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LIBRARY
OF THE
UNIVERSITY OF CALIFORNIA,
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Sitzungsberichte
der
mathematisch - physikalischen Classe
der
k. b. Akademie der Wissenschaften
zu Idlünchen.
Band VIII. Jahrgang 1878.
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Mflnchen.
Akademische Bnebdruckerei Ton F. Straub.
1878.
In Commiiiioa bei O. F r • n s.
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Uebersicht
deB Inhalts der SitsmucsbeiJ^^l^to Band Tm
Jahrgang 1878.
Oeffenüiche Sitzung ewr Feier des 119. Stiftungstages der
Akademie am 28. Mä/rz 1878.
Seite
y. Eobell: Nekrologe 99
Oeffentliche Sitzung zur Vorfeier des Oeburts- und Namens-
festes Seiner Majestät des Königs Ludwig IL
am 25. Juli 1878.
Seite
Neuwahlen 413
Sitzung vom 5. Januar 1878.
y. Eobell: Ueber das specifische Gewicht geglühter Silicate und
anderer Ozydyerbindungen 1
Baejer: Ueber das Fhtalid (Phtalaldehjd) und dasMekonin. Von
Jnlins Hesser t 8
Sitzung vom 9. Februar 1878.
Gfimbel: Ueber die in Bayern gefimdenen Steinmeteoriten . • 14
y. Schlagintweit-Sakünianski: Die neuen Compositen des
Herbarium Schlagintweit und ihre Verbreitung, nach Bear-
beitung der Familie yon Dr. F. W. Elatt 73
Sitzung vom 2. März 1878.
Bauer: Ueber Systeme yon Onryen 6. Ordnung, auf welche das
Normalenproblem bei Curyen 2, Ordnung fahrt . • . . 121
S.3439
IV
Sitzung vom 4. Mai 1878.
Seite
y. E ob eil: Ueber das Vorkommen des Zinns in Silicaten. Von
F. Sandberger 136
y. Beetz: Ueber die Electricitatserregnng beim Contact fester und
gasförmiger Körper 140
y. Nägeli: Ueber die chemische Zusammensetzung der Hefe . . 161
Gümbel: Ueber die im stillen Ocean auf dem Meeresgrande yor-
kommenden Manganknollen 189
Baeyer: Zur Kenntniss des Bosanilins. Von Emil Fischer and
Otto Fischer 210
Sitzung vom 1. Jtmi 1878.
Badlkofer: Ueber Sapindas and damit in Zusammenhang
stehende Pflanzen 221
Sitzung vom 6. Juli 1878*
y. Bauern feind: Zur Ausgleichung der zufälligen Beobachtnngs-
fehler in geometrischen Höhennetzen 415
y. Pettenkofer: Theorie des natürlichen Luftwechsels yon G.
Becknagel 424
y. Schlagintweit-Sakünlünski: Ueber das Auftreten yon
Bor- Verbindungen in Tibet 505
Sitzung vom 2. November 1878.
Vogel: Ueber Wasseryerdunstung yon yerschiedenen Vegetations-
decken 539
y. Jolly: Nachweis der electromagnetischen Drehung der Polari-
sationsebene des Lichtes im Schwefelkohlenstoffdampf. Von
A. Kundt und W. 0. Böntgen 546
y. Kobell: 1) Ueber die Erystallisation des Kalium-Eisen-Cyanürs
und des Eisenyitriols 550
' 2) Ueber das Vorkommen yon Lithion und Thallium
in den Zinkerzen yon Bai bei in Eämthen . . . 552
Einsendungen yon Druckschriften 115, 215, 409
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Sitzungberichte
der
königl. bayer. Akademie der Wissenschaften
Sitzung vom 5, Januar 1878.
Mathematisch-physikalische Classe.
Der Glassensekretär Herr von K ob eil trägt vor:
„Ueber das specifische Gewicht geglühter
Silicate und anderer Oxydverbindungen."
Das specifische Gewicht vor und nach dem Glühen
mineralischer Species ist für einige Silicate bestimmt worden,
um deren pyrogene oder nicht pyrogene Natnr zu ermitteln.
Fr. Mohr') hat zuerst darauf aufmerksam gemacht und
sind betreffende Versuche auch von W. C. Fuchs^) ange-
stellt worden. Er fand, dass bei dem vesuvischen Leucit und
bei dem Augit der Aetnalaven das specifische Gewicht vor und
nach dem Glühen nicht verschieden war. Aehnliches hatte
Mohr am Augit und Amphibol vom Laacher-See gefunden,
und so Hess sich schliessen, dass diese Mineralien schon
einmal geglüht waren, während bei Veränderung des spe-
cifischen Gewichts durch Glühen das Entgegengesetzte wahr-
1) Geschichte der Erde. p. 255.
2) N. Jahrb. der Mineralogie v. 6. Leonhard und Geinitz 1865.
5. Heft p. 576.
[1878. 1. Math.-phys. Cl] 1
2 Sitzung der math.-phys Classe vom 5, Januar 1878,
scheinlich ist. Dieser Schluss dürfte dahin präcisirt werden,
dass allerdings Mineralien, an welchen eine durch Glühen
hervorgebrachte merkliche Aenderung des specifischen Ge-
wichtes beobachtet wird, als nicht pyrogen anzusehen, dass
aber bei solchen, wo das specifische Gewicht vor und nach
dem Glühen gleich ist, zweifelhaft bleibt, ob sie pyrogen
oder nicht pyrogen sind, da solches Gleichbleiben auch bei
Species vorkommt, welche ihrem sonstigen Verhalten nach
sicher nicht in hoher Temperatur sich befanden, wie bei
Allanit, Orthit, Polykras und vielen anderen.
Ich habe einige Bestimmungen des specifischen Ge-
wichts geglühter Silicate für einen andern Zweck unter-
nommen, nämlich um daraus beurtheilen zu können, ob
die Oxyde der oxydir baren Elemente in den Mi-
neralmischungen schon fertig gebild^et vor-
handen, wie man es vom sog. Krystallwasaer
annimmt, oder ob sie ers t durch die Glühhitze ent-
stehen, wie man vom sog. Constitutionswasser
annehmen will. Ich wählte dazu natürlich Species, von
welchen das Vorkommen in nicht pyrogenen Felsarten be-
kannt ist, denn dass die oben genannten Leucite, Augite
und Amphibole derlei Oxyde als solche enthalten, ist klar,
da sie bereits im Feuer waren und dabei Kaliuiu, Calcium,
Magnesium, Aluminium und Silicium mit dem vorhandenen
Sauerstoff sich verbinden mussten. Es ist daher unrichtig,
wenigstens mangelhaft, wenn die moderne Chemie für den
Leucit die Formel K^AlSi^O^^ aufstellt und für Augit
und Amphibol RSiO', also Formeln, in welchen die gebil-
deten Oxyde nicht bezeichnet sind. — Die Beobachtungen,
welche ich machte, erwiesen aber auch in den nicht pyro-
genen Silicaten die fertig gebildeten Oxyde.
Die hier in Betracht kommenden Elemente bedürfen
nach bekannten Erfahrungen keiner besonders grossen Hitze
um oxydirt werden zu können, denn wir müssen sie in der
V. KobeU: üeher das spec. Gewicht geglühter Silicate etc. 3
homogenen Masse eines Krystalls in sehr feinem atomistisclien
Zustand vertheilt und mit dem vorhandenen Sauersto£f in
Berührung denken. Es genügt also einen betreffenden Kry-
stall in einem Platintiegel bis znm Rothglühen des Tiegels
zu erhitzen. Zeigen sich bei noch schäiferem anhaltendem
Glühen weitere Veränderungen, so betreffen sie Verhältnisse
der schon gebildeten Oxyde, Contractionen wie beim Thon,
Talk u. a. oder auch Ausdehnung wie beim Amorphwerden
des Granats und Vesuvians durch Schmelzen und haben
derlei Veränderungen im specifischen Gewicht andere Ur-
sachen als die vollzogene Oxydation der verbundenen Ele-
mente. Wenn aber das specifische Gewicht solcher Species
für sich und nach dem Erhitzen zum Rothglühen gleich
bleibt, so ist der Schluss wohl begründet, dass dabei kein
Oxydationsprocess stattgefunden, sondern die Oxyde vorher
schon als solche in der Probe vorhanden waren. —
Ich habe mich zu den Bestimmungen der JoUy'schen
Wage bedient, welche gehörig gebraucht, nicht nur genaue
Resultate gibt, sondern auch die Bestimmung sehr schnell
auszuführen gestattet. Es wurde von dem Mechaniker Ber-
berich, welcher diese Wagen verfertigt, in jüngster Zeit
manche Verbesserung gemacht, sowohl an der Spirale, als
an dem Träger des Wasserglases und dessen Verschieben
an der Skalenstange; dann an dem genauen Einstellen der
Wassermarke. Dieses wird erreicht durch einen einige Li-
nien unter dem Wasserspiegel eingesenkten horizontal stehen-
den Blechstreifen, der am Glasrand aufhängbar und durch
einen gegenüber aussen am Glase angebrachten ähnlichen
Streifen von weissem Papier, indem man die Wasser-Marke
ober dem Blechstreifen, diesen berührend, einspielen lässt
und das Auge so stellt, dass sich die Streifen decken. Das
Erhitzen der Proben geschah in einem kleinen Platintiegel bis
zum Rothglühen desselben. Es wurden dabei keinerlei
Anzeigen einer vorgehenden Verbrennung be-
4 Sitzung der math.pkys. Classe vom 5. Januar 1878,
obachtet. Von den erhitzten Proben wurde, wie von den
nicht erhitzten, in den meisten Fällen das absolute und spe-
cifische Gewicht bestimmt. Es wurden zu den Versuchen
gegen 1 — 1,5 Gramm der Proben genommen.
Die Proben waren:
Orthoklas, klares Bruchstück eines Krystalls vom
St. Gotthard. Specifisches Gewicht vor dem Glühen 2,56,
nach dem Glühen 2,53, das absolute Gewicht war gleich ge-
blieben.
Albit aus dem Zillerthal. Bei nahezu ganz gleichem
äbs. G. das spec. G. vor d. Gl. 2,54, nach d. Gl. 2,58.
Periklin aus dem Zillerthal. Spec. G. vor wie nach
d. Gl. 2,53.
Strahl st ein aus dem Zillerthal. Abs. u. spec. G.
vor und nach d. Gl. wesentlich gleich. Spec. G. 3,0.
Staurolith vom St. Gotthard. Abs. u. spec. G. vor
und nach d. Gl. ganz gleich. Spec. G. 3,71. Ebenso ver-
hielten sich ein Alm and in aus Nord-Carolina, spec. G.
4,06, ein Alm and in aus Grönland, spec. G. 3,9, der Gros-
sular vom Wilvifluss, spec. G. 3,55.
Diopsid vom Schwarzenstein im Zillerthal. Abs. und
spec. 6. vor und nach d. Gl. ganz gleich. Spec. G. 3,33.
Chrysolith aus dem Orient (ein klarer Ringstein).
Abs. u spec. G vor und nach d. Gl. ganz gleich, spec. G.
3,21, auch unverändert nach 20 Minuten langem .Rothglühen.
Durchsichtigkeit unverändert, die Farbe gebleicht.
Hypersthen von der Paulsinsel in Grönland. Bei
sehr nahe gleichem abs. G. vor und nach dem Glühen,
spec. G. vor d. Gl. 3,29, nach d. Gl. 3,3.
Wollastonit von Cziklowa in Ungarn. Spec. G. vor
d. Gl. 2,82, nach d. Gl. 2,8.
Berill, ein klarer Kry stall aus Sibirien. Abs. G. vo^
und nach d. Gl. gleich, spec. G. vor d. Gl. 2,63, nach d.
Gl. 2,71.
V, Kobell: Ueber das spec. Gewicht geglähUr Silicate etc. Tj
Pistazit von Untersulzbach iiii Pinzgau, ypec. G. vor
d. Gl. 3,46, nach d. Gl. 3,38.
Ueber das ppec. G. geglühter Zirkone bestehen ältere
Angaben:
Beim Zirkon aus Zeilan nach Damour ist das spec.
G. vor d. Gl. 4,183, nach dem Rothglüheu 4,534. Nach
meinem Versuch mit ausgewählten Krystallkörnern war das
spec. G. vor d. Gl. 4,48 und nach d. Gl. 4,60. Nach 20
Minuten langem Rothglühen war das spec. G. nicht weiter
erhöht und das abs. G. war unverändert geblieben.
Bei einem Zirkon von Henderson Co. war nach Churcli
das spec. G. vor d. Gl. 4,575 und nach d. Gl. 4,540, bei
einem anderen von daher war das spec. G. vor und nach
d. 61. ganz genau dasselbe = 4,665.
Beim Zirkon von Friedrich särn war das spec. G.
nach Church vor d. Gl. 4,489 und nach d. Gl. 4,633, da-
gegen beim Zirkon von Expailly waren beide gleich, 4,86.
Beim Zirkon von Buncombe in Nord - Carolina
(Krystalle von graulicher Farbe, fast undurchsichtig) fand
ich das spec. G. vor d. Gl. 4,42 und nach d. Gl. 4,52,
letzteres auch bei 20 Minuten fortgesetztem Uothglühen
nicht weiter verändert.
Beim Zirkon vom Ilmengebirg fand ich das
spec. G. vor d. Gl. 4,52 und ebenso bei gleichem absol. G.
nach dem Erhitzen bis zum Rothglühen. Nach 20 Minuten
fortgesetztem Glühen waren die braungelben Krystalle weiss
geworden und hatte sich das spec. G. auf 4,72 erhöht.
Turmalin aus Steyermark, ein bräunlichgelber, durch-
sichtiger Krystall. Absol. und spec. G. waren vor und nach
d. Gl. glefch. Spec. G. 2,97.
Lithion turmalin, ein grüner durchsichtiger Krystall
aus Brasilien. Abs. und spec. G. vor und nach dem Glühen
unverändert. Spec. G. 3,06. Farbe, Durchsichtigkeit und
6 Sitzung der math.-phys, Classe vom 5, Jantmr 1878.
electrisches Verhalten hatte ebenfalls durch's Glühen keine
Veränderung erlitten.
Axinit aus Dauphine. Spec. G. vor d. Gl. 3,29, nach
d. Gl. 3,2. Das abs. G. war unverändert geblieben.
Topas aus Brasilien. Das abs. und spec. G. vor und
d. 61. nicht verändert. Spec. G. 3,5.
Ich untersuchte auch einige andere Species aus der
Reihe der kohlensauren, schwefelsauren,^phosphorsauren, bor-
sauren und thonsauren Verbindungen*).
Witherit aus Gumberland. Abs. und spec. G. vor
und nach dem Glühen unverändert = 4,25.
Anhydrit. Ein Krystall von Stassfurt. Abs. und
spec. G. vor und nach d. Glühen ganz gleich. Spec. G. 2,9.
Ebenso beim Boracit, zwei Kry stalle von Lünneburg.
Spec. G. 2,91.
Apatit vom Zillerthal. Spec. G. 3,19, nach dem
Glühen 3,06. Die Bestimmung nicht ganz sicher wegen Zer-
springens des Krystalls.
Amblygonit von Montebras. Spec. G. 3,06. Nach
dem Glühen bei kleiner Abnahme' des abs. G. war das spec.
G. 3,04.
Kjerulfin von Bamle. Spec. G. vor d. Gl. 3,13,
nach d. Gl. 3,11.
Chrysoberill aus Brasilien. Abs. und spec, G. vor
und nach dem Glühen unverändert. Spec. G. 3,73.
Diese Beispiele erweisen, dass bei der Temperatur, wo
die Oxydation der theilnehmenden Elemente stattfinden muss,
im Allgemeinen keine merklichen oder anch absolut keine
Veränderungen des spec. Gewichts vorkommen und wenn
sich dergleichen vereinzeint zeigen, dieses ers^ bei Tem-
peraturen geschieht, welche hoher liegen, als die der Oxyd-
3) Die Kieselerde als Qnarz und die Thonerde als Korund ändern
durch Glühen weder d^s ahsol. noch das spec. Gewicht,
t^. KoheUi Üeber das spec. Gewicht geglühter Silicate etc, 7
bilduug. Die Oxyde solcher Verbindungen werden daher
nicht erst dnrch das Glühen erzeugt, sie sind in demselben
schon gebildet vorhanden und von dem sog. Constitutions-
wa<sser gilt consequenter Weise dasselbe. Es ist fertig ge-
bildet im Hydrat, wie das sog. Krystallwasser. Es ist also
kein Grund vorhanden, den Hydrargillit H' AlO* zu schreiben,
er ist, ÄIH* und der Brucit ist nicht H^MgO*, sondern
MglJ, und so sind bei allen Sauerstoff enthalten-
denSpecies die oxydirbaren Elemente als Oxyde
zu formuliren, wie ebenfalls aus anderen Beobachtungen
hervorgeht, auf welche ich in früheren Besprechungen dieses
Gegenstandes hingewiesen habe. Ohne Berücksichtigung
dieser Verhältnisse kann auch die rationelle Formel
einer Mineralmischung, vne sie sonst construirt sein mag,
keine befriedigend correcte sein. —
Vergl in den Akadem. Sitzungsberichten von 1867
„Ueber die typischen und empyrischen Formeln in der Mi-
neralogie."
1869. „Ueber das Wasser der Hydrosilicate."
1870. „Ueber Krystallwasser."
1873. „Zur Frage über die Einführung der modernen
chemischen Formeln in der Mineralogie" und die Anspralfehe
zur Eröffnung der Sitzungen der Mineralogischen Section
der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in
München 1877.
Herr Baeyer berichtet aber die in seinem Labora-
torium ausgeführte Untersuchung von
Julius Bessert: „Ueber dasPhtalid(Phtal-
aldehyd) und das Mekonin."
In einer früheren Mittheilung über den Phtaladehyd ^)
habe ich das Verhalten dieses Korpers beschrieben und
daraus den Schluss gezogen, dass ihm unmöglich die Formel
CgH^ (COH)^ zukommen könne. Andrerseits habe ich es
aber unterlassen eine bestimmte Ansicht über seine Natur
auszusprechen, weil es schwierig schien alle Reaktionen mit
einer der denkbaren Formen in Einklang zu bringen. Bei
weiterer Verfolgung des Gegenstandes hat sich nun heraus-
gestellt, dass die Bedenken, ' welche mich verhindert hatten,
aus dem Verhalten des Phtalaldehydes gegen Alkalien die
einfache Folgerung zu ziehen, dass dieser Körper ein Lactid
CH
ähnliches Anhydrid von der Zusammensetzung Cg H^ ro**^^
sei, unbegründet sind, und dass derselbe daher vollständig
dem Mekonin entspricht, für welches Beckett und Alder
Wright*) bereits im Jahre 1876 die Formel
(OCH,),
aufgestellt haben. Der bisher Phtalaldehyd genannte Körper
1) Berichte der deatschen ehem. Gesellschaft, 10, t445,
gj Journ. of the Cbem. Soc. 29, 2§l.
Hessert: üeber das Phtdid (Phtalaldehyd) u, d-as Mekonin. 0
ist daher jetzt als Anhydrid der Benzolorthoalkoholsäure
Cg H^ \cn^ (OT\\ ^^ betrachten, wofür ich der Kürze halber
die Bezeichnung „Phtalid'' vorschlage.
Phtalid und saures schwefligsaures Natron*
Kolbe und Wischin *) sagen in ihrer Notiz über den
Phtalsäurealdehyd : „Wird die warme wässerige Lösung mit
einer concentrirten Lösung von saurem schwefligsaurem
Natron vermischt, so gesteht die Flüssigkeit nach einiger
Zeit zu einer aus langen zarten seideglänzenden Nadeln be-
stehenden Masse, wahrscheinlich schwefligsaures Phtalsäure-
aldehyd-Natron.**
Diese Angabe war es, welche hauptsächlich dazu bei-
getragen hat, dass ich dem Phtalid trotz seines von den
Aldehyden so abweichenden Verhaltens doch längere Zeit
die oben angeführte Formel nicht zuschreiben zu können
glaubte. Erst nach meiner ersten Publikation stüdirte ich
diese Reaktion genauer und fand, dass die Angabe auf
einem Irrthum beruht, die ausgeschiedenen Nadeln bestehen
aus unveränderter Substanz und Aether entzieht dieselbe
der Lösung vollständig.
Entstehung des Phtalids aus Phtalsäurechlorid.
Die Bildung eines wie das Phtalid zusammengesetzten
Körpers bei der ßeduction des Chlorids hat auf den ersten
Blick etwas Befremdendes, lässt sich aber leicht erklären,
wenn man sich der Beobachtungen von Baeyer*) über das
Verhalten von Jodwasserstoff gegen Säurechloride erinnert.
Dieses Bicagens wirkt nämlich bei gewöhnlicher Temperatur
im Allgemeinen auf Säurechloride z. B. auf Benzoylchlorür
3) Zeitschr. f. Chemie [2] 2^815.
4) Berichte der deutschen ehem. Gesellschaft 10,i28,
10 Sitzung der math.-phys, Classe vom 5. Januar 1878.
nicht ein, reducirt dagegen augenl)licklich das Phtalsäure-
chlorid. Offenbar liegt der Grund dieses verschiedenen Ver-
haltens in der gegenseitigen Einwirkung der in der Ortho-
stellung befindlichen COCl-Gruppen. Ist jedoch die eine
dieser Gruppen reducirt, so hört für die andere diese Be-
einflussung auf und sie befindet sich nun unter denselben
Bedingungen, wie das COCl im Benzoylchlorür. Die eine
Gruppe wird dabei sofort in die Alkoholgruppe verwandelt,
welche sich mit dem intakt gebliebenen COCl zum Anhydrid
vereinigt:
r TT I^OCl
^«^MCOCl
p TT fCHoOH
^«^MCOCl
C6H4{co'>0
Benzolorthoalkoholsäure. Die in der ersten
Mittheilung beschriebeue Phtalaldehydsäure, welche bei der
Behandlung von Phtalid mit Alkalien entsteht und beim
Kochen mit Wasser oder beim trocknen Erhitzen auf 118°
wieder in Phtalid übergeht, ist Benzolorthoalkoholsäure von
der Zusammensetzung CgH^I^Q^/V^-rj,.' wie aus dem Ver-
halten des Phtalids gegen wässerige Jodwasserstoflfeäure un-
zweifelhaft hervorgeht.
Verhalten des Phtalids gegen Jodwasserstoffsäure.
Jodwasserstoffsäure vom Siedepunkt 127° wirkt in der
Kälte nicht auf Phtalid ein, wohl aber schon bei gelindem
Erwärmen. Wird Phtalid mit Jodwasserstoffisäure und
gelbem Phosphor einige Zeit am Rückfluss kühler gekocht,
so bildet sich Orthotoluylsäure, welche der Flüssig-
keit durch Aether entzogen werden kann. Zur Reinigung
wurde das ätherische Extract mit kohlensaurem Ammoniak
Bessert: lieber das Phtalid (Fhtalaldehyd) u. das Mekanin. 1 1
geschüttelt, aus letzterem die Säure durch Salzsäure aus-
gefüllt und zweimal aus heissem Wasser umkrystallisirt.
Die so erhaltene Substanz schmilzt bei 102—103^ (Fittig
102^) und zeigt alle Eigenschaften und die Zusammensetz-
ung der Orthotoluylsäure :
Berechnet für Cg H^ poOTT Gefunden
C 70,59 70,48
H 5,88 5,84.
Die Reaction verläuff also nach folgender Gleichung:
^6 H4 CO^ ^ ^ ''^ *^2 "^ ^6 ^4 COOH
Phtalid Orthotoluylsäure.
Verhalten des Phtalids gegen Anilin. Phtalidanil.
Die in der ersten .Mittheilung beschriebene Anilin-
verbindung von der Zusammensetzung Cj^NOH^j entsteht
nach folgender Gleichung:
C« H, CO* > Ö + CeHj (NHJ - C, H, gg« > NCeH, + H,0.
Hiemit stimmt das Verhalten der Substanz gegen
Oxydationsmittel vollständig überein. Chromsäure in
Eisesjsig gelöst gibt nämlich beim Erwärmen Phtalanil
CO
^6 H4 p/-v > NCg Hg und alkalische Permanganatlösung bei
längerem Kochen Phtalanilsäure.
Hydrophtalid. Natriumamalgam wirkt wie bereits
a. a. Orte angegeben auf Phtalid in alkalischer Lösung
nicht reducirend ein , indem nur Benzolorthoalkoholsäure
gebildet wird. In saurer Lösung entsteht dagegen als
Hauptproduct ein syrupartiger Körper von der Zusammen-
setzung Cg Hg Oj , des Hydrophtalid. Die ausserordentliche
Leichtigkeit, mit der diese Reduction von statten geht,
12 Sitzung der math.'phys. Classe vom 5. Januar 1878,
schien anfangs gegen die oben angenommene Formel des
Phtalids zu sprechen, weil diese in Bezug auf die Anord-
nung des sauerstoffhaltigen Theils dem Benzoesäurebenzyl-
äther entspricht, von dem man ebensowenig wie von den
andern Aethern der Benzoesäure wusste, dass er leicht re-
ducirbar sei. Indessen hat sich auch diese Schwierigkeit
dadurch gehoben, dass, wie Herr Baeyer mir mitgetheilt hat,
der Benzoesäureäthyl- und -phenyläther durch Natrium-
amalgam in essigsaurer Lösung sehr leicht reducirt wird,
eine Reaction welche allgemein zu sein scheint, da auch der
Phtalsäureäthyl- und -phenyläther sich ähnlich verhält. Diese
Neigung Wasserstoff aufzunehmen, kann übrigens nicht
überraschen, da auch die freie Benzoesäure nach Hermann *)
durch Natriumamalgam in saurer Lösung reducirt und zum
grössten Theil in Benzylalkohol übergeführt wird.
Da nach den allerdings nur vorläufigen Versuchen die
Wasserstoffaddition bei den Aethern der Renzoesäure nicht
von dem Anhydridsauerstoff, sondern von der CO-Gruppe
abhängt, so kann es kaum zweifelhaft sein, dass die Re-
duction des Phtalids durch Natriumamalgam in saurer
Lösung nach folgender Gleichung verläuft:
^6 H4 QQ» > 0 + Hg = Cß H4 CH(OH) ^ ^
Phtalid Hydrophtalid
während Jodwasserstoff die mit dem Hydrophtalid isomere
Orthotoluylsäure durch Sprengung der Anhydridbindung
erzeugt:
<^6 H4 cq2 > 0 + Hg = Cß H4 (,Q^jj
Phtalid Orthotoluylsäure.
5) Liebig*s Ann. 132,75.
Hessen : lieber das Phtalid (Phtälaldehyd) und das MeJconin. 1 3
Dimethoxvlirte Benzol orthoalkoholsäure
(Mekoninsänre). Beckett und Alder Wright haben a.
a. Orte die Lösliclikeit des Mekonius in Alkalien dadarch
erklärt, dass dasselbe Wasser aufnimmt unter Bildung einer
Alkoholsäure, welche bei der Abscheidung durch eine stär-
kere Säure sofort wieder unter Verlust des gebundenen
Wassers in Mekonin zurückgeführt wird:
iCHo OH
o»hJcooh =aH,
((OCH,),
CH,
CO + H, 0.
KOCH,),
Meines Wissens haben weder die genannten Autoren
noch andere Chemiker ein Salz dieser hypothetischen Säure,
welche man auch Mekoninsäure nennen kann, untersucht,
ich habe desshalb diese Lücke auszufüllen gesucht. Löst
man Mekonin in Barytwasser und verdampft die Lösung,
nach Entfernung des überschüssigen Baryts durch Kohlen-
säure, auf dem Wasserbade zur Trockne, so erhält man ein
Barytsalz der Mekoninsäure von der Zusammensetzung
[CeH,(OCH,),CH,OHCO,], Ba
Gefunden berechnet
Ba 24,46 24,51
Die Mekoninsäure ist also wie die Theorie es verlangt,
eine einbasische Säure.
Das Barytsalz ist in Wasser leicht löslich und gibt
beim Zersetzen mit einer stärkeren Säure Mekonin, es findet
hier also die Wasserabspaltung leichter statt als beim
Phtalid. Mit Silbernitrat und Kupferchlorid gibt die con-
centrirte Lösung des Salzes Niederschläge, welche sich beim
Erhitzen unter Bildung von freiem Mekonin zersetzen.
Sitzung Yom 9. Februar 1878.
Herr Gümbel spricht:
„üeber die in Bayern gefundenen Stein-
meteoriten.**
Unter den auf bayerischem Gebiete gefallenen und
aufgefundenen Steinmeteoriten befinden sich mehrere,
deren chemische Zusammensetzung uns nur aus älteren Ana-
lysen bekannt ist, während von einem derselben bis jetzt
überhaupt noch keine chemische Untersuchung vorgenommen
wurde. Da es ausserdem ihre den meisten derselben an einer
erschöpfenden Üntersuchung,'v[wie solche neuerdings bei Ge-
steinsarten mittelst Dünnschliffen und Mikroscop vorgenommen
zu werden pflegt, fehlt, so schien es mir interessant ge-
i;iug, diese Arbeit vorzunehmen und die Ergebnisse mit dem
früher bekannten zusammenzustellen. Durch die besondere
Güte des Herrn Conservators der mineralogischen Staats-
sammlung Professor Dr: v. KobeU habe ich das hiezu
erforderliche Material erhalten und ich benütze gerne die
Gelegenheit, für diese so freundliche Unterstützung meiner
Untersuchung hier den besten Dank auszudrücken. Einige
weitere Bemerkungen, welche am Schlüsse beigefügt sind,
beziehen sich auf andere Meteorsteine, die ich gelegentlich
der Vergleichung wegen in den Kreis meiner Beobachtung
gezogen habe.
Gümhel : Ueher die in Bayern gefundenen Sieinmeteoritcn. 1 5
Es wurden im Ganzen nur 5 Stein meteoriten von denen,
welche in Bayern gefallen sind, bekannt. Darunter ist sogar
noch ein Fund einbegriffen, welcher nach dem gegen-
wärtigen Territorialverhältnisse nicht mehr Bayern, sondern
Oesterreich angehört, nämlich jener von Mauerkirchen.
Da jedoch zur Zeit des Falls der Ort zu Bayern gehörte,
so dürfte es inmierhin bis za einem gewissen Grade gerecht-
fertigt erscheinen, diesen Stein hier unter den bayerischen
aufzuführen.
Diese 5 Steinmeteorite sind:
1) Der Stein von Mauerkirchen im jetzt öster-
reichischen Tnnviertel vom Falle am 20. Nov. 1768 Nach-,
mittags 4 Uhr.
2) Der Stein von Eichstädt, welcher im sog. W i ttmes
5 Kilom. von der Stadt am 19. Febr. 1785 nach 12 Uhr
Mittags gefallen ist.
3) Der Stein von Massing bei Altötting in Süd-
bayem vom Fall am 13. Dezember 1803 zwischen 10—11
ühr Vormittags.
4) Der Stein von Schönen berg bei Burgau und
Schwaben, gefallen am 25. Dez. 1846 Nachmittags 2 ühr und
5) Der Stein von Krähenberg bei Homburg in der
Rheinpfalz vom Fall am 5. Mai 1869 Abends G^'« Uhr.
Von einem 6. Meteorstein fand ich eine erste Nach-
richt in Gilbert's Annalen der Physic Bd. XV. S. 317, wo
angeführt wird, dass Casp. Schott in s. Pbysica curiosa 1.
XI Cap. XIX berichtet: „hac in urbe nostra Herbipolensi
osservatur in templo D. Jacobi trans Moenum, in mona-
sterioScotorum^) catenulae columna templi suspensus
1) Das Schotteokloster wurde 1140 gegründet, 1803 saecol. 1819
wurde ein Theil der Kirche zum Gottesdienst wieder hergerichtet und
zwar der Chor, das Uehrige dient als Militärdepot.
Ausf. Beschreibung U.Geschichte von Wieland im Archiv des hist.
Vereins v. Unterfranken u. Asch. XVI. Bd.
16 Sitzung der math.-phys, Classe vom 9. Februar 1878.^
durissimus est et ad ferream vergit naturam.*^ Daraus geht
hervor, dass es wahrscheinlich ein Eisenmeteorit war. Ich
habe mich um den Spuren dieses Steines nachzuforschen
an Herrn Prof. Sandberger in Würzburg gewendet, der so
freundlich war, die gründlichsten Nachforschungen anzu-
stellen. Der Stein ist verschwunden. Der gütigen Mittheil-
nng Sandberger's verdank eich die weitere Nachricht, welche
Schnurrer in s. Seuchengeschichte Bd. IL giebt: „Im Jahre
1103 (oder 1104) fiel in Würzburg ein so grosser Meteor-
stein, dass vier Männer den vierten Theil desselben kaum
tragen konnten."
Der Meteorstein von Mauerkirchen.
(Beiliegende Tafel Figur I.)
Ueber diesen Fall berichtete zuerst ein kleines Schriftchen :
Nachricht und Abhandlung von einem in Bayern unfern
Maurkirchen d. 20. Nov. 1768 aus der Luft gefallenen
Steine (Straubingen 1769). Aus demselben theilt Chladni
in seinem chronologischen Verzeichnisse der mit einem Feuer-
meteor niedergefallenen Stein- und Eisenmassen (Gilberts
Ann. d. Phys. 1803 Bd. XV. S. 316) mit, dass an dem
geaannten Tage Abends nach 4 ühr bei einem gegen Occident
merklich verfinsterten Himmel verschiedene ehrliche Leute
zu Maurkirchen, welche darüber eidlich vernommen wurden,
ein ungewöhnliches Brausen und gewaltiges Krachen in der
Luft gleich einem Donner und Schiessen mit Stücken hörten.
Unter diesem Luftgetümmel sei ein Stein aus der Luft gefallen
und habe nach obrigkeitlichem Augenschein eine Grube 2^«
Schuh tief in die Erde gemacht. Der Stein halte nicht gar einen
Schuh in die Länge, sei 6 Zoll breit und wiege 38 bayer. Pfunde
Er sei von so weicher Materie, dass er sich mit Fingern
zerreiben lasse, von Farbe bläulich mit einem weissen Fluss
GümM: Üeher die in Bayern gefundenen Steinmeteoriten, 17
oder Fliesserlein vermengt, ausserdem mit einer schwarzen
Rinde überzogen n. s. w.
Professor Imhof veryoUständigte diesen Bericht (Enr-
p£alzbaier. Wochenblatt. 1804. St. 4) dorch folgende An-
gaben: „Man fand den gefallenen Stein am Tage, nach-
dem man das Getöse vernommen hatte, in dem sog. Schinper-
point in einem schräg einwärts gehenden 2^2 Schuh tiefen
Loche.^' Imhof bestimmte das spec. Gewicht zu 3,452 und
beschreibt die granlich schwarze V^ Linie dicke Rinde als
am Stahl fuukengebend, ferner als Gemengtheile
1) regulinisches Eisen , das in kleinen Körnern und
Zacken am meisten mit der äusseren Rinde verwachsen,
sehr geschmeidig und zähe ist und einen weissen stark
glänzenden Feilenstrich giebt,
2) Schwefelkies,
3) kleine plattgedrückte, eckige Körner, welche sich
durch schwarzgraue Farbe, muschlichten Bruch, glänzendes
Ansehen und grösserer EKrte von den andern unter-
scheiden,
4) noch andere kleine Körner von weisser und gelb-
licher Farbe, die durchscheinend und schimmernd sind. Nach
seiner Analyse besteht der Meteorstein aus:
Kieselsäure 25,40
Eisenoxyd 40,24
Eisen 2,33
Nickel "... 1,20
Bittererde 28,75
Schwefel und Verlust . . . 2,08
100,00
(Yergl. 0. Buchner die Meteoriten in Sammlungen
1863 S. 9.)
Die nähere Untersuchung des Steines ergab mir nun
weiter, dass die 'mattschwarze, fleckenweis etwas glänzende
[1878. 1. Math.-phys. Cl ] 2
18 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 9, Februar 1878,
0,7— 0,3 mm. dicke Kruste wie bei anderen Meteorsteinen
nur Schmelzrinde ist, welche ohne scharfe Grenze gegen
Innen in die Hauptmasse übergeht, da wo Eisentheilchen an
dieselbe grenzen, verstärkt, wo gewisse gelbe Körnchen in
derselben li^en, schwächer und an letzteren Stellen glänzen-
der sich zeigt. Häufig sind selbe Mineraltheilchen einge-
schmolzen und in der Rinde eingeschlossen oder ragen in die-
selbe hinein. Die Hauptmasse des Steines ist lichtgrau
gefärbt, durch eingestreutes Meteoreisen schwarz punktirt
und an den meisten dieser schwarzen Stellen in Folge der
Oxydation des Eisens fleckig rostfarbig. Zwischen den Fingern
lässt sich der Stein ziemlich leicht zerdrücken und macht
dem äusseren Anschein nach den Eindruck eines Trachyttuffs.
Ans der äusserst feinbröcklichen, fast staubartigen Grund-
masse heben sich ziemlich zahlreich eingestreute rundliche
Mohn- bis Hirsekorn-grosse und kleinere Körnchen heraus,
welche meist etwas dunkelschwärzlich oder gelblich geförbt,
aussen matt, beim Zerschlagen glasglänzend ohne Spaltungs-
flächen erkennen zu lassen, den Charakter der Chondren
besitzen und dem Stein daher den Stempel der Ghondriten auf-
drücken. Uiiter dem Mikroscop zeigen diese Körnchen eine
verschiedene Beschaffenheit. Die einen sind äusserst fein
parallel gestreift, so dass vorwaltend opake, breite Streifchen
mit schmalen durchsichtigen oder durchscheinenden, wie
quer gegliederten wechseln. I. p. L. erscheinen letztere mit
matten feinfleckigen Farben.' (y der Zeichnung der beiliegenden
Tafel Fig. I. Andere Körnchen sind weisslich, wie aus feinstem
Staub zusammengesetzt, opak, nur gegen den Rand zu etwas
durchscheinend, zuweilen von feinsten, etwas durchschimmern-
den, einzelnen unregelmässig eingestreuten Nädelchen durch-
zogen (x der Zeichnung). Noch andere Körnchen besitzen
eine Art radiale Faserung, die jedoch hier nicht deutlich
zum Vorschein kommt. Kleinste, rundliche Theilchen sind
wasserhell und erscheinen i. p L. mit glänzenden bunten Farben,
Gümhel: üeher die in Bayern gefundenen Meteorsteine. 19
Neben den Ghondren lassen sich in der pulverigen
Hauptmasse eingebettet noch zahlreiche meist kleine eckige
längliche Splitterchen eines weissen, auf der Spaltflächen
deutlich spi^elnden, hier und da undeutlich parallel gestreiften
Minerals und mehr rundlich eckige, unregelmässig rissige,
selten parallelstreifende Körnchen von gelblichem oder bräun-
lichem Farbenton und von glasartigem Glänze unterscheiden.
Dazu gesellen sich metallisch glänzende, relativ kleine
traubig eckige El ümpchen von Meteoreisen, ferner selten solche
von messinggelbem Schwefeleisen und von nicht metallisch
glänzenden tie&chwarzen Ghromeisenstäbchen. An abge-
riebenen Stellen des Steins stehen die härteren Körnchen
hervor und lassen den Charakter des Chondriten deutlicher
wahrnehmen, als auf dem Qnerbruche, auf dem man nur
bei grösserer Aufmerksamkeit die kugeligen Einlagerungen
beobachtet. Die feinsten Staubtheilchen, welche als das durch
eine fortschreitende Zerkleinerung der grösseren Splitter
entstandene verbindende Material betrachtet werden müssen,
sind theils wasserhell, theils opak, durchscheinend, und
erweisen sich bis ins Kleinste i. p. L. durch wenn auch
matte bunte Farben als doppelt brechende krystallinische
Bruchstücke. Yon einer glasartigen Zwischenmasse ist nicht
eine Spur zu entdecken.
Nach dem Behandeln des fein zerdrückten (nicht zerrie-
benen) Materials mit Salpetersalzsäure und Kalilösung sind —
abgesehen von den metallischen Gemengtheilen — die gelb-
lichen Splitterchen (Olivin) verschwunden und der Rückstand
besteht nur aus weissen und bräunlichen Stücken, die
unter dem Mikroscop sich leicht unterscheiden lassen. Die
bräunlichen Fragmente sind stark rissig, selten mit Spuren
von dunklen Parallelstreifchen versehen, durchsichtig und i. p.
L. lebhaft buntfleckig gefärbt. Es sind zweifelsohne Theil-
chen eines Minerals aus der Augitgruppe. Die weissen
Spiitterchen dagegen sind vielfach nur durchscheinend,
2*
20 Sitzung der maiK-phya, Glosse vom 9, Februar 1S78.
theilweise durch die Säuren angegriffen und zeigen i.
p. L. nur matte fleckige Farbentöne, welche hier und
da an eine streifige Anordnung erinnern. Dass diese Split-
terchen als Feldspath-artige Gemengtheile gedeutet werden
müssen, beweist auch die chemische Analyse des Restan-
theils nach der Einwirkung der Säuren. Kleinste schwarze
Theilchen sind als Ghromeisen anzusprechen. Es besteht
demnach der Stein aus Olivin, einem Feldspath-artigen,
augitischen Mineral, aus Meteor-, Schwefel- und Ghromeisen.
Damit stimmt nun auch im Allgemeinen die chemische
Analyse, welche ron Hm. Assistent Ad. Schwager unter
gleichzeitig coniroUirenden eigenen Untersuchungen durchge-
führt wurde. Die Bestimmung des Meteoreisens und Schwefel-
eisens geschah durch eigene Versuche^). Die Analysen ergaben :
65,45> durch
Stoffe :
Bauschanalyse
Salzsäure zer-
setzbarer * An-
theil
34,550/0 Rest-
bestandtheil
Kieselsäure
38,14
23,23
61,39
Thonerde
2,51
1,20
5,00
Eisenoxydul
25,70
32,72
17,59
Eisen & Nickel
6,30
9,65
»
Schwefel
2,09
3,20
,
Phosphor
0,14
0,22
1
1
Chromoxyd
0,39
— ^— .
0,84
Kalkerde
2,27
1,51
4,35
Bittererde
21,73
29,13
7,70
Kali
0,48
Sp.
1,40
Natron
1,00
Sp.
2,91
Summe
100,75
100,86
101,18
1) Es warde aus dem zerdrückten Pulver durch den Magnet alles Aus-
ziehbare herausgenommen, und diese Meteoreisen haltigen Bestandtheile
unter Anwendung von Kupfervitriol und Kupferchlorid besonders analysirt.
Günibel: lieber die in Bayern gefundenen Steinmeteoriien, 21
Es schliesst sich demnach der Steinmeteorit von Mauer-
kirchen der Anfangsreihe der an Kieselsäure ärmsten Chon-
driten, wie jenen von Seres, Buchhof, Ensisheim und Chateau-
Elenard an. Es lässt sich daraus der Gehalt berechnen, näm-
lich an:
Meteoreisen .... 2,81%
. Schwefeleisen . . . 5,72
Chromeisen .... 0,75
Silikate 90,72 -
100,00
-Was die Interpretation der Silikate anbelangt, so haben
wir zunächst den durch Salzsäure zersetzbaren Bestandtheil
in*s Auge zu fassen. Hierin ist der relativ geringe Eiesel-
säuregehalt besonders auffallend. Doch wiederholt sich
ein ähnliches Yerhältniss mehrfach wie z. B. bei den Me-
teorsteinen von Seres, Tjabe (Java 19. Sept. 186'')i Khettre
(Indien) u. A. Ziehen wir den Gehalt an Meteoreisen
und Schwefeleisen ab, so erhalten wir für diesen Bestandtheil :
2
Si 0
AI, O3
Fe 0.
Ca 0.
Mg 0
26,45
1,35
37,30
1,70
33,20
worin, wenn die Thonerde und Kalkerde als wahrscheinlich
zu einem zersetzten Feldspath gerechnet und ein Theil des
Eisenoxyduls als noch von Meteoreisen abstammend in Ab-
zug gebracht wird, der durch Säuren zersetzte Bestandtheil
nicht anders, als zu Olivin gehörig sich aaslegen lässt.
Dass ein Theil des Eisens oxydirt ist und dadurch der Ge-
halt an Basen etwas gesteigert erscheint, darauf weisen schon
die Rostflecken hin, welche sich manchmal selbst in der
Masse ziemlich verbreitet zeigen.
Was das oder die Silikate des Restbestandtheils angeht,
so giebt der verbältuissmassig hohe Kieselsäure- und Thon-
22 SiUung der math.-phya. Claase vom d. Februar 1878,
erdegehalt, neben den Alkalien wohl der Vermuthang Baum,
dass neben. einem Augit-Mineral auch noch ein feldspath-
tiges vorhanden sei. Gleichwohl aber bleibt auch bei
dieser Annahme noch ein starker Ueberschuss an Kiesel-
säure, von dem man wohl nicht voraussetzen darf, dass er
in Form eines ausgeschiedenen Quarzminerals auftrete, weil
bei Untersuchung des Dünnschliffs im reflectirten Lichte
keine Spur einer Beimengung von durch den starken Glanz
sonst erkennbarem Quarze sich bemerken lässt. Dieses Ver-
halten ist vorläufig noch unaufgeklärt.
Derselbe Meteorstein ist bereits in neuester Zeit auch
noch einer chemischen Analyse von anderer Seite unterworfen
worden. Bammelsberg führt (D. ehem. Nat. d. Meteoriten
Abh. d. Acad. d. Wiss. in Berlin für 1870 S. 148 u. ff.) als
das Besultat der von Crook^) ausgeführten Untersuchung
an : Zusammensetzung: 3,62^ jo Meteoreisen
1;92 „ Schwefeleisen
0,72 „ Ghromeisen
92,68,, Silikat
100,00 und zwar:
das Silikat bestehend als :
Stoffe:
im Ganzen
Bauschanaljse
in dem 61% durch
Säuren zersetzbar.
Ant
in dem 39®/o in
Säuren unzersetzb.
beil.
Kieselsäure
44,81
32,68
3,94
Thonerde
1,24
9,36
4,17
Eisenozydal
24,55
28,91
17,71
Bittererde
26,10
37,44
8,20
Ealkerde
2,28
0,61
4,91
Natron
0,26
—
0,67
Kali
0,16
—
0,40
1) On the ehem. coostit, of meteor. stopes, Qottingen Pissert.
(Mir nicht zngänj^lich)«
Gümhel: Ueber die in Bayern gefundenen Steinmeteoriten, 23
Diese Resnltate weichen so bedeutend von den früher
mitgetheilten ab, dass dafür kein anderer Grund gefunden
werden kann, als die an sich grosse Ungleichheit in der
Znsammensetzung des Meteorsteins, welche einen um so
grösseren Einfluss auf die Ergebnisse der Untersuchung zu
äossem im Stande ist, mit je kleineren Quantitäten man zu
arbeiten gezwuugen ist. Die mikroscopische Untersuchung
der Dünnschliffe unterstützt direkt diese Annahme, indem
sich hierbei die grösste Unregelmässigkeit in der Art der
VertKeilung der Gemengtheile erkennen lässt. Ein grösseres
Korn von diesem oder jenem Gemengtheil in der verwendeten
Probe verrückt bei geringen Quantitäten, die man benützt,
die Zahlen in beträchtlicher Weise. Es lassen sich beispiels-
weise zackige Knöllchen von Meteoreisentheilchen aus der
Masse herauslösen, deren Grösse in keinem Verhältnisse steht
zu dem geringen Procentgehalte des Steins an Meteoreisen
im Allgemeinen und Ganzen. Aehnlich verhält es sich mit
den eingestreuten härteren Knöllchen und Körnchen.
Besonders verschieden ist die Angabe bezüglich der Zu-
sammensetzung des in Salzsäure zersetzbaren Gemengtheils.
Doch tritt auch in der Analyse Crook's die relativ geringe
Menge von Kieselsäure sehr deutlich hervor. Minder ab-
weichend erweisen sich die Resultate der Analyse des durch
Säuren unzersetzten Restes. Gerade diess beweist, dass es
nicht in dem Gang der analytischen Arbeit liegt, wie es
scheinen könnte, wenn hier der Kieselsäurengehalt ebenso
verhältnissmässig hoch, wie bei dem in Säuren zersetzbaren
Antheil gering gefunden wurde. Da dieser Rest, wie die
mikroscopische Untersuchung desselben lehrt, aus verschie-
denen Mineralsubstanzen, namentlich einem weissen und
einem braunen Gemengtheil besteht, so kann das Sauerstoff-
verhältniss im Ganzen genommen, uns keine besonderen
Aufschlüsse verschaffen.
Die wegen der leichten Zerreiblicbkeit der Masse
24 Sitzung der math.'phys, Classe vom 9, Februar 1878,
schwierig herzasteilenden Dünnschliffe, welche nur durch
wiederholtes Tränken mit sehr verdünntem Canadabalsam
in brauchbarem Zustande gewonnen werden können, geben,
wie es das Dfinnschliffbild auf der beiliegenden Tafel in Figur I.
zeigt, bezüglich der Zusammensetzung des Gesteins und der Ver-
theilung der Gemengtheile einige lehrreiche Aufschlüsse. Es
stechen besonders die Chondren in ihrer theils staubig krüm-
meligen, theils faserigen Zusammensetzung besonders hervor.
Trotz der geringen Durchsichtigkeit derselben erweisen sie sich
i, p. L. betrachtet stets farbig und zwar nicht bloss die
lichteren Streifchen derselben, sondern ihre ganze Masse.
Diesen Einmengungen gegenüber sind die übrigen unter-
scheidbaren, stets unregelmässig umgrenzten, gelblichen, bräun-
lichen und weisslichen Splitterchen klein. Sie sind alle von
zahllosen Bissen durchzogen, die nur hier und da parallel
verlaufen. Kleine Stückchen nnd Staubtheilchen der anschei-
nend gleichen Mineralien bilden die Grundmasse, in welchen die
grösseren Trümmer eingestreut liegen. I. p. L. treten bis
in die feinsten Theilchen Farbenerscheinungen hervor, so
dass auch in den Dünnschliffen die Abwesenheit einer glas-
artigen Bindemasse bestimmt beobachtet werden kann. Be-
merkenswerth sind zahlreiche kleinste, runde, wasserhelle
Kömchen, welche der Grundmasse beigemengt sind. Meteor-
eisen- und Schwefeleisen-Knöllchen theilen etwa die Grösse
der Mineralsplitterchen, machen jedoch ihren umrissen nach
nicht den Eindruck der Zertrümmerung, wie letztere und
liegen ziemlich gleichmässig in der Masse zerstreut. Wir
sehen also, dass der Meteorstein von Mauerkirchen seiner
Struktur nach sich nicht wesentlich von anderen chondriti-
schen Meteorsteinen unterscheidet.
Gümbel: lieber die in Bayern gefundenen Sleinmeteoriten, 25
Der Heteorstein yon Eichstädt.
(Figur II.)
lieber den Fall dieses Steins wird berichtet/) dass ein
Arbeiter an einer Ziegelhätte im sog. Wittmes, einer waldigen
Gegend, etwa 5 Kil. westwärts von Eichstädt am 19. Feb.
1785 Nachmittags zwischen 12 und 1 Uhr nach einem
donnerähnlichen Getöse einen grossen schwarzen Stein auf
den mit Schnee bedeckten Erdboden, auf dem Ziegelsteine
umher lagen, fallen sah. Als er zur Stelle lief, fand er den
Stein, welcher einen Ziegelstein zertrümmert hatte, eine
Hand tief im Boden und so heiss, dass er ihn erst mit
Schnee abkühlen musste, um ihn an sich nehmen zu könoen.
Der Stein hatte etwa ein Fuss im Durchmesser und wog
beiläufig 3 Kilogramm. Schafhäutl (Gelehrt. Anzeige
d. Ae, d. Wiss. in München 1847 S. 559.) beschreibt den-
selben wie folgt: „Seine Struktur ist ziemlich grobkörnig,
die £örner sind rundlicher, als diess bei allen übrigen
Aerolithen der Fall ist ; ja es finden sich sogar vollkommen
ellyptische, wie abgeschliffen aussehende Körnchen von grau-
licher Farbe und dichtem ziemlich mattem ebenem Bruche
darin, ohne bemerkbares krystallinisches Gefüge. Neben
diesen liegen grünliche olivinartige Körner von glasig mu-
scheligem Bruche. Schwefeleisen, Nickeleisen und Magnet-
eisen sind zwischen diesen Kömern eingesprengt, so dass
er unter allen Meteorsteinen unserer Sammlung (Münchner
Staats-S.) am stärksten auf die Magnetnadel wirkt.^'
Das spez. Gewicht*) wird angegeben:
von Schreibers zu . . . 3,700
von Bumler zu .... 3,599
1) Vergl. Moll'B Aonal, 4. Berg- u. Hüttenk. Bd. III. S. 251.
26 Sitzung der maih.'phys. Classe vom 9, Februar 1878. '
Klaproth hat diesen Stein analysirt und giebt
(Gilberts Ann. XIII. 338) als seine Bestandtheile an:
Gediegen Eisen 19,00
Nictelmetall 1,50
Brannes Eisenoxyd .... 16,50
Bittersalzerde 21,50
Kieselerde 37,00
Verlast (mit Schwefel) , . 4,50
100,00
Das in der Münchener Staatssammlang verwahrte Stück
zeigt eine schwarze mattglänzende, runzelige Rinde und eine
weisslich graue, grobkörnig chondritische, durch zahlreiche
Rostflecken hier und da gelblich getüpfelte, leicht zerreib-
liche Hauptmasse, aus welcher sich die oft sehr grossen
Chondren leicht heraus lösen lassen. Es finden sich solche
bis über 3 mm. im Durchmesser gross, sie sind sehr hart,
auf der Oberfläche matt, erdbeerenartig höckerig und grabig
in einer Weise, dass die angeschlossenen Mineralsplitterchen
der Hauptmasse wie an die Oberfläche gekittet erscheinen.
An vielen Stellen der Oberfläche bemerkt man zudem kleinen
spiegelnde Streifchen, wodurch dieselben gleichsam facettirt
erscheinen. Auch kommen damit fest verwachsene Meteor-
eisentheilchen vor, welche zuweilen selbst in die Oberfläche
versenkt sind. Niemals zeigt sich eine Glättung der Ober-
fläche, wie sie vorkommen müsste, wenn die Kügelchen
durch Reibung und Abrollung entstanden wären. Vielmehr
gleichen sie der äusseren Beschafl^enheit nach den in den
Schlacken vorkommenden Roheisensteinkügelchen. Zerschlägt
man sie, so zeigen sie auf der flachmuscheligen Bruchfläche,
einen matten Glasglanz, schwärzlichgraue Farbe und bei
weiterer Zertrümmerung unter dem Mikroscop erweisen sie
sich nicht als eine homogene, sondern zusammengesetzte
1) Buchner a. a 0. S. 9.
Gümhel: Üeber die in Bayern gefundenen Steinmeteoriten. 27
Masse. Man kann dentlich einen glashellen mit zahl- i
reichen Bläschen erfüllten, i. p. L. ungemein buntfarbigen
Bestandtheil neben einer nur durchscheinend trüben, wie
aus kleinsten Staubtheilchen zusammengesetzten, aber i. p.
L. doch deutlich farbigen, zuweilen feinstreifigen Haupt-
masse und einzelnen durchscheinenden intensiv gelbbraunen,
i. p. L. unverändert gefärbten Streifchen unterscheiden. In
Dünnschliffen sieht man ihre Struktur noch viel deutlicher,
obwohl sie hier in einer an sich sehr dunkelgei^rbten Haupt-
masse liegen und schwierig gut durchsichtig zu erhalten sind.
Indem nämlich ziemlich viel Meteoreisen als Gemengtheil
auftritt, das grossentheils ber^ts etwas zersetzt und mit
einem Höfchen von gelbbrauner Farbe umgeben ist, leidet
auch die Klarheit derjenigen Mineraltheilchen, welche sonst
durch ihre Durchsichtigkeit sich auszeichnen. Die gelbe
Farbe rührt von Eisenoxydhydrat her, welches durch
die Einwirkung der feuchten Luft unserer Atmosphäre
auf das Meteoreisen erst nachträglich während der Zeit sich
gebildet hat, in welcher der Stein in der Erde oder in
unseren Sammlungen gelegen hat. Dieses Eisenoxydhydrat
dringt in die feinsten Risschen und Sprünge oder Zwischen-
räume ein, kann aber leicht durch Säuren entfernt werden.
Neben dem Meteoreisen betheiligen sich unregelmässig ein-
gesprengte, selten von parallelen Linien eingeschlossene Mine-
ralsplitterchen an dem Haufwerk, aus dem der Meteorstein
besteht. Bald sind es wasserhelle, wenig rissige Trümmerchen,
bald solche, welche durch ein einfaches System parallelen
Linien gestreift oder von unten schiefen Winkeln sich schnei-
denden Bissen zerklüftet sind, etwa wie es bei dem Augit
vorzukommen pflegt, oder aber durch eine dem Zell-
netz gewisser Moosblättchen ähnliche, merkwürdig lang-
gezogene und quergegliederte Maschenstruktur (d) sich
auszeichnen. Zuweilen stossen in einem Trümmertheil
mehrere Systeme solcher paralleler Streifchen zusammen.
28 Sitzung der math.-phya. Classe vom 9, Februar 1878,
Zwischen diesen grösseren Frt^ienten liegen kleinere ganz
Yon derselben Beschaffenheit, wie die grösseren angehäuft.
I. p. L.erscheineu alle Theilchen, welche nnr überhaupt durch-
sichtig sind, in bunten Farben, welche selbst innerhalb der ein-
zelnen Splitter aggregatartig vertheilt sind und selten streifig
oder bandartig parallel verlaufen. Endlich sind als ungemein
häufige Bestandtheile die kugeligen Einschlüsse zu nennen,
die schon erwähnt worden sind. Ans den mannichfachen
Formen, welche dieselben besitzen, heben wir nur einige
der am häufigsten vorkommenden hervor. Ziemlich zahlreich
sind die Chondren mit excentrisch strahlig faserigem Ge-
füge (a), welches in der Regel von einer nahe am Rande
liegenden mehr kömigen Parthie ausgeht und in einen vielfach
abgesetzten, gleichfalls maschenartigen und quergegliederten
Strahl enbüschel ausläuft. Diese Struktur stimmt so sehr
mit jener schon geschilderten überein, welchen wir auf andern
regelmässig umgrenzten Splitterchen begegnen, dass wir
letztere wohl als Abkömmlinge zerbrochener grösserer
Chondren ansehen müssen. Andere der letzteren sind von
verschiedenen Systemen sich unter spitzen und stumpfen
Winkeln schneidender dunkler Streifchen beherrscht (b),
eine Struktur, die sich als der Anfang einer krystallinischeni
periodenweis gestörten Ausbildung betrachten lässt. In noch
anderen Chondren kommt eine staubartig trübe, schwach durch-
scheinende Substanz vor, in welcher häufig sehr zahlreiche
dicht gedrängte, hellere, gruppenweis nach verschiedenen
Richtungen verlaufende Streifchen (c) sich bemerkbar
machen. Endlich treten nicht selten Eügelchen auf,
welche aus grösseren, helleren, durch dunkle Zwischenstreif-
chen von einander getrennten Körnchen (e) gleichsam zu-
sammengebacken erscheinen. Aus alle dem geht zur Genüge
hervor, dass wir in dem Stein von Eichstädt einen Chon-
driten der ausgezeichnetsten Art vor uns haben. Derselbe
kann geradezu als Typus dieser Art der Struktur, welche
QümM: üeher die in Baffem gefundenen Steinmeteariten, 29
bei den Meteorsteinen als der vorherrschende bekannt ist,
gelten.
Was seine Zusammensetzung anbelangt, so hat die
Analyse (Ass. A. Schwager) ergeben, dass der Stein be-
stellt aus :
22,98 Meteoreisen,
3,82 Schwefeleisen,
32,44 in Salzsäure zersetzbaren,
40,76 in Salzsäure nicht zersetzbaren Mineralien.
Die Zusammensetzung ist im Ganzen A, dann
B in den durch Gl H zersetzbaren Silicaten
G in dem durch Gl H nicht zersetzbaren Bestandtheil:
G.
Kieselerde ....
Tbonerde ....
Eisenoxydul . . .
Eisen (mit Phosphor
Nickel
Ealkerde ....
Schwefel . .^ . .
Ghromoxyd . . .
Bittererde ....
Kali
Natron
33,31
2,31
15,34
24,64
0,94
0,74
1,42
0,15
18,86
0,40
1,04
99,15
34,45
0,86
24,52
0,68
55,53
5,13
16,66
1,13
Der Gehalt der durch Salzsäure zersetzbaren Gemeng-
theile an Alkalien weist ausser Olivin noch auf einen Feld-
spath hin. Wir haben aber darin:
30 Sitzung der math
Si 0, .
AI, O3 .
Fe 0 .
Mg 0 .
Ca 0 .
Ka, 0
Na, 0
'phys, Chsse vom 9. Februar 1878.
. . 34,45 mit 18,37 0
. . 0,86 „ 0,40
• . 24,52 „ 5,45 \
. . 37,31 „ 14,90 j ^^'^^
. . 0,68 „ 0,19
. . 0,68 „ 0,11
. . 1,31 „ 0,34
Daraus ersieht man, dass, wenn wir ein Singalosilikat
ausscheiden, die vorhandene Sauerstoffmenge noch nicht
einmal vollständig ausreicht, den Bedarf ganz zu decken, dass
mithin die Analyse uns keinen Aufschluss über die Natur
des etwa noch ausser Olivin vorhandenen Silikats weiter giebt.
In dem von Säuren nicht zersetzbaren Rest endlich
stellen sich die Verhältnisse folgender Maassen:
Kieselerde . . .
. 55,53 mit
29,62 0
= 22,6 4 7
Eisenoxydnl . .
. 16,66 „
3,70 0
= 3,58 + 0,12
Bittererde . . .
. 19,34 „
7,73 „
Chromoxyd . .
• 0,73 „
0,23 „
Thonerde . . .
. 5,13 „
2,39 „
= 2,33 + 0.06
Kalkerde . . .
• 1,13 „
0,32 „
Kali
. 0,56 „
0,10 „
0,84.
Natron ....
. 1,62 „
0,42 „
Daraus berechnet sich ein Bisilikat, Ghromeisen (von der
Zusammensetzung des von L^Aigle) und ein Andesin-artiger
Pelspath ungefähr in dem Verhältniss wie 79 : 1 : 21.
Im Ganzen besteht also der Eichstädter Meteorstein
ungefähr aus:
Meteoreisen .... 22,98
Schwefeleisen .... 3,82
Chromeisen .... 0,40
Olivin 31,00
Mineral der Augitgruppe 31,90
Andesin-artiger Feldspath 8,46
Peldspathartiges Mineral 1,54
100,00
j
Gümbel: Üeber die in Bayern gefundenen Steinmeteoriten, 31
Das häufige Vorkommen und die relative Grösse der
Chondren luden zu einer besonderen Analyse dieser Eügel-
chen ein. Um sicher zu sein, mit einem Yon anhaftenden
kleinsten Mineralsplitterchen freien Material zu verarbeiten,
wurden die Chondren so lange auf einer mattgeschliffenen
Glasplatte hin- und hergerieben, bis ihre Oberfläche völlig
glatt und glänzend geworden war. Leider war die so mir
zur Verfügung stehende Menge eine nur sehr geringe (0,12 Gr.)
und es kann daher an die Analyse der Anspruch grosser
Genauigkeit nicht gemacht werden. Durch Vorversuche
war bereits festgestellt worden, dass auch die Substanz der
Chondren sich theilt in eine von Salzsäure zersetzbare und
in eine unzersetzbare Masse. Die erstere enthält noch
Schwefeleisen, welches, wie die Untersuchung an Dünnschliffen
lehrt, in kleinen Körnchen fest mit den Kügelchen verwachsen
ond in dieselbe gleichsam eingesenkt vorkommt.
Ich fand die Zusammensetzung:
Schwefeleisen 1,53
I. In Salzsäure zersetzbar . . 53,05
n. In Salzsäure unzersetzbar . 45,42
100,00
Als Zusammensetzung der Silikate I und II ergab
sich ferner
I II
Kieselsäure . 26,26 mit 14,22 0 53,21 mit 28,38 0
Eisenoxydul . 30,09 „ 6,67 „ 14,86 „ 3,30 „
Bittererde. . 31,53 „ 12,60 „ 26,42 „ 10,56 „
Thonerde . . 2,70 „ 1,26 „ — —
Kalkerde . . 1,00 „ 0,29 „ 3,67 „ 1,05 „
Alkalien . . 8,00 „ 1,70 „ '— —
99,98 98,16
Es ist zunächst hervorzuheben, dass, wie auch schon
von anderer Seite bemerkt wurde, die Zusammensetzung der
32 Sitzung der math.-phffs. Classe vom 9. Februat 1878.
Ghoudren nahezu die nämliche ist, wie die der ganzen Masse
nnd sich durch die Behandlung mit Säuren in zwei ähn-
liche Theile scheiden lässt.
Der in Salzsäure zerlegbare Theil, abgesehen von Resten
eines Gehaltes an Meteoreisen und Schwefeleisen, schliesst
sich am engsten an Olivin an. Aber es mangelt auch hier,
wie in zahlreichen Fällen bei analysirten Ghondriten an
Kieselsäure. Ich möchte vermuthen, dass diess hier von einem
Ueberschass an Eisenoxydul herrührt, das, anstatt von zer-
setzem Olivin, von fein beigemengtem Meteoreisen abstammt.
Thonerde, Kalkerde und Alkalien weisen auf eine Beimeng-
ung feldspathartiger Theilchen, wie bei der Hauptmasse der
Chondriten hin. Doch bietet die Interpretation dieses Theils
immerhin Schwierigkeiten, die bis jetzt noch nicht besei-
tigt sind.
Der in Salzsäure unzersetzte Rest fügt sich viel besser
in das Maass eines Bisilikates ; wenn es auch hierbei um etwas
weniges an Kieselsäure fehlt, so kann diess wohl bei
der geringen, zur Analyse verwendete Menge als Folge des
Verlustes bei der Analyse selbst angesehen werden.
Der Heteorstein von Hassing.
(Figur ra.)
üeber die näheren Umstände des Falls dieses Meteoriten
theilt Prof. ImKof (Kurpfalzbaier. Wochenblatt 1804 St 3
u. f.) ^) mit:
„Nach den gerichtlichen Anzeigen an jdie kurf. Landea-
direktion hörten mehrere der Landleute, die um den Markt-
flecken Mässing" (Massing) Ldger. Eggenfelden wohnen, am
1) Gilberts Ann. d. Phys. XVIII. 830.
Gümhel: lieber die in Bayern gefundenen Steinmeteoriten. 38
13. Dez. 1803 Vormittag zwischen 10 und 11 Uhr neun
bis zehn Mal einen Knall, wie Kanonenschüsse. Ein Bauer
zu St Nicolas, der bei diesem Getöse aus seinem Hofe trat
und in die Höhe sah, erblickte etwas, das sehr hoch unter
beständigem Sausen in der Luft daher kam und endlich auf
das Dach seiner Wagenhütte fiel, etliche Schindeln zer-
schlug und in dieselbe eindrang. Er ging auf die Hütte zu und
fand in ihr einen Stein, der nach Pulver roch, ganz schwarz
und so heiss war, als ein Stein zu sein pflegt, der auf einem
Ofen lag. Er sagte, er habe das Yermeintliche Schiessen
von Alten-Oetting (d. h. von Osten) her gehört, der Stein
sei aber über Heiligenstadt (d. h. von Westen) gekommen.
Der Stein wog über P/t Kilogramm, hat ein spec. Gew.
von 3,365, eine dunkelschwarze, etwas dickere Rinde, als
der Mauerkirchner und ist im Bruche viel grobkörniger.
Als Gemengtheile enthält er nach Imhof:
1) regulinisches Eisen, das wie dünne Eisenfeile sichtbar
eingewachsen und glänzend erscheint,
2) Schwefelkies, der unter der Loupe krystallisirt er-
scheint und gerieben ein schwarzes Pulver giebt,
3) grössere und kleinere plattgedrückte, eckige Massen,
einige von dunkelbrauner, andere von schwarzer Farbe, die
sich durch ein schimmerndes Ansehen und grössere Härte
von jenen unterscheiden,
4:) hier und da bemerkt man noch kubische Körnchen
und Blättchen von gelblicher Farbe durchscheinend und mit
Glasglanz, wie Quarz aussehend, die jedoch nicht die Härte
des Quarzes haben,
5) auch sind weisse Körner von unregelmässiger
Form eingesprengt, von denen einige über 3 Linien
dick sind,
6) unter dem Mikroscop sieht man auch ein weiss-
graues, ins Gelbe spielendes Metall, das dem Magnete folg-
sam und wahrscheinlich metallisches Nickel ist.
[1878. 1. Math.-phys. Cl.] Z
34 iSitzung der math-phys, Classe vom 9, Februar 1678,
Nach der Analyse dieses Forschers besteht der Stein
in 100 Theilen, aas:
regnlinischem Eisen. ... 1,80
„ Nickel ... 1,35
braunem Eisenoxyd . . . 32,54
Magnesia 23,25
Kieselerde 31,00
Verlust an Schwefel u. Nickel 10,06
100,00
Ammler giebt (0. Buchner a. a. 0. S. 17) das spec.
Gewicht zu 3,3636 an.
Prof. V. Schafhäutl beschreibt (a. a. 0. S. 558) diesen
Stein „vom Aussehen des Bimssteinporphyrs, in dem die
einzelnen Silikate in so grossen Aggregaten auftreten, dass
man sie leicht mit freiem Auge unterscheiden könne. Das
Gestein bestehe aus milchweissen Körnern von blättrig
strahliger Struktur, aus olivinartigen körnigen Massen von
Erbsengrösse, und aus z. Th. matten basaltartigen Frag-
menten, die jedoch öfter auf den augitartigen Blätterdurch-
gängen auch glasglänzend erscheinen. Sparsam finden sich ris-
siges irisirendes Schwefeleisen eingesprengt und kleine Körn-
chen von Chromeisen. Der Stein wirkt nicht auf die Magnet-
nadel. Vor dem Löthrohr sei er ziemlich leicht schmelzbar
und ebenso mit einer glasig glänzenden Rinde überzogen,
wie der Aerolith von Stannem."
Nach meinen Beobachtungen besitzt der Stein eine
braunschwarze glasglänzende Binde und besteht in seiner
graulich weissen, ziemlich leicht zerreiblichen Masse aus:
1) einem gelblich grünen bis hellgrünen, etwas parallel-
rissigen, in rundlich und unregelmässigen Körnchen (wie
in Krystallform) vorkommenden, ziemlich grossen, 1 — 1*/2
mm. im Durchmesser breiten, nur sporadisch erscheinenden
Gümhel: Üeber die in Bayern gefundenen Steinmeteoriten, d5
Gemengtheil, der durch Sänren leicht zersetzt wird and als
Oliyin gelten muss.
2) ans einem weissen, oft glasartig durchsichtigen oder
staubig trüben, nur durchscheinenden, stark rissigen, selten
parallelstreifigen, zuweilen mit deutlichen Spaltflächen ver-
sehenen Mineral, das i. p. L. lebhaft ein- oder fleckig viel-
farbig erscheint und von Säuren gleichfalls zersetzt wird,
einem Feldspath entsprechend,
3) aus einem weingelben bis graugrünlichen, oder blass
rothlich braunem, glasartig mattglänzendem Mineral, 1,5
bis 2 mm. gross, i. p. L. lebhaft gefärbt, aber nicht di«
chroitisch, etwas längsfaserig (aber undeutlich, gestreift) und
mit zahlreichen kleinen Bläschen erfüllt. Dieser Bestand-
theil wird von Säuren nicht zersetzt und gehört der Augit-
gruppe an.
4) aus schwarzem, starkglänzendem, in Säuren nicht
zersetzbarem, in der Phosphorsalzperle ein prächtig grünes
Glas lieferndem Chromeisen,
5) endlich aus z. Th. vom Magnete gezogenen, dunklen,
metallischen Körnchen, die meist dem Schwefeleis^, im
Minimum dem Meteoreisen zuzntheilen sind.
Diese sämmtlichen grösseren, vorwaltend rundlich un-
regelmässig eckigen, (nicht länglich spiessförmigen) Theilchen
liegen in einer feinstaubartig kömigen, grauen Grundmasse,
welche aus denselben nur kleinen und kleinsten Splitterchen,
wie sie eben angeführt wurden, zu bestehen scheint. Auch
hier ist eine glasartige Bindemasse nicht zu erkennen.
Die Analyse A. Schwager's ergab:
36 Sitzung der math.'phys, Olaase vom 9. Februar 1678,
21,33»/o in
78,67''/o in
Stoffe :
Bauschanalyse
Salzsäure zer-
Salzsäure nicht
setzbar
zersetzbar
Eieselsäore
53,115
39,59
56,71
Thonerde
8,204
29,51
2,54
Eisenoxydnl
19,138
2,83
23,46
Eisen
0,523
2,49
—
Nickel
Sparen
Spuren
—
Chromoxyd
0,979
1,24
&alkerde
5,786
15,70
- 3,15
Bittererde
8,485
3,33
10,74
EaU
1,188
1 4,78
0,85
Natron
1,928
1,17
Schwefel
0,374
99,720
1,78
100,06
—
99,86
Der durch Salzsäure zersetzbare Antheil zu 21,33®/o
lässt sich nach dem Gehalt an Schwefel, Bittererde und
Thonerde berechnet ansehen als ungefähr zusammengesetzt aus:
10^/0 Olivin (Hyalosiderit)
86^/o Anorthit mit grossem Alkaligehalte
4^/q Schwefeleisen und Meteoreisen
100>
In abgerundeten Zahlen bestände der Feldspath A und
der Olivin B aus:
A
B
Kieselerde . <
. 42 . ,
, . 37,25
Thonerde . .
. 34 . ,
Eisenoxydul . .
, — ,
. 29,75
Ealkerde . . .
, 18 . .
Bittererde .
. . 33,00
Alkalien . • .
. 6 . .
'
100
100,00
(rümbeli üeber die in Bayern gefundenen Steinmeteoriten. 37
Was den Rest des dnrch Säuren nicht zersetzbaren
ÄDtbeils zu 78,67^/o anbelangt, so muss man hierin noch
einen kleinen Antheil Feldspath neben Chromeisen und Aagit
annehmen, etwa:
2,5% Chromeisen
13,5 „ feldspathartige Substanz (A)
84,0,, Augitmineral (B).
Beiden letzteren (A und B) würde eine Znsammsetz-
nng zu kommen, wie folgt:
A
Kieselsäure
Thonerde
Eisenoxydul
Ealkerde .
Bittererde
Alkalien .
66
19
11
100
B
86
36
4
14
lÖÖ
Berücksicht man ferner das Yerhältniss des in Salz-
säure zersetzbaren und nicht zersetzbaren Antheils im Yer-
hältniss von 21,33 zu 78,67 so können wir nach der oben
angeführten Deutung den Meteorstein ungefähr zusammenge-
setzt uns vorstellen , aus:
Olivin 2,00
Schwefeleisen . . 0,75
Meteoreisen . . . 0,25
Chromeisen . . . 2,00
Anorthit • . . . 18,00
2te feldspathige S. . 11,00
Augitmineral . . 66,00
100,00
Es wurde bisher der Stein von Massing dem von
Luotolaks an die Seite gestellt und Rammeisberg (d. ehem.
N. d Meteor. S. 136) zählt ihn zu den Howarditen
(Olivin- Augit-Anorthitmeteorstein),
38 Sitzung der maih.-phys, Classe vom 9. Februar 1878.
Ich glaube, dass er mehr Analogien mit der Gruppe der
Eukrite besitzt, da der Olivin sehr spärlich vorhanden ist.
Wir wollen nun zunächst sehen, wie mit dieser Auf-
fassung die optische Untersuchung der Dünnschliffe passt,
wie das Bild Figur III. einen solchen darstellt. Man be-
merkt zunächst grosse, unregelmässig eckige — nicht
wie bei den typischen Chondriten abgerundete Körnchen
und eine ziemlich gleichmässige, feine Hauptmasse mit ein-
zelnen im auffallenden Lichte metallisch glänzenden, stahl-
grauen und messinggelben Putzen. Sehen wir zunächst
ab von den grossen, unregelmässigen, gleichsam abnormen
Beimengungen, so treten uns in der Grundmasse vor Allem
grössere Gruppen eines grünlich gelben, dann eines schwach
weingelben, eines blassröthlich braunen und weissen Minerals
entgegen, welche wir als die Haaptgemengtheile anzusehen
berechtigt sind. Die wenigen grünlich gelben Theilchen (a)
sind unregelmässig rissig, glänzen i. p L. mit den lebhaf-
testen Aggregatfarben und werden durch Säuren zersetzt
— Olivin. Nach dem ersten Anschein möchte man auch
die weit zahlreicheren Putzen des schwach weingelben, jedoch
mehr parallel rissigen Minerals (b) für Olivin halten.
Allein in den mit kochenden Säuren anhaltend behandelten
Pulvern erscheinen sie unzersetzt und können mithin nicht
zum Olivin gehören. Auch bemerkt man in den Dünn-
schliffen eine Art Parallelstreifung, wie sie dem Olivin nicht
zukommt, aber an Enstatit erinnert. Daneben liegen zahl-
reiche, oft nur durchscheinende, doch auch gut durchsichtige,
an den Rändern röthlich braun gefärbte, nicht dichroitische
Theilchen (c), die allem Verhalten nach Augit zu sein
scheinen. Ich glaube demnach annehmen zu sollen, dass
zwei Mineralien der Augitgruppe hier vertreten sind, näm-
lich Enstatit und Augit. Die glashellen oder staubartig
weissen Theilchen (d) sind theils durch Säuren zersetzbar,
theils erscheinen sie aber auch noch in dem durch Säuren be-
(jümbel: üeber die in Bayern gefundenen Steinmeteoriten. 39
handelten Pulver mehr oder weniger unberührt. Diess deutet
gleichfalls auf die Anwesenheit von zweierlei Feldspathen, von
welchen der eine wohl in dem Dünnschliflfe Spuren von Pa-
rallelstreifen i. p. L. erkennen lässt. Dass — entgegen der
Angabe SchafhäutTs — wirklich Meteoreisen, wenn auch
spärlich beigemengt ist (e), habe ich in dem Dünnschliflfe, in
dem zwei deutliche Körnchen vorkommen, dadurch festge-
stellt, dass ich auf die stahlgrau glänzenden Flächen Kupfer-
vitriollösung brachte, wobei sich sofort die Ausscheidung
metallischen Kupfers beobachten lässt.
Schwieriger zu erklären ist die Natur der grossen Ein-
sprenglinge, zu denen im Dünnschliff die Parthienx und y ge-
hören. Der grössere x ist parallelstreifig und querrissig, dunkel-
olivengrün bis röthlich braun, wenig durchsichtig, i. p.
L. farbig. Er möchte als ein etwas veränderten Augit-
fragment zu betrachten sein. Das zweite Fragment y ist
gelblich, sehr feinkörnig, fast dicht, schwach duschscheinend
nnd mit feinsten schwarzen Staubtheilchen durchsprengt.
Es gleicht am ehesten dem Bruchstücke eines Chondrit-
körnchens. Dergleichen Einschlüsse mögen noch von sehr
verschiedener Beschaffenheit in der Grundmasse eingebettet
sein. Obwohl eine deutliche Chondriten struktur nicht vor-
handen ist, verhalten sich doch diese Einschlüsse und die
als Grundmasse auftretenden Mineralien so ähnlich den
Bestandtheilen der Chondrite, dass auch dem Meteorstein
von Massing eine ganz analoge Entstehung, wie die der
letzteren, zugesprochen werden muss.
Der namhafte Gehalt dieses Steins an Ghromeisen gab
Veranlassung, dessen Zusammensetzung näher zu erforschen,
da, so viel ich weiss, das Chromeisen der Meteorsteine isolirt
bis jetzt noch nicht einer Aualyse unterworfen worden ist.
Es schien sich hierzu das Chromeisen im Meteorstein von
TAigle, indem es in grösseren Körnchen vorkommt, gut zu
40 Sitzung der math.-phyß, Classe vom 9, Fehrrua 1788.
eignen. Dasselbe lässt sich daraus sehr leicht undvollständig
rein heraussuchen. Die Analyse dieses Ghromeisens ergab:
Chromoxyd . . , 52,13
Eisenoxydul . . 37,68
Thonerde . . . 10,25
100,06
also nahezu die Zusammensetzung des Chromeisens von Bal-
timore (Maryland), ein Beweis mehr für die Gleichartigkeit
der Bildang kosmischer und tellurischer Mineralien.
Der Meteorstein Yon Schönenberg.
(Figur IV.)
Einen sehr ausführlichen Bericht über den FÄl dieses
Meteorsteins giebt Prof. v. Schafhäutl (a. a. 0. S. 564).
Daraus ist zu entnehmen, dass zur Zeit des Falls am 25.
Dez. 1846 nach 2 Uhr Nachmittags auf einen Umkreis von
etwa 60 Kilometer ein Donner-ähnliches Geräusch gehört
wurde. In der nächsten Nähe des Ortes, wo der Stein
niederfiel, verglich man das Geräuche mik fernem Kanonen-
donner, der nach mehr als 20maliger Wiederholung gleich-
sam in ein Trommeln überging und nach etwa 3 Minuten
mit einem fernem Trompetenklängen ähnlichen Sausen
endete. Im Dorfe Schönenberg traten mehrere Leute bei
diesem Geräusche aus der Kirche, in der gerade Nachmit-
tagsgottesdienst stattfand, wieder heraus und sahen nun eine
fiist faustgrosse Kugel von N.-O.zuletzt nach S.-O. sich wen-
dend in ein Krautfeld in der Nähe des Dorfes niederfallen.
Gümbel: üeher die in Bayern gefundenen Steinmeteoriten. 41
Zahlreiche Bewohner des Dorfs eilten zur Stelle und es fand
sich etwa 2 Fuss tief in dem etwas gefrorenen Lehmboden
eingedrungen ein schwarzer Stein. Man glaubte noch
Schwefelgeruch zu spüren. Dabei zeigte der vordem bedeckte
Himmel plötzlich zuerst in der Richtung des Meteorfalls
einen lichten Streif und hellte sich dann gänzlich auf.
Die Form des ringsum von einer dunkelbraunen rauhen
Sinterrinde überzogenen Steins beschreibt v. Schafhäutl
als eine sehr unregelmässige in den Hauptumrissen vier-
seitige Pyramide mit einer Zuschärfung, die in der Richtung
des längsten Durchmessers der Basis läuft und sich nach
der hintern Seite der Pyramide senkt. Da die Rinde auch in
kleinen Einschnitten sich vorfindet» glaubt er annehmen zu
sollen, dass der Stein in einem erweichten Zustande auf die Erde
kam. Merkwürdiger Weise ziehen 7 Streifen von Nickeleisen
schnurartig über den Stein, durchkreuzt von einem 8ten, der
eine fast recktwinklige Richtung zu den anderen nimmt.
Zwei Seiten sind eben und ohne Eindrücke, im üebrigen
aber ist die Oberfläche unregelmässig vertieft, wie das Bruch-
stück eines Steins, der durch eine äussere Gewalt zerschlagen
ist. Der Stein wog 8 Kilogr. 15 Gr. und ist so weich,
dass er sich mit den Fingern zerbröckeln lässt. Er wirkt
auf die Magnetnadel und Salzsäure entwickelt unter Gallert-
bildung Schwefelwasserstoff. Die Masse besteht aus weissen,
feinkörnigen Theilchen, welche von Säure am meisten an-
gegriffen wurden, dann aus honiggelben und grünlichen, kör-
nigen Aggregaten, auf welche die Säure weniger Wirkung
ausübt, femer aus einzelnen kleinen Körnchen von Schwefel-
eisen, silberglänzenden, gefranzten Blättchen von Nickel-
eisen» in der Masse zerstreut und zugleich die oben erwähnten
Schnüre bildend. Von Augit, Labrador u. dgl. sei Nichts
iu dem Aerolith zu entdecken, v. Schafhäutl scheint nicht
der Ansicht von Berzelius zuzustimmen, dass der durch
Salzsäure zersetzte Gemengtheil Olivin sei. Denn die olivin-
42 Sitzung der math.-phys, Classe vom 9, Februar 1878.
artigen Körner seien gerade die unauflöslichsten und die
weissen Mineraltheilchen die zersetzbaren nach Art der
Zeolithe oder gleich dem geglühten Epidot, Vesuvian u. s. w.
Er fügt dann noch einen Erklärungsversuch der Entstehung
der Meteorite als das Resultat einer Verdichtung aus einer
Wolken-artigen Masse in der Nähe unseres Erdkreises hinzu.
Die Schmelzrinde ist nach meiner Wahrnehmung matt
schimmernd, schwarz, stellenweis, wo Eisentheilchen in der
Nähe vorhanden waren, ziemlich dick (bis Va mm.) Die
lichtgrau weisse, feinkörnige, spärlich schwarz punktirte,
stellenweise rostfleckige Hauptmasse besteht, soweit sich diess
vorläufig erkennen lässt, aus:
1) grösseren, grünlich gelben Theilchen, welche durch
Salzsäure zersetzbar, eine viel Eisenoxydul und Bittererde
haltige Lösung geben — also olivinartig,
2) weissen splittrigen Theilchen, gleichfalls durch Säure
zerlegbar,
3) grünlich grauen, mattglänzenden, unregelmässigen
Kömchen, welche rissig sind und von Säuren nicht zer-
setzt wöirden,
4) aus verschiedenen Eisenverbindungen, die sich durch
den metallischen Glanz bemerkbar machen und vielfach
von einem gelben, rostfarbigen Hofe umgeben sind, als
Folge der eingetretenen Zersetzung des Metoreisens, Der
Gehalt an diesem wurde durch besondere Versuche festge-
stellt. Im Uebrigen ergab die Analyse:
Gümbel: üeber die in Bayern gefundenen Steinmeteoriten, 43
55,18'>/o durch
44,82 "/o durch
Stofife;
Bauschanalyse
Salzsäure zer-
Salzsänrenicht
setzbar
zersetzbar
Ejeselsäore
40,13
24,47
57,85
Thonerde
5,57
9,45
6,75
EiRen
13,77
30,56
—
Nickel
1,47
1,48
1,44
Schwefel
1,93
3,52
Phosphor
0,36
0,33
0,27
Chromoxyd
0,60
—
1,35
Eisenoxydul
17,12
10,41
15,37
Ealkerde
2,31
3,72
0,56
Bittererde
13,81
11,55
16,63'
Kali
0,73
1,33
Spuren
Natron
2,20
3.18
1,02
100,00
100,00
101,24
Aus diesen Angaben lässt sich berechnen, dass der in
Salzsäure zersetzbare Antheil besteht aus:
Schwefeleisen . . 9,64
Meteoreisen ♦ . 26,25
Olivin .... 34,78
Feldspath-Mineral 29,33
100,00
Für den Olivinbestandtheil ist in Rechnung zu setzen:
Si 0« ... 12,82 ... 37
Fe 0 ... . 10,41 ... 30
MgO. . . . 11,55 ... 33
34,78 100
entsprechend der Zusammensetzung des Hyalosiderits.
44 Sitzung der matK-phys, Glosse vom 9. Februar 1878,
Wir finden dann weiter fiir den etwas zersetzten Feld-
spatliartigen Bestandtheil :
Sauerstoff
SiO,
11,65
39,71
21,3 -
15,0 l
3,6
A1,0,
9,45
32,21
CaO
3,72
12,70
Ka,0
1,33
4,54
0,77 . 72 1
Näj,0
3,18
10,84
2,8
29,33 100,00
Das Sauerstoffverhältniss der Kieselsäure, der Thonerde
und der alkalischen Basen 3:2:1 steht nicht in Ueberein-
stimmung mit jenen der eigentlichen Feldspathe, sondern
entspricht dem der Skapolithgruppe (Mejonit). Die Anwesen-
heit eines derartigen Minerals würde aueh zu dem optischen
Verhalten besser passen, als die Annahme eines Anorthits
oder Plagioklases überhaupt, weil i. p. L. die weissen oder
glashellen Theilchen keine parallelen Farbenstreifchen er-
kennen lassen.
In dem von Salzsäure nicht zersetzten Reste ist der
Gehalt an Nickel und Phosphor bemerkenswerth. Wir
müssen diess, da nicht anzunehmen ist, dass dieser Gehalt
von einem Rest zufällig unzersetzt gebliebenen Meteoreisens
herrühre, als ein Zeichen der Beimengung von Schreibersit
ansehen. Das dazu gehörige Eisen erscheint natürlich in
der Analyse unter dem Eisenoxydul. Daraus mag sich auch
der üeberschuss der Summe über 100 z. Th. erklären. Ob-
wohl ausserdem noch sicher Thonerde-haltiges Chromeisen
vorhanden ist, kommt doch eine so bedeutende Menge von
Thonerde neben einem beträchtlichen Quantum von Natron
zum Vorschein, dass in dem Rest weiter auch ein feld-
spathiger Gemengtheil vorausgesetzt werden muss, während
dessen Hauptbestandtheil offenbar ein augitisches Mineral
ausmacht. Bringt man für letzteres die Gemengtheile eines
Bisilikats in Abzug, so bleibt ein Rest, in dem das Sauer-
Gümhd: Ueber die in Bayern gefundenen Steinmeteoriten, 45
stoffverhältniss zwischen Thonerde und der übrig bleiben-
den Kieselsäure zwar nahezn wie 3 : 9 verhält, es fehlt
aber dann an der erforderlichen Menge der Kalkerde und
Alkalien. Es lässt sich daher dieser von Säuren nicht zer-
legte Antheil nur ungefähr berechnet als bestehend aus:
Schreibersit 4,5
Chromeisen 2,5
feldspathiges Mineral . . 4,0
augitisches Mineral . • . 89,0
100,0
Im Ganzen bestände demgemäss der Chondrit von
Schonenberg aus:
Olivin 19,0
feldspathigem und Skapolith-
ar tigern Mineral . . . . 18,5
augitischem Mineral .... 40,0
Meteoreisen 14,5
Schwefeleisen ...... 5,0
Schreibersit 2,0
Ghromeisen 1,0
100,0
Der Dünnschliff dieses Meteorsteins (Figur IV. der Tafel)
lehrt uns die aussergewöhnliche Feinkörnigkeit der Gemeng-
theile kennen, welche alle unregelmässig splittrig, wie bei
allen Ghondriten, sind. Grössere Miueralstückchen sind selten
und ebenso vereinzelt die Chondren (o), deren Masse weiss
trübe, staubartig feinkörnig, und an den Rändern schwach
durchscheinend, aber i. p. L. buntfarbig, seltener excentrisch
faserig sich zeigt. Neben diesen rundlichen Körnchen
kommen auch noch unregelmässig eckige Fragmente von
trüben, staubartigen und deutlich gestreiften Massen (b) und
von jener eigenthümlichen, äussert fein parallelstreifigen
46 Sitzung der math.-phys, Clcisse vom 9, Februar 1S7d.
und quergegliederten, der Zellenmasclien der Moosblätter
ähnlichen Struktur (c) vor, die in so vielen Chondriten
als charakteristisch wiederkehrt. Das Meteoreisen bildet
oft langgezogene, leistenartige Häufchen (d), scheint aber
häufig auch wie eine dünne Rinde sich um die Chondren
atizulegen.
Unter den grösseren Mineralsplitterchen kann man die
gelblichen, höchst unregelmässig rissigen, im Umrisse mehr
rundlichen als dem Olivin angehörig erkennen ; sie zeigen
i. p. L. die buntesten Aggregatfarben. Die etwas dunkler,
farbigen, öfters etwas in's ßöthliche spielenden Splitter des
augitischen Minerals zeichnen sich durch eine mehr parallele
Zerklüftung nach zwei Richtungen und i. p. L. gleichfalls
sehr bunte Färbung aus, während die weisslichen, feld-
spathigen Bestandtheile vielfach iu^s Trübe übergehen
und i. p. L. von blauen und gelben Farbentönen beherrscht
werden.
Nach alledem gehört der früher chemisch noch nicht unter-
sucht gewesene Meteorstein von Schönenberg der grossen
Gruppe der Chondriten an und nähert sich unter diesen
durch den niedern Kieselsäuregehalt sehr dem Stein von
Ensisheim, unterscheidet sich aber von diesem, wie von
allen den durch Rammeisberg (a. a. 0.) zusammenge-
stellten Arten durch den relativ sehr geringen Bittererde-,
hohen Thonerde- und Natrongehalt.
Die an der Oberfläche des Steins bemerkbaren schnur-
artigen Streifen scheinen Zerklüftungen des Steins zu ent-
sprechen, auf denen, wie auf der Oberfläche, eine Schmelz-
rinde beim Fall durch die Atmosphäre sich gebildet zu
haben scheint.
Gümhel: (Jeher die in Bayern gefundenen Steinmeteoriten. 4t7
Der Meteorstein Ton Krähenberg
bei Zweibrücken in der Bheinpfalz.
(Figur V. und VI.)
Zu den erst in jüngster Zeit gefalleüen und am Ge-
nauesten untersuchten Meteorsteinen gehört der Stein von
Krähenberg, üeber den Fall selbst berichten ausführlich
Dr. G. Neumayer (Sitzungsb. d. Ac. d. Wiss. in Wien
math. naturw. Cl. Bd. LX. 1869. S. 229), 0. Buchner
(Poggendorf Ann. Bd. 137. S. 176) und Weiss (N. Jahrb.
1869. S. 727 u. Poggendorfs Ann. Bd. 137. S. 617), über
die Zusammensetzung vom Rath (Poggendorfs Ann. Bd.
137 S. 328), an einer mikroscopischen Untersuchung der
Dünnschliffe fehlte es jedoch bis jetzt. Wir entnehmen den
oben angeführten Angaben über den Fall des Steins, dass
am 5. Mai 1869 Abends 6V2 Uhr ein furchtbarer, einem
Kanonendonner ähnlicher, aber weit stärkerer Knall gehört
wurde, dem ein Rollen, ein Geknatter, wie von Musketen-
feoer herrührend und ein Brausen, ähnlich dem Geräusche,
des aus einer Locomotive ausströmenden Dampfes folgte.
Mit einem starken Schlag endigte plötzlich dieses Geräusche,
welches gegen 2 Minuten angedauert hatte. Man beobachtete an
Orten bis auf 60 bis 70 Kilometer Entfernung vom Fall-
punkte Krähenberg entweder Geräusch oder Lichterschein-
ungen, welch letztere als intensiv weiss angegeben werden.
Zwei Knaben sahen den Stein zur Erde fallen und etwa
15 — 20 Minuten nach dem Fall grub man denselben aus
der Erde, in die er ein senkrechtes, gegen 0,6 M. tiefes Loch
sich gegraben hatte und auf einer Platte des unterliegenden
Buntsandsteins liegen geblieben war*). Der Stein fühlte
1) G. Neumayer (a. a. 0. S. 239) zieht aus den von ihm ge-
sammelten Angaben den Scbluss, dass der Krähenberger Stein, als er
noch seinem kosmischen Laufe folgte, dem Meteorschauer angehorte,
dessen Radiationspunkt in der Nähe von 6, Virginis liegt.
48 Sitzung der matK-phys. Clasae vom 9. Februar 1878,
sich noch warm, aber nicht heiss an ; er wog, nachdem wohj
einige Kilogramm abgeschlagen worden waren, immerhin
noch 15,75 Kilogramm und besass einen Brodlaib ähnliche,
aber etwas einseitig erhöhte rundliche Form, mit einem
grösseren Durchmesser von 0,30 m. und einem kleineren
von 0,24 m., die ausser der Mitte liegende grösste Dicke
oder Höhe ist 0,18 m. ; die Grundfläche flach, ziamlich
eben, die gewölbte Fläche dagegen höchst merkwürdig mit
zahlreichen, vom glatten Scheitel aus, gegen den Rand
strahlig vertheilten, grubenförmigen, oft zu 0,03 m. langen
Rinnen ausgestreckten, bis 8 mm. tiefen Furchen bedeckt.
Zwischen diesen Gruben erheben sich dann schmale wellige
Wülstchen, so dass die Oberfläche gleichsam tief blatter-
narbig durchfurcht erscheint. Die ganze Oberfläche ist
mit einer schwarzen, stellenweis schaumigen Schlacken-
rinde vom ^/2 — 1 mm. Dicke bedeckt. Fleckenweis ist die
Rinde dünn und bräunlich statt schwarz gefärbt, was, wie
ich mich am Original überzeugte, daher rührt, dass an
solchen Stellen schwerer schmelzbare Gemengtheile sich vor-
finden, die ein intensiveres Schmelzen verhinderten. Weiss
hatte sogleich die Ghondritennatur des Steins erkannt und
macht auch auf die in der weissen Grundmasse liegenden
dunkelgrauen, scharf abgegrenzten Fragmente aufmerksam,
welche sich durch eingesprengte metallische Theilchen und
weissliche Splitterchen ebenfalls als Gemenge, wie die grauen
Kugeln erweisen. Vom Rath bestätigt diess und führt
weiter an, dass der Krähenberger Stein auf der lichtgrauen
Bruchfläche zahlreiche, in allen Richtungen ziehende, zu-
weilen zu einem Maschen werke verbundene, feine schwarze
Linien bemerken lässt. Es scheinen ihm Spalten zu sein,
welche wenigstens z. Th. beim Eintritt des Meteors in die
Erdatmosphäre sich bildeten und mit der schmelzenden
Substanz der Rinde erfüllt wurden. Ausser diesen Schmelz-
linien schwärmen im Steine gekrümmte schmale Gänge
Gümhel: Ueber die in Bayern gefundenen Steinmeteor iten^ 49
anderer Art umher, die aus Nickeleisen bestehen. Es sind
gangähnliche Parthieen von ansehnlicher Dicke. Ich konnte
eine solche über 3 Zoll lange, wenig gekrümmte V« ~" V« nim.
dicke Erzader auf einer ßruchfläche deutlich beobachten. Ausser-
dem kommen auch Eisenspiegel, wie im Stein vonPultusk vor,
dem auch die Masse sehr ähnlich, doch weniger feinkörnig
ist. Als Gemengtheile erkannte vom Rath Nickeleisen,
Magnetkies, Ghromeisen, Olivin und die charakteristischen
Kugeln, welche Gemengtheile in einer aus weissen und
grauen Körnern gebildeten sphärolithischen Grundmasse liegen.
Den Gehalt an Nickeleisen (aus 84,7 Eisen und 15,3 Nickel)
bestimmte er zu 3,5^/o, so dass 96,5*^/o auf die Silikate,
Magnetkies and Chromeisen kommen. Von Schmelzrinde
freie Stückchen besitzen das spec. Gew. 3,4975 bei 18^ C,
an Schmelzrinde reiche Stückchen 3,449 bei 20® C, wonach
sich die Beobachtang am Pultusker Stein bestätigt, das die
Schmelzrinde specifisch leichter ist als die steinige Masse
des Innern.
Das Schwefeleisen hält vom Rath, obwohl es nicht
vom Magnet gezogen wird, nicht für Troilit, sondern für
Magnetkies, weil sich bei der Behandlung mit Salzsäure in
reichlicher Menge Schwefelwasserstoff entwickelt und eine
Menge Schwefel ausgeschieden wird. Er bestimmte den
Gehalt an Magnetkies zu 5,52^/o.
Die dunkelgrauen bis schwarzen Körner, bis 2 mm.
gross, zeigen bisweilen eine äusserst feine, sich sehr leicht
ablösende, weisse Hülle. Dazu kommen unregelmässig ge-
rundete, dunkle Körner und Kugelsegmente, welche wie
erstere, wenn gleich nur unvollkommene Faserzusammensetz-
ung besitzen. Weiter zeigen sich bis 1 mm, grosse, gelblich
weisse Körner — wahrscheinlich Oliv in mit gerundeten
Oberflächen und nur Andeutungen von krystallinischer üm-
gränzung. Schwarze, kleine Chromeisensteinkörner scheinen
eine oktaedrische Form erkennen zu lassen. Die Hauptmasse
[1878. 1. Math.-phy8. GL] 4
50 ' Sitzung der matK-phys. Claase vom 9, Februar 18781, *
des Steins stellt sich unter dem Mikroscop als ein Haufwerk
unendlich kleiner, weisser, krystallinischer Körnchen dar Sie
sind hell, lebhaft fettartig glänzend, zeigen Farben i. p. L.. ;
sind in Säuren unlöslich und bestehen wesentlich aus einem
Magnesiasilikate, das reicher an Kieselsäure, als Olivin ist. Da-
neben kommt auch noch eine lichtgraue Substanz, welche An-
lage zu sphärolithischer Bildung besitzt, und wie die dunklen
Kugeln auch zuweilen faseri ge Zusammensetzung zeigt, vor.
Mikroscopisch fanden sich noch als seltene Gemeng-
theile vor: ausserordentlich kleine, purpurrothe Krystall-
theilchen, mehrere intensiv gelbe Körnchen mit deutlichen
Kry stallflächen, einige lichtgelbe, langprismatische Formen
und endlich einzelne, bis V« mm. grosse, rothe Köm-
chen, von muscheligepa Bruche und durchscheinend — wahr-
scheinlich Zersetzungsprodukt des Schwefeleisens, dem Caput
mortuum ähnlich.
Die Analyse des nicht magnetischen Antheils ergab
nach vom Rath: L II.
Ghromeisen
Magnetkies |
Kieselsäure .
Thonerde
Schwefel
Eisen .
0,94
2,25
3,47
43,29
0,63
Magnesia 25,32
Kalkerde 2,01
Eisenoxydul . . . .21,06
Manganoxydul . . . Spur.
Natron (Verlust) . . 1,03
100,00
Nach Abzog
von. Chrom-
eisen nod
Magnetkies
Sauerstoff.
46,37
. 24,73
0,67 .
0,32
, 27,13
. 10,85
2,15
0,61
22,56
5,01
1,12
0,29
100,00
Demnach verhält sich die Summe der Sauerstoflmengen
der Basen gegen die der Kieselsäure vne:
1 : 1,448,
welches Verhältniss gegen das des Pultusker Steins (1 : 1,507)
Gümhel: Üeber die in Bayern gefundenen Steinmeteariten. 51
aaf keine wesentliche Verschiedenheit schliessen lässt. Als
wesentliche Geraengtheile ergeben sich auch nach der che-
mischen Analyse: Olivin und ein kieselsäurereiches Mineral,
ob Enstatit oder Shepardit oder beide gleichzeitig, lässt
vom Rath unenischiedeu.
Die Beimengung von Anorthit oder Labrador hält er
für unzulässig, weil Kalk- und Thonerde dem unlöslichen
Antheil angehören und nur in geringer Menge mit Säuren
sich ausziehen lassen.
Einer gefälligen Mittheilung verdanke ichferner die Eennt-
n issnahme der Resultate einer Analyse , welche Herr
Professor Dr. Keller in Speyer vorgenommen hat und
welche deshalb von grosser Wichtigkeit ist, weil sie mit
einer bedeutenden Quantität durchgeführt wurde, nämlich
mit 5,71 Gramm; gefunden wurden:
Stoffe
Baasch-
Analyse
57,697o in Salz-
säure zersetzbar
42,31% in äalz-
sänre nicht zer-
setzbar ')
einzeln in "/o
einzeln in 'Vo
Kieselerde
41,12
15,76
27,28
25,36
61,76
Bittererde
g%
18,62
14,44
24,99
4,18
10,18
Manganoxydul
a
0,78
0,78
1,35
l 6,41
Eisenoxydul
17,10
10,69
18,52
15,61
Eisen 1 ,
Schwefel J
3,93
2,35
3,93
2,35
} 10,85
^_
^^f^
Eisen
6,44
6,44
1
—
Nickel
c
1,36
1,36
14,31
—
Phosphor
0,46
0,46
1
—
Chromoxyd \ ^
Eisenoxydul /
0,89
—
0,89
0,32
—
■ —
0,32
Thonerde
3,22
0,76
1,31
2,46
5,99
Kalk
> A
2,06
0,42
0,73
1,64
4,00
KaH
" o
1,22
0,21
0,36
1,01
2,46
Natron
0,17
0,17
0,30
—
Zinnoxyd
0,18
Spuren
—
0,18
—
100,00
100,00
1) Ohne Ghromeisen und Zinnozyd.
4*
52 Sitzung der math^-phys. Classe vom 9, Februar 1878.
Daraus wird berechnet:
a) Olivin 41,67
b) Scliwefeleisen . . . 6,28
c) Meteoreisen . . . 8,26
d) Chromeisen ... 1,21
e) Weitere Silikate . . 42,58
100,00
Das spec. Gewicht wurde zu 3,432 ermittelt.
Vergleichen wir nun die Resultate der letzteren (B)
Analyse mit jener früher mittgetheilten vom Rath's (A),
indem wir beide bloss auf die Silikatbestandtheile umrechnen,
um den Einfluss der offenbar in sehr ungleicher Vertheilung
vorkommenden Gemengtheilen des Meteor-, Schwefel- und
Chromeisen zu eliminiren, so ergeben sich folgende Zahlen :
A
B
Kieselerde . .
. 46,37 . .
. 48,78
Thonerde . . .
0,67 . .
. 3,82
Eisenoxydul
. 22,56 . .
. 20,29
Manganoxydnl .
. Spnr. . ,
, . 0,93
Magnesia . .
. 27,13 .
, . 22,09
Kalkerde , .
2,15 . .
. 2,45
Kali ....
—
. . 1,44
Natron . . .
. 1,12 .
. . 0,20
100,00 100,00
Auch hier bemerken wir in einzelnen Stoffen eine sehr
geringe üebereinstimmung , so namentlich in Bezug auf
Thonerde und Bittererde, was wieder auf eine sehr ungleiche
Mengung und Vertheilung der Bestandtheile hinweist. In
der That ergab sich nun bei näherer Untersuchung des
Steins, welcher in der Kreissammlung zu Speyer verwahrt
ist, dass, wie schon Weiss hervorgehoben hat, ganze Par-
thieen desselben flecken weise durch dunklere Farbe, grössere
Härte und compaktere Beschaffenheit vor den übrigen hell-
grauen, zerreiblichen Massen a#ffallend sich hervorheben. Es
Gümhel: üeber die in Bayern gefundenen Steinmeteoriten. 53
sind diese putzenforrnigen Einschlüsse, eckig, unregelmässig
nnigrenzl:, gleichsam Bruchstücke im Grossen, wie die Splitter
der Hauptmasse im Kleinen, jedoch auch von besonderer Be-
schafiPenheit. Ich wurde in die angenehme Lage versetzt,
über Stückchen des Speyerer Steins für meine weitere Unter-
suchung verfügen zu können. Ehe ich jedoch über diese
besonderen Einschlüsse weitere Mittheilung mache, habe
ich noch in die nähere Erörterung bezüglich der in Salz-
säure zersetzbaren und nicht zersetzbaren , verschiedenen
Mineralgemenge einzutreten.
Die in Salzsäure zersetzbaren Silikatbestandtheile be-
rechnen sich in ihrer Zusammensetzung :
Kieselerde .
Eisenoxydul
Bittererde . .
Manganoxydul
Thonerde , ,
Kalkerde . .
Kali , . . .
Natron . . ,
Der von Sa
36,46
24,73
33,40
1,80
1,76
0,97
0,48
0,40
nahezu genau die Zusammen-
setzung des Olivin (Hyalo-
siderit).
ßeste eines schwer zersetz-
baren, feldspathartigen Ge-
mengtheils in geringer Menge.
100,00
[zsäure nicht zersetzte Rest besteht, das
Chromeisen abgerechnet, aus beiläufig:
I.
A
B
Kieselerde . .
. 61,7
oder
30,0 + .
31,7
Bittererde . .
. 10,2
10,2 . .
Eisenoxydul . .
. 15,6
15,6 . .
—
Thonerde . .
. 6,0
•
6,0
Ealkerde . . .
. 4,0
2,0 + .
2,0
Kali . . . .
. 2,5
• >
2,5
57,8
42,2
100,00
Wir können dieses I. zerlegen in A und B und erhalten
dadurch ein Mineral der Augitgruppe und ein Mineral der
54 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 9. Februar 1878,
Peldspathgruppe, das erste bronzitartig (Sauerstoffverhältniss
wie 16 : 8,1), das zweite mit einem SauerstoflFverhältniss nahe-
zu wie 6:3:1 (genauer 16,9 : 3 :1) oder labradorartig,
zu dem der Thonerde- und Alkali-haltige Antheil des durch
Salzsäure zerlegten Theiles zu rechnen wäre.
Man kann mithin annehmen, dass im Durchschnitt der
Meteorstein Yon Erähenberg in seiner Hauptmasse besteht aus:
Meteoreisen 6,27
Schwefeleisen 8,25
Chromeisen 1,21
Olivin ' . . 41,65
Augitmineral (? Bronizt) . . 23,48
Feldspathmineral (? Labrador) 19,14
100,00
Was nun die in grösseren Brocken im Gestein einge-
betteten härteren, dichteren und dunkleren Theile anbelangt,
welche bereits früher erwähnt wurden, so bestehen diese,
möglichst von den anhaftenden Splittern der Hauptmassen
befreit, nach der von Ass. A. Schwager vorgenommenen
Analyse aus:
Stoffe :
Kieselerde . . . ,
Thonerde . • . ,
Eisen oxydul . . ,
Eisen (Nickelhaltig)
Schwefel . . . .
Manganoxjdul . .
Chromoxyd . . ,
Ealkerde . . . .
Bittererde . . . .
Kali
Natron
Bauscbanalyse
39,08
2,08
28,53
4,43
1,31
0,82
0,39
13,35
5,97
1,48
1,81
61% in Salz-
säure zersetz-
bar
28,44
1,46
36,20
6,92
2,04
1,28
14,55
5,73
1,73
1,13
39% in Salz-
säure unzer-
setzbar
57,96
5,79
13,75
1,08
11,24
6,40
1,04
3,05
99,25
99,48
100,31
Günibel: lieber die in Bayern gefundenen Steinmeteoriten, 55
Zunächst itst bemerkenswerth, dass wir es gleichfalls
mit einer aus verschiedenen Mineralien zusammengesetzten
Masse zu thun haben, welche sich in einen durch Salzsäure zer-
legbaren und nicht zerlegbaren Antheil trennen lässt und dass
im Ganzen eine grosse Aehnlichkeit in ihrer Zusammensetz-
ung im Vergleiche mit jener der Hauptmasse nicht zu ver-
kennen ist. Abweichend erweist sich dagegen besonders
der hohe Gehalt an Eisenoxydul und Kalkerde und der ge-
ringe an Bittererde, wenn wir die Masse als Ganzes betrachten,
während in dem Salzsäureauszug neben denselben Verhält-
nissen noch die relativ grosse Menge an Kieselsäure in die
Augen fällt. Auch in dem Rest antheil ist es die Kalkerde,
welche in ungewöhnlicher Menge auftritt. Es lässt sich
daraus kaum mehr, als^die Vermuthung schöpfen, dass neben
Hyalosiderit ein eisen- und kalkreiches Mineral der Augit-
gruppe vielleicht Diopsid mit Anorthit-artigem Feldspath
als Hauptgemengtheile anzunehmen sind.
Die weitere Untersuchung des Steins hat einige interes-
sante Eigenthümlichkeiten desselben kennen gelehrt. Zu-
nächst lenken (die zahlreichen, denselben durchziehenden
schwarzen Streifchen und Aederchen, welche schon vom
Rath genau beschrieben hat, die Aufmerksamkeit auf sich.
Sie bestehen, soweit ich sehen konnte, aus einer der äusseren
Schmelzrinde gleichen, auch Meteoreisen enthaltenden Sub-
stanz und scheinen mir Sprünge und Zerklüftungen darzu-
stellen, auf welchen, wie an der Aussenfläche, eine Schmelz-
ung stattfand. An einzelnen derselben bemerkte ich gegen
Aussen deutlich eine blasige und schaumige Beschaffenheit.
Ganz ausgezeichnet sind glatte und gestreifte Ablösungs-
flächen, die genau Rutschflächen gleichsehen, ohne dass sich
jedoch eine Verschiebung einzelner Theile gegen einander er-
kennen lässt. Sie müssen wohl schon vorhanden gewesen sein,
ehe der Stein in die Atmosphäre unserer Erde gelangt war
und hier nur stellenweis eine Schmelzrinde erhalten haben.
56 Sitzung der math.-phys, Classe vom 9. Februar 1878.
Die Dannschliffe, deren ich aus verschiedenen Theilen
der Hauptmasse 5 habe herstellen lassen, geben uns über
das Gefüge das Bild eines sehr zusammengesetzten Chon-
driten, wie es die Zeichnung in Figur V darstellt. Viele
der runden Körner erscheinen nur als zersprungene Frag-
mente kugelartiger Theile und sind nicht selten von
einer schwarzen Substanz, an deren Zusammensetzung auch
Meteoreisen betheiligt ist, wie von einer Rinde, überzogen.
An einem derselben dringt dieser schwarze Ueberzug auch
in das Korn selbst ein, Sie bestehen theils aus der be-
kannten excentrisch faserigen Masse, theils aus feinsten,
staubähnlichen, wenig durchscheinenden Körnchen, grösseren
hellen Theilchen oder aus einer nach verschiedenen Rich-
tungen parallel zerrissenen oder netzaderigen Substanz in
grosser Mannigfaltigkeit der Ausbildung Ausserdem bemerkt
man eckige Bruchstücke von ganz gleicher vielgestaltiger Aus-
bildung wie bei den kugeligen Einschlüssen. Unter denselben
stechen besonders die äusserst fein und dicht parallel ge-
streiften Splitterchen in die Augen, deren Parallelfaserchen
durch dunkle Streifchen wie quer gegliedert erscheinen (y).
Sie sind für die Chondrite ausserordentlich charakteristisch.
Selten sind einzelne Stückchen frei von Rissen oder von
regelmässig parallelen, weit auseinander stehenden, dunklen
Linien durchzogen, an denen man bei starker Vergrösseruug
kleinste Bläschen bemerkt. Eine Regelmässigkeit in der An-
ordnung dieser deutlich nur als Splitter eingemengten Bruch-
stücke giebt sich nicht zu erkennen. Alles liegt wirr durch-
einander und wird durch immer kleiner werdende und bis zu
Stäubchen zerstückelte Theilchen zu einem dicht geschlossenen
Ganzen verbunden. I.p.L. zeigt sich Alles in bunten Aggregat-
Farben von verschiedener Lebhaftigkeit, aber ohne von einer
Spur einfach brechender Zwischensubstanz unterbrochen zu
werden. Farbenstreifchen kommen selten und nicht deut-
lich zum Vorschein. Noch bleibt hervorzuheben, dass
Gümhel: üeber die in Bayern gefundenen Steinmeteorsteine, 57
grössere Flecke der Masse intensiv gelb gefärbt erscheinen. Diese
Färbung rührt, wie das rasche Verschwinden derselben beim
Behandeln mit Palzsäure beweist, von infiltrirtero, anf den
feinen Rissen sich ausbreitendem Eisenoxydhydrat her, das
von dem sich in feuchter Luft ungemein leicht zersetzenden
Meteoreisen abstammt.
Fast dasselbe Bild gewinnt man auch in dem Dünn-
schliff der dunklen putzenformigen Parthieen des Steins,
von welchen vorher die durch den grossen Kalkgehalt und
den Mangel an Bittererde auffallende Analyse mitgetheilt
wurde (Pigur VI.). Es scheinen darin nur die Körner und
Fragmente grösser und dichter gedrängt bei einander zu
liegen. Es lässt sich keine optische Erscheinung auf-
finden, welche über das so abweichende Ergebniss der Ana-
lyse Aufschluss zu liefern im Stande wäre, wie man erwarten
dürfte. Die geringe Menge der zur Verfügung stehenden
Substanz verhindert weitere Untersuchungen anzustellen,
die vielleicht das Auffinden eines sehr kalkhaltigen Bestand-
theils ergeben würde. Es wurde auch der Versuch gemacht,
die gelben, anscheinend Olivin darstellenden Körnchen zu
isoliren und getrennt einer Analyse zu unterwerfen. Die
Behandlung mit Salzsäure zeigte aber sofort, dass das
anscheinend rein herausgelesene Material kaum zur Hälfte
von der Säure zersetzt wird, mithin immer noch trotz der
anscheinenden Gleichartigkeit der gelben Splitter verschie-
dener Natur ist, fast wie der Stein im Ganzen.
Behandelt man einen losgelösten Dünnschliff längere Zeit
mit Salzsäure und untersucht ihn nachher unter dem Mikroscop,
so bemerkt man in dem noch gut zusammenhaltenden Dünn-
schliffe zahlreiche grössere, kleinere und kleinste Lücken,
welche die Stelle der durch die Säure zersetzten Gemeng-
theile bezeichnen. Bringt man nun noch weitere Kalilös-
ung auf den so behandelten Dünnschliff, so zer^llt derselbe
sofort in einzelne Stückchen, Körnchen und Staubtheilchen,
58 Sitzung der math.-phys, Ciasse vom 9. Fehruar 1878.
unter welchen die von den grösseren Einschlüssen, abstammen-
den Splitterchen sich durch ihren festeren Zusammenhalt
auszeichnen. Sehr bemerkenswerth ist es, dass in den Stücken
von maschenartig streifiger Struktur, obwohl sie noch fest
zusammenhalten, die hellen Streifchen vollständig zerstört
sind und nur die dunklen Zwischenlamellen, wie ein Gerippe
unzersetzt geblieben sind. Es lässt sich diess i. p. L. un-
zweifelhaft feststellen. Es bestehen demnach die wasser-
hellen Streifchen oder Lamellen sehr wahrscheinlich aus
Olivin, die dunklen Theile aas einem Augitmineral. Daraus
erklärt sich nunmehr auch vollständig die Erscheinung,
dass die Chondren, wie die Untersuchung an jenen des
Steins von Eichstädt gelehrt hat, theilweise von Salzsäure
zersetzt werden, theilweise aber unangegriffen bleiben.
üeberblickt man die Resultate der Untersuchung dieser
wenn auch beschränkten Gruppe von Steinmeteoriten, so
drängt sich die Wahrnehmung in den Vordergrund, dass
sie, trotz einiger Verschiedenheit in der Natur ihrer Gemeng-
theile, doch von vollständig gleichen Strukturverhältnissen
beherrscht sind. Alle sind unzweifelhafte Trümmergesteine,
zusammengesetzt ans kleinen und grösseren Mineralsplitter-
chen, aus den bekannten rundlichen Chondren, welche meist
vollständig erhalten, aber oft auch in Stücke zersprungen
vorkommen und aus Gräupchen von metallischen Substanzen
Meteoreisen, Schwefeleisen, Chromeisen. Alle diese Frag-
mente sind aneinander geklebt, nicht durch eine Zwischen-
substanz oder durch ein Bindemittel verkittet, wie sich
überhaupt keine amorphen, glas- oder lavaartigen Beimeng-
ungen vorfinden. Nur die Schmelzrinde und die oft auf
Klüften auftretenden, der Schmelzrinde ähnlich entstandenen
schwarzen Ueberrindungen bestehen aus amorpher Glasmasse,
die aber erst beim Niederfallen innerhalb unserer Atmo-
sphäre nachträglich entstanden ist. In dieser Schmelzrinde
sind die schwerer schmelzbaren und grösseren Mineralköru*-
Günibel: ücher die in Bayern gefundenen Steinmeteoriten, 59
chen meist noch ungeschmolzen eingebettet. Die Mineral-
splitterchen tragen durchaus keine Spuren einer Abrundnng
oder Abrollung an sich, sie sind scharfkantig und spitzeckig.
Was die Chondren anbelangt, so ist ihre Oberfläche nie
geglättet, wie sie sein müsste, wenn die Kügelchen das
Produkt einer Abrollung wären , sie ist vielmehr stets
höckerig uneben, maulbeerartig rauh und warzig oder facetten-
artig mit einem Ansatz von Krystallflächen versehen. Viele
derselben sind länglich, mit einer deutlichen Verjüngung
oder Zuspitzung nach einer Richtung, wie es bei Hagel-
körnern vorkommt. Oft begegnet man Stückchen, welche
offenbar als Theile zertrümmerter oder zersprungener Chon-
dren gelten müssen. Als Ausnahme kommen zwilliugsartig
verbundene Kügelchen vor, häufiger solche, in welchen Me-
teoreisenstückchen ein- oder angewachsen sind. Nach zahl-
reichen Dünnschliffen sind sie verschiedenartig zusammen-
gesetzt. Am häufigsten findet sich eine excentrisch strahlig
faserige Struktur in der Art, dass von einer weit aus der
Mitte nach dem sich verjüngenden oder etwas zugespitzten
Theil hin verrückten Punkte aus ein Strahlenbüschel gegen
Aussen sich verbreitet. Da die in den verschiedensten Richt-
ungen geführten Schnitte immer säulen- oder nadelformige,
nie blätter- oder lamellenartige Anordnung in der diesen
Büschel bildenden Substanz erkennen lassen, so scheinen es
in der That säulenförmige Fasern zu sein, aus welchen sich
solche Chondren aufbauen. Bei gewissen Schnitten gewahrt
man, dieser Annahme entsprechend, in den senkrecht zur
Längenrichtung gehenden Querschnitten der Fasern nur un-
regelmässig eckige , kleinste Feldchen, als ob das Ganze
aus lauter kleinen polyedrischen Körnchen zusammengesetzt
sei. Zuweilen sieht es aus, als ob in einem Kügelchen gleich-
sam mehrere nach verschiedener Richtung hin strahlende
Systeme vorhanden wären oder als ob gleichsam der Aus-
strahlungspunkt sich während ihrer Bildung geändert habe,
60 Sitzung der math.-phys, Clasae vom 9. Februar 1878.
wodurch bei Durchschnitten nach gewissen Richtungen eine
scheinbar wirre, stäugliche Struktur zum Vorschein kommt.
Gegen die Aussenseite hin, gegen welche der Vereinigungspunkt
des Strahlenbüschels einseitig verschoben ist, zeigt sich die
Faserstruktur meist undeutlich oder durch eine mehr körnige
Aggregatbildung ersetzt. Bei keinen der zahlreichen ange-
schliifenen Cbondren konnte ich beobachten, dass die Büschel so
unmittelbar bis zum Rande verlaufen, als ob der Ausstrahl-
ungspunkt gleichsam ausserhalb des Kiigelchens läge, soferne
nur dasselbe vollständig erhalten und nicht etwa ein blosses
zersprungenes Stück vorhanden war. Die zierlich quergeglie-
derten Fäserchen verlaufen meist nicht nach der ganzen Länge
des Büschels in gleicher Weise, sondern sie spitzen sich
allmählich zu, verästeln sich oder endigen, um andere an
ihre Stelle treten zu lassen, so dass in dem Querschnitte
eine mannichfache, maschenartige oder netzförmige Zeich-
nung entsteht. Diese Fäserchen bestehen, wie diess schon
vielfach im Vorausgehenden geschildert wurde, aus einem
meist helleren Kern und einer dunkleren Umhüllung, jener
durch Säuren mehr oder weniger zerlegbar, letztere dagegen
dieser Einwirkung widerstehend. Höchst merkwürdig sind
die schalenförmigen Ueberrindungen, welche aus Meteoreisen
zu bestehen scheinen und in der Regel nur über einen klei-
neren Theil der Kügelchen sich ausbreiten. Die gleichen
einseitigen, im Durchschnitt mithin als bogenförmig ge-
krümmte Streifchen sichtbaren Ueberrindungen, kommen auch
im Innern der Chondren vor und liefern einen starken
Gegenbeweis gegen die Annahme, dass die Chondren durch
Abrollung irgend eines Materials entstanden seien, wie denn
überhaupt die ganze Anordnung der büscheligen Struktur
mit Entschiedenheit gegen ihre Entstehung durch Abroll ung
spricht. *) Doch nicht alle Chondren sind excentrisch faserig;
1) Anch die von 6. v. Dräsche aus dem Meteorit von Lance
gezeichneten fasrigen Cbondren (Tschermak's Miner. Mittb. 187ö.
Bd. V. 1. H.) entsprechen in Bezug auf innere Struktur und äussere
Form genau unserer Schilderung.
Gümhel: Üeber die in Bayern gefundenen Sieinmeteoriten, 61
viele, namentlich die kleineren besitzen eine feinkörnige Zu-
sammensetzung, als beständen sie aus einer zusammengeballten
Stanbmasse. Auch hierbei macht sich zuweilen die einseitige
Ausbildung der Kügelchen durch eine excentrisch grössere
Verdichtung der Staubtheile bemerkbar.
Was endlich die äussere Form der den Chondriten beige-
mengten Meteor- und Schwefeleisentheilchen anbelangt, so be-
merken wir auch bei diesen durchaus keine regelmässige Ge-
staltung, weder in Leistchen nach Art des Titaneisens etwa
im Dolerit, noch in rundlichen Kügelchen. Isolirt man das
Meteoreisen einfach durch leichtes Zerdrückender Steinmasse
und Herausziehen mit dem Magnet, so zeigen sich die Meteor-
eisentbeilchen an der Oberfläche staubig, von anhaftenden
Mineraltheilchen wie überkleidet. Im Allgemeinen sind es un-
regelmässig gestaltete Gräupchen und Knöllchen, welche
vielfach in feine Zäckchen und zarte gekörnlte Verästelungen
verlaufen. Durch Anwenden von Flusssäure kann man die stau-
bigen Mineraltheilchen, welche auf der Oberfläche der Gräup-
chen wie angekittet sind, entfernen und man bemerkt nun
eine uneben grubige, gleichsam punktirte Oberfläche, ohne
Spur einer Spiegelung von Krystallflächen. Aehnliche Be-
schaffenheit besitzen auch die Schwefeleisentheilchen, nur sind
sie nicht so zackig. Noch einfacher, aber auch stets unregel-
mässig gestaltet sind die Ghromeisenfragmente.
Der gewöhnliche Typus der Meteorite von stei-
niger Beschaffenheit ist soweit überwiegend derjenige
der sog. Chondrite und die Zusammensetzung sowie die
Struktur aller dieser Steine so sehr übereinstimmend, dass
wir den gemeinsamen Ursprung und die uranfängliche
Zusammengehörigkeit aller dieser Art Meteorite — wenn
nicht aller — wohl nicht weiter in Zweifel ziehen können.
Der Umstand, dass sie sämmtlich in höchst unregel-
mässig geformten Stückchen in unsere Atmosphäre gelangen
62 Sitzung der math.-phys, Classe vom 9, Februar 1878.
— abgesehen von dem Zerspringen innerhalb der letzteren
in mehrere Fragmente, was zwar häufig vorkommt, aber
doch nicht in allen Fällen angenommen werden kann,
namentlich nicht, wenn durch direkte Beobachtung das
Fallen nur eines Stückes constatirt ist, — lässt weiter
schliessen, dass sie bereits in regellos zertrümmerten Stücken
als Abkömmlinge von einem einzigen grösseren Him-
melskörper ihre Bahnen im Himmelsraume ziehen und
in ' ihrer Zerstreutheit einzeln zuweilen in das Attrak-
tionsbereich der Erde gerathend zur Erde niederfallen.
Der Mangel ursprünglicher, lavaartiger, amorpher Bestand-
theile in Verbindung mit der äussern unregelmässigen
Form dürfte von geo- oder kosmologischem Standpunkte
aus die Annahme ausschliessen, dass diese Meteorite Aus-
würflinge aus Mondvulkanen, wie vielfach behauptet wird,
sein können.
Die Bemerkung, welche G. Neumayer bezüglich des
Falls von Krähenberg macht '), dass nämlich dieser Meteorit
auf seinem kosmischen Laufe dem Meteorschauer angehört
habe, dessen Radiationspunkt in der Nähe von ä Virginis
liegt, kann nur dazu dienen, obige Annahme wahrschein-
licher zu machen. Darauf laufen auch die Ansichten fast
aller Forscher hinaus, welche sich in neuerer Zeit mit dem
Studium der Meteorite befasst haben, nur über die Ursache
der Zertrümmerung ob sie durch den Zusammenstoss bereits
fester Himmelskörper, oder durch eine von innen nach aussen
wirkende Explosion einer kosmischen Masse oder aber durch
ein Zerbröckeln von freien Stücken, etwa wie es bei aus-
trocknendem Thone eintritt, erfolgt sei, herrscht verschiedene
Meinung, wie es Tschermak in seiner ausgezeichneten Ar-
beit über die Bildung der Meteorite und des Vulkanismus *j so
1) SitzL. d. Acad. in Wien math.-naturw. Cl. Bd. 60, 2. 1869. S. 239.
2) Sitz. d. Ac. d. Wiss. in Wien matb.-nat. Cl. Bd. 71. 1875. Aprilheft.
Gümhel: Ueher die in Bayern gefundenen Steinmeteoriten. 63
vortrefflich schildert. Es ist bei dieser Annahme sogar
denkbar, dass ein Meteorit, der schon einmal die Erdatmo-
sphäre auf seiner Bahn gestreift und dabei eine partielle
Schmelzung erlitten hat, später wieder in die Erdnähe geräth
ond nun wirklich zur Erde niederfallt. So Hesse sich viel-
leicht das Vorkommen von Schmelzmasse, ähnlich wie die
in der Erdatmosphäre geschmolzenen Rinde, im Innern ein-
zelnen Steinmeteorite erklären. Auch von astronomischer
Seite scheint die oben besprochene Zugehörigkeit vieler
Meteorite zu einem aus zertrümmerten kosmischen Körper-
chen bestehenden Schwärme auf keinen Widerspruch zu
stossen.
Haben wir die Wahrscheinlichkeit des Ursprungs unsere
Chondrite als Ganzes betrachtet nachzuweisen versucht,
so bleibt uns vom geologischen Standpunkte die weit wich-
tigere Frage noch zu beantworten übrig, wie der einzelne
Chondrit als Gestein seiner Masse nach sich gebildet haben
mag, wenn wir seine Zusammensetzung aus kleinen Mineral-
splitterchen , Eisengräupchen und rundlichen Enöllchen
(Chondren) ohne layaähnliches Kittmittel näher in's Auge
fassen. Mit dem rein mineralogischen Theile dieser Frage
hat sich wohl in neuerer Zeit am intensivsten und mit dem
glücklichsten Erfolge experimentellen Nachweises Daubree
befasst ^). Aus seinen . classischen Arbeiten lässt sich ent-
nehmen, dass sich die Hauptmineralbestandtheile der Chon-
drite, Olivin, Enstatit und metallisches Eisen durch Schmelzen
der Steine unter gewissen Bedingungen in krystalli-
sirtem und krystallinischem Zustande (wenigstem^ die zwei
Silikate) wieder gewinnen lassen und dass man diese Silikate
auch aus irdischen Felsarten z. B, Lherzolith oder Olivinfels,
1) Die wichtigsten der hierher gehörigen Publikationen Daubree's
sind: Exp^riences synthetiques relatives aux m^teorites in: Comptes
rendus t. 62. 1866, Bulletin de la soc. g^ologique d. France IL Ser.
A. 2';. p. 95 und Comptes rendus 1877. N. 27.
64 Sitzung der math.'phys. Glosse vom 9, Februar 1878,
sogar aus Serpentin durch Schmelzen herstellen kann Es
ergiebt sich selbst eine gewisse Strukturähnlichkeit zwischen
geschmolzenem Lherzolith und gewissen Meteoriten. Ein we-
sentlicher Unterschied wird durch den Eisenbestandtheil be-
dingt, der bei dem Lherzolith ein oxydirtes Eisen, bei den
Meteoriten aber ein regulinisches ist. Während bei den
Bildungen auf Erden Sauerstoff und Wasser mitwirkten,
muss der Einfluss dieser Stoffe bei der Entstehung der Me-
teorite ausgeschlossen angenommen werden. Die Meteorite
haben keine Aehnlichkeit mit unseren auf der Oberfläche
der Erdrinde vorfindlichen Gesteinsarten, wie Granit. Um
Analogien für sie auf Erden zu finden, muss man in die
tiefere Region der Erde hinabgehen, wo in den basischen
Silikaten der Olivingesteine die nächsten Verwandten »sich
finden. Es scheinen daher die Meteoriten aus einer Art
erstem Verschlackungsprocess der Himmelskörper - aber,
da sie metallisches Eisen enthalten — bei Mangel von Sauer-
stoff und Wasser hervorgegangen zu sein. Daubree hat
durch direkte Experimente nicht bloss die Entstehung der
Silikate nachgewiesen, sondern auch gezeigt, dass unter
dem reducirenden Einfluss von Wasserstoff aus dem Magneteisen
des Lherzoliths Eisen in reducirtem Zustande sich bilden kann.
Die Eisentheilchen in den Meteoriten finden sich aber nicht
in rundlichen Kügelchen, wie sie aus dem Schmelzflusse bei
Reduktionsmittel hervorgehen, sondern in unregelmässigen
Knöllchen. Es kann daher bei der Bildung der Meteoriten
nicht die Schmelzhitze des Eisens, selbst nicht die der Sili-
kate geherrscht haben. Es lässt sich aber auch denken,
dass ein der Reduktion entgegengesetzter Process wirksam
war, wenn man annimmt, dass die Stoffe ursprünglich nicht
in oxydirtem, sondern in regulinischem Zustande
vorhanden waren, und dass im Momente, wo der Sauerstoff
anfing seine Wirksamkeit zu entfalten, derselbe zuerst sich
mit den am leichtesten oxydirbaren Stoffen verband und
Gümhel: Üeber die in Bayern gefundenen Steinmeteoriten, 65
wenn er in nicht zareichender Menge vorhanden war, welche
die schwieriger oxydirbaren Stoffe nnoxydirt — so das Eisen —
übrig Uess.
Auch diese Hypothese hat Daubree durch glänzend
durchgeführte Experimente mit Erfolg zu erhärten versucht.
Einem ähnlichen Yerschlackungsprocess während einer der
ersten Bildungsstadien schreibt er auch die Entstehung der
Olivingesteine der Erde zu, welche in grösster Tiefe sich vor-
finden, wobei jedoch abweichend von der Entstehung der
metallisches Eisen enthaltenden Meteoriten, Sauerstoff im
Ueberschuss vorhanden war, um sowohl die Silikate als auch —
anstatt des Meteoreisens — Magneteisen zu bilden.
Wenn auf diese Weise gleichsam die mineralogische
Seite der Bildung der Meteorite erklärt erscheint, so erfor-
dert die eigenthümliche trümmerige Struktur der Chondrite
noch eine weitere Erörterung.
Wir entnehmen einer neueren Publikation D a u b r ee's^),
dass er die Entstehung der Chondren sich analog denkt, wie
.die Abscheidung von Olivinkügelchen bei einem Versuche,
bei welchem er Olivin mit Kohlen gemengt, geschmolzen
hat. Vollständiger ist der Vergleich, weun der ßeduktions-
process durch Wasserstoff erfolgt. Erst neulich spricht sich
der um die Eenntniss der Meteorite so sehr verdiente Ge-
lehrte ^) über diesen Gegenstand bei Gelegenheit der Er-
örterung einer merkwürdigen Breccien-ähnlichen Struktur
an dem Meteoreisen von St. Catharina weiter aus, dass die
Zertrümmerung des die Steinmeteoriten zusammenhaltenden
Materials wohl als Sprengwirkung sehr zusammengedrückter
Gase angesehen werden müsse, etwa wie sie bei Anwend-
ung von Dynamit stattfindet. Was aber die Bildung der
Chondren anbelangt, so beruft er sich auf den oben ange-
1) Bull. d. 1. soci^te g^ol. d. France 26a.1868-1869S.98u.ffd.
2) Comptes rendus 1877. No. 27.
[1878. 1. Math.-phys. OL] 6
66 Sitzung der math.-phys. CUmsc vom 9. Februar 1678.
führten Versuch, wobei eine Art Eörnelung in dem Moment
sich vollzieht, in dem die Substanz sich verfestigt. Aber am
öftesten scheinen ihm die Ghondren einfache Fragmente
zu sein, welche sich durch Reibung abrundeten, wie diess
aus der Untersuchung dieser Kügelchen durch G. Rose
(Abh. der Ac. d. Wiss. in Berlin für 1862 S. 97 u, 98)
hervorgehe und St. Meunier (Comptes rendus 1871. 346
u. Recherches sur la composition et la structure de Meteo-
rites 1869) für mehrere Meteorite klar gelegt habe.
Nach dem Vorgange H a i d i n g e r's hat sich neuerdings
auch Tschermak mit dem Studium der Bildung der Me-
teorite eingehend befasst und die Ergebnisse seiner höchst
interessanten Untersuchungen in mehreren Schriften mit-
getheilt. Diese Arbeiten gehören unstreitig zu den wich-
tigsten und tief gründlichsten, die wir über diesen Gegen-
stand besitzen. Tschermak kommt bezüglich der Entsteh-
ung der einzelnen Meteorstücke zu der am wahrscheinlichsten
sich ergebenden Annahme, dass sie ihre Gestalt nicht einer
Zertrümmerung von Planeten durch Stoss verdanken, sondern
dass durch eine Wirkung von Innen nach Aussen, durch
eine Explosion analog der vulkanischen Thätigkeit jene Zer-
trümmerung bis zu winzigen Stücken, die man ein Zer-
stäuben nennen muss, bewirkt werde. Er weist hierbei auf
die gewaltsamen explosionsartigen Erhebungen hin, welche bei
der Sonne und bei Cometen direkt beobachtet worden sind,
oder auf der Mondoberfläche durch den Aufbau der Krater
sich verrathen. Was nun die Zusammensetzung der Me-
teorite insbesondere anbelangt, so schliesst sich auch in dieser
Richtung Tschermak der Ansicht Haidinger^s an, dass
sie aus Gesteinsstaub zusammengefügt sind, welcher dem
1) Sitz, der Ac. d. Wiss. in Wien math.-nat. Cl. Bd. LXXI 1875
Aprilheft; Bd. LXV. Abth. I. S. 122; Bd. LXX. Abth. I. No?-Heft
BJ. LXXV. I. Abth. Märzheft 1877.
Oümhel: Üeber die in Bayern gefundenen Steinmeteoriten, 67
ynlkanischen Tuff za vergleichen ist. Nur das massenhafte
Erscheinen der kleinen Kügelchen, der Chondrite, ist es,
welche, so viel bekannt, in den Tuffen der irdischen Vulkane
nicht auftreten und desshalb schwieriger zu erklären sind. Diese
Kügelchen verhalten sich nach seiner Annahme durchaus
nicht, als ob sie durch Krystallisation zu ihrer Form ge-
kommen wären, sie verhalten sich auch nicht wie die Sphäro-
lithe im Obsidian und Perlstein, oder wie die Kugeln im Kugel-
diorit, und die runden Concretionen vom Calcit, Aragonit,
Markasit. Sie gleichen vielmehr den Kugeln, welche man öfters
in Tuffen der vulkanischen Bildungen sieht, z. B. die Trachyt-
kugeln in dem Gleichenberger Trachyttuff, die Kugeln in
dem Basalttuff am Venusberg bei Freudenthal, besonders
aber den Olivinkugeln in dem Basalttuff von Kapfenstein
und Feldbach in Steiermark ^). Von letzteren darf man sicher
annehmen, dass sie Produkte der vulkanischen Zerreibung
sind und ihre Form einer continuirlichen explosiven Thätig-
keit eines vulkanischen Schlotes verdanken, durch welche
ältere Gesteine zersplittert und deren zähere Theile durch
beständiges Zasammenstossen abgerundet wurden. Man könne
allenfalls sich vorstellen, dass die Steinmassen, welche der
Zerreibung ausgesetzt waren, ziemlich weich gewesen seien,
und würde sich dadurch der Vorstellung Daubree's nähern,
welcher auf ein Gestein hinweise, das in einer Gasmasse wir-
belnd erstarrte. Doch sei hervorzuheben, dass kein Me-
teorit irgend eine Aehnlicheit mit vulkanischer Schlacke
1 ) Es stand mir nur ein ähnliches Material, der Trachyttnff mit
sog. Leucitknöilchen von den cyklopischen Inseln, zur Verfügung. Dünn-
schlüfe dieses Gesteins lehrten mich, dass die vermeintlichen Leucite
Gesteinskügelchen sinJ, welche aus demselben Material bestehen, wie die
Tuffmosse selbst und keine den Meteoriten-Chondren ähnliche Struktur
besitzen. Nachträglich erhielt ich durch Hm. Tschermak's besondere
IGüte auch Proben des Gesteins von Gleichenberg. Diese OlivinknoUen
assen keine Analogien mit den Chondren erkennen.
6*
68 Sitzung der math.-phys. Classe vom 9. Februar 1878,
oder mit Lava besitze, daher könne der Vergleich der Me-
teoriten mit vulkanischen TuflFen oder Breccien nur bis zu
einem gewissen Grade gelten. Die vulkanische Thätigkeit
bei der Bildung der Meteoriten bestand daher nur in der
Zertrümmerung starrer Gesteine durch eine explosive Thätig-
keit in Folge plötzlicher Ausdehnung von Dämpfen oder
Gasen, unter welchen das WasserstoflFgas eine bedeutende
Rolle gespielt haben dürfte.
So geistreich diese Hypothesen D a u b r e e's und Tscher-
mak^s sind, so kann ich mich doch in Bezug auf die Ent-
stehung der Kügelchen (Chondren) ihrer Ansicht auf Grund
meiner neuesten Untersuchungen nicht anschliessen. Ich
habe im Gegensatze zu Tschermak^s Annahme nachzu-
weisen gesucht, dass das innere Gefüge der Chondren nicht
ausser Zusammenhang mit ihrer kugeligen Gestalt stehe,
und dass man diese Kügelchen weder als Stücke eines Mineral-
krystalls, noch eines festen Gesteins ansehen könne. Spricht
schon ihre nicht geglättete, nicht polirte Oberfläche, welche
wenn durch Abreibung oder Abrollung gebildet, bei solcher
Härte des Materials spiegelglatt sein müsste, während sie
rauh, höckerig, oft strichweise krystallinisch facettirt er-
scheinty gegen die Abreibungstheorie, so ist auch gar kein
Grund einzusehen, wesshalb nicht alle anderen Mineralsplitter-
chen wie Sandkörner abgerundet seien und wesshalb namentlich
das Meteoreisen, das Schwefeleisen und das sehr harte Ghrom-
eisen, wie ich in dem Meteorit von L'Aigle mich überzeugt
habe, stets nichtgerundete, oft äusserst fein zerschlitzte
Formen besitzen. Wie wäre es zudem denkbar, dass, wie
häufig beobachtet wird, innerhalb der Kügelchen concen-
trische Anhäufung von Meteoreisentheilchen vorkommen ?
Auch erscheint die excentrisch faserige Struktur der meisten
Kügelchen in ihrem einseitig gelegenen Ausstrahlungspunkte
in Bezug auf die Oberfläche nicht als zuföllig, sondern der
Art der Struktur der Hagelkörner nachgebildet. Dieses
Gümhel: üeher die in Bayern gefundenen Steinmeteoriten, 69
innere Geföge steht im engsten Zusammenhange mit dem
Akt ihrer Entstehung, welche nur als eine Verdichtung
Mineral bildender StoflFe unter gleichzeitiger drehender Beweg-
ung in Dämpfen, welche das Material zur Fortbildung lieferten,
sich erklären lässt, wobei in der Richtung der Bewegung
einseitig mehr Material sich ansetzte.
Indem ich auf die Thatsachen mich berufe, welche bei
allen Chondriten ~ und um diese handelt es sich hier -
zum Vorschein kommen,
1) dass sie nur aus feinen oder gröberen Mineral-
splitterchen oder aus eckigen oder halbkugeligen, zersprengten
Stücken von Chondren und aus diesen selbst bestehen;
2) dass jede Spur von Lava- oder Schlacken-ähnlichen
Beimengungen oder Bindemittel fehlt und alle Verschlack-
ungen, welche sich vorfinden, nur sekundäre Erscheinungen
in Folge derÜBewegung der Meteorite innerhalb der irdischen
Atmosphäre sind;
3) dass weder das beigemengte Meteoreisen, noch
Schwefeleisen, noch Chromeisen die Form der Chondren be-
sitzen und keine Spur erlittener Abrollung erkennen lassen ;
4) dass die innere Struktur der Chondren, sei sie ex-
centrisch faserig, oder körnig oder staubig in's Dichte über-
gehend, mit der länglich runden, an die Eiform erinnernden
Gestalt in genetischem Zusammenhange steht, wie die Be-
schafiPenheit der Strahlen büschel unzweideutig lehrt;
5) dass zuweilen der Oberflächenform entsprechende
Ausscheidungen im Innern der Kügelchen sich vorfinden und
6) endlich, dass die Oberfläche der Chondren nicht, wie
bei Entstehung durch Abrollung, polirt, sondern rauh und
höckerig ist, wie wenn Theilchen um Theilchen nach Aussen
sich gesetzt hätten,
glaube ich z. Th. in Uebereinstimmung mit den
genannten Gelehrten annehmen zu müssen, dai^ das Mate-
70 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 9. Februar 1878,
rial, aus welchem die Chondrite bestehen, durch eine
gestörte Krystallisation und Zertrümmerung in Folge von
explosiven Vorgängen innerhalb eines Raumes sich bildete,
welcher von die Mineral bildenden StoflFe liefernden Dämpfen
und von die weitere Oxydation des Meteoreisens verhindern-
dem WasserstoflFgas erfüllt war. Die Kügelchen bildeten sich
durch Anhäufung von Mineralmasse um einen Ansatz oder Kern
bei fortdauerndem Fall oder Bewegung in den StoflF liefernden
Dämpfen, wodurch eine einseitige Zunahme oder ein Ansatz
des Materials in der Richtung des Flugs, wie bei der Entsteh-
ung gewisser Hagelkörner oder Eisgraupen bedingt ist und die
excentrisch faserige Struktur und länglichrunde Form ihre Er-
klärung findet. Dass hierbei Zertrümmerungen in Folge des
Zusammenstosses der verfestigten Massen stattfanden, beweisen
die in Stücke zersprengten Kügelchen und die zahlreichen
eckigen Fragmente, welche dieselbe faserige Struktur, wie die
Kügelchen selbst, besitzen. Vielleicht, dass ein Zerfallen
auch in Folge raschen Temperaturwechsels eingetreten ist.
Das so entstandene Material fiel, wie ein Aschenregen, zur
Oberfläche des sich bildenden Himmelkörpers und verfestigte
sich nach Art der vulkanischen Trockentuffe durch Agglu-
tiniren der Trümmerchen zu einem meist lockeren Aggregat
und wurde vielleicht erst in diesem Zustande der Verfestigung
durch weitere Explosionsthätigkeit zerstückelt und abgeschleu-
dert. Diese Stücke oder Theile dieser Stücke sind es, welche
als Meteorite endlich zur Erde gelangen. Dass andere Meteoriten
namentlich die Meteoreisenmassen und die kohligen eine theil-
weise andere Entstehung gehabt haben müssen, ist nicht
zweifelhaft ; sie mögen einen ruhigeren Process an der Ober-
fläche des Himmelskörpers durchgemacht und nur das mit
den steinigen Meteoriten gemein haben, dass sich z. Th.
dasselbe Material an ihrer Zusammensetzung betheiligte,
wenn auch in geringerer Menge und dass sie auf gleiche
Weise zerstückelt und abgeschleudert wurden.
Chumbel : lieber die in Bayern gefundenen Steinmeteoriten. 7 1
Ich begegne z. Tb. äbnlicben Ansichten, zu welchen
mich das Studium der Chondrite geführt hat, auch bei S o r by,
welcher dieselben schon früher in dem Aufsatze: „On tbe
Physical History of Meteorites *)" angedeutet hat.
Ich fuge diesen Bemerkungen noch einige Beobachtungs-
resultate hinzu, welche ich an den kohligen Meteoriten von
Bokkeveld und Eaba erhalten habe. Das Material hierfür
verdanke ich der besonderen Güte des Hm. Prof. Tscher-
mak in Wien. Ich hoflFte durch Dünnach liflFe vielleicht
eine Spur organischer Struktur in dem kohligen Bestand-
theile zu entdecken. In dem Meteorit von Bokkeveld, von
dem DünnschliflFe sehr schwierig und immer nur in der be-
schränkten Weise herzustellen sind, dass die kohligen Parthieen
nur hier und da durchscheinend werden, sieht man eine
Menge kleiner, besonders scharfeckiger, wasserheller Mine-
ralsplitterchen in der kohligen Hauptmasse eingebettet.
I. p. L. zeigen diese Mineraltrümmerchen lebhafte bunte Farben
und scheinen sich überhaupt wie die Bestandtheile der Chon-
drite zu verhalten. Die kohlige Substanz, wo sie durch-
scheinend ist, besitzt jenes häutige oder feinkörnige Gefüge,
wie man es sonst auch bei kohligen Substanzen triflFt. Stück-
chen , welche ich während einiger Tage mit chlorsaurem^
Kali und Salpetersäure in der Kälte behandelte, entfärbten
sich vollständig und wurden sehr weich. Mit Kanadabalsam
getränkt gestatteten sie die Herstellung von- Dünnschliffen,
in welchen nunmehr die Mineralsplitterchen z. Th. trübe
und undurchsichtig sich zeigen (wahrscheinlich zersetzter
Olivin), z. Th. aber wasserhell geblieben sind (wahrschein-
lich Augit-artige Beimengungen), während die kohlige Haupt-
masse sich theilte in eine vollständig^ durchsichtige Masse
und in zwischen diese eingebettete dunklere Flecken und
Wölkchen. Die durchsichtigen Theile lassen dieselbe mem-
1) The geological Magazin, n. 1865 S. 447.
72 Sitzung der matK-phys. Glosse fxmi 9. Februar 1878.
branöskörnige Struktur erkennen, wie bei den durchscheinen-
den Parthien der nicht behandelten Dünnschliffe. Von
Andeutungen organischer Struktur konnte auch nach dieser
Behandlung nichts entdeckt werden.
Der koblige Meteorit von Eaba ist ungleich härter.
In den Dünnschliffen beobachtet man sehr zahlreiche hell-
Mineraltheilchen, fast alle von kreisrundem Durchschnitte,
also wahrscheinlich Ghondren entsprechend, jedoch, soweit
mein Material erkennen liess, ohne Faserstruktur. Sie be-
stehen vielmehr gleichsam aus einem Aggregat von wasser-
hellen Körnchen, zwischen welchen gewöhnlich undurch-
sichtige Streifchen verlaufen. Dergleichen schwarze, vielleicht
kohlige Linien und Flecken erscheinen meist auch in con-
centrischer Anordnung in den Kügelchen und um diese herum.
Die helle Mineralsubstanz zeigt i. p. L. bunte Farben. Der
Einwirkung von chlorsaurem Eali und Salpetersäure leistet
dieser Meteorit Widerstand, er entfärbt sich nur wenig,
dagegen werden bei dieser Behandlung die Kügelchen in
Folge erlittener Zersetzung trüb und undurchsichtig, was
mit einiger Wahrscheinlichkeit auf ihre Olivinnatur zu deuten
sein wird. Von organischer Struktur ist unter diesen Um-
ständen auch bei diesen kohligen Meteoriten nichts zu sehen.
Vielleicht gelingt es dennoch unter Anwendung des oben
angeführten Entfärbungsmittels bei reichlicherem Material
oder an anderen kohligen Meteoriten die Anwesenheit orga-
nischer Wesen auf ausserirdischen Himmelskörpern nachzu-
weisen.
Die in Bayern gefallenen Steinmeteoriten.
f. sy,/a nBB Maaeitirdim, IT. von Eichtädt, HI. vim Jr.üsii
S,-Aii,M-^.r^ u,„l V. mit VI. ith KiUUaiUr;..
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Herr Hermann v. Schlagintweit-Sakünlünski
legt vor und bespricht:
„Die
neuen Gompositen des Herbarium Schlagintweit
und ihre Verbreitung,
nach
Bearbeitung der Familie yon Dr. F. W. Klatt."
Inhalt.
Die diagnostische Untersnchnng der Compositen-Familie und die
ErläiiteniDg der localen Verhältnisse des Auftretens. — Allgemeine An-
gaben übdr das Sammeln für das Herbarinm, über Gmppirnng und Sig-
natur der Exemplare. — (Notiz über Transscription).
Vergleichende pflanzengeograpbische Daten; das Auftreten der
Gattungen Artemisia und Saussnrea. —
Systematische Analyse nnd Description der nenen Species.
Die diagnostische Untersuchung der Familie der Gompo-
siten unseres Herbariums ist von Herrn Dr. F. W. Elatt in
Hamburg jetzt durchgeführt und es ist beabsichtigt, aus-
fuhrliche Abhandlung über diese Familie nebst Abbildungen
der neuen Species im Journale der naturforschenden Gesell-
schaft zu Halle a./S. erscheinen zu lassen; meinerseits sind
überall die topographischen Daten über Verbreitung, nach
Lage und Höhe, gegeben und ich werde bei zahlreich ver-
tretenen Gattungen [auch pflanzengeographische Erläuter-
ungen damit yerbinden.
74 Sitzung der matK-phys. Glosse vom 9. Februar 1878.
Da jedoch die Publication der Abhandlung noch einige
Zeit sich verschieben muss, wie auch Herr Prof. Dr. Kraus
in Correspondenz darüber mir mitgetheilt hat, sei es mir ge-
stattet, die Angaben über die neuen Formen, welche sich
dabei gezeigt haben, für die Berichte der k. Akademie hie-
mit vorzulegen.
Herr Dr. Elatt hatte, wie ich schon in meinem „Be-
richte über die Anlage des Herbariums *)" zu erwähnen ver-
anlasst war, früher die Primulaceen, Pittopsoreen und Irideen
bearbeitet^); gegenwärtig ist er mit der Untersuchung der
von uns gesammelten Cyperaceen beschäftigt.
Was ich über das Aufsuchen und Sammeln des bota-
nischen Materiales noch zu erwähnen habe, ist Folgendes.
Das Herbarium hat vorzugsweise die Flora Hoeh-
asiens zum G^enstande und die neuen oder verhältniss-
mässig wenig besuchten Pflanzeuregionen nördlich vom
Himälaya-Eamme waren am meisten zu berücksichtigen.
Dabei war das erschwerte und auf langsames Vordringen
beschränkte Reisen in denselben wenigstens dem Comple-
tiren des Herbariums nich ungünstig, und wo irgend Ge-
legenheit sich bot, wurden die als Sammler beschäftigten
eingebornen Gehülfen getrennte Wege gesandt. Lagen un-
gewöhnlicher Bodengestaltung, wie die mehrmals durch-
zogenen Hochwüsten nördlich vom Karakorüm-Kamme, hatten
sich in dem was sie des Neuen in der Flora ~ sowie in der
Fauna — boten, unerwartet lohnend gezeigt. Auch für diese
Pflanzen-Familie ist in neuen Formen jenes Hochland am besten
vertreten, obwohl von der letzten unserer Bereisungen, durch
meinen Bruder Adolph, der im vorhergegangenen Jahre so
vieles in den Umgebungen des Mustägh im Karakorum-
1) In den Abhandlungen der k. bayer. Akademie der W. II. Cl.
XII. Bd. 40 1876. III. Abth. S. 133—196.
2) London, Seemanns Journal ofBotany. 1868. T. VIII. S. 116— 127,
H, V. Schlagintweit : Ueber die neuen Compogiten des Herbariums etc. 7 5
Gebirge aufgefunden hatte, Sammlungsobjecte nördlich von
Le aus dem Jahre 1857 nicht mehr in meine Hände ge-
langten. Das grössere Volumen solcher während des
Marsches nach Turkistän ebenfalls zurückgesandter Gegen-
stände, gegenüber der Verpackung der geretteten Manuscripte
und Zeichnungen, mag dabei allerdings für jenen seiner
Geehrten, der sie anvertraut erhalten hatte, wesentlich er-
schwerend gewesen sein.
Aus den späteren Reisen mit Ueberschreiten des Kara-
korum gegen Norden, die von H. W. Johnsohn 1865 wieder
begonnen wurden, ist mir von Herbariumanlage oder von
Details über Vegetationsverhältnisse bis jetzt nichts bekannt
geworden.
In indischen Gebieten südlich von Hochasien liess
sich, wo die Art des Beisens es erlaubte und wo die Märsche
nicht ganz mit den die Vegetationsentwicklung deut-
lich beschränkenden Monaten kühler Jahreszeit zusammen
fielen, noch manch Ergänzendes sammeln. Im allgemeinen
Verzeichnisse unserer Compositen werden noch Standorte
aus Mälva in nahezu 23^ nördl. Breite als die südlichsten
vertreten sein. Anomale klimatische Verhältnisse , noch
mehr — weil schärfer begrenzt — örtliche Veränderungen
der Wärme, die sich, wie bei heissen Quellen, mit verän-
derter BodenbeschaflFenheit verbinden, haben auch dort un-
geachtet der Beichhaltigkeit des bis jetzt schon Bekannten
stets zum Sammeln sehr günstig sich gezeigt.
Die einzelnen Exemplare sind mit Angabe') der Landes-
region, der Provinz, der Localität und der Höhe bezeichnet.
3) Ueber die Transscription dabei, durchgeführt wie schon
früher erläutert, sei in Kürze erwähnt : ch = tsch im Deutschen ; h
nach Consonant ist hörbare Aspiration aber Kh in Khan unser ch ; j =
dsch; sh = seh ; V =: w ; z = weiches s. Unbestimmt tönende Yocale
haben das Kürzezeichen ", nasale den Circnmflex \ Jedes mehrsilbige
Wort hat 1 Accent als Hauptton.
76 Sitzung der vuxth.-phys. CUuse vom 9, Februar 1878,
Die Landesregionen sind Abtheilungen, bei denen vor-
züglich der klimatische Charakter zu Grunde gelegt wird;
die Provinzen sind im Sinne der Bewohner getrennt
gehalten; die Localitäten sind die engere Begrenzung,
und zwar mit Berücksichtigung der Verhältnisse von Elima
und auch Bodengestaltung, welche direct die Vege-
tation beeinflussen ; die untersten und die obersten Paukte,
welche sich dabei als Fandstellen ergeben, sind meist als
Grenzen mit den betreffenden Höhenzablen angeführt; ist
aber die Flache, über welche die Fundstellen sich vertheilen,
eine kleine bei geringer Veränderung der Höhe, so ist nur
1 Zahl — zwischen 2 Strichen — gegeben. Anomale Be-
dingungen des Auftretens stehen in E[lammem. — Das
Zeichen „A^^ bei Ortsnamen and Höhenzahl bedeudet tem-
porären Lagerplatz von Nomaden oder ganz unbewohnte
Haltestelle.
Das Längenmaass für die Höbenangabe ist, wegen
des Anschlusses an die schon vorhandene Literatur über In-
dien sowie an unsere „Results of a scientific Mission,^^ das
englische ;
1000 engl. Fuss = 304*79 Meter = 938'29 par. Fuss.
Auch die Dimensionen der Pflanzen oder einzelner
Theile derselben sind in englischem Maasse gegeben. (1 engl.
Zoll = 25-40 mm.)
Als weitere Angaben sind noch beigefügt die „Zeit
des Sammelns^S da diese auch die Phase der periodischen
Entwickelung beurtheilen lässt, und die „Gatalog-Nummer^.^ ;
letztere bezieht sich auf unsere allgemeinen Listen.
Yergleichende pflanzengeographisehe Daten; die Gatt-
ungen Artemisia und Saussnrea.
In ihrer Verbreitung zeigte sich die Familie der Com-
positen in den Regionen feuchter Tropen, sowie in den
H, V. Sehlagintweit : üeber die neuen Compositen des Herbariums etc. 7 7
J^DgeLs noch am Südfasse des Himalaya, yerhältnissmässig
wenig zahlreich ; aber bei ^ zunehmender Erhebung mehrt
sich, auch längs des südlichen Randes schon, sehr rasch
sowohl die Zahl der Gattungen und Species, als auch die
Häufigkeit des Vorkommens der Pflanzen.
Das centrale und das nordwestliche Indien, das Pla-
teau des Ehassia-Gebirges, auch das obere Assam unter-
scheiden sich in ähnlicher Weise von ihren tiefer gelegenen
Umgebungen, die zugleich den subtropischen Küsten
näher liegen.
Nach der Zahl ihrer Species gereiht folgen sich in
unserem Herbarium aus Hochasien die Gattungen Artemisia,
mit 19 Species, Saussurea, mit 18 Species, Lactuca,
mit 11 Species, Senecio mit 10 Species u. s. w.
Auf die Besprechung der beiden ersteren, werde ich
wegen der neuen Formen und der grossen Verbreitung,
welche bei diesen sich boten, schon hier näher eingehen.
Das Genus Artemisia. Für dieses wird die Summe
der bis jetzt überhaupt botanisch bekannten Species etwas über
100 betragen; von den 19 aus Hochasien vorliegenden Spe-
cies haben sich 12 auch in den trockenen Theilen des Hoch-
gebirges nördlich vom Himälaya-Eamme gefunden. Da jedoch
auch in der Flora Deutschlands mit Einschluss der Alpen, bei
viel geringerer Verschiedenheit der klimatischen Begrenz-
ungen, die gleiche Zahl der Species von der Gattung Artemisia
sich gezeigt hat, ist deren Zahl für Hochasien in entsprechen-
der Vollständigkeit entschieden noch reichhaltiger anzu-
nehmen. Zur Eenntniss derselben hat pflanzengeographisch
nicht nur die Fortsetzung systematischer Untersuchung
sondern auch genauere Angabe der Localitäten in Verbind-
ung mit den bis jetzt bekannt gewordenen Analysen bei-
zutragen.
78 Siteung der math.-phys, Glosse vom 9. Februar 1878,
Von Formen identisch mit jenen der deutschen Flora
liegen mir im Herbarium für Hochasien nur Artemisia
Dracunculus L. und A. scoparia Wild. & Kit. vor; diese
treten dort bis 12,000', und bis 10,500' Höhe auf, finden
sich aber beide auch in den Hochstufen auf der Südseite
des Himälaya bei 6000 Fuss mittlerer Höhe. In, Deutsch-
land beschränkt sich die Verbreitung von A. scoparia, die
in Böhmen, in Mähren, in Unteröstreich und in den öst-
lichen Alpen vorkömmt, in den letztem auf niedre Ab-
hänge der Vorberge*); A. Dracunculus, der „Dragon" oder
gewöhnlicher der „Estragon", ist als Gulturpflanze Deutsch-
lands aus Sibirien durch den Verkehr mit Bussland ge-
kommen.
In Tibet ist das Genus Artemisia för die obere Grenze
bewohnter Orte und für die Lagerstätten der Hirten ins-
besondere auch dadurch wichtig, dass in demselben holz-
bildende Strauchform in bedeutend hohen Lagen noch,
wenn auch von geringer Mächtigkeit, sich findet. Tibetisch
heissen die Strauchformen dieses Genus „der Tami"*); als
holzbildend, wenigstens in günstigen Lagen, sind etwa ^/s
der Species unseres Herbariums zu bezeichnen.
4) Das Ansteigen zu bedeutend kühlerer Lufttemperatur in Hoch-
asien gegenüber der Begrenzung in den Alpen wird hier, wie bei vielen
starkfasrigen Pflanzen, dadurch begünstigt, dass bei gleicher Lufttem-
peratur im Schatten, die Verhältnisse der Insolation in Hochasien gün-
stiger sind. Erl. in „Klimatischer Charakter der pflanzengeographischen
Regionen Hochasiens." Abhandl. der k. b. Akad. d. Wiss. II. Cl. XII. Bd.
4« 1876. m. Abth. S. 197—243 („Insolation" : S. 217—219).
5) Das Wort Tämi kömmt auch als Componens in Namen der
Lagerstätten und der Thalformen vor, da die Entwicklung solcher Sträucher-
für den landschaftlichen Eindruck charakteristisch ist. Als Beispiel sei
hier genannt das Thal des Tämi Chüet-Gletschers in Hazora; die Höhe
des unteren Gletscherendes daselbst, auf dessen nächste Umgebung speciell
die Angabe der Tämi-Sträucher sich bezieht, ist 10,460'. „Besults" YoL
II. pag. 428.
H. V . JScMagintweit : Deber die neuen Campositenäes Herbariums etc. 7 9
Es ist überhaupt als eine der Bigenthümlichkeiten
dieses Genus zu erwähnen, dass dasselbe mit der Tamaris-
cinee Myriearia — dem „Yabägre" der Türkis — und mit der
Chenopodee Eurotia — dem „ßürze" der Tibeter — zu jenen
Pflanzenformen gehört, welche in den centralen Lagen des
Hochgebirges beinahe bis an ihre oberste Grenze hinan in
Strauchform oder wenigstens, wenn auch in schwacher Ver-
zweigung, sehr zähfaserig sich zeigen. In den Hochwüsten
selbst überschreiten sogar solche Formen die Verbreitung
jeder anderer phanerogamen Pflanzenart®), wenn sie auch
nicht ganz mit gleichen Temperaturgrenzen coincidiren wie
dort, wo bei mittleren Verhältnissen der Feuchtigkeit die
Entwicklung von anderen Pflanzenformen nicht ausge-
schlossen ist').
Von der neuen Species trat die Ärtemisia Schlagint-
weitiana Klatt in der Provinz Yärkand zu beiden Seiten
des Eünlün-Eammes auf, und wurde am Südrande desselben
noch 1 Fuss hoch; dabei war sie am See Kiük Kiol und
von dort gegen SikSndar Mokäm, zwischen 15,500' und
13,800' Meereshöhe, sogar zahlreich. Sie fand sich auch
auf der Nordseite des KünlÜu nochmals, zu A Oitäsh im
Büshia-Thale, in der Provinz Khötan. Die Höhe dieser Localität
ist 15,000 bis 16,000'; die Lage gehört schon* zur nivalen
Region, ober der Schneegrenze beginnend. (Die Schnee-
grenze auf der Nordseite dieses Theiles des Künliin ,ist
14,800'.) Dort trat mit derselben auch die Species A. ma-
crantha Ledeb. als nahe der „äussersten Grenze phanero-
gamer Pflanzen" auf, schwächer noch entwickelt ; die letztere
6) Erl. in „Anlage des Herbariums*' Abh. der k. b. Ak. d. Wlss.
n. Cl. XIL Bd. 4». 1856. S. 171.
7) Die Extreme der Phanerogamen-Grenzen, die wir fanden,
waren die Standorte: Jänti-Pass, bei 17,500', in Eämaon; Ibi Gämin
Gipfel, NO.-Abhang, bei 19,809', nnd Gunshankär-Gipfel W.Abhang
bei 19,237', in Gnari Kborsum „Res.** Vol. IL pag. 501.
80 Sitzung der matK-phya. dasse vom 9. Februar 1876.
hatte sich aber auch in ganz Tibet bis 9000' hinab ziem-
lich häufig verbreitet gezeigt.
In den Alpen hatte ich, mit meinem Bruder Adolph»
aus diesem Geous A. mutellina YilU und A. spicata Wulf,
ebenfalls als Pflanzen, die in der nivalen Region der Central-
alpen noch vorkommen, nachweisen können*). —
Die 2. neue Species, A. Eohatica Elatt, scheint auf
das subtropische Gebiet des Panjäb, charakterisirt durch
Extreme trockener Hitze, beschränkt zu sein. —
In der Flora der indischen Bialbinsel ist das Genus
Artemisia ebenfalls zahlreich vertreten. Dort sind schon
seit alter Zeit verschiedene Species officinell verwandt wor-
den, besonders als anthelmintische Arznei. Der gegen-
wärtige Name für das Genus im Hindostani, „Näg dauna'^
oder M^^g döna^S weist unmittelbar darauf hin. Es ist
dabei, wie mir gesagt wurde, d ä ii n a das Sanskritwort für
die Pflanze; dieses wird aber fast nie mehr allein ge-
braucht, sondern nur in Verbindung mit näg, was ein sich
schlingendes Thier („Schlange" oder „Wurm") bedeutet.
Der altgermanische Pflanzenname, der sich im Englischen
als „Wormwood" und im Deutschen, in etwas mehr ver-
änderter Form, als „Wermut" erhalten hat, ist entschieden
in gleichem Sinne zu verstehen, nemlich als fasrige, holz-
artige Pflanze gegen Würmer. Gegenwärtig allerdings
sind beide Namen auf die Species A. Absynthium L. beschränkt*).
Am kräftigsten wirkt gegen Würmer das Präparat,
8) Von der Familie der Compositen hatten wir in den Alpen in
der nivalen Region noch gefunden: Achillea hjhrida Gand., Chrysan-
themum alpinum L., Erigeron uniflorum L., Senecio uniflorus L. Beoh-
achtungsangaben in unseren „Untersuchungen über die physikalische Geo-
graphie und die Geologie der Alpen/' Band I. 1850 u. Band II. 1854;
Zusammenstellung in ,,Flora'', 1854, Nr. 24.
9) Der Genus-Name, unserem „Beifuss" entsprechend, ist im Eng-
lischen „Mugwort'*; im Französsichen, (aus ArtemisiaX „Armoise".
H. V, Schlagintweit : Üeber die neuen Compositen des Herbariums etc. 8 1
davS aus zerkleinerten Blüthenknospen besteht von A. Contra
Vahl. Diese Species aber kömmt als unmittelbarer Theil
der indischen Flora nicht vor; Standorte derselben finden
sich, soviel bis jetzt bekannt, auch in Hochasien nicht,
sondern erst in Persien, und von dort breitet sie sich ziem-
lich weit gegen Westen aus. Der specifisch wirkende Be-
standtheil ist das Santonin, das nur in verhältnissmässig
wenigen der Artemisia-Species in sehr wirksam auftretender
Quantität sich nachweisen liess. Dass dessenungeachtet
alte volksthümliche Benennung den Namen im Sinne von
Wurmholz auf das ganze Genus ausgedehnt hat, mag
sehr wohl dadurch noch gefördert worden sein, dass das
eigenthümlich widerlich schmeckende Oel dieser Gattung,
das beinahe in allen Arten sehr stark hervortritt, anfangs
als das Anthelminticum gegolten hat.
Ebenfalls sehr verbreitet als Heilmittel in Indien und
östlich davon ist die Anwendung von A. chinensis L. oder
Moxa Bess. gegen Rheumatismus, wobei kleine Klumpen aus
den Fasern derselben an der leidenden Stelle auf die Haut
gelegt und dort verbrannt werden.
A. Absynthium L. kömmt weder in Indiens tropischen und
subtropischen Gebieten noch in den Gebirgsländern nördlich
davon vor. . Dessenungeachtet wird eine Art „Absynth"
als alkoholhaltiges Getränke bereitet; auch der Name dafür
ist im Hindostäni derselbe, aber umgestaltet in „Afsüntm".
Es wird hiezu vorzüglich die Artemisia indica Wild, aus den
Mittelstufen und den tiefen Lagen von Nepal benutzt ; diese
Verwendung ist übrigens wohl erst von Europäern einge-
führt worden.
Das Genus Sau ssurea DC. Dieses war hier am zahl-
reichsten in neuen Formen aufgetreten; auch in der Gesammt-
zahl der Arten, die sich zeigten, war es ziemlich allgemein ver-
[1878. 1. Math.-phys. Cl.] 6
82 Sitzung der matK-phys. Classe vom 9. Februar 1878.
breitet, theilweise sehr stark diflFerirend in der Gestaltung. Aus
den Pflanzenregionen Hochasiens haben sich in unserem Her-
barium 18 Species ergeben; es dürfte demnach dieses Genus,
das überdiess wohl keinenfalls in die heissen Vorstufen läugs
des indischen Tieflandes hinabreicht, ziemlich vollständig
vertreten sein.
Die Saussurea- Arten beginnen vorherrschend in Höhen,
die den Baumgrenzen der betreflfeuden Lagen entsprechen,
und steigen von dort noch bedeutend an. Einige derselben
gehören zu den phanerogamen Pflanzen höchster Standorte
und reichen, wo nicht in Coincidenz mit der Höhe auch
grosse Trockenheit sie begrenzt, bis in die nivale Region.
In diesen Hochregionen haben sich auch, wie zu erwarten,
ungeachtet der so geringen Menge von Vegetation, die sich
bietet, verhältnissmässig zahlreich in all den vertretenen
Pflanzenfamilien, neue Formen als Species oder* als Varie-
täten gezeigt.
Doch sind auch viele der Species von Saussurea in den
tieferen Mittelstufen heimisch und zwar von den feucht-
warmen östlichen Gebieten Sikkims in Höhen von 6000 bis
7000 Fuss bis zum trocknen fernen Nordwesten der Süd-
seite des Himälaya.
Die tiefsten Standorte fanden sich, Mitte April 1856,
längs des Weges von „Kälka über Kassäuli nach Simla,
im westlichen Himälaya", zwischen 2000 nnd 4600' Höhe,
es ist die S. candicans Schultz Bip., welche dort auftritt.
Von den neuen Species zeigten sich Saussurea acaulis
Klatt und S. setifolia Klatt auf der Hochwüste, welche mit
17,000' mittlerer Höhe als oberste Stufe auf der nördlichen,
turkistäni Seite des Karakorüm-Kammes liegt. Diese Localität
ist aber ungeachtet ihrer grossen Höhe noch subnival, und
zwar 1600' noch unter der Schneegrenze in jenem Theile
des Hochgebirges gelegen.
Der während des ganzen Sommers und meist bis zum
H. V. Schlagintweit : lieber die neuen Compositen des Herbariums etc, 83
Spätherbst schneefreie Karakorüm-Pass, welcher hier Nübra und
Yärkand verbindet, hat 18,345' Höhe; die Höhe der Schnee-
grenze ist anf der Südseite des Karakorüm-Kanimes 19,400',
auf der Nordseite 18,600'. ^<')
Von der Saussurea Schlagintweitii Klatt, die als neue
Species auf der Südseite des Künlün-Kanimes sich zeigte,
war dort die Schneegrenze beinahe erreicht; es betrag die
Differenz der Höhe nur wenige 100 Fuss.
Die beiden andern neuen Arten, S. chenopodifolia Klatt,
und S. stemmaphora Klatt, hatten gleichfalls nördlich vom
Himälaya-Kamme sich gefanden ; aber die klimatischen Ver-
hältnisse für dieselben sind jenen des westlichen und nord-
westlichen Tibet in Höhen zwischen 7000 und 11,000'
gleichzusetzen.
In den Alpen, wo von den 3 Arten dieser Gattung
die S. pygmaea Spreng, in den mittelhohen östlichen Kalk-
alpen sich findet, sind die beiden anderen, S. alpina DC.
und S. discolor DC, auf die subnivale Region und ihre nächsten
Umgebungen gegen abwärts beschränkt, überschreiten sie
aber nicht nach oben.
Systematische Analyse und Description der neuen
Species.
Die neuen Speciesin der Familie der Compositen haben
sich für unser Herbarium in der Anzahl von 17 ergeben,
die sich, wie folgt, auf die verschiedenen Gattungen ver-
theilen :
Gen. Aster: 1; Inula: 2; Pulicaria: 1;
Allardia : 1 ; Chrysanthemum : 1 ; Artemisia : 2 ;
Saussurea: 5; Jurinea: 2; Ainsliaea: 1;
Prenanthes: 1.
10) Erläutert „Results" Vol. IL p. 426 und pag. 498.
6*
84 Sitzung der math.-phys. Classe vom 9. Februar 1878.
Die Angaben über dieselben theile ich hier, gleichfalls
systematisch gereiht, nach Dr. Klatt^s Bearbeitung mit;
neue Formen, die nur als Varietäten zu bezeichnen waren,
werden erst in der allgemeinen Zusammenstellung besprochen.
Aster scaposus F. W. Klatt A. fruticosus totus
hirtello - canescens, caulibus erectis scapiformibiis 1-cephalis
basi foliosis, foliis obovato-oblongis subacutis medio 2 — 4-den-
tatibus obscure trinervis; involucri squamis acuminatis, achae-
niis, villosis, papi setis pallide rufescentibus.
Localität. Tibet; Provinz Bälti: Von Hüshe nach
A Brämi Räma, längs des Ausflusses des Sospor- Gletschers,
10,000'— 13,000'; coli. 16. Juli 1856. Cat.-Nr. 6902.
Die holzigen Stämme sind niederliegend oder bogig
aufrecht und sehr kurz, 2 bis 3 Zoll hoch. Die Aeste, 8
Zoll hoch, sind aufrecht, rund oder etwas eckig, gleich den
Blättern filziggrau, mit breiten, 3nervigen Schuppen am
Grunde und in einen mit wenigen Deckblättern versehenen
einköpfigen Blüthenstiel verlängert.
Die verkehrt eiförmig länglichen Blätter sind kaum
zugespitzt, an beiden Seiten dicht grau behaart, nach dem
Grunde in einen breiten Blattstiel verschmälert, 20 Linien
lang und 8 breit.
Die halbkugeligen Blüthenköpfe sind vielblüthig und
kiirzstrahlig. Die Schuppen des Hüllkelches sind lang-
zettlich zugespitzt, an den Rändern häutig und gewimpert,
in der Mitte dicht und lang behaart. Die Achänien sind
rauh. Die bleichröthliche Saamenkrone wird durch zwei
Reihen scharfer Borsten gebildet.
Diese Art ist sehr der Pflanze ähnlich, welche DC. im
Prodrom V. pag. 276 als Diplopappus Roylei beschreibt,
aber verschieden durch die Schuppen des Hüllkelches, welche
H, V. Schlaginiweit : lieber die neuen Compositen des Herbariums etc. 8 5
behaart, durch die Stengel, welche holzig und nicht krautig,
und durch die Blätter, welche auf beiden Seiten lang be-
haart sind.
Aster raoUiusculus Wall, scheint auch einige Aenhlichkeit
mit unserer Art zu haben, aber die Blätter sind nicht
ganzrandig.
Inula polycephala F. W. Klatt. L caule fru-
ticoso, ramis teretibus apice cinereo-velutinis, foliis alternis
oblongis acuminatis basi attennuatis petiolatis minute serratis
subtus pubescentibus, panicula polycephala composita ramis
axillaribus, capitulis pedicellatis bracteatis, involucri squa-
mis exterioribus brevibus puberulis; interioribus lanceolatis
acutis ciliatis, achaeniis villosis.
Loc. Westlicher Himäiaya ; Provinz Gärhväl: Von
Khärsäli via Räna nach Kutnor im Jamna-Thale, 8900' bis
6100'; coli. 14. bis 16. October 1855. Cat.-Nr. 9068. Bä-
drinath und Umgebungen, rechte Seite des Vishnuganga-
Flusses, 10,000'— 10,600'; coli. 1. bis 31. August 1855.
Cat.-Nr. 10032.
Provinz Kämäon: Bhäbeh, und südliche Abhänge
des Täri-Passes, 8000'— 10,000'; coli. 9. Juni 1856. Cat.-
Nr. 10272.
Provinz Kashmir - Rajäuri: Von Uri an den
Puch-Pass und dann südlich nach Kahüta, 3900'— 9000' und
9000'— 5000'; coli. 1. bis 9. Nov. 1856. Cat.-Nr. 12130.
Provinz Kajäuri: Von Puch via Kötli nach Is-
lamabad, Vorbergeund Ausläufer, 4000'- 2000'; coli. 10. bis
15. Nov 1856. Cat.-Nr. 12611.
Pr'ovinceMarri: Von Baramüla nach Mera, im Jhilum-
Thale, 5500'— 4800'; coli. 4. bis 10. Nov. 1856. Cat.-Nr.
12491.
Diese Art scheint sehr mit Inula eupatorioides verwandt
zu sein, aber die Behaarung ist nicht „rufo cinereo", die
86 Sitzung der math-phys. Ckisse vom 9, Februar 1878,
Involucralschuppen sind nicht „oblongis obtusis", und die
Strahlblüthen nicht „paucis." Die vorliegenden Exemplare
sind nicht vollständig, daher ist die Zahl der Strahlblüthen
nicht bestimmbar. Die Blätter, 3 — 4 Zoll lang, beinahe
1 — 1 '/4 Zoll breit, sind auf der ünterfläche längs der
Nervatur lang behaart.
Die 3—8 Linien langen Blüthenstiele haben ein pfriemen-
förmiges Deckblatt, welches ungefähr ? Linien lang wird.
Die Blfithenköpfe haben 3— 4 Linien im Durchmesser;
die Involucralschuppen haben häutige Ecken und sind in
der Mitte grün.
Die Borsten der Saamenkrone, 10 an Zahl und 2 Linien
lang, bestehen aus durchscheinenden Blättern. Die Staub-
kolben sind am Grunde kurz geschwänzt. Die Köpfe sind
4 Linien hoch.
Die von Edgeworth, Transact. of the Linnean society
pag. 68 und 69 beschriebenen 2 Arten sind mit unserer
PjQanze nicht identisch , da die Blätter dieser lunla lan-
zettlich und I. asperrima überdiess der L nervosa Wall,
ähnlich ist.
Inulaverrucosa F. W. Klatt. L caule erecto hirsuto
simplice dense folioso, apice l--4-cephalo, foliis oblongis
acutis margine ciliato-scabris verrucosis capitulis longe
pedicellatis bracteatis, involucri squamis exterioribus late
lanceolatis foliaceis ciliato-scabris, interioribus lanceolatis
scariotis apice ciliatis, achaeniis villosis.
Loc. Westlicher Himalaja; Provinz Chämba:
BeiNürpur, Vegetation der Vorberge-Kärame, 4000'— 5500';
coli. 16. bis 20. Juli 1856. Cat.-Nr. 11739.
Tibet; Provinz Ladäk: Von Rämbak zum Kända
La-Passe, südwestlich von Le, 11,500'— 13,500'; coli. 1.
bis 7. September 1856. Cat.-Nr. 6291.
Diese Pflanze, 8—10 Zoll hoch, hat mehrere Stengel,
H, v, Schlagintweit : TJeher die neuen Compositen des Herbariums etc, 8 7
welche aus einer Wurzel kommen, und Wurzelblätter, welche
spateiförmig sind.
Die Deckblätter, von der Form der Blätter, sind weich-
stachlich und oft dicht den Bliithenköpfen angeschloäsen.
Die Stengelblätter sind 1—2 Zoll lang und 2 Linien breit.
Die Borsten der Sämenkrone bestehen aus gegliederten, zu-
gespitzten, durchsichtigen Schuppen.
Die Blüthenköpfe sind 7 Linien breit und hoch, die
Staubkolben sind zähnig geschwänzt ; diese Art steht zwischen
Inlua nervosa Wall, und I. acuminata DC.
Pulicaria [Pterochaeta] Sakhiana F. W. Klatt,
P. tota sparse pilosa, caulibus erectis flexuosis ramosis,
ramis trichotomis foliosis pubescentibus, foliis sessilibus basi
attenuatis amplexicauli-spatulatis, ramealibus plicatis, invo-
lucri squamis glabris lanceolatis acutiusculis, capitulis homo-
gamis, acbaeniis adpresse hirsutis, coronula argute denticulata,
setis 20 innatim complanatis plumosis.
(Das Auftreten dieser Pflanze hat sich nur an dieser, in
ihren Verhältnissen der Bodentemperatur und Feuchtigkeit sehr
anomalen Stelle gezeigt; da wohl ein Auffinden derselben
auch bei weiterer Durchforschung benachbarter Gebiete auf
die Lage von Thermen wie hier beschränkt bleiben wird,
wurde für diese Pflanze der Name derSpecies mit jenem der
heissen Quellen, an denen sie sich gefunden hatte, verbunden.)
Loc. Western India, Provinz Sindh: Säkhi-Thermen
und Umgebungen; zahlreiche heisse Quellen am westlichen,
rechten Ufer des Indus, 150'— 180'; coli. 14. Februar 1857.
Cat.-Nr. 11,129?
Ein starker ästiger Strauch, hart am Quellenrande, un-
gefähr r hoch; die Stengelblätter sind fleischig, 5 Linien
lang und 2 Linien breit, die Blätter der Zweige eingerollt
und gekrümmt.
Die gipfelständigen Blüthen sind dreiköpfig dolden-
88 Sitzung der math.-phys, Classe vom 9. Februar 1878.
rispig; die Blüthenstiele, 4—6 Linien lang und sehr schlank,
tragen ein blattähnliches Deckblatt.
Die Köpfe haben 4 Linien im Durchmesser ; die Invo-
lucralschuppen, mit einer Rückenlinie oder gekielt, sind häutig
und verschieden lang.
Die Gipfeläste werden ganz von der Staubfadenröhre
eingeschlossen, die Saamenkrone ist gelblich, 3 Linien lang.
Allardia incana F. W. Klatt. A. cavo-tomentosa,
caule trichotome ramoso, foliis ad apices ramorum confertis
utriusque tomentoso-lanatis trilobis, lobis linearibus acutis,
pedunculis elongatis 1-cephalis, involucri squamis obtusissimis
margine scariosis dentato-hirsutisque, ligulis involucro multo
longioribus.
Loc. Tibet; Provinz Ladäk: Von Rämbak zum
Kända La-Passe südwestlich von Le, 11,500'— 13,500'; coli.
1, bis 7. September 1856. Cat.-Nr. 6309.
Die 4 — 6 Zoll hohen Pflanzen sind grau bis zu den
Blättern, welche die Gestalt von A. glabra Dcne., aber die
Behaarung von-A. tomentosa Dcne. besitzen.
Die Blüthenköpfe sind 4-— 6 Linien breit und 4 Linien
hoch, mit rosarothen Strahlblüthen. Diese Strahlblüthen,
welche 3 Linien lang und 1 breit sind, besitzen 4 Nerven.
Die Samenkrone ist dunkelbraun, wie es auch die In-
volucralschuppen sind, die Borsten sind gezähnelt.
Die 5 — 6 Linien langen und 1 Linie breiten Blätter
theilen sich an der Spitze in 3 — 4 Zähne.
Chrysanthemum (D. Pyrethra) art emisiaefolium
P. W. Klatt. Ch. totum sericeo-lanatum, coUo fructicoso,
caulibus erectis herbaceis simplicibus 1-cephalis a medio
apice aphyllis, foliis radicalibus bipinati-sectis lobis oblongis
bi-vel trifidis vel basi integris , involucro villoso-lanato,
squamis margine scariosis rufis eroso-dentatis, intimis sca-
riosis, pappo foliaceo corouato.
H. V, Schlagintweit : lieber die neuen Compositen des Herbariums etc. 89
Loc. Tibet; Provinz Tsänskar: Von A Pädar
nach SuUe am Nordost-Fusse des Shinku La-Passes, 14,100'
— 12;200'; coli. 21. und 22. Juni 1856. Cat.-Nr.
6253. — Von A Sülle im Shung-Thale nach Pädun im
Tsanskar-Haupt-Thale, 12,900'— 11,600' ; coli. 22. bis 24.
Juni 1856. Cat.-Nr. 6554 und Nr. 6696.
Provinz Ladäk: Von A Yüra Kiom via Känji den
Timti La-Pass hinan, 12,800'- 15,500'; coli. 2. Juli 1856
Cat.-Nr. 5253. Von Khärbu Koma und Umgebungen, süd-
v\restl. von Da, gegen Shäksi, 11,600'— 10,500'; coli. 3. Juli
1856. Cat.-Nr. 5333. Von Tirati La-Passe via Timti Do
nach Kharbu Koma, 15,500' — 10,500'; coli. 2. und 3. Juli
1856. Cat-Nr. 6557.
Provinz Bälti: A Shingchäkbi, unter See Tso Ka,
linke Seite des Mustagh- Gletschers, 13,900'— 13,000'; coli.
19. August 1856. Cat.-Nr. 6034. Von Tsumgäki am Nord-
fusse des Chorbad La-Passes nach Poen, 14,400'— 8800';
coli. 9. Juli 1856. Cat.-Nr. 6062.
Die ganze Pflanze ist mit einer grünlich grauen Wolle
bekleidet, die jungen Blätter aber haben eine dichte gelbe
Wolle zur Bedeckung.
Die Stengel sind 10 — 12 Zoll hoch, einfach oder ästig,
bis zur Hälfte beblättert, oben kahl, einköpfig.
Die untern Blätter, 3 — 4 Zoll lang, sind gestielt, der
gefurchte Blattstiel endet am Grunde mit einer langen und
breiten Blattscheide.
Die Blatttheile sind nur 1 Linie lang, also viel kürzer
als in Chrysanthemum sericeum, mit welcher Art unsere
Pflanze Aehnlichkeit hat. Diese Lappen sind auch oft un-
getheilf, aber am Ende der Blätter immer 2- oder 3theilig.
Die Stengelblätter sind sitzend und den Stengel etwas um-
fassend.
Die Livolucralschuppen sind 1 Linie lang und mehr-
90 Sitzung der matK-phys. Gasse vom 9. Februar 1878,
reihig. Die Krone der Scheibenblüthen sind 1 Linie hoch,
gelb, fünfzähnig und becherförmig.
Die 30 Strahlblüthen sind 2 Linien lang und 1 Linie
* breit, lanzettlich, weiss und dreizähnig. Die Krone des
Achäniums besteht aus 5 Blättern, welche dreizähnig sind.
Das Achänium selbst zeigt lange erhabene Rufen. Chrysan-
themum Roylei hat untere Blätter, die 3- bis 5-handlappig sind.
Artemisia Schlagintweitiana P. W. Klatt. A.
suflFruticosa glabra erecta siraplex, foliis inferioribus ovato-
lanceolatis cuneato-dentatis , mediis lanceolatis integris,
sumrais bracteiformibus , capitulis spicato-racemosis, hemi-
sphäricis, bracteis tri-vel quinquefidis, involucri squamis
ovato-subrotundis margine scariosis, corollis pilosis.
Loc. Kfinldn; Provinz Yärkand: Von Kiuk Kiöl-
See nach A SikSndar Mokäm, 15,500'— 13,800'; coli. 15.
bis 18. Aug. 1856. Cat.-Nr. 12682.
Provinz Khotan: Von A Oitäsh an das untere Ende
des Büshia- Gletschers, Nordseite der Künliin-Kette, 15,500'
— 16,000'; coli. 27. Aug. 1856. Cat.-Nr. 12837.
(Diese Species scheint auf das Künliin- Gebirge be-
schränkt; sie hatte sich nirgend in den so ausgedehnten
Gebieten ähnlichen Klimas in Tibet gezeigt und es ist an-
zunehmen, dass schon die subnivale Hochregion der Nord-
seite des Karakorum-Kammes durch extreme Trockenheit
in Verbindung mit der bedeutenden Erhebung ihre Ver-
breitung begrenzt.)
Der Stengel ist 9 — 12 Zoll hoch, einfach oder wenig
ästig, die bis 2 Zoll langen Aeste sind fadenförmig, be-
blättert und Blüthenköpfe tragend.
Die 1 Linie im Durchmesser haltenden Blüthenköpfe
sind kurz gestielt und bilden Aehren. Die Deckblätter sind
3 — ötheilig. Die untern und die Wurzelblätter, 2 Zoll lang
und 3 Linien breit, verschmälern sich allmählig in den
H. V, Schlagintweit : lieber die neuen Compositen des Herbariums etc. 9 1
halbstengelumfassenden Blattstiel. Diese Art zeigt einige
Aehnlichkeit mit Artemisia integrifolia L.
Arteraisia Kohatica F. W. Klatt. A. caule suf-
fruticoso erecto superne ramoso, foliis inferioribus cinereo-
tomeDtosis pinnati-sectis, superioribnsglabris trifidis, summis
indivisis lineari - lanceolatis , capitülis spicato - paniculatis
ovali-ablongis breviter pedicellatis, involucris «cariosis, co-
rollis nudis.
Loc. Nordwestliches ludien; Provinz Pänjab:
Jämrud und Umgebungen, bei Peshäur, 1100' — 1500^;
coli. 2. Januar 1857. Cat.-Nr. 10240. — Von Kohat nach
Kalabägh, am westlichen Ufer des Indus, 1700'— 790'; coli.
5. bis 9. Febr. 1857. Cat.-Nr. 10688.
(Für diese ist Provinzangabe als Speciesbezeichnung
gewählt, weil diese Pflauze in der Provinz Kohat am zahl-
reichsten auftrat, wogegen sie selbst in den sonst ziemlich
ähnlichen Pflanzenregionen von Sindh und Gujerät nicht
vorzukommen schien.)
Der Stengel ist 12 — 18 Zoll hoch und sehr ästig; die
Aeste sind etwas bogig. Die untern Blätter, 2V2 Zoll lang,
sind gestielt und doppelt gefiedert, die Fiedern 6 — 7 Linien
lang, die Fiederchen aber 4 Linien lang und dreitheilig.
Die Blüthenköpfe, ^/a Linie im Durchmesser, sind mit
Deckblättern versehen.
Die Blüthen sind purpurroth und die zweitheilige Narbe
ist sehr rauh. Die Pflanze gehört in die Nähe von A. cam-
phorata Vill.
S aus s Urea acaulis F. W. Klatt. S. glabra, foliis
coriaceis confertis spathulatis sessilibus margine sinuato,
dentatis uninnervatis capitülis breve pedunculatis, involucri
squamis difi^ormibus.
lioc, K^rnJ^ortUn ; Provinz yärkp-jxd: Am Kara-
4
92 Sitzung der math.'phys. Glosse vom 9. Februar 1878,
korum-Plateau, nordöstlich vom^Passe, — - 17,000' — ; coli.
10. und 11. Aug. 1856. Cat.-Nr. 12792.
Diese Pflanze wird kaum 1 Zoll hoch. Die Blätter
sind 1 Zoll lang und 3 Linien breit. Die sehr kurz ge-
stielten Köpfe haben 4 Linien im Durchmesser und stehen
zu 3 bis 4 zwischen den Blättern.
Die Involucralschuppen sind von der Mitte bis zur
Spitze violett, die äussern breitoval, am Rande häutig, die
innern gezähnt.
Die braunrothe Samenkrone hat die Länge der Blüthen-
röhre. Der Griffel mit der Narbe erreicht die Länge der
Staubkolbenröbre. Die Zweige der Narben sind warzig, ein
wenig auseinandergehend.
Saussurea (Aplotaxis) chenopodifolia P. W.
Klatt. S. caule glabro erecto apice ramoso, foliis glabris
caulinis inaequaliter sessilibus ellipticis setosis, mediis si-
nuato-dentatis, summis entegris, corymbo composito poly-
cephalo, capitulis pedunculatis terminalibus, involucri glabri
cylindrici squamis oblongis acuminatissimis imbricatis, ex-
terioribus brevioribus, pappo plumoso 1-seriali.
Loc. Tibet; Provinz Hazora: Von Das viäGoltere
oder (Naugäii) nach Hazora (oder A'stor), Thalweg 10,900' —
7100'; coli. 8. bis 20. Sept. 1856. Cat.-Nr. 6410. Täshing und
Umgebungen, Abhänge am rechten Ufer des Hazora-Thales,
9500'— 10,200'; coli. 16. bis 24. September 1856. Cat.-
Nr. 6847 und Nr. 7411.
Der untere Theil dieser Pflanze ist mir unbekannt;
der mir bekannte obere Theil ist etwa 1 Fuss lang.
Die unteren Blätter an diesem Stengeltheile sind mit
dem Stengel abwechselnd verbunden, 2—3 Zoll lang und
l*/3 Zoll breit, die oberen verschmälern sich allmählig zu
Deckblättern.
Die gestielten Blüthenköpfe sind 9 — 10 Linien lang
H, V. Schlagintweit : üeber die neuen Compositen des Herbariums etc. 93
nnd 4 L. breit, zu 3 oder 4 mit einem gemeinsamen Stiele ver-
bunden, so Trauben bildend, welche an der Spitze de8
Stengels Rispen herstellen. Die Involucralschuppen sind oft
von der Mitte an rosenroth und immer am Rande und an
der Spitze scharf.
Die Kronenabschnitte sind kurz zugespitzt und die
Staubfaden länger als die Krone. Die Staubkolben sind am
Grunde geschwänzt,
Df.r GriflFel ist länger als die StaubfUdenröhre, warzig,
mit auseinandergehenden Aesten. Die Achänien sind ver-
kehrt eiförmig und undeutlich gestreift.
Die Samenkrone ist weiss, am Grunde verbunden und
so lang als die Kronenrohre. Diese Art gehört in die Nähe
von Saussurea albescens Schultz Bip.
Saussurea (Aplotaxis) stemmaphora F. W. Klatt.
S. caule erecto ramoso, foliis lyrato-primatifidis seraiam-
plexicaulibus subtus cano-tomentosis supra scabris, capitulis
terminalibus foliis circumdatis, involucri squamis erectis
membranaceis acuminatis, achaeniis quadrangularibus apice
quadridentatis.
Loc. Tibet; Provinz Ladäk: Da und Umgebungen,
rechteslndus-üfer, 9500'— 9700'; coli. 4. bis 15. Juli 1856.
Cat.-Nr. 1247. — Von Le nach Kältse, rechts im Indus-
Thale, 11,500'— 9600'; coli. 12. bis 14. Juli 1856. Cat.-
Nr. 1551.
Provinz Bälti: Skärdo und Umgebungen am linken
Ufer des Indus ,6900'— 7500' ; coli. 6. Aug. bis 4. Sept. 1856.
Cat.-Nr. 856.
Die Stengel sind 3 Zoll hoch, gestreift, mit Borsten be-
setzt, sehr ästig und beblättert. Die Aeste sind in Zweige
getheilt, die Blätter sind leierförmig getheilt, nur unter dem
Blüthenkopfe nicht, da mehr ungetheilt und eine Art zweites
Involucnim bildend.
94 SiUung der inatK-phys. Classe vom 9. Februar 1878.
Diese Blätter haben einen deltaförmigen Endlappen
und 2 oder 3 Seitenlappen, auch verschmälern sie sich nach
dem Anheftungspunkt, wo sie den Stamm oder die Zweige
umfassen.
Die Blöthenköpfe haben von 7 Linien bis 1 Zoll im
Durchmesser und enden den Stengel oder die Zweige,
welche unter dem Blüthenkopf hohl sind und zahlreiche
purpurrothe Blüthen tragen, eingeschlossen von einem schup-
pigen Involucrum.
Die Kronen sind regelmässig röhrig, ötheilig, die Ab-
schnitte länglich-linealisch. Die Staubgefasse überragen
die Kronenröhre, die Staubkolben sind am Grunde geschwänzt.
Der Griflfel ist fadenförmig, die zweitheilige Narbe in der
Staubkolbenröhre eingeschlossen.
Diese Narbe trägt unterhalb des gespaltenen Theiles
einen Ring voto zahlreichen Haaren, auch sind ihre Ab-
schnitte behaart. Das Haar besteht aus mehreren zarten
Theilen.
Die einzelnen Theile der Samenkrone sind alle am Bande
gewimpert. Saussureau ßoylei Schultz Bip. und Saussurea
cespitosa Wall, haben Aehnlichkeit mit unserer Art, aber
bei S. Roylei ist der Stengel einfach, ganz grau und lang
behaart, bei S. cespitosa ist er fast schaftförmig.
Saussurea (Aplotaxis) Schlagintweitii F. W.
Klatt. S. caule stricto anguloso simplici 1-cephalo folioso
apice tomentoso; foliis lineari-spathulatis mncronatis de-
currentibus sinuato-dentatis viridibus scabriusculis, summis
capitulo proximis bracteiformibus, involucri campanulati squä-
mis exterioribus densissime lanatis, interioribus coriaceis glabris
Loc. Kfinlön, Provinz Yärkand: Vom Kiuk-Kiol-
See via A Bashmalgün nach A Sikandar Mokäm, 15,500'
—13,800'; coli. 15. bis 18 Aug. 1856. Cat.-Nr. 12673
und Nr. 12678.
H, V, Seh lagintweit : Ueher die neuen Compositen des Herbariums etc 95
Die Pflanze ist krantig, astlps, 5 Zoll bis 1 Fuss hoch,
die Stengelblätter sind halbumfassend und daselbst spinn-
webig, die Wurzelblätter, welche an ihrem Grunde schei-
dig sind, werden 5 Zoll lang, und 3 Linien breit.
Die äussern Involucralschuppen sind blattartig, oft
sparrig, die inneren lederartig, an den Rändern schmal
trockenhäutig. Per Blüthenboden ist flach, die Blüthen
sind bauchig, purpurroth, mit gleichen und stumpfen Ab-
schnitten. Die Staubgefässe sind länger als die Krone.
Die Staubkolben zeigen sich am Grande geschwänzt,
der hervorstehende fadenförmige Griffel ist unter der Narbe
verdickt mit zwei länglichen warzigen Narbenästen.
Die Samenkrone ist weissfedrig. Die Achänien sind
verkehrt, eirund, gestreift und rauh.
In der ganzen äussern Erscheinung hat S. Schlagintweitii
die grösste Aehulichkeit mit S. obvallata Schultz Bip.
Saussurea (Aplotaxis) setifolia F. W. Klatt.
S. dense cespitosa ramoso squamoso apice folioso, foliis
confertissimis sabulatis setosis basi floccosis, capitulis ter-
minalibus caulis solitariis involucrantibus, involucri squamis
difformibus glabribus.
Loc. Earakordm; Provinz Yärkand: Am Plateau
nordöstlich vom Passe, — 17,000' — ; coli. 10. und 11. Aug.
1856. Cat.-Nr. 12803.
Die Stengel sind 3 Zoll hoch, die Blätter 3 — 4 Linien
lang und V* Linie breit, endigen mit einer weissen Borste,
nach dem Grunde gehen sie in eine breite, dunkelpurpur-
rothe dreinervige Blattscheide über, welche, besonders am
Anfang, mit langen weissen Haaren besetzt ist. Die Blüthen-
köpfe sind 2 — 3 Linien lang und breit.
Die äussern Involucralschuppen sind blattähnlich, an
dem breiten Grunde breiteiförmig, an dem Rande flockig,
dann werden sie pfriemenformig und enden mit einer weissen
96 Sitzung der math.-phys. Classe vom 9. Februar 187 S,
Borste, die innern sind breiteiförmig und lanzettlicb, zuge-
spitzt, trockenhäutig.
Die bauchigen Bliithen haben gleiche lanzettliche Ab-
schnitte. Die Staubfäden sind länger als die Krone.
Der GrifiFel ist kaum länger als die Staubfädenröhre,
die Narbe hat warzige Aeste. Die Saraenkrone ist röthlich,
Jurinea rosulata F. W. Klatt. J. foliis omnibns
radicalibus subtus scabris lyrato-pinnatipartitis partionibiis
ovatis sinuato-dentatis terminalibus basi aurieulatis, capitulo
solitario inter folia, sessili, involucri squamis glabris appen-
dlculatis, appendice in spinam longam abeuute.
Loc. Nordwestliches Indien; Provinz Pänjäb:
Peshäur und Umgebung, auf Seitenstufe westlich vom Indus-
Thale, 1500'— 1300'; coli. 18. Dec. 1856 bis 9. Jan. 1857.
Cat.-Nr. 2660, Nr. 2672, Nr. 2673 und Nr. 2738. — Von
Kalabägh via Lakki im WSW. nach Dera Ismael Khan,
rechte Seite des Indus, 790'— 480'; coli. 15. -bis 22. Febr.
1857. Cat.-Nr. 10373.
Westlicher Himälaya; Provinz Kashmir:
Kashmir-Thalbecken, durch Erosion entleert; Umgebungen
von Srinägar, 8 engl. M. im Umkreise davon, 5000'— -5300';
coli. 2. bis 20. Oct. 1856. Cat.-Nr. 4484.
Die Pflanze steht der J. rhizantha Fisch, und Meyer
sehr nahe, aber die Blätter sind „superne laevibus und
subtus langinoso incanis^S auch die Einschnitte sind nicht
„sublinearibus''.
Die Blätter sind 6 Zoll lang, grün auf beiden Seiten,
aber auf der Unterseite kurz weisshaarig. Die Tnvolucral-
schuppen sind 1 Zoll lang und am Anfang 2 Linien breit,
vollständig kahl und mit einem Stachel endigend.
Jurinea gnaphalioi'des F. W. Klatt. J. caule
erecto ramosissimo, foliis radicalibus lyrato-lobatis, caulinis
ramisque elliptiois sinuato-lobatis dentatisque, supra floccosis
H, V. Schlagintweit : Üeher die neuen Composiien des Herhariums etc. 9 7
sabtns cavo-tomentosis capitulis axillari-sessilibus, involucii
tomentosi squarais ovatis spiDOso-mucronatis.
Loc. Nordwestliches Indien; Provinz Pänjab:
Von Kalabägh viä Lakki im WSW. nach Dera Ismäel Khan,
rechte Seite des Indus, 790' — 480'; coli. 15. bis 22. Februar
1856. Cat.-Nr. 10378. Dera Ismäel Khan und Umgebungen,
am rechten Ufer des Indus, — 480' — ; coli. 23. bis 26.
Februar 1857. Cat.-Nr. 10790 und Nr. 10791. — VonKhel, im
Süden von Kalabägh am Indus, gegen Osten viä Värcha und
Chöia dera Salzgebirge entlang nach Gujrät im Jech Duäb ;
1400'— 2500'; coli 17. Februar bis 5. März 1857. Cat.-
Nr. 11138 und Nr. 11183.
Die Pflanze wird bis 2 Fnss, der Stamm ist ästig und
filzig, die zerstreuten Blätter sind sitzend, den Stengel und
die Zweige umfassend. Die Einschnitte und Zähne der
Blätter enden mit einem Stachel.
Die Blüthenköpfe sitzen in den Blattachseln, die dach-
ziegeligen Involucralschuppen sind mit einem grauen Filz
bedeckt und endigen ebenfalls mit einem Stachel.
Ainsliaea glumacea. F. W. Klatt., A. caule fo-
lioso apice ramoso, foliorum radicalium petiolo non alato,
limbo oblongo lanceolato sinuato-denticulato subtus cauleque
hirto, capitulis pedicellatis in paniculam elongatam dispositis.
Loc. Oestliches Indien; Provinz Khässia- Ge-
birge: Von Chcirapunji und Umgebungen gegen Mäirong,
2800'— 4500'; coli. 1. bis 30. Oct. 1855. Cat.-Nr. 391.
Die Pflanze wird 1 — iVs Fuss hoch. Der Stengel ist
rund, dicht und weich gelb-behaart, von der Mitte bis zur
Spitze ästig. Die Wurzelblätter, welche 2—3 Zoll lang
und 5 Linien breit sind, verschmälern sich in den ver-
breiteten Blattstiel.
Die oberen Blätter sind mit sehr langen Haaren be-
deckt, besonders in den Blattwinkeln.
[1878. 1. Math.-phy8. Cl.] 7
98 Sitzung der math.-phys. Classe vom 9. Februar 1878,
Die Deckblätter sind sehr scbmal und zugespitzt; die
Bltithenstiele werden 1 — 4 Linien lang. Die Blütlientöpfe
sind 2 Linien lang nnd dreiblüthig.
Die Involucralschuppen bilden 3 Reihen, alle sind kahl
und an den Rändern häutig, die dritte Reihe ist in Hin-
sicht der Länge unter sich gleich und sehr spitz.
Die Achanien sind lang behaart. Die fedrige Samen-
krone ist länger, als die Blüthe.
Prenanthes callosa F. W. Klatt. P. caule erecto
glabro ramoso apice paniculato, foliis caulinis cordato-ample-
xicaulibus oblongis sinuato-dentatis, dentibus callosis, summis
lineari-lanceolatis, capitulis cylindricis pedicellatis nutanti-
bus 3—4 floris.
Loc. Tibet; Provinz Hazöra: Von Gue nach A
Pättere Brok, 8000'— 10,000'; coli. 13. Sept. 1856. Cat.-
Nr. 6220. — Von Das via Goltere (oder Naugaü) nach
Hazöra, Thalweg 10,900'- 7100'; coli. 8. bis 22. Sept. 1856.
Cat.-Nr. 6390. — Von Täshing nach Hazöra, 9500' bis.
7200'; coli. 15. bis 22. Sept. 1856. Cat.-Nr. 7405.
Von dieser sehr schönen Pflanze habe ich nur den
oberen Theil gesehen. Der Stengel ist rund, kahl und in
2 oder 3 Aeste getheilt. In der Gestalt der Blätter gleicht
diese Art der P. Javanica, wie sie in Burmann's Fl. ind.tab.
57 fig. 1 dargestellt ist, aber die Anordnung der Blüthen
ist verschieden.
Jeder Blüthenkopf ist kurz gestielt, mit einem, deck-
blattähnlichen Hochblatt am Grunde. Der Hüllkelch be-
steht aus 3 — 4 kurzen und 4— 6 langen und gleichen Blättern,
welche häutig und auf der Unterseite an der Mittelrippe,
sowie an der Spitze, mit langen scharfen und durchsichtigen
Borsten besetzt sind. Die Achanien sind rippig gestreift
und an diesen Rippen sowie an den Rändern scharf.
Die Schuppen der Samenkrone sind zugespitzt.
Oeffentliche Sitzung der k. Akademie der Wissen-
schaften.
zur Feier des 119. Stif tangstages
am 28. März 1878.
Der Secretär der mathematiscli-pliysikalischen. Classe
Herr v. K ob eil zeigt nachstehende Todesfälle der Mit-
glieder an.
1) Alexander Braun.
Geb. am 10. Mai 1805 za Begensburg.
Gest. am 29. März 1877 za Berlin.
Braun kam in frühester Jugend nach Karlsrahe, da
sein Vater i. J. 1807 als Postdirectionsrath in Badische
Dienste getreten war. Die Neigung des Knaben zur Natur-
geschichte, namentlich zur Botanik, gab sich bald zu er-
kennen, und fand durch seine Eltern vielfache Unterstützung.
Nach mehrjährigem Privatunterricht trat er im elften Jahre
in das Karlsruher Lyceum, wo K. Christian Gmelin seine
Studien leitete. Durch fortgesetzte Excursionen machte er
sich bald mit der Flora des Landes bekannt und zogen da-
bei besonders die Kryptogamen seine Aufmerksamkeit auf
sich. Der vorzügliche Kryptogamenkenner , Apotheker
G. P. Ma er kl in inWisloch förderte seine Kenntnisse und
vermittelte ihm einen Tauschverkehr mit den angesehensten
7*
100 Oeff entliche Sitzung vom 28, März 1878,
Botanikern Deutschland. Im J. 1822 erschien in der Zeit-
schrift der Regensburger botanischen Gesellschaft, Flora,
sein erster schriftstellerischer Versuch „Bemerkungen über
einige Lebermoose."
1824 bezog Braun die Universität Heidelberg und
studirte Medicin und Naturwissenschaften. Er machte da-
selbst 1826 die Bekanntschaft von Carl Schimper und
Louis Agassiz und trat besonders mit letzterem, dessen
Kenntnisse und gelehrte Begabung er in seinen Briefen her-
vorhebt, in regen Verkehr des Sammeins und Bestimmens.
Er fühlte sich glücklich, an ihm einen, an seinen"* Bestreb-
ungen theilnehmenden Freund gefunden zu haben. Auch
Schimper war von Einfluss auf seine Stadien und das
schöne Zusammensein der drei Forscher wurde weiter 1827
in München fortgesetzt, wo sie durch den Umgang mit
Oken, Schelling, Schubert, Martius u. a. ihre
Kenntnisse erweiterten.
Im Herbste 1828 machte Braun mit Agassiz und
den Freunden M. Trettenbacher und Morre eine Reise
nach Salzburg und in die Alpen. Sie bestiegen den Gross-
glockner und Pasterzengletscher und brachten reiche Pflanzen-
schätze nach Hause. Im folgenden Jahre beschäftigte sich
Braun eingehend mit den Gestaltungsgesetzen der Pflanzen
und entdeckte das Gesetz der Blattstellungs-Spirale an der
Schuppenstellung des Tannenzapfens , eine Entdeckung,
welche von ihm weiter verfolgt, viele Räthsel der Morpho-
logie löste und seinen Namen berühmt machte. Er rief sie,
von einem Spaziergang heimkehrend mit einem freudigen
Heureka seinen Freunden zu.
Im J. 1832 besuchte er Paris und verkehrte mit den
berühmten Fachgelehrten Perottet, Decaisne, Delesse, Bron-
gniart, Jussieu u. a. Auch den fossilen Pflanzen widmete
er da bei Brongniart seine Studien.
In die Heimath zurückgekehrt erhielt er eine Anstell-
von Köhell: Nekrolog auf Alexander Braun, 101
nng an der polytechnischen Schule und wurde 1837 Dir ector
am Naturalienkabinet. 1845 folgte er einem Rufe an die
Universität Freiburg, wo er vielfache Anregung zu seiner
wissenschaftlichen Beschäftigung fand, welche freilich durch
die Badische Revolution in den Jahren 1848 und 1849 ge-
stört wurde. Mit Bezug auf seine damaligen Untersuchungen
über Morphologie und Physiologie der Algen erschien sein
Prorectoratsprogramm „Ueber die Verjüngung der Natur".
Im Jahr 1850 kam Braun als Professor der Botanik und
Director des botanischen Oartens nach Giessen, wo er sich
des Umgangs mit Liebig, Hoffm^nn, Kopp u. a. er-
freute. Er erwai:b hier eine reiche Sammlung fossiler Pflanzen
aus der Wetterauer Braunkohlenformation und konnte darin
zuerst vorweltliche Beeren, Kerne und Blätter von Wein-
reben nachweisen. Durch Vermittlung Leopolds von
Buch nahm er dann einen Ruf nach Berlin an und wurde
Link's Nachfolger. Seine Vorlesungen an der Universität
versammelten einen Kreis eifriger Zuhörer und die botani-
schen Excursionen, welche er damit verband, lernten ihn
stets in seiner Vielseitigkeit und Liebenswürdigkeit zur
Freude der Theilnehmer kennen.
Braun hat seine Ansichten über den allgemeinen Ent-
wicklungsprocess der organischen Natur unter andern in
einer, am Stiftungstag des medicinisch-chirurgischen Fried-
rich-Wilhelms-Instituts am 2. August 1872 gehaltenen Rede
ausgesprochen und besonders die geologischen Documente
dafür hervorgehoben, welche den Fortschritt vom Niederen
zum Höheren unzweifelhaft darlegen. Er tritt der Annahme
Cuvier's entgegen, dass wiederholte Vernichtung und
Neuschöpfung stattgefunden habe. Im Zusammenhang be-
spricht er die Theorieen Dar win's und Hack el's und er-
klärt den vorzugsweise bestimmenden Einfluss äusserer Agen-
tien für unhaltbar, indem er sich für Nägel i's, den
Organismen inwohnendes Prinzip der Vervollkommnung er-
102 Oeff entliehe Sitzung vom 28. März 1878,
klärt. — Rei mehreren Gelegenheiten betonte er, dass die
rechte Naturbetrachtung den Geist vom Geschöpf zum
Schöpfer führen müsse. —
Unter den Gelehrten Gesellschaften, deren Mitglied er
war, hob er besonders anerkennend die Unterstützung her-
vor, welche ihm die Eaiserl. Leopoldinische Akademie durch
Publication mehrerer seiner Schriften angedeihen Hess. Sein
70. Geburtstag wurde im J. 1875 und im folgenden sein 25-
jähr. Jubiläum der Lehrthätigkeit in Berlin, in glänzender
Weise gefeiert. Bald darauf endete sein schönes, an Arbeit
und an Liebe reiches Leben.*) —
2) ürbain Jean Joseph Leverrier.
Geb. am 11. März 1811 zu Saint-Ld Deptm. La Manche.
Gest. am 23. September 1877 za Paris.
Leverrier war Anfangs Ingenieur bei der Tabaks-
Eegie, dann Lehrer am College Stanislas in Paris und Re-
petent an der polytechnischen Schule. 1846 wurde er
Professor derMecanique Celeste bei derFaculte des Sciences
und 1854 Director der Sternwarte. Er war auch Senator
und Mitglied des Conseil superieure de Tlnstruction publique.
Mitglied des Instituts seit 1846.
Seine ersten wissenschaftlichen Arbeiten waren chemi-
sche Untersuchungen über Verbindungen des Phosphors
mit Wasserstoff und Sauerstoff. Sie sind von 1835 bis
1837. Dann wandte er sich astronomischen Studien zu
und beschäftigten ihn vorzüglich die Bewegung und die
Bahnen der Planeten und die dabei beobachteten Störungen.
Die Untersuchungen betrafen insbesondere den Merkur und
1) Einen aasführlichen Nekrolog enthalten die Schriften der Leo-
poldina von 1877 and findet sich da auch ein Verzeichniss seiner zahl-
reichen Abhandlungen nnd Vorträge. —
V. Kobell: Nekrolog auf Urbain Jean Joseph Leverrier. 103
und den Uranus, die seculären Veränderungen der elliptischen
Elemente der sieben Hauptplaneten und die Störungen in
den Cometenbahnen.
Ein vollkommener Rechner und mit genialem Blick
begabt, schloss er (1846) aus den anomalen Bewegungen
des Uranus auf einen, diese veranlassenden, damals unbe-
kannten Planeten, dem Neptun, welcher dann auch von
Galle an der bezeichneten Stelle aufgefunden wurde. Eine
solche Entdeckung , gemacht ohne das Hilfsmittel guter
Sternkarten und geeigneter Instrumente, nur durch scharf-
sinnige Anwendung der Rechnung und richtigen Angriff
der Aufgabe, hat Leverrier verdienter massen in die Reihe
der Astronomischen Celebritäten erhoben.
Alle seine Arbeiten im Gebiete der Astronomie geben
Zeugniss seines ausserordentlichen Fleisses und einer bis in's
Kleinste gehenden Genauigkeit der mathematischen Be-
handlung. —
3) Alfred Wilhelm Yolkmann.
Geb. am 1. Juli 1801 za Leipzig.
.Gest. am 21. April 1877 in Halle.
Volkmann machte seine ersten Studien in seiner
Vaterstadt Leipzig, wo er 1826 als Doctor der Medizin
promovirte, 1828 Privatdocent wurde und^ 1834 Professor
extraord. in der medicinischen Facultät. Er kam dann als
ordentl. Professor der Physiologie 1837 an die Universität
zu Dorpat und, 1843 nach Deutschland zurückgekehrt, in
gleicher Eigenschaft nach Halle, wo er 1854 auch die Pro-
fessur der Anatomie übernahm.
Volkmann gehörte nach dem Zeugniss der Fach-
männer zu den verdientesten Physiologen. Er machte sich
durch eine Antropologie, sowie durch eine Schrift über das
104 Oeffentliche Sitzung vom 28, Märe 1878.
Auge und das Sehen zunächst in der gelehrten Welt vor-
theilhaft bekannt. Es gehören dahin seine Untersuchungen
über das Netzhautbildchen, über Accomodation, über die
Lage der Kreuzungspunkte der Lichtstrahlen im ruhigen
und bewegten Auge u. a. Sehr eingreifend auf die neuere
Physiologie des Nervensystems wirkten seine mit Professor
Bidder in Dorpat gemeinschaftlich geführten mikrosko-
pischen Untersuchungen über die sympatischen Nerven, und
besondere Berühmtheit ist ihm durch seine Forschungen über
die Gesetze der Blutbewegung geworden, die er in seiner
Schrift „Hämodynamik'* niederlegte. — In den letzten
Jahren beschäftigte er sich mit der schwierigen Aufgabe
der Muskelbewegungen und bot manches wichtige Material
zu weiteren Studien dieses Gegenstandes.
4) Filippo Farlatore.
Geb. am 8. August 1816 in Palermo.
Gest. am 9. September 1877 in Florenz.
Pariatore begann seine wissenschaftliche Laufbahn
mit philosophischen und wissenschaftlichen Studien, bald
aber gab er sich mit Vorliebe botanischen Forschungen hin
und sammelte eifrigst das Material zu einer Flora Siciliana,
welche er in mehreren Abhandlungen bearbeitete. Im J. 1842
wurde er als Professor der Botanik und Pflanzenphysiologie
nach Florenz berufen und zum Directör des physikalischen
und naturhistorischen Museums daselbst ernannt und seiner
Aufsicht und Pflege der botanische Garten anvertraut. Hier
publicirte er seine Vorlesungen über vergleichende Botanik,
wo er Beziehungen und Analogieen im Pflanzen- und Thier-
reich hervorhob. In dem von ihm und anderen Fachgelehrten
herausgegebenen Journal für italienische Botanik machte er
seine Monographie der Fumarien bekannt und weiter sein
V. Köbell: Nekrolog auf Johann Jakob Nöggerath, 105
Hauptwerk der Flora Italiens (1848) wobei er die geogra-
phischen Verhältnisse besonders berücksichtigte und durch
Reisen, welche sich bis in den Norden Europa's erstreckten,
die Pflanzenvertheilung erforschte. Seine Freundschaft mit
dem Engländer Philipp Barker Webb, welcher, ein
sehr gebildeter Botaniker, seinen Aufenthalt in Florenz ge-
nommen hatte, und daselbst starb, führte durch Vermächt-
niss dessen reiches Herbarium und schöne Bibliothek, sowie
eine bedeutende Jahresrente dem botanischen Institut in
Florenz zu und erhob es zu einem der ersten in Europa.
Im J. 1841 veranlasste er von Paris aus, durch ein
Schreiben an den wissenschaftlichen Congress in Florenz,
die Bildung eines Centralherbariums daselbst, mit welchem
er eine Sammlung verband, welche Anwendungen der Pflanzen
in der Industrie, im Handel und in der Kunst erläuterte.
Seine vielen Arbeiten brachten ihn in Verkehr mit der
gesammten gelehrten Welt und zahlreiche Ordensverleih-
ungen und Diplome bezeugten die allgemeine Anerkennung
seiner Leistungen.
5) Johann Jakob Nöggerath.
Geb. am 10. Oktober 1788 zu Bonn.
Gest. am 13. September 1877 ebenda.
Nöggerath erhielt seinen ersten Schulunterricht an
der Ecole centrale in Köln im J. 1800. Schon damals zeigte
sich bei ihm eine besondere Neigung für das Studium der
Mineralien und diese Vorliebe wurde unterstützt und ge-
fordert durch den Arzt BÜ. W. Nose, bekannt durch seine
orographischen Briefe über das Siebengebirg und die Eifel.
Im J. 1808 publicirte der junge Forscher „Mineralogische
Studien über die Gebirge am Niederrhein und konnte sich
auf dem Titel als Mitglied der Mineralogischen Gesellschaft
ZTX Jena bezeichnen. Eine weitere Schrift behandelte die
106 Oeffentliche Sitzung vom 28. März 1878,
Braunkolilenla^er von Friesdorf und den dort vorkommen-
den Alaunthon und damit sowie durch eine her g mann ische
Prüfung erwarb er sich die Anwartschaft auf die Stelle
eines Bergmeisters. Nachdem im J. 1814 die Franzosen aus
den Rheinlanden abgezogen waren, wurde Nög gerat h zum
Berg-Commissär für das Roer- Rhein- und Mosel-Departe-
ment ernannt und der Eintritt in den preussischen Berg-
werksdienst angebahnt. 1820 wurde er zum Bergrath er-
nannt, 1824 zum Oberbergrath und 1845 zum Geheimen
Bergrath. Schon 1818 functionirte er als Professor extra-
ordinarius für Mineralogie an der Universität Bonn und seit
1821 als Ordinarius. 1864 feierte er sein 50 jähriges Dienst-
jubiläum und wurde mit Orden und Diplomen vielfach aus-
gezeichnet.
Seine Doppelstellung beim Oberbergamt und an der
Universität begünstigte seine Thätigkeit in Ausbildung junger
Leute zu Bergbeamten und hat ihm sein Eifer darin und
sein Wohlwollen die allgemeinste Liebe und Anhänglichkeit
gewonnen. Seine Vorlesungen an der Universität betrafen
Mineralogie und Geognosie , pharmaceutische Mineralogie
und Bergverwaltung, ausserdem Encyklopädie der gesammten
Mineralogischen- und der Bergwerkswissenschaften, Natur-
geschichte der Feuerberge und Erdbeben und Anleitung
zu geognostischen Reisen. Man sieht, wie mannigfaltig seine
Kenntnisse waren und wie er den Kreis seiner Forschungen
erweiterte. Bald waren es einzelne Mineralspecies , über
welche er Beobachtungen mittheilte, namentlich über deren
, Vorkommen, bald waren geologische Erscheinungen Gegen-
stand seiner Besprechungen oder Technologisches über die
Anwendung von Gesteinen. — Eine ausführliche Arbeit
hat er über die Bildung der Achatkugeln oder -Mandeln
publicirt und weiter die Achat-Industrie von Oberstein und
Idar beschrieben. Er berichtet über die Methoden des künst-
lichen Färbens der Achate und Ghaicedone und zeigt durch
V, Kobell: Nekrolog auf Johann Jakob Nöggerath, 107
betrefifende historische Studien , dass solches Färben und
das Imitiren von Edelsteinen schon bei den Alten geübt
wurde, eine Kunst, von der Plinius sagt, dass keine Art
von Betrug so lohnend sei. —
Die Versammlungen deutscher Naturforscher und Aerzte,
welche Oken gründete, hatten für Nöggerath eine beson-
dere Anziehung und viele seiner Abhandlungen wurden durch
sie angeregt und kamen dabei zum Vortrag. So in Berlin
1828 die Abhandlung „üeber das relative Alter der Ge-
birgsbildungen im Siebengebirg" , in Prag 1837 das Buch
,, Ausflug nach Böhmen und die Versammlung der Deutschen
Naturforscher und Aerzte in Prag; in Pyrmont 1839 über
Gesteins-Einschlüsse ^n Basalt, in Mainz 1843 über die Ar-
tefacten-Breccie im Bingerloch , in Aachen 1847 über die
geologischen Orgeln und so weiter in Göttingen, Wien,
Bonn, Giessen und Hannover. Es wurde ihm regelmässig
die Ehre zu Theil, in der mineralogischen Section zum Prä-
sidenten gewählt zu werden und berühmte Gelehrte, auch
des Auslands, wie Murchison, Elie de Beaumont, Daubree
u, a. spendeten Beifall seiner Thätigkeit. — Er besuchte
1838 die Wanderversammlung der geologischen Gesellschaft
von Frankreich in Strassburg und 1840 den geologischen
Congress in Paris und machte mehrere wissenschaftliche
Reisen an den Harz, in die Schweiz u. a. — Er besprach
gern Gegenstände seiner Wissenschaft in populären Dar-
stellungen und viele betrefifende Aufsätze sind in den „Ge-
meinnützigen Rheinischen Provincialblättern", im „Auslande",
n „Westermanns Monatsheften" und andern Zeitschriften
erschienen.
Für die Stadt Bonn war Nöggerath auch im Stadt-
verordneten - Collegium ein sehr, geschätztes Mitglied und
ebenso in den Provincial-Landtagen. Sein aufgeweckter Geisti
in grosser Vielseitigkeit bewährt, sein wohlwollender Cha-
108 OeffentUche Sitzung vom 28. Märe 1876.
rakter und sein heiteres Gemüth hat ihm stets entgegen-
kommeude Zuneigung gewonnen und sein Dahinscheiden ist
allerwärts beklagt worden.
6) Henri Yictor Begnanlt.
Geb. am 21. Jnli 1810 za Aachen.
Ge8t. am 19. Januar 1878 zu Auteil.
Regnault erhielt seine erste wissenschaftliche Bildung
an der Ecole polytechnique zu Paris (1830—1832), wo er
als Eleve in das Corps de Mines eintrat; seit 1847 war er
Ingenieur-en-chef 2. Classe und zugleich Professor der Chemie
an der polytechnischen Schule und Professor der Physik am
Colldge de France. 1854 wurde er Director der Porcellan-
fabrik in Sevres. Er wurde, noch nicht 24 Jahre alt, schon
Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Paris.
Seine wissenschaftlichen Arbeiten betreffen ebenso die
Chemie wie die Physik. In den ersteren sind seine Abhand-
lungen über ätherartige Verbinduugen , über Naphtalin-
schwefelsäure und deren Salze, Pektinsäure, Mekonin, Py-
krotoxin und ähnliche organische Verbindungen zu nennen,
über die Verbindungen des Kohlenstoffs mit Chlor, und seine
ausführlichen Untersuchungen über die Brennmaterialien des
Mineralreichs, auch Bestimmung des Fluors bei Mineral-
analysen und Analysen von Lithionit, Diallage, Spo-
dumen u. a.
Zumeist aber und fortgesetzt beschäftigte ihn das Ver-
halten der Körper in ihren verschiedenen Zuständen zur
Wärme, Bestimmung der spec. Wärme und ihres Verhält-
nisses zum Atomgewicht, Ausdehnung der Gase durch die
Wärme und Bestimmung ihrer Dichtigkeit, Spannkraft der
Dämpfe und Aehnliches. Er verfuhr dabei mit grösster Ge-
nauigkeit und Berücksichtung aller Einfluss übenden Ver-
hältnisse. Er construirte Apparate zur Bestimmung des spec.
V. KoheU : Nekrolog auf Elias Magnus Fries, 109
Gewichts von Gasen und Dämpfen und Instrumente zum
Messen hoher Temperaturen und Gasdrucke.
Eine hervorragende Arbeit bilden seine Untersuchungen
zur Verificirung des Gesetzes von Dulong und Petit,
dass das Product, welches man durch Multipliciren der spec.
Wärme eines Elements mit seinem Atomgewicht erhält, stets
denselben Werth habe. Er suchte Ausnahmen zu beseitigen,
indem er für angezeigt hielt, die Atomgewichte des Kalium,
Natrium, Lithium und des Silbers nur halb so gross zu
nehmen, als bisher geschehen war. Seine umfangreiche Thä-
tigkeit auf einem mit vielen Schwierigkeiten verbundenen
Forschungsgebiete hat seinem Namen anerkennende Berühmt-
heit verliehen. Die Königl. Gesellschaft in London zeichnete
ihn durch ihr Diplom und die Verleihung ihrer Medaille
aus. —
7) Elias Magnus Fries.
Geb. am 15. August 1794 auf der Pfarre Femsjd in Smoland.
Gest. am 8. Februar 1878 zu Upsala.
Elias Fries, früher Professor der Botanik in Lund
und nach dem Tode Wahlenberg 's auf den Lehrstuhl
Linnens nach üpsala berufen, hat durch seine Verdienste
um die Kryptogamenlehre grosse Berühmtheit sich erwor-
ben. Martins sagt von ihm, dass er als der Schöpfer der
neueren Pilzkunde bezeichnet werden könne. Sein Systema
mycologicum sistens Fungorum ordines etc. ist 1821 — 1823
in 3 Bänden erschienen und hat mehrere Fortsetzungen er-
halten. Unter seinen zahlreichen Schriften wird auch seine
Lychenographia europaea und die Monographia Hymenomy-
cetum mit Auszeichnung genannt, ebenso die Abhandlung
„Summa Vegetationis Scandinaviae" und seine allgemeinen
Betrachtungen über das Pflanzenreich. Er war ein Meister,
seine genialen Ideen in wohllautender Form darzustellen.
Fries war Secretär der kgl. /Akademie der Wissen-
110 Oeff entliche Sitzung vom 28. März 1878.
Schäften in Upsala nnd Ritter des Nordstern- und des dä-
nischen Daneberg-Ordens.
8) Angelo Secchi.
Geb. am 29. Jani 1818 za Reggio in der Aemilia.
Gest. am 26. Februar 1878 in Rom.
Secchi war Jesuit, er wurde im CoHegio lUiriaco-
Lauretano bei Loreto und im Georgetown-College bei Wa-
shington zum Mathematiker und Astrono^len gebildet und
später am letztgenannten CoUegium Professor der Physik
und Mathematik, dann Director der Sternwarte und Pro-
fessor der Astronomie am Collegio Romano in Rom.
Secchi hat seine Studien besonders der physischen Be-
schaffenheit der Himmel8köri)er zugewendet. Eine Reihe von
Untersuchungen betreffen die Oberfläche der Sonne, die Ver-
theilung der Wärme auf ihr und deren verschiedene Inten-
sität, die Sonnenflecken, Sonnenfinsternisse und Aehnliches.
Er schrieb darüber ein sehr geschätztes Werk in franzö-
sischer Sprache „Le soleil." Zahlreich sind auch seine Be-
obachtungen über den Mond, über dessen Atmosphäre und
die Eigenthümlichkeit seines Lichtes. Die Mondphasen hat
er in photographischen Bildern dargestellt. Zur Messung der
Intensität des Sternenlichtes überhaupt hat er ein neues
Photometer beschrieben und Beiträge für die Spectralana-
lyse der Fixsterne geliefert. Daneben sind seine Arbeiten
über Erdmagnetismus und dessen periodische Veränderungen
zu erwähnen, über electrische Rheometrie und electrische
Telegraphie. Er beschrieb ein neues barometrographisches
Instrument, verschiedene Mikrometer und einen Apparat
zur Verzeichnung meteorologischer Phänomene.
Secchi war Präsident der päpstlichen Akademie der
Wissenschaften, Academia dei Lincei, in Rom, Mitglied der
Pariser Akademie und der Royal - Society und Offizier der
Ehrenlegion.
V. Köbell : Nekrolog auf Ernst Heinrieh Weher. 111
9) Ernst Heinrich Weber.
Geb. am 24. Juni 1795 in Wittenberg.
Gest. am 26. Januar 1878 in Leipzig.
H. Web er 's Studien bewegten sich im Gebiete der
Anatomie und Physiologie. Für beide Wissenschaften do-
cirte er an der Universität zu Leipzig, 1818 als Professor
der vergleichenden — und 1821 als Ordinarius für mensch-
liche Anatomie, seit 1840 als Professor der Physiologie.
I Von seinen anatomischen Arbeiten wird die Herausgabe
des Lehrbuches der Anatomie von Friedrich Hilde-
brandt mit Auszeichnung erwähnt; sie war eine neue Be-
arbeitung der Anatomie und wird als der Anfang der fol-
genden glänzenden Entwicklang dieser Wissenschaft be-
zeichnet. Als Physiologe zeichnete er sich durch Anwendung
physikalischer Lehren insbesondere aus^ so durch die mit
seinem Bruder Wilhelm Eduard Weber begründete
Wellenlehre für den Kreislauf des Blutes, durch seine Un-
tersuchungen über den Puls, über den Tastsinn, über das
Gehörorgan, über die Bewegungen der Iris. Er war auch
der Entdecker des merkwürdigen Einflusses des Nervus vagus
und der MeduUa oblongata auf das Herz.
Mit dem kenntnissreichen Manne ist der Senior der
lebenden Anatomen und Physiologen Deutschlands zu Grabe
gegangen. —
Auch hat die Classe den Veilust des berühmtesten Ver-
treters der Physiologie in Frankreich, des Dr. Claude^
Bernard zu beklagen. Er war am 12. Juli 1813 im Rhone-
Departement (zQ St Julian) geboren und starb am 11. Fe-
bruar 1878 in Paris.
Bernard kam mit 21 Jahren nach Paris und wollte
sich der schöngeistigen literarischen Laufbahn widmen. Seine
betreffenden Versuche hatten aber wenig Erfolg und so er-
griff er das Studium der Heilkunde und der Naturwissen-
schaften. Er zeichnete sich darin als Assistent des Physio-
112 OeffentUche Sitzung vom H8, März 1878.
logen Magendie am College de France so aas, dass er im
J. 1854 zum Professor der allgemeinen Physiologie an der
naturwissenschaftlichen Facultät von Paris, dann zum Pro-
fessor der Experimentalphysiologie am College de France
ernannt und später für den Lehrstuhl für allgemeine Phy-
siologie im Museum des Jardin des Plantes berufen wurde.
Seine vorzuglichsten Arbeiten betreflfen das Gebiet der Ner-
venphysiologie und seine vielfachen Untersuchungen über
Stoffwechsel und Secretionen, über die Leber und die Zucker-
krankheit, thierische Wärme, Wirkungen der Gifte etc. haben
seinen Namen weit berühmt gemacht. Seine Experimental-
Vorlesungen zogen zahlreiche Schüler aus der ganzen Welt
nach Paris und sein Werk „Tntroduction ä T^&tude de la
medicine experimentale" erfreute sich des ungetheiltesten
Beifalls der Fachmänner. Er war der Nachfolger von Flou-
rens in der franzosischen Akademie. Das Abgeordneten-Haus
hat für seine Bestattung auf Staatskosten 10,000 Frcs. be-
willigt.
10) Julius Robert y. Mayer.
Geb. am 25. November 1814 zu Heübronn.
Gest. am 20. März 1878 ebenda.
Robert v. Mayer war der Sohn des Apothekers Mayer
in Heilbronn, besuchte da das Gymnasium und 1827 die
Universität Tübingen, wo er sich den medicinischen Studien
widmete, später studirte er in München und Paris. 1840
ging er von Holland aus als Schiffsarzt in See und ver-
weilte ein halbes Jahr auf Java. 1841— 45 war er Oberamts-
Wundarzt in Heilbronn und von 1847 an Stadtarzt.
Mayer hat durch seine genialen Arbeiten über die
Mechanik der Wärme eine Berühmtheit erlangt, wie sie
einem Gelehrten selten zu Theil wird. Keiner der in ähn-
licher Richtung Forschenden hat so erfolgreich wie er die
Theorie der Wärme verwerthet. — Er hatte in Java Be-
V. Köbetl: Nekrolog auf Julius Mobert v, Mayer, 113
obachtüngen über die Färbung des Blates an einigen seiner
Patienten gemacht, welche seine Anfmerksamkeit auf die
Frage der thierischen Wärme lenkte und er erkannte, dass
der Satz, dieselbe Quantität Brennmaterial gebe dieselbe
Quantität Wärme auch für die Processe des organischen
Lebens gelte, dass demnach der lebende Körper unfähig sei,
unmittelbar und gleichsam aus Nichts Wärme zu erzeugen,
sowie dass die vom lebenden Körper erzeugte Wärme mit
der dazu verbrauchten Arbeit in einem unveränderlichen
Grössenverhältniss stehen muss, dass die Kräfte verwandelbar,
aber nicht zerstörbar seien, dass während des Lebenspro-
cesses nur eine Umwandlung der Materie wie der Kraft
aber niemals eine Erschaffung der einen oder der anderen
vor sich gehe.
Die Erstlinge seiner Forschungen hat er in Liebigs An-
nalen von 1824 bekannt gemacht und zunächst die Kräfte
der unbelebten Natur besprochen, in weiterer Entwicklung
dann „die organische Bewegung in ihrem Zusammenhang
mit dem Stoffwechsel (Heilbronn 1845). 1851 erschien von
ihm eine Abhandlang über das mechanische Aequivalent
der Wärme.
Mayer hat von seiner Theorie auf verschiedenen Ge-
bieten Anwendung gemacht und auch die Wärmemenge in
Betrachtung gezogen, welche durch die Schwere beim Zu-
sammenstoss von Körpern aus entsprechenden Entfernungen
entstehen kann. Dabei äussert er den Gedanken, dass auf
solche Weise Licht und Wärme der Sonne von den fort-
während auf sie einstürzenden Meteoriten erhalten werden
möge, eine Hypothese, neben welcher er wenigstens die sonst
gangbaren Annahmen als unhaltbar erwiesen hat. Es ist
beim üeberblick seiner Forschungsresultate hervorzuheben,
dass sie ihren Ursprung nicht einem durch viele Experi-
mente gebotenen Material verdanken, sondern zumeist die
Frucht genialer Speculationen sind und dass seine ent-
[1878. 1. Math..pliy8. Cl.] 8
114 Oe/fenÜiehe Sitzung vom 28. März 1878,
wickelten Gesetze aus yerhältnissmässig wenigen Daten durch
eine Reihe correcter Schlussfolgerungen hervorgegangen sind.
Der König von Würtemberg hat den verdienten Ge-
lehrten durch Verleihung des Eronordens ausgezeichnet und
die Royal Society hat ihm die Copley- Medaille zuerkannt.
Einaendyngen von Drudssehrifien. 115
Yerzeiehniss der eingelaufenen Bflehergeschenke.
Vom ncUtirforschenden Verein in Brunn:
Verhandlungen. Bd. XV. 1877. 8®.
Von der ncUurforschenden Gesellschaft Grraubündens in Chur:
Jahresbericht. Neue Folge. XX. Jahrg. Vereinsjahr 1875—76.
1877. 8^.
Von der naturhistorischen Gesellschaft in Nürnberg:
Abhandlungen. VI. Bd. 1877. 8^.
Von der deutschen chemischen Gesellschaft in Berlin:
Berichte. 11. Jhrg. No. 1. 1877 — 78. 8®.
Vom Reale Osservatorio di Brera in Mailand:
Pubblicazioni No. XU. Su alcuni temporali, da Paolo Fri-
siani. 1877. 4^
Von der ConnecHcut Academy of Arts (md Sciences
in NeW'Haven:
Transactions. Vol. IV. 1877. 8®.
Vom physikalischen Centräl-Ohservatorium in St. Petersburg:
Bepertorium für Meteorologie. Bd. 5. Heft 2 und Supple-
mentband I. Hälfte. 1877. 4^
8*
116 Einsendungen von DruchschrifUn,
Von der Sociiti de gix>graphie commerciale in Bordeaux:
BuUetin. No. 4. 1878. 8^.
Von der Äcctdimie Soycde de-midecine in Brüssel:
BuUetin. 3* S^rie. Tom. XH. 1878. 8^.
Vom Bureau de la recherche giologique de la Sukde in Stockholm:
a) Carte giologique de la Suöde, Livraisons 57— -62 (Vßoooo)
et 1 — 3 (V«ooooo) accompagnöes de renseignements. 1877.
fol. (Text in 8^.)
b) Glaciala Bildningar af 0. Gumaelius. 11. 1876. 8°.
c) Kemiska bergartsanalysen af H. Santesson. I. 1877. 8^.
d) Om en Cycadökotte af A. G. Nathorst. 1875. 8^.
e) Arktiska Yäxüemningar i Skftne, af A. G. Nathorst.
1877. 8^
f) Nerikes öfverg&ngsbildningar af G. Linnarsson. 1875. 8®.
g) Undersökningar öfver istiden af 0. Torell I. 1873. 8®.
h) Sur les traces les plus anciennes de Pexistence de Thomnie
en Suöde, par 0. Torell. 1876. 8^
Vom nattMrivissenschafllichen Verein in Hamburg:
Verhandlungen. Neue Folge. I. 1877. 8^.
Von der schweizerischen Gesellschaft für die gesammten Natur-
Wissenschaften in Bern:
Neue Denkschriften. Bd. XXVU. Zürich 1877. 4®.
Vom k, premsischen geodätischen Institut in Berlin:
Die Figur der Erde. Von Dr. Heinrich Bruns. 1878. 4^.
Von der k. k. Sternwarte in Wien:
Annalen. 3. Folge 26. Bd. Jahrgang 1876. 1877. 8®.
Von der neuen zoologischen Gesellschaft in Frankfurt a. M,:
Der zoologische Garten, XVm. Jahrgang, 1877. 8^,
Einaendimgen von Drucku^ften» 117
Von der naiurforschenden GeseUschafl in Bern:
Mittheilungen aus dem Jahre 1876. No. 906—922. 1877. 8"*.
Von der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft in Bern:
Verhandlungen den 21. — 23. Aug. 1876. 59. Jahresversamm-
lung in Basel. Basel 1877. 8".
Von der St. Gallischen naiurtoissenschaftlichen Gesellschaft
in 8t, Gallen:
Bericht über die Thätigkeit während d. J. 1875—76 1877. 8*.
Von der Beddktion des Archivs in Leipzig:
Archiv der Mathematik und Physik. Theil 61. 1877. 8*.
Von der medizinischen Gesellschaft in Berlin:
Verhandlungen aus d. J. 1876/77. 1877. 8^.
Vom naturtüissenschaftlichen medizinischen Verein in Jnnsbruek:
Berichte. VIT. Jahrg. 1876. 1877. 8^
Von der Sternwarte in Zürich:
Schweizerische meteorolog. Beobachtungen. 1877. 4®.
Vom naturtüissenschaftlichen Verein von NeUrVorpommern und
Bügen in Greifswäld:
Mittheilungen. Jahrg. IX. Berlin 1877. 8®.
. Vom naturhistorischen Verein der preussischen Bhdnhmde
in Bonn:
Festschrift zur General- Versanmilung. Pfingsten 1877. (Jahres-
bericht der zoologischen Sektion des WestfiÜißchen Provinzial-
Vereins für Wissenschaft und Kunst f. d. J. 1876/77 von
E. Rade.) MUnster 1877. 8^,
118 Einsendimgen von Drwikwhriftm.
Von der SocUU cPagricuUure et cPindustrie cyricole du departe-
mei4 de la Cäte-d^or in DtQon:
Journal d'agriculture. Ann^e 1875. 1875. 8*.
Von der Geologicai Society in Edinburgh:
Transactions. Vol. UI. 1877. 8^
Von der Sociäi de physique et ä!histoire naturelle in Genf:
Mtooires. Tom. XXV. 1876 — 77. 4".
Von der PhUosophiccd Society in Cambridge:
a) Transactions Vol. XI. Xn. 1871-77. 4<>.
b) Proceedings Vol. m. 1876 — 77. 8^.
Von der American Association of the Advancement of Science
in Salem:
Proceedings. XXV*** meeting held at BufEalo. Aug. 1876.
1877. 8^
Von der Linnean Society in London:
Proceedings of the Session 1873—74. 1874. 8®.
Von der Acadinne des sdences in Paris:
Comptes rendus. Tom. 86. 1878. 4^
Vom Herrn Joh. Benedict Listing in Qöttvngen:
Neue geometrische und dynamische Gonstanten des Erdkörpers.
1878. 8^.
Vom Herrn Hermann Kolbe in Leipxfig:
Journal für praktische Chemie. 1878. No. 1. 1877—78. 8°.
EiMendungen van Druekaehriften. 119
Vom Herrn Eduard Begd in 8t. Petersburg:
Gartenflora. Januar 1878. Stuttgart 1877—78. 8^
Vom Herrn C. Ä. F. Päers in Kid:
Bestimmung des Längenunterschiedes zwischen Kopenhagen und
Altona. 1877. 4^
Vom Herrn F, (7. Donders in Utrecht:
Onderzoekingen gedaan in het physiologisch Laboratorium der
Utrechtsche Hoogeschool. m. Beeks. Y. 1878. 8^.
Vom Herrn E. Plantamour in Genf:
a) Eecherches exp^rimentales sur le mouvement simultanä d*un
pendule. 1878. 4**.
b) Rösumö möt^orologique de Tann^e 1876 pour Genöve et
le Grand Saint-Bemard. 1877. 8®.
Vom Herrn F. Ämbrosi in Trient:
a) Cenni per una storia del progresso delle scienze naturali
in ItaUa. Padova 1877. 8^
b) La valle di Tesino agli Alpinisti Tridentini, discorso.
Borge 1877. 8^
Vom Herrn Edward C. Pkkermg in Cambridge:
Annual Report of the Director of Harvard College Observatory.
1877. 4«.
Vom Herrn E. Frankland in London:
Experimental Besearches of pure, applied and physical Che-
mistry. 1877. 8*.
Vom Herrn Wenzel Qruber in St. Petersburg :
a) Monographie über das zweigetheilte erste Keilbein der
Fusswurzel beim Menschen. 1877. 4^.
120 Einsendungen von BrucksckrifUn,
b) lieber den Infraorbitalrand bei Ausschliessung des Maxillare
superius von seiner Bildung beim Menschen. 1877. 4^.
«
Vom Herrn JDonato Tommasi in Paris:
Kiduzione dei clorati in cloruri senza Tintervento del preteso
stato nascente dell* idrogeno. Milano 1877. 8^.
Vom Herrn Ferdinand von Müller in Melbourne:
Fragmenta phytographisB Australise. Vol. 7 u. 8. 1871 — 74. 8".
Vom Herrn Rudolf Wolf in Zürich:
Mömoire sur la päriode commune ä la fr^quence des täches
solaires. 4^.
Vom Herrn F. V. Hayden, U, 8. Greologist in Washington:
a) Report of the U. S. Geological Survey of the Territories.
Vol. XI. Monographs of the North American Kodentia
by EUiott Coues & J. A. Allen. 1877. 4*.
b) 9^ annual Report of the IT. S. Geological and Geographica!
Survey of the Territories for the year 1875. 1877. 8^
c) Miscellaneous Publications of the ü. S. Geological Survey
of the Territories. No. 8. Fur-bearing Animals by El-
Hott Coues. 1877. 8<>.
d) Annual Report of the Boards of Regents of the Smith-
sonian Institaticm ior the year 1876. 1877. 8^.
Sitzungsberichte
der
kOnigl. bayen Akademie der Wissenschaften.
Sitznng vom 2. März 1878.
Mathematiscli-pliysikalisclie Classe.
Herr G. Bauer spricht: „Ueber Systeme von
Curven 6. Ordnung, auf welche das Nor-
malenproblem bei Curven 2. Ordnung
führt."
Glebsch hat in einer Abhandlung „üeber das Problem
der Normalen bei Curven und Oberflächen 2. Ordnung*'*)
auch die Frage erörtert nach dem Ort der Punkte, för
welche die an eine Curve 2. Ordnung gezogenen Normalen
ein constantes Doppelverhältniss haben und wurde dabei
auf ein System von Curven 6. Ordnung von besonderen
Eigenthümlichkeiten geführt.
Bevor ich noch von dieser Arbeit Eenntniss genommen,
hatte ich diese Frage ebenfalls behandelt, und es sei mir
gestattet, einige ergänzende Bemerkungen zu dieser Aufgabe
beizubringen, insbesondere noch auf ein zweites System
voD Curven 6. Ordnung hinzuweisen, welches mit dem ersten
1) Grelles Joum. Bd. 62. S. 64.
[1878. 2. Math.-phys. Gl.] 9
122 Sitzung der matk.-phys» Glosse vom 2, März :878,
System in enger Verbindung steht und wegen seiner Eigen-
thümlichkeiten an sich bemerkt zu werden verdient.
1. Legen wir, wie Glebsch . in .der erwähnten Abhand-
lung gethau, den von Cayley erweiterten Begriflf von „Nor-
male" zu Grunde ^), so lautet die Aufgabe von einem Punkte
M Nonnale aQ e^n^n Ees[e1sph;ni]tt zu' eiehen: „Es soll an
einen Kegelschnitt U = o eine Tangente T so gezogen wer-
den, dass die von dem Berührungspunkt der Tangente nach
einem festen Punkt M gezogene Gerade N durch' den Pol
der Tangente T, in Bezug auf einen zweiten Kegelschnitt
V = 0 genommen, gehe."
Zerfällt der Kegelschnitt V in die zwei unendlich ent-
fernten Kreispunkte, so gehen die Geraden N in die eigent-
lichen Normalen von U über.
Beziehen wir die zwei Curven 2. Ordnung U und V
auf das ihnen gemeinsame Polardreieck und setzen demnach
V=:x» + y' + z' = o
U = ax' + by' + cz* = o .
Sind sodann x' y' z die Cordinaten des Berührungs-
punkts der Tangente T, so folgt aus dem Umstände, dass
die Polare dieses Punktes, sowie die Polare des Punktes M,
in Bezug auf V genommen, sich auf der Tangente T schneiden
sollen,
X = Aax' + jwx', Y = ^by + hli Z = ^cz' + jwz'
wo X, Y, Z die Coordinaten des gegebenen Punktes M, ^, fi
unbestimmte Factoren sind. Die Werthe von x', y', z aus
diesen Gleichungen entnommen und in U = o eingesetzt,
geben
aX' bY' cZ' _
(ai + |u)» + (b;i + iu)> + (cÄ + A^)«-''
eine Gleichung 4. Grads in — , durch welche die vier Tan-
2) Sor les normales d'ane coniqne. Crelle's Joam. Bd. 56. S. 182.
G. Bauer: üeher Systeme von Curven 6, Ordnung etc, 123
genten T, welche der Anforderung genügen , bestimmt
sind.
X X
Druckt man — durch — r aus, so geht diese Gleichung
über in
a (a-b)' Z . V*+ 2a (a_b) (b-c) XZ . xV+K . xV
-1- 2c(a-b)(b-c)XZ . X . z''+c(c-b)»X'.z'* = o ^
wo a(b— c)*X' + b(c-a)»Y' + c(a-b)'Z» = K (2
gesetzt ist. Die Vertauschung von a und b, X und Y,
x' und j liefert die entsprechende Gleichung in y', z.
Andererseits gibt die Gleichsetzung der Werthe von
X , ,
— , wie sie aus obigen Gleichungen sich ergeben, folgende
Bedingungsgleichung zwischen den x' j z'
(a-b)Z.xy + (b— c)X.yV + (c-'a)Y.zV = 0 (3
Aus denCoefficienten der Gleichung 1) und ihrer entsprechen-
den in y' z lassen sich nun mit Beihilfe der Gleichung 3.)
die Coefficienten der Gleichung der vier Tangenten T,
d. i. der Gleichung
11 (axlx + byiy + czjz) = o, i = 1, 2, 3, 4
berechnen und man erhält so für die Gleichung der vier
Tangenten
a*. bc (c-b)^ X^ X* + a'b . 2bc (c-a) (c -b) X Y . x«y
+ a*b^ cK . xy + ab». 2ac (c— a) (c— b) XY . xf
+ b*.ac(c-a/Y'.y*+ =. o (4
worin die nicht ausgeschriebenen Glieder in x, z; y, z und
z* sofort durch Vertauschuug der Buchstaben zu ergän-
zen sind.
Vergleicht man die Gleichung einer Tangente Ti
axix + byiy + cz|z = o
mit der Gleichung der entsprechenden Geraden Ni durch
den Pol von Ti in Bezug auf V und den Punkt (XYZ)
gehend,
axi (Yz-Zy) + by^Zx-Xz) + ezi (Xy- Yx) = o
9*
12'4 Sittuiig der matK-phya. Claase vom 2. März 1878.
r
V
SO ersieht man, dass man ans der Gleichnng der Tangen-
ten 4) sogleich auch die Gleichung der vier Geraden Ni
erhält, indem man nur
X y z
durch Tz— Zy Zx— Xz Xy— Yx
ersetzt.*)
3 ) Will man diese Gleichangen anwenden anf die eigentlichen Nor-
lAalen des Kegelschnitts
ax + by -|- c = 0
bezogen auf die Hanptazen desselben, so hat man nur in obigen Formeln
in den Differenzen a— c, b — c überall c^o zu setzen und Z = z = 1.
In diesem Falle gibt dann Gleichung 4) beschränkt auf die ausge-
schriebenen Glieder in x, y die Gleichung der vier Durchmesser parallel
zu den Tangenten an den Fusspunkten der vier durch den Punkt (X,Y)
gehenden Normalen, nämlich
a%xV + 2a*bXY.xV+K.xy + 2ab'XY.xy' + ab'Y'.y* = o (A
Die Gleichung der vier Normalen erhält man hieraus, indem man
Y— y statt X und x — X statt y setzt. Sie wird mithin
a"bX"(y-Y/-2a'b XY (y-Y)'(x-X)+K(y - Y)'(x-Xr
- 2 ab' XY (y - Y) (x— X)' + ab*Y' (x— X * = o ^
wo K rz ab* X'+ ba* Y' + c (a -b)*
Diese Gleichangen lassen sich unter eine einfache Form bringen ; erstere
ist nämlich
ab (Xx + Yyf (ax' -f by') -f- e (a— b)'i'y*^ o ( A«
und die Gleictiung der vier Normalen
ab (Xy-Yx)'[b(x-X)*4- a(y-Y)*] +e(a-b)'(x X)'(y-Y'j =i) (B^
Die vier Durchmesser A) conjugirt zu denjenigen, welche nach den Fuss-
punkten der Normalen laufen, schneiden den Kegelschnitt in zwei Punkt-
quadrupeln, deren Normalen wieder in je einem Punkt zusammenlaufen.
Aus A^) ergibt sich, dass diese Punkt^uadrupeln auf gleichseitigen Hy-
perbeln liegen, welche durch dien Mittelpunkt ünddlö UUlendlich entfernten
Ptiiikte 'der Alen desKegbldChnitt!rg^en'u;sJw.*) Ebenso folgt ^uaB*)
*) S. die betreffenden Sätze von Steiner „Ueber algebraische Curven und
Flächen.« Journ. v. Grelle. Bd. 49. S. 133.
G, Batier: Üeber Systeme von Curven 6. Ordnung etc. 12Ö
2. Das Doppelverhältniss dieser vier Gei::a4en Ni deren
Gleichungen sich auch in der Form (3)
(b— c) X + (c - a) y (a— b) z
7 j ^ j = o
X y z
schreiben lässt ist offenbar gleich dem Doppelverhältniss
der vier Geraden a x' x + b y' y = o, welche durch die
Gleichung 4) beschränkt auf die ausgeschriebenen Glieder
in X, y dargestellt werden. Nun ergeben sich die Invarian-
ten dieser biqnadratischen Form
3
I ^ a^a^— 4 a^ajj + 3aJ = -^ . K'
d zizQ,Q^^Q,^ '\' 2q,^^2^s ^0^8 a^ai s^
^ a»b'K' + 4- a*b*c(a— b/(b - c;^(c - a)». X^ Y'Z«
6« ' 4
n die Normalen, welche von einem Punkt (XT) nnd seinem diametral ent-
gegengesetzten an einen Kegelschnitt gehen, sind (für alle Kegelschnitte
mit denselben Azen) parallel zu den Durchmessern, welche nach den
Dnrchschnittspunkten der festen Hjperbeln
xy±(Xy-Yx) = o
mit dem reciproken Kegelschnitt K = o gehen/
Noch mag eine Eigenschaft der Normalen, die sich aus Gleichung
y— Y
B) ergibt, erwähnt sein. Die Summe der Wurzeln \__y ^^^^^ Gleich-
Y
ong ist nämlich = ^ y ^"^ ^^ Summe ihrer reciproken Werthe
X
== 2 »; d. h. sind ai . . ua die Winkel, welche die vier Normalen mit
einer Aze des Kegelschnitts bilden, 0 der Winkel, welchen der Radius
rector ihres Durchschnittspunkt (KY) mit derselben Aze bildet, so ist
tg «i + tg «a + tg «8 + tg «♦ = 2 tg 0
ctg. «i + ctg a»4"Ctg «8 + ctg C4 = 2 ctg 0
Diese Summen hängen mithin allein von dem Durchmesser ab, auf
r ■
welchem der Punkt (X,Y) liegt. Sind zwei der Normalen gegeben, so
sind die beiden andern durch diese Gleichungen bestimmt.
-»*•
126 Sitzung der matK-phys. Classe vom 2, März 1876,
Setzen wir also die absolute Invariante, von welcher das
Doppelverhältniss der vier Geraden abhängt
^ = k (5.
so erhalten wir eine Gleichung 12. Grads in X, Y, Z,
welche aber vermöge desJJmstandes, dass für die betrachtete
Form I ein vollständiges Quadrat ist, in zwei Gleichungen
6. Grades zerfällt. Man erhält daher zwei Gurven 6. Ordnung
als Ort der Punkte (XYZ), für welche die vier Geraden
N, ein constantes Doppelverhältniss haben, deren Gleichung
K»-m.27abc(a— b)»(b-c)»(c-a)»X»Y'Z» = o (I.
ist, wo
y 27
m = 2
±l/
27
Diess ist das System von Curven, welches von Clebsch a. a. 0.
gefunden wurde. Einem gegebenen Doppelverhältniss ent-
sprechen im allgemeinen zwei Werthe von m, also zwei
Curven. Alle Curven bilden einen Büschel mit sechs ge-
meinsamen Spitzen (wovon zwei imaginär) in den Punkten,
in welchen der Kegelschnitt K = o das U und V gemein-
same Polardreieck schneidet. Dieser Kegelschnitt K drei-
fach gezählt, stellt selbst eine Curve des Büschels dar und
entspricht dem äquianharmonischen Verhältaiss. Ebenso
entspricht dem harmonischen Verhältniss (J = o, also k == oo )
nur eine Curve für m = 2.
Für k = 27 verschwindet die Discriminante der bi-
quadratischen Form; zwei der Geraden N fallen zusammen.
Diesem Falle entspricht die Curve m = 1 (Evolute) und die
Curve m = cx>, welche in die Geraden X = o, Y = o, Z = o,
doppelt gezählt, zerfällt.
G, Bauer: lieber die Systeme von Cur wen 6, Ordnung etc, 127
Bei dem Problem angewandt auf eigentliche Normalen
verlaufen im allgemeinen die beiden Curven, welche einem
Werthe von k entsprechen, flir k>27, wobei ein Werth
vom m zwischen 1 und 2 liegt, der andere "^ 2 ist, in ganz
ähnlicher Form wie die Evolute, die eine auf der einen, die
andere auf der andern Seite der harmonischen Curve (m = 2).
Ist aber k<27, so ändert sich die Form der Curve, indem
die eine der beiden Curven (flir m>o u c;l) zwischen Evo-
lute und dem Kegelschnitt K sich hinzieht, und die andere
(m c^o) ausserhalb E vier flügelartige Züge bildet, indem
für m<o die Spitzen sich nach der äusseren Seite des
Kegelschnitts K sich öffnen, während sie für positive m
nach innen gerichtet sind.
Die Curve m =: 1, welche der Evolute entspricht, hat,
wie schon Clebsch a. a. 0. gezeigt, vier imaginäre Doppel^
punkte; die übrigen Curven des Systems haben ausser den
6 Spitzen keine Doppelpunkte. Sie sind mithin vom Ge-
schlechte p = 4, 12. Classe, haben 24 Wendepunkte und
27 Doppeltangenten. Man sieht sogleich, dass bei den
Curven für m < 1 acht reelle Wendepunkte auftreten müssen,
da diese Curven, deren Spitzen nach der innern Seite des
Kegelschnitts K sich offnen, im Innern dieses Kegelschnitts
verlaufen und sich demselben immer mehr anschmiegen, je
kleiner m wird. Und diess ist auch die grösste Anzahl von
reellen Wendungen, welche bei diesen Curven vorkommen
kann, da nach der von Herrn Klein gegebenen Formel^)
n + w'+2t" = k + r +2d",
wo n die Ordnung, k die Classe, w' die Zahl der reellen
Wendungen, r' die Zahl der reellen Spitzen, t" die der
isolirten reellen Doppeltangenten, d" die der isolirten reellen
Doppelpunkte ist, in unserm Falle
w' ■+ 2t" = 10
4) Sitz.-Ber. der phys.-med. Soc. z. Erlangen. 13. Dec 1875; Math.
Annalen Bd. X. S. 199.
128 Siteung der math.'phya. Glosse vom 2. März 1878.
sich ergibt und eine isolirte reelle Doppeltangente immer
vorhanden ist, nämlich die Seite des Polardreiecks, auf
welcher die zwei imaginären Spitzen liegen. Für die Cur-
ven m;> 1, welche keine reellen Wendungen besitzen, sind
mithin ausser dieser noch 4 reelle isolirte Doppeltangenten
vorhanden.
3. Joachimsthal gab in seinen bekannten Aufsätzen
über die Normalen der Kegelschnitte*) eine einfache Con-
struction flir die Aufgabe, wenn' die Normalen an zwei
Punkten P, Q eines Kegelschnitts gegeben sind, die zwei
anderen Normalen zu bestimmen, welche durch den Durch-
schnitt der beiden ersten gehen. Sind nämlich p, q die
Coordinaten des Pols der Geraden PQ, so schneidet die
Gerade f- — + 1 = o den Kegelschnitt in den zwei
Punkten, deren Normalen sich mit den Normalen in P und Q
in einem Punkte schneiden.
Wie sich dieser Satz bei der hier zu Grunde gelegten
allgemeineren Auffassung der Normale gestaltet, hat Gayley
a. a. 0. gezeigt. ^) Die analytische Abhängigkeit zweier
solcher Punktpaare eines Kegelschnitts, deren Normalen
durch einen Punkt gehen, lässt sich jedoch noch auf eine
andere, mehr symmetrische Weise darstellen. Sind (x'^ y'^ z\),
(x'g y'j z'j) die zwei ersten Punkte, (^, i^i 9 der Pol ihrer
Verbindungslinie, (X, T, Z) der Durchschnitt ihrer Normalen N,
so ergibt sich
X_ __ _ (a— bXyjz^— zlyQx/x^ _ a (a— b) x^x^ J_
Z (b~ c) (yl x; — x; ya) z[ zi c (b— c) ' z; z, ' ^
Y_b(a~b) ylya rj
Ta c (c — a)' zj zi* £
5) „Ueber Normalen der Ellipse und des Ellipsoids^' Joum. v. Grelle.
Bd. 26. S. 174. ,,De aeqaationibus quarti et sezti grados, qui in theo-
ria lineamm et superficiemm sec. gradns occnrrunt.*' Ebenda». Bd. 53
S. 170.
6) S. auch Fiedlers Bearbeitung Yon Salmons Gon. sections. S. 564.
G. Bauer: lieber Systeme von Curven 6, Ordnung etc 129
Sind ferner (x'j y 3 z'3) und (x\ j\ z\) die zwei andern
Punkte, deren „Normalen" durch denselben Punkt (XYZ)
gehen und ^^rj^t die Coordinaten des Pols ihrer Verbiu-
X Y
dungslinie, so erhält man entsprechende Formeln für y 1 -y •
Die Verbindung beider liefert
X' _ a* (a— b)* x'i x'a x', x'4 ^^
7} ""c'Cb— 0)3' z'iz', z',z'4 "K"
also vermöge der Grieichung 1.), deren Wurzeln die Grössen
-r- sind,
Zi
^--und^-^
Die Punkte ($jy^) und (l'V^) ®^°^ ^^^ durch folgende
Gleichungen an einander gebunden
oder auch
, v._J_ 1 1
^•''•^^ar' w' ö?-
4. Durchläuft nun der Punkt (XYZ) eine der Curven 1
für welche die 4 Geraden N ein constantes Doppelverhält-
niss haben, so werden die Pole (^i^Ö» (^^'0 ein und die-
selbe andere Curve beschreiben, und wird dieselbe vermöge
der Relationen 6.) zwischen den Coordinaten der beiden
Punkte gewisse ausgezeichnete Eigenschaften besitzen. . Um
die Gleichung dieser Curve zu erhalten, hat man nur die
X, Y, Z in Gleichung I durch die |, 17, ^ auszudrücken. Nun
erhält man sofort für die Berührungs-Punkte der von (|, 1;, Ö
ausgehenden Tangenten
zil'.~a(a|' + b^)' z', z'.'Mal' + bi/»)
und hiemit nach obigen Gleichungen
130 Siteung der math.-phys, Claase vom 2. März 1878.
X:Y:Z= (a b)(c-a).(cC + bj?')l (7.
:(a-b)(b-o).(cS' + ar)i?
:(b-c)(c-a).(a?+biy')^
X Y
Man sieht, dass diese Werthe von -=- 1 -^ unverändert blei-
ben, wenn man die §, rj^ ^ durch die |', rj\ ^ ersetzt, (ver-
möge der Relationen 6). Man hat nun in Gleichung I die
cubische Substitution 7.) zu machen, und erhält für den
Ort des Punktes (^^0 eine Gleichung 18. Grads, nämlich
F — 27.mabc.G*?)?'S»=o (8.
wo
P = a? (oC + bj?'/ + hrf (c? + a?)» + oC» (a|* + hrf)* '
G = (a? + hrf) {hr,r+ c?) (cS» + a?)
Aber diese Cnrve 18. Ordnung zerfällt in drei Ourven
6. Ordnung. Denn es ist allgemein
(«+/?)V+(/?+y)'« + (>+«)*/? = («+/?) 0?+y)(y+a) + iaßy
Mithin ist
P = a + 4abcri?'S'
und Gleichung 8.) wird
(G + iabc^iy'S")' — 27m.abcG'?i?»^ = o (8^
Sind mithin ^i, ^2, ^3 die Wurzeln der Gleichung
(Q + 4:y-21m.Q'=o ^ (9.
so zerfällt die Curve 8.) in die drei Curveu 6. Ordnung
G-ßrabc|»i?*^=: 0, G-e/ Bhc^fiV^o, G-e,-abcf Y£*=o • IL
Diese drei Carven entsprechen den drei verschiedenen Ar-
ten, in welchen die vier durch einen Punkt M gehenden Ge-
raden Ni sich in Paare abtheilen lassen, oder auch den
drei fundamentalen Doppel Verhältnissen, zu welchen die vier
Geraden Ni Veranlassung geben. Der Pol (^i?0 ^®^ ^®^"
bindungslinie der Fusspunkte des einen Paares der Geraden
N| und der Pol (^VO ^^^ Verbindungslinie der Pusspunkte
des andern Paars liegt immer auf derselben Curve, wie
G. Bauer: Üeber Systeme von Curven 6, Ordnung etc. 131
mittelst der Relationen 6 ) unmittelbar sich ergibt und zn
jedem Punkt (^»^Ö ^^^ Curve ist der entsprechende (^ rf^)
nach dem oben angeführten von Joachimsthal (resp. Cayley)
gegebenen Verfahren leicht zu construiren.
5. Die Gleichungen dieser Curven lassen sich aber
noch auf eine andere bemerkenswerthe Form bringen. Es
ist nämlich auch
mithin
und, da G = P — 4abc^iy'^, so nehmen die Gleichungen 10.)
folgende Porm an
(a?+bj?»+c^) (ab?i?»+bciy'^+ca^S») - (?,+!) ahoS'rjV = o (II'
(h = 1, 2, 3) ; oder also die Gleichungen dieses Systems von
Curven sind von der Porm
ü . W = ?h+ 1 = const. (ir.
wo ü = a? + bi?» + c^
also ü =: 0 die Gleichung des gegebenen Kegelschnitts ist,
W = 0 die Gleichung derjenigen Curve 4. Ordnung ist,
welche man erhält, wenn man ü in Bezug auf V polarisirt
und sodann in Bezug auf das U und V gemeinsame Polar-
dreieck quadratisch transformirt.
6. Pallen zwei Gerade Ni zusammen, so hat man ent-
weder m =00 oder m = 1. Im ersteren Palle besteht der
Ort des Durchschnitts der Geraden N aus den drei Seiten
des Polardreiecks ; an die Stelle der Curven II treten sodann
die 9 Geraden, bestimmt darch die Gleichungen
a? + biy' = o, bi?» + c^ = o, cC* + ar = o I
^ = 0, '? = o, ^ = 0 p*
alle doppelt gezählt.
132 Sitzung der fiiath.'phys Glcutse vom 2, März 1878,
Für m = 1, in welchem Falle der Durchschnitt der
Geraden N auf der „Evolute" sieh bewegt, hat die Gleich-
ung 9.) die Wurzel ßi = — 1, und zwei gleiche Wurzeln
^2 r=: ^3 = -j- 8. Dic Curvc für ^i = — 1 zerfällt aber nach
Gl. IT in die zwei Curven
U = o und W = o (11.
Mit dem Zusammenfallen zweier Geraden Ni, fällt nämlich
auch ein Pol (5^0 auf den Kegelschnitt U und beschreibt
denselben, wenn der Durchschnitt der Geraden N die „Evo-
lute" durchlauft. Der Polder Verbindungslinie der Fusspunkte
der beiden andern Geraden N beschreibt die Curve 4. Ordnung
W = Q. Die Pole aber der Verbindungslinien der zwei
letzteren Fusspunkte mit dem Fusspunkt der zwei zusammen-
fallenden „Normalen" N beschreiben die Curve 6. Ordnung
G-8abc|»i?»£»z=o (12.
oder
ÜW = 9
welche doppelt zu zählen ist.
Dem harmonischen Verhältniss der Geraden N» ent-
spricht der Werth m = 2. Eine der Wurzeln der Gleich-
ung 9.) ist sodann q^ = 2, die entsprechende Curve
ÜW = 3
Die zwei andern Wurzeln q sind 204~12l/3.
Dem äquianharmonischen Verhältniss der Geraden Ni
endlich entspricht der einzige Werth m = o; die drei Cur-
ven II fallen in eine zusammen
G+4abc|'i?»^=o.
oder
ÜW = -3.
Allgemein sind die 3 Wurzeln der Gleichung 9.) reell,
wenn m^l. In diesem Falle sind die vier Norpalep
G, Bauen üeber Systeme von Ourven 6. Ordnung etc, 133
und auch die drei Ourven II reell; ist hingegen m c^li so
sind zwei Wurzeln q^ imaginär, eine der Curven II ist allein
reell, entsprechend dem Umstände, dass in diesem Falle
zwei der Normalen N imaginär sind.
7. Was nun die Singularitäten dieser Curven II anbe-
trifft, so haben sie sämmtlich die Eckpunkte A, B, C des
den Kegelschnidten ü und V gemeinsamen Polardreiecks
zu Doppelpunkten, (wovon einer isolirt). Die Tangenten
in diesen Doppelpunkten sind für alle Curven des Systems
dieselben, nämlich die von diesen Punkten an den Kegel-
schnitt IT gehenden Tangentenpaare
a^ + bi?»=o, biy' + cC'^o, c^^ + a^^o (13.
welche denselben auf den gegenüberliegenden Seiten des
Polardreiecks berühren. Diese Tangenten sind zugleich in
diesen Doppelpunkten A, B, C Wendetangenten, so dass
mithin jede dieser Geraden in dem betreffenden Doppelpunkt
vier Paukte mit der Curve gemein hat, d. h. diese Punkte
A, B, C sind Inflexionsknoten (flexe node, wie Cayley
solche Punkte nennt). Diese Geraden berühren ausserdem
die Carven 6. Ordnung sämmtlich in denselben Punkten,
in welchen sie den Kegelschnitt ü berühren, so dass mit-
hin diese Ourven sechs Berührungspunkte mit U haben, auf
den Seiten des Polardreiecks gelegen.
Die Ourven des Systems bestehen aus zwei getrennten
Zügen; für m>l verlaufen die beiden Züge ausserhalb ü;
für m < 1 aber ist ein Theil ausserhalb ü gelegen, der an-
dere verlauft innerhalb.
Ausser den allen Carven gemeinsamen Doppelpunkten
A, B, 0 kommen keine weiteren Doppelpunkte in dem
System vor, ausser für m = 1. Es ist desshalb die
Curve 12.)
G~8abc?ij'? = o
die einzige nicht zerfallende Curve des Systems, mit mehr
I
134 * Sitzung der math.-phys, Clasae vom 2, März 1878,
als drei Doppelpunkte. Sie besitzt nämlicli noch die vier
(imaginären) Doppelpunkte
2i^ ^ hrf = cV" (14.
welche den vier (imaginären) Doppelpunkten der „Evolute"
entsprechen und in welchen entsprechende Punkte (^,i/, C)
und {^r/^) zusammenfallen.
Die Curven 6. Ordnung des Systems II sind mithin
mit Ausnahme der Curve 12.) von der Classe 24 und vom
Geschlechte 7, während die Curve 12.) von der Classe 16
und dem Geschlechte 3 ist. Diese Charakteristiken der Cur-
ven des Systems lassen sich übrigens auch aus denen der
Curven des Systems I ableiten. Da nämlich jedem Punkt
(XYZ) einer Curve des Systems I, zwei Punkte (^i?S)i (^V^)
auf jeder der demselben Werthe von ra entsprechenden
Curven des Systems II entsprechen, jedem Punkt auf einer
Curve des Systems II aber ein Punkt auf der entsprechen-
den Curve I, so besteht zwischen den Punkten zweier ent-
sprechender Curven der beiden Systeme eine (1,2) Correspon-
denz. Wenn nun auf zwei Curven vom Geschlechte p,
resp. p' eine (x,x') Correspondenz statt hat, wenn ferner
y,y' die Anzahl der Coincidenzpunkte auf der einen und
andern Curve bezeichnen, so hat man nach Herren Zeuthen^)
die Relation:
y-.y' = 2x(p-l)-2x(p'-l)
Mittelst dieser Formel findet man aus dem Geschlechte
der Curven I das der Curven II wie oben, wenn man nur
bemerkt, dass vermöge der Gleichungen 6.) ein Zusammen-
fallen der Punkte ($i?9i i^V^) ^^^ f^ m = 1, ^ = 8
eintreten kann. Für ^ = 8 aber (Curve 12.) tritt der be-
sondere Fall ein, dass jedem der vier imaginären Doppel-
8) Nouvelle dimonstration de th^r^mes sur les s^ries de points
correspondants aar deuz courbes. Math. Ann. Bd. III. S. 150.
G, Bauer: üeher Systeme von Curven 6. Ordnung etc. 135
punkte 14.) einer der vier imaginären Doppelpunkte der
„Evolute" entspricht, in der Weise, dass, wenn der Punkt
(XYZ) durch einen dieser letzteren hindurchgeht die zwei
Punkte (^i?C), (l'ij'O durch einen der erstem hindurch-
gehen, und zwar auf demselben Curvenzweige; und mit-
hin ist jeder dieser Doppelpunkte 14.) als zwei eigentliche
Comcidenzpunkte zu zählen.
•'
Sitzang vom 4. Mai 1878.
Der Classensecretär legt vor:
Ueber das Vorkommen des Zinns in Sili-
caten von F. Sandberger.
In einem Vortrage in der mineralogischen Section der
50. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu
München (Amtlicher Bericht S. 148 ff. und Berg- and
Hüttenm.-Zeitung 1877 S. 377 ff) habe ich gezeigt, dass
in Olivinen, Hornblenden, Augiten und dunkelen Glimmern
krystallinischer Gesteine aus allen geologischen Perioden
sAwere und edle Metalle, Kupfer, Blei, Kobalt, Nickel,
Wismut und Silber sowie Antimon und Arsen in geringen
Mengen enthalten sind, welche bisher übersehen wurden.
Ich fügte hinzu, dass die Schwefel- und Arsen-Verbindungen
der in solchen Gesteinen aufsetzenden Erzgänge bestimmter
Gangreviere nur diejenigen schweren und edlen Metalle ent-
halten, welche auch in einem der oben genannten Silicate
ihres Nebengesteins vorkommen und erläuterte diese Be-
hauptung besonders fiir die Erzreviere von Andreasberg,
Bieber, Wittichen, Dillenburg und Schapbach. Damit war
denn bewiesen, dass die Erze sehr vieler Gänge ebensowohl
wie die Gangarten jedenfalls aus dem Nebengesteine ausge-
laugt sind und sich auf den Gangspalten concentrirt haben.
Diese Ansicht hat nach den mir bis jetzt zugegangenen
F, Sandher get'. Ueber das Vorkommen des Zinns in Silicaten. 137
Mittheilungen vielseitige BilliguDg erfahren und es steht
zu hoffen, dass noch von Vielen dahin einschlagende Ar-
beiten in Angriff genommen werden. Ich selbst habe die
Untersuchungen ebenfalls fortgesetzt und auch quantitative
Analysen vornehmen lassen, von denen ich eine hier an-
führen will, die soeben in einer Inauguraldissertation des
Herrn K. Killing aus Hagen veröffentlicht wird. Der
schwarze Glimmer aus dem Gneisse des Schapbachthals von
3,04 spec. Gew. enthält nach ihm:
Kieselsäure
33,60
Thonerde
15,00
Eisenoiyd
4,99
Eisenoxydul
19,29
Kalk
3,36
Magnesia
11,62
Kali
7,53
Natron
0,51
Wasser
4,58
Fluor
0,28
Bleioiyd
0,028
Knpferoxyd
0,070
Wismutoxyd
0,0056
Kobaltoxydnl
0,0094
100,8730
Ab für 1 Fluor 1 Sauerstoff 0,236
100,6370
In diesem Glimmer kommen also mit Ausnahme des
Silbers sämmtliche auf den Schapbacher Erzgängen auftre-
tenden Metalle und zwar ungefähr in dem relativen Ver-
hältnisse vor, wie sie in diesen getroffen werden. Um auch
das Silber quantitativ zu bestimmen, hätten noch viel
grösisere Mengen in Arbeit genommen werden müssen. Da
indess davon in dem Haupterze, dem Bleiglanz nur 0,06®/o
[1878. 2. Math.-pliy8. Cl.] 10
138 Sitzung der math^-phys. Classe vom 4. Mai 1878,
enthalten sind und nur in dem sehr seltenen Schapbachit
(Wismutbleisilbererz) eine stärkere Anreicherung an Silber
zu bemerken ist, so konnte davon abgesehen werden. Der
schwarze Glimmer von Schapbach gehört nicht zu den an
schweren Metallen reichen Varietäten dieses Minerals, denn
nach anderen später zu veröflfentlichenden Analysen gibt es
solche mit beträchtlich höherem Gehalte an schweren Me-
tallen und Antimon und in einem wurde über 0,1 ®/o Silber-
oxyd constatirt. Diese überraschende Thatsache lässt ver-
muthen, dass die von mir aus rein theoretischem Gesichts-
punkte unternommene Untersuchung auch einen greifbaren
Werth für die Praxis erlangen könne, da es nun möglich
erscheint, dass sich Glimmer mit noch höherem Silberge-
halte finden werden, die eine metallurgische Benutzung
erlauben.
Merkwürdigerweise hatte sich in keinem der unter-
suchten dunklen Glimmer Zinn gezeigt.*) Es schien also,
dass dieses Metall , wenn es überhaupt in Glimmern vor-
käme, nur in einer bestimmten Gruppe derselben auftreten
werdfe. Dass Granite und einige andere Felsarten, welche
Lithionglimmer enthalten, Zinnerz eingesprengt und auf
Gängen führen, ist bekannt. Ich glaubte daher die Lithion-
glimmer auf Zinnsäure untersuchen zu sollen und wählte
natürlich zunächst solche, die nicht auf Zinnerzgängen vor-
kommen , nämlich die Lepidolithe von Paris in Maine
(N^ordamerika) und Rozeua in Mähren.
Die verwendeten Blättchen zeigten bei sorgfaltigster
Untersuchung auf eine etwaige Beimengung von Zinnstein-
körnchen keine Spur von solchen , waren also * rein. Sie
wurden aufgeschlossen und die salzsaure Lösung von je 5
*) Zinn ist in Silicaten meines Wissens bisher nnr einmal be-
obachtet worden, nämlich von Berzelius 1833 im Olivin des Meteoriten
von Otampa in Südamerika, in dem er 0,17^0 Zinusäure fand.
F. Sandher ger: Ueber das VorTcommen des Zinns in Silicaten. 139
Grm. mit Schwefelwasserstoff gefällt. Es entstand sogleich
ein gelber Niederschlag, welcher sich als reines Schwefelzinn
erwies und bei der Reduction das Metall in glänzenden
dehnbaren Kugeln ausgab. Der Glimmer von Paris war
etwas reicher an Zinn als der von Rozena.
Zinnsäure war also in beiden Glimmern enthalten, ob-
schon selbst die neuesten sonst sehr genauen Analysen von
Dr. Berwerth (Tschermak Min. Mitth. 1877 S. 337 ff.) nicht
einmal Spuren derselben angeben. Offenbar wurde auch
hier wie bei so vielen früheren Analysen die Prüfung auf
die durch Schwefelwasserstoff fällbaren Metalle unterlassen.
Die Eutdeckung des Zinngehaltes der Lithionglimmer
ist zunächst vom chemisch-geologischen Standpunkte, aber
auch noch von anderen von einigem Interesse. Diese
Glimmer sind hiernach höchst wahrscheinlich die ürsprungs-
körper des Zinnsteins, welcher, wie die schönen Pseudo-
morphosen nach Orthoklas beweisen, unzweifelhaft aus einer
complicirteren Verbindung auf chemisch - wässerigem Wege
abgeschieden worden ist. Aber das Auftreten der Zinnsäure
als theilweisen Vertreters der Kieselsäure bildet auch ein
sehr schönes Analogon für das längst bekannte der iso-
morphen Titansäure in anderen Glimmern. Dass dadurch
auch die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung einer quadra-
tisch krystallisirten Kieselsäure erhöht wird, brauche ich
kaum hinzuzufügen.
Nachschrift. Nach Absendung der vorstehenden Notiz
an die k. Academie wurde auch noch in den Lithion-
glimmern von Penig in Sachsen und ütoen in Schwe-
den Zinnsäure nachgewiesen.
10*
140 Sitzung der math.-phys, Claase vom 4. Mai 1878,
Herr W. v. Beetz sprach:
üeber die Electrioität serregang beim
Gontact fester nnd gasförmiger Körper.
Als ich meine ersten Versuche über die electromotori-
schen Kräfte von Gasketten bekannt machte, sprach ich
mich über den Ort aus, an welchem der Sitz der erzeugten
Spannungsdifferenz zu suchen sei. ') Grove hatte als
solchen die Berührungsstelle von Platin, Gas und Flüssig-
keit angenommen. ^) Ich Hess diese Annahme nicht als
allgemein richtig gelten; für Gase, welche vom Wasser
stark absorbirt werden, wie Chlor, ist sie es gewiss nicht,
denn eine Platinplatte, welche ganz in chlorhaltige Flüssig-
keit untergetaucht ist, verhält sich electrisch stark different i.
gegen eine in chlorfreie Flüssigkeit tauchende Platinplatte
Für andere Gase zeigte ich, dass der Vorgang ganz ähnlich
angesehen werden könne; er ist nur um so weniger deut-
lich ausgesprochen, je weniger dieselben in der Flüssigkeit
löslich sind. Ich bekleidete den oberen, von Wasserstoffgas
umgebenen Theil einer Platinplatte mit einer isolirenden
Schicht, so dass das freie Platin gänzlich von der Flüssig-
keit bedeckt war und erhielt dennoch ein wirksames Gas-
element, freilich von etwas geringerer electromotorischer
1) Poggend. Ann. LXXVII. p. 505. 1849.
2) Phil. Trans. 1843. II. p. 97
V. Beetz: lieber die Electricitätserregung heim öontuct etc. 141
Kraft, als wenn auch das obere Platinende direct vom Gase
umgeben gewesen wäre. Ich habe mich a. a. 0. über die
Gründe dieses Unterschiedes ausgesprochen. Später ist
Gangain ebenfalls zu dem Schi uss gelangt, dass das Platin
nur auf die in der Flüssigkeit aufgelösten Gase wirke ; •)
er senkte einen Platindraht, welcher vom Gase umgeben
war und in die Flüssigkeit tauchte, allmählich so tief in
diese ein, bis er ganz von ihr bedeckt war und erhielt dann
ganz dieselbe Spannungsdifferenz, wie wenn ein Theil des
Drahtes vom Gase, der andere von der Flüssigkeit umgeben
war. Ich habe das daraus erklärt, dass bei dieser Art den
Versuch anzustellen , der Draht zuerst wirklich mit dem
Gase in Berührung gewesen war und dann eine condensirte
Gasschicht in die Flüssigkeit mitnahm. *) Weiter habe ich
mich in den oben angezogenen Abhandlungen darüber aus-
gesprochen, dass von dem Grade einer solchen Verdichtung
der Gase die Grösse der Spannungsdifferenz zwischen einem
reinen und einem mit einem Gase bekleideten Metalle ab-
hänge, dass die Verdichtung grösser oder kleiner sei je
nach dem Metalle, mit welchem die Graselemente hergestellt
wurden und dass die Verdichtung besonders stark durch
electrolytische Polarisation hervorgebracht werde, weshalb
die electromotorische Kraft der Gase in diesem Falle eine
besonders grosse sei. Die schon durch die Einwirkung
kleiner Wasserstoffmengen auf Platin hervorgebrachte be-
trächtliche Spannungsdifferenz verglich ich mit der analogen
Erscheinung, welche die Stellung der Amalgame in der
Spannungsreihe zeigt. Macaluso hat ferner nachgewiesen,
dass durch lange fortgesetzte electrolytische Entwicklung
von Wasserstoff oder Chlor an Platin- oder Kohlenelectro-
den weit grössere electromotorische Kräfte erzeugt werden
3) Compt. rend. LXIV. p. 864. 1867.
4) Poggr. Ann. CXXXIL p. 461. 1867.
142 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 4. Mai 1878.
könneu als durch einfache Berührung der Gase mit den
Platten oder durch kurzdauernde Gasentwicklung an den-
selben ; er glaubte deshalb, den electrolytisch abgeschiedenen
Gasen in ähnlicher Weise einen activen Zustand zuschreiben
zu sollen, wie wir ihn am Sauerstoff kennen. ^) Freilich
ist, was den Wasserstoff betrifft, durch Magnus das Vor-
handensein einer, schon früher von Osann angenommenen
activen Modification sehr zweifelhaft gemacht word#u. ^)
Während es sich bei allen diesen Untersuchungen um
das Vorhandensein bedeutender Gasmengen an den Metall-
platten handelte, ist neuerdings derjenige Fall eingehend
besprochen worden, in welchem sich nur dünne Gasüberzüge
über die Platten gebildet haben. F. Kohlrauch hat
diese dünnen üeberzüge einer sorgfältigen Betrachtung
unterworfen''^) und Helmholtz®) und Herwig^) haben
die Analogie zwischen einer zwei polarisirte Electroden mit
einander verbindenden Flüssigkeitsschicht und einem Con-
densator zum Gegenstand ihrer Untersuchungen gemacht.
Hierbei hat Helmholtz die Ansicht vertreten, dass bei
der Polarisation nicht nur oberflächlich haftende, sondern
auch tiefer in das Platin eingedrungene Theile des Gases
eine Rolle spielen müssen, wovon die Möglichkeit durch
die von Graham am Palladium und Platin ausgeführten
Versuche schon angezeigt sei. In der That gelang es
R 0 0 1 , ^^) ein bei der Electrolyse verdünnter Schwefelsäure
stattfindendes Durchdringen des Wasserstoffs durch eine
Platinplatte nachzuweisen, indem diese Platte nicht nur auf
der Seite, an welcher die Electrolyse stattfand, polarisirt
5) Ber. d. k. sächs. Ges. d. W. Matb.-pbys. Cl. 1873 p. 306.
6) Vergl. Wiedemann Galyanismus. 2. Aafl. I. p. 533.
7) Gott. gel. Nachr. 1872. Nr. 23 g. 453.
8) Monatsb. d. Berl. Akad. d. W. 1873. p. 587.
9) Wiedem. Ann. IL p. 566. 1877.
10) Monatsb. d. Berl. Akad. d. W. 1876. p. 217.
V, Beete: Ueber die BJlectricitätserregung heim Contact etc, 143
erschien, sondern auch an der entgegengesetzten, vor jeder
electrolytivschen Einwirkung geschützten.
Nur von wenigen Forschern sind bei Untersuchungen
über galvanische Polarisation andere Gase in Betracht ge-
zogen worden, als Wasserstoff und Sauerstoff, und es ent-
steht deshalb die Frage, ob man auf alle Fälle der Polari-
sation ganz dieselbe Anschauungsweise ausdehnen kann,
welche für die beiden genannten Gase und zwar vorzugs-
weise für den Wasserstoff gelten. Eine Reihe von Ver-
suchen, welche ich mit Palladium- und mit Kohlenelectroden
angestellt habe, dürfte zur Beantwortung dieser Frage
beitragen.
Ueber die electromotorische Stellung des Palladiums
sich genaue Kenntniss zu verschaffen, ist eine sehr schwierige
Aufgabe. Das Palladium, wie man es im Handel erhält,
ist stets geglüht worden und hat dabei, wie Graham ge-
zeigt hat, Gase in sich aufgenommen. Die Mittel, welche
man gewohnlich anwendet, um solche occludirte Gase,
namentlich Wasserstoffgas, aus dem Palladium auszutreiben,
genügen so weit, dass eine chemische Analyse wohl keine
Rückstände mehr nachweisen kann, aber nicht um auch
jede Veränderung im electromotori sehen Zustande des Me-
talles zu vernichten. Namentlich gilt dies von der Behand-
lung mit der Quecksilberluftpumpe ; es ist mir nie gelungen,
eine Palladiumplatte, an welcher eine Wasserstoffentwickel-
ung stattgefunden hatte, auf diese Art ganz in ihre frühere
electromotorische Stellung zurückzubringen. Vollständig
wird dagegen der letzte Wasserstoff dadurch entfernt, dass
man an der Platte längere Zeit hindurch Sauerstoff ent-
wickelt. Dabei aber bedeckt sie sich mit einer braunen
Oxydschicht; entfernt man ""dieselbe durch noch so sorgfäl-
tiges Abreiben, so nimmt die Platte doch immer eine viel
negativere Stellung in der Spannungsreihe ein, wie wenn
man sie mit verdünnter Salzsäure abgeputzt hat. Zur 6e-
144 Sitzung der matK-phys, Glosse vom 4. Mai 1878.
stimmuDg dieser Stellung habe ich mich meines üniversal-
compensators *^) bedient, mit dem auch alle übrigen Mes-
sungen der hier in Betracht kommenden Spannungsdifferenzen
gemaclit worden sind. Die zu prüfende Palladiumplatte
tauchte in. sehr verdünnte Schwefelsäure (1 : 100) und bil-
dete so den negativen Bestandtheil eines Elementes, dessen
positiver aus einem amalgamirten in concentrirter Zink-
vitriollösung stehenden Zinkcylinder bestand. Beide Flüssig-
keiten waren durch ein an beiden Enden durch Thonzellen
geschlossenes und mit verdünnter Schwefelsäure gefülltes
Heberrohr mit einander verbunden. Als Einheitselement
diente ein Daniellelement in der schon früher von mir an-
gewandten Gestalt ; die Zinkzelle in demselben ist mit Zink-
vitriollösung gefüllt. Wenn man die electromotorische
Kraft eines solchen Elementes mit d bezeichnet, die eines
Daniellelementes, dessen Zinkzelle verdünnte Schwefelsäure
enthält, mit D, so ist d zz: 0,95 D. Da die Kraft D als
Einheitskraft allgemein eingeführt ist, so habe ich auch
meine folgenden Angaben alle auf dieselbe reducirt. Ebenso
citire ich aus früheren Arbeiten den Werth der electromo-
torischen Kräfte in der Einheit D zu 1 und betrachte auch
als Ausgangspunkt, d. h. als positiven Theil des in Rede
stehenden Elementes, immer amalgamirtes Zink in verdünn-
ter Schwefelsäure, so dass also z. B. die electromotorische
Kraft Zink -in verdünnter Schwefelsäure | Platin in ver-
dünnter Schwefelsäure, oder abgekürzt geschrieben Zn | Pt
=^ 1,61 D, Zink in verdünnter Schwefelsäure | Platin mit
Wasserstoff bekleidet in verdünnter Schwefelsäure, oder
Zn I Pt, H = 0,80 D u. s. w. So fand ich denn die Kraft
Zn I Pd, wenn ich das oxydirte Blech nur mechanisch ab-
gerieben hatte, stets sehr gross, zwischen 1,90 und 2,03 D
schwankend , offenbar weil immer noch Oxydrückstände
11) Wiedem. Ann. IIL p. 1. 1878.
V. Beetz: Ueber die Electricitätserregung beim Üontact ete, 145
bafteten. Wurde dagegen der braune üeberzug durch ver-
dünnte Salzsaure entfernt, so fand sich die electroraotorisclie.
Kraft innerhalb ziemlich enger Grenzen constant, nämlich :
1,24 1,26 1,24 1,29 1,32 1,31 1,28
im Mittel Zn | Pd = 1,28 D.
Wenn wir das so gereinigte Palladium wirklich als
rein betrachten dürfen, so ist dessen Stellung in der elec-
tromotorischen Reihe dem Zink beträchtlich näher, als die
des Platins. Immerhin ist es nicht rathsam, die Stellung
einer durch irgend ein Gas polarisirten Palladiun? platte bei
messenden Versuchen auf die des reinen Palladiums zu be-
ziehen; weit sicherer lässt sich dieselbe ermitteln, wenn
man unter allen Umständen die amalgamirte Zinkplatte in
concentrirter Zinkvitriollösung mit der zu untersuchenden
Platte durch das Heberrohr zu einer Kette verbindet, oder
auch wenn man zwei durch verschiedene Gase polarisirte
Platten unmittelbar einander gegenüberstellt.
Zwei aus demselben Blech geschnittene Pallädiumplatten
wurden durch Korke gesteckt, welche die oberen Enden
zweier Glasröhren schlössen. Die Röhren wurden mit ver-
dünnter Schwefelsäure gefüllt und in ein Glas, welches die-
selbe Flüssigkeit enthielt, umgestürzt. Dann wurde in die
eine Röhre Sauerstoffgas, in die andere Wasserstoffgas ge-
bracht. Beide Gase waren electrolytisch entwickelt und
wurden in kleinen Gasometern aufbewahrt, aus denen sie
nach Bedarf entnommen werden konnten.
Die mit Sauerstoff umgebene Platte zeigte in ihrer
electromotorischen Beschaffenheit nicht die geringste Ver-
änderung, weder sogleich, noch nach längerer Einwirkung
des Sauerstoffs. Die Spannungsdifferenz Zn | Pd, 0 war
ganz unverändert dieselbe, wie Zn | Pd. Das Wasserstoff-
gas dagegen übte vom ersten Augenblick an einen starken
Einfluss; beim Eintreten der ersten Gasblase wurde das
Palladium sofort positiver und nachdem eine Zeit hindurch
146 Sitzung der math.'phys. Classe vom 4, Mai 1H78.
Gas vom Metalle aufgenommen worden war, wurde die
Kraft Zn | Pd,H bei verschiedenen mit Blechen oder
Drähten angestellten Versuchen gefunden
0,64 0,69 0,71 0,70 0,69 '
im Mittel Zn | Pd,H = 0,69 D.
Auf dieser Höhe blieb sie stehen, auch wenn so lange
WasserstoflF von aussen hinzugeföhrt oder an der Platte
selbst entwickelt worden war, dass es vom Palladium nicht
mehr absorbirt werden konnte, sondern dessen oberen Theil
frei umgab. Hiernach würde die Spannungsdifferenz
Pd,H I Pd = 1,28 — 0,69 = 0,59 D
sein, während ich früher
Pt,H I Pt = 0,81 D
gefunden hatte. Ob die Palladiumplatte blank oder mit
einem üeberzuge von Palladiumschwarz angewandt wurde,
machte keinen Unterschied.
Weiter wurden Palladiumplatten als Electroden einer
drei- bis vierpaarigen Groveschen oder einer sechspaarigen
Meidingerschen Säule gebraucht. Auch diese Electroden
waren in Glasröhren eingeschlossen um die Electrolyse so-
lange fortsetzen zu können, bis das entwickelte Wasser-
stoffgas nicht mehr vom Palladium absorbirt wurde. Die
Messung der vorhandenen Polarisation geschah ebenfalls
mittelst des Universalcompensators ; die an demselben an-
gebrachte einfache Auslösung liefert bei einiger üebung
sehr constante Resultat«, die freilich, wie alle ähnlichen
Vorrichtungen, den Uebelstand nicht ganz vermeidet, dass
der Polarisationsstrpm erst eine, wenn auch sehr kurze,
Zeit nach Unterbrechung des polarisirenden Stromes ge-
schlossen wird. Zum Unterschiede von der 'electromotori-
schen Kraft Zn | Pd,H, welche durch die blosse Umgebung
einer Palladiumplatte mit Wasserstoff erregt wird, bezeichne
V, Beetz: Üeher die Electricitätserregung beim Cont<ict etc. 147
ich mit Zn | Pdu die durch die galvanische Polarisation
vom WasserstoflF erregte Kraft. Dieselbe wurde gefunden
0,69 0,71 0,67
im Mittel Zn | Pdn = 0,69 D
d. h. ganz ebensogross, wie Zn | Pd,H. In diesem Falle
hatte also ein Einpressen des Wasserstoffes in die Palladium-
platte durch den electrolytischen Vorgang gar keinen Er-
folg mehr; die Platte war bereits mit Wasserstoff ganz
gefüllt.
Mit der positiven Electrode angestellte Messungen
gaben ganz unbestimmte Resultate. Die Platten bräunten
sich sogleich und wurden sehr stark negativ, so dass ich
für die Kraft Zn | Pdo Werthe wie 2,12 D erhielt. Dem
entsprechend wurden auch für die Gesammtpolarisation
Pda I Pdo sehr grosse Kräfte gefunden; ich überzeugte
mich aber, dass eine Aufzählung derselben gar keine Be-
deutung hat, da hier gar nicht mehr die Wirkung der
gasförmigen activen oder passiven Sauerstoffs in Betracht
kommt, sondern die der abgelagerten Oxydschicht. Ich
kann deshalb von den, von anderen Beobachtern über die
Stärke der Polarisation an Palladiumplatten gemachten
Zahlenangaben auch nur eine mit meinen eigenen Resul-
taten vergleichen: Graham ^^) fand nämlich die durch
1 bis 4 Bunsenelemente hervorgebrachte Polarisation
Pdn I Pto = 1,50 bis 1,85 D.
Ick selbst finde bei der Electrolyse durch 4 Grove oder
6 Meidinger
1,83 1,77
im Mittel Pdn | Pto = 1,80 D,
also sehr nahe ebenso, wie Graham; die Platinplatte war
dabei nicht ganz bis zum Maximum polarisirt. Eine von
Pearnell *•) gemachte Angabe, nach welcher die Polari-
12) Philos. Mag. (4) XXXVIII. p. 243.
13) ibid XXXIX p. 52.
148 Sitzung der viath.-phys. Classe vom 4. Mai 1878,
sation Pdn | Pdo = 0,306 D sein soll, ist offenbar viel
za niedrig.
Das üeberziehen des Palladiums mit Palladiumschwarz
änderte auch an der Polarisation durch Wasserstoff nichts
Böttger **) giebt Beweise für die kräftige Polarisation
solcher geschwärzter Palladiumplatten ; die hervorragende
Wirkung kommt aber erst beim dauernden Stroraesschluss
in Betracht, während er bei der momentanen Schliessung,
welche die Compensationsmethode verlangt, ohne Belang ist.
Die Bekleidung der positiven Electrode mit Palladium-
schwarz wird sofort abgestossen ; die sich bildende Oxyd-
schicht blättert den schwarzen Ueberzug vollständig ab.
Von anderen Oasen habe ich am Palladium noch
wirken lassen Chlor, Kohlenoxyd, Aethylen und Schwefel-
wasserstoff.
Chlor wirkt gleich mit den ersten Spuren, welche in
die Flüssigkeit eintreten und von ihr absorbirt werden,
stark negativ. Als die Flüssigkeit mit Chlor gesättigt war,
zeigte sich die electromotorische Kraft
Zu I Pd,Cl =^ 2,04 D,
bei längerem Stehen der Combination stieg sie sogar noch,
aber nur um ein Geringes. Hiernach ist dann
Pd I Pd,Cl = 0,76 D.
Der Versuch, durch Electrolysi^' von Salzsäure das
Palladium mit Chlor zu polarisiren, musste als unnütz auf-
gegeben werden. Schon das von aussen her in das Gas-
element eingeführte Chlorgas griff das Palladium an und
bräunte das Metall sowohl als die Flüssigkeit nach einiger
Zeit; bei der Electrolyse aber begann dieser Angriff sofort
in heftiger Weise, auch ein Ueberzug von Palladiumschwarz
wurde sofort abgestossen.
Aethylen und Kohlenoxydgas in die die eine Palla-
14) Jahresb. d. Prankf ph. Ver. 1875—76 p. 28.
V. Beete: Ueher die Electricitätserregung heim Co^fact etc. 149
diumplatte enthaltende Röhre eingeführt, polarisiren die-
selbe beide positiv und zwar fand ich nach Einführung des
Aethylens die Werthe
1,22 1,24 1,23
im Mittel Zn | Pd, C^H^ = 1,23 D,
und nach Einführung des Kohlenoxydgases
1,05 1,06
im Mittel Zn | Pd, CO = 1,05 D.
Hiernach ist dann
Pd, C,H^ I Pd = 0,05 D
Pd, CO 1 Pd = 0,23 D.
Wurde Schwefelwasserstoffgag in das Rohr eingeführt,
so erhielt ich gleich nach Eintritt der ersten Blasen die
Spann ungsdifferenz
Zn I Pd, HgS = 0,88 D.
Wurde die Flüssigkeit mit immer neuen Gasraengen
geschüttelt, so dass sie sich mit dem Gase sättigte, so ver-
änderte sich diese Differenz fast nicht, ich erhielt nach
zweimal erfolgter neuer Füllung
0,87 und 0,87
so dass sich ergiebt
Pd, H,S I Pd = 0,41 D.
Die Kohlen, mit denen ich experimentirt habe, sind
vierkantige, aus Retortenkohle geschnittene Stäbe, wie sie
für die electrischen Lampen gebraucht werden. Sie sind
von grosser Härte und sehr dichtem Gefüge. Die Kohlen
wurden durch Auskochen in Salpetersäure, in Wasser und
endlich in verdünnter Schwefelsäure, in der sie dann er-
kalteten, gereinigt. Sollten sie in verdünnter Salzsäure
statt in Schwefelsäure gebdKicht werden, so war auch diese
Flüssigkeit die letzte, in der sie ausgekocht wurden. Die
verschiedenen Stäbe wurden durch diese Behandlung ziem-
lich gleichartig; wenn ich sie in verdünnte Schwefelsäure
150 Sitzwm der math.'phys, Classe vom 4, Mai 1878.
brachte und diese duroli das Heberrohr mit der Zinkzelle
verband, so erhielt ich folgende electromotorische Kräfte
1,32 1,33 1,28 1,30 1,30 1,29
1,27 1,27 1,38 1,37 1,37 1,32
im Mittel Zn | C = 1,31 D.
Zu jeder Versuchsreihe mussten neue Kohlenstücke an-
gewandt werden, da die durch verschiedene Einwirkungen
veränderten Kohlen sich nicht wieder auf ihren anfanglichen
Zustand zurückfahren Hessen. Sauerstoflf oder Wasserstoff
in die Röhren, welche die Kohlen umschlossen , hineinge-
leitet, brachten nicht den geringsten Erfolg hervor; die
electromotorische Kraft der Combination blieb ganz unver-
ändert = Zn I C. Ebenso indifferent verhielten sich Kohlen-
oxyd und Aethylengas. Diese Ergebnisse stimmen nicht
mit meinen früheren Erfahrungen überein, nach denen die
genannten Gase auch an Bunsenscher Kohle electromotorisch
wirkten und durch welche ich veranlasst wurde, anzu-
nehmen, dass die electromotorischen Kräfte von Gasketten,
die ans verschiedenen Metall- (oder Kohlen- )platten, aber
aus den gleichen Gasen zusammengesetzt würden in einem
bestimmten, von der verdichtenden Kraft, welche die Me-
talle auf die Gase ausübten, abhängigen Verhältnisse ständen.
Die Kohlen, mit denen ich vor dreissig Jahren arbeitete,
waren sehr poröse aus Coak und Steinkohle bereitete Bat-
teriekohlen und ich sagte damals, der von mir für meine
Kohlen gefundene Verdichtungscoefficient sei gewiss nicht
als allgemein gültig zu betrachten ; andere Kohlen möchten
sich anders verhalten. Bei den jetzt gebrauchten ist also
von einer solchen Proportionalität überhaupt gar keine
Rede, die angewandten Gas6 mussten auf der Kohle gar
keine Verdichtung erfahren haben. Um diese etwas un-
wahrscheinliche Thatsache genauer zu prüfen, schnitt ich
aus solcher Retortenkohle zwei regelmässige Stücke, deren
jedes einen Querschnitt von 0,5 X 0,5 q. cm. und eine Länge
V. Beete: Üeher die Electricitälaerregung heim Ooutact etc. 151
von 1 cm., also einen Cnbikinhalt von 0,25 cub. cm. hattn.
Diese Kohlenstacke wurden stark ansgeglüht und dann in
Ammoniakgas gebracht, welches in Maasröbren über Queck-
silber abgesperrt war. Nachdem die alte Temperatur völlig
wieder hergestellt war, hatte das Volumen des Ammoniak-
gases um eine Kleinigkeit , die sich bei der veränderten
Gestalt des Meniscus nicht scharf bestimmen liess, zuge-
nommen. Hätte die Zunahme 0,25 cub. cm. betragen, so
wäre das ein Beweis, dass in der That gar kein Gas ab-
sorbirt war; immerhin zeigten die Versuche, dass die Re-
tortenkohle selbst von diesem Gase, das andere Kohlensorten
so lebhaft absorbiren, so gut wie nichts aufgenommen hatte.
Ganz anders verhielt sich die Kohle gegen Chlor. Dieses
Gas wurde so lange in die Bohre des Elementes hineinge«
leitet, bis es nicht mehr vollkommen absorbirt wurde, dann
warde wieder die Verbindung der Leitungsflüssigkeit mit
der Zinkzelle hergestellt und wurden folgende Spannnngs-
differenzen gefunden :
1,97 1,97 1,94 2,01
im Mittel Zn | C, Gl = 1,97 D,
so dass sich ergiebt
C I C,C1 = 0,69 D.
Wurde das Chlor nicht von aussen her in die Röhre
eingeführt, sondern durch Electrolyse verdünnter Salzsäure
gleich an der Kohlenelectrode entwickelt, so ergaben sich
noch grössere electromotorische Kräfte, nämlich
2,13 2,25 2,18
im Mittel Zn | C« = 2,19 D.
Bei länger dauernder Polarisation hat Maoaluso noch
grössere Werthe beobachtet.
Dass Kohlenelectroden durch Electrolyse in verdünnter
Schwefelsäure sehr stark polarisirt werden, ist schön be-
152 Sitzung der math.'phya, Classe vom 4. Mai 1S78.
kannt; namentlich hat neuerdings Dufour ^^) hierauf auf-
merksam gemacht. Ich fand die Polar isationsgrösse für
beide Electroden zusammen
2,08 2,21 1,96 2,04
im Mittel Ch | Co = 2,07 D.
Für die Polarisation der negativen Electrode wurde
nach Herstellung der Verbindung mit der Ziukzelle gefunden
0,27 0,26
im Mittel Zn | Ch = 0,26 D
für die der positiven
2,16 2,38
im Mittel Zn | Co = 2,27 D.
Durch directe V«rgleichung wurde femer gefunden die
Kraft zwischen reiner Kohle und mit Wasserstoff polarjsirter
1,07 1,11
im Mittel Ch | C ~ 1,09 D
und zwischen reiner Kohle und mit Sauerstoff polarisirter
1,07 1,04
im Mittel C | Co --= 1,05 D
woraus sich dann ergeben würde
Ch I Co = 2,14 D,
während direct 2,07 gefunden worden war.
Wenn ich die Kohlenelectroden, an denen die Electro-
lyse stattgefunden hatte, stehen liess, so nahm ihre Span-
nungsdifferenz gegen reine Kohle nur langsam und unvoll-
kommen ab. Die Kohle, an der der Wasserstoff entwickelt
worden war, zeigte noch nach 24 Stunden Spannungsunter-
schiede gegen reine Kohle im Betrage von etwa 0,6 D,
die an^ der Sauerstoff entwickelt worden war, solche von
etwa 0,3 D. Offenbar waren aber in den Kohlen ander-
weite chemische Veränderungen vorgegangen, in der nega-
tiven wahrscheinlich Rednctionen trotz aller Reinigung noch
15) Bull. Soc. Vand. (2) XIX. p. 63. 1876 ; Beiblätter I. p. 573.
V. Beetz: üeber die ElectricitäUerregung heim CanUict etc. 153
eingemischter Metalloxyde, an der positiven umgekehrt
Oxydationen. Eine zwischen Kohlenelectroden vorgenommene
£lectroIyse von verdünnter Schwefelsaure lieferte in der-
selben Zeit, in welcher an Platinelectroden 27,36 cnb. cm.
Wasserstoff durch denselben Strom ausgeschieden wurden,
26,86 cub. cm. Wasserstoff, aber nur IJl cub. cm. Sauer-
stoff. Zur Reduction war also nur sehr wenig Wasserstoff
verbraucht worden ; um so mehr Sauerstoff zur Oxydation. Die
Kohle selbst kann nicht die der Oxydation unterliegende Sub-
stanz sein, da sonst Kohlensäure oder Eohlenoxyd hätten auf-
treten müssen. Das geschah nicht, dagegen wurde von der
Anode reichlich Kohlenpulver losgestossen , ganz ähnlich,
wie das Palladiumpulver von der sich oxydirenden Palla-
diumanode abgestossen wurde; dabei förbte sich die Ober-
fläche der Kohle tiefblau. Bei der Ghlorentwickelnng an
einer Kohlenelectrode hat Macaluso ebenfalls diese Süer-
störung der Kohle beobachtet.
Wieder anders war endlich das Verhalten der Kohle
gegen Schwefelwasserstoff. Nachdem ebenso, wie früher
beim Palladium, einige Oasblasen an die Kohle getreten
waren, zeigte sich gar keine Veränderung in deren electro^
motorischen Stellung. Als die verdünnte Schwefelsäure
wiederholentlich mit neuen Schwefelwasserstoffmengen ge-*
schüttelt worden, rückte die Kohle dem positiven Ende der
Spannungsreihe immer näher. Es war nämlich beobachtet
fiir Zu I C, HgS
anfanglich 1,29
nach der zweiten Füllung 1,13
nach der dritten „ 1,04
nach der vierten „ 1,02
Die electromotorische Kraft näherte sich also mit der
Sättigung der Lösung einem Grenzwerthe, der etwa
Zu I C, HgS = 1,02 D
zu setzen ist, so dass
[1878. 2. Matb.-phys.] Cl. 11
154 Sitzung der m€Uh,'phy$, Glosse vom 4. Mai 1878.
C, HjS I C = 0,29 D
wird.
Die electromotorischeu Kräfte, welche durch WasserstoflF,
Schwefelwasserstoff, Kohlenoyd und Aethylen am Palladium
erregt wurden, zeigen in der That wieder eine ähnliche Pro-
portionalität, wie ich sie früher für alle Metalle vermuthet
hatte. Ich stelle in der folgenden Tabelle die früher für Platin
und die jetzt für Palladium gefundenen Werthe nebenein-
ander, und berechne die am Palladium zu erwartenden
Kräfte aus den am Platin beobachteten, indem ich letz-
tere mit dem Yerhältniss
Pd
Pd,H : Pt Pt,E
0,59 : 0,81 - 0,73 mnltipli
icire.
Pt
Pd
gefunden
gefunden berechnet
H 0,81
0,59 0,59
H,S 0,69
0,42 0,50
CO 0,28
0,23 0,20
NjH^ 0,06
0,05 0,04
Metall 0
0 0
Für die Betortenkohle ist dagegen nichts ähnliches zu
bemerken, sie wurde überhaupt nur unter dem Einfluss der
grösseren Löslichkeit der Gase oder unter dem der electro-
Ijrtischen Polarisation in ihrem Zustande verändert. Den
Factor 0,73 als Gondensationscoefücienten für Pelladium
zu bezeichnen haben wir übrigens kein Recht mehr, seit-
dem wir wissen , dass Palladium den Wasserstoff sehr viel
stärker condensirt, als Platin.
Aus den gewonnenen Resultaten ist nun Folgendes er-
sichtlich : Gegen Chlor verhalten sich Platin, Palladium und
Kohle ganz gleich, ja sogar die numerischen Werthe, welche
für die electromotorischeu Kräfte Zn | Pt,Cl; Zn | Pd,Cl
und Zn | C, Gl gefunden worden sind, stehen einander sehr
nahe, sie betragen der Reihe nach 2,08; 2,04; 1,97 D.
Hierbei ist noch abgesehen von den Werthen, welche bei
V, Beetz: üeher die Electficitätserregung beim Cantact etc, 155
electrolytischer Entwickelung des Chlors erhalten wurden,
weil der dabei stattfindende Angriff der Electroden den
Vergleich unsicher macht. Die fast vollkommene Ueberein-
stimmung zwischen Pt, Gl und G, Gl hat auch Macaluso
schon bemerkt. ^^) Es sieht so aus, wie wenn die in die
Chlorlosung tauchende Platte lediglich als Leiter dient und
in der That kann man hier nicht von der electromotori-
schen Kraft reden, welche ein Gas erregt, sondern wir
haben es einfach mit der electromotorischen Wirkung einer
Flüssigkeit zu thun, welche mit dem Grade der Goncen-
tration der Flüssigkeit wächst.
Das Schwefelwasserstoffgas ist von ähnlicher Löslich-
keit im Wasser, wie Ghlor. Dennoch verhält es sich anders
gegen Platin und Palladium, als gegen Betortenkohle. Die
letztere tritt wieder nur als ein Körper auf, der in eine
Lösung getaucht ist, von der er am so stärker electrisch
erregt wird, je concentrirter die Lösung ist. Platin und
Palladium werden schon durch die ersten Oasmengen stark
erregt, sie entziehen dieselben offenbar der Flüssigkeit, um
sie in oder auf sich zu verdichten.
Die übrigen in Betracht gezogenen Gkse sind sehr
wenig in Wasser löslich. Allerdings wird in der gewöhn-
lichen Form der Gasbatterie auch von ihnen zunächst etwas
in der Leitungsflüssigkeit gelöst werden müssen, um wirk-
sam za werden, aber diese Menge ist zu geringfügig, um
die Lösung wesentlich anders auf die Leiterplatte einwirken
zu lassen, als die Flüssigkeit, welche gar kein Gas absor-
birt hat. In diesen Fällen muss noch etwas Neues hinzu-
kommen, um eine Spannungsdifferenz zu erzeugen, nämlich
entweder eine Affinität (oder überhaupt eine Wirkung von
Molecularkräften, durch welche die Gase sich der Metall-
platte einverleiben), oder die Wirkung eines electrolysirenden
16) a. a. 0. p. 362.
11
156 SiUung der mathrphys. Ckuse vom 4. Mai 1878.
Stromes, welcher die Gase entweder ebenfalls in das Metall
hineindrängt oder auf der Oberfläche desselben condensirt.
Am Palladium zeigt der Wasserstoff dieses Eindringen
im höchsten Maasse, am Platin in geringerem, an der Re-
tortenkohle gar nicht. Die Nachhilfe der galvanischen Po-
larisation ist am Palladium ganz überflüssig, am Platin ist
sie förderlich, an der Eohle nothwendig, um eine Span-
nungsdifferenz zu erzeugen. In gleicher Art, wie Wasser-
stoff wirken Eohlenoxyd und Aethylen, aber weit schwächer.
Wenn wir dieselben durch galvanische Polarisation verdich-
ten könnten, so würde das in allen drei Fällen nützlich,
bei der Eohle sogar nöthig sein. Der Schwefelwasserstoff
steht in Bezug auf sein Verhalten gegen Platin und Palla-
dium dem Wasserstoff', in Folge seiner ^jöslichkeit dem
Chlor nahe.
Ich habe einen Versuch angestellt, um zu erfahren, ob
nicht auch das Chlor, das doch die Oberfläche der Metalle
so leicht angreift, vielleicht in merklicher Weise in die-
selben ein- oder durch sie hindurchdringe. Ganz ähnlich,
wie es bei dem Versuche von Root geschah, wurden zwei
Glasgefösse auf die beiden Seiten eines breit überstehenden
Palladiumbleches b gekittet. Beide Gefösse wurden mit
verdünnter Salzsäure gefüllt und in beide Palladiumelectro-
den, a und c, getaucht. Zwischen a und b wurde ein Strom
geschlossen, so dass sich auf der a zugewandten Seite von
b Chlor entwickelte. Andrerseits konnten b und c durch
momentane Schlüsse mit dem Galvanometer verbunden
werden. Zu meiner Verwunderung zeigte sich nach einiger
Zeit eine electrische Differenz, in der aber nicht b, sondern
c negativ erschien. Von dem sich entwickelnden Chlorgas
waren durch die Atmosphäre hindurch Spuren an die Ober-
fläche der Flüssigkeit im anderen Gefässe und dadurch zu-
nächst an die Electrode c gelangt. Dass auch am Platin
geringe Spuren von Chlor sofort electromotorisch wirken.
V. Beetz: üeber die EleetricitäUerregung heim Contact etc. 157
hat schon Macalnso bemerkt und ich bin jetzt der Mei-
nung, dass das Sauerstoffgas, welches ich für meine ersten
Messungen an Gasbatterien benutzte, das ich aus chlor-
saurem Kali dargestellt hatte, immer noch Spuren Yon Chlor
mitgefiihrt hat, wiewohl ich glaubte, es durch Waschen
hinreichend gereinigt zu haben, denn mit electrolytisch dar-
gestelltem Sauerstoff gelingt es mir ebensowenig Platin, wie
Palladium electromotorisch zu erregen. Ich yeränderte nun
meinen Apparat so, dass ich ihm die Gestalt eines u for-
migen Rohres gah^ dessen 80 cm. langer horizontaler Theil
in der Mitte durch ein Palladiumblech in zwei Hälften ge-
schieden wurde. Ich füllte zunächst beide Seiten mit yer-
dünnter Schwefelsäure und entwickelte an der der Platte
a gegenüberliegenden Seite von b Wasserstoff und zwar
nur durch einen wenige Secunden dauernden Schluss. Sehr
bald wurde die Wirkung des Wasserstoffes durch das Pal-
ladium hindurch merklich, die Platte b wurde auch auf der
Bückseite positiv. Lange darf man den Versuch nicht fort-
setzen, denn das Blech krümmt sich so stark, dass es bald
von der Eittung losgerissen wird. Nun wurde ein neu her-
gerichtetes Bohr mit verdünnter Salzsäure gefüllt. Die
lange Flüssigkeitsschicht liess gar nichts von dem sich ent-
wickelnden Chlor entweichen, die Electrode c blieb auch
völlig indifferent, bis die Platte b gänzlich durchfressen
war. Um diesen Moment etwas genauer zu fixiren, fällte
ich die verticalen Theile der u-förmigen Bohre bis zu mög-
lichst verschiedenen Höhen mit der Flüssigk^t und wieder-
holte den Versuch. Wieder blieben b und c indifferent
gegeneinander; plötzlich schlug der Galvanometerspiegel
heftig aus, aber in diesem Moment begann auch die Flüssig-
keit, sich auf beiden Seiten in^s Gleichgewicht zu setzen.
Nach diesen Versuchen dringt das Chlor nicht in ähnlicher
Weise in das Palladium ein, wie der Wasserstoff.
Ich glaube hiernach behaupten zu dürfen, dass wir es
1 58 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 4. Mai 1878.
streng geaommen mit einer electromotorischen Kraft der
Gase überhaupt nie zu thun haben, sondern entweder mit
Spannungsdifferenzen, welche durch verschiedenartige Lei-
tnngsflüssigkeiten hervorgerufen werden, oder mit Ver-
änderungen der Metalle durch solche Gase, welche ihren
gasförmigen Zustand durch Occlusion in Metallen oder
durch Condensation an deren Oberfläche ganz aufgegeben
haben, denn eine wirklich cohaerente Gasschicht, welche
einen metallischen Leiter überzöge, würde ja denselben von
der Leitungsflüssigkeit isoliren. —
Ich fuge hier noch die Beschreibung eines Versuches
bei, den ich schon' vor längerer Zeit angestellt habe , um
mir über die Wirksamkeit der Gase in der Gasbatterie
Rechenschaft zu geben. Gaugain hat in der oben er-
wähnten Arbeit die Ansicht vertreten, die electromotorische
Erafb der Gasbatterie sei lediglich der Verwandtschaft zuzu-
schreiben, mit welcher der Sauerstoff des Wassers imd der
durch das Platin condensirte Wasserstoff auf einander
wirken. Ich habe hiergegen eingewandt, dass doch dieser
Satz verallgemeinert werden müsse, da auch andere Gase
electromotorisch wirken; er müsse also etwa so heissen:
ein Gas wirkt dadurch electromotorisch, dass es sich unter
katalytischer Mitwirkung des Platins mit einem Elemente
des Wassers verbindet, *^) Ob dieser Satz richtig ist, kann
man nun durch folgenden Versuch erfidiren. Ich füllte zwei
Bohren, in deren jeder sich eine Platinplatte befand und
welche wie gewöhnlich verdünnte Schwefelsäure enthielten,
in einem dunklen Zimmer mit Chlor. Beide Platinplatten
zeigten keine Spannnngsdifferenz. Nun deckte ich über die
eine Röhre eine gelbe Glasglocke und liess das Tageslicht
Äuf beide Röhren fiäUen. Gewiss wurde jetzt die Einwirkung
des Chlors auf den Wasserstoff des Wassers in der freien
17) Poggend. Aon. CXXXII. p. 468.
V, Beetz: Ueber die Ekctrieitätserregüng heim Coniact etc. 159
Röhre kräftiger, als in der gedeckten, es wurde aber keine
Spanunngsdifferenz sichtbar. Der oben ausgesprochene Satz
ist demnach für Chlor gewiss unhaltbar. Für Wasserstoff
ist er wohl noch weniger anwendbar, da sonst die Affinitat
des Wasserstoffs am Platin zum Sauerstoff des Wassers
grösser sein müsste, wie die des Sauerstoffs zu dem an den-
selben bereits gebundenen Wasserstoff.
Endlich bemerke ich noch in Bezug auf die schon von
Wiedemann ^^) in Zweifel gezogene Angabe Grahams,
dass mit Wasserstoff beladenes Palladium stark magnetisch
sei, dass es mir niemals geglückt ist, irgend eine Einwirk-
ung des Wasserstoffpalladiums auf das Magnetometer wahr-
zunehmen.
Nachdem die vorstehende Mittheilung der k. Akademie
übergeben war, ist mir das Aprilheft des Philosophical
Magazine zugekommen, in welchem Herr Morley eine
in Prof. Forsters Laboratorium ausgeführte Untersuchung
über Groves Gasbatterie veröffentlicht. Morley kennt
nur die älteren Arbeiten von Grove und Schönbein
und die neueren von Gaugain. Die meinigen scheinen
ihm nicht zu Gesicht gekommen zu sein.
Morley bestreitet ebenfalls die Ansicht, dass der Sitz
der electromotorischen Erafb in Gasbatterien die Berührungs-
stelle von Metall, Flüssigkeit und G-as sei, er kommt aber
zu dem Resultat, das ich in vorstehender Mittheilung eben-
falls nicht als allgemein gültig erklärt habe, dass der ganze
Strom der Gasbatterie den aufgelösten Gasen seine Ent-
stehung verdanke. Er lässt dabei auch die Ansicht nicht
gelten, dass die allmähliche Stromabnahme einer geschlos-
18) Wiedemann Galvanismus 2, Aufl I. p. 528,
160 Sitztmg der nuUh.-phya. Glosse vom 4. Mai 1878.
seilen Gasbatterie der eintretenden Polarisation zuzuschreiben
sei, sondern sucht deren Grund lediglich in der Abnahme
des in der Flüssigkeit au%elosten Gasvolumens. Da er in-
dess die electromotorischen Kräfte nicht durch momentane
Stromschlusse misst , wie G a n g a i n und ich es gethan
haben, sondern dieselben aus der bei dauerndem Stromschluss
beobachteten Stromstarke und dem Widerstände berechnet,
so ist es nicht möglich, die primären Wirkungen von den
secundären gesondert aus seinen Messungen herauszuerkennen.
Dass eine derartige Vermischung nicht vermieden ist, zeigt
auch der Satz, zu welchem Morley gelangt: dass die
electromotorische Kraft der Gasbatterie nicht constant ist,
sondern mit dem Widerstände steigt.
V. Nägüii lieber die chemische Zusammensetzung der Hefe. 161
Herr Prof. von Nägeli legt durch Herrn Erlen-
meyer eine Abhandlung vor:
Ueber die chemische Zusammensetz-
ung der Hefe.
^ Die bisherigen chemischen Untersuchungen der Bier-
hefe lassen noch viel zu wünschen äbrig, indem sie uns
theils ein unvollkommenes, theils auch ein wenig Vertrauen
erweckendes Bild der Zusammensetzung geben. Die neueren
Angaben, wonach der Gellulosegehalt bloss 17,8 — 19,2
Proz. (nach Pasteur), sogar bloss 12: — 14 Proz. (nach
Lieb ig) der Trockensubstanz und der Fettgehalt 2 Proz.
oder wenig mehr ausmachen sollte, steht im Widerspruch
mit der mikroskopischen Beobachtung, welche fär die Mem-
bran etwa den doppelten Betrag der Pasteur* sehen An-
gabe und f&r das Fett in älteren Zellen mehr als den dop-
pelten Betrag verlangt.
Da alle Fragen, welche die Gärung betreffen, an die
physiologischen Funktionen der Gärungszellen anknüpfen
und da diese ohne genaue Eenntniss der chemischen Be-
schaffenheit anmoglicS erkannt werdek können, so schien
eine abeimalige Aufnahme der chemischen Untersuchung
mit vorzüglicher Berücksichtigung der physiologischen Ge-
sichtspunkte geboten.
Die Schwierigkeit der Hefenanalysen, wenn es sich
nicht um die Elemente sondern um die Verbindungen han-
162 Sitzung der matK-phys. Glosse vom 4. Mai 1878,
delt, besteht darin, dass die Zellen wegen ihrer Kleinheit
auf keine Weise zerrieben , zerrissen oder zum Platzen ge-
bracht und dadurch Inhalt und Membran auf mechanische
Weise getrennt werden können. Der einzige Weg, der
Aufschluss zu geben vermag, besteht darin, durch verschie-
dene Mittel losliche Verbindungen auszuziehen und durch
nebenhei^ehende mikroskopische Untersuchimg die Veränder-
ungen an den Zellen festzustellen.
Zunächst wurden zwei bisher nicht angewendete Mittel
in Angriff genommen. Da vielfache Beobachtungen ge-
teigt hatten, dacß die Hefenzellen mit dem Altwerden von
selbst nahezu ihren ganzen Inhalt verlieren, so wurden die-
selben mit einer hinreichenden Menge Wasser mehr als
1 Jahr lang stehen gelassen, wobei das Wasser einen Zu-
satz von 1 Proz. Phosphorsäure erhielt, um die Spaltpilze
und ihre verderbliche Wirkung auszuschUessen. Diese starke
Ansäuerung verlangsamte aber auch den Lebensprozess der
2iellefi sehr stark, so dass schliesslich nicht mehr als 37,4
Proz. der Trockensubstanz in Losung gegangen waren.
Das andere bisher nicht benutzte Mittel bestand in
dem Kochen mit Wasser. Die Hefe wurde Umal nach
einander mit Wasser, im Ganzen während einer Dauer von
20 Tagen, gekocht. Die Zellen gaben bei dieser Behand-
lung etwa die iBEalfte ihrer Trockensubstanz an das Was-
ser ab.
Diese beiden Untersuchungen wurden von dem Ad-
junkten des pflanzenphysiologischen Instituts Otto Heinrich
begonnen, und nachdem derselbe wegen Krankheit austreten
musste, von Dr. Oscar Loew fortgesetzt und zu Ende geführt.
In den von der lebenden Hefe in verdünnter Phosphor-
säure ausgeschiedenen sowie in den aus den todten Zellen
durch Kochen ausgezogenen Stoffen befand sich ein Kohlen-
hydrat, welches zu den Pflanzenschleimen gehört und als
Sprosspilzschleim bezeichnet werden kann. Derselbe macht
V. Nägdi: lieber die chemische Zusammensetzung der Hefe. 163
sammt der Pilzcellulose etwa 37 Proz. der Trockensabstanz
untergäriger Bierhefe aus.
Die nächste und wichtigste Frage ist nun die, wie der
Pilzschleim in den Hefenzellen vorkomme. Man möchte
wohl vermuthen, dass er dem Inhalte angehöre. Diess ist
mir aber durchaus unwahrscheinlich; ich bin vielmehr der
Ansicht, dass er aus der Membran stamme, womit ich aber
nicht sagen will, dass er als solcher in derselben enthalten
sei. Die Zellmembranen wie die Stärkekömer bestehen aus
abgestuften physikalischen (d. h. micellaren) Modificationen
der nämlichen chemischen Verbindungen ; Endglieder dieser
Reihen sind Pfianzenschleim , Gummi, Dextrin. Durch
Lösungsmittel (kochendes Wasser, verdünnte Säuren, Fer-
mente etc.) werden zuerst die leichter, bei längerer Ein-
wirkung nach und nach die schwieriger löslichen angegriffen.
Nur ein sehr kleiner Theil mag schon als Pilzschleim in
der Zellmembran enthalten sein.
Für diese Auffassung spricht schon die ungleiche Menge
von Pilzschleim, welche man bei verschiedener Behandlung
erhält, womit dann auch die ungleiche Menge der gefun-
denen Gellulose in Beziehung, und zwar im umgekehrten
Verhältnisse zur Menge des Schleimes steht. Pasteur
erhielt durchschnittlich nur 1 8, 5 Proz. , L i e b i g noch
weniger, Payen dag^en 29,4 Proz. Gellulose. Ich glaube,
dass die Zellmembran der Hefenzellen, lange genug mit
Wasser gekocht, vollständig in Schleim umgewandelt würde.
Bei dem zwanzigtägigen Kochen wurde bis zuletzt Schleim
ausgezogen, aber in immer kleineren Mengen.
Der Pilzschleim ist löslich in heissem Wasser, fast un-
löslich in kaltem. Wenn man Pflanzenzellen in die noch
warme Lösung bringt, so treten keine diostnotischen Er-
scheinungen ein. Beim Eintrocknen der Lösung beobachtet
man das Nämliche wie bei einer reinen Gummi- oder Dex-
trinlösung; die darin liegenden Algenzellen (Spirogyra etc.)
164 Sitzung der math.-pTiys, Clasae vom 4. Mai 1878,
verhalten sich gerade so, als ob sie an der Luft eintrock-
neten. Der Pilzschleim geht also diosmotisch nicht durch
Zellmembranen hindurch. Durch diesen Umstand Wird es
ebenfalls einigermassen unwahrscheinlich, dass derselbe im
Inhalte sich befinde. Doch darf man daraus nicht etwa
geradezu die Unmöglichkeit folgern, dass der Schleim beim
Kochen oder in yerdünnter Säure die 2iellen verlassen
könne. Es kommt ja mehrfach vor, dass coUoide Stoffe in
wässriger neutraler Lösung nicht diosmiren, wohl aber in
sauren oder alkalischen Lösungen.
Muss aber der Schleim aus anderen Qründen als ein
durch die Lösungsmittel aus der Membran gebildetes Pro-
dukt betrachtet werden, so ist der Vorgang leicht verstand-
lich. Das heisse Wasser oder die verdännte Säure bringt
einzelne Partieen der Membran zum Aufquellen, und der so
gebildete Schleim wird mechanisch aus der Membran heraus-
gepresst und vertheilt sich als Lösung in der umgebenden
Flüssigkeit.
Man könnte bei oberflächlicher Betrachtung der Mei-
nung sein, dass die äusserst dünne Membran der Hefenzellen
nicht 37 Proz. der ganzen Trockensubstanz enthalten könne.
Die genauere Deberlegung zeigt indess, dass es nicht wohl
anders sein kann. Die frischen Hefenzellen enthalten im
Ganzen 83 Wasser und 17 Substanz. *) Nur wenige der-
selben sind ganz mit weichem Plasma erfüllt ; bei der Mehr-
zahl befindet sich in dem Plasma eine mit Wasser gefüllte
Yacuole oder auch neben wässriger Zellflüssigkeit ein kör-
niger Plasmainhalt. Aus optischen Qrüuden, welche sich
1) Nach einem eigens hiefÜr angestellten Yersnch von Dr. Walter
Nageli, welcher eine kleine Menge einer ganz reinen Hefe darch 18
Standen langes Stehenlassen anf dem Filter vollständig von dem an-
hängenden Wasser befreite und dann von 8,29 gr. feuchter Masse, welche
bei 100^ getrociaiet wurde, 1,41 gr. (somit 17 Proz.) Substanz erhielt.
V. Nagelt : Üeber die chemische Zusammensetgung der Hefe, 165
aus der Vergleichung von jungem mit Inhalt erfüllten mit
alten inhaltslosen Zellen ergeben, sowie aus dem Umstände,
dass die Membran der Bierhefezellen chemischen Aaflösungs-
mitteln einen verhältnissmässig starken Widerstand leistet
und sich dadurch als ziemlich dicht erweist, möchte ich
schliessen, dass die Membran in der Baumeinheit ziemlich
mehr Substanz enthalte als der durchschnittliche Inhalt.
Es dürften sich die 83 Proz. Wasser der Hefe so auf In-
halt und Membran vertheilen, dass auf jenen 86, auf diese
75 Proz. kommen, so dass die Membran 3-mal, der Inhalt
6-mal soviel Wasser enthält als Substanz. Unter dieser
Voraussetzung berechnet sich die Dicke der Membran einer
10 Mik. (Vi 00 mm.) grossen Bierhefenzelle zu 0,45 Mik.
(Vs2oo mm.), sodass sie also nur den 22ten Theil des Zellen-
durchmessers (den llt«n Theil des Radius) ausmacht.
Die untersuchte Bierhefe war ziemlich arm an Stick-
Stoff (7,5 — 8 Proz. der aschenhaltigen Trockensubstanz).
Eine sehr stickstoflfreiche Oberhefe (mit fast 12 Proz. Stick-
stoff), die fast ganz ans jungen, mit Plasma erfüllten Zellen
besteht, enthält gegen 75 Proz. Albuminate und wenig
mehr als 20 Proz. Cellulose und Pilzschleim. Die Mem-
brandicke kann hier unter der obigen Annahme kaum 0,2
Mik. (Vsooo mm.), also kaum den 50ten Theil des Zellen-
durchmessers betragen.
Nehmen wir aber an, dass Membran und Inhalt gleich
wasserhaltig seien, was sicher für die stickstofiKrmere und
ältere Hefe nicht richtig ist, so würde bei der Hefe mit
7,5 — 8 Proz. Stickstoff auf einen Zellendurchmesser von
10 mm. die Wanddicke 0,8 Mik. (Vi«ifi des Durchmessers),
bei der Hefe mit &st 12 Proz. Stickstoff kaum 0,4 Mik.
(V25 des Durchmessers) ausmachen.
Es ist nun zwar aus optischen Gründen unmöglich,
genau die Dicke einer sehr dünnen Zellmembran zu be-
stimmen. Vielfache Uebung und Vergleichung von Ob-
166 Sitzung der math.-phya, Glosse vom 4. Mai 1878.
jekten, die eine sichere Messung zulassen, mit solchen, wo
diess nicht mehr möglich ist, erlauben indess eine annähernde
Schätzung. Diese ist bei inhaltslosen Hefenzellen und bei
solchen mit kömigem Inhalte möglich, und zeigt uns, dass
die Zellmembran unmöglich noch dünner, somit ihr Gehalt
an Substanz noch geringer angenommen werden darf, als
es bei den vorstehenden Berechnungen geschehen ist.
Nach dieser Auseinandersetzung glaube ich es als im
höchsten Grade wahrscheinlich aussprechen zu können, dass
der in den Auszügen befindliche Pilzschleim aus der Mem-
bran stammt ; und dass in dem Inhalte keine Kohlenhydrate
in nennenswerther Menge enthalten sind, da eine Glykose-
form nur in Spuren vorkommt. *)
üeber- den Pilzschleim der Sprosshefe bemerke ich noch,
dass derselbe aus der heissen Lösung sich in mikroskopischen
Kugeln von sehr ungleicher Grösse ausscheidet. Dieselben
enthalten sehr viel Wasser, da sie das Licht wenig stärker
brechen als das umgebende Wasser. Unter dem Polari-
sationsmikroskop erweisen sie sich als einfachbrechend, was
möglicher Weise nur eine Folge ihres grossen Wasserge-
haltes ist. Jod förbt die Schleimkugeln braunroth, während
die Zellmembran nicht gefärbt wird; es verhält sich damit
wie mit der farblosen Stärkemodifikation (Amylocelhilose),
welche nach dem Auflockern in Amylodextrin ebenfalls auf
Jod reagirt. Wenn man zu den Schleimkugeln etwas Säure
oder ein saures Salz (Weinstein) bringt, so losen sie sich
wieder. Diess ist auch mit den durch Jod geerbten Kugeln
der Fall. Diese fliessen unter dem Mikroskop zuerst in
2) Schützenberger (die Gährungserscbeinungen 1876j sagt ohne
ersichtliche Motivirnng : „Ist dieses Gnmmi nicht bereits fertig gebildet
in der frischen Hefe enthalten, so kann es nur dadurch entstanden sein,
dass ein zusammengesetzter Körper aus der Familie der Glykoside zer-
setzt worden ist, oder dass ein unlösliches Eohlenhydrat, das jedoch
nicht Cellulose ist, eine moleculare Umsetzung erfahren hat/'
V. Nagelt: üeber die chemische Zusammensetzung der Hefe, 167
grossere Tropfen zusammen, verändern je nach den Ström-
ungen in der Flüssigkeit ihre Gestalt und verschwinden
dann gänzUch.
Die Zellmembran der Essigmutter (Mycoderma) und der
übrigen gallert- oder schleimartigen Spaltpilze schwankt
rücksichtlich der Weichheit zwischen der Gellulose und dem
Pilzschleim der Sprosshefe. Es besteht jedoch zwischen der
Membran der Spaltpilze und derjenigen der Sprosspilze
nicht bloss eine gradweise sondern eine qualitative Ver-
schiedenheit, indem die Gellulose der Sprosspilze gegen
Eupferoxydammoniak eine grössere, gegen Säuren und
heisses Wasser eine geringere Widerstandsfähigkeit zeigt
als diejenige der Spaltpilze.
Wir müssen also die Sprosspilzcellulose von der Spalt-
pilzcellulose und demzufolge auch den Sprosspilzschleim
von dem Spaltpilzschleim unterscheiden. Den Spaltpilz-
schleim (Milchsäuregummi, Gärungsgummi) finden wir bei
vielen Spaltpilzvegetationen, am schönsten und reichlichsten
bei der sogenannten schleimigen Gärung. Er bildet hier
aber, wie auch bei allen übrigen Spaltpilzvegetationen,
keine Lösung; auch ist er sicher kein Gärungsprodukt,
wie man bis jetzt irrthümlich angenommen. Der Schleim,
der bei der Mannit- und Milchsäuregärung zuweilen ent-
steht, ist nichts anderes als die sehr weichen und schlei-
migen Membranen der Spaltpilze. Er bildet grossere und
kleinere Massen, deren Abgrenzung gegen das Wasser man
zuweilen ziemlich deutlich sieht, und deren Anwesenheit
oft sehr schön daran erkannt wird, dass die au&teigenden
Gasblasen im Wasser (neben den Schleimmassen) sich rasch,
sowie sie aber in eine Schleimmasse gerathen, sehr lang-
sam bewegen, manchmal selbst darin stecken bleiben. ')
3) Ob das „Gärungsgummi" (die schleimige Gellulose der Spalt-
pilze) identisch ist mit dem aus den Runkelrüben erhaltenen Dextran,
168 Sitzung der math.-phys, Ölasae vom 4. Mai 1878.
Unter den stickstoiflosen Verbindungen des Inhalts
nimmt das Fett die erste Stelle ein. Die bisherigen Angaben
über die Menge desselben waren allgemein zu gering. Die
Behandlung der Bierhefe mit eoncentrirter Salzsäure, welche
die Membran zerstört und das Fett in Fettsäuren überführt,
ergibt beispielweise 3 mal so viel Fett als Kochen mit Aether.
Dass beim Kochen mit Weingeist oder Aether das Fett nur
langsam und unvollständig ausgezogen wird, dürfte wohl
darin seinen Grund haben, das Membran und Plasma, welche
das Fett einschliessen, im wasserfreien Zustande die ge-
nannten Flüssigkeiten schwer durchgehen lassen, und weil
die einen Fettpartieen besser umhüllt und geschützt sind
als die andern. Es ist aber wahrscheinlich, dass eine hin-
reichend lange Behandlung mit Alkohol und Aether das
Fett zuletzt vollständig ausziehen würde.
Wenn der Cellulosegehalt und der Fettgehalt (jener
mit 37, dieser mit 5 Proz.) von der Elementaranalyse einer
Hefe mit 7,5—8 Proz. StickstojGF abgezogen werden, so
bleibt ein Best, welcher ziemlich gut mit der Zusammen-
setzung der Albuminate übereinstimmt. Das Plasma der
Bierhefenzellen muss also fast gänzlich aus Albuminaten be-
stehen. Die chemische Untersuchung, soweit sie überhaupt
bis jetzt möglich ist, bestätigt diesen Schluss vollkommen.
Die Peptone machen nur etwa 2 Prozente des Inhaltes
aus. Bei der Involution der Zellen wird aber bis zum wirk-
lichen Absterben derselben die ganze oder beinahe ganze
Menge der Albuminate als Peptone ausgeschieden; ebenso
werden die Albuminate durch fortgesetztes Kochen nach
und nach in Peptone übergeführt und ausgezogen.
Bemerkenswerth ist, dass das Nämliche auch durch
Pepsin und dann in kürzerer Zeit erreicht wird. Frische
lebende so wie durch Kochen getödtete Bierhefe in salz-
bleibt vorderhand zweifelhaft und ist wohl nur für den Fall wahrschein-
lich, als das letztere ein Produkt „schleimiger Gärang" sein sollte.
V, Nägdii Ueber die chemische ZusammeMctzung- der Hefe. 169
saurer Pepsinlösung giebt bei der Temperatur des Brütkastens
(ungefähr 35® C.) ihre Albuminate nach und nach als
Peptone ab. Diese Wirkung ist zugleich die beste Ent-
scheidung für die noch streitige Frage, ob Pepsin durch
Membranen diosmire. Man könnte zwar die Vermuthung
hegen, dass die Salzsäure allein in die Zellen eindringe und
die Umwandlung ausführe. Um darüber Gewissheit zu er-
langen, wurden gleichzeitige Controlversuche angestellt, in-
dem sowohl lebende als getödtete Hefe in der nämlichen
salzsaureh, aber pepsinfreien Lösung neben dem eigentlichen
Versuch sich im Brütkasten befand. Dieselbe gab fast keine
stickstoffhaltigen Verbindungen an das Wasser ab. Aus
diesen Thatsachen ergiebt sich mit vollständiger Gewissheit,
dass Pepsin in salzsaurer Lösung durch PflanzenzelU
membranen diosmirt, und es dürfte wohl die Angabe von
Wittich, dass Pepsin nur bei Gegenwart von freien Säuren
durch Membranen hindurchgehe, allgemein richtig sein.
Die Hefenzellen scheiden die Albuminate, die sie ver-
lieren, nicht vollständig als Peptone aus. Ein sehr kleiner
Theil derselben wird in Ferment (Invertin) umgewandelt.
Ein anderer kleiner Theil erfährt eine andere Zersetzung,
wie sich aus den geringen Mengen von Leucin, Guanin,
Xanthin und Sarkin ergibt, die in dem mit Hefe gestandenen
säurehaltigen Wasser gefunden wurden. Die letzteren Ver-
bindungen sind durch die Einwirkung des Sauerstoffs ent-
standen und als Produkte der Respiration zu betrachten.
Ak solche bilden sie sich innerhalb der Zellen und gehören
vorübergehend dem Zelleninhalt an. In sauren Flüssigkeiten
werden auch Albuminate als solche in geringer Menge aus-
geschieden.
Es ist nun möglich, sich eine Vorstellung von dem
chemischen Verhalten der Hefezellen zu machen. Untergärige
Bierhefe mit nahezu 8 Proz. Stickstoff hat beispielsweise
folgende chemische Zusammensetzung:
[1878. 2. Math-phys. Cl.] 12
170 SUzung der math.-phya. Cla$9e vom 4, Mai 1878.
Cellulose mit Pflanzenschleim (die Zellmembran bildend) 37
Proteinstoffe:
a) gewöhnliches Albumin . . . . .36
b) leicht zersetzbarer, glntencaseiuartiger P. . 9
Peptone durch Bleiessig fallbar . 2
Fett 5
Asche . 7
Extractivstoffe etc 4
100
Unter dem mit 4 Proz. aufgeführten Rest befinden sich
durch Bleiessig nicht fallbare Extraktivstoffe, worunter ein
peptonartiger Korper; — ferner geringe Mengen von In-
vertin, Leucin und Traubenzucker, noch geringere Mengen
von Glycerin, Bernsteinsäure, Cholesterin, Guanin, Xanthin,
Sarkin und wahrscheinlich Inosit^ endlich Spuren von
Alkohol.
Verschiedene irrthümliche Angaben über Verbindungen,
die in der Hefe vorkommen sollen, sind nach den vorstehen-
den Untersuchungen zu berichtigen. So fällte Schlossberger
aus dem Auszug mit schwacher Kalilauge durch Neutralisiren
mit Säure einen stickstoffarmen Körpef, in welchem
Schützenberger sein Hemiprotein zu erkennen glaubt.
Der Niederschlag muste nach der stattgehabten Procedur
ein Gemenge von Pilzschleim und Albuminaten sein. —
Verschiedene Forscher geben an, dass der wässerige Auszug
(selbst wenn die Hefe mit Eiswasser ausgewaschen wird)
ansehnliche Mengen von Tyrosin und Leucin enthalte. Eis
sind dies Produkte der Fäulniss, welche aus den von den
Hefezellen ausgeschiedenen Peptonen stammen.
Bezüglich der angeführten, die Hefe zusammensetzenden
Stoffe giebt es keine constanten Verhältnisse. Die Menge, in
der jeder einzelne Stoff vorkommt, wechselt einmal nach dem
Alterszustande, in welchem sich die Hefe befindet, ferner
nach allen äusseren Einflüssen, welche auf dieselbe einwirken.
V, Nägdi: üeber die chemische Zusammensetzung der Hefe. 171
Was den Alterszastand betrifft, so finden sich zwar
fast in jeder Hefe alle Stadien yon den jüngsten bis zn den
ältesten abgestorbenen Zellen. Aber gewöhnlich überwiegt
ein Stadium ganz bedeutend und verleiht der Hefe ihren
bestimmten Character. Im Allgemeinen zeichnet sich die
jugendliche Hefe durch einen grossen Gehalt an Albuminaten
und Asche, die alterige (s. v. v.) durch einen grossen Ge-
halt von Cellulose und Fett aus.
Die hier folgenden Untersuchungen sind von Dr. Oscar
Loew redigirt. Die dazu verwendete Hefe stammte aus der
Grossbrauerei von Gabriel Sedelmayr, welche mit verdankens-
werther Bereitwilligkeit möglichst reines Material zur Ver-
fügung stellte.
1. In Weingeist lösliche Bestandtheile der
Hefe.
Da Hefe an 50 — 60 prozentigen Weingeist durchschnitt-
lich etwa 15 Prozent ihres Trockengewichts abgiebt, so
wurde eine Untersuchung dieser Bestandtheile vorgenommen.
2,5 Kilogramm Hefeachlamm, der auf dem Filtrum das
anhängende Wasser verloren hatte und 16 — 18 pc. Trocken-
substanz enthielt, wurden mit 2 Liter Alkohol von 95 pc.
2 Tage unter häufigem Umschütteln in Berührung gelassen
dann mehrere Stunden bei 60 — 65" digerirt, abfiltrirt, der
Filterinhalt nochmals mit 1,5 Liter Alkohol bei 60^ be-
handelt und beide Filtrate vereinigt. Diese schieden beim
Erkalten einen flockigen Körper aus, von welchem nach
dem Abdestilliren des Alkohols noch mehr erhalten wurde
und welcher vom anhängenden Fett durch Schütteln mit
Alkohol und Aether befreit nach dem Trocknen 37,72 grm.
wog (circa 9 pc. der trocknen Hefe).
Seine Löslichkeit in Wasser und Alkohol ist nicht
bedeutend und nimmt noch mehr mit dem Trocknen ab.
Beim Erhitzen verbreitet er den Geruch verbrennenden Horns.
Die. wässrige Lösung gibt mit Salpetersäure gelbe Flocken,
172 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 4 Mai 1878,
mit Sublimat, Ferrocyankalium and Essigsäure, sowie Bleiessig
geringe Niederschläge, mit salpetersaurem Quecksilberoxyd
einen beim Erhitzen mit etwas Kalinitrit sich rothenden Nie-
derschlag und liefert mit alkalischer Eupferoxydlösung eine
violette Färbung. In alkalischen Flüssigkeiten löst er sich
leicht und Säuren fällen ihn daraus in Flocken. Bei längerer
Berührung mit schwacher Ealilösnng (1—2 prozentige ge-
nügt) erleidet er eine wenn aach wenig weit gehende Zer-
setzung unter Abgabe von SchwefelwasserstoflF, leicht mit Blei-
papier beim Ansäuern der Flüssigkeit erkennbar.
Es unterliegt also keinem Zweifel, dass dieser Körper
zu den Proteinstoffen zält und zwar erinnert seine Löslich-
keit in heissem Weingeist sehr an das von Ritthausen in
den Getreidearten aufgefundene Gluteucasein, dem er sich
auch in seinen übrigen Eigenschaften nähert. Auffallend ist
die Leichtigkeit, mit welcher er sogar ohne Temperaturer-
höhung durch sehr verdünnte Kalilös ang eine Schwefelwasser-
stoffabspaltung erfährt; er unterscheidet sich dadurch von
der Hauptmasse des Hefealbnminats, welches unter denselben
Bedingungen viel beständiger ist und sich aufs engste an
das Eieralbumin anschliesst. ')
Nach Ausscheidung dieses Proteinstoffes aus dem wein-
geistigen Hefeextract wurde die mit Barytwasser neutralisirte
]) Hieraas wird wohl die Angabe Schlossbergers erklärlich dass das
Alhuminat der Hefe sich darch besonders leichte Zersetzbarkeit aus-
zeichne (Ann. Chem. Ph. Bd. 80) und schon bei Behandlung mit ver-
dünnter Ealilösting den Schwefel und einen Theil des Stickstoffs ver-
liere; er hatte in seinem alkalischen Auszog wohl vorzugsweise jenes
leicht zersetzbare glutencaseinartige Alhuminat. Säuren fällten daraus
einen Körper mit nur 13,9 pc. N. Ich habe nach Entfernung jenes
Körpers mit verdünntem Kali einen Körper der Hefe entzogen, der durch
Neutralisation der Löaong mit Salzsäure gefallt, noch 15,30 pc. N. ent-
hielt [0|230 grm. gab 0,248 Ft.] und mindestens so bestandig war,
wie Eieralbumin.
V. Nagelt: Ueber die chemisehe Zusammensetzung der Hefe. 173
Flüssigkeit mit Bleiessig gefällt (p). Das Filtrat nach Aus-
fällung "des Bleis und Baryts eingedampft, gab eine bräunliche
hygroscopische, im Geruch an Brodrinde und Fleischextract
erinnernde, im starkem Alkohol theilweise lösliche Masse,
welche viel essigsaures Kali — aus Zersetzung der Hefe-
phosphate mit Bleiessig hervorgegangen — enthielt. Nach
Entfernung des grössten Theils des Kali mittelst 5chwefel-
säure und Alkohol fiel auf Zusatz von Aether- Alkohol ein
zäher Syrup aus, die im wesentlichen aus Pepton bestand
und zwar dem sogenannten c-Pepton Meissners ; denn Ferro-
cyankalium in essigsaurer Lösung fällte ihn nicht, während
Millons und die sogenannte Biuret-reaction über die Natur
des Körpers keinen Zweifel aufkommen Hessen. Weder
durch Kochen mit Kupferoxydhydrat noch durch partielle
Fällung mit Quecksilberoxydacetat konnten krystallisirbare
Beimengungen aufgefunden werden ; Glutaminsäure und
Asparaginsäure waren sicherlich nicht vorhanden.
Die von dem erwähnten Syrup abgegossene alkoholisch-
aetherische Flüssigkeit Hess bei längerem Stehen eine geringe
Menge eines weisslichen Pulvers fallen, das sich als reines
L e u c i n erwies. Das Filtrat hievon der Destillation unter-
worfen, der Rückstand in wenig Alkohol gelöst und dann
mit viel Aether versetzt schied einen bräunlichen Syrup (s)
aus, während die aetherische Schichte beim Verdunsten
einen zähflüssigen nicht trocknenden Rückstand lieferte, der
beim Erhitzen den spezifischen Acroleingeruch entwickelte,
also auf Glycerinals weiteren Bestandtheil deutete.
Der Syrup (s) wurde auf dem Wasserbade vom Alkohol
befreit, die mit Kali neutralisirte Lösung mit salpetersaurem
Quecksilberoxyd gefällt und das Filtrat mit Schwefelwasser-
stoff behandelt. Letztere lieferte ausser einer geringen
Menge Leucin im Wesentlichen Traubenzucker mit
allen seinen characteristischen Reactionen, während der
Quecksilberniederschlag eine stickstoffireiche Materie enthielt,
174 Sitzung der math.-pJiys» Clasat vom 4. Mai 1878.
¥
welche mit salpetersaurem Silberoxyd einen in Ammoniak
unlöslichen Niederschlag gab; die Menge dieses jedenfalls
der Xanthingruppe angehörigen Körpers, war für eine nähere
Untersuchung zu gering.
Der obenerwähnte Bleiessigniederschlag (p) enthielt neben
phosphorsaurem Bleioxyd 10,1 grm. organische Materie.
Nach Behandlung nit Schwefelwasserstoff und Entfernung
der Phosphorsäure mit Aetzbaryt lieferte das Filtrat nach
dem Einengen einen feinpulvrigen Absatz, der im Wesent-
lichen aus einem Barytsatz bestand. Mit Salzsäure versetzt,
nimmt Aether beim Schütteln Bernsteinsäure auf; ihre
Menge betrug 0,16 grm.*)
Die vom bernsteinsauren Baryt abfiltrirte Flüssigkeit
gab mit Alkohol einen voluminösen Niederschlag, der sich
im Wesentlichen aus einer Pepton-Baryt- Verbindung be-
stehend erwies. Die ganze Menge des in frischer Hefe vor-
handenen Peptons übersteigt nicht 2 Procent. Die Unter-
suchung ergab also Pepton, Bernsteinsäure, Leucin, Trauben-
zucker, Glycerin, und ein in Alkohol lösliches Albuminat.
2. In Aether lösliche Bestandtheile der Hefe.
Ausser einer kurzen Bemerkung Hoppe-Seylers in einer
Abhandlung „Ueber die Constitution des Eiters" *), dass
Aether ausser Fett noch Choleslerinund Lecithin aus
der Hefe aufnehme, findet sich in der Literatur keine weitere
Angabe hierüber, wesshalb Versuche angestellt wurden, die
5) Dieses wurde 0,04 pc. der trocknen Hefe entsprechen, möglicherweise
erreicht aber der Gehalt daran das Doppelte. Die hier eingeschlagene
Uatersnchungs-Methode ist qualitativer Art und war nicht auf quanti-
tative genaue Bestimmungen der in so kleinen Mengen vorhandenen
Bestandtheile gerichtet.
6) Med.-chem. Untersuchungen; Heft lY, pag. 500.
V. Nagelt: Ueber die chemische Zusammensetzung der Hefe. 175
nun ergaben, dass wohl Cholesterin, aber nicht Lecithin ')
zu den Hefebestandtheilen gehört. —
Schüttelt mau Hefeschlamm mit dem gleichen bis dop-
pelten Volum Aether, so bildet sich ein breiförmiges Ge-
menge, aus welchem sich auch nach mehrtägigem Stehen
nichts absondert. Nur durch Zugabe von Alkohol lässt
sich eine Abscheidnng der aetherischen (alkoholhaltigen)
Schichte bewerkstelligen. Deatillirt man aus letzterer den
Aether ab, so giebt der alkoholische Rückstand weder direct
noch nach weiterem behutsamen Concentriren Reactionen
auf Lecithin und ebenso wenig nach Kochen mitAetzbaryt
und Extrahiren des eingedunsteten von letzterem mittelst
Kohlensäure befreiten Filtrats mit Alkohol — solche auf
Neurin.
Ein Theil des alkoholischen Destillationsrückstandes
mit alkoholischer Platinchlorid -Lösung versetzt, gab nach
eintägigem Stehen keine Spur einer Lecithin Verbindung;
der gebildete geringe Niederschlag enthielt ebensowenig
Neurin, ein so characteristisches Spaltungsproduct des Leci-
thins, sondern bestand aus Kaliumplatinchlorid, herrührend
von phosphorsaurem Kali, das zu 4 pc. und darüber in der
Hefe enthalten ist und iü kleiner Menge in die alkoholisch*
aetherische Flüssigkeit übergegangen war.
Der nach dem Abdestilliren des Aethers sich aus der
alkoholischen Flüssigkeit abscheidende fettige Körper ent-
hielt keine Spur einer organischen Phosphor-
verbindung, gab aber nach dem Verseifen und Aus-
schütteln mit Aether feine seideglänzende Nadeln von allen
Reactionen des Cholesterins^).
7) Der Nachweis des Lecithins auch in geringen Mengen ist nicht
mit Schwierigkeiten verhanden, wie mir spezielle Vorversnche mit der
aus Dotter dargestellten Sahstanz ergaben.
8) Dieses hesass einen schwachen, an Geranium und Bienenwachs
erinnernden Beigeruch; die Menge entsprach 0,06 pc. der trocknen Hefe,
176 Sitzung der matK-phys. Glosse vom 4. Mai 1878,
Da nun möglicherweise die Abwesenheit von Lecithin
in jenem alkoholisch - ätherischem Auszug darauf hätte
zurücl^efuhrt werden können, dass dieser Körper durch die
feuchte Membran der Hefezelle schwierig diffundirt, so wurde
einerseits lufttrockne Hefe der Extraction mit absolutem
Alkohol unterworfen, andrerseits Hefeschlamm nach wieder-
holter Behandlung mit absolutem Alkohol (um möglichst
viel Wasser zu entziehen) mit reinem Aether behandelt,
allein auch diese Versuche führten zu keinem günstigeren
Resultate.
3. Ueber die Bestimmung des Fettgehalts der
Hefe.
Die Natur der plasmareichen Hefezelle führte mich zur
Vermuthung, dass das Fett, dessen Gehalt zu 2— 3 pc. an-
gegeben wird, mittelst der gebräuchlichen Methode der
Aetherextraction nicht vollständig erhalten würde und die
erhaltenen Zalen zu niedrig seien. Eine genaue Bestimmung
war nach meiner Ansicht nur nach vorhergehender Zerstör-
ung der Zellmembran möglich. Der Versuch hat diese Vor-
aussetzung völlig bestätigt ; denn während scharfgetrocknete
Hefe bei anhaltender Behandlung mit kochendem Aether
nur 1,85 pc. flüssiges Fett lieferte, gab eine Portion des-
selben Materials nach vorheriger Behandlung mit concen-
trirter Salzsäure 4,6 pc. Fettsäure, welche als Oelsäure
. angenommen = 5,29 Fett entspricht.
Dass Verfahren ist kurz folgendes:
Bei 100® getrocknete Hefe (etwa 2—3 grm.) wird auf
dem Wasserbade mehreremale mit concentrirter Salzsäure
abgedampft, die resultirende schwarze Masse mit Wasser
auf dem Filter ausgewaschen, dann mit absolutem Alkohol
erwärmt und nach dem Abfiltriren desselben mit Aether
digerirt. Der alkoholische und ätherische Auszug werden
vereinigt und der Destillation unterworfen, der Bückstand
V, Nägdi: Ueber die chemische Zusammenaetzung der Hefe. 177
mit Chloroform behandelt, die Losung von der gewöhnlich
nur geringen Menge ungelöster Substanz abfiltrirt und ini
tarirten Eölbchen der Chloroform abdestillirt. Die erhaltene
Substanz ist nun kein fettsaures Glycerin mehr, sondern
durch die yerhältnissmässig grosse Menge Salzsaure in
Freiheit gesetzte Fettsäure. ^)
Da diese ein bei gewöhnlicher Temperatur flussiges
Fett liefert, besteht sie wohl zum grösseren Theile ans Oel-
säure. Bei dem hohen Moleculargewicht der Fettsäuren
im engeren Sinne and der verhältnissmässig kleinen Differenz
mit dem der entsprechenden Glycerinverbindungen kommt
eine nur geringe Beimengung von Palmitin- oder Stearin-
säure kaum in Betracht; denn es liefern:
1 Theil Oleinsäure = 1,1518 Olein,
1 Theil Stearinsäure = 1,1461 Stearin,
1 Theil Palmitinsäure =- 1,2644 Palmitin.
Wenn aber letztre Beimengungen in grössrer Menge
vorhanden sind, so gebe man in ähnlichen Fällen einfach
den Gehalt an Fettsäuren an, aaf welchen ja ohnehin bei
Fettbestimmungen der Hauptnachdruck beruht; kommt es
auf den Vergleich mit dem durch Äether extratirten Fett
an, so verseife man letzteres ebenfalls.
4. Bemerkungen über das Invertin und
„Nuclein" der Hefe.
Es wurden mehrere Versuche angestellt, die ungeform-
ten Fermente der Hefezelle nach der von Hüfner für andre
Fälle angegebenen Methode (Extraction mit Glycerin und
Fällen des Auszugs mit Alkohol) darzustellen ; es konnten
indess ausser der Eigenschaft, Bohrzucker zu invertiren,
keine anderen fermentativen Wirkungen an
9) Um zu entscheiden, ob der Fettsäure noch anverseiftes Fett
beigemengt sei, wurden 0,096 grm. mit alkoholischer Kalilösung be-
handelt, eingedampft und nach Versetzen mit Salzsaure mit Gloroforn^
extrahirt; die Differenz betrug nuj: 0,002 grm.
178 Sitzung der viath.-phys. Classe vom 4. Mai 1878
dem erhaltenen Präparate wahrgenommen werden. Bezüg-
lich dieses Fennentes nun — dem sogenannten Invertin —
wurde neuerdings von M. Barth *") eine Mittheilung gemacht.
Er stellt es dar durch Extrahiren von scharf getrockneter
Hefe mit Wasser und Fällen des Auszugs mit starkem Al-
kohol. Bei dem nicht unbeträchtlichen Gehalte der Hefe
an Pflanzenschleim, musste dieser natnrgemäss das so er-
haltene Präparat verunreinigen, wofür nicht nur
die auffallend geringe. Inversionsfähigkeit, sondern auch der
sehr niedrige Stickstoffgehalt — B. fand nur 6 pc. , —
spricht. -
Nach einer Angabe Hoppe-Seylers ^*) kommt in der
Hefe trotz des Mangels eines Zellkerns doch dieselbe Sub-
stanz vor, aus welcher die Kerne der Blut- und Eiterkör-
perchen bestehen und welche man „Nuclein*' nannte. Trotz
dem schon von mehreren Seiten die Individualität des Nu-
cleins in Frage gestellt wurde, versuchte ich die von Hoppe
für die Hefe gemachten Angaben zu prüfen. Nach Be-
handlung mit Aether, Alkohol und Kochsalzlösung — ge-
nau nach Hoppe's Verfahren — gab die Hefe an verdünn-
tes Aetznatron einen durch Salzsäure fallbaren Körper ab,
der sich bei genauer Prüfung in nichts von Ei weiss mit
geringer Beimengung von phosphorsaurem Kalk und Mag-
nesia unterschied. Bei dem beträchtlichen Gehalt der Hefe
an Phosphaten kann eine geringe Verunreinigung mit
„Phosphor", dessen Anwesenheit Hoppe zur Annahme des
Nucleins in der Hefe bestimmt hatte, nicht überraschen.
5. lieber den Pilzschleim und das Verhalten
der Hefe bei wiederholter Behandlung mit
heissem Wasser.
Mein Vorgänger Heinrich hatte eine Untersuchung über
das Verhalten der Hefe bei längerer und wiederholter Be-
10) Ber. Deutsch. Chem. Ges. März 1878.
11) Medic.-chem. UntersuchaDgen Heft lY. p. 500 und Handbach
der physiolog.-chem. Analyse pag. 263.
V, Nägeli: lieber die chemische Zusammensetzung der Hefe* 179
handlung mit kochendem Wasser begonnen und die Ex-
tracte von elf aufeinander folgenden Abkochungen von
einer 594 grm. Trockensubstanz entsprechenden Portion
Hefe dargestellt; die angewandten Wassermengen variirten
von 2 --4 Liter, die Zeitdauer von anfangs wenigen Stunden
bis 1 und 2 Tage bei den späteren Operationen. Da Heinrich
an der weiteren Untersuchung der Extracte durch Krank-
heit verhindert wurde, hatte ich den Auftrag erhalten diese
vorzunehmen. Im Wesentlichen bestanden dieselben aus
Peptonen, wie sie bei längerem Kochen von Eiweiss mit
Wasser erhalten werden, ferner einer eigenthümlichen
Gummisubstanz oder Pflanzenschleim und Mineralsalzen.
Stickstoff- und Aschegehalt nahmen mit der fortschreitenden
Extraction ab, wogegen die Menge des Schleims relativ zu-
nahm, wie aus folgender Tabelle ersichtlich wird:
Anszug
Gewicht des
Extracts
bei lOO^getr.
Asche in
Procenten
Stickstoff
in Procenten
1
118,0
19,95
6,52
2
fehlte
3
16,79
9,49
10,32
4
12,25
7,66
10,57
5
10,12
6,07
9,80
6
6,14
5,17
9,25
7
10,61
4,52
8,15
8
fehlte
—
9
20,52
3,34
7,69
10
17,82
2,24
6,67
11
—
1,63
5,10
Nach der letzten Behandlung hinterblieben 286 grm.
(Trockensubstanz) mit einem wesentlich verminderten Stick-
stoffgehalte.
180 Sitzung der math,'phy8. (Mcuse vom 4. Mai 187 S,
Um den PilzscUeim zu isoliren wurde mittelst Blei-
össig die Phosphorsäure und a- und b-Pepton entfernt und
das Filtrat nach dem Entbleien und Concentriren heiss mit
dem gleichen Volum heissen Alkohols vermischt, die Flüssig-
keit von der ausgeschiedenen zähen Masse noch heiss ab-
gegossen, und letztere durch wiederholte Ausfallung aus
heisser Lösung rein und völlig weiss erhalten. *^) Die al-
koholischen Flüssigkeiten enthalten vorzüglich c- Pepton,
neben einem symposen Körper und Spuren Leucin.
Dieser Hefeschleim wurde zuerst von Bechamp aufge-
funden,^') aber nicht näher untersucht. In seinen Eigen-
schaften schliesst er sich am nächsten an das in den Runkel-
rüben aufgefundene sogenannte Dez trän an, beide geben
mit alkalischer Eupferlösung einen käsigen hellblauen Nie-
derschlag. Durch das optische Verhalten sind sie jedoch
wesentlich unterschieden ^ das Drehungsvermögen des Dex-
trans beträgt + 223 ^ das des Hefeschleims nur -f 78 •. **)
In heissem Wasser löst sich letztrer leicht zu einer schwach
opalisirenden Lösung auf, in kaltem nur schwierig. Durch
Pergamentpapier diffiindirt er, wenn auch ungemein lang-
sam. Er reducirt Fehlings Lösung nicht (Unterschied von
Dextrin) imd wird mit Säuren nur langsam in Glycose ver-
wandelt. Mit Gerbsäure giebt er keinen Niederschlag
(Unterschied von gelöster Stärke), ebensowenig mit Borax
(Unterschied von Arabin). Jod wird langsam unter Braun-
färbung gelöst. Bleiessig fällt die concentrirte Xösung
nicht (Unterschied von Dextran), wohl aber nach Zusatz
von Kali. Salpetersäure führt ihn erst in eine syrupöse
12) Ans den späteren Abkochungen lässt sich die Substanz viel
leichter farblos erhalten, als aus den ersten, welche von viel dunklerer
Färbung sind.
13) Compt rend. 74. p. 186.
14} Bechamp, dessen Substanz vielleicht nicht völlig wasserfrei ge«
wogen wurde, giebt nur + 58 bis 61 ^ an.
V. Nägeli: üeber die chemische Zusammensetzung der Hefe, 181
Sänre (Zuckersäure ?), dann in Oxalsäure über. Schi ei m -
säure, welche Bechamp beobachtet haben will, entsteht
hiebei durchaus nicht.
Bei 110^ getrocknet gaben 0,518 grm. 0,3078 H^O
und 0,8235 COg, entsprechend 6,60 pc. H und 41,43 pc. C
woraus sich am nächsten die Formel C^g Hj^ 0^^ = 3
(CßHjoOg) + 2 HgO ableiten lässt:
Berechnet für
^12 H„ Oji I C,8 H34 Oi7
Gefunden
C ..
H . . •
42,10
6,43
41,38
6,51
41,43
6,60
Um womöglich das Moleculargewicht festzustellen, wur-
den die Verbindungen mit Blei und Kupfer dargestellt,
erstre durch Fällung mit einer Losung von Bleizucker in
verdünntem Kali, letztre durch Fällung mit einer Mischung
von Kupferacetat , weinsaurem Kali und Aetzkali und
Waschen mit Weingeist ; allein die Niederschläge waren
stets kalihaltig, die Kupferverbinduug enthielt 12,05 pc. Cu
und 3,39 pc. K.
V
6. lieber die Cellulose der Sprosshefe and
Essigmutter.
Nach Fremy **) ist die Cellulose der Champignons un-
löslich in Kupferoxydammoniak, nach Liebig'*) ist dieses
auch bei der Hefecellulose der Fall und nach Schlossberger
besitzt letztre ferner die Fähigkeit, durch Einwirkung von
Säuren sehr leicht in Zucker überzugehen.
Eine Vergleichung der aus Sprosshefe wie aus Essig-
mutter (Mycoderma aceti) dargestellten Cellulose ergab ein
15) Jahresb. 1869.
16) A. Mayer, Lehrb. der Gärangschemie p. 97.
182 Sitzung der math.-phya, Classe vom 4, Mai 1878,
ungleiches Verhalten. Während die Sprosshefencell alose
leicht durch Säuren angreifbar und andrerseits völlig un-
löslich in Eupferoxydammoniak ist, erweist sich die Essig-
mutter-Cellnlose von einer grossen Resistenzfahigkeit gegen
Säuren und wird, wenn auch sehr langsam von Eupferoxyd-
aramoniak gelöst.
Eine Beindarstellung der Sprosshefencellulose ohne be-
deutenden Verlust scheint besondere Schwierigkeiten zu
haben. Schlossberger behandelte die Hefe mit Eali und
Essigsäure, allein sein Präparat enthielt noch 0,5 pc. N.
Um ein besseres Resultat zu erzielen, substituirte ich warme,
massig starke Salzsäure für die Essigsäure und reducirte da-
durch allerdings den N-gehalt auf eine Spur, erlitt aber
durch Zuckerbildung einen beträchtlichen Verlust. Dieses
Präparat diente zu mehreren Vergleichen; es ist völh'g un-
löslich in Eupferoxydammoniak.
Weitere Versuche, die Albuminate mittelst verdünnter
Lösung von Chlorkalk oder chlorige Säure zu zerstören,
führten eben&lls nicht zum Ziele : die erhaltenen anscheinend
inhaltlosen Zellmembranen wurden nachher durch Eali
stark verändert und theilweise gelöst, sie waren jedenfalls
durch jene Oxydationsmittel stark angegriffen worden. —
Auch Versuche, durch Pepsin Verdauung die Albuminate
au entfernen, führten zu keinem befriedigenderen Resultat.
Die Zellen zeigten zwar nach 2 tägiger Digestion mit Pepsin
in schwach salzsaurer Lösung eine nicht unerhebliche Ver-
minderung des Inhalts, aliein diese Abnahme wurde bei den
folgenden Behandlungen immer geringer und nach der
dritten betrug der N-gehalt noch 3,1 pc. — also noch mehr
als Vs cles ursprünglich vorhandenen. Es ist indessen wohl
möglich, dass bei sehr lange fortgesetzter Operation schliess-
lich auch die resistenteren Theile des Plasmas gelöst werden.
Ein Versuch durch Pancfeasverdauung in neutraler Lösung
V, Nagelt: üeher die chemische Zusammensetzung der Hefe» 183
zum Ziele gelangen, schlug wegen racher Entwicklung von
Spaltspilzen fehl.
Die Reindarstellung der Essigmutter Cellulose ist mit
Salzsäure und Natronlauge leicht ohne erheblichen Substanz-
Verlust auszufuhren, da sie resistenter gegen Säuren ist.
Diese Cellulose bildet weisse bis leicht rothliche papierdunne
häutige Massen von schwachem Glänze. Kochende Salpeter-
säure greift sie nur langsam an, concentrirte Schwefelsäure
löst sie unter Bräunung und Zuckerbildung allmälig auf.
0,36 grm. wurden nach 18 Stunden von 20 cc. Eupferoxyd-
ammoniak völlig gelöst, während für die gleiche Menge
Filtrirpapier 2 Stunden hinreichten, den fast momentan ge-
bildeten Brei in eine Lö'sung zu verwandeln. —
0,2855 grm. dieser Cellulose gaben 0,1700 H^O und
0,4611 COg, entsprechend 44,03 pc. C und 6,61 pc. H. Die
Formel Cg H^o O5 verlangt: 44,44 C und 6,20 H.
7. üeber die Pr od uc teder Hefe bei der In volution.
Eine Mischung von mit Wasser auf 9,15 Liter ver-
dünnter Hefe (entsprechend 529,2 grm. Trockensubstanz)
mit 91,5 grm. Phosphorsäurc, welche 13 Monate in einer zu
^/3 damit angefüllten Flasche sich selbst überlassen worden
war, wurde mir zur Untersuchung von Herrn Professor Dr.
v. Nägeli übergeben.
Die Flüssigkeit war geruchlos und von gelblicher Farbe,
der Bodensatz schlammig, vom Aussehen frischer Hefe, aber
unfähig, Zucker in Gärung zu versetzen. Während der
Gehalt an N = 7,82 pc. und an Asche = 6,45 pc. bei der
angewandten Hefe betreten hatte, enthielt sie jetzt nur
^och 6,84 pc. N. und 0,43 pc. Asche. Das Extract musste
desshalb N-reicher sein als die verwendete Hefe und in der
That wurde derselbe in einer abgemessenen eingetrockneten
Probe zu 8,98 pc gefunden. -
184 Sitzung der math.^phys. Cl(M$e vom 4, Mai 1878,
Eine Trockensubstanzbestimmung mit einem Theil des
zu einem gewissen Volum mit Wasser aufgeschüttelten
Bodensatzes ergab das Gewicht des letzteren zu 331,3 grm.,
es hatte also die Hefe 197,9 grm. an die verdünnte Phos-
phorsaure abgegeben.
Bei der Untersuchung der Flüssigkeit wurde zanächst
. ein Strom kohlensäurefreier Luft durchgesaugt und in
Ealkwasser geleitet, wodurch sich die Anwesenheit von
Kohlensäure ergab.
Ein Achtel wurde der wiederholten fractionirten Destil-
lation unterworfen und aus dem letzten Destillat durch
kohlensaures Kali Alkohol abgeschieden, sein Volum betrug
0,9 cc. Der ursprüngliche Retorteninhalt wurde nun mit
den andern ^/s vereinigt, mit Kalkmilch die freie Phosphor-
säure entfernt und das Filtrat zur Syrupconsistenz einge-
engt, wobei sich das in geringer Menge vorhandene Eiweiss
in schleimigen Häuten abschied.
Nach mehreren vergeblichen Versuchen hieraus direct
gut characterisirte Körper abzuscheiden '^) wurde die Lösung
mit Bleiessig so lange versetzt als ein Niederschlag ent-
stand (P).
Das Filtrat wurde entbleit, concentrirt und mit heissem
Alkohol von massiger Stärke behandelt, wobei im Wesent-
lichen der schon erwähnte Pilzschleim als zähe Masse un-
gelöst blieb, während die heiss davon abgegossene Flüssig-
keit beim Erkalten einen amorphen in Wasser leicht lös-
lichen Körper fallen Hess, der sich wie das b-Pepton Meiss-
ners verhiielt; denn ausser Millons- und der sogenannten
Biuretreaction gab er mit Ferrocyankalium und Essigsäure
nach mehreren Minuten einen starken Niederschlag.
17) Ein Theil mit Alkohol extrahirt, gab an letztrem unter anderra
geringe Mengen von Traubenzucker ab.
V, Nägeli: lieber die chemische Zusammensetzung der Hefe, 285
Da das Filtrat von diesem Pepton nach dem Concen-
triren und längerem Stehen keine krystalünischen Pro-
dukte lieferte , wurde es nach dem Verdünnen mit
Wasser mit Quecksilberoxydnitrat — bei gleichzeitigem
Neutralhalten mit Barytwasser — gefällt (H), das Filtrat
hievon nach der Behandlung mit Schwefelwasserstoff ein-
geengt, und dann mittelst Alkohol von dem grössten
Theile des Kali- und Barytnitrats befreit. Wird nun diese
alkoholische Flüssigkeit mit etwas Aether versetzt, so
scheidet sich ein hellgelber Syrup aus, in welchem sich
nach längerem Stehen neben noch vorhandenen Nitra-
ten kleine Warzen eines N-freien indifferenten organischen
Körpers bilden, ^er beim ümkrystallisiren dentritische
Formen zeigt, an der Luft etwas verwittert und beim Er-
hitzen einen acetonartigen Geruch verbreitet. Er reducirt
Fehlings Lösung auch nach dem Kochen mit verdünnter
Salzsäure nicht. Meine Vermuthung Inosit vor mir zu
haben konnte ich wegen zu geringer Menge und der man-
gelnden Schärfe der Scherer'schen Reaction nicht näher
prüfen. Der übrige Theil des Syrups lieferte mit Kupfer-
oxydhydrat gekocht eine in blaugrünen Prismen krystalli-
sirende Verbindung in geringer Menge, während die mit
Aether versetzte alkoholische Flüssigkeit, aüs der sich jener
Syrup abgeschieden hatte beim Verdampfen geringe Mengen
L e u c i n gab. Tyrosin fehlte.
Der Niederschlag P. Dieser obenerwähnte, mit Blei-
essig erhaltene Niederschlag wurde nach dem Auswaschen
mit Schwefelwasserstoff zersetzt und das zum Syrup con-
centrirte Filtrat mit Alkohol heiss extrahirt, wobei eine
wesentlich aus Pepton bestehende Masse ungelöst blieb und
sich beim Erkalten des Filtrats bräunliche Flocken, deren
Verhalteu sie als a-Pepton Meissners erkennen liessen,
abschieden. Nach dem Abdestilliren des Alkohols wurde
mit Barytwasser die Phosphorsäure entfernt und das Filtrat
[1878. 2. Math.-phys. Cl.] 13
186 Sitzung der tnath.-phys. Glosse vom 4, Mai 1878.
auf ein kleines Volum eingeengt ^®) Nach mehreren Tagen
hatte sdch ein schwerlösliches bräunliches Pulver abgeschie^
den, welches sowohl mit Salz- und Salpetersäure krystalli-
sirende Verbindungen lieferte, als auch mit salpetersaureni
Silber, letztre in Ammoniak unlöslich und aus heisser Sal-
petersäure in schönen Nadeln sich abscheidend. Mit essig-
saurem Kupferoxyd gekocht entsteht ein flockiger hellgrüner
Niederschlag. Während es in den fixen Alkalien und Mi-
neralsäuren leicht löslich ist, wird es von Ammoniak kaum
mehr gelöst als von Wasser und hierin liegt wohl ein
Hauptunterschied des Guanins vom Xanthin und Sarkin.
Die syrupöse Mutterlauge, aus welcher sich das Guanin
abgeschieden hatte, enthielt noch etwas Pepton und wider-
stand allen Versuchen, krystallisirbare Verbindungen daraus
zu gewinnen.
Der Niederschlag H. In heissem Wasser aufge-
schlemmt und durch einen Strom Schwefelwasserstoff zer-
setzt, lieferte der Quecksilberniederschlag (H) ein Piltrat,
welches beim Einengen ein schwerlösliches Pulver fallen
Hess, welches mit Salpetersäure die charakteristische Xan-
thinreaction gab. Mit wenig Wasser gekocht löste
sich ein Theil auf und schied sich beim Erkalten wieder
aus, Sarkin, der andre Theil war auch in kochendem
Wasser sehr schwer löslich, wogegen leicht in Ammoniak
und Säuren, Xanthin.^^) Beide Körper gaben die cha-
rakteristischen in Ammoniak unlöslichen Silbersalze; von
erstrem wurde ferner die Salzsäure- und Kupferverbindung
behufs Identificirung dargestellt. Das Piltrat von diesen
18) Das während des £indampfens gebildete Sediment gab nach
Zugabe von Säure an Aether kleine Blättchen vom Verhalten der Bern-
steinsäure ab. es war ohne Zweifel bernsteinsaurer Kalk. —
19) Xanthin, Sarkin, Guanin (und Carnin) wurden bereits von
Schützenberger vor mehreren Jahren in „erweichter Hefe" aufgefunden.
V. Nagelt: üeher die chemische Zmammensetzung der Hefe, 187
schwerlöslichen Körpern wurde nach dem Eindampfen mit
heissem Alkohol extrahirt (a), wobei eine die Peptonreactionen
gebende Masse zurückblieb, welche in I?olge der Nichtfall-
barkeit mit Salpetersäure sowohl als durch Ferrocyankalium,
^o\A Meissners c-Pepton enthält. Da möglicherweise
auch Kreatin bei der langsamen Respiration der Hefe ge-
bildet werden könnte, so wurde diese Masse, welche das-
selbe hätte enthalten müssen, mit verdünnter Schwefel-
säure erwärmt, dann nach Behandlung mit Isohlensaurem
Baryt eingedampft und mit Alkohol extrahirt. Letztrer
hinterliess beim Verdunsten einen Rückstand, der mit Chlor-
zink der Kreatinin- Verbindung sehr ähnliche Krystallformen'
lieferte. Jedenfalls ist aber, wenn hier in der That Krea-
tinin vorliegt, dessen Menge eine äusserst geringe.
Aus der heissen alkoholischen Flüssigkeit (a) schied
sich beim Erkalten ein gelber amorpher Körper ab, der
beim Erhitzen den Geruch verbrennenden Homs entwickelte
und mit salpetersaurem Silberoxyd einen in Ammoniak
leicht löslichen Niederschlag gab. Die eingeengte Flüssig-
keit wurde mit Alkohol behandelt, dem V* volum Aether
zugefügt war und die von dem Reste des vorhandenen Pep-
tons getrennte Lösung nach Verdunsten des Alkohols noch-
mals mit Quecksilberoxydnitrat (ohne zu neutralisiren) gefällt
und hiebei noch ein Körper aus der Xanthingruppe erhalten,
der eine Silberverbindung in weissen in Ammoniak unlös-
lichen Nadeln gab, welche sich beim Eindampfen mit Sal-
petersäure — wahrscheinlich durch Bildung einer Nitro-
verbindung — hochgelb färbte. Das Piltrat von diesem
Niederschlag wurde nun in mit Barytwasser neutral ge-
haltener Lösung mit Quecksilberoxydnitrat gar ausgefüllt und
in diesem Niederschlage nach Tyrosin gesucht, indessen
nicht in Krystallen erhalten, olDwohl Reactionen eine geringe
Menge davon anzudeuten schienen.
13*
288 Sitzung der matK-phys. Glosse vom 4. Mai 187 8,
Harnstoff war in dem Niederschlage (H) nicht vor-
handen; er konnte auch nicht aufgefunden werden, als
feucht gehaltene Hefe bei schwach saurer wie schwach al-
kalischer Reaction 8 Tage lang der Luft ausgesetzt wurde.
Die Hefe hatte also bei langsamer Respiration und all-
mäligem Absterben an die verdünnte, 1 procentige Phos-
phorsäure abgegeben: a-, b-, und c-Pepton, Leucin, Gija-
nin, Xanthin, Sarkin, Pilzschleim, ferner geringe Mengen
Albumin, Kohlensäure, Alkohol und Traubenzucker.
Herr W. G um bei legt vor:
„lieber dieim stillen Ocean auf dem Meeres-
grunde vorkommenden Mangan kn ollen".
Die Erforschung der Verhältnisse am Grunde und in
der Tiefe unserer Weltmeere, der eigenthümlichen dort
lebenden Thierwelt und der sich fortwährend am Seeboden
ablagernden Niederschläge bildet in neuerer Zeit einen be-
sonderen höchst wichtigen Zweig der naturwissenschaftlichen
Studien, welche nach verschiedenen Seiten hin einen be-
lebenden und befruchtenden Einfluss ausüben. Ist es
auch in erster Linie die Zoologie, welche, indem sie eine
erstaunliche Menge neuer, früher für ausgestorben gehaltenen
und nur in den Versteinerungen repräsentirt erachteten
Thiertypen kennen lernt und ihren Gesichtskreis wesentlich
zu erweitern im Stande ist, das grosse Loos bei diesen Tief-
seeforschungen gezogen hat, so nimmt doch auch die Geo-
logie einen wesentlichen Antheil an diesem Gewinne, in-
dem sie von den Absätzen am Grunde der Meere, von den
Schlammniederschlägen, gleichsam den Embryonen, aus
denen früher einmal die meisten unserer Berge emporge-
wachsen sind, von der Urmaterie, wie dieselben in früheren
Perioden der Erdentwicklung als Grundlage zur Bildung
von Kalkstein, Sandstein, Schieferthon gedient hat, Kennt-
niss sich verschafft. Es sind aber die geologischen
Studien in zweifacher Richtung bei den Tiefseeuntersuch-
ungen interessirt, einmal in der eben erwähnten Beziehung
190 Sitzung der math.-phys. Classe vom 4, Mai 1878.
zu dem Bildungsmaterial unserer -Sendimentgesteine und dann
nach der paläontologischen Seite hin in Bezug auf die auf
dem tiefsten Meeresgrunde lebenden Thiere, von welchen
viele mit den als Versteinerungen in verschiedenen Erd-
schichten begrabenen Formen nahezu übereinstimmen oder
doch deren Typus unzweifelhaft an sich tragen.
Es ist zu bekannt, um hier im Einzelnen noch näher er-
örtert zu werden, dass über sehr grosse Strecken des Meerbodens
sich ein weicher, weisslicher, theilweise unter der Vermitt-
lung von Organismen entstandener Kalkschlamm, welcher
der Hauptsache nach aus kohlensaurer Kalkerde be-
steht, ausgebreitet findet. Man darf mit Grund annehmen,
dass es in früheren Erdzeiten ganz ähnliche Kalkschlamm-
massen waren, aus welchen durch gewisse ümbildungs-
prozesse der Diagenese und der Verfestigung zahlreiche
Kalksteinschichten älterer und jüngerer Formationen her-
vorgegangen sind. Wir finden selbst noch auf unseren Bergen
innerhalb der mächtigen Schichtencomplexe hier und da
Zwischenlagen, welche diesem Verdichtungsprozesse weniger
energisch unterworfen waren, und jetzt noch die Natur des
weichen, zerreiblichen Meereskalkschlamms in mehr oder
weniger vollkommenem Maasse bewahrt haben, wie z. B. :
die Schreibkreide, manche weiche Streifen im Jurakalk u. s. w.
Wenn dagegen Kalksteine jetzt eine dichte, bis ins
Krystallinische übergehende Beschaffenheit besitzen, so ist
diess, wie ich glaube, noch kein Beweis, dass solche Fels-
massen schon bei ihrer Entstehung aus krystallinisch
gebildeten Ausscheidungen und nicht aus einem ursprüng-
lichen Kalkschlamm hervorgegangen sind. Denn ich halte
dafür, dass das Rohmaterial der Kalkfelsen, der Kalkschlamm
am tiefen Meeresgrunde, nachträglich namentlich durch die
Einwirkung der Kohlensäure und anderer chemischer Agentien
an Ort und Stelle eine grossartige Umbildung erleiden
kann, dass selbst organische Formen [in krystallinische
Gümbel: üeber im stillen Oeean vorkommende ManganhnoUen. 191
Theilchen übergeführt und die ursprünglich weichen Schlamm-
inassen in Folge eines starken Druckes und einer verkitten-
den Wirkung der regenerirten Ealkpartikelchen nach und nach
in festen Kalkfels verwandelt werden können. Die Wirksam-
keit der Kohlensäure, welche hierbei in erster Linie thätig ge-
dacht werden muss, die kleinsten und feinsten organisirten
Kalktheilchen erst aufzulösen, ins unorganische zurück zu
fuhren und dann unter veränderten Verhältnissen die aufgelöste
Kalkerde wieder freizulassen und Ä.usscheidnngen von Kalk
zu veranlassen, ist eine ähnliche, wie sie bei vielen Pseu-
domorphosenbildungen eingetreten sein muss. Es ist der-
selbe Prozess, wie wenn kohlensäurehaltiges Wasser aus
kalkigem Nebengestein Kalkerde auflöst und auf durchziehen-
den Spalten in Form von Kalkspath wieder absetzt.
Wir sehen solche Vorgänge sich z. B. in Korallenrififen
thatsächlich vollziehen, wo die pulverförmigen zerriebenen
Kalkschalentheilchen, sich ins Krystallinische offenbar durch
eine ähnliche Wirkung der Kohlensäure umbilden. Es
ist ebenso wenig zu bezweifeln, dass die kieselhaltigen
Beimengungen im kalkigen Tiefseeschlamm, wie solche in
Form von Diatomeen, Polycystinen, Kieselschwämmen u s. w. .
beigemengt sind, aufgelöst, transportfähig gemacht, zur
Wanderung veranlasst und in gewissen Fällen zu Horn-
steinconcretionen zusammengeführt werden.
An anderen Stellen oder in anderen Tiefenregionen
des Meeres, vorzugsweise in der sog. „kalten Area" und
gegen die Küsten hin setzen sich sandigQ Niederschläge
ab, die nur wenige Thierreste und zwar solche, welche in
der kalten !Zbne leben, beherbergen im stärksten Gegensatze
zu dem Kalkschlamm in der „warmen Area" und zu den
darin aufgehäuften organischen Resten des wärmeren Wassers,
wie diess Carpenter (Proceed Royal. Soc. 1868 N. 107)
so vortrefflich klar gelegt, und auch Delesse in seinem
bewunderungswürdigen Werke (Lithologie des Mers de
192 Sitzung der math,rphys. Glosse vom 4. Mai tS78.
France) für die französische sowie Graf Pourtales für die
nordamerikanischen Küsten nachgewiesen haben. In gewissen
Grenzregionen vermengen sich Sand und Ealkschlamm und
liefern auf diese Weise das Material zu sandigem Kalkstein
und Sandstein mit kalkigem Bindemittel. Merkwürdiger
Weise ist es gerade diese Grenzgegend, in welcher oft
Sandablagerungen mit Glauconitkörnchen beobachtet werden.
Der Glauconit bildet anfänglich die Ausfüllung der Hohl-
räume abgestorbener Poraminiferen, und ist nicht etwa ein
Produkt der Lebensthätigkeit; erst durch den Zerfall der
Foraminiferengehäuse in Folge der Auflösung der Kalkschalen
durch Kohlensäure trennen sich die Glauconittheilchen in
mehr oder weniger rundliche Kügelchen von einander ab
und werden dem Sand eingestreut, genau so wie wir die
Glauconitbeimengungen bei den Grünsandsteinfelsen be-
obachten. Die Eisenoxydulsilicatbildung des Glauconits findet
offenbar unter der reducirenden Einwirkung der sich zer-
setzenden organischen Materie statt, welche wahrscheinlich
auch den Kaligehalt liefert. Es mag sich hierbei vielleicht
eine alkalische Kiesellösung mit einem Eisen carbonat um-
setzen.
Dass aus den sandigen Ablagerungen mit verschie-
denartigen Beimengungen, die sich zu sog. Bindemitteln
umzugestalten vermögen. Sandsteinlagen hervorgehen können,
ist wohl nicht zu bezweifeln und so sehen wii: in dieser
Art der jetzt noch stattfindenden Meeresabsätze eine zweite
Klasse von Gestein bildendem Rohmaterial.
Die dritte, höchst merkwürdige Tiefseeablagerung ist
der T hon seh lamm, der theils in grauen Farben auf-
tritt, theils in Form einer rothgefärbten Masse am
meisten die Aufinerksamkeit auf sich gelenkt hat. Wir er-
blicken Thonschlammin diesem absatz den ürtypus des
Materials, welches durch alle Sedimentbildungen hindurch
zur Herstellung derThongesteine gedient hat. Es ist sehr
(jümbel: Ueher im stillen Ocean vorkommende Manganknollen, 193
bemerken swerth, dass neben der grauen Thonfarbe auch die
rothe schon von den ältesten Zeiten her mitfortlauft; sie zeigt
sich untergeordnet schon in den cambrischen und silurischen
Thonschieferschichten, gewinnt dann in der Facies des alten
rothen Sandsteins der Devonformation sogar das Ueber-
gewicht, wiederholt sich in beschränkt er Weise in der Kulm-
selbst in der Carbonformation (Ottweiler Schichten), um dann
im Rothliegenden (Röthel- und Brockelschiefer), im Bunt-
sandstein (Leber- und Röthschiefer) und endlich im Keuper
das Maximum der Betheiligung an der Pärbang aller diese
Formationen zusammensetzenden Gesteinsschichten zu er-
reichen. Es zeigt sich diess wenigstens innerhalb eines
grossen Verbreitungsgebietes in Europa. Der Thon tritt
hierbei theils als selbstständiges Gesteinselement auf, theils
untergeordnet als Beimengung der rothen Sandsteine. Auch
durch die Kalksteinbildungen zieht sich eine Vergesell-
schaftung mit rothem Thon durch viele Formationen hin-
durch. Wir erinnern nur beispielsweise an den rothen
Flaser- oder Knollenkalk der obersten Devonstufe (Kramenzel-
kalk); namentlich macht sich diess im alpinen Gebiet in
einem solchen Grade bemerkbar, dass die rothe Färbung vieler
alpiner Kalkgesteine geradezu als äine charakteristische Eigen-
thümlichkeit für dieses Gebiet zu bezeichnen ist, von dem
rothen Muschelkalk der Schreiersalpe bis zu der rothen Scaglia
oder See wenkalk und dem rothen Nummulitenkalk mit EhynchO"
nella polymorpha. Die Beimengung rothen, stark eisen-
schüssigen Thons giebt sich hier deutlich zu erkennen,
wenn man solche rothe Kalke mit Säure zerlegt. Hierbei
lässt z. B. : mancher rothe Liaskalk in dem thonigen
Schlammrückstande zahlreiche dichtere kalkfreie Steinkeme
von Foraminiferen namentlich Comiispiren erkennen, welche
als Beweis gelten können, dass auch dieser anscheinend so
dichte Kalk gewisse Rückbeziehungen zu dem anfönglichen
Kalkschlamm bewahrt hat, aus dem er seinen Ursprung ge-
194 Sitzung der math.-phys. Classe vom 4, Mai 1878,
uommen hat. Nicht weniger benchienswerth ät das gleich-
sam isolirte Aufbaachen rothgefarbter Streifchen oder Bänke
inmitten vorherrschend gelber Gesteinsschichten, wie z. B. :
der Rotheisenoolithflötze im gelben Doggersandstein oder
im mittleren Lias und die mannigfache Vermengang von
rothen und gelben Thonstreifen in den Farberdeablagerungen
(Battenberg, Tirschenreuth, Amberg).
Es scheint demnach, dass das Vorkommen recenter rother
Thonablagerungen am Grunde des Meeres nur die Wieder-
holung eines seit den ältesten Zeiten wirksamen Prozesses
darstellt. Aber woher kommt überhaupt das Material zu
diesen Tiefseethonablagerungen und woher stammt insbeson-
sonders die rothe Farbe des Thons?
Dass die Thonablagerungen als rein mechanische
Vorzüge anzusehen sind, dürfte kaum auf Widerspruch
stossen. Soweit die mikroscopischen Untersuchungen reichen,
erkennt man als kleinste gleichsam elementare Form der
Thontheilchen nur häutige Flocken, membranöse mit dunklen
Körnchen bestreute unregelmässig zerfetzte Blättchen oder
körnig geballte Elümpchen. Eine Spur organischer
Struktur ist an denselben nie beobachtet worden, wie denn
überhaupt das Vorkommen des Thons oder der Thonerde im
organischen Reiche nur auf eine mechanische Beimengung
zurückzuführen sein dürfte.
Man leitet den ersten Ursprung des Thons der Sedi-
mentärgesteine wohl mit allem Rechte von der Zersetzung
thonerdehaltiger Mineralien, namentlich von jenen
der Feldspatharten in krystallinischen Gesteinen ab. Dazu
gesellt sich die Umbildung der glimmerigen, sericitischen
und choritischen, fein zertheilten Gemengtheile des Glimmer-
schiefers und des Phyllits. In späteren Perioden tritt zu
dieser andauernd durch chemische Zersetzungen wirk-
samen Thonerdequelle noch die mechanische Abschläm-
mung und Verschwemmung, welche bei der unendlich
Gümbel : üeber im stülen Ocean vorkommende Manganknollen, 195
feinen Zertheilbarkeit der Thonerdepartikelchen diese za
einer räumlich enorm weiten Wanderung im bewegten Wasser
befähigen.
Es ist kein Grund anzunehmen, dass der am Boden des
Meeres sich niederschlagende Thonschlamm einen andern Ur-
sprung habe, als entweder in der Zersetzung thonerde-
haltiger Mineralien aus den im Meeresboden etwa anstehen-
den Felsen, welche hier wohl unter der Einwirkung der
Kohlensäure möglich gedacht werden kann, jedoch in ergie-
biger Weise und grossartigem Maasstabe kaum irgendwo
wirklich zu erwarten ist, ebenso wenig wie etwa unter
meerische Schlammgüsse nach Art der Schlammvulkane, oder
aber in dem Absatz der im Meerwasser als feinste Theilchen
suspendirten, vom Land her durch Flüsse zugeführten und
durch Meeresströmungen weiter trausportirten oder durch
aufsteigende Quellen vom Meeresgrunde aufgewirbelten
Thonflocken. Solche Thontheilchen gelangen auch mit dem
Kalkschlamm zur Ablagerung ; denn der letztere ^) enthält
nach meiner Untersuchung z. Th. wenigstens 11 ^/o Thon.
Von diesem thonhaltigen Kalkschlamm finden sich alle mög-
lichen üebergäuge bis zum kalkfreien Thonschlamm.
Der letztere ist an vielen Stellen, wohl durch beigemengte
organische Theilchen grau gefärbt und eisenhaltig, ganz so
wie es bei der Hauptmasse unserer thonigen Felsarten der
Fall ist. Stellenweis und oft in grossartiger Ausdehnung
ist dieser Thonschlamm nun roth gefärbt. Dass diese
Färbung von beigemengtem Eisenoxyd herrührt, darf
kaum erwähnt werden. Nun ist denn doch wohl nicht an-
zunehmen, dass irgend eine Abschlämmung so vorherrschend
und ausschliesslich rothen Thon liefere, und dass dieser bei
dem Transport im Meere so unvermengt bleiben könne, um
an gewissen Stellen exclusiv rothen Thon zum Absatz
1) N. Jahrb. f. Min. 1870. S. 762.
196 Sitzung der math.-phys, Classe vom 4. Mai 1878,
gelangen zu lassen. Es ist vielüiehr viel wahrscheinlicher,
dass diese rothe Varietät des Thons als eine nachträgliche
und secundäre Umbildung aus grauem, eisenhaltigem zu
betrachten sei. Wir kennen in der Natur vielfache Ver-
wandlungen des Eisenoxydhydrats und der Eisenoxydul-
mineralien in Eisenoxyd, wie z. B. bei den Pseudomorphosen
von Rotheisenstein nach Brauneisenstein, Spatheisenstein,
Schwefelkies u. s. w.
Auch beobachtet man sehr häufig, dass an Klüften,
Rissen oder Spalten eisenschüssiger Gesteine die gelbe in
die rothe Farbe übergegangen ist, die sich gegen das Innere
rasch verliert. Ebenso lässt sich da, wo Pflanzenwurzeln
durch gelbe eisenhaltige Gesteinslagen hindurchziehen, zu-
weilen, ehe die Farbe sich ganz verliert, ein üebergang von
Gelb in Roth, und auf den Halden durch Verwitterung eine
Umwandlung von thonigem Sphärosidernit in eine eisenrothe
thonige ]\Ia8se bemerken. Auch wissen wir, dass, wenn ein
Niederschlag von Eisenoxydhydrat längere Zeit unter Wasser
stehen bleibt, derselbe aus freien Stücken sich in rothes
Eisenoxyd umzuwandeln beginnt. Die Natur kennt mithin
verschiedene Wege, aus hellfarbigem Eisenoxydul oder
gelbem Eisenoxydhydrat rothes Eisenoxyd entstehen zu
lassen. Wärme und höherer Druck scheint diesen Üeber-
gang zu begünstigen. Bei Eisensilikaten bedarf es hierbei
erst der vorbereitenden Ueberführung der Eisenverbindung
zum Theil unter der reduzirenden Mitwirkung von sich zer-
setzenden organischen Substanzen zu Oxydulcarbonat, das
leicht wieder in Eisenoxydhydrat zerfällt, um endlich sich
in Eisenoxyd zu verwandeln. Solche Umwandlungsprozesse
scheinen nun an gewissen Stellen des tiefen Meeresgrundes
in gesteigerter Energie vor sich zu gehen, wobei in erster
Linie die Wirkung der Kohlensäure Platz greifen wird.
Wenn dann da oder dort aus dem Carbonat sich wahrscheinlich
erst Eisenoxydhydrat abscheidet, so wird dabei Kohlensäure
Gümhel: Ueber im fttillen Ocean vorkommende Manganhnollen» 197
frei, welche nunmehr alle Kalldheilchen, die sie im Thon-
schlamm etwa vorfindet, auflösen und fortführen wird. Daher
denn nach allen Beobachtungen dieser rothe Thon fast ganz
frei von Einschlüssen kalkiger Thierübereste ist, wie sich diese
bei allen unseren älteren rothen Thonschiefer oder Schiefer-
thongesteine ganz genau ebenso verhält.
Wenn nun diese kalkigen, sandigen und thoni-
gen Tiefseeablageruugen gleichsam die normalen und weiter-
verbreiteten Arten aller Niederschläge am Grunde unserer
Weltmeere repräsentiren, so giebt es doch neben denselben noch
andere eigenthümliche Ausscheidungen, welche durch Verhält-
nisse von mehr lokaler Natur hervorgerufen zu sein scheinen.
Unter diesen besonderen Ablagerungen auf dem
Meeresboden ziehen vor allen andern gewisse knollige
Mangan concretionen die Aufmerksamkeit auf sich,
welche namentlich bei der berühmten Challengerexpedition
an mehreren Stellen und in verschiedenen Meeren aus der
Tiefe ans Tageslicht gezogen wurden. Man erbeutete zu-
erst in der Nähe der Insel Ferro aus 2220 Faden Tieife
Korallenbruchstücke, die " gegen Aussen in eine braune
Mangansubstanz verwandelt sich zeigten, während das Innere
noch die weisse Farbe des Kalkes der Koralle erkennen
Hess. Das Schiff gelangte dann etwa bei 24-25® n. Breite
und 20—24® w. Länge in jene Region einer tiefen Senkung
des Meeresgrundes, der hier mit einem fast von organischen
Einschlüssen freien rothen Thonschlamm überdeckt ist.
In dieser Gegend nun brachte das Schleppnetz eine Menge
brauner, länglich runder Knollen mit herauf, welche der
Hauptsache nach aus Manganhyperoxyd bestehen. Diesen
sonderbaren knollenförmigen Ausscheidungen begegnete man
noch mehrfach, am grossartigsten wohl in demjenigen Theil
des stillen Oceans, der Zwischen Japan und den Sand-
wich-Inseln sich ausdehnt. Wir besitzen über dieses Vor-
kommen einen Fundbericht des Theilnehmers an der Chal-
198 Sitzung der math-phys, Claase vom 4. Mai 1878,
lengerexpedition des hoffiaungsreichen jungen Zoologen E.v.
Willemoes-Suhm, der leider der Wissenschaft so früh
noch während der Expedition durch den Tod entrissen wurde
Derselbe giebt hierüber (Zeitsch. f. wissensch. Zoolog.
Bd. XXVII. Brief VII. Seite CIV.) folgendes an :
„Die Bodenbeschaffenheit in diesem zum Theil
grossen Tiefen (des Meeres zwischen Japan und den
Sandwich-Inseln) war eine sehr merkwürdige ; denn
abgesehen von dem nicht kalkhaltigen röthlichen
Schlamm und der grossen Zahl von Bimssteinstücken,
die wir hier antrafen, muss er stellenweise ganz
mit grossen knollenförmigen Manganconcre-
menten bedeckt sein. Dreimal brachte das grosse
Netz eine Masse dieser kartoffelförmigen Knollen her-
auf, die, wenn man sie zerschlägt oder durchsägt, in
der Mitte gewöhnlich einen Haifischzahn, ein Muschel-
fragment, ein Stück Bimsstein oder dergleichen am
Meerboden sich findende Körper enthalten. Unserem
Chemiker Herrn Buchanan ist es, glaube ich noch
nicht gelungen zu erklären, unter welchen Umstän-
den diese auch früher schon angetroffene Absonderung
von Mangan aus dem Meerwasser vor sich geht. Früher
indess fanden wir wohl oft eine Kruste von Mangan
auf irgend einem harten Körper oder auch kleinen
Knollen, aber kaum Grund zu der Annahme, dass
wie hier, ein grosser Theil des Meeresbodens mit
Manganknollen bedeckt sein müsse. Wenn wir
solche antrafen (namentlich in 2740—3125 Faden)
gab es auch immer eine Menge von Thieren, nament-
lich kleine Brochiopoden (Orbicula); auch Bryozoen
und Muscheln aus der Gattung Area, die sich an
ihnen befestigt hatten.^ ^
Aus dem Nachlass des beklagenswerthen jungen Zoo-
logen erhielt ich eine Anzahl dieser interessanten Knollen
Giimhel: ü eher im stillen Ocean vftrkommende Manganknollen, 199
der Südsee aus 2740 Faden Tiefe zur näheren Untersuchung,
welcher ich mich um so lieber unterzog, als gewisse Mangan-
vorkommnisse in verschiedenen Gesteinsschichten lebhaft an
eine ähnliche Manganausscheidung auch in früheren Zeit-
perioden erinnern.
Von solchen Knollen lagen mir gegen 50 Exemplare
zur Untersuchung vor. Ihre äussere Gestalt ist wechselnd von
einer ziemlich kugeligrunden bis länglich knollenförmigen
Form. Auch kommen einzelne warzenähnliche Vorsprünge,
Erhöhungen, grubenförraige Vertiefungen und Löcher, selte-
ner das Zusammengewachsensein mehrerer Stücke vor. Die
Oberfläche ist matt, rauh, schmutzigbraun gefilrbt. Imgrossen
Durchschnitte zeichnen sich die unregelmässig gestalteten
Stücke durch eine relativ geringere Schwere aus, was, wie sich
beim Zerschlagen heraustellte, davon herrührt, dass diesen
Formen Bimssteinstücke zur Grundlage dienen, über deren
unregelmässigen Oberfläche sich eine schwarzbraune Kruste
oder Rinde angesetzt hat. Muschelfragmente, zersplitterte
Haifischzähne, Knochenstückchen fand ich selten in den
mehr rundlichen Stücken und hier nicht immer in der
Mitte, gleichsam als Ansatzcentrum, sondern ausserhalb der-
selben nur zufällig mit in die Masse eingehüllt. Die am
regelmässigsten kugelig geformten Exemplare enthielten
keine grösseren Stöcke fremder Einschlüsse.
Sehen wir zunächst ab von den blos überrindeten
Stücken, so bietet uns der Querschnitt solcher Exem-
plare das Bild einer mehr oder weniger regelmässigen
schalenförmigen Ueberlagerung von höchst zahlreichen dünnen
nicht scharf von einander geschiedenen und unterscheid-
baren Kugelrinden, von welchen dunklere, dichtere Lagen
mit einzelnen helleren oder mit dünnen, aus beigemengten
röthlichen Thontheilchen bestehenden Streifchen wechseln.
Gegen Innen werden die Kugelschalen dichter, und es geht
lie Masse in der Mitte oft in eine massive schwarze derbe
200 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 4. Mai 1878.
Substanz über. Beim Zerschlagen lösen sich einzelne Brach-
stücke leicht schalenförmig an den hellergefärbten Lagen ab
und man sieht alsdann, dass auf diesen nunmehr aufgedeckten
Flächen eine weiche, lockere, röthliche Thonmasse abgesetzt
ist, welche ebv^as heller gefärbt erscheint als der gewöhnliche
rothe Tiefseeschlamm, aber wie es scheint, demselben doch
entspricht. Die dünnen Lagen dieses röthlichen Thons,
aus dem auch die kleineren in den Manganrinden unregel-
mässig vertheilten und eingeschlossenen Putzen bestehen,
zeigen sich auf diesen durch das Zerschlagen blossgelegten
Flächen in Folge des Austrocknens genau so zerrissen,
wie diess sonst beim austrocknenden Thon vorzukommen
pflegt. Auch stellen sich in Folge des Austrocknens der ganzen
Masse Klüftchen oder Bisse ein, die gleichfalls mit diesem
Thon überkleidet sind. Die reinsten dunkelschwarzen im
Strich braunen Schalen haben einen pechartigen Glanz und
jenen eigenartigen bläulichen Schimmer, wie er bei Man-
gananflügen oft angetroffen wird.
Der erste Eindruck, welchen die Untersuchung dieser
Knollen auf mich machte, rief die Vermuthung wach, dass
wir es hier mit einer Ausscheidung unter der Vermitt-
lung organischer Wesen zu thun hätten, welche während
ihres Vegetirens etwa Mineralstoffe aus dem Meerwasser
in sich concentrirt und zum Aufbau einer festen Masse
verwendet hätten, wie es bei den Corallinen der Fall ist, und
namentlich bei Zi^io^Aantmi^m deutlich nachgewiesen wurde.
Man könnte an Meeralgen und insbesondere der Form nach
an die sog. M e er h sille n (Pilulae maritimaejy kugelig ver-
filzte Haftorgane der Seegräser {Posidonia oceanica)^ denken,
die unter gewissen Umständen mit Mangansubstanz ^ er-
füllt worden wären. Mein erstes Augenmerk war daher auf
eine mikroscopische Untersuchung der Substanz in Dünn-
schliffen gerichtet. Die mit einigen Schwierigkeiten her-
gestellten Dünnschliffe Hessen aber unter dem Mikroscope
Gümhel: üeher im stillen Ocean vorkommende ManganhnoUen. 201
weder im Tangential- noch Badialschnitt irgend eine Spur
organischer Struktur erkennen. Man sieht nnr mehr oder
weniger regelmässige concentrische Lagen feiner schwarzen
völlig undurchsichtigen Substanz im Wechsel mit eingestreuten
helleren Partbieen und halb durchsichtigen opaken Flocken.
Auch die Untersuchung der durch Zerdrücken zertheilten
Substanz unter dem Mikroskope gab keine besseren Resultate.
Wir sehen bei dieser Untersuchung naturlich ab von zu-
fällig beigemengten organischen Substanzen, die nicht
hierher gehören. Man könnte denken, dass die Infiltrirung
mit der undurchsichtigen Mineralsubstanz möglicher Weise
die organische Struktur verdeckt habe. Nach vorläufiger
chemischer Untersuchungen war festgestellt worden, dass die
.Oxyde von Eisen und Mangan als die Hauptbestandtheile
der Knollen anzusehen sind. Setzt man nun kleinere
Stückchen längere Zeit der Einwirkung von Salzsäure aus,
so erhält man schliesslich nach sorgfaltigem Auswaschen
eine die ursprüngliche Form ziemlich unverändert beibe-
haltende Substanz, welche nun ihres Metallgehaltes be-
raubt, sonst aber unverändert geblieben ist. Leider zer-
bröckelt die Masse leicht beim Austrocknen und es gehört
viele Vorsicht dazu, durch langsames Trocknen vollständig
zusammenhängende Stückchen zu gewinnen und durch wieder-
holtes Einträufeln von durch Chloroform verdünntem Eanada-
balsam und Erwärmen endlich eine feste Masse zu erhalten, aus
der sich gute Dünnschliffe herstellen lassen. Aber auch diese
Stücke, welche nunmehr theils durchsichtig, theils wenigstens
durchscheinend sind, lassen jede Anzeige einer organischen
Struktur vermissen. Es wechseln in dem Badialschnitte
nun mehr nach Wegnahme der Metalloxyde mehr oder
weniger opake membranöskörnige Lagen mit den von ein-
gedrungenem Eanadabalsam erfüllten Streifchen.
Diese Versuche wurden nach allen Richtungen hin und
an verschiedenen Stücken oft genug wiederholt, um die volle
[1878. 2. Math.-phys. Cl.] U
202 Sitzung der math.-phys. Classe vom 4. Mai 1878.
Ueberzeugnug zu gewinnen, dass an der Bildung dieser
Manganknollen organische Wesen wesentlich
nicht betheiligt sind.
Auch die zwischen den härteren Schalen hier und da
abgesetzten Lagen des röthlichenThons wurden einer be-
sonderen mikroscopischen Untersuchung unterworfen, wobei
sich ergab, dass ausser den gewöhnUch bei dem Thon be-
obachteten Flocken und körnigen Blättchen weder Coccolithen
oder Foraminiferen^ noch Diatomeen oder Polycystinen vor-
handen sind. Wir habendes also mit einer rein mechani-
schen Mineralausscheidung oder Zusammenballung, mit
einer Art Oolithbildung im Grossen zu thun.
Im Falle Bimssteinstückchen das Innere der Knollen
ausmachen, erweisen sich diese vorherrschend schmutzig
röthlich gefärbt und es zeigt sieb, dass die Zwischenräume
zwischen den Bimssteinfaden meist ganz mit dem röthlichen
Thon ausgefüllt sind, welcher auch zwischen den Manganlagen
vorkommt. Dagegen bemerkt man selten eingedrungenes
Mangan, obwohl dasselbe in dicken Krasten sich nach aussen
anlegt. In manchen Stückchen zeigen sich nur feine den-
dritische Anflüge oder feine schwarze Punkte, auf Klüften
dagegen krustenformige Binden von Mangansubstanz. Es
ist daraus zu folgern, dass vor der Umhüllung der Bims-
steinstücke mit der Manganrinde, dieselben schon längere
Zeit in dem schlammigen Wasser lagen und sich nach und
nach der Art mit Schlamm ausfüllten, dass bei der später
erfolgten Manganabscheidung, dieser Stoflf nicht mehr un-
gehindert ins Innere des Bimssteins eindringen konnte.
Was die Beschaffenheit des Bimssteins anbelangt, so
gehört derselbe den feinblasigen, fasrigen mattglänzenden
Varietäten an, deren wasserhelle Glasfäden nur zerstreute
Bläschen, keine Mikrolithe und Trichite enthalten. In ein-
zelnen Putzen liegen in der Bimssteinmasse kleine Gruppen
von glasglänzendem Sanidin mit etwas Plagioklas, Magnet-
* ^
Günibel: TJeberim stillen Ocean vorkommende Manganknollen, 203
eisen (mit der Magnetnadel ausziehbar) und ein bräunlich oli-
ven-grünes glasglänzendes Mineral. Dieses bräunlich gefärbte
Mineral ist nicht fasrig, zeigt jedoch ziemlich starken Di-
chroismus und möchte demnach für basaltische Hornblende
zu halten sein. Die Bimssteinstücke entstammen daher
mit grosser Wahrscheinlichkeit einer unter meerischen
vulkanischen Eruption und gehören zu jener Klasse
der den trachytischen Gesteinen sich anreihenden Abänder-
ungen, welche kleine Stückchen von Trachyt einschliessen.
Da sich die Bimssteinmasse von dem Ueberzag mit Tief-
seeschlamm nicht vollständig befreien liess, war von einer
chemischen Analyse derselben ein weiterer Aufschluss über
ihre Natur nicht zu erwarten.
Die chemische Analyse dieser Knollen, welche Herr
Assistent Ad. Schwager besorgte, weist darin einen Darch-
schnittsgehalt von 23,6"/o Manganhyperoxyd und 27,46^/o
Eisenoxyd nach, letzteres wahrscheinlich ursprünglich z. Th.
als Oxydul in den Knollen enthalten. Dieser aussergewöhn-
lich hohe Gehalt an Mangan führt zu der Frage, ob wir diesen
Gehalt von der gewöhnlichen Zusammensetzung des Meer-
wassers ableiten dürfen. Die meisten der Meerwasser-Analysen
begnügen sich mit der Bestimmung der Hauptbestand theile
desselben und nehmen wenig Rücksicht auf die in kleinsten
Mengen mit vorkommenden Beimischungen. Doch gibt be-
reits Forchhammer Mangan als im Meer wasser vorhanden
an und auch Bischof hat dasselbe in der Asche des See-
grases (Zostera maritima) nachgewiesen, zum Beweise, dass
es im Meerwasser vorhanden sein muss. Aber von einer
so hochgradigen Verdünnung lässt sich das so massenhafte
Auftreten des Mangans in den Knollen nicht wohl ableiten.
Auf der andern Seite verdient daran erinnert zu werden,
dass sehr viele Quellwässer, namentlich die Eisen-haltigen
auch Manganbicarbonat in Lösung enthalten. Es genügt
auf die krustenförmigen Manganabsätze der Quellen zu
14*
204 SiUiung der math.-phya. Glosse vom 4. Mai 1878.
Luxeuil (Ann. d. Chim. et d. Phys. T. XVm, p. 221),
jene von Carlsbad nach Kersten (Arcli. v. Karsten u. v.
Dechen, Bd. XIX, S. 754) von Ems nnd Nauheim und auf
die zahlreichen Mineralwasser -Analysen hinzuweisen, in
welchen fast constant ein Mangangehalt angegeben ist.
Auch lassen die auf so vielen Klüften der Gesteine und
auf Bissen vieler Mineralien vorkommenden Mangandendriten
eine weit verbreitete Wanderung gelöster Mangansalze im
Mineralreiche voraussetzen.
Es tritt uns nun bei den Manganknollen aus dem
stillen Ocean die bemerkenswerthe Thatsache entgegen, dass
zahlreiche Exemplare derselben einen Kern von Bims-
stein in sich schliessen. Der Meeresboden, auf welchem
die Manganknollen in so grosser Menge ausgebreitet liegen,
ist daher unzweifelhaft von vulkanischenEreignissen
in hohem Grade berührt und von submarinen Eruptionen
heimgesucht worden. Es liegt die Vermuthung nahe, dass
die Bildung der Manganknollen mit diesen untermeerischen
vulkanischen Erscheinungen im genetischen Zusammenhange
steht. Zahlreiche, auch in vulkanischen GLesteiuen vorkom-
mende Mineralien enthalten bekanntlich einen mehr oder
weniger grossen Gehalt an Mangan. Ab ich wies im La-
brador 0,89 Manganoxydul (Pogg. Ann. Bd. 50. S. 347) und
Hermann (Journ. f. pr. Chem. Bd. 47 S. 7) in sog. Man-
ganamphibol von Cummington sogar 46,47 ^/o Manganoxydul
nach und viele Augite enthalten Mangan. In Folge einer im
grossartigen Maasstabe vor sich gehende Zersetzung solcher
Gesteinsgemengtheile durch Kohlensäure, die ja in vulkani-
schen Gegenden reichlich zur Verfügung steht, Hesse sich
erst die Bildung von Manganbicarbonat, und aus diesem dann
die Umbildung in Manganhyperoxyd denken. Es stehen mit-
hin zwei Quellen der Manganerzeugung zur Verfügung,
die der Mineralzersetzung und die Ausscheidung aus Miueral-
wässem.
Gümbel: lieber im stülen Ocean vorkommende ManganknoUen, 205
Wenn es sich nun im gegebenen Falle darum handelt,
welcher von diesen beiden Vorgängen am wahrscheinlich-
sten die Entstehung der Tiefseeknollen zugeschrieben werden
darf, so scheinen mir gewichtige Gründe dafür zu sprechen,
der Annahme den Vorzug einzuräumen, dass hierbei unter-
meerische Quellenergüsse thätig sind. Denn wenn wir eine
Abscheidung von Mangan aus der Zersetzung von Minera-
lien ableiten wollten, so würde es schwer fallen, die enorme
und aussergewöhnliche Anhäufung solcher Absätze zu er-
klären. Dazu kommt aber der noch wichtigere Umstand
der Textur der Knollen.
Eine einfache Abscheidung aus zersetzten Mineralien würde
nur mehr oder weniger schichtenweisen Absatz des Mangans
zur Folge haben, wie wir es hei dem Tiefsee-, Kalk- und Thon-
schlamm beobachten. Nun besitzen aber die Knollen das
Gefüge, welches unzweideutig einer Oolithbildung völlig
analog gestellt werden muss und eine fiuthende Hin- und
Herbewegung voraussetzt. Diese Art Oolithbildung kann
nicht ohne grosse Bewegung innerhalb des Wassers statt-
finden, in welchem die Manganauscheidung successiv vor sich
geht. In einer Tiefe von selbst über 5500 Meter, aus der
die Knollen stammen, kann eine Fluthbewegung von der
Oberfläche des Meeres herwirkend nicht gedacht werden,
und im Meere selbst in beträchtlicher Tiefe durch ver-
schiedene Temperaturen bedingte Strömungen würden im
günstigsten Falle, wenn sie bis zum Meeresboden reichten,
doch nur eine Bewegung nach einer Richtung hin be-
wirken, keine hin- und hergehende, rollende, wie es die
Knollenbildung vorausetzt. Es muss daher am Grunde des
Meeres selbst auch eine Ursache der Bewegung gesucht
werden. Solche Bewegungen aber erzeugen mit Macht auf-
steigende Quellen; sie sind häufig von einem Auf-
sprudeln begleitet, wie wir diess thatsächUch bei der Bildung
von Kalkoolithen wirksam seheu. Wasser und Gase mögen
206 SiUung der math.-phys, Classe vom 4. Mai 1878.
vielleicht vereint wirken. Jedenfalls kann die kugelige und
knollenförmige Gestalt, so wie die concentrischschaligekrusten-
förmige Znsammensetzung nur durch die Annahme erklärt
werden, dass im Bildungsherde eine stets wogende Hin- und
Herbewegung herrsche. Es erscheint mir daher als das Wahr-
scheinlichste, dass die Manganknollen des stillen Oceans ihr
Material aus untermeerischen Quellen schöpfen und ihre
oolithähnliche Formung durch die strudelnde Bewegung er-
langen, welche das Aufsteigen der Quellen am Grunde des
Meeres begleiten muss.
Das häufige Zusammenvorkommen in welchem wir die
Manganmineralien mit anderen Stoffen namentlich mit Baryt
antreffen, gab nun eine weitere Veranlassung, auch in diesen
Knollen nach einer solchen Vergesellschaftung zu forschen
und desshalb die Manganknollen einer weiteren chemischen
Analyse zu unterwerfen.
Es wurde hierbei folgende Zusammensetzung der bei
llO^C. getrockneten Substanz durch Assist. A. Schwager
ermittelt :
Eisenoxyd
•
. 27,460
Manganhyperoxyd
. 23,600
Wasser
17,819
Kieselsäure
.
. 16,030
Thonerde
10,210
Natron
2,358
Chlor
0,941
Kalkerde .
0,920
Titansäure
0,660
Schwefelsäure
0,484
KaH
0,396
Bittererde
0,181
Kohlensäure
0,047
Phosphorsäure
0,023
Gümbel: lieber im stillen Ocean vorlcommende Manganknollen, 207
Kupferoxyd
0,023
Nickel- und Kobaltoxyd .
0,012
Baryterde
0,009
Zweifelhafte Spuren von
Blei, Antimon, Bor, Lithion
Jod ....
Spuren
Organische Bemengungen
Spuren
101,173
Es ist hinzuzufügen, ^ dass die Versuche bezüglich der
Anwesenheit von Silber und Arsenik nur negative Resultate
gaben. Der Ueberschuss der Gesammtsumme über 100 mag
davon herrühren, dass nicht sämmtliches Eisen als Oxyd in
der Verbindung enthalten sein wird, wie es berechnet wurde.
Die Analyse bestätigt demnach die Anwesenheit von Baryt-
erde ; wenn dieselbe sich auch in sehr geringen Mengen vor-
findet, so ist immerhin die Analogie der Manganausscheidung
in den Knollen mit der Manganerzbildung dadurch con-
statirt. Sehr auffallend dagegen ist der geringe Gehalt an
Kohlensäure, was zu beweisen scheint, dass in der Meeres-
tiefe ein sehr energischer Oxydationsprocess herrscht.
Nachdem durch Salpetersalzsäure die in diesen Säuren
löslichen Bestandtheile entfernt sind, bleibt ein ziemlich
weisser schlammiger Rückstand, der bei llO^C. getrocknet,
besteht aus :
Kieselerde .
• • • •
73,16
Thonerde
• • • •
11,98
Etwas manganhaltigem Eisenoxyd
4,56
Kalkerde
1,86
Bittererde .
1,01
Kali .
0,83
Natron
0,57
Wasser
4,51
100,48
208 Sitsung der math.-phys. Glosse vom 4. Mai 1878,
Verglichen mit dem Thonrest des kalkigen Tiefsee-
Schlamms nach Entfernung der Carbonate erweist sich dieser
Backstand Eieselsaure-reicher und Thonerde-ärmer ; beson-
ders bemerkenswerth ist der grosse Natrongehalt. Manche
Thonsteine haben eine sehr ähnliche Znsammensetzung.
Es ist zu vermuthen, dass ein Theil der Kieselsäure nicht
an Thonerde gebunden vorhanden sei.
Dieses Vorkommen von stark manganhaltigen Knollen
am Grunde des Meeres erhält ein erhöhtes geologisches In-
teresse durch die Analogie, welche zwischen denselben und
gewissen knollenförmigen Mauganauscheidungen, die in ver-
schiedenen Schichtgesteinen sich vorfinden, zu bestehen
scheint. Es lässt sich zunächst auf gewisse stark Mangan-
nnd Eisen-haltige EalkknoUen hinweisen, welche zwischen
Thonschieferflasern eingebettet an vielen Stellen den ober-
devonischen sog. Kramenzelstein der rheinischen Gegenden
ausmachen und in Folge der Verwitterung oder Zersetzung
in eine gelbe ockerige oder braune Wad-ähnliche Substanz
übergehen. Solche Knollenkalke mit einem sehr grossen
Mangangehalte finden sich auch im Fichtelgebirge und im
Thüringer Walde und man kann sich die Entstehung der
Ejiollen kaum auf andere Weise vorstellen, als durch eine
rollende Bewegung am Meeresgrunde. Freilich enthalten
sie vorzugsweise Kalk und entbehren oder lassen jetzt nicht
mehr deutlich die concentrisch schalige Textur erkennen,
welche unsere Manganknollen so sehr ausgezeichnet. Man
mochte hier an einen späteren Umtausch von Kalk gegen
die Metalloxyde und an eine Umbildung, durch welche die
Textur verwischt wurde, denken.
Ebenso begegnen wir im Buntsandstein, im Keuper und
in vielen andern Gesteinen Manganausscheidungen in Form
von Putzen und Knollen, deren Ursprung schwer erklärlich ist,
wenn wir denselben nicht eine ähnliche Art der Entstehung,
wie die der beschriebenen Tiefseeknollen zuweisen. Die grosste
Gümhd: lieber im sHUenOcean vOrJcommende ManganknoUen. 209
Aehnlichkeit mit letzteren dürften die noch deutlich schaligen
Manganknollen zu erkennen geben, welche an manchen
Stellen, (z. B. : Baieralpe bei Kreuth, Kammerkahr u. s. w.)
in den tiefsten Schichten des rothen Liaskalkes der Alpen
eingebettet liegen und zuweilen eine Versteinerung als Kern
umschliessen.
Man darf hier überhaupt an die weit verbreitete Bil-
dung der Knollen und Geoden erinnern, welche nicht alle
als blosse Mineralconcentrirnngen aus der umgebenden Ge-
steinsmasse gelten können, sondern auf ähnliche Vorgänge,
wie sie oben geschildert wurden, hinweisen. Es reihen sich
mithin geologisch wichtige Erscheinungen in mehrfacher
Richtung hier an, auf welche die Aufmerksamkeit hinzu-
lenken, der Zweck dieses kurzen Berichtes sein sollte.
210 Sittung der uuuh.-phys. CUuse wm 4. Mai 187 S.
Herr Baeyer berichtet über die in seinem Labora-
toriam ansgefohrte üntersnchnng Yon Emil Fischer und
Otto Fischer:
„Zur Eenntniss des Bosanilins/^
Nachdem die von uns früher über die Constitution des
Rosanilins geäusserte Ansicht durch die vor Kurzem ^) be-
schriebenen Versuche sehr an Wahrscheinlichkeit verloren,
schien eine eingehendere Untersuchung der Nitroderivate
des Triphenylmethaus und ihrer Beziehungen zum Bosani-
Hn der geeignete Weg, um über die Natur des Letzteren
weitere Aufklärung zu erhalten. Auf diese Weise ist es
uns denn auch in der That gelungen, die Rosanilinfrage
durch einen entscheidenden Versuch zum Abschluss zu
bringen. Wenn die naheliegende Vermuthung, dass bei der
Rosanilinbildung die Methangruppe des Triphenylmethaus
betheiligt sei, richtig war, so musste das dem Triamido-
triphenylmethau (Leukanilin) entsprechende Carbinol durch
wasserentziehende Mittel in Rosanilin übergeführt werden
können.
Die direkte Darstellung eines derartigen Produktes
scheiterte nun allerdings an der Beständigkeit d^s Letzteren
gegen conc. Salpetersäure, wovon es in der Kälte kaum
angegriffen wird; mit der grössten Leichtigkeit gelingt es
dagegen, das von Hemilian beschriebene Trinitrotriphenyl-
1) Berichte der deutschen ehem. Gesellschaft XI, 612,
Emil u, Otto Fischer: Zur Kenntniss des Bosanilins, 211
methau durcli Oxidation in das entsprechende Carbinol
überzuführen. Man löst zu dem Zwecke den reinen Nitro-
körper in der 50-fachen Menge heissen Eisessigs und ver-
setzt die auf etwa 50^ abgekühlte Lösung mit einem üeber-
schiiss von Chromsäure. Durch Wasserzusatz wird das
Carbinol in weissen krystallinischeh Flocken ausgefällt und
durch einmaliges Umkrystallisiren aus Benzol in fast farb-
losen Krystallen vom Schmelzpunkt 171—172^ erhalten.
Die Analyse gab die für die Formel Cjg Hj^ (N0,)3
OH berechneten Zahlen.
Gefunden Berechnet
C 47, 9 > 57,72 >
H 3, 4 „ 3, 3 „
N 10,46 „ 10,63 „
Bei vorsichtiger Reduktion dieses Produktes in -saurer
Lösung erhält man nun keineswegs das zu erwartende
Amidocarbinol , sondern es bildet sich direkt ein Salz des
Pararosanilins. Es gewährt einen überraschenden Anblick,
wenn die kalte, sehr verdünnte Lösung des Nitrokörpers in
Eisessig mit geringen Mengen Zinkstaub versetzt wird^ wo-
bei die Flüssigkeit momentan die intensive, prachtvolle
Farbe der reinen Rosanilin salze annimmt; erst bei Zusatz
von überschüssigem Reduktionsmittel oder beim Erwärmen
erfolgt dann Entfärbung der Lösung und Bildung von
Leukanilin.
Der Versuch eignet sich in vorzüglicher Weise zu
einem Vorlesungsexperiment.
Zugleich ist damit der unzweideutige Beweis geliefert,
dass das Rosanilin nichts anderes ist, als Triamidotriphenyl-
carbinol oder ein inneres Anhydrid desselben.
Bei der Leichtigkeit, mit der diese Wasserabspaltung
aus dem Carbinol in saurer Lösung erfolgt, kann es ferner
kaum zweifelhaft sein, wenn man von der. auch aus anderen
Gründen wenig wahrscheinlichen Phenylenformel absieht,
212 Sitßung der math.'pJtys. Classe vom 4. Mai 1878,
dass hier eine ähnliche intramoleculare Condensation vor-
liegt, wie man sie bei den Orthoderiraten des Benzols mehr-
fach beobachtet hat und wie sie namentlich durch die Oxin-
dolsynthese *) neuerdings von A. Baeyer auch für die Körper
der Indigogruppe nachgewiesen wurde.
Das Pararosanilin würde nach dieser Ansicht die
Formel
NHg . Cg H^ — — Cg H^
NHj . Cg H^ — - NH
erhalten.
Das säureähnliche Verhalten, welches die Carbinolgruppe
einer Amidogruppe gegenüber hier zeigt, kann nicht auf-
fallend sein^ da dasselbe bereits durch die von Hemilian
beschriebenen Eigenschaften des leicht zersetzbaren Chlorids
hinreichend nachgewiesen ist.
Ebenso wenig kann die Zusammensetzung des Diazo-
rosanilins, an dessen Analysen wir früher die Triamido-
formel des Bosanilins gefolgert haben, als ernster Einwand
gegen die Bichtigkeit obiger Formel geltend gemacht werden,
da sich diese Schwierigkeit durch die nicht unwahrschein-
liche Annahme beseitigen lässt, dass bei seiner Bildung
Wasseraddition stattfindet und mithin eine Tridiazoverbin-
düng des Triphenylcarbinols entsteht. In der That zeigen
unsere Analysen der Golddoppelsalze alle einen Gehalt von
1 Mol. HgO, welches wir früher als Krystallwasser be-
trjichtet haben. Dasselbe Besultat haben neue Analysen
der Diazoverbindung aus reinem Pararosanilin ergeben.
Was die Umwandlung von Bosanilin in Leucanilin be-
trifft, so. muss dieselbe nach obiger Formel durch Spreng-
ung der Stickstoft-Kohlenstoffbindung stattfinden. Diese
leichte Beducirbarkeit der oxidirten Methaugruppe haben
wir gelegentlich auch bei einem anderen Versuche beobachtet.
2) Berichte der deutschen chemisch. Gesellschaft XL 562.
Emil u. Otto Fischer: Zur Kenntniss des Rosanüins, 213
welcher zur Gewinnung eines Aethyltriphenylmethaus an-
gestellt wurde. Bringt man nämlich reines Triphenylme-
thauchlorid in kalter, verdünnter Benzollösung mit Zink-
aethyl zusammen, so erfolgt momentan lebhafte Gasent-
wicklung und die Rückbildung von Triphenylmethau. Zur
weiteren Stütze unserer Formel haben wir ferner das Ver-
halten der aus Bittermandelöl und Dimethylanilin entstehen-
den Base Cgg Hgg Ng, 'j welche unzweifelhaft ein Triphenyl-
methauabkömmling ist, gegen Oxidationsmittel eingehender
untersucht, wobei ein der Rosanilingruppe angehörender
grüner Farbestoff entsteht. Unter der Voraussetzung, dass
auch hier eine Condensation zwischen der Methau- und
einer Amidogruppe stattfinde, musste sich die Abspaltung
von Methyl aus der letzteren experimentell nachweisen
lassen. Durch vorsichtig geleitete Oxidation gelang es denn
auch mit Leichtigkeit, die Bildung von beträchtlichen
Mengen Ameisenaldehyds bei dieser Reaction zu constatiren.
Schüttelt man die kaltgehaltene, schwach schwefelsaure
Lösung der Base, mit gepulvertem, krystallisirtem Braun-
stein, so tritt sofort unter gleichzeitiger Bildung des grünen
Farbestoffes der intensive Geruch des Ameisenaldehyds auf.
um letzteren zu indentificiren, wurde die vom Braunstein
abfiltrirte Lösung mit Wasserdämpfen destillirt und aus
dem Destillat durch Behandlung mit Schwefelwasserstoff
und Salzsäure der schön krystallisirende Formylsulfaldehyd
(Smg. gef. 215^) dargestellt.
Dieser Versuch, welcher eine auffallende Unbestöndig-
keit einzelner Methylgruppen in den Amidoderivaten des
Triphenylmethaus selbst gegen die schwächsten Oxidations-
mittel beweist, scheint zugleich neues Licht auf die Ent-
stehung von Rosanilinfarbestoffen aus Dimethylanilin zu
werfen. Jedenfalls gewinnt dadurch die Vermuthung von
3) 0. Fischer. Berichte d. deutsch, ehem. Ges. X. 1624.
214 SiUung der math.-phys, Classe vom 4, Mai 1878,
Graebe und Caro, *) dass hierbei zunächst Methyladehyd
entstehe, der durch nachfolgende Condensation die Verket-
tung mehrerer Methylaniline bewirke, grosse Wahrschein-
lichkeit. Es wäre dann die Entstehung des Methylvioletts
ein der Aurinbildung ganz analoger Prozess und es lässt
sich daraus weiter mit ziemlicher Sicherheit der Schluss
ziehen, dass jene Parbstoflfe ebenso wie das Aurin Abkömm-
linge des Triphenylmethaus und nicht des Homologen Cgo
Hj8 sind. Eine weitere Consequenz obiger Rosanilinformel
ist die Ansicht, dass im Hydrocyanrosanilin das Cyan mit
dem MethaukohlenstofiF in Bindung steht, da nur auf diese
Weise die Bildung der von uns beschriebenen Tridiazo Ver-
bindung ^) verständlich wird. Zur experimentellen Prüfung
dieser Schlussfolgerung haben wir die Untersuchung der
aus dem Hydrocyanpararosanilin entstehenden Diazoverbin-
dung, welche ein in Alkohol schwer lösliches, gut krystal-
lisirendes Chloryd bildet, wieder aufgenommen. Beim Kochen
mit Alkokol zersetzt sich dieselbe unter Stickstoff- und
Aldehydentwicklung und es entsteht neben einer in Kali
ohne Farbe löslichen stickstoflPfreien Säure eine indifferente,
stickstoffhaltige Substanz, welche vielleicht das gesuchte
Cyanid des Triphenylmethaus ist und mit deren Studium
wir noch beschäftigt sind. Die Ergebnisse der vorliegenden
Untersuchung und die darauf basirten theoretischen Schluss-
folgerungen stehen, wie wir zum Schluss noch hervor-
heben zu müssen glauben, in vollständiger, erfreulicher
Uebereinstimmung mit den Resultaten und Ansichten, zu
welchen die HH. Graebe und Caro durch eine neuere Unter-
suchung der Rosolsäuren gelangt sind und welche sie pri-
vatim uns mitzutheilen die Güte hatten.
4) Liebigs Annalen 179. 188.
5) Berichte der deutsch, chemisch. Gesellsch. IX. 896.
Einsendungen von DrucJcachriften, 215
Terzeichniss der eingelaufenen Bfiehergeschenke :
Von der k, k. Gesellschaft der Aerzte in Wien:
Medizinische Jahrbücher. Jahrgang 1878. 1878. 8^.
Vom naturwissenschaftl. Verein für die Fro\>mz Sachsen in Halle:
Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften. 3. Folge.
1877. Berlin 1877. 8^
Vom naturwissenschaftl, Verein in Amsig a. d, Elbe:
I. Bericht f. d. J. 1876 u. 1877. 1878. 8^.
Von der naturforschenden Gesellschaft in Leipzig:
Sitzungsberichte. 4. Jahrgang 1877. 1877. 8^.
Von der naturwissenschaftl, Gesellschaft in Magdeburg:
8. Jahresbericht. 1878. 8^.
Vom zoologisclirmineralogischen Verein in Begensburg:
Correspondenz-Blatt. 31. Jahrg. 1877. 8^.
Vom naturwissenschaftl, Verein für Steiermark in Graz:
Mittheilungen. Jahrg. 1877. 1878.- 8^
Vom naturhistorischen Verein in Augsburg:
Excursions-Flora für das Südöstliche Deutschland von Friedrich
Caflisch. 1878. 8®.
216 Eimenäungm van Druek$ehrifUn,
Vom Reale Osservatorio di Brera in Mailand:
Pubblicazioni Nr. XIII. Sopra alcuni scandagli del cielo, da
Giov. Celorica. 1878. fol.
Von der k. zoologisch Genootschap Natura artis magistra in
Amsterdam:
a) Linnaeana in Nederland aanwezig. 1878. 8^.
b) Rede ter herdenking van den sterfdag van Carolas Lin-
naens, door C, A. J. A. Oudemans. 1878. 8®.
Von der Socittt malacologique de Belgique in Brüssel:
a) Annales. Tom. XX. fasc. 3. 1877. 8".
b) Procös-verbaux des s^ances, Tome VI. Annöe 1877. 8^.
Von der Societe de gSographie in Paris:
Bulletin. Janvier 1878. 8^.
Von der k. Akademie der Wissenschaften in Amsterdam:
0
a) Verhandelingen. AfdeelingNatuurkunde.Deel XVII. 1877.4
b) VerslagenenMededeelingen.Naturkuunde. Deel.XI. 1877. 8^.
c) Processen- Verbaal. Afdeeling Naturkuunde. 1876—1877.
1877. 8^
Vom B. Comitato geologico d^Italia in Born:
Bollettino 1878. 4®.
Von der Societä dd Naturalisti in Modena:
Annuario. Anno XII. 1878. 8®.
Von der American Academy of Arts and Sciences in Boston:
Proceedings. Vol. XIII. 1877. 8^.
Von der American Pharmaceutical Association in Philadelphia:
Proceedings, 25. annual Meeting held in Toronto. Sept. 1877.
1878. 8^
Einsendungen von Druchschriften, 217
Vom Departement of agrictäture in Washington:
Report of the Commissioner of agriculture for the year 1876.
1877. 8^
Vom Covmte international des poids et mesures in Paris:
Procös-verbaux des söances de 1877. 1878. 8®.
Vom naturtoissenschaftlichen Verein in Bremen:
Abhandlungen. Bd. V. 1877. S^.
Von der zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien:
a) Verhandlungen. Jahrg. 1877. Bd. XXVII. 1878. 8^
b) Monographie der Phaneropteriden von C. Brunner von
Wattenwyl. 1878. 8^
Von der physikalisch' ökonomischen Gesellschaft in Königsberg:
Schriften. Jahrg. 17. 1876.
18. 1877. 1876-77. 4^
Von der astronomischen GesellscJiaft in Leipzig:
Vierteljahrsschrift. 13. Jahrg. 1878. 8®.
Von der American geographicäl Sodety in New- York:
BuUetin 1878. 1878. 8^
Von der Nederla/ndsch Meteorologisch Institmat in Utrecht:
a) Nederlandsch Meteorologisch Jaarbock. Voor 1872. 24.
Voor 1876, 28. 1877. 4^
b) Observations mötöorologiques des stations du second ordre
dans les Pays-Bas 1876. 1877. 4®.
Von der Societä di sdenze naturdli ed economiche in Palermo:
Giomale di scienze naturali ed economiche. Anno 1876 — 77.
Vol. Xn. 1877. 4^
[1878. 2. Math.-phys. GL] 15
218 Einsendungen von Druckschriften,
Von der Sternwarte in Pidkowa:
• a) Observations de Poulkova publikes par Otto Struve. Vol.
Vn. St. Pötersb. 1877. 4^
b) Jahresbericht der Nicolai-Hauptsternwarte f. d. J. 1876/77.
St. Pötersb. 1877. 8^.
Von der Zoological Society in London:
a) Transactions. Vol. X. 1878. 4^.
b) Proceedings 1877. Part. HI. IV. 1877 — 78. 8^
Von der Societe de giographie in Paris:
Bulletin. Mars 1878. 8®.
Von der SociUe botanique de France in Paris:
Bulletin. Tom : 24. Session mycologique ä, Paris. Octobre 1877.
1877. 8^
Von der Societe geologiqiie de Belgique in Liege:
Annales. Tom. 11. 1874—75. Tom: m. 1875 — 76. 1875 —
1876. 8^
Vom Mmemn of comparative Zoology in Cambridge^ Mass,
BuUetin. VoL V. 1878. 8^
Von der TJniversity Observatory in Oxford:
Astronomical Observations. 1878. 8^.
Vom Herrn Beyrich in Berlin:
Ueber einen Pterichthys von Gerolstein. 1877. 8®.
Vom Herrn A. Ecker in Freibm'g :
a) Zur Eenntniss der quatemären Fauna des Donauthales,
von E. Rehmann u. A. Ecker. U. Beitrag. Berlin 1877. 4^.
b) lieber abnorme Behaarung des Menschen. Braunschweig
1878. 4^
/
Einsendungen von Druckschriften, 219
Vom Herrn Gerhard vom Bath in Bonn:
a) Geognostische Mittheilungen aus Ecuador, von Theodor
Wolf. 1878. 8^
b) Vorträge und Mittheilungen. 1877. 8®.
c) MineralogischeMittheilungen(NeueFolge). Leipzig 1878. 8®.
Vom Herrn Budolf Wolf in Zürich :
Atronom ische Mittheilungen. XL VI. 1878. 8®.
Vom Herrn G. Omhoni in Padua:
Le Morocche, antiche morene mascherate da frane. 1878. 8®.
Vom Herrn E. Begel in St. Petersburg:
a) Tentamen rosarum monographiae. 1877. 8®.
b) Acta horti Petropolitani. Tom. V. 1877. 8^.
»
Vom Herrn JDonato Tommasi in Paris:
Süll* azione della cosi detta forza catalitica. Milano 1878. 8^.
Vom Herrn A. Ernst in Caracas:
Estudios sobre las deformaciones, enfermedades y enemigos del
arbol de cafe en Venezuela. 1878. 4®.-
Vom Herrn P. F. Bemsch in Boston:
Beobachtungen über einige neue Saprolegnienae. Berlin. 1878. 8®.
Vom Herrn Pietro Canepa in Genua:
Quäle sia il limite fra le Alpi e gli Appennini. 1878. 8^.
Vom Herrn U. 8. Navy in Washi/ngton:
The American Ephemeris and nautical Almanac for the year
1880. 1877. S^.
220 Einsendungen von Druckachriften.
Vom Herrn Auguste Ausiaume in Bouen:
De la rotation diume de la terre. Paris 1868. 8^.
Vorn Herrn Otto Hergt in Bremen:
Die Valenztheorie. 1878. 4^.
Yom Herrn Karl Alfred Zittel in Mimchen:
Zur Stammesgescliichte der Spongien. 1878. 4®.
Vom Herrn Leop, Kronecker in Berlin:
Ueber AbeVsche Gleichungen. 1877. 8*.
Vom Herrn P. Biccardi in Modena:
Biblioteca matematica italiana. Appendice alla parte I. 1878. 4^.
Vom Herrn A. Lomeni in Mailand:
Di alcune riflessioni sopra la dispersione della luce. 1878. 8^*
Vom Herrn S, A. Miller in Cincinnati:
Oontributions to Palaeontology by S. A. Miller und 0. B. Dyer.
1878. 8^
Sitzungsberichte
der
königl. bayer. Akademie der Wissenschaften.
Sitzung vom 1 Juni 1878.
Mathematisch-physikalische Classe.
Herr L. Badlkofer spricht:
Ueber Sapindus und damit in Zusammenhang
stehende Pflanzen.
Viele Gattungen der Sapiudaceen sind, wie das ja
von jeder eiuigermassen geklärten Familie vorausgesetzt wer-
den darf, so wohl constituirte und theilweise schon von ihren
ersten Schöpfern so glücklich gegrifiPene, dass ein erneutes
monographisches Studium der Familie keine Aenderung ihres
f o r me llen , wenn auch vielfach Aenderungen ihres mat e r i-
ellen Inhaltes nothwendig macht.
So ist die Gattung Serjania die Gemeinschaft der mit
dreifLügeligen, und zwar nach anten zu geflügelten Spalt-
früchten versehenen, rankenden Sapiudaceen geblieben, wel-
che sie schon für Plumier (1703) und Schumacher
(1794) war, und es berührte diesen ihren formdien Inhalt
nicht, dass ich bei der monographischen Bearbeitung der
Gattung i. J. 1875 aus ihrem damaligen Bestände von 83
[1878 3. Math.-phys. CL] 16
222 Sitzung der math.-phys. Clasbe vom 1, Juni 1878.
Arten 28 zu eliminiren — nämlich 22 Arten als Synonyme
einzuziehen und 6 gänzlich auszuscheiden hatte, während
20 Arten aus verwandten Gattungen (Paullinia und Car-
diospermum)^ und zwar die eine Hälfte davon als voUgiltige
Arten, die andere Hälfte als Synonyme, in sie überzufüh-
ren und ausserdem noch 80 neue Arten aus bis dahin noch
nicht näher untersuchten Materialien hinzuzufügen waren,
so dass von früheren 55 haltbaren Arten der Inhalt der
Gattung auf 145 stieg. ^)
Für eine Anzahl anderer Gattungen liegen die Verhält*
nisse nicht ebenso günstig.
Die Bestimmung ihres formellen Inhaltes — ihre Abgren-
zung — ist aoeh den neuesten auf die Feststellung der Gat-
tungen des Gewächsreiches gerichteten Arbeiten noch nicht
in der Weise geglückt, dass sie als wirklich natürliche und
demnach feststehende Gattungen betrachtet werden könnten.
Ja die neuere Zeit hat in dieser Beziehung sogar Bück-
schritte gegen früher aufzuweisen, wofür die hier näher zu
betrachtende Gattung ein Beispiel liefert.
1) Diesen sei hiernach inzwischen zur Untersuchung gelangten Ma-
terialien hinzugef>:
1. Serjania (?) californica Badlk. (Cardiospermum ? sp. A.
Gray, Enumeration of Plants collect, by L. J. Xantus in Lower Cali-
fornia, Proceedings of tbe American Aeademy of Arts & Sciences, Y,
1862, p. 155, n. 19): Scandens, suffruticosa, glabra; rami tenues teretius-
culi, leviter 6-sulcati; corpus lignosum simplex; folia 5-foliolato-pin-
nata; foliola parva, breviter ovata, obtusa, sublobato-dentata, terminale
in petiolulum attenuatum, lateralia subsessilia, 12 mm longa, 10 lata, om-
nia membranacea, pallide viridia, opaca, glandulis microscopicis adspersa,
lineolis pellucidis notata, epidermide mncigera; petiolus communis nu-
dus, rhachis vix roarginata; thyrsi solitarii, folia aequantes, (pedunculo
communi apice bicirvhoso^) rhachi perbreyi cincinnos 2—3 tantura ge-
reute; flores'mediocres, pedicellati (masculi tantum suppetebant); sepala
(5) libera , glabriuscula; petala (4) ex obovato attenuata, intus dense
glanduligera; sqnamae petalorum superiorum crista obcordata appendice-
que deflexa triangulär! barbata, petalorum inferiorum. crista dentiformi
BadlJcirf'er: üeher Sapindus etc, 223
Schald daran ist einerseits die Mangelhaftigkeit des
von exotischen Pflanzen überhaupt zur Verfügung stehenden
Materiales, andererseits aber auch nicht selten die zu wenig
obliqna instractae; tori glaadalae saperiores ovatae, inferiores minores,
sabannulares; stamina basi yillosa; radimentum pistilli glabrum. — In
California inferiore ad Promontorium S. Lucas: Xantus n. 19.
Obwohl Früchte nicht vorhanden sind, so lässt sich doch aus dem
Gepräge der Pflanze , von der ich vor kurzem ein Fragment aus dem
Herb. Gray erhalten habe, mit ziemlicher Sicherheit entnehmen, dass
dieselbe nicht zur Gattung Cardiospermum, wohin sie A.Gray mit der
Bemerkung „the fruit unknown, and therefore the genus uncertain** ge-
bracht hat, sondern zur Gattung Setjania gehören diirfte. Sie hat
äusserlich Aehnlichkeit mit der brasilianischen Serjania orbiculariSf so-
wie mit S, hrachycarpa, welch letztere ihr zugleich, wie S. incisa,
rucksichtlich des nördlichen Vorkommens nahe steht.
2. Serjania decemstriata Kadlk.: Scandens, fruticosa, glabra ;
rami gracilos, teretes, lineis impressis lO-striati; corpus lignosum Sim-
plex, sulcato-striatum ; folia biternata; foliola terminaliareliquismajora,
circiter 7 cm longa, 2,5 — 3 cm lata, subrhombeo-lanceolata, lateralia su-
periora ovato-lanceolata, inferiora ovata, omnia acuta et mucronulata,
subpetiolulata, remote serrata, praeter marginem et nervös supra pilis
adpersos axillasque nervoram pilosas glabra, glandulis microscopicis ob-
sita, membranacea, saturate viridia, opaca, lineolis pellucidis venarum
reti plerumque subjectis instructa, epidermide mucigera; petiolus com-
munis partialesque nudi, vel partialis intermedins superne submargina-
tus; tbyrsi solltarii, folia aequantes, pedunculo communi ( apice bicir-
rhoso) glabro, rhachi puberula laxe cincinnigera, cincinnis subverticillatis
longo stipitatis paucifloris; flores parvuli, pedicellati (masculi tantum
suppetebant) ; sepala (5) libera, duo exteriora minora, glabra, interiora
tomentella; petala (4) ex obovato attenuata, intus medio glandnligera ;
sqaamae petalorum superiorum crista obcordato-bifida, laciniis acutis,
appendiceque deflexa obtusa barbata, petalorum inferiorum crista denti-
formi vel subaliformi oblique emarginata iustmctae ; tori glandulae su-
periores ovato-lanceolatae, inferiores minores, suborbiculares ; stamina basi
laxe pilosa; rudimentum pistilli glabrum. — In Bepublica Argentina
prope Buenos Aires: Didrichsen (semina legit). Culta in Hort bot. Haf-
niensi.
Diese Art, welche mir nur aus einem im botanischen Garten zu
Kopenhagen aus Samen gezogenen und zum Blöhen gebrachten Exem-
16*
224 Sitzung der math.-phya. Glosse vom U Juni 1878,
eingehende Untersuchung des vorhandenen Materiales; fer-
ner die im Laufe der Zeit im allgemeinen und mit dem
tieferen Einblicke in die Organisationsverhältnisse einer be-
plare bekannt ist, erinnert unter den geographisch nahe stehenden Arten
einerseits an Serjania communis und confertiflora, andererseits an Ser-
jania meridionalis. Von ersterer anterscheidet sie der einfache Holz-
körper, von letzterer neben minder auffallenden Eigenth&mlichkeiten der
Zweige und Blattchcn vorzugsweise die langgestielten Cincinni. An eine
Zugehörigkeit zu einer der von Grisebach aus der Argentinischen Re-
publik (in d. PI. Lorentzian.) beschriebenen Arten (Sefjania fulta und
foveata Griseb.) ist nicht zu denken, wenn auf die Angabe Grise-
bach*8 , dass diesen Arten nur 4 Kelchblätter zukommen, Verlass zu
nehmen ist. Was die Frage nach der Selbständigkeit und Stellung
dieser beiden Arten betrifft, so bin ich leider auch heute noch ebenso-
wenig wie beim Abschlüsse meiner Monographie von Serjania (s. dort
S. 392, Nachschrift), im Stande, etwas Bestimmtes darüber sagen zu
können, da mir eine Einsichtnahme der betreffenden Materialien unge-
achtet wiederholten, an Herren Hofrath Grisebach im Interesse der
Wissenschaft gerichteten Ansuchens bisher versagt blieb. So lässt sich
nur vermuthungsweise aussprechen, dass dieselben, wenn die Zahl der
Kelchblätter richtig angegeben, kaum etwas anderes als Formen der
Serjania communis Camb. sein d&rften.
Die beiden eben charakterisirten Arten von Serjania können , da
ihre Frfichte unbekannt sind, vor der Handlediglich beiden ,,Species
sedis dubiae*' eingereiht werden.
Bei dieser Gelegenheit mag für die an gleicher Stelle untergebrachte
Serjania nutans erwähnt sein, dass eine wiederholte Untersuchung des in
dieser Hinsicht äusserst mangelhaften , nur aus Inflorescenzen, welche
sammt ihren Tragblättern von den Zweigen abgeschlitzt sind, bestehen-
den Materiales das Vorhandensein eines zusammengesetzten Holzkörpers
der Zweige (statt des früher fragweise als einfach bezeichneten) wahr-
scheinlich gemacht hat.
Als Nachträge zur Monographie von Serjania mögen hier
noch angeführt sein:
Paullinia pinnata (non Linn.) Pasquale Catal. Hort. Neapol.,
1867, p. 76, als Synonym zu Serjania confertiflora Eadlk. Ich
habe die betreffende Pflanze * lebend im Herbste 187 > in Neapel ge-
sehen.
Paullinia barbadensis (non Jacq.) Gray in Bot. Wilkes Ex-
Badlkafer: üeher Sapindus etc, 225
stimmten Pflanzengrappe speciell für diese sieh ändernde
Anschiauung über den Werth der verschiedenen Oj'ganisa-
tionseigenthfimlichkeiten, deren Gesammtheit den Gattangs-
Charakter ausmacht.
Die strengere Handhabung der bisher geübten und die
Geltendmachung neuer Untersuchungsmethoden muss natür-
lich auf diese Werthbestimmnng von grossem Einflüsse sein.
Mir hat sich besonders die Anwendung der anatomischen
Methode, deren Geltendmachung für systematische Un-
tersuchungen ich mir beim Uebergange zu solchen unter
gleichzeitiger Benützutig mikrochemischer Hilfsmittel
zur Aufgabe gemacht habe, ebenso wie für die Feststellung
der Arten (s. die Monographie von Serjania), so auch
für die Umgrenzung der Gattungen, natürlich im Zu-
sammenhalte mit den äusseren morphologischen Charak-
teren, als von grosser Tragweite erwiesen.
Sowohl die Anatomie des Stammes bei der Gat-
tung SerjamUf wie bei PaulUnia, Urvillea und Thinoüia
(s. meine Mittheilungen hierüber in Report of the British
Association for the Advancement of Science, 1868, p. 109
etc., und in Atti del Congresso botanico internazionale
tenuto in Firenze nel meso di Maggio 1874, p. 60 etc.),
welche einer durchgreifenden vergleichenden Untersuchung
früher noch nicht unterzogen worden war, hat sehr werth-
pedit., I, 1854, p. 248, als Synonym zu Serjania clematidifolia
Carab., wie ich nach der Untersuchung eines von Asa Gray gütigst
übersendeten Fragmentes angeben kann.
Paullinia weinmanniaefolia (non Mart.) Gray in Bot. Wil-
kes Exped., I, 1854, p. 247, einem eben solchen Fragmente gemäss in
der chronologischen Tabelle der in Bede stehenden Monographie p. 73
n. 77 unter Paullinia trigonia Vell. als Synonym einzu-
fügen.
Serjania spec. Martins Herh. Flor. Bras.'n. 1244 (Gatal. antogr.
1842), d. i. Paullinia pinnata Linn. emend., hei den „Species
exclusae'' p. 353 der Monographie von Serjania einzuBchalten.
226 Sitzung der math.'phy8, Ölasse vom U Juni 1876.
volle Hilfsmittel zur Erreichung der Ziele der Systematik
an die Hand gegeben, als auch die Structur des Blat-
tes, namentlich das bisher gänzlich übersehene Auftreten
oder Ausbleiben einer Schleim-Metamorphose der inneren (sel-
tener auch der seitlichen) Membranen der Epidermiszellen
(s. meine Mittheilung hierüber in der Monographie von
Serjania^ 1875, p. 100 etc.) und die Theilnahme dieses Ver-
hältnisses an der Bildung durchsichtiger Punkte und Stri-
chelchen, gleichwie die Anordnung der ebenfalls hieran be-
theiligten milchsaft- oder harzführenden Drüsenzellen und
Zellenzüge im Blatte. Aber nicht blös auf die vegetati-
ven Organe, zu deren mikroskopischer Untersuchung zu-
nächst die Stamm-Anomalieen aufgefordert hatten, war die
anatomische und mikrochemische Methode an-
zuwendeU) sondern auch auf die reproductiven Organe,
namentlich auf Frucht und Same, nebst Samenmantel, sowie
auf den Embryo. Aus ihrer Untersuchung ergaben sich
weitere Resultate von einschneidender Bedeutung für die
Systematik, neue Gesichtspunkte nämlich für eine naturge-
mässe Umgrenzung der Gattungen und für die Beurtheilung
ihrer verwandtschaftlichen Beziehungen, oder willkommene
Bestätigungen für die hierüber aus anderen Erscheinungen
abgeleiteten Anschauungen.
Es erscheint mir angemessen, die Veränderungen
im Gattungsbestande der Familie, welche sich
aus diesen Untersuchungen ergaben, getrennt von der mo-
nographischen Darstellung der einzelnen Gattungen zur all-
gemeinen Eenntniss zu bringen; einmal, um für diese Mo-
nographieen selbst den Weg dadurch zu ebnen, und weiter,
um der Wissenschaft die gewonnenen Resultate ohne wei-
teren Verzug zur Verfügung zu stellen. Jede Veränderung
im Gattungsbestande einer Familie zieht nach der Einrich-
tung unserer Nomenclatur Veränderungen in der Benennung
der einzelnen Arten nach sich. Sind solche Aenderungen
BacUkofer: üeber Saptndus etc. 227
überhaupt einmal nothwendig, so ist es ein Vortheil für
die Wissenschaft, wenn dieselben möglichst bald zur Durch-
führung gelangen.
Zu den Gattungen der Sapindaceen, welche noch nicht
als wohl constituirte erscheinen, und für welche sich aus
der erwähnten Untersuchungsweise die Nothwendigkeit einer
Aenderung ihres formellen Inhaltes ergeben hat, gehört,
was man kaum denken sollte, auch gerade jene, von wel-
cher, als einer der ältesten und ob ihrer praktischen Be-
ziehungen bekanntesten, die Familie selbst ihren Namen
entlehnt hat, — die Gattung Sapindus,
Die Gattung Sapindus besitzt, wenn wir von ihrer
Sanction und Reconstruction durch Linne in der ersten
Ausgabe der Genera Plantarnm (1737) ausgehen und von
ihrem früheren Auftreten bei Tournefort (1694), wie
das zweckmässig erscheint, absehen, ein Alter von 141 Jah-
ren. Noch mehr Arten, als sie Jahre zählt, sind ihr wäh-
rend dieses Zeitraumes von den verschiedenen Autoren zu-
geführt worden — und doch ist die Gattung Sapindus eine
der kleineren unter den Sapindaceen , welche alles in allem
nicht ein Dutzend Arten in sich schliesst.*) Die gesammte
übrige Menge erscheint als lästiger Ballast. Dieser ist wohl
zum Theile bereits von früheren Autoren zur Seite geschafft
worden, wenn auch nicht immer nach der rechten Stelle
hin. Kaum weniger aber als die Hälfte desselben ist noch im-
merverblieben. Seine mögliebst vollständige Hinwegräumung
und Bergung am rechten Orte, sowie die Sicherung der Gat-
tung vor neuer Anhäufung solchen Ballastes durch klare
Bestimmung ihres formellen Inhaltes, ferner die eben darauf
fussende Vereinigung alles ihr wirklich Zugehörigen unter
2) Sieh das Nähere rücksichtlich dieser und der folgenden Angaben
in der Schlnssbemerknng zn den beigefügten Tabellen.
228 Sitzung der math.-phys. Gasse vom 1, Juni 1878,
ihrem Namen, ist das Ziel der gegenwärtigen Mittheilnng.
Die in's einzelne gehende Neuordnung dieses ihres wirkli-
chen Inhaltes dagegen mag der monographischen Bearbei-
tung vorbehalten bleiben.
Die eigentliche Grundlage der Gattung Sapindus ist
Sapindus Saponaria Linn.')
Die Frage nach der Bestimmung des Inhaltes, mit an-
deren Worten, nach der naturgemässen Umgrenzung der
Gattung — die Gattung selbst vorerst als berechtigt ange-
nommen - beantwortet sich somit aus der Vergleichung
der übrigen Sapindaceen mit Sapindus Saponaria L. und aus
der Erwägung, welche von ihnen in allen wesentlichen Eigen-
schaften mit S. Saponaria übereinstimmen.
Welche Eigenschafben dabei als wesentliche und dem-
nach als massgebende zu betrachten seien, lässt sich, hier wie
überall, nicht von vornherein bestimmen. Was über die
allgemeine Regel hinausgeht, dass es die Eigenschaften
der reproductiven Organe sind, welche dabei gegenüber de-
nen der sogenannten vegetativen besonders in's Gewicht
fallen, und dass, wenn die Gruppe nicht eine künstliche
werden soll, nicht einem vereinzelten Momente, auch wenn
3) Sowohl Toamefort (1694) als Linn^ (1737) haben hei der
Begründung der Gattung Sapindus nur eine und zwar diese Art im
Auge gehabt (obwohl um diese Zeit auch schon von anderen hieher ge-
hörigen Pflanzen in den Schriften europäischer Botaniker Erwähnung
geschehen war, nämlich 1673 durch Rheede der später, 1753, als
8. triföliatus von LinnI, sodann 1726 durch Val^ntyn der 1824 von
De 0 and olle als 8, Barak bezeichneten Art). Tournefort spricht
das Erstere direct aus („Sapindi speciem unicam novi''), das Letztere
indirect durch Verweisung auf Plumier, worunter nichts anderes ver-
standen werden kann als Plumier*s eigenhändige, wenige Jahre vor-
her aus America mitgebrachte Zeichnung und Beschreibung der in Bede
stehenden Art, welche Au biet später (1775) bestimmter citirt hat
(„Plum. Mss. Tom. VII, Tab. lOO'O- Für Linnö ergibt sich Beides aus
seinen Citaten.
Radlkofer: lieber Sapindus etc, 229
es zu der Reihe der werthvolleren gehört, zu viel Gewicht
beigelegt werden darf, falls es nicht wenigstens durch ein
Parallelgehen an sich minder werthvoller Momente unter-
stützt wird, — alles was darüber hinausgeht, ist erst aus
dem vergleichenden Studium der Oi^anisationsverhältnisse
der ganzen Familie und der daraus gewonnenen Uel>er8icht
über die Art und Grösse der innerhalb derselben auftreten-
den Organisationseigenthümlichkeiten, über die Schärfe ihrer
Ausprägung und über die etwaige Verknüpfungsweise der-
selben untereinander zu entnehmen. In letzterem Betreflfe
braucht kaum hervorgehoben zu werden, dass ein Charakter,
welcher sich mit sehr mannigfaltigen anderen, verschiedene
Gattungen einer Familie auszeichnenden Eigenthümlichkei-
ten verträgt, gelegentlich aber auch wieder als einzige er-
heblichere Verschiedenheit auftritt innerhalb einer Reihe von
Arten, welche sich nach allen übrigen Charakteren als zur
Vereinigung in eine Gattung geeignet erweisen, von ver-
hältnissmässig geringem Gewichte erscheinen muss, gegen-
über jedem anderen, welcher, so weit er überhaupt vor-
kömmt, Hand in Hand geht mit anderen eigenthümlichen
Charakteren. Ebensowenig braucht wohl betont zu werden,
dass jeder Charakterzug, auch ein innerhalb einer bestimm-
ten Familie als sehr wichtig erkannter, bei einzelnen Grup-
pen derselben Familie in seinem Werthe alterirt und abge-
mindert erscheinen kann, wenn ihm eine ganze Summe
untereinander parallel gehender Eigenthümlichkeiten entge-
gentritt. Er verliert in solchem Falle für die betreffende
Gruppe seinen Werth, mag dieser trennender oder verbin- ^
dender Art gewesen sein, nach dem allgemeineren Grundsätze,
dass ein einzelnes Moment stets weniger Werth besitzt als
eine ganze Gruppe von Merkmalen.
Gehen wir mit diesen theoretischen Anschauungen,
welche als solche kaum auf einen Widerspruch stossen
dürften, an die Betrachtung der Familie der Sapindaceen,
230 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 1, Juni 1878,
um die Umgrenzung der Gattung Sapindus zu versuchen
und um uns nach den Momenten umzusehen, auf welche
wir uns dabei vorzugsweise stützen können, so haben wir
nicht nöthig, diese selbst erst durch Yergleichung aller
Glieder der Familie ausfindig zu .machen. Für die Familie
der Sapindaceen sind die Resultate einer solchen Yerglei-
chung bereits von zwei Forschern zusammengestellt worden.
Wir können davon ausgehen, und nur so weit, als eine Ab-
weichung von diesen Resultaten angemessen erscheinen
mag, wird eine selbständige Umschau vonnöthen sein.
Sowohl Cambessedes, mein Vorgänger in der mono-
graphischen Bearbeitung der Sapindaceen, als Blume, der
gründlichste und zugleich urtheilsvollste Forscher auf dem-
selben Gebiete (soweit es ihm eben nahe lag) haben sich
über die bei der Bildung der Gattungen in der Familie der
Sapindaceen zu berücksichtigenden Momente näher aus-
gesprochen.
Ich hebe aus ihren Angaben hervor, was für die gegen-
wärtige Betrachtung der Gattung Sapindtis und der damit
in Zusammenhang stehenden Pflanzen von Belang ist.
Es sind das gerade jene zwei Punkte, in welchen sich
die Anschaungen der beiden genannten Autoren decken.
Bei beiden Autoren nämlich ist übereinstimmend die
Organisation der Frucht als wesentliches Moment
für die Bildung der Gattungen hervorgehoben. Darunter
sind von selbst schon die Verhältnisse der Samenknospen,
des Samens und des Embryo mitverstanden, welche Cam-
bessedes theilweise noch ausdrücklich betont. Ich erkläre
mich mit dieser Aufstellung auf Grund erneuten Studiums
der Familie vollkommen einverstanden, und zwar um so
vollständiger das, als nichts hindert, unter „Organisation
der Frucht" auch die anatomischen und mikrochemi-
schen Verhältnisse derselben mitssu verstehen.
BadlJcofer: Üeher Sapindua etc. 231
Von beiden Autoren wird ferner übereinstimmend Werth
gelegt auf die Form des Discus. Soweit als das Cam-
bessedes praktisch werden lässt, kann ich mich auch hie-
mit einverstanden erklären. Weiter schon geht Blume (noch
nicht zwar für die Gattung Sapindm^ wohl aber für an-
dere Gattungen) — zu weit bereits, als dass ich ihm folgen
möchte. In noch viel weiterer Ausdehnung aber wurde
dieses Moment in neuerer Zeit geltend gemacht in den
Genera Plantarum von G. Bentham und J. Hook er
(1862) und in der Histoire des Plantes von H. Baillon
(1874), in welchen Werken es geradezu zu einem Haupt-
eintheilungsprincipe fiir die Sapindaceen erhoben und
bei der Umgrenzung der Gattungen, besonders auch der
Gattung Sapindm^ zu stark betont wurde, während an-
dererseits das erstere Moment, die Organisation der Frucht,
bei dieser und anderen Gattungen nicht streng genug ge-
handhabt wurde.
Nach diesen beiden Richtungen eine Verbesserung
anzustreben, will ich hier versuchen.
Die Gattung Sapindus erscheint als der geeignetste
Ausgangspunkt hieför. Ihre Betrachtung wird uns zeigen,
dass Theile, welche naturgemäss zu ihr gehören (wie Sapindus
BaraJc DC), nur durch eine Ueberschätzung jenes Einthei-
lungsprincipes von ihr abgerissen werden konnten, und wird
uns dieses Princip selbst auf seinen wahren Werth zurück-
führen lehren. Sie wird uns weiter zeigen, dass gänzlich
fremden Pflanzen (Arten von Jphania etc.) nur durch eine
ungenügende Berücksichtigung der Organisation der Frucht,
besonders ihrer anatomischenund mikro chemischen
Charaktere, Eingang in die Gattung Sapindus verschafft
worden ist, und wird so das Werthvolle der anatomischen
und mikrochemischen unter suchungsmet hode
ersichtlich machen. Es ist auffallend, dass ein richtiger
Schritt zur Femhaltung des Fremdartigen, welchen schon
232 Sitzung der math.-phys, Classe vom 1. Juni 1878.
Blume früher einmal (1825) durch Aufstellüug derGattung
Aphania gemacht, später (1847) aber allerdings, irregeführt
durch unvollständige Materialien, selbst wieder aufgegeben
hat, nicht schon längst wieder aufgenommen und ent-
sprechend den reicheren Mitteln der Wissenschaft zu einem
erspriesslichen Ziele weiter geführt worden ist.
Doch davon mehr an seinem Platze. Für jetzt erscheint
es angemessen, dass wir, einstweilen absehend von dem
überschätzten Verhältnisse der Discusform, ander zur Grund-
lage der Gattung gewordenen Pflanze — Sapindus Sapo-
naria L. — das in's Auge fassen, was bei der Bildung der
Gattung selbst, wie eben in Erinnerung gebracht, am meisten
in's Gewicht fällt — die Organisation nämlich der
Frucht, des Samens und des Embryo. *)
Die Frucht von Sapindus Saponaria L. geht aus
einer oberständigen, dreifacherigen (ausnahmsweise auch
vierfacherigen) Fruchtanlage hervor, deren Fächer je einem
Fruchtblatte entsprechen und je eine Samenknospe ent-
4) Dass alle übrigen Organisationsverhältnisse von beträchtlich ge-
ringerem Werthe für die Bildung der Sapindaceen-Gattungen sind, das
spricht sich schon in dem Umstände aas, dass sie nur von dem einen
oder dem anderen, nicht aber übereinstimmend von den beiden oben ge-
nannten Antoren hervorgehoben werden. .
So bezeichnet Blame als werthvoll für die ßildnng der Gattun-
gen bei den Sapindaceen besonders noch die Bescha£fenheit des Kelches,
bezüglich deren er es beklagt, dass sie von Cambessedes nnd Ande-
ren vernachlässigt worden sei; sodann aacl^die Kronenblätter nnd die
Stanbgefasse ; endlich den Habitas.
Cambessedes fahrt als belangreich noch die An- oder Abwe-
senheit von Banken an und die Fiederblätter mit oder ohne unpaares
Blättchen.
Es ist nicht meine Absicht, hier auf eine Beleuchtung der bei der
Bildung der Sapindaceen-Gattungen im allgemeinen zu beachtenden
Grundsätze einzogehen- Es soll hier, wie schon oben bemerkt, nur das-
jenige näher in Betracht gezogen werden, was für die Gattung Sapin-
du8 und die damit in Zusammenhang stehenden Pflanzen von wesentli-
Radlkofer: lieber Sapindus etc, 233
halten. Reif stellt sie eine Spaltfrucht von druposer Be-
schaffenheit dar mit seitlich vorspringenden, nahezu ihrer
ganzen Höhe nach miteinander verbundenen, einsamigen
lieber Beddatnng ist. Dazu gehören die eben erwähnten Momente nicht
oder wenigstens nicht in erster Linie, so dass sie hier unberücksichtigt
bleiben können. Doch mag immerhin bemerkt sein, dass die in Etede
stehenden Momente sicherlich stets sorgfaltige Erwägung verdienen and
wenigstens theilweise von nicht zu unterschätzendem Werthe sind. So
namentlich die Beschaffenheit des Kelches, welche Blume mit Kecht
betont. Die Beschaffenheit der Blumenblätter uhd der Staubgefasse,
namentlich die Zahl der letzteren, kann innerhalb derselben Gattung
beträchtliche Yerpchiedenheiten zeigen, die aber dan n meist für die Bil-
dung von Gattungssectionen von Werth erscheinen. Bucksichtlich des
Habitus lassen sich allgemeine Regeln für die Beurtheilung seines
Wertbes nicht aufstellen ; er ist stets nur Hilfscharakter, und sein Werth
von Fall zu Fall zu bestimmen. Die Rankenbildung ist in so ferne cha-
rakteristisch, als nar gewisse Gattungen dazu befähigt erscheinen, von
denen aber nicht jede in allen ihren Arten diese Befähigung zum Aus-
drucke bringt. Die Beschaffenheit der Blätter ist, und zwar auch nach
anderen Beziehungen als den von Cambessedes hervorgehobenen, zu-
mal nach anatomischen, für viele Gattungen und selbst Gattungsgrup-
pen von erheblichem Werthe. Doch lässt sich auf sie nicht von vorn-
herein, wie auf die Organisation von Frucht, Same und £mbrjo, Yerlass
nehmen. So besitzen ganze Tribus der Sapindaceen fast ausnahmslos
gefiederte Blätter ohne echtes Endblättchen (an dessen Stelle aber meist
als scheinbares ein vorgeschobenes Seitenblättchen tritt, so dass die
betreffenden Pflanzen durch dieses Verhältniss allein schon leicht lind
sicher von gewissen Familien — Meliaceen, Anacardiaceen, Bnrseraceen, Si-
marubaceen, Zanthoxyleen, Connaraceen etc.— unterschieden werden können,
mit welchen sie in den Herbarien so gerne verwechselt werden). Bei
anderen Theilen der Familie dagegen ist selbst innerhalb derselben
Gattung dem Blatte ein viel freierer Spielraum gewährt. So kommt es
gerade in der Gattung Sapindus (und bei der nahe verwandten Gattung
Aphania) vor, dass selbst ein und dieselbe Art bald nur ein schein-
bares, gelegentlich aber auch ein echfes Endblättchen zur Entwicklung
bringt, und weiter treten hier neben Arten mit gefiederten auch solche
mit einfachen Blättern auf (Sapindus oahuensis Hillebr., Aphania Da-
nura Radlk., s. d. Tabellen), worauf ich weiter unten bei der Gliede-
rung der Gattung in Sectionen zurückkommen werde.
234 Sitzung der maü^^-phys. Glosse vom U Juni 1878,
Fruchtknöpfen (Cocci), deren jeder einem Frnchifache
(resp. Fruchtblatte) entspricht und auch nach seiner Ab-
lösung geschlossen bleibt. Nicht alle Cocci aber erscheinen
immer voll entwickelt, ja sehr häufig sogar alle bis auf
einen yerkümmert, unter entsprechender Verkleinerung der
Yerbindungsflächen. Abgesehen von diesen Yerbindungs-
flächen besitzt der entwickelte Coccns eine sphäroidische
Gestalt. Das Pericarpium lässt dreierlei Partieen unter-
scheiden: ein dünnes Epiöarpinm, vorzugsweise aus der
derbwandigen und stark cnticularisirten Epidermis gebildet,
welchem ein paar nächstliegende, starker als die inneren
coUenchymatös entwickelte Zellenlagen beigezählt werden
können; ein die Hauptmasse der Fruchtwandung bildendes
Sarcocarpium, dessen mittlere, allseitig beträchtlich yer-
grösserte Parenchymzellen ganz von Saponin erfüllt sind;
endlich ein verhältnissmässig wieder dünnes Endocarpium
von pergamentartiger Beschaffenheit, aus ein paar Lagen
sich schief kreuzender, bandartiger und innerhalb derselben
Lage gruppenweise nach verschiedenen Richtungen ge-
ordneter, massig dickwandiger, biegsamer und elastischer
Sklerenchymzellen gebildet. Das saponinreiche Sarcocarpium
ist es, welches der Frucht ihren praktischen Werth verleiht,
so dass sie schon vor vierthalbhundert Jahren — also sehr
bald nach der Entdeckung Americas, des Vaterlandes von
Sapindm Saponaria L. — den Schriftstellern erwähnens-
werth erschien (Oviedo, 1535). Die Nutzbarkeit der
Frucht wurde zugleich die Quelle für den Namen der
Pflanze (Sapo indus — Sapindtisy *) Das Saponin der
trockenen Frucht erscheint unter dem Mikroskope als eine
5) Es scheint dieser Name erst nach dem Bekanntwerden der hier
in Bede stehenden americanischen> resp. westindischen Art entstanden
zu sein, obwohl die Fracht einer ostindischen Art, des Sapindus trifih
liatus L.f der gleichen Yerwendharkeit halher schon im grauen Alter-
thome geschätzt und durch den Handel (gleichwie in der Neuzeit — s.
Radlkofer: Üeber Sapindus etc, 235
amorphe, glasartige Masse, welche sich in Alkohol langsam,
in Wasser rasch, in Schwefelsäure mit gelber, später gelb-
rother Farbe löst und mit basisch essigsaurem Blei einen
weissen Niederschlag bildet, der sich in Essigsäure wieder
löst. ^) Ein senfkomgrosses Stückchen der Fruchtschale
mit ein paar Grammen Wasser geschüttelt bedingt die
Bildung einer grossen Menge längere Zeit stehen bleiben^
den Schaumes. Der Same, welcher im centralen Winkel
des Fruchtfaches, nahe an dessen Basis befestigt ist und
aus einer gekrümmten, mit ihrer organischen Spitze (Mi-
cröpyle) nach aussen und unten gekehrten Samenknospe
hervorgeht, besitzt eine beinharte, dicke, aus zahbeichen
Lagen radiär gestellter, sechsseitig prismatischer, dickwan-
diger Zellen bestehende, in ihren inneren Lagen durch Ver-
kürzung, Rundung und endlich selbst Querdehnung der
Zellen eine Art Endopleura bildende, dunkelgefärbte Schale,
einen als senkrecht in der Frucht stehende Furche sich dar-
stellenden Samennabel und im Inneren zwischen Samennabel
und Micropyle als Rest des gekrümmten Enospenkerns eine
sackartig vertiefte Querfalte, in Agr das Würzelchen des Em-
Corinaldi, welcher die Fracht fälschlich auf Sapindus Mükoroasi Gaertn.
hezog, in Memorie Yaldamesi, 1835, p. 75; Delile, Descr. d*£Igypte,
Hist. nat. n, 1813, p. 81 „Sapindus ßyteh'*; Forskai, Materia medica
1775, p. 151 ,fBite**) bis nach Egjpten verbreitet wurde , wie ans die
Auffindung solcher Früchte in altegyptischen Gräbern zeigt (s. meine
Mittheilnng hierüber an Alex. Braun in Zeitschr. f. Ethnologie IX,
1877, p. 307 und den Zusatz zu Sapindus ByUh, Tabelle II.)
6) Wiesner (Rohstoffe des Pflanzenreiches, 1873, p. 76t) nimmt
(für Sapindus emarginatus Vahl) an, dass das Saponin in den Mem-
branen des Frachtfleisches auftrete, da dieses sich in Wasser und
überhaupt in den Lösungsmitteln des Saponins bis zur Unkenntlichkeit
vertheile. Die mikroskopische Untersuchung trocken angefertigter Schnitte
vor und nach, oder noch besser wahrend der Lösung des Saponins durch
Alkohol oder Wasser lässt das Irrige der einen und der anderen Angabe
leicht erkennen.
236 Sitzung der m<Uh,'jphy8. Clasae vom 1, Juni 1878.
bryo ruht. Der E m b r y o ist gekrümmt, das Würzelchen nach
unten gekehrt, die Cotyledonen dick, fast halbkugelig, in
senkrechter Richtung (also mit horizontal stehenden Be-
rührungsflächen) über einander gelagert, reich an Oel neben
massigem Qehalt an Starke.
Nach dem oben erwähnten, von früheren Autoren
übereinstimmend ausgesprochenen und durch erneutes Studium
der Familie bestätigten Hauptgrundsatze für die Bildung
der Gattungen bei den Sapindaceen lässt sich erwarten, dass
die Summe der hier aufgezählten Eigenschaften von Frucht,
Same und Embryo als dasj^ge angesehen werden darf,
was den formellen Inhalt der Gattung Sapindt4s — d. h.
jener Gattung, zu welcher die eben betrachtete Pflanze
selbst gehören soll — bestimmt. Mit anderen Worten: es
erscheint als von vornherein gerechtfertiget, alle jene Sapin-
daceen, welche in den eben geschilderten Verhältnissen mit
Sapindus Sapmaria Linn. übereinstimmen, zu einer und
derselben Gattung mit ihr zu vereinigen, alle anderen aber,
welche in diesen Verhältnissen Abweichungen zeigen, von
dieser Gattung auszuschliessen. Sache der weitereu kriti-
schen Untersuchung und speciellen Vergleichung bleibt es
dann, festzustellen, erstens ob nicht Pflanzen, welche nur
in dem einen oder anderen der erwähnten Verhältnisse eine
Abweichung zeigen, doch noch zu derselben Gattung zu
rechnen seien, ob also die Charakteristik dieser nicht einer
Erweiterung bedürfe; zweitens, ob nicht die nach den
erwähnten Anhaltspunkten zu einer Gattung vereinigten
Pflanzen in anderen als den hier berührten Momenten zu
erhebliche Differenzen zeigen, als dass sie in einer Gattung
belassen werden könnten, ob also die gewonnene Gattungs- "
Charakteristik nicht etwa einer Einschränkung bedürfe.
Drittens endlich bleibt im Verneinungsfalle dieser beiden
Fragen zu bestimmen, welche der angeführten Verhältnisse
als die wichtigsten erscheinen, um durch Zusammen&ssung
Badlkofer: üeher Sapindus etc, 237
dieser den mögliclist prägnanten Aasdruck für
den formellen Inhalt der Gattung zu gewinnen.
Es ist hier nicht der Platz, die ganze Reihe der Unter-
suchungen darzulegen, welche nach den eben bezeichneten
drei Richtungen an dem betreffenden Materiale zur Durch-
führung gelangt sind. Es würde das Eingehen auf diese
Untersuchungen eine detaillirte Betrachtung der betreffen-
den Materialien selbst, also ihre monographische Behand-
lung an diesem Orte voraussetzen. Da eine solche hier
weder beabsichtigt ist, noch zulässig wäre, so beschränke
ich mich darauf, das Resultat dieser Untersuchungen mit-
zutheilen und die Umgestaltung, welche die Gattung iSapin-
dus darnach zu erfahren hat, in Form zweier tabella-
rischer Uebersichten zur Darstellung zu bringen,
welche ich an den Schluss der Abhandlung verweise, und
deren eine die auszuschliessenden und die gänz-
lich zweifelhaften Arten von Sapindus^ deren
andere die dieser Gattung sicher oder höchst
wahrscheinlich angehörigen Arten in alphabeti-
scher Ordnung und hier wie dort unter möglichst voll-
ständiger Angabe des ihnen zukommenden Werthes und
Platzes aufführt. Nur die wichtigsten Erwägungen, welche
bei der Gewinnung dieses Resultates massgebend waren,
sollen, um die Prüfung desselben zu erleichtem, im Folgen-
den nach den vorhin berührten drei Gesichtspunkten dar-
gelegt werden.
Was den ersten dieser Punkte betrifft, so beant-
wortet sich die Frage nach einer allenfalls nöthigen Er-
weiterung der in den oben angeführten Verhältnissen
von Frucht, Same und Embryosich aussprechenden Gattungs-
charakteristik verneinend, d. h. es sind derartige Pflanzen
nicht bekannt, welche nur in. einzelnen dieser Verhältnisse
eine Abweichung zeigten, es sind vielmehr da, wo über-
haupt Abweichungen auftreten (also auch schon bei den
[1878. 3. Math.-phys. CL] 17
238 Sitzung der math.-phys. Glaaae vom 1. Juni 1878,
nächsten Verwandten von Sapindm) dieselben gleich mannig-
faltiger Art nnd sehr erheblich.
Es wird behufs Erweisung dieses Satzes Niemand ein
Eingehen auf solche Sapindaceen verlangen, welche längst
bei anderen Gattungen ihren sicheren Platz gefunden haben.
Nur um jene kann es sich hier handeln, welchen ihrer
Aehnlichkeit mit 8apindt4S halber bis auf den heutigen
Tag eine Stelle in dieser Gattung eingeräumt war, aus der
sie nunmehr der obigen Charakteristik zufolge zu entfernen
sind. Ich habe diese Pflanzen in der ersten der vorhin
erwähnten Schlusstabellen durch eine vorgedruckte aufrechte
Doppellinie gekennzeichnet. Auch von diesen wird es ge-
nügen, nur jene hervorzuheben, welche der Gattung Sapin-
dus wirklich nahe stehen, um zu zeigen, wie weit auch
sie schon von der oben skizzirten Gattungscharakteristik
abweichen.
An erster Stelle verdienen in dieser Hinsicht jene in*s
Auge gefasst zu werden, welche nach meinem Dafürhalten
die früher schon einmal von Blu me aufgestellte, dann aber
von ihm selbst leider vdeder aufgegebene Gattung Apha-
ni a zn bilden haben.
Die Arten dieser Gattung, welche theils schon seit lan-
gem, thdls erst in neuester Zeit (von Hiern und Kurz,
1875) als Arten von Sapindus betrachtet worden sind, sind
folgende: Äphania seneg alensis Badlk. (Sapindus se-
negalensis Juss. ed. Poir.., S. guineensis Don?, S. äbyssini"
cus Fresen., S, laurifolius Brunner), A. microcarpa R.
(S. microcarpus Kürz), A. bifoliolata R. (S. bifoliolatus
Hiern), A. montana Bl. 1825 (S. montanus Bl. 1847),
A cuspidata R. (S. cuspidatus Bl.),* A, rubra R. (S,
attenuatus Wall., S. ruber Kurz, Scytalia rubra Roxb.), A.
Danura R. (S. Danura Voigt, S, verticillatus Kurz).
Ausser diesen sind noch drei Arten vorhanden: Äpha-
nia sphaerococca Radlk., von Beccari auf Arn,
Radlkoferi lieber Sap%fhdu8 etc. 239
Aphania longipes Badlk., von Teysmann aufNeu-
Gainea gesammelt, and Aphania paucijuga Radlk., au8
Otophora paucijuga Hiern hervorgehend. Ich habe sie in der
dem botanischen Congresse zu Amsterdam vorgelegten üeber-
sieht der Sapindaceen Holländisch-Indiens und in den Nach-
trägen hiezu soweit nöthig charakterisirt und den ent-
sprechenden Sectionen der Gattung zugewiesen.
Beife Früchte sind bekannt von Aphania senegalensis,
montana^ rubra^ Danura und sphaerococca.
Die Früchte all dieser Arten sind, ähnlich denen von
Sapindus, Drupen mit zwei oder drei einsamigen Fruchtknö-
pfen (Cocci), welche bei der Reife sich isoliren und mitun-
ter nur tbeilweise zur vollen Entwicklung gelangen. Aber
schon die äussere Gestalt dieser Früchte weicht von der
der echten Sapindus-Arten erheblich ab. Die Yerbindungs-
fläche der Cocci ist im Verhältniss zu deren isenkrechtem
Durchmesser viel kleiner, als bei Sapindus ^ so dass die
Frucht in der Richtung der Axe stark eingeschnürt erscheint,
bei bald ellipsoidischer, bald sphärischer Gestalt der einzel-
nen Cocci und bald horizontaler, bald nach oben di-
vergirender Richtung derselben. Der mikroskopische Bau
der Frucht ist ein durchaus anderer als bei Sapindus ;
ebenso die chemische Beschaffenheit. Das Epicarp wird le-
diglich von einer verhältni^smässig zarten Epidermis darge-
stellt. Das Sarcocarp ist saponin&ei, dagegen, wenigstens
bei den Arten mit grösseren Früchten (A. senegalensis^ A.
rübra)^ essbar, von angenehm säuerlichem (Brunne r), wei-
nigem Geschmacke (Guillemin, Perrottet etc.) , von
ziemlich grossen, dünnwandigen Parenchymzellen gebildet,
welche zum Theile und namentlich die äusseren, eine zusam-
mengeschrumpfbe in Wasser unlösliche, gerbstoffartige Masse
von rothbrauner Farbe enthalten. Das Endocarp ist knor-
pelartig, aus tafelförmigen, jedoch auch in der Bichtung des
Radius mitunter ziemlich entwickelten Zellen bestehend, de-
17*
240 Sitzung der math.-phya, Claase vom 1, Juni 1878.
ren Seitenwände wellig hin und her gebogen nnd beträcht-
lich , selbst bis zur gegenseitigen Berührung der dadurch
Darmschlingen ähnlich erscheinenden Windungen verdickt sind.
Diese Zellenlage ist nach innen gewöhnlich bedeckt von einer
epitheliumartigen Schichte ähnlich gestalteter, aber sehr
flacher Zellen mit weniger oder auch gar nicht verdickten
Seitenwandungen. Nur bei A. senegdlensis sind die inneren
Zellen, abgesehen von geringerem radiären Durchmesser, von
den äusseren fast gar nicht verschieden. Der aus einer ge-
krümmten Samenknospe hervorgehende, an der Basis des
Goccus angeheftete Same mit nach unten und aussen gekehr-
ter, neben dem Anheftungspunkte liegender Micropyle be-
sitzt eine dünn lederartige , aus zahlreichen Schichten
schwammförmigen Gewebes mit ganz flachen dünnwandigen
Zellen bestehende, lichtbraune Samenschale mit rundlichem
Nabel, ohne Qnerfalte im Inneren, nur mit einer punktför-
migen Vertiefung an der Basis zur Aufnahme des äusserst
kurzen Eeimwürzelchens. Der Embryo, gewöhnlich schlecht-
hin als gerade beschrieben, lässt trotz der Kürze seines nur
papillenförmigen Würzelchens bei genauer Beobachtung mit-
unter doch deutlich eine Krümmung desselben wahrneh-
men; die Cotyledonen sind gerade, je nach der Gestalt des
Samens (resp. der Cocci) von halb walzlicher oder halb
kugliger Gestalt (der eine nach der oberen und inneren,
der andere nach der unteren und äusseren Seite des Coc-
cus gekehrt), fast frei von Oel, aber reich an Stärkemehl,
gelegentlich mit braunem, gerbstoffartigem Inhalte daneben
in einzelnen Zellen.
Wer, der alle diese Differenzen ins Auge fasst, möchte
noch eine Vereinigung dieser Pflanzen mit Sapindus urgiren?
Hier ist geradezu in gar keinem Punkte eine Uebereinstim-
mung mit den oben angeführten Charakteren von Sapindus
vorhanden , die allgemeinsten Eigenschaften der Frucht —
drupöse Beschaffenheit und Gliederung in Cocci -^ ausge-
Radlkofer: Ueber Sapindua etc. 241
nommen. Nur wenn man sich mit der Auffassung dieser
allgemeinsten Charaktere begnl^t, mag man zu einer solchen
Vereinigung verführt werden, wobei man immerhin schon
über erhebliche Verschiedenheiten der Gestalt und sonstigen
äusseren Beschaffenheit der Frucht, des Samens und des
Embryo hinweggleiten muss. Eine tiefer gehende Betrach-
tung, eine Kenntniss all der Verschiedenheiten, welche die
anatomische undmikrochemischeüntersuchung
des Pericarps, der Samenschale und des Embryo aufgedeckt
hat, macht ein solches Hinweggleiten über jene äusseren
Verschiedenheiten unmöglich — von den Eigenthümlich-
keiten der Blüthe, sowie der vegetativen Organe hier ganz
zu schweigen.
Schon Blume hat seiner Zeit ausser auf die Eigen-
thümlichkeiten der Blüthe und des Habitus, welche ihn im
Jahre 1825 zur Aufstellung der Gattung Aphania veran-
lasst hatten, ganz richtig auch auf die chemische Beschaffen-
heit der Frucht Gewicht gelegt, in einer bisher gänzlich
unbeachtet gebliebenen, für die damalige Zeit geradezu
classischen Bemerkung über die Gattung Sapindus (Bum-
phia III, 1847, p. 92), in welcher er seiner Meinung Aus-
druck gab, dass die bei dieser Gattung untergebrachten
Pflanzen mit essbaren Früchten, von welchen er insbeson-
dere Sapindus senegalensis ^ und Sapindus esculentus nam-
7) Sapindus senegalensis Juss. ed. Poir., d. i. Aphania senegalensis
Badlk.; welche in Afrika weit verbreitet za sein scheint (sie wurde
in jüngster Zeit^ 1870, anch von Schweinfnrt gesammelt im Lande der
Mitta, am Boah hei Kadele, coli. Schweinf. n« 2082), und za der auch
Sapindus abyssinicus Fteaerdna gehört, wie schon Backer in Oliver
Fl. trop. Africa I, 1868, p. 430 richtig hervorgehoben hat, und wie ich
nach Autopsie des betre£fenden Originales (gesammelt von B ü p p e 1 )
im Herbariam des Senkenbergischen Institutes bestätigen kann, soll
nach Guillemin, Perrottet & A. Richard (Flora Senegambiae
1830—33, p. 118) ein sehr angenehm schmeckendes Fruchtfleisch besitzen
(was ich zuerst bei Gambessedes in Dict. classique d*Hist. nat. XV»
Mai 1829, p. 202 erwähnt finde), aber einen bitteren Kern, welcher bei
242 Sitzung der matK-phys, Clause vom 1. Juni 1878.
hafb macht, aus ihr anszuschliessen sein dürften. Dass
er trotzdem bei dieser Gelegenheit seine Gattung Aphania
einzog und mit Sapindus vereinigte, daran war nur der
umstand schuld, dass ihm von den bis dahin bekannt ge-
wordeneij beiden Arten derselben, Aphania montana und
cuspidafa^ reife Fruchte fehlten, welche die von ihm ver-
muthete Zusammengehörigkeit mit Sapindus senegdlensis zu
einem besonderen Genus bestimmter nachzuweisen erlaubt
hätten. So wurde denn Sapindus senegdlensis, um ihn nicht
in eine allenfalls unrichtige Verbindung mit Aphania zu-
bringen, bei Sapindus belassen. Das Gewicht aber seiner
Aehnlichkeit vn'ii Aphania, welche Blume nicht schon beider
Aufstellung dieser Gattung (1825) hinreichend bekannt war,
sondern erst aus der in den Jahren 1830 — 37 erschienenen
Beschreibung und Abbildung in der Flora Sen^ambiae und
in Delessert^s Icon. select. ersichtlich wurde, veran-
lasste nun die entgegengesetzte Verschiebung, die wirklich
den Negern für giftig gilt. Ebenso nach Brunn er, der die am Sa-
lum-Flnsse gesammelte Pflanze (übereinstimmend mit den Etiqnetten
seiner Exemplare in den Herbarien zu Wien, Turin und von Delessert) in
seiner „Beise nach Seneg^mhien** , Bern 1840, p. 202 Sapindus lauri-
folius, in den „botanischen Ergebnissen" seiner Beise aber in Beiblatt
No. 1 zum II. Bande der Begensburger botanischen Zeitung vom Jahre
1840, p. 15, n. 188 Sapindus senegalensis Poir. nennt und das Frucht-
fleisch als angenehm säuerlich, den Kern aber als sehr giftig bezeichnet.
Die den Kern betreffende Angabe findet sich auch, wahrscheinlich den
erwähnten Quellen entnommen, bei Bösen thal, PI. diaphoret., und
bei Duchesne, PI. utiles (1846) p. 194, bei welchem aber die falschen
Synonyme „PauUinia senegalensis Juss. , PauUinia uvata Scbnm.",
welche zu PauUinia pinnata Linn. emend. gehören, zu streichen sind.
Falsch ist ohne Zweifel des Letzteren Angabe , dass die Pflanze zum
Waschen diene. Derselben mag eine Verwechselung mit SapindiM Sa-
ponaria Linn. zu Grunde liegen, der ja ebenfiälls in Senegambien anzu-
treffen ist, wie schon Durand (Voyage au Senegal, 1802, p. 51, tab.
22 „Sapindus ou arbre ä Savonnettes**) unter Erwähnung seiner Ver-
wendung zum Waschen dortselbst berichtet, dess^^n Abbildung selbst
EacUkofer: üeber Sapindua etc. 243
fehlerhafte Ueberführung von Aphania zn Sapindus. Gleich-
zeitig erscheinen übrigens Theile der jetzigen Gattung
Aphania hei Blume (Rumphia III, 1847, p. 103) abermals
als eine besondere, selbständige Gkittung unter dem Namen
Didymococcus^ nämlich die beiden von Boxburgh als
Scytalia vertioillata und Scytalia JDanura beschriebenen
Formen von Aphania Danura Radlk. (,^Didymococcus ver^
ticillatm^^ BL und ,^Didymococctis Danura^^ Bl. 1. c.)i deren
generelle Uebereinstimmung mit Aphania montana und
cuspidata Blume, dem sie nur aus den Angaben Rox-
burgh's bekannt waren, verborgen blieb, obwohl er
richtig schloss, dass ihre Verwandtschaft eher bei der durch
Aphania bereicherten Gattung Sapindus als bei Nephelium
zu suchen sei, wohin sie Don und W a 1 p e r s gestellt
hatten.
Es mag mir gestattet |iein anzuführen, dass ich auf
die in Rede stehende Auseinandersetzung Blume^s, auf
Pritzel (Icon. bot. Index, 1855, p. 984) irriger Weise auf 8apindu8
senegälensis Poir. bezog. Dachesne^s anrichtige Angabe wiederholt
sich bei Baillon, Hist. d. PL, 1874, p. 886 (s. nnten p. 250.)
Als identisch mit Aphania, resp. Sapindus senegälensis wird in
W. Hooker Niger Flora, 1849, p. 249 anch Sapindm guineensis Don
(General Syst. I, 1831, p. 666, n. 16) verrnnthungsweise bezeichnet.
Auf Antopsie scheint diese Vermathnng nicht gestützt za sein. Mir
scheinen die Angaben Don 's eher noch auf Deinbollia pinnata Schum.
und Tbonn. hinzudeuten (s. Zus. 13 zu Tab. I). Ich bringe hier auf
Grund autoptischer Untersuchung zu Aphania senegälensis : Omitrophe
thyrsoides Schum. & Thonn. (1828), welche Baker als Schmidelia thyr-
soides in Oliver Fl. trop. Africa I (1868) p. 424 auffuhrt, jedoch
mit der Bemerkung, dass sie möglicherweise zu einer anderen Gattung
gehöre. Im Vorbeigehen mag hier noch erwähnt sein, dass auch zwei
andere Schmidelia- krten von Backer am angeführten Orte zu strei-
chen sind, welche beide sicher nicht zu den Sapindaceen gehören^
vielmehr, so viel ich nach früher gewonnenem Eindrucke, und ohne die
Pflanzen vor Augen zu haben, angeben kann, den Enphorbiaceen (im
Sinne von J. Müller) beizurechnen sein dürften. Sie sind im Anhange
zu Tabelle I aufgeführt.
244 Sitzung der math.-phys, Classe vom i. Juni 1878.
welche ich auch bei der Betrachtung der echten Sapindus-
Arten zurückzukommen Gelegenheit haben werde, erst
auiinerksam geworden bin, nachdem mich schon lange die
selbständige Untersuchung der betrefiPenden Materialien, und
namentlich die anatomische BeschafiPenheit von Frucht
und Same, dazu geführt hatte, eine Wiederaufnahme der
Gattung Äphania für nothwendig und eine UeberfÜhrnng
von Sapindus senegalensis in dieselbe für angemessen zu
erachten. Es war mir, als ich nachträglich auf Blume 's
Auseinandersetzung stiess, in hohem Grade erfreulich, zu
sehen, dass ein Forscher wie Blume för die hier dar-
gelegten Anschauungen gleichsam schon im vorhinein als
Verfechter und Vorkämpfer aufgetreten war, mag es auch
aufden ersten Blick den Anschein haben, als sei er durch die
Einziehung der Gattung Äphania derselben entgegengetreten.
Noch mag, ehe ich die Gattung Äphania verlasse, eine
nomenclatorische Frage, welche sich an sie knüpft, Erledi-
gung finden. Es sind nämlich Arten dieser Gattung schon
i- J. 1814, also vor Aufstellung von Äphania BL (1825),
von Boxburgh im Hortns bengalensis als Scytalia rubra^
JDanura und verticillata aufgeführt. worden, welche Namen
eben vorhin und schon oben in der Synonymie der be-
treffenden Arten berührt worden sind. Darnach könnte es
scheinen, als ob dem Namen Scytalia nach dem Gesetze
der Priorität vor Äphania der Vorrang gebühre zur Be-
zeichnung der in Rede stehenden Gattung. Dem ist aber
nicht so. Scytalia (mit der einzigen Art Scytalia chinensis)
wurdevonGaertner (1788) ohne eigentliche Berechtigung
an die Stelle von Litchi Sonnerat (1782, mit der Art
Litchi chinensis) gesetzt, wahrscheinlich nur weil ihm
letzterer Name den von Linne befürworteten Grundsätzen
für die Namengebnng nicht zu genügen schien. Der Gattung
Scytalia Gaertn. wurden sodann von Boxburgh, welcher
selbst wieder den Namen Scytalia chinensis Gaertn. in
Badlkofer: lieber Sapindus etc. 245
Scytalia Litchi umzuwandeln für gut fe.nd, imHortus ben-
galensis (1814) and ebenso in der Flora Indica (Ed. II, 1832)
8 weitere Arten zugeführt, worunter die 3 genannten % in der
irrigen Voraussetzung, dass dieselben mit Scytalia Gaertn.
generisch übereinstimmen. Wenn nun durch Wiederauf-
nahme des Gattungsnamens Litchi Sonn, (oder, wie das bis-
her geschehen ist, durch Ueber tragung der zuerst von
Sonnerat beschriebenen Pflanze zu der älteren Gattung
Nephelium Linn., 1767) der G aertner 'sehe Name Scy-
talia abolirt wird und in die Beihe der Synonyme zurück-
tritt, so kann er nicht gleichzeitig etwa als Scytalia (non
Gaertn.) Roxb. mit dem Ansprüche auf Priorität vor Aphania
Bl. für die genannten drei Arten (und die damit zu einer
Gattung gehörigen) aufrecht erhalten werden, da R o xb u r gh
mit diesen nicht etwa eine neue Gattung Scytalia zu grün-
den im Sinne hatte, sie vielmehr nur in Folge einer falschen
Voraussetzung, respective einer falschen Bestimmung der
Gattung, zu Scytalia Gaertn. gebracht hat. Eine falsche
Bestimmung aber begründet kein Recht der Priorität. Nicht
mehr in Betracht kommt es dabei, dass, was auch andern-
falls der Gattung Aphania Bl. die Priorität sichern würde,
von Roxburgh nicht schon im Hortus bengalensis (1814),
sondern erst in der Flora Indica (1832) eine Charakteristik
der Gattung gegeben ist. Nur für die Namen, resp. Bei-
namen der Arten Rorburgh*s könnte eine Priorität bis
8) Die übrigen sind: Scytalia Longan =: Euphoria Long an a
Lam.y S. Eamhootan = Nephelium lappaceum Linn., sowie die
noch zweifelhaften S, rimosa, parviflora und oppositifolia. Für Scy-
talia rimosa ist es nicht unmöglich, dass die Vermuthung von Hass -
karl (PI. jav. rar., 1848, p. 290) richtig ist, womach darin Nephdium
glahrum Noronh., d. i. Nephelium lappaceum Linn., var. glahrum Bl*
zu sehen wäre. Der von Boxburgh fdr den District Silhet angege-
bene Eingebomen-Name Tinguree oder Tingoori könnte darüber
vielleicht noch Gewissheit verschaffen. Für Scytalia parviflora und
oppositifolia ist kaum eine Interpretation möglieb.
246 Sitzung der math.-phys, Classe vom 1, Juni 187 S.
auf das Jahr 1814 zurück geltend gemacht werden, inso-
fern dieselben im Hortus bengalensis wenigstens durch
Beifügung des Eingehornen-Nameus, des Fundortes und des
Sammlers einigermassen gekennzeichnet sind, und soweit
eben darnach und unter Zuhilfenahme des Herbarium-Nach-
lasses Ro xbu r gh *s die betreffenden Pflanzen sicher erkannt
werden können.
Ist durch das Gesagte die Abtrennung einer Gattung
Aphania von Sapindus hinreichend, wie mir scheint, be-
gründet, so genügt es für andere davon abzutrennende
Theile, und zunächst für die, welche die neuen, schon in
der Uebersicht der Sapindaceen HoUändisch-Indiens von mir
aufgestellten Gattungen Thra ulococcus (Sapindm
Thwaifesii Hiem, S. erectus Hiern) und Hebecoccus
(Sapindm laurifolius^ non Vahl, ZoUing.) bilden, (s. Ta-
belle I) hervorzuheben, dass bei ihnen die Aehnlichkeit mit
Sapindus eine noch viel oberflächlichere ist als bei Aphania^
so dass man sich wirklich wundern muss, wie diese Pflanzen,
deren Früchte bekannt waren, mit Sapindus in Zusammen-
hang gebracht werden konnten. Die ganze Aehnlichkeit
besteht hier darin, dass die Früchte ebenfalls mehr oder
minder deutlich in (drei) Cocci gegliedert sind, von denen
bei der Reife häufig nur einer zur vollen Entwicklung
gelangt. Man konnte sie darnach ebensogut zu irgend
einer anderenSapindaceen-Gattung mit mehrknöpfigenFr üchten
bringen, etwa zu NepheUum, wie das für die Arten von
Thraulococcus in der That ursprünglich geschehen war, nur
dass hier doch die Configuration der Blüthe und die Be-
schaffenheit des Samens noch etwas augenfälliger das Un-
passende der gewählten Stellung hervortreten liess. Nicht
einmal eine drupose Beschaffenheit der Frucht, wie noch
bei Aphania^ ist hier mehr vorhanden, von einem Saponin-
gehalte gar nicht zu reden. Bei Thraulococcus ist das
Pericarp krustenartig, bei ^stärkerem Drucke zwischen den
Badlkofer: Ueber Sapindus etc. 247
Fingern zerbrechend, vorzugsweise aus dickwandigen, ziem-
lich isodiametrischen Zellen, sogenannten Steinzellen, ge-
bildet, mit Beschränkung des dünnwandigen, parenchymati-
schen Gewebes auf die innere Zone und nesterartige Zell-
gruppen zwischen den Steinzellen, dieser Structur nach mehr
der Frucht von LepisatUhes als der von Sapindus sich
nähernd. Bei Hebecoccus ist das Pericarp im frischen Zu-
stande wahrscheinlich beerenartig- oder lederig-fleischig,
aus lauter dünnwandigen Parenchymzellen gebildet, von
welchen eine mehrschichtige, der Innenfläche genäherte
Zone durch Erfüllung mit einem gerbstofiartigen , an der
trockenen Frucht dunkelbraun gefärbten Inhalte ausgezeichnet
ist, — nach all dem jedenfalls weniger der Frucht von
Sapindus^Sih der von Oiophora ähnlich. Die Samenschale
ist bei beiden Gattungen lederartig und aus schwammfor-
migem Gewebe gebildet, wie bei Aphania^ aber innen mit
einer Falte zur Aufnahme des Keim wür Zeichens versehen.
Der Embryo ist deutlich gekrümmt, reich an Stärkemehl.
Was die übrigen Charaktere dieser Gattungen betrifft, so
mag, da sie hier nicht von weiterem Belange, auf deren
Darlegung in meiner üebersicht der Sapindaceen-FIora Hol-
ländisch-Indiens verwiesen sein.
Was die zur Gattung Deinb ollia (nach Ausweis der
Tabelle I) zu verbringenden Arten betrifft, (nämlich Sapin-
dus oblongifolias Sond., mit Einschluss von S. capensis
Höchst, excl. excludend. ferner Ä xcmthocarpus Klotzsoh und
8. spec. Rob. Brown, wie wohl auch eine in Teysm.. und
Binn. Cat. als S. spec, angeführte Pflanze aus Bourbon),
so ist das Pericarp der gewöhnlich dreiknöpfigen Früchte
hier ebenfalls nicht drupös, sondern beerenartig, die inneren
Schichten (der trockenen Frucht) locker schwammig, von
dem äusseren Theile des Pericarps sich leicht trennend, da-
gegen der Oberfläche des Samens fest anhaftend, so dass
dieser Theil irriger Weise als Arillus aufgefasst wurde
248 Sitzung der math.-phys. Classe vom /. Juni 1878.
(g. Benth. Hook. Gen., I, p. 405, n. 45; Baill.Hist. d.
PL, V, p. 397, n. 10; Scheffer Observ. phytogr., 1868,
p. 18), welcher der Gattung Deinbollia ebensogut fehlt, wie
der Gattung Otophora^ der er ebenfalls mit Unrecht zuge-
schrieben wird (s. Benth. Hook. Gen., I, p. 405, n. 44;
Baill. Hist. d. P1.,V, p. 398, n. 12;Hiern in Hook. PL
Brit. Ind., I, p. 680, n. 10).
Auch Otophora^ zu welcher Sapindus fruticosus
Roxb., gleichwie der wahrscheinlich damit identische Sapin-
dus haccatus Blanco (s. Zusatz 4 zu Tabelle I) schon von
Bl ume (1847) als Otophorafruticosa und Otophora Blancoi
übertragen worden sind, besitzt ein beerenartiges Pericarp,
aus fast lauter dünnwandigen, grossentheils eine dunkel-
braun gefärbte Masse wie im Fruchtfleische von Aphania
enthaltenden Zellen gebildet.
Die Früchte beider Gattungen, Deinbollia und Otophora^
sind essbar, wenigstens von gewissen Arten. Peters gibt
das für den vermeintlichen ^^Sapindus xanthocarpus^^ und
zwar für Fruchtfleisch und Same, Roxburgh (und Zol-
linger auf einer Etiquette seines Herbariums) für ^jSapin-
dus fruticosus^\ Blanco für ^^Sapindus baccatus^^ an.
An andere mit Unrecht seiner Zeit zu Sapindus ge-
stellte Pflanzen mit essbaren Früchten will ich hier im An-
schlüsse an „iSapiwdws senegalensis^ ruber, xanthocarpus^ fruti-
cosus und baccatus^*^ nur flüchtig erinnern. Ein Eingehen auf
den difi'erenten Bau ihrer Früchte und Samen erscheint
hier schon durch die blosse Nennung der wohlbekannten
Gattungen, bei welchen sie ihre rechte Stelle finden und
meist schon seit langem gefunden haben, überflüssig gemacht.
Es sind das: Sapindus edulis kii. z=z Litchi chinensi s
Sonn.; Sapindus rubiginosus Roxb. (Sapindus edulis Bl.)
:=.Erioglossuin rub%ginosum^\,\ Sapindus esculentus
St. Hil. (Sapindus edulis Spach.)= TaZi^ia esculenta
Badlk. ; Sapindus Pappea Sond. :=z P app ea capensis
Badlkofer: lieber Sapindua etc. 249
f]ckl. und Zeyh. Dazu kommt noch Sapindus eduUs
Blanco (ISib) =^ Erio glossum rubiginosum Bl. ?, von
welchem wir den rechten Platz noch nicht mit voller
Sicherheit kennen, bezüglich dessen wir aber nach dem
bisher Erörterten als sicher wenigstens das annehmen können,
dass er kein echter Sapindus sei.
Ganz richtig urtheilte schon B 1 u m e (a. o. a. 0.)i dass
die sogenannten Sapindus- Arten mit essbaren Früchten aus
der Gattung Sapindus auszustossen seien.
Hoffentlich wird die Bestätigung und Bekräftigung
dieses Urtheiles durch das Resultat der hier dargelegten
Untersuchungen bewirken, dass künftighin Pflanzen mit
essbaren Früchten nicht leicht mehr der Gattung Sapindus
einverleibt werden.
Wohl in zweifacher Hinsicht dürfte es unrichtig sein,
wenn Baillon (Hist. d. PL, 1874, p. 388) anführt, dass
angeblich („on dit^^) die Früchte von Sapindus emarginatus
Vahl in Georgien und Carolina gegessen werden, denn ein-
mal könnte das den genannten Ländern nach nur auf
Sapindus marginafus der americanischen Autoren gehen,
und weiter möchte die in Rede stehende Angabe, deren
Quelle nicht erwähnt ist, wohl nicht auf das bei Michaux
und De Gandolle nicht unzutreffend als „terebintinös^^
bezeichnete Pericarp, sondern höchstens auf die ölreichen
Samen zu beziehen sein, welche nach Blume wenigstens
von Sapindus MuJcorossi Gaertn. geröstet essbar sind und
aus welchen nach anderen Angaben (Cat. Gol. franc, Expos,
ä Yienne, p. 92) von Sapindus Sapanaria L. und Sapindus
emarginatus Vahl Gel gewonnen wird. Vielleicht liegt
übrigens hier nur ein Irrthum vor, ähnlich wie in Bail-
lon's Angabe (Hist. d. PI., p. 388), dass die Früchte von
Sapindus arborescens Aubl. und frutescens Aubl., sowie die
von S. senegalensis nach Art derer von S. Saponaria zum
Waschen verwendet werden. Für S. senegaletisis ist dieser
250 Sitzung der math.-phys. Clasae vom /. Juni 1878,
Irrthmn auf eine bestimmte Quelle zurückfährbar, nämlich
auf D u c h es n e Plantes utiles (s. oben S. 242 in der Anmerkang
über S. senegalemis). Für S. arborescens und frutescens
finde ich in der Literatur keinen derartigen BQckhalt. Diese
beiden Arten Aublet^s besitzen die angegebenen Eigen-
schaften sicher nicht, denn sie enthalten, wie eine beson-
ders darauf gerichtete Untersuchung ergab, kein Saponin ;
sie sind so wenig wie S. senegalensis echte Sapindus-Arten,
wie schon Gambessed es (Dict. class. d'Hist. nat. XV,
1829, p. 202 und Mem. Mus. d'Hist. nat. XVIII, 1829, p.
28) aussprach, und wie weiter Miguel, indem er aus der
ersteren seine Cupania ÄubUtii, und Martins, indem er
aus der letzteren seine Cupania frutescens bildete, noch be-
stimmter zum Ausdruck brachten. Bai Hon scheint das
entgangeu zu sein, wie aus dessen Literaturangaben unter
Sapindus und daraus hervorgeht, dass zur Illustration der
Gattungscharakteristik von Sapindus eine bildliche Darstellung
der Blüthe eben dieses 8, arborescens Aubl. gegeben wird
(a. a. 0. p. 348).
Dass der Torhin (unter den mit Unrecht zu Sapindu^
gestellten Pflanzen mit essbaren Früchten) genannte, zu
Talisia gehörige Sapindus esculentus St. Hil. (1824)
noch in neuester Zeit, so gut bei Baillon (Hist. d. PI.
p. 349) wie bei Bentham und Hooker (Gen. PL, I, p.
404), in der Literatur von Sapindus eine Stelle finden
konnte, obwohl Exemplare mit Früchten, welche unter
St. Hilaire's Materialien fehlen, seit langem in allen
grösseren Herbarien, die von Paris und Eew an der Spitze,
vorhanden sind, muss sicher befremden, da Talisien-Früchte
schon in ihren allgemeinsten Eigenschaften grundverschieden
sind von Sapindus-Früchten , weder nämlich eine Coccus-
bildung zeigen, noch Spaltfrüchte darstellen, noch Drupen
sind. Erklärlicher ist es, dass gelegentlich nicht fructificirte
Materialien von Talisia zu Sapindus gebracht wurden (s. in
Hadlkofer : Ueber Sapindtis etc, 251
Tabelle I: S cerasinus und oblongm Benth., S. surinamensis
Turcz., 8. spec. Spruce n. 1785, 1992, 3311), obwohl auch
Blüthe und Habitns ausreichende Anhaltspunkte an die Hand
geben zur sicheren Erkennung der Gattung und selbst ihrer
Unterabtheilangen (s. Zusatz 9 zu Tabelle I).
Auf eine Betrachtung der anatomischen Beschaffenheit
der Frucht von Talisia im Vergleiche mit der von Sapindus
hier einzugehen, erscheint dem Gesagten gemäss als über-
flüssig.
Noch mehr ist diess, wie schon früher erwähnt, der
Fall für die übrigen bei der Unterbringung unechter Sa-
pindus-Arten noch in Betracht kommenden Gattungen.
Ich verweise bezüglich derselben lediglich auf die erste
Tabelle am Schlüsse der Abhandlung und die dazu gehörigen
Bemerkungen und Zusätze.
Soviel über jene Pflanzen, welche überhaupt Abweich-
ungen von den oben aufgeführten Eigenschaften der Frucht,
des Samens und des Embryo von Sapindus und der darin
sich aussprechenden Charakteristik dieser Gattung zeigen,
im Hinblicke auf den ersten der oben aufgestellten, wie
sich zeigt, verneinend zu beantwortenden Fragepunkte, ob
nicht eine Erweiterung dieser Qiarakteristik durch die eine
oder die andere dieser Pflanzen geboten erscheine.
Was nun den zweiten der oben als G^enstand der
weiteren Untersuchung bezeichneten Punkte betrifft, die
Frage nach einer allenfalls nothigen Beschränk nng der
in Rede stehenden Charakteristik der Gattung Sapindus,
so scheint mir auch diese Frage verneinend beantwortet
werden zu müssen.
Das Material, welches dabei in Betracht kommt, ist in
der Tabelle H zusammengestellt, in welcher die sämmtlichen
bisher aufgestellten, sicher oder doch wahrscheinlich zu
Sapindus geJiöri gen Arten aufgezählt und nach ihrem
synonymischen oder speciflschen Werthe ausgeschieden sind.
252 Sitzung der matk.'phys. Ülasse vom 1» Juni 1878.
Aas ihrer Yergleichang in der gedachten Hinsicht ergibt
sich Folgendes.
So ziemlich das einzige Moment, in welchem eine er-
hebliche Verschiedenheit zwischen den hier yereinigten
Pflanzen auftritt, und welches zufolge der Wichtigkeit, die
ihm, wie oben bezüglich Gambessedes und Blume be-
richtet worden, von den Autoren beigemessen wird, eine
solche Beschränkung yeranlassen könnte, ist die Form
des Discus, welche bei einer Art — Sapindus RaraJc
DC. — unregelmässig, bei allen anderen Arten regel-
mässig ist.
Hier ist sonach der Ort, auf die oben absichtlich einst-
weilen übergangene Frage nach dem Werthe der
Discusgestalt für die Bildung der Gattungen bei den
Sapindaceen näher einzugehen.
Die abweichende Gestalt des Discus bei Sapindus Barak
DG. hat wirklich schon einmal eine Beschränkung in dem
gedachten Sinne veranlasst. Um dieser ihrer Eigenthüm-
lichkeit willen ist die genannte, von D e Gan d o 11 e i. J. 1824
aufgestellte Art durch J. Hooker i. J. 1862 von der Gattung
Sapindus abgetrennt, zu einer besonderen^ monotypischen
Gattung ftDittelasma^' erhoben und im Systeme weit
entfernt von SapindiAS^ in der Nähe solcher Gattungen
eingefügt worden, bei welchen der Discus ebenfalls eine
unregelmässige, einseitig geförderte Entwicklung zeigt, in-
dem zugleich die Discusgestalt und die davon abhängige
regelmässige oder unregelmässige Beschaffenheit der Blüthe
als Haupteintheilungsgrund für die Familie der Sapindaceen,
wie schon früher erwähnt, in Anwendung gebracht wurde.
Noch weiter ging B a i 1 1 o n, 1874 (Hist. d. PL), welcher
nach eben diesem Eintheilungsgrunde die beiden Abthei-
lungen Aqt Sapindeae (mit regelmässigen Blüthen) und der
Pancovieae (mit unregelmässigen Blüthen) aufstellte.
Derselbe trennt dem entsprechend gleichfalls Sapindus RaraJc
Rn^lkofer: Üeher Sapindus etc. 253
DG. von der Gattung Sapindas ab, aber nicht etwa nm ihn,
wie Hooker, als eine selbständige Gattung bei
den Sapindaceen mit unregelmässigen Blüthen — bei seinen
Paneovieen also — unterzubringen, sondern um ihn
geradezu mit derafricanischen Gattung Pancot^ta
•Willd. zu vereinigen, dazu auch noch die Gattung JEriO'
glossum von Blume einbeziehend.
Obwohl es also nur eine Art ist, um welche es sich,
was die Discusform betrifft, bei der Betrachtung der Gattung
Sapindm handelt, so hat die Frage nach der Stellung dieser
Art doch eine weit über die Gattung Sapindus hinaus-
reichende Bedeutung. Die Entscheidung über die Stellung
dieser einen Pflanzeist von principieller Bedeutung
für die ganze Familie der Sapindaceen, da je-
nachdem die Entscheidung föUt, die ganze dermalige Glie-
derung der Familie, wie sie J. Hook er und ihm folgend
H. Bai Hon durchgeführt haben, an Halt gewinnt, oder —
wie ich meine — verliert.
Der Werth, welcher von den genannten Autoren der
Discusform in systematischer Einsicht beigemessen wird,
geht weit hinaus über den, welchen seiner Zeit Cambes-
sed es und Blume übereinstimmend, wie schon früher
berichtet, derselben zuzuschreiben für gut befunden haben.
Cambessedes, welcher zuerst für die Bildung der
Gattungen eindringlicher auf die Discusform hingewiesen
hat, weist den Versuch einer Gattungg^uppirung nach der
Regelmässigkeit oder Unregelmässigkeit der Blüthen als
einen verfehlten ganz richtig mit der Bemerkung zurück,
dass man dadurch gezwungen sein würde, aufs engste mit
einander verwandte Gattungen in verschiedene Abtheilungen
zu stellen, allerdings unter Anführung von Beispielen, die nicht
gerade glücklich gewählt sind (Mem. Mus. XVHI, 1829, p.
13, 14). Blume, welcher der Anschauung von Cambesse-
des rücksichtlich der Bildung der Gattungen weitere Folge zu
[1878 8. Math.-phys. CL] 18
254 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 1. Juni 1678,
geben sucht, wie z. B. ia der Aüfstellcmg der Gattung
Hemigyrosa^ misst doch der Discasform von Sapindus Barak
in der schon mehrfach berührten trefflichen Bemerkung
über Sapindus (Rumphia III, 1847, p. 92) nicht eine
gattungsbildende, sondern nur eine sectionenbildende Kraft
bei und vereinigt in mehr als einer seiner Tribus Gattungen
mit regelmässigem und mit unregelmässigem Discus.
Aber auch bei diesen älteren Autoren erscheint der
Discusform, indem sie dieselbe überhaupt principiell als
gattungsbildendes Moment hinstellen, schon ein zu grosser
Werth beigelegt. Mir erscheint dieselbe nicht von so hoher
Bedeutung. Mir scheint dieselbe bei den Sapindaceen an
systematischem Werthe weit zurückzustehen hinter den
Charakteren der Frucht und selbst des Habitus.
Dass die Form des Discus und der damit in Zusammen-
hang stehende regelmässige oder symmetrische Bau der Blüthe
überhaupt bei den Sapindaceen, wie das vielleicht auch bei
anderen Familien durch näheres Studium derselben sich
herausstellen mag, einen verhältnissmässig geringen syste-
matischen Werth besitze, darauf weist schon der Umstand
hin, dass selbst bei jenen Gattungen, bei welchen der
symmetrische Blüthenbau am stärksten ausgeprägt ist, wie bei
Cardiospennum^ Serjania und den verwandten gelegentlich
annähernd regelmässiger Bau (unter Auftreten von 5 Blumen-
blättern und 10 Staubgefässen) bei einzelnen Blüthen oder
selbst bei allen Blüthen eines Individuums vorkommt,
während sich nirgends ein analoges Schwanken einer Art
im Charakter der Frucht oder selbst in den wichtigeren
Momenten des Habitus beobachten lässt, weder etwa ein
Wechsel von kapselartiger mit beerenartiger, von geflügelter
mit flügelloser Frucht, noch von häutiger mit druposeroder
holziger Beschaffenheit des Pericarps, noch von kurzzelligem,
knorpligem mit langzelligem, &serigem Endocarpe u. s.w.,
ebensowenig wie ein Wechsel von bandförmig zusammen-
Hadlkofer: Üeher Sapindus etc. 255
gesetzten mit gefiederten Blättern, von gegenständiger mit
zerstreuter Blattstellung, von Nebenblattlosigkeit mit Neben-
blattbildung u. s. w. Es zeigt das, dass diese und ähn-
liche Verhältnisse, wie namentlich auch die von Blume
mit Recht betonte BeschaflFenheit des Kelches, weit bestän-
diger, weit mehr fixirt und wahrscheinlich schon seit viel
längerer Zeit stabilisirt sind als der symmetrische Blüthen-
bau.
Das Auffallende dieses ümstandes vermindert sich, und
er wird unserem Verständni&se näher gerückt, wenn wir
erwägen, dass die Blüthensymmetrie sich in vielen Fällen
sehr deutlich als eine vorzugsweise physiologische Einrich-
tung zu erkennen gibt, als ein Mittel zur Erleichterung der
Wechselbefruchtung, oder zur Vermittlung der Befruchtung
überhaupt bei Pflanzen, deren Bestäubung durch Insecten be-
werkstelliget wird, als eine Anpassungserscheinung an die
Organisation und die Gewohnheiten dieser Insekten, welche
nicht für alle Arten einer Gattung dieselben zu sein brau-
chen. Das scheint auch bei den Sapindaceen der Fall zu
sein, bei welchen auch noch andere Organe der Blüthe
darauf hinweisen, dass dieselbe für den Besuch von Seite
bestimmter Insecten eingerichtet ist.
Es sind das die eigenthümlichen Schuppen
der Blumenblätter, deren Wesen uns, während es uns
die Bedeutung und den Werth der Blüthensymmetrie ver-
ständlich machen hilft, selbst auch verständlicher wird.
Diese Schuppen, an deren Stelle mitunter nur eine
starke Behaarung der Blumenblätter und Staubgefösse, be-
sonders an deren Basis, treten kann (bei gewissen Gattungen,
Arten oder selbst bei einzelnen Individuen derselben Art),
sind ohne Zweifel als Schutzmittel der Blüthe gegen den
Besuch ungebetener Gäste anzusehen.
Der Discus der Sapindaceen-Blüthe ist ein Honigsaft
absonderndes Organ. Der abgesonderte Honigsaft wird, und
18*
256 Sitzung der math.-phys. Ciasse vom 1, Juni 1878,
zwar am yollständigsten bei den Gattungen mit rinnig con-
caven und an der Spitze gewölbten Schuppen (welche sich
in fast rechtem Winkel von den ausgebreiteten, ausser-
halb des Discus entspringenden Blumenblättern erheben
und den Discus überdeckend um die innerhalb desselben
entspringenden Staubgefässe und den Fruchtknoten in schief
aufrechter Stellung zusammenneigen) in dem Räume, wel-
chen die Basis der Schuppen umschliesst, aufgesammelt
und gegen den Verbrauch von Seite aller jener nicht zu-
gleich fQr das Bestäubuns^sffeschäft geschickten Insecten
geschützt, welche nicht im Stande sind, mit ihren Auf-
saugungsorganen zwischen die eng aneinander schliessenden
und durch Verfilzung der Haare ihrer Ränder zu einer
cylindrischen Schutzscheide vereinigten Schuppen vorzu-
dringen.
Am besten organisirt hiefiir erscheinen wohl bienen-
artige Insecten, deren Rüssel bei vollkommen den ge-
gebenen Verhältnissen angemessener Länge auch die nöthige
Kraft besitzt, um zu dem Honigschatze vordringen zu kön-
nen. Die Anlockung dieser Insecten wird ausser durch
den süssen Duft der Blüthen bei mehreren Gattungen durch
ein sogenanntes Pollenmal bewirkt. Als solches erscheinen
die gelb gefärbten Kämme an der Spitze der Blumen-
blattschuppen, zwischen welchen der eben£a,lls gelbgefärbte
Pollen nach seiner Entleerung aus den in gleicher Hohe
befindlichen Antheren aufgestapelt bleibt. Die gesammte
Disposition dieser Theile ist der Art, dass ein bienenartiges
Insect, während es mit dem Rüssel Honig zu saugen sucht,
mit der Unterseite seines Körpers den Pollen abstreift und
ihn beim Besuche einer anderen (weiblichen) Blüthe an der
hier die Stelle der Antheren einnehmenden Narbe theilweise
absetzt.
Der eben geschilderte Vorgang der Bestäubung wird
wesentlich unterstützt durch symmetrische Ausbildung der
Badlkofer: üeber Sapindm etc. 257
Blüthe in der Kichtung von dem nach oben in der wicke-
ligen Inflorescenz gekehrten vierten Eelchblatte nach dem
diametral gegenüber liegenden Intervall zwischen dem
dritten und fünften Eelchblatte. Darch die überwiegend
oder vollkommen einseitige, die Symmetrie der Blüthe be-
dingende Entwicklung des Discns in der bezeichneten
Richtung mit Förderung seiner Ausbildung auf Seite
des vierten Kelchblattes werden die Staubgefässe, gleichwie
der Stempel, aus dem Centrum der Blüthe hinaus und nach
dem bezeichneten Intervalle hin bis an den Rand der Blüthe
vorgeschoben. Zugleich erhalten sie eine nach der gleichen
Seite hin schief aufstrebende Stellung, so dass sie über den
Rand der Blüthe etwas vorgestreckt erscheinen. Das untere,
auf das Intervall zwischen dem dritten und fünften Kelchblatte
treffende Blumenblatt ferner bleibt bei den Gattungen oder
Arten mit vollkommener Symmetrie unentwickelt, gleichsam
um für den Leib des Insectes Platz zu machen. Die vier ent-
wickelten , wagrecht ausgebreiteten Blumenblätter dienen
dem Insecte als Haltpunkte für seine Füsse, während es
sich, den ganzen Bestäubungsapparat unter sich fassend
und mit der Stirn gegen das vierte Kelchblatt gekehrt,
zwischen den beiden vor diesem Kelchblatte mit ihren
Rändern etwas übereinander greifenden Schuppen der beiden
oberen Blumenblätter und den Staubgefässen Bahn zu dem
von der Schuppenbasis umschlossenen Honigsafte mit dem
Rüssel zu brechen sucht. Der Hauptsache nach das Näm-
liche bleibt es, wenn unter mannigfacher Abänderung ihrer
Gestalt die Entwicklung der Schuppen selbst zurück, da-
gegen die Bildung von ganz oder theilweise sie in ihrer
Wirkung vertretenden Haarbüscheln stärker hervortritt.
Es steht der Annahme nichts entgegen, dass die zum
Bestäubungsgeschäfte geeigneten Insecten nicht für alle
Arten einer Gattung dieselben sein werden, ja wohl nicht
einmal dieselben sein können, wenn die Arten sehr ver-
258 Sitzung der inath.-phys. Classe vom 1, Juni 1878,
schiedenen Gebieten, selbst verchie denen Welttheilen ange-
boren. Dann erscheint es aber auch nicht mehr so sehr be-
fremdlich, wenn die einen Arten einer Gattung bei sonstiger
Organisationsgleichheit und dadurch deutlich ausgesproche-
ner Zusammengehörigkeit symmetrische, die anderen regel-
mässige Blüthen besitzen, und es entsteht uns dadurch
noch nicht die Nöthigung, die beiderlei Arten generisch
zu trennen.
Durch eine solche Trennung würden, wir bei den Sa-
pindaceen sehr ungleich werthige Gattungen erhalten: Die
einen nur durch ein einziges Moment verschieden, überein-
stimmend in allen übrigen, wie das für Dittelasma im
Verhältniss zu Sapmdus der Fall wäre; die anderen, und
selbst die mit jenen wieder zunächst verwandten, wie
Aphania^ Thraulococctis, DeinbolUa etc., verschieden durch
eine ganze Reihe von Eigenthümlichkeiten der Blüthe, der
Frucht, des Samens, des Embryo und des Habitus.
Wenn irgend wo, so ist es hier am Platze, sich gegen-
wärtig zu halten, was schon eingangs hervorgehoben wurde,
dass zur Erlangung einer natürlichen Gruppirung auf die
ganze Summe der Erscheinungen Bücksicht zu nehmen ist
und dass einzelne Momente, auch wenn sie im allgemeinen
von hohem Werthe sind, da ihren Werth verlieren, wo ihnen
ganze Gruppen von Erscheinungen, die unter einander
parallel gehen, entgegen treten.
Ich führe somit Dittelasma Barak Hook. f. — Paw-
covia Barak Baill. — unter dem früheren Namen Sap In-
dus Barak DC. ^) zurück zur Gattung Sapindus^ mit deren
9) Der am ein Jahr ältere Name Sapindus indica Beinwardt in
Blame Catal., 1823, p. 64 erscheint nicht als rite pnblicirt, da an
dieser Stelle keinerlei Kennzeichen der darunter verstandenen Pflanze
angegeben ist. Der beigefügte Eingehornen-Name Jarak kann für sich
allein nicht als Ersatz einer eigentlichen Kennzeichnung genommen
Badlkofer: Ueber Sapindua etc. 259
übrigen^ Arten sie nach den Merkmalen der Frucht, des
Samens, des Embryo und des HaHtus aufs vollständigste
übereinstimmt, und verneine die Frage, ob nicht durch sie
eine Beschränkung der in Erörterung stehenden Charakte-
ristik der Gattung Sapindus veranlasst sei.
Was andere Eigenthümlichkeiten einzelner
Arten von Sapindus betrifft, gemäss welcher eine solche
Beschränkung angezeigt erscheinen könnte, so ist des Auf-
tretens einfacher Blätter bei Sapindus oahuensis Hillebr. zu
gedenken und allenfalls der verhältnissmässig grossen und
in allen Theilen derberen Blüthen sowohl bei dieser Art
als namentlich bei Sapindus triföliatus Linn., sowie der die
letztere Art auszeichnenden dichten Behaarung des Discus
und der Frucht.
Für diese Eigenthümlichkeiten genügt es, sie überhaupt
namhaft gemacht zu haben. Einer eigentlichen Erörterung
ihres geringen Werthes scheint es in der That nicht zu
bedürfen. Höchstens was die einfachen Blätter von S,
oahuensis betrifft, mag (wie schon oben erwähnt wurde)
daran erinnert sein, dass sich Arten mit einfachen neben
solchen mit zusammengesetzten Blättern auch bei anderen
werden, denn derselbe kommt aach anderen Pflanzen zu (s. Hasskarl
Catal., 1844, p. 353).
Für Sa'pindua pinnatusl&\\iQrf\lQ%^ welchen De Ca nd olle (Prodr.
I, 1824) fragweise auf Sapindus Barak bezieht, ist heute noch nicht siche-
rer als zu De Candolle^s Zelt bekannt, was darunter zu verstehen sei,
und kann demselben desshalb aach beute noch nur in der Sjnonymie
der in Bede stehenden Art fragweise eine Stelle eingeräumt werden.
Auf die Synonjmie von Sapindus Barak noch weiter einzugehen,
erscheint hier nicht der Platz. Es ist das der monographischen Behand-
lung vorzubehalten. Einige der hieher gehörigen Synonyme sind in der
Tabelle II enthalten. Diesen mag hier nur noch, wie in meiner Ueber-
sicht der Sapindaceen Holländisch-Indiens, als bei anderen Autoren noch
nicht erwähnt; Cupania oHongifolia (non Martins) Turczan., in Bull.
Mose, 1863, p. 587 „coli. Zollinger, iter secund. n. 3648/2", wovon ich
Exemplare im Hb. DO. und Hb. Boiss. gesehen habe, beigefügt sein.
260 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 1. Juni 1878.
Sapindaceen-Gattungen finden, ohne dass daraus ein Grnnd
gegen ihre einheitliche Auffassung entnommen werden konnte.
So bei den früher mit Sapindus selbst vereinigt gewesenen
Gattungen Äphania und Thraulococcus ; ferner bei ÄUo-
phylus und Thouinia^ bei Cardiospermum ^^) xxnä Dodonaea.
Bei Äphania, Allophylus und Dodonaea kommen sogar
10) Für die betreffende Gardiospermum-Art — G. procumbenSy spec.
DOY. — ist zwar erst noch Yon dem Bekanntwerden der Frucht die Be-
stätigung ihrer Zugehörigkeit zur Gattung Gardiospermum zu erwarten.
Doch lassen die Charaktere der Blüthe auf diese Bestätigung mit ziem-
licher Sicherheit rechnen. Um ausser ihren hauptsächlichsten Merkma-
len auch ihre Stellung in der Gattung ersichtlich zu machen, mag hier
eine kurze üehersicht der nach den vorliegenden Materialien überhaupt zu
unterscheidenden Arten von Gardiospermum Baum finden (unter Bei-
fügung der wichtigsten Formen und Synonyme, soweit das hier eben
angeht.)
Cardiospermum Linn.
Sectio I. Ceratadenia: Glai^dule disci superiores elongatae, comi-
formes; semina glabra. — Plantae cirrhiferae.
X Sepala 4
1) G. grandiflorum Sw.
Forma 1. genuinum(C. grandifl. Sw., 1788 ; C. vesicarium Hnmb.,
1819; C. coluteoides Kunth, 1821 ; C. macrophyllum Kunth, 1821 ;
G. coluteoides E. ap. Gamb., 1825, partim ; G. pilosum Vell.,
1825—27; G. velutinum W. Hook, et W.-Arn., 1833): Gaulis,
foliola subtus fructusque subtomentosa vel fructns glabrati.
Forma 2. elegans (G. elegans Kunth, 1821; G. Duarteanum
Gamb., 1825; G. coluteoides K. ap. Gamb., partim; G. infla-
tumVelL, 1825—27; Pauli, enneaphylla, non Don, Turcz. 1858,
p. 397 ezcl. Appun n. 140, cfr. G. Gorindum): Gaulis, foliola
fructusque glabriuscula.
Forma 3. hirsutum (G. hirsutum Willd. 1799 ; G.hispidum Kunth,
1821; FauUinia spec- Turcz., 1858, p. 398, „coli. Jürgensen n.
926"; C. barbicaule Baker, 1868): Gaulis setoso-hirsutus.
X X Sepala 5
2) G. integerrimum Badlk.: Folia bitemata; foliola ex ovali sub-
lanceolata, integerrima, glabra. (Fructus ignotus.) — Brasilia: Sello
n. 94 (inter Vittoria et Bahia).
BacUkofer : lieber Sapindt^s etc. 261
Uebergänge von zusammengesetzten zu einfachen Blättern
bei derselben Art vor. Auch die ersten Laubblätter jünger
Pflanzen, gleichwie die obersten an blähenden Zweigen sind
Sectio II. Braehyadenia: Glandulae disci breves, saborbicalar es ; semina
glabra. — Pleraeqnae cirrhiferae, nna species ecirrhosa.
X Sepala 4
-|- Herbaceum; semina hilo magno cordato-bilobo
3) C. Halicacabum Linn. (C. glabrum Schum. & Thonn., 1828; C
corjcodes Kze., 1843; C. luridum Bl., 1847).
y a r. m i c r 0 car pnm Bl. (C. moniliferum Schwägr. ed. Breiter,
1817 — non „Sw." uti Steudel refert; C microcarpum Eonth,
1821; C. microspermum E. Meyer in Drege PI. exsicc. ; C.
acuminatum Miqnel, 1844; C. truncatnm Rieh., 1847; C. Halic.
var. corycodes Bl., 1847, qaoad specim. Martinic: Sieber n.
104, fide Hb. Lngd.-Bat.; C purailomBl., 1847, C. panrifloram
Tausch ed. Opiz, 1851.)
4- -{- SujQfrutescens ; semina hilo minore semiurbiculari vix
emarginato
4) C. Corindum Linn. (C. pubescens Lag.? 1816; C, loxense Kunth,
C. molle Kunth, 1821 ; 0. grandiflomm, non Sw., Sieber Fl. Mar-
tinic. n. 105; C. parviflorum Camb , 1825; C. canescens Wall., 1830;
C. ovatum & hexagonum Hb. Wight, ed. Wight in Cat., 1833; C.
yillosum Macfad., 1837; 0. ferruginenm Bich., 1845; C. clematide-
um & oblongum Rieh., 1847; C. pubescens Griff. Joum., 1847; C.
Halicac. Hb. Heyne ed. Wall, in Cat. n. 8030 A, 1847; C.
erectum Tausch ed. Opiz, 1851; C. pilosum Turcz., 1858; Paullinia
enneaphylla, non Don, Turcz. 1858, p. 397, quoad Appun n. 140,
cfr. C. grandifl.).
Var. brachycarpum Radlk.: Fructus brevis, truncatus. —
Mexico : Andrieux n. 485.
+ + + Fruticosum
5) C. tortuosum Benth.
X X Sepala 5
+ Cirrhiferum
6) C. (?) macrolophum Radlk.: Caules (interdum perbreves et tnno
ecirrhosi) petiolique tomento e cano rufescente induti ; folia ternata,
foliolis terminalibus tripartitis lateralibus basi profundius lobatis
transeuntia in biternata, 7—12 cm. longa; foliola ovata, inciso-
dentata vel -lobata, subtus densius quam supra breyiter canescenti-
262 Sitzung der matK-phys, Claaae vom 1, Juni 187S,
bei Sapindus Saponaria (und wahrscheinlich auch bei an«
deren Arten) nicht selten, die ersteren vielleicht sogar in
der Regel einfach, und Aehnliches findet sich bei Arten von
Ätalaya, {Ä. varüfolia, A. salicifolia, nach B e n t h a m auch A.
velatina; flores majuscoli, sofferngineo-tomentosi; squamae peta-
loram, praesertim saperioram, crista alta squamam ipsam fere
aequante instnictae. (Frnctus ignoti.) — Venezuela (Angostura) :
Moritz n. 546 (m. Dec., flor.; Hb. Berol.); Grosourdy n. 19 (Hb. Par.).
-f- + Ecirrhosam (anne sectionis seqnentis ?)
7) C. (?) procumbens Badlk. Gaules plares spithamei, procumbentes,
basi lignosi, cano-tomentosi ; folia stipulata simplicia, ex oboyato in
petiolnm attenuata, triloba, lobis dentatis, membranacea ^ subtus
ad nervös pilosa; thyrsi petiolis yix longiores , apice cinncinos 2 — 3
gereutes ; flores sat magni, basi pilosi. (Frnctus ignoti.) — Bra-
silia: Biedel n. 583 („Bio Pardo in campis siccis^ m. Sept. 1826",
flor.; Hb. Petrop.).
Sectio III. Carphospermnm (xaQfpog palea) : Glandulae disci breves,
suborbiculares ; semina paleaceo- vel squamoso-pilosa. — Sepala 4;
frnctus stipitati triquetri septa angustissima, immo subnulla ; plantae
ecirrbosae. (Anne genus proprium?)
X Folia (superiora) bitemata
8) C. anomalum Camb.
X X Folia temata
9) C. strictum Badlk.: Gaules plures, breves, stricti petiolique pa-
tenti-pilosi ; foliola ovata, inciso-lobata, lobis inciso-dentatis ; cin-
cinni pauci, plerumque duo^ ad apicem peduncali communis elongati;
semen squamoso-pilosum. — Brasilia: Olfers; Pohl n. 694 (Santa
Luzia; Hb. Yindob., Monac).
Bei Cardiospermum (?) procumbens erscheint der eben zur Frucht-
bildung sich anschickende Fruchtknoten dreischneidig mit fast flügel-
artig vorspringenden Kanten. £s drängt sich darnach die Frage auf,
ob die Pflanze nicht eher zu ürvillea als zu Cardiospermum gehören
möchte. Vor der Hand bin ich nicht geneigt, diese Frage, auf welche
sich eine endgiltige Antwort natürlich erst nach dem Bekanntwerden
der Frucht wird geben lassen, zu bejahen; denn die Pflanze wurde bei
ürvillea noch anomaler erscheinen als bei Cardiospermum, theils nach
der Beschafienheit — Zartheit, Form und Grösse — der übrigen Blüthen-
theile, theils nach der Gestaltung des Blattes. Bei Cardiospermum
zeigt sich schon an den übrigen Arten eine mehrfache Abstufung in
L
Badlkofer: Ueber Sapindus etc, 263
hemiglauca) und Xerospermum (X. murieatum), und mit-
unter an den untersten Blättern der Triebe von Melicocca
bijuga und TouUcia tomentosa (s. Zus. 35 zu Tabelle I).
der Zusammensetzung des Blattes, wodurck ein Auftreten einfacher Blät-
ter gleichsam schon angebahnt ist. F&r ÜrviUea ist die Zusammen-
setzung des Blattes eine durchaus gleichförmige. Alle bis jetzt bekannt
gewordenen Arten besitzen gedreite Blätter. Nur die Gestalt und son-
stige Beschafifenheit der Blättchen ist verschieden. Eine gedrängte Zu-
sammenstellung der Arten mag das näher ersichtlich machen.
UrvUlea Eunth.
Sectio I. Physeljrtron : Fructus loculi inflati, seminibus ovoideis multo
majores. Stipulae breves, ovatae vel ovato-lanceolatae.
X Macrocarpae: Fructus 4~-6-centimetrales
1) U. triphylla Radlk. in Monogr. Serj., 1875, p. 47, 73 (Cardio-
spermum t. Yell., 1825— 27, Ic. lY, t. 25): Bami rectiusculi; foliola
ex ovato oblonga, remote dentata, dentibus subrecurvis, impunctata
vel obscure et sparsim pellucido-punctata, epidermide non mucigera ;
flores majores; fructus maximi, loculis fructum dimidium aequanti-
bus, intus hispidulis.
2)U. intermedia Badlk. : Bami rectiusculi; foliola ovato-lanceolata,
remote serrulata ; sparsim pellucido-punctata, epidermide mucigera,
muco vero aquam difificilius imbibente ; flores minores ; fructus an-
gustiores, sat longi, loculis tertiam tantum fructus partem aequan-
tibus, intus glabris. — Brasilia, prov. Bahia: Blanchet n. 2381,
partim (cfr. Serjania faveolata Badlk.).
Flores exhibet U. glabrae, habitum U. triphyllae.
3) U. glabra Camb.: Bami geniculatim flexuosi; foliola ovata, utrin-
que obsolete 2~'3-dentata, insigniter et plerumque dense pellucido-
punctata, epidermide non mucigera; flores minores ; fructus sat magni,
loculis fructum dimidium aequantibus, intus hispidulis.
X X Microcarpae: Fructus 2~3-centimetrale8
4) U. rufescens Camb.: Foliola late ovata vel suborbicularia, cre-
nato-dentata, subcoriacea, subtus ramique dense rufescenti-tomentosa,
epidermide mucigera; cincinni sessiles.
5) U. ulroacea Eunth (U. seriana Grieseb. , partim ; cf. Badlk. Mo-
nogr. Seij.): Foliola ovata vel ovato-lanceolata, inaequaliter et sub-
duplicatim serrato-dentata, membranacea, epidermide mucigera; cin-
cinni sessiles.
264 Sitzung der math-phys. Classe vom l, Juni 1878.
Die erwähnten Momente sind sicherlich nicht geeignet,
eine im übrigei) sich documentirende Zusammengehörigkeit
betreffender Arten zu einer Gattung in Frage zu stellen.
Forma 1. gennina (Cardiosp. almac. Hnmb., 1819; U. olmacea
K., 1821, specimina Hnmboldtiana, a Kuntb sola descripta;
U. afifinis Schlecht., 1844; Serjania? Moritziana Schlecht.,
1844; ü. mexicana Gray, 1850) : Foliola sabtus densios laziusve
pnbescentia.
Forma 2. Berteriana (Koelreuteria spec. Fers., 1805; Koel-
renteria tripbylla Juss. Herb. ed. Kuntb, 1821; Serjania cir-
rbiflora Sieb. Fl. Martinic. Snppl. n. 84; U. tripbylla Poir. in
Lam. JIl. Gen. Suppl., 1828, p. 664 ; U. Berteriana DC, 1824):
Foliola glaberrima.
Forma 3. incisa: Foliola (glabra) inciso-lobata, lobis serrato-
dentatis. — S. Vincent: Oaley; Caba: De la Ossa.
Forma 4. lanceolata (Serjania 1. Camb.): Foliola (subgla-
bra) anguste ovato-lanceolata.
6) ü. an iloba Badlk. in Monogr. Serj.^ 1875, p. 173 (Seijania sinuata,
non Scbnm. etc, W. Hook. Bot. Mise, 1833, p. 159): Foliola ovato-
lanceolata, acute acuminata, inaequaliter inclso-serrata, lateralia
valde inaequilatera, ad basin lateris exterioris latioris .incisione
profundiore lobo plus minus conspicuo instructa, tenuia, glabra, epi-
dermide mucigera; cincinni stipitati. — Bepubl. Argent.: Courbon
(Montevideo) ; Fox (S. Isidore pr. Buenos Aires) ; Uruguay : Tweedie
(Serj. sin. W. Hook.) ; Fox n. 284, 395 ; Bras. meridionalis : Sello.
Sectio II. Stenelytron: Fructus loculi compressi, semina trigona arctius
amplectentes. Stipulae elongatae, lineari-subulatae, subfalcatae.
X Bamorum corpus lignosum 3-sulcatum (serius in corpora
3 partialia disruptum)
7) ü. stipitata Badlk.: Foliola ovata vel ovato-lanceolata acute acu-
minata, supduplicato-serrato-dentata, submembranacea, epidermide
mucigera; cincinni longe stipitati. — Brasilia, prov. Bio de Janeiro:
Gaudichaud n. 829, 845; Vautbier n. 183; Claussenn. 24, 88, 1992,
1995; Glazioun. 2948; Luscbnatb (Mart. Hb. Fl. bras. n. 1272) etc.;
prov. Bahia: Blancbet n. 756; prov. Mato Grosso: Gaudichaud.
8) ü. laevis Badlk. in Atti del Congresso internazlonale botanico
tenuto in Firenze nelP anno 1874 (1876) p. 63; seors. impr. 1875,
p. 6: Foliola ovata, subanguloso-serrato-dentata, cliartacea, supra
laevigata et nitidula, epidermide non mucigera; cincinni (fructi-
Radlkofert lieber Sapindus etc, 265
Wohl aber können sie, gleichwie die Discasform, brauch-
bare Anhaltspunkte abgeben zur Gliederung der Gattungen
in ünterabtheilungen, in Seciionen.
Für die Gattung Sapindus lassen sich darnach zweck-
mässig vier Sectio nen aufstellen:
1) Eusapindus, mit kleinen, zarten Bluthen, regel-
mässigem, kahlem Discus, kahlen Früchten und gefie-
derten Blättern (zugleich mit fast kahlen, blumenblatt-
artigen Kelchblättern) — die folgenden 8, Arten in
sich schliessend: 5. acuminatus Rafin., 8. Manatensis
Shuttelw., 8. 8aponaria Linn., 8. MuJcorossi Gärtn.,
8. vitiensis Gray, 8. .balicus Radlk.
2) Dasysapindus, mit grossen und derben Blüthen,
regelmässigem, behaartem Discus, behaarten Früchten
und gefiederten Blättern (zugleich mit stark behaarten,
derberen Kelchblättern und deutlich carinirten Frucht-
knöpfen) — 8. trifoliatus Linn.
3) Sapind astrum, mit ziemlich grossen und derben
Blüthen, regelmässigem, kahlem Discus, kahlen Früch-
ten und einfachen Blättern (zugleich mit dicht behaarten
Kelchblättern und derbwandigen, länglich ellipsoidi-
schen Fruchtknöpfen) — 8, oähuensis Hillebr,
feri qaoqHe) snbsessiles. ^ Brasilia, prov. Min. Qer., S. Paulo:
Burcbell n. 5004; Begnell III n. 341; Mos^n etc.
9) ü. villosa Badlk.: Foliola ex ovato ovalia, serrato-dentata, mem-
branacea, su^tus ramique villosinscnla, epidermide non mnoigera;
cincinni sessiles, frnctiferi breviter stipitati; fractos glabri. —
Brasilia, proY. Min. Ger.: Clanssen 511, 650; Pohl 705, etc.
X X Bamorum corpus lignosum non sulcatum
10) U. dasjcarpa Badlk.: Bami petiolique pilis patulis birsuti; fo«
liola ovata, inaequaliter 8errato*dentata, subtus pube molli canes-
cente induta, membranacea, epidermide non mucigera; cincinni bre-
viter stipitati;. fr uctus hirtelli. — Mexico: Andrieux n. 404 (Hb.
Deleas.), n. 486 (Hb. Hook.).
266 Sitzung der math,-phys Classe vom 1, Juni 1S78,
4) Dittelasma (Genas Dittelasma Hook, f., Electra
Noronh.) mit ziemlich grossen, aber weniger derben
Blüthen, unregelmässigem, kahlem Discus, kahlen
Früchten und gefiederten Blättern (zugleich mit dicht
seidenhaarigen Kelchblättern, mit nur 4, paarweise
gleichen Blumenblättern, während das unpaare in
Folge der Unregelmässigkeit des Discus unterdrückt
ist, und mit dickschaligen deutlich carinirten Frucht-
knöpfen) — S. Barak DC.
Aus 8. Barak eine besondere Section zu bilden hat
schon Blume vorgeschlagen (in Rumphia III, 1847, p. 92),
ohne aber seinen Vorschlag selbst auszufuhren.
Erscheint nach dem Gesagten die Einheit der Gattung
Sapindus in dem eben gekennzeichneten Umfange genügend
sicher gestellt, und die Verneinung der Frage nach einer
allenfalls nöthigen Beschränkimg dieser ihrer Auffassung
nach allen Richtungen hinreichend begründet, so dürfte es,
ehe ich zur Erledigung der dritten oben noch gestellten
Aufgabe einer prägnanten Bestimmung des formellen In-
haltes, resp. des Charakters der Gattung Sapindus übergehe,
hier api Platze sein, die wesen tlichsten Consequen-
zen in*s Auge zu fassen, welche sich aus der im Vori-
gen urgirten Werth Verminderung der Discus-
f orm und der davon abhängigen Regelmässigkeit oder Un-
regelmässigkeit der Blüthe für die Familie der Sapindaceen
in systematischer Hinsicht ergeben.
Es dürfte das um so mehr hier am Platze sein, als diese
Consequenzen selbst wieder auf das tur Sapindtis gewonnene
Resultat im Sinne einer Bestätigung desselben zurückzuwirken
geeignet erscheinen.
Dabei würde es übrigens zu weit fuhren, wollte ich
darlege», in welche neue Gruppen die Gattungen der Sa-
pindaceen nach Abolirung des aus der Discusform ab-
geleiteten irrigen Classificationsprincipes zu ordnen sind.
RadlJcofer: üeher Sapindus etc. 267
Denn bei dem Versuche einer solchen neuen, möglichst natür-
lichen Gruppirang sind ja vielerlei andere Verhältnisse mit
in Betracht zu ziehen, welche für das hier eigentlich gesteckte
Ziel, die Klärung der Gattung Sapindtis^ kein näheres Interesse
bieten. Es soll demnach hier nur von jenen Gattungen
und Arten die Rede sein, welche durch die Geltendmachung
jenes irrigen Principes gerade in neuerer Zeit eine, wie mir
scheint, unhaltbare, weil unnatürliche Stellung erhalten
haben ^^), oder für welche weiterhin eine derartige Deplaci-
rung zu befürchten wäre.
Ich rechne hieher die Vereinigung von Erioglossum
mit Fancovia bei Bai Hon; die Aufstellung der Gat-
tungen Pseudatalaya Baill. und Melicopsidium
BailL ; die Einordnung von Tina madagascariensis Herbarior.
in die Gattung Gossignia sAs Cossignia madagascariensis
Baill.; die Aufrechterhaltung der (huitxxngen Hemig y rosa
und ^nomo^an^^ß^ bei Bentham und Hooker, wie bei
Baillon; die Versetzung von Diploglottis Hook. f.
aus der Nähe von Gupania in die von Erioglossum und
Hemigyrosa bei den eben genannten Autoren; endlich die
eventuell zu erwartende Auseinanderreissung einer Gruppe
von Arten, welche bisher der Gattung Thouinia einverleibt
waren, welche aber eine besondere Gattung Thouinidium
zu bilden haben, und die allenfallsige Isolirung einer bei
Toulicia unterzubringenden Pflanze {T»tomentosa).
Dabei beschränke ich mich auf die Angabe des Tbat-
sächlichen, ohne auf eine specielle Begründung meiner Auf-
fassung in jedem einzelnen Falle einzugehen, was hier um
so mehr zulässig erscheint, als ja eine Begründung im all-
gemeinen schon in dem Vorausgehenden enthalten ist.
11) Eine gedrängte Uebersicht derselben enthält der Bericht über
die Naturforscherversammlung zu München i. J. 1877, p. 208.
268 Sitzung der math.-phys. Gasse vom 1. Juni 187 S,
Die Gattung Erioglossum Bl. ist von Pancovia
W. weit verschieden. Es ist Bai Hon 's Verdienst, diese
letztere Gattung mit der von I s e r t in Guinea gesammelten,
von Willdenow beschriebenen und im Herb. Willd. unter
n. 7126, wie ich nach Autopsie der Pflanze bestätigen
kann, noch vorhandenen Art Pancovia hijuga Willd. aus
dem bisherigen Dunkel hervorgezogen und unter Einbe-
ziehung der Synonyma : Afeelia spec, ? Smith in Rees Cyclop.
V, p. 26; AfjgeUa? Pancovia DC. Prodr. II, 1825, p. 502
und Aßelia hijuga Spreng. Syst. Veg. IV, P. II, Carae
post., 1827, p. 170 in besseres Licht gesetzt zu haben,
indem er die Identität dieser Pflanze mit dem von Guil-
lemin, Perrottet und A. Richard in der Flora Sene-
gambiae (1830—33) p. 118, tab. 28 nach von Perrottet
gesammelten Materialien aufgestellten Erioglossum cauli"
florum nachwies. Wohl nur einem Lapsus calami ist es
zuzuschreiben, wenn Baillon in Adansonia IX, 1870,
p. 229 diese Art gelegentlich Pancovia africana nennt,
vielleicht in Folge einer Verwechselung der Afjselia? Pan^
cövia DC. mit der daneben von DC. aufgeführten Afeelia
africana Smith. Ein wesentlicher Fehler aber ist es, wenn
Baillon die wohl auch nur aus einer einseitigen Berück-
sichtigung der Discusform hervorgegangene und in dem
angeführten Namen von Guillemin etc. ausgedrückte
Auffassung dieser Pflanze als einer zum Genus Erioglossum
gehörigen Art dadurch sanctionirt, dass er nunmehr umge-
kehrt Erioglossum Bl. mit Pancovia Willd. vereinigt, un-
geachtet der wohl begründeten Auseinandersetzung Blume *s
(in Rumphia III, 1847, p. 119) darüber, dass diese Pflanze,
wie schon ihre ersten Beobachter vermuthet hatten, den
Typus einer besonderen Gattung bilde, wesshalb sie Blume
— leider unter Wiedergebrauch des von Cambessedes
herrührenden y aber von Blume bei seinem Erioglossum
als Synonym richtig untergebrachten Gattungsnamens Mou-
Badlkofer: Ueber Sapindus etc. 269
linsia — als Moulimia cauliflora bezeichnet. ^^) In noch
weiterer unrichtiger Betonung der Discusform wird sodann
von Baillon nicht nur Erioglossum El., sondern auch
Dittelasma Hook. f. mit Pancovia vereiniget.
Auf Dittelasma brauche ich hier nicht mehr einzugehen,
da ich ihr im Vorausgehenden die gebührende Stellung an-
gewiesen zu haben glaube.
Was aber Erioglossum Bl. betrifft, so ist hier hervor-
zuheben, dass dieselbe, wie Blume richtig geurtheilt hat,
von Pancovia Willd,, d. i. Moulinsia (non Camb.) BL, in
der That wesentlich verschieden ist.
Es drückt sich diese Verschiedenheit deutlich schon in
den Blüthentheileu, welche von Guillemin etc., wie hier
nebenbei bemerkt sein mag, nicht alle correct beschrieben
worden sind, am deutlichsten aber im Baue der inzwischen
bekannt gewordenen Frucht aus, durch welchen Pancovia
in eine besondere, mit Erioglossum nicht unmittelbar in
Zusammenhang stehende Oruppe von Gattungen verwiesen
wird, deren bekannteste Lepisanthes Bl. ist, und welche ich
desshalb Lepisantheae nennen will, da die Einschränkung
der von Baillon für einen ganz anderen Complex von
Gattungen und nach ganz anderen Gesichtspunkten ge-
schaffenen Bezeichnung P an cot; jeae auf sie nicht zulässig
erscheint *')
Die Frucht von Pancovia ist weder drupös, noch in
12) üeber eine andere gelegentlich oxd Moulinsia bezogene Pflanze,
welche gleichfalls eine besondere Gattung — Porocystis — darstellt,
sieh Zusatz 10 za Tabelle I.
13) Es handelt sich hier nicht um eine Veränderung der
Baillon'schen Gruppe der Pancovieae^ in welchem Falle nach den
De Candolle'schen Noraenclaturregeln dieser Name auch für die ver-
änderte Gruppe beizubehalten wäre, sondern um die Aufstellung einer
ganz neuen Gruppe, nach neuen Gesichtspunkten, ähnlich wie es sich bei der
Aufstellung der Pancovieae Baill. nicht blos um eine Erweiterung der
Ällophyleae von Blume gehandelt hat, unter welchen die mit
Pancovia von Baillon vereinigte Gattung Erioglossum ihren Platz
[1878. 3. Math.-phys. CL] 19
270 Sitzung der math.-phys, Classe vom 1, Juni 1878.
Cocoi gegliedert, wie die von Erioglossum^ sondern in Ge-
stalt und sonstiger Beschaffenheit zunächst ähnlich der von
Lepisanthes. Sie ist zwar noch nicht von der bisher er-
wähnten Pancovia bijuga Willd. bekannt, wohl aber von
einer bis jetzt davon noch nicht unterschieden gewesenen
Art, welche Heudelot in Guinea gesammelt und in ver-
schiedenen Herbarien unter der Nummer 869 niedergelegt
hat. Diese Art zeichnet sich vor Pancovia bijuga beson-
ders dadurch aus, dass die Blüthe nicht scharf, wie bei
dieser, gegen den kurzen Bluthenstiel abgesetzt ist, sondern
sich allmälig in denselben verjüngt und so mit Einschluss
des Blüthenstieles eine nahezu kreiselformige Gestalt besitzt.
Ich will sie mit Rucksicht darauf Pancot;ia turbinata nennen. ^ ^)
gefanden hatte. Baillon^s Pancavieae sind die Vereinigang jener
Gattungen der Sapindaceen älteren und eigentlichen Sinnes, welche nn-
regehnassige Blüthen haben, wie Pancovia. An der Unregelmässigkeit
der Blüthe hängt also die Bezeichnung nP<incovieae''. Es wäre desshalb
nicht gat^ sie bei Yerändernng der Stellang von Pancovia zugleich mit
dieser Gattung einer andern, nach ganz anderen Gesichtspunkten ge-
bildeten Gruppe zuzuertheilen, in welcher Gattungen mit regelmässigen
und mit unregelmässigen Blüthen sich neben einander finden, und die-
ses Moment der Blüthe überhaupt als ein ganz gleichgiltiges er-
scheint.
14) Pancovia turbinata Badlk.: Subglabra, cortice subfusco,
ramis foliisque juvenilibus nee non inflorescentiis breviter ferrugineo-
tomentosis; folia paripinnata, bijuga; foliola lanceolata vel elliptico-
lanceolata; flores mediocres in pedicellos breves crassiusculos angustati,
subturbinati ; calyx breviter ferrugineo-tomentosus ; rudimentum pistill
in flore $ minimum, tomentosum.
Obwohl anscheinend kahl, sind die Blätter dieser und der anderen
Art doch durch eine sehr eigenthümliche, aber allerdings spärliche Haar-
bildung ausgezeichnet. Die kurzen borstlichen Haare sind nämlich mit
ihrer kugelig aufgetriebenen und durch spiralige Streifung ausgezeich-
neten Basis unter die Epidermiszellen eingesenkt. Derg;egen diese Basis
scharf abgesetzte, eigentlich haarförmige Theil steckt zwischen den Epi-
dermiszellen wie in einer Scheide, diese mit seinem freien Ende bald
nur wenige bald beträchtlich überragend.
Radlkofer: lieber Sapindus etc. 271
Die Frucht dieser Art habe ich im Herb. Franqueville und
Herb. Parisiense gesehen. Sie besitzt der Anlage nach
3 Fächer, von denen aber nicht immer alle zur vollen Aas-
bildung gelangen. Die ausgebildeten springen der ganzen
Länge nach seitlich stark vor, so dass die Fracht in hori-
zontaler Richtung tief gelappt erscheint. Die Lappen
(resp. Fächer) sind von ihren Seitenflächen aus zusammen-
gedrückt, von fast bohnenartiger Gestalt, im Längsdurch-
schnitte nahezu halbkreisförmig, aussen lederig-, innen
pulpös-fieischig, mit der schwach behaarten Innenfläche dem
Samen fest anhaftend, aussen dicht mit kurzen Haaren be-
setzt. Die Gestalt des Embryo war an den nicht vollstän-
dig ausgebildeten Samen nicht deutlich zu erkennen.
Pancovia Willd. stellt sich als eine rein africanische
Gattung dar.^*)
Schon darnach ist eine nahe Verwandtschaft mit der
indisch-malayischen Gattung Erioglossum nicht zu ver-
muthen. Desshalb lässt sich, was eine zweite von Baillon
mit der Gattung Erioglossum überhaupt zu Pancovia ge-
brachte Art — Erioglossum cuneifolium Bl. — betrifft,
welche von Blume (in Bumphia IH, 1847, p. 118) nach der
mangelhaften Beschreibung von Sapindus Saponaria Blanco,
15) Africa und die dazu gehörigen Inseln scheinen noch eine Reihe
eigenthümlicher Sapindaceen-Gattungen zu beherbergen, von denen bis-
her aber grösstentheils nur unvollständige Materialien zu uns gelangt
sind, so dass noch kaum ersichtlich ist, bei welchen anderen Gattungen
der Familie sie ihren Anschluss finden. Soweit unsere Bekanntschaft;
mit ihnen bis jetzt reicht, erscheinen sie alle als monotjrpische Gattun-
gen. Eine derselben, Homea (ThoiUnia mauritiana Bojer^, hat
jüngst durch B a c k e r Publicität erlangt. FOr sechs andere —
Placodiscus, CotylodiscuSf LychnodiscuSf Plagioacy-
phuH, Haplocoelum und Äporrhiga — mag hierin Zusatz 5 zu
Tabelle I im Anschlüsse an eine siebente, aus Sapindua capensia Send,
hervorgehende — Smelophyllum — , eine kurze Charakteristik Platz
finden.
19*
272 Sitzung der math.-phys. Clause vom /. Juni 1878,
1837 (Sapindus Quisian Blanco Ed. IT, 1845), an%estellt
worden ist, mit Rücksicht auf das Vaterland der Pflanze
wohl mit genügender Sicherheit aussprechen, dass dieselbe
nicht zu Panama gehöre. Was aber unter ihr zu verstehen
sei, ist dermalen noch nicht sicher zu bestimmen (s. Zusatz 24
zu Tabelle I). Das Gleiche gilt von Pancovia tomentosa
Kurz, 1877 {Sapindus tomentosus Kurz, 1875),
Was die anderen auf Grund jenes irrigen Classifications-
principes von Bai Hon gemachten Aufstellungen betrifft,
so bedarf es für Pseudatalaya Baill. nur des bereits
erbrachten Nachweises von der Hinfälligkeit des Principes,
um dieselbe so zu sagen von selbst dahin zurückkehren zu
sehen, wo sie schon früher mit Becht untergebracht war,
nämlich zu At'alaya Bl. (1847) als Atalaya multiflora
Benth. (1863). Die generelle Uebereinstimmung mit den
übrigen (in Zusatz 2 zu Tabelle I aufgezählten) Arten dieser
Gattung ist so evident, dass es überflüssig erscheint, weiter
ein Wort darüber zu sagen.
Ebenso natürlich ordnet sich Melicopsidium trifo-
liatum Baill. für jede unbefangene, durch jenes unrichtige
Princip nicht irre geleitete Betrachtung der Gattung Gos-
signia Gomm. ed. Juss. (1789) unter — Cossignia trifo-
liata Radlk. (nicht zu verwechseln mit Cossigina iriphylla
Comm. ed. Lam.) — als eine Section ^^Melicopsidium^*^
mit regelmässiger Blüthe, gegenüber einer durch unregel-
mässigen Blüthenbau ausgezeichneten Section „JE^t^co 5$ t^-
Ferner tritt Cossignia madagascariensis Baill, welche
in den Herbarien bisher, wie Baillon in Ädansonia XI
(July 1874) p. 248 erwähnt, mehrfach unter dem Namen
Tina madagascariensis cursirte, eben so selbstverständlich
und natürlich in die Gattung Harpullia Roxb. (1824)
ein, als eine besondere Section mit unregelmässiger Blüthe,
welcher der von Baillon für eine betreffende Section von
Eadlkofer : Ueher Sapindus etc, 273
Gossignia gebildete Name ^,HarpuUiopsis^^ verbleiben könnte,
wenn nicht der im Jahre 1871 in Hook er Icon. XI, tab.
1097 der Pflanze von Kirk in Folge ihrer Auffassung als
einer besonderen Gattung ertheilte Name „Jfaji (2^ a (zan-
guebarica)^^ den Altersvorrang besässe. Die Pflanze ist
übrigens schon vor Bai Hon und Eirk durch Voigt
(und Griffith) i. J. 1845 in die Literatur eingeführt
worden. Sie nämlich ist, wie ein im Hb. Hooker unter
n. 1017 aufbewahrtes, aus dem Garten zuGalcutta stammen-
des und von dort aus mit dem Namen Tina madagas-
cariensis bezeichnetes Exemplar des Hb. Griffith unzweifel-
haft darthut, die Pflanze, welche unter der von Voigt
(und Griffith) im Hortus suburbanus Calcuttensis, 1845,
p. 94 n. 5 mit dem Synonyme ^^Tina madagascariensis DG.'*
aufgeführten ^^Cupania madagascariensis G. Don*' zu ver-
stehen ist — unbeschadet dessen, dass die eigentliche, aus
Tina madagascariensis DC. durch Uebertragung in die
Gattung Cupania entstandene Cupania madagascariensis
Don etwas gänzlich Verschiedenes ist, wie an anderer Stelle
(bei Betrachtung der Gattung Cupania) dargethan werden
soll. So ist also schon seit langem der auch von B a i 1 1 o n
gebrauchte, auf die hauptsächliche Heimat der Pflanze hin-
weisende Beiname ^^madagascariensis^* mit der nun zu Har-
ptdlia zu versetzenden Pflanze — HarpuUia madagascariensis
Radlk. — verknüpft.
Was weiter die von Blume i. J. 1847 aufgestellte
Gattung Hemigyrosa betrifft, so schloss dieselbe zu der
Zeit, in welcher Baillon's Arbeit über die Sapindaceen
erschien, drei Arten in sich: Hemigyrosa Perrottetii Bl.,
H.? Pervillei Bl, u. H. canescens Bl. (alle aus d. J. 1847).
Keine dieser drei Arten hat mit der andern etwas ge-
mein. Jede derselben gehört vielmehr zu einer anderen
Gattung.
Die eigentliche Grundlage der Gattung bildet H. Per-
274 Sitzung der math-phys. Glosse vom 1. Juni 1878.
rottetiij von deren halb ringförmigem Discus Blume den
Namen für die Oattnng hergenommen hat Diese Pflanze
gehört zu einer Gruppe der Sapindaceen, welche ich mit
Blume als Cupanieae bezeichne, und zwar zu der von
Gavanilles (i. J. 1797) aufgestellten Gattung Guioa
welche man später, gleich wie andere dieser Gruppe ange-
horige Gattungen in zu weit gehendem Streben nach Ver-
einfachung direct mit der Gattung Cupania vereiniget hat.
Ganz mit Recht stellt demnach Blume seine Gattung He-
migyrosa, da er dabei diese Q-uioa - Qtiioa Perrottetii Radlk.
— im Auge hat, in die Abtheilnng der Cupanieae^ obwohl
aach er geneigt war, denWerth des symmetrischen Blüthen-
baues zu überschätzen, und obwohl die übrigen von ihm
zu dieser Gruppe gerechneten Gattungen regelmässige
Blüthen besitzen; er wollte eben nicht, wie auch die Be-
lassung von Sapindm Barak DG. bei Sapindus zeigt, der
Geltendmachung eines einzelnen Merkmales die sonst deut-
lich ausgesprochene natürliche Verwandtschaft zum Opfer
bringen. Die Gattung Guioa schliesst theils Arten mit
halb ringförmigem, theils solche mit ganz ringförmigem
Discus in sich, welche durch äusserst enge, mit schlagender
Deutlichkeit im Baue der Frucht sowohl, als im Habitus
ausgesprochene Verwandtschaft miteinander verknüpft sind,
so dass diese Gattung einen ebenso deutlichen Beweis, wie
die Gattung Sapindus^ dafür liefert, dass eine Umgrenzung
und Gruppirung der Gattungen nach der Beschaffenheit
des Discus und dem davon abhängigen Baue der Blüthen
unnatürlich sei. Ja es erscheint sogar fraglich, ob eine
Gruppirung dieser Arten in eine Section Euguioa mit regel-
mässigem Discus (die Art von Gavanilles ^^Ouioa lentis-
cifolia^^ in sich schliessend) und eine Section Hemigyrosa
(Genus Hemigyrosa Bl, spec. excl.) mit unregelmässigem,
resp. einseitigem Discus (mit der in Rede stehenden Ouioa
Perrottetii als Typus) dauernd wird aufrecht erhalten werden
Badlhofer: Ueher Sapindus etc, 275
können. Schon nach den gegenwärtig vorliegenden Materialien
ist nämlich bei manchen Arten der ersten Section in einer ge-
legentlichen, wenn auch massigen Yerschmälerang des
Discus an der unteren Seite der Blüthe eine Annäherung
an die Discusform der zweiten Section und damit ein
Debergang der einen Section in die andere zu erkennen. ^^)
Die zweite von Blume zu Heniigyrosa^ jedoch nur
fragweise gerechnete Art, ist eine von ihm missverstandene
Pflanze, welche er, wie er selbst ausspricht, nur nach habi-
tuellen Merkmalen dahin gebracht hat, da der jugendliche
Zustand der Blüthenknospen dieser von Perville auf Ma-
dagascar (Ambongo) gesammelten Pflanze eine genaue Unter-
suchung derselben (für Blume) unmöglich machte („florum
Status parum evolutus speciminis nostri diligens examen
impedit'^ Rumphia III, p. 166).- Obwohl andere Materia-
lien, als die von Perville gesammelten bisher nicht be-
kannt geworden sind, so kann ich doch, Dank den Auf-
schlüssen, welche die mikroskopische Untersuchung gewährte,
mit Bestimmtheit angeben, dass die Pflanze einen regel-
mässigen Discus hat, und dass sie nach allen einschlägigen
Merkmalen, so viele deren nur immer die Analyse junger
Blüthenknospen und die anatomische Untersuchung an die
Hand gibt, zur Gattung Deinhollia zn rechnen ist, als eine
besondere Art derselben — Deinhollia PerviUei Radlk. ^'')
Die dritte und letzte Art, welche Blume in einem Zu-
sätze zu dem Charakter der Gattung (Bumphia III, p. 165)
als zu Hemigyrosa gehörig bezeichnet, und welche er in
einer Bemerkung zu Hemigyrosa? Pervillei (a. a. 0. p. 166)
16) Eine Aufzählung der Arten beider Sectionen, wie sie nach
den gegenwärtig vorliegenden Materialien zu sondern sind, sieh in der
Uebersicht der Sapindaceen Holländisch-Indiens (Amsterdamer Oongress-
bericht, 1878), Nachtrag 13.
17) Eine Anfzählnng der übrigen Arten von DeinhoUia nebst kur-
zer Charakterisirong der nenen Arten sieh in Zusatz 31 zu Tabelle I.
276 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 1. Juni 1878,
anter dem Gattungsnamen Hemigyrosa direct nennt, ist die
aus Gupania canescens Pers. gebildete Hemigyrosa canes-
cens Bl. Diese Pflanze stellt sich nach der Beschaffenheit
der Frucht, sowie nach anderen Charakteren, welche zu be-
sprechen nicht hier der Ort ist, einer unbefangenen Be-
trachtungsweise auch wieder als nichts anderes dar, denn
als eine durch unregelmässigen Discus und dem entsprechen-
den Blfithenbau ausgezeichnete Art einer älteren Gattung —
der Gattung Lepisanthes Bl. (1825), zu der ich sie schon
in der Uebersicht der Sapindaceen Holiändisch-Iudiens unter
gleichzeitiger Wiederaufnahme ihres ältesten Species-Bei-
namens aus dem die gleiche Pflanze bezeichnenden Namen
Sapindus tetraphyllm Yaiil (1794) als Lepisanthes tetraphylla
Badlk. und als Typus einer besonderen Section dieser Gattung
verbracht habe. Mit ihr treten auch diejenigen Arten in die
gleiche Abtheilung der Gattung Lepisanthes über, welche kurz
nach Baillon^s ArbeitHiern in Hooker's Flora of British
Iridia (1875) neben Hemigyrosa canescens gestellt hat, und wel-
chen ich nach autoptischer Untersuchung den Werth selbstän-
diger Arten beimesse, vi^m[i(Ai Hemigyrosa longifoliali.iQTn als
Lepisanthes longifolia Badlk. und Hemigyrosa deficiens
Beii, sAb Lepisanthes de ficiensBaiilk, Mit der letzteren
Art wächst der betreffenden Section von Lepisanthes auch die
entsprechende Bezeichnung „-4 nomosanthes^^zn (während
^^Hemigyrosa*\ entsprechend der von B 1 u m e ihr g^ebenen
Grundlage^®), in der Gattung Ouioa, wie oben Seite 274
18) Es ist wohl zn bemerken, dass die Auffassung der Gattung
Hemigyrosa^ d. h. ihr formeller Inhalt, im Laufe der Zeit eine wesent-
liche Veränderung erlitten hat, indem von den mangelhaft bekannt ge-
wesenen Arteuj welche B 1 u m e in diese seine Gattung eingerechnet hatte,
nicht die, nach welcher er den fragmentarischen Oharacter der Gattung
aufgestellt hatte, d. i. H, Perrottetii Bl. = Quioa Perrottetii Badlk.,
sondern eine nur nebenher von ihm behandelte Pflanze^ die H, canes-
cens Bl. = Lepisanthes tetraphylla Kadlk.; nachdem dieselbe in voll-
Eadlkoferi lieber Sapindus etc. 277
dargelegt, als Sectionsbezeichnung ihre YerwenduDg za fin-
den hat). Lepisanthes deficiem bildete nämlich früher die
einzige Art ^^) der vor Hiern, und zwar auch noch von
Baillon für selbständig gehaltenen GsAtxmg Anomosanthes
Bl. (1847), welche Baillon, gleichwie Bentham & Hoo-
ker aus der Stellung, die ihr Blume zunächst neben
Lepisanthes und Scorododendran angewiesen hatte, trotz der
hohen principiellen Werthung des uuregelmässigen Discus
doch der in anderen Merkmalen sich aussprechenden natürli-
chen Verwandtschaft gegenüber nicht zu den Pancovieen^
resp. den Sapindaceen mit unr^elmässigem Discus zu ver-
setzen für gut befunden hatten, damit die Schwäche dieses
Principes selbst documentirend. Es bleibt noch hervorzu-
heben, dass die Gattung Lepisanthes mit der Zuführung der
Section Anomosanthes nicht einmal eine wesentlich neue
Gestalt gewinnt, denn sie schloss bisher schon unbemerkter
Weise eine Art mit unregelmllssigem Discus in sich — Le-
pisanthes Burmanica Kurz (1875) — welche, während der
unregelmässige Bau ihrer Blüthen der Wahrnehmung sich
entzog, nach Merkmalen der Frucht und des Habitus ganz
natürlich imd unabweisbar einen Platz bei Lepisanthes sich
vindicirt hatte und damit ganz ungezwungen einen Beweis
dafür lieferte, dass Arten mit regelmässigem und mit unre-
gelmässigem Discus sich ganz wohl in derselben Gattung
ständigeren Exemplaren bekannt geworden war, zara Ausbaa der Gat-
tung, d. h. zur Yervollständigang des Gattnngscharakters nnd zwar in
Benth. Hook. Gen. PL, I, 1862, benutzt wnr de. So erscheint Hemi-
gyrosa bei Benth. Hook, eigentlich als eine ganz andere Gattung als
bei Blnmc, obwohl da wie dort den wesentlichen materiellen Inhalt
der Gattung die gleichen, eben genannten Pflanzen bilden.
19) In Benth. & Hook. Gen. ist zwar die Zahl der Arten von
Anomosanthes Bl. fragweise auf 4, bei Baillon anf 2—3 angegeben.
Diese weiteren Arten bestanden aber nie aus etwas anderem, als ans
unrichtig taxirtcn Herbarium-Materialien.
278 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 1, Juni 1878.
miteinander vertn^en können. Die ans ersteren iü der Gat-
tung Lepisanthes zu bildende Section habe ich Eulepi-
santhes genannt. Eine weitere Section, Score doden-
dron^ wächst der Gattung durch die Ueberführung von
Scarododmdron pdllens Bl. in dieselbe zu (s. d. Uebersicht
der Sapindaceen Holländisch-Indiens p. 106).
Aehnlich, wie die Arten von Hemigyrosa mit unregel-
mässiger Blüthe zu Gattni^en mit meist regelmässigen
Blüthen hinüber rücken, so hat auch die von Baillon,
wie von Bentham & Hooker in unmittelbarer Nachbar-
schaft von Hemigyrosa bei den Sapindaceen mit unregel-
mässiger Blüthe untergebrachte Gattung Diploglottis
Hook. f. (1862) eine ihrer früher schon innegehabten ähnliche
Stellung bei gewissen Sapindaceen mit regelmässiger Blüthe
wieder einzunehmen, nämlich in nächster Nähe der Gattung
Cupania^ mit welcher sie seit 1849 als Gupania Cunning-
hami W. Hooker direct vereiniget war, nachdem sie zuerst
von Don (1831) unter dem in der Sammlung von Cun-
n i n gh am handschriftlich ihr beigefugten Namen Stadman-
nia amtralis veröflFentlicht worden war. Die Frage, ob sie
nicht mit der Gattung Gupania selbst wieder zu vereini-
gen sein möchte, ähnlich wie Dittelasma Barak Hook. f.
mit Sapindus ^ möchte ich verneinen. Die Pflanze zeigt
ausser dem minder wichtigen Momente des symmetrischen
Blüthenbaues in Blüthe, Frucht und Same noch Eigenthüm-
lichkeiten in ausreichender Menge, um ihre Auffassung als
eine besondere Gattung in der Gruppe der Cupanieae
zu rechtfertigen. Dabei erscheint es übrigens angemessen,
ihr , wie es die De Candoll e'schen Nomenclaturregeln
verlangen, den ursprünglichen Species-Beiuamen aus der
Zeit vor ihrer Vereinigung mit Gupania wieder beizulegen
und sie Diploglottis uustralis zu nennen, da Stadmamiia
austrdlis unzweifelhaft der zuerst veröffentlichte Name der-
selben ist.
BadlW^r: üeher Sapindua etc. 279
Ein Fall, welcher sich mit dem von Ätalaya verglei-
chen lässt nnd gleichsam eine Umkehrnng desselben dar-
stellt, findet sich bei der Gattung Toulicia, Während
nämlich alle übrigen Tonlicia-Arten einen einseitig ent-
wickelten Discus besitzen zeigt eine bis jetzt unbeschrieben
gebliebene Pflanze, welche nach der Beschaffenheit ihrer
Frucht unbedingt in die Gattung Totdicia zu verweisen ist,
einen rings um das Andröciiim und zwar meist ziemlich
gleichmässig entwickelten, nur gelegentlich etwas stärker
ungleichseitigen Discus. Es erscheint angemessen, sie dar-
nach in eine besondere Section der Gattung zu verweisen,
wozu auch noch andere Eigenthümlichkeiten Veranlassung
geben. Sie als besondere Gattung aufzufassen, würde un-
befangener Anschauung kaum entsprechen. Ich habe sie
als Toülicia tomentosa in Zusatz 35 zu Tabelle I kurz
charakterisirt und ihre Stellung zu den übrigen Arten der
Gattung darzulegen versucht,
um die üebersicht der Sapindaceen- Gattungen, in wel-
chen neben Arten mit regelmässigem auch solche mit un-
regelmässigem Discus vorkommen, vollständig zu machen,
ist endlich noch einer Gattung Erwähnung zu thun, welche
aus Arten von Thouinia — unter Hinzutreten einer noch
unbeschriebenen Pflanze — zu bilden ist, ähnlich wie die
sicher als vollberechtigt anzusehende Gattung Thinouia
Triana & Planch. ««) Ich wiU ihr, um auch für sie an ihre
20) Auch für Thinouia kann die Frage aufgeworfen werden^ ob sie
nicht den Gattungen mit theUs regelmässigem, theUs nnregelmässigem
Discus beizuzählen sei. Doch ist der Unterschied , soweit das vorlie-
gende Material beurtheilen lässt, nicht scharf ausgeprägt. Eine ge-
ringe Ungleichsoitigkeit des Discus dürfte allen Arten zukommen.
Aber dieselbe scheint individuellen Schwankungen zu unterliegen und
ist gewöhnlich so schwach ausgebildet , dass sie am getrockneten Ma-
teriale nur schwer mit Sicherheit zu constatiren und an Fruchtezem-
plaren, welche für manche Art allein vorhanden sind, gar nicht mehr
zu erkennen ist. Nur bei einer Art, Thinouia ventricosa Badlk., habe
280 « Sitzung der m<Uh.'phy8. Clasae vom 1, Juni 1878.
bisher^e Gemeiuschaft mit Thomnia zu erinnern, den Namen
Thouinidium beilegen und lasse eine kurze Charakteristik
derselben und ihrer Arten unter Verwerthung der Discus-
beschaffenheit für die Bildung von Sectionen folgen.
ich sie deutlicher auftreten sehen. Aber auch hier ist die Unregelmäs-
sigkeit nicht so stark, dass sie nicht während der Frachtreife fast
vollständig verwischt würde.
Mit Unrecht wird der Gattnng Thinouia Tr. & PI. in Benth. &
Hook. Gen. PI. I, p. 1000 and darnach aach von Baillon in Hist.
d. PI. V, p. 405 der Bang einer selbständigen, neben Thouinia Poit.
vollberechtigten Gattung streitig gemacht. Dieselbe ist sicherlich eigen-
artig, was sich sowohl im Baue von Bl&ihe und Fracht, als auch darin
aasspricht, dass alle Arten dieser Gattung Banken tragen, die Arten
von Thouinia aber nicht. Auch geographisch sind diese beiden Gat-
tungen wohl geschieden. Die Arten von Thinouia gehören dem süd-
americanischen Festlande, Brasilien, Peru, Neu-Granada und Guiana
(T. myriantha Tr. & PL, coli. Martin) an; die Arten von Thouinia
den westindischen Inseln und Mexico. Die letztere Gattung, fär welche
die allen ihren Arten zukommende Unregelmässigkeit des Discus bis-
her auffiäUender Weise allgemein übersehen und vernachlässigt worden
ist, umfasst nach den vorliegenden Materialien 10, die erstere 7 Arten.
Eine Aufzählung derselben, unter Angabe der hauptsächlichsten unter-
scheidenden Merkmale für die neuen unter ihnen, mag hier folgen.
Thouinia Poit. (spec. ezcl.)
X Folia simplicia.
1) T. simplicifolia Poit.
X X Folia ternata.
2) T. trifoliata Poit. (acced. syn. T. nervosa Griseb. PI. Wright.
p. 169, quoad „Schmid. nerv. Rieh." et „coli. Wright n. 1173**,
excl. speciminib. florig.; cfr. T. patentinervis Radlk.).
3) T. elliptica Badlk. (T. trifoliata, non Poit., Grieseb. Cat PI.
Gubens, p. 46, quoad „Kugel 312**): Foliola rhombeo-elliptica, in-
tegerrima vel sermlato-dentata, subtus molliter pubescentia et in
axillis nervorum barbata, subcoriacea, impunctata. — Cuba: Bügel
n. 812, 608.
4) T. villosa DC.
5) T. serrata Badlk.: Foliola lanceolata, sat argute serrata, [subtus
villosiuscula, membranacea, vix punctata. — Mexico: Liebmann n. 12.
6) T. patentinervis Badlk. (T. nervosa Grieseb. 1. c. partim):
RckcUkofer: üeber Sapindiis etc. 281
Thouinidium Radlk. (Thouinia spec. antor.): Flores
polygami. Sepala 5, concava, imbricata, dao exteriora mi-
nora. Petala 5, interdam 4 in eadem specie (T. decandrum),
Foliola lanceolata, nervis lateralibus validis patentibns ezcurrentibus
snbrepande spinuloso-dentata, rigidiascula, glabra, pellncide punctata
et lineolata. — Cuba: Wrigbt n. 11 78, specimina florigera (cf. n. 2).
7) T. pun et a ta Radlk. (T. trifoliata, non Poit., Griseb. 1. c. pariim):
Foliola ovato-lanceolata , snpra medium obsolete repando-dentata»
subtns in axillis nervornm barbata, caeternm glabra, coriacea, panctis
pellncidis majoribns crebris notata; rami juniores flayescenti-velatini.
— Cnba : Wrigbt n. 2168» specimina fructigera (cf. n. 8).
8)T. cauescens Radlk. (T. trifoliata, non Poit., Griseb. 1. c. partim):
Foliola elliptico-lanceolata, obsolete repando-dentata, snbtns canescen-
ti-tomentosa, coriacea/punctis pellncidis lineolisqne notata; rami pe-
tiolique tomento cano brevi indnti. — Cuba: Wrigbt n. 2168, speci-
mina florigera (cf. n. 7).
9) T. discolor Griseb. (PL Brit. W. Ind. Isl. p. 127).
10) T. tomentosa DO.
Bei allen Arten von Thouinia sind 4 Blumenblätter vorbanden (der
Platz des unteren Blumenblattes frei). Ancb die nacb der früberen Auf-
fassung von ITiOuinia zu dieser Gattung gerecbneten Arten von Thinouia
und Thouinidium 9ind sämmtlicb mit Blumenblättern verseben. Demgemäss
muss es eine ausserhalb dieser drei Gattungen (mit zusammen 21 Ar-
ten) stehende Pflanze sein, welche in Benth. Hook. Gen. unter
Thouinia die Angabe „vel petala nuUa" veranlasst hat. An Thoui-
nia adenophora Miq. ist dabei wohl nicht zu denken, da diese Pflanze
schon 1844 von Miqnel selbst richtig zu Dodonaea verbracht wor-
den war.
Was die auszaschliessenden Arten betrifft, so erinnere ich an die-
ser Stelle ausser an die eben erwähnte T. adenophora Miq. nur an
T. dioica Nees. & Mart. 1824 = Schmidelia dioica Mart. Hb. Fl.
bras. n. 274 (Flora 1889), T. Morisiana Cäsar. 1845 = Tauaandra
Morisiana Radlk. in Flora 1870, p. 92 und an T. integrifolia
Spreng. 1821 (Neue Entdeck. 11, p. 155), welche nur aus der Be-
schreibung Sprengers bekannt, und von der es zur Zeit uner-
findlich ist, was unter ihr zu verstehen sei. Die übrigen sind theils im
Folgenden unter den Arten von Thinouia und Thouinidium, theils im
Anhange der Tabelle I, andere in den Zusätzen 1 und namentlich 2
(über Atcdaya) zu Tabelle I und oben S. 271 (unter Homea) erwähnt.
282 SiUung der matK-phys, Classe iDom 1, Juni 1878,
snpra iingüem squama emarginata vel in squamulas duas
cum laminae ovatae marginibus continiias divisa aucta.
Discas cupularis, completus vel inter sepalum tertium et
ThinoQia Tr. & PI.
Seetio I« Petalodlne {durog validos, praevalQns): Petala ipsa squamis
suis majora.
X Microcarpae: Fractus azis 3,5 cm non ezcedens
1) T. compressa Badlk.: (Folia ternata, ut in omnibus reliqnis
speciebns.) Foliola lateralia e triangalari, terminal ia e rhombeo
ovata, obsolete dentata; froctos locoli oblongi, quam maxime com-
pressi. — Brasilia: Biedel n. 513.
2) T. mucronata Badlk.: Foliola ovalia yel subrotunda, obtasa vel
snbacnta, mucronata, obsolete denticulata^ snbtos snbfusca, glabrins-
cnla; frnctos locali obovoidei Tel subglobosi. — Brasilia, prov. S.
Paulo et Min. 6er.: Biedel n. 1845; Mos^n n. ä953; Begnell m.
n. 1812, etc.
8) T. ternata Badlk. (Banisteria ternata Yell., 1825; Ic. IV, t.
159; Seijania speo. Mart. in Fl. bras.XXXI, p. 124): Foliola ovata,
crenata vel subserrata, subtus molliter pubescentia; fructus loculi
semi-ellipsoidei. — Brasilia, prov. Min. Ger.: Warming.
4) T. ventricosa Badlk. in Atti del Congresso internazionale botanico
tenuto in Firenze neiranno 1874 (1876) p. 61 , 63 : seors. impr.
(1875) p. 4 & 6: Foliola angustius ovata, subrepando-dentata, glabra;
fructus loculi semi-rhombei, yentricoso-inflati, semine ipso largiores.
— Brasilia, prov. S. Paulo: Manso (Mart. Hb. FL bras. n. 1803,
partim); Correa de Melle n. 7, etc.
X X Macrocarpae: Fructus axis 5—6 centimetralis
5) T. Scan de ns Tr. & PI.
Forma l.gen^uina (Thouinia scandens Camb.): Foliola oblonge-
lanceolata, subintegerrima, viridia.
Forma 2. racemosa (PauUinia racemosa Vell. Ic. IV, t. 29;
Thouinia macroptera Cäsar.): Foliola oblonga vel subovata, obsolete
bi — tri-dentata, plus minus glauoescentia.
Forma 3. c au data (Paullinia caudata Vell. Ic. IV, t. 31): Fo-
liola ovata, insignius et crebrius dentata, fnscescentia
Sectio. II. Lepidodine: Squamae petalorura petalis ipsis majores.
6) T. myriantha Tr. & PL
Sedls dnbiae (ob petala ignota):
7) T. 0 b 1 i q u a Badlk. (Paullinia obliqua Buiz & Pav. in scbed. ; ? Pauli,
obliqua E. ed. Trev. in Bot. Zeit. 1847, n. 28, cf. Badlk. Monogr.
RacUkofer: lieber Sapindua etc, 283
quintam interruptus. Stamiua 6—10, iutra discum inserta.
Fl. c^ : Radimentum pistilli . triquetrum. Fl. g (potios ^):
Oermen obcordato-triqüetrnm, trilooulare ; Stylus brevis,
Simplex, supeme stigmatosus ; gemmulae in locnlis solitariae.
Fructas trialatus, tricoccas, coccis lateraliter compressis toto
dorso in alas prodnctis, alis patulis apice primom sursam
flexis, dein paullnlum reciirvis, snbmembranaceis, margine
inferiore tenuissimo, snperiore incrassato , nervis e margine
snperiore arcnato-descendentibus (arcos concava parte deor-
sum spectante) instrnctis. Semina erecta, compressa, bilo
ad basin laterali parvo; embryo curvatas, notorrhizas '^) ;
cotyledones a marginibos quam maxime compressae, erectae,
basi curvatae ; radicula brevis, infera, centripeta. — Arbores
vel frntices ecirrhosi. Folia exstipulata, abrupte pinnata,
foliolis 1— 6-jugis tenuiter retieulato*venosis integerrimis ser-
ratisve. Paniculae multiflorae in ramulis lateralibus ter-
minales. Flores mediocres.
Species hucusque cognitae 4, americanae:
Sectio I. Eathouinldium : Discus completus (foliola inte-
gerrima).
X Petala (5) extus sericea
+ Foliola 1 — 3-juga, obovata
1) T. pinnatnm Radlk. (Thouinia pinnata Turpin, 1804).
Seij. p. 54): Foliola ovata (lateralia basi obliqna), ad paginam
superiorem hypodennate mncigero instnicta ("qua re ab omnibus aliis
speciebas diversa); frnctas locnli suborbiculards, margine obtnso,
fructas axis 5,5 cm longos. — Perayla: Buiz & Pavon n. 916 („in
Andinm nemoribas, vere").
21) In Hnmb. & Bonpl. Fl. Aeqoinoct., 1808, tab. 56, fig. 10 ist
der Embryo unrichtiger Weise als lomatorrhiz gezeichnet. Aach andere
Angaben von Bonpland (bezüglich der Narbe, der Eablheit der Blumen-
blätter und Staabgefässe) sind angenaa. Bei Tarpin , Mem. Mos. Y,
t 26 ist der stehen bleibende Griffel der Früchte richtiger dargestellt.
284 Sitzung der math.-phys. Glasse vom 1. Juni 187 S.
+ + Foliola 2-jnga, elliptico-lanceolata
2) T. pulyerulentam Radlk. (Thoainia palveralenta
Griseb. Cat. PI. Cnb., 1864, p. 46).
X X Petala (5) extus snbglabra; foliola 2— 3-juga,
oblonga
3) T. oblongum Radlk.: Foliola 2 — 3-juga, inferiora
opposita, superiora alterna, oblonga yel lineari-oblonga,
obtusa, breviter petiolulata, integerrima , sübmembra-
nacea, tenuissimereticDlato-veuosa, glabra,STipranitidala;
sepala praeter marginem ciliolatum glabra ; petala extus
basi tantum puberula. — Mexico: C. Ehrenberg (m.
Januar. 1840, flor.; Hb. Berol.}.
Sectio II. Loxothouinidium : Discus interruptus, obliquus
(petala 4 Tel 5, extus subglabra; foliola sub-6-juga,
lineari-lanceolata, serrata).
4) T. decandrum Radlk. (Thouinia decandra Humb. &
Bonpl, 1808).
Diese Gattung ist in Beschaffenheit von Blüthe und
Frucht, sowie im Habitus deutlich verschieden von Thouinia^
wenn auch immerhin nahe verwandt damit, gleichwie sie
auch in geographischer Hinsicht ihr nahe steht. Noch
enger scheint sie mit Atdlaya verknüpft zu sein. Mannig-
fache Beziehungen besitzt Thouinidium auch zu einer süd-
atnericanischen, eine neue Gsktinng ^^Diatenöpt er yx^^ ^^)
22) Diatenopterjx Badlk.: Flores polygami. Sepala 4, parva, e
triangulari lanceolata, inferiore (tertinm et quintnm omnino connata vel
apice tantum libera exhibente) latiore ovato-oblongo. Petala 4, infimi
sede vacna (rarias rudimento petali occnpata), sepalis plas daplo majora,
oblonga, sapra nngaem brevem latioscnlnm sqoama oblonga concava
apice cristata petala dimidia aeqnante ancta. Discas pnlTinans, nni-
lateralis, inter petala in lobos obscnros tamens, pnbescens. Stamina 8^
excentrica. Fl. Q : Bndimentam pistilli bilocnlaris, localis lateralibns,
gemmnlis singulis instmctis. Fl. §: — . Fructus divaricato-bialatus,
dicoecus, coccis a lateribns suis compressis toto dorso in alas horizon-
Hadlkofer: Üeber Sapindus etc, 285
darstellenden Pflanze, welcher sie nach Tracht und Fmcht-
form ähnlicher ist , als den Arten von Thouinia. Eine
generische Trennung der Arten mit YoUständigem und
jener mit unterbrochenem Discos erschiene für Thouinidium
bei der Gleichartigkeit aller übrigen Verhältnisse wohl sicher
nicht naturgemäss.
Betrachtet man die ganze Reihe der Sapindaceen-Gti.t-
tungen, so sieht man, dass der unregelmässige Discus und
die davon abhängige XJnr^elmässigkeit der Bläthe selbst
keinen constanten Werth hat — bald vielmehr ganzen
Gruppen nahe verwandter Gattungen eigen ist, wie den
Gattungen Serjania^ Pauüinia, Urvillea^ Cardiospermum,
bald wieder vereinzelten Gattungen aus sich fern stehenden
Gruppen zukömmt, wie den Guttungen Enoglossunty PaiP-
covitty DiploglottiSy hier also nicht mit anderen, die Gruppen
kennzeichnenden Charakteren zusammengehend und über-
taliter patentes prodactis, alis membranaceis nervis e margine saperiore
crassiore arcuato-descendentibus (arcns concava parte deorsum spectante) in-
structis. Semina oblique adscendentia, oompressai hilo sapm basin laterali
parvo; embryo cnr^atiis, notorrhizns; cotjledones a marginibns compressae,
erectae, basi carvatae; radicola brevis, infera, centripeta. — Arbor alta.
Folia exstipalata, decrescentim pari- vel imparipinnata , foliolis sab-5-
jagis, Serratia. Thyrsi axillares, panicnliformes, laxe cincinnigeri, ein-
cinnis 8nb-6-floris longins stipitatis. Flores mediocres, longinscnle pe-
dicellati, pedicellis articalatis.
Species 1, brasiliensis:
D. sorbifolia Badlk.: Foliola snperiora lanceolata, 5-6 cm longa,
inferiora ovalia, 1—1,5 cm longa, omnia snbtns ad nervom mediannm
petiolique dense pilosL — Brasilia: Seilen. 2214; Regnell I n. 118**,
III n. 1564 (Serra do Caldas, prov. Min« Ger., m. Sept. florig., m.
Jannar. fhiot.)
Durch die Gestalt der Blätter erinnert diese Pflanze zunächst an
Thouinidium decandrum; kaum minder an TcvAicia stana.
Ausser ihr liegen mir aus Brasilien noch zwei unbeschriebene Pflanzen
vor, welche als Typen neuer Gattungen -— Porocystia und Viloden-
dron — erscheinen. Dieselben sollen in Zusatz 10 zu Tabelle I kurz
charakterisirt werden.
[1878. 3. Math.-phjs. Cl.] 20
286 Sitzung der tnath.-phys. Ckuse vom 1, Juni 1878.
hanpt mit selir verschiedenen Charakteren sich vergesell-
schaftend, bald endlich auch wieder als einzige erheblichere
Verschiedenheit auftretend innerhalb einer Reihe von Pflanzen,
welche nach allen übrigen Beziehungen die grosste lieber-
einstimmung zeigen, so dass es der Natnr Gewalt anthuen
hiesse, wollte man sie nicht in ein und dieselbe Gattung
znsammen&ssen, wie sich am deutlichsten bei Sapindus und
Guioa zeigt, Damach kann der Discusgestalt fQr sich, wie
schon eingangs angedeutet wurde, nicht schlechthin ein
grosser Werth zugemessen, und kann dieselbe nicht als
gajbtnngsbildendes Moment ein für allemal aufgefEusst wer-
den. Ihr Werth ist, wie das bei anderen Charakteren ja
auch zutrifft, ein wechselnder, in jedem Falle bedingt durch
die neben ihr auftretenden und allenfalls bei einer ganzen
Reihe von Arten mit ihr parallel gehenden Charaktere.
Ich komme nun zur Erledigung des dritten der oben
als Gegenstand weiterer Erwägung bezeichneten Punktes,
zur Erledigung der Aufgabe nämlich, fQrden formellen
Inhalt der Gattung einen scharfen und bündi-
gen Ausdruck, für die Charakteristik derselben eine
möglichst gedrängte Fassung zu finden.
Diese Aufgabe unterliegt nach der in Tabelle II vor-
genommenen Sichtung der zu Sapindus gehörigen Arten
keiner Schwierigkeit mehr. Das diesen Arten Gemein-
schaftliche lässt sich leicht überblicken. Zugleich zeigt sich,
dass sogenannte Uebergänge zu auderen Gattungen, auch
den nächst stehenden, nicht vorhanden sind, dass die Gattung
also eine scharf abgegrenzte ist.
Die Gattung Sapindus lässt sich kurz bestimmen als
die Gemeinschaft derjenigen Sapindaceen, welche in nicht
aufspringende, flügellose Pruchtknopfe (cocci) zerfallende,
schwach drupose, d. h. mit einem dünnen Endocarpe aus
bandartigen, in mehreren Lagen sich schief kreuzenden,
klerenchymatischen Zellen versehene Fruchte besitzen und
Badlkofer: Ueber Sapindus etc 287
im Fleische dieser in Yergrosserten Parenchymzelleu Sapouin
enthalten, und zwar einerseits nur dieser, andererseits aber
auch aller dieser, gleichgiltig ob sie regelmassige oder nn-
regelmässige Blüthen, zarten oder derben Kelch« kahle
oder filzige Früchte, zusammengesetzte oder einfache Blätter
besitzen.
Der morphologische Charakter der Fracht als
flügelloser Spaltfracht von drupöser Beschaffenheit einerseits,
der anatomische Charakter des Endocarps und Sarco-
carps andererseits, dazu noch der chemische Charakter
des Sarcocarps, diese dreierlei Charaktere genügen, um so
zu sagen das Wesen der Gattung Sapindus zu bezeichnen
und sie für jetzt und wahrscheinlich für immer von den
übrigen Gattungen der Sapindaceen zu unterscheiden.
Es möchte nach dem bisher bekannt Gewordenen fast
scheinen, als ob der Saponingehalt der Frucht allein schon
hinreichend wäre, um die Gattung Sapindus zu kennzeich-
nen. Dem ist aber nicht so. Es würde niemals angemessen
sein, ein einziges Moment, und noch dazu ein chemisches,
als die Basis einer Gattung hinzustellen. Besonders hierauf
gerichtete Untersuchungen haben mir aber auch gezeigt,
dass Saponin oder dem Saponin sehr nahe verwandte Sub-
stanzen auch in den Früchten anderer Sapindaceen vor-
kommen und ausser in den Früchten auch in den Blättern,
hier besonders den Inhalt jener Zellen und Zellgruppen
bildend, welche als durchsichtige Punkte der Blätter von je-
her die Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben.
Es ist auffallend, dass die für die Sapindaceen durch
das Verhalten von Sapindus so nahe gelegte Frage, ob
nicht auch bei anderen Gattungen derselben Saponin vor-
komme und welche Verbreitung dasselbe innerhalb der Fa-
milie überhaupt besitze, noch gar keiner Behandlung unter-
zogen worden zu sein scheint, obwohl der erste Schritt
zu ihrer Beantwortung, das Hervorrufen seifenartigen
20*
288 Sitzung der matK-phys. Olasae vom U Juni 1878,
Schanmes durch Schütteln der betreffenden Pflanzentheile
mit Wasser so leicht zu machen ist, und dieses erste Anzeichen
durch die oben bei Sapindus Saponaria ang^ebenen An-
haltspunkte ftir die mikrochemische Untersuchung des in
besonderen Zellen in bestimmter Erscheinungsweise als aus-
schliesslicher Inhalt abgelagerten Saponins ebenfitlls ohne
Schwierigkeit, wenn auch nicht ohne Mühe und Sorgfalt,
weiter verfolgt werden kann. Weiter freilich als bis zu
dem Grade der Sicherheit oder Wahrscheinlichkeit, welchen
diese mikrochemische Untersuchung gewährt, lasst sich vor
der Hand, und so lange nicht ausreichendes Material für
die makrochemische Untersuchung zur Verfügung steht, die
Sache nicht fuhren.
Aus der Reihe der Untersuchungen, welche ich in der
besagten Richtung an den mir zur Disposition stehenden
MateriaKen durchgeführt habe, mag hier Folgendes mitge-
theilt sein.
Ausser den Sapindus- Arten enthalten in ihren Früchten
Saponin, respective dem Saponin nahe verwandte Sub-
stanzen die Gattungen ^') Sarcapteryx, Jagera, Trigonnchrctö^
Lqndopetdlufn und BUghia, und zwar in allen Arten von
denen überhaupt reife Früchte zur Zeit vorliegen. Diesen
schliessen sich zunächst an Chdoa^ Elattostachys und Har-
pullia, femer Nqphelium und Xerospermum. Bei dieser
zweiten Reihe von Gattungen zeigt das in Rede stehende
Yerhältniss übrigens mannigfache Modificationen. Bei Ouioa
tritt die Schaumbildung nur in schwächerem Grade auf,
und der Schaum vergeht wieder ziemlich rasch. Manche Arten,
wie Ouioa diplopetaia und pubescens^ zeigen die Schaum-
bildung gar nicht. Diesen fehlen auch die durch ihre Ge-
stalt und Grösse ausgezeichneten Zellen, welche bei den
23) Yergleiche über die hier nnd im nächst Folgenden genannten
neuen Gattungen und Arten die mehrfach erwähnte Uebersicht d«r Sa-
pindaceen Hollandisch-Indiens.
Eadlkofer: lieber Sapinäus etc. 289
übrigen Arten den Sitz der betreffenden Verbindung bilden.
Elattostachys und Harpullia verhalten sich ähnlich wie
{jruioa. Bei Nephelium tritt die Lösung der betreffenden Ver-
bindung und somit auch die Schaumbildung m der Regel
erst beim Erwärmen der Fruchtschale in Wasser ein. Von
Xerosperimim zeigen die Erscheinung wieder nur einzelne
Arten. Bei einer Art, Xerospermum acuminatwm^ ist die
betreffende Substanz nicht im Pericarpe, sondern im Em-
bryo in besonderen Zellen abgelagert. Ein Gleiches findet
sich bei Haplocoelum inopleum (s. Zus. 5 zu Tabelle I) fiir
eine vom eigentlichen Saponin übrigens in ihtem reactiven
Verhalten schon beträchtlicher abweichende Substanz. Gänz-
lich erfüllt von einer saponinartif^en Substanz ist der Em-
bryo von Filidum. Man wird dadurch auf den Gedanken
gebracht, dass diese Substanzen bei der weiteren Entwick-
lung des Embryo eine wesentliche Rolle zu spielen haben.
Nur eine oder die andere Art scheint einen saponin-
art^en Körper zu beherbergen bei den Gattungen Otophara
und Lepisanthes, Ein solcher war nachzuweisen in dem
inneren Theile der Fruchtwand von Otophora amoena und
im Pericarpe von Lepisanthes heterolepis^ bei letzterer Pflanze
ausgezeichnet durch doppelte Brechung des Lichtes.
Bei d^r Gattung Sapindus kommt das Saponin nicht
blos in den Früchten, sondern auch in den Blättern vor,
in Zellen, welche die kleinen durchsichtigen Punkte der-
selben bilden. Dem entsprechend zeigen auch die Blätter
beim Schütteln mit Wasser Schaumbildung, wenn auch in
viel schwächerem Masse als die Früchte, üebrigens zeigt
nicht bei allen Arten der Inhalt der betreffenden Zellen
gleich deutlich die dem Saponin zukonmienden reactiven
Erscheinungen. Daran mögen wohl auch mancherlei schwer
zu controlirende und noch schwerer zu eliminir^ade Neben-
umstände bei der Einwirkung der betreffenden Reagentien
unter dem Mikroskope mit schuld sein.
290 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 1. Juni 1878.
Auch bei den anderen oben genannten Glatiangen, deren
FrSchte eine saponinartige Verbindung enthalten, lässt sich
ftir bestimmte Arten in den Blättern ein analoges Vorkom-
men constatiren. So z. B. bei Sarcopteryx squamosa und
melanophloea. Nicht dagegen bei Sarcopteryx Martyana^
deren Blätter aber auch keine durchsichtigen Punkte besitzen.
Für Smelophyllutn ist mir das Vorkommen einer sa-
poninartigen Substanz nur aus der Untersuchung der Blätter
bekannt. Früchte standen mir nicht zu Gebote.
Bei VcUerufuelia enthalten nur die Blätter eine vielleicht
noch hieher beziehbare, von dem reactiven Verhalten des
eigentlichen Saponins aber schon mehr abweichende Sub-
stanz. Dieselbe löst sich in Schwefelsäure ohne oder mit
nur schwach gelber Farbe. Die Früchte sind frei davon.
Bei Haplocoelum scheint eine von dem eigentlichen
Saponin ebenfalls beträchtlicher abweichende Substanz in
den durchsichtigen Punkten der Blätter, ebenso wie in den
Samen, enthalten zu sein.
Bei den meisten Sapindaceen mit durchsichtig punk-
tirten Blättern enthalten die betreffenden Zellen einen harz-
artigen oder gummiharzartigen, in Wasser unlösUchen, aber
häufig darin erweichenden Körper.
Dass auch Pflanzen aus anderen Familien in
ihren Blättern schaumbildende Substanzen enthalten, welche
aber mit dem Saponin nicht in näherem Zusammenhange
zu stehen scheinen, weder nach ihrem reactiven Verhalten
noch nach der Art ihres Auftretens, dafür liefert Oouania
ein Beispiel. Die Untersuchung derselben wurde durch den
Versuch, für die von Hughes unter dem Namen „Soap-
Berry-Bush^^ verstandene Pflanze eine bestimmte Deutung
zu finden, veranlasst (vergl. Zusatz 36 zu Tabelle I). Die
Schaumbildung rührt hier von einem amorphen, gelblich-
Badlkofer: üeber Sapindus ete, 291
weissen Körper her, welcher sich in den Epidermiszellen
der oberen Blattseite abgelagert findet. Derselbe ist un-
löslich in Alkohol nnd wird durch essigsaures Eisen
schwarz gefärbt, erweist sich also als zur Gruppe der gerb-
stoffartigen Körper gehörig. In Schwefelsäure löst er sich
mit gelblicher Farbe, welche auch nach längerer Zeit nicht
in Roth übergeht.
Bemerkenswerth ist es, dass die Fruchte einer zu den
oben genannten Gattungen gehörigen Pflanze, Blighia sapida,
essbar und wohlschmeckend sind. Auch hierin, wie in den
mancherlei schon erwähnten Modificationen des reactiven
Verhaltens gibt sich unzweifelhaft zu erkennen, dass wir
es in der Familie der Sapindaceen nicht überall, wo schaum-
bildende und in ihren Beactionen, sowie in der Art ihres
Auftretens dem Saponin der Sapindus-Früchte entsprechende
Substanzen vorkommen^ mit eigentlichem Saponin, sondern
wohl häufig nur mit saponinartigen Körpern zu thun haben,
deren nähere Kenntniss uns noch fehlt. Es bleibt künftigen
Untersuchungen überlassen, uns über die Stellung derselben
zum Saponin sowohl in chemischer wie in physiologischer
Beziehung, gleichwie über- die physiologische Bedeutung des
Saponin's selbst, nähere Einsicht zu verschaffen.
Es übrigt noch, um die Betrachtung der Gattung
Sapindus nach allen der Systematik dienenden Beziehungen
zu erschöpfen, auch ihre geograp hische Verbreitung
in's Auge zu fassen.
In dieser Beziehung ist gegenüber den bisherigen An-
gaben als Resultat der in den beiden folgenden Tabellen
gegebenen Zusammenstellungen hervorzuheben, dass weder
in Africa, noch auf dem australischen Fest-
lande nach unseren bisherigen Kenntnissen Sapindus- Arten
einheimisch sind. Auf dem australischen Festlande ist bisher
überhaupt keii; epl^ter Sapindus gefunden worden. In Afric»
,.>
292 8iUung der tnath^-phys. Olwse vom 1. Juni 1878.
ist zwar im Sen^pdgebiet und anf yerschiedenen Inseln
8apmdi48 Sapanaria linn., aaf der Ostseite (Madagascar),
wenn eine betreffende Herl>^riamaagabe yerlässig ist, anch
Sapindus trifoUatus Linn. gefunden worden, aber sicherlich
nur als ähnliche Eindringlinge , einerseits von America,
andererseits von Asien her, wie z. B. unter den Sapindaceen
auch fClr Paullinia pvnnata der Fall ist, welche nicht nur
in Senegambien, sondern zugleich auch an der Ostküste
von Africa, auf Madagascar und inZanzibar sich eingenistet
hat. Pflanzen, welche aus diesen Erdtheilen, aus Africa
und AustraUen stammen, mag ebenso wie Pflanzen mit ess-
baren Früchten der Eintritt in die Gattung Sapindw in
Zukunft nicht mehr so leichthin gewährt werden, wie
bisher.
Das Vorkommen der echten Sapindus- Arten beschränkt
sich, wenn wir von den erwähnten Eindringlingen in Afirica
absehen, auf das wärmere America, die ostliche Hälfte des
wärmeren Asiens und die dazu gehörigen Inseln und
auf die zwischen Asien und America gelegenen Inseln der
tropischen und subtropischen Zone — möglichst übersicht-
lich ausgedrückt also auf die wärmere Umrahmung
des stillen Oceans (wobei aber nicht blos an Küsten-
striche zu denken ist) und auf die zwischen den bei-
den ümrahmungsstflcken gleichsam die Brücke
bildende oceanische Inselwelt.
Allen drei Gliedern dieses Verbreitungsgebietes kommen
eigenthümliche, autochthone und zum Theil endemische
Arten zu: America Sapindus Saponaria^ aeuminatus^ Ma-
natensis; Asien 8. Mukorossi^ haUcus^ trifoUatus^ Barak;
dem zwischenliegenden Inselgebiete 8* vitiensis und oähuensis.
Sapindus Mukorossi, balicus^ vitiensis scheinen gleich-
sam nur Seitenzweige des auch die americanische Arten-
gruppe tragenden Astes der Gattung zu bilden. Sapindus
trifoUatus und noch mehr Sapvndus Barak und Sapindus
Badlkcfer: üeber SapindtAs etc. 293
oahuensis erscheinen als selbständigere Glieder der Gattung,
als die Spitzen besonderer Aeste — ob alterer, eben im
völligen Versinken begriffener, ob jfingerer, neu aufgetauch-
ter und weiterer Gliederung und Auszweigung enigegen-
sehender, ist uns bis zur Gewinnung einer Einsicht in
die Yorweltliche Gliederung der Gattung leider versagt zu
erkennen.
Das bezeichnete Verbreitungsgebiet ist f&r eine Gattung
Yon so Wenig Arten immerhin ein grosses» ebenso l¥ie der
Formenkreis in dem sich die Arten bewegen im Verhältniss
zu dem der übrigen Sapindaceen-Gattungen ein grosser ge-
nannt zu werden verdient mit Rücksicht auf das Vorkom-
men von regelmassigen und unregelmässigen Blüthen, von
zusammengesetzten und einfachen Blättern, von Blumen-
blättern mit deutlichen und ohne deutliche Schuppen.
Beide Beziehungen weisen auf ein hohes Alter der Gattung
hin. Ihr Stamm mag mit zu den ältesten der Familie der
Sapindaceen gehören.
Sonach erscheint die Gattung Sapindus in der That,
und trotz der hier vorgenommenen Beducirung derselben
auf wenige Arten, wohl geeignet, der Familie selbst ihren
Namen zu geben.
Tabelle I.
Als Sapindus-Arten irrthümlich oder ohne
nachweisbare Berechtigung bezeichneiie, aus
der Gattung auszuschliessende Pflanzen.
Vorbemerkungen.
1) Für die meisten der hier unter fortlaufenden
Nummern, in alphabetischer Ordnung und mit
Angabe der Zeit ihrer Veröffentlichung aufge-
führten Pflanzen besteht volle Sicherheit darüber, dass sie
nicht zur Gattung Sapindus gehören, nämlich
für alle diejenigen, welchen eine bestimmte Interpre-
tation beigefügt ist.
Nur wenigen Arten konnte eine bestimmte Interpre-
tation nicht beigefugt werden. Es gehören diese zu den
mangelhaft bekannten Pflanzen, welche bisher
kaum irgend Jemand ausser ihrem jeweiligen Autor zu
untersuchen in der Lage war. Auch f&r diese mangelhaft
bekannten Arten erscheint die Ausschliessung aus der Gat-
tung Sapindus mit Bücksicht auf die ihr zu Grunde liegen-
den Anhaltspunkte grösstentheils als eine vollkommen ge-
sicherte. Nur für ein paar derselben fehlt jeder Anhalts-
punkt, um über die ZugLrigkeit oder Nichtzogehörigkeit zu
der oLttong. deren Zaea !ie bisher feugenTein sicheres
ürtheil gewinnen zu können. Um eine Fernhaltung aller
fremden Elemente von der Gattung Sapindt^ sicher zu er-
reichen, wurden auch diese vorläufig und bis zur etwaigen
Gewinnung von positiven Anzeichen für ihre Zugehörigkeit
Baälkafer: üeher Sapindua etc. 295
za Sapindus als ansznschliessende Arten behandelt
und der gegenwärtigen Tabelle eingefügt, da die Aufstellung
einer besonderen Tabelle für diese wenigen Fälle nicht an-
gemessen erschien.
2) Wenn zwei oder mehrere Namen (mit der Gattungs-
bezeichnung iSn/'Mti^) nicht nur in dem Sinne synonym sind,
dass sie sich auf die gleiche Art, sondern in dem engeren
Sinne, dass sie sich ausgesprochener Massen (d. h. nach
directer Angabe oder nach dem deutlich erkennbaren Ge-
dankengange der betreffenden späteren Autoren) auf das
gleiche Material einer bestimmten Art oder doch im
wesentlichen auf dieses beziehen, gleichviel ob die späteren
Yon ihnen durch absichtliche Namensänderung, oder unab-
sichtlich, z. B. durch Schreib- und Gedächtnissfehler, oder wie
immer entstanden sind, so wurden, da von solchen Namen
alle bis auf einen übergangen werden können, wenn es sich
nicht um eine Zählung der Bezeichnungen, sondern der
unter diesen • Bezeichnungen bis zu einer bestimmten Zeit
in der betreffenden Gattung aufgestellten und als selb-
ständig betrachteten Arten handelt, die übergehbaren Namen
durch Einklammerung der betreffenden laufenden
Nummern gekennzeichnet, und zwar nach Zweck-
mässigkeitsgründen (und namentlich mit Rücksicht auf deren
allgemeinere Geltung in jüngster Zeit) bald die älteren bald
die jüngeren.
Zugleich sind die betreffenden Synonyme, welche man
die „engeren*^ nennen könnte, durch Anführung der ent-
sprechenden laufenden Nummern am Schlüsse der bezüglichen
Interpretationen unter einander in Beziehung ge-
setzt. (Es ist überflüssig auf den Unterschied dieser Syno-
nyme Yon solchen weiter hinzuweisen, welche aus mehrmaliger,
aber ganz unabhängig von einander erfolgter Bearbeitung
und Benennung gleicher oder yerschiedener, d. h. aus ver-
296 Sitzung der tiiatK-phys, Classe vom 1. Juni 1878.
schiedenen Qaellen stammender Materialien ein nnd der-
selben Art entstanden sind.)
3) Durch Yordmck einer stehenden Doppellinie
sind diejenigen Arten gekennzeichnet, für welehe eine Eli-
mination aus der Gattung Sapindus noch nicht, oder nicht
mit Erfolg bewerkstelliget war, welche somit als Arten der
Gattung Sapmdus zur Zeit noch gegolten haben.
Eine einfache, stehende Linie ist denjenigen Arten
vorgedruckt, für welche eine Elimination zwar bewerkstelliget,
aber in wesentlich anderer Form zum Ausdrucke gebracht
worden war als. hier. Als unwesentlich betrachte ich hie-
bei solche Formverschiedenheiten, welche sich aus den jetzt
geltenden Nomenclaturregeln ergeben (z. B. Jagera ^errata
Badlk.> Biskit Jagera Boxburghii Bl. ; Qlefmiea umjuga Badlk.,
statt Glenniea zeylanda, non „Hook, f.", Thw.), oder nur
als eine Wiederaufnahme bereits früher in Gebrauch ge-
wesener Bezeichnungen sich darstellen (z. B. LitcM chinensis
Sonn., statt Nephelium Litchi Gamb., etc.).
Ohne vorgedrucktes Zeichen erscheinen die-
jenigen Arten, deren Eliminirung schon früher in der an-
geführten oder einer nur unwesentlich davon verschiedenen
Form stattgefunden hat.
Die mit eingeklammerten Nummern versehenen Kamen
sind von dieser Bezeichnung ausgeschlossen geblieben.
Die Gründe für die betreffende Bezeichnung in jedem
Falle liegen meist klar zu Tage oder ergeben sich aus der
Synonymie der betreffenden Arten. Eine besondere Dar-
legung derselben erschien überflüssig.
4) Was die in dieser Tabelle angeführten Inter-
pretationen betrifft, so ist bei denselben folgende Be-
zeichnung in Anwendung gekommen (auch hier übrigens
abgesehen von den unter eingeklammerten Nummern aur-
geführten Pflanzen.)
Eadlkofer: Utber Sapindua etc. 297
Bei Namen, deren Znlässigkeit und Qrltigkeit ejrst bei
der Sichtung der betreffenden Gattungen entschieden werden
soll, wurde die betreffende Autorität, inderenSinn
der Name gebraucht ist, durchschossen gedruckt.
Ein Rufzeichen ist beigefügt, wenn ich die ange-
fahrte Deutung auf Grund autoptischer Untersuchung vor-
zuschlagen oder, wenn sie schon vorgeschlagen war, doch
zu vertreten im Stande bin, unbeschadet natürlich des im
Vorstehenden soeben ausgesprochene!) Vorbehaltes.
Andernfalls ist entweder innerhalb eckiger Klam-
mern der Autor angeführt, welcher für die betreffende
Deutung verantwortlich ist, oder es fehlt die eine und
die andere dieser Beifügungen, wenn die Deutung
unmittelbar aus der Synonymie oder aus sonstigen Bemer-
kungen der dabei in Betracht kommenden Autoren sich er-
gibt (wie z. B. bei Sapindus dmensU Linn., Sapinäus Pappea
Sond. etc.).<
Nur vermuthungsweise und ohne Berathung der be-
treffenden Materialien aufgestellten Interpretationen ist ein
Fragezeichen beigesetzt.
Ein Sternchen ist denjenigen Interpretationen als
entsprechende Hinweisung beigefügt, welche schon in meiner
„Uebersicht der Sapindaceen Holländisch-Indiens*^ Erwäh-
nung und Beleuchtung gefunden haben.
Eine über der Zeile stehende Ziffer weist auf
einei^ der Zusätze am Schlüsse des Ganzen hin.
Gerne hätte ich auch die Autoren angeführt, welche
die verzeichneten Interpretationen zuerst aufstellten oder an-
bahnten, nebst den betreffenden Jahreszahlen. Doch Hess
sich das in entsprechender Klarheit nicht durchführen ohne
näheres Eingehen auf die Synonymie und die Geschichte
der einzelnen Arten, welche seiner Zeit bei der Betrachtung
der betreffenden Gattungen Berücksichtigung finden wird,
für welche aber hier kein Baum war.
298 Sitzung der nuUh.'phya. Classe vom i. Juni 1878.
5) Fast überflüssig ist es, besonders anzuführen, dasa
ich, wie es in neuerer Zeit üblich geworden ist, abweichend
von Linne und anderen älteren Autoren den Namen Sa-
pindus^ entsprechend seiner Ableitung aus Sapo indus und
ohne Bücksicht auf die altrömische Auffassung der Bäume
und Straucher als weiblicher Wesen, durchgehends alsMas-
culinum gebraucht habe, auch in den von Linne und
Anderen herrührenden Namen.
1 II S. abyssinicus Fresen., 1837
= Aphania senegalensis Badlk.I'*' (Y. p. 241.)
2 acutus Wallich Catal. n. 8096 (non Boxb.), 1847
= Engelhard tia spec. [Hiem.]
3 I ' adenophyllus Wall. Cat. n. 8044, 1847
= Arytera litoralis B1.I*
4 alternifolius Hb. Hamilt. ed. Wight. & Am., 1834
= Erioglossum rubiginosum Bl.'*' [W. & Am.]
5 angustifolius Wall. ed. Voigt inH. Calc.(nonBl.),1845
= Quid?
6 arborescens Aublet, 1775
= Cupania Aubletii Miq. (excl. exclud.)! (Cf. n.
58, 84.) ^
7 arborescens (non Aubl.) Miq., in Linnea, 1844,
coli. Eappler n. 1377
= Cupania subrepandaMart., f. glabrior Miq. ! ^
8 arborescens (non Aubl.) Miq. in sched. coli. Eappler
n. 744, ed. Hohenack. 1846
= Cupania laeyigata Miq.!^
(9) arborescens (non Aubl.) Spreng., 1825, quoad Sap.
Senegal. Poir. et patriae indicat. „Africa occident."
= Aphania senegalensis Badlk. (Cf. n. 85.)
10 II attenuatus WaU. Cat. n. 8037, 1847
= Aphania rubra Badlk. I ♦ (Cf.n. 77; v.p. 238.)
11 II ?australis Benth., 1863
==• Atalaya australis (nonFerd. Müll.) Badlk. ! ^
12 II azogius Hb. Hamilt. ed. Wall, in Cat. n. 8041, 1847
= Erioglossum rubiginosum Bl. ?**
Radlhofer: üeher Sapindus etc. 299
13 I S. baccatus Blanco, 1837
= Otophora fruticosa Bl.?**
14 bengalensis Roxb. Ic. 941, ed. Wight&Arn., 1834
= Euphoria Longana Lam.*[W. & Am.]
15 II bifoliolatus Hiern, 1875
^ Aphania bifoliolata Radlk.!* (V. p. 238.)
16 I bijugus Wall. Cat. n. 8045, 1847
= Lepisantbes tetraphyllaBadlk.* [Hiern]
(17) capensis Höchst., 1 843, excl. syn. „Papp. cap.Eckl.&Z."
= Deinbollia oblongifolia Badlk. (Cf.n.48,67.)
(18) capensis Höchst. 1843, quoad „Papp. cap. Eckl. &Z."
= Pappea capensis Eckl. & Zeyh. (Cf. n. 71.)
19 II capensis Sond., 1859 — 60
= Smelophyllum capense Badlk.!^
20 II cerasinus Benth. in sched. coli. Spruce, 1851
= Talisia cerasina Badlk. I '
21 chinensis Linn., 1774
= Eoelreuteria paniculataLaxm. (Cf.n. 70, 88.)
22 I cinereus Oiinningh. in Hb. Hook. ed. Asa Gray in
Bot. Wilkes Exped., p. 258, 1854
= Alectryon connatum Radlk. I*^
23 II cinereus Turczan., 1858
= Euphoria cinerea Badlk.!
24 II cultratus Turczan., 1858
== Trigonachras cultra ta Badlk. I* (Cf.n. 109.)
25 II cuspidatus BL, 1847
= Aphania cuspidata Badlk.!* (V. p. 238.)
26 II Danura Voigt, 1845
= Aphania Danura Badlk.!* (V. p. 238.)
27 I deficiens Wight & Am., 1834
= Lepisantbes deficiens Badlk.!*
28 edulis Ait., 1789
= Litchi chinensis Sonn.*
29 II edulis Blanco, 1845
= Erioglossum rubiginosum Bl.?**
30 edulis Bl, 1823
^ Erioglossum rubiginosum Bl. !♦ *
300 Sitgung der math.-phya, Ctaase vom 1, Juni 1876,
(31) S. edulis Spach (\oco S. esctQeiit.), 1834
= Talisia esculenta Badlk. (Gf. n. 33.)
32 II erectus Hiern, 1875
= Thraulococcus erectus Radlk.l*(V.p. 246.)
33 II esculentus St. Hil., 1824
= Talisia esculenta Radlk.I (Cf. n. 31.)*
34 fraxinifolius DC, 1824
= Erioglossum rübiginosum Bl.I**®
35 I fraxinifolius (n<m DC.) Hb. Par. ed. Bl., 1847
= Lepisanthes pallens Badlk.I*
36 I frutescens Aubl., 1775
= Pseudima frutescens Badlk.!*^*
(37) frutescens (non Aubl.) Spr., 1825, quoad S. suri-
namens. Poir.
= Picraena excelsa Lindl. (Cf. n. 83, 93.)
(38) fruticosus caudice et ramis spinosissimis etc.
P. Browne, 1756
= Zanthoxylum sapindoidesDC. (Cf. n. 89.)
39 fruticosus Boxb., 1814
= Otophora fruticosa Bl. !♦ (V. obs. 4.)
(40) fruticosus (non Boxb.) Wight & Arn., quoad S.
longifol. Vahl, 1834
= Euphoria Longana Lam. (Cfr. n. 54.)
41 I glabratus WaUich Cat. n. 8095, 1847
~ Xerospermum glabratum Badlk.l*
42 glabrescens W. Hook. & Am., 1841
= Cupania glabra Sw. I **
(43) Glenniei Thwaites, 1864
= Glennieä unijuga Badlk. (Cf, n. 102.)
44 II guineensis Don, 1831
(= Aphania senegalensis Badlk.*?? [W. Hook.])
= Deinbollia pinnata Schum. &Thonn.? ^'
(45) Guisian Blanco, 1845 (S. Saponaria Blanco 1837)
= Erioglossum rubiginoäum Bl. ?(Cf.n. 81.)
46 II juglandif olius Camb., 1825
= Cupaniea altero loco interpretanda!
Bctdlkofer: lieber Sapindus etc. 301
47 S. Koelreuteria Blanco, 1837 (Koelreuteiia arborea
Blanco, 1845)
r= Guioa spec.? [Bl.] i*
(48) lachnocarpus Höchst., in PI. Erauss., 1839?;
Flora 1843
= Deinbollia oblongifolia Eadlk. (Cf. n. 17, 67.)
49 II laurifolius (non Vahl) Brunner (in Eeise n. Senegamb.
p. 202), 1840
Aphania senegalensis Radlk. !* (V. p. 242.)
50 ji laurifolius (non Vahl) ZoU. PI. jav. n. 3459, 1847—48
= Hebecoccus ferrugineuB Eadlk. !♦ (Cf. n.
124; V. p. 246.)
51 lepidotus Wall. Cat. n. 8036, 1847
= Aglaia Wallichii Hiem. [Hiem.]
52 longifolius Hb. Hamilt. ed. Wight & Am., 1834
= Erioglossum rubiginosum Bl.*[W.&Am.]
53 II longifolius (non„Willd." resp. Vahl)Eoxb., 1813
= Euphoriopsis Ion gif olia Eadlk. I*(Cf. n. 75.)
54 II longifolius Vahl, 1794
= Euphoria Longana Lam. ! ♦ (Cf. n. 40.)
55 II lucidus Desvaux Herb. ed. Hamilton, 1825
= Hypelate päniculata Camb.!^^
56 II marginatus Bl. in Teysm. & Binn. Cat., 1866
= Quid?i«
57 II mauritianus Hort. Par. in Broussonet Cat. Hort.
Monsp., 1804
= Quid?!^
(58) microcarpus Dietr., Fr. G., 1808
= Cupania Aubletii M. (Cf. n. 6, 84.) ^
59 II microcarpus Kurz., 1875
= Aphania microcarpa Eadlk. !* (V. p. 238.)
60 II microcarpus Euiz & Pav., 1802
= Allophylus Cominia Sw.! ^®
61 microcarpus Wight & Am., 1834
— Meliosma Arnottiana Walp. !
62 monogynus Hb. Heyne ed. Wall, in Cat. n. 8049, 1847
= Euphoria Longana Lam.I*
[1878 3. Matb.-phys. Cl] 21
302 Siimng der mathrphys, Glosse vom 1, Juni 187 8,
63 II S. montanus Bl. 1847
= Aphania montana BL I* (V. p. 238.)
64 II montanus (non Bl.) Teysm. &Binn. Cat., 1865 (partim)
= Hebecoccus ferruginens EadlkJ*^*
65 II montanus WaU. Cat. 8041 C, 1847
.= Erioglossum rubiginosum Bl.?**^
66 multijugus WaU. Cat. n. 8099, 1847
= Chisoclieton paniculatus Hiem? [Hiem.]
67 II oblongifolius Sonder, 1859—60
= Deinbollia oblongifolia Radlk.! (Cf. n.
17,48.)"
68 II oblongus Benth in sched. coli. Spruce, 1851
= Talisia cerasina Badlk.! '*
69 obovatus Wight & Am., 1834
= Blighia sapida Eoenig. [Hiem.]
(70) paniculatus Du Mont de Courset 1802
= Eoelreuteria paniculata Laxm. (Cf. n.21,88.)
71 Pappea Sond., 1859 — 60
= Pappea capensis Eckl. & Zeyh. (Cf. n. 18.)
72 pinnatus Roxb. Ic. 89, ed. Hiem, 1875
= Erioglossum 'rubiginosum Bl.* [Hiem]
73 II pubescens Zoll, k Moritzi, quoad coli. Zoll., 1846
= Guioa pubescens Badlk. !*
74 II pubescens Zoll, k Moritzi, quoad coli. Perrott., 1846
= Guioa Perrottetii Radlk.!*
(75) Rar ak (non DC.) Wight & Am., 1834, quoad S. longi-
fol. (non Vahl) Roxb.
= Euphoriopsis longifolia Radlk. (Cf 53.)
76 I regularis Eorth. ed. Bl., 1847 (Cupania regul. Bl.)
= Guioa diplopetala Radlk.I*
(77) ruber Eurz, 1877
= Aphania rubra Radlk. (Cf. n. 10.)
78 rubiginosus Roxb., 1795
= Erioglossum rubiginosum Bl.I***
79 II rufescens Turczan., 1858
== Quid?
Badlkofer: üeber Sapindua etc. 303
80 S. salicifolius DC, 1824
= Atalaya salicifolia BL! (V. obs. 2.)
81 I Saponaria (non L.) Blanco (S. Guisian Blanco 1845)
= Erioglossum rubigiDosumBl.?*(Cf.n. 45.)^*
82 Saponaria (nonL.sp.) Hb. Linn. ed. Hiem, 1875, part.
= Erioglossum rubiginosum Bl.l* **
(83) Saponaria (non L.) Eich. PL Cub., 1845, quoad S.
sxLrinamens. Poir.
= Picraena excelsa Lindl. (Cf. n. 37, 93.)
(84) senegalensis (non Poir.) Dietr. P. G., 1838, quoad S
arboresc. Aubl. et patriae indicat. „Guiana"
= Cupania Aubletii M. (Cf. n. 6, 58.)
85 II senegalensis Juss. ed. Poir., 1804
= Aphania senegalensis Badlk.!'*' (Cf. n.9;
V. p. 238.)
86 serratus Roxb., 1813
.= Jag er a serrata Radlk. 1*
^ 87 II simplicifolius Don, 1831
-^ Quid?
(88) sinensis Gmelin, 1791
= Koelreuteria paniculata Laxm.(Cf. n. 21, 70.)
89 spinosus Linn., 1762
= Zanthoxylum sapindoides DC. [Lunan,
DC] (Cf. n. 38.)
90 II squamosus Roxb., 1813
=7 Sarcopteryx squamosa Badlk. !'*'
91 I squamosus (non Roxb.) Wallicb Cat. n. 8097, 1847
= Guioa squamosa Radlk.I*
92 II stellulatus Turczan, 1858
= Euphoria stellulata Radlk.I
93 II surinamensis Poir., 1804
= Picraena excelsa Lindl. I (Cf. n. 37, 83.) *^
94 II surinamensis (non Poir.) Turczan., 1858
= Talisia bemidasya Radlk.I *^
95 I tetrapbyllus Vahl, 1794
= Lepisanthes tetraphylla Radlk.I*
21*
304 Sitzung der math.-phys. Ctasse vom 1, Juni 1878.
96 II S. Thwaitesii Hiern, 1875 (v. p. 246)
== Thraulococcus simplicifolius Eadlk. !'*'
97 trifoliatus (non Linn. Sp. PI.) Linn. Syst. Veg., Ed.
Xn, 1767, quoad cit. „Fl. zeyl. n. 603 **
= Scheichera trijuga WiUd.
98 II trifoliatus Turczan., 1863
= Quid?
99 I tomentosus Kurz, 1875 (Pancovia t. Kurz 1877)
= Quid?"
100 travancorensis Wallich Cat. n. 8047, 1847
= Canarium commune Linn. [Hiern.]
101 undulatus WaU. ed. Voigt, 1845
= Euphoria Longana Lam. ?'*' [Hiern.]
102 unijugus Thwaites, 1858
= Glenniea unijuga Radlk.I* (Cf. n. 43.) ^^
103 II verticillatus Kurz in Pegu Report, 1875
= Aphania Danura Radlk.I* (V. p. 238.)
104 II xanthocarpus Klotzscb, 1862
=: Deinbollia xanthocarpa Radlk.!'^
105 (sp.) Brown Rob., 1818,
= Deinbollia insignis Hook, f.! '^
106 „ Brown Rob., 1818, partim
= Deinbollia laurifolia Baker, partim!'*
107 I n Brown Rob., 1818, partim
= Deinbollia oboyata Radlk.I*^
108 II „ Cuming PL philip. n. 1170, ed. Hohenack.
= Lepidopetalum Perrottetii Bl. 1* '^
(109) y Cuming PL philip. n. 1304, ed. Hohenack.
= Trigonachras cultrata Radlk. (Cf.n. 24.)
HO I „ Göring U, n. 38, ed. Turcz., 1858
= Pometia pinnata Forst. ?*••
1 1 1 II „ Hiern („äff. S. bifolioL, coU. Schomb., e Siam"), 1875
= Aphania microcarpa Radlk.?***
112 II n Hostmann PL Surin. n. 596,
= Toulicia guianensis AubL I '^
113 , n Hughes („Soap-Berry-Bush«), 1750
= Gouania domingensis Linn. ?*^
Badlkofer: lieber Sapindus etc. 305
114||S. (sp.)? Kew-Catalogue Hb. Griff, etc., n. 1006/1, 1865
= Xerospermum laevigatum Radlk. I'*^
115 „ Ph. MiUer, Ed. VIII, sub Melicocca, 1768
= Melicocca bijuga Linn.
116 „ ? Miquel in Linnaea XXTE, coli. Kegel n. 268, 1849
= Cupania laevigata Miq.I'^
117 n Miquel in scbed. coli. Hostm. n. 600, a, ed. Hoben. 1 846
= Cupania Aubletii Miq.!'^
118 „ Miquel in scbed. coli. Hostm. & Kappl. n. 604, a, ed.
Hobenack. ca. 1844
= Tapiria guianensis Aubl.1
119 II „? ZoU. & Moritzi, coU. ZoU. 1314, 1846
= Dialium sp. (?)!
120 II „ Spruce PL bras. n. 1785, 1851
= Talisia cupularis Radlk. ! •»
121 II „ Spruce PL bras. n. 3311, 1853—54
= Talisia firma Radlk.!»»
122 II „ Spruce PL bras. n. 1992, 1855
= Talisia acutifolia Radlk.! »»
123 II rt Teysmann & Binnend. Cat. Hort. Bogor., 1866 (p.
215 „Bourbon«)
— DeinboUia borbonica Scbeff.?'*
(124) „ Zollinger PL jav. n. 3459, 1847—48
= Hebecoccus ferrugineus Radlk. (Cf. n. 50.)
125 II „ Zollinger PL jav. n. 3466, 1847—48
= Aphania montana BL!**^
Nach Abzug der bei einer Zählung der Arten uber-
gehbaren 19 unter eingeklammerten Nummern aufgeführten
(sieh Vorbemerkung 2), beläuft sich die Zahl der aus-
zu seh Hess enden Arten, respective der die Geltung
solcher in Anspruch nehmenden Bezeichnungen auf 106.
Von diesen waren 53, also die eine Hälfte, schon früher
ausgeschlossen worden, und zwar 37 in derselben Form,
16 in anderer Form als gegenwärtig; 53 gelangen erst hier
zur Ausschliessung.
306 Sitzung der math.-phys, Claase vom 1. Juni 1879,
Von den in Rede stehenden 106 Arten sind 7 vor der
Hand gänzlich unbestimmbar (n. 5, 56, 57, 79, 87, 98, 99).
Für mehrere derselben sind Materialien sicher vorhanden,
waren aber bis jetzt leider nicht zu erlangen. Für die
zwei von Turczaninow aufgestellten Arten (n. 79u. 98)
sind mir dieselben seit mehr als einem Jahre durch die
gütige Vermittlung des Herren Dr. Batalin in Aussicht
gestellt, aber noch nicht eingetroffen,
Die übrigen 99 Arten von jenen 106 sind wenigstens
der Gattung oder in einem Falle der Tribns nach bestimmt
und interpretirt (wobei nur flir wenige eine definitive Fest-
stellung der Bezeichnung nach Vorbemerkung 4 vorbehalten
ist): darunter von den früher ausgeschlossenen 51, und
zwar 36 in derselben Form, 15 in wesentlich anderer Form
als früher; von den neu ausgeschlossenen 48. Für 33 der
letzteren und 12 der ersteren, im ganzen also für 45, war
es nothwendig, neue Namen oder Namencombinationen zu
schaffen, und zwar 38 an der Zahl.
Für fast volle drei Viertheile dieser 99 Interpretationen,
für 71 nämlichi war mir autoptische Untersuchung der be-
treffenden Materialien möglich. Von den übrigen 28 sind
13 auf die Angaben anderer Autoren hin aufgeführt; es
betreffen diese grösstentheils ostindische Arten, besonders
von Wal lieh und Roxburgh, von welchen Materialien
aus England nicht zu erhalten waren; 5 ergeben sich aus
den Anführungen der betreffenden zu berichtigenden Autoren
von selbst (n. 21, 28, 71, 97, 115); 10 endlich habe ich
ohne Kenntniss der betreffenden Materialien nach anderen
Anhaltspunkten fragweise au&ustellen versucht (n. 12, 13,
29, 44, 65, 81, 110, 111, 113, 123).
Die wenigstens bis zur Bezeichnung der Gattung gehen-
den 98 Interpretationen schliessen nach den hier (jedoch
unter dem in Vorbemerkung 4 an erster Stelle ausgesprochenen
Vorbehalte) aufgeführten Bestimmungen 74 Arten in sich,
Badlkofer: üeher Sapindus etc, 307
welche sich auf 43 Gattungen aus 10 yerschiedenen Familien
vertheilen, wie folgende in allen Theilen alphabetisch ge-
ordnete Zusammenstellung zeigt:
Anacardiaceae:
Tapiria guianensis Aubl. (Sap. sp. Miq.)
Burseraceae:
Ganarium commune Linn. (S. travancorensis Wall.)
Gaesalpinieae:
Dialium sp. (S. sp. Zoll. & Mor.)
Juglandeae:
Engelhardtia sp. (S. acutus Wall.)
Meliaceae:
Aglaia Wallichii Hiem (S. lepidotns Wall.)
Ghisocheton paniculatus Hiem (S. mnltijugus Wall.)
Rharaneae:
Gouania domingensis Linn. (S. sp. Hughes?)
Sabiaceae:
Meliosma Amottiana Walp. (S. microcarpus W. & Arn.)
Sapindaceae:
Alectryon connatum Radlk. (S. einer. Gunn. ed. Gray.)
AUophylus Cominia Sw. (S. microcarpus R. & Pav.)
Aphania bifoliolata Radlk. (S. bifoliolatus Hiem.)
cuspidata Radlk. (S. cuspidatus Bl.)
Danura Radlk. (S. Danura Voigt, S. ver-
ticiUatus Kurz.)
microcarpa Radlk. (S. microcarpus Kurz,
S. sp. Hiem?)
montana Bl. (S. montanus Bl., S. sp. Zoll.)
rubra Radlk. (S. attennatus Wall.)
senegalensis Radlk. (S. abyssinicus Fres.,
guineensis Don ??, cfr. DeinboUia pinnata,
S. laurifolius Bmnn., senegalensis Juss.
ed. Poir.)
Arytera litoralis Bl. (S. adenophyllus Wall.)
n
n
308 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 1, Juni 1878,
Atalaya australis Radlk. (S. australis Benth.)
n salicifolia Bl. (S. salicifolius DC.)
Blighia sapida Koenig (S. obovatos W. & Arn.)
CupaniaAubletiiMiq. (S. arborescens Aubl., S. sp. Miq.)
„ glabra Sw. (S. glabrescens W. Hook. & Arn.)
„ laevigata Miq. (S. arborescens, non Aubl.,
Miq., S. sp. ? Miq.)
„ subrepanda Mart. forma glabrior Miq. (S. ar-
borescens, non Aubl., Miq.)
DeinboUia borbonica Scheff. (S.sp. „eBourbon" Teysra.
& Binn.?)
„ insignis Hook. f. (S. sp. R. Brown.)
„ laurifolia Bak., pari. (S. sp. R. Brown.)
„ oblongifolia Radlk. (S. oblongifolius Sond.)
obüvata Radlk. (S. sp. R. Brown.)
pinnata Shum. &Th. (S. guineensis Don?)
xanthocarpa Radlk. (S. xanthoc. Elotzscb.)
Erioglossum rubiginosum Bl. (S. alternifolius Harn. ed.
W. & Arn., azogius Harn, ed Wall.?,
edulis Blanco?, edulis Bl., fraxini-
folius DC, longifolius Harn. ed.
W. & Am., montanus Wall. ?, })in-
natus Roxb. ed. Hiern, rubiginosus
Roxb. , S. Saponaria Bio. Ed. I.?,
• Saponaria Linn. H!b. ed. Hiern part.)
Euphoria cinerea Radlk. (S. cinereus Turez.)
„ Longana Lam. (S. bengalensis Roxb. ed.
W. & Arn., longifolius Vahl, mono-
gynus Heyne ed. Wall., undulatus Wall,
ed. Voigt?)
„ stellulata Radlk. (S. stellulatus Turcz.)
Euphoriopsis longifolia Radlk. (S. longifolius Roxb.)
Glenniea unijuga Radlk, (S. unijugus Thw.)
Guioa diplopetala Radlk. (S. regnlaris Eortb. ed. Bl.)
»
«
Badlkofer: lieber Sapindua etc. 309
Gaioa Perrottetii Rndlk. (S. pubescens Zoll. & Mor. part.)
„ pubescens Radlk. (S. pubescens Zoll. & Mor. part.)
„ squamosa Badlk. (S. squamosus Wall.)
„ spec. (S. Koelreuteria Blanco Ed. I?)
Hebecoceus ferrugineus Badlk. (S. laurifolins Zoll.,
montanus Teysm. & Binn. part.)
Hypelate paniculata Camb. (S. lucidus DesY. ed. Harn.)
Jagera serrata Radlk. (S. serratus Roxb.)
Kölreuteria paniculata Laxm. (8. chinensis Linn.)
Lepidopetalum Perrottetii Bl. (S. sp. Hohenack.)
Lepisantlies deficiens Radlk. (S. deficiens W. & Arn.)
n pallens Radlk. (S. fraxinifolius Hb. Par.
ed. Bl.)
„ tetraphyllaRadlk. (S. bijugus Wall., tetra-
phyllus Vahl.)
Litchi chinensis Sonn. (S. edulis Ait.)
Melicocca bijuga Linn. (S. sp. Ph. Miller.)
Otopliora fruticosa Bl. (S. baccatus Blanco?, fruti-
cosus Roxb.)
Pappea capensis Eckl. & Zeyh. (S. Pappea Sond.)
Pometia pinnata Forst. (S. sp. Göring ed. Turcz.?)
Pseudima frutescens Radlk. (S. frutesc. Aubl.)
Sacropteryx squamosa Radlk. (S. squamosus Roxb.)
Schleichera trijuga Willd. (S. trifoliat. Linn. Syst. part.)
Smelopbyllum capense Radlk. (S. capensis Sond.)
Talisia acutifolia Radlk. (S. sp. Spruce.)
ji cerasina Radlk. (S. ceras. Benth., oblong. Benth .)
„ cupularis Radlk. (S. sp. Spruce.)
„ esculenta Radlk. (S. esculentus St. Hil.)
„ firma Radlk. (S. sp. Spruce,)
„ hemidasya Radlk. (S.surinam., nonPoir., Turcz.)
Thraulococcus erectus Radlk. (S. erectus Hiern.)
„ simplicifolius Radlk. (S. Thwait Hiern)
Trigonachras cultrata Radlk. (S. cultratus Turcz.)
310 Sitzung der tntUK-pTtya, Classe vom /. Juni 1878.
Tonlicia guianensis Aubl. (S. sp. Hostm. PI. Surin.)
Xerospermnm glabratum Radlk. (S. glabratas Wall.)
„ laevigatum fiadlk. (S. sp. Gatal. Eew.)
Simarabaceae:
Picraena excelsa Lindl. (S. snrinamensis Poir.)
Zanthoxyleae:
Zanthoxylam sapindoides DG. (8. spinosos Linn.)
I
■ (
Anhang zu Tabelle i.
Im Anschlass an jene Pflanzen des anmittelbar voraus-
gehenden Yerzeichnisses, welche nicht blos aus der Gattung
Sapindus^ sondern aus der Familie der Sapindaceen
überhaupt ausscheiden, mag hier noch eine Reihe
anderer aufgeführt sein, welche bisher verschiedenen Sapin-
daceen-Gattungen zugetheilt, oder als Sapindaceen schlecht-
hin bezeichnet worden sind, aber gleichfalls nicht zur
Familie der Sapindaceen gehören.
Ich beschränke mich dabei, ohne übrigens selbst in
dieser Hinsicht hier Vollständigkeit anzustreben und indem
ich z. B. absichtlich die betreffenden Pflanzen aus Walli ch*s
Oatalog und andere, für welche mir Autopsie oder eine
sonst ausreichende Grundlage zu ihrer Deutung fehlt, über-
gehe, auf eine Zusammenstellung jener, welche bisher meines
Wissens nicht schon am rechten Orte^ oder wenigstens nicht
unter Anfuhrung der hier eben zu berichtigenden Bezeich-
nungen untergebracht worden sind, sei es von Anderen,
sei es durch mich selbst in dieser oder in anderen Abhand-^
lungen. Ich füge, wo immer das möglich, meine Inter-
pretation bei, so weit dieselbe eben geht, denn obwohl ich
mit Ausnahme von n. 29 und 33 die betreffenden Pflanzen
sämmtlich gesehen habe, war es mir doch, namentlich beim
Durchgeben auswärtiger Sammlungen, durch Zeit und Um-
SadlJcofer: Ueher Sapindua etc, 311
stände mehrfach versagt, Weiteres, als dass dieselben nicht
zu den Sapindaceen gehören, zu constatiren, oder höchstens
noch, zu welcher Familie oder Qattnng sie zu rechnen sein
dürften, zu eruiren. Möge ihre Erwähnung an dieser Stelle
za baldiger vollständiger Erledigung den Anstoss geben.
Die Einschliessung der laufenden Nummern
in Klammern hat dieselbe Bedeutung wie in der Tabelle I
selbst (s. d. Vorbemerkung 2 hiezu).
Entsprechende Erörterungen sind als Zusätze beige-
fügt, welche den zu Tabelle I gehörigen in fortlaufender
Nummerirung angeschlossen sind.
1 Cupania juglandifolia Seem.Fl. Vit.II, 1865,p.46
= Quid?
2 „laevigata (non „Miq.'^) Hohenack. in PL surin.,
Hostm. n. 744 (ex confusione c. Eappler 744)
= Terminalia dichotoma G. Meyer (teste
Miq. in Stirp. surin. p. 61).
3 9 (Dodonaea?) Macgillivrayi Seem. Flor. Vit.
Ily 1865, p. 46 in annot.
= Quid? (Cf. n. 8.)
4 „ trachycarpa Griseb. Pl.Wright., 1860, p. 169;
coU. Wr. n. 103
= Trichilia spondioides Sw.
(5) „ ?8p. Spruce PI. bras. n. 1890, ao. 1851
= Trichilia septentrionalis 0. DC. (Of. n. 40.)
(6) „ sp, Turcz, Bull. Mose. 1858, p. 406, Metz n. 835
= Amoora Bohituka Wight&Am. (Cf. n. 38).
7 Dodonaea discolor Desf. Oat. PI. Hort. Paris. Ed. III,
Addit., 1832, p. 457 (Spach. Eist. nat. d. Vög., Phan-
erog. m, 1834, p. 70)
= Beyeria viscosaMiq. (Orotonv.Lab., 1806).*^
(8) „ ?Macgillivraei Seem. 1. supra c.
= Quid? (Cf. n. 3.)
312 Sitzung der math.-phys, Classe vom 1. Juni 1878.
9 Dodonaea ?serrulata DC. Prod. I, 1824, p. 617
= Wimmeria serrulata Badlk. **
(10) Ephielis fraxinea (non W.) Bertero ed. Oamb., Mem.
Mus. XVin, 1829, p.37 (Trichüia? sp. Camb. 1. c.)
= Hedwigia balsamifera Sw. (Cf. n. 17.)
(11) „ Patrisiana Spreng. Syst. Veg. U, 1825, p. 223
= Inga sp. (Cf. n. 18.)
12 Euphoria Malaanonan Bio. Fl.Filip., 1837, p. 286
= Anisoptera Guiso DC? (Cf.n.l3.)"
(13) „ Nephelium (non DC.) Bio. ib. Ed. U, 1845, p. 200
= Anisoptera Guiso DC? (Cf.n. 12.)
14 „ sp.? Zoll. & Mor. n. 1314 („Sapindus sp.?«)
= Dialium sp. (?) (Cf. supra Tab. I, n. 119.)
(15) Hypelate geniculata Don Gen. Syst. I, 1831, p. 672
= Protium Aracouchini March. (Cf. n. 19.)
16 Eölreuteria paniculata (non Laxm.) Ejralik PI.
Tunetanae, ao. 1854
= Melia Azedarach Linn.
17 Matayba guianensis (non Aubl.) DC. Prodr. I, 1824,
p. 609, quoad specim. Berterian. in S. Domingo lect.
= Hedwigia balsamifera Sw. (Cf.n. 10.)**
18 „ Patrisiana DC. Prodr. I, 1824, p. 609
= Inga sp. (Cf. n. 11.)
19 Melicocca geniculata Spreng. S.V. 11, 1825, p. 220
= Protium Aracouchini March. (Icica Ara-
couchini Aubl.). (Cf. n. 15.) *»
20 „ sp. Linden coli. n. 1547» ao. 1843
= Zanthoxylum sp. (Cf. n, 37.)
21 Ornitrophe Cobbe Balbis Hort. Taur., 1812, p. 54
= Bhus Toxicodendron Linn. (Cf. n. 22.)
(22) „ integrifolia Capelli Hort. Taur., 1821, p. 41
= Bhus Toxicodendron Linn. (Cf. n. 21.)
23 Schieckea Karsten in Bot. Zeit. VI, 1848, p. 398
= Maytenus toyarensis Badlk. *^
24 Schmidelia bahiensis Turcz. Bull. Mose, 1858,
p. 398, Blanchet n. 2344
= Connarus Blanchetii Planch. ^^
25 n integrifolia Tenore Hort. Neap., 1845, p. 65
;= Bhus Toxicodendrob Linn,
BadUeofer: üeher Sapindua etc, 313
26 Schmidelia oblongifolia Baker in Oliy. Fl. trop.
Afr., I, 1868, p. 424
= Euphorbiacea. (V. p. 243, annot.)
27 „ ? r eflexa Baker in Oliv. Fl. trop. Afr., I, 1868, p. 425
= Euphorbiacea. (V. p. 243, annot.)
(28) Talisiae affin. Eunth 1. infra c.
= Eleutheria nobilis Tr. & PI. (Cf. n. 36.)
29 Thouinia? dicarpa Turcz., Bull. Mose. 1863, p. 587
= Hymenocardia lyrata Tul. (ex descript,),
30 n polygama (non G. Meyer) Miq. in PI, Hohenack.,
Kappler n. 1642
=: Trichilia sp. (V. obs. 1.)
31 » sp. Griseb. in PI. Hohenack., Kappler n. 2130
=== Trichilia sp. (V. obs. 1.)
32 Sapindacea Cat. Kew. Hb. Griff, etc., 1865, n. 1020/3
= Engelhardtia polystachya Eadlk. *®
33 „ DC. Prodr. Vm, 1844, p. 270 (Halesia temata Blanco)
= Illigera sp. *•
34 „ Funk coli. n. 819, ao. 1843
= Zanthoxylum sp.
35 „ Galeotti coli. n. 4296, ao. 1840
= Gouania sp. *®
36 „ („Talisiae affin.?«) Kunth in Humb. Bonpl. K. Nov.
Gen. etc. VU, 1825, p. 214 (Ed. in 4«, p. 276;
Kunth Synops. IV, p. 268)
= Eleutheria nobilis Tr. & PL in Ann. Sc.
nat. 1872, XV, p. 376 (Schmardaea nobilis
Karst. Fl. Columb.I, p. 187, t. 93). (Cf. n. 28.)
(37) „ Linden coli. n. 1547, ao. 1843
= Zanthoxylum sp. (Cf. n. 20.)
38 » Miq. in PI. Hohenack., Metz n. 835
= Amoora Bohituka W. & Am. (Cf. n. 6.)
39 n Miq. in PI. Hohenack.^ Metz n. 1559
.= Bischoffia javanica Bl.
40 „ Spruce PL bras. n. 1890, ao. 1851
= Trichilia septentrionalis C. DC. in Flor,
bras. Fase. 75, 1878, p. 220. (Cf.n.5.)
314 Sitzung der math.-phya, Classe vom 1. Juni 1878.
Von den PflaDzen dieser Liste sind 2 zur Zeit noch
nicht bestimmt, nämlich n. 1 und 3 (8), beides Pflanzen
von Seemann aus den Fidji-Inseln und nur flüchtig von
mir in London gesehen.
Die übrigen, theils vollständig, theils wenigstens der
Gattung oder der Familie nach bestimmt, gehören 12 ver-
schiedenen Familien an, welche hier in alphabetischer Ord-
nung und unter Hinweisung auf die betreffenden Nummern
der Liste noch besonders zusammengestellt sein mögen:
Anacardiaceae: n. 21; (22); 25.
Burseraceae: (10); (15); 17; 19.
Caesalpinieae: (11); 14; 18.
Gelastrineae: 9; 23.
Gombretaceae: 2; 33.
Connaraceae: 24.
Dipterocarpeae : 12; (13).
Euphorbiaceae: 7; 26; 27; 29; 39.
Juglandeae: 32«
Meliaceae: 4; (5); (6); 16; (28); 30; 31; 36; 38; 40.
Rhamneae: 35.
Zanthoxyleae: 20; 34; (37).
Es sind das grossentheils dieselben Familien, von denen
mehrfach Pflanzen auch in die Gattung Sapindus selbst
sich verirrt haben, wie die diesem Anhange unmittel-
bar vorausgehende Znsammenstellung ersichtlich macht. Am
stärksten ist von solchen Missnahmen die Familie der Me-
liaceen betroffen. Es ist das auffallend, da die Meliaceen
nicht blos durch den Bau ihrer Blüthen, sondern auch,
was die meisten der hier in Frage kommenden Gattungen
betrifft, durch Momente des Habitus, besonders durch die
Gestaltung des Blattes (s. ob. 8. 233 in der Anmerkung)
und häufig durch eine eigenthtimliche glanzlose Glätte der
Blättchen auch flüchtigen Blickes nicht schwer von sonst
ähnlichen Sapindaceen zu unterscheiden sind.
SacUhofer: Ueher Sapindus etc, 315
Weiter ist anflfiallend , dass verhältnissmässig häufig
Pflanzen aus Familien, welche durchgehends oder £euit durch-
gehends einfache Blätter besitzen, für Sapindaceen ange-
sehen worden sind, welchen doch in nur wenigen Gattungen
ausschliesslich und in nicht viel mehreren blos bei ein-
zelnen Arten (s. ob. S. 260) einfache Blätter zukommen,
was grosse Vorsicht in entsprechendem Falle nahe legt.
Tabelle II.
Als Sapindus- Arten, selbständige oder un-
selbständige, mit Recht bezeichnete Pflanzen.
Vorbemerkungen.
1) Die Tabelle II gibt in ähnlicher Anordnung wie Ta-
belle I unter fortlaufenden Nummern, in alphabetischer Reihen-
folge und mit Angabe der Zeit ihrer Veröfientlichung eine Auf-
zählung derjenigen in der Literatur (einschliesslich veröffent-
lichter Sammlungen) bis jetzt unter dem Gattungsnamen Sa^
pindus aufgeführten Pflanzen, welche sicher, oder, was die
mangelhaft bekannten Pflanzen betrifft, gemäss bestimmter
positiver Anhaltspunkte doch sehr wahrscheinlich zur Gattung
Sapindus gehören, unter Ausscheidimg in Synonyme und
eigentliche, selbständige Arten.
Den Synonymen ist der Name der Art beigesetzt,
zu welcher sie hier gerechnet werden.
Die eigentlichen Arten sind durch gesperrten
Druck hervorgehoben. Für sie ist das Vaterland, resp.
der Verbreitungsbezirk namhaft gemacht.
2) Die Einklammerung der laufenden Num-
mern hat dieselbe Bedeutung wie in Tabelle I (sieh dort
Vorbemerkung 2). Auch die gegenseitige Verweisung bei
den betreffenden Namen ist dieselbe wie dort.
3) Für die synonymischen Namen ist, abgesehen von
jenen mit eingeklammerter laufender Nummer, dorch Vor-
druck einer Doppellinie oder durch Fehlen dieses
316 Sitzung der math.-^hys» Glosse vom i. Juni 1878,
Zeichens, ähnlich wie in Tabelle I, angedeutet, ob dieselben
erst hier oder schon früher aus der Reihe der eigentlichen
Arten gestrichen worden sind (vergl. Vorbem. 3 zu Tab. I).
4) Ruf- und Fragezeichen, femer in eckige
Klammern eingeschlossene Autornamen, gleich-
wie auch das Fehlen dieser Bezeichnungen am Ende der
den synonymischen Namen beigesetzten Angaben hat die-
selbe Bedeutung wie in Tabelle I (s. dort Vorbemerkung 4).
Auch hier ist abgesehen von den Namen mit eingeklammerter
laufender Nummer. Das Rufiseichen ist zwischen Klammern
gesetzt, wenn die Materialien, auf deren Autopsie es hin-
deutet, nicht unzweifelhaft authentische sind.
Auf die Zusätze ist ebenso, wie in Tabelle I, durch
über der Zeile stehende Ziffern hingewiesen, welche
die Reihenfolge der zu Tabelle I und ihrem Anhange ge-
hörigen unmittelbar fortsetzen.
5) Das unter dieser Ziffer zu Tabelle I Bemerkte gilt
selbstverständlich auch für Tabelle II.
1 S. abruptus Lour., 1790 = S. Mukorossi Gt. [EL]
2 abstergens Roxb. Ic. 1235, \ _ trifoliatus Limi ' «^
ed. Wight & Am., 1834 f ~ tntoiiatU8i.imi..
3 acuminatus Rafinesque, 1836. — America borealis
calidior (Carolina, Texas etc.). *^
4 acuminatus Wall. ed. Royle,
1839 (WaU. Cat. n. 8035,
1847)
5 acutus Roxb. Ic. 1965, ed. \ = trifoliatus Linn.
Wight & Am., 1834 J [W. & Arn.]
6 II angulatus Poir., 1804 = trifoliat. Linn.? *»
7 angustifoHus Bl., 1847 = Rarak DC. ! »*
== S. Mukoros. Gaert. !
(8) aromaticus Endl. Enchind., \ x -i? v . t •
^ ^ ,^-- 1, 1 X 1 a I = tnfouatus Linn.
1841 , spnalmate loco S. > ,p« s
emarginat. Vahl | V • • -^
Eadlkofer: üeher Sapindus etc.
317
9 S. balicus Radlk., J878. —
60.) "
10 II detergens (non Roxb.) Cat.«
Kewens. Hb. Griff, etc. n.
1006/4, 1865, quoad spec.
c. Mus. Paris, communic.
detergens Eoxb., 1814
Insnla malaica Bali. (Of. n.
11
12
13
14
15
16
17
(18)
(19)
(20)
(21)
22
23
24
= S. Barak DC. I 6«
detergens (non Eoxb.) Wall. \ _
Cat. n. 8042, 1847 I ""
divaricatus Hb. Willd. ed. I _
Camb., 1825 / ""
Drummondi W.Hook. & Am., \
1841, var. o | "
Drummondi W.Hook. & Am., \ _
1841, var. /? f ~
emarginatus(nonVahl)Tenore \
Hrt. Neap., 1845 (Pasquale > =
Hort. Neap. 1867) '
emarginatus Vabl, 1794 =
emarginatus (non Vabl) Wigbt \ _
& Am., 1834, quoad S. de- > "^
terg. Roxb. i
foliis altemis Thunb., 1784 =
(„jap. Mukorossi")
foliis costae alatae innascenti- =
busPlum.— Toumef., 1694
foliis oblongis etc. P. Browne, =
1756
Forsythü DC, 1824 =
fuscatus Hb. Harn. ed. Wall. \ _
in Cat.n. 8042, 1847 f
inaequalis DC, 1824
[1878 3. Matb.-phys. Cl.]
Mukorossi Gaert. I
(Cf. n. 18.)
Rarak DC !
Saponaria Linn. !
acuminatus Rafin. I
Saponaria Linn. I
Mukoros. Gaert. !*^
trifoliatus Linn. !
(Cf. 8, 37, 39.) "
Mukorossi Gaertn.
(Cf. n. 11.)
Mukorossi Gaertn.
(Cf. n. 44.)
Saponaria Linn.(Cf .
n. 53.)
SaponariaLinn.(Cf.
n. 53.)
Saponaria Linn. !
-= Rarak DC. [Hiem.]
Saponaria Linn. !
(Cf. n. 30.)
22
318 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 1. Juni 1878.
25 S. inaequalis (non DC.) Tenore \
Hort. Neap., 1845 (Pas- [ = S.
Mukorossi Gaert. ! *•
26
27
28
(30)
(31)
32
33
34
35
36
(37)
(38)
(39)
40
41
quäle Hort. Neap , 1867)
indicus (non Poir.) Pasquale \
Hort. Neap., 1867 (et alii [ =
Hort. Catal.) i
indicus Poir., 1804 =
indicus Beinwardt ed. Bl. in 1 =
Cat., 1823 („Jarak«)
}
(29) laurifolius (non Vahl) Harn.,
1832,quoadEarakRumph. > =
Hb. Amboin. ■'
laurifolius (non Vahl) Hb. =
Balbis ed. DC, 1824
laurifolius Vahl, 1794 =
longifolius (non Vahl) Bojer \ __
Hort. Maurit., 1837 j
longifolius (non Vahl, nee. \
WiUd.Sp.)W.Enum., 1809 J
maduriensis Perrott. ed. Du-
chesne in PI. util., 1846
Manatensis Shuttelw. in PL
)
Rarak DC. ! «•
Saponaria Linn. (!) ^ ^
Rarak DC. (V. p.
258.)
RarakDC.(Cf.n.49.)
Saponaria Linn. (Cf.
n. 24.)
trifoliatus Linn. (Cf.
n. 56.)
Rarak DC. (!) «»
SaponariaLinn. ! *'
= Rarak DC. ? «*
Rugel, 1845. -
America borealis calidior (Florida). (Cf. n. 38.) *^
ut. \
}im >
marginatus (non W.) aut. \ ^ • x t^ n .
americ. plur. , praesertim ' =^ ^- ^^^^^^us Rafin !
Torrey & Gray, 1838
(V. n. 3.)
marginatus Cat. Kewens. Hb. \
Griff, etc. n. 1006/3, 1865, [ ""
sphalm. loco S. emarginat. i
marginatus (non W.) Gray m \
Smithon. Contr. lU, 1852, [ ""
quoadS.Manatens. Shuttel. f
marginatus Walpers, 1842, =
sphalm. loco S. emarg.
marginatus Willd., 1809 =
microcarpus (non R. & P. 1
Don 1831, quoad descript. |
trifoliatus Linn. (Cf.
n. 17.)
Manatensis Shuttel.
(Cf. n. 35.)
trifoliatus Linn. (Cf.
n. 17)
Saponaria Linn. ! * *
Saponaria Linn. ^'^
Badlhofer: Üeber Sapindw etc. 319
42 S. moUis Bl., 1847 = S. trifoliatus Linn.!
43 II Mukorossi (non Gaertn.) Co- | _ trifoliatus Linn. ! «»
nnaldi, 1835 |
44 Mukorossi Gaertn., 1788. — Japonia, China, India
Orientalis. (Cf. n. 19.)
45 oahuensis Hillebr. , 1869. — Insula sandwiccensis
Oahu. ß»
46 II peruvianus Walpers, 1843 = S. Saponaria Linn. !
47 pinnatus Miller, 1768? = Barak DC? [DG.] ^o
48 polyphyllus Roxb. 1814 = Barak DO. [Kurz]
49 Barak DC., 1824. — Insulae malaicae, Cochinchina,
Pegu,Malacca (introductus in ins. Ceylon, ins. Sechellar.
et mascarens.). (Cf. n. 29, 54.) ^^
50 II rigidus Miller, 1759 =S. Saponaria Linn.!
51 II Byteh Delile, 1813 -^ trifoliatus Linn. ^2
52 Saponaria (non Linn.) aut. \ . . -r» n
^ . ^1 ^- I == acummatus Bann,
amenc. plur., praesertim > rr» o n
ElUot, 1821 / '^"^•1
*53 Saponaria Linn. Sp. PI, Ed. I, 1753. — America
tropica et subtropica, Polynesia, ins. Philippinenses
(translatus ad Africae oram occidentalem, ins. mas-
carenses etc.). (Cf. n. 20, 21, 58.)^'
(54) Saponaria (non Linn. Sp. PI. 1
Ed. I) Linn. Sp. PI. Ed. H, I = S. Barak DC. (Cf. n.
1762,quoadBarakBumph. j 49.) ^*
Hb. Amboin. J
55 stenopterus DC, 1824 = Saponaria Linn. I
56 trifoliatus Linn. Sp.Pl. Ed. I, 1753. — India orien-
talis,Persia? (translatus ad ins, Madagascar). (Cf.n.31.)
57 vitiensisA. Gray, 1854. — Insulae Viti.
(58) (sp.) Linnö Hort. Cliff., 1737 = S. Saponaria Linn. (Cf.
n. 53.)
59 II (sp.)? Spruce PI. brasil., 1852 = Saponaria Linn. !
(60) (sp.) Teysm. & Binn. Cat. Hrt. \
Bogor., 1866 (p. 215 [ = balicus Badlk. (Cf.
„Balie«) f n. 9.)
22*
320 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 1. Juni 1878.
Nach Abzug der bei einer Zählung der Arten tiber-
gehbaren 14, welche unter eingeklammerten Nummern auf-
geführt sind (s. Vorbemerkung 2), beläuft sich die Zahl der
bisher in der Literatur (und ihr gleich zu achtenden
veröffentlichten Sammlungen) enthaltenen zu Sapindus
gehörigen Pflanzen auf 46.
Diese reduciren sich auf 9 Arten. Eine davon war
bisher als Synonym betrachtet (S. Manatensis Shuttelw.),
eine andere unter einem irrig, aber ziemlich allgemein auf
sie angewendeten Namen als Art angesehen worden (S. acu-
minattis Raf unter dem Namen S. marginatus Willd.),
welcher Name nur gelegentlich seinem wahren Werthe ent-
sprechend (als Synonym von S. Sapmaria L.) aufgefasst worden
ist (von A. Richard, s. Zusatz n. 66).
Als blose Synonyme erscheinen von den obigen
46 Pflanzen, resp. Pflanzenbezeichnungen, 37.
Von diesen waren bald mehr, bald weniger entschieden
schon früher als Synonyme betrachtet worden 23; 14
werden erst hier in die Reihe der Synonyme verwiesen.
Für die Deutung von 26 dieser 37 Synonyme ist die
Gewähr autoptischer Untersuchung gegeben, welche sich
übrigens in 2 Fällen (S. indicus Poir., S, longifolivs
Bojer) auf Materialien von nur unsicherer Authenticität
stützt. Von den übrigen 11 beruhen 6 auf den Angaben
anderer Autoren; es sind das mit Ausnahme von zweien
ostasiatische (indische und cochinchinesische) Pflanzen ; 3 er-
geben sich aus den Anführungen der betreffenden zu be-
richtigenden Autoren selbst mit befriedigender Sicherheit
(u. 28, 41, 51); 2 endlich lassen sich nach den darüber
vorhandenen Mittheilungen zur Zeit nur fragweise deuten
(n. 6 u. 34).
Diese 37 Synonyme vertheilen sich auf 5 Arten in
folgender Weise: Es treffen
Badlkofer: Ueher Sapindus eic. 321
auf S. Saponaria 12 (S. diyaricatas, Drummondi /?, For-
sythii, inaequalis DC, indicus Poir. ? , longifolius
W. Enum. , marginatus W., microcarpus Don,
perayianus, rigidus, stenopterus, S. spec. ? Spruce);
» S. Rarak 10 (S. angustifolius , detergens Cat. Eew.,
detergens Wall., fuscatus, indicus Pasq., indicus
Reinw., maduriensis ?, longifolius, Boj.?, pinnatus,
polyphyllus) ;
» S. trifoliatns 7 (S. abstergens., acutus, angulatus?,
emarginatus Yahl, moUis , Mukorossi Gorin.,
Ryteh) ;
> S. Mukoros8i5(S. abruptus, acuminatus Wall., deter-
gens Roxb., emarginatus Ten., inaequalis Ten.) ;
» S. acuminatus 3 (S. Drummondi a, marginatus aut.
americ. plur., Saponaria aut. americ. plur.).
Dazu kommen von SynoQymen (mit dem Gattungsnamen
Sapindus) bei Berücksichtigung der mit eingeklammerten
Nummern versehenen Namen:
auf S. Saponaria noch 4 (n. 20, 21, 30, 58), im
ganzen also 16;
» S. Rarak » 2 (n. 29, 54), > > 12;
» S. trifoliatus » 4 (n. 8, 31, 37, 39), » » 11;
> S. Mukorossi > 2 (n. 18, 19), > > 7;
» S. Manatensis femer 1 (n. 38), » » 1;
> S. balicus ebenso 1 (n. 60), » » l.
Kein Synonym, d. h. keines der in Taballe II berühr-
ten (mit dem Gattungsnamen iSa2>«^e2t«6[), fällt aufS. oahu-
ensis und S. vitiensis.
Für die hier als giltig angesehenen 9 Arten war nur
in einem Falle, nämlich für 8, acuminatus Raf., die Au-
topsie betreffender Originalien nicht zu erlangen, welche aus
America erhaltener Nachricht gemäss überhaupt kaum mehr
existiren dürften.
322 Sitzung der math.'phys. Glosse vom 1, Juni 1878,
Das Gesammtresultat der in Tabelle I und
II Yorgenommenen Sichtung des auf Sapindus
bezüglichen Materiales ist folgendes:
Die Summe der bisher aufgestellten Sapin-
dus-Arten, oder genauer genommen der bisher für ver-
meintliche und wirkliche Sapindus-Arten aufgestellten Be-
zeichnungen mit dem Gattungsnamen Sapindus (also mit
Ausschluss der vor der Constituirung der Gattung durch
Linne, i. J. 1737, gebrauchten und mit Ausschluss der
einen anderen Gattungsnamen tragenden Synonyme) beträgt
185 (125 Tabelle 1 + 60 Tab. II) und nach Abzug der
33 (19 Tab. 1+14 Tab. II) mit anderen auf dieselben
Materialien sich beziehenden (durch Einklammerung der be-
treffenden Nummern gekennzeichneten) 152.
Von diesen 152 Bezeichnungen betreffen Pflanzen,
welche nicht zur Gattung Sapindus gehören,
106. Davon waren 53 schon früher als nicht zu Sapindus
gehörig bezeichnet ; 53 wurden es hier (s. Tabelle I).
Aufpflanzen, welche zu Sapindus gehören,
beziehen sich von obigen 152 Bezeichnungen 46. Von diesen
bleiben nur 9 für die allein als giltig und selbständig
anzusehenden Arten erhalten; die übrigen 37 treten
in die Reihe der Synonyme zurück, auf 5 der giltigen
Arten sich vertheilend. Von den 37 Synonymen waren 23
schon früher als solche bezeichnet worden; 14 wurden es
hier (s. Tabelle II).
Aus der Reihe giltiger Artbezeichnungen mit dem Gat-
tungsnamen Sapindus^ oder nach kürzerer üblicher Sprech-
weise, aus der Reihe der Arten von Sapindus
treten also überhaupt 143 (106 Tab. I + 37 Tab. II),
das ist noch etwas (um 2 Arten) mehr, als die Gattung
Jahre ihres Bestehens zählt, und zwar 67 (53 Tab. 1+14
Tab. II) von diesen 143, also nahezu die Hälfte, erst an
dieser Stelle.
Ecidlkofer: üeber Sapindus etc. 323
Unter Hinzurechnung der durch die einfache stehende Linie
in Tabelle I angedeuteten Modificationen, 16 an der Zahl, steigt
die Summe der wesentlichen Veränderungen,
welche bei gegenwärtiger Revision der Gattung Sapindus
in den Auffassungen des auf sie bezogenen und (laut Ta-
belle II) zum Theile wirklich zu beziehenden Materiales vor-
zunehmen waren, auf 83. Und damit ist die Zahl derartiger
Veränderungen noch nicht erschöpft ; denn es ist ja hier nur
die Rede von den in den vorstehenden Tabellen verzeichneten
Auffassungen, welche unter der speciellen Ueberschrift „iSla-
pindus^*^ zum Ausdrucke gelangt sind, nicht auch von jenen
gleichfalls auf Sapindus sich beziehenden, welche unter einer
anderen Ueberschrift (sei es Cupania oder Zanthoxylum,
Bittelasma oder Pancovia u. s, w.) zu Tage getreten sind,
und welche nicht hier Erwähnung finden konnten, sondern
nur in dem vorausgehenden oder folgenden Theile (s. S. 258,
S. 259 Anmerk. 9, S. 272 und Zusatz 73).
Es gibt das keine sehr erfreuliche Vorstellung von dem
gegenwärtigen Zustande der systematischen Botanik, hundert
Jahre nach Linne's Tod! Doch ist dieser Zustand leicht
erklärlich, wenn man bedenkt, dass noch keinerlei Organi-
sation der Arbeit, jetzt so wenig wie zu Linnens Zeit für
diesen Zweig der Wissenschaft, für dessen Förderung sie so
noth wendig wäre, besteht. Organisation der Arbeit ist es
sicherlich nicht, wenn 10 Arbeiter an 10 verschiedenen
Orten, mit je V*® des zu einer erspriesslichen Arbeit in
seiner Gesammtheit gerade dürftig ausreichenden Materiales
und in ^jto der dazu nothwendigen Zeit dasselbe Ziel an-
streben, so dass die aus der Mangelhaftigkeit des gesammten
Materiales immer noch resultirenden und zur Zeit kaum ver-
meidlichen Fehler auch richtig verzehnfacht, wenn nicht in
noch höherem Masse vervielfältiget werden. Zu helfen
wäre leicht, aber nur mit vereinten Kräften.
Zusätze.
A. Zusätze zu Tabelle I.
1. Die Ueberführung von Sapindus arhorescens Aublet
in Cupania Aubletii Miquel wurde von letzterem Autor in
den Stirpes surinamenses selectae (1850) auf Grund der
Identificirung einer von „Kapp 1er" (oder der Etiquette
nach von Hostmann) gesammelten Pflanze — nämlicli der
von Hohenacker mit der Bezeichnung Sapindm (spec.)
Miq. i. J. 1846 herausgegebenen Nummer 600,a der Host-
mann-Kappler'schen Pflanzen — mit der betreffenden
Aublet 'sehen Beschreibung und Abbildung vorgenommen.
Ich kann nach directer Vergleichung der Aublet'schen
Originalpflanze mit der Eappler's die Richtigkeit der
ÄliqueTschen Annahme von der Uebereinstimmung beider
bestätigen. Als unrichtig dagegen muss ich es bezeichnen,
wenn Miquel zugleich die Thouinia polygama (j, Meyer
(1818) mit den eben erwähnten Pflanzen in Verbindung
bringt. Meyer's Pflanze ist höchst wahrscheinlich nicht
einmal eine Sapindacee. Ebensowenig kann ich sie in der
von Miquel in Linnaea 1844, p. 755 als Thouinia pdly-
^raiwa Mey. bezeichneten Meliacee, Eappler n. 1642, er-
kennen, oder in der später als Thouinia spec. vonGrise-
bach (laut autographirter Etiquette) bestimmten Meliacee,
Eappler n. 2130. Meyer 's Pflanze mag eine unklar
aufgefasste Simarubacee oder ein Gemisch von zweierlei
Eadlkofer: lieber Sapindus etc. 325
Pflauzen sein. Mit voller Sicherheit wird sich das schwer-
lich mehr eruiren lassen, da das betreffende Original (nach
brieflicher Mittheilung von Grisebach) nicht mehr vor-
handen sein soll. Eine andere Pflanze allerdings, welche
Miqnel i. J. 1849 als Thouinia polygama Mey. bestimmt
hat, d. i. Kapp 1er n. 1829 , gehört als identisch mit
Eappler oder Hostmann n. 600,a zn Cupania Aubletii
Miq., wie auf späteren (autographirten) Etiquetten der be-
treffenden von Hohenacker edirten Sammlung richtig
angegeben ist. Mit Meyer^s Pflanze hat diese Thouinia
polygama so wenig zu schaffen, wie die von Miquel i. J.
1844 so genannte.
lieber zwei andere, unter 7 und 8 der Tabelle aufge-
führte Pflanzen der Kapp 1er 'sehen Sammlung (n. 1377
und n. 744), welche Miquel früher irriger Weise für Sapin-
dus arhorescens Aubl. bestimmt, in den Stirpes surinamenses
(1850) aber anders gedeutet hat, behalte ich mir das eigene
Urtheil für eine Betrachtung der Gattung Cupania vor.
Ebenso auch ein näheres Eingehen auf die Aubl er-
sehe Pflanze selbst.
2. Da Atalaya australis Ferd. Müll. (Fragm. Phytogr,
Austral. I, 1858 — 59), hervorgegangen aus Thouinia austra-
lis A. Rieh. (Sertum Astrolab., 1834), nur ein Synonym
von Atalaya salicifolia Bl. (Rumphia, 1847) ist, so steht
nichts im Wege, den von Bentham in Sapindus austra-
lis gebrauchten Speciesbeinamen in Atalaya australis Radlk.
zu erhalten.
Die Pflanze, welche Bentham bei Aufstellung seines
Sapindus australis vorlag, und welche ich gesehen habe,
besitzt keine Früchte und überhaupt nur männliche Blüthen.
Aber auch an diesen ist aus der Gestalt des Pistillrudimen-
tes die Zugehörigkeit zur Gattung Atalaya leicht zu ent-
nehmen.
326 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 1. Juni 1878,
Für identisch mit dieser Pflanze halte ich Fruchtexem-
plare, welche mir durch die Güte Ferd. v. Müller 's unter
nicht zu edirender Bezeichnung zugekommen sind, und deren
Früchte durch dichte Behaarung am unteren Theile, und
durch stark nach abwärts gekrümmte Flügel vor denen der
Atalaya salicifolia sich auszefchnen.
Die Charakteristik der neuen Atalaya australis mag
zusammen mit der einer andern neuen Art, welche ich im
Hb. van Heurck, von F. v. Müller mitgetheilt, gesehen
habe, in folgender üebersicht des bisher bekannt geworde-
nen Gattungsinhaltes Platz finden.
Atalaya Bl.
Sectio I. Fseudatalaya (Pseudatalaya H. Baill., Hist. d. PI.,
1874, p. 419, ]qua genus proprium): Discus 1- la-
teralis (petala 4; alabastra sericeo*tomentosa ; foliola
nervis lateralibus surrectis).
1) A. multiflora Benth. 1863 (Pseudatalaya m. Baill.
1. c. ; A. australis F. Müll. Herb, [partim !] ed. Baill.
1. c),
Sectio II. Euatalaya: Discus annularis, completus (petala
5; foliola nervis lateralibus patulis).
X Alabastra glabra
+ Foliola crasse coriacea (6 — 8)
2) A. coriacea Radlk. : Folia abrupte pinnata, glabra,
petiolo teretiusculo, rhachi dilatata, supra plana, linea
mediana elevata notata, subtus carinata; foliola 3—4-
juga, opposita, oblonga, apice basique angustata, ob-
tusa, in petiolulum latiusculum attenuata, crasse coria-
cea, multinervia, nervis lateralibus patulis, (sicca) fus-
cescentia ; sepala late ovata, praeter marginem ciliolatum
glabra; petala ovata, glabriuscula, supra unguem mar-
gine auriculato-inflexo bisquamulatae: squamulae apice
deflexae, barbatae, dorso crista parva corniformi instruc-
Badlkofer' Ueher Sapindus etc, 327
tae; filamenia hirsuta, antherae puberalae. (Fractus
desunt.) — Australia, Lord Howe's Island: Pullagan
(c. Hb. van Heurck comm. F. Müll.).
+ + Foliola submembranacea (2 — 6 ; fructus
glabri)
3) A. salicifolia BL, 1847 (Sapindus s. DC. 1824;
Capania s. Decaisne, 1834 ; Thouinia australis A. Rieh.,
1834; Atalaya bijnga Spanogh. mss., 1836, ed. Schlecht.
1841; Atalaya australis F. Müll. Fragm., 1858 — 59).
X X Alabastra sericea vel tomentosa (fructus in-
ferne tomentosi)
+ Petiolus nudns (rhachis interdum alata)
* Foliola elliptico-oblonga ; alabastra incano-
tomentosa
4) A. australis Radlk. (Sapindus (?) a. Benth., 1863):
Folia abrupte pinnata, glabra, petiolo tereti, rhachi
supra ,planiuscula ; foliola 2 — 3-juga, opposita vel in-
feriora subalterna, elliptico-oblonga vel inferiora sub-
ovata, omnia subacuta, basi in petiolulum inaequaliter
et sat rapide attenuata, subcoriacea, multinervia, nervis
lateralibus oblique patentibus, (sicca) glaucescentia ; se-
pala ovata, iiicano*tomentosa ; petala oblonga, extus
dense lanosa, intus glabriuscula, supra nnguem brevem
squama lata integra vel emarginata dense villosa ecri-
stata aucta; filamenta hirsuta; fructus cocci inferne
dense pubescentes, alis glabrescentibus &lcatim recur-
vatis apice dilatatis. — Australia, ad Promontorium
York: Macgillivray (Hb. Benth.); Daemel (comm. F.
Müll).
* * Foliola anguste linearia ; alabastra se-
ricea
5) A. he m ig laue a F- Müll. Herb. ed. Benth., 1863
SThouinia h. F. Müll. Fragm. 1858—59).
328 Sitzung der math.-phys, Classe vom 1, Juni 1878,
+ + Petiolus (foliorum compositornm) rhachisque
insigniter alati ; alabastra flavido-tomentosa
6) A. variifolia F. Müll. Herb. ed. Bentk, 1863 (Thou-
inia v. F. Müll. Fragm. 1858—59).
Speeies dubiae: A. annnlaris BL; A. cochinchi-
nensis Bl. (Rumphia, 1847).
Die letzteren beiden Arten sind Interpretations versuche
von Blume, welche, wie die ihnen zu Grunde liegenden
Aufstellungen von Blanco und Loureiro lediglich als
o£Pene Fragen für die Zukunft zu registriren sind. Die an
gleicher Stelle von Blume ausgesprochene Vermuthung über
die Zugehörigkeit von Gupania anacardioides A. Rieh, zu
Atalaya ist längst beseitigt.
Bentham beschreibt für Ä, muUiflora neben anderen
auch behaarte Früchte und solche mit sichelförmigen Flügeln.
Ich vermuthe, dass diese Angaben sich auf Fruchtexemplare von
A. australis Radlk. beziehen. Leider fehlen mir unzweifel-
haft zu A. muUiflora gehörige Früchte, so dass ich meiner
Vermuthung grössere Bestimmtheit nicht zu geben vermag.
A. coriacea Radlk. ist nicht blos im äusseren Ansehen
des Blattes, welches fast eher an Gupania anacardioides
A. Rieh, als an eine Atalaya erinnert, sondern auch in
der Structur desselben so wesentlich abweichend von der
im übrigen zunächst stehenden A, salidfolia^ dass ich nicht
fehl zu greifen glaube, wenn ich sie als besondere Art auf-
fasse. Den in Vergleich mit -4. salicifolia wenigstens drei-
mal so dicken Blättchen der A, coriacea fehlen nicht nur
die harzfiihrenden Zellen, welche bei A, salicifolia gewöhn-
lich vorhanden sind und die meist dicht gelagerten durch-
sichtigen Punkte bilden, sondern auch, was ausserdem nur
noch für A. variifolia der Fall ist, die flachen, einen braunen,
gerbsto£Partigen Körper enthaltenden Zellen, welche an der
Blattoberseite zwischen der Epidermis und dem eigentlichen
Pallisadeugewebe gewöhnlich in doppelter, seltener in drei-
Badlkofer: lieber Sapindus etc. 329
&cher oder nur einfacher Lage bei A. salicifolia (wie bei
Ä. multifloraf amtralis und hemiglauca) auftreten. Weiter
ist die äussere Membran der oberseitigen Epidermiszellen
bei Ä, cariacea getüpfelt, bei Ä. salicifolia nicht. Noch
bemerke ich, dass die Angaben für A. coriacea auf Blätter
und Blüthen des gleichen Zweiges sich beziehen.
3. Da für alle übrigen unter n. 8041 A — I in Wal-
lich 's Gatalog aufgeführten Pflanzen die Identität mit
Erioglossum ruhiginosum Bl. (über welches Zusatz 8 u. 10
zu vergleichen) ausser Zweifel steht, so erschien es mir zu-
lässig, auch für 8041 C, d. i. j^Sapindtis asogius^^ und
,ßapindu8 montanus^^ das Gleiche zu vermuthen. Gesehen
habe ich die betre£Penden Pflanzen nicht.
4. Blume, welcher überhaupt geneigt war, dem Vater-
lande der Pflanzen bei der Sonderung und Abgrenzung der
Arten ein zu grosses GcMricht beizumessen, hat Sapindus
baccaius Blanco als eine besondere Art der Gattung Ofo-
phora unter dem Namen 0. Blancoi Bl. betrachtet. Da
inzwischen durch die Sammlung von Cuming, n. 1127
(welche Nummer vielleicht identisch mit der mir nicht zu
Gesichte gekommenen n. 1922, d. i. Otolepis nigrescens Turcz.
1848 = Otophora Blancoi Bl. sec. A. Gray iu Bot. Wilkes
Expl. Exped., 1854), Gewissheit darüber erlangt worden
ist, dass Otophora fruticosa ^1. auch auf den Philippinen
vorkommt, und die Beschreibung Blanco 's zugleich gut
auf diese Pflanze passt, so scheint es mir kaum zweifelhaft,
dass 0. Blancoi Bl. als identisch mit 0. fruticosa Bl. zu
betrachten, und ^ die erstere Bezeichnung desshalb durch die
letztere (aus Sapindus fruticosus Roxb. hervorgegangene)
zu ersetzen sei.
Blanco selbst hat in der zweiten Ausgabe der Fl.
Filip. (1845), welche Blume nicht gekannt zu haben
330 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 1, Juni 1878.
scheint, seinen 8. baccatus zur Gattung Koelreuteria ("„Z*.
edulis^^) gebracht. Das ist jedoch schon gemäss der Be-
zeichnung der Frucht als einer essbaren Beere, mag die-
selbe auch, wie in der zweiten Ausgabe angegeben wird,
dem Autor nur unvollständig entwickelt vorgelegen haben,
sicher unrichtig. Die üebertragung eines Theiles der in
der ersten Ausgabe unter Sapindm aufgeführten Arten in
die Gattung Koelreuteria scheint überhaupt nur für eine
Art (Sapindtis Koelreuteria Ed. I, Koelreuteria arhorea Ed. II)
einigen Sinn zu haben, in so fern als man annehmen kann,
dass der Autor damit dem einseitigen Discus dieser Pflanze
gerecht werden wollte. Man vergleiche hiezu Zusatz 14.
5. Von Sapindus capensis Sonder, welche nach diesem
Autor aus den Sammlungen von Drege und Eck Ion &
Zeyher bekannt ist, liegt mir nur ein mangelhaftes Exem-
plar des Wiener Herbars, Drege n. 8266, vor, ohne Früchte,
nur mehr die Fruchtstiele und allzu junge, in der ersten
Entwicklung stehende Inflorescenzen tragend. Weiteres
Material wurde mir, ungeachtet wiederholten, mündlich und
schriftlich an die geeignete Adresse gerichteten Ersuchens,
nicht zu Theil. Trotz der besagten Mangelhaftigkeit des
Materiales glaube ich nach dem, was die mikroskopische
Untersuchung der für entscheidende Resultate allerdings viel
zu jungen Blüthen gezeigt hat, und nach den übrigen Eigen-
thümlichkeiten der Pflanze, dieselbe als in der That zur
Familie der Sapindaceen gehörig betrachten zu dürfen, und
zwar als den Typus einer besonderen Gattung dieser Familie,
welche der Gattung Deinbollia nahe zu stehen scheint. Aus
der Untersuchung des erwähnten Materiales ergibt sich unter
Beiziehung der von Sonder gemachten Angaben folgende
mangelhafte Charakteristik :
Smelophyllnm Radlk. (Sapindus spec. Sond. in Fl.
capens. 1859 — 60): Flores reguläres, monoico-polygami(?).
Sadlkofer: üeher Sapindus etc. 331
Sepala 5, imbricata, crassiuscala, pellncido-punctata, extus
puberala glandulisque lepidiformibus obsita. Petala 5. Dis-
cus, quantum concliidi potest ex interstitio conspicuo inter
petalorum et staminum (pistillo quam maxime approxima-
torum) insertionem, extrastaminens. Stamina 8; antherae
introrsae. Pistilli primordium 2? - merum. (Omnia haec
ex investigatione microscopica sectionum transversalium
alabastri juvenilis.) Fructus breviter stipitatus, coccos li-
beros („carpella") 2—1 subglobosos, carnosos, glabros, cera-
siformes, 1-spermos exhibens. Semina erecta, subfusco-pur-
purea, nitida, piso majora (ex Sond. 1. c). — Arbor? ra-
mis junioribus nee non foliis pilis brevissimis crispatis glan-
dulisque ferrugineis adspersis, demum decalvatis; glandulae
lepidiformes, e cellulis heteromorphis, marginalibus yarie ar-
cuatis et pröminulis, materia quadam flavida in aqua nee
non in alcohol sensim sensimqne solubili foetis exstructae.
Folia alterna, exstipulata, abrupte pinnata, petiolo rhachi-
que supra linea mediana elevata notata complanatis, nudis;
foliola 3 — 4-juga, snbopposita, subsessilia, ex ovali sublan-
ceolata, grossiuscule obtuse dentata, margine undulata et
subrevoluta, coriacea, reticulato-venosa, punetis pellucidis
sat insignibus crebris notata, epidermide non mucigera;
puncta pellucida singula cellulas singulas magnas globosas
Tel utriculiformes materia quadam Saponino afi^i et saponis
modo (inde generis nomen) spumam efficiente foetas exhi-
bentia. Thyrsi axillares spiciformes (basi interdum ramosi?)
e dichasiis vel cincinnis paucifloris yix? stipitatis compositi.
Flores parvi, vix? pedicellati.
Species 1: S. cap^nse Badlk. (Sapindus c. Sond. I.e.):
Foliola 5—6 cm longa, 1,5 — 2,5 cm lata. — Promontorium
bonae spei: Eckion & Zeyh. (sec. Sond. 1. c); Drege n.
8266. Fructus maturat m. Dec. (Sond.).
Im Anschlüsse an diese Gattung mögen hier auch die
übrigen neuen Gattungen aus Africa, von welchen schon
332 Sitzung der math.-phys. Classe vom 1. Juni 1878,
S. 271 in der Anmerkung die Rede war, nach Massgabe
der vorhandenen Materialien charakterisirt sein.
Placodlscas Radlk. : Flores reguläres, polygami? (mas-
culi tantum suppetebant). Calyx 5-dentatus, dentibus val-
vatis, ante anthesin subglobosus, apertus turbinatus, extus
velutinus pilisque longioribus articulatis apice glandulosis
adspersus, intus hirtellus. Petala 0 Discus regularis, la-
tiuscule patellaris, raedio excavatus, calycis fundum vestiens,
camosulus, glaber. Staniina 8, intra discum inserta; fila-
menta e basi fere fasiformi filiformia, inferne hirsuta, su-
perne glabra, apice incurva; antherae introrsae, oblongae,
glabrae, dorso supra basin af&xae, vix exsertae. Rudimeu-
ttim germinis obcordatum, 3— 4-lobum, 3 — 4-loculare, pau-
cisetnm; stjli vel stigmata rudimentaria ad latus interius
loculorum brevia, filiformia ; gemmnlae in loculis solitariae,
axi sapra basin affixae. (Flores hermaphroditae non suppe-
tebant, neque fructus.) — Frutex? ramis (quos in Hb.
Paris, floribus descriptis adjectos inveni) petiolisque striatis
pube laxa cincrascente adspersis. Folia altema, exstipulata ;
abrupte pinnata; foliola 4-juga, subopposita, oblongo-lan-
ceolata, inferiora minora subovata, acuminata, basi acutata,
breviter petiolulata integerrima, subchartacea, reticulato-ve-
nosa, glabra, nitidula, pallide viridia, impunctata, epider-
mide non mucigera. Thyrsi (gemini? e ramis adultioribus
enascentes?) spiciformes, cincinnis numerosis paucifloris glo-
meruliformibus obsiti, rhachi angulosa subfnsco- velqtina,
bracteis bracteolisque subulatis velutino-pubescentibus. Flores
sessiles, mediocres.
Species 1: P, turbinatus Radik. : Foliola superiora
15 — 20 cm longa, 4—6 cm lata, inferiora 7 cm louga,
3,5 cm lata; thyrsi circiter 8-centimetrales. — Africa tro-
pica occidentalis : Mann (1859 — 63; ex Hb. Kewensi comm.
c. Mus. Par.). —
Lychnodlscus Radlk. : Flores reguläres, polygami ? (mas-
Radihof er: Ueher Sapindus etc. 333
culi tantum suppetebant). Calyx profunde 5-partitus, lobis
angaste imbricatis ovato-lanceolatis acutis, extas tomento-
sus, intus glabriuseulus. Petala 5, parva, intus supra unguem
squama cum laminae marginibus connata aucta, inde infun-
dibuliformia, glabra, squama vero laminam pauUo superante
margine nee non intus tomentosa. Discus quasi duplex,
lychnucbum aemulans : inferior pateriformis, calycis fundum
vestiens, centro in stipitem brevem patera minore scyphoi-
dea — i. e. disco snperiore — coronatum assurgens, uterque
margine tenui undulato instruetus, glaber. Stamina 10;
intra discum superiorem inserta, calyce pauUo longiora;
filamenta filiformia, basi crassiora, inferne reflexa tomen-
tosa, superne inflexa glabra ; antherae ovatae, glabrae, dorso
supra basin emarginatam affixae, loculis (4) basi introrsis,
apice lateralibus. Rudimentum germinis breviter stipitatum,
tomentosum, triquetrum, triloculare — (gemmnlae non visae
— an abortivae, anne mycelio in loculis obvio destructae?
Flores hermaphroditi non suppetebant, neque fructus.) —
Arbor „30-pedalis" (Mann), ramis leviter striatis petiolisque
laxe hirtello-puberulis. Polia alterna, exstipulata, pari-pin-
nata; foliola 4--6-juga, oblonga, apice serrulata, acutata
vel cuspidato-acuminata, basi subacuta, breviter petiolulata,
subchartacea, supra laeviuscula, nitida, glaberrima, subtus
reticulato-venosa, opaca, glandulis parvis subsessilibus pauci-
cellularibus (capitulo plerumque 4-cellulari) praesertim ad
nervös adspersa, epidermide non mucigera. Paniculae in
ramis lateralibus terminales, ramis 6 — 7 tomentosis leviter
sulcatis dense cincinnigeris, cincinnis sessilibus glomeruli-
formibus 3— 4-floris, bracteis bracteolisque lineari-subulatis
tomentosis apice ramorum comam efficientibus. Flores me-
diocres, pedicellati, pedicellis tomentosis prope basin articulatis.
Species 1: L. reticulatus Radlk.: Foliola 8 — 12 cm
longa, 3 — 4 cm lata. — Ad oram Africae occidentalis in
insula Fernando Po: Mann n. 1422.
[1878. 3. Matb.-phys. C1.1 t 23
334 Sitzung der math.-^ys. Claase vom 1. Juni 1878,
Cotylodlscns Radlk. Flores reguläres, polygami ? (mas-
culi tantuoi suppetebant). Calyx 5-partitiis, lobis imbricatis
rotnndatis margine petaloideis, basi extus pilis parvis seta-
losis adspersos, pellucido-punctatus. Petala 5, obovata, extas
basi pilosa, intus glabra, supra unguem brevem latum squama
late obovata galeato-cucuUata margine pilis subfuscis bre-
viter barbata carnosula petala dimidia aequante aucta,
obscurius pellucido-punctata. Discns cotyloideus, erenulatus,
intus filamentorum pressione striatus, camosulus, glaber*
Stamiiia 8, intra discum inserta, petalis vix longiora; fila-
menta subulata, infeme complanata, glabra; antherae lineari-
oblongae, basi cordatae, dorso supra sinum basilarem af&xae,
introrsae, oonnectivo dorso dilatato, apice in apiculum ob-
tusum producto, basi pilosiusculae, caeterum glabrae. Budi-
mentum germinis triquetrum, triloculare, densissime fusco-
pilosum ; gemmulae in loculis solitariae, axi af&xae. (Flores
hermapbroditi non suppetebant, neque firnctus.) — „Frutex
venenosus^' (Flacourt 1. infra c), trunco subere lamelloso
tecto. Folia deerescentim pari-pinnata, glabra, rhachi 4-an-
gnlari 4-sulcata, angulo superiore magis quam inferior et
laterales foliola emittentes prominente; foliola („feuilles^^
Flac.) opposita, ? — juga (fragmentum tantum folii juga
tria exhibens suppetebat), lanceolato-oblonga, utrinque acuta,
basi inaequali sessilia, crebre subincise spinoso-dentata, un-
dulata, margine indurato revoluto, firme corlacea, lucida,
(sicca) subfosca, quoad strncturam maxime insignia stoma-
tibus singulis in cavitates singnlas subsphaericas poro an-
gusto tantum pervias immersis, impunctata, epidermide non
mucigera. Flores majores, fasciculati; fasciculi e thjrsis
brevissimis cincinnos 5—6 sub-6-floros gerentibus compositi,
e cortice suberoso truncorum enascentes „truncos a basi
usque ad apicem obtegentes^^ (Flac.) pedicellique prope basin
articulati ferrugineo-tomentelli.
Species 1: G. stelechantbus Radlk. („Langhare*^
Badlkofer : Üeber Sapindus etc, 335
Madagascariensium, Flacourt Histoife de la grande isle de Ma-
dagascar, 1661, p. 137, n. 95): Foliola saperiora 18 cm
longa, 5 cm lata, reliqua minora ; „flores sanguinei'* (Flac).
— Madagascar: Flacourt (specimen c. Hb. Vaillant comm.,
in Museo Parisiensi servatum).
Flagioscyphus Radlk. : Flores irreguläres, polygami?
(masculi tantum suppetebant). Calyx parvus, carnosulus, 5-
partitus, lobis imbricatis, duobus exterioribus lata triangu-
laribus acutis, reliquis rotundatis margine petaloideis, basi
extus pilis parvis setulosis adpressis adspersus, punctis pellu-
cidis siccitate prominulis notatus. Petala 4, inferioris sede
(inter sepalum 3. et 5.) vacua, spathulato-oblonga, sepalis
duplo longiora, glabra, pellucido-punctata, intus supra un-
guem brevem latum squama magna carnosula petalum ipsum
altitudine aequante, latitudine duplo superante, apice lato
inflexo obcordato-sinuata, juxta sinum utrinque in processum
cristiformem carnosulum producta, basi cum lamiua connata,
margine tomento denso subfusco yestita aucta. Discus car-
nosus, obliquus, altus, basi pentagono-prismaticus, superne
constrictus, supra stricturam in cupnlam oblique scyphoi-
deam margine 5-lobam ad latus inferius depressam pro-
ductus, angulis lobisque cum petalis alternantibus, praeter
angulos minutim puberulos glaber. Stamina 8 (rarius 7
tantum), intra disci cupulam excentrice circa pistjUum in-
serta; filamenta subulata, adpresse pilosella, apice glabra;
antherae introrsae, oblongae, dorso et margine puberulae,
apice glanduloso-apiculatae , basi excisae, dorso supra ex-
cisuram affixae, primum erectae, denique reclinatae, longe
exsertae. Rudimentum germinis inter disci centrum et mar-
ginem inferiorem positum, rotundato-ovatum , lenticulare,
adpresse tomentosum, biloculare, loculis transversalibus a
lateribus suis compressis, in apiculos stigmatosos desinen-
tibus; gemmulae in loculis solitariae, medio axi affixae.
(Flores hermaphroditi non suppetebant, neque fructus.) —
23*
334 Sitzung der math.-phys. GIobm vom 1, Juni 1878,
Cofylodiscns Radlk. Flores r^ulares, polygami ? (mas-
culi tantuDi snppetebant). Galyx S-partitns, lobis imbricatis
rotnndatis margine petaloideis, basi extus pilis parvis seta-
losis adspersns, pellucido-punctatos. Petala 5, obovata, extas
basi pilosa, intus glabra, snpra nngaem brevem latnm sqnama
late obovata galeato-cncuUata margine pilis snbfuscis bre-
viter barbata carnosula petala dimidia aequante aucta,
obscurins pellncido-punetata. Disens cotyloideus, erenulatus,
intas filamentorum pressione striatus, camoscilas, glaber*
Stamiiria 8, intra discum inserta, petalis vix longiora; fila-
menta subulata, infeme complanata, glabra; antherae lineari-
oblongae, basi cordatae, dorso supra sinum basilarem affixae,
introrsae, connectivo dorso dilatato, apice in apiculum ob-
tusum produeto, basi pilosinsculae, caeterum glabrae. Bndi-
mentum germinis triquetrnm, triloculare, densissime fiisco-
pilosam ; gemmalae in localis solitariae, axi affixae. (Flores
hermapfaroditi non suppetebant, neqne frnctus.) — „Frutex
venenosus" (Flacourt 1. infra c), truneo subere lamelloso
tecto. Folia decrescentim pari-pinnata, glabra, rhachi 4-an-
gulari 4-8alcata, angulo superiore magis quam inferior et
laterales foliola emittentes prominente; foliola („feuilles"
Plac.) opposita, ?— juga (firagmentum tantum folii j^iga
tria exhibens suppetebat), laneeolato-oblonga, utrinque acuta,
basi inaequali sessilia, crebre subincise spinoso-dentata, un-
dulata, margine indurato revoluto, firme coriacea, lucida,
(sicca) subfosca, quoad stracturam maxime insignia stoma-
tibus singulis in cavitates singulas subsphaericas poro an-
gusto tantum pervias immersis, impunctata, epidermide non
mucigera. Flores majores, fasciculati; fasciculi e thyrsis
brevissimis cincinnos 5 --6 sub-6-floros gerentibus compositi,
e cortice suberoso trcincorum enascentes „truncos a basi
usque ad apicem obt^entes^^ (Flac.) pedicelliqne prope basin
articulati ferrugineo-tomentelli.
Species 1: C. stelechanthus Radlk. („Langhare
Ci
dta^b^itaih
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inis dorso
x? rainis
xstipulata,
:;iclii mar-
:i ex ovali
poliolulum
ovata vel
.^' l)ractei-
rcvoluta,
viridia,
•iie per-
lucigera.
l-florae,
iparo, ad
S sepalis
.•ticulatis.
superiora
, quodam-
. — Zan-
lie diirch-
uud Al-
r uud in
*'ubstanz.
«eiche in
336 Sitzung der math.-phys, Classe vom 1. Juni 1878,
„Frutex 10— 15-pedalis'S ramis (in Hb. Parisiensi sub eo-
dem numero collectionis Boivin ac flores descripti servatis)
glabratis, cortice subfusco. Folia alterna, exstipulata, de-
crescentim pari-pinnata, petiolo teretiuscalo rhacbique stria-
tis; foliola 5-juga, opposita, oblonga, apice in acomen
longum nervo excurrente spinoso-aristatum attennata, basi
in petiolulos breves inaeqaaliter contracta, integerrima, sub-
nndulata, coriacea, glaberrima, supra laevia nitidula pallide
viridia, subtus opaca pallide subfusca et quodammodo prni-
noso-cinerascentia , stomatibus cellularum epidermidis pro-
cessubus circnmvallatis insignia, pellucide punctata, epider-
mide non mucigera. Thyrsi singuli vel gemini (pluresveV)
e cortice truncorum enascentes, racemiformes, dichasia nu-
merosa parva breviter stipitata utrinque in cincinnum 3 — 4-
florum producta gereutes, rhachi tereti bracteisque brevibus
triangularibus nee non pedicellis basi articulatis pilis bre-
vibus adpressis laxe adspersis glandulisque cellulisque interi-
oribus resiniferis siccitate prominentibus scabriusculis. Flores
mediocres, pedicellati.
Species 1: P. cauliflorus Radlk.: Foliola superiora
20 cm longa, 5,5 cm lata, inferiora dimidio minora; thyrsi
4--6-centimetrales. — Madagascar, S. Marie, ad littora
maris: Boivin n. 1876/2 (m. Sept., 1849).
Haplocoelnm Radlk. : Flores reguläres, polygami? (frnc-
tus tantum suppetebant.) Sepala 6 ( — 7?), lineari-oblonga,
membranacea, juxta nervum medianum crassiora, apice to-
mentosa, denique decidua. Petala 0(?). Discus sub fructus
stipite regularis, breviter stipitiformis, fructus stipitem la-
titudine vix superans, glaber. Stamina (secundum cicatrices
ab iis relictas) 6—7, supra discum infra fructus stipitem
inserta. Bacca sicca, tenuiter corticata, olivaeformis, glabra,
quodammodo pruinosa, breviter stipitata, apice styli residuis
apiculata, apiculo truncato, dissepimentorum secessione 1-
locularis, septis rudimentarüs tribus infra medium magis
BacUkoferi üeber Sapindus etc. 337
conspicuis axem non attmgentibus endocarpio adpressis
basin versus conniveutibus instructa, abortu 1-sperma, (prae-
ter semen evolutum) gemmulis singulis ad basin loculorum
abortivorum obviis. Semen prope mediam fractns basem
affixum, erectum , compressiascule ellipsoideum, arillo teuui
dorso fisso fere nsque ad apicem involutum, testa crustacea
tenui sabfusca. Embryo carvatus, notorrbizas; cotyledones
crassae, snperpositae , amylo nee non in cellulis propriis
substantia quadam Saponino affini saponis modo spumam
efficiente foetae; radicnia sat longa, a medio seminis dorso
descendens, plica testae profunda excepta. — Frutex? ramis
striatis puberulis cinerascentibus. Folia alterna, exsfcipulata,
pari-pinnata, petiolo brevi supra piano hirto, rhachi mar-
ginata hirtella; foliola 2-juga, opposita, superiora ex ovali
oblonga vel subovata, obtusa, emarginata, basi in petiolulum
perbrevem inaequaliter attenuata, inferiora parva, ovata vel
suborbicularia , interdum minima, ad squamulas bractei-
formes reducta, omnia integerrima, margine subrevoluta,
membranacea, praeter nervum medianum glabra, viridia,
cellulis fibrosis sclerenchymaticis in omni directione per-
cnrsa, obscure pellucide punctata, epidermide non mucigera.
Inflorescentiae parvae, breviter racemiformes , 2 — 5-florae,
flore terminali vel uno alterove laterali quoque fructiparo, ad
apices ramulorum axillares, hirtellae ; bracteae parvae, sepalis
conformes ; flores pedicellati, pedicellis prope basin articulatis.
Species 1: H. inopleum Badlk.: Foliola superiora
5—10 cm longa, 2— 4 cm lata; fructus rubri, quodam-
modo pruinosi, 1,8 cm longi, circiter 1 cm lati. — Zan-
zibar, Mombaza: Boivin (1847—52; Mus, Paris.).
Die kleinen Zellen des Blattfleisches, welche die durch-
sichtigen Punkte bilden, enthalten eine in Aether und Al-
kohol unlösliche, in warmem Alkohol, in Wasser und in
Schwefelsaure (ohne Farbe) losliche amorphe Substanz,
Ebenso verhält sich die saponinartige Substanz, welche in
338 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 1. Juni 1878,
besonderen Zellen des Embryo enthalten ist. Wahrschein-
lich sind beide Substanzen identisch (s, ob. S. 289, 290).
Anch die Blätter veranlassen, mit Wasser geschüttelt, Schaum-
bildung, wenn auch in geringereili Grade als der Embryo.
Aporrhiza Badlk. : Flores reguläres, polygamo-monoici
(masculi tantum suppetebant frnctusque). Calyx profunde
5-partitus, lobis ovato-lanceolatis acutis 3,5 mm longis
subvalvatis, pilis crispis d^nse tomentellus. Petala 5, se-
palis pauUo minora, ovata, breviter unguiculata, glabrinscula,
supra unguem margine auriculato-inSexo bisqnamulata, squa-
mulis dense hirsutis. Discus regularis, patellaris, calycis
fundnm vestiens, sublobatas, lobis cum petalis alternantibus,
fructifer in stipitem brevem conicum elevatus. Stamina 7,
intra discum inserta; fiiamenta, filiformia, praeter apicem
glabrum hirsuta, primum inferne reSexa, superne inflexa,
dein rectiuscula , exserta ; antherae introrsae , ovatae, basi
cordato-excisae , dorso supra excisuram affixae, glabrae.
Rudimentum germinis tomentosum , conico-ovatum , com-
pressum, biloculare, loculis medianis in apiculos stigmatosos
desinentibus ; gemmulae in loculis solitariae , medio axi
affixae. (Flores hermaphroditi non suppetebant.) Capsula
biscutellaris , breviter stipitata, basin versus secundum me-
dianam diiatata, tomento brevissimo cano induta, bilocu-
laris, loculis lenticulari-compressis 1-spermis, (apice certe)
loculicide bivalvis, valvis in emarginatura apicali styli longi-
tudinaliter fissi residuis brevibus coronatis, endocarpio car-
tilagineo (illi Guioae et Aphaniae quoad structuram simili)
glabro a mesocarpio intus spongioso-parenchymatoso solubili.
Semina in loculis solitaria; ad medium fructus axem affixa,
infra hilum magis quam supra producta, inde fere pendula,
compressa, versas loculornm basin ut loculi ipsi diiatata;
testa crustacea, in parte fructus apicem spectante fusca,
laevis, nitida, in reliqua parte infra lineam a micropyle
hilo opposita oblique ascendentem strato camoso flavescente
Badlkofer: ütber Sapindm etc, 339
arillum mentiente obtecta. Embryo curvatus, notorrhizus;
cotyledones crassae, compressae , saperpositae, amyligerae ;
radicnla brevis, ab hilo longe remota (inde nomen generis),
ad medium seminis dorsnm plica testae leviore excepta,
deorsnm yersa. - Arbor rami» teretibus glabrescentibns,
junioribus petiolisque pulyerulento-pabemlis , cortice fnsco.
Folia altema, decrescentim pari - pinnata , petiolo tereti,
rbacfai supra planiuscala; foliola 4-jiiga, opposita, elliptico-
obloüga, ntrinque acuta vel apice breviter et obtuse acumi«
nata, petiolulata, petiolulis brevibus basi dilatatis compla-
natis, int^errima, subcoriacea, glabra nee nisipilis singulis
brevibus setulosis in pagina inferiore adspersa, nitidula,
sordide viridia, impunctata, epidermide non mucigera. Pa-
niculae in ramulis terminales, minutim puberulae; rami pani-
culae inferiores nee non rhacheos striatae apex dichasia
longiusbreviusve stipitatamox in cincinnos abenntia gereutes;
bracteae bracteolaeque lineares, pubescentes, saepins recau-
lescentes. Flores mediocres, dicfaasiomm terminales saepius
bermaphroditi (fructipari), reliqui masculi, omnes pedicellati,
pedicellis infra medium articulatis.
Species 1: A. paniculata Radlk.: Folia circiter 4 dm
longa; foliola superiora 20 cm longa, 6 cm lata, inferiora
9 cm longa, 4 cm lata; flores 3—4 mm longi et lati;
fructus 2,4 cm lati, 1,5 cm alti. — Africa centralis,
terra Niamniam, ad flumen Nabambisso: Schweinfarth n.
3041 (m. Febr. 1870, flor. et fruct.).
6. Die Charakteristik dieser Art sieb mit jener der
übrigen Talisia-Arten in Zusatz 9.
7. ^ySapindm cinereus Gunningh., Hb. Hook." wird von
Asa Gray a. a. 0. (Bot. Wilkes Exped., 1854, p. 258)
als Synonym seiner .^Cupania subcvnerea^* beigefügt. Das
ist in so fern nicht ohne Grund, als die beiden Pflanzen
340 Sitzung der math.-phys, Classe vom 1. Juni 1878.
wenigstens der Gattung nach zusammengehören; denn auch
Cupania subcinerea ist, wie schon die Beschreibung ver-
muthen liess, und wie ein gütigst mir übersendetes Frag-
ment der Originalpflanze Äsa Oray's vollkommen bestätigte,
eine Art der Gattung Älectryon^ Äledryon sübcinereum
Kadlk. (s. die Uebersicht der Sapindaceen HoUändisch-Indieus
im Amsterdamer Congressberichte Znsatz 19 und Nachtrag
dazu), und dieselbe Pflanze wie Nephelium leiocarpum P,
Müll, collect., deren Nanie da, wo er zuerst in der Literatur
auftritt, in Transact. Phil.. Inst, Victor., III, 1859, p. 25,
von seinem Autor selbst in Spanoghea nephelioides F. Müll,
umgeändert wurde. An derselben Stelle treten zuerst auch
in ähnlicher Weise neben einander Nephelium connatum F.
Müll, collect, und Spanoghea connata F. Müll, auf, als
Namen einer Pflanze, mit welcher Bentham in seiner Flora
Austral. I, 1863, p. 465 den Sapindus cinereus Cunningh.
richtig vereiniget hat, und welche ebenfalls zu Äledryon
zu rechnen ist, unter dem Namen Älectryon connatum Radlk.,
da der Name von Cunningh am durch A. Gray ohne An-
gabe von Merkmalen, also nicht etwa rite publicirt ist und
eine Priorität desshalb nicht beanspruchen kann. Die
Pflanze von Cunningham habe ich auch im Hb. Martins
und im Hb. Vindob. gesehen, jedoch unter einem anderen
Gattungsnamen aus der Feder Gunningham's, der aber
hier mit Stillschweigen übergangen sein mag, um die Syno-
nymie nicht weiter zu compliciren; das Gesagte wird ge-
nügen, um auf die richtige Bestimmung hinzuleiten, falls
die Ounningham'sche Pflanze auch noch in anderen Her-
barien unter einem anderen als dem Gattungsnamen Sapindus
vorhanden sein sollte.
8) Die Beschreibung von Sapindus edulis Blanco,
welcher in der ersten Ausgabe der Flor. Filip. fehlt, passt
ziemlich gut auf Erioglossum rübiginosum Bl. , so dass wir
BacUkofer: lieber Sapindus etc, 341
hier eine vollständige Wiederholung von Sapindus edulis
Bl. (1823) vor uns hätten. Von letzterem hat Blanco
wohl ebensowenig Kenntniss gehabt, wie von dem i. J. 1825
daraus hervorgegangenen Erioglossum edüle Bl., da beide
in dem von Blanco, wie es scheint, hauptsächlich zu Bathe
gezogenen Prodrom us von De Candolle nicht enthalten
sind. Dass Blanco in dem bei De Candolle aufge-
führten Sapindus ruhiginosus Roxburgh und Sapindus fra-
xinifoUus DC. seine Pflanze nicht erkannt hat, ist bei der
UnVollständigkeit der betreffenden Diagnosen nicht auffallend,
um so weniger, als ja De Candolle selbst in der' Pflanze
aus Timor (S. fraxinifoUus) den S, ruhiginosus Roxb. nicht
erkannte, obwohl ihm von letzterem die Abbildung Rox-
burgh's vorgelegen zu haben scheint.
Bezüglich der Ersetzung des aus Sapindus edulis Bl.
zunächst hervorgegangenen Namens Erioglossum edule Bl.
durch Erioglossum ruhiginosum Bl. vergleiche Zusatz 10.
9. Im Anschluss an das oben S. 250 u. 251 über die
zu Talisia zu übertragenden vermeintlichen Sapindus-Arten
Gesagte mag hier, um neben den wesentlichsten Charakteren
dieser Arten auch ihre Stellung in der zugleich durch Bacaria
Aubl. und Melicocca oUvaeformis Kunth, sowie durch ver-
meintliche Cupania-Arten zu bereichernden Gattung Talisia
ersichtlich zu machen, eine kurze Uebersicht der Talisia-
Arten überhaupt und der aus ihnen zu bildenden Gruppen
Platz finden.
Talisia Aubl.
Sectio I. Racaria (Racaria Aubl., qua genus): Petala su-
pra unguem auriculato-inflexa. (Discus annularis, con-
vexus, crenatus, glaber ; stamina filiformia, praeter
basin pilosiuscula ; antherae subrotundae, apiculatae.)
X Fructus acuti
1) T. sylvatica Radlk. (Racaria s. Aubl.!): Foliola
342 Sitzung der math,-phy8, Classe vom 1, Juni 1878,
elliptica, utrinqae subacuta, chartacea, praeter nervös
subtus minutim puberulos glabra, nitida, breviter petio*
Inlata, petiolulis basi incrassatis.
2) T. pedicellaris Radlk.: Foliola ex ovato oblonga,
acuminata, membranacea, subtus ad nervum medianum
hirsuta, eaeterum pilis minutissimis rectiusculis adspersa,
supra subtusque nitidula, insignius petiolulata, petio-
lulis gracilibus. — Guiana gallica: Sagot. n. 1188
(flor.) ; Mölinon (fruct.). — Der Speeiesbeiname ist aus
dem von Sagot der Pflanze beigelegten Namen, den ich
als nicht publicirt betrachten will, adoptirt.
X X Pructus obtusi
3) T. pulverulenta Radlk.: Foliola ex ovato elliptica,
acuminata, submembranacea, subtus undique pilis minutis
apice hamulatis pulverulento-pubescentia, supra glabra
et nitida, petiolulata, petiolulis crassiusculis. — Guiana
gallica: Melinon (fr not.).
Sectio II. Cotopais (Melicocca sp. Eunth) : Petala intus
supra unguem squama perbrevi bi- vel subtrifida margine
villosa aucta. (Discus lobatus, interdum inter petala in
glandulas tumens, glaber ; stamina e basi fusiformi subu-
lata, infra medium dense hirta ; antherae ovatae, obtusae.)
4) T. olivaeformis Radlk. (Melicocca o. Eunth ; Stad-
mannia o. Dietr., 1840).
Bei der nahen Verwandtschaft von Melicocca und Ta-
Usia mag es angemessen erscheinen, die Uebertragung der
eben angeführten Pflanze, deren Aehnlichkeit mit Melicocca
bijuga L. gewissermassen schon in den Yulgärnamen zum
Ausdruck gelangt ist — Mamon (Triana&Pl.)> Mammon
(Eunth), Mammoncillo (A. Rieh.) t^r Melicocca lijuga^
Mamon Mico (Eunth, Rohr), Mammon Cotopais
(Rohr, in Hb. Schum.) für Talisia olivaeformis^ deren Früchte
auch schlechthin Gotopaises oder Cotoperises (Bon-
Badlkofer: Ueber Sapindus etc. 343
pland, Bredemeyer in Hb. Willd.) genannt werden — , ans
der einen in die andere Gattung kurz zn rechtfertigen.
Ich will zu diesem Behufe nur auf folgende Momente
hinweisen.
Die Gattung Melicocca ist in ganz ausnehmender Weise
ausgezeichnet durch „Antherae extrorsae", wie schon in
Benth. & Hook. Gen. PI. hervorgehoben ist. Talisia
olivaeformis dagegen besitzt, wie alle Arten von Talisia
„Antherae introrsae." Die Frucht von Melicocca geht aus
einem einfächerigen, kaum an der Ansatzstelle der Samen-
knospen im untersten Theile mit einem Rudiment einer
Scheidewand versehenen Fruchtknoten hervor ; die von Ta-
lisia aus einem dreiföcherigen Fruchtknoten. Die Frucht
beider ist, wie för Melicocca schon Gaertner richtig an-
gegeben hat („Bacca corticosa^^) eine gewohnlich dünnschalige
Beere (nicht eine „Drupa mit ein- oder mehrfacherigem
Putamen", wie in Benth. & Hook. Gen. PI. unter Meli'
cocca gesagt ist). Der Same besitzt bei Talisia so gut, als
bei Melicocca (entgegen der Angabe bei Benth. & Hook.)
keinen Arillus, dafür aber eine Testa druposa, extus carnosa.
Der anatomische Bau der fleischigen Partie der Samenschale
ist ein wesentlich anderer bei Melicocca als bei Tcdisia.
Der Embryo endlich ist bei Melicocca gerade, bei Talisia
bald mehr, bald weniger stark gekrümmt. In all diesen
Punkten stimmt die in Betracht stehende Pflanze mit den
übrigen Arten von Talisia überein. Andere, in Kelch und
Krone I Blüthenstand und Blattstructnr gel^ene Unter-
schiede von Melicocca mögen als minder wichtig hier über-
gangen sein.
Melicocca hätte somit in die Reihe der monotjrpischen
Gattungen zurückzutreten. Doch liegt mir eine Pflanze vor,
welche der Beschaffenheit ihrer Blüthen nach eine besondere
Art neben Melicocca bijuga zu bilden scheint, von der es
aber freilich, da nähere Angaben über ihr Vorkommen
344 Sitzung der math.-phya, Classe w>m 1, Juni 1878,
fehlen, auch wieder als möglich erscheint, dass sie eine
blose Cultarform von Melicocca hijuga sei. Ich will sie,
um gleich im Namen die wesentlichste Eigenthümlichkeit
derselben hervorzuheben, Melicocca lepidopetdla nennen und
dieselbe kurz folgendermassen charakterisiren :
Melicocca lepidopetala Badlk.: Petala intus su-
pra unguem squama brevi bifida margine dense barbata aucta.
Discus conspicue 4-lobus, lobis cum petalis alternantibus.
Folia 1-juga cum impari quam foliola lateralia minore (plus
minus rudimentario ?, in foliis nonnullis delapso, cicatrice
tantum indicato). Reliquae partes nee non habitas omnino
ut in Melicocca bijuga. — Chiquitos: d'Orbigny n. 818
(flores masculi tantum).
Ich würde in dem Vorkommen der Endblättchen nur
eine anomale Entwicklung, veranlasst vielleicht durch den
südlicheren Standort, erblicken, wenn nicht gleichzeitig eine
auffallende Verschiedenheit in der Beschaffenheit der Blumen-
blätter, die ich bei M. bijuga stets schuppenlos gefunden
habe, vorhanden wäre. Ob auch hierin blos eine gelegent-
liche Abweichung zu sehen sei, wird wohl erst wiederholte
Beoachtung der Pflanze in dem bezeichneten Gebiete ent-
scheiden lassen.
Sectio III. Entalisia; Petala intus supra unguem squama
subulato-lanceolata petalum ipsum subaequante integra
vel apice bifida intus dense villoso-pilosa aucta. (Dis-
cus profundius leviusve cupularis, inter petala in lobos
productus, glaber vel pilosus; stamina filiformia, glabra
vel pilosa ; antherae ovato- vel lineari-oblonga, breviter
apiculata.)
Subseetio 1. Pitombaria (a nomine vulgari T. esculentae
„P i 1 0 m b e r a^\ cujus fructus ut et ii aliarum Eutalisiae
specierum „Pitomba^^ audiunt): Petala simul cum
calyce expansa, calycem denique plus minus superantia.
(Calyx fere usque ad basin partitus, pilis crispis inca-
Badlkafer: Ueher Sapindw etc, 345
nus; discns carnosnlus, concavus, minus altos, snblo-
batas, glaber yel hirsutus; antherae ovato-oblongae,
sagittatae, breviter apicnlatae; foliola minora).
X Discus glaber, stamina pilosiuscula
5) T. esculenta Badlk. (Sapindus e. St. Eil, 1824;
Sapindns ednlis Spach., 1834; ? „Cnpania e coli. Brasil.
Clausseni 1840^' Turcz., 1858, p. 405): Foliola 2-4-
juga, ex ovato vel oblongo sublanceolata, membrauacea
glabra.
X X Discas hirsutus, stamina hirsuta
+ Foliola 4— 7-juga
6) T. subalbens Radlk. (Capania s. Mart. Herb. Fl.
bras. n. 264): Foliola 4— 6-juga, ex ovali anguste ovata
vel sublanceolata, acuta vel obtusa, breviter petiolnlata,
coriacea, subtus albo-sericea, supra pilis minntissimis
pulverulento-puberula, opaca.
7) T. angustifolia Badlk.: Foliola circiter 14, inferiora
alterna, superiora opposita, anguste lanceolata, obtuse
acuminata, in petiolulos brevissimos attenuata, coriacea,
supra glaberrima nitida, subtus pilis brevibus adpressis
laxeadspersa. — Brasilia, prov. Goyaz: Burchell n. 6195.
+ + Foliola 2-juga
8) T. praealta Badlk.: Foliola bijuga, elliptico-oblonga
vel subobovata, subacuminata, acumine obtuso vel emar-
ginato, in petiolulos basi crassiores attenuata, coriacea,
plus minus buUata, utrinque nitidula, paucinervia, ner-
vis (praesertim mediano) subtus acutis; paniculae foliis
minores axillares vel spurie terminales. — Guiana gal-
lica: Sagot n. 1047.
Der Speciesbeiname ist aus dem von Sagot der
Pflanze beigelegten Namen, den ich als nicht publicirt
betrachten will, adoptirt.
346 Sitzung der math.^phya. Glosse vom 1 Juni 1878,
XXX Discus hirsutas, stamina glabra
+ Foliola 1— 2-juga, supra hypodermate
instructa
9) T. squarrosa Radlk. : Foliola ovalia vel suboblonga,
utrinque subacuta, coriacea, plana, utrinquenitidulapauci-
nervia, nervis (praesertim mediano) latiusculis obtusis;
paniculae in ramulis lateralibus (spurie) terminales,
squarroso-ramosae, camis elongatis. — Guiana britan-
nica: Schomburgk n. 738.
+ + Foliola 2-juga, hypodermate nuUo
10) T. coriacea Radlk.: Foliola ovata, in acumen acutissi-
mum acutata, in petiolulos basi yix crassiores inae-
qualiter contracta, coriacea^ plus minus bullata, utrin-
que nitidula, paucinervia, nervis (praesertim mediano)
subtus acutis; paniculae axillares terminalesque, folia
paullo superantes. — Brasilia, Ilheos: Luscbnath.
11) T. multineryis Radlk.: (Cupania sp. Spruce PI.
bras., 1853): Foliola oblonga, breviuscule acuminata,
basi in petiolulos conspicuos attenuata, margine subun-
dulata, coriacea, supra maxime splendentia^ subtus opaca,
multinervia; paniculae laterales nee non spurie termi-
nales, foliis minores. — Brasilia, Panurö ad Rio üaupes ;
Spruce n. 2421.
12) T. firma Radlk.: (Sapindus? sp. Spruce PI. bras.,
1853) : Foliola lanceolata, in acumen elongatum sensim
attenuata, insigniter petiolulata, firme coriacea, supra
nitidula, subtus opaca, plurinervia; paniculae spurie
terminales, inter minores. — Brasilia ad flumina Casi-
quiari, Vasiva et Pacimoni: Spruce n. 3311.
+ + + Foliola 3 - 4-juga
13) T. hexaphylla Vahl Eclog. 11, 1798, p. 29.
Subsectlo 2. Acladodia (Acladodia R. & P., qua genus;
Comatoglossum Tr. & PI.): Petala imbricata post
calycis expansionem ad duplam — quadruplam 'ejus
Baälkofer: üeber Sapindua etc. 347
longitudinem elongata, quasi alabastrnm interius exhi-
bentia, tum denique expansa. (Calyx usque ad medium
vel ultra medium partitus, glaber vel yarie teetus;
discus carnosus, cupularis, sat altus, extus pentagouus,
lateribus petalorum pressioue concavis, glaber, birtellus
vel hirsutus; antberae lineari-oblongae, basi cordatae;
foliola majora.)
X Discus glaber (calyx profuudius partitus, floris
foecundati mox deciduus, puberulus; petala ex-
tus glabra; stamina glabra)
+ Foliola 1 — 4-juga
14) T. oedipoda Badlk.: Foliola 1— 4-jnga, opposita,
oblougo-lauceolata , in petiolulos basi eximie bulboso-
incrassatos attenuata, crasse coriacea, glabra; petiolus
supra planus, subtus convexus vel obtuse angulatus,
basi. valde incrassatus. — Brasilia, ad Rio Pardo, in
campis siccis arenosis: Biedel n. 522. Suffrutex par-
vus, 18 — 30 cm altus.
15) T. macrophylla Radlk. (Cupania m. Mart. Hb. Flor,
bras. n. 483): Foliola 3-juga, ex oblongo cuneata, pe-
tiolulis semi-cylindricis crassis insidentia.
+ + Foliola multijuga
16) T. guianensis Aubl. (T. rosea Vahl ; T. glabra DC;
T. guianensis Camb. partim, cfr. T. carinata): Foliola
5— 15-juga, lanceolata yel suboblonga, acuminata, in
petiolulos longiusculos basi bulboso - incrassatos atte-
nuata, subcoriacea, glabra, supra subtusque nitida, reti-
culato-Tenosa; rfaachis foliorum (petiolusque) teres;
petala extus glabra; epispermii pars putaminosa laevis.
X X Discus pilis brevibus birtellus (stamina plus
minus hirsuta)
+ Calyx profundius partitus, floris, foecun-
dati mox deciduus fpetala extus glabra)
17) T. cerasina Radlk. (Sapindus c. Benth. in Hook.
348 Sitzung der math,-phy8, Glosse vom 1. Juni 1878.
Jonrn. Bot. III, 1851, p. 197; Sapindus oblongus
Benth. ibid. p. 198): Poliola 3 — 8-juga, oblonga, bre-
yiuscale acaminata, in petiolulos basin versus plus
minus incrassatos rapidius attenuata, subcoriacea, glabra,
supra nitida, subtus nitidula vel subopaca; petiolus
rhacbisqueteretiusculi; petala calyce 3 — 4-plo longiora,
extus glabra; stamina hirtella.
+ + Calyx ad medium tantum fissus, longe
persistens (petala extus sericea)
'^ Rhachis foliorum subtus carinata, inde
subtriquetra, glabra
18) T. longifolia Radlk. (Gupania longifolia Benth. in
Hook. Journ. Bot. IL 1850, p. 211): Foliola 7— 8-juga,
elongate lanceolata, petiolulis brevibus crassis insidentia
coriacea, nervis subtus vix prominentibus obtusis, utriu-
que glabra et nitida; petala extus laxe sericea; stamina
hispida.
19) T. carinata Radlk. (T. guianensis, non Aubl., Camb.
partim, nempe quoad specimina quaedam a Martin coli.,
a Camb. determ., in Mus. Par. servata): Foliola 6 —
multijuga lanceolata vel suboblonga, acuminata, in pe-
tiolulos basin versus sensim incrassatos attenuata, sub-
coriacea, nervis subtus prominentibus acutis plus minus
carinatis, utrinque glabra, supra nitida, subtus nitidula
vel subopaca ; petala extus tota vel basi tantum sericea,
stamina fairsuta ; epispermii pars putaminosa apice scro-
biculato-rugosa. — Guiana: L. Gl. Richard, Poiteau,
Sagot, Melinon n. 357. (In Herbariis versatur sub
nomine T. guian. Aubl. vel T. glabr. DC.)
* * Rbachis foliorum teres, hirsuta
20) T, dasyclada Radlk.: Foliola 3-juga, opposita, elon-
gate oblonga, subacuminata , submembranacea, subtus
ad nervum medianum hirsuta, caeterum glabra, supra
nitidula, subtus opaca, reticulato-venosa ; petioluli bre-
BacUkofer: Ueber Sapindus etc. 349
vissimi, crassi, ramique hirsuti. — Brasilia, in um-
brosis siccis prope Borba; Riedel n. 1367.
21) T. clathrata Radlk. : Foliola 4 — 5-juga, opposita,
oblonga, in acumen Uneare subito protracta, submembra-
nacea, utrinque glabra et nitidala, clathrato-venosa ;
petioluli conspicui, semicylindrici , petioliqae ramiqne
glabrati. — Brasilia: Martins.
XXX Discus hirsntus, in plnribas (n. 27 — 30) hirsu-
tissimns
+ Calyx profandius par^tus, floris foecnndati
plerumqae mox deciduus (sepala angustiora,
lanceolata, acutiuscnla thyrsiqne hirsuti;
stamina glabra)
* Foliola pltLrijuga, lanceolata
22) T. m Ollis Eunth Herb. ed. Gamb. (T. guianensis,
non Anbl. , DC, excl. syn. „T. ros. Vahl."): Foliola
5— mnltijnga, lanceolata, acnminata, breyissime petioln-
lata, petiolulis incrassatis, snbcoriacea, snbtns hirta.
23) T. bemidasya Radlk. (Sapindus surinamensis , non
Poir., Turcz. in Bull. Mose, 1858, p. 402): Foliola
4 — 8-juga, lanceolata, acuminata, in petiolulos basi in-
crassatos oblique attenuata, subcoriacea, margine undu-
lata , supra glaberrima, subtus glabriuscula. — Suri-
nam: Hostmann n. 1274.
24) T. pilosula Sagot (in scbedis): Foliola 5 — 10-juga,
lanceolata, acuminata, petiolulata, coriacea, margine
revoluta, subtus pilosula. — Guiana gallica: Sagot.
** Foliola paucijuga, ovato-lanceolata
25) T. acutifolia Radlk. (Sapindus sp. Spruce PI. bras.,
1855): Foliola 3— 4-juga, ovato-lanceolata, in acumen
acutissimum sensim acutata, basi subacuta petiolulis
crassiusculis semicylindricis insidentia, coriacea, margine
pauUulum revoluta, utrinque glabra, supra nitida, subtus
[1878. 3. Math.-phy8. CL] 24
350 Sitzung der tnatK-phys. Classe vom 1, Juni 1878,
opaca. — Brasilia, prov. Rio Negro: Spruce n. 1992;
Martins.
+ + Calyx ad medium tantum fissus, persi-
stens (sepala late ovata, obtusa thyrsi-
que breviter velutini vel velutino-tomen-
tosi; flores majores
* Foliola snboblonga
26) T. cupnlaris Radlk. (Sapindas sp. Spruce PI. bras.,
1851): Foliola circiter 6-juga, elliptico-oblonga, sub-
acuminata, petiolulis brevibus basi bulboso-iucrassatis,
coriacea, glabra ; inflorescentia breviter velutina ; petala
extas glabra; discushirsutns; stamina glabra. - Bra-
silia, prov. Rio Negro, prope Barra: Spruce n. 1785.
27) T. pachycarpa Radlk.: Foliola ?— juga, maxima,
oblonga, apice basique acutata, petiolulis brevissimis
bulbiformibus hirsutis, subcoriacea, subtus hirta; in-
florescentia breviter velutina; discus hirsutissimus ; sta-
mina glabra; epispermii pars putaminosa granulato-
scaberrima. — Guiana gallica: Poiteau (Hb. Deless.).
** Foliola plus minus cuneata
28) T. megaphylla Sagot (in scbedis): Foliola circiter
6-juga, magna, cuneata, breviter acuminata, petiolulis
sat crassis semicylindricis glabris, coriacea, subtus pube
laxa adspersa vel glabriuscula ; inflorescentia velutina;
alabastra subglobosa; petala extus praeter marginem
tomentosa; discus hirsutissimus; stamina glabra ; fructus
junior dense lanoso-tomentosus, laevis. — Guiana gallica
et batava: Poiteau; Sagot n. 1194; Hostmann n. 1149.
29) T. stricta Tr. & PI. (Gomatoglossum s. Karsten &
Tr. in Triana Nuevos Jeneros etc., 1854, p. 11 et in
Linnea 1856, p. 437): Foliola 4— 7-juga, ex oblongo
cuneata, inferiora obovata, breviter acuminata, petio-
lulis sat crassis semicylindricis velutinis, coriacea, sub-
tus velutino-tomentosa ; inflorescentia velutino-tomen-
Radlkofer: üeber Sapindus etc. 351
tosa; alabastra cylindrica; petala extus infra medium
tantum tomentosa; discus hirsutissimns; stamioa pilo-
siuscula ; fructus maturus glabratus, punctato-scaber. —
Arbuscula recta subsimplex (t. E. & Tr. in Linnaea).
*** Foliola sublinearia
30) T. pinnata Radlk. (Acladodea pinnata Raiz & P.,
Prodr., 1794. t. 29; Talisia? Acladodea DC. Prodr.,
1824): Foliola ex oblongo linearia, insigniter acumi-
nata, petiolulis sat tenuibus semicylindricis tomento-
sis, membranacea, plus minus buUata, subtud mol-
liter pubescentia; inflorescentia velutino-tomentosa ;
alabastra globosa; petala extus infra medium tantum
tomentosa; discus hirsutissimus ; stamina hirsuta. -
Frutex trunco ramis destituto (t. B. & P. 1. c).
10. Scbon Cambessedes citirt (1829) Sapindus fraxi-
nifolius DC. zu seiner Moulinsia cupanioides, welche der
Hauptsache nach nichts anderes ist als Erioghssum ruMgi--
nosum Bl., mit Ausnahme nämlich der von Cambessedes
abgebildeten und als loculicid beschriebenen Frucht. Dieser
Fehler in der Beschreibung von Cambessedes ist zwar
schon von Wight und Arnott (Prodr. 1834, p. 112)
und ebenso von Blume (Rumphia III, 1847, p. 121) her-
vorgehoben, jedoch bis jetzt nicht aufgeklärt worden. Der-
selbe resultirte daraus, dass Cambessedes Fruchtexemplare
von Ärytera litordlis Bl. mit Bluthenexemplaren von Erio*
glossum ruhiginosum Bl. unter seiner Moulinsia cupanioides
zusammengefasst hat. Was Cambessedes als Frucht von
Moulinsia cupanioides beschrieben und abgebildet hat, ge-
hört nicht zu Erioglossum ruhiginosum^ sondern zu Ärytera
litoralis. Ein von Cambessedes eigenhändig als Mou--
linsia cupanioides bezeichnetes Exemplar von Ärytera litoralis
ist noch jetzt im Pariser Museum als Belegstück für diese
Verwechslung vorhanden.
24*
352 Sitzung der math.-phys. Classe vom 1. Juni 1878.
Die Gattungsbezeichnung von Gambessedes, Mou-
linsia (1829), hat der älteren von Blume , Erioglossum (1825),
weichen müssen. Ebenso (nach den De C a n d o 1 le 'sehen No-
menclatarregeln) die Artbezeichnnng von Blume, .Erio-
glossum edule (1825), der späteren desselben Autors, in
welcher er den Sapindus rübiginosus Roxb. (1795)derGattung
Erioglossum zugeführt hat, Erioglossum rubiginosum Bl.
(Rumphia III, 1847, p. 118, observ.), da die Identität dieser
Pflanze mit Erioglossum edule^ an welcher Blume selbst
(a. a. 0.) noch gezweifelt hatte, gegenwärtig, wie schon in
meiner Uebersicht der Sapindaceen HoUändisch-Indiens (Zus.
21) erwähnt worden ist, ausser aller Frage steht. Don
hat die gegenwärtige Auffassung von Sapindus rübiginosus
Boxb. durch die Bezeichnung als MouUnsia rubiginosa
Don (1831), und Wight&Arnott durch die Beziehung von
MouUnsia cupanioides Camb. und Sapindus fraxinifölius DG.
auf den von ihnen aufrecht erhaltenen Sapindus rübiginosus
Roxb. angebahnt (1834).
Der durch Erioglossum verdrängten Gattungsbezeich-
nung MouUnsia wollte Blume ihren Fortbestand dadurch
sichern, dass er sie für eine neue Gattung verwendete, welche
er aus einer africanischen, von ihren Entdeckern mit Un-
recht zu Erioglossum gebrachten Pflanze, nämlich aus Erio~
glossum cauliflorum Guillerain & Perrottet bildete. Aber
auch für diese Gattung ist schon ein älterer Name vor-
handen, nämlich Pancovia Willd., 1799 (s. oben S. 268),
so dass der Name MouUnsia aufs neue verdrängt wird.
Ich halte es nicht für zweckmässig, solche in die Reihe
der Synonyme zurückgetretene Gattungsnamen immer wieder
auf neue Gattungen zu übertragen, weil dadurch nicht selten
Missnahmen herbeigeführt werden, wie das gerade auch für
MouUnsia der Fall und in dem oben (S. 268) über Pan-
covia Gesagten dargelegt ist. Andernfalls würde dieser Name
abermals Verwendung finden können für eine americanische
Radlkofer: Ueber Sapindus etc. 353
Pflanze, welche mit ihm bereits in Beziehung gesetzt worden
ist, und welche sich als Typus einerneuen Gattung darstellt.
Es ist das n. 1100 und 1175 derSammlungvon Spr uce,
auf den betreffenden Etiquetten als ^^MouUnsiae afSnis**
bezeichnet. Diese Pflanze, welche Spruce unter n. 1784
auch mit Früchten übersendet, und welche auch Martins
mit Früchten am Solimoes, ferner Schomburgk blühend
in Guiana gesammelt hat, ist übrigens nicht gerade, wie die
erwähnte Bezeichnung andeutet, verwandt im eigentlichen
Sinne des Wortes mit Erioglossum, resp. Moulinsia^ viel-
mehr nur in einzelnen Stücken — in der ünregehnässigkeit
des Discus und in der Blattgestalt — ihr ähnlich. Wirk-
lich verwandt ist die Pflanze mit der americanischen Gattung
Toulicia, von der sie im nicht fructificirten Zustande nur
schwer zu unterscheiden ist. Durch ihre Frucht erweist
sie sich als Typus einer besonderen Gattung, welche hier
in üblicher Form charakterisirt sein mag:
Poroeystis Radlk. („Moulinsiae affin." Spruce PI. bras.,
1850—- 51): Flores irreguläres, polygamo-monoici. Sepala 5,
coucava, imbricata, 2 exteriora minora, omnia adpresse pu-
bescentia, interiora margine glabra et petaloidea. Petala 4,
inferioris sede (inter sepalum 3. & 5.) vacua, ovata, in unguem
laminam dimidiam aequante attenuata, extus sericea, intus
glabra, supra unguem squama alta bifida aucta ; squamarum
laciniae apice incurvae, barbatae, margine villosae, dorso
ad marginem interiorem processu comiformi villoso cristatae,
petalorum lateralium inferiores, i. e. petali deficientis sedem
spectantes, abbreviatae. Discus unilateralis, semilunaris, pul-
vinatus, cano-tomentosus. - Stamina 8, excentrica, floris mas-
culi exserta, floris hermaphroditi inclusa; filamenta filifor-
mia (floris hermaphroditi subulata, complanata) cano-villosa ;
antherae introrsae, ovatae, basi emarginatae, dorso supra
emarginaturam affixae, glabrae. Rudimentum pistilli florum
masculorum parvum, tomentosum. Germen florum herma-
354 Sitzung der maih.-phys. Classe vom 1, Juni 1878,
phroditorum tomentosum, ovatum, trilobato-trigonum, tri-
loculare; Stylus filiformis, basi incrassatus, germine panllo
longior, tomentosus; stigma parYam^ obtusum, brevissime
yel Tix brevissime trilobum ; gemmulae in locuUs solitariae,
axi supra mediam affixae. Capsula membranacea, inflata,
tricocca; cocci angulo centrali tantum cohaerentes, denique
secessione liberi, axe fructus nuUo relicto, e trigono sub-
globosi, gyroso-torulosi, apice fissura brevi ad angnlum cen-
tralemdehiscentes, sapra fissuramstyli in partes tres a basi
ad apicem dirupti basi indurata spinoso-apiculati, puberuli,
intus glabri. Semina supra medium loculum angulo centrali
in placentam crassam per totam longitudinem intnmescenti
affixa, subglobosa, pisi magnitudine, in&a hilum magis quam
supra producta, testa crustacea fusca laevi, hilo longitudi-
naliter oblongo. Embryo curvatus, notorrhizus; cotyledones
crassae, erectae, basi curvatae, amyligerae; radicula brevis,
infera, centripeta, plica testae excepta. — Arbor parva,
trunco 8 cm crasso, ramis teretiusculis glabris, cortice pal-
lide subfnsco. Folia alterna, abrupte pinnata, glabra, petiolo
rhacbique teretiusculis vel rbacbi supra subtusque sulco la-
terali utrinque notata; foliola 7 — 12, alterna vel suboppo-
sita, oblonga ellipticave, subaequilatera, apice acuminata,
basi subacuta, breviter petiolulata, petiolulis basi incrassatis,
integerrima, coriacea, utrinque laevigata, supra viridia, sub-
tus subfnsca et reti venarum tenui pallidiore instructa,
impunctata, epidermide non mucigera. Paniculae in ramis
lateralibus terminales axillaresve, folia aequantes, minutim
puberulae, ramis dicbasia crebra glomeruliformia subsessilia
5 — 1 1-flora gerentibus ; bracteae bracteolaeque parvae, trian-
guläres, pubescentes. Flores mediocres, pedicellati, pedicellis
in&a medium articulatis.
Species 1 : P.toulicioides Radlk.: Foliola 15— 25 cm
longa, 4,5 — 10 cm lata, inferiora minora ; flores albi; fructus
(eos Staphyleae pinnatae quodammodo in mentem revo-
Badlkofer: Ueber Sapindus etc. 355
caDtes) circiter 2 cm alti, 3 — 4 cm lati. — Brasilia, prov.
Rio Negro: Martins; Spruce n. 1100, 1175, 1784; Guiana
anglica: Schomburgk n. 986. Flor. m. Nov., frnct. m. Febr.
Eine weitere, zur Zeit monotypische Gattang aas Bra-
silien, Diatempteryx^ ist oben gelegentlich der Aufsiellnng
von Thouinidium Radlk. erwähnt worden (s. S. 284). ^ Um
im Anschlüsse hieran die Darlegung der auf noch unbe-
schriebenen Materialien beruhenden neuen Gattungen
aus Brasilien zu vervollständigen, mag es gestattet sein,
hier die Charakteristik einer weiteren solchen Gattung an-
zufügen, welche schon St. Hilaire und Martins in un-
vollständigen Exemplaren gesammelt, aber nicht zur Publi-
cation gebracht haben. Leiderlassen auch die von Riedel
und War min g herrührenden neueren Materialien an Voll-
ständigkeit noch viel zu wünschen übrig. Die Samen
fehlen gänzlich, und die vorhandenen Früchte sind lose bei-
liegend, so dass unbedingte Sicherheit für ihre Hieherge-
hörigkeit nicht gegeben ist. Ich will die Gattung nach
den für die Pflanze von Warm in g angegebenen Yulgär-
namen Puta pobre, Maria pobre, Maria molle,
Farinha secca, welche offenbar auf eine geribge Nutz-
barkeit der Pflanze hindeuten, und welchen noch der von
Martins einem der mikroskopischen Struktur nach unzweifel-
haft hiehergehörigen Holzstückchen (coli. lign. ü, 16) und
den von ihm gesammelten Blättern dieser Pflanze (observ.
ined. n. 1532) beigesetzte und direct die Werthlosigkeit
des Holzes ausdrückende Name Pao pobre hinzuzufügen
ist, Dilodefidron (deiXog^ armselig) nennen. Die Charakteri-
stik ist folgende:
Dilodendron Radlk.: Flores subregulares , poljgami
(dioici?). Sepala 5, late ovata (praesertim florum mascu-
lorum), concava, imbricata, 2exteriora minora, omnia mar-
gine fimbriato - glandulosa extus pilis setulosis adspersa,
pellucido-punctata. Petala 3—4, rarius 5, plerumque unum
356 Sitzung der math.'phys. Classe vom 1. Juni 1878,
alteromve rudimentarium vel in floribus mascnlis omnino
nolla, late ovata vel suborbicularia, in UDguem brevem ab-
rupte contracta, intas sapra unguem marginibus subinflexis
crassinsculis pilosis squamulas rndimentarias exbibentibus
instracta, caetemm glabra nee nisi glandulis minutis in
pagina interiore et ad marginem obsita, sepalis minora.
Discns concavus subaequalis, sublobatus, camosulus, glaber,
rubicundus. Stamina 8, rarius 7 vel 9, intra discum in-
serta, snbcentrica ; filamenta subulata, basi compressiuscula,
glabra ; antherae subintrorsae, sagittato-ovatae, setulis glan-
dulisqne stipitatis obsitae vel floram masculornm glabrins-
culae, dorso ad siniim basilarem affixae, breviter exsertae.
Rudimentum pistilli floram masculornm parvum, parce pilo-
sum. Germen florum hermapbroditorum late ovatum, tri-
gonum, triloculare, loculo uno sepalum posterius (secundum)
spectante, pilis setulosis brevibus perlaxe adpersum; Stylus
brevis, crassus, curvatus, denique rectiusculus ; Stigma ob-
tusum, breviter trilobum, lobis loculis respondentibus, intus
et margine stigmatosis, rubicundis; gemmulae in loculis
solitariae^ axi supra basin afflxae, camptotropae, micropyle
prope basin extraria. Fructus trigonus, capsularis, loculi-
cide trivalvis, valvis medio septiferis suborbicularibus crasse
coriaceis, siccis rugulosis nigricantibus, intus hirsutulis.
Semina ad basin loculorum affixa — Arbor trunco
tereti, int^rdum elato, cortice fusco vel rubescente subver-
rucoso et interdum annulato glabro (Warming). Folia
alterna exstipulata, abrupte bipinnata, larga^ petiolo rbacbique
e tereti obtuse triangularibus sulcatis hirtellis denique gla-
bratis; pinnae utrinque 3 — 7, alternae vel suboppositae
oblongae, superiores intermediis, inferiores superioribus bre-
viores, rliachibus interdum (rarius rhachi foliorum com-
muni quoque) foliolo terminali plus miiius rudimentario in-
structis; foliola (pinnulae) 4--9-juga, alterna vel suboppo-
sita, ovata, basi inaequali subsessilia, acuta, simpliciter vel
:"- r y
Radlkofer: Ueher Sapindus etc. 357 ^
subdnplicatim iDciso-serrata , multinervia , snbcoriacea, dis-
coloria , sapra laevia glabraque, subtns' cuticula uodoso-
granulata plus minus glanca et birtello-pnbescentia, miDutim
pellucido-punctata, epidermide mucigera. Tbyrsi ad apices
ramulorum brevium vel in ramalis novellis laterales, nu-
merosi, fasciculatim panicalatimve congesti, flavescenti-toraen-
telli, basi ramosi, snpeme ramique dichasia simplicia (tri-
flora) vel (praesertim in thyrsis masculis) composita (pluri-
flora) tomqae glomeruliformia et in cincinnos abeautia
sat crebra stipitata vel subsessilia gerentes ; bracteae bracteo-
laeque parvae^ triangulari-lanceolatae, pubescentes. Flores
mediocres, breviter pedicellati, pedicellis basi articulatis.
Species 1: D. bipinnatnm Radlk. : Foliola 4 — 6 cm
longa, 1 — 2 cm lata; thyrsi 8 —20 cm longi; fructus 1,5 cm
longi, totidem lati. — Brasilia, prov. Minas Geraes: St.
Hilaire, Cat. B 1, n. 1586; Martins; Riedel n. 1090;
Warming; Lnnd? n. 695 (in Hb. Warming). Arbor sil-
vestris rara (Warming).
Einer Bemerkung von Martins über „Pao pobre"
(unter n. 1532) mag Folgendes entnommen sein: „Arbor
trunco flexuoso , ramis late expansis, altitudine 20 pedum
. . . . Semina oblonga, atra, nitida, oleosa. Oleum ex bis
expressum ad lucem adhibetur et commedi potest."
Das Holz der Pflanze ist durch eine starke Entwick-
lung des Holzparencbymes und Sonderung desselben in con-
centriscbe, mit dem Prosencbyme abwechselnde Binden oder
Zonen ausgezeichnet. Theils in den Gefassen, theils in
harz- oder gummigangartigen Lücken findet sich eine
amorphe Masse von harzartigem Aussehen, welche sich weder
in Aether noch Alkohol, noch Wasser, noch Kalilauge,
noch verdünnter Schwefelsäure löst, in letzteren drei Me-
dien nur etwas Quillt und ihrem sonstigen reactiven Ver-
halten nach als eine der Holzsubstanz zunächst ähnliche
Masse sieb darstellt, deren eigenthümliches Auftreten wei-
^358 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 1, Juni 1878,
terer Untersuchnng werth sein dürfte. Sie scheint aus
einer Veränderung von Zellmembranen, analog der bei der
Gummibildung vorkommenden, hervorzugehen.
11. Ueber Pseudima frutescem Radlk. (Sapindus frutes-
cens Aubl.) vergleiche Radlkofer, Sopra un arillo speciale
di una Sapindacea, XII Congresso della Societa Italiana pel
Progresso delle Scienze, Classe IV, Roma 1877, p. 23
(s. Nuovo Giornale Botanico Italiano, Vol. X, No. 2,
Aprile 1878). Erwähnt mag hier sein, dass in De Can-
dolle Prodrom. I das „v. s.'* (vidi siccum) bei SapindtAS
frutescens zu streichen ist. Es rührt nicht von De Can-
d o 1 1 e selbst her, sondern wurde, wie das noch vorhandene
Manuscript ausweist, von Seringe hinzugefügt auf Grund
unrichtig bestimmter und zwar zweierlei unrichtig bestimmter
Pflanzen, welche wohl auchSeringe erst an der betreffen-
den Stelle des Hb. Prodromi eingefügt hat. Ihre Namhaft-
machung mag, um die Synonymie nicht zu vermehren)
unterbleiben, was hier um so eher thunlich, als eine er-
hebliche Rückwirkung auf die Diagnose nicht bemerk-
bar ist.
12. Sapindm gldbrescens W. Hook & Arn. ist bereits
von Grisebach (Flora Brit. West Ind. Isl, 1859—64,
p. 125) richtig zu Gupania glabra Sw. gebracht worden.
Nicht von allem, was Grisebach sonst noch an dieser
Stelle auf die Pflanze von S wart z bezieht, gilt das Gleiche,
wovon Weiteres bei anderer Gelegenheit.
13. Sapindus guineensis Don wurde, wie schon oben
S. 243 erwähnt, von Hooker in Niger Flora 1849 zu
Sapindus senegalensis ^ d. i. Äphania senegalensis Radlk.
gezogen. Ich muss die Richtigkeit dieser Deutung, welche
sich wohl sicher nur auf die Beschreibung Don^s, nicht
auf Autopsie stützt, dahingestellt sein lassen. Mir scheinen
die Angaben von Don „leaflets numerous*^ i^young branches
BadlJcofer: Üeher Sapindus etc. 359
as well as panicles clothed with rufous hairs ; panicles large,
terminal ^ besser auf DeinhoUia pinnata als auf Äphania
senegalensis zu passen; auch die Angabe über die Frucht
„fruit red, about the size of a cherry with a whitish fari-
naceous pulp*' scheint dieser Auffassung nicht zu wider-
sprechen, wenn man die mehUge Beschaffenheit auf die
von Sklerenchymzellen körnige äussere Fruchtschicht be-
ziehen darf.
14. Sapindus Koelrmteria Blanco ist von Blan co selbst
in der zweiten Ausgabe der Flor. Filip, (1845) in Koelr
reuteria arborea umgewandelt worden. Aus der Beschrei-
bung der Pflanze geht ziemlich sicher hervor, dass dieselbe
zur Gattung Koelreuteria nicht gehöre , und dass die Ver-
setzung zu ihr wohl nur dem Vorhandensein eines unregel-
mässigen Discus Rechnung tragen sollte (s. Zus. 4). Zu
bestimmen, wohin sie gehöre, dazu reicht die Beschreibung
nicht aus, zumal die Frucht der Pflanze unbekannt ist. Am
ehesten möchte dem Autor ein Blüthenexemplar irgend einer
Guioa vorgelegen haben. Das hat auch Blume, dem
wohl nur die erste Ausgabe der Flor. Filip. bekannt war,
schon als wahrscheinlich angenommen, indem er unter
Hemigyrosa Perrottetii^ d. i. Ghiioa Perrottetü Radlk., sagt:
^ßapindus Koelreuteria Blanco forte eadem aut altera hujus
generis species" (Rumphia III, 1847, p. 165). Auf Oruioa
weist wenigstens die Beschreibung der Blumenblattschuppen
hin und der einseitige Discus, welcher in den Worten:
„Estambres ocho ä un lado del germen*^ angedeutet zu sein
scheint. Gegen Guioa spricht übrigens wieder die Angabe,
dass der Kelch nur 4-theilig sei, vorausgesetzt, dass diese
Angabe exact ist.
15. Das Original des Sapindus lucidum Desv. Hb. ed.
Hamilton befindet sich im Herbarium des Herrn Alp h. La-
360 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 1, Juni 1878.
vallee, Generalsecretärs der Societe centrale d'Horticul-
ture in Paris, Herr Her ine q, Präparator am Pariser
Museum, hat sich das Verdienst erworben, die Lösung des
seit 1825 mit dieser Art den Botanikern aufgegebenen und
bis jetzt geduldeten Räthsels zu ermöglichen, indem er
meine Nachforschungen nach dieser Pflanze unterstützte
und mir (bei meineni letzten Aufenthalte in Paris im April
1877) die Autopsie derselben verschaffte. Sie gab sich da-
bei auf den ersten Blick als Hypelate paniculata Gamb. zu
erkennen. Zur gleichen Pflanze gehört, wie hier beigefügt
sein mag, die von Schlechtendal und Ohamisso nach
der Sammlung von Schiede und Deppe mit dem Ein-
gebomen-Namen „(7o/?aZiKo" (Papantlensium) in Linnaea
V, 1831, p. 419, n. 1295 erwähnte „Sapindacee**, zugleich
mit der als damit verwandt bezeichneten ^^Ephielis juglan-
dinea Poepp. Enum. pl. cub." (1824).
16. Ich würde in ,ßapinäus marginatu^ Bl.'^ von
Teysmann & Binnendijk, resp. des von diesen her-
ausgegebenen Catalogus Plantarum quae in Horto bot. Bo-
goriensi coluntur (1866), nur einen Schreibfehler für „/S.
emarginatusNdioX (Blume Rumphia HI, 1847, p. 94, n. 2)
erblickt haben, zumal von Teysmann i. J. 1867 an
Hasskarl gesendete Exemplare letzterer Pflanze, welche
wohl zweifellos aus dem Garten zu Buitenzorg herrühren,
im Hb. Hasskarl und, von Hasskarl mitgetheilt, im Hb.
Berol. vorhanden sind, wenn nicht die betreffenden Autoren
als Vaterland ihrer Pflanze „Java" angegeben hätten,
während sie zugleich 8. emarginattis Vahl als solchen auf-
führen. Einer Beziehung auf S, marginatus Willd. stand
gleichfalls die Vater landsangabe im Wege; zugleich ist der-
selbe von Blume meines Wissens nirgends berührt wor-
den. Vielleicht liegt der Angabe lediglich eine Bestimmung
Blume' 8 aus der Zeit seines Aufenthaltes in Buitenzorg
Radlkofer: üeber Sapindus etc- 361
zu Grunde. Irgend ein positiver Anhaltspunkt dafür, dass
die Pflanze wirklich zur Gattung Sapindus gehöre, liegt
nicht vor. Es ist das sogar unwahrscheinlich, wenn die
Pflanze in der That aus Java ist. Denigemäss hielt ich es
für das Beste, sie nicht in der zweiten, sonderh in der
ersten Tabelle aufzuführen.
17. unter dem Namen Sapindus mauritianus Hort,
Par. etc. mag wohl eine wirkliche Sapindns-Art, vielleicht
aus dem Garten auf Mauritius in den zu Paris und Mont-
pellier gelangt, gemeint sein. Es liegt aber zur Zeit irgend
ein positiver Anhaltspunkt dafür nicht vor. Desshalb wurde
die Pflanze, v^e die im vorausgehenden Zusätze besprochene,
nach den in der Vorbemerkung 1 dargelegten Grundsätzen,
in die Tabelle I aufgenommen.
18. Sapindus microcarpus R. & P., Flor, peruv. IV,
1802, tab. 341 (ohne Text) ist, wie schon die Abbildung
deutlich erkennen lässt, und wie ein im Hb. Webb. vor-
handenes Originalexemplar der betreffenden Autoren bestätiget,
nichts anderes als Allophylus Cominia Sw., während die
folgende Tafel 342 einen wirklichen Sapindus darstellt, und
zwar S. Saponaria L. , wie das auch Ruiz & Pavon an-
gegeben haben, aus deren Herbar auch von dieser Pflanze
Originalien vorhanden sind (Hb. Boissier, De Cand., Berol.).
Es wäre nicht nothwendig gewesen, auf diese Pflanzen
hier einzugehen, wenn nicht Don in seinem General Syst.
I, 1831, p. 665 den betreffenden Tafeln eine andere Bezieh-
ung gegeben hätte. Don citirt nämlich zur Beschreibung
des S. Saponaria L. unter anderem Ruiz & Pavon PI.
Peruv. IV, tab. 341. Das mag ein bioser Druckfehler
sein , statt tab. 342. Unter S. microcarpus R. & P., wel-
chen Don als 5. Sapindus- Art aufzählt, wird wieder, und
362 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 1, Juni 1878,
hier im Einklänge mit der Flor. Peruv., tab. 341 citirt —
die Beschreibung aber, welche Don dazugegeben hat, steht
nicht im Einklänge mit dieser (ohne Beschreibung von R.
& P. edirten) Tafel 341, sondern sie scheint, was sich wenig-
stens für die Angaben über Blatt und Blüthenstaud ziem-
lich sicher annehmen lässt, vielmehr nach tab. 342, also
nach 8. Saponaria gemacht zu sein. Don's fünfte Sapin-
dus-Art ist desshalb mit Ausschluss der erwähnten tab. 341
sAb ^jSapindus microcarpus^ von R. & F., Don quoad descrip-
tionem" unter die Synonyme von S. Saponaria zu verweisen
(s. Tabelle II, n. 41), ebenso wie die Copie derselben bei
WalpersRep. I, 1842, p. 417.
19. lieber die wenigstens theil weise Unterschiebung
von Hebecoccm ferrugineus Radlk. unter Sapindus montanus
Bl. im Garten zu Buitenzorg und in dessen von Teysmann
& Binnendijk (1866) herausgegebenem Cataloge ist das
in meiner Uebersicht der Sapindaceen Holländisch - Indiens
in Zusatz 2 und Nachtrag dazu Gesagte nachzusehen.
20. Zu der fragweise gegebenen Interpretation von 8.
montanus Wall. Cat. 8041 C. ist das in Zusatz 3 Gesagte
zu vergleichen.
21. In dem Namen Sapindus oilongifolius Sonder ist
der älteste und desshalb auch bei ihrer üeberführung in
die Gattung DeinholUa zu gebrauchende Art-Beiname der
Pflanze enthalten. Diess ersichtlich zu machen, mag die
Synonymie der Pflanze hier Platz finden:
Bhus oUongifolia E. Mey. in Drege PI., exsicc,
circa 1835—37;
Sapindus lachnocarpa Hochstetter in Krauss PI.
exsicc. (cf. Flora 1843, p. 80);
BadlJcofer: Ueber Sapindus etc. 363
Simäba lachnocarpa Hochstetter in Eranss PI.
exsicc. (cf. Flora 1843, p. 80) ;
Prostea öblongifolia Walk.-Arn. in Hook. Journ.
Bot. III, 1841, p. 151;
Sapindus capensis Hochstetter in Flora 1843, p.
80, excl. syn., ^Pappea capensis Eckl. & Zeyh.";
Prostea öblongifolia Presl bot. Bemerk. , 1845,
p. 40;
Hippobromus ohlongifolius Drege in Linnaea 1847,
p. 614;
Sapindus ohlongifolius Sond. in Harv. & Sond. Flor.
capens. I, 1859—60, p. 240.
22. Sapindus öblongus Benth. betrachte ich als syno-
nym mit Sapindus cerasinus Benth., d. i. Talsia cerasina,
über welche Zusatz 9 nachzusehen ist.
23. Ueber die aus Sapindus ruhiginosus Roxb. hervor-
gegangene, alle übrigen verdrängende Bezeichnung der be-
treffenden Pflanze als Erioglossum ruhiginosum Bl. ist das
in Zusatz 10 Bemerkte zu vergleichen.
24. Ich halte Sapindus Saponaria Blanco, Flor. Filip.
«
Ed. I, 1837 {Sapindus Guisian ibid. Ed. II, 1845), durch
Blume' 8 schon oben S. 271 erwähnte Aufstellung einer
besonderen Art von Erioglossum y,JE. cuneifolium^^ dafür,
welcher lediglich die mangelhafte und unklare Beschreibung
Blanco^s zu Grunde liegt, keineswegs für endgiltig auf-
geklärt. Damit will ich nicht in Abrede stellen, dass die
Beschreibung Blanco 's eher auf Erioglossum als auf eine
andere Gattung sich beziehen lasse. Nur mochte ich es
als angemessen erachten, bis zum Nachweise einer beson-
deren, der Beschreibung von Blanco besser entsprechenden
Art von Erioglossum auf den Philippinen, in seiner Pflanze
364 Sitzung der math.-phys. Classe vom 1, Juni 1878,
lediglich eine der vielen Formen von Erioglossum rubigi-
nosum za vermuthen, angemessener, als eine gänzlich un-
zureichend fondirte besondere Art darnach aufzustellen. Dass
auch in dem unmittelbar neben S. Guisian gestellten S.
edulis der IL Ausgabe der Flor. Filip. kaum etwas anderes
gemeint sein dürfte als Erioglossum rubiginosum^ tritt bei
der mannigfachen 'Gestaltung dieser Pflanze, von der Blume
4 Varietäten aufzählt, dieser Anschauung keineswegs störend
entgegen.
25. Im Herbarium Linnens liegen unter Sapindus
Saponaria dreierlei Pflanzen, was vielleicht besser zu über-
gehen gewesen wäre, da die Basis von Sapindus Saponaria
L. ja nicht der Inhalt des Li nne' sehen Herbares bildet,
sondern in erster Linie Plumier — Tournefort, in zweiter
das Herb. Cliffort, auf welches sich Linne bei der
Aufstellung der Art beruft, während eine Bezugnahme auf
die betreffenden Materialien seines Herbärs nirgends zu
erkennen ist. Da übrigens doch einmal der betreffende In-
halt des Linn ersehen Herbares durch Hiern Erwähnung
gefunden hat , so mag zur Motivirung des in der Tabelle
seiner Angabe beigefügten „partim" hervorgehoben sein,
dass es nicht blos Erioglossum rubiginosum, sondern auch
der echte Sapindus Saponaria ist, welchen Linnens Herbar
unter dem letzteren Namen enthält. Die dritte Pflanze,
einer dritten Sapindaceen-Gattung angehörig, mag unge-
nannt bleiben, um nicht noch weitere Gomplication der
Synonymie hier und dort zu veranlassen. Nur bei Erio-
glossum rubiginosum ist von Linne der Name Sapindus
Saponaria vollständig beigesetzt; bei der zweiten Pflanze
nur der Name Sapindus ; bei der dritten auch dieser nicht.
Die beiden letzteren Pflanzen (resp. die betreffenden Plagulae)
sind durch Stecknadeln mit der ersteren verbunden, was,
wie Linne selbst in den Mittheilungen über sein Herbar
Radlkofer: Ueher Sapindm etc. 365
(bei Afzelins, p. 231) angibt, ein Zeichen dafür ist, dass
er alle die betreffenden Pflanzen als zur selben Species ge-
hörig betrachtet habe.
26. Es ist auffallend, dass seit der Aufstellung von
Sapindas surinaniensis Poir. i. J. 1804 bei zahlreichen, in
den verschiedensten Herbarien, wie auch in der Literatur
(s. z. B. n. 37, 83 und 94 der Tabelle I und Zusatz 54
zu Tabelle II) zu findenden Versuchen, die Angaben Poir et 's
auf ein bestimmtes Material zu beziehen, Niemand Verdacht
rücksichtlich der Zugehörigkeit der Pflanze Poiret's zur
Gattung Sapindus schöpfte, obwohl mehrere der von ihm
angeführten Merkmale dazu Veranlassung geben, ohne aber
zur Klärung der Pflanze selbst schon ausreichende Anhalts-
punkte darzubieten. * Glücklicher Weise sind die Originalien
Poir et 's im Herb. Surian (n. 827) und Herb. Jussieu (n.
11387, dieses dem Herb. Surian entnommen) noch erhalten.
Es hat zunächst Herr Triana auf meine briefliche An-
regung hin die Güte gehabt die Pflanze nachzusehen und
ihre Zugehörigkeit zu Picraena excelsa Lindl. zu constatiren.
Bei meinem letzten Aufenthalte in Paris im April 1877
war es mir gegönnt beide Originalien zu vergleichen. Das
im Herb. Jussieu hatte ich schon früher (1867) gesehen
und mir als nicht zu den Sapindaceen gehörige Pflanze
notirt, war aber damals, da das Herb. Jussieu nur den Ein-
gebornen-Namen„Chipitiba" nach Surian und nicht auch
die Bestimmung von Poiret enthielt, auf den Znsammen-
hang der Pflanze mit S. surinamemis Poiret nicht sogleich
aufmerksam geworden. Erst das nähere Studium der Gat-
tung Sapindus führte später darauf hin.
27. lieber die Merkmale und die Stellung der aus 8.
surinamemis (non Poir.) Turcz. hervorgehenden Talisia
hemida^ya^ deren Namen ich mit Rücksicht darauf gewählt
[1878, 3. Math.-phys. CIJ 25
366 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 1. Juni 1878,
habe, dass hier nur die Inflorescenz, uicht auch, wie bei
der zunächst stehenden T. mollis, das Blatt rauhhaarig ist,
ist Zusatz 9 nachzusehen.
28. Dass Sapindus tomentosus Kurz nicht zu Pancovia
gehören könne, wohin Kurz die Pflanze später gebracht
hat, ist schon oben S. 272 dargelegt worden.
29. Nach den De Candolle'schen Nomenclaturregeln
ist aus der Bezeichnung Sapindus unijugus bei Erhebung
der betreffenden Pflanze zu einer besonderen Gattung Glen^
niea für die Art der Name Glenniea unijuga zu bilden.
J. Hooker hat bei der Aufstellung von Glenniea in Beut h.
Hook. Gen. I, 1862, p. 404 die Bezeichnung der Art ganz
ausser Betracht gelassen und der Gattuugsdiagnose über-
haupt nur die Bemerkung beigefugt, dass nur 1, und zwar
eine auf Zeylon einheimische, durch Thwaites bekannt
gewordene Art der Gattung vorhanden sei: „Species 1,
Zeylanica. Thw. Enum. PI. Zeyl. 56 (Sapindu^ unijugus).*''
In Folge unrichtiger Auffassung dieser Bemerkung hat
Thwaites in den zwei Jahre nach dem Erscheinen des be-
treffenden Bandes von Benth. Hook. Gen. veröffentlichten
Zusätzen zu seiner Enumeratio PI. Zeyl. die Pflanze als
Glenniea eeylanica Hook. fil. aufgeführt und dieser Name
ist auch von Hiern beibehalten worden. Dieser Name
würde nach Umänderung der Autoritätsbezeichnung in
„Thwaites" (entsprechend den in seinem Briefe an Cog-
niaux*) erläuterten und sicher zu billigenden Anschauungen
De Candolle's) beibehalten werden können, wenn der
überhaupt zuerst mit dem richtigen Genus-Namen verknüpfte
Art-Beiname als der giltige angesehen würde, und wenn
*) Bulletin de la Soci^t^ royale de Botanique de Belgique, XV,
1876, p. 482.
Radlkofer: lieber Sapindus etc. 367
über dessen Prioritätsansprüche nicht zurückgegangen zn
werden brauchte. Man kann es bedaaern, dass die D e
Can doli ersehen Nomenclaturregeln nicht diesen früher
herrschend gewesenen Gebrauch sanctionirt haben, da die
Anerkennung weiter zurück liegender Prioritätsansprüche
häufig noch Namensänderungen nothwendig macht, wo sie
ausserdem würden vermieden werden können. Trotz dem
scheint es mir, um nur überhaupt einmal zu einer geregelten
und stabilen Nomen clatur zu gelangen, angemessen, den
genannten Regeln Folge zu geben und ihnen die eigene ab-
weichende Anschauung nnterzuordnen, wie bei der Ein-
führung des Namens Glenniea unijuga geschehen.
30. Von der aus Sapindus xanthocarpus Elotzsch her-
vorgehenden DeinboUia xanthocarpa war schon oben S. 247,
248 die Bede.
31. Die von Christian Smith am Gongo gesam-
melten Pflanzen, welche Baker (in Oliver Flor. trop.
Africal, 1868, p. 432) unter i)einÄoZKa laurifolia beschrieben
hat, und welche ich im Herbarium zu Eew gesehen
habe, erachte ich als zu zwei verschiedenen Arten gehörig.
Nur die eine davon besitzt Blättchen, welche sich mit
denen des Lorbeers vergleichen lassen und mit Baker als
oblong zu bezeichnen sind. Die Blättchen der anderen sind
obovat, und auf sie ist aus Baker^s Angaben „the point
acute or acuminate, the base rounded or subcuneate^^ je
der zweite Theil zu beziehen, während der vor dem „oder"
die eigentliche D. laurifolia betrifft. Die von D. laurifolia
abzutrennende Pflanze mag den Namen D. obovata fuhren.
Rob. Brown scheint sie wohl auch zusammen mit D.
laurifolia Baker emend. als eine Art betrachtet zu haben,
da er in seinem Berichte über die von Ghristian Smith
am Gongo gesammelten Pflanzen (1818, s. Brown's ver-
mischte Schriften übers, von N. v. Esenbeck 1, 1825,
25*
368 Sitzung der math.-phys. Classe vom 1, Juni 1878.
p. 188) nur „2 neue Arten" von Deinhollia, oder, wie
er sich ausdrückt, von ^^Sapindus^^ angibt, und da ausser den
bisher erwähnten auch noch Deinbollia grandifolia Hook. f.
(Niger Flora, 1849, p. 249) von Smith amCongo gesammelt
vorliegt, welche Baker mit Recht neben Deinbollia insignis
Hook. f. (1 c. p. 250) nicht als besondere Art aufrecht zu
erhalten für gut befunden hat.
Die Charakteristik der D. öbovata ist nach Exemplaren
des Herbariums zu Kopenhagen, welche mir vorliegen, kurz
folgende :
Deinbollia obovata Radlk. (D. laurifolia Baker,
partim): Folia pari-pinnata, longe petiolata, petiolo tereti
rhachin subaequante imrao (in foliis inferioribus) superante ;
foliola mediocria 4-juga, superiora opposita ex obovato cuneata
breviuscule petiolulata, inferiora alterna obovata vel sub-
oblonga longiuscule petiolulata, omnia insigniter abrupte
acuminata, membranacea, supra laevia, subtus reti venarum
prominulo notata, utrinque glabra, glandulis stipitatis fili-
formibus profunde immersis supra subtusque . ornata, epi-
dermide non mucigera. — Guinea inferior, ad flumen Congo :
Smith.
Bei Deinbollia laurifolia, wie ich sie fasse, betragen
die Blattstiele kaum ^l^—^js der Rhachis; die Blättchen sind
6 — 7-jocbig, in eine stumpfe Spitze endigend, alle kurz ge-
stielt , und ihre Epidermiszellen grossentheils (wie auch bei
Deinbollia cuneifolia Baker) mit verschleimten inneren Wan-
dungen versehen.
Neben Deinbollia obovata mag hier noch eine weitere
neue Art von Deinbollia^ welche ich im Hb. Jussieu unter
n. 11414 vorgefunden habe, kurz charakterisirt sein:
Deinbollia neglecta Radlk.: Folia pinnata; foliola
parva, 7-juga, ex obovato oblonga, apice acuta vel sub-
acuminata, basi in petiolulos breves cuneato-attenuata, mem-
branacea, utrinque laeviuscula, glabra, glandulis stipitatis
11
11
Badlkofer: lieber Sapindm etc. 369
immersis ornata, epidermide mucigera ; flores minores ; sepala
glabriuscula, margine ciliolata; petala margine villosa, intus
squama lata deflexa margine yillosa ancta; discus glaber;
stamina 8 — 10, filamentis apice villosis; rudimentnm ger-
minis deorsum bilobum, — Madagascar: Commerson.
Mit dieser Art welche der D. laurifolia emend. zunächst
steht, steigt die Zahl der bis jetzt zur Unterscheidung gelangten
DeinboUia- Arten auf folgende 10, von welchen mir sämmt-
lieh authentische Materialien vorgelegen haben :
Deinbollia pinnata Schum. & Thonn. 1829 ("Orni-
trophe p. Poir. 1808^,
insignis Hook. f. 1849 (incl. D. grandi-
folia Hook, f.);
borbonica Scheffer 1868 (in Scheff.
Observ. phytograph. p. 17.);
„ cuneifolia Baker 1868;
„ laurifolia Baker emend. 1868;
„ Pervillei Radlk. 1877 (in Bericht d. 50.
Versamml. deutsch. Naturf. u. Aerzte,
p. 209; Hemigyrosa? P.Blume 1847);
oblongifolia Radlk. (Rhus oblongifol.
E. Meyer 1835—37, etc.; cf. p. 362);
xanthocarpa Radlk. (Sapindus x.
Klotzsch 1862);
obovata Radlk. (D. laurifolia Baker,
partim, 1868);
„ neglecta Radlk.
Zu Deinbollia horhcytiica rechne ich als eine forma
glabrata Exemplare aus Mayotte (n. 3358) und Zanzibar
von Boivin (i. d. J. 1847 — 52 gesammelt), sowie aus
Zanzibar von J. M. Hildebrandt (i. J. 1873 gesammelt),
welche kaum einzelne Härchen an der Unterseite der Blätt-
chen wahrnehmen lassen; als forma trichogyra ferner
ein Exemplar aus Zanzibar von Boivin (im Oktober 1847
11
11
11
370 SitZMu/ der math.-2)hys. Classe vom 1. Juni 1878.
mit jungen Früchten gesammelt), welches sich vor allen
übrigen Materialien dadurch aaszeichnet, dass der Discos
der Blüthe aussen unter seinem scharfen aufwärts gerichteten
Rande mit einem Ringe dicht stehender Haare besetzt ist,
während sonst der Discus kahl erscheint.
Wenn ich endlich vermuthe, dass Deinbollia borhonica
die Pflanze sei, welche unter ^^Sapindm spec.^ Bourbon" in
Teysmann&Binnendijk Cat. Hort. Bogor, 1866, p. 215
zu verstehen sei, so hoflfe ich nicht fehl zu greifen.
32. Unter Cuming n. 1170 scheinen verschiedene
Pflanzen edirt worden zu sein. Die mir vorliegende mit
der Bezeichnung „ÄapintiMs" auf der Etiquette von Hohen-
a c k e r ist Lepidopetalum Perrottetii Bl. mit jungen Früchten.
J. Müller führt unter der gleichen Nummer, aber ohne
Angabe darüber, ob derselben eine Bestimmung beigefügt
war, Mallotus muricatus Müll. Arg. auf (Linnaea XXXIV,
p. 191; DC. Prodr. XV, 2, p. 972).
33. Ich habe die Göring'sche Pflanze nicht gesehen.
Nur aus der von Turczaninow (Bull. Mose. 1858, p. 404)
gegebenen Beschreibung schliesse ich, dass dieselbe zu Po-
metia gehören mochte.
34. Die von Hiern (in Hook. Fl. Brit. Ind., I, 1875,
p. 684 in obs. ad. n. 7) gemeinte Pflanze ist wohl die
unter n. 163 und 221 aus der Sammlung von Seh omburgk
aus Siam im Herb. Hooker niedergelegte Pflanze. Diese
habe ich gesehen. Was ich über sie notirt habe gibt mir
in Verbindung mit dem, was Hiern darüber mittheilt, zu
der Vermuthung Veranlassung, dass sie identisch sei mit
der mir vorliegenden Äphania microcarpa Radlk. aus Siam
(SapinduLS m. Kurz).
35. Die Host mann 'sehe Pflanze weicht zwar durch
dünnere Blättchen mit besonders unterseits stärker hervor-
BacUkofer: Ueber Sapindus etc. 371
tretendem Venennetze und beiderseits annähernd gleicher
Farbe von der typischen TouUda guianensis Aubl. etwas
ab; diese Unterschiede scheinen mir aber nicht aus-
reichend, um die Pflanze als eine besondere Art ansehen zu
können, da wenigstens die Blüthentheile (besonders die Ge-
staltung der Blumenblätter) vollständige üebereinstimmung
mit Aublet^s Original zeigen.
Anders scheint es sich mir mit den Exemplaren zu
verhalten, welche Sagot i. J. 1857 in Guiana gesammelt
und unter n. 1036 an einige Herbarien mitgetheilt hat.
Hier ist sowohl die Gestalt der Blumenblätter als auch die
Beschaffenheit des Blattes derartig eigenthümlich, dass in
diesen Exemplaren wohl eine neue Art zu erblicken ist.
Ich will sie in folgender üebersicht der bis jetzt mir
bekannt gewordenen Toulicia- Arten kurz charakterisiren und
ihr den entsprechenden Platz anzuweisen suchen,
Toulicia Aubl.
Sectio I. Eutoulicia : Petala 4, squama profunde bifida aucta ;
discus unilateralis ; foliola integerrima (magna numerosa).
X Discus glaber
+ Foliorum rhachis lateraliter compressa, subtus
carinata
1) T. guianensis Aubl. 1775. („Ayoua" incol., fide
Hb. L. Cl. Richard.)
+ + Poliorum rhachis teretiuscula
2) T. pulvinata Radlk.: Foliola subopposita, sursum
imbricata, ovato-elliptica, valde inaequilatera, apice basi-
que subacuta, petiolulis brevissimis crassis pulviniformi-
bus insidentia, coriacea, glabra; petala squama brevi
bifida laciniis dorso corniculato-cristatis instructa. —
Guiana gallica: Sagot n. 1036.
X X Discus pubescens
3) T. elliptica ßadlk. (Paullinia sp. Spruce PI. bras.,
\
372 Sitzung der inath.-phys. Glosse vom 1. Juni 1878.
1852) : Foliola alterna, magna, late elliptica, subaeqni-
latera, utriuqne subacuta, petiolulata, petiolulis basi
incrassatis, coriacea, glabra, supra e viridi livescentia,
subtus fuscescentia ; discus cano-hirtellus. — Brasilia,
prov. Rio Negro, Säo Gabriel: Spruce n. 2290. Arbor
parva.
4) T. bull ata Radlk. (Paullinia sp. Spruce PL bras.,
1852): Foliola 12 — 14-juga, subopposita, oblonga, acuta
yel brevissime acuminata, basi inaequalia, petiolulata,
coriacea, bnllata, discoloria, supra viridia, subtus fusca;
discus cauo-sericeus. — Brasilia, prov. Rio Negro, prope
Panurö ad Rio üaupes: Spruce n, 2797. Arbuscula
„15-pedalis^^ simplicissima.
Sectio II Dieranopetalum (Dicranopetalum Presl 1845,
qua genus): Petala 4, squama profunde bifida aucta;
discus unilateralis (hirsutus); foliola serrata (parva,
numerosa).
X Foliola laevigata, obsolete serrulata; paniculae,
pro genere minores, folia vix superantes
5) T. laevigata Radlk.: Foliola 7— 12-juga, lanceolata,
iuaequilatera, plus minus falcata, suporne remote et
obsolete serrulata, subcoriacea, supra laevigata, subtus
venis prominulis minutim reticulata, breviter petiolu-
lata. — Brasilia, prov. Rio de Janeiro : Riedel LL. ;
Riedel & Langsdorff n. 629. Arbor „20 - 25 pedalis."
X X Foliola utrinque minutim reticulata, insigniter
serrata; paniculae magnae, folia subduplo su-
perantes
6) T. st ans Radlk. in Monogr. Serj , 1875, p. 353 (Ser-
jania stans Schott in Spreng. Syst. IV, 2, 1827, p. 405 ;
Tulicia brasiliensis Gasaretto Decad., V, 1843, p. 45 ;
Dicranopetalum polyphyllum Presl bot. Bemerk., 1845).
Sectio III. Ereagrolepis : Petala 5, squama profunde bifida
aucta ; discus unilateralis (hirsutulus) ; foliola crenata
(minora, sat numerosa).
Badlkofer: lieber Sapindus etc. 373
7) T. crassifolia Radlk. : Foliola 6 — 11-juga, ovata,
subaequilatera, snbsessilia, apice grossinscule paucicre-
nata, crasse coriacea, supra laevissima, splendentia,
snbtas reticalato-yenosa, opaca; panicnla magna, folia
subduplo superans, parum ramosa. — Brasilia, prov.
Minas-Geraes et Pernambuco: Martins; Gardner n.
2802. Frntex 4— 6-pedalis.
Sectio IT. Aphanolepls : Petala 5, esquamata, margine
utrinque snpra nnguem subinflexo barbato; discus
subregularis, snbaequalis (glaber) ; foliola integerrima
(sat magna, panciora).
8) T. tomentosa Badlk.: Rami, petioli et foliola snbtns
subhirsnto-tomentosa; folia nnnc pari-, nnnc impari-
pinnata, rarissime trifoliolata vel simplicia; foliola ex
ovato snboblonga, vix inaequilatera, brevissime petioln-
lata, acnta vel obtnsa, rigide coriacea, supra laevissima ;
panicnla maxima. — Brasilia, prov. S. Panlo et Minas-
Geraes: Pohl n. 1950; Riedel n. 2217, 2643; Lnnd;
Claussen. Frntex ereetus 2 — 3-pedalis. Ludit foliolis
snbtns glabrescentibns.
Sedis dubiae (ob petala ignota):
9) T. megalocarpa Radlk.: in Monogr. Serj., 1875,
p. 353 (Serjania m. Turez., 1858).
Für die nnter Nummer 3 und 4 aufgeführten Arten
ist die Frage, ob sie nicht^etwa zu der in Znsatz 10 auf-
gestellten Gattung Forocystis gehören, als eine offene zu
betrachten, deren Erledigung von dem Bekanntwerden der
Früchte abhängig erscheint.
36. üeber Hnghes's „Soap -Berry-Bush or
Fire-Burn-Leaf, lat. 5apindw5", nach Hughes's Angabe
eine mit hackenförmigen Ranken versehene Pflanze, deren
dünne, herzförmige und scharf zugespitzte Blätter zerrieben
und mit Wasser geschüttelt einen eben so starken Schaum
374 Sitzimg der math.-phys, Classe vom 1. Juni 1878.
gebeD, wie die gleiche Menge Seife, sagt Maycock (Flora
barbadensis, 1830, p. 159) in einer Anmerkung zu dem
unter Sapindus Saponaria angeführten Citate „Black
Nicker-Tree Hughes p. 118": „This cannot be con-
founded with the Soap-Berry-Bush or Fire-Burn-Leaf of
Hughes, p. 149, which I have not been able to identify
with any plant I have met with".
Eine unzweifelhaft sichere Deutung der Angaben Hu-
ghes's kann auch heute noch nicht beigebracht werden.
Doch scheinen sich dieselben unschwer auf bestimmte Arten
von Gouania vereinigen zu lassen. Hughes 's Beschrei-
bung der Banken und der Blätter stimmt ganz gut zu
dem, was z. B. Gouania martinicensis zeigt, oder die schon
von Linne (Spec. PL Ed. H, Append. p. 1663) für Barba-
dos und Jamaica angeführte Gouania domingensiSy die
Linne selbst auch früher (im Hort. Upsal., 1748, p. 97)
einer Sapindaceen-Gattung (Paullinia) beigerechnet hatte
(s. unten Zus. 50 zum Anhange der Tabelle I). Mit den
Blättern dieser Arten angestellte Versuche liessen wahr-
nehmen, dass dieselben in der That beim Schütteln mit
Wasser eine reichliche Schaumbildung veranlassen, wovon
schon oben S. 290 die Rede war. Bemerken will ich hiezu
noch, dass eine Art von Gouania, G» tomentosa Jacq., nach
Seemann Bot. Herald p. 98 in Panama den Namen
„Javonsillo" führt, welcher offenbar von Jabon (Seife)
abgeleitet ist. Da die Blätter der Rhamneen zum Theile
ähnlich wie die der Corneen mit der Zeit eine lebhaft rothe
Farbe annehmen, so mag das wohl auch für Gouania do-
mingensis der Fall sein und zu dem Namen Fire-Burn-
Leaf Veranlassung gegeben haben.
Nach all dem habe ich mich für berechtigt gehalten,
Gouania domingensis fragweise als die von Hughes viel-
leicht gemeinte Pflanze in die Tabelle I einzusetzen, um die
Radlkofer: lieber Sapindus etc, 375
Aufmerksamkeit Anderer auf sie zu lenken, und zu weiterer
Prüfung der Sache Anstoss zu geben.
37. Ueber dievonMiquel ursprünglich als Sapindus
spec. bestimmte Nummer 600, a der Hostmann-Kappler'-
schen Sammlung vergleiche das in Zusatz 1 Angegebene.
Auf die spätere, in der Tabelle Angeführte MiqueTsche
Bezeichnung dieser und der vorausgehend unter n. 116
der Tabelle erwähnten Pflanze werde ich an anderem Orte
zurückkommen, wie schon in Zusatz 1 bemerkt worden ist.
38. Die Charakteristik der hier sich folgenden Talisia
cupulariSy firma und acutifolia sieh in Zusatz 9.
39. Vergleiche das am Ende von Zusatz 31 über
DeinbolUa lorbonica Scheff. Gesagte.
40. Aus der Sammlung vonZoIlinger habe ich die-
jenigen Materialien unberücksichtigt gelassen, deren Nummern
der Buchstabe „z^^ beigefügt ist. Da auf diese Materialien
fast niemals die Bestimmung passt, welche für die entspre-
chende Nummer in dem Verzeichnisse von Zo Hing er
und Moritzi gegeben ist, so habe ich angenommen, dass
dieselben, wie wohl durch Beisetzung des Buchstabens „z"
angedeutet sein soll, eine besondere, vielleicht später erst
gemachte Sammlung bilden, und da ich diese Materialien
nirgends als in dem Herbarium von Franqueville ge-
funden habe, welches ZoUinger's eigenes Herbar enthält,
so bin ich der Meinung geworden, dass dieselben überhaupt
nicht edirt worden sind, und dass die beigesetzten Namen
desshalb als nicht vorhanden zu betrachten seien.
376 Sitzung der mathrphys. Classe vom 1 Juni 1878.
B. Zusätze zum Anhange der Tabelle I.
41. Von Dodonaea discolor Desf. finden sich Exem-
plare ans dem Pariser Garten im Herb. Desfontaines, resp
Webb, ohne Jahreszahl; im Herb. Delessert vom Jahre 1831 ;
im Herb, Webb ausserdem vom Jahre 1836 und 1842.
Weiter liegen mir Zweige vor, welche ich der im Pariser
Garten lebend vorgefundenen Pflanze i. J. 1867 selbst ent-
nommen habe. Alle diese Exemplare stimmen vollkommen
überein mit Zweigen aus der ^Sammlung La billardiere's,
von Webb an Boissier mitgetheilt, welche unzweifelhaft,
obwohl die betreffende Bestimmung denselben nicht beige-
setzt ist, als Originalien der ursprünglich von Labillardiere
(in Nov. Holl. Plantar. Specim. II, 1806, pag. 72, t. 222)
als Groton viscosum veröffentlichten Beyeria viscosa Miq.
(Ann. Sc. nat, III. Ser., I, 1844, p. 350, i 15) anzu-
sehen sind.
Als zu Beyeria viscosa und zwar zu ß. oblongifolia
gehörig mag hier noch eine Pflanze erwähnt sein, welche
Verreaux auf Tasmannia („Mont Nelson, Nov. 1843,
flor.") gesammelt hat und welche unter n. 90 und 134 von
dem Pariser Museum an verschiedene Herbarien mitgetheilt
worden ist. Sie konnte von J. Müller (in De Candolle
Prodr. XV, 2, 1866, p. 202) nicht aufgeführt werden, da
sie unter dem Einflüsse der Desf ontaines^schen Auf-
stellung sich gleichfalls zu Dodonaea verlaufen hatte. Ich
erwähne sie, um ihre Unterbringung am rechten Orte in
den betreffenden Herbarien zu erleichtern.
42. Dodonaea ? serrulata DC. Prodr. I, 1824, p. 617,
n. 16, welche ich hiemit zur Gattung Wimmeria als W.
serrulata vorbringe, wurde, wie das noch vorhandene Ma-
nuscript zu dem betreffenden Theile des Prodromus ersehen
lässt, nicht von P. De Candolle selbst, sondern von dessen
Radlkofer: lieber Sapindus etc, 377
Hilfsarbeiter Se ringe aufgestellt, auf Grund eines im
Herb. Prodromi noch vorhandenen Exemplares aus dem
Herb. Thibaud, welches i. J. 1815 an De Candolle ge-
langt ist. Als Standort der Pflanze gibt die betreffende
Etiquette „Monte- Video" an. Da alle übrigen Wimmeria-
Arten in Mexico zu Hause sind, so bedarf diese Angabe
weiterer Aufklärung, welche, wenn nicht auf anderem
Wege, so doch durch das Bekanntwerden neuer Materialien
zu erlangen sein wird.
Um die in Bede stehende Pflanze im Gegenhalte zu
den übrigen Arten von Wimmeria in aller Kürze genügend
zu charakterisiren, mag eine übersichtliche Zusammenstellung
der sämmtlichen bis jetzt bekannt gewordenen Arten hier
Raum finden. Der Umstand, dass die fructificirten Materialien
dieser Gattung häufig für Dodonaea-Arten angesehen wur-
den, hat mir ein geeignetes Material für eine solche Ueber-
sicht in die Hände gespielt. Dasselbe zeigt, dass die Gattung
wohl doppelt so viele Arten in sich fasst, als man noch
in neuester Zeit annahm. In Baillon Hist. d. PL, 1875,
p. 38 wird die Zahl der Arten auf 2 — 3, in Benth. &
Hook. Gen. I, 1862 p. 369 auf 3 angegeben. Diese sind
W, discolor Schlecht. Linnaea VI, 1831, p. 428, W. cm-
color Schlecht. 1. c. und, was die dritte Art betrifft, einer
Mittheilung von Oliver gemäss, die Pflanze von Hartweg
coli. n. 41, welche früher in Bentham PI. Hartwegianae,
1839, p. 9 und in Hooker Icon. IV, 1841, t. 356 mit
TF". concolor identificirt worden war, nunmehr* aber mit
Recht als besondere Art von den genannten Autoren auf-
gefasst wird. Die erstgenannten beiden Arten dürfte ein
reicheres Material wohl nur als wenig erhebliche Formen
einer und derselben Art erkennen lassen. Für jetzt mögen
sie noch als selbständige Arten aufgeführt sein, deren
Zahl dann im ganzen £^uf 6 sich entziffert, wie. fol-
gende Uebersicht zeigt.
378 Sitzung der mcäh.-phys. Glosse vom 1, Juni 1878,
Wimmeria Schlecht.
Heetio L Endalophus: Fractas longiores quam lati^
oyato-obloDgi, angastias alati, alis membranaceo-char-
taceis, endocarpio ecristato. Folia (glabra) atrinqne
laevigata, reti venaram obsoleto, nee prominulo nee
pellucido.
1) W. discolor Schlecht. 1. c: Folia ex elliptico lan-
ceolata vel ovato-lanceolata, 5 — 8 cm longa, 1,5— Sem
lata; pedicelli glabri ; fr actus 2 — 2,5 cm longi, 1,2 — 1,5
cm lati. — Papantla, S. Sebastian : Schiede & Deppe
n. 162 (fruct. m. Jan.); Liebmann; Earwinski n-
112, 114.
2) W. concolor Schlecht. I.e.: Folia ex elliptico sub-
rhombea, circ. 4 cm longa, 1,5 cm lata. Verosimiliter
forma tantom praecedentis gracilior, foliis minoribus
pallidioribus. — Colipa: Schiede & Deppe n. 159 (flor.
m. Mart.).
Sectio n. Endolophus: Fractas breviores quam lati,
suborbicalares, latias alati, endocarpio septorum incom-
pletornm rndimentis 3-cristato. Folia reti venarnm in
una specie laxiore pellucido, in reliquis arctiore pro-
minulo eodemqne plus minus pellucido instracta.
X Fractus alae membranaceae
+ Folia pubescentia
3) W. pubescens Radlk.: Folia parva, 2— 3 cm longa,
0,7 — 1 cm lata, ex oblongo vel subobovato cuneata,
obsolete et remotiuscule serrulata, nervis lateralibus
inferioribus elongatis sab-quintuplinervia, nervis apice
anastomosantibus rete venarum laxum pellucidam
efiSicientibuSy supra glabriuscula, sabtus ramulique pedi-
cellique pilis brevibus septatis pubescentia, quam supra
pallidiora; fructus 1,1 — 1,2 cm longi, 1,3— 1,4 cm lati.
— Gonsoquitla: Liebmann (flor. m. Aug., fruct. m.
Oct. — Nov.).
RacUhofer: lieber Sapindus etc. 379
+ + Folia glabra
* Nervi laterales debiles, venis vix robu-
stiores
4) W. pallida Badlk. (W. concolor, non Schrecht.,
Benth. PL Hartweg. 1. c, Hock. Ic. 1. c): Folia
2 — 5 cm longa, 1 — 3 cm lata, obloDga, ovata vel subor-
bicularia, tenuiter reticulato-venosa ; pedicelli pulveru-
lento-puberuli; fructus 1,4 — 1,7 cm longi, 1,6 — 2 cm
lati. — Hartweg n. 41 (flor.); Haenke (fruct.); Lieb-
mann (pr. Pochutla; fruct. m. Oct.).
Ich hoflfe nicht fehl zu greifen, wenn ich die
Fruchtexemplare von Haencke und Liebmann als
zur selben Art wie die Pflanze von Hart weg gehörig
betrachte, obwohl deren Blätter durch Grösse und
stärkere Breitenentwicklung beim ersten Anblick sich
als beträchtlich verschieden darstellen. Es scheint
mir das im Zusammenhange zu stehen mit der voll-
ständigeren Entwicklung dieser Exemplare überhaupt.
* * Nervi laterales sat robusti, quam
venae multo magis prominentes
5) W. persici folia Radlk.: Folia majuscula, petiolo
1,5 — 2 cm longo flaccido adjecto 7 — 11 cm longa,
2 — 3 cm lata, subovato-lanceolata, apice in acumen
acutum sensim angustata, basi rapidius attenuata,
minutim calloso-serrulata, transversim reticulato-venosa,
flavescenti-viridia, subtus quam supra pauUo pallidiora;
pedicelli glabri; fructus (submaturus) 1,5 cm longus,
1,7 cm latus, superne angustior, stylo perbrevi coronatus.
— Ejutla: Liebmann (fruct. submat., m. Oct.).
X X Fructus alae subcoriaceo-chartaceae, nervis
crebris parallelis rectis fibrosae
6) W. serrulata Radlk. (Dodonaea ? s. DC. I.e.; Don
Gen. Syst. I, 1831, p. 674, n. 20; Steudel Nomencl.
Ed. n, 1840, p. 522; Schlecht, in Linnaea XVII,
380 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 1. Juni 1878.
1843, p. 639 — sphalm. 739 — ): Folia ellipidca,
atrinqae attenuata, petlolo 1,2 cm longo adjecto circ.
6 cm longa, 2 cm lata, serrulata, tenniter reticulato-
yenosa, glabra; pedicelli glabri; fractas 1 cm longus,
1,6 cm latus, apice sinn lato excisos, alis oblique paten*
tibus, apice divaricatis. — Monte- Video? '
Eine früher von Turczaninow (in Bull. Mose. 1858,
p. 451) als Wimmeria ? integerrima bezeichnete Pflanze hat
dieser Autor selbst später (Bull. Mose. 1859, p. 276) als
nicht hieher gehörig erkannt und als Zinoioiewia inte"
gerritna unterschieden.
Was den Gattungscharakter yon Wimmeria betrifft,
so ist es nicht richtig, wenn Schlechtendal und nach
ihm Bentham und Hooker (Gen. PI. 1. c.) den Frucht-
knoten als dreiföcherig bezeichnen. Er ist das nur an
seiner Basis, soweit die Insertion der Samenknospen reicht.
Der obere Theil ist einfacherig und nur bei den Arten
der zweiten Section mit leisten- oder kammartig nach innen
vorspringenden, aus den Bändern der Fruchtblätter gebil-
deten unvollständigen Scheidewänden versehen. Die Frucht
wird also nicht erst, wie Schlechtendal hervorhebt, durch
Abortus einfächerig, wohl aber durch Verkümmerung ein-
(oder zwei-)8amig. Bei mehreren, oder selbst allen Arten
kommen, namentlich an den Seitenblüthen letzter Ordnung
der dichasischen Inflorescenzen, gelegentlich nur zweiflügelige
Früchte, d. h. nur zwei Fruchtblätter vor (W. discolor^
pübescens^ paUida^ persicifolia, serrtdata)^ welche in der
Mediane der Blüthe stehen, in die auch sonst eines der
Fruchtblätter (das hintere, über Sepalum 2 und dem darüber
am Rande eines der fünf schwach entwickelten Discuslappen
stehenden Staubgefasse gelegene) fällt.
Die Früchte sind bei allen Arten an der Basis und
Spitze mehr oder weniger tief herzförmig ausgeschnitten
BadlJcofer: lieber Sapindus etc. 381
und von dem an Länge gewöhnlich der Tiefe des betreffen-
den 'Ausschnittes gleich kommenden Griffel gekrönt. Bei W.
persicifolia ist der Griffel durch geringe Länge ausgezeichnet.
Die Narbenlappen sind commissural, alterniren also mit
den der Mediane der Fruchtblätter entsprechenden Kanten des
Fruchtknotens und den daraus hervorgehenden Fruchtflfigeln,
was in Hook er Icon. 1. c. nicht richtig dargestellt ist.
Der Kelch ist in der Knospenlage eutopisch imbricirt;
die Krone contort, und zwar in den gegenläufigen Seiten-
blüthen des Dichasiums in entgegengesetzter Richtung und
so, dass die mit dem gedeckten Rande des dritten Kelch-
blattes gleichnamige Seite der Kronenblätter die deckende ist.
Die Inflorescenz ist bald ein einfaches (3-blüthiges)
oder selbst auf die Mittelblüthe reducirtes, bald ein mehr-
fach verzweigtes (7- bis lö-blüthiges) Dichasium. Das
Erstere kommt, jedoch nicht lediglich dieses, besonders
bei W. pallida vor.
Dass mit Rücksicht auf TT. puhescens die Wimmeria-
Arten nicht mehr schlechthin als „arbusculae glaberrimae",
wie in Benth. Hook. Gen., bezeichnet werden können,
bedarf keiner besonderen Erinnerung.
Verschleimung der Epidermiszellmembranen wurde, wie
noch erwähnt sein mag, bei keiner Art beobachtet.
43. Ein im Hb. De CandoUe vorhandenes, von
Llanos, dem Mitarbeiter Bl an co 's, unter der Bezeichnung
Euphoria Nephelium Blanco mitgetheiltes Exemplar zeigt,
dass es nur dicht weichstachelige, den Früchten von Nephe-
lium einigermassen ähnliche Gallen sind, welche die Miss-
deutung der betreffenden Pflanze bei Blanco als Euphoria?
Nephelium ? Blanco Ed. H . und Euphoria Malaanonan
Blanco Ed. I veranlasst haben. Die Pflanze ist sicher eine
Dipterocarpee und höchst wahrscheinlich dieselbe Pflanze,
welche Blanco (nach normalen, gallenfreien Materialien)
[1878, 3. Math.-phys. Cl.] '26
382 Sitzung der math-phys, Classe vom 1, Juni 1873,
als Mocanera Guiso in Ed. I, 1837, p. 449, als Diptero-
carpus Guiso in Ed. II, 1845, p. 313 auff&lirt, und weicht
bei Blume, Mas. Lugd.-Bat. II, 1852, p. 34, zu Shored
Otiiso, ferner bei De Candolle, Prodr. XVI, 2, 1868,
p. 616, zu Änisoptera Ouiso geworden ist.
Der von Blanco zuerst der Pflanze gegebene Name
Euphoria Malaanomm^ Ed. I, p. 286 (spbalmate 289) mag
die Frage auftauchen lassen, ob die Pflanze nicht etwa mit
Mocanera Malaanonan Blanco Ed. I, p. 858, Dipterocarpus
Malaanonan Blanco Ed. II, p. 312, d. i. Shorea Malaanonan
Blume Mus. Lugd.-Bat., II., p. 34 (DC. 1. c. p. 631) in
Beziehung zu bringen sei. Das scheint übrigens der Be-
schreibung y^on Blanco gemäss nicht der Fall zu sein,
üeberdiess geht aus dessen Mittheilungen (Ed. I, p. 858)
hervor, dass der Name „Malaanonan^^ kein eng begrenzter,
nur einer bestimmten Pflanze zukommender ist, so dass es
nicht auflkllend sein kann, wenn ihn Blanco mehrmal zur
Bezeichnung immerhin nahe verwandter Gewächse ver-
wendet hat.
44. Auf die richtige Bestimmang der von Bertero,
P. De Gandolle und Gambessedes missdeateten Pflanze
als Hedmgia halsamifera Sw. hätte schon der von Bertero
seinen Exemplaren beigefügte Tulgärname „Bois cochon**
hinleiten können, da Swartz diesen Namen bei der Auf-
stellung seiner Pflanze ebenfalls schon angeführt hat
(Swartz Prodr. 1788, p. 62), und Hedmgia Sw. unter dem
in Rede stehenden Vulgärnamen von Poiret in Lamarck
Encycl., Suppl. I, 1810, p. 656 erwähnt ist.
45. Melicocca geniculata Spreng, ist unmittelbarer
Vergleichung gemäss dieselbe Pflanze wie Icica parviflora
Benth. in sched. PI. Sprue, n. 2321, d. i. der Flora bras.
Vol. XII, 2 (Fase. 65, 1874), p. 274, 275 gemäss (woselbst
Radlkofer: Ueher Sapindus etc. 383
übrigens Bentham's Name in J. parvifolia umgewandelt
ist) Protium Aracouchini March., Adansonia VIII, 1867,
p. 51 (Icica Aracouchini Aubl., 1775, p. 343, t. 133).
Die Pflanze liegt mir sowohl aus dem Hb. Sprengel selbst,
als aus dem Hb. Berol. mit Etiquette von Sprengel 's
Hand vor. Sie ist von Sello in Brasilien gesammelt.
Eine nähere Angabe des Standortes fehlt. Die von Sello
beigefügte Nummer 108 lässt schliessen, dass sie, wie andere
mit nahe stehenden Nummern versehene Pflanzen (z. B.
„n. 93" Serjania suhimpunctata Radlk.), aus der Provinz
Bahia sein werde.
46. Die Charakteristik des aus SchiecTcea Karsten
(Bot. Zeit. 1848, p. 398) hervorgehenden Maytenus ist
folgende :
Maytenus tovarensis Radlk. (Schieckea Karst. 1. c.) :
Cortex nigro-fuscus lenticellis crebris albo-punctatus ; folia
(nee „foliola'' uti Karsten dicit) alterna, oblongo-lanceolata,
serrulata, nervis lateralibus utrinque 6 — 8 subtus prominen-
tibus, subcoriacea, stipulis parvis deltoideis (aegrius perspi-
ciendis) instrueta ; paniculae subracemiformes (ramis brevibus
paueifloris) solitariae vel t^rnae — quinae ad axillas foliorum
congestae, folia paullulum superantes; Capsula e globoso
trigona, 9-millimetralis, trilocularis, loculis angulis respon-
dentibus, loculicide dehiscens, abortu monosperma. — Colonia
Tovar (Karsten in seheda).
Diese Charakteristik mag hinreichen, um im Zusammen-
halte mit dem, was Karsten selbst a. a. 0. angibt „frutex
scandens caracasanus ramis junioribus saepe cirrhosis^' (welch'
letzere Angabe aber, wie die über die Holzstructur des
Stammes, an dem vorliegenden Exemplare sich nicht contro-
liren lässt) die Art zu kennzeichnen, deren Beinamen ich
aus der Etiquette von Karsten selbst (im Berliner Herbare)
adoptirt habe.
26*
384 ' Sitzung der math-phys. Classe vom 1. Juni 1878.
Was die nicht so fast auf den Charakter der Art als
der Gattung bezüglichen Angaben von Karsten betriflPl,
so ist für diejenigen, welche einer Berichtigung oder Er-
gänzung bedürfen, dieselbe schon in dem Obigen enthalten.
Zur Vervollständigung kann noch hervorgehoben werden,
dass aus den Resten von Blüthentheilen, welche unter ein-
zelnen Früchten noch aufgefunden werden konnten, bei
sorgfältiger Untersuchung deutlich zu erkennen war, dass
der Blüthe 5 Kelchblätter, 5 damit altemirende Blumenblätter,
5 über die Kelchblätter fallende, pfriemliche Staubgefasse,
welche mit den Blumenblättern unter dem Rande eines
mit der Basis der Frucht verschmolzenen Discus inserirt
sind, zukommen, wornach die Zugehörigkeit der Pflanze,
welche Karsten selbst als zunächst mit Cupania verwandt
betrachtet hatte, und, welche inBenth. Hook. Gen. noch
nicht hatte bereinigt werden können („genus ut videtur
Serjaniae affine, ex descriptione futili tantum notum'' 1. c.
I, 1862, p. 392), zur Gattung Maytenus keinem Zweifel
mehr unterliegt.
47. Zu Connarm Blanchetii Planch. führt Planchon
selbst in Linnaea XXIII, 1850, p. 432 die Nummer 2234
der Sammlung von Blanchet an, Baker in der Flora
bras. Vol. XIV, 2 (Fase. 54, 1871) p. 187 aber n. 2344,
übrigens ohne die Auffassung von Turczaninow zu
erwähnen.
Ob die Angabe von Planchon nur auf einem Druck-
fehler beruht, oder ob auch eine Nummer 2234 der Samm-
lung von Blanchet hieher gehöre, kann ich nicht ent-
scheiden, da mir nur n. 2344 (aus dem Herb. Franqueville)
vorliegt. Auf diese passt vollständig sowohl die Beschrei-
bung von Schmidelia bahiensis Turcz., als die von Connarus
Blanchetii Planch.
Badlkofer: lieber Sapmdus etc, 385
48. Von Engelhardtia pölystachya liegt mir nur ein
mäunlicherBliithenzweig vor, aus dem Herb.Griffith (n. 1020/3
„East Bengal^') in das Herb. Paris, übergegangen , nach
welchem sich folgende Charakteristik der Pflanze geben lässt :
Engelhardtiapolystachya Radik. : Rami, petioli,
foliola, amenta, perigonia antheraeque glandulis peltatis au-
reis crebris (in foliolorum pagina superiore tantum rariori-
bus) omata, caeterum glabra; folia decrescentim pari-pinnata,
3 — 4-juga; foliola subopposita, petiolulata, petiolulo 5 —8 mm
longo adjecto 7— 14 cm longa, 3—5 cm lata, inferiora ovata,
superiora oblonga, basi inaequaliter subattenuata, omnia
breviteracuminata, integerrima, margine subrevoluta, coriacea,
tenuiter reticulato-venosa; amßnta (mascula) in ramulis axil-
laribus plerumquQ^ binis superpositis tenuibus 2 — 3 cm longis
octoua denave, elongata, laxiflora ; flores sessiles ; perigonium
quadrilobum, bracteae oblongae apice tridentatae adnatum,
lobis obovatis apice cucuUatis; stamina plerumque 10, fila-
mentis brevissimis.
Die Pflanze scheint der E. WalUchiana Lindl. ß. chryso-
lepis Gas. DC. (Prodr. XVI, 2, 1864, p. 142; E. chrysolepis
Hance in Ann. Sc. nai, IV. Ser., XV, 1861, p. 227), welche
mir zur Vergleichung fehlt, nahe zu stehen. Leider sind
von letzterer weder bei Han ce noch beiC. DeCandolle
die männlichen Blüthen beschrieben. Der Annahme einer
directen Zusammengehörigkeit beider stehen vor der Hand
die Standortsangaben und wohl auch die Massverhältnisse
entgegen (Hance gibt die ausgewachsenen Blättchen auf
3 Zoll, C. DeCandolle die Blättchen von jE. WalUchiana
auf 6 — 10 cm an). Die Pflanze sieht beim ersten Anblicke
mehr einem Xerospermum als einer Engelhardtia ähnlich,
was offenbar ihren Platz im Eew-Cataloge bestimmt hat.
49. Auf die von Alph. De Candolle, Prodn VIII,
1844, p. 270 als„Sapindacea" bezeichnete fiafe^ia temata
386 Sitzung der math.-phys. Classe vom 1. Juni 1878.
Blanco, Fl. Filip. Ed. I, 1837, p. 399 (Ed. IT, 1845, p. 279)
bin ich von Herrn Dr. J. Schultes aufinerksam gemacht
worden, der mich zugleich bei der Klärung dieser wie zahl-
reicher anderer Pflanzen auf das dankenswertheste unter-
stützt hat.
Die Pflanze gehört der Beschreibung B 1 a n c o * s gemäss
wohl zweifellos zur Gattung Uligera Bl. , Bijdrag. 1825,
p. 1153 (für deren Namen, wie nebenbei bemerkt sein mag,
in Pfeiffer's Nomencia tor eine der Angabe von Blume
Selbst gegenüber gänzlich haltlose Ableitung versucht wird).
Ob sie vielleicht identisch ist mit der inBentham&
Hooker Gen. I, 2, 1865, p. 689 nach dem Vorgange von
Miquel, Fl. Ind. Bat. I, 1859, p. 1094 zu Uligera ge-
brachten Uenschelia Lujsonensis Presl, Reliq. Haenck. II,
1835, p. 81, tab. 63, mag dahin gestellt bleiben.
In Benth. Hook. Gen. 1. c. ist nicht die in Rede
stehende Pflanze Blanco 's, sondern Gronovia (temata)
Blanco, Ed. I, p. 186 (Ed. II, p. 132) mit Uligera in Ver-
bindung gebracht; ob mit Recht, erscheint nach den An-
gaben Blanco 's ziemlich zweifelhaft.
üebergangen ist weiter von Bentham & Hooker
die sicher zu Uligera gehörige Coryzadenia (trifoliata)
Griffith, Posth. Pap. IV, p. 356, d. i. Uligera Coryzadenia
Meisner in DC. Prodr. XV, 1, 1864, p. 251, welche Kurz
in Journ. As. Soc. Beng. XL VI, 2, 1877, p. 59 mit Uligera
appendiculata Bl. vereiniget.
50. Die Gattung Oouania hat durch ihre spiralig ein-
gerollten Ranken, wie in der Sammlung von Galeotti,
so schon öfters zu Verwechselungen mit Sapindaceen
Veranlassung gegeben. So ist es bekanntlich eine Oouania^
G. domingensis Linn. Spec. Ed. II, 1763, p. 1663, welche
Linne unter der Bezeichnrmg JPaullinia foliis simplicibus
lanceolatis serratis im Hort. Upsalens., 1784, p. 97 beschrieb.
Eadlkofer: Ueber Sapindus etc. 387
Eine Gouania^ vielleiclit dieselbe G~ domingensis ^ scheint
es zii sein, welche Hughes, wie in Zusatz 36 zu Tabelle I
erörtert wurde, zu Sapindus selbst gerechnet hat. Vielfach
finden sich Arten von Gouania in den Herbarien unter die
Sapindaceen eingemengt.
Bei dieser Gelegenheit mag einer gleichfalls zu Gouania
gehörigen Pflanze gedacht sein, welche von Boemer &
Schultes im Syst. Veg. VI (1820) nach hinterlassenen
Aufzeichnungen von Willdenow als besondere Gattung
veröflFentlicht wurde und seitdem unter den nicht näher
interpretirbaren Gattungen den Pflanzensystemen angehängt
erscheint.
Es ist das die Gattung Trisecus „Willd. mss." (1. c.
p. LXI & 641).
Endlicher fuhrt sie p. 1333 als n. 6894 unter den
Genera dubiae sedis auf.
DeCandolle erinnert im letzten Bande des Prodromus
(XVII, 1873, p. 298) unter den Genera omissa ausser an
sie auch an die von den gleichen Autoren in analoger Weise
veröffentlichte Gattung Sphondylococca ,, Willd. mss." (1. c.
p. LXX & 799), und Pfeiffer an entsprechender Stelle
seiner Synonymia botanica, 1870, p. 357, noch an eine
dritte ebenso zur Veröffentlichung gelangte Gattung Buno-
phila „Willd. mss." (in Schultes Mantissa III, 1827, p. 8
[sphalm. „PwwopÄiZa'^] & p. 128).
Herr P. Ascherson hat die Güte gehabt, mir die
im Berliner Herbare noch vorhandenen Originalien dieser
Gattungen zur Einsicht zu übersenden.
Derselbe hat bei dieser Gelegenheit selbst schon Sphon-
dylococca malabarica aut. cit. (Herb. Willd. n. 6267, coli.
Klein n. 582, Trankebar m. Febr. 1797) als zu der Ela-
tineen- Gattung Bergia gehörig erkannt und als „J?cr^ia
ammanioides Roxb." bezeichnet.
388 Sitzung der math.-pJiys. Classe vam 1, Juni 1878.
TJeber Bunophila lycioides aut. cit. kann ich nur An-
deutungen zu einer künftigen Bereinigung derselben geben.
Dieselbe ist eine Rubiacee, und zwar, soviel an dem sehr
dürftigen Materiale unter Rücksicht auf die gebotene Schonung
desselben festgestellt werden konnte, zu denjenigen Pflanzen
dieser Familie zählend, welche in jedem der beiden Frucht-
knotenfacher eine einzelne, anatrope, hängende Samenknospe
mit auswärts gekehrter Naht besitzen. Den Materialien,
welche ich von derartigen Rubiaceen in Vergleichung ziehen
konnte , liess sich übrigens die Pflanze nicht anreihen, und
es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie in der That den
Typus einer besonderen Gattung bilde. Sie mag
desshalb zu weiterer Klänmg der Aufmerksamkeit jener
empfohlen sein, welchen von Rubiaceen der gedachten Or-
ganisation und der betreffenden Flora ein erklecklicheres Ma-
terial zur Hand ist. Als Vaterland der Pflanze ist a. a. 0.
(p. 128) „America meridionalis" genannt, als Sammler der-
selben „Humboldt&Bonpland". Das mir vorliegende
Exemplar aus dem Hb. Kunth (Hb. Berol.) trägt die An-
gabe „La Puente'* und die Nummer 4122. Dieser Nummer
nach ist es mir zweifelhaft, ob eines der „Puente" Süd-
america's gemeint sei, welche unter den Standorten der
Humboldt-Bonplan d* sehen Pflanzen genannt sind
(s. Kunth Synopsis IV, p. 342 „Puente de Icononzo*' in
Neu-Granada, p. 401 „Puente de Rio Puela" in Ecuador).
Es ist darnach vielmehr an Mexico und vielleicht an Puente
de Istla (s. Kunth a. a. 0., p. 112, 465) oder Puente de
la Madre de Dios (ebd. p. 466) als Heimat der Pflanze zu
denken. Ich lasse, um die definitive Bereinigung und Unter-
bringung der Pflanze an der ihr zukommenden Stelle nach
Möglichkeit zu fördern, eine Charakteristik derselben folgen,
wie sie aus dem mangelhaften, von Kunth wohl absicht-
lich übergangenen Materiale des Herb. Kunth (das des Herb.
Willdenow wird mir als noch unvollständiger bezeichnet)
Badllcofer: üeber Sajpindm etc, 389
sich eben entnehmen lässt; einige zwischen Anführungs-
zeichen gesetzte Angaben darin sind wörtlich einer kurzen,
der PiSanze beiliegenden Beschreibung von Bonpland^s
Hand entnommen:
Bunophila lycioides Willd. ed. Schult.: „Prutex
sesquiorgyalis, ramosissimus ; rami altemi seu terni", teretes,
juniores (0,8 — 1 mm crassi) pilis brevibus crispis patulis
cano-puberuli ; folia ternato-verticillata, verticillis (plerum-
que 1 — 1,5 cm distantibus) in ramulis juvenilibus tardae
evolutionis contiguis fasciculatim congesta, lineari-oblonga
(1 cm vix longiora, 1,5 mm lata), in petiolum brevem
attenuata, subacuta, subtus et margine pilis brevissimis in-
curvis laxe adspersa, stipulata; stipulae connatae, inter-
petiolares, apice bi — plurifidae cum petiolis vaginato-connatae,
vaginis intus pilis setosis dense vestitis, inde margine re-
voluto vel lacerato et partim delapso spurie setoso-ciliatis :
dichasia pauciflora, axillaria vel in ramulis axillaribus parvis
basi verticillo foliorum ornatis terminalia; flores parvi (3-
millimetrales) , laterales bracteis (bracteolis florum termina-
h'um) sufifulti ipsique bibracteolati ; bracteae foliis similes,
sed multo minores stipulisque parvis lateralibus nee cum
iis bracteae oppositae connatis instructae ; bracteolae minimae ;
pedicelli flores subaequantes brevioresve, hirtelli; calycis
tubus ovario adnatus, turbinatus, compressus, limbus superus,
4-partitus, „persistens", lobis ovatis obtusis margine his-
pidulo-ciliatis imbricatis, duobus medianis exterioribus, la-
teralium uno saepius reliquis minore; corolla, ut videtur,
flavida , „campanulato-rotata", 4 - partita , lobis obovato-
oblongis glabris imbricatis, duobus (vicinis) exterioribus (i. e.
apicibus reliquas obtegentibus, quoad margines laterales uno
omnino exteriore, alio opposito omnino interiore, reliquis
latere uno tantum obtectis) tubo perbrevi intus villosiusculo;
stamina 4, coroUae tubo prope faucem inserta; filamenta
CoroUam aequantia; antberae medio dorso afflzae, subin-
390 Sitzung der math,-phi/s. Classe vom 1. Juni 1878.
trorsae; germen infernm, turbinatum, biloculare, loculo uno
anteriore, altero posteriore, a lateribus loculoram cotnpressum,
„hinc et inde longitudinaliter, sulcatum" hirtellum; styliduo,
infra medium connati, superne clavato-incrassati, compressi-
usculi, apice intus stigmatosi ; gemmulae in loculis solitariae,
lineari-elongatae, compressiusculae, ab apice septi pendulae,
funiculo umbilicali filiforrai curvato, rapbe dorsali, micro-
pyle supera; fructus — —.
Was endlich Trisecus frangulaefolius aut. cit. betrifit,
so rührt diese Pflanze ebenfalls, wie schon Roemer & Schultes
angegeben haben, aus der Sammlung von Hu mboldt&Bon-
pland her (n. 1014) und ist bei S. Barbara am Orinoco
gesammelt. Sie ist vonWilldenow (in dessen Herbarium,
n. 6075) als zur Pentandria Trigynia geliörig bezeichnet
und mit folgender kurzen Bemerkung versehen worden:
„Calyx 5-dentatus superus; petala 5; fructus trilocularis,
loculis monospermis'*. Das ist die Grundlage für die An-
gaben von Römer & Schultes. Meisner (Gen. PI. H,
Comment. 1836 - 43, p. 250) hat die Pflanze fragweise als
Euphorbiacee gedeutet.
Das nur mit Blüthen, von denen sich einige zur Frucht-
bildung anschicken, versehene Exemplar war unschwer als
eine Art der Gattung Gouania zu erkennen, zumeist ähn-
lich der (?. Blanchetiana Miq. (Linnaea XXII, 1849, p. 797)
und G. pyrifoUa Reissek (Flor. bras. Fase. 27 — 28, 1861,
p. 110).
Diese beiden Arten hat zwar Reissek a. a. 0. ziem-
lich weit von einander entfernt in zwei verschiedenen Sectionen
der Gattung untergebracht ; aber das hindert nicht ihre nahe
Verwandtschaft unter einander. Die von Reissek gebildeten
Sectionen der Gattung Gotuinia erscheinen nämlich nicht
als natürliche Gruppen, und somit nicht als haltbar. Das
Moment, auf welches sie ausschliesslich basirt sind, die Haar-
bekleidung des Discus, ist ohne Zweifel brauchbar, um Arten
Badlkofer: Ueber SapindiM etc. 391
oder Formen unterscheiden zu helfen; zur Gliederung der
Gattung in Sectioncn reicht dasselbe sicherlich nicht aus,
und wie schon Triana & Planchon (Annal. d. Sc. nat.
1872, XVI, p. 382) über einen derartigen Sectionsunterschied
hinweg eine Vereinigung von O, columaefoUa Reiss. mit
Q. veluUna Reiss., welche ihr Autor ebenfalls zwei ver-
schiedenen Sectionen zugewiesen hat, fftr gut befunden haben,
so möchte ich hier einer Vereinigung von G, pyrifolia Reiss.
mit G. Blanchetiana Miq. das Wort reden. G. pyrifolia^
von Martius in der Provinz Parä gesammelt, ist wohl
nur eine G. Blanchetiana mit weniger tief gekerbten oder,
wie bei einer hieher zu rechnenden Pflanze von Spruce
(n. 1505 aus der Umgegend von Barra am Rio Negro) zu
sehen, in der oberen Hälfte selbst ganzrandigen Blättern.
Es spricht ausser der schlagenden Aehnlichkeit der beider-
seitigen Exemplare in der gesammten äusseren Erscheinung
für eine solche Vereinigung noch besonders der Umstand,
dass bei den Originalexeraplaren von G. pyrifolia^ wie auch bei
Spruce n. 1505, der Discus in der Umgebung der Griffel-
basis (anstatt ganz kahl) gelegentlich mit sehr kleinen
Börstchen in ähnlicher Weise schwach besetzt zu treffen ist,
wie das in etwas erheblicherem Grade für G. Blanchetiana
und die betreffende Section überhaupt von Reissek als
charakteristisch angegeben wird.
Der so durch G. pyrifolia aas Parä und vom Rio N^ro
bereicherten, im übrigen aus den Provinzen Bahia und Rio
de Janeiro bekannten G, Blanchetiana schliesst sich Trise-
cus frangulaefoHus vom Orinoco als nächst verwandte Pflanze
an. Sie stimmt hinsichtlich der Blattgestalt fast vollkommen
mit dem erwähnten Exemplare von Spruce überein, unter-
scheidet sich aber von diesem, wie von G, Blanchetiana
überhaupt dadurch, dass der Discus bei ihr nicht blos an
seiner wallartigen Erhebung um die Griffelbasis mit zahl-
reichen kleinen Borstenhaaren, sondern auf seiner ganzen
392 Sitzung der math.-jyhys. Glosse vorn 1. Juni 1878,
Fläche mit kleinen Härchen locker besetzt ist. Dieser Unter-
schied^ welcher die Pflanze in die erste SectionReissek's
verweisen würde, während G, Blanchefiana von diesem Autor
der zweiten, G. pyrifolia der dritten Section zngetheilt
worden ist^ mag vor der Hand als aasreichend erachtet
werden, um die Pflanze als eine besondere Art neben G,
Blanchetiana (emend.) aufzufassen und sie ihr unter dem
Namen Gouania frangulaefoUa (non Willd. Herb. ed. Reiss.,
quae G. Blanchetiana t. Reiss. 1. c.) an die Seite zu stellen.
Es erscheint das um so mehr als angemessen, als dadurch
für keinen Fall ein überflüssiger Name geschaffen wird.
Denn falls auch ein reicheres Material, wie ich das wohl
als möglich erachte, dazu nöthigen sollte, G, frangulaefoUa
und G, Blanchetiana nur als Formen einer Art anzusehen,
so würde nach den De C an doUe' sehen Nomenclaturregeln
immer die letztere unter dem ersteren Namen und nicht
umgekehrt mit der anderen zu vereinigen sein. Unterstützt
wird die gegenwärtige Auffassung von G. frangulaefoUa als
selbständige Art durch die steifen, schief aufwärts gerichteten,
ziemlich langen Inflorescenzen, welche bei G. Blanchetiana^
und zwar auch bei den höchstens als eine Form mit fast
haarlosem Discus (forma pyrifolia) imterscheidbaren Exem-
plaren aus Parä und vom Rio Negro, fast immer horizontal
abstehen und bogen- oder S-förmig gekrümmt sind. Die
Blätter von G. frangulaefoUa sind aus eiförmiger Basis el-
liptisch, der grösste Breitendurchmesser weiter nach unten
gerückt als bei G. Blanchetiana em., in der oberen Hälfte
ganzrandig , im übrigen , namentlich nach Farbe und Be-
haarung, ganz mit denen der G. Blanchetianaüheremstimmeni.
Diese Aehnlichkeit hat schon Will de now, sei es absicht-
lich, sei es unabsichtlich, zum Ausdrucke gebracht, indem
er eine (nach Reiss ek a. a. 0.) zu Gouania Blanchetiana
zu rechnende Gouania seines Herbars (n. 18999, fol. 1) eben-
so mit dem Beinamen ^frangulaefoUa''^ belegte, wie die hier
Radlkofer: üeher Sapindus etc. 393
in Rede stehende, als besondere Gattung Trisecus von ihm
anfgefasste Pflanze.
Eine kurze Charakteristik in üblicher Form mag das
Gesagte vervollständigen :
Gouania frangulaefolia (von Willd. Hb. ed. Beiss.)
Radlk. (Trisecus f. Willd. ed. R. & Seh.): Rami juniores
6 — 8-angulares, leviter sulcati« praesertim ad angulos fer-
rugineo-hirtelli, adultiores teretiüsculi, glabrati, cortice nigro-
fusco; folia petiolata, ovato-elliptica , petiolo 0,5 cm longo
adjecto 6 — 7 cm longa , 2,8-3 cm lata , in acumen breve
obtusiusculum mucronulatum contracta, infra medium dentibus
utrinque 3 — 5 obsoletis callosis notata, nervis lateralibus
circiter.6 oblique adscendentibus supra impressis instructa,
supra pilis setulosis adpressis raris, subtus pilis brevioribus
crebrioribus praesertim in nervis venisque adspersa, fusco-
viridia, subtus pallidiora, stipulis semihastatis ; inflorescentiae
(thyrsi racemiformes) 10 — 18 cm longae, strictae, oblique
erectae, ferrugineo-hirtellae , fasciculos florum (dichasia in
cincinnos abeuntia) parvos 4 — 7 - floros , bractea subulata
hirtella suffultos gereutes; pedicelli flores 2-millimetrales
aequantes, post anthesin paullulum elongati; calyx extus
adpresso-hirtus ; discus circa stylum elevatus, totus pilis
brevibus prope stylum longioribus laxe hirtellus, lobis la-
ciniis calycinis subduplo brevioribus triangularibus apice
emarginatis glabris.
G. Zusätze zu Tabelle IL
51. Ein als authentisch anzusehendes Exemplar von
Sapindus abstergens Roxb. habe ich im Herb. Delessert ge-
sehen.
52. Den Namen Sapindus acuminatus Rafiu. (1836) be-
trachte ich, wie schon aus der S. 321 im Anschlüsse an die
394 Sitzung der matli.-phys. Classe vom 1. Juni 1878,
Tabelle II gegebenen Zasammenstellung der Synonyme zn
ersehen ist, als den ältesten für die am meisten nördlich
vorkommende americanisehe Sapindus-Art, welche bisher,
wenigstens von den nordamericanischen Autoren, gewöhnlich
als Sapindtis marginatus Willd., von Anderen auch als 8.
Sapmaria L. (s. n. 36 und 52 der Tabelle II), bezeichnet
worden ist. Die unter Aem'S^Lmeji 8. marginatus vonWill-
denow im Berliner Garten cultivirte Pflanze, von welcher
sein Herbarium ein Exemplar (unter n. 7740) enthält, er-
scheint mir als nichts anderes, denn als eine Form von dem
ja auch in Carolina und Georgien vorkommenden Sapindus
Saponaria L. mit nur an der Spitze schmal berandeter
Rhachis des Blattes. Früher mass man einer derartigen Be-
randung oder Flügelung einen viel zu grossen Werth bei.
Ich habe dieselbe an Blättern desselben (lebenden) Baumes
von Sapindus Saponaria theils in sehr hervorragender Weise
ausgebildet, theils gänzlich unterdrückt gesehen. Aehnliches
hebt auch A. Eichard (Flora cubensis, 1845, p. 280)
hervor.
53. Sapindus angulatus Poiret, welcher Poiret's
eigener Angabe gemäss nach einer Pflanze des Herb. Jus-
sien aufgestellt ist, findet sich im Herb. Jussieu nicht mehr
vor, wenn nicht etwa ein am Schlüsse der Gattung (nach
n. 11387) liegendes, sowohl von Jussieu als von Poiret
ohne Bezeichnung gelassenes Exemplar von Sapindus tri-
foliatus L. hieher zu beziehen ist. Aus der Beschreibung
Poiret's, deren allenfallsige Beziehung auf das erwähnte
«Exemplar ich leider gegenwärtig nicht durch unmittelbare
Vergleichung prüfen kann, geht ziemlich sicher hervor, dass
die von ihm geraeinte Pflanze wirklich zur Gattung Sapin-
dus gehöre und nicht etwa, wie sein Sapindus surinamensiSy
zu einer ganz anderen Familie. Die Beschreibung ohne alles
Bedenken auf Sapindus trifoliatuslt. zu beziehen wird nur
Radlkofer: üeher Sapindus ete, 395
durch den Umstand gehindert, dassPoiret die Früchte als
„kahP^ bezeichnet. Uebrigens zeigen sich ältere Früchte von
Sapindus trifoUatus oft vollständig kahl geworden bis auf
die Umrandung der Yerbindungsflächen ihrer Cocci. Eine
stark hervortretende Carina, auf welche der von Poiret
gewählte Name hindeutet, besitzen ausser den Früchten von
S. trifoUatus vorzüglich noch die vo» Sapindus BaraJc DC. ;
aber auf diese Art passt die Beschreibung der Blätter nicht.
Ich kenne nur noch eine Pflanze, welche hier in Be-
tracht kommen könnte.
Es ist das ein angeblich aus dem Garten in Algier
in den zu Bocca di Falco bei Palermo und später in den
Garten von Palermo selbst gelangter Sapindus mit der Fo-
liatur des S. Mukorossi und mit stark carinirten Früchten,
deren Pericarp durch beträchtliche Dicke dem von S, BaraJc
gleichkommt, eine Pflanze, von welcher mir spontane Exem-
plare nicht bekannt geworden sind, so dass darin wohl eine
Cultur Varietät von 8, MuJcorossi oder selbst ein (in Gärten
entstandener?) Bastard zwischen S, MuJcorossi und S.
BaraJc (S. MuJcorossi x BaraJc?) zu erblicken sein dürfte.
Dass schon Poiret diese Pflanze vor Augen gehabt
habe, ist kaum anzunehmen. Das Wahrscheinlichste bleibt
somit immerhin, dass seine Beschreibung sich auf den seit
langer Zeit in den Herbarien verbreiteten S. trifoUatus L.
beziehe. Poiret hat von dieser Art, welche er unter den
Namen S. laurifoUus Vahl und S. enmrginatus Vahl auf-
führt, die letztere Form nicht gesehen. Ein Uebergangs-
exemplar zwischen beiden Formen konnte ihm leicht als
etwas eigenartiges erschienen sein.
54. Dem Sapindtts angu^tifoUus Bl. liegen bekanntlich
nur Blätter einer jungen, zur Zeit van Royen's im Lei-
dener Garten aus Samen gezogenen Pflanze zu Grunde. Es
ist auffallend, dass Blume die Aehnlichkeit dieser Blätter
396 Sitzung der mathrphys. Classe vom 1. Juni 1878.
mit denen von Sqpindas Baraks dessen Samen ja aucli so
leicht aus Holländisch - Indien nach Leiden gelangt sein
konnten, nicht erkanate nnd anstatt zu einer Bezugnahme
auf diesen zu einer Vergleichung mit Sapindus surinamensis
Poir., einer Pflanze, die ihm gänzlich unbekannt sein mnsste
und die nicht einmal zu Sapindus gehört^ sich veranlasst fühlte.
55. Sapindus balictts^ von Teysmann auf Bali ge-
sammelt, scheint sicher identisch zu sein mit dem in der
Tabelle darauf bezogenen Sapindus spec. Teysmann & Bin-
uendijk, Cata). Hort. Bogor. 1866, für welchen in diesem
Cataloge „Balie" als Vaterland angegeben ist (vergl. die
Uebersicht der Sapindaceen Holländisch-Indiens). Er ist aus-
gezeichnet durch kleine und äusserst dünnschalige Früchte.
Eine kurze Charakteristik desselben mag hier aus der eben
erwähnten „Uebersicht'* wiederholt sein:
Sapindus balicus Kadlk. : Folia rhachi nuda ; foliola
2— 3-juga elliptico- vel lanceolato-oblonga ; paniculae maxi-
mae, foliis triplo longiores ; fructus parvi', pericarpio tenui,
sicco papyraceo fragili. — Ins. Bali: Teysmann.
56. Von den unter Nummer 1006/4 aus dem Hb. Grif-
fith etc. von Kew aus zur Vertheilung gelangten und in
dem betreffenden gedruckten Cataloge (v. J. 1865) als S.
detergens Koxb. bezeichneten Pflanzen ist wenigstens das
im Pariser Museum befindliche Exemplar nicht die zu 8,
Mukorossi Gaertn. gehörige Roxburgh'sche Pflanze, von
der ich authentische Exemplare im Hb. Willd. und Hb. De-
lessert gesehen habe, sondern der schon in Wal lieh 's
Catalog irriger Weise unter Roxburgh's Bezeichnung
aufgeführte S. Barak DC. Für andere Exemplare mag sicff
das anders verhalten.
57. Die in den Catalogen des botanischen Gartens zu
Badllcofer: Ueher Sapmdus etc. 397
Neapel von Tenore (1845) und Pasquale (1867) als 8.
emarginatus Yahl aufgeführte Pflanze habe ich im genannten
Garten zur Zeit der Fruchtbildung gesehen. Ihre Zugehörig-
keit zu S. Mukorossi Gaertn. scheint mir keinem Zweifel
zu unterliegen. Wie auch an spontanen Exemplaren mit-
unter zu beobachten, zeigen sich die Blättchen bei diesen
Bäumen häufig krankhaft verändert, das Blattfleisch an
der Spitze blasig aufgetrieben und die Spitze selbst einge-
zogen. Das hat wohl Veranlassung gegeben, sie auf 8. emar^
ginattis Yahl zu beziehen. Derartige Pflanzen sind unter
dem gleichen Namen aus dem Garten zu Neapel auch in
den von Palermo übergegangen.
58. Von 8. emarginatits Vahl (von König gesammelt)
habe ich zwar nicht gerade von Vahl selbst mit diesem
Namen bezeichnete Exemplare gesehen, wohl aber solche,
welche Schumacher nach Vergleichung mit denen des
Herb. Vahl so bezeichnet hat. Da die Pflanze nicht leicht
mit etwas anderem zu verwechseln ist, so glaube ich diese
von Schumacher mit Vahl's Original verglichenen
Exemplare als authentische ansehen zu dürfen.
59. Die als Sapindtts inaequälis DG. im Garten zu
Neapel cultivirten Exemplare sind von den in Zusatz 57
besprochenen (irrthümlich für S. emarginatus gehaltenen)
nur durch eine normalere Ausbildung der Blättchen ver-
schieden, ohne Zweifel also ebenfalls zu S. Mukorossi ge-
hörig. Der unterschied mag damit zusammenhängen, dass
die betreffenden Manzen jünger (obwohl auch schon frucht-
tragend)* sind und schattiger stehen.
60. Von den als Sapindus indicus Poir. im Garten zu
Neapel bezeichneten Pflanzen fehlen zur Zeit noch Blüthen
und Früchte. Die reiche Gliederung und sonstige Beschaffen-
[1878, 3. Math.-phys. CL] 27
398 Sitzung der nutthrphys. Classe vom 1, Juni 187 Si
heit des Blattes lässt aber kaum etwas anderes als Sapin-
diAS Barak DC. in denselben erblicken.
61. Was ich bei der Beziehung von Sapindm indicus
Poir. auf S. Saponaria L. im Auge habe, sind Blätter aus
dem Garten zu Paris, zur Zeit Thouin's von einem der
dort beschäftigt gewesenen Gärtner unter dem Poiret'schen
Namen eingelegt und seit längerer Zeit in dem Münchener
Herbare befindlich. Sie haben das Aussehen von Blättern
junger, aus Samen gezogener Pflanzen, deren erste Blätter
einfach oder doch weniger reich gegliedert sind als die
Blätter erwachsener Pflanzen. Die Beschreibung von P o i r e t
bezieht sich deutlich auf solche junge Pflanzen, üeber das
Vaterland bemerkt Poir et nur: „Cette plante croit dans
les Indes'% nicht wie bei anderen Arten „dans les Indes
orientales.^^ Es kann also auch Westindien gemeint sein,
und steht diese Angabe somit jedenfalls der versuchten
Deutung nicht entgegen.
62. Unter ^ßapindtis longifoUusYBhV^ inBojerHort.
Maurit. (1837, p. 35) ist sicher nicht die unter diesem
Namen von Vahl gemeinte Pflanze, nämlich Euphoria
Longana Lam. (s. Tabelle I unter n. 54) zu verstehen, da
diese von Bojer noch besonders aufgeführt wird. Wohl
aber scheint es mir zulässig, auf die bezeichnete Anfuhrung
Bojer 's (die ja, wenn sie überhaupt auf einen echten Sa-
pindus bezogen werden soll, auf keinen besser passt als auf
den mit den längsten Blättern unter allen Arten versehenen
Sapindus Barak DC.) Exemplare des Sapindus Barak aus
Mauritius zu beziehen, welche um das Jahr 1820 aus dem
Pariser Museum in das Herb. Kunth gelangt sind, wenn
auch unter anderer, fehlerhafter Bezeichnung. Es zeigen
dieselben wenigstens, dass zu Bojer's Zeit sicher schon
S. Barak auf Mauritius vorhanden war. Da femer Bojer
BadlJcofer: lieber Sapmdus etc. 399
den S. Barak selbst nicht nennt, so liegt es sehr nahe,
den von ihm angeführten Namen „8. longifolim Vahl",
dessen eigentliche Bedeutung bis heute unbekannt war, and
unter welchem fast jeder Autor etwas anderes verstanden
hat (vgl. die beiden Tabellen), auf den durch die erwähnten
Exemplare repräsentirten S. BaraJc zu beziehen. Für die
beiden ausserdem von Bojer aufgeführten Arten S. Sa-
ponaria L. und S. emarginatus Vahl, liegen Materialien vor,
welche diese Bestimmungen als richtig erscheinen lassen.
Für die erstere Art nämlich Exemplare, welche Poiret
seiner Zeit als 8. rigidus aus Mauritius beschrieben hat;
für die letztere Art von Bojer selbst mitgetheilte Exem-
plare in den Herbarien von München, Wien und De Can-
dolle. Es ist überflüssig hervorzuheben, dass Bojer all
die hier genannten Pflanzen ausdrücklich als cultivirte be-
zeichnet.
63. Was 8. longifoUus Willd. Enum. (1809, p. 432)
betrifft, so ist ein Blatt der von Will den ow unter diesem
Namen cultivirten Pflanze in dessen Herbar (unter n. 7741)
vorhanden, worin ich nichts anderes als eine Form des viel-
gestaltigen 8. 8aponana L. sehen kann. Es ist dieser 8.
longifoUus also nicht zu vermengen mit dem, was Willd e-
now in den Spec. Plant. (1799), die er vergeblicher Weise
dazu citirt, unter diesem Namen aufführt, d. i. der von Will-
denow selbst ja nicht gekannte und nicht verstandene 8,
longifoUus Vahl, Euphoria Longana Lam. nämlich. Will-
denow, welcher seine Pflanze (vielleicht in Samen) aus
Mauritius erhalten zu haben scheint, fügt derselben die An-
gabe bei „Habitat in insula Mauritii." Das mag wieder für
Bojer Veranlassung gewesen sein, auch seinerseits einen
Ä longifoUus unter den auf Mauritius ihm vor Augen ge-
wesenen Sapindus- Arten zu suchen, wobei ihn lediglich der
Name selbst von 8. 8aponana ab und auf den in der That
27*
400 Sitzung der maih,-pky8. Glosse vom 1, Juni 1878,
mit sehr langen Blättern versehenen 8. Barak hingeleitet
zu haben scheint (s. den voransg. Zus.).
64. Sapindtis maduriensis ist wohl ein echter SapindaSf
da Dnschesne angibt: Die Früchte dienen auf Java als
Seife. Es dürfte darunter wohl kaum etwas anderes als 8.
Barak DC. zu verstehen sein. Rosenthal (Synopsis Plant,
diaphoric, 1862, p. 779) bezeichnet, wohl nur in Folge
eines geographischen Irrthums, die Philippinen als Vater-
land der Pflanze.
65. Sapindus Manatensis wurde bisher zu dem unter
S. marginatus Willd. verstandenen 8. acuminatus Raf. ge-
zogen (s. Tabelle 11, n. 38), scheint mir aber durch die Ge-
stalt der Früchte sowie durch Unterschiede in den Blättern
als besondere Art hinreichend ausgezeichnet zu sein. Die
Cocci der Früchte sind verlängert ellipsoidisch, ähnlich wie
die von 8, oahuensis, seitlich etwas zusammengedrückt, nicht
undeutlich gekielt und spreizend. Die Blättchen sind weniger
sichelförmig als bei 8. acuminatus Raf., und ihrem Mittel-
nerv fehlt die Behaarung, welche bei 8. acuminatus Raf.
unterseits gegen die Basis zu regelmässig zu finden ist.
66. Vergleiche das in Zusatz 52 über die gewöhnliche
Auffassung von Ä marginatus Willd. Gesagte. Die hier v^-
tretene, auf Autopsie basirte Auffassung des S, marginatus
Willd. als Synonym von 8. 8aponaria L. ist schon früher
einmal von A. Richard (Flora Gubens., 1845, p. 280)
für angemessen erachtet worden.
67. Sieh Tabelle I n. 60 und den Zusatz 18 dazu.
68. Vergleiche das in Zusatz 72 über die Angaben Co-
riualdi's Gesagte.
Badlkofer: Ueher Sapindm etc. 401
69. Sapindm odhuensis Hillebr. ist mir zuerst in einem
Exemplare von Wawra (aus dem Wiener Herbare) mit der
Bezeichnung ^^ Celastrinea ? n. gen., n. 2282, ex Herb.
Hillebrand*' zugekommen; dann in Fragmenten eines
Exemplares, welches von Wilkes's Exploring Expedition
herrührt („Eaala Mounts, Oahu^^, aus dem Herbarium von
Asa Gray, der es bei der Bearbeitung der botanischen
Ausbeute genannter Expedition übergangen hatte; endlich
ans dem Berliner Herbare mit der Etiquette: „Flora Ha-
waiensis; coli. Dr. W. Hillebrand, 1869; Sapindus
Oahuensis sp. nov. ; hab. Oahu."
Der von Hillebrand herrührende Name kann nach
den De Gando lle 'sehen Nomenclaturregeln als giltig an-
gesehen werden. Derselbe scheint erst nach Wawra 's Be-
such auf den Hawai'schen Inseln (Dec. 1870 — Apr. 1871,
sieh dessen Mittheilungen in der österreichischen botanischen
Zeitung 1872, p. 223 und 1873 p. 97) der Pflanze ertheilt
worden zu sein, da er nicht zugleich mit der Pflanze selbst
von Hillebrand an Wawra mitgetheilt worden ist. So
kam es, dass Wawra über die Natur der Pflanze im Un-
klaren blieb und sie, irregeführt durch die einfachen Blätter
und trotz der von ihm bemerkten Uebereinstimmung mit den
Sapindaceen und der Gattung Sapindus insbesondere rück-
sichtlich des Blüthenbaues, als eine fragliche Gelastrinee
in seinen Beiträgen zur Flora der Hawai'schen Inseln (Flora
1873, p. 141) aufführte.
Als kurze, die oben S. 266 hervorgehobenen Sections-
merkmale ergänzende Charakteristik der Pflanze mag Fol-
gendes angeführt sein.
Sapindus oahuensis Hillebr. (Celastrineae? nov.
gen. Wawra in Flora 1873, p. 141): Rami juniores pani-
culaeque fulvo-tomentosi, adultiores glabrati, cortice albicante
lenticellis crebris notato. Folia simplicia (iis Populi balsa-
miferae W. similia), ovata, ovato - lanceolata ellipticave,
402 Sitzung der mathrphys. Glosse vom 1, Juni 1878.
acuta, rarins obtusa, basi pleramque inaequalia, latere uno
(nnnc anodo, nunc kathodo) breviore paalloque latiore,
longe petiolata, integerrima, chartaceo-coriacea , utrinqae
glabra nee nisi glandulis stipitatis microscopicis fbveolis
minatissimis oblique insertis subtus adspersa, supra saturate
yiridia nitidula, subtus pallida (vel sicca deniqne subfasca)
opaca, minutissime pellucido-punctata ; fructus cocci ellipso-
idei, a lateribus compressiusculi, subtus versus basin obtuse
carinati, (submaturi) in directione radiali 2,5 cm, in verti-
cali 1,8 cm metientes, glabri, laevigati, epicarpio crassiore
subcoriaceo, sarcocarpio parciore, endocarpio firmius char-
taceo; semen compressiusculum, testa ossea. — Ins. Oabu:
Hillebrand etc.
70. Sieh das oben S. 259 in der Anmerkung 9 über
S. pinnatus Mill. Gesagte.
71. Was die Synonymie von Sapindus Barak betriflFt,
so ist das oben S. 259 in der Anmerkung 9 und das in
den Schlussbemerkungen zu Tabelle II S. 321 Angeführte
nachzusehen.
Linne hat Barak {a. Saponaria ^ Rumph. Hb. Amb.
II, p. 134) in der zweiten Ausgabe der Spec. Plant., 1762,
p. 526 zu seinem SapindtiS Saponaria gezogen, resp. letztere
Bezeichnung auch auf die indisch-malayische Pflanze ange-
wendet, und darin folgten ihmBurman (Flor. Ind., 1768,
p. 91), Loureiro (Flor. Cochinch. I, 1790, p. 238) und
Horsfield (Verhandl. Batav. Genootsch. VII, 1814, Nr. 7),
welchen nicht, wie von Blume geschah (Rumphia III, p.
93), dieser Fehler auf eigene Rechnung gesetzt werden darf,
ebensowenig wie z. B. Aublet, der Linnens Auffassung
gleichfalls sich zu eigen machte (PI. Guian. I, 1775, p. 359).
72. Den Namen Sapindus Ryteh legte Delile (De-
Badlkofer: Ueher Sapindus etc. 403
scription de TÄgypte; Histoire naturelle II, 1813, p. 81)
den schon von Forskäl (Materia medica ex officina pharma-
ceutica Eahirae descripta, 1775, p. 151) unter der Bezeich-
nung „Bt7e" erwähnten Sapindus^Fruchteji bei, welche nach
des Letzteren Angabe aus Indien nach Cairo gebracht werden
und dort zum Waschen von Kleidungsstücken dienen. Der
Name und die Yaterlandsangabe bei Forskäl weisen zunächst
auf Sapindus trifoUatus L. hin. Zur Gewissheit wurde mir
diese Annahme durch die Autopsie der im botanischen Mu-
seum zu Florenz aufbewahrten Früchte^ welche Corinaldi
i. J. 1826 in den Droguerien von Cairo vorgefunden und
später unter der irrigen Bezeichnung Sapindus Mukorossi
Gaertn. , womit auch seine unrichtige Yaterlandsangabe
„Japan^^ zusammenhängt, beschrieben hat (Cenni sopra al-
cuni frutti e legni trovati nelle Drogherie del Cairo Tanno
1826: Memorie Valdamesi, 1835, p. 75, t. 1, f. 6 & 7).
Früchte, welche ich mit aller Bestimmtheit als derselben Art
angehörig erkannt habe (s. die Mittheilung hierüber in der
Zeitschrift für Ethnologie, IX, 1877, p. 307), kommen auch
in altegyptischen Gräbern vor. Es ist daraus zu entnehmen,
dass ihr Gebrauch schon im Alterthume bekannt war (s.
ob. 8. 234 Anmerk. 5).
73. Den in der Tabelle schon theilweise zur Aufführ-
ung gekommenen Synonymen von Sapindus Saponaria L.,
deren Erledigang der Monographie der Gattung vorbehalten
werden muss, mögen hier nur zwei von den Autoren bisher
noch nicht berührte Synonyme beigesellt sein, nämlich:
Zanthoxylum sp., Mandon Plantae Andium Boli-
viensium n. 859 (1861) und
Cupania saponarioides Sw. Prodr. (1788) p. 62 &
Fl. Ind. occid. II (1800) p. 661 (Cupania Saponaria Persoon,
Synops. I, 1805, p. 413), partim, nempe quoad ramum folii-
404 Sitzung der math.'phys. Classe vom 1. Juni 1878,
gerum, excl. vero floribus et frnctibas ad Capaniam ameri-
canam L. referendis.
Das letztere Synonym beruht auf der Autopsie der be-
treffenden, von Anderson auf S. Lucia gesammelten Ori-
ginalien von Swartz im „Herbarium Banks/^ Es bestehen
diese aus einem beblätterten Zweige von Sapindus Saponaria
L. , auf welchen (abgesehen von der Gattungsdiagnose) an
der eitirten Stelle des Prodromus von Swartz allein nähere
Beziehung genommen -wird, und aus einer isolirten, mit
jungen Früchten besetzten Inflorescenz einer anderen Pflanze,
der Cupania americana L. nämlich. Auf diese Inflorescenz
bezieht sich (ausser der Gattungsdiagnose überhaupt) be-
sonders die Beschreibung der Blüthen und jungen Früchte
von Cupania saponarioides Sw. in der Flora Indiae occ. 11,
p. 661 & 662, an welcher Stelle auch direct auf das Her-
barium Banks hingewiesen wird.
Dem Gesagten gemäss hat Grisebach der Hauptsache
nach sicher recht gethan, wenn er in der Flora of Brit.
West Ind. Isl. p. 125 die Cupania saponarioides Sw. zu
Cupania americana L. citirt, nur verfiel er dabei bis zu
einem gewissen Grade in den gleichen, weiter aber in
den umgekehrten Fehler wie Swartz. Das Erstere, indem
auch er die generische Verschiedenheit der in Rede stehenden
Fragmente nicht erkannte. Das Letztere, indem er den be-
blätterten Zweig, um dessen Besonderheit willen Swartz
auch die Früchte des Mixtum compositum für verschieden
von seiner Cupania tomentosa, d. i. Cupania americana L.,
gehalten hatte, der von ihm (Grisebach) richtig bestimmten
Früchte halber für eine blose Form der Cupania americana
ansah („C. tomentosaSw,: the form with serrate leaflets; G.
saponarioides Sw.: the form with repand-entire leaflets'*).
Kaum Erwähnung verdient die irrige Auffassung von
Sprengel, welcher (1825) der im Syst. Veg. II p. 220
aufgeführten Cupania Saponaria Pers.'' die Omitrophe ma-
Badlkofer: Ueber Sapmdm etc.
405
crophylla Poir., d. i. PauUinia Cambessedesii Tr. & PL, als
Synonym beifügt.
74. Bezüglicli der Autoren, welche Linn^ in der Auf-
fassung von üara% Rumph« gefolgt sind, ist das in Zusatz 71
Gesagte nachzusehen.
Yerzeichniss der Pflanzennamen.
(Die Familien- und Tribusnamen sind in gesperrter, die Gattungs- und Sections-
namen in gewöhnlicher, die Vulg^namen in liegender Schrift gedruckt; den Sections-
namen ist das Zeichen § vorgesetzt. Autornamen sind nur den neuen oder neu wieder
aufgenommenen Gattungen in Abkürzung beigefügt. Bei oft sich wiederholenden
Namen sind nur die wesentlicheren Stellen in den Seitenangaben berücksichtiget.
Wiederholung auf einer oder mehreren nächstfolgenden Seiten ist durch „f." oder
„ff." angezeigt)
§ Acladodea 346, 851.
Afzelia 268.
Aglaia 307.
Alectiyon 307, 340.
Allophyleae 269.
AUophylus 260, 307, 361.
Amoora 311, 313.
Anacardiaceae 233, 307, 314.
Anisoptera 312, 382.
§ AnomosantheB 267, 276 f.
Aphania Bl. 231 E, 238 ff., 268,
260, 307, 358 f., 370.
§ Aphanolepis 873.
Aporrhiza R. 271, 338.
Arytera Bl. 307, 351.
Atalaya 262, 272, 279, 281, 284,
308, 325 ff.
Ayoua 371.
Banisteria 282.
Bergia 387.
Beyeria 311, 376.
Bischoffia 313.
Black Nicker Tree 874.
Blighia Koen. 288, 291, 308.
Bois cochon 382.
§ Brachyadenia 260.
BuDophila 387 ff.
Barseraceae 238, 807, 314.
Oaesalpinieae 807, 314.
Oanarium 807.
Oardiospermnm 222, 254, 260 ffL,
285.
§ Carphospennnin 262.
Celastrin^ae 314, 401.
§ Ceratadenia 260.
ChipUiba 365.
Chisochetoa 807.
§ Comatoglossnm 846, 850.
Combretaceae 314.
Gonnaraceae 238, 314.
Connanu 812, 384.
Copdlülo 360.
406 Sitzung der mathrphys, Glosse vom 1. Juni 1878,
Coryzadeuia 366.
Cossignia 267, 272 f.
§ Cotopais 842.
Cotopaises 842.
Cotoperises 342.
Cotylodiscus R. 271, 334.
Croton 876.
Cupania 250, 259, 267, 273 f., 276,
278, 308, 311, 324 f., 327 f.,
839 f., 341, 345 ff., 358, 884,
403 f.
Capauieae274, 278, 300 (n.46).
§ Dasjsapindus 265.
DeiuboUia 248, 247, 258, 275, 308,
830, 859, 862, 367 ff.
Dialiom 307, 312.
Diatenopteryz B. 284 f., 355.
§ Dicranopetalam 372.
Didymococcas 243.
Dilodendron B. 285, 355.
Diploglottis 267, 278, 286.
Dipterocarpeae 314, 381.
Dipterocarpus 382.
§ Dittelasma 252, 258, 266, 269,
278.
Dodonaea 260, 281, 311 f., 876 f.,
379.
Elatineae 387.
Elattostachjs B. 288 f.
Electra 266.
Eleutheria 813.
§ Endalophus 378.
§ Endolophus 378.
EDgelhardtia 307, 313, 885.
Ephielis 312, 360.
Erioglossum 248 f., 253, 267 ff.,
285, 308, 329, 840 f., 851 ff,
363 f.
§ Euatalaja 326.
§ Eacossignia 272.
§ Engoioa 274.
§ Ealepisanthes 278.
Euphorbiaceae 243, 313, 314,
890.
Euphoria Joss. 245, 808, 312, 381 £.,
389 f.
Enphoriopsis B. 808.
§ Eusapindus 265.
§ Eutalisia 344.
§ Euthoainidmm 288.
§ Eatoulicia 371
Farinha secca 355.
FiUciam 289.
Fire-BurnrLeaf 373 f.
Glenniea 296, 308, 366.
Gronovia 386.
Gouania 290, 307, 313, 374, 386 f.,
390 ff.
Guioa Cav. 274, 276, 285, 288 f.,
308 f., 359.
Halesia 313 (n. 33), 385.
Haplocoelum B. 271, 289 f., 386.
Harpullia 272 f., 288 f.
§ Harpnlliopsis 273.
Hebecoccns B. 246, 809, 862.
Hedwigia 812.
§ Hemigyrosa 254, 267, 278 ff., 359,
369.
Uenschelia 886.
Hippobromns 363.
Homea 271, 281.
Hjrmenocardia 818.
Hypelate 309, 312, 360.
Icica 312 (n.l9), 882 f.
Illigera 313, 386.
Inga 312.
Jagera 288, 296, 309.
Jardk 258.
Javonsülo 374.
Juglandeae 307, 314.
Eoelreuteria 264, 309, 312, 380,
859.
Badlkofer: Ueber Sapindm etc.
407
§ Ereagrolepis 37^.
Langhare 334.
§ Lepidodine 282.
Lepidopetalum Bl. 288, 309, 370.
Lepisantheae 269, 276.
Lepisanthes 247, 269 f., 276 ff., 289,
309.
Litchi Sonn. 244 f., 248, 296. 309.
§ Lozothouinidium 284.
Lychnodiscas B. 271, 332.
§ Majidea 273.
Malaanonan 382.
Mallotus 370.
Mammon 342.
Mammoncülo 342.
Mammon Cotopais 342.
Mamon 342.
Mamon Mico 342.
Maria molle 356.
Maria pohre 355.
Matayba 312.
Maytenus 312, 383 f.
Melia 312.
Meliaceae 233, 307, 314, 324
Melicocca 263, 309, 312, 341ff., 382.
§ Melicop^idium 267, 272.
Meliosma 307.
Mocanera 382.
Moalinsia 269, 351 ff.
Nephelium 243, 245 f., 288 f, 296,
340, 381.
Omitrophe 243, 812, 369, 404.
Otolepis 329.
Otophora 239, 247 f., 289, 309, 329.
Pancovia 253, 258, 267 ff., 285, 352,
366.
Pancovieae 252 f., 269, 277.
Pao pohre 355, 857.
Pappea 248, 309, 363.
Paollinia 222, 224 f., 242, 260 f.,
282, 285, 371 f., 374, 405.
Pansandra 281.
§ Petalodine 282.
§ Physelytron 263.
Picraena 310, 365. ^
Pitomba 844.
§ Pitombaria 344.
Pitomhera 344.
Placodiscns B. 271, 332.
PlagioscyphnB B. 271, 335.
Pometia 309, 370.
Porocystis B. 269, 285, 353, 373.
Prostea 363.
Protium 312, 383.
§ Psendatalaya 267, 272, 826.
Psendima B. 309. 358,
Punophila 887.
Puta pöbre 356.
§ Bacaria 341.
Bbamneae 307, 314.
Baralc 402, 405.
Bite 235, 403.
Bhns 812, 362, 369.
Bnbiaceae 388.
Sabiaceae 307.
Sapindaceae 232, 263, 307 ff.,
313, 360, 385.
§ Sapindastrnm 265.
Sapindeae 252.
Sapindns 227 ff., 286 ff., 294, 298 ff.,
815 ff.
Sarcopteryz B. 288, 290, 309.
Scbieckea 312, 883.
Scbleicbera 809.
Schmardaea 313 (n. 36).
Schmidelia 243, 280 f., 812 f., 384.
§ Scorododendron 277 f.
Scytalia 243 ff.
Seijania 221 ff., 254, 264, 282, 285,
872 f., 384.
Shorea 382.
Simaba 368.
408 Sitzung der mathrphys, Glosse vom 1, Juni 1878,
Simarubaceae 233, 307, 324.
Smelophyllum R. 271, 290, 309, 330.
Soap-Berry-Bush 290, 373.
Spanoghea $40.
Sphondylococca 387.
Stadmannia 278.
Staphylea 354. -
§ SteDeljtron 264.
Talisia 248> 250, 309, 313, 341 ff.,
365.
Tapiria 307.
Terminalia 311.
Thinouia Tr. & PI. 226, 279 ff.
Thoainia 260, 267, 271, 279 ff.,
313, 324 f., 327 f.
Thominidium B. 267, 280 ff., 355.
ThranlococcuB B. 246, 258, 260, 309.
Tina 267, 272 f.
Tingoori 245.
Tinguree 246.
TouUcia 263, 267, 279, 285, 310,
353, 371 ff.
Trichilia 311, 313.
Trigonachras B. 288, 309.
Trisecus 387, 390 f., 893.
Tulicia 372.
Urvillea 226, 262, 263 ff., 285.
Valenzuelia 290.
Wimmeria 312, 376 ff.
Xerospermam 263, 288 f., 310, 385.
Zanthoxjleae 233, 307, 314.
Zanthoxylam 310, 312, 813, 403.
Zinowiewia 380.
Einsendungen vm BruckBchHfUn, 409
Yerzeichniss der eingelaufenen Bfichergeschenke.
Tom Verein fUr Nahirkunde m Fulda:
5. Bericht. 1878. 8°.
Vom naturimssenschaftlichen Verem an der Je. Je. technischen
Hochschtde in Wien:
Bericht I. H. 1877. 8^
Von der physikaHsch-medicinischen Gesellschaft in WUrzhurg :
Verhandlungen N. F. Bd. XH. 1878. 8^
Von der k. k. Sternwarte in Prag:
Astronomische, magnetische imd meteorologische Beobachtungen.
38. Jahrg. 1878. 4«.
Vom Verein für Naturktmde in Cassel:
24. und 25. Bericht 1876—1878. 1878. 8^
Von der Redaäion des Archivs vn Oreifswald:
Archiv der Mathematik und Physik. Th. 62. Heft 1. Leipzig
1878. 8^
Vom Nassauischen Verein für Naturkunde in Wiesbaden:
Jahrbücher. Jahrg. 29. und 30. 1876—77. 8®.
Vom Verein zur Beförderung des Gartenbaues vn BerUn:
Monatsschrift 20. Jahrg. 1877 in 12 Heften. 1877. 8*.
410 Einsendungen von Druckschriften.
Vom siebenbürgischen Verein fä/r Naturwissenschaften in
Hermarmstadt :
Verhandlungen und Mittheüungen. 28. Jahrg. 1878. 8*.
Von der Leopoldmisch-Carolmischen Akademie der Natu/rforscher
in Dresden:
Verhandlungen. Bd. 37—39. 1875 — 77. 4^
Vom Naturforscherverein in Riga:
Correspondenzblatt. 22. Jahrg. 1877. 8®.
Von der Eedaction des Moniteur scientifique in Paris:
Moniteur scientifique. 438* Livraison. 1877. gr. 8®. Livr. 439.
1878. 8«.
Von der SociäS de geographie commerciale in Bordeaux:
Bulletin. Nr. XI— XII. 1878. 8^
Vom jR. Istituto di studi superiori in Florenz:
a) Pubblicazioni. Sezione di medicina e chirurgia. 1876. 8®.
b) Pubblicazioni. Sezione di scienze fisiche e naturali. 1877. 8®.
c) G. Cavanna, Studi e ricerche sui Picnogonidi. 1877. 8®.
Vom physikalischen CentraürOhservatorium in St. Petersburg:
Annalen. Jahrg. 1876. 1877. 4^.
Von der Boy dl medical a/nd chirurgical Society in London:
Medico-chirurgical Transactions. Vol. 60. 1877. 8**.
Von der Boycd astronomicäl Society in London:
Memoires. Vol. 43. 1875—77. 1877. 4®.
Von der geologicäl Society in London:
a) The quarterly Journal. Vol. XXXUI. 1877. 8®. Vol.
XXXIV. 1878. 8^
b) List of the Members Nov. 1'*- 1877. 1877. 8®.
Einsendungen van Druckschriften 411
Ton der Royal Institution of Oreat Britain in London:
List of the Members in 1876. 1877. 8°.
Von der Liter ary and philosophical Society in Liverpool:
Proceedings. 66*** Session, 1876 — 77. Nr. XXXI. London 1877. 8^.
Vom Ihm Echt Ohservatory in Äberdeen:
Publications. Vol. 11. Mauritius Expedition, 1874. Division I.
Dun Echt, Äberdeen 1877. 4^
Von der Royal Society in London:
a) Philosophical Transactions. Vol. 166. Part. 2.
„ 167. „ 1. 1877. 4^.
b) Proceedings. Vol. 25 Nr. 175 - 178.
„ 26 „ 179-183. 1877. 8^
c) Catalogue of Scientific Papers (1864—1873). Vol. VH,
1877. 4^.
Von der k. Je. Akademie der Wissenschaften in Krakau:
a) Rozprawy. Mathem. Classe. Bd. 4. 1877. 8^
b) Sprawozdanie komisyi fiizyjograficznöj. Vol. 11. 1877. 8®.
c) Pamigtnik. Mathem. Classe. Thom. lU. 1877. 4^.
Vom Radcliffe Ohservatory in Oxford:
Radcliffe Observations 1875. Vol. 35. 1877. 8^
Vom Royal Ohservatory in Edinburgh:
Astronomical Observations. Vol. 14. 1870—1877. 1877. 8®.
Von der Botanicäl Society in Edmhmgh:
Transactions and Proceedings. Vol. XIII. 1877. 8®.
Von der R. Äccademia dd Lincei in Rom:
Memorie della classe di scienze fisiche, matematiche e naturaü«
Vol. I. Dispensa 1 e 2. 1877. 4^.
412 Einsendungen wm Druckschriften.
Von der ungarischen k. naturwissenschaftlichen Gesellschaft in
Budapest:
a) E. Stablberger, Die Ebbe und Fluth in der Ehede von
Piume. 1874. 4^
b) Jos. Alex. Erenner, Die Eishöhle von Dobschau. 1874. 4^.
c) G. Horyäth, Monographia Lygacidarum Hungariae. 1875. 4 ^.
d) 0. Herman, Ungarns Spinnen-Fauna. 1876 — 78. 4^.
e) T. Kosutäny, Ungarns Tabak (ungarisch). 1877. 4**.
Van der k. Akademie der Wissenschaften in Stockholm:
Iconographia Crinoideorum in stratis Sueciae siluricis fossilium
auctore N. P. Angelin. Holmiae 1878. fol.
Vom Herrn E. Heine in Halle:
Handbuch der Kugelfunktionen. Bd. I. 2. Aufl. Berlin 1878. 8*^.
Vom Herrn Ferdmmd von MuUer in Melbourne:
Fragmenio phjtographiae Austraüae. Vol. X. 1876—77. 8®.
Vom Herrn Francesco Ärdissone in Mailand:
a) Le Floridu italiche descritte ed iUustrate. Fase. I. 1874. 8*.
b) La vie des cellules et rindiyidualitö dans le rägne yäg^tal.
1874. 8^
Vom Herrn J. F. Julius Schmidt in Athen:
Charte der Gebirge des Mondes. Text und Atlas. Berlin 1878
4® u. fol.
Vom Herrn Älph. Favre in Genf:
Expäriences sur les effets des refoulements ou äcrasements
latäraux en göologie. 1878. 8*^.
OeffenÜiche Sitzung
znr Vorfeier des Qeburts- und Namensfestes
Seiner Majestät des Königs Ludwig IL
am 25. Juli 1878.
Wahlen.
Die in der allgemeinen Sitzung vom 25. Juli vorge-
nommene Wahl neuer Mitglieder erhielt die Allerhöchste
Bestätigung,
und zwar:
A. Als auswärtige Mitglieder :
1) Charles Darwin zu Down bei Beckenham bei London.
2) Charles Her mite, Professor an der polytechnischen
Schule in Paris.
3) Luigi Cremona, Professor und Director der Ingenieur-
schule in Rom.
4) Adolf Wfirtz, Professor der Chemie in Paris.
[1878. 4. Math.-phj8. Ol.] 28
414 Oeff entliche Sitzung vom 25. JtUi 1878.
B. Als correspondirende Mitglieder:
1) Dr. Josef Stefan, ordentlicher Professor der Physik
an der Universität zu Wien.
2) Dr. Karl Graebe, Professor der Chemie in Zürich.
Sitzung vom 6. Juli 1878.
Herr von Banernfeind machte folgende nachträg-
liche Bemerkungen
Zur Ausgleichung der zufälligen Be-
obachtungsfehler in geometrischen
Höhennetzen.
In der Sitzung unserer Glasse vom 2. December 1876
habe ich mein Näherungsverfahren zur Ausgleichung der
unvermeidlichen Beobachtungsfehler in geometrischen Höhen-
netzen besprochen, welches ich schon ein halbes Jahr vor-
her auf die Ausgleichung von vier ganz innerhalb des
Königreichs gelegenen Polygonen des bayerischen Prä-
cisionsnivellements angewendet hatte, wie aus den Abhand-
lungen der mathematisch-physikalischen Glasse der k. Aka-
demie Bd XII, Abth. 3, Seite 110—132 (Vierte Mittheil-
ung über das bayerische Präcisionsnivellement) und aus
deren Sitzungsberichten Bd VI, 1876, Seite 243—270 (das
oben bezeichnete Näher ungsverfahren.enthaltend) hervorgeht.
Diese beiden Schriften, wovon ich der Kürze wegen in
der Folge die erste nur mit „Abhandlung^^ und die zweite
mit „Sitzungsbericht" bezeichnen werde, wurden von Herrn
E. H. Courtney, k. Major und Lehrer der Vermessungskunde
an der Ingenieurschule zu Coopers Hill, für die vom Secre-
tär des Instituts der Civilingenieure von England, Herrn
28*
416 Sitzung der math.'phya- Classe vom 6. Juli 1878,
J. Forrest herausgegebenen „Abstracts of papers in foreign
transaciions and periodicals^' aasgezogen und unter dem
Titel „Improved method of adjusting errors in levelling by
Mr. V. Bauemfeind" in Bd LH, Abth. 2, Seite 1 bis 10
genannter Zeitschrift zum Abdruck gebracht.
Bei dieser Gelegenheit ergaben sich zunächst zwei
Druckfehler in dem Sitzungsbericht, auf welche Herr Court-
ney auiinerksam machte, und die ich um so weniger uner-
wähnt lassen darf, als sonst ein Widerspruch in den An-
gaben dieses Berichts und der Abhandlung stattfände. In
letzterer gebe ich nämlich auf Seite 123 den nach der Me-
thode der kleinsten Quadrate berechneten mittleren Eilo-
meterfehler der oben erwähnten vier Nivellementsschleifen
zti ::t 2,228 mm an, während in dem Sitzungsbericht Seite
258 für denselben Fehler der Werth i 2,601 mm steht.
Dieser letztere Werth ist falsch und kam durch Verwechs-
lung mit dem in Gl (11) auf Seite 116 der Abhandlung
enthaltenen und aus einer dort als fehlerhaft nachge-
wiesenen Uechnungsmethode entsprungenen gleichen Werthe
in den Sitzungsbericht. Eine wiederholt von mir vorge-
nommene Berechnung des fraglichen Werthes ergab wie
früher m = ^ 2,228 mm , was auch Herr Courtney fand.
Eine andere Bewandtniss hat es mit dem zweiten Irr-
thnm, welcher sich auf den nach meinem Näherungsver-
fahren berechneten und im Sitzungsbericht Seite 262 zu
-}- 2,709 mm angegebenen mittleren Eilometerfehler bezieht.
Dieser Irrthum beruht auf einem B.echnungsversehen von
meiner Seite, das jedoch nicht bei der Herstellung der
Fehlerquadrate und deren Summe vorkam, da eine Wieder-
holung der Berechnung dieser Quadrate genau den auf Seite
262 des Sitzungsberichts angegebenen Werth [uu] = 53,8810
lieferte. Wie dem auch sei, der richtige Werth des mitt-
leren Eilometerfehlers nach meinem Verfahren heisst in
üebereinstimmung mit Herrn Courtney m = i 2,278, so
V. Bauern feind: Ausgleichung geometrischer UöhennetBe. 417
dass zwischen dem nach der strengen Methode berechneten
Werthe 2,228 mm nnd dem ans meinem Nähernngsverfahren
folgenden 2,278 nnr ein unterschied von 0,05 mm besteht.
Die wiederholte numerische Berechnung des mittleren
Eilometerfehlers einer Reihe doppeltnivellirter Schleifen hat
mich zu abgekürzten Formeln für diese Berechnungen ge-
führt, welche ich nachstehend mittheilen will. Diese Ab-
kürzungen beziehen sich auf den Ausdruck der Summe der
mit den Gewichten multiplicirten Fehlerquadrate, und er-
strecken sich sowohl über das strenge als das abgekürzte
Verfahren. Beschäftigen wir uns zuerst mit der strengen
Methode.
Bekanntlich ist das Quadrat des mittleren Fehlers m
einer Reihe von Schleifen, welche zusammen n Seiten von
den Längen s^ s, S3 . • . . s^ haben und deren Verbesser-
ungen des Doppelniyellements v^ v, V3 . . . . Vn sind, aus-
gedrückt durch die Gleichung
"" - n - n V S, + S, + • • • • + S J
und es geht diese Formel auf den von uns behandelten be-
sonderen Fall Yon 4 Scheifen des bayerischen Präcisions-
nivellements mit 11 Strecken, deren Gesammtlänge S =
1254,474 Em ist, dadurch über, dass man n = 11 setzt.
Bleiben wir bei diesem Falle, so gibt es nach Seite 121
der Abhandlung zwischen den beobachteten Höhenunter-
schieden dj d, d3 . . dj^ und ihren Verbesserungen
^1 ^2 ^8 * « ^11 "^^^^ unabhängige Bedingungs- und eilf
Fehlergleichungen, welche mit der Forderung
2 ^ = Pi Vi Vj + p, V, V, + . . + p,i Vii Vji = min.
gleichzeitig zu erfüllen sind. Wenn die Gewichte den
nivellirten Strecken umgekehrt proportional angenommen
werden; wenn man ferner jene 4 Bedingungsgleichungen
418 Sitgung der math.-phys. Classe vom 6. Juli 1878,
nacheinander mit den willkürlichen Factoren k^ k, kg k^
multiplicirt und die Fehler der vier Polygonabschlüsse
mit ^1 //j ^3 J^ bezeichnet, so nehmen nach Gl (17)
Seite 122 der Abhandlung die 11 Verbesserungen fol-
gende allgemeine Werthe an, bei welchen die Reciproke
1 : S = c gesetzt ist :
v^ = — c k, Sj v^ = + c kj s^
Vg = + c kj Sg Vg = — c (k^— kg) Sg
▼s = + c (k,— kj 83 Vg = — c k, S9
V4 = c kj S4 Vj^ = 4- c k^ SjQ
Vg = c kg Sg Vj j = c k^ s, j
V
e = + c (kj-kj) Se (2)
Die Werthe der willkührlichen Factoren k, k, kg k^ sind
auf Seite 123 der Abhandlung für den zehnten Theil des
Werths von S, nämlich 0,1 S = 125,4474 Km berechnet;
behält man den wirklichen Werth von S bei, so werden
jene Factoren 10 mal grösser, d. h.
k = 10,473 kg = 14,947 kg = 7,385 k^ = 57,763.
Die Nivellementsschleife oder das Polygon Nr I hat
3 Seiten mit der Gesammtlänge Si = Sj -|- ^2 + ^3 =^
452,062 Em., und es ist fär dasselbe, wenn man für V die
betreffenden Werthe aus den Fehlergleichungen (2) einsetzt :
lill , lili , Vi. __ k^ k^ Si + kg (kg — 2 kj Sg
h ^2 h ~ SS (3)
Die Schleife Nr II besteht aus 4 Seiten mit der Ge-
sammtlänge Sn = S3 + S4 + S5 = Sg = 482,993 Km
und dem Unterschiede Sn — Sg = s^ + Sg + Sg —
335,727 Km, Setzt man wieder für die Fehler v die .obigen
allgemeinen Werthe, so wird
^4^4 I Isis. , leZe _. K K (Sn — Sg) + kg (kg — 2 kg) Sg
84 85 "^ Sg SS (4)
Das Polygon Nr III hat ebenfalls 4 Seiten mit der
Gesammtlänge Sm ~ Sg + s, + Sg + Sg ^ 403,108 Km
V. Bauemfeind: Ausgleichung geometrischer Höhennetze. 419
und einem Unterschiede Sm — Se == "^7 ~H "'s + ^9 ^
302,025 Km. Nach Einsetzung der v-Werthe wird
^7^7 I liZs , M? _ kg ka (Sm — Sg) + 1^4 (^^4 — 2 kg) 83
87 88 "^ 89 ~ SS (5)
Endlich hat die Schleife Nr IV 3 Seiten mit der Ge-
sammtlänge Siv = Sg + Sj^ + s^, = 244,772 Km und
dem Unterschiede Siv — Sg = s^^ + Sj, = 164,660 Km.
Setzt man für v,^ und Vjj die obenstehenden Werthe, so
wird
Iiolio ^ ▼iiVii ^ k^ (Siv -- 8^) (6)
Sie Sil SS
Addirt man die Gleichungen (3) bis einschliesslich (6)
und schreibt für die Summe der linken Seiten das bekannte
Zeichen, so ergibt sich
[p vv] = ^ (k,» S, + k,« Sn + k,« Sn, + Ik,» Sxy -
2 (kj kg S3 + kg kg Sg + kg k^ Sg) I ^^x
Nun ist nach den Gleichungen (18) auf Seite 122 der
Abhandlung
k, Si = S^i + kgSg
kg Sn = S //g + kj, Sg + kg Sß
kg Sni = S^g + kg Sß + k^ 8«
k^ Siv= Sz/^ + kg Sg
und wenn man diese Werthe in (7) setzt und reducirt:
[pvv] =-|-(ti^,+k,^,+k,^, + k,^,)^g^
Wird dieser Ausdruck in (1) gesetzt und der mittlere
Fehler pro Kilometer unter Anwendung der bereits ange-
führten Werthe von n^ S^ kj k, kg k^ und der aus der Ab-
handlung bekannten Schlussfehler
J^ = + 2,02 cm, -^2 = + 3,93 cm, ^g = — 2,52 cm,
^^ = + 10»80 cm
420 SiUung der matK-phys. Glosse wm 6. JüU 1878.
berechnet, so ergibt sich zunächst
S [pyv] = 21,15546 + 58,74171 — 18,61020 + 623,84040
= 685,12737
und hieraus weiter [pvv] = 11 m* = 0,546147 und
schliesslich
m = ± 0,2228 cm = ^ 2,228 mm (9)
genaa übereinstimmend mit dem in der Abhandlung (S. 123)
aus den 11 Posten ^i' : s^ bis Vj^^ : s^i unmittelbar berech-
neten Werthe.
Oehen wir nun zum Näherungsverfahren^ über und
suchen wie sich hier der Ausdruck für [pt)t)] abkürzen
lässt. Bekanntlich sind nach diesem Verffthren für ein
Polygon Nr 1, dessen fi Strecken zusammen die Länge S'
haben und dessen Schlussfehler J' ist, die Verbesserungen
dieser Strecken
t)j=eSj^ t)|=es2 t) =eSj
wobei e' die Verbesserung pro Kilometer oder den Ein-
heitswerth der Verbesserung für die Schleife
Nr 1, nämlich e' den Quotienten J' : S' vorstellt.
Hieraus folgt die Summe der mit ihren Gewichten
multiplicirten Fehlerquadrate
[p.V] =?^li + ^-t^
e e (s\ + s', + . . . + sV) =
S^
Schliesst sich an dieses Polygon ein zweites Nr 2 an
mit den v Strecken s | s , s 3 • . • sVi deren Gesammt-
länge S'' ist, und heisst die Verbindungsstrecke in diesem
Polygon a\ während sie in Nr 1 s'^ heisst, so ist s'^ =
h\ und der Einheitswerth der Verbesserung
^' — oV
e - S" - s", (10)
V. Bauemfeindi AnagUidkung geometrischer Höhennetze. 421
Mit diesem Factor erhält man die Yerbesseriuigen
// // ft 9t H 99 99 99 99
DjSseSi t>8^^®^8 t)^=e8^
und damit die Smnme der mit den Gewichten multiplicirten
Fehlerqnadrate
99 99 99 99 99 99
Pt) t) I zz: V * H V-^ ^ V^ + =
e e (S - 8 , j = -S^^TT^T
So fortfahrend gelangt man fBr z. B. 4 Schleifen zu
folgendem Ansdracke für die Summe der Fehlerqaadrate
mnltiplicirt mit ihren Gewichten:
. K...~ ° .*> nn
-j- -—^m 9m — (11;
[pt.»]
wofür man auch, unter Beibehaltung der Einheit8werthe
e' e" . . ., schreiben bann :
[p t)t)] = e' e' S' + e" e" (s"- 8'\) + e'" e'" (s'"- b\)
+ e"%"" (S""- 8"",) (IIa)
Wendet man diese allgemeinen Formeln auf das baye-
rische Präcisionsnivellement , d. i. auf die 4 Schleifen an,
welche ganz in Bayern liegen, und schreitet man bei der
Ausgleichungsberechnung vom Polygon IV zu dem Poly-
gon I fort, so ist zu setzen:
Kin* Kill«
S* = Siy = 224,772 S'— o =8^—0 = 244,772
S" =^ Sm = 403,108 8" — Sj" = Sn,— 8,= 322,996
S'" = Sa = 482,993 8'"— s,'" = Sn — 8,= 381,910
S"" = S, = 452,062 S""- 8,"" = 8, —8,= 304,796
422 Sitzung der nuUh'.phys, Glosse vom 6. Juli 1878,
cm
J' =^4 = + 10,80 J' -o =J^ — o = + 10,80 — 0,00=10,80
J" =J^-— 2,52 J" — v'fi =:zj^—vg=--— 2,52 + 3,54 = 1,02
J"' =J^=+ 3,93 J"' — v'y=Jt-Vg = + 3,93 + 0,83 = 4,26
J""=:J^=:+ 2,02 J"'—x)'7i=Ji — Vg=r-\- 2,02 + 1,64= 8,66
10,80 , ,
244 772 ~ 0,044123; löge = 8,64466 — 10
e =
1,02
e == ^Q3 ^^^ = 0,003158; löge = 7,49940 — 10
e" = ^3^ ggg = 0,011128; löge" = 8,04643 — 10
e"" = ^^^ Qg^ = 0,012008; löge"" = 8,07947 — 10
Mit diesen besonderen Werthen findet man zunächst
Ppw] = 0,476526 -f 0,003221 + 0,047295 + 0,043949
= 0,570990
und hieraus den mittleren Ealometerfehler wie oben (S. 417)
m
= 1/0:57099 ^ ^ 2,278 mm
Die abgekürzten Formeln (8) und (11) für die Summe
der mit ihren Gewichten multiplicirten Fehlerquadrate,
welche das n fache Quadrat des mittleren Eilometerfehlers
darstellen, lehren uns über die Eigenschaften dieses Fehlers
und der Polygone Folgendes:
1) Der Unterschied der Werthe \on m und m in Gl
(8) und Gl (11), welcher den Grad de^ Annäherung meines
abgekürzten Verfahrens an das strenge der Methode der
kleinsten Quadrate erkennen lässt, kann nicht allgemein
entwickelt werden, weil die Darstellung der willkührlichen
Factoren k^ k, kg k^ zu umständlich ist; doch wird die
numerische Berechnung jenes Unterschieds durch die For-
meln (8) und (11) wesentlich erleichtert.
V. Bauemfeind: Ausgleichung geometrischer Höhennetze, 423
2) Mein Näherungsverfahren schliesst sich der Methode
der kleinsten Qaadrate för ein einzelnes Polygon von be-
liebig vielen Seiten ganz an, und wäre es möglich alle Po-
lygone nur mit je einem einzigen Punkte zu verknüpfen, so
müsste dieses Verfahren ausschliesslich angewendet werden ;
in allen anderen Fällen kommt meine Methode der strengen
um so näher, je kürzer die Seiten sind, in welchen sich
die Polygone berühren. Man sollte daher bei der Anlage
der Höhennetze eines Landes hierauf Rücksicht nehmen.
3) Der mittlere Kilometerfehler ergibt sich nach meinem
Verfahren nothwendig stets etwas grösser als jeder nach
der Methode der kleinsten Quadratsummen gefundene ; beide
Fehler unterscheiden sich aber nach allen bisherigen Er-
fahrungen so wenig von einander , dass ihr Unterschied
völlig übersehen werden darf.
Herr v. Pettenkofer 1^ vor und bespricht nach-
stehende Abhandlung:
Theorie des natürlichen Luftwechsels
von G. Becknagel.
Erste Abhandlung.
Seit y. Pettenkofer^) durch die überzeugende Kraft un-
zweideutiger Versuche festgestellt hat, dass die Stein wände,
welche die von uns bewohnten Räume einschliessen , nicht
nur nicht luftdicht schliessen, sondern ansehnliche Mengen
von Luft durchlassen können, ist es Aufgabe der Physik
geworden, die Bedingungen zu erforschen, unter denen
in bestimmter Zeit bestimmte Mengen von Luft in einen
Baume eintreten oder denselben verlassen, um gleich grossen
Mengen neuer Luft Platz zu machen.
Obwohl diese Forschung in erster Linie auf den Ver-
such augewiesen scheint, so beweist doch eine Uebersicht
über die bisher durch Versuche gewonnenen Resultate, wie
sie uns eben Herr C. Lang^) gibt, dass auf dem bisherigen
Wege, wo man sich darauf beschränkt, die Gesammtmengen
von Luft zu ermitteln, welche während einer gemessenen
1) V. Pettenkofer : üeber den Luftwechsel in Wohngebäuden
München 1858. Ursprünglich 3 Abhandlungen der natnrw.-techn. Kom-
mission der k. b. Akademie der Wissenschaften in München. 1858.
2) C. Lang : üeber natürliche Ventilation nnd die Porosität von
Baumaterialien, Stuttgart 1877.
G. Recknagel: Iheorie des natürlichen Luftwechsels. 425
Zeit in einem Raame wechseln, noch nicht sichere Grund-
lagen für Voransberechnnng desjenigen EfiPektes gewonnen
werden können, welcher bei bestimmter TemperaturdifiPerenz
sowie bei bestimmter Stärke und Richtang des Windes zu
erwarten ist. Eine solche Voransberechnung mnss aber als
Ziel der Forschung in*s Auge gefasst werden, zunächst für
jeden ventilatorisch untersuchten Raum, sodann unter An-
lehnung an gewisse, sorgfaltig imtersuchte Typen, sogar für
beliebige Räume. Zur Anbahnung dieses Zieles sollen fol-
gende theoretische Untersuchungen dienen, welchen an ge-
eigneter Stelle der beweisende Versuch zur Seite stehen
wird.
1. Allgemeine Prinzipien.
1. Entwickelung von Luftströmen in wei-
ten Canälen. Im Allgemeinen ist zu betonen, dass —
abgesehen von den Wirkungen der DifiPusion, die im folgen-
den nicht berücksichtigt werden, übrigens nur eine schein-
bare Ausnahme bilden — ohne eine zu beiden Seiten einer
Wand bestehende Druckdifferenz — Luft durch dieselbe
nicht hindurch geht, ebenso wenig als sich aus ruhender
Luft heraus ein Luftstrom in eine Röhre, einen Kamin, ein
Schürloch entwickelt, ohne dass diese ruhende Luft eine
höhere Spannkraft besitzt, als die Luft jenseits der OefiP-
nung. Wenn diese Druckdifferenzen vielfach unbeachtet
geblieben sind, so trägt daran die ünempfindlichkeit der
Messinstrumente Schuld, welche man zum Nachweis oder
zur Messung solcher Differenzen verwenden wollte. Führt
man durch das Zugloch eines Ofenthürchens ein gebogenes
Glasrohr so ein, dass seine freie Mündung in dem wind-
stillen Räume liegt, der sich hinter dem Thürchen befindet,
so zeigt ein gewöhnliches offenes Wassermanometer,
dessen einer Schenkel durch einen Eautschukschlauch mit
426 Sitzung der math.-phys, Classe vom 6, Juli 1678,
dem Glasrohr yerbunden ist, erst dann 1 Millimeter Niveaa-
differenz, wenn die Laft mit c. 4 Meter Geschwindigkeit
durch das Zugloch einströmt. Die beobachtete Druckdifferenz
von 1 Millimeter oder, was dasselbe ist, von 1 Kilogramm
pro Quadratmeter ist die nächste Ursache des Luft-
zuges von 4 Meter Geschwindigkeit, und man hat sich dem-
gemäss den Zug der Kamine vorzustellen, wie das Aus-
strömen Yon Luft aus einem (unendlich grossen) Gefässe,
wo sie unter höherem Drucke steht, in einen ebenfalls
unendlich grossen Raum , wo der Luftdruck geringer ist,
das Zugloch bildet die Grenze dieser beiden Bäume.
Die massgebende Spannungsdifferenz wird hervorge-
bracht durch die Gewichtsdifferenz zweier Luffcsäulen,
der wärmeren im Kamin und einer kälteren, deren Höhe
ebenfalls vom Zugloch aus bis zur oberen Mündung des
Kamins zu rechnen ist, wenn zwischen diesen bei-
den Stellen auch aussen freie Ko,mmunikation
stattfindet, wie z. 6. bei den meisten Fabrikschlöten.
Lidern nämlich die untersten Schichten der weniger
dichten Säule, gleichviel ob sie selbst warm oder kalt sind,
von oben her weniger stark gedrückt werden als die unter-
sten Schichten der dichteren Säule , üben jene auch ihrer-
seits nach oben einen geringeren Gegendruck aus als diese.
Und was von dem nach oben gerichteten Drucke gilt, gilt
von der Spannkraft der Schichte überhaupt, da in Gasen
und Flüssigkeiten Einseitigkeit in der Reaktion einer Schicht
ausgeschlossen ist.
Die Gewichtsdifferenz von Luftsäulen gleicher Höhe,
aber verschiedener Dichtigkeit ist demnach stets- die ent-
ferntere Ursache der Luftströmung. Die Gewichts-
differenz erzeugt eine Spannungsdifferenz und die Span-
nungsdifferenz wird zur Ursache der Luftströmung.
Wie aus dem oben angeführten Beispiel hervorgeht,
sind die Druckdifferenzen , durch welche starke Luftström-
G, Becknagel: Theorie des natürlichen Luftwechsels. 427
uDgen erzeugt werden, nur klein. Zur Messung derselben
bediene ich mich eines Differenzialmanometers, dessen äus-
serer Schenkel eng (etwa 2 bis 3 Millimeter weit) und stark
geneigt ist, während der andere Schenkel einen Oylinder
von 100 Millimeter Weite darstellt, und benütze Petroleum
statt des Wassers.') Mit Hilfe dieses Manometers, dessen
äusserem Schenkel man zu diesem Zwecke am besten eine
Neigung von 4 bis 5 Procent gibt, lassen sich die Druck-
differenzen, welche zur Ursache von Luftströmungen werden,
genau genug messen, um die oben entwickelten Sätze auch
durch den Versuch zu beweisen.
Als Versuchsobjekt dient mir ein 20 cm weites und
etwa 2 Meter hohes Rohr von Eisenblech, welches unten
mit einem abnehmbaren Kniestutzen versehen ist, so dass
der unterste Theil des Apparates durch ein horizontales
Rohrstück von 40 cm Länge gebildet wird. Etwas ober-
halb der Stelle, wo das Eniestück mit dem Rohr zusammen-
gesteckt wird, enthält jenes eine Anzahl (4) Gasbrenner,
welche von aussen durch Schläuche mit der Gasleitung in
Verbindung gesetzt werden können und den Heizapparat
bilden. Der ganze Apparat wird, an einem Holzgestell be-
festigt, auf den Tisch gestellt. Das Manometer steht an
einem erschütterungsfreien Ort.
Wird nun ^b& Rohr geheizt, so entwickelt sich ein
Luftstrom in den horizontalen Theil desselben, dessen grösste
Geschwindigkeit leicht anemometrisch bestimmt werden kann.
Führt man von aussen durch ein seitliches Loch von etwa
1 cm Durchmesser eine Glasröhre ein, deren vorderer Theil
ausgezogen und an der äussersten Spitze rechwinkelig um-
3) Das Differenzialmanometer, seine Aichung und Anwendung ist
in den Annalen der Physik und Chemie, Neue Folge. Bd. 2. 1877, und
im Journal für Gasbeleuchtung and Wasserversorgung, Jahrgang 1877.
S. 662 ff. beschrieben.
428 Sitzung der math.-phys, Claase vom 6, Jtdi 1878,
gebogen ist, so dass sich das offene Ende vom
Luftstrome abwendet, so gibt das Manometer, dessen
inneres Niveau mit dieser Glasröhre durch einen Schlauch
verbunden ist, einen Ausschlag, welcher mit der beobach-
teten grössten Geschwindigkeit des Luftstromes in derselben
gesetzmässigen Beziehung steht, welche zwischen einer
Druckdifferenz (p Kilogramm pro Quadratmeter oder p""^
Wasserhöhe) und der durch sie erzengten grössten Ans-
strömungsgeschwindigkeit (v) der Luft stattfindet.
Die genannte gesetzmässige Beziehung ist für die hier in
Betracht kommenden Druckdifferenzen genau genug durch
die Gleichung
p = Y mv*
gegeben, worin m die Masse eines Kubikmeters der ein-
strömenden Luft bezeichnet.
Der beschriebene manometrische Versuch gibt durchaus
das gleiche Resultat, an welcher Stelle des Querschnitts
man ihn anstellen mag, ob in der Mitte, wo die Strömung
am stärksten ist, oder näher an der Wand oder hinter
einer Platte, welche einen Theil der Einströmungsöffhung
verdeckt, und das Differenzialmanometer kann somit als
Anemometer verwendet werden. Nur in unmittelbarer Nähe
der Wand gibt es Stellen, wo ein schwacher Gegenstrom
aus dem Innern heraus stattfindet und indem er in die Glas-
röhre bläst, die zu messende Druckdifferenz schwächt.
Der Versuch gibt stets die wirkliche während der
Strömung aktive und neue Luftmassen von aussen nach
innen in Bewegung setzende Druckdifferenz und ist dem-
nach, wenn Widerstände in der Rohrleitung zu überwinden
sind, stets kleiner als diejenige Druckdifferenz, welche sich
aus der Gewichtsdifferenz der warmen und kalten Säule be-
rechnet Die beobachtete Druckdifferenz nähert sich der
aus der Gewichtsdifferenz der Luftsäulen berechneten um
G, Recknagel: Iheorie des natii/rlichen Luftwechsels. 429
so mehr, je geringer die vom Luftstrome zu überwindenden
Widerstände sind.
2. Messung statischer üeberdrücke. Will
man die aas der Gewichtsdifferenz berechnete Druck-
differenz vollständig nachweisen, so ist der Versuch sta-
tisch anzustellen. Man erwärmt zu diesem Zweck die
Luft in einer vertikalen Eöhre, deren Durchmesser einige
Centimeter betragen kann, am besten dadurch, dass man
die Röhre mit einem Dampfmantel umgibt.
a) Ist die Röhre oben offen — die Oeffnung selbst
darf nicht so gross sein, dass sich in ihr Gegenströme der
Luft ausbilden können — , während sie unten durch einen
Schlauch mit dem Manometer communicirt, so erhält man
an diesem das Resultat (p) der Rechnung, welches sich aus
der Formel
p = H. 1,293 ^(^-^-i^)
ergibt, worin H die Höhe der Röhre, B den Barometerstand,
T die Temperatur der in der Röhre enthaltenen Luft und
t die Temperatur der Umgebung bezeichnet. Den Ueber-
diack p gibt die Rechnung in Kilogrammen pro Quadrat-
meter, der Versuch in ebenso viel Millimetern Wasserhöhe,
was sich deckt, weil das Wasser, welches 1 Millimeter über
dem Quadratmeter steht, 1 Kilogramm wiegt. Der Äus-
dehnungscoefficient a wird, da die Luft stets feucht sein
wird, besser gleich 0,0037 genommen. Statt des eingeklam-
merten Ausdrucks kann mit hinreichiender Annäherung
T~t
270 + (T+t)'
[1878, 4. Math.- phys. Cl.] 29
430 Sitzung der mathrphys. Glosse vom 6, JvHi 1878,
also
B T — t
p = h . 1,293
760 270 + T + t
gesetzt werden.*)
4) Die stetige Zanahme der Dichtigkeit mit der Tiefe ist hier in-
sofern ausser Acht gelassen, als hei Berechnung der Drücke der Loft-
saalen, welche sich im Zimmer und dessen Umgehung hefinden, stets
eine in ihrer ganzen Ausdehnung gleiche mittlere Dichtigkeit mge^
schriehen wird.
Da es sich im Folgenden um die Differenzen sehr kleiner Drücke
handelt, ist die Zulässigkeit einer solchen Annahme nicht unmittelbar klar.
Desshalh soll das Resultat der strengen Rechnung mit dem der
abgekürzten verglichen werden.
Sei am oberen Ende einer Luftsäule vom Querschnitt 1 (O™) und
von der Temperatur t^ 0 der Luftdruck B ( Eilogr.), und B + P in der
Tiefe z, so ist die Dichtigkeit an dieser Stelle
B + P 1
* 760 'l+at'
wobei mit a die normale Dichtigkeit der Luft (1,293 Eilogr. pro Cubik-
meter) bezeichnet ist.
Die Zunahme dP, welche der Luftdruck erfährt, wenn die Tiefe
z um dz wächst, ist dem Gewichte der elementaren Schicht von der
Dicke dz gleich und somit
,_ B + P 1 .,
dP zr a • • : r • ^
7Ö0 l + at
woraus durch Integration gefunden wird
log (1 + l) =
az
760(l + «t)
oder
az
l+I.-:e 760(l + «t).-
B
Berechnet man hieraus P für den Fall, dass z r= 5™ und
t == — 10^ C ist, so findet man
P^ = 0.008873 B.
Nimmt man dagegen t = 4- 20^ C, so ergibt sich
P, = 0,007952 B.
G, Becknagel: Theorie des natürlichen Luftwechsels, 431
Ist die Temperatur (T) des Dampfes 100®, die der um-
gebenden Luft 20®, so beträgt bei Anwendung einer 2"* hohen
Röhre die Druckdifferenz zwischen der kalten und warmen
Luftsäule 0,53 Kilogramm pro □"*, was sich bei dem oben
genannten Manometer, dem man eine Steigung von 3^/o gibt,
durch einen Ausschlag von c. 22"" verräth.
b) Ein zweiter statischer Versuch, welchen man an den
ersten leicht anschliessen kann, besteht darin, dass man die
im^ ersten Versuch offene obere Mündung der Versuchs-
röhre mit dem Manometer in Verbindung setzt und dann
die untere Mündung öffnet, damit sich jetzt an dieser
Stelle die innere Luft mit der äusseren ins Gleichgewicht
setze. Das Manometer zeigt in diesem Falle einen üeber-
druck der an dem oberen Rohrende befindlichen inneren
Gegenüber dieser ezacten RechnuDg besteht die vereinfachte
darin, dass man von der Entwickelang der Ezponentialgrösse
az
760.(l + «t) _ az 1 r az T»
® — A-t- 760(l4-at) ^ 2 L760(l + «t) J
nur die beiden ersten Glieder beibehält and demgemäss setzt
^~** 760 *l + «t'
was demnach etwas za klein ist.
Führt man aach die vereinfachte Bechnang für die vorhin ange-
nommenen Fälle namerisch darch, so erhält man
P^ = 0,008833 B,
P, =:. 0,007920 B.
Die genaue Differenz ist demnach
Pj — Pj = 0,000921 B,
die genäherte 0,000913 6.
Man verliert also ungefähr 17© des Werthes, und dieser Fehler
darf gegenüber der durch die Beobachtung erreichbaren Genauigkeit als
bedeutungslos angesehen werden.
Ist die Höhe kleiner als 5™ oder die Temperatur-Differenz kleiner
als 30^ so betragt der Unterschied zwischen der genauen und verein-
fachten Rechnung weniger als l^o des Werthes.
29*
432 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 6. Juli 1878,
Luft über die mit ihr in gleichem Niveau liegende äussere
Luft an, der ebenso gross ist als die vorher im Niveau der
unteren Mündung beobachtete Depression.
Die Noth wendigkeit dieses üeberdrucks lässt sich leicht
beweisen, wenn man bedenkt, dass sich über den im Gleich-
gewicht befindlichen untersten Luftschichten einerseits eine
wärmere, also leichtere Luftsäule erhebt, als auf der an-
deren Seite, dass somit der Druck und hiemit die Spann-
kraft auf der wärmeren Seite um weniger abnimmt, als &uf
der kälteren. Oder in Zeichen:
Sei P die gleiche Spannkraft zweier Luftschichten, die
sich über zwei in demselben Niveau liegenden Flächen-
einheiten (Quadratmeter) befinden. Erhebt man sich, vertikal
aufsteigend, aus diesem Niveau in ein anderes, so vermindert
sich über jeder der beiden Flächeneinheiten die Spannkraft
der Luft gerade um das in Kilogrammen ausgedruckte
Gewicht der senkrechten Luftsäule, die man zurückgelegt
hat. Beträgt nun das Gewicht der wärmeren Säule w Kilo-
gramm, das der kälteren k Kilogramm, so ist die Spannkraft
der am oberen Ende der warmen Säule befindlichen Luft-
schichte
P— w Kilogramm
und die Spannkraft der am oberen Ende der kälteren Säule
P— k Kilogramm.
Da nun w kleiner ist als k, so ist P — w grösser als
P— k. Das oben eingesetzte Manometer gibt die Differenz
(P - w) - (P-k) oder k-w.
c) Es ist nicht überflüssig, noch einen drittenVer-
such anzustellen, bei welchem man die mit dem Dampf-
mantel umgebene Versuchsröhre während der Erwärmung
unten und oben verschlossen hält, während die warme Luft
an einer zwischenlieerenden Stelle mit der äusseren Luft in
Q, Recknagel: Theorie des natürlichen Luftwechsels. 433
Verbindung steht. Setzt man dann das Manometer unten
an, so erhält man nur einen Theil (p^) der früher beob-
achteten Depression; und setzt man nach Verschluss der
unteren Mündung den Manometerschlaucb an die obere, so
tritt nun der andere Theil (p^) der Differenz k — w als
Ueberdruck auf. Hat man unter den bei dem ersten Ver-
such angenommenen Umständen in einer Höhe von 68°"
die innere Luft mit der äusseren ins Gleichgewicht gesetzt
und verbindet das innere Niveau des Manometers mit dem
unteren Ende der Versuchsröhre, so tritt das äussere Niveau
um 7,5""' zurück. Wird überdies ein Schlauch vom äusseren
Niveau des Manometers nach dem oberen Ende der Röhre
geführt, so drückt der an diesem Ende vorhandene Ueber-
druck das äussere Niveau des Manometers um weitere
14,5 Millimeter zurück, und man hat somit, da die Reduc-
tionszahl auf vertikale Millimeter Wasser 0,024 ist
PqI=0,18 Kilogramm
P2=0,35 „
Daraus wird zugleich klar, dass die beobachteten
Spannungsdiffereozen p^ und p^ sich verhalten wie die
Abstände der beiden Stellen, wo sie auftreten, von dem
0 18
Niveau des Gleichgewichts; denn --^ ist nahe genug
gleich
132'
3. Im Änschluss an die vorausgehenden Versuche wird
leicht verständlich, dass zwei angrenzende Luftsäulen von
verschiedener Temperatur nur in einem Niveau im Gleich-
gewicht sein können. Oberhalb dieses Niveaus besitzt die
warme Lufb Ueberdruck über die kalte, unterhalb die kalte
über die warme.
434 Sitzung der matK-phys. Classe vom 6. Juli 1878,
11. lieber den Luftwechsel, welcher in einem yon
freier Luft umgebenen Zimmer durch Temperatur-
unterschiede veranlasst wird.
1. Voraussetzungen. Yon dem Gegenstände der
Untersuchung soll Folgendes vorausgesetzt werden:
1) Er ist bei vollkommener Windstille durch poröse
Wände von der ihn rings umgebenden freien Luft voll-
kommen abgeschlossen, nirgends führt ein Kanal nach
aussen, welcher der Grösse seines Querschnitts wegen nicht
mehr als capillare R5hre gelten kann;
2) Es findet durch die Poren seines ümschlusses hin-
durch ein stetiger Luftwechsel — bestehend in Eintritt
und gleichzeitigem Austritt gleich grosser Mengen atmo-
sphärischer Luft — statt.*)
3) Zur Fixirung der Vorstellung wird die Annahme
beigefugt, dass die im Innern des betrachteten Raumes
befindliche Luft überall eine höhere Temperatur habe als
die äussere.
5) Der Einfachheit wegen ist hier als Annahme aufgef&hrt, was
bei bestehender Temperatur-Differenz als Bedingung eines stationären
Zustandes bewiesen werden kann.
Zunächst ist klar, dass ein stationärer Zustand unmöglich wäre,
wenn die Menge der einströmenden oder die der ausströmenden Luft
überwöge. Denn in beiden Fällen würden Aenderungen in der Dichtig-
keit der Zimmerlnffc eintreten, welche Steigerung oder Abnahme ihrer
Spannkraft zur Folge haben. Indem so der Gegendruck der inneren
oder der äusseren Luft wüchse, würde das Einströmen oder das Aus-
strömen geschwächt und so auf Ausgleichung der Luftmengen hinge-
arbeitet werden.
Die Möglichkeit eines stationären Zustandes ohne Bewegung von
Luft durch die Poren des ümschlusses ist dadurch ausgeschlossen, dass
nach I 3} eine warme Luftsäule nur in einer und nicht in jeder Höhe
mit einer kälteren im Gleichgewicht sein kann.
G* Becknagel: Theorie des natürlichen Luftwechsels, 435
Die folgende Betrachtungsweise ist indessen aucb auf
den entgegengesetzten Fall anwendbar, wo die Temperatar
der inneren Laft tiefer ist als clie der äusseren.
Bei Erfüllung dieser Voraussetzungen sollen die Be-
dingungen des Problems im Folgenden kurz als ,,normale
Umstände" bezeichnet werden.
2. Nothwendigkeit einer neutralen Zone.
Durch die erste Voraussetzung — des stetigen Luftwechsels
— ist die Annahme ausgeschlossen, dass die innere Lufk
überall höheren oder überall geringeren Druck ausübe als die
äussere, weil in beiden Fällen die Strömung durch die Poren
nur einseitig, entweder von innen nach aussen oder von
aussen nach innen stattfände. Vielmehr muss angenommen
werden, dass in gewisser Höhe der innere Druck dem äusseren,
in anderer Höhe der äussere dem inneren überlegen ist.
Da die Spannungen nur durch Gewichte von Luft-
schichten und demnach stetig wachsen, so muss auch der
üeberdruck als Differenz solcher Spannungen, in irgend
einer Höhe zwischen zwei Stellen, wo er verschiedene
Vorzeichen hat, einmal Null und somit die innere mit
der äusseren Luft im Gleichgewicht sein.
Diese Stelle des Gleichgewichts kann weder am Boden
liegen, noch an der Decke; denn läge sie am Boden und
wäre also die an demselben anliegende Lufk gegen die
äussere Luft im Gleichgewicht, so würde der Boden Luft
weder herein noch hinauslassen, in jeder anderen Höhe
aber wäre (nach 1, 2 b) der innere Druck dem äusseren
überlegen und folglich würde im Ganzen bloss Ausströmen
der Lufb stattfinden, was gegen die Voraussetzung ist.
Ebenso wenig kann die Stelle des Gleichgewichts an der
Decke liegen, weil dann die Lufb nur einströmen würde.
Es bleibt also nichts übrig als die Annahme,
dass das Gleichgewichts-Niveau sich innerhalb
der vertikalen Begrenzung des Raumes befindet.
436 Sitzung der math.-phys. Clasae vom 6. JuU 1878,
Von diesem Niveau aus wächst nach der Decke zu der
Ueberdrack der inneren (warmen) Luft über die äussere
(kalte), nach dem Boden zu der Ueberdruck der äusseren
Luft über die innere.
Demnach findet unterhalb des genannten Niveaus Ein-
strömen, oberhalb desselben Ausströmen der Luft statt.
3. Berechnung des Ueberdrucks. a) Die Grosse
des üeberdruckes (in Kilogr. pro □"* oder in Millimetern
Wasserhöhe) an einer Stelle, welche um h" von dem Niveau
des Gleichgewichts absteht, wird erhalten, wenn man die
Gewichte zweier Luftsäulen von der Höhe h vergleicht)
welche 1 Q"" zur Basis und im übrigen die Beschaffenheit
derjenigen inneren und äusseren Luffc haben, welche zwischen
dem Niveau des Gleichgewichts und der betrachteten Stelle li^.
Die Differenz dieser Gewichte ist der fragliche Ueberdruck.
Der Beweis dieses Satzes folgt schon aus dem Voraus-
gehenden (I, 2 a) und wird beim Beweise des folgenden Satzes
wiederholt werden.
b) Die absolute (ohne Rücksicht auf das Vorzeichen
gebildete) Summe der Spannungsdifferenzen p^ und p^,
welche zu beiden Seiten der Gleichgewichtsstelle in der
Entfernung H von einander auftreten, ist gleich dem Ge-
wichtsunterschied zwischen zwei über der Flächeneinheit
aufgebauten Luftsäulen von der Höhe H, welche einerseits
mit der Luft des Baumes, andererseits mit der Luft seiner
Umgebung gleiche Dichtigkeit haben.
Beweis. Ist B das Gewicht einer Luftsäule, welche
über der Flächeneinheit aufgebaut ist und vom Niveau des
Gleichgewichts bis zum Ende der Atmosphäre reicht, q,
das Gewicht der Luftsäule von der Basis 1, welche inwendig
vom Niveau des Gleichgewichts bis zur oberen Grenze des
betrachteten Raumes von der Höhe H reicht, q^ das Gewicht
der Luftsäule von der Basis 1, welche inwendig vom Niveau
des Gleichgewichts bis zur unteren Grenze des betrachteten
G, Recknagel: Iheorie des natürlichen Luftwechsels, 437
Baumes reicht, während q', und q'^ die analogen Bedeu-
tungen für die umgebende äussere Lufb haben, so ist
B-q,
die Drnckintensität oder Spannung der inneren Luft an der
oberen Grenze,
B-q,
die Spannung der äossereu Luft an der oberen Grenze;
B+q,
die Spannung der inneren Lufb an der unteren Grenze,
B+q',
die Spannung der äusseren Luft an der unteren Grenze.
Somit ist der Ueberdruck der inneren Luft über die
äussere an der oberen Grenze
und der Ueberdruck der äusseren Luft über die innere an
der unteren Grenze
Po = (B+q o)-(B+qo) = qo'-qot
wodurch 'der erste Satz dargestellt ist.
Addirt man diese Gleichungen, so ist
P2+P0 ='- (q«+qo)--(q8+qo)»
mithin gleich dem Gewichtsunterschiede der ganzen Säulen
von der Höhe H.
c) Ist die Temperatur innerhalb des betrachteten Raumes
durchaus gleich hoch*) und auch die Temperatur der Um-
6) Ist diese Bedingung nicht erfüllt, sondern die mittlere Tempera-
tur unterhalb der neutralen Zone Tq, oberhalb Tj» so geben die für po
und P2 folgenden Formeln, dass sehr nahe
Po C^s "" *) --. ^
P2 (To - t) h, '
Man kann in solchen Fällen die einfache Gleichung
JPo _.^
Pa hg
benützen, um annähernd die Bezirke zu finden, deren mittlere Tempera-
438 Sitzung der mathrphys. Glosse «om 6, Juli 1878.
gebuDg überall gleich, so yerhalten sich die in den Abständön
ho nnd h, vom Niveau des Gleichgewichts stattfindenden
Spannnngsdifferenzen (p^, p,), wie diese Abstände. Also
Po •P2 = ^o^h,-
Beweis: Ist die innere Temperatur T, die äussere t,
so ist mit hinreichender Annäherung
Po ~ Do li^y^ 760 270+T+t '
Pa = h, 1,293 -J 'LA .
760 270+T+t
Durch Division beider Gleichungen folgt die Be-
hauptung.
4. Experimentelle Bestimmung des üeber-
drucks und der Lage der neutralen Zone. Hat
man sich überzeugt, dass ein Raum die Bedingungen für
die Anwendbarkeit der vorausstehenden Sätze annähernd
erfüllt, so lässt sich die Lage der Gleichgewichtslinie mit
Hilfe des DifPerenzialmauometers experimentell bestimmen,
indem man an Stellen wie A, B (Fig. 1) eiserne RohrstQcke
durch die Wände oder Thüren hindurohsteckt und das innere
Ende derselben mit dem inneren oder äusseren Niveau des
Manometers durch einen Eautschukschlanch verbindet. Ist das
Manometer in dem zu untersuchenden Zimmer selbst aufge-
stellt, und hat man das äussere Niveau mit dem oberen Rohr-
stück A verbunden,^) so steigt die Flüssigkeit im äusseren
m
turen T« und Tg za messen sind, und dann mittelst der Messungsresnl-
tate das gesuchte Verhältniss der Höhen 1'^) comgiren.
Hat man z. B. experimentell p^ = pg gefanden, während die Tem-
peratur der Umgebung 0^, die der oberen Zimmerhälfte 22^, die der
li 1 1
unteren 18^ ist, so würde -r^ = ^^ zu nehmen sein, und die neutrale
Zone nicht in -jr- sondern in -^ der Zimmerhohe liegen.
7) Da es nicht angeht, an das Glasröhrchen, in welchem sich das
äussere Niveau des Manometers befindet, einen der Bewegung ausgesetz-
G. Becknagel: Iheorie des natürlichen Luftwechsels. 439
Schenkel um den üeberdruck, welchen die innere Luft oben
über die äussere übt. Dieser üeberdruck soll mit Pg be-
zeichnet werden. Setzt man nun überdies das innere Niveau
mit dem unteren Rohrstück (B) in Verbindung, so erfolgt
ein neues Steigen des Manometers um den üeberdruck (p^),
welchen unten^die äussere Luft über die innere besitzt.
Bezeichnet man mit h die gesuchte Höhe der neutralen
Zone über dem Boden, mit H die ganze Hohe des Baumes,
so gibt der Satz 3, die Proportion
Po : p, = h : (H-h)
oder
h = H Po
Po+Pa
Wird nun ein drittes Rohr in der Höhe h über dem
Boden ins Freie geführt, so zeigt das Manometer keinen
Ausschlag. Zugleich überzeugt man sich, dass Po'-i'Ps = P
ist, d. h. gleich der aus der Temperaturdifferenz der beiden
Luftsäulen yon der Höhe AB berechneten Spannungs-
differenz.
Die Eenntniss der neutralen Zone belehrt uns über die
Vertheilung des Ventilationsgeschäftes : Was unterhalb der-
selben liegt, lässt Luft herein, was darüber liegt, lässt eine
gleich grosse Menge Luft hinaus.
5. Annahmen und Definitionen. Die weitere
Entwicklung ruht auf der Annahme, dass die in gleichen
Zeiten durch dieselbe Wandfläche gehenden Luftmengen
den zu beiden Seiten der Wand bestehenden Druckdifferenzen
proportional sind.
Diese Annahme ist sowohl durch die allgemeinen Ver-
suchsresultate über den Durchgang der Luft durch capillare
ten Schlanch anzusetzen, verbindet man dasselbe durch ein kleines
Schlancbstück mit einem anderen Glasrobr, welches fest dnrch ein be-
festigtes Brettchen gesteckt ist.
440 Sitzung der math.-phys. Classe vom 6. Jtdi 1878,
Röhren als auch durch besondere Versuche*) über die Per-
meabilität einzelner Baumaterialien gestützt.
Ferner soll der Begriff der Durchlässigkeit oder
8) Vgl. C. Lang a. a. 0. S 73.
Der geringste Drack, welchen Herr C. Lang anwandte, betmg
30mm Wasser.
In der Absicht, das Gesetz auch für die weit kleineren üeberdrücke
zu prüfen, welche den natürlichen Luftwechsel veranlassen, stellte ich
im Dezember 1876 mit einem Ziegelstein, welcher 30«" lang, 16°™ breit
und 7*^" dick war nnd knrz vorher zur Ausführung des bekannten Pet-
teDkofer*8chen Versuchs (Ausblasen eines Lichts durch den Stein hin-
durch) gedient hatte, einige Proben an, welche ein für die Annahme
sehr günstiges Resultat gaben.
Die vier schmalen Seiten des Steins waren mit Wachs und venet.
Terpentin luftdicht verstrichen, die eine Breitseite war frei, die andere
mit einer Fassung von Zinkblech versehen.
Von der Fassung führte ein Eautschukschlauch nach einem Hahn,
welcher in die eine Bohrung eines Kautschukpfropfs gesteckt war, der
eine grosse Wasserflasche oben versehloss. Auch in der zweiten Bohr-
ung des Pfropfs stack ein Hahn, von welchem ein Schlauch nach dem
Differenzialmanometer führte. Unten hatte die Flasche einen Tnbulos,
welcher ebenfalls durch einen Kautschukpfropf und einen Hahn ver-
schlossen werden konnte. Indem man diesen Hahn mehr oder weniger
öffnet, hat man es in seiner Gewalt grössere oder kleinere Üeberdrücke
zu erzeugen. Das Volumen des unten ausgeflossenen Wassers gibt die
Menge der durch den Stein in den oberen Baum eingetretenen Luft an.
Durch dieses Verfahren erhielt ich folgende Resultate:
Druck in Millimetern Wasser Pro Minute u. Millimeter Druck
durchgelassene Luftmenge
in Cub.-Ceut.
0,64™"» 1,6 C«"»
0,62 1,5
2,55 1,6
2,52 1,6
1,17 1,6
Für die Stunde und das Quadratmeter folgt daraus eine Durch-
lässigkeit von 2,1 Liter, was bei Reduction auf V^ Dicke noch durch
100
-=- zu dividiren ist und somit den Werth 0,14 Liter erhält.
G. Becknagel: Iheorie des natürlichen Luftwechsels. 441
Permeabilität einer Wand so definirt werden, dass er die
Anzahl der normalen Cabikmeter Luft bezeichnet, welche
durch 1 Quadratmeter der Wand unter dem XJeberdruck
von 1 Kilogramm (1"*" Wasserhöhe) in einer Stunde hin-
durchgehen.
Bei der Anwendung dieses Begriflfe auf eine vertikale
Zimmerwand begegnet man der Schwierigkeit, dass Fenster,
Fensternischen und Thüren, indem %ie sich nicht über die
ganze Höhe der Wand erstrecken, verursachen-, dass dem un-
teren Theile der vertikalen Begrenzung im Allgemeinen eine
andere Durchlässigkeit zukommt als dem oberen. Da sich
nun beide Theile in verschiedener Weise an dem Ventilations-
geschäfke betheiligen, wird es nicht immer zulässig sein,
für beide dieselbe mittlere Durchlässigkeit in Ansatz zu
bringen.
6) Aufstellung der Gleichung des Luftwech-
sels. Es soll nun der Flächeninhalt des Bodens dem
Flächeninhalt der Decke gleich angenommen und beide mit
dem Buchstaben f bezeichnet werden. Der Umfang des
Bodens sei u, die Höhe des Zimmers H, die Entfernung
der neutralen Zone vom Boden h. Ferner sei mit k^ die
Durchlässigkeit des Bodens, mit k^ die mittlere Durchlässig-
keit des unteren Theiles, mit k' die mittlere Durchlässigkeit
des oberen Theiles der vertikalen Begrenzung, endlich mit
kg die Durchlässigkeit der Decke bezeichnet. Die Grössen
Po, Pg und p = P0 + P2 liaben ihre frühere Bedeutung : p^
bezeichnet den Ueberdrnck, den die äussere Luft über die
am Boden befindliche innere Luft ausübt, p^ den Ueberdruck
der an der Decke befindlichen inneren Luft über die äussere.
Dann gibt die Annahme von der ünveränderlichkeit
der im Zimmer befindlichen Luftmenge die Gleichung
f k, Po + n hk, ^ = n (H-h) k' ^ + f k, P, '^'
9) Dem Bedenken, welches darans entstehen konnte, dass für den
unteren oder oberen Theil der vertikalen Begrenzung ein Mittelwerth
442 Sitzung der mathrphys. Classe vom 6. Jvii 1878.
Die linke Seite bedeutet die Laftmenge, welche in der
Stunde durch den Boden und den unteren Theil der verti-
kalen Wände einströmt, während die rechte Seite der
Gleichung die durch den oberen Theil der vertikalen Wände
und durch die Decke abströmende Luftmenge darstellt.
7. Discussion der Gleichung des Luftwech-
sels. Aus dieser Gleichung in Verbindung mit dem
Früheren lassen sich drei wichtige Sätze ableiten.
der Darchlässigkeit angenommen und dieser mit dem Mittelwerthe des
des Drucks ( ~^ > "^ ) multiplicirt ist, begegnet man durch folgende
Betrachtung.
Ist die Durchlässigkeit k eine Funktion der Höhe z, so ist die
Luftmenge, welche durch einen um z.- Meter unterhalb der neutralen
Zone befindlichen Streifen von der Breite dz eintritt,
u dz k P,
wobei mit P der an dieser Stelle vorhandene üeberdruck bezeichnet ist
Nun ist P = -r- Po, folglich die Luftmenge
u -^ • k z dz.
um die gesammte Luftmenge zu erhalten, welche unterhalb der
neutralen Zone durch die vertikale Begrenzung geht, hat man diesen
Ausdruck zwischen den Grenzen o und h zu integriren oder
Po r
o
zu bilden. Da z innerhalb der Grenzen sein Vorzeichen nicht ändert,
so kann man
Jh nh
k z dz = k^ J ^ ^^
o o
setzen, wobei ki irgend ein zwischen dem grössten und kleinsten Werth
von k liegender mittlerer Zahlenwerth ist.
Dann wird die gesuchte Luftmenge
u^ki-j-^uhki-g-
wie im Text angenommen wurde.
O, Becknagel: Theorie des natMichen Luftwechsels. 443
a) Setzt man £Ör h seinen Werth H — ein , (worin
P
die Annahme gleichmässiger Temperaturvertheilung liegt),
dividirt die Gleichung durch p und* setzt p— Po aii die
Stelle von pj , so erhält man der Reihe nach die Um-
formungen:
fk.p,+«Hk, |^' = uH(l-.^)k'&- + fp,k,
fk.-^ + |.Hk,(^)'=i.nHk.(.-^)B + ,£.k.
f k. 1= + l,Hk.(B)'=|.H^(l-£^)% ,(,_£.)k..
Aus der letzten in Bezug auf -^ quadratischen Gleich-
ung lässt sich dieses Yerhältniss so entwickeln, ^^) dass es
von den Grössen Po und p selbst, also auch von den Tem-
peraturen (T, t) unabhängig und nur durch die Dimen-
10) Die Aaflösnng ist
Po _ fko + nHk^ + ffca .
p "" uH(k,--kO "^
-,/^k^ + f1c2 , /fko-t-nHk^ + fkTy
y uH(kj-k') "+■ V uH(ki-k') /
Darf kx = k' gesetzt werden, dann folgt viel einfacher
inHk,-hfk,
Po ^
p -fko+üHk^ + fka
Bei ungleicher Temperatnrvertheilang ist zu setzen
Po T«-t)
h = H
p(To~t) + Po(T,-To)
statt des einfachen h = H - -^ *
P
444 . Sitzung der math.-phys. Classe vom 6. Jtdi 1878,
sionen und Dorchlässigkeiten der Begrenzung bestimmt
erscheint.
Somit ist auch .der Werth von h=H— , oder die
P
Lage der neutralen Zone von der Temperatur
unabhängig. Sie liegt bei normalen Umständen
und gleichmässiger Temperaturvertheilung,
solange sich die Beschaffenheit der Begren-
zung nicht ändert, ein für allemal fest.
b) Die hin und wieder gemachte Annahme,
das die Decke allein alle Luft hinauslasse,
welche durch die übrige Begrenzung eindringt,
ist nicht haltbar.
Wäre nämlich diese Annahme zulässig, so müsste das
erste Glied auf der rechten Seite der Gleichung, welches
die durch den oberen Theil der vertikalen Wände hinaus-
gehende Lufbmenge darstellt, Null werden können. Also
u(H-h)k'^ = 0.
Dieses Glied konnte aber nur dann Null sein, wenn
entweder k' = 0, also der über der Qleichgewichtslinie
liegende Theil der vertikalen Begrenzung undurchlässig,
oder wenn H=h, somit da h =-5iH, p« = p wäre.
Nun ist aber p = Po + P2» ^^^^ müsste Pj = 0 sein,
was unmöglich ist, weil in diesem Falle — ohne üeber-
druck — auch durch die Decke selbst keine Luft hinaus-
gehen, somit überhaupt kein Luftwechsel, sondern nur
Einströmen von Luft stattfinden würde.
c) Der Ausdruck für die einströmende Luft in der Form
fkopo + uhk,-^
kann durch Einführung des Werthes von po auf die Form
gebracht werden
G. Becknagel'' Theorie des natürlichen Luftwechsels, 445
Hier ist (bei gleichmässiger Vertheilung der Temperatur)
der ganze Ausdruck in 1 1 von der Temperatur unab-
hängig und der Nenner (270+T+t) ändert sich innerhalb
derjenigen Temperaturen, welche bei der Lüftung von
Zimmern in Betracht kommen, nur wenig. Somit ist der
unter normalen Umständen, bei gleichmäs-
siger Temperaturvertheilung durch Tempe-
raturunterschied in einem Zimmer hervorge-
brachte Luftwechsel nahezu der Temperatur-
differenz (T — t) proportional, und es hat somit bei
Räumen, welche den vorgenannten Bedingungen entsprechen,
einen guten Sinn, von dem für je 1 Grad Temperatur-
differenz in einem Zimmer stattfindenden Luftwechsel zu
sprechen.
Hat man für einen Raum, welcher den oben ange-
führten Bedingungen genügt, etwa mittelst des Pettenkofer-
schen Verfahrens bei Windstille und einer bestimmten
gemessenen Temperaturdifferenz die Gesammtventilation
ermittelt, so kann man daraus für einen späteren Fall,
wo die Temperaturdifferenz eine andere geworden ist, den
Luftwechsel mit hinreichender Annäherung durch einfache
Rechnung finden. Betrug z. B. bei 15" Temperaturdifferenz
der durch dieselbe veranlasste stündliche Luftwechsel
60 Gubikmeter , so entspricht einem Grade ein Luft-
wechsel von 4 Gubikmeter und einer später beobachteten
Temperaturdifferenz von n Graden ein Luftwechsel von 4 n
Gubikmeter. ^^)
11) Aus V. Pettenkofers Versnchen folgt für das von ihm unter-
suchte Zimmer bei je 1^ Temperaturdifferenz der Luftwechsel
[1878, 4. Math.-phys. Cl.J 30
446 Sitzung der math.-phys. Classe vom 6, Juli 1678,
d) Andererseits darf ausdrücklich hervorgehoben werden,
dass man darch wiederholte Messungen des gesammten in
einem Zimmer anter normalen Umständen bei verschiedenen
Temperaturen vor sich gehenden Luftwechsels die beiden
unbekannten Durchlässigkeiten kg und k^ des Aasdrucks
fkoPo+^uHk, P^*
2 ^ p '
für welchen solche Messungen Werthe geben, nicht trennen
kann. Man erfahrt zwar, dass der Boden und ein mit der
Lage der neutralen Zone zugleich bekannter unterer Theil
der vertikalen Begrenzung stündlich eine gewisse Luftmenge
einlassen; aber welchen Autheil daran der Boden hat and
welchen der einlassende Theil der vertikalen Wände , das
lässt sich durch Bestimmungen der Gesammtventilation nicht
ermitteln.
8) Luftwechsel in Zimmern von gleicher
Durchlässigkeit. Im Allgemeinen kann von dem
Luftwechsel, welchen man unter normalen Umständen in
einem Zimmer gefunden hat, auf den unter gleichen
Umständen in einem Zimmer von anderen Dimensionen
stattfindenden Luftwechsel selbst dann nicht geschlossen
werden, wenn die Durchlässigkeiten in beiden Zimmern als
gleich vorausgesetzt werden dürfen.
^ = 47
20 '
22
f^ = 5,5
Im Mittel 4,7 C".
Die Abweichung vom Mittel beträgt im zweiten Versuch — 14, im
dritten -f- 4 C" . Diese Fehler erklären sich leicht durch die Möglich-
keit verschiedener Abweichungen von den normalen Umständen.
G, Becknag el: Theorie des natürlichen Luftwechsels, 447
Durch Untersuchung der Bedingungen, unter denen
ein solcher Schluss möglich ist, kommt man zu folgendem
merkwürdigen Satze:
Ist in zwei Zimmern, welche gleiche Durch-
lässigkeiten haben, das Yerhältniss der ver-
tikalen Begrenzung zur Bodenfläche gleich
gross, so verhalten sich die in diesen Zimmern
bei gleichen Temperaturen stattfindenden Luft-
wechsel wie ihre Kubikinhalte.
Gelten die früheren Bezeichnungen in dem Sinn, dass
die analogen Dimensionen, Durchlässigkeiten und üeber-
drücke des zweiten Zimmers sich durch Marken von denen
des ersten Zimmers unterscheiden, so sind die Bedingungen
ausgedrückt durch die Gleichungen
^/ • • • • X P 1
WOZU noch die Voraussetzung gleicher Temperaturen
3) 4- = ^
zwischen den Summen der üeberdrücke und den Höhen
der Zimmer liefert.
Die Behauptung geht dahin, dass die beiden Luft-
wechsel W und W' mit den Kubikinhalten f H und f' H'
in der Beziehung stehen
W _ fH
W ~ Tb!
12) Aus der Entwickelang folgt, dass es sowohl für diese Anwen-
dung als für die folgende (in Nro 9) genügt, dass die Verhältnisse
£i. , _ , J^ in dem einen Zimmer so gross sind wie im andern.
*o ^0 ^
Die hiedurch erreichte Erweiterung dürfte indessen von geringer prak-
tischer Bedeutung sein.
30*
448 Sitzung der math.-phys. Classe vom 6, Juli 1878,
Der Beweis ergibt sich ans Folgendem.
Führt man in die Werthe — und ^, wie sich die-
P P
selben aus der quadratischen Gleichung in II 7 a ergeben,
die Bedingungen 1) und 2) ein, so findet man, dass
A\ Po _ P'o
4 ) . . . . — — r,
P P
woraus mit Bücksicht auf 3) folgt:
R\ Po _ H
Po ti
Nun ist unter Voraussetzung gleicher Durchlässigkeiten
allgemein :
W 2 p
W
was auf die Form
fkoP'o + YuH'k.P^^
1 «H , Po
fpo
"'2 f ''^ p
1 Po
, , 1 Q H , Po
k.+ 2-r-ti^
gebracht werden kann.
Wegen 2) und 4) ist der zweite Bruch der Einheit
gleich und folglich
W _ fpo
woraus durch Einführung von 5) die Behauptung er-
halten wird.
9) Annähernde Berechnung des Verhält-
nisses von Luftwechseln. Es gibt einen nicht selten
vorkommenden Fall, wo man durch Anwendung der im
vorigen § aufgestellten Proportion einen genäherten Werth
G. BecTcnagel: Iheorie des natwrUchen huftwechaeU. 449
für das Verhältniss zweier Luftwechsel findet, obwohl die
Bedingung 2) auch nicht annähernd erfüllt ist.
Sind nämlich in zwei Zimmern die Durchlässigkeiten
gleich, darf ferner ein Mittelwerth für die Durchlässigkeit
der vertikalen Begrenzung angenommen und (wegen Gleich-
heit der Herstellungsart) die Durchlässigkeit (ko) des Bodens
gleich der Durchlässigkeit (k^) der Decke gesetzt werden,
so ist bei gleichen Temperaturen das Verhältniss der Luft-
wechsel um so näher dem Verhältniss der Kubikinhalte
gleich, je kleiner die Durchlässigkeit der vertikalen Begren-
zung gegenüber der Durchlässigkeit der Decke ist.
Die Bedingungen sind hier
1) Kq = k 0, k^ ^ k ^, k = k ^ k^ = k ^
Z) kj^ ^ k , kp =:^ kj
X P H
3) -V = -^ •
p fl
Der Beweis liegt in Folgendem:
So oft k^ = k' ist, wird die Gleichung II 7 a in Bezug
auf — vom ersten Grad und
P
fk, + 4-iiHk,
iL - '2
p ^ fko + uHk, +fk/
Setzt man überdies ko = k,, so erhält — den Werth
— , d. h. die neutrale Zone liegt in der Mitte der Höhe,
was leicht auch ohne Rechnung als Folge der gemachten
Voraussetzungen erkannt wird.
Denselben Werth hat 2^. Somit gilt ^ = 2^ und
P ^ P P
Po H ' • ß o
^= ^ Wie m § 8,
Po ^
450 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 6. JtUi 1878.
Man erkennt nun die Wahrheit der Behauptung leicht
aus der zweiten Form, in welche oben (Nr. 8) der Werth
W
=^ gebracht wurde. Denn es ist
W _ fH ^ "*" 4 f '
Ko + ■;j^ p"" *^x
und der zweite Bruch nähert sich der Einheit um so mehr,
k
je kleiner T~^ist.
Um ein Zahlenbeispiel för den Grad der An-
näherung zu erhalten, nehmen wir an, zwei Zimmer haben
die gleiche Höhe (H = H' = 3,6"^) und die gleiche Tiefe
von 7", während die Breite des einen 5™, die des anderen
10™ betragen soll. Ferner sollen die Durchlässigkeiten in
beiden Zimmern gleich sein, und auch k^ z=: k', kp = k,
gesetzt werden dürfen.
Dann ist
35 ' f 35 '
und es berechnet sich, wenn k^ = 0,2 ko angenommen wird,
W _ ^ 112
W - "^ • 109 '
während das Verhältniss der Cubikinhalte 2 ist. Man ver-
liert also unter diesen Umständen durch Anwendung der
Proportion nur c. 3 ^/o des wahren Werthes.
10. Experimentelle Bestimmung der Durch-
lässigkeiten. Aus dem Vorausgehenden folgt, dass man
ohne Eenntniss der Durchlässigkeiten nur in einzelnen
günstigen Fällen von dem Luftwechsel eines Zimmers auf
den eines anderen schliessen kann. Man hat demnach sein
Augenmerk auf jene Constanten zu richten, mit Hilfe deren
G, Becknagel: Theone des natürlichen iMftwechsels. 451
der üebergang von einem Zimmer auf ein anderes, welches
nur in den Dimensionen und Temperaturen abweicht, unter
allen Umständen gemacht werden kann.^')
13) Wie nothwendig es ist^ die DurcblässigkeiteD an den Begrenz-
ungen der Zimmer selbst zu bestimmen ^ ergibt sich aus einem Ver-
gleich der Werthe, welche für die Dnrchlassigkeit einzelner Bau-
materialien gefunden werden^ mit denjenigen^ welche zur Erklärung beo-
bachteter Luftwechsel den aus diesen Materialien aufgebauten Wänden,
Decken etc. zugeschrieben werden müssen.
Nach Herrn C. Lang's Versuchen würde eine Mörteldecke von 1«"*
Dicke unter einem Ueberdruck von 1"™ Wasser pro □"» und Stunde
0,091 C™ Luft durchlassen.
Wenn wir uns eine Zimmerdecke durch eine solche Mörtelschicht
repräsentirt denken > scheinen wir eine für die Durchlässigkeit dieser
Decke sehr günstige Annahme zu machen. Wir wollen desshalb die
erwähnte Durchlässigkeit sowohl der Decke als dem Boden des Zimmers
zuschreiben. Femer sollen die Wände nur 10"^ dick und von Ealktuff-
stein — dem durchlässigsten Material — hergestellt sein, so kommt
ihnen nach Herrn 0. Langes Versuchen die Durchlässigkeit 0,08 zu.
Das Zimmer sei 7™ lang, 5™ breit, 3,6™ hoch und die Tempera-
turdiflferenz 20® C.
Der stündliche Luftwechsel dieses Zimmers berechnet sich dann aus
nz 0,79 Cabikmeter.
V. Pettenkofer hat für ein viel kleineres Zimmer mit Backstein-
wänden, bei 19^ G TemperaturdifiPerenz nach Verkleben aller Bitzen
einen stündlichen Luftwechsel von 54 Cabikmeter, also ungefähr das
Siebzigfache gefunden.
Ich selbst habe mittelst einer rein physikalischen, auf ihren mög-
lichen Fehler leicht controlirbaren Methode, welche ich demnächst mit-
theilen werde, den Luftwechsel eines Zimmers, welches obige Dimen-
sionen und Wände von rothem Sandstein hat, bei 20® Temperaturdif-
ferenz unter normalen Umständen gleich
70 Oukikmeter
gefunden, was von der Wahrheit um höchstens 7 Cubikmoter abweichen
kann.
Daraus folgt, dass — wahrscheinlich in Folge der undefinirbaren
Art, wie unsere Mauern, Zimmerdecken etc. hergestellt werden — die
452 Sitzung der mathrphys. Classe vom 6. JtUi 1878.
Will man durch Bestimmnng des Gesammtluftwechsels
Werthe für die Durchlässigkeiten der drei Begrenzungen
erhalten, so hat man zwei Zimmer auszuwählen, welchen
man gleiche Durchlässigkeiten zutrauen darf, während in
beiden das Verhältniss
u H
f
verschiedene Werthe hat.
In beiden Zimmern muss zu der unter normalen Um-
ständen ausgeführten Messung der Gesammtyentilation noch
für einzelne Baumaterialien gefandenen Durchlässigkeiten auf die aus
denselben aufgeführten Mauern .... nicht übertragen werden dürfen,
um eine direkte Controle für dieses Urteil zu gewinnen, habe ich
ein eisernes Bohr durch die 0^80"^ dicke Mauer des vorgenannten Zim-
mers getrieben^ mit der Absicht in verchiedenen Dicken den Ueberdruck
der äusseren Luft über die innere manometrisch zu bestimmen. Ich kam
dabei zufällig zuerst auf einen Stein von etwa 20<™ Dicke. Nachdem
dieser durchbohrt war, glitt das Rohr beinahe widerstandslos 40*** vor-
wärts und stiess dann auf den Widerstand der äusseren Steinlage.
Man erhält dadurch das in Fig. 2 gegebene Bild des vertikalen
Querschnitts einer solchen Mauer, von dessen Richtigkeit man sich hier
bei jedem Neubau überzeugen kann. Der innere Raum ist mit kleinen,
sehr unregelmässigen Abfallstücken so ausgefüllte dass dem Durchgang
der Luft kein Widerstand entgegensteht. Nach jeder Steinhöhe folgt
eine unregelmässige Mörtelschicht. Die äussere Steinlage, welche in
dem untersuchten Fall ohne Bewurf ist^ leistet der Luft ebenfalls sehr
wenig Widerstand; denn der Druck wurde in dem Räume des Gerölls
merklich ebenso gross gefunden als in der freien Luft.
So bleibt im Grunde nicht viel mehr als der innere Bewurf,
der meistens von Rissen und Sprüngen durchzogen ist, welche nur ganz
oberflächlich gedeckt sind.
Ebenso habe ich mich überzeugt, dass die zwischen den Diehlen
des Fussbodens befindlichen Zwischenräume der Luft einen beinahe
freien Durchgang gestatten: an einem bloss durch die Diehlen ge-
steckten Rohr Hess sich kein Ueberdruck nachweisen, derselbe tritt erst
dann merklich hervor ^ wenn das Rohr in den weiter unten mit
Schlacken vermengten Sand eindringt.
G, Becknagel: Theorie des natürlichen Luftwechsels. 453
die (manometrische) Messung von po nnd p^o kommen,
d. h. derjenigen Ueberdrücke, welche die äussere Luft un-
mittelbar am Boden über die innere besitzt. Die Summen
p = p^^ -j- p^ und p' -= p'o + p'2 können ans den Tempe-
raturen und Zimmerhöhen berechnet oder, was oft bequemer
ist, ebenfalls gemessen werden. Da in jedem der beiden
Zimmer sowohl die Menge der einströmenden Luft als auch
die der abströmenden dem gefundenen Werthe der Gesammt-
ventilation gleich gesetzt werden kann, erhält man durch
zwei vollständige Messungen zwei paar Gleichungen von
der Form
b = rkop'o+^n'H'k,4*
a = fk,P. + Y"Hk'^*
l> = fk.p'.+ |'^'H'k'4'
1)
2)
in welchen die vier Unbenannten kg, k^ und k', k, paar-
weise vorkommen, während alles üebrige bekannt ist.
IL Zweite Methode die Durchlässigkeiten
zu finden. Die in Nr. 10 angegebene Methode ist auf
die Yoraassetzung gegründet, dass Zimmer gefunden werden
können, von denen man annehmen darf, dass sie gleiche
Durchlässigkeiten haben, ohne dass man diese Durchlässig-
keiten selbst kennt.
Obwohl man über diese Voraussetzung nicht hinweg
kommen wird, wenn man von dem bekannten Luftwechsel
eines Zimmers auf den noch unbekannten eines anderen
schliessen will, so scheint es doch von einem anderen Ge-
sichtspunkte aus wünschenswerth , eine experimentelle Me-
454 Sitzung der math.-ph/ys. Classe vom 6. Jtüi 1878,
thode zu besitzen, welche die Durchlässigkeiten kennen lehrt,
ohne uns noch auf ein zweites Zimmer anzuweisen.
Eine solche Methode will ich nun angeben. Sie setzt
voraus, dass man für den vertikalen Theil der Begrenzung
eine mittlere Durchlässigkeit (k^ = k') annehmen darf.
Das Verfahren ist folgendes.
1) Man bestimmt die Lage der neutralen Zone durch
Messung des am Boden stattfindenden üeberdracks (po) und
Berechnung (oder Messung) der Summe p = Po + P2*
Dadurch erhält man einen Werth für die linke Seite
der Gleichung
1) Po f
' p ~ fkg +uHk^ 4- fko
2) Man misst den gesammten Luftwechsel (a) nach
von Pettenkofer's Methode. Dadurch erhält man die
Gleichung
2) . . . • Cp-Po)fk, + I ^Hk, ^^2^* = a.
Diese beiden Messungen können leicht gleichzeitig aas-
gefuhrt werden.
3) Man bahnt der Lufb einen neuen Weg dadurch,
dass man einen bisher verschlossenen Kanal, der sich am
besten nahe am Boden (z. B. im untersten Theil der Thüre)
oder nahe an der Decke befindet, öffnet.
Die Luftmenge, welche durch diesen Kanal strömt, wird
gemessen. Zugleich beobachtet man die Veränderungen,
welche durch das Oeffnen des Kanals in der Druckvertheil-
ung vor sich gehen.
Liegt der Kanal nahe am Boden, so sinkt bei seiner
Eröffnung die neutrale Zone, liegt er an der Decke, so
steigt sie, und diese Verschiebungen geben sich durch Ver-
änderungen im Werthe von po kund, während p zr po + P|
G. Becknagel: Iheorie des natwrlichen Luftwechsels. 455
constant bleibt, weil es nur Yon der Höhe des Zimmers und
den Temperaturen abhängt.
Das Yerhältniss der durch den Elanal stündlich ein-
oder ausströmenden Luftmenge zu der gleichzeitigen Aen-
derang des Werthes von Po^*) ist der Werth des Ausdruckes
fko + ^H'^i + f'^2' welcher auf der rechten Seite der
ersten Gleichung den Nenner bildet.
Diesen Ausdruck, der sich aus 3 Summanden zusammen-
setzt, welche uns sagen, was jede einzelne Wand bezüglich
der Lüftung zu leisten vermag und leistet, wenn der Ueber-
druck 1""* Wasser beträgt, will ich das Lüftungsver-
mögen des Zimmers nennen.
Dann lässt sich der eben aufgestellte Satz so aus-
sprechen :
Tritt unter normalen Umständen bei
constanter Temperatur ein constanter Luft-
strom in ein Zimmer ein oder aus dem-
selben aus, welcher stündlich m-Eubik-
meter Luft zu- oder abführt, so ist wäh-
rend der Dauer dieser Strömung der Werth
des am Boden stattfindenden U eberdrucks
der äusseren Luft über die innere um d
kleiner oder grösser als ohne den Strom,
und man erhält das Lüftungsvermögen (L)
des Zimmers, wenn man m durch ä dividirt.
In Zeichen
fko + uHk, +fk, =L= ^.
Dieser nützliche Satz, welcher u. A. , wenn das Lüft-
ungsvermögen eines Lokals einmal bekannt ist, die Prüfung
14) Statt der Aenderang von po kann auch die Aendernng des iu
irgend einer anderen Höhe bestehenden Ueberdrncks beobachtet werden^
da sich alle üeberdrücke um die gleiche Grösse ändern.
456 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 6, Jtdi 1878,
der Leistung einer in demselben einseitig thät^en Yenti-
lationsanlage auf die manometrische Messung der Verschieb-
nng der neutralen Zone zurückfuhrt , wird leicht bewiesen,
indem man die Gleichung des natürlichen Luftwechsels
ftoPo+ 2" ^^'^i (2Po— P) = fkj (P — Po)
von der Gleichung des künstlich gesteigerten Luftwechsels
m + f ko p 0 + 2- 11 H k^ (2 p'o — p) = f t« (p — Po)
abzieht« Man erhält
m = f ko (po — p'o) + u H k^ (po — p'o) + f tf (Po — p'o)
oder
m -
r- =fko + uHk,+fk,,
Po — P 0
was zu beweisen war.
Die Form des Beweises bezieht sich auf den Fall des
Einstromens, wobei po vermindert wird. Für den Fall des
Abströmens ändert sich zugleich das Vorzeichen von m und
von Pq — p'e, , was auf den Werth des Quotienten keinen
Einfluss hat.
Beispiel. Ein Zimmer, welches 3,6"* hoch, 7" lang
und 5" breit ist, hat eine Temperatur von 20*^ C, seine
Umgebung 0® C.
13
1) Die neutrale Zone liegt in — der Höhe, weil
Po = 0,13, p = 0,32 gefunden wird.
2) Der gesammte Luftwechsel beträgt 39,9 G™ per
Stunde.
3) Durch einen nahe am Boden befindlichen Kanal
von 1 □ Decimeter Querschnitt strömen 28 C" per Stande
ein, während p'o = 0,08 und p = 0,32 ist.
G.- Becknagel: Iheorie des natürlifCAen Luftwechsels. 457
Man hat nun
fk, + -J-uHk,
,.13 * ' 2 ^
^>32= L '
2) 0,19 f k, + ^5^ n H k, = 39,9 ,
3) L = ;^ = 560.
^ 0,05
Daraus erhält man
ko = 8,3 ,
k, = 1,0 ,
kj ^ 5,3 •
Die üeberdrücke Po • • • werden leicht auf eine Einheit
der zweiten Dezimale genan, d. h. so erhalten, dass der
Fehler kleiner ist als 0,005, wenn man der Messröhre des
Manometers eine Steigung von c. 3% gibt, und, um den
Nullpunkt sicher zu eliminiren, den Schlauch abwechselnd
an das innere und äussere Niveau ansetzt.
Die Unsicherheit des Werthes von L ist demnach auf
höchstens 10 ^^ anzuschlagen.
12) Der dritte Versuch, welcher in Nro 11 angegeben
wurde, belehrt uns zugleich über das Mass, in welchem der
Effekt der Porenventilation abnimmt, sobald ein durch
weite Oeffnungen zugelassener oder auch durch besondere
Vorrichtungen (Ventilatoren) eingetriebener Luftstrom sich
am Ventilationsgeschäfte betheiligt. Die Abnahme ist durch
den Ausdruck (p^ — p'q) [f k^ + "5" ^ H kj] gegeben und
somit der Druckabnahme (p^ — p'^,) proportional.
Setzt man p^ =: 0,08 mit den übrigen, nun bekannten
Werthen in den Ausdruck, welcher die durch die Poren
einströmende Luftmenge darstellt:
458 Sitzung der maih.-pkys, Classe vom 6. Juli 1878.
SO erhält man 24,1 C", während vorher, ehe der Oanal ge-
öffnet Würde, durch die Poren 39,9 C"* einströmten.
Durch Oeffuen des Oanals, der 28 C" einliess, steigerte
sich demnach der Luftwechsel von 39,9 C" auf 24,1 + 28,0
oder 52,1 C", und die Zunahme betrug (in Folge der Ab-
nahme des Effekts der Porenventilation) nur 12,2 C".
Ganz analog wirkt die Oeffnung eines Abzugscanais
und einer Absauge- Vorrichtung. Stets ist der durch solche
Vorrichtungen gesteigerte Luftwechsel kleiner als die Summe
aus der durch den Ganal strömenden Luftmenge und dem
bei geschlossenem Ganal stattfindenden Luftwechsel.
Fügt man zu dem einlassenden Ganal noch einen Ab-
zugs-Ganal, so wird die Poren Ventilation nur dann nicht
geschwächt, wenn durch beide Ganäle gleich grosse Luft-
mengen strömen.
Li einer folgenden Abhandlung hoffe ich den Einfluss
nachzuweisen, welchen angrenzende geschlossene Bäume auf
den Luftwechsel eines Zimmers ausüben.
Ueberslcht der hanptsächlichsten Resultate der ersten
Abhandlung.
1) Hat die Luft eines Zimmers eine constante Tem-
peratur, welche höher ist als die Temperatur seiner Umgeb-
ung, und hat auch diese Umgebung, welche frei und wind-
still vorausgesetzt wird, constante Temperatur, so findet
in dem Zimmer ein Luftwechsel statt, welcher einem statio-
nären Zustand zustrebt.
Ist dieser Zustand erreicht, so befindet sich in irgend
einer Höhe, welche geringer ist als 4ie Höhe des Zimmers,
die innere Luft mit der äusseren im Gleichgewicht. Unter-
halb der neutralen Zone strömt, vermöge eines Ueber-
G. Bechnagel: Iheorie des natürlichen Luftwechsels, 459
drucks der äusseren Lnft über die innere, Luft in das Zim-
mer ein, oberhalb derselben strömt vermöge eines üeber-
drucks der inneren Luft über die äussere in derselben Zeit
gleichviel Luft aus.
2) Ist die Temperatur in der ganzen Höhe des Zim-
mers gleich, so ist die Lage der neutralen Zone da-
durch bestimmt, dass ihre Abstände von Boden und Decke
sich wie die im Niveau dieser Grenzflächen bestehenden
üeberdrücke verhalten.
Unter derselben Voraussetzung ist die Lage der neu-
tralen Zone von den Temperaturen des Zimmers und seiner
Umgebung unabhängig, und nur dnrch die Dimensionen
und Darchlässigkeits- Verhältnisse bestimmt.
3) Der stationäre Luftwechsel eines Zimmers
ist dem Unterschiede zwischen seiner Temperatur und der
Temperatur seiner Umgebung nahezu proportional.
4) Ohne Eenntniss der Durchlässigkeiten lässt sich nur
in einzelnen Fällen von dem Luftwechsel eines Zimmers auf
den eines anderen von gleichen Durchlässigkeiten schliessen.
In diesen Fällen ist das Verhältniss der Luftwechsel gleich
dem der Kubikinhalte.
5) Eine Methode die Durchlässigkeiten zu
finden besteht in Vergleichung des Luftwechsels zweier
Zimmer von gleichen Durchlässigkeiten und verschiedenen
Dimensionen bei gleichzeitiger Messung der Temperatur und
Bestimmung der Lage der neutralen Zone.
. 6) Eine zweite Methode, die Durchlässigkeiten
eines Zimmers zu finden, ist begründet auf Messung seines
gesammten Luftwechsels, Bestimmung der Lage seiner neu-
tralen Zone und Eröffnung eines neuen Luftcanales. Dabei
ist der Satz anzuwenden: Das gesammte Lüftungsver-
mögen eines Zimmers ist dem Quotienten aus der durch
den Canal strömenden Luftmenge und der durch das Oeff-
460
Süiung der math.-phyg. Clasge v
neu des Canale ao irgend einer Stelle des Zimmera bewirk-
ten Aenderong des Ueberdmcks gleich.
7) Die durch eine besondere Ventiktionsanlage be-
wirkte Abnahme des Effekts der Porenrenti-
latioD ist der gleichzeitig mit Bethätigong der Yentila-
tionsanlage eintretenden Aendernng des an irgend einer
Stelle des Zimmers bestehenden Ueberdmcks proportional.
Fignren.
O. Becknagel: iheorie des natürlichen Luftwechsels, 461
Zweite Abhandlang.
Die erste Abhandlung enthielt die Theorie des Luft-
wechseis für ein Gemach, welches durchaus von freier ruhiger
Luft umgeben ist. Es wurde gezeigt, wie dieser Luftwechsel
aus den Temperaturen, Dimensionen und Durchlässigkeiten
berechnet werden kann, auch wurden Methoden ang^eben,
die Durchlässigkeiten der Begrenzungen experimentell zu
bestimmen.
Es soll nun die Voraussetzung der allseitig freien Um-
gebung aufgegeben und untersucht werden, welche Ver-
änderungen gegenüber dem unter normalen Umständen
stattfindenden Luftwechsel eines Gemachs eintreten, wenn
einzelne Theile der Begrenzung nicht mehr von freier Luft
umgeben sind, sondern den betrachteten Raum von eben-
falls abgeschlossenen Räumen trennen. Und zwar soll zu-
nächst der Fall betrachtet werden, wo über oder unter
einem Gemach sich ein abgeschlossener Raum befindet,
welcher von jenem durch eine poröse Wand getrennt ist.
In einer dritten Abhandlung soll untersucht werden, welchen
.Einfluss ein seitlich angrenzender abgeschlossener Raum auf
den Luftwechsel eines Zimmers ausübt. Endlich soll die
Aufgabe, den Antheil zu berechnen, welchen bei einer be-
liebigen Gombination von Gemächern jede einzelne Wand
an dem durch Temperaturunterschied hervorgerufenen Luft-
wechsel nimmt, allgemein gelöst werden.
[1878, 4. Matb.-phy8. Cl.] ^^
462 Sitzung der maiK-phya, Classe vom 6, Juli 1878,
Luftwechsel in zwei abgeschlossenen Gemächern, welche
durch eine horizontale Wand yon einander getrennt, im
Uebrigen aber yon freier Luft umgeben sind.
1.
Das eine d*er beiden Gemächer habe die Tem-
peratur der freien Umgebung, das andere eine
höhere Temperatur.
1) Befindet sich ein abgeschlossenes Gemach von der
Temperatur der Umgebung über einem wärmeren Zimmer,
so kann man sich yorstellen, dass der obere Raum yorher
vermöge oflfener Fenster und Thüren einen Theil der „freien
ümgebung^^ des unteren bildete und die Yeränderungen stu-
diren, welche das Schliessen der Fenster und Thüren im Luft-
wechsel dieses Raumes selbst und im Luftwechsel des unter
ihm befindlichen wärmeren Zimmers hervorbringt. Yon der
Dicke der horizontalen Trennungsschicht soll dabei abge-
sehen werden.
Zunächst ist klar, dass durch die Decke des unteren
Zimmers, welche zugleich den Fussboden des oberen bildet,
Luft aus dem unteren Zimmer in das obere einströmt, weil
im Niveau der Decke ein üeberdruck (p,) gegen die &eie
Luft vorhanden ist (vgl. S. 435 Nro 2), und die Luft des
oberen Zimmers im ersten Moment nach Verschluss der
Fenster und Thüren noch alle Eigenschaften der freien Luft
besitzt.
Durch dieses Einströmen von Luft in das obere Zimmer
wird daselbst die Luft verdichtet, gewinnt nach allen
Seiten hin üeberdruck {g) über die äussere Luft und setzt
auch dem Drucke, der die Luft von unten durch die Decke
treibt, diesseits einen Gegendruck (q) entgegen. Ein sta-
tionärer Zustand wird im oberen Zimmer dann eingetreten
sein, wenn q so gross geworden ist, dass ebenso viel. Luft
als durch den Fussboden einströmt von dem Ueberdrucke q
durch die* übrige Begrenzung hinausgetrieben wird.
Q, Becknctgel: Theorie des natürlichen Luftwechsels, 463
Damit ist jedoch die Aafgabe noch nicht vollständig
erklärt. Vielmehr besteht durch Vermittelung der porösen
Scheidewand zwischen den über einander li^enden Zimmern
eine so enge Beziehung ^ dass der Luftwechsel des einen
ohne den des anderen nicht verstanden werden kann«
Dadurch nämlich, dass im oberen Zimmer der Gegen-
druck Q entsteht y wird offenbar die aus dem unteren
Zimmer durch die Decke abströmende Luftmenge ver-
mindert und folglich die früher (bei allseitig freier Umgeb-
ung) im unteren Zimmer zvnschen einströmender und ab-
strömender Luft bestandene Gleichung gestört. Es wird
sich als Ausdruck eines neuen stationären Zustandes eine
neue Gleichung bilden, in welcher sich der geringeren
Menge von abströmender Luft eine geringere Menge ein-
strömender Luft gegenüberstellt. Damit dieses möglich wird,
muss 'im unteren Zimmer der Ueberdruck p^, den die äussere
Luft am Boden über die innere besitzt, abnehmen, p^ um
ebensoviel wachsen und folglich eine Verlegung der
neutralen Zone nach unten eintreten.
Es gehe p^ über in p^j — y, so muss p, auf p, + y
anwachsen, damit die Summe (p) beider, welche nur von
der Zimmerhöhe und den Temperaturen abhängt, constant
bleibt. Die Gleichung für das untere 2iimmer wird dann
u (H - h) k, 2i±i: + f k, (p, + y - c) . . . . 1),
wobei wie früher mit f der Flächeninhalt des Bodens sowie
der Decke, mit u der Um&ng derselben, mit H die Höhe
des Zimmers, mit h die Höhe der neutralen Zone über dem
Boden, ferner mit k^ die Durchlässigkeit des Bodens, mit
kg die Durchlässigkeit der Decke bezeichnet und für die
464 Sitzung der matK-phya, Clasae vom 6, Juli 1878.
ganze vertikale B^enzung eine mittlere Darchlässigkeit k^
angenommen ist.
Die Gleichung des Laftweclisels für das obere Zim-
mer ist
f k, (p, + y - e) = e (u H' kg + f k,) . . . . 2),
wobei kg die mittlere Durchlässigkeit der vertikalen Be-
grenzung, kg die Durchlässigkeit der Zimmerdecke, H' die
Höhe des oberen Zimmers bezeichnet, u, f, der umfang
und die Fläche des Bodens und der Decke, sind im oberen
Zinmier ebenso gross angenommen wie im unteren.
Aus diesen beiden Gleichungen kann man , und y be-
rechnen, d. h. in ihrer Abhängigkeit von den Eigenthüm-
lichkeiten der beiden Zimmer und deren Temperaturen
(T, t) nachweisen. Bezeichnet man das Lüftungsvermögen
(f kj + f kg + ^ H' kg) des oberen Zimmers mit L', das
des unteren mit L (vgl. S. 455), und setzt der Reihe nach
lo» li» I21 15» Je ^^ f ^01 ^ H k^, f k„ u H' k^, f k^, so dass
L = lo + 1. + 1,
L' = 1, + I5 + le,
80 wird ans der zweiten Gleichung
L'f-l,y = l,p, (2'
Mit Benützung der Proportion
A _ Po — y
H - p
kann die erste Gleichung umgeformt werden in
lo (Po - y) + 1, ^2^* = 1. ^2*^* + 1, (P. + y - ?)
and w^en Po + Pt = P ™
lo (Po - y) + -g ii (Po - p« - 2 y) = 1, (p, + y — o)-
G. Becknagel: Theorie des natürlichen Luftwechsels. 465
Sabtrahirt man diese Gleichung von der auf normale
Umstände bezüglichen
Ifl Po + "2 h (Po — P») = 1» Pt»
so erhält man
ifl y + U y = ij te — y)
oder
Ly = l,c. (1\
Aus (1* und (2' wird
1, L
^ = P« LL--1,'
V
y = p» —
F. 1
LL' — 1.»
l«+fl,
worin noch der Werth von p,, nämlich p = sub-
"D m i.
stituirt werden kann, während p aus H 1.293 ^ . .
' ^ ' 760 270 + T+t
gefunden wird.
Der Luftwechsel des oberen (kalten) Zimmers ist ge-
geben durch
(WO = 1, (p, + y - e) . . . . F. 2
was durch den Fussboden aus dem unteren Zimmer kommt,
oder auch durch
(WO = Ob + 1«) ? . • • . F. 2'
was durch die vertikale Begrenzung und die Decke in's
Freie strömt.
Der Luftwechsel W des unteren (warmen) Zimmers be-
steht aus der Grösse 1, (p, -\r y — d) (die durch die Decke
abströmt) und aus der Luftmenge
, (P, + yy
^ 2p '
466 Sitzung der math.'phys. Glosse vom 6. Juli 1878.
welche durch den oberen Theil der vertikalen Begrenzang
entweicht, so dass
oder
W = 1, (p, + y - f) + 1, ^H*^ .... P. 3
W = 1„ (Po - y) + 1, ^-^^^ .... F. 3-
worin das erste Glied die durch den Fussboden, das zweite
Glied die durch den unteren Theil der vertikalen Begrenz-
ung einströmende Luftmenge bezeichnet.
Beispiel. Nehmen wir k^j = k, = kg = 5 k^, kj =
k^ = 1, H = H' = 3,6", u = 24-*, f = 35 D"» so ^^g*
Po ^ P2* Foi'ii^f sei die Temperatur des unteren Zimmers
20^ C, die des oberen und der Umgebung 0*^ C, so ist
p = 0,32, Po = 0,16, y = 0,031"" und q -= 0,076"".
Der Luftwechsel des unteren (warmen) Zimmers betrug
vorher, bei freier Umgebang:
oder 31,5 C".
Nach dem Schliessen der oberen Fenster und Herstel-
lung des neuen statioi^ren Znstandes beträgt er noch
24,9 C".
Das obere kalte Zimmer erhält durch das unter ihm
liegende warme einen Luftwechsel von
Ij (Pj + y — Q)
oder 20,1 C", während, wenn das untere Zimmer ebenfalls
kalt wäre, der Luftwechsel Null sein würde.
Durch Oefihen der Fenster des oberen Zimmers steigert
sich der Luftwechsel desselben von 20,1 C" auf
Is Ps
oder 28,0 G", und der des unteren Zimmers von 24,9 auf
31,5 C".
G. Becknagel: Theorie des natürlichen Luftwechsels. 467
Es lassen sich demnacli, wenn die Dimensionen, Durch-
lässigkeiten und Temperaturen bekannt sind, alle den Luft-
wechsel beider Zimmer betreffenden Fragen beantworten.
Dabei ist die Voraussetzung gemacht, dass trotz der
ansehnlichen Lnftmengen, welche stündlich aus dem unteren
Zimmer in das obere übergehen, dieses seine Temperatur
(t) beharrlich beibehält. Erhöht sich die Temperatur des
oberen Zimmers, so hat eine andere Betrachtung Platz zu
greifen, welche für den Fall eines erreichten Beharrungs-
Zustandes weiter unten dmrchgefiihrt werden wird.
Die Yoraussetzang constanter Temperatur wird wohl
mit grösserem Rechte gemacht, wenn das kalte Zimmer
unterhalb des wärmeren li^t, währeüd letzteres eine
Wärmequelle besitzt.
2) Befindet sich das warme Zimmer von der Tempera-
tur T' über einem kalten von der Temperatur (t) der freien
Umgebung, und schliesst man die vorher offenen Fenster
des unteren Zimmers, so treten folgende Veränderungen ein.
Da die an der Decke des unteren Zimmers befindliche
Luft zunächst noch die Spannung der äusseren besitzt,
welche um p^ grösser ist als die Spannung am Boden des
oberen Zimmers, so geht ein Luftstrom durch die Decke
des kalten Zimmers nach dem warmen. Dadurch nimmt die
Dichtigkeit der Luft; im unteren Zimmer ab, und ihre Span-
nung wird allenthalben (um y) geringer als die der äusseren
Luft.
In Folge dessen strömt sowohl durch den Boden als
durch die gesammte vertikale Begrenzung von aussen Luft
in das kalte Zimmer. Ihre Menge ist
Diese Luffcmenge strömt durch die Decke allein nach
dem oberen Zimmer ab.
468 SUzung der math^-phys, Glosse vom 6. Juli 1878.
Die über dem Boden dieses 2iiinmer8 befindliche Lafb
besass vorher den Minderdmck p^ g^enüber der unterhalb
des Bodens befindlichen Luft. Dieser Minderdmck redacirt
sich jetzt auf p^ — y, und es strömt somit durch den Boden
des oberen Zimmers weniger Luft ein als vorher. Der sta-
tioidre Znstand stellt sich dadurch her, dass sich auch die
Menge der abströmenden Luft vermindert, und diese Ver-
minderung vollzieht sich dadurch, dass im oberen Zimmer
die neutrale Zone nach oben ruckt. Es wachst P4 auf
p^ 4~ ? s^i während p^ um q abnimmt, da die Summe
beider p' = P4 + Pe constant bleibt.
Die Gleichungen des stationären Luftwechsels sind:
1) für das untere (kalte) Zimmer:
2) für das obere (warme) Zimmer:
(P4 + er _
1» (p* + ? — y) + U
(Pe - Q)*
2 p'
I5 2 p' + J« (Ps - e) • • • • (*•
Redacirt man mittelst P« 4~ Pe — - P'> ^ folgt zonschst
lg (P4 + ? - y) + "2 ^5 (P4 — P« + 2 C) = 1« (p, — Q),
woraus durch Anwendung der Gleichung des normalen Luft-
wechsels erhalten wird
L'Q = l, y. (4'.
Da ausserdem noch
Ly-l,c = l,P4 (3%
so wird
?-P4 LL'-l.«
> F. 4.
- UL'
''"P* LL' — 1.«
O, Becknagel: Theorie des ncUwrlichen Luftwechsels. 469
Für p^ kann sein Werth
h + i:h
P'
1^
2
eingesetzt werden, wobei
B T' - 1
p' = H' 1,293
760 270 + T' + t
Die Formeln für den Luftwechsel im oberen Zimmer
sind
w^ = i,(p, + g-y) + i5 ^^aV^' ^'^
wobei das erste Glied die durch den Boden, das zweite die
durch den unteren Theil der vertikalen Begrenzung des
oberen Zimmers aus dem Freien einströmende Luft-
menge bezeichnet, oder
W = I5 ^^^^' + 1« (Pe - ß) .... F. 5-
wobei das erste Glied die durch den oberen Theil der verti-
kalen Begrenzung, das zweite die durch die Decke ent-
weichende Luftmenge angibt.
Im unteren Zimmer ist
(W) = I3 (P4 + ? - y) . . . . F. 6
die durch die Decke abströmende Menge, während
(W) = Go + li)y---- P-6'
die aus dem Freien einströmende Menge bezeichnet.
3) Vergleicht man diese Resultate mit den in Nro 1)
erhaltenen, so ergibt sich, dass p, durch p^, L durch L^
und y durch q ersetzt ist. Demnach liesse sich leicht eine
gemeinschaftliche Lösung der beiden in 1. und 2. behandel-
ten Aufgaben formuliren. Es scheint indessen nützlicher
auf den unterschied aufmerksam zu machen, der in
v.*
470 Sitzung der mathrphys. Glosse vom 6. JtUi 1878.
hygienischer Beziehung zwischen beiden Fällen
bestehen kann.
Während der Bewohner eines geheizten Zimmers dnrch
ein oberhalb liegendes , welches die Temperatur der
freien Atmosphäre (oder eine davon wenig verschiedene
Temperatur) hat, nur insofern geschädigt werden kann, als
dasselbe den Luftwechsel des geheizten Zimmers etwas ver-
mindert , kann ein kaltes Gemach , welches unterhalb
eines geheizten liegt, dem Bewohner dieses Zimmers über-
dies dadurch nachtheiiig werden, dass die gesammte (mög-
licherweise nicht unbeträchtliche) Luftmenge, welche aus
dem kalten Zimmer abzieht, durch den Fussboden in das
geheizte eindringt. Enthält das kalte Zimmer eine Ur-
sache der Lnftverschlechterung , so hat der darüber Woh-
nende, der sein Zimmer heizt und dadurch dem unteren
Zimmer eine namhafte Ventilation verschafiFt, die Wirkung
jener Ursache zu erwarten. In einem solchen Falle durfte
es für den oben Wohnenden rathsam sein, die Zwischen-
räume zwischen den Diehlen, welche den grössten Theil des
unzuträglichen Luftwechsels vermitteln, luftdicht zu schlies-
sen und sich behufe der Luftzufuhr eines besonderen mit
der freien Luft communicirenden Kanals zu bedienen« Ein
solcher Kanal wird am besten innerhalb der horizontalen
Zwischenwand so angebracht, dass er einerseits in*s Freie,
andererseits in den Mantel des Ofens mündet.
4) Auf die Lösung des in Nro 2 behandelten Problems
lassen sich gute und einfache Methoden gründen, das
Lüftungsvermögen eines Zimmers und seiner
Begrenzungen zu bestimmen. Diese Methoden sind
in allen Fällen anwendbar, wo sich über dem Versuchs-
zimmer ein anderes von gleicher oder grösserer Bodenfläc^e
befindet, welches geheizt werden kann.
a) Während bei Windstille das obere Zimmer auf eine
möglichst hohe Temperatur gebracht wird, sucht man dem-
G. Becknagel: Theorie des natürlichen Luftwechsels. 471
nnteren durch OefiFhen aller Fenster und Thuren die Tem-
peratur der äusseren Luft zu verschaffen und durch Oeffnen
der Fenster und Thüren in etwa seitlich angrenzenden
Lokalen eine freie Umgebung herzustellen.
Ist die Temperatur des oberen Zimmers nahe constant
und die des unteren der Temperatur der äusseren Luft gleich
geworden, so schliesst man im unteren Zimme; alle Fenster,
Thären und sonst vorhandenen nicht capillaren Oeffhungen
(insbesondere die Ofen-Zuglöcher) und misst nun nach v«
Pettenkofers Methode den gesammten Luftwechsel (W) = a
des unteren Zimmers.
Zugleich beobachtet man mittelst des im kalten Zim-
mer aufgestellten Differenzial-Manometers au irgend einer
Stelle der vertikalen Wand den Ueberdruck (y) der äusseren
Luft über die innere und an einem durch die Zimmerdecke
getriebenen eisernen Gasrohr den Ueberdruck
Pa + ? — y = b
der inneren Luft über die warme Luft, die sich am Boden
des oberen Zimmers befindet. Diese Beobachtungen müssen
während der Dauer des Versuchs von Zeit zu Zeit wieder-
holt werden. Es geschieht dieses sehr ein&ch, indem man
sowohl von dem inneren als von dem äusseren Niveau des
Manometers einen kurzen Schlauch ableitet und diesen von
Zeit zu Zeit mittelst eines Glasrohrs mit einem der beiden
Schläuche zusammensteckt, welche nach den eisernen Bohr-
stücken führen.
Da
bl, =a
so ergibt sich aus diesen Beobachtungen sofort 1,, das
Lüftungsvermögen der Decke.
Da femer auch
y(L~g = a
und a, y^ 1, bekannt sind, so erhält man L, das gesammte.
472 Sitzung der mcUh.-phys. Glosse mm 6. Jvii 1878.
Lüfliungsverm^en des Zimmers. Es ist jetzt noch übrig,
die Grössen 1^ nnd 1^ , deren Summe bekannt (= L — 1,)
ist, von einander zu trennen. Dieses gelingt durch Bestim-
mung der neutralen Zone des Zimmers, welche in der schon
früher (S. 438 u. 439) beschriebenen Weise durchgeführt
werden kann.
Man misst nämlich zu einer Zeit, wo das untere Zim-
mer geheizt und in yollsi»ndig freier Umgebung ist (das
obere Zimmer ist nicht geheizt, und seine Fenster und
Thüren sind offen), sowohl den am Boden bestehenden
üeberdruck (p^), den die äussere Luft über die innere be-
sitzt, als auch den an der Decke yorhandenen üeberdruck
(p,) der inneren Luft über die äussere. Dadurch erhält
man die linke Seite der Gleichung
Po ^ '^ 2 ^
Po+Pi ^ '
woraus die Unbekannte 1^ gefrinden wird. Endlich ist
I. = L - 1, - 1,.
b) Das folgende Yer&hren bietet den grossen Vortheil,
dass der Versuch in wenigen Minuten yollendet und auf
seinen Fehler leicht controlirt werden kann.
Ist das Yersuchszimmer und dessen Umgebung wie
yorhin yorbereitet und das obere geheizt, so nusst man die
Ueberdrücke b = (p^ + ß — d) und y, wodurch die
Gleichung
bl,=y(L-l,)
erhalten wird, in welcher 1, und L unbekannt sind.
Nun wird ein irgendwo in der yertikalen B^prenzung
oder im Boden des unteren Zimmers angebrachter Kanal
geöffnet (dazu können die kleinen Schalter gut benützt
werden, welche eine einzige Fensterscheibe enthalten), und
es werden sowohl die in der Zeiteinheit durch den Kanal
G, Recknagel: Iheorie des natürlichen Luftwechsels, 473
strömende Lnfbmenge (m) als auch die beiden üeberdräcke
b' y\ welche beziehungsweise an der Decke und in der
Yertikalen Begrenzung stattfinden, gemessen, wobei b' > b
und y' <Z y ausfallen wird. Dadurch erhält man die zweite
Gleichung
b'l, = y'(L-l,) + m.
Multiplicirt man die eirste Gleichung mit y'^ die zweite
mit y und subtrahirt, so erhält man
1, b' y — lg b y' = m y
oder
1 _ ^y
yb' — y'b '
und
^ m (y + b)
yb' — y'b *
Das Uebrige kann dann durch Bestimmung der neu-
tralen Zone des unteren Zimmers gefunden werden wie
vorhin.
Man erreicht denselben Zweck, wenn man einen durch
die Decke fahrenden E^anal öffnet » wodurch y gesteigert
wird und b abnimmt. Doch dörften solche Kanäle seltener
zu Gebote stehen.*)
c) Mit den unter b) beschriebenen Versuchen lässt
sich leicht die Bestimmung der Durchlässigkeiten des
oberen Zimmers verbinden, da die Durchlässigkeit l, seines
Fussbodens schon bekannt ist.
Zu diesem Zweck misst man die Temperatur (T') des
oberen Zimmers zu der Zeit, wo unten die üeberdrücke
b und y beobachtet werden, und erhält dann p' = P4 + Pe
aus der Formel
*) In einem Anhang sind Versnche, welche nach einer ähnlichen
Methode durchgeführt worden, aoBführlich heschriehen. %■
474 Sitetmg der matK-phys. Glosse vom 6. Jvii 1876.
g rji/ f
p' = H' 1,293 ^ . 270 + T' + t
der berechnete Werth von p' wird in die Gleichung
^ = P
1, (L' - 1, - I 1.)
LL'-l,»
eingesetzt, in welcher nur L' und I5 unbekannt sind.
Die unter normalen Umstanden (bei allseitig freier
Umgebung des oberen Zimmers) ausgeführte Bestimmung
der neutralen Zone gibt einen Werth (£) für die linke Seite
der Gleichung
P4 + Pe ^'
in welcher dieselben beiden unbekannten h' nnd 1, Tor-
kommen. Ans
1, (L' - 1, - 1 1»)
und
£= J—
folgt
1 * V
Ly-(i-ÖP'U'
\, = 2(L'i- 1,).
Endlich ist:
1, = L' - a, + is)-
G. Bechnagel: Iheorie des naiH/rUchen Luftwechsels, 475
n.
1) Haben zwei Zimmer, von welchen das
eine über dem anderen liegt, höhere Tempera-
taren als die freie Luft, welche die ganze Gombina-
tion umgibt, so lässt sich der Luftwechsel dieser Zimmer
ebenfalls nach den im vorigen Abschnitt angewandten
Principien bestimmen.
Die Temperatur des oberen Zimmers sei constant T^
die des unteren T, beide grösser als die constante Tempera-
tur t der Umgebung.
Die Lüftungsvermögen der beiden Zimmer sollen wie
bisher mit L und L^, die der einzelnen Begrenzungen in
ihrer Reihenfolge von unten nach oben mit den Buchstaben
1q , 1^ , lg , I5 , lg bezeichnet werden, wobei die geraden In-
dices sich auf die 3 horizontalen, die ungeraden auf die 2
vertikalen Begrenzungen beziehen. Die Ueberdrücke, welche
am Boden und an der Decke der beiden Zimmer unter nor-
malen Umständen stattfinden, werden durch p^, p,, p^, p^
ausgedrückt, femer p^ + p, = P 5 P4 + Pe = P' gesetzt,
so dass H — = h; H' -^ = h' die normalen Höhen der
P P
beiden neutralen Zonen über dem Fussboden bezeichnen, und
die Gleichungen
1
p._'-+^''
P4
1« + i I5
• • •
n)
Geltung haben.
Zu beiden Weiten der Trennungsfläche (l^) beider Zim-
mer bestehen , wenn man durch Aufeinanderstellen der
476 Sitzung der mcUih.'phys. Clause vom 6, Juli 1878.
Zimmer die normalen umstände eben erst beseitigt denkt,
üeberdrücke p, nnd p^ , von welchen p, der im unteren
Zimmer bestehende Ueberdrnck der inneren Lufb über die
äussere, p^ der im Niveau des Fussbodens des oberen Zim-
mers bestehende XJeberdruck der äusseren Luft über die
innere ist.
Demnach besitzt (bei Vernachlässigung der Dicke der
Zwischenschicht) die Luft unterhalb der Trennungsfläche
zunächst den Ueberdruck pj + p^ über die oberhalb der-
selben Fläche befindliche Luft, und es strömt nun in das
obere Zimmer mehr Luft ein, als vorher, wo dasselbe in
freier Umgebung war. Die nächste Folge ist, dass dieses
Zimmer einem neuen Beharrungszustande zustrebt , in
welchem auch mehr Lufb ausströmt. Dieses kann aber nur
dadurch geschehen, dass der Druck p^ zunimmt. Die Zu-
nahme von pg (um q) hat eine Abnahme von p^ um den-
selben Betrag zur Folge, weil die Summe p' = P4 + Pei
welche nur von der Zimmerhöhe und den Temperaturen
abhängt, constant bleibt. Somit geht Pe ui Pe "h ?i ^^^
p^ in p^ — Q über, und die neutrale Zone, die vorher in
der Höhe h' 1=: ^ H' lag, rückt nun abwärts, der Tren-
nungsfläche näher, in die Höhe — — j— ^ H'.
Im unteren Zimmer muss, weil nun durch die Decke
mehr Luft als vorhin ausströmt, auch die einströmende
Menge wachsen. Es wächst demnach p^ (um /), und um
ebensoviel muss p^ abnehmen. Die neutrale Zone rückt
aufwärts der Trennungsfläche näher und liegt schliesslich
in der Höhe
Po + y g
P
G, Recknagel: Theorie des naUürlichen Luftwechsels. 477
Die Grössen q nnd y können bestimmt werden ans den
beiden Gleichungen des Luftwechsels
1. (P. + r) + } 1, 524^' = 1 1. Ü^'- +
h [p» + p* — (y + p)] . • • (5
>.[p.+p.-fr+ö]+ji.'-«^' =
|i.^^*+UP.+»)-.- (6.
welche man zu diesem Zweck mit Hilfe von p^ 4" Ps ^ P>
P4 4" Pe ^^ P' ^^ ^^^ einfacheren Formen
(Po + y)io + |ii(Po-p« + 2y) =
1« [p, + p* - (y + p)] • • . (5'
1« [p, + p* - (y + ?)] + I U (p* - P6 - 2?) =
1« (p. + ?) • • • (6'
überfuhren kann.
Da auch gilt
lo Po + 7 li (Po - P») = If P» j
Gleichangen den normalen
j I Luftwechsels,
1» P4 + -g ^6 (Pi — Pe) = ^6 Pe
80 erhält man noch ein&cher
lo y + ii y = U (p4 - (y + q))
U (p» - (y + e)) - is ? = U ?
[1878. 4. Hath.-ph78. Cl.] 32
478 Sittung der math.-^». Classe vom 6. Jvii 18!f8.
und hieraus
I' y + Ij e = li P* . . . (S"
I, y + L> = 1, p, . . . (6N
wodurch
„_ \ (L P, — Ij pj
* ~ L' L — 1,»
, _ 1. jy P. - 1. P«)
^~ L'L — 1,»
• • •
F. 7
wird.
Fär die Berechnung des Luftwechsels bei-
der Zimmer dürften die Formeln
W' = i,[p, + P, -(y+?)] + 1 15 ^-5^^* ... F. 8
(Einströmang in das obere Zimmer)
w = i,[p. + P4-(y + e)] + |i/-^«^*...P. 9
(AusstrQmimg aus dem onteren Zimmer)
am bequemsten sein.
Ausserdem gilt auch
W' - I, (p, + ?) + I5 ^5^t^* . . . P. 8-
(Ausströmimg aus dem oberen Zimmer)
W = lo (Po + y) + 1. ^^^^Y^ ... F. 9'
(Einströmang in das untere Zimmer)
In diesen Formeln stellen die ersten Glieder die Luft-
mengen dar, welche durch die horizontalen Wände gehen«
die zweiten Glieder geben, was durch den jedesmal an-
grenzenden Theil der vertikalen B^renzung strömt.
Q. Becknagel: Iheorie des natürlichen Luftwechsels, 479
Die Discontinuitat in der Richtung der Wände verur-
sacht indessen hinsichtlich der Anwendung dieser Formeln
eine Ausnahme. Ist p^ L < 1^ p^, was auch bei wenig
verschiedenen Durchlässigkeiten beider Zimmer dann vor-
kommen kann, wenn die Temperatur des oberen Zimmers
viel höher ist als die des unteren, so ist p^ — y negativ
Po 4" y > Pi ^^^ somit die neutrale Zone, welcher das
zweite Glied des Luftwechsels seine Existenz verdankt, aus
dem unteren Zimmer verschwunden. Es betheiligt sich in
Folge des übermässigen Ansaugens, welches von Seiten des
oberen Zimmers erfolgt, ausser dem Boden des unteren
Zimmers auch noch dessen gesammte vertikale Begrenz-
ung am Einlassen der Luft, die durch die Decke allein
nach dem oberen Zimmer abströmt. Somit verschwindet
in diesem Fall das zweite Glied aus der Formel W des
unteren Luftwechsels, und dieser ist auf das erste Glied
h [p2 + P4 - (y + e)] 1
welches die durch die Decke nach oben strömende Luft-
menge gibt, beschränkt.
Analoges tritt im oberen Zimmer ein, wenn
P4 ^' < If P2 1
also bei wenig verschiedenen Durchlässigkeiten die Tem-
peratur des unteren Zimmers bedeutend höher ist. Die
Decke und die ganze vertikale Wand des oberen Zimmers
lassen dann Luft hinaus, während die Einströmung durch
den Fnssboden allein stattfindet. Die Formel W' des Luft-
wechsels reducirt sich dann auf das erste Glied
h (p« + Pi — (y + Q)) •
Der Beweis für die Richtigkeit der eben aufgestellten
Behauptungen wird dadurch geführt, dass man die Giltig-
keit der ^us den Formeln (F. 7) berechneten Werthe von
480 Sitzung der mabhrphys. Glosse vom 6, Juli 1878.
y nnd q auch für den Fall nachweist, dass die neutrale
Zone, deren Existenz bei Aufstellung der Gleichungen (5
und (6 vorausgesetzt wurde, in einem der beiden Zimmer
nicht mehr vorhanden ist.
Fehlt die neutrale Zone im unteren Zimmer, so erhält
man die durch dessen vertikale Begrenzung einströmende
Luftmenge, wenn man 1^ mit dem arithmetischen Mittel
der am unteren und oberen Ende bestehenden Ueberdrücke
(der äusseren Luft über die innere) multiplizirt. Demnach
wird die Gleichung des Luftwechsels im unteren Zimmer
lo (Po + /) + l/P» + ^^^ t ^'' ~ ''^ -
K (p* + P* - (Y' + Q'^)
und im oberen
1. (p, + P4 - (y + ?')) + y »5 ^^*^- =
i U ^^- + Up« + .0
Da die erste dieser beiden Gleichungen mit (5% die
zweite mit (6 identisch wird , wenn man y', q* durch y , q
ersetzt, so ergeben sich für die hier angenommenen Er-
gänzungen y', q' die oben für y und q abgeleiteten Werthe.
Stellt man die Gleichungen des Luftwechsels für den
Fall auf, dass im oberen Zimmer die neutrale Zone fehlt,
so kommt man auf die Gleichungen (5 und (6*, also eben-
falls auf die Formeln (F. 7), was zu beweisen war.
2. Diskussion der Formeln des Luftwechsels.
Die Ungleichungen
I^ P2 < 1« P4
lg pg > L' p^
6r. Becknagel: Theorie des natürlichen Luftwechsels, 481
sind auch entscheidend für Beantwortung der Frage, ob
eines der beiden Zimmer bei der angenommenen gegenseitigen
Lage grösseren oder kleineren Luftwechsel hat, als bei voll-
ständig freier Umgebung.
Vergleicht man nämlich die oben mit (P. 8*) und
(P. 9*) bezeichneten Pormeln mit denen des vollständig
freien Luftwechsels
1 ü J-li Po
^0 Po -t- 2 ^1
2
1 D 4-li iL
so folgt, dass der modificirte Luftwechsel dem freien gegen-
über gesteigert oder vermindert ist, je nachdem die Druck-
änderungen ^, y positiv oder negativ ausfallen.
Bei einer Untersuchung über die Vorzeichen von q
und y ist zu beachten, dass die Grössen L , L' nur positiv
sein können, und dass auch der Nenner L L' — 1^ * immer
positiv ist, weil \^ nur ein Glied der Entwickelung von
L L' bildet , welche aus lauffer positiven Gliedern besteht.
Was endlich die Grössen Pg und p^ betrifiFt, so stellen sie
diejenigen Ueberdrücke dar, welche unter normalen Um-
ständen in dem unteren Zimmer an der Decke, im oberen
am Pussboden bestehen und haben daher, wenn sie positiv
sind, insofern entgegengesetzten Sinn, als p^ einen Ueber-
druck der inneren Luft über die äussere, p^ einen Ueber-
druck der äusseren Luft über die innere bezeichnet. Diese
Grössen sind von den Temperaturen, Dimensionen und
Durchlässigkeiten abhängig, wie in der ersten Abhandlung
(S. 443) nachgewiesen ist, und so lange beide Zimmer
höhere Temperatur als ihre Umgebung haben, immer
positiv.
482 Sitzung der math.-phy8. Glosse vom 6. JtUi 1878.
Somit ist Q positiv und der Luftwechsel des oberen
Zimmers gesteigert, so lange
I^ Pi > ^2 P4';
hingegen ist Q negativ und der Luftwechsel oben vermin-
dert, wenn
Da andererseits y n^ativ, Null oder positiv wird, je
nachdem
^' P4 = \ P21
so ist der Luftwechsel des unteren Zimmers, je nachdem
eine dieser Beziehungen stattfindet, kleiner, ebenso gross
oder grösser als bei vollständig freier Umgebung.
Man kann demnach (mit Rücksicht auf S. 479) die
Antwort auf die gestellte Frage auch in folgender Form
geben: Liegt ein Zimmer so über einem andern, dass die
Decke des einen zugleich den Fussboden des andern bildet,
und haben beide Zimmer höhere Temperatur als die freie
Umgebung, so ist der Luftwechsel in einem dieser Zimmer
grösser, eben so gross oder kleiner als bei allseitig freier
Umgebung desselben, je nachdem im andern Zinmier die
neutrale Zone innerhalb der vertikalen Wand, an deren
Grenze, oder ausserhalb derselben liegt.
Ferner erkennt man, dass nie in beiden Zimmern zu-
gleich der Luftwechsel dem freien gleich oder geringer als
dieser sein kann. Denn aus
I^ P2 ^ 1« Pi
folgt
I^' P4 > '2 P21
und aus
^' P4 ^ If P2
folgt
^V%>\ P4-
G, Becknagel: Theorie des natwrlichen Luftwechsels. 483
Wohl aber kann der Luftwechsel in beiden Zimmern
zugleich gesteigert sein.
Stellt man alle Fälle zusammen, so erhält man folgende
üebersicht:
1 L'
Liegt p, zwischen -y- p^ und -r— p^ , so ist der Luft-
Wechsel in beiden Zimmern gesteigert. Bleibt p, unter
dem Werthe -p- P4 , so ist der Luftwechsel des unteren
Zimmers gesteigert, der des oberen yermindert. Geht p,
über y~ P4 hinaus, so ist der Luftwechsel des oberen Zim-
mers gesteigert, der des unteren vermindert.
Aus den Gleichungen
I2
P2 = ^ P4
L'
P2 = 1- P4
kann man die beiden Grenztemperaturen berechneui
bei welchen ein Wechsel in dem allgemeinen Grössenver-
hältniss des freien zu dem durch gegenseitige Beeinflussung
der Zimmer veränderten Luftwechsel eintritt.
Diese Gleichungen lassen sich mit Hilfe der Gleich-
ungen (n) umformen in
«:
*\ "^^
n'
i,(i|
+
1
2
I5)
p —
P
L'Oo
+
1
2
li)
p'
L(l,
+
1
2
1«)
V —
1,(1.
+
1
2
li)
484 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 6. Juli 1878.
und gehen darch Substitution für p und p' über in
T-t ^ T^-t ^> Os + 2" ^5)
270 + T + t - 270 + T' + f ^.^,^^|j^j
T-t _ V-t I^ Oe + 2^ ^^>
270 + T + t ~ 270 + T' + t * . n . 1 1 x
Nimmt man hier T' als gegeben an, so findet man
zwei Werthe für T (T^ < 0), welche das Temperaturiuter-
vall begrenzen, innerhalb dessen der Luftwechsel beider
Zimmer gesteigert ist. Ist T < T^ , so ist der Luftwechsel
des oberen Zimmers vermindert, ist T > @, so ist der Luft-
wechsel des unteren Zimmers dem freien gegenüber ver-
mindert.
Umgekehrt kann man T als gegeben betrachten und
die entsprechenden Qrenzwerthe von T' (T'^ < ©') be-
rechnen.
Beispiel. Nimmt man den früheren Angaben gemäss
le = I2 ='01 I5 ==1m I2 = 5.35, 1, =24.3,6, H =
H' = 3,6 , t = 0 , T' constant und gleich 20^ C, so muss,
damit der Luftwechsel des oberen Zimmers grosser wird
als bei freier Umgebung, die Temperatur des unteren Zim-
mers 7,7° C überschreiten.
Das untere Zimmer hat, während seine Temperatur
von 0^ G an wächst, gesteigerten Luftwechsel , bis dieselbe
56,1^ überschreitet. Von da an bildet das obere Zimmer
ein Hindemiss für den Luftwechsel des unteren.
Wenn die Temperatur des oberen Zinuners constant
20^ ist und die des unteren zwischen 7,7* und 56,1® liegt,
haben beide Zimmer grösseren Luftwechsel als bei freier
Umgebung.
G, Becknagel: Theorie des natürlichen Luftwechsels. 485
Ist z. B. die Temperatur des unteren Zimmers eben-
falls 20^ so berechnet sich der Luftwechsel in jedem der
beiden Zimmer zu 41,8 C"*, während derselbe nur 31,5 C"
betrüge, wenn jedes der beiden Zimmer durchaus von freier
Luft umgeben wäre.
Vom hygienischen Standpunkt ist zu diesen Resultaten
ähnliches su bemerken wie in (I). Sind beide Zimmer be-
wohnt, so zieht nur das untere wirklichen Nutzen aus
der Steigerung des Luftwechsels, welche durch Heizen des
oberen bewirkt wird. Das obere hingegen verliert bei der-
jenigen Steigerung seines Luftwechsels, welche durch Heizen
des unteren Zimmers hervorgebracht wird, einen Theil der
vortheilhafben Strömung, welche ihm durch den unteren
Theil der vertikalen Wände Luft aus dem Freien zuführte,
während der Strom verbrauchter Luft, der durch den Fuss-
boden aus dem unteren Zimmer eindringt, um mehr als
jenen Verlust anwächst. Es sind somit auch an dieser
Stelle, also für den im Winter bei weitem häufigsten Fall,
dem oben Wohnenden die in (I) angegebenen Massregeln
zu empfehlen.
Znsammenstellnng
der Formeln, welche zur Berechnung des Luftwechsels zweier
Zimmer dienen, deren eines über dem anderen liegt.
1. Oberes Zimmer,
a) Wenn
P« < T" P4
Einströmung durch den Boden:
I2 [pi + P2 — (? + y)]-
Einströmung durch die vertikalen Wände:
486 Sitzung der ma(h.'pky8. Glosse vom 6, Juli 1878,
Aasströmnng darch die yertikalen Wände:
1 (p« + g)'
* 2 p'
Aussbrömang durch die Decke:
le (P« + ?)•
b) Wenn
L' '
Pi > T- P*»
Mnströmang durch den Boden:
1, [p4 + p» — fe + y)]-
Einstromang dorch die vertikaien Wände:
Null.
Ausströmung durch die vertikalen Wände:
g- 's (P« — P* + 2 ?).
Ausströmung durch die Decke:
1. (P, + C).
2. Unteres Zimmer,
a) Wenn
Einströmung durch den Boden:
^0 (Po + y)-
Einströmung durch die vertikalen Wände:
, (Po + y)'
Ausströmung durch die vertikaien Wände:
, (p.-y)'
*» — 2^
Ausströmung durch die Decke:
1, [p* + Pi — (? + y)]-
G, Becknagel: Theorie des natürlichen Luftwechsels. 487
b) Wenn L
P2 < -^ P4'
Einströmung durch den Boden:
^0 (Po + y)-
Einströmung durch die vertikalen Wände:
-2 ll (Po - P« + 2 y).
Ausströmung durch die vertikalen Wände:
Null.
Ansströmnng dnrcb die Decke:
1, [P* + P. -
(« + y)]
HiezQ kommt:
1, (L p, — 1, P4)
j
,, _ 1. (^' Vi. - 1. P.
^~ LL' — 1,»
•
1» + 2 ^x
^.+ 1-^
P. — P I,
P. — P L
__.,'' + i''
P4 — P l^s »
P« — P L/
p = H . 1,293 4
T — t
270 + T + t
P'_HM,293 4
T' — t
270 + T' + t
in.
Verallgemeinerung der Resultate.
Es sollen nun die Bedingungen angegeben werden,
unter denen die im zweiten Theil (II) erhaltenen Formeln
488 Sitzung der maJth.-phys. Classe vom 6. Jtdi 1878,
für die übrigen Fälle gelten, welche durch Abänderung der
Beziehungen zwischen den 3 Temperaturen T', T, t com-
binirt werden können.
1) Die früher (in I) behandelten Aufgaben, wo eines
der beiden Zimmer die Temperatur der Umgebung hat, das
andere aber eine höhere Temperatur, sind unbedingt be-
sondere Fälle von (II). Je nachdem das untere oder das
obere Zimmer das kältere ist, wird T zz t oder T' zu t,
und da im ersten Fall, wegen
pzz: 0, Pj = 0,
Pa < -^ Pi nnd Pg < j- P4 ist;
im zweiten Fall, wegen
p' = 0, P4 = 0,
L' ^ I2
P2 > J- P4 l^^d P2 > ^ P4'
so gilt für das Zimmer, welches die Temperatur der Um-
gebung hat, der in der Zusammenstellung (S. 485 ff. unter b)
yerzeichnete , für das wärmere der unter a) aufgeführte
Luftwechsel.
2) Sind beide Zimmer kälter als die Um-
gebung, so sind ebenfalls sämmtliche Formeln unbedingt
zulässig. Da T < t und T' < t, werden sämmtliche Ueber-
drücke negativ, und auch die Veränderungen derselben
(?» Y) wechseln ihr Vorzeichen. Die I^uftwechsel erscheinen
mit negativem Vorzeichen, was auf den thatsächlich ein-
getretenen Wechsel in der Richtung der Luftströmungen
hinweist.
In den Ungleichungen, welche zwischen den
Formeln des Luftwechsels entscheiden, sind die absoluten
Werthe der Ueberdrücke pg und p^ anzuwenden.
3) Hat eines der beiden Zimmer die Tem-
peratur der Umgebung, während das andere
G. Becknagel: Theorie des natürlichen Luftwechsels, 489
kälter ist, so sind ebenfalls sämmtliche Formeln unbe-
dingt anwendbar, und zwar gelten ans analogen Gründen
wie in 1) für das Zimmer, welches die Temperatur der
Umgebung hat, die unter b) vorgetragenen Formeln, hin-
gegen für das kältere die unter a) eingesetzten.
4) Zuletzt ist noch denkbar, dass das eine Zimmer
kälter, das andere wärmer als die Umgebung ist. Dieser
Fall soll besonders erklärt werden.
Ist das obere Zimmer wärmer, so ist zu beiden Seiten
der horizontalen Trennungsschicht der Luftdruck geringer
als im gleichen Niveau der Umgebung, und es ist zunächst
sowohl für die Richtung als für die Menge der durch die
Zwischenschicht strömenden Luft die Differenz der beiden
Minderdrucke (p^ und p^) massgebend. Ist (absolut)
P2 > P41 ^^ wirkt der geringere Minderdruek (P4), dem
grösseren Minderdruck (p^) gegenüber als Ueberdruck, und
es geht die Luft durch die Decke von oben nach unten ;
hingegen strömt sie von unten nach oben, wenn p, < p^ ist.
Da nun bei vollständig freier Umgebung beider Zimmer die
Luft sowohl durch den Boden in das obere Zimmer als durch die
Decke in das untere einströmen würde, beides zugleich aber
bei der Gombination der Zimmer unmöglich ist, so ist in
einem der beiden Zimmer der Luftwechsel abnorm. Die
neutrale Zone scheidet hier die Flächen nicht mehr in ein-
lassende und hinauslassende, sondern es liegen auf derselben
Seite der neutralen Zone Flächen, welche sich in entgegen-
gesetztem Sinn am Luftwechsel betheiligen.
Analoge Erwägungen führen zu dem allgemeinen Re-
sultat, dass der stationäre Luftwechsel in demjeni-
gen der beiden Zimmer dem freien ähnlich ist, in welchem,
zunächst der Zwischenschicht, der grössere Ueberdruck oder
Minderdruck besteht.
Also in dem oberen, wenn dem absoluten Zahlen-
werthe nach
490 Sitzung der math-phys, Glosse vom 6, Juli 1878.
V^ — Q>Vi—Yf
and in dem unteren, wenn umgekehrt
P» — y > P4 — ?•
Dieser dem normalen ähnliche Luftwechsel wird durch
die in der Zusammenstellung (8. 485 S.) unter a) gegebenen
Formeln ausgedrückt. Denn da in diesem Fall der Luft-
ström durch die Zwischenschicht immer schwächer ist als
bei freier Umgebung, so hat im oberen Zimmer (— q) mit
p^, im unteren ( — y) mit p, gleiches Vorzeichen, und es
kann nicht vorkonmien, dass p^ — q oder p, — y Null
oder n^ativ werden. Auch bleibt nothwendig P4 — ß <C p'
und pj — y < P > da ausserdem nur eine Art der Ström-
ung im Zimmer stattfinden würde.
Auch der abnorme Luftwechsel des anderen Zimmers
ist durch die Formeln der Zusammenstellung (S. 485 £P.) ge-
geben, und zwar durch die unter a) vorgetragenen, wenn
(absolut)
P4 - ? < P'i
beziehungsweise
p» - y<p;
hingegen durch die Formeln b), wenn (absolut)
Va- Q > P'f
beziehungsweise
p» - y > p.
Man sieht, dass für die Wahl der Formeln die Er-
wägung, ob der Luftwechsel normal oder abnorm ist, nicht
entscheidet; sondern dass man sich auf Beachtung der zu-
letzt angeschriebenen vier Ungleichungen beschränken kann.
Bei allen Uebertragungen der Formeln (Zusammenstel-
lung S. 485 ff.) auf Fälle, für welche sie nicht direkt abge-
leitet sind, ist zu beachten, dass, so oft ein Glied des Luft-
wechsels negativ ausfällt, die Art der Strömung der in
der Ueberschrift angegebenen entgegengesetzt ist, also Ein-
G, Becknagel: Iheorie des natürlichen Luftwechsels. 491
Strömung durch Ausströmung und umgekehrt ersetzt wer-
den muss.
Beispiel. Gelten für die beiden Zimmer die den
früheren Rechnungen zu Grund gelegten Annahmen:
lo = I2 = Is = 175, 1^ == Iß = 86,4, H = H' --. 3,6
T' = 20«, t = 0«, aber T =: — 10^
so ist (der Barometerstand = 760"" vorausgesetzt)
p' = 0,32, p^ = pg = 0,16
p = — 0,176, p,, = p, = — 0,088
^ = — 0,073
y = + 0,093.
Da dem absoluten Zahlenwerth nach
P> - y < P4 - ft
so geht der Strom durch die Decke aufwärts, und der dem
freien ähnliche Luftwechsel des oberen Zimmers
kann nach der Formel 1) a
berechnet werden. Man findet 16,3 G" für diese Einström-
ung, also bedeutend weniger als bei freier Umgebung, wo
sie 31,5 C" betragen würde.
Sucht man den Luftwechsel des unteren Zim-
mers, so erkennt man zunächst, dass (absolut)
p» - y > P
(nämlich 0,181 > 0,176), und mithin zur Berechnung des
Luftwechsels die Formeln 2) b dienen.
Man erhält
lo (Po + y) = 175 . 0,005
oder 0,875 G" für die Einströmung durch den Boden,
-2 ^1 (Po - P« + 2 y) = 86,4 . 0,093
oder 8,035 C" für die Einströmung durch die vertikalen
Wände.
492 Sitzung der math.'phys, Classe vom 6, JiUi 1878,
Diese 8,9 G"^ strömen durch die Decke aus, was man
durch Berechnung der Formel
\ [P4 + Pg - (? + y)] = 175 . 0,052,
in den ganzen Gubikmetern übereinstimmend , ebenfalls
findet.
Bei freier Umgebung würde der Luftwechsel des un-
teren Zimmers 17,3 C"" betragen haben.
Die starken Veränderungen, welche in dem berechneten
Beispiel durch gegenseitige Einwirkung der beiden Zimmer
entstehen, machen dasselbe besonders instruktiv.
Die Figur (Nr. 3) gibt eine graphische Darstellung .
der Drnckvertheilung, welche aus den der Rechnung zu
Grunde liegenden Angaben folgt. Die Begrenzung der
Zimmer ist durch Doppelstriche ang^eben. Durch die
punktirten Linien sind diejenigen Ueberdröcke begrenzt,
welche bei vollständig freier Umgebung in jedem einzelnen
Zimmer den Luftwechsel bewirken würden. Die einfach
ausgezogenen Linien begrenzen die Ueberdrücke, welche
sich entwickelt haben, nachdem die Gombination beider
Zimmer einen Beharrnngszustand erreicht hat.
Im unteren Zimmer fehlt schliesslich die neutrale Zone,
welche vorher bei N„ lag, und es strömt sowohl durch die
ganze vertikale Begrenzung (unter dem mittleren Ueber-
druck -^ — J als durch den Boden (unter dem
Ueberdruck 0,005) Lufb ein, während eine gleich grosse
Luftmasse (unter dem Ueberdruck 0,052) durch die Decke
entweicht.
Im oberen Zimmer lag die neutrale Zone vorher . bei
No und ist schliesslich nach N hinaufgerückt, weil der stark
verminderten Boden-Einströmung verminderte Ausströmung
entsprechen muss.
Fifjnr J.
i,.,Wnfh. p}nj^. rij
LüK.AiustaU v Crt^\)VÜde.r 0>i^ac\vw: ,'^Ki-w3cveTv
482 Sitzung der mcUh.-phys. Glosse vom 6, Juli 1878.
Somit ist q positiv und der Luftwechsel des oberen
Zimmers gesteigert, so lange
L P, > 1« P4';
hingegen ist q negativ und der Luftwechsel oben vermin-
dert, wenn
I^ Pa < '2 P4-
Da andererseits y negativ, Null oder positiv wird, je
nachdem
^' P4 = \ P«i
so ist der Luftwechsel des unteren Zimmers , je nachdem
eine dieser Beziehungen stattfindet, kleiner, ebenso gross
oder grösser als bei vollständig freier Umgebung.
Man kann demnach (mit Rücksicht auf S. 479) die
Antwort auf die gestellte Frage auch in folgender Form
geben: Liegt ein Zimmer so über einem andern, dass die
Decke des einen zugleich den Fussboden des andern bildet,
und haben beide Zimmer höhere Temperatur als die freie
Umgebung, so ist der Luftwechsel in einem dieser Zimmer
grösser, eben so gross oder kleiner als bei allseitig freier
Umgebung desselben, je nachdem im andern Zimmer die
neutrale Zone innerhalb der vertikalen Wand, an deren
Grenze, oder ausserhalb derselben liegt.
Ferner erkennt man, dass nie in beiden Zimmern zu-
gleich der Luftwechsel dem freien gleich oder geringer als
dieser sein kann. Denn aus
^ P2 < \ P4
folgt
L' p^ > \ p„
und aus
L' P4 ^ If P2
folgt
L pj > 1, p^.
O, Becknagel: Theorie des natürlichen Luftwechsels. 483
Wohl aber kann der Luftwechsel in beiden Zimmern
zugleich gesteigert sein.
Stellt man alle Fälle zusammen, so erhält man folgende
Uebersicht:
1 L'
Liegt pg zwischen -y- p^ nnd y- P4 1 so ist der Luft-
wechsel in beiden Zimmern gesteigert. Bleibt p, unter
dem Werthe -p P4 9 so ist der Luftwechsel des unteren
Zimmers gesteigert, der des oberen vermindert. Geht p,
über -r— P4 hinaus, so ist der Luftwechsel des oberen Zim-
mers gesteigert, der des unteren vermindert.
Aus den Gleichungen
L
L'
Pf = T" P*
kann man die beiden Grenztemperaturen berechneui
bei welchen ein Wechsel in dem allgemeinen Grossenver-
hältniss des freien zu dem durch gegenseitige Beeinflussung
der Zimmer veränderten Luftwechsel eintritt.
Diese Gleichungen lassen sich mit Hilfe der Gleich-
ungen (n) umformen in
L' Oo + I h)
Lo. + Iu
p —- p^
1, 0« + I Ix)
484 Sitzung der mathr^ys. Glosse wnii 6. Jidi 1878.
und gehen darch Substitution für p und p' über in
T-t ^ T'-t ^ 0« + -2 ^»)
270 + T + f- 270 + T' + fj^,^,^_^lj^^
H T~t _ T — t ^ Oe + ^ ^g)
270 + T + t - 270 + T' + t ' , n u. ^ 1 ^
U Uo + -2" ^1^
Nimmt man hier T' als gegeben an, so findet man
zwei Werthe für T (T^ < 0), welche das Temperaturiuter-
vall begrenzen, innerhalb dessen der Luftwechsel beider
Zimmer gesteigert ist. Ist T < T^, , so ist der Luftwechsel
des oberen Zimmers vermindert, ist T > 0, so ist der Luft-
wechsel des unteren Zimmers dem freien gegenüber ver-
mindert.
Umgekehrt kann man T als gegeben betrachten und
die entsprechenden Qrenzwerthe von T' (T'<, < ©') be-
rechnen.
Beispiel. Nimmt man den früheren Angaben gemäss
le =^ I2 = 'oi I5 == Im I2 = 5 . 35, 1, = 24. 3,6, H =
H' = 3,6 , t = 0 , T' constant und gleich 20^ C, so muss,
damit der Luftwechsel des oberen Zimmers grösser wird
als bei freier Umgebung, die Temperatur des unteren Zim-
mers 7,7^ C überschreiten.
Das untere Zimmer hat, während seine Temperatur
von 0^ G an wächst, gesteigerten Luftwechsel , bis dieselbe
56,1^ überschreitet. Von da an bildet das obere Zimmer
ein Hinderniss für den Luftwechsel des unteren.
Wenn die Temperatur des oberen Zimmers constant
20^ ist und die des unteren zwischen 7,7^ und 56,1^ liegt,
haben beide Zimmer grösseren Luftwechsel als bei freier
Umgebung,
G, Becknagel: Theorie des natürlichen Luftwechsels, 485
Ist z. B. die Temperatur des unteren Zimmers eben-
falls 20 ^ so berechnet sich der Luftwechsel in jedem der
beiden Zimmer zu 41,8 C™, während derselbe nur 31,5 C"
betrüge, wenn jedes der beiden Zimmer durchaus von freier
Luft umgeben wäre.
Vom hygienischen Standpunkt ist zu diesen Resultaten
ähnliches su bemerken wie in (I). Sind beide Zimmer be-
wohnt , so zieht nur das untere wirklichen Nutzen aus
der Steigerung des Luftwechsels, welche durch Heizen des
oberen bewirkt wird. Das obere hing^en verliert bei der-
jenigen Steigerung seines Luftwechsels, welche durch Heizen
des unteren Zimmers hervorgebracht wird, einen Theil der
vortheilhafben Strömung, welche ihm durch den unteren
Theil der vertikalen Wände Luft aus dem Freien zuführte,
während der Strom verbrauchter Luft, der durch den Fuss-
boden aus dem unteren Zimmer eindringt, um mehr als
jenen Verlust anwächst. Es sind somit auch an dieser
Stelle, also für den im Winter bei weitem häufigsten Fall,
dem oben Wohnenden die in (I) angegebeneu Massregeln
zu empfehlen.
Znsammenstellnng
der Formeln, welche zur Berechnung des Luftwechsels zweier
Zimmer dienen, deren eines über dem anderen liegt.
1. Oberes Zimmer,
a) Wenn
Einstromimg darch den Boden:
U [p* + P2 — (? + y)]-
Einströmung durch die vertikalen Wände:
, (P4 - g)'
486 Sitzung der math.'phy8, Glosse vom 6. Juli 1878,
Aasströmnng darch die vertikalen Wände:
Aosströmaiig durch die Decke:
1« (P« + Q)'
b) Wenn
L' '
P« > 1" P41
Einströmang darch den Boden:
1, [Pi + P. — fe + y)]'
Einströmang durch die vertikalen Wände:
Null.
Ausströmung durch die vertikalen Wände:
2" I5 (Pe — P* + 2 ?).
Aufiströmang durch die Decke:
le (P« + ?)•
2. Unteres Zimmer,
a) Wenn
P» > X" P*
Einströmang durch den Boden:
lo (Po + y)'
Einströmang durch die vertikalen Wände:
, (Po + y)'
Ausströmung durch die vertikalen Wände:
, (p.-y)'
Ausströmung durch die Decke:
1, [p* + P, — (C + y)]
G. Beeknagd: Theorie dee matürUdten Luftwedwis. 487
b) Wenn L
Pt < -J- P*.
Einströmang durch den Boden:
lo (Po + r)-
Einströmang dorch die rertikalen Wände:
^ Ij (Po — P» + 2 y).
Ansströnrang dorch die veridkalen Wände:
Nnll.
Ansströmnng durch die Decke:
1, [Pi + P. -
id + y)]
Hiezu kommt:
1, (L p, - 1, pj
*~ LL' — 1.»
1
,. U (I'' P4 - J. Pt
^ LL' — 1,»
•
^0 + 1 1.
1^ ~~~" Y\ ...... . . ,. •
i« + yU
Pi — p 1
p. — p L
._.,'' + i''
P* — P L/
P« — P L/
p = H . 1,298 ^Jq
T — t
270 + T + t
P'_HM.293 4
T' — fc
270 + T' + t
HL
Verallgemeinarting der Beiultate.
Eb sollan nun die Bedingung^ angegeben werden,
unter denen die im zweiten Tbeil (H) erhaltenen Formeln j
1
488 Sitzung der math.-phys. Classe vom 6. Jtdi 1878.
für die übrigen Fälle gelten, welche durch Abänderung der
Beziehungen zwischen den 3 Temperaturen T', T, t com-
binirt werden können.
1) Die früher (in I) behandelten Aufgaben, wo eines
der beiden Zimmer die Temperatur der Umgebung hat, das
andere aber eine höhere Temperatur, sind unbedingt be-
sondere Fälle von (II). Je nachdem das untere oder das
obere Zimmer das kältere ist, wird T = t oder T' zu: t,
und da im ersten Fall, wegen
p = 0, Pg = 0,
1 L'
P2 < -^ p^ und Pä < j- P4 ist;
im zweiten Fall, wegen
p' = 0, p^ =0,
L' , 1
P2 > -]- P4 ^^^ Pa > -j; P41
so gilt für das Zimmer, welches die Temperatur der Um-
gebung hat, der in der Zusammenstellung (S. 485 ff. unter b)
verzeichnete , für das wärmere der unter a) aufgeführte
Luftwechsel.
2) Sind beide Zimmer kälter als die Um-
gebung, so sind ebenfalls sämmtliche Formeln unbedingt
zulässig. Da T < t und T' < t, werden sämmtliche Ueber-
drücke negativ, und auch die Veränderungen derselben
fe> y) wechseln ihr Vorzeichen. Die Luftwechsel erscheinen
mit negativem Vorzeichen, was auf den thatsächlich ein-
getretenen Wechsel in der Richtung der Luftströmungen
hinweist.
In den Ungleichungen, welche zwischen den
Formeln des Luftwechsels entscheiden, sind die absoluten
Werthe der Ueberdrücke pg und p^ anzuwenden.
3) Hat eines der beiden Zimmer die Tem-
peratur der Umgebung, während das andere
G. EecknageU Theorie des natürlichen Luftwechsels. 489
kälter ist, so sind ebenfalls sämmtliche Formeln unbe-
dingt anwendbar, und zwar gelten aus analogen Gründen
wie in 1) für das Zimmer, welches die Temperatur der
Umgebung hat, die unter b) vorgetragenen Formeln, hin-
gegen für das kältere die unter a) eingesetzten.
4) Zuletzt ist noch denkbar, dass das eine Zimmer
Kälter, das andere wärmer als die Umgebung ist. Dieser
Fall soll besonders erklärt werden.
. Ist das obere Zimmer wärmer, so ist zu beiden Seiten
der horizontalen Trennungsschieht der Luftdruck geringer
als im gleichen Niveau der Umgebung, und es ist zunächst
sowohl für die Richtung als für die Menge der durch die
Zwis^chenschicht strömenden Lufk die Differenz der beiden
Minderdrücke (p^ und p^) massgebend. Ist (absolut)
P2 > P41 ^^ wirkt der geringere Minderdruck (p4)t dem
grosseren Minderdruck (p^) gegenüber als Ueberdruck, und
es geht die Luft durch die Decke von oben nach unten ;
hingegen strömt sie von unten nach oben, wenn p, < p^ ist.
Da nun bei vollständig freier Umgebung beider Zimmer die
Luft sowohl durch den Boden in das obere Zimmer als durch die
Decke in das untere einströmen würde, beides zugleich aber
bei der Combination der Zimmer unmöglich ist, so ist in
einem der beiden Zimmer der Luftwechsel abnorm. Die
neutrale Zone scheidet hier die Flächen nicht mehr in ein-
lassende und hinauslassende, sondern es liegen auf derselben
Seite der neutralen Zone Flächen, welche sich in entgegen-
gesetztem Sinn am Luftwechsel betheiligen.
Analoge Erwägungen führen zu dem allgemeinen Re-
sultat, dass der stationäre Luftwechsel in demjeni-
gen der beiden Zimmer dem freien ähnlich ist, in welchem,
zunächst der Zwischenschicht, der grössere Ueberdruck oder
Minderdruck besteht.
Also in dem oberen, wenn dem absoluten Zahlen-
werthe nach
490 Sitzung der math.'phys, Glosse vom 6. Juli 1878,
P4 — e>p« — y>
and in dem unteren, wenn umgekehrt
Pa — y > :P4 — ?•
Dieser dem normalen ähnliche Luftwechsel wird durch
die in der Zusammenstellung (8. 485 fP.) unter a) gegebenen
Formeln ausgedrückt. Denn da in diesem Fall der Luft-
strom durch die Zwischenschicht immer schwächer ist als
bei freier Umgebung, so hat im oberen Zimmer (— q) mit
p^, im unteren ( — y) mit Pj gleiches Vorzeichen, und es
kann nicht vorkommen, dass p^ — q oder pj — y Null
oder negativ werden. Auch bleibt nothwendig P4 — ß < p'
und pj — y < P > da ausserdem nur eine Art der Ström-
ung im Zimmer stattfinden würde.
Auch der abnorme Luftwechsel des anderen Zimmers
ist durch die Formeln der Zusammenstellung (S. 485 ff.) ge-
geben, und zwar durch die unter a) vorgetragenen, wenn
(absolut)
Vi,- Q <V'^
beziehungsweise
Pi - y<p;
hingegen durch die Formeln b), wenn (absolut)
P4 - e > PS
beziehungsweise
p» - y > p.
Man sieht, dass für die Wahl der Formeln die Er-
wägung, ob der Luftwechsel normal oder abnorm ist, nicht
entscheidet; sondern dass man sich auf Beachtung der zu-
letzt angeschriebenen vier Ungleichungen beschränken kann.
Bei allen Uebertragungen der Formeln (Zusammenstel-
lung S. 485 ff.) auf Fälle, für welche sie nicht direkt abge-
leitet sind, ist zu beachten, dass, so oft ein Glied des Luft-
wechsels negativ ausfällt, die Art der Strömung der in
der Ueberschrift angegebeneu entgegengesetzt ist, also Ein-
Q. Becknagel: Iheorie des natürlichen Luftwechsels, 491
Strömung durch Ausströmung und umgekehrt ersetzt wer-
den muss.
Beispiel. Gelten für die beiden Zimmer die den
früheren Rechnungen zu Grund gelegten Annahmen:
lo = 1, = le = 175, 1, = I5 = 86,4, H = H' - 3,6
T' = 20% t = 0% aber T = — 10^
so ist (der Barometerstand = 760""" vorausgesetzt)
p' = 0,32, P4 = P« = 0,16
p = — 0,176, p^, = p, = — 0,088
ß = — 0,073
y = + 0,093.
Da dem absoluten Zahlenwerth nach
Pi - y < P4 - ft
so geht der Strom durch die Decke aufwärts, und der dem
freien ähnliche Luftwechsel des oberen Zimmers
kann nach der Formel 1) a
berechnet werden. Man findet 16,3 C*^ für diese Einström-
ung, also bedeutend weniger als bei freier Umgebung, wo
sie 31,5 C" betragen würde.
Sucht man den- Luftwechsel des unteren Zim-
mers, so erkennt man zunächst, dass (absolut)
Pi - y > P
(nämlich 0,181 > 0,176), und mithin zur Berechnung des
Luftwechsels die Formeln 2) b dienen.
Man erhält
lo (Po + y) = 175 . 0,005
oder 0,875 O für die Einströmung durch den Boden,
I li (Po - Pt + 2 y) = 86,4 . 0,093
oder 8,035 C™ für die Einströmung durch die vertikalen
Wäude.
492 Sitzung der math-phys, Classe vom 6, Juli 1878,
Diese 8,9 C" strömen durch die Decke aas, was maa
durch Berechnung der Formel
1. [p4 + P2 - (e + y)] = 175 . 0,052,
in den ganzen Cuhikmetern übereinstimmend , ebenfalls
findet.
Bei freier Umgebung wurde der Luftwechsel des un-
teren Zimmers 17,3 C" betragen haben.
Die starken Veränderungen, welche in dem berechneten
Beispiel durch gegenseitige Einwirkung der beiden Zimmer
entstehen, machen dasselbe besonders instruktiv.
Die Figur (Nr. 3) gibt eine graphische Darstellung
der Drnckrertheilung, welche aus den der Rechnung zu
Grunde liegenden Angaben folgt. Die Begrenzung der
Zimmer ist durch Doppelstriche ang^eben. Durch die
punktirten Linien sind diejenigen Ueberdrücke begrenzt,
welche bei vollständig freier Umgebung in jedem einzelnen
Zimmer den Luftwechsel bewirken würden. Die einfach
ausgezogenen Linien begrenzen die Ueberdrücke, welche
sich entwickelt haben, nachdem die Combination beider
Zimmer einen Beharrungszustand erreicht hat.
Im unteren Zimmer fehlt schliesslich die neutrale Zone,
welche vorher bei N„ lag, und es strömt sowohl durch die
ganze vertikale Begrenzung (unter dem mittieren Ueber-
druck — — J als durch den Boden (unter dem
Ueberdruck 0,005) Luft ein, während eine gleich grosse
Luftmasse (unter dem Ueberdruck 0,052) durch die Decke
entweicht.
Im oberen Zimmer lag die neutrale Zone vorher bei
No und ist schliesslich nach N hinaufgerückt, weil der stark
verminderten Boden-Einströmung verminderte Ausströmung
entsprechen muss.
Figur J.
f^,,iraf/f. phfßit. CU
LitK. Pinst&U V CreVjtud« 0\j"^aE\vw ,"\^\ws.^«^
■. 1
E
^'X'X \P V
r^:? rrs'-
■rr-."«" ; r
G. BecJcnagel: Theorie des natürlichen Luftwechsels. 493
Anhang.
Experimentelle Bestimmang der Durchlässig-
keiten eines Zimmers.
1. Beschreibung des Zimmers. Das Zimmer,
dessen Durchlässigkeiten ermittelt wurden, liegt im Erdge-
schoss des Schulgebäudes der Industrieschule zu Kaiserslautern.
Es ist 3,6 Meter hoch, wendet eine mit 2 Fenstern versehene
7" lange Seite nach Süd-Süd-Ost, die zweite 5"* lange Seite
ebenfalls mit 2 Fenstern nach West-Süd- West. Diese bei-
den Mauern haben eine Dicke von 0,80". In den vier
Fensternischen, deren jede 1,22" breit, 2,40" hoch ist und
zudem oben mit einem halbkreisförmigen Bogen von 0,60"
Radius abschliesst , ist die Mauer bis zu einer Höhe von
0,80" nur 0,40" dick. Es folgt nach NNW eine Wand
von 7" Länge und 0,50" Dicke, welche das untersuchte
Zimmer von einem grösseren Nebenzimmer trennt und eine
Thüre von 2" Höhe und 1" Breite enthält. Die vierbe
Wand ist 5" lang, 0,50" dick, enthält eine Thüre von
gleichen Dimensionen wie die vorige und scheidet das Zim-
mer von der Hausflur.
Sämmtliche Wände sind von rothem Sandstein (Bruch-
steinen) aufgeführt, innen mit Mörtel beworfen und mit
grüner Kalkfarbe angestrichen. Aussen steht der Bau rauh
und ist bis zu einer Höhe von 1,35" mit Sandsteinplatten
belegt.
Der Fussboden ist gediehlt. Die Diehlen sind vor
5 Jahren mit einem Oelfarb-Anstrich versehen worden, der
an den zugänglichen Stellen ziemlich abgetreten ist. Zwischen
den Diehlen befinden sich Zwischenräume von 3 bis 5 Milli-
meter Breite, welche, einem besonders angestellten Versuch
gemäss, der Luft soweit freien Durchgang gestatten, dass
diesseits und jenseits der Diehlen sich eine merkliche Druck-
differenz nicht ausbildet. Unter dem Zimmer ist kein Keller.
[1878, 4. Math.-phys. Cl.] 33
494 Sitzung der math.-pkys, Classe vom 6. Jtdi 1878,
Dasselbe liegt als südwestliches Eckzimmer des Hauses,
welches an einen von Süd nach Nord aofisteigenden Berg-
abhang gebaut ist, über einer Anfmanernng von 1"* Höhe
welche nach Süden 3", nach Westen 6" vorspringt und,
soweit sie vorspringt, mit einer Gartenanlage versehen ist.
Die Decke ist 0,30"" dick, unter der Balkenlage ver-
schalt, mit Mörtel beworfen und mit einem ganz dünnen
Gypsanstrich versehen. Schadhafte Stellen der Decke, welche
dnrch Senknng (Einschlagen) entstanden waren, sind im
Herbst 1877 mit Gyps oberflächlich ansgebessert worden.
Die Decke trennt das Versuchsobjekt von einem Zimmer,
welches in den Dimensionen und der Beschaffenheit des
Fussbodens jenem ziemlich gleich ist.
Durch die Decke fuhrt ein dnrch ein Blechrohr be-
grenzter Luffckanal von 0,20" Durchmesser, den ich zum
Zwecke der Ventilationsversuche habe herstellen lassen«
Der Kanal kann oben durch einen mit Wei^ umwickelten
eingepassten Holzdeckel verschlossen werden.
2. Die Versuche. Das Manometer stand im Ver-
suchszimmer auf einem etwa 0,80" über dem Boden an der
nordlichen Wand befestigten Brett und war mit Petroleum
gefüllt.
Als am Abend des 27. Mai, nachdem den Tag über
schwacher Ostwind geweht hatte, Windstille eingetreten
war, warde das über dem Versuchszinmier li^ende Zinuner
geheizt, während in jenem, sowie in der Hausflur und im
Nebenzimmer dnrch Oeffiien aller Fenster und Thüren Aus-
gleich der Temperaturen angestrebt wurde. Da trotzdem
noch innerhalb des Hauses die Temperatur etwas niedriger
war als im Freien, so wurde abgewartet, bis (zwischen 7
und 8 Uhr Abends) die Temperatur der äusseren Luft auf
die des Hauses herabgesunken war.
Nun wurde das Versuchszimmer vollständig abge-
schlossen und folgende Beobachtung gemacht.
G. Recknagel: Iheorie des natürlichen Luftwechsels. 495
a) Die Bestimmung des Nullpunkts am Manometer ergab
11,0.
Vom äusseren Niveau des Manometers führt ein
Schlauch nach einem unmittelbar über dem Fussboden (in
der Fensternische) durch die westliche Mauer gesteckten
Rohr: das Manometer zeigt
11,2.
Voin äusseren Niveau des Manometers fuhrt überdies
ein Schlauch nach einem durch die Decke gesteckten Rohr :
Manometerablesung :
12,2.
Nullpunkt :
11,0.
Bezeichnet v den Reductionsfaktor der Manometerab-
lesuug auf vertikale Millimeter Wasser, so sagt der Versuch,
dass durch den Boden und die vertikale Begrenzung unter
einem üeberdruck von 0,2 v (Kilogramm per Quadratmeter)
eben so viel Luft in das Zimmer drang, als gleichzeitig
unter einem üeberdruck von 1,0 v (Kilogr. per □"*) durch
die Decke entwich.
Ist f der Flächeninhalt des Bodens sowie der Decke,
u der umfang des Bodens, H die Höhe des Zimmers, also
u H der Flächeninhalt der vertikalen Wände, femer k^ die
Durchlässigkeit des Bodens [Anzahl der Cubikmeter Luft,
welche in der Stunde unter 1 Eilogr. üeberdruck durch
das Quadratmeter gehen], so ist I^ = k^ f das Lüftungsver-
mögen des Bodens, 1^ = k^ u H das Lüftungsvermögen der
vertikalen Begrenzung, I, =: k^ f das Lüftungsvermögen der
Decke und L = 1q + 'i + 'a das Lüftungsvermögen des
ganzen Zimmers.
Der Versuch gibt
0,2 V Oo + Ix) = 1,0 V 1,
oder
lo + li - 5 1„
38*
496 Sitzung der math-phys. Clasae vom 6, Juli 1878,
d. h. bei gleichem Ueberdrack würden Boden und yertikale
Begrenzung zusammen fünfinal soviel Luft durchlassen als
die Decke.
b) Um grössere Ausschl^e zu erhalten, iiess ich nun
einen Kanal ö£Ehen, welcher durch die Decke des oberen
Zimmers hindurch fuhrt. Im Yersuchszimmer selbst wurde
nichts geändert.
Nun folgten folgende Beobachtungen am Manometer:
Vom inneren Niyeao gieng der Schlauch nach dem
durch die vertikale Begrenzung gesteckten Rohr, während
zugleich vom äusseren ein Schlauch nach dem durch die
Decke gehenden Rohr fährte.
Ablesungen :
13,0
13,1
13,2
Die Verbindung des Manometers mit der Decke wnrde
gelöst :
Ablesungen :
11,4
11,3
Nullpunkt :
1 1,0.
Es sind mehrere Ablesungen gemacht worden, weil,
jedenfalls durch den Einfluss einer leichten Windwelle, das
Manometer etwas unruhig war.
Die Mittelwerthe geben die Gleichung:
0,35 V (lo + IJ = 1,75 V 1,
oder
lo + 1, = 5 1,
wie vorhin.
Weitere Versuche wurden an diesem Abend nicht
mehr ausgeführt, weil die äussere Temperatur schon etwas
unter die Temperatur des Zimmers gesunken war.
G, Becknagel: Ihearie des natürlichen Luftwechsels, 497
c) Der nächste Versuch wurde am 21. Juni augestellt,
wiederum nachdem am Abend Windstille eingetreten war.
Er hatte die Ermittlung der normalen Lage der neu-
tralen Zone zum Ziel.
Nachdem die Umgebung durch Oeffhen aller ins Freie
fuhrenden Fenster und Thüren möglichst frei gemacht
worden war, wurde das Yersuchszimmer durch einen eisernen
Mantelofen geheizt, bis ein 2 Meter hoch über dem Fuss-
boden aufgehängtes Thermometer 24.6 ^ C anzeigte. Die
Temperatur der Umgebung war gleichzeitig 18,8 ^ C.
Dann folgten nach Verschluss aller Zugöffhungen des
Ofens sowie der Ofenklappe folgende Beobachtungen am
Manometer :
Nullpunkt :
39,1.
Das innere Niveau war mit dem unmittelbar über dem
Fussboden ins Freie führenden Bohr verbunden.
Ablesung :
40,2.
Das innere Niveau wie vorhin, das äussere war mit
dem durch die Decke führenden Rohr verbunden.
Ablesung :
43,0.
Bezeichnet p^ den Ueberdruck, welchen unmittelbar
am Boden die äussere Lufk über die innere, p^ den Ueber-
druck, welchen an der Decke die innere Luft über die
äussere besitzt, so folgt aus dem Versuch
p, = y . 1,1 (Kilogr. per D")
Po + Pa = »^ • 3,9 (Kilogr. per Q")
Ist h die Höhe der neutralen Zone über dem Boden,
so ist allgemein
Po-rP»
498 Sitzung der math.-phys. Olasse wm 6. JvHi 1878.
also hier
h = -^ H oder 0,28 H.
Da H = 3,6", liegt die neutrale Zone 1,0" über dem
Fussboden, and es dringt demnach bei vollsiändig freier
Umgebung durch den Fussboden und den unteren 1"^ hohen
Theil der yGi'tikalen Begrenzung eben so viel Luft ein, als
durch die Decke und den oberen 2,6" hohen Theil der
vertikalen Wände entweicht.
Die L^e der neutralen Zone ist von der Temperatur
unabhängig, sie ändert sich nur dann, wenn die Durch-
lässigkeitsverhältnisse andere werden oder die Umgebung
aufhört frei zu sein.
d) Zu dem gleichen Zwecke wie der dritte wurde ein
vierter Versuch angestellt, nachdem die Temperatur des
Zimmers auf 27,1 ® gestiegen, die der Umgebung auf 17,8^
gesunken war. Bei gleicher Reihenfolge wie vorhin wurde
abgelesen
Nullpunkt :
Ablesung (1) :
Ablesung (2) :
Daraus folgt:
39,2
40,9
45,5
und
Po = V • 1,7
Po + Pa = »^ • 6|3
h = -i|-H = 0,27H
in guter Uebereinstimmung mit dem vorigen Werthe.
Die Kenntniss der Lage der neutralen Zone lässt sich
zur Bestimmung der Durchlässigkeiten verwerthen mittelst
der Gleichung
G. Recknagel: Iheorie des natürlichen Luftwechsels, 499
U + -5- ii
Po+Pa ^
Im Mittel ist demnach
I2 + I Ix
j^ = 0,275.
Schon hieraus folgt, dass der Boden vielmal durch-
lässiger ist als die Decke.
Fasst man die Resultate der bisherigen (4) Versuche
zusammen, so ergeben sich zwischen den Lüftungsvermögen
die einfachen Beziehungen
li = 1,3 I2
lo "= 3,7 Ig ♦
L= 6 1,,
welche durch sehr einfache und rasch verlaufende mano-
metrische Beobachtungen gewonnen sind.
e) Ein fünfter Versuch sollte zur Ermittelung des ge--
sammten Lüftnngsvermögens (L) dienen, auf Grundlage des
früher (S 455) bewiesenen Satzes, dass diese Constante er-
halten wird, wenn man die durch einen einlassenden oder
hinauslassenden Kanal stündlich strömende Luftmenge durch
die Aenderung des üeberdrucks dividirt, welche an irgend
einer Stelle der Umgrenzung des Zimmers durch Eröffnung
des Kanals hervorgebracht wird.
Es wurde der Kanal geöffnet, welcher durch die Decke
führt. Ein Gehilfe hielt das Anemometer an einer lang-
stieligen Gabel in die Mitte des Kanals, während ich am
Manometer die Veränderung beobachtete, welche in dem
vorher abgelesenen Werthe von p^ vor sich gieng.
Das Manometer stieg von
41,05 auf 43,45.
500 Sitzung der math.-phys. Classe com 6. JtUi 1878,
Das Anemometer machte 327 ümdrehangen in der
Minute, was nach der for dasselbe ermittelten Formel
V = 0,174 + 0,1441 n
für die Geschwindigkeit v den Werth 0,96" gibt.
Nach Versuchen, welche ich mit einem gleichweiten
Rohr angestellt habe, entspricht dieser grossten Geschwindig-
keit eine mittlere von 0,64"^, und da der Querschnitt
0,0314 □" gross ist, strömten in der Secunde 0,020 C",
somit in der Stunde 72 0°" Luft durch den Kanal.
Der Reductionsfactor (v) des Manometers auf vertikale
Millimeter Wasser war
0,02546,
so dass der beobachteten Aenderung von p^ die Druck-
änderung
2,4 . 0,02546 = 0,061 (Kilogr. p. Q")
entspricht. Somit ist
72
L = — ^^- = 1180 C",
0,061 ^^°^^ '
d. h. bei einem Ueberdruck von 1 Kilogr. per □" würde
die ganze Begrenzung des Zimmers (als eine Wand ge-
dacht) stündlich 1180 C"* Luft*) durchlassen.
Nun folgt
Ij = 197 Cr
\ =- 256 „
lo = 727 „
*) Die Luft hatte bei einem Barometerstande von 745"^ eine
Temperatur von 27^6 ^ Zar Bednction auf normale Cubikmeter dient
der Divisor
-l^d^ ^l^\ - 1 124
745 [; + 270 ; - ^'^'^^•
Durch die Beduction vermindern sich das Lüftungsvermögen L and
mit ihm Iq, 1| , I2 um 11 Procent ihres Wertbes, ebenso die Durch-
lässigkeiten ko, k^, kg, daher ist die Correctur bei Versuchen über die
Beständigkeit der Durchlässigkeiten wesentlich.
G. Becknagel: Ihewie des natürlichen Luftwechsels. 501
und die Durchlässigkeiten:
kg = 5,6 C"* per Stunde und □"*
^1 ^^ *^>" 11 11 11 >i 11
f) Am Abend des 25. Juni wurde, wiederum bei Wind-
stille, ein Versuch ausgeführt, welcher wie der fünfte die
Ermittelung des gesammten Lüftungsvermögens (L) zum
Ziel hatte.
Als Abzugskanal wurde dieses Mal das 0,034 Q"" grosse
Zugloch des geheizten Mantelofens benützt.
Das Anemometer wurde so gehalten, dass die Speichen
des Flügelrades sich im äussersten (nächsten) Querschnitt
des Zugkanals bewegten, also die EinstromungsöSnung und
die beobachtete Geschwindigkeit voll in Rechnung zu
bringen waren.
Ich erhielt folgende Resultate:
Zunahme des Ueberdrucks von ümdrehnngen des Anemometers in
aussen nach innen in Theilstrichen der Minute :
des Manometers:
1,7 127
1,6 107
1,65 108
1,65 95
Daraus berechnet sich eine mittlere Zunahme des
Ueberdrucks von 1,65 Theilstrichen oder 0,042 Kilogr. per
□" und eine mittlere Geschwindigkeit von 0,43". In der
Stunde würden in das Zugloch strömen
52,56 C",
und es folgt
502 Sitzung der inathrphys, Classe vom 6. Juli 1878.
L = ^^ = 1250 C-,
0,042
was um 6 ^/o grosser ist als die früher gefandene Zahl. *)
3. Folgerungen.
a) Am 27. Mai war der Luftwechsel, welchen man
dem unteren ungeheizten Zimmer durch Heizen des oberen
verschaffte, zunächst, ehe der Kanal in der Decke des
oberen Zimmers geöffnet wurde,
V . 1,0 Ij, oder v . 0,2 (Iq + \).
Da V damals den Werth 0,0972 hatte und 1, = 197
ist, folgt fär den Luftwechsel
19,1 C^
b) Durch Oeffhen des Kanals in der Decke des oberen
(geheizten) Zimmers steigerte sich der Luftwechsel des
unteren auf
0,0972 . 1,75 1, oder 33,5 C».
c) Am 21. Juni, wo das Versuchszimmer seihst geheizt
war [seine Temperatur war 27,1 ®, während die Tempera-
tur der Umgebung 17,8 ^ betrug] strömte durch den Boden
ein die Luftmenge
^0 Pol
durch den unterhalb der neutralen Zone liegenden Theil
der vertikalen Wände
k, u h ^ .
1 o
Dabei ist
lo = 727
Po == 1,7 . 0,02546 = 0,043
k^ = 3
u = 24
h = 0,275 H = 0,99,
*) Die Temperatur der Lufb war 20 ®, der Barometerstand 746"'"' .
Durch die Beduction auf normale Cubikmeter gehen demnach hier 9
Procent des Wertbes von L ab.
G. Recknagel: Ihemie des natürlichen Luftwechsels, 503
80 dass durch den Boden kamen
31,3 C~
und durch die vertikale Wand
1,5 C-,
im Ganzen
32,8 C".
d) Für eine von 9,3 ® verschiedene Temperaturdififerenz
(A) findet man den Luftwechsel (WJ des Zimmers mit
Annäherung ans der Proportion
W, : 32,8 = A : 9,3 ,
woraus
W, = 3,53 A
folgt.
Bei dieser Rechnung ist Windstille und vollständig
freie Umgebung vorausgesetzt, d. h. die normalen Umstände
wie sie am Abend des 21. Juni stattfanden.
e) Der fünfte Versuch (vom 21. Juni) gibt auch die
Mittel, die Zunahme des Luftwechsels zu finden,
welche durch das Oeffnen des Abzugskanals
erzielt wurde.
Nach dem Oeffnen des Kanals war nämlich
Po = 4,05 V = 0,103,
während sich p, aus der grössten im Kanal beobachteten
Geschwindigkeit von 0,96" mittelst der Formel
p, = -J- m V« = ~ 0,117 . 0,92 = 0,054
berechnet. (Der Barometerstand war 745""', die Tempera-
tur der strömenden Luft 27,6 ^.)
Somit war die neutrale Zone, welche ausserdem in der
Höhe 0,275 H liegt, bis in die Höhe -^ H = 0,656 H
gerückt, und es strömten durch den Boden unter dem Ueber-
druck 0,103 und durch die unteren zwei Drittel der verti-
504 Sitzung der maih.-pliys. Clause vom 6. Juli 1878.
kalen Wände unter dem mittleren üeberdruck -^— — um
72 C" Lnft per Stunde mehr ein als dorcli das obere
Drittel der vertikalen Begrenzung (unter dem mittleren
0 054 \
üeberdruck -^ — i und durch die Decke (unter dem Üeber-
druck 0,054) entwich.
Berechnet man die zwei letzten Posten, so findet man
3 . 24 . 1,2 . 0,027 = 2,3 C",
197 . 0,054 = 10,6 er.
Somit ist die Gesammtmenge der abziehenden Luft
72 + 2,3 + 10,6 = 85 C^
während sie bei der gleichen Temperaturdifferenz (10,2 ®)
ohne den Abzugskanal nur 36 G"' würde betragen haben.
Der wahre Yentilationseffekt des Kanals ist demnach auf
49 G"" anzuschlagen. Indem der Kanal die Poren-Venti-
lation des Zimmers zurückdrängt, ist er weit entfernt, den
gesammten Luftwechsel um das zu steigern, was durch ihn
hindurchgeht.
Herr Hermann v. Schlagintweit-Sakünltinski
hält einen Vortrag:
„Ueber das Auftreten von Bor-Verbindun-
gen in Tibet."
Inhalt:
Allgemeine Verbältnisse; die Beschränkung der Quellen
im centralen und im nördlichen Hochasien; die Mineralquellen und
Thermen.
I. Der Borazbezug ans Tibet.
Borsäure und Borax. — Daten über die Fundstätten im östlichen
Tfbet; (Bul Tso, ein „Soda-See"). — Unsere Beobachtungen im west-
lichen Tfbet. — Der Borax im Handelsverkehre. — Die Benennungen.
IL Die Borax-Bodendecke und die Thermen von Püga.
Die topographische Lage. — Die Gesteine an den Quellen und im
weiteren Umkreise. — Die Gestaltung des Puga- Thaies. — Der abge-
lagerte feste Borax. Mittlere Dicke; die Prominenzen; die Pfuhle. Aus-
dehnung. — Landschaftliches Bild. — Isolirte Pfuhle. — Die Be-
schaffenheit der Masse, chemisch und physikalisch. — Aeltere Salzsee-
form des Beckens. — Die Temperatur-Verhältnisse der Thermen. — Lo-
cale thermische Modificationen der Flora und der Fauna. Der Luftdruck ;
die Beschaffenheit absorbirter Gase im Wasser grosser Höhen. —
Früherer Besuch, von Thomson und von Cunningham.
(Die Höhen sind in englischen Fuss gegeben ; 1000 engl. F. =
304-79 Meter = 938-3 par. F. — Die Transscription ist durch-
geführt wie bisher von mir, in Text und in Karten; hier sei nur in
Kürze erwähnt: ch = tsch im Deutschen; h = hörbare Aspiration,
aber Khan = Chan im Deutschen; j = dsch; sh = seh; v = w;
z :=z weiches s. Vocal mit ^ = unbestimmt tönend; mit * = nasal.
Auf jedem mehrsilbigen Worte ist der Hauptton angegeben.)
506 Sitzung der math.-phys. Glosse t^om 6. Juli 1878,
Allgemeine Verhältnisse.
Im tibetischen Hochasien, auch bis in die Nähe der Mittel-
stofen des nördlichen Känlun- Abhanges in Ost-Turkistän, ist
die Zahl der Quellen, die zu Tage treten, und die Wasser-
menge, welche sie liefern, verhältnissmässig sehr gering. Selbst
grosse Flächen, zumeist im Norden der Earakorüm- Kette,
sind entweder ganz wasserleer oder unterscheiden sich hy-
drographisch von tief liegenden Wüsten nur dadurch, dass
isolirter Abfluss aus GletscKern oder aus den Höhen, die
noch über die Schneegrenze sich erheben, während der wär-
meren Monate des Jahres periodisch sie durchzieht.
Bedingt ist diese Seltenheit der Quellen durch die ge-
ringe Menge atmosphärischen Niederschlages und durch die
bedeutende Verdunstung, ehe das Grundwasser in den Mulden
oder, bei genügender relativer Erhebung und bei günstiger
Schichtenstellung des Gesteines, am unteren Rande von Ab-
hängen sich ansammeln kann. Vermehrend wirkt auf die
Verdunstung schon die starke Insolation des Bodens ; noch
grösser ist der Einfluss der extremen Trockenheit der Luft
in diesen Gebieten, wo überdiess der Luftdruck, vielfach
selbst längs der Thalsohlen, ein sehr geringer ist. Nach den
directen Beobachtungen in Hochasien, die in unserem eng-
lischen Reisewerke in Vol. II „Hypsometry*' zusammenge-
stellt sind, hatte sich für Luftdruck von 14*96 engl. Zoll
oder 380-0 Millim, „von halber Atmosphäre", Mittelwerth
der Höhe von 18,600 bis 18,800 engl. Puss ergeben.
Unter den con stauten, noch wasserreich zu nennenden
Quellen, obwohl unabhängig von Firnwasser, war die höchst-
gelegene, die von uns in Tibet aufgefunden wurde, jene am
Lagerplatze Murgäi in Nubra. Sie tritt zu Tage bei 16,382
engl. F.; der Barometerstand war 16-630 engl. Zoll (am
6. Aug. 1856).
H. V, Schlayintweit: üeher Bor- Verbindungen in Tibet. 507
Als Maximum der Höhengrenze der Quellen für ganz
Höchasien wird 16,500 bis 17,000 Fuss anzunehmen sein,
mit Einschluss zugleich isolirter Fälle höchsten Vorkommens
in besonders günstigen Lagen und mit geringerer Wasser-
menge. Die Quelle zu Murgäi zeigte sich dort zusammen-
fallend mit der Strauchgrenze; gleiche Goincidenz gilt auch
für die übrigen Theile des centralen und nördlichen Hoch-
asien, weil in den etwas feuchteren Gebieten, wo die Ve-
getation begünstigt ist, die Quellenhöhen ebenfalls die grös-
seren sind. Dagegen wird auf der Südseite des Himalaja,
wo die directe Besonnung durch die Wolkenbildung so sehr
beschränkt ist und wo die Niederschlagsmenge auch in Re-
gtnform so hoch ansteigt, bei 15,200 Fuss für die Strauch-
grenze, das Auftreten der obersten Quellen, fast um 2000 F.,
das Höhere. Diese Differenz würde, den klimatischen Ver-
hältnissen entsprechend, eine noch grössere werden, wenn
nicht in jenen Regionen schon durch das Vorherrschen
steiler Gebirgsform die Entstehung der Quellen erschwert
wäre.
In den Alpen steigt die Höhengrenze des Auftretens von
Quellen, wie wir früher in den „Untersuchungen über die
physikalische Geographie und die Geologie der Alpen" zu
erläutern hatten, zu 9000 bis 9600 engl. F. hinan (Band I,
S. 243). Die Strauchgrenze, für welche in den Alpen 8000
Fuss Höhe sich ergibt, wird dabei von den Quellen stets um
mehr als 1000 Fuss überschritten.
Topographisch zeigt sich schon in den Alpen für die
Quellen, verschieden darin von den kleineren europäischen
Gebirgen, eine verhältnissmässig grosse Depression unter
die mittlere Gipfel- und Eamm-Höhe, welche über 2000
engl. F. beträgt. In Hochasien wird für das ganze Gebiet,
ungeachtet des flachen Ansteigens der centralen Theile, der
Abstand der obersten Quellen von der Kamm- und Gipfel-
Gestaltung noch ungleich grösser. Veranlasst ist dieses hier
508 Sitzung der math.-phys. Classe vom 6, Jtdi 1878.
vor Allem darch die viel geringere Dichtigkeit der Luft;
es ist mit Ausnahme der Hochregionen der Südseite des
Himalaja die absolute Menge atmosphärischer Feuch-
tigkeit überall sehr bedeutend vermindert.
In trockenem Klima im Allgemeinen sowie in grossen
Höhen vermehrt sich, durch Zunahme der Verdunstung des
Bodenwassers, relativ die Menge gelöster Salze, welche Quellen
mit sich fuhren. Aber in den meisten Gebieten Hochasiens
ist an sich durch die geologische Formation mit Auftreten
krystallinischer , schwer löslicher Gresteine der Salzgehalt
der Süsswasserquellen sehr beschränkt; und es ist derselbe
in Tibet und in Turkistan selbst für die Hauptströme
der grossen Thäler weniger gesteigert als die Verdunstung
allein es erwarten liesse — dessbalb, weil in den meisten
Lagen der grösseren Erhebung wegen die Wärme als för-
dernde Bedingung der Lösung von Bodensalzen eine be-
deutend geminderte ist
Mineralquellen, und Thermen — Quellen die sich durch
Menge und meist auch Qualität des Salzgehaltes oder durch ihre
Temperaturverhältnisse als anomal unterscheiden •— hatten
sich gleichfalls in Hochasien zur Beobachtung geboten! Ent-
sprechend ihrem Auftreten in hohen Breiten ist dasselbe
auch aus den Hochgebirgen durch niedere Lufttemperatur
als solche nicht ausgeschlossen; doch zeigt es sich stets
geologisch local bedingt und enge begrenzt.
In Hochasien sind die meisten der in Europa bekannten
Erscheinungen dabei vertreten, und zwar in äemlich ähn-
licher relativer Häufigkeit ungeachtet des grossen Unter-
schiedes der Bodenerhebung. Die höchst gelegenen heissen
Quellen, die wir fanden, waren jene der Mineralquellen-
Gruppe in der Nähe des Salzsees Kiuk Eiöl , im Earakash-
Thale in Ost-Turfa'stän ; Höhe 15,010 engl. F.
H, V, ScJdagintweit: üeher Bor- Verbindungen in Tibet 509
I.
Der Boraxbezug aus Tibet.
Als 6i^e an sich ungewöhnliche Erscheinung ist für Hoch-
asien, und zwar für Tibet, das Auftreten von Bor- Verbindungen
hervorzuheben. Ueberdiess zeigen sie sich dort deutlicher als
in Europa, und sind auf mehrere, in der Oberfläche-Gestaltung
ganz getrennte ,»Localitäten^^ vertheilt. Sie bieten sich unter
so eigenthümlichen topographischen und physikalischen Er-
scheinungen, dass durch ihre Lagerstätten schon seit langer
Zeit die Bewohner aaf diese Naturproducte selbst und auf die
Benützung derselben aufmerksam geworden sind.
Ich werde versuchen, allgemein zusammen&ssend die
jetzt vorliegenden Daten über die Bor- Verbindungen zu geben,
obgleich über das Auftreten derselben directe Beobachtungen
durch Europäer nur in den westlichen Theilen Hochasiens
bisher gemacht wurden.
Im ostlichen Tibet ist das Vorkommen von
Bor - Vecbindungen^quantitativ das grössere ; es reichen
vereinzelte Nachrichten von Europäern über dieselben als
Gegenstand— 4es Handelsverkehrs ziemlich weit zurück, doch
sind diese nur indirecte Daten, meist nach den Mittheilungen
der Indier. Auch die von uns während der Reisen gesam-
melten Angaben beschränkten sich für Ost-Tibet auf die Er-
läuterungen, die wir über Borax von eingebomen Handels-
leuten erhalten konnten; in Sikkim und in Bhutan war es
mir wenigstens möglich mit tibetischen Garavanenfuhrern
selbst, durch Hindostäni-Dolmetscher, in jenen Bazars mich
zu besprechen.
Was aus Tibet ausgeführt wird, ist zweifach borsaures
Natron^,, d^r Borax (B^ 0^ Na, + 10 aq), der aber zum Theil
erst künstlich dort iiergestellt wird.
Es wird nämlich an einer der Bezugsstätten zur Her-
stellung von Borax das bctiraäurerh^ltige Wasser eines von
[1878. 4. Math-phys. Cl.] 84
510 Sitzung der tnath.-phy8. Glosse vom 6. Juli 1878.
heissen Quellen gebildeten kleinen Sees benützt. Dort wird
der Borax hergestellt darch Mischung dieses Wassers mit
Boden -Efflorescenzen, die vorzugsweise aus kohlensaurem
Natron oder Soda bestehen.
Das Auftreten von Soda, als Bodensalz, ist in Tibet
ziemlich häufig und in einzelnen Lagen sehr ausgedehnt ;
die Ausscheidung an der Bodgnoberfläche herrscht vor in
kalter trockener Jahreszeit, und an jenem borsäure-haltigen
See soll uiigeachtet bedeutender Hohe seiner Lage die Pro-
duction des Borax nur im Winter vorgenommen werden ;
das beizumischende Bodensalz, das ohnehin nicht aus reiner
Soda besteht, wird nur sehr unvollständig von adhärirender
erdiger Masse getrennt, und es ist desshalb das Borax-
Product, das aus jener Localität geliefert wird, sehr unrein.
Erste Mittheilung darüber, aber in sehr unvollkommener
Weise, hat d. d. August 1786, ein Brief von William
Blane aus Läknau nach Europa gebracht^).
An den andern Fundstätten in Tibet wird überall Borax
gesammelt, der schon als natürliches Erzeugniss sich bietet.
Localitäten desselben im östlichen Tibet wurden an-
gegeben in einem fast gleichzeitigen Berichte aus der
Missions- Anstalt in Patna, abgesandt im September 1786').
Als die eine Lage, 25 Tagmärsche westlich von Läsa, wird
darin das MarMe^ebiet genannt; als eine zweite, 10 Tag-
märsche noch weiter im Gebirge, nennt der Bericht das
Täpse-Thal; eine dritte Stelle, deren Position nicht näher
bezeichnet ist, heisst darin Ghoga. Mit Bestimmtheit wird
vom Auftreten d^^ Borax als natürliches Erzeugniss ge-
1) „Some Farticolars relative to the Prodaction of Borax." Phil.
Transactions, 1787. S. 297—300.
2) „A letter from the Father Prefect of the Mission in Thlbet,
Joseph da Bovato, containing some Observations relative to Borax."
Phil. Transactions, 1787. S. 801—304. (Dieser Brief ist, in der Sprache
des Originals, italienisch dort gegeben.)
l »
H, V, SchlagintweU: Ueher Bor- Verbindungen in Tibet 511
sprochen , nnd es wird dasselbe als . Ausscliei4nng feilten
Salzes in wassererfällten Pfuhlen beschrieben.
-^'^"""^eher einen See des östlichen Tibet, an dessen Ufern
Borax in festen Schichten abgelagert ist, findet sich Mit-
theilang von Saunders im Werke von Turner (London 1800');
Saunders hatte die politische Mission als der Beobachter
für naturwissenschaftliche Gegenstände nach Bhutan und
nach Tashilhünpo in Tibet im Jahre 1783 begleitet. Das
Boraxlager selbst hatte Saunders nicht gesehen. Er schätzt
die Lage desselben 15 Tagmärsche von Tashilhünpo ent-
fernt, gegen Norden. Jedenfalls liegt demnach dieser See
viel östlicher und bedeutend weiter abwärts im Stromge-
biete des Dihöng, als die Fundstätten, welche in den beiden
vorhergehenden Mittheilungen besprochen sind. (Als „Namen^^
für diesen See habe ich Ma-pin-mu Thsa-le angegeben er-
halten; das 2. Wort ist jetzt erläutert, S. 474).
„Dieser See'S wie Saunders sagt, „hat 20 engl. Meilen
„Umfang und hat weder Zufluss noch Abfluss eines Baches.
„Er wird »von Wasser von Salzquellen gefüllt und bleibt
„doch immerfort gleich gross ; dabei wird der Borax von den
„üferrändern gesammelt, aus der Tiefe wird in den mittleren
„Theilen festes Kochsalz heraufgeholt.^'
Dass der Borax schon am Ufer fest sich ansetzt , ist
ohnehin bei der geringen Löslichkeit des Salzes und bei
stets isolirtem Auftreten einzelne^^ Boraxquellen das Wahr-
scheinlichste. Ueberdiess ist nach dem, was bis jetzt vor-
liegt, für Boraxquellen stets sehr hohe Temperatur an ihrer
Austrittsstelle anzunehmen, was gleichfalls das* Ansetzen fe-
sten Salzes bei Abkühlung beschleunigt. Die Temperaturver-
hältnisse sind jedoch von Saunders ganz unerwähnt gelassen.
Auch dass in jener regenarmen Gegend die Wasser-
menge des Sees stets nahezu die gleiche bleibt, hat nicht
8) Turner, „An Account of anEmbassy to the coürt of theTeshoo
Lama in Tibet"; Bericht Yon Saunders S. 406.
34*
512 Sitzung der math.-phys. Classe vom 6, Juli 1678,
die ünwahrscheinlichkeit zufälliger Coincidenz, sondern lässt
sich aus gewisser Ciombination von Wasser und Bodenge-
staltung sehr wohl erklären. Ist die Wassermenge der Quellen
gering aber gross genug, um dem Eintrocknen des Sees zn
widerstehen, so kann in einem so flachen Becken, wo bei
geringer VeraiÄrhiig oder Verminderung der sich ansam-
melnden Wassermenge die Oberfläche, welche wasser be-
deckt ist und ausdünstet, so bedeutend sich ändert, inner-
halb enger Grenzen das angesammelte Wasservolumen das
gleiche bleiben.
Dass Kochsalz mehr als etwa spurenweise in der Tiefe
sich ansetzt, kann nur eintreten, wenn gleichzeitig Sättigung
der Lösung vorliegt ; weil Salz aus der Tiefe heraufgeholt wird,
lässt sich schliessen, bei der Unvollkommenheit der Werkzeuge
jener Gebirgsvölker und bei ihrer Entbehrung selbst grosser
Holzgeräthe, dass die Tiefe wenigstens nicht sehr bedeutend
ist. Geringe Dimensionen überhaupt machen allein das An-
setzen festen Salzes in gesättigter Lösung wahrscheinlich;
es würde diess dann sehr wohl mit den Formen anderer
Kochsalzquellen sich vergleichen lassen, die wir in Ost-
Turkistän in kleinen Pfuhlen austreten sahen. Da Saunders
den See nicht selbst besuchte, ist ohnehin bei der steten
Neigung wenig cultivirter Menschen, alles Ungewöhnliche
in seinen Eigenschaften und in seinen Formen bedeutend
zu überschätzen, sehr wohl anzunehmen, dass die Angaben
der Eingebornen über die Grösse des Sees übertrieben waren,
oder dass vielleicht innerhalb der ihm gegebenen Fläche
„von 20 Meilen Umfang" nicht 1 grosses, sondern mehrere
solch kleinerer Salzwasserbecken sich zeigen würden.
In den Nachrichten, die während der letzten Jahre ein^
getrofiPen sind, ist für das östliche Tibet noch ein anderer
See als Borax-See bezeichne.t worden, der gleichfalls hier zu
besprechen ist; er befindet sich in jener grossen östlichen
Gabelung des Hauptkammes des Karakorum- Gebirges, die
«
H, V, ScJüagintweit : üeher Bor- Verbindungen in Tibet. 513
nordlich von Tashilhüiipo und von Läsa liegt. Bekannt waren
für diese Erhebungs-Stufe seit längerer Zeit schon, vor allem
ihrer Grösse wegen, der See Nam Tso oder T^ngri Nur und
der See Nämur Tso ; der erstere galt als der grosste See in
Tibet, was durch das Eintreffen directer Beobachtungen jetzt
bestätigt worden ist.
Die neuen Mittheilungen wurden kürzlich über jenes Gebiet
durch Nain Singh^) geliefert, einen der Eingebornen, welche
gegenwärtig von Indien aus zu Beobachtungen in den Hoch-
gebirgen verwendet werden.
Der betreffende See heisst Bul Tso. Er liegt dem Tengri
Nur ziemlich nahe, etwas nördlich von der mittleren Thal-
linie jenes Hochlandes und etwas höher noch als der Tengri
Nur, für welchen 15,500 Puss als vorläufiges Ergebniss der
Beobachtungen Nain Singh's anzunehmen ist.
4) Nain SlDgb ans MÜnm in Eämäon war in den Jahren 1855
bis 1857 von uns in Dienst genommen worden nnd wurde dann von
Oberst Montgomerie als Native Assistant für die Indische Landes-
aufnahme (Great Trigonometrical Survey) engagirt. Nain Singh hat auch
in seiner neuen Verwendung gut sich bewährt und bat dort sehr bald
Gelegenheit erhalten, selbstständig zu reisen. Erläutert von mir in „Be-
richt über Anlage des Herbariums." Denkschr. der II. Gl. d. k. b. Ak.
d. Wiss., Band XII, S. 165. Details über die Beise Nain Singh's und
der anderen in ähnlicher Weise entsandten Pändits sind von Oberst
Montgomerie oMciell publicirt.
Seiner Abstammung nach ist Nain Singh einer der Bhot-Bajp6t8, die
sich als Misch-Ba9e, aber mit Beihalten des turanischen Oharacters
in ihrer Sprache , auf die indische Seite der centralen Theile der Him-
alaya-Eette vorschieben. In den meisten der östlicher liegenden Theile des
Himalaja-Gebirges ist aber auch die reine Ba9e der Bhots oder Ti-
beter auf die indische südliche Seite vorgedrungen. In Bhutan und in
Sfkkim, sowie in den nördlichen Hocbstufen Nepals noch, ist die Bhot-
Bevölkerung reiner Ra^e die zahlreichste.
Die Verhältnisse zu Mflum sind besprochen in y,Beisen in Indien
und Hocbasien'\ Bd. II, S. 332.
514 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 6, Juli 1878,
In Dr. GanzenmüUer^s^) sorgfältiger niid möglichst
vollständig dnrchgefuhrter Bearbeitung der bis jetzt vor-
liegenden Bereisnngen und Beschreibungen Tibets, die mich
veranlasst hatte, auf seinen Wunsch eine allgemeine ver-
gleichende Zusammenstellung dem Buche beizufügen, ist der
Auffindung dieses Sees durch Nain Singh sowie der von
ihm durch die Tibeter erhaltenen Angaben gleichfalls schon
erwähnt (S. 52), wie folgt:
„Benannt ist der See nach dem Bul oder Borax, der
daraus gewonnen wird. Er ist etwa 6 Meilen lang and
5 Meilen breit. Er konnte vom Pändit Nain Singh von
einer erstiegenen Höhe übersehen werden.'^
Es ist diess die Angabe nach dem Report, den Mont-
gomerie publicirte; aber die Deutung des Wortes „Bol"
ist in demselben entschieden irrig. Bei den Tibetern heisst
Bul nicht Borax sondern Soda, speciell die schon oben
(S. 466) erwähnte Boden -Efflorescenz, und Nain Singh,
dessen Landessprache als Bhot-Rajput, gleichfalls das Ti-
betische ist, hat die Verwendung des Salzes, die er sah, keines-
wegs als dem Begriffe von Soda widersprechend aufgefasst.
Denn er fdgte gerade über dieses Bul-Salz das noch bei, was
eben die allgemeine Benützung der Soda in Tibet ist, ohne
dass er darin etwas ungewöhnliches fQr das Salz, das hier
sich bot, gefunden hätte. Er sagte nemlich über diesen Bul,
„dass er in Tibet zu den Nahrungsmitteln gehört, indem
er von den Eingebornen als eine Würze des Fleisches, des
Thees sowie zum Waschen der Kleider u. dgl. verwendet
wird, und dass er in grossen Quantitäten von den Händlern
weggefahrt wird."
Im westlichen Tibet wurde uns das Auftreten von
Borax nur bekannt für eine Begion, für das Püga-Thal
5) „Tibet nach den Resultaten geographischer Forschungen früherer
und neuester Zeit." Stuttgart, Leyj und Müller, 1878.
H, V, SMagintweit: üeher Bor- Verbindungen in Tibet, 515
in Büpchu, einer Provinz Ladäks. Im Jahre 1856 hatte
mich meine Bereisung der tibetischen Salzseen®) mehrmals
in die Nähe geführt, wodurch zugleich die allgemeinen topo-
graphischen und geologischen Verhältnisse der Umgebung
mir bekannt wurden.
Mein Lager im Juni 1856 hatte ich zu Räldang auf-
geschlagen ; es war diese Haltestelle in geringer Entfernung
nordöstlich von Puga und doch etwas günstiger für die
Lastthiere, auf einer Seitenstufe des linken Indus-Ufers ge-
legen. Als Höhe für das Lager ergab sich, nach correspon-
direnden Beobachtungen zu Simla und zu Mässnri berechnet"^),
14,272 F.; für das Niveau des Indus, am unteren Ende
zugleich des Bäldang-Thales, erhielt ich 13,858 F.
Mein Bruder Adolph fand Gelegenheit 1857 vor seinem
Aufbrechen nach Turkistän an das obere Ende des Borax-
bodens zu gehen. Er machte seine Untersuchungen in der
ersten Woche des Juni, und es liegt mir ausser seinem Ma-
nuscripte eine landschaftliche Aufnahme (Aquarell Gen.
Nr. 727) vor.
Ich werde diesen Gegenstand etwas leichter getont, mit
2 bis 3 Tonplatten , wie die Salzseen , in den landschaft-
lichen Bildern des Atlas zum nächsten Bande der „Besults*^
geben. (Vol. V. Meteorology, Part H.)
Die Bedingungen grosser Trockenheit auf allen das
Boraxlager umgebenden Gehängen sind in den klimatischen
Verhältnissen für jene Gebiete sehr charakteristisch.
(Die Besprechung des Auftretens des Borax zu Pöga ist
hier als getrennt gehaltener Abschnitt angereiht. Die un-
6) Bericht darüber gab ich in „üntersnchnngen über die Salzseen
im westlichen Tibet und in Turkistän. 1 Theil : B6pcha und Pangkong.'*
Denkscbr. der II. Ol. der k. b. Ak. der Wiss., Band XI, S. 115—190.
7) ,,Besults of a scientific Mission to India and High Asia." Leipzig;
F. A. Brockhaus; London: Trübner and Co.| Vol. II, p. 442.
516 Sitzung der math.-phys. Classe vom 6, Jtdi 1878,
gewöhnlichen Erscheinungen der Wasser- und Boden- Ver-
hältnisse, auf welche dabei eingegangen werden kann,
durften bei der Mächtigkeit des Auftretens von Borax zn
Puga Anhaltspunkte zur Beurtheilung der meisten nn-
bestimmter gehaltenen Angaben über Einzelheiten an an-
deren Lagerstätten bieten.)
Der Borax im Handelsverkehr kömmt aus dem öst-
lichen Tibet meist über Bhutan und Assam'^nach dem Süden ;
zum Theil wird er über Nepal nach Indien gebracht. Die
Stücke, die ich in Kathmändu sah, zeigten eisenhaltigen
Thon, Gyps, auch etwas Schwefel eingeschlossen. Häufig
ist die Masse etwas fettig, weil man vor dem Transporte
Oel oder Fett zusetzt, um sie, wie man mir sagte, gegen zu
starkes Zerfallen zu schützen. (Hygroskopisch aber ist die
Substanz nicht, Zerfliessen also wäre nicht zu befürchten,
so lange sie gegen Kegen gesichert ist).
Aus dem westlichen Tibet geht der Weg des Trans-
portes, ohne das nördlich von der Fundstätte gel^ene Le
zu berühren ; direct gegen Südwesten nach der Hauptver-
kehrslinie zwischen Tibet und Lahöl, und auf dieser nach
dem westlichen Indien.
Aehnlich wie zum Getreidehandel werden dabei im
Hochgebirge von den Tibetern meist Schaafe benützt,
welche, mit 2 seitlich hängenden Säcken, bis gegen 40 Pfiind
schwer beladen werden.
Die Reinigung von erdiger Masse und von fremden
Salzen wird erst in Indien , und zwar nach dem Verkaufe
im Grossen Yorgenommen. Es genügt, in heissem Wasser
zu lösen, die festen Theile, die sich zu Boden senken, durch
Umgiessen der Flüssigkeit von dieser zu trennen und deren
Erkaltung eintreten zu lassen, wobei sich bedeutende Menge
des reinen Borax aus der Mutterlauge krystallinisch ausscheidet.
Seine allgemeinste Anwendung findet Borax bekanntlich
als Schmelzmittel, in Indien gleichfalls; er verändert zwar
H, V, Schlagintweit : üeher Bor-Verbindungen in Tibet 517
nicht unmittelbar die Schmelzbarkeit der Metalle, aber er
begünstigt die Behandlung derselben dadurch, dass er die
störende Einwirkung von Oxydkrusten entfernt, indem er
mit diesen eine leichtflüssige glasartige Verbindung bildet.
In Indien wird noch der Borax in wässeriger Lösung
benützt, um jene Incrustationen auf Zweigen zu erweichen,
welche Gummilack und die rothe „Lakh-*' (oder Lack-) Farbe
liefern; es sind diess zellenartig angesetzte Secretionen der
Schildlaus-Species Coccus lacca, welche auf sehr verschiedenen
tropischen Bäumen vorkommen.
Früher wurde ungeachtet der grossen Entfernung Borax
fast ausschliesslich aus Tibet über Indien in Europa einge-
führt. In Indien selbst ist ein Vorkommen desselben nicht
bekannt; auch in Europa kömmt Borax in Natur nirgends
vor, aber seit der Production fester gereinigter Borsäure®)
aus heissen Gasströmen im Toskanischen, die am Fundorte
selbst sogleich zur Bereitung von Borax benützt wird, hat
die Einfuhr via Indien aufgehört^).
8) Die Borsäure wird speciell zn Porcellan- und Glasbereitnng (in
Europa) gebraucht. Eine eigenthümliche Yerwendong im Kleinen hat sich
für Borsäure bei uns zur Präparation des Dochtes von Stearinkerzen er-
geben. Wird solcher Docht in Losung von Borsäure getaucht, und zwar
in sehr verdünnte nur, so bildet die Borsäure mit der Asche des Dochtes
beim Verbrennen leicht flüssiges Salz, dessen Volumen so gering ist
und dessen Entstehung so vollkommenes Verbrennen des Kohlenstoffes
möglich macht, dass bekanntlich bei solchen Kerzen kein Abschneiden
restirenden Dochtes nöthig ist.
9) Ueber Bor und das Vorkommen von Borverbindungen im All-
gemeinen sowie über die chemischen Verhältnisse desselben sind unter
den neuen grösseren Werken besonders anzuführen:
„Muspratt's Theor., pract. und analytische Chemie; frei be-
arbeitet von Bruno Kerl und F. Stohmann", sowie „Liebig's
Neues Handwörterbuch der Chemie, bearbeitet und redijg^rt von Dr. Her-
mann von Fehling.'' Das Muspratt'sche Handbuch enthält in seiner
neuen Auflage den Artikel ,Bor" in Bd. I, von 1874, S. 1477—1510;
das Liebig'sche Wörterbuch in Bd. II, von 1875, Artikel »Bor« S. 141—
146, und „borsaure Salze" S. 161—168. -.
518 Sitzung der math.-phys. Classe vom 6, Juli 1878,
Die gewöhnliche Benennnng des Borax in Hindo-
stäni ist Sohäga (sanskrit); auch Tinkar und Tftakar
(persisch ^°), sowie Börak (arabisch), unser „Tinkal" und
„Borax", hört man in Indien; „Tinkal", obwohl jetzt
wenig gebraucht, war früher in Verbindung mit der Einfuhr
aus Indien das allgemeinere Wort, im Deutschen und Eng-
lischen sowie in den romanischen Sprachen ; bisweilen wurde
es zum Unterschiede von „Borax" vorzüglich auf die noch
nicht gereinigte Masse beschränkt.
In Tibet ^*) wird für Borax Thsa-le gebraucht, in den
Eathmändu-Bazärs wurde er mir Chaläraya benannt. Im
chinesischen Handel heisst Borax Pong-cha.
U.
Die Borax-Bodendecke und die Thermen von
Puga.
In Bupchu findet sich der Borax als fester Körper, in
mächtiger Ausscheidung aus zahlreichen Thermen, zu D^ra
Püga, bei SS^' 12' nördlicher Breite, 78« 25' östlicher Länge
von Greenwich; 15,310 P. ist die mittlere Höhe der Quellen^*).
Schon diese Lage würde permanentes Bewohntsein mit
10) In Fersien soll gleichfalls Borax gesammelt werden; Einfahi
nach Indien fand zur Zeit nicht statt, auch nicht in den Hafen von
Bomhaj, wo in so vielen anderen Gegenständen der Verkehr mit Persien
sehr lehhaft ist. (Boraxgmhen in Südamerika giht es zu Yinqaiota).
11) Wie mein Bruder Emil, nach den hetreffenden in tibetischen
Lettern geschriebenen Wörtern als Fachmann mir noch angab, ist laut-
lich thsa = Salz, aber in thsa-le fehlt das diakritische Zeichen, welches
für Salz dem thsa zur Unterscheidung vom gleich geschriebenen Worte
für heiss beigeschrieben wird; die Anwendung solcher Zeichen ist im
Tibetischen selten.
12) Die Höhe des Lagerungsplatzes unterhalb der Thermen ist,
nach Canningham, 15,264 Fuss. „Results", YoL II, S. 442.
H, V. Schlagintweit: üeber Bor- Verbindungen m Tßet 519
aller Vorsicht nahezu unmöglich machen*'); auch als Som-
meraufenthalt Yon Hirten werden, wegen des rauhen und
trockenen Klimas, weder dieser Punkt noch die unmittel-
baren Umgebungen desselben gewählt. Dessungeachtet wurde
APuga^*) früher jedes Jahr im Sommer einige Monate von
Garawanen bezogen, und es sind dortt wie bei einem Som-
merdorfe rohe Gebäude zum Schutze während solchen Auf-
enthaltes, allerdings nur Wälle und Mauern ohne Bedach-
ung, aufgerichtet.
Seit die Ausfuhr des Borax von Indien nach Europa,
wenigstens in irgend nennenswerther Menge, aufgehört hat,
hat auch der Besuch von APüga sich rasch vermindert;
es fanden sich dort zur Zeit unserer Bereisung selbst die
ganz einfachen Steinconstructionen schlecht unterhalten und
meist zerfallen.
Das Puga-Thal, in dem die Quellen zu Tage treten, ist
ein Seitenthal des Baldang-Flusses, in den es links etwas
ober A Bäldang mündet.
Obwohl diese Quellen nach vielen Richtungen hin von
Salzseen umgeben sind, zeigen sie sich in ihrem Auftreten
dessenungeachtet ganz isolirt davon. Gegen etwaige unter-
irdische Verbind ang des Boraxlagers mit jenen Seen spricht
13) Nur von Dera Th5k Jälnng dn den Goldfeldern von Ceniral-
Tfbet, das überdiess noch bedeutend hoher liegt , bei 16,330 Fuss, ist
bis jetzt bekannt geworden, dass es einigemale in (den letzten Jahren
auch während des Winters bezogen blieb. (Unter den jetzt »ständig be-
wohnten Orten" hatten sich uns als die höchsten f&r Tibet und damit
für die Erde im Allgemeinen isolirte buddhistische Klöster gezeigt;
als Maximum solch hoher Lage ergab sich jene des Lama-Sitzes Hänle
in Ladak, mit 15,117 Puss. „Results", Vol. II S. 477).
14) »A* ist hier, ebenso wie auf unseren Karten, als Signatur
für »Dera* gewählt, mit der Bedeutung einer als Haltestelle und La-
gerplatz benützten Localität, ohne Verbindung mit regelmässiger Boden-
cultur oder mit Viehzucht in grösserer Ausdehnung, wie bei dem eigent-
lichen «Sommerdorfe."
520 Sitzung der math.-phys. Classe vom 6. Juli 1878,
sowohl die Form der trennenden Kämme, die von bedeu-
tender Breite ebenso wie von grosser relativer Höhe sind,
als anch die ganz verschiedene Qualität des Salzgehaltes
dieser Seen, welche als eintrocknende Süsswasserreste zn
betrachten sind und unter den gelösten Salzen selbst von
Kochsalz theils nur Spuren, theils nur sehr geringe relative
Menge enthalten.
Die Entfernung der Puga-Quellen vom Tsomoriii-See
beträgt 29 engl. Meilen ; jene vom Tsomognalari, mit dem
Indus-Flusse dazwischen, etwas über 33 Meilen. Von den
kleineren Seen sind als die zunächst gelegenen der Tso Garn
zu nennen, 9 engl. Meilen gegen Westen entfernt, und
der Tso Gyagar, 18 engl. Meilen gegen S. 54^ W. ; doch
hat schon bei diesen der trennende Kamm breite Basis und
mehr als 3000 Fuss relativer Höhe. Ihre Entfernung von
den beiden andern, gegen Westen und gegen Westnordwesten
liegenden, kleineren Seen beträgt unter ähnlichen Verhält-
nissen für den Tso Kar an 20, für den Mure Tso etwas
mehr als 40 Meilen.
Unter den Gesteinen fanden wir als das dominirende
an den Borax-Quellen und in weitem Umkreise derselben
krystallinischen metamorphischen Schiefer von blangrauer
Farbe. Westlich schon vom Thag La-Kamme zeigten sich
grosse Massen von Diorit, krystallinischem granitartigen
Grünstein. Dasselbe wiederholte sich auf der Püga-Seite,
und dieser massige kömige Grünstein tritt dort noch viel
stärker hervor ; im landschaftlichen Charakter der Gegend ist
er durch Schuttfelder mit sehr grossen Blöcken bemerkbar.
Weder basaltähnlicbe noch vulkanische Gesteine, mit
welchen locale anomale Bodenwärme sonst am häufigsten sich
verbindet, treten zu Tage; man bemerkt auch keine Bo-
dengestaltungen, welche man als Wirkungen von Bewegung
heissflüssiger Gesteinsmasse an der Oberfläche, oder in ge-
ringer Entfernung davon in der Tiefe, von den Formen der
H. V. ScMagintweit : üeher Bor- Verbindungen in Tibet.. 521
krystallinischen und sedimentären Gesteine in den andern
Theilen des Hochgebirges unterscheiden könnte ^^).
Im Schiefer der Abhänge, welche sogleich oberhalb der
Quellen folgen und den oberen Rand des Puga- Beckens
umgeben, tritt auch Schwefel auf, so massig, dass er von
den Eingebornen gebrochen und ausgeführt wird.
An zwei Stellen hatten sich ziemlich grosse natürliche
Aushöhlungen gebildet, mit reichlichem Schwefelansatze an
den Wänden; diese sind jetzt künstlich noch etwas ausge-
schürft.
Sehr verbreitet fand sich das Auftreten von Gyps,
welcher theils für sich lagert, theils als Cement in nagel-
fluhartigen Schichten vorkömmt. Gyps wird in Ladäk von
den Tibetern nirgends benützt, wohl desshalb nicht, weil
der hohe Werth des Brennmaterials die Bearbeitung desselben
zu kostspielig machen würde. So kömmt es, dass er nicht
einmal allgemein bekannt ist ; die Lamas aber wussten meist
davon, und im östlichen Tibet soll er, wie man uns sagte,
in den grösseren der priesterlichen Gebäude architektonisch
angewendet sein^*).
Dass Gyps sich bietet, würde gerade hier das Vorhan-
densein von Kochsalz in der Nähe gleichfalls sehr wahrschein-
lich gemacht haben. Doch ist Kochsalz, massig auftretend,
weder in anstehenden Schichten noch gelöst in Quellen
hier oder in den Umgebungen bis jetzt bemerkbar geworden.
15) Ueber die toscanischen Borsäure-Fumarolen liegt eingebende
geologiscbe üntersachnng von Prof. Scbmidt in Dorpat vor. (AnnaL d.
Cbem. n. Pbarm. 98, 271; 102, 190.) Dort findet sieb, ganz dem Auf-
treten des Diorites entsprecbend, das Vorkommen von Serpentin, welcher
den Kreidekalk der Apenninen dnrebbricbt.
16) In Indien dagegen sahen wir Gyps von den Eingebornen eben-
sowenig angewandt als im westlichen Tibet; dort ist er ausgeschlossen
dnrcb seine geringe Widerstandsfähigkeit gegen grosse Feuchtigkeit
der Luft in heissen Gebieten.
522 Sitzung der math.-phys» Classe vom 6. Juli 1678,
Die Form und der Charakter des Puga-Thales
selbst zeigt sich wie folgt:
a) Das Thal zieht sich vom Thag La-Eamme, der es im
Südwesten muldenförmigabschliesst, nach dem Räldang-Thale
nahe der Haltestelle herab. Der Eamm, der die obere Be-
grenzung des Pdga-Thales bildet, senkt sich an mehreren
Stellen — die, weil die niedersten, auch als Uebergangspunkte
benützt werden — zu 16,800 bis 16,500 Puss ein. Das Gefälle
des Thaies in diesem seinem „oberen Theile^' ist yerhältniss-
mässig nicht steil, aber das Bett des Baches ist dessenun-
geachtet, bei nicht sehr bedeutendem Widerstände des Ge-
steines, schon dort deutlich erodirt. Dieser Strecke entlang
fliesst ausschliesslich Süsswasser ab; Richtung nach N.O.
b) Dann tritt der Bach in das weite längliche „Püga-
Becken^^ ein ; dieses istsehr flach. Hier wird die mittlere Richtung
des Baches mit einer Wendung um 90 Grade eine südöstliche,
parallel dem Industhale aber mit entgegengesetztem Gefälle.
So bleibt es, fast so weit als das Thal seine breite Form
hat; nur im unteren Theile des breiten Beckens folgt wieder
starke Drehung des Abfliessens.
Die Längenausdehnung des ganzen Beckens, ge-
radlinig auf die äussersten oberen und unteren Grenzen be-
zogen, beträgt etwas über 4 engl. Meilen. Die Breiten-
ausdehnung, Yon einer gemessenen Basis aus mit pris-
matischem Gompass bestimmt, fand sich, mit geringer Ver-
änderung an einzelnen Stellen, gleich 1420 bis 1480 engl.
Fuss.
Die Wassermenge des Baches ist im oberen Theile
klein, dem trockenen Gharacter jener Hochregionen ent-
sprechend. Im flachen Becken aber ist die mittlere Breite
20 Fuss, die Tiefe 2 — 3 Fuss, und die resultirende Wasser-
menge ist ungeachtet des langsamen Fliessens eine bedeu-
tend grössere; mehr als ein Drittel des Wasservolumens
ist dabei Zufluss aus den Boraxquellen.
H, V» Schlagintweit: üeher Bor- Verbindungen in Tibet, 523
c) Im „dritten Theile" des Thaies, vom Pügabecken bis
zur Mündung in den Bäldang-Flass hinab, ist die Richtung
des Pugabaches nahezu wieder nordöstlich, parallel mit jener
oberhalb des flachen Beckens, und es ist dabei das Gefälle
ein für Tibet steiles zu nennen, ebenso wie im unteren Theile
des Eäldang-Thales. In Verbindung damit ist in beiden die
Erosionsschlucht, die sich gebildet hat, unerwartet tief und enge.
Formen wie diese, nämlich Unterbrechung des Thal-
laufes durch breite Becken, in der Richtung des Thaies oder
divergirend gestellt, sind in Tibet das gewöhnliche; sehr
auffallend dagegen, auch durch eigen thümliche Gestaltang
der Oberfläche des Bodens, ist das Auftreten des Borax selbst.
Das Thalbecken ist oben eine Strecke weit ohne festes
Salz ; dann folgt, scharf begrenzt, eine Bedeckung mit Borax
welche vom Puga- Bache in gewundener Linie durchzogen
wird; am unteren Ende des flachen Beckens, wo jetzt die
Mauerwerke des Lagerplatzes stehen, ist ein schmaler Theil
der Quere nach wieder frei von dieser Boraxdecke. („Tiza",
eine Verbindung von Bor mit Kalk und Natron, die als
Mineral in Südamerika sich findet, scheint hier nicht vor-
zakommen.)
/<!®ie Oberfläche des Borax ist vorherrschend wellen-
förmig und zeigt dabei geringes aber allgemeines Ansteigen
gegen die Mitte der beiden Flächen links und rechts vom
Bache. An einigen Stellen sieht man grosse isolirte Pro-
minenzen, die kegelförmig gestaltet sind.
Diese Formen sind hervorgebracht durch das Austreten
der salzablagernden, mehr oder weniger starken Thermeii,
wovon die m'eisten ihre Mündung bedeutend verschieben,
wenn die Ablagerung eine gewisse mittlere Mächtigkeit er-
reicht hat ; vereinzelte aber, welche stärkeren Zufluss haben,
bilden die grösseren Kegel. Einige dieser Eegel erreichen
ein EmpQrragen über die umgebende Salzfläche von 15 bis
20 Fuss; dann wird gerade bei den grossen Kegeln ein
526 Sitzung der math^-phys. Classe vom 6, Juli 187B,
Hohe desselben gewählt, und dieser Punkt li^ dabei so,
dass sich die Erhebung auch in ihrer ganzen seitüchen Ann-
dehnung im Vordergründe zeigt; die mittlere Neigung ihrer
Abhänge ist 20 bis 30 Grad.
Die Hauptmasse des Salzes fallt hier, einem grossen
Tieffirne ähnlich, den Thalgrund aus, während die grauen
Berge der Umgebungen, in auffallendem G^ensatze, nii^end
bis zur Schneegrenze sich erheben.
Im langsam fliessenden Wasser des Baches zeigt sich
viel algenartige Y^etationsmasse. Dabei wird es zu einer
anderen Eigenthümlichkeit dieses Bildes, dass längs beider
üferränder des Pügabaches, besonders am linken üferrande
grosse Streifen schwarzer Masse sich anlagern, die wie
feuchter fester Boden aussehen, doch zum grossten Thdle
nur vom Wasser getragen werden. In \hxer Form sind sie
mit dem Ansätze von Eis am üferrande während kalter aber
schneefreier Jahreszeit zu vergleichen; ihr Farbene£Eect, in
Verbindung mit dem hellen Salze, das hier den Boden seitlich
deckt, ist gerade der enl^^engesetzte.
Diese stellenweise sehr breiten Anlagerungen sind ve-
getabilische Masse, aber sie sind, mit Ausnahme vereinzelter
und wenig zahlreicher Stämmchen in denselben, nur Beste
der Wasservegetation. Das geringe Gefalle des Wassers be-
dingt, dass viel davon lange haftet, ehe es, nach genügender
Zersetzung und Zerkleinerung, vom abfliessenden Wasser
entfernt wird.
Das tiefe Blau des Firmamentes, das Yixer Monate lang
ganz wolkenlos und wegen der bedeutenden Hohe des Stand-
punktes sehr dunkel sich zeigt, trägt gleichfalls viel dazu
bei, den eigenthümlichen Eindruck der Landschaft in diesem
Theile Hochasiens zu steigern.
Vereinzelte Pfuhle von Borax-Salzwasser, mehr
oder weniger mit Abfluss, finden sich noch in den beiden
nicht salzbedeckten Theilen des Puga-Beckens; sie kommen
H, V. Schlagintweü : üeher Bor- Verbindungen in Tibet, 527
bis gegen anderthalb Meilen entfernt vor, thalanfwärts und
thalabwärts von der Hauptmasse.
Sowohl in den unmittelbaren Umgebungen der isolirten
Antrittstellen als an vielen anderen Punkten des Puga-
Beckens ist der Boden, wenn auch nicht salzhaltig, in auf-
fallender Weise zerfressen und gelockert ; schwacher poröser
Ealktuff-Boden zeigt sich ebenfalls, ziemlich ausgedehnt.
Die Beschaffenheit der Boraxmasse ist Yorzüg-
lich modificirt durch Beimengungen von Schwefel und von
Borsäure, die in ziemlich grosser Menge auftreten und
an den einzelnen Stellen sehr ungleich vertheilt sind; in
kleinerer Menge finden sich darin Kochsalz, Salmiak, schwe-
felsaure Magnesia, Alaun ^^).
Bei den starken Thermen macht sich mit dem Wasser-
dampfe Austreten von Schwefelwasserstoffgas aus den Mün-
dungen durch intensiven Gerach bemerkbar, auch etwas
Borsäure-Gas steigt mit auf, obwohl in geringer Menge
nur, wie am Niederschlage von fester Borsäure in den näch-
sten Umgebungen zu erkennen ist. Letzterer tritt ein, weil
überhaupt beim Verdampfen wässeriger Lösung von Bor-
säure stets verhältnissmässig viel davon mit dem Wasser-
dampfe flüchtig wird.
Massenhaftes Ausströmen von Borsäure in Gasform,
wie aus den Borsäure-Lagunen Toscanas, kömmt hier an
keiner Stelle vor, und ist mir auch nicht für die andern
Localitäten , aus denen Borax geholt wird, nach Beschrei-
bungen der Bazärleute irgend wahrscheinlich.
18) Auch die Borsäure, wie sie nach der künstlichen Concen-
tration der Lagunen-Flüssigkeit in Toscana sich ansetzt, ist niemals
rein; sie soll sich sogar von Jahr zu Jahr verschlechtem. Ausführliche
Mittheil ungen üher dieselbe im Jähre 1840 brachte das Bepertorium f.
die Pharmacie in der Abhandlung: ,,Ueber die Zusammensetzung der
natürlichen in Toscana gewonnenen Borsaure, von Dr. G. C. Wittstein."
Band LXXII S. 145—162.
Für die reine Borsäure in krystallisirtem Zustande (mit 3 Atomen
Wasser verbunden), ergab sich dabei 76-4947o. 35*
o2S Sitzung der matk-phys, Classe vom 6. Juli 1S78.
Qualitativ ist der Borax am besten, sowohl am reinsten
als am dichtesten angesetzt, in den mittleren Schichten.
Die Oberfläche ist rauh und etwas verwittert, und im Som-
mer wird sie durch Staubniederschlag bei stürmischen Winden
verunreinigt; die Helligkeit derselben wird dessenungeachtet
wenig verändert, da sich, wie bei altem Firne, der grob-
körnig ist, der angewehte Staub meist in die porenähnlichen
Vertiefungen einlegt. Durch Schneeschmelzen und zum Theile
durch isolirte Regen wird die Boraxdecke ebenfalls etwas
rauh; doch ist diess vorzüglich eine mechanische Aus-
waschung. Die Löslichkeit des Borax in Wasser, wenn nicht
durch bedeutende Wärme gesteigert, ist so gering, dass
selbst die starke Insolation in solchen Höhen, die hier ge-
wöhnlich sehr rasch nach den ohnehin nur seltenen und
.schwachen Regen die noch feuchten Flächen afficirt, die
Lösung nur wenig vermehrt.
Von den unteren Lagen auf den Felsen sind einige mit
Steinfragmenten gemischt.
Die Quantität der Boraxmasse, die hier lagert, scheint
sich sehr wenig zu ändern, eher etwas grösser zu werden
als abzunehmen. Letzteres lässt sich daraus schliessen,
dass selbst an den Bruchstellen die früher etwas stärkere Aus-
fuhr, deren Menge übrigens im Verhältnisse zum ganzen Salz-
lager doch keine grosse zu nennen ist, so ziemlich wieder
ersetzt sich zeigt.
Würde nicht die Erosion des Pugabaches dieses Thal-
becken längst schon entleert haben, so wäre auch hier durch
das Auftreten der Quellen die Thalstufe wasserbedeckt, und
es würde noch jetzt, wie dieses für die frühere Periode an-
zunehmen ist, ein Boraxsee hier vorliegen.
Die scharfe Begrenzung der Salzdecke, ihre Unebenheit
und das Ansteigen derselben in ihren mittleren Theilen
auf den beiden Seiten der Wasserlinie spricht nicht dagegen.
Die Gestaltung der Ablagerung von Borax wie sie gegen-
H. V. ScMagintweit: üeber Bor- Verbindungen in Tibet. 529
wärtig fortdauert, nämlich Anhäufung desselben in unmittel-
barer Nähe der Austrittsst eilen der Thermen, kann sehr
wohl schon unter allgemeiner Wasserbedeckung hier be-
gonnen haben, weil damals die Wärme der ungleich grös-
seren Wassermenge des Sees von den Quellen nur wenig
geändert wurde und das Wasser dabei ruhig lag; jetzt ist,
wegen der viel geringeren Wassermenge, die Wärme des
Baches von jener der Thermen viel weniger verschieden und
die Bewegung des Wassers beschränkt überdiess die Mög-
lichkeit fester Incrustation.
Das Fortdauern des Austretens von Quellen kann die
Unebenheit der Oberfläche nur vermehren ^^).
Was gleichfalls Ansetzen des Borax am Boden zur Zeit
als die Thalstufe noch wasserbedeckt war, erkennen lässt,
ist der Umstand, dass an den meisten Stellen das Salz un-
mittelbar am festen Gesteine lagert, während bei Salzdecken,
die nur durch Ablagerung aus Wasser von Bächen und
Quellen bedingt sind, zwischen dem festen Gesteine uud den
Salzen stets noch Schichten von Sand und Schlamm sich
finden.
Die Untersuchung der Temperaturverhält-
nisse ergab für die Zuflüsse des. Boraxlagers die grösste
Wärme, wie zu erwarten, bei jenen Thermen, welche so
kräftig aufsteigen, dass sich grosse Ablagerungskegel bilden.
Das Maximum der Wärme war an solcher Stelle 72*5® C.
gewesen, 1857 am 5. Juni 9^ a. m.
19) Sinken des Wasserspiegels von Salzseen durch Erosion, wenn
aus diesen Salze gewöhnlicher Loslickeit dahei ausgeschieden werden, hat
zur Folge, dass die Ahlagenmgen der Salze vorzüglich an den Bändern
sich zeigen.
Bei Seen, die nicht durch locale Erosion, sondern durch Eintrocknen
wasserleer werden, was aber nur mit der allgemeinen Veränderung der
Feuchtigkeit in grossem Umkreise sich verbinden kann, wird die ent-
sprechende Salzablagerung unter den gewöhnlichen Verhältnissen am
mächtigsten an der tiefsten Stelle der Seemulde.
530 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 6, Juli 1678.
(Die Siedetemperatnr des destillirten Wassers ist bei
15,264' Höhe und bei 17*2 engl. Zoll entsprecbenden Baro-
meterstandes 85^-25 bis 85^-30 C.*«). Für die Lufttemperatur
in Tibet bei dieser Hohe ergibt sich das Jahresmittel =
1-3 a»i)
Die weniger starken Thermen, wenn sie auch als Quellen
austreten und ständig abfliessen, hatten hier meist 54 bis
58® C. gezeigt.
Die Wärme des Puga-Baches erreicht, von der Mitte
des Salzlagers an bis etwas unterhalb desselben noch, im
Sommer 25 bis 30® C. als Mittel seines frei abfliessenden
Wassers, da der Zufluss von den Boraxquellen relatiy sehr
gross ist und da das Wasser hier sehr geringes' Gefälle hat.
Wo Quellen aus dem Schlamme des Baches austreten,
kann ober diesen die Wärme des abfliessenden Wassers noch
bedeutend steigen und , was yiel&ch von Wichtigkeit ist,
bleibt dann auch im Winter stets sehr gross.
Es &idet sich demnach hier in mehr als 15,000 Fuss
Höhe fliessendes Wasser, dessen Wärme jener des Ganges
im indischen Tieflande im Mittel gleich zTu setzen ist.
Solch exceptionelle Verhältnisse machen sich ungeachtet
der isolirten Lage und der geringen Ausdehnung ihres Ge-
bietes in ihrem Einflüsse auf Vegetation und Fauna
sehr deutlich erkennbar. Da jedoch die Wärme der Luft
durch die Berührung derselben mit den Thermen und dem
warmen Bache nur ganz unmerklich und auch durch das
Austreten warmer Dämpfe und Gase, bei stets relativ ge-
ringer Menge derselben, jedenfalls sehr wenig nur sich än-
dern kann, bleiben die anomalen organischen Verhältnisse &st
ausschliesslich auf das Wasser als ihr Medium beschränkt.
20) Unsere directen vergleicbeDden Beobachtungen mit Thermo-
barometem und Barometern sind gegeben „Resnlts", Vol. US. 26— d2.
21) Die Daten im englischen Bande sind „Temperatur von 85 Fahr,
in 15,000 Fuss Höhe ü. M., bei 400 F. Erhebung für P F. Warmeabnahme.*.
Nach tabellarischer Zusammenstellung in ^^Kesults", Vol. lY, S. 548
H. V. SMagintweit: lieber Bor-Verbindungen in Tibet. 531
Die Vegetation bot sich dabei als eine sehr unge-
wöhnliche vor allem durch das schon erwähnte Auftreten
von Wasserpflanzen im Bache sowie in den Quellen. Von
Phanerogamen sind es Potameen, die vorherrschen; unter
den Cryptogamen sind Algen in sehr verschiedenen Formen
vertreten.
Auf der Bodenoberfläche des Beckens, wo sie trocken
aber wenigstens nicht salzbedeckt ist, steht ebenfalls etwas
Vegetation, doch sieht man nur sehr vereinzelte verküm-
merte Gruppen, sowohl im flachen Thalboden als an den
Wänden der umgebenden Felsen. In der Flora des festen
Bodens machen im Ganzen weder die Arten der Pflanzen,
die sich zeigen, noch die Menge, in der sie auftreten, nen-
nenswerthe Verschiedenheit bemerkbar im Vergleiche mit
andern Localitäten Tibets von entsprechender Höhe.
Recht deutlich ist dieser Charakter hoher und öder tibe-
tischer Landschaft in Adolphs Aquarell, für das ganze Puga-
Becken sowie für jene Umgebungen desselben, welche dgrt
von der Thalsohle aus zu übersehen sind.
Vereinzelt dagegen tritt hier, in geringer Entfernung
von diesem Standpuncte, in ungewöhnlicher Weise eine
günstige Modification der Bewachsung des trockenen Bodens
auf, durch ein Vorkommen der Myricaria germanica Desv.
(Tamarix germanica L.)
Diese Tamariscinee, welche in unsern Alpen und in den
Gebirgen Mitteldeutschlands strauchartig bleibt, ist in Tibet
viel allgemeiner und zeigt sich an manchen Standorten stark
holzbildend und in kräftiger baumartiger Entwicklung. Letz-
teres ist hier der Fall — längs der Uferränder — in der
Erosionsschlucht, die vom Püga-Becken nach dem Baldang-
Thale fuhrt. Die Standorte reichen in derselben bis gegen
15,300 F. hinan und die Myricaria hat dessenungeachtet
noch entschiedene „Baumform.^^
Es bilden sich nämlich Stämme von gleicher Dicke
516 Sitzung der math.-phys, Classe vom 6. Jtdi 187S.
gewölmliclien Erscheinungen der Wasser- und Boden- Ver-
hältnisse, auf welche dabei eingegangen werden kann,
dürften bei der Mächtigkeit des Auftretens von Borax zn
Püga Anhaltspunkte zur Beurtheilung der meisten un-
bestimmter gehaltenen Angaben über Einzelheiten an an-
deren Lagerstätten bieten.)
Der Borax im Handelsverkehr kömmt aus dem öst-
lichen Tibet meist über Bhutan und Assam^nach dem Süden ;
zum Theil wird er über Nepal nach Indien gebracht. Die
Stücke, die ich in Eathmändu sah, zeigten eisenhaltigen
Thon, Gyps, auch etwas Schwefel eingeschlossen. Häufig
ist die Masse etwas fettig, weil man vor dem Transporte
Oel oder Fett zusetzt, um sie, wie man mir sagte, gegen zu
starkes Zerfallen zu schützen. (Hygroskopisch aber ist die
Substanz nicht, Zerfliessen also wäre nicht zu befürchten,
so lange sie gegen Begen gesichert ist).
Aus dem westlichen Tibet geht der Weg des Trans-
portes, ohne das nördlich von der Fundstätte gelegene Le
zu berühren, direct gegen Südwesten nach der Hauptver-
kehrslinie zwischen Tibet und Lahöl, und auf dieser nach
dem westlichen Indien.
Aehnlich wie zum Getreidehandel werden dabei im
Hochgebirge von den Tibetern meist Schaafe benützt,
welche, mit 2 seitlich hängenden Säcken, bis gegen 40 Pfiind
schwer beladen werden.
Die Reinigung von erdiger Masse und von fremden
Salzen wird erst in Indien, und zwar nach dem Verkaufe
im Grossen vorgenommen. Es genügt, in heissem Wasser
zu lösen, die festen Theile, die sich zu Boden senken, durch
Umgiessen der Flüssigkeit von dieser zu trennen und deren
Erkaltung eintreten zu lassen, wobei sich bedeutende Menge
des reinen Borax aus der Mutterlauge krystallinisch ausscheidet.
Seine allgemeinste Anwendung findet Borax bekanntlich
als Schmelzmittel, in Indien gleichfalls; er verändert zwar
Ä v. Schlagintweit : lieber Bor- Verbindungen in Tibet 517
nicht unmittelbar die Schmelzbarkeit der Metalle, aber er
begünstigt die Behandlung derselben dadurch, dass er die
störende Einwirkung von Oxydkrusten entfernt, indem er
mit diesen eine leichtflüssige glasartige Verbindung bildet.
In Indien wird noch der Borax in wässeriger Lösung
benützt, um jene Incrustationen auf Zweigen zu erweichen,
welche Gummilack und die rothe „Lskh-" (oder Lack-) Farbe
liefern; es sind diess zellenartig angesetzte Secretionen der
Schildlaus-Species Coccus lacca, welche auf sehr verschiedenen
tropischen Bäumen vorkommen.
Früher wurde ungeachtet der grossen Entfernung Borax
fast ausschliesslich aus Tibet über Indien in Europa einge-
führt In Indien selbst ist ein Vorkommen desselben nicht
bekannt; auch in Europa kömmt Borax in Natur nirgends
vor, aber seit der Production fester gereinigter Borsäure*)
aus heissen Gasströmen im Toskanischen, die am Fundorte
selbst sogleich zur Bereitung von Borax benützt wird, hat
die Einfuhr via Indien aufgehört^).
8) Die Borsäure wird speciell zu Porcellan- und Glasbereitnng (in
Europa) gebraucht. Eine eigenthümliche Verwendung im Kleinen hat sich
für Borsäure bei uns zur Präparation des Dochtes von Stearinkerzen er-
geben. Wird solcher Docht in Lösung von Borsäure getaucht, und zwar
in sehr verdünnte nur, so bildet die Borsäure mit der Asche des Dochtes
beim Verbrennen leicht flüssiges Salz, dessen Volumen so gering ist
und dessen Entstehung so vollkommenes Verbrennen des Kohlenstoffes
möglich macht, dass bekanntlich bei solchen Kerzen kein Abschneiden
restirenden Dochtes nöthig ist.
d) Ueber Bor und das Vorkommen von Borverbindungen im All-
gemeinen sowie über die chemischen Verhältnisse desselben sind unter
den neuen grösseren Werken besonders anzuführen:
„Muspratt^s Theor., pract. und analytische Chemie; frei be-
arbeitet von Bruno Kerl und F. Stohmann'*, sowie „Liebig's
Neues Handwörterbuch der Chemie, bearbeitet und redijgirt von Dr. Her-
mann von Fehling.'* Das Muspratt'sche Handbuch enthält in seiner
neuen Auflage den Artikel »Bor* in Bd. I, von 1874, S. 1477—1510;
das Liebig'sche Wörterbuch in Bd. ü, von 1875, Artikel ,Bor" S. 141—
146, und „borsaure Salze* S. 161—168. -.
518 Sitzung der math.-jßys, Classe vom 6, Juli 1878,
Die gewöhnliche Benennung des Borax in Hindo-
stani ist SohägS (sanskrit); aoch Tinkar und Tän^kar
(persisch^^), sowie Börak (arabisch), unser „Tinkal" und
„Borax'', hört man in Indien; „Tinkal", obwohl jetzt
wenig gebraucht, war früher in Verbindung mit der Einfuhr
aus Indien das allgemeinere Wort, im Deutschen und Eng-
lischen sowie in den romanischen Sprachen ; bisweilen wurde
es zum Unterschiede von „Borax" vorzüglich auf die noch
nicht gereinigte Masse beschränkt.
In Tibet ^*) wird für Borax Thsa-le gebraucht, in den
Eathmändu-Bazärs wurde er mir Ghaläraya benannt. Im
chinesischen Handel heisst Borax Pong-cha.
n.
Die Borax-Bodendecke und die Thermen von
Püga.
In ßupchu findet sich der Borax als fester Körper, in
mächtiger Ausscheidung aus zahlreichen Thermen, zu Dera
Püga, bei 33^ 12' nördlicher Breite, 78<> 25' östlicher Länge
von Greenwich; 15,310 F. ist die mittlereHöhe der Quellen ^^).
Schon diese Lage würde permanentes Bewohntsein mit
10) In Fersien soll gleichfalls Borax gesammelt werden; Einfahr
nach Indien fand zur Zeit nicht statt , auch nicht in den Hafen von
Bomhay, wo in so vielen anderen Gegenständen der Verkehr mit Persien
sehr lehhaft ist. (Boraxgmhen in Südamerika giht es zu Vingointa).
11) Wie mein Bmder Emil, nach den hetreffenden in tihetischeii
Lettern geschriehenen Wörtern als Fachmann mir noch angah» ist laut-
lich thsa = Salz, aher in thsa-le fehlt das diakritische Zeichen, welches
für Salz dem thsa zur Unterscheidung vom gleich geschriehenen Worte
für heiss beigeschriehen wird; die Anwendung solcher Zeichen ist im
Tibetischen selten.
12) Die Höhe des Lagerungsplatzes unterhalb der Thermen ist,
nach Cunningham, 15,264 Fuss. „Besults**, Vol. II, S. 442.
H, V, Schlagintweit: Ueher Bor- Verbindungen in Tibet, 519
aller Vorsicht nahezu unmöglich machen*'); auch als Som-
meraufenthalt von Hirten werden, wegen des rauhen und
trockenen Klimas, weder dieser Punkt noch die unmittel-
baren Umgebungen desselben gewählt. Dessungeachtet wurde
A Püga^*) früher jedes Jahr im Sommer einige Monate von
Garawanen bezogen, und es sind dorti wie bei einem Som-
merdorfe rohe Gebäude zum Schutze während solchen Auf-
enthaltes, allerdings nur Wälle und Mauern ohne Bedach-
ung, aufgerichtet.
Seit die Ausfuhr des Borax von Indien nach Europa,
wenigstens in irgend nennenswerther Menge, aufgehört hat,
hat auch der Besuch von APüga sich rasch vermindert;
es fanden sich dort zur Zeit unserer Bereisung selbst die
ganz einfachen Steinconstructionen schlecht unterhalten und
meist zerfallen.
Das Puga-Thal, in dem die Quellen zu Tage treten, ist
ein Seitenthal des Baldang-Flusses, in den es links etwas
ober A Bäldang mündet.
Obwohl diese Quellen nach vielen Richtungen hin von
Salzseen umgeben sind, zeigen sie sich in ihrem Auftreten
dessenungeachtet ganz isolirt davon. Gegen etwaige unter-
irdische Verbindung des Boraxlagers mit jenen Seen spricht
13) Nur von Dera TIi5k Jalnng lin den Goldfeldern von Centrai-
Tfbet, das überdiess noch bedeutend hoher liegt, bei 16,330 Fujss, ist
bis jetzt bekannt geworden, dass es einigemale in |den letzten Jahren
auch während des Winters bezogen blieb. (Unter den jetzt ^ ständig be-
wohnten Orten* hatten sich uns als die höchsten für Tfbet und damit
für die Erde im Allgemeinen isolirte buddhistische Klöster gezeigt;
als Maximum solch hoher Lage ergab sich jene des Lama-Sitzes Hanle
in Ladak, mit 15,117 Fuss. „Results", Vol. II S. 477).
14) »A* ist hier, ebenso wie auf unseren Karten, als Signatur
für „Dera" gewählt, mit der Bedeutung einer als Haltestelle und La-
gerplatz benützten Localität, ohne Verbindung mit regelmassiger Boden-
cultur oder mit Viehzucht in grösserer Ausdehnung, wie bei dem eigent-
lichen .Sommerdorfe."
532 Sitzuwj der mathrphys. Classe vom 6, Jtdi 1878,
wie bei gut entwickelten Zwerg-Obstbäumen und es beginnt
in ähnlicher Weise seitliche Verästlung dieser Myricaria-
Stämme ebenfalls schon 1 bis IV« Fuss über dem Boden;
ihre Höhe aber ist geringer als die der obsttragenden Zwerg-
bäume bei gleicher Stammesdicke.
Bedingung des Auftretens der Myricaria in der Schlucht
ist nebst Schutz gegen Wind, die Erhöhung der Lufttem-
peratur durch den warmen Bach dem eingeengten Laufe
entlang und, wahrscheinlich gleichfalls in nicht ganz unbe-
deutendem Antheile, die Ausdehnung anomal erhöhter Bo-
denwärme").
Im Becken übrigens finden sich Myricaria-Stämme yon
solcher Form nicht; dort ist der Schutz gegen Wind un-
genügend. Doch für diese Pflanze als niederer Strauch
kommen hier, wie überhaupt in Tibet als obere Extreme der
Strauchgrenze, Standorte bis 17,000 Fuss Höhe vor.
Von Thieren zeigten sich im warmen Wasser des
Puga- Baches innerhalb des Beckens eine kleine Apus-
Krabbe^') und in auffallender Anzahl, ungeachtet des un-
gewöhnlichen aber noch immer relativ geringen Salzge-
haltes, Fische ähnlich jenen in den etwas tiefer liegenden
Gebirgsbächen der Umgebungen**). Der günstigen Temperatur
22) Für die Pflanzengrenzen ist bei solcher YertheUang unmittelbar
yon grossem Einflasse, „dass im Organismus der Pflanzen nur Circulation
von Flüssigkeit, nirgend von Luft in gasförmigem Zustande wie für das
thieriscbe Leben das Bedingende ist.'* Bereits von mir erwähnt in: Kli-
matischer Charakter der pflanzengeographischen Regionen Hochasiens.
Ak. Abb. IL Cl. XIL Band, München 1876; S. 220.
23) Diese Crustacee dürfte wohl dieselbe sein, welche ich am Tso-
moriri-See in Küpcbu, bei gegenwärtiger- üf erhöhe von 15,130' sowohl le-
bend in dem im Eintrocknen begriffenen Wasser des Salzsees als auch,
gut erkennbar noch, an den üferabhängen bis hinan zum früheren Bande
des Sees gefunden habe. „Reisen'*, Band ni, S. 217.
24) Die systematische Untersuchung des zoologischen Materials
unserer Sammlungen wird in den „Results" als 2. Theil des Vol. VlII,
zugleich mit den nöthigen Abbildungen der neuen Formen gegeben werden.
H, v. Schlagintweit: lieber Bor-Verbindungen in Tibet. 533
wegen scheint sich dabei vor Allem ihre Zahl zu vermehren,
durch seitliches Herbeikommen, vielleicht auch durch locale
Fortpflanzung daselbst; in ihren Species und in ihrer Grösse,
die kaum mehr als Handlänge bei den kräftigsten Exem-
plaren erreicht hatte, scheinen sie sich nicht von den Fischen
im kalten Wasser in ähnlicher Höhe zu unterscheiden.
Dass unter so günstigen thermischen Bedingungen der
geringe Luftdruck, obwohl nur */io, genauer 0'575 des Luft-
druckes im Meeresniveau betragend (das Verhältniss ist gleich
17-20: 29-92 engl. Zoll), den Aufenthalt von Fischen nicht
nothwendig ausschliesse, Hess sich schon daraus folgern, dass
wir auch in kalten kkinen Flüssen in Tibet innerhalb der
ganzen Breiteunterschiede vom Himälaya bis zum Kara-
korum in Höhen bis 15,100' wiederholt das Vorkommen von
Fischen, wenigstens im Sommer demnach, beobachtet hatten.
Nain Singh (1. c.) sah Fische auch im Tengri-See (c. 15,500')-
In den Alpen gibt es Fische im Sommer vereinzelt in
Höhen über 7000 engl. Fuss noch, was den Temperatur-
verhältnissen gegenüber sogar noch etwas grössere Wider-
standsfähigkeit bedingen könnte als in Tibet bei 15,100' —
wo z. B. für das Jahresmittel der Lufttemperatur 1-5^ C.
sich ergibt, und wo überdiess die Wirkung der Insolation
eine viel günstigere ist als in den Alpen. In den Central-
alpen liegt die Jahresisotherme der Luft von 1*5^ C. bei
6070 engl. F. Höhe, jene von 0« C. bei 6820 F.")
Bedeutend ist dessenungeachtet der Unterschied der
Temperaturverhältnisse keines falls zu nennen, und es genügt,
dass das Verweilen von Fischen an den obersten Aufenthalts-
plätzen in den Alpen auf etwas kürzere Zeit sich beschränke,
um zu bedingen, dass die temporären Wärmeminima des
Wassers sowie der Luft im Schatten nahezu die gleichen sind
23) umgerechnet nach den Daten in par. F. der Tabelle der Höhen-
isotiiermen in unseren ,,üntersuch. d. Alpen*^ Bd, I, S. 345.
536 Sitzung der mcUh.-j^s. Glosse vom 6. Juli 1878.
Als sehr bedeutend aber ist der directe Einfinss der
Verschiedenheit, so wie sie in den Gebirgen zur Wirkung
kommt, nirgend anzunehmen, selbst in jenen Lagen noch
nicht, die in Hochgebirgen als die obere Begrenzung des
Aufenthaltes von Fischen sich bieten. In zunehmender Er-
hebung steigert sich zugleich, im Allgemeinen, durch die
Temperaturabnahme die Fähigkeit des Wassers, die durch
mechanische Bedingungen absorbirte Luft zurück zu halten.
Als ich Gelegenheit hatte, meine Ansicht über den
Zustand der im Wasser absorbirten Luft „als flüssig und als
nahezu unabhängig vom Barometerstande in den yerscbie-
denen Höhen", jüngst mit Herrn Professor Ludwig Seidel
zu besprechen, theilte er mir mit, dass er mit Prof. Stein-
heil zusammen vor längerer Zeit experimentelle Resultate
erhalten hatte, welche ebenso wie dieses Vorkommen der Fische
für Flüssigsein der absorbirten Luft sprechen. Veranlasst
waren die Beobachtungen durch die von Schumacher ange-
regten Fragen in Betreff der Genauigkeit bei Bestimmung
specifischen Gewichtes in Wasser, auch mit Berücksichtigung
des ümstandes, dass destillirtes Wasser, welches Luft ab-
sorbirt enthält, weniger schwer sein werde als Wasser ohne
Luftabsorption.
Bei ihrer experimentellen Untersuchung vor etwa 30
Jahren hatte sich ergeben — als möglichst sorgfaltig das
specifische Gewicht des gleichen Korpers, eines Bergkrystalles,
in destillirtem Wasser ohne Luftabsorption bestimmt wurde
und in solchem, in welchem Luftabsorption hervorgebracht
war — dass allerdings das letztere ein etwas geringeres spe-
cifisches Gewicht hatte, aber doch ein so wenig nur ver-
ändertes, dass für das absorbirte Gas eine von Wasser nur
sehr geringe Verschiedenheit der Schwere eingetreten war,
also eine Condensation auf nahezu 700 mal grossere Diditig-
keit als jene, welche Luft in Gasform bei gleichem Luftdruck
und bei gleicher Wärme hatte.
M. V, Schlagi/ntweit: Ueher Bor-Verbrndungen in Tibet, 537
Pablication dieser mit Gasen durchgeführten, übrigens
wenig zahlreichen Experimente war damals nicht erfolgt;
doch ist es mir speciell gestattet, dessenungeachtet deren
hier erwähnen zu können.
Früherer Besuch. Ueber das Pugathal und das
Vorkommen des Borax in demselben hatte auch kurzer Be-
richt aus dem Jahre 1847 vorgelegen. Der Besuch des Pü-
gathales war damals am 21., 22. und 23. September von
2 Mitgliedern der officiellen Coramission ausgeführt worden,
welche zur Grenzregulirung nach Ladäk entsandt war. Die
Beauftragten sind Major Alexander Cunningham, Militärarzt
Dr. Thomas Thomson und Capitän Henry Strachey gewesen.
Der gemeinschaftliche Aufbruch von Simla erfolgte am
2. August; doch wählten sie bald darauf, in eifriger For-
schung, soviel als möglich unter sich unabhängige Routen.
Capitän Strachey hatte zuerst sich getrennt, am 11. Sep-
tember im Pärang-Thale; von den andern beiden liegen spe-
cielle Angaben über die Boraxquellen von Püga vor.
Thomson geht in seinem Reiseberichte 2®) auf die lo-
calen Verhältnisse des Püga-Thales näher ein als Cunning-
ham und hat auch hier, wohlbekannt als verdienstvoller
Förderer der indischen Botanik, auf die Vegetationserschein-
ungen, die sich boten, besondere Rücksicht genommen. Von
ihm ist zuerst auf das oben erwähnte Auftreten der Myri-
caria aufmerksam gemacht worden; auch hebt er bereits
hervor, „dass dichte Gruppen von Wasserpflanzen in der
ruhigen Flussstrecke des Puga-Beckens sich zeigen, welche
vorzüglich Species von Zannichellia und Potamogeton sind;
in den heissesten Quellen fand er 3 Species von Conferva."
28) Western Himalaja und Tibet; a narrativeofa journey through
the mountains of northern India dnring the years 18i7 — 8. London 1852 :
,,Pugha ravine-sulphur raine" p. 163—169.
538 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 6, Jtdi 1878,
Als Maximum von Quellenwärme, beobachtet am 21. Sep-
tember 1847, erhielt er 78' 9® C; also eine über 6 Grad
höhere Temperatur noch, als das Wärmemaximum, das wir
in jenen Lagen (1857) auffinden |connten, obwohl Thomsons
BeobachtuDg, die uns bekannt war, um so mehr unsere
Aufmerksamkeit auf die etwa der Wärme besonders J2fün-
stigen Bodengestaltungen lenkte. Doch ist es nicht nnwahr-
scheinlich, dass an der gleichen Ausfluss-Stelle in verschie-
denen Jahren die Temperatur nicht die gleiche bleibe,
ebenso wie die Menge des austretenden Wassers und jene
der aufgelösten Salze nicht selten deutlich sich veränderlich
zeigen, wenn das Wasser sehr stark salzhaltig ist.
Als Temperatur des Püga- Baches hatte Thomson am
21. September, ungeachtet kühler herbstlicher Witterung in
solcher Höhe, 20^«® C. erhalten.
Das Vorkommen von Kochsalz nebst andern Salzen
im Borax lässt Thomson nicht unerwähnt, bezeichnet aber
das Auftreten desselben gleichfalls als ein sehr geringes und
ganz untergeordnetes.
Gunningham in seinem eigenen Werke über Ladak**)
sagt über die Püga-Quellen sehr wenig und differirt unter
Anderm auch in den Temperaturangaben ungeachtet gleich-
zeitigen Aufenthaltes sehr bedeatend von Thomson.
Als Maximum der Wärme der beissen Quellen führt
er an 64-4^ C. (148® F.)
Das Auftreten der Quellen nennt Gunningham, ohne
die Gesteine näher zu erläutern, „vulcanischen Effect, der
im Aussterben ist", bezeichnet die Salze in etwas unbe-
stimmter Weise „als halb Kochsalz, halb Borax", und lässt
überdiess das Vorbandensein der grossen zusammenhängenden
Salzdecke in Verbindung mit den Boraxquellen von Püga
ganz unerwähnt. *
29) Ladäk, physical, Statistical nnd historical. London 1854: »Paga
Springs" p. 144./145.
Sitzung vom 2. November 1878.
Herr Vogel trägt vor:
„Ueber Wasserverdunstung von verschiedenen
Vegetations decken."
Vor einigen Jahren habe ich die Ehre gehabt, der
Classe eine grössere Versuchsreihe über Wasserverdunstung
auf besätem und unbesätem Boden vorzulegen*). Bei den
im kleineren Maasstabe ausgeführten Versuchen jener Arbeit
war die direkte Wägung, bei den im Freien auf verschiedenen
Vegetationsdecken ausgeföhrten das System der Hygrometrie
und Atmidometrie zur Anwendung gekommen.
Das Klinkerfuss'sche Patenthygrometer, welches seit
einiger Zeit vielfach Eingang gefunden , veranlasste mich
die früheren Versuche in weiterer Ausdehnung und abge-
ändert wieder aufzunehmen. Das Instrument zeichnet sich
durch Bequemlichkeit der Manipulation vortheilhaft aus vor
dem August'schen Psychrometer. Durch zahlreiche mannich-
fach abgeänderte Versuche habe ich mich von der Empfind-
lichkeit desselben bei gehöriger Behandlung zu überzeugen
Gelegenheit gehabt. Das Instrument ergibt sowohl relative
Feuchtigkeit als Thaupunktstemperatur ohne Rechnung und
Tabellen. Wiederholte Versuche, theils von mir selbst, theils
auf meine Veranlassung von Anderen ausgeführt, zeigten
1) Versuche über die WasserverdnnstQDg auf besätem und nnbesätem
Boden. Abb. d. k. b. Ak. d. W. II. Cl. X. Bd. II. Abth. S. 331.
540 Sitzung der math.-phys. Classe vom ^. November IST'S.
die Differenzen des vom Zeiger angegebenen Procentsatzes der
relativen Feuchtigkeit unter verschiedenen Umständen als
sehr bedeutend. Ich Wtähle aus der grossen Menge mir vor-
liegender Beispiele nur einige aus, um diess anschaulich zu
machen.
Relative
Feuchtigkeit.
•
Lüft-
temperatur.
Thaupunkt.
I.
26. Februar.
Am offenen Fenster.
7 h. 30». Morgens
9^- Morgens
12 h- Mittags
2^- Nachmittags
65
72
55
60
+ 5
+ 3
+ 10
+ 10
0
- 0,5
+ 2,5
+ 3,3
II.
•
28. Februar.
Ungeheizter Raum.
7^* Morgens
65
+ 12
+ 6,5
Am offenen Fenster.
7 h. 30m. Morgens
gh. 30 m. Abends
75
65
+ 7
+ 8
+ 3,5
+ 2,8
IIL
29. Februar.
)
Ungeheizter Raum.
7 h. 30 m. Morgens
60
+ 12
+ 5,5
Am offenen Fenster.
8*»- Morgens
85
+ 6
+ 4
Die Grösse der Differenzen wird aus dem Ueberblick
des Schema's ersichtlich. Beobachtung I zeigt während eines
Zeitraumes von 6^2 Stunden bei ziemlich gleichmässigem
Wetter Schwankungen des Zeigers von 55 bis 72 im re-
lativen Feuchtigkeitsgrade.
Vogel: lieber Wasserverdunstung etc. 541
Am bedentendsten sind die Veränderungen, wenn das
Instrument aus dem geschlossenen Räume an das offene
Fenster gebracht wird. JBeobachtung II ergab einen Unter-
schied von 10 nach Verlauf einer halben Stunde. Beobach-
tung III sogar einen Unterschied von 25 in derselben Zeit.
Da es sich bei den Versuchen über den Einfluss ver-
schiedener Vegetationsdecken auf den Feuchtigkeitsgrad der
Atmosphäre sehr oft darum handelt, geringe Differenzen
wahrnehmen zu können, so ergibt sich aus den mitgetheilten
Zahlen bei dem grossen Ausschlage, welchen das Instrument
liefert, dessen Anwendbarkeit für den gesetzten Zweck.
Vor der Beschreibung meiner mit dem Patenthygro-
meter ausgeführten Versuche auf besätem und unbesätem
Boden mögen hier zunächst noch einige andere Beobach-
tungen in Hinsicht auf Bestimmung des Wassergehaltes der
i;iuft erwähnt werden.
Schon vor Jahren habe ich vergleichende Versuche
angestellt über die Fähigkeit der Schwefelsäure und des
Chlorcalciums, den Wassergehalt der Lnft zu absorbiren').
Zu diesem Zwecke wurde atmosphärische Luft im
feuchten Zustande durch Röhren geleitet, welche theils
Chlorcalcium, theils mit concentrirter Schwefelsäure getränkten
Asbest enthielten oder auch durch Liebig'sche mit Schwefel-
säure gefüllte Eugelapparate. Die Luft strömte wechselweise
zuerst über Chlorcalcium und dann über Schwefelsäure oder
umgekehrt. Die hiebei auftretenden Gewichtsveränderungen
bildeten den Gegenstand besonderer Untersuchung.
Bei diesen Versuchen waren folgende Gesichtspunkte
zu Grunde gelegt worden.
Wenn man feuchte atmosphärische Luft über eine der
beiden Substanzen leitet, so wird diejenige ihrem Zwecke
1) üeber den Einflass der Vegetation auf die Atmosphäre. Abh.
d. k. b. Ak. d. Wiss. II. Cl. VI. Bd. II. Abth. S. 267.
[1878. 4. Math.-phy8. Cl.] 36
542 Sitzimg der math.-phys. (Hasse vom ^, November 18T8,
am besten entsprechen, welche alles Wasser aus derselben
aufnimmt, ohne selbst an die Luft, welche durchströmt,
etwis abzugeben. Sind beide Bedingungen oder eine derselben
unvollkommen erfüllt, so kann ersterer Fehler bei dem Ghlor-
calcium sowohl als bei der Schwefelsäure, letzterer aber bei
der Schwefelsäure allein stattfinden.
Strömt feuchte Luft zuerst über Chlorcalcium und dann
über Schwefelsäure, so ninmit ersteres entweder alles Wasser
auf oder nicht. Ist die Schwefelsäure vollständiger trocknend,
ohne sich zugleich in bemerkbarer Menge vermöge der
eigenen Tension zu verflüchtigen, so wird sie nicht an Ge-
wicht zunehmen, wenn das Chlorcalcium die Gesammtquan-
tität des Wassers aufgenommen hat ; eine Gewichtszunahme
der Schwefelsäure wird aber eintreten, wenn das Chlorcal-
cium noch Spuren von Wasser unabsorbirt hindurchlässt.
Ist die Tension der Schwefelsäure grösser als dieser Zuwachs
von Feuchtigkeit, so wird sie an Gewicht abnehmen. Eine
gleiche Schlussfolge findet offenbar auch statt, wenn die
Luft zuerst über Schwefelsäure und dann erst über Chlor-
calcium streicht, nur mit dem Unterschiede, dass letzteres
an Gewicht nicht abnehmen kann, weil dasselbe selbstver-
ständlich keine Tension besitzt. Zahlreiche in dieser Rich-
tung angestellten Versuche haben gezeigt, dass wenn nach
einem 27" langen Chlorcalciumrohre ein mit concentrirter
Schwefelsäure gefüllter Kugelapparat eingeschaltet worden
war, nach dem Durchleiten einer grösseren Menge feuchter
Luft die Schwefelsäure an Gewicht zugenommen, während
umgekehrt ein Chlorcalciumrohr, welches auf ein Schwefel-
säureasbestrohr folgte, durchaus keine Gewichtszunahme be-
merken liess.
Diese Versuche sind nach ihrer Veröffentlichung in der
Folge von verschiedenen Seiten wiederholt und deren Re-
sultate vollkommen bestätigt werden. Man kann daher,
wenn es sich um das Trocknen eines Luftstromes handelt,
Vogel: lieber Wasserverdunstimg etc, 543
über die Wahl der dabei zn wählenden Methode nicht
zweifelhaft sein. Die Schwefelsäure ist entschieden dem
Chlorcalcium als Trocknungsmaterial vorzuziehen, obschon,
wie ich früher gezeigt habe ^), dieselbe wegen ihrer Tension
bei den genauesten Versuchen, wie z. B. bei Ätomgewichts-
bestimmungen, allerdings eine unbedeutende Fehlerquelle in
sich schliesst.
Der Vorzug der concentrirten Schwefelsäure vor dem
geschmolzenen Chlorcalcium als Trocknungsmaterial kann
durch den Patenthygrometer in einfacher Weise anschaulich
gemacht werden. Ich habe für diesen Zweck zwei gleich-
grosse Glascylinder — sogenannte Pulvergläser — jeder zu
8 Liter Inhalt , benützt. Auf dem Boden des einen Glas-
cylinders befand sich eine Schicht grobgestossenen Chlor-
calcium*s, auf dem Boden des anderen Cylinders eine Schicht
gleicher Höhe mit concentrirter Schwefelsäure getränkter
Bimssteinstücke. Auf den Boden der beiden Gefasse wurden
vermittelst gläserner Dreifusse die Hygrometer aufgestellt
und hierauf die Cy linder hermetisch geschlossen. Die in den
beiden Cylindern eintretende Wirkung auf die Hygrometer
ist so bedeutend "und tritt so rasch ein, dass der Versuch
zur Vornahme in Vorlesungen geeignet erscheint, um den
verschiedenen Grad der Trocknungsfähigkeit des Chlorcal-
cium's und der Schwefelsäure anschaulich zu machen.
In der mit Schwefelsäure getrockneten Luft betrug die
nach 14 Minuten beobachtete Differenz des Wassergehaltes
von dem ursprünglichen Peuchtigkeitsgrade 50, in einem
zweiten Versuche nach 8 Minuten 40,5.
Der Hygrometer, welcher sich in der mit Chlorcalcium
getrockneten Luft befand, zeigte in dem ersten Versuche
nach 14 Minuten eine Feuchtigkeitsdifferenz von 26, in dem
zweiten Versuche nach 8 Minuten eine Feuchtigkeitsdifferenz
von 23, 5>
1) Journal f&r pi^ktische Chemie Bd. 27, S. 368.
36*
544 Sitzung der math.-phys. Classe vom 2. November 1878.
Wie man erkennt, sind diess unterschiede der Wirkung
von Ghlorcalcinm und Schwefelsaure auf den Trockenheits-
grad sehr wesentlich. In Vergleichszahlen ausgedrückt ergibt
sich das Verhältniss der Trocknungsfahigkeit der Schwefel-
säure zum Ghlorcalcinm wie 100 : 52. Selbstverständlich
zeigten die Thermometer der Instrumente in den beiden
Gylindem genau übereinstimmende Temperatur. Als nahe-
liegendes Resultat ergibt sich aus diesen Beobachtungen,
dass durch Schwefelsaure eine gegebene Menge Luft in der
Hälfte der Zeit auf denselben Grad der Trockenheit gebracht
werden könne, wie solches durch Ghlorcalcinm möglich ist.
Wechselt man die Hygrometer, indem man das einige
Minuten über Schwefelsäure gestandene Exemplar in den
mit Ghlorcalcinm versehenen Glascylinder bringt, so wird
alsbald eine retrograde Bewegung des Zeigers wahrgenommen,
während das Instrument, wenn es aus dem mit Ghlorcal-
cinm getrockneten Gylinder in den mit Schwefelsäure ge-
trockneten gebracht wird, sofort ein beschleunigtes, aber
mit der ursprünglichen Bewegung übereinstimmendes Fort-
schreiten zeigt.
Zu den im Freien ausgeführten Verbuchen mit dem
Patenthygrometer auf verschiedenen Vegetationsdecken, sowie
auf vegetationslosen Flächen war ich bemüht, so weit diess
nach einem Zeiträume von beinahe 10 Jahren möglich er-
schien, dieselben Versuchsfläch&i einzuhalten, welche als
Objekte für meine frühere Arbeit (a. a. 0.) gedient hatten.
Die Beobachtungen (mit dem Patenthygrometer) um-
fassen folgende vier ungefähr V^ Stunde von einander ent-
fernt liegende Versuchsfelder :
1) Ein Haferfeld (cultivirtes Wiesenmoor).
2) Eine Wiese (entwässertes Wiesenmoor).
3) Ein brachliegender Acker, welcher im vorhergehenden
Jahre Hafer getragen und umgeackert worden (cultivirtes
Wiesenmoor).
Vogel: üeber Wasser Verdunstung etc, 545
4) Ein Torfwiesenmoor mitTypha bewachsen, sumpfig.
5) Ein Kleefeld.
Es folgen nun die Zahlen, wie sie sich direkt ergeben
haben.
Grm. Wasser
in 1 Gab. Meter
I. 6,26
IL 7,47
III. 5,38
IV. 7,92
V. 7,21
Meine früheren Versuche, obgleich den hier beschrie-
benen nicht in allen Theilen vollkommen vergleichbar,
finden hiedurch wesentliche Bestätigung und zwar in fol-
genden Punkten:
1) Die Wasserverdunstung auf besätem Boden ist be-
deutend gröser, als auf unbesätem Boden.
2) Die Natur der Pfianzenspecies ist auf die Menge des
verdampften Wassers von wesentlichem Einflasse.
Herr v. Jolly legt vor und bespricht nachstehende
Abhandlung :
„Nachweis der elektromagnetischen Dreh-
ung der Polarisationsebene des Lichtes
im Schwefelkohlenstoffdampf" von A. Eundt
und W. C. Röntgen."
Faraday gelang es bekanntlich nicht die elektromag-
netische Drehung der Polarisationsebene des Lichtes in Gasen
nachzuweisen. Auch später ist eine solche nicht beobachtet
worden.
Bei dem Interesse, welches die Frage bietet, ob den
Gasen diese Eigenschaft überhaupt nicht zukommt, ent-
schlossen wir uns die Versuche nochmals mit möglichst
starken Strömen und unter im üebrigen möglichst günstigen
Bedingungen zu wiederholen. Es ist uns nunmehr auch ge-
lungen, die gesuchte Erscheinung wenigstens für den Schwefel-
kohlenstoffdampf zu constatiren. —
Wir wählten für die Versuche diese Substanz, weil
dieselbe einerseits im flüssigen Zustand eine kräftige elektro-
magnetische Drehung zeigt, andererseits ihr Dampf schon
bei verhältnissmässig niederen Temperaturen eine beträcht-
liche Spannkraft besitzt.
Der zum Einschliessen und Erhitzen des Schwefelkohlen-
stoffs benutzte Apparat' ist in nebenstehender Figur in V^o
seiner wahren Grösse gezeichnet. Ein Eisenrohr aa ist an
seinen Enden mit 2 starken, conisch ausgedrehten Messing-
ansätzen bb versehen ; in diese können 2, gleichfalls conische
Kundt u. Röntgen: JEJlektr.-magn. Ih'ehung d/ Polarisationsehene. 547
Messingstücke c c eingesetzt und dureh je 6 starke Sehrauben
fest eingepresst werden. Die Einsatzstücke sind in der
Längsrichtung des Rohres durchbohrt (Durchmesser der
Löcher 1 cm.) und auf die dem innern Theil des Rohres
^zugewendeten Seite sind zwei, 1cm dicke Glasplatten dd
gekittet, die ausserdem noch durch starke Schrauben gehalten
werden. An die Einsatzstücke c sind je 2 Blechröhren e e
geschraubt und das Ganze ist von dem Blechrohr ff um-
geben in dessen Mitte es durch die beiden Korke gg ge-
halten wird. Die Blechröhren e ragen um einige Centimeter
aus den Korken heraus. Durch ein Zuleitungsrohr h in einem
der Korke kann Wasserdampf in den Zwischenraum zwischen
dem Eisenrohr und dem umgebenden Blechrohr eingeleitet
werden; der Dampf kann durch ein Rohr i im andern Kork
wieder austreten. Das Eisenrohr konnte somit durch herum-
geleiteten Wasserdampf in seiner ganzen Länge auf 100®
erhitzt werden. Das äussere Blechrohr war umgeben mit
6 grossen Drahtrollen. —
Der Draht hat eine Dicke von 3 mm; auf jeder Rolle
befinden sich circa 400 Windungen, durch die der Strom
von 64 grossen Bunsen'schen Elementen gesandt werden
konnte.
Für den Versuch wurde in das Eisenrohr etwas Schwefel-
kohlenstofif gegossen und die Luft durch den sich schon
bei gewöhnlicher Temperatur bildenden Schwefelkohlenstoflf-
dampf ausgetrieben. Dann wurden die Einsatzstücke an den
Enden möglichst fest angeschraubt, das Rohr mit seinen
Ansatzröhren an seine Stelle im Innern des weiteren Blech-
rohrs und der Spiralen befestigt und Wasserdampf einge-
leitet. — Nachdem das ganze Rohr die Temperatur des
siedenden Wassers angenommen hatte, war jeder Beschlag
von den Glasplatten, der sich beim Anheizen gezeigt hatte
verschwunden und waren die Platten und der Schwefel-
kohlenstoffdampf, der sich im Rohr gebildet hatte klar
548 Sitzung der math.-phys. Classe vom 2, November 1878.
durchsichtig. Ein darch einen Nicol geradlinig polarisirtes
Lichtbündel wurde nunmehr durch den Dampf gesandt;
ein Nicol am anderen Ende des Rohres löschte das Bündel
aus. — Wurde jetzt der Strom der 64 Elemente durch die
Rollen geschickt, so trat eine deutliche Erhellung des Ge-
sichtsfeldes auf. Die Erhellung wurde noch beträchtlicher
als nach Stromschloss der vordere Nicol auf dunkel gedreht
und dann mit einem Commntator der Strom umgekehrt wurde.
Die Drehung der Polarisationsebene erfolgte, wie zu
erwarten war, im Sinn^ in welchem der positive Strom
durch die Drahtrollen ging. —
Um zu untersuchen ob die beobachtete Drehung nicht
etwa ganz oder zum Theil hervorgebracht werde durch die
die Enden des Rohres verschliessenden Glasplatten, wurde
der Schwefelkohlenstoff aus dem Rohr entfernt, und nun
das leere Rohr mit seinen Glasplatten abennals erhitzt and
beobachtet. Bei Schluss des Stromes zeigte sich in der That
eine sehr schwache von den Glasern herrührende Drehung,
d^en Betrag aber wesentlich kleiner war als bei dem Versuch
in welchem sich Schwefelkohlenstoffdampf im Rohr befand.
Um von dieser schwachen Drehung der Glasplatten ganz
frei zu werden, wurden sodann die beiden äussersten, den
Glasplatten zunächst liegenden Drahtrollen aus dem Strom-
kreis ausgeschaltet; die 4 vom Strom noch durchflossenen
Rollen waren jetzt so weit von den Glasplatten entfernt,
dass ihr Einfluss auf letztere nur noch sehr gering sein
konnte. In der That ergab sich nun auch, dass das leere,
durch Wasserdampf erhitzte Rohr keine Spur von Drehung
erkennen liess. Als dann aber das Rohr wieder mit Schwefel-
kohlenstoffdampf erfüllt war, ergab sich beim Stromschluss
durch die 4 Rollen eine deutliche Erhellung des vorher
durch Ejreuzung desNicols verdunkelten Gesichtsfeldes. Wir
vermochten nicht den Betrag der Drehung genau zu messen,
wir schätzten denselben beim letzten Versuch auf etwa V«"«
"T'
K
I
— I
___^__i
fürs. ^.M€Uh..p?t^a. ClJ*
Kundt M. Röntgen: Elektr.-^nagn, Drehung d. Polarisationsebene, 549
Hiemit ist bewiesen, dass gesättigter Schwe-
felkohlenstoffdampf bei etwa 100^ im magnetischen
Feld die Polarisationsebene desLichtes dreht.
Als in das Eisenrohr etwas Schwefeläther gefallt war
und erhitzt wurde, konnte beim Schliessen des Stromes keine
Drehung beobachtet werden. —
Wenn freilich durch unsere Versuche bisher nur gezeigt
ist, dass gesättigter Schwefelkohlenstoff elektromagnetische
Drehung der Polarisationseben« zeigt, so ist punmehr doch
wohl kaum noch zu bezweifeln, dass man auch in unge-
sättigten Dämpfen, in Gasen, die Drehung wird nachweisen
können. — Wir sind mit der Construction eines Apparates
beschäftigt, der uns erlaubt permanente Gase bei sehr hohen
Drucken im magnetischen Feld zu untersuchen, um auch
für diese die Drehung nachzuweisen, und wenn möglich die
Erscheinung messend zu verfolgen.
Es wird ein besonderes Interesse bieten zu constatiren,
ob Sauerstoff die Polarisationsebene in demselben Sinne dreht
wie die andern Gase.
Strassburg, Octob. 1878.
1
V
Herr Fr. v. Eobell spricht:
1) „lieber die Erystallisation des Kaliiim-
Eisen-Cyanürs und des Eisenvitriols."
E. Mallard bespricht in einem interessanten Auf-
satz^) die anomalen optischen Erscheinungen, welche an
vielen Krystallen beobachtet sind. Diese Erscheinungen
entsprechen dann einem andern Krystallsystem, als es die
Winkelmessungen der betrefiFenden Erystalle fordern. Es
geschieht dieses, wenn die Messungen den wahren Winkel
nicht genau angegeben, während im optischen Verhalten
die krystallographische Differenz entschieden erkannt wird.
Zu solchen täuschenden Krystallen gehören auch die oft
sehr wohl gebildeten des Kalium-Eisen-Cyanürs, von welchen
Wyrouboff^) im Jahre 1869 nachgewiesen hat, dass sie
klinorhombisch und nicht quadratisch sind, wie gewohnlich
angenommen wurde. Mallard bestätigt dieses und weist
nach, wie durch eigenthümliche Schichtung der Spaltungs-
blätter ein System gebildet werden kann, welches das Po-
larisationsbild einaxiger Erystalle zeigt. Ich kann dazu be-
merken, dass von mir schon im J. 1855 an dem stauro-
skopischen Verhalten der fraglichen Erystalle erkannt wurde,
dass sie optisch zweiaxig seien und dass ich damals schon
ausgesprochen, es könne eine klinorhombische Gombination
vorliegen^).
1) Ann. des Mines. 1. X. 1876.
2) Ann. de pbjs. chim. VIII. 16.
3) Gelehrte Anzeigen. 1855. Nr. 8.
V, Köbell: Die KrystälUsation d. KaliumrEisen-Gyanürs etc. 551
Es ist nämlich die scheinbare Quadratpyramide mit
der basischen Spaltangsfläche zu betrachten als bestehend
ans einem klinorhombischen Prisma mit der klinodiagonalen
Fläche, welche die Spaltungsfläche, und mit einem Elino-
doma, dessen Kante aber mit der Prismenkante einen jedoch
nur scheinbar rechten Winkel bildet, denn ein wirklicher
rechter Winkel kann unter diesen Verhältnissen nicht vor-
kommen. Das Kreuz im Stauroskop erscheint also auf der
als basisch angegebenen, für quadratisch gehaltenen Fläche
in seiner Stellung gegen die Seiten nicht unverändert, son-
dern schneidet diese in zweierlei Winkeln, welche das Stau-
roskop zu 33® und 57^ angibt und ähnlich verhält es sich
nach meinen Beobachtungen an den isomorphen Krystallen
des Kalium-Osmium-Cyanürs*). —
Ich erwähne bei dieser Gelegenheit noch einer andern
von mir 1858 gemachten Beobachtung, dass sich die Kry-
stalle des Eisenvitriols stauroskopisch klinorhomboidisch
und nicht klinorhombisch verhalten. Die ebenen Winkel
der gewöhnlich als Rhombus genommenen basischen Fläche
werden nämlich vom Kreuz nicht halbirt, sondern der
stumpfe Winkel (von 99®) wird im Winkel von 52° und 47®
getheilt^).
1) Sitzungsberichte 1868. p. 66.
2) Gelehrte Anzeigen 1858 Nr. 31.
552 Sitzung der mcUhrphys. Classe vom 2. November 1878.
2) „lieber das Vorkommen von Lithion und
Thallinm in den Zinkerzen von Baibel
in Eärnthen/^
Ich habe im J. 1871 bei üntersnchung einiger Zink-
blenden mit dem Spectroskop in den dichten Varietäten von
Geroldseck im Breisgan und von Herbesthal in Westphalen
die Gegenwart von Thallium erkannt und nun auch derlei
Blende (Schaalenblende) von Raibel darauf geprüft. Die
Thalliumlinie zeigte sich nicht bestimmt, dagegen erkannte
ich deutlich die Lithionlinie. Auch die am Raibel vorkom-
menden Smithsonite reagiren auf Lithion. Es ist dieses ein
seltenes lokales Vorkommen, denn eine Reihe von Blenden
verschiedener Fundorte zeigten die Reaction nicht, ebenso-
wenig die Smithsonite von Nertschinsk, Bilbao, Aachen,
Rauschenberg und die Calamine von Sterling und Altenberg ^).
Die Vorkommnisse von Raibel verdanke ich der gütigen
Mittheilung des Herrn Professors v. Elipstein in Giessen. —
1) Als ich nachstehendes Verfahren anwendete, entdeckte ich an
den erwähnten Erzen neben der Lithionlinie auch die Thalliumlinie. Ich
kochte die pulversirte Probe mit Salzsäure und dampfte die Losung zur
Trockne ab. Der Bückstand zog schnell Feuchtigkeit an und die dadurch
erhaltene Flüssigkeit dampfte ich wieder zur Trockne ein. Ich Jegte
dann von der bleibenden Kruste eine kleine Menge auf einen feindurch-
löcherten dünnen Platinstreifen, der von einer Platinpincette horizontal
gehalten wurde, befeuchtete sie mit Salzsäure und brachte sie in die
Flamme. Die rothe Linie vom Lithium und die grüne vom Thallium er-
schienen sehr deutlich und zwischen ihnen die nie fehlende gelbe Na*
tronlinie. Zur Beobachtung bediente ich mich eines kleinen Handspeciro-
skops, —
Sach-Register,
Bor-Verbindnogen in Tibet 505.
Compositen, nene, des Herbariums Schlagintweit 78.
Carven 6. Ordnung 121.
ElectricitStserregung beim Contact 140.
Electromagnetische Drehung der Polarisationsebene des Lichtes 546.
Gewicht, specifisches, geglühter Silicate 1.
Hefe, chemische Zusammensetzung 161.
Höhennetze, geometrische, deren Ausgleichung 415.
Krystallisation des Ealium-Eisen-Cyanürs 550.
Lithion in den Zinkerzen 552.
Luftwechsel, Theorie desselben 424.
Manganknollen im stillen Ocean 189.
Mekonin 8.
Phtalid (Phtalaldehyd) 8.
Rosanilin 210.
554 Sach-Begister,
Sapindus 221.
Steinmeteoriten in Bayern 14.
Thallium in den Zinkerzen 552.
Wasserverdanstong von Vegetationsdecken 539.
Zinn in Silicaten 136.
Namen-Eegister,
Baeyer 8, 210.
Bauer 121.
y. Banemfeind 415.
V. Beetz 140.
Braun Alexander (Nekrolog) 99.
Cremona (Wahl) 418.
Darwin (Wahl) 413.
Fischer Emil 210.
Fischer Otto 210.
Fries Elias Magnus (Nekrolog) 109.
eräbe (Wahl) 414.
Gfimbel 14. ,
Hermite (Wahl) 413.^.
Bessert 8. ^
V. Jelly 546.
V. Kobell 1, 99, 136, 550, 552.
Enndt 546.
Leverrier Urbain Jean Joseph (Nekrolog) 102.
556 Namen-Begister,
V. Mayer Julius Robert (Nekrolog) 112.
▼. Nägeli 161.
Nöggerath Johann Jakob (Nekrolog) 105.
Pariatore Filippo (Nekrolog) 104.
V. Pettenkofer 424.
Radlkofer 221.
Recknagel 424.
Regnault Henri Victor (Nekrolog) 108.
Röntgen 546.
Sandberger 136.
▼. Schlagintweit-SakQnlQnski 73, 505.
Secchi Angelo (Nekrolog) HO.
Stefan (Wahl) 414.
Vogel 539.
Volkmann Alfred Wilhelm (Nekrolog) 103.
Weber Ernst Heinrich (Nekrolog) 111.
Würtz (Wahl) 413.
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Berkeley
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