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Full text of "Sitzungsberichte und Abhandlungen der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft Isis in Dresden"

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Naturwissenschaftlichen  Gesellschaft 


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Herausgegeben 

von  dem  Redaktions-Komitee. 


Jahrgang  1903. 

Juli  bis  Dezember. 


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Dresden. 

In  Kommission  der  K.  Sachs.  Hofbuchhandlung  H.  Burdach. 


Redaktions- Komitee  für  1903. 

Vorsitzender:  Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  0.  Drude. 

Mitglieder:  Hofrat  Prof.  Dr.  J.  Deichmüller,  Prof.  Dr.  E.  Kalkowsky,  Prof. 
Dr.  A.  Schlossmann,  Oberlehrer  Dr.  J.  Thallwitz,  Prof.  Dr.  Ph.  Weinmeister 

und  Prof.  K.  Wobst. 

Verantwortlicher  Redakteur:  Hofrat  Prof.  Dr.  J.  Deichmüller. 


Sitzungskalender  für  1904. 

Januar.  7.  Prähistorische  Forschungen.  14.  Zoologie.  21.  Botanik.  28.  Hauptver¬ 
sammlung. 

Februar.  4.  Mineralogie  und  Geologie.  11.  Mathematik.  18.  Physik,  Chemie  und  Physio¬ 
logie.  .  25.  Hauptversammlung. 

März.  3.  Prähistorische  Forschungen.  10.  Botanik  und  Zoologie.  17.  Botanik  (Floristen¬ 
abend).  24.  Hauptversammlung. 

April.  7.  Mineralogie  und  Geologie.  14.  Mathematik.  21.  Physik,  Chemie  und  Physio¬ 
logie.  28.  Hauptversammlung. 

Mai.  5.  Prähistorische  Forschungen.  12.  Exkursion  oder  19.  Hauptversammlung. 

Juni.  2.  Zoologie  und  Botanik.  6.  (Montag)  Botanik  (K.  Botanischer  Garten  5  Uhr). 

9.  Mathematik  16.  Mineralogie  und  Geologie.  23.  Physik,  Chemie  und  Physio¬ 
logie.  30.  Hauptversammlung. 

September.  29.  Hauptversammlung. 

Oktober.  6.  Prähistorische  Forschungen.  13.  Mathematik.  20.  Botanik  und  Zoologie. 
27.  Hauptversammlung. 

November .  3.  Botanik.  10.  Mineralogie  und  Geologie.  17.  Physik,  Chemie  und  Physio¬ 
logie.  24.  Hauptversammlung. 

Dezember.  1.  Zoologie.  8.  Prähistorische  Forschungen.  —  Mathematik.  15.  Botanik. 
22.  Hauptversammlung. 


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der 


Naturwissenschaftlichen  Gesellschaft 


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ISIS 


in  Dresden. 


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Herausgegeben 

von  dem  Redaktions-Komitee. 


Jahrgang  1903. 


Mit  2  Tafeln  und  1  Abbildung  im  Text. 


Dresden. 

In  Kommission  der  K.  Sachs.  Hofbuchhandlung  H.  Burdach. 

1904. 


Inhalt  des  Jahrganges  1903, 


Verzeichnis  der  Mitglieder  S.  V. 

Oskar  Schneider  f  S.  XV. 

A.  Sitzungsberichte. 

I.  Sektion  für  Zoologie  S.  3  und  19.  —  Hanzsck,  B.:  Ornitkologische  Reisebilder 
aus  Island  S.  19.  —  Heller,  K.:  Flügelgeäder  von  Schmetterlingen,  Nest  der 
kalifornischen  Minierspinne,  Kassein  der  Klapperschlange,  Verhalten  von  Pimelia 
grandis  und  Asemus  alb  om  arg  in  atu  s ,  neue  Literatur  S.  3.  —  Jentzsch,  K.:  Blätter 
der  Silberpappel  S.  4.  —  Schiller,  K.:  Jugendstadien  von  Phallus  impudicus  S.  4.  — 
Schorler,  B.:  Hamburger  Elbuntersuchungen  S.  3.  —  Thallwitz,  J.:  Über  Sepia 
officinalis,  Problem  der  geschlechtsbestimmenden  Ursachen,  neue  Literatur  S.  3.  — 
Viehmeyer,  H.:  Myrmekophile  Käfer  Sachsens  S.  3. 

II.  Sektion  für  Botanik  S.  4  und  19.  —  0.  Schneider  f  S.  19.  —  Drude,  0.: 
Zusammensetzung  schweizerischer  und  skandinavischer  Torfmoore,  Perennierungs- 
formen  heimischer  Waldstauden,  Formationsherbarien  aus  der  Flora  Sachsens  und 
Nebraskas,  Abbildungen  zur  Flora  Nordamerikas  S.  5;  Naturforscherversammlung  in 
Kassel  S.  19;  Charakterpflanzen  der  ostpreufsischen  Formationen  S.  20;  neue  Literatur 
S.  19.  —  Engelhardt,  H.:  Die  Steinnufs  S.  5.  —  Fritzsche,  F.:  Pflanzenvorlagen 
S.  4.  —  Haupt,  H.:  Biologie  des  Pollens  S.  19.  —  Naumann,  A.:  Adenophora 
liliifolia  S.  4.  —  Oster  maier,  J. :  Photographische  Aufnahmen  von  Pflanzen  usw.,  mit 
Bern,  von  0.  Drude  S.  20.  —  Schiller,  K. :  Subterrane  Pilze  S.  5.  —  Schorler,  B. : 
Der  Moschuspilz  S.  5;  Literatur  Vorlage  S  20.  — Wobst,  K.,  und  Wolf,  Th.:  Pflanzen¬ 
vorlagen  S.  4. 

III.  Sektion  für  Mineralogie  und  Geologie  S.  5  und  21.  —  Bergt,  W.:  Sudetisches 
Erdbeben  vom  10.  Januar  1901  S.  6;  seltene  Minerale,  gegenwärtiger  Stand  des 
Problems  der  kristallinischen  Schiefer,  internationaler  Geologenkongrefs  in  Wien, 
Reise  durch  Bosnien  S.  21.  —  Deninger,  K. :  Die  Karnischen  Alpen  S.  21.  — 
Engelhardt,  H. :  Fossile  Pflanzen  des  Obermiocäns  von  Kleinasien,  Briefwechsel 
zwischen  Goethe  und  K.  von  Sternberg  S.  6.  —  Kalkowsky,  E.:  Geologische  Kar 

tierung,  neue  Literatur  S.  6;  Theorie  der  bruchlosen  Faltung  S.  21; . und 

Deninger,  K.:  Fossile  Hölzer  von  Hilbersdorf  S.  6.  —  Schiller,  K.:  Neue  Literatur 
S.  21.  Stübel,  A. :  Genetische  Erklärung  der  vulkanischen  Vorgänge  auf  Martinique 
und  St.  Vincent  S.  6.  —  Wagner,  P.:  Geschichte  der  geologischen  Erforschung 
Sachsens  S.  5,  Vorlage  von  sächsischer  Wundererde  S.  6. 

IV.  Sektion  für  prähistorische  Forschungen  S.  6  und  21.  —  Al  vensleben,  L.  von: 
Vorlagen  S.  8.  —  Deichmüller,  J.:  Bernsteinfunde  aus  Sachsen  S.  7,  steinzeitliche 
Niederlassuugen  bei  Mügeln,  Birmenitz  und  Mettelwitz  S.  8;  Inventarisierung  der  vor¬ 
geschichtlichen  Altertümer  Sachsens  im  Jahre  1903 ,  neue  Erwerbungen  der  K.  Prä¬ 
historischen  Sammlung,  neue  Urnenfelder  aus  Sachsen  S.  21;  neue  Literatur  S.  8 
und  21.  —  Döring,  H.:  Modell  des  Burgwalles  Niederwartha  S.  6,  der  Heidenschanze 
bei  Altkoschütz  S.  7;  Benndorfs  Tafeln  vorgeschichtlicher  Gegenstände  aus  Mittel¬ 
deutschland  S.  8;  Feuersteinfunde  von  Salzuflen,  Museum  in  Detmold,  Ausflüge  in 
Lippe  -  Detmold  und  Westfalen  S.  22.  —  Dutschmann,  G.:  Slavischer  Topf  aus 
Löbtau  S.  9.  —  Ebert,  0.:  Vorgeschichtlicher  Bernsteiuhandel  S.  7;  Herdstellen¬ 
funde  bei  Stetzsch  S.  9;  Heimat  und  Wanderungen  der  Indogermanen  S.  6,  mit  Bern, 
von  P.  Menzel  S.  8.  —  Hottenroth,  I.:  Funde  aus  der  Umgebung  der  Zöthainer 
Schanze  S.  7;  steinzeitliche  Niederlassungen  bei  Lommatzsch  S.  22.  —  Klähr,  M. : 
Neue  vorgeschichtliche  Funde  S,  7,  8  und  22.  —  Ludwig,  H.:  Neue  vorgeschicht¬ 
liche  Funde  S.  7  und  22;  Herdstellenfunde  bei  Sörnewitz  S.  9.  —  Putscher,  W. : 
Vorlage  S.  8.  —  Vogel,  Kl.:  Klopfstein  von  Mockritz  S.  7. 

V.  Sektion  für  Physik,  Chemie  und  Physiologie  S.  9  und  23.  —  Beythien,  A.: 
Neuere  Fleischkonservierungsmittel  S.  9;  Nahrungsmittelkontrolle  der  Stadt  Dresden 
S.  23.  —  Bohrisch,  P.:  Haltbarmachung  von  Nahrungsmitteln  S.  9.  —  Klopfer,  V.: 


IV 


Neues  Verfahren  zur  Herstellung  von  Nahrungsmitteln  S.  23.  —  Meyer,  E.  von: 
Bereitung  von  Spiritus  aus  Fäkalien  S.  9.  —  Schumacher,  W. :  Entwicklung  der 
organischen  Analyse  S.  9.  —  Töpler,  M.:  Über  Becquerelstrahlen  S.  9. 

VI.  Sektion  für  reine  und  angewandte  Mathematik  S.  10  und  23.  —  Grübler,  M.: 
Kriterien  der  Zwangläufigkeit  kinematischer  Ketten  S.  10.  —  Heger,  R. :  Be¬ 
rührungskugeln  der  Seiten  eines  unebenen  Vierseits  S.  11;  Kegel  und  Kugeln  in 
homogenen  Koordinaten  S.  23.  —  Krause,  M. :  Cauchyscher  Integralsatz  iS.  23.  — 
Rohn,  K.:  Regulär  verteilte  Punkte  im  Raum  S.  10;  Stellung  geometrischer  Auf¬ 
gaben  S.  23 ;  homogene  lineare  Relation ,  welcher  die  Koordinaten  von  vier  Punkten 
der  Ebene  Genüge  leisten  S.  24.  —  Weinmeister,  Ph. :  Synthetische  Lösung  einer 
geometrischen  Aufgabe  S.  23;  Ort  des  Punktes  gleicher  Tangenten  an  zwei  ebene 
Kurven,  mit  Bern,  von  K.  Rohn  S.  24.  —  Witting,  A.:  Fall  im  widerstehenden 
Mittel,  kleinere  Mitteilungen  S.  11. 

VII.  Hauptversammlungen  S.  11  und  24.  —  Beamte  im  Jahre  1904  S.  27.  —  Kassen- 
abschlufs  für  1902  8.  11,  12  und  16.  —  Voranschlag  für  1903  S.  11.  —  Freiwillige 
Beiträge  zur  Kasse  S.  26.  —  Veränderungen  im  Mitgliederbestände  S.  13  und  25.  — 
Bericht  des  Bibliothekars  S.  29.  —  Nitsches  Vermächtnis  für  die  Bibliothek  S.  11.  — 
Besichtigung  der  Bibliothek  S.  24.  —  K.  Vetters  f,  G  Radde  f  S.  12.  —  Dietz,  R. : 
Reise  nach  den  Kanarischen  Inseln  im  Jahre  1901  S.  25.  —  Drude,  0.:  Älteste 
Papierfabrikation  S.  12;  Physiologie  der  Reizerscheinungen  im  Pflanzenreiche  S.  13; 
botanische  Reise  zwischen  Weichsel  und  Memel,  neue  Literatur  S.  25;  Entwicklung 
der  Isis  S.  12:  Mitgliederbestand  der  Isis  im  Jahre  1903  S.  25.  —  Engelhardt,  H. : 
Vorlagen,  neue  Literatur  S.  25  —  Kalkowsky,  E.:  Reise  nach  Portugal  S.  12.  — - 
Meyer,  E.  von:  Justus  Liebig  S.  12.  —  Ostermaier,  J.:  Photographien  aus  der 
Hohen  Tatra  S.  12. —  Pattenhausen,  B.:  Neuere  Ergebnisse  der  europäischen  Grad¬ 
messung  S.  11  —  Schiller,  K.:  Entwicklung,  Wachstum  und  Benutzung  der  Biblio¬ 
thek  S.  24.  —  Schlossmann,  A. :  Tod  und  Scheintod  S.  25.  —  Exkursion  nach 
der  Sächsischen  Gufsstahlfabrik  in  Döhlen,  nach  Gottleuba  S.  12. 


B.  Abhandlungen. 

Bergt,  W.:  Über  einige  sächsische  Minerale.  Mit  1  Abbildung  im  Text.  S.  20. 
Bergt,  W.:  Aschenstruktur  in  vogtländischen  Diabastuffen.  Mit  Tafel  1.  S.  26. 
Bergt,  W.:  Stauchungen  im  Liegenden  des  Diluviums  in  Dresden.  Mit  Tafel  II.  S.  30. 
Beythien,  A.:  Die  Nahrungsmittelkontrolle  der  Stadt  Dresden.  S.  35. 

Drude,  0.:  Mitteilungen  über  botanische  Reisen  1899  und  1903  in  Ostpreufsen. 
S.  77. 

Engelhardt,  H.:  Bemerkungen  zu  tertiären  Pflanzenresten  von  Königsgnad.  S.  72. 
Hottenroth,  I.:  Über  neolitische  Ansiedelungen  in  der  Umgebung  von  Lommatzsch. 
S.  67... 

Menzel,  P. :  Über  die  Flora  der  plastischen  Tone  von  Preschen  und  Langaujezd  bei 
Bilin.  S.  13. 

Schorler,  B. :  Beiträge  zur  Verbreitung  des  Moschuspilzes  {Nectria  moschata  Glück). 
.8.  3. 

Thallwitz,  J.:  Cladoceren,  Ostracoden  und  Copepoden  aus  der  Umgebung  von 
Dresden.  S.  9. 


Die  Verfasser  sind  allein  verantwortlich  für  den  Inhalt  ihrer 

Abhandlungen. 


Die  Verfasser  erhalten  von  den  Abhandlungen  50,  von  den  Sitzungsberichten  auf 
besonderen  Wunsch  25  Sonderabzüge  unentgeltlich,  eine  gröfsere  Anzahl  gegen  Er¬ 
stattung  der  Herstellungskosten. 


Oskar  Schneider. 

Durch  den  am  8.  September  zu  Blase witz  erfolgten  Tod  des  Geographen 
Prof.  Dr.  Oskar  Schneider  hat  die  naturwissenschaftliche  Gesellschaft 
Isis  einen  schmerzlichen  Verlust  erlitten.  Ein  Mann  voller  Hingabe  an  die 
Liebe  zur  Natur  und  die  Pflege  naturwissenschaftlicher  Forschung  ist  mit 
ihm  dahingeschieden.  Vier  Jahrzehnte  hindurch  —  seit  1863  —  hat  Schneider 
der  Isis  angehört,  und  unsere  Gesellschaft  verdankt  ihm  eine  grofse  Anzahl 
lehrreicher  Vorträge  und  gehaltvoller  Abhandlungen.  Wenngleich  seine 
Hauptarbeit  der  Geographie  und  Kulturgeschichte  gewidmet  war,  so  bewog 
doch  die  naturwissenschaftliche  Auffassung  der  Geographie  den  vielseitigen 
Mann,  sich  auch  in  Mineralogie  und  Geologie,  in  Botanik  und  Zoologie 
forschend  zu  betätigen. 

Merkwürdig  war  der  Entwicklungsgang  Oskar  Schneiders.  Von  Haus 
aus  Theologe  gab  er  sich  später  fast  ausschliefslich  naturwissenschaftlichen 
und  geographischen  Studien  hin.  Geboren  wurde  er  1841  zu  Löbau  als 
Sohn  eines  Geistlichen,  und  auf  Wunsch  seines  Vaters,  der  Archidiakonus 
zu  Löbau  war,  hat  er  in  Leipzig  Theologie  studiert.  Aber  die  Neigung 
zur  Naturbeobachtung  und  sein  Sammeleifer  führten  schon  den  Gymnasiasten 
und  Studenten  auf  das  Arbeitsgebiet,  das  seine  spätere  wissenschaftliche 
Tätigkeit  ganz  in  Anspruch  nahm.  Gleich  von  Anfang  au  zeigte  sich  als 
charakteristischer  Zug  seines  Wesens  die  Ausdauer,  mit  der  er  sich  einem 
ihm  der  Erforschung  wert  erscheinenden  Stoffe  durch  Jahre  hindurch  immer 
und  immer  wieder  zuwendete.  Aus  Sammlungen  und  Beobachtungen,  mit 
denen  er  sich  Jahr  für  Jahr  während  des  gröfsten  Teiles  seiner  Gymnasial- 
und  Universitätsferien  beschäftigt  hatte,  entsprang  1865  seine  Dissertation, 
die  „Geognostische  Beschreibung  des  Löbauer  Berges“,  die  er  als  24jäliriger 
cand.  theol.  in  den  Abhandlungen  der  naturforschenden  Gesellschaft  zu 
Görlitz  veröffentlichte,  und  mit  der  er  den  philosophischen  Doktorgrad  der 
Universität  Leipzig  erwarb.  Mit  dieser  Arbeit  trat  Schneider  in  persön¬ 
liche  Beziehungen  zu  den  berufensten  Vertretern  der  Mineralogie  und 
Geologie  jener  Zeit,  und  auch  bei  seinen  späteren  Arbeiten  versäumte  er 
nicht,  Verbindungen  mit  Naturforschern  seines  Arbeitsgebietes  anzuknüpfen 
und  Beziehungen  zu  ihnen  zu  pflegen.  1867  liefs  ihn  ein  längerer  Auf¬ 
enthalt  in  Ägypten  ein  reiches  Material  ansammeln,  dessen  Ordnung  und 
Bearbeitung  er  den  gröfsten  Teil  der  Zeit  widmete,  die  ihm  seine  Lehr¬ 
tätigkeit  am  Freimaurerinstitut  und  später  an  der  Annenschule  zu  Dresden 
übrig  liefs.  Die  Jahrgänge  1871  und  72  unserer  Isis -Berichte  bringen  eine 
grofse  Zahl  von  Mitteilungen  und  Vorträgen  Schneiders  über  Ergebnisse 


XVI 


dieses  Aufenthalts,  aufserdem  Abhandlungen  über  „Die  Käferfauna  von 
Ramleh“,  über  „Palästinensische  Käfer“,  „Die  Schmetterlingsfauna  von 
Ramleh“,  „Die  Conchylienfauna  der  ägyptischen  Küste“,  sowie  „Über 
die  Flora  der  Wüste  von  Ramleh“.  Alle  diese  Arbeiten  kennzeichnen 
Schneider  als  geschickten  Sammler  und  verständnisvollen  Beobachter.  Die 
Spezialisten,  denen  er  gern  von  seinem  Material  übergab,  konnten  sicher 
sein,  Formen  dabei  zu  finden,  die  seinen  Vorgängern  entgangen  waren. 
Durch  ihn  sind  zahlreiche  neue  Arten  in  die  Wissenschaft  eingeführt 
worden,  und  die  Kenntnis  von  Verbreitung  und  Lebensweise  sehr  vieler 
Arten  wurde  durch  ihn  gefördert. 

Die  Nachempfindung  weihevoller  Stunden,  die  ihm  1868  eine  Reise 
durch  Palästina  gebracht  hatte,  regte  ihn  nach  seiner  Rückkehr  in  die 
Heimat  zu  Quellenstudien  über  die  Literatur  des  toten  Meeres  an  und 
ward  Anlafs  zu  einer  Abhandlung  „Über  die  Entstehung  des  toten  Meeres“. 

Das  Jahr  1875  führte  Oskar  Schneider  auf  sechs  Monate  nach  den 
Kaukasusländern,  die  er  hauptsächlich  zu  geographischen  Studien  benutzt 
hat.  Aber  die  Naturwissenschaft  blieb  nicht  unberücksichtigt.  Soweit  es 
die  Reisedispositionen  zuliefsen,  ging  er  eifrig  ans  Einsammeln  kaukasischer 
Koleopteren  und  brachte  18000  Stück  in  1600  verschiedenen  Arten  zu¬ 
sammen.  Gemeinsam  mit  der  Sammelausbeute  eines  anderen  Kaukasus¬ 
reisenden  wurden  diese  Käfer  von  namhaften  Entomologen  bestimmt  und 
die  Resultate  niedergelegt  in  den  umfangreichen  „Beiträgen  zur  Kenntnis 
der  kaukasischen  Käferfauna“  von  Dr.  Oskar  Schneider  und  Hans  Leder, 
Brünn  1878,  die  in  der  faunistischen  Liste  mehr  als  200  Neubeschreibungen 
enthalten.  Ein  Ergänzungsheft  der  Zeitschrift  unserer  Isis  brachte  im 
gleichen  Jahre  0.  Schneiders  „Naturwissenschaftliche  Beiträge  zur  Kenntnis 
der  Kaukasusländer“. 

Die  Anregungen,  welche  Schneider  ehedem  in  Ägypten  empfangen, 
beschäftigten  seinen  Geist  auch  weiterhin  noch  und  lieferten  ihm  Arbeits¬ 
stoff.  Jahrgang  1887  der  Isis  enthält  „Der  ägyptische  Granit  und  seine 
Beziehungen  zur  altägyptischen  Geschichte“,  und  die  Festschrift  zur  Jubel¬ 
feier  des  25jährigen  Bestehens  des  Vereins  für  Erdkunde  zu  Dresden 
bringt  1888  aus  Oskar  Schneiders  Feder  „Der  Chamsin  und  sein  Einflufs 
auf  die  niedere  Tierwelt“.  Dasselbe  Jahr  veröffentlichte  Schneider  in  der 
Zeitschrift  unserer  Gesellschaft  eine  Arbeit  „Über  japanischen  und  prä¬ 
historischen  sicilischen  Bernstein“,  welche  unter  Bezugnahme  auf  weiter 
zurückliegende,  anderweit  von  ihm  publizierte  Beiträge  zur  Bernsteinfrage 
deutlich  zeigt,  wie  zäh  er  ein  Thema  festhielt  und  durch  weiteres  Material 
zu  ergänzen  suchte,  zu  dessen  Herbeischaffung  er  keine  Mühe  scheute. 

Mit  gleicher  Unermüdlichkeit  der  Sache  nachgehend  und  unterstützt 
von  staunenswerter  Literaturkenntnis  stellte  er  das  Vorkommen  des  echten 
Smaragds  in  Ägypten  fest  und  gab  Belege  für  seine  Verwertung  im  Alter¬ 
tum  und  im  Mittelalter.  Er  berichtete  hierüber  1891  in  der  Isis  in  einem 
von  zahlreichen  Vorlagen  begleiteten  Vortrag  „Über  den  ägyptischen  Sma¬ 
ragd“  und  das  Jahr  darauf  in  einer  Abhandlung  über  dasselbe  Thema  in 
der  Zeitschrift  für  Ethnologie. 

In  den  folgenden  Jahren  publizierte  er  mehrere  zoologische  Arbeiten. 
Von  kleineren  Veröffentlichungen  abgesehen,  sind  zu  nennen:  „San  Remo 
und  seine  Tierwelt  im  Winter“,  Abhandlungen  der  Isis  1893,  sowie  „Die 
Tierwelt  der  Nordseeinsel  Borkum“  in  den  Abhandlungen  des  naturwissen¬ 
schaftlichen  Vereins  zu  Bremen  von  1898.  Die  erstgenannte  Schrift  ist 


XYII 


eines  der  naturwissenschaftlichen  Ergebnisse  seines  wiederholten  Auf¬ 
enthaltes  in  Italien  — ■  andere  Schriften  hierüber,  wie  „Vallombrosa“ 
(Globus,  Bd.  LIV),  „Naturwissenschaftliche  Beiträge  zur  Geographie  und 
Kulturgeschichte“,  1883,  usw.  galten  mehr  geographischen  Interessen.  Die 
Abhandlung  über  San  Remo  ist  zugleich  eine  Verteidigungsschrift  zu  Gunsten 
des  Winterklimas  der  Riviera,  zu  dessen  Beurteilung  Schneider  neben  der 
Berücksichtigung  der  übrigen  Verhältnisse  auch  Pflanzen-  und  Tierwelt 
heranzieht,  über  die  er  sich  als  rastloser  Sammler  gründlich  unterrichtet  hatte. 

Eine  mühevolle  Arbeit  liegt  der  Abhandlung  über  die  Tierwelt  von 
Borkum  zu  Grunde,  die  für  die  kleine  Nordseeinsel  nicht  weniger  als 
2842  Arten  und  Abarten  nachweist,  so  dafs  damit  die  für  die  ostfriesischen 
Inseln  bekannte  Fauna  auf  3390  Spezies  stieg.  Die  Durchforschung  Borkums, 
die  er  bei  wiederholtem  Aufenthalte  immer  wieder  in  Angriff  nahm,  lieferte 
ihm  zu  eigener  Überraschung  nicht  weniger  als  28  bisher  unbekannte 
Spezies  und  6  neue  Varietäten  in  die  Hände.  Grofs  war  die  Zahl  solcher 
auf  Borkum  von  ihm  erbeuteter  Arten,  die  innerhalb  des  deutschen  Reiches 
noch  nie  beobachtet  worden,  und  ebenso  die  Zahl  derer,  die  für  den  Norden 
Deutschlands  neu  waren. 

So  hat  Oskar  Schneider  an  jedem  Orte,  an  dem  er  aus  irgend  einem 
Grunde  länger  weilte,  die  ihm  zu  Gebote  stehende  Zeit  zu  einer  möglichst 
eingehenden  Erforschung  des  Tierbestandes  der  betreffenden  Gegend  aus¬ 
genutzt.  Er  hielt  mit  Recht  die  Feststellung  von  Lokalfaunen  für  un- 
erläfslich  zur  Gewinnung  einer  breiten  und  festen  Grundlage  nicht  nur  für 
die  Lehre  von  der  geographischen  Verbreitung  der  Tiere,  sondern  auch 
für  manche  Zweige  der  biologischen  Forschung.  Selbst  Dinge,  die  ihm 
nebenher  der  blofse  Zufall  in  die  Hand  spielte,  liefs  Schneider  nicht  leicht 
unbeachtet,  das  zeigt  unter  anderem  die  Geschichte  von  der  Auffindung 
einer  neuen  Milbenart  auf  dem  Pelze  eines  verendeten  Elbebibers,  um  die 
sich  nachher  —  man  vergleiche  die  Abhandlungen  der  Isis  von  1897  und 
1898  —  ein  ergötzlicher  Prioritätsstreit  erhob. 

Die  letzten  gröfseren  Vorträge,  welche  Schneider  in  unserer  natur¬ 
wissenschaftlichen  Gesellschaft  hielt,  hatten  zu  Themen  „Die  pillenwälzenden 
Käfer  und  ihre  Bedeutung  für  die  ägyptische  Mythologie“,  1900,  und  „Über 
Melanismus  korsischer  Käfer“,  von  denen  der  letztere  die  reichhaltige  und 
wertvolle  Reihe  Schneiderscher  Isis  -  Abhandlungen  im  Jahrgang  1902 
beschliefst. 

Ins  Gebiet  der  Ethnologie  hinüber  spielen  Forschungen  über  Muschel¬ 
geld,  mit  denen  er  sich  in  seinen  letzten  Lebensjahren  eifrig  beschäftigt 
haben  soll,  und  vielleicht  wird  uns  sein  Nachlafs  noch  mit  der  einen  oder 
andern  Arbeit  bekannt  machen. 

Erhebt  schon  die  obige  Aufzählung  naturwissenschaftlicher  Arbeiten 
Schneiders  keinen  Anspruch  auf  Vollständigkeit,  so  mufs  eine  Würdigung 
seiner  Tätigkeit  als  Geograph  ganz  und  gar  anderer  Stelle  Vorbehalten 
bleiben. 

Wie  er,  begabt  mit  echtem  Naturforschersinn ,  das  Selbstsehen  und 
Selbstbeobachten  über  blofse  Buchgelehrsamkeit  stellte,  so  hat  er  auch 
als  Schulmann  dahin  gewirkt,  dafs  die  Geographie  nach  Möglichkeit  an¬ 
schaulich  unterrichtet  und  dieser  Unterricht  durch  geeignete  Sammlungen 
unterstützt  werde.  Für  Anlegung  geographischer  Schulsammlungen  ist  er 
in  Wort  und  Schrift  eingetreten,  und  er  hat  selbst  an  der  Annenschule 
eine  solche  Lehrsammlung  zusammengebracht.  Die  Wiederauffrischung  des 


XVIII 


Geschauten  seinen  Schülern  zu  ermöglichen  uncl  ihnen  Gelegenheit  zur 
Heranziehung  von  Vergleichsbildern  zu  geben  veranlafste  ihn,  einen  Typen¬ 
atlas  zu  schaffen,  der  von  1880 — 92  in  vier  Auflagen  erschienen  ist.  Lebendig 
und  farbenreich  wufste  Schneider  als  Lehrer  zu  schildern,  und  hunderte 
von  Schülern  haben  seinen  eindrucksvollen  Unterricht  dankbar  genossen. 
Leider  zwang  ihn  schon  vor  Jahren  ein  Herzleiden,  aus  dem  Lehramt  zu 
scheiden. 

Die  Anregungen,  die  Oskar  Schneider  durch  seine  fieifsige  und  erfolg¬ 
reiche  Tätigkeit  in  verschiedenen  Zweigen  von  Geographie  und  Naturwissen¬ 
schaft  gegeben  hat,  werden  sicher  den  Gang  der  Forschung  auf  den  von 
ihm  bearbeiteten  Gebieten  auch  fernerhin  beeinflussen. 

Ehre  seinem  Andenken! 

J.  Thallwitz. 


Sitzungsberichte 

der 

Naturwissenschaftlichen  Gesellschaft 

ISIS 


in  Dresden. 


1903, 


I.  Sektion  für  Zoologie. 


Vierte  Sitzung  am  5.  November  1903.  Vorsitzender:  Prof.  Dr.  K. 
Heller.  —  Anwesend  37  Mitglieder  und  Gäste. 

Lehrer  B.  Hanzsch  schildert  auf  Grund  eigner  Anschauung  in  einem 
Vortrage:  Ornithologische  Reisebilder  aus  Island,  die  landschaft¬ 
lichen  Eigenheiten  und  besonders  die  Vogelwelt  dieser  Insel  unter  gleich¬ 
zeitiger  Vorlage  von  selbstgesammelten  Bälgen  und  Eiern  charakteristischer 
Vogelarten. 

Die  fast  ein  Vierteljahr  in  Anspruch  nehmenden  Exkursionen,  die,  abweichend 
von  der  dort  üblichen  Art  des  Reisens,  meist  allein  zu  Pferd  ausgeführt  wurden,  führten 
den  Reisenden  die  ganze  Nordküste  der  Insel  entlang,  von  wo  aus  ein  Abstecher  nach 
der  Insel  Grimsey  gemacht  wurde,  und  dann  quer  durch  den  nordwestlichen  Teil  zurück 
nach  Reykjavik  und  in  das  Geysir  -  Gebiet.  Die  nach  Originalaufnahmen  projizierten 
Bilder  ermöglichten  es,  von  Land  und  Leuten  sowie  von  den  berühmten  Vogelbergen 
eine  lebendige  Vorstellung  zu  gewinnen. 


II.  Sektion  für  Botanik. 


Vierte  Sitzung  am  1.  Oktober  1903  (in  Gemeinschaft  mit  der  Sektion 
für  Zoologie).  Vorsitzender:  Dr.  B.  Schorle r.  —  Anwesend  32  Mitglieder. 

Oberlehrer  Dr.  J.  Thallwitz  gedenkt  mit  warmen  Worten  des  jüngst 
verstorbenen  Mitgliedes  Prof.  Dr.  Oskar  Schneider  und  spricht  unter 
Vorlage  einer  grofsen  Zahl  seiner  Abhandlungen  über  dessen  wissenschaft¬ 
liche  Tätigkeit.  (Nekrolog  s.  S.  XV.) 

Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  0.  Drude  gibt  Mitteilungen  über  die  Natur¬ 
forscherversammlung  in  Kassel  unter  Vorlage  folgender  Literatur: 

Festschrift  zur  75.  Versammlung  Deutscher  Naturforscher  und  Ärzte. 
Kassel  1903; 

Die  Residenzstadt  Kassel  am  Anfänge  des  20.  J ahrhunderts.  Kassel  1903 ; 

Abhandlungen  des  Vereins  für  Naturkunde  zu  Kassel  1902/03.  Der  natur¬ 
wissenschaftlichen  Hauptgruppe  der  75.  Versammlung  Deutscher  Natur¬ 
forscher  und  Ärzte  in  Kassel  gewidmet.  Kassel  1903; 

Die  mechanischen  Werkstätten  der  Stadt  Göttingen.  Denkschrift 
der  vereinigten  Mechaniker  Göttingens.  Melle  1901; 

Führer  im  Bad  Wildungen.  Der  Natur  forscher  Versammlung  gewidmet. 
Leipzig  1903. 

Dr.  H.  Haupt  hält  einen  Vortrag  über  die  Biologie  des  Pollens. 

Nach  kurzen  Angaben  über  die  ältere  und  neuere  einschlägige  Literatur  schildert 
Vortragender  die  Entwicklungsgeschichte  und  Anatomie  des  Pollenkorns  und  geht  sodann 
zu  dem  eigentlichen  Thema,  der  Streitfrage  über  die  Schädlichkeit  oder  Unschädlichkeit 
der  Benetzung  durch  atmosphärische  Niederschläge  für  den  Pollen  über. 


20 


Jussieu  und  Needham,  in  neuerer  Zeit  vor  anderen  Kerner  von  Marilaun  vertreten 
die  Ansicht,  dafs  Wasser  den  reifen  Pollen  unter  allen  Umständen  schädige.  Die  vielen, 
hei  fast  allen  entomophilen  Arten  vorhandenen  Schutzeinrichtungen  für  den  Blutenstaub 
führt  Kerner  hauptsächlich  auf  Anpassung,  um  den  gedachten  Zweck  zu  erreichen, 
zurück.  Bengt  Lidfors  in  Lund  hat  in  mehreren  Arbeiten  nachgewiesen,  dafs  diese 
Schlufsfolgerungen  zu  weitgehende  sind;  er  stellt  den  Satz  auf,  dafs  einmal  auch  inner¬ 
halb  der  Wendekreise  vielfach  Pflanzen  mit  ungeschützten  Antheren,  die  gegen  Regen 
widerstandsfähig  sind,  Vorkommen,  und  dafs  heim  Pollen  eine  direkte  Beziehung  zwischen 
Geschütztsein  und  Empfindlichsein,  zwischen  Ungeschütztsein  und  Widerstandskraft 
besteht.  Vortragender  geht  auf  die  Methodik  der  Lidforsschen  Versuche  ein  und  bringt 
dann  Material  zum  Beweise  obigen  Satzes  bei.  Es  wird  ferner  der  Einflufs,  den  schlechte 
Beleuchtung,  Verdunkelung,  niedrige  Temperatur,  schlechter  Boden  usw.  auf  den  Pollen 
und  seine  Widerstandskraft  ausüben,  besprochen.  Näher  gekennzeichnet  wird  der  Einflufs 
der  Feuchtigkeit  besonders  an  dem  Beispiel  von  G-agea  lutea.  Feuchte  Luft  erhöht  die 
Widerstandsfähigkeit  des  in  ihr  gereiften  Pollens  gegen  Benetzung,  trockne  Luft  setzt 
sie  herab.  So  sind  z.  B.  xerophile  Arten,  auch  wenn  ihr  Pollen  ungeschützt  ist,  oft 
gegen  Nässe  empfindlich.  Als  Beispiele  dienen  xerophile  Allium- Arten  und  im  Gegen¬ 
satz  Allium  ursinum.  Nach  Ansicht  des  Vortragenden  spielen  bei  der  Keimung  der 
Pollen  osmatische  Verhältnisse  eine  sehr  bedeutsame  Rolle,  Literatur  hierüber  ist  spär¬ 
lich.  —  Bei  den  Arten  mit  ungeschützten  Pollen  findet,  da  schlechter  empfindlicher 
Pollen  durch  Nässe  vernichtet  wird,  eine  Auswahl  der  widerstandsfähigen  Körner  statt. 
Die  Regenfestigkeit  ist  also  eine  durch  Selektion  gesteigerte  Eigenschaft  der  Pollen; 
neben  dieser  gewissermafsen  fixierten  Eigenschaft  besteht  auch  eine  starke  Beeinflussung 
durch  äufsere  Faktoren,  z.  B.  Feuchtigkeit,  wie  oben  gezeigt  wurde. 

Ein  weiterer  Teil  des  Vortrags  befafst  sich  mit  den  Inhaltsstoffen  des  Pollens  bei 
Windblütlern  und  Insektenblütlern,  an  der  Hand  der  Untersuchungen  von  Molisch  und 
Lidfors.  —  Stärke  als  stickstofffreier  Reservestoff  findet  sich  in  vielen  unreifen  Pollen, 
in  ausgereiften  jedoch  nur  bei  den  Anemophilen,  während  die  weit  geringere  Pollen» 
menge,  die  die  Entomophilen  erzeugen,  unter  Energieverbrauch  in  ölhaltigen  Pollen 
umgewandelt  wird,  analog  wie  das  in  vielen  Samen  geschieht.  Die  Anemophilen 
arbeiten  also  ökonomischer,  wozu  sie  durch  die  Massenhaftigkeit  des  zu  erzeugenden 
Blütenstaubes  gewissermafsen  gezwungen  sind.  Der  Pollen  der  entomophilen  Arten  ist 
an  Stickstoff  und  Phosphorsäure  weit  reicher  als  der  der  Windblütler.  Nachdem  noch 
auf  die  verschiedenen  Anpassungen  an  die  Verbreitungs weise  bei  anemophilen  und  ento¬ 
mophilen  Pollen  hingewiesen  worden  ist,  schliefst  der  Vortrag  mit  einem  Hinweis  auf 
die  erörterten  teleologischen  Verhältnisse. 


Fünfte  Sitzung  am  19.  November  1903.  Vorsitzender:  Dr.  B. 
Schorle r.  —  Anwesend  33  Mitglieder  und  Gäste. 

Herr  J.  Ostermaier  legt  vor  und  erläutert  eine  Anzahl  seiner  neuesten 
photographischen  Aufnahmen  von  Pflanzen,  Pflanzengruppen 
und  Formationen,  sowie  von  botanisch  interessanten  Land¬ 
schaften. 

Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  0.  Drude  knüpft  an  die  Darbietung  einige 
kritische  Bemerkungen  und  gibt  dabei  dem  Wunsche  Ausdruck,  dafs  die 
trefflichen  Ostermaierschen  Aufnahmen  nicht  nur  für  Postkarten,  sondern 
auch  zur  Zusammenstellung  eines  die  Florenwerke  ergänzenden  pflanzen¬ 
geographischen  Illustrationswerkes  der  heimischen  Vegetation  Verwendung 
finden  möchten. 

Dr.  B.  Schorler  legt  die  von  C.  Gesner  im  Jahre  1561  besorgte 
Herausgabe  der  ,,Anatationes  etc.“  von  Valerius  Cordus  vor,  in  denen 
die  ältesten  Angaben  und  Standorte  von  sächsischen  Pflanzen  enthalten  sind. 

Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  0.  Drude  hält  einen  Vortrag  über  die  Charakter¬ 
pflanzen  der  ostpreufsischen  Formationen  unter  Vorlage  zahlreichen 
Herbarmaterials.  (Vergl.  Abhandlung  X.) 


21 


III.  Sektion  für  Mineralogie  und  Geologie. 


Yierte  Sitzung  am  15.  Oktober  1903.  Vorsitzender:  Prof.  Dr.  E.  Kal- 
kowsky.  —  Anwesend  36  Mitglieder. 

Bibliothekar  K.  Schiller  legt  einige  neu  eingegangene  Werke  über 
Alaska  und  die  Kraterseen  des  Nationalparks  vor. 

Dr.  K.  Deninger  spricht  über  die  Karnischen  Alpen  unter  Vor¬ 
legung  zahlreicher  paläozoischen  Versteinerungen  und  Vorführung  von 
Projektionsbildern. 

Prof.  Dr.  W.  Bergt  bespricht  einige  seltene  Minerale,  vor  allem 
den  Whewellit,-  und 

berichtet  im  Anschlufs  an  die  alpinen  Verhältnisse  über  den  gegen¬ 
wärtigen  Stand  des  Problems  der  kristallinischen  Schiefer. 

Prof.  Dr.  E.  Kalkowsky  lenkt  schliefslich  die  Aufmerksamkeit  auf  die 
Theorie  der  bruchlosen  Faltung. 


Fünfte  Sitzung  am  3.  Dezember  1903.  Vorsitzender:  Prof.  Dr.  W. 
Bergt.  —  Anwesend  35  Mitglieder  und  Gäste 

Prof.  Dr.  W.  Bergt  hält  einen  Projektionsvortrag  über  den  internatio¬ 
nalen  Geologenkongrefs  in  Wien  und  eine  daran  sich  anschliefsende 
Heise  durch  Bosnien. 


IV.  Sektion  für  prähistorische  Forschungen. 


Vierte  Sitzung  am  12.  November  1903.  Vorsitzender:  Hofrat  Prof. 
Dr.  J.  Deichmüller.  —  Anwesend  23  Mitglieder. 

Der  Vorsitzende  legt  von  neueren  Werken  vor: 

Forrer,  R:  Bauernfarmen  der  Steinzeit  von  Achenheim  und  Stützheim  im 
Elsafs.  Strafsburg  1903; 

Nüesch,  J. :  Der  Dachsenbüel,  eine  Höhle  aus  früh  -  neolithischer  Zeit,  hei 
Herblingen,  Kanton  Schaff  hausen.  Zürich  1903; 

Quilling,  F. :  Die  Nauheimer  Funde  der  Hallstatt-  und  Latene- Periode  in 
den  Museen  zu  Frankfurt  a.  M.  und  Darmstadt.  Frankfurt  a.  M.  1903; 

aus  den  neueren  Erwerbungen  der  K.  Prähistorischen  Sammlung  Beile 
verschiedener  Form  aus  Amphibolschiefer  von  Knautnaundorf, 
Priesteblich,  Zschauitz  bei  Geringswalde  und  vom  Elbufer  bei  Blase - 
witz,  ein  Feuersteinbeil  von  Dornreichenbach  und  einen  Flachheit 
und  einen  Halsring  aus  dem  Bronze-Depotfund  in  der  Ziegelei  von 
Kabitzsch  in  Carsdorf  bei  Pegau. 

Derselbe  schliefst  hieran  einen  eingehenden  Bericht  über  die  In¬ 
ventarisierung  der  vorgeschichtlichen  Altertümer  Sachsens  im 
Jahre  1903,  welche  sich  im  wesentlichen  über  das  nordwestliche  und 
westliche  Sachsen  bis  zur  Pleifseniederung  erstreckte,  und 

spricht  noch  über  neuentdeckte  Urnenfelder  bei  Grofsbothen, 
Klotzsche,  Bärwalde  bei  Moritzburg  und  Kleinpestitz  bei  Dresden 
unter  Vorlage  einzelner  Fundstücke. 


22 


Lehrer  I.  Hottenroth- Gersclorf  sendet  einen  Bericht  über  die  von 
ihm  in  der  Umgebung  von  Lommatzsch  aufgefundenen  steinzeit¬ 
lichen  Niederlassungen  ein.  (Vergl.  Abhandlung  VIII.) 

Lehrer  H.  Ludwig  bespricht  neue  Funde  von  Mügeln  bei  Dresden, 
Birkwitz  und  zwischen  Tolkewitz  und  Grofsdobritz  und  legt  ein 
kleines  Gefäfs  von  Maderno  am  Gardasee  vor. 

Oberlehrer  M.  Klähr  legt  von  ihm  bei  Oberwartha,  Ober¬ 
muschütz,  auf  dem  Zehrener  Burgwall  und  der  Burgkuppe  bei 
Diesbar,  bei  Forberge  bei  Riesa  und  auf  der  Zöthainer  Schanze 
gesammelte  Altertümer  vor. 

Oberlehrer  H.  Döring  berichtet  über  Feuerstein fun de  von 
Salzuflen  im  Fürstentum  Lippe -Detmold. 

Der  Berichterstatter  benutzte  einen  Kuraufenthalt  im  Solbad  Salzuflen,  die  dortige 
Gegend  auf  das  Vorhandensein  von  Bodenaltertümern  zu  untersuchen  Dabei  fand  er 
eine  Anzahl  prähistorischer  Geräte  aus  Feuerstein,  deren  Bearbeitungsspuren  grob,  aber 
deutlich  genug  die  Bestimmung  der  Artefakte  andeuteten. 

Als  Fundstellen  kennzeichnet  der  Vortragende: 

1.  die  Feldflur  östlich  von  der  Waldhalle  Schötmar  am  Gehölz; 

2.  Weganschnitt  rechts  an  der  Strafse  nach  Wüsten  (Grube  auf  Gesteinsgrus) 
innerhalb  der  Stadt  kurz  vor  Hotel  Schmelzer; 

3.  am  neuerbauten  Kurhause,  Westseite  (die  zum  Planieren  herbeigeschafften 
Erdmassen  stammen  wahrscheinlich  von  Fundstelle  2). 

4.  Wegränder  zwischen  der  neuen  Realschule  und  dem  Bahnhof  Salzuflen. 

Das  Rohmaterial  zu  den  vorliegenden  Steingeräten  lieferte  der  den  diluvialen 
Glazialschottern  der  Umgegend  reichlich  beigemengte  nordische  Feuerstein,  dessen  Ver¬ 
breitungsgebiet  sich  bis  südwärts  von  Salzuflen  erstreckt. 

Die  Formen  der  Feuersteingeräte  sind  durchaus  primitiv;  es  sind  vertreten  Pfeil- 
und  Lanzenspitzen,  Schleudersteine  und  Schaber.  Die  Artefakte  sind  nicht  völlig  durch¬ 
gearbeitet,  also  keine  Prunkstücken,  aber  man  sieht  an  den  Bearbeitungsspuren,  dafs  sie 
in  der  Hand  der  Urbewohner  als  Werkzeuge  benutzt  wurden.  Vortragender  weist 
darauf  hin,  dafs  auch  auf  den  Rügenschen  Feuersteinwerkstätten  das  für  den  allgemeinen 
Gebrauch  bestimmte  Gerät  nicht  allenthalben  ausgestaltet  sei  und  die  bekannten  Schmuck¬ 
formen  nicht  erreiche.  Der  prähistorische  Erzeuger  habe  eben  praktische  Verwendbar¬ 
keit,  nicht  Formenschönheit  als  Ziel  seines  Schaffens  im  Auge  gehabt.  Für  den 
Urgeschichtsforscher  sei  darum  nicht  die  erste  Aufgabe,  die  Funde  nach  der  Voll¬ 
kommenheit  der  Formen  einzuschätzen  und  zu  ordnen,  sondern  die  Beziehung  der 
Gegenstände  zur  Kultur  der  urgeschichtlichen  Menschen  darzustellen. 

Da  nach  allgemeiner  Annahme  Norddeutschland  während  der  paläolithischen 
Periode  noch  von  Gletschereis  bedeckt  war,  so  kann  für  die  vorliegenden  Feuerstein¬ 
funde  nur  die  neolithische  Zeit  in  Betracht  kommen.  Die  Besiedelung  fies  Lippeschen 
Landes  durch  Neolithen  wird  weiter  bewiesen  durch  sorgfältig  bearbeitete  Feuerstein¬ 
geräte  aus  der  Staplager  Schlucht  sowie  durch  die  ebenfalls  der  jüngeren  Steinzeit 
angehörigen  amphorenartigen  Gefäfse  (beides  im  Museum  zu  Detmold  befindlich). 

Der  Vortragende  berichtet  weiterhin  über  den  Besuch  des  Museums 
in  Detmold,  über  Ausflüge  nach  der  Grotenburg  und  dem  grofsen 
und  kleinen  Hünenring  im  Teutoburger  Walde,  nach  dem  Walle 
auf  dem  Wittekindsberge  an  der  Weser  und  nach  einer  nahe  bei 
Herford  in  Westfalen  gelegenen  Sumpf  bürg. 

Dabei  nimmt  er  Gelegenheit,  die  in  der  Ferne  gemachten  Wahrnehmungen  mit  den 
im  Vaterlande  gewonnenen  Ergebnissen  in  Parallele  zu  stellen.  Die  vergleichende 
Forschungsmethode,  welche  allein  sichere  Besultate  verspricht,  nötigt  dazu,  öfter  über 
die  Grenzen  der  Heimat  hinauszublicken  und  die  Ergebnisse  der  Urgeschichtsforschung 
in  anderen  Ländern  fortdauernd  im  Auge  zu  behalten. 


23 


V.  Sektion  für  Physik,  Chemie  nnd  Physiologie. 


Fünfte  Sitzung  am  22.  Oktober  1903.  Vorsitzender:  Prof.  Dr.  A. 
Schlossmann.  —  Anwesend  82  Mitglieder  und  Gäste. 

Direktor  Dr.  A.  Beythien  hält  einen  Vortrag  über  die  Nahrungs¬ 
mittelkontrolle  der  Stadt  Dresden.  (Vergl.  Abhandlung  VII.) 


Sechste  Sitzung  am  10.  Dezember  1903.  Vorsitzender:  Direktor 
Dr.  A.  Beythien.  —  Anwesend  50  Mitglieder  und  Gäste. 

Fabrikbesitzer  Dr.  V.  Klopfer  spricht  unter  Vorlage  zahlreicher  Roh¬ 
stoffe  und  Präparate  über  ein  neues  Verfahren  zur  Herstellung  von 
Nahrungsmitteln,  durch  welches  denselben  ohne  Erhöhung  des  Preises 
ein  höherer  Eiweifsgehalt  zugeführt  wird. 


VI.  Sektion  für  reine  und  angewandte  Mathematik. 


Vierte  Sitzung  am  9.  Juli  1903.  Vorsitzender:  Prof.  Dr.  Ph.  Wein¬ 
meister.  —  Anwesend  10  Mitglieder  und  Gäste. 

Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  M.  Krause  spricht  über  den  Cauchy sehen 
Integralsatz. 

Der  Vortragende  geht  auf  die  neueren  Arbeiten  über  den  Cauchy  sehen  Integralsatz 
von  Goursat,  Pringsheim  und  Moore  ein  und  behandelt  insbesondere  Goursats  Methode 
zur  Ableitung  des  genannten  Satzes ;  dabei  erfährt  der  von  Goursat  benutzte  funktionen¬ 
theoretische  Hilfssatz  eine  kleine  Modifikation. 

An  den  Vortrag  schliefst  sich  eine  Diskussion. 

Prof.  Dr.  Ph.  Weinmeister  löst  synthetisch  die  Aufgabe,  den  Ort 
der  Mittelpunkte  aller  gleichseitigen  Hyperbeln  zu  finden, 
welche  durch  die  Hauptscheitel  einer  gegebenen  Ellipse  gehen 
und  gleichzeitig  die  letztere  berühren. 

Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  K.  Rohn  stellt  zwei  geometrische  Aufgaben. 


Fünfte  Sitzung  am  8.  Oktober  1903.  Vorsitzender:  Prof.  Dr.  Ph. 
Wein  meist  er.  —  Anwesend  10  Mitglieder. 

Prof.  Dr.  R.  Heger  spricht  über  Kegel  und  Kugeln  in  homogenen 
Koordinaten. 

Der  Vortrag  ist  der  analytischen  Darstellung  gewisser  Kegel  und  Kugeln  ge¬ 
widmet,  welche  zu  dem  Fundamentaltetraeder  eines  homogenen  Koordinatensystems  in 
besonderen  Beziehungen  stehen,  und  zwar  entwickelt  Redner  die  Gleichungen  der  be¬ 
treffenden  Flächen  zum  Teil  in  Punktkoordinaten,  zum  Teil  auch  in  Ebenenkoordinaten. 

Im  ersten  Teile  seiner  Ausführungen  behandelt  der  Vortragende  mehrere  Rotations¬ 
kegel,  deren  gemeinschaftliche  Spitze  durch  den  Scheitel  einer  Ecke  des  Fundamental¬ 
tetraeders  gebildet  wird;  dieser  Ecke  sind  die  betrachteten  Kegel  entweder  umbeschrieben 
oder  einbeschrieben,  bez.  anbeschrieben,  oder  harmonisch  zugeordnet.  Auch  wird  auf 
einen  Kegel  II.  Ordnung  hingewiesen,  welcher  in  der  Geometrie  der  dreiseitigen  Ecke 
eine  ähnliche  Rolle  spielt  wie  der  Feuerbachsche  Kreis  in  der  Geometrie  des  ebenen 
Dreiecks. 


24 


Im  zweiten  Teile  des  Vortrags  werden  Kugeln  betrachtet,  welche  dem  Fundamen¬ 
taltetraeder  entweder  umbeschrieben  oder  einbeschrieben,  bez.  anbeschrieben,  oder  har¬ 
monisch  zugeordnet  sind;  hierbei  wird  festgestellt,  dafs  nicht  jedem  Tetraeder  eine 
Kugel  harmonisch  zugeordnet  ist,  dafs  dies  vielmehr  nur  dann  statthndet,  wenn  die 
4  Höhen  des  fraglichen  Tetraeders  durch  einen  Punkt  gehen,  wenn  also  die  6  Tetraeder¬ 
kanten  sich  paarweise  rechtwinklig  kreuzen. 


Sechste  Sitzung’  am  12.  November  1003.  Vorsitzender:  Prof.  Dr. 
Pli.  Weinmeister.  —  Anwesend  13  Mitglieder. 

Prof.  Dr.  Ph.  Weinmeister  spricht  über  den  Ort  des  Punktes 
gleicher  Tangenten  an  zwei  ebene  Kurven. 

Nach  einigen  einleitenden  Bemerkungen  über  das  allgemeine  Problem,  den  geome¬ 
trischen  Ort  derjenigen  Punkte  zu  ermitteln,  von  denen  aus  an  zwei  gegebene  algebraische 
Kurven  <7  und  r  gleichlange  Tangenten  gelegt  werden  können,  gibt  der  Vortragende  ein¬ 
gehendere  Mitteilungen  über  eine  Beihe  von  speziellen  Fällen  dieses  Problems.  Zunächst 
kommen  Fälle  zur  Sprache,  in  denen  die  beiden  Kurven  C  und  r  Ellipsen  sind;  hierbei  ergeben 
sich  wesentliche  Vereinfachungen  der  Rechnung  dadurch,  dafs  —  analog  den  Potenzen 
eines  Punktes  P  in  bezug  auf  gegebene  Kreise  —  gewisse  Funktionen  den  recht¬ 
winkligen  Koordinaten  des  Punktes  P  als  Hilfsgröfsen  eingeführt  werden.  Ferner 
bespricht  der  Vortragende  den  Fall,  wo  die  eine  der  beiden  gegebenen  Kurven  Cundr 
ein  Kreis  ist;  es  ergeben  sich  hierbei  Resultate  von  bemerkenswerter  Einfachheit  ins¬ 
besondere  dann,  wenn  die  andere  Kurve  ein  Kegelschnitt  ist,  welcher  von  jenem  Kreise 
zweimal  berührt  wird. 

In  der  auf  den  Vortrag  folgenden  Besprechung  macht  Geh.  Hofrat 
Prof.  Dr.  K.  Rohn  einige  Bemerkungen  über  das  Verhalten  der  Ortskurve 
in  den  Schnittpunkten  der  beiden  Kurven  C  und  r. 

Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  K.  Rohn  spricht  über  eine  homogene  lineare 
Relation,  welcher  die  Koordinaten  von  vier  Punkten  der  Ebene 
Genüge  leisten. 

Wenn  (1cx  k2  Zs3),  (lx  1.2  l3),  (m,  m2  m3),  (nl  n2  n3)  die  Koordinaten  von  vier  be¬ 
liebigen  Punkten  K ,  X,  M,  N  sind,  so  existiert  eine  in  bezug  auf  &,  7,  m,  w  homogene 
lineare  Relation 

je .  Je  —j—  .  I  — |—  [x  .  tu  — (—  v  .  Ti  ==  0, 

welcher  sowohl  klx  l1:  m1?  nt  als  auch  &2,  72,  m2,  n2  als  auch  k3l  l3,  ms,  n3  genügen; 
die  Verhältnisse  der  Koeffizienten  x,  A,  v  dieser  Relation  können,  wie  man  sofort 
übersieht,  mit  Benutzung  gewisser  Determinanten  rational  durch  die  Koordinaten  der 
vier  gegebenen  Punkte  ausgedrückt  werden.  Der  Vortragende  zeigt  nun,  dafs  neben 
dieser  naheliegenden  rationalen  Darstellung  der  fraglichen  Koeffizientenverhältnisse 
auch  eine  irrationale  Darstellung  von  äufserst  eleganter  Form  gegeben  werden  kann, 
und  zwar  läfst  sich  dieselbe  ableiten  mit  Hilfe  eines  durch  die  vier  gegebenen  Punkte 
gehenden  Kegelschnitts. 


VII.  Hauptversammlungen. 


Siebente  Sitzung  am  24.  September  1903.  Vorsitzender:  Prof. 
H.  Engelhardt.  —  Anwesend  24  Mitglieder. 

Vor  der  Sitzung  findet  eine  Besichtigung  der  in  einem  neuen 
Raume,  dem  östlichen  Lichthofe  des  Hauptgebäudes  der  K.  Technischen 
Hochschule,  aufgestellten  Bibliothek  der  Isis  statt. 

In  der  sicli  anschliefsenden  Hauptversammlung  gibt  Bibliothekar 
K.  Schiller  einen  eingehenden  Überblick  über  Entwicklung,  Wachs¬ 
tum  und  Benutzung  der  Bibliothek. 


25 


Prof.  H.  Engelhardt  legt  ein  in  der  Dresdner  Heide  westlich  vom 
sogenannten  Vogelherd  gefundenes  unvollendetes  Beil  aus  Basalt  sowie 
Blätter  der  Rofskastanie  vor,  deren  Blattsubstanz  zwischen  den  Rippen 
durch  Frost  zerstört  worden  ist. 

Derselbe  bespricht  noch  eine  Schrift  von  Möbius:  „Rousseaus 
Briefe  über  die  Anfangsgründe  der  Botanik“.  Leipzig  1903. 


Achte  Sitzung  am  29.  Oktober  1903.  Vorsitzender:  Geh.  Hofrat 
Prof.  Dr.  0.  Drude.  —  Anwesend  42  Mitglieder  und  Gäste. 

Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  0.  Drude  hält  einen  Vortrag  über  eine  bota¬ 
nische  Reise  zwischen  Weichsel  und  Memel.  (Vergl.  Abhandlung  X.) 


Neunte  Sitzung  am  26.  November  1903.  Vorsitzender:  Geh.  Hofrat 
Prof.  Dr.  0.  Drude.  —  Anwesend  45  Mitglieder  und  8  Gäste. 

Der  Vorsitzende  legt  vor: 

Heller,  K.  M. :  Oskar  Schneider  f.  Deutsche  entomolog.  Zeitschrift  „Iris“ 
Dresden,  1903.  Mit  Bildnis; 

Ladenburg,  A. :  Ueber  den  Einflufs  der  Naturwissenschaften  auf  die  Welt¬ 
anschauung.  Vortrag  gehalten  auf  der  75.  Versammlung  Deutscher  Natur¬ 
forscher  und  Aerzte  zu  Cassel  am  21.  September  1903.  Leipzig  1903. 

Es  waren  mehrere  Exemplare  des  Vortrages  für  die  Mitglieder  der  Ge¬ 
sellschaft  eingesendet  worden,  welche  ihrem  Zwecke  übergehen  wurden. 

Hierauf  wird  die  Wahl  der  Beamten  der  Gesellschaft  für  das  Jahr 
1904  vorgenommen  (s.  S.  27). 

Prof.  Dr.  A.  Schlossmann  hält  einen  Vortrag  über  Tod  und  Schein¬ 
tod,  an  welchen  sich  eine  längere  Diskussion  schliefst. 


Zehnte  Sitzung  am  17.  Dezember  1903.  Vorsitzender:  Geh.  Hofrat 
Prof.  Dr.  0.  Drude.  —  Anwesend  84  Mitglieder  und  Gäste. 

Dr.  R.  Dietz  hält  einen  durch  zahlreiche  Lichtbilder  erläuterten 
V ortrag  über  seine  Reise  nach  den  Kanarischen  Inseln  im 
Jahre  1901. 

Zum  Schlufs  gibt  der  Vor  sitzende  einen  vergleichenden  Überblick 
über  den  Mitgliederbestand  der  „Isis“  im  Jahre  1903. 

Hiernach  hatte  die  Gesellschaft  im  Laufe  des  Jahres  1903  einen  Zuwachs  von 
4  wirklichen  Mitgliedern  (z.  Z.  243)  und  1  korrespondierenden  (119),  während  die  Zahl 
der  Ehrenmitglieder  (23)  dieselbe  gehliehen  ist. 


Veränderungen  im  Mitgliederbestände. 

Gestorbene  Mitglieder: 

Am  26.  Juli  1902  ist  in  Gera  Marinestabsarzt  a.  D.  Dr.  med.  Ferdi¬ 
nand  Naumann,  korrespondierendes  Mitglied  seit  1889,  gestorben. 

Am  17.  Juli  1903  starb  Fabrikbesitzer  Dr.  phil.  G.  P.  Drossbach  in 
Freiberg,  wirkliches  Mitglied  seit  1897. 

Am  8.  September  1903  verschied  in  Blasewitz  nach  langen,  schweren 
Leiden  Prof.  Dr.  phil.  Oskar  Schneider,  korrespondierendes  Mitglied 
seit  1863. 


26 


Am  5.  November  1903  verschied  Ludwig  Oskar  von  Alvensleben, 
Landschaftsmaler  in  Dresden,  wirkliches  Mitglied  seit  1895. 

Am  19.  November  1903  starb  Dr.  med.  Johannes  Grün  dl  er  in 
Dresden,  wirkliches  Mitglied  seit  1897. 

Am  11.  Dezember  1903  starb  Bergdirektor  a.  D.  Theodor  Hertwig 
in  Dresden,  wirkliches  Mitglied  seit  1888. 

Am  11.  Dezember  1903  verschied  in  Radebeul  Oberst  z.  D.  Hermann 
Ludwig  von  Schlieben,  korrespondierendes  Mitglied  seit  1862. 


Neu  aufgenommene  wirkliche  Mitglieder: 

Bauer,  Adolf,  Kaufmann  in  Dresden,  am  17.  Dezember  1903; 
Lampert,  A.,  Zeichner  in  Dresden, 

Mangoldt,  Friedr.  von,  Dr.  med.,  Hofrat,  Oberarzt  am 
Carolahaus  in  Dresden, 

Rübencamp,  Rob.,  Dr.  phih,  Fabrikdirektor  in  Blasewitz, 
Tedesco,  Adolf,  Fabrikdirektor  a.  D.  in  Blasewitz. 
Weissbach,  Hans,  Dr.  phih,  Chemiker  in  Dresden 
Winzer,  Hugo,  Dr.  phih,  Privatus  in  Dresden, 


am  26.  No¬ 
vember 
1903; 


J  am  29.  Oktober  1903. 


Neu  ernanntes  Ehrenmitglied: 

Abbe,  Ernst,  Dr.  phih,  med.  et  jur.,  Professor  an  der  Universität  in  Jena, 
am  29.  Oktober  1903. 

In  die  korrespondierenden  Mitglieder  ist  übergetreten: 
Osborne,  Wilh.,  Privatus  in  München. 


Freiwillige  Beiträge  zur  Gesellschaftskasse 

zahlten:  Dr.  Amthor,  Hannover,  3Mk.;  Prof.  Dr.  Bach  mann,  Plauen  i.V., 
3  Mk.;  Oberlehrer  Dr.  Barth,  Pirna,  3  Mk. ;  naturwissensch.  Modelleur 
Blaschka,  Hosterwitz,  3Mk.;  Apotheker  Capelle,  Springe,  3  Mk  ;  Pri¬ 
vatus  Eisei,  Gera,  3  Mk.;  Bergmeister  Hartung,  Lobenstein,  5  Mk. ; 
Prof.  Dr.  Hi b sch,  Liebwerd,  3  M. ;  Bürgerschullehrer  Hofmann,  Grofsen- 
hain,  6  Mk. ;  Lehrer  Hottenroth,  Gersdorf,  6  Mk.  10  Pf.;  Oberlehrer 
Dr.  Mehnert,  Pirna,  3  Mk.;  Oberlehrer  Dr.  Müller,  Pirna,  3  Mk.;  Lehrer 
Peschei,  Nünchritz,  3Mk.;  Sektionsgeolog  Dr.  Petrascheck,  Wien,  3Mk.; 
Dr.  Reiche,  Santjago-Chile,  3Mk.;  Prof.  Dr.  Schneider,  Blasewitz,  3Mk.; 
Oberlehrer  Seidel  I.,  Zschopau,  3  Mk.  10  Pf.;  Privatus  Sieber,  Nieder¬ 
löfsnitz,  3  Mk. ;  Fabrikbesitzer  Dr.  Siemens,  Dresden,  100  Mk.;  Prof. 
Dr.  Sterzei,  Chemnitz,  3  Mk.;  Oberlehrer  Wolff,  Pirna,  4  Mk.  —  In 
Summa  169  Mk.  20  Pf. 

G.  Lehmann, 
Kassierer  der  „Isis“. 


27 


Beamte  der  Isis  im  Jahre  1904. 

Yor  stand. 

Erster  Vorsitzender:  Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  0.  Drude. 
Zweiter  Vorsitzender:  Prof.  H.  Engelhardt. 

Kassierer:  Hofbuchhändler  G.  Lehmann. 

Direktorium. 

Erster  Vorsitzender:  Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  0.  Drude. 
Zweiter  Vorsitzender:  Prof.  H.  Engelhardt. 

Als  Sektionsvor stände: 

Oberlehrer  Dr.  J.  Thallwitz, 

Realschullehrer  Dr.  B.  Schorler, 

Prof.  Dr.  E.  Kalkowsky, 

Hofrat  Prof.  Dr.  J.  Deichmüller, 

Prof.  Dr.  W.  Hall  wachs, 

Prof.  Dr.  R.  Heger. 

Erster  Sekretär:  Hofrat  Prof.  Dr.  J.  Deichmüller. 
Zweiter  Sekretär:  Institutsdirektor  A.  Thümer. 

Yerwaltungsrat. 

Vorsitzender:  Prof.  H.  Engelhardt. 

Mitglieder:  1.  Prof.  H.  Fischer, 

2.  Fabrikbesitzer  Dr.  Fr.  Siemens, 

3.  Kommerzienrat  L.  Gut h mann, 

4.  Privatus  W.  Putscher, 

5.  Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  G.  Helm, 

6.  Fabrikbesitzer  E.  Kühnscherf. 

Kassierer:  Hofbuchhändler  G.  Lehmann. 

Bibliothekar:  Privatus  K.  Schiller. 

Sekretär:  Institutsdirektor  A.  Thümer. 

Sektionsbeamte. 

I.  Sektion  für  Zoologie. 

Vorstand:  Oberlehrer  Dr.  J.  Thallwitz. 

Stellvertreter:  Prof.  Dr.  K.  Heller. 

Protokollant:  Institutsdirektor  A.  Thümer. 

Stellvertreter:  Lehrer  H.  Viehmeyer. 


II.  Sektion  für  Botanik. 

Vorstand:  Realschullehrer  Dr.  B.  Schorler. 
Stellvertreter:  Oberlehrer  Dr.  G.  Worgitzky. 
Protokollant:  Garteninspektor  F.  Le  dien. 
Stellvertreter:  Dr.  A.  Naumann. 


28 


III.  Sektion  für  Mineralogie  und  Geologie. 

Vorstand:  Prof.  Dr.  E.  Kalkowsky. 

Stellvertreter:  Oberlehrer  Dr.  P.  Wagner. 

Protokollant:  Dr.  K.  Deninger. 

Stellvertreter:  Dr.  0.  Mann. 


IV.  Sektion  für  prähistorische  Forschungen. 

Vorstand:  Hofrat  Prof.  Dr.  J.  Deichmüller. 

Stellvertreter:  Oberlehrer  H.  Döring. 

Protokollant:  Taubstummenlehrer  0.  Ebert. 

Stellvertreter:  Oberlehrer  M.  Klahr. 


V.  Sektion  für  Physik,  Chemie  und  Physiologie. 

Vorstand:  Prof.  Dr.  W.  Hall  wachs. 

Stellvertreter:  Direktor  Dr.  A.  Beythien. 

Protokollant:  Dr.  H.  Thiele. 

Stellvertreter:  Dr.  R.  Engelhardt. 


VI.  Sektion  für  reine  und  angewandte  Mathematik. 

Vorstand:  Prof.  Dr.  R.  Heger. 

Stellvertreter:  Oberlehrer  Dr.  A.  Witting. 

Protokollant:  Prof.  Dr.  E.  Nätsch. 

Stellvertreter:  Oberlehrer  Dr.  J.  von  Vieth. 


Redaktions  -Komitee. 

Besteht  aus  den  Mitgliedern  des  Direktoriums  mit  Ausnahme  des 
zweiten  Vorsitzenden  und  des  zweiten  Sekretärs. 


Bericht  des  Bibliothekars. 


Im  Jahre  1903  wurde  die  Bibliothek  der  „Isis“  durch  folgende  Zeit¬ 
schriften  und  Bücher  vermehrt: 

A.  Durch  Tausch. 

I.  Europa. 

1.  Deutschland. 

Altenburg :  Naturforschende  Gesellschaft  des  Osterlandes. 

Annab  erg -Buchholz:  Verein  für  Naturkunde. 

Augsburg:  Naturwissenschaftlicher  Verein  für  Schwaben  und  Neuburg. 
Bamberg:  Naturforschende  Gesellschaft. 

Bautzen:  Naturwissenschaftliche  Gesellschaft  „Isis“. 

Berlin:  Botanischer  Verein  der  Provinz  Brandenburg.  —  Verhandl.,  Jahrg.44. 
[Ca  6.] 

Berlin:  Deutsche  geologische  Gesellschaft.  —  Zeitschr.,  Bd.  54,  Heft  3 — 4; 
Bd.  55,  Heft  1-2.  [Da  17.] 

Berlin:  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte.  — 
Verhandl.,  Oktober  bis  Dezember  1902;  Zeitschrift  für  Ethnologie, 
35.  Jahrg.  1903,  Heft  1-  5.  [G  55.] 

Bonn:  Naturhistorischer  Verein  der  preussischen  Kheinlande,  Westfalens 
und  des  Reg.-Bez.  Osnabrück.  —  Verhandl.,  59.  Jahrg.,  Heft  2.  [Aa  93.] 
Bonn:  Niederrheinische  Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde.  —  Sitzungs- 
ber.,  1902,  2.  Hälfte.  [Aa  322.] 

Braunsclnveig :  Verein  für  Naturwissenschaft. 

Bremen:  Naturwissenschaftlicher  Verein.  —  Abhandl.,  Bd.  XVII,  Heft  2. 
[Aa  2.] 

Breslau:  Schlesische  Gesellschaft  für  vaterländische  Cultur.  —  80.  Jahresber. 
[Aa  46.] 

Chemnitz:  Naturwissenschaftliche  Gesellschaft. 

Chemnitz:  K.  Sächsisches  meteorologisches  Institut.  —  Jahrbuch,  XVII.  Jahr¬ 
gang,  2.  Abth.  [Ec  57.]  —  Abhandl.,  Heft  1.  [Ec  57b.]  —  Das  Klima 
des  Königr.  Sachsen,  Heft  7.  [Ec  57.] 

Danzig:  Naturfor sehende  Gesellschaft.  —  Schriften,  Bd.  X,  Heft  4.  [Aa  80.] 
Darmstadt:  Verein  für  Erdkunde  und  Grossherzogi.  geologische  Landes¬ 
anstalt.  —  Notizbl.,  4.  Folge,  23.  Heft.  [Fa  8.] 

Donaueschingen:  Verein  für  Geschichte  und  Naturgeschichte  der  Baar  und 
der  angrenzenden  Landesteile. 

Dresden:  Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde. 

Dresden:  Gesellschaft  für  Botanik  und  Gartenbau  „Flora“.  —  Sitzungsber. 
u.  Abhandl.,  6.  Jahrg.  [Ca  26.] 


30 


Dresden :  K.  Mineralogisch-geologisches  Museum.  —  Mitteil.  (s.  unter  „Ge¬ 
schenken“  :  Abhandl.  von  W.  Bergt  und  W.  Petrascheck). 

Dresden:  K.  Zoologisches  und  Anthrop.-ethnogr.  Museum. 

Dresden :  K.  Oeffentliche  Bibliothek. 

Dresden :  Verein  für  Erdkunde. 

Dresden :  K.  Sächsischer  Altertumsverein.  —  Neues  Archiv  für  Sachs. 
Geschichte  und  Altertumskunde,  Bd.  XXIV,  und  Jahresber.  1902  bis 
1903.  [G  75.] 

Dresden:  Oekonomische  Gesellschaft  im  Königreich  Sachsen.  —  Mittheil. 
1902—1903.  [Ha  9.] 

Dresden :  K.  Tierärztliche  Hochschule.  —  Bericht  über  das  Veterinär  wesen 
in  Sachsen,  47.  Jahrg.  [Ha  26.] 

Dresden :  K.  Sächsische  Technische  Hochschule.  —  Verzeichnis  der  Vor¬ 
lesungen  und  Uebungen  sammt  Stunden-  und  Studienplänen,  S.-S. 
1903,  W.-S.  1903-1904.  [Je  63.]  —  Personalverz.  Nr.  XX VII— XX VIII. 
[Je  63  b.] 

Dürkheim:  Naturwissenschaftlicher  Verein  der  Bheinpfalz  „Pollichia“. 
Düsseldorf:  Naturwissenschaftlicher  Verein. 

Elberfeld :  Naturwissenschaftlicher  Verein.  —  Jahresber.,  10.  Heft.  [Aa235.] 
Emden:  Naturforschende  Gesellschaft.  —  87.  Jahresber.  [Aa  48b.] 
Emden:  Gesellschaft  für  bildende  Kunst  und  vaterländische  Altertümer. 
Erfurt:  K.  Akademie  gemeinnütziger  Wissenschaften.  —  Jahrb.,  Heft  XXIX. 
[Aa  263.] 

Erlangen:  Physikalisch -mediciniselie  Societät.  —  Sitzungsber.,  34.  Heft. 
[Aa  212.] 

Frankfurt  a.  M.:  Senckenbergische  naturforschende  Gesellschaft.  —  Bericht 
für  1903.  [Aa  9  a.] 

Frankfurt  a.  M.:  Physikalischer  Verein.  —  Jahresbericht  für  1901 — 1902. 
[Eb  35.] 

Frankfurt  a.  O.:  Naturwissenschaftlicher  Verein  des  Regierungsbezirks 
Frankfurt.  —  „Helios“,  20.  Bd.  [Aa  282.] 

Freiberg:  K.  Sächs.  Bergakademie. 

Freiburg  i.  B.:  Naturforschende  Gesellschaft. 

Fulda:  Verein  für  Naturkunde. 

Gera:  Gesellschaft  vonFreunden  derNaturwissenschaften. —  43 — 45.  Jahres¬ 
bericht.  [Aa  49.] 

Giessen:  Oberhessische  Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde. 

Görlitz:  Naturforschende  Gesellschaft. 

Görlitz:  Oberlausitzische  Gesellschaft  der  Wissenschaften.  —  Neues  Lau- 
sitzisches  Magazin,  Bd.  78;  Codex  diplomat.  Lusatiae  superioris  II, 
Bd.  II,  Heft  3.  [Aa  64.] 

Görlitz:  Gesellschaft  für  Anthropologie  und  Urgeschichte  der  Oberlausitz. 
Greifswald:  Naturwissenschaftlicher  Verein  für  Neu -Vorpommern  und 
Rügen.  —  Mittheil.,  34.  Jahrg.  [Aa  68.] 

Greifswald:  Geographische  Gesellschaft. 

Greiz:  Verein  der  Naturfreunde. 

Guben:  Niederlausitzer  Gesellschaft  für  Anthropologie  und  Urgeschichte.  — 
Mittheil.,  VII.  Bd.,  Heft  5 — 8.  [G  102.] 

Güstroiv:  Verein  der  Freunde  der  Naturgeschichte  in  Mecklenburg.  — 
Archiv,  Jahrg.  55  u.  56;  57,  I.  [Aa  14.] 

Halle  a.  S,:  Naturforschende  Gesellschaft. 


31 


Halle  a.  S.:  Kais.  Leopoldino-Carolinische  deutsche  Akademie.  —  Leopoldina, 
Heft  XXXIX.  [Aa  62.] 

Halle  a.  S.:  Verein  für  Erdkunde.  —  Mitteil.,  Jahrg.  1903.  [Fa  16.] 
Hamburg :  Naturhistorisches  Museum.  —  Jahrbücher,  XIX.  Jahrg.  mit  Bei¬ 
heft  1—5.  [Aa  276.] 

Hamburg :  Naturwissenschaftlicher  Verein.  —  Verhandl.,  III.  Folge,  10.  Heft. 

[Aa  293h.]  —  Abhandl.,  Bd.  XVII  u.  XVIII.  [Aa  293.] 

Hamburg:  Verein  für  naturwissenschaftliche  Unterhaltung. 

Hanau :  Wetterauische  Gesellschaft  für  die  gesammte  Naturkunde.  — 
1.  Nachtrag  z.  Katalog  d.  Biblioth.  1902.  [Aa  30.] 

Hannover :  Naturhistorische  Gesellschaft. 

Hannover :  Geographische  Gesellschaft. 

Heidelberg :  Naturhistorisch  -medicinischer  Verein. 

Hof:  NordoberfränkischerVerein  für  Natur-,  Geschichts-  und  Landeskunde. 
Karlsruhe:  Naturwissenschaftlicher  Verein.  —  Verhandl.,  Bd.XVI.  [Aa  88.] 
Karlsruhe:  Badischer  zoologischer  Verein.  —  Mitteil.,  Nr.  16.  [Ba  27.] 
Kassel:  Verein  für  Naturkunde. 

Kassel:  Verein  für  hessische  Geschichte  und  Landeskunde.  —  Zeitschrift, 
Bd.  26;  Mittheil.,  Jahrg.  1901.  [Fa  21.] 

Kiel:  Naturwissenschaftlicher  Verein  für  Schleswig -Holstein.  —  Schriften, 
Bd.  XII,  Heft  2.  [Aa  198.] 

Köln:  Redaktion  der  G-aea.  —  Natur  und  Leben,  Jahrg.  39.  [Aa  4L] 
Königsberg  i.  Pr.:  Physikalisch -ökonomische  Gesellschaft.  —  Schriften, 
43.  Jahrg.  [Aa  81.] 

Königsberg  i.  Pr.:  Altertums -Gesellschaft  Prussia. 

Krefeld:  Verein  für  Naturkunde. 

Landshut:  Botanischer  Verein. 

Leipzig:  Naturforschende  Gesellschaft. 

Leipzig:  K.  Sächsische  Gesellschaft  der  Wissenschaften.  —  Berichte  über 
die  Verhandl.,  mathem.-phys.  Classe,  LIV.  Bd.,  Heft  6 — 7;  LV.  Bd., 
Heft  1—5.  [Aa  296.] 

Leipzig:  K.  Sächsische  geologische  Landesuntersuchung.  —  Erläuterungen 
zu  Sekt.  Geringswalde- Ringethal  (Bl.  62),  2.  Aufl.  [De  146.] 

Lübeck:  Geographische  Gesellschaft  und  naturhistorisches  Museum.  — 
Mitteil.,  2.  Reihe,  Heft  17.  [Aa  279  b.] 

Lüneburg:  Naturwissenschaftlicher  Verein  für  das  Fürstentum  Lüneburg. 
Magdeburg:  Naturwissenschaftlicher  Verein. 

Mainz:  Römisch -germanisches  Centralmuseum. 

Mannheim:  Verein  für  Naturkunde. 

Marburg:  Gesellschaft  zur  Beförderung  der  gesamten  Naturwissenschaften. 

—  Sitzungsber.,  Jahrg.  1902.  [Aa  266.] 

Meissen:  Naturwissenschaftliche  Gesellschaft  „Isis“.  —  Beobacht,  d.  Isis- 
Wetterwarte  zu  Meissen  i.  J.  1895.  [Ec  40.]  —  Mittheilungen  aus  den 
Sitzungen  des  Vereinsjahres  1902—1903.  [Aa  319.] 

Münster:  Westfälischer  Provinzialverein  für  Wissenschaft  und  Kunst. 
Neisse:  Wissenschaftliche  Gesellschaft  „Philomathie“.  —  31.  Bericht.  [Aa  28.] 
Nürnberg:  Naturhistorische  Gesellschaft.  —  Jahresber.  für  1902,  Ab¬ 
handl.,  Bd.  XV,  Heft  1.  [Aa  5.] 

Offenbach:  Verein  für  Naturkunde. 

Osnabrück:  Naturwissenschaftlicher  Verein.  —  XV.  Jahresbericht.  [Aa  177.] 
Passau:  Naturhistorischer  Verein. 


32 


Posen :  Deutsche  Gesellschaft  für  Kunst  u.  Wissenschaft.  —  Zeitschr.  der 
naturwissenschaftl.  Abteilung,  9.  Jahrg.,  Heft  4  u.  5;  10.  Jahrg.,  Heft  1. 
[Aa  316.] 

Regensburg :  Naturwissenschaftlicher  Verein. —  Berichte,  Heft  IX.  [Aa295.] 
Regensburg :  K.  botanische  Gesellschaft. 

Reichenbach  i.  V.\  Vogtländischer  Verein  für  Naturkunde. 

Reutlingen :  Naturwissenschaftlicher  Verein. 

Schneeberg:  Wissenschaftlicher  Verein. 

Stettin :  Ornithologischer  Verein.  —  Zeitschr.  für  Ornithologie  und  prakt. 

Geflügelzucht,  Jahrg.  XXVII.  [Bf  57.] 

Stuttgart :  Verein  für  vaterländische  Naturkunde  in  Württemberg.  —  Jahres¬ 
hefte,  Jahrg.  59.  Mit  Beilage.  [Aa  60.] 

Stuttgart :  Württembergischer  Altertums  verein.  —  Württemberg.  Viertel¬ 
jahrshefte  für  Landesgeschichte,  n.  F.,  12.  Jahrg.  [G  70.] 

Tharandt :  Bedaktion  der  landwirtschaftlichen  Versuchsstationen.  —  Land- 
wirtsch.  Versuchsstationen,  Bd.  LVIII  u.  LIX,  Heft  1—4.  (In  der 
Bibliothek  der  Versuchsstation  im  botan.  Garten.) 

Thorn:  Coppernicus -Verein  für  Wissenschaft  und  Kunst.  —  Katalog  d. 

Bibi,  des  Coppernicus -Vereins.  [Aa  145.] 

Trier :  Gesellschaft  für  nützliche  Forschungen. 

Tübingen :  Universität. 

Ulm :  Verein  für  Mathematik  und  Naturwissenschaften. 

Ulm :  Verein  für  Kunst  und  Altertum  in  Ulm  und  Oberschwaben.  — 
Württemb.  Vierteljahrshefte,  Mitteil.,  Heft  10.  [G  58.] 

Weimar:  Thüringischer  botanischer  Verein. —  Mittheil.,  n.F.,  17.  Heft.  [Ca  23.] 
Wernigerode:  Naturwissenschaftlicher  Verein  des  Harzes. 

Wiesbaden:  Nassauischer  Verein  für  Naturkunde.  —  Jahrbücher,  Jahrg. 
55  —  56.  [Aa  43.] 

Würzburg:  Physikalisch-medicinische  Gesellschaft.  —  Sitzungsber.,  Jahrg. 
1902.  [Aa  85.] 

Zerbst:  Naturwissenschaftlicher  Verein. 

Zivickau:  Verein  für  Naturkunde.  —  Jahresber.,  1901.  [4a  179.] 

2.  Österreich-Ungarn. 

Aussig:  Naturwissenschaftlicher  Verein. 

Bistritz:  Gewerbelehrlingsschule.  —  XX — XXII.  und  XXVIII.  Jahresber. 
[Je  105.] 

Brünn:  NaturforschenderVerein.  —  Verhandl.,  Bd.  XL,  u.  20.  Bericht  der 
meteorolog.  Commission.  [Aa  87.] 

Brünn:  Lehrerverein,  Club  für  Naturkunde.  —  Bericht  V.  [Aa  330.] 
Budapest:  Ungarische  geologische  Gesellschaft.  —  Földtani  Közlöny,  XXXII. 
köt. ,  10 — 12.  füz.;  XXXIII.  köt.,  1 — 9.  füz.;  General -Register  für 
Bd.  XIII— XXX.  [Da  25.] 

Budapest:  K.  Ungarische  naturwissenschaftliche  Gesellschaft,  und:  Ungarische 
Akademie  der  Wissenschaften. 

Graz:  Naturwissenschaftlicher  Verein  für  Steiermark.  —  Mittheil.,  Jahrg. 
1902.  [Aa  72.] 

Hermannstadt:  Siebenbür gischer  Verein  für  Naturwissenschaften. 

Iglo:  Ungarischer  Karpathen -Verein.  — *  Jahrb. ,  Jahrg.  XXX.  [Aa  198.] 
Innsbruck:  Naturwissenschaftlich -medicinischer  Verein. 


33 


Klagenfurt :  Naturhistorisches  Land es-Museum  von  Kärnthen.  —  Diagramme 
d.  magn.  u.  meteorolog.  Beobacht.,  1891,  95,  97,  99.  [Aa  42.]  — 
Carinthia  11,  Mittheil.,  Jahrg.  93,  Heft  1 — 5.  [Aa  42b.] 

Krakau:  Akademie  der  Wissenschaften.  —  Bulletin  international  1902, 
Nr.  8-10;  1903,  Nr.  1—3.  [Aa  302.] 

Laibach :  Musealverein  für  Krain. 

Lins:  Verein  für  Naturkunde  in  Oesterreich  ob  der  Enns.  —  32.  Jahresber. 
[Aa  213.] 

Lins:  Museum  Francisco- Carolinum.  —  61.  Bericht  nebst  der  55.  Liefe¬ 
rung  der  Beiträge  zur  Landeskunde  von  Oesterreich  ob  der  Enns. 
[Fa  9.] 

Pt'ag:  Deutscher  naturwissenschaftlich  -  medicinischer  Verein  für  Böhmen 
„Lotos“.  —  Sitzungsber.,  Bd.  XXII.  [Aa  63.] 

Prag:  K.  Böhmische  Gesellschaft  der  Wissenschaften.  —  Sitzungsber., 
mathem.-naturwissensch.  Kl.,  1902.  [Aa  269.]  —  Jahresber.  für  1902. 
[Aa  270.] 

Prag:  Gesellschaft  des  Museums  des  Königreichs  Böhmen.  —  Bericht  1902. 
[Aa  272.]  —  Pamätky  archaeologicke,  dil.  XX,  ses.  2  —  6.  [G  71.]  — 
Starozitnosti  zeme  ceske,  dil.  II,  svazek  2.  [G  71.] 

Prag:  Lese-  und  Bedehalle  der  deutschen  Studenten.  —  Jahresber.  für  1902. 
[Ja  70.] 

Prag :  Ceska  Akademie  Cisare  Frantiska  Josefa.  —  Rozpravy,  trida  II, 
rocnik  11.  [Aa  313.] 

Presburg:  Verein  für  Heil-  und  Naturkunde.  —  Verhandl.,  n.F.,  Heftl4.  [Aa92.] 
Peichenberg:  Verein  der  Naturfreunde.  —  Mittheilungen,  Jahrg.  33  u.  34. 
[Aa  70.] 

Salsburg:  Gesellschaft  für  Salzburger  Landeskunde.  —  Mittheil.,  Bd.  XLII 
u.  XLIII.  [Aa  71.] 

Temesvär:  Südungarische  Gesellschaft  für  Naturwissenschaften.  —  Termes- 
zettudomänyi  Füzetek,  XXVI.  evol.,  füz.  4;  XXVII.  ’evol.,  füz.  1 — 3. 
[Aa  216.] 

Trencsin:  Naturwissenschaftlicher  Verein  des  Trencsiner  Komitates. 

Triest:  Museo  civico  di  storia  naturale.  —  Atti,  vol.  X.  [Aa  154b.] 
Triest:  Societä  Adriatica  di  scienze  naturali. 

Wien:  Kais.  Akademie  der  Wissenschaften.  —  Anzeiger,  1902,  Nr.  22—27; 
1903,  Nr.  1—24.  [Aa  11.]  —  Mittheil,  der  praehistor.  Commission, 
I.  Bd.,  Nr.  6.  [G  111.] 

Wien:  Verein  zur  Verbreitung  naturwissenschaftlicher  Kenntnisse.  — 
Schriften,  Bd.  XLII — XLIII.  [Aa  82.] 

Wien:  K.  K.  naturhistorisches  Hofmuseum.  —  Annalen,  Bd.  XVII,  Nr.  3—4; 

Bd.  XVIII,  Nr.  1—3.  [Aa  280.] 

Wien:  Anthropologische  Gesellschaft. 

Wien:  K.  K.  geologische  Reichsanstalt.  —  Abhandl.,  Bd.  XX,  Heft  1.  [Da  1.] 
—  Verhandl.,  1902,  Nr.  11 — 18;  1903,  Nr.  1 — 15.  [Da  16.]  —  Geolog. 
Karte  der  Oesterr.-Ungar.  Monarchie,  Lief.  4  u.  5.  [Da  33.] 

Wien:  K.  K.  zoologisch -botanische  Gesellschaft  —  Verhandl.,  Bd.  L1I. 
_  [Aa  95.] 

Wien:  Naturwissenschaftlicher  Verein  an  der  Universität.  —  Mitteil.  1903, 
Nr.  1—4.  [Aa  274.] 

Wien:  Central  -  Anstalt  für  Meteorologie  und  Erdmagnetismus.  —  Jahr¬ 
bücher,  Jahrg.  1901.  [Ec  82.] 


34 


3.  Rumänien. 

Bukarest :  Institut  meteorologique  cle  Roumanie.  —  Index  des  publica- 
tions  1885—1903.  [Ec  75.] 

4.  Schweiz. 

Aarau :  Aargauische  naturforschende  Gesellschaft. 

Basel'.  Naturforschende  Gesellschaft.  —  VerhandL,  Bd.  XII,  Heft  2;  Bd.  XV, 
Heft  1 ;  Bd.  XVI.  [Aa  86.] 

Bern :  Naturforschende  Gesellschaft.  —  Mittheil  ,  Nr.  1519— 1550.  [Aa  254.] 
Bern :  Schweizerische  botanische  Gesellschaft. 

Bern :  Schweizerische  naturforschende  Gesellschaft.  —  VerhandL  der  84. 

u.  85.  Jahresversamml.  [Aa  255.] 

Chur :  Natur  forschende  Gesellschaft  Graubündens. 

Frauenfeld :  Thurgauische  naturforschende  Gesellschaft,  —  Mitteil.,  Heft  XV. 
[Aa  261.]  ^ 

Freiburg:  Societe  Fribourgeoise  des  Sciences  naturelles.  —  Bulletin,  voh  X. 
[Aa  264.]  —  Memoires:  Botanik,  Bd.  I,  no.  4 — 6;  Geologie  und  Geo¬ 
graphie,  Bd.  II,  no.  3—4.  [Aa  264b.] 

St.  Gallen:  Naturforschende  Gesellschaft.  —  Bericht  für  1900  —  1901. 
[Aa  23.] 

Lausanne:  Societe  Vaudoise  des  Sciences  naturelles.  — .  Bulletin,  4.  ser., 
vol.  XXXVIII,  no.  145;  vol.  XXXIX,  no.  146—147.  [Aa  248.] 
Neuchatel:  Societe  des  Sciences  naturelles. 

Schaff  hausen :  Schweizerische  entomologische  Gesellschaft.  —  Mitteil., 
Vol.  X,  Heft  10;  Vol.  XI,  Heft  1.  [Bk  222.] 

Sion :  La  Murithienne,  societe  Valaisanne  des  Sciences  naturelles.  — 
Bulletin,  fase.  XXII— XXV.  [Ca  13.] 

Winterthur:  Naturwissenschaftliche  Gesellschaft.  —  Mittheil.,  Heft  4. 
[Aa  331.] 

Zürich:  Naturforschende  Gesellschaft.  —  Vierteljahrsschr.,  Jahrg.  47, 
Heft  3 — 4;  Jahrg.  48,  Heft  1 — 2.  [Aa  96.]  —  Neujahrsblatt  1899. 
1900  u.  1902.  [Aa  96  b.] 

5.  Frankreich. 

Amiens:  Societe  Linneenne  du  liord  de  la  France. 

Bordeaux:  Societe  des  Sciences  physiques  et  naturelles.  —  Memoires, 
ser.  6,  tome  II,  cah.  1  et  appendice.  [Aa  253.]  —  Proces  verbaux, 
annee  1901 — 1902.  [Aa  253  b.] 

Cherbourg:  Societe  nationale  des  Sciences  naturelles  et  mathematiques.  — 
Memoires,  tome  XXXIII,  fase.  1.  [Aa  137.] 

Dijon:  Academie  des  Sciences,  arts  et  helles  lettres.  —  Memoires,  ser.  4, 
tome  VIII.  [Aa  138.] 

Le  Mans:  Societe  d’agriculture,  Sciences  et  arts  de  la  Sarthe.  —  Bulletin, 
tome  XXX,  fase.  4;  tome  XXXI,  fase.  1.  [Aa  221.] 

Lyon:  Societe  Linneenne. 

Lyon:  Societe  d’agriculture,  Sciences  et  industrie. 

Lyon:  Academie  des  Sciences  et  lettres. 

Paris:  Societe  zoologique  de  France.  —  Bulletin,  tome  XXVII.  [Ba  24.] 
Toulouse:  Societe  Frangaise  de  botanique. 


35 


6.  Belgien. 

Brüssel :  Societe  royale  malacologique  de  Belgique.  —  Annales,  tome 
XXXVI— XXXVH.  [Bi  1  ] 

Brüssel :  Societe  entomologique  de  Belgique.  —  Annales,  tome  32,  36,  42,  46. 

[Bk  13.]  —  Memoires,  tome  IX.  [Bk  13b.] 

Brüssel :  Societe  Beige  de  geologie,  de  paleontologie  et  d’hydrologie.  — 
Proces-verbaux,  tome  XIII,  fase.  4;  tome  XVI,  fase.  4—5;  tome  XVII, 
fase.  1—4.  [Da  34.] 

Brüssel :  Societe  royale  de  botanique  de  Belgique. 

Gembloux :  Station  agronomique  de  l’etat.  —  Bulletin,  no.  73.  [Hb  75.] 
Lüttich :  Societe  geologique  de  Belgique.  —  Annales,  tome  XXV bis,  livr.  2; 
tome  XXIX,  livr.  4;  tome  XXX,  livr.  1.  [Da  22.] 


7.  Holland. 

Gent :  Kruidkundig  Genootschap  „Dodonaea“. 

Groningen'.  Natuurkundig  Genootschap.  —  Centralbureau  voor  de  Kennis 
van  de  Provincie  Groningen  en  omgebgen  streken:  Bejdragen,  deel  II, 
stuk  2.  [Aa  333.] 

Hartem:  Musee  Teyler.  —  Archives,  ser.  II,  vol.  VIII,  p.  2 — 3.  [Aa  217.] 
Hartem:  Societe  Hollandaise  des  Sciences.  —  Archives  Neerlandaises 
des  Sciences  exactes  et  naturelles,  ser.  II,  tome  VIII,  livr.  1—4. 
[Aa  257.] 

8.  Luxemburg. 

Luxemburg:  Societe  botanique  du  Grandduche  de  Luxembourg.  —  Me¬ 
moires  et  travaux,  Nr.  XV.  [Call.] 

Luxemburg:  Institut  grand-ducal. 

Luxemburg :  Verein  Luxemburger  Naturfreunde  ,, Fauna“.  —  Mittheil.,  12. 
Jahrg.  [Ba  26.] 


9.  Italien. 

Brescia:  Ateneo.  —  Commentari  per  l’anno  1902.  —  II  primo  secolo 
delF  Ateneo  di  Brescia  1802 — 1902  (m.  Medaillon).  [Aa  199.] 
Catania:  Accademia  Gioenia  di  scienze  naturale.  —  Bollettino,  fase. 

LXXIV— LXXVIII.  [Aa  149b.]  —  Atti,  ser.  IV,  vol.  XV.  [Aa  149.] 
Florenz:  R.  Instituto.  —  Sektion  für  Naturgescb.  u.  Physik,  1.  Publikation; 

Sektion  für  Medizin  u.  Chirurgie,  Publik.  21 — 22.  [Aa  229.] 

Florenz:  Societä  entomologica  Italiana.  —  Bullettino,  anno  XXXIV,  tr.  3 — 4. 
[Bk  193.] 

Mailand:  Societä  Italiana  di  scienze  naturali.  —  Memoire,  vol.  VI,  fase.  2. 
Mailand:  R.  Istituto  Lombardo  di  scienze  e  lettere.  —  Rendiconti,  ser.  2, 
vol.  XXXV— XXXVI.  [Aa  161.]  —  Memorie,  vol.  XIX,  fase.  9;  vol.  XX, 
fase.  1.  [Aa  167.] 

Modena:  Societä  dei  naturalisti. 

Padua:  Accademia  scientifica  Veneto-Trentino-Istriana.  —  Atti,  vol.  IV, 
fase.  2.  [Aa  193.] 

Palermo:  Societä  di  scienze  naturali  ed  economiche. 

Parma:  Redazione  del  Bullettino  di  paletnologia  Italiana.  —  Bullettino 
XXVII— XXVIU.  [G  54]. 


36 


Pisa :  Societä  Toscana  di  scienze  naturali.  —  Processi  verbali,  vol.XIII  (4.  V. 

1902  —  5.  VII.  1903.);  Memoire,  vol.  XIX.  [Aa  209.] 

Rom :  Accademia  dei  Lincei.  —  Atti,  Rendiconti,  ser.  5,  vol.  XI,  2.  sem., 
fase.  11  — 12;  vol.  XII,  1.  sem.;  2.  sem.,  fase.  1  — 11;  Rendic.  sol.  d. 
1.  giugno  1903.  [Aa  226.] 

Rom :  R.  Comitato  geologico  d’Italia. 

Turin :  Societä  meteorologica  Italiana. 

Venedig:  R.  Instituto  Veneto  di  scienze,  lettere  e  arti. 

Verona:  Accademia  di  Verona.  —  Atti  e  Memoire,  ser.  IV,  vol.  III;  Indice 
dei  volumi  1 — 75.  [Ha  14.] 


10.  Grofsbritannien  und  Irland. 

Dublin:  Royal  geological  society  of  Irland. 

Edinburg:  Geological  Society.  —  Transactions,  vol.  VIII,  p.  2  and  special- 
part.  [Da  14.] 

Edinburg:  Scottish  meteorological  society. 

Glasgow:  Natural  history  society.  —  Transactions,  vol.  V,  p.  3;  vol.  VI, 
p.  1—2.  [Aa  244.] 

Glasgow:  Geological  society. 

Manchester:  Geological  and  mining  society.  —  Transactions,  vol.  XXVIII, 
p.  1—9.  [Da  20.] 

Newcastle-upon-Tyne:  Tyneside  naturalists  field  club,  und:  Natural  history 
society  of  Northumberland,  Durham  and  Newcastle  -  upon  -  Tyne.  — 
Transactions,  vol.  XII,  p.  2;  vol.  XIV.  [Aa  126.] 

11.  Schweden  und  Norwegen. 

Bergen:  Museum.  —  Aarsberetning  1902;  Aarbog  1902,  3.  Heft;  1903, 
1.-2.  Heft.  [Aa  294.] 

Christiania :  Universität. 

Christiania:  Foreningen  til  Norske  fortidsmindesmerksers  bevaring.  — 
Aarsberetn.  f.  1901—1902.  [G  2.] 

Stockholm:  Entomologiska  Föreningen.  —  Entomologisk  Tidskrift,  Arg.  23. 
[Bk  12.] 

Stockholm:  K.  Vitterhets  Historie  och  Antiqvitets  Akademien.  —  Anti¬ 
quarisk  Tidskrift,  Delen  XVII,  1 — 2.  [G  135.] 

Tromsoe:  Museum.  —  Museums  Aarshefter,  XXI;  XXII,  2.  Afdeling;  XXIV. 
[Aa  243.] 

TJpsala:  Geological  Institution  of  the  university.  —  Bulletin,  vol.  V,  p.  2. 
[Da  30]. 

12.  Rufsland. 

Ekatharinenburg :  Societe  Ouralienne  d’amateurs  des  Sciences  naturelles. 

—  Bulletin,  tome  XXIII,  supplem.  au  tome  XXII.  [Aa  259.] 
Helsingfors:  Societas  pro  fauna  et  Hora  fennica. 

Kharkow:  Societe  des  naturalistes  ä  l’universite  imperiale.  —  Travaux, 
tome  XXVIII;  suppl.  fase.  8  — 11.  [Aa  224.] 

Kiew:  Societe  des  naturalistes.  —  Memoires,  tome  XVII,  livr.  2.  [Aa  298.] 
Moskau :  Societe  imperiale  des  naturalistes.  —  Bulletin,  1902,  no.  3  — 4; 
1903,  no.  1.  [Aa  134.] 


37 


Odessa:  Societe  des  natur allstes  de  la  Nouvelle  -  Eussie.  —  Memoires, 
tome  XXIV,  p.  2.  [Aa  256.J 

Petersburg:  Kais,  botanischer  Garten.  —  Acta  horti  Petropolitani,  tome 
XXI,  fase.  1—2.  [Ca  10.] 

Petersburg:  Comite  geologique.  —  Bulletins,  vol.  XXI,  no.  5 — 10.  [Da  23.] 
—  Memoires,  vol.  XVI,  no.  2;  vol.  XVII,  no.  3;  vol.  XX,  no.  1;  nouv.  ser., 
livr.  1,  2,  4.  [Da  24.] 

Petersburg:  Physikalisches  Centralobservatorium. 

Petersburg:  Academie  imperiale  des  Sciences.  —  Bulletin,  nouv.  serie  V, 
tome  XVI,  no.  4  —  5;  tome  XVII,  no.  1—4.  [Aa  315.] 

Petersburg:  Kaiserl.  mineralogische  Gesellschaft.  —  Verhandl. ,  2.  Ser., 
Bd.  40.  [Da  29.]  —  Travaux  de  la  section  geologique  du  cabinet  de 
sa  majeste,  vol.  V.  [Da  29  c.]  —  Materialien  zur  Geologie  Russlands, 
Bd.  XXI,  Lief.  1.  [Da  29b.] 

Piga:  Naturforscher -Verein.  —  Korrespondenzblatt,  XL  VI.  [Aa  34.] 


II.  Amerika. 

1.  Nord -Amerika. 

Albany:  New  York  state  museum  of  natural  history. 

Baltimore:  John  Hopkins  university.  —  University  circulars,  vol.  XVIII, 
no.  139 — -140;  vol. XXI,  no.160— 162;  vol.  XXII,  no.  163— 164.  [Aa  278.] 
—  American  journal  of  mathematics,  vol.  XXIV,  no.  2—4;  vol.  XXV, 
no.  1.  [Ea  38.]  —  American  Chemical  journal,  vol.  XXVII,  no.  4 — 6; 
vol.  XXVIII;  vol.  XXIX,  no.  1-2.  [Ed  60.]  —  Studies  in  histor. 
and  politic.  Science,  ser.  XX,  no.  2—12.  [Fb  125.]  —  American  journal 
of  philology,  vol.  XXII,  no.  4;  vol.  XXIII.  [Ja  64.]  —  Maryland  geo- 
logical  survey,  vol.  II — III.  [Da  35.]  —  Anniversary  25.  [Aa  278b.] 

Berkeley:  University  of  California.  —  Departement  of  geology:  Bulletin  III, 
no.  1 — 12;  publications :  Issued  quarterly,  vol.  III,  no.  3;  vol.  IV, 
no.  1—3;  vol.  V.  no.  1.  [Da  31.]  —  College  of  agriculture:  Bulletin 
140—148;  annual  report  1900;  biennial  report  1900—1902.  [Db  31b.] 
—  Botany,  vol  I,  pp.  1 — 418.  [Da  31c.]  —  Zoology,  vol.  I,  pp.  1 — 104. 
[Da  31  d.J  —  Physiology,  vol.  I,  no.  1—2.  [Da  31  e.] 

Boston:  Society  of  natural  history.  —  Proceedings,  vol.  XXX,  no.  3 — 7; 
vol.  XXXI,  no.  1.  [Aa  111.]  —  Memoirs,  vol.  Y,  no.  8  — 9.  [Aa  106.] 

Boston:  American  academy  of  arts  and  Sciences.  —  Proceedings,  new  ser., 
vol.  XXXVIII;  vol.  XXXIX,  no.  1-3.  [Aa  170.] 

Buffalo:  Society  of  natural  Sciences. 

Cambridge:  Museum  of  comparative  zoology.  —  Bulletin,  vol.  XXXVIII, 
no.  8;  vol.  XXXIX,  no.  5  —  8;  vol.  XL,  no.  4  —  7;  vol.  XLII,  no.  1 — 4. 
[Ba  14.] 

Chicago:  Academy  of  Sciences. 

Chicago:  Field  Columbian  Museum.  —  Publications  66  —  74,  76.  [Aa  324.] 

Bavenport:  Academy  of  natural  Sciences. 

Halifax:  Nova  Scotian  institute  of  natural  Science.  —  Proceedings  and 
transactions,  2.  ser.,  vol.  III,  p.  3  —  4.  [Aa  304.] 


38 


Lawrence:  Kansas  University.  —  Quarterly,  series  A:  Science  and  mathe- 
matics,  vol.  X,  no.  4.  —  Science  bulletin,  vol.  I,  no.  5— 12.  [Aa  328.] 
Madison :  Wisconsin  Academy  of  Sciences,  arts  and  letters. 

Mexiko :  Sociedad  cientifica  „Antonio  Alzate“.  —  Memorias  y  Revista, 
tomo  XIII,  cuad.  5 — 6;  tomo  XVII,  cuad.  4 — 6;  tomo  XVIII,  cuad.  1 — 2; 
tomo  XIX,  cuad.  1.  [Aa  291.] 

Mexiko :  Instituto  geologico  de  Mexico. 

Milwaukee:  Public  Museum  of  the  City  of  Milwaukee.  —  Ann.  rep.,  no.  15, 
18-20.  [Aa  233b.] 

Milwaukee:  Wisconsin  natural  history  society.  —  Bulletin,  new  ser., 
vol.  II,  no.  4.  [Aa  233.] 

Montreal:  Natural  history  society. 

New-Haven:  Connecticut  academy  of  arts  and  Sciences.  —  Transactions, 
vol.  XI.  [Aa  124.] 

Neiv-York:  Academy  of  Sciences. 

Neiv-York:  American  museum  of  natural  history. 

Philadelphia:  Academy  of  natural  Sciences.  —  Proceedings,  vol.  XIV,  p.  2,  3; 
vol.  XV,  p.  I.  [Aa  117.] 

Philadelphia:  American  philosophical  society.  —  Proceedings,  vol.  XLT. 

no.  170-171;  vol.  XLII,  no.  172.  [Aa  283.] 

Philadelphia:  Wagner  free  institute  of  Science. 

Philadelphia:  Zoological  society.  —  Annual  report  31.  [Ba  22.] 
Pochester:  Academy  of  Science.  —  Proceedings,  vol.  4,  pag.  65  — 136. 
[Aa  312.] 

Pochester:  Geological  society  of  America.  —  Bulletin,  vol.  XIII.  [Da  28.] 
Salem:  Essex  Institute. 

San  Francisco:  California  academy  of  Sciences. 

St.  Louis:  Academy  of  Science.  —  Transactions,  vol.  XI,  no.  6  — 11;  vol.  XII, 
no.  1—8.  [Aa  125.] 

St.  Louis:  Missouri  botanical  garden. 

Topeka:  Kansas  academy  of  Science.  —  Transactions,  vol.  XVIII.  [Aa  303. 
Toronto:  Canadian  institute.  —  Transactions,  vol.  VII,  p.  2.  [Aa  222b.[ 
—  Proceedings,  vol.  II,  p.  5.  [Aa  222.] 

Tufts  College. 

Washington:  Smithsonian  Institution.  —  Annual  report  1901.  [Aa  120.] 
—  Report  of  the  U.  S.  national  museum  1900.  [Aa  120c.] 
Washington:  United  States  geological  survey.  —  XXII.  annual  report, 
p.  1—4;  XXIII.  [De  120a.]  —  Bulletin,  no.  191;  195-207.  [De  120b.] 
—  Mineral  resources  of  the  Unit.  States,  1901.  [Db  81.]  —  Mono- 
graphs,  vol.  XLI— XLIII.  [De  120c.]  —  Professional  paper,  no.  1  —  8. 
[De  120e/j 

Washington:  Bureau  of  education. 

2.  Süd-Amerika. 

Buenos- Aires:  Museo  nacional.  —  Anales,  tomo  VII — VIII.  [Aa  147.] 
Buenos- Aires:  Sociedad  cientifica  Argentina.  —  Anales,  tomo  LIV,  entr. 4 — 6; 

tomo  LV,  entr.  1 — 5;  tomo  LVI,  entr.  1 — 3.  [Aa  230.] 

Cordoba:  Academia  nacional  de  ciencias.  —  Boletin,  tomo  XVII,  entr.  2 — 3. 
[Aa  208  a.] 

Montevideo:  Museo  nacional.  —  Anales,  tomo  IV,  p,  2;  tomo  V.  [Aa  326.] 


39 


Rio  de  Janeiro :  Museo  nacional. 

San  Jose:  Instituto  fisico-geografico  y  clel  museo  nacional  de  Costa  Rica. 
Sdo  Paido:  Cominissäo  geographica  e  geologica  de  S.  Paulo. 

La  Plata :  Museum. 

Santiago  de  Chile:  Deutscher  wissenschaftlicher  Verein. 


III-  Asien. 

Batavia:  K.  natuurkundige  Vereeniging.  —  Natuurk.  Tijdschrift  voor 
Nederlandsch  Indie,  Deel  62.  [Aa  250.] 

Calcutta:  Geological  survey  of  India.  —  Memoirs,  vol.XXXlI,  p.3;  vol. XXXIV, 
p.  2;  vol.  XXXV,  p.  1.  [Da  8.]  —  General-Report  1901  —  1902.  [Da  18.] 
Tokio:  Deutsche  Gesellschaft  für  Natur-  und  Völkerkunde  Ostasiens.  — 
Mitteil.,  Bd.  VIII,  T.  1;  Bd.  IX,  T.  2-3.  [Aa  187.] 


IV-  Australien. 

Melbourne:  Mining  department  of  Victoria. 


B.  Durch  Geschenke. 

Abromeit,  J.:  Flora  von  Ost-  und  Westpreussen,  1.  Hälfte;  2.  Hälfte, 
1.  Teil.  [Cd  119.] 

Bellingshausen ,  F.  von:  Forschungsfahrten  im  südlichen  Eismeer  1819  —  21. 
[Fb  135.] 

Bergt ,  W-:  Ueber  einige  sächsische  Gesteine.  Sep.  1902.  |  De  242b.]  — 

Über  einige  sächsische  Minerale;  Aschenstruktur  in  vogtländischen 
Diabastuffen;  Stauchungen  im  Liegenden  des  Diluviums  in  Dresden. 
Sep.  1903.  [De  242c.]  (Mitteil.  a.  d.  K.  Mineralog.-geolog.  Museum 
i.  Dresden.) 

Berlins  naturwissenschaftl.  Anstalten  1901.  [Ja  86.J 
Beythien,  A.:  Bericht  über  die  Thätigkeit  des  chemischen  Untersuchungs¬ 
amtes  der  Stadt  Dresden.  Sep.  1902.  [Hb  129t.J 
Boulanger,  E.:  Germinations  de  Tascospore  de  la  trüffe.  [Cc  69.] 
Budapest:  K.  Ungarische  Reichsanstalt  für  Meteorologie  u.  Erdmagnetis¬ 
mus.  —  Jahrbücher,  Bd.  XXXI,  1.  u.  3.  Theil.  [Ec  101.]  —  Publi- 
cationen,  III.  Bericht.  [Ec  101b.] 

Cliavanne ,  J.:  Die  Temperatur-  und  Regenverhältnisse  Argentiniens. 
Sep.  1903.  [Ec  102.] 

Credner,  H.:  Die  Nahbeben  von  1902.  Sep.  1903.  [De  137 n.] 

Dathe,  E.:  Ueber  die  Verbreit,  der  Waldenburger  u.  Weisssteiner  Schichten 
in  der  Waldenburger  Bucht.  Sep.  1903.  [De  169q.] 

Dathe ,  E.:  Ueber  das  Vorkommen  von  WTalchia  in  den  Ottweiler  Schichten 
des  niederschles.-böhm.  Steinkohlenbeckens.  Sep.  1903.  [De  169  r.] 
Deichmüller ,  J.:  Beiträge  zu  den  Briquetage-Funden.  Sep.  1902.  [G  119  d.] 
Doppler,  Chr.:  Ueber  das  farbige  Licht  einiger  Doppelsterne.  Jubil.- 
Abdr.  [Ea  49.] 


40 


Engelhardt ,  H:  Tertiärpflanzen  von  Kleinasien.  Sep.  1903.  [Del  94  t.] 
Erzgebirgsverein :  Festschr.  zum  25 j ähr.  Bestehen.  1903.  [Fb  137.] 
Etzold,  Er.:  Seismogramme  von  Wiecherts  astatischem  Pendelseismometer. 
Sep.  1903.  [Ec  100b.] 

Forir,  H.:  Bibliographie  des  etages  laekenien,  ledien  etc.  de  la  haute 
et  de  la  moyenne  Belgique.  [De  244.] 

Gaudry,  A.:  Contribution  ä  l’histoire  des  hommes  fossiles.  Sep.  1903. 
[Bd  34b.] 

Geinitz,  E.\  Das  Land  Mecklenburg  vor  3000  Jahren.  (Rektorats -Progr.) 
[De  217m.] 

Geinitz,  E . :  Mitteil,  aus  der  Grofsherzogl.  Mecklenburg.  Geolog.  Landes¬ 
anstalt,  Nr.  XV:  Die  Landverluste  der  Mecklenb.  Küste.  [De  217n.] 
Geinitz,  E.  u.  Weber,  C.\  Ueber  ein  Moostorflager  der  postglacialen  Föhren¬ 
zeit  am  Seestrande  der  Rostocker  Heide.  Sep.  1904.  [De  217  o.] 
Heller,  K:  Oskar  Schneider.  Sep.  1903.  [Jb  91.J 

Herrera,  A.:  Le  rote  preponderant  des  substances  minerales  dans  les 
phenomenes  biologiques.  Sep.  1903.  [Cc  68.] 

KHz,  M.\  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Quartärzeit  i.  Mähren.  Sep.  1902. 
[De  238  b.] 

Ladenburg,  A.:  Ueber  den  Einfluss  d.  Naturwissensch.  auf  d.  Weltanschau¬ 
ung.  Vortrag.  1903.  [Ja  88.] 

Lichtneckert,  J.\  Neue  wissenschaftl.  Lebenslehre  des  Welt-Alls.  [Ja  89.] 
Petrascheck ,  W.:  Die  Ammoniten  der  sächsischen  Kreideformation. 
Sep.  1902.  [Dd  149a.]  (Mitteil.  a.  d.  K.  Mineralog.-geolog.  Museum  i. 
Dresden.) 

Petras  check,  W.:  Zur  Geologie  des  Heuscheuergebirges.  Sep.  1903.  [Dal49b.] 
Pigorini ,  L.\  Le  piü  antiche  civitä  dell’  Italia.  Sep.  1903.  [Ja  87.] 
Paleigh :  Elisha  Mitchell  scientific  society.  —  Journal,  vol.  XVI,  p.  2; 
vol.  X VIII- XIX.  [Aa  300.] 

Sars,  G.:  An  account  of  the  Crustacea  of  Norway.  Vol.  IV,  p.  11  — 14. 
[Bl.  29b.] 

Schinkichi,  Hara:  Die  Meister  der  japanischen  Schwertzierraten.  1902. 
[Aa  276.] 

Schopp,  H.\  Beiträge  z.  Kenntn.  der  diluvialen  Flufsschotter  i.  westl.  Rhein¬ 
hessen.  [De  243.] 

Stossich,  M.\  Una  nuova  specie  di  Helicometra.  Sep.  1902.  [Bm  54nn.] 
Stübel,  A.\  Ueber  die  genetische  Verschiedenheit  vulkanischer  Berge. 
Sep.  1903.  [De  237 d.] 

Stübel,  A.\  Karte  der  Vulkanberge  in  Ecuador.  Sep.  1903.  [De  237e.] 
Washington :  National  academy  of  Sciences.  —  Memoirs,  vol.  VIII,  no.  4—7. 
[Aa  320.] 

Wien:  K.  K.  Central-Commission  für  Erforschung  u.  Erhaltung  der  Künst¬ 
ln  historischen  Denkmale.  —  Mittheil.,  Folge  III,  Bd.  1.  [G  142.] 


C.  Durch  Kauf. 

Abhandlungen  der  Senckenbergischen  naturforschenden  Gesellschaft,  Bd.XX, 
Heft  4;  Bd.  XXV,  Heft  4;  Bd.  XXVII,  Heft  1.  [Aa  9.] 

Anzeiger  für  Schweizer  Alterthümer,  neue  Folge,  Bd.  IV,  Heft  3  —  4; 
Bd.  V,  Heft  1,  mit  Beil.  [G  1.] 


41 


Anzeiger,  zoologischer,  Jahrg.  XXVI.  [Ba  21.] 

Bronn’s  Klassen  und  Ordnungen  des  Thierreichs,  Abth.  3  (Echinodermen), 
Lief.  62— 64;  Bd.  III  (Mollusca),  Suppl.,  Lief.  37— 43;  Bd.  IV,  (Vermes), 
Suppl.,  Lief.  18— 22;  Bd.  V  (Crustacea),  Abth.  2,  Lief.  66  — 68;  Bd.  VI, 
Abth.  1  (Pisces),  Lief.  9  —  12.  [Bb  54.] 

Oebirgsverein  für  die  Sächsische  Schweiz :  Ueber  Berg  und  Thal,  Jahrg.  1903. 
[Fa  19.] 

Hedivigia ,  Bd.  42.  [Ca  2.] 

Jahrbuch  des  Schweizer  Alpenclub,  Jahrg.  38.  [Fa  5.] 

Monatsschrift,  Deutsche  botanische,  Jahrg.  21.  [Ca  22.] 

Prähistorische  Blätter ,  Jahrg.  XV.  [G  112.] 

Prometheus,  No.  690 — 741.  [Ha  40.] 

Wochenschrift,  naturwissenschaftliche,  Bd. XVIII.  [Aa  311. J  (Vom  Isis-Lese¬ 
zirkel.) 

Zeitschrift,  allgemeine,  für  Entomologie,  Bd.  VIII.  [Bk  245.] 

Zeitschrift  für  die  Naturwissenschaften,  Bd.  75,  Nr.  3 — 6.  [Aa  98.] 
Zeitschrift  für  Meteorologie,  Bd.  20.  [Ec  66.] 

Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Mikroskopie,  Bd.  XIX,  Heft  3 — 4;  Bd.  XX, 
Heft  1 — 2.  [Ee  16.] 

Zeitschrift,  Oesterreichische  botanische,  Jahrg.  53.  [Ca  8.] 

Zeitung,  botanische,  Jahrg.  61.  [Ca  9.] 


Abgeschlossen  am  31.  Dezember  1903. 


C.  Schiller, 
Bibliothekar  der  „Isis“. 


Zu  besserer  Ausnutzung  unserer  Bibliothek  ist  für  die  Mitglieder  der 
„Isis“  ein  Lesezirkel  eingerichtet  worden.  Gegen  einen  jährlichen  Beitrag 
von  3  Mark  können  eine  grofse  Anzahl  Schriften  bei  Selbstbeförderung 
der  Lesemappen  zu  Hause  gelesen  werden.  Anmeldungen  nimmt  der  Biblio¬ 
thekar  entgegen. 


. 


Abhandlungen 

der 

Naturwissenschaftlichen  Gesellschaft 

ISIS 


in  Dresden. 


•  1903, 


VII.  Die  Nähr un gs mittelkon  trolle  der  Stadt  Dresden.*) 

Von  Dr.  A.  Beythien, 

Direktor  des  chemischen  Untersuchungsamtes  der  Stadt  Dresden. 


Wenn  es  heutzutage  üblich  ist,  dafs  Redner  ihre  Vorträge  mit  der 
Behauptung  einleiten,  wir  lebten  im  Zeitalter  desjenigen  Gegenstandes, 
über  den  sie  gerade  zu  sprechen  wünschen,  also  je  nach  Bedarf  des 
Dampfes,  der  Elektrizität,  des  Militarismus  oder  der  Getreidezölle,  so 
glaube  ich  von  meinem  Standpunkte  aus  ebenso  berechtigt  zu  sein,  unsere 
Zeit  als  die  der  Hygiene  zu  bezeichnen.  Dringt  nicht,  unterstützt  von 
dem  hellleuchtenden  Glanze  des  Namens  Pettenkofer,  die  neue  Lehre 
siegreich  in  immer  weitere  Kreise  der  Bevölkerung  ein,  und  mit  ihr  die 
Überzeugung,  dafs  im  Kampfe  ums  Dasein  der  körperlich  Widerstands¬ 
fähige  günstiger  gestellt  ist  als  der  Schwächere?  Gewinnt  nicht  die  Er¬ 
kenntnis  immer  mehr  Boden,  dafs  zwar  manche  feindliche  Einflüsse  unsere 
Gesundheit,  unser  Leben  bedrohen,  dafs  wir  aber  auch  durch  eine  ver- 
nunftgemäfse  Lebensweise  vieles  tun  können,  uns  gegen  diese  feindlichen 
Gewalten  zu  schützen?  Wir  wissen  jetzt,  dafs  jeder  einzelne  die  Pflicht  hat, 
nach  besten  Kräften  für  seine  eigene  Gesundheit  wie  auch  die  seiner  Ange¬ 
hörigen  zu  sorgen,  dafs  er  Sitten  resp.  Unsitten  aufgeben  mufs,  welche  dem 
Wohlergehen  seiner  Mitmenschen  nachteilig  sind,  und  mit  Freude  können 
wir  bereits  zahlreiche  schöne  Erfolge  dieser  privaten  Hygiene  verzeichnen. 

Gar  manche  Gefahren  drohen  aber  der  Wohlfahrt  des  Menschen¬ 
geschlechtes,  denen  das  Individuum  ohnmächtig  gegenübersteht.  Die  Be¬ 
kämpfung  ansteckender  Krankheiten,  die  Beseitigung  der  Abfallstoffe,  Be¬ 
schaffung  brauchbaren  Trinkwassers,  das  sind  Anforderungen,  welche  sich 
seinem  Machtbereiche  entziehen;  hier  ist  die  Pflege  der  Gesundheit  Auf¬ 
gabe  der  Gesamtheit,  also  des  Staates  oder  der  Gemeinde.  Der  Staat 
nimmt  nicht  nur  ein  hohes  Interesse  an  der  Volksgesundheit,  von  welcher 
die  Leistungsfähigkeit  seiner  Bürger  abhängt,  sondern  ihm  erwächst  auch 
die  unabweisbare  Pflicht,  die  Gesundheit  seiner  Angehörigen  zu  schützen, 
welchen  die  Zugehörigkeit  zum  Staate  zahlreiche  Pflichten  auferlegt,  die, 
wie  der  Besuch  öffentlicher  Schulen,  das  Zusammenleben  in  Kasernen, 
ohne  besondere  Schutzmafsregeln  sanitäre  Gefahren  in  sich  bergen.  Ein 
weites  Gebiet  fällt  also  der  öffentlichen  Gesundheitspflege  zu.  Hier¬ 
hin  gehört  die  Beschaffung  reiner  Luft  durch  Bekämpfung  schädlicher 
Fabrikgase  sowie  der  Rufsplage;  ferner  die  Wasserversorgung,  Beseitigung 
der  Fäkalien,  die  Fürsorge  für  gesunde  Wohnungen,  öffentliche  Bäder, 

*)  Vortrag  gehalten  in  der  Naturwissenschaftlichen  Gesellschaft  Isis  in  Dresden 
am  22.  Oktober  1903. 


36 


Verkehrseinrichtungen,  die  Überwachung  von  Schulen  und  Fabriken;  hier¬ 
hin  gehören  vor  allem  auch  die  Bestrebungen,  der  Bevölkerung  eine  zweck¬ 
entsprechende  Ernährung  zu  sichern,  in  richtiger  Würdigung  der  Tatsache, 
dafs  nur  ein  gut  genährter  Organismus  die  nötige  Widerstandskraft  gegen 
Krankheiten  besitzt.  Sache  der  öffentlichen  Gesundheitspflege  ist  diese 
letzte  Aufgabe,  weil  der  einzelne  nicht  imstande  ist,  den  Nahrungsmitteln 
ihren  Wert  oder  Unwert  anzusehen,  und  daher  Verfälschungen  wehrlos 
gegenüber  steht. 

Die  Erkenntnis  von  der  Notwendigkeit  einer  amtlichen  Überwachung 
des  Lebensmittelmarktes  ist  keineswegs  eine  Errungenschaft  der  Neuzeit. 
Schon  unsere  Altvorderen,  welche  die  Annehmlichkeit  schmackhafter  Speisen 
und  eines  guten  Trunkes  wohl  zu  schätzen  wufsten  und  die  Ernährungs¬ 
frage  überhaupt  weit  ernster  und  gewissenhafter  auffafsten  als  wir  moderne 
Menschen,  achteten  mit  aller  Strenge  darauf,  dafs  Nahrungsmittelfälscher 
bestraft  wurden.  Zur  Blütezeit  des  deutschen  Bürgertums  im  Mittelalter 
bestanden  in  den  meisten  Hansestädten  diesbezügliche  Vorschriften,  Dresden 
besafs  bereits  im  15.  Jahrhundert  Bestimmungen,  welche  die  gute  Be¬ 
schaffenheit  des  Bieres  gewährleisteten,  und  die  freie  Reichsstadt  Nürnberg 
hatte  sogar,  einer  interessanten  Broschüre  Kaemmerers  zufolge,  eine 
systematische  Nahrungsmittelkontrolle  eingerichtet.  Da  gab  es  eine  Schau 
für  Mehl,  Brot,  Fleisch,  Schmalz  und  Bier.  Eine  Milchordnung  von  1450 
untersagte  die  Verfälschung  mit  Mehl,  während  an  Wasserzusatz  und  Ent¬ 
rahmung  anscheinend  noch  nicht  gedacht  wurde.  Beim  Wein  war  schon 
damals,  wie  heute,  Zusatz  von  Alaun  und  übermäfsiges  Schwefeln  ver¬ 
boten,  und  manches  Fafs  zu  stark  geschwefelten  Weines  wurde  zum 
warnenden  Beispiel  in  die  Pegnitz  gegossen.  Besonders  scharfe  Erlasse 
regelten  den  Gewürzhandel,  und  wie  wenig  Spafs  unsere  Vorfahren  in 
dieser  Hinsicht  verstanden,  erhellt  daraus,  dafs  allein  im  Jahre  1444  sechs 
Safranfälscher  mit  ihrer  Ware  auf  offenem  Markte  verbrannt  wurden, 
während  man  eine  Frau  wegen  desselben  Vergehens  lebendig  vergrub.  Da¬ 
mit  verglichen  sind  unsere  heutigen  Strafbestimmungen  geradezu  weich¬ 
herzig  zu  nennen. 

Der  Niedergang  des  heiligen  Römischen  Reiches,  besonders  die  trost¬ 
lose  Zeit  nach  dem  30jährigen  Kriege,  liefs  mit  der  übrigen  Kultur  des 
Mittelalters  auch  diese  sanitären  Bestrebungen  zu  gründe  gehen,  und  erst 
dem  wieder  erstandenen  Deutschen  Reiche  war  es  beschieden,  sie  zu  neuem 
Leben  zu  erwecken. 

Gerade  in  den  ersten  Jahren  nach  dem  siegreichen  Kriege  hatte,  wie 
so  mancher  andere  ungesunde  Auswuchs  des  grofsen  Geldzuflusses  nach 
Deutschland,  auch  die  Verfälschung  der  Nahrungsmittel  einen  unerträg¬ 
lichen  Umfang  angenommen.  Mit  dem  Aufblühen  der  Industrie  erfuhren 
die  Lebensbedingungen  weiter  Bevölkerungskreise,  besonders  der  ärmeren 
Klassen,  durchgreifende  Änderungen,  und  die  zunehmende  Beschäftigung 
der  Frauen  in  den  Fabriken  veranlagte,  dafs  die  Herstellung  zahlreicher 
Nahrungs-  und  Genufsmittel,  welche  seit  langen  Zeiten  von  den  Haus¬ 
frauen  im  Schofse  der  Familie  bereitet  worden  waren,  wie  der  konser¬ 
vierten  Gemüse  und  Früchte,  der  Fruchtsäfte,  Marmeladen  und  Eiernudeln 
aus  den  Haushaltungen  verschwand,  um  an  die  Industrie  überzugehen. 
Nicht  immer  zum  Vorteile  der  Erzeugnisse!  Der  Llang  nach  mühelosem 
Gewinn,  das  Bestreben,  die  Konkurrenz  zu  unterbieten,  führte  dazu,  dafs 
die  altgewohnten  Bahnen  der  reellen  Herstellung  vielfach  verlassen  wurden, 


37 


dafs  an  die  Stelle  der  bekannten  Nahrungsmittel  minder  wertvolle  Surrogate 
traten.  Im  Hinblick  auf  die  der  Volksgesundheit  hieraus  erwachsenden 
Gefahren  wurden  die  Rufe  nach  Abhilfe  immer  dringender  und  fanden 
schliefslieh  im  Reichstage  so  kräftigen  Widerhall,  dafs  sich  die  Regierung 
veranlafst  sali,  dem  1876  gegründeten  Gesundheitsamte  die  Regelung  der 
Nahrungmittelkontrolle  als  die  erste  seiner  umfangreicheren  Arbeiten  zu 
übertragen,  trotzdem  dieses  Amt  eigentlich  in  erster  Linie  zur  Bekämpfung 
der  grofsen  Yolksseuchen,  besonders  der  zahllose  Opfer  fordernden  Cholera, 
geschaffen  worden  war.  Die  bereits  in  Angriff  genommene  Frage  der  Flufs- 
verunreinigung  wurde  einstweilen  zurückgestellt,  nachdem  Bismarck  1877 
gelegentlich  der  Budgetberatung  geäufsert  hatte:  ,,Mir  schien  es  wichtiger, 
dasjenige,  was  dem  menschlichen  Körper  zugeführt  wird,  lieber  in  erster 
Linie  zu  betrachten,  als  dasjenige,  was  den  Flüssen  zugeführt  wird“.  Unter 
den  Auspizien  des  Kanzlers  selbst  begannen  die  Vorarbeiten  für  das 
Nahrungsmittelgesetz. 

Bis  dahin  konnten  zur  Bekämpfung  der  Verfälschungen  nur  zwei 
Paragraphen  -des  Reichsstrafgesetzbuchs  herangezogen  werden.  Zunächst 
§  263,  der  sog.  Betrugsparagraph,  nach  welchem  bestraft  wird,  wer  „in 
der  Absicht,  sich  selbst  oder  einem  dritten  einen  rechtswidrigen  Ver¬ 
mögensvorteil  zu  verschaffen,  das  Vermögen  eines  anderen  dadurch  be¬ 
schädigt,  dafs  er  durch  Vorspiegelung  falscher  oder  durch  Entstellung 
oder  Unterdrückung  wahrer  Tatsachen  einen  Irrtum  erregt  oder  unterhält“. 
Hiermit  konnte  eine  Nahrungsmittelkontrolle  nicht  viel  anfangen,  da  bei 
den  einfachen  Verhältnissen  des  Ein-  und  Verkaufs  von  Lebensmitteln  die 
einzelnen  Tatbestandsmerkmale  des  Betrugsdelikts  meist  nicht  nachweis¬ 
bar  sind.  Eine  Vermögensschädigung  liegt  oft  nicht  vor,  wenn  nämlich 
die  verfälschte  Ware  zu  einem  niedrigeren  Preise  als  die  echte  verkauft 
wird,  und  auch  die  Vorspiegelung  falscher  Tatsachen  kommt  meist  nicht 
in  Frage,  weil  bei  dem  Ankauf  von  Nahrungsmitteln,  beispielsweise  eines 
Pfundes  Butter,  nicht  erst  lange  Verhandlungen  gepflogen  werden. 

Leichter  erschien  noch  eine  Verfolgung  auf  Grund  von  §  367  7,  nach 
welchem  es  verboten  ist,  verfälschte  oder  verdorbene  Efswaren  zu  ver¬ 
kaufen  oder  feilzuhalten;  allein  dieser  Paragraph  hat  den  Nachteil,  dafs 
er  sich  nicht  auf  die  Verfälschung  selbst  bezieht,  und  dafs  die  Höchst¬ 
strafe  von  150  Mark  wenig  geeignet  erscheint,  auf  Fälscher  abschreckend 
zu  wirken,  welche  mit  ihren  unsauberen  Manipulationen  Tausende  und 
Hunderttausende  verdienen. 

In  gleichem  Sinne  waren  auch  die  vereinzelten  landesgesetzlichen  Be¬ 
stimmungen  vor  1879  durchaus  unzulänglich  zur  Bekämpfung  einer  geradezu 
gewerbsmäfsig  betriebenen  Nahrungsmittelverfälschung,  welche  sich  alle 
Errungenschaften  der  Wissenschaft  zu  nutze  machte  und  zur  Verwertung 
derselben  selbst  Chemiker  in  ihre  Dienste  zog. 

Demgegenüber  begann  das  Gesundheitsamt  seine  Tätigkeit  damit,  dafs 
es  zunächst  die  bei  den  wichtigsten  Nahrungsmitteln  beobachteten  Ver¬ 
fälschungen  sowie  etwa  gesundheitsschädliche  Wirkungen  derselben  er¬ 
mittelte,  und  arbeitete  dann  auf  Grund  dieser  Feststellungen  Vorschläge 
darüber  aus,  welche  Mafsnahmen  zur  Bekämpfung  in  Frage  kommen 
könnten.  Besonderes  Gewicht  wurde  neben  den  erforderlichen  Straf¬ 
bestimmungen  auf  den  Erlafs  geeigneter  polizeilicher  Vorbeugungsmafs- 
regeln  gelegt,  und  in  diesem  Sinne  die  Gründung  möglichst  zahlreicher 
technischer  Untersuchungsanstalten  als  erstes  Erfordernis  bezeichnet. 

** 


38 


Das  auf  Grund  dieser  Vorarbeiten  am  14.  Mai  1879  erlassene  Gesetz 
betr.  den  Verkehr  mit  Nahrungsmitteln,  Genufsmitteln  und  Gebrauchs¬ 
gegenständen  bildet  nun  ganz  und  gar  das  Rückgrat  der  amtlichen  Nah¬ 
rungsmittelkontrolle,  und  es  sei  mir  daher  vergönnt,  auf  seinen  Inhalt 
etwas  näher  einzugehen.  Das  Gesetz  verfolgt  zwei  Ziele,  nämlich:  1.  die 
Bekämpfung  der  Gefahren  für  Leib  und  Leben,  welche  der  Genufs  von 
Lebensmitteln  im  Gefolge  haben  kann,  und  2.  die  Verhütung  pekuniärer 
Schädigungen  der  Konsumenten,  sowie  Beseitigung  der  Unlauterkeit  im 
Handel  und  Verkehr;  und  wie  das  Gesundheitsamt  war  auch  der  Gesetz¬ 
geber  sich  darüber  klar,  dafs  dieses  Ziel  in  erster  Linie  durch  eine  vor¬ 
beugende  Kontrolle  von  seiten  der  Polizei  zu  erreichen  sei.  Er  räumte 
dieser  daher  weitgehende  Befugnisse  ein,  besonders  das  Recht,  während 
der  üblichen  Geschäftsstunden  in  die  Verkaufsräume  einzutreten  und  von  den 
hier  feilgehaltenen  Nahrungs-  und  Genufsmitteln  sowie  gewissen  Gebrauchs¬ 
gegenständen  Proben  zum  Zweck  der  chemischen  Untersuchung  zu  ent¬ 
nehmen.  Während  nun  die  unter  das  Gesetz  fallenden  Gebrauchsgegen¬ 
stände  besonders  namhaft  gemacht  werden,  es  sind  Spiel  waren,  Tapeten, 
Farben,  Efs-,  Trink-  und  Kochgeschirre  sowie  Petroleum,  findet  sich  eine 
Definition  der  Begriffe  Nahrungs-  und  Genufsmittel  nicht  vor.  Dieselbe 
ist  vielmehr  der  Entscheidung  der  Gerichte  anheimgegeben  und  daher  bis¬ 
weilen  verschieden  ausgefallen,  wenngleich  wenigstens  in  dem  einen  Punkte 
kein  Zweifel  mehr  besteht,  dafs  nur  Nahrungsmittel  für  Menschen  zum 
Geltungsbereiche  des  Gesetzes  gehören.  Im  übrigen  dürfte  zur  Zeit  wohl 
die  vom  Reichsgericht  gegebene  Begriffsbestimmung  allgemein  als  mafs- 
gebend  anerkannt  werden:  „Nahrungsmittel  sind  Stoffe,  welche,  sei  es  in 
fester  oder  flüssiger  Form,  der  Ernährung  des  menschlichen  Körpers  dienen, 
auch  wenn  zu  deren  Geniefsbarkeit  eine  vorherige  Zubereitung  erforderlich 
ist“.  Der  Begriff  der  Genufsmittel  ist  weiter.  Er  umfafst  alle  Stoffe, 
welche,  auch  ohne  der  Ernährung  zu  dienen,  genossen  zu  werden  pflegen, 
allerdings  unter  der  Voraussetzung,  dafs  sie  durch  die  Organe  dem 
menschlichen  Körper  zugeführt  und  mit  dem  Genüsse  verbraucht  werden. 
Dieser  Erklärung  entsprechend,  sind  zwar  Zigarren  als  Genufsmittel  an¬ 
zusehen,  nicht  aber  Rosen,  da  deren  Wohlgeruch  zwar  einen  Genufs  be¬ 
reitet,  doch  ohne  dafs  ein  Verbrauch  der  Blume  dadurch  bedingt  würde. 
Nicht  erforderlich  ist  hingegen,  dafs  die  Stoffe  für  sich  allein  verzehrt 
werden  können,  sondern  auch  solche,  welche  der  Verbindung  mit  anderen 
bedürfen,  gehören  hierher. 

Die  für  die  Nahrungsmittel -Überwachung  wichtigste  Bestimmung  ent¬ 
hält  §  10: 

„Mit  Gefängnis  bis  zu  sechs  Monaten  und  mit  Geldstrafe  bis  zu  1500  Mark 
oder  mit  einer  dieser  beiden  Strafen  wird  bestraft: 

1.  wer  zum  Zwecke  der  Täuschung  im  Handel  und  Verkehr  Nahrungs-  oder 
Genufsmittel  nachmacht  oder  verfälscht; 

2.  wer  wissentlich  Nahrungs-  oder  Genufsmittel,  welche  verdorben  oder  nach¬ 
gemacht  oder  verfälscht  sind,  unter  Verschweigung  dieses  Umstandes  verkauft  oder 
unter  einer  zur  Täuschung  geeigneten  Bezeichnung  feilhält.“ 

§  12  enthält  das  völlige  Verbot  des  Verkaufs  gesundheitsschädlicher 
Nahrungsmittel,  während  in  §§11  und  13  auch  die  Fahrlässigkeit  bei  den 
vorstehend  bezeichneten  Handlungen  unter  Strafe  gestellt  wird. 

Wesentliche  Voraussetzung  für  die  Strafbarkeit  nach  §  10  Ziffer  1  ist 
also  die  Absicht  der  Täuschung;  nicht  notwendig  ist  hingegen,  dafs  der 


39 


unmittelbare  Abnehmer  getäuscht  werden  soll,  wenn  nur  der  Fabrikant 
auf  die  Täuschung  weiterer  Kreise  rechnet.  Dies  trifft  z.  B.  zu  bei  einem 
künstlichen  Wein  aus  Wasser,  Sprit,  Weinsäure,  Farbe  und  Essenz,  wenn 
der  Fälscher  weifs,  dafs  die  Wiederverkäufer  vermöge  ihrer  Geschäfts¬ 
kenntnis  aus  Etikette  und  Preis  ersehen  werden,  ob  sie  ein  echtes  oder 
ein  Kunstprodukt  erhalten,  während  er  annehmen  mufs,  dafs  den  Konsu¬ 
menten  diese  Fähigkeit  abgeht.  Ebensowenig  ist  für  die  Strafbarkeit 
erforderlich,  dafs  wirklich  jemand  getäuscht  wurde,  ja  nicht  einmal,  dafs 
die  verfälschte  Ware  zum  Verkauf  gelangte.  Der  Begriff  der  Täuschung 
ist  sonach  umfassender  als  derjenige  des  Betruges,  indem  er  weder  die 
Absicht,  einen  rechtswidrigen  Vermögensvorteil  zu  erlangen,  noch  die  Ver¬ 
mögensschädigung  eines  anderen  voraussetzt. 

Wann  sind  nun  Nahrungsmittel  als  verfälscht  und  nachgemacht  an¬ 
zusehen?  Nach  der  Entscheidung  des  Reichsgerichts  ist  unter  Nach¬ 
machen  die  Herstellung  eines  Nahrungsmittels  in  der  Weise  und  zu  dem 
Zweck  zu  verstehen,  dafs  es  ein  anderes  zu  sein  scheint,  als  es  in  Wirk¬ 
lichkeit  ist,  dafs  es  nur  den  Schein,  nicht  aber  das  Wesen  und  den  Gehalt 
der  echten  Ware  besitzt.  Nachgemacht  ist  z.  B.  ein  Himbeersyrup,  der 
wenig  oder  gar  keinen  echten  Fruchtsaft  enthält,  sondern  vorwiegend  einen 
rotgefärbten,  parfümierten  Zuckersyrup  darstellt.  Nachgemacht  ist  auch 
ein  aus  Wasser,  Sprit  und  Essenz  zusammengegossener  Wein. 

Im  Gegensatz  zur  Nachmachung  gehört  zu  dem  Begriffe  der  Ver¬ 
fälschung,  dafs  mit  einer  ursprünglich  echten  Ware  eine  Veränderung 
vorgenommen  wurde,  welche  eine  Abweichung  vom  normalen  Zustande  zur 
Folge  hatte.  Eine  solche  Veränderung  kann  entweder  dadurch  herbei¬ 
geführt  werden,  dafs  das  Nahrungsmittel  durch  Entnahme  oder  Zusatz  von 
Stoffen  direkt  verschlechtert  wurde,  wie  die  Milch  durch  Entrahmung  oder 
Wässerung,  die  Wurst  durch  Mehlzusatz,  oder  dafs  den  Waren  der  täuschende 
Anschein  einer  besseren  Beschaffenheit  verliehen  wurde,  wie  z.  B.  die  künst¬ 
liche  Rotfärbung  von  Hackfleisch  durch  schweflige  Säure,  von  Würsten 
durch  Fuchsin,  oder  der  Zusatz  gelber  Farbe  zu  Nudeln,  um  einen  höheren 
Gehalt  an  Eiern  vorzutäuschen. 

Zum  Nachweise  einer  Nachmachung  oder  Verfälschung  ist  selbstredend 
stets  eine  genaue  Kenntnis  der  echten  oder  normalen  Beschaffenheit  des 
Nahrungsmittels  erforderlich,  die  sich  bei  den  Naturprodukten  wie  Fleisch, 
Milch  usw.  von  selbst  aus  der  Art  ihrer  Gewinnung  ergibt,  bei  den  Er¬ 
zeugnissen  der  Industrie  aber  an  der  Hand  der  gesetzlichen  und  herkömm¬ 
lichen  Regel  zu  ermitteln  ist.  Die  letztere,  welche  wohl  auch  Gewerbe¬ 
oder  Handelsusance  genannt  wird,  hat  jedoch  nur  dann  auf  Beachtung 
Anspruch  zu  erheben,  wenn  ihr  nicht  verwerfliche  Geschäftsgebräuche  zu 
Grunde  liegen,  die  anstatt  der  Ernährung  und  den  Bedürfnissen  der  Kon¬ 
sumenten  lediglich  eigennützigen  Zwecken  der  Fabrikanten  dienen.  Als 
Beispiel  einer  derartigen  unzulässigen  Usance  sei  die  bei  manchen  Bäckern 
beliebte  Verwendung  alter  Semmelreste  zur  Brotbereitung  erwähnt,  welche 
nach  dem  Urteil  des  hiesigen  Landgerichts  als  Verfälschung  zu  gelten  hat. 

Die  als  drittes  Moment  der  Strafbarkeit  in  §  10  angeführte  Ver¬ 
dorbenheit  von  Nahrungsmitteln  unterscheidet  sich  von  den  vorerwähnten 
dadurch,  dafs  sie  nicht  eine  absichtliche  menschliche  Handlung  voraus¬ 
setzt,  sondern  durch  äufsere  Einflüsse,  Einwirkung  der  Luft,  des  Lichtes, 
Bakterientätigkeit,  Verschmutzung  herbeigeführt  wird,  so  dafs  ihr  charakte¬ 
ristisches  Merkmal  in  der  Veränderung  des  ursprünglichen  normalen  Zu- 


40 


Standes  zum  schlechteren  besteht.  Verdorben  nennt  man  also  faules 
Fleisch,  ranzige  Butter,  saures  Bier;  verdorben  sind  auch  alle  Nahrungs¬ 
mittel,  welche  infolge  unsauberer  Aufbewahrung  oder  eines  Gehaltes  an 
lebenden  Parasiten  Ekel  erregen. 

Aufs  er  der  Herstellung  selbst  verbietet  das  Gesetz  natürlich  auch 
den  Verkauf  verfälschter  Nahrungsmittel  unter  Verschweigung  ihrer  Ver¬ 
fälschung,  und,  was  besonders  wichtig  ist,  die  Feilhaltung,  d.  h.  jedes 
Bereitstellen  zum  Verkauf  unter  einer  zur  Täuschung  geeigneten  Bezeichnung. 
Gerade  der  letzte  Punkt  bildet  eine  Quelle  fortwährenden  erbitterten  Kampfes 
zwischen  der  amtlichen  Nahrungsmittelkontrolle  und  gewissen  Fabrikanten. 
Künstlich  gefärbtes  Einfach  Bier  mit  der  stolzen  Etikette  „Echtes  Malzbier“, 
mit  Mehl  verfälschte  Schokolade,  welche  auf  der  Oberseite  der  Packung 
die  Rieseninschrift  „Vanille-Chokolade“  und  in  einem  Winkel  versteckt  die 
mikroskopisch  kleine  Angabe  „mit  Mehlzusatz“  trägt,  gehören  hierher. 

Nicht  unterlassen  will  ich,  zum  Schlufs  noch  auf  die  wesentliche  Er¬ 
gänzung  des  §  10  durch  den  §  11  hinzuweisen,  in  welchem  bei  den  vor¬ 
genannten  Delikten  auch  die  Fahrlässigkeit  unter  Strafe  gestellt  wird. 
Nur  hierdurch  gelingt  es  in  den  zahllosen  Fällen,  in  denen  die  Ermitte¬ 
lung  des  eigentlichen  Fälschers  mifslingt,  verfälschte  Waren  aus  dem  Ver¬ 
kehre  zu  verdrängen.  Der  §  11  legt  jedem  Händler  mit  Lebensmitteln 
die  Verpflichtung  auf,  sich  über  deren  Beschaffenheit  zu  unterrichten  und 
die  ihm  dargebotene  Gelegenheit  zur  Befragung  von  Sachverständigen 
nicht  unbenutzt  zu  lassen.  Hat  er  das  nach  Lage  der  Sache  in  seinen 
Kräften  stehende  getan,  so  kann  ihm  kein  Vorwurf  gemacht  werden,  und 
die  oft  gehörte  Behauptung,  die  Feststellung,  dafs  ein  Händler  verfälschte 
oder  einer  Polizeiverordnung  nicht  entsprechende  Produkte  verkauft  habe, 
genüge  bereits  zu  seiner  Bestrafung,  ist  unrichtig. 

Mit  diesem  Gesetze  war  der  Behörde  eine  scharfe  Waffe  in  die  Hand 
gegeben,  um  der  Verfälschung  und  Nachmachung  wirksam  entgegen  zu  treten, 
d.  h.  wenn  sie  erst  nachgewiesen  war,  und  es  fragte  sich  nur  noch,  welcher 
Organe  sie  sich  zu  letzterem  Zwecke  bedienen  sollte.  Die  vom  Gesundheits¬ 
amte  berufene  Kommission  hatte  sich  bereits  dahin  ausgesprochen,  dafs  zur 
Durchführung  des  Gesetzes  zuerst  an  die  Errichtung  einer  ausreichenden  Zahl 
technischer  Untersuchungsanstalten  herangetreten  werden  müsse,  und  auch 
im  Reichstage  war  dieser  Forderung  wiederholt  Ausdruck  verliehen  worden. 

Wer  diese  Anstalten  begründen  sollte,  ob  das  Reich,  die  Landes¬ 
regierungen,  Kreise  oder  Gemeinden,  wurde  nicht  näher  ausgeführt;  jedenfalls 
aber  waren  sie  als  amtliche  Einrichtungen  gedacht,  besetzt  mit  beamteten 
Sachverständigen,  die  ihre  ganze  Kraft  der  übertragenen  Aufgabe  zu  widmen 
hatten,  und  lediglich  aus  diesem  Grunde  suchte  der  Gesetzgeber  die  Behörden, 
namentlich  der  grofsen  Städte,  dadurch  zur  Gründung  von  Untersuchungs¬ 
ämtern  anzuregen,  dafs  er  den  letzteren  als  Beitrag  zu  den  erwachsenden 
Kosten  die  auf  Grund  des  Gesetzes  verhängten  gerichtlichen  Geldstrafen  zuwies. 

Leider  hatte  diese  Anregung  zunächst  nur  geringe  Erfolge  zu  ver¬ 
zeichnen.  Staatliche  Anstalten  wurden  nur  in  Bayern,  welches  in  Sachen 
der  Nahrungsmittelkontrolle  die  Führung  übernahm,  begründet,  und  die 
grofsen  Städte,  auf  welche  in  erster  Linie  gerechnet  worden  war,  gingen 
aufserordentlich  zögernd  vor.  Waren  zum  Teil  pekuniäre  Rücksichten  mafs- 
gebend,  so  erhob  sich  andererseits  Widerstand  aus  den  Kreisen  des  Handels, 
welcher  jede  Beschränkung  seiner  Freiheit  übel  empfindet;  und  als  wich¬ 
tiger  Hinderungsgrund  stellte  sich  vielfach  der  Mangel  an  geeigneten 


41 


Sachverständigen  heraus,  denn  die  Chemiker,  aus  denen  diese  im  Hinblick 
auf  den  meist  analytischen  Charakter  der  Untersuchungen :  Nachweis  von 
Giften,  Bestimmung  des  Nährwertes  u.  dergl.  entnommen  werden  mufsten, 
entbehrten  gar  häufig  einer  ausreichenden  Schulbildung  sowie  eines  ab¬ 
geschlossenen  Studiums.  Diesem  Mangel  wurde  erst  durch  die  Einführung 
eines  Staatsexamens  für  Nahrungsmittelchemiker  abgeholfen,  in  welchem 
neben  dem  Nachweis  des  Maturums  und  gründlicher  chemischer  Aus¬ 
bildung  spezielle  Kenntnisse  in  der  Botanik,  Mikroskopie  und  Bakteriologie 
verlangt  werden,  da  auch  diese  Hilfsdisziplinen  bei  den  eigenartigen  Ver¬ 
hältnissen  der  Nahrungsmitteluntersuchung  unentbehrlich  sind.  Während 
vor  Erlafs  dieser  Prüfungsbestimmungen  nur  vereinzelte  Städte  eigene 
Laboratorien  errichtet  hatten,  zuerst  Hannover,  Breslau,  Bremen  und 
Hamburg,  traten  jetzt  mehrere  andere  dieser  Frage  näher,  und  auch 
Dresden  konnte  sich  einer  Regelung  nicht  länger  entziehen. 

Hier  war  eine  systematische  umfassende  Nahrungsmittelkontrolle  bis 
dahin  nicht  ausgeübt,  und  die  chemischen  Untersuchungen,  welche  sich 
bei  den  einzelnen  städtischen  Geschäftsstellen  erforderlich  machten,  hiesigen 
Privatlaboratorien  oder  in  wichtigeren  Fällen  der  Kgl.  Zentralstelle  über¬ 
tragen  worden.  Nur  in  Bezug  auf  die  Milch  war  eine  regelmäfsige  amtliche 
Überwachung  vorgesehen,  welche  auf  Grund  des  vorzüglichen  früheren  Milch¬ 
regulativs  befriedigende  Erfolge  zeitigte.  Trotzdem  stellte  sich  heraus,  dafs 
mit  diesem  Verfahren  eine  durchgreifende  Bekämpfung  der  immer  mehr  über¬ 
hand  nehmenden  Verfälschungen  nicht  zu  erreichen  sei,  sondern  dafs  die  Er¬ 
richtung  eines  städtischen  Untersuchungsamtes  im  Interesse  einer  einheitlichen 
Erledigung  der  erforderlichen  Arbeiten  als  unabweisbare  Notwendigkeit  zu 
gelten  habe.  Nach  langjährigen  Vorarbeiten  wurde  das  Ch  em  is  ch  e  Ü nt er- 
suchungsamt  der  Stadt  Dresden  endlich  am  1.  August  1896  eröffnet. 

So  konnte  denn  an  die  Erledigung  der  vielseitigen  Aufgaben,  welche 
der  jungen  Anstalt  harrten,  herangetreten  werden.  Ihre  Zahl  war  nicht 
gering,  denn  in  der  Verwaltung  einer  modernen  Grofsstadt  mit  ihren 
zahlreichen  technischen  Betrieben  tauchen  alltäglich  neue  Fragen  auf, 
welche  zu  ihrer  Lösung  des  Chemikers  bedürfen.  Ich  erinnere  nur  an 
die  Analyse  des  Leitungswassers,  an  die  Kontrolle  der  Abwasserreinigungs¬ 
anlagen,  die  Untersuchung  von  Baumaterialien,  die  Abgabe  von  Gutachten 
für  das  Steuer-  und  Gewerbeamt  und  vieles  andere  mehr.  Die  vornehmste 
Aufgabe  jedes  städtischen  Untersuchungsamtes  ist  aber  doch  die  Über¬ 
wachung  des  Nahrungsmittelverkehrs,  und  die  hierfür  getroffenen  Mafs- 
n ahmen  darzulegen,  ist  der  Zweck  der  folgenden  Ausführungen. 

Ziel  der  amtlichen  Nahrungsmittelkontrolle  ist,  der  Bevölkerung  Schutz 
zu  gewähren  vor  verfälschten,  verdorbenen  und  gesundheitsschädlichen 
Waren;  sie  mufs  also  zunächst  Übertretungen  der  erlassenen  Gesetze  auf¬ 
decken,  damit  die  Fälscher  der  Strafe  zugeführt  werden  können,  sie  soll 
aber  auch,  und  das  ist  ihre  wichtigere  Aufgabe,  vorbeugend  dafür  sorgen,  dafs 
verfälschte  Nahrungsmittel  überhaupt  nicht  mehr  zum  Konsum  gelangen. 
Zur  Erreichung  des  letzteren  Zieles  ist  unerläfsliche  Vorbedingung,  dafs  fort¬ 
laufende  und  regelmäfsige  Probenahmen  stattfinden,  und  zwar  in  solchem 
Umfange,  dafs  kein  Fälscher  sich  auch  nur  einen  Augenblick  sicher  fühlt. 

Die  Frage,  wer  die  Proben  entnehmen  soll,  ist  verschieden  beant¬ 
wortet  worden.  In  Bayern  reisen  die  Chemiker  der  Untersuchungsanstalten 
von  einem  Orte  zum  anderen,  besichtigen  die  Geschäfte  und  nehmen  von 
den  ihnen  verdächtig  erscheinenden  W aren  Proben  mit.  Nach  dem  Muster 


42 


dieser  sogenannten  ambulanten  Kontrolle  ist  auch  vom  Kgl.  Sächsischen 
Ministerium  die  Bestimmung  getroffen,  dafs  die  neuerdings  mit  der  Nahrungs¬ 
mittelkontrolle  in  den  Amtshauptmannschaften  betrauten  Inhaber  chemischer 
Privatlaboratorien  ebenfalls  die  Proben  persönlich  entnehmen  sollen.  Andere 
Behörden  wieder  ziehen  es  vor,  zu  den  Probenahmen  Aufsichtsmannschaften 
der  Polizei  oder  andere  speziell  zu  diesem  Zweck  angestellte  Beamte  ohne 
wissenschaftliche  Ausbildung  zu  verwenden,  und  dieser  letztere  Weg  er¬ 
scheint  mir,  ohne  im  übrigen  die  Vorzüge  der  persönlichen  Entnahme 
irgendwie  herabsetzen  zu  wollen,  für  unsere  Dresdner  Verhältnisse  der 
empfehlenswertere.  In  erster  Linie  wegen  des  Kostenpunktes! 
Wenn  wir  bedenken,  dafs  ein  Chemiker  auf  gewissenhafte  Weise  nur  eine 
geringe  Zahl  von  Geschäften  revidieren  kann,  dafs  ferner  zu  solchen  Be¬ 
sichtigungen  nicht  die  jungen  unerfahrenen  Hilfskräfte,  sondern  gerade  die 
älteren,  höher  besoldeten  herangezogen  werden  müssen,  so  leuchtet  zunächst 
ein,  dafs  diese  Art  der  Probenahme  doch  recht  teuer  wird.  Trotzdem 
konnte  sie  sich  vielleicht  empfehlen,  wenn  nachgewiesen  würde,  dafs  mit 
ihrer  Hilfe  eine  gröfsere  Zahl  von  Verfälschungen  aufgedeckt  wird.  Das 
ist  nun  aber  keineswegs  der  Fall,  denn  nach  Ausweis  der  früheren  Ver¬ 
sammlungsberichte  haben  die  Bayrischen  Versuchungsanstalten  durchschnitt¬ 
lich  etwa  15°/0  der  eingelieferten  Proben  beanstandet,  während  die  Zahl 
der  Beanstandungen  am  Dresdner  Amte  in  einem  Jahre  bis  zu  33°/0  an- 
stieg.  Ich  halte  daher  eine  Probenahme  durch  Aufsichtsbeamte  nicht  nur 
für  billiger,  sondern  auch  für  ebenso  wirksam,  ja  ich  möchte  sogar  auf 
Grund  der  hiesigen  Erfahrungen  behaupten,  dafs  die  Sinne  der  einfachen 
Leute,  welche  nicht  so  sehr  von  des  Gedankens  Blässe  angekränkelt  sind, 
schärfer  äufsere  Merkmale  der  Verfälschung  wahrnehmen,  vorausgesetzt 
allerdings,  dafs  sie  in  steter  geistiger  Fühlung  mit  dem  Untersuchungsamte 
erfassen  lernen,  welche  Punkte  für  die  Beurteilung  von  Wichtigkeit  sind.  Da 
ein  solches  intimes  Zusammenarbeiten  im  allgemeinen  wohl  nur  da  zu  finden 
sein  wird,  wo  Aufsichtsmannschaft  und  Untersuchungsamt  derselben  Behörde 
unterstellt  sind,  so  erscheint  es  am  einfachsten,  dafs  dort,  wo  die  Nahrungs¬ 
mittelkontrolle  in  den  Händen  der  Kgl.  Polizei  liegt,  staatliche  Untersuchungs¬ 
anstalten  errichtet  werden,  während  eine  städtische  Wohlfahrtspolizei,  deren 
wir  uns  erfreuen,  mit  einem  städtischen  Amte  besser  operieren  wird.  In 
Dresden  erfolgt  demnach  die  Probenahme  durch  Beamte  der  Wohlfahrts¬ 
polizei,  von  denen  die  intelligenteren  und  gröfseres  Interesse  an  der  Nahrungs¬ 
mittelkontrolle  bekundenden  mit  der  Überwachung  je  einer  bestimmten  Waren¬ 
gattung  betraut  werden,  die  ihnen  durch  ihren  früheren  bürgerlichen  Beruf 
als  gelernten  Fleischern,  Müllern,  Bäckern,  Brauern  besonders  gut  bekannt  ist. 

Eine  weitere  Frage  ist  die:  Sollen  die  Beamten  die  angetroffenen 
Lebensmittel  einer  chemischen  Vorprüfung  unterziehen,  welche  einfach 
genug,  um  in  kurzer  Zeit  an  Ort  und  Stelle  ausgeführt  zu  werden,  doch 
ein  vorläufiges  Urteil  ermöglicht?  Zweifellos  hat  dieser  Gedanke  viel  be¬ 
stechendes,  denn  je  mehr  Proben  untersucht  werden,  um  so  intensiver 
die  Überwachung,  und  je  mehr  unverdächtige  Waren  schon  von  den  Auf¬ 
sichtsmannschaften  eliminiert  werden,  um  so  gröfser  der  Erfolg  der  eigent¬ 
lichen  wissenschaftlichen  Tätigkeit.  Auch  bei  uns  hat  dieser  Gedanke 
daher  in  ziemlich  weitem  Umfange  Verwirklichung  gefunden.  So  ist  der 
Wurstrevisor  mit  einem  Fläschchen  Jodlösung  ausgerüstet,  mit  welchem  er 
die  Würste  auf  Mehlzusatz  prüfen  kann.  Das  gehackte  Rindfleisch  ver¬ 
setzt  er  mit  verdünnter  Schwefelsäure,  um  an  dem  stechenden  Schwefel- 


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geruch  eine  Beimengung  von  Präservesalz  zu  erkennen.  Der  Mehlrevisor 
unterzieht  alle  Mehle  der  Glastafelprobe  zum  Nachweise  lebender  Milben; 
die  abgerahmte  Milch  wird  mit  der  Senkwage  auf  Wasserzusatz  geprüft.  * 
Stets  aber  mufs  als  unumstöfslicher  Grundsatz  hingestellt  werden,  dafs 
jede  Vorprüfung  der  Ergänzung  durch  die  chemische  Analyse  bedarf,  und 
dafs  auf  Grund  solcher  orientierender  Proben  allein  niemals  Beschlag¬ 
nahmung  oder  Bestrafung,  wie  früher  das  Weggiefsen  von  Milch  in  die 
Berliner  Rinnsteine,  erfolgen  sollte. 

In  Bezug  auf  den  Umfang  der  Kontrolle  ist  es  zwar  als  wünschenswert 
zu  bezeichnen,  dafs  im  Laufe  der  Zeit  alle  Geschäfte  mit  Lebensmitteln  an 
die  Reihe  kommen,  aber  trotzdem  würde  es  ganz  unzweckmäfsig  sein,  in 
rein  mechanischerWeise  zu  bestimmen,  dafs  bei  jedem  Händler  jährlich  so 
und  so  viel  Proben  entnommen  werden  müfsten.  Als  reell  bekannte  Hand¬ 
lungen  können  unbesorgt  längere  Zeit  unberücksichtigt  bleiben,  während 
gewerbsmäfsigen  Fälschern  dauernd  auf  die  Finger  gesehen  werden  mufs. 

Von  den  Nahrungsmitteln  verdienen  in  erster  Linie  diejenigen  Berück¬ 
sichtigung,  welche  für  die  menschliche  Ernährung  besondere  Bedeutung 
haben  und  in  grofsen  Massen  zum  Konsum  gelangen.  Es  sind  also  Fleisch, 
Milch  und  Butter  im  allgemeinen  mehr  zu  überwachen  als  Trüffeln  und 
Austern,  wenngleich  es  auch  unter  Umständen  zweckmäfsig  sein  kann, 
Massenkonsumartikel,  welche  wie  Brot,  Käse,  Bier  erfahrungsgemäfs  nur 
selten  verfälscht  werden,  zu  Gunsten  weniger  wichtiger  Stoffe  zurück¬ 
zustellen,  welche  wie  Safran,  Macis  und  dergl.  durch  ihre  Kostbarkeit 
Verfälschungen  besonders  lohnend  erscheinen  lassen.  Auch  darauf  wird 
Rücksicht  zu  nehmen  sein,  ob  die  Produkte  im  Kleinbetriebe  oder  durch 
die  Grofsindustrie  hergestellt  und  verkauft  werden.  Die  ersteren,  zu  denen 
die  hauptsächlichsten  Verbrauchsstoffe  wie  Milch,  Butter,  Fleisch  und  Wurst 
gehören,  sind  fortwährend  der  Gefahr  der  Verfälschung  ausgesetzt.  So  ist 
z.  B.  in  den  Verhältnissen  des  Milchhandels  trotz  10  jähriger  intensivster  Kon¬ 
trolle  nicht  die  mindeste  Besserung  zu  verzeichnen.  Selbst  mehrfach  erwischte 
Fälscher  bezahlen  anstandslos  die  auferlegten  Geldstrafen,  pantschen  aber 
ruhig  weiter.  Diese  Nahrungsmittel  müssen  daher  regelmäfsig  untersucht 
werden,  und  allwöchentlich  gelangen  demgemäfs  80  bis  90  Proben  Milch, 
10  Proben  Butter,  sowie  10  Proben  Fleisch  und  Wurst  zur  Einlieferung. 

Ganz  anders  steht  es  mit  den  Erzeugnissen  der  Grofsindustrie,  den 
Fruchtsäften,  Marmeladen,  Konserven  u.  a.  m.  Sobald  die  kapitalkräftigen 
Fabrikanten  dieser  Art  mit  der  Nahrungsmittelkontrolle  in  Konflikt  kommen, 
wie  beim  Zusatz  von  Stärkesyrup,  Teerfarben  und  Konservierungsmitteln, 
führen  sie  zunächst  um  ihre  vermeintlichen  Rechte  einen  erbitterten  Kampf 
bis  zu  den  höchsten  gerichtlichen  Instanzen.  In  demselben  Augenblick 
aber,  in  dem  die  Sache  zu  ihren  Ungunsten  entschieden  ist,  geben  sie  den 
zuvor  als  unentbehrlich  bezeichneten  Gebrauch  auf;  die  verfälschten  Stoffe 
verschwinden  gänzlich  aus  dem  Verkehr,  und  die  Kontrolle  braucht  sich 
mit  ihnen  nicht  mehr  zu  befassen.  Bei  derartigen  Warengattungen  erscheint 
es  daher  zweckmäfsiger,  einmalige  umfassende  Revisionen  anzuordnen  und 
an  einem  und  demselben  Tage  in  allen  Stadtteilen  gleichzeitig  eine  gröfsere 
Zahl  von  Proben  zu  entnehmen.  Auf  diesem  Wege  ist  bis  jetzt  gegen  die 
Verfälschung  der  selteneren  Gewürze,  der  Schokolade  und  des  Kakaos, 
des  Bieres,  Branntweins,  Kaffees,  Tees,  des  Olivenöls,  der  Hefe,  der  Frucht¬ 
säfte,  Marmeladen,  Eiernudeln,  des  Honigs,  ferner  gegen  die  bleihaltigen 
Gebrauchsgegenstände  u.  a.  mit  Erfolg  eingeschritten  worden. 


44 


In  der  Praxis  gestaltet  sich  die  Sache  nun  folgendermafsen:  An  vom 
Wohlfahrtspolizeikommissariat  bestimmten  Tagen  entnehmen  uniformierte 
^Beamte  in  den  Nahrungsmittelgeschäften  von  den  zum  Verkauf  bereit  ge¬ 
stellten  Waren  Proben,  für  welche  sie  eine  Entschädigung  in  der  Höhe  des 
üblichen  Kaufpreises  entrichten.  Nur  ausnahmsweise,  z.B.  in  Fällen  dringen¬ 
den  Verdachts,  erfolgt  ein  diskreter  Ankauf  durch  Aufseher  in  Zivilkleidung 
oder  durch  Mittelspersonen.  Über  die  Entnahme  wird  sogleich  nach  Empfang 
der  Ware,  womöglich  an  Ort  und  Stelle,  ein  Protokoll  aufgenommen  und 
in  mit  Vordruck  versehene  Anzeigeformulare  Name  und  Wohnung  des 
Geschäftsinhabers,  Bezeichnung,  Preis  und  Bezugsquelle  der  Ware  ein¬ 
getragen,  die  letztere,  um  im  Falle  aufgedeckter  Verfälschung  gegen  den 
Urheber  einschreiten  zu  können.  Die  ordnungsgemäfs  verpackten  Proben 
werden,  mit  der  gleichen  Aufschrift  wie  die  zugehörige  Anzeige  versehen, 
dem  Untersuchungsamte  zugestellt  und  zunächst  in  der  Kanzlei  desselben 
sorgfältigst  registriert,  damit  auch  die  leiseste  Möglichkeit  einer  Verwechs¬ 
lung  ausgeschlossen  und  den  Beschuldigten  dieser  immer  wieder  erhobene 
Einwand  benommen  wird.  Jede  Probe  erhält  den  Eingangsstempel  nebst 
laufender  Nummer  und  wird  dann  in  das  Hauptgeschäftsbuch  eingetragen, 
in  welchem  Spalten  für  Datum  der  Einlieferung,  Nummer  des  probe¬ 
nehmenden  Stadtbezirks,  Name  und  Wohnung  des  Verkäufers,  Bezeichnung 
des  Untersuchungsobjekts,  Kosten  der  Analyse  und  Datum  der  Abfertigung 
des  Gutachtens  vorgedruckt  sind.  Eine  besondere  Rubrik  enthält  schliefs- 
lich  den  Hinweis,  in  welchem  Spezialaktenstück  sich  das  ausführliche  Gut¬ 
achten  befindet.  Dieses  Hauptbuch  verbleibt  stets  in  der  Kanzlei,  die 
Proben  aber  werden  dem  Laboratorium  zugestellt  und  hier  einer  chemischen 
Untersuchung  unterzogen,  welche,  von  allem  Überflüssigen  absehend,  doch 
so  eingehend  ausgeführt  wird,  dafs  keine  Verfälschung  der  Entdeckung  ent¬ 
geht.  Die  Tätigkeit  der  Bureaubeamten  besteht  nun  inzwischen  darin,  die  er¬ 
forderlichen  Vermerke  für  die  Spezialakten  auszuziehen,  in  welche  nach 
beendeter  Untersuchung  auch  alle  analytischen  Daten  und  das  auf  denselben 
aufgebaute  motivierte  Gutachten  eingetragen  werden.  Abschrift  des  letzteren 
auf  der  die  Probe  begleitenden  Anzeige  wird  dem  Wohlfahrtspolizeiamte 
zugestellt,  in  dessen  Händen  die  weitere  strafrechtliche  Behandlung  ruht. 

Leichtere  Versehen  der  Verkäufer  werden  im  allgemeinen  durch  Ver¬ 
warnungen,  unter  Umständen  durch  Einforderung  der  Untersuchungs¬ 
gebühren  verschärft,  erledigt;  Fälle  gröberer  Fahrlässigkeit  durch  polizei¬ 
liche  Geldstrafen,  geahndet,  und  wissentliche  Vergehen  gegen  das  Nahrungs¬ 
mittelgesetz  an  die  Kgl.  Staatsanwaltschaft  abgegeben.  Nach  erfolgter 
Erledigung  gelangen  sämtliche  Faszikel  noch  einmal  in  das  Untersuchungs¬ 
amt  zurück,  in  dessen  Akten  kurze  Notizen  über  den  Sachausgang,  ins¬ 
besondere  über  prinzipiell  wichtige  Entscheidungen  der  Gerichte  eingetragen 
werden.  Von  weiteren  Einzelheiten  der  überaus  bedeutungsvollen  Kanzlei¬ 
führung  absehend,  erwähne  ich  zum  Schlüsse  nur  noch  ein  Journal,  in  welches 
die  Namen  aller  Lieferanten  beanstandeter  Waren  alphabetisch  geordnet  ein¬ 
getragen  werden,  da  hierdurch  ein  sofortiges  Urteil  darüber  ermöglicht  wird, 
ob  man  es  mit  einem  festen  Kunden  des  Amtes,  also  einem  gewerbsmäfsigen 
Fälscher  zu  tun  hat,  oder  ob  nur  eine  einmalige  Übertretung  vorliegt. 

Nach  diesem  Verfahren  sind  seit  dem  Bestehen  des  Amtes  im  ganzen 
20248  Proben  untersucht  worden,  von  denen  3861  =  19,1  °/0  zu  beanstanden 
waren.  In  welchem  Mafse  die  einzelnen  Nahrungsmittel  an  dieser  Gesamt¬ 
zahl  beteiligt  sind,  lehrt  die  nachfolgende  Übersicht: 


Übersicht 

über  die  im  chemischen  Untersuchungsamte  der  Stadt  Dresden  während  der  Jahre  1896  —  1902 
untersuchten  Nahrungsmittel  und  die  ausgesprochenen  Beanstandungen. 


45 


ame 

bean¬ 

standet 

3861 

19,1 

O2CDJ>5ßr-l?>©00COr-lO2O2O2COlOCOO5O2iO05H}J 
»ß  05  rH  0000CDTt<O2W0O5CDTtlTjl  O  «  $  H  ^  O 

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20248 

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bean¬ 

standet 

725 

12,4 

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CO  1  1 

IS 

unter¬ 

sucht 

5942 

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bean¬ 

standet 

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CO 

IS 

unter¬ 

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5238 

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CO 

100 

bean¬ 

standet 

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00 

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02  02  i — 1  02  rH  02  rH  rH  r-i  02 

CD 

18 

unter¬ 

sucht 

05 

00 

co 

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CO  Tji  i—i  rH 

02 

199 

bean¬ 

standet 

605 

33 

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05  CO  lß  rH  i — i  T — i 

02  rH 

18 

unter¬ 

sucht 

1856 

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00002  02  O  H  CD  lß  CO  CO  CD  ^ 

iß  02  rH  r-i  rH  i—l 

198 

bean¬ 

standet 

590 

33 

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02  1  1 

18 

unter¬ 

sucht 

1781 

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CO  02  1—1  r-i  1  1  02  rH 

»97 

bean¬ 

standet 

i-  io 

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18 

unter¬ 

sucht 

02 

CD 

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02  CO  1  CO  1  rH 

Gesamtzahl  der  Proben  . 
entsprechend  °j0  ...  . 

Milch . 

Butter . 

Margarine . 

Käse . 

Fleisch . 

Wurst . 

Speisefette,  Öle  .... 

Mehl,  Griefs . 

Backwaren . 

Teigwaren . 

Fruchtsäfte,  Marmeladen  . 

Konserven . 

Honig . 

Kakao,  Schokolade  .  .  . 

Kaffee,  Tee . • 

Gewürze . 

Wein . 

Bier . 

Branntwein . 

Hefe,  Essig . 

Trinkwasser . 

46 


Wie  aus  dieser  Zusammenstellung  ersichtlich  ist ?  fing  die  Kontrolle 
langsam  an,  dehnte  sich  aber  stetig  aus  und  zog,  sobald  eine  Angelegen¬ 
heit  prinzipielle  Erledigung  gefunden  hatte,  immer  neue  Gegenstände  in 
ihren  Kreis  hinein.  Von  1612  Untersuchungen  im  Jahre  1897  stieg  die  Zahl 
bis  auf  annähernd  6000  im  Jahre  1902  und  wird  1903  voraussichtlich  7500 
überschreiten.  Eine  weitere  Steigerung  halte  ich  zur  Zeit  nicht  für  er¬ 
forderlich,  da  hiermit  auf  je  1000  Einwohner  15  Proben  entfallen,  d.  h. 
mindestens  ebensoviel  als  bei  irgend  einem  anderen  grofsen  städtischen 
Untersuchungsamte.  Allerdings  hat  das  Kgl.  Ministerium  für  die  in  den 
Amtshauptmannschaften  ausgeübte  Überwachung  eine  Mindestzahl  von 
30°/oo  vorgeschrieben,  und  diese  Zahl  ist  für  ländliche  Verhältnisse,  bei 
denen  der  Nahrungsmittelverkehr  sehr  im  argen  liegt,  gewifs  nicht  zu  hoch 
gegriffen,  aber  in  einer  Grofsstadt,  welche  ein  übersichtliches  und  einheit¬ 
liches  Wirtschaftsgebiet  darstellt,  kann  man  sicher  mit  der  Hälfte  aus- 
kommen.  Jede  Beanstandung  und  gerichtliche  Verurteilung  spricht  sich 
hier  sofort  herum  und  veranlafst  auch  alle  anderen  Händler,  den  betreffen¬ 
den  Gegenstand  aus  ihrem  Geschäfte  zu  entfernen. 

Wenn  ich  mich  jetzt  noch  kurz  zu  der  finanziellen  Seite  der  An¬ 
gelegenheit  wende,  d.  h.  zu  den  Unkosten,  welche  der  Gemeinde  aus  der 
Errichtung  eines  chemischen  Untersuchungsamtes  erwachsen,  so  geschieht 
dies  weniger,  weil  ich  persönlich  geneigt  wäre,  diesem  Punkte  besondere 
Bedeutung  heizumessen.  Ich  bin  vielmehr  der  Ansicht,  dafs  bei  der  hohen 
Bedeutung  einer  sorgfältigen  Überwachung  des  Nahrungsmittelverkehrs  für 
den  Gesundheitszustand  der  Bevölkerung  und  im  Hinblick  auf  die  ungeheuren 
Summen,  welche  den  Konsumenten  durch  die  Fernhaltung  verfälschter 
Lebensmittel  gerettet  werden,  selbst  eine  erhebliche  Belastung  des  Budgets 
nicht  in  Frage  kommen  dürfte.  Umsomehr  sind  oft  die  städtischen  Finanz¬ 
verwaltungen  geneigt,  die  pekuniäre  Seite  ins  Auge  zu  fassen,  und  ich  halte 
es  daher  aus  diesem  Grunde  für  zweckmäfsig,  zu  betonen,  dafs  auch  mit 
geringen  Mitteln  Erspriefsliches  geleistet  werden  kann,  und  dafs  der  Be¬ 
sitz  eines  eigenen  Untersuchungsamtes  den  Städten  keine  unerschwinglichen 
Lasten  auferlegt. 

Die  erste  Einrichtung  des  Dresdner  Untersuchungsamtes  mit  Apparaten 
und  Chemikalien  einschliefslich  der  baulichen  Vorrichtung  des  dazu  be¬ 
stimmten  städtischen  Gebäudes  hat  einen  Kostenaufwand  von  rund 
17000  Mark  verursacht.  Die  jährlichen  Zuschüsse  sind  aus  folgender  Zu¬ 
sammenstellung  ersichtlich,  in  welcher  sich  neben  den  Ausgaben  für  Ge¬ 
hälter,  Chemikalien,  Apparate,  Bücher  usw.  auch  diejenigen  Einnahmen 
verzeichnet  finden,  welche  der  Stadtkasse  durch  die  Tätigkeit  des  Amtes, 
sei  es  in  Form  von  Gebühren  oder  Strafen,  zugeführt  werden. 


Jahr 

Gebühren 

liquidiert 

Gebühren 

wirklich 

bezahlt 

Strafen 

Wert  der  für  die 
städtischen  An¬ 
stalten  ausge- 
fiihrten  Analysen. 

Gesamt¬ 

einnahme 

Ausgabe 

tM 

cM 

rJl 

c4l 

c4l 

1899 

20580 

6520 

7085 

4105 

17710 

18586 

1900 

28323 

8831 

8671 

4892 

22393 

20273 

1901 

25624 

7080 

5776 

5786 

18642 

20883 

1902 

29981 

7450 

3496 

8189 

19135 

21212 

47 


Als  Differenz  verbleibt  nur  eine  jährliche  Ausgabe  von  2000  bis 
3000  Mark,  gewifs  kein  nennenswerter  Betrag  gegenüber  den  enormen 
Summen,  welche  der  Bevölkerung  durch  Nahrungsmittelverfälschung  ent¬ 
zogen  werden. 

Nach  der  vorausgeschickten  Darlegung  der  gesetzlichen  Grundlagen, 
auf  welchen  unsere  Tätigkeit  beruht,  und  der  für  das  hiesige  Amt  ge¬ 
schaffenen  Organisation  im  besonderen,  bitte  ich  nunmehr  auf  die  für  die 
einzelnen  Lebensmittel  getroffenen  Mafsnahmen  und  deren  bisherige  Erfolge 
etwas  näher  eingehen  zu  dürfen. 

Nach  ihrer  Bedeutung  für  die  Yolksernährung  nimmt  die  Milch  unter 
allen  Nahrungsmitteln  den  ersten  Bang  ein,  und  dieser  Bedeutung  mufs 
naturgemäfs  der  Umfang  der  Kontrolle  entsprechen.  Die  Milch  schlecht¬ 
hin,  d.  h.  die  als  Handelsware  allein  in  Frage  kommende  Kuhmilch,  ist 
ein  Naturprodukt,  und  der  Begriff  der  Echtheit,  welcher  der  Beurteilung 
einer  etwaigen  Verfälschung  nach  dem  Nahrungsmittelgesetz  zu  Grunde  zu 
legen  ist,  damit  ohne  weiteres  gegeben.  So  wie  die  Milch  das  Euter  der 
Kuh  verläfst,  mufs  sie  an  die  Konsumenten  abgegeben  werden.  Wenn 
diese  Bedingung  erfüllt  wird,  ist  allen  Anforderungen  des  Gesetzes  Genüge 
geleistet.  Nicht  aber  den  Wünschen  der  Gesundheitspflege,  welche  im 
Interesse  der  Volkswohlfahrt  nicht  nur  Unverfälschtheit  der  Nahrungs¬ 
mittel,  sondern  auch  einen  ihrem  Verkaufspreise  angemessenen  Gehalt  an 
Nährstoffen  verlangen  mufs!  Nirgends  ist  diese  Forderung  so  unabweis¬ 
bar  als  bei  der  Milch,  weil  diese  als  Ersatz  der  Muttermilch  die  aus- 
schliefsliche  Nahrung  des  kindlichen  Organismus  bildet,  welcher  für 
Schwankungen  der  Zusammensetzung  in  hohem  Grade  empfindlich  ist. 
Nun  hat  es  der  Produzent  wohl  in  der  Hand,  eine  den  Anforderungen 
der  Hygiene  entsprechende  Milch  zu  erzeugen,  denn  der  Gehalt  an  wert¬ 
bestimmenden  Nährstoffen,  Fett,  Eiweifs  und  Milchzucker,  hängt  ganz  von 
der  Rasse  der  eingestellten  Kühe  und  der  Beschaffenheit  des  dargereichten 
Futters  ab.  Leider  will  es  das  Unglück,  dafs  gerade  die  Viehrassen, 
deren  Milch  dünn  ist,  und  die  Futtermittel,  welche  billig  sind,  grofse  Er¬ 
träge  liefern,  und  was  liegt  da  näher,  als  dafs  die  Produzenten  unter  Bei- 
seitelassung  jeglicher  Philantropie  sich  beeilen,  solche  milchergiebige  Rassen 
und  Futtermittel  anzuschaffen.  Wenn  ihnen  nicht  ein  energisches  Veto 
entgegengerufen  wird!  Die  Molkereien  wissen  sich  ja  zu  helfen,  indem  sie 
nur  nach  dem  Fettgehalte  bezahlen,  aber  den  direkten  Konsumenten  im 
Kleinhandel  ist  dieser  Weg  verschlossen,  sie  stehen  jeglicher  Ausbeutung 
wehrlos  gegenüber.  Mit  welcher  Ungeniertheit  diese  Situation  ausgenutzt 
wird,  ergibt  sich  am  schönsten  aus  dem  Werke  eines  der  hervorragendsten 
Lehrer  der  Landwirtschaft,  Prof.  Julius  Kühn,  in  dessen  Preisschrift  ,,Die 
zweckmäfsigste  Ernährung  des  Rindviehs“  wörtlich  zu  lesen  steht:  „Das 
letztere  Verfahren  (nämlich  der  stete  Zukauf  frischmelker  Kühe)  ist  nur 
in  nächster  Nähe  gröfserer  Städte  bei  direktem  Milchverkauf  gerechtfertigt, 
wo  es  sich  lediglich  um  die  Produktion  einer  grofsen  Menge, 
wenn  auch  dünner  Milch,  handelt“.  Selbstverständlich  konnte  die  Nah¬ 
rungsmittelkontrolle  den  hieraus  der  Volksgesundheit  erwachsenden  Ge¬ 
fahren  gegenüber  nicht  gleichgültig  bleiben;  sie  suchte  denselben  vielmehr 
mittelst  lokaler  Verordnungen  entgegen  zu  treten,  in  welchen  für  die  zürn 
Verkaufe  zugelassene  Milch  eine  bestimmte  Zusammensetzung,  insbesondere 
ein  bestimmter  Fettgehalt  vorgeschrieben  wurde.  Der  letztere  war  so  zu 
bemessen,  dafs  er  von  den  Produzenten  bei  sachgemäfser  Viehhaltung 


48 


regelmäfsig  erreicht  werden  konnte,  und  beispielsweise  in  dem  alten  Dresdner 
Milchregulativ  von  1889  nach  dem  Gutachten  der  Vertreter  der  tierärzt¬ 
lichen  Hochschule,  besonders  des  als  Autorität  anerkannten,  leider  zu  früh 
verstorbenen  Siedamgrotzky,  zu  3 °/0  festgesetzt. 

Gestützt  auf  ein  derartiges  Regulativ  gehört  die  chemische  Seite  der 
Kontrolle  zu  den  leichteren  Aufgaben  des  Chemikers,  da  sie  sich  auf  wenige 
einfache  analytische  Bestimmungen,  in  erster  Linie  auf  die  Ermittelung 
des  spezifischen  Gewichtes  und  des  Fettgehaltes  beschränkt.  Die  Milch 
als  eine  wässerige  Lösung  von  Milchzucker  und  Kasein  ist  trotz  der  darin 
suspendierten  feinen  F ettröpfchen  etwas  schwerer  als  Wasser,  und  ihr 
spezifisches  Gewicht  beträgt  durchschnittlich  1,0815,  d.  h.  1  1  Milch  wiegt 
1031,5 g.  Zusatz  von  Wasser  mufs  natürlich  das  spezifische  Gewicht 
erniedrigen  und  kann  demnach  durch  eine  Bestimmung  des  letzteren  nach¬ 
gewiesen  werden.  Das  hierzu  konstruierte  Instrument,  die  bekannte  Milch¬ 
wage,  auch  Laktodensimeter  genannt,  besteht  aus  einem  zilindrischen  hohlen 
Glaskörper,  welcher  in  einen  dünnen  Stiel  ausläuft,  und  in  der  Flüssig¬ 
keit  schwimmend  bis  zu  einer  gewissen  Tiefe  eintaucht.  Je  tiefer  er  ein¬ 
taucht,  um  so  niedriger  ist  das  spezifische  Gewicht,  welches  an  einer  Skala 
abgelesen  werden  kann.  Für  hiesige  Verhältnisse  sind  31,5  Grade  als 
normal  zu  betrachten,  während  ein  tieferer  Stand  als  29  Verdacht  auf 
Wasserzusatz  begründet  erscheinen  läfst.  Diese  Probe  ist  so  einfach,  dafs 
sie  von  jedem  Laien  ausgeführt  werden  kann,  und  die  hiesigen  Gerichte 
haben  es  daher  stets  als  Fahrlässigkeit  beurteilt,  wenn  ein  Händler  ge¬ 
wässerte  Milch  in  den  Verkehr  brachte,  ohne  diese  Vorprüfung  anzustellen. 
Dem  Chemiker  stehen  natürlich  noch  andere  Mittel  zur  Erkennung  eines 
Wasserzusatzes  zu  Gebote.  Als  interessantestes  erwähne  ich  eine  Reaktion, 
welche  auf  der  Beobachtung  beruht,  dafs  natürliche  Milch  niemals,  selbst 
nicht  nach  Salpeterfütterung,  Salpetersäure  enthält.  Da  nun  andererseits 
die  meisten  Brunnenwässer,  besonders  auf  dem  Lande,  salpeterhaltig  sind, 
so  ist  beim  Eintritt  der  Salpetersäurereaktion  mit  Diphenylamin  der  Nach¬ 
weis  eines  Wasserzusatzes  als  erbracht  anzusehen.  Das  Ausbleiben  der 
Reaktion  beweist  allerdings  für  die  Reinheit  der  Milch  gar  nichts,  weil 
manche  Wässer,  so  auch  unser  vorzügliches  Leitungswasser,  nahezu  sal¬ 
petersäurefrei  sind,  ermöglicht  dafür  aber  bisweilen  zu  entscheiden,  ob  die 
Verfälschung  vom  Bauern  auf  dem  Lande  oder  vom  Milchhändler  in  der 
Stadt  ausgeführt  wurde.  Die  Wässerung  ist  unstreitig  die  gefährlichste 
Art  der  Verfälschung.  Sie  macht  die  Milch  nicht  nur  ungeeignet  zur 
Säuglingsernährung,  sie  schädigt  nicht  nur  in  pekuniärer  Hinsicht  die 
Käufer  am  meisten,  sondern  sie  vermag  auch  dem  erwachsenen  Konsu¬ 
menten  Nachteile  an  seiner  Gesundheit  zu  verursachen,  weil  das  auf  dem 
Lande  zur  Milchpantsch  er  ei  verfügbare  Wasser  meist  nicht  gerade  von 
bester  Qualität  zu  sein  pflegt,  sondern  Abort,  Jauchegrube  und  Brunnen 
oft  einträchtig  bei  einander  stehen.  Aus  diesem  Grunde  ist  es  als  ein 
besonders  erfreuliches  Resultat  der  hiesigen  Milchkontrolle  zu  begrlifsen, 
dafs  diese  Art  der  Verfälschung  so  gut  wie  völlig  beseitigt  ist,  und  dafs, 
während  noch  vor  knapp  zehn  Jahren  ein  zehnprozentiger  Wasserzusatz  zur 
Milch,  entsprechend  einer  jährlichen  Belastung  der  Konsumenten,  mit  1  Mil¬ 
lion  Mark  zum  guten  Ton  gehörte,  unter  den  im  Jahre  1902  untersuchten 
3653  Milchproben  nur  66,  d.  h.  1,8  °/0,  gewässerte  angetroffen  wurden. 

Als  andere  beliebteste  Art  der  Milchfälschung  kommt  noch  die  Ab¬ 
rahmung  in  Frage,  als  welche  wir  jede  einseitige  Erniedrigung  des  Fett- 


49 


gehaltes  bezeichnen,  gleichgültig,  oh  sie  durch  Abscliöpfen  der  nach  oben 
steigenden  Sahne  oder  durch  Zugiefsen  von  abgerahmter  Milch  zu  Voll¬ 
milch  bewirkt  wurde.  Der  Effekt  ist  ja  derselbe,  ob  ich  von  2  1  Milch 
mit  3  °/0  Fettgehalt  20  g  Fett  abschöpfe  oder  ob  ich  zu  1  1  dreiprozentiger 
Vollmich  1  1  abgerahmter  Milch  mit  1  °/0  Fett  hinzugiefse.  In  beiden  Fällen 
resultieren  2  1  Milch  mit  2°/0  Fett.  Auch  für  die  Bestimmung  des  Fett¬ 
gehaltes  sind  einige  Methoden  ausgearbeitet,  welche  in  der  Hand  des  Laien 
zu  annähernden  Resultaten  führen,  so  besonders  das  Gerbersche  Ver¬ 
fahren;  jedoch  mufs  ich  mir  ein  näheres  Eingehen  auf  dieselben  im  Hin¬ 
blick  auf  die  beschränkte  Zeit  versagen. 

So  viel  steht  jedenfalls  fest,  dafs  nicht  nur  der  Chemiker,  sondern 
auch  der  Produzent  und  Händler  wohl  in  der  Lage  ist,  sich  ein  Urteil 
darüber  zu  bilden,  ob  seine  Milch  den  Anforderungen  der  Behörde  ent¬ 
spricht,  und  dafs  daher  bei  Übertretungen  des  früheren  Milchregulativs 
im  allgemeinen  zum  mindesten  Fahrlässigkeit  anzunehmen  war. 

Ein  volles  Dezennium  hat  die  Vorschrift  eines  Mindestfettgehaltes  von 
3°/0  bestanden,  zum  Segen  der  Stadtbevölkerung,  aber  zum  Arger  der  Produ¬ 
zenten,  denen  die  Bestimmungen  ja  zweifellos  gewisse  Unbequemlichkeiten 
verursachten.  Erst  nach  langen  vergeblichen  Kämpfen,  die  in  erster  Linie 
die  Herabsetzung  des  Mindestfettgehaltes  auf  2,8  °/o  bezweckten,  ist  ihnen 
ein  Erfolg  zu  teil  geworden;  dafür  aber  auch  gleich  ein  Erfolg,  der  nicht 
nur  über  ihre  früheren  Forderungen  hinausging,  sondern  selbst  ihre 
kühnsten  Hoffnungen  übertroffen  haben  dürfte.  Von  seiten  des  Kgl.  Mini¬ 
steriums  wurde  nämlich  eine  Nachprüfung  sämtlicher  Milchregulative  an 
der  Hand  gewisser  allgemeiner  Grundsätze  angeordnet  und  besonders  die 
bisherige  Gepflogenheit  als  unzulässig  bezeichnet,  den  Handel  mit  Milch 
von  einer  bestimmten  Zusammensetzung  abhängig  zu  machen  und  sonst 
unverfälschte  Milch  wegen  zu  geringen  Nährstoffgehaltes  vom  Verkehr 
auszuschliefsen.  Damit  war  das  Schicksal  des  alten  Milchregulativs  be¬ 
siegelt. 

Das  neue  Ortsgesetz  über  den  Verkehr  mit  Kuhmilch,  welches  nach 
mühevollen  Vorarbeiten  unter  der  dankenswerten  Unterstützung  des  ärzt¬ 
lichen  Bezirksvereins  zustande  gekommen  ist,  hat  versucht,  auf  anderem 
Wege  einen  Schutz  der  Stadtbevölkerung  gegen  minderwertige  Milch  zu 
ermöglichen,  indem  es  zwei  Sorten  schuf  und  bestimmte,  dafs  Milch  mit 
mindestens  2,8  °/0  Fett  als  Vollmilch  I.  Sorte  bezeichnet  werden  darf,  alle 
andere  unverfälschte  Milch  aber  ausdrücklich  als  II.  Sorte  in  den  Verkehr 
gebracht  werden  mufs.  Der  Gedankengang  war,  dafs  das  Publikum  die 
Vollmilch  I  bevorzugen  und  dadurch  die  Händler  II.  Sorte  zwingen  würde, 
ihre  Preise  herabzusetzen  und  wenigstens  hierdurch  ein  Äquivalent  für 
den  geringeren  Nährstoffgehalt  darzubieten.  Schon  jetzt  steht  fest,  dafs 
diese  Hoffnung  eine  trügerische  war,  indem  die  Produzenten,  wie  auf  Ver¬ 
abredung,  die  meiste  Milch,  selbst  wenn  sie  3  und  4°/0  Fett  enthält,  als 
Vollmilch  II.  Sorte  auf  den  Markt  bringen  und  so  dem  Käufer  die  Mög¬ 
lichkeit  einer  Auswahl  abschneiden.  Von  den  im  Jahre  1901  untersuchten 
3388  Proben  Vollmilch  waren  nur  323,  von  den  3600  des  Jahres  1902 
sogar  nur  305,  also  weniger  als.  der  zehnte  Teil  als  I.  Sorte  bezeichnet, 
trotzdem  80 °/0  aller  Proben  den  gestellten  Anforderungen  entsprachen. 
Wenn  sich  nicht  einige  hiesige  Molkereien  in  dankenswerter  Weise  ent¬ 
schlossen  hätten,  lediglich  Vollmilch  I  zu  führen,  würde  der  Konsument 
kaum  die  Sicherheit  haben,  brauchbare  Milch  zu  erlangen. 


50 


Die  Schwierigkeit  einer  strafrechtlichen  Verfolgung  derMilchpantscherei 
auf  Grund  des  neuen  Regulativs  hat  das  Untersuchungsamt  gezwungen, 
die  Kontrolle  auf  eine  immer  gröfsere  Zahl  von  Proben  auszudehnen.  Von 
232  im  Jahre  1897  ist  sie  auf  3653  im  Jahre  1902  gestiegen.  Dafs  dem¬ 
gegenüber  die  Beanstandungsziffer  in  dem  gleichen  Zeitraum  von  26,8  auf 
10,9  °/0  zurückgegangen  ist,  liegt  leider  nicht  an  einer  Abnahme  der  Ver¬ 
fälschungen,  sondern  lediglich  an  dem  Umstande,  dafs  jetzt  alle  Milch¬ 
proben,  welche  nicht  direkt  verfälscht  sind,  selbst  wenn  sie  nur  2 °/0  Fett 
besitzen,  zum  Verkaufe  zugelassen  werden  müssen. 

Die  Unzulänglichkeit  der  jetzigen  Bestimmungen  beginnt  denn  auch 
bereits,  sich  in  einem  allmählichen  Sinken  des  durchschnittlichen  Fett¬ 
gehaltes  aller  eingeführten  Milch  zu  äufsern,  wie  aus  folgender  Zusammen¬ 
stellung  hervorgeht. 


19i 

Zahl  der 
Proben 

90 

unter  100 
Proben 

19' 

Zahl  der 
Proben 

01 

unter  100 
Proben 

1902 

Zahl  der  unter  100 
Proben  Proben 

Untersucht  wurden  .  . 

Davon  enthielten: 

1557 

— 

2930 

— 

3161 

— 

Unter  2,3  °/0 

Fett  .  .  . 

70 

4,5 

120 

4,2 

132 

4,2 

2,3  bis  2,4°/o 

V  .  •  . 

16 

1,0 

37 

1,4 

74 

2,3 

2,4  „  2,5°/o 

55  • 

36 

2,4 

90 

3,2 

117 

3,7 

2,5  „  2,6' % 

55  ... 

48 

3,0 

117 

4,1 

147 

4,7 

2,6  „  2,7°/o 

55  •  • 

72 

4,6 

179 

6,2 

195 

6,2 

2,7  „  2,8°/o 

55  ... 

117 

7,5 

204 

7,1 

247 

7,8 

2,8  „  2,9  % 
2,9  „  3,0 °/0 

55  •  • 

75 

4,8 

266 

8,4 

259 

8.2 

55  ♦  • 

62 

4,0 

284 

9,7 

325 

10,3 

3,0  „  4,0°/o 

55  • 

973 

62,5 

1484 

50,6 

1499 

47,4 

4,o  „  5,o% 
Uber  5,o% 

55  ... 

72 

4,6 

117 

4,0 

126 

4,0 

55  ... 

16 

1,0 

32 

l,i 

40 

1,3 

Während  also  im  Jahre  1900  31,8  °/0  der  untersuchten  Proben  weniger 
als  3 °/0  Fett  enthielten,  stieg  diese  Zahl  1901  auf  44,8,  1902  sogar  auf 
47,4  und  dürfte  mit  fortschreitender  Zeit  eine  erschreckende  Höhe  erreichen. 
Dementsprechend  sank  auch  von  Jahr  zu  Jahr  der  mittlere  Fettgehalt, 
nämlich  von  3,3  °/0  im  Jahre  1900  auf  3,21  °/o  Jahre  1901  und  auf 
3,12  im  Jahre  1902,  während  er  in  Leipzig  3,6 °/0  betragen  haben  soll. 
Nun  erscheint  ja  diese  Abnahme  um  0,18%  an  sich  betrachtet  nicht  grofs, 
aber  um  welche  Werte  die  Bevölkerung  durch  diese  systematische  Ver¬ 
schlechterung  geschädigt  wird,  erhellt  doch  unschwer  aus  folgender  Über¬ 
legung:  Der  Milchverbrauch  Dresdens  beträgt  pro  Jahr  ungefähr  53000000kg. 
Die  Erniedrigung  des  durchschnittlichen  Fettgehaltes  um  0,18%,  d.-h.  um 
1,8  g  pro  1kg  Milch,  repräsentiert  also  eine  Menge  von  95400  kg  Butter¬ 
fett,  welche  dem  Konsumenten  für  dieselbe  Bezahlung  weniger  geboten 
wird,  als  vor  zwei  Jahren.  Unter  Annahme  eines  Preises  von  2,50  Mark 
für  1  kg  Butterfett  entspricht  dies  einer  Vermögensschädigung  von 
238500  Mark. 

Noch  bedenklicher  erscheint  die  Angelegenheit  im  Hinblick  auf  den 
Umstand,  dafs  Leipzig  und  Chemnitz  die  Forderung  eines  Mindestfett¬ 
gehaltes  beibehalten  haben,  und  dafs  auch  in  Preufsen,  welches  diese 


51 


Forderung  neu  einführt,  Milch  mit  weniger  als  2,7  °/0  Fett  nicht  verkauft 
werden  darf.  Hieraus  erwächst  uns  die  Gefahr,  dafs  in  Zukunft  nach 
Dresden  alle  minderwertige  Milch,  deren  Verkauf  anderorts  verboten  ist, 
abgestofsen  wird.  Wirksame  Gegenmafsregeln  im  Rahmen  des  bestehen¬ 
den  Regulativs  zu  treffen,  erscheint  kaum  möglich. 

Im  Gegensatz  zu  der  chemischen  Seite  des  neuen  Ortsgesetzes  haben 
die  hygienischen  Fragen  eine  zum  Teil  mustergültige  Lösung  gefunden.  Die 
Vorschriften  über  die  Gewinnung  und  den  Vertrieb,  über  den  Höchstgehalt 
an  Milchschmutz  sind  gewifs  geeignet,  die  Milchversorgung  in  gesundlicher 
Hinsicht  günstig  zu  beeinflussen;  aber,  ohne  ihre  Bedeutung  irgendwie 
herabsetzen  zu  wollen,  im  Grunde  mufs  man  sich  schliefslich  doch  immer 
wieder  fragen,  was  nutzt  es,  die  Milch  zu  dem  Ideal  eines  reinlichen 
Nahrungsmittels  zu  machen,  wenn  sie  mehr  und  mehr  aufhört,  ein  Nah¬ 
rungsmittel  zu  sein.  Es  sei  daher  nochmals  darauf  hingewiesen:  Der 
einzige  Schutz  des  Konsumenten  besteht  zur  Zeit  darin,  dafs 
er  ausdrücklich  Vollmilch  I.  Sorte  verlangt  und  alle  andere 
zurückweist. 

Wenn  nach  dem  vorher  Gesagten  die  Ergebnisse  der  Milchkontrolle 
trotz  aller  aufgewandten  Mühe  ziemlich  trostlos  erscheinen,  so  hat  dafür 
die  Überwachung  der  aus  Milch  hergestellten  Erzeugnisse,  der  Molkerei¬ 
produkte,  um  so  erfreulichere  Erfolge  aufzuweisen. 

Freilich  beim  Käse  gibt  es  nicht  viel  zu  überwachen,  da  er  Ver¬ 
fälschungen  nur  in  geringem  Mafse  ausgesetzt  ist.  Abgesehen  von  dem 
bisweilen  beobachteten  Zusatz  von  Kartoffelmehl  zu  den  aus  abgerahmter 
Milch  gewonnenen  Magerkäsen,  dem  Quarkkäse  u.  a.,  der  aber  wegen  des 
geringen  Preises  der  letzteren  dem  Tatendrang  der  Fälscher  wenig  ver¬ 
lockend  erscheint,  kommen  eigentlich  nur  Versuche  in  Frage,  den  bis  zu 
50°/o  betragenden  Butterfettgehalt  der  sog.  Fettkäse,  des  Edamers,  Emmen- 
thalers  u.  a.  durch  Margarine  zu  ersetzen.  Aber  auch  diese  Erzeugnisse, 
so  lebhaftes  Interesse  ihr  Erscheinen  seiner  Zeit  erregte,  haben  nur  vor¬ 
übergehend  die  Nahrungsmittelkontrolle  beschäftigt.  Schon  wegen  ihres 
anfangs  ganz  angenehmen,  mit  zunehmendem  Alter  jedoch  ekelhaft  bitter 
werdenden  Geschmacks  verschwanden  sie  alsbald  wiederaus  dem  Verkehr; 
ohne  Zutun  der  Chemiker,  von  denen  nur  wenige  trotz  eifrigen  Fahndens 
einen  wirklichen  Margarinekäse  in  Händen  gehabt  haben  dürften.  Die 
vereinzelten  (fünf)  Beanstandungen  von  Käseproben  beziehen  sich  sämtlich 
auf  Anwesenheit  von  Maden  oder  sonstige  Anzeichen  von  Verdorbenheit, 
und  der  Käseliebhaber  kann  also  ziemlich  ohne  Furcht  vor  Verfälschungen 
seiner  Neigung  nachgehen.  Es  ist  das  um  so  erfreulicher,  als  der  Käse, 
d.  h.  der  Magerkäse,  in  hervorragendem  Mafse  geeignet  erscheint,  den 
notorischen  Eiweifsmangel  in  der  Nahrung  des  armen  Mannes  auszu¬ 
gleichen,  welcher  in  ihm  seinen  Bedarf  an  Stickstoffsubstanzen  zum  fünften 
bis  sechsten  Teile  des  Preises  wie  im  Fleisch  zu  decken  vermag. 

Ganz  anders  als  beim  Käse  hat  es  bei  der  Butter  langwierige  Kämpfe 
gekostet,  bevor  hier  einigermafsen  befriedigende  Zustände  erzielt  werden 
konnten.  Die  normale  Beschaffenheit  dieses  feinsten  aller  Speisefette, 
welche  seiner  Beurteilung  zu  Grunde  zu  legen  ist,  ergibt  sich  aus  der 
Herstellung,  zu  welcher  Milch  oder  Sahne  bekanntlich  so  lange  durch  Stofsen, 
Rühren  oder  Schlagen  in  lebhafte  Bewegung  versetzt  wird,  bis  die  feinen 
Fettröpfchen  sich  zu  einer  kompakten,  formbaren  Masse  vereinigt  haben. 
Sie  ist  also  im  wesentlichen  als  ein  geringe  nicht  entfernbare  Mengen  von 

* 


52 


Milchbestandteilen,  wie  Wasser,  Kasein  und  Milchzucker  enthaltendes 
Butter  fett  anzusehen,  welches  in  Norddeutschland  gewöhnlich  noch  einen 
Zusatz  von  etwas  Kochsalz  enthält. 

Von  den  zahlreichen  Gründen,  welche  zu  einer  Beanstandung  der 
Butter  fuhren  können,  nehme  ich  die  Verdorbenheit  vorweg,  da  diese 
der  amtlichen  Kontrolle  besondere  Schwierigkeiten  verursacht.  Wie  alle 
Nahrungsmittel,  seien  sie  tierischen  oder  pflanzlichen  Ursprungs,  ist  auch 
die  Butter  nicht  unbegrenzt  haltbar,  vielmehr  fällt  gerade  sie  unter  dem 
Einflüsse  von  Luft,  Wärme,  Licht  und  Bakterien  gar  bald  tiefgreifenden 
Zersetzungen  anheim.  Zersetzungen,  welche  sich  in  chemischer  Hinsicht 
durch  die  Abspaltung  freier  Säuren  aus  den  ursprünglich  neutralen  Fetten 
äufsern,  aber  auch  schon  der  Nase  und  der  Zunge  durch  das  Auftreten 
eines  ekelhaften,  als  ranzig  bezeichneten  Geruchs  und  Geschmacks  bemerk¬ 
bar  werden.  Zu  Beginn  der  Tätigkeit  des  Untersuchungsamtes  waren  Un¬ 
mengen  derartiger  Butter  im  hiesigen  Verkehr  anzutreffen,  und  in  welchem 
Zustande  dieselben  sich  befanden,  erhellt  ohne  weiteres  aus  der  Tatsache, 
dafs  aus  den  gesegneten  Gefilden  Galiziens  schon  im  heifsesten  Hoch¬ 
sommer,  Juli  und  August,  gewaltige  Vorräte  von  Fafsbutter  nach  Dresden 
kamen,  um  nach  sechsmonatlicher  Lagerung  zur  Zeit  der  Weihnachts¬ 
häckerei  in  die  Hände  der  Konsumenten  zu  gelangen.  Trotzdem  ist  der 
Kampf  gegen  diese  Ware  lange  Jahre  ein  vergeblicher  gewesen,  weil  den 
Gutachten  des  Untersuchungsamtes  vielfach  diejenigen  anderer  Chemiker 
entgegengestellt  wurden,  welche  einen  völlig  abweichenden  Standpunkt  ein- 
nahmen.  Während  nämlich  nach  der  hier  vertretenen  Auffassung  der  Zu¬ 
stand  des  Nahrungsmittels  im  Augenblicke  des  Verkaufs  einer  Beurteilung 
auf  etwaige  Verdorbenheit  zu  Grunde  gelegt  werden  mufs,  erklärten  sie, 
auf  den  Geschmack  und  Geruch  der  Butter  selbst  komme  es  nicht  an, 
sondern  darauf,  ob  mit  ihrer  Hilfe  noch  ein  geniefsbares  Gebäck  her- 
gestellt  werden  könne.  Sie  verlangten  also  zur  Erfüllung  des  Begriffs  der 
Verdorbenheit  nicht  nur,  dafs  die  Butter  selbst  ungeniefsbar  sei,  sondern 
auch  alle  mit  ihr  zubereiteten  Speisen  ungeniefsbar  mache,  hingegen  liefsen 
sie  das  ästhetische  Moment  des  Ekels,  welches  den  Hausfrauen  verbietet, 
übelriechende  Stoffe  zur  Herstellung  von  Nahrungsmitteln  zu  verwenden, 
auch  wenn  in  den  letzteren  der  üble  Geruch  durch  eine  geeignete  Art  der 
Zubereitung  verdeckt  werden  kann,  gänzlich  aufser  acht. 

Erst  im  Jahre  1901  kam  es  zu  einer  endgültigen  prinzipiellen  Ent¬ 
scheidung  des  höchsten  sächsischen  Gerichtshofes,  und  das  Urteil  des  Kgl. 
Oberlandesgerichts  vom  27.  VI.  1901  entschied  ausdrücklich  im  Sinne  der 
vom  Amte  stets  vertretenen  Ansicht, 

„dafs  zum  Begriff  der  Verdorbenheit  nicht  völlige  Ungeniefsbarkeit, 
sondern  nur  eine  verminderte  Tauglichkeit  erfordert  wird,  und  dafs 
zur  Beurteilung  der  Zustand  im  Momente  des  Verkaufs,  nicht  der 
nach  einer  Zubereitung  in  Frage  kommt“. 

Damit  ist  das  Schicksal  der  ranzigen  Butterproben  entschieden,  und 
nachdem  ihre  Zahl  schon  vorher  infolge  der  geübten  Überwachung  be¬ 
ständig  zurückgegangen  war,  nämlich  von  12  %  im  Jahre  1897  auf  4,5  °/o 
im  Jahre  1899,  3,4  °/o  1900,  2,7%  1901  und  auf  0,5  °/o  im  Jahre  1902, 
dürfte  ihr  völliges  Verschwinden  aus  den  hiesigen  Geschäften  bevorstehen. 
Im  Gegensätze  dazu  zeigen  die  Proben,  welche  von  Privatpersonen  auf 
Grund  verlockender  Annoncen  aus  dem  Auslande  (Galizien)  bezogen  werden, 
noch  immer  die  alte  bekannte,  an  Schmierseife  erinnernde  Beschaffenheit, 


53 


und  es  kann  daher  nur  von  neuem  davor  gewarnt  werden,  von  unbekannten 
ausländischen  Firmen  Nahrungsmittel  zu  bestellen. 

Yon  den  Yerfälschungen  der  Butter  ist  als  die  bedenklichste  der  Zu¬ 
satz  übermäfsiger  Wassermengen  zu  erwähnen,  da  hierdurch  der  Fett¬ 
gehalt  und  damit  der  Nährwert  ungebührlich  verringert  wird.  Dem  Laien 
wird.es  gar  nicht  so  leicht  gelingen,  Wasser  in  die  Butter  hineinzukneten, 
aber  dem  sachverständigen  Fälscher  bereitet  das  nicht  die  geringsten 
Schwierigkeiten.  Sind  ihm  doch  zur  Erreichung  dieses  Zweckes  besondere 
Instrumente  konstruiert  worden!  Nach  einer  Mitteilung  der  Milchzeitung 
sollen  die  Drais -Fahrradwerke  sogar  die  epochemachende  Erfindung  einer 
Butterknetmaschine  anpreisen,  welcher  sie  als  besonderen  Vorzug  nach¬ 
rühmen:  „Die  Maschine  arbeitet  das  Wasser  nicht  aus  der  Butter  heraus. 
Im  Gegenteil,  wo  es  erwünscht  und  zulässig  ist,  kann  man  in  weniger  als 
einer  Minute  Wasser  in  jeder  Menge  in  die  Butter  hineinarbeiten,  und 
zwar  so,  dafs  ihr  davon  nichts  anzusehen  ist“. .  Das  Eldorado  dieser 
Fälscher  bildet  Schlesien,  wo  Butter,  die  zur  Hälfte  aus  Wasser  besteht, 
früher  keine  Seltenheit  war,  aber  Proben  mit  20  bis  30 °/0  sind  auch  in 
Dresden  bisweilen  beobachtet  worden.  Die  Erkennung  übermäfsigen 
Wasserzusatzes  ist  übrigens  auch  dem  Nichtchemiker  sehr  wohl  möglich. 
Er  braucht  nur  die  Butter  in  einem  kleinen,  am  besten  graduierten  Gläs¬ 
chen  bei  gelinder  Wärme  zu  schmelzen  und  sieht  dann,  wie  sich  zwei  scharf 
abgegrenzte  Schichten  bilden.  Unter  dem  oben  schwimmenden  klaren, 
gelben  Fett  sammelt  sich  das  Wasser  an,  dessen  Menge  ziemlich  genau 
abgeschätzt  werden  kann.  Glücklicherweise  ist  durch  die  Verordnung  des 
Bundesrats,  nach  welcher  seit  dem  1.  Juli  1902  gesalzene  Butter  mit  mehr 
als  16  o/o  Wasser  weder  hergestellt  noch  verkauft  werden  darf,  dieser  Ver¬ 
fälschung  endgültig  ein  Biegel  vorgeschoben  worden. 

Das  Publikum  stellt  sich  unter  dem  Begriff  „Butterverfälschung“  meist 
etwas  anderes  vor,  nämlich  die  Beimengung  fremder  Fette,  besonders 
der  Margarine,  die  in  der  Tat  zu  diesem  Zwecke  wie  geschaffen  ist. 
Bekanntlich  verdankt  die  Margarine  ihre  Entstehung  dem  Wunsche  Na¬ 
poleons  III.,  für  sein  Heer  und  seine  Marine  einen  haltbaren  Ersatz  der 
leicht  verderbenden  Butter  zu  gewinnen.  Mege-Mouries  löste  das  Problem 
in  meisterhafter  Weise,  indem  er  Rindertalg  von  dem  schwer  schmelzbaren 
Stearin  trennte  und  das  zurückbleibende  Oleomargarin  mit  etwas  Milch 
verbutterte.  Er  schuf  so  ein  Produkt,  welches,  wenn  es,  wie  alle  Butter 
auch,  künstlich  gelb  gefärbt  wird,  von  dieser  nach  äufserem  Ansehen  und 
Geschmack  kaum  zu  unterscheiden  ist  und  selbst  in  chemischer  Hinsicht 
dem  Butterfett  so  sehr  ähnelt,  dafs  es  in  Gemischen  nicht  immer  mit 
Sicherheit  nachgewiesen  werden  kann.  Einen  gewissen  Anhalt,  ob  ihm 
statt  der  verlangten  Butter  Margarine  verabfolgt  worden  ist,  gewährt  zwar 
auch  dem  Laien  die  schon  vorher  erwähnte  Schmelzprobe,  denn  während 
reine  frische  Butter  zu  einer  goldklaren  Flüssigkeit  schmilzt,  bleibt  Mar¬ 
garine  oder  eine  grob  mit  Margarine  verfälschte  Butter  undurchsichtig 
und  trübe;  aber  kleinere  Beimengungen  entziehen  sich  nicht  nur  der  Er¬ 
kennung  nach  diesem  Verfahren,  sondern  selbst  dem  chemischen  Nach¬ 
weise.  Zur  Erleichterung  des  letzteren  ist  daher  die  gesetzliche  Bestim¬ 
mung  getroffen,  dafs  aller  Margarine  10 °/0  eines  Öles,  des  Sesamöles, 
hinzugesetzt  werden  müssen,  welches  noch  in  stärkster  Verdünnung  durch 
eine  einfache  Reaktion  erkannt  werden  kann.  Beim  Schütteln  mit  Fufurol 
und  Salzsäure  oder  auch  mit  Zinnchlorür  nimmt  es  als  einziges  von  allen 


54 


Ölen  eine  intensiv  rote  Farbe  an,  ebenso  jede  damit  vermischte  Margarine 
und  mit  solcher  Margarine  verfälschte  Butter,  ln  verhältnismäfsig  kurzer 
Zeit  ist  es  mit  Hilfe  dieser  Reaktion  gelungen,  Gemische  von  Butter  und 
Margarine  aus  dem  hiesigen  Verkehr  so  gut  wie  völlig  zu  verdrängen, 
und  während  1896  unter  100  Proben  noch  11  aus  diesem  Grunde  zu  be¬ 
anstanden  waren,  fiel  dieser  Prozentsatz  stetig  auf  4,  2,  1,4,  l,o,  0,8  und 
im  Jahre  1902  auf  0,4%. 

In  gleicher  Richtung  ist  auch  die  Unterschiebung  von  reiner  Margarine 
an  Stelle  von  Butter  in  beständigem  Rückgang  begriffen,  trotzdem  sich 
hinsichtlich  der  strafrechtlichen  Beurteilung  dieses  Deliktes  einige  Schwierig¬ 
keiten  herausgebildet  haben.  Die  Chemiker  sehen  die  Margarine  meist 
als  ein  nachgemachtes  Nahrungsmittel  an  und  halten  demgemäfs  ihren 
Verkauf  unter  dem  Namen  Butter  für  einen  Verstofs  gegen  §  10  des 
Nahrungsmittelgesetzes;  die  Kgl.  Staatsanwaltschaft  ist  jedoch  dieser  Auf¬ 
fassung  nicht  beigetreten,  weil  die  Herstellung  nicht  zum  Zwecke  der 
Täuschung  erfolgt,  und  erhebt  daher  stets  Anklage  wegen  Betrugs.  Aus 
dieser  Stellungnahme  ergibt  sich  dann  das  seltsame  Resultat,  dafs  zwar 
der  Verkauf  eines  Gemisches  von  Butter  mit  10%  Margarine  nach  dem 
Nahrungsmittelgesetze  bestraft  wird,  nicht  aber  derjenige  der  doch  weit 
geringwertigeren  Margarine  für  sich  allein. 

Im  allgemeinen  kann  die  Nahrungsmittelkontrolle  nach  den  vorher¬ 
gehenden  Ausführungen  mit  den  bezüglich  der  Butter  erzielten  Erfolgen 
zufrieden  sein;  aber  nachlassen  darf  sie  in  ihren  Anstrengungen  nicht, 
denn  schon  haben  die  Fälscher  einen  Ausweg  aus  dem  Dilemma  gefunden. 
In  Holland  werden  grofse  Mengen  von  gelbgefärbtem  Schweineschmalz  der 
Butter  beigemischt  und  in  Österreich  verwendet  man  zu  dem  gleichen 
Zwecke  das  auch  unter  dem  Namen  Palmin  bekannte  Fett  der  Kokospalme, 
zwei  schwer  nachweisbare  Substanzen,  deren  Bekämpfung  die  wichtigste 
Aufgabe  der  nächsten  Zeit  darstellt. 

Ich  wende  mich  nun  zum  Fleische,  noch  immer  der  wichtigsten, 
wenngleich  nicht  billigsten  Eiweifsquelle  der  menschlichen  Ernährung,  von 
welcher  im  Jahre  1901  in  Dresden  ca.  28000000  kg  im  Werte  von  etwa 
45000000  Mark  verbraucht  wurden.  Dasselbe  ist  in  derben  Stücken,  wie 
sie  zum  Kochen  und  Braten  dienen,  Verfälschungen  nur  wenig  ausgesetzt, 
und  die  von  anderer  Seite  mitgeteilte  Rotfärbung  der  Fischkiemen,  zur 
Vortäuschung  einer  frischen  Beschaffenheit,  sowie  das  ekelhafte  Einblasen 
von  Luft  ist  hier  noch  nicht  beobachtet  worden,  während  die  Unter¬ 
schiebung  von  Pferdefleisch  für  Rindfleisch  nur  einmal  nachgewiesen  wurde. 

Um  so  schlimmer  sah  es  vor  wenigen  Jahren  mit  dem  gehackten 
Rindfleisch  aus,  welches  bekanntlich  seine  schöne  rote  Farbe,  das  sicherste 
Kennzeichen  der  Frische,  nicht  lange  beibehält,  sondern  mifsfarbig  und 
unverkäuflich  wird.  Anstatt  nun  diesen  Übelstand  dadurch  zu  vermeiden, 
dafs  sie  nicht  zu  grofse  Mengen  gehackten  Fleisches  auf  einmal  herstellten, 
hatten  sich  leider  viele  Fleischer  aus  Bequemlichkeitsrücksichten  zur  Ver¬ 
wendung  eines  chemischen  Präparates,  des  sog.  Präservesalzes,  ver¬ 
leiten  lassen,  welches  das  Fleisch  noch  prachtvoll  rot  erscheinen  läfst, 
wenn  es  bereits  verdorben  ist.  Da  in  dieser  Verleihung  des  täuschenden 
Anscheins  einer  besseren  Beschaffenheit  eine  Verfälschung  erblickt  werden 
mufste,  und  die  medizinischen  Sachverständigen  das  aus  schwefligsaurem 
Natron  bestehende  Salz  überdies  als  gesundheitsschädlich  bezeichneten, 
wurde  in  den  Jahren  1898  und  1899  gegen  diesen  Unfug  energisch  ein- 


55 


geschritten  und  in  55  Fällen  Beanstandung  ausgesprochen.  Die  strengen 
Urteile  des  Landgerichtes  haben  den  Erfolg  gehabt,  in  kurzer  Zeit  diesen 
Brauch  völlig  zu  beseitigen. 

Schwieriger  war  das  Vorgehen  gegen  ein  anderes  Präparat,  die  Bor¬ 
säure,  welche  besonders  von  den  Amerikanern  in  grofsem  Umfange  zur 
Konservierung  des  nach  Europa  exportierten  Fleisches,  hauptsächlich  von 
Pökelrindfleisch,  Zungen  und  Schweinslebern,  angewandt  wurde  und  eben¬ 
falls  die  Verwendung  minderwertigen  Materials  ermöglichte.  Auch  in 
diesem  Kampfe  hat  die  Nahrungsmittelkontrolle  einen  vollständigen  Sieg 
errungen,  indem  durch  die  Bekanntmachung  des  Bundesrats  die  Konser¬ 
vierung  von  Fleisch  mit  gesundheitsschädlichen  Stoffen,  nämlich  schwef¬ 
liger  Säure,  Borsäure,  Salizylsäure  u.  a.,  ausdrücklich  verboten  worden  ist. 
Damit  ist  die  Sache  endgültig  entschieden  und  unserer  Bevölkerung  ein 
neuer  Schutz  gegen  ungeeignete  Lebensmittel  geschaffen. 

Als  wichtigste  Verfälschungen  der  Wurst  kommen  Zusatz  von  Semmel 
und  bei  Cervelatwurst  künstliche  Botfärbung  in  Frage.  Beide  sind  dank 
der  Unterstützung  der  Gerichte  aus  dem  hiesigen  Verkehr  völlig  ver¬ 
drängt  worden,  nachdem  das  Untersuchungsamt  von  den  im  Laufe  der 
letzten  6  Jahre  eingelieferten  462  Proben  187  aus  diesen  Gründen  bean¬ 
standet  hatte.  Nur  in  ganz  seltenen  Fällen  gelangten  sehr  schwere  Fälle 
von  Wurstverfälschungen  zur  Kenntnis  der  Behörde.  So  wurde  vor  kurzem 
ein  Fleischer  verurteilt,  weil  er  faules,  madiges  Fleisch  benutzte,  ein  anderer, 
weil  er  Kalbs-  und  Schweinsaugen,  Magenausputz  und  andere  unappetit¬ 
liche  Bestandteile  in  die  Wurst  hineingehackt  hatte.  Gewifs  sind  der¬ 
artige  Vorkommnisse  geeignet,  dem  Wissenden  den  Appetit  zu  rauben;  aber 
wir  dürfen  uns  doch  der  Hoffnung  hingeben,  dafs  sie  nur  Ausnahmen  bilden, 
deren  Beseitigung  einer  sorgsamen  Überwachung  ebenfalls  gelingen  wird. 

Von  einer  Besprechung  der  tierischen  Fette  kann  an  dieser  Stelle 
abgesehen  werden,  da  der  Bindertalg  überhaupt  kaum  jemals  verfälscht 
wird,  und  die  mit  Baumwollsamenöl  vermischten  Schweineschmalze,  mit 
denen  die  Amerikaner  uns  früher  in  kolossalem  Umfange  beglückten,  aus 
dem  Handel  verschwunden  sind,  resp.  unter  der  legitimen  Bezeichnung 
,, Kunstspeisefett“  verkauft  werden. 

Um  so  unerfreulichere  Verhältnisse  hat  die  intensive  Überwachung 
des  Handels  mit  dem  feinsten  pflanzlichen  Öle,  dem  Ol  der  Olive,  auch 
Provenceröl  genannt,  aufgedeckt.  Während  früher  als  Tafelöl  zur  Be¬ 
reitung  von  Salaten,  Mayonnaisen  und  ähnlicher  Speisen  nach  Aussage 
älterer  reeller  Kaufleute  nur  Olivenöl  in  Frage  kam,  finden  sich  jetzt 
unter  diesem  Namen  alle  möglichen  minderwertigen  Öle  anderer  Pflanzen, 
wie  Sesam-,  Erdnufs-  und  selbst  Baumwollsamenöl  im  Handel  vor,  und  die 
Geschäftsleute  beanspruchen  allen  Ernstes  das  Hecht,  als  Tafelöl  jedes 
für  den  Tischgebrauch  geeignete  Öl  verkaufen  zu  dürfen.  Obwohl  man 
sich  nach  dieser  Auffassung  selbst  dann  nicht  beschweren  dürfte,  wenn 
man  als  Tafelöl  Leinöl  oder  gar  Rüböl  erhielte,  so  hat  sich  doch  die 
Rechtsprechung  derselben  mehrfach  angeschlossen  und  dadurch  auch  die 
hiesige  Nahrungsmittelkontrolle  veranlafst,  zunächst  nur  dann  Beanstandung 
auszusprechen,  wenn  Gemische  minderwertiger  Öle  als  reines  Tafelöl  oder 
billiger  Öle  unter  der  täuschenden  Bezeichnung  „Olivenöl“  abgegeben 
worden  waren.  Dieses  Vorgehen  hat  die  Sanktionierung  der  Gerichte  er¬ 
langt  und,  nachdem  von  108  untersuchten  Proben  17  beanstandet  worden 
sind,  die  gröbsten  Auswüchse  beseitigt.  Im  Gegensätze  zu  den  Versuchen 


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gewisser  Firmen,  das  gemeine  Baumwollsamenöl  als  „Floridaöl“  oder 
„feinstes  Tafelöl“  an  den  Mann  zu  bringen,  verdient  das  Vorgehen  des 
Deutschen  Kolonialhauses  in  Berlin,  das  unseren  Kolonien  entstammende 
Erdnufsöl ,  ein  feines,  dem  Olivenöl  nahestehendes  Produkt,  unter  der 
offenen  ehrlichen  Bezeichnung  „Deutsches  Erdnufstafelöl“  zu  führen,  alle 
Anerkennung.  Immerhin  sei  nochmals  ausdrücklich  darauf  hingewiesen: 
Wer  das  bislang  als  Tafelöl  bekannte  Öl  der  Olive  zu  kaufen 
wünscht,  mufs  stets  „Olivenöl“  oder  „Provenceröl“,  niemals 
„Tafelöl“  verlangen. 

Von  den  übrigen  Nahrungsmitteln  pflanzlichen  Ursprungs  beanspruchen 
die  aus  Getreide  hergestellten  unser  gröfstes  Interesse,  da  sie  die  Er¬ 
nährungsgrundlage  weiter  Bevölkerungskreise  bilden  und  in  gewaltigen 
Massen  —  in  Dresden  pro  Jahr  45000000  kg  — ■  zum  Konsum  gelangen. 
Erfreulicherweise  kommen  beim  Mehle  Verfälschungen  kaum  vor.  Die 
vielfach  beargwöhnte  Beimischung  minderwertiger  Stoffe,  wie  Mais-  und 
Steinnufsmehl,  sowie  mineralischer  Beschwerungsmittel,  Gips,  Kreide  und 
dergleichen,  hat  sich  bei  unseren  Untersuchungen  stets  als  Sage  heraus¬ 
gestellt,  denn  dafs  in  ganz  vereinzelten  Fällen  Mehle  angetroffen  wurden, 
welche  Soda,  Kreide,  ja  einmal  sogar  freie  Salzsäure  enthielten  und  in¬ 
folgedessen  den  Hausfrauen  die  Speisen  total  verdorben  hatten,  ist  nicht 
auf  absichtlichen  Zusatz,  sondern  auf  unglückliche  Zufälle,  meist  unsaubere 
Aufbewahrung  zurückzuführen.  Solche  Produkte  sind  daher  nicht  als  ver¬ 
fälscht,  sondern  als  verdorben  anzusehen,  welcher  Auffassung  die  hiesigen 
Gerichte  beigetreten  sind.  Wegen  Verdorbenheit  erfolgten  auch  alle  übrigen 
zahlreichen  Beanstandungen  —  von  666  untersuchten  Mehlen  nicht  weniger 
als  248 — ,  welche  trostlose  Aufschlüsse  über  die  im  Nahrungsmittelgewerbe 
herrschende  Reinlichkeit  lieferten.  Ein  näheres  Eingehen  auf  diesen  Gegen¬ 
stand,  welcher  ein  Thema  für  sich  bilden  würde,  mufs  ich  mir  leider  ver¬ 
sagen.  Genug,  ganz  allgemein  wurde  das  Mehl  in  unsauberen  Kästen  oder 
in  offenen  feuchten  Verschlägen  auf  bewahrt,  in  denen  es  sich  natürlich 
bald  mit  zahllosen  Milben  und  anderen  Parasiten  bevölkerte,  einen  muffig¬ 
dumpfigen  Geruch  annahm  und  ungeniefsbar  wurde.  Zur  Erkennung  der 
Milben  gibt  es  ein  einfaches  von  jedem  Laien  in  seinem  Haushalte  anwend¬ 
bares  Mittel,  mit  dessen  Hilfe  auch  der  revidierende  Beamte  alle  Proben 
an  Ort  und  Stelle  untersucht.  Er  schüttet  etwas  Mehl  auf  ein  Blatt 
Papier,  breitet  das  Häufchen  aus  und  glättet  es  durch  Auflegen  einer  Glas¬ 
platte.  Zieht  man  dann  die  letztere  ab,  so  sieht  man  alsbald,  wie  sich 
auf  der  glatten  Oberfläche  Häufchen  erheben,  welche  von  den  nach  oben 
strebenden  Tierchen  in  Form  kleiner  Maulwurfshügel  aufgeworfen  werden. 
Überschritt  deren  Zahl  ein  gewisses  Mafs,  so  bringt  der  Beamte  die  Probe 
zum  Unteruchungsamte,  erteilt  aber  gleichzeitig  den  Geschäftsinhabern 
Ratschläge,  wie  sie  dem  Verderben  Vorbeugen  können,  und  so  ist  es  im 
Laufe  weniger  Jahre  gelungen,  ohne  Erlafs  von  Strafverfügungen,  lediglich 
durch  Verwarnungen  diesen  Übelstand  zu  beseitigen.  Fast  alle  Händler 
haben  sich  daran  gewöhnt,  vor  der  Einfüllung  neuen  Mehles  die  alten  Reste 
zu  entfernen,  die  Kästen  mit  sauberem  Papier  auszuschlagen  und  gröfsere 
Vorräte  in  Säcken  an  trockenen  Orten  hinzustellen.  Während  noch  1899 
nicht  weniger  als  118  Mehlproben  zu  beanstanden  waren,  betrug  diese  Zahl 
1902  nur  noch  5. 

Wie  beim  Mehle  gehören  auch  beim  Brote  Verfälschungen  zu  den 
Ausnahmen.  Die  früher  beliebte  Unsitte,  dem  frischen  Teige  übriggebliebene 


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Brotreste  und  altbackene  Semmel  oft  von  ekelhafter  Beschaffenheit  zuzu¬ 
setzen,  ist  durch  das  Urteil  der  4.  Strafkammer  vom  6.  Juni  1902  endgültig 
als  unzulässig  bezeichnet  worden,  und  seitdem  können  die  Dresdner  Brot¬ 
verhältnisse,  abgesehen  von  dem  hohen  bis  zu  50°/o  betragenden  Wasser¬ 
gehalte  des  Schwarzbrotes,  als  gut  angesehen  werden. 

Das  Gegenteil  von  gut  sind  dagegen  die  hinsichtlich  der  sog.  Teig¬ 
waren,  speziell  der  Eiernudeln  obwaltenden  Zustände.  Was  Eiernudeln 
sind,  ist  bekannt.  Mancher  Familienvater  wird  ihre  Entstehung  noch  heute 
im  eigenen  Haushalte  beobachten  können,  denn  viele  Hausfrauen  stellen 
sie  aus  guten  Gründen  auch  jetzt  noch  selbst  her.  Sie  machen  aus  Weizen¬ 
mehl  und  der  zur  Bindung  erforderlichen  Menge  Eiern  einen  Teig,  rollen 
ihn  dünn  aus,  schneiden  in  Streifen  oder  andere  Formen  und  lassen  trocknen. 
Genau  so  verfährt  der  Fabrikant,  nur  findet  es  dieser  vielfach  für  vorteil¬ 
hafter,  die  teuren  Eier  fortzulassen  und  an  ihrer  Stelle  Wasser  zu  nehmen. 
Er  hat  ja  ein  einfaches  Mittel  zur  Verdeckung  dieses  Mankos;  er  greift 
zum  Farbentopfe  und  verleiht  seiner  Wasserware  durch  Zusatz  gelber  Teer¬ 
farben  den  schönsten  Anschein  jeden  beliebigen  Eigehaltes.  So  kommt  es, 
dafs  in  zahlreichen  Geschäften  sog.  Eiernudeln  feilgehalten  werden,  welche 
wundervoll  aussehen,  aber  gar  keine  oder  nur  Spuren  von  Eiern  enthalten. 

Die  exakte  chemische  Bestimmung  des  Eigehaltes,  welche  zu  den 
schwierigeren  Aufgaben  des  Chemikers  gehört,  beruht  auf  der  Anwesenheit 
dreier  charakteristischer  Bestandteile  des  Hühnereies,  des  Cholesterins, 
des  Fettes  und  des  Lecithins.  Durch  Extraktion  des  letzteren  mit  heifsem 
Alkohol  und  Bestimmung  der  in  Lösung  gegangenen  Phosphorsäure  kann 
die  Zahl  der  vorhandenen  Eier  ziemlich  genau  ermittelt  werden.  Eine 
einfache  Vorprüfung  wird  durch  den  Umstand  ermöglicht,  dafs  der  spezi¬ 
fische  Farbstoff  der  Eier,  das  Lutein,  in  Äther  löslich  ist,  und  dafs  diese 
Lösung  durch  salpetrige  Säure  entfärbt  wird  (Weylsche  Reaktion),  während 
die  meisten  gelben  Teerfarben  in  Äther  unlöslich  sind,  aber  in  70prozentigen 
Alkohol  übergehen.  Bleibt  also  beim  Schütteln  gelber  Nudeln  mit  Äther 
das  Lösungsmittel  farblos,  während  Alkohol  sich  färbt,  so  ist  ein  künst¬ 
licher  Farbstoff’  vorhanden.  Bei  der  Beurteilung  dieser  Produkte  hat  die 
amtliche  Nahrungsmittelkontrolle  sich  ausnahmslos  auf  den  Standpunkt 
gestellt,  dafs  gelb  gefärbte  „Eiernudeln“,  welche  gar  keine  Eier  oder  weniger 
als  zwei  Stück  auf  ein  Pfund  Mehl  enthalten,  als  nachgemacht  anzusehen 
sind,  weil  sie  nur  den  Schein,  nicht  aber  den  Gehalt  der  echten  Ware 
besitzen,  während  eihaltige  Erzeugnisse,  welchen  durch  künstliche  Färbung 
der  täuschende  Anschein  eines  höheren  Eigehaltes  verliehen  worden  ist, 
als  verfälscht  beanstandet  werden  müssen.  Dieser  klaren  Stellungnahme 
gegenüber  haben  die  Fabrikanten  die  seltsamsten  Ausreden  gebraucht  und 
behauptet:  „Das  Publikum  macht  sich  aus  den  Eiern  gar  nichts,  es  ver¬ 
langt  einfach  eine  schöne  gelbe  Farbe;  wir  kommen  einer  Geschmacks¬ 
richtung  des  Publikums  entgegen  und  färben  lediglich  aus  ästhetischen 
Gründen“;  ja  ein  Fabrikant  verstieg  sich  sogar  vor  Gericht  zu  der  klas¬ 
sischen  Ausrede,  er  nenne  seine  Erzeugnisse  nicht  deshalb  Eiergraupen, 
um  einen  Eigehalt  vorzutäuschen,  sondern  weil  sie  die  Form  kleiner  Eier 
besäfsen.  Obwohl  die  Haltlosigkeit  dieser  Behauptungen  auch  den  Laien 
ohne  weiteres  klar  ist,  haben  die  Gerichte  doch  vielfach  geglaubt,  dieselbe 
nicht  widerlegen  zu  können  und  dadurch  längere  Zeit  einen  Schutz  des 
Publikums  gegen  diese  Übervorteilung  unmöglich  gemacht.  Es  war  daher 
schon  als  ein  Fortschritt  zu  begrüfsen,  dafs  die  Fabrikanten  sich  selbst 


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entschlossen,  den  Farbzusatz  zu  deklarieren  und  als  „Eiernudeln“  nur 
solche  Produkte  zu  bezeichnen,  welche  auf  100  Pfund  Mehl  wenigstens 
75  Eier  enthalten.  Gewifs,  an  sich  betrachtet,  ein  herzlich  geringes  Zu¬ 
geständnis,  aber  doch  immerhin  den  bisherigen  Verhältnissen  gegenüber 
als  Anzeichen  einer  Besserung  zu  vermerken!  Wichtiger  als  dieses  zögernde 
Entgegenkommen  der  Produzenten,  welches  übrigens  inzwischen  durch  einen 
neuen  Beschlufs  des  Verbandes  deutscher  Teigwaren -Fabrikanten  schon 
wieder  zurückgezogen  worden  sein  soll,  ist  das  Urteil  der  4.  Strafkammer 
vom  7.  Juli  1903,  nach  welchem  Eiernudeln  mehrere  100  Eier  auf  einen 
Zentner  Mehl  enthalten  sollen,  und  Erzeugnisse  mit  weniger  als  75  Eiern 
unter  allen  Umständen  als  nachgemacht  zu  gelten  haben.  Damit  ist  zu¬ 
nächst  für  die  Dresdner  Nahrungsmittelkontrolle  eine  sichere  gesetzliche 
Grundlage  geschaffen,  welche  die  Beseitigung  der  gröbsten  Mifsstände  als 
aussich tsvoll  erscheinen  läfst.  Trotzdem  ist  zu  berücksichtigen,  dafs  in 
den  Detailgeschäften  auch  jetzt  noch  vielfach  gelb  gefärbte  Wassernudeln 
als  Hausmacher-  oder  Eiernudeln  verkauft  werden,  indem  die  Kleinhändler 
die  von  den  Fabriken  unter  richtiger  Bezeichnung  gelieferten  Waren  in 
willkürlicher  Weise  umtaufen,  und  die  Konsumenten  werden  daher  gut  tun, 
selbst  die  Augen  offen  zu  halten.  Vor  allem  ist  es  zweckmäfsig,  heim  Ein¬ 
kauf  den  Laden  zu  durchmustern,  ob  nicht  irgendwo  ein  Plakat  angebracht 
ist  mit  der  Inschrift:  „Alle  nicht  ausdrücklich  als  ungefärbt  bezeichneten 
Eierteigwaren  sind  mit  einem  unschädlichen  Farbstoff  leicht  gefärbt“,  d.h. 
auf  gut  deutsch:  „Meine  sog.  Eiernudeln  sind  künstlich  gefärbt“.  Am  besten 
wäre  es  freilich,  wenn  die  Konsumenten,  besonders  diejenigen,  die  nicht 
gerade  zum  Ankauf  der  billigsten  Sorten  gezwungen  sind,  ausdrücklich 
ungefärbte  Nudeln  verlangen  wollten  und  dadurch  diejenigen  Dresdner 
Fabrikanten  unterstützten,  welche  sich  in  dankenswerter  Weise  entschlossen 
haben,  nur  ungefärbte  Teigwaren  herzustellen. 

Wenn  ich  mich  nun  zu  den  süfsschmeckenden,  zuckerreichen  Nahrungs¬ 
und  Genufsmitteln,  dem  Honig  und  den  zahlreichen  Fruchtkonserven,  wie 
Fruchtsäften,  Marmeladen,  Gelees  wende,  so  betrete  ich  hier  ein  Gebiet, 
auf  welchem  die  Fälscher  lange  Jahre  ihre  gröfsten  Triumphe  gefeiert 
haben,  besonders  seitdem  die  Herstellung  dieser  Erzeugnisse  aus  den  Klein¬ 
betrieben  an  die  Grofsindustrie  übergegangen  ist. 

Der  Honig,  das  köstliche,  von  den  Bienen  aus  Blütennektar  an¬ 
gesammelte  und  nach  entsprechender  Verarbeitung  und  Fermentation  in 
den  Waben  abgeschiedene  Produkt,  besteht,  abgesehen  von  seinen  Aroma¬ 
stoffen,  im  wesentlichen  aus  Zucker,  und  Zucker  in  seinen  verschiedenen 
Formen  bildet  daher  auch  das  Mittel  zu  seiner  Verfälschung.  Am  gröfsten 
wird  der  Verdienst  bei  Verwendung  des  billigsten  Zuckermaterials,  des  aus 
Kartoffeln  hergestellten  Stärkesirups,  aber  auch  der  Zusatz  des  gewöhn¬ 
lichen  Rübenzuckers  ist  noch  lukrativ  genug,  um  gewissen  Nahrungsmittel¬ 
verbesserern  verlockend  zu  erscheinen.  Tatsächlich  behaupten  sie  nämlich, 
den  Zuckerzusatz  nicht  im  Interesse  ihres  Geldbeutels,  sondern  der  Kon¬ 
sumenten  vorzunehmen,  weil  der  Geschmack  des  unvermischten  Naturhonigs 
zu  stark  aromatisch,  ja  geradezu  ekelhaft  sei.  Die  Erkennung  des  Stärke¬ 
sirups  geschieht  unschwer  durch  die  Ausfällung  des  Dextrins  mit  Alkohol, 
während  der  Rohrzucker  sich  durch  die  Umdrehung  der  Polarisation  nach 
dem  Invertieren  zu  erkennen  gibt.  Schwieriger  oder  besser  unmöglich  wird 
der  Nachweis  hingegen,  wenn  der  intelligentere  Fälscher  seine  Mischung 
auf  chemischer  Grundlage  basiert  und  diejenige  Zuckerart  benutzt,  aus 


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welcher  der  Honig  selbst  besteht,  nämlich  den  Invertzucker.  Färbt  er 
diesen  gelb,  setzt  Aromastoffe,  wie  das  im  Waldmeister  enthaltene  Cumarin, 
ferner  etwas  Blütenstaub  und  vielleicht  noch  ein  paar  tote  Bienchen  hinzu, 
so  hat  er  einen  Honig,  den  kein  Chemiker  von  echtem  unterscheiden  kann. 
Es  hat  nicht  an  Versuchen  gefehlt,  eine  Methode  zum  Nachweis  dieser 
Verfälschung  aufzufinden.  Man  hat  den  geringen  Schwefelsäuregehalt  des 
Invertzuckers  herangezogen,  aber  dieses  Mittel  versagt,  seitdem  zum  In¬ 
vertieren  des  Zuckers  Kohlensäure  benutzt  wird.  Andere  stützen  die  Unter¬ 
suchung  auf  den  Eiweifsgehalt,  wieder  andere  auf  das  Vorhandensein  von 
Enzymen,  welche  aus  dem  Speichel  der  Bienen  in  den  Honig  gelangen, 
aber  kein  Verfahren  ist  bis  jetzt  als  zuverlässig  befunden  worden,  und 
der  von  den  Imkern  für  die  Lösung  dieser  Frage  ausgesetzte  Preis  von 
1000  Mark  harrt  noch  immer  der  Verleihung. 

Wir  müssen  uns  also  damit  bescheiden,  dafsdie  einfachen  Verfälschungen 
mit  Stärkesirup  und  Rohrzucker  aus  dem  hiesigen  Verkehr  verdrängt  sind, 
wenngleich  es  keineswegs  an  Versuchen  fehlt,  dieselben  unter  irreführenden 
Bezeichnungen  wieder  einzuschmuggeln.  Als  Beispiel  einiger  derartiger 
raffinierter  Etiketten  erwähne  ich  zunächst  den  aus  gleichen  Teilen  Honig 
und  Capillärsirup  bestehenden  sog.  „Blütenhonig“.  Die  denselben  enthaltende 
blaue  Blechbüchse  mit  dem  Bilde  eines  Honig  leckenden  Bären  trägt  die 
Inschrift:  „Nur  echt  mit  dieser  Marke“,  welche  in  den  meisten  Käufern 
die  Erwartung  erregen  wird,  dafs  sie  Honig  erhalten,  und  erst  bei  näherer 
Betrachtung  belehrt  das  versteckt  angebrachte,  eingeklammerte  Wörtchen 
(Ersatz)  den  Kenner,  dafs  ein  Falsifikat  vorliegt.  Obwohl  kaum  ein  Zweifel 
aufkommen  kann,  dafs  diese  Bezeichnung  zur  Täuschung  geeignet  ist,  hat 
die  Kgl.  Staatsanwaltschaft  in  Magdeburg,  der  Heimat  dieses  Leckerbissens, 
keine  Veranlassung  zum  Einschreiten  gefunden,  und  erst  durch  Urteile  der 
Dresdner  Gerichte,  welche  die  Feilhaltung  für  strafbar  erklärten,  ist  es 
gelungen,  das  Produkt  aus  dem  hiesigen  Verkehr  zu  entfernen.  In  gleicher 
Weise  ist  auch  die  Etikettierung  eines  analog  zusammengesetzten  „Tafel¬ 
honig,  praepariert“  mit  der  Angabe  „nur  echt  mit  dieser  Marke“  und  einem 
von  Bienen  umschwTärmten  Rosenstrauche  von  den  Gerichten,  einschliefslich 
des  Oberlandesgerichts,  als  unzulässig  beurteilt  worden,  aber  der  Umstand, 
dafs  auch  diesmal  die  Staatsanwaltschaft  in  Leipzig  das  Einschreiten  gegen 
den  Fabrikanten  ablehnte,  läfst  doch  das  in  mehreren  Petitionen  an  Reichs¬ 
kanzler  und  Reichstag  gerichtete  Ersuchen  der  Imkerkreise  berechtigt  er¬ 
scheinen,  für  alle  Gemische  die  unzweideutige  Bezeichnung  „Kunsthonig“ 
vorzuschreiben.  Ohne  eine  solche  Bestimmung  ist  es  unmöglich,  gegen  die 
täglich  neu  auftauchenden  verkappten  Deklarationen  einzuschreiten,  und 
alle  Bezeichnungen  wie  „Zuckerhonig“,  „Candishonig“,  „Allerfeinster  Raf¬ 
finadehonig“,  „Honigsirup“  usw.  deuten  künstliche  Gemische  an.  Wer  echten 
Naturhonig  haben  will,  soll  daher  nicht  unterlassen,  die  Etikette  einem 
sorgfältigen  Studium  zu  unterziehen. 

Im  Hinblick  auf  die  Schwierigkeit  der  Honigkontrolle  wurden  alljährlich 
zu  Ostern  und  im  Herbste,  den  Hauptterminen  des  Honighandels,  umfang¬ 
reichere  Revisionen  veranstaltet,  welche  bis  jetzt  zu  278  Untersuchungen 
und  42  Beanstandungen  führten. 

Nicht  besser  steht  es  mit  den  Fruchtsirupen,  besonders  dem  wich¬ 
tigsten  derselben,  dem  Himbeersirup,  welcher  auf  reellem  Wege  nur  durch 
Einkochen  des  reinen  Saftes  der  Beeren  mit  Rohrzucker  hergestellt  wird. 
Zusätze  von  Stärkesirup,  Pflanzensäuren,  Essenzen,  Wasser  und  Teerfarben 


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sind  hier  an  der  Tagesordnung,  ja  es  sind  Himbeersirupe  angetroffen 
worden,  welche  keine  Spur  Fruchtsaft  enthielten,  sondern  nichts  als  rot¬ 
gefärbten,  parfümierten  Zuckersirup  darstellen.  Die  fortwährende  Kontrolle 
der  hiesigen  Geschäfte,  welche  im  Jahre  1902  zur  Entdeckung  von  30  ver¬ 
fälschten  Proben  führte,  besonders  aber  die  strengen  Urteile  des  Kgl.  Land¬ 
gerichts,  haben  den  Fälschern  einen  heilsamen  Schrecken  eingejagt  und 
der  reellen  Industrie  wieder  die  Oberhand  verschafft. 

Wie  die  Fruchtsirupe  bestehen  auch  manche  sog.  Marmeladen  aus 
gewöhnlichem  gefärbtem  Stärkesirup,  dem  zum  Unterschiede  von  ersterem 
vielleicht  nur  einige  ausgeprefste  Fruchttrester  und  Kerne  hinzugesetzt 
worden  sind,  und  auf  deren  fragwürdige  Beschaffenheit  lediglich  kleine 
runde  Etiketten  mit  möglichst  verklausuliertem  Aufdruck  hindeuten.  Die 
schönste  und  beliebteste  dieser  Inschriften  hat  folgenden  Wortlaut:  „Her¬ 
gestellt  mit  Raffinade,  Wein-  und  Zitronensäure  nach  Mafsgabe  des  Ge¬ 
schmacks,  Capillär sirup,  soweit  er  für  die  Konsistenz  notwendig  ist,  und 
Konditorrot,  wo  Farbe  verlangt  wird“.  Also  ein  ganzer  Roman,  aus  dem 
nur  wenige  Käufer  den  Kern  herausschälen  werden:  „Verfälscht  durch 
Stärkesirup  und  Teerfarbe“.  Der  gröfseren  Vorsicht  halber  wird  aber  selbst 
diese  Etikette  noch  so  angebracht,  dafs  sie  nicht  so  leicht  in  die  Augen  fällt, 
nämlich  unter  dem  Boden  der  Flasche,  und,  wennschon  diese  Manipulation 
vom  hiesigen  Gericht  als  unzulässig  bezeichnet  worden  ist,  ersieht  man  doch 
daraus,  dafs  auch  beim  Bezüge  dieser  Waren  eine  gewisse  Aufmerksamkeit, 
besonders  hinsichtlich  versteckter  Deklarationen,  wohl  angezeigt  erscheint. 

Unter  den  übrigen  Fruchtsäften  spielt,  der  Zitronensaft  die  Haupt¬ 
rolle,  besonders  seitdem  derselbe  von  den  Ärzten  vielfach  zu  sogenannten 
Zitronensaftkuren  gegen  Rheumatismus  empfohlen  wird.  Die  bisher  im 
Untersuchungsamte  gemachten  Erfahrungen  sprechen  dafür,  dafs  die  meisten 
im  Handel  befindlichen  Erzeugnisse  keine  Naturprodukte,  sondern  wäfsrige 
Auflösungen  von  Zitronensäure  darstellen,  und  dafs  überdies  vielfach  Kon¬ 
servierungsmittel  hinzugesetzt  werden,  welche  für  etwaige  Heilzwecke  ge- 
wifs  unerwünscht  sein  dürften.  Interessant  ist  in  dieser  Hinsicht  ein  durch 
Zeitungsannoncen  ausgefochtener  Konkurrenzkampf  zweier  Fabrikanten, 
von  denen  der  eine  für  Abwesenheit  von  Salizylsäure  garantiert,  dafür  aber 
10°/o  Alkohol  zusetzt,  während  der  andere  mit  der  Alkoholfreiheit  seiner 
Erzeugnisse  renommiert,  aber  wohlweislich  den  Salizylsäurezusatz  verschweigt. 
Es  wird  Aufgabe  der  Nahrungsmittelkontrolle  sein,  durch  die  für  nächstes 
Jahr  in  Aussicht  genommene  Überwachung  des  Handels  mit  Zitronensaft 
in  diesen  Verhältnissen  Wandel  zu  schaffen. 

Dafs  auch  fast  alle  sog.  Frucht -Brauselimonaden,  mit  denen  jetzt 
das  Land  überschwemmt  wird,  Kunstprodukte  sind,  dürfte  allgemein  bekannt 
sein.  Ich  beschränke  mich  daher  auf  die  Mitteilung,  dafs  meines  Wissens 
nur  die  Mineralwasserfabrik  von  Dr.  Struve  wirklichen  Himbeersaft  zur 
Herstellung  verwendet,  während  die  meisten  anderen  Erzeugnisse  nichts 
als  parfümiertes  gefärbtes  Sodawasser  darstellen,  welches,  wenn  rot,  Him- 
beerlimonade,  wenn  gelb  Zitronenlimonade  genannt  wird.  Die  zurückhaltende 
Stellung  des  Amtes,  welches  von  einer  Beschäftigung  mit  diesem  Gegen¬ 
stände  bislang  Abstand  genommen  hat,  beruht  auf  einer  ministeriellen 
Anweisung,  bis  zu  einer  bevorstehenden  gesetzlichen  Regelung  von  Bean¬ 
standungen  dieser  Produkte  abzusehen. 

Ähnlich  unklar  liegen  die  Verhältnisse  auch  bei  den  Gemüsekonserven, 
Erbsen,  Bohnen,  bei  den  eingelegten  Gurken  und  mixed  pickles,  welche 


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zur  Vortäuschung  eines  frischen  Aussehens  fast  alle  mit  Kupfersalzen  künst¬ 
lich  grün  gefärbt  werden.  Nach  dem  Wortlaute  des  Farbengesetzes,  welches 
die  Verwendung  aller  gesundheitsschädlichen  Farben,  d.h.  auch  aller  kupfer¬ 
haltigen,  verbietet,  ist  diese  Manipulation  unzulässig,  aber  im  Hinblick  auf 
die  veränderte  Anschauung  über  die  Giftigkeit  des  Kupfers  und  eine  dies¬ 
bezügliche  Ministerial -Verordnung  ist  davon  abgesehen  worden,  der  Be¬ 
urteilung  der  gegrünten  Konserven  dieses  strenge  Gesetz  zu  Grunde  zu 
legen.  Wir  haben  vielmehr  in  jedem  Falle  die  Menge  des  vorhandenen 
Kupfers  bestimmt  und  die  Entscheidung  einer  etwaigen  Gesundheitsschäd¬ 
lichkeit  im  Sinne  von  §12  des  Nahrungsmittelgesetzes  dem  medizinischen 
Sachverständigen  überlassen.  Im  Gegensätze  dazu  ist  von  auswärtigen 
Chemikern  bisweilen  auf  Grund  des  einfachen  qualitativen  Kupfernach¬ 
weises  Beanstandung  ausgesprochen  worden  und  in  solchen  Fällen  von 
seiten  der  hiesigen  Gerichte  aller  Instanzen  Verurteilung  erfolgt.  Nach¬ 
dem  auch  das  Kgl.  Oberlandesgericht  in  seinem  Urteil  vom  23.  Februar 
1903  den  §  1  des  Farbengesetzes  als  zu  Recht  bestehend  und  jeden  Zusatz 
kupferhaltigör  Farben  als  unzulässig  bezeichnet  hat,  müssen  die  Gurken¬ 
händler  mit  der  Tatsache  rechnen,  dafs  zwar  vom  Untersuchungsamte 
eine  mäfsige  Grünung  stillschweigend  geduldet  wird,  dafs  sie  aber  auf 
Grund  anderweitiger  Anzeige  angeklagt  und  bestraft  werden  können. 

Als  Anhang  zu  den  vorgenannten  Konserven  sei  noch  das  sog.  Dörrobst 
erwähnt,  welches  als  Kompott  vielfach  Verwendung  findet.  Allerdings 
meine  ich  nicht  unser  harmloses  deutsches  Backobst,  mit  welchem  die 
Nahrungsmittelkontrolle  sich  nicht  zu  befassen  braucht,  sondern  das  in 
von  Jahr  zu  Jahr  steigenden  Mengen  aus  dem  Auslande  eingeführte  Produkt, 
die  kalifornischen  Aprikosen,  Pfirsiche  und  Birnen,  welche  durch  ihr 
schönes  Aussehen  die  Konsumenten  in  den  Glauben  versetzen,  hier  einmal 
etwas  ganz  Exquisites  zu  erhalten.  In  der  Tat  unterscheiden  sich  ja 
diese  in  allen  Schaufenstern  ausgelegten  Waren  durch  ihre  prachtvolle 
Färbung  sehr  vorteilhaft  von  ihren  unscheinbaren  einheimischen  Ge¬ 
schwistern,  wer  aber  glauben  sollte,  dafs  dieser  äufsere  Glanz  lediglich 
auf  sorgfältige  Trocknung  auserlesenster  Früchte  zurückzuführen  sei, 
würde  sich  in  argem  Irrtum  befinden.  Die  wahre  Ursache  ist  vielmehr 
in  einer  rücksichtslosen  Schwefelung  zu  erblicken,  und  alle  diese  Früchte 
enthalten  demzufolge  kolossale  Mengen  schwefliger  Säure,  also  eines 
Stoffes,  welcher  nach  dem  Gutachten  des  Kgl.  Landesmedizinalkollegiums 
als  gesundheitsschädlich  zu  erachten  ist.  Trotzdem  ist  auf  Vorschlag  des 
Untersuchungsamtes,  um  eine  einseitige  Schädigung  der  hiesigen  Gewerbe¬ 
treibenden  zu  vermeiden,  von  einem  scharfen  Vorgehen  in  Dresden 
zunächst  Abstand  genommen  worden,  und  auch  das  Kgl.  Ministerium  des 
Innern  hat  nach  Gehör  verschiedener  Handelskammern  einen  Höchstgehalt 
von  0,i25°/o  schwefliger  Säure  bis  auf  weiteres  nachgelassen.  Da  aber 
hiermit  die  prinzipiell  ablehnende  Stellung  gegen  diese  Erzeugnisse  keines¬ 
wegs  aufgegeben  worden  ist,  und  auch  die  Leipziger  Handelskammer  den 
beteiligten  Händlern  dringend  nahe  gelegt  hat,  sich  auf  ein  völliges 
Verbot  einzurichten  und  die  ausländischen  Produzenten  nachdrücklich  zur 
Lieferung  ungeschwefelter  Früchte  anzuhalten,  so  steht  doch  zu  hoffen,  dafs 
die  Amerikaner  diese  Art  von  Fabrikation  aufzugeben  gezwungen  werden*). 


*)  Wesentlich  beitragen  dürfte  hierzu  das  kürzlich  ergangene  Urteil  des  Kgl. 
Landgerichts  Köln,  in  welchem  jede  Schwefelung  als  unzulässig  bezeichnet  worden  ist. 


62 


Inzwischen  wird  schon  wieder  über  eine  neue,  noch  gefährlichere 
Konservierungsmethode  aus  Australien  berichtet.  Dort  sollen  die  frischen 
Früchte  mit  Erfolg  dadurch  vor  Schimmel  und  Fäulnis  bewahrt  werden, 
dafs  man  sie  in  den  Versandkisten  mit  Blausäuregas  behandelt.  Gewifs 
ein  recht  radikales  Verfahren,  welchem  aber  die  Nahrungsmittelkontrolle 
kaum  besondere  Sympathien  entgegenbringen  wird. 

Unter  den  narkotischen  Genufsmitteln  haben  Kaffee  und  Tee  trotz 
umfassender  Revisionen  zu  Ausständen  keine  Veranlassung  gegeben, 
eigentlich  wider  Erwarten,  da  sie  früher  Verfälschungen  sehr  häufig  aus¬ 
gesetzt  waren,  und  auch  die  Verfälschung  von  Kakao  und  Schokolade 
geht,  dank  der  Unterstützung  der  reellen  Fabrikantenkreise,  mehr  und 
mehr  zurück.  Zusätze  von  fremden  Fetten,  Schalen  und  Mehl,  welche 
früher  an  der  Tagesordnung  waren,  sind  jetzt  kaum  noch  zu  beobachten. 
Nur  ein  Produkt  der  Schokoladenindustrie  liefs  ein  energisches  Ein¬ 
schreiten  erforderlich  erscheinen,  nämlich  die  sog.  Schokoladenmehle, 
dunkelbraune,  süfsschmeckende  Pulver,  deren  Farbe  unbedingt  in  den 
Käufern  die  Erwartung  hervorrufen  mufste,  gemahlene  Schokolade  zu  er¬ 
halten.  Die  wirkliche  Zusammensetzung  stand  zu  dem  verlockenden 
Namen  in  argem  Widerspruch,  denn  es  handelte  sich  um  nichts  als  Ge¬ 
mische  von  40  °/0  Weizenmehl  und  50  °/0  Zucker  mit  homöopathischen 
Zusätzen  von  Kakao,  die  durch  gemahlenes  Sandelholz  und  einen  braunen 
Teerfarbstoff  künstlich  gefärbt  waren.  Da  diese  künstliche  Färbung 
offenbar  bezweckte ,  den  Gemischen  den  täuschenden  Anschein  echter 
Schokolade  zu  verleihen,  so  wurden  dieselben  als  verfälscht  beanstandet, 
eine  Auffassung,  welche  die  Billigung  der  hiesigen  Gerichte  gefunden  hat. 
Die  Fabrikanten  sind  daher  trotz  anfänglichen  Sträubens  in  sich  gegangen 
und  haben  ihren  Erzeugnissen  statt  des  irreführenden  Namens  die  harm¬ 
losere  Bezeichnung  „Suppenmehl“  beigelegt. 

Besondere  Aufmerksamkeit  hat  das  Untersuchungsamt  auch  den 
Gewürzen  gewidmet,  wie  schon  aus  der  absoluten  Zahl  von  1365  ein¬ 
gelieferten  Proben  hervorgeht,  denn  gerade  diese  Genufsmittel  geben  dem 
Chemiker  tagtäglich  neue  Rätsel  auf,  sie  sind  redende  Zeugen  von  der 
Erfindungskraft  des  menschlichen  Geistes.  Die  unglaublichsten  Dinge 
finden  sich  in  ihnen  vor.  Abfallstoffe  jeglicher  Art,  deren  technische  Ver¬ 
wertung  den  gröfsten  Geistern  unmöglich  schien,  können  in  den  Gewürzen 
zu  Gelde  gemacht  werden.  Die  Kakaoschalen,  dieses  Schmerzenskind  der 
Schokoladenfabriken,  in  denen  sie  sich  zu  Bergen  anhäufen,  als  Zimmt 
haben  wir  sie  wiedergefunden;  auch  gemahlene  Haselnufsschalen,  Zigarren¬ 
kistenholz  und  Eichenlohe  liefern  mit  etwas  Eisenocker  aufgefärbt  noch 
einen  „ganz  hübschen  Zimmt“.  Als  Zusätze  zum  Pfeffer  fanden  sich 
Prefsrückstände  der  Ölgewinnung:  Palmkernmehl,  Olivenkerne,  ferner 
Rapskuchenmehl,  Mohnsamen,  Senfmehl  u.  a. 

Das  wichtigste  Hilfsmittel  zur  Erkennung  derartiger  pflanzlicher  Bei¬ 
mengungen  zu  Gewürzen  ist  das  Mikroskop,  welches  einen  schnellen  Auf- 
schlufs  darüber  gibt,  ob  einer  stärkefreien  Droge  stärkehaltige  Ver¬ 
fälschungsmittel  zugesetzt  sind,  ob  ein  Pfeffer  Palmkernmehl  enthält  und 
dergl.  mehr.  Auf  alle  Fragen  gibt  es  aber  keine  Antwort,  so  besonders, 
ob  ein  Gewürz  durch  Destillation  oder  Extraktion  seines  wertbestimmenden 
Bestandteils,  des  ätherischen  Öles  beraubt  worden  ist;  in  solchen  Fällen 
mufs  die  chemische  Reaktion  und  Analyse  zu  Hilfe  kommen.  Leider 
versagt  das  Mikroskop  auch  bei  der  häufigsten  und  gefährlichsten  Ver- 


63 


fälschung  des  Pfeffers  durch  Pfefferschalen,  da  nicht  nur  jeder  schwarze 
Pfeffer  Schalen  enthält,  sondern  überdies  die  Menge  derselben  je  nach 
Herkunft  und  Sorte  grofsen  Schwankungen  unterliegt.  Nur  durch  ein¬ 
gehende  Untersuchung:  Bestimmung  der  Holzfaser,  der  Stärke,  der  Blei¬ 
zahl  und  des  Piperins  gelingt  es,  zu  einem  sicheren  Resultate  zu  ge¬ 
langen.  Umfassende  Revisionen  waren  daher  erforderlich,  bevor  einiger- 
mafsen  befriedigende  Zustände  erreicht  werden  konnten,  aber  zur  Zeit 
lafst  sich  doch  behaupten,  dafs  verfälschte  Pfeffer  und  Zimmte  im  Dresdner 
Verkehr  zu  den  gröfsten  Seltenheiten  gehören. 

Von  weiteren  Gewürzen  erwähne  ich  noch  den  Safran,  der  bei 
seiner  Kostbarkeit  —  1  Kilogramm  kostet  bis  zu  250  Mark  —  Ver¬ 
fälschungen  besonders  lohnend  erscheinen  läfst.  Der  Safran  besteht 
lediglich  aus  den  Narben  des  Crocus  sativus,  eines  unserer  Frühlings¬ 
blume  verwandten  Zwiebelgewächses,  welches  in  Griechenland  und  Klein¬ 
asien  zu  Hause  ist;  jede  Blüte  mufs  einzeln  gepflückt  und  ihrer  dreiteiligen 
Narbe  beraubt  werden.  Zur  Verfälschung  dienen  ähnlich  aussehende 
Teile  anderer  wertloser  Blüten,  besonders  von  Kompositen,  wie  Ringel¬ 
blume  und  Saflor,  die  überdies  noch  häufig  durch  Mineralstoffe,  wie 
Borax,  Schwerspat  usw.,  beschwert  werden.  Ihr  Nachweis  bietet  dem 
Chemiker  keine  Schwierigkeit  dar ,  aber  auch  der  Laie  kann  sich 
durch  eine  leicht  ausführbare  Vorprobe  ein  ungefähres  Urteil  verschaffen. 
Verstäubt  er  eine  kleine  Probe  auf  einem  mit  Wasser  bedeckten  Teller, 
so  umgibt  sich  jedes  echte  Safranteilchen  mit  einem  rein  gelben  Hof, 
während  Verfälschungsmittel  farblos  bleiben  oder  eine  andere  Farbe  an¬ 
nehmen.  In  gleicher  Weise  zeigen  auf  konzentrierter  Schwefelsäure  ver¬ 
stäubte  Safranpartikel  blaue  Strömchen  Von  den  im  Untersuchungsamte 
entdeckten  Falsifikaten  bestand  das  interessanteste  aus  künstlich  gefärbtem 
und  parfümiertem  Kochsalz,  während  eine  andere  Probe  neben  etwas 
wirklichem  Safran  vorwiegend  Saflor  und  gemahlenes  Sandelholz  enthielt. 
Die  Menge  des  letzteren  kann  durch  Ermittelung  des  Rohfasergehaltes 
annähernd  bestimmt  werden. 

Die  Macis,  d.  i.  der  Samenmantel  der  echten  Muskatnufs,  welcher 
auch  wohl  Muskatblüte  genannt  wird,  erhält  vielfach  Beimischungen  von 
Maismehl  und  gemahlenem  Zwieback,  also  offenbaren  Verfälschungs¬ 
mitteln,  welche  jeder  Richter  als  solche  beurteilt.  Schwieriger  ist  hin¬ 
gegen  der  Kampf  gegen  einen  anderen  Zusatz,  welchen  ich  hauptsächlich 
als  Beispiel  für  das  Raffinement  erwähne,  mit  welchem  heutzutage  Um¬ 
gehungen  des  Gesetzes  versucht  werden.  Wie  bei  den  meisten  Kultur¬ 
pflanzen  gibt  es  auch  beim  Muskatbaum  wildwachsende  Varietäten,  welche 
neben  ähnlichem  Habitus  auch  ganz  analog  geformte  Früchte  und  einen 
gleich  aussehenden  Samenmantel  besitzen.  Der  Unterschied  ist  nur  der, 
dafs  dieser  Samenmantel  kein  Aroma  hat  und  als  Würzstoff  ganz  wertlos 
ist;  er  verhält  sich  zum  echten,  wie  etwa  ein  Holzapfel  zum  Apfel  oder 
eine  Schlehe  zur  Pflaume.  Der  Zusatz  dieses  Stoffes,  für  welchen  man 
den  schönen  Namen  „Bombay- Macis“  erfunden  hat,  bedeutet  zweifellos 
eine  Verschlechterung,  d.  h.  eine  Verfälschung  der  echten  oder  „Banda- 
Macis“;  aber  der  Verkauf  verfälschter  Nahrungsmittel  ist  ja  nur  strafbar, 
wenn  er  unter  Verschweigung  dieses  Umstandes  erfolgt.  Also  wird  der 
Zusatz  deklariert  und  auf  der  Verpackung  die  Inschrift:  „Reingemahlene 
Macisblumen  aus  Banda-  und  Bombay -Macis“  angebracht.  Nun  weifs 
zwar  kein  Konsument,  dafs  Bombay- Macis  völlig  wertlos  ist;  für  den 


64 


Fall  aber,  dafs  doch  einer  mifstrauisch  werden  sollte,  dient  die  weitere 
Angabe  „Garantie  für  Reinheit“  zur  Beruhigung.  Trotzdem  hier  nach 
diesseitiger  Ansicht  das  typische  Beispiel  einer  zur  Täuschung  geeigneten 
Bezeichnung  vorlag  und  das  Schöffengericht  sich  dieser  Auffassung 
anschlofs ,  hat  das  Kgl.  Landgericht  die  Deklaration  als  ausreichend 
erachtet. 

Zahlreiche  andere  Gewürze  wie  Piment,  Nelken,  Paprika  wurden 
angetroffen,  welche  durch  Extraktion  ihres  ätherischen  Öles  beraubt 
waren,  und  der  Umstand,  dafs  mehr  als  100  zum  Teil  ganz  grob  ver¬ 
fälschte  Gewürze  beanstandet  werden  mufsten,  läfst  erkennen,  welche 
Zustände  auf  diesem  Gebiete  früher  geherrscht  haben  mögen. 

Es  bleibt  mir  nun  noch  die  Aufgabe,  mit  wenigen  Worten  auf  die  bei 
Untersuchung  der  alkoholischen  Getränke  gemachten  Erfahrungen  ein¬ 
zugehen.  Beim  Branntwein  hat  die  Entnahme  von  198  Proben  den  Er¬ 
folg  gehabt,  den  Gebrauch  der  sog.  Branntweinschärfen  oder  Ver¬ 
stärkungsessenzen  zu  beseitigen.  Die  billigeren  Schnäpse,  welche  meist 
nichts  als  verdünnten  Spiritus  darstellen,  und  deren  Wert  lediglich  von 
ihrem  Alkoholgehalte  abhängt,  wurden  vielfach  mit  scharf  schmeckenden 
Pflanzenauszügen  von  Paprika,  Pfeffer  u.  a.  vermischt,  um  durch  das  ver¬ 
ursachte  Kratzen  im  Halse  den  Trinker  in  den  Glauben  zu  versetzen,  dafs 
er  einen  recht  kräftigen  Branntwein  erhalte.  Hier  lag  natürlich  die  Vor¬ 
täuschung  einer  besseren  Beschaffenheit  vor,  welche  von  den  Gerichten 
als  Verfälschung  beurteilt  worden  ist. 

Im  Gegensatz  zu  diesem  Erfolge  haben  sich  die  Verhältnisse  im  Ver¬ 
kehr  mit  Kognak,  Rum  und  anderen  Qualitätsbranntweinen  im  Laufe 
der  Jahre  immer  weiter  verschlechtert.  Der  normale  Begriff  des  Kognaks 
insbesondere  hat  sich  gänzlich  verschoben,  und  von  einem  „reinen  Wein¬ 
destillat“  ist  diese  Perle  der  Schnäpse  zu  einem  „mit  Hilfe  von  Wein¬ 
destillat  hergestellten  Trinkbranntweine“  herabgesunken,  d.h.  in  vielen  Fällen 
nichts  als  ein  aromatisierter,  gelb  gefärbter  Kartoffelspiritus.  Da  kann 
es  denn  nicht  wunder  nehmen,  dafs  die  Fabrikation  auf  kaltem  Wege, 
d.  h.  aus  künstlichen  Essenzen,  zusehends  Boden  gewinnt.  In  vielen  Schau¬ 
fenstern  hiesiger  Geschäfte  finden  sich  Reklameplakate  Berliner  Firmen 
ausgehängt,  nach  welchen  jedermann  durch  Zusatz  von  einer  Flasche  Essenz 
drei  Liter  Sprit  in  feinen  französischen  Kognak  verwandeln  kann,  und  dafs 
solche  Produkte  zur  Herstellung  von  Kognak  tatsächlich  Verwendung 
finden,  haben  wir  mehrfach  feststellen  können.  Trotzdem  wurde  von 
einem  amtlichen  Einschreiten  gegen  derartige,  nach  unserer  Überzeugung 
als  nachgemacht  zu  beurteilende  Erzeugnisse  abgesehen,  weil  der  Erfolg 
bei  der  Stellungnahme  zahlreicher  Sachverständiger  und  der  durch  sie 
beeinflufsten  Rechtsprechung  sehr  problematisch  erschien.  Aufserdem  liegt 
die  Abstellung  des  beregten  Übelstandes  weit  mehr  im  Interesse  der  Fabri¬ 
kanten  selbst  als  der  Gesundheitspflege,  so  dafs  den  ersteren  unbedenklich 
die  Initiative  überlassen  werden  kann. 

Bei  dem  Nationalgetränk  der  Deutschen  hat  das  Untersuchungsamt, 
um  zunächst  einen  Überblick  über  die  Dresdner  Bierverhältnisse  zu  ge¬ 
winnen,  im  Jahre  1899  sämtliche  hier  zum  Ausschank  gelangende  Biere  einer 
eingehenden  Analyse  unterzogen.  Es  waren  das  überraschenderweise  nicht 
weniger  als  157  verschiedene  Sorten,  nämlich  45  einfache  Biere,  5  andere 
obergärige  Biere,  wie  Berliner  Weifse,  Gose,  Grätzer,  Lichtenhainer,  18  Lager¬ 
biere,  9  Biere  nach  böhmischer  und  19  nach  bayrischer  Art,  10  echte  böh- 


65 


mische,  29  echte  bayrische  Biere,  7  hiesige  Bock-  und  Märzenbiere,  8  Porter¬ 
und  Gesundheitsbiere.  Während  die  einfachen  Biere  bei  einem  Alkohol¬ 
gehalt  von  0,8 — 2°/o  4 — 6°/0  Stammwürze  enthielten,  waren  die  entsprechen¬ 
den  Zahlen  bei  Lagerbier:  31/2°/0  Alkohol  und  11 — 12 °/0  Stammwürze,  bei 
böhmischen  Bieren  d1/^  Alkohol  und  10 — 12°/0  Stammwürze  und  bei 
den  echten  Münchner  Bieren  3l/2 — 41/2° j0  Alkohol  und  13  — 15 °/0  Stamm¬ 
würze.  Als  schwerste  Getränke  folgen  schliefslich  die  echten  Kulmbacher 
und  die  Biere  nach  Kulmbacher  Art,  welche  bei  14 — 17°/0  Stammwürze 
nicht  weniger  als  4 — 5°/0  Alkohol  enthalten.  Wenn  ich  endlich  noch  die 
obergärigen  Biere  erwähne:  Berliner  Weifse  1,96 °/0  Alkohol  (5,89°/o  Stamm¬ 
würze),  Grätzer  2,21  (7.34),  Lichtenhainer  2,37  (8,51),  Döllnitzer  Gose  2,44 
(8,21),  Zerbster  Bitterbier  2,78  (12,37)  und  Köstritzer  Schwarzbier  3,36°/o 
Alkohol,  so  geschieht  dies  nur,  um  zu  zeigen,  dafs  wir  auch  in  diesen  als 
durchaus  harmlos  geltenden  Getränken  ganz  hübsche  Mengen  Alkohol  zu 
uns  nehmen.  Zu  einer  Beanstandung  gab  keine  der  untersuchten  Proben 
Anlafs,  da  nicht  nur  die  bayrischen  Biere  in  vorschriftsmäfsiger  Weise 
lediglich  aus  Hopfen  und  Malz  hergestellt  waren,  sondern  auch  die  in 
Dresden  erzeugten  sich  als  frei  von  Surrogaten  erwiesen,  trotzdem  hier  im 
Reichsbrausteuergebiete  die  Verwendung  von  Ersatzmitteln  des  Malzes, 
wie  Stärke,  Reis,  Mais  und  Zucker,  durchaus  erlaubt  ist.  Bei  dieser  Sach¬ 
lage  würde  der  Erlafs  eines  allgemeinen  Surrogatverbotes,  welchem  die 
süddeutschen  Biere  ihren  hohen  Ruf  im  Auslande  verdanken,  auch  bei 
uns  auf  keine  nennenswerten  Schwierigkeiten  stofsen,  und  in  der  Tat  haben 
die  gröfseren  sächsischen  Brauereien  sich  mit  einer  solchen  Mafsnahme  durch¬ 
aus  einverstanden  erklärt. 

Wenn  bei  den  geschilderten  Verhältnissen  von  einer  Überwachung  der 
Schankbiere  vollständig  abgesehen  werden  konnte,  so  machten  einige  Spe¬ 
zialitäten  von  Flaschenbieren  der  Nahrungsmittelkontrolle  dafür  um  so 
gröfsere  Arbeit.  In  erster  Linie  ist  hier  des  Mifsbrauchs  zu  gedenken, 
dafs  die  kleineren  Winkelbrauereien  ganz  gewöhnliche  mit  Zucker  versüfste 
einfache  Biere  unter  hochtrabenden  Namen  wie  Malzextrakt-Gesund¬ 
heitsbier  u.  a.,  vielfach  sogar  in  mit  dem  roten  Sanitätskreuz  geschmückten 
Flaschen  verkauften,  trotzdem  derartige  Bezeichnungen  in  dem  Publikum 
natürlich  ganz  falsche  Vorstellungen  erregen  mufsten.  Erst  seitdem  das 
Kgl.  Landgericht  im  Sinne  der  vom  Untersuchungsamt  vertretenen  Auf¬ 
fassung  entschieden  hat,  dafs  unter  Malzbieren  nur  besonders  malzreiche, 
unter  Ausschlufs  von  Surrogaten  hergestellte  Biere  verstanden  werden,  ist 
dieser  Unfug,  durch  welchen  besonders  die  ärmeren  Leute  geschädigt  wurden, 
aufgegeben  worden. 

Weniger  günstig  hat  die  Nahrungsmittelkontrolle  mit  ihrem  Einschreiten 
gegen  die  im  hiesigen  Handel  befindlichen  saccharinhaltigen  Biere 
abgeschnitten.  Nach  dem  Gesetz  vom  15.  Juli  1898  war  bekanntlich  die 
Verwendung  künstlicher  Süfsstoffe  bei  der  Herstellung  von  Bier  verboten; 
ein  besonders  gewiegter  Fabrikant  fand  aber  einen  Ausweg  zur  Umgehung 
des  Gesetzes,  indem  er  nicht  einfachem  Bier,  sondern  einem  Gemisch  von 
Kulmbacher  Bier  und  Wasser  eine  saccharinhaltige  Zuckerkuleur  zusetzte. 
Im  Gegensatz  zu  der  Ansicht,  dafs  auch  für  solche  Gebräue  nach  der  Ab¬ 
sicht  des  Gesetzgebers  Saccharin  verboten  sein  sollte,  schlofs  das  Gericht 
sich  dem  Gutachten  anderer  Sachverständigen  an  und  erklärte  diese  Ge¬ 
tränke  nicht  für  Bier,  sondern  für  bierähnlich  und  den  Saccharinzusatz 
somit  für  erlaubt.  Die  Folge  war,  dafs  der  Erfinder  dieser  „bierähnlichen 


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Getränke“  kolossale  Geschäfte  machte  und  in  einem  Jahre  zirka  60000  Fla¬ 
schen  zum  Preise  von  150000  Mark  verkaufte;  aber  ganz  vergeblich  ist 
der  Kampf  doch  nicht  gewesen,  denn  diese  Erzeugnisse  haben  wesentlich 
zum  Erlafs  des  neuen  Süfsstoffgesetzes  mit  beigetragen,  das  sich  hoffentlich 
als  wirksamer  erweisen  wird. 

Von  weiteren  wichtigen  Entscheidungen  der  hiesigen  Gerichte  erwähne 
ich  noch  das  vom  Oberlandesgericht  bestätigte  Urteil  der  4.  Strafkammer, 
durch  welches  ein  auswärtiger  Hotelbesitzer  zu  300  Mark  Geldstrafe  ver¬ 
urteilt  wurde,  weil  er  dem  frischen  Stoff  Tropf-  und  Restbier  zugesetzt 
hatte.  So  selbstverständlich  jedem  Biertrinker  die  Unzulässigkeit  einer 
derartigen  ekelhaften  Manipulation  erscheinen  wird,  bedurfte  es  doch  einer 
eingehenden  chemischen  Begründung,  um  den  Einwänden  der  Verteidigung 
gegenüber  die  Verfälschung  darzutun.  Alles  in  allem  wurden  seit  der 
Gründung  des  Amtes  273  Biere  untersucht  und  62  beanstandet. 

Die  Untersuchung  von  Wein,  welche  zur  Beanstandung  von  29  unter 
95  eingelieferten  Proben  führte,  bat  durchschlagende  Erfolge  nicht  gezeitigt, 
weil  es  zur  Zeit  kaum  möglich  ist,  ein  geschickt  dargestelltes  Kunstprodukt 
auf  chemischem  Wege  zu  erkennen.  Es  mufs  daher  abgewartet  werden, 
ob  die  durch  das  neue  Weingesetz  eingeführte  Kellerkontrolle  Besserung 
herbeizuführen  vermag. 

Wenn  ich  hiermit  meine  Ausführungen  beschliefse,  so  bin  ich  mir  der 
Lückenhaftigkeit  derselben  wohl  bewufst,  aber  ich  hoffe,  doch  wenigstens 
einen  ungefähren  Überblick  über  das  Wesen  und  die  Bestrebungen  der 
Dresdner  Nahrungsmittelkontrolle  gegeben  zu  haben.  Zweifellos  bleibt  noch 
gar  manches  zu  tun  übrig,  denn  nur  die  gröbsten  Verfälschungen  konnten 
bis  jetzt  beseitigt  werden.  Aber  es  ist  doch  andererseits  auch  zu  berück¬ 
sichtigen,  dafs  das  Untersuchungsamt  erst  sieben  Jahre  besteht  und  jede 
Überhastung  und  Nervosität  vermeiden  mufs.  Einflufsreiche  Gegner  setzen 
jedem  weiteren  Vordringen  der  behördlichen  Fürsorge  für  den  Lebens¬ 
mittelverkehr  zähen  Widerstand  entgegen,  seien  es  nun  Kreise  der  Land¬ 
wirtschaft,  wenn  es  sich  um  die  Regelung  der  Milchversorgung  handelt, 
seien  es  Angehörige  des  Handels,  wenn  eine  Beschränkung  des  Verkehrs 
mit  gangbaren  Handelsartikeln,  oder  Vertreter  der  Industrie,  sobald  die 
Bekämpfung  eingerissener  Fabrikationsmifsbräucbe  in  Frage  kommt.  Schritt 
für  Schritt  mufs  daher  neues  Terrain  erkämpft  und  das  eroberte  fest¬ 
gehalten  werden,  denn  in  der  Sympathie  des  Publikums,  in  dessen  Interesse 
die  Nahrungsmittelkontrolle  tätig  ist,  findet  sie  kaum  irgend  welchen  Rück¬ 
halt.  Vielmehr  steht  die  grofse  Masse  der  Konsumenten  ihren  Bestrebungen 
gleichgültig  und  verständnislos  gegenüber.  Sie  mufs  sich  daher  trösten 
mit  dem  Bewufstsein,  dafs  sie  dieses  Odium  mit  allen  Zweigen  und  Be¬ 
strebungen  der  Gesundheitspflege,  welche  alt  eingewurzelte  Gewohnheiten 
zu  beseitigen  suchen,  teilt.  Sie  mufs  unbekümmert  um  Lob  oder  Tadel 
ihren  Weg  gehen,  stets  nach  dem  Grundsätze:  Zum  Wolile  der  All¬ 
gemeinheit! 


VIII.  Über  neolithische  Ansiedelungen  in  der  Umgebung 

yon  Lommatzsch. 

Von  J.  Hottenroth  in  Gersdorf. 


Seit  drei  Jahren  durchsuche  ich  die  Umgegend  von  Lommatzsch  nach 
neolithischen  Altertümern.  Es  ist  mir  bei  meinen  Streifzügen  bisher  ge¬ 
lungen,  vier  Ansiedelungen  der  jüngeren  Steinzeit  mit  Bestimmtheit  fest¬ 
zustellen,  wenigstens  glaube  ich  bei  zahlreichen  Funden  von  Scherben  mit 
Stichband- und  Linearbandornamenten,  Steinbeilen  und  Feuersteinartefakten 
von  Bestimmtheit  reden  zu  dürfen. 

Es  sind  dies  die  Herdstellen  bei  Birmenitz,  Jessen,  Mettel witz 
und  Mertitz.  An  vier  anderen  Orten  sind  von  Feldbesitzern  und  mir 
ebenfalls  verschiedene  Funde  gemacht  worden,  die  vermuten  lassen,  dafs 
an  den  betreffenden  Stellen  auch  Niederlassungen  waren;  nur  habe  ich 
dort  noch  nicht  die  oben  erwähnten  Beste  der  Bandkeramik  auffinden 
können,  die  solche  Stätten  erst  sicher  als  neolithische  Herdstellen  kenn¬ 
zeichnen.  Die  hier  in  Frage  kommenden  Fundstellen  liegen  auf  den 
Fluren  von  Neckanitz,  Poititz,  Schwochau  und  Mettelwitz,  letztere 
ca.  800  m  südlich  von  den  schon  oben  erwähnten  Herdstellen  I  in  Mettel¬ 
witz  und  ca.  200  m  südöstlich  von  denen  bei  Mertitz. 

Am  ergiebigsten  war  bisher  die  Niederlassung  hei  Birmenitz.  Die¬ 
selbe  zieht  sich  westlich  des  Dorfes  auf  beiden  Seiten  des  Fufsweges  nach 
Lützschnitz  auf  einem  mäfsig  hohen  Hügel  hin.  Yon  Ost  nach  West  be¬ 
trägt  ihre  Ausdehnung  ca.  800  m,  von  Süden  nach  Norden  ca.  500  m. 
Auf  allen  Seiten  wird  sie  von  sumpfigen  Niederungen  umgeben,  die  reich 
an  Quellen  sind.  Die  Nähe  von  Quellen  scheint  überhaupt  dem  neo¬ 
lithischen  Menschen  bei  Wahl  eines  Wohnplatzes  die  erste  Bedingung  ge¬ 
wesen  zu  sein,  denn  auch  alle  die  andern  von  mir  aufgefundenen  Nieder¬ 
lassungen  liegen  in  unmittelbarer  Nähe  von  solchen. 

Im  Süden  und  Westen  unserer  Herdstellen  finden  wir  den  wasser¬ 
reichen  „Schieritz“,  im  Osten  und  Norden  das  Birmenitzer  Wässerchen. 
Der  einzige  Zugang  ist  im  Südosten  gelegen,  nach  der  uralten  Strafse 
hin,  die  von  Zwenkau,  Grimma,  Schrebitz  über  den  Querwall  auf  dem 
Burgberg  zu  Zschaitz  nach  Lommatzsch  führt.  Vielleicht  reichen  die 
Uranfänge  dieses  Weges  bis  in  die  Steinzeit  zurück. 

Nach  der  sichtbaren  Brandasche  konnte  Professor  Dr.  J.  Deich - 
müller  Ostern  1903  in  Birmenitz  18  Herdgruben  feststellen.  Seitdem 
sind  aber  mindestens  noch  15  bis  20  andere  sichtbar  geworden. 

Bisher  hat  man  auf  den  Feldern  bei  Birmenitz  sieben  vollständige 
Steingeräte  mit  Schaftloch  aufgesammelt,  von  denen  zwei  gut  erhaltene 


68 


Exemplare  in  meinem  Besitze  sind.  Aufserdem  habe  ich  von  hier  noch 
sechs  Hälften  und  eine  Anzahl  kleinerer  Bruchstücke  solcher  Geräte,  die 
die  drei  bekannten  Typen  zeigen:  beilförmig,  das  Schaftloch  nahe  dem 
breiten  Ende;  hammerartig  mit  breiterer  Schneide  und  Schaftloch  in  der 
Mitte;  hammerförmig  mit  beiderseits  abgerundeten  Enden  und  Schaftloch 
in  der  Mitte. 

Sehr  häufig  sind  Beile  ohne  Bohrung.  Ich  besitze  von  Birmenitz  7  sehr 
gut  erhaltene  und  14  mehr  oder  weniger  beschädigte  Exemplare.  Merkwürdig 
ist,  dafs  die  kleinen,  zungenförmigen  Beilchen,  die  in  anderen  Niederlassungen 
so  häufig  gefunden  werden,  hier  fast  gar  nicht  Vorkommen.  Die  Birmenitzer 
Flachbeile  sind  fast  alle  über  10  cm  lang  und  entsprechend  breit.  Ich 
besitze  eins,  welches  sogar  24  cm  lang  und  9  cm  breit  ist.  Man  könnte 
auch  hier  drei  Typen  unterscheiden :  Beile  mit  einer  abgerundeten  und 
einer  ebenen  Seitenfläche,  die  quer  zum  Schafte  befestigt  wurden  (Hacken); 
Beile,  die  auf  beiden  Seitenflächen  flach  gewölbt  sind;  dicke,  meifsel- 
förmige  Beile. 

Alle  die  bisher  erwähnten  Artefakte  sind  aus  Amphibolschiefer  ge¬ 
arbeitet,  mit  Ausnahme  eines  sehr  grofsen  Beiles  mit  Bohrung,  welches  aus 
feinkörniger  Grauwacke  besteht,  eines  Bruchteiles  von  einem  sog.  Schuh¬ 
leisten,  der  aus  Basalt,  und  des  eben  erwähnten  sehr  grofsen  Flach¬ 
beiles,  das  aus  quarziger  Grauwacke  hergestellt  worden  ist. 

Reich  ist  in  Birmenitz  auch  die  Ausbeute  an  Feuersteinartefakten, 
namentlich  an  Feuersteinspänen.  Besonders  erwähnt  soll  nur  ein  solcher 
sein,  der  völlig  unversehrt  aufgefunden  wurde  und  der  eine  Länge  von 
12  cm  besitzt.  Beim  Absuchen  der  Felder  fand  ich  im  Frühjahre  1903 
auch  eine  sehr  schön  gearbeitete  und  sehr  gut  erhaltene  Pfeilspitze  von 
Feuerstein. 

Behausteine,  oft  sehr  sorgsam  bearbeitet,  sind  nicht  selten,  ebenso 
Reibschalen.  Michaelis  1903  habe  ich  eine  solche  geborgen,  die  aus 
einem  erratischen  Granitblock  gefertigt  ist.  Trotzdem,  dafs  Teile  davon 
abgebrochen  sind,  hat  sie  noch  immer  ein  Gewicht  von  40  kg. 

An  sonstigen  Funden,  die  in  Birmenitz  gemacht  worden  sind,  seien 
noch  angeführt:  ein  Steinmeifsel,  vortrefflich  erhalten,  zwei  Spinnwirtel 
und  ein  Zahn  eines  Wildpferdes. 

Reich  ist  natürlich  hier  auch  die  Ausbeute  an  Gefäfsresten,  namentlich 
an  solchen  mit  Stichband-  und  Linearbandornamenten.  Eigentümlich  ist, 
dafs  map  neben  den  Resten  von  Bandkeramik  stets  Scherben  findet,  die 
grofse  Ähnlichkeit  mit  Bruchstücken  von  Urnen  des  Lausitzer  Typus 
haben.  Sie  sind  dick  und  aus  einem  groben,  mit  Quarzstücken  ver¬ 
mischten  Material  hergestellt.  Alle  entstammen  aufserordentlich  grofsen 
Gefäfsen.  Ich  habe  dieselbe  Erscheinung  auch  in  andern  Herdstellen, 
namentlich  in  denen  von  Mettelwitz  und  Mertitz  beobachtet.  Meiner 
Ansicht  nach  —  wenn  ich  als  Laie  überhaupt  über  solche  Dinge  eine 
Ansicht  aussprechen  darf  —  gehören  auch  diese  Bruchstücke  der  Steinzeit 
an,  und  zwar  halte  ich  sie  für  Reste  von  Vorratsgefäfsen,  während  die 
dünnwandigen,  aus  schwarzgefärbtem,  feingeschlemmtem  Ton  hergestellten, 
mit  Bandornamenten  verzierten  Scherben  von  Töpfen  stammen,  die  zum 
täglichen  Gebrauch  bestimmt  waren. 

Interessant  sind  mir  besonders  die  in  Birmenitz  häufigen  Henkel¬ 
fragmente  der  neolithischen  Gefäfse,  welche  die  verschiedensten  Formen 
zeigen. 


69 


Die  Jessener  Herdstelien  liegen  westlich  des  Dorfes  an  der  Strafse 
Jessen -Wauden.  Sie  reichen  im  Westen  bis  an  ein  kleines  Quellflüfschen, 
das  auf  Pitschützer  Flur  in  die  Köppritz  mündet.  Im  Osten  wurden  sie 
jedenfalls  früher  von  dem  Jessener  Wässerchen  begrenzt.  Jetzt  steht  auf 
ihrem  östlichen  Flügel  ein  Teil  des  Dorfes  Jessen. 

Auch  diese  Niederlassung  ist  bisher  sehr  ergiebig  gewesen.  Von  hier 
besitzt  das  Kgl.  Prähistorische  Museum  in  Dresden  einige  Funde  von 
Steingeräten.  Ich  habe  von  Jessen  vier  Steinbeile  mit  Schaftloch;  merk¬ 
würdiger  Weise  ist  bei  dreien  die  Bohrung  nicht  vollständig  durch¬ 
geführt.  Zahlreiche  Flecken  von  Brandasche  waren  auch  hier  im  Herbste 
1903  sichtbar. 

Die  Niederlassung  I  bei  Mettelwitz  zieht  sich  auf  einer  kleinen  An¬ 
höhe  hin,  ca.  100  m  vom  Ketzerbache  (Lommatzsch)  entfernt.  Jetzt  wird 
sie  von  der  Strafse  Rafslitz-Zöthain  durchschnitten.  Im  Süden  begrenzt  sie 
die  Strafse  Mertitz-Mettelwitz.  Vereinzelte  Hütten  müssen  auch  auf  dem 
Felsen  gestanden  haben,  auf  dem  später  die  Zöthainer  Schanze  errichtet 
wurde,  denn  dort  oben  wurden  ein  Steinbeil  mit  halbfertiger  Bohrung,  zwei 
guterhaltene  Flachbeile  und  zahlreiche  Feuersteinspäne  gefunden.  Flecken 
von  Brandasche  sind  in  der  Mettelwitzer  Niederlassung  nicht  mehr  sichtbar. 
Ziemlich  häufig  sind  aber  Scherben  mit  Bandornamenten.  Hier  zeigt  sich 
dieselbe  Erscheinung  wie  in  Birmenitz,  dafs  sich  neben  dünnwandigen  Bruch¬ 
stücken  dicke,  grobe  Scherben  finden,  die  man  für  Teile  von  Lausitzer 
Urnen  halten  könnte.  Yor  allem  habe  ich  auch  hier  sehr  schöne  Henkel¬ 
fragmente  von  den  verschiedensten  Formen  gefunden.  Bisher  sind  mir 
folgende  Typen  vorgekommen:  Warze  oder  Doppelwarze,  Zitze,  Nase, 
Buckel  und  Doppelbuckel,  abgestumpfter  Kegel,  Knopf,  Schnuröse  und 
Bogenhenkel;  andere  sind  dadurch  hergestellt,  dafs  in  die  noch  feuchten 
Topfwände  mit  Zeigefinger  und  Daumen  zwei  Eindrücke  gemacht  wurden, 
zwischen  denen  ein  kleiner  Wall  steht.  Vielfach  ist  die  Gefäfswand 
zum  Durchziehen  einer  Schnur  durchbohrt  worden.  Die  Ausbeute  an 
Stein waffen  war  etwas  dürftig,  was  auch  nicht  zu  verwundern  ist,  da 
der  Lommatzscher  Bauer  eine  Ehre  darin  sucht,  seine  Felder  soviel  als 
möglich  steinfrei  zu  machen.  Darum  läfst  er  jedes  Frühjahr  eine  grofse  Razzia 
auf  alles  Feldgerölle  abhalten.  Mit  diesem  werden  natürlich  auch  alle  Stein¬ 
artefakte  abgelesen  und  mit  zur  Ausbesserung  der  Feldwege  benutzt,  wo 
sie  dann  ein  schmähliches  Ende  finden.  Im  günstigsten  Falle  wandert 
ein  besonders  auffallendes  Stück  auf  das  Scheunenfenster  eines  Bauern¬ 
hofes,  wo  es  verstaubt  und  schliefslich  verloren  geht.  Die  vielen  Funde 
in  Birmenitz  und  Jessen  verdanke  ich  nur  dem  sehr  tiefen  Umarbeiten 
der  dortigen  Fluren. 

Auf  der  Mettelwitzer  Niederlassung  habe  ich  gefunden  aufser  den 
schon  erwähnten  Artefakten  von  der  Zötheiner  Schanze:  zwei  Hälften  von 
Beilen  mit  Schaftloch,  fünf  vollständige,  kleine  Flachbeile,  ein  grofses, 
etwas  defektes  Flachbeil,  verschiedene  Bruchstücke  von  Beilen  mit  und 
ohne  Schaftloch  und  einen  Spinnwirtel. 

Südlich  schliefsen  sich  nun  an  die  Mettelwitzer  Herdstellen,  nur 
durch  den  Hohlweg  getrennt,  in  welchem  die  Strafse  Mertitz -Mettelwitz 
hinführt,  die  von  Mertitz  an.  Da  dieser  Hohlweg  jedenfalls  erst  in 
späterer  Zeit  hergestellt  worden  ist,  so  könnte  man  vielleicht  die  Mertitzer 
Niederlassung  als  eine  Fortsetzung  der  Mettelwitzer  ansehen.  Sie  zieht 
sich  auf  dem  Ostabhange  der  quellenreichen  Mertitzer  „Gebind“  hin. 

** 


70 


Im  Südosten,  vielleicht  200  m  von  ihr  entfernt,  liegt  die  Mettelwitzer 
Niederlassung  II.  Auch  sie  hat  offenbar  früher  im  Zusammenhänge  mit 
der  von  Mertitz  gestanden,  obwohl  sich  dieser  Zusammenhang  jetzt  nicht 
mehr  nachweisen  läfst.  Sehen  wir  die  Wohnplätze  Mettelwitz  I,  Mertitz 
und  Mettelwitz  II  als  zusammengehörig  an,  so  erhalten  wir  eine  Nieder¬ 
lassung  von  ca.  1000  m  im  Durchmesser. 

In  Mertitz  waren  Michaelis  1903  eine  grofse  Anzahl  von  Brandflecken 
sichtbar.  Beim  Ausgraben  einiger  derselben  habe  ich  etliche  der  charak¬ 
teristischen  Herdstellenscherben,  ebenso  wieder  die  unvermeidlichen  dick¬ 
wandigen  Bruchstücke  sehr  grofser  Urnen  gefunden.  Steinwaffen  sind 
hier,  aufs  er  Feuersteinspänen  und  einem  kleinen  Stücke  eines  Flachbeiles 
aus  Hornblendeschiefer,  noch  nicht  aufzufinden  gewesen. 

In  der  Niederlassung  Mettelwitz  II,  die,  wie  schon  oben  erwähnt, 
200  m  weiter  südöstlich  liegt,  fand  man  1902  zwei  guterhaltene  Beile  mit 
Schaftloch.  Ich  habe  von  dorther  einen  Spinnwirtel,  der  sich  durch 
Gestalt  und  Material  wesentlich  von  den  slavischen  Spinnwirteln  der 
Zöthainer  Schanze  unterscheidet. 

Bei  Schwochau  zeigen  sich  auch  an  verschiedenen  Stellen  Brand¬ 
flecken.  Auch  werden  hier  oft  Steinwaffen  gefunden;  ich  selbst  besitze 
von  dort  zwei  vollständige  Beile  mit  Schaftloch.  Ob  die  Brandflecken 
aber  von  Herdstellen  herrühren,  mufs  erst  noch  festgestellt  werden. 

Die  Poititzer  neolithische  Niederlassung  liegt  auf  dem  linken  Tal¬ 
gehänge  des  Köppritzb achtes.  Sie  zieht  sich  von  dem  Poititzer  Stein¬ 
bruche  bis  an  das  Dorf  Pitschütz.  Ich  habe  hier  zwar  noch  nicht  Spuren 
von  Bandkeramik  aufgefunden,  aber  doch  zwei  Henkelstücke,  die  Hofrat 
Professor  Dr.  Deichmüller  als  bestimmt  steinzeitlich  bezeichnete.  Aufser- 
dem  habe  ich  von  hier  ein  sehr  breites,  gut  erhaltenes  Flachbeil  und  zwei 
Feuersteinkerne  (Nuclei).  Der  Besitzer  der  Herdstelle  erzählte  mir,  dafs 
hier  beim  Zustürzen  einer  alten  Sandgrube  Steinbeile  mit  Schaftloch  sehr 
häufig  gefunden  worden  seien;  leider  haben  preufsische  Ernteknechte  die¬ 
selben  als  Wetzsteine  mit  in  ihre  Heimat  genommen. 

Auf  dem  Kirschberge  bei  Neckanitz  werden  jetzt  neuerdings  auch 
öfters  Funde  gemacht,  die  darauf  schliefsen  lassen,  dafs  sich  dort  Herd¬ 
gruben  befinden.  Ich  habe  am  Abhange  desselben  eine  gut  gearbeitete 
Pfeilspitze  und  einen  vollständigen  Span  aus  Feuerstein  aufgelesen.  Der 
Besitzer  des  Kirschberges  schenkte  mir  Michaelis  1903  ein  sehr  gut  er¬ 
haltenes  Beil  mit  Schaftloch,  welches  er  kurz  vorher  dort  gefunden 
hatte;  die  Hälfte  eines  anderen  hatte  er  als  wertlos  zur  Seite  geworfen, 
sie  war  leider  nicht  mehr  aufzufinden.  Von  einem  angrenzenden  Felde 
erhielt  ich  vor  kurzem  die  Hälfte  eines  Beiles  mit  Schaftloch.  Es  fehlen 
nur  noch  die  Herdstellenscherben,  die  aber,  wie  ich  bestimmt  glaube, 
sich  auch  noch  finden  werden. 

Zum  Schlüsse  seien  nur  noch  alle  die  neolithischen  Artefakte  aus  der 
Umgegend  von  Lommatzsch  angeführt,  die  ich  seit  Ostern  1900  entweder 
erhalten  oder  selbst  aufgefunden  habe.  Es  sind  dies,  aufser  zahlreichen 
Gefäfsscherben:  13  vollständige  oder  nur  sehr  wenig  beschädigte  Beile  mit 
Schaftloch  (darunter  4  mit  angefangener  Bohrung),  8  Hälften  von  Beilen 
mit  Schaftloch,  15  vollständige  und  20  mehr  oder  weniger  defekte  Flach¬ 
beile,  1  sehr  gut  erhaltener  Steinmeifsel,  2  gut  erhaltene  Pfeilspitzen  von 
Feuerstein,  2  vollständige  Feuersteinspäne  und  ca.  100  Bruchstücke  von 
solchen,  5  Nuclei,  5  Behausteine,  2  Spinnwirtel. 


71 


Aufserdem  kenne  ich  noch  die  Besitzer  von  11  Steinbeilen  mit  Schaft¬ 
loch.  Sämtliche  Steinbeile  sind  mit  Ausnahme  der  wenigen  oben  angeführten 
aus  Hornblendeschiefer. 

Aus  alledem  geht  wohl  zur  Genüge  hervor,  dafs  die  Lommatzscher 
Pflege  zur  jüngeren  Steinzeit  schon  ziemlich  dicht  bevölkert  gewesen  sein 
mufs,  und  dafs  ein  wissenschaftliches  Durchforschen  derselben  von  be¬ 
rufeneren  Kräften  als  ich  uns  sicher  noch  manchen  wertvollen  Aufschlufs 
über  dies  dunkle  prähistorische  Zeitalter  verschaffen  wird. 


IX.  Bemerkungen  zu  tertiären  Pflauzenresten 
von  Eönigsgnad. 

Von  H.  Engelhardt. 


Eine  gröfsere  Anzahl  tertiärer  in  einem  mürben,  weil  sehr  sandigen, 
grauen  mit  einer  Menge  winziger  Glimmerblättchen  durchzogenen  Mergel 
eingebettete  Pflanzenreste,  welche  das  Senckenbergische  Museum  zu  Frank¬ 
furt  a.  M.  in  sich  birgt,  kamen  mir  durch  die  Freundlichkeit  des  Herrn 
Prof.  Dr.  Kinkelin  zur  Bestimmung  zu.  Sie  stammen  von  dem  Dorfe 
Königsgnad  in  Ungarn  (Komitat  Krasso)  und  sind  der  oberen  Abteilung 
der  Congerienschichten  entlehnt,  also  dem  unteren  Pliocän  (Pontische  oder 
Pannonische  Stufe)  zugehörig.  Da  ich  dieses  Vorkommen  in  der  phyto- 
paläontologischen  Literatur  nirgends  erwähnt  gefunden  habe,  bin  ich  ge¬ 
neigt,  anzunehmen,  dafs  wir  es  hier  mit  einem  neuen  Fundort  von  fossilen 
Pflanzenresten  zu  tun  haben,  was  mich  bewegt,  einige  Worte  über  das 
Material  niederzulegen. 

Pilze. 

Sphaeria  fici  Heer. 

Heer:  PL  d.  Schw.  III,  S.  146,  Taf.  142.  Pig.  25. 

Die  Perithecien  sind  schwarz,  in  der  Mitte  heller,  klein,  punktförmig, 
auf  dem  Blatte  zerstreut. 

Auf  einem  Blattstücke  von  Ficus  tiliaefolia  Al.  Br.  sp.  fand  sich  dieser 
Pilz  in  gröfserer  Anzahl  vor  und  zwar  so,  wie  es  Heer  auf  dem  Schweizer 
Fetzen  beobachten  konnte,  sowohl  auf  Nerven  als  Parenchym.  Unter  der 
Lupe  zeigten  sich  einzelne  der  Exemplare  in  der  Mitte  durchbohrt. 

Familie  der  Gramineen  B.  Br. 

Foacites  laevis  Al.  Br. 

Bit.  s.  Engelhardt:  Himmelsberg,  S.  258. 

Der  Halm  ist  5 — 7  mm  breit,  die  Stengelstücke  sind  lang,  gestreift, 
die  Blätter  4 — 6  mm  breit,  mit  7 — 12  ebenen  Längsnerven  versehen. 

Es  wurden  von  mir  nur  zwei  kleinere  Blattstücke  vorgefunden. 

Diese  Art  war  bisher  nur  aus  Oligocän  und  Miocän  bekannt. 

Familie  der  Taxodineen  Schenk. 

Glyptostrobus  europaeus  Brongn.  sp. 

Bit.  s.  Engelhardt:  Dönje  Tuzle,  S.  483. 

Die  Blätter  sind  spitz,  schuppenförmig,  angedrückt,  am  Grunde  herab¬ 
laufend,  ungerippt,  bisweilen  linealisch  abstehend. 


73 


Das  vorliegende  Material  ist  ziemlich  zahlreich,  doch  enthält  es  keine 
Spur  von  Zapfen  oder  Samen.  Eine  Reihe  von  Stücken  ist  vortrefflich 
erhalten,  mehrere  zeigen  sich  mehr  oder  weniger  verwischt,  was  bei  der 
Beschaffenheit  des  Gesteins  nicht  verwundern  darf.  U.  a.  seien  hervor¬ 
gehoben  ein  langer  dicker  Ast  mit  gröfseren  Blättern,  ein  Ast  mit  gröfserer 
Anzahl  von  Zweigen  mit  prächtig  ausgeprägter  Blattbildung,  ein  starker 
desgleichen  mit  wenigen,  aber  gut  erhaltenen  Zweigen,  verästelte  und  nicht 
verästelte  Zweigelchen. 

Diese  Art,  welche  wir  fast  durch  das  ganze  Tertiär  hindurchgehen 
sehen,  hatte  in  diesem  eine  ungemein  weite  Verbreitung.  Reste  von  ihr, 
die  meist  an  den  verschiedenen  Lokalitäten  zahlreich  nachgewiesen  werden 
konnten,  besitzen  wir  aus  Schichten  der  Nordpolargegenden,  wo  wohl  ihr 
Ursprung  zu  suchen  ist,  wie  aus  solchen  von  verschiedenen  Gegenden 
Deutschlands,  Österreichs,  Ungarns,  Bosniens,  der  Schweiz,  Frankreichs, 
Italiens,  Griechenlands,  ja  auch  von  Nordasien  und  Nordamerika.  Der 
heutzutage  nur  noch  in  sumpfigen  Gebieten  Chinas  vorkommende  Vertreter 
der  Gattung  Glyptostrobus ,  GL  heterophyllus  Endl.,  mufs  nach  der  Ver¬ 
gleichung  von  Stengeln,  Blättern,  Früchten  und  Samen  der  fossilen  und 
lebenden  Art  als  identisch  mit  der  tertiären  betrachtet  werden.  Somit 
erlitt  diese  Gattung  dasselbe  Schicksal,  das  u.  a.  auch  den  Sequoien  be- 
schieden  war,  infolge  veränderter  Daseinsbedingungen  ihren  ehemaligen 
weiten  Verbreitungsbezirk  bis  auf  ein  Minimum  in  der  Gegenwart  zusammen¬ 
geschrumpft  zu  sehen. 

Familie  der  Abietineen  Rieh. 

Pinus  hepios  Ung.  sp. 

Lit.  s.  Engelhardt:  Dönje  Tnzle,  S.  480. 

Die  Nadeln  stehen  paarig,  sind  sehr  lang,  dünn,  rinnig,  die  Scheide 
ist  verlängert. 

Nur  ein  Kurztrieb  mit  zwei  dünnen  Nadeln  lag  vor. 

Menzel,  dem  ein  reiches  Vergleichungsmaterial  zu  Gebote  stand,  be¬ 
zeichnet  unter  diesem  Namen  nur  die  Kurztriebe  mit  zwei  dünnen  Nadeln, 
während  er  die  mit  dicken,  welche  bisher  zu  dieser  Art  gerechnet  wurden, 
unter  dem  Namen  Pinus  laricioides  zusammenfafst.  (Vergl.  Die  Gymno¬ 
spermen  d.  nordböhm.  Braunkohlenf.  I,  S.  66.) 

Nach  Menzel  steht  die  jetztweltliche  Pinus  halepensis  Milk,  welche 
der  Meditteranflora  angehört,  der  fossilen  Art,  die  vom  Oligocän  bis  mit 
Pliocän  nachgewiesen  werden  konnte,  am  nächsten. 

Familie  der  Salicineen  Rieh. 

Populus  latior  Al.  Br. 

Lit.  s.  Engelhardt:  Himmelsberg,  S.  275. 

Die  Blätter  sind  lang  gestielt,  ziemlich  kreisrund  oder  etwas  rhombisch, 
am  Grunde  bald  herzförmig,  bald  etwas  gestutzt  oder  gerundet  oder  mehr 
oder  weniger  keilförmig,  gezähnt,  mit  3 — 5  Hauptnerven  versehen. 

Vorhanden  waren  in  dem  mir  übersendeten  Materiale  ein  mittelgrofses 
und  ein  halbes  Blatt,  dem  ein  weiteres  unvollständiges  angereiht  werden 
konnte. 

Über  die  Zugehörigkeit  von  Populus  attenuata  Al.  Br.  zu  dieser  Art 
habe  ich  mich  in  Himmelsberg  S.  276  eingehend  verbreitet. 


74 


Verglichen  wird  die  fossile  Art,  welche  man  aus  Oligocän,  Miocän  und 
Pliocän  kennt,  mit  der  jetztweltlichen,  dem  gemäfsigten  und  warmen  Nord¬ 
amerika  angehörigen  und  zur  Gruppe  der  Schwarzpappeln  gehörigen  Populus 
monilifera  Ait.  und  P.  canadensis  Mich. 

Populus  balsamoides  Göpp. 

Göppert :  Schofsnitz,  S.  23,  Taf.  15,  Fig.  5,  6.  —  Heer:  FL  d.  Schw.  II,  S.  18, 
Tat.  59;  Tat.  60,  Fig.  1—3;  Taf.  63,  Fig.  5,  6;  III,  S.  173,  Taf.  150,  Fig.  11.  — 
Gaudin:  Toscane,  S.  29,  Taf.  3,  Fig.  1—5.  —  Massalongo:  Fl.  Senigal ,  S.  246, 
Taf.  19,  Fig.  4;  Taf.  28,  Fig.  1.  —  Sismonda:  Piemont,  S.  419,  Taf.  16,  Fig.  3. 

Syn. :  Populus  emorginata  Göppert,  Schofsnitz,  S.  24,  Taf.  15,  Fig.  2 — 4.  — 
Populus  eximia  Göppert  a.  a  0.,  S.  23,  Taf.  16,  Fig.  3—5.  —  Ainus  Kefersteinii 
Ettingshausen,  Heiligenkreuz,  S.  5,  Taf.  1,  Fig.  6. 

Die  Blätter  sind  herzförmig-  oder  eiförmig-elliptisch,  länger  als  breit; 
der  Mittelnerv  ist  viel  stärker  als  die  seitlichen  Hauptnerven. 

Unser  Material  enthielt  ein  riesiges  Blatt;  ein  ebensolches,  aber  am 
Rande  verletztes;  eins  von  mittlerer  Gröfse  mit  langem  Stiele;  eins,  dessen 
eine  Hälfte  umgeschlagen  war,  und  ein  kleines. 

Die  Blätter  vergleicht  Heer  mit  denen  der  jetztweltlichen  in  Nord¬ 
amerika  und  Asien  heimischen,  bei  uns  in  Anlagen  und  Gärten  angepflanzten 
Populus  balsamifera  L.  Solche  sind  im  Miocän  und  Pliocän  Europas  ge¬ 
funden  worden,  im  nordamerikanischen  Tertiär  nur  im  Miocän. 

Familie  der  Betulaceen  Bartl. 

Ainus  Kefersteinii  Göpp.  sp. 

Lit.  s.  Engelhardt:  Tercij.  fl.  Bosne  i  Hercegovine,  S.  447. 

Die  Blätter  sind  kurzgestielt,  eirund  oder  länglich-eirund,  die  Spitze 
derselben  ist  stumpf  oder  zugespitzt,  der  Rand  meist  doppelt,  doch  auch 
einfach  gesägt,  der  Grund  zugerundet,  bisweilen  etwas  herzförmig  aus- 
gerandet;  der  Mittelnerv  ist  stark,  die  Seitennerven  stehen  weit  auseinander, 
sind  stark,  entspringen  unter  spitzen  Winkeln  und  sind  randläufig. 

Unser  Material  zeigte  ein  braungefärbtes  Blatt  mit  ausgezeichnet 
erhaltener  feinerer  Nervatur,  ein  prächtig  erhaltenes  grofses,  ein  schmales 
am  Grunde  verletztes,  ein  weiteres,  dem  der  Rand  auf  der  einen  Hälfte 
fehlt,  eine  wohlerhaltene  Blatthälfte  mit  anschliefsendem  Teile  der  anderen 
und  eine  Reihe  bald  mehr,  bald  weniger  vollständig  erhaltener  Bruchstücke. 
Von  den  Blüten  und  Zäpfchen  war  keine  Spur  zu  finden. 

Die  tertiäre  Spezies  ist  mit  der  auf  der  nördlichen  Halbkugel  weit 
verbreiteten  Ainus  glutinosa  Gärtn.  zu  vergleichen,  ist  in  Nordamerika 
und  an  vielen  Stellen  Europas  bis  herab  zum  Mittelmeere  gefunden  worden 
und  besitzt  unzweifelhaft  circumpolaren  Ursprung.  Ihr  temporäres  Aus¬ 
dehnungsgebiet  umfafst  die  Zeit  von  Oligocän  an  bis  in  das  Pliocän  hinein. 

Familie  der  Ulmaceen  A. 

Planem  Ungeri  Köv.  sp. 

Lit.  s.  Engelhardt:  Himmelsberg,  S.  272. 

Die  Blätter  sind  kurz  gestielt,  am  Grunde  meist  ungleich,  nur  selten 
fast  gleich,  lanzettförmig,  zugespitzt-oval,  oder  ei-lanzettförmig,  der  Rand 
ist  gleichmäfsig  gesägt,  die  Zähne  sind  grofs;  die  Seitennerven  entspringen 
unter  spitzen  Winkeln  und  münden  in  die  Zahnspitzen. 

Es  wurde  nur  ein  Blatt  gefunden,  das,  aus  seiner  Gröfse  zu  schliefsen, 
an  einer  Zweigspitze  gesessen  haben  mag. 


75 


Diese  Pflanze  besafs  in  der  Tertiärzeit  eine  ungemein  grofse  Ver¬ 
breitung,  konnte  sie  ja  von  den  Polar-  bis  zu  den  Mittelmeerländern  Europas 
an  zahlreichen  Lokalitäten  nachgewiesen  werden,  dann  auch  in  Nordamerika 
und  Japan,  was  auf  eine  strahlenförmige  Ausbreitung  von  Norden  aus 
hindeutet.  Jetzt  ist  die  Planem  Richardi  Mich.,  welche  ihr  zunächst  ver¬ 
wandt  ist,  auf  Kaukasus,  Nordpersien  und  das  Südufer  des  Kaspisees 
beschränkt;  es  hat  somit  die  Gattung  dasselbe  Schicksal  erlebt,  das  manche 
ihrer  Zeitgenossinnen  mit  ihr  teilen  müssen,  ihr  ehemaliges  Terrain  zur 
Zeit  gewaltig  verkleinert  zu  sehen.  Die  fossile  Art  fand  sich  schon  zu 
Anfang  des  Oligocän  vor  und  setzte  sich  im  Miocän  und  Pliocän  fort. 

Familie  der  Moreen  Endl. 

Ficus  tiliaefolia  Al.  Br.  sp. 

Lit.  s.  Engelhardt:  Dönje  Tuzle,  S.  494. 

Die  Blätter  sind  gestielt,  von  grofsem  Umfange,  ganzrandig  oder  zer¬ 
streut  wellig,  herzförmig  rund,  ziemlich  rund  oder  länglichrund,  manch¬ 
mal  zwei-  oder  dreilappig,  gewöhnlich  am  Grunde  ungleichseitig,  an  der 
Spitze  gerundet  oder  kleinspitzig,  bezüglich  der  3 — 7  starken  Hauptnerven 
handförmig;  die  Seitennerven  sind  stark,  die  Nervillen  teils  durchgehend, 
teils  gebrochen. 

Vorhanden  waren  aufser  einem  halben  Blatte  nur  Bruchstücke,  auf 
deren  einem  Sphaeria  fici  Heer  zu  sehen  war. 

Diese  Art  ist  nicht  in  den  Nordpolarländern  gefunden  worden,  wohl 
aber  an  vielen  Stellen  Europas  von  der  Ostsee  bis  zum  Mittelmeere,  auch, 
wenn  gleich  seltener,  in  Nordamerika.  Ihre  Blätter  und  auch  eine  in  der 
Schweiz  Vorgefundene  und  wahrscheinlich  zu  ihnen  gehörige  Frucht  sind 
denen  der  Ficus  nymphaefolia  L.,  welche  im  tropischen  Amerika  zu  Hause 
ist,  so  ähnlich,  dafs  Heer  vermutet,  die  Beste  der  fossilen  Art  möchten 
einem  ähnlichen  Feigenbaum  angehört  haben.  Nachgewiesen  konnte  sie 
werden  im  Oligocän,  Miocän  und  Pliocän. 

Familie  der  Rubiaceen  Juss. 

Gardenia  Wetzleri  Heer. 

Heer:  Fl.  d  Sch w.  III,  S.  139,  Taf.  141,  Fig.  81— 103.  —  Derselbe:  Bovey- 
Tracey,  S.  51,  Taf.  18,  Fig.  1—8  — Derselbe:  Balt.  Fl.,  S.  39,  Taf.  9,  Fig  12—32. 

Syn.:  Passiflora  Braunii  Ludwig,  Palaeont.  VIII,  S.  124,  Taf.  48,  Fig.  1  —  16. 
—  Passiflora  pomaria  Poppe,  Jahrbuch  1866,  S  52,  Taf.  1,  Fig.  1 — 7.  —  Gardenia 
pomaria  Engelhardt,  Braunk.  v.  Sachsen,  S.  41,  Taf.  12,  Fig.  12,  13. 

Die  Frucht  ist  holzig,  länglich-oval  oder  ei -lanzettförmig,  schwach 
gerippt  und  vielstreifig,  vielsamig,  die  Samen  sind  schwarzbraun,  glänzend, 
mit  spiraligen  Streifen  versehen. 

Eine  Frucht  ist  vorhanden,  welche  eine  Menge  dicht  zusammengedrängter 
Samen  enthält.  Diese  befinden  sich  nicht  mehr  im  ursprünglichen,  sondern 
im  wirklich  versteinerten  Zustande,  insofern  sie  in  sandigen  Mergel  um¬ 
gewandelt  sind,  daher  auch  nicht  dunkel,  sondern  hell  erscheinen.  In 
Hinsicht  auf  ihre  Gröfse  sei  hervorgehoben,  dafs  sie  denen  von  Bovey- 
Tracey  gleichen. 

Heer  vergleicht  die  fossilen  Früchte  mit  denen  der  Gardenia  lutea 
Höchst,  von  Abessinien.  Man  hat  sie  meist  in  oligocänen  Schichten  ange¬ 
troffen,  doch  auch  in  den  obermiocänen  Mergeln  von  Günzburg,  während  unsere 
Frucht  zum  ersten  Male  zeigt,  dafs  sie  auch  einer  noch  späteren  Zeit  angehörte. 


76 


Familie  der  Papilionaceen  Endl. 

Cassia  hyperhorea  Ung. 

Lit.  s.  Engelhardt:  Dönje  Tüzle,  S.  519. 

Die  Blättchen  sind  häutig,  gestielt,  ei-lanzettförmig,  zugespitzt;  der 
Mittelnerv  ist  stark,  die  Seitennerven  sind  sehr  fein,  gebogen. 

Zwei  Blättchen  waren  vorhanden. 

Diese  Blättchen,  welche  jedenfalls  mit  denen  von  Cassia  Berenices 
Ung.  zu  vereinigen  sind,  werden  mit  solchen  der  C.  laevigata  Willd.  aus 
dem  heifsen  Amerika  verglichen.  Sie  finden  sich  vom  Oligocän  bis  mit 
Pliocän  vor.  — 

Werfen  wir  nun  noch  einen  Blick  auf  die  Gesamtheit  der  Reste,  so 
finden  wir  nicht  eine  einzige  Leitpflanze  vor.  Alle  ( Sphaeria  fici  Heer 
schliefsen  wir  bei  dieser  Betrachtung  aus)  zeigen  sich  bereits  im  Oligocän 
und  dauern  fort  bis  ins  Pliocän  hinein,  teilweise  darüber  hinaus;  nur 
Populus  balsamoides  Göpp.  weist  uns  darauf  hin,  dafs  wir  bei  Alters¬ 
bestimmung  nicht  an  das  Oligocän  zu  denken  haben.  Damit  sind  die 
Pflanzen,  von  denen  die  Reste  stammen,  zugleich  als  solche  charakterisiert, 
welche  eine  gewisse  Unempfindlichkeit  gegen  allmählich  absteigende  Ver¬ 
änderungen  in  Bezug  auf  Einwirkung  der  Wärme  zeigten  und  daher  neuen 
Verhältnissen  sich  anzubequemen  imstande  waren,  sonst  hätten  sie  nicht 
vermocht,  von  älterer  Stufe  aus  zu  darauf  folgenden  jüngeren  fortzu¬ 
schreiten. 

Von  anderem  Gesichtspunkte  aus  betrachtet,  weist  die  Mehrzahl  der 
Reste  auf  Pflanzen  der  gemäfsigten  Zone  hin,  während  andere  Vertretern 
der  Tropen  und  Subtropen  zuzuweisen  sind,  was  wohl  darauf  hindeuten 
dürfte,  dafs  die  Sommer  nicht  zu  heifs,  die  Winter  mild  sein  mochten, 
ein  Verhältnis,  wie  wir  es  jetzt  da  vorfinden,  wo  gröfsere  Wassermassen 
mit  dem  Lande  in  Berührung  treten.  Und  dafs  zur  Zeit  der  pontischen 
Stufe  ein  solches  stattgefunden  hat,  haben  uns  die  Geologen  aufs  deut¬ 
lichste  klargelegt. 

Die  geringe  Zahl  der  Pflanzenarten,  welche  bisher  von  unserer  Lokalität 
nachzuweisen  war,  ist  Ursache,  dafs  eine  genauere  Bestimmung  der  Zeit, 
in  welcher  sie  existierten,  von  ihnen  aus  nicht  zu  geben  ist;  dafür  aber 
haben  dies  die  Lagerung  der  Einbettungsschicht  samt  ihren  tierischen 
Einschlüssen  zu  erzielen  vermocht. 


X.  Mitteilungen  über  botanische  Reisen  1899  lind  1903 

in  Ostpreufsen*). 

Von  Dr.  Oskar  Drude. 


Das  weitgedehnte  Land  zwischen  den  mächtigen  Strömen  der  Weichsel 
und  der  Memel  verdient  in  mehr  als  einer  Hinsicht  die  Aufmerksamkeit 
deutscher  Naturforscher  und  verdient  auch  weit  mehr  als  bisher  von  solchen 
bereist  zu  werden,  die  mit  geographischem  Sinn  ein  offenes  Auge  für  den  Reiz 
so  ganz  verschiedenartiger  Landschaften  von  der  baltischen  und  Nordsee¬ 
küste  über  die  mitteldeutschen  Berge  hinaus  bis  zu  den  Gipfeln  der  deutschen 
Alpen  verbinden. 

Ich  lernte  Ostpreufsen  zuerst  Ende  Mai  1899  kennen,  als  ich  dort  auf 
der  Rückreise  von  St.  Petersburg  kurze  Zeit  verweilte  und  besonders  einige 
ergiebige  Exkursionen  unter  Führung  von  Dr.  J.  Abromeit  in  den  Wäldern 
und  Mooren  um  Insterburg  machte.  Das  Bedürfnis,  die  flüchtige  Bekannt¬ 
schaft  jener  Zeit  zum  Zwecke  einschlägiger  Fragen  in  der  Bearbeitung  des 
2.  Bandes  von  „Deutschlands  Pflanzengeographie“  zu  befestigen  und  zu 
erweitern,  veranlafste  mich  zu  einer  ausgedehnteren  Sommerreise  in  diesem 
Jahre  von  der  Weichsel  bei  Thorn  bis  zu  dem  nordöstlichsten  deutschen 
Grenzgebiet  bei  Memel  und  Deutsch-Krottingen,  wo  sich  schon  in  der  Land¬ 
schaft  und  Flora  ein  gutes  Stück  von  livländischem  Charakter  ausdrückt. 
Während  dreier  Wochen  im  August  botanisierte  ich,  zuerst  im  südlichsten 
Ostpreufsen,  in  Masuren  um  Soldau,  Neidenburg  und  Orteisburg,  dann  in 
der  Johannisburger  Heide  mit  ihren  prächtigen  Seen,  die  ich  mit  dem 
einzigen  dem  Personenverkehr  gewidmeten  Dampfer  „Löwentin“  bis  zum 
nördlichsten  der  Kette,  dem  Mauersee  bei  Angerburg  durchfuhr;  von  dort 
wandte  ich  mich  ostwärts  über  Goldap  zur  Romintener  Heide,  wo  mir  die 
schönsten  aus  Fichten,  Kiefern  und  Laubhölzern  gemischten  Waldungen 
auf  meiner  Reise  entgegentraten,  dann  nordwärts  über  Stallupönen  nach 
Tilsit.  In  Begleitung  von  Dr.  Abromeit,  der  von  Königsberg  aus  hierher 
gekommen  war,  lernte  ich  dann  die  Küstenmoore  bei  Heydekrug-Prökuls 
und  die  nördlichsten  Wiesenmoore  bei  Memel  ebenso  wie  die  interessanten 
Dünenbildungen  daselbst  kennen,  und  besuchte,  nach  Tilsit  zurückgekehrt, 
die  ausgedehnte  Memel-Niederung  aufwärts  bis  zu  den  Jurabergen  an  ihrem 
nördlichen  Ufer  nahe  der  russischen  Grenze.  Westwärts  zurück  nach 
Königsberg  fahrend,  lernte  ich  dann,  wiederum  in  Dr.  Abromeits  Gesell¬ 
schaft,  das  Grofse  Moosbruch  zwischen  Labiau  und  dem  hier  an  der  Küste 


*)  Vorträge  in  der  Hauptversammlung  vom  Oktober  und  in  der  botanischen  Sektion 
vom  November  1903, 


78 


bei  Agilla  sich  hinziehenden  Friedrichskanal  kennen,  in  welches  hinein  die 
Elche  aus  der  nördlicher  gelegenen  Ibenhorster  Forst  schweifen.  Von 
Königsberg  auf  der  mir  schon  vom  Jahre  1899  her  bekannten  nördlichen, 
hart  am  Frischen  Haff  sich  hinziehenden  Eisenbahnlinie  zum  Weichselgebiet 
zurückfahrend,  trafen  Dr.  Abromeit  und  ich  in  Osterode  mit  dem  durch 
mehrere  Veröffentlichungen  rühmlich  bekannten  westpreufsischen  Floristen 
J.  Scholz  aus  Marien werder  zusammen  und  wir  wurden  alle  drei  im  gast¬ 
lichen  Hause  des  Majoratsherrn  von  Döhlau,  A.  Rose,  aufgenommen,  um 
die  nahe  der  für  Ostpreufsen  höchsten  Erhebung,  der  Kernsdorfer  Höhe 
(318  m),  auf  den  langgezogenen  Höhenrücken  sich  ausbreitenden  grofsen 
Buchenwaldungen  zu  durchstreifen,  die  hier  schon  nahe  ihrer  östlichen 
Grenze  zugleich  noch  mit  Bergahorn  stellenweise  durchsetzt  sind  und  in 
einer  an  holsteinische  Hügellandschaften  erinnernden  Fülle  sich  bis  gegen 
Gilgenburg  südwärts  hinziehen.  Hier,  nahe  meinem  Ausgangspunkte  im 
südlichen  Masuren  bei  Soldau  angekommen,  beschlofs  ich  die  botanischen 
Exkursionen  mit  der  Rückfahrt  nach  Thorn. 

In  Ergänzung  mit  meiner  Hin-  und  Rückfahrt  durch  Ostpreufsen  zu 
Ende  des  Mai  1899  ist  daher  keine  gröfsere  Landschaft  dieser  mächtigen 
deutschen  Gemarkung  unberührt  geblieben,  und  was  ich  an  anziehenden 
Dingen  sah,  soll  hier  besonders  von  dem  unsere  sächsische  Gesellschaft 
interessierenden  Standpunkte  kurz  dargelegt  werden  und  andeuten,  welche 
Gegensätze  sich  uns,  die  wir  mit  der  Natur  auch  diluvialer  Landschaften 
durch  das  nördliche  Sachsen  gut  vertraut  sind,  in  Ostpreufsen  zeigen.  Ich 
verdanke  vieles,  was  ich  während  der  zwischen  Weichsel  und  Memel  ver¬ 
lebten  Wochen  gesehen  und  erfahren,  nur  der  trefflichen  Führung  der  schon 
genannten  Herren,  besonders  dem  schon  durch  Caspary  in  die  preufsische 
Floristik  eingeführten  Privatdozenten  an  der  Königsberger  Universität, 
Dr.  Johannes  Abromeit,  der  seine  nach  den  Königsberger  Herbarien  ge¬ 
machten  floristischen  Standortszusammenstellungen  in  bemerkenswerter 
Vollständigkeit  soeben  von  den  Ranunculaceen  bis  Labiaten  abgeschlossen 
hat*).  Grofs  ist  die  Zahl  der  Einzelarbeiten  über  die  Flora  Preufsens, 
mit  denen  sich  der  auswärtige  Florist  vor  dem  Antritt  seiner  Reise  ver¬ 
traut  zu  machen  hat,  und  eine  grofse  Menge  davon  steckt  schon  in  den  all¬ 
jährlichen  Berichten  des  in  der  Anmerkung  genannten  Vereins,  welcher 
mit  nicht  unbedeutenden  Geldmitteln  seit  vielen  Jahren  seine  „Sendboten“ 
in  alle  Bezirke  seines  weiten  Gebietes  auf  Wochen  hinausschickt,  um  in  drei¬ 
maligen  Perioden  des  Jahres  die  dortige  Flora  auf  das  genaueste  zu  durch¬ 
forschen.  Infolgedessen  ist  auch  das  preufsische  Herbarium  in  Königsberg 
zu  einer  Gröfse  und  Vollständigkeit  gediehen,  wie  es  aufser  Schlesien  wahr¬ 
scheinlich  in  keinem  deutschen  Gau  als  Landesherbar  aufgesammelt  und 
kritischer  Durcharbeitung  unterworfen  worden  ist. 

Vortrefflich  geeignet  für  eine  vorhergehende  Instruktion  zur  Reise  in 
Ostpreufsen,  auch  sehr  geeignet  für  solche,  die  von  der  behaglichen  Ruhe 
des  Studierzimmers  aus  dies  weite  Gebiet  im  Geiste  zu  durchreisen  vor¬ 
ziehen,  sind  die  von  Dr.  Albert  Zweck  herausgegebenen  Bände  über  dieses 
Land,  besonders  Bd.  I  Litauen  und  Bd.  II  Masuren  (Stuttgart  1900).  Zahl¬ 
reiche  Abbildungen  im  Text  und  Kartenbeigaben,  besonders  eine  Karte 
der  Kurischen  Nehrung,  führen  unmittelbar  in  das  Verständnis  der  Land- 


*)  Flora  von  Ost-  und  Westpreussen  ,  herausgegeben  vom  Preuss.  Botanischen 
Verein  zu  Königsberg.  H  Hälfte  1898,  2.  Hälfte,  I.  Teil  1903,  690  S.  kl.  8°. 


79 


schaft  ein.  Auf  der  Reise  selbst  hat  man  dann  den  gröfsten  Nutzen  von 
den  eigens  für  dieses  Werk  geschaffenen  Karten  in  1:300000,  welche 
durch  verschiedene  Farbenstufen  von  grün  zu  braun  die  Erhebungen  des 
Landes  von  der  Küste  bis  über  300  m  Höhe  kennzeichnen.  Schon  auf 
dieser  Karte  fällt  die  Bedeutung  des  Gold  aper  Hochlandes  am  äufsersten 
Ostrande  Preufsens  stark  in  die  Augen,  da  hier  sich  breite  Flächen  über 
200  bis  300  m  hoch  ausdehnen  und  den  hart  an  der  Grenze  gelegenen  grofsen 
Wysztyter  See  umschliefsen.  Hier  ist  der  Reiz  der  in  wellenförmigen  Linien 
und  steileren  Rücken  mit  Bergkegeln  von  diluvialer  Natur  aufgebauten 
Landschaft  vollkommen  ebenbürtig  dem,  wie  er  in  Sachsen  etwa  in  der 
Lausitz  nördlich  von  Bischofswerda  oder  um  Königsbrück  auftritt,  und 
bei  der  Menge  und  Gröfse  erratischer  Blöcke,  ausgestreut  an  manchen 
Stellen  in  weiter  Ausdehnung  und  imposanter  Lagerung,  vergifst  man  bei¬ 
nahe,  dafs  nicht  fester  Fels  aus  Urgestein  den  preufsischen  Boden  bildet, 
da  das  regellose  Nebeneinander  der  ergrauten,  aus  den  verschiedensten 
nordischen  Gesteinen  herstammenden  Blöcke  die  geröllführenden  Hänge 
unserer  Lausitzer  Granitberge  Vortäuschen  kann. 

In  einer  mit  landschaftlichen  Darstellungen  verzierten,  zugleich  den 
Bäumen  und  erratischen  Blöcken  in  Preufsen  gewidmeten  verdienstvollen 
Abhandlung  vom  Landesgeologen  Prof.  Dr.  Alfred  Jentzsch*)  sind  diese 
erratischen  Bildungen  im  Kreise  Goldap  besonders  hervorgehoben  (S.  123): 
,,Der  Kreis  ist  reich  an  Blöcken;  ganz  besonders  gilt  dies  von  dem  hohen, 
stark  zerschnittenen  Gelände,  welches  sich  vom  Goldapflusse  über  den 
Goldaper  Berg  bei  Braunsberg  zur  südlichen  Kreisgrenze  hinzieht,  dicht 
südlich  der  letzteren  im  Seesker  Berge  mit  309  m  einen  Gipfelpunkt  erreicht 
und  von  da  nordwärts  bis  zu  den  Jagdgründen  des  Kaisers,  der  Rominter 
Forst,  sich  erstreckt.  In  diesem  ganzen  weiten  Höhenlande  sind  zahlreiche 
kleine  Hügel  erfüllt  oder  bedeckt  mit  Blöcken,  und  es  gewährt  dem  Auge 
einen  eigenen  Reiz,  von  einem  der  Gipfel  die  merkwürdige  Moränenland¬ 
schaft  zu  überblicken,  deren  Anordnung  und  Aufbau  im  einzelnen  noch 
näherer  Untersuchung  bedarf.  Als  besonders  blockreich  gilt  der  Goldaper 
Berg  (272  m);  aufser  dem  auf  der  Spitze  befindlichen  Markstein  der  Landes¬ 
vermessung  mit  Jahreszahl  1858  sind  auf  der  Spitze  noch  fünf  grofse 
erratische  Blöcke  sichtbar“. 

Naturgemäfs  wird  ein  weites  Land  wie  Ostpreufsen,  welches  im  Innern 
derartig  felsbesäte  Hochlandschaften  enthält  und  in  breitem  Küstensaum 
flach  gegen  das  Meer  abfällt,  dabei  von  tiefen  Flufsniederungen  durch¬ 
schnitten  wird,  sehr  verschiedenartige  Bilder  hervorrufen  und  dement¬ 
sprechend  floristisch  verschiedene  Abteilungen  bilden.  Da  die  Provinz 
Ostpreufsen  37000  qkm  mifst,  das  Königreich  Sachsen  15000,  so  kann 
man  sich  danach  leicht  eine  Vorstellung  von  den  zu  durchstreifenden 
weiten  Entfernungen  machen. 

Es  würde  dadurch  ein  Besuch  Ostpreufsens  weniger  verlockend  und 
weniger  lohnend,  wenn  nicht  in  überall  sich  wechselseitig  ablösender  Weise 
das  Wasser  seinen  besonderen  Reiz  entfaltete:  an  der  Küste  die  Haff¬ 
bildungen  von  aufserordentlichem  Interesse,  welche  dem  Wanderer  auf 
schmalem  Rücken  hochgetürmter  oder  sich  verflachender  Dünen  (der  Neh¬ 
rung)  nach  aufsen  das  schäumende  Meer,  nach  innen  die  ruhigen,  von 


*)  Beiträge  zur  Naturkunde  Preussens,  herausgegeben  von  der  Physik. -Ökonom.  Ge¬ 
sellschaft  zu  Königsberg,  Nr.  8  (1900). 


80 


Segelbooten  und  kleinen  Dampfern  bevölkerten  Buchten  fast  gleichzeitig  zu 
geniefsen  erlauben;  im  südlichen  Innern,  vom  Goldaper  Hochlande  west¬ 
wärts  bis  über  die  ostpreufsische  Gemarkung  bei  Deutsch -Eylau  hinaus, 
die  zahllosen  Landseen  mit  ihren  unaufhörlich  wechselnden  Reizen;  von 
ihnen  ist  der  10  bis  25  m  tiefe  Spirdingsee  mit  106  qkm  der  gröfste  deutsche 
Binnensee,  und  beim  Vorüberfahren  im  Dampfboot  von  der  Nikolaiker  Seite 
her  bietet  er  dem  freischweifenden  Blicke  eine  Zeitlang  nur  unbegrenzten 
Wasserhorizont  dar.  Bald  liegen  diese  Seen,  lang  ausgestreckt  oder  breiter 
gedehnt  mit  verschlungenen  Ausbuchtungen,  in  tiefer  Waldeseinsamkeit,  bald 
frei  im  sonnigen  Gelände  zwischen  Feld  und  Wiese,  und  nicht  wenige 
geben  einer  Reihe  kleiner  Städte  die  anmutigsten  Umgebungen  oder  sind 
auch  ganz  von  ihnen  auf  der  einen,  von  anschliefsenden  Dörfern  auf  der 
anderen  Seite  umbaut,  wie  z.  B.  die  Seen  bei  Orteisburg,  Nikolaiken,  Sens- 
burg,  während  gröfsere  Städte,  wie  Allenstein,  Gilgenburg  und  Osterode, 
den  Knotenpunkt  mehrerer  dicht  beisammen  liegender  Seen  beherrschen. 
Die  meisten  Seen  haben  wenig  geneigte  Ufer  und  sind  an  vielen  Stellen 
von  Sumpfwiesen,  Mooren  und  Röhrichten  umschlossen,  während  an  den 
steileren  Rändern  der  Wald  aus  Erlen,  Eichen,  oberwärts  auf  dem  Sand¬ 
boden  aus  Kiefern  sich  kräftig  aufbaut;  andere  aber  füllen  ein  ganz  aus 
Steilwänden  aufgebautes  Becken  und  erscheinen  dann  als  das  schönste 
Waldidyll.  Die  uns  Dresdnern  wohlbekannten  Moritzburger  Bilder  kehren 
also  in  Ostpreufsen  in  gröfster  Ausdehnung  und  Mannigfaltigkeit  wieder, 
während  die  Flachseen,  wie  wir  sie  von  Königswartha  kennen,  erst  am 
Rande  der  Abdachung  zur  Küste  unter  100  m  sich  finden. 

Und  zu  diesen,  in  Masuren  zwischen  Angerburg  und  Johannisburg 
am  reizvollsten  gestalteten  Seenbildern  gesellen  sich  nun  noch  die  Strom¬ 
szenerien  der  grofsen  und  kleinen  Flüsse,  voran  des  Königsberger  Pregels 
und  der  Tilsiter  Memel  mit  ihren  Zuflüssen  und  breiten  Schiffahrtskanälen. 

Hier  fafste  auch  die  deutsche  Eroberung  zuerst  festen  Fufs.  Beim 
Betreten  der  Weichselbrücke  vor  Thorn  mahnt  das  Standbild  Hermanns 
von  Salza  an  die  jetzt  fast  sieben  Jahrhunderte  zurückliegende  Zeit,  in  der 
seit  1230  dies  an  Wasser  und  Sand,  Wiese,  Moor  und  Wald  reiche  Gebiet 
der  deutschen  Kultur  zugeführt  und  als  Ordensland  besiedelt  wurde;  mit 
ziemlich  raschem  Erfolge,  da  schon  im  Jahre  1276  die  Bewältigung  der 
litauischen  Heidenburg,  des  Rombinus  an  der  Memel  nicht  weit  von  Tilsit, 
als  Abschlufs  der  stattgefundenen  Eroberung  gelten  konnte.  Aber  wie 
lange  noch  einfachere  Verkehrsverhältnisse  in  den  weiten  Länderstrecken, 
über  die  sich  das  besiedelungskräftige  Volkselement  nur  langsam  aus¬ 
breiten  konnte,  herrschten,  geht  aus  dem  noch  heute  fühlbaren  Mangel 
an  guten  Strafsen  und  an  Überbrückungen  der  grofsen  Ströme  hervor. 
Über  die  Memel  bei  Tilsit,  deren  Wasserfluten  uns  die  russischen  Über¬ 
schüsse  an  Holz  zuführen  und  daher  Schiffe,  besetzt  vom  merkwürdigsten 
Händlervolke,  von  Polacken  und  Juden,  tragen,  führte  nur  die  einzige, 
380  m  lange  Schiffbrücke  bei  Tilsit,  bis  der  Bau  einer  Eisenbahn  .nach 
Memel  1872 — 1875  die  Überbrückung  des  ganzen,  4  km  breit  durch  Über¬ 
schwemmungswiesen  ausgedehnten  Memeltales  veranlafste.  Vor  dieser  Zeit 
ging  daher  die  Verbindung  mit  dem  nördlichsten  Teile  Ostpreufsens  während 
des  Winters  sicherer  über  die  Kurische  Nehrung,  welche  Memel  gegenüber 
so  schmal  ist,  dafs  Schlitten  über  das  Eis  gerade  wie  die  Boote  zur  eis¬ 
freien  Zeit  leicht  und  rasch  fahren  können,  als  über  den  schwer  zu  bän¬ 
digenden  Memelstrom  bei  Tilsit.  Diese  Stadt  erfüllt  alle  natürlichen  Be- 


81 


dingungen  der  ersten  und  vornehmsten  Stadt  im  östlichen  Teile  des  Landes, 
und  es  mufs  die  Verwunderung  jedes  Besuchers  erregen,  dafs  noch  heute 
die  rein  künstliche  Stadt  Gumbinnen  die  ihr  zuteil  gewordene  Ehre  der 
Führung  des  zweiten  ostpreufsischen  Regierungsbezirkes  nicht  hat  an  jene 
abgeben  müssen.  Tilsit  mit  gegen  30000,  Memel  mit  gegen  20000  Ein¬ 
wohnern  sind  die  äufsersten  Bollwerke  eines  kräftigen  und  freien  Entfaltens 
deutscher  Sprache,  deutscher  Sitte  und  Kultur  unter  dem  preufsischen 
Banner,  und  hier  wird  auch  derjenige  Reisende,  dem  es  mehr  auf  behag¬ 
liches  Geniefsen  und  Anschauen  von  Land  und  Leuten  ankommt  als  auf  das 
Durchstreifen  der  weiten  Forsten,  Flufsauen  und  Hochmoore,  sich  lange 
Zeit  wohl  und  vom  lebhaften  Getriebe  des  Wasserverkehrs  angezogen 
fühlen.  Von  anderen  Städten  nach  dem  blühenden  Königsberg  ist  in  diesem 
Vergleich  nur  noch  Insterburg  zu  nennen,  aber  in  weniger  anziehender  Lage 
(24000  Einwohner),  und  von  Städten,  die  etwa  dem  sächsischen  Pirna  zu 
vergleichen  wären  nach  Einwohnerzahl,  aber  einfacher  im  Häuserbau  und 
bescheidener  in  der  Haltung  der  Läden,  zähle  ich  nur  fünf:  Allenstein, 
Osterode,  Braunsberg,  Lyck  und  die  Bezirksstadt  Gumbinnen. 

Aber  überall  ist  der  Reisende  gut  aufgenommen  und  wird  nach  Mafs- 
gabe  des  Vorhandenen  gut  bewirtet,  auch  in  den  kleinen  oben  genannten 
Städten  meiner  Reiseroute,  von  denen  mir  keine  so  gut  gefallen  hat  als 
Goldap  mit  seinem  vortrefflichen  Krechschen  Gasthofe,  von  dem  man  zu 
den  entzückenden  Waldbildern  der  kaiserlichen  Jagdgründe  in  der  Romintener 
Heide  ausfährt.  Einige  Kilometer  vom  Jagdschlösse  entfernt  ist  auf  Befehl  des 
Kaisers  auf  einer  Bergspitze  des  stark  gewellten  Geländes  ein  hoher  hölzerner 
Turmbau  aufgeführt  worden,  von  dessen  Plattform  man  in  die  Wipfel  der 
abwechslungsreich  sich  mischenden  Laub-  und  Nadelbäume,  Birken  und 
Linden,  Ahorn  und  Espen,  mächtiger  Kiefern,  uralter  Fichten  hineinschaut 
und  über  sie  hinweg  in  blauer  Ferne  den  Dunst  des  grofsen  Wysczyter 
Sees  zu  erblicken  vermeint:  ein  bei  geeignetem  Wetter  grofsartig  schönes 
Landschaftsbild! 

Hier  nimmt  auch  von  selbst  der  Reiseverkehr  gröfseren  Umfang  an. 
Wo  sich  ein  eigener  ostpreufsischer  Touristenverkehr  herausgebildet  hat 
aufserhalb  der  kleinen  und  gröfseren  Städte,  kann  man  zwar  meistens  auch 
gut  Unterkommen,  findet  jedoch  die  überall  mit  dem  nur  zeitweilig  stärker 
strömenden  Verkehr  verbundenen  Mängel.  In  Dörfern  kann  man  mit 
Ansprüchen  auf  einigermafsen  bequeme  Nachtruhe  nicht  Unterkommen  und 
oft  auch  nur  recht  bescheidene  Mittagsrast  halten,  so  dafs  stets  gröfsere 
Ausflüge  vom  zeitweilig  wechselnden  Hauptquartier  in  passend  gelegenen 
Städten  für  Naturforscher  zu  empfehlen  sind.  Meistens  ist  für  gute  und 
preiswerte  Fahrgelegenheit  in  leichten  Wagen  gesorgt,  und  auch  die  kleinen 
litauischen  Pferde  laufen  unermüdlich  und  schnell  auf  den  weichen  Wald¬ 
wegen,  in  die  die  Räder  auch  im  Sommer  oft  genug  tief  einsinken. 

Ergänzt  wird  diese  Quartierliste  durch  die  grofse  Gastlichkeit,  sei  es 
auf  Rittergütern,  sei  es  in  Oberförstereien  und  selbst  bei  den  Revierförstern, 
unter  denen  auch  echte  Waldleute  von  masurischer  Herkunft  das  dem 
Wanderer  gebotene  Brot  mit  Milch  als  Gastgeschenk  des  Landes  betrachtet 
sehen  wollen.  Es  mag  ja  freilich  bei  solcher  Aufnahme  auf  das  Verständnis 
ankommen,  welches  der  Fremde  dem  Leben  im  Walde  entgegenzubringen 
vermag. 

Immer  aber  wird  er  sich  über  die  ausgezeichnete,  klare  Sprache  und 
Ausdrucksweise  zu  freuen  haben,  die  ihm,  wenn  er  Nord-  oder  Mittel- 


82 


deutscher  ist,  den  Verkehr  mit  der  einheimischen  deutschen  Bevölkerung 
und  auch  mit  der  bei  dieser  grofs  gewordenen  masurisch-lettischen  Diener¬ 
schaft  in  Gestalt  von  Mägden  oder  Kutschern  erheblich  erleichtert.  Die  hier 
angesiedelte  deutsche  Bevölkerung  hat  sich  auch  körperlich  sowohl  und  kräftig 
entwickelt,  dafs  man  mit  Vergnügen  die  hohen,  breitschulterigen  Gestalten 
der  Männer  und  die  schlanken  Gestalten  der  erst  recht  hochgewachsenen 
Frauen  und  Jungfrauen  in  ihren  die  Sommertage  auszeichnenden  hellfarbenen 
Kleidern  betrachtet. 

Die  Kultur  des  Landes  aber  ist  so  weit  vorgeschritten,  dafs  man  viel¬ 
fach  die  natürlichen  Bestände  der  Flora  ganz  und  gar  durch  Felder  ver¬ 
drängt  sieht*)  und  sich  dann  in  der  Niederung  des  Landes  allein  an  dem 
Grün  der  Wiesen  und  Weiden  ergötzen  kann,  die  auch  im  August  ihren 
physiognomischen  Charakter  wahren  und  von  Herdenvieh,  Rindern  und 
Pferden,  überall  bevölkert  sind. 


Die  Waldflora.  —  Wer  aus  den  Buchenwaldungen  der  Oberlausitz 
oder,  noch  näher  bei  Dresden,  aus  der  mit  reichem  Waldwechsel  ver¬ 
sehenen  Dresdner  Heide  nach  Nordosten  durch  die  Niederlausitz  um  Cott¬ 
bus  und  weiterhin  zur  Oder  bei  Frankfurt  und  Küstrin  eine  Eisenbahn¬ 
fahrt  macht,  wird  sich  in  dem  nicht  zum  Vorteil  geänderten  Landschafts¬ 
bilde  auch  als  Nichtbotaniker  dessen  bewufst  werden,  dafs  die  Kiefer 
alles  beherrscht  und  die  Mengwaldungen  aus  ihr  nur  mit  Eiche,  Birke 
und  auf  feuchterem  Grunde  der  Erle  bestehen,  dafs  die  Buche  dagegen 
an  einem  natürlichen  Standorte  überhaupt  nicht  vorzukommen  scheint. 
Wohl  aber  hat  dieser  west-  und  mitteleuropäische  Charakterbaum  noch 
eine  breite  Zone  im  nördlichen  Deutschland  von  der  Ostküste  Schleswig- 
Holsteins  an  durch  Pommern  und  Westpreufsen  bis  zu  der  Küstenlandschaft 
am  Frischen  Haff  und  landeinwärts  bis  zu  dem  baltischen  Höhenrücken, 
wobei  wir  die  äufsersten  und  recht  vereinzelten  Standorte  der  Buche  weiter 
ostwärts  bis  gegen  Königsberg  hin  aufser  Acht  lassen  wollen.  Damit  ist 
aber  auch  dem  Vorkommen  der  Buche  in  Mitteleuropa  bekanntlich  ein 
Ziel  gesetzt,  und  die  ostpreufsische  Waldflora  enthält  daher  in  der  Ost¬ 
grenze  des  natürlichen  Vorkommens  von  Fagus  silvatica ,  der  sich  das 
horstweise  Auftreten  von  Acer  Fseudoplatanus  anschliefst,  einen  sehr  be¬ 
merkenswerten  Zug.  Das  Gebiet  der  bei  Braunsberg  mündenden  Passarge 
mag  als  ungefähre  Angabe  des  östlichsten  Vorkommens  von  wirklichen 
Buchenwäldern  und  Beständen,  die  schon  von  weitem  gesehen  Eindruck 
machen,  gelten;  die  äufsere  Ostgrenze  vereinzelter  Buchen  verläuft  von 
der  Küste  bei  Ludwigsort  (nahe  Königsberg)  etwa  über  Bischofsburg  nach 
Orteisburg. 

In  demselben  Flufsgebiete  der  Passarge,  beziehentlich  südlich  des 
baltischen  Höhenrückens  etwa  zwischen  Neidenburg  und  Orteisburg,  tritt 

*)  Klinggräff  berichtet  in  seinen  „Vegetationsverhältnissender  Provinz  Preussen“ 
1866  darüber,  das  ehemals  so  waldreiche  Land  sei  nun  so  entwaldet,  dafs  es  zu  den 
holzärmsten  Provinzen  des  preufsischen  Staates  gehöre  und  nur  noch  etwa  zu  einem 
Sechstel  seiner  Fläche  mit  Wald  bedeckt  sei.  Diese  aber  bildet  zum  grofsen  Teile  weite, 
zusammenhängende  Komplexe  mächtiger  Staatsforsten.  Die  Wiesen  und  Triften  nehmen 
ein  fast  ebenso  grofses  Areal  ein  als  der  Wald,  und  wiederum  ebenso  viel  Wasser, 
Sumpf  und  Moor.  So  kommt  ungefähr  die  Hälfte  der  Bodenfläche  auf  die  eingeführten 
Kulturgewächse  in  Feld  und  Garten.  Die  Reihenfolge  in  der  Bedeutung  der  Cerealien 
lautet:  Roggen,  Hafer,  Weizen  und  Gerste. 


83 


nun  als  Ersatz  der  Buche  unsere  im  Berglande  herrschende  Fichte  mit 
grofser  Macht  neben  der  Kiefer  auf  und  drängt  diese  auf  dem  feucht¬ 
fruchtbaren  Untergründe  im  Pregel-  und  Memelgebiete  geradezu  zurück, 
während  sie  ebenso  an  anderen  Orten  sich  derartig  mit  der  Kiefer  in  den 
Besitz  des  Bodens  teilt,  dafs  beide  innig  gesellt  einander  an  Kraft  und 
Gröfse  nichts  nachgeben  und  dann,  wenn  auch  zugleich  Haselgebüsch  ihr 
Unterholz  darstellt  und  Linden,  Ulmen,  Espen  oder  Hainbuchen  in  den 
Nadelbestand  hinein  ihre  glänzenden  Laubkronen  mischen,  in  der  Regel 
auch  eine  reiche  Staudenflora  beherbergen. 

Die  Hainbuchen,  welche  östlich  der  Rotbuchengrenze  ( Fagus  sil- 
vatica)  allein  noch  von  den  beiden  Buchen  Vorkommen,  kennen  wir  ja 
auch  zur  Genüge  aus  sächsischen  Wäldern,  und  ich  sah  in  Ostpreufsen 
keine  schöneren  Stämme  davon  als  hier;  die  Linden  aber  ( Tilia  parvi- 
folia )  treten  mit  Rüstern  und  Spitzahorn  in  viel  häufigerer  Zahl  und  in 
ausgezeichneter  Formschönheit  auf,  so  dafs  man  schon  in  Ostpreufsen  an 
die  Fülle  der  Lindenwaldungen  gemahnt  wird,  die  in  Rufsland  aus  ihrer 
bastreichen  Rinde  den  Landleuten  alljährlich  die  Dutzende  von  Schuhen 
für  den  Jahresverbrauch  liefern.  Espen  und  Eschen  sind  gleichfalls  höher 
und  zahlreicher  als  in  unseren  hercynischen  Wäldern. 

Die  Staudenflora  mischt  sich  entweder  mit  üppigen  Laubmoosen  ( Hyp - 
num  Crista  castrensis  u.  a. !),  Heidel-  und  Preifselbeergesträuch ,  oder  sie 
erhebt  sich  zwischen  Waldgräsern  wie  Calamagrostis  arundinacea ,  die  den 
Boden  erstaunlich  dicht  bedecken;  oder  endlich  sie  besteht  auf  feuchtem 
Mergelboden  aus  einem  buchenwaldähnlichen  Gemisch  von  Stauden  wie 
Asarum  europaeum,  Lathyrus  ( Orobits )  vernus,  Ranunculus  lanuginosus, 
Hepatica ,  und  überall  ist  Dapline  Mez er eum  in  solchen  Waldungen  zu  finden. 

Zweierlei  Bemerkungen  drängen  sich  uns  dabei  auf:  einmal  der  grofse 
Unterschied,  den  diese  ostpreufsischen  Waldungen  gegenüber  denen  des 
deutschen  Nordwestens  (Lüneburger  Heide)  zeigen,  wo  alle  eben  genannten 
Pflanzen  entweder  ganz  fehlen  ( Asarum ,  Latliyrus  vernus ,  Daphne ),  oder 
selten  ( Hepatica )  und  sehr  selten  auftreten  ( Ranunculus  lanuginosus ,  Cala¬ 
magrostis  arundinacea).  Sobald  man  sich  dieses  Unterschiedes  bewufst 
wird,  drängt  sich  die  Bemerkung  bei  zunehmenden  Beobachtungen  immer 
stärker  durch,  dafs  die  ostpreufsischen  Wälder  auch  jenseits  der 
Buchengrenze  sich  vielmehr  in  ihrer  Arten  -  Zusamm  ensetzung 
an  die  osthercynischen  der  unteren  und  mittleren  Region  an- 
schliefsen,  als  diese  wie  jene  an  die  Waldungen  von  Nordwest¬ 
deutschland. 

Die  andere  Bemerkung  gilt  der  Frage,  welche  einst  F.  Höck  zum 
Gegenstände  mehrerer  pflanzengeographischer  Untersuchungen  machte,  ob 
nämlich  bestimmte  Waldstauden  als  ständige  Begleitpflanzen  be¬ 
stimmter  Bäume  anzusehen  seien,  was  ich  selbst  nicht  für  den  Baum, 
sondern  nur  für  gewisse  im  Baumbestände  auswechselfähige  Formationen 
anerkennen  wollte.  Hier  haben  wir  den  Beweis  für  die  letztere  Meinung: 
auch  jenseit  der  Buchengrenze  kommen  viele  der  sogenannten  „Buchen¬ 
begleiter“  Hocks  als  Charakterarten  vor,  aber  sie  zeigen  dadurch  auch 
eine  bestimmte  Formationsverwandtschaft  an,  die  im  Walde  über  die  Vege¬ 
tationslinie  der  Buche  hinaus  sich  aufrecht  erhält. 

Um  ein  Beispiel  anzuführen,  schildere  ich  den  Staudenbestand  in 
einem  schönen  Laubwalde  aus  Hainbuche,  Rüster,  Ahorn  (A.  platanoides), 
Linde,  Eiche  und  Esche,  wie  er  westlich  vom  Spirdingsee  bei  Collogienen 

* 


84 


auf  10  bis  20  m  hoch  über  dem  Cruttinnental  gelegeneu,  wellig  erscheinenden 
Höhen  mit  einer  vielleicht  ein  Hektar  grofsen  Fläche  sich  darbot  im  August: 
Corylus ,  Cornus  sanguinea  und  Daphne  bildeten  Untergehölz,  Asarum,  Pal- 
monaria  und  Hepatica  bildeten  abwechselnd  mit  Oxalis  dichte  Boden¬ 
decken,  zwischen  ihnen  Lathyrus  ( Orolms )  vernus  in  Frucht;  zwischen 
gewöhnlichen  Hochstauden:  Solidago ,  Campanula ,  Scrophularia ,  Lactuca 
muralis ,  Lampsana ,  Stellaria  Holostea,  Galeobdolon ,  bildeten  die  Liliaceen 
Convallaria ,  Polygonatum  multiflorum  und  Lilium  Martagon  ausgezeichnete 
Gruppen.  Dies  Beispiel  zeigt  die  reichhaltige  Zusammensetzung  der  Laub¬ 
wälder  auch  östlich  der  Buchengrenze;  hercynische  Charakterarten  des 
Buchenwaldes,  wie  Viola  mirabilis,  Campanula  latifolia ,  Circaea  alpina, 
Neottia  u.  a.  habe  ich  überhaupt  nur  östlich  der  Buchengrenze  gesammelt. 

Daraus  ergibt  sich  der  Schlufs,  dafs  die  Buche  allein  nicht  beson¬ 
dere  Formationen  schafft,  so  bedeutungsvoll  auch  für  die  nach  grofsem 
Mafsstabe  aburteilende  Pflanzengeographie  ihre  Vegetationslinie  ist,  die 
auf  den  Florenkarten  eine  bedeutsame  Rolle  spielt.  Es  mufs  einer  ge¬ 
naueren  pflanzengeographischen  Untersuchung,  wie  sie  in  hoffentlich  nicht 
zu  ferner  Zeit  von  Johannes  Abromeit  geliefert  werden  wird,  überlassen 
bleiben,  nachzuspüren,  welche  charakteristischen  anderen  Waldpflanzen  in 
Ostpreufsen  die  Grenzlinie  der  Buche  etwa  teilen.  Den  Bergahorn, 
A.  Pseudoplatanus ,  und  den  südlich  von  Osterode  vorkommenden  Farn 
Aspidium  lobatum  kann  ich  als  solche  Beispiele  anführen,  beide  in  der 
Hercynia  dem  unteren  Bergwalde  angehörig,  der  gerade  in  den  reicheren 
ostpreufsischen  Wäldern  noch  in  so  vielen  Arten  wiederkehrt,  welche  alle 
dem  deutschen  Nordwesten  fehlen. 

Bei  weitem  die  erste  Rolle  im  ganzen  ostpreufsischen  Lande,  soweit 
ich  dessen  Wälder  durchstreifte,  spielt  aber  natürlich  die  Kiefer,  welche 
im  Westen  der  Buche  und  im  Osten  der  Fichte  den  Rang  streitig  macht. 
Wenn  ich  daher,  um  diese  Bemerkungen  über  den  Wald  zu  einem  gewissen 
wissenschaftlichen  Ergebnis  zu  bringen,  eine  Formationsgliederung  des¬ 
selben  hier  anschliefse,  so  mufs  die  Kiefer  als  leitender  Baum  die  erste 
Stelle  einnehmen.  Ich  habe  vielfach  Vergleiche  zwischen  den  hercyni- 
schen  und  ostpreufsischen  (d.  h.  „südbaltischen“)  Formationen  gesucht 
und,  da  eine  eigene  innere  Gliederung  der  letzteren  viel  mehr  Nachdenken 
erfordert,  als  es  in  der  Verarbeitung  der  Exkursionsresultate  zweier  Reisen 
enthalten  sein  kann,  so  beschränke  ich  mich  auf  die  Resultate  dieser 
Vergleichungen.  Die  in  Klammern  hinter  den  ostpreufsischen  Wald¬ 
formationen  angeführte  Ziffer  verweist  auf  die  entsprechende  hercynische 
Formation  nach  der  in  meiner  Arbeit  über  den  hercynischen  Florenbezirk 
1902  (V.  d.  E.  Bd.  VI,  S.  135 — 137)  gegebenen  kurzen  Zusammenstellung. 

(Hercyn. 

'  Formation) 

1.  Kiefernwald  auf  nicht  nassem  oder  moorigem  Boden.  (4) 

Häufigster  Begleiter:  Juniperus  communis ,  V.Myrtillus , 

V.  Vitis  idaea.  Verschiedene  Facies  nach  der  Moosbedeckung. 

2.  Kiefernmengwald  auf  humos-fruchtbarem  Boden. 

Facies  a)  mit  Fichte  oder  auch  die  Fichte  vorherrschend  (3) 

„  b)  mit  Corylus ,  Tiliaparvifolia ,  Acer platanoides  usw.  (3) 

,,  c)  offen  und  „lichte  Haine“  bildend,  in  der  Regel 

mit  reichem  Unterholz  und  vielen  Stauden  .  .  (1) 


85 


(Hercyn. 

Formation) 

3.  Laubwald  auf  fruchtbarem  Boden,  geschlossen. 

Facies  a)  mit  Buche  oder  aus  Buche  allein  bestehend  .  (2) 

„  b)  ohne  Buche  aus  Carpinus ,  Tilia,  Ulmus,  Acer, 

Quercus. 

4.  Bruch-  und  Auenwald  auf  moorigem  und  nassem  Boden. 

Facies  a)  Erlenbruch  mit  Esche,  Birke . (5) 

„  b)  Birkensumpf  mit  Deschampsia  caespitosa  usw. 

„  c)  Kiefernmoor  mit  Ledum  palustre . (6) 

5.  Flufsufer -Wald  in  den  breiten  Talniederungen  .  .  . 

Facies  von  Populus  nigra  (vgl.  Hercynische  For¬ 
mation  28,  a.  a.  0.  S.  263).  Anschlufs  an  die  Formationen 
des  fliefsenden  Wassers. 

Fragen  wir  uns  nach  den  Unterschieden  dieser  baltischen  und  her- 
cynischen,  zu  einander  in  Vergleich  gebrachten  Formationen,  so  sind  die¬ 
selben  sowohl  im  Wechsel  der  beigemischten  Arten  als  auch  in  der 
oft  auffallenden  Veränderung  der  Standorte  zu  suchen.  Diese  letzteren 
Unterschiede  sind  schwieriger  auszudrücken,  sie  führen  in  die  neuerdings 
zu  eigener  Wissenschaft  heranblühende  ,, Ökologie“  oder  Lebensgeschichte 
der  Flora  mit  hinein. 

Was  macht  ein  solcher  schöner  Kiefernmengwald,  etwa  im  südlichen 
Masuren  bei  Soldau  und  Neidenburg,  für  einen  anderen  Eindruck  durch 
den  Anschlufs  so  vieler  Arten,  die  in  der  Hercynia  überhaupt  den  Wald 
meiden!  Nicht  nur,  dafs  Peucedanum  Oreoselinum  mit  Vicia  cassubica 
und  Geranium  sanguineum,  Rubus  saxatilis ,  Potentilla  alba  und  Cytisus 
biflorus  nach  Art  der  Flora  sonniger  Felshöhen,  die  auch  in  Sachsen  und 
Nordböhmen  Kiefern  und  Birken  als  schwache  Schattenspender  tragen, 
üppig  gemischt  durcheinander  wachsen  und  sich  in  nächster  Nähe  von 
Trientalis ,  Convallaria  und  Smilacina  bifolia  zwischen  Heidelbeeren  be¬ 
finden:  auch  Brunella  grandiflora  in  langstenglig- üppiger  Form,  Senecio 
Jacobaea  und  an  auserwählteren  Stellen  Digitalis  ambigua  wie  Lilium 
Martagon,  Laserpitium  pruthenicum  und  (sehr  selten)  L.  latifolium  wachsen 
in  einem  Walde  von  demselben  Baumbestände;  dieser  bildet  also  nach  seiner 
Staudenflora  den  Laub-  wie  Kiefernwald  und  die  pflanzenreichen  „lichten 
Haine  der  Hügelformationen“  in  Mitteldeutschland  auf  mannigfach  wech¬ 
selnden  Abhängen  mit  felsigem  Untergrund  bis  zum  feuchten  Talgrunde 
herab  im  kleinen  nach.  Es  vereinigen  sich  also  in  den  baltischen 
Wäldern  vielerlei  Arten  zu  gleicher  Hauptformation,  welche  im 
hercynischen  Hügel-  und  unteren  Berglande  nach  verschiedenen 
Formationen  getrennt  sind.  Und  wiederum  ist  dann,  wenn  wir  zum 
Vergleich  auch  den  norddeutschen  Westen,  Lüneburg,  Oldenburg  und  Fries¬ 
land  heranziehen,  hinzuzufügen,  dafs  alle  jene  soeben  als  auffallend 
in  ihren  Waldstandorten  genannten  ostpreufsi sehen  Arten  dort  fehlen; 
selbst  Senecio  Jacobaea  wird  dort  in  der  Hauptsache  durch  S.  aquaticus 
ersetzt. 

Aber  die  Formationsgliederung  ist  nicht  jedem  geläufig  und  leidet  so 
wie  so  an  der  inneren  Schwierigkeit,  dafs  die  Pflanzenarten  mit  wechselnder 
Anpassungsfähigkeit  an  neue  Standorte  in  verschiedenen  Bezirken  des- 

** 


86 


selben  Florengebietes  eine  andere  Verteilung*)  annehmen.  Leichter  er¬ 
fassen  sich  die  besonderen  Merkmale  der  Formationen  an  neu  auftretenden 
Arten  überhaupt,  an  den  „Seltenheiten“,  welche  die  sammelnden  Floristen 
in  erster  Linie  zum  Besuche  ferner  Gaue  einladen  und  welche  dort  an 
Stelle  vieler  altgewohnter  Arten  treten. 

Gibt  es  nun  viele  solcher  Arten?  Machen  sie  einen  starken  physiog- 
nomischen  Eindruck,  so  dafs  man  beim  Betreten  eines  gut  zusammen¬ 
gesetzten  Waldes  alsbald  merkt,  man  befinde  sich  in  Preufsen  östlich  der 
Weichsel?  —  Auf  diese  Fragen  läfst  sich  antworten,  dafs  die  Zahl  der 
gemeinsam  mitteleuropäischen  Arten,  besonders  unter  den  tonangebenden, 
doch  so  sehr  überwiegt,  dafs  der  besondere  Charakter  des  Florenbezirkes 
erst  an  zweiter,  dritter  Stelle  hervortritt  und  oft  im  Wechsel  der  Arten 
mehr  durch  das  Fehlende  als  durch  das  Neue  zu  bemerken  ist.  Wenn 
ich  Ostpreufsen  als  eine  Einheit  auffasse  und  zunächst  davon  absehe,  dafs 
viele  Charakterarten  nur  einen  Teil  des  Landes  besetzen,  so  würden  für 
die  Waldformationen  besonders  einige  Sträucher  in  Betracht  kommen: 
Ribes  nigrum  neben  R.  rubrum  und  alpinum ,  und  besonders  der  hübsche 
Evonymus  verrucosus ,  der  vielfach  häufiger  ist  als  E.  europaeus.  Die 
erstgenannte  Ribes- Art,  die  Gichtbeere,  hat  hier  durch  das  ganze  Land 
besonders  in  Bruch-Laubgehölzen,  an  den  Bächen  und  Moorgräben  sogar 
neben  Calla  palustris ,  eine  weitgehende  Verbreitung,  und  von  R.  rubrum , 
der  Johannisbeere,  gibt  es  hier  an  weniger  zahlreichen  Standorten  zwei 
wilde,  von  der  Gartenform  wohl  unterschiedene  Varietäten**). 

Von  den  Stauden  sind  es  wohl  in  erster  Linie  Ranunculus  cassu- 
bicus ,  der  im  Mai  blühend  neben  unserem  R.  auricomus  von  Memel  bis 
Neidenburg  vorkommt,  dann  die  wie  Luzida  pilosa  in  dichteren  Rasen 
wachsende  Carex  pilosa,  auch  Agrimonia  pilosa ,  endlich  in  nassen 
Auenwäldern  Stellaria  Frieseana ,  Carex  elongata  und  Glyceria 
remota ,  die  sich  mit  viel  Prunus  Padus ,  Chaerophyllum  aromaticum , 
Actaea ,  Viola  mirabilis ,  Lycopodium  annotinum  zu  einer  gewissen  preufsi- 
schen  Leitgruppe  verbinden. 

In  den  heideerfüllten,  trockneren  Wäldern,  besonders  im  südlichen 
Masuren,  sind  die  Seltenheiten  Dracocephalum  Ruyschiana ,  Tri¬ 
folium  Lupinaster ,  Adenophora  liliifolia ,  Cimicifuga  foetida 
mit  Pulsatilla  patens  zu  nennen,  an  ähnlichen  Misch -Standorten,  wie 
sie  vorhin  durch  Brunelia  grandiflora ,  Vicia  cassubica ,  Digitalis  ambigua , 
Pulmonaria  angustifolia  und  ähnliche  gekennzeichnet  wurden;  aber  es 
sind  seltene  Pflanzen  an  vereinzelten  Waldplätzen,  die  ein  reicheres  Vor¬ 
kommen  in  den  Weichselwäldern  Westpreufsens  (Münsterwalder  Forst  nach 
Angabe  von  Scholz!)  besitzen,  und  sie  machen  keine  auffallenden  Be¬ 
standesgemenge  aus.  Dasselbe  gilt  für  Laubwälder  von  dem  interessanten 
Isopyrum  thalictroides ,  von  dem  ich  nichts  zu  sehen  bekommen  habe. 

Aber  eigene  dichte  Bestände  bildet  im  Umkreise  von  Neidenburg  der 
niedrige  Strauch  Cytisus  biflorus  (ratisbonensis) ,  der,  massiger  als  im 
östlichen  Sachsen  Cytisus  nigricans ,  noch  einmal  einen  wirklichen  physiog- 
nomischen  Zug  in  den  Kiefernwaldungen  bildet,  wo  man  ihn  neben  dem 
auch  sonst  in  Preufsen  häufigen  Arctostaphylus  Uva  ursi  beobachten  kann. 


*)  „Ecological  distribution“  nach  Mac  Millan  1897  in  seiner  vortrefflichen  Studie 
über  den  Lake  of  the  Woods  zwischen  Minnesota  und  Ontario. 

**)  Vgl.  Abrom  eit:  Flora  von  Ost-  und  Westpreufsen  I,  300. 


87 


In  den  montane  Arten  beherbergenden  Fichten -Kiefernwäldern  des 
Ostens  zeichnet  sich  Polemonium  coeruleum  mit  Campanula  latifolia, 
Cardamine  silvatica,  Lunar ia  rediviva  und  Dentaria  bulbifera  aus;  eine 
bedeutende  Seltenheit  ist  Lathyrns  luteus  ( laevigatus )  in  der  ßröd- 
laukener  Forst  bei  Insterburg,  eine  Gebirgspflanze  von  den  Pyrenäen  bis 
Serbien  mit  nach  Rufsland  vorgeschobenem  Ostareal. 

Diese  seltene  Pflanze  liegt  als  Geschenk  in  meinem  Herbarium,  denn 
schwerlich  kann  man  auf  einer  botanischen  Reise  durch  so  weite  Land¬ 
strecken  und  in  schon  weit  vorgerückter  Jahreszeit  viel  Mufse  auf  das 
Aufsuchen  ganz  vereinzelter  Standorte  verwenden.  An  solchen  ist  auch 
der  ausgedehnte  Wald  der  Rominter  Heide  besonders  reich,  von  der  Lettau 
sagt,  man  hätte  stundenlang  den  Eindruck,  als  wären  hier  die  Wogen 
eines  Ozeans  im  Augenblicke  der  höchsten  Erregung  stehen  geblieben  und 
als  könne  man  aus  dem  Gewirre  von  Kesseln,  Mulden,  Hügeln  und  Wällen 
nicht  herauskommen.  Hier  fand  der  genannte,  floristisch  unausgesetzt  in 
neuen  Entdeckungen  tätige  Lehrer  im  Juli  1900  zum  ersten  Male  für  Ost- 
preufsen  Gymnadenia  odoratissima  im  Walde,  auch  Sweertia perennis, 
die  aufserdem  noch  bei  Königsberg,  Labiau,  Bischofstein  und  Johannisburg 
vorkommt,  und  in  Erlenbrüchen  neben  der  oben  genannten  Glyceria  re- 
mota  und  Poa  sudetica  auch  die  seltenen  nordischen  Seggen  Car  ex 
loliacea  und  tenella.  Die  Charakteristik  der  ostpreufsischen  Bruch¬ 
wälder  würde  noch  zu  mangelhaft  bleiben,  wenn  ich  nicht  wenigstens  noch 
als  ihre  Bestandteile  Viola  epipsila,  Listera  cor  data  und  Linnaea 
borealis  nennte.  Die  Linnaea  hat  keine  geringe  Verbreitung  in  Ost- 
preufsen,  in  der  neuen  „Flora“  füllen  ihre  dortigen  Standorte  eine  ganze 
Seite;  auch  bedarf  es  nicht  des  eigentlichen  Bruches  zu  ihren  Existenz¬ 
bedingungen,  sondern  des  gewöhnlichen  preufsischen  Kiefernwaldes,  in  dem 
sie  zwischen  Moos  und  Heidelbeeren  kleine  Teppiche  wirkt;  ihre  Stand¬ 
orte  liegen  von  Schwarzort  bei  Memel  bis  zu  den  südmasurischen,  von 
Cytisus  biflorus  durchsetzten  Waldungen  im  Neidenburger  Kreise  herunter. 

Auf  das  Fehlende  in  den  Beständen  besinnt  man  sich  häufig  erst 
nach  der  Rückkehr  zu  den  gewohnten  Florenbildern  und  ich  möchte  dabei 
nicht  weitläufig  werden.  Um  nur  rasch  ein  paar  physiognomisch  wichtige 
Züge  zu  nennen,  sei  des  Mangels  an  Besenstrauch,  Sarothamnus  scoparius , 
in  den  Kiefernwaldungen  Ostpreufsens  wie  der  Armut  an  Brombeeren*) 
gedacht.  Für  den  Besenstrauch  tritt  überall  der  Wachholder  ein,  den 
ich  in  solcher  Menge,  Kraft  und  oft  auch  mit  der  Fähigkeit,  als  Unter¬ 
holz  langweilige  Kiefernforsten  ganz  allein  anmutig  zu  schmücken,  nie 
zuvor  gesehen  habe;  das  Gegenteil  fiel  mir  zur  Pfingstzeit  dieses  Jahres 
an  Rhein  und  Mosel  auf,  wo  auf  dem  geeigneten  Boden  im  Buschwald  und 
an  den  Gehängen  der  Besenstrauch  in  mächtiger  Gröfse  mit  der  Fülle 
seiner  goldgelben  Schmetterlingsblumen  einen  Farbenreichtum  auf  dunklem 
Grün  hervorzauberte,  wie  ich  es  auch  in  den  hercynischen  Gauen  kaum 
je  gesehen.  Das  sind  für  Vegetationslinien  zur  Charakteristik  der  For¬ 
mationen  geeignete  Pflanzen!  Für  das  östliche  Preufsen  scheint  auch  der 
gemeine  Weifsdorn,  Crataegus  Oxyacantha ,  eine  solche  zu  bilden,  da  er 
sowohl  nördlich  des  Memelflufses  als  auch  im  Südosten  des  Goldaper  Hoch¬ 
landes,  bei  Lyck  usw.,  im  wilden  Zustande  fehlen  soll. 


*)  Überall  fast  nur  Rubus  suberectus,  R.  plicatus  schon  im  Nordosten  ganz  fehlend, 
R .  Bellardii  als  Waldpflanze  im  nördlichen  Landstrich,  Passarge  bis  Labiau. 


88 


So  kommt  denn  doch  eine  Anzahl  von  Kennzeichen  heraus,  nach 
denen  man  sehr  rasch  den  baltischen  Wald  von  Preufsen  als  wohl  ver¬ 
schieden  von  dem  liercynischen  und  noch  mehr  verschieden  von  den  in 
Norddeutschland  weiter  westlich  gelegenen  Strichen  herausfindet.  Trotz 
der  überall  zu  verspürenden  Forstkultur,  die  die  unzugänglichen  Stellen 
auf  die  Sumpf-  und  Moorwälder  kleinen  Umfanges  beschränkt  und  den 
Wasserspiegel  derselben  durch  Gräben  stark,  vielleicht  für  das  Gedeihen 
mächtiger  Birken,  Kiefern  und  Erlen  vielerorts  zu  stark,  herabgesetzt  hat, 
ist  es  noch  heute  eine  hohe  Lust,  in  diesen  mit  starken  Bäumen  des  ver¬ 
schiedensten  Alters,  Laub-  wie  Nadelbäume  sich  ablösend,  besetzten  Wald¬ 
gründen  zu  schweifen.  Noch  jetzt  bedeckt  der  Juraforst  nördlich  der 
Memel  an  der  Landesgrenze  130  qkm  Fläche,  die  von  nur  zwei  Ober¬ 
förstereien  verwaltet  werden,  und  im  Süden  des  Landes  ist  die  Johannes¬ 
burger  Heide  ein  noch  heute  in  der  Hauptsache  zusammenhängendes  Wald¬ 
gebiet  von  noch  gröfserem  Umfange.  Natürliche  Gewalten  haben  hier  zu¬ 
weilen  schwer  gehaust  und  einfachere  Verhältnisse  zurückgeführt;  so  be¬ 
sonders  der  Orkan  vom  17.  Januar  1818,  dem  131  Kirchen  und  36000  Wohn- 
und  Wirtschaftsgebäude  zum  Opfer  fielen  und  der  17  Millionen  Mark  Forst¬ 
schaden  verursachte.  Infolgedessen  nahm  nach  Niederlegung  der  Fichte 
damals  die  Espe  überhand,  und  später  (1850 — 1860)  folgte  neuer  Schaden 
durch  Nonnenfalter  und  Borkenkäfer.  Man  versteht,  wie  die  Natur  auch 
in  stark  bewaldeten  Gebieten  sowohl  für  selbst  sich  bildende  Lichtungen 
als  für  Baumwechsel  und  die  Buntheit  des  Waldbildes  Sorge  trägt.  — 

Die  Moorflora.  Nächst  der  Mannigfaltigkeit  des  Waldes  ladet  keine 
ostpreufsische  Formation  so  zu  Vergleichen  mit  denen  vom  Harz  bis  zum 
Erzgebirge  und  in  der  Lausitz  ein,  als  die  Hoch-  und  Wiesenmoore.  Besitzt 
schon  der  Wald  in  Pflanzenarten  wie  Linnaea ,  Polemonium  und  Sweertia 
teils  arktische,  teils  mitteleuropäische  Hochgebirgsrelikte  der  letzten  Eis¬ 
zeit,  so  werden  wir  in  den  Mooren  davon  noch  eine  viel  gröfsere  Anzahl 
finden:  hier  sowohl  Sträucher  wie  Salix  myrtilloides ,  nigricans ,  livida 
und  als  seltenste  S.  Lapponum ,  dazu  auch  die  Ericaceen:  Ledum 
palustre  und  Lyonia  calyculata ,  als  auch  Stauden  wie  j Rubus  Chamae- 
morus ,  Saxifraga  Hirculus ,  Pedicularis  Sceptrum  carolinum,  Primula 
farinosa  und  seltene  Carices,  besonders  C.chordorrhiza.  Ich  habe  mit  diesen 
Namen  lauter  Glazialrelikte  voll  von  geographischem  Interesse  genannt, 
welche  sämtlich,  mit  alleiniger  Ausnahme  von  Ledum ,  dem  liercynischen 
Florenbezirk  fehlen,  und  die  ich  als  seltenere  oder  häufige,  die  ostpreufsischen 
Hochmoore  kennzeichnende  Arten  auf  meinen  beiden  Reisen  sammelte. 

Die  beiden  Hauptformationen  der  Hoch-,  Moos-  oder  Heidemoore 
mit  Ericaceen  einerseits,  und  der  Wiesen-  oder  Grünmoore  mit  vor¬ 
wiegenden  Binsen  und  Seggen  im  Übergänge  zu  Sumpfwiesen  mit  Tri - 
glochin  palustre  anderseits,  erscheinen  auch  in  Ostpreufsen  in  typischer 
Trennung,  wenn  auch  mit  Übergängen.  Nur  im  Moosmoor  lebt  Pubus 
Chamaemorus  und  kriecht  in  denselben  Sphagneten,  zwischen  denen  an 
den  nässesten  Stellen  Scheuch z er ia  palustris  mit  Carex  limosa  entspriefst, 
die  beide  hier  in  Preufsen  üppig  an  vielen  Stellen  vergesellschaftet  sind. 
Dagegen  wächst  Primula  farinosa  und  Pedicularis  Sceptrum  nur  auf 
torfigem  Wiesenboden  zwischen  Carex  panicea ,  vulgaris ,  echinata ,  lepi- 
docarpa ,  denen  sich  die  seltneren  (7.  Hornschuchiana ,  fulva ,  sparsiflora, 
auch  C.  dioica  anschliefsen ,  und  diese  im  Kreise  Memel  auch  durch  das 
gesellige  Vorkommen  der  Sesleria  coerulea  var.  uliginosa  ausgezeichneten 


89 


Wiesen  gehen  zumeist  in  Saliceten  über,  welche  an  Wiesengräben  oder 
in  zahlreichen,  die  Ränder  von  Teichen  bildenden  Sümpfen  ihre  üppigste 
Entfaltung  haben,  sich  auch  durch  Erlen-  und  Birkensümpfe  mit  dem  nassen 
Walde  verbinden.  Im  Norden  der  Provinz  ist  dort  auch  überall  Ainus 
incana  in  einem  ganz  natürlichen,  üppigen  Vorkommen  geradezu  ton¬ 
angebend,  so  dafs  das  Innere  des  Kreises  Memel  um  Deutsch -Crottingen 
herum  seine  wesentlichste  Physiognomie  mit  durch  die  zahlreichen,  vor 
den  Wäldern  sich  ausbreitenden  Buschwaldungen  von  Grauerlen  und  Salix 
nigricans ,  livida ,  pentandra  etc.  erhält. 

Selbstverständlich  bilden  die  über  weite  Flächen  ausgedehnten  Moos¬ 
moore  die  noch  heute  am  meisten  unzugänglichen  Stellen  des  Landes  und 
haben  trotz  ihrer  doch  immerhin  eintönigen  Flora  ein  grofsartiges  flori- 
stisches  Interesse.  Möchte  ihre  an  vielen  Stellen  noch  gut  erhaltene  Ur¬ 
wüchsigkeit  der  fortschreitenden  Urbarmachung  zum  Trotz  bestehen  bleiben 
und  mögen  sich  auserwählte  Stellen  eines  starken  Staatsschutzes  erfreuen; 
Deutschland  ist  reich  und  grofs  genug,  um  die  geringen  Erträgnisse  von 
Holz  oder  Gras  aus  den  wenigen  Quadratkilometern  Moosbruch,  um  deren 
ungestörte  Erhaltung  im  Innern  der  rings  umbauten  Moorflächen  es  sich 
hier  handelt,  entbehren  zu  können. 

Diese  grofsen  Moosbrüche,  Flächenmoore  aus  Sphagneten  und  höchstens 
nur  zeitweise  Überschwemmungen  ausgesetzt,  liegen  alle  im  Norden  des 
Landes  und  unterhalb  der  50  m- Höhenlinie  im  Gebiet  des  Pregels  und 
der  Inster,  die  gröfsten  nahe  der  Küste,  wo  sich  von  Labiau  bis  Prökuls 
nördlich  von  Heydekrug  am  Kurischen  Haff  fast  ein  ununterbrochenes 
Gebiet  von  Hochmooren  ausdehnt.  Zu  diesen  gehört  als  eins  der  berühm¬ 
testen  das  Augstumal-Moor,  über  welches  Dr.  C.  Weber,  der  Botaniker  an 
der  Moor-Versuchsstation  in  Bremen,  im  Jahre  1894  in  den  „Mitteilungen 
über  Moorkultur“  berichtete,  indem  er  nach  den  natürlichen  Pflanzen¬ 
beständen  die  sich  in  das  Innere  hineinarbeitenden  Kulturbestände  schilderte. 
Es  bedeckte  ursprünglich  eine  Fläche  von  30  qkm  und  soll  bis  7  m  an 
Mächtigkeit  betragen. 

Im  Innern  des  Landes  liegen  die  gröfsten  Hochmoore  zwischen  Tilsit 
und  Pillkallen  nahe  der  Szeszuppe  und  Inster.  Sie  führen  besondere  let¬ 
tische  Namen,  die  auf  ihren  Charakter  und  ihre  Gefährlichkeit  für  den 
Menschen  hinweisen,  wie  plinis  =  moorige  Ebene  oder  pakladim  —  Höllen¬ 
sumpf.  Die  „Kacksche  Balis“  mit  ähnlicher  Bedeutung  dehnt  sich  mit 
20  qkm  Fläche  zwischen  den  beiden  eben  genannten  Flüssen  aus,  wölbt 
sich  6  m  hoch  über  ihre  Ränder  empor  und  hat  22  kleine  Torfseen  auf 
der  Höhe;  ihre  Sumpfzone  am  Rande  ist  reich  an  seltenen  Sphagnum- 
Formen  und  läfst  sich  nur  unter  Gefahr  des  Einsinkens  vom  Vieh  beweiden. 
Weiter  im  Osten  liegt  die  Schoreller  Plinis  mit  13  qkm  Fläche,  ein  auf 
Lehmboden  erwachsenes  Hochmoor;  nahe  der  russischen  Grenze  folgt  die 
10  qkm  enthaltende  Grofse  Plinis  mit  einer  der  Entwässerung  zu  ver¬ 
dankenden  Randzone  von  Birkengehölzen.  Das  Pakladimer  Hochmoor  nörd¬ 
lich  von  Trakehnen  ist  über  15  qkm  grofs  und  liegt  schon  an  der  50  m- 
Höhenstufe;  noch  höher  hinauf  liegen  nur  kleinere  Moore,  immer  noch 
grofs  genug  für  eigenartige  Entwicklung  einer  guten  Charakterflora  und, 
wie  es  scheint,  tiefer  als  die  Küstenmoore  am  Haff,  welche  aus  den  durch 
Hebung  des  Bodens  abgeschnittenen  gewaltigen  Wasserbecken  des  Memel- 
Deltas  enstanden  sind.  Die  gröfste  Tiefe  des  Moores  hat  man  nahe  Fried¬ 
land  und  südlich  von  der  Astrawischker  Forst  an  der  Grenze  der  50  m- 


90 


Höhenlinie  beobachtet,  wo  bei  17  m  noch  kein  Grund  gefunden  sein  soll 
und  Torfschlamm  aus  24 1/2  m  Tiefe  herausgeholt  wurde*). 

Ich  selbst  habe  aufser  mehreren  kleineren,  am  Ostrande  der  Provinz 
gelegenen  Hochmooren,  besonders  denen  im  Goldaper  Hochlande  an  den 
Seen  bei  Szittkehmen,  das  Popelker  und  Stagutscher  Hochmoor  bei  Inster¬ 
burg,  das  Tyrus-Moor  am  Haff  bei  Prökuls  und  das  Grofse  Moosbruch 
zwischen  Labiau  und  Agilla  am  Haff  kennen  gelernt. 

Das  Popelker  Moor  bei  Paballen  an  der  Bahnlinie  Insterburg  —  Tilsit, 
in  welches  mich  Dr.  Abromeit  zusammen  mit  Herrn  Lettau  an  dem  finstern 
Regentage  des  28.  Mai  1899  führten,  zeichnete  sich  durch  den  über¬ 
raschenden  Fund  der  Salix  Lapponam  aus,  welche  Abromeit  am  Rande 
des  eigentlichen  Moosmoores,  aus  den  Sümpfen  und  schwimmenden  Grün¬ 
moorfilzen  von  Carex  rostrata  und  teretiuscula  mit  PotentiUa  palustris 
und  Sphagnum  squarrosum ,  im  Wasser  watend  mit  reifenden  Frucktkätzchen 
hervorholte.  Nur  fünf  verzweigte  und  über  meterhohe  Exemplare  standen 
dort  auf  wiesenartiger  Fläche  im  Wasser  beisammen.  Dieser  einzige  nord¬ 
deutsche  Standort  verbindet  das  arktische  Areal  von  Salix  Lapponum  mit 
ihrem  nächsten  Areal  in  den  Sudeten  und  weiterhin  in  den  Karpathen  und  Alpen. 

Das  Moor  kann  als  Charakterbeispiel  dienen  für  den  Aufbau  der  Be¬ 
stände:  Von  der  Bahnstation  aus  durchschreitet  man  zunächst  einen  haupt¬ 
sächlich  aus  Birken  bestehenden  Wald,  der  über  Sumpfwiesen  mit  Salix 
nigricans  hinweg  in  ein  nur  teilweise  in  Abbau  begriffenes  Hochmoor  über¬ 
geht;  dahinter,  hinter  der  öden  und  heideartig  aufsteigenden  Hochmoor¬ 
fläche,  welche  dann  in  sumpfigen  Sphagneten  mit  tiefen  Sümpfen  und 
Wasserstreifen  auswechselt,  liegt  wiederum  Wald,  jetzt  aus  Birken,  Espen 
und  Fichten  gebildet;  auf  trocknerem  Untergründe  folgt  dann  ein  ganz 
anders  gearteter  Wald,  Laubwald  aus  Ulmen,  Linden,  Eschen,  Eichen  und 
vereinzelten  Fichten,  Kiefern  und  Birken,  Unterholz  aus  JR,h.  Frangula  und 
Lonicera  Xylosteum. 

Die  Kiefer  tritt  also  hier  zurück,  bleibt  aber  in  kurznadligen  Kümmer¬ 
formen  im  Moosmoor  erhalten;  auch  die  Birke  (meist  B.  pubescens ,  aber 
auch  B.  verrucosa )  durchsetzt  die  Hochmoore,  die  auf  ihrer  gegen  das 
Innere  in  den  Torfmassen  ansteigenden  Fläche  den  Kiefern-Erlen-Birken- 
wald- Anstrich  bald  verlieren,  aber  frei  von  Kiefer  und  Birke  nur  dort 
sind,  wo  tiefe  Wassermassen  im  Torf  durch  Sphagneten  mit  JRliynclio- 
spora  alba,  Scheuchzeria  palustris  und  Carexlimosa  oder  Tricho- 
phorum  caespitosum  erfüllt  sind,  auf  denen  in  Schwärmen  Drosera 
anglica  neben  dem  gemeinen  Sonnentau  vorkommt.  Diese  tiefsten  und 
für  das  Versinken  gefährlichsten  Stellen  nennt  Weber  „die  Blänke“  des 
Hochmoores. 

Die  letztgenannten  Arten  sind  solche,  die  in  den  hercynischen  Berg¬ 
mooren  von  800  — 1100  m  Höhe  nur  sehr  selten,  im  deutschen  Nordwesten 
häufiger  Vorkommen;  Drosera  intermedia  dagegen,  die  den  atlantischen 
Westen  noch  mit  der  östlichen  Hercynia  (z.  B.  gesellig  bei  Moritzburg- 
Königsbrück!)  verbindet,  ist  von  den  ostpreufsischen  Mooren  ebenso  wie 
Erica  Tetralix  ausgeschlossen;  diese  beiden  gehören  den  hercynischen 
Bergmooren  ebensowenig  an.  Die  Sumpfkiefer  der  Erzgebirgs-Hochmoore, 
Pinus  montana*  uliginosa ,  hat  in  Ostpreufsen  nichts  ähnliches  aufzuweisen, 
da  die  Kümmerformen  der  gemeinen  Kiefer  in  den  Mooren  nur  nicht  hin- 


*)  Zweck:  Litauen  I,  44  und  flg. 


91 


gehörige,  ökologisch  nicht  angepafste  Zwerge  darstellen,  meist  ohne  Blüte 
und  Frucht.  Das  Vorkommen  der  gemeinen  Erzgebirgs-Hochmoorpflanzen, 
der  Calluna  vulgaris ,  die  auch  in  Ostpreufsen  „die  Wucherblume  des  Hoch¬ 
moores“  genannt  wird,  der  Gesträuche  von  Vaccinium  uliginosum ,  Vitis 
idaea  und  Oxycoccus  mit  Eriophorum  vaginatum ,  der  immerhin  schon 
mehr  bezeichnenden  Andromeda  polifolia ,  Empetrum  nigrum  in  gelegent¬ 
lichen  Massen,  das  alles  ist  in  Preufsens  Mooren  ebenso,  bedarf  keiner 
besonderen  Schilderung  und  kennzeichnet  den  gemeinsamen  Grundstock 
dieser  Formation  von  der  baltischen  Küste  bis  zu  den  nordalpinen  Hoch¬ 
mooren  bei  1000  m  Höhe.  Merkwürdig  ist  nur  die  sehr  grofse  Seltenheit 
von  Carex  pauciflora  in  Preufsen,  obwohl  diese  Art  ein  boreal-uralisches 
Gebiet  in  Europa  bewohnt  und  nicht  in  gewöhnlichem  Sinne  arktisch  ist. 

Der  Sumpfporst,  Ledum  palustre,  der  auch  Sachsens  nördliche 
Moore  bis  Königsbrück  als  auffallende  Zierde  bewohnt,  ist  hier  so  aufser- 
ordentlich  häufig,  dafs  er  oft  eigene,  zur  Blütezeit  betäubenden  Geruch 
ausströmende  Bestände  im  Hochmoor  bildet.  Hinsichtlich  des  Areals  sind 
von  viel  gröfserem  Interesse  die  wenigen  (zwei)  Stellen,  an  denen  sich  die 
der  Andromeda  verwandte  Lyonia  (*  Chamaedaphne)  calyculata  in 
den  gleichen  Hochmooren  befindet,  und  von  denen  Abromeit  und  mir 
wiederum  an  einem  mit  Regengüssen  einsetzenden  Sonntage  vergönnt  war, 
den  einen  westlicheren  im  Labiauer  Grofsen  Moosbruch  wieder  sicher  zu 
stellen,  nachdem  Caspary  ihn  vor  etwa  25  Jahren  aufgefunden  hatte. 
Wir  haben  diese  Chamaedaphne ,  deren  Areal  Nordeuropa,  Sibirien  und 
Canada  verbindet  vom  Kotzebue-Sund  durch  das  nördliche  Columbia,  Ontario 
und  Quebek  bis  nach  Labrador,  im  botanischen  Garten  in  zwei  Formen 
in  Kultur,  die  sich  auffallend  durch  ihre  Gröfse  unterscheiden:  die  Form 
der  preufsischen  Moore  gleicht  der  kleineren  Gartenform,  wenig  verzweigt, 
die  kleinen  Blätter  auf  der  Unterseite  von  drüsigen  Schuppen  glänzend ; 
aber  sie  blüht  im  Garten  früh  im  Frühjahr  und  im  Grofsen  Moosbruch 
erst  im  August. 

Die  Moltebeere,  Rubus  Chamaemorus ,  durchsetzt  als  höchst  aus¬ 
zeichnende  Staude  mit  kriechendem  Rhizom  die  ostpreufsischen  Moore  von 
Memel  bis  Braunsberg  und  Friedland,  Mohrungen,  Insterburg  und  Goldap 
an  der  Grenze  beim  Wysztyter  See,  hat  aber  ihren  früheren  isolierten 
westpreufsischen  Standort  verloren.  Diese  Art  bildet  also  eine  ausgezeich¬ 
nete  Vegetationslinie,  die  nach  Süden  hin  nur  die  Riesengebirgs-Standorte 
als  Anhang  besitzt,  ein  vortreffliches  arktisches  Glazialrelikt.  Bei  Inster¬ 
burg  sah  ich  ihre  Blütensterne  zahlreich  im  noch  unberührten  Hochmoor, 
fand  sie  aber  auch  an  schon  abgegrabenen  und  neu  bewachsenen  Stellen 
in  neuer  Besiedelung.  Ihre  Blüten  zeigen  fast  nur  weibliches  Geschlecht 
und  beim  Mangel  des  männlichen  sind  ihre  Beeren,  die  von  den  Kranichen 
gern  verzehrt  werden,  daher  nicht  häufig. 

Neben  den  Arten  dieser  tiefen  Hochmoore  gibt  es  solche,  welche  mehr 
die  kleinen,  von  wenig  Sphagnum  und  Aulacomnium  palustre  zwischen 
Grünmoorsümpfen  gebildeten  Moore  am  Rande  gut  gelegener  Seen  besiedeln, 
in  denen  der  Wechsel  der  Arten  oft  viel  stärker  und  plötzlicher  ist,  seltnere 
Seggenarten  sich  finden,  auch  Orchideen.  Unter  diesen  Arten  sind  Betula 
humilis  und  Saxifraga  Hirculus  solche  von  besonderer  Bedeutung; 
die  schlanke,  gelbblühende  Steinbrech-Art,  die  neben  Parnassia  im  Moos 
steckend  ihrem  Gattungnamen  sehr  wenig  entspricht,  wo  man  weit  und  breit 
nur  Sumpf,  Moos  und  moderndes  Holz  sieht,  fehlt  nun  merkwürdigerweise 


92 


im  nördlichen  Ostpreufsen,  etwa  in  einer  Linie  von  Königsberg  nach  dem 
häufig  genannten  Wysztyter  Grenzsee,  an  dem  noch  alle  möglichen  selteneren 
Arten  sich  begegnen  oder  allein  Vorkommen.  Denn  dort,  wo  Lettau  im 
Anschlufs  an  die  Waldformation  auch  Gymnadenia  odoratissima  fand  und 
die  Hügel  in  der  Julisonne  von  dem  tiefen  Purpurviolett  der  Orchis  Traun- 
steineri  schimmern,  wachsen  auch  im  Grünmoor  zwei  andere  seltene  Or¬ 
chideen:  Microstylis  monophylla  und  Sturmia  Loeselii. 

Um  auch  eines  Gegensatzes  zu  den  hercynischen  Mooren  zu  gedenken, 
der  manchen  Floristen  in  Erstaunen  versetzen  wird,  sei  erwähnt,  dafs  die 
bei  uns  auf  solchen  Torfwiesen  am  Rande  kleiner  Teiche  und  Bergbäche 
immer  am  meisten  charakteristische  Art:  Pedicularis  silvatica ,  in  der 
Flora  Ostpreufsens  so  gut  wie  ganz  (aufser  dem  Südwesten)  fehlt.  Andere 
westliche  Arten  dringen  dagegen  an  der  Küste  viel  weiter  ostwärts  vor; 
so  konnten  Abromeit  und  ich  mit  besonderem  Vergnügen  feststellen,  dafs 
der  einzige  ostpreufsische  Standort  von  Myrica  Gale  im  Tyrus-Moor  bei 
Prökuls  dort  ungezählte  kräftige  Büsche  beiderlei  Geschlechts  aufweist; 
der  Gagelstrauch  geht  aber  in  das  eigentliche  Hochmoor  nur  wenig  hinein 
und  besiedelt  in  der  Hauptsache  die  durch  Gräben  trockengelegten  um¬ 
gebenden  Torfwiesen  mit  Sanduntergrund  und  gedeiht  üppig  in  den  Weiden¬ 
gebüschen  von  Salix  nigricans ,  livida ,  pentandra  und  cinerea. 


Schlufs.  Nur  diese  beiden  grofsen  Formationsgruppen  sollten  einer 
vergleichenden  Betrachtung  mit  der  heimischen  Flora  unterzogen  werden. 
Es  würde  dann  noch  die  Flora  der  ,,pontischen  Hügel“  mit  Dianthus 
Carthusianorum  in  Betracht  kommen,  deren  ökologische  Verhältnisse  aber 
von  den  unsrigen  zu  sehr  abweichen,  als  dafs  ein  Vergleich  kurz  durch¬ 
geführt  werden  könnte. 

Die  höchst  interessanten  Dünenformationen,  wie  sie  insbesondere  die 
Kurische  Nehrung  bietet,  lassen  gar  keinen  Vergleich  zu.  Über  sie  hat 
J.  Abromeit  in  dem  „Handbuch  des  deutschen  Dünenbaues“*)  in  sehr  an¬ 
ziehender  Weise  eine  Abhandlung  geschrieben,  auf  die  hiermit  um  so  mehr 
verwiesen  sei,  als  sie  auch  die  Biologie  der  Arten  stark  berücksichtigt. 

Nur  noch  einige  Schlufsworte  mögen  hinzugefügt  werden  über  die  noch 
nicht  gelöste  Aufgabe,  die  an  pflanzengeographischem  Wechsel  in  sich 
selbst  reiche  ostpreufsische  Flora  dementsprechend  zu  gliedern,  also  „Land¬ 
schaften“  (Territorien)  mit  besonderem  Charakter  herauszuschneiden. 

Es  ist  unzweifelhaft,  dafs  zunächst  das  Weichselland,  dessen  Pflanzen¬ 
kleid  J.  Scholz  im  Thorner  Coppernicus-Verein  1896  sehr  beredt  geschildert 
hat,  eine  eigene  bedeutende,  an  Hügelpflanzen  pontisch-sarmatischer  Areale 
reiche  Landschaft  bildet.  An  diese  schliefst  sich  wohl  ebenso  unzweifel¬ 
haft  das  westliche  Masurenland  im  Gebiet  der  Drewenz  und  über 
Orteisburg  hinaus  an,  wo  ebenfalls  noch  Pflanzenarten  der  genannten 
Gruppe  (wie  Trifolium  Lupinaster ,  Dracocephalum ,  Cimicifuga ,  Massen  von 
Cytisus  biflorus  etc.)  zumeist  im  Kiefernwalde  Vorkommen,  zugleich  aber 
auch  die  Laubwälder  noch  mit  reicher  Flora  vertreten  sind  und  die  öst¬ 
lichsten  Bestände  der  Buche  und  des  Bergahorns  enthalten.  Hier  ist  dem¬ 
entsprechend  das  Hauptverbreitungsgebiet  von  Potentilla  alba  mit  der  viel 
selteneren  P.  rupestris ,  Aster  Amellus  u.  ähnl.,  und  manche  weiter  in  Ost- 


*)  Berlin  1900,  S.  171—278. 


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preufsen  verbreitete  Arten  (z.  B.  Trifolium  rubens)  strahlen  von  hier  in  das 
Ermeland  oder  nach  Natangen  hinaus.  Die  nun  folgende  Landschaft,  welche 
die  Südostecke  der  Provinz  Preufsen  einnimmt,  könnte  man  das  Gold  aper 
Hochland  nennen;  vielleicht  läfst  es  sich  von  der  masurischen  Landschaft 
zweckmäfsig  in  der  grofsen  Seenkette  zwischen  Johannisburg  und  Anger¬ 
burg  abgrenzen  (Spirding-See,  Löwentin-  und  Mauer-See),  östlich  welcher 
erst  das  Land  zusammenhängend  zum  Seesker  Höhenzuge  und  zu  den  Wald¬ 
bergen  am  Wysztyter  See  aufsteigt.  Hier  liegen  die  wertvolleren  Funde 
teils  im  Fichten-Mengwalde  und  enthalten  Arten  von  in  Mitteldeutschland 
montanem  Charakter  (. Polemonium ,  Campamda  latifolia ,  Poa  sudetica, 
Sweertia  u.  a.),  teils  in  kleineren  an  Seen  gelegenen  Mooren ,  welche  hier 
z.  B.  die  für  Preufsen  nördlichsten  Standorte  der  Saxifraga  Hircidus  ent¬ 
halten,  teils  auch  in  Flufsauen  mit  etlichen  schon  sibirisch-russischen  Arten, 
z.  B  mit  der  zwischen  Erlen  und  Weiden  an  der  Rominte  hochkletternden 
Aspenda  Aparine.  —  Es  würde  nun  das  Pregel  und  Memel- Land  zwischen 
etwa  der  100  m-Höhenstufe  und  dem  Samlande  folgen,  wo  im  Gebiet  der 
kleineren  Flüsse:  Inster,  Szeszuppe,  Pissa  und  Alle  die  grofsen  Hochmoore 
mit  Rubns  chamaemorus,  auch  den  wenigen  Standorten  von  Chamaedaphne 
calyculata  u.  a.  A.  sich  ausbreiten  und  durch  diese  gegen  Süden  ausgezeichnet 
sind.  Ob  es  richtig  ist,  die  am  Frischen  Haff  zusammenstofsenden  niederen 
Striche  vom  Ermeland,  Natangen  und  Samland  zu  einer  besonderen  Land¬ 
schaft  zu  vereinigen,  müfste  ein  genauerer  Vergleich  der  Wälder  und  Wiesen 
ergeben;  jedenfalls  kommen  hier  die  Küstenformationen  hinzu.  Der 
östliche  Anteil  könnte  dann  vielleicht  als  „Südliches  Litauer  Flachland“ 
bezeichnet  werden.  Die  Zerstreutheit  der  Standorte  macht  scharfe  Ab¬ 
grenzungen  schwierig;  so  beschränkt  sich  Cenolophium  Fisclieri  zwar  auf 
das  Memelgebiet  und  Pillkallen;  aber  schon  Conioselinum  tataricum  ver¬ 
bindet  Tilsit  mit  Gerdauen  und  Rastenburg  im  Übergangsgebiet  von  Masuren, 
Goldaper  Hochland  und  der  Abdachung  gegen  Natangen,  und  diesem  Bei¬ 
spiele  liefsen  sich  viele  ähnliche  hinzufügen.  —  Den  nördlichsten  schmalen 
Teil  der  Provinz,  vielleicht  nördlich  des  Jura- Höhenzuges  jenseits  der 
Memel,  wird  man  an  Kurland  floristisch  anzuschliefsen  haben;  hier  ist 
das  Gebiet  der  Primida  farinosa ,  Car  ex  sparsiflora ,  Sesleria  coerulea*  uli- 
ginosa ,  hier  sind  die  dichten  Gebüsche  von  Grauerle  und  Salix  livida  als 
Ersatz  für  manche  andere  Art  (auch  die  ostpreufsische  Evonymus  verru¬ 
cosa ),  deren  Vegetationslinie  südlicher  liegt. 

Diese  Andeutungen  sollen  nur  darauf  hinzielen,  dafs  die  zwischen 
Weichsel  und  Memel  zusammenlebenden  Florenelemente  ebenso  bestimmte 
Landschaften  wie  Formationen  auszeichnen,  wenn  auch  bei  beiden  zahl¬ 
reiche  Zerstreutheiten  und  den  Bodenverhältnissen  zuzuerteilende  Über¬ 
gänge  die  wissenschaftlichen,  auf  klare  Zusammenfassungen  hin  gerichteten 
Versuche  erschweren.  Nachdem  die  preufsischen  Floristen  so  viel  an  der 
tatsächlichen  Feststellung  der  Standorte  aller  einzelnen  Arten  gearbeitet 
haben,  werden  sie  auch  in  neuen  pflanzengeographischen  Untersuchungen 
solche  gröfseren  Resultate  für  die  Wissenschaft  bringen  und  zu  einem  be¬ 
friedigenden  geographischen  Charakter  ihrer  einzelnen  Landschaften  da¬ 
durch  gelangen,  dafs  sie  die  besondere  massenhafte  Ausprägung  einer 
floristischen  Genossenschaft  von  deren  äufsersten  zerstreuten  Vor¬ 
kommnissen  getrennt  halten. 


Preise  für  die  noch  vorhandenen  Jahrgänge  der  Sitzungs- 
e  der  „Isis“,  welche  durch  die  Burdach’sche  Hofbuch¬ 
ung  in  Dresden  bezogen  werden  können,  sind  in  folgender 


*eise  festgestellt  worden: 

Denkschriften.  Dresden  1860.  8.  ...........  1  M.  50  Pf. 

Festschrift.  Dresden  1885.  8.  .  .  .  .  .  .  .  .  ,  .  .  .  3  M.  —  Pf. 

Schneider,  0.:  Naturwissensch.  Beiträge  zur  Kenntnis  der 

Kaukasusländer.  1878.  8.  160  S.  5  Tafeln  .  .  .  6  M.  —  Pf.' 

Sitzungsberichte.  Jahrgang  1861  .  . . .  .  .  1  M.  20  Pf. 

Sitzungsberichte.  Jahrgang  1863  . .  1  M.  80  Pf. 

Sitzungsberichte,  Jahrgang  1864  und  1865,  pro  Jahrgang  .  .  1  M.  50  Pf. 

Sitzungsberichte.  Jahrgang  1866.  April-Dezember  .  .  .  .  .  2  M.  50  Pf. 

Sitzungsberichte.  Jahrgang  1867  und  1868,  pro  Jahrgang*  .  .  3  1.  —  Pf. 

Sitzungsberichte.  Jahrgang  1869.  Januar -September  .  .  .  .  2  M.  50  Pf. 

Sitzungsberichte.  Jahrgang  1870.  April-Dezember  .  .  .  .  .  3  M.  -  Pf. 

Sitzungsberichte  Jahrgang  1871.  April-Dezember  ....  .  3  M.  —  Pf. 

Sitzungsberichte.  Jahrgang  1872.  Januar-September  .  ...  2  M.  50  Pf. 

Sitzungsberichte.  Jahrgang  1873  bis  1878,  pro  Jahrgang  .  .  4  1:  —  Pf. 

Sitzungsberichte.  Jahrgang  1879.  Januar- Juni  ......  2  M.  50  Pf. 

Sitzungsberichte.  Jahrgang  1880.  Juli-Dezember  .  „  .  .  .  3  M.  —  Pf. 

Sitzungsberichte  und  Abhandlungen.  Jahrgang  1881  bis  1884, 

1886  bis  1903,  pro  Jahrgang  .  .  t  .  .  .  .  .  .  5  M.  —  Pf. 

Sitzungsberichte  und  Abhandlungen.  Jahrgang  1885  .  .  .  .  2  M.  50  Pf.. 

Mitgliedern  der  „Isis“  wird  ein  Rabatt  von  25  Proz.  gewährt. 


Alle  Zusendungen  für  die  Gesellschaft  „Isis“,  sowie  auch 
Wünsche  bezüglich  der  Abgabe  und  Versendung  der  „Sitzungs¬ 
berichte  der  Isis“  werden  von  dem  ersten  Sekretär  der  Gesell¬ 
schaft,  d.  Z.  Hofrat  Prof.  Dr.  Deichmüller,  Dresden-A.,  Zwinger¬ 
gebäude,  K.  Mineral.- geolog.  Museum,  entgegengenommen. 

MT  Die  regelmäfsige  Abgabe  der  Sitzungsberichte  an  aus¬ 
wärtige  Mitglieder  und  Vereine  erfolgt  in  der  Regel  entweder 
gegen  einen  jährlichen  Beitrag  von  3  Mark  zur  Vereins¬ 
kasse  oder  gegen  Austausch  mit  anderen  Schriften,  worüber 
in  den  Sitzungsberichten  quittiert  wird. 


Königl.  Sachs.  Hofhuchhandlung 

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- —  H.  Burdach  - - 

Schlofsstrafse  32  DRESDEN  Fernsprecher  152 
empfiehlt  sich 

zur  Besorgung  wissenschaftlicher  Literatur. 

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Druck  von  Wilhelm  Baensch  in  Dresden.