Mittel 1'104.
An einer Kerzenflamme, schmilzt das Harz zuerst unter ruhiger
Blasen-Entwickelung, entzündet sich dann. und brennt ruhig mit
leuchtender, rothgelber stark rauchender Flamme, je nach seiner
Reinheit von beigeimengten Lignit-Theilchen ist der hierbei währzu-
nehmende Geruch mehr oder weniger brenzlich, und wird auch eine
grössere oder geringere Menge einer schwarzen schlackigen Kohle
erhalten. Im Glaskolben erhitzt, schmilzt es leicht. sich zer-
setzend, indem ein Theil in den Hals des Kölbehens überdestillirt,
unter lebhaftem Aufschäumen, Entwickelung lichtgrauer Dämpfe und
eines unangenehmen brenzlichen Geruches zu einer klaren gelben
Flüssigkeit, welche beim Erkalten zu einer schwarzbraunen Masse
erstarrt, während das in den Hals Überdestillirte als ein gelbbraunes
Öl mit stark brenzlichem Geruche sich zeigt.
Die Zusammensetzung des Harzes zu ermitteln, hatte Herr
Professor Dr. Fr. Ragski auf mein Ansuchen freundlichst über-
nommen und theilte hierüber das Folgende mit: „Das in Unter-
suchung genommene Harz besteht aus zwei Harzen, dem Alpha- und
Beta-Harze, fast zu gleichen Theilen. |
Das Alpha-Harz durch Schwefelkohlenstoff ausgezogen ist
braungelb, in der Kälte spröde, bei 50°C. wird es weich und klebrig,
bei 70° C. zäheflüssig. Es löset sich leicht in Alkohol und Äther,
dagegen nicht, selbst im Kochen, in kohlensaurem Kali. Mit Ätzkali
gekocht, werden nur Spuren gelöset. Durch concentrirte Schwefel-
säure wird es bald verkohlt. Erwärmt riecht es aromatisch, an
Cedernholz erinnernd. Mit chromsaurem Bleioxyd verbrannt lieferte
es folgende Resultate:
1) 0:2027 Gramm. gaben 0:5801 CO,
02027 N »„ 0.1862 HO
2) 02014 ,».08785.00,
02144 „01842 HO.
Jauling, ein neues fossiles Harz aus der Jauling. 369
Dieses entspricht auf 100 Theile berechnet einem Gehalte von:
1. 2.
Kohlenstoff . . . . . 7804 :— 77%
Wasserstoff . . . .1016 — 1012
Sauerstoff . . . . .1180 — 1198.
Das Beta-Harz lässt sich aus dem Rückstande von der Lösung
in Schwefelkohlenstoff durch Äther ausziehen. Dasselbe ist braun-
gelb, spröde, erweicht bei 135° C. und wird erst bei 160°C. zähe-
flüssig. Es löset sich leicht in Alkohol und Äther, nicht in Schwefel-
alkohol und kochendem kohlensaurem Kali. Von Ätzkali wird es in
der Wärme leicht aufgelöset. Aus der dunkelbraunen Lösung wird
das Harz durch Übersättigung mit Essigsäure als Gallerte gefällt.
Nach der Analyse ergaben:
1) 0:2485 Gramm. 0:6467 CO,
024855 „01773 HO
2) 02364 „ 06142 CO,
0.2364 „» ..‚#7069200,
woraus die Zusammensetzung auf 100 Theile folgt:
1. 2:
Kohlenstoff . . . . . 7094 — 7085
Aasserstolt . . IS 195
Sauerstoff .:. . Tara’ "2720.
Beide Harze enthielten in gereinigtem Zustande keine Asche.
Für das Alpha-Harz gibt die Analyse im Mittel:
Anzahl der Äquivalente.
Kohlenstoff . . . 7797 — 12997 = 13
Wasserstoff . . . 1014 — 10140 = 10
Sauerstoff . . .1189 — 1486 = 1:5,
_ welches entspricht der empyrischen Formel
C; H;o 0;
mit einer procentischen Zusammensetzung von:
Kohlenstoff . . . 78:00
Wasserstoff . . . 10:00
Sauerstoff . . . . 12:00
310 Zepharovich. Jaulingit, ein neues fossiles Harz aus der Jauling.
Für das Beta-Harz gibt die Analyse im Mittel :
Anzahl der Äquivalente.
Kohlenstoff . . 70895 — 11816. — 9.076
Wasserstoff . . 7935 — 79355 — 6103
Sauerstoff. . . 21170 — 2:646 — 2:035
entsprechend der empyrischen Formel:
C,H, 0; oder
Cs H,, Ö,
mit einer procentischen Zusammensetzung von:
Kohlenstoff . . . 71:05
Wasserstoff . . . 789
Sauerstoff . . . . 21:06.
Vergleicht man die beiden Formeln für das
Alpha-Harz = (,,; Hz O0;
Beta-Harz — Cis H,;. Ö,
so könnte man annehmen, es sei das letztere aus dem ersteren durch
Oxydation entstanden, indem 1 Äquivalent Sauerstoff aufgenommen
wurde, dagegen je 8 Äquivalente vom Kohlenstoff und Wasserstoff
aus der Mischung sich entfernten.
W edl. Helminthologische Notizen. 371
Helminthologische Notizen.
| ”
„Von dem C. M. Prof. Dr. RK. Wedl.
(Mit TIL Tafeln.)
(Vorgetragen in der Sitzung vom 15. Februar 1855.)
In den vorliegenden Blättern sollen grösstentheils neue Formen
von Helminthen besprochen, theils von bekannten Ergänzungen ihrer
Charakteristik gegeben werden. Hinsichtlich der Zeit und des Ortes
der Beobachtungen habe ich blos zu bemerken, dass die Mehr-
zahl derselben während eines fünfwöchentlichen Aufenthaltes zu
Triest gegen Ende August und im Monat September, der Rest der
Beobachtungen im ‚Verlaufe des verflossenen Sommers gemacht
wurde. |
I. CESTODEN.
1. In dem Darme eines Lophius piscatorius wurde zweimal ein
geschlechtlich nicht entwickelter Cestode gefunden, der an seinem
Kopfende etwas dicker als an dem Hintertheile,, im gestreckten Zu-
stande zu einer Länge von 8 Millimeter anwächst und zu einer Breite
von 1/, Millimeter sich nach rückwärts zuschmälert (s. 1 B). Der Kopf
hat eine sphärische, nach vorne abgestutzte Gestalt, ist 0-13 Millimeter
breit und geht unmittelbar nach einer seichten Abschnürung in den
Körper über; er hat einen häutigen Überzug mit einer nach vorne
gerichteten Öffnung (s. 1A a). In dieser Hülle liegt ein schüsselför-
mig ausgehöhlter, mit seiner Lichtung nach vorne gerichteter Körper
(14 ce), an dessen Vordertheile sich ein Zug radiärer Fasern (Schliess-
muskel, 1A 5) befindet. Die von diesem Körper eingeschlossene
Höhlung ist nach hinten abgerundet. Entsprechend der halsartigen
Abschnürung trifft man eine querüber gehende Lage freien rothen
Pigmentes (1A c). Der hufeisenförmige Körper steht nach rückwärts
mit einem Muskelapparate, der aus vier, unterhalb der äusseren Decke
gelegenen, länglichen, lappenförmigen, im frischen Zustande con-
traetionsfähigen Theilen besteht (1A d). Das Thier besitzt eine
372 | Wedi,
grosse Agilität, die Streckungen und Zusammenziehungen folgen
rasch auf einander. Die das Parenchym des übrigen Körpers bil-
dende Substanz ist eine homologe, und von irgend welchen Organen
keine Spur.
Dieser Scolex ist höchst wahrscheinlich die unentwickelte
Form von Bothriocephalus Lophü (Rud.), den Diesing unter die
Bothriocephalidea genere dubia gestellt hat. |
2. Eingebettet in dem reichlichen Schleime der Spiralklappe
des Darms von Trygon pastinaca, fand ich einen bewaffneten Cesto-
den, der sich von denvonRudolphi aufgezählten Species von Oncho-
bothrium, Acanthobothrium (van Beneden), Bothrio cephales armes
(Dujardin) durch folgende Merkmale unterscheidet. Hinsichtlich
der Grössenverhältnisse des Thieres ist zu bemerken: Länge dessel-
ben = 25 Millimeter; Breite des bewaffneten Kopfes = 5/, Millime-
ter; schmälster Durchmesser des Halses — 1, Millimeter; grösster
Längendurchmesser eines Gliedes — 3/, Millimeter, grösste Breite
eines solehen = ®/, Millimeter. Der verhältnissmässig grosse Kopf
besitzt vier halbkugelige, gegenständige Erhabenheiten, von denen je
eine zwei Paaren von Haken zum Ansatze dient. Letztere haben einen
Stiel, der sich gabelförmig theilt, was eben das Genus Acanthobo-
thrium (van Beneden) charakterisirt (s. 2B). Die Fortsätze der
Haken sind gekrümmt und verhalten sich hinsichtlich ihrer Grösse fol-
gendermassen: von b—c oder Längendurchmesser des Hakens = 0-13
Millimeter; breitester Durchmesser von d querüber = 0:048 Milli-
meter. Auch ist hervorzuheben, dass von der Abgangsstelle der beiden
Fortsätze ein seitlicher viereckiger Ansatz (a) sich befindet, der die
Haken von jenen anderer Species unterscheidet.
Der Kopf schnürt sich gegen den Hals hin etwas ab (s. 2A a);
‚letzterer ist nach vorne beträchtlich dieker (2A 5) und schmälert
sich nach rückwärts allmählich zu, wobei er als erste Andeutung der
Glieder eine quere Streifung erhält (s. 2A c). Von dem Kopfe ab-
wärts verlaufen bei auffallendem Lichte helle, bei durchgehendem
dunkle Streifen (Riffe), welche, hinter den halbkugeligen Erhaben-
heiten bogenförmige Umbeugungen bildend, gegen das hintere Ende
des Halses spurlos verschwinden. Von geschlechtlicher Entwickelung
konnte selbst in den hintersten, mehr oblongen Gliedern nichts beob-
achtet werden. Die Form der Haken, die Längsriffe am Halse,
die Dicke des letzteren unterscheiden das beschriebene Acantho-
Helminthologische Notizen. 378
bothrium (van Beneden) von anderen, und ich erlaube mir für
selbes den Namen Acanthobothrium crassicolle vorzuschlagen, ob-
wohl mir freilich erst eine Strobila im Sinne van Beneden’s zu
Gesichte kam.
3. Das zuerst von van Beneden alıfkeställte Genus Phyllobo-
thrium hat auch bei Torpedo marmorata einen Repräsentanten,
vielleicht dem von Rudolphi als Cephalocotyleum Torpedinis
bezeichneten entsprechend. Ich habe im Darmschleime von genannter
Roche mehrere Strobilen und sehr zahlreiche Proglottiden eines
Phyllobothrium gefunden, für das man den Beinamen gracile wählen
könnte. Der Kopf besteht aus vier gegenständigen, contraetilen Blät-
tern, zwischen welche eine Fortsetzung des fleischigen, eonsistenteren
Halses eingreift (s. 34), und so dem mit den vier dünnen Lappen
versehenen Kopfe Haltbarkeit verleihet. Van Beneden hat bei
Phyllobothrium thridax (Me&moires de l’Acad. roy. de Belgique,
tome XXV, s. 122) die mannigfaltigen Formveränderungen der
von ihm benannten Bothridien (Blätter) des Kopfes hervorgeho-
ben, was auch auf jene unseres Phyllobothrium vollkommene Anwen-
dung findet. Die Blätter, die aus einem zarten Fasernetze bestehen,
krausen sich bei der Contraction, so dass ihre Ränder gekerbt
erscheinen; dabei stellen sich letztere nicht selten derartig auf und
rollen sich etwas um, so dass eine rinnenartige Höhlung gebildet wird.
Sind die Blätter des Kopfes durch den Druck eines Deckglases aus-
gebreitet, so wächst der Querdurchmesser von dem Saume des einen
Blattes bis zu jenem des entgegengesetzten bis zu 3 Millimeter. In
dem sehr contractilen Halse befindet sich an jeder Seite ein Paar
starker Wassergefässe, die sich in die Kopflappen fortsetzen. Der
kurze, kaum einige Millimeter lange, 2/;—1 Millimeter breite Hals geht
in kurze, an den Rändern gekerbte Glieder über.
Die männlichen Geschlechtstheile liegen nach rückwärts je eines
bis zu einem bestimmten Grade entwickelten Gliedes und alterniren
auf der einen und anderen Seite. Der Penis liegt in der Substanz
versteckt, krümmt sich bei seinem Hervortritte S-förmig, mit seinem
freien Ende nach rückwärts gekehrt (s. 3B p); seine Scheide ist
mit kurzen feinen Stacheln besetzt (s. 3D); seine Substanz ist con-
traetil und zeigt sich an den Rändern schwach gekerbt. Gegen die
breitere Wurzel des Penis ist eine doppelte Muskelfaserschichte vor-
handen, eine nach innen gelagerte Längsfaser- und eine noch stärker
BYE? Wed.
markirte äussere Querfaserschichte. Die in der Nähe der Penis-
wurzel gelegene Samenblase geht in ein ziemlich langes Vas deferens
über, das, sich nach rückwärts wendend, als schlangenförmig gewun-
dener Schlauch den Hoden vorstellt.
In den Proglottiden wird man symmetrisch vertheilte, lichte
Räume gewahr, den Eiergruppen entsprechend, welche bei einer
leichten Quetschung als heller Mitteltheil der Proglottis erscheinen
und eine gekerbte Begrenzung zeigen (s. 3B a). Der Uterusstamm
(3B b) verläuft central, kreuzt sich mit dem Penis nach rückwärts
und geht in die Vagina über, die in einer durchbohrten Papille gerade
hinter der Austrittsstelle des Penis sich mündet. Nebst den oblongen
Proglottiden von der Form 3 Ca kommen jedoch auch kleinere, nach
dem Zustande der Contraetion verschiedenartige Formen vor, welche,
bis zu einem Längendurchmesser von *%, Millimeter herabsinkend
(wie 3C ec), in ihrem Innern wohl die den Biergruppen entsprechen-
den hellen Stellen, allein von einem Penis auch keine Spur mehr
zeigen. Es ist somit nur anzunehmen, dass sich eine Proglottis
durch energische Contraction abschnüre, und wahr-
scheinlich stellt 30 5 eine solche im getheilten Zustande vor. Derlei
Proglottisreste findet man, sich lebhaft ceontrahirend, in zahl-
reicher Menge an manchen Orten in dem sehr zähen Darmschleime
eingebettet, aus dem sie durch Abspülen mittelst Seewasser (das
Quellwasser bringt eine zu baldige Zersetzung der zarten orga-
nischen Substanz der Helminthen hervor) leicht isolirt darzustellen _
sind.
4. Über die anatomischen Verhältnisse eines Scolex von Rhyn-
chobothrium (Siebold) = Tetrarhynchus (Rudolphi) — Tetra-
bothriorhynchus (Diesing) hatte ich Gelegenheit, ergänzende Beob-
achtungen anzustellen. — An dem Peritonealüberzuge des Magens
von Uranoscopus scaber hing ein etwa 1 Millimeter im Durchmesser
haltendes Bläschen, das ein geschlechtlich nicht entwickeltes Ento-
zoon beherbergte (s. 4). An demselben ist der gelappte Kopftheil
mit den vier eingezogenen Rüsseln und der mit zahlreichen Kalkkörper-
chen versehene Hintertheil alsogleich zu unterscheiden. Das aus der
Cyste befreite Thier bewegt sich einige Zeit sehr lebhaft, streckt den
einen oder anderen mit Häkchen besetzten Rüssel hervor und klam-
mert sich an das nebenliegende Gewebe an. Der sehr bewegliche
Rüssel wird zeitweise zurückgezogen und sehr behendig wieder vor-
Helminthologische Notizen. 375
wärts geschnellt. Die Form der Häkchen, ihre Stellung, ihr Verhalten
während des Vorwärtsschnellens desRüssels und während des Rück-
zuges lässt sich erst bei stärkeren Vergrösserungen eruiren. Die
Häkchen sind mit ihrer sichelförmig gekrümmten Spitze nach rück-
wärts gekehrt (s. 6) und in schief absteigenden Reihen gelagert.
Der Rüssel ist hohl und mit Längsmuskelfasern in
seinem Innern ausgekleidet (s. 6aa), nach vorne ein-
stülpbar, so zwar, dass bei dem Einziehen des Rüssels die an der
Aussenwand befindlichen Häkchen eingeschlagen werden und an der
innern Oberfläche des eingestülpten Rüsseltheiles zum Vorschein
kommen. Die eingerollten Häkchen erscheinen sodann in der Mitte
des Rüssels zusammengedrängt als abgerundete Körner (s. 7a). Es
ist somit ersichtlich, dass der Rüssel nicht totus quantus zurückgezo-
gen und hervorgeschoben wird, sondern dass er blindsackähnlich
sich einstülpt und herausschlägt. Ein ganz ähnliches Verhalten findet
auch bei dem Rüssel der Echinorhynchi Statt.
Der Kopf besteht bekanntlich aus vier Lappen (Bothria, Bothri-
dien), welche bei ihren verschiedenartigen Contractionen sehr mannig-
faltige Formen annehmen. Je einem dieser vier gegenständigen Kopf-
lappen entspricht ein Rüssel, welche gegen ihre Basis hin von einem
Bündel Längsmuskelfasern umfasst werden (s. 5a a). Die kolben-
förmigen Enden (s. 56 5) der Rüssel sind leicht in ihrer Continui-
tät mit dem Hakenrüssel und dessen dünnem hohlen Stiele hervorzu-
ziehen, sind ellipsoidisch und besitzen gegen ihre Mitte eine Raphe; an
ihrer Oberfläche zeigen sie eine gleichförmig vertheilte Menge von
kleinen spaltförmigen Lücken, welche dem Gewebe das Ansehen eines
fein durchwirkten Netzes verleihen. Die Bedeutung dieser anschei-
nend elastischen Gebilde ist noch dunkel.
Das Thier ist einer bedeutenden Streekung fähig, wobei es eine
Länge von 1/, Millimeter erreichen kann. Am Hintertheile befinden
sich zwei deutlich abgegrenzte, eine transparete körnige Masse ent-
haltende Organe (s. 5 c c), zudem sind zwei Zn lappige
Anhängsel bei günstiger Lage zu sehen.
Einen ganz ähnlichen Sceolex von Rhynchobothrium in der
Länge = 1/, Millimeter, in der Breite = /, Millimeter habe ich
in der Bauchmuseulatur von Zophius piscatorius gesehen, dessen
Hakenrüssel im zurückgezogenen Zustande als dunkle Streifen erschei-
. nen (s. 85 5b). Die zwei Paare Spalten (s. 8a a) entsprechen den
3716 Wed.
Durchtrittsstellen der Rüssel. In den Peritonealplatten nahe dem
Magen kamen ebenfalls bei Lophius piscatorius auch verkalkte Scoli-
ces vor, welche als weisse, kreideartige, in einer Kapsel eingeschlos-
sene Körperchen nach Behandlung mit Essigsäure aufbrausten, sich
aufhellten und hierdurch die Contouren des Wurmes noch erkennen
liessen.
5. An der Valvula spiralis des Darmes von Mustelus vulgaris
sah ich mehrere Exemplare von Tetrachynchus longicollis (van
Beneden) im Sinne Rudolphi’s zum Genus Rhynchobothrium
gehörig. Ich erlaube mir nur hier einige Ergänzungen zu den Beobach-
tungen van Beneden’s hinzuzufügen. Die Länge der sich nach Art
von Hörnern biegenden, vorgestreckten Rüssel (s. 9 «) ist beträcht-
‚licher, als sie von van Beneden angegeben wurde (zu 0-18 Milli-
meter); sie beträgt etwas über 2 Millimeter. Die Breite der Rüssel
an ihrer Austrittsstelle = 0-15 Millimeter, an ihrem abgerundeten
Ende = 0:08 Millimeter. Die Länge des Halses von der Stelle hin-
ter den Kopflappen (s. 95) bis zur knotenartigen Anschwellung
(d) = 11°/, Millimeter; Breite des Halses in ce = ?/, Millimeter,
in d = 1 Millimeter, in d’ = 1/, Millimeter. Hinter d’ fällt der
Querdurchmesser wieder bis auf 0-8 Millimeter herab. Die Zahl der
Glieder ist verschieden, die Länge des Gliederstückes oft kürzer, oft
länger als das Halsstück, das an seinem knopfartig geschwellten
Theile (9 4’) gewöhnlich einen Saum von kirschroth tingirtem, fein-
körnigem, freiem Pigment zeigt.
Van Beneden hat schon (l. e. S. 156) darauf aufmerksam
gemacht, dass die Rüsselscheide (in 9 d) mit parallelen, unter einem
rechten Winkel sich schief durchkreuzenden Streifen bedeckt sei.
Ich fand die Structur folgendermassen beschaffen: Es verlaufen
0.002 Millimeter dicke Fasern zickzackförmig und zu 0:012 Milli-
meter breiten Bündeln angeordnet. Indem diese Bündel (s. a’ b’in g)
unter einem rechten Winkel sich kreuzen, entstehen gleichmässige
Quadrate; da ferner die die Bündel eonstituirenden Fasern sich gleich-
falls unter einem rechten Winkel kreuzen, so entsteht in jedem Qua-
drat ein feines Netz von gleichfalls rechtwinkelig sich durchkreuzen-
den Streifen. Das Bild hat einige Ähnlichkeit mit quergestreiftem
Muskelgewebe im Zustande der Contraction; die Natur dieser Hohl-
gebilde (s. 9 d), welche offenbar jenen in 5 55 (des Scolex von
Rhynchobothrium) entsprechen, ist wohl noch zweifelhaft.
Helminthologische Notizen. 377
Die Geschlechtsöffnungen befinden sich am Seitenrande je eines
Gliedes, etwas hinter der Mitte und wechseln auf der einen und andern
Seite ab. Der Penis ist gekrümmt (s. 9A) und mit einer feinstache-
ligen Scheide versehen. Die weibliche Geschlechtsöffnung ist gleich
hinter der männlichen; die Eier sind rund, 0036 — 0 042 Millime-
ter im Durchmesser, und stehen gruppenweise beisammen. Es kamen
in demselben Darmstücke sehr platte, transparente Proglottides bis
zu einem Längendurchmesser von 1 Centimeter vor, welche bei der
Lebhaftigkeit ihrer Contractionen und der Transparenz hinsichtlich
der Beweglichkeit ihrer Organe sich zur Untersuchung eigneten. Der
Penis wurde nämlich eine beträchtliche Strecke weit bald vor-, bald
rückwärts geschoben. Die Wassergefässe, welche durch seitliche
zarte fadenartige Fortsätze mit dem Nebengewebe zusammenhängen,
wurden in ihrer selbstständigen Contraction beobachtet, wobei sie
sich nach Art der Blutgefässe der Insecten stellenweise abschnürten
und so eine Locomotion der transparenten Flüssigkeit bewerkstelligten.
6. Gleich unterhalb des mit Speiseresten erfüllten Magens von
Myliobatis aquila wurde im Darmschleime eingebettet ein Bhyn-
chobothrium (Rudolphi) gefunden, das sich alsogleich durch
einen zarteren Habitus von dem vorhergehenden unterschied. Das
Thier hat eine Länge von 6 Centimeter. Die Länge der vorgestreck-
ten Rüssel — 1 Millimeter, die Breite derselben =0'036 Milli-
meter; die Länge des Halses = 3 Millimeter, die Breite desselben
—= 0:75 Millimeter (s. 104). Die Anzahl der Kopflappen schien
mir 4 zu betragen ; ihrer Zartheit halber konnte ich nämlich zu keinem
sicheren Resultate gelangen. Die Häkchen der Rüssel sind mit ihrer
Spitze nach rückwärts gekehrt und in schief absteigenden parallelen
Linien gelagert (s. 10.5). Die vier kolbenförmigen, verhältnissmässig
kurzen Enden der Rüsselscheiden befinden sich vor einer knotenarti-
gen Anschwellung des Halses. Die hinter letzterer folgenden kurzen
Glieder zeigen in ihrer Continuität einen sägeförmigen Rand und in
ihrer Mitte bei durchgehendem Lichte einen hellen breiten Streifen
(s. 100); die weiter rückwärts gelagerten Glieder sind von der
unterhalb der Hautbedeckung gelagerten Muskelschichte längsgestreift
(s. 10 D). Die Geschlechtsöffnung befindet sich am Seitenrande der
Glieder im hinteren Drittheile, abwechselnd auf der einen oder ande-
ren Seite, oder wohl auch in 2, 3 oder mehreren auf einander folgen-
den Gliedern auf derselben Seite. Nach angewendetem Drucke gleitet
378 Wedıl.
ein glatter, gerader 0:08 Millimeter breiter Penis hervor, der von
einer ampullenartigen Wurzel entspringt. Die hintersten Glieder sind .
dunkel marmorirt und strotzen von Eiern, letztere haben eine runde
Form (s. 10 E), ihre Dotterblase ist mit einer gruppirten dunkel-
körnigen Dottermasse erfüllt, hat einen Durchmesser von 0024 bis
0:0283 Miliimeter und lässt bei geeigneter Lage ein wandständiges
Keimbläschen mit dem Keimflecke gewahr werden. Zwischen der
Dotterblase und der sehr zarten Eihülle befindet sich eine transparente
Eiweiss-Schichte. Die weitere Entwickelung der Eier und des Embryo
konnte nicht verfolgt werden. |
An einem grösseren Exemplare von Myliobatis aquila konnten
bezüglich des beschriebenen Rhynchobothrium noch einige ergän-
zende Beobachtungen gemacht werden. Es lag unterhalb der Schleim-
haut des Darmes ein ohngefähr erbsengrosser Knoten, dessen Höhlung
mit jener des Darmes durch eine mit einer weissen, amorphen Masse
verlegte Öffnung eommunieirte. Neben dieser weichen, mit Schleim
und Kalksalzen durchsetzten Masse kamen abgerissene länglich-vier-
eckige, zum Theile in fettiger und kalkiger Degeneration begriffene
Cestodenglieder und ein Kopfstück des beschriebenen Rhynchobo-
thrium vor. Die bewaffneten Rüssel stehen mit den langen Scheiden
in unmittelbarem Zusammenhange und lassen sich mit denselben leicht
herausziehen; an der Übergangsstelle findet sich eine halsähnliche
Abschnürung. Die Scheiden sind diekhäutig, winden sich schlangen-
förmig, besitzen eine sehr feinstreifige, leicht zu übersehende Muskel-
lage, und nach rückwärts, wo sie in die kolben- oder hülsenähnli-
chen Anhänge übergehen, gleichfalls eine halsähnliche Abschnürung.
Die Struetur dieser Anhänge ist wesentlich so, wie die der grösseren
von Rhynchobothrium longicolle (vergl. 9 g), nur sind die von den
Faserbündeln gebildeten Quadrate kleiner und die sich kreuzenden
Fasern zarter. Zudem besitzen die Anhänge eine dünne Hülle und nach
rückwärts einen bandartigen Fortsatz.
Die Bezeichnung dieser Species als Ihynchobothrium tenue
dürfte insoferne gerechtfertigt sein, als auch die hinteren Glieder
verhältnissmässig schmal sind.
I. TREMATODEN.
1. An den abgeplatteten Zähnen der Kiemenbögen eines grossen
Exemplares von Thynnus vulgaris beobachtete ich einige ovale, im
Helminthologische Notizen, 379
Längendurchmesser etwa 3—4 Millimeter haltende, fest adhärirende
grauröthliche, ziemlich resistente, bindegewebige, vollkommen abge-
schlossene Cysten, welche meist ein, zuweilen zwei Exemplare eines
sonderbar gestalteten Monostoma beherbergten. Das Thier besteht
wesentlich aus einem birnförmigen Kopftheile und einem nierenförmi-
gen Bauchtheile, welche beide durch einen verhältnissmässig langen
strangartigen Fortsatz in Verbindung treten (s. 11 und 12). Die
Grössenverhältnisse sind folgendermassen beschaffen: Längendia-
meter des Kopfstückes von einem geschlechtlich entwickelten Thiere
— 1:4 Millimeter, Breite desselben 2/, Millimeter; Durchmesser des
runden Saugnapfes —= 04 Millimeter; Längendiameter des Bauch-
theiles = 2 Millimeter; Länge des Verbindungsstranges beinahe —
2 Millimeter; Querdurchmesser desselben = 0:18 Millimeter, Die
geschlechtlich nicht vollkommen entwickelten Thiere sind insbeson-
dere in ihrem Bauchtheile beträchtlich kleiner (vergl. 12 mit 11).
Der Saugnapf (s. 11 a) ist in schiefer Richtung von einer trich-
terförmigen Höhlung durchbohrt, deren grössere Mündung nach unten
und vorne, die kleinere nach rückwärts gelagert ist. Das Parenchym
des Saugnapfes wird von einer beträchtlichen Lage von Ringsmuskel-
fasern gebildet, welche gegen die hintere, kleinere Mündung des
Triehters von einem schwachen Bündel von Muskelfasern umgriffen
werden, das sich mit den Ringsfasern kreuzt. Hinter dem Saugnapf
mündet sich der von gelbbraunen Eiern tingirte Uterus (s. 115),
und verläuft, beinahe die ganze Breite des Verbindungsstranges ein-
nehmend (s. 11c), nach rückwärts in den Bauchtheil, der von den
gelbbraun tingirten Eierschläuchen vollgepfropft ist (s. 11ee).
Ausser letzteren trifft man noch dünnere graue, darmähnlich gewun-
dene Schläuche (s. ild d), welche, mehr gegen die Oberfläche des
Bauchtheiles gelagert, den Eierkeimstock vorstellen. Die zahllosen
Eier haben eine gelbe Färbung und sind die Ursache des gelbbraunen
Colorits der Eierschläuche; sie besitzen eine nierenförmige Gestalt,
einen Längendurchmesser von 0026 Millimeter, einen Breitedurch-
messer von 0:015 Millimeter.
Die Einbiegungsstelle zeigt sich bei der Seitenlage des Eies
(s. 13 a); von vorne betrachtet, erscheint letzteres schmäler (s. 135,
mit dem contrahirten Embryo). Durch Druck lässt sich der mit
einer Einkerbung versehene Emhryo (s. 13 c, mit den noch daran
hängenden Eihäuten) isoliren.
380 Wedil.
Weitere Forschungen über diesen Trematoden, für den ich den
Namen Monostoma bipartitum vorschlage, anzustellen, war ich nicht
in der Lage, da die Thunfische bekanntlich ausgeweidet zu Markte
gebracht werden, und es mir während meines Aufenthaltes in. Triest
nur einmal gelingen wollte, die Eingeweide eines Thunfisches zu
erhalten. | |
2. Eingeschlechtlich nicht entwiekeltesMonostoma
habe ich zugleich als Eeto- und Entoparasit bei Rhombus
laevis gesehen; es waren nämlich an den Strahlen der Flossen dunkle,
punktförmige, sehr fest adhärirende, resistente Knötchen bemerkbar,
die nebst der bindegewebigen ziemlich dieken Hülle einen mehr
weniger von ihr abstehenden structurlosen Balg von einer Dicke von
0:0096 Millimeter in sich fassten, welch letzterer beinahe ganz von
einem sich herumrollenden Trematoden ausgefüllt war. Präparirt man
letzteren heraus, so ercheint das Monostom wie 14, dessen Länge
3/, Millimeter, dessen Breite beinahe 1/, Millimeter beträgt, wenn
sich der Wurm zusammengezogen hat. Der Durchmesser des Mund-
napfes mit seiner kleinen Öffnung (s. 14a) ist 0:076 Millimeter;
von ihm weg verläuft der Ösophagus mit seiner Anschwellung (b).
Der Dauungsschlauch theilt sich sodann gabelig (in c); die beiden
Äste verlaufen bogenförmig nach rückwärts, um an dem hinteren
Körperabschnitte jeder für sich blind zu endigen (s. 14e). Am
Hintertheile des Körpers ist noch ein, bei durchgehendem Lichte
dunkles, sich gabelig in zwei Horizontaläste spaltendes Organ erwäh-
nenswerth (s. 14 d), aus welchem sehr leicht eine dunkelkörnige Masse
hervorquillt (f), die, stärker vergrössert, aus einem Aggregat von
fettkugelähnlichen Körpern besteht (g). Dieses dunkle Organ ist von
v. Siebold.(s. dessen vergleich. Anatomie der wirbellosen Thiere,
S. 138) als Absonderungs-Organ erklärt worden. Die Oberfläche des
Thieres hatte ein chagrinirtes Ansehen. Schliesslich bleibt nur noch
hinzuzufügen, dass dieselben eingekapselten Monostomen unter der
Schleimhaut des Darmes angetroffen wurden. |
3. Ich will hier auf die anatomischen Verhältnisse von Mono-
stoma foliaceum (Rudolphi) aus der Bauchhöhle von Acipenser
Sturio näher eingehen, um so mehr, als Dujardin in seiner histovre
naturelle des helminthes (S. 364) den Zweifel ausgesprochen hat,
dass es kein wahres Monostom, sondern seiner Meinung nach vielmehr
ein den Cestoden angehörender Organismus sei. Der sehr kleine Saug-
Helminthologische Notizen. 381
napf, dessen Öffnung bei einem 22 Millimeter langen, 7 Millimeter
breiten Exemplare kaum noch mittelst des freien Auges gesehen werden
kann (s. 15«), besitzt eine trichterförmige Höhlung und führt zu
einer etwas gewunden nach rückwärts verlaufenden Speiseröhre (5),
- die in ce bulbusartig anschwillt. Von diesem Orte weg konnte ich den
Nahrungsschlauch nur eine kleine Strecke weiter verfolgen; an trans-
parenteren kleineren Thieren, die mir nicht zu Gebote standen, wird
sich der weitere Verlauf gewiss eruiren lassen. Von dem Mundsaug-
napf weg verläuft beiderseits an dem Rande des Thieres ein dunkler
Streifen (d), der sich ungefähr in der Höhe des Pharynx gabelig
theilt (s. d'’); die beiden Zweige verlaufen in parallelen Zügen nach
rückwärts, um blind an dem Hintertheile zu endigen. An der rechten
Seite des Thieres bei dessen Bauchlage sieht man einen bei durch-
gehendem Lichte dunklen, bei auffallendem hellen Streifen schief nach
vorwärts verlaufen und an dem Seitenrande endigen (s. 15f). In
diesem Organe, das ohne Zweifel den Penis repräsentirt, zeigt sich
in der Mitte eine consistente hellere Masse, welche sich leicht mit
der Nadel ablösen lässt. An seiner Wurzel steht der Penis mit einer
ampullenartigen Anschwellung in Verbindung, hinter welcher eine
graue abgegrenzte Masse (Samenbläschen?) sich befindet. In der
Nähe der letzteren (g) endigt der mit braungelben Eiern gefüllte
Schlauch (Uterus), (e), der an der einen Seite des Thieres nach rück-
wärts verlaufend sich etwas zuschmälert und sich umbeugend nach
vorwärts zieht. Nebst einem ähnlichen braungelb tingirten Canale der
andern Seite erscheinen auch noch einige in querliegenden Bögen.
Bei refleetirtem Lichte erscheint die Oberfläche des Thieres aus
4— eckigen Fachwerken (von Diesing]|s. dessen Syst. helm.1, 319]
in der Diagnose hervorgehoben), zusammengesetzt, von welchen jedes
in der Mitte eine Vertiefung besitzt, so dass hieraus ein honigwaben-
artiges Ansehen erwächst. Diese Loculamente der Oberhaut stehen in
Querreihen, die Ränder des Thieres sind gekerbt; bei der Streckung
dehnen sich die ersteren aus. Das Thier kann den Vordertheil sehr
zuspitzen, und es ist ihm- hierdurch ermöglicht, sich zwischen die
Gewebe des Wohnthieres einzudrängen. So fand ich ein Monostoma
mit seinem Kopfe in die Haut der Schwimmblase eingedrungen, so
dass in letzterer eine Öffnung zu erblicken war, welche von dem Vor-
dertheile des Monostoma ausgefüllt war; so lag ein anderes Mono-
stoma unter dem Peritonealüberzuge neben der Wirbelsäule.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVI. Bd. II. Hft.- 25
382 Wedt
Bei einem anderen Acipenser Sturio wurde die retrograde
(fettige) Metamorphose der Monostomen in folgender Weise ver-
folgt. Dieselben werden beträchtlich dicker, so dass das Epitheton:
foliaceum insoferne nicht mehr in der Ausdehnung passte, da sich die
Ränder nicht mehr leicht umschlagen, und die Oberfläche des Rückens
viel convexer erscheint, auch nimmt in dem Grade des Dickerwerdens
die Transparenz bedeutend ab, und es ist erst nach vorgenommenem
stärkeren Drucke mittelst eines dieken Glases möglich, die nur mehr
sehr spärlich vorhandenen gelbbraun tingirten Eierschläuche zu unter-
scheiden. Der schief nach vorne gerichtete Penis ist undeutlich. Im
Uterus-Canaleund selbst in den Eiern sind grössere Fetttropfen ange-
sammelt, und ersterer hie und da mitbraungelber Molecularmasse ange-
pfropft. Manche der tingirten Eier erscheinen um ein Beträchtliches
kleiner, kaum ein Drittel der ursprünglichen Grösse messend, also
offenbar einem Verschrumpfungsprocesse entgegen gehend; dabei sind
sie häufig in die Länge gezogen oder weichen auf verschiedene Weise
von ihrer ursprünglichen Gestalt ab. Es ist somit klar, dass Mono-
stoma foliaceum in der Peritonealhöhle des Störes hinsichtlich seines
geschlechtlichen Apparates sich unter Umständen zurückbilde, wobei
eine Fettzunahme im Körper des Thieres eintritt.
4. In dem relaxirten Zellgewebe ausserhalb des Herzbeutels
und um den Bulbus arteriosus von Belone vulgaris kommt sehr
häufig ein eingekapseltes bisher nicht bekanntes Distoma vor. Die
gefüllte Kapsel ist oval, im längeren Durchmesser 1 Millim. lang, bei
refleetirtem Lichte weiss, glatt, lose dem Zellgewebe angeheftet,
sehr consistent und dabei ungemein elastisch.
Obwohlman die Bewegungen des Wurmes bei der nicht gequetsch-
ten Kapsel wahrnehmen kann, so wird doch das Thier, welches den
ganzen Raum ausfüllt, in seinen Umrissen erst bei der Quetschung
klar. Wird letztere so stark vorgenommen, dass die Kapsel berstet,
so zerquetscht man stäts den Wurm; präparirt man denselben heraus
so erscheint ein Distoma, dessen Mundnapf im erschlafften Zustande
ı/, Millim., dessen Ösophagus -Anschwellung 0-14 Millim. und
dessen Bauchnapf ungefähr um ein Drittel kleiner als der Mundnapf
ist. Der sich gabelig theilende Darmcanal ist weit. Zwei Hodenbläs-
chen (?) sind gegen den Hintertheil des Thieres gerückt, an den
Seiten des letzteren liegen zwei ellipsoidische, mit einer transparen-
ten, feinkörnigen Masse gefüllte Organe (Eierkeimstöcke?). Die
Helminthologische Notizen. 383
Wassergefässe bilden ein feines Netz. Gegen den Mundnapf wird
man an der Decke 0:0048 Millim. lange, spitze Stacheln gewahr,
welche gegen den nackten Hintertheil an Grösse abnehmen.
Die Kapsel ist structurlos und besteht aus einem äusseren dicke-
ren und inneren dünneren Blatte; bei einer Dicke von 0017 bis
0025 Millim. leistet sie einer concentrirten kohlensauren Natron-
lösung Widerstand und es ist erst einige Zeit nach der Einwirkung
der letzteren möglich, mittelst eines geringen Druckes die Kapsel
zum Bersten zu bringen.
Ich habe bei mehreren Exemplaren von Belone vulgaris nach
geschlechtlich vollkommen entwickelten Distomen fruchtlos gesucht
und glaube daher die Species-Bezeichnung des beschriebenen
Distoms noch nicht machen zu dürfen.
5. InBezug auf Distoma megastoma (Rudolphi), das ich gegen
den unteren Theil des Magens von Scyllium Catulus fand, habe ich
zu den Beobachtungen Rudolphi's undKuhn’s einige Ergänzungen
hinzuzufügen. Die Thiere sind mit ihrem vorderen Saugnapfe fest
in die Schleimhaut eingekeilt, so dass nur das Acetabulum mit dem
Hintertheile frei liegt. Der Mundnapf hat eine abgerundet dreieckige
Gestalt mit einer quergestellten einiger Massen herzförmigen Öffnung
(s. 16). Die Radialfasern sind nach dem hinteren Abschnitte des
Napfes bedeutend länger als im vorderen, und kreuzen sich mit einem
sehwachen Bündel von Circularfasern. Die Querdurchmesser des
Mundnapfes, Bauchnapfes und der Ösophagus- Anschwellung ver-
halten sich im erschlafften Zustande wie 1-33 :1-17 :1 Millim.
Die Geschlechtsöffnung liegt vor dem Bauchnapf an der linken Seite
der Ösophagus - Anschwellung; der an jener befindliche Penis
besitzt eine knopfförmige, gegen 1 Millim. grosse Anschwellung, seine
Grundsubstanz ist ein festes Fasernetz. Der Hodenbläschen sind drei.
Die braungelb tingirten Eier sind oval, besitzen einen Längendiameter
von 0038 Millim., einen Breitendiameter von 0-026 Millim. Ausser
diesen gefärbten Eiern gibt es auch noch an dem hinteren Abschnitte
hinter dem Acetabulum befindliche um ein Viertel grössere, mit einem ...g]
deutlichen Opereulum an dem einen Ende versehene Eier. Die Decke
‚des Thieres ist glatt, an den Rändern gefaltet.
6. Distoma polymorphum (Rudolphi), habe ich nur einmal im
Darme von Muraena Anguilla gesehen und zur besseren Übersicht
der anatomischen Verhältnisse eine Abbildung beigegeben (s. 17).
25*
384 Wed
Der Bauchnapf ist nicht ganz dreimal so gross als der Mundnapf, und
hat jener vor sich den S-förmig gekrümmten, glatten Penis (P),
hinter sich den spiralig gedrehten Uterus (U), der mit den braun-
gelben, elliptischen Eiern erfüllt ist (s. dieselben rückwärts in dem
folgenden Aufsatze 7). Der Eierkeimstock (s. 17 O0) ist traubenförmig
und an den Seitentheilen des Thieres gelagert. Der Hode (77)
zeigt eine lappige Form.
III. NEMATODEN.
Es leben sehr häufig in den Fischen theils eingekapselte, theils
freie Nematoden, welche sich durch den Mangel eines geschlechtlichen
Apparates auszeichnen; solchen Individuen fehlt daher ein wesent-
liches Merkmal zur Charakteristik, und man ist desswegen strenge
genommen nicht berechtigt, einen systematischen Namen einem Thiere
zu geben, von dem man die Entwickelungsstufen noch nicht kennt;
wählt man aber der kürzeren Bezeichnung halber eine Benennung, so
kann dieselbe nur als eine provisorische figuriren. In diesen Zeilen
geht meine Absicht nur dahin, verschiedene Formen vorzuführen und
namentlich auf die verschiedenartige Bewaffnung hinzuweisen, welche
theils an dem Vorder-, theils an dem Hintertheile der Thiere sich
vorfindet.
1. Aus den Appendices pyloricae des Magens von einem klei- |
nen Lophius piscatorius wurde mit dem Schleime ein sehr dünner,
kaum mittelst des freien Auges sichtbarer Nematode ausgequetscht,
der sich durch seine mehr pendel- als schlangenförmigen Bewegungen
auszeichnete. Seine Länge beträgt 6‘/, Millim., seine Breite an der
dieksten Stelle 1/,, Millim., nach vorne '/,; Millim., nach rückwärts
vor dem kolbenförmig abgerundeten Ende !/,, Millim. Das Kopfende
ist schief abgestumpft und besitzt zwei abgerundete Lippen (s. 180),
zwischen welchen zwei zurückziehbare, im ausgestreckten Zustande
wie zu einem verschmolzene Stachel sich befinden. Dieselben sind
nur, wenn sie vorgestreckt, gut zu beobachten (s. 19), im zurückge-
zogenen Zustande (s. 20) kaum als vorragende kleine Spitzen bemerk-
bar; ihre Länge beträgt beinahe 0:1 Millim.; sie können ungefähr
zur Hälfte vorgeschoben werden; ihre Ränder erscheinen gekerbt,
an ihrer Basis gehen sie in eine Scheide (s. 19«) über. Der Dau-
ungscanal beginnt zwischen den Lippen und geht in den schmalen
ziemlich langen Ösophagus über (s. 18 5). Der Darmcanal zieht
Helminthologische Notizen. 3855
von vorne gerade nach rückwärts und ist nur in seinem vorderen
Viertheile mit einer bräunlich-gelben Molecularmasse erfüllt (s. 18c),
er endigt vor dem kolbenförmigen Hinterende (s. 18 d). Das letz-
tere zeigt zwei schief aufsteigende Streifen (s. 18 ee), den beiden
seitlichen kappenförmigen Decken entsprechend; auch bemerkt man
daselbst vier hellere Punkte unentschiedener Bedeutung. Von Ge-
schlechtstheilen konnte auch nicht die Spur entdeckt werden. An der
Körperoberfläche bemerkt man nach vorne zu eine mittlere Raphe;
etwas weiter nach rückwärts erscheinen noch seitliche Raphen, die
Querringelung ist sehr zart. Trotz mehrfältiger Versuche, bei Zophius
pisc. diesen Nematoden, der dem Genus Agamonema (Dies.) dem
Fundorte nach nicht entspricht, wieder zu finden, wollte es mir nicht
gelingen, und ich will daher nur von diesem geschlechtslosen Rund-
wurme den langen Stachel des zweilippigen Kopfes und das kolben-
föormig abgerundete Hinterende hervorgehoben wissen. Den Gattungs-
namen könnte man einstweilen mit Dikentrocephalus (crinalis) (haar-
ähnlichen Zweistachelkopf) bezeichnen.
2. Einen zum Genus Agamonema (Dies.) gehörigen unge-
sehlechtlichen Rundwurm fand ich an der Peritonealoberfläche des
Magens von einem kleinen Lophius piscatorius. Es waren vier
einge kapselte Exemplare vorhanden, zwei grössere und zwei kleinere
_ die ersteren 1 Centim. lang, t/, Millim. dick, die letzteren 6 Millim.
lang, 1/, Millim. diek. Sie sind schwer von dem sie umhüllenden
Zellgewebe zu trennen, ihre Bewegungen träge. Von ihrer Hülle
befreit winden sie sich knäuelartig zusammen. Der Kopf ist mit 3(?)
abgeplatteten Papillen (s. 21) versehen und zeigt am Rande kurze
warzige Hervorragungen (s. 21 aa) und einen sehr kurzen Zahn
(s. 21 6), welcher seitlich zu stehen kommt. Bevor der weite lange
'Schlundkopf (c) in den bei den grösseren Exemplaren dunkelgrau,
bei den kleineren rostbraun gefärbten Darm übergeht, bildet er einen
blinddarmähnlichen Anhang, der bei den kleineren beiden Nemato-
‚den 5/, Millim. lang, 005 Millim. breit befunden wurde. Der weite
Darmeanal besitzt an seiner Afteröffnung (s. 22a) eine wulstige
Erhabenheit. Der Hintertheil ist schief abgestutzt und an seinem
Ende mit 4—5 Gruppen kurzer konischer Stacheln besetzt (s. 225).
Nebst dem weiten Darm werden an dessen Seite, insbesondere gegen
den Mitteltheil des Thieres, gewundene, granulirte Schläuche wahr-
genommen, welche sich nirgends an der quergeringelten Körperober-
386 ERRSCHIN
fläche zu münden scheinen. Die Scheide des Thieres besteht aus
einer sehr dichten, anscheinend structurlosen, röhrenartig gestalteten
000% Millim. dieken Membran.
Diese eingekapselten Würmer können, wie ich mich bei einem
grossen Lophius pisc. überzeugte, kleine Blutextraversate erzeugen,
ihre zellgewebige Scheide enthält Reihen von Pigmentzellen, ja sie
können auch verkalken, wobei sie als lichte Streifen am Peritoneum
erscheinen. Dieselben enthalten nebst den noch erkenntlichen Con-
touren des Wurmes (Querringelung ete.) Fett, Kalkkrümeln und
pigmentirte braungelbe Massen.
3. Unter der Schleimhaut des vorderen Darmstückes von Belone
vulgaris sah ich einmal 1/, Millim. im Durehmesser haltende, ziemlich
consistente, isolirt stehende Kapseln, von welchen je eine einen ein-
gerollten, 5/, Millim. langen, 0036 Millim. an seiner dieksten Stelle
hinter dem Kopfe breiten Nematoden enthielt; derselbe ist an seinem
Kopfende mit einem kurzen, vor- und zurückschiebbaren Zahne
bewaffnet (s. 23Aa). Dessgleichen findet sich an diesem Hinterende
ein etwas grösserer, hakenförmig gekrümmter Stachel (s. 23 B).
Ausser dem geraden, von vorne nach rückwärts verlaufenden
Darm, der vor einer flachen, wulstigen Erhabenheit am Hinterende
ausmündet (s. 23B 5), lassen sich keine anderen Organe im Innern
unterscheiden. Trifft man den Wurm-noch lebend, so kann man
dessen freie, lebhafte, schlangenförmige Bewegungen durch längere
Zeit beobachten. |
A. Ein Scomber scombrus enthielt in seiner Bauchhöhle eine
erstaunliche Menge von jenen unentwickelten Nematoden, welche
Diesing als Agamonema Capsularia bezeichnet hat. Dieselben
kamen nicht blos zwischen den Lappen der Leber, zwischen Nieren
und Gedärme zu Hunderten vor, so zwar, dass daselbst Alles wim-
melte, sondern auch unterhalb des Peritonealsackes. Sie warenin einem
zellgewebigen Netze so verfilzt, dass sie schwer davon losgetrennt
_ werden konnten. Die zellgewebigen Scheiden sind mitunter mit zahl-
reichen Gefässen versehen.
Die näheren anatomischen Verhältnisse sind folgende: Das Kopf-
ende ist aus drei abgeflachten Papillen zusammengesetzt; zwischen
denselben erscheint ein vorschiebbarer Zahn (s. 24a), (wie dies
namentlich bei reflectirtem Licht am aufgespiessten Kopfe klar wird),
der in eine Scheide (s. 245) zurückgezogen werden kann. DerZahn
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Helminthologische Notizen. 387
erhält häufig eine schiefe seitliche Lage je nach der Drehung des
Kopfes. Der Darmcanal ist weit, gerade und mit einer dunkelkörnigen
Masse erfüllt. Am gewöhnlich gekrümmten Hinterende liegt der seit-
liehe After (s. 25 a) und der kurze Stachel. An den gewöhnlich
2 Centim. langen Würmern findet man ungefähr 2 Millim. hinter dem
Kopfende ein bei auffallendem Lichte weisses, bei durchgehendem
dunkles, 5/, Millim. langes, scharf abgegrenztes Organ, das mit dem
Ösophagus leicht hervorgezogen werden kann. Dasselbe besitzt
eine zarte Hülle, welche leicht berstet und den Inhalt, eine feinkörnige
Masse, hervorquellen lässt. Dieses Organ, das mit dem Ösophagus
im Zusammenhange steht, dürfte wohl dem Secretionsorgane der
Nematoden von v. Siebold entsprechen. Ausser dem Darmcanale
konnten keine anderen Organe in der Leibeshöhle ausfindig gemacht
werden. Zwei(?)starke Muskelstrata, Längs- und Quermuskelbündel
vollführen die sehr lebhaften Bewegungen des Thieres. Die Körper-
decke ist quergeringelt.
Rudolphi hat es schon hervorgehoben, dass dieser von ihm
Filaria Capsularis genannte Wurm auch ausserhalb des ihn bewir-
' thenden Organismus fortleben könne; er erhielt ihn acht Tage in.
frischem Wasser und sah ihn in eingefrornen Häringen nach Zugabe
von frischem Wasser wieder aufleben. Die Lebenszähigkeit des
Thieres offenbart sich auch dadurch, dass der abgerissene Kopf
sich längere Zeit sehr lebhaft hin und her bewegt.
Ich beobachtete nach achtzehn Tagen, nachdem die Würmer aus
der Leibeshöhle des Fisches herausgenommen und in Brunnenwasser,
das nicht erneuert wurde, gelegt waren, lebende Exemplare, und deren
Umrisse zeigten sich ganz wohl erhalten.
5. Einen ähnlich beschaffenen, geschlechtlich unentwickelten
Nematoden (Agamonema Dies.) fand ich bei mehreren Individuen
von Mullus barbatus und einmal bei Zeus faber in mehreren Exem-
plaren vertreten. Die Länge des Wurmes schwankte zwischen 12 bis
20 Millim., die Breite vorne, mitten und rückwärts verhielt sich wie
1/12 : Yu : 1, Millim. Von den anatomischen Verhältnissen will ich
nur hervorheben, dass die verhältnissmässig lange Schlundröhre bei
ihrem Übertritte in den pigmentirten Darm einen hellen, blinddarm-
ähnlichen Fortsatz abgibt (s. 26 aa); ausserdem ist noch ein nach
vorne gerichtetes Divertikel (s. 26 5) an der benannten Übertritts-
stelle zu beobachten, auf welche beide Fortsätze schon Dujardin
388 Wedı
(histoire natur. des helm. S. 60) aufmerksam gemacht hat. Neben
dem geraden Darme verläuft ein mehr gewundener Canal, der in
der Mitte des Thieres seine grösste Breite erreicht und eine fein-
moleculäre Masse enthält. Von der Mitte abwärts zeigt derselbe eine
Lichtung in seinem Centrum und kleine kernhaltige Zellen. Von
einer weiteren Entwickelung derselben konnte in mindestens einem
Dutzende von solchen untersuchten Helminthen nichts wahrgenommen
werden. Die Hülle besteht aus in einander geschobenen bandartigen
Längsstreifen (s. 27).
6. Dujardin (l. e. S. 105) hat in den Magenhäuten einer Raja
clavata einen röthlichen Rundwurm, 1-8 Millim. lang, 0-7 Millim.
breit gefunden, dessen Kopf ähnlich jener Spiroptera des Maulwurfs-,
und Igels sein soll; dessen Geschlechtsorgane jedoch nicht ent-
wickelt waren. |
Ich habe zwei solcher Spiropteren (?) im Magen von Raja cla-
vata gesehen. Der Kopf hat auf der Rückenseite drei hervorragende
Läppchen (s. 28a). Gegen den Untertheil hin ragt jederseits eine
kurze Papille hervor (s. 28 5 5); überdies findet man in der Mitte
des Vordertheils eine Erhabenheit mit drei Einkerbungen (s. 284)
und zwei seitliche Erhabenheiten mit einer Einkerbung (s. 28 ce).
Am Kopfende ist ein deutliches netzförmiges Wassergefäss-System
vorhanden. Neben demVerdauungscanale liegen gSewundene Schläuche,
die wie mit einem zarten Epitel ausgekleidet sind (s. 28 e) und dessen
Zellen beträchtlich kleiner als jene an den Seitentheilen des Körpers
befindlichen sind (s. 28f). Die äussere Decke ist quer geringelt.
Die Länge der von mir im Magen von kaja clavata gefundenen Rund-
würmer betrug 8—9 Millim., die Breite '/, Millim.
7. In dem pylorischen Theile des Magens, in der Chymusmasse
eingebettet und wohl auch in dem zunächstliegenden Darmstück von
Scyllium Catulus habe ich zweimal eine Ascaris gefunden, deren
Repräsentanten in der Länge von 16 Millim. — 6 Centim., in der
Dieke von %, — 1!/, Millim. differirten. Nach vorne und rück-
wärts ist eine Zuschmälerung bemerkbar. Der Kopf ist abge-
rundet, der Hintertheil konisch; ersterer besteht aus drei in einander
greifenden stumpfen Wülsten, von denen jeder mit einem Paare zwei-
zackiger Zähne bewaffnet ist (s. 29 a aa). Der Darmeanal verläuft
gerade; der After befindet sich seitlich neben einer höckerigen
Erhabenheit vor dem konischen Ende. Etwas vor derMitte des Thieres
RER EN
Helminthologische Notizen. 389
wird die Geschlechtsöffnung deutlich. Die Hautdecke ist aus ungemein
zarten Querstreifen zusammengesetzt. Von derselben nach einwärts
liegen an beiden Seiten des Thieres in gleichmässigen Distanzen sehr
zahlreiche Knoten, von welchen 3-—A, 0:0036 Millim. dieke Stränge
büschelförmig gegen die mittlere Oberfläche des Körpers ausstrahlen
und daselbst verschwinden. Dass diese allenthalben gleichmässig
vertheilten Knoten und die davon ausstrahlenden Stränge dem Nerven-
systeme angehören, soll weiter unten erörtert werden. In der Leibes-
höhle, wo der Darmeanal gelagert ist, wird ein transparenter nur
durch sparsame Moleküle getrübter Saft zeitweilig auf und abwärts
getrieben; auch liegt daselbst ein schlauchartig gewundenes, wie von
einem Epitel ausgekleidetes Organ (s. 30), das, gegen die seitliche
Geschlechtsöffnung hin breiter werdend, in den Wandungen des
Schlauches eine quere Streifung zeigt. Mit Dotter oder einer Ei-
Membran umhüllte Eier sind in den kleinen, unentwickelten Ascari-
den nicht zu finden ; es ist daher blos ein Eierkeimstock vorhanden.
Mehr gegen die Oberfläche des Thieres kommen jedoch noch
andere in Längsreihen angeordnete Organe vor, die in ihrem Centrum
ovale, mit einem Haufen Körner in ihrer Mitte versehene Körper
beherbergen (s.31). Letztere sind auch kleiner, sodann in Doppel-
reihen gelagert und enthalten nur wenige Körner. Nebst diesen Zel-
lenreihen, welche in keiner direeten Verbindung mit den oben beschrie-
benen büschelförmigen Quersträngen stehen, sieht man noch solche,
welche vollkommen den bi- und multipolaren Ganglienzellen gleichen,
und von welchen theils nach der Längenaxe zwei Fortsätze oder nach
der Queraxe des Thieres mehrere Fortsätze ausstrahlen. Ich zweifle
nicht, dass jene ganglienzellenartigen Körper mit ihren Fortsätzen
das Nervensystem vorstellen, da auch G. Meissner bei den Mermi-
then dasselbe auf eine ähnliche Weise nachgewiesen hat.
Die grösseren Ascariden haben schon ausgebildete Eier aufzu-
weisen, deren rundliche Dotterblase von einem Durchmesser von
0:052 Millim. das Keimbläschen einschliesst (s. 32). Die Dotterblase
ist von einer mehr weniger pentagonalen oder hexagonalen, wellen-
förmig gestreiften Eihülle umgeben.
Von diesem bewaffneten Ascariden, für den ich wegen der zwei-
zackigen Zähne den Namen Ascaris bieuspis vorschlagen möchte,
konnte ich nur Weibchen entdecken.
390 | Wedi.
8. In Bezug auf Ascaris rigida aus dem Magen von Lophius
piscatorius kann ich die Angabe Dujardin’s (l. ec. S. 184) gegen
Rudolphi, der dem Männchen nur ein einfaches Spieulum zuschrieb,
bestätigen. Es sind zwei gekrümmte Spicula von beträchtlicher Länge
vorhanden; vor denselben erscheinen 10—12 Reihen von Saugwarzen
an der nach innen gekehrten Oberfläche des Thieres, die ohne Zwei-
fel bei dem Begattungsacte zur festeren Adhäsion mitwirken. Das
männliche Geschlechtsorgan (Hode) besteht aus einem 6 Millim. lan-
gen, bis 0:41 Millim. breiten, transparenten Theile, grosse, gross-
kernige, feingranulirte Zellen enthaltend, die in einem grossmaschigen
Fasernetze eingeschlossen sind.
Die weibliche Geschlechtsöffnung liegt gegen das Ende des vor-
deren Drittheils an der Bauchseite. Die Eier sind rund, die Dotter-
blase 0034 Millim. im Durchmesser, dunkelkörnig, die Eihülle
häufig gefaltet, leicht berstend. Die Dottermasse zeigte noch keine
Furchung.
9. Der Sonderbarkeit des Fundortes halber will ich hier anfüh-
ren, dass ich beim Einschneiden in die bekanntlich vom Darmeanale
durchsetzte Leber eines 12 Centim. im Längendurchmesser haltenden
Pecten Jacobaeus einen 31/, Centim. langen, in der Mitte bei 1/, Millim.
breiten Nematoden hervorzog, der dem von Diesing, benannten
Genus Agamonema angehört und nach vorne und rückwärts zuge-
schmälert ist. Das Kopfende ist stumpf, das Hinterende spitz, sichel-
förmig gekrümmt, der Körper quergeringelt, der Darmcanal weit,
braungelb colorirt, gerade von vor- nach rückwärts verlaufend und
kurz vor dem sichelförmigen Hintertheile endigend. Entlang dem
Darmeanale verläuft ein schmäleres gewundenes Organ, analog jenem
schon mehrmals bei den geschlechtslosen Nematoden beschriebenen.
In der Gegend des Schlundkopfes befindet sich ein bei refleetirtem
Lichte weisses, bei durchgehendem dunkles Organ, das für das freie
Auge als eben wahrnehmbares Pünktchen erscheint. Die Bewegun-
gen des Thieres sind ungemein’lebhaft, bald sich zu einem Knäuel
zusammenwindend, baldsich wieder entwirrend und weitausgreifende
Ortsbewegungen vollführend.
10. In unserer Gegend kommt bei Tropidonotus natrix in dem
vorderen Theile des Lungensackes sehr häufig ein Rundwürmehen
vor, von dem ich (trotzdem ich einige Hunderte untersuchte) nur
Weibchen zu Gesicht bekam. Die gegebene Charakteristik von
2 ae BITTER
Helminthologische Notizen. 391
Strongylus denudatus (Rudolphi) ist zu unvollkommen, um mit
Bestimmtheit sagen zu können, dass dieser Helminth identisch sei mit
dem von mir gefundenen, der bei einer Länge von —5 Millim, und
einer Breite von 1/, Millim. durch seinen zarten Bau sich auszeichnet.
Viel besser stimmt Creplin’s Beschreibung seines Nematoideum
Natricis (Wiegm. Archiv, 1844, 1, S. 121), so zwar, dass ich keinen
Zweifel habe, dass er denselben Wurm vor sich hatte. Auch er fand
nur Weibchen und hat sich daher einer näheren Bezeichnung dieses
Nematoden enthalten. |
An dem Kopfe unterscheidet man eine Ober- und Unterlippe,
zwischen welchen man zu einer ziemlich weiten, nackten Mundhöhle
gelangt (s. 33a); diese führt in den schmalen Gang des fleischigen
Schlundkopfes, der, wie gewöhnlich, aus einer Lage quergelagerter
Muskelfasern besteht. |
Der gerade nach rückwärts verlaufende Darm besitzt ein aus
platten, polygonalen, gekernten Zellen zusammengesetztes Epitel
(s. 335) und endigt seitlich vor dem konischen Hinterende. Gerade
vor der Ausmündungsstelle des Darmes befindet sich eine aus zwei
Lappen einer hellen Membran bestehende Klappe. Das Thier ver-
schlingt rothe ovale Blutkörperchen, die in dem Darme ganz gut noch
zu erkennen sind, und demselben bei stärkerer Anhäufung ein schmutzig
gelbbräunliches Colorit verleihen. An der Aussenseite des vordersten
Darmstückes konnte ich einen fettkugelähnlichen Beleg unterscheiden,
den Creplin ebenfalls gesehen zu haben scheint, In der Leibeshöhle
zunächst der vordersten Abtheilung des Darmes liegt ein scharf abge-
grenztes, kolbenförmig endigendes Organ, das mit einer feingranulären
Masse erfüllt nach vorne verläuft, sich dabei zuschmälert und ungefähr
in der Mitte des Schlundkopfes endigt (s. 33 cc); ob es daselbst
nach aussen mündet, konnte mit Bestimmtheit nicht ermittelt werden,
ohne Zweifel ist es, obwohl unpaarig, das von v. Siebold (s. dessen
vergleich. Anatomie der wirbellosen Thiere, Nr. 139) bezeichnete
Seeretionsorgan.
Die Vulva befindet sich seitlich ungefähr in der Mitte des Thieres
und führt zu einem aus Quer- und Längsfasern bestehenden Uterus,
dessen Hörner sich auf- und abwärts erstrecken und in dem blind-
sackigen Eierkeimstock endigen (vergleiche die folgende Abhand-
lung). Der zugespitzte Hintertheil des Weibchens, der keinerlei
Waffen zeigt, stellt sich nicht selten gegen die Körperaxe derartig,
392 Wedı
dass er mit dieser einen stumpfen Winkel bildet. Die äussere
Bedeckung bilden Hornringe, die unter Einwirkung von Wasser
bedeutend anschwellen.
11. Bellingham hat in der Harnblase der wilden Katze ein
Trichosoma gefunden, das der näheren Charakteristik entbehrt. Ich
habe einmal ein Weibchen von Trichosoma in der Harnblase
der Hauskatze gesehen. Der Wurm ist fadenförmig und von so
zartem Kaliber, dass er an der gefalteten Schleimhautoberfläche der
Blase erst unter der Loupe entdeckt wurde. Er rollt sich häufig spiralig
auf, und verbleibt auch im todten Zustande so, dass seine Länge nur
annäherungsweise auf 14—16 Millimeter geschätzt werden kann.
Das Kopfende ist der schmalste Theil, denn es misst im Querdurch-
messer nur 0:0096 Millimeter; der Mund wird von zwei vorstehen-
den Lippen begrenzt. Gegen rückwärts nimmt die Körperdicke all-
mählich zu und schmälert sich kurz vor dem Hinterende etwas zu; letz-
teres ist schief abgestutzt, abgerundet und am hintersten Abschnitte
nur 0036 Millimeter breit. Der Darmeanal ist nach vorne sehr schmal,
wird nach rückwärts dicker und endigt mit einer seichten Binkerbung
an der hinteren abgestutzten Fläche. Das Thier besitzt eine solche
Transparenz, dass das Vor- und Rückwärtsrollen der Eier leicht
beobachtet werden kann. Die Formen der letzteren sind mannigfaltig,
rund, konisch, an beiden Enden etwas zugeschmälert oder oval, im
letzteren Falle unterscheidet man eine dünne Ei-Membran mit einer
sparsamen Lage von transparentem Eiweiss an dem oberen und unteren
Einde und die Durchmesser verhalten sich sodann wie 0061 :0:032
Millimeter. Den Standort der Vulva war mir an dem einen Exemplare
nicht möglich zu entdecken. Die Hautdecke ist glatt, der darunter lie-
gende Muskel in Form von Längsstreifen stark entwickelt.
Erklärung der Tafeln Ta, IIa, IM. (I. Reihe.)
1. Scolex eines Bothriocephalus (?) aus demDarme von Lophius piscatorius:
A vordere Hälfte (vergrössert) ; Aa Öffnung an dem Vordertheile; Ab, Schliess-
muskel des mit der Lichtung nach vorne gerichteten, schüsselförmig ausgehöhlten '
Körpers Ace; Ad unter der äusseren Decke gelegene, eontraetionsfähige,
lappenförmige Theile; Ae, Ae rothes körniges Pigment. 3 in natürl. Grösse.
2. Acanthobothrium erassicolle (nova sp.) aus dem Darme von Trygon
pastinaca: A etwas vergrössert, 2 Aa Abschnürungsstelle an dem gerifften
Helminthologische Notizen. 393
Halse b; e vorderste, kurze Glieder. B Haken eines Kopflappens; a seitlicher
viereckiger Ansatz; b Handhabe, ce und d die zwei etwas gekrümmten Fortsätze
(stark vergrössert).
3. Phyllobothrium gracile (nov. sp.) aus dem Darme von Torpedo mar-
morata: 3 A Kopf mit dem dünnen Halse; 3 B Proglottis; « heller Mitteltheil,
mit Eiern erfüllt; b Uterus-Hauptstamm, sich mit der Wurzel des Penis e kreu-
zend und sich gleich hinter dem hervorgestülpten Penis p in v» mündend; 3 C
a,b, c eontractile Proglottidenreste mit reifen Eiern, ohne nachweisbarem Penis
(schwach vergrössert); 3 D feinstachelige Penisscheide (stark vergrössert).
4. Seolex von Ahynchobothrium in einer Cyste eingeschlossen von dem
Peritonealüberzuge des Magens eines Uranoscopus scaber (schwach vergr.).
5. Derselbe Sceolex mit zum Theile vorgestreekten Rüsseln: «a Zurück-
zieher der Rüssel; 55 kolben- oder besser schotenförmige Enden der Rüssel;
ec ellipsoidische Organe, eine transparente, körnige Masse enthaltend.
6. Ein Hakenrüssel mit der Stellung der Haken im vorgestreckten Zustande:
aa Längsmuskelfasern an der Innenseite des hohlen Rüssels (stark vergrössert).
7. Zum Theile eingestülpter Hakenrüssel, wobei die Haken an der Innen-
seite des Rüssels in a zum Vorschein kommen (stark vergrössert).
8. Scolex eines Rhynchobothrium aus den Muskeln eines Lophius pisca-
torius: aa Öffnungen für die ausstülpbaren Hakenrüssel, die in 5b im eingezo-
genen Zustande sich befinden (vergrössert).
9. Rhynchobothrium longicolle=Tetrarhynchus longicollis (van Bene-
den) aus dem Darme von Mustelus vulgaris: a die 4 langen Rüssel; d die
Kopflappen; ce die langen Rüsselscheiden des Halses; d die langen röhrenför-
migen Hohlgebilde am Halse; d’ Pigment an der Halsanschwellung; e geglie-
derter Hinterleib (etwas vergrössert); f ein Haken des Rüssels (stark vergrös-
sert); 9 Anordnung der ziekzackförmig verlaufenden und sich rechtwinkelig
durehkreuzenden Fasern a’ b’, wodurch ein gegittertes Ansehen erwächst (stark
vergrössert); % gekrümmter Penis.
10. Rhynehobothrium tenue (mov. sp.) aus dem Darme von Myliobatis
agula: A Kopf mit dem Halse; B Stellung der feinen Haken des Rüssels
(stark vergrössert); C vordere kurze Glieder hinter der Halsanschwellung;
D hintere gestreekte Glieder mit dem glatten, geraden, wechselständigen Penis;
E Ei (stark vergrössert).
11. Monostoma bipartitum (nov. sp.) von den Zähnen der Kiemenbögen
eines Thynnus vulgaris: a Saugnapf; b Uterusstamm am Vordertheile des
Thieres; e derselbe an dem strangartigen Halse; dd grau tingirter Eierkeim-
stock; ee darmähnlich gewundene, gelbbraun tingirte Eiersehläuche (schwach
vergrössert). |
12. Jüngeres, im Verhältniss zu dem vorigen viel kleineres, geschlechtlich
nicht so entwickeltes Exemplar von Monostoma bipartitum (schwach vergr.).
13. Eier von Monostoma bipartitum (stark vergrössert): a von der Seite;
d von vorne mit dem darin gelagerten Embryo; ce hervorgequetschter Embryo
mit daran hängender Eihülle.
394 Wedl. Helminthologische Notizen.
14. Geschlechtlich nieht entwiekeltes Monostoma zugleich als Ekto- und
Entoparasit bei einem Rhombus laevis: a Saugnapf; b Ösophagusanschwel-
lung; ce gabelige Theilung des Darmeanales: d gabelig getheiltes Absonderungs-
organ am Hintertheile des Körpers; e, dem blinden Ende des einen Darmastes
entsprechend; f, leicht austretende dem Absonderungsorgane angehörige, kör-
nige Masse, die in g stark vergrössert dargestellt ist.
15. Monostoma foliaceum (Rudolphi) aus der Bauchhöhle von Aeipen-
ser Sturio: a kleiner Saugnapf; db Speiseröhre; e deren Anschwellung, von
wo aus der Darm nur mehr eine kleine Strecke weiter verfolgt werden konnte;
d dunkler Streifen, der sich in d gabelig theilt; e Uterusstamm; f Penis;
g Samenbläschen ?
16. Mundsaugnapf von Distoma megastoma (Rudolphi) aus dem Magen
von Seyllium Catulus.
17. Distoma polymorphum aus dem Darme von Muraena Anguilla: P
Penis; Uspiralig gewundener Uterus; TT gelappter Hode; © Eierkeimstock.
18. Dikentrocephalus erinalis (nov. gen.) aus den Appendices pylo-
ricae eines Lophius piscatorius: a zweilippiger Mund; 5 Speiseröhre; e vor-
derer pigmentirter Theil des Darmes; d After; ee schief aufsteigende Streifen
an dem kolbenförmigen Hinterende.
19. Kopf mit den vorgestreckten beiden Stacheln, die in die Scheiden «
zurückgezogen werden können; von Dikentrocephalus erinalis (stark vergr.).
20. Kopf desselben Helminthen mit eingezogenen Stacheln, so zwar, dass
nur deren Spitzen etwas hervorragen (stark vergrössert).
21. Kopf eines zur Gattung Agamonema (Diesing) gehörigen Nematoden
von der Peritonealoberfläche des Magens eines Lophius piscatorius: aa seit-
liche, warzige Hervorragungen; 5 kurzer Zahn; c Pharynx (stark vergrössert).
22. Hintertheil desselben Agamonema: a dem After entsprechend;
b Gruppen kurzer, konischer Stachel (stark vergrössert).
23. A Vordertheil eines unter der Schleimhaut des vorderen Darmstückes
von Belone vulg. eingekapselten kleinen Nematoden mit einem kurzen Stachel
in a; B Hintertheil mit dem After in 5 und einem etwas gekrümmten Stachel
(stark vergrössert). :
24. Kopf von Agamonema Capsularia (Diesing) aus der Bauchhöhle von
Scomber scombrus: a vorschiebbarer Zahn, der in die Scheide 5 zurückgezogen
werden kann (stark vergrössert).
25. Hintertheil desselben Agamonema mit dem seitlichen After in « (stark
vergrössert).
26. Vordere Hälfte eines Ayamonema, (Diesing) aus der Bauchhöhle von
Mullus barbatus und Zeus faber: aa heller blinddarmähnlicher Fortsatz bei
dem Übertritte der Schlundröhre in den Darm; 5 nach vorne gerichtetes Diver-
tikel des pigmentirten Darmes c.
27. Ineinander geschobene, bandartige Längsstreifen der Hülle des vorigen
Agamonema (stark vergrössert).
23. Spiroptera (?) aus dem Magen von Raja clavata; am Rücken des
Kopfes drei hervorragende Läppchen a; bb seitlich stehende; ce, d mit Einker-
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Wedl. Zur Ovologie und Embryologie der Helminthen. 395
bungen versehene Hervorragungen; e ausserhalb des Darmeanales liegende, mit
einem Epitel ausgekleidete Schläuche; f Zellen an den Seitentheilen des Kör-
pers (stark vergrössert).
29. Kopf von Ascaris bieuspis (nov. sp.) aus dem Magen und Darme von
Seyllium Catulus mit Zähnen a aa an jedem der drei stumpfen Wülste (stark
vergrössert).
30. Schlauchartig gewundenes Organ ausserhalb des Darmeanales, von plat-
ten Zellen ausgekleidet (stark vergrössert).
31. Mehr gegen die Oberfläche des Thieres gelagerte Organe mit einem
Haufen Körner in ihrer Mitte beherbergenden Körpern (stark vergrössert).
32. Ausgebildetes Ei derselben Ascaris.
33. Vordertheil von Nematoideum natrieis (Creplin) aus dem Lungen-
sacke von Tropidonotus natrix: a nackte Mundhöhle; 5 Darmeanal mit seinem
Epitel; e kolbenförmig endigendes Secretionsorgan, sich wahrscheinlich an der
_ Oberfläche des Körpers mündend (stark vergrössert).
Zur Ovologie und Embryologie der Helminthen.
‚Von dem e. M., Prof. Dr. K. Wedl.
(Mit Il Tafeln.)
T.
Von den neueren Helminthologen haben insbesondere C. Th. v.
Siebold und Dujardin dem Studium der Helminthen-Eier eine
grössere Aufmerksamkeit gewidmet, und es hat letzterer der beiden
genannten Autoren die Form und Grösse der Eier meist in die Dia-
gnose der Helminthen aufgenommen. Sehr schätzenswerthe Beiträge
zur näheren Kenntniss der Eier haben Kölliker, Bagge,
Mayer, Creplin u. m. A. geliefert. — Vorliegende Arbeit
beruht darauf, neue Daten über die Conformation mehrerer Eier und
Embryonen von Helminthen nach selbstständigen Untersuchungen
aus deren verschiedenen Ordnungen zusammengestellt zu geben, und
obwohl jene nur Bruchstücke sind, so hoffe ich doch, dass ihre Ver-
öffentlichung gerechtfertigt ist.
Van Beneden statuirte im Jahre 1849 (Bullet. de U’ Acad. de
Bruzelles, Tom. XVI, pag. 182) ein neues Cestoden-Genus Namens
Echinobothrium, und fand bis jetzt erst eine hierher gehörige
Species E. typus, welche er unter der 2. Section der Cestoden:
Diphylles anführt (s. Memoires de U’ Academie royale de Belgique,
tome XXV, pag. 158). Dieser kleine Helminth wurde von Blan-
chard dem Genus Triaenophorus (Rud.) angereiht (siehe Annal.
396 Wedi.
des sciences natur., 3. Serie, tome XI, p. 126); auch Diesing
(Über eine naturgemässe Vertheilung der Cephalocotyleen in den
Sitzungsb. der kais. Akad. der Wissenschaften zu Wien, Bd. XIII,
2. Heft, S. 579) wies ihm diesen Platz an. Ich fand den kleinen
Cestoden nur einmal an der Spiralklappe des hinteren Darmstückes
von Raja clavata in reichlichem Schleime eingebettet in mehreren
Exemplaren, also in derselben Roche, in der ihn auch van Beneden
angetroffen hat. Ich beschränke mich hier blos auf die Entwickelung
der Eier und des Embryo dieses interessanten kleinen Helminthen,
welche bei den zahlreichen Proglottiden leicht verfolgt werden
konnten.
Die Eier hängen in ihren niederen Entwickelungsstufen aus dem
Bierkeimstock zu dreien zusammen und enthalten bald nebst einer
fein moleculären Masse zerstreute, das Licht wie Fett brechende
Kugeln (s. 1A), oder die zarten Moleküle reihen sich so an einander,
dass polygonale helle Zwischenräume übrig bleiben (s. 12). In
ihrer weiteren Entwickelung reihen sich die Eier kettenförmig an
einander, in ihrer äusseren sehr zarten Hülle (s. Cec) eingeschlossen
und mit einander durch vier dünne, kurze, stäbchenartige Fortsätze
(s. 1 Caa) zusammenhängend.
Von Interesse sind die von der Ei-Membran auswachsenden, mit
einem Fortsatze der äusseren, sehr zarten Hülle umkleideten,
peitschenförmigen Anhänge (1Cbb), welche, in eine feine
Spitze auslaufend, seitlich herabhängen. Diese Anhänge, auf welche
_ auch schon v. Siehold bei ‚mehreren Helminthen -Eiern aufmerk-
sam machte, werden länger (s. 1D, 1E. 1Fbbb), scheinen jedoch
in den entwickeltsten Formen nicht mehr vorhanden zu sein und mit
der Entwickelung des Embryo in Verbindung zu stehen.
Der Inhalt der Eier unterliegt sehr vielen Verschiedenheiten.
Die Dottermasse erscheint bald in zwei grössere oder drei kleinere
Kugeln zerklüftet (s. 1C), bald aufgehellt; die Moleküle sind so-
dann in symmetrischen Reihen derartig gruppirt, dass grössere (1 D)
oder kleinere polygonale, helle Zwischenräume gebildet werden
(Bildung des Chorion) (1 E). Im weiteren Verfolge bildet sich in
dem Ei ein rundlicher, deutlich abgegrenzter Körper (s. 1 Fa) aus,
der als eine verschwommene graue Masse, excentrisch gelagert, den
Embryo vorstellt. In anderen Eiern, von denen es zweifelhaft ist, ob
sie einem späteren Datum angehören, ist das von den Molekülen
EN N u
’ ’ ‚ .
ERREDEREERHE
us
me
Zur Ovologie und Embryologie der Helminthen. 397
gebildete polygonale Maschennetz (s. 1 E) ganz verschwunden, und
es wird im Innern ein rundlicher,' mit mehreren kernähnliehen Gebil-
den (Embryonalzellenkerne, Kölliker) versehener Körper (1 @«)
sichtbar; derselbe ist in 1 H mit einer körnigen Dottermasse
belegt. — Der entwickelte Embryo ist mit sechs Häkchen in ganz ähn-
licher Weise versehen (s. 11a), wie dies v. Siebold zuerst an
Tänien-Embryonen nachgewiesen hat, und ist in einer transparenten
abgesaekten Schichte (1/5) eingeschlossen; seine Gestalt erscheint
nach seinem auf mechanischem Wege bewerkstelligten Austritte etwas
abgeplattet (1 X). — Alle diese verschiedenartigen Eier (1 C—1 K)
sind in einer sehr zarten, transparenten, jedwedes Ei abschnüren-
den Hülle (s. 1C cc) kettenförmig an einander gereiht.
2.
In dem Darmschleime einer Torpedo marmorata wurde von mir
einPhyllobothrium (vanBeneden), von Diesing als dritte Subgen.
von Tetrabothrium aufgezählt, gefunden. Die Species scheint mir
neu zu sein, und ich habe in meinen helminthologischen Notizen (3)
ausführlich darüber berichtet und die Bezeichnung Ph. gracile
gewählt; hier soll blos der Eier Erwähnung geschehen. Dieselben
sind, wenn sie ihre Reife erlangt haben, gross, besitzen einen
Längendurchmesser von 0:06 Millim., eine Breite von 0:048 Millim. ;
befinden sie sich in einer günstigen Lage, so zeigen sie nach oben
und unten eine kleine, knopfförmige Anschwellung (s. 2aa); in
der Dotterblase erscheinen gruppirte Körner und transparente Dotter-
kugeln. Das Ei ist in einer sehr zarten, nach der Längenaxe des-
selben in zwei entgegengesetzte, sehr feine Fäden auslaufenden
Hülle eingeschlossen. Die unreifen kleineren Eier enthalten eine
dunkelkörnige Dottermasse.
Die Entwickelung des Embryo konnte nicht verfolgt werden,
indem sich überhaupt nur wenige reife Eier vorfanden:
3.
Die Eier eines Zcheneibothrium (van Beneden), das in dem
Darmschleime der Spiralklappe bei Myliobatis aquila gefunden
wurde, sind rund, 0-027 Millim. im Durchmesser und zeigen, wenn
sie zu einer bestimmten Reife gelangt sind, einen beiläufig viermal
den Eidurchmesser übersteigenden peitschenförmigen . Anhang an
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVI. Bd. II. Hit. 26
398 Wedl.
einer Seite (s. 365), der sich zu einem sehr feinen Faden auszieht,
und andererseits mit der Eihülle, als deren Fortsatz er zu betrachten
ist, in einem innigen Zusammenhange steht. Die Dotterblase bildet
an der Insertionsstelle des peitschenförmigen Anhanges eine Quer-
scheidewand (s. 3aa). Die Dotterblase ist mit einer transparenten
Masse, in welcher zerstreute Dotterkügelchen suspendirt sind,
gefüllt.
A.
Die Eier eines Echeneibothrium minimum (van Beneden), bei
Trygon pastinaca gefunden, sind meist zu dreien, manchmal deren
vier von einer sehr zarten, structurlosen Membran umgeben (s. 4 a),
oval, in ihrem längeren Durchmesser 0-03 Millim. messend. Den
Inhalt der Eier bildet eine feinkörnige, gruppenweise zerstreute,
durch hyaline Zwischenräume getrennte Dottermasse. An manchen
Eiern, welche eine günstige Lage haben, lässt sich das Keimbläschen
und der Keimfleck gewahr werden (s. 4a’). In weiter entwickelten
Eiern zeigt sich eine Theilung des Dotters in mehrere Portionen.
Die Bildung des Embryo konnte weder an dieser Species von Eche-
neibothrium noch an der vorigen verfolgt werden. Die Eier von
Echeneibothrium minimum, welche van Beneden nicht beobachtet
zu haben scheint, haben viele Ähnlichkeit mit den von ihm auf
Taf. III, Fig. 15 seiner eitirten Abhandlung abgebildeten Eiern von
Echeneibothrium variabile.
5.
Dujardin hat (Hist. natur. des helminthes, pag.581) die Eier
von Taenia perfoliata des Pferdes aus drei Hüllen besiehend ange-
geben, einer äusseren oblongen und dreieckigen Hülle mit acht Falten.
oder Longitudinalfurchen auf jeder der dreiFlächen, einer mittleren,
nur nach angewendeter Compression wahrnehmbaren, und einer inne-
ren kugeligen. ! |
Auf Taf. 11,@ 4—7 des Atlas gibt er die entsprechenden Abbil-
dungen. Mir ist es wahrscheinlich, dass die von Dujardin ange-
gebenen Furchen der äusseren Hülle ein artifieielles Product seien,
durch Schrumpfung hervorgebracht; ich war nämlich nicht im
Stande, an frischen Eiern von jenen etwas zu bemerken. Dieselben
sind glatt (s. 5 f), die structurlose Eihaut faltet sich, nachdem der
Inhalt ausgequetscht ist (s.5h). Der Embryo ist etwas abgeplattet und
Zur Ovologie und Embryologie der Helminthen. 399
zeigt an seinem vorderen abgerundeten Theile den zurückgezogenen
mit drei Paaren von Häkchen bewaffneten Kopf; der zugeschmälerte
Hintertheil endigt in zwei kurze, stumpfe Zacken (s. 5 9). Von der
schmalen Seite besehen erscheint nur eine Zacke (s.5 fc’). Dujar-
din bildet eine ähnliche Figur, jedoch ohne Zacken am Hintertheile
ab (Taf. 11, @ 7), sieht jedoch den inneren kugeligen, mit Häkchen
bewaffneten Kopftheil als ganzen Embryo an, der mit einer inneren
und accessorischen Hülle noch umgeben sei.
Die Eier von Taenia perfoliata sind in ihrer ersten Ent-
wickelung kleine granulirte Bläschen (s. 5«@). Werden dieselben
etwas grösser, so erscheint in ihrem Innern eine sich von der Um-
hüllungsmembran abtrennende, feingranuläre Kugel (5 5), die sich in
zwei kleinere theilt (5 c). Wird im weiteren Verlaufe die Eiblase
grösser, so werden in ihr 5—4 (ob mehrere?) zartgranulirte Kugeln
und in der transparenten Zwischensubstanz oberflächlich gelagerte,
zerstreut liegende, das Licht wie Fett brechende Moleküle sichtbar
(5 d). Die Fettmoleküle nehmen an Umfang um das 6—Sfache zu,
und im Innern der Eiblase ist statt der mehrfachen granulirten
Kugeln nur mehr eine zu erblicken, der künftige Embryo (5 e).
6.
Die ausgebildeten Eier von Monostoma foliaceum (Rud.) aus der
Bauchhöhle von Acipenser Sturio sind oval, haben einen Längendurch-
messer von 0:079 Millim., einen Querdurchmesser von 0'043 Millim.,
besitzen ein etwas spitzeres und ein stumpferes Ende; bei der Dre-
hung zeigt sich die eine Fläche etwas convexer, die andere flacher. Die
Eischale ist dick und mit einer dunkelkörnigen Dottermasse erfüllt,
welche, wie in dem Ei (6 a), in 12 Kugeln zerklüftet ist. Von dem
einen Ende des Eies her fängt bei der weiteren Entwickelung die
dunkelkörnige Dottermasse sich aufzuhellen an und macht einer trans-
parenten Molecularmasse Platz (s. 6 c). Zugleich kommt in dieser
Bildungsperiode, wie es scheint, an dem einen Ende des Eies zuerst
ein knopfförmiger Fortsatz zum Vorschein, der zu einem Stiele (6 d)
anwächst und bald an der, der fetten Molecularmasse entsprechenden
Seite, bald an der entgegengesetzten sich befindet. Die weitere
Metamorphose des Fortsatzes und des Eierinhaltes war mir an den
vorgefundenen Exemplaren dieses Monostoma nicht gestattet zu
verfolgen; hingegen habe ich die retrograde Metamorphose der Eier
26 *
400 re
bei einem andern Acipenser sturio, der eine grössere Anzahl von
solehen Monostomen enthielt, genauer eruirt, ein Gegenstand, den
ich in den helminthologischen Notizen zur Sprache gebracht habe.
4;
Der Uterus von Distoma polymorphum (Rud.) aus dem Darme
von Muraena anguilla macht sich schon für das freie Auge als gelb-
licher Punkt erkenntlich, dessen auch Rudolphi in seiner Hist.
nat. entozoorum, 1, 1, pag. 363 erwähnt. Es heisst daselbst:
Collum vase fusco dupliei insigne, corpus ovulis ellipticis utrinque
obscuris repletum. Man gewahrt nämlich gleich hinter dem Bauch-
napfe ein, drei spiralige Drehungen zeigendes, bräunlichgelb tingirtes
Gefäss, das mit ähnlich gefärbten, elliptischen Eiern erfüllt ist. Der
Längendurchmesser derselben beträgt 0:052 Millim., der quereDurch-
messer 0-024Millim. Als eine ihrer Eigenthümlichkeiten muss hervor-
gehoben werden, dass sie einen 1/, Millim. langen, runden, steifen
(ohne wellenförmige Biegungen) Fortsatz besitzen, der eine Conti-
nuität mit der Eihülle bildet, an seinem Ansatzpunkte an dem einen
Ende desEies breiter ist und, sich allmählich zuschmälernd, in eine
feine Spitze ausläuft (s. 7 aa). Diese Fortsätze legen sich derartig
bündelförmig an einander, dass sie an der einen Seite des Uterus,
der nur eine Reihe von Eiern zeigt, als Fadenbüschel erscheinen
(s. 7 c). Die Dottermasse ist gleichfalls gelblich tingirt und in den
Eiern (75 5) in zahlreiche feinmoleceuläre Kugeln zerklüftet. Die
unreifen Eier von grauer Färbung und kleinerem Umfange haben
auch selbst nicht die Andeutung eines Fortsatzes aufzuweisen; sie
sind allenthalben gegen den Rand des Thieres angehäuft.
8.
Die sparsamen ‚Eier von Distoma signatum (Duj.) aus dem
unteren Theile des Ösophagus von Tropidonotus natrix sind: ver-
hältnissmässig gross (von Dujardin offenbar zu klein angegeben),
-0:084 Millim. in ihrem Längendurchmesser bei einer Breite von
0:048 Millim., und zeigen an dem einen etwas spitzeren Ende einen
Hohlraum (s. 8a’ a’), der von einigen Pigmentmolekülen unvoll-
kommen erfüllt wird und derjenigen Stelle entspricht, wo der präsum-
tive Kopf des Embryo sich befindet. Letzterer ist von oblonger Form
und allenthalben an seiner Oberfläche mit ziemlich langen, in einer
ee
Zur Ovologie und Embryologie der Helminthen. A01
schwach undulirenden Bewegung sich befindenden Cilien besetzt.
Befindet er sich im eontrahirten Zustande, wie in 8a, so erscheinen
an seiner Oberfläche Hervorragungen und Vertiefungen; im nicht
eontrahirten Zustande hingegen (85) ist er glatt, nur an seinem
einen Ende (Kopfende ?) erscheint ein kuppenförmiger Ansatz. Die
Contraetionen des Embyro sind träge; sie erfolgen langsam, und es
dauert 1/, Stunde und länger, bis wieder eine vor sich geht, wobei
sich einige zarte Längsfalten an der Oberfläche des Embyro bilden,
Im Innern zeigt letzterer solitäre, scharf umrandete, das durch-
gehende Licht stark brechende Moleküle verschiedenen Diameters,
und hat er eine günstige Lage, so lässt sich auch gegen seine Mitte
hin eine Flimmerung unterscheiden, offenbar einem gebildeten Flim-
merläppehen v. Siebold’'s entsprechend. Letztere können selbst
sehon beobachtet werden an solchen Eiern, wo der Embryo noch
nicht entwickelt ist, wie in 8d, etwas von dem Centrum gegen das
stumpfe Ende des Eies. Die Fettkörner sind daselbst schon mehr
gegen eine Seite des Eies hingedrängt, während sie in dem Ei8c
noch gruppenweise allenthalben vertheilt sind; in beiden Eiern jedoch
mehr gegen die Oberfläche der Embryonalzellen gelagert. Die
gequetschten Eier bersten meist in der Richtung ihres Längsdurch-
messers, was wahrscheinlich mit ihrer anatomischen Struetur im
Zusammenhange steht. Diejenigen Eier, in welchen die Furchungs-
kugeln schon transparenter geworden sind oder der Embyro schon
entwickelt ist, scheinen einen grösseren Widerstand dem angewen-
deten Drucke zu leisten. Die Eihülle besteht aus einer glashellen,
strueturlosen Membran, die sich leicht in Fälten legt.
9.
Die den Embryo einschliessenden Eier von Distoma mentulatum
(Rud.) aus der Cloake von Tropidonotus natrix sind gelbbräunlich
gefärbt, 0'036 Millim. lang, 0:019 Millim. breit. Der oblonge Embryo
zeigt einen Kopf mit einer halsähnlichen Abschnürung, und ist der-
selbe mit einer Mittel- und zwei seitlichen Furchen bezeichnet, auch
der Vordertheil durch eine schärfere Zeichnung vor dem schwach
eontourirten und oft ganz verschwommenen Hintertheile ausgezeich-
net (s. 9 a). Von Bewegungen konnte ich nie etwas beobachten.
An dem dem Kopfe entgegengesetzten Ende des Eies sind einige
pigmentirte Moleküle angehäuft, während der Kopf selbst, der offenbar
402 h Wedi.
zuerst gebildete Theil, sich auf eine Querscheidewand stützt,
welche die Eispitze abtheilt. Es finden sich übrigens die pigmentir-
ten Moleküle auch an beiden Enden der gelbbräunlich tingirten Eier.
Die eines solchen Colorits entbehrenden grauen Eier fassen eine
hellere verschwommene und eine mit glänzenden gruppirten Kugeln
versehene Masse, von denen erstere häufig die Gestalt einer Kugel
mit einem 0:002 Millim. grossen Körperchen in ihrem Innern
annimmt; von letzterem trifft man wohl auch deren 2 — 3.
Die Grösse der grauen Eier kommt jenen gelbbräunlichen
gleich; zuweilen, wenn sie in ihrer Entwickelung noch nicht so weit
vorwärts geschritten sind, stehen sie den colorirten um etwa ein
Viertel an Umfang nach (s. 95). Die granulirten Kugeln des Eier-
keimstockes, der an den vorderen Seitentheilen des Thieres sich
befindet, schwanken zwischen 0:0072 — 0012 Millim.; die Körner
verdecken einen blassen Kern mit einem Kernkörperchen.
Zuweilen trifft man in den, ausgebildete Eier führenden Canälen
(Uterus) braungelbe Klümpchen von rundlicher Cireumferenz und
Körner von kohlensaurem Kalk, welche hin und her gerollt werden.
Die Ausbildung der Eier erfolgt später als jene
der männlichen Geschlechtsorgane, denn man trifft
kleinere jüngere Exemplare von Distoma mentul., in denen die
Samenblase ein manifestes Spermatozoidengewimmel zeigt, während
noch kein einziges ausgebildetes Ei wahrzunehmen ist.
10.
In dem Darme von Belone vulgaris fand ich einige Male Echino-
rhynchi, welche bis auf die Grösse mit Echinorh. Pristis (Rud.)
übereinstimmten. Dasjenige Exemplar, welches Rudolphi bei
Belone vulgaris (Esox belone L.) zu Greifswalde fand, hatte eine
Länge von 18 Millim., während die grösseren Weibchen des von mir
gefundenen Echin. Pristis nur 4 — 6 lang und 4, Millim. breit
waren. Der Eierkeimkörper befindet sich an den vorderen Seiten-
theilen des Thieres neben der Rüsselseheide und besteht aus fein-
granulirten, gelbbraun gefärbten, rundlichen Körpern, neben welchen
die entwickelten Eier anscheinend frei liegen. Letztere lassen sich
in zwei Kategorien abtheilen, in solehe mit einer starken Eihülle
(s. 104) und jene ohne einer solehen (105, e, d, e). Ihr Längen-
durchmesser verhält sich zum Breitedurchmesser meist wie
Zur Ovologie und Embryologie der Helminthen. A033
0-045 Millim. : 0-012 Millim,; sie sind daher beinahe viermal so lang,
als breit. Die Eier ohne starker äusserer Hülle sind bald mit einer
zartgranulären Masse ziemlich erfüllt, oder letztere ist in 2—3—4
Portionen abgetheilt, welche sich nach dem Längendurchmesser des
Eies an einander reihen (s. 10 dB, c, d, e). Die mit einer stärkeren
Hülle versehenen Eier zeigen wieder eine oblonge Dotterblase, in
deren Mitte eine dunklere granulirte Kugel ersichtlich wird
(10 a,«). |
Da es durchaus nicht wahrscheinlich ist, dass bei der einfachen
Aufschlitzung der Körperhöhle die starken Hüllen von so vielen
Eiern bersten sollten, und auf diese Weise die Formen 5, c, d, e zu
Stande kämen, so müssen dieselben als Bildungsstufen der Eier
angesehen werden , wobei freilich der sonderbare, jedoch keines-
wegs unerhörte Fall einträte, dass die schon in mehrfache Portionen
getheilte Dottermasse wieder in eine granuläre Masse zusammen-
schmilzt. Es genügt hierbei, an die von Prof. Bischoff zu Giessen
angestellten interessanten Beobachtungen des Reh-Eies zu erinnern.
Die ausgebildeten Eier von Echinorhynchus Pumilio aus dem
Darme von Lophius piscatorius besitzen eine doppelte Hülle, von
denen die äussere an ihrem oberen und unteren Endtheile falten-
ähnliche Streifen zeigt (s.11 a, a’ «'); ob dieselben als der Ausdruck
eines Hohlraumes anzusehen sind, mag dahingestellt bleiben. In der
inneren Eihülle ist die oblonge Dotterblase eingeschlossen, welche
eine granulirte Kugel (Keimbläschen, s. 11a”) in ihrem Innern
beherbergt. Die doppelte Eihülle fehlt in anderen, wie 11 5, ja es
kommen nicht selten nackte, oblonge Dotterblasen (11.d) vor, oder an
dem einen Ende derselben ist eine gelblich tingirte derbere Substanz
wie aufgeklebt (s. 11 c c’), und ist dieselbe als die erste Bildung der
inneren Eihülle anzusehen.
11.
Eine interessante Bildung beobachtet man an den Eihüllen von
Hedruris androphora (Nitzsch) aus dem Magen von Triton igneus
und cristatus. Die ovalen Eier, von einem Längendurchmesser von
0:043 Millim. und einem queren von 0-019 Millim., zeigen an beiden
Enden des letzteren zuweilen knopfförmige Ansätze (s. 12a a’),
welche jedoch nur in einer bestimmten Entwiekelungsperiode der
Bier anzutreffen sind, und bei der weiter fortschreitenden Entwieke-
A0A Wedl
lung wieder verschwinden. Minder grosse, jedoch nach der Bildung
der Eihülle’eonstante knopfartige Anschwellungen kommen an dem
oberen und unteren Ende der Eier vor. Die Schale derselben ist so
consistent, dass .eine Berstung, die nach der Ei-Länge erfolgt,
schwierig zu bewerkstelligen ist. An Eiern mit einer helleren
Dottermasse wird eine Längsraphe an der Oberfläche der Schale
sichtbar (s. 125). Ist der Inhalt des Eies sehr transparent, so
gewahrt man einen oblongen, meist gekrümmten Körper mit einem
dickeren und etwas zugeschmälerten Endtheile (s. 12a), der in
Eiern mit einer hellgrauen , aus Kügelehen zusammengesetzten
Dottermasse fehlt (s. 125). Wenn letztere aus gelblich tingirten
Körnern besteht, so ist sie entweder zu einer Kugel zusammen-
geballt (12c) oder in Gestalt einer fettkörnigen Masse vertreten,
der die Eihöhle beinahe erfüllt, wobei der Raum für das transparente
Eiweiss kleiner und kleiner wird (s. 12d). Der eingerollte Embryo
erscheint in den Eiern e und f.
12.
Ich erlaube mir hier die erste Bildung der Eier von dem oben
beschriebenen Nematoideum (Creplin) aus dem Lungensacke von
Tropidonotus natrix näher zur Sprache zu bringen.
Der blindsackigen Eierstocksenden sind vier an der Zahl, und
messen dieselben in ihrem Querdurehmesser blos 0012 Millim. In
ihrem Inhalte werden zuerst sehr kleine, kaum 0:0005 Millim. grosse,
in bestimmte Entfernungen von einander gerückte Körner (Keim-
flecke) sichtbar; sie sind von einer transparenten Masse umgeben,
welche eine Begrenzung: nach aussenhin zeigt, und verhalten sich zu
dieser so wie das Kernkörperchen zum Kerne (s. 13). Die Keim-
flecke werden grösser, je mehr man in der Röhre des Ovarium fort-
schreitet; während dieselben bei einer Breite der letzteren von
0024 Millim. einen Durchmesser von kaum 0'001 Millim. besitzen, so
sind sie bei einer Breite der Röhre von 0:036 Millim. schon nun mehr
als das Doppelte gewachsen und erreichen sofort bald einen Diameter
von 0:007 Millim. Die die Keimflecke umgebende Partie wächst nicht
in demselben Masse. Es ist begreiflich, dass bei einer Massen-
zunahme des Keimbläschens die Keimfleeke weiter von einander zu
stehen kommen. Die Bläschen sind bei einer Breite der Bierstock-
röhre von 0:043 Millim. bis 0:012 Millim.'gewachsen. Im weiteren
Zur Ovologie und Embryologie der Helminthen. 05
Verlaufe lagert sich um dieselben eine dunkle, feinkörnige Dotter-
masse, welche, wenn sie einen bestimmten Umfang erreicht hat, mit
einer Membran (Dotterhaut) umgeben wird.
Es ergibt sich somit, dass zuerst der Keimfleck, sodann das
Keimbläschen und zuletzt die Dottermasse mit ihrer Membran ihre
betreffende Ausbildung erlangen, ob jedoch der Keimfleck das
ursprünglich gebildete sei, kann noch nieht wegen der Kleinheit des
Beobachtungsgegenstandes behauptet werden.
Ich übergehe hier die weitere Ausbildung der Eier und des
Embryo, indem ich nur wesentlich eine Bestätigung dessen geben
könnte, was Bagge in seiner bekannten Dissertation de evolutione
Strongyli auricularis et Ascaridis acuminatae 1841 und Kölliker
(s. Müllers Archiv, J. 1843) hierüber schon angeführt haben.
Nur muss ich bemerken, dass es mir nicht gelingen wollte, den Kern
in den von Kölliker genannten Embryonalzellen zu finden.
Je mehr der Embryo zum Ausschlüpfen aus der Eihülle heran-
gereift ist, um so lebhafter werden seine Bewegungen, ohne dass
jedoch eine Formveränderung an der Oberfläche der Hülle bemerkbar
ist. Die Berstung der letzteren erfolgt sehr rasch, und der geborne
Embryo bewegt sich alsogleich sehr lebhaft in Schlangenwindungen,
rollt sich um seine Axe und schlägt mit dem Kopf- und Hintertheil
hin und her. Die geborstene Eihülle erweist sich als eine sehr zarte,
glashelle, sich in Falten legende Membran, die nicht selten für eine
‘kurze Zeit an dem Hintertheile des ausgeschlüpften Embryo haften
bleibt.
| An letzterem lassen sich nun folgende anatomische Verhältnisse
unterscheiden. Der Kopf ist etwas zugeschmälert und zeigt eine
deutliche mit Lippen versehene Mundöffnung, die zu einer ziemlich
langen, mit einer bulbusartigen Anschwellung endigenden Speise-
röhre führt (s. 14). An dieser erweiterten Stelle (Pharynx) beob-
achtet man häufig lebhafte zuckende Bewegungen; von ihr geht
der gerade verlaufende Darmcanal nach rückwärts, um eine
beträchtliche Strecke vor dem Schwanzende aufzuhören. Der
gewundene Saum (s. 14a, a) entspricht der Lichtung des Darm-
canales. Der Hintertheil besitzt einen biegsamen Stachel, den das
junge Thier als Adhäsionsmittel benützt. Verweilen diese Jungen
einige Zeit im Wasser, so schwillt nicht selten die Liehtung des
Darmeanales beträchtlich auf. Von Geschlechtstheilen ist noch keine
A06 Wedi
Spur zu entdeeken, und es füllt blos eine feine Molecularmasse den
Rest der Körperhöhle aus.
Von hohem Interesse ist die Thatsache, dass diese jungen
unentwickelten Thiere längere Zeit ausserhalb des sie
bewirthenden Organismus zu leben und selbst an
Körperumfang etwas zuzunehmen vermögen. Ich fand
nämlich in der Chymusmasse des Magens eines Tropidonotus natrix,
das übrigens im Lungensacke weibliche Nematoidea (Crep1.) beher-
bergte, sehr zahlreiche Junge desselben Helminthen, welche mit der
befeuchteten Chymusmasse in einem zugestöpselten Glase aufbewahrt
wurden. Nach 48 Stunden befanden sie sich noch in sehr lebhafter
Bewegung, insbesondere waren die schnellen Zuekungen am Pharynx
auffällig. DieLänge von vielen Thieren hatte zugenommen, denn wäh-
rend die eben ausgekrochenen kaum 0:30 Millim. lang sind, hatten
die grösseren Exemplare nach der Fütterung schon eine Länge von
0:37 Millim. erreieht, somit um etwas mehr als ein Fünftel die
Länge überschritten. Nach 72 Stunden waren wohl die meisten todt,
es wurden jedoch nach 96, ja selbst nach 120 Stunden, also fünfTage
nach der Entfernung aus dem Magen der Natter, lebende Exemplare
mit grosser Agilität angetroffen, ja eines hatte an Umfang um das
Doppelte zugenommen und es war längs des Darmes eine granuläre,
gelbbräunliche Masse auffällig, die man an eben ausgekrochenen
Individuen nicht beobachtet. Nach 144 Stunden (nach dem abge-
laufenen sechsten Tage) war kein lebender Wurm mehr zu sehen. °
13.
Ein ähnliches Experiment habe ich mit den Jungen der lebendig
gebärenden Ascaris nigrovenosa aus dem Lungensacke von Bufo
cinereus vorgenommen. Die Länge des aus der Eihülle hervor-
geschlüpften Embryo beträgt 024 Millim., die grösste Breite
0:025 Millim. Nach 72 Stunden wurden noch einige der in einem
zugestöpselten Probirgläschen mit Algenresten aufbewahrten jungen
. Ascariden sieh munter bewegend angetroffen, die Mehrzahl derselben
war abgestorben. Nach sieben Tagen, also nach 168 Stunden, bewegten
sich noch zwei Junge, zugleich hatten dieselben so wie die meisten
abgestorbenen Exemplare an Volumen zugenommen, ihre Länge
betrug meist 0‘53 Millim., die Breite 0:033 Millim. Auch wurde die
auffallende Beobachtung gemacht, dass, nachdem diese kleinen
Zur Ovologie und Embryologie der Helminthen. A0Y
Rundwürmer etwa ‘/, Stunde der frischen Luft ausgesetzt waren, da
sie, wie erwähnt, in einem zugestöpselten Probirgläschen sich
befanden, eine grössere Menge aus dem starren Zu-
stande sich erholt hatte und zuerst mit dem Köpf-,
ehen, endlieh mit dem ganzen Leibe sich hin- und her-
bewegte. Nach etwa 1/, Stunde wurden die Bewegungen viel leb-
hafter, und es schlugen mehrere Dutzende der kleinen Würmer hin
und her. Selbst nach zehn vollen Tagen wurden noch einige sich sehr
lebhaft bewegende Exemplare gefunden.
Erklärung der Tafeln Ib, IIb. (Il. Reihe.)
1. Entwiekelungsformen der Eier von Echinobothrium typus (van Bene-
den) aus dem Darme von Raja elavata: 1 A drei zusammenhängende Eier aus
dem Eierkeimstocke mit grösseren Dotterkugeln; 1 B drei zusammenhängende
Eier, worin zarte Moleküle zu einem Netze angereihet sind; 1 C kettenförmig
an einander gereihte Eier von einer späteren Entwickelungsstufe; aa stäbehen-
artige Verbindungsglieder der Eier; 55 peitschenförmige Anhänge; e mit
Dotterkügelehen versehene Kugeln, isolirt in der Eihöhle gelagert; 1 D an der
inneren Oberfläche des Eies beginnen die Moleküle sich symmetrisch anzureihen
(Bildung des Chorion); dieselben bilden ein Netz in 1 E; 1 F zeigt den Embryo
‘in a als zarte, verschwommene graue Masse; 1 @ enthält im Innern den mit
Embryonalzellenkernen versehenen Körper a; 1 H, der sich bildende Embryo ist
mit einer fein körnigen Dottermasse belegt; 1 / zeigt den mit sechs Häkchen
bewaffneten Embryo « in einer transparenten, abgesackten Schichte einge-
schlossen 5; 1 K der hervortretende Embryo.
2. Ei von Phyllobothrium gracile (nov. sp.) aus dem Darme von Torpedo
marmorata mit knopfförmigen Anschwellungen in aa.
3. Eier eines Echeneibothrium (van Beneden) aus dem Darme von
Myliobatis aquila: aa Querscheidewand; 55 peitschenförmiger Anhang.
4. Eier von Echeneibothrium minimum (van Beneden) aus dem Darme
von Trygon pastinaca: a drei in einer Hülle eingeschlossene Eier zeigend, in
@' Keimbläschen mit Keimfleck; 5b Ei mit vier Dotterkugeln.
5. Eier von Taenia perfoliata des Pferdes, die Entwickelungsstufen zeigend:
a granulirte Kugel; 5 dieselbe mit einer Umhüllungsmembran; e zwei, d drei
granulirte Kugeln enthaltend; e lässt die Anlage des künftigen Embryo gewahr
werden; f mit der grobkörnigen Dottermasse in a’, einer transparenten abge-
sackten Flüssigkeit in 5’ und dem Embryo in ce’; g ausgetretener Embryo mit
dem rundlichen bewaffneten Kopftheile in g’; A strueturlose Eihaut.
6. Eier von Monostoma foliaceeum aus der Bauchhöhle von Aecipenser
Sturio: a grobkörnige Dotterkugeln; im Ei 5 sind dieselben in ce einer trans-
ADS Wedl. Zur Ovologie und Embryologie der Helminthen.
parenten Moleeularmasse gewichen; auch ist in diesem Ei ein stielartiger Fort-
satz d.
7. Eier von Distoma polymorphum aus dem Darme von Muraena anguilla:
aa langer Fortsatz der Eihülle; bb gefurchte Dottermasse; ce Segment des
spiralig gedrehten Uterus (letzteres schwächer vergrössert).
8. Eier von Distoma signatum (Dujardin) aus dem Ösophagus von Tro-
pidonotus notriw: a den contrahirten mit Cilien besetzten Embryo fassend;
derselbe ist in 5b im expandirten Zustande; in dem spitzen Eitheile ein mit Pig-
mentmolekülen unvollkommen erfüllter Hohlraum «’a’; in e ist nebst den trans-
parenten Kugeln (Embryonalzellen) eine in kleinen Gruppen vertheilte Dotter-
masse; letztere in d mehr gegen eine Seite gedrängt.
9. Eier von Distoma mentulatum aus der Cloake von Tropidonotus
natrix: a gelbbräunliches mit dem Embryo; b graue Eier kleineren Diameters.
10. Eier von Echinorhynehus Pristis (Rud.) aus dem Darme von Belone
vulg.: a mit einer starken Eihülle und einer dunkelgranulirten centralen Kugel
in a; bede frühere Bildungsstufen mit gefurchtem Dotter.
11. Eier von Echinorhynchus Pumilio aus dem Darme von Lophius pis-
catorius: a zeigt an seinen beiden Endtheilen faltenähnliche Streifen «a , im
Innern eine granulirte Kugel; a’ (Keimbläschen); bed frühere Entwiekelungs-
stufen; e’ in e erste Anlage der inneren Eihülle. |
12. Eier von Hedruris androphora (Nitzsch) aus dem Magen von Triton
igneus und ceristatus: a mit knopfförmigen Ansätzen a’; b mit einer Längs-
raphe; c eine grosse grobkörnige Dotterkugel im Innern; in d ist die Dotter-
masse allenthalben vertheilt; e und f fasst den eingerollten Embr yon
13. Blindes Eierstoekende von Nematoideum natrieis (Creplin) aus dem
Lungensacke von Tropidonotus natrix.
14. Ausgeschlüpfter Embryo von ı Nematoideum natrieis (Creplin) mit
der Lichtung des Darmeanales in aa.
Anmerkung. Sämmtliche Figuren sind, mit Ausnahme von 7. e, bei starker
Vergrösserung gezeichnet.
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Wedl. Helminthologische Notizen.
Aus ck Hofar Sraatsdnuckerei.
Situngsb.d.k.Akad.d.N. math.natun. (U.XVIBd2 Heß: 1855,
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Aus L.k.k.Hokı.Staatsdricckerg.
Sitzungsb.d k.Akad.d NW math.naturw. CLXVT.Bd2.Heft.1855.
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Hauer. Über neue Verbindungen des Chlorcadmiums mit basischen Chlormetallen. A409
SITZUNG VOM 18. MAI 1855.
Eingesendete Abhandlungen.
Über neue Verbindungen des Chlorcadmiums mit basischen
Chlormetallen.
Von Karl Ritter von Hauer.
(Vorgelegt in der Sitzung vom 10. Mai 1855.)
1.
Wir kennen eine grosse Reihe von Chloriden der schweren
Metalle, welche mit den Chlorverbindungen von Ammonium und
Kalium Doppelsalze bilden. Beschränkter ist die Anzahl derjenigen,
welche noch eine Verbindung mit Chlornatrium eingehen.
Eine kleine Anzahl ist endlich bekannt, welche mit Chlorbaryum
und den weiteren Chlorverbindungen der elektropositiven Reihe Dop-
pelsalze geben. Diese Chloride, so wie ihre näher untersuchten
Doppelverbindungen mit Chlor-Baryum, Strontium, Caleium, Magnium
sind folgende:
Antimon. 2 BaCl + SbC, + 5HO
Sb, (ähnliche Verbindungen lassen sich nach Pog-
giale mit Stronfium, Calcium, Magnium
| darstellen)
Zion. BaCl + SnCl + 4HO
SnCl BaCl + SnCl, + 5HO
SnCl, SrCl + SnCl + 4HO
SrCl + SnCl, + 5HO
MgCl + SnCl, + 5HO
Quecksilber. BaCl + 2HsCl+ 2HO
u Ga
HgCl Chlorquecksilberstrontium (Bonsdorff).
410 Hauer. Über neue Verbindungen
CaCl + 2HgCl + 6HO
CaCl + 5HgCl + 8HO
MeCl -t HgCi + 6HO
MgCl + 3HgCl + 5HO
Gold. Dreifach Chlorgoldbaryum (Bonsdorff).
Au], DreifachChlorgoldstrontium ,
CaCl + AuCl, + 6HO
MeCI + AuCl, + 12HO
Sn BaCl + PtCl, + 4HO
PtCl, SrCI + PtCl,; + 8HO
CaCl + PiCl, + 8HO
MegCl -+ PtCl, + 6HO
Palladium. Einfach-Chlorpalladbaryum
Einfach-Chlorpalladealeium
Einfach-Chlorpalladmagnium (Bonsdorff).
Auf die von Bequerel auf galvanischem Wege dargestellten
Verbindungen ist hier keine Rücksicht genommen, weil sie nicht
näher bekannt sind, und jedenfalls einen andern Charakter haben
dürften, als die angeführten Salze.
Aus dieser übersichtlichen Darstellung geht hervor, dass alle
angeführten Chloride die Fähigkeit besitzen, ausser dem Baryum-
doppelsalze auch noch weitere Doppelverbindungen einzugehen. Es
scheint also das Baryumsalz eine gewisse Grenze zu bilden. Ist
dieses nicht darstellbar, so sind mit dem betreffenden Chloride auch
keine weiteren Doppelverbindungen, ausser jenen mit den Chlormetallen
der Alkalien zu erhalten. Geht hingegen das Chlorid eines Metalles
die Doppelverbindung mit Chlorbaryum ein, so vermag es wirklich
die Rolle einer Säure zu spielen, und bildet dann natürlich noch
weitere Doppelsalze mit ähnlichen Chlormetallen. Dass nicht blos
die höheren Chlorstufen der Metalle diese Fähigkeit besitzen, beweist
das Zinn, dessen Chlorür solche Verbindungen bildet. Auch die
Verbindungen des Palladiums scheinen ähnlicher Natur zu sein.
Da ich nun vor einiger Zeit eine Doppelverbindung des Chlor-
cadmiums mit Chlorbaryum dargestellt habe !), ein Salz welches
1) Siehe Sitzungsberichte der kais. Akademie der Wissenschaften. Band XV, Seite 36.
des Chlorcadmiums mit basischen Chlormetallen. 411
sich durch hohe Krystallisationsfähigkeit auszeichnet, so war es
interessant zu versuchen, ob Cadmium nicht analog den angeführten
Metallen gleichfalls weitere Doppelverbindungen mit basischen Chlor-
metallen zu bilden fähig sei.
In der That rechtfertigte der Erfolg der angestellten Versuche
die ausgesprochene Voraussetzung. Es gelang zahlreiche Doppel-
salze des Chlorcadmiums mit den Chlorverbindungen von Strontium,
Calcium, Magnium, Mangan etc. darzustellen.
Da das Einfach-Chloreadmium bis jetzt die einzige bekannte
Chlorstufe dieses Metalles ist, so sind diese Salze vor der Hand
jenen anzureihen, welche sich in Verbindung mit Zinnchlorür bilden.
Doch ist es sehr wahrscheinlich, dass ein Cadmiumchlorür (Halb-
chlorcadmium) darstellbar ist, und das jetzige Einfach-Chlorcadmium
ähnlich dem Einfach-Chlorquecksilber bereits eine höhere Chlorver-
bindung repräsentirt. Denn aus der Eingangs gegebenen Zusammen-
stellung geht hervor, dass das Zinnchlorür die einzige niedrige
Chlorverbindung ist, welche derlei Doppelsalze bildet. Es gewinnt
dies um so mehr an Wahrscheinlichkeit, da ein Cadmiumoxydul
(Suboxyd Cd,O) existirt, welches Marchand !) durch Glühen des
oxalsauren Oxydes, unter Abhaltung des Zutrittes der atmosphäri-
schen Luft, erhalten hat.
Für die neuerlichst dargestellten Doppelverbindungen des Chlor-
eadmiums, so wie eine Anzahl schon früher von mir beschriebener
. Verbindungen mit den Chlormetallen der Alkalien 2), erscheint im
Allgemeinen der Name Chlorcadmiate passend. Denn eben die
Existenz dieser beträchtlichen Menge von Salzen beweist, dass das
Chlorcadmium vorwiegend den Charakter eines elektronegativen
Bestandtheiles repräsentire. -
Ihrer chemischen Zusammensetzung nach lassen sich diese
Salze in drei wohl unterscheidbare Gruppen sondern, indem das
Chloreadmium basische, neutrale und saure, oder halb-, einfach-
und zweifachsaure Salze bildet.
1) Poggendorfi’s Annalen, 38. Band, Seite 145.
2) Sitzungsberichte der kais. Akademie der Wissenschaften, Band XII, Seite 50 und
Band XV, Seite 32.
A 1 2 Hauer. Über neue Verbindungen
Für diese drei Gruppen ergeben sich demnach die Bezeichnungen:
I. Chlor-Hemieadmiate,
II. Chlor-Monocadmiate,
II. Chlor-Bieadmiate.
Die Chlor-Hemicadmiate, in welchen 2 Atome des basi-
sehen Chlormetalles mit einem Atom Chlorcadmium verbunden sind,
entsprechen der allgemeinen Formel:
2RCI 4- CdCl + xHO
in welcher R = Ammonium, Kalium ete. ist.
Diese Salze sind zumeist nicht darstellbar durch Verdunsten
einer Lösung, welche die beiden Verbindungen in einem der Formel
entsprechenden Mischungsverhältnisse, enthält. Sie erfordern zu
ihrer Bildung in der Regel einen grossen Überschuss des basischen
Chlormetalles.
Von den bereits früher von mir beschriebenen Salzen gehören
in diese Gruppe die beiden wasserfreien Verbindungen von Ammo-
nium und Kalium, welche nach den Formeln:
2H,NCI + CdCl und
2KaCl + Cacl
zusammengesetzt gefunden wurden. Werden die Salze dieser Gruppe
in Wasser gelöst, so lassen sie sich meistens nieht umkrystallisiren,
sondern werden zersetzt. Es schiesst nämlich zuerst ein Bicadmiat
an, und erst nach Entfernung dieses, gibt die Mutterlauge beim
weiteren Verdunsten wieder eine kleine Menge des Hemicadmiates.
Die Salze dieser Abtheilung treten meistens in grossen Kıy-
stallen auf,
Die Chlor-Monocadmiate in welchen die beiden Chlor-
metalle einatomig zusammentreten, sind nach der allgemeinen
Formel:
RCI + CdCI + xHO
zusammengesetzt.
Die Salze, die in diese Gruppe gehören sind nur in geringer
Anzahl darstellbar. Von den in der oben eitirten Abhandlung
des Chlorcadmiums mit basischen Chlormetallen. A13
beschriebenen Salzen gehören hierher, die beiden Verbindungen mit
Natrium und Baryum, deren Zusammensetzung den Formeln:
NaCl + CdCI -- 3HO und
BaCl -- CdCl + 4HO
gemäss, war gefunden worden. Die Seltenheit der in diese Gruppe
gehörigen Salze machte es anfänglich etwas schwierig, die weiter zu
beschreibenden Salze zu finden. Es mussten vielerlei Combinationen-
der Mischungsverhältnisse versucht werden, bis es gelang die mög-
lichen Verbindungen aufzufinden.
Die Chlor-Bieadmiate endlich, in welehen zwei Atome
des elektronegativen Bestandtheiles sich mit einem Atome der Basis
vereinigen, entsprechen der allgemeinen Formel
RCI + 2CdCl + xHO.
Zahlreich sind die Salze, welche in diese Gruppe gehören.
Einige derselben krystallisiren fast bei jedem beliebigen Mischungs-
verhältnisse, der beiden dasselbe zusammensetzenden Chlorverbin-
dungen. Stellt man z. B. bei solchen das Mischungsverhältniss eines
Monocadmiates dar, so entsteht fast immer durch freiwilliges Ver-
dunstenlassen anfangs ein Bicadmiat, und nach Entfernung dieses
gibt die Mutterlauge dann häufig ein Hemicadmiat. Doch verlangen
aber wieder mehrere Salze dieser Gruppe die Gegenwart eines
grossen Überschusses von Chlorcadmium in der Lösung, um ein
Bicadmiat zu bilden. Es sind dies zumeist die Combinationen von
Chlormetallen mit Chlorcadmium, welche auch ein Monocadmiat zu
bilden fähig sind. Es krystallisirt nämlich bei diesen anfangs hart-
näckig das Monocadmiat, und erst bei Gegenwart von sehr über-
schüssigem Chlorcadmium ist das Bicadmiat im Stande anzuschiessen.
Die Salze dieser Gruppe lassen sich, mit Ausnahme der eben ange-
führten, ohne Zersetzung umkrystallisiren.
Von den früher von mir beschriebenen Salzen gehören in diese
Gruppe die beiden folgenden Verbindungen von Ammonium und
Kalium:
H,NCI + 2CdCl + HO und
KaCl -+ 2CdCl + HO
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVI. Bd. II, Hft. 27
41% Hauer. Über neue Verbindungen des Chlorcadmiums mit basischen Chlormetallen.
Die Reihe der Chlorcadmiate zeichnet sich im Allgemeinen
dadurch aus, dass mit wenigen Ausnahmen alle hierher gehörigen
Salze eine bedeutende Krystallisationsfähigkeit haben, insoferne
sich die meisten derselben zu Krystallen von ansehnlicher Grösse
leicht aufziehen lassen. .Es ist dies ein Charakter, welcher sich in
den Cadmiumsalzen überhaupt vorwiegend ausspricht. Die Verbindun-
gen dieses Metalls gehören zu den schönsten Individuen, die auf
künstlichem Wege darstellbar sind.
Die erwähnten Salze sind zumeist farblos und durchsichtig mit
lebhaft glänzenden Krystallflächen. Ist das basische Chlormetall
gefärbt, so zeigen sie demnach die Farbe von diesem. Mit Ausnahme
der Caleiumsalze, welche zerfliesslich sind, verhalten sieh die
meisten als ziemlich luftbeständig. Nur einige wenige verwittern
in trockener Luft.
Indem ich mir nun hier erlaubt habe nur die allgemeineren Eigen-
schaften dieser Verbindungen hervorzuheben, werde ich in einer
späteren Sitzung die Ehre haben die Analysen nachzutragen. Die
Beschreibung der Krystallgestalten hat mein Freund, Herr Dr.
Joseph Grailich übernommen.
Pick. Über die Sicherheit barometrischer Höhenmessungen. 415
Über die Sicherheit barometrischer Höhenmessungen.
Von Adolf Jos. Pick,
Assistent der k. k. Sternwarte zu Wien.
(Mit I lith. Tafel.)
Die Höhe eines Punktes der Erdoberfläche über dem Spiegel
des Meeres ist ein so wichtiges Element der physicalischen Geogra-
phie, die Kenntniss der absoluten und relativen Höhe der Bergkämme
und Berggipfel von so bedeutendem Einflusse selbst auf das prak-
tische Leben, auf Staats- und Volksökonomie, dass ein einfaches
Mittel zur Erlangung recht vieler Daten dieser Art äusserst wün-
schenswerth ist. Es ist also nicht zu verwundern, dass man bald nach
Toricelli's glücklicher Entdeckung das Barometer wegen seiner so
- ausserordentlichen Einfachheit als Höhenmessinstrument im Gebrauche
findet. In der That haben die bedeutendsten Männer dieser Aufgabe
ihre Aufmerksamkeit zugewendet und man kann, was die Theorie
anbelangt, seit Laplace auf den Einfluss der geographischen Breite
und Entfernung vom Erdmittelpunkte, und endlich Bessel auf die
Variation des Dunstdruckes der Atmosphäre Rücksicht nahm, das
Problem im Allgemeinen als gelöst betrachten. Nichts desto weniger
ist es bekannt, dass barometrische Höhenmessungen lange nicht so
genaue Resultate geben, als man nach der so vervollkommten. Theorie
und den engen Grenzen der Beohbachtungsfehler zu erwarten berech-
tiget ist. Allerdings ist für die meisten Fragen der physicalischen
Geographie und Meteorologie eine sehr genaue Höhenangabe nicht
erforderlich; aber sollen Messungen, welcher Art sie immer sein
_ mögen, eigentlichen Werth haben, so muss man jedenfalls die Grenzen
ihrer Genauigkeit kennen. Es wird uns nicht schwer werden nach-
zuweisen, dass man dies bei barometrischen Höhenmessungen nach
dem gegenwärtigen Standpunkte durchaus nicht im Stande ist, und
dass man bei praktischer Ausführung Varianten findet, die selbst ein
Misstrauen in die Theorie zu rechtfertigen geeignet sind. Bei der
Häufigkeit mit der jetzt namentlich in gebirgigen Gegenden zur
Bestimmung der Meereshöhe Barometerbeobachtungen gemacht
re
416 Pick
werden, dürfte demnach eine Untersuchung über die Genauigkeit
barometrischer Höhenmessungen nicht ohne Nutzen sein, um so mehr,
als der Meteorolog auch sonst nicht selten sich der Höhenformel
bedient, um durch Rückschluss den Gang des Luftdruckes unter
verschiedenen Witterungseinflüssen zu finden, wie dies namentlich
Kämtz bei der Untersuchung über den Einfluss des in auf den
Luftdruck und in ähnlichen Fällen that.
Es ist klar, dass diese Untersuchung über den Grad der Genauig-
keit barometrischer Höhenbestimmungen einzig und allein in einer
Prüfung und Vergleichung der Resultate von Beobachtungen,
d. i. ihrer praktischen nicht theoretischen Seite bestehen kann, seien
es nun solche die zu diesem Behufe eigends angestellt wurden, oder
solche, die sich hierzu als geeignet herausstellen.
Die Niehtübereinstimmung der Resultate verschiedener barome-
trischer Höhenbestimmungen unter einander und mit guten trigono-
metrischen Messungen, die man als genau ansehen darf, kann in
Folgendem ihren Grund haben:
1. In der Verschiedenheit der den barometrischen Formeln zu
Grunde gelegten Constanten.
2. In den Vernachlässigungen, die man sich erlaubt, um die
Tafeln und die Rechnung einfacher zu machen.
3. In Beobachtungsfehlern. 5
%. Darin, dass die Verhältnisse der Atmosphäre keinen so regel-
mässigen Gang haben, wie bei der Ableitung der Höhenfor-
meln vorausgesetzt wird.
3. Endlich darin, dass es noch Elemente geben mag die auf den
Stand der bei den Beobachtungen benützten meteorologischen
Instrumente einen Einfluss üben, der entweder gänzlich unbe-
kannt, oder wenigstens nicht so genau bestimmt ist, um der
Rechnung unterzogen werden zu können.
Wir wollen nun zunächst zeigen, dass die ersten drei ange-
führten Punkte die grossen Differenzen nicht erklären, welche sich
bei barometrischen Höhenmessungen zeigen.
Was den zweiten Punkt, die Vernachlässigungen zu Cündten
einer bequemeren Rechnung anbelangt, so versteht sich von selbst,
dass bei der Construction einer Tafel nur solche Grössen vernach-
lässiget werden dürfen, die auf das Resultat innerhalb der Rechnungs-
grenzen nicht influiren, und es geben auch in der That alle jetzt
Über die Sicherheit barometrischer Höhenme ssungen. A417
gebräuchlichen hypsometrischen Tafeln die Resultate genau so, wie
die diesen Tafeln zu Grunde gelegten Formeln.
Einigen Einfluss hingegen kann der erste Punkt, die Verschie-
denheit der numerischen Coöffieienten auf das Resultat ausüben ; aber
auch er ist seit Ramond (und ältere Bestimmungen werden nicht zu
Grunde gelegt) verschwindend klein; wie denn in der That bei der
Zugrundelegung derselben Daten, die Gauss’schen, Bessel’schen
(die Rechnung für mittleren Luftdruck geführt), Carlini’schen,
Littrow’schen und Wiemann’schen Tafeln (letztere nach Olt-
manns eingerichtet), nahezu identische Resultate geben. So erhält
man z. B. bei Berechnung der von d’Aubisson auf dem Monte
Gregorio und einem 128°3 über dem Meere liegenden Punkte en
stellten Beobachtungen folgende Resultate 1):
Deäuhbisson findet... '. ©. 8797
Bessel’s Tafeln (für mittleren Henektiekeifiirnt ink
Gay-Lussac’s Coöffieienten) geben . . . . . ... 8798
Beten geben 7 „u... m! em 79,072 879,7
Garlints , REhE Ewa. ERNEUERT nn Ta Oman
SRıltrows „ Re BERTIRERTGE
Wiemann’s Tafeln Bet NIEiCAmeN % a ae LATE
Wie wenig die Verschiedenheit der Co£ffieienten dabei influirt,
ersieht man daraus, dass den Littrow’'schen Tafeln die Constante
der Logarithmendifferenz 9436.966, den Wiemann’schen dagegen
9407‘9 zu Grunde liegt, während die Constante der Lufttemperatur
in beiden Tafeln dieselbe ist, und dies doch bei einer Höhendifferenz
von 880 Toisen nur 0:1 oder weniger als einen Fuss beträgt, wie
denn überhaupt die grössten Differenzen obiger Zahlen unter einer
halben Toise liegen.
In der That erhält man, wenn man die Gleichung
| h=k.log -,
nach A und % differenzirt:
dh = (logb—log b').. dk.
1) Die Daten dieser Beobachtungen sind:
Monte Gregorio: Barometerstand 268"215; Quecks.-T. 1095 C.; Luft.-T. 9°9 C.
128!3 ü. d, Meere © 329 013; 8 19-85 „19-95 C.
418 Pick.
Humboldt beobachtete auf dem Chimborazo db’ = 166"93, am
Meere 5 = 336"404, beide Stände bereits auf 0° redueirt; man findet
also für diesen Fall:
dh = (log 336"404 — log 166"93) dk
oder dh = 030433 . dk.
Nun ist die angegebene Differenz von nahe 30 Toisen in der
Constante k die grösste bei den jetzt gebräuchlichen Tafeln, und
ihr Einfluss auf die wohl grösste Höhendifferenz die man mit einem
Barometer zu bestimmen wünschen mag nur 9 Toisen.
Für den Einfluss eines Fehlers (einer Variante) in der Constante
der Lufttemperatnr m findet man aus
= k.log =, f +n())
dk log. .dm =. (17) dm.
Die Constante m wird in jenen Formeln, welche auf den Dunst-
gehalt der Atmosphäre nicht besonders Rücksicht nehmen auf0-00400
für Thermometer Celsius nach Ramond’s und Laplace’s Vor-
gange angesetzt, was unter Voraussetzung eines mittleren Dunst-
gehaltes der Gay-Lussac’schen Constante 0-00375 für Therm. C.
entspricht. Nach Rudberg ist dieser Coöfficient = 0:003648.
Demnach varürt die Constante m um dm = 0:000102. Also ist:
dh = 0:000102 ) h.
Für das oben angeführte Beispiel der Messung D’Aubisson’s
beträgt dies nur 1‘2. Man sieht dass dieser Fehler auch dadurch
compensirt wird, dass wenn h sehr gross wird, + kleiner werden
muss, weil die Temperatur mit der Höhe abnimmt. In der oben erwähn-
ten Messung des Chimborazo war +1’ = 25°3 +(— 1°6)—=23°7,
woraus sich die Unsicherheit dieser Messung in Folge der verschie-
denen Constanten der Lufttemperatur ergibt dh = 3:6.
Dass die übrigen Constanten von keinerlei Einfluss sein können,
ergibt sich schon aus der Kleinheit der übrigen Correetionen, mit
Ausnahme der Reduction der Barometerstände auf 0°, die aber auch
ohne Einfluss bleibt, weil allen Formeln derselbe Ausdehnungseco&ffi-
cient des Quecksilbers zu Grunde gelegt wird.
Über die Sicherheit barometrischer Höhenmessungen. A19
Was nun drittens die Beobachtungsfehler anbelangt, so versteht
es sich aus dem eben erwähnten Grunde, dass die Correetionen
wegen der geographischen Breite und Entfernung vom Erdmittel-
punkte in dieser Hinsicht gar nicht zu berücksichtigen sind, und es
erhält demnach die Höhenformel die einfachere Form:
t+t' b i—nT)
Bi. 42) en) >
wo k und m die schon erwähnten Constanten, rn die Constante der
Quecksilbertemperatur bedeutet, und d, db’, t, Ü, T, T' die Beob-
achtungsdaten sind, deren Einfluss eben zu untersuchen steht.
Differenzirt man diese Gleichung nach A und den Beobachtungsdaten,
so erfährt man den Einfluss der Beobachtungsfehler auf die Höhe.
Da wir gesehen haben, dass alle Tafeln so gut eingerichtet
sind, dass ihre Angaben unter sich und mit den Formeln überein-
stimmen, so wollen wir der besseren Übersicht wegen die Betrachtung
statt an die Gleichung in obiger Form, sogleich an die Gauss’schen
Tafeln, die sich durch ihre Bequemlichkeit so sehr empfehlen, und
nebst den ebenfalls sehr bequemen Wiemann’schen (Oltmanns'-
schen) in Folgendem überall benützt worden sind, anknüpfen.
Bei Nichtbeachtung der Correctionen wegen der Höhe und
geographischen Breite findet man nach den Gauss’schen Tafeln
logh = logu+4,
wo u = (log b—10T) — (log b — 10T").
10 T und 10 7’ sind die Reductionen der abgelesenen Barometer-
stände auf 0°, wobei ein achtzigtheiliges Thermometer vorausgesetzt
wird und die Producte 10 7 und 10 T’ als Einheiten der fünften
Decimale zu gelten haben. Man kann den Fehler der Ablesung eines
Thermometers nicht höher als auf 0°2 zugeben; indess ist hier abge-
sehen von Fehlern der Instrumente, die jeder Beobachter zu berück-
sichtigen hat, ein anderer weit bedeutenderer Fehler möglich, der
nämlich, dass das Thermometer nicht die Temperatur des Queck-
silbers angibt. Bei sorgfältiger Beobachtung jedoch, wenn man
abwartet, bis das Thermometer am Barometer einen stationären Stand
annimmt, kann wohl auch dieser Fehler nicht mehr als 0°5 betragen.
Nehmen wir jedoch für beide Fehlerquellen zusammen an jedem
Thermometer 1°0 R. an. Wir finden, wenn wir u in Bezug auf 7 und
T' differenziren
420 Pick
du = — 10(dT—dT');
also im ungünstigsten Falle du = + 20 Einheiten der fünften
Decimale. |
In Bezug auf 5 und Ö’ findet man
wo u den Modulus der Brigg’schen Logarithmen bezeichnet. Als
Grenze des Beobachtungsfehlers beim Barometer nimmt d’Aubisson
0"09, Kämtz 0"10 an. Nehmen wir also 0”1 als Grenze, so hat
man im ungünstigsten Falle
1 1 1 1
d=-+p0 r n 5 — +.0-04343 +5
wobei d und Ö’ in Linien ausgedrückt sind.
Die Grösse « ist demnach im ungünstigsten Falle falsch um
du — +(0:04343 r . n +0:00020).
‚Zu dieser Grösse u ist nun der Logarithmus aufzuschlagen,
wobei 5stellige Tafeln eingerichtet wie die Lalande’schen voraus-
gesetzt werden. Ist A die betreffende Differenz zweier nächster Loga-
rithmen, so findet man
u
d (log u) — + (0:04343 E Si m -+ 0:00020)..
Nun ist
logh=logu + A
also d(logh) =d(logu) — dA.
Dieses A ist die mit der Constante der Logarithmendifferenz
der Höhenformel vereinigte Correction wegen der Lufttemperatur,
d. i. f (£-+t‘); sie ändert sich in den Gauss’schen Tafeln höchstens
um 110 Einheiten der 5. Decimale, wenn {+ ? um 1°R. sich ändert.
Nimmt man als Fehlergrenze der Lufttemperatur an jeder
Station 10R. an, so ist im ungünstigsten Falle
dA = + 0:00220,
woraus der Totaleinfluss aller Beobachtungsfehler auf den Logarithmus
der Höhendifferenz zweier Orte, berechnet nach den Gauss’schen
Tafeln im ungünstigsten Falle folgt:
Über die Sicherheit barometrischer Höhenmessungen. A221.
i 1 1
d(logh)— + [(0-04343 +! + 0:09020)4 + 0-00220]
h RR
und dh=+ -[(0:04343 It 10 00020) A + 0.00220] 1)
1 1
oder dh=+H [(o1 2 = . 0:0004605) A-+ 0:005066]| h.
b db’)
Die Gleichung lehrt, dass die Einflüsse der möglichen Beob-
achtungsfehler um so grösser werden:
1. je grösser 1 die PR beider Orte ist,
2. je grösser u Eee d. h. je kleiner beide Barometerstände,
mithin je höher "die Orte an sich liegen.
Um die Grösse dieses Einflusses an numerischen Daten zu
zeigen, folgen hier drei Beispiele, die beiden oben schon benutzten
für eine sehr grosse und eine mittlere, und ein drittes für eine kleine
Höhendifferenz, wozu die Daten aus „Wiemann’s Anleitung zum
Höhenmessen mit dem Barometer,“ S. 70 entnommen sind. Man hat
für die Höhe des Chimborazo
dh — + 3017] (0- or — I+ 0. Pe 5 + 0:005066]
d. i. dh = 21'43 = 0:0071 h etwas mehr als —— . der Höhe.
Für Monte Gregorio hat man
dh = + 880 (0 N or u 0004605) 5:0 + 0: 005066]
di. N h nahe 700 „ der Höhe
1) Für sehr geringe Höhendifferenzen wird die logarithmische Höhenformel und mithin
b
die Tafeln unbrauchbar; man muss dann log pr in einer Reihe ausdrücken , wo
man hat:
b W—b’ +5 Det
Rh % lg — klog 1-—-| —
en
wobei es immer genügt zu setzen:
h= k BIN
und die Rücksicht auf Lufttemperatur u. s. w. wegfällt, weil der Einfluss aller
Correetionen verschwindend klein wird. Es versteht sich natürlich, dass 5 und
b‘ auf 0° redueirte Stände bedeuten. Alle in «dieser Arbeit vorkommenden Rech-
nungen gestatten noch den Gebrauch der Tafeln.
422 Pick.
Wiemann gibt S. 70 folgende Daten:
Elbstolln Mundloch bei Priesnitz 332"36 B auf 0° + 2-8C. Lufttemp.
Dresden 7°3 Tois. über der Elbe 331-77 „ „ „+35, a
woraus Dresden höher als Elbstolln 7'3. Man findet den Einfluss der
Beobachtungsfehler
1 N N De
dh= +73 [(0 nr Ha -+ 00004605) 360 ++ 0-005066]
dei. dh 2498 12.0:600% ale + Shih
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass mit Ausnahme jener Fälle,
wo die Höhendifferenzen sehr klein sind, die Beobachtungsfehler der
Brauchbarkeit des Barometers als Höhenmessinstrument keinen Ein-
trag thun würden, dass sie also nicht hinreichen, um die in Wirk-
lichkeit stattfindenden Verschiedenheiten der Resultate zu erklären.
Dass diese Verschiedenheiten in der That so gross sind, dass
man sich veranlasst finden muss, barometrisch bestimmte Höhen als
ganz unzuverlässig anzusehen, wollen wir durch Anführung einiger
Daten, die wir beliebig vermehren könnten, darthun. In den „Höhen-
bestimmungen von Tirol und Vorarlberg, gesammelt durch Joseph
Trinker, Inspruck 1852“, finden sich unter anderen folgende
Daten: N)
Afingen, Berggemeinde zwischen Bozen und Sarnthal, 3262 W.F.
(Dr. Oettl), 2718 W. F. (Nab);
Ala Stadt, 497 W.F. (Trinker und Feil), 3648 W.F. (Lunelli).
St. Anton im Stanzenthal, Posthaus-Flur 4234 W.F. (Kreil.)
» Boden 4074 » (‚Werdmüller.)
” ” ” * > 481491 > (Gf. Reisach.)
„ Er) % £)) 3987 S Er) (Sander.)
AIRBRE i te OT
Die Angaben für die Höhe von Bozen variiren zwischen 77567
und 119407 W.F.;
Hinterkaiser im Unterinthale, höchster Punkt der Molasse 2227
und 3368 W.F., beide Daten von demselben Beobachter (Lipold) 1).
1) Ganz ausserordentlich werden die Incongruenzen bei bedeutend hohenBergen, so z.B.
Ortelspitze 14691°5 und 12352; Hinterkirchen S. Plateykogel 10,666 und 8090 W.F.,
also mehr als dritthalb tausend Fuss Differenz. (Jahrb. d.k.k. geol. Reichsanst. 1851,
II. 1, S. 68, wo man noch zahlreich ähnliche Differenzen von 1000— 2000’ finden
Über die Sicherheit barometrischer Höhenmessungen. 423
Bei einigen der angeführten Daten, wenn auch jedenfalls
nicht bei der letztangeführten , die eine Differenz von mehr als
1100 W. F. zeigt, könnten Zweifel entstehen, ob sie sich auf
dieselben Punkte beziehen; wir führen also noch ein Paar andere
an, bei denen dieser Zweifel wegfällt. Man findet in den „Höhen-
messungen in den norischen und rhätischen Alpen, von Ph. Otto
Werdmüller von Elgg, Wien 1849,“ einem anerkannt sehr
sorgfältigen Beobachter:
Nr. 2. Dreistätten, 1350, 1399, 1243, 1359, 1383, 1327 W.F.
„ 10. Kirchberg am Wechsei, 1782, 1744, 1689 W.F.
„ 41. Bruck an der Mur, 1588, 1555, 1515, 1544, 1559,
1424 W. F.
wobei die zwei letzten Daten mit + bezeichnet sind, d. h. ein
- grösseres Gewicht haben, weil sie mit zwei Fundamentalstationen
verglichen sind.
Nr. 73. Hofgastein. Unter den zwanzig Daten ist das Maximum 2854,
das Minimum 2589 W. F., und zwar stehen diese Daten nicht als
Ausnahme da, da neben ihnen die Zahlen 2828 und 2594 aufgeführt
sind. Es wäre unnöthig diese Beispiele zu vernehmen; selbst eine
flüchtige Durchsicht der genannten, so wie ähnlicher Schriften genügt
um zu beweisen, dass bei mässigen Höhen, Varianten von mehr als
100 Fuss zur Regel, bei grösseren Höhen Varianten von 1000 und
mehr Fuss nicht zu ausserordentlichen Ausnahmen gehören.
Da weder die verschiedenen der Rechnung zu Grunde gelegten
Formeln und Tafeln, noch die Beobachtungsfehler die grossen Vari-
anten zu erklären vermögen, so müssen sie in dem oben angeführten
vierten oder fünften Punkte ihren Grund haben. Es sind also entweder
die Verhältnisse der Atmosphäre im allgemeinen nicht der Art, wie
sie bei Ableitung der Formeln vorausgesetzt werden, oder es wirken
noch andere Elemente, die bis jetzt nicht in Rechnung gezogen worden
sind, auf die Resultate ein. Die barometrische Höhenformel setzt nun
kann.) Man halte dagegen z. B. die Seehöhe Krakau’s aus den russischen von der
Ostsee und den österreichischen vom adriatischen Meere ausgehenden Nivellements,
deren Resultate bis auf 1’76 Toisen stimmen, wenngleich jederseits mit Einschluss
der Umwege eine Linie von nahe 200 deutschen Meilen Länge zu durchlaufen war.
(K.v. Littrow, Bericht über die österreichisch-russische Verbindungs-Triangu-
lation. Denksch. d. kais. Akad. d. Wiss. zu Wien. Bd. V.)
AA Pick:
zunächst voraus, dass die Erde von einer hohlen Luftkugel umgeben
sei, welche inFolge des Mariotte’schen Gesetzes zu allen Zeiten und
in allen Punkten gleicher Entfernung vom Mittelpunkte der Erde
gleiche Dichte habe. Obzwar nun dies nie und nirgends der Fall ist,
so lässt sich doch nicht in Abrede stellen, dass diese Voraussetzung
auf einem richtigen Gesetze heruhe, und dass alle Einflüsse, welche
die einem Orte entsprechende Quecksilberhöhe des Barometers modi-
fieiren, gleichsam als Störungen des normalen Zustandes des Gleich-
gewichtes zu betrachten sind.
Es lassen sich zwei Wege denken, dem Einflusse dieser
' Störungen zu begegnen. Entweder man sucht durch hinreichend lang
fortgesetzte Beobachtungen und mit Hilfe der Theorie den Werth
des jedem der beiden Orte zukommenden normalen Barometerstandes,
der dann zur Berechnung der Höhendifferenzen zu dienen hätte, oder
man sucht blos, weil ja das Mariotte’sche Gesetz für jeden Zu-
stand der Atmosphäre seine Giltigkeit behält, den Einfluss, welcher
durch die Ungleichheit dieser Zustände an beiden Stationen und den
sie umgebenden und zwischen ihnen gelegenen Orten ausgeübt wird,
zu bestimmen, woraus natürlich folgt, dass die Beobachtungen gleich-
zeitig sein müssen. Da der erste Weg sich vorläufig nicht einschlagen
lässt, weil man die Grösse des normalen (nicht mittleren) Luft-
druckes ohne Kenntniss der Höhe nicht zu bestimmen vermag (obwohl
das Berechnen der Höhendifferenzen mit Hilfe der mittleren Barome-
terstände, namentlich der Jahresmittel, sich dieser Methode nähert),
so erübriget nichts, als die Höhendifferenz mit Berücksichtigung der
Störungen zu bestimmen.
Die Ursachen dieser Störungen können, so weit man bis jetzt
darüber zu urtheilen vermag, füglich nur in der Veränderlichkeit
der Temperatur, in der Veränderlichkeit des Dunstgehaltes, in d@n
Bewegungen der Atmosphäre und etwa noch in einer durch locale
Einflüsse bewirkten Veränderung der Schwerkraft zu suchen sein.
In so weit diese verschiedenen Momente schon in der genauen Höhen-
formel berücksichtigt sind, entfallen sie aus unserer Untersuchung,
ebenso wie der Einfluss des Dunstgehaltes der Atmosphäre, der nach
den Bessel’schen Tafeln in Rechnung gezogen werden kann, und
überdies gegen die grossen Varianten ebenfalls unerheblich erscheint.
Was die durch locale Verhältnisse veränderte Schwerkraft anbelangt,
so hat Dr. Wilhelm Fuchs (Über den Einfluss des Terrains auf die
Über die Sicherheit barometrischer Höhenmessungen. A25
Resultate barometrischer und trigonometrischer Höhenmessungen,
Wien 1843) zu zeigen gesucht, dass grosse Landeserhebungen und
massenhafte Berge einen bedeutenden Einfluss auf die Resultate baro-
metrischer Höhenmessungen ausüben und Differenzen mit trigonome-
trischen Messungen verursachen; wie es denn auch unleugbar ist,
dass bedeutende Berge auch in anderer Beziehung hier Einfluss üben
müssen. Sei dem jedoch wie ihm wolle, so würde das doch nur
die Incongruenz barometrischer Messungen mit trigonometrischen
erklären, keinesweges aber die der barometrischen unter einander
bei Vergleichung derselben zwei Orte, Incongruenzen, die wie die
obigen Beispiele zeigen, von weit grösserem Belange sind, da man
unter den verschiedenen barometrischen Höhenangaben auch auf
Zahlen stösst, die mit trigonometrischen Messungen ganz gut stimmen.
Es bleiben demnach nur folgende Fragen zu erörtern:
1. liegt der Grund der Incongruenzen in einer Unkenntniss des
Ganges der Temperatur zwischen beiden Stationen ?
2. liegt er in der Richtung und Stärke des Windes?
Hierzu kommt noch:
3. können die Ineongruenzen durch die Verschiedenheit der
_ Tageszeiten erklärt werden, zu denen die Beobachtungen
angestellt werden, und endlich:
4. gewähren die Mittel, namentlich die Jahresmittel, die ja den
Kreislauf aller meteorischen Elemente (sehr nahe) umfassen,
hinreichende Sicherheit?
Zur Beantwortung der ersten Frage, ob nämlich aus der Un-
kenntniss der Function der Wärme zwischen beiden Stationen die
Varianten zu erklären seien, mussten Orte der Untersuchung unter-
zogen werden, in denen der Gang der Temperaturen möglichst
gleichmässig ist, und wo man die Versicherung hatte, dass auch die
Temperatur der zwischen ihnen gelegenen und sie zunächst umge-
-_ benden Orte nicht schr differirt. Die Beobachtungen der hiesigen
Sternwarte und der meteorologischen Centralanstalt entsprachen
vollkommen diesen Bedingungen. Vergleicht man die gleichzeitigen
Beobachtungen beider Orte, so findet man, dass die Temperaturen
‚meist nur wenige Zehntel, höchst selten um einen ganzen Grad diffe-
riren. Die beiden Stationen liegen nur etwa 1000 Toisen aus-
einander, kein Berg oder was sonst einen unregelmässigen Gang der
Wärme bewirken könnte steht dazwischen, und überdies ist der
426 P.i.0k-
ganze Einfluss der Function von (£ +) wegen der geringen Höhen-
differenz sehr unbedeutend. Eine genaue Vergleichung der Beobach-
tungen selbst gibt für ihre Verlässlichkeit das beste Zeugniss. Nur
wäre eine etwas grössere Höhendifferenz vorzuziehen gewesen, um
den Einfluss der etwaigen Beobachtungsfehler zu verringern.
Berechnet man nämlich den Einfluss des möglichen Beobach-
tungsfehlers im ungünstigsten Falle, so stellt sich das Resultat aller-
dings günstiger heraus als in dem oben angeführten Beispiele Dresden-
Elbstollen, weil ja bei fortlaufenden meteorologischen Beobachtungen,
wie das hier der Fall ist, Vorkehrungen zur Erzielung genauer Daten
leichter getroffen werden können und getroffen werden, was für uns
vorzüglich in Bezug auf die Bestimmung der Quecksilbertemperatur
von Wichtigkeit ist, indem dieser Fehler bis auf den blossen
Ablesungsfehler des Thermometers wegfällt ; es bleibt jedoch immerhin
die Möglichkeit, dass in Folge der Beobachtungsfehler im ungünstig-
sten Falle die Höhendifferenz auf ?2/,;, — 1/, ihres Werthes falsch wird.
Es ist die Wahrscheinlichkeit für das Eintreffen dieses Maximums
des Beobachtungsfehlers allerdings eine so ausserordentlich geringe,
dass man berechtigt ist anzunehmen er werde sich auch in einer
sehr langen Reihe von Beobachtungen kaum einmal finden, indess
erschwert jedenfalls der verhältnissmässig grosse Einfluss der Beob-
achtungsfehler bei einer so kleinen Höhendifferenz den Überblick.
Zwar bedarf es nur der Berechnung weniger Beobachtungen um zu
der vollen Überzeugung zu gelangen, dass die Incongruenz der
Resultate sich nicht aus den Beobachtungsfehlern erklären lasse, wir
haben es jedoch vorgezogen, statt der einzelnen Beobachtungen die aus
ihnen abgeleiteten Monatmittel der Rechnung zu unterziehen. Es ist
klar, dass in einem Monatmittel die Beobachtungsfehler schon Zen
merklichen Einfluss über können.
Es wurden also aus den Monat- und Jahresmitteln aller an der
hiesigen Sternwarte und an ‘der meteorologischen Centralanstalt
gleichzeitig angestellten Beobachtungen die Höhendifferenzen gerechnet
und sind nebst den nöthigen meteorologischen Elementen in den
folgenden Tafeln zusammengestellt.
Diese Tafeln, deren Einrichtung sich aus den Überschriften der
Columnen von selbst erklärt, geben zur besseren Übersicht auch die
Differenzen der gleichartigen meteorologischen Elemente beider
Stationen, und ähnlich wie die Horner’s in der Abhandlung „Über
Über die Sicherheit barometrischer Höhenmessungen. A2%
den Einfluss der Tageszeiten auf die barometrischen Höhenbestim-
mungen“ indenletzten drei Columnen die Höhendifferenz ohne Tempe-
ratur-Correetion, die Correction wegen der Temperatur und die
gefolgerte Höhendifferenz. Übrigens enthält Tafel I die um 6 Uhr
Morgens, Tafel II die um 2 Uhr Nachmittags, Tafel III endlich die
um 10 Uhr Abends angestellten Beobachtungen.
Tafel I.
185
2 6° Morgens
Luftdruck bei 0V in
Par. Lin.
Dunstdruck Höhenunterschied
Par. Lin. in Toisen.
Temperatur Reaum.
St. | Cent. |Dif, St. Cent. Die. | St. | Cent. ee 3
Corr.| Temp. bess
300" +1300" + BR
Sept. -51]-+10-65 110: 16 10- 49) 3-94| 4-06] 6-37 +.0:3416°72
Oct, 0-55I+ 5-16+ 4951 +0°21| 2:94] 2:58] 6:87) +0°1817°01
Nov. 0:64 + 46814 4:65| 40:03] 270) 2:60] 7:94 +018/8-15]|.
Dee. 0-56 -+ 1:88. + 1:91—0:03| 2-11| 2-04] 6:89 +0:07,6°96
18
Jänn. |30:1229.56 0-56|+ 042] + 0'20/+0'22| 1:83| 1-80] 6-96, -+0°01|6°97
Feb. 1261712555 0:62|— 1114— 1:08 —0:06| 1:71 1:61| 7:83|—0:05.7:78
März 29:2928°74,0:55 — 0:97 — 1:00| +0:03 1-72| 1:60) 6-87) —0:03/6°84
April |28-85 28:29,0.56|4+ 3:16|+ 3:29) —0.13| 2:11! 2:20] 6:95) + 0:09)7:04
Mai 129-50/28:88 0:62!+ 9:33)+ 923 4010| 3-41) 3:52) 7:67) +0: 35.8-02
Juni [28792831048] +1276| 41283 —0:07) 4:73| 471| 5-95 +0'38|6-33
Juli 130-89 30-38,0:51]+1429| +1429 0:00| 5:29 5:15] 629) + 0-45, 674
Aug. |30:46 39.95,0:511+13-26|-+12-92| 0:34) 4:68) 4:69) 6:28 +0-41,669
Sept. [30:55 30.06 0:49) + 9'63|+ 9:27|-+0-36| 3:84, 3-70) 6:10) +0:29,6.39
Oct. |30:23129:67 0-56)+ 692) + 673) 40-19) 3:33) 3:14) 6-92 -+0- 247.16
Nov. [32-28 31-72 05614 1.59|+ 1-74/—0'15| 2-14) 2:05) 6:90, +0: 06, 6:96
Dee, |30:74 30:06,0:68 — #22) — 4.06 —017| 1-35| 1:30) 8:48 —0: 18, 8:30
Jahr |29:82 29-26 .0:56|-+ 5-42|-+ 5-36 +0:06, 3:01 2:96, 6°91| 0° 19, ‚7-10
1854
Jän. 13026 3005 0' 1:66| 1:60) 2:60
Feb. 30:65 29:99 0 1:65 1°51| 8:17
März |33°40,32:91 1:87, 177) 6:03
April |31'49 30-99 |0- 2:06 1883| 618
Mai 29 17|28-68 0- 3:66) 3:55] 6:10
Juni 129-65.29.17/0° 4'45| 4:38| 5:97
Juli |30:3629-83 4:86, 4:87| 657
Aug. |30:98,30-48|0-50 4:62 4:61| 619
Sept. |32:64 32:17|0° 3:37 3:17] 579
Oct. [31:0630-.53 2-93| 2:89| 6°56
Nov. 128:43|27-80|0' 2:03] 1:79) 790
Dee. [29:21/28:61|0- 1°91| 1:79) 7-47
Jahr |30:61 | i 2:92| 2:82! 6:32
a
428 Pick
Tafel II.
1852. 2 Uhr Nachmittag
Dunstdruck
Par. Lin.
Luftdruck bei 00 R.
in Par. Lin,
Höhenunterschied
in Toisen
Monat Temperatur Reaum.
Corr.
wegen
Temp.
ohne
Cent. |Temp.
Corr. !
ver-
St. Cent. |Dif. St.
bess.
300” + 300" Tale, |
Sept. | 30 67| 30-19)0-48| 14-99) +15-27| 0-28! 2’ö8| #°51| 5-84 -0-39/6-43
Oct. | 30:38] 29-940-44]4+ 9-19|+ 9-40 —0:21| 3-01| 2-86] 3-52 1.0-25|5-77
Nov. |29:22] 28:63/0-59\+ 7-181+ 7-48 —0-30| 2-96| 2:87| 7-40 -1.0-27|7-67
Dec. |31-18| 30:66,0-52|+ 3:86,+ 4.04—0.18| 2-27) 2:17| 6: 38|+013/6:51
Jänner| 30-12
0:54 1:87\6°70| +0:06/6°76
Febr. | 26°06 0:59 -1:76|7°4&| +0°04|7°48
März |29-28 0:54 1791671] +0:1016°81
April |28:87 0:51 217/638] +0:2416°62
Mai |29:26 0:51 3:57\6°30]-+0°47|6°77
Juni |283-56 0-45 4'83| 5.62] +0°49/6:11
Juli 30:65 0.37 5.30| 455 +0'4414:99
Aug. |30-13 0:36 4:78) 4 50] +042]4:92
Sept. | 30:34 0-40 3:90] 4:91/+0°40)5°31
Oet. | 30:06 0:39 3:40) 4:85| +0'2715°12
Nov. 13215 0.42 2:05| 5:15! + 0°0815°23
Dee. | 3043 0:37 1:29) 4°6
Jahr [29:65 0.44 3:07| 5:56
Jänner! 30-50| 30-1310-37)+ 0-20 + 0-21) —0-01 4170| 4-5 14-59
Febr. | 30:29| 29-88/0-44\-+ 1-45) + 1-51)—-0-06 1-62) 5-0 3515-13
März |33-25| 32-94|0-311-- #841 3-02] —0-18 1:83| 3-8 93-90
April |31-14| 30-77/0-37|410:66 -+11-06|—0-40 175] 45 54-83
Mai [28-92] 28-60.0-32|415-73|-116-41|-— 0-68 3:57| 3-9 2/4-30
Juni |29-27| 28-89/0-38|416-19)-+16-69|— 0-50 4-64] 47
Juli | 30-12) 29-68/0,44| 118-491 1419-04! 0-55 4-82] 5-4
Aus. |30-94| 30-33|0-41|-+16:49|116-86|—0-37 4-69| 3:07|40-4215-49
Sept. |32:31| 32-13,0-38| 414.90) +15:54—0:64 3:30| 4-69 +-0:355-04
Oct. |30-9&! 30:52/0-42|- 10-12) +411-01|— 0-89 3-14| 3-18 4.0:28|5-46
Nov. |28-22) 27:78 0.444 3-03|+ 3-18|—0-15 1-85| 5-50/+0:08 5-58).
Dee. |29-16| 28-70 0-46 + 3-30 + 3:52 0-22) 2-07| 1-85] 5721 +0-10)5-82
Jahr |30-43| 30:05 0-38|+ 9-62 +10-01\— 0:39) 3:13| 2-90 4-60!-+0-22|4-82
Tafel II.
1852. 10 Uhr Abends
Luftdruck bei 00R. R£ Dunstdruck Höhenunterschied
in Par. Lin. Temperatur Reaum, Par. Lin. in Toisen
ohne | Corr. | yer-
St. Cent. Diff. St. | Cent. |Temp.| wegen
Corr. | Temp-
bess,
300”+]3007+
Sept. 30-83|30-37| 0:46 ROM, 49 +0: 5ı| #-18| #°29| 5-67 +0'33)6:00
Oct. |30'52|30-02) 0-50 |+ 6°57/-+ 6'22!+0:35| 2:88| 2:78] 6-16|+-0-19/6-35
Nov. [29-42/29:09| 0-33 |+ 5-49) + 503/046] 2:83| 2:80] 4+-13|+0-11|4-24
Dec. !31-43j30:99, 0.44 |+ 2:63|+ 2°60|+0.03| 2:19| 2-12] 5-45]-+0:08/5°53
Über die Sicherheit barometrischer Höhenmessungen.
429
1853. IL UEr Abends
Luftdruck bei 00 R.
Monat in Par. Lin.
St. Cent. | Dif.
Jänner|30-31/29:79| 0-52
Febr. 126-35[25-75| 0-60
März |29-59/29-08) 0-51
April |28-96128-49| 0-47
Mai [29-3428-88) 0-46
Juni [28-85|28-38| 0-47
Juli 130:67[30-29) 0-38
Aug. |30-35/29-92| 0-43
Sept. 130-59 30-12] 0-47
Oct. |30-34.29-83| 0-51
Nov. |32.54'31-99| 0-55
Dee. |30:77/30-21| 0:56
Jahr |29-89 29-39| 0-50
Temperatur Reaum.
St. Cent. Dif.
+++
ART
++1+
+10-91| +10-66| 0-23
1413-86| +13-37|+0:29
1415-74 115-22| + 0-52
145:04| +1470|+0.34
+41-32| 4411-11] 40-4
5/+0.24
017
0-17
+045
Höhenunterschied
in Toisen
Dunstdruck
Par. Lin.
Corr.
wegen
Temp:
ohne
Cent. |Temp.
Corr.
St.
a dl
DI Beam 9 Inn ID
m ee DO ID DO DOM MW
SH OO
Jänner|30'96130-44
Feb. 130:79|30-28
März |33-4433-05
April |31-45130-96
Mai [29-11128-73
Juni 1|29-57/29-13
Juli 130-34129-90! 0-44
Aug. 131-06/30-60! 0:46
Sept. |32-62|32-27| 0-35
Oet. |31-06 30-67! 0-39
Nov. [28-36 27-91) 0-45
Dee. 29-35 28-95 0-40
30:68 30-24 0-44
Jahr
SSR SAHSIsgS
SADSKWVRrHSum
De SE TEN ET SED Pe
SOSE Jost JAH
ASAGBGEFOSTTOARTSD
a ee a er er
Die Zahlen der vorangehenden Tafeln sprechen ganz klar. Man
ersieht aus ihnen:
1. Die Varianten,
welche sich bei
Berechnung der Höhen-
differenz aus Barometerbeobachtungen selbst einer und derselben
‚Stunde ergeben, sind viel zu gross, als dass sie der Unkenntniss des
Ganges der Temperatur zwischen beiden Stationen könnten zuge-
schrieben werden. Beträgt doch die Correetion wegen der Temperatur
nie mehr als 0-5, während die Varianten der Höhe, selbst wenn man
die äussersten Extreme etwa als unerklärte Ausnahmfälle unberück-
siehtigt lässt, über 2 Toisen betragen. Der Verschiedenheit des
Dunstdruckes (die Berücksichtigung nach den Bessel’schen Tafeln
. gäbe 0:00) kann man ssie ebensowenig als den übrigen meteorologischen
Elementen zuschreiben, die an beiden Stationen so gleichmässig sind,
Sitzb. d. mathem.-paturw. Cl. XVI. Bd. II. Hft.
28
430 Pick.
dass man ohne Fehler die Daten der einen für die der anderen nehmen
"kann. Sie Beobachtungsfehlern zuschreiben zu wollen, hiesse Fehler
von ausserordentlicher Grösse als möglich annehmen, da ja die aus
den Jahresmitteln abgeleiteten Höhen der Stunde 2 noch um 1 Toise
differiren. Nimmt man diesen Fehler als zu gleichen Theilen von
den vier Barometerständen veranlasst an, so entspräche dies ungefähr
einem Fehler von 0"25, einem Fehler, den man kaum einem einzelnen
Barometerstande zuschreiben kann, geschweige einem Mittel von
365 Daten. — Allerdings sollte man eigentlich die Höhendifferenz
aus jeder einzelnen Beobachtung ableiten und das Mittel dieser Höhen
als die von den Beobachtungsfehlern befreite bessere Höhe ansehen,
statt dass man dieselben wie hier aus den Mitteln der Barometer-
stände ableitet; dies ist jedoch eine blosse Abkürzung der Rechnung.
und man kann sich leicht überzeugen, dass die Resultate beider
Rechnungen bis auf zu vernachlässigende Grössen stimmen. — Alle
Momente denen man bis jetzt die Incongruenzen baro-
metrischer Höhenbestimmungen zuschrieb, reichen
nicht aus zu ihrer Erklärung.
2. Wir haben zwar die Berechnung den Höhendifferenz der
Centralanstalt und der Sternwarte vorzüglich zu dem Behufe gewählt
um zu zeigen, das auch eine genaue Kenntniss des Ganges der
Wärme zwischen beiden Stationen die Incongruenzen nicht aufheben
würden, es erlauben aber die Resultate noch einige andere Schlüsse.
Dass die Grösse der gefundenen Höhendifferenz von der Tageszeit
abhängig ist, hat schon Ramond bemerkt. Um diesen Einfluss der
Tageszeiten zu bestimmen, veranlasste J. C. Horner eine Reihe von
Beobachtungen auf dem Rigieulm im Januar und Juni 1827. Er findet
(s. die oben genannte Schrift), dass die Höhendifferenz vom Morgen
bis um die Mittagszeit wächst und hierauf abnimmt. Das Maximum
fällt im Januar auf 1 Uhr N. M. im Juni auf 11 Uhr V. M. Ganz
ähnliche Resultate findet E. Plantamour bei Ableitung der Höhen-
differenz von Genf und dem St. Bernhard (Resume des observations
thermometriques et barometriques. Geneve 1851), die auch darin
mit den Horner’schen stimmen, dass die Höhendifferenzen im
Sommer grösser als im Winter ausfallen. (Plantamour benützt die
Monate Juni und December.) Beide Umstände leiten darauf hin, den
Grund hievon in dem Gange der Temperatur zu suchen, da bei Ver-
gleichung der stündlichen Beobachtungen eines Tages die Zunahme
Über die Sicherheit barometrischer Höhenmessungen. A3 1
der Höhendifferenz mit der Zunahme der Wärme ziemlich gleichen
Schritt hält. Dem scheinen unsere Daten zu widersprechen, indem
gerade die 2 Uhr N. M. Beobachtung in der Regel die kleinste
Höhendifferenz gibt, und die Beobachtungen des Sommers ebenfalls
geringere Höhendifferenzen geben, als die der Wintermonate. Dieser
Widerspruch ist jedoch nur scheinbar. Vergleicht man die noch
wegen der Temperatur der Luft nicht eorrigirten Höhendifferenzen
Horner’s mit den ähnlichen obiger Tafeln, so zeigen sie einen ganz
übereinstimmenden Gang; sowohl in Bezug auf Tages- als Jahreszeit
in so weit sich überhaupt aus den wenigen Daten schliessen lässt.
Erst durch das Anbringen der Temperatur-Correction kehrt sich die
Sache gleichsam um. Da nun diese in unserem Falle einen sehr
geringen Einfluss übt, so wird durch sie die Abnahme der Höhen-
differenz zu Mittag blos vermindert ohne jedoch in eine Zunahme
umschlagen zu können. Es bestätigen diese Zahlen überdies nur um
so mehr Horner’s Ausspruch, dass die relativen Stände der
beiden Barometer nicht von dem Einflusse der Luftwärme allein
abhängig sind. |
3) Was die Übereinstimmung der barometrischen mit der wah-
ren Höhendifferenz Sternwarte-Centralanstalt betrifft, so ist die erstere
zu gross. Das Mittel der Höhendifferenz aus der zweijährigen Beob-
achtungsreihe beträgt nämlich +6‘21, ist aber wegen des constanten
Unterschiedes der Barometer, vermöge dessen alle Barometerstände
der Sternwarte um 0”08 zu vermindern sind, um — 1:03 zu corrigiren,
so dass man als barometrische Höhendifferenz im Mittel zweier Jahre
findet 5°18, während sie nach einem von der meteorologischen Cen-
tralanstalt zu Grunde gelegten Nivellement 426 beträgt.
4) Als einen der bedeutendsten Factoren, welche Fehler in dem
Höhenunterschiede veranlassen, sah man es an, dass die Formel strenge
genommen, nur für Orte wahr sei, die in derselben Verticallinie liegen.
Daraus ergab sich die Einschränkung, nur die Höhendifferenz nahe
gelegener Orte barometrisch zu bestimmen. Bessel gibt in den astro-
nomischen Nachrichten Nr. 279 (Bd. XII, pag. 242), eine Methode
an, wie man bei grösseren barometrischen Vermessungen, die ein
ganzes Land zu umfassen haben, diesem Übelstande abhelfen könne,
indem man im Umkreise, und wo der Grösse wegen nöthig, auch im
Innern des Landes für die Vermessungszeit stabile Barometer aufstellt
auf Punkten, deren Höhe und gegenseitige Lage bekannt ist. Sind
28”
432 Pick,
diese in nöthiger Zahl vorhanden, so lässt sich aus ihnen durch Inter-
polation der Barometerstand irgend anderer Punkte im Innern finden.
Auf diese Weise bekommt man den Barometerstand eines Punktes
bestimmter Höhe in derselben Verticallinie, wodurch die Wirkung
der Störung des Gleichgewichtes aufgehoben wird. Wie nothwendig
eine solche Verfahrungsweise, die leider noch nie in Anwendung
gebracht worden, bei barometrischen Nivellements sei, ersieht man
daraus, dass man hier bei zwei Orten von so günstiger Lage aus
Jahresmitteln bei dreimal täglich angestellten Beobachtungen noch
Differenzen von } bei 5 Toisen Höhendifferenz gewärtigen muss. Bei
Berechnung jeder einzelnen Beobachtung, welcheich für die 4 Monate
September, October, November, December 1852 durchgeführt habe,
sind die Varianten so bedeutend, dass eine nur aus einer oder wenigen
im Laufe einiger Stunden angestellten Beobachtungen erschlossene
Höhendifferenz als gänzlich werthlos erscheint.
Zur Beurtheilung folgen hier die Resultate für den ersten dieser
Monate.
Tafel IV,
September 1852
Datum ass! am. |a00a. en ts,u.| zen. | 10° A.
1 6:33 | 5°89 | 5:48 16 6:79 | 5°45 6'832
2 6:31 | 599 | 5°34 17 709 | 6:49 659
3 6:30 | 5:66 | 7:52 18 667 | 6:38 | —1:05?
4 7.:78,.\.207...6357 19 7:95 | 7.02 550
5 6:93 | 6°96 | 6°45 20 7'02 | 5789 3:33
6 746 | 6:31 | 5.71 21 7:01 | 5-58 9-31
7 6:57 | 6°05 | 5°63 22 642 | 5-27 5.61
8 645 | 5°89 | 4:99 23 5:79 | 5-50 | 112
) 6:82 | 6:17 | 642 24 6°30 | 7:39 689
10 6:65 | 7:09 | 6-76 25 6:66 | 4:32 7.61
11 5:95 | 6°63 | 6:85 26 6:57 | 493 2.83
12 763 , 6°71 | 6:59 27 8'40 | 6°45 466
13 7:01..6»77 | 5784 28 6:50 , 9-10 7:50
14 7:22 | 8-17 | 427 29 4:37 \ 7:53 3:90
15 5:76 | 8:02 | 6:53 30 1:38 | 6°45 655
Zur Anstellung von Beobachtungen, die man unmittelbar zur
Untersuchung des Ganges der Höhendifferenzen benützen könnte,
dürfte nicht leicht ein Ort geeigneter sein als der Stefansthurm. Eine
Reihe von Beobachtungen auf dem Stefansthurme angestellt und mit
gleichzeitigen Beobachtungen der Sternwarte und der meteorologischen
:
EB
;
4
&
RN
\
H
Über die Sicherheit barometrischer Höhenmessungen. A33
Centralanstalt verglichen, dürfte manche Aufschlüsse über barometri-
sche Höhenmessung gewähren und in mancher Beziehung Beobach-
tungen auf dem Gipfel eines hohes Berges und an dessen Fusse
vorzuziehen sein.
‚Zur Untersuchung, in wie weit die Jahresmittel zur Bestim-
mung der Höhendifferenz verlässlich sind, schienen dieBeobachtungen
der Sternwarten zu Wien, Kremsmünster, Krakau und Prag sehr
geeignet. Obzwar die Distanzen etwas gross sind, würde doch Niemand
einen Anstand nehmen, die Höhendifferenzen dieser Orte aus den
Jahresmitteln der Barometer abzuleiten, da sie alle denn doch ein
gemeinsames Klima haben. Eine Vergleichung dieser Orte war um
so geeigneter als die Meereshöhe von Wien, Kremsmünster und Krakau
sehr genau bekannt ist, und also nicht nur eine Vergleichung der
barometrischen Resultate unter sich, sondern auch mit so viel als abso-
lut richtigen Bestimmungen gestattete; nur von Prag liess sich trotz
der Bemühungen des Herrn Direetors v. Littrow keine hinreichend
sichere Höhenbestimmung auffinden, die einzelnen Angaben stimmten
zu wenig mit einander und bezogen sich auf andere Punkte der Stadt,
als den Ort des Barometers.
Eine Höhenangabe dieses Ortes findet sich in: „Kreil’s magne-
tische und meteorologische Beobachtungen von Prag, Bd. I“, ist aber
nur aus gleichzeitigen Barometerbeobachtungen mit Ritzebüttel abge-
leitet und wohl viel zu klein (546' P. M. = 91 Tois.) ?).
Um also annähernd eine Meereshöhe Prag’s zu erhalten, wurde
diese aus den mehrjährigen Barometermitteln Prag’s, Wien’s, Krems-
münster’s und Krakau’s abgeleitet. Es ergab sich:
a) Prag-Wien aus 29jährigen Mitteln von 1823—1851.
Wien. . . Barom. 330"28 auf 0 Temp. 7°92 R.
mer. . ENa2d To MD TAU
Prag höher als Wien 7:05, woraus Meereshöhe von Prag 102°46.
b) Prag-Kremsmünster aus 30jährigen Mitteln 1822 — 1851.
"Prag . . . Barom. 329"765 Temp. 7-45
Kremsmünster ea er NG 2
Prag tiefer als Kremsmünster 93:06, woraus Höhe von
Prag 10370.
1) Die „Jahrbücher der k. k. Centralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus“
geben die Seehöhe Prag’s auf S. 7 und 214, Bd. I, zu 93 Toisen, ohne Angabe der
Quelle.
434 Pick.
c) Prag-Krakau aus den 26jährigen Mitteln 1826—1851.
Prag . . Barom. 329"73 Temp. 7-39
Krakau . ES „6.55
Prag tiefer als Krakau . . . . 820
woraus. Hohe von brap 7... en ee 102-45
Höhe von Prag über dem adriatischen Meere im Mittel 102‘9.
Hierbei ist die Meereshöhe von Kremsmünster 19676 Toisen
(Reslihuber, Constanten von Kremsmünster, pag. 12), jene von
Krakau 110:65 Toisen (K. v. Littrow, Bericht über die öster-
reichisch-russische Verbindungs - Triangulation, Denkschrieften der
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zu Wien, Band V), jene
von Wien endlich 98:05 W.K. — 95°41 Toisen (Annalen der Wiener
Sternwarte, Band XXI) angenommen.
Die Daten der Station Kremsmünster sind der Abhandlung des
Herrn Directors P. Augustin Reslhuber „Constanten von Krems-
münster“ entnommen und reichen von 1822-—-1852; jene der Station
Krakau aus „Allgemeine Übersicht der an der k. k. Krakauer Stern-
warte vom Jahre 1826 — 1852 gemachten meteorologischen Beob-
achtungen zusammengestellt von Dr. Max Weisse, Director dersel-
ben,“ wozu Herr Director Weisse noch brieflich die Beobachtungen
des Jahres 1853 und die mit diesem Jahre sich ergebenden Mittel
gütigst mittheilte; endlich die der Station Prag den „Grundzügen
einer Meteorologie für den Horizont von Prag ete. von K. Fritsch“,
wo die Beobachtungen von 1800—1846 reichen, und bis 1851 nach
den Jahrbüchern der Centralanstalt ergänzt wurden. BeiZusammenstel-
lung der Wiener Barometer-Mittel fanden sich einige nicht unbedeu-
tende Varianten zwischen den Barometer-Mitteln, welche periodisch
die Sternwarte und jenen, welche die Centralanstalt für Meteorologie
und Erdmagnetismus in ihren Jahrbüchern veröffentlicht hatte, und
deren Einsicht Herr Direetor Kreil noch vor beendetem Drucke
gefälligst gestattete. Überall, wo dies der Fall wär, wurde das Jahres-
mittel der Barometer aus den Originalbeobachtungen sorgfältig noch-
mals gerechnet, und es sind demnach die zu Grunde gelegten Daten,
wo sie von früheren Mittheilungen abweichen, als revidirt anzusehen.
Diese Daten (Jahresmittel der Barometer) sind so wie die mitt-
lere Jahrestemperatur und der Dunstdruck in folgender Tafel zusam-
mengestellt.
Über die Sicherheit barometrischer Höhenmessungen. A35
Tafel V.
| Kremsmünster | Krakau | Prag
Jahresmittel
Jahr
Luftdr. | Tem.| Dstd.|Luftdr.| Tem.|Dstd.| Luftdr.
Dstd.|Luftar.
300” + 300’ + 3007 + 300"
1823| 29”"99l8°25) — 122" 42]7’51| — | — — |29”6017°89| —
24| 29-9619-13] — |22-0916-:80| — | — 328-691 —
25| 30-6118-72| — 123-32)6-94] — | — | — | — |30-2148-53| —
26) 30-5818:28| — |23-1416-34] — | 29"89 3918-17) —
27 30-97/8-54| — |22-7916-58| — | 28:8218-20| — [2960774 —
28| 31-3318-38] — |23-16|6-78! — | 29-3217-24] — |29- 947-701 —
29| 30-9416-09| — |22-61|4:861 — | 29-09)5-47| — |29-5615-63| —
30| 30-5017-5813"72123-125-83| — | 29-6317:30| — |28-80)7:26| —
31| 30-07/8-2113-46|23-3416:56| — | 29-4617-58| — [29.557581 —
32] 31-117-8013-22|24-1916-41| — | 30:33|6-66| — |30:78|7-42| —
33| 30-14/8:30/3:29)22-9616:09|2”40| 29:09|7:97| — |29-56|7:81| —
34| 31-35|9-59| — |24-55[7-1812-55| 30-00|8-93] — |30-8618-88| —
35| 30-2618-16| — 124:025-6112:41| 29-30|7:38| — |30-4117:58| —
36| 29-1718:52! — 23-04 :64| 28-25|7-75|2”91129-5217:79] —
37| 30-4217-0313- 3423-21 -53| 28-90 2-8429-9516-62! —
38| 29-9816-643-17|22-66 :53| 28-63 23-73129-7215-68| —
39| 29-718-093:-39|22-69 -65| 28:88 3-13|29:7617:58| —
40| 30:31|6-872-98/23-17 :82] 29-29 2-80130-1715-43|3" 04
44| 29-97|8-5313-5223-37 -13| 28-78 3-09129-19|7-70|3-31
42| 30-857-3413-16|23-18 -81| 29:33 23-77|30:22)6:90/2-76
43| 30-028-15|3- 20|23- 57 -00| 28:68 3-04129- 447-7113:00
AA 29-86 7-57|3-2022-34 -O1| 28-78 2-93\29-33\6-7612-87
45| 29-93|7-67|3-21122-33 -13| 28-56|5-723-12]29- 336: 8712-88
9 3
7 3
7 3
7 2
7 2
7 3
8 3
7 3
Tem.
Tem.|Dstd.
=
[)
| |
je 2)
bel;
Se) w
=>} de)
SATT ITIRAAIIEIAD
www wm ww
46| 29-9819 -12 A245 "32| 28:73 :18129:2218:2613 24
A7| 30-5817°00 2288 :09| 29-21 -02130:1616 7412-98
48| 30-247 78 2249 19] 28:60 -18/29:30]7-50/2-94
49| 30-427 27 22:72 -01| 28:96
50| 30-387 52 2282 :01| 28:75
51| 30.651735 23:00 :90| 29:07
52| 30:31|8 14 2264 :05| 28°97
53| 29:78|7 05 — — 1! 28:67
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Vom o
DD I a CD
—I
lo
U)
Rechnet man mit diesen Daten die Höhendifferenzen von Wien-
Kremsmünster, Wien -Krakau und Wien-Prag, so erhält man die in
Tafel VI zusammengestellten Resultate. In dieser Tafel sind sowohl
die barometrischen Höhendifferenzen je zweier Stationen, als auch ihr
"Unterschied von den als richtig angenommenen Höhendifferenzen
gegeben, so zwar,dass dieser Unterschied mit seinem Zeichen zu der
oben angesetzten Höhendifferenz gelegt, die barometrische gibt. Wien
ist übrigens die untere Station; nur aus zwei Jahresmitteln folgt Prag
tiefer als Wien, was durch das Zeichen — angezeigt ist.
A436 Pick.
Tafel VI.
Höhenbestimmung
Krakau - Wien
Differ. von
trigon. 152
Prag - Wien
Diff. v. oben
ermitt. 7:5
Jahr Kremsmünster - Wien
Barom. Barom.
1823 ae ar en He 3:
24 | 1028 | +15 Ir 2 s3 |+08
25 95-1 | — 62 & a 24 54
26 968 -| — 45 90 | — 612 25 | 50
27 | 1064 | +31 | 3977 | 212-5 | 17.7 | 410-2
233 | 1061 | #428 | 25-8 .| 410-6 | 17-9 | 110-4
29 | 1073 | +60| 236 | +84 | 176 | 110-4
30 95-3: 609) 0214-0. Un ee 89 | 2 4-4
31 87.5 | —13-8 8-0 \ulır.7-2 67 0-8
32 ss. | Zalesileıı.2 de aD 25 | — 3-0
33 Re N Er EIER 77 )+02
34 89.1 | —122 | 17-7 2:51:66 |— 0-9
35 s07 | 20-6) Aa I 22. | - are
36 79-7 | 21-6 | 14-9 0. 3-30 | 2 2
37 9356 : 17.5777, 2r4De 7 £ Is um-E 66 1-09
38 947) —-66| 174 | +22 3 44
39 91:45]. 21020 ae 0-8. SSR
IM) 92-2 | -91| 132 | — 2-0 2:0 |—55
A 99.4. |; 4:9:|. 16-5 1 20-37 |7 1080 Wan
12 99-207) 2279u 4: 75219: 83 | +08
13 71 |l a2 | 175 |) 223 77 .|+02
AA en a 71 | 0-4
15 9803: :|.2243:00| a19.3 1 aA 74 \-04
46 98:6: | 12-7, [316-5 2.10 +.4-3212-410-7 Pro
47 94 | —19 | 173 | +24 en
#8 |: 100-6 | —0-7:| 21-0 | + 5-8 7 42-2 1 26
49 99-5: |. 1480| 218-4 2.|, 23-2.) 20-8 es
50 97-7:| 3-6:.1°:20-7. | 25-5 | 10 ma
31 98-9 1 — 2424| 203 | 2357| 424 124-6
52 97 | —16| 173 | +21 er Br
53 ei ei 1k-Ah | — 0-8 u En
Überbliekt man diese Reihe, so wird man sogleich auf die Jahre
1827, 1828 und 1829 aufmerksam, welche mit allen drei Stationen
ein zu grosses Resultat geben und zwar für jede Station für alle
drei Jahre um eine nahezu constante Grösse. Die Sache ist zu auf-
fallend, als dass man nicht auf die Vermuthung käme, im Wiener
Barometer dieser Jahre müsse irgend ein constanter Fehler stecken.
Hierin wird man noch bestärkt, wenn man die Reihe der Differenzen
näher betrachtet, welche die Jahresmittel des Barometers mit dem
allgemeinen Mittel Triesnecker’s und der meteorologischen Cen-
tralanstalt geben. Die Barometer -Mittel sind in den genannten drei
Jahren sämmtlich um ein Bedeutendes grösser als das Allgemeine.
Über die Sicherheit barometrischer Höhenmessungen. 437
Der Fall, dass die Mittel mehrerer auf einander folgender Jahre grös-
ser als das allgemeine wären, kommt in der ganzen Reihe nicht vor,
wie er denn überhaupt nur selten stattfindet (ausser jenen drei Jahren
nämlich nur noch 1832, 1834 und 1842).
Diese Ansicht verliert vollends jeden Zweifel, wenn man findet,
dass genau in diesen Jahren die Beobachtungen an einem Barometer
gemacht wurden, das um 18:0 W.F. höher hing, als das in den übri-
sen Jahren gebrauchte. Freilich sollte dies gerade ein entgegen-
gesetztes Resultat geben, überdies sind die Barometerstände schon
wegen dieser veränderten Höhe corrigirt, es fragt sich jedoch, ob
dieses Barometer nicht ein anderes gewesen.
Wie aus der in den meteorologischen Tägebüchern angegebenen
Höhefolgt, hing dieses Barometer im nördlichen Observationslocale, wo
der Meridiankreis aufgestellt ist. Dort aber musste sich, wie noch jetzt,
ein Barometer zum Ablesen während der Beobachtungen am Meridian-
kreise, auch damals befinden, als die laufenden meteorologischen
Beobachtungen, wie noch heute, an dem Barometer im Rechenzimmer
angestellt wurden. Es unterliegt keinem Zweifel, dass an diesem von
früher im nördlichen Observationslocale befindlichen Instrumente die
laufenden meteorologischen Beobachtungen der Jahre 1827, 1828 und
1829 gemacht wurden, da ein etwaiges Übertragen des Instrumentes
aus dem Rechenzimmer zum Meridiankreise wohl ausdrücklich erwähnt
worden wäre, während die spärlichen und unvollständigen Noten
der Tagebücher nur kurz die Höhe des Instrumentes angeben. Volle
Bestätigung hievon gibt eine gefällige Auskunft des Herrn L.Mayer,
Director der k. k. Sternwarte zu Ofen, welche derselbe in Folge einer
Anfrage des Herrn Directors K. v. Littrow in einem Schreiben vom
28. October 1854 gibt, worin es unter andern heisst: er erinnere sich,
dass nach dem Umbaue der Sternwarte das Barometer im damaligen
Rechnungszimmer, der jetzigen Bibliothek, wieder placirt war, bis der
Auftrag ertheilt wurde, zu den meteorologischen Beobachtungen sich
des Barometers beim Meridiankreise zu bedienen. — Da nun eine
Vergleichung dieser beiden Instrumente nicht vorliegt, nehme ich
keinen Anstand, dieses Barometer als mit einem constanten Fehler
behaftet anzusehen und zu corrigiren. Um die Grösse zu finden, um
welche das Wiener Barometer dieser Jahre zu corrigiren sei, benützte
ich die Umkehrung der barometrischen Höhenformel. Ihre Unzu-
verlässigkeit thut hierbei weniger Eintrag, weil man hier von einer
438 rdsetacike:
bedeutenden Grösse auf eine kleine schliesst und also der Fehlerein-
fluss sehr gering wird.
Sieht man den Barometerstand der oberen Station 5’ als richtig
an, so folgt aus
Se
ee
also
dh udb
te
b(logb — log b')
woraus
b (log b — log b'
an (log 96)
ph
Berechnet man nach dieser Formel den Fehler dd des Wiener
Barometers dieser Jahre, so ergibt sich dieser mit Hilfe
nl
dh kai
von Kremsmünster. . . . .. 4 0°34
2 Krakau 202. 2 Nm. Nr RI]
D Drags en ee er EINE
Diese Zahlen stimmen zu wenig, um einiges Vertrauen zu ver-
dienen, indess konnte dies wohl nicht anders erwartet werden, da bei
Krakau dh etwa ?/,; von h, bei Prag sogar 5/, beträgt, also nieht mehr
als Differenzial angesehen werden kann. Man muss daher nur den mit
Hilfe von Kremsmünster gefundenen Werth von db zur Correetion
benützen, welcher aber, da Kremsmünster im Allgemeinen die Höhen-
differenzen zu klein gibt (worauf wir später zurückkommen), wohl
auch zu klein ist. Um doch einen ungefähren Werth dieser Correction
zu finden, lege ich den drei gefundenen Werthen Gewichte bei nach
Verhältniss der Grösse _ So ergibt sich
db — 0"AN.
Um diese Zahl sind also die Barometerstände der genannten
drei Jahre zu verkleinern, so dass man hat:
Barometer-Mittel 1827 .330"50 statt 330” 97
N 5 IR OR 81:33
Em > 829 aA En 30:94.
Es wurden übrigens diese drei Jahre nicht weiter berücksichtigt.
Die Daten der Tafel VI zeigen, dass selbst Jahresmittel der Baro-
meter noch keine verlässliche Bestimmung der Höhendifferenz gewähren.
Über die Sicherheit barometrischer Höhenmessungen. A39
Schliessen wir auch die drei Jahre 1827, 28, 29 gänzlich von unserer
Betrachtung aus, ja lassen wir auch noch die beiden J. 1835 und 1836
'unberücksichtigt, weil da Wien mit allen drei Stationen so bedeutende
Ineongruenzen in demselben Sinne gibt, obzwar eine Durchsicht
der Beobachtungen keinerlei Fehler in Wien, wo dies doch sein
müsste, vermuthen lässt, so finden wir noch immer bei der Höhen-
differenz Wien-Kremsmünster das Maximum (102:8 im Jahre 1824)
von dem Minimum (87:5 im Jahre 1831) um 153, d. i. nahe 3/,, der
Höhendifferenz verschieden. Für Wien-Krakau findet man 1831 die
Höhendifferenz 8:0 und 1850 20:7, also mehr als 21/,mal so gross.
Der Unterschied des Maximums und Minimums beträgt 12!7. Wien-
Prag endlieh gibt im Jahre 1839 für Prag und Wien nahe gleiche
Meereshöhe (Prag höher als Wien um 0'8), während nach dem
Barometermittel des Jahres 1848 Prag um 12:2 höher liegt als Wien,
also das Maximum um 11‘4 grösser als das Minimum.
Ein Gesetz lässt sich aus den hier zu Gebote stehenden Daten nicht
ableiten, nur ist zu. bemerken, dass die Differenzen der gefundenen
und wahren Höhenunterschiede nicht den Gang zufälliger Beobach-
tungsfehler zeigen, namentlich spricht sich die Abweichung in dem-
selben Sinne durch mehrere auf einander folgende Jahre deutlich aus,
so dass man möglicher Weise aus 3—4jährigen Mitteln noch immer
keine verlässlichere Höhendifferenz erhält. Man sollte meinen, dass
eine Berechnung der Höhendifferenz von Kremsmünster-Krakau,
Kremsmünster-Prag u. s. w., kurz eine Berechnung aller möglichen
Combinationen der drei Stationen einigen Aufschluss über die Ursachen
dieser Abweichung gewähren könnte, man findet jedoch, dass bis auf
ganz geringe Unterschiede die mit Hilfe der Barometermittel unmittel-
bar gefundenen Daten mit jenen stimmen, welche man mittelbar mit
Hilfe einer dritten Station ableitet. So z. B. hat man aus obiger Tafel
(VI) für das Jahr 1826 Kremsmünster höher als Wien 968
Krakau Mi LAnE I 9-0
also Kremsmünster höher als Krakau 87.8
und aus dem Barometerstande direet 88:0. Auf ähnliche Weise findet
man für dasselbe Jahr die Höhendifferenz Kremsmünster-Prag 94:2,
während aus den Daten der obigen Tafel 94-3 folgt. Kurz es ist
(bei den drei Stationen Wien, Kremsmünster, Krakau) gleichgiltig, ob
man die Höhendifferenz zweier derselben aus ihren Barometerstän-
den unmittelbar ableitet, oder die Höhendifferenz derselben mit der
AAO Pick.
dritten zunächst bestimmt, und daraus mittelbar die gewünschte
Höhendifferenz der ersten Orte rechnet. Dass dieses Gesetz nicht für
beliebige drei Orte gelten kann, ist klar, und es wäre interessant zur
Untersuchung desselben Barometerbeobachtungen auf dem Kamme,
und den entgegengesetzten Abdachungen eines bedeutenderen Berges
anzustellen.
Wenn man die in Tafel V ausser den Barometermitteln noch
gegebenen meteorologischen Elemente betrachtet und ihren so gerin-
gen Einfluss auf die Höhendifferenz berücksichtigt, gelangt man zu
der Überzeugung, dass weder die Unsicherheit in der Wärmefunetion
noch die Variation des Dunstdruckes zur Erklärung der so bedeutenden
Differenzen ausreichen. In der That um eine Variation von 10 Toisen
zu erklären, müsste bei der Höhendifferenz Wien-Kremsmünster, wo
noch die f. (£-+t') den meisten Einfluss übt, in dieser Function
ein Fehler von nahe 60° vorausgesetzt werden.
Als einzige Ursache blieben also nur die Luftströmungen, die
Riehtung und Stärke des Windes. Wir wollen, so weit es angeht,
auch diesen Einfluss einer näheren Untersuchung unterziehen. Kämtz
gibt in seinen „Vorlesungen über Meteorologie“ (Seite 334) hierüber
einige Aufschlüsse. Er findet, dass die aus gleichzeitigen Barometer-
beobachtungen, welche er in Halle, und Mädler in Berlin angestellt, |
abgeleiteten Höhendifferenzen beider Orte .nur dann mit den absoluten
stimmen, wenn die mittlere Windesrichtung beider Orte, das ist die
Resultirende der gleichzeitig in Berlin und Halle herrschenden Winde,
mit der Verbindungslinie dieser Orte zusammenfällt, d. h. wenn der
Wind aus NNO. oder SSO. kommt. Hat hingegen diese Resultirende
eine andere Richtung, so findet man die Differenz zu gross, wenn
der Wind aus der ostsüdöstlichen Hälfte des Horizontes weht, und zu
klein im entgegengesetzten Falle. Je grösser der Winkel ist, den die
Richtung des Windes mit der Halle und Berlin verbindenden Linie
bildet, desto grösser wird der Unterschied der absoluten und baro-
metrischen Höhendifferenz, und kann bis auf + 6 Toisen wachsen,
so dass die beiden Extreme um 12 Toisen aus einander stehen, was
einer Linie Luftdruck entspricht. Eine Verschiedenheit der mittleren
Windesrichtung der einzelnen Jahre könnte demnach allerdings den
grössten Theil der Incongruenz erklären, — wenn sie stattfände.
Dies ist jedoch durchaus nicht der Fall. Es ist nämlich die mitt-
lere Jahresriehtung des Windes einer Station und somit auch das Mittel
Über die Sicherheit barometrischer Höhenmessungen. AA
(die Resultirende) zweier derselben eine nahezu constante Grösse,
wenigstens liegt sie immer auf derselben Seite der Verbindungslinie
der zwei betrachteten Orte. Wenn also überhaupt, so muss die
Höhendifferenz durch den Einfluss des Windes auf das Barometer
jedes Jahr nur durch eine nahe gleiche, constante Grösse modifieirt
erscheinen.
Um dieses nachzuweisen, wurde mit Hilfe der von der meteoro-
logischen Centralanstalt in ihren Jahrbüchern veröffentlichten Tafeln
der jährlichen Vertheilung der Windesrichtung (für Wien, Jahrbuch
der k. k. Centralanstalt, I. Bd. pag, 70; für Kremsmünster pag. 182
und 183; für Prag 145, und für Krakau Il. Bd. pag. 195), die mittlere
Windesrichtung und Stärke für jede Station mit Hilfe der von Kämtz
(Lehrbuch der Meteorol. Bd. I, pag. 165) gegebenen Formeln berech-
net. Man findet sie in folgender Tafel VII zusammengestellt, wobei
die Windesrichtungen, so wie Kämtz Il. c. vorschlägt, ausgedrückt
sind, und man, da eine grössere Genauigkeit unnöthig und illusorisch
wäre, nur bis auf ganze Grade die Rechnung durchgeführt ?).
Tafel VI.
Mittlere Richtungen der Winde mit den Daten der Jahrbücher für Meteorologie etc. nach
Kämtz's Formeln gerechnet. Kämtz, Lehrb. I, S. 165.
Wien Kremsmünster Krakau Prag
Richtung| Stärke | Richtung| Stärke | Richtung) Stärke |Richtung| Stärke
1) Die in dem meteorologischen Jahrbuche der Centralanstalt gegebenen Jahresmittel
der Windstärke konnten nicht benutzt werden, da es sich-hier um die Stärke des
resultirenden Windes handelt und nicht um das allgemeine Mittel der Stärke
aller Winde,
Kremsmünster Krakau Prag
Richtung| Stärke |Richtung) Stärke |Richtung| Stärke Richtung] Stärke
S84W
N87W
N83W
NAIW
NA49W
S87W
N83W
S8AW
S785W
S81W
S87W
W
S83W
N71W
(re eilt Bar rt in iehr Fr I TITTRESF EBEN ERFURT GEEEEIEEE EERE
| Mittel |n 59 w| 27-78 |n 73 w| 25-00| u s# w| 20-10 |s 72 w| 18-68
Bezeichnet nun w und w’ den Winkel, den der Wind mit der
Nordseite der Mittagslinie bildet (so dass z. B. $ 88 W —= 92°), an
zwei Stationen und a und a’ die bezügliche Stärke dieser Winde, so
findet man den Winkel W des daraus resultirenden mittleren Windes
beider Stationen mit dem Nordende der Mittagslinie mit Hilfe der
bekannten Formel:
a sin w-+ a sin w'
ucosw + a cos w
gW =
Hat man nun überdies die Richtung der Verbindungslinie
dieser Stationen entweder mit Hilfe eines sphärischsn Dreieckes,
dessen Eeken diese Stationen und der Erdpol bilden, berechnet,
oder auch, was vollkommen genügt, mit Hilfe eines Transporteurs
von einer Landkarte abgenommen, so findet man durch einfache
Subtraetion den Winkel, unter welchem der Wind auf diese Ver-
bindungslinie auffällt. Die folgende Tafel gibt nun sowohl die
mittlere Windesrichtung je zweier Stationen, als auch diesen eben
genannten Winkel an. Bei der Berechnung der allgemeinen Mittel
wurden nicht die Mittel aus den betreffenden Jahren, sondern
die in den Jahrbüchern der Centralanstalt gegebenen, welche aus
allen Beobachtungs-Jahren abgeleitet sind, benützt. Daraus er-
gab sich der scheinbare Widerspruch bei der Station Prag, als
Über die Sicherheit barometrischer Höhenmessungen. AAZ
ob die allgemeine mittlere Windesrichtung ausserhalb der Extreme
der Jahresmittel fiele. Sucht man, um diesem Widerspruch aus-
zuweichen, die mittlere Windesrichtung Wien’s und Prag’s der
Jahre 1822 — 1829 und hieraus die mittlere Windesrichtung
‚beider Stationen, so erhält man S 84 W statt wie in der Tafel
N %8 W und als Winkel mit der Verbindungslinie der Stationen
620 statt 44°,
Tafel VIN.
Wien - Krakau
; Winkel mit
Windes- Verbindungs-
richtung Be
Wien - Kremsmünster Wien - Prag
Jahr ; Winkel mit
Windes- Verbindungs-
richtung ne
Winkel mit
Verbindungs-
linie
Windes-
riehtung
1822
3 |ne8ew| 3 w
3a | w| 8 S83 W
3 |New| A Ss 62 W
6 |NuwW| 3» 2 |ss®w
27 |N8s9 W 7 63 |sSsW
23 |N6wW| 3» ss | seo w
293 |\nssw| 23 61 |S87W
oo |ıısw 2 ss |S8siW
3 |ne6w| 30 so |sssw
2 |naw| 3 4 |Ss7reW
3 |now % ss |S69 w
3 |nzw| » 97 |ss7 w
35 |nzsw| 18 1..|Ss6 W
36 |N8s7 w 9 2» |S73W
37 |nerw| 3 20 |\Ns5 w
33 |ss5 w Dı|INSE Wi Aa. S88 W
rw New 22" soo w
oo \nsw 2 |ıswı 2 ER
4 \nesw| 02 |\nsew| 4 a
2» |\ı8ew| 4 mw 3 AS
3» |naw| vw Insw| 8 Br
ee w| a8 |InTe w| 5% ee!
Eine w| ı Inte w|l a
16 |NowWw| 235 |new| 3 ®
Bw N wo er
is |nN2w| u Ri
9 |nesw| >28 FR
so Inerw| 8 =
Mittel. | Ne6wW| 30 |nvow| 6 NT W|
Richtung| W.-Kremsmst. S84W| W.-Krakau N 50 O W.-Prag N 34 W
Zur besseren Versinnlichung ist hier eine Zeichnung beigefügt,
welche die Lage der drei verglichenen Barometerstationen und die
Windesrichtungen angibt in der Weise, dass nicht nur durch die
AAA De re a
dickere Linie die mittlere Windesrichtung repräsentirt wird, sondern
auch die beiden Extreme durch dünnere Linien dargestellt werden.
Die Linien, welche diese Windesrichtungen bezeichnen, sind durch
Pfeile an ihren Enden kenntlich gemacht.
Ein flüchtiger Blick auf diese Zeichnung zeigt, dass bei keiner
der Stationen die mittlere Jahresrichtung des Windes auf die ent-
gegengesetzte Seite des Horizonts umschlägt. Es müssten also nach
der von Kämtz für Halle-Berlin (l. e.) durchgeführten Unter-
suchung die Höhendifferenzen entweder immer zu gross oder
immer zu klein ausfallen (letzteres entschieden bei Wien-
Kremsmünster und Wien-Krakau ; ersteres wahrscheinlich bei
Wien-Prag, da sich wegen der eigenthümlichen Lage dieser Orte
aus der von Halle-Berlin nicht mit Gewissheit ein Schluss ziehen
lässt). Da nun die Höhendifferenzen in Wirklichkeit bald zu gross,
bald zu klein ausfallen, so lassen sich diese Incongruenzen aus den
herrschenden Windesrichtungen nach Kämtz nicht erklären ?).
Vergleicht man nun noch die gefundenen Höhendifferenzen mit
den trigonometrischen, so fällt zunächst auf, dass bei Wien-Krems-
münster mit Ausnahme der beanständeten drei Jahre 1827,1828, 1829
nur noch dasJahr 1824 eine Höhendifferenz gibt, die grösser ist, als
die trigonometrisch gefundene, sonst aber sämmtliche Höhendifferen-
zen Wien-Kremsmünster zu klein ausfallen, natürlich ist eben so die
aus dem ein und dreissigjährigen Mittel (1822—1852) abgeleitete
Höhendifferenz derselben Orte u. z. um nahe 5 Toisen zu klein.
Da die Vergleichung des Wiener Barometers mit dem Krakauer
einen constanten Unterschied nicht anzeigt, so muss derselbe nur im
Barometer von Kremsmünster liegen.
Um dieses um so sicherer zu erweisen, ie die Höhen-
differenz Kremsmünster-Krakau mit Hilfe des 25jährigen Mittels
(1826—1852) gesucht und 79:05 Toisen (Kremsmünster höher als
Krakau) gefunden, während nach andern Bestimmungen 86:11 Toisen
folgt; es gibt also auch hier das Kremsmünsterer Barometer die
Höhendifferenz zu gering u. z. um 7 Toisen. Daraus folgt, dass das
1) Und aus demselben Grunde auch nicht nach der Brande s’schen Hypothese, ob-
zwar sie der Kämtz’schen widerspricht. (Beiträge z. Witterungsk. Leipzig 1820,
S. 217 ff.)
Über die Sicherheit barometrischer Höhenmessungen. AA5
Barometer in Kremsmünster um etwa 0”42 zu hohe Stände zeigt.
Man kann offenbar einen so hohen econstanten Fehler des Baro-
meters nicht annehmen; man ist vielmehr zu der Annahme genöthigt
dass der Luftdruck in Kremsmünster in der That etwas grösser sei,
als er vermöge der Höhendifferenzen Wien-Kremsmünster, Krakau-
Kremsmünster sein sollte, was genau mit der Eingangs erwähnten
Hypothese des Hrn. Dr. Fuchs übereinstimmt.
Fassen wir die aus den vorhergegangenen Betrachtungen sich
ergebenden Resultate kurz zusammen, so können wir sagen:
1. Höhendifferenzen aus einzelnen Barometer - Beobachtungen
abgeleitet, sind durchaus unzuverlässig, und alle Vorsichtsmass-
regeln reichen nicht aus, um auch nur die Grenzen der Ver-
lässlichkeit angeben zu können.
2. Nimmt man statt einzelner Beobachtungen Mittel, so werden
die Grenzen der Unsicherheit allerdings im Allgemeinen enger,
jedoch ohne dass mit einer Verlängerung der Beobachtungs-
periode auch eine Verbesserung der Höhendifferenz erfolgen
müsste, und selbst Jahresmittel, ja Mittel mehrerer auf einan-
der folgender Jahre gewähren noch lange nicht die Sicherheit
trigonometrischer Messungen.
3. Die Ursachen der grossen Varianten liegen nicht, oder doch
nur theilweise in der Unkenntniss des Ganges der Temperatur,
nicht in dem Dunstgehalte der Atmosphäre, nicht in dem Gange
der Winde in den unteren Schichten der Luft, wenigstens
nicht nach der Kämtz’schen und Brandes’schen Hypothese,
selbst die allerdings unzweifelhaft erwiesene Abhängigkeit von
den Tages- und Jahreszeiten reicht zu ihrer Erklärung lange
nieht aus; — kurz man kennt die hier wirkenden Momente nicht,
und es müssten grössere Reihen eigens hiezu angestellter Beob-
achtungen einer Untersuchung unterzogen werden um hierüber
weitere Aufschlüsse zu geben, wobei man so weit es möglich
aufdie verschiedene Richtung des Windes in den verschie-
denen über einander liegenden Schichten der Atmosphäre
besonders Rücksicht zu nehmen hätte.
Wir-müssen uns begnügen blos auf die grosse Unzuverlässigkeit
- barometrischer Höhenmessungen aufmerksam gemacht zu haben.
Zum Schlusse erlauben wir uns noch eine Bemerkung über das
allgemeine Barometermittel Wiens. Bei der Vergleichung dieses
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVI. Bd. II. Hft. 29
Pd
AA 6 Pick. Über die Sicherheit barometrischer Höhenmessungen.
allgemeinen Mittels des Luftdruckes, das man nach Triesnecker
auf 27'552 — 330"624 Par. M. anzusetzen pflegt mit den Jahres-
mitteln der Jahre 1823 — 1853 schien es wahrscheinlich , dass
dieses Mittel zu gross angenommen sei. Als bald darauf die meteoro-
logische Centralanstalt das sehr verdienstliche Werk der Sichtung
und Veröffentlichung der meteorologischen Beobachtungen verschie-
dener Orte Österreichs unternahm , fand sie aus der ganzen Reihe
der Beobachtungen vom J. 1775 angefangen den mittleren Barometer-
stand 27'556 — 630"672 Par. M., also nahezu genau überein-
stimmend mit Triesnecker. Nichts desto weniger war gerade
die so übersichtliche Art der Zusammenstellung der Daten nur
geeignet mich in der früheren Ansicht zu bestärken. Auf S. 40, Bd. I
der Jahrbücher der meteorologischen Centralanstalt findet man näm-
lieh die Jahresmittel in der letzten Columne durch ihre Differenz mit
dem allgemeinen Mittel dargestellt, und es muss sogleich auffallen,
dass vom Jahre 1823 an diese Differenzen fast durchwegs negativ
sind. Welche Vorstellung man nun auch mit dem allgemeinen Mittel
verbinden mag — immer bleibt es sehr schwer anzunehmen, dass
in einer Periode von 31 Jahren, selbst wenn man die Correetion der
beanständeten drei Jahre nicht gelten lassen wollte, die Jahresmittel
des Barometers nur sechsmal über, sonst fortwährend unter dem
allgemeinen Mittel stehen sollten. Man kapn nur annehmen, dass das
allgemeine Mittel keine constante Grösse u. z. gegenwärtig in Wien
im Abnehmen begriffen, oder, dass das gewöhnlich als richtig
angenommene Mittel nicht genau sei. Die erst berührte Annahme
einer Variation des allgemeinen Mittels, welche auch Humboldt
nach den Carlini’schen Beobachtungen für nicht unwahrscheinlich
hält (Ansichten der Natur. Bd. Il, Note 14 zu „Ideen zu einer
Physiognomik der Gewächse“) ist eine Hypothese die nur aus voll-
kommen zuverlässigen Beobachtungen erschlossen werden darf. Nun
ist allerdings das allgemeine Barometer-Mittel Wien’s aus. einer
langen Reihe von Beobachtungen abgeleitet, aber bis in den Septem-
ber 1822 waren jene Beobachtungen an Instrumenten angestellt, die
wenig Anspruch auf Genauigkeit machen konnten; ja es wurde viele
Jahre hindurch nicht einmal ein inneres Thermometer abgelesen.
Die von der meteorologischen Centralanstalt veröffentlichten Mittel
sind zwar so gut es anging mit Hilfe jener Jahre, in denen ein
inneres Thermometer abgelesen wurde, corrigirt, 'esist jedoch klar,
Piek. Ueber die Sicherheit barometrischer Höhenmessungen.
=
3
3 >
=:
2 &,
2
=
BER N n \ en u un len a
>)
B'
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=
Aus d. k.k. Hof-u. Staatsdruckerei,
Sitzungsb. d. k. Akad. d.W. math. naturw. C1.XVT.Bd. 2.Heft. 1855.
RR le
%
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ar Pate,
{
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u r e
er I%
TE
“
Schönbichler. Die Complanation des schiefen Kegels etc. AAT
dass eine solche Correetion nicht genau sein kann, auch abgesehen
davon, dass die damaligen Localitäten der Sternwarte’ eine oftmalige
Änderung des Ortes des Barometers sehr wahrscheinlich machen. Es
scheint mir also gerathener das allgemeine Mittel aus den Jahres-
mitteln der letzten 31 Jahre allein abzuleiten.
Aus diesen 31 Jahren (1823—1853) findet man den mittleren
* Barometerstand Wien’s in der Meereshöhe von 95-41 Teisen
(101-7 W. Fuss über dem mittleren Spiegel der Donau) gleich
330"290 —= 27'524 Par. M., wenn die oft genannten vier Jahre
eorrigirt, oder 330"335 — 27'528 Par. M., wenn man jene
Correction nicht gelten lassen will; also im ersten Falle 0"38 im
- letzten 0"34 kleiner als die dafür gewöhnlich angenommene Zahl.
Die Complanation des schiefen Kegels durch Vermittelung der
Integrale [dy sin" o (1—k sin’p)” und [de cos"o(1—k.cos’ 9)”
und Auflösung dieser Integrale in trigonometrische, durch
einen stäten logarithmischen Calcul berechenbare Factoren.
Von Karl Schönbichler.
(Vorgelegt in der Sitzung vom 26. April 1855.)
Ih
Es sei ABC (Fig. 1) der Durchschnitt eines schiefen Kegels,
durch seine Spitze, den Mittelpunkt seiner Grundfläche und senkrecht
auf diese gedacht.
Der Halbmesser
seiner Grundfläche
(eines Kreises) sei
AM=MT= a, seine
Höhe CE=h und die
Entfernung des Mittel-
punktes M von der Pro-
jeetion Z der Spitze,
ME=e; ferner sei
TMA ein veränder-
licher Winkel = 9; so
ist das unendlich kleine
Dreieck, dass seine Grundlinie an der Peripherie in 7 und seine
Spitze in Chat = — do Vh:+ (a-+e.cos p)*.
29°
(1)
-AAS Schönbichler.
Denn, ist TD eine Tangente zu dem Punkte 7 und DE senk-
recht auf diese in der Ebene der Grundfläche, so ist DE=a--e.cos 9,
mithin die Höhe des unendlich kleinen Dreiecks
DC=Vh?:-+(a-+e.cos 9)?
und die halbe Grundlinie bei T= —
Werden dagegen, die Winkel von der kleinsten Seite BC des
Kegels angefangen, gemessen und heisst BMT'=op, so ist der
Flächeninhalt des unendlich kleinen Dreieckes an der Grundlinie 7’
— ar Vh:+ (a— e.cos @)*.
Die Oberfläche eines jeden Mantelstückes, an der grössten
sowohl als an der kleinsten Seite des schiefen Kegels, wie z. B, das
Stück ATC ist daher durch das Integral |
fd V + (a+te cos p)*
dargestellt.
Will man nun dieses Integral, so wie es ist, durch den binomi-
schen oder polinomischen Lehrsatz in eine Reihe verwandeln und
diese, entweder nach den Potenzen von cos @ oder auch nach den
Sinusen der Vieifachen von @ ordnen, so wird diese Reihe nicht nur
ein sehr unklares Fortgangsgesetz enthalten, sondern der Beweis
ihrer Convergenz wird sehr schwierig, wo nicht gar unmöglich.
Um ein klares Fortgangsgesetz und eine vollständig convergi-
rende Reihe zu erhalten, setze man
(2) SV + (a-+ e cosp)* = do V n°+ (« + e (1—2 sin? >))
und
6) dp \/ 1° + (a— e cos 9)? = fagV 14 (a—e & cos? Ei.
(4)
Aus der Formel 2 erhält man fir ®—=h?+(a- e)*;
2 mar
a-+e
far) 1—i Ak’ sin? — El —k' sin? —).
k? —
Die Complanation des schiefen Kegels etc. AA9
Aus der Formel 3 dagegen für dieselben Werthe von s, % und k
s [ar 1—k2 Ak’ cos: — (1—# cos? —)-
Der Kürze wegen nenne man noch, sowohl AK sin? T (1X
sin? —) als auch 4%’ cos? 2. — (1% cos? —) durch den Ausdruck fo,
so hat man allgemein
fa ir+ta + 00sp)* - s/ag\/ 1 —k?fo.
In dieser Wurzel Vi—k:fp ist k? ein echter con-
stanter, und fo ein echter veränderlicher, positiver
Bruch.
er a ee)?
Dis ? = SR Er BEST + (key
positiver Bruch ist, hedarf keines Beweises. Dass aber, sowohl
fo = 4k sin (18 sin F)alsauchfg —Ak' cos-*(1 — k'cos =
ein echter positiver Bruch sein muss, lässt sich folgender-
ein echter, constanter,
weise zeigen: Weil ge —k' ein echter positiver Bruch ist, so
a e
ist auch sowohl k’ sin? — als auch X’ cos? = jeder ein echter positiver
2
Bruch, und es ist erlaubt k’ sin? — sin oder auch # cos =
—— sim zu setzen, dadurch wird
°Y "y U.
— Asi — (1 } —) = Asin —00s —;
fe sin sin 7 ; a
. . 9) . v v . l . [2
es ist aber allgemein 2 sin ale SU mithin
N p
fo = sind = Ak’ sin — (1 —.k' sin? >)
oder auch
BI I. o
fe — sin? d Ak' cos? — — (1 k’ cos? =).
Aber sin? ist in jedem Falle ein echter positiver Bruch, wenn
auch für irgend einen Werth von p die Function sin ein negativer
Bruch sein sollte,
(8)
(6)
()
(8)
(9)
(10)
(1
(12)
A50 Schönbichler.
ll.
Wenn fo für jeden Werth von 9 ein echter posi-
tiverBruch bleibt, so lässt sich das Integral (deV 1—k?fo
immer durch eine convergirende Reihe berechnen
sobald auch k ein echter Bruch und /dy(fp)" ein an-
gebliches Integral ist.
Denn es ist:
VIzRßp=1— fg (fg)e— Shs(fp Mi
also auch
1 11
füeb my a delta)
1. De
ale aa. EL)
wo sämmtliche Integrale für g=0 verschwinden sollen. Was nun
auch das Integral [dp (fp)” sein mag, so lässt es sich als eine
Summe unendlich kleiner Elemente, immer durch die Reihe aus-
drücken:
Sartre” = ae)" + dee)" + delt3 Dr...
ee |
in welcher 9’ die beständige unendlich kleine Zunahme von » bedeutet
und r unendlich gross werden kann, so dass ro’ =. wird. Man
multiplieire do (fro')” mit (fro') und entwickle aus dem allge-
meinen Glied do(frgo')"(frgo') indem man statt r die natürlichen
Zahlen einführt die Reihe
do (fe )” (fe) +delf2e)" (f2E)+ dp (FEE)"(FEpy)+ - -- -
= de (PH HÄElF2PIT HAe (FEp "+. -
/ap (Fe);
Ich behaupte dass die Summe der Reihe 12 nämlich /do (fe)”*'
kleiner sein wird als die Summe der Reihe 11 des Integrals
dep (fp)”. Denn, wenn was immer für positiver Werth de (fp)”
mit einem echten positiven Bruch [was (fe) für jeden Werth von
o sein soll] multiplieirt wird, so wird das Produet do (fp)”"" positiv
aber kleiner sein als do (fp)” war, es ist daher
RE
Die Complanation des schiefen Kegels ete. As
do(f P" >de (pP)
do (f2p)" >dp(f2p)"*
dp (f3g)" >de (EP ""
de (fre)" >dp (frp)"*
_ mithin ist auch, da alle diese Ausdrücke positiv sind, die Summe
aller linksstehenden grösser als die Summe aller rechtsstehenden
Glieder, d. i. (dp (fp)” > fdp (fp)”"*' und dieses gilt für jeden
ganzen positiven Werth von m, auch für m= 0, so dass (dp = Y
grösser ist als jedes Integral [do (fo) ; [de (fp)*; [de (fo)? u. s. w-
Es sind also die Ausdrücke
Saer9, Sarıro?. ILEICDN Sdetfpr
: : a TO een
lauter echte positive Brüche und weil die Zähler dieser Brüche fort
und fort abnehmen , so sind sie überdies abnehmende (kleiner
werdende) echte positive Brüche, da nun
er 1.1.3
1 ar u el Te ae ie 6
h 2.4 2.4.6
ganz gewiss für jeden echten Bruch A eine convergirende Reihe ist,
die sich immer mehr ihrem rechten Werth % 1 — %k? nähert, so wird
um so mehr die in 10 ersichtliche Reihe
2
el! A, far 14, [drtto? Re
2 © 2.4 )
AA... mo al
2.4.6. .. .2m o
‚eine Reihe sein, die gegen ihren rechten Werth fie V1—r fe noch
schneller eonvergirt als die Reihe 13 gegen V 1 -— k2.
Es erhellet hieraus, dass @ der grössere und oVi — k? der
kleinereunter zweien Grenzwerthen sind, zwischen welchen der rechte
?
Werth des Integrals fiev 1 — k?fo liegen muss.
Setzt man in der Reihe 14 statt fyp die Werthe aus den Formeln
8 und 9, die beide echte Brüche sind, so wird jede der zwei folgenden
Reihen
(13)
(14)
A452 Schönbichler.
(15) e|! — ze fapsint (1 — Kein) —
. a -[de sin?” -(1-# sin») ]
(16) e|1 38 fapoos£ (1 — ko —) — me
En —— ® —füg cos?" z (1 —k' cos? -)]
eine vollständig convergirende.
Nach 1 und 6 gibt daher die Reihe 15 wenn sie noch mit —
multiplieirt wird, stäts einen berechenbaren Werth für die Ober-
fläche eines schiefen Kegelstückes an seiner grössten Seite (wie
ATC, Fig.1), und eben so gibt die Reihe 16 einen solchen für die
Oberfläche eines Stückes an der kleinsten Seite des schiefen Kegels
(wie BT'C, Fig. 1).
Bevor ich zu einer Entwickelungs - Methode der Integrale
far sin?” —(1 Se sin? 2) und /do cos?" —(1 RN cos 2)"
schreite, will ich noch zwei ziemlich nahe liegende Grenzwerthe der
Reihen 15 und 16 angeben.
Es ist nämlich, für = 1, bezüglich der Reihe 15
ae — k?fp = füg
Jap —o= de(1 — 2 k sin® >)
also auch, nach 10
(11) fip—2# füpsin — (ap —faglh) — 5 [de Pe)-
_ hieraus folgt:
2% [dpsin =; defe+ 3, fde1e)° In de (fg)+. .
k?
Man multiplieire die ganze Gleichung mit = so bleibt
2 k'k? F 1.388 31.17
? -füg sin: 5 17 safe +54 /dr era
(18)
+ für +
/ / p
1—h2AK sine —(1 — k' sin? —)
Die Complanation des schiefen Kegels ete. A53
1.1%?
wenn man aber das zweite Glied der Reihe, nämlich —- de(fe)*?
noch mit k?, das dritte mit k*, das vierte mit k® u. s. w. multiplieirt,
so wird, wenn Ak? ein echter positiver sein sollte aus der Reihe 18
2 fdosin® > z— fa defp +3, [dr (re) + En
%; r nn
A: — fg (re): ai
Man führe in das erste Glied der rechtsstehenden Reihe der
Hormel 19, statt fü seinen Werth =4K' sin? — 5 — (1 — k' sin? —) ein,
so wird dieses:
N I ER? AT
So flrfo=, Zr dpsim (1 —k sin? —)
ha In oa A (20)
— 2 —fäg sin? 5 dp sin’ —.
Es ist also der erste Theil des ersten Gliedes der Reihe 19
grösser als die ganze Reihe zusammengenommen.
Da nun beide Theile des ersten Gliedes zusammen , oder das
ganze erste Glied (20) offenbar kleiner als die ganze, lauter positive
Glieder enthaltende, Reihe ist: so sind durch das erste Glied allein
zwei Grenzen des rechten Werthes a Reihe 19 geboten.
Es ist daher auch gs|1 BL _k = fägsin — [der kleinere und
Fe fen (1 — k' sin? —)]
der grössere Werth, zwischen welchen beiden der rechte des Integrals
fagV h>+ (a-+ ecosg)* liegt, denn die eben betrachtete Reihe
der Formel 19 ist dieselbe wie die in 15. Ebenso findet man dass
k' o-
ps|1 — 212 [dpeos%|
der kleinere, und
k'
ps fapcos» (1—# cos: —)] |
der grössere Grenzwerth ist, zwischen welchen der rechte Werth des
Integrals
ar ae We
far i —k?Ak cos (1 — k c0s°-..) —
Steyr + (a — a cos 9):
fallen muss.
45A Schönbichler.
Diese Grenzwerthe fallen um so näher zusammen, je kleiner
der Bruch X —— wird, also je kleiner die Excentrieität des Kegelsist.
ae
MI.
Bei näherer Entwickelung des allgemeinen Gliedes der Reihen
15 und 16 leistet, was Zeit- und Müh-Ersparniss im numerischen
Caleul betrifft, eine Zerfällung der Hilfsintegrale fdg sin”” o und
Sdo cos”" in Factoren, die sich einer stäten logarithmischen
Behandlung unterwerfen lassen, vorzügliche Dienste. Man setze
zu diesem Ende
fdg sin" = 9-F).L@)-f@)-- - FE) FE+1)-: fan),
und betrachte dieses Integral als ein Product aus dem Factor
y, und m anderer Factoren, welche Functionen ihres Indexes und
von @ sein werden. Ist unter diesen Factoren der r‘* gefunden, so
findet man den (r+1)‘” durch folgenden Satz.
Wenn /dpsin”"9=g.f1).f2)-f@)- -Fe)-fer+N- fm)
unter der Bedingung ist, dass für jeden ganzen posi-
tiven Werth von r der zwischen O0 und m liegt (dp sin?”
—=f(r) fdg sin"? g, und bei jedem bestimmten Werth der
Me o innerhalb des ersten Quadranten
in)
eh gesetzt werden kann, so ist
2
=.
2r +
nz
Denn, nach dem Fundamental - Integral (day — xy a faye
findet man (dp sin” p — [dp sin p .sin’"'y
2r
_—_ sin? o tang? )-
— — cos p sin"! + (?r— 1) (do sin”? p cos? p.
= — cos p np + (2r—1) (dp sin" pl —sin?p)
und hieraus, wenn man die Glieder nach den gleichen Exponenten
ordnet
- 2r —1 \ 1 1
fie sin 0 B "fie sin"? — EB cos o sin”! o,
welches sich auch schreiben lässt
%Yy—1 1 cosp . sin?r—1lo DR,
1) ıL sing — a ne — he sin,
en l do sin?r—o
Die Complanation des ats Kegels ete. A55
Es soll aber (nach der Bedingung des Satzes) auch sein
ap sin? pP = f(r) fdp sin" o 2) |
mithin aus 21 und 22 |
2r—1 1 . sin?r—i f
f(r) [de sin" o = = ei Da) et fdg sin”? 9 (23)
ur f do sin— o.
und
2r —1 1 cososin?r—-1g
ee
ler, Sag sin?r—? @
Man setze in diese Formel (r +1) statt r so wird
?2r +1 1 cos 9 . sin?r+1 o
en ( 9r +1 h
dw sin?r o
und wenn man statt (dp sin’”g den Werth f(r) Jap sin’? 9 aus
der Gleichung 22 in die Gleichung 25 bringt
(25)
2r +1 1 cos p sin?r+1o
er er er
f(r) Sag sin?r—2 o
(26)
2r +1 1 sing cospsin?r—1o
2r +? ?2r +1 f(r) Fr en \
—1
Nun setze man es sei f(r) = cos? und bringe diesen
Werth in die Gleichung 26, so Re
er
2r +1 2r sin? 10) 1... c0sQ . sin? —1 7
2r +2 2r +l1ecoy ?2r—1 fag into ( )
und wenn man denselben Werth für f(r) in die Gleichung 24 setzt
2A 2r—1/ 1 cos o sin?—1o
ee
an Win Sag sin?r—? 9
mithin
1 cosepsinar—ilo
cfd—=1— —— 98
Dt Y do sin?r—? (3)
und
i 1 cos o sin?r—1
sind = ak es (29)
nz Sdg sin?r— 9
(30)
[c1)
A56 SChimparhiee
welcher letzte Ausdruck in die Gleichung 27 gesetzt, ergibt:
Ä DR 2r+1 2r sin? sin“ op
u pr +2 (! an Ir+1 Cosa) sin2g)
2r+1 ie
ln 2r +2
= 10 tan?
RT sinio tang $)
2
was immer stattfinden wird, sobald es erlaubt ist f(r) = 5 % ; cos?
Zu
zu setzen. Das ist aber erlaubt bei jedem Werthe von 9 innerhalb
des ersten Quadrates. Denn jedes Integral fd sin’”"g und auch
[do sin?” "og ist für jeden Werth @ positiv, wenn r einen ganzen
positiven Werth hat; es ist also in der Gleichung 22 jedes Glied
mithin auch f(r) positiv; mithin ist auch die es 24 aus
2: 5 ar
lauter positiven Gliedern: denn es ist in ihr
für jeden ganzen
Werth von r positiv, also ist auch der andere Factor
n 1 cos o sinr—1 )
Zu: Sag sin?r—? o
positiv; wenn aber das der Fall ist, so muss
cos o sin2r—1o
a f do sin?r—?
entweder negativ, oder es muss positiv und kleiner als 1 sein.
Negativ kann aber dieser Ausdruck nicht sein, weil jeder Factor
desselben positiv wird, sobald © < 90° und r positiv und eine ganze
Zahl ist, so zwar dass (2r—1), dann cos po, dann sin””—!o und
eben so dp sin’”””g jedes für sich positiv wird. Es ist also
1 _ cos o sin?r—1o
a Jap sin?r— 29
positiv und muss dabei kleiner als 1 sein. Es ist also
unter den bedingten Werthen von r und & immer
1 cos g sin’r ig
Ze f do sinr—:o
ein echter positiver Bruch und kann = sin?! gesetzt werden, wobei
sich jederzeit ein Bogen d denken oder finden lässt, welcher der
1 cos @ sin?
r—1
< Genige leistet. Sonach ist
2r —1 R
Sag sin?t—?9
1 cos p sint—1o
lets ag sin?r—2o
Gleichung 24)
Gleichung sın?d —
aber 1 —
— cos? /Ö und (man siehe die
—1
cos? V.
fOd=-
Die Complanation des schiefen Kegels etc. A457
Weil daher zum Bestand der Factorenreihe
füg-sin 9 —=o.fl) Ff@)-fE)---fr)-fr +2----- f(m)
für jeden ganzen positiven Werth von r zwischen o und m immer
Sao sin? g = f(r) [dp sin?" "9, und bei jedem bestimmten Winkel
EEE EEE WERT 2ER
2r —1
o innerhalb des ersten Quadranten f(r) = —— 0082 d wirklich
gesetzt werden kann, so ist auch erwiesen:
fr +D)= - sin? fang? )) : (32)
2r +1 ( 2
2r +2 Ir +
sin? in? e
5 -) und > ® sowohl eine
1
Wei fd sing — = ei -—
Function von 2@ als auch für jeden Werth & innerhalb des ersten
. er ; sin?
Quadranten ein echter positiver Bruch ist, so setze man 5 Ze
— sin? (29), also 1— = cos? (29), und L yany —
1
ev (1 — ) == 9. .cos?(2 9), so wird das Symbol (2);
einerseits einen Winkel IR natürlichen Kreisbogen vorstellen, der
eine Function von 2 ist, andererseits aber wird es in dem rechts
angehängten Stellenzeiger 2 den Exponenten desjenigen Integrals
anfweisen, als dessen letzter veränderlicher Factor cos?(2 9), zu
betrachten ist. Consequent erscheint im Integral mit dem Exponenten
2r, nämlich in /dosin”o, der Factor cos?(2@)” als der letzte
veränderliche, sobald (in der Bedingungsgleichung 31) cos? (2 o),,
2r —1 —_
statt cos?J also f(r) = : med — —— 0082 (2 P).r gesetzt,
und durch Einführung der natürlichen Zahlen 1, 2, 3, 4, 5.... für r
die Funetionen f(1), f(2), f(3) --.. entwickelt werden; denn
sonach wird
fügsin” 8 = 9-FW-F@-T@).--- 16)
= 9... 008° (29), — co? (2 Yo) - > a a) ee
> lie
| Weil aber aus der Glichng =
statt r auch fliesst f(r +1) =
en:
sin? op
ah (29)..für(r+1)
1
Ze 5 608? 2 Y)er +2 und nach der
A58 Schönbichler.
isch
Formel 32, f(r+1) = FE}
al ie
2r er ah
— 775m” p tang $)
also auch
2
cos?(2 @)2,+2 = m a sin? ptang* (2 Y),, ist, so kann man
jederzeit
! 1 3
fir sin” o = p 608° 2). 608?(2 O)ukianr
2 1 2m —1
(23) tl I cos? (2 P)er + 3 ne bie cos?(2 O)2m
unter der Bedingung setzen dass, sobald
sin ? o
2 ah ad
(34) c08 @oy,i =
besteht, auch immer
(35) 08 (2y)r +2. = 1— Aare; ; sin ptang? (2 y)-
bestehen wird, und zwar für alle ganzen positiven Werther von r=1
his’ — m. |
Aus der Formel 35 findet man frr =i1,r=2,r=35
cos eo) — 1 - sin?o tang? (29);
cos?(2p); = 1 —: sin? o tang? (29):
0.
c08? (29); = 1— sin? tang? (29),
u. Ss. w.
Es erhellet hieraus deutlich, dass, wenn m und » positive ganze
aber ungleich grosse Zahlen wären, die ersten r veränderlichen Fae-
toren des Integrals
1 3 2r—1
fir sin?" = 9.5 008? (2p), - ; cos" (2y)r- --- —
am —
2 1 0082(2p)em
den ersten r veränderlichen Faetoren des Integrals (dp sin?" p nicht
nur der Form nach, sondern bei gleich gross bestimmten 9 auch dem
Werthe nach vollkommen gleich sein werden. Ist nuın m = r = p
undda=1r-+ g, so ist Jdpsin” 9
c08? (DO). -
Die Complanation des schiefen Kegels ete. 459
2r 2r
Basmetrgo — (- ie „608° Sy Bw „608° (2o)er+3- (36)
2r + 2p —
re cos? ed fdg sin” 9.
und dp sin” @
2
do sin? +?4 -(— it,
cos? (2p)ar +2: re cos? (2p)yr +1.» (37)
Paper nn cos? en Sdg sin” @.
und je zwei und zwei gleichlautende Factoren der Formeln 36 und 37_
sind einander auch dem Werthe nach vollkommen gleich, sobald in
beiden Formeln sowohl r und r als auch y und & einander gleich
genommen werden.
Auch /do . cos?" lässt sich in eine ähnliche Factorenreihe
wie Form 33 zerlegen. Zu diesem Ende leite man aus
fdg cos g. cos”"—'p und [dp cos”p —= f(r) [dp cos”? 9
die mit den Formeln 21 bis 27 analogen Gleichungen ab, setze
2r —1 ar —1 4 cos?r —1o sin
r
2r a costr— 2
also
1 cos?r—1o sin
tang? v — 5 1 ET ER USE,
os f do cos?r—: 9
so erhält man
?2r +1 2r
Tr — (1 ——— (08? sin? )-
naeh wa
Wenn daher do cos®"9 — 9.f(1).f(2)---- Fr) f(r-H1)
.f(m) unter der Bedingung gilt, dass für jeden
ganzen positiven Werth r der zwischen o und m liegt
IL cos” po — f(r) [do cos®-:o und bei jedem bestimm-
ten Werth der Veränderlichen @ innerhalb des ersten
Quadranten f(r) =
r
. sec: db gesetzt werden kann,
?2r +1
+2
so ist frr+1) =
Setzt man ferner
| 1 $ 3 2r —1#
fdg cos" 9 = p.5 8ec!(?2p) z se (2p)a- -- - s sec? (20).
r
am —1 (38)
5 sec? (2P)zm»
2r ee
( + N sin? $).
(39)
(40)
(41)
(42)
A60 Keeiscchhiön biehileinr!
so wird diese Factorenreihe wieder unter der Bedingung gelten, dass
sobald sec?(?2y), = 1+ Si
2
sec (2p)arıı = 1+
gesetzt werden kann.
Aus 39 fliessen sofort die Werthe firr =1,r = 2....
sec?:(2p), = 1 +3 cos?o sin? (20),
gesetzt wird, jedesmal auch
ar
" 2 n?(?2
rl (29).
ser(?2o) =1+ - cos? o sin? (2Y)ı
| u. Ss. W.
Auch gilt von den Integralen (dp cos®"+ rg und (dp cos?" +?9y
dasselbe analog, was unter 36 und 37 bemerkt wurde.
IV.
In solche Faetorenreihen wie 33 und 38 lassen sich alle Inte-
grale von der Form [dp sin?” vo und [do cos?"=yg auflösen, so-
bald v eine ganze oder gebrochene positive Zahl und vo ein Winkel
innerhalb des ersten Quadranten ist. Denn, weil allgemein
9 1..f°
[% sin” vo = en do sin’"o
und
? 12/8
[4 COSTVO. 5 do cos?"
o {0}
ist, so setze man, es sei
fs sin?mrYp oder [dp cos"o = F(p),
vo vo
IK sin?"o oder [de cos®"p = F(vp).
also (aus 40 und 41) ;
B 9 1
f% sin?" yo oder [dp cos" vo — Si Fo).
o
so wird
Nun ist für f "do sinm
1 3 2 1
F(o) —_ 5 cos? (20). z cos? (?y)r- .. nr - 2 cos? (2o)2r+2 nahe
2m—1
cos? (29) Da
Die Complanation des schiefen Kegels ete. A61
daher (nach 42)
?
IK; Ey — er . = cos? (2vP)2 2 008? (2vgp)i--- (43)
am —
1
cos? (2v@)am
— 5 008° (0); : 7 €08?
am —
! 088 (2vo)am
und diese Reihe gilt wieder unter der Bedingung dass, sobald
sin? vo
c0s? (2vp), — 1 TEE Bugs (44)
auch immer
2
co (Wo) +2 = 1— 3 ä N sin?vo tang? (2vY)r (45)
sein wird.
Aus der Formel 43 ergibt sich für v = :
rs. 1 3 5
f% sin?" > = 9.5008? (P)2 7 608° (P): 5 c08:(p) - -- - (46)
0 2m —1
Nu c0s?(O)zm
und zur Berechnung dieser Factoren, aus 44 und 45 für r= 1,
M—2...:
ee ©
2
cos?(y), =1— 3 sin» & 2,sang) (2): (48)
cos? (a = 1— 3 sin» ? tang? (p): (49)
u. S. w.
Für * de cos?mS erhält man analog mit 46 die Reihe
' 1 ; 3 5
= p38ec? (2): ‚7 sec? (po) - 6 sec? (2%: -
sodann aus 39 und analog mit 47, 48, 49
2m —1 |
an ee (2)em (60)
sing
sec?(p), =1-+ — | (51)
se (go), =1+ ve! ; sin?(p), (52)
se (g) =1-+ 5 = cos2$ sin? (p); (53)
U. S.W.
Siitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVI. Bd. II. Hft. 30
(34)
(35)
A62 Schönbichler.
Weil nun diese Formeln (von 40 bis 53) so lange Giltigkeit
haben als vo den ersten Quadranten nicht überschreitet, und hier
vo = > ist, so kann auch @ = 180° angenommen und sonach
bis zu den Integralen
IK sin? > und fr cos?"
mit diesen Formeln ausgereicht werden. Für o = z wird aber (47
sin sin Te : R
und len ze 0, also sowohl cos? (@),;, = 1 (in 47) als
auch sec? (o). — 1 (in 51), mithin wird auch
c0s”(o), — 1, c0s:(o) =1 ... cos? (o)m — 1
und eben so
sec?” (2), — 1, ser (Ye — 1 --: seo).
Es ist daher
7 . = 2 1:3 ar
d sin m —— do cos mt I N Sn
nn “ 2 2.4.6...2m
weil sämmitliche veränderliche Factoren in 46 und 50 in diesem Falle
— 1 werden, mit Ausnahme des Factors @, welcher in beiden For-
mein = z wird. Dass für —= 0 diese Integrale verschwinden,
leuchtet schon aus dem Umstande ein, dass von den Factor enreihen
46 und 50 jede auch den Factor @ aufweiset.
Die Integrale
Te . © T ug
/% sin” und fs sin".
sind es eben, welche numerisch angegeben werden müssen, wenn
die ganze Oberfläche (oder eine seiner gleichen Hälften) des schie-
fen Kegels nach der Formel 15 oder 16 berechnet werden soll.
In der Reihe 15 ist das erste Glied für = n
je sin? (1 — k' sin? 2)
— hd s /*% sin? Z __—k 3 [dp sin: 2
mithin nach 54 für m—=1 undm — 2 das erste Glied in 15
— 16 [jr 22 2] = (2) ar ft
und eben dasselbe gibt auch für = r das erste Glied in 16.
Die Complanation des schiefen Kegels etc. A63
Das zweite Glied der Reihe 15 ist fig = z
1. 1 ,,4?K? nen =
— k* = de sin (1 — #sin:2); (56)
{0}
und weil
9,
T 2 TC TE
Süs sin (1 —K sin: 5) — [ dgsin? 2 | dpsing 4
We de sins!. = en uklar an ln
2 2.4 2.4.6 2.4.6.8
o
so ist (naeh 56) das zweite Glied:
14.1.3 ni DEE
ie 1-7: erzake] — (57)
Ri Ze) 1.08
- >) hskeke[1 ——.—k (1 — —.—#®)]
und eben so ist das zweite Glied in 16. |
Das dritte Glied der Reihe 15 für — ist
1.41. 3, „ER? : Per ON ;
SE: Fl a sin _ \1—k sin®*.) ; (58)
und wenn man (1 — K sin? =) zur dritten Potenz wirklich erhebt,
und so wie in 56 vorgeht, das dritte Glied:
1 11.3.512 a DM 1%
erden) &9
und eben dasselbe gibt das dritte Glied in 16.
Es ist mithin die ganze Oberfläche des schiefen Kegels
(durch die ersten drei in 55, 57 und 59 ersichtlichen Glieder)
annäherungsweise complanirt durch die Reihe:
ars 1 = („rar 1 - — Co) Per: x (60)
rer nl-aeee
Br 2 063,
1 —-7.2% (1 — = — (1-7; 5% )) — ER =
rg fer =: far Vr+ +(a+e cos p)*.
30*
A6A Schönbichler.
Diese Reihe ist in ihren ersten drei Gliedern, hier derart völlig
bestimmt, dass nur mehr die numerisch anzugebenden Werthe für
2
®—=h?+(a+e); fü = 2 S 2
eingesetzt zu werden brauchen, um sie selbst in ihrem gesammten
numerischen Werthe zu finden. Das allgemeine Glied der Reihe
60 ist seiner Forın nach schon aus dem Fortgangsgesetz dieser
e . .
und für / = ——- in sie
a-+e
_ ersten drei Glieder ersichtlich; doch soll es für jeden Werth von
(61)
(62)
(63)
(64)
(also für jedes Kegelmantelstück) im nächsten Abschnitt dieser
Abhandlung entwickelt werden, zu dessen Einleitung noch Folgendes
hier Platz finden mag:
9 9
Man kann die Integrale [dp sin’” vo und [do cos’* vo oder
0 0
p
überhaupt auch das Integral fie sin?” «b wo d was immer für eine
0
Function von o, also auch ) = vo und d=90°— vo, sein kann,
unter folgende allgemeine Auflösungsformel bringen, in welcher (o)
einen allgemeinen Factor vorstellen soll der eine Function von o ist
o 1 2 3 4 r m
flesin "9-9: 9- 9-9
0
und eben so, für m —=n-+ r (man sehe 36 und 37)
10) a +1 a+2 n+3 n+r RR. 5
do sint 9 = (9).(9).(9)---- (9): fapsine 9.
0
Für d=vo ist sonach dieser allgemeine Factor
(£) =
und für d) = 90° — vo (in u er [dp sin?" — [dp cos’" vo
wird) ist
Er c0s? (2 YQ)sr
2 2r—1
(9) = — se (?pW)ar.
V.
Entwickelt man (1—k'sin?d)” durch den binomischen Lehr-
satz in eine Reihe und multiplieirt jedes Glied mit sin?” J, so erhält
man sin?" (1 —k' sin? d))” = sin?" d . k'sin’"T?d.
m m—1i m
Sa
+- ur Yesintig Tea —— k'3 sin’"+ed+...—
Die Complanation des schiefen Kegels ete. A65
also auch
A sin d (1 — K sin? d)" (65)
fü do sin?” —— rd dp sind"? d ai - Am ke fig sin?®t+ d—
o 0 . S
o
m—1 U EN
.. +... + r ! ee .
Nun ist (nach 62)
p f ER
ir sin"t?d—= (op) [| do sin?" d
+1 ER
u dp sininttg — (p) (9) [ dp sind
i 10) dal +1 2. u ;
a dp sing (LA): -- fie sing.
Setzt man nun diese Factorenausdrücke statt ihrer gleichen
unentwickelten Integrale: in die Reihe 65, so wird man sogleich
9
bemerken, dass das erste Glied MR do sin?" d allen übrigen Gliedern
(0)
n+1
als ein Factor gemein ist; der Factor (9) und —K allen Gliedern
n—+2 e-
vom zweiten angefangen; der Factor (9) und , IX allen Gliedern
M—Tr-+
n+r
vom dritten angefangen u. s. f., der Factor (9) und 1% allen
Tr
Gliedern, von dem r'" angefangen, gemein ist. Man nehme
9
daher : do sin?" d) aus der ganzen Reihe heraus und schreibe es
; . | 5 n+1 m
ausserhalb einer Hauptklammer; den Factor () nebst — vor
=
S ; are m
eine zweite Klammer; (@) nebst 5
n+3
k' vor eine dritte; (@) nebst
M—
2, rd. Dit a —
ME k' vor eine vierte und überhaupt (@) nebst "—+1y ls einen
Factor vor eine (r+1)' Klammer derart, dass immer die r»* über
die (r+1)“ Klammer greift, nach dem Beispiel der Formeln 57
und 59. Auf diese Weise erhält man aus 65
A66 Schönbichler.
9
de dp sin?" d (1 — K sin2 5)=
(66) n+1 Be n+2 Y Be n+3
-h—"% ) (1-78 (9) (1 "8 (9) (—
A, n+r KM n+r+1
at KO e
r Tr
Le] [ie sg
0
Die rechts stehende grosse Klammer soll hier, mit dem darauf
gestellten m anzeigen, dass an dieser Stelle eigentlich m über-
einander greifende Klammern stehen sollen. Das Fortgangsgesetz
dieser Reihe ist, eben durch diese Klammermethode (Einschachtlung)
so klar, dass ich wohl nicht nöthig habe, es in Worten deutlicher
zu machen, ihre praktische Anwendung aber so dehnsam als es das
Integral selbst ist, welches sie entwickeln soll.
Man setze in ihr d = v g, so erhält man (nach Rn
pr do sin” vp (1—Kv.sin? go)”
(67) Auf Shui ——— (08? ER: Ke Bi cos? (V@)antı k
1 "2n+2 2 2n+%
m—r+1 2n+?2r—1 2% N
gg 52 RU Paz
m g
1 2n + 2m — do sin?” .v
1m 208: (VP)rurtm k] m a
1 LI} . . .
ED — = und » = m gibt aber diese Reihe wieder
! 0,9 LEN
(68) /% sin? u -— sin?)
ö m m+1 mA 2m+3
— |1 — —.—— (008? k (1 — —.
| 1 "2m +2 0 (O)2m+2 > ae (P)2zm+4 K'
m—r+1 2m+?2r —1 ;
.. (1 — I . Omar cos? (P)zmt2r k (1 —— re ee
| "Tl 2 ee
1 I suirze 008°(unk’| / de sin’ >
und macht sogleich das entwickelte allgemeine Glied der
o
Reihe 15 ersichtlich, wozu nur mehr für fe do sine die Factoren-
Die Complanation des schiefen Kegels etc. A6%
reihe aus 46 eingeführt und für jede Zahl 2m + 2r die veränder-
lichen Factoren aus der Formel 45 für v =; abgeschrieben zu
werden brauchen. Vertauscht man dagegen in 68 das Integral
9 ?
fü osin?” z ausser der Hauptklammer mit dem Integral [dp cos"
0
und eben so die veränderlichen Factoren
08? (P)zm+2 mit sec? (P)am+2
c08? (P)zmti » Sec! (P)zm+s
c08?(P)zmt?r » CC? (P)zm+t2r>»
so gibt die so umgestaltete Reihe sogleieh das entwickelte all-
gemeine Wlied der Reihe 16, und dieses wird völlig entwickelt,
9
durch Einführung der Factorenreihe 50 statt f* cos" und durch
Abschreibunz der Werthe für sec? (P)2m-t2r von den Formeln 51 bis 53
oder der allgemeineren Formel
se? (P)a+z = 14, »7
(nach 39). Tür cos? (@)am+2 — 1 und überhaupt cos? (@)m+2r — 1
verschwinden aus der Reihe 68 alle veränderlichen Faetoren; das
Integral ausser der Klammer wird
| Bing 1.3.5... 2m
f do sin" eg nie
cos? = sin? (O)»r
a a Im
und die Reihe 68 selbst stellt sonach das allgemeine Glied der
Reihe 0 für die Complanation des ganzen schiefen Kegels vor.
Füm=i,m=2,m = 3... gibt die Reihe 68 die ersten
Glieder der Reihe 15 entwickelt und zwar mit denselben constanten
Coöffieenten wie die Formeln 55. 57, 59 sieaufweisen, nur dass neben
- diesen Co£fficienten noch die veränderlichen Factoren cos? (@),;
cos?(g1.; c0s?(@)s. . . . Platz nehmen werden.
Inden bisherigen Beispielen der Reihen 66 und 67 war m eine
ganze positive Zahl, diese Reihen gelten aber auch für jedes
andere m, das ein echter positiver oder negativer Bruch sein
kann. Von den vielen praktischen Anwendungen der Reihe 67 will
ich nw noch ein einziges Beispiel aufführen: Man setze (in 67)
a—bv=1,m=:!ud‘k=%, so wird aus 67, wenn man
noch de ganze Gleichung mit as multiplieirt
(69)
A68 Schönbichler.
« [dp Vı RR sing — asp .|1— k2 cos? (29), (1+
! |
1.3 3.5
As k? cos? (29), ( 1: 6.6 k2 cos?(29)s ( +...
bo
1 + en k? cos? (?y)r (1 + sh A |!
j
Diese ins Unendliche fortlaufende Reihe würde man auch aus
15 und 16 erhalten, wenn man dort k —=1 setzt, weil ‘in diesem
B m 9 | m
Fall sinm ? (1 — sin?) —4 m? (1-_ cos?
alle 1 / dp sin 5 (1 sin 2) [de cos A cos 2)
|
|
— di de sin” o wird; nur müsste man noch die Fastorenreihen
0
(nach 33) statt der Integrale (do sin?" o einführen und die gleichen
Factoren ausserhalb von Klammern bringen. — Für s=1 lässt die
Reihe 69 den Bogen einer Ellipse berechnen, deren grisse Halbaxe
— a, und kleine Halbaxe — aV1 — k? ist, und der Winkel @
den einen Schenkel in der kleinen Axe hat. Stellt dagegen s die
Seite eines schiefen Cylinders vor, dessen Grüundflä:hen - Halb-
messer — a ist, so kann durch diese Reihe die krumme Querfläche
eines prismatischen Stückes des schiefen Cylinders gefunden werden,
wenn dieses Stückes gleiche Grundflächen einen Winkel AUT= go
(siehe Fig. 2) innerhalb des ersten Quadranten haben, sodaın seine
FREENET N
r a N Se
Die Complanation des schiefen Kegels etc. A69
23
Excentricität ME = e, seine Seite MNN=DC=s und ——
° Ss
gesetzt wird. Weil im letzteren Falle für k? — = ‚ auch gefunden wird
ee ME? PA? cRco®MAP a®—a?sinMAP a: — MP:
a 0 Se To wen
so erhellet auch aus diesen gleichen Ausdrücken für die Elliptieität
des Cylinders, dass: wenn von einem schiefen Cylinder seine
Seite oder Axe MN = AB = s, sein Halbmesser AM = a
und -der Winkel PAM gegeben ist, den in der durch die Mittel-
punkte seiner beiden Grundflächen auf sie senkrecht geführten
Ebene die Seite mit dem Durchmesser macht; oder statt die-
ses Winkels auch die kleine Halbaxe MP = b der Ellipse,
welche die Seiten des Cylinders senkrecht schneidet; in beiden
Fällen sämmtliche Stücke zu seiner Complanationsreihe (69)
vorhanden sind. Denn, wenn der Winkel MAP gegeben ist, so ist
k®2 = cos: MAP, und wenn MP=b (die kleine Halbaxe) gegeben
a? — MP* a? — b?
ist, soit ® = und es ermangelt in keinem
a?
Falle eine weitere Bedingung als die Grösse des Winkels 9 zu
kennen 1). Wäre = - so wird cos? (2 9), =1, cos? (?y)—=1,
und überhaupt cos? (2 @)2, = 1 (siehe die Formeln 34, 35), man
erhält sonach den Inhalt eines Cylindermantelstückes, dessen Grund-
fläche ein Quadrant wie AMO ist, für 0) -— aus der Reihe 69
durch die einfachere Reihe
oo
Te 1.1 1.3 3.5
sa- 1 -;e®(1+ -e(1+e(t+....]
2 2.2 T AA da 6.6 u ö
und den ganzen Cylindermantel durch das Vierfache dieses Wer-
thes. Die vier Cylinderstücke, deren Grundflächen die Quadranten
AMOQ, QMD, DMR und RMA sind, haben nämlich vollkommen
gleiche Oberflächen, wenn gleich die Stücke von den entgegengesetz-
ten Quadranten, wie AMQ und DMR, wie sie auch immer umge-
+e? AB
Se = —— — eos? CAE (siehe Fig.1), d.h.
8? AO:
% (in den Formeln A bis 9) ist der Cosinus des Winkels, der in der Ebene der
kürzesten und längsten Seite die längste Seite mit dem Durchmesser macht. Die
Bezeichnung der Module mit dem Buchstaben % ist also (für Deutsche wenigstens)
in mehr als einer Hinsicht passend, denn k bezeichnet nicht nur immer eine Con-
stante, sondern in den meisten Fällen auch den Cosinus eines augenfäligen Winkels.
9) Auch im sehiefen Kegel ist k? —
AO | S echo. ie hilrere.
wendet werden, sich nicht decken mögen. Aueh zwei Cylinder-
mantelstücke, deren Grundflächen, wie AMT und DMS, gleiche
Winkel haben, sind einander gleich: sobald diese Mantelstücke an
jenen Seiten AB und CD des Cylinders liegen, die durch die Pole
der kleinen Axe jeder Ellipse gehen, welche senkrecht alle Seiten
des Cylinders durchschneidet. Denn in solchen Lagen ist der ellip-
tische Bogen auf dem einen Mantelstück dem elliptischen Bogen auf
dem andern gleich; der Inhalt dieser Mantelstücke ist aber eben
nichts anders als das Produet ihres elliptischen Bogens in irgend eine
ihrer gleichen Seiten.
.
Bei der Auflösung der Integrale (do sin" vo und fdy cos?" vo
in die veränderlichen Factoren von der allgemeinen Form cos? (vo),
und sec? (vp)s, hatte ich die Absicht, den numerischen Calcul zu
den Integralen
[ag sin" vp (L—K' sin? vg)" und fdy cos?"vg (1—K' cos? vo)"
mit Hilfe der allerleichtesten Rechnungsoperationen — der Addition
und Subtraetion — zu bewerkstelligen. Ich erreiche diese Absicht
in der That durch die zugänglichsten tabellarischen Hilfsmittel der
Mathematik, nämlich einfach durch die Logarithmen der Sinus und
Tangenten, die in allen, auch in den wohlfeilsten logarithmischen
Tafeln anzutreffen sind. Einige Beispiele dieses Caleuls an den ent-
wiekelten Reihen 68 und 69 werden geeigneter sein, ihn kennen zu
lernen, als eine ganz allgemeine Darstellung desselben.
Es sei (in der Reihe 69) der Modul k? so klein, dass man das
Glied mit der Potenz 8, also das vierte Glied, schon vernachlässi-
gen und demnach setzen kann
2
ar do Vı r kaisin? 06
$ 1.1 1.3 3.5
” 1; he 008°(29), (1+,.%2008°(2p)ı(1 + ,%°008°(20)))],
3.5
so kann zunächst Er k2 cos®(29);, da es für jedes » positiv ist,
dem Quadrat einer Tangente gleich gesetzt werden, und man wird
3.5 BE
schreiben können Be k? cos? (20)& = tang? «,, mithin
1
2 )
C0S° Gy
3.5
a (?y) = 1 + tung? a = sea, —
Die Complanation des schiefen Kegels ete. AT1
und die Formel 70 redueirt sich auf den kürzeren Ausdruck
1.1 1.3 ; c0s? (?2), 1
o [ an k? cos? (2Y), (1 -H Er k ee ) (1)
1:3 h cos? (2
1: 6 EI n 2), ie ._
Weil nun wieder Ei k 7 für jeden Werth von @ posi
tiv bleibt, so setze man es —= tang? «&, also
1:3 _, cos? (2o),
1+ — ® — —— —=1 au ee
üg 4.4 cos? a, ae C0S? Qy
und die ganze Formel 7i kommt wieder auf den kürzeren Ausdruck
1.1 __ cos? (29),
9 [' BR 3 cos? a, | “u
Da aber das ganze Integral as Vi: sine o, also auch
der Ausdruck 72 nur positiv sein kann, sobald @ positiv ist, so muss
1.1 2 (2
auch der umklammerte Ausdruck E rg k? ee in 72 für
1.1 ,, 08? (2p),
.2 cos? dy
jeden Werth von @ positiv sein, mithin muss -— k ein
2.2 cos? Ag
echter positiver Bruch sein, weil es für jedes 9 nur positiv aber
niemals grösser als 1 werden kann; denn, würde es grösser als 1
1.1 cos? (2y
werden, so wäre 1 — — k? en
2.2 cos? Ay
druck 72 negativ, was unmöglich ist. Man setze daher
negativ, also auch der Aus-
1.1 cos? (2 N BR 1.1 cos? (2
k? ee) — sin? &,, mithin 1 — an k? we
— — (08° &;
2.2 cos? A, .2 COS? @, i
so wird der gesammte Werth von 72 durch den noch kürzeren Aus-
druck ©. cos? a, dargestellt, es ist also annäherungsweise
fie vi — k? sin?o = @ c08? Q;. (73)
Gesetzt nun, es wären die Logarithmen der Functionen
cos? (20); cos? (29).; cos? (29), schon bekannt und man setzte:
| ln
log cos (29); = X; und der Kürze wegen log ve
TEE le;
anreos (2o), =: A lag =
zu — |
3.9 ah
log eos (?2yk =h; » „ » dog ve
412 Ss ha en
so wird der numerische Caleul zur Erlangung von cos? a, auf fol-
gende Art geführt werden können. Es ist:
3.5
log .tang a, = y: k2 cos (29), =logk +1; +)
nach der eben erklärten Bedeutung von /, und %,. Man addire nun
diese drei Logarithmen, bringe ihre Summe auf die negative Cha-
rakteristik 10, betrachte den sogestalteten Logarithmus als einen
Tangenten-Logarithmus, suche in einer Tafel der Logarithmen den
Sinus und Tangenten, den gleichgrossen Logarithmus unter den Tan-
genten und schreibe endlich den auf derselben Zeile befindlichen
Logarithmus des Cosinus heraus: dieser, weniger Charakteristik 10,
ist der Logarithmus von cos <ı.
Nachdem nun log. cos &, bekannt ist, so erhält man
1.3 (2
log .tang &, = Yu k? logk + 1, + %3— log cos aı.
4.% cos? a,
Man addire nun wieder diese vier Logarithmen, bringe ihre
Summe auf die negative Charakteristik 10, betrachte den sogestal-
teten Logarithmus wieder als einen Tangenten-Logarithmus, suche
in der Tafel der Tangenten - Logarithmen den gleichgrossen und
schreibe wieder den auf derselben Zeile stehenden Logarithmus
des Cosinus (weniger Charakteristik 10) heraus, welcher sonach
— log.cos a, ist.
Nachdem log cos &, bekannt ist, so erhält man
2
log sin &; = Ä ee <Igk+l, +4 — log C08 2;
und nun addire man wieder diese vier Logarithmen, bringe ihre
Summe auf die negative Charakteristik 10, betrachte den sogestal-
teten Logarithmus aber als einen Sinus-Logarithmus. Nachdem man
in der Tafel der Sinus-Logarithmen einen gleichgrossen aufgesucht
und den auf derselben Zeile stehenden Cosinus-Logarithmus (weni-
ger Charakt. 10) = log cos &; herausgeschrieben hat, multiplieire
man diesen mit 2 und bringe ihn auf seine natürliche Charakteristik,
so hat man
2 log .cos & —= log.cos?a,, also (man sehe 73)
log.» .cos?a; = log g + 2 log. cos &;,
zo 2 FE
Die Complanation des schiefen Kegels etc. 473
und nach Addition dieser beiden Logarithmen den Zahlenwerth der
gegebenen dreigliedrigen Reihe 70, durch Hilfe jeder Tafel der vul-
gären Zahlen-Logarithmen !).
Dieser Caleul setzt voraus, dass die Logarithmen der
Wurzeln der Functionen cos? (29),, cos? (2%),, cos? (29)
bekannt seien, aber gerade diese Bedingung ist am leichtesten
zu erfüllen. Denn, es sei log cos (29), ; log cos (29).; log cos (29);
zu berechnen. Nach den aus 35 abgeleiteten Formeln ist
sin 2p
2
cos? (29), = 1 — —= 1 — sin? (29);
2
c08? (2yo), =1 — ri sin? p tang? (29)2 = 1 — sin? (?y)ı
4
co? (20), =1 — 77 sin? 9 tang?: (?2y), = 1 — sin? (?y)
2 4 6
man setze log \ = L; log V: = L,; log V: — L;U.s.Ww.,
die man sich ohnedem, wenn dergleichen Rechnungen öfter zu machen
1.1 1.3
en Na
l, u. 8. w. im Vorhinein berechnen und in eine Tafel (vielleicht bis
L;o und /,,) eintragen wird. Nun findet man aus 74
sind, gleich wie die obigen Logarithmen /, = V
log sin (2p), — - (log . sin 29 — log . 29),
mit diesem Logarithmus gehe man in die Tafel der Sinus-Logarith-
men, suche den gleichgrossen dort auf, schreibe den Logarithmus
des Cosinus auf derselben Zeile des Buches (von demselben Winkel)
als den Werth des gesuchten log . cos (2%); = A, heraus, und
addire sogleich den auf derselben Zeile stehenden Logarithmus der
Tangente zu L, + log . sin p, so erhält man nach 75
1) Die Functionen cos (2%)z ; cos (2y), .-. tang a, ;tangaz... sind hier trigono-
metrische Linien eines Kreises vom Halbmesser —1. Man betrachte daher die
Logarithmen der Sinus und Tangenten in unseren üblichen Tafeln gerade so, als ob
sie für den Halbmesser 1 eingerichtet wären, dass mithin jeder solche Logarithmus
ausser seiner sichtbaren positiven Charakteristik noch eine (aber nicht beige-
setzte) negative Charakteristik =10 habe. — In der That! wollte man eine
Logarithmentafel der Sinus und Tangenten für den Halbmesser 1 einrichten, welche
andere gleiche negative Charakteristik als 10 könnte man geben? Da aber
heutzutage von allen Analysten, mit ganzem Recht, die trigonometrischen Formeln
für den Halbmesser 1 eingerichtet werden, so erscheint die Zeile auf den Titel-
blättern „für den sin tot = 10000000000“ als ein Zopf in Nullen.
(74)
(73)
(76)
AT Scehönbichler.
rt Tee
Lı + log sin g + log tang (29). = log Yo sin otang? ya =
log sin (?o)r.
Mit diesem Logarithmus gehe man wieder (nach gehöriger
Reduction seiner Charakteristik) in die Tafel, suche unter den Sinus-
Logarithmen den gleichgrossen, schreibe den Logarithmus des
Cosinus, der auf derselben Zeile steht, heraus, so ist dieser wieder
log . cos (2p), = ,; den Logarithmus der Tangente, der auf der-
selben Zeile steht, addire man aber sofort zu L, + log sin 9, so ist
| ne)
L, + log sin © + log tang (29), = log v: sin? 9 tang? 9 (?p). —
log sin (2%), U. S. w., U. Ss. w.
Auf ganz ähnlichen Weg, jedoch für andere Winkel (20); ;
Bolsa. erhält man nach 39 die Functionen sec (2P).;
SEEN). . nn - durch log sec (29), = 10 — log cos (2%),
log sec (29), = 10 — log cos (2p), u. s. f.
Noch nützlicher scheint die Anwendung dieses stäten logarith-
mischen Calceuls bei der numerischen Berechnung der Reihen 67
und 68, wenn m eine ganze positive Zahl ist. Es sei z. B. das dritte
Glied der Reihe 15, welches durch 68 für m = 3 näher entwickelt
wird, nämlich
N
1:44:88 43 K 3
ke für a Lara
1 71.3.5122
(77) en = — - -). „5 A3 3 cos? (2): cos? are c0s? (2); x
es c08:(9)s(1— 5 ,k 008° (2)yol 1— - — c0s(P)1e))]
mit Hilfe sehon bekannter Logarithmen für cos (9); cos (0) - ang
bis cos (@)ı2 zu berechnen. — Man setze, weil = k' cos? (P)ı2
augenscheinlich ein echter positiver Bruch ist, diesen — sin? a, , so
2 Ma 61
ist 1 — SE k' cos? (P)ız = cos? «, und
29 karl Sir,
ET: k' c0s?(@)ıo De er k' cos? (Pr) ur k' cos? (@)ıo COS? a;.
Die Complanation des schiefen Kegels etc. AT5
Da nun dieser Ausdruck wieder ein echter positiver Bruch ist,
ö . 9 I . . D
so sei * 08? (P)ıo C0s? &, = sin? @,, und es reducirt sich der
ganze umklammerte Ausdruck in 77 auf den einfacheren
EN
1 Rn k' cos? (9); cos? |
und dieser Ausdruck muss nothwendig positiv sein, weil die ganze
Formel 77 positiv sein soll, vor der Klammer aber, in dem Produet
4. 71.3.5\2
Fr ee, ks A3 k'3 cos? (2): cos? (2): cos? (P)s
kein negativer Factor erscheint. Wenn aber die Formel 78 positiv
ist, und auch in — k' cos? (9); cos? &, kein negativer Factor er-
scheint, so ist dieses Product gleichfalls ein echter positiver Bruch.
Man setze daher _ k' cos? (9); cos? &, —= sin? a,, so wird aus
77 der kürzere Ausdruck
1 en
22
Er k° k 543 cos? (9), cos? (9), cos? (pP); cos? a; = A und
5
logA=2 (log .08 (9), + log.cos(9), + log. cos (9); + log cos %s)
1.3.5
+ log - (I) ve ws),
2.4
Die Logarithmen für cos &,; cos &,; cos &, werden in den Ta-
feln der Sinus-Logarithmen, nach vorher berechneten sin 45 sın &;
sin &;, noch weit leichter gefunden, als die gleichbenannten Func-
‚tionen in 71, 72, 73 nach vorberechneten fang «,, fang &,, tang &;
gefunden werden, da unsere üblichen Tafeln so eingerichtet sind,
dass gleich neben dem Logarithmus des Sinus der Logarithmus
des Cosinus von gleichem Winkel steht. Ausserdem wird hier der
Logarithmus von cos &, 608 &,.... zu einer Summe von Logarith-
men blos addirt, während er dort (in 71—73) subtrahirt, oder
doch seine dekadische Ergänzung gesucht und addirt werden muss.
Diese Vortheile mögen klein sein, aber sie wachsen mit der Glieder-
anzahl. |
So wie das dritte Glied der Reihe 15 hier berechnet wurde,
lassen sich, wie leicht ersichtlich, das erste und zweite Glied dieser
Reihe gleichfalls behandeln. Ob aber auch die numerische Berech-
nung des vierten, fünften, sechsten und überhaupt des mten Gliedes
(78)
(19)
AT6 Schönbichler. Die Complanation des schiefen Kegels etc.
der Reihen 15 und 16 dieser ununterbrochenen Reduction auf Sinus-
Logarithmen sich unterwerfen lässt? das muss erwiesen werden.
Vielleicht- komme ich in die Lage, in einer andern Abhandlung zu
erweisen, dass sich dieser Caleul, den ich den „stätigen“ nennen
möchte, wirklich auf diese und noch weit mehr Fälle anwenden lässt,
welche sämmtlich in der Reihe 66 einen allgemeinen Ausdruck finden.
Es lässt sich mit aller Evidenz zeigen, dass die Form folgender
Gleichungen (der einzelnen Glieder der Reihe 66) erlaubt und statt-
haft ist, sobald m eine ganze positive Zahl und A ein echter posi-
tiver Bruch ist:
nm
nk (2) = sin? «,, mithin Ve k' (e) = cos? a,
2. Hm 2 2 2 oh 2 2
= 4K (9) cos? a, = sin? a,, mithin 1 N) fe) 608? &ı = (08?
und allgemein
ag ae }
Ek (2) 6052 0, „ — sm:
Die Giltigkeit dieser allgemeinen Gleichung ist, was ihre Form
betrifft, wie gross auch immer m werden möge, vollständig erweislich.
Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen u. Pliocen), Diluvium ete. A477
Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen),
Diluvium und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen
Alpen und ihrer ‚Umgebung.
Von D! Stur.
(Vorgelegt in der Sitzung vom 26. April 1855.)
EINLEITUNG.
In der kurzen Zeit seit dem Erscheinen der geologischen Über-
sichts-Karte A. v. Morlot’s und der geologischen Karte der Umge-
- bungen Wien’s von J. CZjäek sind viele Beobachtungen, insbesondere
über das Vorkommen der jüngeren Ablagerungen im Gebiete der
nordöstlichen Alpen gemacht worden. Namentlich durch die Arbeiten
der k. k. geologischen Reichsanstalt werden Daten aus allen Gegen-
den der nordöstlichen Alpen über das Vorhandensein, über die Lage-
rung der tertiären Diluvial- und Alluvial- Ablagerungen zusammen-
getragen; man hat ihre Verbreitung durch Österreich, Salzburg,
Kärnten und Tirol nachgewiesen. Auf diese Weise hat man eine
Masse von Beobachtungen aufgehäuft, die nun zu ordnen und in ein
leicht zu übersehendes Ganze zusammenzufassen eine zeitgemässe
Aufgabe geworden ist.
Es schien vor Allem nothwendig, alle bisher gemachten Beob-
achtungen über die tertiären und jüngeren Gebilde auf eine Karte
aufzutragen, und so ein Bild der Verbreitung derselben zu entwerfen.
Dann wurde es eben so nothwendig, die constanten und sich überall
wiederholenden Verhältnisse, unter welchen diese Ablagerungen vor-
kommen, besonders ins Auge zu fassen, die vielen Widersprüche
hervorzuheben und dieselben, so weit es die vielen in dieser Hinsicht
gemachten Beobachtungen erlauben, zu erklären. Mithin einen Stand-
punkt zu erreichen, von dem man einen klareren Blick, auf die noch
der Aufnahme harrenden Gegenden zu werfen, in den Stand gesetzt
wird.
Auch v. Morlot suchte während seines Wirkens in Wien und
Gratz dieses Ziel zu erreichen. Aber wegen Mangel an umfassenden
Beobachtungen war er, weil voreilig, gezwungen manche Fehlschlüsse
“ Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVI. Bd. II. Hft. 31
ATS Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
zu thun, die er später hier in seiner Weise zu begründen und zu
beweisen anstrebend sich in eine Theorie verwickelte, welcher zu
lieb er an Thatsachen und Beobachtungen, die vor und nach ihm für
wahr und richtig anerkannt worden sind zu zweifeln, und .
Wahrheit umzustürzen sich nicht scheute.
Um eine kurze Übersicht der Arbeiten A. Morlots zu a
und zugleich seiner Theorie, die von der meinigen ganz verschieden
ist mit einigen Worten zu erwähnen, muss ich einige Citationen
folgen lassen.
Über seine ersten Studien der tertiären und Diluvial-Ablagerun-
gen bei der Begehung der nordöstlichen Alpen und der Umgebungen
von Judenburg und Knittelfeld möge man in seinen Erläuterungen
zur geologisch bearbeiteten Section VII der Generalstabskarte von
Steiermark und Illyrien im Frühjahre 1848, S. 35 nachlesen.
Über eine von A. v. Morlot im Jänner 1849 vorgelegte Karte
der nordöstlichen Alpen, auf welcher er die Vertheilung von Land
(weiss gelassen) und Wasser (blau gefärbt) in ihrem Gebiete zur
Miocenperiode darstellte, lese man in Haidinger’s Berichten,
Band V, Seite 98; wo auch das Niveau des tertiären Meeres auf
3000’ über dem jetzigen angegeben wird.
Das, am dritten August 1849 ausgesprochene Gesetz der
Niveauverhältnisse der tertiären Formation ist in Haidingers
Berichten VI, Seite 72, und im Jahrbuche der k. k. geologischen
Reichsanstalt, Bd. I, Seite 104, Anmerkung 2, entwickelt. Es wird
daselbst bewiesen dass die ungleiche Höhe der Miocen-Ablagerungen
nicht von ungleichen im Ostalpen - Gebiete stattgehabten Hebungen
herrührt, sondern dass die miocenen Ablagerungen alle unter einem
und demselben Wasserspiegel gebildet wurden.
In einer im Jahrbuche der geologischen Reichsanstalt, Band I,
Seite 104 gedruckten Abhandlung besprieht A. v. Morlot die
Niveau-Verhältnisse der Miocen-Ablagerungen im Gebiete der Mürz
und glaubt daraus schliessen zu können, dass das Miocen -Meer
über den Semmering wegging, und die Parschluger KoNlEnköuneaie
eine marine Bildung sei.
Über die Hydrographische Karte A. v. Morlot's lese man im
Jahrbuche der geologischen Reichsanstalt, Band I, Seile 369,
vom 2. April 1850, und in den Sitzungsberichten der kaiserlichen
Akademie der Wissenschaften, mathem. - naturw. Classe IV, 1850.
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. 479
Seite 369, vom 11. April 1850; wo derselbe auch das Niveau
des tertiären Meeres auf 3500’ über dem jetzigen Meere feststellt.
In brieflichen Mittheilungen an W. Haidinger vom 14. und
19. Juni 1850, Jahrb. der k.k. geol. Reichsanstalt, Bd. I, Seite 347,
sucht endlich A. v. Morlot zu beweisen, dass der Leithakalk
eocen sei.
Dr. Bou& widerlegt die Morlot’sche Theorie in den.
Sitzungsberichten der kais. Akademie der Wissenschaften, mathem.-
naturw. Classe, Bd. IV, 1850, Seite 385, und gibt dort zugleich die
Grundlage an, auf welcher eine, die merkwürdigen Niveau-Verhält-
nisse der Neogen-Formation erklärende Theorie gebaut werden
müsse.
In der That müsste Morlot nach den vorhandenen Messungen
über die absoluten Höhen der Schotter-Ablagerungen in Steiermark,
Salzburg, Kärnten und Tirol sein miocenes Meeres-Niveau bis auf
6200' feststellen.
Der Zweck dieser Arbeit ist eine Theorie aufzustellen, welche
die Art und Weise, wie die Bildung der tertiären und jüngeren
Ablagerungen vor sich gegangen war, erklärt. Um aber dieser Arbeit
einen praktischen Werth zu sichern, habe ich mich bemüht, die
Mittheilung aller bis jetzt gemachten wichtigeren Beobachtungen, so
weit es anging, ohne allen theoretischen Betrachtungen voraus-
zuschieken, um auf diese Weise eine möglichst kurze Zusammen-
stellung des bis jetzt, über die jüngeren — tertiären und auf-
wärts — Gebilde im Gebiete der nordöstlichen Alpen Bekannten
zu machen, als auch die Mittel zugleich an die Hand zu geben, um
zu beurtheilen, wie weit meine Theorie als geltend angenommen
werden könne. Daraus folgt die Theilung meiner Arbeit in zwei
Abschnitte.
Die Ablagerungen im Innern der Alpen werden besonders
berücksichtigt, und eine Parallelisirung derselben mit den ausserhalb
der Alpen befindlichen Ablagerungen angestrebt. Die Ablagerungen
der älteren, eocenen Epoche der tertiären Formation werden dagegen
gar nicht berücksichtigt. Daher ist im Verlaufe der Abhandlung
immer nur von der jüngeren, neogenen (miocen und pliocen)
Epoche die Rede.
31*
AS0 Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
| I. BEOBACHTETES.
A. Gesteinsbeschaffenheit und Versteinerungen der neogenen Ablagerungen.
a) Offenes Meer. :
1. Allgemein verbreitete Gebilde.
Das Wiener Becken. Die Tegelbildung mit untergeordneten
Sand- und Geröll-Lagen nimmt im Wiener Becken eine Mächtigkeit
ein, die bisher noch auf keinem Punkte gänzlich erforscht wurde.
Hier lese man nach in J. Czjzek's Erläuterungen zur geognostischen
Karte der Umgebung von Wien, Seite 41 und folgende. Im Anhange
Seite 45. Man kann annehmen, dass diese Tegelbildung mehr
als 1000’ Mächtigkeit besitze.
Die Fossilreste, welche die erbohrten Schichten liefern (J. Czj-
‚ Zek, Jahrb. der k.k. geol. Reichsanstalt, Band II, Heft 6, Seite 82),
zeigen, dass in der Tiefe eine Meeresbildung vorherrsche, die nach
oben allmählich in Absätze aus brakischen und zum Theile süssen
Wässern übergeht. Eine wellenförmige Lagerung der Tegelschichten
im Wiener Becken ist überall bemerkbar.
Dr. Moritz Hörnes hat eine Abhandlung über das Vorkommen
der fossilen Mollusken des Tertiär-Beckens von Wien geschrieben.
(Jahrbuch der k.k. geolog. Reichsanstalt, Bd.II, Heft 4, Seite 93 und
folgende.) |
Nach den neuesten Arbeiten hat Dr. Hörnes !) die unter dem
Schotter und Sand gelagerten Schichten der Tegelbildung in fol-
sende Unterabtheilungen gebracht. Erstens theilt er den Tegel im
Allgemeinen in den oberen Süsswasser-Tegel, und in den aus dem
rein salzigen tertiären Meere abgelagerten unteren Tegel. Als die
Grenze zwischen diesen beiden Tegel- Ablagerungen betrachtet
Dr. Hörnes die weit verbreiteten, in ihrer Zusammensetzung sehr
eonstanten, und mithin einen sehr sicheren Horizont bildenden Ceri-
thien-Schichten.
Den unteren Tegel theiltDr. Hörnesin eine obere Sand- und
eine untere Tegelablagerung. Dort wo diese beiden Unterabtheilun-
gen an einander grenzen, besteht ein Complex von Tegel- und Sand-
1) Dr. Hörnes, schriftliche Mittheilungen,
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. 481
- Scehiehten, die mit einander wechsellagern. Nach diesen Vorbemer-
kungen lässt sich folgende schematische Darstellung _ tertiären
Schichten des Wiener Beckens verfassen.
Schotter
Sand . Wien
Tegel
Oberer Tegel. - . . . . Brunn
Cerithien-Schiehten . . . Gaunersdorf
Unterer Tegel |
Pötzleinsdorf
Niederkreutzstätten
Gauderndorf
Grund
Nikolsburg
Steinabrunn
Sand und Tegel . . . . (Nussdorf
' Grinzing
Enzersfeld
Gainfahren
Vöslau
Möllersdorf
Baden.
Sand .
Tegel
Der Schotter besteht aus zugerundeten meist länglichen
Geschieben von verschiedener oft bedeutender Grösse, darunter sind
Quarzgeschiebe am häufigsten, man trifft aber auch solche von Granit,
Gneiss, Glimmerschiefer, zuweilen auch von Syenit, Porphyr und
rothem Sandstein. Eine Schichtung ist nicht bemerkbar. Der
Schotter überlagert die Hügel des Wiener Beckens mantelförmig ?).
. Der, die Tegelbildung allgemein überlagernde und seinerseits
eben so allgemein vom Schotter bedeckte Sand ist weiss, weisslich
oder gelblich grau, gröber oder feiner und besteht aus wenig scharf-
kantigen Quarzkörnern, denen feine Glimmerblättehen untermengt
sind. In den untersten Lagen dieses Sandes, dort wo er bereits auf
dem Tegel aufliegt, werden Knochenreste, einzelne Zähne und ganze
Kiefer ausgegraben von:
1) J. CZjZek, Erläut. z. g. Karte von Wien, S. 19.
AS2 Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
Mastodon angustidens Cuv.
Dinotherium giganteum Kaup.
Acerotherium incisivum Kaup.
Sus palaeochoerus Kaup.
Hippotherium gracile Kaup.
Cervus haplodon HA. v. Meyer.
Das weitere über den Sand lieferte J. Czjzek, Jahrbuch der
k. k. geolog. Reichsanstalt, Band II, Heft 6, Seite 83.
Über den oberen Tegel ist eine Abhandlung von J. Cäjzek
im Jahrbuche der geolog. Reichsanstalt Bd. II, Heft 2, S. 80 und
82 erschienen, wo namentlich über die wellenförmige Lagerung der
oberen Tegelschichten am Wiener und Laaer Berge gesprochen
wird. Mit den südlichen und nördlichen Abhängen parallel, heben
und senken sich die Schichten, werden gegen die Mitte etwas
mächtiger, an den Rändern der Abhänge dagegen werden sie
schwächer, und manche keilen sich gänzlich aus.
Für den oberen Tegel sind charakteristisch:
Neritina fluviatilis Lam. -
Melanopsis Bouei Fer.
£ pygmaea Partsch.
Congeria subglobosa Partsch.
ie spathulata Partsch.
“ triangularıs Partsch.
In einer Sandleiste in den Ziegeleien bei Inzersdorf wurde
ferner noch gefunden:
Acerotherium incisivum Kaup.
Hippotherium gracile Kaup.
Cybium Partschü Münster.
Bei Hernals findet man im oberen Tegel 1):
Phoca sp.
Delphinus sp.
Trionyx vindobonensis Peters.
Caranx Carangopsis Heckel.
Die Cerithien-Schichten und die Schichten des un-
teren Tegels beschreibt J. Czjzek ?2) und Dr. Hörnes >)
1) Dr. Peters, mündliche Mittheilung.
2) J. CzjZek, Erläut. S. 33.
3) Jahrb. der k. k. geol. Reichsanstalt. Band II, Heft A, Seite 104—118.
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. 453
ausführlich; da sie uns hier weniger berühren und ohnehin eine
ausführlichere Abhandlung über die Schichten des tertiären Wiener
Beckens von Dr. Hörnes zu erwarten ist, so müssen wir uns mit
dem Gesagten begnügen.
Die Bucht von Untersteier. In dieser Bucht des weiten
ungarischen Tertiär-Beckens scheinen dieselben Verhältnisse obzu-
walten, die im Wiener Becken als herrschend betrachtet worden
sind. Tegel bildet den Untergrund, darauf lagert der Sand und
dieser bedeckt in ungeheueren nur durch die Rinnsale der Bäche
unterbrochenen Flächen der Schotter. Die Cerithien - Schichten
treten hier ebenfalls auf. |
Das Becken des Lavantthalest). Das Lavantthal, eines
der schönsten und fruchtbarsten Thäler Kärntens, wird im Osten
durch den Gebirgsrücken der Kor-Alpe und im Westen durch jenen
der Sau-Alpe begrenzt, lauft wie die Gebirgsrücken, von Norden
nach Süden, und wird durch die zwischen Gröbern und Theisenegg
sich berührenden Ausläufer der Kor-Alpe und der Sau-Alpe in zwei
ungleiche Theile in das obere und das untere Layvantthal geschieden.
Der beim Taxwirth aus Steiermark nach Kärnten eintretende Lavant-
fluss durchzieht von Norden nach Süden zunächst das kaum 1/, Meile
breite obere Lavantthal, zwängt sich sodann durch eine Gebirgs-
spalte, den schroffen Twimberg-Graben, in vielfachen Krümmungen
zwischen den Ausläufern der Kor- und Sau-Alpe hindurch, und betritt
oberhalb Wolfsberg das stellenweise eine Meile breite untere Lavant-
thal, welches er nach seiner ganzen, bei drei Meilen langen Erstreckung
bis Lavamünd bewässert, wo er sich in den Draufluss ergiesst.
Sowohl im unteren als auch im oberen Lavantthale findet man
Schichten der Tertiärformation, denen die Thalsohlen ihre Fruchtbar-
keit verdanken. Die tertiären Schichten des oberen Lavantthales
stehen jedoch in keinem unmittelbaren Zusammenhange mit jenen des
unteren Lavantthales, wohl aber treten sie beim Taxwirth nach Steier-
mark über und bilden dort das Tertiär-Becken von Obdach. Indessen
sind Anzeichen vorhanden, dass eine Verbindung des tertiären Meeres,
des oberen mit dem des unteren Lavantthales über den niederen
Gebirgssattel bei Pröbel und durch das Auenthal stattgefunden habe,
keineswegs aber nach dem jetzigen Laufe des Lavantthal-Flusses, der
- 4) M.V.Lipold, Wiener Zeitung, 15. Dec. 1854.
ASA Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
sich seine Bahn nach der Gebirgsspalte des Twimberg-Grabens erst
später durchgebrochen hatte.
Die tertiären Ablagerungen des Lavantthales bestehen aus vier
verschiedenen Gebirgsarten. Die untersten, unmittelbar den älteren
krystallinischen und Übergangsschiefern, aufgelagerten Schichten
sind aus grösstentheils blaugrauen Mergeln und Tegeln (Thonen)
zusammengesetzt. Sie kommen häufiger im oberen als im unteren
Lavantthale zu Tage, und zwar im letzteren hauptsächlich am Dach-
berge bei Jakling. Man findet in ihnen nicht nur Pflanzenreste, gröss-
tentheils Dieotyledonen-Blätter, besonders bei Wiesenau und Schlott
im oberen Lavantthale, sondern auch Thierreste. Am Gemersdorfer
Bache zwischen Mühldorf und Maria Rojach fanden sich im Tegel vor:
Arca diluvü Lam.
Pecten cristatus Bronn.
Capulus hungaricus Brocce.
Voluta rarıspina Lam.
Terebra fuscata Brocec.
Columbella nassoides Bell.
Rostellaria pes pelicani Lam.
Pleurotoma asperulata Lam.
Y spinescens Partsch.
Conus Dujardini Desh.
Turritella turris Bast.
Dentalium Bouei Desh.
2 elephantinum Broce.
Lauter Species, welche nach Herrn Dr. Hörnes, welcher die-
selben bestimmte, der Fauna von Baden im Wiener Becken eutspre-
chen und somit die neogentertiäre Formation der Tegelschichten
darthun. Diese Schichten führen auch vorzugsweise Braunkohlen,
welche bisher bei Wiesenau und Reichenfels im oberen, und bei Pail-
dorf und Andersdorf im unteren Lavantthale bergmännisch aufgedeckt
wurden. Die Braunkohlen besitzen häufig eine lignitische Structur
und eine geringe Reinheit. Ihre Mächtigkeit ist bis zu drei Klaftern
bekannt geworden. Der Tegel von Dachberg bei Jakling wird als
ein ausgezeichneter Töpferthon benützt.
Die nächst höheren Schichten der Tertiär-Formation im Lavant-
thale bilden Sande und glimmerige Sandsteine, letztere blau-
grau oder bräunlich. Sie erscheinen bei Schiefling im oberen und bei
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. 485
Hattendorf, Wolkersdorf, Biechling u. m. a. ©. im unteren Lavantthale
und führen, wie der Tegel, sowohl Pflanzenreste — bei Wiesenau,
Hattendorf — als auch Thierreste, unter denen vom Fundorte nächst
‚dem Fröhlichbauer am linken Lavantufer ob Lavamünd:
Buccinum mutabile Lin.
Natica millepunctata Lam.
» glaueina Lam.
Pleurotoma Jouanetti Desm.
Turritella sp?
Cerithium pictum Bast.
Lucina scopulorum Brogn.
ebenfalls charakteristische Formen der jüngeren Tertiär-Formation
bestimmt worden sind.
Über den Sanden und Sandsteinen als drittes höheres Glied der
Tertiär-Schichten des Lavantthales erscheinen gelbe, sandige
Lehme. Diese besitzen die grösste Verbreitung, besonders im unteren
Lavantthale und auch die grösste Mächtigkeit. Ihr tertiäres Alter
wird durch Pflanzenreste, welche man in ihnen hauptsächlich im
‚Granitzthale vorfindet, erwiesen. Sie bilden theils terrassenförmige
schroffe Abhänge an der Lavant, z. B. bei St. Andree, theils verlaufen
sie sanft und flach gegen die Lavant.
Durch allmähliche Aufnahme von Gesteinsgeschieben gehen die
sandigen Lehme endlich in Schotter und Conglomerate über, welche
die vierte und höchste Abtheilung der Tertiär-Schichten des Lavant-
thales bilden. Sie treten nur im unteren Lavantthale auf, u. z. am
Fusse der Kor-Alpe und an dem Gebirgsrücken zwischen dem Granitz-
Thale und der Griffner Ebene, wo sie sich durch Geschiebe von Gestei-
nen, die daselbst nicht anstehend sind, kund geben. Die Conglomerate
sind von den Diluvial-Conglomeraten der Drauebene verschieden durch
das sandig lehmige Cement, das sie enthalten.
Die Schichtenfolge der tertiären Formation im Lavantthale ist
daher:
Schotter und Conglomerat.
Sandiger Lehm.
Sande und Sandsteine mit Versteinerungen.
Blaugraue Mergel mit Badner Versteinerungen.
Die Mächtigkeit der Tertiär-Schichten des Lavantthales, welche
nur kleine Vorberge an den Ausläufern der Kor- und Sau-Alpe bilden,
AS6 Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
}
kann man kaum auf 500’ schätzen. Die geschichteten Ablagerungen
derselben lassen ein durchschnittliches Streichen von Nord-West
nach Süd-Ost, welches auch das Streichen der krystallinischen Schiefer
dieser Gegend ist, und ein Einfallen nach Süd-West mit 15—400
beobachten.
Die neogenen Ablagerungen besitzen im oberen Lavantthale eine
Seehöhe zwischen 2—3000 Klafter, wogegen sie im unteren Lavantthale
nicht über 1800’ sich erheben. Der Land- und Getreidebau im Lavant-
thale wird bis zur Meereshöhe von 4000’ betrieben ; über 5000’ sind
geschlossene Waldungen nicht mehr zu finden.
Das obere Donau-Becken. Die Ablagerungen des Tull-
ner Beckens und nördlich von der Donau in der Umgebung von
Meissau und Ober-Hollabrunn bestehen ebenfalls aus Schotter, Sand
und Tegel. Die Cerithien-Schichten kommen hier vor 1), der Tegel
mit Congerien fehlt; dagegen tritt hier in der Umgebung von Meissau
ein dem oberen Donau-Becken eigenthümliches Gebilde, der Menilit-
schiefer auf, in dem sich die Meletta sardinites Heckel vorfindet.
(Hier lese man nach: J. Czjzek, Erläuterungen zur geogn. Karte
von Krems, Seite 13 und-folgende. Dann Seite 22, dann J. C2jzek,
Jahrb. der k. k. geolog. Reichsanstalt, Bd.IV, Seite 282). Im Becken
von Linz bestehen die tertiären Ablagerungen aus Schotter, Sand
und Mergel. Die Versteinerungen des Mergels entsprechen im Allge-
meinen dem unteren Tegel, die des Sandes den Cerithien-Schichten
und dem Sande des unteren Tegels. Der obere Tegel fehlt auch
hier. In den oberen Schichten des Mergels sind zwischen Stanersdorf
und Salau östlich von Markersdorf dünne Schiefer bemerkbar, die
in den oberen zerstörte Pflanzentheile, und darunter Fischschuppen
der Meletta sardinites Heckel ähnlich, führen. Auch bei Haaslach
stehen diese Schiefer an.
2. Locale Bildungen des offenen Meeres.
Der Leithakalk ist eine Korallenbildung des tertiären Meeres,
die sich, wie noch gegenwärtig alle Korallenbänke, an den Untiefen
der Meeresküsten ansetzte; er ragt über die andern tertiären Gebilde
weit empor, ist nur am Rande der Becken und an Inselbergen zu fin-
den, wo seichter Meeresgrund war. Die Korallenbänke des Leitha-
1) J. Czjzek, Jahrb. der k.k. geol. Reichsanstalt. Band IV, Seite 275.
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. A8Y
kalkes erreichen eine Mächtigkeit, die stellenweise nach Czjzek !)
900’ überschreitet.
Eine lange Zeitperiode erforderte es, bis sich diese grossen
Massen von Korallen an den Rändern der Becken anhäuften, während
in der Tiefe sich die Tegel- und Sandschichten absetzten, d. i. der
Leithakalk ist zum Theile eine gleichzeitige Bildung mit dem Tegel,
beide haben äquivalente Schichten, obwohl sie nicht in gleichem
Niveau stehen.
Die zufällig in die Korallenmasse eingeschlossenen Reste von
Meeres- und Landthieren zeigen in einigen Schichten ein höheres
"Alter, dagegen ein jüngeres in Anderen. An einigen Stellen überlagert
derLeithakalk den Badner Tegel und führt Versteinerungen, dieihn den
oberen Schichten des unteren Tegels gleich stellen. An anderen Stellen
dagegen findet man im Leithakalke:
Acerotherium incisivum Kaup.
Mastodon angustidens Cuv.
Dinotherium giganteum Kaup.
Palaeotherium aurelianense Kaup.
Cervus haplodon H. v. Mey.
| Triony& Partschü Fitzinger (Loretto) 2).
Eine sehr ausführliche Abhandlung von Bergrath Czjzek über
denLeithakalk am Leithagebirge findet man im III. Jahrgang des Jahr-
buches der geologischen Reichsanstalt, Heft 4, Seite 45, worauf ich
hinweisen muss.
b) Randbildungen.
Bei denjenigen Ablagerungen des tertiären Meeres, die sich am
Rande desselben abgelagert haben, lässt sich der Einfluss, den das
angrenzende Land und die süssen Wässer derselben auf ihre Beschaf-
fenheit ausgeübt haben, nicht verkennen. Hierher gehören die Conglo-
merate und die Braunkohlen; beide verdanken das Material, aus dem
sie bestehen, den angrenzenden steilen oder flachen, sumpfigen Ufern
und deren Gewässern. Auch der sie begleitende Sand und Tegel ist
häufig von dem des offenen Meeres ganz verschieden; der Schotter
(im Inneren der Alpen wegen seinem Vorkommen hoch auf den
1) Im Jahrb. der k. k. geol. Reichsanstalt. Band III, S. 46.
2) Dr. Peters, mündliche Mittheilungen.
ASS Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
Abhängen der Berge, von Dr. Peters Hochschotter genannt), besteht
ebenfalls meist auch nur aus den Gebirgsarten, über und an welchen
er abgelagert wurde.
Diese Randesbildungen werden aber vorzüglich durch das Auf-
treten der Braunkohlen in denselben charakterisirt. Man findet zwar
auch häufig vom Rande des ehemaligen Meeres bedeutend entfernt
Braunkohlen-Lager an solchen Stellen, wo man ein offenes Meer
vermuthen sollte. Diese Stellen sind aber gewiss Untiefen und ruhigere
Stellen des Meeres gewesen, an denen die Treibhölzer, die eben auch
vom Lande kommen mussten, sich ablagern konnten. Die Braunkohlen
sind es aber auch, deren Lagerungsverhältnisse durch die vielen
darauf betriebenen Bergbaue besser aufgeschlossen sind, die das Stu-
dium der Randesbildungen ermöglichen; sie sollen auf einige Augen-
blicke unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen.
Je kleiner aber ein Becken ist, desto mehr Ränder besitzt das-
selbe, und seine Ablagerungen sind blos Randesbildungen; daher sollen
die im Innern der Alpen eingeschlossenen kleineren Becken ebenfalls
in diesem Abschnitte behandelt werden.
1. Allgemein verbreitete Gebilde.
Wiener Becken.
Bei Leobersdorf, ganz in der Ebene kommt ein Flötz von
Lignit vor; es lagert im Sande auf Tegel).
Der Lignit der Jaulingwiese. Ein dem östlichen Rande
dieser Mulde nahe gelegener Braunkohlen-Bergbau gibt über die
Gebilde, welche den Kessel erfüllen, Aufschluss. Folgende Schichten-
reihe von oben nach unten liess sich ermitteln:
Conglomerat |
Sandstein
Tegel
I. Lignitflötz 3 — 4"
Tegel 20"
I. Lignitflötz 1’
Tegel 4"
II. Lignitflötz 1’
Lichtgrauer Tegel mit Knochen 5—9'
Grundgebirge Dolomit.
im Mittel 17 Klafter.
1) J. CäjZek, mündliche Mittheilungen.
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. 489
Im Hangend und Liegend-Tegel des ersten Flötzes kommen vor:
Helix argillacea FEr., Neritina virginea Linn., „Melanopsis
Dufourüi Fe&r., Clausilia, Unio Ravellianus. Sie sind nicht an eine
einzelne Schichte gebunden und charakterisiren diese Ablagerung
als eine Süsswasserbildung. Im Liegendtegel, kaum einen Fuss
über dem Dolomit, wurden fossile Reste von Mastodon angu-
stidens Cuv. aufgefunden.
Sämmtliche Schichten erlitten mehrere parallele Verwerfungen ;
die Verwurfsflächen streichen von Nord nach Süd mit 500 — 60°
Neigung.
Das Weitere darüber schreibt Zephar ovich im Jahrbuche der
geologischen Reichsanstalt, Band II, Seite 711.
Unter ganz analogen Verhältnissen kommen die Lignite bei
Kleinfeld am Grillenberg vor. |
Die isolirte Mulde von Pernitz t) führt in den tieferen unter
den Conglomeraten liegenden Mergelschichten etwas Lignit.
Lignit bei Gloggnitz. Bei Ober -Hart steht im Tegel der
Rest eines bedeutenden Lignitflötzes in aufrechter Stellung, eine
abgestumpfte etwas schief stehende Pyramide bildend, deren Basis
ein viel grösseres Parallelogramm als die zu Tage ausgehende Spitze
ist. Die Schächte in der Kohle sind über 40 Klafter abgeteuft ohne
die Sohle noch erreicht zu haben. In dieser Stellung konnte der Lignit
nicht abgelagert worden sein und die schief abgeschnittenen Seiten
zeigen, dass noch Theile des Flötzes fehlen, welche die weiteren
Schürfungen hier nicht entdeckten. Der Rest des hier übrig
gebliebenenFlötzesistin einetiefeSchlucht zwischen
den Grauwacken - Schiefern eingesunken; denn kaum
60 Schritte vom Flötz nördlich stehen die letzteren an. Der
Lignit ist fest, braun mit deutlicher Holztextur, enthält Reste von
Acerotherium incisivum Kaup., Mastodon angustidens Cuv. und
Hippotherium gracile Kaup., und führt hin und wieder in kleineren
Räumen Hartit. Die Mergel äm Flötze sind ohne Schich-
tung. Das Weitere darüber: J. Czjzek, Jahrbuch der k. k. geolog.
Reichsanstalt, Band V, Seite 520.
Östlich von Leiding ziehen sich die tertiären Schichten in
das Walpersbacher Thal hinab ; sie bestehen bei Leiding aus Geröllen
1) J. CzjZek, Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt Bd. IV, S. 180.
A9V Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
und Conglomeraten und bei Walpersbach aus Sand- und Mergel-Lagen,
die mit einander wechsellagern und ein Kohlenflötz einschliessen.
Die schieferigen Mergel sind in der Nähe derKohlen dunkelgrau und
voll zerstörter und zerdrückter Muschelfragmente, worunter ein
Planorbis noch am deutlichsten und häufigsten hervortritt; sie sind
‘also eine Süsswasserbildung. Die Kohle ist schwarz und
glänzend mit muscheligem Bruch. In derselben fand man:
Dorcatherium vindobonense Mey.
Palaeomeryx medius Mey.
Rhinoceros Schleiermacheri Mey.
einen Krokodil-Zahn und auch Schildkrötenreste.Das Nähere darüber:
J. Czjzek, Jahrbuch der k.k. geologischen Reichsanstalt, Band V,
Seite 525.
Schauerleithen und Klingenfurth. An beiden Orten ist
die schwarze Braunkohle fast unmittelbar auf dem Grundgebirge
selbst gelagert und von Sand mit wenig Tegel bedeckt. Bei Schauer-
leithen fanden sich in der Kohle Reste von
Dorcatherium vindobonense Mey.
Im Hangenden der Kohle im Mergel von grauer Farbe kommen vor:
Cassia ambigua Ung. und
Widdringtonites Ungeri Endl.t).
Die Lignit-Ablagerungen von Zillingsdorf und
Neufeld.
Die tertiären Ablagerungen dieser Gegend bestehen:
Oben: aus tertiären Schotter, darunter:
Sand mit Lignitflötzen
(das Canalflötz, Pötschingerflötz, Zillingthaler-, Zillingdorfer- und
Neufelder-Flötz)
Tegel mit Congeria subglobosa und spathulata.
Tegel mit Sandlagen, in den lezteren Cerithien.
An zwei Stellen fand man Knochenreste von
Acerotherium ineisivum Kaup.
Die Kohlenflötze hängen unter einander nur wenig zusammen aber
ihre Unterlage, ihre Bildung und ihre Bedeckung ist ganz gleich. Die
Kohle ist Lignit. Den grössten Theil der Kohlenflötze bildet eine
Masse von durcheinander geworfenen Holzstücken mit andern unkennt-
1) Näheres: J. C2jZek, Jahrb. d.k.k. geol. Reichsanstalt. Bd. V, S. 525.
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. A491
lichen vermoderten Pflanzentheilen. Die Wurzelstücke und Holzstücke,
theilsabgestossen und den Treibbölzern ganzähnlich,
liegen ohne Ordnung durcheinander. Es ist daher wahrscheinlich
anzunehmen, dass gegen das Ende der tertiären Formation in den
tertiären Meeren diese Hölzer und Vegetabilien als Treibhölzer
Seschwommen sind und sich an gewissen Stellen, wo sie die Strömung
nicht fortriss, gesammelt haben. Die Zwischenlagen von einem blauen
Tegel zeigen Unterbrechungen der Kohlen-Ablagerungen an.
Steierische Bucht des ungarischen Beckens.
Von Forchtenau t) östlich kommen in den tertiären aus Schotter,
Sand und Tegel bestehenden Ablagerungen, bei Brennberg und im
Zerreichenwald schwarze Braunkohlen, bei Ritzing und
im Thiergarten Lignite vor.
Bei Sieggraben ist ein nicht abbauwürdiges Flötz von einer
schwarzen Braunkohle aufgedeckt.
Im Weingraben östlich von Plamau dann bei Karl östlich
vonKirchschlag kommen schwarzeBraunkohlen, bei Pilgers-
dorfund Bubendorf dagegen Lignite vor.
Zwischen Bernstein und Pinkafeld kommen bei Schrei-
bersdorf und östlich von Pinkafeld schwarze Braunkohlen vor.
In dem tertiären Süsswasserbecken von Fladnitz kommt eine
Kalkbreecie (Conglomerat) vor, in deren Nähe bei Passail auch wenig
mächtige Kohlen-Anhäufungen vorkommen. (Das weitere darüber:
Dr. Andrae dritter Bericht des geognost. - montanist. Vereines für
Steiermark. Seite 10.)
In der Hügelreihe zwischen der Raab und der Ilz scheint die
Kohlenbildung eine grosse Ausdehnung aber gewöhnlich geringe
Mächtigkeit zu haben. Bei Ilz südlich sind Lignite bis 3’ mächtig.
Bei Kl-Semmering unweit Weiz kommen im Hangenden der bis
% mächtigen Kohle:
Glyptostrobus Oeningensis Ung. und
Comptonia dryandroides Ung. vor.
(Näheres darüber: Dr. Andrae dritter Bericht des geognost.-mon-
tanist. Vereines für Steiermark. Seite 8.)
Becken von Rein. Die oberste Schiehte der Süsswasser-
bildung besteht aus einem zerreiblichen, weissen oder gelblichen
1) J. Czjzek, schriftliche Mittheilungen.
A92 Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
stellenweise kieseligen Kalk mit Planorbis, Helix, Clausilia und
Achatina. Die Mächtigkeit dieses Kalkes wechselt zwischen 6’ und 30’.
Unter dem Kalke folgen mergelige Schichten mit Süsswasser- und
Landschnecken. In diesen Mergeln sind vier Kohlenflötze enthalten.
Die Kohle ist Lignit. Zu unterst istSand. Das Grundgebirge ist Über-
gangskalk. Auch ein Conglomerat kommt nördlich von Rein in diesem
Becken vor, ganz analog wie auf der Jaulingwiese. Das paläonto-
logische sehe man nach in: „J. Gobanz: Fossile Land- und Süss-
‚wasser - Mollusken des Beckens von Rein“ in den Sitzungsberichten
der kaiserl. Akademie der Wissenschaften, mathem.-naturw. Classe,
Band XI, Seite 180. |
Bei Voitsberg liegt Steiermarks reichhaltigste Kohlennieder-
lage; grauer und blauer Lehm (Tegel), Sand und Schotter begleiten
die Kohlen. Blattreste sollen nur im Kohlenbaue bei Köflach vor-
kommen. Das Liegende der Kohlenbildung ist das Grundgebirge.
Das ganze Flötz gehört der jüngsten Braunkohlenbildung an,
besteht grösstentheils aus bituminösem Holze und auch in den
Schichten, wo die Holztextur verschwindet, ist die Kohle ohne Glanz
und braun. Die Hauptverunreinigung ist Sand und Letten, wodurch
die Kohlen mitunter völlig unbrauchbar werden. Reiner sind in
der Regel die oberen Schichten und die Beschaffenheit
der Kohle ist im ganzen Flötz ungleich. Die Neigung des Flötzes
steigt oft bis 60 Klafter.
In diesen Ablagerungen herrschen Land- und
Sumpfschalthiere. Das weitere in: Tunner’s Jahrbuch für
den Berg- und Hüttenmann 1841, I, Seite 81.
Bei Lanach und St. Florian kommen in den rein marinen
Bildungen dieser Gegenden kaum paar Zoll starke Kohlenschnürchen
vor!).
Eibiswald. Diese Partie der Süsswasser-Gebilde zieht sich
in Süden hin und reicht von Schwanberg über Wies und Eibiswald
bis Grossklein; die Kohlenlager von Limberg, Steieregg,
Scehönegg, Tagernigg und Eibiswald, mit ihren ausge-
zeichneten und meist geschätzten Glanzkohlen gehören ihr an.
Die Schichtenfolge wie sie sich zu Steieregg darstellt, ist
folgende: (von oben nach unten).
1) Dr. Rolle, mündliche Mittheilungen.
ee
ze:
und: Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. 4953
Schieferthon (sandiger Mergel) mit Sphaerosideritnieren und
Pflanzenabdrücken.
Kohlen, 3—4, glänzend schwarz.
Feinkörniger Sandstein.
Kohlen, 1’.
Feinkörniger Sandstein.
Grobes Conglomerat aus Glimmerschiefer - Beicksrcken,
Glimmerschiefer.
Gefunden wurden hier !):
Dorcatherium Nau Mey.
Cervus sp.
Trionyz stiriacus Peters ?).
Chelydra sp.
Crocodilus Ungeri Fitzinger.
Damit zugleich erscheinen viele zerstreute Fischfragmente,
Unionen und andere Flussschalthiere (so bei Gr. Klein - Melania)
ferner kleine Cyprisschalen und mitunter wohlerhaltene Blattabdrücke.
Inden Eibiswalder Ablagerungen herrschenFluss-
wasserbewohner. (Näheres darüber: Dr. Rolle vierter Bericht
des geogn.-mont. Vereins für Steiermark, S. 24, Sprung, Tunner's
Jahrbuch 1841, I, Seite 60.)
Im Wechsel-Gebirge:
Das tertiäre Becken von Ratten?) südlich von Mürzzuschlag
liegt in einem ziemlich tief eingeschnittenen Thale, an dessen Rändern
ringsum krystaliinisches Gebirge ansteht.
Die kohlenführenden Schichten nördlich von Grubbauen sind von
oben nach unten:
Schotter, bestehend aus Quarz, Glimmerschiefer und
Gneissgeröllen. Quarzgerölle herrschen vor.
Lehm, 2—4 Klafter mächtig mit häufigen Glimmerblätt-
chen und Geröllstücken, endlich
Kohle, schwarze Braunkohle.
Das Liegende ist nicht bekannt.
1) Dr. Peters, mündliche Mittheilungen.
2) Dr. Peters, Schildkrötenreste aus den tertiären Ablagerungen Österreichs. Denk-
schriften der k. Akademie der Wissenschaften, IX Band.
3) v. Lidl, schriftliche Mittheilungen.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVI. Bd. Il. Hft. 32
A9A Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
Der südliche Theil der Mulde ist mit Schotter angefüllt, dessen
einzelne Gerölle oft 1/,’ im Durchmesser erreichen.
Über die Lagerungsverhältnisse der Tertiär-Mulden von Krum-
bach, die aus ähnlichen Schichten wie die vonLeiding besteht, sehe
man: Czjzek, Jahrb. der k.k. geolog. Reichsanstalt, Band V, S. 526.
Die Kohle lagert auf dem Grundgebirge mit dessen Bruchstücken sie
gemengt ist.
Von der Höhe der Wasserscheide über welche die Tertiär-Mulde
reicht, zweigt sich ein Ausläufer nördlich in die Tonn südlich von
Thomasberg ab. Hier sind Baue auf eine schwarze Braunkohle,
die in einem etwas verborgenen 4’ mächtigen Flötze vorkommt. Dieses
ist zwischen grauen, sandigen und glimmerigen weichen Schiefern
eingelagert, welche deutliche Blattabdrücke führen. |
Oberes Donau-Becken.
Thallern. Die Lagerungsverhältnisse der Kohlenflötze von
Thallern sind angegeben: J. Czjzek, Erläuterungen zur geogn.Karte
von Krems, Seite 36. |
Der Tegel, in dem dieKohlenflötze von Thallern eingelagert sind,
führt in einer Ziegelei, westlich von Hollenburg, Mergelkugeln, darin
sind zu finden
Venericardia Partschü Goldfuss.
Venericardia scalarıs So w.
Cardium conjungens Partsch.
Pectunculus pulvinatus Brogn.
Lucina sp.
Folglich die Versteinerungen wie im Wiener Becken bei Gain-
fahren und Enzersfeld. Daher gehören auch die Braunkohlen von
Thallern einer tieferen Schichte an, als die Lignitflötze von Zillings-
dorf und Neufeld, und scheinen mit den Kohlen von Schauerleithen
äquivalent zu sein, denen sie auch sehr ähnlich sind.
Bei Obritzberg ist eine reine aber etwas mürbe, jetzt schon
zwar ausgebeutete Kohle im Tegel gelagert, welcher von Sandstein und
Conglomeraten bedeckt ist. |
Bei Zelking südlich von Mölk ist ein bis 5’ mächtiges Lignit-
flötz in weissen Sande eingelagert, dessen Mächtigkeit mit einem
Bohrloche von 30° noch nicht durchgesunken wurde. In diesem Sande
wurde ein Cerithium lignitarum Eichw. gefunden.
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. A95
Die Braunkohlen-Lager östlich und südöstlich von Ried in der
Umgebung von Haag sind dem Tegel oder dem Sande diesser Gegend
aufgelagert, und sind von Conglomeraten und Schotter bedeckt. Die
Braunkohlen-Ablagerung ist in dieser Gegend von ausserordentlicher
Ausdehnung.
Die Lignitflötze bei Wildshut sind im Tegel eingelagert, über
dem Hangend-Tegel folgt nach oben Sand mit Tegel-Lagen und
endlich Conglomerat. Aus den im Hangenden der Kohle vorkommenden
Kohlenschiefern ist Taxodites Oeningensis En dl. bekannt geworden.
AuchPlanorbis soll daselbst vorkommen. (Ausführlicheres: M. V. Li-
pold, Jahrb. der k. k. geolog. Reichsanstalt, Band I, Seite 599.)
Die Einsenkung der Mur und Mürz.
Über Obdach’s schwarze Braunkohle schreibt A. v. Morlot
in seinen Erläuterungen zur VII. Sect., Seite 35.
Über dieschwarze Braunkohle desFeberg-Grabens westlich
von Weisskirchen im Judenburger Becken ist daselbst nachzulesen.
Im Becken von Judenburg befindet sich das reichhaltigste Braun-
kohlenlager bei Fohnsdorf. Auf dem Glimmerschiefer ist daselbst
eine etwa 10’ mächtige Lage von einem ungeschichteten Conglo-
merat aus ziemlich eckigen Brocken des darunter anstehenden Glim-
merschiefers gelagert. Dann kommt schwarze Braunkohle 12—15'
mächtig. Auf ihr liegen 2—4' mächtige Schichten, die bald mehr
kalkig, bald mehr mergelig, bald mehr sandig sind und nach Kuder-
natsch eine ungeheuere Menge von Paludinen- und Congerien-
Schalen enthalten. i |
Nach neueren Bestimmungen des Dr. Hörnes sind es
Schalen von Congeria triangularıs Partsch t).
Dann folgen Molassen-Sandsteine und besonders sandige Mergel
und Schieferthone, deren Neigung, je weiter hinaus gegen
den oberen Theildes Thales, geringer wird. Am Gebirge
fallen die Schichten unter 30° von demselben weg. (Das Weitere:
Kudernatsch in Haidinger’s Berichte, Band I, Seite 85 ete.
Morlot, Erläuterungen zur VII. Sect., Seite 31.)
‚Über Dietersdorf daselbst. Die Kohle selbst zeigt bisweilen
ausgezeichnet die Holzstructur.
Auch über Schönberg ist daselbst nachzusehen.
1) Dr. Hörnes, schriftliche Mittheilungen.
32*
AOQG Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
Das Becken von Sekkau besteht hauptsächlich aus Mergeln
und aus Sand, welcher letztere nur selten in Sandstein zusammenge-
backen ist, in denen bei Kobenz, St. Marein und im Schwaig-
Graben westlich von Sekkau Braunkohlen - Lagen vorkommen. In
den über der Kohle liegenden Schieferthonen findet man gewöhnlich
Blattabdrücke, bei Kobenz auch Süsswassermuscheln. Die Kohle im
Schwaig-Graben ist nicht schwarz, sondern braun mit gut erhaltener
Holztextur. Die Mergel sind, besonders bei Kobenz und bei Feistritz
mit dem charakteristischen Tertiärgerölle bedeckt.
Die untersten Schichten des kleinen Beckens von Trofajach
bestehen aus Tegel, der stellenweise sehr mächtig ist und mit Schie-
ferthon wechsellagert. Darüber folgt Sandstein, welcher an vielen
Orten von Geröllen überlagert ist.
In den obersten Schichten des Tegels ist bei Trofajach selbst
ein 1 — 3’ mächtiges Kohlenflötz eingeschlossen, in dessen Hangen-
dem Pilanzenreste vorkommen. Zu den vorherrschenden Arten gehören
nach Dr. v. Ettingshausen:
Glyptostrobus Oeningenis A. Braun.
Daphnogene polymorpha Ett.
Juglans Bilinica Ung.
(Das weitere: im Jahrbuche der k. k. geolog. Reichsanstalt,
Band IV, Seite 425.)
Über die Leobner TEEN) schwarze Braunkohle ist noch zu
lesen: in Tunner’s Jahrb. IV, 1854, S.155; Jahrb. der k. k. geolog.
Reichsanstalt, IV, Seite 186; Haidinger’s Ber. VII, Seite 204;
Morlot’s Erläut. zur VII. Sect., Seite 25 und Tunner’s Jahrb.
1841, I, Seite 87.
Das Flötz liegt unmittelbar auf dem, zunächst demselben stark
aufgelösten Grauwackenschiefer.
Die Reihenfolge der Schichten zu Leoben ist:
Conglomerat
Sandstein 180 Klafter.
Schieferthon 20 Klafter
Kohle 8 Klafter.
Grauwacke.
Das Fallen des Flötzes ist in Süd und übersteigt an einzelnen
Stellen in der Höhe des ausgehenden selbst 70°. Dieser Fallwinkel
nimmt jedoch gegen die Teufe anfänglich rascher, später jedoch mehr
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. 49%
allmählich bis auf 15° ab, und behält dieses Verflächen bis auf nahe
600° weitere Teufe bei und stösst sich hier an einem schmalen Zuge
des emporragenden Grundgebirges ab, welches den Tertiärstreifen
von den Alluvionen des Murthales trennt.
Im Dolling-Graben t), über der Leobner Kohlenmulde
bedeutend höher stehend, ist ebenfalls eine Ablagerung von Braun-
kohlen. Nach Seeland ist es unzweifelhaft, dass die obere Mulde nur
ein Theil der Leobner Mulde ist, der durch gewaltige Störungen in
diese höhere Lage gebracht wurde.
Die Kohle im Urgenthale westlich von Bruck, die der
Leobnerkohle ganz ähnlich ist, lagert, unter 32° nach Süden fallend,
wie folgt:
Grauer sandiger Thon mit Pflanzenresten.
Kohle, muscheliger starkglänzender Bruch, mit Holztextur.
Grober grauer Letten aus Gneiss und Glimmerschiefer.
(Das Nähere: Haidinger’s Berichte, Band VII, Seite 204.)
Das Becken im Winkel ?) westlich von Kapfenberg ist
ringsum von körnigen Kalken eingeschlossen. Vierzehn Braunkohlen-
Flötze wovon aber keines mehr als 6° mächtig ist, kommen in dem-
selben eingelagert vor. Das unmittelbare Tiegende der Kohle sind
Mergel und Schieferthone mit Blattabdrücken, unter diesen liegt eine
Ablagerung von festem grobkörnigem Sandstein. Im Hangenden des
aus Kohlenflötzen und Zwischenmitteln bestehenden Schichten-Com-
plexes kommen Sandsteine vor. Die Kohle ist schwarz, glänzend, mit
muscheligem Bruch, ohne Holztextur, mit einem unbedeutenden
‚Aschegehalt.
Im Becken von Aflenz bei Göriach 3) nördlich von Turnau
kommt unter Conglomeraten im Molassen-Sandstein ein Braunkohlen-
flötz vor.
Über die Lagerungsverhältnisse der Parschluger Kohle sind
die elassischen Arbeiten von Prof. Dr. Unger nachzusehen *); ich
will hier die Angaben von v. Würth 5) und v. Lidl 6) :neben ein-
ander folgen lassen.
1) Seeland, Haidinger’s Berichte, VII, 204.
2) v. Lidl, schriftliche Mittheilungen.
32) A.v.Morlot, Jahrb. d. k. k. geolog. Reichsanstalt, Bd. I, S. 107.
4) Die fossile Flora von Parschlug, steierm. Zeitschr., neue Folge, IX, I. Heft.
5) Haiding er, Berichte I, S. 152.
6) v. Lidl, schriftliche Mittheilungen.,
A9S Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
v. Würth. v. Lidl.
Gerölle von Kalk und Glimmerschiefer . Gerölle
i ' h Blauer Letten
Lehm, der in Schieferthon übergeht . . Mergel mit Blattabdr.
Weisser Thon "Wr ETRPIT+T Wälkererae
Alaunschiefer
Kohle
Schieferthon
Mergelschiefer
Feinkörniger Glimmer-
Sandstein.
Bei einem zu Parschlug geschlagenen Bohrloche wurden unter
dem Liegendsandstein noch durchgesenkt:
Kalkgeschiebe, einen Fuss mächtig,
Schieferthon und wieder
Kalkgeschiebe.
Das am südlichen Gehänge der Mulde im Abbau stehende Koh-
lenflötz streicht gegen Nord und verflächt gegen Osten unter etwa
40°. In der Tiefe zeigen die Kohlen immer ein mehr schwebendes
Verflächen.
Die Kohle ist rein pechglänzend ohne Holztextur 1). Man trifft
in der Parschluger Kohlenmulde häufig Planorbis.
Für die Kohlen - Vorkommnisse im Mürzthale am Kindberg auf-
wärts bei Wartberg, Krieglach und Langenwang gibt
Fr. Foetterle ?) folgende Lagerungsverhältnisse an. Auf dem
Grundgebirge lagert die Kohle; diese wird von blauen Letten oder
Schieferthonen, in welchen letzteren Blattabdrücke vorkommen,
bedeckt. Über diese folgen dann nach oben Sand, Conglomerat und
Schotter. |
Eine nicht ünansehnliche Tertiärbildung wird zwischen der
Probstei Zeyring :) und dem Flecken St. Oswald durch die
annagende Pöls entblösst. Es sind Schichten von lockerem Sand und
eben so lockerem Thonmergel. Braunkohlen kommen darin in
mächtigen Mugeln oder Putzen vor, doch ohne alles Anhalten.
Braunkohle
1) Tunner’s Jahrbuch 1841, I, S. 44.
2) Fr. Foetterle, mündliche Mittheilungen.
3) Dr. Rolle, dritter Ber. d. g. m. Vereins f. Steiermark, S. 24.
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. 499
Eine ziemlich ansehnliche Tertiärablagerung befindet sich an
denGehängen des merkwürdigen Rottenmanner Querthales, nördlich
von Ranten!t!). Es sind rauhe, fast ganz ungeschichtete Conglo-
meratmassen, stellenweise vielfach durchzogen von unregelmässigen
Trümmern und Schnüren von Kohle.
Bei Judendorf?) unweit Neumarkt ist mittelst einer Bohr-
arbeit eine geringe Partie Braunkohle nachgewiesen worden.
Das tertiäre Becken von Lungau. Nördlich von Tamsweg
bei Wolfing und St. Andree kommen in sandigen Mergeln
unregelmässige Trümmer und Schnüre von sehr geringmächtiger
sehwarzer Braunkohle vor. Bei Wolfing fand ich in Schiefer-
thonen Blätterabdrücke in grosser Menge.
Unter den sandigen Mergelschichten findet sich auf der Haide
nordöstlich von Tamsweg der Tegel abgelagert, in dem man durch
Bohrung Spuren von Braunkohle auffand.
Die sandigen Mergelschichten werden von Conglomerat-
massen überlagert, deren Mächtigkeit im Seebach-Graben 20 Klafter
übersteigt; in ihrer unteren Partie wechseln die Conglomerate mit
grobkörnigen Sandsteinen in denen ebenfalls, bei Sauerfeld östlich
von Tamsweg, Blattabdrücke aber selten gut erhalten und kleine
Kohlenstückchen vorkommen.
Die Conglomerate werden von losem a überlagert.
Auf dem Thörl in Bundschuh in Lungau kommen ebenfalls
geringmächtige Ablagerungen von Braunkohlen vor.
Die Einsenkung der Enns und Salza.
Bei Ober-Lengdorf nordöstlich von Gröbming im Ennsthale
und weiter westlich davon bei Hoffmann ist tertiärer Sand und Tegel
abgelagert. Man findet in demselben eine auf dem Kopfe stehende
2 — 3’ mächtige Schichte von schwarzer glänzender Braunkohle,
deren Streichen Stunde 6 ist.
Diese Braunkohlen -Ablagerung wird von Conglomeraten über-
lagert, die mehr horizontal liegen und endlich folgen Gerölle.
Nördlich von Steinach stehen grobe Sändsteine, nach
‚Stunde 9 in SW. unter steilen Winkeln einfallend, mit Mergelschie-
fern wechsellagernd, an. Ich fand in denselben folgende die neogenen
1) Dr. Rolle, dritter Ber. d. g. m. Vereins f. Steiermark, S. 25.
2) Dr. Rolle, dritter Ber. d. g. m. Vereins f. Steiermark, S. 25.
500 Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
Ablagerungen charakterisirende Pflanzenreste, von einzelnen Kohlen-
stückchen begleitet:
Quercus Drymeja Ung.
Betula prisca Ett.
Daphnogene polymorpha Ett.
Giyptostrobus Oeningensis A. Br.
Die tertiäre Ablagerung bei Wagrein) im Salzachthale
besteht aus Conglomerat und Sandstein, die mehrere Male mit
einander wechsellagern. Diese Schichten, die steil gegen die Central-
kette einfallen, enthalten mehr als acht Braunkohlenflötze, welche
jedoch nur sehr gering mächtig sind. Die darin vorkommenden
Pflanzenreste sind entschieden neogene Formen.
Das Becken von Klagenfurt.
Zwischen St. Ilgen und Keutschach?) kommen im unge-
schichteten Tegel und Lehm (mit Planorbis) zwei Lignitflötze vor,
deren Mächtigkeit ?’—8' erreicht. Das Liegende dieser Formation ist
das Grundgebirge; das Hängende bildet ein vorherrschend aus Alpen-
kalk-Geschieben bestehendes Conglomerat. Die Verbreitung derLignit
führenden Lehm-Ablagerung ist eine geringere und anders begrenzte
als die der Conglomerate, welche am Gehänge des Drauthales bei
Wiktring und anderwärts dem Grundgebirge unmittelbar aufliegt.
Bei Latschach südlich,und bei Feistritz im Gailthale kommt
unter ganz ähnlichen Verhältnissen nur partienweise Lignit vor.
2. Locale Bildungen.
Der Süsswasserkalk ist ein grauer oder gelblicher Kalkstein
von geringer Härte und erdigem Bruche, der viel'Thonerde und etwas
Eisen in seinen Geinengtheilen enthält. Häufig ist er aber auch von
. .Kieselerde durchdrungen und dann sehr zähe, hart und von gelbgrauer
Farbe. Man findet in dem Süsswasser Kalke nach Czjzek >):
Helix nemoralis Drap.
„ agricola Bronn.
Planorbis subcarinatus Charyp.
Melania Hollandri Fer.
Melanopsis Bouedi Fer.
1) Nach einem nur im Manuseripte vorhandenen Durchschnitte des Dr. Peters.
?2) Dr.Peters, mündliche Mittheilungen.
3) Erläuterungen zur Karte von Wien, S. 17.
er
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. 501
Paludina sepuleralis Partsch.
& lenta Desh.
Valvata piscinalis Lam.
Nach neueren Untersuchungen von J. Gobanz ist in diesem
Verzeichnisse folgendes nachzutragen 1):
Helix nemoralis Drap. ist eine recente Species, also kaum
in einer tertiären Schichte vorhanden.
Planorbis subcarinatus Charp. soll heissen Pl. appla-
natus Thomae.
Melania Hollandri Fer. ? vielleicht wurde eine häufig
vorkommende Paludina dafür gehalten.
Valvata piscinalis Lam. ist eine recente Species.
B. Verbreitung der neogenen Gebilde.
a) Des offenen Meeres.
Die tiefsten Stellen der Becken nimmt die Tegelbildung ein.
Im Wiener Becken ist die Ablagerung des unteren Tegels
_ eine allgemein verbreitete. Nicht so ist es mit dem oberen Tegel;
dieser scheint sich nur stellenweise abgelagert zu haben. So ist
dieser Tegel bei Brunn, bei Hernals, bei Inzersdorf und von da öst-
lich bis nach Bruck am Leithagebirge bekannt ?). Eben hat man
südlich am Leithagebirge Tegel mit Congerien-Schichten erbohrt.
Die Cerithien-Schichten 3) treten an vielen Punkten des
Wiener Beckens zu Tage und wurden auch durch Bohrungen nach-
gewiesen.
In der steierischen Bucht des ungrischen Beckens liegt die
Tegelbildung ebenfalls zu unterst. Von Congerien ist daselbst nichts
bekannt geworden ; dagegen sind die Cerithien-Schichten aut
mehreren Stellen nachgewiesen worden *), so in der Umgebung von
Hartberg, östlich von Gleisdorf und in der Umgebung von Gleichen-
berg. Der Tegel wird grösstentheils durch Mergel ersetzt, die
besonders mächtig in dem Windisch-Büchel nördlich von Marburg
auftreten.
1) J. Gobanz, schriftliche Mittheilungen.
2) J. CzjZek, Jahrbuch der k. k. geolog. Reichsanstalt, II, 2, 86.
3) Dr. Hörnes, Jahrbuch der k. k. geolog. Reichsanstalt, II, 4, 116.
*) Dr. Andrae, dritter Bericht des geogn.-mont. Vereins für Steiermark, S. 9.
502 Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
Im Becken des Lavantthales nehmen die Sande, Sand-
steine und Mergel die tiefsten Stellen der Mulden ein, während die
sandigen Lehme mehr an den Rändern abgelagert worden sind. Die
Cerithien-Schichten sind hier bis jetzt nicht aufgefunden worden.
Im oberen Donau - Becken sind die Congerien-
Schichten (oberer Tegel) bis jetzt nicht nachgewiesen wor-
den. Die Cerithien-Schichten scheinen dagegen allgemein verbreitet
zu sein. Im Tullner Becken wird die untere Tegelbildung durch
Tegel, der vom Sande überlagert ist, repräsentirt. Im Linzer
Becken wird zwischen Mölk und Wels der Tegel durch sandige
Mergel ersetzt; von Wels westlich treten wieder die Tegel auf.
So wie die Tegelgebilde gewöhnlich die unteren Stellen der
Becken ausfüllen, bedeckt der Sand in verschiedener Mächtigkeit
den Tegel. Sowohl im Wiener Becken und in der Bucht von Unter-
steier, als auch im oberen Donau-becken ist seine Verbreitung ganz
allgemein; in dem Lavantthaler Becken ist er bis jetzt nicht nach-
gewiesen worden und dürfte durch die Conglomerate repräsentirt
sein.
Ebenso allgemein ist die Verbreitung des Schotters inden
genanntenBecken. Der Schotter füllt häufig die vor seiner Ablagerung
entstandenen Vertiefungen des Sandes aus, oder umgibt mantel-
förmig die aus seinem Niveau emporragenden Hügel t).
An jenen Stellen nur trifft man den Schotter und Sand nicht,
wo sie entweder von jüngeren Ablagerungen bedeckt oder nach ihrer
Bildung durch Bäche und Flüsse oder Meeresströmungen wegge-
schwemmt worden sind.
Der Leithakalk fehlt dem oberen Donau-Becken ganz. Um
so häufiger tritt aber der Leithakalk im Wiener Becken und in der
steierischen Bucht auf. So bei Nussdorf, zwischen Mödling und Baden
auf mehreren Stellen, bei Wöllersdorf nordwestlich von Wiener-Neu-
stadt. Ferner in bedeutenden Partien in der Umgebung von Wildon,
Leibnitz, Ehrenhausen und Mureck. Das von krystallinischen Schiefern
gebildete in SO. von Wien liegende Leithagebirge, welches zur
neogenen Zeit wahrscheinlich eine Insel bildete, ist rund herum von
ungeheueren Massen des Leithakalkes. den tertiären Korallenriffen,
eingefasst.
1) J. Czjzek , Erläuterungen zur geogn. Karte von Wien, S. 19.
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. 503
b) Verbreitung der Randgebilde.
1. Am Rande der Alpen.
Die Vorkommnisse der Braunkohlen des Wiener Beckens werden
durch Schotter, Sand, Lehm und Tegel, hauptsächlich aber durch
Conglomerate mit einander verbunden. Die Conglomerate,
welche hier gewöhnlich aus Kalkgeröllen bestehen, treten nördlich
von Mödling auf und ziehen von da am Rande des Wiener Beckens
“nach SW. über Baden, Neunkirchen bis Gloggnitz beinahe ununter-
brochen fort. Westlich von Mödling ziehen sie sich weit ins Gebirge
hinein, wo sie besonders in der Umgebung von Heiligenkreuz theilweise
von Schotter bedeckt auftreten. Südlich von Baden breiten sich die
Conglomerate zwischen Vöslau, Pottenstein und Wöllersdorf in unge-
heueren Massen aus und bedecken hier die Vorkommnisse der Braun-
kohle bei Grillenberg, Kleinfeld und die der Jaulingwiese.
Eben so mächtig treten sie in der Bucht von Gloggnitz auf. Die
Braunkohlen von Leiding und Schauerleiten bei Pitten werden von
losem, dem nahen krystallinischen Gebirge angehörigen Schotter
bedeckt, der amGebirge in der Umgebung von Thernberg hoch hin-
auf reicht.
Die Lignit-Ablagerungen von Neufeld und Zillingdorf sind vom
Schotter bedeckt, und dieser reicht an dem Rande des ungrischen
Beckens über Forchtenau bis nach Bernstein, Friedberg und Hart-
berg und verbindet die Braunkohlen-Vorkommnisse dieses Striches
unter einander.
Zwischen Hartberg und Gratz sind die Braunkohlen-Schichten
ebenfalls vom Schotter bedeckt.
In der Bucht von Voitsberg 1) zwischen Gratz, Voitsberg und
Mooskirchen, tragen die die Braunkohlen begleitenden Ablagerungen
den Charakter der Süsswasser-Gebilde an sich. Zwischen Moos-
kirchen und Landberg reichen die Meeres-Ablagerungen bis an den
Rand des Gebirges, dagegen findet man in der Bucht von Eibiswald
Ablagerungen, die den süssen Wässern ihre Entstehung verdanken.
Im oberen Donau-Becken sind die Conglomerate besonders mäch-
tig entwickelt. Im Tullner Becken nördlich von der Donau treten
sie seltener auf und sind hier häufig von Löss bedeckt; südlich von
9) Dr. Rolle, vierter Bericht des geogn.-mont. Vereins für Steiermark, S. 21.
50% Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
der Donau sind sie besonders südlich von Hollenburg weit ausge-
dehnt. Eine ausserordentliche Verbreitung besitzen die Conglomerate
südlich von Linz. Die ganze Strecke zwischen der Enns und der
Traun ist bedeckt von mitunter sehr mächtigen Conglomeratmassen,
unter welchen man nur an einigen wenigen tiefer eingeschnittenen
Stellen die sandigen Mergel hervortreten sieht. Von Gmunden nach
West über Vöklabruck bis nach Laufen zieht sich eine mächtige
Ablagerung von Schotter und Conglomeraten fort, die die Lignit-
Vorkommnisse von Haag und Wildshut bedeckt.
Alle diese Gebilde sowohl des unteren als auch des oberen.
Donau-Beckens übersteigen die Meereshöhe von 1600’ nicht.
2. Im Innern der Alpen.
Im Becken des unteren Lavantthales sind Schotter und Conglo-
merate am östlichen Rande desselben am Fusse der Koralpe mächti-
ger entwickelt. Den Schotter fand man auch im südlichen Theile des
Beckens im Gebiete des Granitzbaches, wo derselbe die Meereshöhe
von 2149 erreicht.
Die älteren tertiären Schichten des Lavantthales, die Sandsteine
und Mergel nämlich, erheben sich nicht über 1800’, sie liegen aber
doch wenigstens um 1000’ höher als die beiläufig 700’ Meereshöhe
besitzenden Badner Schichten, welchen sie gleich sind.
Höher hinauf (über 2149') fand man zwar keine Gerölle, wohl
aber aufgelöstes Gebirge; nach der oberen Grenze des Getreide-
baues lässt sich schliessen, dass dieselben sowohl im oberen als im
unteren Lavantthale bis zur Meereshöhe von 4000’ hinaufreiche.
Im Becken des oberen Lavantthales sind keine Ablagerungen
von Schotter und Conglomeraten beobachtet worden. Die tieferen
Schichten, Lehme, Sandsteine und Mergel, erreichen (bei Probel)
die Meereshöhe von 2800’. Über den 3061’ hohen Sattel zwischen
dem oberen Lavantthale und dem Wassergebiet der Mur ziehen sich
die Gebilde des Lavantthales hinüber in das Becken von Judenburg
und Knittelfeld.
Das Becken von: Judenburg ist in der Tiefe mit den sandigen
Mergelschichten ausgefüllt. Die Meereshöhe dieser Gebilde übersteigt
kaum 2800’; sie sind theilweise,, wie bei Schönberg, von Geröllen
überlagert. Das Gerölle steigt seinerseits auf mehreren Stellen, nament-
lich in der Gegend von Weisskirchen, bis zu 3100’ Meereshöhe.
a
= ET
> ee
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. AO
Im Becken von Leoben findet man die Sandsteine und Schiefer-
thone in den tiefsten Stellen der Mulde abgelagert. Sie sind von
Schotter und Conglomeraten bedeckt und die letzteren reichen
wieder auf den Abhängen des Gebirges im Dollinggraben bis zu einer
Meereshöhe von 3060.
Wie in diesen beiden Becken verhalten sich auch in den übri-
gen Mulden der Mur und des Mürzthales ganz auf dieselbe Weise die
besprochenen Schichten. Die mehr sandigen und mergeligen Schich-
ten findet man unten in der (ehemaligen) Tiefe der Mulden von
Schotter- und Conglomerat-Ablagerungen hedeckt, welche letztere
sich aber bedeutend höher auf den Abhängen der die Becken ein-
schliessenden Gebirge hinaufziehen und stäts ein höheres Niveau
einhalten.
Im Becken von Krumbach liegen die Sande und Tegel zu
unterst und stehen nur selten zu Tage an; sie sind von Geröllen der
rundherum anstehenden Gebirgsgesteine bedeckt. Diese Gerölle
bedecken den Sattel zwischen Krumbach und Edlitz, ziehen sich auf
den Abhängen der Gebirge hoch hinauf und erreichen hier eine Höhe
von beiläufig 3000’. Ebenso findet man im Becken von Ratten die
Schiehten mit Kohlen die tieferen Stellen ausfüllen, während das
Gerölle überlagernd auftritt und eine. Höhe erreicht, die 3000’
_ übersteigt.
So beobachtete ferner A. v. Morlot Conglomerate bei Alten-
berg bei 3070’ M. H., zwischen Ramsau und Radmer bei 3360’ M.H.,
bei Maria- Zell bei 2823’, im Fallensteiner Graben bei 2970, bei
Golrad bei 3130’, in der Umgebung von Annaberg bis 2765’ M. H.
abgelagert.
Im Westen des Judenburger Beckens findet man bei Ober-
Zeyring die Thonmergel abgelagert, die sie überlagernden Gerölle
ziehen sich in das Thal von Brettstein hoch hinauf, reichen im Thale
von St. Johann hinauf bis auf den Sattel von Hohentauern, der in
das Ennsthal hinüber führt.
Bei Neumarkt sind auf der Wasserscheide zwischen der Drau
und Mur Braunkohlen-Gebilde abgelagert, der Schotter überdeckt hier
bedeutende Flächen, und zieht sich auf den Abhängen der Kuhalpe
hoch hinauf. Ebenso liegen die Braunkohlen führenden Conglomerate
bei Ranten bedeutend niederer als die Geröllschichten, die man in den
weiter nördlich davon gelegenen Thälern findet.
506 Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
Im Becken von Lungau bei Wolfing und St. Andree nördlich
von Tamsweg nehmen die Mergelschichten mit Braunkohle die tiefsten
Stellen ein. Die Conglomerate im Seethale reichen bis 3400". Die
Schotter-Schichten füllen alle höher gelegenen Partien des Beckens.
So reichen sie in der Tauern-Ache bis nach Tweng (3598), im
Zederhaus-Winkel bis zum Fettel, bis nahe auf den Katschberg-Pass,
den Übergang nach Kärnten (5029), hinauf, und auf das Thörl,
wo unter denselben auch noch eine kleine Partie Braunkohlen
gefunden wurde.
Das Ennsthal ist mit dem eben abgehandelten Murthale durch
drei Sättel verbunden, über welche drei gut erhaltene Strassen aus
dem Murthale in dasselbe führen: der Pass zwischen Wald und
Mautern, der Pass Hohentauern und der Radstädter Tauern-Pass. Die
zweiersteren sind mit bedeutenden Schotter-Ablagerungen bedeckt, am
Radstädter Tauern sind sie wegen bedeutenderen Alluvial-Ablage-
rungen nicht mit Sicherheit nachzuweisen. Im Ennsthale nun sind
auch die Tegel mit Braunkohlen und Mergelschiefern mit Sandsteinen
mehr in der Tiefe des Thales, beiläufig in 2000’ M. H., zu finden.
Die Conglomerate am Grimming steigen um 500’ höher, die Gerölle
endlich kann man bis zu einer Höhe von 3500 — 3600’ verfolgen,
indem sie sowohl den Übergang nach St. Gallen, als auch den Pass
Pyrhn bedecken und auf der Strasse nach Aussee bis in die Gegend
von Mitterndorf reichen.
Eine Ausnahme scheinen die Ablagerungen bei Wagrein zu
bilden; man findet hier nach Dr. Peters Mittheilungen zu unterst
Lagen von Conglomeraten mit Sandsteinen wechsellagernd und diese
Schichten von Sandsteinen mit schwachen Braunkohlenflötzen bedeckt.
Im Salza-Thale sind die Geröllschichten nur auf sehr wenigen
Punkten beobachtet worden, man möge aber daraus keinen Schluss
ziehen, dass sie auch nieht vorhanden wären, um so mehr als sie am
Sattel, der aus dem Salza-Thale bei Kriml nach Tirol führt und an
anderen hoch gelegenen Punkten beobachtet wurden. |
Die Ablagerungen des Enns- und Salza-Thales hängen mit ee im
nördlichen Kalkalpen-Zuge vorkommenden tertiären Ablagerungen zu-
sammen 1), die hin und wieder theils durch grössere Festigkeit, theils
durch eine geschützte Lage den Zerstörungen einer späteren Zeit
1) Kudernatsch, Jahrb. der k. k. geolog. Reichsanstalt, III, b, 86.
ie ee
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. 07
entgangen sind. Tertiäre Ablagerungen nehmen die Wasserscheide
zwischen der Enns und Ibbs an zwei Punkten ein, zwischen W eyer und
Hollenstein, und dann bei Lassing, wo man auch einen blaulichen
Tegel anstehen sieht, der zahlreiche Paludinen führt. Bei Oppenitz
in einem mehr abgeschlossenen Becken erscheinen auch tertiäre
Schotter-Conglomerat- und Tegelmassen; die letzteren führen Süss-
wasser-Conchylien. Das Becken von Windischgarsten ist an seinem
südlichen Rande mit tertiärem Schotter erfüllt. Eben so hängen die
tertiären Schottermassen längs des Saalflusses einerseits mit der
Einsenkung der Enns und Salza, andererseits mit dem oberen Donau-
Becken zusammen.
Das Becken des unteren Lavantthales istüber den Sattel südwestlich
von St. Paul mit dem Becken von Klagenfurt in Verbindung. In diesem
letzteren wurden bis jetzt keine marinen Schichten aufgefunden, wohl
aber Schichten mit Braunkohlen, wie bei Loibach, bei St. Ilgen,
Latschach und bei Feistritz im Gailthale. Doch ist hier nirgends etwas
Zusammenhängendes zufinden; das was zur Zeit der Tertiär-Periode
abgelagert worden war, mag zum Theil von den Diluvial-Ablagerungen
bedeckt, zum Theil aber durch die Fluthen der Diluvial-Zeit zerstört
worden sein.
Die Braunkohlen-Ablagerungen des Klagenfurter Beckens liegen
weniger hoch über der jetzigen Meeresfläche erhoben als die tertiären
Ablagerungen des Lavantthales und halten das Mittel zwischen der
Erhebung desLavantthalesund der des Wiener Beckens. Die Schotter-
Ablagerungen jenes Beckens aber erreichen eine Höhe, die man in den
zwei andern zuletzt genannten Becken noch nirgends beobachtet hatte.
Während die Braunkohlen-Ablagerung bei Feistritz im Gailthale kaum
1800’ erreicht, steigen die Geröll-Ablagerungen bei Hermagor etwas
über 2000, bei Kötschach und Mauthen findet man sie zwischen
3000’ — 4000’ M. H. anstehend, bei M. Lukkau in 4116, bei Tilliach
in 4837, und auf der Wasserscheide zwischen dem Gailthale und
der Drau westlich von Tilliach in 4974’ M. H. Während die Schichten
mit Braunkohlen bei Latschach und St. Ilgen kaum 1600’ übersteigen,
erreichen die Schottermassen im Drauthale bei Spittal 1800’, gegen-
über .von Paternion 2000’, nördlich von Millstadt und Radenthein
2800’; im Liserthale bei Gmünd 3000’, bei Rennweg 4000’ und am
Katschberge 5029' M. H. Ebenso steigt das Niveau der Schotter-
Ablagerungen im Möllthale. Sie wurden daselbst beobachtet bei
508 Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
Ober-Vellach in 2085’, bei Stall in 2659, in Winklern bei 3011’, auf
der Wasserscheide des Iselberges 3684, bei Mörtschach in 3014,
in der vorderen Asten bei 3975‘, in der hinteren Asten in 5288’, hei
Heiligenblut in 4016’, bei der Maria-Hilf-Capelle am Heiligenbluter
Tauern in 5047’ M.H.
Im oberen Drauthale herrschen dieselben Niveauverhältnisse der
Schotter- Ablagerungen. Zwischen Sachsenburg und Ober Drauburg
übersteigen die Schotter-Ablagerungen kaum die Höhe von 3000’. Bei
Lienz sind sie am Iselberge in 3684, beim Ranacher 3784, beim
Plautsch in 4146’; im Pusterthale auf dem Pannberge in 4161’, bei
St. Virgein in 4334’ und weiter nördlich im Burgerthale bei 5145’, bei
Abfaltern in 3618‘, am Tessenberge in A277’, und bei Hollbrucken in
4401’ M. H. gefunden worden.
Das Iselthal ist in dieser Hinsicht eben so interessant. Während
die Schotter-Ablagerungen beim Gwabl nur 3144’ erreichen, steigen
sie bei Leibnig auf 3866’, im Tefferecker Thale bei Hopfgarten auf
3499‘, bei St. Jakob auf 4388’, am Staller Bache auf 4962’ M. H.,
und liegen beim oberen See im Stalleralpen-Thale auf.der Wasser-
scheide von Tefferecken in das Pusterthal in 6485’. Im Kalserthale
übersteigen sie nicht 5000’ M. H. Bei Windisch-Matrey sind charak-
teristische tertiäre Conglomerate am Calvarienberge in 3370‘ abge-
lagert. Die Schotter-Ablagerungen findet man bei Proseck in 3450,
bei Virgen in 3685’, bei Pregatten in 4099, beim Islitzer westlich
von Pregatten in 4137 M.H.
Ganz dieselben Niveauverhältnisse des Schotters kann man auch
in den Gegenden nördlich von Klagenfurt beobachten. Auf der
Gerlitzen-Alpe in der Umgebung des Ossiacher Sees 1) erreicht der
Schotter 4500’ M. H., im oberen Gurkthale 4700’, nördlich von Feld-
kirchen 3000’, bei Sörg am Schneebauer Berge 3000’, südlich von
Strassburg bei Gunzenberg 2200’ — 2300’, im unteren Gurkthale
bei Glödnitz 3800’, im Thale von Metnitz 4200’ M. H. Am Ulrichs-
berge unterhalb des Gipfels kommt zerstreuter Schotter in 3000’ M.H.
vor.
Je weiter man in das Innere dieser Thäler des Gail-, Drau-,
Möll-, Gurk- und Metnitz-Thales dringt, desto geringer ist die Mäch-
tigkeit der tertiären Ablagerungen und desto höher das Niveau,
1) Dr. Peters, mündliche Mittheilungen.
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. 509
unter welchem sie vorkommen. Die Tegel- und Sand-Ablagerungen
findet man im Innern dieser Thäler sehr selten. So ist bei Nieder-
Gail im Gailthale eine Tegel-Ablagerung von sehr geringer Ausbrei-
tung beobachtet worden; eben eine solche aber von grösserer Aus-
dehnung findet man bei St. Virgen im Pusterthale, und unter dem
Calvarienberge von Windisch-Matrey. Die übrigen besprochenen
Ablagerungen bestehen blos aus Schotter-Anhäufungen, die gewöhn-
lich um so weniger mächtig sind, je tiefer sie sich im Innern der
Thäler befinden und je enger das Thal ist, in dem sie abgelagert
wurden.
Süsswasserkalk. Die Verbreitung des Süsswasserkalkes
ist weit geringer, als die des Leithakalkes. Derselbe kommt im
betrachteten Gebiete vor bei Gross-Weikersdorf im Tullner Becken,
am Aichkogel bei Gumpoldskirchen, bei Baden, und bei St. Veit im
Wiener Becken. Mächtig entwickelt ist der Süsswasserkalk im
Becken von Rein!) bei Strassgang und am westlichen Rande des
Plawutsch-Gebirges ?).
2 Schichten-Störungen.
a) In den Gebilden des offenen Meeres.
Die tertiären Schichten des Wiener Beckens liegen alle so, dass
man gezwungen wird anzunehmen, sie seien seit der Epoche ihrer
Ablagerung in ihrer Lage nicht gestört worden. Eben so findet man
zum grössten Theile diese Schichten auch im oberen Donau -Becken
ganz horizontal gelagert. Vom grössten Theile der steierischen Bucht
des ungrischen Beckens lässt sich dasselbe sagen ; nur in jenen Gegen-
den die zwischen Marburg, Arnfels und Leibnitz 3) zu liegen kommen,
lassen sich ganz deutliche Schichten -Störungen der echt marinen
Gebilde wahrnehmen, da hier zum grössten Theile die Schichten nach
Nord oder Ost einfallen. Die Schichten -Störungen im Becken des
Lavantthales wurden weiter oben angegeben.
b) Inden Rand-Gebilden.
Schon lange ist das merkwürdige Vorkommen der Braun-
kohle von Gloggnitz bekannt *). Die Eibiswalder Braunkohlen-
1) Siehe (3) auf Seite 484.
2) Dr.Rolle, mündliche Mittheilungen
3) Dr. Rolle, mündliche Mittheilungen.
#) Siehe oben Seite 499.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVI. Bd.Il . Hft. 33
\
510 Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluyium
Ablagerungen sind in ihrer Lagerung ebenfalls gestört; die Schichten
derselben fallen alle nach Nord und unterteufen scheinbar die Ablage-
rungen des offenen Meeres. Ich fand auch im Ennsthale die Sand-
steine und Mergelschichten mit Pflanzenresten bei Steinach nach
Stunde 9 streichen, miteinem Einfallen nach Südwest unter 60°, und die
Braunkohlen bei Ober -Lengsdorf auf dem Kopfe stehend mit einem
Streichen nach Stunde 6. Eben sosind die Mergelschichten nördlich von
Tamsweg im Becken von Lungau gestört, sie fallen ziemlich steil mit
40° Neigung nach Süd. Die Conglomerate westlich davon im Seethal
liegen aber beinahe ganz horizontal. Die Schichten der Sandsteine und
Conglomerate bei Wagrein fallen ebenfalls nach Süd, obwohl sie sich
am südlichen Abhange des Sabrathales befinden. Nach den verschie-
denen Mittheilungen über die Braunkohlen-Vorkommnisse im Mur- und
Mürzthale, scheint die Lagerung dieser Gebilde da auch nicht normal
zu sein, wie man dies anzunehmen pflegte. So fällt bei Parschlug die
Kohle unter 40° nach Ost; im Urgenthale westlich bei Bruck fällt
sie nach Süd unter 32%. Die Leobner Kohlenflötze fallen nach Süd
unter 15° in der Teufe, am ausgehenden aber übersteigt das Fallen
70°. Nach Seeland 1) bildete die Kohlenmulde des Dalling-Grabens
bei der ursprünglichen Flötzbildung mit der jetzt tiefer liegenden
Leobner Mulde ein einziges zusammenhängendes Lager; die Trennung
derselben erfolgt erst nach ihrer Ablagerung. Eben so muss man bei
der Lagerung der Fohnsdorfer Braunkohlen-TLager eine Hebung vor-
aussetzen, welcher die Schichten ihre Neigung verdanken. Für die
Kohlenlager von Leiding und Schauerleithen nimmt Bergrath Czjzek?)
seit jeher eine Hebung an.
Im Schotter der Alpen, der auch manchmal gut geschichtet er-
scheint, habe ich noch nicht Gelegenheit gehabt, Schiehten-Störungen
zu beobachten.
D. Gesteinsbeschaffenheit und Verbreitung des Diluviums.
a) Terrassen-Diluvium. Grosse Massen von Geröllen in der
Form von Terrassen abgelagert, bilden das Terrassen-Diluvium. Die
Schiehtung ist gewöhnlich nicht ganz deutlich. Die grösseren Gerölle
1) Seeland. Bericht Haidinger’s, VII, 204.
2) J. C2jZek, Erläuterungen zur geogn, Karte v. Wien. S. 59 und 60.
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. 5 11
sind immer mit feinerem Sande untermengt und nur selten trifft man
grössere Lagen von Sand darin. Die Gerölle lassen viele vom Sande
oder kleinen Geröllen nicht ausgefüllte Zwischenräume sehen, was
bei tertiären Ablagerungen nicht der Fall ist. Sie treten immer und
an allen Orten ebene Flächen bildend auf und nehmen an Stellen, wo
sie durch spätere Auswaschungen ausgefurcht werden, die Gestalt von
Terrassen an. Durch diese Eigenschaften charakterisiren sie sich als
rasche Ablagerungen wilder Wasserströme.
Das Material, aus dem diese Ablagerungen bestehen, rührt aus
dem Gebiete der sie ablagernden Gewässer her und ist daher in ver-
schiedenen Gegenden und oft auch in einer und derselben Diluvial-
Ablagerung verschieden.
Das Terrassen-Diluvium istim Gebiete der nordöstlichen Alpen sehr
verbreitet. Am ausgedehntesten tritt es in der Neustädter Ebene auf,
wo es:eine Einsenkung des Wiener Beckens, die als die Fortsetzung
der Einsenkung der Mur und Mürz betrachtet werden muss, ausfüllt.
Eine beinahe eben so grosse Ausdehnung besitzt die Diluvial-Ablage-
rung längs dem Traunflusse auf der Welser Haide. Beinahe ebenso
ausgedehnt sind diese Ablagerungen längs der Mur, dem Inn, der
Enns, des Ips und der Drau.
Innerhalb der Alpen ist die Verbreitung des Terrassen-Diluviums
eben so bedeutend. Die tiefsten Stellen des Beckens von Klagenfurt
und des Judenburger Beckens, sind von sehr mächtigen Diluvial-
Geröllmassen erfüllt. Längst der Mur kann man das Terrassen-Diluvium
über Murau und Predlitz bis nach Gamingstein verfolgen, bis an die
Spalte südlich von Tamsweg. Aus dem Klagenfurter Becken steigt
das Diluvium mit der Thalsohle der Drau über Spittal bis nach Möll-
brücken; mit der Gurk bis über Weitensfeld; von Feldkirchen über
die Höhe nördlich ins obere Gurkthal. Man findet das Diluvium
auch im Lavantthale. In den nördlichen Kalkalpen sind bedeutende
Schottermassen in der Form von Terrassen, längs der ganzen Enns
vom Gesäuse angefangen nach abwärts; längs der Steyer; in der
Umgebung von Mitterndorf, Aussee und Ischel. Längs der Salza unter-
halb Rheinbach, und der Saale unterhalb dem Zeller-See.
Das Terrassen-Diluium kommt nicht vor: im Ennsthale
oberhalb des Gesäuses, im Paltenthale, im Salzathale oberhalb Rhein-
bach, inLungau oberhalb der Spalte bei Tamsweg, im oberen Theile
des Möllthales, im Thale der Isel, im Puster- und Gailthale.
33*
512 Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
b) Löss. Ein lichtgelber 1), selten grauer, etwas sandiger
Lehm mit kaum bemerkbaren kleinen Glimmerschuppen, von geringer
Diehtigkeit, und stäts ohne Schiehtung; entweder schildförmig an
Hügeln angelagert und dann bis 20° mächtig, oder grössere Flächen
in grösserer oder geringerer Mächtigkeit überdeckend. Selten findet
man darin grössere abgerundete Geschiebe. Knochen grosser Land-
Säugethiere von:
Elephas primigenius Blum.
khinoceros tichorrhinus Cuv.
Eguus caballus Lin.
Bos priscus Bojan.
Cervus eurycerus Aldrov.
und Landschnecken, die letzteren in unglaublicher Menge, überall in
demselben auftretend:
Helix montana Stud.
Succinea oblonga Drap.
Pupa marginata Drap.
sind darin zu finden.
Ein Blick auf eine geologische Karte der nordöstlichen Alpen
zeigt schon, dass die Verbreitung dieses Gebildes auf das obere Donau-
Becken und das Wiener Becken beschränkt ist. Im Innern der Alpen
kommt der Löss nirgends vor.
c) Erratische Blöcke sind ohızeln ?) an der Oberfläche
liegende grosse Stücke eines Gesteines, das in der Nähe nicht an-
steht. Die fremdartigen, mehr oder minder umfangreichen Blöcke sind
von entfernteren Gebirgs-Zügen hergetragen, bestehen aus Granit,
Gneiss, Glimmerschiefer und aus anderen älteren Gesteinen und sind
nicht abgerollt, sondern scharfkantig, manchmal einzelne Schliffflächen
zeigend. Sie werden an folgenden Orten im Gebilde der nordöstlichen
Alpen als vorkommend angegeben :
bei Seefeld
„ Mitterwald
» Walgau und
„ Innsbruck
„ Kitzbüchel
| nördlich von Innsbruck
1) J. CäjZek, Erläuterungen zur geogn. Karte v. Wien, S. 12.
2) J. CZjZzek,, Erläuterungen zur geogn. Karte v. Wien, S. 9.
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. 513
bei Wald und Umgebung, nördlich von Kriml
nördlich von Mittersill
östlich bei Zell am See
bei St. Georg
„» Tann und
Cschenau
im Gasteiner Thale
bei Pitten im Wiener Becken
südlich von Königstetten und
am Waschberge n. v. Stockerau
Doch muss ich erwähnen dass man diese Angaben mit Vorsicht
aufnehmen möge, indem es mir scheint, dass auf mehreren Stellen
die Ablagerungen des rohen Schotters der Alpen für erratische Blöcke
angesehen worden sind.
d) Alte Moränen sind die letzten zurückgebliebenen Spuren
der ehemaligen weit grösseren Ausdehnung der Gletscher. Es sind
dies unregelmässige, bald der Richtung des Thales folgende, bald die
Thäler quer absperrende Haufen von grösseren und kleineren Blöcken.
von Gesteinen, die den Thälergebieten aus denen die Gletscher
kamen, angehören.
Das Sengsen-Gebirge nördlich von Windisch-Garsten, das
Ausseer Gebirge, der Gebirgsstock des Dachsteins und des Hoch-
Gollings beherbergten die Gletscher, welche die in diesem Gebiete vor-
kommenden Moränen erzeugt haben, und jetzt bis auf das Karls-Eis-
feld des Dachsteins ganz verschwunden sind. Die im Möllthale und
im Malnitzer Thale am südlichen Abhange der Centralkette vorkom-
menden Moränen verdanken den ehemals viel mehr ausgebreiteten
Gletschern des Gr.-Glockners, des Hohen-Narr und des Ankogls ihre
Entstehung.
im Gebiete
der Salza
Umgebung von Taxenbach we
im Tullner Becken.
E.e. Alluvium
‘Hierher gehören die Ablagerungen und Anschwemmungen der
jetzigen Gewässer in der gegenwärtigen Zeit.
Die Donau nimmt bei der Bildung dieser Ablagerungen den
ersten Rang ein. Auf die Engen des Strombettes folgen grössere
Erweiterungen desselben, in welchen sich die Donau mehr ausbreiten
kann, und diese letzteren sind es, in denen diese Ablagerungen vor -
sich gehen. So das Marchfeld, das Tullnerfeld, die Alluvionen bei
591% Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
Enns und Efferding. Die Senn! der Donau bestehhk aus
Schotter, Sand und Lehm.
So wie dieDonau haben auch die anderen Flüsse und Bäche ihre
Alluvionen; an solehen Stellen wo der Lauf ihrer Gewässer ein
geringerer ist, lagern sie den Schutt und Schlamm, den sie mit sich
führen, ab. Auf ihre Bildung haben periodische Anschwellungen der
Flüsse und Bäche und locale Witterungsverhältnisse einen gleich
grossen Einfluss. |
Besonders hervorzuheben sind jene Alluvial-Ablagerungen, die .
nur den furchtbaren plötzlichen Regengüssen der Gewitter der
Alpen ihre Entstehung zu verdanken haben. Ihre Verwüstungen, die
grossartig sind, treten auch periodisch auf und sind um so mehr zu
fürchten.
Bei Windisch-Mätrey in Tirol habe ich Gelegenheit gehabt. die
Entstehung dieser Art Alluvionen des Bretterbaches zu studiren.
Der Bretterbach entspringt an den steilen Kalkglimmerschiefer-
Wänden der Bretterwand, nimmt anfangs von da seinen Lauf nach
"Süd und wendet dann plötzlich nach West, um bei Windisch-Matrey
in die Isel einzumünden. Die Länge des Bretterbaches beträgt kaum
mehr als 4500 Klafter. Die Bretterwand hat eine Meereshöhe von
9053’ und Windisch-Matrey liegt 3027 hoch über dem Meere. Folg-
lich beträgt der Fall des Bretterbaches 1 Klafter auf 4 Klafter Länge,
Der Fall dieses Baches ist aber nicht gleichmässig vertheilt; in dem
von Ost nach West laufenden Theile besitzt der Bach eine viel
geringere Neigung, als in dem oberen nach Süd herablaufenden
Theile. Die Breiterwand besteht aus Platten von Kalkglimmerschiefer,
die nach Süd fallen und unter 60 — 70° geneigt sind. Über diese
Platten fallen die vielen abgelösten Stücke der Kalkglimmerschiefer-
Wand in Folge der Zeit an ihren Fuss und häufen sich dort in
bedeutender Menge an. Kommt nun ein starkes Gewitter mit einem
Regengusse (was eben nicht häufig ist, indem in dieser Gegend
anstatt Regen gewöhnlich Schnee fällt) über die Bretterwand, so
hält diesen keine Vegetation, die hier gänzlich mangelt, auf, das
Gestein saugt auch nur sehr wenig oder gar kein Wasser auf. Das in
Menge herabfallende Regenwasser fliesst daher über die stark ge-
neigten Kalkglimmerschiefer-Platten mit ausserordentlicher Schnellig-
keit herab an den Fuss der Wand, wühlt die daselbst angehäuften
Blöcke auf und reisst sie weiter dem Thale nach abwärts. Hier nimmt
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. 15
die Schnelligkeit, mit der das Gerölle transportirt wird, in etwas ab
und lässt den nachfolgenden Partien Zeit genug, um die vorangehenden
einzuholen und zu erreichen und sich mit denselben zu einer Masse zu
vereinigen. Und so sammelt sich eine immer grösser werdende, aus
Wasser md Gebirgsschutt bestehende, dieke Masse an und wälzt sich
einem Lavastrome gleich langsam thalabwärts. Je tiefer herab, desto
mehr verergt sich das Thal und dieBewegung des Schuttstromes wird
dadurch abermals unterstützt. Endlich erreicht die unheilbringende
Masse, oft erst in einer halben Stunde nach dem Ablauf des Gewitters,
die Mündung des Bretterthales in das breitere Iselthal. Wie aus einem
Sacke herausgeschüttet, häuft sich das Gerölle an der Mündung an
und wird in der Form eines halben sehr flachen Kegels abgelagert,
alles was in seinem Laufe liegt bedeckend und zerstörend. Nicht nur
die Felder und Gärten, auch die Wohnungen der dortigen Bewohner
werden zum Theil bedeckt oder ganz überschüttet. Aber nicht
Unheil genug ist es, dass der Schuttkegel das ihm im Wege liegende
zerstört und die Gegend an der Mündung des Thales verwüstet, die
häufig bis auf das entgegengesetzte Ufer der Isel vorgeschobenen
Schutimassen versperren dem Iselflusse seinen Abfluss und dieser
breitet sich oberhalb dieser Stelle in einen See aus und verschlingt die
_ fruchtbaren Felder und grünenden Wiesen unter seinen Wellen, sie
mit dem Schlamme der Gletscher überdeckend, Elend und Noth
verbreitend.
Je weiter weg von der Mündung des Bretterbaches, desto mehr
nähert sich die Ablagerungsfläche des Schuttkegels der Horizontale.
Der nach Herstellung der Ruhe sehr kleine unbedeutende Bach
sucht dann in die Ablagerungsfläche des Schuttkegels sein Bett zu
vertiefen und wenn ihm hierzu genug Zeit gelassen wurde, so vertieft
er sich so weit, dass endlich an seinen Rändern zwei Terrassen als
Ufer entstehen.
Ganz in dieser Weise wütheten und verheerten in den letzten fünf
Jahren die Bäche der Seitenthäler des Drauthales zwischen Ober-
Drauburg und Sachsenburg, der Bach Sagans zwischen Fragant und
Stall im Möllthale und die Bäche im Gailthale.
Diese Verheerungen fanden auch in älterer historischer Zeit
Statt und waren gewiss noch furchtbarer. Hiervon zeugt der unge-
heuere Schuttkegel vor Lienz, auf dem sich die Ortschaften Ober-
Lienz, Ober-Drum, Grafendorf, Patriarchsdorf und Nussdorf befinden.
]
l
516 Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluviun
Der tiefste Theil dieses Schuttkegels liegt bei Lienz 2057‘, die Spitze
desselben im Helenenthale hat 4183’ M. H.; folglich beträgt seine
absolute Höhe 2126‘. Die Länge mag beiläufig eben so viele Klafter
betragen. Unter diesem Schuttkegel soll das alte Leontium begraben
sein. Eben so grossartig ist der Schuttkegel im oberen Möllthale bei
Sagritz, im Tefferecker Thale bei St. Leonhardt und endlich im Gail-
thale bei Tilliach.
F. Jüngste Spaltenbildung im Gebiete.
Es sind dies Spalten, die, obwohl sie tief unter derg Niveau der
tertiären Ablagerungen liegen, von diesen doch nicht ausgefüllt
worden sind und daher jüngerer Entstehung sein müssen.
Die merkwürdigsten dieser Spalten sind jedenfalls die, welche
die Donau auf ihrem Wege aus Baiern von Passau abwärts durch-
fliessen muss, bevor sie sich bei Pressburg in der ungrischen Ebene
ausbreiten kann. Fünf Spalten sind es: von Passau bis Efferding und
bei Linz; zwischen Wallsee und Ibbs, von Schönbüchel abwärts bis
Spitz, die breite Spalte bei Klosterneuburg und die noch breitere
Theben-Pressburger Spalte. Bei den beiden letzteren Spalten sind
nur die untersten Theile hier verstanden, welche von der Donau
bespült werden, indem an beiden Orten schon vor der tertiären
Zeit Öffnungen vorhanden waren, durch welche die tertiären Meere
‘des oberen Donau-Beckens, des Wiener und ungrischen Beckens
mit einander in Verbindung standen. Bergrath Czjzek hat schon
nachgewiesen, dass die Spalte zwischen Schönbüchel und Spitz nicht
durch Erosion entstanden ist. „Die Donau 1) hat bei Krems eine See-
höhe von 595°90', bei Mölk von 64996‘, folglich im Durchsehnitte
auf ihrem Laufe von 43/, Meilen einen Fall von 11'38’ per Meile.
Beobachtet man ihren Lauf von Krems bis Wien, meist über tertiäre
Gebilde, so beträgt ihr Fall per Meile 112 Fuss. Dieses Verhältniss
zeigt, dass der Lauf des Stromes zwischen dem Gebirge nur ganz
unbedeutend schneller ist, von Wasserfällen und einem gewaltsamen
Durchbruche nichts wahrnehmen lässt, welcher Umstand ebenfalls
für eine Gebirgs-Spaltung spricht.“ Und wäre die Donau gezwungen
gewesen, durch direete Erosion oder durch das von rückwärts
schreitende Unterwühlen vermittest Wasserfällen sich das Bett zu
1) J. Cäjzek, Jahrb. der k. k. geol. Reichsanstalt, IV. 264.
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. 517
graben, so hätte sie gewiss, theils wegen der weicheren Gesteins-
beschaffenheit, theils wegen der viel niedrigeren Lage, die tertiären
Gebilde durchgefressen und ihren Lauf in der Richtung gegen
St. Pölten genommen. Was hier speciell von der Entstehung der
Spitz-Schönbüchler-Mölker Spalte gesagt wurde, gilt zugleich für jede
dieser genannten Spalten.
Nebst der Entstehung dieser Spalten ist das Streichen derselben,
welches unsere Aufmerksamkeit verdient. Die Passauer Spalte
streicht im Allgemeinen nach N. 45° in W. Ihr unterer Theil bildet
ein Ziekzack, das aus den Streichungslinien N. W. und N. 45° in O.
zusammengesetzt ist. Die Ihbser Spalte streicht im Allgemeinen
nach W., ist aber aus den Streichungsrichtungen W. und N. zusammen-
gesetzt. Die Mölker Spalte streicht nach N. 45° in O. und ist aus
den Streichungslinien N. und N. 45° in O. zusammengesetzt. Die
Klosterneuburger streicht beinahe, und die Theben-Press-
burger Spalte ganz parallel mit der Passauer Spalte.
Die Richtung der Spalten der Donau entlang, d. i. in der von
Ost nach West laufenden grossen Einsenkung der oberen Donau,
streichen daher vorzugsweise nach W., N. 45° in W., N. und N. 450
in Ost.
Die nächste, an die grosse Einsenkung der Donau sich südlich
anreihende Einsenkung der Enns und Salza läuft ebenfalls von Ost
nach West. In ihrem Gebiete sind zwei Spalten bekannt geworden,
die am Grimming und die „das Gesäuse“ genannt. Die Spalte des
Grimmings streicht nach Nord, das Gesäuse aber nach West. Gegen
die Annahme, dass diese beide Spalten durch Erosion entstanden
wären, spricht ihre Umgebung. Der Grimming bildete zur tertiären
Periode mit der Kammspitze einen und denselben 6000’ über der
Thalsohle des Ennsthales aufsteigenden Kamm des Dachsteingebirges.
‚Die Wässer, die sich in der Mulde von Mitterndorf ansammelten, konn-
ten sehr gut auf dem schon vor der Kreide-Periode offenen Wege
über Klachau und Pürg ablaufen und es ist unmöglich, der Erosionskraft
dieser Wässer den Durchbruch einer 4000' (über dem Boden von
Klachau) hohen und eben so breiten Kalkmauer zuschreiben zu wollen.
Das Gesäuse verdankt eben so wenig seine Entstehung der Erosion.
Das Ennsthal war östlich von Admont und Krumau durch die Dach-
steinkalk-Massen des Buchsteins und des Kaiblings abgesperrt. Diese
Kalkmauer konnten die Gewässer des jetzigen Ennsthales nie über-
518 Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
steigen. Und wenn dies auch je der Fall war, so waren ja viel niederere
Sättel vorhanden, über welche die Gewässer ihren Ausweg gefunden
haben würden. Die Erosionskraft des verheerenden, durch seine Über-
schwemmungen bekannten Ennsflusses ist so gering, dass er nicht im
Stande ist die herabgefallenen Kalkmassen, die ihm den ersten Ein-
gang in das Gesäuse absperren, wegzuräumen und man genöthigt
ist, ihm mit Sprengungen durch Pulver nachzuhelfen.
In der nächst südlicheren Einsenkung der Mur und Mürz sind
zwei derartige Spalten entstanden, die südlich bei Bruck und die
südlich von Tamsweg. Die Brucker Spalte streicht nach N. 45° W. und
ist der Passauer und der Klosterneuburger Spalte parallel. Die Tams-
weger Spalte streicht nach N. und ist so zu sagen die Fortsetzung
der Grimming-Spalte.
In der südlichsten von Ost nach West laufenden Einsenkung der
Drau sind vier Spalten bekannt geworden, die jünger sind, als die
tertiären Ablagerungen dieser Gegend. Die bei Gmünd streicht im
Allgemeinen nach N. 45° O., und ist aus Streichungslinien N. und N.
45° O. zusammengesetzt, ganz wie wir dies bei der Mölker Spalte
gesehen haben. Mit dieser parallel ist die Spalte, die das obere und
untere Gurkthal mit einander verbindet. Die Spalte, die das obere
und untere Lavantthal verbindet, steht auf den ersten beiden beinahe
senkrecht und ist mit der Brucker und Klosterneuburger Spalte
nahezu parallel. Endlich läuft die Mahrenberger Spalte westlich von
Marburg nach W., nahezu parallel mit dem Gesäuse und der Spalte
bei Ibbs. Dass sie alle zusammen dieselbe Entstehung haben, wie die
der Donau, habe ich kaum nöthig zu erwähnen.
Diese Spalten, sowohl die der Donau als die im Innern der
Alpen sind, wie schon gesagt wurde, von tertiären Geröllen nicht
bedeckt; man findet in derselben nur die jüngeren Gebilde: Terrassen-
Diluvium, Löss und Alluvium. Dort wo die Spalten in älteren Gesteinen
entstanden sind, fallen sie jedenfalls mehr auf, als im Gebiete der
tertiären Ablagerungen. Aber wie im älteren Gebirge, charakterisiren
sie sich auch im tertiären Gebiet durch ihre Streichungsrichtungen
und durch ihre Ausfüllung. Wenn man z. B. die Welser Haide durch-
wandelt, so sieht man ganz deutlich, wie die tertiären Hügelreihen
sowohl in NW. als in SO. derselben 200’ hohe Dämme bilden, die
die Ablagerung des Terrassen-Diluviums auf den Raum der Welser
Haide beschränkt und eingeengt haben. Ganz dasselbe sieht man am
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. 519
Almflusse, südlich von Wimsbach, am Ennsflusse, an der unteren Salza
und am Inn, ferner auf der Neustädter Haide, und der Mur entlang
unterhalb Gratz. Ferner ist die Längenerstreckung der Diluvial-Terras-
senan dem Flusse zwischen Braunau und Passau, auf der Welser Haide,
an der Enns, am Ibbsflusse, auf der Neustädter Haide nahezu parallel
der Mölker Spalte; dagegen haben die Diluvial-Ablagerungen an der
unteren Salza und an der unteren Mur mehr die Richtung der Passauer
Spalte, und es lassen sich da die vier Richtungen WN. 45° in W.,
NN. 45° in O., alle nachweisen, eine Analogie, die jedenfalls für die
Gleichartigkeit dieser Spalten mit denen in den festen Gebirgsarten
spricht.
Merkwürdig ist in der That zu sehen, dass die Spalten, während
sie die Alpen in den angegebenen Richtungen durchkreuzen, in die
krystallinischen Gebirge nördlich der Donau nicht tiefer hineinreichen,
sondern sich an diesem Gebirge entweder abstossen, wie die Kloster-
neuburger Spalte, oder nur an dem Rande derselben entstanden sind,
und demselben, so zu sagen ausweichen, wie die Passauer, Ibbser und
Mölker Spalte.
6. Spaltenbildung, Schichtenstörung und Erhebung.
Die Spaltenbildung scheint mit den beobachteten Schichten-
störungen im innigsten Zusammenhange zu stehen. Das grossartigste
Beispiel dieser Art ist jedenfalls das in vieler Hinsicht interessante
Lavantthal. Die Schichten der tertiären Gebilde des Lavantthales
streichen, wie wir es gesehen haben, von NW. nach SO. in derselben
Richtung, welche die grosse, das untere mit dem oberen Lavant-'
thale verbindende Spalte hat. Wir haben aber auch gesehen, dass
hier die Schiehten um 1000’ höher liegen, als die gleichartigen
bei Baden. Auch an der Mahrenberger Spalte sind dieselben Verhält-
nisse von Dr. Rolle beobachtet worden. Die Schichten der Eibis-
walder Braunkohlenlager fallen nach Nord. Die marinen Schotter-
Ablagerungen steigen im Gebirge nördlich von der Mahrenberger
Spalte um 1000’ höher, als sie in der Ebene zu finden sind t).
Die Unregelmässigkeit des Streichens und Fallens der Schichten
zwischen Marburg, Arnfels und Leibnitz findet eben darin ihre Erklä-
rung, dass die Richtungen der Spalten von Mahrenberg, der von
1) Dr. Rolle, mündliche Mittheilungen.
520 Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
Gratz und Strass, Strass und Radkersburg, sich in dieser Gegend
begegneten. Etwas Abnormes scheinen die Schichtenstörungen im
Becken von Lungau, nördlich von Tamsweg und im Ennsthale bei
Ober-Lengsdorf zu bieten. An beiden genannten Stellen sieht man,
dass das Streichen der gestörten Schichten gerade senkrecht steht
auf der Streichungslinie der benachbarten Spalten. Wenn man sich
aber etwas weiter umsieht, so gewahrt man, dass in der Fortsetzung
dieser Richtung im Ennsthale das Gesäuse zu liegen kommt und in
der ganzen Einsenkung der Mur und Mürz, in deren Verlängerung
die Wiener-Neustädter Haide sich befindet, alle Braunkohlen-Sehich-
ten nach Süd fallen. Auch das merkwürdige Vorkommen der Braun-
kohle von Gloggnitz liegt gerade in dieser Einsenkung.
II. THEORIE.
A, Altersbestimmung,
a) Gebilde des offenen Meeres.
Dass die Tegel-, Sand- und Schotter-Ablagerungen des Wiener
und der angrenzenden Becken wirklich tertiär sind und der jüngeren
Epoche dieser Formation angehören, ist eine schon längst erwiesene
Thatsache. |
Der untere Tegel bildet die tiefste älteste Lage dieser Gebilde;
der obere Tegel ist jünger. Noch jünger ist der Sand, in dessen unter-
sten Lagen man noch dieselben Knochenreste findet, die für den oberen
Tegel charakteristisch sind. Als die jüngste tertiäre allgemein ver-
"breitete Schichte gilt der Schotter.
Der Leithakalk entspricht !) an einzelnen Punkten (Nussdorf)
dem oberen Theile des unteren Tegels, an andern aber (Bruck a. d.L.)
dem oberen Tegel.
b) Randgebilde.
Bei den Randgebilden kommt es darauf an, die in denselben
vorkommenden Braunkohlenlager ihrem Alter nach zu bestimmen.
Es ist freilich schwer, nach den bisherigen mangelhaften Unter-
suchungen und wegen der Seltenheit oder gänzlichen Abwesenheit
von charakteristischen Versteinerungen das Alter der verschiedenen
1) Siehe oben S. 496.
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. 921
Braunkohlen-Ablagerungen zu bestimmen 1); es kommt aber auch nur
darauf an, beiläufig zu zeigen, mit welchen Ablagerungen des offenen
Meeres diese verschiedenen Braunkohlenlager ausser und in den
Alpen zu parallelisiren sind, um so ihr gegenseitiges Alter und ihr
Alter im Allgemeinen zu bestimmen.
Nach den Beobachtungen von M. V. Lipold kommen Braun-
kohlenlager im Lavantthale in den untersten dortigen tertiären
Gebilden vor, die, wie wir gesehen haben, mit dem Tegel bei Baden
von gleichem Alter sind. Nach den Mittheilungen von Bergrath
Czjzek kommen die Braunkohlen von Thallern in einem Tegel vor,
den man, nach den darin vorgefundenen Versteinerungen, den
Schichten von Gainfahren und Enzersfeld gleichstellen muss. Die
Braunkohlenlager bei Fohnsdorf im Judenburger Becken liegen
unter einer Muschelschichte, die nur aus Schalen von der Congeria
triangularis Partsch besteht. Aber diese Congeria kommt nach
den freundlichen Mittheilungen von Dr. Hörnes immer nur in den
sogenanntenCongerien-Schichten vor; ihre Verbreitung ist über
Österreich, Mähren, Ungern, Bosnien und Albanien bekannt und sie
kann daher als eine sichere Leitmuschel bei der Erkennung der Con-
gerien-Schichten angenommen werden. Die Lignite bei Göding
in Mähren liegen nach Fr. Foetterle auf einem Tegel mit Congerien
im Sande, in welchem man ebenfalls die Congerien findet.
Das Gleiche scheint bei Zillingsdorf und Neufeld zu sein, indem
man auch dort in dem Tegel, der unter den Kohlen liegt, Congerien
erbohrt hatte.
Diese Beispiele beweisen, dass die Braunkohlenlager durchaus
nicht einem und demselben Zeitabschnitte angehören, und dass die
Bildung der Braunkohlen durch die ganze Dauer der jüngeren Tertiär-
Epoche fortdauerte. Zugleich geht aus diesen Beispielen hervor, dass
die Lignite der oberen, die schwarzen eigentlichen Braunkohlen der
unteren Tegelbildung angehören. Wie aber zur Zeit der Ablagerung
der unteren Tegelbildung Ruhe geherrscht zu haben scheint, während
bei der oberen Tegelbildung aber lebhaftere Strömungen wegen
der deutlich ausgesprochenen wellenförmigen Ablagerung der
Sehichten 2) angenommen werden müssen, so scheint auch die Bildung
1) Siehe oben S. 497—509.
2) J. CzjZek, Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt II, b, 81 und 82.
522 Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
der eigentlichen Braunkohlen und der Lignite eine verschiedene zu
sein. Bergrath Czjzek hat für die Zillingsdorfer und Neufelder
Lignite 1) nachgewiesen, dass sie aus zusammengeschwemmten,
Treibhölzern entstanden sind. M. V. Lipold erwähnt bei der Be-
schreibung der Wildshuther Lignite ?), dass man in dem Mittelflötze
häufig ganze Baumstämme mit Wurzelstöcken daselbst findet, oft
bei 6‘ lang und 3‘ im Durchmesser, gewöhnlich mehrere beisammen.
Die Stämme sind umgestürzt, die Wurzeln nach oben gekehrt und
immer mit einer Neigung nach NO., wodurch die Richtung der
Strömung, die sie abgelagert, angezeigt wird. Auf der Jaulingwiese °)
ist im quer durch denLignit führenden Tegel eine bei 24 breite Sand-
mulde beobachtet worden, bei deren genauer Untersuchung man fand,
dass dieselbe einem ehemaligen Bache ihre Entstehung verdanke.
Dagegen zeigen die eigentlichen Braunkohlen nur sehr selten
die Holztextur, und dürfen wahrscheinlich aus ruhigen Torfmooren
erstanden sein. Auch die Versteinerungen, meist Knochenreste, die
man in den Kohlen findet, sind aus diesen zwei Abtheilungen zum
grössten Theile von einander ganz verschieden.
Für den Lignit sind charakteristisch:
Mastodon angustidens Cuv.
Acerotherium incisivum Kaup.
Hippotherium gracıle Kaup.
Knochenreste, die man auch im oberen Sande, im oberen Tegel und
im jüngeren Leithakalk aufgefunden.
Dagegen kommen in den schwarzen Braunkohlen vor:
Rhinoceros Scheiermacheri H. v. Meyer.
Dorcatherium Naui H. v. Meyer.
a vindobonense H. v. Meyer.
Palaeomery& medius HA. v. Meyer.
Cervus Sp.
Chalicomys Jaegeri? *)
Triony& stiriacus Peters.
Chelydra sp.
Emys Turnoviensis H. v. Meyer.
Nachdem nun dies vorangeschickt worden, möge ein Verzeichniss
derin 2 Abtheilungen aufgezählten Braunkohlen-Vorkommnisse folgen.
1) J. Czjzek, Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt, III, 47.
2) M.v.Lip old, Jahrb. d. k. k. geolog. Reichsanstalt, I, 601.
3) Zepharovich, Jahrb. der k. k. geol. Reichsanstalt, IV, 743.
4) Prof. Unger, fossile Flora von Parschlug, S. 22.
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. 523
Braunkohlen
des unteren Tegels: des oberen Tegels:
Ober-Lengsdorf,
Wagrein.
Leiding, Leobersdorf,
Scehauerleithen, Jaulingwiese,
Klingenfurt, Kleinfeld,
Brennberg, Grillenberg,
Zerreichenwald, Pernitz,
Sieggraben, Gloggnitz,
Weingraben, Zillingsdorf und Neufeld,
Karl, Ritzing,
Schreibersdorf, Thiergarten,
Pinkafeld östlich, Pilgersdorf,
Eibiswald, Bubendorf,
Thallern, Fladnitz,
Obritzberg, Klein-Semmering,
Lavantthal, Rein,
Obdach, Voitsberg,
Feberg-Graben, Zelking,
Fohnsdorf, Haag,
Dietersdorf, Wildshut,
Schönberg, Schwaig-Graben bei Sekkau,
Trofajach, St. Ilgen,
Leoben, Keutschach,
Dolling-Graben, Feistritz im Gailthale.
Urgenthal,
Winkl,
Göriach,
Parschlug,
Wartberg,
Krieglach,
Langenwang,
Ratten,
Krumbach,
Zeyring,
Ranten,
Lungau,
524 Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
Die Conglomerate im Wiener Becken bedecken die Lignit-
Ablagerungen der Jaulingwiese !) und in der Umgebung und sind
daher jünger als die Lignite und dürften gleichzeitig sein mit dem
oberen Sande. Den Conglomeraten des Wiener Beckens entsprechen
die des Lavantthales, des Ennsthales und die im Becken von Lungau.
Der Schotter des offenen Meeres und der der Randgebilde in
und um die Alpen sind gleichzeitig.
Der Süsswasserkalk ist das jüngste Glied der Tertiär-Formation.
B. Niveauverhältnisse des neogenen Meeres.
Auffallend ist die Aufeinanderfolge der Ablagerungen des offenen
Meeres, dass zu unterst die Tegelbildung, darauf Sand und zuletzt
die Schotterbildung folgte. Im Tegel sind Schotter- und Sand-Ablage-
rungen nur selten, und dies gewöhnlich in einer untergeordneten
Weise vorhanden. Eben so herrscht der Sand in der Sandbildung
vor und im Schotter trifft man nur selten dünne Lagen von grobem
Sande. Die Ursache dieser Erscheinung kann man nur in den Meeren
suchen, aus denen sie abgelagert wurden. In der gegenwärtigen
Periode bildet sich unter unseren Augen an ruhigen und an sumpfigen
Stellen Schlamm; bewegteres Wasser ist im Stande gröbere Theile
mit sich fortzuführen; zur Bildung von gröberem Gerölle ist eine
Bewegung nothwendig und nur starke Strömungen können das
Gerölle fortbewegen und horizontal ablagern. Eine mächtige Schichte
von Schlamnı erfordert eine lange Zeit der Ruhe an dem Orte, an _
welchem sie sich ablagerte; eine mächtige Schichte von ausschliess-
lich vorherrschendem Sande erfordert eine gleichmässige andauernde
Bewegung des Wassers, aus dem sie sich absetzte; eine mächtige
Schichte von groben Geröllen erfordert eine gleichmässig andauernde
starke Strömung. Da aber diese Schichten von Tegel, Sand und
Schotter in dem ganzen Gebiete der tertiären Ablagerung allgemein
verbreitet sind, so erfordern sie auch, dass die sie bedingenden
Verhältnisse an allen Orten des tertiären Meeres geherrscht haben;
folglich haben wir in den tertiären Meeren eine Epoche der
Ruhe, eine der Bewegung und eine der Strömung.
In den Alpen, z.B. im Becken von Lungau, nehmen die sandigen
Mergel und Tegel nur die tiefsten Stellen des Beckens ein und ihre
1) Zepharovich, Jahrb. der k.k. geolog. Reichsanstalt, IV, 712.
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. 525
- horizontale Verbreitung ist auch nur sehr gering. Mehr verbreitet
sind die Conglomerat- und Sandstein-Schichten, sie nehmen etwas
höhere Partien des Beckens ein und man findet häufig die Conglo-
merate unmittelbar am Gneissgebirge ohne Zwischenlage von Mergel
oder Tegel aufgelagert. Endlich findet man den Schotter, der
die Conglomerate, Tegel und Mergel gemeinschaftlich überlagert,
auch dem krystallinischen Gebirge unmittelbar aufgelagert. Seine
Verbreitung ist ausserordentlich und bedeutend grösser als die
der Conglomerate, Mergel und Tegel, und die Höhe bis zu welcher
er sich hinauf zieht, übersteigt das Nivean der Mergel und Conglo-
merate um 1000".
Ganz dasselbe sieht man im Becken des Ennsthales. Die Mergel
und Sandsteine, ferner die Tegel mit Braunkohlen nehmen nur die
tiefsten Stellen des Beckens ein, die Conglomerate am Grimming
steigen um 500’ höher, und den Schotter findet man bis zu einer
Meereshöhe von 3600’. Es folgt daraus, dass der Schotter unter
einem viel höheren Niveau des Wassers abgelagert werden musste,
als die Conglomerat-Mergel und Tegel. Denn nähme man einen
gleich hohen Wasserstand für die Bildung der Tegel, Mergel und
Schotter an, so müsste man die Mergel gleichmässig, wie im Wiener
Becken es der Fall ist, überall und allgemein verbreitet finden, an
allen Stellen, wo der Schotter abgelagert, was aber nicht der Fall
ist. Daher haben wir für die drei Bildungen des neogenen Meeres
drei verschiedene Wasserstände anzunehmen. Combinirt
man diese Folgerungen mit den vorangehenden, so hat man zu
Anfang der neogenen Ablagerungen ein ruhiges nicht sehr
tiefes Meer, späterhin einbewegtes Meer mit einem höheren
Wasserstande, und endlich ein stürmisches, strömendes
Meer, mit dem höchsten Wasserstande.
Wir haben ferner gesehen, dass die Korallenbänke des tertiären
Meeres, der Leithakalk nämlich, 900’ an Mächtigkeit besitzen. Dies
eben gibt den Fingerzeig, da die Korallen in einer Tiefe von 900’
unter der Meeres-Oberfläche nicht leben können, dass entweder
allmähliche oder von Zeit zu Zeit auf einander folgende Senkungen des
Bodens im tertiären Meere stattfinden mussten. Folglich ist es wahr-
scheinlich, dass die drei im obigen nachgewiesenen auf einander
folgenden Wasserstände als Folge von drei auf einander folgenden
Senkungen des Bodens zu betrachten sind.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl, XVI. Bd. II. Hft. 34
526 Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
Die Leithakalke entsprechen als Äquivalente nur der Tegel-
bildung, sowohl der unteren als der oberen. Es lässt sich daher
vermittelst des Leithakalkes das Sinken des Bodens nur während der
Tegelbildung nachweisen. Man weis aber dass die Conglomerate
zwischen Vöslau, Pottenstein und Wöllersdorf die Lignitablagerun-
gen dieser Gegend bedecken. Der Tegel mit den Ligniten lagert
aber unmittelbar auf dem Dolomit und nicht auf Conglomeraten einer
vorangehenden Bildung, so folgt daraus, dass nach der Abla-
gerung der Lignite erst und nicht früher ein höheres
Niveau des Meeres zu herrschen anfing, welches an den Kalkwänden
dieser Gegenden anprallen, sie zum Theile zerstören und das Con-
glomerat bilden konnte. Dass aber das Niveau der Conglomerate mit
dem des Schotters in den Alpen nicht gleich war, lässt sich dadurch
nachweisen, dass, da der Schotter viel höher steigt als die Conglome-
rate, auch der ihm entsprechende Wasserspiegel höher stehen musste,
mithin wären alle die Wände, die das Material zur Conglomerat-
bildung lieferten, tief unter die Grenze der Ebbe und Fluth zu liegen _
gekommen oder die Bildung der Conglomerate wäre eine unmögliche
gewesen.
Die verschiedene Mächtigkeit der drei verschiedenen Ab-
lagerungen der Neogen-Formation spricht dafür, dass die Zeiten
der Dauer der drei verschiedenen auf einander folgenden Niveaus
verschieden waren. Die kürzeste Epoche war die des letzten höchsten
Wasserstandes, in welcher sich der Schotter ausserhalb und in den
Alpen bilden konnte. Eben so lange oder länger dauerte die Epoche
der Sand- und Conglomerat-Bildung; die längste war die Epoche der
Tegelbildung. | |
Auffallend ist der Unterschied zwischen der oberen und unteren
Tegelbildung, in dem die letztere eine rein marine Bildung ist, -
während der obere Tegel mehr brakischen und süssen Gewässern
seine Entstehung verdankt. Gewiss ist es, dass der obere Süsswasser-
Tegel mit einer marinen Bildung, dem jüngeren Leithakalk, in einem
und demselben Becken gleichzeitig gebildet ist. Folglich lässt sich
nieht annehmen, dass das Wasser des tertiären Meeres zur Zeit der
Ablagerung des oberen Tegels in allen seinen Theilen brakisch oder
gar süss war, es ist vielmehr wahrscheinlich, dass sich grössere
Süsswasser-Ströme in das Meer des oberen Tegels ergossen, und
den marinen Charakter desselben stellenweise zum Theil oder ganz
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. 92%
verändert haben. Für die Annahme von Süsswasser- Strömen zur
wesentlichen Veränderung des Charakters der oberen Tegelbildung
spricht insbesondere die Ablagerung des Lignits.
Auffallend ist jedenfalls der Mangel an Congerien-Schichten und
Leithakalken im oberen Donau-Becken und dieser Umstand, wenn er
richtig zu deuten ist, kann zur Erklärung der Süsswasser - Epoche
in der Tegelbildung dienen. Der Mangel an Leithakalk an Korallen-
bänken im tertiären Meere des oberen Donau-Beckens lässt sich nur
dadurch erklären, dass hier die nothwendige Bedingniss, das Sinken
des Bodens nicht stattfand ; die Strömungen des offenen salzigen
Meeres und steile Küsten waren während der unteren Tegelbildung
gewiss vorhanden.
Dadurch nun, dass der Boden des oberen Donau-Beckens dem
Einsinken nicht unterworfen war, wurde dieses Becken bis zu einer
gewissen Höhe mit den Ablagerungen des unteren Tegels ausgefüllt.
Das immer und immer weniger werdende Meereswasser wurde end-
lich durch die vielen kleinen Zuflüsse aus den umgehenden Gebirgen
sanz süss. Das nunmehr süsse Wasser des oberen Donau-Beckens
musste bei dem langsamen Sinken des Wiener Beckens in dieses
letztere abfliessen. Dieses und das vom offenen Meere gleichzeitig
zufliessende Salzwasser mögen den Zustand der Dinge hervor-
gebracht haben, der zur Ablagerung des oberen Tegels und sei-
nes Äquivalentes, des jüngeren Leithakalkes, nothwendig war. Für
diese Erklärung spricht das häufige Auftreten der Congerien-Schich-
ten zwischen Wien, Brunn und Bruck am Leithagebirge, gerade der
Einsenkung zwischen dem Kahlenberge und Bisamberge gegenüber, wo
die Communication zwischen dem Wiener Becken und dem oberen
Donau-Becken schon zu dieser Zeit gewiss hergestellt war. Ganz
analog ist das Vorkommen der Congerien bei Gaja, nördlich bei
Göding, in Verbindung mit den Leithakalken, bei Nikolisburg und süd-
lich. Nimmt man alle diese Thatsachen über das Auftreten des Con-
gerien-Tegels zusammen, so muss man es eingestehen, dass sie zur
Erklärung dieser Erscheinung nicht hinreichen und die Beantwortung
dieser Frage daher noch fernerhin oflen bleiben muss.
C, Niveau-Verhältnisse der Alpen zur Neogen-Zeit.
Wir haben gesehen, dass die unteren Schichten im Becken des
Lavantthales um 1000’ höher liegen, als die gleichzeitigen bei Baden.
| 34*
528 Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
Es lässt sich kaum annehmen, dass sie beide in ihrer jetzigen Lage
zur Zeit ihrer Ablagerungen sich befunden haben; denn der ihnen
gemeinschaftliche Wasserspiegel müsste wenigstens 1200’ über den
Schichten bei Baden und 1000’ über den Leithakalken gestanden
haben. Daraus folgt, dass die Ablagerungen des Lavantthales gehoben
worden, d. h. die Terrainsverhältnisse der Alpen der Jetztzeit sind
ganz verschieden von denen der tertiären Periode. Es haben, wie wir
schon Thatsachen mitzutheilen Gelegenheit hatten, seit der tertiären
Periode bedeutende Hebungen in den Alpen stattgefunden.
Wir müssen daher von den nach -tertiären Hebungen abstra-
-hiren und denken uns das Becken des Lavantthales gleich hoch mit
dem Wiener Becken und der steierischen Bucht gestellt; theils
über Marburg, St. Lorenzen und Hohenmauthen (südlich an der
Makenberger Spalte), theils über Windischgratz und Lavamünd mit
dem offenen Meere des ungrischen Beckens in Verbindung. Die
Höhen Glockner und Venediger mögen 10.000’ über der damaligen
Meeresfläche sich erhoben haben.
Es fragt sich nun, wie weit reichte das Meer der Tegelbildung
in die Alpen?
Da wir im Becken des Lavantthales mitten in den Alpen wirkliche
Meeres-Versteinerungen finden, so ist es einerseits gewiss, dass hier
ein salziges Meer herrschen musste; anderseits beweist dieser Um-
stand, da sich an anderen Stellen der Alpen bis jetzt keine marinen
Versteinerungen vorfanden, wo sie sich eben so gut wie im Lavant-
thale entwickeln konnten, dass das salzige tertiäre Meer der Tegel-
bildung in die übrigen Theile der Alpen nicht hineinreichte. Was
daher mit dieser Bildung des unteren Tegels in den übrigen Theilen
der Alpen gleichzeitig abgelagert worden war, verdankt seine Ent-
stehung nur süssen Gewässern einzelner nicht zusammenhängender
Becken. Für diese Annahme spricht auch die Lagerung der einzelnen
Braunkohlen - Mulden im Gebiete der nordöstlichen Alpen, da sich
keine gemeinschaftliche Reihenfolge der Schichten für alle zusammen
aufsteilen lässt, und es scheint, dass sich die Schichten in jeder ein-
zelnen Mulde ganz unabhängig von den andern abgelagert haben.
Das Einsinken des Bodens im Wiener Becken pflanzte sich
durch die Einsenkung der Mur und Mürz bis in das Judenburger
Becken fort, so dass endlich das salzige Wasser des Lavantthales
das Torflager von Fohnsdorf überschwemmen und mit neueren dem
> 5
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. 529
oberen Tegel parallelen Ablagerungen überdecken und die zur
Existenz der Congerien nothwendigen Bedingnisse herzustellen ver-
mochte. In diese Zeit sind die Lignit-Ablagerungen wie auch wahr-
scheinlich die erste Überschwemmung des Beckens von Klagenfurt
zu versetzen.
Zur Zeit des höheren Niveaus des Meeres, unter welchem in
offenem Meere die Ablagerung des Sandes erfolgte, mussten sich die
Alpen im betrachteten Gebiete um ein beträchtliches senken;
dadurch war dasMeer gezwungen, sich in das Innere der Alpenthäler
tiefer hinein zu ziehen, als dies bis dahin der Fall war, dieselben
auszufüllen und darin die Ablagerungen der Conglomerate und grober
Sandsteine, wie im Ennsthale, bei Leoben, Judenburg, Ob-Wölz, in
Lungau und südlich von Klagenfurt, abzulagern. Zu dieser Zeit
möge der Glockner und Venediger 8— 9000’ über der damaligen
Meeresfläche sich erhoben haben.
Nach der Ablagerung des Sandes folgte eine abermalige Sen-
kung der nordöstlichen Alpen.
Es war dem Meere gestattet, in alle einzelnen Thäler der Alpen
vorzudringen und in den jetzigen Alpengegenden eine Inselwelt zu
bilden, die nur mit dem jetzigen Norwegen eine Ähnlichkeit besitzt.
Die Höhen Glockner und Venediger mochten 6000 — 6500’ Meeres-
höhe besitzen. Diesem Niveau des tertiären Meeres haben die Schot-
ter-Ablagerungen , deren Verbreitung !) wir bis in die innersten
Thäler der Alpen verfolgten, ihre Entstehung zu verdanken.
Dass der Schotter nicht aus grossen Flüssen abgelagert wurde,
lässt sieh mit Sicherheit nachweisen. Vor Allem müssen hier die Vor-
kommnisse des Schotters auf Wasserscheiden hervorgehoben werden.
Auf dem Iselberge, der Wasserscheide zwischen der Drau und Möll
östlich von Lienz, ist der Schotter in 3684 Meereshöhe abgelagert.
Lienz liegt 2057 hoch im Drauthale, und die Möllbrücke nördlich
von Lainach 2466’ hoch über dem Meere. Folglich musste der Fluss,
welcher den Schotter des Iselsberges abgelagert hatte, im Drauthale
wenigstens 1627 und im Möllthale wenigstens 1218 tief gewesen
sein, wenn man die später erfolgte Ausfüllung des Thales gar nicht
in Rechnung zieht. Lässt man dieses noch als möglich zu, so wird
man einsehen, dass der 1218 tiefe Möllfluss auch zur Zeit der
1) Seite 516, 517, 518.
530 Stu r. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
Schotter-Ablagerung nur aus dem jetzigen Wassergebiete des oberen
Möllthales sein Wasser besitzen konnte, und es lässt sich kaum
annehmen, dass zu dieser Zeit dieselbe Gegend 1000mal mehr
Wasser liefern konnte, als sie es jetzt im Stande ist. Dass hier
nirgends Thalsperren zur Bildung von einzelnen Seen Gelegenheit
geben konnten, ist klar, indem man im ganzen Verlaufe der Drau 2B
von Silian bis Klagenfurt keine Spur von einer solchen findet. Und
dort wo sie wirklich vorhanden waren, wie zum Beispiel in Lungau,
an der Stelle der Spalte südlich von Tamsweg, liegen die Schotter
hoch oben über der Thalsperre und überschreiten dieselbe. Ganz das
letztere ist der Fall an der Drau zwischen Lavamünd und Marburg.
Und wenn man diese Beobachtungen alle als zu wenig Geltung
besitzend verwerfen würde, so sind doch noch wichtigere vorhan-
den, deren Beiseitelegung wohl nicht angeht. Das Wasser des Möll-
flusses musste mit dem des Drauflusses zur Zeit der Schotter-
Ablagerung in Communication stehen, weil nicht nur die Wasser-
scheide selbst, sondern auch höher gelegene Punkte am Iselberge
mit demselben Schotter bedeckt sind. Eben so musste der grosse
tertiäre Fluss des Gailthales mit dem des oberen Drauthales ecommu-
nieiren, weil man auf der Wasserscheide zwischen dem Gailthale und
der Drau westlich von Tilliach 142’ hoch über dem tiefsten Punkte
der Wasserscheide noch die Schotter-Ablagerungen findet. Ebenso
musste der Fluss des Tefferecken-Thales mit dem Fluss von Artholz,
der Salza-Fluss mit dem im Zillerthale und dem im Ennsthale, der
des Ennsthales mit dem des Windisch-Garstner Thales und mit dem
des Murthales, der Mur-Fluss mit dem Drauflusse, und dieser mit
dem offenen Meere, zur Zeit der Ablagerung des Schotters im
Zusammenhange gewesen sein, indem man in allen diesen Gegenden
gerade auf den Wasserscheiden die Schotter-Ablagerungen findet.
Aber ein solches Flusssystem, wo die Spiegel aller Flüsse einen und
denselben Spiegel bilden, kann nur ein allgemein verbreiteter See
gewesen sein.
Nach kurzer Dauer der Ablagerung des Schotters aus diesem
Meere folgte endlich die letzte Hebung der Alpen und des sie um-
gebenden Continentes, nach welcher die Alpen ihre jetzige Höhe
und Gestalt erhielten.
Die Grösse der Senkungen und der letzten Hebung der Alpen
und des sie umgebenden Continentes zu berechnen ist eine Unmög-
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. 31
lichkeit. Hätte man es blos mit einer Continental-Hebung und Sen-
kung zu thun, so wäre die Aufgabe möglich. Wir haben aber gezeigt,
dass während das Klagenfurter Becken, das blos mit den jüngeren
Ablagerungen ausgefüllt ist, nahezu gleich hoch liegt mit dem
Wiener Becken: das dazwischen gelegene mit dem Wiener Becken
gleich alte Becken des Lavantthales über beiden nahezu um 1000
Fuss höher gehoben ist. Das Becken des oberen Lavantthales,
in welchem man dieselben Ablagerungen findet, wie im unteren,
liegt um 5—600’ höher über dem letzteren. Das heisst: die Grösse
der letzten Hebung der Alpen ist an verschiedenen Orten eine
verschiedene.
Wenn man die Vorkommnisse der Schotter-Ablagerungen im
Innern der Alpen in Bezug auf ihre jetzige Meereshöhe mit ein-
ander vergleicht, so gelangt man zu demselben Resultate. Fasst man
‚aber insbesondere nur solehe Punkte ins Auge, die in den verschiede-
nen Gegenden die höchsten Vorkommnisse des Schotters darstellen,
so gewinnt man die Überzeugung, dass die Grösse der Hebung der
Alpen in dem Verhältnisse wächst, als man sie von den Rändern der
Alpen in das Innere derselben, und von Ost gegen West verfolgt.
Um einen beiläufigen Werth für die Senkungen und die Hebung
angeben zu können, glaube ich die Verhältnisse im Ennsthale als nor-
mal annehmen zu können; indem hier die Verschiedenheiten in der
Grösse der letzten Hebung nur sehr gering zu sein scheinen. Darnach
würde die Grösse der ersten Senkung (nach der Ablagerung des
Tegels) 500’ und die der zweiten Senkung (nach der Ablagerung
des Sandes, der Sandsteine und Conglomerate) 1000’ und die der
letzten Hebung der Alpen (nach der Ablagerung des Schotters in und
um die Alpen) 3600’ betragen. Mit Bestimmtheit lässt sich sagen,
dass der Glockner zur Zeit der Ablagerung des Schotters bis zu der
jetzigen Meereshöhe von 5300—5400’ vom Merre bedeckt war,
also 6500’ Meereshöhe besass; was als beiläufiger Massstab für die
Beurtheilung der Höhen des übrigen festen Landes dieser Epoche
dienen mag. |
- D. Die Folgen der zwei Senkungen und der letzten Hebung.
Schon in der ersten Epoche der neogenen Formation zur Zeit
der Tegel-Ablagerung scheint das langsame Sinken des Bodens end-
lich die gänzliche Veränderung der Fauna hervorgerufen zu haben. Eine
532 Stur. Über die Ablagerungen desNeogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
Senkung deren Werth wir auf 500’ angegeben haben, musste jeden-
falls noch grössere Veränderungen hervorbringen. Man findet in der
That in dem oberen Sande keine Spur mehr von den vielen Meeres-
thieren, die dietertiären Becken zur Zeit der Tegel-Ablagerung bewohn-
ten; man-findet nur in den untersten Schichten desselben Überreste
von Säugethieren, die ihren Untergang eben dem plötzlich veränder-
ten Meeres-Niveau zu verdanken haben. Die durch die plötzliche
Einsenkung des Bodens der Alpen entstandene Tiefe musste vom Meere
_ ausgefüllt werden und es mussten Bewegungen des Meeres entstehen,
die aus der Ferne den feineren Sand mitführen und ihn nach ent-
standenemGleichgewichte ablagern konnten. Die lebhaftere Bewegung
des Meeres und das erhöhte Niveau desselben konnten leicht die
Ablagerung der Conglomerate ausserhalb und innerhalb der Alpen
bewirken. Auch die üppigeFloraan den Rändern desMeeres wurde bis
zu eine Höhe, wohin das Meer reichen konnte, zerstört und wir finden
in den groben Sandsteinen der Conglomerate im Ennsthale und im
Becken von Lungau die Blattabdrücke und verkohlte Stücke derselben.
Die zweiteEinsenkung, deren Grösse wir muthmasslich auf 1000’
angegeben haben, musste noch viel schrecklichere Folgen nach sich
ziehen. Man kann sich leicht vorstellen, mit welcher Gewalt die Was-
sermassen des tertiären Meeres in die entstandenen 1000’ messende
Vertiefung hinein stürzten und dass sie die Thäler der Alpen in ihre
innersten Winkelausfüllten. Auf diesem Wege wühlten sie die tertiären
Ablagerungen insbesondere den Sand auf, und bildeten in den Alpen
den ersten Anfang zur Schotter-Ablagerung. Um das Gleichgewicht
herzustellen, entstanden starke Strömungen in allen benachbarten und
entfernteren tertiären Meeren. Diese Strömungen wälzten Massen
von abgelösten Gebirgsgesteinen ihrer Gegenden mit sich, rollten
dieselben ab und führten sie, die Fremdlinge ?), in das betrachtete
Gebiet, füllten damit alle entstandenen Vertiefungen aus und lagerten
dieselben, gleich einer, die älteren neogenen Ablagerungen überla-
gernden Decke, ohne aller Schichtung ab. Alle die üppige Vegetation,
dessen Überreste Professor Unger in der Parschluger Ablagerung
aufbewahrt fand, musste zu Grunde gehen, und es konnten sich nur
Pflanzen, die in dem unbedeckten Theile des Glockners und des übri-
gen Festlandes sich aufhielten, erhalten haben.
1) J. Czjzek, Erläut. der k. k. geol. Reichsanstalt von Wien. Seite 18.
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. 533
Endlich kam die letzte Hebung, sie befreite die Alpen von dem
sie umgebenden Wassermantel; die Spaltenbildung ist mit ihr Hand
in Hand gegangen. Mit eben der Raschheit mussten die Gewässer
abziehen, mit welcher sie in die Alpen eindrangen. Sie wühlten den
Boden besonders an den Stellen, wo auch die tertiären Ablagerungen
durch die Spaltenbildung aufgelockert waren, auf, und führten das
Material mit sich, um es in anderen Gegenden als Diluvial-Schotter
und Lehm abzulagern. Nun folgten aber auch die Entleerungen der
Wassermassen, diein den verschiedenen Alpenthälern zurückgeblieben
und mitgehoben worden waren. Aus einigen Becken, wo nämlich der .
Ausgang durch die ungleichen Hebungen nicht versperrt worden war,
konnten die Wassermassen zugleich mit dem grossen allgemeinen
Zurückweichen des Meeres sich entleeren. Aus anderen Becken konnte
dies langsamer nur durch die entstandenen Spalten erfolgen. Noch
andere Becken mussten sich durch Erosion Bahn brechen !). Diese
entweichenden Gewässer der alpinen Becken führten theils das auf-
gewühlte Gerölle der Becken, theils die Bruchstücke, die durch Spren-
gung der Spalten entstanden waren, lagerten sie, den jetzigen Wild-
strömen gleich, in der Form von ausserordentlich niederen und ver-
längerten, folglich horizontale Flächen bildenden Schuttkegeln”) in
den durch das Entweichen der Gewässer des offenen Meeres entstan-
denen und gewöhnlich an den Spalten einmündenden tieferen Rissen
ganz eben ab. Nachdem die erste Wuth dieser Gewässer nachgelas-
sen, konnte sich das nachfliessende Wasser in die Ablagerungsfläche
der eben erst gebildeten Diluvial-Schuttkegel tiefer einfressen, das
aufgewühlte Material des Schuttkegels weiter abwärts führen und so
die Terrassenform dieser Ablagerung erzeugen. Durch manche Spalte
und längs manchem Thale suchten die Gewässer mehrerer durch-
gebrochenen Seen hinter einander ihren Ausweg und konnten ganz auf
dieselbe Weise mehrere unter einander folgende Terrassen erzeugen.
Der grossen Hebung der Alpen folgte die langsame Hebung des
Sanzen Continentes. Während dieser Zeit mussten die Ablagerungen
des Löss, der erratischen Blöcke und der Moränen erfolgen, in deren
. nähere Auseinandersetzung hier nicht eingegangen werden kann,
indem diese Gebilde über die ganzen Alpen verbreitet, im betrachteten
1) Dr. Stur. Jahrb. d. k.k.geolog. Reichsanstalt, V, 851, Taf. VI,
2) S. Seite 521—524.
53% Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
Gebiete aber jedenfalls zu wenig entwickelt sind, als dass man die
Erklärung nicht erst von einer allgemeinen, ihre ganze Verbreitung
betrachtenden Arbeit erwarten sollte.
E. Die alten Spaltenrichtungen.
Wir haben im Früheren 1) über die nach-tertiären Spalten gespro-
chen, deren Entstehung ausser Zweifel in die Zeit der letzten Hebung
der Alpen zu versetzen ist. Die Richtungen, nach welchen sie vor-
zugsweise entstanden sind, haben wir ebenfalls angegeben, als:
W., N. 45° in W., und N. 45° in O.
Aus der Stellung der Mergelschichten bei Tamsweg und im
Ennsthale, gerade senkrecht auf die dortigen Spalten, liesse sich
annehmen, dass die nach N. gerichteten Spalten zuerst entstanden
waren und die Bildung der nach W. streichenden unmittelbar folgte.
Diese Richtungen walten aber auch bei allen älteren Spalten
der Alpen vor; nach ihnen haben einzig und allein die Formationen
ihre Be&renzungen angenommen. So finden wir in der Einsenkung
der Mur und Mürz die tertiären Gebilde abgelagert. Von West nach
Ost läuft die Grenze zwischen den tertiären Ablagerungen und dem
Wiener Sandstein im oberen Donäu-Becken. Gerade in W. schneidet
der Wiener Sandstein am Alpenkalk ab; die Grenze zwischen dem
Alpenkalk und der Grauwacke hat im Allgemeinen dieselbe Richtung
und ist aus den Richtungen N. 45° in W, und N. 45° in O. zusammen-
gesetzt. Dieselbe Beschaffenheit zeigt die Grenze zwischen der Grau-
wacke und dem krystallinischen Gebirge. Ja die Längenaxen der
Centralgneiss-Massen liegen ebenfalls in den Richtungen N. 45° W.,
und N. 45° in O.
Fasst man alles dies zusammen, so scheint die ursprüngliche
Kruste der Erde im Gebiete der Alpen schon nach den Richtungen
W.,N. 45° in W., N,, N. 45° in O., in unregelmässige, aber nach
diesen Richtungen begrenzte, tafelförmige Stücke zersprungen zu
sein, und obwohl diese Sprünge immer wieder frisch ausgefüllt und
ausgeglichen wurden, so hat sich doch jede folgende Erschütterung,
Senkung oder Hebung der Alpen immer wieder an diesen Stellen
und in diesen Richtungen am stärksten kundgegeben und bemerklich
gemacht. Und nur in dieser Art sind auch die jüngsten Spalten der
Alpen aufzufassen.
1) $, Seite 527.
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. 535
"In Bezug auf das Alter der Entstehung der vielen tiefen Seen,
die man in den Kalkalpen antrifft, kann ich nichts als einige Fragen
aufstellen und die Beantwortung derselben sowohl als die Re
dieser Erscheinung offen lassen.
Ist die Entstehung dieser Seen gleichzeitig oder jünger als die
der nach-tertiären Spalten der Alpen?
Wenn ihre Bildung gleichzeitig ist, warum ist der Traunsee
nicht von dem Diluvium, welches aus den Gegenden von Hallstatt,
Aussee, Gosau und Ischl gerade die Richtung über den Traunsee
einschlagen musste, um auf die Welser Haide zu gelangen, warum
. frage ich, ist der Traunsee von demselben nicht ausgefüllt worden?
Oder ist der Traunsee als die Mündung eines unterirdischen
Canals zu betrachten, durch welchen sich die Gewässer benach-
barter abgesperrter, tertiärer Wasserbecken entleerten, die Ausfüllung
des Sees verhinderten und die Beförderung des Materials zur Bildung
von Diluvial-Ablagerungen der Welser Haide vermittelten ?
F, Die Entwiekelungsgeschichte der betrachteten Gebilde im ‚Gebiete
der niederösterreichischen Alpen.
Nachdem eine mechanisch zerstörende Kraft von ungeheuerer
Wirkung nach der Ablagerung der Kreide und der eocenen Gebilde ?)
die bisher nur wenig gestörte Ordnung der Dinge, die regelmässige
Übereinanderfolge der älteren Formationen durch einander geworfen,
das Jüngste unter das Älteste gelagert, kurz, die ‚fächerförmige
Stellung der Schichten und die Querthäler der Alpen erzeugt hatte
— nach dieser grossartigen Umwälzung — folgte die Ablagerung der
tertiären Gebilde in und um die Alpen.
Dieübereinander geworfenen und hoch emporgeschobenen Massen
der so gänzlich veränderten Alpen fingen an langsam zu versinken.
Ein subtropisches Klima gestattete einer üppigen Vegetation ein
schnelles Gedeihen. In den abgesperrten Vertiefungen in den Alpen
sammelten sich die süssen Gewässer der Umgegend und gaben Gele-
genheit zur Bildung von Ablagerungen, die, die untersten Schichten
ausgenommen, einen ganz ruhigen Charakter an sich tragen. Es lager-
ten sich mergelige, lehmige und sandige Schichten ab, wurden in
ihrer Bildung durch das Auftreten und schnelle Gedeihen der Torf-
1) Dr. Stur, Jahrb. d. k.k. geolog. Reichsanstalt, V, 851, Taf. VI,
536 Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
pflanzen auf kurze Zeit aufgehalten, oder ersetzte auch die Torfbil-
dung der Ablagerung anderer Schichten ganz. Die abgefallenen Blätter
und Früchte der am Rande dieser Süsswasser-Seen lebenden Pflanzen
und die Thiere sowohl des süssen Wassers, als auch der Umgegend
wurden durch Winde und angeschwollene Bäche in das Gebiet der
Süsswasser - Becken gebracht und in ihre Ablagerungen begraben.
Während dieser Zeit waren die Alpen an ihren Rändern von salzigen
Gewässern des neogenen Meeres umgeben. Nur in das Lavantthal
konnte das Meer tiefer in die Alpen hineinreichen, und dort wie auch
um die Alpen herum seine Ablagerungen bilden. Es erfolgte die Abla-
gerung des unteren Tegels ganz ruhig. Hin und wieder an den Rän-
dern und unruhigeren Stellen wurde der Tegel durch Sand ersetzt;
doch waltete immer wieder die Bildung des Tegels vor. Bald traten
die Korallen an den vom offenen Meere umgebenen Rändern des
Wiener Beckens und der steierischen Bucht auf und bauten die Bänke
des Leithakalkes. Schon während den ersten Ablagerungen des Tegels
fanden Braunkohlen-Ablagerungen im Lavantthale Statt, und späterhin
bei Thallern, so wie auch die seichten Ränder des Meeres, wo die
einmündenden Flüsse den salzigen Charakter leicht mindern oder
auch gänzlich aufheben konnten, zur Bildung der Torflager, wie bei
Leiding, Schauerleithen, Eibiswald u.s. w., geeignet waren. Endlich
war die Ausfüllung der Becken so weit gediehen, dass nur mehr ein
seichtes Meer herrschte und durch den Zufluss aus den benach-
barten Ländern beinahe ganz süss geworden war. Die fortwährend
langsame Senkung des ungrischen und Wiener Beckens machte
einerseits das Eindringen des süssen Wasserstromes aus dem oberen
Donau- und angrenzenden Becken einerseits, als auch das Eintreten
des salzigen Wassers des offenen Meeres in diese beiden Becken
möglich und verursachte auf diese Weise einen Zustand, der für die Ent-
wickelung der Congerien nothwendig war. Die dadurch verursachte
Strömung konnte das Treibholz mit sich führen und an ruhigeren
Stellen zusammenschwemmen, während die Bäche und Flüsse das
Treibholz entweder den Strömungen zur weiteren Beförderung lie-
ferten, oder dasselbe an seichten Rändern oder in einzelnen kleinen
abgeschlossenen Becken ablagerten. So wie die Flüsse wieder an-
schwellen konnten, lieferten sie abermals Treibholz und förderten die
schiehtenweise auf einander folgende Ablagerung des Materials zur
Bildung der Lignitflötze. Dort wo die Strömmungen stärker waren,
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. 37
wurden die Lignite in einem dem Congerien-Tegel gleich alten Sande
abgelagert. Durch die immerwährende Einsenkung des Bodens des
Wiener Beckens begünstigt, bauten auch während der Ablagerung
des oberen Tegels die Korallen ihre Bänke fort. Die langsame Sen-
kung des Wiener Beckens setzte sich durch die Einsenkung der Mur .
und Mürz bis in das Judenburger Becken fort, so dass dieses auch, in
welchem bis jetzt vorzugsweise eine ausgedehnte Torf-Ablagerung
herrschte, von dem Meere des oberen Tegels überschwemmt werden
konnte. In dieser Zeit scheint auch das Klagenfurter Becken zuerst
überschwemmt worden zu sein, so dass hier die Ablagerung der Lignite
beginnen konnte. In den übrigen abgesperrten Seen wurden mergelige
und lehmige Schichten aus rein süssen Wässern abgelagert.
Nun erfolgte eine Senkung der Alpen und der sie umgebenden
Länder; ihre Grösse mag beiläufig 500’, an vielen Stellen besonders
im Innern der Alpen aber bedeutend mehr betragen haben. Im offe-
nen Meere erfolgte die Ablagerung von vorherrschendem Sand, an
den Rändern des Meeres von Conglomeraten; im Innern der Alpen
wechselte die Bildung von Sand- und Conglomerat-Schichten ab. Die
vielen Meeres- und Süsswasser-Bewohner starben unter dem hohen
Niveau des neuen Meeres ab. Die Korallen mussten ebenfalls abster-
ben. Die in die plötzlich ansteigenden Fluthen gerathenen Landes-
bewohner mussten ebenfalls ihre Existenz einbüssen und wir finden
in den untersten Schichten des Sandes ihre Überreste.
Und kaum dass die Zeichen dieser ersten Verwüstung verwischt
waren, erfolgte abermals eine weit mächtigere Senkung der Alpen und
ihrer Umgebung. Mit grosser Wuth stürzten die angrenzenden Fluthen
in dasInnere der Alpen und füllten die einzelnen Thäler aus. Eben so
eilten in starken Strömungen die Gewässer der angrenzenden Meere
herbei, das Gleichgewicht herzustellen. Diesen ausserordentlichen
Bewegungen des Meeres verdankt der Schotter des offenen Meeres
sein Material, welches meist aus entfernteren Gegenden herzurühren
scheint, wie auch die Schotter -Ablagerungen im Innern der Alpen
diesem ersten Eindringen der Fluthen hauptsächlich ihre Entstehung
verdanken. Die ganze üppige Vegetation der unteren subtropischen
Region wurde vernichtet, und nur die in den höheren temperirten Regio-
nen herrschende, unserer jetzigen Ebenen-Flora — wahrscheinlich —
gleichende, konnte auf dem Festlande dieser Epoche erhalten bleiben.
Eben so gingen auch die Landthiere der tertiären Periode zu Grunde,
538 Stur. Über die Ablagerungen des Neogen (Miocen und Pliocen), Diluvium
Endlich wollten die Alpen wieder in ihrer Pracht erscheinen ;
eine, die letzte, Hebung der Alpen erfolgte, gab ihnen ihre jetzige
Form und befreite sie von dem sie bedeckenden Wassermantel.
Schnell, wie es gekommen war, entfernte sich das Meer von den Alpen;
. die im Innern der Alpen befindlichen Becken entleeren sich ihrer
Wassermassen, theils durch schon längst offene, theils durch eben erst
gesprengte Öffnungen und erzeugten die Diluvial-Terrassen, die sich
in den eben — theils durch die Erschütterung der Alpen, theils durch
die Auswaschungen der abziehenden Meere — entstandenen Vertie-
fungen ablagern konnten.
Hierauf erfolgte die Ablagerung des Löss, der erratischen Blöcke
und Moränen. Die üppige Vegetation war gänzlich vernichtet, und
es fehlte auch das warme Klima, um die Entwickelung derselben zu-
zulassen. Diejenige Vegetation, die von dem Niveau des Meeres der
Schotter-Ablagerung nicht erreicht und zerstört worden war, die also
einer höheren Region entsprach, als die eben zu Grunde gerichtete
üppige subtropische konnte nur der jetzigen Vegetation unserer
Länder entsprechen. Schnell verbreitete sich dieselbe von der Höhe,
in welche sie durch die letzte Hebung der Alpen gebracht wurde,
nach abwärts, so wie siean den Stellen, wo sie früher gedieh, jetzt in
weit höhere Regionen gebracht und von dem rauhen, der Gletscher-
bildung huldigenden Klima daran gehindert, in ihrer früheren Üppig-
keit nicht fortkommen konnte, langsam verkrüppelte und so unsere
jetzige Alpen-Flora schuf. Endlich wichen auch die Gletscher zurück
und die Alpen und ihre Umgebung nahmen ihre jetzige Gestaltung
an, um den Menschen aufzunehmen.
Von der ältesten Periode bis zur erfolgten Ablagerung der eoce-
nen Gebilde herab, fand in den Alpen und ihrer Umgebung ein Wach-
sen des Continentes Statt. Dieses Wachsthum hatte eben durch die
mechanisch zerstörende Kraft ihr Maximum an Höhe und Ausdehnung
erreicht. Nun folgte während der neogenen Formation ein theils
beständiges, theils rückweises Sinken und Verschwinden des Conti-
nentes unter den Meeres-Fluthen, bis zur Ablagerung des Schotters.
Dann folgte wieder das Entgegengesetzte: die letzte plötzliche
Hebung der Alpen, begleitet von einer langsamen Erhebung und
Erscheinung des Continentes während der Diluvial-Periode. Endlich
kam der Mensch, um die letzten Spuren dieser langsamen Hebung
zu beobachten.
und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung. 539
Diese Bewegungen des Continentes der Alpen liessen sich fol-
gendermassen graphisch darstellen :
so
ID m
1 | 234567 8
. Wachsthum des Continentes von den ältesten Perioden bis zur
Ablagerung des Eocen.
. DieErhebung der Alpen durch die mechanisch zerstörende Kraft,
dem Anfange der neogenen Ablagerungen.
. Langsames Sinken der Alpen während der Ablagerung des
Tegels.
. Plötzliche Senkung vor der Ablagerung des Sandes.
. Plötzliche Senkung vor der Ablagerung des Schotters.
. Letzte Hebung der Alpen nach der Ablagerung des Schotters.
. und 8. Langsames Wachsthum des Continentes während des
Diluviums und der Jetztzeit.
Er r i
ya
540 | Oeltzen.
Vortrag.
Eigene Bewegungen von Fixsternen, abgeleitet aus der Ver-
gleichung der Histoire celeste mit den Argelander’schen
nördlichen Zonen.
Von Wilhelm Oeltzen,
Assistenten der k. k. Sternwarte zu Wien.
Die bis jetzt bekannten eigenen Bewegungen der Fixsterne sind
entweder zufällig aufgefunden, wenn Sternörter verschiedener Epo-
chen behufs anderer Untersuchungen auf ein und dieselbe Lage der
Fundamentalebenen zurückgeführt wurden, oder durch eine absicht-
lich zu diesem Zwecke unternommene Vergleichung eines Fixstern-
kataloges mit einem andern von entlegener Epoche. Vornehmlich
sind dazu diejenigen Kataloge benützt, in denen jede einzelne Posi-
tion das Resultat wiederholter Messungen ist, die daher im Allge-
meinen eine grössere Genauigkeit darbieten, als die aus Zonen-
Beobachtungen abgeleiteten, meist nur einmalige Bestimmungen ent-
haltenden Kataloge. Dennoch ist zu erwarten, dass auch die Ver-
gleichung zweier solcher Beobachtungsreihen die Liste der beweg-
lichen Sterne vergrössern wird. In diesem Sinne habe ich versucht,
die Beobachtungen der Histoire celeste frangaise mit den nördlichen
Zonen-Beobachtungen von Argeland er zuvergleichen und zunächst
alle diejenigen Sterne ausgewählt, welche sich ausserdem nicht weiter
beobachtet finden.
Die Reduction von 1800 auf 1842 ist nach den Formeln
En + nn sin a tg © für Reetascension
und 42n cos « für Deelination berechnet, wo «und ö für die Mitte der
beiden Epochen gilt, und
SR 20 894,19 2 —1:74943, Ig 42 — 2-92583 ist.
Das nachfolgende Verzeichniss von etwa 1700 Sternen enthält
die Grösse nach Argelander’s Angabe, dann die mit.den obigen
Formeln auf 1842-0 redueirten Lala nde’schen Sternörter. Ferner
die Differenzen, welche hervorgehen, wenn diese redueirten Örter
von den Angaben des Argelander’schen Zonen-Kataloges subtrahirt
. Sur 2 [8]
Eigene Bewegungen von Fixsternen. 5Al
werden und endlich die Numer des Lalande’schen Kataloges. Bei
mehrfachen Beobachtungen desselben Sternes ist das Mittel aus
allen genommen.
Die als Unterschiede der beiden Kataloge zum Vorschein kom-
menden Werthe sind als eigene Bewegung in dem Zeitraume von
etwa +4 50 Jahren anzusehen, insofern man die Beobachtungen selbst
und die Präcessionsconstanten als fehlerfrei voraussetzt. In den
meisten Fällen grösserer Unterschiede wird es einer neueren Bestim-
mung bedürfen, um das Vorhandensein einer Bewegung oder eines
Fehlers zu constatiren. Einige der grösseren Bewegungen haben
sich durch Bestimmungen am hiesigen Meridiankreise vollkommen
bestätigt.
Was die kleineren Unterschiede betrifft, so habe ich eine Anzahl
von Declinationsdifferenzen mit Weglassung aller 10'0 übersteigen-
den, als nur von den unvermeidlichen Beobachtungsfehlern herrührend,
behandelt und aus der Summe der Quadrate die wahrscheinliche Dif-
ferenz zwischen einer Lalande’schen und Argelander’schen
Declination gefunden:
aus 150 Sternen von 0" 0” bis 1? 19” = 0:6749 -_— — 2'468,
a, re — 0119 />> — 2'591,
a 1 „1 1Br = 06749 7° — 278398
aus allen 450 Sternen = 2'657. |
Der wahrscheinliche Unterschied ergibt sich aber auch aus der
Combination der den beiden Beobachtungsreihen zugehörenden wahr-
scheinlichen Fehler.
Der wahrscheinliche Fehler einer Lalande’schen Deeclination
ist von Lindhagen (Astron. Nachr., Bd. 28, S. 136) — 2'017
gefunden, wobei 15'0 als Grenze genommen war, von Fedorenko
(Positions moyennes etc. pag. XXIIL) mit der Grenze von 10'0 =
1'917. Argelander gibt den wahrscheinlichen Fehler einer Decli-
nation — 1'030 an. Mit dem Werthe 1'917 findet sich nun der
wahrscheinliche Fehler eines Unterschiedes zwischen einerLalande’-
schen und Argelander’schen Deelinatiion = V 1: 917: —+ 1:030?
— 2'176, also entschieden kleiner, als die oben gefundenen Werthe,
so dass diesen noch andere Ursachen zu Grunde liegen müssen als
die reinen Beobachtungsfehler,
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVI. Bd. II. H£t. 35
542 | Oeltzen.
Gr. Lal. AR. 1842. Lal. Decl. 1842. A,a A& Lal. N0:
ee Va en al —— ft m mt ee a
770.08 502 45° 48' 49'2 + 0:87 a re
8 0 1371 49 21 59-8 + 045 —...3»0, 47928
9 1 30-49 61 A2 25-3 — 0:08 — 05 47367
8 1 40-10 50 32 36-9 + 0:74 + 0:6 47370
ri 2 13-99 N a + 0:77 2
81 2 34-89 5017 587 + 0:26 ah 15
74 2% 36-99 56 5 35-9 + 0:98 zuries 18
7 3 29-16 56 23 33-3 — 0:54 — le 45
71 4 27-1% 56 20 51-3 + 0:47 + a1 80
7a 4 A486 67 17 39-8 ON) = ars 93
71 4 49-35 614 9 450 + 1:05 — 0% 97
8 5 8-54 67 10 49-7 — 0.45 + 2-8 112
8 5 45-18 59 50 29-7 + 0:23 — 06 136
8 6 4534 59 53 576 + 0:67 en 173
7 7 3014 oO 7 20-0 + 0-61 + 01 199
8 8 41-59 56 1 579 + 0-13 er) 233
8 8 53-47 34 6 89 + 0411 +.,2%-7 239
7 9 49-69 5 20: 11-7 + 0:52 + 0% 273
8 9 50-25 531 32 18-5 + 0:43 —.68 2374
71 9 59-48 61 19 31-9 — 0:07 —_ 2.085 277
8 10 10-76 67 37 16-0 — 0:38 eo 284
71 10 13-66 52.2 590 + 0:72 a aß 287
8 10 18:90 67 32 39-9 — 0:80 N 289
8 10 33-85 51 17 49-2 — 0:09 no) 302
7 10 A404 58 49 44:6 + 0:34 en 307
81 11 26-20 49 523 24-8 + 0:89 NN. 326
7 11 36-99 67 353 112 — 019 — 44 3323
9 11 53-85 49 AT 377 + 11% + 0:8 384
7 12 33-55 415 36 31°6 0 + 00 370
9 12 37-49 43 38 50-6 — 0:05 er 371
81 13 1071 415 26 39-3 + 044 ce 394
8 13 19-52 57 5 33-5 + 0:86 — 6:9 398
61 14 45-18 59 21 33-5 2:82 00.58 806 422
7 15 19-20 oO 5 242 0:84 I 437
81 15 22-58 69 5 39-9 022 — 09 438
7 15 38-83 59 34 35-7 ln ne bir 450
7 15 42:65 52 56 56-9 + 1:05 — he 456
81 17 2114 438 46 A8-4 + 0:20 + ..3-3 511
7 17 31-68 54 36 52-2 + 0:65 LEADER 517
81 17 AA BA 48 30 52-0 + 0:26 RT | 528
8 18 27-43 59 47 321 + 0:85 1 550
8 19 28-39 534 22 15-6 + 0:26 SUNNER 586
8 20 0:52 416 531 86 + 0:55 RN | 607
9 20 59-19 532 °9 49-7 le) — 21:3 7,2608
71 21 7-38 66 9 2364: —06 — 55 640
81 21 41-08 25 A 43-8 + 0:07 ul mi 659
7 21 51:76 68 5 15 12-04 — 1909 660
71 2 19 56 11 4-8 RT — 49 667
8 22 13:74 46 39 31-8 + 0-06 +06 678
8 22 21-45 56 29 31-1 — 0:34 ne 684
71 23 18-80 a7 + 0-10 a 726
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8 1 22:84 b5 55 55°8 — 016 — 11 2045
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7 2 246 45 20 32°8 + 073 — 31 2072
a 2 23:25 48 A6 56-0 + 0-48 — 24 2079
Si 2 3414 61 2 35-8 + 0:28 + 08 2081
9 2 37'02 60 56 66 + 0:70 — 60 2083
ri 3..9:8 60 51 47-9 +10°57 + 6% 2110
8 3.3354 56 44 543 — 015 — 31 2125
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Eigene Bewegungen von Fixsternen. 553
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Eigene Bewegungen von Fixsternen. 559
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30984?
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31132
31136
31139
562 Oeltzen.
Gr. Lal. AR. 1842. Lal. Deel. 1842. Ac A Lal. N%-
De u m — ———t m— tr u
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Eigene Bewegungen von Fixsternen.
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Gr. Lal. AR. 1842. Lal. Deel. 1842. Aa
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81 53 29-80 64 6 2% 7 + 0°
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Eigene Bewegungen von Fixsternen. 565
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81 30 18-03 52 13 52-5 +)0-82 = | 0.2 ) 24579)
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=, 34 16-07 172 57 16-4 + 41 — 2:1 34802
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Gr. Lal. AR. 1842.
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Eigene Bewegungen von Fixsternen. 567
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Eigene Bewegungen von Fixsternen. 569
Gr. Lal. AR. 1842. Lal. Decl. 1842. Aa A Lal. NO
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Y; 9 59-26 504,38:; 5-7 40:08 — 30°2 41377
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AR. 12 23-53 46 11 42-8 + 0:34 — 1% 41465
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er 19. 9-07 A6 35 53-3 + 0:28 —ı 4:7 41733
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9 20 16-34 A466 4 21-8 +. 1248 — des 41763
6 21 14-51 AS: 8. 57-4 + 0:93 + 0-8 41797
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74 26 35-23 AT AA 53-3 — 0.21 + 06 42024
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8 30 39-33 59557 54-7 + 0:65 + 261 42177?
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8 33 16-33 45 27 471 +4 0:20 35 42264
3 33 43.07 46 29 104 4 0360, 0 22300
91 35 9-08 48 28 51.2 + 1-51 I 55 42346
T 35 15-94 46 A9 457 + 0:34 —..5'2 42349 f
8 36 2-27 48 34 56-6 — 115 + 87 42378
7 36 643 Ab, 2 52-7 0:00 + 12 42376?
9 36 56-11 74 30 251 — 0°9 — 190 A2AAG
‘9 38 3-88 46 6 38-5 + 0:04 — 28 42438
8 93090 8 2 144 +02 +.09 424897
81 40 27:59 35 1 62 — 0'45 + 74 42517
9 A, 10.04 An 5 30T 0a a2. 2oyrg
81 42 52-22 46 10 13:0 + 0:20 — 1:7 42599
81 43 31:25 "52 40 19-9 + 0:90 — 1'3 42620
9 AA 25:24 73459 18:2 + 0'2 + 19 42682
8 Ak 37:76 13050. 53:7 + 0:3 -— 46 42695
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8 48 10'88 46 15 34-2 0.39 az a
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81 8 56-33 50 22 86 085 Zee RB
81 13 4:79 73 31 194 — 0:89 4-5 43646
81 13 20-67 72 48 507 4046 +. a0 Ba
8 13 38-42 52 521-5 + 0-11 0-3 43637
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9 10 182 73 18 49-8 2075 061° 23685
72 ):,42 17-38 48 24 47-8 — 0.09 + 3-3 43657
8 15 33-87 48 3 11:0 +05 Eee ze
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81 19 27-72 51 38 15-2 + 0:28 411 43857
8 19 51-54 45 45 240 — 0:57 + 94 43863?
8 20 16-52 531 33 24-5 + 0:40 2:2 43883
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9 Bar 72 AT 26 ATS — 0.58 — 15-4 43952
8 22 13-78 Da 31a 2.0852 . #430 a
81 22 51-52 531 57 39-2 + 060 + 438 43990
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Lal. AR. 1842.
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22°
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22
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59
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17°
48
23
57°
23
Eigene Bewegungen von Fixsternen.
Lal. Deel. 1842.
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46° 414"
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47
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52
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51
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46
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45267
45367
45441
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45661
45668
45679
45769
45770
45793
45797
45784
45817
45820
45826
45864
45887
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45915
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46044
572 0 eltız en.
Gr. Lal. AR. 1842. Lal. Decl. 1842. Aa A Lal. N®-
u Io om 7 u
81 23" 21" 45:07 52° 31' 58'8 + 0:12 0'0 46001
84 22 2673 73025. 0:2 + 0°29 — 2:1 46050
7 27 4385 49 26 16°9 + 1:20 + 4:5 46234?
81 29 1450 45 19 6-0 + 116 — 6:7 46269
81 29 2557 45 24 552 + 0'235 —.76 46278
8 29 39:92 AT 36 32-5 — 111 — 0'% 46287
8 29 50:74 47 39 547 — 0:31 + 7:9 A6293
7 30 9:94 45 19 34-1 + 2:08 — 1:6 46300?
14 3 814 51 A0 50-5 — 0.31 + 17°6 46410
8 33 2351 45 20 Ari — 0:17 — 41 AbARA?
84 33 44:32 51 33 30°8 — 072 + 0:4 46439
6 34 19:79 56 23 53 — 0:03 — 0:5 46456
8 34 58:58 50 33 24 + 0:68 + 0°7 46476
6% 35 23:24 5i 3 490 + 0.21 — 1:0 46486
he) 35 28:88 46 9 225 + 0:68 + 1:2 46488
8 35 31°33 51 22 19-5 + 026 — 32 46491
81 37 4556 56 29 41°5 — 0:69 + 34 46560°
Ro) 39 6:50 47 54 571 — 0:24 + 31:8 46598
8 39 8:65 530 594 1079 1 0357 + 4:0 46602
8 39 9-00 0 alu 2927 + 0:99 — 2:0 46600°
6 39 20:28 56 34 314 — 0:03 — 4:0 46607
8 39 A207 48 24 492 — 0:33 + 10:6 46617
8 40 46:83 54 A6 18°5 + 0:02 + 0:2 46649
Ro) 41 4198 54 A6 450 + 0.14 + 7:5 46677.
9 41 50:08 52 26 13°9 + 0:60 — 3-1 46679
) 43 1823 51 12 53°3 + 0:07 — 25 46728
8 44 13-31 49 14 11°9 +03 — 44 46757
91 45 21-17 52 12 41°9 + 0-7 — 1:9 46813
81 45 32:25 52 14 49.0 —,0,31 + 1:6 46819
81 45 45:86 55 56 267 — 0:49 + 0:3 46825
7 46 9-61 55 36 38°6 + 0:22 + 0:3 46839
81 46 27:96 48, 8 01 — a9 + 3-1 46853
81 46 2742 46 5 16°8 0-18 — 0:5 46852
8 46 3035 A 45 98 — 0:20 — 1:8 46856
7 41 39-85 45 28 58°5 + 0:62 — 10:8 46900
81 49 340% 47.11. 29-1 — 0:47 + 1:2 46957
4 51 283°46 56 AT 325 + 0:12 + 1:4 47035
6) 53 15°56 45 51 113 + 044 — 5-7 471097
61 53 17:04 96 7A — 0:06 + 3-1 47099
() 54 770 46 41 544 + 0:88 — 2:2 41127
84 54 31:27 54 41 362 + 0:27 + 38 A7144
8 54 3495 50 35 38:5 + 0:94 — 27 47146
8 54 4565 46 22 21-3 + 14 — 0:6 4755
8 55 22:34 54 40 124 -—+0°01 +65 417
51 57 23:35 45 Ab 55°8 12.0278 — 43 47237
81 58. 5.86 750% 29.187 — 0°96 — 11 47255
Eigene Bewegungen von Fixsternen. 573
Bemerkungen.
Lal. Nr.
3987. Die Unterschiede sind ohne Zweifel Folge der eigenen Bewegung.
Es folgt nämlich
der Ort1800 aus Lalande . ..... 1" 59" 33:46 + 66° 44’ 39'4
DUSSMOEL... . 00.08 hm 59 37.81 248
auseiner Wien. M.B.v. 1853 59 38:43
4655. Eine Wiener M. B. von 1853 gibt die Reetascension 1842 — 2"23” 14°12,
der Stern scheint danach eigene Bewegung zu haben.
5490. Neuere Beobachtungen bestätigen die bedeutende eigene Bewegung.
Es ist nämlich
der Ort 1842 aus Lalande . . . .. .2" 51" 11:50 + 61° 7 0:6
aus Argel. 3363 . . .. . 51 16-98 627-2
aus zwei Wien. M.B. v.1853 9 51 18-05 6°20:6
6024. Der grosse Unterschied der Declination scheint von einem Fehler
von 30° bei Lalande herzurühren, da eine Wiener M. B. von1853 die
Declination 1'5 grösser als Argel. gibt.
6110. Eine Wiener M. B. von 1853 gibt für 142 3" 11" 15:57 + 60° 58’ 3'7.
6787. Der starke Unterschied in Deelination seheint von einem Fehler von 30! .
bei Lalande herzurühren, da eine Wiener M. B. von 1853 die Deelination
1'6 kleiner gibt als Argelander.
7036. Dieser Stern scheint eine eigene Bewegung zu haben. Es folgt nämlich
der Ort 1800 aus Lalande . . . . ... 3 377 56:50 + 60° 3# 3'0
aus Argel. 4215 u. 4216 . 37 59-53 33 54-0
auseiner Wien.M.B.v.1855 37 59:91 33 51-7
8953. Die Declination bei Lalande ist fehlerhaft.
9242. Der mittlere Ort 1800 folgt
a tn. A AA® 54:91 + 56°48' 54°6
a ueL,5349.. . u... . 44 57:79 48-518
aus einer Wiener M.B. v. 1853 . . Ak 57-98 48-51°4
12381.) Der starke Unterschied der Declinationen hat seinen Grund in einem
En Fehler in der Reduetionstafel zuH. C. p. 366, 12. August. Die Z.D. des
letzten Sternes dieser Zone, der als einziger Fundamentalstern benutzt
ist, ist nämlich fehlerhaft, wahrscheinlich um 30".
13427. Der Stern scheint eine beträchtliche eigene Bewegung zu haben, da
die Unterschiede in beiden Coordinaten erheblich sind.
17350. Eine Wiener M. B. von 1853 gibt die Deelination 2'2 grösser als
ER Argelander. |
48111. Über diesen Stern mit bedeutender Eigenbewegung siehe Astronom.
Nachrichten Nr. 880.
18722. Eine Wiener M. B. gibt die Deelination 1'3 grösser als Argelander.
19627. Der bedeutende Unterschied, der sowohl in Reetascension als Decli-
nation stattfindet, scheint eine eigene Bewegung anzudeuten.
21076. Lalande ist wohl um 30’ falsch. Eine Wiener M. B. von 1853 gibt den
mittleren Ort 1842 = 10' 50" 32:44 + 44° 39’ 340.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVI. Bd. II, Hft. 37
574 een
Lal. Nr.
21379. Eine Wiener M.B. von 1853 gibt die Declination 1'2 kleiner als
Argelander.
22196. Eine Wiener M. B. von 1853 gibt die Deelination 2"2 grösser als Arge-
lander, so dass Lalande wohl um 30” falsch ist.
22845. Die Zeit bei Lalande scheint fehlerhaft. Eine Wiener M.B. von 1853
gibt 0°21 mehr als Argel.
29892. Die Deelination bei Lalande ist fehlerhaft, da eine Wiener M. B. von
1853 1'0 mehr als Argel. gibt.
30699. Die Unterschiede rühren wohl von einer eigenen Bewegung her, da
zwei Wiener M. B. von 1853, 5 als mittleren Ort 1842 ergeben
16" 42” 59:49 + 68° 22’ 31'8.
30966. Aus einer Wiener M. B. von 1853 folgt die Deelination 2'’6 grösser als
aus Argel.
32512. Die Declination bei Lalande scheint fehlerhaft zu sein, da eine Wiener
M. B. von 1853 0'8 mehr gibt als Argel.
32663. Die Zeit bei Argel. scheint fehlerhaft, da eine Wiener M. B. von 1853
als mittleren Ort 1842 ergibt 17" 42” 35:38 + 60° 38’ 19'2.
33698. Die Lalande’sche Deelination ist wohl um 30! fehlerhaft.
34246. Die Lalande’sche Deelination ist fehlerhaft.
34913. Die Zeit bei Lalande scheint 5° zu gross zu sein; eine Wiener M.B.
von 1853 gibt 0°14 weniger als Argelander.
37777. Eine Wiener M.B. von 1853 gibt 2:9 weniger als Argelander, danach
scheint Lalande um 30" falsch zu sein.
41377. Die Deelination bei Lalande ist wahrscheinlich um 30" falsch.
42177. Eine Wiener M. B. gibt die Deelination 0!2 südlicher als Argelander, so
dass Lalande wohl um 30" falsch ist.
42764.) Die Zeit ist nur von Nr. 42774 genommen, da die erstere Numer
Bra! beträchtlich abweicht.
43376. Die P. D. von Nr. 43377 weicht 15'4 ab von Nr. 43376 und ist wohl um
15! falsch, da nur Nr. 43376 mit Argel. übereinstimmt.
44114.) Die P. D. ist nur von Nr.44114 genommen, indem die von Nr. 44145
44115. } wahrscheinlich um 30" zu klein ist.
45784. Die Zeit bei Lalande ist fehlerhaft.
In Betreff der grösseren bei Lalande und Argelander aufgefun-
denen Fehler muss ich auf das Maiheft 1854 dieser Sitzungsberichte
und auf die Annalen der Wiener Sternwarte verweisen; in dem ersteren
dieser Verzeichnisse sind noch folgende Beriehtigungen vorzunehmen.
1727. In der letzten Zeile dieser Bemerkung ist zu lesen: 49m 58° 02 statt
58° 92.
2972 muss heissen: 26° 50' und nicht 40'
9696. Die Bemerkung ist irrthümlich. Die Präcession im Kataloge muss aber
heissen: 4°,672 statt 4°.747.
14612 muss heissen: 40° 54°’ und nicht 44°.
17743 muss heissen: 36° 7' und nicht 35° 57°.
19139. DieBemerkung ist irrthümlich. Die Reetascensionen stimmen bis auf 0:8.
De u er a ee a u eu ae u er N Sin re ee
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. 5
VERZEICHNISS
DER
EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN.
(MAI.)
Annalen der k. Sternwarte bei München. Bd. VII.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. 1855. Nr. 4, 5.
Bizio, Giov., Scoperta dell’ Arsenico nell’ acqua ferruginosa di
Civillina, detta Acqua Catulliana. Venezia 1855; 8°.
Cosmos, 17 21.
D’Elvert, Chrift., Die Culturfortfchritte Mährend u. Dejterr.-Schlefteng,
befonders im Landbaue und in der Induftrie, während der Ießten 100
Sahre. Brünn 1854; 8°.
Genootschap, Bataviaasch, van Kunsten en Wetenschappen, Ver-
handelingen. Deel 24, 25.
Heim, 3. B., Beiträge zur Balliftik, in befonderer Beziehung auf die
Umdrehung der Artillerie-Gefchoffe. Ulm 1848; 4°.
Heim, Beitrag zur Theorie der Bewegung der Räderfuhrwerke, ins-
besondere der Dampfwagen. Cannstadt 1855; 4°,
Heymann, S. L., Versuch einer pathol.-therap. Darstellung der
Krankheiten in den Tropenländern. Würzburg 1854; 8°.
Jahrbuch des naturhist. Landesmuseums von Kärnten. Herausg.
v. Canaval. Jahrg. 3.
Jahresbericht d. k. Sternwarte bei München. J. 1854.
Mittheilungen a. d. Gebiete der Statistik. Jahrg. III, Heft 7.
Namur, Anton. De lacrymatoriis sive de lagenulis laerymarum pro-
pinquor. colligendis apud romanos aptatis. Lueiliburg. 1855; 8°.
Organismus des germanischen Nationalmuseums zu Nürnberg,
1855; 8. |
Parrat, H., Les tons ehinois sont semetiques. Porentruy 1854; 8°,
(4 Exempl.)
37°
576 Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften.
Parrat. Les 36.000 ans de Mandthon, suivis d’un '"Tableau des
eoneordances synchroniques. Porentruy, 1855. 8% (A Exempl.)
— Novum speeimen quo probatur iterum linguarum indo - euro-
p&arum origo semetica. Mulhouse 1855; 8°. (4 Exempl.)
Quaranta,Rennardo, !’Orologiv. a sole di Beroso, scoperto in Pompei
addı 23. Settembre 1854. Napoli 1854. Fol. |
Reumont, Alfredo, Dei soci esteri della Accademia della Crusea,
Firenze 1855; 8°. |
— Del gruppo di Cristo con S. Tommaso, lavoro di Andrea del
Verrochio. Roma 1855; 8°.
Romanin, S,, Storia documentata di Venezia. T. II, p. 2.
Societe imper. des Naturalistes de Moscou, Bulletin 1854. Nr. 4.
Society Royal of Edinburgh, Transactions, Vol. XVI, p. 1. — Pro-
ceedings, Vol. II, Nr. 44. |
Tijdsehrift voor indische Taal-, Land- en Volkenkunde. Jahrg. I.
Aflev. 1—12. |
Tinfhaunfer, ©. Topograph. ftatift. Befchreibung der Divcefe
Briren 2. 1. Bd. Briren 1855; 8°. |
Wolf, Rudolf. Gedächtnissrede auf Jakob Bernoulli. Bern 1855; 8°.
Zambra,Bernardino, I prineipj e glielementi della fisiea. Fase. 7, 8.
Beobachtungsolerkungen.
Ragusa!) .
Curzola .
Zara?) .
Triest W218,
Menedig®). . .
Fearma. ...
Semlin . . . .
Mailand . . .
Szegedin ;
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Kronstadt®) .
Debreezin . . .
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Zayale . . . .
Baibach . . ...
Pressburg . . .
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Adelsberg . .
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Czernowitz 9)
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Weissbriach . .
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Olmütz . .
Rzeszow !0
Valona (in Albanie
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- «stürmisch a. NO., am 31. Schnee
chnee, am 31. 14"Ab. stürmisch.
5t beobachtet wurde auch —1°0.
> W, am 26. Orkan a. S.
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m 19. u. 23. Sturm.
irme a. S. u.SW.
|
15. Sturm a. NW.
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u.Bora.
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“hr stark am 14. [am22.a. SW.
- rinder Nähe. Stürme am21.a.SO.
. “am 27.Hochwasser.
0. (Gewitter in Ungarn, vergl.
4m 31. a. NO. [Pesth ete.
ker a. W., ara 31. Sturma.O.
"8. Hagel, am 24.Ab.BlitzeinSW.
.
.). u. 28. stürmisch a. NW.
. weimal Gewitter.
Jaslo (in Galizien))). u.S., am 24. Ab. Blitze gegen S.
1) Ragusa. Am
2) Zara. Am 2.
Windes nach
3) Venedig. A
tet, wo aber bei der Drehung des
grossen Temperaturveränderungen,
welche in der
4) Kronstadt.
5) Wallendorf.
r.
6) Czernowitz.
7) Kremsmünst
8) Lienz. Am 9.
9) Klagenfurt.
ufgelöst , Schneegrenze an südlichen
Abhängen bis
10) Rzeszow. Anm Donner.
11) Jaslo. Am 6.
7 Herr Colla, D
in diese Übersichten
berechn eten Temper
Sitzb. d. math
Bi einzusenden und ihre Aufnahme
® Ab. angestellten Beobachtungen
ainem Haarhygrometer beobachtet.
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Entworfen von A. U. Burkhardt, Assistenten an der k. k. Central-Anstalt.
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Reaumur | Tag | Temp. | Tag | Temp. en Tag | Luftdr.| Tag | Luftdr. |Par. Lin.| Par. Lin. wine REANIEEN®
Valona (in Albanien) | +10°45| 25:9 | +19°5| 17.3 |+ #0) — — — —_ — | 4°15 | 45”49) SO. |Am 10. Regen mit Hagel
Ragusa!) ... . » . |+40:08] 6-6 | +14-1|12- |+ 4:91334”12| 30-9 |338"27| 13-6 |325"74| 3-43 | 86-6 5 Run oneeahe
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Zara”) . er in Ber I + 2:2|334-95| 30-9 |339-26| 13-6 |326:29| 7 — 33.12) —
riesen + 6° "6 | +12:8 "3 |+ 0-2|334-36| 31-6 |338-61| 13-6 |326°73| — 30:50| ONO. |Am9.13.u.31.Regenmi h ürmi
Venedig®). - + 6:40| 26-6 | +11-6| 12-3 |+ 0:21334-20| 30-9 1339-25 | 13-6 |327:29| 3:06 | 49-17) SS: |Am 10. u. 11. ee N)
+Parma. . 2... + 6-35] 19: | +14:2| 12- |— 1:0/330-80| 31: |335°56) 22: |324:19| 84 31:56] NW.
Senlin .... » . I+ 5-90| 27-3 | +15-8| 13-3 |— 0-3|333:02| 31:9 |337°36| 143 |325-54| — 16-00| — |Am1. —0:3.
Mailand. » : » . .. [+ 5-66) 20° | +14-3| 11: |— 1:3|328-65| 31:4 |333-62| 22: |321°20 2"53 | 59-78) NO. |Am 3. Schnee.
Szegedin .... + 4-95| 28-6 | +16-0| 13-3 |— 2-4[331-75| 31-9 |338-83| 13-6 |325:76| — 23-93) S.N. |Am 27. wenig Hagel.
Fünfkirchen . . + 4"85| 27-6 | +13-4| 12-* |— 1-0|328-60| 31:9 |335-34) 13-6 |322-40| — 28-50) SW. |*Am 41. wo aber um 10% erst beobachtet wurde auch —1°0.
Merane ne ee + 4:82| 26-6 | +12-7| 12-3 |— 3-0|322-53| 31:3 )327-22| 13° 131665) — 43-60) S. |Am5. +13°3.
UN 0-80 5 0 un + 4-27| 23-6 | +12-6| 15-3 |— 3-3)325-22| 31-3 \331-86| 22-9 |318:84| 2-36 | 3372| SW.
Kronstadt#) . . . . |+ 4:02] 26-5 | +16-4| 1:9 |— 5-2|312-58| 31-9 1319-27 12-5 |305:72| — 35-62] — |Am 23. u. 24. Sturm a. SW., am 26. Orkan a. S.
Debreezin . . . » +4:00| 28-6 | +13-2| ‚1: |— 2-4|329-84| 31-9 |336:69| 243 323-322] — 45°28|N. u. S.)Am 24. Ab. Blitz und Donner.
Gran» 2» 2... 0. 0)+ 3:89| 28:6 | +13-3|) 1:3 |— 5°4 18-80) SW. |Am 24. Ab. Gewitter.
Wallendorf®) . . . |+ 3:82) 28:6 | +14-4| 1° |— 6:3|320-22| 31:9 327-08| 12-9 |313-65| 2:33 | 32:92) W. |Am 23. u. 27. Gewitter, am 19. u. 23. Sturm.
Zavalje » = 2» 2. |+ 3°70| 26°6 | +11°2| 11-3 7:0 — _ — _ N. |Am A. 5. 22. 23. u. 25. Stürme a. S. u. SW.
Tarbachnerr + 3-67) 23:6 | +11-6| 15-3 |— 3-8/323-35) 31-9 |929-33| 13-6 |316-33| 2:35 | 85.62) NW.
Pressburg - » » - - + 3-58| 23-6 | +13-6| 12-3 |— 4:0|328-97| 31-9 |336-34| 13-3 [323-147 | — — NW. |Vom 9. auf 10. u. 14. auf 15. Sturm a. NW.
Wong sooo van + 3-51] 23- | +16-0| 12- |— 6:0|326-92| 31-9 |334-42| 23-1 |318-79| 1-98 5-11] NW. |Am 23. Ab. Wetterleuchten in NO.
ale 0 00 + 3:40| 23-6 | +15-5| 12:3 | 57) — —_ —_ _ — — —_ N. u.Bora.
Adelsberg . . . » - + 3-26| 28-6 | +12-1| 15-3 |— 4:4|313:29) 31:9 |318-10| 13-6 306.61) — — — |Am22.Sturma.NO., am 9. stürmisch a.NO., am 31. Schnee
Bregenz. . ».. - + 3-25| 25-5 | +11-6| 141-4 |— 3:2/318-76) 30-7 |323-99| 12-7 |311-90| — 43-93| S. |Vom 8. bis 10. starke Schneefälle.
Innsbruck . . . - . + 3-23| 23-6 | +10-6| 12-3 |— 4-4 3141-68] 30-6 |316-36| 13-3 305.54] — 30:7%2| — |Am 8.—9. Schneefälle, sehr stark am 14. [am22.a. SW.
lien au + 3-47| 23-6 | +13-2| 12:4 |— 4-4|328-77| 31-9 1335-90] 13-4 |322-68| 2:33 | 14:26|N. NW. Am 24.um&"30’Ab.Gewitterin der Nähe. Stürme am21.a.S0.
Jolsvar Re: + 2:99) 28-6 | +14-0| 13-3 |— 9:0) — _ — _ — _ — N. |Am?23.GewitiermitHagel, am 27. Hochwasser.
Sn alla 9 0 0 wc + 2-89| 23-6 |+11-8| 11-3 |— 5-3/317-51| 31-9 |323-71| 13-6 |311-82| 2-00 | 14:72) SW.
Korneuburg . . . . |+ 2:78| 25-6 | +13-0| 12-3 7-0 = —_ _ 7:63| W. |Am 24. Ab. Blitze gegen SO. (Gewitter in Ungarn, vergl.
Tinzerer + 2-66| 22-6 | +13-2| 12-3 |— 5:4|324-12| 31-3 |330-59| 23-6 |310-67| — 16-43) W. |Am 21. stürmisch a. 0, am 31. a. NO. [Pesth ete.
Czernowitz ®) . |-+ 2-35| 28-6 | +14-5| 2:3°| —12-6|324:80)| 31-9 |332°59| 13-3 |317-56| — 24-30) N |*Am 4%. hier nur —2°5.
Kremsmünster?) . . |+ 2-30| 22-7 |+11-8| 12-3 | — 6-6|319-68| 31% 325-90| 22-7 |310-68| 2-12 | 28-401 SW. |Am23. um 6:30’Ab. Gewittera. W., ar 31. Sturma. 0.
Althofen . »..» ı 2-27| 20-6 |+ 9-7) 12:3 |— 8-7|306-55| 31-9 |312-90| 13-6 |300-81| 1-70 16-90) NO.
Brünn... ..... + 2-27 25- |+13-8| 11: |— 9-2|326-47| 31-9 |333-52| 22:9 |318-1%| 2-01 2352| N.
Leutschau. . .. . + 2-03| 28-6 | +10-6) 13-6 |— 7:9|321:70| 31-9 1328-88 24-3 315-72| — 15-21| SO. |Am14.20.30.Stürme, am 28. Hagel, am 24.Ab. Blitze inSW.
Pilsen. ... . + 2:03| 25-6 | +10-5) 12-3 |— 7:7|322-06| 31-6 |329-06| 22:9 |313:20| — 8-35| W. |Am 23. stürmisch.
Reichenau... ..... |+ 1:97| 27:6 | +10-3| 12-3 |— 9-0309-73| 31-3.|316°34| 22-9 |303-32| — 9:72) W
PıenzE) ar. + 1:89| 29-6 + 9-0| 412-3°|— 8-41308-72| 31-6 |313-90| 13-6 |302:76| 1-81 | 46:95) W =Um 7° —9°0. Am 14. 15. u. 28. stürmisch a. NW.
Weissbriach . . . |+ 1:88) 26-6 | + 8-0] 12:3 |— 8:0| — — — — —_ = == —
Klagenfurt®). . . . |+ 1:80] 20- |+13-0| 11: |— 8:8|316-99| 31-9 |322-84 13-6 |310-76| 1-97 | 33-46) W.
Olmütz 2 0: + 1:74| 23-6 | +14-:8| 41-3 |— 7:6 |326-31| 31:9 33361 23-9 318-435) — _ NW e h
Rzeszow 0)... . + 1:74| 28:6 | +13-0) 1-3°|—10-0|327-47| 31:9 |33500| 23-4 131925) — 26-13) W. |*Am 31. —5°8. Am 28. zweimal Gewitter.
Jaslo (in Galizien)11) |+ 1-67| 28:6 | +12-6| 4-3 |—10-0|325-66| 31:9 [3342-18 93.3 [318-88| 2-01 | 30-32] W. |Am1.3.u.22. Stürmea. SO.u.S., am24.Ab. Blitze gegen S.|
10)
11)
-+ Herr Colla, Director des astronomischen und meteorologischen Observatoriums in Parma hatte die Güte uns die täglich angestellten Witterungsbeobachtung
in diese Übersichten zu gestatten, wodurch das Beobachtungsnetz in Italien auf eine erfreuliche Weise vervollst
berechn eten Temperaturmittel wurden mittelst der Mailänder Beobachtungen auf die Stunden 6" Morg., 2" und 1
Ragusa. Am 13. Sturm a. SO. bis 12%, dann aus S. und zuletzt aus SO., nach 10. Ab. Hagel
Zara. Am 25. stürmischer Südwind, der am 26. Morg. in NW. umschlägt, worauf Aufheiterung erfolgte.
Windes nach NW. Regen erfolgte. rg R 5 t er
Venedig. Am 23. Tags über stürmisch aus NO., öfters Regen, Blitze, Donner. Am 28. Gewitter bei starkem Südwind. Am 29. Ab. Gewitter und Hagel. Die grossen Temperatnrveränderungen,
welche in der zweiten März-Hälfte in dem continentalen Europa sich zeigten, waren in den Seestationen viel weniger excessiv.
Kronstadt. Der Orkan vom 26. dauerte von 12% Mittags bis nach Sonnenuntergang. Am 12, fielen 1012 Zoll Schnee, welche 926 Wasser gaben. f
Wallendorf. Der Sturm am 19. um 6b Abends war von kurzer Dauer. Am 23. Gewitler gegen S., von 3—4& Sturm a. SW. Am 27. um 9h 20/ Ab. heftiges Gewitter.
Czernowitz. Am 5. Eisgang am Pruth, am 23. Sturm, am 28. Wetterleuchten. .
Kremsmünster. Am 4. März ist die Schneedecke bis auf die Schneewehen, am 21. vollkommen aufgelöst.
Lienz. Am 9. die sonnigen Bergabhänge schneefrei. Am 31. noch 3 Zoll tiefer Lagerschnee in der Ebene.
Klagenfurt. Der Lagerschnee schwindet am 11. an sonnigen Anhöhen, am 19. auch in der Ebene vollkommen.
Abhängen bis 4000", . R ß a E A r en
Rzeszow. Am 28. um 3h 55’ Ab. Gewitter in N. (Donner hörbar) zog gegen NO., dann um 6h 50° bis 84 15’ in SO. mit schnell sich folgenden Blitzen und hörbarem Donner.
Jaslo. Am 6. Eisgang und im letzten Monatsdrittel vom 22.27. Thaufluth.
In Wien wurde gleichzeitig dieselbe Windrichtung beobachtet, wo aber bei der Drehung des
Am 25. ist die Eisdecke am Klagenfurter See aufgelöst, Schneegrenze an südlichen
sen einzusenden und ihre Aufnahme
ändigt ward. Die aus den um 9" Morg., 3? und 9° Ab. angestellten Beobachtungen
0" Ab. zurückgeführt. Die Feuchtigkeit wird in einem Haarhygrometer beobachtet.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVI. Bd. I. Hit. a
|
"721 — | 1388| 8. |Am 22. 10* 30° Ab. Blitze gegen NO., am 3. Seiroceo.
»A41| 199 8731| w. Am 23. von 4—6° Ab. stürmisch a. W.
En 19-61) W.NW.|Am 23. Ab. Blitze.
3>:60| 1:94 | 65-54| W. |Am 13. hier nur —3°4, am 31. —A°5.
2521 1-94 | 33:78) -W Vom 19. auf 20. $turm a. NW., am 23. Ab. Blitze in NW.
73| 2:02 | 82 41| SW
»-410| 1-91 | 12-73) W. 0. |Am 3.:-+8°2, am 19. stürmisch a.NW.
1.27) — 15:08) NW.
‚70 39-41| SW. |Am 24. um 7° Ab. Gewitter.
BAT 175 38:24 NW
87 2-00 | 19-81) SW
2.451 1:79.) 39-90| SW. |Am 16. —7°4.
1-41! 1:79 | 45-811 W. |Am 23. um 7° Ab. Blitz ohne Donner.
3:50| 1 -73 |105°05| SO. ‚Am 23.u.24. um 2* Ab. Donner.
3-17| 175 | 8:29| SW
3:32| 1:76 9-83| N. |
wi — 16:40| NW. | Am 16. —10°2.
)-20| — 28-44) WW.
_ — | 25:03 W. |Am 23. um 845’ Ab. Gewitter gegen N.
& — 140.10) W.
3-38| 1:83 | 3665| NNO. Am 23. Wetterleuchten, am 27. Blitz u. Donner.
2-:39| 1:50 | 2796| SO. \Sehr stürmisch, besonders am 24. a. NW.
Ben > — — Sehr stürmisch, besonders am 9.10. 11. 15. 24. 25. 27. 30.
2 = 16-70| N. S. |Am 9. heftiger Sturm a. NW., am 22. Sturm a. W.
1:81 — 5640| ©.
a EL 2 0.
9-08) — [121-42| ©. |Am3.u.13. Sturm, am 12. 22. 23. Schneesturm.
ungen.
Men früheren Monaten.
WW wouvuo
m Dunst- |Nieder-| yerr-
druck | schlag | schender Anmerkungen.
ftdr.| Par. Lin. | Par. Lin. Ya
04 EN, I NW. | Für die Jahres-Übersicht wurde durch nahegelegene Stationen interpolirt, da die Beob-
a ah NW. Inekunsen ch a en
EN a. NW. |Am 1. Nachm. Orkan.
ll — — NW. |Am 15. heftiger Sturm a. NW. [geht, dabeiEisregen.
:08| 140 | — W.N. |Am 3. starker Wind a. N., der u. 9 Ab. in $turm a. S. über-
001 — | 24-61) NW. |Vom 1.—3. stürmisch a. SW. u. NW.
418) — 18-92) SW. |*Am 3:3 —16°3, am 16. stürmisch a. NW,
-86| 8 28-10| NO. |
17| 9 3547| NW.
ı Tagen des Decembers 1854.
zur Hälfte; 1200‘ höher liegt er noch ununterbrochen. Am 23. 8h 19' öfters Wetterleuchten im N.
le März waren hier die Sehneemassen 6—7 Fuss hoch.
|
Il
unterworfen waren, und diese sich besonders in demjenigen Theile Österreichs zeigten,
auffallend und beschränkten sich mehr auf Orte von bedeutender Seehöhe, wie St. Maria.
den höheren Stationen eine grössere Abweichung einzelner Tage vom Monatmittel der
sletzteren oft anjenen Tag, wo die grösste Menge vom atmosphärischen Niederschlag stattfand.
Üzermoviitz
324.80
liemberg
324.27
Pürslitz
32/.26
Klagenfurt
376.39
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Yalanı
(in Albanien
: \ ittleren Be iR Dunst- |Nieder-| yerr-
ar Maximum Minimum ee Maximum Minimum nn lee url Aumerkünsen |
; F - K. : : n |
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| Magnetische Störungen.
Am 10., 12.
Nachträge und Verbesserungen zu den früheren Monaten. i -
Pressburg Sept. 1854] +12:23| 17:8 | +22-0] 27-3 |— 4:21333-72! 3-3 |336-78| 22-3 1330-04) — — | NW. ln eh ann ar na Denon
Dee. 1854| + 2-15/ 16:6 |+ 7-5| 30-3 |— 3-0[330-63 29-9 1336-92 | 23-3 1325-08) — — NW. interpolirten ist gering und bei den Jahresmitteln unmerklich,
Jänn. 1855| — 2-41) 1-6 |+ 7-3] 29-3 |—13-7|332:80| 7-3 |338-86| 1-9 [325-000 — — | NW. [Am 1. Nachm. Orkan. ERS
Vehr. 1855| — 2:79| 27: -0| 3-3 | —12:0|329- ö 5-51] 14:9 [320-341| — — | NW. |Am 15. heftiger Sturm a. NW. geht, dabeiEisregen.
Febr. 1855 2:79) 27:6 | + 7:0| 3:3 |—12:0/329-59| 3-3 335-5 \ Abi S. über
Kahlenberg Febr. 1855 | — 3:93 2%: |+ 5°2| 20-3 1 —13-8|317-20) 2:9 )322-19| 14-9 |308-08| 1-40 = W.N. |Am3. starker Wind a. N., der u. 9*Ab. in Sturm a. S.über-
Rzeszow Jinn. 1855| — 3:65) 8:5 |+ 2-6] 31-3 |—18-0|329-44| 7:6 |335-37) 2-6 1318-001 — | 24-61) NW. |Vom 1.—3. stürmisch a. SW. u. NW.
Febr. 1855| — 3538| 14:6 | + 4-0| 22:3°| —16-4|317-21| 2-6 |332-14| 15-3 [318-48| — | 18-92! SW. |*Am 3-3 —16-3, am 16. stürmisch a. NW,
Parına Jänn. 1855| — 0-66) 2: |+410-8| 22: | 9-61334-57| 7- |341-06| 2- 1327-86] st | 28-10| NO.
Febr. 1855 [+ 0:58 28- |+ 9-2] 21° |— 5:2]331-49| 3- |336-50)14- 1323-17) 95 | 35-47| NW.
1) Lemberg. Der Lagerschnee am 27. bis auf
2) Krakau. Am 20. um 8% Ab. Mondsäulen.
3) Czaslau. Am 19. der Lagerschnee verschwindet von den Feldern,
4) Schössl. Am 23. völliges Thauen des Lagerschnees in der Ebene, . £ n n A .
3 Senftenberg. Am 23. der Lagerschnee bee von den Feldern zu schwinden und zwar am 2%. bis zur Hälfte; 1—200/ höher liegt er noch ununterbrochen. Am 23. 8h 19' öfters Wetterleuchten im N.
Am 27. um 9b 221 Ab. ein einzelner Blitz und prasselnder Donner. £
6) Alkus. Am 10. ist die Umgebuung zwar schneefrei bis 4600’, am 30. fiel wieder Schnee, N
7) Plan. Der ganze Winter zeichnete sich mehr durch grosse Schneemassen als durch Kälte aus, zu Ende März waren hier die Sehneemassen 6-7 Fuss hoch.
8) S. Maria. Am 11- März war die tiefste Temperatur in diesem Winter.
Während in den Monaten Jünner und Februar Temperatur und Luftdruck grossen Störungen unterworfen waren, und diese sich besonders in demjenigen Theile ÜMNPERSITIS EIER:
welcher dem Continental-Klima Europa’s nahe liegt, waren im März diese Störungen viel weniger auffallend und beschränkten sich mehr auf Orte von bedeutender Seehöhe, wie Si 5 Wr
Die graphischen Darstellungen des Ganges der Wärme und des Luftdruckes zeigen daher im März an den höheren Stationen eine grössere Abweichung einzelner Tage vom Monatmitte
Temperatur und des Luftdruckes als die tiefer gelegenen Orte. TEA Ks 2 hlag stattfand
Bei der Darstellung des Ganges derFeuchtigkeitund des Ozongehaltes der Lufttrifft dasMaximum des letzteren oft an jenen Tag, wo die grösste Menge vom atmosphärischen Niederschlagsta ’
23
ie Schneewehen geschmolzen; er dauerte seit den letzten Tagen des Decembers 1854.
Gang der Wärme und des Luftdruckes im März 1855.
’ : Die punctirten Linien stellen die Wärme, die ausgezogenen den Luftdruek dar.
Die beigeschriebenen ‚Zahlen sind Monatmittel, denen die stärkeren Horizontallinien entsprechen.
Ein Netztheil entspricht bei der Wärme einem Grad R&aumur, beim Luftdrucke einer Pariser Linie;
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schender ; Anmerkungen.
Wind
sv. Am 1. u.8. stürm., am 1. Gewitter und Hagel im NW.
NW. |Am 24. +0°5
NW. Ar 10. stürmisch a. NW.
NW. [Am 14. Ab. Gewitter.
N. |Am 15. öfters Donner und OT
% |Am 1. u.10. stürmisch.
=
W. |Am 1. $turm a. O., vom 8.—9. a. NW., am 22. a.W.
| SO. |*jAm 23. —0'’4. Am 3. Nebenmond. Am 10. Ab. Blitze.
BI oW. | [Am 28. Hochwasser.
{| NW. |Am 12., 18., 26., 27. Stürme a.N., NW. u.NO. am 26. sehr
0. |Am 13. 5" Ab. Nebensonne. [stark.
N.
N. |Am 10. um #4" 49 Ab. Sturm a. W. mit Gewitter u. Hagel.
NW. |Am 8., 14., 20. Ab. Wetterleuchten.
so :
%,, |Am1.von3"M. bis 141" Ab. Sturm a. SO., dann ©. 14—15.
w Noch oft Schnee, besonders vom 22.—27.
NO. |Am 11. Gewitter. *Vom 16.—19. mangeln die Berichte.
Am 1. u. 2. Sturm a. SO. Am 10. von 1—2" Ab. Schnee-
N. [sturm a.W.
« N Am 8. Sturm a. WSW., am 10. a.WNW. mit Hagel. Am]
ei [3. Nebenmonde.
NO
W. ‚*Um 54/," M. -—-12°0. Am 8. Erdbeben. Am 9. sehr stürm.
NO.
N. *Den ganzen Tag. Am 5. und 26. Stürme.
| NW. |*Das Min. zu Anfang des Monates war am 1. mit — 12° 8.
es irrthümlich 6" Morg., 10" Ab.
um 45 40° ausbrach, am Kahlenberge nicht beobachtet worden. Am 30. von
ien Regen), Nachts stürmisch.
erhob sich der Sturm am 10. kurz vor 3" Ab. sebr plötzlich aus NW. zu W.,
uerten 2—3'; das Getöse war wie wenn ein schwerer Wagen auf der Strasse.
inde, aus allen Richtungen wechselnd; am 28. Ab. starkes Schneegestöber.
Ab. —: mit Schneefall,
Ile und Mittags eine Temperatur von +2 bis 2-80; Morgens fiel die Temperatur
Beobachtungsort.
Pilsenwmen
Lemberg
Obervellach
Czaslau . . . -
Bodenbach. .
Kahlenberg 1) . Kr
Pürglitz . .
Schemnitz .
Althofen
Krakau .
St. Paul. .
Jaslo .
Rzeszow. e
Tröpelach . .
Leutschau .
Oderberg . .
Weissbriach .
Gastein?) .. . .
St. Jakob. . .
Reichenau®). . .
Trautenau. . .
Steinbüchel
St. Magdalena .
Deutschbrod . .
Kesmark »
St. Jakob (bei Gurk).
Senftenberg*) . .
Saifnitz . . . -
Obir I. . .
Obir III.
Malnitz . . . »
Heiligenblut .
St. Peter . .
Plan?) .
Stilfserjoch ®)
S. Maria ”). .
Ozernowitz Februar
In Czaslau werden die Ozonometer-Beobaehtungen um 6" Morg. und 6" Ab. gemacht, in der Jahresübersicht heisst es irethümlich 6" Morg., 10" Ab.
Mittlere
Tem-
peratur
Reaumur
+5°31
+5°
+5:
-99
30
23
Dunst- |Nieder-
druck | schlag
Par. Lin. | Par. Lin.
— 6"60
2"35 | 29-41
1:77 | 29-13
2:53 |° 6:74
— 17:33
2-27 | 11:48
2-68 8:93
—_ 8-76
1-89 | 35:50
2-34 | 11-02
2-27 | 2558
2:29 | 39-57
— 19:27
2:00 | 28:20
— 4:66
— 7.4
— 14:65
2-01 | 29:30
— 13-88
—_ 20:34
1:94 | 17:63
— 15:78
_— 4:09
2:20 | 19-71
— 14:90
1:85 —
— 63:01
Herr-
Wind
Maximum Minimum ne Maximum Minimum
druck.
Tag | Temp. | Tag | Temp. |par. Lin.| Tag | Luftdr.| Tag | Luftur.
20-6 | +15°5| 28-3 |— 0°2|325”01| 23-9 |329”08| 10-6 |315”80
17:6 |+14:0| 1:3°|— 3:3/325-48| 1:6 |333-49| 10:9 |316-60
20:6 | +16°0| 25-3 |— 1:0/312:05| 17° [315-611 — ——
20-6 | +17°0| 23:3 |— 2:0/327:00| 22:9 |330-98| 10:6 [316-99
20:6 | +16'2) 23-3 |— 1'2|332-30| 1:3 |336-38| 10:6 |322-19
17:6 | +13-8| 23-3 |— 0:6/319-61| 1:3 |323-48| 10-6 |311-12
14:6 | +15°2| 23-3 |— 2:7|324°79| 23-3 |329-17| 10-6 [31482
17:6 +13:6|) 23- |— 1:0313-45| 1° |318-15| 10-8 |306-36
18-6 | +17-3| 24-3 |— 2-1/309-22) 17:3 |312:91| — n—
20 +16-5| 25° — 1:7/328:98| 1:5 |335-40| 10:7 |318-49
15-6 | +16-1| 24-3 |— 2-61319-33| 17-3 |323-37| — —
17:6 | +15-0| 1:3*| — 4:6|327:96| 1:6 |334-71| 10-6 1319-28
23:5 | +15-4| 1:3 |— 5:8/328-85| 1:5 1335-88| 10-3 1319-22
20:6 | +15:6| 24:3 |— 3:3|313-85 17° 1317-51) — —_
15:6 | +13-9| 1-6 — 2:8/323-91| 1:6 |329-70| 10-9 |315:82
20-6 +15.3| 2531 — 17 — —_ — — _
20° +14:5| 24: |— 3-6 — —
17:6 | +16°4| 24-4 |— 2:5,296-92| 16:6 |300-86| 10-4 1290-56
20° +10-2| 24- |— 1:4/300-.83| 17: |304-43| — —
20-6 | +11-0) 28-3 |— 1:-01313-80| 22:9 1317:29| 10-6 130481
20-5 1+12-8| 9-4 — 1:11320:37| 16:8 |324-12| 10-5 1310-60
ilaa +11°8| 24-9 |— 2:8) — = — — —
15:6°| +15-8| 23-3 — 2°4|304:04| 22:9 |307-15) 10:9 |297-82
20:6 |+15:3| 23:3 |— 24 — == _ —_ —
20:6 |) +13-3| 1:3 |— 4-41312:70| 1:3 |318-08| 10-9 |303:82
15° | +14 :1| 24 |— 3.0) — = — —_ —
20° |+16-1| 23: |— 4:2|320-42| 1-1 |325-15| 10-6 1310-00
20° +12:6| 24° 44 —
15° |+16.0| 25: |— 55 —
20° + 8:5) 24° |'—11:0| — — u =
15° +13.5| 24. |—- 4:5 —_ = - — =
15: |+10-5| 24: |— 4-41287-40| 1? |290-88)| — =
20° +12°5| 24° |— 5:0/290°35)| 16:3 |293-90| — —
17-6 |+ 9:1 24:3* — 9-2276-70| 16:6 |280-4&| 11:3 |269-19
18:81 + 9-0] 24:9 |—10-0
17:6 \+ 2-8| 23-3 —15:5|247:28| 16-* 1251-65 11-3 [24184
Magnetische Störungen.
Am 3., 11., 13., 16., 24.
Naehträge und Verbesserungen zu den früheren Monaten.
2| 223° -14:21325-03 20-6 330:43] 15:6 |316°52
| 4:13 | 27:6 |+ 5
Gastein.
Reichenau.
Senftenberg. Der Sturm am 8. (
Bis zum 27. noch öflers Schneefälle.
Kahlenberg. AmS. von 5-6 Ab. Gewiltersturm (in Wien nicht auffallend); dagegen ist der Sturm am 10., der in Wien um
3—4l Ap. ferner Donner und einzelne Windstösse (in Wien nicht). Am 26. während des Tages öflers Schneegeslöber (in Wien R
Am 1. ist der Lagerschnee im Thale weggeschmolzen.
Am 14. u. 15. Ab. starkes Blitzen; am 15. Hagel, oft noch Schnee, besonders am 27. mit Frost.
aus SW, zu S.) brach um Al 28' plötzlich aus, ihm folgte ein starker Gussregen.
um 6h Ah. folgte starker Hagelschauer, welcher um 8t noclı den Boden wie mit einer Schneedecke überlägerte
8. Maria.
Stilfserjoch. Auch hier vom 15.—
Vom 16.—20., wo an den meisten. Orten die grösste April-Wärme slattf;
auch an diesen Tagen noch unter 0.
Plan. Am8. um 4 571%' Ab. wurde hier ein bedeutendes Erdbeben verspürt. Die Slösse waren in verticaler Richtung und dauerten
schnell vorbeiführe; es wurde noch in einer Entfernung von 4—5 Stunden, aber schwächer verspürl-
20. schöne ruhige Witterung. Am 29. starker Weltersiurz um 9’); Morg. -+2:5%, um 3 Ab. —
und, herrschte hier Heiterkeit und Windstille und N
Am 9. wehten heftige Winde,
— | 18:27 | NW. |"Das Min. zu Anfang des Monafes war am 1. mit — 12°8.
Ebenso erhob sich der Sturm am 10. kurz vor 3"
schender
Anmerkungen.
Am 1. u. 8. stürm,, am 1. Gewitter und Hagel im NW.
Am 24. +05.
Am 10. stürmisch a. NW.
Am 14. Ab. Gewitter.
Am 15. öfters Donner und Gewitterregen.
Am 1. u. 10. stürmisch. k
Am 1. Sturm a 0., vom 8.—9. a. NW., am 22. a.W.
ne 23- —0 4. Am 3. Nebenmond. Am 10. Ab. Blitze.
[Am 28. Hochwasser.
Am 12., 18., 26., 27. Stürme a. N., NW. u. NO. am 26. sehr
Am 13. 5" Ab. Nebensonne. [stark.
Am 10. um 4" 49’ Ab. Sturm a. W. mit Gewitter u. Hagel.
Am 8., 14., 20. Ab. Wetterleuchten.
Am 1. von 3" M. bis 11" Ab. Sturm a. SO., dann 0. 14—15.
Noch oft Schnee, besonders vom 223,—27.
Am 11. Gewitter. ”Vom 16.—19. mangeln die Berichte.
Am 1. u. 2. Sturm a. SO. Am 10. von 1—2" Ab. Schnee-
[sturm a. W.
Am 8. Sturm a. WSW., am 10. a. WNW. mit Hagel. Am
[3. Nebenmonde.
>Um 5," M. —12°0. Am 8. Erdbeben. Am 9. sehr stürm.
Den ganzen Tag. Am 5. und 26. Stürme.
44.40‘ ausbrach, am Kahlenberge nicht beobachtet worden.
egen), Nachts stürmisch,
93%; das Gelöse war wie wenn ei
aus allen Richtungen wechselnd; am
40 mit Schneefall. £
Tittags eine Temperatur von +2 bis
Am 30. von
Ab. sehr plötzlich aus NW. zu W.,
n schwerer Wagen auf der Strasse
28. Ab, starken Schneegeslöber.
2:80; Morgens fiel die Temperalur
).
Anstalt.
Beoba,,,
d
Anmerkungen.
Curzolar
Ragusa?, |Yom 19.23. häufige Erdstösse.
Valona
Udine., |Am 11. um 12* Gewitter.
Zara?)
Parma ®
Mailand |
Venedig, |Am 8. v. 648’ — 10: Ab, Gewitter, Sturm u. Hagel. _
Meran. , |4m28. Sturm, am 15. warmer Westw., am 8.Wetterleuchten.
Szegediı
Semlin
DENT. Am 15. Gewitter in SW., Ab. Wetterleuchten in SO.
sva.
Gran .
ne _|*In der Nacht vom 23. auf 24. —2°7 und Eis.
etz
Pressbur
Tirnau ; |Am 15. Gewitter a. NW., am 25. Sturm a. N.
a . |Am 4.u.10. stürm., am 22. Schneesturm, am 14. Ab. Gew.
Wien‘), |Am10.um #40’ kurzer Sturm a. W., am 5. u. 22. Donner,
rAgordo [am 15. Ab. Wetterleuchten.
Laibach [Am 11. um 3° Morg. Gewitter mit Schneefall,
Cilli ©) , [Am 23. starker Reif und Frost, am 15. Gewitter.
Olmütz
Innsbrue! :
Adelsber | Am 1. stürmisch a. NO.
Linz °)
Debreeziı
Czernowi |#Am 1. u. 24. 0°0.
Brünn. .
Korneubti |Am15.@ewitter in NW., am 22. Morg. —2°0, am 25.—2°5.
Bregenz J Am 10. u. 11. Sturm a.S., am 8. Hagel (Graupen?), am 15. u. 20. Gew., am
nad [1*. Wetterleuchten.
LonstaT |Am 18. 5h Ab. Gew. a. W., am 26. um 2" 30‘ Ab. a. SW., am 16. Wetterl.
Lienz *!) |Am8.u. 15. Sturm, am 7. Blitze in NO.
Prag Am 10. stürmisch und Gewitter in S.
Zavalje Am 18. Ab. Wetterleuchten, am 10. Sturm a. S.
Klagenfuü | Am 10. Sturm a. SW.
Kremsmü |Am 1.stürm. a. O., am10. a. SW. Am 8. Ab. imW. u. NW. heft. Blitzen.
1) Cuı
?) Ragıon 2/ Morg. wellenförmig durch 8, dann St Ab.; am 24. um 1h 55°
ZW, jener am 20. um 24 8 Morg. der stärkste war.
3) Zar
Am 10. u. 26. Morg. auch +8°0°, am 11. stürmisch a.N.
4) Zeh 28. Regen mit Hasch
6) Sclhegetation. Ba
) ciınde horizontale Nebensonnen in dem gewöhnlichen Abstande von 220,
11.
9) LiMnner und Hagel. Am 22. stürmisch mit Schnee und Hagel (Graupen?).
10) a mit langem glänzenden Schweife im Sternbilde des kleinen Hundes
u
11) Lie, Schattenseite bis 2600° weggeschmolzen. Vom 13.—20. milde Tage
vo
12) KroY: Gewitter a..W. Am 20. um 5b 30‘ Gewitter im SW. Vom 22.—26.
wi
In Agor®P, Fuss, an densüdlichen Ausläufern der Alpen am Cardevale.
Sit
Kremsmünster.
a
322.91
Die am Rande reehts stehenden Zahlen bezeichnen die grösste Menge des Niederschlages an einem Tage.
ui | u. |
2 Übersicht der Witterung in Österreich im April 1855.
Entworfen von A. U. Burkhardt, Assistenten an der k. k. Central-Anstalt.
en Maximum Minimum a Maximum Minimum | Dunst- |Nieder-| ner
htungsort. A —_—_—— — ——— —— — | druck | schlag |schender Anmerkungen.
Bonbas 8 Wr Temp. on Tag | Luftdr. Luftdr.| Par. Lin.|Par. Lin.) Wied 5
zolal)..... +12°04| 17:6 |+18°0| 24:9 | 480 | — | — — | — | — | 5”20 | 15”02 | NW. |Am 10. u. 26. Morg. auch +8-0°, am 11. stürmi
ep 0 22 [441-911 19:6|418-0| 8:3 | 47-2 [334°78| 48:3 |337”81| 11-6 |927°87| 3-25 | 5-08 | NO. |Vom 19.23. hüußge Erästüsse, en
Valonnwese Fer +11:-83) 17:6 |+18-0| 25:3 | +6°0| — u — ni 4-57 | 44:07 | NW.
Udine- >: 2... .1+40-62) 48:6 | +18-2| 24:3 | 4304| — — — — = = = W. |Am 11. um 12" Gewitter,
Zara®) » » . .- - )+10:35| 18-6 | +16-2| 24°3 | +46 336-46| 16:6 |339-68| 10-9 1331-43, 3-92 | 10-60 | SW.
Parma®) . 2... |+10-20| 21:°°|+19-5) 1° | +12 1332-75 16° 1336-29) 10- |325-14| 74- — d.
Mailand . . . + 9-89) 16° |+19-6| 23° +0:8 |330-72| 23-5 |334-63| 10-5 |323-65| 3-08 | 56:55 | NO.
Venedig. . » + 9:83) 47:8 |+16-2) 1:3 | +4°0 |336-20| 16-6 1339-82] 11-3 )328:43| 3-35 | 22:48 | SO. |Am8. v. 645’ — 10° Ab. Gewitter, Sturm u. Hagel
Meran. . + 9-26) 13:5 1 +49-6| 24-3 | +21 |324-62| 17:3 |328-26| 11-3 [318-57| — |11:21 | NW. Am 28. Sturm, am 15. warmer Westw., am8.Wetterleuchten
Szegedin + 8-18| 20-6 | +17-4| 23-3 | +0-5 1333-33] 1-9 |338-69| 11-6 |326-54| — |17:10| W. i
Semlin . . - + 8-17|(2)23:6| +18-2|(9)233| +22 |332-94| 1:3 |338-55) 11-3 [325.64] °— 7.50 | Sy
Fünfkirehen . + 8-05| 17:6 | +18-2| 24-3 | +2-1 1333-73) 1-3 |334-82| 11-3 1324-33) — 9:82 | NW. |Am 15. Gewitter in SW., Ab. Wetterleuchten in SO.
Jolsva. . . + 7:392| 15:5 | +21:02) 24-3 | —20| — = _ _ — —_ —_ N.
Gran on... + 7:20| 17-6 | +17:0| 25-3 | —03| — — 9:84 | NW.
Wallendorf°) + 7.23| 17-6 | +415-5| 1:3°| +11. 1321-46) 1:9 |328-62| 12-3 1314-96) 2:65 | 770 W. |*In der Nacht vom 23. auf 24. —2°7 und Eis,
Retz . un + 7.10) 20:6 |+17°2| 1:3 | +1°9| — — —
Pressburg . . + 7-05| 16-6 |+14°5| „2:3 | +0:5 1331-43) 1:3 1336-39 11-3 1323-79) — — —
EU AN + 6-95| 17:6 | +#7:0| 22:2 | +10 |331-26) 14 33650) 10-6 |323-13| 2-75 | 10-09 N. [Am 15. Gewitter a. NW., am 25. Sturm a.N.
Schössl®) . . . + 6:92) 20-6 | +15:9| 23-3 | —2:0 |324-75| 23-3 328.96) 10-6 |315-04| 2-24 | 12-93 | NW. |Am 1.u. 10. stürm., am 22. Schneesturm, am 14. Ab. Gew.
Wien) az + 6:61| 20-6 | +19-0) 25-3 | —1:8 |329-65| 1-4 |334:27| 10-7 |320-60| 2:26 | 11:99 | NW. |Am 10. um 440’ kurzer Sturm a. W., am 5. u. 22. Donner,
-+Agordo + 6-60) 20-6 | +16-5 | 23-3 | —2°0 1312-84| 17-3 |316-67| 11-3 |305-43| — 0:32 | SO. [am 15. Ab. Wetterleuchten.
Laibach . . . . ı 6-60| 15-6 | +16-4) 12-3 | —5:0 [325-52| 22°9 |329-30| 10-9 |318:29| 2-60 | 73:20 | SO. |Am 11. um 3" Morg. Gewitter mit Schneefill.
(MS) ra + 6:37) 15-6 |+17:0| 25:3 | —1:7 |327:56| 22°9 1331-64] 10-6 |321-29) 2-44 | 37:30 | NO, |Am 23. starker Reif und Frost, am 15. Gewitter.
Dlmnuzemeee er + 6-35| 16-6 | +18:0| 25-3 | —0:6 |328:75| 1°3 |333-74| 10-6 1319-99) — —_ zo
Innsbruck . . . - + 6:33| 20-6 | +17°4| 11-3 | +1°2 |314.27| 23:3 |317:67| 10-9 1305:98| — 9.697 | — =
Adelsberg . . ı 6-18| 15:6 |+18°3| 1-3 | —0-8 |315-36| 16°6 |318-73| 10:9 )308:98| — — — ıAm41. stürmisch a. NO.
Binz)ew.. 2. + 6:16) 20:6 | +16-0| 24-3 | —0-4 |326-87| 22-9 |331-03| 10-6 318.52) — 127.08) W. ;
Debreezin . + 6-44] 17:6 \+14°6) 23:3 | +0°2 |331:63| 1-6 |337-31| 10:9 |322:99| — |141226| N.
Czernowitz + 6-12) 21-6 | +15-5| 3-3*) —1:0 |326-49| 1-6 |334-60| 10-9 |319-22| — |36-141 | NW. |*Am 1. u. 24. 0°0.
Brüm..... + 6:09| 33: |+16:6| 24: | —4:0 |328:88| 1-5 |333-26| 10-6 |319-85| 2-33 | 6-64 | NW.
Korneuburg . . + 6-02) 16° |+16-6) 25-3 | —1:0 13-06 | NW. |Am15. Gewitter inNW., am 22. More. —2°0, an25.—2°5,
Bregenz e + 5-90 20-6 | +17:2| 24-4 0-0 1321-37 | 22-4 |325-49\ 10-6 \317-04 > 25-51 S. Am 10. u. 11. Sturm a.S., am 8. Hagel (Graupen?), ai 15. u. 20. Gew., am
Kronstadt 2) Ar 5-77 75 + 12-2 1-3 | —0-A |313:76 1-9 [321-00| 12-3 1306-97 — 39:89 = Am 18. 5h Ab. Gew. a. W., am 26. um 2h 30’Ab.a. |
Lienz 2). + 5-75| 15°6 | +16°0| 24:3 | —3:2 [1311-16 17-3 |315-00| 11-3 1303-96) 2-03 | 23-32 | NW. |Am 8. u. 15. Sturm, am 7. Blitze in NO.
Hm + 5:69 20° |+17:4| 23: | —0:7 |328:92| 22: 1333-40) 10- |318-92| 2-37 | 6-67 | W. |Am10. stürmisch und Gewitter in S.
Zavalje - - + 5.66| 21:6 | +16-4| 24-3 | —2 2 | — — —_ — —_ — _ N. |Am 18. Ab. Wetterleuchten, am 10. Sturm a. S.
Klagenfurt. . . |+ 5-54| 15° | +20-7| 24° | —4:6 |318-62| 17-3 |322-84| — —_ 2-47 | 31:26 | SO. |Am 10. Sturm a. SW.
Kremsmünster 2). . |+ 5-37| 20-7 | +16-4| 24:2 | —1:0 |322-91| 22-3 |326-51| 10-7 |313-69| 2:53 | 37:30 | 2. |Am1.stürm. a. O., am10. a. SW. Am 8. Ab. imW. u. NW. heft. Blitzen.
12)
Curzola. Am 2$. fiel auf dem nahen Berge Vipera Schnee, sehr selten im April.
Ragusa, Schwache Erdstösse waren am 19. um 9 Ab., am 20. um 2: 3’ Morg. und 21 45', dann 8" 50‘ und 8% 55‘, dann am 23. um 10h 2' Morg. wellenförmig durch 8', dann St Ab.; am 24. um Il 55°
zwei schnell auf einander folgende. Auch andererseits in dem 7 Meilen entfernten Ragusavecchia wurden die Erdstösse verspürt, wo jener am 20. um 2h 8' Morg. der stärkste war.
Am 16. April um 8: 30° Ab. wurde ein Lichtmeteor beobachtet, welches sehr hell und bei 3’ unbeweglich erschien.
Zara.
Vom 8.—9., 11.—12. und 21.—22,. Blitze. Vom 10.—11. sehr stürmisch, am 26, u. 28. Regen mit Hagel.
Parma Am 1. häufiger Regen mit Schnee vermischt.
Wallendorf. Stürme waren am 1. a.0., am 2. a. SW., am 13. a. W., am 17., 19., 25., 27. a. NO
Schössl. Sehr oft Schneefälle, besonders am 1., 3., 8., 9, 12., 21., 22., 23., 24., 25., 26.; öftere Fröste, daher wenig und späte Vegetation.
Wien. Am 9. von 8115'—-8h45'Morg. nebensonnenartiger verticaler Lichtstreifen (verticale Nebensonne); am 15. Ab. 6% zwei slänzende horizontale Nebensonnen in dem gewöhnlichen Abstande von 220
Cilli. Bei dem Gewitter am 15. gegen 5h Ab. zündete der Blitz !/; Stunde von Cilli westlich.
Linz. Am 10. um 2h 55‘ Ap. heftiger Sturm a. SW., welcher Bäume entwurzelte, dabei Donner. Am 11. um 2430‘ Sturm a. SW. mit Donner und Hagel. Am 22. stürmisch mit Schnee und Hagel (Graupen?).
Kronstadt. Am 10. u. 13. Stürme a. N., am 20. Reif und Eis. Amil. um 8450’ Ab. wurde eine sehr intensiv leuchtende Feuerkugel mit langem glänzenden Schweife im Sternbilde des kleinen Hundes
durch 3—4’' gesehen.
Lienz. Am 10. allgemeines Schneeschmelzen im Thale. Am 30. war der Schnee an den Bergen auf der Sonnenseite 5400', auf der Schaltenseite bis 2600‘ weggeschmolzen. Vom 13.20. milde Tage
vom 21.—27. täglich von 8: Morg. bis 8: Ab. stürmisch a. NW.
Kremsmünster. Am 13. Ab. bei Sonnenuntergang prächtiges Alpenglühn.
wie an vielen Stationen Frost und Schnee.
Am 14. 8: Ab. häufiges Blitzen im W. Am 15. um 7 30' Gewitter a. W. Am 20. um 5l 30' Gewitter im SW. Vom 22.26.
-+HIn Agordo bei Belluno beobachtet Hr.Dr. Rigoni-Stern. Agordoliegt unterm 46° 16" n. B.und 29° 13" ö.L., Seehöhe 1932 P. Fuss, an densüdlichen Ausläufern der Alpen am Cardeyale.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XVI. Bd. H. Hft.
Gang der Wärme und des Luftdruckes im April 1855.
Die punetirten Linien stellen die Wärme, die ausgezogenen den Luftdraek dar.
Die beigeschriebenen Zahlen .sind Monatmittel, denen die stärkeren Horizontallinien entsprechen.
Ein Netztheil entspricht bei der Wärme einem Grad Reaumur, beim Luftdrucke einer Pariser Linie.
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Gang der Feuchtigkeit und des Ozongehaltes der Luft im April 18 55.
Die punktirten Linien stellen die eg die ausgezegenen den Ozongehalt dar.
Die am Rande befindlichen Zahlen sind die Monatmittel der Feuchtigkeit, jene zwischen
den Curven die Monatmittel des Ozongehaltes. -
Den Monatmitteln entsprechen die stärkeren Horizontallinien.
Ein Netztheil beträgt für die Feuchtigkeit 5 Procente, für den Ozongehalt einen Theil der Far,
benscala, welche vom völligen Weis bis zum tiefsten Blau zehn Abtheilungen enthält.
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Die am Rande reehts stehenden Zahlen bezeichnen die grösste Menge des Niederschlages an einem Tage.
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