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Full text of "Sitzungsberichte - Bayerische Akademie der Wissenschaften, mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse"

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LIBRARY 


OF   THE 


UNIVERSITY  OF  CALIFORNIA, 


eAccession       83439  Class 


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Sitzungsberichte 


der 


mathematisch  -  physikalischen  Classe 


der 


k.  b.  Akademie  der  Wissenschaften 


zu  Idlünchen. 


Band  VIII.     Jahrgang  1878. 

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Mflnchen. 

Akademische  Bnebdruckerei  Ton  F.  Straub. 

1878. 

In  Commiiiioa  bei  O.  F  r  •  n  s. 


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Uebersicht 

deB  Inhalts  der  SitsmucsbeiJ^^l^to  Band  Tm 

Jahrgang  1878. 


Oeffenüiche  Sitzung  ewr  Feier  des  119.  Stiftungstages  der 

Akademie  am  28.  Mä/rz  1878. 

Seite 

y.  Eobell:  Nekrologe 99 

Oeffentliche  Sitzung  zur  Vorfeier  des  Oeburts-  und  Namens- 
festes  Seiner  Majestät  des  Königs  Ludwig  IL 

am  25.  Juli  1878. 

Seite 

Neuwahlen 413 


Sitzung  vom  5.  Januar  1878. 

y.  Eobell:  Ueber  das  specifische  Gewicht  geglühter  Silicate  und 

anderer  Ozydyerbindungen 1 

Baejer:  Ueber  das  Fhtalid  (Phtalaldehjd)  und  dasMekonin.  Von 

Jnlins  Hesser t 8 


Sitzung  vom  9.  Februar  1878. 

Gfimbel:  Ueber  die  in  Bayern  gefimdenen  Steinmeteoriten    .    •      14 
y.  Schlagintweit-Sakünianski:    Die  neuen  Compositen  des 
Herbarium  Schlagintweit  und  ihre  Verbreitung,  nach  Bear- 
beitung der  Familie  yon  Dr.  F.  W.  Elatt 73 


Sitzung  vom  2.  März  1878. 

Bauer:   Ueber  Systeme  yon  Onryen  6.  Ordnung,  auf  welche  das 

Normalenproblem  bei  Curyen  2,  Ordnung  fahrt     .    •    .    .    121 


S.3439 


IV 

Sitzung  vom  4.  Mai  1878. 

Seite 

y.  E  ob  eil:    Ueber  das  Vorkommen  des  Zinns  in  Silicaten.    Von 

F.  Sandberger 136 

y.  Beetz:  Ueber  die  Electricitatserregnng  beim  Contact  fester  und 

gasförmiger  Körper 140 

y.  Nägeli:  Ueber  die  chemische  Zusammensetzung  der  Hefe  .  .  161 
Gümbel:  Ueber  die  im  stillen  Ocean  auf  dem  Meeresgrande  yor- 

kommenden  Manganknollen 189 

Baeyer:  Zur  Kenntniss  des  Bosanilins.    Von  Emil  Fischer  and 

Otto  Fischer 210 


Sitzung  vom  1.  Jtmi  1878. 

Badlkofer:    Ueber    Sapindas    and    damit    in    Zusammenhang 

stehende  Pflanzen 221 


Sitzung  vom  6.  Juli  1878* 

y.  Bauern feind:  Zur  Ausgleichung  der  zufälligen  Beobachtnngs- 

fehler  in  geometrischen  Höhennetzen 415 

y.   Pettenkofer:    Theorie  des  natürlichen  Luftwechsels  yon  G. 

Becknagel 424 

y.  Schlagintweit-Sakünlünski:    Ueber  das   Auftreten   yon 

Bor- Verbindungen  in  Tibet 505 

Sitzung  vom  2.  November  1878. 

Vogel:  Ueber  Wasseryerdunstung  yon  yerschiedenen  Vegetations- 
decken   539 

y.  Jolly:  Nachweis  der  electromagnetischen  Drehung  der  Polari- 
sationsebene  des  Lichtes  im  Schwefelkohlenstoffdampf.  Von 

A.  Kundt  und  W.  0.  Böntgen 546 

y.  Kobell:  1)  Ueber  die  Erystallisation  des  Kalium-Eisen-Cyanürs 

und  des  Eisenyitriols      550 

'  2)  Ueber  das  Vorkommen  yon  Lithion  und  Thallium 
in  den  Zinkerzen  yon  Bai  bei  in  Eämthen  .    .    .    552 

Einsendungen  yon  Druckschriften 115,  215,  409 


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Sitzungberichte 

der 

königl.  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften 


Sitzung  vom  5,  Januar  1878. 

Mathematisch-physikalische  Classe. 


Der  Glassensekretär  Herr  von  K  ob  eil  trägt  vor: 

„Ueber  das  specifische  Gewicht   geglühter 
Silicate  und  anderer  Oxydverbindungen." 

Das  specifische  Gewicht  vor  und  nach  dem  Glühen 
mineralischer  Species  ist  für  einige  Silicate  bestimmt  worden, 
um  deren  pyrogene  oder  nicht  pyrogene  Natnr  zu  ermitteln. 
Fr.  Mohr')  hat  zuerst  darauf  aufmerksam  gemacht  und 
sind  betreffende  Versuche  auch  von  W.  C.  Fuchs^)  ange- 
stellt worden.  Er  fand,  dass  bei  dem  vesuvischen  Leucit  und 
bei  dem  Augit  der  Aetnalaven  das  specifische  Gewicht  vor  und 
nach  dem  Glühen  nicht  verschieden  war.  Aehnliches  hatte 
Mohr  am  Augit  und  Amphibol  vom  Laacher-See  gefunden, 
und  so  Hess  sich  schliessen,  dass  diese  Mineralien  schon 
einmal  geglüht  waren,  während  bei  Veränderung  des  spe- 
cifischen  Gewichts  durch  Glühen  das  Entgegengesetzte  wahr- 


1)  Geschichte  der  Erde.  p.  255. 

2)  N.  Jahrb.  der  Mineralogie  v.  6.  Leonhard  und  Geinitz    1865. 
5.  Heft  p.  576. 

[1878. 1.  Math.-phys.  Cl]  1 


2  Sitzung  der  math.-phys  Classe  vom  5,  Januar  1878, 

scheinlich  ist.  Dieser  Schluss  dürfte  dahin  präcisirt  werden, 
dass  allerdings  Mineralien,  an  welchen  eine  durch  Glühen 
hervorgebrachte  merkliche  Aenderung  des  specifischen  Ge- 
wichtes beobachtet  wird,  als  nicht  pyrogen  anzusehen,  dass 
aber  bei  solchen,  wo  das  specifische  Gewicht  vor  und  nach 
dem  Glühen  gleich  ist,  zweifelhaft  bleibt,  ob  sie  pyrogen 
oder  nicht  pyrogen  sind,  da  solches  Gleichbleiben  auch  bei 
Species  vorkommt,  welche  ihrem  sonstigen  Verhalten  nach 
sicher  nicht  in  hoher  Temperatur  sich  befanden,  wie  bei 
Allanit,  Orthit,  Polykras  und  vielen  anderen. 

Ich  habe  einige  Bestimmungen  des  specifischen  Ge- 
wichts geglühter  Silicate  für  einen  andern  Zweck  unter- 
nommen,  nämlich  um  daraus  beurtheilen  zu  können,  ob 
die  Oxyde  der  oxydir baren  Elemente  in  den  Mi- 
neralmischungen schon  fertig  gebild^et  vor- 
handen, wie  man  es  vom  sog.  Krystallwasaer 
annimmt,  oder  ob  sie  ers t  durch  die  Glühhitze  ent- 
stehen, wie  man  vom  sog.  Constitutionswasser 
annehmen  will.  Ich  wählte  dazu  natürlich  Species,  von 
welchen  das  Vorkommen  in  nicht  pyrogenen  Felsarten  be- 
kannt ist,  denn  dass  die  oben  genannten  Leucite,  Augite 
und  Amphibole  derlei  Oxyde  als  solche  enthalten,  ist  klar, 
da  sie  bereits  im  Feuer  waren  und  dabei  Kaliuiu,  Calcium, 
Magnesium,  Aluminium  und  Silicium  mit  dem  vorhandenen 
Sauerstoff  sich  verbinden  mussten.  Es  ist  daher  unrichtig, 
wenigstens  mangelhaft,  wenn  die  moderne  Chemie  für  den 
Leucit  die  Formel  K^AlSi^O^^  aufstellt  und  für  Augit 
und  Amphibol  RSiO',  also  Formeln,  in  welchen  die  gebil- 
deten Oxyde  nicht  bezeichnet  sind.  —  Die  Beobachtungen, 
welche  ich  machte,  erwiesen  aber  auch  in  den  nicht  pyro- 
genen Silicaten  die  fertig  gebildeten  Oxyde. 

Die  hier  in  Betracht  kommenden  Elemente  bedürfen 
nach  bekannten  Erfahrungen  keiner  besonders  grossen  Hitze 
um  oxydirt  werden  zu  können,  denn  wir  müssen  sie  in  der 


V.  KobeU:  üeher  das  spec.  Gewicht  geglühter  Silicate  etc.        3 

homogenen  Masse  eines  Krystalls  in  sehr  feinem  atomistisclien 
Zustand  vertheilt  und  mit  dem  vorhandenen  Sauersto£f  in 
Berührung  denken.  Es  genügt  also  einen  betreffenden  Kry- 
stall  in  einem  Platintiegel  bis  znm  Rothglühen  des  Tiegels 
zu  erhitzen.  Zeigen  sich  bei  noch  schäiferem  anhaltendem 
Glühen  weitere  Veränderungen,  so  betreffen  sie  Verhältnisse 
der  schon  gebildeten  Oxyde,  Contractionen  wie  beim  Thon, 
Talk  u.  a.  oder  auch  Ausdehnung  wie  beim  Amorphwerden 
des  Granats  und  Vesuvians  durch  Schmelzen  und  haben 
derlei  Veränderungen  im  specifischen  Gewicht  andere  Ur- 
sachen als  die  vollzogene  Oxydation  der  verbundenen  Ele- 
mente. Wenn  aber  das  specifische  Gewicht  solcher  Species 
für  sich  und  nach  dem  Erhitzen  zum  Rothglühen  gleich 
bleibt,  so  ist  der  Schluss  wohl  begründet,  dass  dabei  kein 
Oxydationsprocess  stattgefunden,  sondern  die  Oxyde  vorher 
schon  als  solche  in  der  Probe  vorhanden  waren.  — 

Ich  habe  mich  zu  den  Bestimmungen  der  JoUy'schen 
Wage  bedient,  welche  gehörig  gebraucht,  nicht  nur  genaue 
Resultate  gibt,  sondern  auch  die  Bestimmung  sehr  schnell 
auszuführen  gestattet.  Es  wurde  von  dem  Mechaniker  Ber- 
berich, welcher  diese  Wagen  verfertigt,  in  jüngster  Zeit 
manche  Verbesserung  gemacht,  sowohl  an  der  Spirale,  als 
an  dem  Träger  des  Wasserglases  und  dessen  Verschieben 
an  der  Skalenstange;  dann  an  dem  genauen  Einstellen  der 
Wassermarke.  Dieses  wird  erreicht  durch  einen  einige  Li- 
nien unter  dem  Wasserspiegel  eingesenkten  horizontal  stehen- 
den Blechstreifen,  der  am  Glasrand  aufhängbar  und  durch 
einen  gegenüber  aussen  am  Glase  angebrachten  ähnlichen 
Streifen  von  weissem  Papier,  indem  man  die  Wasser-Marke 
ober  dem  Blechstreifen,  diesen  berührend,  einspielen  lässt 
und  das  Auge  so  stellt,  dass  sich  die  Streifen  decken.  Das 
Erhitzen  der  Proben  geschah  in  einem  kleinen  Platintiegel  bis 
zum  Rothglühen  desselben.  Es  wurden  dabei  keinerlei 
Anzeigen   einer   vorgehenden  Verbrennung  be- 


4  Sitzung  der  math.pkys.  Classe  vom  5.  Januar  1878, 

obachtet.  Von  den  erhitzten  Proben  wurde,  wie  von  den 
nicht  erhitzten,  in  den  meisten  Fällen  das  absolute  und  spe- 
cifische  Gewicht  bestimmt.  Es  wurden  zu  den  Versuchen 
gegen  1 — 1,5  Gramm  der  Proben  genommen. 

Die  Proben  waren: 

Orthoklas,  klares  Bruchstück  eines  Krystalls  vom 
St.  Gotthard.  Specifisches  Gewicht  vor  dem  Glühen  2,56, 
nach  dem  Glühen  2,53,  das  absolute  Gewicht  war  gleich  ge- 
blieben. 

Albit  aus  dem  Zillerthal.  Bei  nahezu  ganz  gleichem 
äbs.  G.  das  spec.  G.  vor  d.  Gl.  2,54,  nach  d.  Gl.  2,58. 

Periklin  aus  dem  Zillerthal.  Spec.  G.  vor  wie  nach 
d.  Gl.  2,53. 

Strahl  st  ein  aus  dem  Zillerthal.  Abs.  u.  spec.  G. 
vor  und  nach  d.  Gl.  wesentlich  gleich.     Spec.  G.  3,0. 

Staurolith  vom  St.  Gotthard.  Abs.  u.  spec.  G.  vor 
und  nach  d.  Gl.  ganz  gleich.  Spec.  G.  3,71.  Ebenso  ver- 
hielten sich  ein  Alm  and  in  aus  Nord-Carolina,  spec.  G. 
4,06,  ein  Alm  and  in  aus  Grönland,  spec.  G.  3,9,  der  Gros- 
sular  vom  Wilvifluss,  spec.  G.  3,55. 

Diopsid  vom  Schwarzenstein  im  Zillerthal.  Abs.  und 
spec.  6.  vor  und  nach  d.  Gl.  ganz  gleich.     Spec.  G.   3,33. 

Chrysolith  aus  dem  Orient  (ein  klarer  Ringstein). 
Abs.  u  spec.  G  vor  und  nach  d.  Gl.  ganz  gleich,  spec.  G. 
3,21,  auch  unverändert  nach  20  Minuten  langem  .Rothglühen. 
Durchsichtigkeit  unverändert,  die  Farbe  gebleicht. 

Hypersthen  von  der  Paulsinsel  in  Grönland.  Bei 
sehr  nahe  gleichem  abs.  G.  vor  und  nach  dem  Glühen, 
spec.  G.  vor  d.  Gl.  3,29,  nach  d.  Gl.  3,3. 

Wollastonit  von  Cziklowa  in  Ungarn.  Spec.  G.  vor 
d.  Gl.  2,82,  nach  d.  Gl.  2,8. 

Berill,  ein  klarer  Kry stall  aus  Sibirien.  Abs.  G.  vo^ 
und  nach  d.  Gl.  gleich,  spec.  G.  vor  d.  Gl.  2,63,  nach  d. 
Gl.  2,71. 


V,  Kobell:  Ueber  das  spec.  Gewicht  geglähUr  Silicate  etc.         Tj 

Pistazit  von  Untersulzbach  iiii  Pinzgau,  ypec.  G.  vor 
d.  Gl.  3,46,  nach  d.  Gl.   3,38. 

Ueber  das  ppec.  G.  geglühter  Zirkone  bestehen  ältere 
Angaben: 

Beim  Zirkon  aus  Zeilan  nach  Damour  ist  das  spec. 
G.  vor  d.  Gl.  4,183,  nach  dem  Rothglüheu  4,534.  Nach 
meinem  Versuch  mit  ausgewählten  Krystallkörnern  war  das 
spec.  G.  vor  d.  Gl.  4,48  und  nach  d.  Gl.  4,60.  Nach  20 
Minuten  langem  Rothglühen  war  das  spec.  G.  nicht  weiter 
erhöht  und  das  abs.  G.  war  unverändert  geblieben. 

Bei  einem  Zirkon  von  Henderson  Co.  war  nach  Churcli 
das  spec.  G.  vor  d.  Gl.  4,575  und  nach  d.  Gl.  4,540,  bei 
einem  anderen  von  daher  war  das  spec.  G.  vor  und  nach 
d.  61.  ganz  genau  dasselbe  =  4,665. 

Beim  Zirkon  von  Friedrich särn  war  das  spec. G. 
nach  Church  vor  d.  Gl.  4,489  und  nach  d.  Gl.  4,633,  da- 
gegen beim  Zirkon  von  Expailly  waren  beide  gleich,  4,86. 

Beim  Zirkon  von  Buncombe  in  Nord  -  Carolina 
(Krystalle  von  graulicher  Farbe,  fast  undurchsichtig)  fand 
ich  das  spec.  G.  vor  d.  Gl.  4,42  und  nach  d.  Gl.  4,52, 
letzteres  auch  bei  20  Minuten  fortgesetztem  Uothglühen 
nicht  weiter  verändert. 

Beim  Zirkon  vom  Ilmengebirg  fand  ich  das 
spec.  G.  vor  d.  Gl.  4,52  und  ebenso  bei  gleichem  absol.  G. 
nach  dem  Erhitzen  bis  zum  Rothglühen.  Nach  20  Minuten 
fortgesetztem  Glühen  waren  die  braungelben  Krystalle  weiss 
geworden  und  hatte  sich  das  spec.  G.  auf  4,72  erhöht. 

Turmalin  aus  Steyermark,  ein  bräunlichgelber,  durch- 
sichtiger Krystall.  Absol.  und  spec.  G.  waren  vor  und  nach 
d.  Gl.  glefch.    Spec.  G.  2,97. 

Lithion turmalin,  ein  grüner  durchsichtiger  Krystall 
aus  Brasilien.  Abs.  und  spec.  G.  vor  und  nach  dem  Glühen 
unverändert.     Spec.  G.  3,06.     Farbe,   Durchsichtigkeit  und 


6  Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  5,  Jantmr  1878. 

electrisches  Verhalten  hatte  ebenfalls  durch's  Glühen  keine 
Veränderung  erlitten. 

Axinit  aus  Dauphine.  Spec.  G.  vor  d.  Gl.  3,29,  nach 
d.  Gl.  3,2.     Das  abs.  G.  war  unverändert  geblieben. 

Topas  aus  Brasilien.  Das  abs.  und  spec.  G.  vor  und 
d.  61.  nicht  verändert.  Spec.  G.  3,5. 

Ich  untersuchte  auch  einige  andere  Species  aus  der 
Reihe  der  kohlensauren,  schwefelsauren,^phosphorsauren,  bor- 
sauren und  thonsauren  Verbindungen*). 

Witherit  aus  Gumberland.  Abs.  und  spec.  G.  vor 
und  nach  dem  Glühen  unverändert  =  4,25. 

Anhydrit.  Ein  Krystall  von  Stassfurt.  Abs.  und 
spec.  G.  vor  und  nach  d.  Glühen  ganz  gleich.  Spec.  G.  2,9. 

Ebenso  beim  Boracit,  zwei  Kry stalle  von  Lünneburg. 
Spec.  G.  2,91. 

Apatit  vom  Zillerthal.  Spec.  G.  3,19,  nach  dem 
Glühen  3,06.  Die  Bestimmung  nicht  ganz  sicher  wegen  Zer- 
springens  des  Krystalls. 

Amblygonit  von  Montebras.  Spec.  G.  3,06.  Nach 
dem  Glühen  bei  kleiner  Abnahme'  des  abs.  G.  war  das  spec. 
G.  3,04. 

Kjerulfin  von  Bamle.  Spec.  G.  vor  d.  Gl.  3,13, 
nach  d.  Gl.  3,11. 

Chrysoberill  aus  Brasilien.  Abs.  und  spec,  G.  vor 
und  nach  dem  Glühen  unverändert.  Spec.  G.  3,73. 

Diese  Beispiele  erweisen,  dass  bei  der  Temperatur,  wo 
die  Oxydation  der  theilnehmenden  Elemente  stattfinden  muss, 
im  Allgemeinen  keine  merklichen  oder  anch  absolut  keine 
Veränderungen  des  spec.  Gewichts  vorkommen  und  wenn 
sich  dergleichen  vereinzeint  zeigen,  dieses  ers^  bei  Tem- 
peraturen geschieht,  welche  hoher  liegen,  als  die  der  Oxyd- 


3)  Die  Kieselerde  als  Qnarz  und  die  Thonerde  als  Korund  ändern 
durch  Glühen  weder  d^s  ahsol.  noch  das  spec.  Gewicht, 


t^.  KoheUi  Üeber  das  spec.  Gewicht  geglühter  Silicate  etc,         7 

bilduug.  Die  Oxyde  solcher  Verbindungen  werden  daher 
nicht  erst  dnrch  das  Glühen  erzeugt,  sie  sind  in  demselben 
schon  gebildet  vorhanden  und  von  dem  sog.  Constitutions- 
wa<sser  gilt  consequenter  Weise  dasselbe.  Es  ist  fertig  ge- 
bildet im  Hydrat,  wie  das  sog.  Krystallwasser.  Es  ist  also 
kein  Grund  vorhanden,  den  Hydrargillit  H'  AlO*  zu  schreiben, 

er  ist,  ÄIH*   und   der  Brucit  ist  nicht   H^MgO*,   sondern 

MglJ,  und  so  sind  bei  allen  Sauerstoff  enthalten- 
denSpecies  die  oxydirbaren  Elemente  als  Oxyde 
zu  formuliren,  wie  ebenfalls  aus  anderen  Beobachtungen 
hervorgeht,  auf  welche  ich  in  früheren  Besprechungen  dieses 
Gegenstandes  hingewiesen  habe.  Ohne  Berücksichtigung 
dieser  Verhältnisse  kann  auch  die  rationelle  Formel 
einer  Mineralmischung,  vne  sie  sonst  construirt  sein  mag, 
keine  befriedigend  correcte  sein.  — 

Vergl  in  den  Akadem.  Sitzungsberichten  von  1867 
„Ueber  die  typischen  und  empyrischen  Formeln  in  der  Mi- 
neralogie." 

1869.  „Ueber  das  Wasser  der  Hydrosilicate." 

1870.  „Ueber  Krystallwasser." 

1873.  „Zur  Frage  über  die  Einführung  der  modernen 
chemischen  Formeln  in  der  Mineralogie"  und  die  Anspralfehe 
zur  Eröffnung  der  Sitzungen  der  Mineralogischen  Section 
der  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  in 
München  1877. 


Herr  Baeyer  berichtet  aber  die  in  seinem  Labora- 
torium ausgeführte  Untersuchung  von 

Julius  Bessert:   „Ueber  dasPhtalid(Phtal- 
aldehyd)  und  das  Mekonin." 

In  einer  früheren  Mittheilung  über  den  Phtaladehyd  ^) 
habe  ich  das  Verhalten  dieses  Korpers  beschrieben  und 
daraus  den  Schluss  gezogen,  dass  ihm  unmöglich  die  Formel 
CgH^  (COH)^  zukommen  könne.  Andrerseits  habe  ich  es 
aber  unterlassen  eine  bestimmte  Ansicht  über  seine  Natur 
auszusprechen,  weil  es  schwierig  schien  alle  Reaktionen  mit 
einer  der  denkbaren  Formen  in  Einklang  zu  bringen.  Bei 
weiterer  Verfolgung  des  Gegenstandes  hat  sich  nun  heraus- 
gestellt, dass  die  Bedenken, '  welche  mich  verhindert  hatten, 
aus  dem  Verhalten  des  Phtalaldehydes  gegen  Alkalien  die 
einfache  Folgerung  zu  ziehen,  dass  dieser  Körper  ein  Lactid 

CH 
ähnliches  Anhydrid  von  der  Zusammensetzung  Cg  H^  ro**^^ 

sei,  unbegründet  sind,  und  dass  derselbe  daher  vollständig 
dem  Mekonin  entspricht,  für  welches  Beckett  und  Alder 
Wright*)  bereits  im  Jahre  1876  die  Formel 

(OCH,), 
aufgestellt  haben.   Der  bisher  Phtalaldehyd  genannte  Körper 


1)  Berichte  der  deatschen  ehem.  Gesellschaft,  10,  t445, 
gj  Journ.  of  the  Cbem.  Soc.  29,  2§l. 


Hessert:  üeber  das  Phtdid  (Phtalaldehyd)  u,  d-as  Mekonin.  0 
ist  daher  jetzt  als  Anhydrid  der  Benzolorthoalkoholsäure 
Cg  H^  \cn^  (OT\\  ^^  betrachten,  wofür  ich  der  Kürze  halber 
die  Bezeichnung  „Phtalid''  vorschlage. 

Phtalid  und  saures  schwefligsaures  Natron* 

Kolbe  und  Wischin  *)  sagen  in  ihrer  Notiz  über  den 
Phtalsäurealdehyd :  „Wird  die  warme  wässerige  Lösung  mit 
einer  concentrirten  Lösung  von  saurem  schwefligsaurem 
Natron  vermischt,  so  gesteht  die  Flüssigkeit  nach  einiger 
Zeit  zu  einer  aus  langen  zarten  seideglänzenden  Nadeln  be- 
stehenden Masse,  wahrscheinlich  schwefligsaures  Phtalsäure- 
aldehyd-Natron.** 

Diese  Angabe  war  es,  welche  hauptsächlich  dazu  bei- 
getragen hat,  dass  ich  dem  Phtalid  trotz  seines  von  den 
Aldehyden  so  abweichenden  Verhaltens  doch  längere  Zeit 
die  oben  angeführte  Formel  nicht  zuschreiben  zu  können 
glaubte.  Erst  nach  meiner  ersten  Publikation  stüdirte  ich 
diese  Reaktion  genauer  und  fand,  dass  die  Angabe  auf 
einem  Irrthum  beruht,  die  ausgeschiedenen  Nadeln  bestehen 
aus  unveränderter  Substanz  und  Aether  entzieht  dieselbe 
der  Lösung  vollständig. 

Entstehung  des  Phtalids  aus  Phtalsäurechlorid. 

Die  Bildung  eines  wie  das  Phtalid  zusammengesetzten 
Körpers  bei  der  ßeduction  des  Chlorids  hat  auf  den  ersten 
Blick  etwas  Befremdendes,  lässt  sich  aber  leicht  erklären, 
wenn  man  sich  der  Beobachtungen  von  Baeyer*)  über  das 
Verhalten  von  Jodwasserstoff  gegen  Säurechloride  erinnert. 
Dieses  Bicagens  wirkt  nämlich  bei  gewöhnlicher  Temperatur 
im  Allgemeinen  auf  Säurechloride  z.  B.  auf  Benzoylchlorür 


3)  Zeitschr.  f.  Chemie  [2]  2^815. 

4)  Berichte  der  deutschen  ehem.  Gesellschaft  10,i28, 


10  Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  5.  Januar  1878. 

nicht  ein,  reducirt  dagegen  augenl)licklich  das  Phtalsäure- 
chlorid.  Offenbar  liegt  der  Grund  dieses  verschiedenen  Ver- 
haltens in  der  gegenseitigen  Einwirkung  der  in  der  Ortho- 
stellung  befindlichen  COCl-Gruppen.  Ist  jedoch  die  eine 
dieser  Gruppen  reducirt,  so  hört  für  die  andere  diese  Be- 
einflussung auf  und  sie  befindet  sich  nun  unter  denselben 
Bedingungen,  wie  das  COCl  im  Benzoylchlorür.  Die  eine 
Gruppe  wird  dabei  sofort  in  die  Alkoholgruppe  verwandelt, 
welche  sich  mit  dem  intakt  gebliebenen  COCl  zum  Anhydrid 
vereinigt: 

r  TT  I^OCl 
^«^MCOCl 


p  TT   fCHoOH 
^«^MCOCl 

C6H4{co'>0 


Benzolorthoalkoholsäure.  Die  in  der  ersten 
Mittheilung  beschriebeue  Phtalaldehydsäure,  welche  bei  der 
Behandlung  von  Phtalid  mit  Alkalien  entsteht  und  beim 
Kochen  mit  Wasser  oder  beim  trocknen  Erhitzen  auf  118° 
wieder  in  Phtalid  übergeht,  ist  Benzolorthoalkoholsäure  von 

der  Zusammensetzung  CgH^I^Q^/V^-rj,.'  wie  aus  dem  Ver- 
halten des  Phtalids  gegen  wässerige  Jodwasserstoflfeäure  un- 
zweifelhaft hervorgeht. 

Verhalten  des  Phtalids  gegen  Jodwasserstoffsäure. 

Jodwasserstoffsäure  vom  Siedepunkt  127°  wirkt  in  der 
Kälte  nicht  auf  Phtalid  ein,  wohl  aber  schon  bei  gelindem 
Erwärmen.  Wird  Phtalid  mit  Jodwasserstoffisäure  und 
gelbem  Phosphor  einige  Zeit  am  Rückfluss  kühler  gekocht, 
so  bildet  sich  Orthotoluylsäure,  welche  der  Flüssig- 
keit durch  Aether  entzogen  werden  kann.  Zur  Reinigung 
wurde  das  ätherische  Extract  mit  kohlensaurem  Ammoniak 


Bessert:  lieber  das  Phtalid  (Fhtalaldehyd)  u.  das  Mekanin.       1 1 

geschüttelt,  aus  letzterem  die  Säure  durch  Salzsäure  aus- 
gefüllt und  zweimal  aus  heissem  Wasser  umkrystallisirt. 
Die  so  erhaltene  Substanz  schmilzt  bei  102—103^  (Fittig 
102^)  und  zeigt  alle  Eigenschaften  und  die  Zusammensetz- 
ung der  Orthotoluylsäure : 

Berechnet  für  Cg  H^  poOTT  Gefunden 

C  70,59  70,48 

H  5,88  5,84. 

Die  Reaction  verläuff  also   nach  folgender  Gleichung: 

^6  H4  CO^  ^  ^  ''^  *^2  "^  ^6  ^4  COOH 
Phtalid  Orthotoluylsäure. 

Verhalten  des  Phtalids  gegen  Anilin.  Phtalidanil. 

Die  in  der  ersten  .Mittheilung  beschriebene  Anilin- 
verbindung von  der  Zusammensetzung  Cj^NOH^j  entsteht 
nach  folgender  Gleichung: 

C«  H,  CO*  >  Ö  +  CeHj  (NHJ  -  C,  H,  gg«  >  NCeH,  +  H,0. 

Hiemit    stimmt     das   Verhalten     der    Substanz     gegen 

Oxydationsmittel     vollständig     überein.       Chromsäure     in 

Eisesjsig     gelöst    gibt    nämlich    beim    Erwärmen    Phtalanil 

CO 
^6  H4  p/-v  >  NCg  Hg    und   alkalische   Permanganatlösung   bei 

längerem  Kochen  Phtalanilsäure. 

Hydrophtalid.  Natriumamalgam  wirkt  wie  bereits 
a.  a.  Orte  angegeben  auf  Phtalid  in  alkalischer  Lösung 
nicht  reducirend  ein ,  indem  nur  Benzolorthoalkoholsäure 
gebildet  wird.  In  saurer  Lösung  entsteht  dagegen  als 
Hauptproduct  ein  syrupartiger  Körper  von  der  Zusammen- 
setzung Cg  Hg  Oj  ,  des  Hydrophtalid.  Die  ausserordentliche 
Leichtigkeit,    mit  der    diese  Reduction    von    statten   geht, 


12  Sitzung  der  math.'phys.  Classe  vom  5.  Januar  1878, 

schien  anfangs  gegen  die  oben  angenommene  Formel  des 
Phtalids  zu  sprechen,  weil  diese  in  Bezug  auf  die  Anord- 
nung des  sauerstoffhaltigen  Theils  dem  Benzoesäurebenzyl- 
äther  entspricht,  von  dem  man  ebensowenig  wie  von  den 
andern  Aethern  der  Benzoesäure  wusste,  dass  er  leicht  re- 
ducirbar  sei.  Indessen  hat  sich  auch  diese  Schwierigkeit 
dadurch  gehoben,  dass,  wie  Herr  Baeyer  mir  mitgetheilt  hat, 
der  Benzoesäureäthyl-  und  -phenyläther  durch  Natrium- 
amalgam in  essigsaurer  Lösung  sehr  leicht  reducirt  wird, 
eine  Reaction  welche  allgemein  zu  sein  scheint,  da  auch  der 
Phtalsäureäthyl-  und -phenyläther  sich  ähnlich  verhält.  Diese 
Neigung  Wasserstoff  aufzunehmen,  kann  übrigens  nicht 
überraschen,  da  auch  die  freie  Benzoesäure  nach  Hermann  *) 
durch  Natriumamalgam  in  saurer  Lösung  reducirt  und  zum 
grössten  Theil  in  Benzylalkohol  übergeführt  wird. 

Da  nach  den  allerdings  nur  vorläufigen  Versuchen  die 
Wasserstoffaddition  bei  den  Aethern  der  Renzoesäure  nicht 
von  dem  Anhydridsauerstoff,  sondern  von  der  CO-Gruppe 
abhängt,  so  kann  es  kaum  zweifelhaft  sein,  dass  die  Re- 
duction  des  Phtalids  durch  Natriumamalgam  in  saurer 
Lösung  nach  folgender  Gleichung  verläuft: 

^6  H4  QQ»  >  0  +  Hg  =  Cß  H4  CH(OH)  ^  ^ 
Phtalid  Hydrophtalid 

während  Jodwasserstoff  die  mit  dem  Hydrophtalid  isomere 
Orthotoluylsäure  durch  Sprengung  der  Anhydridbindung 
erzeugt: 

<^6  H4  cq2  >  0  +  Hg  =  Cß  H4  (,Q^jj 

Phtalid  Orthotoluylsäure. 


5)  Liebig*s  Ann.  132,75. 


Hessen :  lieber  das  Phtalid  (Phtälaldehyd)  und  das  MeJconin.       1 3 

Dimethoxvlirte  Benzol  orthoalkoholsäure 
(Mekoninsänre).  Beckett  und  Alder  Wright  haben  a. 
a.  Orte  die  Lösliclikeit  des  Mekonius  in  Alkalien  dadarch 
erklärt,  dass  dasselbe  Wasser  aufnimmt  unter  Bildung  einer 
Alkoholsäure,  welche  bei  der  Abscheidung  durch  eine  stär- 
kere Säure  sofort  wieder  unter  Verlust  des  gebundenen 
Wassers  in  Mekonin  zurückgeführt  wird: 


iCHo  OH 

o»hJcooh  =aH, 

((OCH,), 


CH, 


CO         +  H,  0. 
KOCH,), 


Meines  Wissens  haben  weder  die  genannten  Autoren 
noch  andere  Chemiker  ein  Salz  dieser  hypothetischen  Säure, 
welche  man  auch  Mekoninsäure  nennen  kann,  untersucht, 
ich  habe  desshalb  diese  Lücke  auszufüllen  gesucht.  Löst 
man  Mekonin  in  Barytwasser  und  verdampft  die  Lösung, 
nach  Entfernung  des  überschüssigen  Baryts  durch  Kohlen- 
säure, auf  dem  Wasserbade  zur  Trockne,  so  erhält  man  ein 
Barytsalz  der  Mekoninsäure  von  der  Zusammensetzung 
[CeH,(OCH,),CH,OHCO,],  Ba 

Gefunden  berechnet 

Ba       24,46  24,51 

Die  Mekoninsäure  ist  also  wie  die  Theorie  es  verlangt, 
eine  einbasische  Säure. 

Das  Barytsalz  ist  in  Wasser  leicht  löslich  und  gibt 
beim  Zersetzen  mit  einer  stärkeren  Säure  Mekonin,  es  findet 
hier  also  die  Wasserabspaltung  leichter  statt  als  beim 
Phtalid.  Mit  Silbernitrat  und  Kupferchlorid  gibt  die  con- 
centrirte  Lösung  des  Salzes  Niederschläge,  welche  sich  beim 
Erhitzen  unter  Bildung  von  freiem  Mekonin  zersetzen. 


Sitzung  Yom  9.  Februar  1878. 


Herr  Gümbel  spricht: 

„üeber    die    in    Bayern    gefundenen    Stein- 
meteoriten.** 

Unter  den  auf  bayerischem  Gebiete  gefallenen  und 
aufgefundenen  Steinmeteoriten  befinden  sich  mehrere, 
deren  chemische  Zusammensetzung  uns  nur  aus  älteren  Ana- 
lysen bekannt  ist,  während  von  einem  derselben  bis  jetzt 
überhaupt  noch  keine  chemische  Untersuchung  vorgenommen 
wurde.  Da  es  ausserdem  ihre  den  meisten  derselben  an  einer 
erschöpfenden  Üntersuchung,'v[wie  solche  neuerdings  bei  Ge- 
steinsarten mittelst  Dünnschliffen  und  Mikroscop  vorgenommen 
zu  werden  pflegt,  fehlt,  so  schien  es  mir  interessant  ge- 
i;iug,  diese  Arbeit  vorzunehmen  und  die  Ergebnisse  mit  dem 
früher  bekannten  zusammenzustellen.  Durch  die  besondere 
Güte  des  Herrn  Conservators  der  mineralogischen  Staats- 
sammlung Professor  Dr:  v.  KobeU  habe  ich  das  hiezu 
erforderliche  Material  erhalten  und  ich  benütze  gerne  die 
Gelegenheit,  für  diese  so  freundliche  Unterstützung  meiner 
Untersuchung  hier  den  besten  Dank  auszudrücken.  Einige 
weitere  Bemerkungen,  welche  am  Schlüsse  beigefügt  sind, 
beziehen  sich  auf  andere  Meteorsteine,  die  ich  gelegentlich 
der  Vergleichung  wegen  in  den  Kreis  meiner  Beobachtung 
gezogen  habe. 


Gümhel :  Ueher  die  in  Bayern  gefundenen  Sieinmeteoritcn.     1 5 

Es  wurden  im  Ganzen  nur  5  Stein meteoriten  von  denen, 
welche  in  Bayern  gefallen  sind,  bekannt.  Darunter  ist  sogar 
noch  ein  Fund  einbegriffen,  welcher  nach  dem  gegen- 
wärtigen Territorialverhältnisse  nicht  mehr  Bayern,  sondern 
Oesterreich  angehört,  nämlich  jener  von  Mauerkirchen. 
Da  jedoch  zur  Zeit  des  Falls  der  Ort  zu  Bayern  gehörte, 
so  dürfte  es  inmierhin  bis  za  einem  gewissen  Grade  gerecht- 
fertigt erscheinen,  diesen  Stein  hier  unter  den  bayerischen 
aufzuführen. 

Diese  5  Steinmeteorite  sind: 

1)  Der  Stein  von  Mauerkirchen  im  jetzt  öster- 
reichischen Tnnviertel  vom  Falle  am  20.  Nov.  1768  Nach-, 
mittags  4  Uhr. 

2)  Der  Stein  von  Eichstädt,  welcher  im  sog.  W i ttmes 
5  Kilom.  von  der  Stadt  am  19.  Febr.  1785  nach  12  Uhr 
Mittags  gefallen  ist. 

3)  Der  Stein  von  Massing  bei  Altötting  in  Süd- 
bayem  vom  Fall  am  13.  Dezember  1803  zwischen  10—11 
ühr  Vormittags. 

4)  Der  Stein  von  Schönen berg  bei  Burgau  und 
Schwaben,  gefallen  am  25.  Dez.  1846  Nachmittags  2  ühr  und 

5)  Der  Stein  von  Krähenberg  bei  Homburg  in  der 
Rheinpfalz  vom  Fall  am  5.  Mai  1869  Abends  G^'«  Uhr. 

Von  einem  6.  Meteorstein  fand  ich  eine  erste  Nach- 
richt in  Gilbert's  Annalen  der  Physic  Bd.  XV.  S.  317,  wo 
angeführt  wird,  dass  Casp.  Schott  in  s.  Pbysica  curiosa  1. 
XI  Cap.  XIX  berichtet:  „hac  in  urbe  nostra  Herbipolensi 
osservatur  in  templo  D.  Jacobi  trans  Moenum,  in  mona- 
sterioScotorum^)  catenulae  columna  templi  suspensus 

1)  Das  Schotteokloster  wurde  1140  gegründet,  1803  saecol.  1819 
wurde  ein  Theil  der  Kirche  zum  Gottesdienst  wieder  hergerichtet  und 
zwar  der  Chor,  das  Uehrige  dient  als  Militärdepot. 

Ausf.  Beschreibung  U.Geschichte  von  Wieland  im  Archiv  des  hist. 
Vereins  v.  Unterfranken  u.  Asch.  XVI.  Bd. 


16  Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  9.  Februar  1878.^ 

durissimus  est  et  ad  ferream  vergit  naturam.*^  Daraus  geht 
hervor,  dass  es  wahrscheinlich  ein  Eisenmeteorit  war.  Ich 
habe  mich  um  den  Spuren  dieses  Steines  nachzuforschen 
an  Herrn  Prof.  Sandberger  in  Würzburg  gewendet,  der  so 
freundlich  war,  die  gründlichsten  Nachforschungen  anzu- 
stellen. Der  Stein  ist  verschwunden.  Der  gütigen  Mittheil- 
nng  Sandberger's  verdank  eich  die  weitere  Nachricht,  welche 
Schnurrer  in  s.  Seuchengeschichte  Bd.  IL  giebt:  „Im  Jahre 
1103  (oder  1104)  fiel  in  Würzburg  ein  so  grosser  Meteor- 
stein, dass  vier  Männer  den  vierten  Theil  desselben  kaum 
tragen  konnten." 


Der  Meteorstein  von  Mauerkirchen. 

(Beiliegende  Tafel  Figur  I.) 

Ueber  diesen  Fall  berichtete  zuerst  ein  kleines  Schriftchen : 
Nachricht  und  Abhandlung  von  einem  in  Bayern  unfern 
Maurkirchen  d.  20.  Nov.  1768  aus  der  Luft  gefallenen 
Steine  (Straubingen  1769).  Aus  demselben  theilt  Chladni 
in  seinem  chronologischen  Verzeichnisse  der  mit  einem  Feuer- 
meteor niedergefallenen  Stein-  und  Eisenmassen  (Gilberts 
Ann.  d.  Phys.  1803  Bd.  XV.  S.  316)  mit,  dass  an  dem 
geaannten  Tage  Abends  nach  4  ühr  bei  einem  gegen  Occident 
merklich  verfinsterten  Himmel  verschiedene  ehrliche  Leute 
zu  Maurkirchen,  welche  darüber  eidlich  vernommen  wurden, 
ein  ungewöhnliches  Brausen  und  gewaltiges  Krachen  in  der 
Luft  gleich  einem  Donner  und  Schiessen  mit  Stücken  hörten. 
Unter  diesem  Luftgetümmel  sei  ein  Stein  aus  der  Luft  gefallen 
und  habe  nach  obrigkeitlichem  Augenschein  eine  Grube  2^« 
Schuh  tief  in  die  Erde  gemacht.  Der  Stein  halte  nicht  gar  einen 
Schuh  in  die  Länge,  sei  6  Zoll  breit  und  wiege  38  bayer.  Pfunde 
Er  sei  von  so  weicher  Materie,  dass  er  sich  mit  Fingern 
zerreiben  lasse,  von  Farbe  bläulich  mit  einem  weissen  Fluss 


GümM:  Üeher  die  in  Bayern  gefundenen  Steinmeteoriten,     17 

oder  Fliesserlein  vermengt,  ausserdem   mit   einer  schwarzen 
Rinde  überzogen  n.  s.  w. 

Professor  Imhof  veryoUständigte  diesen  Bericht  (Enr- 
p£alzbaier.  Wochenblatt.  1804.  St.  4)  dorch  folgende  An- 
gaben: „Man  fand  den  gefallenen  Stein  am  Tage,  nach- 
dem man  das  Getöse  vernommen  hatte,  in  dem  sog.  Schinper- 
point  in  einem  schräg  einwärts  gehenden  2^2  Schuh  tiefen 
Loche.^'  Imhof  bestimmte  das  spec.  Gewicht  zu  3,452  und 
beschreibt  die  granlich  schwarze  V^  Linie  dicke  Rinde  als 
am  Stahl  fuukengebend,  ferner  als  Gemengtheile 

1)  regulinisches  Eisen ,  das  in  kleinen  Körnern  und 
Zacken  am  meisten  mit  der  äusseren  Rinde  verwachsen, 
sehr  geschmeidig  und  zähe  ist  und  einen  weissen  stark 
glänzenden  Feilenstrich  giebt, 

2)  Schwefelkies, 

3)  kleine  plattgedrückte,  eckige  Körner,  welche  sich 
durch  schwarzgraue  Farbe,  muschlichten  Bruch,  glänzendes 
Ansehen  und  grösserer  EKrte  von  den  andern  unter- 
scheiden, 

4)  noch  andere  kleine  Körner  von  weisser  und  gelb- 
licher Farbe,  die  durchscheinend  und  schimmernd  sind.  Nach 
seiner  Analyse  besteht  der  Meteorstein  aus: 

Kieselsäure 25,40 

Eisenoxyd 40,24 

Eisen 2,33 

Nickel "...  1,20 

Bittererde 28,75 

Schwefel  und  Verlust   .     .     .  2,08 

100,00 

(Yergl.  0.  Buchner  die  Meteoriten  in  Sammlungen 
1863  S.  9.) 

Die  nähere  Untersuchung  des  Steines  ergab  mir  nun 
weiter,  dass  die  'mattschwarze,  fleckenweis  etwas  glänzende 
[1878.  1.  Math.-phys.  Cl  ]  2 


18         Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  9,  Februar  1878, 

0,7—  0,3  mm.  dicke  Kruste  wie  bei  anderen  Meteorsteinen 
nur  Schmelzrinde  ist,  welche  ohne  scharfe  Grenze  gegen 
Innen  in  die  Hauptmasse  übergeht,  da  wo  Eisentheilchen  an 
dieselbe  grenzen,  verstärkt,  wo  gewisse  gelbe  Körnchen  in 
derselben  li^en,  schwächer  und  an  letzteren  Stellen  glänzen- 
der sich  zeigt.  Häufig  sind  selbe  Mineraltheilchen  einge- 
schmolzen und  in  der  Rinde  eingeschlossen  oder  ragen  in  die- 
selbe hinein.  Die  Hauptmasse  des  Steines  ist  lichtgrau 
gefärbt,  durch  eingestreutes  Meteoreisen  schwarz  punktirt 
und  an  den  meisten  dieser  schwarzen  Stellen  in  Folge  der 
Oxydation  des  Eisens  fleckig  rostfarbig.  Zwischen  den  Fingern 
lässt  sich  der  Stein  ziemlich  leicht  zerdrücken  und  macht 
dem  äusseren  Anschein  nach  den  Eindruck  eines  Trachyttuffs. 
Ans  der  äusserst  feinbröcklichen,  fast  staubartigen  Grund- 
masse heben  sich  ziemlich  zahlreich  eingestreute  rundliche 
Mohn-  bis  Hirsekorn-grosse  und  kleinere  Körnchen  heraus, 
welche  meist  etwas  dunkelschwärzlich  oder  gelblich  geförbt, 
aussen  matt,  beim  Zerschlagen  glasglänzend  ohne  Spaltungs- 
flächen erkennen  zu  lassen,  den  Charakter  der  Chondren 
besitzen  und  dem  Stein  daher  den  Stempel  der  Ghondriten  auf- 
drücken. Uiiter  dem  Mikroscop  zeigen  diese  Körnchen  eine 
verschiedene  Beschaffenheit.  Die  einen  sind  äusserst  fein 
parallel  gestreift,  so  dass  vorwaltend  opake,  breite  Streifchen 
mit  schmalen  durchsichtigen  oder  durchscheinenden,  wie 
quer  gegliederten  wechseln.  I.  p.  L.  erscheinen  letztere  mit 
matten  feinfleckigen  Farben.'  (y  der  Zeichnung  der  beiliegenden 
Tafel  Fig.  I.  Andere  Körnchen  sind  weisslich,  wie  aus  feinstem 
Staub  zusammengesetzt,  opak,  nur  gegen  den  Rand  zu  etwas 
durchscheinend,  zuweilen  von  feinsten,  etwas  durchschimmern- 
den, einzelnen  unregelmässig  eingestreuten  Nädelchen  durch- 
zogen (x  der  Zeichnung).  Noch  andere  Körnchen  besitzen 
eine  Art  radiale  Faserung,  die  jedoch  hier  nicht  deutlich 
zum  Vorschein  kommt.  Kleinste,  rundliche  Theilchen  sind 
wasserhell  und  erscheinen  i.  p  L.  mit  glänzenden  bunten  Farben, 


Gümhel:  üeher  die  in  Bayern  gefundenen  Meteorsteine.        19 

Neben  den  Ghondren  lassen  sich  in  der  pulverigen 
Hauptmasse  eingebettet  noch  zahlreiche  meist  kleine  eckige 
längliche  Splitterchen  eines  weissen,  auf  der  Spaltflächen 
deutlich  spi^elnden,  hier  und  da  undeutlich  parallel  gestreiften 
Minerals  und  mehr  rundlich  eckige,  unregelmässig  rissige, 
selten  parallelstreifende  Körnchen  von  gelblichem  oder  bräun- 
lichem Farbenton  und  von  glasartigem  Glänze  unterscheiden. 
Dazu  gesellen  sich  metallisch  glänzende,  relativ  kleine 
traubig  eckige  El  ümpchen  von  Meteoreisen,  ferner  selten  solche 
von  messinggelbem  Schwefeleisen  und  von  nicht  metallisch 
glänzenden  tie&chwarzen  Ghromeisenstäbchen.  An  abge- 
riebenen Stellen  des  Steins  stehen  die  härteren  Körnchen 
hervor  und  lassen  den  Charakter  des  Chondriten  deutlicher 
wahrnehmen,  als  auf  dem  Qnerbruche,  auf  dem  man  nur 
bei  grösserer  Aufmerksamkeit  die  kugeligen  Einlagerungen 
beobachtet.  Die  feinsten  Staubtheilchen,  welche  als  das  durch 
eine  fortschreitende  Zerkleinerung  der  grösseren  Splitter 
entstandene  verbindende  Material  betrachtet  werden  müssen, 
sind  theils  wasserhell,  theils  opak,  durchscheinend,  und 
erweisen  sich  bis  ins  Kleinste  i.  p.  L.  durch  wenn  auch 
matte  bunte  Farben  als  doppelt  brechende  krystallinische 
Bruchstücke.  Yon  einer  glasartigen  Zwischenmasse  ist  nicht 
eine  Spur  zu  entdecken. 

Nach  dem  Behandeln  des  fein  zerdrückten  (nicht  zerrie- 
benen) Materials  mit  Salpetersalzsäure  und  Kalilösung  sind  — 
abgesehen  von  den  metallischen  Gemengtheilen  —  die  gelb- 
lichen Splitterchen  (Olivin)  verschwunden  und  der  Rückstand 
besteht  nur  aus  weissen  und  bräunlichen  Stücken,  die 
unter  dem  Mikroscop  sich  leicht  unterscheiden  lassen.  Die 
bräunlichen  Fragmente  sind  stark  rissig,  selten  mit  Spuren 
von  dunklen  Parallelstreifchen  versehen,  durchsichtig  und  i.  p. 
L.  lebhaft  buntfleckig  gefärbt.  Es  sind  zweifelsohne  Theil- 
chen  eines  Minerals  aus  der  Augitgruppe.  Die  weissen 
Spiitterchen    dagegen    sind    vielfach    nur    durchscheinend, 

2* 


20         Sitzung  der  maiK-phya,  Glosse  vom  9,  Februar  1S78. 

theilweise  durch  die  Säuren  angegriffen  und  zeigen  i. 
p.  L.  nur  matte  fleckige  Farbentöne,  welche  hier  und 
da  an  eine  streifige  Anordnung  erinnern.  Dass  diese  Split- 
terchen als  Feldspath-artige  Gemengtheile  gedeutet  werden 
müssen,  beweist  auch  die  chemische  Analyse  des  Restan- 
theils  nach  der  Einwirkung  der  Säuren.  Kleinste  schwarze 
Theilchen  sind  als  Ghromeisen  anzusprechen.  Es  besteht 
demnach  der  Stein  aus  Olivin,  einem  Feldspath-artigen, 
augitischen  Mineral,  aus  Meteor-,  Schwefel-  und  Ghromeisen. 
Damit  stimmt  nun  auch  im  Allgemeinen  die  chemische 
Analyse,  welche  ron  Hm.  Assistent  Ad.  Schwager  unter 
gleichzeitig  coniroUirenden  eigenen  Untersuchungen  durchge- 
führt wurde.  Die  Bestimmung  des  Meteoreisens  und  Schwefel- 
eisens geschah  durch  eigene  Versuche^).  Die  Analysen  ergaben : 


65,45>  durch 

Stoffe : 

Bauschanalyse 

Salzsäure  zer- 
setzbarer *  An- 
theil 

34,550/0  Rest- 
bestandtheil 

Kieselsäure 

38,14 

23,23 

61,39 

Thonerde 

2,51 

1,20 

5,00 

Eisenoxydul 

25,70 

32,72 

17,59 

Eisen  &  Nickel 

6,30 

9,65 

» 

Schwefel 

2,09 

3,20 

, 

Phosphor 

0,14 

0,22 

1 
1 

Chromoxyd 

0,39 

—  ^— . 

0,84 

Kalkerde 

2,27 

1,51 

4,35 

Bittererde 

21,73 

29,13 

7,70 

Kali 

0,48 

Sp. 

1,40 

Natron 

1,00 

Sp. 

2,91 

Summe 

100,75 

100,86 

101,18 

1)  Es  warde  aus  dem  zerdrückten  Pulver  durch  den  Magnet  alles  Aus- 
ziehbare herausgenommen,  und  diese  Meteoreisen  haltigen  Bestandtheile 
unter  Anwendung  von  Kupfervitriol  und  Kupferchlorid  besonders  analysirt. 


Günibel:  lieber  die  in  Bayern  gefundenen  Steinmeteoriien,       21 

Es  schliesst  sich  demnach  der  Steinmeteorit  von  Mauer- 
kirchen der  Anfangsreihe  der  an  Kieselsäure  ärmsten  Chon- 
driten,  wie  jenen  von  Seres,  Buchhof,  Ensisheim  und  Chateau- 
Elenard  an.  Es  lässt  sich  daraus  der  Gehalt  berechnen,  näm- 
lich an: 

Meteoreisen   ....     2,81% 

.  Schwefeleisen  .  .  .  5,72 
Chromeisen  ....  0,75 
Silikate 90,72     - 

100,00 
-Was  die  Interpretation  der  Silikate  anbelangt,  so  haben 
wir  zunächst  den  durch  Salzsäure  zersetzbaren  Bestandtheil 
in*s  Auge  zu  fassen.  Hierin  ist  der  relativ  geringe  Eiesel- 
säuregehalt  besonders  auffallend.  Doch  wiederholt  sich 
ein  ähnliches  Yerhältniss  mehrfach  wie  z.  B.  bei  den  Me- 
teorsteinen von  Seres,  Tjabe  (Java  19.  Sept.  186'')i  Khettre 
(Indien)  u.  A.  Ziehen  wir  den  Gehalt  an  Meteoreisen 
und  Schwefeleisen  ab,  so  erhalten  wir  für  diesen  Bestandtheil : 


2 


Si  0 
AI,  O3 
Fe  0. 
Ca  0. 
Mg  0 


26,45 
1,35 

37,30 
1,70 

33,20 


worin,  wenn  die  Thonerde  und  Kalkerde  als  wahrscheinlich 
zu  einem  zersetzten  Feldspath  gerechnet  und  ein  Theil  des 
Eisenoxyduls  als  noch  von  Meteoreisen  abstammend  in  Ab- 
zug gebracht  wird,  der  durch  Säuren  zersetzte  Bestandtheil 
nicht  anders,  als  zu  Olivin  gehörig  sich  aaslegen  lässt. 
Dass  ein  Theil  des  Eisens  oxydirt  ist  und  dadurch  der  Ge- 
halt an  Basen  etwas  gesteigert  erscheint,  darauf  weisen  schon 
die  Rostflecken  hin,  welche  sich  manchmal  selbst  in  der 
Masse  ziemlich  verbreitet  zeigen. 

Was  das  oder  die  Silikate  des  Restbestandtheils  angeht, 
so  giebt  der  verbältuissmassig  hohe  Kieselsäure-  und  Thon- 


22       SiUung  der  math.-phya.  Claase  vom  d.  Februar  1878, 

erdegehalt,  neben  den  Alkalien  wohl  der  Vermuthang  Baum, 
dass  neben. einem  Augit-Mineral  auch  noch  ein  feldspath- 
tiges  vorhanden  sei.  Gleichwohl  aber  bleibt  auch  bei 
dieser  Annahme  noch  ein  starker  Ueberschuss  an  Kiesel- 
säure, von  dem  man  wohl  nicht  voraussetzen  darf,  dass  er 
in  Form  eines  ausgeschiedenen  Quarzminerals  auftrete,  weil 
bei  Untersuchung  des  Dünnschliffs  im  reflectirten  Lichte 
keine  Spur  einer  Beimengung  von  durch  den  starken  Glanz 
sonst  erkennbarem  Quarze  sich  bemerken  lässt.  Dieses  Ver- 
halten ist  vorläufig  noch  unaufgeklärt. 

Derselbe  Meteorstein  ist  bereits  in  neuester  Zeit  auch 
noch  einer  chemischen  Analyse  von  anderer  Seite  unterworfen 
worden.  Bammelsberg  führt  (D.  ehem.  Nat.  d.  Meteoriten 
Abh.  d.  Acad.  d.  Wiss.  in  Berlin  für  1870  S.  148  u.  ff.)  als 
das  Besultat  der  von  Crook^)  ausgeführten  Untersuchung 
an :  Zusammensetzung:  3,62^ jo  Meteoreisen 

1;92  „    Schwefeleisen 
0,72  „    Ghromeisen 
92,68,,    Silikat 

100,00  und  zwar: 
das  Silikat  bestehend  als : 


Stoffe: 

im  Ganzen 
Bauschanaljse 

in  dem  61%  durch 
Säuren  zersetzbar. 

Ant 

in  dem  39®/o  in 
Säuren  unzersetzb. 

beil. 

Kieselsäure 

44,81 

32,68 

3,94 

Thonerde 

1,24 

9,36 

4,17 

Eisenozydal 

24,55 

28,91 

17,71 

Bittererde 

26,10 

37,44 

8,20 

Ealkerde 

2,28 

0,61 

4,91 

Natron 

0,26 

— 

0,67 

Kali 

0,16 

— 

0,40 

1)  On  the  ehem.  coostit,  of  meteor.  stopes,  Qottingen  Pissert. 
(Mir  nicht  zngänj^lich)« 


Gümhel:  Ueber  die  in  Bayern  gefundenen  Steinmeteoriten,      23 

Diese  Resnltate  weichen  so  bedeutend  von  den  früher 
mitgetheilten  ab,  dass  dafür  kein  anderer  Grund  gefunden 
werden  kann,  als  die  an  sich  grosse  Ungleichheit  in  der 
Znsammensetzung  des  Meteorsteins,  welche  einen  um  so 
grösseren  Einfluss  auf  die  Ergebnisse  der  Untersuchung  zu 
äossem  im  Stande  ist,  mit  je  kleineren  Quantitäten  man  zu 
arbeiten  gezwuugen  ist.  Die  mikroscopische  Untersuchung 
der  Dünnschliffe  unterstützt  direkt  diese  Annahme,  indem 
sich  hierbei  die  grösste  Unregelmässigkeit  in  der  Art  der 
VertKeilung  der  Gemengtheile  erkennen  lässt.  Ein  grösseres 
Korn  von  diesem  oder  jenem  Gemengtheil  in  der  verwendeten 
Probe  verrückt  bei  geringen  Quantitäten,  die  man  benützt, 
die  Zahlen  in  beträchtlicher  Weise.  Es  lassen  sich  beispiels- 
weise zackige  Knöllchen  von  Meteoreisentheilchen  aus  der 
Masse  herauslösen,  deren  Grösse  in  keinem  Verhältnisse  steht 
zu  dem  geringen  Procentgehalte  des  Steins  an  Meteoreisen 
im  Allgemeinen  und  Ganzen.  Aehnlich  verhält  es  sich  mit 
den  eingestreuten  härteren  Knöllchen  und  Körnchen. 

Besonders  verschieden  ist  die  Angabe  bezüglich  der  Zu- 
sammensetzung des  in  Salzsäure  zersetzbaren  Gemengtheils. 
Doch  tritt  auch  in  der  Analyse  Crook's  die  relativ  geringe 
Menge  von  Kieselsäure  sehr  deutlich  hervor.  Minder  ab- 
weichend erweisen  sich  die  Resultate  der  Analyse  des  durch 
Säuren  unzersetzten  Restes.  Gerade  diess  beweist,  dass  es 
nicht  in  dem  Gang  der  analytischen  Arbeit  liegt,  wie  es 
scheinen  könnte,  wenn  hier  der  Kieselsäurengehalt  ebenso 
verhältnissmässig  hoch,  wie  bei  dem  in  Säuren  zersetzbaren 
Antheil  gering  gefunden  wurde.  Da  dieser  Rest,  wie  die 
mikroscopische  Untersuchung  desselben  lehrt,  aus  verschie- 
denen Mineralsubstanzen,  namentlich  einem  weissen  und 
einem  braunen  Gemengtheil  besteht,  so  kann  das  Sauerstoff- 
verhältniss  im  Ganzen  genommen,  uns  keine  besonderen 
Aufschlüsse  verschaffen. 

Die    wegen    der    leichten    Zerreiblicbkeit    der    Masse 


24         Sitzung  der  math.'phys,  Classe  vom  9,  Februar  1878, 

schwierig  herzasteilenden  Dünnschliffe,  welche  nur  durch 
wiederholtes  Tränken  mit  sehr  verdünntem  Canadabalsam 
in  brauchbarem  Zustande  gewonnen  werden  können,  geben, 
wie  es  das  Dfinnschliffbild  auf  der  beiliegenden  Tafel  in  Figur  I. 
zeigt,  bezüglich  der  Zusammensetzung  des  Gesteins  und  der  Ver- 
theilung  der  Gemengtheile  einige  lehrreiche  Aufschlüsse.  Es 
stechen  besonders  die  Chondren  in  ihrer  theils  staubig  krüm- 
meligen,  theils  faserigen  Zusammensetzung  besonders  hervor. 
Trotz  der  geringen  Durchsichtigkeit  derselben  erweisen  sie  sich 
i,  p.  L.  betrachtet  stets  farbig  und  zwar  nicht  bloss  die 
lichteren  Streifchen  derselben,  sondern  ihre  ganze  Masse. 
Diesen  Einmengungen  gegenüber  sind  die  übrigen  unter- 
scheidbaren, stets  unregelmässig  umgrenzten,  gelblichen,  bräun- 
lichen und  weisslichen  Splitterchen  klein.  Sie  sind  alle  von 
zahllosen  Bissen  durchzogen,  die  nur  hier  und  da  parallel 
verlaufen.  Kleine  Stückchen  nnd  Staubtheilchen  der  anschei- 
nend gleichen  Mineralien  bilden  die  Grundmasse,  in  welchen  die 
grösseren  Trümmer  eingestreut  liegen.  I.  p.  L.  treten  bis 
in  die  feinsten  Theilchen  Farbenerscheinungen  hervor,  so 
dass  auch  in  den  Dünnschliffen  die  Abwesenheit  einer  glas- 
artigen Bindemasse  bestimmt  beobachtet  werden  kann.  Be- 
merkenswerth  sind  zahlreiche  kleinste,  runde,  wasserhelle 
Kömchen,  welche  der  Grundmasse  beigemengt  sind.  Meteor- 
eisen- und  Schwefeleisen-Knöllchen  theilen  etwa  die  Grösse 
der  Mineralsplitterchen,  machen  jedoch  ihren  umrissen  nach 
nicht  den  Eindruck  der  Zertrümmerung,  wie  letztere  und 
liegen  ziemlich  gleichmässig  in  der  Masse  zerstreut.  Wir 
sehen  also,  dass  der  Meteorstein  von  Mauerkirchen  seiner 
Struktur  nach  sich  nicht  wesentlich  von  anderen  chondriti- 
schen  Meteorsteinen  unterscheidet. 


Gümbel:  lieber  die  in  Bayern  gefundenen  Sleinmeteoriten,     25 


Der  Heteorstein  yon  Eichstädt. 

(Figur  II.) 

lieber  den  Fall  dieses  Steins  wird  berichtet/)  dass  ein 
Arbeiter  an  einer  Ziegelhätte  im  sog.  Wittmes,  einer  waldigen 
Gegend,  etwa  5  Kil.  westwärts  von  Eichstädt  am  19.  Feb. 
1785  Nachmittags  zwischen  12  und  1  Uhr  nach  einem 
donnerähnlichen  Getöse  einen  grossen  schwarzen  Stein  auf 
den  mit  Schnee  bedeckten  Erdboden,  auf  dem  Ziegelsteine 
umher  lagen,  fallen  sah.  Als  er  zur  Stelle  lief,  fand  er  den 
Stein,  welcher  einen  Ziegelstein  zertrümmert  hatte,  eine 
Hand  tief  im  Boden  und  so  heiss,  dass  er  ihn  erst  mit 
Schnee  abkühlen  musste,  um  ihn  an  sich  nehmen  zu  könoen. 
Der  Stein  hatte  etwa  ein  Fuss  im  Durchmesser  und  wog 
beiläufig  3  Kilogramm.  Schafhäutl  (Gelehrt.  Anzeige 
d.  Ae,  d.  Wiss.  in  München  1847  S.  559.)  beschreibt  den- 
selben wie  folgt:  „Seine  Struktur  ist  ziemlich  grobkörnig, 
die  £örner  sind  rundlicher,  als  diess  bei  allen  übrigen 
Aerolithen  der  Fall  ist ;  ja  es  finden  sich  sogar  vollkommen 
ellyptische,  wie  abgeschliffen  aussehende  Körnchen  von  grau- 
licher Farbe  und  dichtem  ziemlich  mattem  ebenem  Bruche 
darin,  ohne  bemerkbares  krystallinisches  Gefüge.  Neben 
diesen  liegen  grünliche  olivinartige  Körner  von  glasig  mu- 
scheligem Bruche.  Schwefeleisen,  Nickeleisen  und  Magnet- 
eisen sind  zwischen  diesen  Kömern  eingesprengt,  so  dass 
er  unter  allen  Meteorsteinen  unserer  Sammlung  (Münchner 
Staats-S.)  am  stärksten  auf  die  Magnetnadel  wirkt.^' 

Das  spez.  Gewicht*)  wird  angegeben: 

von  Schreibers  zu  .     .     .     3,700 
von  Bumler  zu      ....     3,599 


1)  Vergl.  Moll'B  Aonal,  4.  Berg-  u.  Hüttenk.  Bd.  III.  S.  251. 


26         Sitzung  der  maih.'phys.  Classe  vom  9,  Februar  1878.  ' 

Klaproth    hat    diesen    Stein    analysirt    und   giebt 
(Gilberts  Ann.  XIII.  338)  als  seine  Bestandtheile  an: 

Gediegen  Eisen 19,00 

Nictelmetall 1,50 

Brannes  Eisenoxyd  ....     16,50 

Bittersalzerde 21,50 

Kieselerde 37,00 

Verlast  (mit  Schwefel)      ,     .       4,50 

100,00 
Das  in  der  Münchener  Staatssammlang  verwahrte  Stück 
zeigt  eine  schwarze  mattglänzende,  runzelige  Rinde  und  eine 
weisslich  graue,  grobkörnig  chondritische,  durch  zahlreiche 
Rostflecken  hier  und  da  gelblich  getüpfelte,  leicht  zerreib- 
liche  Hauptmasse,  aus  welcher  sich  die  oft  sehr  grossen 
Chondren  leicht  heraus  lösen  lassen.  Es  finden  sich  solche 
bis  über  3  mm.  im  Durchmesser  gross,  sie  sind  sehr  hart, 
auf  der  Oberfläche  matt,  erdbeerenartig  höckerig  und  grabig 
in  einer  Weise,  dass  die  angeschlossenen  Mineralsplitterchen 
der  Hauptmasse  wie  an  die  Oberfläche  gekittet  erscheinen. 
An  vielen  Stellen  der  Oberfläche  bemerkt  man  zudem  kleinen 
spiegelnde  Streifchen,  wodurch  dieselben  gleichsam  facettirt 
erscheinen.  Auch  kommen  damit  fest  verwachsene  Meteor- 
eisentheilchen  vor,  welche  zuweilen  selbst  in  die  Oberfläche 
versenkt  sind.  Niemals  zeigt  sich  eine  Glättung  der  Ober- 
fläche, wie  sie  vorkommen  müsste,  wenn  die  Kügelchen 
durch  Reibung  und  Abrollung  entstanden  wären.  Vielmehr 
gleichen  sie  der  äusseren  Beschafl^enheit  nach  den  in  den 
Schlacken  vorkommenden  Roheisensteinkügelchen.  Zerschlägt 
man  sie,  so  zeigen  sie  auf  der  flachmuscheligen  Bruchfläche, 
einen  matten  Glasglanz,  schwärzlichgraue  Farbe  und  bei 
weiterer  Zertrümmerung  unter  dem  Mikroscop  erweisen  sie 
sich  nicht  als    eine    homogene,    sondern   zusammengesetzte 

1)  Buchner  a.  a  0.  S.  9. 


Gümhel:  Üeber  die  in  Bayern  gefundenen  Steinmeteoriten.     27 

Masse.  Man  kann  dentlich  einen  glashellen  mit  zahl-  i 
reichen  Bläschen  erfüllten,  i.  p.  L.  ungemein  buntfarbigen 
Bestandtheil  neben  einer  nur  durchscheinend  trüben,  wie 
aus  kleinsten  Staubtheilchen  zusammengesetzten,  aber  i.  p. 
L.  doch  deutlich  farbigen,  zuweilen  feinstreifigen  Haupt- 
masse und  einzelnen  durchscheinenden  intensiv  gelbbraunen, 
i.  p.  L.  unverändert  gefärbten  Streifchen  unterscheiden.  In 
Dünnschliffen  sieht  man  ihre  Struktur  noch  viel  deutlicher, 
obwohl  sie  hier  in  einer  an  sich  sehr  dunkelgei^rbten  Haupt- 
masse liegen  und  schwierig  gut  durchsichtig  zu  erhalten  sind. 
Indem  nämlich  ziemlich  viel  Meteoreisen  als  Gemengtheil 
auftritt,  das  grossentheils  ber^ts  etwas  zersetzt  und  mit 
einem  Höfchen  von  gelbbrauner  Farbe  umgeben  ist,  leidet 
auch  die  Klarheit  derjenigen  Mineraltheilchen,  welche  sonst 
durch  ihre  Durchsichtigkeit  sich  auszeichnen.  Die  gelbe 
Farbe  rührt  von  Eisenoxydhydrat  her,  welches  durch 
die  Einwirkung  der  feuchten  Luft  unserer  Atmosphäre 
auf  das  Meteoreisen  erst  nachträglich  während  der  Zeit  sich 
gebildet  hat,  in  welcher  der  Stein  in  der  Erde  oder  in 
unseren  Sammlungen  gelegen  hat.  Dieses  Eisenoxydhydrat 
dringt  in  die  feinsten  Risschen  und  Sprünge  oder  Zwischen- 
räume ein,  kann  aber  leicht  durch  Säuren  entfernt  werden. 
Neben  dem  Meteoreisen  betheiligen  sich  unregelmässig  ein- 
gesprengte, selten  von  parallelen  Linien  eingeschlossene  Mine- 
ralsplitterchen  an  dem  Haufwerk,  aus  dem  der  Meteorstein 
besteht.  Bald  sind  es  wasserhelle,  wenig  rissige  Trümmerchen, 
bald  solche,  welche  durch  ein  einfaches  System  parallelen 
Linien  gestreift  oder  von  unten  schiefen  Winkeln  sich  schnei- 
denden Bissen  zerklüftet  sind,  etwa  wie  es  bei  dem  Augit 
vorzukommen  pflegt,  oder  aber  durch  eine  dem  Zell- 
netz gewisser  Moosblättchen  ähnliche,  merkwürdig  lang- 
gezogene und  quergegliederte  Maschenstruktur  (d)  sich 
auszeichnen.  Zuweilen  stossen  in  einem  Trümmertheil 
mehrere  Systeme  solcher    paralleler  Streifchen    zusammen. 


28         Sitzung  der  math.-phya.  Classe  vom  9,  Februar  1878, 

Zwischen  diesen  grösseren  Frt^ienten  liegen  kleinere  ganz 
Yon  derselben  Beschaffenheit,  wie  die  grösseren  angehäuft. 
I.  p.  L.erscheineu  alle  Theilchen,  welche  nnr  überhaupt  durch- 
sichtig sind,  in  bunten  Farben,  welche  selbst  innerhalb  der  ein- 
zelnen Splitter  aggregatartig  vertheilt  sind  und  selten  streifig 
oder  bandartig  parallel  verlaufen.  Endlich  sind  als  ungemein 
häufige  Bestandtheile  die  kugeligen  Einschlüsse  zu  nennen, 
die  schon  erwähnt  worden  sind.  Ans  den  mannichfachen 
Formen,  welche  dieselben  besitzen,  heben  wir  nur  einige 
der  am  häufigsten  vorkommenden  hervor.  Ziemlich  zahlreich 
sind  die  Chondren  mit  excentrisch  strahlig  faserigem  Ge- 
füge  (a),  welches  in  der  Regel  von  einer  nahe  am  Rande 
liegenden  mehr  kömigen  Parthie  ausgeht  und  in  einen  vielfach 
abgesetzten,  gleichfalls  maschenartigen  und  quergegliederten 
Strahl enbüschel  ausläuft.  Diese  Struktur  stimmt  so  sehr 
mit  jener  schon  geschilderten  überein,  welchen  wir  auf  andern 
regelmässig  umgrenzten  Splitterchen  begegnen,  dass  wir 
letztere  wohl  als  Abkömmlinge  zerbrochener  grösserer 
Chondren  ansehen  müssen.  Andere  der  letzteren  sind  von 
verschiedenen  Systemen  sich  unter  spitzen  und  stumpfen 
Winkeln  schneidender  dunkler  Streifchen  beherrscht  (b), 
eine  Struktur,  die  sich  als  der  Anfang  einer  krystallinischeni 
periodenweis  gestörten  Ausbildung  betrachten  lässt.  In  noch 
anderen  Chondren  kommt  eine  staubartig  trübe,  schwach  durch- 
scheinende Substanz  vor,  in  welcher  häufig  sehr  zahlreiche 
dicht  gedrängte,  hellere,  gruppenweis  nach  verschiedenen 
Richtungen  verlaufende  Streifchen  (c)  sich  bemerkbar 
machen.  Endlich  treten  nicht  selten  Eügelchen  auf, 
welche  aus  grösseren,  helleren,  durch  dunkle  Zwischenstreif- 
chen  von  einander  getrennten  Körnchen  (e)  gleichsam  zu- 
sammengebacken erscheinen.  Aus  alle  dem  geht  zur  Genüge 
hervor,  dass  wir  in  dem  Stein  von  Eichstädt  einen  Chon- 
driten  der  ausgezeichnetsten  Art  vor  uns  haben.  Derselbe 
kann  geradezu  als  Typus  dieser  Art  der  Struktur,  welche 


QümM:  üeher  die  in  Baffem  gefundenen  Steinmeteariten,      29 

bei  den  Meteorsteinen  als  der  vorherrschende   bekannt  ist, 
gelten. 

Was  seine  Zusammensetzung  anbelangt,  so  hat  die 
Analyse  (Ass.  A.  Schwager)  ergeben,  dass  der  Stein  be- 
stellt aus : 

22,98  Meteoreisen, 
3,82  Schwefeleisen, 
32,44  in  Salzsäure  zersetzbaren, 
40,76  in  Salzsäure  nicht  zersetzbaren  Mineralien. 

Die  Zusammensetzung  ist  im  Ganzen  A,  dann 

B  in  den  durch  Gl  H  zersetzbaren  Silicaten 

G  in  dem  durch  Gl  H  nicht  zersetzbaren  Bestandtheil: 


G. 


Kieselerde .... 
Tbonerde  .... 
Eisenoxydul  .  .  . 
Eisen  (mit  Phosphor 

Nickel 

Ealkerde  .... 
Schwefel  .  .^  .  . 
Ghromoxyd  .  .  . 
Bittererde .... 

Kali 

Natron 


33,31 
2,31 

15,34 

24,64 
0,94 
0,74 
1,42 
0,15 

18,86 
0,40 
1,04 

99,15 


34,45 

0,86 
24,52 


0,68 


55,53 

5,13 

16,66 


1,13 


Der  Gehalt  der  durch  Salzsäure  zersetzbaren  Gemeng- 
theile  an  Alkalien  weist  ausser  Olivin  noch  auf  einen  Feld- 
spath  hin.     Wir  haben  aber  darin: 


30         Sitzung  der  math 
Si  0,     . 

AI,  O3 . 
Fe  0  . 
Mg  0  . 
Ca  0    . 


Ka,  0 
Na,  0 


'phys,  Chsse  vom  9.  Februar  1878. 

.  .  34,45  mit  18,37  0 

.  .     0,86     „  0,40 

•  .  24,52     „  5,45  \ 

.  .  37,31     „  14,90  j   ^^'^^ 


.     .     0,68     „      0,19 
.     .     0,68     „      0,11 
.     .     1,31     „      0,34 
Daraus  ersieht  man,  dass,  wenn  wir  ein  Singalosilikat 
ausscheiden,   die    vorhandene    Sauerstoffmenge   noch    nicht 
einmal  vollständig  ausreicht,  den  Bedarf  ganz  zu  decken,  dass 
mithin  die  Analyse  uns  keinen   Aufschluss   über  die  Natur 
des  etwa  noch  ausser  Olivin  vorhandenen  Silikats  weiter  giebt. 
In  dem  von   Säuren   nicht   zersetzbaren   Rest    endlich 
stellen  sich  die  Verhältnisse  folgender  Maassen: 


Kieselerde  .     .     . 

.     55,53  mit 

29,62  0 

=  22,6  4   7 

Eisenoxydnl    .     . 

.     16,66     „ 

3,70  0 

=  3,58  +  0,12 

Bittererde   .     .    . 

.     19,34     „ 

7,73  „ 

Chromoxyd      .     . 

•       0,73     „ 

0,23  „ 

Thonerde    .     .     . 

.       5,13     „ 

2,39  „ 

=  2,33  +  0.06 

Kalkerde     .     .     . 

•       1,13     „ 

0,32  „ 

Kali 

.       0,56     „ 

0,10  „ 

0,84. 

Natron  .... 

.       1,62     „ 

0,42  „ 

Daraus  berechnet  sich  ein  Bisilikat,  Ghromeisen  (von  der 
Zusammensetzung  des  von  L^Aigle)  und  ein  Andesin-artiger 
Pelspath  ungefähr  in  dem  Verhältniss  wie  79  :  1  :  21. 

Im  Ganzen  besteht  also  der  Eichstädter  Meteorstein 
ungefähr  aus: 

Meteoreisen  ....  22,98 
Schwefeleisen  ....  3,82 
Chromeisen      ....       0,40 

Olivin 31,00 

Mineral  der  Augitgruppe  31,90 
Andesin-artiger  Feldspath  8,46 
Peldspathartiges   Mineral     1,54 

100,00 


j 


Gümbel:  Üeber  die  in  Bayern  gefundenen  Steinmeteoriten,      31 

Das  häufige  Vorkommen   und  die   relative  Grösse  der 

Chondren  luden  zu  einer  besonderen  Analyse  dieser  Eügel- 

chen  ein.     Um  sicher  zu  sein,  mit  einem   Yon   anhaftenden 

kleinsten  Mineralsplitterchen  freien  Material  zu  verarbeiten, 

wurden  die  Chondren  so  lange  auf  einer  mattgeschliffenen 

Glasplatte  hin-  und  hergerieben,  bis  ihre  Oberfläche   völlig 

glatt  und  glänzend  geworden  war.     Leider  war  die  so  mir 

zur  Verfügung  stehende  Menge  eine  nur  sehr  geringe  (0,12  Gr.) 

und  es  kann  daher  an   die  Analyse   der  Anspruch  grosser 

Genauigkeit   nicht   gemacht   werden.      Durch   Vorversuche 

war  bereits  festgestellt  worden,  dass  auch  die  Substanz  der 

Chondren  sich  theilt  in  eine  von  Salzsäure  zersetzbare  und 

in    eine    unzersetzbare    Masse.      Die    erstere    enthält   noch 

Schwefeleisen,  welches,  wie  die  Untersuchung  an  Dünnschliffen 

lehrt,  in  kleinen  Körnchen  fest  mit  den  Kügelchen  verwachsen 

ond  in  dieselbe  gleichsam  eingesenkt  vorkommt. 

Ich  fand  die  Zusammensetzung: 

Schwefeleisen 1,53 

I.  In  Salzsäure  zersetzbar    .     .     53,05 
n.  In  Salzsäure  unzersetzbar    .     45,42 

100,00 
Als    Zusammensetzung    der    Silikate  I    und   II    ergab 
sich  ferner 

I  II 

Kieselsäure  .  26,26  mit  14,22  0  53,21  mit  28,38  0 
Eisenoxydul  .  30,09  „  6,67  „  14,86  „  3,30  „ 
Bittererde.  .  31,53  „  12,60  „  26,42  „  10,56  „ 
Thonerde  .     .       2,70     „       1,26  „  —  — 

Kalkerde    .     .       1,00     „       0,29  „  3,67     „       1,05  „ 

Alkalien     .     .      8,00     „       1,70  „  '—  — 

99,98  98,16 

Es  ist  zunächst  hervorzuheben,  dass,   wie  auch  schon 
von  anderer  Seite  bemerkt  wurde,  die  Zusammensetzung  der 


32        Sitzung  der  math.-phffs.  Classe  vom  9.  Februat  1878. 

Ghoudren  nahezu  die  nämliche  ist,  wie  die  der  ganzen  Masse 
nnd  sich  durch  die  Behandlung  mit  Säuren  in  zwei  ähn- 
liche Theile  scheiden  lässt. 

Der  in  Salzsäure  zerlegbare  Theil,  abgesehen  von  Resten 
eines  Gehaltes  an  Meteoreisen  und  Schwefeleisen,  schliesst 
sich  am  engsten  an  Olivin  an.  Aber  es  mangelt  auch  hier, 
wie  in  zahlreichen  Fällen  bei  analysirten  Ghondriten  an 
Kieselsäure.  Ich  möchte  vermuthen,  dass  diess  hier  von  einem 
Ueberschass  an  Eisenoxydul  herrührt,  das,  anstatt  von  zer- 
setzem  Olivin,  von  fein  beigemengtem  Meteoreisen  abstammt. 
Thonerde,  Kalkerde  und  Alkalien  weisen  auf  eine  Beimeng- 
ung feldspathartiger  Theilchen,  wie  bei  der  Hauptmasse  der 
Chondriten  hin.  Doch  bietet  die  Interpretation  dieses  Theils 
immerhin  Schwierigkeiten,  die  bis  jetzt  noch  nicht  besei- 
tigt sind. 

Der  in  Salzsäure  unzersetzte  Rest  fügt  sich  viel  besser 
in  das  Maass  eines  Bisilikates ;  wenn  es  auch  hierbei  um  etwas 
weniges  an  Kieselsäure  fehlt,  so  kann  diess  wohl  bei 
der  geringen,  zur  Analyse  verwendete  Menge  als  Folge  des 
Verlustes  bei  der  Analyse  selbst  angesehen  werden. 


Der  Heteorstein  von  Hassing. 

(Figur  ra.) 

üeber  die  näheren  Umstände  des  Falls  dieses  Meteoriten 
theilt  Prof.  ImKof  (Kurpfalzbaier.  Wochenblatt  1804  St  3 
u.  f.)  ^)  mit: 

„Nach  den  gerichtlichen  Anzeigen  an  jdie  kurf.  Landea- 
direktion  hörten  mehrere  der  Landleute,  die  um  den  Markt- 
flecken Mässing"  (Massing)  Ldger.  Eggenfelden  wohnen,  am 


1)  Gilberts  Ann.  d.  Phys.  XVIII.  830. 


Gümhel:  lieber  die  in  Bayern  gefundenen  Steinmeteoriten.      38 

13.  Dez.  1803  Vormittag    zwischen  10   und  11  Uhr   neun 
bis  zehn  Mal  einen  Knall,  wie  Kanonenschüsse.  Ein  Bauer 
zu  St  Nicolas,  der  bei  diesem  Getöse  aus  seinem  Hofe  trat 
und  in  die  Höhe  sah,  erblickte  etwas,  das  sehr  hoch  unter 
beständigem  Sausen  in  der  Luft  daher  kam  und  endlich  auf 
das  Dach   seiner  Wagenhütte   fiel,   etliche  Schindeln  zer- 
schlug und  in  dieselbe  eindrang.  Er  ging  auf  die  Hütte  zu  und 
fand  in  ihr  einen  Stein,  der  nach  Pulver  roch,  ganz  schwarz 
und  so  heiss  war,  als  ein  Stein  zu  sein  pflegt,  der  auf  einem 
Ofen  lag.     Er  sagte,   er  habe   das   Yermeintliche  Schiessen 
von  Alten-Oetting  (d.  h.  von  Osten)  her  gehört,   der  Stein 
sei  aber  über  Heiligenstadt  (d.  h.  von  Westen)  gekommen. 
Der  Stein  wog  über  P/t  Kilogramm,   hat  ein  spec.   Gew. 
von  3,365,  eine   dunkelschwarze,   etwas   dickere  Rinde,   als 
der  Mauerkirchner    und   ist  im  Bruche   viel  grobkörniger. 
Als  Gemengtheile  enthält  er  nach  Imhof: 

1)  regulinisches  Eisen,  das  wie  dünne  Eisenfeile  sichtbar 
eingewachsen  und  glänzend  erscheint, 

2)  Schwefelkies,  der  unter  der  Loupe  krystallisirt  er- 
scheint und  gerieben  ein  schwarzes  Pulver  giebt, 

3)  grössere  und  kleinere  plattgedrückte,  eckige  Massen, 
einige  von  dunkelbrauner,  andere  von  schwarzer  Farbe,  die 
sich  durch  ein  schimmerndes  Ansehen  und  grössere  Härte 
von  jenen  unterscheiden, 

4:)  hier  und  da  bemerkt  man  noch  kubische  Körnchen 
und  Blättchen  von  gelblicher  Farbe  durchscheinend  und  mit 
Glasglanz,  wie  Quarz  aussehend,  die  jedoch  nicht  die  Härte 
des  Quarzes  haben, 

5)  auch  sind  weisse  Körner  von  unregelmässiger 
Form  eingesprengt,  von  denen  einige  über  3  Linien 
dick  sind, 

6)  unter  dem  Mikroscop  sieht  man  auch  ein  weiss- 
graues,  ins  Gelbe  spielendes  Metall,  das  dem  Magnete  folg- 
sam und  wahrscheinlich  metallisches  Nickel  ist. 

[1878.  1.  Math.-phys.  Cl.]  Z 


34  iSitzung  der  math-phys,  Classe  vom  9,  Februar  1678, 


Nach  der  Analyse  dieses  Forschers  besteht  der  Stein 
in  100  Theilen,  aas: 

regnlinischem  Eisen.     ...  1,80 

„            Nickel      ...  1,35 

braunem  Eisenoxyd       .     .     .  32,54 

Magnesia 23,25 

Kieselerde 31,00 

Verlust  an  Schwefel  u.  Nickel  10,06 

100,00 

Ammler  giebt  (0.  Buchner  a.  a.  0.  S.  17)  das  spec. 
Gewicht  zu  3,3636  an. 

Prof.  V.  Schafhäutl  beschreibt (a.  a.  0.  S. 558)  diesen 
Stein  „vom  Aussehen  des  Bimssteinporphyrs,  in  dem  die 
einzelnen  Silikate  in  so  grossen  Aggregaten  auftreten,  dass 
man  sie  leicht  mit  freiem  Auge  unterscheiden  könne.  Das 
Gestein  bestehe  aus  milchweissen  Körnern  von  blättrig 
strahliger  Struktur,  aus  olivinartigen  körnigen  Massen  von 
Erbsengrösse,  und  aus  z.  Th.  matten  basaltartigen  Frag- 
menten, die  jedoch  öfter  auf  den  augitartigen  Blätterdurch- 
gängen auch  glasglänzend  erscheinen.  Sparsam  finden  sich  ris- 
siges irisirendes  Schwefeleisen  eingesprengt  und  kleine  Körn- 
chen von  Chromeisen.  Der  Stein  wirkt  nicht  auf  die  Magnet- 
nadel. Vor  dem  Löthrohr  sei  er  ziemlich  leicht  schmelzbar 
und  ebenso  mit  einer  glasig  glänzenden  Rinde  überzogen, 
wie  der  Aerolith  von  Stannem." 

Nach  meinen  Beobachtungen  besitzt  der  Stein  eine 
braunschwarze  glasglänzende  Binde  und  besteht  in  seiner 
graulich  weissen,   ziemlich   leicht  zerreiblichen  Masse   aus: 

1)  einem  gelblich  grünen  bis  hellgrünen,  etwas  parallel- 
rissigen, in  rundlich  und  unregelmässigen  Körnchen  (wie 
in  Krystallform)  vorkommenden,  ziemlich  grossen,  1  — 1*/2 
mm.  im  Durchmesser  breiten,  nur  sporadisch  erscheinenden 


Gümhel:  Üeber  die  in  Bayern  gefundenen  Steinmeteoriten,      d5 

Gemengtheil,  der  durch  Sänren  leicht  zersetzt  wird  and  als 
Oliyin  gelten  muss. 

2)  ans  einem  weissen,  oft  glasartig  durchsichtigen  oder 
staubig  trüben,  nur  durchscheinenden,  stark  rissigen,  selten 
parallelstreifigen,  zuweilen  mit  deutlichen  Spaltflächen  ver- 
sehenen Mineral,  das  i.  p.  L.  lebhaft  ein-  oder  fleckig  viel- 
farbig erscheint  und  von  Säuren  gleichfalls  zersetzt  wird, 
einem  Feldspath  entsprechend, 

3)  aus  einem  weingelben  bis  graugrünlichen,  oder  blass 
rothlich  braunem,  glasartig  mattglänzendem  Mineral,  1,5 
bis  2  mm.  gross,  i.  p.  L.  lebhaft  gefärbt,  aber  nicht  di« 
chroitisch,  etwas  längsfaserig  (aber  undeutlich,  gestreift)  und 
mit  zahlreichen  kleinen  Bläschen  erfüllt.  Dieser  Bestand- 
theil  wird  von  Säuren  nicht  zersetzt  und  gehört  der  Augit- 
gruppe  an. 

4)  aus  schwarzem,  starkglänzendem,  in  Säuren  nicht 
zersetzbarem,  in  der  Phosphorsalzperle  ein  prächtig  grünes 
Glas  lieferndem  Chromeisen, 

5)  endlich  aus  z.  Th.  vom  Magnete  gezogenen,  dunklen, 
metallischen  Körnchen,  die  meist  dem  Schwefeleis^,  im 
Minimum  dem  Meteoreisen  zuzntheilen  sind. 

Diese  sämmtlichen  grösseren,  vorwaltend  rundlich  un- 
regelmässig eckigen,  (nicht  länglich  spiessförmigen)  Theilchen 
liegen  in  einer  feinstaubartig  kömigen,  grauen  Grundmasse, 
welche  aus  denselben  nur  kleinen  und  kleinsten  Splitterchen, 
wie  sie  eben  angeführt  wurden,  zu  bestehen  scheint.  Auch 
hier  ist  eine  glasartige  Bindemasse  nicht  zu  erkennen. 

Die  Analyse  A.  Schwager's  ergab: 


36        Sitzung  der  math.'phys,  Olaase  vom  9.  Februar  1678, 


21,33»/o  in 

78,67''/o  in 

Stoffe : 

Bauschanalyse 

Salzsäure  zer- 

Salzsäure nicht 

setzbar 

zersetzbar 

Eieselsäore 

53,115 

39,59 

56,71 

Thonerde 

8,204 

29,51 

2,54 

Eisenoxydnl 

19,138 

2,83 

23,46 

Eisen 

0,523 

2,49 

— 

Nickel 

Sparen 

Spuren 

— 

Chromoxyd 

0,979 

1,24 

&alkerde 

5,786 

15,70 

-      3,15 

Bittererde 

8,485 

3,33 

10,74 

EaU 

1,188 

1     4,78 

0,85 

Natron 

1,928 

1,17 

Schwefel 

0,374 
99,720 

1,78 
100,06 

— 

99,86 

Der  durch  Salzsäure  zersetzbare  Antheil  zu  21,33®/o 
lässt  sich  nach  dem  Gehalt  an  Schwefel,  Bittererde  und 
Thonerde  berechnet  ansehen  als  ungefähr  zusammengesetzt  aus: 

10^/0  Olivin  (Hyalosiderit) 
86^/o  Anorthit  mit  grossem  Alkaligehalte 
4^/q  Schwefeleisen  und  Meteoreisen 

100> 
In  abgerundeten  Zahlen  bestände  der  Feldspath  A  und 


der  Olivin  B  aus: 

A 

B 

Kieselerde     .     < 

.     42     .     , 

,     .     37,25 

Thonerde      .     . 

.     34     .     , 

Eisenoxydul .     . 

,     —     , 

.     29,75 

Ealkerde .     .     . 

,     18     .     . 



Bittererde     . 

.     .     33,00 

Alkalien  .     •     . 

.       6     .     . 

' 

100 


100,00 


(rümbeli  üeber  die  in  Bayern  gefundenen  Steinmeteoriten.      37 


Was    den  Rest   des    dnrch    Säuren  nicht   zersetzbaren 

ÄDtbeils  zu  78,67^/o  anbelangt,   so   muss   man  hierin  noch 

einen  kleinen  Antheil  Feldspath  neben  Chromeisen  und  Aagit 

annehmen,  etwa: 

2,5%  Chromeisen 

13,5  „    feldspathartige  Substanz  (A) 

84,0,,    Augitmineral  (B). 

Beiden   letzteren  (A  und  B)   würde    eine  Znsammsetz- 

nng  zu  kommen,  wie  folgt: 

A 


Kieselsäure 
Thonerde 
Eisenoxydul 
Ealkerde . 
Bittererde 
Alkalien  . 


66 
19 


11 

100 


B 

86 

36 

4 

14 

lÖÖ 


Berücksicht  man  ferner  das  Yerhältniss  des  in  Salz- 
säure zersetzbaren  und  nicht  zersetzbaren  Antheils  im  Yer- 
hältniss von  21,33  zu  78,67  so  können  wir  nach  der  oben 
angeführten  Deutung  den  Meteorstein  ungefähr  zusammenge- 
setzt uns  vorstellen ,  aus: 

Olivin 2,00 

Schwefeleisen     .     .     0,75 

Meteoreisen  .     .     .     0,25 

Chromeisen   .     .     .     2,00 

Anorthit  •     .     .     .  18,00 

2te  feldspathige  S.  .  11,00 

Augitmineral      .     .  66,00 

100,00 
Es    wurde    bisher    der   Stein    von    Massing   dem   von 
Luotolaks  an  die  Seite  gestellt  und  Rammeisberg  (d.  ehem. 
N.    d    Meteor.  S.    136)   zählt   ihn  zu   den  Howarditen 
(Olivin- Augit-Anorthitmeteorstein), 


38        Sitzung  der  maih.-phys,  Classe  vom  9.  Februar  1878. 

Ich  glaube,  dass  er  mehr  Analogien  mit  der  Gruppe  der 
Eukrite  besitzt,  da  der  Olivin  sehr  spärlich  vorhanden  ist. 

Wir  wollen  nun  zunächst  sehen,  wie  mit  dieser  Auf- 
fassung die  optische  Untersuchung  der  Dünnschliffe  passt, 
wie  das  Bild  Figur  III.  einen  solchen  darstellt.  Man  be- 
merkt zunächst  grosse,  unregelmässig  eckige  —  nicht 
wie  bei  den  typischen  Chondriten  abgerundete  Körnchen 
und  eine  ziemlich  gleichmässige,  feine  Hauptmasse  mit  ein- 
zelnen im  auffallenden  Lichte  metallisch  glänzenden,  stahl- 
grauen und  messinggelben  Putzen.  Sehen  wir  zunächst 
ab  von  den  grossen,  unregelmässigen,  gleichsam  abnormen 
Beimengungen,  so  treten  uns  in  der  Grundmasse  vor  Allem 
grössere  Gruppen  eines  grünlich  gelben,  dann  eines  schwach 
weingelben,  eines  blassröthlich  braunen  und  weissen  Minerals 
entgegen,  welche  wir  als  die  Haaptgemengtheile  anzusehen 
berechtigt  sind.  Die  wenigen  grünlich  gelben  Theilchen  (a) 
sind  unregelmässig  rissig,  glänzen  i.  p  L.  mit  den  lebhaf- 
testen Aggregatfarben  und  werden  durch  Säuren  zersetzt 
—  Olivin.  Nach  dem  ersten  Anschein  möchte  man  auch 
die  weit  zahlreicheren  Putzen  des  schwach  weingelben,  jedoch 
mehr  parallel  rissigen  Minerals  (b)  für  Olivin  halten. 
Allein  in  den  mit  kochenden  Säuren  anhaltend  behandelten 
Pulvern  erscheinen  sie  unzersetzt  und  können  mithin  nicht 
zum  Olivin  gehören.  Auch  bemerkt  man  in  den  Dünn- 
schliffen eine  Art  Parallelstreifung,  wie  sie  dem  Olivin  nicht 
zukommt,  aber  an  Enstatit  erinnert.  Daneben  liegen  zahl- 
reiche, oft  nur  durchscheinende,  doch  auch  gut  durchsichtige, 
an  den  Rändern  röthlich  braun  gefärbte,  nicht  dichroitische 
Theilchen  (c),  die  allem  Verhalten  nach  Augit  zu  sein 
scheinen.  Ich  glaube  demnach  annehmen  zu  sollen,  dass 
zwei  Mineralien  der  Augitgruppe  hier  vertreten  sind,  näm- 
lich Enstatit  und  Augit.  Die  glashellen  oder  staubartig 
weissen  Theilchen  (d)  sind  theils  durch  Säuren  zersetzbar, 
theils  erscheinen  sie  aber  auch  noch  in  dem  durch  Säuren  be- 


(jümbel:  üeber  die  in  Bayern  gefundenen  Steinmeteoriten.     39 

handelten  Pulver  mehr  oder  weniger  unberührt.  Diess  deutet 
gleichfalls  auf  die  Anwesenheit  von  zweierlei  Feldspathen,  von 
welchen  der  eine  wohl  in  dem  Dünnschliflfe  Spuren  von  Pa- 
rallelstreifen i.  p.  L.  erkennen  lässt.  Dass  —  entgegen  der 
Angabe  SchafhäutTs  —  wirklich  Meteoreisen,  wenn  auch 
spärlich  beigemengt  ist  (e),  habe  ich  in  dem  Dünnschliflfe,  in 
dem  zwei  deutliche  Körnchen  vorkommen,  dadurch  festge- 
stellt, dass  ich  auf  die  stahlgrau  glänzenden  Flächen  Kupfer- 
vitriollösung brachte,  wobei  sich  sofort  die  Ausscheidung 
metallischen  Kupfers  beobachten  lässt. 

Schwieriger  zu  erklären  ist  die  Natur  der  grossen  Ein- 
sprenglinge,  zu  denen  im  Dünnschliff  die  Parthienx  und  y  ge- 
hören. Der  grössere  x  ist  parallelstreifig  und  querrissig,  dunkel- 
olivengrün  bis  röthlich  braun,  wenig  durchsichtig,  i.  p. 
L.  farbig.  Er  möchte  als  ein  etwas  veränderten  Augit- 
fragment  zu  betrachten  sein.  Das  zweite  Fragment  y  ist 
gelblich,  sehr  feinkörnig,  fast  dicht,  schwach  duschscheinend 
nnd  mit  feinsten  schwarzen  Staubtheilchen  durchsprengt. 
Es  gleicht  am  ehesten  dem  Bruchstücke  eines  Chondrit- 
körnchens.  Dergleichen  Einschlüsse  mögen  noch  von  sehr 
verschiedener  Beschaffenheit  in  der  Grundmasse  eingebettet 
sein.  Obwohl  eine  deutliche  Chondriten struktur  nicht  vor- 
handen ist,  verhalten  sich  doch  diese  Einschlüsse  und  die 
als  Grundmasse  auftretenden  Mineralien  so  ähnlich  den 
Bestandtheilen  der  Chondrite,  dass  auch  dem  Meteorstein 
von  Massing  eine  ganz  analoge  Entstehung,  wie  die  der 
letzteren,  zugesprochen  werden  muss. 

Der  namhafte  Gehalt  dieses  Steins  an  Ghromeisen  gab 
Veranlassung,  dessen  Zusammensetzung  näher  zu  erforschen, 
da,  so  viel  ich  weiss,  das  Chromeisen  der  Meteorsteine  isolirt 
bis  jetzt  noch  nicht  einer  Aualyse  unterworfen  worden  ist. 
Es  schien  sich  hierzu  das  Chromeisen  im  Meteorstein  von 
TAigle,  indem  es  in  grösseren  Körnchen  vorkommt,  gut  zu 


40  Sitzung  der  math.-phyß,  Classe  vom  9,  Fehrrua  1788. 

eignen.  Dasselbe  lässt  sich  daraus  sehr  leicht  undvollständig 
rein  heraussuchen.     Die   Analyse  dieses  Ghromeisens  ergab: 

Chromoxyd .  .  ,  52,13 
Eisenoxydul  .  .  37,68 
Thonerde     .     .     .     10,25 

100,06 

also  nahezu  die  Zusammensetzung  des  Chromeisens  von  Bal- 
timore (Maryland),  ein  Beweis  mehr  für  die  Gleichartigkeit 
der  Bildang  kosmischer  und  tellurischer  Mineralien. 


Der  Meteorstein  Yon  Schönenberg. 

(Figur  IV.) 

Einen  sehr  ausführlichen  Bericht  über  den  FÄl  dieses 
Meteorsteins  giebt  Prof.  v.  Schafhäutl  (a.  a.  0.  S.  564). 
Daraus  ist  zu  entnehmen,  dass  zur  Zeit  des  Falls  am  25. 
Dez.  1846  nach  2  Uhr  Nachmittags  auf  einen  Umkreis  von 
etwa  60  Kilometer  ein  Donner-ähnliches  Geräusch  gehört 
wurde.  In  der  nächsten  Nähe  des  Ortes,  wo  der  Stein 
niederfiel,  verglich  man  das  Geräuche  mik  fernem  Kanonen- 
donner, der  nach  mehr  als  20maliger  Wiederholung  gleich- 
sam in  ein  Trommeln  überging  und  nach  etwa  3  Minuten 
mit  einem  fernem  Trompetenklängen  ähnlichen  Sausen 
endete.  Im  Dorfe  Schönenberg  traten  mehrere  Leute  bei 
diesem  Geräusche  aus  der  Kirche,  in  der  gerade  Nachmit- 
tagsgottesdienst stattfand,  wieder  heraus  und  sahen  nun  eine 
fiist  faustgrosse  Kugel  von  N.-O.zuletzt  nach  S.-O.  sich  wen- 
dend in  ein  Krautfeld  in  der  Nähe  des  Dorfes  niederfallen. 


Gümbel:  üeher  die  in  Bayern  gefundenen  Steinmeteoriten.      41 

Zahlreiche  Bewohner  des  Dorfs  eilten  zur  Stelle  und  es  fand 
sich  etwa  2  Fuss  tief  in  dem  etwas  gefrorenen  Lehmboden 
eingedrungen  ein  schwarzer  Stein.  Man  glaubte  noch 
Schwefelgeruch  zu  spüren.  Dabei  zeigte  der  vordem  bedeckte 
Himmel  plötzlich  zuerst  in  der  Richtung  des  Meteorfalls 
einen  lichten  Streif  und  hellte  sich  dann  gänzlich  auf. 

Die  Form  des  ringsum  von  einer  dunkelbraunen  rauhen 
Sinterrinde  überzogenen  Steins  beschreibt  v.  Schafhäutl 
als  eine  sehr  unregelmässige  in  den  Hauptumrissen  vier- 
seitige Pyramide  mit  einer  Zuschärfung,  die  in  der  Richtung 
des  längsten  Durchmessers  der  Basis  läuft  und  sich  nach 
der  hintern  Seite  der  Pyramide  senkt.  Da  die  Rinde  auch  in 
kleinen  Einschnitten  sich  vorfindet»  glaubt  er  annehmen  zu 
sollen,  dass  der  Stein  in  einem  erweichten  Zustande  auf  die  Erde 
kam.  Merkwürdiger  Weise  ziehen  7  Streifen  von  Nickeleisen 
schnurartig  über  den  Stein,  durchkreuzt  von  einem  8ten,  der 
eine  fast  recktwinklige  Richtung  zu  den  anderen  nimmt. 
Zwei  Seiten  sind  eben  und  ohne  Eindrücke,  im  üebrigen 
aber  ist  die  Oberfläche  unregelmässig  vertieft,  wie  das  Bruch- 
stück eines  Steins,  der  durch  eine  äussere  Gewalt  zerschlagen 
ist.  Der  Stein  wog  8  Kilogr.  15  Gr.  und  ist  so  weich, 
dass  er  sich  mit  den  Fingern  zerbröckeln  lässt.  Er  wirkt 
auf  die  Magnetnadel  und  Salzsäure  entwickelt  unter  Gallert- 
bildung Schwefelwasserstoff.  Die  Masse  besteht  aus  weissen, 
feinkörnigen  Theilchen,  welche  von  Säure  am  meisten  an- 
gegriffen wurden,  dann  aus  honiggelben  und  grünlichen,  kör- 
nigen Aggregaten,  auf  welche  die  Säure  weniger  Wirkung 
ausübt,  femer  aus  einzelnen  kleinen  Körnchen  von  Schwefel- 
eisen, silberglänzenden,  gefranzten  Blättchen  von  Nickel- 
eisen» in  der  Masse  zerstreut  und  zugleich  die  oben  erwähnten 
Schnüre  bildend.  Von  Augit,  Labrador  u.  dgl.  sei  Nichts 
iu  dem  Aerolith  zu  entdecken,  v.  Schafhäutl  scheint  nicht 
der  Ansicht  von  Berzelius  zuzustimmen,  dass  der  durch 
Salzsäure  zersetzte  Gemengtheil  Olivin  sei.  Denn  die  olivin- 


42         Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  9,  Februar  1878. 

artigen  Körner  seien  gerade  die  unauflöslichsten  und  die 
weissen  Mineraltheilchen  die  zersetzbaren  nach  Art  der 
Zeolithe  oder  gleich  dem  geglühten  Epidot,  Vesuvian  u.  s.  w. 
Er  fügt  dann  noch  einen  Erklärungsversuch  der  Entstehung 
der  Meteorite  als  das  Resultat  einer  Verdichtung  aus  einer 
Wolken-artigen  Masse  in  der  Nähe  unseres  Erdkreises  hinzu. 

Die  Schmelzrinde  ist  nach  meiner  Wahrnehmung  matt 
schimmernd,  schwarz,  stellenweis,  wo  Eisentheilchen  in  der 
Nähe  vorhanden  waren,  ziemlich  dick  (bis  Va  mm.)  Die 
lichtgrau  weisse,  feinkörnige,  spärlich  schwarz  punktirte, 
stellenweise  rostfleckige  Hauptmasse  besteht,  soweit  sich  diess 
vorläufig  erkennen  lässt,  aus: 

1)  grösseren,  grünlich  gelben  Theilchen,  welche  durch 
Salzsäure  zersetzbar,  eine  viel  Eisenoxydul  und  Bittererde 
haltige  Lösung  geben  —  also  olivinartig, 

2)  weissen  splittrigen  Theilchen,  gleichfalls  durch  Säure 
zerlegbar, 

3)  grünlich  grauen,  mattglänzenden,  unregelmässigen 
Kömchen,  welche  rissig  sind  und  von  Säuren  nicht  zer- 
setzt wöirden, 

4)  aus  verschiedenen  Eisenverbindungen,  die  sich  durch 
den  metallischen  Glanz  bemerkbar  machen  und  vielfach 
von  einem  gelben,  rostfarbigen  Hofe  umgeben  sind,  als 
Folge  der  eingetretenen  Zersetzung  des  Metoreisens,  Der 
Gehalt  an  diesem  wurde  durch  besondere  Versuche  festge- 
stellt.    Im  Uebrigen  ergab  die  Analyse: 


Gümbel:  üeber  die  in  Bayern  gefundenen  Steinmeteoriten,      43 


55,18'>/o  durch 

44,82  "/o  durch 

Stofife; 

Bauschanalyse 

Salzsäure  zer- 

Salzsänrenicht 

setzbar 

zersetzbar 

Ejeselsäore 

40,13 

24,47 

57,85 

Thonerde 

5,57 

9,45 

6,75 

EiRen 

13,77 

30,56 

— 

Nickel 

1,47 

1,48 

1,44 

Schwefel 

1,93 

3,52 

Phosphor 

0,36 

0,33 

0,27 

Chromoxyd 

0,60 

— 

1,35 

Eisenoxydul 

17,12 

10,41 

15,37 

Ealkerde 

2,31 

3,72 

0,56 

Bittererde 

13,81 

11,55 

16,63' 

Kali 

0,73 

1,33 

Spuren 

Natron 

2,20 

3.18 

1,02 

100,00 

100,00 

101,24 

Aus  diesen  Angaben  lässt  sich  berechnen,    dass  der  in 
Salzsäure  zersetzbare  Antheil  besteht  aus: 

Schwefeleisen  .     .  9,64 

Meteoreisen      ♦     .  26,25 

Olivin     ....  34,78 

Feldspath-Mineral  29,33 

100,00 

Für  den  Olivinbestandtheil  ist  in  Rechnung  zu  setzen: 
Si  0«       ...     12,82     ...     37 
Fe  0  ...     .     10,41     ...     30 
MgO.     .     .     .     11,55     ...     33 

34,78  100 

entsprechend  der  Zusammensetzung  des  Hyalosiderits. 


44         Sitzung  der  matK-phys,  Glosse  vom  9.  Februar  1878, 

Wir  finden  dann  weiter  fiir  den  etwas  zersetzten  Feld- 
spatliartigen  Bestandtheil : 


Sauerstoff 

SiO, 

11,65 

39,71 

21,3               - 
15,0              l 
3,6 

A1,0, 

9,45 

32,21 

CaO 

3,72 

12,70 

Ka,0 

1,33 

4,54 

0,77    .  72  1 

Näj,0 

3,18 

10,84 

2,8 

29,33  100,00 

Das  Sauerstoffverhältniss  der  Kieselsäure,  der  Thonerde 
und  der  alkalischen  Basen  3:2:1  steht  nicht  in  Ueberein- 
stimmung  mit  jenen  der  eigentlichen  Feldspathe,  sondern 
entspricht  dem  der  Skapolithgruppe  (Mejonit).  Die  Anwesen- 
heit eines  derartigen  Minerals  würde  aueh  zu  dem  optischen 
Verhalten  besser  passen,  als  die  Annahme  eines  Anorthits 
oder  Plagioklases  überhaupt,  weil  i.  p.  L.  die  weissen  oder 
glashellen  Theilchen  keine  parallelen  Farbenstreifchen  er- 
kennen lassen. 

In  dem  von  Salzsäure  nicht  zersetzten  Reste  ist  der 
Gehalt  an  Nickel  und  Phosphor  bemerkenswerth.  Wir 
müssen  diess,  da  nicht  anzunehmen  ist,  dass  dieser  Gehalt 
von  einem  Rest  zufällig  unzersetzt  gebliebenen  Meteoreisens 
herrühre,  als  ein  Zeichen  der  Beimengung  von  Schreibersit 
ansehen.  Das  dazu  gehörige  Eisen  erscheint  natürlich  in 
der  Analyse  unter  dem  Eisenoxydul.  Daraus  mag  sich  auch 
der  üeberschuss  der  Summe  über  100  z.  Th.  erklären.  Ob- 
wohl ausserdem  noch  sicher  Thonerde-haltiges  Chromeisen 
vorhanden  ist,  kommt  doch  eine  so  bedeutende  Menge  von 
Thonerde  neben  einem  beträchtlichen  Quantum  von  Natron 
zum  Vorschein,  dass  in  dem  Rest  weiter  auch  ein  feld- 
spathiger  Gemengtheil  vorausgesetzt  werden  muss,  während 
dessen  Hauptbestandtheil  offenbar  ein  augitisches  Mineral 
ausmacht.  Bringt  man  für  letzteres  die  Gemengtheile  eines 
Bisilikats  in  Abzug,  so  bleibt  ein  Rest,  in  dem  das  Sauer- 


Gümhd:  Ueber  die  in  Bayern  gefundenen  Steinmeteoriten,     45 

stoffverhältniss  zwischen  Thonerde  und  der  übrig  bleiben- 
den Kieselsäure  zwar  nahezn  wie  3  :  9  verhält,  es  fehlt 
aber  dann  an  der  erforderlichen  Menge  der  Kalkerde  und 
Alkalien.  Es  lässt  sich  daher  dieser  von  Säuren  nicht  zer- 
legte Antheil  nur  ungefähr  berechnet  als  bestehend  aus: 

Schreibersit 4,5 

Chromeisen 2,5 

feldspathiges  Mineral   .     .  4,0 

augitisches  Mineral .     •     .  89,0 

100,0 

Im  Ganzen  bestände  demgemäss  der  Chondrit  von 
Schonenberg  aus: 

Olivin 19,0 

feldspathigem   und  Skapolith- 

ar tigern  Mineral     .     .     .     .  18,5 

augitischem  Mineral  ....  40,0 

Meteoreisen 14,5 

Schwefeleisen    ......  5,0 

Schreibersit 2,0 

Ghromeisen 1,0 

100,0 

Der  Dünnschliff  dieses  Meteorsteins  (Figur  IV.  der  Tafel) 
lehrt  uns  die  aussergewöhnliche  Feinkörnigkeit  der  Gemeng- 
theile  kennen,  welche  alle  unregelmässig  splittrig,  wie  bei 
allen  Ghondriten,  sind.  Grössere  Miueralstückchen  sind  selten 
und  ebenso  vereinzelt  die  Chondren  (o),  deren  Masse  weiss 
trübe,  staubartig  feinkörnig,  und  an  den  Rändern  schwach 
durchscheinend,  aber  i.  p.  L.  buntfarbig,  seltener  excentrisch 
faserig  sich  zeigt.  Neben  diesen  rundlichen  Körnchen 
kommen  auch  noch  unregelmässig  eckige  Fragmente  von 
trüben,  staubartigen  und  deutlich  gestreiften  Massen  (b)  und 
von  jener    eigenthümlichen,    äussert    fein   parallelstreifigen 


46         Sitzung  der  math.-phys,  Clcisse  vom  9,  Februar  1S7d. 

und  quergegliederten,  der  Zellenmasclien  der  Moosblätter 
ähnlichen  Struktur  (c)  vor,  die  in  so  vielen  Chondriten 
als  charakteristisch  wiederkehrt.  Das  Meteoreisen  bildet 
oft  langgezogene,  leistenartige  Häufchen  (d),  scheint  aber 
häufig  auch  wie  eine  dünne  Rinde  sich  um  die  Chondren 
atizulegen. 

Unter  den  grösseren  Mineralsplitterchen  kann  man  die 
gelblichen,  höchst  unregelmässig  rissigen,  im  Umrisse  mehr 
rundlichen  als  dem  Olivin  angehörig  erkennen ;  sie  zeigen 
i.  p.  L.  die  buntesten  Aggregatfarben.  Die  etwas  dunkler, 
farbigen,  öfters  etwas  in's  ßöthliche  spielenden  Splitter  des 
augitischen  Minerals  zeichnen  sich  durch  eine  mehr  parallele 
Zerklüftung  nach  zwei  Richtungen  und  i.  p.  L.  gleichfalls 
sehr  bunte  Färbung  aus,  während  die  weisslichen,  feld- 
spathigen  Bestandtheile  vielfach  iu^s  Trübe  übergehen 
und  i.  p.  L.  von  blauen  und  gelben  Farbentönen  beherrscht 
werden. 

Nach  alledem  gehört  der  früher  chemisch  noch  nicht  unter- 
sucht gewesene  Meteorstein  von  Schönenberg  der  grossen 
Gruppe  der  Chondriten  an  und  nähert  sich  unter  diesen 
durch  den  niedern  Kieselsäuregehalt  sehr  dem  Stein  von 
Ensisheim,  unterscheidet  sich  aber  von  diesem,  wie  von 
allen  den  durch  Rammeisberg  (a.  a.  0.)  zusammenge- 
stellten Arten  durch  den  relativ  sehr  geringen  Bittererde-, 
hohen  Thonerde-  und  Natrongehalt. 

Die  an  der  Oberfläche  des  Steins  bemerkbaren  schnur- 
artigen Streifen  scheinen  Zerklüftungen  des  Steins  zu  ent- 
sprechen, auf  denen,  wie  auf  der  Oberfläche,  eine  Schmelz- 
rinde beim  Fall  durch  die  Atmosphäre  sich  gebildet  zu 
haben  scheint. 


Gümhel:  (Jeher  die  in  Bayern  gefundenen  Steinmeteoriten.     4t7 

Der  Meteorstein  Ton  Krähenberg 

bei  Zweibrücken  in  der  Bheinpfalz. 

(Figur  V.  und  VI.) 

Zu  den  erst  in  jüngster  Zeit  gefalleüen  und  am  Ge- 
nauesten untersuchten  Meteorsteinen  gehört  der  Stein  von 
Krähenberg,  üeber  den  Fall  selbst  berichten  ausführlich 
Dr.  G.  Neumayer  (Sitzungsb.  d.  Ac.  d.  Wiss.  in  Wien 
math.  naturw.  Cl.  Bd.  LX.  1869.  S.  229),  0.  Buchner 
(Poggendorf  Ann.  Bd.  137.  S.  176)  und  Weiss  (N.  Jahrb. 
1869.  S.  727  u.  Poggendorfs  Ann.  Bd.  137.  S.  617),  über 
die  Zusammensetzung  vom  Rath  (Poggendorfs  Ann.  Bd. 
137  S.  328),  an  einer  mikroscopischen  Untersuchung  der 
Dünnschliffe  fehlte  es  jedoch  bis  jetzt.  Wir  entnehmen  den 
oben  angeführten  Angaben  über  den  Fall  des  Steins,  dass 
am  5.  Mai  1869  Abends  6V2  Uhr  ein  furchtbarer,  einem 
Kanonendonner  ähnlicher,  aber  weit  stärkerer  Knall  gehört 
wurde,  dem  ein  Rollen,  ein  Geknatter,  wie  von  Musketen- 
feoer  herrührend  und  ein  Brausen,  ähnlich  dem  Geräusche, 
des  aus  einer  Locomotive  ausströmenden  Dampfes  folgte. 
Mit  einem  starken  Schlag  endigte  plötzlich  dieses  Geräusche, 
welches  gegen  2  Minuten  angedauert  hatte.  Man  beobachtete  an 
Orten  bis  auf  60  bis  70  Kilometer  Entfernung  vom  Fall- 
punkte Krähenberg  entweder  Geräusch  oder  Lichterschein- 
ungen, welch  letztere  als  intensiv  weiss  angegeben  werden. 
Zwei  Knaben  sahen  den  Stein  zur  Erde  fallen  und  etwa 
15 — 20  Minuten  nach  dem  Fall  grub  man  denselben  aus 
der  Erde,  in  die  er  ein  senkrechtes,  gegen  0,6  M.  tiefes  Loch 
sich  gegraben  hatte  und  auf  einer  Platte  des  unterliegenden 
Buntsandsteins   liegen   geblieben   war*).     Der  Stein    fühlte 


1)  G.  Neumayer  (a.  a.  0.  S.  239)  zieht  aus  den  von  ihm  ge- 
sammelten Angaben  den  Scbluss,  dass  der  Krähenberger  Stein,  als  er 
noch  seinem  kosmischen  Laufe  folgte,  dem  Meteorschauer  angehorte, 
dessen  Radiationspunkt  in  der  Nähe  von  6,  Virginis  liegt. 


48         Sitzung  der  matK-phys.  Clasae  vom  9.  Februar  1878, 

sich  noch  warm,  aber  nicht  heiss  an ;  er  wog,  nachdem  wohj 
einige   Kilogramm    abgeschlagen   worden    waren,    immerhin 
noch  15,75  Kilogramm  und  besass  einen  Brodlaib  ähnliche, 
aber  etwas    einseitig    erhöhte    rundliche    Form,    mit   einem 
grösseren   Durchmesser   von  0,30  m.    und    einem    kleineren 
von  0,24  m.,   die  ausser  der  Mitte    liegende  grösste  Dicke 
oder  Höhe   ist  0,18    m. ;    die    Grundfläche    flach,    ziamlich 
eben,  die  gewölbte  Fläche  dagegen  höchst   merkwürdig   mit 
zahlreichen,    vom   glatten   Scheitel    aus,    gegen    den    Rand 
strahlig  vertheilten,   grubenförmigen,   oft  zu  0,03  m.  langen 
Rinnen  ausgestreckten,   bis    8    mm.  tiefen  Furchen  bedeckt. 
Zwischen  diesen  Gruben  erheben  sich  dann  schmale  wellige 
Wülstchen,  so   dass   die   Oberfläche   gleichsam    tief  blatter- 
narbig durchfurcht    erscheint.     Die    ganze   Oberfläche    ist 
mit    einer    schwarzen,    stellenweis   schaumigen    Schlacken- 
rinde vom  ^/2  —  1  mm.  Dicke  bedeckt.     Fleckenweis   ist  die 
Rinde  dünn  und  bräunlich  statt   schwarz  gefärbt,   was,   wie 
ich    mich    am  Original   überzeugte,    daher    rührt,    dass    an 
solchen  Stellen  schwerer  schmelzbare  Gemengtheile  sich  vor- 
finden, die  ein  intensiveres  Schmelzen  verhinderten.  Weiss 
hatte  sogleich  die  Ghondritennatur  des  Steins  erkannt  und 
macht  auch  auf  die  in    der   weissen  Grundmasse  liegenden 
dunkelgrauen,  scharf  abgegrenzten  Fragmente    aufmerksam, 
welche  sich  durch  eingesprengte  metallische  Theilchen  und 
weissliche  Splitterchen  ebenfalls  als  Gemenge,  wie  die  grauen 
Kugeln  erweisen.     Vom    Rath  bestätigt  diess  und   führt 
weiter  an,  dass  der  Krähenberger  Stein  auf  der  lichtgrauen 
Bruchfläche   zahlreiche,   in  allen  Richtungen   ziehende,   zu- 
weilen zu  einem  Maschen  werke  verbundene,   feine  schwarze 
Linien  bemerken  lässt.     Es  scheinen   ihm  Spalten   zu  sein, 
welche  wenigstens  z.  Th.  beim  Eintritt   des  Meteors  in  die 
Erdatmosphäre    sich    bildeten    und    mit   der  schmelzenden 
Substanz  der  Rinde  erfüllt  wurden.  Ausser  diesen  Schmelz- 
linien   schwärmen   im    Steine   gekrümmte    schmale    Gänge 


Gümhel:  Ueber  die  in  Bayern  gefundenen  Steinmeteor iten^      49 

anderer  Art  umher,  die  aus  Nickeleisen  bestehen.  Es  sind 
gangähnliche  Parthieen  von  ansehnlicher  Dicke.  Ich  konnte 
eine  solche  über  3  Zoll  lange,  wenig  gekrümmte  V«  ~"  V«  nim. 
dicke  Erzader  auf  einer  ßruchfläche  deutlich  beobachten.  Ausser- 
dem kommen  auch  Eisenspiegel,  wie  im  Stein  vonPultusk  vor, 
dem  auch  die  Masse  sehr  ähnlich,  doch  weniger  feinkörnig 
ist.  Als  Gemengtheile  erkannte  vom  Rath  Nickeleisen, 
Magnetkies,  Ghromeisen,  Olivin  und  die  charakteristischen 
Kugeln,  welche  Gemengtheile  in  einer  aus  weissen  und 
grauen  Körnern  gebildeten  sphärolithischen  Grundmasse  liegen. 
Den  Gehalt  an  Nickeleisen  (aus  84,7  Eisen  und  15,3  Nickel) 
bestimmte  er  zu  3,5^/o,  so  dass  96,5*^/o  auf  die  Silikate, 
Magnetkies  and  Chromeisen  kommen.  Von  Schmelzrinde 
freie  Stückchen  besitzen  das  spec.  Gew.  3,4975  bei  18^  C, 
an  Schmelzrinde  reiche  Stückchen  3,449  bei  20®  C,  wonach 
sich  die  Beobachtang  am  Pultusker  Stein  bestätigt,  das  die 
Schmelzrinde  specifisch  leichter  ist  als  die  steinige  Masse 
des  Innern. 

Das  Schwefeleisen  hält  vom  Rath,  obwohl  es  nicht 
vom  Magnet  gezogen  wird,  nicht  für  Troilit,  sondern  für 
Magnetkies,  weil  sich  bei  der  Behandlung  mit  Salzsäure  in 
reichlicher  Menge  Schwefelwasserstoff  entwickelt  und  eine 
Menge  Schwefel  ausgeschieden  wird.  Er  bestimmte  den 
Gehalt  an  Magnetkies  zu  5,52^/o. 

Die  dunkelgrauen  bis  schwarzen  Körner,  bis  2  mm. 
gross,  zeigen  bisweilen  eine  äusserst  feine,  sich  sehr  leicht 
ablösende,  weisse  Hülle.  Dazu  kommen  unregelmässig  ge- 
rundete, dunkle  Körner  und  Kugelsegmente,  welche  wie 
erstere,  wenn  gleich  nur  unvollkommene  Faserzusammensetz- 
ung besitzen.  Weiter  zeigen  sich  bis  1  mm,  grosse,  gelblich 
weisse  Körner  —  wahrscheinlich  Oliv  in  mit  gerundeten 
Oberflächen  und  nur  Andeutungen  von  krystallinischer  üm- 
gränzung.   Schwarze,  kleine  Chromeisensteinkörner  scheinen 

eine  oktaedrische  Form  erkennen  zu  lassen.  Die  Hauptmasse 
[1878.  1.  Math.-phy8.  GL]  4 


50    '      Sitzung  der  matK-phys.  Claase  vom  9,  Februar  18781,         * 

des  Steins  stellt  sich  unter  dem  Mikroscop  als  ein  Haufwerk 
unendlich  kleiner,  weisser,  krystallinischer  Körnchen  dar  Sie 
sind  hell,  lebhaft  fettartig  glänzend,  zeigen  Farben  i.  p.  L.. ; 
sind  in  Säuren  unlöslich  und  bestehen  wesentlich  aus  einem 
Magnesiasilikate,  das  reicher  an  Kieselsäure,  als  Olivin  ist.  Da- 
neben kommt  auch  noch  eine  lichtgraue  Substanz,  welche  An- 
lage zu  sphärolithischer  Bildung  besitzt,  und  wie  die  dunklen 
Kugeln  auch  zuweilen  faseri  ge  Zusammensetzung  zeigt,  vor. 

Mikroscopisch  fanden  sich  noch  als  seltene  Gemeng- 
theile  vor:  ausserordentlich  kleine,  purpurrothe  Krystall- 
theilchen,  mehrere  intensiv  gelbe  Körnchen  mit  deutlichen 
Kry stallflächen,  einige  lichtgelbe,  langprismatische  Formen 
und  endlich  einzelne,  bis  V«  mm.  grosse,  rothe  Köm- 
chen, von  muscheligepa  Bruche  und  durchscheinend  —  wahr- 
scheinlich Zersetzungsprodukt  des  Schwefeleisens,  dem  Caput 
mortuum  ähnlich. 

Die  Analyse  des  nicht  magnetischen  Antheils  ergab 
nach  vom  Rath:  L  II. 


Ghromeisen 

Magnetkies  | 

Kieselsäure   . 
Thonerde 


Schwefel 
Eisen     . 


0,94 
2,25 
3,47 
43,29 
0,63 


Magnesia 25,32 

Kalkerde 2,01 

Eisenoxydul  .  .  .  .21,06 
Manganoxydul  .  .  .  Spur. 
Natron  (Verlust)    .     .     1,03 

100,00 


Nach  Abzog 

von.  Chrom- 

eisen  nod 

Magnetkies 

Sauerstoff. 

46,37 

.       24,73 

0,67     . 

0,32 

,     27,13 

.       10,85 

2,15 

0,61 

22,56 

5,01 

1,12 

0,29 

100,00 


Demnach  verhält  sich  die  Summe  der  Sauerstoflmengen 
der  Basen  gegen  die  der  Kieselsäure  vne: 

1 :  1,448, 
welches  Verhältniss  gegen  das  des  Pultusker  Steins  (1 :  1,507) 


Gümhel:  Üeber  die  in  Bayern  gefundenen  Steinmeteariten.      51 


aaf  keine  wesentliche  Verschiedenheit  schliessen  lässt.  Als 
wesentliche  Geraengtheile  ergeben  sich  auch  nach  der  che- 
mischen Analyse:  Olivin  und  ein  kieselsäurereiches  Mineral, 
ob  Enstatit  oder  Shepardit  oder  beide  gleichzeitig,  lässt 
vom  Rath  unenischiedeu. 

Die  Beimengung  von  Anorthit  oder  Labrador  hält  er 
für  unzulässig,  weil  Kalk-  und  Thonerde  dem  unlöslichen 
Antheil  angehören  und  nur  in  geringer  Menge  mit  Säuren 
sich  ausziehen  lassen. 

Einer  gefälligen  Mittheilung  verdanke  ichferner  die  Eennt- 
n  issnahme  der  Resultate  einer  Analyse ,  welche  Herr 
Professor  Dr.  Keller  in  Speyer  vorgenommen  hat  und 
welche  deshalb  von  grosser  Wichtigkeit  ist,  weil  sie  mit 
einer  bedeutenden  Quantität  durchgeführt  wurde,  nämlich 
mit  5,71  Gramm;  gefunden  wurden: 


Stoffe 

Baasch- 
Analyse 

57,697o  in  Salz- 
säure zersetzbar 

42,31%  in  äalz- 
sänre  nicht  zer- 
setzbar ') 

einzeln       in  "/o 

einzeln       in  'Vo 

Kieselerde 

41,12 

15,76 

27,28 

25,36 

61,76 

Bittererde 

g% 

18,62 

14,44 

24,99 

4,18 

10,18 

Manganoxydul 

a 

0,78 

0,78 

1,35 

l     6,41 



Eisenoxydul 

17,10 

10,69 

18,52 

15,61 

Eisen                 1  , 
Schwefel            J 

3,93 
2,35 

3,93 
2,35 

}  10,85 

^_ 

^^f^ 

Eisen 

6,44 

6,44 

1 

— 

Nickel 

c 

1,36 

1,36 

14,31 

— 



Phosphor 

0,46 

0,46 

1 

— 

Chromoxyd        \  ^ 
Eisenoxydul       / 

0,89 

— 

0,89 



0,32 

— 

■  — 

0,32 



Thonerde 

3,22 

0,76 

1,31 

2,46 

5,99 

Kalk 

>      A 

2,06 

0,42 

0,73 

1,64 

4,00 

KaH 

"    o 

1,22 

0,21 

0,36 

1,01 

2,46 

Natron 

0,17 

0,17 

0,30 



— 

Zinnoxyd 

0,18 

Spuren 

— 

0,18 

— 

100,00 

100,00 

1)  Ohne  Ghromeisen  und  Zinnozyd. 


4* 


52         Sitzung  der  math^-phys.  Classe  vom  9,  Februar  1878. 


Daraus  wird  berechnet: 

a)  Olivin 41,67 

b)  Scliwefeleisen  .     .     .       6,28 

c)  Meteoreisen     .     .     .       8,26 

d)  Chromeisen      ...       1,21 

e)  Weitere  Silikate  .     .     42,58 

100,00 
Das  spec.  Gewicht  wurde  zu  3,432  ermittelt. 
Vergleichen  wir  nun  die  Resultate  der  letzteren  (B) 
Analyse  mit  jener  früher  mittgetheilten  vom  Rath's  (A), 
indem  wir  beide  bloss  auf  die  Silikatbestandtheile  umrechnen, 
um  den  Einfluss  der  offenbar  in  sehr  ungleicher  Vertheilung 
vorkommenden  Gemengtheilen  des  Meteor-,  Schwefel-  und 
Chromeisen  zu  eliminiren,  so  ergeben  sich  folgende  Zahlen : 


A 

B 

Kieselerde    .     . 

.     46,37     .     . 

.     48,78 

Thonerde     .     .     . 

0,67     .     . 

.       3,82 

Eisenoxydul 

.     22,56     .     . 

.     20,29 

Manganoxydnl  . 

.     Spnr.     .     , 

,     .       0,93 

Magnesia      .     . 

.     27,13     . 

,     .     22,09 

Kalkerde      ,     . 

2,15     .     . 

.       2,45 

Kali   .... 

— 

.     .       1,44 

Natron    .     .     . 

.       1,12     . 

.     .       0,20 

100,00  100,00 

Auch  hier  bemerken  wir  in  einzelnen  Stoffen  eine  sehr 
geringe  üebereinstimmung ,  so  namentlich  in  Bezug  auf 
Thonerde  und  Bittererde,  was  wieder  auf  eine  sehr  ungleiche 
Mengung  und  Vertheilung  der  Bestandtheile  hinweist.  In 
der  That  ergab  sich  nun  bei  näherer  Untersuchung  des 
Steins,  welcher  in  der  Kreissammlung  zu  Speyer  verwahrt 
ist,  dass,  wie  schon  Weiss  hervorgehoben  hat,  ganze Par- 
thieen  desselben  flecken  weise  durch  dunklere  Farbe,  grössere 
Härte  und  compaktere  Beschaffenheit  vor  den  übrigen  hell- 
grauen, zerreiblichen  Massen  a#ffallend  sich  hervorheben.  Es 


Gümhel:  üeber  die  in  Bayern  gefundenen  Steinmeteoriten.      53 


sind  diese  putzenforrnigen  Einschlüsse,  eckig,  unregelmässig 
nnigrenzl:,  gleichsam  Bruchstücke  im  Grossen,  wie  die  Splitter 
der  Hauptmasse  im  Kleinen,  jedoch  auch  von  besonderer  Be- 
schafiPenheit.  Ich  wurde  in  die  angenehme  Lage  versetzt, 
über  Stückchen  des  Speyerer  Steins  für  meine  weitere  Unter- 
suchung verfügen  zu  können.  Ehe  ich  jedoch  über  diese 
besonderen  Einschlüsse  weitere  Mittheilung  mache,  habe 
ich  noch  in  die  nähere  Erörterung  bezüglich  der  in  Salz- 
säure zersetzbaren  und  nicht  zersetzbaren ,  verschiedenen 
Mineralgemenge  einzutreten. 

Die   in   Salzsäure   zersetzbaren  Silikatbestandtheile   be- 
rechnen sich  in  ihrer  Zusammensetzung : 


Kieselerde   . 
Eisenoxydul 
Bittererde    .     . 
Manganoxydul 

Thonerde  ,  , 

Kalkerde  .  . 

Kali  ,     .  .  . 

Natron  .  .  , 


Der   von   Sa 


36,46 

24,73 

33,40 

1,80 

1,76 
0,97 
0,48 
0,40 


nahezu  genau  die  Zusammen- 
setzung   des   Olivin    (Hyalo- 
siderit). 

ßeste  eines  schwer  zersetz- 
baren, feldspathartigen  Ge- 
mengtheils in  geringer  Menge. 


100,00 
[zsäure   nicht   zersetzte   Rest   besteht,   das 
Chromeisen  abgerechnet,  aus  beiläufig: 


I. 

A 

B 

Kieselerde     .     . 

.     61,7 

oder 

30,0  +    . 

31,7 

Bittererde     .     . 

.     10,2 

10,2     .     . 

Eisenoxydul .     . 

.     15,6 

15,6     .     . 

— 

Thonerde      .     . 

.       6,0 

• 

6,0 

Ealkerde  .     .     . 

.       4,0 

2,0  +    . 

2,0 

Kali     .     .     .     . 

.       2,5 

•         > 

2,5 

57,8 


42,2 


100,00 

Wir  können  dieses  I.  zerlegen  in  A  und  B  und  erhalten 
dadurch  ein  Mineral  der  Augitgruppe   und  ein  Mineral  der 


54  Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  9.  Februar  1878, 


Peldspathgruppe,  das  erste  bronzitartig  (Sauerstoffverhältniss 
wie  16  :  8,1),  das  zweite  mit  einem  SauerstoflFverhältniss  nahe- 
zu wie  6:3:1  (genauer  16,9  :  3  :1)  oder  labradorartig, 
zu  dem  der  Thonerde-  und  Alkali-haltige  Antheil  des  durch 
Salzsäure  zerlegten  Theiles  zu  rechnen  wäre. 

Man  kann  mithin  annehmen,  dass  im  Durchschnitt  der 
Meteorstein  Yon  Erähenberg  in  seiner  Hauptmasse  besteht  aus: 

Meteoreisen 6,27 

Schwefeleisen 8,25 

Chromeisen 1,21 

Olivin '  .     .     41,65 

Augitmineral  (?  Bronizt)  .     .     23,48 
Feldspathmineral  (?  Labrador)     19,14 

100,00 

Was  nun  die  in  grösseren  Brocken  im  Gestein  einge- 
betteten härteren,  dichteren  und  dunkleren  Theile  anbelangt, 
welche  bereits  früher  erwähnt  wurden,  so  bestehen  diese, 
möglichst  von  den  anhaftenden  Splittern  der  Hauptmassen 
befreit,  nach  der  von  Ass.  A.  Schwager  vorgenommenen 
Analyse  aus: 


Stoffe : 

Kieselerde  .  .  .  , 
Thonerde  .  •  .  , 
Eisen  oxydul  .  .  , 
Eisen  (Nickelhaltig) 
Schwefel  .  .  .  . 
Manganoxjdul  .  . 
Chromoxyd  .  .  , 
Ealkerde  .  .  .  . 
Bittererde  .     .     .     . 

Kali 

Natron 


Bauscbanalyse 

39,08 

2,08 
28,53 

4,43 

1,31 

0,82 

0,39 
13,35 

5,97 

1,48 

1,81 


61%  in  Salz- 
säure zersetz- 
bar 

28,44 

1,46 
36,20 

6,92 

2,04 

1,28 

14,55 
5,73 
1,73 
1,13 


39%  in  Salz- 
säure unzer- 
setzbar 

57,96 

5,79 

13,75 


1,08 
11,24 
6,40 
1,04 
3,05 


99,25 


99,48 


100,31 


Günibel:  lieber  die  in  Bayern  gefundenen  Steinmeteoriten,      55 

Zunächst  itst  bemerkenswerth,  dass  wir  es  gleichfalls 
mit  einer  aus  verschiedenen  Mineralien  zusammengesetzten 
Masse  zu  thun  haben,  welche  sich  in  einen  durch  Salzsäure  zer- 
legbaren und  nicht  zerlegbaren  Antheil  trennen  lässt  und  dass 
im  Ganzen  eine  grosse  Aehnlichkeit  in  ihrer  Zusammensetz- 
ung im  Vergleiche  mit  jener  der  Hauptmasse  nicht  zu  ver- 
kennen ist.  Abweichend  erweist  sich  dagegen  besonders 
der  hohe  Gehalt  an  Eisenoxydul  und  Kalkerde  und  der  ge- 
ringe an  Bittererde,  wenn  wir  die  Masse  als  Ganzes  betrachten, 
während  in  dem  Salzsäureauszug  neben  denselben  Verhält- 
nissen noch  die  relativ  grosse  Menge  an  Kieselsäure  in  die 
Augen  fällt.  Auch  in  dem  Rest  antheil  ist  es  die  Kalkerde, 
welche  in  ungewöhnlicher  Menge  auftritt.  Es  lässt  sich 
daraus  kaum  mehr,  als^die  Vermuthung  schöpfen,  dass  neben 
Hyalosiderit  ein  eisen-  und  kalkreiches  Mineral  der  Augit- 
gruppe  vielleicht  Diopsid  mit  Anorthit-artigem  Feldspath 
als  Hauptgemengtheile  anzunehmen  sind. 

Die  weitere  Untersuchung  des  Steins  hat  einige  interes- 
sante Eigenthümlichkeiten  desselben  kennen  gelehrt.  Zu- 
nächst lenken  (die  zahlreichen,  denselben  durchziehenden 
schwarzen  Streifchen  und  Aederchen,  welche  schon  vom 
Rath  genau  beschrieben  hat,  die  Aufmerksamkeit  auf  sich. 
Sie  bestehen,  soweit  ich  sehen  konnte,  aus  einer  der  äusseren 
Schmelzrinde  gleichen,  auch  Meteoreisen  enthaltenden  Sub- 
stanz und  scheinen  mir  Sprünge  und  Zerklüftungen  darzu- 
stellen, auf  welchen,  wie  an  der  Aussenfläche,  eine  Schmelz- 
ung stattfand.  An  einzelnen  derselben  bemerkte  ich  gegen 
Aussen  deutlich  eine  blasige  und  schaumige  Beschaffenheit. 
Ganz  ausgezeichnet  sind  glatte  und  gestreifte  Ablösungs- 
flächen, die  genau  Rutschflächen  gleichsehen,  ohne  dass  sich 
jedoch  eine  Verschiebung  einzelner  Theile  gegen  einander  er- 
kennen lässt.  Sie  müssen  wohl  schon  vorhanden  gewesen  sein, 
ehe  der  Stein  in  die  Atmosphäre  unserer  Erde  gelangt  war 
und  hier  nur  stellenweis  eine  Schmelzrinde  erhalten  haben. 


56         Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  9.  Februar  1878. 

Die  Dannschliffe,  deren  ich  aus  verschiedenen  Theilen 
der  Hauptmasse  5  habe  herstellen  lassen,  geben  uns  über 
das  Gefüge  das  Bild  eines  sehr  zusammengesetzten  Chon- 
driten,  wie  es  die  Zeichnung  in  Figur  V  darstellt.  Viele 
der  runden  Körner  erscheinen  nur  als  zersprungene  Frag- 
mente kugelartiger  Theile  und  sind  nicht  selten  von 
einer  schwarzen  Substanz,  an  deren  Zusammensetzung  auch 
Meteoreisen  betheiligt  ist,  wie  von  einer  Rinde,  überzogen. 
An  einem  derselben  dringt  dieser  schwarze  Ueberzug  auch 
in  das  Korn  selbst  ein,  Sie  bestehen  theils  aus  der  be- 
kannten excentrisch  faserigen  Masse,  theils  aus  feinsten, 
staubähnlichen,  wenig  durchscheinenden  Körnchen,  grösseren 
hellen  Theilchen  oder  aus  einer  nach  verschiedenen  Rich- 
tungen parallel  zerrissenen  oder  netzaderigen  Substanz  in 
grosser  Mannigfaltigkeit  der  Ausbildung  Ausserdem  bemerkt 
man  eckige  Bruchstücke  von  ganz  gleicher  vielgestaltiger  Aus- 
bildung wie  bei  den  kugeligen  Einschlüssen.  Unter  denselben 
stechen  besonders  die  äusserst  fein  und  dicht  parallel  ge- 
streiften Splitterchen  in  die  Augen,  deren  Parallelfaserchen 
durch  dunkle  Streifchen  wie  quer  gegliedert  erscheinen  (y). 
Sie  sind  für  die  Chondrite  ausserordentlich  charakteristisch. 
Selten  sind  einzelne  Stückchen  frei  von  Rissen  oder  von 
regelmässig  parallelen,  weit  auseinander  stehenden,  dunklen 
Linien  durchzogen,  an  denen  man  bei  starker  Vergrösseruug 
kleinste  Bläschen  bemerkt.  Eine  Regelmässigkeit  in  der  An- 
ordnung dieser  deutlich  nur  als  Splitter  eingemengten  Bruch- 
stücke giebt  sich  nicht  zu  erkennen.  Alles  liegt  wirr  durch- 
einander und  wird  durch  immer  kleiner  werdende  und  bis  zu 
Stäubchen  zerstückelte  Theilchen  zu  einem  dicht  geschlossenen 
Ganzen  verbunden.  I.p.L.  zeigt  sich  Alles  in  bunten  Aggregat- 
Farben  von  verschiedener  Lebhaftigkeit,  aber  ohne  von  einer 
Spur  einfach  brechender  Zwischensubstanz  unterbrochen  zu 
werden.  Farbenstreifchen  kommen  selten  und  nicht  deut- 
lich   zum    Vorschein.      Noch    bleibt    hervorzuheben,    dass 


Gümhel:  üeber  die  in  Bayern  gefundenen  Steinmeteorsteine,     57 

grössere  Flecke  der  Masse  intensiv  gelb  gefärbt  erscheinen.  Diese 
Färbung  rührt,  wie  das  rasche  Verschwinden  derselben  beim 
Behandeln  mit  Palzsäure  beweist,  von  infiltrirtero,  anf  den 
feinen  Rissen  sich  ausbreitendem  Eisenoxydhydrat  her,  das 
von  dem  sich  in  feuchter  Luft  ungemein  leicht  zersetzenden 
Meteoreisen  abstammt. 

Fast  dasselbe  Bild  gewinnt  man  auch  in  dem  Dünn- 
schliff der  dunklen  putzenformigen  Parthieen  des  Steins, 
von  welchen  vorher  die  durch  den  grossen  Kalkgehalt  und 
den  Mangel  an  Bittererde  auffallende  Analyse  mitgetheilt 
wurde  (Pigur  VI.).  Es  scheinen  darin  nur  die  Körner  und 
Fragmente  grösser  und  dichter  gedrängt  bei  einander  zu 
liegen.  Es  lässt  sich  keine  optische  Erscheinung  auf- 
finden, welche  über  das  so  abweichende  Ergebniss  der  Ana- 
lyse Aufschluss  zu  liefern  im  Stande  wäre,  wie  man  erwarten 
dürfte.  Die  geringe  Menge  der  zur  Verfügung  stehenden 
Substanz  verhindert  weitere  Untersuchungen  anzustellen, 
die  vielleicht  das  Auffinden  eines  sehr  kalkhaltigen  Bestand- 
theils  ergeben  würde.  Es  wurde  auch  der  Versuch  gemacht, 
die  gelben,  anscheinend  Olivin  darstellenden  Körnchen  zu 
isoliren  und  getrennt  einer  Analyse  zu  unterwerfen.  Die 
Behandlung  mit  Salzsäure  zeigte  aber  sofort,  dass  das 
anscheinend  rein  herausgelesene  Material  kaum  zur  Hälfte 
von  der  Säure  zersetzt  wird,  mithin  immer  noch  trotz  der 
anscheinenden  Gleichartigkeit  der  gelben  Splitter  verschie- 
dener Natur  ist,  fast  wie  der  Stein  im  Ganzen. 

Behandelt  man  einen  losgelösten  Dünnschliff  längere  Zeit 
mit  Salzsäure  und  untersucht  ihn  nachher  unter  dem  Mikroscop, 
so  bemerkt  man  in  dem  noch  gut  zusammenhaltenden  Dünn- 
schliffe zahlreiche  grössere,  kleinere  und  kleinste  Lücken, 
welche  die  Stelle  der  durch  die  Säure  zersetzten  Gemeng- 
theile  bezeichnen.  Bringt  man  nun  noch  weitere  Kalilös- 
ung auf  den  so  behandelten  Dünnschliff,  so  zer^llt  derselbe 
sofort  in  einzelne  Stückchen,  Körnchen  und  Staubtheilchen, 


58       Sitzung  der  math.-phys,  Ciasse  vom  9.  Fehruar  1878. 

unter  welchen  die  von  den  grösseren  Einschlüssen,  abstammen- 
den Splitterchen  sich  durch  ihren  festeren  Zusammenhalt 
auszeichnen.  Sehr  bemerkenswerth  ist  es,  dass  in  den  Stücken 
von  maschenartig  streifiger  Struktur,  obwohl  sie  noch  fest 
zusammenhalten,  die  hellen  Streifchen  vollständig  zerstört 
sind  und  nur  die  dunklen  Zwischenlamellen,  wie  ein  Gerippe 
unzersetzt  geblieben  sind.  Es  lässt  sich  diess  i.  p.  L.  un- 
zweifelhaft feststellen.  Es  bestehen  demnach  die  wasser- 
hellen Streifchen  oder  Lamellen  sehr  wahrscheinlich  aus 
Olivin,  die  dunklen  Theile  aas  einem  Augitmineral.  Daraus 
erklärt  sich  nunmehr  auch  vollständig  die  Erscheinung, 
dass  die  Chondren,  wie  die  Untersuchung  an  jenen  des 
Steins  von  Eichstädt  gelehrt  hat,  theilweise  von  Salzsäure 
zersetzt  werden,  theilweise  aber  unangegriffen  bleiben. 

üeberblickt  man  die  Resultate  der  Untersuchung  dieser 
wenn  auch  beschränkten  Gruppe  von  Steinmeteoriten,  so 
drängt  sich  die  Wahrnehmung  in  den  Vordergrund,  dass 
sie,  trotz  einiger  Verschiedenheit  in  der  Natur  ihrer  Gemeng- 
theile,  doch  von  vollständig  gleichen  Strukturverhältnissen 
beherrscht  sind.  Alle  sind  unzweifelhafte  Trümmergesteine, 
zusammengesetzt  ans  kleinen  und  grösseren  Mineralsplitter- 
chen,  aus  den  bekannten  rundlichen  Chondren,  welche  meist 
vollständig  erhalten,  aber  oft  auch  in  Stücke  zersprungen 
vorkommen  und  aus  Gräupchen  von  metallischen  Substanzen 
Meteoreisen,  Schwefeleisen,  Chromeisen.  Alle  diese  Frag- 
mente sind  aneinander  geklebt,  nicht  durch  eine  Zwischen- 
substanz oder  durch  ein  Bindemittel  verkittet,  wie  sich 
überhaupt  keine  amorphen,  glas-  oder  lavaartigen  Beimeng- 
ungen vorfinden.  Nur  die  Schmelzrinde  und  die  oft  auf 
Klüften  auftretenden,  der  Schmelzrinde  ähnlich  entstandenen 
schwarzen  Ueberrindungen  bestehen  aus  amorpher  Glasmasse, 
die  aber  erst  beim  Niederfallen  innerhalb  unserer  Atmo- 
sphäre nachträglich  entstanden  ist.  In  dieser  Schmelzrinde 
sind  die  schwerer  schmelzbaren  und  grösseren  Mineralköru*- 


Günibel:  ücher  die  in  Bayern  gefundenen  Steinmeteoriten,      59 

chen  meist  noch  ungeschmolzen  eingebettet.  Die  Mineral- 
splitterchen  tragen  durchaus  keine  Spuren  einer  Abrundnng 
oder  Abrollung  an  sich,  sie  sind  scharfkantig  und  spitzeckig. 
Was  die  Chondren  anbelangt,  so  ist  ihre  Oberfläche  nie 
geglättet,  wie  sie  sein  müsste,  wenn  die  Kügelchen  das 
Produkt  einer  Abrollung  wären ,  sie  ist  vielmehr  stets 
höckerig  uneben,  maulbeerartig  rauh  und  warzig  oder  facetten- 
artig mit  einem  Ansatz  von  Krystallflächen  versehen.  Viele 
derselben  sind  länglich,  mit  einer  deutlichen  Verjüngung 
oder  Zuspitzung  nach  einer  Richtung,  wie  es  bei  Hagel- 
körnern vorkommt.  Oft  begegnet  man  Stückchen,  welche 
offenbar  als  Theile  zertrümmerter  oder  zersprungener  Chon- 
dren gelten  müssen.  Als  Ausnahme  kommen  zwilliugsartig 
verbundene  Kügelchen  vor,  häufiger  solche,  in  welchen  Me- 
teoreisenstückchen ein-  oder  angewachsen  sind.  Nach  zahl- 
reichen Dünnschliffen  sind  sie  verschiedenartig  zusammen- 
gesetzt. Am  häufigsten  findet  sich  eine  excentrisch  strahlig 
faserige  Struktur  in  der  Art,  dass  von  einer  weit  aus  der 
Mitte  nach  dem  sich  verjüngenden  oder  etwas  zugespitzten 
Theil  hin  verrückten  Punkte  aus  ein  Strahlenbüschel  gegen 
Aussen  sich  verbreitet.  Da  die  in  den  verschiedensten  Richt- 
ungen geführten  Schnitte  immer  säulen-  oder  nadelformige, 
nie  blätter-  oder  lamellenartige  Anordnung  in  der  diesen 
Büschel  bildenden  Substanz  erkennen  lassen,  so  scheinen  es 
in  der  That  säulenförmige  Fasern  zu  sein,  aus  welchen  sich 
solche  Chondren  aufbauen.  Bei  gewissen  Schnitten  gewahrt 
man,  dieser  Annahme  entsprechend,  in  den  senkrecht  zur 
Längenrichtung  gehenden  Querschnitten  der  Fasern  nur  un- 
regelmässig eckige ,  kleinste  Feldchen,  als  ob  das  Ganze 
aus  lauter  kleinen  polyedrischen  Körnchen  zusammengesetzt 
sei.  Zuweilen  sieht  es  aus,  als  ob  in  einem  Kügelchen  gleich- 
sam mehrere  nach  verschiedener  Richtung  hin  strahlende 
Systeme  vorhanden  wären  oder  als  ob  gleichsam  der  Aus- 
strahlungspunkt sich  während  ihrer  Bildung  geändert  habe, 


60         Sitzung  der  math.-phys,  Clasae  vom  9.  Februar  1878. 

wodurch  bei  Durchschnitten  nach  gewissen  Richtungen  eine 
scheinbar  wirre,  stäugliche  Struktur  zum  Vorschein  kommt. 
Gegen  die  Aussenseite  hin,  gegen  welche  der  Vereinigungspunkt 
des  Strahlenbüschels  einseitig  verschoben  ist,  zeigt  sich  die 
Faserstruktur  meist  undeutlich  oder  durch  eine  mehr  körnige 
Aggregatbildung  ersetzt.  Bei  keinen  der  zahlreichen  ange- 
schliifenen  Cbondren  konnte  ich  beobachten,  dass  die  Büschel  so 
unmittelbar  bis  zum  Rande  verlaufen,  als  ob  der  Ausstrahl- 
ungspunkt  gleichsam  ausserhalb  des  Kiigelchens  läge,  soferne 
nur  dasselbe  vollständig  erhalten  und  nicht  etwa  ein  blosses 
zersprungenes  Stück  vorhanden  war.  Die  zierlich  quergeglie- 
derten Fäserchen  verlaufen  meist  nicht  nach  der  ganzen  Länge 
des  Büschels  in  gleicher  Weise,  sondern  sie  spitzen  sich 
allmählich  zu,  verästeln  sich  oder  endigen,  um  andere  an 
ihre  Stelle  treten  zu  lassen,  so  dass  in  dem  Querschnitte 
eine  mannichfache,  maschenartige  oder  netzförmige  Zeich- 
nung entsteht.  Diese  Fäserchen  bestehen,  wie  diess  schon 
vielfach  im  Vorausgehenden  geschildert  wurde,  aus  einem 
meist  helleren  Kern  und  einer  dunkleren  Umhüllung,  jener 
durch  Säuren  mehr  oder  weniger  zerlegbar,  letztere  dagegen 
dieser  Einwirkung  widerstehend.  Höchst  merkwürdig  sind 
die  schalenförmigen  Ueberrindungen,  welche  aus  Meteoreisen 
zu  bestehen  scheinen  und  in  der  Regel  nur  über  einen  klei- 
neren Theil  der  Kügelchen  sich  ausbreiten.  Die  gleichen 
einseitigen,  im  Durchschnitt  mithin  als  bogenförmig  ge- 
krümmte Streifchen  sichtbaren  Ueberrindungen,  kommen  auch 
im  Innern  der  Chondren  vor  und  liefern  einen  starken 
Gegenbeweis  gegen  die  Annahme,  dass  die  Chondren  durch 
Abrollung  irgend  eines  Materials  entstanden  seien,  wie  denn 
überhaupt  die  ganze  Anordnung  der  büscheligen  Struktur 
mit  Entschiedenheit  gegen  ihre  Entstehung  durch  Abroll ung 
spricht.  *)    Doch  nicht  alle  Chondren  sind  excentrisch  faserig; 

1)  Anch  die  von  6.  v.  Dräsche  aus   dem  Meteorit  von   Lance 

gezeichneten    fasrigen    Cbondren   (Tschermak's  Miner.   Mittb.   187ö. 

Bd.  V.    1.    H.)   entsprechen  in   Bezug   auf  innere  Struktur  und  äussere 
Form  genau    unserer  Schilderung. 


Gümhel:  Üeber  die  in  Bayern  gefundenen  Sieinmeteoriten,     61 

viele,  namentlich  die  kleineren  besitzen  eine  feinkörnige  Zu- 
sammensetzung, als  beständen  sie  aus  einer  zusammengeballten 
Stanbmasse.  Auch  hierbei  macht  sich  zuweilen  die  einseitige 
Ausbildung  der  Kügelchen  durch  eine  excentrisch  grössere 
Verdichtung  der  Staubtheile  bemerkbar. 

Was  endlich  die  äussere  Form  der  den  Chondriten  beige- 
mengten Meteor-  und  Schwefeleisentheilchen  anbelangt,  so  be- 
merken wir  auch  bei  diesen  durchaus  keine  regelmässige  Ge- 
staltung, weder  in  Leistchen  nach  Art  des  Titaneisens  etwa 
im  Dolerit,  noch  in  rundlichen  Kügelchen.  Isolirt  man  das 
Meteoreisen  einfach  durch  leichtes  Zerdrückender  Steinmasse 
und  Herausziehen  mit  dem  Magnet,  so  zeigen  sich  die  Meteor- 
eisentbeilchen  an  der  Oberfläche  staubig,  von  anhaftenden 
Mineraltheilchen  wie  überkleidet.  Im  Allgemeinen  sind  es  un- 
regelmässig gestaltete  Gräupchen  und  Knöllchen,  welche 
vielfach  in  feine  Zäckchen  und  zarte  gekörnlte  Verästelungen 
verlaufen.  Durch  Anwenden  von  Flusssäure  kann  man  die  stau- 
bigen Mineraltheilchen,  welche  auf  der  Oberfläche  der  Gräup- 
chen wie  angekittet  sind,  entfernen  und  man  bemerkt  nun 
eine  uneben  grubige,  gleichsam  punktirte  Oberfläche,  ohne 
Spur  einer  Spiegelung  von  Krystallflächen.  Aehnliche  Be- 
schaffenheit besitzen  auch  die  Schwefeleisentheilchen,  nur  sind 
sie  nicht  so  zackig.  Noch  einfacher,  aber  auch  stets  unregel- 
mässig gestaltet  sind  die  Ghromeisenfragmente. 

Der  gewöhnliche  Typus  der  Meteorite  von  stei- 
niger Beschaffenheit  ist  soweit  überwiegend  derjenige 
der  sog.  Chondrite  und  die  Zusammensetzung  sowie  die 
Struktur  aller  dieser  Steine  so  sehr  übereinstimmend,  dass 
wir  den  gemeinsamen  Ursprung  und  die  uranfängliche 
Zusammengehörigkeit  aller  dieser  Art  Meteorite  —  wenn 
nicht  aller  —  wohl  nicht  weiter  in  Zweifel  ziehen  können. 

Der  Umstand,  dass  sie  sämmtlich  in  höchst  unregel- 
mässig geformten  Stückchen  in  unsere  Atmosphäre  gelangen 


62        Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  9,  Februar  1878. 

—  abgesehen  von  dem  Zerspringen  innerhalb  der  letzteren 
in  mehrere  Fragmente,  was  zwar  häufig  vorkommt,  aber 
doch  nicht  in  allen  Fällen  angenommen  werden  kann, 
namentlich  nicht,  wenn  durch  direkte  Beobachtung  das 
Fallen  nur  eines  Stückes  constatirt  ist,  —  lässt  weiter 
schliessen,  dass  sie  bereits  in  regellos  zertrümmerten  Stücken 
als  Abkömmlinge  von  einem  einzigen  grösseren  Him- 
melskörper ihre  Bahnen  im  Himmelsraume  ziehen  und 
in  '  ihrer  Zerstreutheit  einzeln  zuweilen  in  das  Attrak- 
tionsbereich der  Erde  gerathend  zur  Erde  niederfallen. 
Der  Mangel  ursprünglicher,  lavaartiger,  amorpher  Bestand- 
theile  in  Verbindung  mit  der  äussern  unregelmässigen 
Form  dürfte  von  geo-  oder  kosmologischem  Standpunkte 
aus  die  Annahme  ausschliessen,  dass  diese  Meteorite  Aus- 
würflinge aus  Mondvulkanen,  wie  vielfach  behauptet  wird, 
sein  können. 

Die  Bemerkung,  welche  G.  Neumayer  bezüglich  des 
Falls  von  Krähenberg  macht '),  dass  nämlich  dieser  Meteorit 
auf  seinem  kosmischen  Laufe  dem  Meteorschauer  angehört 
habe,  dessen  Radiationspunkt  in  der  Nähe  von  ä  Virginis 
liegt,  kann  nur  dazu  dienen,  obige  Annahme  wahrschein- 
licher zu  machen.  Darauf  laufen  auch  die  Ansichten  fast 
aller  Forscher  hinaus,  welche  sich  in  neuerer  Zeit  mit  dem 
Studium  der  Meteorite  befasst  haben,  nur  über  die  Ursache 
der  Zertrümmerung  ob  sie  durch  den  Zusammenstoss  bereits 
fester  Himmelskörper,  oder  durch  eine  von  innen  nach  aussen 
wirkende  Explosion  einer  kosmischen  Masse  oder  aber  durch 
ein  Zerbröckeln  von  freien  Stücken,  etwa  wie  es  bei  aus- 
trocknendem Thone  eintritt,  erfolgt  sei,  herrscht  verschiedene 
Meinung,  wie  es  Tschermak  in  seiner  ausgezeichneten  Ar- 
beit über  die  Bildung  der  Meteorite  und  des  Vulkanismus *j  so 


1)  SitzL.  d.  Acad.  in  Wien  math.-naturw.  Cl.  Bd.  60,  2. 1869.  S.  239. 

2)  Sitz.  d.  Ac.  d.  Wiss.  in  Wien  matb.-nat.  Cl.  Bd.  71. 1875.  Aprilheft. 


Gümhel:  Ueher  die  in  Bayern  gefundenen  Steinmeteoriten.     63 

vortrefflich  schildert.  Es  ist  bei  dieser  Annahme  sogar 
denkbar,  dass  ein  Meteorit,  der  schon  einmal  die  Erdatmo- 
sphäre auf  seiner  Bahn  gestreift  und  dabei  eine  partielle 
Schmelzung  erlitten  hat,  später  wieder  in  die  Erdnähe  geräth 
ond  nun  wirklich  zur  Erde  niederfallt.  So  Hesse  sich  viel- 
leicht das  Vorkommen  von  Schmelzmasse,  ähnlich  wie  die 
in  der  Erdatmosphäre  geschmolzenen  Rinde,  im  Innern  ein- 
zelnen Steinmeteorite  erklären.  Auch  von  astronomischer 
Seite  scheint  die  oben  besprochene  Zugehörigkeit  vieler 
Meteorite  zu  einem  aus  zertrümmerten  kosmischen  Körper- 
chen bestehenden  Schwärme  auf  keinen  Widerspruch  zu 
stossen. 

Haben  wir  die  Wahrscheinlichkeit  des  Ursprungs  unsere 
Chondrite  als  Ganzes  betrachtet  nachzuweisen  versucht, 
so  bleibt  uns  vom  geologischen  Standpunkte  die  weit  wich- 
tigere Frage  noch  zu  beantworten  übrig,  wie  der  einzelne 
Chondrit  als  Gestein  seiner  Masse  nach  sich  gebildet  haben 
mag,  wenn  wir  seine  Zusammensetzung  aus  kleinen  Mineral- 
splitterchen ,  Eisengräupchen  und  rundlichen  Enöllchen 
(Chondren)  ohne  layaähnliches  Kittmittel  näher  in's  Auge 
fassen.  Mit  dem  rein  mineralogischen  Theile  dieser  Frage 
hat  sich  wohl  in  neuerer  Zeit  am  intensivsten  und  mit  dem 
glücklichsten  Erfolge  experimentellen  Nachweises  Daubree 
befasst  ^).  Aus  seinen .  classischen  Arbeiten  lässt  sich  ent- 
nehmen, dass  sich  die  Hauptmineralbestandtheile  der  Chon- 
drite, Olivin,  Enstatit  und  metallisches  Eisen  durch  Schmelzen 
der  Steine  unter  gewissen  Bedingungen  in  krystalli- 
sirtem  und  krystallinischem  Zustande  (wenigstem^  die  zwei 
Silikate)  wieder  gewinnen  lassen  und  dass  man  diese  Silikate 
auch  aus  irdischen  Felsarten  z.  B,  Lherzolith  oder  Olivinfels, 


1)  Die  wichtigsten  der  hierher  gehörigen  Publikationen  Daubree's 
sind:  Exp^riences  synthetiques  relatives  aux  m^teorites  in:  Comptes 
rendus  t.  62.  1866,  Bulletin  de  la  soc.  g^ologique  d.  France  IL  Ser. 
A.  2';.  p.  95  und  Comptes  rendus  1877.  N.  27. 


64         Sitzung  der  math.'phys.  Glosse  vom  9,  Februar  1878, 

sogar  aus  Serpentin  durch  Schmelzen  herstellen  kann  Es 
ergiebt  sich  selbst  eine  gewisse  Strukturähnlichkeit  zwischen 
geschmolzenem  Lherzolith  und  gewissen  Meteoriten.  Ein  we- 
sentlicher Unterschied  wird  durch  den  Eisenbestandtheil  be- 
dingt, der  bei  dem  Lherzolith  ein  oxydirtes  Eisen,  bei  den 
Meteoriten  aber  ein  regulinisches  ist.  Während  bei  den 
Bildungen  auf  Erden  Sauerstoff  und  Wasser  mitwirkten, 
muss  der  Einfluss  dieser  Stoffe  bei  der  Entstehung  der  Me- 
teorite ausgeschlossen  angenommen  werden.  Die  Meteorite 
haben  keine  Aehnlichkeit  mit  unseren  auf  der  Oberfläche 
der  Erdrinde  vorfindlichen  Gesteinsarten,  wie  Granit.  Um 
Analogien  für  sie  auf  Erden  zu  finden,  muss  man  in  die 
tiefere  Region  der  Erde  hinabgehen,  wo  in  den  basischen 
Silikaten  der  Olivingesteine  die  nächsten  Verwandten  »sich 
finden.  Es  scheinen  daher  die  Meteoriten  aus  einer  Art 
erstem  Verschlackungsprocess  der  Himmelskörper  -  aber, 
da  sie  metallisches  Eisen  enthalten  —  bei  Mangel  von  Sauer- 
stoff und  Wasser  hervorgegangen  zu  sein.  Daubree  hat 
durch  direkte  Experimente  nicht  bloss  die  Entstehung  der 
Silikate  nachgewiesen,  sondern  auch  gezeigt,  dass  unter 
dem  reducirenden  Einfluss  von  Wasserstoff  aus  dem  Magneteisen 
des  Lherzoliths  Eisen  in  reducirtem  Zustande  sich  bilden  kann. 
Die  Eisentheilchen  in  den  Meteoriten  finden  sich  aber  nicht 
in  rundlichen  Kügelchen,  wie  sie  aus  dem  Schmelzflusse  bei 
Reduktionsmittel  hervorgehen,  sondern  in  unregelmässigen 
Knöllchen.  Es  kann  daher  bei  der  Bildung  der  Meteoriten 
nicht  die  Schmelzhitze  des  Eisens,  selbst  nicht  die  der  Sili- 
kate geherrscht  haben.  Es  lässt  sich  aber  auch  denken, 
dass  ein  der  Reduktion  entgegengesetzter  Process  wirksam 
war,  wenn  man  annimmt,  dass  die  Stoffe  ursprünglich  nicht 
in  oxydirtem,  sondern  in  regulinischem  Zustande 
vorhanden  waren,  und  dass  im  Momente,  wo  der  Sauerstoff 
anfing  seine  Wirksamkeit  zu  entfalten,  derselbe  zuerst  sich 
mit   den   am   leichtesten    oxydirbaren   Stoffen  verband   und 


Gümhel:  Üeber  die  in  Bayern  gefundenen  Steinmeteoriten,      65 

wenn  er  in  nicht  zareichender  Menge  vorhanden  war,  welche 
die  schwieriger  oxydirbaren  Stoffe  nnoxydirt  —  so  das  Eisen  — 
übrig  Uess. 

Auch  diese  Hypothese  hat  Daubree  durch  glänzend 
durchgeführte  Experimente  mit  Erfolg  zu  erhärten  versucht. 
Einem  ähnlichen  Yerschlackungsprocess  während  einer  der 
ersten  Bildungsstadien  schreibt  er  auch  die  Entstehung  der 
Olivingesteine  der  Erde  zu,  welche  in  grösster  Tiefe  sich  vor- 
finden, wobei  jedoch  abweichend  von  der  Entstehung  der 
metallisches  Eisen  enthaltenden  Meteoriten,  Sauerstoff  im 
Ueberschuss  vorhanden  war,  um  sowohl  die  Silikate  als  auch  — 
anstatt  des  Meteoreisens  —  Magneteisen  zu  bilden. 

Wenn  auf  diese  Weise  gleichsam  die  mineralogische 
Seite  der  Bildung  der  Meteorite  erklärt  erscheint,  so  erfor- 
dert die  eigenthümliche  trümmerige  Struktur  der  Chondrite 
noch  eine  weitere  Erörterung. 

Wir  entnehmen  einer  neueren  Publikation  D  a  u  b  r  ee's^), 
dass  er  die  Entstehung  der  Chondren  sich  analog  denkt,  wie 
.die  Abscheidung  von  Olivinkügelchen  bei  einem  Versuche, 
bei  welchem  er  Olivin  mit  Kohlen  gemengt,  geschmolzen 
hat.  Vollständiger  ist  der  Vergleich,  weun  der  ßeduktions- 
process  durch  Wasserstoff  erfolgt.  Erst  neulich  spricht  sich 
der  um  die  Eenntniss  der  Meteorite  so  sehr  verdiente  Ge- 
lehrte ^)  über  diesen  Gegenstand  bei  Gelegenheit  der  Er- 
örterung einer  merkwürdigen  Breccien-ähnlichen  Struktur 
an  dem  Meteoreisen  von  St.  Catharina  weiter  aus,  dass  die 
Zertrümmerung  des  die  Steinmeteoriten  zusammenhaltenden 
Materials  wohl  als  Sprengwirkung  sehr  zusammengedrückter 
Gase  angesehen  werden  müsse,  etwa  wie  sie  bei  Anwend- 
ung von  Dynamit  stattfindet.  Was  aber  die  Bildung  der 
Chondren  anbelangt,   so  beruft  er  sich  auf  den  oben  ange- 


1)  Bull.  d.  1.  soci^te  g^ol.  d.  France  26a.1868-1869S.98u.ffd. 

2)  Comptes  rendus  1877.  No.  27. 

[1878.  1.  Math.-phys.  OL]  6 


66         Sitzung  der  math.-phys.  CUmsc  vom  9.  Februar  1678. 

führten  Versuch,  wobei  eine  Art  Eörnelung  in  dem  Moment 
sich  vollzieht,  in  dem  die  Substanz  sich  verfestigt.  Aber  am 
öftesten  scheinen  ihm  die  Ghondren  einfache  Fragmente 
zu  sein,  welche  sich  durch  Reibung  abrundeten,  wie  diess 
aus  der  Untersuchung  dieser  Kügelchen  durch  G.  Rose 
(Abh.  der  Ac.  d.  Wiss.  in  Berlin  für  1862  S.  97  u,  98) 
hervorgehe  und  St.  Meunier  (Comptes  rendus  1871.  346 
u.  Recherches  sur  la  composition  et  la  structure  de  Meteo- 
rites 1869)  für  mehrere  Meteorite  klar  gelegt  habe. 

Nach  dem  Vorgange  H  a  i  d  i  n  g  e  r's  hat  sich  neuerdings 
auch  Tschermak  mit  dem  Studium  der  Bildung  der  Me- 
teorite eingehend  befasst  und  die  Ergebnisse  seiner  höchst 
interessanten  Untersuchungen  in  mehreren  Schriften  mit- 
getheilt.  Diese  Arbeiten  gehören  unstreitig  zu  den  wich- 
tigsten und  tief  gründlichsten,  die  wir  über  diesen  Gegen- 
stand besitzen.  Tschermak  kommt  bezüglich  der  Entsteh- 
ung der  einzelnen  Meteorstücke  zu  der  am  wahrscheinlichsten 
sich  ergebenden  Annahme,  dass  sie  ihre  Gestalt  nicht  einer 
Zertrümmerung  von  Planeten  durch  Stoss  verdanken,  sondern 
dass  durch  eine  Wirkung  von  Innen  nach  Aussen,  durch 
eine  Explosion  analog  der  vulkanischen  Thätigkeit  jene  Zer- 
trümmerung bis  zu  winzigen  Stücken,  die  man  ein  Zer- 
stäuben nennen  muss,  bewirkt  werde.  Er  weist  hierbei  auf 
die  gewaltsamen  explosionsartigen  Erhebungen  hin,  welche  bei 
der  Sonne  und  bei  Cometen  direkt  beobachtet  worden  sind, 
oder  auf  der  Mondoberfläche  durch  den  Aufbau  der  Krater 
sich  verrathen.  Was  nun  die  Zusammensetzung  der  Me- 
teorite insbesondere  anbelangt,  so  schliesst  sich  auch  in  dieser 
Richtung  Tschermak  der  Ansicht  Haidinger^s  an,  dass 
sie    aus  Gesteinsstaub    zusammengefügt   sind,    welcher    dem 


1)  Sitz,  der  Ac.  d.  Wiss.  in  Wien  math.-nat.  Cl.  Bd.  LXXI  1875 
Aprilheft;  Bd.  LXV.  Abth.  I.  S.  122;  Bd.  LXX.  Abth.  I.  No?-Heft 
BJ.  LXXV.  I.  Abth.  Märzheft  1877. 


Oümhel:  Üeber  die  in  Bayern  gefundenen  Steinmeteoriten,      67 

ynlkanischen  Tuff  za  vergleichen  ist.  Nur  das  massenhafte 
Erscheinen  der  kleinen  Kügelchen,  der  Chondrite,  ist  es, 
welche,  so  viel  bekannt,  in  den  Tuffen  der  irdischen  Vulkane 
nicht  auftreten  und  desshalb  schwieriger  zu  erklären  sind.  Diese 
Kügelchen  verhalten  sich  nach  seiner  Annahme  durchaus 
nicht,  als  ob  sie  durch  Krystallisation  zu  ihrer  Form  ge- 
kommen wären,  sie  verhalten  sich  auch  nicht  wie  die  Sphäro- 
lithe  im  Obsidian  und  Perlstein,  oder  wie  die  Kugeln  im  Kugel- 
diorit,  und  die  runden  Concretionen  vom  Calcit,  Aragonit, 
Markasit.  Sie  gleichen  vielmehr  den  Kugeln,  welche  man  öfters 
in  Tuffen  der  vulkanischen  Bildungen  sieht,  z.  B.  die  Trachyt- 
kugeln  in  dem  Gleichenberger  Trachyttuff,  die  Kugeln  in 
dem  Basalttuff  am  Venusberg  bei  Freudenthal,  besonders 
aber  den  Olivinkugeln  in  dem  Basalttuff  von  Kapfenstein 
und  Feldbach  in  Steiermark  ^).  Von  letzteren  darf  man  sicher 
annehmen,  dass  sie  Produkte  der  vulkanischen  Zerreibung 
sind  und  ihre  Form  einer  continuirlichen  explosiven  Thätig- 
keit  eines  vulkanischen  Schlotes  verdanken,  durch  welche 
ältere  Gesteine  zersplittert  und  deren  zähere  Theile  durch 
beständiges  Zasammenstossen  abgerundet  wurden.  Man  könne 
allenfalls  sich  vorstellen,  dass  die  Steinmassen,  welche  der 
Zerreibung  ausgesetzt  waren,  ziemlich  weich  gewesen  seien, 
und  würde  sich  dadurch  der  Vorstellung  Daubree's  nähern, 
welcher  auf  ein  Gestein  hinweise,  das  in  einer  Gasmasse  wir- 
belnd erstarrte.  Doch  sei  hervorzuheben,  dass  kein  Me- 
teorit  irgend    eine    Aehnlicheit   mit  vulkanischer    Schlacke 


1 )  Es  stand  mir  nur  ein  ähnliches  Material,  der  Trachyttnff  mit 
sog.  Leucitknöilchen  von  den  cyklopischen  Inseln,  zur  Verfügung.  Dünn- 
schlüfe  dieses  Gesteins  lehrten  mich,  dass  die  vermeintlichen  Leucite 
Gesteinskügelchen  sinJ,  welche  aus  demselben  Material  bestehen,  wie  die 
Tuffmosse  selbst  und  keine  den  Meteoriten-Chondren  ähnliche  Struktur 
besitzen.  Nachträglich  erhielt  ich  durch  Hm.  Tschermak's  besondere 
IGüte  auch  Proben  des  Gesteins  von  Gleichenberg.  Diese  OlivinknoUen 
assen  keine  Analogien  mit  den  Chondren  erkennen. 

6* 


68         Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  9.  Februar  1878, 

oder  mit  Lava  besitze,  daher  könne  der  Vergleich  der  Me- 
teoriten mit  vulkanischen  TuflFen  oder  Breccien  nur  bis  zu 
einem  gewissen  Grade  gelten.  Die  vulkanische  Thätigkeit 
bei  der  Bildung  der  Meteoriten  bestand  daher  nur  in  der 
Zertrümmerung  starrer  Gesteine  durch  eine  explosive  Thätig- 
keit in  Folge  plötzlicher  Ausdehnung  von  Dämpfen  oder 
Gasen,  unter  welchen  das  WasserstoflFgas  eine  bedeutende 
Rolle  gespielt  haben  dürfte. 

So  geistreich  diese  Hypothesen  D  a u b  r  e e's  und  Tscher- 
mak^s  sind,  so  kann  ich  mich  doch  in  Bezug  auf  die  Ent- 
stehung der  Kügelchen  (Chondren)  ihrer  Ansicht  auf  Grund 
meiner  neuesten  Untersuchungen  nicht  anschliessen.  Ich 
habe  im  Gegensatze  zu  Tschermak^s  Annahme  nachzu- 
weisen gesucht,  dass  das  innere  Gefüge  der  Chondren  nicht 
ausser  Zusammenhang  mit  ihrer  kugeligen  Gestalt  stehe, 
und  dass  man  diese  Kügelchen  weder  als  Stücke  eines  Mineral- 
krystalls,  noch  eines  festen  Gesteins  ansehen  könne.  Spricht 
schon  ihre  nicht  geglättete,  nicht  polirte  Oberfläche,  welche 
wenn  durch  Abreibung  oder  Abrollung  gebildet,  bei  solcher 
Härte  des  Materials  spiegelglatt  sein  müsste,  während  sie 
rauh,  höckerig,  oft  strichweise  krystallinisch  facettirt  er- 
scheinty  gegen  die  Abreibungstheorie,  so  ist  auch  gar  kein 
Grund  einzusehen,  wesshalb  nicht  alle  anderen  Mineralsplitter- 
chen  wie  Sandkörner  abgerundet  seien  und  wesshalb  namentlich 
das  Meteoreisen,  das  Schwefeleisen  und  das  sehr  harte  Ghrom- 
eisen,  wie  ich  in  dem  Meteorit  von  L'Aigle  mich  überzeugt 
habe,  stets  nichtgerundete,  oft  äusserst  fein  zerschlitzte 
Formen  besitzen.  Wie  wäre  es  zudem  denkbar,  dass,  wie 
häufig  beobachtet  wird,  innerhalb  der  Kügelchen  concen- 
trische  Anhäufung  von  Meteoreisentheilchen  vorkommen  ? 
Auch  erscheint  die  excentrisch  faserige  Struktur  der  meisten 
Kügelchen  in  ihrem  einseitig  gelegenen  Ausstrahlungspunkte 
in  Bezug  auf  die  Oberfläche  nicht  als  zuföllig,  sondern  der 
Art    der   Struktur    der    Hagelkörner    nachgebildet.     Dieses 


Gümhel:  üeher  die  in  Bayern  gefundenen  Steinmeteoriten,      69 

innere  Geföge  steht  im  engsten  Zusammenhange  mit  dem 
Akt  ihrer  Entstehung,  welche  nur  als  eine  Verdichtung 
Mineral  bildender  StoflFe  unter  gleichzeitiger  drehender  Beweg- 
ung in  Dämpfen,  welche  das  Material  zur  Fortbildung  lieferten, 
sich  erklären  lässt,  wobei  in  der  Richtung  der  Bewegung 
einseitig  mehr  Material  sich  ansetzte. 

Indem  ich  auf  die  Thatsachen  mich  berufe,  welche  bei 
allen  Chondriten  ~  und  um  diese  handelt  es  sich  hier  - 
zum  Vorschein  kommen, 

1)  dass  sie  nur  aus  feinen  oder  gröberen  Mineral- 
splitterchen  oder  aus  eckigen  oder  halbkugeligen,  zersprengten 
Stücken  von  Chondren  und  aus  diesen  selbst  bestehen; 

2)  dass  jede  Spur  von  Lava-  oder  Schlacken-ähnlichen 
Beimengungen  oder  Bindemittel  fehlt  und  alle  Verschlack- 
ungen, welche  sich  vorfinden,  nur  sekundäre  Erscheinungen 
in  Folge  derÜBewegung  der  Meteorite  innerhalb  der  irdischen 
Atmosphäre  sind; 

3)  dass  weder  das  beigemengte  Meteoreisen,  noch 
Schwefeleisen,  noch  Chromeisen  die  Form  der  Chondren  be- 
sitzen und  keine  Spur  erlittener  Abrollung  erkennen  lassen ; 

4)  dass  die  innere  Struktur  der  Chondren,  sei  sie  ex- 
centrisch  faserig,  oder  körnig  oder  staubig  in's  Dichte  über- 
gehend, mit  der  länglich  runden,  an  die  Eiform  erinnernden 
Gestalt  in  genetischem  Zusammenhange  steht,  wie  die  Be- 
schafiPenheit  der  Strahlen büschel  unzweideutig  lehrt; 

5)  dass  zuweilen  der  Oberflächenform  entsprechende 
Ausscheidungen  im  Innern  der  Kügelchen  sich  vorfinden  und 

6)  endlich,  dass  die  Oberfläche  der  Chondren  nicht,  wie 
bei  Entstehung  durch  Abrollung,  polirt,  sondern  rauh  und 
höckerig  ist,  wie  wenn  Theilchen  um  Theilchen  nach  Aussen 
sich  gesetzt  hätten, 

glaube  ich  z.  Th.  in  Uebereinstimmung  mit  den 
genannten  Gelehrten  annehmen  zu  müssen,   dai^  das  Mate- 


70       Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  9.  Februar  1878, 

rial,  aus  welchem  die  Chondrite  bestehen,  durch  eine 
gestörte  Krystallisation  und  Zertrümmerung  in  Folge  von 
explosiven  Vorgängen  innerhalb  eines  Raumes  sich  bildete, 
welcher  von  die  Mineral  bildenden  StoflFe  liefernden  Dämpfen 
und  von  die  weitere  Oxydation  des  Meteoreisens  verhindern- 
dem WasserstoflFgas  erfüllt  war.  Die  Kügelchen  bildeten  sich 
durch  Anhäufung  von  Mineralmasse  um  einen  Ansatz  oder  Kern 
bei  fortdauerndem  Fall  oder  Bewegung  in  den  StoflF  liefernden 
Dämpfen,  wodurch  eine  einseitige  Zunahme  oder  ein  Ansatz 
des  Materials  in  der  Richtung  des  Flugs,  wie  bei  der  Entsteh- 
ung gewisser  Hagelkörner  oder  Eisgraupen  bedingt  ist  und  die 
excentrisch  faserige  Struktur  und  länglichrunde  Form  ihre  Er- 
klärung findet.  Dass  hierbei  Zertrümmerungen  in  Folge  des 
Zusammenstosses  der  verfestigten  Massen  stattfanden,  beweisen 
die  in  Stücke  zersprengten  Kügelchen  und  die  zahlreichen 
eckigen  Fragmente,  welche  dieselbe  faserige  Struktur,  wie  die 
Kügelchen  selbst,  besitzen.  Vielleicht,  dass  ein  Zerfallen 
auch  in  Folge  raschen  Temperaturwechsels  eingetreten  ist. 
Das  so  entstandene  Material  fiel,  wie  ein  Aschenregen,  zur 
Oberfläche  des  sich  bildenden  Himmelkörpers  und  verfestigte 
sich  nach  Art  der  vulkanischen  Trockentuffe  durch  Agglu- 
tiniren  der  Trümmerchen  zu  einem  meist  lockeren  Aggregat 
und  wurde  vielleicht  erst  in  diesem  Zustande  der  Verfestigung 
durch  weitere  Explosionsthätigkeit  zerstückelt  und  abgeschleu- 
dert. Diese  Stücke  oder  Theile  dieser  Stücke  sind  es,  welche 
als  Meteorite  endlich  zur  Erde  gelangen.  Dass  andere  Meteoriten 
namentlich  die  Meteoreisenmassen  und  die  kohligen  eine  theil- 
weise  andere  Entstehung  gehabt  haben  müssen,  ist  nicht 
zweifelhaft ;  sie  mögen  einen  ruhigeren  Process  an  der  Ober- 
fläche des  Himmelskörpers  durchgemacht  und  nur  das  mit 
den  steinigen  Meteoriten  gemein  haben,  dass  sich  z.  Th. 
dasselbe  Material  an  ihrer  Zusammensetzung  betheiligte, 
wenn  auch  in  geringerer  Menge  und  dass  sie  auf  gleiche 
Weise  zerstückelt  und  abgeschleudert  wurden. 


Chumbel :  lieber  die  in  Bayern  gefundenen  Steinmeteoriten.      7 1 

Ich  begegne  z.  Tb.  äbnlicben  Ansichten,  zu  welchen 
mich  das  Studium  der  Chondrite  geführt  hat,  auch  bei  S  o  r  by, 
welcher  dieselben  schon  früher  in  dem  Aufsatze:  „On  tbe 
Physical  History  of  Meteorites  *)"  angedeutet  hat. 

Ich  fuge  diesen  Bemerkungen  noch  einige  Beobachtungs- 
resultate hinzu,  welche  ich  an  den  kohligen  Meteoriten  von 
Bokkeveld  und  Eaba  erhalten  habe.  Das  Material  hierfür 
verdanke  ich  der  besonderen  Güte  des  Hm.  Prof.  Tscher- 
mak  in  Wien.  Ich  hoflFte  durch  Dünnach liflFe  vielleicht 
eine  Spur  organischer  Struktur  in  dem  kohligen  Bestand- 
theile  zu  entdecken.  In  dem  Meteorit  von  Bokkeveld,  von 
dem  DünnschliflFe  sehr  schwierig  und  immer  nur  in  der  be- 
schränkten Weise  herzustellen  sind,  dass  die  kohligen  Parthieen 
nur  hier  und  da  durchscheinend  werden,  sieht  man  eine 
Menge  kleiner,  besonders  scharfeckiger,  wasserheller  Mine- 
ralsplitterchen  in  der  kohligen  Hauptmasse  eingebettet. 
I.  p.  L.  zeigen  diese  Mineraltrümmerchen  lebhafte  bunte  Farben 
und  scheinen  sich  überhaupt  wie  die  Bestandtheile  der  Chon- 
drite zu  verhalten.  Die  kohlige  Substanz,  wo  sie  durch- 
scheinend ist,  besitzt  jenes  häutige  oder  feinkörnige  Gefüge, 
wie  man  es  sonst  auch  bei  kohligen  Substanzen  triflFt.  Stück- 
chen ,  welche  ich  während  einiger  Tage  mit  chlorsaurem^ 
Kali  und  Salpetersäure  in  der  Kälte  behandelte,  entfärbten 
sich  vollständig  und  wurden  sehr  weich.  Mit  Kanadabalsam 
getränkt  gestatteten  sie  die  Herstellung  von- Dünnschliffen, 
in  welchen  nunmehr  die  Mineralsplitterchen  z.  Th.  trübe 
und  undurchsichtig  sich  zeigen  (wahrscheinlich  zersetzter 
Olivin),  z.  Th.  aber  wasserhell  geblieben  sind  (wahrschein- 
lich Augit-artige  Beimengungen),  während  die  kohlige  Haupt- 
masse sich  theilte  in  eine  vollständig^  durchsichtige  Masse 
und  in  zwischen  diese  eingebettete  dunklere  Flecken  und 
Wölkchen.    Die  durchsichtigen  Theile  lassen  dieselbe  mem- 


1)  The  geological  Magazin,  n.  1865  S.  447. 


72        Sitzung  der  matK-phys.  Glosse  fxmi  9.  Februar  1878. 

branöskörnige  Struktur  erkennen,  wie  bei  den  durchscheinen- 
den Parthien  der  nicht  behandelten  Dünnschliffe.  Von 
Andeutungen  organischer  Struktur  konnte  auch  nach  dieser 
Behandlung  nichts  entdeckt  werden. 

Der  koblige  Meteorit  von  Eaba  ist  ungleich  härter. 
In  den  Dünnschliffen  beobachtet  man  sehr  zahlreiche  hell- 
Mineraltheilchen,  fast  alle  von  kreisrundem  Durchschnitte, 
also  wahrscheinlich  Ghondren  entsprechend,  jedoch,  soweit 
mein  Material  erkennen  liess,  ohne  Faserstruktur.  Sie  be- 
stehen vielmehr  gleichsam  aus  einem  Aggregat  von  wasser- 
hellen Körnchen,  zwischen  welchen  gewöhnlich  undurch- 
sichtige Streifchen  verlaufen.  Dergleichen  schwarze,  vielleicht 
kohlige  Linien  und  Flecken  erscheinen  meist  auch  in  con- 
centrischer  Anordnung  in  den  Kügelchen  und  um  diese  herum. 
Die  helle  Mineralsubstanz  zeigt  i.  p.  L.  bunte  Farben.  Der 
Einwirkung  von  chlorsaurem  Eali  und  Salpetersäure  leistet 
dieser  Meteorit  Widerstand,  er  entfärbt  sich  nur  wenig, 
dagegen  werden  bei  dieser  Behandlung  die  Kügelchen  in 
Folge  erlittener  Zersetzung  trüb  und  undurchsichtig,  was 
mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  auf  ihre  Olivinnatur  zu  deuten 
sein  wird.  Von  organischer  Struktur  ist  unter  diesen  Um- 
ständen auch  bei  diesen  kohligen  Meteoriten  nichts  zu  sehen. 
Vielleicht  gelingt  es  dennoch  unter  Anwendung  des  oben 
angeführten  Entfärbungsmittels  bei  reichlicherem  Material 
oder  an  anderen  kohligen  Meteoriten  die  Anwesenheit  orga- 
nischer Wesen  auf  ausserirdischen  Himmelskörpern  nachzu- 
weisen. 


Die  in  Bayern  gefallenen  Steinmeteoriten. 


f.   sy,/a  nBB  Maaeitirdim,   IT.  von  Eichtädt,    HI.  vim  Jr.üsii 
S,-Aii,M-^.r^  u,„l  V.   mit   VI.   ith   KiUUaiUr;.. 


■    ",  _• 


\-A'- 


Herr  Hermann  v.  Schlagintweit-Sakünlünski 
legt  vor  und  bespricht: 


„Die 


neuen  Gompositen  des  Herbarium  Schlagintweit 

und  ihre   Verbreitung, 

nach 
Bearbeitung  der  Familie  yon  Dr.  F.  W.  Klatt." 


Inhalt. 


Die  diagnostische  Untersnchnng  der  Compositen-Familie  und  die 
ErläiiteniDg  der  localen  Verhältnisse  des  Auftretens.  —  Allgemeine  An- 
gaben übdr  das  Sammeln  für  das  Herbarinm,  über  Gmppirnng  und  Sig- 
natur der  Exemplare.  —  (Notiz  über  Transscription). 

Vergleichende  pflanzengeograpbische  Daten;  das  Auftreten  der 
Gattungen  Artemisia  und  Saussnrea.  — 

Systematische  Analyse  nnd  Description  der  nenen  Species. 


Die  diagnostische  Untersuchung  der  Familie  der  Gompo- 
siten unseres  Herbariums  ist  von  Herrn  Dr.  F.  W.  Elatt  in 
Hamburg  jetzt  durchgeführt  und  es  ist  beabsichtigt,  aus- 
fuhrliche Abhandlung  über  diese  Familie  nebst  Abbildungen 
der  neuen  Species  im  Journale  der  naturforschenden  Gesell- 
schaft zu  Halle  a./S.  erscheinen  zu  lassen;  meinerseits  sind 
überall  die  topographischen  Daten  über  Verbreitung,  nach 
Lage  und  Höhe,  gegeben  und  ich  werde  bei  zahlreich  ver- 
tretenen Gattungen  [auch  pflanzengeographische  Erläuter- 
ungen damit  yerbinden. 


74  Sitzung  der  matK-phys.  Glosse  vom  9.  Februar  1878. 

Da  jedoch  die  Publication  der  Abhandlung  noch  einige 
Zeit  sich  verschieben  muss,  wie  auch  Herr  Prof.  Dr.  Kraus 
in  Correspondenz  darüber  mir  mitgetheilt  hat,  sei  es  mir  ge- 
stattet, die  Angaben  über  die  neuen  Formen,  welche  sich 
dabei  gezeigt  haben,  für  die  Berichte  der  k.  Akademie  hie- 
mit  vorzulegen. 

Herr  Dr.  Elatt  hatte,  wie  ich  schon  in  meinem  „Be- 
richte über  die  Anlage  des  Herbariums  *)"  zu  erwähnen  ver- 
anlasst war,  früher  die  Primulaceen,  Pittopsoreen  und  Irideen 
bearbeitet^);  gegenwärtig  ist  er  mit  der  Untersuchung  der 
von  uns  gesammelten  Cyperaceen  beschäftigt. 

Was  ich  über  das  Aufsuchen  und  Sammeln  des  bota- 
nischen Materiales  noch  zu  erwähnen  habe,  ist  Folgendes. 

Das  Herbarium  hat  vorzugsweise  die  Flora  Hoeh- 
asiens  zum  G^enstande  und  die  neuen  oder  verhältniss- 
mässig  wenig  besuchten  Pflanzeuregionen  nördlich  vom 
Himälaya-Eamme  waren  am  meisten  zu  berücksichtigen. 
Dabei  war  das  erschwerte  und  auf  langsames  Vordringen 
beschränkte  Reisen  in  denselben  wenigstens  dem  Comple- 
tiren  des  Herbariums  nich  ungünstig,  und  wo  irgend  Ge- 
legenheit sich  bot,  wurden  die  als  Sammler  beschäftigten 
eingebornen  Gehülfen  getrennte  Wege  gesandt.  Lagen  un- 
gewöhnlicher Bodengestaltung,  wie  die  mehrmals  durch- 
zogenen Hochwüsten  nördlich  vom  Karakorüm-Kamme,  hatten 
sich  in  dem  was  sie  des  Neuen  in  der  Flora  ~  sowie  in  der 
Fauna  —  boten,  unerwartet  lohnend  gezeigt.  Auch  für  diese 
Pflanzen-Familie  ist  in  neuen  Formen  jenes  Hochland  am  besten 
vertreten,  obwohl  von  der  letzten  unserer  Bereisungen,  durch 
meinen  Bruder  Adolph,  der  im  vorhergegangenen  Jahre  so 
vieles    in    den  Umgebungen   des   Mustägh   im  Karakorum- 


1)  In  den  Abhandlungen  der   k.   bayer.  Akademie  der  W.  II.  Cl. 
XII.  Bd.  40  1876.  III.  Abth.  S.  133—196. 

2)  London,  Seemanns  Journal  ofBotany.  1868.  T.  VIII.  S.  116— 127, 


H,  V.  Schlagintweit :  Ueber  die  neuen  Compogiten  des  Herbariums  etc.   7  5 

Gebirge  aufgefunden  hatte,  Sammlungsobjecte  nördlich  von 
Le  aus  dem  Jahre  1857  nicht  mehr  in  meine  Hände  ge- 
langten. Das  grössere  Volumen  solcher  während  des 
Marsches  nach  Turkistän  ebenfalls  zurückgesandter  Gegen- 
stände, gegenüber  der  Verpackung  der  geretteten  Manuscripte 
und  Zeichnungen,  mag  dabei  allerdings  für  jenen  seiner 
Geehrten,  der  sie  anvertraut  erhalten  hatte,  wesentlich  er- 
schwerend gewesen  sein. 

Aus  den  späteren  Reisen  mit  Ueberschreiten  des  Kara- 
korum  gegen  Norden,  die  von  H.  W.  Johnsohn  1865  wieder 
begonnen  wurden,  ist  mir  von  Herbariumanlage  oder  von 
Details  über  Vegetationsverhältnisse  bis  jetzt  nichts  bekannt 
geworden. 

In  indischen  Gebieten  südlich  von  Hochasien  liess 
sich,  wo  die  Art  des  Beisens  es  erlaubte  und  wo  die  Märsche 
nicht  ganz  mit  den  die  Vegetationsentwicklung  deut- 
lich beschränkenden  Monaten  kühler  Jahreszeit  zusammen 
fielen,  noch  manch  Ergänzendes  sammeln.  Im  allgemeinen 
Verzeichnisse  unserer  Compositen  werden  noch  Standorte 
aus  Mälva  in  nahezu  23^  nördl.  Breite  als  die  südlichsten 
vertreten  sein.  Anomale  klimatische  Verhältnisse ,  noch 
mehr  —  weil  schärfer  begrenzt  —  örtliche  Veränderungen 
der  Wärme,  die  sich,  wie  bei  heissen  Quellen,  mit  verän- 
derter BodenbeschaflFenheit  verbinden,  haben  auch  dort  un- 
geachtet der  Beichhaltigkeit  des  bis  jetzt  schon  Bekannten 
stets  zum  Sammeln  sehr  günstig  sich  gezeigt. 

Die  einzelnen  Exemplare  sind  mit  Angabe')  der  Landes- 
region, der  Provinz,  der  Localität  und  der  Höhe  bezeichnet. 


3)  Ueber  die  Transscription  dabei,  durchgeführt  wie  schon 
früher  erläutert,  sei  in  Kürze  erwähnt :  ch  =  tsch  im  Deutschen ;  h 
nach  Consonant  ist  hörbare  Aspiration  aber  Kh  in  Khan  unser  ch ;  j  = 
dsch;  sh  =  seh ;  V  =:  w ;  z  =  weiches  s.  Unbestimmt  tönende  Yocale 
haben  das  Kürzezeichen  ",  nasale  den  Circnmflex  \  Jedes  mehrsilbige 
Wort  hat  1  Accent  als  Hauptton. 


76         Sitzung  der  vuxth.-phys.  CUuse  vom  9,  Februar  1878, 

Die  Landesregionen  sind  Abtheilungen,  bei  denen  vor- 
züglich der  klimatische  Charakter  zu  Grunde  gelegt  wird; 
die  Provinzen  sind  im  Sinne  der  Bewohner  getrennt 
gehalten;  die  Localitäten  sind  die  engere  Begrenzung, 
und  zwar  mit  Berücksichtigung  der  Verhältnisse  von  Elima 
und  auch  Bodengestaltung,  welche  direct  die  Vege- 
tation beeinflussen ;  die  untersten  und  die  obersten  Paukte, 
welche  sich  dabei  als  Fandstellen  ergeben,  sind  meist  als 
Grenzen  mit  den  betreffenden  Höhenzablen  angeführt;  ist 
aber  die  Flache,  über  welche  die  Fundstellen  sich  vertheilen, 
eine  kleine  bei  geringer  Veränderung  der  Höhe,  so  ist  nur 
1  Zahl  —  zwischen  2  Strichen  —  gegeben.  Anomale  Be- 
dingungen des  Auftretens  stehen  in  E[lammem.  —  Das 
Zeichen  „A^^  bei  Ortsnamen  and  Höhenzahl  bedeudet  tem- 
porären Lagerplatz  von  Nomaden  oder  ganz  unbewohnte 
Haltestelle. 

Das  Längenmaass  für  die  Höbenangabe  ist,  wegen 
des  Anschlusses  an  die  schon  vorhandene  Literatur  über  In- 
dien sowie  an  unsere  „Results  of  a  scientific  Mission,^^  das 
englische ; 

1000  engl.  Fuss  =  304*79  Meter  =  938'29  par.  Fuss. 

Auch  die  Dimensionen  der  Pflanzen  oder  einzelner 
Theile  derselben  sind  in  englischem  Maasse  gegeben.  (1  engl. 
Zoll  =  25-40  mm.) 

Als  weitere  Angaben  sind  noch  beigefügt  die  „Zeit 
des  Sammelns^S  da  diese  auch  die  Phase  der  periodischen 
Entwickelung  beurtheilen  lässt,  und  die  „Gatalog-Nummer^.^ ; 
letztere  bezieht  sich  auf  unsere  allgemeinen  Listen. 


Yergleichende  pflanzengeographisehe  Daten;  die  Gatt- 
ungen Artemisia  und  Saussnrea. 

In  ihrer  Verbreitung  zeigte  sich  die  Familie  der  Com- 
positen   in   den  Regionen    feuchter  Tropen,    sowie   in    den 


H,  V.  Sehlagintweit :  üeber  die  neuen  Compositen  des  Herbariums  etc.   7  7 

J^DgeLs  noch  am  Südfasse  des  Himalaya,  yerhältnissmässig 
wenig  zahlreich ;  aber  bei  ^  zunehmender  Erhebung  mehrt 
sich,  auch  längs  des  südlichen  Randes  schon,  sehr  rasch 
sowohl  die  Zahl  der  Gattungen  und  Species,  als  auch  die 
Häufigkeit  des  Vorkommens  der  Pflanzen. 

Das  centrale  und  das  nordwestliche  Indien,  das  Pla- 
teau des  Ehassia-Gebirges,  auch  das  obere  Assam  unter- 
scheiden sich  in  ähnlicher  Weise  von  ihren  tiefer  gelegenen 
Umgebungen,  die  zugleich  den  subtropischen  Küsten 
näher  liegen. 

Nach  der  Zahl  ihrer  Species  gereiht  folgen  sich  in 
unserem  Herbarium  aus  Hochasien  die  Gattungen  Artemisia, 
mit  19  Species,  Saussurea,  mit  18  Species,  Lactuca, 
mit  11  Species,  Senecio  mit  10  Species  u.  s.  w. 

Auf  die  Besprechung  der  beiden  ersteren,  werde  ich 
wegen  der  neuen  Formen  und  der  grossen  Verbreitung, 
welche  bei  diesen  sich  boten,  schon  hier  näher  eingehen. 


Das  Genus  Artemisia.  Für  dieses  wird  die  Summe 
der  bis  jetzt  überhaupt  botanisch  bekannten  Species  etwas  über 
100  betragen;  von  den  19  aus  Hochasien  vorliegenden  Spe- 
cies haben  sich  12  auch  in  den  trockenen  Theilen  des  Hoch- 
gebirges nördlich  vom  Himälaya-Eamme  gefunden.  Da  jedoch 
auch  in  der  Flora  Deutschlands  mit  Einschluss  der  Alpen,  bei 
viel  geringerer  Verschiedenheit  der  klimatischen  Begrenz- 
ungen, die  gleiche  Zahl  der  Species  von  der  Gattung  Artemisia 
sich  gezeigt  hat,  ist  deren  Zahl  für  Hochasien  in  entsprechen- 
der Vollständigkeit  entschieden  noch  reichhaltiger  anzu- 
nehmen. Zur  Eenntniss  derselben  hat  pflanzengeographisch 
nicht  nur  die  Fortsetzung  systematischer  Untersuchung 
sondern  auch  genauere  Angabe  der  Localitäten  in  Verbind- 
ung mit  den  bis  jetzt  bekannt  gewordenen  Analysen  bei- 
zutragen. 


78         Siteung  der  math.-phys,  Glosse  vom  9.  Februar  1878, 

Von  Formen  identisch  mit  jenen  der  deutschen  Flora 
liegen  mir  im  Herbarium  für  Hochasien  nur  Artemisia 
Dracunculus  L.  und  A.  scoparia  Wild.  &  Kit.  vor;  diese 
treten  dort  bis  12,000',  und  bis  10,500'  Höhe  auf,  finden 
sich  aber  beide  auch  in  den  Hochstufen  auf  der  Südseite 
des  Himälaya  bei  6000  Fuss  mittlerer  Höhe.  In,  Deutsch- 
land beschränkt  sich  die  Verbreitung  von  A.  scoparia,  die 
in  Böhmen,  in  Mähren,  in  Unteröstreich  und  in  den  öst- 
lichen Alpen  vorkömmt,  in  den  letztem  auf  niedre  Ab- 
hänge der  Vorberge*);  A.  Dracunculus,  der  „Dragon"  oder 
gewöhnlicher  der  „Estragon",  ist  als  Gulturpflanze  Deutsch- 
lands aus  Sibirien  durch  den  Verkehr  mit  Bussland  ge- 
kommen. 

In  Tibet  ist  das  Genus  Artemisia  för  die  obere  Grenze 
bewohnter  Orte  und  für  die  Lagerstätten  der  Hirten  ins- 
besondere auch  dadurch  wichtig,  dass  in  demselben  holz- 
bildende Strauchform  in  bedeutend  hohen  Lagen  noch, 
wenn  auch  von  geringer  Mächtigkeit,  sich  findet.  Tibetisch 
heissen  die  Strauchformen  dieses  Genus  „der  Tami"*);  als 
holzbildend,  wenigstens  in  günstigen  Lagen,  sind  etwa  ^/s 
der  Species  unseres  Herbariums  zu  bezeichnen. 


4)  Das  Ansteigen  zu  bedeutend  kühlerer  Lufttemperatur  in  Hoch- 
asien gegenüber  der  Begrenzung  in  den  Alpen  wird  hier,  wie  bei  vielen 
starkfasrigen  Pflanzen,  dadurch  begünstigt,  dass  bei  gleicher  Lufttem- 
peratur im  Schatten,  die  Verhältnisse  der  Insolation  in  Hochasien  gün- 
stiger sind.  Erl.  in  „Klimatischer  Charakter  der  pflanzengeographischen 
Regionen  Hochasiens."  Abhandl.  der  k.  b.  Akad.  d.  Wiss.  II.  Cl.  XII.  Bd. 
4«  1876.  m.  Abth.  S.  197—243  („Insolation" :  S.  217—219). 

5)  Das  Wort  Tämi  kömmt  auch  als  Componens  in  Namen  der 
Lagerstätten  und  der  Thalformen  vor,  da  die  Entwicklung  solcher  Sträucher- 
für  den  landschaftlichen  Eindruck  charakteristisch  ist.  Als  Beispiel  sei 
hier  genannt  das  Thal  des  Tämi  Chüet-Gletschers  in  Hazora;  die  Höhe 
des  unteren  Gletscherendes  daselbst,  auf  dessen  nächste  Umgebung  speciell 
die  Angabe  der  Tämi-Sträucher  sich  bezieht,  ist  10,460'.  „Besults"  YoL 
II.  pag.  428. 


H.  V .  JScMagintweit :  Deber  die  neuen  Campositenäes  Herbariums  etc.    7  9 

Es  ist  überhaupt  als  eine  der  Bigenthümlichkeiten 
dieses  Genus  zu  erwähnen,  dass  dasselbe  mit  der  Tamaris- 
cinee  Myriearia  —  dem  „Yabägre"  der  Türkis  —  und  mit  der 
Chenopodee  Eurotia  —  dem  „ßürze"  der  Tibeter  —  zu  jenen 
Pflanzenformen  gehört,  welche  in  den  centralen  Lagen  des 
Hochgebirges  beinahe  bis  an  ihre  oberste  Grenze  hinan  in 
Strauchform  oder  wenigstens,  wenn  auch  in  schwacher  Ver- 
zweigung, sehr  zähfaserig  sich  zeigen.  In  den  Hochwüsten 
selbst  überschreiten  sogar  solche  Formen  die  Verbreitung 
jeder  anderer  phanerogamen  Pflanzenart®),  wenn  sie  auch 
nicht  ganz  mit  gleichen  Temperaturgrenzen  coincidiren  wie 
dort,  wo  bei  mittleren  Verhältnissen  der  Feuchtigkeit  die 
Entwicklung  von  anderen  Pflanzenformen  nicht  ausge- 
schlossen ist'). 

Von  der  neuen  Species  trat  die  Ärtemisia  Schlagint- 
weitiana  Klatt  in  der  Provinz  Yärkand  zu  beiden  Seiten 
des  Eünlün-Eammes  auf,  und  wurde  am  Südrande  desselben 
noch  1  Fuss  hoch;  dabei  war  sie  am  See  Kiük  Kiol  und 
von  dort  gegen  SikSndar  Mokäm,  zwischen  15,500'  und 
13,800'  Meereshöhe,  sogar  zahlreich.  Sie  fand  sich  auch 
auf  der  Nordseite  des  KünlÜu  nochmals,  zu  A  Oitäsh  im 
Büshia-Thale,  in  der  Provinz  Khötan.  Die  Höhe  dieser  Localität 
ist  15,000  bis  16,000';  die  Lage  gehört  schon* zur  nivalen 
Region,  ober  der  Schneegrenze  beginnend.  (Die  Schnee- 
grenze auf  der  Nordseite  dieses  Theiles  des  Künliin  ,ist 
14,800'.)  Dort  trat  mit  derselben  auch  die  Species  A.  ma- 
crantha  Ledeb.  als  nahe  der  „äussersten  Grenze  phanero- 
gamer  Pflanzen"  auf,  schwächer  noch  entwickelt ;  die  letztere 


6)  Erl.  in  „Anlage  des  Herbariums*'  Abh.  der  k.  b.  Ak.  d.  Wlss. 
n.  Cl.  XIL  Bd.  4».  1856.    S.  171. 

7)  Die  Extreme  der  Phanerogamen-Grenzen,  die  wir  fanden, 

waren  die  Standorte:  Jänti-Pass,  bei  17,500',  in  Eämaon;  Ibi  Gämin 
Gipfel,  NO.-Abhang,  bei  19,809',  nnd  Gunshankär-Gipfel  W.Abhang 
bei  19,237',  in  Gnari   Kborsum     „Res.**  Vol.  IL  pag.  501. 


80         Sitzung  der  matK-phya.  dasse  vom  9.  Februar  1876. 

hatte  sich  aber  auch  in  ganz  Tibet  bis  9000'  hinab   ziem- 
lich häufig  verbreitet  gezeigt. 

In  den  Alpen  hatte  ich,  mit  meinem  Bruder  Adolph» 
aus  diesem  Geous  A.  mutellina  YilU  und  A.  spicata  Wulf, 
ebenfalls  als  Pflanzen,  die  in  der  nivalen  Region  der  Central- 
alpen  noch  vorkommen,  nachweisen  können*).  — 

Die  2.  neue  Species,  A.  Eohatica  Elatt,  scheint  auf 
das  subtropische  Gebiet  des  Panjäb,  charakterisirt  durch 
Extreme  trockener  Hitze,  beschränkt  zu  sein.  — 

In  der  Flora  der  indischen  Bialbinsel  ist  das  Genus 
Artemisia  ebenfalls  zahlreich  vertreten.  Dort  sind  schon 
seit  alter  Zeit  verschiedene  Species  officinell  verwandt  wor- 
den, besonders  als  anthelmintische  Arznei.  Der  gegen- 
wärtige Name  für  das  Genus  im  Hindostani,  „Näg  dauna'^ 
oder  M^^g  döna^S  weist  unmittelbar  darauf  hin.  Es  ist 
dabei,  wie  mir  gesagt  wurde,  d  ä  ii  n  a  das  Sanskritwort  für 
die  Pflanze;  dieses  wird  aber  fast  nie  mehr  allein  ge- 
braucht, sondern  nur  in  Verbindung  mit  näg,  was  ein  sich 
schlingendes  Thier  („Schlange"  oder  „Wurm")  bedeutet. 

Der  altgermanische  Pflanzenname,  der  sich  im  Englischen 
als  „Wormwood"  und  im  Deutschen,  in  etwas  mehr  ver- 
änderter Form,  als  „Wermut"  erhalten  hat,  ist  entschieden 
in  gleichem  Sinne  zu  verstehen,  nemlich  als  fasrige,  holz- 
artige Pflanze  gegen  Würmer.  Gegenwärtig  allerdings 
sind  beide  Namen  auf  die  Species  A.  Absynthium  L.  beschränkt*). 

Am  kräftigsten   wirkt    gegen  Würmer    das   Präparat, 


8)  Von  der  Familie  der  Compositen  hatten  wir  in  den  Alpen  in 
der  nivalen  Region  noch  gefunden:  Achillea  hjhrida  Gand.,  Chrysan- 
themum alpinum  L.,  Erigeron  uniflorum  L.,  Senecio  uniflorus  L.  Beoh- 
achtungsangaben  in  unseren  „Untersuchungen  über  die  physikalische  Geo- 
graphie und  die  Geologie  der  Alpen/'  Band  I.  1850  u.  Band  II.  1854; 
Zusammenstellung  in  ,,Flora'',  1854,  Nr.  24. 

9)  Der  Genus-Name,  unserem  „Beifuss"  entsprechend,  ist  im  Eng- 
lischen „Mugwort'*;  im  Französsichen,  (aus  ArtemisiaX  „Armoise". 


H.  V,  Schlagintweit :  Üeber  die  neuen  Compositen  des  Herbariums  etc.   8 1 

davS  aus  zerkleinerten  Blüthenknospen  besteht  von  A.  Contra 
Vahl.  Diese  Species  aber  kömmt  als  unmittelbarer  Theil 
der  indischen  Flora  nicht  vor;  Standorte  derselben  finden 
sich,  soviel  bis  jetzt  bekannt,  auch  in  Hochasien  nicht, 
sondern  erst  in  Persien,  und  von  dort  breitet  sie  sich  ziem- 
lich weit  gegen  Westen  aus.  Der  specifisch  wirkende  Be- 
standtheil  ist  das  Santonin,  das  nur  in  verhältnissmässig 
wenigen  der  Artemisia-Species  in  sehr  wirksam  auftretender 
Quantität  sich  nachweisen  liess.  Dass  dessenungeachtet 
alte  volksthümliche  Benennung  den  Namen  im  Sinne  von 
Wurmholz  auf  das  ganze  Genus  ausgedehnt  hat,  mag 
sehr  wohl  dadurch  noch  gefördert  worden  sein,  dass  das 
eigenthümlich  widerlich  schmeckende  Oel  dieser  Gattung, 
das  beinahe  in  allen  Arten  sehr  stark  hervortritt,  anfangs 
als  das  Anthelminticum  gegolten  hat. 

Ebenfalls  sehr  verbreitet  als  Heilmittel  in  Indien  und 
östlich  davon  ist  die  Anwendung  von  A.  chinensis  L.  oder 
Moxa  Bess.  gegen  Rheumatismus,  wobei  kleine  Klumpen  aus 
den  Fasern  derselben  an  der  leidenden  Stelle  auf  die  Haut 
gelegt  und  dort  verbrannt  werden. 

A.  Absynthium  L.  kömmt  weder  in  Indiens  tropischen  und 
subtropischen  Gebieten  noch  in  den  Gebirgsländern  nördlich 
davon  vor.  .  Dessenungeachtet  wird  eine  Art  „Absynth" 
als  alkoholhaltiges  Getränke  bereitet;  auch  der  Name  dafür 
ist  im  Hindostäni  derselbe,  aber  umgestaltet  in  „Afsüntm". 
Es  wird  hiezu  vorzüglich  die  Artemisia  indica  Wild,  aus  den 
Mittelstufen  und  den  tiefen  Lagen  von  Nepal  benutzt ;  diese 
Verwendung  ist  übrigens  wohl  erst  von  Europäern  einge- 
führt worden. 


Das  Genus  Sau ssurea  DC.  Dieses  war  hier  am  zahl- 
reichsten in  neuen  Formen  aufgetreten;  auch  in  der  Gesammt- 
zahl  der  Arten,  die  sich  zeigten,  war  es  ziemlich  allgemein  ver- 
[1878.  1.  Math.-phys.  Cl.]  6 


82         Sitzung  der  matK-phys.  Classe  vom  9.  Februar  1878. 

breitet,  theilweise  sehr  stark  diflFerirend  in  der  Gestaltung.  Aus 
den  Pflanzenregionen  Hochasiens  haben  sich  in  unserem  Her- 
barium 18  Species  ergeben;  es  dürfte  demnach  dieses  Genus, 
das  überdiess  wohl  keinenfalls  in  die  heissen  Vorstufen  läugs 
des  indischen  Tieflandes  hinabreicht,  ziemlich  vollständig 
vertreten  sein. 

Die  Saussurea- Arten  beginnen  vorherrschend  in  Höhen, 
die  den  Baumgrenzen  der  betreflfeuden  Lagen  entsprechen, 
und  steigen  von  dort  noch  bedeutend  an.  Einige  derselben 
gehören  zu  den  phanerogamen  Pflanzen  höchster  Standorte 
und  reichen,  wo  nicht  in  Coincidenz  mit  der  Höhe  auch 
grosse  Trockenheit  sie  begrenzt,  bis  in  die  nivale  Region. 
In  diesen  Hochregionen  haben  sich  auch,  wie  zu  erwarten, 
ungeachtet  der  so  geringen  Menge  von  Vegetation,  die  sich 
bietet,  verhältnissmässig  zahlreich  in  all  den  vertretenen 
Pflanzenfamilien,  neue  Formen  als  Species  oder*  als  Varie- 
täten gezeigt. 

Doch  sind  auch  viele  der  Species  von  Saussurea  in  den 
tieferen  Mittelstufen  heimisch  und  zwar  von  den  feucht- 
warmen östlichen  Gebieten  Sikkims  in  Höhen  von  6000  bis 
7000  Fuss  bis  zum  trocknen  fernen  Nordwesten  der  Süd- 
seite des  Himälaya. 

Die  tiefsten  Standorte  fanden  sich,  Mitte  April  1856, 
längs  des  Weges  von  „Kälka  über  Kassäuli  nach  Simla, 
im  westlichen  Himälaya",  zwischen  2000  nnd  4600'  Höhe, 
es  ist  die  S.   candicans  Schultz  Bip.,    welche   dort   auftritt. 

Von  den  neuen  Species  zeigten  sich  Saussurea  acaulis 
Klatt  und  S.  setifolia  Klatt  auf  der  Hochwüste,  welche  mit 
17,000'  mittlerer  Höhe  als  oberste  Stufe  auf  der  nördlichen, 
turkistäni  Seite  des  Karakorüm-Kammes  liegt.  Diese  Localität 
ist  aber  ungeachtet  ihrer  grossen  Höhe  noch  subnival,  und 
zwar  1600'  noch  unter  der  Schneegrenze  in  jenem  Theile 
des  Hochgebirges  gelegen. 

Der  während  des  ganzen  Sommers  und  meist  bis  zum 


H.  V.  Schlagintweit :  lieber  die  neuen  Compositen  des  Herbariums  etc,    83 

Spätherbst  schneefreie  Karakorüm-Pass,  welcher  hier  Nübra  und 
Yärkand  verbindet,  hat  18,345' Höhe;  die  Höhe  der  Schnee- 
grenze ist  anf  der  Südseite  des  Karakorüm-Kanimes  19,400', 
auf  der  Nordseite  18,600'.  ^<') 

Von  der  Saussurea  Schlagintweitii  Klatt,  die  als  neue 
Species  auf  der  Südseite  des  Künlün-Kanimes  sich  zeigte, 
war  dort  die  Schneegrenze  beinahe  erreicht;  es  betrag  die 
Differenz   der  Höhe   nur  wenige  100  Fuss. 

Die  beiden  andern  neuen  Arten,  S.  chenopodifolia  Klatt, 
und  S.  stemmaphora  Klatt,  hatten  gleichfalls  nördlich  vom 
Himälaya-Kamme  sich  gefanden ;  aber  die  klimatischen  Ver- 
hältnisse für  dieselben  sind  jenen  des  westlichen  und  nord- 
westlichen Tibet  in  Höhen  zwischen  7000  und  11,000' 
gleichzusetzen. 

In  den  Alpen,  wo  von  den  3  Arten  dieser  Gattung 
die  S.  pygmaea  Spreng,  in  den  mittelhohen  östlichen  Kalk- 
alpen sich  findet,  sind  die  beiden  anderen,  S.  alpina  DC. 
und  S.  discolor  DC,  auf  die  subnivale  Region  und  ihre  nächsten 
Umgebungen  gegen  abwärts  beschränkt,  überschreiten  sie 
aber  nicht  nach  oben. 


Systematische  Analyse  und  Description  der  neuen 

Species. 

Die  neuen  Speciesin  der  Familie  der  Compositen  haben 
sich  für  unser  Herbarium  in   der  Anzahl  von   17    ergeben, 
die  sich,   wie  folgt,   auf  die   verschiedenen   Gattungen   ver- 
theilen : 
Gen.  Aster:  1;  Inula:  2;  Pulicaria:  1; 

Allardia :  1 ;        Chrysanthemum :  1 ;  Artemisia :  2  ; 

Saussurea:  5;     Jurinea:  2;  Ainsliaea:  1; 

Prenanthes:  1. 


10)  Erläutert  „Results"  Vol.  IL  p.  426  und  pag.  498. 

6* 


84        Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  9.  Februar  1878. 

Die  Angaben  über  dieselben  theile  ich  hier,  gleichfalls 
systematisch  gereiht,  nach  Dr.  Klatt^s  Bearbeitung  mit; 
neue  Formen,  die  nur  als  Varietäten  zu  bezeichnen  waren, 
werden  erst  in  der  allgemeinen  Zusammenstellung  besprochen. 


Aster  scaposus  F.  W.  Klatt  A.  fruticosus  totus 
hirtello  -  canescens,  caulibus  erectis  scapiformibiis  1-cephalis 
basi  foliosis,  foliis  obovato-oblongis  subacutis  medio  2 — 4-den- 
tatibus  obscure  trinervis;  involucri  squamis  acuminatis,  achae- 
niis,  villosis,  papi  setis  pallide  rufescentibus. 

Localität.  Tibet;  Provinz  Bälti:  Von  Hüshe  nach 
A  Brämi  Räma,  längs  des  Ausflusses  des  Sospor- Gletschers, 
10,000'— 13,000';  coli.  16.  Juli  1856.     Cat.-Nr.  6902. 

Die  holzigen  Stämme  sind  niederliegend  oder  bogig 
aufrecht  und  sehr  kurz,  2  bis  3  Zoll  hoch.  Die  Aeste,  8 
Zoll  hoch,  sind  aufrecht,  rund  oder  etwas  eckig,  gleich  den 
Blättern  filziggrau,  mit  breiten,  3nervigen  Schuppen  am 
Grunde  und  in  einen  mit  wenigen  Deckblättern  versehenen 
einköpfigen  Blüthenstiel  verlängert. 

Die  verkehrt  eiförmig  länglichen  Blätter  sind  kaum 
zugespitzt,  an  beiden  Seiten  dicht  grau  behaart,  nach  dem 
Grunde  in  einen  breiten  Blattstiel  verschmälert,  20  Linien 
lang  und  8  breit. 

Die  halbkugeligen  Blüthenköpfe  sind  vielblüthig  und 
kiirzstrahlig.  Die  Schuppen  des  Hüllkelches  sind  lang- 
zettlich  zugespitzt,  an  den  Rändern  häutig  und  gewimpert, 
in  der  Mitte  dicht  und  lang  behaart.  Die  Achänien  sind 
rauh.  Die  bleichröthliche  Saamenkrone  wird  durch  zwei 
Reihen  scharfer  Borsten  gebildet. 

Diese  Art  ist  sehr  der  Pflanze  ähnlich,  welche  DC.  im 
Prodrom  V.  pag.  276  als  Diplopappus  Roylei  beschreibt, 
aber  verschieden  durch  die  Schuppen  des  Hüllkelches,  welche 


H,  V.  Schlaginiweit :  lieber  die  neuen  Compositen  des  Herbariums  etc.    8  5 

behaart,  durch  die  Stengel,  welche  holzig  und  nicht  krautig, 
und  durch  die  Blätter,  welche  auf  beiden  Seiten  lang  be- 
haart sind. 

Aster  raoUiusculus  Wall,  scheint  auch  einige  Aenhlichkeit 
mit  unserer  Art  zu  haben,  aber  die  Blätter  sind  nicht 
ganzrandig. 

Inula  polycephala  F.  W.  Klatt.  L  caule  fru- 
ticoso,  ramis  teretibus  apice  cinereo-velutinis,  foliis  alternis 
oblongis  acuminatis  basi  attennuatis  petiolatis  minute  serratis 
subtus  pubescentibus,  panicula  polycephala  composita  ramis 
axillaribus,  capitulis  pedicellatis  bracteatis,  involucri  squa- 
mis  exterioribus  brevibus  puberulis;  interioribus  lanceolatis 
acutis  ciliatis,  achaeniis  villosis. 

Loc.  Westlicher  Himäiaya ;  Provinz  Gärhväl:  Von 
Khärsäli  via  Räna  nach  Kutnor  im  Jamna-Thale,  8900'  bis 
6100';  coli.  14.  bis  16.  October  1855.  Cat.-Nr.  9068.  Bä- 
drinath  und  Umgebungen,  rechte  Seite  des  Vishnuganga- 
Flusses,  10,000'— 10,600';  coli.  1.  bis  31.  August  1855. 
Cat.-Nr.  10032. 

Provinz  Kämäon:  Bhäbeh,  und  südliche  Abhänge 
des  Täri-Passes,  8000'— 10,000';  coli.  9.  Juni  1856.  Cat.- 
Nr.  10272. 

Provinz  Kashmir  -  Rajäuri:  Von  Uri  an  den 
Puch-Pass  und  dann  südlich  nach  Kahüta,  3900'— 9000'  und 
9000'— 5000';    coli.  1.  bis  9.  Nov.  1856.     Cat.-Nr.  12130. 

Provinz  Kajäuri:  Von  Puch  via  Kötli  nach  Is- 
lamabad, Vorbergeund  Ausläufer,  4000'- 2000';  coli.  10.  bis 
15.  Nov  1856.     Cat.-Nr.  12611. 

Pr'ovinceMarri:  Von  Baramüla  nach  Mera,  im  Jhilum- 
Thale,  5500'— 4800';  coli.  4.  bis  10.  Nov.  1856.  Cat.-Nr. 
12491. 

Diese  Art  scheint  sehr  mit  Inula  eupatorioides  verwandt 
zu  sein,  aber  die  Behaarung  ist  nicht  „rufo  cinereo",   die 


86         Sitzung  der  math-phys.  Ckisse  vom  9,  Februar  1878, 

Involucralschuppen  sind  nicht  „oblongis  obtusis",  und  die 
Strahlblüthen  nicht  „paucis."  Die  vorliegenden  Exemplare 
sind  nicht  vollständig,  daher  ist  die  Zahl  der  Strahlblüthen 
nicht  bestimmbar.  Die  Blätter,  3  —  4  Zoll  lang,  beinahe 
1  —  1 '/4  Zoll  breit,  sind  auf  der  ünterfläche  längs  der 
Nervatur  lang  behaart. 

Die  3—8  Linien  langen  Blüthenstiele  haben  ein  pfriemen- 
förmiges  Deckblatt,   welches   ungefähr  ?  Linien  lang  wird. 

Die  Blfithenköpfe  haben  3— 4  Linien  im  Durchmesser; 
die  Involucralschuppen  haben  häutige  Ecken  und  sind  in 
der  Mitte  grün. 

Die  Borsten  der  Saamenkrone,  10  an  Zahl  und  2  Linien 
lang,  bestehen  aus  durchscheinenden  Blättern.  Die  Staub- 
kolben sind  am  Grunde  kurz  geschwänzt.  Die  Köpfe  sind 
4  Linien  hoch. 

Die  von  Edgeworth,  Transact.  of  the  Linnean  society 
pag.  68  und  69  beschriebenen  2  Arten  sind  mit  unserer 
PjQanze  nicht  identisch ,  da  die  Blätter  dieser  lunla  lan- 
zettlich und  I.  asperrima  überdiess  der  L  nervosa  Wall, 
ähnlich  ist. 

Inulaverrucosa  F.  W.  Klatt.  L  caule  erecto  hirsuto 
simplice  dense  folioso,  apice  l--4-cephalo,  foliis  oblongis 
acutis  margine  ciliato-scabris  verrucosis  capitulis  longe 
pedicellatis  bracteatis,  involucri  squamis  exterioribus  late 
lanceolatis  foliaceis  ciliato-scabris,  interioribus  lanceolatis 
scariotis  apice  ciliatis,  achaeniis  villosis. 

Loc.  Westlicher  Himalaja;  Provinz  Chämba: 
BeiNürpur,  Vegetation  der  Vorberge-Kärame,  4000'— 5500'; 
coli.  16.  bis  20.  Juli  1856.     Cat.-Nr.  11739. 

Tibet;  Provinz  Ladäk:  Von  Rämbak  zum  Kända 
La-Passe,  südwestlich  von  Le,  11,500'— 13,500';  coli.  1. 
bis  7.  September  1856.     Cat.-Nr.  6291. 

Diese  Pflanze,  8—10  Zoll  hoch,  hat  mehrere  Stengel, 


H,  v,  Schlagintweit :  TJeher  die  neuen  Compositen  des  Herbariums  etc,  8  7 

welche  aus  einer  Wurzel  kommen,  und  Wurzelblätter,  welche 
spateiförmig  sind. 

Die  Deckblätter,  von  der  Form  der  Blätter,  sind  weich- 
stachlich  und  oft  dicht  den  Bliithenköpfen  angeschloäsen. 
Die  Stengelblätter  sind  1—2  Zoll  lang  und  2  Linien  breit. 
Die  Borsten  der  Sämenkrone  bestehen  aus  gegliederten,  zu- 
gespitzten, durchsichtigen  Schuppen. 

Die  Blüthenköpfe  sind  7  Linien  breit  und  hoch,  die 
Staubkolben  sind  zähnig  geschwänzt ;  diese  Art  steht  zwischen 
Inlua  nervosa  Wall,  und  I.  acuminata  DC. 

Pulicaria  [Pterochaeta]  Sakhiana  F.  W.  Klatt, 
P.  tota  sparse  pilosa,  caulibus  erectis  flexuosis  ramosis, 
ramis  trichotomis  foliosis  pubescentibus,  foliis  sessilibus  basi 
attenuatis  amplexicauli-spatulatis,  ramealibus  plicatis,  invo- 
lucri  squamis  glabris  lanceolatis  acutiusculis,  capitulis  homo- 
gamis,  acbaeniis  adpresse  hirsutis,  coronula  argute  denticulata, 
setis  20  innatim  complanatis  plumosis. 

(Das  Auftreten  dieser  Pflanze  hat  sich  nur  an  dieser,  in 
ihren  Verhältnissen  der  Bodentemperatur  und  Feuchtigkeit  sehr 
anomalen  Stelle  gezeigt;  da  wohl  ein  Auffinden  derselben 
auch  bei  weiterer  Durchforschung  benachbarter  Gebiete  auf 
die  Lage  von  Thermen  wie  hier  beschränkt  bleiben  wird, 
wurde  für  diese  Pflanze  der  Name  derSpecies  mit  jenem  der 
heissen  Quellen,  an  denen  sie  sich  gefunden  hatte,  verbunden.) 

Loc.  Western  India,  Provinz  Sindh:  Säkhi-Thermen 
und  Umgebungen;  zahlreiche  heisse  Quellen  am  westlichen, 
rechten  Ufer  des  Indus,  150'— 180';  coli.  14.  Februar  1857. 
Cat.-Nr.  11,129? 

Ein  starker  ästiger  Strauch,  hart  am  Quellenrande,  un- 
gefähr r  hoch;  die  Stengelblätter  sind  fleischig,  5  Linien 
lang  und  2  Linien  breit,  die  Blätter  der  Zweige  eingerollt 
und  gekrümmt. 

Die   gipfelständigen  Blüthen    sind    dreiköpfig   dolden- 


88  Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  9.  Februar  1878. 

rispig;  die  Blüthenstiele,  4—6  Linien  lang  und  sehr  schlank, 
tragen  ein  blattähnliches  Deckblatt. 

Die  Köpfe  haben  4  Linien  im  Durchmesser ;  die  Invo- 
lucralschuppen,  mit  einer  Rückenlinie  oder  gekielt,  sind  häutig 
und  verschieden  lang. 

Die  Gipfeläste  werden  ganz  von  der  Staubfadenröhre 
eingeschlossen,  die  Saamenkrone  ist  gelblich,  3  Linien  lang. 

Allardia  incana  F.  W.  Klatt.  A.  cavo-tomentosa, 
caule  trichotome  ramoso,  foliis  ad  apices  ramorum  confertis 
utriusque  tomentoso-lanatis  trilobis,  lobis  linearibus  acutis, 
pedunculis  elongatis  1-cephalis,  involucri  squamis  obtusissimis 
margine  scariosis  dentato-hirsutisque,  ligulis  involucro  multo 
longioribus. 

Loc.  Tibet;  Provinz  Ladäk:  Von  Rämbak  zum 
Kända  La-Passe  südwestlich  von  Le,  11,500'— 13,500';  coli. 
1,  bis  7.  September  1856.  Cat.-Nr.  6309. 

Die  4 — 6  Zoll  hohen  Pflanzen  sind  grau  bis  zu  den 
Blättern,  welche  die  Gestalt  von  A.  glabra  Dcne.,  aber  die 
Behaarung  von-A.  tomentosa  Dcne.  besitzen. 

Die  Blüthenköpfe  sind  4-— 6  Linien  breit  und  4  Linien 
hoch,  mit  rosarothen  Strahlblüthen.  Diese  Strahlblüthen, 
welche  3  Linien  lang  und  1  breit  sind,  besitzen  4  Nerven. 

Die  Samenkrone  ist  dunkelbraun,  wie  es  auch  die  In- 
volucralschuppen  sind,  die  Borsten  sind  gezähnelt. 

Die  5 — 6  Linien  langen  und  1  Linie  breiten  Blätter 
theilen  sich  an  der  Spitze  in  3 — 4  Zähne. 

Chrysanthemum  (D.  Pyrethra)  art  emisiaefolium 
P.  W.  Klatt.  Ch.  totum  sericeo-lanatum,  coUo  fructicoso, 
caulibus  erectis  herbaceis  simplicibus  1-cephalis  a  medio 
apice  aphyllis,  foliis  radicalibus  bipinati-sectis  lobis  oblongis 
bi-vel  trifidis  vel  basi  integris ,  involucro  villoso-lanato, 
squamis  margine  scariosis  rufis  eroso-dentatis,  intimis  sca- 
riosis, pappo  foliaceo  corouato. 


H.  V,  Schlagintweit :  lieber  die  neuen  Compositen  des  Herbariums  etc.  89 

Loc.  Tibet;  Provinz  Tsänskar:  Von  A  Pädar 
nach  SuUe  am  Nordost-Fusse  des  Shinku  La-Passes,  14,100' 
—  12;200';  coli.  21.  und  22.  Juni  1856.  Cat.-Nr. 
6253.  —  Von  A  Sülle  im  Shung-Thale  nach  Pädun  im 
Tsanskar-Haupt-Thale,  12,900'— 11,600' ;  coli.  22.  bis  24. 
Juni  1856.     Cat.-Nr.  6554  und  Nr.  6696. 

Provinz  Ladäk:  Von  A  Yüra  Kiom  via  Känji  den 
Timti  La-Pass  hinan,  12,800'- 15,500';  coli.  2.  Juli  1856 
Cat.-Nr.  5253.  Von  Khärbu  Koma  und  Umgebungen,  süd- 
v\restl.  von  Da,  gegen  Shäksi,  11,600'— 10,500';  coli.  3.  Juli 
1856.  Cat.-Nr.  5333.  Von  Tirati  La-Passe  via  Timti  Do 
nach  Kharbu  Koma,  15,500'  — 10,500';  coli.  2.  und  3.  Juli 
1856.     Cat-Nr.  6557. 

Provinz  Bälti:  A  Shingchäkbi,  unter  See  Tso  Ka, 
linke  Seite  des  Mustagh- Gletschers,  13,900'— 13,000';  coli. 
19.  August  1856.  Cat.-Nr.  6034.  Von  Tsumgäki  am  Nord- 
fusse  des  Chorbad  La-Passes  nach  Poen,  14,400'— 8800'; 
coli.  9.  Juli  1856.     Cat.-Nr.  6062. 

Die  ganze  Pflanze  ist  mit  einer  grünlich  grauen  Wolle 
bekleidet,  die  jungen  Blätter  aber  haben  eine  dichte  gelbe 
Wolle  zur  Bedeckung. 

Die  Stengel  sind  10  —  12  Zoll  hoch,  einfach  oder  ästig, 
bis  zur  Hälfte  beblättert,  oben  kahl,  einköpfig. 

Die  untern  Blätter,  3  —  4  Zoll  lang,  sind  gestielt,  der 
gefurchte  Blattstiel  endet  am  Grunde  mit  einer  langen  und 
breiten  Blattscheide. 

Die  Blatttheile  sind  nur  1  Linie  lang,  also  viel  kürzer 
als  in  Chrysanthemum  sericeum,  mit  welcher  Art  unsere 
Pflanze  Aehnlichkeit  hat.  Diese  Lappen  sind  auch  oft  un- 
getheilf,  aber  am  Ende  der  Blätter  immer  2-  oder  3theilig. 
Die  Stengelblätter  sind  sitzend  und  den  Stengel  etwas  um- 
fassend. 

Die  Livolucralschuppen  sind  1  Linie   lang    und   mehr- 


90        Sitzung  der  matK-phys.  Gasse  vom  9.  Februar  1878, 

reihig.     Die  Krone  der  Scheibenblüthen  sind  1  Linie  hoch, 
gelb,  fünfzähnig  und  becherförmig. 

Die  30  Strahlblüthen  sind  2  Linien  lang  und  1  Linie 
*    breit,    lanzettlich,   weiss    und   dreizähnig.     Die   Krone   des 
Achäniums  besteht  aus  5  Blättern,  welche  dreizähnig  sind. 
Das  Achänium  selbst  zeigt  lange  erhabene  Rufen.  Chrysan- 
themum Roylei  hat  untere  Blätter,  die  3-  bis  5-handlappig  sind. 

Artemisia  Schlagintweitiana  P.  W.  Klatt.  A. 
suflFruticosa  glabra  erecta  siraplex,  foliis  inferioribus  ovato- 
lanceolatis  cuneato-dentatis ,  mediis  lanceolatis  integris, 
sumrais  bracteiformibus ,  capitulis  spicato-racemosis,  hemi- 
sphäricis,  bracteis  tri-vel  quinquefidis,  involucri  squamis 
ovato-subrotundis  margine  scariosis,  corollis  pilosis. 

Loc.  Kfinldn;  Provinz  Yärkand:  Von  Kiuk  Kiöl- 
See  nach  A  SikSndar  Mokäm,  15,500'— 13,800';  coli.  15. 
bis  18.  Aug.  1856.    Cat.-Nr.  12682. 

Provinz  Khotan:  Von  A  Oitäsh  an  das  untere  Ende 
des  Büshia- Gletschers,  Nordseite  der  Künliin-Kette,  15,500' 
—  16,000';  coli.  27.  Aug.  1856.     Cat.-Nr.  12837. 

(Diese  Species  scheint  auf  das  Künliin- Gebirge  be- 
schränkt; sie  hatte  sich  nirgend  in  den  so  ausgedehnten 
Gebieten  ähnlichen  Klimas  in  Tibet  gezeigt  und  es  ist  an- 
zunehmen, dass  schon  die  subnivale  Hochregion  der  Nord- 
seite des Karakorum-Kammes  durch  extreme  Trockenheit 
in  Verbindung  mit  der  bedeutenden  Erhebung  ihre  Ver- 
breitung begrenzt.) 

Der  Stengel  ist  9 — 12  Zoll  hoch,  einfach  oder  wenig 
ästig,  die  bis  2  Zoll  langen  Aeste  sind  fadenförmig,  be- 
blättert und  Blüthenköpfe  tragend. 

Die  1  Linie  im  Durchmesser  haltenden  Blüthenköpfe 
sind  kurz  gestielt  und  bilden  Aehren.  Die  Deckblätter  sind 
3 — ötheilig.  Die  untern  und  die  Wurzelblätter,  2  Zoll  lang 
und  3  Linien   breit,    verschmälern    sich    allmählig    in   den 


H.  V,  Schlagintweit :  lieber  die  neuen  Compositen  des  Herbariums  etc.   9 1 

halbstengelumfassenden   Blattstiel.      Diese  Art  zeigt    einige 
Aehnlichkeit  mit  Artemisia  integrifolia  L. 

Arteraisia  Kohatica  F.  W.  Klatt.  A.  caule  suf- 
fruticoso  erecto  superne  ramoso,  foliis  inferioribus  cinereo- 
tomeDtosis  pinnati-sectis,  superioribnsglabris  trifidis,  summis 
indivisis  lineari  -  lanceolatis  ,  capitülis  spicato  -  paniculatis 
ovali-ablongis  breviter  pedicellatis,  involucris  «cariosis,  co- 
rollis  nudis. 

Loc.  Nordwestliches  ludien;  Provinz  Pänjab: 
Jämrud  und  Umgebungen,  bei  Peshäur,  1100' — 1500^; 
coli.  2.  Januar  1857.  Cat.-Nr.  10240.  —  Von  Kohat  nach 
Kalabägh,  am  westlichen  Ufer  des  Indus,  1700'— 790';  coli. 
5.  bis  9.  Febr.  1857.     Cat.-Nr.  10688. 

(Für  diese  ist  Provinzangabe  als  Speciesbezeichnung 
gewählt,  weil  diese  Pflauze  in  der  Provinz  Kohat  am  zahl- 
reichsten auftrat,  wogegen  sie  selbst  in  den  sonst  ziemlich 
ähnlichen  Pflanzenregionen  von  Sindh  und  Gujerät  nicht 
vorzukommen  schien.) 

Der  Stengel  ist  12  —  18  Zoll  hoch  und  sehr  ästig;  die 
Aeste  sind  etwas  bogig.  Die  untern  Blätter,  2V2  Zoll  lang, 
sind  gestielt  und  doppelt  gefiedert,  die  Fiedern  6 — 7  Linien 
lang,  die  Fiederchen  aber  4  Linien  lang  und  dreitheilig. 

Die  Blüthenköpfe,  ^/a  Linie  im  Durchmesser,  sind  mit 
Deckblättern  versehen. 

Die  Blüthen  sind  purpurroth  und  die  zweitheilige  Narbe 
ist  sehr  rauh.  Die  Pflanze  gehört  in  die  Nähe  von  A.  cam- 
phorata  Vill. 

S aus s Urea  acaulis  F.  W.  Klatt.  S.  glabra,  foliis 
coriaceis  confertis  spathulatis  sessilibus  margine  sinuato, 
dentatis  uninnervatis  capitülis  breve  pedunculatis,  involucri 
squamis  difi^ormibus. 

lioc,   K^rnJ^ortUn ;  Provinz  yärkp-jxd:  Am  Kara- 


4 


92  Sitzung  der  math.'phys.  Glosse  vom  9.  Februar  1878, 

korum-Plateau,  nordöstlich  vom^Passe,  — -    17,000'  — ;  coli. 
10.  und  11.  Aug.  1856.     Cat.-Nr.  12792. 

Diese  Pflanze  wird  kaum  1  Zoll  hoch.  Die  Blätter 
sind  1  Zoll  lang  und  3  Linien  breit.  Die  sehr  kurz  ge- 
stielten Köpfe  haben  4  Linien  im  Durchmesser  und  stehen 
zu  3  bis  4  zwischen  den  Blättern. 

Die  Involucralschuppen  sind  von  der  Mitte  bis  zur 
Spitze  violett,  die  äussern  breitoval,  am  Rande  häutig,  die 
innern  gezähnt. 

Die  braunrothe  Samenkrone  hat  die  Länge  der  Blüthen- 
röhre.  Der  Griffel  mit  der  Narbe  erreicht  die  Länge  der 
Staubkolbenröbre.  Die  Zweige  der  Narben  sind  warzig,  ein 
wenig  auseinandergehend. 

Saussurea  (Aplotaxis)  chenopodifolia  P.  W. 
Klatt.  S.  caule  glabro  erecto  apice  ramoso,  foliis  glabris 
caulinis  inaequaliter  sessilibus  ellipticis  setosis,  mediis  si- 
nuato-dentatis,  summis  entegris,  corymbo  composito  poly- 
cephalo,  capitulis  pedunculatis  terminalibus,  involucri  glabri 
cylindrici  squamis  oblongis  acuminatissimis  imbricatis,  ex- 
terioribus  brevioribus,  pappo  plumoso  1-seriali. 

Loc.  Tibet;  Provinz  Hazora:  Von  Das  viäGoltere 
oder  (Naugäii)  nach  Hazora  (oder  A'stor),  Thalweg  10,900' — 
7100';  coli.  8.  bis  20.  Sept.  1856.  Cat.-Nr.  6410.  Täshing  und 
Umgebungen,  Abhänge  am  rechten  Ufer  des  Hazora-Thales, 
9500'— 10,200';  coli.  16.  bis  24.  September  1856.  Cat.- 
Nr.  6847  und  Nr.  7411. 

Der  untere  Theil  dieser  Pflanze  ist  mir  unbekannt; 
der  mir  bekannte  obere  Theil  ist  etwa  1  Fuss  lang. 

Die  unteren  Blätter  an  diesem  Stengeltheile  sind  mit 
dem  Stengel  abwechselnd  verbunden,  2—3  Zoll  lang  und 
l*/3  Zoll  breit,  die  oberen  verschmälern  sich  allmählig  zu 
Deckblättern. 

Die   gestielten  Blüthenköpfe  sind  9  —  10  Linien   lang 


H,  V.  Schlagintweit :  üeber  die  neuen  Compositen  des  Herbariums  etc.   93 

nnd  4  L.  breit,  zu  3  oder  4  mit  einem  gemeinsamen  Stiele  ver- 
bunden, so  Trauben  bildend,  welche  an  der  Spitze  de8 
Stengels  Rispen  herstellen.  Die  Involucralschuppen  sind  oft 
von  der  Mitte  an  rosenroth  und  immer  am  Rande  und  an 
der  Spitze  scharf. 

Die  Kronenabschnitte  sind  kurz  zugespitzt  und  die 
Staubfaden  länger  als  die  Krone.  Die  Staubkolben  sind  am 
Grunde  geschwänzt, 

Df.r  GriflFel  ist  länger  als  die  StaubfUdenröhre,  warzig, 
mit  auseinandergehenden  Aesten.  Die  Achänien  sind  ver- 
kehrt eiförmig  und  undeutlich  gestreift. 

Die  Samenkrone  ist  weiss,  am  Grunde  verbunden  und 
so  lang  als  die  Kronenrohre.  Diese  Art  gehört  in  die  Nähe 
von  Saussurea  albescens  Schultz  Bip. 

Saussurea  (Aplotaxis)  stemmaphora  F.  W.  Klatt. 
S.  caule  erecto  ramoso,  foliis  lyrato-primatifidis  seraiam- 
plexicaulibus  subtus  cano-tomentosis  supra  scabris,  capitulis 
terminalibus  foliis  circumdatis,  involucri  squamis  erectis 
membranaceis  acuminatis,  achaeniis  quadrangularibus  apice 
quadridentatis. 

Loc.  Tibet;  Provinz  Ladäk:  Da  und  Umgebungen, 
rechteslndus-üfer,  9500'— 9700';  coli.  4.  bis  15.  Juli  1856. 
Cat.-Nr.  1247.  —  Von  Le  nach  Kältse,  rechts  im  Indus- 
Thale,  11,500'— 9600';  coli.  12.  bis  14.  Juli  1856.  Cat.- 
Nr.  1551. 

Provinz  Bälti:  Skärdo  und  Umgebungen  am  linken 
Ufer  des  Indus  ,6900'— 7500' ;  coli.  6.  Aug.  bis  4.  Sept.  1856. 
Cat.-Nr.  856. 

Die  Stengel  sind  3  Zoll  hoch,  gestreift,  mit  Borsten  be- 
setzt, sehr  ästig  und  beblättert.  Die  Aeste  sind  in  Zweige 
getheilt,  die  Blätter  sind  leierförmig  getheilt,  nur  unter  dem 
Blüthenkopfe  nicht,  da  mehr  ungetheilt  und  eine  Art  zweites 
Involucnim  bildend. 


94       SiUung  der  inatK-phys.  Classe  vom  9.  Februar  1878. 

Diese  Blätter  haben  einen  deltaförmigen  Endlappen 
und  2  oder  3  Seitenlappen,  auch  verschmälern  sie  sich  nach 
dem  Anheftungspunkt,  wo  sie  den  Stamm  oder  die  Zweige 
umfassen. 

Die  Blöthenköpfe  haben  von  7  Linien  bis  1  Zoll  im 
Durchmesser  und  enden  den  Stengel  oder  die  Zweige, 
welche  unter  dem  Blüthenkopf  hohl  sind  und  zahlreiche 
purpurrothe  Blüthen  tragen,  eingeschlossen  von  einem  schup- 
pigen Involucrum. 

Die  Kronen  sind  regelmässig  röhrig,  ötheilig,  die  Ab- 
schnitte länglich-linealisch.  Die  Staubgefasse  überragen 
die  Kronenröhre,  die  Staubkolben  sind  am  Grunde  geschwänzt. 
Der  Griflfel  ist  fadenförmig,  die  zweitheilige  Narbe  in  der 
Staubkolbenröhre  eingeschlossen. 

Diese  Narbe  trägt  unterhalb  des  gespaltenen  Theiles 
einen  Ring  voto  zahlreichen  Haaren,  auch  sind  ihre  Ab- 
schnitte behaart.  Das  Haar  besteht  aus  mehreren  zarten 
Theilen. 

Die  einzelnen  Theile  der  Samenkrone  sind  alle  am  Bande 
gewimpert.  Saussureau  ßoylei  Schultz  Bip.  und  Saussurea 
cespitosa  Wall,  haben  Aehnlichkeit  mit  unserer  Art,  aber 
bei  S.  Roylei  ist  der  Stengel  einfach,  ganz  grau  und  lang 
behaart,  bei  S.  cespitosa  ist  er  fast  schaftförmig. 

Saussurea  (Aplotaxis)  Schlagintweitii  F.  W. 
Klatt.  S.  caule  stricto  anguloso  simplici  1-cephalo  folioso 
apice  tomentoso;  foliis  lineari-spathulatis  mncronatis  de- 
currentibus  sinuato-dentatis  viridibus  scabriusculis,  summis 
capitulo  proximis  bracteiformibus,  involucri  campanulati  squä- 
mis  exterioribus  densissime  lanatis,  interioribus  coriaceis  glabris 

Loc. Kfinlön,  Provinz  Yärkand:  Vom  Kiuk-Kiol- 
See  via  A  Bashmalgün  nach  A  Sikandar  Mokäm,  15,500' 
—13,800';  coli.  15.  bis  18  Aug.  1856.  Cat.-Nr.  12673 
und  Nr.  12678. 


H,  V,  Seh  lagintweit :  Ueher  die  neuen  Compositen  des  Herbariums  etc    95 

Die  Pflanze  ist  krantig,  astlps,  5  Zoll  bis  1  Fuss  hoch, 
die  Stengelblätter  sind  halbumfassend  und  daselbst  spinn- 
webig,  die  Wurzelblätter,  welche  an  ihrem  Grunde  schei- 
dig  sind,  werden  5  Zoll  lang,  und  3  Linien  breit. 

Die  äussern  Involucralschuppen  sind  blattartig,  oft 
sparrig,  die  inneren  lederartig,  an  den  Rändern  schmal 
trockenhäutig.  Per  Blüthenboden  ist  flach,  die  Blüthen 
sind  bauchig,  purpurroth,  mit  gleichen  und  stumpfen  Ab- 
schnitten.    Die  Staubgefässe  sind  länger  als  die  Krone. 

Die  Staubkolben  zeigen  sich  am  Grande  geschwänzt, 
der  hervorstehende  fadenförmige  Griffel  ist  unter  der  Narbe 
verdickt  mit  zwei  länglichen  warzigen  Narbenästen. 

Die  Samenkrone  ist  weissfedrig.  Die  Achänien  sind 
verkehrt,  eirund,  gestreift  und  rauh. 

In  der  ganzen  äussern  Erscheinung  hat  S.  Schlagintweitii 
die  grösste  Aehulichkeit  mit  S.  obvallata  Schultz  Bip. 

Saussurea  (Aplotaxis)  setifolia  F.  W.  Klatt. 
S.  dense  cespitosa  ramoso  squamoso  apice  folioso,  foliis 
confertissimis  sabulatis  setosis  basi  floccosis,  capitulis  ter- 
minalibus  caulis  solitariis  involucrantibus,  involucri  squamis 
difformibus  glabribus. 

Loc.  Earakordm;  Provinz  Yärkand:  Am  Plateau 
nordöstlich  vom  Passe,  —  17,000'  — ;  coli.  10.  und  11.  Aug. 
1856.     Cat.-Nr.  12803. 

Die  Stengel  sind  3  Zoll  hoch,  die  Blätter  3 — 4  Linien 
lang  und  V*  Linie  breit,  endigen  mit  einer  weissen  Borste, 
nach  dem  Grunde  gehen  sie  in  eine  breite,  dunkelpurpur- 
rothe  dreinervige  Blattscheide  über,  welche,  besonders  am 
Anfang,  mit  langen  weissen  Haaren  besetzt  ist.  Die  Blüthen- 
köpfe  sind  2 — 3  Linien  lang  und  breit. 

Die  äussern  Involucralschuppen  sind  blattähnlich,  an 
dem  breiten  Grunde  breiteiförmig,  an  dem  Rande  flockig, 
dann  werden  sie  pfriemenformig  und  enden  mit  einer  weissen 


96         Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  9.  Februar  187 S, 

Borste,  die  innern  sind  breiteiförmig  und  lanzettlicb,  zuge- 
spitzt, trockenhäutig. 

Die  bauchigen  Bliithen  haben  gleiche  lanzettliche  Ab- 
schnitte.    Die  Staubfäden  sind  länger  als  die  Krone. 

Der  GrifiFel  ist  kaum  länger  als  die  Staubfädenröhre, 
die  Narbe  hat  warzige  Aeste.  Die  Saraenkrone  ist  röthlich, 

Jurinea  rosulata  F.  W.  Klatt.  J.  foliis  omnibns 
radicalibus  subtus  scabris  lyrato-pinnatipartitis  partionibiis 
ovatis  sinuato-dentatis  terminalibus  basi  aurieulatis,  capitulo 
solitario  inter  folia,  sessili,  involucri  squamis  glabris  appen- 
dlculatis,  appendice  in  spinam  longam  abeuute. 

Loc.  Nordwestliches  Indien;  Provinz  Pänjäb: 
Peshäur  und  Umgebung,  auf  Seitenstufe  westlich  vom  Indus- 
Thale,  1500'— 1300';  coli.  18.  Dec.  1856  bis  9.  Jan.  1857. 
Cat.-Nr.  2660,  Nr.  2672,  Nr.  2673  und  Nr.  2738.  —  Von 
Kalabägh  via  Lakki  im  WSW.  nach  Dera  Ismael  Khan, 
rechte  Seite  des  Indus,  790'— 480';  coli.  15. -bis  22.  Febr. 
1857.     Cat.-Nr.  10373. 

Westlicher  Himälaya;  Provinz  Kashmir: 
Kashmir-Thalbecken,  durch  Erosion  entleert;  Umgebungen 
von  Srinägar,  8  engl.  M.  im  Umkreise  davon,  5000'— -5300'; 
coli.  2.  bis  20.  Oct.  1856.     Cat.-Nr.  4484. 

Die  Pflanze  steht  der  J.  rhizantha  Fisch,  und  Meyer 
sehr  nahe,  aber  die  Blätter  sind  „superne  laevibus  und 
subtus  langinoso  incanis^S  auch  die  Einschnitte  sind  nicht 
„sublinearibus''. 

Die  Blätter  sind  6  Zoll  lang,  grün  auf  beiden  Seiten, 
aber  auf  der  Unterseite  kurz  weisshaarig.  Die  Tnvolucral- 
schuppen  sind  1  Zoll  lang  und  am  Anfang  2  Linien  breit, 
vollständig  kahl  und  mit  einem  Stachel  endigend. 

Jurinea  gnaphalioi'des  F.  W.  Klatt.  J.  caule 
erecto  ramosissimo,  foliis  radicalibus  lyrato-lobatis,  caulinis 
ramisque  elliptiois  sinuato-lobatis  dentatisque,  supra  floccosis 


H,  V.  Schlagintweit :  Üeher  die  neuen  Composiien  des  Herhariums  etc.   9  7 

sabtns  cavo-tomentosis  capitulis  axillari-sessilibus,  involucii 
tomentosi  squarais  ovatis  spiDOso-mucronatis. 

Loc.  Nordwestliches  Indien;  Provinz  Pänjab: 
Von  Kalabägh  viä  Lakki  im  WSW.  nach  Dera  Ismäel  Khan, 
rechte  Seite  des  Indus,  790'  — 480';  coli.  15.  bis  22.  Februar 
1856.  Cat.-Nr.  10378.  Dera  Ismäel  Khan  und  Umgebungen, 
am  rechten  Ufer  des  Indus,  —  480'  — ;  coli.  23.  bis  26. 
Februar  1857.  Cat.-Nr.  10790  und  Nr.  10791.  —  VonKhel,  im 
Süden  von  Kalabägh  am  Indus,  gegen  Osten  viä  Värcha  und 
Chöia  dera  Salzgebirge  entlang  nach  Gujrät  im  Jech  Duäb ; 
1400'— 2500';  coli  17.  Februar  bis  5.  März  1857.  Cat.- 
Nr.  11138  und  Nr.  11183. 

Die  Pflanze  wird  bis  2  Fnss,  der  Stamm  ist  ästig  und 
filzig,  die  zerstreuten  Blätter  sind  sitzend,  den  Stengel  und 
die  Zweige  umfassend.  Die  Einschnitte  und  Zähne  der 
Blätter  enden  mit  einem  Stachel. 

Die  Blüthenköpfe  sitzen  in  den  Blattachseln,  die  dach- 
ziegeligen Involucralschuppen  sind  mit  einem  grauen  Filz 
bedeckt  und  endigen  ebenfalls  mit  einem  Stachel. 

Ainsliaea  glumacea.  F.  W.  Klatt.,  A.  caule  fo- 
lioso  apice  ramoso,  foliorum  radicalium  petiolo  non  alato, 
limbo  oblongo  lanceolato  sinuato-denticulato  subtus  cauleque 
hirto,  capitulis  pedicellatis  in  paniculam  elongatam  dispositis. 

Loc.  Oestliches  Indien;  Provinz  Khässia- Ge- 
birge: Von  Chcirapunji  und  Umgebungen  gegen  Mäirong, 
2800'— 4500';  coli.  1.  bis  30.  Oct.  1855.     Cat.-Nr.  391. 

Die  Pflanze  wird  1 — iVs  Fuss  hoch.  Der  Stengel  ist 
rund,  dicht  und  weich  gelb-behaart,  von  der  Mitte  bis  zur 
Spitze  ästig.  Die  Wurzelblätter,  welche  2—3  Zoll  lang 
und  5  Linien  breit  sind,  verschmälern  sich  in  den  ver- 
breiteten Blattstiel. 

Die  oberen  Blätter   sind  mit  sehr  langen  Haaren  be- 
deckt, besonders  in  den  Blattwinkeln. 
[1878.  1.  Math.-phy8.  Cl.]  7 


98        Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  9.  Februar  1878, 

Die  Deckblätter  sind  sehr  scbmal  und  zugespitzt;  die 
Bltithenstiele  werden  1 — 4  Linien  lang.  Die  Blütlientöpfe 
sind  2  Linien  lang  nnd  dreiblüthig. 

Die  Involucralschuppen  bilden  3  Reihen,  alle  sind  kahl 
und  an  den  Rändern  häutig,  die  dritte  Reihe  ist  in  Hin- 
sicht der  Länge  unter  sich  gleich  und  sehr  spitz. 

Die  Achanien  sind  lang  behaart.  Die  fedrige  Samen- 
krone ist  länger,  als  die  Blüthe. 

Prenanthes  callosa  F.  W.  Klatt.  P.  caule  erecto 
glabro  ramoso  apice  paniculato,  foliis  caulinis  cordato-ample- 
xicaulibus  oblongis  sinuato-dentatis,  dentibus  callosis,  summis 
lineari-lanceolatis,  capitulis  cylindricis  pedicellatis  nutanti- 
bus  3—4  floris. 

Loc.  Tibet;  Provinz  Hazöra:  Von  Gue  nach  A 
Pättere  Brok,  8000'— 10,000';  coli.  13.  Sept.  1856.  Cat.- 
Nr.  6220.  —  Von  Das  via  Goltere  (oder  Naugaü)  nach 
Hazöra,  Thalweg  10,900'- 7100';  coli.  8.  bis  22.  Sept.  1856. 
Cat.-Nr.  6390.  —  Von  Täshing  nach  Hazöra,  9500'  bis. 
7200';  coli.  15.  bis  22.  Sept.  1856.     Cat.-Nr.  7405. 

Von  dieser  sehr  schönen  Pflanze  habe  ich  nur  den 
oberen  Theil  gesehen.  Der  Stengel  ist  rund,  kahl  und  in 
2  oder  3  Aeste  getheilt.  In  der  Gestalt  der  Blätter  gleicht 
diese  Art  der  P.  Javanica,  wie  sie  in  Burmann's  Fl.  ind.tab. 
57  fig.  1  dargestellt  ist,  aber  die  Anordnung  der  Blüthen 
ist  verschieden. 

Jeder  Blüthenkopf  ist  kurz  gestielt,  mit  einem,  deck- 
blattähnlichen Hochblatt  am  Grunde.  Der  Hüllkelch  be- 
steht aus  3  — 4  kurzen  und  4—  6  langen  und  gleichen  Blättern, 
welche  häutig  und  auf  der  Unterseite  an  der  Mittelrippe, 
sowie  an  der  Spitze,  mit  langen  scharfen  und  durchsichtigen 
Borsten  besetzt  sind.  Die  Achanien  sind  rippig  gestreift 
und  an  diesen  Rippen  sowie  an  den  Rändern  scharf. 

Die  Schuppen  der  Samenkrone  sind  zugespitzt. 


Oeffentliche  Sitzung   der  k.  Akademie   der  Wissen- 
schaften. 

zur  Feier  des  119.  Stif tangstages 

am  28.  März  1878. 


Der  Secretär  der  mathematiscli-pliysikalischen.  Classe 
Herr  v.  K  ob  eil  zeigt  nachstehende  Todesfälle  der  Mit- 
glieder an. 

1)  Alexander  Braun. 

Geb.  am  10.  Mai  1805  za  Begensburg. 
Gest.  am  29.  März  1877  za  Berlin. 

Braun  kam  in  frühester  Jugend  nach  Karlsrahe,  da 
sein  Vater  i.  J.  1807  als  Postdirectionsrath  in  Badische 
Dienste  getreten  war.  Die  Neigung  des  Knaben  zur  Natur- 
geschichte, namentlich  zur  Botanik,  gab  sich  bald  zu  er- 
kennen, und  fand  durch  seine  Eltern  vielfache  Unterstützung. 
Nach  mehrjährigem  Privatunterricht  trat  er  im  elften  Jahre 
in  das  Karlsruher  Lyceum,  wo  K.  Christian  Gmelin  seine 
Studien  leitete.  Durch  fortgesetzte  Excursionen  machte  er 
sich  bald  mit  der  Flora  des  Landes  bekannt  und  zogen  da- 
bei besonders  die  Kryptogamen  seine  Aufmerksamkeit  auf 
sich.  Der  vorzügliche  Kryptogamenkenner ,  Apotheker 
G.  P.  Ma er  kl  in  inWisloch  förderte  seine  Kenntnisse  und 

vermittelte  ihm  einen  Tauschverkehr  mit  den  angesehensten 

7* 


100  Oeff entliche  Sitzung  vom  28,  März  1878, 

Botanikern  Deutschland.  Im  J.  1822  erschien  in  der  Zeit- 
schrift der  Regensburger  botanischen  Gesellschaft,  Flora, 
sein  erster  schriftstellerischer  Versuch  „Bemerkungen  über 
einige  Lebermoose." 

1824  bezog  Braun  die  Universität  Heidelberg  und 
studirte  Medicin  und  Naturwissenschaften.  Er  machte  da- 
selbst 1826  die  Bekanntschaft  von  Carl  Schimper  und 
Louis  Agassiz  und  trat  besonders  mit  letzterem,  dessen 
Kenntnisse  und  gelehrte  Begabung  er  in  seinen  Briefen  her- 
vorhebt, in  regen  Verkehr  des  Sammeins  und  Bestimmens. 
Er  fühlte  sich  glücklich,  an  ihm  einen,  an  seinen"*  Bestreb- 
ungen theilnehmenden  Freund  gefunden  zu  haben.  Auch 
Schimper  war  von  Einfluss  auf  seine  Stadien  und  das 
schöne  Zusammensein  der  drei  Forscher  wurde  weiter  1827 
in  München  fortgesetzt,  wo  sie  durch  den  Umgang  mit 
Oken,  Schelling,  Schubert,  Martius  u.  a.  ihre 
Kenntnisse  erweiterten. 

Im  Herbste  1828  machte  Braun  mit  Agassiz  und 
den  Freunden  M.  Trettenbacher  und  Morre  eine  Reise 
nach  Salzburg  und  in  die  Alpen.  Sie  bestiegen  den  Gross- 
glockner  und  Pasterzengletscher  und  brachten  reiche  Pflanzen- 
schätze nach  Hause.  Im  folgenden  Jahre  beschäftigte  sich 
Braun  eingehend  mit  den  Gestaltungsgesetzen  der  Pflanzen 
und  entdeckte  das  Gesetz  der  Blattstellungs-Spirale  an  der 
Schuppenstellung  des  Tannenzapfens ,  eine  Entdeckung, 
welche  von  ihm  weiter  verfolgt,  viele  Räthsel  der  Morpho- 
logie löste  und  seinen  Namen  berühmt  machte.  Er  rief  sie, 
von  einem  Spaziergang  heimkehrend  mit  einem  freudigen 
Heureka  seinen  Freunden  zu. 

Im  J.  1832  besuchte  er  Paris  und  verkehrte  mit  den 
berühmten  Fachgelehrten  Perottet,  Decaisne,  Delesse,  Bron- 
gniart,  Jussieu  u.  a.  Auch  den  fossilen  Pflanzen  widmete 
er  da  bei  Brongniart  seine  Studien. 

In  die  Heimath  zurückgekehrt  erhielt  er  eine  Anstell- 


von  Köhell:  Nekrolog  auf  Alexander  Braun,  101 

nng  an  der  polytechnischen  Schule  und  wurde  1837  Dir ector 
am  Naturalienkabinet.  1845  folgte  er  einem  Rufe  an  die 
Universität  Freiburg,  wo  er  vielfache  Anregung  zu  seiner 
wissenschaftlichen  Beschäftigung  fand,  welche  freilich  durch 
die  Badische  Revolution  in  den  Jahren  1848  und  1849  ge- 
stört wurde.  Mit  Bezug  auf  seine  damaligen  Untersuchungen 
über  Morphologie  und  Physiologie  der  Algen  erschien  sein 
Prorectoratsprogramm  „Ueber  die  Verjüngung  der  Natur". 
Im  Jahr  1850  kam  Braun  als  Professor  der  Botanik  und 
Director  des  botanischen  Oartens  nach  Giessen,  wo  er  sich 
des  Umgangs  mit  Liebig,  Hoffm^nn,  Kopp  u.  a.  er- 
freute. Er  erwai:b  hier  eine  reiche  Sammlung  fossiler  Pflanzen 
aus  der  Wetterauer  Braunkohlenformation  und  konnte  darin 
zuerst  vorweltliche  Beeren,  Kerne  und  Blätter  von  Wein- 
reben nachweisen.  Durch  Vermittlung  Leopolds  von 
Buch  nahm  er  dann  einen  Ruf  nach  Berlin  an  und  wurde 
Link's  Nachfolger.  Seine  Vorlesungen  an  der  Universität 
versammelten  einen  Kreis  eifriger  Zuhörer  und  die  botani- 
schen Excursionen,  welche  er  damit  verband,  lernten  ihn 
stets  in  seiner  Vielseitigkeit  und  Liebenswürdigkeit  zur 
Freude  der  Theilnehmer  kennen. 

Braun  hat  seine  Ansichten  über  den  allgemeinen  Ent- 
wicklungsprocess  der  organischen  Natur  unter  andern  in 
einer,  am  Stiftungstag  des  medicinisch-chirurgischen  Fried- 
rich-Wilhelms-Instituts  am  2.  August  1872  gehaltenen  Rede 
ausgesprochen  und  besonders  die  geologischen  Documente 
dafür  hervorgehoben,  welche  den  Fortschritt  vom  Niederen 
zum  Höheren  unzweifelhaft  darlegen.  Er  tritt  der  Annahme 
Cuvier's  entgegen,  dass  wiederholte  Vernichtung  und 
Neuschöpfung  stattgefunden  habe.  Im  Zusammenhang  be- 
spricht er  die  Theorieen  Dar  win's  und  Hack el's  und  er- 
klärt den  vorzugsweise  bestimmenden  Einfluss  äusserer  Agen- 
tien  für  unhaltbar,  indem  er  sich  für  Nägel i's,  den 
Organismen  inwohnendes  Prinzip  der  Vervollkommnung  er- 


102  Oeff entliehe  Sitzung  vom  28.  März  1878, 

klärt.  —  Rei  mehreren  Gelegenheiten  betonte  er,  dass  die 
rechte  Naturbetrachtung  den  Geist  vom  Geschöpf  zum 
Schöpfer  führen  müsse.  — 

Unter  den  Gelehrten  Gesellschaften,  deren  Mitglied  er 
war,  hob  er  besonders  anerkennend  die  Unterstützung  her- 
vor, welche  ihm  die  Eaiserl.  Leopoldinische  Akademie  durch 
Publication  mehrerer  seiner  Schriften  angedeihen  Hess.  Sein 
70.  Geburtstag  wurde  im  J.  1875  und  im  folgenden  sein  25- 
jähr.  Jubiläum  der  Lehrthätigkeit  in  Berlin,  in  glänzender 
Weise  gefeiert.  Bald  darauf  endete  sein  schönes,  an  Arbeit 
und  an  Liebe  reiches  Leben.*)  — 


2)  ürbain  Jean  Joseph  Leverrier. 

Geb.  am  11.  März  1811  zu  Saint-Ld  Deptm.  La  Manche. 
Gest.  am  23.  September  1877  za  Paris. 

Leverrier  war  Anfangs  Ingenieur  bei  der  Tabaks- 
Eegie,  dann  Lehrer  am  College  Stanislas  in  Paris  und  Re- 
petent an  der  polytechnischen  Schule.  1846  wurde  er 
Professor  derMecanique  Celeste  bei  derFaculte  des  Sciences 
und  1854  Director  der  Sternwarte.  Er  war  auch  Senator 
und  Mitglied  des  Conseil  superieure  de  Tlnstruction  publique. 
Mitglied  des  Instituts  seit  1846. 

Seine  ersten  wissenschaftlichen  Arbeiten  waren  chemi- 
sche Untersuchungen  über  Verbindungen  des  Phosphors 
mit  Wasserstoff  und  Sauerstoff.  Sie  sind  von  1835  bis 
1837.  Dann  wandte  er  sich  astronomischen  Studien  zu 
und  beschäftigten  ihn  vorzüglich  die  Bewegung  und  die 
Bahnen  der  Planeten  und  die  dabei  beobachteten  Störungen. 
Die  Untersuchungen  betrafen  insbesondere  den  Merkur  und 


1)  Einen  aasführlichen  Nekrolog  enthalten  die  Schriften  der  Leo- 
poldina von  1877  and  findet  sich  da  auch  ein  Verzeichniss  seiner  zahl- 
reichen Abhandlungen  nnd  Vorträge.  — 


V.  Kobell:  Nekrolog  auf  Urbain  Jean  Joseph  Leverrier.     103 

und  den  Uranus,  die  seculären  Veränderungen  der  elliptischen 
Elemente  der  sieben  Hauptplaneten  und  die  Störungen  in 
den  Cometenbahnen. 

Ein  vollkommener  Rechner  und  mit  genialem  Blick 
begabt,  schloss  er  (1846)  aus  den  anomalen  Bewegungen 
des  Uranus  auf  einen,  diese  veranlassenden,  damals  unbe- 
kannten Planeten,  dem  Neptun,  welcher  dann  auch  von 
Galle  an  der  bezeichneten  Stelle  aufgefunden  wurde.  Eine 
solche  Entdeckung ,  gemacht  ohne  das  Hilfsmittel  guter 
Sternkarten  und  geeigneter  Instrumente,  nur  durch  scharf- 
sinnige Anwendung  der  Rechnung  und  richtigen  Angriff 
der  Aufgabe,  hat  Leverrier  verdienter massen  in  die  Reihe 
der  Astronomischen  Celebritäten  erhoben. 

Alle  seine  Arbeiten  im  Gebiete  der  Astronomie  geben 
Zeugniss  seines  ausserordentlichen  Fleisses  und  einer  bis  in's 
Kleinste  gehenden  Genauigkeit  der  mathematischen  Be- 
handlung. — 


3)  Alfred  Wilhelm  Yolkmann. 

Geb.  am  1.  Juli  1801  za  Leipzig. 
.Gest.  am  21.  April  1877  in  Halle. 

Volkmann  machte  seine  ersten  Studien  in  seiner 
Vaterstadt  Leipzig,  wo  er  1826  als  Doctor  der  Medizin 
promovirte,  1828  Privatdocent  wurde  und^  1834  Professor 
extraord.  in  der  medicinischen  Facultät.  Er  kam  dann  als 
ordentl.  Professor  der  Physiologie  1837  an  die  Universität 
zu  Dorpat  und,  1843  nach  Deutschland  zurückgekehrt,  in 
gleicher  Eigenschaft  nach  Halle,  wo  er  1854  auch  die  Pro- 
fessur der  Anatomie  übernahm. 

Volkmann  gehörte  nach  dem  Zeugniss  der  Fach- 
männer zu  den  verdientesten  Physiologen.  Er  machte  sich 
durch  eine  Antropologie,  sowie  durch  eine  Schrift  über  das 


104  Oeffentliche  Sitzung  vom  28,  Märe  1878. 

Auge  und  das  Sehen  zunächst  in  der  gelehrten  Welt  vor- 
theilhaft  bekannt.  Es  gehören  dahin  seine  Untersuchungen 
über  das  Netzhautbildchen,  über  Accomodation,  über  die 
Lage  der  Kreuzungspunkte  der  Lichtstrahlen  im  ruhigen 
und  bewegten  Auge  u.  a.  Sehr  eingreifend  auf  die  neuere 
Physiologie  des  Nervensystems  wirkten  seine  mit  Professor 
Bidder  in  Dorpat  gemeinschaftlich  geführten  mikrosko- 
pischen Untersuchungen  über  die  sympatischen  Nerven,  und 
besondere  Berühmtheit  ist  ihm  durch  seine  Forschungen  über 
die  Gesetze  der  Blutbewegung  geworden,  die  er  in  seiner 
Schrift  „Hämodynamik'*  niederlegte.  —  In  den  letzten 
Jahren  beschäftigte  er  sich  mit  der  schwierigen  Aufgabe 
der  Muskelbewegungen  und  bot  manches  wichtige  Material 
zu  weiteren  Studien  dieses  Gegenstandes. 


4)  Filippo  Farlatore. 

Geb.  am  8.  August  1816  in  Palermo. 
Gest.  am  9.  September  1877  in  Florenz. 

Pariatore  begann  seine  wissenschaftliche  Laufbahn 
mit  philosophischen  und  wissenschaftlichen  Studien,  bald 
aber  gab  er  sich  mit  Vorliebe  botanischen  Forschungen  hin 
und  sammelte  eifrigst  das  Material  zu  einer  Flora  Siciliana, 
welche  er  in  mehreren  Abhandlungen  bearbeitete.  Im  J.  1842 
wurde  er  als  Professor  der  Botanik  und  Pflanzenphysiologie 
nach  Florenz  berufen  und  zum  Directör  des  physikalischen 
und  naturhistorischen  Museums  daselbst  ernannt  und  seiner 
Aufsicht  und  Pflege  der  botanische  Garten  anvertraut.  Hier 
publicirte  er  seine  Vorlesungen  über  vergleichende  Botanik, 
wo  er  Beziehungen  und  Analogieen  im  Pflanzen-  und  Thier- 
reich  hervorhob.  In  dem  von  ihm  und  anderen  Fachgelehrten 
herausgegebenen  Journal  für  italienische  Botanik  machte  er 
seine  Monographie  der  Fumarien   bekannt  und  weiter  sein 


V.  Köbell:  Nekrolog  auf  Johann  Jakob  Nöggerath,  105 

Hauptwerk  der  Flora  Italiens  (1848)  wobei  er  die  geogra- 
phischen Verhältnisse  besonders  berücksichtigte  und  durch 
Reisen,  welche  sich  bis  in  den  Norden  Europa's  erstreckten, 
die  Pflanzenvertheilung  erforschte.  Seine  Freundschaft  mit 
dem  Engländer  Philipp  Barker  Webb,  welcher,  ein 
sehr  gebildeter  Botaniker,  seinen  Aufenthalt  in  Florenz  ge- 
nommen hatte,  und  daselbst  starb,  führte  durch  Vermächt- 
niss  dessen  reiches  Herbarium  und  schöne  Bibliothek,  sowie 
eine  bedeutende  Jahresrente  dem  botanischen  Institut  in 
Florenz  zu  und  erhob  es  zu  einem   der    ersten   in  Europa. 

Im  J.  1841  veranlasste  er  von  Paris  aus,  durch  ein 
Schreiben  an  den  wissenschaftlichen  Congress  in  Florenz, 
die  Bildung  eines  Centralherbariums  daselbst,  mit  welchem 
er  eine  Sammlung  verband,  welche  Anwendungen  der  Pflanzen 
in  der  Industrie,  im  Handel  und  in   der  Kunst   erläuterte. 

Seine  vielen  Arbeiten  brachten  ihn  in  Verkehr  mit  der 
gesammten  gelehrten  Welt  und  zahlreiche  Ordensverleih- 
ungen und  Diplome  bezeugten  die  allgemeine  Anerkennung 
seiner  Leistungen. 


5)  Johann  Jakob  Nöggerath. 

Geb.  am  10.  Oktober  1788  zu  Bonn. 
Gest.  am  13.  September  1877  ebenda. 

Nöggerath  erhielt  seinen  ersten  Schulunterricht  an 
der  Ecole  centrale  in  Köln  im  J.  1800.  Schon  damals  zeigte 
sich  bei  ihm  eine  besondere  Neigung  für  das  Studium  der 
Mineralien  und  diese  Vorliebe  wurde  unterstützt  und  ge- 
fordert durch  den  Arzt  BÜ.  W.  Nose,  bekannt  durch  seine 
orographischen  Briefe  über  das  Siebengebirg  und  die  Eifel. 
Im  J.  1808  publicirte  der  junge  Forscher  „Mineralogische 
Studien  über  die  Gebirge  am  Niederrhein  und  konnte  sich 
auf  dem  Titel  als  Mitglied  der  Mineralogischen  Gesellschaft 
ZTX  Jena   bezeichnen.     Eine   weitere  Schrift  behandelte  die 


106  Oeffentliche  Sitzung  vom  28.  März  1878, 

Braunkolilenla^er  von  Friesdorf  und  den  dort  vorkommen- 
den Alaunthon  und  damit  sowie  durch  eine  her g mann ische 
Prüfung  erwarb  er  sich  die  Anwartschaft  auf  die  Stelle 
eines  Bergmeisters.  Nachdem  im  J.  1814  die  Franzosen  aus 
den  Rheinlanden  abgezogen  waren,  wurde  Nög gerat h  zum 
Berg-Commissär  für  das  Roer-  Rhein-  und  Mosel-Departe- 
ment ernannt  und  der  Eintritt  in  den  preussischen  Berg- 
werksdienst angebahnt.  1820  wurde  er  zum  Bergrath  er- 
nannt, 1824  zum  Oberbergrath  und  1845  zum  Geheimen 
Bergrath.  Schon  1818  functionirte  er  als  Professor  extra- 
ordinarius  für  Mineralogie  an  der  Universität  Bonn  und  seit 
1821  als  Ordinarius.  1864  feierte  er  sein  50 jähriges  Dienst- 
jubiläum und  wurde  mit  Orden  und  Diplomen  vielfach  aus- 
gezeichnet. 

Seine  Doppelstellung  beim  Oberbergamt  und  an  der 
Universität  begünstigte  seine  Thätigkeit  in  Ausbildung  junger 
Leute  zu  Bergbeamten  und  hat  ihm  sein  Eifer  darin  und 
sein  Wohlwollen  die  allgemeinste  Liebe  und  Anhänglichkeit 
gewonnen.  Seine  Vorlesungen  an  der  Universität  betrafen 
Mineralogie  und  Geognosie ,  pharmaceutische  Mineralogie 
und  Bergverwaltung,  ausserdem  Encyklopädie  der  gesammten 
Mineralogischen-  und  der  Bergwerkswissenschaften,  Natur- 
geschichte der  Feuerberge  und  Erdbeben  und  Anleitung 
zu  geognostischen  Reisen.  Man  sieht,  wie  mannigfaltig  seine 
Kenntnisse  waren  und  wie  er  den  Kreis  seiner  Forschungen 
erweiterte.  Bald  waren  es  einzelne  Mineralspecies ,  über 
welche  er  Beobachtungen  mittheilte,  namentlich  über  deren 
,  Vorkommen,  bald  waren  geologische  Erscheinungen  Gegen- 
stand seiner  Besprechungen  oder  Technologisches  über  die 
Anwendung  von  Gesteinen.  —  Eine  ausführliche  Arbeit 
hat  er  über  die  Bildung  der  Achatkugeln  oder  -Mandeln 
publicirt  und  weiter  die  Achat-Industrie  von  Oberstein  und 
Idar  beschrieben.  Er  berichtet  über  die  Methoden  des  künst- 
lichen Färbens  der  Achate  und  Ghaicedone  und  zeigt  durch 


V,  Kobell:  Nekrolog  auf  Johann  Jakob  Nöggerath,  107 

betrefifende  historische  Studien ,  dass  solches  Färben  und 
das  Imitiren  von  Edelsteinen  schon  bei  den  Alten  geübt 
wurde,  eine  Kunst,  von  der  Plinius  sagt,  dass  keine  Art 
von  Betrug  so  lohnend  sei.  — 

Die  Versammlungen  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte, 
welche  Oken  gründete,  hatten  für  Nöggerath  eine  beson- 
dere Anziehung  und  viele  seiner  Abhandlungen  wurden  durch 
sie  angeregt  und  kamen  dabei  zum  Vortrag.  So  in  Berlin 
1828  die  Abhandlung  „üeber  das  relative  Alter  der  Ge- 
birgsbildungen  im  Siebengebirg" ,  in  Prag  1837  das  Buch 
,,  Ausflug  nach  Böhmen  und  die  Versammlung  der  Deutschen 
Naturforscher  und  Aerzte  in  Prag;  in  Pyrmont  1839  über 
Gesteins-Einschlüsse  ^n  Basalt,  in  Mainz  1843  über  die  Ar- 
tefacten-Breccie  im  Bingerloch  ,  in  Aachen  1847  über  die 
geologischen  Orgeln  und  so  weiter  in  Göttingen,  Wien, 
Bonn,  Giessen  und  Hannover.  Es  wurde  ihm  regelmässig 
die  Ehre  zu  Theil,  in  der  mineralogischen  Section  zum  Prä- 
sidenten gewählt  zu  werden  und  berühmte  Gelehrte,  auch 
des  Auslands,  wie  Murchison,  Elie  de  Beaumont,  Daubree 
u,  a.  spendeten  Beifall  seiner  Thätigkeit.  —  Er  besuchte 
1838  die  Wanderversammlung  der  geologischen  Gesellschaft 
von  Frankreich  in  Strassburg  und  1840  den  geologischen 
Congress  in  Paris  und  machte  mehrere  wissenschaftliche 
Reisen  an  den  Harz,  in  die  Schweiz  u.  a.  —  Er  besprach 
gern  Gegenstände  seiner  Wissenschaft  in  populären  Dar- 
stellungen und  viele  betrefifende  Aufsätze  sind  in  den  „Ge- 
meinnützigen Rheinischen  Provincialblättern",  im  „Auslande", 
n  „Westermanns  Monatsheften"  und  andern  Zeitschriften 
erschienen. 

Für  die  Stadt  Bonn  war  Nöggerath  auch  im  Stadt- 
verordneten -  Collegium  ein  sehr,  geschätztes  Mitglied  und 
ebenso  in  den  Provincial-Landtagen.  Sein  aufgeweckter  Geisti 
in  grosser  Vielseitigkeit  bewährt,    sein  wohlwollender  Cha- 


108  OeffentUche  Sitzung  vom  28.  Märe  1876. 

rakter  und  sein  heiteres  Gemüth  hat  ihm  stets  entgegen- 
kommeude  Zuneigung  gewonnen  und  sein  Dahinscheiden  ist 
allerwärts  beklagt  worden. 


6)  Henri  Yictor  Begnanlt. 

Geb.  am  21.  Jnli  1810  za  Aachen. 
Ge8t.  am  19.  Januar  1878  zu  Auteil. 

Regnault  erhielt  seine  erste  wissenschaftliche  Bildung 
an  der  Ecole  polytechnique  zu  Paris  (1830—1832),  wo  er 
als  Eleve  in  das  Corps  de  Mines  eintrat;  seit  1847  war  er 
Ingenieur-en-chef  2.  Classe  und  zugleich  Professor  der  Chemie 
an  der  polytechnischen  Schule  und  Professor  der  Physik  am 
Colldge  de  France.  1854  wurde  er  Director  der  Porcellan- 
fabrik  in  Sevres.  Er  wurde,  noch  nicht  24  Jahre  alt,  schon 
Mitglied  der  Akademie  der  Wissenschaften  zu  Paris. 

Seine  wissenschaftlichen  Arbeiten  betreffen  ebenso  die 
Chemie  wie  die  Physik.  In  den  ersteren  sind  seine  Abhand- 
lungen über  ätherartige  Verbinduugen ,  über  Naphtalin- 
schwefelsäure  und  deren  Salze,  Pektinsäure,  Mekonin,  Py- 
krotoxin  und  ähnliche  organische  Verbindungen  zu  nennen, 
über  die  Verbindungen  des  Kohlenstoffs  mit  Chlor,  und  seine 
ausführlichen  Untersuchungen  über  die  Brennmaterialien  des 
Mineralreichs,  auch  Bestimmung  des  Fluors  bei  Mineral- 
analysen und  Analysen  von  Lithionit,  Diallage,  Spo- 
dumen  u.  a. 

Zumeist  aber  und  fortgesetzt  beschäftigte  ihn  das  Ver- 
halten der  Körper  in  ihren  verschiedenen  Zuständen  zur 
Wärme,  Bestimmung  der  spec.  Wärme  und  ihres  Verhält- 
nisses zum  Atomgewicht,  Ausdehnung  der  Gase  durch  die 
Wärme  und  Bestimmung  ihrer  Dichtigkeit,  Spannkraft  der 
Dämpfe  und  Aehnliches.  Er  verfuhr  dabei  mit  grösster  Ge- 
nauigkeit und  Berücksichtung  aller  Einfluss  übenden  Ver- 
hältnisse. Er  construirte  Apparate  zur  Bestimmung  des  spec. 


V.  KoheU :  Nekrolog  auf  Elias  Magnus  Fries,  109 

Gewichts  von   Gasen  und  Dämpfen   und  Instrumente   zum 
Messen  hoher  Temperaturen  und  Gasdrucke. 

Eine  hervorragende  Arbeit  bilden  seine  Untersuchungen 
zur  Verificirung  des  Gesetzes  von  Dulong  und  Petit, 
dass  das  Product,  welches  man  durch  Multipliciren  der  spec. 
Wärme  eines  Elements  mit  seinem  Atomgewicht  erhält,  stets 
denselben  Werth  habe.  Er  suchte  Ausnahmen  zu  beseitigen, 
indem  er  für  angezeigt  hielt,  die  Atomgewichte  des  Kalium, 
Natrium,  Lithium  und  des  Silbers  nur  halb  so  gross  zu 
nehmen,  als  bisher  geschehen  war.  Seine  umfangreiche  Thä- 
tigkeit  auf  einem  mit  vielen  Schwierigkeiten  verbundenen 
Forschungsgebiete  hat  seinem  Namen  anerkennende  Berühmt- 
heit verliehen.  Die  Königl.  Gesellschaft  in  London  zeichnete 
ihn  durch  ihr  Diplom  und  die  Verleihung  ihrer  Medaille 
aus.  — 

7)  Elias  Magnus  Fries. 

Geb.  am  15.  August  1794  auf  der  Pfarre  Femsjd  in  Smoland. 
Gest.  am  8.  Februar  1878  zu  Upsala. 

Elias  Fries,  früher  Professor  der  Botanik  in  Lund 
und  nach  dem  Tode  Wahlenberg 's  auf  den  Lehrstuhl 
Linnens  nach  üpsala  berufen,  hat  durch  seine  Verdienste 
um  die  Kryptogamenlehre  grosse  Berühmtheit  sich  erwor- 
ben. Martins  sagt  von  ihm,  dass  er  als  der  Schöpfer  der 
neueren  Pilzkunde  bezeichnet  werden  könne.  Sein  Systema 
mycologicum  sistens  Fungorum  ordines  etc.  ist  1821  —  1823 
in  3  Bänden  erschienen  und  hat  mehrere  Fortsetzungen  er- 
halten. Unter  seinen  zahlreichen  Schriften  wird  auch  seine 
Lychenographia  europaea  und  die  Monographia  Hymenomy- 
cetum  mit  Auszeichnung  genannt,  ebenso  die  Abhandlung 
„Summa  Vegetationis  Scandinaviae"  und  seine  allgemeinen 
Betrachtungen  über  das  Pflanzenreich.  Er  war  ein  Meister, 
seine  genialen  Ideen  in  wohllautender  Form  darzustellen. 

Fries    war  Secretär   der   kgl. /Akademie  der  Wissen- 


110  Oeff entliche  Sitzung  vom  28.  März  1878. 

Schäften  in  Upsala  nnd  Ritter  des  Nordstern-  und  des  dä- 
nischen Daneberg-Ordens. 


8)  Angelo  Secchi. 

Geb.  am  29.  Jani  1818  za  Reggio  in  der  Aemilia. 
Gest.  am  26.  Februar  1878  in  Rom. 

Secchi  war  Jesuit,  er  wurde  im  CoHegio  lUiriaco- 
Lauretano  bei  Loreto  und  im  Georgetown-College  bei  Wa- 
shington zum  Mathematiker  und  Astrono^len  gebildet  und 
später  am  letztgenannten  CoUegium  Professor  der  Physik 
und  Mathematik,  dann  Director  der  Sternwarte  und  Pro- 
fessor der  Astronomie  am  Collegio  Romano  in  Rom. 

Secchi  hat  seine  Studien  besonders  der  physischen  Be- 
schaffenheit der  Himmel8köri)er  zugewendet.  Eine  Reihe  von 
Untersuchungen  betreffen  die  Oberfläche  der  Sonne,  die  Ver- 
theilung  der  Wärme  auf  ihr  und  deren  verschiedene  Inten- 
sität, die  Sonnenflecken,  Sonnenfinsternisse  und  Aehnliches. 
Er  schrieb  darüber  ein  sehr  geschätztes  Werk  in  franzö- 
sischer Sprache  „Le  soleil."  Zahlreich  sind  auch  seine  Be- 
obachtungen über  den  Mond,  über  dessen  Atmosphäre  und 
die  Eigenthümlichkeit  seines  Lichtes.  Die  Mondphasen  hat 
er  in  photographischen  Bildern  dargestellt.  Zur  Messung  der 
Intensität  des  Sternenlichtes  überhaupt  hat  er  ein  neues 
Photometer  beschrieben  und  Beiträge  für  die  Spectralana- 
lyse  der  Fixsterne  geliefert.  Daneben  sind  seine  Arbeiten 
über  Erdmagnetismus  und  dessen  periodische  Veränderungen 
zu  erwähnen,  über  electrische  Rheometrie  und  electrische 
Telegraphie.  Er  beschrieb  ein  neues  barometrographisches 
Instrument,  verschiedene  Mikrometer  und  einen  Apparat 
zur  Verzeichnung  meteorologischer  Phänomene. 

Secchi  war  Präsident  der  päpstlichen  Akademie  der 
Wissenschaften,  Academia  dei  Lincei,  in  Rom,  Mitglied  der 
Pariser  Akademie  und  der  Royal  -  Society  und  Offizier  der 
Ehrenlegion. 


V.  Köbell :  Nekrolog  auf  Ernst  Heinrieh  Weher.  111 

9)  Ernst  Heinrich  Weber. 

Geb.  am  24.  Juni  1795  in  Wittenberg. 
Gest.  am  26.  Januar  1878  in  Leipzig. 

H.  Web  er 's  Studien  bewegten  sich  im  Gebiete  der 
Anatomie  und  Physiologie.  Für  beide  Wissenschaften  do- 
cirte  er  an  der  Universität  zu  Leipzig,  1818  als  Professor 
der  vergleichenden  —  und  1821  als  Ordinarius  für  mensch- 
liche Anatomie,  seit  1840  als  Professor  der  Physiologie. 

I  Von  seinen  anatomischen  Arbeiten  wird  die  Herausgabe 
des  Lehrbuches  der  Anatomie  von  Friedrich  Hilde- 
brandt mit  Auszeichnung  erwähnt;  sie  war  eine  neue  Be- 
arbeitung der  Anatomie  und  wird  als  der  Anfang  der  fol- 
genden glänzenden  Entwicklang  dieser  Wissenschaft  be- 
zeichnet. Als  Physiologe  zeichnete  er  sich  durch  Anwendung 
physikalischer  Lehren  insbesondere  aus^  so  durch  die  mit 
seinem  Bruder  Wilhelm  Eduard  Weber  begründete 
Wellenlehre  für  den  Kreislauf  des  Blutes,  durch  seine  Un- 
tersuchungen über  den  Puls,  über  den  Tastsinn,  über  das 
Gehörorgan,  über  die  Bewegungen  der  Iris.  Er  war  auch 
der  Entdecker  des  merkwürdigen  Einflusses  des  Nervus  vagus 
und  der  MeduUa  oblongata  auf  das  Herz. 

Mit  dem  kenntnissreichen  Manne  ist  der  Senior  der 
lebenden  Anatomen  und  Physiologen  Deutschlands  zu  Grabe 
gegangen.  — 

Auch  hat  die  Classe  den  Veilust  des  berühmtesten  Ver- 
treters der  Physiologie  in  Frankreich,  des  Dr.  Claude^ 
Bernard  zu  beklagen.  Er  war  am  12.  Juli  1813  im  Rhone- 
Departement  (zQ  St  Julian)  geboren  und  starb  am  11.  Fe- 
bruar 1878  in  Paris. 

Bernard  kam  mit  21  Jahren  nach  Paris  und  wollte 
sich  der  schöngeistigen  literarischen  Laufbahn  widmen.  Seine 
betreffenden  Versuche  hatten  aber  wenig  Erfolg  und  so  er- 
griff er  das  Studium  der  Heilkunde  und  der  Naturwissen- 
schaften. Er  zeichnete  sich  darin  als  Assistent  des  Physio- 


112  OeffentUche  Sitzung  vom  H8,  März  1878. 

logen  Magendie  am  College  de  France  so  aas,  dass  er  im 
J.  1854  zum  Professor  der  allgemeinen  Physiologie  an  der 
naturwissenschaftlichen  Facultät  von  Paris,  dann  zum  Pro- 
fessor der  Experimentalphysiologie  am  College  de  France 
ernannt  und  später  für  den  Lehrstuhl  für  allgemeine  Phy- 
siologie im  Museum  des  Jardin  des  Plantes  berufen  wurde. 
Seine  vorzuglichsten  Arbeiten  betreflfen  das  Gebiet  der  Ner- 
venphysiologie und  seine  vielfachen  Untersuchungen  über 
Stoffwechsel  und  Secretionen,  über  die  Leber  und  die  Zucker- 
krankheit, thierische  Wärme,  Wirkungen  der  Gifte  etc.  haben 
seinen  Namen  weit  berühmt  gemacht.  Seine  Experimental- 
Vorlesungen  zogen  zahlreiche  Schüler  aus  der  ganzen  Welt 
nach  Paris  und  sein  Werk  „Tntroduction  ä  T^&tude  de  la 
medicine  experimentale"  erfreute  sich  des  ungetheiltesten 
Beifalls  der  Fachmänner.  Er  war  der  Nachfolger  von  Flou- 
rens  in  der  franzosischen  Akademie.  Das  Abgeordneten-Haus 
hat  für  seine  Bestattung  auf  Staatskosten  10,000  Frcs.  be- 
willigt. 

10)  Julius  Robert  y.  Mayer. 

Geb.  am  25.  November  1814  zu  Heübronn. 
Gest.  am  20.  März  1878  ebenda. 

Robert  v.  Mayer  war  der  Sohn  des  Apothekers  Mayer 
in  Heilbronn,  besuchte  da  das  Gymnasium  und  1827  die 
Universität  Tübingen,  wo  er  sich  den  medicinischen  Studien 
widmete,  später  studirte  er  in  München  und  Paris.  1840 
ging  er  von  Holland  aus  als  Schiffsarzt  in  See  und  ver- 
weilte ein  halbes  Jahr  auf  Java.  1841— 45  war  er  Oberamts- 
Wundarzt  in  Heilbronn  und  von  1847  an  Stadtarzt. 

Mayer  hat  durch  seine  genialen  Arbeiten  über  die 
Mechanik  der  Wärme  eine  Berühmtheit  erlangt,  wie  sie 
einem  Gelehrten  selten  zu  Theil  wird.  Keiner  der  in  ähn- 
licher Richtung  Forschenden  hat  so  erfolgreich  wie  er  die 
Theorie  der  Wärme  verwerthet.  —    Er   hatte  in  Java  Be- 


V.  Köbetl:  Nekrolog  auf  Julius  Mobert  v,  Mayer,  113 

obachtüngen  über  die  Färbung  des  Blates  an  einigen  seiner 
Patienten  gemacht,  welche  seine  Anfmerksamkeit  auf  die 
Frage  der  thierischen  Wärme  lenkte  und  er  erkannte,  dass 
der  Satz,  dieselbe  Quantität  Brennmaterial  gebe  dieselbe 
Quantität  Wärme  auch  für  die  Processe  des  organischen 
Lebens  gelte,  dass  demnach  der  lebende  Körper  unfähig  sei, 
unmittelbar  und  gleichsam  aus  Nichts  Wärme  zu  erzeugen, 
sowie  dass  die  vom  lebenden  Körper  erzeugte  Wärme  mit 
der  dazu  verbrauchten  Arbeit  in  einem  unveränderlichen 
Grössenverhältniss  stehen  muss,  dass  die  Kräfte  verwandelbar, 
aber  nicht  zerstörbar  seien,  dass  während  des  Lebenspro- 
cesses  nur  eine  Umwandlung  der  Materie  wie  der  Kraft 
aber  niemals  eine  Erschaffung  der  einen  oder  der  anderen 
vor  sich  gehe. 

Die  Erstlinge  seiner  Forschungen  hat  er  in  Liebigs  An- 
nalen  von  1824  bekannt  gemacht  und  zunächst  die  Kräfte 
der  unbelebten  Natur  besprochen,  in  weiterer  Entwicklung 
dann  „die  organische  Bewegung  in  ihrem  Zusammenhang 
mit  dem  Stoffwechsel  (Heilbronn  1845).  1851  erschien  von 
ihm  eine  Abhandlang  über  das  mechanische  Aequivalent 
der  Wärme. 

Mayer  hat  von  seiner  Theorie  auf  verschiedenen  Ge- 
bieten Anwendung  gemacht  und  auch  die  Wärmemenge  in 
Betrachtung  gezogen,  welche  durch  die  Schwere  beim  Zu- 
sammenstoss  von  Körpern  aus  entsprechenden  Entfernungen 
entstehen  kann.  Dabei  äussert  er  den  Gedanken,  dass  auf 
solche  Weise  Licht  und  Wärme  der  Sonne  von  den  fort- 
während auf  sie  einstürzenden  Meteoriten  erhalten  werden 
möge,  eine  Hypothese,  neben  welcher  er  wenigstens  die  sonst 
gangbaren  Annahmen  als  unhaltbar  erwiesen  hat.  Es  ist 
beim  üeberblick  seiner  Forschungsresultate  hervorzuheben, 
dass  sie  ihren  Ursprung  nicht  einem  durch  viele  Experi- 
mente gebotenen  Material  verdanken,  sondern  zumeist  die 
Frucht  genialer  Speculationen  sind  und  dass  seine  ent- 
[1878.  1.  Math..pliy8.  Cl.]  8 


114  Oe/fenÜiehe  Sitzung  vom  28.  März  1878, 

wickelten  Gesetze  aus  yerhältnissmässig  wenigen  Daten  durch 
eine  Reihe  correcter  Schlussfolgerungen  hervorgegangen  sind. 

Der  König  von  Würtemberg  hat  den  verdienten  Ge- 
lehrten durch  Verleihung  des  Eronordens  ausgezeichnet  und 
die  Royal  Society  hat  ihm  die  Copley- Medaille  zuerkannt. 


Einaendyngen  von  Drudssehrifien.  115 


Yerzeiehniss  der  eingelaufenen  Bflehergeschenke. 


Vom  ncUtirforschenden  Verein  in  Brunn: 
Verhandlungen.     Bd.  XV.  1877.  8®. 

Von  der  ncUurforschenden  Gesellschaft  Grraubündens  in  Chur: 

Jahresbericht.     Neue  Folge.  XX.  Jahrg.  Vereinsjahr  1875—76. 

1877.  8^. 

Von  der  naturhistorischen  Gesellschaft  in  Nürnberg: 
Abhandlungen.     VI.  Bd.  1877.  8^. 

Von  der  deutschen  chemischen  Gesellschaft  in  Berlin: 
Berichte.     11.  Jhrg.  No.  1.  1877  —  78.  8®. 

Vom  Reale  Osservatorio  di  Brera  in  Mailand: 

Pubblicazioni  No.  XU.      Su   alcuni   temporali,   da   Paolo  Fri- 
siani.     1877.  4^ 

Von  der  ConnecHcut  Academy  of  Arts  (md  Sciences 

in  NeW'Haven: 

Transactions.     Vol.  IV.  1877.  8®. 

Vom  physikalischen  Centräl-Ohservatorium  in  St.  Petersburg: 

Bepertorium   für   Meteorologie.     Bd.  5.    Heft  2   und   Supple- 
mentband I.  Hälfte.  1877.  4^ 

8* 


116  Einsendungen  von  DruchschrifUn, 

Von  der  Sociiti  de  gix>graphie  commerciale  in  Bordeaux: 
BuUetin.     No.  4.  1878.  8^. 

Von  der  Äcctdimie  Soycde  de-midecine  in  Brüssel: 
BuUetin.     3*  S^rie.     Tom.  XH.   1878.  8^. 

Vom  Bureau  de  la  recherche  giologique  de  la  Sukde  in  Stockholm: 

a)  Carte  giologique  de  la  Suöde,  Livraisons  57— -62  (Vßoooo) 
et  1  —  3  (V«ooooo)  accompagnöes  de  renseignements.  1877. 
fol.  (Text  in  8^.) 

b)  Glaciala  Bildningar  af  0.  Gumaelius.  11.  1876.  8°. 

c)  Kemiska  bergartsanalysen  af  H.  Santesson.  I.   1877.  8^. 

d)  Om  en  Cycadökotte  af  A.  G.  Nathorst.  1875.  8^. 

e)  Arktiska   Yäxüemningar   i    Skftne,     af   A.    G.    Nathorst. 

1877.  8^ 

f)  Nerikes  öfverg&ngsbildningar  af  G.  Linnarsson.  1875.  8®. 

g)  Undersökningar  öfver  istiden  af  0.  Torell  I.  1873.  8®. 
h)  Sur  les  traces  les  plus  anciennes  de  Pexistence  de  Thomnie 

en  Suöde,  par  0.  Torell.     1876.  8^ 

Vom  nattMrivissenschafllichen  Verein  in  Hamburg: 
Verhandlungen.     Neue  Folge.  I.  1877.  8^. 

Von  der  schweizerischen  Gesellschaft  für  die  gesammten  Natur- 

Wissenschaften  in  Bern: 

Neue  Denkschriften.     Bd.  XXVU.  Zürich  1877.  4®. 

Vom  k,  premsischen  geodätischen  Institut  in  Berlin: 
Die  Figur  der  Erde.     Von  Dr.  Heinrich  Bruns.  1878.  4^. 

Von  der  k.  k.  Sternwarte  in  Wien: 
Annalen.     3.  Folge  26.  Bd.  Jahrgang  1876.    1877.  8®. 

Von  der  neuen  zoologischen  Gesellschaft  in  Frankfurt  a.  M,: 
Der  zoologische  Garten,     XVm.  Jahrgang,  1877.  8^, 


Einaendimgen  von  Drucku^ften»  117 

Von  der  naiurforschenden  GeseUschafl  in  Bern: 
Mittheilungen  aus  dem  Jahre  1876.  No.  906—922.  1877.  8"*. 

Von  der  schweizerischen  naturforschenden  Gesellschaft  in  Bern: 

Verhandlungen  den  21.  — 23.  Aug.  1876.  59.  Jahresversamm- 
lung in  Basel.     Basel  1877.  8". 

Von  der  St.  Gallischen  naiurtoissenschaftlichen  Gesellschaft 

in  8t,  Gallen: 

Bericht  über  die  Thätigkeit  während  d.  J.  1875—76    1877.  8*. 

Von  der  Beddktion  des  Archivs  in  Leipzig: 
Archiv  der  Mathematik  und  Physik.     Theil  61.    1877.  8*. 

Von  der  medizinischen  Gesellschaft  in  Berlin: 
Verhandlungen  aus  d.  J.   1876/77.      1877.  8^. 

Vom  naturtüissenschaftlichen  medizinischen  Verein  in  Jnnsbruek: 
Berichte.     VIT.  Jahrg.  1876.     1877.  8^ 

Von  der  Sternwarte  in  Zürich: 
Schweizerische  meteorolog.  Beobachtungen.     1877.  4®. 

Vom  naturtüissenschaftlichen  Verein  von  NeUrVorpommern  und 

Bügen  in  Greifswäld: 

Mittheilungen.     Jahrg.  IX.  Berlin   1877.  8®. 

.  Vom  naturhistorischen  Verein  der  preussischen  Bhdnhmde 

in  Bonn: 

Festschrift  zur  General- Versanmilung.  Pfingsten  1877.  (Jahres- 
bericht der  zoologischen  Sektion  des  WestfiÜißchen  Provinzial- 
Vereins  für  Wissenschaft  und  Kunst  f.  d.  J.  1876/77  von 
E.  Rade.)  MUnster  1877.  8^, 


118  Einsendimgen  von  Drwikwhriftm. 

Von  der  SocUU  cPagricuUure  et  cPindustrie  cyricole  du  departe- 

mei4  de  la  Cäte-d^or  in  DtQon: 

Journal  d'agriculture.     Ann^e  1875.     1875.  8*. 


Von  der  Geologicai  Society  in  Edinburgh: 
Transactions.     Vol.  UI.  1877.  8^ 

Von  der  Sociäi  de  physique  et  ä!histoire  naturelle  in  Genf: 
Mtooires.     Tom.  XXV.  1876  —  77.  4". 

Von  der  PhUosophiccd  Society  in  Cambridge: 

a)  Transactions  Vol.  XI.  Xn.     1871-77.  4<>. 

b)  Proceedings  Vol.  m.     1876  —  77.  8^. 

Von  der  American  Association   of  the  Advancement  of  Science 

in  Salem: 

Proceedings.     XXV***  meeting    held    at   BufEalo.      Aug.    1876. 
1877.  8^ 

Von  der  Linnean  Society  in  London: 
Proceedings  of  the  Session  1873—74.     1874.  8®. 

Von  der  Acadinne  des  sdences  in  Paris: 
Comptes  rendus.     Tom.  86.  1878.  4^ 


Vom  Herrn  Joh.  Benedict  Listing  in  Qöttvngen: 

Neue  geometrische  und  dynamische  Gonstanten  des  Erdkörpers. 
1878.  8^. 

Vom  Herrn  Hermann  Kolbe  in  Leipxfig: 
Journal  für  praktische  Chemie.    1878.  No.  1.    1877—78.  8°. 


EiMendungen  van  Druekaehriften.  119 

Vom  Herrn  Eduard  Begd  in  8t.  Petersburg: 
Gartenflora.  Januar  1878.  Stuttgart  1877—78.  8^ 

Vom  Herrn  C.  Ä.  F.  Päers  in  Kid: 

Bestimmung  des  Längenunterschiedes  zwischen  Kopenhagen  und 
Altona.     1877.  4^ 

Vom  Herrn  F,  (7.  Donders  in  Utrecht: 

Onderzoekingen   gedaan  in   het  physiologisch  Laboratorium  der 
Utrechtsche  Hoogeschool.     m.  Beeks.  Y.   1878.  8^. 

Vom  Herrn  E.  Plantamour  in  Genf: 

a)  Eecherches  exp^rimentales  sur  le  mouvement  simultanä  d*un 
pendule.     1878.  4**. 

b)  Rösumö  möt^orologique  de  Tann^e  1876    pour  Genöve   et 
le  Grand  Saint-Bemard.     1877.  8®. 

Vom  Herrn  F.  Ämbrosi  in  Trient: 

a)  Cenni  per  una  storia  del  progresso  delle   scienze  naturali 
in  ItaUa.    Padova  1877.  8^ 

b)  La   valle   di   Tesino    agli   Alpinisti    Tridentini,    discorso. 
Borge  1877.  8^ 

Vom  Herrn  Edward  C.  Pkkermg  in  Cambridge: 

Annual  Report  of  the  Director  of  Harvard  College  Observatory. 
1877.  4«. 

Vom  Herrn  E.  Frankland  in  London: 

Experimental  Besearches   of  pure,    applied   and  physical  Che- 
mistry.     1877.  8*. 

Vom  Herrn  Wenzel  Qruber  in  St.  Petersburg : 

a)  Monographie   über    das    zweigetheilte    erste  Keilbein    der 
Fusswurzel  beim  Menschen.     1877.  4^. 


120  Einsendungen  von  BrucksckrifUn, 

b)  lieber  den  Infraorbitalrand  bei  Ausschliessung  des  Maxillare 
superius  von  seiner  Bildung  beim  Menschen.     1877.  4^. 

« 

Vom  Herrn  JDonato  Tommasi  in  Paris: 

Kiduzione  dei  clorati   in  cloruri   senza   Tintervento    del  preteso 
stato  nascente  dell*  idrogeno.     Milano  1877.  8^. 

Vom  Herrn  Ferdinand  von  Müller  in  Melbourne: 
Fragmenta  phytographisB  Australise.  Vol.  7  u.  8.  1871  —  74.  8". 

Vom  Herrn  Rudolf  Wolf  in  Zürich: 

Mömoire   sur   la   päriode    commune  ä  la  fr^quence   des   täches 
solaires.    4^. 

Vom  Herrn  F.  V.  Hayden,  U,  8.  Greologist  in  Washington: 

a)  Report  of  the  U.  S.  Geological  Survey  of  the  Territories. 
Vol.  XI.  Monographs  of  the  North  American  Kodentia 
by  EUiott  Coues  &  J.  A.  Allen.     1877.  4*. 

b)  9^  annual  Report  of  the  IT.  S.  Geological  and  Geographica! 
Survey  of  the  Territories  for  the  year  1875.     1877.    8^ 

c)  Miscellaneous  Publications  of  the  ü.  S.  Geological  Survey 
of  the  Territories.  No.  8.  Fur-bearing  Animals  by  El- 
Hott  Coues.     1877.  8<>. 

d)  Annual  Report  of  the  Boards  of  Regents  of  the  Smith- 
sonian  Institaticm  ior  the  year  1876.     1877.  8^. 


Sitzungsberichte 

der 

kOnigl.  bayen  Akademie  der  Wissenschaften. 


Sitznng  vom  2.  März  1878. 


Mathematiscli-pliysikalisclie  Classe. 


Herr  G.  Bauer  spricht:  „Ueber  Systeme  von 
Curven  6.  Ordnung,  auf  welche  das  Nor- 
malenproblem bei  Curven  2.  Ordnung 
führt." 

Glebsch  hat  in  einer  Abhandlung  „üeber  das  Problem 
der  Normalen  bei  Curven  und  Oberflächen  2.  Ordnung*'*) 
auch  die  Frage  erörtert  nach  dem  Ort  der  Punkte,  för 
welche  die  an  eine  Curve  2.  Ordnung  gezogenen  Normalen 
ein  constantes  Doppelverhältniss  haben  und  wurde  dabei 
auf  ein  System  von  Curven  6.  Ordnung  von  besonderen 
Eigenthümlichkeiten  geführt. 

Bevor  ich  noch  von  dieser  Arbeit  Eenntniss  genommen, 
hatte  ich  diese  Frage  ebenfalls  behandelt,  und  es  sei  mir 
gestattet,  einige  ergänzende  Bemerkungen  zu  dieser  Aufgabe 
beizubringen,  insbesondere  noch  auf  ein  zweites  System 
voD  Curven  6.  Ordnung  hinzuweisen,  welches  mit  dem  ersten 


1)  Grelles  Joum.  Bd.  62.  S.  64. 
[1878.  2.  Math.-phys.  Gl.]  9 


122         Sitzung  der  matk.-phys»  Glosse  vom  2,  März  :878, 

System  in  enger  Verbindung  steht  und  wegen  seiner  Eigen- 
thümlichkeiten  an  sich  bemerkt  zu  werden  verdient. 

1.  Legen  wir,  wie  Glebsch .  in  .der  erwähnten  Abhand- 
lung gethau,  den  von  Cayley  erweiterten  Begriflf  von  „Nor- 
male" zu  Grunde  ^),  so  lautet  die  Aufgabe  von  einem  Punkte 
M  Nonnale  aQ  e^n^n  Ees[e1sph;ni]tt  zu' eiehen:  „Es  soll  an 
einen  Kegelschnitt  U  =  o  eine  Tangente  T  so  gezogen  wer- 
den, dass  die  von  dem  Berührungspunkt  der  Tangente  nach 
einem  festen  Punkt  M  gezogene  Gerade  N  durch'  den  Pol 
der  Tangente  T,  in  Bezug  auf  einen  zweiten  Kegelschnitt 
V  =  0  genommen,  gehe." 

Zerfällt  der  Kegelschnitt  V  in  die  zwei  unendlich  ent- 
fernten Kreispunkte,  so  gehen  die  Geraden  N  in  die  eigent- 
lichen Normalen  von  U  über. 

Beziehen  wir  die  zwei  Curven  2.  Ordnung  U  und  V 
auf  das  ihnen  gemeinsame  Polardreieck  und  setzen  demnach 

V=:x»  +  y'  +  z'  =  o 
U  =  ax'  +  by'  +  cz*  =  o  . 

Sind  sodann  x'  y'  z  die  Cordinaten  des  Berührungs- 
punkts der  Tangente  T,  so  folgt  aus  dem  Umstände,  dass 
die  Polare  dieses  Punktes,  sowie  die  Polare  des  Punktes  M, 
in  Bezug  auf  V  genommen,  sich  auf  der  Tangente  T  schneiden 
sollen, 

X  =  Aax'  +  jwx',    Y  =  ^by  +  hli    Z  =  ^cz'  +  jwz' 
wo  X,  Y,  Z  die  Coordinaten  des  gegebenen  Punktes  M,  ^,  fi 
unbestimmte  Factoren  sind.     Die  Werthe  von  x',  y',  z   aus 
diesen   Gleichungen  entnommen   und   in  U  =  o  eingesetzt, 
geben 

aX'  bY'  cZ'      _ 

(ai  +  |u)»  +  (b;i  +  iu)>  +  (cÄ  +  A^)«-'' 

eine  Gleichung   4.  Grads   in  — ,  durch  welche  die  vier  Tan- 


2)  Sor  les  normales  d'ane  coniqne.    Crelle's  Joam.  Bd.  56.  S.  182. 


G.  Bauer:  üeher  Systeme  von  Curven  6,  Ordnung  etc,      123 

genten    T,    welche    der    Anforderung    genügen ,    bestimmt 

sind. 

X  X 

Druckt  man  —    durch    — r  aus,  so  geht  diese  Gleichung 

über  in 


a  (a-b)'  Z . V*+ 2a  (a_b)  (b-c)  XZ .  xV+K .  xV 

-1-  2c(a-b)(b-c)XZ .  X .  z''+c(c-b)»X'.z'*  =  o  ^ 
wo  a(b— c)*X'  +  b(c-a)»Y'  +  c(a-b)'Z»  =  K  (2 

gesetzt  ist.  Die  Vertauschung  von  a  und  b,  X  und  Y, 
x'  und  j   liefert  die  entsprechende  Gleichung  in  y',  z. 

Andererseits   gibt   die   Gleichsetzung   der    Werthe  von 

X       ,      , 

— ,  wie  sie  aus  obigen  Gleichungen  sich  ergeben,  folgende 

Bedingungsgleichung  zwischen  den  x'  j  z' 

(a-b)Z.xy  +  (b— c)X.yV  +  (c-'a)Y.zV  =  0  (3 
Aus  denCoefficienten  der  Gleichung  1)  und  ihrer  entsprechen- 
den in  y'  z  lassen  sich  nun  mit  Beihilfe  der  Gleichung  3.) 
die  Coefficienten  der  Gleichung  der  vier  Tangenten  T, 
d.  i.  der  Gleichung 

11  (axlx  +  byiy  +  czjz)  =  o,     i  =  1, 2, 3, 4 
berechnen   und    man    erhält   so  für  die  Gleichung  der  vier 
Tangenten 

a*.  bc  (c-b)^  X^  X*  +  a'b .  2bc  (c-a)  (c  -b)  X Y .  x«y 
+  a*b^  cK .  xy  +  ab».  2ac  (c— a)  (c— b)  XY .  xf 

+  b*.ac(c-a/Y'.y*+ =.  o  (4 

worin  die  nicht  ausgeschriebenen  Glieder  in  x,  z;  y,  z  und 
z*  sofort  durch  Vertauschuug  der  Buchstaben  zu  ergän- 
zen sind. 

Vergleicht  man  die  Gleichung  einer  Tangente  Ti 

axix  +  byiy  +  cz|z  =  o 
mit   der   Gleichung   der  entsprechenden  Geraden  Ni  durch 
den  Pol  von  Ti  in  Bezug  auf  V   und  den  Punkt  (XYZ) 
gehend, 

axi  (Yz-Zy)  +  by^Zx-Xz)  +  ezi  (Xy- Yx)  =  o 

9* 


12'4        Sittuiig  der  matK-phya.  Claase  vom  2.  März  1878. 


r 
V 


SO  ersieht  man,  dass  man  ans  der  Gleichnng  der  Tangen- 
ten 4)  sogleich  auch  die  Gleichung  der  vier  Geraden  Ni 
erhält,  indem  man  nur 

X  y  z 

durch  Tz— Zy     Zx— Xz     Xy— Yx 

ersetzt.*) 


3 )  Will  man  diese  Gleichangen  anwenden  anf  die  eigentlichen  Nor- 
lAalen  des  Kegelschnitts 

ax  +  by  -|-  c  =  0 
bezogen  auf  die  Hanptazen  desselben,  so  hat  man  nur  in  obigen  Formeln 
in  den  Differenzen  a— c,  b — c  überall  c^o  zu  setzen  und  Z  =  z  =  1. 

In  diesem  Falle  gibt  dann  Gleichung  4)  beschränkt  auf  die  ausge- 
schriebenen Glieder  in  x,  y  die  Gleichung  der  vier  Durchmesser  parallel 
zu  den  Tangenten  an  den  Fusspunkten  der  vier  durch  den  Punkt  (X,Y) 
gehenden  Normalen,  nämlich 

a%xV  +  2a*bXY.xV+K.xy  +  2ab'XY.xy'  +  ab'Y'.y*  =  o   (A 

Die  Gleichung  der  vier  Normalen  erhält  man  hieraus,  indem  man 
Y— y  statt  X  und  x — X  statt  y  setzt.    Sie  wird  mithin 

a"bX"(y-Y/-2a'b  XY  (y-Y)'(x-X)+K(y  -  Y)'(x-Xr 

-  2  ab'  XY  (y  - Y)  (x— X)'  +  ab*Y'  (x— X  *  =  o    ^ 

wo  K  rz  ab*  X'+  ba*  Y' + c  (a  -b)* 

Diese  Gleichangen  lassen  sich  unter  eine  einfache  Form  bringen ;  erstere 
ist  nämlich 

ab  (Xx  +  Yyf  (ax'  -f  by')  -f-  e  (a— b)'i'y*^  o  ( A« 

und  die  Gleictiung  der  vier  Normalen 

ab (Xy-Yx)'[b(x-X)*4- a(y-Y)*]  +e(a-b)'(x    X)'(y-Y'j  =i)    (B^ 

Die  vier  Durchmesser  A)  conjugirt  zu  denjenigen,  welche  nach  den  Fuss- 
punkten der  Normalen  laufen,  schneiden  den  Kegelschnitt  in  zwei  Punkt- 
quadrupeln, deren  Normalen  wieder  in  je  einem  Punkt  zusammenlaufen. 
Aus  A^)  ergibt  sich,  dass  diese  Punkt^uadrupeln  auf  gleichseitigen  Hy- 
perbeln liegen,  welche  durch  dien  Mittelpunkt  ünddlö  UUlendlich  entfernten 
Ptiiikte 'der  Alen  desKegbldChnitt!rg^en'u;sJw.*)  Ebenso  folgt  ^uaB*) 


*)  S.    die  betreffenden  Sätze   von  Steiner    „Ueber   algebraische    Curven    und 
Flächen.«    Journ.  v.  Grelle.    Bd.  49.    S.  133. 


G,  Batier:  Üeber  Systeme  von  Curven  6.  Ordnung  etc.       12Ö 

2.  Das  Doppelverhältniss  dieser  vier  Gei::a4en  Ni  deren 
Gleichungen  sich  auch  in  der  Form  (3) 

(b— c)  X  +  (c  -  a)  y        (a— b)  z 

7 j ^ j =  o 

X  y  z 

schreiben  lässt  ist  offenbar  gleich  dem  Doppelverhältniss 
der  vier  Geraden  a  x'  x  +  b  y'  y  =  o,  welche  durch  die 
Gleichung  4)  beschränkt  auf  die  ausgeschriebenen  Glieder 
in  X,  y  dargestellt  werden.  Nun  ergeben  sich  die  Invarian- 
ten dieser  biqnadratischen  Form 

3 
I  ^  a^a^— 4  a^ajj  +  3aJ  =  -^  .  K' 

d  zizQ,Q^^Q,^ '\' 2q,^^2^s     ^0^8     a^ai     s^ 

^   a»b'K'  +  4-  a*b*c(a— b/(b  -  c;^(c  -  a)».  X^ Y'Z« 


6«  '     4 


n  die  Normalen,  welche  von  einem  Punkt  (XT)  nnd  seinem  diametral  ent- 
gegengesetzten an  einen  Kegelschnitt  gehen,  sind  (für  alle  Kegelschnitte 
mit  denselben  Azen)  parallel  zu  den  Durchmessern,  welche  nach  den 
Dnrchschnittspunkten  der  festen  Hjperbeln 

xy±(Xy-Yx)  =  o 

mit  dem  reciproken  Kegelschnitt  K  =  o  gehen/ 

Noch  mag  eine  Eigenschaft  der  Normalen,  die  sich  aus  Gleichung 

y— Y 

B)  ergibt,  erwähnt  sein.   Die  Summe  der  Wurzeln  \__y  ^^^^^  Gleich- 

Y 

ong  ist  nämlich  =  ^  y   ^"^   ^^   Summe   ihrer   reciproken   Werthe 

X 

==  2  »;  d.  h.  sind  ai  . .  ua  die  Winkel,  welche  die  vier  Normalen  mit 

einer  Aze  des  Kegelschnitts  bilden,  0  der  Winkel,  welchen  der  Radius 
rector  ihres  Durchschnittspunkt  (KY)  mit  derselben  Aze  bildet,  so  ist 

tg  «i  +  tg  «a  +  tg  «8  +  tg  «♦  =  2  tg  0 
ctg.  «i  +  ctg  a»4"Ctg  «8 + ctg  C4  =  2  ctg  0 

Diese  Summen  hängen  mithin  allein  von  dem  Durchmesser  ab,  auf 

r  ■ 

welchem  der  Punkt  (X,Y)  liegt.  Sind  zwei  der  Normalen  gegeben,  so 
sind  die  beiden  andern  durch  diese  Gleichungen  bestimmt. 


-»*• 


126         Sitzung  der  matK-phys.  Classe  vom  2,  März  1876, 

Setzen  wir  also  die  absolute  Invariante,  von  welcher  das 
Doppelverhältniss  der  vier  Geraden  abhängt 

^  =  k  (5. 

so  erhalten  wir  eine  Gleichung  12.  Grads  in  X,  Y,  Z, 
welche  aber  vermöge  desJJmstandes,  dass  für  die  betrachtete 
Form  I  ein  vollständiges  Quadrat  ist,  in  zwei  Gleichungen 
6.  Grades  zerfällt.  Man  erhält  daher  zwei  Gurven  6.  Ordnung 
als  Ort  der  Punkte  (XYZ),  für  welche  die  vier  Geraden 
N,  ein  constantes  Doppelverhältniss  haben,  deren  Gleichung 

K»-m.27abc(a— b)»(b-c)»(c-a)»X»Y'Z»  =  o       (I. 

ist,  wo 

y  27 


m  =  2 


±l/ 


27 


Diess  ist  das  System  von  Curven,  welches  von  Clebsch  a.  a.  0. 
gefunden  wurde.  Einem  gegebenen  Doppelverhältniss  ent- 
sprechen im  allgemeinen  zwei  Werthe  von  m,  also  zwei 
Curven.  Alle  Curven  bilden  einen  Büschel  mit  sechs  ge- 
meinsamen Spitzen  (wovon  zwei  imaginär)  in  den  Punkten, 
in  welchen  der  Kegelschnitt  K  =  o  das  U  und  V  gemein- 
same Polardreieck  schneidet.  Dieser  Kegelschnitt  K  drei- 
fach gezählt,  stellt  selbst  eine  Curve  des  Büschels  dar  und 
entspricht  dem  äquianharmonischen  Verhältaiss.  Ebenso 
entspricht  dem  harmonischen  Verhältniss  (J  =  o,  also  k  ==  oo ) 
nur  eine  Curve  für  m  =  2. 

Für  k  =  27  verschwindet  die  Discriminante  der  bi- 
quadratischen Form;  zwei  der  Geraden  N  fallen  zusammen. 
Diesem  Falle  entspricht  die  Curve  m  =  1  (Evolute)  und  die 
Curve  m  =  cx>,  welche  in  die  Geraden  X  =  o,  Y  =  o,  Z  =  o, 
doppelt  gezählt,  zerfällt. 


G,  Bauer:  lieber  die  Systeme  von  Cur  wen  6,  Ordnung  etc,     127 

Bei  dem  Problem  angewandt  auf  eigentliche  Normalen 
verlaufen  im  allgemeinen  die  beiden  Curven,  welche  einem 
Werthe  von  k  entsprechen,  flir  k>27,  wobei  ein  Werth 
vom  m  zwischen  1  und  2  liegt,  der  andere  "^  2  ist,  in  ganz 
ähnlicher  Form  wie  die  Evolute,  die  eine  auf  der  einen,  die 
andere  auf  der  andern  Seite  der  harmonischen  Curve  (m  =  2). 
Ist  aber  k<27,  so  ändert  sich  die  Form  der  Curve,  indem 
die  eine  der  beiden  Curven  (flir  m>o  u  c;l)  zwischen  Evo- 
lute und  dem  Kegelschnitt  K  sich  hinzieht,  und  die  andere 
(m  c^o)  ausserhalb  E  vier  flügelartige  Züge  bildet,  indem 
für  m<o  die  Spitzen  sich  nach  der  äusseren  Seite  des 
Kegelschnitts  K  sich  öffnen,  während  sie  für  positive  m 
nach  innen  gerichtet  sind. 

Die  Curve  m  =:  1,  welche  der  Evolute  entspricht,  hat, 
wie  schon  Clebsch  a.  a.  0.  gezeigt,  vier  imaginäre  Doppel^ 
punkte;  die  übrigen  Curven  des  Systems  haben  ausser  den 
6  Spitzen  keine  Doppelpunkte.  Sie  sind  mithin  vom  Ge- 
schlechte p  =  4,  12.  Classe,  haben  24  Wendepunkte  und 
27  Doppeltangenten.  Man  sieht  sogleich,  dass  bei  den 
Curven  für  m  <  1  acht  reelle  Wendepunkte  auftreten  müssen, 
da  diese  Curven,  deren  Spitzen  nach  der  innern  Seite  des 
Kegelschnitts  K  sich  offnen,  im  Innern  dieses  Kegelschnitts 
verlaufen  und  sich  demselben  immer  mehr  anschmiegen,  je 
kleiner  m  wird.  Und  diess  ist  auch  die  grösste  Anzahl  von 
reellen  Wendungen,  welche  bei  diesen  Curven  vorkommen 
kann,  da   nach   der  von  Herrn  Klein  gegebenen   Formel^) 

n  +  w'+2t"  =  k  +  r +2d", 
wo  n    die  Ordnung,    k  die  Classe,   w'   die  Zahl  der  reellen 
Wendungen,    r'   die  Zahl   der   reellen  Spitzen,    t"    die    der 
isolirten  reellen  Doppeltangenten,  d"  die  der  isolirten  reellen 
Doppelpunkte  ist,  in  unserm  Falle 

w'  ■+  2t"  =  10 

4)  Sitz.-Ber.  der  phys.-med.  Soc.  z.  Erlangen.    13.  Dec  1875;  Math. 
Annalen  Bd.  X.  S.  199. 


128        Siteung  der  math.'phya.  Glosse  vom  2.  März  1878. 

sich  ergibt  und  eine  isolirte  reelle  Doppeltangente  immer 
vorhanden  ist,  nämlich  die  Seite  des  Polardreiecks,  auf 
welcher  die  zwei  imaginären  Spitzen  liegen.  Für  die  Cur- 
ven  m;>  1,  welche  keine  reellen  Wendungen  besitzen,  sind 
mithin  ausser  dieser  noch  4  reelle  isolirte  Doppeltangenten 
vorhanden. 

3.  Joachimsthal  gab  in  seinen  bekannten  Aufsätzen 
über  die  Normalen  der  Kegelschnitte*)  eine  einfache  Con- 
struction  flir  die  Aufgabe,  wenn'  die  Normalen  an  zwei 
Punkten  P,  Q  eines  Kegelschnitts  gegeben  sind,  die  zwei 
anderen  Normalen  zu  bestimmen,  welche  durch  den  Durch- 
schnitt der  beiden  ersten  gehen.  Sind  nämlich  p,  q  die 
Coordinaten   des  Pols   der    Geraden   PQ,    so   schneidet  die 

Gerade f-  —  +  1  =  o    den    Kegelschnitt    in    den    zwei 

Punkten,  deren  Normalen  sich  mit  den  Normalen  in  P  und  Q 
in  einem  Punkte  schneiden. 

Wie  sich  dieser  Satz  bei  der  hier  zu  Grunde  gelegten 
allgemeineren  Auffassung  der  Normale  gestaltet,  hat  Gayley 
a.  a.  0.  gezeigt.  ^)  Die  analytische  Abhängigkeit  zweier 
solcher  Punktpaare  eines  Kegelschnitts,  deren  Normalen 
durch  einen  Punkt  gehen,  lässt  sich  jedoch  noch  auf  eine 
andere,  mehr  symmetrische  Weise  darstellen.  Sind  (x'^  y'^  z\), 
(x'g  y'j  z'j)  die  zwei  ersten  Punkte,  (^,  i^i  9  der  Pol  ihrer 
Verbindungslinie,  (X,  T,  Z)  der  Durchschnitt  ihrer  Normalen  N, 
so  ergibt  sich 

X_  __  _  (a— bXyjz^— zlyQx/x^  _  a (a— b)  x^x^  J_ 

Z  (b~ c)  (yl x; — x; ya)  z[  zi      c  (b— c) '  z;  z, '  ^ 

Y_b(a~b)  ylya   rj 

Ta      c  (c — a)'  zj  zi*  £ 

5)  „Ueber  Normalen  der  Ellipse  und  des  Ellipsoids^'  Joum.  v.  Grelle. 
Bd.  26.  S.  174.  ,,De  aeqaationibus  quarti  et  sezti  grados,  qui  in  theo- 
ria  lineamm  et  superficiemm  sec.  gradns  occnrrunt.*'  Ebenda».  Bd.  53 
S.  170. 

6)  S.  auch  Fiedlers  Bearbeitung  Yon  Salmons  Gon.  sections.  S.  564. 


G.  Bauer:  lieber  Systeme  von  Curven  6,  Ordnung  etc        129 

Sind  ferner  (x'j  y  3  z'3)  und  (x\  j\  z\)  die  zwei  andern 
Punkte,  deren  „Normalen"  durch  denselben  Punkt  (XYZ) 
gehen  und  ^^rj^t   die  Coordinaten  des  Pols  ihrer  Verbiu- 

X   Y 

dungslinie,  so  erhält  man  entsprechende  Formeln  für  y  1  -y  • 

Die  Verbindung  beider  liefert 

X'  _  a*  (a—  b)*    x'i  x'a  x',  x'4     ^^ 
7}  ""c'Cb— 0)3'  z'iz',  z',z'4     "K" 

also  vermöge  der  Grieichung  1.),  deren  Wurzeln  die  Grössen 
-r-  sind, 

Zi 

^--und^-^ 

Die  Punkte  ($jy^)  und  (l'V^)  ®^°^  ^^^  durch  folgende 
Gleichungen  an  einander  gebunden 

oder  auch 

,       v._J_      1        1 

^•''•^^ar' w'  ö?- 

4.  Durchläuft  nun  der  Punkt  (XYZ)  eine  der  Curven  1 
für  welche  die  4  Geraden  N  ein  constantes  Doppelverhält- 
niss  haben,  so  werden  die  Pole  (^i^Ö»  (^^'0  ein  und  die- 
selbe andere  Curve  beschreiben,  und  wird  dieselbe  vermöge 
der  Relationen  6.)  zwischen  den  Coordinaten  der  beiden 
Punkte  gewisse  ausgezeichnete  Eigenschaften  besitzen. .  Um 
die  Gleichung  dieser  Curve  zu  erhalten,  hat  man  nur  die 
X,  Y,  Z  in  Gleichung  I  durch  die  |,  17,  ^  auszudrücken.  Nun 
erhält  man  sofort  für  die  Berührungs-Punkte  der  von  (|,  1;,  Ö 
ausgehenden  Tangenten 

zil'.~a(a|'  +  b^)'  z',  z'.'Mal'  +  bi/») 
und  hiemit  nach  obigen  Gleichungen 


130         Siteung  der  math.-phys,  Claase  vom  2.  März  1878. 

X:Y:Z=  (a    b)(c-a).(cC  +  bj?')l  (7. 

:(a-b)(b-o).(cS'  +  ar)i? 

:(b-c)(c-a).(a?+biy')^ 

X     Y 
Man  sieht,  dass  diese  Werthe  von  -=- 1  -^  unverändert  blei- 

ben,  wenn  man  die  §,  rj^  ^  durch  die  |',  rj\  ^  ersetzt,  (ver- 
möge der  Relationen  6).  Man  hat  nun  in  Gleichung  I  die 
cubische  Substitution  7.)  zu  machen,  und  erhält  für  den 
Ort  des  Punktes  (^^0   eine  Gleichung  18.  Grads,   nämlich 

F  — 27.mabc.G*?)?'S»=o  (8. 

wo 

P  =  a?  (oC  +  bj?'/  +  hrf  (c?  +  a?)»  +  oC»  (a|*  +  hrf)*    ' 

G  =  (a?  +  hrf)  {hr,r+  c?)  (cS»  +  a?) 

Aber  diese  Cnrve  18.  Ordnung  zerfällt  in  drei  Ourven 
6.  Ordnung.    Denn  es  ist  allgemein 

(«+/?)V+(/?+y)'«  +  (>+«)*/?  =  («+/?)  0?+y)(y+a)  +  iaßy 
Mithin  ist 

P  =  a  +  4abcri?'S' 
und  Gleichung  8.)  wird 

(G  +  iabc^iy'S")'  — 27m.abcG'?i?»^  =  o  (8^ 

Sind  mithin  ^i,  ^2,  ^3  die  Wurzeln  der  Gleichung 

(Q  +  4:y-21m.Q'=o  ^  (9. 

so  zerfällt  die  Curve  8.)  in  die  drei  Curveu  6.  Ordnung 
G-ßrabc|»i?*^=: 0,  G-e/ Bhc^fiV^o,  G-e,-abcf Y£*=o •  IL 

Diese  drei  Carven  entsprechen  den  drei  verschiedenen  Ar- 
ten, in  welchen  die  vier  durch  einen  Punkt  M  gehenden  Ge- 
raden Ni  sich  in  Paare  abtheilen  lassen,  oder  auch  den 
drei  fundamentalen  Doppel  Verhältnissen,  zu  welchen  die  vier 
Geraden  Ni  Veranlassung  geben.  Der  Pol  (^i?0  ^®^  ^®^" 
bindungslinie  der  Fusspunkte  des  einen  Paares  der  Geraden 
N|  und  der  Pol  (^VO  ^^^  Verbindungslinie  der  Pusspunkte 
des   andern    Paars   liegt   immer    auf   derselben  Curve,    wie 


G.  Bauer:  Üeber  Systeme  von  Curven  6,  Ordnung  etc.        131 

mittelst  der  Relationen  6  )  unmittelbar  sich  ergibt  und  zn 
jedem  Punkt  (^»^Ö  ^^^  Curve  ist  der  entsprechende  (^  rf^) 
nach  dem  oben  angeführten  von  Joachimsthal  (resp.  Cayley) 
gegebenen  Verfahren  leicht  zu  construiren. 

5.  Die  Gleichungen  dieser  Curven  lassen  sich  aber 
noch  auf  eine  andere  bemerkenswerthe  Form  bringen.  Es 
ist  nämlich  auch 

mithin 

und,  da  G  =  P  —  4abc^iy'^,  so  nehmen  die  Gleichungen  10.) 
folgende  Porm  an 

(a?+bj?»+c^)  (ab?i?»+bciy'^+ca^S»)  -  (?,+!)  ahoS'rjV  =  o  (II' 

(h  =  1, 2,  3) ;  oder  also  die  Gleichungen  dieses  Systems  von 
Curven  sind  von  der  Porm 

ü .  W  =  ?h+  1  =  const.  (ir. 

wo  ü  =  a?  +  bi?»  +  c^ 

also  ü  =:  0  die  Gleichung  des  gegebenen  Kegelschnitts  ist, 
W  =  0  die  Gleichung  derjenigen  Curve  4.  Ordnung  ist, 
welche  man  erhält,  wenn  man  ü  in  Bezug  auf  V  polarisirt 
und  sodann  in  Bezug  auf  das  U  und  V  gemeinsame  Polar- 
dreieck quadratisch  transformirt. 

6.  Pallen  zwei  Gerade  Ni  zusammen,  so  hat  man  ent- 
weder m  =00  oder  m  =  1.  Im  ersteren  Palle  besteht  der 
Ort  des  Durchschnitts  der  Geraden  N  aus  den  drei  Seiten 
des  Polardreiecks ;  an  die  Stelle  der  Curven  II  treten  sodann 
die  9  Geraden,  bestimmt  darch  die  Gleichungen 

a?  +  biy'  =  o,  bi?»  +  c^  =  o,  cC*  +  ar  =  o  I 

^  =  0,  '?  =  o,  ^  =  0        p* 

alle  doppelt  gezählt. 


132  Sitzung  der  fiiath.'phys   Glcutse  vom  2,  März  1878, 

Für  m  =  1,  in  welchem  Falle  der  Durchschnitt  der 
Geraden  N  auf  der  „Evolute"  sieh  bewegt,  hat  die  Gleich- 
ung 9.)  die  Wurzel  ßi  =  —  1,  und  zwei  gleiche  Wurzeln 
^2  r=:  ^3  =  -j-  8.  Dic  Curvc  für  ^i  =  —  1  zerfällt  aber  nach 
Gl.  IT  in  die  zwei  Curven 

U  =  o  und  W  =  o  (11. 

Mit  dem  Zusammenfallen  zweier  Geraden  Ni,  fällt  nämlich 
auch  ein  Pol  (5^0  auf  den  Kegelschnitt  U  und  beschreibt 
denselben,  wenn  der  Durchschnitt  der  Geraden  N  die  „Evo- 
lute" durchlauft.  Der  Polder  Verbindungslinie  der  Fusspunkte 
der  beiden  andern  Geraden  N  beschreibt  die  Curve  4.  Ordnung 
W  =  Q.  Die  Pole  aber  der  Verbindungslinien  der  zwei 
letzteren  Fusspunkte  mit  dem  Fusspunkt  der  zwei  zusammen- 
fallenden „Normalen"  N  beschreiben  die  Curve  6.  Ordnung 

G-8abc|»i?»£»z=o  (12. 

oder 

ÜW  =  9 

welche  doppelt  zu  zählen  ist. 

Dem  harmonischen  Verhältniss  der  Geraden  N»  ent- 
spricht der  Werth  m  =  2.  Eine  der  Wurzeln  der  Gleich- 
ung 9.)  ist  sodann  q^  =  2,  die  entsprechende  Curve 

ÜW  =  3 

Die   zwei   andern   Wurzeln   q  sind  204~12l/3. 

Dem  äquianharmonischen  Verhältniss  der  Geraden  Ni 
endlich  entspricht  der  einzige  Werth  m  =  o;  die  drei  Cur- 
ven II  fallen  in  eine  zusammen 

G+4abc|'i?»^=o. 
oder 

ÜW  =  -3. 

Allgemein  sind  die  3  Wurzeln  der  Gleichung  9.)  reell, 
wenn   m^l.     In    diesem    Falle    sind    die    vier  Norpalep 


G,  Bauen  üeber  Systeme  von  Ourven  6.  Ordnung  etc,      133 

und  auch  die  drei  Ourven  II  reell;  ist  hingegen  m  c^li  so 
sind  zwei  Wurzeln  q^  imaginär,  eine  der  Curven  II  ist  allein 
reell,  entsprechend  dem  Umstände,  dass  in  diesem  Falle 
zwei  der  Normalen  N  imaginär  sind. 

7.  Was  nun  die  Singularitäten  dieser  Curven  II  anbe- 
trifft, so  haben  sie  sämmtlich  die  Eckpunkte  A,  B,  C  des 
den  Kegelschnidten  ü  und  V  gemeinsamen  Polardreiecks 
zu  Doppelpunkten,  (wovon  einer  isolirt).  Die  Tangenten 
in  diesen  Doppelpunkten  sind  für  alle  Curven  des  Systems 
dieselben,  nämlich  die  von  diesen  Punkten  an  den  Kegel- 
schnitt IT  gehenden  Tangentenpaare 

a^  +  bi?»=o,  biy'  +  cC'^o,  c^^  +  a^^o  (13. 

welche  denselben  auf  den  gegenüberliegenden  Seiten  des 
Polardreiecks  berühren.  Diese  Tangenten  sind  zugleich  in 
diesen  Doppelpunkten  A,  B,  C  Wendetangenten,  so  dass 
mithin  jede  dieser  Geraden  in  dem  betreffenden  Doppelpunkt 
vier  Paukte  mit  der  Curve  gemein  hat,  d.  h.  diese  Punkte 
A,  B,  C  sind  Inflexionsknoten  (flexe  node,  wie  Cayley 
solche  Punkte  nennt).  Diese  Geraden  berühren  ausserdem 
die  Carven  6.  Ordnung  sämmtlich  in  denselben  Punkten, 
in  welchen  sie  den  Kegelschnitt  ü  berühren,  so  dass  mit- 
hin diese  Ourven  sechs  Berührungspunkte  mit  U  haben,  auf 
den  Seiten  des  Polardreiecks  gelegen. 

Die  Ourven  des  Systems  bestehen  aus  zwei  getrennten 
Zügen;  für  m>l  verlaufen  die  beiden  Züge  ausserhalb  ü; 
für  m  <  1  aber  ist  ein  Theil  ausserhalb  ü  gelegen,  der  an- 
dere verlauft  innerhalb. 

Ausser  den  allen  Carven  gemeinsamen  Doppelpunkten 
A,  B,  0  kommen  keine  weiteren  Doppelpunkte  in  dem 
System  vor,  ausser  für  m  =  1.  Es  ist  desshalb  die 
Curve  12.) 

G~8abc?ij'?  =  o 

die  einzige  nicht  zerfallende  Curve  des  Systems,   mit  mehr 


I 


134    *     Sitzung  der  math.-phys,  Clasae  vom  2,  März  1878, 

als  drei  Doppelpunkte.  Sie  besitzt  nämlicli  noch  die  vier 
(imaginären)  Doppelpunkte 

2i^  ^  hrf  =  cV"  (14. 

welche  den  vier  (imaginären)  Doppelpunkten  der  „Evolute" 
entsprechen  und  in  welchen  entsprechende  Punkte  (^,i/,  C) 
und  {^r/^)  zusammenfallen. 

Die  Curven  6.  Ordnung  des  Systems  II  sind  mithin 
mit  Ausnahme  der  Curve  12.)  von  der  Classe  24  und  vom 
Geschlechte  7,  während  die  Curve  12.)  von  der  Classe  16 
und  dem  Geschlechte  3  ist.  Diese  Charakteristiken  der  Cur- 
ven des  Systems  lassen  sich  übrigens  auch  aus  denen  der 
Curven  des  Systems  I  ableiten.  Da  nämlich  jedem  Punkt 
(XYZ)  einer  Curve  des  Systems  I,  zwei  Punkte  (^i?S)i  (^V^) 
auf  jeder  der  demselben  Werthe  von  ra  entsprechenden 
Curven  des  Systems  II  entsprechen,  jedem  Punkt  auf  einer 
Curve  des  Systems  II  aber  ein  Punkt  auf  der  entsprechen- 
den Curve  I,  so  besteht  zwischen  den  Punkten  zweier  ent- 
sprechender Curven  der  beiden  Systeme  eine  (1,2)  Correspon- 
denz.  Wenn  nun  auf  zwei  Curven  vom  Geschlechte  p, 
resp.  p'  eine  (x,x')  Correspondenz  statt  hat,  wenn  ferner 
y,y'  die  Anzahl  der  Coincidenzpunkte  auf  der  einen  und 
andern  Curve  bezeichnen,  so  hat  man  nach  Herren  Zeuthen^) 
die  Relation: 

y-.y'  =  2x(p-l)-2x(p'-l) 

Mittelst  dieser  Formel  findet  man  aus  dem  Geschlechte 
der  Curven  I  das  der  Curven  II  wie  oben,  wenn  man  nur 
bemerkt,  dass  vermöge  der  Gleichungen  6.)  ein  Zusammen- 
fallen der  Punkte  ($i?9i  i^V^)  ^^^  f^  m  =  1,  ^  =  8 
eintreten  kann.  Für  ^  =  8  aber  (Curve  12.)  tritt  der  be- 
sondere Fall  ein,  dass  jedem  der  vier  imaginären  Doppel- 


8)  Nouvelle  dimonstration   de  th^r^mes  sur  les  s^ries  de  points 
correspondants  aar  deuz  courbes.    Math.  Ann.  Bd.  III.  S.  150. 


G,  Bauer:  üeher  Systeme  von  Curven  6.  Ordnung  etc.        135 

punkte  14.)  einer  der  vier  imaginären  Doppelpunkte  der 
„Evolute"  entspricht,  in  der  Weise,  dass,  wenn  der  Punkt 
(XYZ)  durch  einen  dieser  letzteren  hindurchgeht  die  zwei 
Punkte  (^i?C),  (l'ij'O  durch  einen  der  erstem  hindurch- 
gehen, und  zwar  auf  demselben  Curvenzweige;  und  mit- 
hin ist  jeder  dieser  Doppelpunkte  14.)  als  zwei  eigentliche 
Comcidenzpunkte  zu  zählen. 


•' 


Sitzang  vom  4.  Mai  1878. 


Der  Classensecretär  legt  vor: 

Ueber  das  Vorkommen  des  Zinns  in  Sili- 
caten von  F.  Sandberger. 

In  einem  Vortrage  in  der  mineralogischen  Section  der 
50.  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  zu 
München  (Amtlicher  Bericht  S.  148  ff.  und  Berg-  and 
Hüttenm.-Zeitung  1877  S.  377  ff)  habe  ich  gezeigt,  dass 
in  Olivinen,  Hornblenden,  Augiten  und  dunkelen  Glimmern 
krystallinischer  Gesteine  aus  allen  geologischen  Perioden 
sAwere  und  edle  Metalle,  Kupfer,  Blei,  Kobalt,  Nickel, 
Wismut  und  Silber  sowie  Antimon  und  Arsen  in  geringen 
Mengen  enthalten  sind,  welche  bisher  übersehen  wurden. 
Ich  fügte  hinzu,  dass  die  Schwefel-  und  Arsen-Verbindungen 
der  in  solchen  Gesteinen  aufsetzenden  Erzgänge  bestimmter 
Gangreviere  nur  diejenigen  schweren  und  edlen  Metalle  ent- 
halten, welche  auch  in  einem  der  oben  genannten  Silicate 
ihres  Nebengesteins  vorkommen  und  erläuterte  diese  Be- 
hauptung besonders  fiir  die  Erzreviere  von  Andreasberg, 
Bieber,  Wittichen,  Dillenburg  und  Schapbach.  Damit  war 
denn  bewiesen,  dass  die  Erze  sehr  vieler  Gänge  ebensowohl 
wie  die  Gangarten  jedenfalls  aus  dem  Nebengesteine  ausge- 
laugt  sind  und  sich  auf  den  Gangspalten  concentrirt  haben. 
Diese  Ansicht  hat   nach   den   mir  bis  jetzt   zugegangenen 


F,  Sandher get'.  Ueber  das  Vorkommen  des  Zinns  in  Silicaten.    137 

Mittheilungen  vielseitige  BilliguDg  erfahren  und  es  steht 
zu  hoffen,  dass  noch  von  Vielen  dahin  einschlagende  Ar- 
beiten in  Angriff  genommen  werden.  Ich  selbst  habe  die 
Untersuchungen  ebenfalls  fortgesetzt  und  auch  quantitative 
Analysen  vornehmen  lassen,  von  denen  ich  eine  hier  an- 
führen will,  die  soeben  in  einer  Inauguraldissertation  des 
Herrn  K.  Killing  aus  Hagen  veröffentlicht  wird.  Der 
schwarze  Glimmer  aus  dem  Gneisse  des  Schapbachthals  von 
3,04  spec.  Gew.  enthält  nach  ihm: 


Kieselsäure 

33,60 

Thonerde 

15,00 

Eisenoiyd 

4,99 

Eisenoxydul 

19,29 

Kalk 

3,36 

Magnesia 

11,62 

Kali 

7,53 

Natron 

0,51 

Wasser 

4,58 

Fluor 

0,28 

Bleioiyd 

0,028 

Knpferoxyd 

0,070 

Wismutoxyd 

0,0056 

Kobaltoxydnl 

0,0094 

100,8730 
Ab  für  1  Fluor  1  Sauerstoff  0,236 


100,6370 

In  diesem  Glimmer  kommen  also  mit  Ausnahme  des 
Silbers  sämmtliche  auf  den  Schapbacher  Erzgängen  auftre- 
tenden Metalle  und  zwar  ungefähr  in  dem  relativen  Ver- 
hältnisse vor,  wie  sie  in  diesen  getroffen  werden.  Um  auch 
das  Silber  quantitativ  zu  bestimmen,  hätten  noch  viel 
grösisere  Mengen  in  Arbeit  genommen  werden  müssen.  Da 
indess  davon  in  dem  Haupterze,  dem  Bleiglanz  nur  0,06®/o 
[1878.  2.  Math.-pliy8.  Cl.]  10 


138  Sitzung  der  math^-phys.  Classe  vom  4.  Mai  1878, 

enthalten  sind  und  nur  in  dem  sehr  seltenen  Schapbachit 
(Wismutbleisilbererz)  eine  stärkere  Anreicherung  an  Silber 
zu  bemerken  ist,  so  konnte  davon  abgesehen  werden.  Der 
schwarze  Glimmer  von  Schapbach  gehört  nicht  zu  den  an 
schweren  Metallen  reichen  Varietäten  dieses  Minerals,  denn 
nach  anderen  später  zu  veröflfentlichenden  Analysen  gibt  es 
solche  mit  beträchtlich  höherem  Gehalte  an  schweren  Me- 
tallen und  Antimon  und  in  einem  wurde  über  0,1  ®/o  Silber- 
oxyd constatirt.  Diese  überraschende  Thatsache  lässt  ver- 
muthen,  dass  die  von  mir  aus  rein  theoretischem  Gesichts- 
punkte unternommene  Untersuchung  auch  einen  greifbaren 
Werth  für  die  Praxis  erlangen  könne,  da  es  nun  möglich 
erscheint,  dass  sich  Glimmer  mit  noch  höherem  Silberge- 
halte finden  werden,  die  eine  metallurgische  Benutzung 
erlauben. 

Merkwürdigerweise  hatte  sich  in  keinem  der  unter- 
suchten dunklen  Glimmer  Zinn  gezeigt.*)  Es  schien  also, 
dass  dieses  Metall ,  wenn  es  überhaupt  in  Glimmern  vor- 
käme, nur  in  einer  bestimmten  Gruppe  derselben  auftreten 
werdfe.  Dass  Granite  und  einige  andere  Felsarten,  welche 
Lithionglimmer  enthalten,  Zinnerz  eingesprengt  und  auf 
Gängen  führen,  ist  bekannt.  Ich  glaubte  daher  die  Lithion- 
glimmer auf  Zinnsäure  untersuchen  zu  sollen  und  wählte 
natürlich  zunächst  solche,  die  nicht  auf  Zinnerzgängen  vor- 
kommen ,  nämlich  die  Lepidolithe  von  Paris  in  Maine 
(N^ordamerika)  und  Rozeua  in  Mähren. 

Die  verwendeten  Blättchen  zeigten  bei  sorgfaltigster 
Untersuchung  auf  eine  etwaige  Beimengung  von  Zinnstein- 
körnchen keine  Spur  von  solchen ,  waren  also  *  rein.  Sie 
wurden  aufgeschlossen   und   die  salzsaure  Lösung   von  je  5 


*)  Zinn  ist  in  Silicaten  meines  Wissens  bisher  nnr  einmal  be- 
obachtet worden,  nämlich  von  Berzelius  1833  im  Olivin  des  Meteoriten 
von  Otampa  in  Südamerika,  in  dem  er  0,17^0  Zinusäure  fand. 


F.  Sandher ger:  Ueber  das  VorTcommen  des  Zinns  in  Silicaten.  139 

Grm.  mit  Schwefelwasserstoff  gefällt.  Es  entstand  sogleich 
ein  gelber  Niederschlag,  welcher  sich  als  reines  Schwefelzinn 
erwies  und  bei  der  Reduction  das  Metall  in  glänzenden 
dehnbaren  Kugeln  ausgab.  Der  Glimmer  von  Paris  war 
etwas  reicher  an  Zinn  als  der  von  Rozena. 

Zinnsäure  war  also  in  beiden  Glimmern  enthalten,  ob- 
schon  selbst  die  neuesten  sonst  sehr  genauen  Analysen  von 
Dr.  Berwerth  (Tschermak  Min.  Mitth.  1877  S.  337  ff.)  nicht 
einmal  Spuren  derselben  angeben.  Offenbar  wurde  auch 
hier  wie  bei  so  vielen  früheren  Analysen  die  Prüfung  auf 
die  durch  Schwefelwasserstoff  fällbaren  Metalle  unterlassen. 

Die  Eutdeckung  des  Zinngehaltes  der  Lithionglimmer 
ist  zunächst  vom  chemisch-geologischen  Standpunkte,  aber 
auch  noch  von  anderen  von  einigem  Interesse.  Diese 
Glimmer  sind  hiernach  höchst  wahrscheinlich  die  ürsprungs- 
körper  des  Zinnsteins,  welcher,  wie  die  schönen  Pseudo- 
morphosen  nach  Orthoklas  beweisen,  unzweifelhaft  aus  einer 
complicirteren  Verbindung  auf  chemisch  -  wässerigem  Wege 
abgeschieden  worden  ist.  Aber  das  Auftreten  der  Zinnsäure 
als  theilweisen  Vertreters  der  Kieselsäure  bildet  auch  ein 
sehr  schönes  Analogon  für  das  längst  bekannte  der  iso- 
morphen Titansäure  in  anderen  Glimmern.  Dass  dadurch 
auch  die  Wahrscheinlichkeit  der  Entdeckung  einer  quadra- 
tisch krystallisirten  Kieselsäure  erhöht  wird,  brauche  ich 
kaum  hinzuzufügen. 


Nachschrift.  Nach  Absendung  der  vorstehenden  Notiz 
an  die  k.  Academie  wurde  auch  noch  in  den  Lithion- 
glimmern  von  Penig  in  Sachsen  und  ütoen  in  Schwe- 
den Zinnsäure  nachgewiesen. 


10* 


140  Sitzung  der  math.-phys,  Claase  vom  4.  Mai  1878, 


Herr  W.  v.  Beetz  sprach: 

üeber    die    Electrioität serregang    beim 
Gontact  fester  nnd  gasförmiger  Körper. 

Als  ich  meine  ersten  Versuche  über  die  electromotori- 
schen  Kräfte  von  Gasketten  bekannt  machte,  sprach  ich 
mich  über  den  Ort  aus,  an  welchem  der  Sitz  der  erzeugten 
Spannungsdifferenz  zu  suchen  sei.  ')  Grove  hatte  als 
solchen  die  Berührungsstelle  von  Platin,  Gas  und  Flüssig- 
keit angenommen.  ^)  Ich  Hess  diese  Annahme  nicht  als 
allgemein  richtig  gelten;  für  Gase,  welche  vom  Wasser 
stark  absorbirt  werden,  wie  Chlor,  ist  sie  es  gewiss  nicht, 
denn  eine  Platinplatte,  welche  ganz  in  chlorhaltige  Flüssig- 
keit untergetaucht  ist,  verhält  sich  electrisch  stark  different  i. 
gegen  eine  in  chlorfreie  Flüssigkeit  tauchende  Platinplatte 
Für  andere  Gase  zeigte  ich,  dass  der  Vorgang  ganz  ähnlich 
angesehen  werden  könne;  er  ist  nur  um  so  weniger  deut- 
lich ausgesprochen,  je  weniger  dieselben  in  der  Flüssigkeit 
löslich  sind.  Ich  bekleidete  den  oberen,  von  Wasserstoffgas 
umgebenen  Theil  einer  Platinplatte  mit  einer  isolirenden 
Schicht,  so  dass  das  freie  Platin  gänzlich  von  der  Flüssig- 
keit bedeckt  war  und  erhielt  dennoch  ein  wirksames  Gas- 
element,   freilich   von  etwas    geringerer    electromotorischer 


1)  Poggend.  Ann.  LXXVII.  p.  505.  1849. 

2)  Phil.  Trans.  1843.  II.  p.  97 


V.  Beetz:  lieber  die  Electricitätserregung  heim  öontuct  etc.     141 

Kraft,  als  wenn  auch  das  obere  Platinende  direct  vom  Gase 
umgeben  gewesen  wäre.  Ich  habe  mich  a.  a.  0.  über  die 
Gründe  dieses  Unterschiedes  ausgesprochen.  Später  ist 
Gangain  ebenfalls  zu  dem  Schi uss  gelangt,  dass  das  Platin 
nur  auf  die  in  der  Flüssigkeit  aufgelösten  Gase  wirke ;  •) 
er  senkte  einen  Platindraht,  welcher  vom  Gase  umgeben 
war  und  in  die  Flüssigkeit  tauchte,  allmählich  so  tief  in 
diese  ein,  bis  er  ganz  von  ihr  bedeckt  war  und  erhielt  dann 
ganz  dieselbe  Spannungsdifferenz,  wie  wenn  ein  Theil  des 
Drahtes  vom  Gase,  der  andere  von  der  Flüssigkeit  umgeben 
war.  Ich  habe  das  daraus  erklärt,  dass  bei  dieser  Art  den 
Versuch  anzustellen ,  der  Draht  zuerst  wirklich  mit  dem 
Gase  in  Berührung  gewesen  war  und  dann  eine  condensirte 
Gasschicht  in  die  Flüssigkeit  mitnahm.  *)  Weiter  habe  ich 
mich  in  den  oben  angezogenen  Abhandlungen  darüber  aus- 
gesprochen, dass  von  dem  Grade  einer  solchen  Verdichtung 
der  Gase  die  Grösse  der  Spannungsdifferenz  zwischen  einem 
reinen  und  einem  mit  einem  Gase  bekleideten  Metalle  ab- 
hänge, dass  die  Verdichtung  grösser  oder  kleiner  sei  je 
nach  dem  Metalle,  mit  welchem  die  Graselemente  hergestellt 
wurden  und  dass  die  Verdichtung  besonders  stark  durch 
electrolytische  Polarisation  hervorgebracht  werde,  weshalb 
die  electromotorische  Kraft  der  Gase  in  diesem  Falle  eine 
besonders  grosse  sei.  Die  schon  durch  die  Einwirkung 
kleiner  Wasserstoffmengen  auf  Platin  hervorgebrachte  be- 
trächtliche Spannungsdifferenz  verglich  ich  mit  der  analogen 
Erscheinung,  welche  die  Stellung  der  Amalgame  in  der 
Spannungsreihe  zeigt.  Macaluso  hat  ferner  nachgewiesen, 
dass  durch  lange  fortgesetzte  electrolytische  Entwicklung 
von  Wasserstoff  oder  Chlor  an  Platin-  oder  Kohlenelectro- 
den  weit  grössere  electromotorische  Kräfte  erzeugt  werden 


3)  Compt.  rend.  LXIV.  p.  864.  1867. 

4)  Poggr.  Ann.  CXXXIL  p.  461.  1867. 


142  Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  4.  Mai  1878. 

könneu  als  durch  einfache  Berührung  der  Gase  mit  den 
Platten  oder  durch  kurzdauernde  Gasentwicklung  an  den- 
selben ;  er  glaubte  deshalb,  den  electrolytisch  abgeschiedenen 
Gasen  in  ähnlicher  Weise  einen  activen  Zustand  zuschreiben 
zu  sollen,  wie  wir  ihn  am  Sauerstoff  kennen.  ^)  Freilich 
ist,  was  den  Wasserstoff  betrifft,  durch  Magnus  das  Vor- 
handensein einer,  schon  früher  von  Osann  angenommenen 
activen  Modification  sehr  zweifelhaft  gemacht  word#u.  ^) 

Während  es  sich  bei  allen  diesen  Untersuchungen  um 
das  Vorhandensein  bedeutender  Gasmengen  an  den  Metall- 
platten handelte,  ist  neuerdings  derjenige  Fall  eingehend 
besprochen  worden,  in  welchem  sich  nur  dünne  Gasüberzüge 
über  die  Platten  gebildet  haben.  F.  Kohlrauch  hat 
diese  dünnen  üeberzüge  einer  sorgfältigen  Betrachtung 
unterworfen''^)  und  Helmholtz®)  und  Herwig^)  haben 
die  Analogie  zwischen  einer  zwei  polarisirte  Electroden  mit 
einander  verbindenden  Flüssigkeitsschicht  und  einem  Con- 
densator  zum  Gegenstand  ihrer  Untersuchungen  gemacht. 
Hierbei  hat  Helmholtz  die  Ansicht  vertreten,  dass  bei 
der  Polarisation  nicht  nur  oberflächlich  haftende,  sondern 
auch  tiefer  in  das  Platin  eingedrungene  Theile  des  Gases 
eine  Rolle  spielen  müssen,  wovon  die  Möglichkeit  durch 
die  von  Graham  am  Palladium  und  Platin  ausgeführten 
Versuche  schon  angezeigt  sei.  In  der  That  gelang  es 
R  0  0 1 ,  ^^)  ein  bei  der  Electrolyse  verdünnter  Schwefelsäure 
stattfindendes  Durchdringen  des  Wasserstoffs  durch  eine 
Platinplatte  nachzuweisen,  indem  diese  Platte  nicht  nur  auf 
der  Seite,   an  welcher  die  Electrolyse  stattfand,   polarisirt 


5)  Ber.  d.  k.  sächs.  Ges.  d.  W.  Matb.-pbys.  Cl.  1873  p.  306. 

6)  Vergl.  Wiedemann  Galyanismus.  2.  Aafl.  I.  p.  533. 

7)  Gott.  gel.  Nachr.  1872.  Nr.  23  g.  453. 

8)  Monatsb.  d.  Berl.  Akad.  d.  W.  1873.  p.  587. 

9)  Wiedem.  Ann.  IL  p.  566.  1877. 

10)  Monatsb.  d.  Berl.  Akad.  d.  W.  1876.  p.  217. 


V,  Beete:  Ueber  die  BJlectricitätserregung  heim  Contact  etc,     143 

erschien,  sondern  auch  an  der  entgegengesetzten,  vor  jeder 
electrolytivschen  Einwirkung  geschützten. 

Nur  von  wenigen  Forschern  sind  bei  Untersuchungen 
über  galvanische  Polarisation  andere  Gase  in  Betracht  ge- 
zogen worden,  als  Wasserstoff  und  Sauerstoff,  und  es  ent- 
steht deshalb  die  Frage,  ob  man  auf  alle  Fälle  der  Polari- 
sation ganz  dieselbe  Anschauungsweise  ausdehnen  kann, 
welche  für  die  beiden  genannten  Gase  und  zwar  vorzugs- 
weise für  den  Wasserstoff  gelten.  Eine  Reihe  von  Ver- 
suchen, welche  ich  mit  Palladium-  und  mit  Kohlenelectroden 
angestellt  habe,  dürfte  zur  Beantwortung  dieser  Frage 
beitragen. 

Ueber  die  electromotorische  Stellung  des  Palladiums 
sich  genaue  Kenntniss  zu  verschaffen,  ist  eine  sehr  schwierige 
Aufgabe.  Das  Palladium,  wie  man  es  im  Handel  erhält, 
ist  stets  geglüht  worden  und  hat  dabei,  wie  Graham  ge- 
zeigt hat,  Gase  in  sich  aufgenommen.  Die  Mittel,  welche 
man  gewohnlich  anwendet,  um  solche  occludirte  Gase, 
namentlich  Wasserstoffgas,  aus  dem  Palladium  auszutreiben, 
genügen  so  weit,  dass  eine  chemische  Analyse  wohl  keine 
Rückstände  mehr  nachweisen  kann,  aber  nicht  um  auch 
jede  Veränderung  im  electromotori sehen  Zustande  des  Me- 
talles zu  vernichten.  Namentlich  gilt  dies  von  der  Behand- 
lung mit  der  Quecksilberluftpumpe ;  es  ist  mir  nie  gelungen, 
eine  Palladiumplatte,  an  welcher  eine  Wasserstoffentwickel- 
ung stattgefunden  hatte,  auf  diese  Art  ganz  in  ihre  frühere 
electromotorische  Stellung  zurückzubringen.  Vollständig 
wird  dagegen  der  letzte  Wasserstoff  dadurch  entfernt,  dass 
man  an  der  Platte  längere  Zeit  hindurch  Sauerstoff  ent- 
wickelt. Dabei  aber  bedeckt  sie  sich  mit  einer  braunen 
Oxydschicht;  entfernt  man  ""dieselbe  durch  noch  so  sorgfäl- 
tiges Abreiben,  so  nimmt  die  Platte  doch  immer  eine  viel 
negativere  Stellung  in  der  Spannungsreihe  ein,  wie  wenn 
man  sie  mit  verdünnter  Salzsäure  abgeputzt  hat.     Zur  6e- 


144         Sitzung  der  matK-phys,  Glosse  vom  4.  Mai  1878. 

stimmuDg  dieser  Stellung  habe  ich  mich  meines  üniversal- 
compensators  *^)  bedient,  mit  dem  auch  alle  übrigen  Mes- 
sungen der  hier  in  Betracht  kommenden  Spannungsdifferenzen 
gemaclit  worden  sind.  Die  zu  prüfende  Palladiumplatte 
tauchte  in.  sehr  verdünnte  Schwefelsäure  (1  :  100)  und  bil- 
dete so  den  negativen  Bestandtheil  eines  Elementes,  dessen 
positiver  aus  einem  amalgamirten  in  concentrirter  Zink- 
vitriollösung stehenden  Zinkcylinder  bestand.  Beide  Flüssig- 
keiten waren  durch  ein  an  beiden  Enden  durch  Thonzellen 
geschlossenes  und  mit  verdünnter  Schwefelsäure  gefülltes 
Heberrohr  mit  einander  verbunden.  Als  Einheitselement 
diente  ein  Daniellelement  in  der  schon  früher  von  mir  an- 
gewandten Gestalt ;  die  Zinkzelle  in  demselben  ist  mit  Zink- 
vitriollösung gefüllt.  Wenn  man  die  electromotorische 
Kraft  eines  solchen  Elementes  mit  d  bezeichnet,  die  eines 
Daniellelementes,  dessen  Zinkzelle  verdünnte  Schwefelsäure 
enthält,  mit  D,  so  ist  d  zz:  0,95  D.  Da  die  Kraft  D  als 
Einheitskraft  allgemein  eingeführt  ist,  so  habe  ich  auch 
meine  folgenden  Angaben  alle  auf  dieselbe  reducirt.  Ebenso 
citire  ich  aus  früheren  Arbeiten  den  Werth  der  electromo- 
torischen  Kräfte  in  der  Einheit  D  zu  1  und  betrachte  auch 
als  Ausgangspunkt,  d.  h.  als  positiven  Theil  des  in  Rede 
stehenden  Elementes,  immer  amalgamirtes  Zink  in  verdünn- 
ter Schwefelsäure,  so  dass  also  z.  B.  die  electromotorische 
Kraft  Zink  -in  verdünnter  Schwefelsäure  |  Platin  in  ver- 
dünnter Schwefelsäure,  oder  abgekürzt  geschrieben  Zn  |  Pt 
=^  1,61  D,  Zink  in  verdünnter  Schwefelsäure  |  Platin  mit 
Wasserstoff  bekleidet  in  verdünnter  Schwefelsäure,  oder 
Zn  I  Pt,  H  =  0,80  D  u.  s.  w.  So  fand  ich  denn  die  Kraft 
Zn  I  Pd,  wenn  ich  das  oxydirte  Blech  nur  mechanisch  ab- 
gerieben hatte,  stets  sehr  gross,  zwischen  1,90  und  2,03  D 
schwankend ,    offenbar    weil    immer    noch    Oxydrückstände 


11)  Wiedem.  Ann.  IIL  p.  1.  1878. 


V.  Beetz:  Ueber  die  Electricitätserregung  beim  Üontact  ete,     145 

bafteten.     Wurde  dagegen  der  braune  üeberzug  durch  ver- 
dünnte Salzsaure  entfernt,  so  fand  sich  die  electroraotorisclie. 
Kraft  innerhalb  ziemlich  enger  Grenzen  constant,  nämlich  : 
1,24     1,26     1,24     1,29     1,32     1,31   1,28 
im  Mittel  Zn  |  Pd  =   1,28  D. 

Wenn  wir  das  so  gereinigte  Palladium  wirklich  als 
rein  betrachten  dürfen,  so  ist  dessen  Stellung  in  der  elec- 
tromotorischen  Reihe  dem  Zink  beträchtlich  näher,  als  die 
des  Platins.  Immerhin  ist  es  nicht  rathsam,  die  Stellung 
einer  durch  irgend  ein  Gas  polarisirten  Palladiun? platte  bei 
messenden  Versuchen  auf  die  des  reinen  Palladiums  zu  be- 
ziehen; weit  sicherer  lässt  sich  dieselbe  ermitteln,  wenn 
man  unter  allen  Umständen  die  amalgamirte  Zinkplatte  in 
concentrirter  Zinkvitriollösung  mit  der  zu  untersuchenden 
Platte  durch  das  Heberrohr  zu  einer  Kette  verbindet,  oder 
auch  wenn  man  zwei  durch  verschiedene  Gase  polarisirte 
Platten  unmittelbar  einander  gegenüberstellt. 

Zwei  aus  demselben  Blech  geschnittene  Pallädiumplatten 
wurden  durch  Korke  gesteckt,  welche  die  oberen  Enden 
zweier  Glasröhren  schlössen.  Die  Röhren  wurden  mit  ver- 
dünnter Schwefelsäure  gefüllt  und  in  ein  Glas,  welches  die- 
selbe Flüssigkeit  enthielt,  umgestürzt.  Dann  wurde  in  die 
eine  Röhre  Sauerstoffgas,  in  die  andere  Wasserstoffgas  ge- 
bracht. Beide  Gase  waren  electrolytisch  entwickelt  und 
wurden  in  kleinen  Gasometern  aufbewahrt,  aus  denen  sie 
nach  Bedarf  entnommen  werden  konnten. 

Die  mit  Sauerstoff  umgebene  Platte  zeigte  in  ihrer 
electromotorischen  Beschaffenheit  nicht  die  geringste  Ver- 
änderung, weder  sogleich,  noch  nach  längerer  Einwirkung 
des  Sauerstoffs.  Die  Spannungsdifferenz  Zn  |  Pd,  0  war 
ganz  unverändert  dieselbe,  wie  Zn  |  Pd.  Das  Wasserstoff- 
gas dagegen  übte  vom  ersten  Augenblick  an  einen  starken 
Einfluss;  beim  Eintreten  der  ersten  Gasblase  wurde  das 
Palladium  sofort  positiver    und  nachdem  eine  Zeit  hindurch 


146  Sitzung  der  math.'phys.  Classe  vom  4,  Mai  1H78. 

Gas  vom  Metalle  aufgenommen  worden  war,  wurde  die 
Kraft  Zn  |  Pd,H  bei  verschiedenen  mit  Blechen  oder 
Drähten  angestellten  Versuchen  gefunden 

0,64     0,69     0,71     0,70     0,69  ' 
im  Mittel  Zn  |  Pd,H  =  0,69  D. 

Auf  dieser  Höhe  blieb  sie  stehen,  auch  wenn  so  lange 
WasserstoflF  von  aussen  hinzugeföhrt  oder  an  der  Platte 
selbst  entwickelt  worden  war,  dass  es  vom  Palladium  nicht 
mehr  absorbirt  werden  konnte,  sondern  dessen  oberen  Theil 
frei  umgab.     Hiernach  würde  die  Spannungsdifferenz 

Pd,H  I  Pd  =  1,28  —  0,69  =  0,59  D 

sein,  während  ich  früher 

Pt,H  I  Pt  =  0,81  D 

gefunden  hatte.  Ob  die  Palladiumplatte  blank  oder  mit 
einem  üeberzuge  von  Palladiumschwarz  angewandt  wurde, 
machte  keinen  Unterschied. 

Weiter  wurden  Palladiumplatten  als  Electroden  einer 
drei-  bis  vierpaarigen  Groveschen  oder  einer  sechspaarigen 
Meidingerschen  Säule  gebraucht.  Auch  diese  Electroden 
waren  in  Glasröhren  eingeschlossen  um  die  Electrolyse  so- 
lange fortsetzen  zu  können,  bis  das  entwickelte  Wasser- 
stoffgas nicht  mehr  vom  Palladium  absorbirt  wurde.  Die 
Messung  der  vorhandenen  Polarisation  geschah  ebenfalls 
mittelst  des  Universalcompensators ;  die  an  demselben  an- 
gebrachte einfache  Auslösung  liefert  bei  einiger  üebung 
sehr  constante  Resultat«,  die  freilich,  wie  alle  ähnlichen 
Vorrichtungen,  den  Uebelstand  nicht  ganz  vermeidet,  dass 
der  Polarisationsstrpm  erst  eine,  wenn  auch  sehr  kurze, 
Zeit  nach  Unterbrechung  des  polarisirenden  Stromes  ge- 
schlossen wird.  Zum  Unterschiede  von  der  'electromotori- 
schen  Kraft  Zn  |  Pd,H,  welche  durch  die  blosse  Umgebung 
einer  Palladiumplatte  mit  Wasserstoff  erregt  wird,  bezeichne 


V,  Beetz:  Üeher  die  Electricitätserregung  beim  Cont<ict  etc.      147 

ich    mit  Zn  |  Pdu    die    durch    die   galvanische  Polarisation 
vom  WasserstoflF  erregte  Kraft.     Dieselbe   wurde  gefunden 

0,69  0,71  0,67 
im  Mittel  Zn  |  Pdn  =  0,69  D 
d.  h.  ganz  ebensogross,  wie  Zn  |  Pd,H.  In  diesem  Falle 
hatte  also  ein  Einpressen  des  Wasserstoffes  in  die  Palladium- 
platte  durch  den  electrolytischen  Vorgang  gar  keinen  Er- 
folg mehr;  die  Platte  war  bereits  mit  Wasserstoff  ganz 
gefüllt. 

Mit  der  positiven  Electrode  angestellte  Messungen 
gaben  ganz  unbestimmte  Resultate.  Die  Platten  bräunten 
sich  sogleich  und  wurden  sehr  stark  negativ,  so  dass  ich 
für  die  Kraft  Zn  |  Pdo  Werthe  wie  2,12  D  erhielt.  Dem 
entsprechend  wurden  auch  für  die  Gesammtpolarisation 
Pda  I  Pdo  sehr  grosse  Kräfte  gefunden;  ich  überzeugte 
mich  aber,  dass  eine  Aufzählung  derselben  gar  keine  Be- 
deutung hat,  da  hier  gar  nicht  mehr  die  Wirkung  der 
gasförmigen  activen  oder  passiven  Sauerstoffs  in  Betracht 
kommt,  sondern  die  der  abgelagerten  Oxydschicht.  Ich 
kann  deshalb  von  den,  von  anderen  Beobachtern  über  die 
Stärke  der  Polarisation  an  Palladiumplatten  gemachten 
Zahlenangaben  auch  nur  eine  mit  meinen  eigenen  Resul- 
taten vergleichen:  Graham  ^^)  fand  nämlich  die  durch 
1  bis  4  Bunsenelemente  hervorgebrachte  Polarisation 

Pdn  I  Pto   =  1,50  bis  1,85  D. 

Ick  selbst  finde  bei  der  Electrolyse  durch  4  Grove  oder 
6  Meidinger 

1,83         1,77 

im  Mittel  Pdn  |  Pto   =   1,80  D, 

also  sehr  nahe  ebenso,  wie  Graham;  die  Platinplatte  war 

dabei   nicht   ganz   bis  zum  Maximum  polarisirt.     Eine   von 

Pearnell  *•)  gemachte  Angabe,   nach  welcher  die  Polari- 

12)  Philos.  Mag.  (4)  XXXVIII.  p.  243. 

13)  ibid  XXXIX  p.  52. 


148  Sitzung  der  viath.-phys.  Classe  vom  4.  Mai  1878, 

sation  Pdn  |  Pdo    =  0,306  D  sein   soll,    ist   offenbar   viel 
za  niedrig. 

Das  üeberziehen  des  Palladiums  mit  Palladiumschwarz 
änderte  auch  an  der  Polarisation  durch  Wasserstoff  nichts 
Böttger  **)  giebt  Beweise  für  die  kräftige  Polarisation 
solcher  geschwärzter  Palladiumplatten ;  die  hervorragende 
Wirkung  kommt  aber  erst  beim  dauernden  Stroraesschluss 
in  Betracht,  während  er  bei  der  momentanen  Schliessung, 
welche  die  Compensationsmethode  verlangt,  ohne  Belang  ist. 
Die  Bekleidung  der  positiven  Electrode  mit  Palladium- 
schwarz wird  sofort  abgestossen ;  die  sich  bildende  Oxyd- 
schicht  blättert  den  schwarzen  Ueberzug  vollständig  ab. 

Von  anderen  Oasen  habe  ich  am  Palladium  noch 
wirken  lassen  Chlor,  Kohlenoxyd,  Aethylen  und  Schwefel- 
wasserstoff. 

Chlor  wirkt  gleich  mit  den  ersten  Spuren,  welche  in 
die  Flüssigkeit  eintreten  und  von  ihr  absorbirt  werden, 
stark  negativ.  Als  die  Flüssigkeit  mit  Chlor  gesättigt  war, 
zeigte  sich  die  electromotorische  Kraft 

Zu  I  Pd,Cl  =^   2,04  D, 
bei  längerem  Stehen  der  Combination  stieg  sie  sogar  noch, 
aber  nur  um  ein  Geringes.     Hiernach  ist  dann 

Pd  I  Pd,Cl  =  0,76  D. 

Der  Versuch,  durch  Electrolysi^'  von  Salzsäure  das 
Palladium  mit  Chlor  zu  polarisiren,  musste  als  unnütz  auf- 
gegeben werden.  Schon  das  von  aussen  her  in  das  Gas- 
element eingeführte  Chlorgas  griff  das  Palladium  an  und 
bräunte  das  Metall  sowohl  als  die  Flüssigkeit  nach  einiger 
Zeit;  bei  der  Electrolyse  aber  begann  dieser  Angriff  sofort 
in  heftiger  Weise,  auch  ein  Ueberzug  von  Palladiumschwarz 
wurde  sofort  abgestossen. 

Aethylen    und   Kohlenoxydgas   in   die   die   eine  Palla- 


14)  Jahresb.  d.  Prankf  ph.  Ver.  1875—76  p.  28. 


V.  Beete:  Ueher  die  Electricitätserregung  heim  Co^fact  etc.      149 

diumplatte  enthaltende  Röhre  eingeführt,  polarisiren  die- 
selbe beide  positiv  und  zwar  fand  ich  nach  Einführung  des 
Aethylens  die  Werthe 

1,22     1,24     1,23 
im  Mittel  Zn  |  Pd,  C^H^  =  1,23  D, 
und  nach  Einführung  des  Kohlenoxydgases 

1,05     1,06 
im  Mittel  Zn  |  Pd,  CO  =  1,05  D. 
Hiernach  ist  dann 

Pd,  C,H^  I  Pd  =  0,05  D 
Pd,  CO  1  Pd  =  0,23  D. 

Wurde  Schwefelwasserstoffgag  in  das  Rohr  eingeführt, 
so  erhielt  ich  gleich  nach  Eintritt  der  ersten  Blasen  die 
Spann  ungsdifferenz 

Zn  I  Pd,  HgS  =  0,88  D. 

Wurde  die  Flüssigkeit  mit  immer  neuen  Gasraengen 
geschüttelt,  so  dass  sie  sich  mit  dem  Gase  sättigte,  so  ver- 
änderte sich  diese  Differenz  fast  nicht,  ich  erhielt  nach 
zweimal  erfolgter  neuer  Füllung 

0,87  und  0,87 
so  dass  sich  ergiebt 

Pd,  H,S  I  Pd  =  0,41  D. 

Die  Kohlen,  mit  denen  ich  experimentirt  habe,  sind 
vierkantige,  aus  Retortenkohle  geschnittene  Stäbe,  wie  sie 
für  die  electrischen  Lampen  gebraucht  werden.  Sie  sind 
von  grosser  Härte  und  sehr  dichtem  Gefüge.  Die  Kohlen 
wurden  durch  Auskochen  in  Salpetersäure,  in  Wasser  und 
endlich  in  verdünnter  Schwefelsäure,  in  der  sie  dann  er- 
kalteten, gereinigt.  Sollten  sie  in  verdünnter  Salzsäure 
statt  in  Schwefelsäure  gebdKicht  werden,  so  war  auch  diese 
Flüssigkeit  die  letzte,  in  der  sie  ausgekocht  wurden.  Die 
verschiedenen  Stäbe  wurden  durch  diese  Behandlung  ziem- 
lich gleichartig;   wenn   ich  sie  in  verdünnte  Schwefelsäure 


150         Sitzwm  der  math.'phys,  Classe  vom  4,  Mai  1878. 

brachte  und  diese  duroli  das  Heberrohr  mit  der  Zinkzelle 
verband,  so  erhielt  ich  folgende  electromotorische  Kräfte 
1,32  1,33  1,28  1,30  1,30  1,29 
1,27  1,27  1,38  1,37  1,37  1,32 
im  Mittel  Zn  |  C  =  1,31  D. 
Zu  jeder  Versuchsreihe  mussten  neue  Kohlenstücke  an- 
gewandt werden,  da  die  durch  verschiedene  Einwirkungen 
veränderten  Kohlen  sich  nicht  wieder  auf  ihren  anfanglichen 
Zustand  zurückfahren  Hessen.  Sauerstoflf  oder  Wasserstoff 
in  die  Röhren,  welche  die  Kohlen  umschlossen ,  hineinge- 
leitet, brachten  nicht  den  geringsten  Erfolg  hervor;  die 
electromotorische  Kraft  der  Combination  blieb  ganz  unver- 
ändert =  Zn  I  C.  Ebenso  indifferent  verhielten  sich  Kohlen- 
oxyd und  Aethylengas.  Diese  Ergebnisse  stimmen  nicht 
mit  meinen  früheren  Erfahrungen  überein,  nach  denen  die 
genannten  Gase  auch  an  Bunsenscher  Kohle  electromotorisch 
wirkten  und  durch  welche  ich  veranlasst  wurde,  anzu- 
nehmen, dass  die  electromotorischen  Kräfte  von  Gasketten, 
die  ans  verschiedenen  Metall-  (oder  Kohlen- )platten,  aber 
aus  den  gleichen  Gasen  zusammengesetzt  würden  in  einem 
bestimmten,  von  der  verdichtenden  Kraft,  welche  die  Me- 
talle auf  die  Gase  ausübten,  abhängigen  Verhältnisse  ständen. 
Die  Kohlen,  mit  denen  ich  vor  dreissig  Jahren  arbeitete, 
waren  sehr  poröse  aus  Coak  und  Steinkohle  bereitete  Bat- 
teriekohlen und  ich  sagte  damals,  der  von  mir  für  meine 
Kohlen  gefundene  Verdichtungscoefficient  sei  gewiss  nicht 
als  allgemein  gültig  zu  betrachten ;  andere  Kohlen  möchten 
sich  anders  verhalten.  Bei  den  jetzt  gebrauchten  ist  also 
von  einer  solchen  Proportionalität  überhaupt  gar  keine 
Rede,  die  angewandten  Gas6  mussten  auf  der  Kohle  gar 
keine  Verdichtung  erfahren  haben.  Um  diese  etwas  un- 
wahrscheinliche Thatsache  genauer  zu  prüfen,  schnitt  ich 
aus  solcher  Retortenkohle  zwei  regelmässige  Stücke,  deren 
jedes  einen  Querschnitt  von  0,5  X  0,5  q.  cm.  und  eine  Länge 


V.  Beete:  Üeher  die  Electricitälaerregung  heim  Ooutact  etc.      151 

von  1  cm.,  also  einen  Cnbikinhalt  von  0,25  cub.  cm.  hattn. 
Diese  Kohlenstacke  wurden  stark  ansgeglüht  und  dann  in 
Ammoniakgas  gebracht,  welches  in  Maasröbren  über  Queck- 
silber abgesperrt  war.  Nachdem  die  alte  Temperatur  völlig 
wieder  hergestellt  war,  hatte  das  Volumen  des  Ammoniak- 
gases um  eine  Kleinigkeit ,  die  sich  bei  der  veränderten 
Gestalt  des  Meniscus  nicht  scharf  bestimmen  liess,  zuge- 
nommen. Hätte  die  Zunahme  0,25  cub.  cm.  betragen,  so 
wäre  das  ein  Beweis,  dass  in  der  That  gar  kein  Gas  ab- 
sorbirt  war;  immerhin  zeigten  die  Versuche,  dass  die  Re- 
tortenkohle selbst  von  diesem  Gase,  das  andere  Kohlensorten 
so  lebhaft  absorbiren,  so  gut  wie  nichts  aufgenommen  hatte. 

Ganz  anders  verhielt  sich  die  Kohle  gegen  Chlor.  Dieses 
Gas  wurde  so  lange  in  die  Bohre  des  Elementes  hineinge« 
leitet,  bis  es  nicht  mehr  vollkommen  absorbirt  wurde,  dann 
warde  wieder  die  Verbindung  der  Leitungsflüssigkeit  mit 
der  Zinkzelle  hergestellt  und  wurden  folgende  Spannnngs- 
differenzen  gefunden : 

1,97     1,97     1,94     2,01 
im  Mittel  Zn  |  C,  Gl  =  1,97  D, 

so  dass  sich  ergiebt 

C  I  C,C1  =  0,69  D. 

Wurde  das  Chlor  nicht  von  aussen  her  in  die  Röhre 
eingeführt,  sondern  durch  Electrolyse  verdünnter  Salzsäure 
gleich  an  der  Kohlenelectrode  entwickelt,  so  ergaben  sich 
noch  grössere  electromotorische  Kräfte,  nämlich 

2,13     2,25     2,18 
im  Mittel  Zn  |  C«  =  2,19  D. 

Bei  länger  dauernder  Polarisation  hat  Maoaluso  noch 
grössere  Werthe  beobachtet. 

Dass  Kohlenelectroden  durch  Electrolyse  in  verdünnter 
Schwefelsäure  sehr  stark  polarisirt   werden,   ist  schön  be- 


152  Sitzung  der  math.'phya,  Classe  vom  4.  Mai  1S78. 

kannt;  namentlich  hat  neuerdings  Dufour  ^^)  hierauf  auf- 
merksam gemacht.  Ich  fand  die  Polar isationsgrösse  für 
beide  Electroden  zusammen 

2,08     2,21     1,96     2,04 
im  Mittel  Ch  |  Co    =  2,07  D. 
Für    die    Polarisation    der    negativen    Electrode    wurde 
nach  Herstellung  der  Verbindung  mit  der  Ziukzelle  gefunden 

0,27     0,26 


im  Mittel  Zn  |  Ch   =  0,26  D 
für  die  der  positiven 

2,16     2,38 
im  Mittel  Zn  |  Co   =  2,27  D. 
Durch  directe  V«rgleichung  wurde  femer  gefunden  die 
Kraft  zwischen  reiner  Kohle  und  mit  Wasserstoff  polarjsirter 

1,07     1,11 

im  Mittel  Ch  |  C  ~    1,09  D 

und  zwischen  reiner  Kohle   und   mit  Sauerstoff  polarisirter 

1,07     1,04 
im  Mittel  C  |  Co    --=   1,05  D 
woraus  sich  dann  ergeben  würde 

Ch  I  Co   =  2,14  D, 
während  direct  2,07  gefunden  worden  war. 

Wenn  ich  die  Kohlenelectroden,  an  denen  die  Electro- 
lyse  stattgefunden  hatte,  stehen  liess,  so  nahm  ihre  Span- 
nungsdifferenz gegen  reine  Kohle  nur  langsam  und  unvoll- 
kommen ab.  Die  Kohle,  an  der  der  Wasserstoff  entwickelt 
worden  war,  zeigte  noch  nach  24  Stunden  Spannungsunter- 
schiede gegen  reine  Kohle  im  Betrage  von  etwa  0,6  D, 
die  an^  der  Sauerstoff  entwickelt  worden  war,  solche  von 
etwa  0,3  D.  Offenbar  waren  aber  in  den  Kohlen  ander- 
weite chemische  Veränderungen  vorgegangen,  in  der  nega- 
tiven wahrscheinlich  Rednctionen  trotz  aller  Reinigung  noch 


15)  Bull.  Soc.  Vand.  (2)  XIX.  p.  63.  1876 ;  Beiblätter  I.  p.  573. 


V.  Beetz:  üeber  die  ElectricitäUerregung  heim  CanUict  etc.     153 

eingemischter  Metalloxyde,  an  der  positiven  umgekehrt 
Oxydationen.  Eine  zwischen  Kohlenelectroden  vorgenommene 
£lectroIyse  von  verdünnter  Schwefelsaure  lieferte  in  der- 
selben Zeit,  in  welcher  an  Platinelectroden  27,36  cnb.  cm. 
Wasserstoff  durch  denselben  Strom  ausgeschieden  wurden, 
26,86  cub.  cm.  Wasserstoff,  aber  nur  IJl  cub.  cm.  Sauer- 
stoff. Zur  Reduction  war  also  nur  sehr  wenig  Wasserstoff 
verbraucht  worden ;  um  so  mehr  Sauerstoff  zur  Oxydation.  Die 
Kohle  selbst  kann  nicht  die  der  Oxydation  unterliegende  Sub- 
stanz sein,  da  sonst  Kohlensäure  oder  Eohlenoxyd  hätten  auf- 
treten müssen.  Das  geschah  nicht,  dagegen  wurde  von  der 
Anode  reichlich  Kohlenpulver  losgestossen ,  ganz  ähnlich, 
wie  das  Palladiumpulver  von  der  sich  oxydirenden  Palla- 
diumanode abgestossen  wurde;  dabei  förbte  sich  die  Ober- 
fläche der  Kohle  tiefblau.  Bei  der  Ghlorentwickelnng  an 
einer  Kohlenelectrode  hat  Macaluso  ebenfalls  diese  Süer- 
störung  der  Kohle  beobachtet. 

Wieder  anders  war  endlich  das  Verhalten  der  Kohle 
gegen  Schwefelwasserstoff.  Nachdem  ebenso,  wie  früher 
beim  Palladium,  einige  Oasblasen  an  die  Kohle  getreten 
waren,  zeigte  sich  gar  keine  Veränderung  in  deren  electro^ 
motorischen  Stellung.  Als  die  verdünnte  Schwefelsäure 
wiederholentlich  mit  neuen  Schwefelwasserstoffmengen  ge-* 
schüttelt  worden,  rückte  die  Kohle  dem  positiven  Ende  der 
Spannungsreihe  immer  näher.  Es  war  nämlich  beobachtet 
fiir  Zu  I  C,  HgS 

anfanglich  1,29 

nach  der  zweiten  Füllung        1,13 
nach  der  dritten  „  1,04 

nach  der  vierten  „  1,02 

Die  electromotorische  Kraft  näherte   sich  also  mit  der 
Sättigung  der  Lösung  einem  Grenzwerthe,  der  etwa 

Zu  I  C,  HgS  =   1,02  D 
zu  setzen  ist,  so  dass 
[1878.  2.  Matb.-phys.]  Cl.  11 


154         Sitzung  der  m€Uh,'phy$,  Glosse  vom  4.  Mai  1878. 

C,  HjS  I  C  =  0,29  D 
wird. 

Die  electromotorischeu  Kräfte,  welche  durch  WasserstoflF, 
Schwefelwasserstoff,  Kohlenoyd  und  Aethylen  am  Palladium 
erregt  wurden,  zeigen  in  der  That  wieder  eine  ähnliche  Pro- 
portionalität,  wie  ich  sie  früher  für  alle  Metalle  vermuthet 
hatte.  Ich  stelle  in  der  folgenden  Tabelle  die  früher  für  Platin 
und  die  jetzt  für  Palladium  gefundenen  Werthe  nebenein- 
ander, und  berechne  die  am  Palladium  zu  erwartenden 
Kräfte   aus  den  am  Platin    beobachteten,    indem    ich    letz- 


tere    mit    dem    Yerhältniss 

Pd 

Pd,H  :  Pt       Pt,E 

0,59  :  0,81     -  0,73  mnltipli 

icire. 

Pt 

Pd 

gefunden 

gefunden     berechnet 

H                    0,81 

0,59              0,59 

H,S                0,69 

0,42              0,50 

CO                  0,28 

0,23              0,20 

NjH^              0,06 

0,05              0,04 

Metall              0 

0                  0 

Für  die  Betortenkohle  ist  dagegen  nichts  ähnliches  zu 
bemerken,  sie  wurde  überhaupt  nur  unter  dem  Einfluss  der 
grösseren  Löslichkeit  der  Gase  oder  unter  dem  der  electro- 
Ijrtischen  Polarisation  in  ihrem  Zustande  verändert.  Den 
Factor  0,73  als  Gondensationscoefücienten  für  Pelladium 
zu  bezeichnen  haben  wir  übrigens  kein  Recht  mehr,  seit- 
dem wir  wissen ,  dass  Palladium  den  Wasserstoff  sehr  viel 
stärker   condensirt,  als  Platin. 

Aus  den  gewonnenen  Resultaten  ist  nun  Folgendes  er- 
sichtlich :  Gegen  Chlor  verhalten  sich  Platin,  Palladium  und 
Kohle  ganz  gleich,  ja  sogar  die  numerischen  Werthe,  welche 
für  die  electromotorischeu  Kräfte  Zn  |  Pt,Cl;  Zn  |  Pd,Cl 
und  Zn  |  C,  Gl  gefunden  worden  sind,  stehen  einander  sehr 
nahe,  sie  betragen  der  Reihe  nach  2,08;  2,04;  1,97  D. 
Hierbei  ist  noch  abgesehen    von  den  Werthen,   welche    bei 


V,  Beetz:  üeher  die  Electficitätserregung  beim  Cantact  etc,      155 

electrolytischer  Entwickelung  des  Chlors  erhalten  wurden, 
weil  der  dabei  stattfindende  Angriff  der  Electroden  den 
Vergleich  unsicher  macht.  Die  fast  vollkommene  Ueberein- 
stimmung  zwischen  Pt,  Gl  und  G,  Gl  hat  auch  Macaluso 
schon  bemerkt.  ^^)  Es  sieht  so  aus,  wie  wenn  die  in  die 
Chlorlosung  tauchende  Platte  lediglich  als  Leiter  dient  und 
in  der  That  kann  man  hier  nicht  von  der  electromotori- 
schen  Kraft  reden,  welche  ein  Gas  erregt,  sondern  wir 
haben  es  einfach  mit  der  electromotorischen  Wirkung  einer 
Flüssigkeit  zu  thun,  welche  mit  dem  Grade  der  Goncen- 
tration  der  Flüssigkeit  wächst. 

Das  Schwefelwasserstoffgas  ist  von  ähnlicher  Löslich- 
keit im  Wasser,  wie  Ghlor.  Dennoch  verhält  es  sich  anders 
gegen  Platin  und  Palladium,  als  gegen  Betortenkohle.  Die 
letztere  tritt  wieder  nur  als  ein  Körper  auf,  der  in  eine 
Lösung  getaucht  ist,  von  der  er  am  so  stärker  electrisch 
erregt  wird,  je  concentrirter  die  Lösung  ist.  Platin  und 
Palladium  werden  schon  durch  die  ersten  Oasmengen  stark 
erregt,  sie  entziehen  dieselben  offenbar  der  Flüssigkeit,  um 
sie  in  oder  auf  sich  zu  verdichten. 

Die  übrigen  in  Betracht  gezogenen  Gkse  sind  sehr 
wenig  in  Wasser  löslich.  Allerdings  wird  in  der  gewöhn- 
lichen Form  der  Gasbatterie  auch  von  ihnen  zunächst  etwas 
in  der  Leitungsflüssigkeit  gelöst  werden  müssen,  um  wirk- 
sam za  werden,  aber  diese  Menge  ist  zu  geringfügig,  um 
die  Lösung  wesentlich  anders  auf  die  Leiterplatte  einwirken 
zu  lassen,  als  die  Flüssigkeit,  welche  gar  kein  Gas  absor- 
birt  hat.  In  diesen  Fällen  muss  noch  etwas  Neues  hinzu- 
kommen, um  eine  Spannungsdifferenz  zu  erzeugen,  nämlich 
entweder  eine  Affinität  (oder  überhaupt  eine  Wirkung  von 
Molecularkräften,  durch  welche  die  Gase  sich  der  Metall- 
platte einverleiben),  oder  die  Wirkung  eines  electrolysirenden 


16)  a.  a.  0.  p.  362. 

11 


156         SiUung  der  mathrphys.  Ckuse  vom  4.  Mai  1878. 

Stromes,  welcher  die  Gase  entweder  ebenfalls  in  das  Metall 
hineindrängt  oder  auf  der  Oberfläche  desselben  condensirt. 
Am  Palladium  zeigt  der  Wasserstoff  dieses  Eindringen 
im  höchsten  Maasse,  am  Platin  in  geringerem,  an  der  Re- 
tortenkohle gar  nicht.  Die  Nachhilfe  der  galvanischen  Po- 
larisation ist  am  Palladium  ganz  überflüssig,  am  Platin  ist 
sie  förderlich,  an  der  Eohle  nothwendig,  um  eine  Span- 
nungsdifferenz  zu  erzeugen.  In  gleicher  Art,  wie  Wasser- 
stoff wirken  Eohlenoxyd  und  Aethylen,  aber  weit  schwächer. 
Wenn  wir  dieselben  durch  galvanische  Polarisation  verdich- 
ten könnten,  so  würde  das  in  allen  drei  Fällen  nützlich, 
bei  der  Eohle  sogar  nöthig  sein.  Der  Schwefelwasserstoff 
steht  in  Bezug  auf  sein  Verhalten  gegen  Platin  und  Palla- 
dium dem  Wasserstoff',  in  Folge  seiner  ^jöslichkeit  dem 
Chlor  nahe. 

Ich  habe  einen  Versuch  angestellt,  um  zu  erfahren,  ob 
nicht  auch  das  Chlor,  das  doch  die  Oberfläche  der  Metalle 
so  leicht  angreift,  vielleicht  in  merklicher  Weise  in  die- 
selben ein-  oder  durch  sie  hindurchdringe.  Ganz  ähnlich, 
wie  es  bei  dem  Versuche  von  Root  geschah,  wurden  zwei 
Glasgefösse  auf  die  beiden  Seiten  eines  breit  überstehenden 
Palladiumbleches  b  gekittet.  Beide  Gefösse  wurden  mit 
verdünnter  Salzsäure  gefüllt  und  in  beide  Palladiumelectro- 
den,  a  und  c,  getaucht.  Zwischen  a  und  b  wurde  ein  Strom 
geschlossen,  so  dass  sich  auf  der  a  zugewandten  Seite  von 
b  Chlor  entwickelte.  Andrerseits  konnten  b  und  c  durch 
momentane  Schlüsse  mit  dem  Galvanometer  verbunden 
werden.  Zu  meiner  Verwunderung  zeigte  sich  nach  einiger 
Zeit  eine  electrische  Differenz,  in  der  aber  nicht  b,  sondern 
c  negativ  erschien.  Von  dem  sich  entwickelnden  Chlorgas 
waren  durch  die  Atmosphäre  hindurch  Spuren  an  die  Ober- 
fläche der  Flüssigkeit  im  anderen  Gefässe  und  dadurch  zu- 
nächst an  die  Electrode  c  gelangt.  Dass  auch  am  Platin 
geringe  Spuren    von  Chlor  sofort  electromotorisch  wirken. 


V.  Beetz:  üeber  die  EleetricitäUerregung  heim  Contact  etc.    157 

hat  schon  Macalnso  bemerkt  und  ich  bin  jetzt  der  Mei- 
nung, dass  das  Sauerstoffgas,  welches  ich  für  meine  ersten 
Messungen  an  Gasbatterien  benutzte,  das  ich  aus  chlor- 
saurem  Kali  dargestellt  hatte,  immer  noch  Spuren  Yon  Chlor 
mitgefiihrt  hat,  wiewohl  ich  glaubte,  es  durch  Waschen 
hinreichend  gereinigt  zu  haben,  denn  mit  electrolytisch  dar- 
gestelltem Sauerstoff  gelingt  es  mir  ebensowenig  Platin,  wie 
Palladium  electromotorisch  zu  erregen.  Ich  yeränderte  nun 
meinen  Apparat  so,  dass  ich  ihm  die  Gestalt  eines  u  for- 
migen Rohres  gah^  dessen  80  cm.  langer  horizontaler  Theil 
in  der  Mitte  durch  ein  Palladiumblech  in  zwei  Hälften  ge- 
schieden wurde.  Ich  füllte  zunächst  beide  Seiten  mit  yer- 
dünnter  Schwefelsäure  und  entwickelte  an  der  der  Platte 
a  gegenüberliegenden  Seite  von  b  Wasserstoff  und  zwar 
nur  durch  einen  wenige  Secunden  dauernden  Schluss.  Sehr 
bald  wurde  die  Wirkung  des  Wasserstoffes  durch  das  Pal- 
ladium hindurch  merklich,  die  Platte  b  wurde  auch  auf  der 
Bückseite  positiv.  Lange  darf  man  den  Versuch  nicht  fort- 
setzen, denn  das  Blech  krümmt  sich  so  stark,  dass  es  bald 
von  der  Eittung  losgerissen  wird.  Nun  wurde  ein  neu  her- 
gerichtetes Bohr  mit  verdünnter  Salzsäure  gefüllt.  Die 
lange  Flüssigkeitsschicht  liess  gar  nichts  von  dem  sich  ent- 
wickelnden Chlor  entweichen,  die  Electrode  c  blieb  auch 
völlig  indifferent,  bis  die  Platte  b  gänzlich  durchfressen 
war.  Um  diesen  Moment  etwas  genauer  zu  fixiren,  fällte 
ich  die  verticalen  Theile  der  u-förmigen  Bohre  bis  zu  mög- 
lichst verschiedenen  Höhen  mit  der  Flüssigk^t  und  wieder- 
holte den  Versuch.  Wieder  blieben  b  und  c  indifferent 
gegeneinander;  plötzlich  schlug  der  Galvanometerspiegel 
heftig  aus,  aber  in  diesem  Moment  begann  auch  die  Flüssig- 
keit, sich  auf  beiden  Seiten  in^s  Gleichgewicht  zu  setzen. 
Nach  diesen  Versuchen  dringt  das  Chlor  nicht  in  ähnlicher 
Weise  in  das  Palladium  ein,  wie  der  Wasserstoff. 

Ich  glaube  hiernach  behaupten  zu  dürfen,  dass  wir  es 


1 58  Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  4.  Mai  1878. 

streng  geaommen  mit  einer  electromotorischen  Kraft  der 
Gase  überhaupt  nie  zu  thun  haben,  sondern  entweder  mit 
Spannungsdifferenzen,  welche  durch  verschiedenartige  Lei- 
tnngsflüssigkeiten  hervorgerufen  werden,  oder  mit  Ver- 
änderungen der  Metalle  durch  solche  Gase,  welche  ihren 
gasförmigen  Zustand  durch  Occlusion  in  Metallen  oder 
durch  Condensation  an  deren  Oberfläche  ganz  aufgegeben 
haben,  denn  eine  wirklich  cohaerente  Gasschicht,  welche 
einen  metallischen  Leiter  überzöge,  würde  ja  denselben  von 
der  Leitungsflüssigkeit  isoliren.  — 

Ich  fuge  hier  noch  die  Beschreibung  eines  Versuches 
bei,  den  ich  schon'  vor  längerer  Zeit  angestellt  habe ,  um 
mir  über  die  Wirksamkeit  der  Gase  in  der  Gasbatterie 
Rechenschaft  zu  geben.  Gaugain  hat  in  der  oben  er- 
wähnten Arbeit  die  Ansicht  vertreten,  die  electromotorische 
Erafb  der  Gasbatterie  sei  lediglich  der  Verwandtschaft  zuzu- 
schreiben, mit  welcher  der  Sauerstoff  des  Wassers  imd  der 
durch  das  Platin  condensirte  Wasserstoff  auf  einander 
wirken.  Ich  habe  hiergegen  eingewandt,  dass  doch  dieser 
Satz  verallgemeinert  werden  müsse,  da  auch  andere  Gase 
electromotorisch  wirken;  er  müsse  also  etwa  so  heissen: 
ein  Gas  wirkt  dadurch  electromotorisch,  dass  es  sich  unter 
katalytischer  Mitwirkung  des  Platins  mit  einem  Elemente 
des  Wassers  verbindet,  *^)  Ob  dieser  Satz  richtig  ist,  kann 
man  nun  durch  folgenden  Versuch  erfidiren.  Ich  füllte  zwei 
Bohren,  in  deren  jeder  sich  eine  Platinplatte  befand  und 
welche  wie  gewöhnlich  verdünnte  Schwefelsäure  enthielten, 
in  einem  dunklen  Zimmer  mit  Chlor.  Beide  Platinplatten 
zeigten  keine  Spannnngsdifferenz.  Nun  deckte  ich  über  die 
eine  Röhre  eine  gelbe  Glasglocke  und  liess  das  Tageslicht 
Äuf  beide  Röhren  fiäUen.  Gewiss  wurde  jetzt  die  Einwirkung 
des  Chlors  auf  den  Wasserstoff  des  Wassers  in  der  freien 


17)  Poggend.  Aon.  CXXXII.  p.  468. 


V,  Beetz:  Ueber  die  Ekctrieitätserregüng  heim  Coniact  etc.    159 

Röhre  kräftiger,  als  in  der  gedeckten,  es  wurde  aber  keine 
Spanunngsdifferenz  sichtbar.  Der  oben  ausgesprochene  Satz 
ist  demnach  für  Chlor  gewiss  unhaltbar.  Für  Wasserstoff 
ist  er  wohl  noch  weniger  anwendbar,  da  sonst  die  Affinitat 
des  Wasserstoffs  am  Platin  zum  Sauerstoff  des  Wassers 
grösser  sein  müsste,  wie  die  des  Sauerstoffs  zu  dem  an  den- 
selben bereits  gebundenen  Wasserstoff. 

Endlich  bemerke  ich  noch  in  Bezug  auf  die  schon  von 
Wiedemann  ^^)  in  Zweifel  gezogene  Angabe  Grahams, 
dass  mit  Wasserstoff  beladenes  Palladium  stark  magnetisch 
sei,  dass  es  mir  niemals  geglückt  ist,  irgend  eine  Einwirk- 
ung des  Wasserstoffpalladiums  auf  das  Magnetometer  wahr- 
zunehmen. 


Nachdem  die  vorstehende  Mittheilung  der  k.  Akademie 
übergeben  war,  ist  mir  das  Aprilheft  des  Philosophical 
Magazine  zugekommen,  in  welchem  Herr  Morley  eine 
in  Prof.  Forsters  Laboratorium  ausgeführte  Untersuchung 
über  Groves  Gasbatterie  veröffentlicht.  Morley  kennt 
nur  die  älteren  Arbeiten  von  Grove  und  Schönbein 
und  die  neueren  von  Gaugain.  Die  meinigen  scheinen 
ihm  nicht  zu  Gesicht  gekommen  zu  sein. 

Morley  bestreitet  ebenfalls  die  Ansicht,  dass  der  Sitz 
der  electromotorischen  Erafb  in  Gasbatterien  die  Berührungs- 
stelle von  Metall,  Flüssigkeit  und  G-as  sei,  er  kommt  aber 
zu  dem  Resultat,  das  ich  in  vorstehender  Mittheilung  eben- 
falls nicht  als  allgemein  gültig  erklärt  habe,  dass  der  ganze 
Strom  der  Gasbatterie  den  aufgelösten  Gasen  seine  Ent- 
stehung verdanke.  Er  lässt  dabei  auch  die  Ansicht  nicht 
gelten,   dass  die  allmähliche  Stromabnahme  einer  geschlos- 


18)  Wiedemann  Galvanismus  2,  Aufl  I.  p.  528, 


160         Sitztmg  der  nuUh.-phya.  Glosse  vom  4.  Mai  1878. 

seilen  Gasbatterie  der  eintretenden  Polarisation  zuzuschreiben 
sei,  sondern  sucht  deren  Grund  lediglich  in  der  Abnahme 
des  in  der  Flüssigkeit  au%elosten  Gasvolumens.  Da  er  in- 
dess  die  electromotorischen  Kräfte  nicht  durch  momentane 
Stromschlusse  misst ,  wie  G  a  n  g  a  i  n  und  ich  es  gethan 
haben,  sondern  dieselben  aus  der  bei  dauerndem  Stromschluss 
beobachteten  Stromstarke  und  dem  Widerstände  berechnet, 
so  ist  es  nicht  möglich,  die  primären  Wirkungen  von  den 
secundären  gesondert  aus  seinen  Messungen  herauszuerkennen. 
Dass  eine  derartige  Vermischung  nicht  vermieden  ist,  zeigt 
auch  der  Satz,  zu  welchem  Morley  gelangt:  dass  die 
electromotorische  Kraft  der  Gasbatterie  nicht  constant  ist, 
sondern  mit  dem  Widerstände  steigt. 


V.  Nägüii  lieber  die  chemische  Zusammensetzung  der  Hefe.    161 


Herr  Prof.  von  Nägeli  legt  durch  Herrn  Erlen- 
meyer eine  Abhandlung  vor: 

Ueber   die   chemische  Zusammensetz- 
ung  der    Hefe. 

^  Die  bisherigen  chemischen  Untersuchungen  der  Bier- 
hefe lassen  noch  viel  zu  wünschen  äbrig,  indem  sie  uns 
theils  ein  unvollkommenes,  theils  auch  ein  wenig  Vertrauen 
erweckendes  Bild  der  Zusammensetzung  geben.  Die  neueren 
Angaben,  wonach  der  Gellulosegehalt  bloss  17,8  — 19,2 
Proz.  (nach  Pasteur),  sogar  bloss  12: — 14  Proz.  (nach 
Lieb  ig)  der  Trockensubstanz  und  der  Fettgehalt  2  Proz. 
oder  wenig  mehr  ausmachen  sollte,  steht  im  Widerspruch 
mit  der  mikroskopischen  Beobachtung,  welche  fär  die  Mem- 
bran etwa  den  doppelten  Betrag  der  Pasteur* sehen  An- 
gabe und  f&r  das  Fett  in  älteren  Zellen  mehr  als  den  dop- 
pelten Betrag  verlangt. 

Da  alle  Fragen,  welche  die  Gärung  betreffen,  an  die 
physiologischen  Funktionen  der  Gärungszellen  anknüpfen 
und  da  diese  ohne  genaue  Eenntniss  der  chemischen  Be- 
schaffenheit  anmoglicS  erkannt  werdek  können,  so  schien 
eine  abeimalige  Aufnahme  der  chemischen  Untersuchung 
mit  vorzüglicher  Berücksichtigung  der  physiologischen  Ge- 
sichtspunkte geboten. 

Die  Schwierigkeit  der  Hefenanalysen,  wenn  es  sich 
nicht  um  die  Elemente  sondern  um  die  Verbindungen  han- 


162         Sitzung  der  matK-phys.  Glosse  vom  4.  Mai  1878, 

delt,  besteht  darin,  dass  die  Zellen  wegen  ihrer  Kleinheit 
auf  keine  Weise  zerrieben ,  zerrissen  oder  zum  Platzen  ge- 
bracht und  dadurch  Inhalt  und  Membran  auf  mechanische 
Weise  getrennt  werden  können.  Der  einzige  Weg,  der 
Aufschluss  zu  geben  vermag,  besteht  darin,  durch  verschie- 
dene Mittel  losliche  Verbindungen  auszuziehen  und  durch 
nebenhei^ehende  mikroskopische  Untersuchimg  die  Veränder- 
ungen an  den  Zellen  festzustellen. 

Zunächst  wurden  zwei  bisher  nicht  angewendete  Mittel 
in  Angriff  genommen.  Da  vielfache  Beobachtungen  ge- 
teigt  hatten,  dacß  die  Hefenzellen  mit  dem  Altwerden  von 
selbst  nahezu  ihren  ganzen  Inhalt  verlieren,  so  wurden  die- 
selben mit  einer  hinreichenden  Menge  Wasser  mehr  als 
1  Jahr  lang  stehen  gelassen,  wobei  das  Wasser  einen  Zu- 
satz von  1  Proz.  Phosphorsäure  erhielt,  um  die  Spaltpilze 
und  ihre  verderbliche  Wirkung  auszuschUessen.  Diese  starke 
Ansäuerung  verlangsamte  aber  auch  den  Lebensprozess  der 
2iellefi  sehr  stark,  so  dass  schliesslich  nicht  mehr  als  37,4 
Proz.  der  Trockensubstanz  in  Losung  gegangen  waren. 

Das  andere  bisher  nicht  benutzte  Mittel  bestand  in 
dem  Kochen  mit  Wasser.  Die  Hefe  wurde  Umal  nach 
einander  mit  Wasser,  im  Ganzen  während  einer  Dauer  von 
20  Tagen,  gekocht.  Die  Zellen  gaben  bei  dieser  Behand- 
lung etwa  die  iBEalfte  ihrer  Trockensubstanz  an  das  Was- 
ser ab. 

Diese  beiden  Untersuchungen  wurden  von  dem  Ad- 
junkten des  pflanzenphysiologischen  Instituts  Otto  Heinrich 
begonnen,  und  nachdem  derselbe  wegen  Krankheit  austreten 
musste,  von  Dr.  Oscar  Loew  fortgesetzt  und  zu  Ende  geführt. 

In  den  von  der  lebenden  Hefe  in  verdünnter  Phosphor- 
säure ausgeschiedenen  sowie  in  den  aus  den  todten  Zellen 
durch  Kochen  ausgezogenen  Stoffen  befand  sich  ein  Kohlen- 
hydrat, welches  zu  den  Pflanzenschleimen  gehört  und  als 
Sprosspilzschleim  bezeichnet  werden  kann.    Derselbe  macht 


V.  Nägdi:  lieber  die  chemische  Zusammensetzung  der  Hefe.   163 

sammt  der  Pilzcellulose  etwa  37  Proz.  der  Trockensabstanz 
untergäriger  Bierhefe  aus. 

Die  nächste  und  wichtigste  Frage  ist  nun  die,  wie  der 
Pilzschleim  in  den  Hefenzellen  vorkomme.  Man  möchte 
wohl  vermuthen,  dass  er  dem  Inhalte  angehöre.  Diess  ist 
mir  aber  durchaus  unwahrscheinlich;  ich  bin  vielmehr  der 
Ansicht,  dass  er  aus  der  Membran  stamme,  womit  ich  aber 
nicht  sagen  will,  dass  er  als  solcher  in  derselben  enthalten 
sei.  Die  Zellmembranen  wie  die  Stärkekömer  bestehen  aus 
abgestuften  physikalischen  (d.  h.  micellaren)  Modificationen 
der  nämlichen  chemischen  Verbindungen ;  Endglieder  dieser 
Reihen  sind  Pfianzenschleim ,  Gummi,  Dextrin.  Durch 
Lösungsmittel  (kochendes  Wasser,  verdünnte  Säuren,  Fer- 
mente etc.)  werden  zuerst  die  leichter,  bei  längerer  Ein- 
wirkung nach  und  nach  die  schwieriger  löslichen  angegriffen. 
Nur  ein  sehr  kleiner  Theil  mag  schon  als  Pilzschleim  in 
der  Zellmembran  enthalten  sein. 

Für  diese  Auffassung  spricht  schon  die  ungleiche  Menge 
von  Pilzschleim,  welche  man  bei  verschiedener  Behandlung 
erhält,  womit  dann  auch  die  ungleiche  Menge  der  gefun- 
denen Gellulose  in  Beziehung,  und  zwar  im  umgekehrten 
Verhältnisse  zur  Menge  des  Schleimes  steht.  Pasteur 
erhielt  durchschnittlich  nur  1 8, 5  Proz. ,  L  i  e  b  i  g  noch 
weniger,  Payen  dag^en  29,4  Proz.  Gellulose.  Ich  glaube, 
dass  die  Zellmembran  der  Hefenzellen,  lange  genug  mit 
Wasser  gekocht,  vollständig  in  Schleim  umgewandelt  würde. 
Bei  dem  zwanzigtägigen  Kochen  wurde  bis  zuletzt  Schleim 
ausgezogen,  aber  in  immer  kleineren  Mengen. 

Der  Pilzschleim  ist  löslich  in  heissem  Wasser,  fast  un- 
löslich in  kaltem.  Wenn  man  Pflanzenzellen  in  die  noch 
warme  Lösung  bringt,  so  treten  keine  diostnotischen  Er- 
scheinungen ein.  Beim  Eintrocknen  der  Lösung  beobachtet 
man  das  Nämliche  wie  bei  einer  reinen  Gummi-  oder  Dex- 
trinlösung; die  darin  liegenden  Algenzellen  (Spirogyra  etc.) 


164         Sitzung  der  math.-pTiys,  Clasae  vom  4.  Mai  1878, 

verhalten  sich  gerade  so,  als  ob  sie  an  der  Luft  eintrock- 
neten. Der  Pilzschleim  geht  also  diosmotisch  nicht  durch 
Zellmembranen  hindurch.  Durch  diesen  Umstand  Wird  es 
ebenfalls  einigermassen  unwahrscheinlich,  dass  derselbe  im 
Inhalte  sich  befinde.  Doch  darf  man  daraus  nicht  etwa 
geradezu  die  Unmöglichkeit  folgern,  dass  der  Schleim  beim 
Kochen  oder  in  yerdünnter  Säure  die  2iellen  verlassen 
könne.  Es  kommt  ja  mehrfach  vor,  dass  coUoide  Stoffe  in 
wässriger  neutraler  Lösung  nicht  diosmiren,  wohl  aber  in 
sauren  oder  alkalischen  Lösungen. 

Muss  aber  der  Schleim  aus  anderen  Qründen  als  ein 
durch  die  Lösungsmittel  aus  der  Membran  gebildetes  Pro- 
dukt betrachtet  werden,  so  ist  der  Vorgang  leicht  verstand- 
lich. Das  heisse  Wasser  oder  die  verdännte  Säure  bringt 
einzelne  Partieen  der  Membran  zum  Aufquellen,  und  der  so 
gebildete  Schleim  wird  mechanisch  aus  der  Membran  heraus- 
gepresst  und  vertheilt  sich  als  Lösung  in  der  umgebenden 
Flüssigkeit. 

Man  könnte  bei  oberflächlicher  Betrachtung  der  Mei- 
nung sein,  dass  die  äusserst  dünne  Membran  der  Hefenzellen 
nicht  37  Proz.  der  ganzen  Trockensubstanz  enthalten  könne. 
Die  genauere  Deberlegung  zeigt  indess,  dass  es  nicht  wohl 
anders  sein  kann.  Die  frischen  Hefenzellen  enthalten  im 
Ganzen  83  Wasser  und  17  Substanz.  *)  Nur  wenige  der- 
selben sind  ganz  mit  weichem  Plasma  erfüllt ;  bei  der  Mehr- 
zahl befindet  sich  in  dem  Plasma  eine  mit  Wasser  gefüllte 
Yacuole  oder  auch  neben  wässriger  Zellflüssigkeit  ein  kör- 
niger Plasmainhalt.    Aus  optischen  Qrüuden,  welche  sich 


1)  Nach  einem  eigens  hiefÜr  angestellten  Yersnch  von  Dr.  Walter 
Nageli,  welcher  eine  kleine  Menge  einer  ganz  reinen  Hefe  darch  18 
Standen  langes  Stehenlassen  anf  dem  Filter  vollständig  von  dem  an- 
hängenden Wasser  befreite  und  dann  von  8,29  gr.  feuchter  Masse,  welche 
bei  100^  getrociaiet  wurde,  1,41  gr.  (somit  17  Proz.)  Substanz  erhielt. 


V.  Nagelt :  Üeber  die  chemische  Zusammensetgung  der  Hefe,    165 

aus  der  Vergleichung  von  jungem  mit  Inhalt  erfüllten  mit 
alten  inhaltslosen  Zellen  ergeben,  sowie  aus  dem  Umstände, 
dass  die  Membran  der  Bierhefezellen  chemischen  Aaflösungs- 
mitteln  einen  verhältnissmässig  starken  Widerstand  leistet 
und  sich  dadurch  als  ziemlich  dicht  erweist,  möchte  ich 
schliessen,  dass  die  Membran  in  der  Baumeinheit  ziemlich 
mehr  Substanz  enthalte  als  der  durchschnittliche  Inhalt. 
Es  dürften  sich  die  83  Proz.  Wasser  der  Hefe  so  auf  In- 
halt und  Membran  vertheilen,  dass  auf  jenen  86,  auf  diese 
75  Proz.  kommen,  so  dass  die  Membran  3-mal,  der  Inhalt 
6-mal  soviel  Wasser  enthält  als  Substanz.  Unter  dieser 
Voraussetzung  berechnet  sich  die  Dicke  der  Membran  einer 
10  Mik.  (Vi 00  mm.)  grossen  Bierhefenzelle  zu  0,45  Mik. 
(Vs2oo  mm.),  sodass  sie  also  nur  den  22ten  Theil  des  Zellen- 
durchmessers (den  llt«n  Theil  des  Radius)  ausmacht. 

Die  untersuchte  Bierhefe  war  ziemlich  arm  an  Stick- 
Stoff  (7,5  —  8  Proz.  der  aschenhaltigen  Trockensubstanz). 
Eine  sehr  stickstoflfreiche  Oberhefe  (mit  fast  12  Proz.  Stick- 
stoff), die  fast  ganz  ans  jungen,  mit  Plasma  erfüllten  Zellen 
besteht,  enthält  gegen  75  Proz.  Albuminate  und  wenig 
mehr  als  20  Proz.  Cellulose  und  Pilzschleim.  Die  Mem- 
brandicke kann  hier  unter  der  obigen  Annahme  kaum  0,2 
Mik.  (Vsooo  mm.),  also  kaum  den  50ten  Theil  des  Zellen- 
durchmessers betragen. 

Nehmen  wir  aber  an,  dass  Membran  und  Inhalt  gleich 
wasserhaltig  seien,  was  sicher  für  die  stickstofiKrmere  und 
ältere  Hefe  nicht  richtig  ist,  so  würde  bei  der  Hefe  mit 
7,5  —  8  Proz.  Stickstoff  auf  einen  Zellendurchmesser  von 
10  mm.  die  Wanddicke  0,8  Mik.  (Vi«ifi  des  Durchmessers), 
bei  der  Hefe  mit  &st  12  Proz.  Stickstoff  kaum  0,4  Mik. 
(V25  des  Durchmessers)  ausmachen. 

Es  ist  nun  zwar  aus  optischen  Gründen  unmöglich, 
genau  die  Dicke  einer  sehr  dünnen  Zellmembran  zu  be- 
stimmen.    Vielfache   Uebung   und   Vergleichung   von    Ob- 


166         Sitzung  der  math.-phya,  Glosse  vom  4.  Mai  1878. 

jekten,  die  eine  sichere  Messung  zulassen,  mit  solchen,  wo 
diess  nicht  mehr  möglich  ist,  erlauben  indess  eine  annähernde 
Schätzung.  Diese  ist  bei  inhaltslosen  Hefenzellen  und  bei 
solchen  mit  kömigem  Inhalte  möglich,  und  zeigt  uns,  dass 
die  Zellmembran  unmöglich  noch  dünner,  somit  ihr  Gehalt 
an  Substanz  noch  geringer  angenommen  werden  darf,  als 
es  bei  den  vorstehenden  Berechnungen  geschehen  ist. 

Nach  dieser  Auseinandersetzung  glaube  ich  es  als  im 
höchsten  Grade  wahrscheinlich  aussprechen  zu  können,  dass 
der  in  den  Auszügen  befindliche  Pilzschleim  aus  der  Mem- 
bran stammt ;  und  dass  in  dem  Inhalte  keine  Kohlenhydrate 
in  nennenswerther  Menge  enthalten  sind,  da  eine  Glykose- 
form  nur  in  Spuren  vorkommt.  *) 

üeber-  den  Pilzschleim  der  Sprosshefe  bemerke  ich  noch, 
dass  derselbe  aus  der  heissen  Lösung  sich  in  mikroskopischen 
Kugeln  von  sehr  ungleicher  Grösse  ausscheidet.  Dieselben 
enthalten  sehr  viel  Wasser,  da  sie  das  Licht  wenig  stärker 
brechen  als  das  umgebende  Wasser.  Unter  dem  Polari- 
sationsmikroskop erweisen  sie  sich  als  einfachbrechend,  was 
möglicher  Weise  nur  eine  Folge  ihres  grossen  Wasserge- 
haltes ist.  Jod  förbt  die  Schleimkugeln  braunroth,  während 
die  Zellmembran  nicht  gefärbt  wird;  es  verhält  sich  damit 
wie  mit  der  farblosen  Stärkemodifikation  (Amylocelhilose), 
welche  nach  dem  Auflockern  in  Amylodextrin  ebenfalls  auf 
Jod  reagirt.  Wenn  man  zu  den  Schleimkugeln  etwas  Säure 
oder  ein  saures  Salz  (Weinstein)  bringt,  so  losen  sie  sich 
wieder.  Diess  ist  auch  mit  den  durch  Jod  geerbten  Kugeln 
der  Fall.     Diese   fliessen   unter    dem    Mikroskop   zuerst   in 


2)  Schützenberger  (die  Gährungserscbeinungen  1876j  sagt  ohne 
ersichtliche  Motivirnng :  „Ist  dieses  Gnmmi  nicht  bereits  fertig  gebildet 
in  der  frischen  Hefe  enthalten,  so  kann  es  nur  dadurch  entstanden  sein, 
dass  ein  zusammengesetzter  Körper  aus  der  Familie  der  Glykoside  zer- 
setzt worden  ist,  oder  dass  ein  unlösliches  Eohlenhydrat,  das  jedoch 
nicht  Cellulose  ist,  eine  moleculare  Umsetzung  erfahren  hat/' 


V.  Nagelt:  üeber  die  chemische  Zusammensetzung  der  Hefe,    167 

grossere  Tropfen  zusammen,  verändern  je  nach  den  Ström- 
ungen in  der  Flüssigkeit  ihre  Gestalt  und  verschwinden 
dann  gänzUch. 

Die  Zellmembran  der  Essigmutter  (Mycoderma)  und  der 
übrigen  gallert-  oder  schleimartigen  Spaltpilze  schwankt 
rücksichtlich  der  Weichheit  zwischen  der  Gellulose  und  dem 
Pilzschleim  der  Sprosshefe.  Es  besteht  jedoch  zwischen  der 
Membran  der  Spaltpilze  und  derjenigen  der  Sprosspilze 
nicht  bloss  eine  gradweise  sondern  eine  qualitative  Ver- 
schiedenheit,  indem  die  Gellulose  der  Sprosspilze  gegen 
Eupferoxydammoniak  eine  grössere,  gegen  Säuren  und 
heisses  Wasser  eine  geringere  Widerstandsfähigkeit  zeigt 
als  diejenige  der  Spaltpilze. 

Wir  müssen  also  die  Sprosspilzcellulose  von  der  Spalt- 
pilzcellulose  und  demzufolge  auch  den  Sprosspilzschleim 
von  dem  Spaltpilzschleim  unterscheiden.  Den  Spaltpilz- 
schleim (Milchsäuregummi,  Gärungsgummi)  finden  wir  bei 
vielen  Spaltpilzvegetationen,  am  schönsten  und  reichlichsten 
bei  der  sogenannten  schleimigen  Gärung.  Er  bildet  hier 
aber,  wie  auch  bei  allen  übrigen  Spaltpilzvegetationen, 
keine  Lösung;  auch  ist  er  sicher  kein  Gärungsprodukt, 
wie  man  bis  jetzt  irrthümlich  angenommen.  Der  Schleim, 
der  bei  der  Mannit-  und  Milchsäuregärung  zuweilen  ent- 
steht, ist  nichts  anderes  als  die  sehr  weichen  und  schlei- 
migen Membranen  der  Spaltpilze.  Er  bildet  grossere  und 
kleinere  Massen,  deren  Abgrenzung  gegen  das  Wasser  man 
zuweilen  ziemlich  deutlich  sieht,  und  deren  Anwesenheit 
oft  sehr  schön  daran  erkannt  wird,  dass  die  au&teigenden 
Gasblasen  im  Wasser  (neben  den  Schleimmassen)  sich  rasch, 
sowie  sie  aber  in  eine  Schleimmasse  gerathen,  sehr  lang- 
sam bewegen,  manchmal  selbst  darin  stecken  bleiben. ') 


3)  Ob   das  „Gärungsgummi"  (die  schleimige  Gellulose  der  Spalt- 
pilze) identisch  ist  mit  dem  aus  den  Runkelrüben  erhaltenen  Dextran, 


168         Sitzung  der  math.-phys,  Ölasae  vom  4.  Mai  1878. 

Unter  den  stickstoiflosen  Verbindungen  des  Inhalts 
nimmt  das  Fett  die  erste  Stelle  ein.  Die  bisherigen  Angaben 
über  die  Menge  desselben  waren  allgemein  zu  gering.  Die 
Behandlung  der  Bierhefe  mit  eoncentrirter  Salzsäure,  welche 
die  Membran  zerstört  und  das  Fett  in  Fettsäuren  überführt, 
ergibt  beispielweise  3  mal  so  viel  Fett  als  Kochen  mit  Aether. 
Dass  beim  Kochen  mit  Weingeist  oder  Aether  das  Fett  nur 
langsam  und  unvollständig  ausgezogen  wird,  dürfte  wohl 
darin  seinen  Grund  haben,  das  Membran  und  Plasma,  welche 
das  Fett  einschliessen,  im  wasserfreien  Zustande  die  ge- 
nannten Flüssigkeiten  schwer  durchgehen  lassen,  und  weil 
die  einen  Fettpartieen  besser  umhüllt  und  geschützt  sind 
als  die  andern.  Es  ist  aber  wahrscheinlich,  dass  eine  hin- 
reichend lange  Behandlung  mit  Alkohol  und  Aether  das 
Fett  zuletzt  vollständig  ausziehen  würde. 

Wenn  der  Cellulosegehalt  und  der  Fettgehalt  (jener 
mit  37,  dieser  mit  5  Proz.)  von  der  Elementaranalyse  einer 
Hefe  mit  7,5—8  Proz.  StickstojGF  abgezogen  werden,  so 
bleibt  ein  Best,  welcher  ziemlich  gut  mit  der  Zusammen- 
setzung der  Albuminate  übereinstimmt.  Das  Plasma  der 
Bierhefenzellen  muss  also  fast  gänzlich  aus  Albuminaten  be- 
stehen. Die  chemische  Untersuchung,  soweit  sie  überhaupt 
bis  jetzt  möglich  ist,   bestätigt  diesen  Schluss  vollkommen. 

Die  Peptone  machen  nur  etwa  2  Prozente  des  Inhaltes 
aus.  Bei  der  Involution  der  Zellen  wird  aber  bis  zum  wirk- 
lichen Absterben  derselben  die  ganze  oder  beinahe  ganze 
Menge  der  Albuminate  als  Peptone  ausgeschieden;  ebenso 
werden  die  Albuminate  durch  fortgesetztes  Kochen  nach 
und  nach  in  Peptone  übergeführt  und  ausgezogen. 

Bemerkenswerth  ist,  dass  das  Nämliche  auch  durch 
Pepsin  und  dann  in  kürzerer  Zeit  erreicht  wird.  Frische 
lebende  so  wie  durch  Kochen  getödtete  Bierhefe  in  salz- 
bleibt vorderhand  zweifelhaft  und  ist  wohl  nur  für  den  Fall  wahrschein- 
lich, als  das  letztere  ein  Produkt  „schleimiger  Gärang"  sein  sollte. 


V,  Nägdii  Ueber  die  chemische  ZusammeMctzung- der  Hefe.    169 

saurer  Pepsinlösung  giebt  bei  der  Temperatur  des  Brütkastens 
(ungefähr  35®  C.)  ihre  Albuminate  nach  und  nach  als 
Peptone  ab.  Diese  Wirkung  ist  zugleich  die  beste  Ent- 
scheidung für  die  noch  streitige  Frage,  ob  Pepsin  durch 
Membranen  diosmire.  Man  könnte  zwar  die  Vermuthung 
hegen,  dass  die  Salzsäure  allein  in  die  Zellen  eindringe  und 
die  Umwandlung  ausführe.  Um  darüber  Gewissheit  zu  er- 
langen, wurden  gleichzeitige  Controlversuche  angestellt,  in- 
dem sowohl  lebende  als  getödtete  Hefe  in  der  nämlichen 
salzsaureh,  aber  pepsinfreien  Lösung  neben  dem  eigentlichen 
Versuch  sich  im  Brütkasten  befand.  Dieselbe  gab  fast  keine 
stickstoffhaltigen  Verbindungen  an  das  Wasser  ab.  Aus 
diesen  Thatsachen  ergiebt  sich  mit  vollständiger  Gewissheit, 
dass  Pepsin  in  salzsaurer  Lösung  durch  PflanzenzelU 
membranen  diosmirt,  und  es  dürfte  wohl  die  Angabe  von 
Wittich,  dass  Pepsin  nur  bei  Gegenwart  von  freien  Säuren 
durch  Membranen  hindurchgehe,  allgemein  richtig  sein. 

Die  Hefenzellen  scheiden  die  Albuminate,  die  sie  ver- 
lieren, nicht  vollständig  als  Peptone  aus.  Ein  sehr  kleiner 
Theil  derselben  wird  in  Ferment  (Invertin)  umgewandelt. 
Ein  anderer  kleiner  Theil  erfährt  eine  andere  Zersetzung, 
wie  sich  aus  den  geringen  Mengen  von  Leucin,  Guanin, 
Xanthin  und  Sarkin  ergibt,  die  in  dem  mit  Hefe  gestandenen 
säurehaltigen  Wasser  gefunden  wurden.  Die  letzteren  Ver- 
bindungen sind  durch  die  Einwirkung  des  Sauerstoffs  ent- 
standen und  als  Produkte  der  Respiration  zu  betrachten. 
Ak  solche  bilden  sie  sich  innerhalb  der  Zellen  und  gehören 
vorübergehend  dem  Zelleninhalt  an.  In  sauren  Flüssigkeiten 
werden  auch  Albuminate  als  solche  in  geringer  Menge  aus- 
geschieden. 

Es  ist  nun  möglich,  sich  eine  Vorstellung  von  dem 
chemischen  Verhalten  der  Hefezellen  zu  machen.  Untergärige 
Bierhefe    mit   nahezu  8    Proz.  Stickstoff  hat  beispielsweise 

folgende  chemische  Zusammensetzung: 

[1878.  2.  Math-phys.  Cl.]  12 


170  SUzung  der  math.-phya.  Cla$9e  vom  4,  Mai  1878. 

Cellulose  mit  Pflanzenschleim  (die  Zellmembran  bildend)  37 
Proteinstoffe: 

a)  gewöhnliches  Albumin        .       .       .       .       .36 

b)  leicht  zersetzbarer,  glntencaseiuartiger  P.    .  9 

Peptone  durch  Bleiessig  fallbar     . 2 

Fett 5 

Asche     . 7 

Extractivstoffe  etc 4 

100 
Unter  dem  mit  4  Proz.  aufgeführten  Rest  befinden  sich 
durch  Bleiessig  nicht  fallbare  Extraktivstoffe,  worunter  ein 
peptonartiger  Korper;  —  ferner  geringe  Mengen  von  In- 
vertin,  Leucin  und  Traubenzucker,  noch  geringere  Mengen 
von  Glycerin,  Bernsteinsäure,  Cholesterin,  Guanin,  Xanthin, 
Sarkin  und  wahrscheinlich  Inosit^  endlich  Spuren  von 
Alkohol. 

Verschiedene  irrthümliche  Angaben  über  Verbindungen, 
die  in  der  Hefe  vorkommen  sollen,  sind  nach  den  vorstehen- 
den Untersuchungen  zu  berichtigen.  So  fällte  Schlossberger 
aus  dem  Auszug  mit  schwacher  Kalilauge  durch  Neutralisiren 
mit  Säure  einen  stickstoffarmen  Körpef,  in  welchem 
Schützenberger  sein  Hemiprotein  zu  erkennen  glaubt. 
Der  Niederschlag  muste  nach  der  stattgehabten  Procedur 
ein  Gemenge  von  Pilzschleim  und  Albuminaten  sein.  — 
Verschiedene  Forscher  geben  an,  dass  der  wässerige  Auszug 
(selbst  wenn  die  Hefe  mit  Eiswasser  ausgewaschen  wird) 
ansehnliche  Mengen  von  Tyrosin  und  Leucin  enthalte.  Eis 
sind  dies  Produkte  der  Fäulniss,  welche  aus  den  von  den 
Hefezellen   ausgeschiedenen  Peptonen  stammen. 

Bezüglich  der  angeführten,  die  Hefe  zusammensetzenden 
Stoffe  giebt  es  keine  constanten  Verhältnisse.  Die  Menge,  in 
der  jeder  einzelne  Stoff  vorkommt,  wechselt  einmal  nach  dem 
Alterszustande,  in  welchem  sich  die  Hefe  befindet,  ferner 
nach  allen  äusseren  Einflüssen,  welche  auf  dieselbe  einwirken. 


V,  Nägdi:  üeber  die  chemische  Zusammensetzung  der  Hefe.     171 

Was  den  Alterszastand  betrifft,  so  finden  sich  zwar 
fast  in  jeder  Hefe  alle  Stadien  yon  den  jüngsten  bis  zn  den 
ältesten  abgestorbenen  Zellen.  Aber  gewöhnlich  überwiegt 
ein  Stadium  ganz  bedeutend  und  verleiht  der  Hefe  ihren 
bestimmten  Character.  Im  Allgemeinen  zeichnet  sich  die 
jugendliche  Hefe  durch  einen  grossen  Gehalt  an  Albuminaten 
und  Asche,  die  alterige  (s.  v.  v.)  durch  einen  grossen  Ge- 
halt von  Cellulose  und  Fett  aus. 

Die  hier  folgenden  Untersuchungen  sind  von  Dr.  Oscar 
Loew  redigirt.  Die  dazu  verwendete  Hefe  stammte  aus  der 
Grossbrauerei  von  Gabriel  Sedelmayr,  welche  mit  verdankens- 
werther  Bereitwilligkeit  möglichst  reines  Material  zur  Ver- 
fügung stellte. 

1.  In  Weingeist   lösliche  Bestandtheile  der 

Hefe. 
Da  Hefe  an  50 — 60  prozentigen  Weingeist  durchschnitt- 
lich etwa  15  Prozent  ihres  Trockengewichts  abgiebt,  so 
wurde  eine  Untersuchung  dieser  Bestandtheile  vorgenommen. 
2,5  Kilogramm  Hefeachlamm,  der  auf  dem  Filtrum  das 
anhängende  Wasser  verloren  hatte  und  16 — 18  pc.  Trocken- 
substanz enthielt,  wurden  mit  2  Liter  Alkohol  von  95  pc. 
2  Tage  unter  häufigem  Umschütteln  in  Berührung  gelassen 
dann  mehrere  Stunden  bei  60 — 65"  digerirt,  abfiltrirt,  der 
Filterinhalt  nochmals  mit  1,5  Liter  Alkohol  bei  60^  be- 
handelt und  beide  Filtrate  vereinigt.  Diese  schieden  beim 
Erkalten  einen  flockigen  Körper  aus,  von  welchem  nach 
dem  Abdestilliren  des  Alkohols  noch  mehr  erhalten  wurde 
und  welcher  vom  anhängenden  Fett  durch  Schütteln  mit 
Alkohol  und  Aether  befreit  nach  dem  Trocknen  37,72  grm. 
wog  (circa  9  pc.  der  trocknen  Hefe). 

Seine  Löslichkeit  in  Wasser  und  Alkohol  ist  nicht 
bedeutend  und  nimmt  noch  mehr  mit  dem  Trocknen  ab. 
Beim  Erhitzen  verbreitet  er  den  Geruch  verbrennenden  Horns. 
Die.  wässrige  Lösung  gibt  mit  Salpetersäure  gelbe  Flocken, 


172  Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  4  Mai  1878, 

mit  Sublimat,  Ferrocyankalium  and  Essigsäure,  sowie  Bleiessig 
geringe  Niederschläge,  mit  salpetersaurem  Quecksilberoxyd 
einen  beim  Erhitzen  mit  etwas  Kalinitrit  sich  rothenden  Nie- 
derschlag und  liefert  mit  alkalischer  Eupferoxydlösung  eine 
violette  Färbung.  In  alkalischen  Flüssigkeiten  löst  er  sich 
leicht  und  Säuren  fällen  ihn  daraus  in  Flocken.  Bei  längerer 
Berührung  mit  schwacher  Ealilösnng  (1—2  prozentige  ge- 
nügt) erleidet  er  eine  wenn  aach  wenig  weit  gehende  Zer- 
setzung unter  Abgabe  von  SchwefelwasserstoflF,  leicht  mit  Blei- 
papier beim  Ansäuern  der  Flüssigkeit  erkennbar. 

Es  unterliegt  also  keinem  Zweifel,  dass  dieser  Körper 
zu  den  Proteinstoffen  zält  und  zwar  erinnert  seine  Löslich- 
keit in  heissem  Weingeist  sehr  an  das  von  Ritthausen  in 
den  Getreidearten  aufgefundene  Gluteucasein,  dem  er  sich 
auch  in  seinen  übrigen  Eigenschaften  nähert.  Auffallend  ist 
die  Leichtigkeit,  mit  welcher  er  sogar  ohne  Temperaturer- 
höhung durch  sehr  verdünnte  Kalilös  ang  eine  Schwefelwasser- 
stoffabspaltung  erfährt;  er  unterscheidet  sich  dadurch  von 
der  Hauptmasse  des  Hefealbnminats,  welches  unter  denselben 
Bedingungen  viel  beständiger  ist  und  sich  aufs  engste  an 
das  Eieralbumin  anschliesst.  ') 

Nach  Ausscheidung  dieses  Proteinstoffes  aus  dem  wein- 
geistigen  Hefeextract  wurde  die  mit  Barytwasser  neutralisirte 


])  Hieraas  wird  wohl  die  Angabe  Schlossbergers  erklärlich  dass  das 
Alhuminat  der  Hefe  sich  darch  besonders  leichte  Zersetzbarkeit  aus- 
zeichne (Ann.  Chem.  Ph.  Bd.  80)  und  schon  bei  Behandlung  mit  ver- 
dünnter Ealilösting  den  Schwefel  und  einen  Theil  des  Stickstoffs  ver- 
liere; er  hatte  in  seinem  alkalischen  Auszog  wohl  vorzugsweise  jenes 
leicht  zersetzbare  glutencaseinartige  Alhuminat.  Säuren  fällten  daraus 
einen  Körper  mit  nur  13,9  pc.  N.  Ich  habe  nach  Entfernung  jenes 
Körpers  mit  verdünntem  Kali  einen  Körper  der  Hefe  entzogen,  der  durch 
Neutralisation  der  Löaong  mit  Salzsäure  gefallt,  noch  15,30  pc.  N.  ent- 
hielt [0|230  grm.  gab  0,248  Ft.]  und  mindestens  so  bestandig  war, 
wie  Eieralbumin. 


V.  Nagelt:  Ueber  die  chemisehe  Zusammensetzung  der  Hefe.    173 

Flüssigkeit  mit  Bleiessig  gefällt  (p).  Das  Filtrat  nach  Aus- 
fällung "des  Bleis  und  Baryts  eingedampft,  gab  eine  bräunliche 
hygroscopische,  im  Geruch  an  Brodrinde  und  Fleischextract 
erinnernde,  im  starkem  Alkohol  theilweise  lösliche  Masse, 
welche  viel  essigsaures  Kali  —  aus  Zersetzung  der  Hefe- 
phosphate mit  Bleiessig  hervorgegangen  —  enthielt.  Nach 
Entfernung  des  grössten  Theils  des  Kali  mittelst  5chwefel- 
säure  und  Alkohol  fiel  auf  Zusatz  von  Aether- Alkohol  ein 
zäher  Syrup  aus,  die  im  wesentlichen  aus  Pepton  bestand 
und  zwar  dem  sogenannten  c-Pepton  Meissners ;  denn  Ferro- 
cyankalium  in  essigsaurer  Lösung  fällte  ihn  nicht,  während 
Millons  und  die  sogenannte  Biuret-reaction  über  die  Natur 
des  Körpers  keinen  Zweifel  aufkommen  Hessen.  Weder 
durch  Kochen  mit  Kupferoxydhydrat  noch  durch  partielle 
Fällung  mit  Quecksilberoxydacetat  konnten  krystallisirbare 
Beimengungen  aufgefunden  werden ;  Glutaminsäure  und 
Asparaginsäure  waren  sicherlich  nicht  vorhanden. 

Die  von  dem  erwähnten  Syrup  abgegossene  alkoholisch- 
aetherische  Flüssigkeit  Hess  bei  längerem  Stehen  eine  geringe 
Menge  eines  weisslichen  Pulvers  fallen,  das  sich  als  reines 
L  e  u  c  i  n  erwies.  Das  Filtrat  hievon  der  Destillation  unter- 
worfen, der  Rückstand  in  wenig  Alkohol  gelöst  und  dann 
mit  viel  Aether  versetzt  schied  einen  bräunlichen  Syrup  (s) 
aus,  während  die  aetherische  Schichte  beim  Verdunsten 
einen  zähflüssigen  nicht  trocknenden  Rückstand  lieferte,  der 
beim  Erhitzen  den  spezifischen  Acroleingeruch  entwickelte, 
also  auf  Glycerinals  weiteren  Bestandtheil  deutete. 

Der  Syrup  (s)  wurde  auf  dem  Wasserbade  vom  Alkohol 
befreit,  die  mit  Kali  neutralisirte  Lösung  mit  salpetersaurem 
Quecksilberoxyd  gefällt  und  das  Filtrat  mit  Schwefelwasser- 
stoff behandelt.  Letztere  lieferte  ausser  einer  geringen 
Menge  Leucin  im  Wesentlichen  Traubenzucker  mit 
allen  seinen  characteristischen  Reactionen,  während  der 
Quecksilberniederschlag  eine  stickstoffireiche  Materie  enthielt, 


174         Sitzung  der  math.-pJiys»  Clasat  vom  4.  Mai  1878. 

¥ 

welche  mit  salpetersaurem  Silberoxyd  einen  in  Ammoniak 
unlöslichen  Niederschlag  gab;  die  Menge  dieses  jedenfalls 
der  Xanthingruppe  angehörigen  Körpers,  war  für  eine  nähere 
Untersuchung  zu  gering. 

Der  obenerwähnte  Bleiessigniederschlag  (p)  enthielt  neben 
phosphorsaurem  Bleioxyd  10,1  grm.  organische  Materie. 
Nach  Behandlung  nit  Schwefelwasserstoff  und  Entfernung 
der  Phosphorsäure  mit  Aetzbaryt  lieferte  das  Filtrat  nach 
dem  Einengen  einen  feinpulvrigen  Absatz,  der  im  Wesent- 
lichen aus  einem  Barytsatz  bestand.  Mit  Salzsäure  versetzt, 
nimmt  Aether  beim  Schütteln  Bernsteinsäure  auf;  ihre 
Menge  betrug  0,16  grm.*) 

Die  vom  bernsteinsauren  Baryt  abfiltrirte  Flüssigkeit 
gab  mit  Alkohol  einen  voluminösen  Niederschlag,  der  sich 
im  Wesentlichen  aus  einer  Pepton-Baryt- Verbindung  be- 
stehend erwies.  Die  ganze  Menge  des  in  frischer  Hefe  vor- 
handenen Peptons  übersteigt  nicht  2  Procent.  Die  Unter- 
suchung ergab  also  Pepton,  Bernsteinsäure,  Leucin,  Trauben- 
zucker, Glycerin,  und  ein   in  Alkohol   lösliches  Albuminat. 

2.  In  Aether  lösliche   Bestandtheile  der  Hefe. 

Ausser  einer  kurzen  Bemerkung  Hoppe-Seylers  in  einer 
Abhandlung  „Ueber  die  Constitution  des  Eiters"  *),  dass 
Aether  ausser  Fett  noch  Choleslerinund  Lecithin  aus 
der  Hefe  aufnehme,  findet  sich  in  der  Literatur  keine  weitere 
Angabe  hierüber,  wesshalb  Versuche  angestellt  wurden,   die 


5)  Dieses  wurde  0,04  pc.  der  trocknen  Hefe  entsprechen,  möglicherweise 
erreicht  aber  der  Gehalt  daran  das  Doppelte.  Die  hier  eingeschlagene 
Uatersnchungs-Methode  ist  qualitativer  Art  und  war  nicht  auf  quanti- 
tative genaue  Bestimmungen  der  in  so  kleinen  Mengen  vorhandenen 
Bestandtheile  gerichtet. 

6)  Med.-chem.  Untersuchungen;  Heft  lY,  pag.  500. 


V.  Nagelt:  Ueber  die  chemische  Zusammensetzung  der  Hefe.    175 

nun  ergaben,  dass  wohl  Cholesterin,  aber  nicht  Lecithin ') 
zu  den  Hefebestandtheilen  gehört.  — 

Schüttelt  mau  Hefeschlamm  mit  dem  gleichen  bis  dop- 
pelten Volum  Aether,  so  bildet  sich  ein  breiförmiges  Ge- 
menge, aus  welchem  sich  auch  nach  mehrtägigem  Stehen 
nichts  absondert.  Nur  durch  Zugabe  von  Alkohol  lässt 
sich  eine  Abscheidnng  der  aetherischen  (alkoholhaltigen) 
Schichte  bewerkstelligen.  Deatillirt  man  aus  letzterer  den 
Aether  ab,  so  giebt  der  alkoholische  Rückstand  weder  direct 
noch  nach  weiterem  behutsamen  Concentriren  Reactionen 
auf  Lecithin  und  ebenso  wenig  nach  Kochen  mitAetzbaryt 
und  Extrahiren  des  eingedunsteten  von  letzterem  mittelst 
Kohlensäure  befreiten  Filtrats  mit  Alkohol  —  solche  auf 
Neurin. 

Ein  Theil  des  alkoholischen  Destillationsrückstandes 
mit  alkoholischer  Platinchlorid -Lösung  versetzt,  gab  nach 
eintägigem  Stehen  keine  Spur  einer  Lecithin  Verbindung; 
der  gebildete  geringe  Niederschlag  enthielt  ebensowenig 
Neurin,  ein  so  characteristisches  Spaltungsproduct  des  Leci- 
thins, sondern  bestand  aus  Kaliumplatinchlorid,  herrührend 
von  phosphorsaurem  Kali,  das  zu  4  pc.  und  darüber  in  der 
Hefe  enthalten  ist  und  iü  kleiner  Menge  in  die  alkoholisch* 
aetherische  Flüssigkeit  übergegangen  war. 

Der  nach  dem  Abdestilliren  des  Aethers  sich  aus  der 
alkoholischen  Flüssigkeit  abscheidende  fettige  Körper  ent- 
hielt keine  Spur  einer  organischen  Phosphor- 
verbindung, gab  aber  nach  dem  Verseifen  und  Aus- 
schütteln mit  Aether  feine  seideglänzende  Nadeln  von  allen 
Reactionen  des  Cholesterins^). 


7)  Der  Nachweis  des  Lecithins  auch  in  geringen  Mengen  ist  nicht 
mit  Schwierigkeiten  verhanden,  wie  mir  spezielle  Vorversnche  mit  der 
aus  Dotter  dargestellten  Sahstanz  ergaben. 

8)  Dieses  hesass  einen  schwachen,   an  Geranium  und  Bienenwachs 
erinnernden  Beigeruch;  die  Menge  entsprach  0,06  pc.  der  trocknen  Hefe, 


176         Sitzung  der  matK-phys.  Glosse  vom  4.  Mai  1878, 

Da  nun  möglicherweise  die  Abwesenheit  von  Lecithin 
in  jenem  alkoholisch  -  ätherischem  Auszug  darauf  hätte 
zurücl^efuhrt  werden  können,  dass  dieser  Körper  durch  die 
feuchte  Membran  der  Hefezelle  schwierig  diffundirt,  so  wurde 
einerseits  lufttrockne  Hefe  der  Extraction  mit  absolutem 
Alkohol  unterworfen,  andrerseits  Hefeschlamm  nach  wieder- 
holter Behandlung  mit  absolutem  Alkohol  (um  möglichst 
viel  Wasser  zu  entziehen)  mit  reinem  Aether  behandelt, 
allein  auch  diese  Versuche  führten  zu  keinem  günstigeren 
Resultate. 

3.  Ueber  die  Bestimmung   des  Fettgehalts  der 

Hefe. 

Die  Natur  der  plasmareichen  Hefezelle  führte  mich  zur 
Vermuthung,  dass  das  Fett,  dessen  Gehalt  zu  2— 3  pc.  an- 
gegeben wird,  mittelst  der  gebräuchlichen  Methode  der 
Aetherextraction  nicht  vollständig  erhalten  würde  und  die 
erhaltenen  Zalen  zu  niedrig  seien.  Eine  genaue  Bestimmung 
war  nach  meiner  Ansicht  nur  nach  vorhergehender  Zerstör- 
ung der  Zellmembran  möglich.  Der  Versuch  hat  diese  Vor- 
aussetzung völlig  bestätigt ;  denn  während  scharfgetrocknete 
Hefe  bei  anhaltender  Behandlung  mit  kochendem  Aether 
nur  1,85  pc.  flüssiges  Fett  lieferte,  gab  eine  Portion  des- 
selben Materials  nach  vorheriger  Behandlung  mit  concen- 
trirter  Salzsäure  4,6  pc.  Fettsäure,  welche  als  Oelsäure 
.  angenommen  =  5,29  Fett  entspricht. 

Dass  Verfahren  ist  kurz  folgendes: 

Bei  100®  getrocknete  Hefe  (etwa  2—3  grm.)  wird  auf 
dem  Wasserbade  mehreremale  mit  concentrirter  Salzsäure 
abgedampft,  die  resultirende  schwarze  Masse  mit  Wasser 
auf  dem  Filter  ausgewaschen,  dann  mit  absolutem  Alkohol 
erwärmt  und  nach  dem  Abfiltriren  desselben  mit  Aether 
digerirt.  Der  alkoholische  und  ätherische  Auszug  werden 
vereinigt  und  der  Destillation  unterworfen,   der  Bückstand 


V,  Nägdi:  Ueber  die  chemische  Zusammenaetzung  der  Hefe.  177 

mit  Chloroform  behandelt,  die  Losung  von  der  gewöhnlich 
nur  geringen  Menge  ungelöster  Substanz  abfiltrirt  und  ini 
tarirten  Eölbchen  der  Chloroform  abdestillirt.  Die  erhaltene 
Substanz  ist  nun  kein  fettsaures  Glycerin  mehr,  sondern 
durch  die  yerhältnissmässig  grosse  Menge  Salzsaure  in 
Freiheit  gesetzte  Fettsäure.  ^) 

Da  diese   ein   bei  gewöhnlicher   Temperatur   flussiges 
Fett  liefert,  besteht  sie  wohl  zum  grösseren  Theile  ans  Oel- 
säure.     Bei   dem   hohen   Moleculargewicht    der  Fettsäuren 
im  engeren  Sinne  and  der  verhältnissmässig  kleinen  Differenz 
mit  dem  der   entsprechenden   Glycerinverbindungen  kommt 
eine  nur  geringe  Beimengung  von  Palmitin-  oder  Stearin- 
säure kaum  in  Betracht;  denn  es  liefern: 
1  Theil  Oleinsäure  =  1,1518  Olein, 
1  Theil  Stearinsäure  =  1,1461  Stearin, 
1  Theil  Palmitinsäure  =-  1,2644  Palmitin. 

Wenn  aber  letztre  Beimengungen  in  grössrer  Menge 
vorhanden  sind,  so  gebe  man  in  ähnlichen  Fällen  einfach 
den  Gehalt  an  Fettsäuren  an,  aaf  welchen  ja  ohnehin  bei 
Fettbestimmungen  der  Hauptnachdruck  beruht;  kommt  es 
auf  den  Vergleich  mit  dem  durch  Äether  extratirten  Fett 
an,  so  verseife  man  letzteres  ebenfalls. 

4.    Bemerkungen    über    das   Invertin    und 

„Nuclein"   der  Hefe. 

Es  wurden  mehrere  Versuche  angestellt,  die  ungeform- 
ten  Fermente  der  Hefezelle  nach  der  von  Hüfner  für  andre 
Fälle  angegebenen  Methode  (Extraction  mit  Glycerin  und 
Fällen  des  Auszugs  mit  Alkohol)  darzustellen ;  es  konnten 
indess  ausser  der  Eigenschaft,  Bohrzucker  zu  invertiren, 
keine    anderen    fermentativen    Wirkungen    an 

9)  Um  zu  entscheiden,  ob  der  Fettsäure  noch  anverseiftes  Fett 
beigemengt  sei,  wurden  0,096  grm.  mit  alkoholischer  Kalilösung  be- 
handelt, eingedampft  und  nach  Versetzen  mit  Salzsaure  mit  Gloroforn^ 
extrahirt;  die  Differenz  betrug  nuj:  0,002  grm. 


178  Sitzung  der  viath.-phys.  Classe  vom  4.  Mai  1878 

dem  erhaltenen  Präparate  wahrgenommen  werden.  Bezüg- 
lich dieses  Fennentes  nun  —  dem  sogenannten  Invertin  — 
wurde  neuerdings  von  M.  Barth  *")  eine  Mittheilung  gemacht. 
Er  stellt  es  dar  durch  Extrahiren  von  scharf  getrockneter 
Hefe  mit  Wasser  und  Fällen  des  Auszugs  mit  starkem  Al- 
kohol. Bei  dem  nicht  unbeträchtlichen  Gehalte  der  Hefe 
an  Pflanzenschleim,  musste  dieser  natnrgemäss  das  so  er- 
haltene Präparat  verunreinigen,  wofür  nicht  nur 
die  auffallend  geringe.  Inversionsfähigkeit,  sondern  auch  der 
sehr  niedrige  Stickstoffgehalt  —  B.  fand  nur  6  pc.  , — 
spricht.   - 

Nach  einer  Angabe  Hoppe-Seylers  ^*)  kommt  in  der 
Hefe  trotz  des  Mangels  eines  Zellkerns  doch  dieselbe  Sub- 
stanz vor,  aus  welcher  die  Kerne  der  Blut-  und  Eiterkör- 
perchen  bestehen  und  welche  man  „Nuclein*'  nannte.  Trotz 
dem  schon  von  mehreren  Seiten  die  Individualität  des  Nu- 
cleins  in  Frage  gestellt  wurde,  versuchte  ich  die  von  Hoppe 
für  die  Hefe  gemachten  Angaben  zu  prüfen.  Nach  Be- 
handlung mit  Aether,  Alkohol  und  Kochsalzlösung  —  ge- 
nau nach  Hoppe's  Verfahren  —  gab  die  Hefe  an  verdünn- 
tes Aetznatron  einen  durch  Salzsäure  fallbaren  Körper  ab, 
der  sich  bei  genauer  Prüfung  in  nichts  von  Ei  weiss  mit 
geringer  Beimengung  von  phosphorsaurem  Kalk  und  Mag- 
nesia unterschied.  Bei  dem  beträchtlichen  Gehalt  der  Hefe 
an  Phosphaten  kann  eine  geringe  Verunreinigung  mit 
„Phosphor",  dessen  Anwesenheit  Hoppe  zur  Annahme  des 
Nucleins  in  der  Hefe  bestimmt  hatte,  nicht  überraschen. 
5.  lieber  den  Pilzschleim  und  das  Verhalten 
der  Hefe  bei  wiederholter  Behandlung  mit 

heissem  Wasser. 
Mein  Vorgänger  Heinrich  hatte  eine  Untersuchung  über 
das  Verhalten  der  Hefe  bei  längerer  und  wiederholter  Be- 

10)  Ber.  Deutsch.  Chem.  Ges.  März  1878. 

11)  Medic.-chem.  UntersuchaDgen  Heft  lY.  p.  500  und  Handbach 
der  physiolog.-chem.  Analyse  pag.  263. 


V,  Nägeli:  lieber  die  chemische  Zusammensetzung  der  Hefe*  179 

handlung  mit  kochendem  Wasser  begonnen  und  die  Ex- 
tracte  von  elf  aufeinander  folgenden  Abkochungen  von 
einer  594  grm.  Trockensubstanz  entsprechenden  Portion 
Hefe  dargestellt;  die  angewandten  Wassermengen  variirten 
von  2 --4  Liter,  die  Zeitdauer  von  anfangs  wenigen  Stunden 
bis  1  und  2  Tage  bei  den  späteren  Operationen.  Da  Heinrich 
an  der  weiteren  Untersuchung  der  Extracte  durch  Krank- 
heit verhindert  wurde,  hatte  ich  den  Auftrag  erhalten  diese 
vorzunehmen.  Im  Wesentlichen  bestanden  dieselben  aus 
Peptonen,  wie  sie  bei  längerem  Kochen  von  Eiweiss  mit 
Wasser  erhalten  werden,  ferner  einer  eigenthümlichen 
Gummisubstanz  oder  Pflanzenschleim  und  Mineralsalzen. 
Stickstoff-  und  Aschegehalt  nahmen  mit  der  fortschreitenden 
Extraction  ab,  wogegen  die  Menge  des  Schleims  relativ  zu- 
nahm, wie  aus  folgender  Tabelle  ersichtlich  wird: 


Anszug 

Gewicht  des 

Extracts 
bei  lOO^getr. 

Asche  in 
Procenten 

Stickstoff 
in  Procenten 

1 

118,0 

19,95 

6,52 

2 

fehlte 

3 

16,79 

9,49 

10,32 

4 

12,25 

7,66 

10,57 

5 

10,12 

6,07 

9,80 

6 

6,14 

5,17 

9,25 

7 

10,61 

4,52 

8,15 

8 

fehlte 

— 

9 

20,52 

3,34 

7,69 

10 

17,82 

2,24 

6,67 

11 

— 

1,63 

5,10 

Nach  der  letzten  Behandlung  hinterblieben  286  grm. 
(Trockensubstanz)  mit  einem  wesentlich  verminderten  Stick- 
stoffgehalte. 


180        Sitzung  der  math,'phy8.  (Mcuse  vom  4.  Mai  187 S, 

Um  den  PilzscUeim  zu  isoliren  wurde  mittelst  Blei- 
össig  die  Phosphorsäure  und  a-  und  b-Pepton  entfernt  und 
das  Filtrat  nach  dem  Entbleien  und  Concentriren  heiss  mit 
dem  gleichen  Volum  heissen  Alkohols  vermischt,  die  Flüssig- 
keit von  der  ausgeschiedenen  zähen  Masse  noch  heiss  ab- 
gegossen, und  letztere  durch  wiederholte  Ausfallung  aus 
heisser  Lösung  rein  und  völlig  weiss  erhalten.  *^)  Die  al- 
koholischen Flüssigkeiten  enthalten  vorzüglich  c- Pepton, 
neben  einem  symposen  Körper  und  Spuren  Leucin. 

Dieser  Hefeschleim  wurde  zuerst  von  Bechamp  aufge- 
funden,^') aber  nicht  näher  untersucht.  In  seinen  Eigen- 
schaften schliesst  er  sich  am  nächsten  an  das  in  den  Runkel- 
rüben aufgefundene  sogenannte  Dez  trän  an,  beide  geben 
mit  alkalischer  Eupferlösung  einen  käsigen  hellblauen  Nie- 
derschlag. Durch  das  optische  Verhalten  sind  sie  jedoch 
wesentlich  unterschieden  ^  das  Drehungsvermögen  des  Dex- 
trans  beträgt  +  223  ^  das  des  Hefeschleims  nur  -f  78  •.  **) 
In  heissem  Wasser  löst  sich  letztrer  leicht  zu  einer  schwach 
opalisirenden  Lösung  auf,  in  kaltem  nur  schwierig.  Durch 
Pergamentpapier  diffiindirt  er,  wenn  auch  ungemein  lang- 
sam. Er  reducirt  Fehlings  Lösung  nicht  (Unterschied  von 
Dextrin)  imd  wird  mit  Säuren  nur  langsam  in  Glycose  ver- 
wandelt. Mit  Gerbsäure  giebt  er  keinen  Niederschlag 
(Unterschied  von  gelöster  Stärke),  ebensowenig  mit  Borax 
(Unterschied  von  Arabin).  Jod  wird  langsam  unter  Braun- 
färbung gelöst.  Bleiessig  fällt  die  concentrirte  Xösung 
nicht  (Unterschied  von  Dextran),  wohl  aber  nach  Zusatz 
von  Kali.     Salpetersäure    führt   ihn  erst  in   eine   syrupöse 


12)  Ans  den  späteren  Abkochungen  lässt  sich  die  Substanz  viel 
leichter  farblos  erhalten,  als  aus  den  ersten,  welche  von  viel  dunklerer 
Färbung  sind. 

13)  Compt  rend.  74.  p.  186. 

14}  Bechamp,  dessen  Substanz  vielleicht  nicht  völlig  wasserfrei  ge« 
wogen  wurde,  giebt  nur  +  58  bis  61  ^  an. 


V.  Nägeli:  üeber  die  chemische  Zusammensetzung  der  Hefe,   181 

Sänre  (Zuckersäure ?),  dann  in  Oxalsäure  über.  Schi  ei  m - 
säure,  welche  Bechamp  beobachtet  haben  will,  entsteht 
hiebei  durchaus  nicht. 

Bei  110^  getrocknet  gaben  0,518  grm.  0,3078  H^O 
und  0,8235  COg,  entsprechend  6,60  pc.  H  und  41,43  pc.  C 
woraus  sich  am  nächsten  die  Formel  C^g  Hj^  0^^  =  3 
(CßHjoOg)  +  2  HgO  ableiten  lässt: 


Berechnet  für 
^12  H„  Oji   I  C,8  H34  Oi7 


Gefunden 


C    .. 
H  .  .  • 


42,10 
6,43 


41,38 
6,51 


41,43 
6,60 


Um  womöglich  das  Moleculargewicht  festzustellen,  wur- 
den die  Verbindungen  mit  Blei  und  Kupfer  dargestellt, 
erstre  durch  Fällung  mit  einer  Losung  von  Bleizucker  in 
verdünntem  Kali,  letztre  durch  Fällung  mit  einer  Mischung 
von  Kupferacetat ,  weinsaurem  Kali  und  Aetzkali  und 
Waschen  mit  Weingeist ;  allein  die  Niederschläge  waren 
stets  kalihaltig,  die  Kupferverbinduug  enthielt  12,05  pc.  Cu 
und  3,39  pc.  K. 

V 

6.   lieber  die  Cellulose  der  Sprosshefe  and 

Essigmutter. 

Nach  Fremy  **)  ist  die  Cellulose  der  Champignons  un- 
löslich in  Kupferoxydammoniak,  nach  Liebig'*)  ist  dieses 
auch  bei  der  Hefecellulose  der  Fall  und  nach  Schlossberger 
besitzt  letztre  ferner  die  Fähigkeit,  durch  Einwirkung  von 
Säuren  sehr  leicht  in  Zucker  überzugehen. 

Eine  Vergleichung  der  aus  Sprosshefe  wie  aus  Essig- 
mutter (Mycoderma  aceti)  dargestellten  Cellulose  ergab  ein 


15)  Jahresb.  1869. 

16)  A.  Mayer,  Lehrb.  der  Gärangschemie  p.  97. 


182  Sitzung  der  math.-phya,  Classe  vom  4,  Mai  1878, 

ungleiches  Verhalten.  Während  die  Sprosshefencell alose 
leicht  durch  Säuren  angreifbar  und  andrerseits  völlig  un- 
löslich in  Eupferoxydammoniak  ist,  erweist  sich  die  Essig- 
mutter-Cellnlose  von  einer  grossen  Resistenzfahigkeit  gegen 
Säuren  und  wird,  wenn  auch  sehr  langsam  von  Eupferoxyd- 
aramoniak  gelöst. 

Eine  Beindarstellung  der  Sprosshefencellulose  ohne  be- 
deutenden Verlust  scheint  besondere  Schwierigkeiten  zu 
haben.  Schlossberger  behandelte  die  Hefe  mit  Eali  und 
Essigsäure,  allein  sein  Präparat  enthielt  noch  0,5  pc.  N. 
Um  ein  besseres  Resultat  zu  erzielen,  substituirte  ich  warme, 
massig  starke  Salzsäure  für  die  Essigsäure  und  reducirte  da- 
durch allerdings  den  N-gehalt  auf  eine  Spur,  erlitt  aber 
durch  Zuckerbildung  einen  beträchtlichen  Verlust.  Dieses 
Präparat  diente  zu  mehreren  Vergleichen;  es  ist  völh'g  un- 
löslich in  Eupferoxydammoniak. 

Weitere  Versuche,  die  Albuminate  mittelst  verdünnter 
Lösung  von  Chlorkalk  oder  chlorige  Säure  zu  zerstören, 
führten  eben&lls  nicht  zum  Ziele :  die  erhaltenen  anscheinend 
inhaltlosen  Zellmembranen  wurden  nachher  durch  Eali 
stark  verändert  und  theilweise  gelöst,  sie  waren  jedenfalls 
durch  jene  Oxydationsmittel  stark  angegriffen   worden.   — 

Auch  Versuche,  durch  Pepsin  Verdauung  die  Albuminate 
au  entfernen,  führten  zu  keinem  befriedigenderen  Resultat. 
Die  Zellen  zeigten  zwar  nach  2  tägiger  Digestion  mit  Pepsin 
in  schwach  salzsaurer  Lösung  eine  nicht  unerhebliche  Ver- 
minderung des  Inhalts,  aliein  diese  Abnahme  wurde  bei  den 
folgenden  Behandlungen  immer  geringer  und  nach  der 
dritten  betrug  der  N-gehalt  noch  3,1  pc.  —  also  noch  mehr 
als  Vs  cles  ursprünglich  vorhandenen.  Es  ist  indessen  wohl 
möglich,  dass  bei  sehr  lange  fortgesetzter  Operation  schliess- 
lich auch  die  resistenteren  Theile  des  Plasmas  gelöst  werden. 
Ein  Versuch  durch  Pancfeasverdauung  in  neutraler  Lösung 


V,  Nagelt:  üeher  die  chemische  Zusammensetzung  der  Hefe»  183 

zum  Ziele  gelangen,  schlug  wegen  racher  Entwicklung  von 
Spaltspilzen  fehl. 

Die  Reindarstellung  der  Essigmutter  Cellulose  ist  mit 
Salzsäure  und  Natronlauge  leicht  ohne  erheblichen  Substanz- 
Verlust  auszufuhren,  da  sie  resistenter  gegen  Säuren  ist. 
Diese  Cellulose  bildet  weisse  bis  leicht  rothliche  papierdunne 
häutige  Massen  von  schwachem  Glänze.  Kochende  Salpeter- 
säure greift  sie  nur  langsam  an,  concentrirte  Schwefelsäure 
löst  sie  unter  Bräunung  und  Zuckerbildung  allmälig  auf. 
0,36  grm.  wurden  nach  18  Stunden  von  20  cc.  Eupferoxyd- 
ammoniak  völlig  gelöst,  während  für  die  gleiche  Menge 
Filtrirpapier  2  Stunden  hinreichten,  den  fast  momentan  ge- 
bildeten Brei  in  eine  Lö'sung  zu  verwandeln.  — 

0,2855  grm.  dieser  Cellulose  gaben  0,1700  H^O  und 
0,4611  COg,  entsprechend  44,03  pc.  C  und  6,61  pc.  H.  Die 
Formel  Cg  H^o  O5  verlangt:  44,44  C  und  6,20  H. 

7.  üeber  die  Pr  od  uc  teder  Hefe  bei  der  In  volution. 

Eine  Mischung  von  mit  Wasser  auf  9,15  Liter  ver- 
dünnter Hefe  (entsprechend  529,2  grm.  Trockensubstanz) 
mit  91,5  grm.  Phosphorsäurc,  welche  13  Monate  in  einer  zu 
^/3  damit  angefüllten  Flasche  sich  selbst  überlassen  worden 
war,  wurde  mir  zur  Untersuchung  von  Herrn  Professor  Dr. 
v.  Nägeli  übergeben. 

Die  Flüssigkeit  war  geruchlos  und  von  gelblicher  Farbe, 
der  Bodensatz  schlammig,  vom  Aussehen  frischer  Hefe,  aber 
unfähig,  Zucker  in  Gärung  zu  versetzen.  Während  der 
Gehalt  an  N  =  7,82  pc.  und  an  Asche  =  6,45  pc.  bei  der 
angewandten  Hefe  betreten  hatte,  enthielt  sie  jetzt  nur 
^och  6,84  pc.  N.  und  0,43  pc.  Asche.  Das  Extract  musste 
desshalb  N-reicher  sein  als  die  verwendete  Hefe  und  in  der 
That  wurde  derselbe  in  einer  abgemessenen  eingetrockneten 
Probe  zu  8,98  pc  gefunden.     - 


184         Sitzung  der  math.^phys.  Cl(M$e  vom  4,  Mai  1878, 

Eine  Trockensubstanzbestimmung  mit  einem  Theil  des 
zu  einem  gewissen  Volum  mit  Wasser  aufgeschüttelten 
Bodensatzes  ergab  das  Gewicht  des  letzteren  zu  331,3  grm., 
es  hatte  also  die  Hefe  197,9  grm.  an  die  verdünnte  Phos- 
phorsaure abgegeben. 

Bei  der  Untersuchung  der  Flüssigkeit   wurde  zanächst 
.  ein    Strom    kohlensäurefreier    Luft    durchgesaugt    und    in 
Ealkwasser   geleitet,    wodurch    sich    die   Anwesenheit    von 
Kohlensäure  ergab. 

Ein  Achtel  wurde  der  wiederholten  fractionirten  Destil- 
lation unterworfen  und  aus  dem  letzten  Destillat  durch 
kohlensaures  Kali  Alkohol  abgeschieden,  sein  Volum  betrug 
0,9  cc.  Der  ursprüngliche  Retorteninhalt  wurde  nun  mit 
den  andern  ^/s  vereinigt,  mit  Kalkmilch  die  freie  Phosphor- 
säure entfernt  und  das  Filtrat  zur  Syrupconsistenz  einge- 
engt, wobei  sich  das  in  geringer  Menge  vorhandene  Eiweiss 
in  schleimigen  Häuten  abschied. 

Nach  mehreren  vergeblichen  Versuchen  hieraus  direct 
gut  characterisirte  Körper  abzuscheiden  '^)  wurde  die  Lösung 
mit  Bleiessig  so  lange  versetzt  als  ein  Niederschlag  ent- 
stand (P). 

Das  Filtrat  wurde  entbleit,  concentrirt  und  mit  heissem 
Alkohol  von  massiger  Stärke  behandelt,  wobei  im  Wesent- 
lichen der  schon  erwähnte  Pilzschleim  als  zähe  Masse  un- 
gelöst blieb,  während  die  heiss  davon  abgegossene  Flüssig- 
keit beim  Erkalten  einen  amorphen  in  Wasser  leicht  lös- 
lichen Körper  fallen  Hess,  der  sich  wie  das  b-Pepton  Meiss- 
ners verhiielt;  denn  ausser  Millons-  und  der  sogenannten 
Biuretreaction  gab  er  mit  Ferrocyankalium  und  Essigsäure 
nach  mehreren  Minuten  einen  starken  Niederschlag. 


17)  Ein  Theil  mit  Alkohol  extrahirt,  gab  an  letztrem  unter  anderra 
geringe  Mengen  von  Traubenzucker  ab. 


V,  Nägeli:  lieber  die  chemische  Zusammensetzung  der  Hefe,   285 

Da  das  Filtrat  von  diesem  Pepton  nach  dem  Concen- 
triren  und  längerem  Stehen  keine  krystalünischen  Pro- 
dukte lieferte ,  wurde  es  nach  dem  Verdünnen  mit 
Wasser  mit  Quecksilberoxydnitrat  —  bei  gleichzeitigem 
Neutralhalten  mit  Barytwasser  —  gefällt  (H),  das  Filtrat 
hievon  nach  der  Behandlung  mit  Schwefelwasserstoff  ein- 
geengt, und  dann  mittelst  Alkohol  von  dem  grössten 
Theile  des  Kali-  und  Barytnitrats  befreit.  Wird  nun  diese 
alkoholische  Flüssigkeit  mit  etwas  Aether  versetzt,  so 
scheidet  sich  ein  hellgelber  Syrup  aus,  in  welchem  sich 
nach  längerem  Stehen  neben  noch  vorhandenen  Nitra- 
ten kleine  Warzen  eines  N-freien  indifferenten  organischen 
Körpers  bilden,  ^er  beim  ümkrystallisiren  dentritische 
Formen  zeigt,  an  der  Luft  etwas  verwittert  und  beim  Er- 
hitzen einen  acetonartigen  Geruch  verbreitet.  Er  reducirt 
Fehlings  Lösung  auch  nach  dem  Kochen  mit  verdünnter 
Salzsäure  nicht.  Meine  Vermuthung  Inosit  vor  mir  zu 
haben  konnte  ich  wegen  zu  geringer  Menge  und  der  man- 
gelnden Schärfe  der  Scherer'schen  Reaction  nicht  näher 
prüfen.  Der  übrige  Theil  des  Syrups  lieferte  mit  Kupfer- 
oxydhydrat gekocht  eine  in  blaugrünen  Prismen  krystalli- 
sirende  Verbindung  in  geringer  Menge,  während  die  mit 
Aether  versetzte  alkoholische  Flüssigkeit,  aüs  der  sich  jener 
Syrup  abgeschieden  hatte  beim  Verdampfen  geringe  Mengen 
L  e  u  c  i  n  gab.     Tyrosin  fehlte. 

Der  Niederschlag  P.  Dieser  obenerwähnte,  mit  Blei- 
essig erhaltene  Niederschlag  wurde  nach  dem  Auswaschen 
mit  Schwefelwasserstoff  zersetzt  und  das  zum  Syrup  con- 
centrirte  Filtrat  mit  Alkohol  heiss  extrahirt,  wobei  eine 
wesentlich  aus  Pepton  bestehende  Masse  ungelöst  blieb  und 
sich  beim  Erkalten  des  Filtrats  bräunliche  Flocken,  deren 
Verhalteu  sie  als  a-Pepton  Meissners  erkennen  liessen, 
abschieden.  Nach  dem  Abdestilliren  des  Alkohols  wurde 
mit  Barytwasser  die  Phosphorsäure  entfernt  und  das  Filtrat 
[1878.  2.  Math.-phys.  Cl.]  13 


186  Sitzung  der  tnath.-phys.  Glosse  vom  4,  Mai  1878. 

auf  ein  kleines  Volum  eingeengt  ^®)  Nach  mehreren  Tagen 
hatte  sdch  ein  schwerlösliches  bräunliches  Pulver  abgeschie^ 
den,  welches  sowohl  mit  Salz-  und  Salpetersäure  krystalli- 
sirende  Verbindungen  lieferte,  als  auch  mit  salpetersaureni 
Silber,  letztre  in  Ammoniak  unlöslich  und  aus  heisser  Sal- 
petersäure in  schönen  Nadeln  sich  abscheidend.  Mit  essig- 
saurem Kupferoxyd  gekocht  entsteht  ein  flockiger  hellgrüner 
Niederschlag.  Während  es  in  den  fixen  Alkalien  und  Mi- 
neralsäuren leicht  löslich  ist,  wird  es  von  Ammoniak  kaum 
mehr  gelöst  als  von  Wasser  und  hierin  liegt  wohl  ein 
Hauptunterschied  des  Guanins   vom  Xanthin  und  Sarkin. 

Die  syrupöse  Mutterlauge,  aus  welcher  sich  das  Guanin 
abgeschieden  hatte,  enthielt  noch  etwas  Pepton  und  wider- 
stand allen  Versuchen,  krystallisirbare  Verbindungen  daraus 
zu  gewinnen. 

Der  Niederschlag  H.  In  heissem  Wasser  aufge- 
schlemmt und  durch  einen  Strom  Schwefelwasserstoff  zer- 
setzt, lieferte  der  Quecksilberniederschlag  (H)  ein  Piltrat, 
welches  beim  Einengen  ein  schwerlösliches  Pulver  fallen 
Hess,  welches  mit  Salpetersäure  die  charakteristische  Xan- 
thinreaction  gab.  Mit  wenig  Wasser  gekocht  löste 
sich  ein  Theil  auf  und  schied  sich  beim  Erkalten  wieder 
aus,  Sarkin,  der  andre  Theil  war  auch  in  kochendem 
Wasser  sehr  schwer  löslich,  wogegen  leicht  in  Ammoniak 
und  Säuren,  Xanthin.^^)  Beide  Körper  gaben  die  cha- 
rakteristischen in  Ammoniak  unlöslichen  Silbersalze;  von 
erstrem  wurde  ferner  die  Salzsäure-  und  Kupferverbindung 
behufs    Identificirung   dargestellt.     Das   Piltrat   von   diesen 


18)  Das  während  des  £indampfens  gebildete  Sediment  gab  nach 
Zugabe  von  Säure  an  Aether  kleine  Blättchen  vom  Verhalten  der  Bern- 
steinsäure ab.  es  war  ohne  Zweifel  bernsteinsaurer  Kalk.  — 

19)  Xanthin,  Sarkin,  Guanin  (und  Carnin)  wurden  bereits  von 
Schützenberger  vor  mehreren  Jahren  in  „erweichter  Hefe"  aufgefunden. 


V.  Nagelt:  üeher  die  chemische  Zmammensetzung  der  Hefe,    187 

schwerlöslichen  Körpern  wurde  nach  dem  Eindampfen  mit 
heissem  Alkohol  extrahirt  (a),  wobei  eine  die  Peptonreactionen 
gebende  Masse  zurückblieb,  welche  in  I?olge  der  Nichtfall- 
barkeit  mit  Salpetersäure  sowohl  als  durch  Ferrocyankalium, 
^o\A  Meissners  c-Pepton  enthält.  Da  möglicherweise 
auch  Kreatin  bei  der  langsamen  Respiration  der  Hefe  ge- 
bildet werden  könnte,  so  wurde  diese  Masse,  welche  das- 
selbe hätte  enthalten  müssen,  mit  verdünnter  Schwefel- 
säure erwärmt,  dann  nach  Behandlung  mit  Isohlensaurem 
Baryt  eingedampft  und  mit  Alkohol  extrahirt.  Letztrer 
hinterliess  beim  Verdunsten  einen  Rückstand,  der  mit  Chlor- 
zink der  Kreatinin- Verbindung  sehr  ähnliche  Krystallformen' 
lieferte.  Jedenfalls  ist  aber,  wenn  hier  in  der  That  Krea- 
tinin vorliegt,  dessen  Menge  eine  äusserst  geringe. 

Aus  der  heissen  alkoholischen  Flüssigkeit  (a)  schied 
sich  beim  Erkalten  ein  gelber  amorpher  Körper  ab,  der 
beim  Erhitzen  den  Geruch  verbrennenden  Homs  entwickelte 
und  mit  salpetersaurem  Silberoxyd  einen  in  Ammoniak 
leicht  löslichen  Niederschlag  gab.  Die  eingeengte  Flüssig- 
keit wurde  mit  Alkohol  behandelt,  dem  V*  volum  Aether 
zugefügt  war  und  die  von  dem  Reste  des  vorhandenen  Pep- 
tons getrennte  Lösung  nach  Verdunsten  des  Alkohols  noch- 
mals mit  Quecksilberoxydnitrat  (ohne  zu  neutralisiren)  gefällt 
und  hiebei  noch  ein  Körper  aus  der  Xanthingruppe  erhalten, 
der  eine  Silberverbindung  in  weissen  in  Ammoniak  unlös- 
lichen Nadeln  gab,  welche  sich  beim  Eindampfen  mit  Sal- 
petersäure —  wahrscheinlich  durch  Bildung  einer  Nitro- 
verbindung —  hochgelb  färbte.  Das  Piltrat  von  diesem 
Niederschlag  wurde  nun  in  mit  Barytwasser  neutral  ge- 
haltener Lösung  mit  Quecksilberoxydnitrat  gar  ausgefüllt  und 
in  diesem  Niederschlage  nach  Tyrosin  gesucht,  indessen 
nicht  in  Krystallen  erhalten,  olDwohl  Reactionen  eine  geringe 
Menge  davon  anzudeuten  schienen. 

13* 


288  Sitzung  der  matK-phys.  Glosse  vom  4.  Mai  187 8, 

Harnstoff  war  in  dem  Niederschlage  (H)  nicht  vor- 
handen; er  konnte  auch  nicht  aufgefunden  werden,  als 
feucht  gehaltene  Hefe  bei  schwach  saurer  wie  schwach  al- 
kalischer Reaction  8  Tage  lang  der  Luft  ausgesetzt  wurde. 

Die  Hefe  hatte  also  bei  langsamer  Respiration  und  all- 
mäligem  Absterben  an  die  verdünnte,  1  procentige  Phos- 
phorsäure abgegeben:  a-,  b-,  und  c-Pepton,  Leucin,  Gija- 
nin,  Xanthin,  Sarkin,  Pilzschleim,  ferner  geringe  Mengen 
Albumin,  Kohlensäure,  Alkohol  und  Traubenzucker. 


Herr  W.  G  um  bei  legt  vor: 

„lieber  dieim  stillen  Ocean  auf  dem  Meeres- 
grunde vorkommenden  Mangan  kn  ollen". 

Die  Erforschung  der  Verhältnisse  am  Grunde  und  in 
der  Tiefe  unserer  Weltmeere,  der  eigenthümlichen  dort 
lebenden  Thierwelt  und  der  sich  fortwährend  am  Seeboden 
ablagernden  Niederschläge  bildet  in  neuerer  Zeit  einen  be- 
sonderen höchst  wichtigen  Zweig  der  naturwissenschaftlichen 
Studien,  welche  nach  verschiedenen  Seiten  hin  einen  be- 
lebenden und  befruchtenden  Einfluss  ausüben.  Ist  es 
auch  in  erster  Linie  die  Zoologie,  welche,  indem  sie  eine 
erstaunliche  Menge  neuer,  früher  für  ausgestorben  gehaltenen 
und  nur  in  den  Versteinerungen  repräsentirt  erachteten 
Thiertypen  kennen  lernt  und  ihren  Gesichtskreis  wesentlich 
zu  erweitern  im  Stande  ist,  das  grosse  Loos  bei  diesen  Tief- 
seeforschungen gezogen  hat,  so  nimmt  doch  auch  die  Geo- 
logie einen  wesentlichen  Antheil  an  diesem  Gewinne,  in- 
dem sie  von  den  Absätzen  am  Grunde  der  Meere,  von  den 
Schlammniederschlägen,  gleichsam  den  Embryonen,  aus 
denen  früher  einmal  die  meisten  unserer  Berge  emporge- 
wachsen sind,  von  der  Urmaterie,  wie  dieselben  in  früheren 
Perioden  der  Erdentwicklung  als  Grundlage  zur  Bildung 
von  Kalkstein,  Sandstein,  Schieferthon  gedient  hat,  Kennt- 
niss  sich  verschafft.  Es  sind  aber  die  geologischen 
Studien  in  zweifacher  Richtung  bei  den  Tiefseeuntersuch- 
ungen interessirt,  einmal  in  der  eben  erwähnten  Beziehung 


190  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  4,  Mai  1878. 

zu  dem  Bildungsmaterial  unserer  -Sendimentgesteine  und  dann 
nach  der  paläontologischen  Seite  hin  in  Bezug  auf  die  auf 
dem  tiefsten  Meeresgrunde  lebenden  Thiere,  von  welchen 
viele  mit  den  als  Versteinerungen  in  verschiedenen  Erd- 
schichten begrabenen  Formen  nahezu  übereinstimmen  oder 
doch  deren  Typus  unzweifelhaft  an  sich  tragen. 

Es  ist  zu  bekannt,  um  hier  im  Einzelnen  noch  näher  er- 
örtert zu  werden,  dass  über  sehr  grosse  Strecken  des  Meerbodens 
sich  ein  weicher,  weisslicher,  theilweise  unter  der  Vermitt- 
lung von  Organismen  entstandener  Kalkschlamm,  welcher 
der  Hauptsache  nach  aus  kohlensaurer  Kalkerde  be- 
steht, ausgebreitet  findet.  Man  darf  mit  Grund  annehmen, 
dass  es  in  früheren  Erdzeiten  ganz  ähnliche  Kalkschlamm- 
massen waren,  aus  welchen  durch  gewisse  ümbildungs- 
prozesse  der  Diagenese  und  der  Verfestigung  zahlreiche 
Kalksteinschichten  älterer  und  jüngerer  Formationen  her- 
vorgegangen sind.  Wir  finden  selbst  noch  auf  unseren  Bergen 
innerhalb  der  mächtigen  Schichtencomplexe  hier  und  da 
Zwischenlagen,  welche  diesem  Verdichtungsprozesse  weniger 
energisch  unterworfen  waren,  und  jetzt  noch  die  Natur  des 
weichen,  zerreiblichen  Meereskalkschlamms  in  mehr  oder 
weniger  vollkommenem  Maasse  bewahrt  haben,  wie  z.  B. : 
die  Schreibkreide,  manche  weiche  Streifen  im  Jurakalk  u.  s.  w. 

Wenn  dagegen  Kalksteine  jetzt  eine  dichte,  bis  ins 
Krystallinische  übergehende  Beschaffenheit  besitzen,  so  ist 
diess,  wie  ich  glaube,  noch  kein  Beweis,  dass  solche  Fels- 
massen schon  bei  ihrer  Entstehung  aus  krystallinisch 
gebildeten  Ausscheidungen  und  nicht  aus  einem  ursprüng- 
lichen Kalkschlamm  hervorgegangen  sind.  Denn  ich  halte 
dafür,  dass  das  Rohmaterial  der  Kalkfelsen,  der  Kalkschlamm 
am  tiefen  Meeresgrunde,  nachträglich  namentlich  durch  die 
Einwirkung  der  Kohlensäure  und  anderer  chemischer  Agentien 
an  Ort  und  Stelle  eine  grossartige  Umbildung  erleiden 
kann,    dass    selbst     organische   Formen  [in    krystallinische 


Gümbel:    üeber  im  stillen  Oeean  vorkommende  ManganhnoUen.    191 

Theilchen  übergeführt  und  die  ursprünglich  weichen  Schlamm- 
inassen  in  Folge  eines  starken  Druckes  und  einer  verkitten- 
den Wirkung  der  regenerirten  Ealkpartikelchen  nach  und  nach 
in  festen  Kalkfels  verwandelt  werden  können.  Die  Wirksam- 
keit der  Kohlensäure,  welche  hierbei  in  erster  Linie  thätig  ge- 
dacht werden  muss,  die  kleinsten  und  feinsten  organisirten 
Kalktheilchen  erst  aufzulösen,  ins  unorganische  zurück  zu 
fuhren  und  dann  unter  veränderten  Verhältnissen  die  aufgelöste 
Kalkerde  wieder  freizulassen  und  Ä.usscheidnngen  von  Kalk 
zu  veranlassen,  ist  eine  ähnliche,  wie  sie  bei  vielen  Pseu- 
domorphosenbildungen  eingetreten  sein  muss.  Es  ist  der- 
selbe Prozess,  wie  wenn  kohlensäurehaltiges  Wasser  aus 
kalkigem  Nebengestein  Kalkerde  auflöst  und  auf  durchziehen- 
den Spalten  in  Form  von  Kalkspath  wieder  absetzt. 

Wir  sehen  solche  Vorgänge  sich  z.  B.  in  Korallenrififen 
thatsächlich  vollziehen,  wo  die  pulverförmigen  zerriebenen 
Kalkschalentheilchen,  sich  ins  Krystallinische  offenbar  durch 
eine  ähnliche  Wirkung  der  Kohlensäure  umbilden.  Es 
ist  ebenso  wenig  zu  bezweifeln,  dass  die  kieselhaltigen 
Beimengungen  im  kalkigen  Tiefseeschlamm,  wie  solche  in 
Form  von  Diatomeen,  Polycystinen,  Kieselschwämmen  u  s.  w. . 
beigemengt  sind,  aufgelöst,  transportfähig  gemacht,  zur 
Wanderung  veranlasst  und  in  gewissen  Fällen  zu  Horn- 
steinconcretionen  zusammengeführt  werden. 

An  anderen  Stellen  oder  in  anderen  Tiefenregionen 
des  Meeres,  vorzugsweise  in  der  sog.  „kalten  Area"  und 
gegen  die  Küsten  hin  setzen  sich  sandigQ  Niederschläge 
ab,  die  nur  wenige  Thierreste  und  zwar  solche,  welche  in 
der  kalten  !Zbne  leben,  beherbergen  im  stärksten  Gegensatze 
zu  dem  Kalkschlamm  in  der  „warmen  Area"  und  zu  den 
darin  aufgehäuften  organischen  Resten  des  wärmeren  Wassers, 
wie  diess  Carpenter  (Proceed  Royal.  Soc.  1868  N.  107) 
so  vortrefflich  klar  gelegt,  und  auch  Delesse  in  seinem 
bewunderungswürdigen    Werke    (Lithologie    des    Mers    de 


192  Sitzung  der  math,rphys.  Glosse  vom  4.  Mai  tS78. 

France)  für  die  französische  sowie  Graf  Pourtales  für  die 
nordamerikanischen  Küsten  nachgewiesen  haben.  In  gewissen 
Grenzregionen  vermengen  sich  Sand  und  Ealkschlamm  und 
liefern  auf  diese  Weise  das  Material  zu  sandigem  Kalkstein 
und  Sandstein  mit  kalkigem  Bindemittel.  Merkwürdiger 
Weise  ist  es  gerade  diese  Grenzgegend,  in  welcher  oft 
Sandablagerungen  mit  Glauconitkörnchen  beobachtet  werden. 
Der  Glauconit  bildet  anfänglich  die  Ausfüllung  der  Hohl- 
räume abgestorbener  Poraminiferen,  und  ist  nicht  etwa  ein 
Produkt  der  Lebensthätigkeit;  erst  durch  den  Zerfall  der 
Foraminiferengehäuse  in  Folge  der  Auflösung  der  Kalkschalen 
durch  Kohlensäure  trennen  sich  die  Glauconittheilchen  in 
mehr  oder  weniger  rundliche  Kügelchen  von  einander  ab 
und  werden  dem  Sand  eingestreut,  genau  so  wie  wir  die 
Glauconitbeimengungen  bei  den  Grünsandsteinfelsen  be- 
obachten. Die  Eisenoxydulsilicatbildung  des  Glauconits  findet 
offenbar  unter  der  reducirenden  Einwirkung  der  sich  zer- 
setzenden organischen  Materie  statt,  welche  wahrscheinlich 
auch  den  Kaligehalt  liefert.  Es  mag  sich  hierbei  vielleicht 
eine  alkalische  Kiesellösung  mit  einem  Eisen carbonat  um- 
setzen. 

Dass  aus  den  sandigen  Ablagerungen  mit  verschie- 
denartigen Beimengungen,  die  sich  zu  sog.  Bindemitteln 
umzugestalten  vermögen.  Sandsteinlagen  hervorgehen  können, 
ist  wohl  nicht  zu  bezweifeln  und  so  sehen  wii:  in  dieser 
Art  der  jetzt  noch  stattfindenden  Meeresabsätze  eine  zweite 
Klasse  von  Gestein  bildendem  Rohmaterial. 

Die  dritte,  höchst  merkwürdige  Tiefseeablagerung  ist 
der  T  hon  seh  lamm,  der  theils  in  grauen  Farben  auf- 
tritt, theils  in  Form  einer  rothgefärbten  Masse  am 
meisten  die  Aufinerksamkeit  auf  sich  gelenkt  hat.  Wir  er- 
blicken Thonschlammin  diesem  absatz  den  ürtypus  des 
Materials,  welches  durch  alle  Sedimentbildungen  hindurch 
zur  Herstellung  derThongesteine  gedient  hat.    Es  ist  sehr 


(jümbel:  Ueher  im  stillen  Ocean  vorkommende  Manganknollen,    193 

bemerken  swerth,  dass  neben  der  grauen  Thonfarbe  auch  die 
rothe  schon  von  den  ältesten  Zeiten  her  mitfortlauft;  sie  zeigt 
sich  untergeordnet  schon  in  den  cambrischen  und  silurischen 
Thonschieferschichten,  gewinnt  dann  in  der  Facies  des  alten 
rothen  Sandsteins  der  Devonformation  sogar  das  Ueber- 
gewicht,  wiederholt  sich  in  beschränkt  er  Weise  in  der  Kulm- 
selbst in  der  Carbonformation  (Ottweiler  Schichten),  um  dann 
im  Rothliegenden  (Röthel-  und  Brockelschiefer),  im  Bunt- 
sandstein (Leber-  und  Röthschiefer)  und  endlich  im  Keuper 
das  Maximum  der  Betheiligung  an  der  Pärbang  aller  diese 
Formationen  zusammensetzenden  Gesteinsschichten  zu  er- 
reichen. Es  zeigt  sich  diess  wenigstens  innerhalb  eines 
grossen  Verbreitungsgebietes  in  Europa.  Der  Thon  tritt 
hierbei  theils  als  selbstständiges  Gesteinselement  auf,  theils 
untergeordnet  als  Beimengung  der  rothen  Sandsteine.  Auch 
durch  die  Kalksteinbildungen  zieht  sich  eine  Vergesell- 
schaftung mit  rothem  Thon  durch  viele  Formationen  hin- 
durch. Wir  erinnern  nur  beispielsweise  an  den  rothen 
Flaser-  oder  Knollenkalk  der  obersten  Devonstufe  (Kramenzel- 
kalk);  namentlich  macht  sich  diess  im  alpinen  Gebiet  in 
einem  solchen  Grade  bemerkbar,  dass  die  rothe  Färbung  vieler 
alpiner  Kalkgesteine  geradezu  als  äine charakteristische Eigen- 
thümlichkeit  für  dieses  Gebiet  zu  bezeichnen  ist,  von  dem 
rothen  Muschelkalk  der  Schreiersalpe  bis  zu  der  rothen  Scaglia 
oder  See  wenkalk  und  dem  rothen  Nummulitenkalk  mit  EhynchO" 
nella  polymorpha.  Die  Beimengung  rothen,  stark  eisen- 
schüssigen Thons  giebt  sich  hier  deutlich  zu  erkennen, 
wenn  man  solche  rothe  Kalke  mit  Säure  zerlegt.  Hierbei 
lässt  z.  B. :  mancher  rothe  Liaskalk  in  dem  thonigen 
Schlammrückstande  zahlreiche  dichtere  kalkfreie  Steinkeme 
von  Foraminiferen  namentlich  Comiispiren  erkennen,  welche 
als  Beweis  gelten  können,  dass  auch  dieser  anscheinend  so 
dichte  Kalk  gewisse  Rückbeziehungen  zu  dem  anfönglichen 
Kalkschlamm  bewahrt  hat,  aus  dem  er  seinen  Ursprung  ge- 


194  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  4,  Mai  1878, 

uommen  hat.  Nicht  weniger  benchienswerth  ät  das  gleich- 
sam isolirte  Aufbaachen  rothgefarbter  Streifchen  oder  Bänke 
inmitten  vorherrschend  gelber  Gesteinsschichten,  wie  z.  B. : 
der  Rotheisenoolithflötze  im  gelben  Doggersandstein  oder 
im  mittleren  Lias  und  die  mannigfache  Vermengang  von 
rothen  und  gelben  Thonstreifen  in  den  Farberdeablagerungen 
(Battenberg,  Tirschenreuth,  Amberg). 

Es  scheint  demnach,  dass  das  Vorkommen  recenter  rother 
Thonablagerungen  am  Grunde  des  Meeres  nur  die  Wieder- 
holung eines  seit  den  ältesten  Zeiten  wirksamen  Prozesses 
darstellt.  Aber  woher  kommt  überhaupt  das  Material  zu 
diesen  Tiefseethonablagerungen  und  woher  stammt  insbeson- 
sonders  die  rothe  Farbe  des  Thons? 

Dass  die  Thonablagerungen  als  rein  mechanische 
Vorzüge  anzusehen  sind,  dürfte  kaum  auf  Widerspruch 
stossen.  Soweit  die  mikroscopischen  Untersuchungen  reichen, 
erkennt  man  als  kleinste  gleichsam  elementare  Form  der 
Thontheilchen  nur  häutige  Flocken,  membranöse  mit  dunklen 
Körnchen  bestreute  unregelmässig  zerfetzte  Blättchen  oder 
körnig  geballte  Elümpchen.  Eine  Spur  organischer 
Struktur  ist  an  denselben  nie  beobachtet  worden,  wie  denn 
überhaupt  das  Vorkommen  des  Thons  oder  der  Thonerde  im 
organischen  Reiche  nur  auf  eine  mechanische  Beimengung 
zurückzuführen  sein  dürfte. 

Man  leitet  den  ersten  Ursprung  des  Thons  der  Sedi- 
mentärgesteine wohl  mit  allem  Rechte  von  der  Zersetzung 
thonerdehaltiger  Mineralien,  namentlich  von  jenen 
der  Feldspatharten  in  krystallinischen  Gesteinen  ab.  Dazu 
gesellt  sich  die  Umbildung  der  glimmerigen,  sericitischen 
und  choritischen,  fein  zertheilten  Gemengtheile  des  Glimmer- 
schiefers und  des  Phyllits.  In  späteren  Perioden  tritt  zu 
dieser  andauernd  durch  chemische  Zersetzungen  wirk- 
samen Thonerdequelle  noch  die  mechanische  Abschläm- 
mung   und    Verschwemmung,    welche    bei    der    unendlich 


Gümbel :  üeber  im  stülen  Ocean  vorkommende  Manganknollen,     195 

feinen  Zertheilbarkeit  der  Thonerdepartikelchen  diese  za 
einer  räumlich  enorm  weiten  Wanderung  im  bewegten  Wasser 
befähigen. 

Es  ist  kein  Grund  anzunehmen,  dass  der  am  Boden  des 
Meeres  sich  niederschlagende  Thonschlamm  einen  andern  Ur- 
sprung habe,  als  entweder  in  der  Zersetzung  thonerde- 
haltiger  Mineralien  aus  den  im  Meeresboden  etwa  anstehen- 
den Felsen,  welche  hier  wohl  unter  der  Einwirkung  der 
Kohlensäure  möglich  gedacht  werden  kann,  jedoch  in  ergie- 
biger Weise  und  grossartigem  Maasstabe  kaum  irgendwo 
wirklich  zu  erwarten  ist,  ebenso  wenig  wie  etwa  unter 
meerische  Schlammgüsse  nach  Art  der  Schlammvulkane,  oder 
aber  in  dem  Absatz  der  im  Meerwasser  als  feinste  Theilchen 
suspendirten,  vom  Land  her  durch  Flüsse  zugeführten  und 
durch  Meeresströmungen  weiter  trausportirten  oder  durch 
aufsteigende  Quellen  vom  Meeresgrunde  aufgewirbelten 
Thonflocken.  Solche  Thontheilchen  gelangen  auch  mit  dem 
Kalkschlamm  zur  Ablagerung ;  denn  der  letztere  ^)  enthält 
nach  meiner  Untersuchung  z.  Th.  wenigstens  11  ^/o  Thon. 
Von  diesem  thonhaltigen  Kalkschlamm  finden  sich  alle  mög- 
lichen üebergäuge  bis  zum  kalkfreien  Thonschlamm. 
Der  letztere  ist  an  vielen  Stellen,  wohl  durch  beigemengte 
organische  Theilchen  grau  gefärbt  und  eisenhaltig,  ganz  so 
wie  es  bei  der  Hauptmasse  unserer  thonigen  Felsarten  der 
Fall  ist.  Stellenweis  und  oft  in  grossartiger  Ausdehnung 
ist  dieser  Thonschlamm  nun  roth  gefärbt.  Dass  diese 
Färbung  von  beigemengtem  Eisenoxyd  herrührt,  darf 
kaum  erwähnt  werden.  Nun  ist  denn  doch  wohl  nicht  an- 
zunehmen, dass  irgend  eine  Abschlämmung  so  vorherrschend 
und  ausschliesslich  rothen  Thon  liefere,  und  dass  dieser  bei 
dem  Transport  im  Meere  so  unvermengt  bleiben  könne,  um 
an  gewissen    Stellen  exclusiv    rothen  Thon    zum  Absatz 


1)  N.  Jahrb.  f.  Min.  1870.    S.  762. 


196  Sitzung   der  math.-phys,  Classe  vom  4.  Mai  1878, 

gelangen  zu  lassen.  Es  ist  vielüiehr  viel  wahrscheinlicher, 
dass  diese  rothe  Varietät  des  Thons  als  eine  nachträgliche 
und  secundäre  Umbildung  aus  grauem,  eisenhaltigem  zu 
betrachten  sei.  Wir  kennen  in  der  Natur  vielfache  Ver- 
wandlungen des  Eisenoxydhydrats  und  der  Eisenoxydul- 
mineralien in  Eisenoxyd,  wie  z.  B.  bei  den  Pseudomorphosen 
von  Rotheisenstein  nach  Brauneisenstein,  Spatheisenstein, 
Schwefelkies  u.  s.  w. 

Auch  beobachtet  man  sehr  häufig,  dass  an  Klüften, 
Rissen  oder  Spalten  eisenschüssiger  Gesteine  die  gelbe  in 
die  rothe  Farbe  übergegangen  ist,  die  sich  gegen  das  Innere 
rasch  verliert.  Ebenso  lässt  sich  da,  wo  Pflanzenwurzeln 
durch  gelbe  eisenhaltige  Gesteinslagen  hindurchziehen,  zu- 
weilen, ehe  die  Farbe  sich  ganz  verliert,  ein  üebergang  von 
Gelb  in  Roth,  und  auf  den  Halden  durch  Verwitterung  eine 
Umwandlung  von  thonigem  Sphärosidernit  in  eine  eisenrothe 
thonige  ]\Ia8se  bemerken.  Auch  wissen  wir,  dass,  wenn  ein 
Niederschlag  von  Eisenoxydhydrat  längere  Zeit  unter  Wasser 
stehen  bleibt,  derselbe  aus  freien  Stücken  sich  in  rothes 
Eisenoxyd  umzuwandeln  beginnt.  Die  Natur  kennt  mithin 
verschiedene  Wege,  aus  hellfarbigem  Eisenoxydul  oder 
gelbem  Eisenoxydhydrat  rothes  Eisenoxyd  entstehen  zu 
lassen.  Wärme  und  höherer  Druck  scheint  diesen  Üeber- 
gang zu  begünstigen.  Bei  Eisensilikaten  bedarf  es  hierbei 
erst  der  vorbereitenden  Ueberführung  der  Eisenverbindung 
zum  Theil  unter  der  reduzirenden  Mitwirkung  von  sich  zer- 
setzenden organischen  Substanzen  zu  Oxydulcarbonat,  das 
leicht  wieder  in  Eisenoxydhydrat  zerfällt,  um  endlich  sich 
in  Eisenoxyd  zu  verwandeln.  Solche  Umwandlungsprozesse 
scheinen  nun  an  gewissen  Stellen  des  tiefen  Meeresgrundes 
in  gesteigerter  Energie  vor  sich  zu  gehen,  wobei  in  erster 
Linie  die  Wirkung  der  Kohlensäure  Platz  greifen  wird. 
Wenn  dann  da  oder  dort  aus  dem  Carbonat  sich  wahrscheinlich 
erst  Eisenoxydhydrat  abscheidet,  so  wird  dabei  Kohlensäure 


Gümhel:  Ueber  im  fttillen  Ocean   vorkommende  Manganhnollen»     197 

frei,  welche  nunmehr  alle  Kalldheilchen,  die  sie  im  Thon- 
schlamm  etwa  vorfindet,  auflösen  und  fortführen  wird.  Daher 
denn  nach  allen  Beobachtungen  dieser  rothe  Thon  fast  ganz 
frei  von  Einschlüssen  kalkiger  Thierübereste  ist,  wie  sich  diese 
bei  allen  unseren  älteren  rothen  Thonschiefer  oder  Schiefer- 
thongesteine  ganz  genau  ebenso  verhält. 

Wenn  nun  diese  kalkigen,  sandigen  und  thoni- 
gen  Tiefseeablageruugen  gleichsam  die  normalen  und  weiter- 
verbreiteten Arten  aller  Niederschläge  am  Grunde  unserer 
Weltmeere  repräsentiren,  so  giebt  es  doch  neben  denselben  noch 
andere  eigenthümliche  Ausscheidungen,  welche  durch  Verhält- 
nisse von  mehr  lokaler  Natur  hervorgerufen  zu  sein  scheinen. 
Unter    diesen    besonderen    Ablagerungen    auf    dem 
Meeresboden    ziehen   vor   allen  andern  gewisse    knollige 
Mangan concretionen    die    Aufmerksamkeit    auf   sich, 
welche  namentlich  bei  der  berühmten  Challengerexpedition 
an  mehreren  Stellen  und  in  verschiedenen  Meeren   aus  der 
Tiefe  ans  Tageslicht  gezogen  wurden.     Man  erbeutete  zu- 
erst in   der   Nähe  der  Insel   Ferro    aus    2220  Faden  Tieife 
Korallenbruchstücke,    die "  gegen    Aussen    in    eine    braune 
Mangansubstanz  verwandelt  sich  zeigten,  während  das  Innere 
noch    die    weisse   Farbe  des   Kalkes    der  Koralle  erkennen 
Hess.     Das  Schiff  gelangte  dann  etwa  bei  24-25®  n.  Breite 
und  20—24®  w.  Länge  in  jene  Region  einer  tiefen  Senkung 
des  Meeresgrundes,  der  hier  mit  einem  fast  von  organischen 
Einschlüssen  freien   rothen    Thonschlamm   überdeckt   ist. 
In  dieser  Gegend  nun  brachte  das  Schleppnetz  eine  Menge 
brauner,  länglich  runder  Knollen  mit   herauf,    welche  der 
Hauptsache   nach  aus  Manganhyperoxyd  bestehen.     Diesen 
sonderbaren  knollenförmigen  Ausscheidungen  begegnete  man 
noch  mehrfach,  am  grossartigsten  wohl  in  demjenigen  Theil 
des  stillen  Oceans,  der  Zwischen  Japan  und  den  Sand- 
wich-Inseln sich  ausdehnt.     Wir  besitzen  über  dieses  Vor- 
kommen einen  Fundbericht  des  Theilnehmers  an  der  Chal- 


198  Sitzung  der  math-phys,  Claase  vom  4.  Mai  1878, 

lengerexpedition  des  hoffiaungsreichen  jungen  Zoologen  E.v. 
Willemoes-Suhm,  der  leider  der  Wissenschaft  so  früh 
noch  während  der  Expedition  durch  den  Tod  entrissen  wurde 
Derselbe  giebt  hierüber  (Zeitsch.  f.  wissensch.  Zoolog. 
Bd.  XXVII.  Brief  VII.  Seite  CIV.)  folgendes  an  : 

„Die  Bodenbeschaffenheit  in  diesem  zum  Theil 
grossen  Tiefen  (des  Meeres  zwischen  Japan  und  den 
Sandwich-Inseln)  war  eine  sehr  merkwürdige ;  denn 
abgesehen  von  dem  nicht  kalkhaltigen  röthlichen 
Schlamm  und  der  grossen  Zahl  von  Bimssteinstücken, 
die  wir  hier  antrafen,  muss  er  stellenweise  ganz 
mit  grossen  knollenförmigen  Manganconcre- 
menten  bedeckt  sein.  Dreimal  brachte  das  grosse 
Netz  eine  Masse  dieser  kartoffelförmigen  Knollen  her- 
auf, die,  wenn  man  sie  zerschlägt  oder  durchsägt,  in 
der  Mitte  gewöhnlich  einen  Haifischzahn,  ein  Muschel- 
fragment, ein  Stück  Bimsstein  oder  dergleichen  am 
Meerboden  sich  findende  Körper  enthalten.  Unserem 
Chemiker  Herrn  Buchanan  ist  es,  glaube  ich  noch 
nicht  gelungen  zu  erklären,  unter  welchen  Umstän- 
den diese  auch  früher  schon  angetroffene  Absonderung 
von  Mangan  aus  dem  Meerwasser  vor  sich  geht.  Früher 
indess  fanden  wir  wohl  oft  eine  Kruste  von  Mangan 
auf  irgend  einem  harten  Körper  oder  auch  kleinen 
Knollen,  aber  kaum  Grund  zu  der  Annahme,  dass 
wie  hier,  ein  grosser  Theil  des  Meeresbodens  mit 
Manganknollen  bedeckt  sein  müsse.  Wenn  wir 
solche  antrafen  (namentlich  in  2740—3125  Faden) 
gab  es  auch  immer  eine  Menge  von  Thieren,  nament- 
lich kleine  Brochiopoden  (Orbicula);  auch  Bryozoen 
und  Muscheln  aus  der  Gattung  Area,  die  sich  an 
ihnen  befestigt  hatten.^  ^ 
Aus  dem  Nachlass  des  beklagenswerthen  jungen  Zoo- 
logen erhielt   ich  eine  Anzahl  dieser  interessanten  Knollen 


Giimhel:  ü eher  im  stillen  Ocean  vftrkommende  Manganknollen,    199 

der  Südsee  aus  2740  Faden  Tiefe  zur  näheren  Untersuchung, 
welcher  ich  mich  um  so  lieber  unterzog,  als  gewisse  Mangan- 
vorkommnisse  in  verschiedenen  Gesteinsschichten  lebhaft  an 
eine  ähnliche  Manganausscheidung  auch  in  früheren  Zeit- 
perioden erinnern. 

Von  solchen  Knollen  lagen  mir  gegen  50  Exemplare 
zur  Untersuchung  vor.  Ihre  äussere  Gestalt  ist  wechselnd  von 
einer  ziemlich  kugeligrunden  bis  länglich  knollenförmigen 
Form.  Auch  kommen  einzelne  warzenähnliche  Vorsprünge, 
Erhöhungen,  grubenförraige  Vertiefungen  und  Löcher,  selte- 
ner das  Zusammengewachsensein  mehrerer  Stücke  vor.  Die 
Oberfläche  ist  matt,  rauh,  schmutzigbraun  gefilrbt.  Imgrossen 
Durchschnitte  zeichnen  sich  die  unregelmässig  gestalteten 
Stücke  durch  eine  relativ  geringere  Schwere  aus,  was,  wie  sich 
beim  Zerschlagen  heraustellte,  davon  herrührt,  dass  diesen 
Formen  Bimssteinstücke  zur  Grundlage  dienen,  über  deren 
unregelmässigen  Oberfläche  sich  eine  schwarzbraune  Kruste 
oder  Rinde  angesetzt  hat.  Muschelfragmente,  zersplitterte 
Haifischzähne,  Knochenstückchen  fand  ich  selten  in  den 
mehr  rundlichen  Stücken  und  hier  nicht  immer  in  der 
Mitte,  gleichsam  als  Ansatzcentrum,  sondern  ausserhalb  der- 
selben nur  zufällig  mit  in  die  Masse  eingehüllt.  Die  am 
regelmässigsten  kugelig  geformten  Exemplare  enthielten 
keine  grösseren  Stöcke  fremder  Einschlüsse. 

Sehen  wir  zunächst  ab  von  den  blos  überrindeten 
Stücken,  so  bietet  uns  der  Querschnitt  solcher  Exem- 
plare das  Bild  einer  mehr  oder  weniger  regelmässigen 
schalenförmigen  Ueberlagerung  von  höchst  zahlreichen  dünnen 
nicht  scharf  von  einander  geschiedenen  und  unterscheid- 
baren Kugelrinden,  von  welchen  dunklere,  dichtere  Lagen 
mit  einzelnen  helleren  oder  mit  dünnen,  aus  beigemengten 
röthlichen  Thontheilchen  bestehenden  Streifchen  wechseln. 
Gegen  Innen  werden  die  Kugelschalen  dichter,  und  es  geht 
lie  Masse  in  der  Mitte  oft  in  eine  massive  schwarze  derbe 


200  Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  4.  Mai  1878. 

Substanz  über.  Beim  Zerschlagen  lösen  sich  einzelne  Brach- 
stücke leicht  schalenförmig  an  den  hellergefärbten  Lagen  ab 
und  man  sieht  alsdann,  dass  auf  diesen  nunmehr  aufgedeckten 
Flächen  eine  weiche,  lockere,  röthliche  Thonmasse  abgesetzt 
ist,  welche  ebv^as  heller  gefärbt  erscheint  als  der  gewöhnliche 
rothe  Tiefseeschlamm,  aber  wie  es  scheint,  demselben  doch 
entspricht.  Die  dünnen  Lagen  dieses  röthlichen  Thons, 
aus  dem  auch  die  kleineren  in  den  Manganrinden  unregel- 
mässig vertheilten  und  eingeschlossenen  Putzen  bestehen, 
zeigen  sich  auf  diesen  durch  das  Zerschlagen  blossgelegten 
Flächen  in  Folge  des  Austrocknens  genau  so  zerrissen, 
wie  diess  sonst  beim  austrocknenden  Thon  vorzukommen 
pflegt.  Auch  stellen  sich  in  Folge  des  Austrocknens  der  ganzen 
Masse  Klüftchen  oder  Bisse  ein,  die  gleichfalls  mit  diesem 
Thon  überkleidet  sind.  Die  reinsten  dunkelschwarzen  im 
Strich  braunen  Schalen  haben  einen  pechartigen  Glanz  und 
jenen  eigenartigen  bläulichen  Schimmer,  wie  er  bei  Man- 
gananflügen oft  angetroffen  wird. 

Der  erste  Eindruck,  welchen  die  Untersuchung  dieser 
Knollen  auf  mich  machte,  rief  die  Vermuthung  wach,  dass 
wir  es  hier  mit  einer  Ausscheidung  unter  der  Vermitt- 
lung organischer  Wesen  zu  thun  hätten,  welche  während 
ihres  Vegetirens  etwa  Mineralstoffe  aus  dem  Meerwasser 
in  sich  concentrirt  und  zum  Aufbau  einer  festen  Masse 
verwendet  hätten,  wie  es  bei  den  Corallinen  der  Fall  ist,  und 
namentlich  bei  Zi^io^Aantmi^m  deutlich  nachgewiesen  wurde. 
Man  könnte  an  Meeralgen  und  insbesondere  der  Form  nach 
an  die  sog.  M e er h sille n  (Pilulae  maritimaejy  kugelig  ver- 
filzte Haftorgane  der  Seegräser  {Posidonia  oceanica)^  denken, 
die  unter  gewissen  Umständen  mit  Mangansubstanz  ^  er- 
füllt worden  wären.  Mein  erstes  Augenmerk  war  daher  auf 
eine  mikroscopische  Untersuchung  der  Substanz  in  Dünn- 
schliffen gerichtet.  Die  mit  einigen  Schwierigkeiten  her- 
gestellten Dünnschliffe  Hessen  aber   unter  dem   Mikroscope 


Gümhel:  üeher  im  stillen  Ocean  vorkommende  ManganhnoUen.   201 

weder  im  Tangential-  noch  Badialschnitt  irgend  eine  Spur 
organischer  Struktur  erkennen.  Man  sieht  nnr  mehr  oder 
weniger  regelmässige  concentrische  Lagen  feiner  schwarzen 
völlig  undurchsichtigen  Substanz  im  Wechsel  mit  eingestreuten 
helleren  Partbieen  und  halb  durchsichtigen  opaken  Flocken. 
Auch  die  Untersuchung  der  durch  Zerdrücken  zertheilten 
Substanz  unter  dem  Mikroskope  gab  keine  besseren  Resultate. 
Wir  sehen  bei  dieser  Untersuchung  naturlich  ab  von  zu- 
fällig beigemengten  organischen  Substanzen,  die  nicht 
hierher  gehören.  Man  könnte  denken,  dass  die  Infiltrirung 
mit  der  undurchsichtigen  Mineralsubstanz  möglicher  Weise 
die  organische  Struktur  verdeckt  habe.  Nach  vorläufiger 
chemischer  Untersuchungen  war  festgestellt  worden,  dass  die 
.Oxyde  von  Eisen  und  Mangan  als  die  Hauptbestandtheile 
der  Knollen  anzusehen  sind.  Setzt  man  nun  kleinere 
Stückchen  längere  Zeit  der  Einwirkung  von  Salzsäure  aus, 
so  erhält  man  schliesslich  nach  sorgfaltigem  Auswaschen 
eine  die  ursprüngliche  Form  ziemlich  unverändert  beibe- 
haltende Substanz,  welche  nun  ihres  Metallgehaltes  be- 
raubt, sonst  aber  unverändert  geblieben  ist.  Leider  zer- 
bröckelt die  Masse  leicht  beim  Austrocknen  und  es  gehört 
viele  Vorsicht  dazu,  durch  langsames  Trocknen  vollständig 
zusammenhängende  Stückchen  zu  gewinnen  und  durch  wieder- 
holtes Einträufeln  von  durch  Chloroform  verdünntem  Eanada- 
balsam  und  Erwärmen  endlich  eine  feste  Masse  zu  erhalten,  aus 
der  sich  gute  Dünnschliffe  herstellen  lassen.  Aber  auch  diese 
Stücke,  welche  nunmehr  theils  durchsichtig,  theils  wenigstens 
durchscheinend  sind,  lassen  jede  Anzeige  einer  organischen 
Struktur  vermissen.  Es  wechseln  in  dem  Badialschnitte 
nun  mehr  nach  Wegnahme  der  Metalloxyde  mehr  oder 
weniger  opake  membranöskörnige  Lagen  mit  den  von  ein- 
gedrungenem Eanadabalsam  erfüllten  Streifchen. 

Diese  Versuche  wurden  nach  allen  Richtungen  hin  und 
an  verschiedenen  Stücken  oft  genug  wiederholt,  um  die  volle 
[1878.  2.  Math.-phys.  Cl.]  U 


202  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  4.  Mai  1878. 

Ueberzeugnug zu  gewinnen,  dass  an  der  Bildung  dieser 
Manganknollen  organische  Wesen  wesentlich 
nicht  betheiligt  sind. 

Auch  die  zwischen  den  härteren  Schalen  hier  und  da 
abgesetzten  Lagen  des  röthlichenThons  wurden  einer  be- 
sonderen mikroscopischen  Untersuchung  unterworfen,  wobei 
sich  ergab,  dass  ausser  den  gewöhnUch  bei  dem  Thon  be- 
obachteten Flocken  und  körnigen  Blättchen  weder  Coccolithen 
oder  Foraminiferen^  noch  Diatomeen  oder  Polycystinen  vor- 
handen sind.  Wir  habendes  also  mit  einer  rein  mechani- 
schen Mineralausscheidung  oder  Zusammenballung,  mit 
einer  Art  Oolithbildung  im  Grossen  zu  thun. 

Im  Falle  Bimssteinstückchen  das  Innere  der  Knollen 
ausmachen,  erweisen  sich  diese  vorherrschend  schmutzig 
röthlich  gefärbt  und  es  zeigt  sieb,  dass  die  Zwischenräume 
zwischen  den  Bimssteinfaden  meist  ganz  mit  dem  röthlichen 
Thon  ausgefüllt  sind,  welcher  auch  zwischen  den  Manganlagen 
vorkommt.  Dagegen  bemerkt  man  selten  eingedrungenes 
Mangan,  obwohl  dasselbe  in  dicken  Krasten  sich  nach  aussen 
anlegt.  In  manchen  Stückchen  zeigen  sich  nur  feine  den- 
dritische Anflüge  oder  feine  schwarze  Punkte,  auf  Klüften 
dagegen  krustenformige  Binden  von  Mangansubstanz.  Es 
ist  daraus  zu  folgern,  dass  vor  der  Umhüllung  der  Bims- 
steinstücke mit  der  Manganrinde,  dieselben  schon  längere 
Zeit  in  dem  schlammigen  Wasser  lagen  und  sich  nach  und 
nach  der  Art  mit  Schlamm  ausfüllten,  dass  bei  der  später 
erfolgten  Manganabscheidung,  dieser  Stoflf  nicht  mehr  un- 
gehindert ins  Innere  des  Bimssteins  eindringen  konnte. 

Was  die  Beschaffenheit  des  Bimssteins  anbelangt,  so 
gehört  derselbe  den  feinblasigen,  fasrigen  mattglänzenden 
Varietäten  an,  deren  wasserhelle  Glasfäden  nur  zerstreute 
Bläschen,  keine  Mikrolithe  und  Trichite  enthalten.  In  ein- 
zelnen Putzen  liegen  in  der  Bimssteinmasse  kleine  Gruppen 
von  glasglänzendem  Sanidin  mit  etwas  Plagioklas,  Magnet- 


*      ^ 


Günibel:  TJeberim  stillen  Ocean  vorkommende  Manganknollen,   203 

eisen  (mit  der  Magnetnadel  ausziehbar)  und  ein  bräunlich  oli- 
ven-grünes  glasglänzendes  Mineral.  Dieses  bräunlich  gefärbte 
Mineral  ist  nicht  fasrig,  zeigt  jedoch  ziemlich  starken  Di- 
chroismus  und  möchte  demnach  für  basaltische  Hornblende 
zu  halten  sein.  Die  Bimssteinstücke  entstammen  daher 
mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  einer  unter  meerischen 
vulkanischen  Eruption  und  gehören  zu  jener  Klasse 
der  den  trachytischen  Gesteinen  sich  anreihenden  Abänder- 
ungen, welche  kleine  Stückchen  von  Trachyt  einschliessen. 
Da  sich  die  Bimssteinmasse  von  dem  Ueberzag  mit  Tief- 
seeschlamm nicht  vollständig  befreien  liess,  war  von  einer 
chemischen  Analyse  derselben  ein  weiterer  Aufschluss  über 
ihre  Natur  nicht  zu  erwarten. 

Die  chemische  Analyse  dieser  Knollen,  welche  Herr 
Assistent  Ad. Schwager  besorgte,  weist  darin  einen  Darch- 
schnittsgehalt  von  23,6"/o  Manganhyperoxyd  und  27,46^/o 
Eisenoxyd  nach,  letzteres  wahrscheinlich  ursprünglich  z.  Th. 
als  Oxydul  in  den  Knollen  enthalten.  Dieser  aussergewöhn- 
lich  hohe  Gehalt  an  Mangan  führt  zu  der  Frage,  ob  wir  diesen 
Gehalt  von  der  gewöhnlichen  Zusammensetzung  des  Meer- 
wassers ableiten  dürfen.  Die  meisten  der  Meerwasser-Analysen 
begnügen  sich  mit  der  Bestimmung  der  Hauptbestand theile 
desselben  und  nehmen  wenig  Rücksicht  auf  die  in  kleinsten 
Mengen  mit  vorkommenden  Beimischungen.  Doch  gibt  be- 
reits Forchhammer  Mangan  als  im  Meer wasser  vorhanden 
an  und  auch  Bischof  hat  dasselbe  in  der  Asche  des  See- 
grases (Zostera  maritima)  nachgewiesen,  zum  Beweise,  dass 
es  im  Meerwasser  vorhanden  sein  muss.  Aber  von  einer 
so  hochgradigen  Verdünnung  lässt  sich  das  so  massenhafte 
Auftreten  des  Mangans  in  den  Knollen  nicht  wohl  ableiten. 
Auf  der  andern  Seite  verdient  daran  erinnert  zu  werden, 
dass  sehr  viele  Quellwässer,  namentlich  die  Eisen-haltigen 
auch  Manganbicarbonat  in  Lösung  enthalten.  Es  genügt 
auf  die    krustenförmigen    Manganabsätze    der   Quellen   zu 

14* 


204         SiUiung  der  math.-phya.  Glosse  vom  4.  Mai  1878. 

Luxeuil  (Ann.  d.  Chim.  et  d.  Phys.  T.  XVm,  p.  221), 
jene  von  Carlsbad  nach  Kersten  (Arcli.  v.  Karsten  u.  v. 
Dechen,  Bd.  XIX,  S.  754)  von  Ems  nnd  Nauheim  und  auf 
die  zahlreichen  Mineralwasser -Analysen  hinzuweisen,  in 
welchen  fast  constant  ein  Mangangehalt  angegeben  ist. 
Auch  lassen  die  auf  so  vielen  Klüften  der  Gesteine  und 
auf  Bissen  vieler  Mineralien  vorkommenden  Mangandendriten 
eine  weit  verbreitete  Wanderung  gelöster  Mangansalze  im 
Mineralreiche  voraussetzen. 

Es  tritt  uns  nun  bei  den  Manganknollen  aus  dem 
stillen  Ocean  die  bemerkenswerthe  Thatsache  entgegen,  dass 
zahlreiche  Exemplare  derselben  einen  Kern  von  Bims- 
stein in  sich  schliessen.  Der  Meeresboden,  auf  welchem 
die  Manganknollen  in  so  grosser  Menge  ausgebreitet  liegen, 
ist  daher  unzweifelhaft  von  vulkanischenEreignissen 
in  hohem  Grade  berührt  und  von  submarinen  Eruptionen 
heimgesucht  worden.  Es  liegt  die  Vermuthung  nahe,  dass 
die  Bildung  der  Manganknollen  mit  diesen  untermeerischen 
vulkanischen  Erscheinungen  im  genetischen  Zusammenhange 
steht.  Zahlreiche,  auch  in  vulkanischen  GLesteiuen  vorkom- 
mende Mineralien  enthalten  bekanntlich  einen  mehr  oder 
weniger  grossen  Gehalt  an  Mangan.  Ab  ich  wies  im  La- 
brador 0,89  Manganoxydul  (Pogg.  Ann.  Bd.  50.  S.  347)  und 
Hermann  (Journ.  f.  pr.  Chem.  Bd.  47  S.  7)  in  sog.  Man- 
ganamphibol  von  Cummington  sogar  46,47 ^/o  Manganoxydul 
nach  und  viele  Augite  enthalten  Mangan.  In  Folge  einer  im 
grossartigen  Maasstabe  vor  sich  gehende  Zersetzung  solcher 
Gesteinsgemengtheile  durch  Kohlensäure,  die  ja  in  vulkani- 
schen Gegenden  reichlich  zur  Verfügung  steht,  Hesse  sich 
erst  die  Bildung  von  Manganbicarbonat,  und  aus  diesem  dann 
die  Umbildung  in  Manganhyperoxyd  denken.  Es  stehen  mit- 
hin zwei  Quellen  der  Manganerzeugung  zur  Verfügung, 
die  der  Mineralzersetzung  und  die  Ausscheidung  aus  Miueral- 
wässem. 


Gümbel:  lieber  im  stülen  Ocean  vorkommende  ManganknoUen,    205 

Wenn  es  sich  nun  im  gegebenen  Falle  darum  handelt, 
welcher  von  diesen  beiden  Vorgängen  am  wahrscheinlich- 
sten die  Entstehung  der  Tiefseeknollen  zugeschrieben  werden 
darf,  so  scheinen  mir  gewichtige  Gründe  dafür  zu  sprechen, 
der  Annahme  den  Vorzug  einzuräumen,  dass  hierbei  unter- 
meerische  Quellenergüsse  thätig  sind.  Denn  wenn  wir  eine 
Abscheidung  von  Mangan  aus  der  Zersetzung  von  Minera- 
lien ableiten  wollten,  so  würde  es  schwer  fallen,  die  enorme 
und  aussergewöhnliche  Anhäufung  solcher  Absätze  zu  er- 
klären. Dazu  kommt  aber  der  noch  wichtigere  Umstand 
der  Textur  der  Knollen. 

Eine  einfache  Abscheidung  aus  zersetzten  Mineralien  würde 
nur  mehr  oder  weniger  schichtenweisen  Absatz  des  Mangans 
zur  Folge  haben,  wie  wir  es  hei  dem  Tiefsee-,  Kalk-  und  Thon- 
schlamm  beobachten.  Nun  besitzen  aber  die  Knollen  das 
Gefüge,  welches  unzweideutig  einer  Oolithbildung  völlig 
analog  gestellt  werden  muss  und  eine  fiuthende  Hin-  und 
Herbewegung  voraussetzt.  Diese  Art  Oolithbildung  kann 
nicht  ohne  grosse  Bewegung  innerhalb  des  Wassers  statt- 
finden, in  welchem  die  Manganauscheidung  successiv  vor  sich 
geht.  In  einer  Tiefe  von  selbst  über  5500  Meter,  aus  der 
die  Knollen  stammen,  kann  eine  Fluthbewegung  von  der 
Oberfläche  des  Meeres  herwirkend  nicht  gedacht  werden, 
und  im  Meere  selbst  in  beträchtlicher  Tiefe  durch  ver- 
schiedene Temperaturen  bedingte  Strömungen  würden  im 
günstigsten  Falle,  wenn  sie  bis  zum  Meeresboden  reichten, 
doch  nur  eine  Bewegung  nach  einer  Richtung  hin  be- 
wirken, keine  hin-  und  hergehende,  rollende,  wie  es  die 
Knollenbildung  vorausetzt.  Es  muss  daher  am  Grunde  des 
Meeres  selbst  auch  eine  Ursache  der  Bewegung  gesucht 
werden.  Solche  Bewegungen  aber  erzeugen  mit  Macht  auf- 
steigende  Quellen;  sie  sind  häufig  von  einem  Auf- 
sprudeln begleitet,  wie  wir  diess  thatsächUch  bei  der  Bildung 
von  Kalkoolithen  wirksam  seheu.    Wasser  und  Gase  mögen 


206         SiUung  der  math.-phys,  Classe  vom  4.  Mai  1878. 

vielleicht  vereint  wirken.  Jedenfalls  kann  die  kugelige  und 
knollenförmige  Gestalt,  so  wie  die  concentrischschaligekrusten- 
förmige  Znsammensetzung  nur  durch  die  Annahme  erklärt 
werden,  dass  im  Bildungsherde  eine  stets  wogende  Hin-  und 
Herbewegung  herrsche.  Es  erscheint  mir  daher  als  das  Wahr- 
scheinlichste, dass  die  Manganknollen  des  stillen  Oceans  ihr 
Material  aus  untermeerischen  Quellen  schöpfen  und  ihre 
oolithähnliche  Formung  durch  die  strudelnde  Bewegung  er- 
langen, welche  das  Aufsteigen  der  Quellen  am  Grunde  des 
Meeres  begleiten  muss. 

Das  häufige  Zusammenvorkommen  in  welchem  wir  die 
Manganmineralien  mit  anderen  Stoffen  namentlich  mit  Baryt 
antreffen,  gab  nun  eine  weitere  Veranlassung,  auch  in  diesen 
Knollen  nach  einer  solchen  Vergesellschaftung  zu  forschen 
und  desshalb  die  Manganknollen  einer  weiteren  chemischen 
Analyse  zu  unterwerfen. 

Es  wurde  hierbei  folgende  Zusammensetzung  der  bei 
llO^C.  getrockneten  Substanz  durch  Assist.  A.  Schwager 
ermittelt : 


Eisenoxyd 

• 

.       27,460 

Manganhyperoxyd 

.       23,600 

Wasser 

17,819 

Kieselsäure 

. 

.       16,030 

Thonerde 

10,210 

Natron 

2,358 

Chlor 

0,941 

Kalkerde   . 

0,920 

Titansäure 

0,660 

Schwefelsäure 

0,484 

KaH 

0,396 

Bittererde 

0,181 

Kohlensäure 

0,047 

Phosphorsäure 

0,023 

Gümbel:  lieber  im  stillen  Ocean  vorlcommende  Manganknollen,    207 


Kupferoxyd 

0,023 

Nickel-  und  Kobaltoxyd    . 

0,012 

Baryterde 

0,009 

Zweifelhafte    Spuren    von 

Blei,  Antimon,  Bor,  Lithion 

Jod          .... 

Spuren 

Organische  Bemengungen 

Spuren 

101,173 

Es  ist  hinzuzufügen,  ^  dass  die  Versuche  bezüglich  der 
Anwesenheit  von  Silber  und  Arsenik  nur  negative  Resultate 
gaben.  Der  Ueberschuss  der  Gesammtsumme  über  100  mag 
davon  herrühren,  dass  nicht  sämmtliches  Eisen  als  Oxyd  in 
der  Verbindung  enthalten  sein  wird,  wie  es  berechnet  wurde. 
Die  Analyse  bestätigt  demnach  die  Anwesenheit  von  Baryt- 
erde ;  wenn  dieselbe  sich  auch  in  sehr  geringen  Mengen  vor- 
findet, so  ist  immerhin  die  Analogie  der  Manganausscheidung 
in  den  Knollen  mit  der  Manganerzbildung  dadurch  con- 
statirt.  Sehr  auffallend  dagegen  ist  der  geringe  Gehalt  an 
Kohlensäure,  was  zu  beweisen  scheint,  dass  in  der  Meeres- 
tiefe ein  sehr  energischer  Oxydationsprocess  herrscht. 

Nachdem  durch  Salpetersalzsäure  die  in  diesen  Säuren 
löslichen  Bestandtheile  entfernt  sind,  bleibt  ein  ziemlich 
weisser  schlammiger  Rückstand,  der  bei  llO^C.  getrocknet, 
besteht  aus : 


Kieselerde    . 

•         •         •         • 

73,16 

Thonerde 

•         •         •         • 

11,98 

Etwas  manganhaltigem  Eisenoxyd 

4,56 

Kalkerde 

1,86 

Bittererde    . 

1,01 

Kali     . 

0,83 

Natron 

0,57 

Wasser 

4,51 

100,48 


208        Sitsung  der  math.-phys.  Glosse  vom  4.  Mai  1878, 

Verglichen  mit  dem  Thonrest  des  kalkigen  Tiefsee- 
Schlamms  nach  Entfernung  der  Carbonate  erweist  sich  dieser 
Backstand  Eieselsaure-reicher  und  Thonerde-ärmer ;  beson- 
ders bemerkenswerth  ist  der  grosse  Natrongehalt.  Manche 
Thonsteine  haben  eine  sehr  ähnliche  Znsammensetzung. 
Es  ist  zu  vermuthen,  dass  ein  Theil  der  Kieselsäure  nicht 
an  Thonerde  gebunden  vorhanden  sei. 

Dieses  Vorkommen  von  stark  manganhaltigen  Knollen 
am  Grunde  des  Meeres  erhält  ein  erhöhtes  geologisches  In- 
teresse durch  die  Analogie,  welche  zwischen  denselben  und 
gewissen  knollenförmigen  Mauganauscheidungen,  die  in  ver- 
schiedenen Schichtgesteinen  sich  vorfinden,  zu  bestehen 
scheint.  Es  lässt  sich  zunächst  auf  gewisse  stark  Mangan- 
nnd  Eisen-haltige  EalkknoUen  hinweisen,  welche  zwischen 
Thonschieferflasern  eingebettet  an  vielen  Stellen  den  ober- 
devonischen sog.  Kramenzelstein  der  rheinischen  Gegenden 
ausmachen  und  in  Folge  der  Verwitterung  oder  Zersetzung 
in  eine  gelbe  ockerige  oder  braune  Wad-ähnliche  Substanz 
übergehen.  Solche  Knollenkalke  mit  einem  sehr  grossen 
Mangangehalte  finden  sich  auch  im  Fichtelgebirge  und  im 
Thüringer  Walde  und  man  kann  sich  die  Entstehung  der 
Ejiollen  kaum  auf  andere  Weise  vorstellen,  als  durch  eine 
rollende  Bewegung  am  Meeresgrunde.  Freilich  enthalten 
sie  vorzugsweise  Kalk  und  entbehren  oder  lassen  jetzt  nicht 
mehr  deutlich  die  concentrisch  schalige  Textur  erkennen, 
welche  unsere  Manganknollen  so  sehr   ausgezeichnet.     Man 

mochte  hier  an  einen  späteren  Umtausch   von  Kalk  gegen 
die  Metalloxyde  und  an  eine  Umbildung,  durch  welche  die 

Textur  verwischt  wurde,  denken. 

Ebenso  begegnen  wir  im  Buntsandstein,  im  Keuper  und 

in  vielen  andern  Gesteinen  Manganausscheidungen  in  Form 

von  Putzen  und  Knollen,  deren  Ursprung  schwer  erklärlich  ist, 

wenn  wir  denselben  nicht  eine  ähnliche  Art  der  Entstehung, 

wie  die  der  beschriebenen  Tiefseeknollen  zuweisen.  Die  grosste 


Gümhd:  lieber  im  sHUenOcean  vOrJcommende  ManganknoUen.     209 

Aehnlichkeit  mit  letzteren  dürften  die  noch  deutlich  schaligen 
Manganknollen  zu  erkennen  geben,  welche  an  manchen 
Stellen,  (z.  B. :  Baieralpe  bei  Kreuth,  Kammerkahr  u.  s.  w.) 
in  den  tiefsten  Schichten  des  rothen  Liaskalkes  der  Alpen 
eingebettet  liegen  und  zuweilen  eine  Versteinerung  als  Kern 
umschliessen. 

Man  darf  hier  überhaupt  an  die  weit  verbreitete  Bil- 
dung der  Knollen  und  Geoden  erinnern,  welche  nicht  alle 
als  blosse  Mineralconcentrirnngen  aus  der  umgebenden  Ge- 
steinsmasse gelten  können,  sondern  auf  ähnliche  Vorgänge, 
wie  sie  oben  geschildert  wurden,  hinweisen.  Es  reihen  sich 
mithin  geologisch  wichtige  Erscheinungen  in  mehrfacher 
Richtung  hier  an,  auf  welche  die  Aufmerksamkeit  hinzu- 
lenken, der  Zweck  dieses  kurzen  Berichtes  sein  sollte. 


210         Sittung  der  uuuh.-phys.  CUuse  wm  4.  Mai  187 S. 


Herr  Baeyer  berichtet  über  die  in  seinem  Labora- 
toriam  ansgefohrte  üntersnchnng  Yon  Emil  Fischer  und 
Otto  Fischer: 

„Zur  Eenntniss  des  Bosanilins/^ 

Nachdem  die  von  uns  früher  über  die  Constitution  des 
Rosanilins  geäusserte  Ansicht  durch  die  vor  Kurzem  ^)  be- 
schriebenen Versuche  sehr  an  Wahrscheinlichkeit  verloren, 
schien  eine  eingehendere  Untersuchung  der  Nitroderivate 
des  Triphenylmethaus  und  ihrer  Beziehungen  zum  Bosani- 
Hn  der  geeignete  Weg,  um  über  die  Natur  des  Letzteren 
weitere  Aufklärung  zu  erhalten.  Auf  diese  Weise  ist  es 
uns  denn  auch  in  der  That  gelungen,  die  Rosanilinfrage 
durch  einen  entscheidenden  Versuch  zum  Abschluss  zu 
bringen.  Wenn  die  naheliegende  Vermuthung,  dass  bei  der 
Rosanilinbildung  die  Methangruppe  des  Triphenylmethaus 
betheiligt  sei,  richtig  war,  so  musste  das  dem  Triamido- 
triphenylmethau  (Leukanilin)  entsprechende  Carbinol  durch 
wasserentziehende  Mittel  in  Rosanilin  übergeführt  werden 
können. 

Die  direkte  Darstellung  eines  derartigen  Produktes 
scheiterte  nun  allerdings  an  der  Beständigkeit  d^s  Letzteren 
gegen  conc.  Salpetersäure,  wovon  es  in  der  Kälte  kaum 
angegriffen  wird;  mit  der  grössten  Leichtigkeit  gelingt  es 
dagegen,   das  von  Hemilian  beschriebene  Trinitrotriphenyl- 


1)  Berichte  der  deutschen  ehem.  Gesellschaft  XI,  612, 


Emil  u,  Otto  Fischer:  Zur  Kenntniss  des  Bosanilins,        211 

methau  durcli  Oxidation  in  das  entsprechende  Carbinol 
überzuführen.  Man  löst  zu  dem  Zwecke  den  reinen  Nitro- 
körper  in  der  50-fachen  Menge  heissen  Eisessigs  und  ver- 
setzt die  auf  etwa  50^  abgekühlte  Lösung  mit  einem  üeber- 
schiiss  von  Chromsäure.  Durch  Wasserzusatz  wird  das 
Carbinol  in  weissen  krystallinischeh  Flocken  ausgefällt  und 
durch  einmaliges  Umkrystallisiren  aus  Benzol  in  fast  farb- 
losen Krystallen  vom  Schmelzpunkt  171—172^  erhalten. 

Die  Analyse  gab  die  für  die  Formel  Cjg  Hj^  (N0,)3 
OH  berechneten  Zahlen. 

Gefunden  Berechnet 

C  47,  9  >  57,72  > 

H  3,  4    „  3,  3    „ 

N  10,46    „  10,63    „ 

Bei  vorsichtiger  Reduktion  dieses  Produktes  in  -saurer 
Lösung  erhält  man  nun  keineswegs  das  zu  erwartende 
Amidocarbinol ,  sondern  es  bildet  sich  direkt  ein  Salz  des 
Pararosanilins.  Es  gewährt  einen  überraschenden  Anblick, 
wenn  die  kalte,  sehr  verdünnte  Lösung  des  Nitrokörpers  in 
Eisessig  mit  geringen  Mengen  Zinkstaub  versetzt  wird^  wo- 
bei die  Flüssigkeit  momentan  die  intensive,  prachtvolle 
Farbe  der  reinen  Rosanilin  salze  annimmt;  erst  bei  Zusatz 
von  überschüssigem  Reduktionsmittel  oder  beim  Erwärmen 
erfolgt  dann  Entfärbung  der  Lösung  und  Bildung  von 
Leukanilin. 

Der  Versuch  eignet  sich  in  vorzüglicher  Weise  zu 
einem  Vorlesungsexperiment. 

Zugleich  ist  damit  der  unzweideutige  Beweis  geliefert, 
dass  das  Rosanilin  nichts  anderes  ist,  als  Triamidotriphenyl- 
carbinol  oder  ein  inneres  Anhydrid  desselben. 

Bei  der  Leichtigkeit,  mit  der  diese  Wasserabspaltung 
aus  dem  Carbinol  in  saurer  Lösung  erfolgt,  kann  es  ferner 
kaum  zweifelhaft  sein,  wenn  man  von  der.  auch  aus  anderen 
Gründen   wenig    wahrscheinlichen   Phenylenformel   absieht, 


212  Sitßung  der  math.'pJtys.  Classe  vom  4.  Mai  1878, 

dass  hier  eine  ähnliche  intramoleculare  Condensation  vor- 
liegt, wie  man  sie  bei  den  Orthoderiraten  des  Benzols  mehr- 
fach beobachtet  hat  und  wie  sie  namentlich  durch  die  Oxin- 
dolsynthese  *)  neuerdings  von  A.  Baeyer  auch  für  die  Körper 
der  Indigogruppe  nachgewiesen  wurde. 

Das  Pararosanilin  würde  nach  dieser  Ansicht  die 
Formel 

NHg  .  Cg  H^  —        —  Cg  H^ 

NHj  .  Cg  H^  —        -  NH 
erhalten. 

Das  säureähnliche  Verhalten,  welches  die  Carbinolgruppe 
einer  Amidogruppe  gegenüber  hier  zeigt,  kann  nicht  auf- 
fallend sein^  da  dasselbe  bereits  durch  die  von  Hemilian 
beschriebenen  Eigenschaften  des  leicht  zersetzbaren  Chlorids 
hinreichend  nachgewiesen  ist. 

Ebenso  wenig  kann  die  Zusammensetzung  des  Diazo- 
rosanilins,  an  dessen  Analysen  wir  früher  die  Triamido- 
formel  des  Bosanilins  gefolgert  haben,  als  ernster  Einwand 
gegen  die  Bichtigkeit  obiger  Formel  geltend  gemacht  werden, 
da  sich  diese  Schwierigkeit  durch  die  nicht  unwahrschein- 
liche Annahme  beseitigen  lässt,  dass  bei  seiner  Bildung 
Wasseraddition  stattfindet  und  mithin  eine  Tridiazoverbin- 
düng  des  Triphenylcarbinols  entsteht.  In  der  That  zeigen 
unsere  Analysen  der  Golddoppelsalze  alle  einen  Gehalt  von 
1  Mol.  HgO,  welches  wir  früher  als  Krystallwasser  be- 
trjichtet  haben.  Dasselbe  Besultat  haben  neue  Analysen 
der  Diazoverbindung  aus  reinem  Pararosanilin  ergeben. 

Was  die  Umwandlung  von  Bosanilin  in  Leucanilin  be- 
trifft, so.  muss  dieselbe  nach  obiger  Formel  durch  Spreng- 
ung der  Stickstoft-Kohlenstoffbindung  stattfinden.  Diese 
leichte  Beducirbarkeit  der  oxidirten  Methaugruppe  haben 
wir  gelegentlich  auch  bei  einem  anderen  Versuche  beobachtet. 


2)  Berichte  der  deutschen  chemisch.  Gesellschaft  XL  562. 


Emil  u.  Otto  Fischer:  Zur  Kenntniss  des  Rosanüins,       213 

welcher  zur  Gewinnung  eines  Aethyltriphenylmethaus  an- 
gestellt wurde.  Bringt  man  nämlich  reines  Triphenylme- 
thauchlorid  in  kalter,  verdünnter  Benzollösung  mit  Zink- 
aethyl  zusammen,  so  erfolgt  momentan  lebhafte  Gasent- 
wicklung und  die  Rückbildung  von  Triphenylmethau.  Zur 
weiteren  Stütze  unserer  Formel  haben  wir  ferner  das  Ver- 
halten der  aus  Bittermandelöl  und  Dimethylanilin  entstehen- 
den Base  Cgg  Hgg  Ng,  'j  welche  unzweifelhaft  ein  Triphenyl- 
methauabkömmling  ist,  gegen  Oxidationsmittel  eingehender 
untersucht,  wobei  ein  der  Rosanilingruppe  angehörender 
grüner  Farbestoff  entsteht.  Unter  der  Voraussetzung,  dass 
auch  hier  eine  Condensation  zwischen  der  Methau-  und 
einer  Amidogruppe  stattfinde,  musste  sich  die  Abspaltung 
von  Methyl  aus  der  letzteren  experimentell  nachweisen 
lassen.  Durch  vorsichtig  geleitete  Oxidation  gelang  es  denn 
auch  mit  Leichtigkeit,  die  Bildung  von  beträchtlichen 
Mengen  Ameisenaldehyds  bei  dieser  Reaction  zu  constatiren. 
Schüttelt  man  die  kaltgehaltene,  schwach  schwefelsaure 
Lösung  der  Base,  mit  gepulvertem,  krystallisirtem  Braun- 
stein, so  tritt  sofort  unter  gleichzeitiger  Bildung  des  grünen 
Farbestoffes  der  intensive  Geruch  des  Ameisenaldehyds  auf. 
um  letzteren  zu  indentificiren,  wurde  die  vom  Braunstein 
abfiltrirte  Lösung  mit  Wasserdämpfen  destillirt  und  aus 
dem  Destillat  durch  Behandlung  mit  Schwefelwasserstoff 
und  Salzsäure  der  schön  krystallisirende  Formylsulfaldehyd 
(Smg.  gef.  215^)  dargestellt. 

Dieser  Versuch,  welcher  eine  auffallende  Unbestöndig- 
keit  einzelner  Methylgruppen  in  den  Amidoderivaten  des 
Triphenylmethaus  selbst  gegen  die  schwächsten  Oxidations- 
mittel beweist,  scheint  zugleich  neues  Licht  auf  die  Ent- 
stehung von  Rosanilinfarbestoffen  aus  Dimethylanilin  zu 
werfen.     Jedenfalls  gewinnt   dadurch  die  Vermuthung   von 


3)  0.  Fischer.    Berichte  d.  deutsch,  ehem.  Ges.  X.  1624. 


214         SiUung  der  math.-phys,  Classe  vom  4,  Mai  1878, 

Graebe  und  Caro,  *)  dass  hierbei  zunächst  Methyladehyd 
entstehe,  der  durch  nachfolgende  Condensation  die  Verket- 
tung mehrerer  Methylaniline  bewirke,  grosse  Wahrschein- 
lichkeit. Es  wäre  dann  die  Entstehung  des  Methylvioletts 
ein  der  Aurinbildung  ganz  analoger  Prozess  und  es  lässt 
sich  daraus  weiter  mit  ziemlicher  Sicherheit  der  Schluss 
ziehen,  dass  jene  Parbstoflfe  ebenso  wie  das  Aurin  Abkömm- 
linge des  Triphenylmethaus  und  nicht  des  Homologen  Cgo 
Hj8  sind.  Eine  weitere  Consequenz  obiger  Rosanilinformel 
ist  die  Ansicht,  dass  im  Hydrocyanrosanilin  das  Cyan  mit 
dem  MethaukohlenstofiF  in  Bindung  steht,  da  nur  auf  diese 
Weise  die  Bildung  der  von  uns  beschriebenen  Tridiazo Ver- 
bindung ^)  verständlich  wird.  Zur  experimentellen  Prüfung 
dieser  Schlussfolgerung  haben  wir  die  Untersuchung  der 
aus  dem  Hydrocyanpararosanilin  entstehenden  Diazoverbin- 
dung,  welche  ein  in  Alkohol  schwer  lösliches,  gut  krystal- 
lisirendes  Chloryd  bildet,  wieder  aufgenommen.  Beim  Kochen 
mit  Alkokol  zersetzt  sich  dieselbe  unter  Stickstoff-  und 
Aldehydentwicklung  und  es  entsteht  neben  einer  in  Kali 
ohne  Farbe  löslichen  stickstoflPfreien  Säure  eine  indifferente, 
stickstoffhaltige  Substanz,  welche  vielleicht  das  gesuchte 
Cyanid  des  Triphenylmethaus  ist  und  mit  deren  Studium 
wir  noch  beschäftigt  sind.  Die  Ergebnisse  der  vorliegenden 
Untersuchung  und  die  darauf  basirten  theoretischen  Schluss- 
folgerungen stehen,  wie  wir  zum  Schluss  noch  hervor- 
heben zu  müssen  glauben,  in  vollständiger,  erfreulicher 
Uebereinstimmung  mit  den  Resultaten  und  Ansichten,  zu 
welchen  die  HH.  Graebe  und  Caro  durch  eine  neuere  Unter- 
suchung der  Rosolsäuren  gelangt  sind  und  welche  sie  pri- 
vatim uns  mitzutheilen  die  Güte  hatten. 


4)  Liebigs  Annalen  179.  188. 

5)  Berichte  der  deutsch,  chemisch.  Gesellsch.  IX.  896. 


Einsendungen  von  DrucJcachriften,  215 


Terzeichniss  der  eingelaufenen  Bfiehergeschenke : 


Von  der  k,  k.  Gesellschaft  der  Aerzte  in  Wien: 
Medizinische  Jahrbücher.  Jahrgang  1878.  1878.  8^. 

Vom  naturwissenschaftl.  Verein  für  die  Fro\>mz  Sachsen  in  Halle: 

Zeitschrift  für  die   gesammten  Naturwissenschaften.     3.  Folge. 
1877.  Berlin  1877.  8^ 

Vom  naturwissenschaftl,  Verein  in  Amsig  a.  d,  Elbe: 
I.  Bericht  f.  d.  J.  1876  u.  1877.     1878.  8^. 

Von  der  naturforschenden  Gesellschaft  in  Leipzig: 
Sitzungsberichte.  4.  Jahrgang  1877.  1877.  8^. 

Von  der  naturwissenschaftl,  Gesellschaft  in  Magdeburg: 
8.  Jahresbericht.  1878.  8^. 

Vom  zoologisclirmineralogischen  Verein  in  Begensburg: 
Correspondenz-Blatt.  31.  Jahrg.  1877.  8^. 

Vom  naturwissenschaftl,  Verein  für  Steiermark  in  Graz: 
Mittheilungen.  Jahrg.  1877.  1878.- 8^ 

Vom  naturhistorischen  Verein  in  Augsburg: 

Excursions-Flora  für  das  Südöstliche  Deutschland  von  Friedrich 
Caflisch.  1878.  8®. 


216  Eimenäungm  van  Druek$ehrifUn, 

Vom  Reale  Osservatorio  di  Brera  in  Mailand: 

Pubblicazioni  Nr.  XIII.     Sopra  alcuni   scandagli  del  cielo,    da 
Giov.  Celorica.   1878.  fol. 

Von  der  k.  zoologisch  Genootschap  Natura  artis  magistra  in 

Amsterdam: 

a)  Linnaeana  in  Nederland  aanwezig.  1878.  8^. 

b)  Rede    ter  herdenking  van  den  sterfdag    van    Carolas  Lin- 
naens,  door  C,  A.  J.  A.  Oudemans.  1878.  8®. 

Von  der  Socittt  malacologique  de  Belgique  in  Brüssel: 

a)  Annales.    Tom.  XX.  fasc.  3.  1877.  8". 

b)  Procös-verbaux  des  s^ances,  Tome  VI.  Annöe  1877.  8^. 

Von  der  Societe  de  gSographie  in  Paris: 
Bulletin.  Janvier  1878.  8^. 

Von  der  k.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Amsterdam: 


0 


a)  Verhandelingen. AfdeelingNatuurkunde.Deel  XVII.  1877.4 

b)  VerslagenenMededeelingen.Naturkuunde.  Deel.XI.  1877.  8^. 

c)  Processen- Verbaal.     Afdeeling  Naturkuunde.  1876—1877. 
1877.  8^ 

Vom  B.  Comitato  geologico  d^Italia  in  Born: 
Bollettino  1878.  4®. 

Von  der  Societä  dd  Naturalisti  in  Modena: 
Annuario.  Anno  XII.  1878.  8®. 

Von  der  American  Academy  of  Arts   and  Sciences  in  Boston: 
Proceedings.  Vol.  XIII.  1877.  8^. 

Von  der  American  Pharmaceutical  Association  in  Philadelphia: 

Proceedings,  25.  annual  Meeting  held  in  Toronto.  Sept.   1877. 
1878.  8^ 


Einsendungen  von  Druchschriften,  217 

Vom  Departement  of  agrictäture  in  Washington: 

Report  of  the  Commissioner  of  agriculture  for  the  year  1876. 
1877.  8^ 

Vom  Covmte  international  des  poids  et  mesures  in  Paris: 
Procös-verbaux  des  söances  de  1877.   1878.  8®. 

Vom  naturtoissenschaftlichen  Verein  in  Bremen: 
Abhandlungen.  Bd.  V.  1877.  S^. 

Von  der  zoologisch-botanischen  Gesellschaft  in  Wien: 

a)  Verhandlungen.  Jahrg.  1877.  Bd.  XXVII.  1878.  8^ 

b)  Monographie   der   Phaneropteriden    von    C.    Brunner    von 
Wattenwyl.    1878.  8^ 

Von  der  physikalisch' ökonomischen  Gesellschaft  in  Königsberg: 

Schriften.  Jahrg.  17.  1876. 

18.  1877.  1876-77.  4^ 

Von  der  astronomischen  GesellscJiaft  in  Leipzig: 
Vierteljahrsschrift.   13.  Jahrg.  1878.   8®. 

Von  der  American  geographicäl  Sodety  in  New- York: 
BuUetin  1878.  1878.  8^ 

Von  der  Nederla/ndsch  Meteorologisch  Institmat  in  Utrecht: 

a)  Nederlandsch  Meteorologisch  Jaarbock.     Voor   1872.   24. 

Voor  1876,   28.  1877.  4^ 

b)  Observations  mötöorologiques  des  stations  du  second  ordre 
dans  les  Pays-Bas  1876.  1877.  4®. 

Von  der  Societä  di  sdenze  naturdli  ed  economiche  in  Palermo: 

Giomale   di  scienze   naturali  ed  economiche.   Anno  1876 — 77. 
Vol.  Xn.  1877.  4^ 
[1878.  2.  Math.-phys.  GL]  15 


218  Einsendungen  von  Druckschriften, 

Von  der  Sternwarte  in  Pidkowa: 

•    a)  Observations  de  Poulkova  publikes  par  Otto  Struve.   Vol. 
Vn.  St.  Pötersb.   1877.  4^ 
b)  Jahresbericht  der  Nicolai-Hauptsternwarte  f.  d.  J.  1876/77. 
St.  Pötersb.  1877.  8^. 

Von  der  Zoological  Society  in  London: 

a)  Transactions.  Vol.  X.   1878.  4^. 

b)  Proceedings  1877.  Part.  HI.  IV.  1877  —  78.  8^ 

Von  der  Societe  de  giographie  in  Paris: 
Bulletin.  Mars  1878.  8®. 

Von  der  SociUe  botanique  de  France  in  Paris: 

Bulletin.  Tom :  24.  Session  mycologique  ä,  Paris.  Octobre  1877. 
1877.  8^ 

Von  der  Societe  geologiqiie  de  Belgique  in  Liege: 

Annales.  Tom.  11.  1874—75.  Tom:   m.   1875  —  76.    1875  — 
1876.  8^ 

Vom  Mmemn  of  comparative  Zoology  in  Cambridge^  Mass, 
BuUetin.  VoL  V.  1878.  8^ 

Von  der  TJniversity  Observatory  in  Oxford: 
Astronomical  Observations.  1878.  8^. 


Vom  Herrn  Beyrich  in  Berlin: 
Ueber  einen  Pterichthys  von  Gerolstein.  1877.  8®. 

Vom  Herrn  A.  Ecker  in  Freibm'g : 

a)  Zur  Eenntniss    der   quatemären   Fauna    des    Donauthales, 
von  E.  Rehmann  u.  A.  Ecker.  U.  Beitrag.  Berlin  1877.  4^. 

b)  lieber  abnorme  Behaarung   des   Menschen.    Braunschweig 
1878.  4^ 


/ 


Einsendungen  von  Druckschriften,  219 

Vom  Herrn  Gerhard  vom  Bath  in  Bonn: 

a)  Geognostische  Mittheilungen   aus   Ecuador,    von  Theodor 
Wolf.  1878.  8^ 

b)  Vorträge  und  Mittheilungen.   1877.  8®. 

c)  MineralogischeMittheilungen(NeueFolge).  Leipzig  1878.  8®. 

Vom  Herrn  Budolf  Wolf  in  Zürich : 
Atronom  ische  Mittheilungen.  XL  VI.   1878.  8®. 

Vom  Herrn  G.  Omhoni  in  Padua: 
Le  Morocche,    antiche  morene  mascherate  da  frane.    1878.   8®. 

Vom  Herrn  E.  Begel  in  St.  Petersburg: 

a)  Tentamen  rosarum  monographiae.   1877.  8®. 

b)  Acta  horti  Petropolitani.  Tom.  V.  1877.  8^. 

» 

Vom  Herrn  JDonato  Tommasi  in  Paris: 

Süll*  azione  della  cosi  detta  forza  catalitica.   Milano  1878.  8^. 

Vom  Herrn  A.  Ernst  in  Caracas: 

Estudios  sobre  las  deformaciones,  enfermedades  y  enemigos  del 
arbol  de  cafe  en  Venezuela.   1878.  4®.- 

Vom  Herrn  P.  F.  Bemsch  in  Boston: 
Beobachtungen  über  einige  neue  Saprolegnienae.  Berlin.  1878.  8®. 

Vom  Herrn  Pietro  Canepa  in  Genua: 
Quäle  sia  il  limite  fra  le  Alpi  e  gli  Appennini.   1878.  8^. 

Vom  Herrn  U.  8.  Navy  in  Washi/ngton: 

The  American  Ephemeris    and   nautical  Almanac   for  the  year 
1880.  1877.  S^. 


220  Einsendungen  von  Druckachriften. 

Vom  Herrn  Auguste  Ausiaume  in  Bouen: 
De  la  rotation  diume  de  la  terre.  Paris  1868.  8^. 

Vorn  Herrn  Otto  Hergt  in  Bremen: 
Die  Valenztheorie.   1878.  4^. 

Yom  Herrn  Karl  Alfred  Zittel  in  Mimchen: 
Zur  Stammesgescliichte  der  Spongien.  1878.  4®. 

Vom  Herrn  Leop,  Kronecker  in  Berlin: 
Ueber  AbeVsche  Gleichungen.   1877.  8*. 

Vom  Herrn  P.  Biccardi  in  Modena: 
Biblioteca  matematica  italiana.  Appendice  alla  parte  I.   1878.  4^. 

Vom  Herrn  A.  Lomeni  in  Mailand: 
Di  alcune  riflessioni  sopra  la    dispersione  della  luce.  1878.  8^* 

Vom  Herrn  S,  A.  Miller  in  Cincinnati: 

Oontributions  to  Palaeontology  by  S.  A.  Miller  und  0.  B.  Dyer. 

1878.  8^ 


Sitzungsberichte 

der 

königl.  bayer.  Akademie   der  Wissenschaften. 


Sitzung  vom  1   Juni  1878. 


Mathematisch-physikalische  Classe. 


Herr  L.  Badlkofer  spricht: 

Ueber   Sapindus    und   damit    in  Zusammenhang 

stehende   Pflanzen. 

Viele  Gattungen  der  Sapiudaceen  sind,  wie  das  ja 
von  jeder  eiuigermassen  geklärten  Familie  vorausgesetzt  wer- 
den darf,  so  wohl  constituirte  und  theilweise  schon  von  ihren 
ersten  Schöpfern  so  glücklich  gegrifiPene,  dass  ein  erneutes 
monographisches  Studium  der  Familie  keine  Aenderung  ihres 
f  o  r  me  llen ,  wenn  auch  vielfach  Aenderungen  ihres  mat  e  r i- 
ellen  Inhaltes  nothwendig  macht. 

So  ist  die  Gattung  Serjania  die  Gemeinschaft  der  mit 
dreifLügeligen,  und  zwar  nach  anten  zu  geflügelten  Spalt- 
früchten versehenen,  rankenden  Sapiudaceen  geblieben,  wel- 
che sie  schon  für  Plumier  (1703)  und  Schumacher 
(1794)  war,  und  es  berührte  diesen  ihren  formdien  Inhalt 
nicht,  dass  ich  bei  der  monographischen  Bearbeitung  der 
Gattung  i.  J.  1875  aus  ihrem  damaligen  Bestände  von  83 
[1878  3.  Math.-phys.  CL]  16 


222  Sitzung  der  math.-phys.  Clasbe  vom  1,  Juni  1878. 

Arten  28  zu  eliminiren  —  nämlich  22  Arten  als  Synonyme 
einzuziehen  und  6  gänzlich  auszuscheiden  hatte,  während 
20  Arten  aus  verwandten  Gattungen  (Paullinia  und  Car- 
diospermum)^  und  zwar  die  eine  Hälfte  davon  als  voUgiltige 
Arten,  die  andere  Hälfte  als  Synonyme,  in  sie  überzufüh- 
ren und  ausserdem  noch  80  neue  Arten  aus  bis  dahin  noch 
nicht  näher  untersuchten  Materialien  hinzuzufügen  waren, 
so  dass  von  früheren  55  haltbaren  Arten  der  Inhalt  der 
Gattung  auf  145  stieg.  ^) 

Für  eine  Anzahl  anderer  Gattungen  liegen  die  Verhält* 
nisse  nicht  ebenso  günstig. 

Die  Bestimmung  ihres  formellen  Inhaltes  —  ihre  Abgren- 
zung —  ist  aoeh  den  neuesten  auf  die  Feststellung  der  Gat- 
tungen des  Gewächsreiches  gerichteten  Arbeiten  noch  nicht 
in  der  Weise  geglückt,  dass  sie  als  wirklich  natürliche  und 
demnach  feststehende  Gattungen  betrachtet  werden  könnten. 
Ja  die  neuere  Zeit  hat  in  dieser  Beziehung  sogar  Bück- 
schritte gegen  früher  aufzuweisen,  wofür  die  hier  näher  zu 
betrachtende  Gattung  ein  Beispiel  liefert. 

1)  Diesen  sei  hiernach  inzwischen  zur  Untersuchung  gelangten  Ma- 
terialien hinzugef&gt: 

1.  Serjania  (?)  californica  Badlk.  (Cardiospermum  ?  sp.  A. 
Gray,  Enumeration  of  Plants  collect,  by  L.  J.  Xantus  in  Lower  Cali- 
fornia, Proceedings  of  tbe  American  Aeademy  of  Arts  &  Sciences,  Y, 
1862,  p.  155,  n.  19):  Scandens,  suffruticosa,  glabra;  rami  tenues  teretius- 
culi,  leviter  6-sulcati;  corpus  lignosum  simplex;  folia  5-foliolato-pin- 
nata;  foliola  parva,  breviter  ovata,  obtusa,  sublobato-dentata,  terminale 
in  petiolulum  attenuatum,  lateralia  subsessilia,  12  mm  longa,  10  lata,  om- 
nia  membranacea,  pallide  viridia,  opaca,  glandulis  microscopicis  adspersa, 
lineolis  pellucidis  notata,  epidermide  mncigera;  petiolus  communis  nu- 
dus,  rhachis  vix  roarginata;  thyrsi  solitarii,  folia  aequantes,  (pedunculo 
communi  apice  bicirvhoso^)  rhachi  perbreyi  cincinnos  2—3  tantura  ge- 
reute; flores'mediocres,  pedicellati  (masculi  tantum  suppetebant);  sepala 
(5)  libera ,  glabriuscula;  petala  (4)  ex  obovato  attenuata,  intus  dense 
glanduligera;  sqnamae  petalorum  superiorum  crista  obcordata  appendice- 
que  deflexa  triangulär!  barbata,   petalorum  inferiorum. crista  dentiformi 


BadlJcirf'er:  üeher  Sapindus  etc,  223 

Schald  daran  ist  einerseits  die  Mangelhaftigkeit  des 
von  exotischen  Pflanzen  überhaupt  zur  Verfügung  stehenden 
Materiales,  andererseits  aber  auch  nicht  selten  die  zu  wenig 


obliqna  instractae;  tori  glaadalae  saperiores  ovatae,  inferiores  minores, 
sabannulares;  stamina  basi  yillosa;  radimentum  pistilli  glabrum.  —  In 
California  inferiore  ad  Promontorium  S.  Lucas:  Xantus  n.  19. 

Obwohl  Früchte  nicht  vorhanden  sind,  so  lässt  sich  doch  aus  dem 
Gepräge  der  Pflanze ,  von  der  ich  vor  kurzem  ein  Fragment  aus  dem 
Herb.  Gray  erhalten  habe,  mit  ziemlicher  Sicherheit  entnehmen,  dass 
dieselbe  nicht  zur  Gattung  Cardiospermum,  wohin  sie  A.Gray  mit  der 
Bemerkung  „the  fruit  unknown,  and  therefore  the  genus  uncertain**  ge- 
bracht hat,  sondern  zur  Gattung  Setjania  gehören  diirfte.  Sie  hat 
äusserlich  Aehnlichkeit  mit  der  brasilianischen  Serjania  orbiculariSf  so- 
wie mit  S,  hrachycarpa,  welch  letztere  ihr  zugleich,  wie  S.  incisa, 
rucksichtlich  des  nördlichen  Vorkommens  nahe  steht. 

2.  Serjania  decemstriata  Kadlk.:  Scandens,  fruticosa,  glabra ; 
rami  gracilos,  teretes,  lineis  impressis  lO-striati;  corpus  lignosum  Sim- 
plex, sulcato-striatum ;  folia  biternata;  foliola  terminaliareliquismajora, 
circiter  7  cm  longa,  2,5 — 3  cm  lata,  subrhombeo-lanceolata,  lateralia  su- 
periora  ovato-lanceolata,  inferiora  ovata,  omnia  acuta  et  mucronulata, 
subpetiolulata,  remote  serrata,  praeter  marginem  et  nervös  supra  pilis 
adpersos  axillasque  nervoram  pilosas  glabra,  glandulis  microscopicis  ob- 
sita,  membranacea,  saturate  viridia,  opaca,  lineolis  pellucidis  venarum 
reti  plerumque  subjectis  instructa,  epidermide  mucigera;  petiolus  com- 
munis partialesque  nudi,  vel  partialis  intermedins  superne  submargina- 
tus;  tbyrsi  solltarii,  folia  aequantes,  pedunculo  communi  ( apice  bicir- 
rhoso)  glabro,  rhachi  puberula  laxe  cincinnigera,  cincinnis  subverticillatis 
longo  stipitatis  paucifloris;  flores  parvuli,  pedicellati  (masculi  tantum 
suppetebant) ;  sepala  (5)  libera,  duo  exteriora  minora,  glabra,  interiora 
tomentella;  petala  (4)  ex  obovato  attenuata,  intus  medio  glandnligera ; 
sqaamae  petalorum  superiorum  crista  obcordato-bifida,  laciniis  acutis, 
appendiceque  deflexa  obtusa  barbata,  petalorum  inferiorum  crista  denti- 
formi  vel  subaliformi  oblique  emarginata  iustmctae ;  tori  glandulae  su- 
periores  ovato-lanceolatae,  inferiores  minores,  suborbiculares ;  stamina  basi 
laxe  pilosa;  rudimentum  pistilli  glabrum.  —  In  Bepublica  Argentina 
prope  Buenos  Aires:  Didrichsen  (semina  legit).  Culta  in  Hort  bot.  Haf- 
niensi. 

Diese  Art,  welche  mir  nur  aus  einem  im  botanischen  Garten  zu 
Kopenhagen  aus  Samen  gezogenen  und  zum  Blöhen    gebrachten  Exem- 

16* 


224         Sitzung  der  math.-phya.  Glosse  vom  U  Juni  1878, 

eingehende  Untersuchung  des  vorhandenen  Materiales;  fer- 
ner die  im  Laufe  der  Zeit  im  allgemeinen  und  mit  dem 
tieferen  Einblicke  in  die  Organisationsverhältnisse  einer  be- 


plare  bekannt  ist,  erinnert  unter  den  geographisch  nahe  stehenden  Arten 
einerseits  an  Serjania  communis  und  confertiflora,  andererseits  an  Ser- 
jania  meridionalis.  Von  ersterer  anterscheidet  sie  der  einfache  Holz- 
körper, von  letzterer  neben  minder  auffallenden  Eigenth&mlichkeiten  der 
Zweige  und  Blattchcn  vorzugsweise  die  langgestielten  Cincinni.  An  eine 
Zugehörigkeit  zu  einer  der  von  Grisebach  aus  der  Argentinischen  Re- 
publik (in  d.  PI.  Lorentzian.)  beschriebenen  Arten  (Sefjania  fulta  und 
foveata  Griseb.)  ist  nicht  zu  denken,  wenn  auf  die  Angabe  Grise- 
bach*8  ,  dass  diesen  Arten  nur  4  Kelchblätter  zukommen,  Verlass  zu 
nehmen  ist.  Was  die  Frage  nach  der  Selbständigkeit  und  Stellung 
dieser  beiden  Arten  betrifft,  so  bin  ich  leider  auch  heute  noch  ebenso- 
wenig wie  beim  Abschlüsse  meiner  Monographie  von  Serjania  (s.  dort 
S.  392,  Nachschrift),  im  Stande,  etwas  Bestimmtes  darüber  sagen  zu 
können,  da  mir  eine  Einsichtnahme  der  betreffenden  Materialien  unge- 
achtet wiederholten,  an  Herren  Hofrath  Grisebach  im  Interesse  der 
Wissenschaft  gerichteten  Ansuchens  bisher  versagt  blieb.  So  lässt  sich 
nur  vermuthungsweise  aussprechen,  dass  dieselben,  wenn  die  Zahl  der 
Kelchblätter  richtig  angegeben,  kaum  etwas  anderes  als  Formen  der 
Serjania  communis  Camb.  sein  d&rften. 

Die  beiden  eben  charakterisirten  Arten  von  Serjania  können ,  da 
ihre  Frfichte  unbekannt  sind,  vor  der  Handlediglich  beiden  ,,Species 
sedis    dubiae*'  eingereiht  werden. 

Bei  dieser  Gelegenheit  mag  für  die  an  gleicher  Stelle  untergebrachte 
Serjania  nutans  erwähnt  sein,  dass  eine  wiederholte  Untersuchung  des  in 
dieser  Hinsicht  äusserst  mangelhaften  ,  nur  aus  Inflorescenzen,  welche 
sammt  ihren  Tragblättern  von  den  Zweigen  abgeschlitzt  sind,  bestehen- 
den Materiales  das  Vorhandensein  eines  zusammengesetzten  Holzkörpers 
der  Zweige  (statt  des  früher  fragweise  als  einfach  bezeichneten)  wahr- 
scheinlich gemacht  hat. 

Als  Nachträge  zur  Monographie    von   Serjania   mögen    hier 

noch  angeführt  sein: 

Paullinia  pinnata  (non  Linn.)  Pasquale  Catal.  Hort.  Neapol., 
1867,  p.  76,  als  Synonym  zu  Serjania  confertiflora  Eadlk.  Ich 
habe  die  betreffende  Pflanze  *  lebend  im  Herbste  187  >  in  Neapel  ge- 
sehen. 

Paullinia  barbadensis  (non  Jacq.)  Gray  in  Bot.  Wilkes  Ex- 


Badlkafer:  üeher  Sapindus  etc,  225 

stimmten  Pflanzengrappe  speciell  für  diese  sieh  ändernde 
Anschiauung  über  den  Werth  der  verschiedenen  Oj'ganisa- 
tionseigenthfimlichkeiten,  deren  Gesammtheit  den  Gattangs- 
Charakter  ausmacht. 

Die  strengere  Handhabung  der  bisher  geübten  und  die 
Geltendmachung  neuer  Untersuchungsmethoden  muss  natür- 
lich auf  diese  Werthbestimmnng  von  grossem  Einflüsse  sein. 
Mir  hat  sich  besonders  die  Anwendung  der  anatomischen 
Methode,  deren  Geltendmachung  für  systematische  Un- 
tersuchungen ich  mir  beim  Uebergange  zu  solchen  unter 
gleichzeitiger  Benützutig  mikrochemischer  Hilfsmittel 
zur  Aufgabe  gemacht  habe,  ebenso  wie  für  die  Feststellung 
der  Arten  (s.  die  Monographie  von  Serjania),  so  auch 
für  die  Umgrenzung  der  Gattungen,  natürlich  im  Zu- 
sammenhalte mit  den  äusseren  morphologischen  Charak- 
teren, als  von  grosser  Tragweite  erwiesen. 

Sowohl  die  Anatomie  des  Stammes  bei  der  Gat- 
tung SerjamUf  wie  bei  PaulUnia,  Urvillea  und  Thinoüia 
(s.  meine  Mittheilungen  hierüber  in  Report  of  the  British 
Association  for  the  Advancement  of  Science,  1868,  p.  109 
etc.,  und  in  Atti  del  Congresso  botanico  internazionale 
tenuto  in  Firenze  nel  meso  di  Maggio  1874,  p.  60  etc.), 
welche  einer  durchgreifenden  vergleichenden  Untersuchung 
früher  noch  nicht  unterzogen  worden  war,  hat  sehr  werth- 


pedit.,  I,  1854,  p.  248,  als  Synonym  zu  Serjania  clematidifolia 
Carab.,  wie  ich  nach  der  Untersuchung  eines  von  Asa  Gray  gütigst 
übersendeten  Fragmentes  angeben  kann. 

Paullinia  weinmanniaefolia  (non  Mart.)  Gray  in  Bot.  Wil- 
kes  Exped.,  I,  1854,  p.  247,  einem  eben  solchen  Fragmente  gemäss  in 
der  chronologischen  Tabelle  der  in  Bede  stehenden  Monographie  p.  73 
n.  77  unter  Paullinia  trigonia  Vell.  als  Synonym  einzu- 
fügen. 

Serjania  spec.  Martins  Herh.  Flor.  Bras.'n.  1244 (Gatal.  antogr. 
1842),  d.  i.  Paullinia  pinnata  Linn.  emend.,  hei  den  „Species 
exclusae''  p.  353  der  Monographie  von  Serjania  einzuBchalten. 


226         Sitzung  der  math.'phy8,  Ölasse  vom  U  Juni  1876. 

volle  Hilfsmittel  zur  Erreichung  der  Ziele  der  Systematik 
an  die  Hand  gegeben,  als  auch  die  Structur  des  Blat- 
tes, namentlich  das  bisher  gänzlich  übersehene  Auftreten 
oder  Ausbleiben  einer  Schleim-Metamorphose  der  inneren  (sel- 
tener auch  der  seitlichen)  Membranen  der  Epidermiszellen 
(s.  meine  Mittheilung  hierüber  in  der  Monographie  von 
Serjania^  1875,  p.  100  etc.)  und  die  Theilnahme  dieses  Ver- 
hältnisses an  der  Bildung  durchsichtiger  Punkte  und  Stri- 
chelchen, gleichwie  die  Anordnung  der  ebenfalls  hieran  be- 
theiligten milchsaft-  oder  harzführenden  Drüsenzellen  und 
Zellenzüge  im  Blatte.  Aber  nicht  blös  auf  die  vegetati- 
ven Organe,  zu  deren  mikroskopischer  Untersuchung  zu- 
nächst die  Stamm-Anomalieen  aufgefordert  hatten,  war  die 
anatomische  und  mikrochemische  Methode  an- 
zuwendeU)  sondern  auch  auf  die  reproductiven  Organe, 
namentlich  auf  Frucht  und  Same,  nebst  Samenmantel,  sowie 
auf  den  Embryo.  Aus  ihrer  Untersuchung  ergaben  sich 
weitere  Resultate  von  einschneidender  Bedeutung  für  die 
Systematik,  neue  Gesichtspunkte  nämlich  für  eine  naturge- 
mässe  Umgrenzung  der  Gattungen  und  für  die  Beurtheilung 
ihrer  verwandtschaftlichen  Beziehungen,  oder  willkommene 
Bestätigungen  für  die  hierüber  aus  anderen  Erscheinungen 
abgeleiteten  Anschauungen. 

Es  erscheint  mir  angemessen,  die  Veränderungen 
im  Gattungsbestande  der  Familie,  welche  sich 
aus  diesen  Untersuchungen  ergaben,  getrennt  von  der  mo- 
nographischen Darstellung  der  einzelnen  Gattungen  zur  all- 
gemeinen Eenntniss  zu  bringen;  einmal,  um  für  diese  Mo- 
nographieen  selbst  den  Weg  dadurch  zu  ebnen,  und  weiter, 
um  der  Wissenschaft  die  gewonnenen  Resultate  ohne  wei- 
teren Verzug  zur  Verfügung  zu  stellen.  Jede  Veränderung 
im  Gattungsbestande  einer  Familie  zieht  nach  der  Einrich- 
tung unserer  Nomenclatur  Veränderungen  in  der  Benennung 
der  einzelnen  Arten  nach  sich.      Sind   solche   Aenderungen 


BacUkofer:  üeber  Saptndus  etc.  227 

überhaupt  einmal  nothwendig,  so  ist  es  ein  Vortheil  für 
die  Wissenschaft,  wenn  dieselben  möglichst  bald  zur  Durch- 
führung gelangen. 


Zu  den  Gattungen  der  Sapindaceen,  welche  noch  nicht 
als  wohl  constituirte  erscheinen,  und  für  welche  sich  aus 
der  erwähnten  Untersuchungsweise  die  Nothwendigkeit  einer 
Aenderung  ihres  formellen  Inhaltes  ergeben  hat,  gehört, 
was  man  kaum  denken  sollte,  auch  gerade  jene,  von  wel- 
cher, als  einer  der  ältesten  und  ob  ihrer  praktischen  Be- 
ziehungen bekanntesten,  die  Familie  selbst  ihren  Namen 
entlehnt  hat,  —  die  Gattung  Sapindus, 

Die  Gattung  Sapindus  besitzt,  wenn  wir  von  ihrer 
Sanction  und  Reconstruction  durch  Linne  in  der  ersten 
Ausgabe  der  Genera  Plantarnm  (1737)  ausgehen  und  von 
ihrem  früheren  Auftreten  bei  Tournefort  (1694),  wie 
das  zweckmässig  erscheint,  absehen,  ein  Alter  von  141  Jah- 
ren. Noch  mehr  Arten,  als  sie  Jahre  zählt,  sind  ihr  wäh- 
rend dieses  Zeitraumes  von  den  verschiedenen  Autoren  zu- 
geführt worden  —  und  doch  ist  die  Gattung  Sapindus  eine 
der  kleineren  unter  den  Sapindaceen ,  welche  alles  in  allem 
nicht  ein  Dutzend  Arten  in  sich  schliesst.*)  Die  gesammte 
übrige  Menge  erscheint  als  lästiger  Ballast.  Dieser  ist  wohl 
zum  Theile  bereits  von  früheren  Autoren  zur  Seite  geschafft 
worden,  wenn  auch  nicht  immer  nach  der  rechten  Stelle 
hin.  Kaum  weniger  aber  als  die  Hälfte  desselben  ist  noch  im- 
merverblieben. Seine  mögliebst  vollständige  Hinwegräumung 
und  Bergung  am  rechten  Orte,  sowie  die  Sicherung  der  Gat- 
tung vor  neuer  Anhäufung  solchen  Ballastes  durch  klare 
Bestimmung  ihres  formellen  Inhaltes,  ferner  die  eben  darauf 
fussende  Vereinigung  alles  ihr  wirklich  Zugehörigen  unter 


2)  Sieh  das  Nähere  rücksichtlich  dieser  und  der  folgenden  Angaben 
in  der  Schlnssbemerknng  zn  den  beigefügten  Tabellen. 


228        Sitzung  der  math.-phys.  Gasse  vom  1,  Juni  1878, 

ihrem  Namen,  ist  das  Ziel  der  gegenwärtigen  Mittheilnng. 
Die  in's  einzelne  gehende  Neuordnung  dieses  ihres  wirkli- 
chen Inhaltes  dagegen  mag  der  monographischen  Bearbei- 
tung vorbehalten  bleiben. 

Die  eigentliche  Grundlage  der  Gattung  Sapindus  ist 
Sapindus    Saponaria  Linn.') 

Die  Frage  nach  der  Bestimmung  des  Inhaltes,  mit  an- 
deren Worten,  nach  der  naturgemässen  Umgrenzung  der 
Gattung  —  die  Gattung  selbst  vorerst  als  berechtigt  ange- 
nommen -  beantwortet  sich  somit  aus  der  Vergleichung 
der  übrigen  Sapindaceen  mit  Sapindus  Saponaria  L.  und  aus 
der  Erwägung,  welche  von  ihnen  in  allen  wesentlichen  Eigen- 
schaften mit  S.  Saponaria  übereinstimmen. 

Welche  Eigenschafben  dabei  als  wesentliche  und  dem- 
nach als  massgebende  zu  betrachten  seien,  lässt  sich,  hier  wie 
überall,  nicht  von  vornherein  bestimmen.  Was  über  die 
allgemeine  Regel  hinausgeht,  dass  es  die  Eigenschaften 
der  reproductiven  Organe  sind,  welche  dabei  gegenüber  de- 
nen der  sogenannten  vegetativen  besonders  in's  Gewicht 
fallen,  und  dass,  wenn  die  Gruppe  nicht  eine  künstliche 
werden  soll,  nicht  einem  vereinzelten  Momente,  auch  wenn 


3)  Sowohl  Toamefort  (1694)  als  Linn^  (1737)  haben  hei  der 
Begründung  der  Gattung  Sapindus  nur  eine  und  zwar  diese  Art  im 
Auge  gehabt  (obwohl  um  diese  Zeit  auch  schon  von  anderen  hieher  ge- 
hörigen Pflanzen  in  den  Schriften  europäischer  Botaniker  Erwähnung 
geschehen  war,  nämlich  1673  durch  Rheede  der  später,  1753,  als 
8.  triföliatus  von  LinnI,  sodann  1726  durch  Val^ntyn  der  1824 von 
De  0  and  olle  als  8,  Barak  bezeichneten  Art).  Tournefort  spricht 
das  Erstere  direct  aus  („Sapindi  speciem  unicam  novi''),  das  Letztere 
indirect  durch  Verweisung  auf  Plumier,  worunter  nichts  anderes  ver- 
standen werden  kann  als  Plumier*s  eigenhändige,  wenige  Jahre  vor- 
her aus  America  mitgebrachte  Zeichnung  und  Beschreibung  der  in  Bede 
stehenden  Art,  welche  Au  biet  später  (1775)  bestimmter  citirt  hat 
(„Plum.  Mss.  Tom.  VII,  Tab.  lOO'O-  Für  Linnö  ergibt  sich  Beides  aus 
seinen  Citaten. 


Radlkofer:    lieber  Sapindus  etc,  229 

es  zu  der  Reihe  der  werthvolleren  gehört,  zu  viel  Gewicht 
beigelegt  werden  darf,  falls  es  nicht  wenigstens  durch  ein 
Parallelgehen  an  sich  minder  werthvoller  Momente  unter- 
stützt wird,  —  alles  was  darüber  hinausgeht,  ist  erst  aus 
dem  vergleichenden  Studium  der  Oi^anisationsverhältnisse 
der  ganzen  Familie  und  der  daraus  gewonnenen  Uel>er8icht 
über  die  Art  und  Grösse  der  innerhalb  derselben  auftreten- 
den Organisationseigenthümlichkeiten,  über  die  Schärfe  ihrer 
Ausprägung  und  über  die  etwaige  Verknüpfungsweise  der- 
selben untereinander  zu  entnehmen.  In  letzterem  Betreflfe 
braucht  kaum  hervorgehoben  zu  werden,  dass  ein  Charakter, 
welcher  sich  mit  sehr  mannigfaltigen  anderen,  verschiedene 
Gattungen  einer  Familie  auszeichnenden  Eigenthümlichkei- 
ten  verträgt,  gelegentlich  aber  auch  wieder  als  einzige  er- 
heblichere Verschiedenheit  auftritt  innerhalb  einer  Reihe  von 
Arten,  welche  sich  nach  allen  übrigen  Charakteren  als  zur 
Vereinigung  in  eine  Gattung  geeignet  erweisen,  von  ver- 
hältnissmässig  geringem  Gewichte  erscheinen  muss,  gegen- 
über jedem  anderen,  welcher,  so  weit  er  überhaupt  vor- 
kömmt, Hand  in  Hand  geht  mit  anderen  eigenthümlichen 
Charakteren.  Ebensowenig  braucht  wohl  betont  zu  werden, 
dass  jeder  Charakterzug,  auch  ein  innerhalb  einer  bestimm- 
ten Familie  als  sehr  wichtig  erkannter,  bei  einzelnen  Grup- 
pen derselben  Familie  in  seinem  Werthe  alterirt  und  abge- 
mindert erscheinen  kann,  wenn  ihm  eine  ganze  Summe 
untereinander  parallel  gehender  Eigenthümlichkeiten  entge- 
gentritt. Er  verliert  in  solchem  Falle  für  die  betreffende 
Gruppe  seinen  Werth,  mag  dieser  trennender  oder  verbin-  ^ 
dender  Art  gewesen  sein,  nach  dem  allgemeineren  Grundsätze, 
dass  ein  einzelnes  Moment  stets  weniger  Werth  besitzt  als 
eine  ganze  Gruppe  von  Merkmalen. 

Gehen  wir  mit  diesen  theoretischen  Anschauungen, 
welche  als  solche  kaum  auf  einen  Widerspruch  stossen 
dürften,  an  die  Betrachtung  der  Familie  der    Sapindaceen, 


230         Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  1,  Juni  1878, 

um  die  Umgrenzung  der  Gattung  Sapindus  zu  versuchen 
und  um  uns  nach  den  Momenten  umzusehen,  auf  welche 
wir  uns  dabei  vorzugsweise  stützen  können,  so  haben  wir 
nicht  nöthig,  diese  selbst  erst  durch  Yergleichung  aller 
Glieder  der  Familie  ausfindig  zu  .machen.  Für  die  Familie 
der  Sapindaceen  sind  die  Resultate  einer  solchen  Yerglei- 
chung bereits  von  zwei  Forschern  zusammengestellt  worden. 
Wir  können  davon  ausgehen,  und  nur  so  weit,  als  eine  Ab- 
weichung von  diesen  Resultaten  angemessen  erscheinen 
mag,  wird  eine  selbständige  Umschau  vonnöthen  sein. 

Sowohl  Cambessedes,  mein  Vorgänger  in  der  mono- 
graphischen Bearbeitung  der  Sapindaceen,  als  Blume,  der 
gründlichste  und  zugleich  urtheilsvollste  Forscher  auf  dem- 
selben Gebiete  (soweit  es  ihm  eben  nahe  lag)  haben  sich 
über  die  bei  der  Bildung  der  Gattungen  in  der  Familie  der 
Sapindaceen  zu  berücksichtigenden  Momente  näher  aus- 
gesprochen. 

Ich  hebe  aus  ihren  Angaben  hervor,  was  für  die  gegen- 
wärtige Betrachtung  der  Gattung  Sapindtis  und  der  damit 
in  Zusammenhang  stehenden  Pflanzen  von  Belang  ist. 

Es  sind  das  gerade  jene  zwei  Punkte,  in  welchen  sich 
die  Anschaungen  der  beiden  genannten  Autoren  decken. 

Bei  beiden  Autoren  nämlich  ist  übereinstimmend  die 
Organisation  der  Frucht  als  wesentliches  Moment 
für  die  Bildung  der  Gattungen  hervorgehoben.  Darunter 
sind  von  selbst  schon  die  Verhältnisse  der  Samenknospen, 
des  Samens  und  des  Embryo  mitverstanden,  welche  Cam- 
bessedes theilweise  noch  ausdrücklich  betont.  Ich  erkläre 
mich  mit  dieser  Aufstellung  auf  Grund  erneuten  Studiums 
der  Familie  vollkommen  einverstanden,  und  zwar  um  so 
vollständiger  das,  als  nichts  hindert,  unter  „Organisation 
der  Frucht"  auch  die  anatomischen  und  mikrochemi- 
schen Verhältnisse  derselben  mitssu verstehen. 


BadlJcofer:  Üeher  Sapindua  etc.  231 

Von  beiden  Autoren  wird  ferner  übereinstimmend  Werth 
gelegt  auf  die  Form  des  Discus.  Soweit  als  das  Cam- 
bessedes  praktisch  werden  lässt,  kann  ich  mich  auch  hie- 
mit  einverstanden  erklären.  Weiter  schon  geht  Blume  (noch 
nicht  zwar  für  die  Gattung  Sapindm^  wohl  aber  für  an- 
dere Gattungen)  —  zu  weit  bereits,  als  dass  ich  ihm  folgen 
möchte.  In  noch  viel  weiterer  Ausdehnung  aber  wurde 
dieses  Moment  in  neuerer  Zeit  geltend  gemacht  in  den 
Genera  Plantarum  von  G.  Bentham  und  J.  Hook  er 
(1862)  und  in  der  Histoire  des  Plantes  von  H.  Baillon 
(1874),  in  welchen  Werken  es  geradezu  zu  einem  Haupt- 
eintheilungsprincipe  fiir  die  Sapindaceen  erhoben  und 
bei  der  Umgrenzung  der  Gattungen,  besonders  auch  der 
Gattung  Sapindm^  zu  stark  betont  wurde,  während  an- 
dererseits das  erstere  Moment,  die  Organisation  der  Frucht, 
bei  dieser  und  anderen  Gattungen  nicht  streng  genug  ge- 
handhabt wurde. 

Nach  diesen  beiden  Richtungen  eine  Verbesserung 
anzustreben,  will  ich  hier  versuchen. 

Die  Gattung  Sapindus  erscheint  als  der  geeignetste 
Ausgangspunkt  hieför.  Ihre  Betrachtung  wird  uns  zeigen, 
dass  Theile,  welche  naturgemäss  zu  ihr  gehören  (wie  Sapindus 
BaraJc  DC),  nur  durch  eine  Ueberschätzung  jenes  Einthei- 
lungsprincipes  von  ihr  abgerissen  werden  konnten,  und  wird 
uns  dieses  Princip  selbst  auf  seinen  wahren  Werth  zurück- 
führen lehren.  Sie  wird  uns  weiter  zeigen,  dass  gänzlich 
fremden  Pflanzen  (Arten  von  Jphania  etc.)  nur  durch  eine 
ungenügende  Berücksichtigung  der  Organisation  der  Frucht, 
besonders  ihrer  anatomischenund  mikro  chemischen 
Charaktere,  Eingang  in  die  Gattung  Sapindus  verschafft 
worden  ist,  und  wird  so  das  Werthvolle  der  anatomischen 
und  mikrochemischen  unter suchungsmet hode 
ersichtlich  machen.  Es  ist  auffallend,  dass  ein  richtiger 
Schritt  zur   Femhaltung   des  Fremdartigen,  welchen  schon 


232         Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  1.  Juni  1878. 

Blume  früher  einmal  (1825)  durch  Aufstellüug  derGattung 
Aphania  gemacht,  später  (1847)  aber  allerdings,  irregeführt 
durch  unvollständige  Materialien,  selbst  wieder  aufgegeben 
hat,  nicht  schon  längst  wieder  aufgenommen  und  ent- 
sprechend den  reicheren  Mitteln  der  Wissenschaft  zu  einem 
erspriesslichen  Ziele  weiter  geführt  worden  ist. 

Doch  davon  mehr  an  seinem  Platze.  Für  jetzt  erscheint 
es  angemessen,  dass  wir,  einstweilen  absehend  von  dem 
überschätzten  Verhältnisse  der  Discusform,  ander  zur  Grund- 
lage der  Gattung  gewordenen  Pflanze  —  Sapindus  Sapo- 
naria  L.  —  das  in's  Auge  fassen,  was  bei  der  Bildung  der 
Gattung  selbst,  wie  eben  in  Erinnerung  gebracht,  am  meisten 
in's  Gewicht  fällt  —  die  Organisation  nämlich  der 
Frucht,  des  Samens  und  des  Embryo.  *) 

Die  Frucht  von  Sapindus  Saponaria  L.  geht  aus 
einer  oberständigen,  dreifacherigen  (ausnahmsweise  auch 
vierfacherigen)  Fruchtanlage  hervor,  deren  Fächer  je  einem 
Fruchtblatte    entsprechen   und   je   eine  Samenknospe    ent- 


4)  Dass  alle  übrigen  Organisationsverhältnisse  von  beträchtlich  ge- 
ringerem Werthe  für  die  Bildung  der  Sapindaceen-Gattungen  sind,  das 
spricht  sich  schon  in  dem  Umstände  aas,  dass  sie  nur  von  dem  einen 
oder  dem  anderen,  nicht  aber  übereinstimmend  von  den  beiden  oben  ge- 
nannten Antoren  hervorgehoben  werden.  . 

So  bezeichnet  Blame  als  werthvoll  für  die  ßildnng  der  Gattun- 
gen bei  den  Sapindaceen  besonders  noch  die  Bescha£fenheit  des  Kelches, 
bezüglich  deren  er  es  beklagt,  dass  sie  von  Cambessedes  nnd  Ande- 
ren vernachlässigt  worden  sei;  sodann  aacl^die  Kronenblätter  nnd  die 
Stanbgefasse ;  endlich  den  Habitas. 

Cambessedes  fahrt  als  belangreich  noch  die  An-  oder  Abwe- 
senheit von  Banken  an  und  die  Fiederblätter  mit  oder  ohne  unpaares 
Blättchen. 

Es  ist  nicht  meine  Absicht,  hier  auf  eine  Beleuchtung  der  bei  der 
Bildung  der  Sapindaceen-Gattungen  im  allgemeinen  zu  beachtenden 
Grundsätze  einzogehen-  Es  soll  hier,  wie  schon  oben  bemerkt,  nur  das- 
jenige näher  in  Betracht  gezogen  werden,  was  für  die  Gattung  Sapin- 
du8  und  die  damit  in  Zusammenhang  stehenden  Pflanzen  von  wesentli- 


Radlkofer:  lieber  Sapindus  etc,  233 

halten.  Reif  stellt  sie  eine  Spaltfrucht  von  druposer  Be- 
schaffenheit dar  mit  seitlich  vorspringenden,  nahezu  ihrer 
ganzen  Höhe    nach   miteinander    verbundenen,    einsamigen 


lieber  Beddatnng  ist.  Dazu  gehören  die  eben  erwähnten  Momente  nicht 
oder  wenigstens  nicht  in  erster  Linie,  so  dass  sie  hier  unberücksichtigt 
bleiben  können.  Doch  mag  immerhin  bemerkt  sein,  dass  die  in  Etede 
stehenden  Momente  sicherlich  stets  sorgfaltige  Erwägung  verdienen  and 
wenigstens  theilweise  von  nicht  zu  unterschätzendem  Werthe  sind.  So 
namentlich  die  Beschaffenheit  des  Kelches,  welche  Blume  mit  Kecht 
betont.  Die  Beschaffenheit  der  Blumenblätter  uhd  der  Staubgefasse, 
namentlich  die  Zahl  der  letzteren,  kann  innerhalb  derselben  Gattung 
beträchtliche  Yerpchiedenheiten  zeigen,  die  aber  dan  n  meist  für  die  Bil- 
dung von  Gattungssectionen  von  Werth  erscheinen.  Bucksichtlich  des 
Habitus  lassen  sich  allgemeine  Regeln  für  die  Beurtheilung  seines 
Wertbes  nicht  aufstellen ;  er  ist  stets  nur  Hilfscharakter,  und  sein  Werth 
von  Fall  zu  Fall  zu  bestimmen.  Die  Rankenbildung  ist  in  so  ferne  cha- 
rakteristisch, als  nar  gewisse  Gattungen  dazu  befähigt  erscheinen,  von 
denen  aber  nicht  jede  in  allen  ihren  Arten  diese  Befähigung  zum  Aus- 
drucke bringt.  Die  Beschaffenheit  der  Blätter  ist,  und  zwar  auch  nach 
anderen  Beziehungen  als  den  von  Cambessedes  hervorgehobenen,  zu- 
mal nach  anatomischen,  für  viele  Gattungen  und  selbst  Gattungsgrup- 
pen von  erheblichem  Werthe.  Doch  lässt  sich  auf  sie  nicht  von  vorn- 
herein, wie  auf  die  Organisation  von  Frucht,  Same  und  £mbrjo,  Yerlass 
nehmen.  So  besitzen  ganze  Tribus  der  Sapindaceen  fast  ausnahmslos 
gefiederte  Blätter  ohne  echtes  Endblättchen  (an  dessen  Stelle  aber  meist 
als  scheinbares  ein  vorgeschobenes  Seitenblättchen  tritt,  so  dass  die 
betreffenden  Pflanzen  durch  dieses  Verhältniss  allein  schon  leicht  lind 
sicher  von  gewissen  Familien  —  Meliaceen,  Anacardiaceen,  Bnrseraceen,  Si- 
marubaceen,  Zanthoxyleen,  Connaraceen  etc.— unterschieden  werden  können, 
mit  welchen  sie  in  den  Herbarien  so  gerne  verwechselt  werden).  Bei 
anderen  Theilen  der  Familie  dagegen  ist  selbst  innerhalb  derselben 
Gattung  dem  Blatte  ein  viel  freierer  Spielraum  gewährt.  So  kommt  es 
gerade  in  der  Gattung  Sapindus  (und  bei  der  nahe  verwandten  Gattung 
Aphania)  vor,  dass  selbst  ein  und  dieselbe  Art  bald  nur  ein  schein- 
bares, gelegentlich  aber  auch  ein  echfes  Endblättchen  zur  Entwicklung 
bringt,  und  weiter  treten  hier  neben  Arten  mit  gefiederten  auch  solche 
mit  einfachen  Blättern  auf  (Sapindus  oahuensis  Hillebr.,  Aphania  Da- 
nura  Radlk.,  s.  d.  Tabellen),  worauf  ich  weiter  unten  bei  der  Gliede- 
rung der  Gattung  in  Sectionen  zurückkommen  werde. 


234        Sitzung  der  maü^^-phys.  Glosse  vom  U  Juni  1878, 

Fruchtknöpfen  (Cocci),  deren  jeder  einem  Frnchifache 
(resp.  Fruchtblatte)  entspricht  und  auch  nach  seiner  Ab- 
lösung geschlossen  bleibt.  Nicht  alle  Cocci  aber  erscheinen 
immer  voll  entwickelt,  ja  sehr  häufig  sogar  alle  bis  auf 
einen  yerkümmert,  unter  entsprechender  Verkleinerung  der 
Yerbindungsflächen.  Abgesehen  von  diesen  Yerbindungs- 
flächen  besitzt  der  entwickelte  Coccns  eine  sphäroidische 
Gestalt.  Das  Pericarpium  lässt  dreierlei  Partieen  unter- 
scheiden: ein  dünnes  Epiöarpinm,  vorzugsweise  aus  der 
derbwandigen  und  stark  cnticularisirten  Epidermis  gebildet, 
welchem  ein  paar  nächstliegende,  starker  als  die  inneren 
coUenchymatös  entwickelte  Zellenlagen  beigezählt  werden 
können;  ein  die  Hauptmasse  der  Fruchtwandung  bildendes 
Sarcocarpium,  dessen  mittlere,  allseitig  beträchtlich  yer- 
grösserte  Parenchymzellen  ganz  von  Saponin  erfüllt  sind; 
endlich  ein  verhältnissmässig  wieder  dünnes  Endocarpium 
von  pergamentartiger  Beschaffenheit,  aus  ein  paar  Lagen 
sich  schief  kreuzender,  bandartiger  und  innerhalb  derselben 
Lage  gruppenweise  nach  verschiedenen  Richtungen  ge- 
ordneter, massig  dickwandiger,  biegsamer  und  elastischer 
Sklerenchymzellen  gebildet.  Das  saponinreiche  Sarcocarpium 
ist  es,  welches  der  Frucht  ihren  praktischen  Werth  verleiht, 
so  dass  sie  schon  vor  vierthalbhundert  Jahren  —  also  sehr 
bald  nach  der  Entdeckung  Americas,  des  Vaterlandes  von 
Sapindm  Saponaria  L.  —  den  Schriftstellern  erwähnens- 
werth  erschien  (Oviedo,  1535).  Die  Nutzbarkeit  der 
Frucht  wurde  zugleich  die  Quelle  für  den  Namen  der 
Pflanze  (Sapo  indus  —  Sapindtisy  *)  Das  Saponin  der 
trockenen  Frucht  erscheint  unter  dem  Mikroskope  als  eine 


5)  Es  scheint  dieser  Name  erst  nach  dem  Bekanntwerden  der  hier 
in  Bede  stehenden  americanischen>  resp.  westindischen  Art  entstanden 
zu  sein,  obwohl  die  Fracht  einer  ostindischen  Art,  des  Sapindus  trifih 
liatus  L.f  der  gleichen  Yerwendharkeit  halher  schon  im  grauen  Alter- 
thome  geschätzt  und  durch  den  Handel    (gleichwie  in  der  Neuzeit  —  s. 


Radlkofer:  Üeber  Sapindus  etc,  235 

amorphe,  glasartige  Masse,  welche  sich  in  Alkohol  langsam, 
in  Wasser  rasch,  in  Schwefelsäure  mit  gelber,  später  gelb- 
rother  Farbe  löst  und  mit  basisch  essigsaurem  Blei  einen 
weissen  Niederschlag  bildet,  der  sich  in  Essigsäure  wieder 
löst.  ^)  Ein  senfkomgrosses  Stückchen  der  Fruchtschale 
mit  ein  paar  Grammen  Wasser  geschüttelt  bedingt  die 
Bildung  einer  grossen  Menge  längere  Zeit  stehen  bleiben^ 
den  Schaumes.  Der  Same,  welcher  im  centralen  Winkel 
des  Fruchtfaches,  nahe  an  dessen  Basis  befestigt  ist  und 
aus  einer  gekrümmten,  mit  ihrer  organischen  Spitze  (Mi- 
cröpyle)  nach  aussen  und  unten  gekehrten  Samenknospe 
hervorgeht,  besitzt  eine  beinharte,  dicke,  aus  zahbeichen 
Lagen  radiär  gestellter,  sechsseitig  prismatischer,  dickwan- 
diger Zellen  bestehende,  in  ihren  inneren  Lagen  durch  Ver- 
kürzung, Rundung  und  endlich  selbst  Querdehnung  der 
Zellen  eine  Art  Endopleura  bildende,  dunkelgefärbte  Schale, 
einen  als  senkrecht  in  der  Frucht  stehende  Furche  sich  dar- 
stellenden Samennabel  und  im  Inneren  zwischen  Samennabel 
und  Micropyle  als  Rest  des  gekrümmten  Enospenkerns  eine 
sackartig  vertiefte  Querfalte,  in  Agr  das  Würzelchen  des  Em- 


Corinaldi,  welcher  die  Fracht  fälschlich  auf  Sapindus  Mükoroasi  Gaertn. 
hezog,  in  Memorie  Yaldamesi,  1835,  p.  75;  Delile,  Descr.  d*£Igypte, 
Hist.  nat.  n,  1813,  p.  81  „Sapindus  ßyteh'*;  Forskai,  Materia  medica 
1775,  p.  151  ,fBite**)  bis  nach  Egjpten  verbreitet  wurde ,  wie  ans  die 
Auffindung  solcher  Früchte  in  altegyptischen  Gräbern  zeigt  (s.  meine 
Mittheilnng  hierüber  an  Alex.  Braun  in  Zeitschr.  f.  Ethnologie  IX, 
1877,  p.  307  und  den  Zusatz  zu  Sapindus  ByUh,  Tabelle  II.) 

6)  Wiesner  (Rohstoffe  des  Pflanzenreiches,  1873,  p.  76t)  nimmt 
(für  Sapindus  emarginatus  Vahl)  an,  dass  das  Saponin  in  den  Mem- 
branen des  Frachtfleisches  auftrete,  da  dieses  sich  in  Wasser  und 
überhaupt  in  den  Lösungsmitteln  des  Saponins  bis  zur  Unkenntlichkeit 
vertheile.  Die  mikroskopische  Untersuchung  trocken  angefertigter  Schnitte 
vor  und  nach,  oder  noch  besser  wahrend  der  Lösung  des  Saponins  durch 
Alkohol  oder  Wasser  lässt  das  Irrige  der  einen  und  der  anderen  Angabe 
leicht  erkennen. 


236         Sitzung  der  m<Uh,'jphy8.  Clasae  vom  1,  Juni  1878. 

bryo  ruht.  Der  E  m  b  r  y  o  ist  gekrümmt,  das  Würzelchen  nach 
unten  gekehrt,  die  Cotyledonen  dick,  fast  halbkugelig,  in 
senkrechter  Richtung  (also  mit  horizontal  stehenden  Be- 
rührungsflächen) über  einander  gelagert,  reich  an  Oel  neben 
massigem  Qehalt  an  Starke. 

Nach  dem  oben  erwähnten,  von  früheren  Autoren 
übereinstimmend  ausgesprochenen  und  durch  erneutes  Studium 
der  Familie  bestätigten  Hauptgrundsatze  für  die  Bildung 
der  Gattungen  bei  den  Sapindaceen  lässt  sich  erwarten,  dass 
die  Summe  der  hier  aufgezählten  Eigenschaften  von  Frucht, 
Same  und  Embryo  als  dasj^ge  angesehen  werden  darf, 
was  den  formellen  Inhalt  der  Gattung  Sapindt4s  —  d.  h. 
jener  Gattung,  zu  welcher  die  eben  betrachtete  Pflanze 
selbst  gehören  soll  —  bestimmt.  Mit  anderen  Worten:  es 
erscheint  als  von  vornherein  gerechtfertiget,  alle  jene  Sapin- 
daceen, welche  in  den  eben  geschilderten  Verhältnissen  mit 
Sapindus  Sapmaria  Linn.  übereinstimmen,  zu  einer  und 
derselben  Gattung  mit  ihr  zu  vereinigen,  alle  anderen  aber, 
welche  in  diesen  Verhältnissen  Abweichungen  zeigen,  von 
dieser  Gattung  auszuschliessen.  Sache  der  weitereu  kriti- 
schen Untersuchung  und  speciellen  Vergleichung  bleibt  es 
dann,  festzustellen,  erstens  ob  nicht  Pflanzen,  welche  nur 
in  dem  einen  oder  anderen  der  erwähnten  Verhältnisse  eine 
Abweichung  zeigen,  doch  noch  zu  derselben  Gattung  zu 
rechnen  seien,  ob  also  die  Charakteristik  dieser  nicht  einer 
Erweiterung  bedürfe;  zweitens,  ob  nicht  die  nach  den 
erwähnten  Anhaltspunkten  zu  einer  Gattung  vereinigten 
Pflanzen  in  anderen  als  den  hier  berührten  Momenten  zu 
erhebliche  Differenzen  zeigen,  als  dass  sie  in  einer  Gattung 
belassen  werden  könnten,  ob  also  die  gewonnene  Gattungs- " 
Charakteristik  nicht  etwa  einer  Einschränkung  bedürfe. 
Drittens  endlich  bleibt  im  Verneinungsfalle  dieser  beiden 
Fragen  zu  bestimmen,  welche  der  angeführten  Verhältnisse 
als  die  wichtigsten  erscheinen,  um  durch  Zusammen&ssung 


Badlkofer:  üeher  Sapindus  etc,  237 

dieser  den    mögliclist    prägnanten    Aasdruck   für 
den  formellen  Inhalt  der  Gattung  zu  gewinnen. 

Es  ist  hier  nicht  der  Platz,  die  ganze  Reihe  der  Unter- 
suchungen darzulegen,  welche  nach  den  eben  bezeichneten 
drei  Richtungen  an  dem  betreffenden  Materiale  zur  Durch- 
führung gelangt  sind.  Es  würde  das  Eingehen  auf  diese 
Untersuchungen  eine  detaillirte  Betrachtung  der  betreffen- 
den Materialien  selbst,  also  ihre  monographische  Behand- 
lung an  diesem  Orte  voraussetzen.  Da  eine  solche  hier 
weder  beabsichtigt  ist,  noch  zulässig  wäre,  so  beschränke 
ich  mich  darauf,  das  Resultat  dieser  Untersuchungen  mit- 
zutheilen  und  die  Umgestaltung,  welche  die  Gattung  iSapin- 
dus  darnach  zu  erfahren  hat,  in  Form  zweier  tabella- 
rischer Uebersichten  zur  Darstellung  zu  bringen, 
welche  ich  an  den  Schluss  der  Abhandlung  verweise,  und 
deren  eine  die  auszuschliessenden  und  die  gänz- 
lich zweifelhaften  Arten  von  Sapindus^  deren 
andere  die  dieser  Gattung  sicher  oder  höchst 
wahrscheinlich  angehörigen  Arten  in  alphabeti- 
scher Ordnung  und  hier  wie  dort  unter  möglichst  voll- 
ständiger Angabe  des  ihnen  zukommenden  Werthes  und 
Platzes  aufführt.  Nur  die  wichtigsten  Erwägungen,  welche 
bei  der  Gewinnung  dieses  Resultates  massgebend  waren, 
sollen,  um  die  Prüfung  desselben  zu  erleichtem,  im  Folgen- 
den nach  den  vorhin  berührten  drei  Gesichtspunkten  dar- 
gelegt werden. 

Was  den  ersten  dieser  Punkte  betrifft,  so  beant- 
wortet sich  die  Frage  nach  einer  allenfalls  nöthigen  Er- 
weiterung der  in  den  oben  angeführten  Verhältnissen 
von  Frucht,  Same  und  Embryosich  aussprechenden  Gattungs- 
charakteristik verneinend,  d.  h.  es  sind  derartige  Pflanzen 
nicht  bekannt,  welche  nur  in.  einzelnen  dieser  Verhältnisse 
eine  Abweichung  zeigten,  es  sind  vielmehr  da,  wo  über- 
haupt Abweichungen  auftreten  (also  auch  schon  bei  den 
[1878.  3.  Math.-phys.  CL]  17 


238         Sitzung  der  math.-phys.  Glaaae  vom  1.  Juni  1878, 

nächsten  Verwandten  von  Sapindm)  dieselben  gleich  mannig- 
faltiger Art  nnd  sehr  erheblich. 

Es  wird  behufs  Erweisung  dieses  Satzes  Niemand  ein 
Eingehen  auf  solche  Sapindaceen  verlangen,  welche  längst 
bei  anderen  Gattungen  ihren  sicheren  Platz  gefunden  haben. 
Nur  um  jene  kann  es  sich  hier  handeln,  welchen  ihrer 
Aehnlichkeit  mit  8apindt4S  halber  bis  auf  den  heutigen 
Tag  eine  Stelle  in  dieser  Gattung  eingeräumt  war,  aus  der 
sie  nunmehr  der  obigen  Charakteristik  zufolge  zu  entfernen 
sind.  Ich  habe  diese  Pflanzen  in  der  ersten  der  vorhin 
erwähnten  Schlusstabellen  durch  eine  vorgedruckte  aufrechte 
Doppellinie  gekennzeichnet.  Auch  von  diesen  wird  es  ge- 
nügen, nur  jene  hervorzuheben,  welche  der  Gattung  Sapin- 
dus wirklich  nahe  stehen,  um  zu  zeigen,  wie  weit  auch 
sie  schon  von  der  oben  skizzirten  Gattungscharakteristik 
abweichen. 

An  erster  Stelle  verdienen  in  dieser  Hinsicht  jene  in*s 
Auge  gefasst  zu  werden,  welche  nach  meinem  Dafürhalten 
die  früher  schon  einmal  von  Blu  me  aufgestellte,  dann  aber 
von  ihm  selbst  leider  vdeder  aufgegebene  Gattung  Apha- 
ni a  zn  bilden  haben. 

Die  Arten  dieser  Gattung,  welche  theils  schon  seit  lan- 
gem, thdls  erst  in  neuester  Zeit  (von  Hiern  und  Kurz, 
1875)  als  Arten  von  Sapindus  betrachtet  worden  sind,  sind 
folgende:  Äphania  seneg alensis  Badlk.  (Sapindus  se- 
negalensis  Juss.  ed.  Poir..,  S.  guineensis  Don?,  S.  äbyssini" 
cus  Fresen.,  S,  laurifolius  Brunner),  A.  microcarpa  R. 
(S.  microcarpus  Kürz),  A.  bifoliolata  R.  (S.  bifoliolatus 
Hiern),  A.  montana  Bl.  1825  (S.  montanus  Bl.  1847), 
A  cuspidata  R.  (S.  cuspidatus  Bl.),*  A,  rubra  R.  (S, 
attenuatus  Wall.,  S.  ruber  Kurz,  Scytalia  rubra  Roxb.),  A. 
Danura  R.  (S.  Danura  Voigt,  S,  verticillatus  Kurz). 

Ausser  diesen  sind  noch  drei  Arten  vorhanden:  Äpha- 
nia   sphaerococca    Radlk.,    von    Beccari    auf     Arn, 


Radlkoferi  lieber  Sap%fhdu8  etc.  239 

Aphania  longipes  Badlk.,  von  Teysmann  aufNeu- 
Gainea  gesammelt,  and  Aphania paucijuga  Radlk.,  au8 
Otophora  paucijuga  Hiern  hervorgehend.  Ich  habe  sie  in  der 
dem  botanischen  Congresse  zu  Amsterdam  vorgelegten  üeber- 
sieht  der  Sapindaceen  Holländisch-Indiens  und  in  den  Nach- 
trägen hiezu  soweit  nöthig  charakterisirt  und  den  ent- 
sprechenden Sectionen  der  Gattung  zugewiesen. 

Beife  Früchte  sind  bekannt  von  Aphania  senegalensis, 
montana^  rubra^  Danura  und  sphaerococca. 

Die  Früchte  all  dieser  Arten  sind,  ähnlich  denen  von 
Sapindus,  Drupen  mit  zwei  oder  drei  einsamigen  Fruchtknö- 
pfen (Cocci),  welche  bei  der  Reife  sich  isoliren  und  mitun- 
ter nur  tbeilweise  zur  vollen  Entwicklung  gelangen.  Aber 
schon  die  äussere  Gestalt  dieser  Früchte  weicht  von  der 
der  echten  Sapindus-Arten  erheblich  ab.  Die  Yerbindungs- 
fläche  der  Cocci  ist  im  Verhältniss  zu  deren  isenkrechtem 
Durchmesser  viel  kleiner,  als  bei  Sapindus ^  so  dass  die 
Frucht  in  der  Richtung  der  Axe  stark  eingeschnürt  erscheint, 
bei  bald  ellipsoidischer,  bald  sphärischer  Gestalt  der  einzel- 
nen Cocci  und  bald  horizontaler,  bald  nach  oben  di- 
vergirender  Richtung  derselben.  Der  mikroskopische  Bau 
der  Frucht  ist  ein  durchaus  anderer  als  bei  Sapindus ; 
ebenso  die  chemische  Beschaffenheit.  Das  Epicarp  wird  le- 
diglich von  einer  verhältni^smässig  zarten  Epidermis  darge- 
stellt. Das  Sarcocarp  ist  saponin&ei,  dagegen,  wenigstens 
bei  den  Arten  mit  grösseren  Früchten  (A.  senegalensis^  A. 
rübra)^  essbar,  von  angenehm  säuerlichem  (Brunne  r),  wei- 
nigem Geschmacke  (Guillemin,  Perrottet  etc.) ,  von 
ziemlich  grossen,  dünnwandigen  Parenchymzellen  gebildet, 
welche  zum  Theile  und  namentlich  die  äusseren,  eine  zusam- 
mengeschrumpfbe  in  Wasser  unlösliche,  gerbstoffartige  Masse 
von  rothbrauner  Farbe  enthalten.  Das  Endocarp  ist  knor- 
pelartig, aus  tafelförmigen,  jedoch  auch  in  der  Bichtung  des 
Radius  mitunter  ziemlich  entwickelten  Zellen  bestehend,  de- 

17* 


240         Sitzung  der  math.-phya,  Claase  vom  1,  Juni  1878. 

ren  Seitenwände  wellig  hin  und  her  gebogen  nnd  beträcht- 
lich ,  selbst  bis  zur  gegenseitigen  Berührung  der  dadurch 
Darmschlingen  ähnlich  erscheinenden  Windungen  verdickt  sind. 
Diese  Zellenlage  ist  nach  innen  gewöhnlich  bedeckt  von  einer 
epitheliumartigen  Schichte  ähnlich  gestalteter,  aber  sehr 
flacher  Zellen  mit  weniger  oder  auch  gar  nicht  verdickten 
Seitenwandungen.  Nur  bei  A.  senegdlensis  sind  die  inneren 
Zellen,  abgesehen  von  geringerem  radiären  Durchmesser,  von 
den  äusseren  fast  gar  nicht  verschieden.  Der  aus  einer  ge- 
krümmten Samenknospe  hervorgehende,  an  der  Basis  des 
Goccus  angeheftete  Same  mit  nach  unten  und  aussen  gekehr- 
ter, neben  dem  Anheftungspunkte  liegender  Micropyle  be- 
sitzt eine  dünn  lederartige ,  aus  zahlreichen  Schichten 
schwammförmigen  Gewebes  mit  ganz  flachen  dünnwandigen 
Zellen  bestehende,  lichtbraune  Samenschale  mit  rundlichem 
Nabel,  ohne  Qnerfalte  im  Inneren,  nur  mit  einer  punktför- 
migen Vertiefung  an  der  Basis  zur  Aufnahme  des  äusserst 
kurzen  Eeimwürzelchens.  Der  Embryo,  gewöhnlich  schlecht- 
hin als  gerade  beschrieben,  lässt  trotz  der  Kürze  seines  nur 
papillenförmigen  Würzelchens  bei  genauer  Beobachtung  mit- 
unter doch  deutlich  eine  Krümmung  desselben  wahrneh- 
men; die  Cotyledonen  sind  gerade,  je  nach  der  Gestalt  des 
Samens  (resp.  der  Cocci)  von  halb  walzlicher  oder  halb 
kugliger  Gestalt  (der  eine  nach  der  oberen  und  inneren, 
der  andere  nach  der  unteren  und  äusseren  Seite  des  Coc- 
cus  gekehrt),  fast  frei  von  Oel,  aber  reich  an  Stärkemehl, 
gelegentlich  mit  braunem,  gerbstoffartigem  Inhalte  daneben 
in  einzelnen  Zellen. 

Wer,  der  alle  diese  Differenzen  ins  Auge  fasst,  möchte 
noch  eine  Vereinigung  dieser  Pflanzen  mit  Sapindus  urgiren? 
Hier  ist  geradezu  in  gar  keinem  Punkte  eine  Uebereinstim- 
mung  mit  den  oben  angeführten  Charakteren  von  Sapindus 
vorhanden  ,  die  allgemeinsten  Eigenschaften  der  Frucht  — 
drupöse  Beschaffenheit  und  Gliederung   in   Cocci  -^  ausge- 


Radlkofer:  Ueber  Sapindua  etc.  241 

nommen.  Nur  wenn  man  sich  mit  der  Auffassung  dieser 
allgemeinsten  Charaktere  begnl^t,  mag  man  zu  einer  solchen 
Vereinigung  verführt  werden,  wobei  man  immerhin  schon 
über  erhebliche  Verschiedenheiten  der  Gestalt  und  sonstigen 
äusseren  Beschaffenheit  der  Frucht,  des  Samens  und  des 
Embryo  hinweggleiten  muss.  Eine  tiefer  gehende  Betrach- 
tung, eine  Kenntniss  all  der  Verschiedenheiten,  welche  die 
anatomische  undmikrochemischeüntersuchung 
des  Pericarps,  der  Samenschale  und  des  Embryo  aufgedeckt 
hat,  macht  ein  solches  Hinweggleiten  über  jene  äusseren 
Verschiedenheiten  unmöglich  —  von  den  Eigenthümlich- 
keiten  der  Blüthe,  sowie  der  vegetativen  Organe  hier  ganz 
zu  schweigen. 

Schon  Blume  hat  seiner  Zeit  ausser  auf  die  Eigen- 
thümlichkeiten  der  Blüthe  und  des  Habitus,  welche  ihn  im 
Jahre  1825  zur  Aufstellung  der  Gattung  Aphania  veran- 
lasst hatten,  ganz  richtig  auch  auf  die  chemische  Beschaffen- 
heit der  Frucht  Gewicht  gelegt,  in  einer  bisher  gänzlich 
unbeachtet  gebliebenen,  für  die  damalige  Zeit  geradezu 
classischen  Bemerkung  über  die  Gattung  Sapindus  (Bum- 
phia  III,  1847,  p.  92),  in  welcher  er  seiner  Meinung  Aus- 
druck gab,  dass  die  bei  dieser  Gattung  untergebrachten 
Pflanzen  mit  essbaren  Früchten,  von  welchen  er  insbeson- 
dere Sapindus  senegalensis  ^  und  Sapindus  esculentus  nam- 

7)  Sapindus  senegalensis  Juss.  ed.  Poir.,  d.  i.  Aphania  senegalensis 
Badlk.;  welche  in  Afrika  weit  verbreitet  za  sein  scheint  (sie  wurde 
in  jüngster  Zeit^  1870,  anch  von  Schweinfnrt  gesammelt  im  Lande  der 
Mitta,  am  Boah  hei  Kadele,  coli.  Schweinf.  n«  2082),  und  za  der  auch 
Sapindus  abyssinicus  Fteaerdna  gehört,  wie  schon  Backer  in  Oliver 
Fl.  trop.  Africa  I,  1868,  p.  430  richtig  hervorgehoben  hat,  und  wie  ich 
nach  Autopsie  des  betre£fenden  Originales  (gesammelt  von  B  ü  p  p  e  1 ) 
im  Herbariam  des  Senkenbergischen  Institutes  bestätigen  kann,  soll 
nach  Guillemin,  Perrottet  &  A.  Richard  (Flora  Senegambiae 
1830—33,  p.  118)  ein  sehr  angenehm  schmeckendes  Fruchtfleisch  besitzen 
(was  ich  zuerst  bei  Gambessedes  in  Dict.  classique d*Hist.  nat.  XV» 
Mai  1829,  p.  202  erwähnt  finde),  aber  einen  bitteren  Kern,  welcher  bei 


242         Sitzung  der  matK-phys,  Clause  vom  1.  Juni  1878. 

hafb  macht,  aus  ihr  anszuschliessen  sein  dürften.  Dass 
er  trotzdem  bei  dieser  Gelegenheit  seine  Gattung  Aphania 
einzog  und  mit  Sapindus  vereinigte,  daran  war  nur  der 
umstand  schuld,  dass  ihm  von  den  bis  dahin  bekannt  ge- 
wordeneij  beiden  Arten  derselben,  Aphania  montana  und 
cuspidafa^  reife  Fruchte  fehlten,  welche  die  von  ihm  ver- 
muthete  Zusammengehörigkeit  mit  Sapindus  senegdlensis  zu 
einem  besonderen  Genus  bestimmter  nachzuweisen  erlaubt 
hätten.  So  wurde  denn  Sapindus  senegdlensis,  um  ihn  nicht 
in  eine  allenfalls  unrichtige  Verbindung  mit  Aphania  zu- 
bringen,  bei  Sapindus  belassen.  Das  Gewicht  aber  seiner 
Aehnlichkeit  vn'ii  Aphania,  welche  Blume  nicht  schon  beider 
Aufstellung  dieser  Gattung  (1825)  hinreichend  bekannt  war, 
sondern  erst  aus  der  in  den  Jahren  1830 — 37  erschienenen 
Beschreibung  und  Abbildung  in  der  Flora  Sen^ambiae  und 
in  Delessert^s  Icon.  select.  ersichtlich  wurde,  veran- 
lasste nun  die  entgegengesetzte  Verschiebung,   die  wirklich 


den  Negern  für  giftig  gilt.  Ebenso  nach  Brunn  er,  der  die  am  Sa- 
lum-Flnsse  gesammelte  Pflanze  (übereinstimmend  mit  den  Etiqnetten 
seiner  Exemplare  in  den  Herbarien  zu  Wien,  Turin  und  von  Delessert)  in 
seiner  „Beise  nach  Seneg^mhien** ,  Bern  1840,  p.  202  Sapindus  lauri- 
folius,  in  den  „botanischen  Ergebnissen"  seiner  Beise  aber  in  Beiblatt 
No.  1  zum  II.  Bande  der  Begensburger  botanischen  Zeitung  vom  Jahre 
1840,  p.  15,  n.  188  Sapindus  senegalensis  Poir.  nennt  und  das  Frucht- 
fleisch als  angenehm  säuerlich,  den  Kern  aber  als  sehr  giftig  bezeichnet. 
Die  den  Kern  betreffende  Angabe  findet  sich  auch,  wahrscheinlich  den 
erwähnten  Quellen  entnommen,  bei  Bösen  thal,  PI.  diaphoret.,  und 
bei  Duchesne,  PI.  utiles  (1846)  p.  194,  bei  welchem  aber  die  falschen 
Synonyme  „PauUinia  senegalensis  Juss. ,  PauUinia  uvata  Scbnm.", 
welche  zu  PauUinia  pinnata  Linn.  emend.  gehören,  zu  streichen  sind. 
Falsch  ist  ohne  Zweifel  des  Letzteren  Angabe  ,  dass  die  Pflanze  zum 
Waschen  diene.  Derselben  mag  eine  Verwechselung  mit  SapindiM  Sa- 
ponaria  Linn.  zu  Grunde  liegen,  der  ja  ebenfiälls  in  Senegambien  anzu- 
treffen ist,  wie  schon  Durand  (Voyage  au  Senegal,  1802,  p.  51,  tab. 
22  „Sapindus  ou  arbre  ä  Savonnettes**)  unter  Erwähnung  seiner  Ver- 
wendung zum  Waschen  dortselbst  berichtet,  dess^^n  Abbildung  selbst 


EacUkofer:  üeber  Sapindua  etc.  243 

fehlerhafte  Ueberführung  von  Aphania  zn  Sapindus.  Gleich- 
zeitig erscheinen  übrigens  Theile  der  jetzigen  Gattung 
Aphania  hei  Blume  (Rumphia  III,  1847,  p.  103)  abermals 
als  eine  besondere,  selbständige  Gkittung  unter  dem  Namen 
Didymococcus^  nämlich  die  beiden  von  Boxburgh  als 
Scytalia  vertioillata  und  Scytalia  JDanura  beschriebenen 
Formen  von  Aphania  Danura  Radlk.  (,^Didymococcus  ver^ 
ticillatm^^  BL  und  ,^Didymococctis  Danura^^  Bl.  1.  c.)i  deren 
generelle  Uebereinstimmung  mit  Aphania  montana  und 
cuspidata  Blume,  dem  sie  nur  aus  den  Angaben  Rox- 
burgh's  bekannt  waren,  verborgen  blieb,  obwohl  er 
richtig  schloss,  dass  ihre  Verwandtschaft  eher  bei  der  durch 
Aphania  bereicherten  Gattung  Sapindus  als  bei  Nephelium 
zu  suchen  sei,  wohin  sie  Don  und  W  a  1  p  e  r  s  gestellt 
hatten. 

Es  mag  mir   gestattet  |iein  anzuführen,    dass    ich  auf 
die  in  Rede   stehende   Auseinandersetzung    Blume^s,    auf 

Pritzel  (Icon.  bot.  Index,  1855,  p.  984)  irriger  Weise  auf  8apindu8 
senegälensis  Poir.  bezog.  Dachesne^s  anrichtige  Angabe  wiederholt 
sich  bei  Baillon,  Hist.  d.  PL,  1874,  p.  886  (s.  nnten  p.  250.) 

Als  identisch  mit  Aphania,  resp.  Sapindus  senegälensis  wird  in 
W.  Hooker  Niger  Flora,  1849,  p.  249  anch  Sapindm  guineensis  Don 
(General  Syst.  I,  1831,  p.  666,  n.  16)  verrnnthungsweise  bezeichnet. 
Auf  Antopsie  scheint  diese  Vermathnng  nicht  gestützt  za  sein.  Mir 
scheinen  die  Angaben  Don 's  eher  noch  auf  Deinbollia  pinnata  Schum. 
und  Tbonn.  hinzudeuten  (s.  Zus.  13  zu  Tab.  I).  Ich  bringe  hier  auf 
Grund  autoptischer  Untersuchung  zu  Aphania  senegälensis :  Omitrophe 
thyrsoides  Schum.  &  Thonn.  (1828),  welche  Baker  als  Schmidelia  thyr- 
soides  in  Oliver  Fl.  trop.  Africa  I  (1868)  p.  424  auffuhrt,  jedoch 
mit  der  Bemerkung,  dass  sie  möglicherweise  zu  einer  anderen  Gattung 
gehöre.  Im  Vorbeigehen  mag  hier  noch  erwähnt  sein,  dass  auch  zwei 
andere  Schmidelia- krten  von  Backer  am  angeführten  Orte  zu  strei- 
chen sind,  welche  beide  sicher  nicht  zu  den  Sapindaceen  gehören^ 
vielmehr,  so  viel  ich  nach  früher  gewonnenem  Eindrucke,  und  ohne  die 
Pflanzen  vor  Augen  zu  haben,  angeben  kann,  den  Enphorbiaceen  (im 
Sinne  von  J.  Müller)  beizurechnen  sein  dürften.  Sie  sind  im  Anhange 
zu  Tabelle  I  aufgeführt. 


244         Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  i.  Juni  1878. 

welche  ich  auch  bei  der  Betrachtung  der  echten  Sapindus- 
Arten  zurückzukommen  Gelegenheit  haben  werde,  erst 
auiinerksam  geworden  bin,  nachdem  mich  schon  lange  die 
selbständige  Untersuchung  der  betrefiPenden  Materialien,  und 
namentlich  die  anatomische  BeschafiPenheit  von  Frucht 
und  Same,  dazu  geführt  hatte,  eine  Wiederaufnahme  der 
Gattung  Äphania  für  nothwendig  und  eine  UeberfÜhrnng 
von  Sapindus  senegalensis  in  dieselbe  für  angemessen  zu 
erachten.  Es  war  mir,  als  ich  nachträglich  auf  Blume 's 
Auseinandersetzung  stiess,  in  hohem  Grade  erfreulich,  zu 
sehen,  dass  ein  Forscher  wie  Blume  för  die  hier  dar- 
gelegten Anschauungen  gleichsam  schon  im  vorhinein  als 
Verfechter  und  Vorkämpfer  aufgetreten  war,  mag  es  auch 
aufden  ersten  Blick  den  Anschein  haben,  als  sei  er  durch  die 
Einziehung  der  Gattung  Äphania  derselben  entgegengetreten. 
Noch  mag,  ehe  ich  die  Gattung  Äphania  verlasse,  eine 
nomenclatorische  Frage,  welche  sich  an  sie  knüpft,  Erledi- 
gung finden.  Es  sind  nämlich  Arten  dieser  Gattung  schon 
i-  J.  1814,  also  vor  Aufstellung  von  Äphania  BL  (1825), 
von  Boxburgh  im  Hortns  bengalensis  als  Scytalia  rubra^ 
JDanura  und  verticillata  aufgeführt. worden,  welche  Namen 
eben  vorhin  und  schon  oben  in  der  Synonymie  der  be- 
treffenden Arten  berührt  worden  sind.  Darnach  könnte  es 
scheinen,  als  ob  dem  Namen  Scytalia  nach  dem  Gesetze 
der  Priorität  vor  Äphania  der  Vorrang  gebühre  zur  Be- 
zeichnung der  in  Rede  stehenden  Gattung.  Dem  ist  aber 
nicht  so.  Scytalia  (mit  der  einzigen  Art  Scytalia  chinensis) 
wurdevonGaertner  (1788)  ohne  eigentliche  Berechtigung 
an  die  Stelle  von  Litchi  Sonnerat  (1782,  mit  der  Art 
Litchi  chinensis)  gesetzt,  wahrscheinlich  nur  weil  ihm 
letzterer  Name  den  von  Linne  befürworteten  Grundsätzen 
für  die  Namengebnng  nicht  zu  genügen  schien.  Der  Gattung 
Scytalia  Gaertn.  wurden  sodann  von  Boxburgh,  welcher 
selbst    wieder   den    Namen     Scytalia   chinensis    Gaertn.  in 


Badlkofer:  lieber  Sapindus  etc.  245 

Scytalia  Litchi  umzuwandeln  für  gut  fe.nd,  imHortus  ben- 
galensis  (1814)  and  ebenso  in  der  Flora  Indica  (Ed.  II,  1832) 
8  weitere  Arten  zugeführt,  worunter  die  3  genannten  %  in  der 
irrigen  Voraussetzung,  dass  dieselben  mit  Scytalia  Gaertn. 
generisch  übereinstimmen.  Wenn  nun  durch  Wiederauf- 
nahme des  Gattungsnamens  Litchi  Sonn,  (oder,  wie  das  bis- 
her geschehen  ist,  durch  Ueber tragung  der  zuerst  von 
Sonnerat  beschriebenen  Pflanze  zu  der  älteren  Gattung 
Nephelium  Linn.,  1767)  der  G  aertner 'sehe  Name  Scy- 
talia  abolirt  wird  und  in  die  Beihe  der  Synonyme  zurück- 
tritt, so  kann  er  nicht  gleichzeitig  etwa  als  Scytalia  (non 
Gaertn.)  Roxb.  mit  dem  Ansprüche  auf  Priorität  vor  Aphania 
Bl.  für  die  genannten  drei  Arten  (und  die  damit  zu  einer 
Gattung  gehörigen)  aufrecht  erhalten  werden,  da  R  o  xb  u  r  gh 
mit  diesen  nicht  etwa  eine  neue  Gattung  Scytalia  zu  grün- 
den im  Sinne  hatte,  sie  vielmehr  nur  in  Folge  einer  falschen 
Voraussetzung,  respective  einer  falschen  Bestimmung  der 
Gattung,  zu  Scytalia  Gaertn.  gebracht  hat.  Eine  falsche 
Bestimmung  aber  begründet  kein  Recht  der  Priorität.  Nicht 
mehr  in  Betracht  kommt  es  dabei,  dass,  was  auch  andern- 
falls der  Gattung  Aphania  Bl.  die  Priorität  sichern  würde, 
von  Roxburgh  nicht  schon  im  Hortus  bengalensis  (1814), 
sondern  erst  in  der  Flora  Indica  (1832)  eine  Charakteristik 
der  Gattung  gegeben  ist.  Nur  für  die  Namen,  resp.  Bei- 
namen der  Arten  Rorburgh*s  könnte   eine  Priorität  bis 


8)  Die  übrigen  sind:  Scytalia  Longan  =:  Euphoria  Long  an a 
Lam.y  S.  Eamhootan  =  Nephelium  lappaceum  Linn.,  sowie  die 
noch  zweifelhaften  S,  rimosa,  parviflora  und  oppositifolia.  Für  Scy- 
talia  rimosa  ist  es  nicht  unmöglich,  dass  die  Vermuthung  von  Hass  - 
karl (PI.  jav.  rar.,  1848,  p.  290)  richtig  ist,  womach  darin  Nephdium 
glahrum  Noronh.,  d.  i.  Nephelium  lappaceum  Linn.,  var.  glahrum  Bl* 
zu  sehen  wäre.  Der  von  Boxburgh  fdr  den  District  Silhet  angege- 
bene Eingebomen-Name  Tinguree  oder  Tingoori  könnte  darüber 
vielleicht  noch  Gewissheit  verschaffen.  Für  Scytalia  parviflora  und 
oppositifolia  ist  kaum  eine  Interpretation  möglieb. 


246        Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  1,  Juni  187 S. 

auf  das  Jahr  1814  zurück  geltend  gemacht  werden,  inso- 
fern dieselben  im  Hortus  bengalensis  wenigstens  durch 
Beifügung  des  Eingehornen-Nameus,  des  Fundortes  und  des 
Sammlers  einigermassen  gekennzeichnet  sind,  und  soweit 
eben  darnach  und  unter  Zuhilfenahme  des  Herbarium-Nach- 
lasses Ro  xbu  r gh *s  die  betreffenden  Pflanzen  sicher  erkannt 
werden  können. 

Ist  durch  das  Gesagte  die  Abtrennung  einer  Gattung 
Aphania  von  Sapindus  hinreichend,  wie  mir  scheint,  be- 
gründet, so  genügt  es  für  andere  davon  abzutrennende 
Theile,  und  zunächst  für  die,  welche  die  neuen,  schon  in 
der  Uebersicht  der  Sapindaceen  HoUändisch-Indiens  von  mir 
aufgestellten  Gattungen  Thra  ulococcus  (Sapindm 
Thwaifesii  Hiem,  S.  erectus  Hiern)  und  Hebecoccus 
(Sapindm  laurifolius^  non  Vahl,  ZoUing.)  bilden,  (s.  Ta- 
belle I)  hervorzuheben,  dass  bei  ihnen  die  Aehnlichkeit  mit 
Sapindus  eine  noch  viel  oberflächlichere  ist  als  bei  Aphania^ 
so  dass  man  sich  wirklich  wundern  muss,  wie  diese  Pflanzen, 
deren  Früchte  bekannt  waren,  mit  Sapindus  in  Zusammen- 
hang gebracht  werden  konnten.  Die  ganze  Aehnlichkeit 
besteht  hier  darin,  dass  die  Früchte  ebenfalls  mehr  oder 
minder  deutlich  in  (drei)  Cocci  gegliedert  sind,  von  denen 
bei  der  Reife  häufig  nur  einer  zur  vollen  Entwicklung 
gelangt.  Man  konnte  sie  darnach  ebensogut  zu  irgend 
einer  anderenSapindaceen-Gattung  mit  mehrknöpfigenFr  üchten 
bringen,  etwa  zu  NepheUum,  wie  das  für  die  Arten  von 
Thraulococcus  in  der  That  ursprünglich  geschehen  war,  nur 
dass  hier  doch  die  Configuration  der  Blüthe  und  die  Be- 
schaffenheit des  Samens  noch  etwas  augenfälliger  das  Un- 
passende der  gewählten  Stellung  hervortreten  liess.  Nicht 
einmal  eine  drupose  Beschaffenheit  der  Frucht,  wie  noch 
bei  Aphania^  ist  hier  mehr  vorhanden,  von  einem  Saponin- 
gehalte  gar  nicht  zu  reden.  Bei  Thraulococcus  ist  das 
Pericarp  krustenartig,  bei  ^stärkerem  Drucke  zwischen   den 


Badlkofer:  Ueber  Sapindus  etc.  247 

Fingern  zerbrechend,  vorzugsweise  aus  dickwandigen,  ziem- 
lich isodiametrischen  Zellen,  sogenannten  Steinzellen,  ge- 
bildet, mit  Beschränkung  des  dünnwandigen,  parenchymati- 
schen  Gewebes  auf  die  innere  Zone  und  nesterartige  Zell- 
gruppen zwischen  den  Steinzellen,  dieser  Structur  nach  mehr 
der  Frucht  von  LepisatUhes  als  der  von  Sapindus  sich 
nähernd.  Bei  Hebecoccus  ist  das  Pericarp  im  frischen  Zu- 
stande wahrscheinlich  beerenartig-  oder  lederig-fleischig, 
aus  lauter  dünnwandigen  Parenchymzellen  gebildet,  von 
welchen  eine  mehrschichtige,  der  Innenfläche  genäherte 
Zone  durch  Erfüllung  mit  einem  gerbstofiartigen ,  an  der 
trockenen  Frucht  dunkelbraun  gefärbten  Inhalte  ausgezeichnet 
ist,  —  nach  all  dem  jedenfalls  weniger  der  Frucht  von 
Sapindus^Sih  der  von  Oiophora  ähnlich.  Die  Samenschale 
ist  bei  beiden  Gattungen  lederartig  und  aus  schwammfor- 
migem  Gewebe  gebildet,  wie  bei  Aphania^  aber  innen  mit 
einer  Falte  zur  Aufnahme  des  Keim wür Zeichens  versehen. 
Der  Embryo  ist  deutlich  gekrümmt,  reich  an  Stärkemehl. 
Was  die  übrigen  Charaktere  dieser  Gattungen  betrifft,  so 
mag,  da  sie  hier  nicht  von  weiterem  Belange,  auf  deren 
Darlegung  in  meiner  üebersicht  der  Sapindaceen-FIora  Hol- 
ländisch-Indiens  verwiesen  sein. 

Was  die  zur  Gattung  Deinb  ollia  (nach  Ausweis  der 
Tabelle  I)  zu  verbringenden  Arten  betrifft,  (nämlich  Sapin- 
dus  oblongifolias  Sond.,  mit  Einschluss  von  S.  capensis 
Höchst,  excl.  excludend.  ferner  Ä  xcmthocarpus  Klotzsoh  und 
8.  spec.  Rob.  Brown,  wie  wohl  auch  eine  in  Teysm..  und 
Binn.  Cat.  als  S.  spec,  angeführte  Pflanze  aus  Bourbon), 
so  ist  das  Pericarp  der  gewöhnlich  dreiknöpfigen  Früchte 
hier  ebenfalls  nicht  drupös,  sondern  beerenartig,  die  inneren 
Schichten  (der  trockenen  Frucht)  locker  schwammig,  von 
dem  äusseren  Theile  des  Pericarps  sich  leicht  trennend,  da- 
gegen der  Oberfläche  des  Samens  fest  anhaftend,  so  dass 
dieser    Theil    irriger  Weise    als    Arillus    aufgefasst  wurde 


248         Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  /.  Juni  1878. 

(g.  Benth.  Hook.  Gen.,  I,  p.  405,  n.  45;  Baill.Hist.  d. 
PL,  V,  p.  397,  n.  10;  Scheffer  Observ.  phytogr.,  1868, 
p.  18),  welcher  der  Gattung  Deinbollia  ebensogut  fehlt,  wie 
der  Gattung  Otophora^  der  er  ebenfalls  mit  Unrecht  zuge- 
schrieben wird  (s.  Benth.  Hook.  Gen.,  I,  p.  405,  n.  44; 
Baill.  Hist.  d.  P1.,V,  p.  398,  n.  12;Hiern  in  Hook.  PL 
Brit.  Ind.,  I,  p.  680,  n.  10). 

Auch  Otophora^  zu  welcher  Sapindus  fruticosus 
Roxb.,  gleichwie  der  wahrscheinlich  damit  identische  Sapin- 
dus  haccatus  Blanco  (s.  Zusatz  4  zu  Tabelle  I)  schon  von 
Bl  ume  (1847)  als  Otophorafruticosa  und  Otophora  Blancoi 
übertragen  worden  sind,  besitzt  ein  beerenartiges  Pericarp, 
aus  fast  lauter  dünnwandigen,  grossentheils  eine  dunkel- 
braun gefärbte  Masse  wie  im  Fruchtfleische  von  Aphania 
enthaltenden  Zellen  gebildet. 

Die  Früchte  beider  Gattungen,  Deinbollia  und  Otophora^ 
sind  essbar,  wenigstens  von  gewissen  Arten.  Peters  gibt 
das  für  den  vermeintlichen  ^^Sapindus  xanthocarpus^^  und 
zwar  für  Fruchtfleisch  und  Same,  Roxburgh  (und  Zol- 
linger  auf  einer  Etiquette  seines  Herbariums)  für  ^jSapin- 
dus  fruticosus^\  Blanco  für  ^^Sapindus  baccatus^^  an. 

An  andere  mit  Unrecht  seiner  Zeit  zu  Sapindus  ge- 
stellte Pflanzen  mit  essbaren  Früchten  will  ich  hier  im  An- 
schlüsse an  „iSapiwdws  senegalensis^  ruber,  xanthocarpus^  fruti- 
cosus und  baccatus^*^  nur  flüchtig  erinnern.  Ein  Eingehen  auf 
den  difi'erenten  Bau  ihrer  Früchte  und  Samen  erscheint 
hier  schon  durch  die  blosse  Nennung  der  wohlbekannten 
Gattungen,  bei  welchen  sie  ihre  rechte  Stelle  finden  und 
meist  schon  seit  langem  gefunden  haben,  überflüssig  gemacht. 
Es  sind  das:  Sapindus  edulis  kii. z=z  Litchi  chinensi  s 
Sonn.;  Sapindus  rubiginosus  Roxb.  (Sapindus  edulis  Bl.) 
:=.Erioglossuin  rub%ginosum^\,\  Sapindus  esculentus 
St.  Hil.  (Sapindus  edulis  Spach.)=  TaZi^ia  esculenta 
Badlk. ;    Sapindus  Pappea    Sond.  :=z  P app ea  capensis 


Badlkofer:  lieber  Sapindua  etc.  249 

f]ckl.  und  Zeyh.  Dazu  kommt  noch  Sapindus  eduUs 
Blanco  (ISib)  =^  Erio glossum  rubiginosum  Bl.  ?,  von 
welchem  wir  den  rechten  Platz  noch  nicht  mit  voller 
Sicherheit  kennen,  bezüglich  dessen  wir  aber  nach  dem 
bisher  Erörterten  als  sicher  wenigstens  das  annehmen  können, 
dass  er  kein  echter   Sapindus  sei. 

Ganz  richtig  urtheilte  schon  B 1  u  m  e  (a.  o.  a.  0.)i  dass 
die  sogenannten  Sapindus- Arten  mit  essbaren  Früchten  aus 
der  Gattung  Sapindus  auszustossen  seien. 

Hoffentlich  wird  die  Bestätigung  und  Bekräftigung 
dieses  Urtheiles  durch  das  Resultat  der  hier  dargelegten 
Untersuchungen  bewirken,  dass  künftighin  Pflanzen  mit 
essbaren  Früchten  nicht  leicht  mehr  der  Gattung  Sapindus 
einverleibt  werden. 

Wohl  in  zweifacher  Hinsicht  dürfte  es  unrichtig  sein, 
wenn  Baillon  (Hist.  d.  PL,  1874,  p.  388)  anführt,  dass 
angeblich  („on  dit^^)  die  Früchte  von  Sapindus  emarginatus 
Vahl  in  Georgien  und  Carolina  gegessen  werden,  denn  ein- 
mal könnte  das  den  genannten  Ländern  nach  nur  auf 
Sapindus  marginafus  der  americanischen  Autoren  gehen, 
und  weiter  möchte  die  in  Rede  stehende  Angabe,  deren 
Quelle  nicht  erwähnt  ist,  wohl  nicht  auf  das  bei  Michaux 
und  De  Gandolle  nicht  unzutreffend  als  „terebintinös^^ 
bezeichnete  Pericarp,  sondern  höchstens  auf  die  ölreichen 
Samen  zu  beziehen  sein,  welche  nach  Blume  wenigstens 
von  Sapindus  MuJcorossi  Gaertn.  geröstet  essbar  sind  und 
aus  welchen  nach  anderen  Angaben  (Cat.  Gol.  franc,  Expos, 
ä  Yienne,  p.  92)  von  Sapindus  Sapanaria  L.  und  Sapindus 
emarginatus  Vahl  Gel  gewonnen  wird.  Vielleicht  liegt 
übrigens  hier  nur  ein  Irrthum  vor,  ähnlich  wie  in  Bail- 
lon's  Angabe  (Hist.  d.  PI.,  p.  388),  dass  die  Früchte  von 
Sapindus  arborescens  Aubl.  und  frutescens  Aubl.,  sowie  die 
von  S.  senegalensis  nach  Art  derer  von  S.  Saponaria  zum 
Waschen  verwendet  werden.     Für  S.  senegaletisis  ist  dieser 


250  Sitzung  der  math.-phys.  Clasae  vom  /.  Juni  1878, 

Irrthmn  auf  eine  bestimmte  Quelle  zurückfährbar,  nämlich 
auf  D u  c  h  es  n  e  Plantes  utiles  (s.  oben  S.  242  in  der  Anmerkang 
über  S.  senegalemis).  Für  S.  arborescens  und  frutescens 
finde  ich  in  der  Literatur  keinen  derartigen  BQckhalt.  Diese 
beiden  Arten  Aublet^s  besitzen  die  angegebenen  Eigen- 
schaften sicher  nicht,  denn  sie  enthalten,  wie  eine  beson- 
ders darauf  gerichtete  Untersuchung  ergab,  kein  Saponin ; 
sie  sind  so  wenig  wie  S.  senegalensis  echte  Sapindus-Arten, 
wie  schon  Gambessed  es  (Dict.  class.  d'Hist.  nat.  XV, 
1829,  p.  202  und  Mem.  Mus.  d'Hist.  nat.  XVIII,  1829,  p. 
28)  aussprach,  und  wie  weiter  Miguel,  indem  er  aus  der 
ersteren  seine  Cupania  ÄubUtii,  und  Martins,  indem  er 
aus  der  letzteren  seine  Cupania  frutescens  bildete,  noch  be- 
stimmter zum  Ausdruck  brachten.  Bai  Hon  scheint  das 
entgangeu  zu  sein,  wie  aus  dessen  Literaturangaben  unter 
Sapindus  und  daraus  hervorgeht,  dass  zur  Illustration  der 
Gattungscharakteristik  von  Sapindus  eine  bildliche  Darstellung 
der  Blüthe  eben  dieses  8,  arborescens  Aubl.  gegeben  wird 
(a.  a.  0.  p.  348). 

Dass  der  Torhin  (unter  den  mit  Unrecht  zu  Sapindu^ 
gestellten  Pflanzen  mit  essbaren  Früchten)  genannte,  zu 
Talisia  gehörige  Sapindus  esculentus  St.  Hil.  (1824) 
noch  in  neuester  Zeit,  so  gut  bei  Baillon  (Hist.  d.  PI. 
p.  349)  wie  bei  Bentham  und  Hooker  (Gen.  PL,  I,  p. 
404),  in  der  Literatur  von  Sapindus  eine  Stelle  finden 
konnte,  obwohl  Exemplare  mit  Früchten,  welche  unter 
St.  Hilaire's  Materialien  fehlen,  seit  langem  in  allen 
grösseren  Herbarien,  die  von  Paris  und  Eew  an  der  Spitze, 
vorhanden  sind,  muss  sicher  befremden,  da  Talisien-Früchte 
schon  in  ihren  allgemeinsten  Eigenschaften  grundverschieden 
sind  von  Sapindus-Früchten ,  weder  nämlich  eine  Coccus- 
bildung  zeigen,  noch  Spaltfrüchte  darstellen,  noch  Drupen 
sind.  Erklärlicher  ist  es,  dass  gelegentlich  nicht  fructificirte 
Materialien  von  Talisia  zu  Sapindus  gebracht  wurden  (s.  in 


Hadlkofer :   Ueber  Sapindtis  etc,  251 

Tabelle  I:  S  cerasinus  und  oblongm  Benth.,  S.  surinamensis 
Turcz.,  8.  spec.  Spruce  n.  1785,  1992,  3311),  obwohl  auch 
Blüthe  und  Habitns  ausreichende  Anhaltspunkte  an  die  Hand 
geben  zur  sicheren  Erkennung  der  Gattung  und  selbst  ihrer 
Unterabtheilangen  (s.  Zusatz  9  zu  Tabelle  I). 

Auf  eine  Betrachtung  der  anatomischen  Beschaffenheit 
der  Frucht  von  Talisia  im  Vergleiche  mit  der  von  Sapindus 
hier  einzugehen,  erscheint  dem  Gesagten  gemäss  als  über- 
flüssig. 

Noch  mehr  ist  diess,  wie  schon  früher  erwähnt,  der 
Fall  für  die  übrigen  bei  der  Unterbringung  unechter  Sa- 
pindus-Arten noch  in  Betracht  kommenden  Gattungen. 
Ich  verweise  bezüglich  derselben  lediglich  auf  die  erste 
Tabelle  am  Schlüsse  der  Abhandlung  und  die  dazu  gehörigen 
Bemerkungen  und  Zusätze. 

Soviel  über  jene  Pflanzen,  welche  überhaupt  Abweich- 
ungen von  den  oben  aufgeführten  Eigenschaften  der  Frucht, 
des  Samens  und  des  Embryo  von  Sapindus  und  der  darin 
sich  aussprechenden  Charakteristik  dieser  Gattung  zeigen, 
im  Hinblicke  auf  den  ersten  der  oben  aufgestellten,  wie 
sich  zeigt,  verneinend  zu  beantwortenden  Fragepunkte,  ob 
nicht  eine  Erweiterung  dieser  Qiarakteristik  durch  die  eine 
oder  die  andere  dieser  Pflanzen  geboten  erscheine. 

Was  nun  den  zweiten  der  oben  als  G^enstand  der 
weiteren  Untersuchung  bezeichneten  Punkte  betrifft,  die 
Frage  nach  einer  allenfalls  nothigen  Beschränk  nng  der 
in  Rede  stehenden  Charakteristik  der  Gattung  Sapindus, 
so  scheint  mir  auch  diese  Frage  verneinend  beantwortet 
werden  zu  müssen. 

Das  Material,  welches  dabei  in  Betracht  kommt,  ist  in 
der  Tabelle  H  zusammengestellt,  in  welcher  die  sämmtlichen 
bisher  aufgestellten,  sicher  oder  doch  wahrscheinlich  zu 
Sapindus  geJiöri gen  Arten  aufgezählt  und  nach  ihrem 
synonymischen  oder  speciflschen  Werthe  ausgeschieden  sind. 


252         Sitzung  der  matk.'phys.  Ülasse  vom  1»  Juni  1878. 

Aas  ihrer  Yergleichang  in  der  gedachten  Hinsicht  ergibt 
sich  Folgendes. 

So  ziemlich  das  einzige  Moment,  in  welchem  eine  er- 
hebliche Verschiedenheit  zwischen  den  hier  yereinigten 
Pflanzen  auftritt,  und  welches  zufolge  der  Wichtigkeit,  die 
ihm,  wie  oben  bezüglich  Gambessedes  und  Blume  be- 
richtet worden,  von  den  Autoren  beigemessen  wird,  eine 
solche  Beschränkung  yeranlassen  könnte,  ist  die  Form 
des  Discus,  welche  bei  einer  Art  —  Sapindus  RaraJc 
DC.  —  unregelmässig,  bei  allen  anderen  Arten  regel- 
mässig ist. 

Hier  ist  sonach  der  Ort,  auf  die  oben  absichtlich  einst- 
weilen übergangene  Frage  nach  dem  Werthe  der 
Discusgestalt  für  die  Bildung  der  Gattungen  bei  den 
Sapindaceen  näher  einzugehen. 

Die  abweichende  Gestalt  des  Discus  bei  Sapindus  Barak 
DG.  hat  wirklich  schon  einmal  eine  Beschränkung  in  dem 
gedachten  Sinne  veranlasst.  Um  dieser  ihrer  Eigenthüm- 
lichkeit  willen  ist  die  genannte,  von  D  e  Gan  d  o  11  e  i.  J.  1824 
aufgestellte  Art  durch  J.  Hooker  i.  J.  1862  von  der  Gattung 
Sapindus  abgetrennt,  zu  einer  besonderen^  monotypischen 
Gattung  ftDittelasma^'  erhoben  und  im  Systeme  weit 
entfernt  von  SapindiAS^  in  der  Nähe  solcher  Gattungen 
eingefügt  worden,  bei  welchen  der  Discus  ebenfalls  eine 
unregelmässige,  einseitig  geförderte  Entwicklung  zeigt,  in- 
dem zugleich  die  Discusgestalt  und  die  davon  abhängige 
regelmässige  oder  unregelmässige  Beschaffenheit  der  Blüthe 
als  Haupteintheilungsgrund  für  die  Familie  der  Sapindaceen, 
wie  schon  früher  erwähnt,   in  Anwendung  gebracht  wurde. 

Noch  weiter  ging  B  a  i  1 1  o  n,  1874  (Hist.  d.  PL),  welcher 
nach  eben  diesem  Eintheilungsgrunde  die  beiden  Abthei- 
lungen Aqt  Sapindeae  (mit  regelmässigen  Blüthen)  und  der 
Pancovieae  (mit  unregelmässigen  Blüthen)  aufstellte. 
Derselbe  trennt  dem  entsprechend  gleichfalls  Sapindus  RaraJc 


Rn^lkofer:  Üeher  Sapindus  etc.  253 

DG.  von  der  Gattung  Sapindas  ab,  aber  nicht  etwa  nm  ihn, 
wie  Hooker,  als  eine  selbständige  Gattung  bei 
den  Sapindaceen  mit  unregelmässigen  Blüthen  —  bei  seinen 
Paneovieen  also  —  unterzubringen,  sondern  um  ihn 
geradezu  mit  derafricanischen  Gattung  Pancot^ta 
•Willd.  zu  vereinigen,  dazu  auch  noch  die  Gattung  JEriO' 
glossum  von  Blume  einbeziehend. 

Obwohl  es  also  nur  eine  Art  ist,  um  welche  es  sich, 
was  die  Discusform  betrifft,  bei  der  Betrachtung  der  Gattung 
Sapindm  handelt,  so  hat  die  Frage  nach  der  Stellung  dieser 
Art  doch  eine  weit  über  die  Gattung  Sapindus  hinaus- 
reichende Bedeutung.  Die  Entscheidung  über  die  Stellung 
dieser  einen  Pflanzeist  von  principieller  Bedeutung 
für  die  ganze  Familie  der  Sapindaceen,  da  je- 
nachdem  die  Entscheidung  föUt,  die  ganze  dermalige  Glie- 
derung der  Familie,  wie  sie  J.  Hook  er  und  ihm  folgend 
H.  Bai  Hon  durchgeführt  haben,  an  Halt  gewinnt,  oder  — 
wie  ich  meine  —  verliert. 

Der  Werth,  welcher  von  den  genannten  Autoren  der 
Discusform  in  systematischer  Einsicht  beigemessen  wird, 
geht  weit  hinaus  über  den,  welchen  seiner  Zeit  Cambes- 
sed es  und  Blume  übereinstimmend,  wie  schon  früher 
berichtet,  derselben  zuzuschreiben   für  gut  befunden  haben. 

Cambessedes,  welcher  zuerst  für  die  Bildung  der 
Gattungen  eindringlicher  auf  die  Discusform  hingewiesen 
hat,  weist  den  Versuch  einer  Gattungg^uppirung  nach  der 
Regelmässigkeit  oder  Unregelmässigkeit  der  Blüthen  als 
einen  verfehlten  ganz  richtig  mit  der  Bemerkung  zurück, 
dass  man  dadurch  gezwungen  sein  würde,  aufs  engste  mit 
einander  verwandte  Gattungen  in  verschiedene  Abtheilungen 
zu  stellen,  allerdings  unter  Anführung  von  Beispielen,  die  nicht 
gerade  glücklich  gewählt  sind  (Mem.  Mus.  XVHI,  1829,  p. 
13,  14).  Blume,  welcher  der  Anschauung  von  Cambesse- 
des rücksichtlich  der  Bildung  der  Gattungen  weitere  Folge  zu 
[1878  8.  Math.-phys.  CL]  18 


254         Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  1.  Juni  1678, 

geben  sucht,  wie  z.  B.  ia  der  Aüfstellcmg  der  Gattung 
Hemigyrosa^  misst  doch  der  Discasform  von  Sapindus  Barak 
in  der  schon  mehrfach  berührten  trefflichen  Bemerkung 
über  Sapindus  (Rumphia  III,  1847,  p.  92)  nicht  eine 
gattungsbildende,  sondern  nur  eine  sectionenbildende  Kraft 
bei  und  vereinigt  in  mehr  als  einer  seiner  Tribus  Gattungen 
mit  regelmässigem  und  mit  unregelmässigem  Discus. 

Aber  auch  bei  diesen  älteren  Autoren  erscheint  der 
Discusform,  indem  sie  dieselbe  überhaupt  principiell  als 
gattungsbildendes  Moment  hinstellen,  schon  ein  zu  grosser 
Werth  beigelegt.  Mir  erscheint  dieselbe  nicht  von  so  hoher 
Bedeutung.  Mir  scheint  dieselbe  bei  den  Sapindaceen  an 
systematischem  Werthe  weit  zurückzustehen  hinter  den 
Charakteren  der  Frucht  und  selbst  des  Habitus. 

Dass  die  Form  des  Discus  und  der  damit  in  Zusammen- 
hang stehende  regelmässige  oder  symmetrische  Bau  der  Blüthe 
überhaupt  bei  den  Sapindaceen,  wie  das  vielleicht  auch  bei 
anderen  Familien  durch  näheres  Studium  derselben  sich 
herausstellen  mag,  einen  verhältnissmässig  geringen  syste- 
matischen Werth  besitze,  darauf  weist  schon  der  Umstand 
hin,  dass  selbst  bei  jenen  Gattungen,  bei  welchen  der 
symmetrische  Blüthenbau  am  stärksten  ausgeprägt  ist,  wie  bei 
Cardiospennum^  Serjania  und  den  verwandten  gelegentlich 
annähernd  regelmässiger  Bau  (unter  Auftreten  von  5  Blumen- 
blättern und  10  Staubgefässen)  bei  einzelnen  Blüthen  oder 
selbst  bei  allen  Blüthen  eines  Individuums  vorkommt, 
während  sich  nirgends  ein  analoges  Schwanken  einer  Art 
im  Charakter  der  Frucht  oder  selbst  in  den  wichtigeren 
Momenten  des  Habitus  beobachten  lässt,  weder  etwa  ein 
Wechsel  von  kapselartiger  mit  beerenartiger,  von  geflügelter 
mit  flügelloser  Frucht,  noch  von  häutiger  mit  druposeroder 
holziger  Beschaffenheit  des  Pericarps,  noch  von  kurzzelligem, 
knorpligem  mit  langzelligem,  &serigem  Endocarpe  u.  s.w., 
ebensowenig  wie  ein  Wechsel  von    bandförmig   zusammen- 


Hadlkofer:  Üeher  Sapindus  etc.  255 

gesetzten  mit  gefiederten  Blättern,  von  gegenständiger  mit 
zerstreuter  Blattstellung,  von  Nebenblattlosigkeit  mit  Neben- 
blattbildung u.  s.  w.  Es  zeigt  das,  dass  diese  und  ähn- 
liche Verhältnisse,  wie  namentlich  auch  die  von  Blume 
mit  Recht  betonte  BeschaflFenheit  des  Kelches,  weit  bestän- 
diger, weit  mehr  fixirt  und  wahrscheinlich  schon  seit  viel 
längerer  Zeit  stabilisirt  sind  als  der  symmetrische  Blüthen- 
bau. 

Das  Auffallende  dieses  ümstandes  vermindert  sich,  und 
er  wird  unserem  Verständni&se  näher  gerückt,  wenn  wir 
erwägen,  dass  die  Blüthensymmetrie  sich  in  vielen  Fällen 
sehr  deutlich  als  eine  vorzugsweise  physiologische  Einrich- 
tung zu  erkennen  gibt,  als  ein  Mittel  zur  Erleichterung  der 
Wechselbefruchtung,  oder  zur  Vermittlung  der  Befruchtung 
überhaupt  bei  Pflanzen,  deren  Bestäubung  durch  Insecten  be- 
werkstelliget wird,  als  eine  Anpassungserscheinung  an  die 
Organisation  und  die  Gewohnheiten  dieser  Insekten,  welche 
nicht  für  alle  Arten  einer  Gattung  dieselben  zu  sein  brau- 
chen. Das  scheint  auch  bei  den  Sapindaceen  der  Fall  zu 
sein,  bei  welchen  auch  noch  andere  Organe  der  Blüthe 
darauf  hinweisen,  dass  dieselbe  für  den  Besuch  von  Seite 
bestimmter  Insecten  eingerichtet  ist. 

Es  sind  das  die  eigenthümlichen  Schuppen 
der  Blumenblätter,  deren  Wesen  uns,  während  es  uns 
die  Bedeutung  und  den  Werth  der  Blüthensymmetrie  ver- 
ständlich machen  hilft,  selbst  auch  verständlicher  wird. 

Diese  Schuppen,  an  deren  Stelle  mitunter  nur  eine 
starke  Behaarung  der  Blumenblätter  und  Staubgefösse,  be- 
sonders an  deren  Basis,  treten  kann  (bei  gewissen  Gattungen, 
Arten  oder  selbst  bei  einzelnen  Individuen  derselben  Art), 
sind  ohne  Zweifel  als  Schutzmittel  der  Blüthe  gegen  den 
Besuch  ungebetener  Gäste  anzusehen. 

Der  Discus  der  Sapindaceen-Blüthe  ist  ein  Honigsaft 
absonderndes  Organ.     Der  abgesonderte  Honigsaft  wird,  und 

18* 


256  Sitzung  der  math.-phys.  Ciasse  vom  1,  Juni  1878, 

zwar  am  yollständigsten  bei  den  Gattungen  mit  rinnig  con- 
caven  und  an  der  Spitze  gewölbten  Schuppen  (welche  sich 
in  fast  rechtem  Winkel  von  den  ausgebreiteten,  ausser- 
halb des  Discus  entspringenden  Blumenblättern  erheben 
und  den  Discus  überdeckend  um  die  innerhalb  desselben 
entspringenden  Staubgefässe  und  den  Fruchtknoten  in  schief 
aufrechter  Stellung  zusammenneigen)  in  dem  Räume,  wel- 
chen die  Basis  der  Schuppen  umschliesst,  aufgesammelt 
und  gegen  den  Verbrauch  von  Seite  aller  jener  nicht  zu- 
gleich fQr  das  Bestäubuns^sffeschäft  geschickten  Insecten 
geschützt,  welche  nicht  im  Stande  sind,  mit  ihren  Auf- 
saugungsorganen zwischen  die  eng  aneinander  schliessenden 
und  durch  Verfilzung  der  Haare  ihrer  Ränder  zu  einer 
cylindrischen  Schutzscheide  vereinigten  Schuppen  vorzu- 
dringen. 

Am  besten  organisirt  hiefiir  erscheinen  wohl  bienen- 
artige Insecten,  deren  Rüssel  bei  vollkommen  den  ge- 
gebenen Verhältnissen  angemessener  Länge  auch  die  nöthige 
Kraft  besitzt,  um  zu  dem  Honigschatze  vordringen  zu  kön- 
nen. Die  Anlockung  dieser  Insecten  wird  ausser  durch 
den  süssen  Duft  der  Blüthen  bei  mehreren  Gattungen  durch 
ein  sogenanntes  Pollenmal  bewirkt.  Als  solches  erscheinen 
die  gelb  gefärbten  Kämme  an  der  Spitze  der  Blumen- 
blattschuppen, zwischen  welchen  der  eben£a,lls  gelbgefärbte 
Pollen  nach  seiner  Entleerung  aus  den  in  gleicher  Hohe 
befindlichen  Antheren  aufgestapelt  bleibt.  Die  gesammte 
Disposition  dieser  Theile  ist  der  Art,  dass  ein  bienenartiges 
Insect,  während  es  mit  dem  Rüssel  Honig  zu  saugen  sucht, 
mit  der  Unterseite  seines  Körpers  den  Pollen  abstreift  und 
ihn  beim  Besuche  einer  anderen  (weiblichen)  Blüthe  an  der 
hier  die  Stelle  der  Antheren  einnehmenden  Narbe  theilweise 
absetzt. 

Der  eben  geschilderte  Vorgang  der  Bestäubung  wird 
wesentlich  unterstützt  durch   symmetrische  Ausbildung  der 


Badlkofer:  üeber  Sapindm  etc.  257 

Blüthe  in  der  Kichtung  von  dem  nach  oben  in  der  wicke- 
ligen Inflorescenz  gekehrten  vierten  Eelchblatte  nach  dem 
diametral  gegenüber  liegenden  Intervall  zwischen  dem 
dritten  und  fünften  Eelchblatte.  Darch  die  überwiegend 
oder  vollkommen  einseitige,  die  Symmetrie  der  Blüthe  be- 
dingende Entwicklung  des  Discns  in  der  bezeichneten 
Richtung  mit  Förderung  seiner  Ausbildung  auf  Seite 
des  vierten  Kelchblattes  werden  die  Staubgefässe,  gleichwie 
der  Stempel,  aus  dem  Centrum  der  Blüthe  hinaus  und  nach 
dem  bezeichneten  Intervalle  hin  bis  an  den  Rand  der  Blüthe 
vorgeschoben.  Zugleich  erhalten  sie  eine  nach  der  gleichen 
Seite  hin  schief  aufstrebende  Stellung,  so  dass  sie  über  den 
Rand  der  Blüthe  etwas  vorgestreckt  erscheinen.  Das  untere, 
auf  das  Intervall  zwischen  dem  dritten  und  fünften  Kelchblatte 
treffende  Blumenblatt  ferner  bleibt  bei  den  Gattungen  oder 
Arten  mit  vollkommener  Symmetrie  unentwickelt,  gleichsam 
um  für  den  Leib  des  Insectes  Platz  zu  machen.  Die  vier  ent- 
wickelten ,  wagrecht  ausgebreiteten  Blumenblätter  dienen 
dem  Insecte  als  Haltpunkte  für  seine  Füsse,  während  es 
sich,  den  ganzen  Bestäubungsapparat  unter  sich  fassend 
und  mit  der  Stirn  gegen  das  vierte  Kelchblatt  gekehrt, 
zwischen  den  beiden  vor  diesem  Kelchblatte  mit  ihren 
Rändern  etwas  übereinander  greifenden  Schuppen  der  beiden 
oberen  Blumenblätter  und  den  Staubgefässen  Bahn  zu  dem 
von  der  Schuppenbasis  umschlossenen  Honigsafte  mit  dem 
Rüssel  zu  brechen  sucht.  Der  Hauptsache  nach  das  Näm- 
liche bleibt  es,  wenn  unter  mannigfacher  Abänderung  ihrer 
Gestalt  die  Entwicklung  der  Schuppen  selbst  zurück,  da- 
gegen die  Bildung  von  ganz  oder  theilweise  sie  in  ihrer 
Wirkung  vertretenden   Haarbüscheln  stärker  hervortritt. 

Es  steht  der  Annahme  nichts  entgegen,  dass  die  zum 
Bestäubungsgeschäfte  geeigneten  Insecten  nicht  für  alle 
Arten  einer  Gattung  dieselben  sein  werden,  ja  wohl  nicht 
einmal  dieselben   sein  können,  wenn    die   Arten  sehr    ver- 


258         Sitzung  der  inath.-phys.  Classe  vom  1,  Juni  1878, 

schiedenen  Gebieten,  selbst  verchie denen  Welttheilen  ange- 
boren. Dann  erscheint  es  aber  auch  nicht  mehr  so  sehr  be- 
fremdlich, wenn  die  einen  Arten  einer  Gattung  bei  sonstiger 
Organisationsgleichheit  und  dadurch  deutlich  ausgesproche- 
ner Zusammengehörigkeit  symmetrische,  die  anderen  regel- 
mässige Blüthen  besitzen,  und  es  entsteht  uns  dadurch 
noch  nicht  die  Nöthigung,  die  beiderlei  Arten  generisch 
zu  trennen. 

Durch  eine  solche  Trennung  würden,  wir  bei  den  Sa- 
pindaceen  sehr  ungleich werthige  Gattungen  erhalten:  Die 
einen  nur  durch  ein  einziges  Moment  verschieden,  überein- 
stimmend in  allen  übrigen,  wie  das  für  Dittelasma  im 
Verhältniss  zu  Sapmdus  der  Fall  wäre;  die  anderen,  und 
selbst  die  mit  jenen  wieder  zunächst  verwandten,  wie 
Aphania^  Thraulococctis,  DeinbolUa  etc.,  verschieden  durch 
eine  ganze  Reihe  von  Eigenthümlichkeiten  der  Blüthe,  der 
Frucht,  des  Samens,  des  Embryo  und  des  Habitus. 

Wenn  irgend  wo,  so  ist  es  hier  am  Platze,  sich  gegen- 
wärtig zu  halten,  was  schon  eingangs  hervorgehoben  wurde, 
dass  zur  Erlangung  einer  natürlichen  Gruppirung  auf  die 
ganze  Summe  der  Erscheinungen  Bücksicht  zu  nehmen  ist 
und  dass  einzelne  Momente,  auch  wenn  sie  im  allgemeinen 
von  hohem  Werthe  sind,  da  ihren  Werth  verlieren,  wo  ihnen 
ganze  Gruppen  von  Erscheinungen,  die  unter  einander 
parallel  gehen,  entgegen  treten. 

Ich  führe  somit  Dittelasma  Barak  Hook.  f.  —  Paw- 
covia  Barak  Baill.  —  unter  dem  früheren  Namen  Sap In- 
dus Barak  DC.  ^)  zurück  zur  Gattung  Sapindus^  mit  deren 


9)  Der  am  ein  Jahr  ältere  Name  Sapindus  indica  Beinwardt  in 
Blame  Catal.,  1823,  p.  64  erscheint  nicht  als  rite  pnblicirt,  da  an 
dieser  Stelle  keinerlei  Kennzeichen  der  darunter  verstandenen  Pflanze 
angegeben  ist.  Der  beigefügte  Eingehornen-Name  Jarak  kann  für  sich 
allein  nicht    als  Ersatz  einer    eigentlichen  Kennzeichnung   genommen 


Badlkofer:  Ueber  Sapindua  etc.  259 

übrigen^  Arten  sie  nach  den  Merkmalen  der  Frucht,  des 
Samens,  des  Embryo  und  des  HaHtus  aufs  vollständigste 
übereinstimmt,  und  verneine  die  Frage,  ob  nicht  durch  sie 
eine  Beschränkung  der  in  Erörterung  stehenden  Charakte- 
ristik der  Gattung  Sapindus  veranlasst  sei. 

Was  andere  Eigenthümlichkeiten  einzelner 
Arten  von  Sapindus  betrifft,  gemäss  welcher  eine  solche 
Beschränkung  angezeigt  erscheinen  könnte,  so  ist  des  Auf- 
tretens einfacher  Blätter  bei  Sapindus  oahuensis  Hillebr.  zu 
gedenken  und  allenfalls  der  verhältnissmässig  grossen  und 
in  allen  Theilen  derberen  Blüthen  sowohl  bei  dieser  Art 
als  namentlich  bei  Sapindus  triföliatus  Linn.,  sowie  der  die 
letztere  Art  auszeichnenden  dichten  Behaarung  des  Discus 
und  der  Frucht. 

Für  diese  Eigenthümlichkeiten  genügt  es,  sie  überhaupt 
namhaft  gemacht  zu  haben.  Einer  eigentlichen  Erörterung 
ihres  geringen  Werthes  scheint  es  in  der  That  nicht  zu 
bedürfen.  Höchstens  was  die  einfachen  Blätter  von  S, 
oahuensis  betrifft,  mag  (wie  schon  oben  erwähnt  wurde) 
daran  erinnert  sein,  dass  sich  Arten  mit  einfachen  neben 
solchen  mit  zusammengesetzten  Blättern   auch  bei  anderen 

werden,  denn  derselbe  kommt  aach  anderen  Pflanzen  zu  (s.  Hasskarl 
Catal.,  1844,  p.  353). 

Für  Sa'pindua pinnatusl&\\iQrf\lQ%^  welchen  De  Ca nd olle  (Prodr. 
I,  1824)  fragweise  auf  Sapindus  Barak  bezieht,  ist  heute  noch  nicht  siche- 
rer als  zu  De  Candolle^s  Zelt  bekannt,  was  darunter  zu  verstehen  sei, 
und  kann  demselben  desshalb  aach  beute  noch  nur  in  der  Sjnonymie 
der  in  Bede  stehenden  Art  fragweise  eine  Stelle  eingeräumt  werden. 

Auf  die  Synonjmie  von  Sapindus  Barak  noch  weiter  einzugehen, 
erscheint  hier  nicht  der  Platz.  Es  ist  das  der  monographischen  Behand- 
lung vorzubehalten.  Einige  der  hieher  gehörigen  Synonyme  sind  in  der 
Tabelle  II  enthalten.  Diesen  mag  hier  nur  noch,  wie  in  meiner  Ueber- 
sicht  der  Sapindaceen  Holländisch-Indiens,  als  bei  anderen  Autoren  noch 
nicht  erwähnt;  Cupania  oHongifolia  (non  Martins)  Turczan.,  in  Bull. 
Mose,  1863,  p.  587  „coli.  Zollinger,  iter  secund.  n.  3648/2",  wovon  ich 
Exemplare  im  Hb.  DO.  und  Hb.  Boiss.  gesehen  habe,  beigefügt  sein. 


260  Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  1.  Juni  1878. 

Sapindaceen-Gattungen  finden,  ohne  dass  daraus  ein  Grnnd 
gegen  ihre  einheitliche  Auffassung  entnommen  werden  konnte. 
So  bei  den  früher  mit  Sapindus  selbst  vereinigt  gewesenen 
Gattungen  Äphania  und  Thraulococcus ;  ferner  bei  ÄUo- 
phylus  und  Thouinia^  bei  Cardiospermum  ^^)  xxnä  Dodonaea. 
Bei   Äphania,    Allophylus    und    Dodonaea   kommen    sogar 


10)  Für  die  betreffende  Gardiospermum-Art  —  G.  procumbenSy  spec. 
DOY.  —  ist  zwar  erst  noch  Yon  dem  Bekanntwerden  der  Frucht  die  Be- 
stätigung ihrer  Zugehörigkeit  zur  Gattung  Gardiospermum  zu  erwarten. 
Doch  lassen  die  Charaktere  der  Blüthe  auf  diese  Bestätigung  mit  ziem- 
licher Sicherheit  rechnen.  Um  ausser  ihren  hauptsächlichsten  Merkma- 
len auch  ihre  Stellung  in  der  Gattung  ersichtlich  zu  machen,  mag  hier 
eine  kurze  üehersicht  der  nach  den  vorliegenden  Materialien  überhaupt  zu 
unterscheidenden  Arten  von  Gardiospermum  Baum  finden  (unter  Bei- 
fügung der  wichtigsten  Formen  und  Synonyme,  soweit  das  hier  eben 
angeht.) 

Cardiospermum  Linn. 

Sectio  I.   Ceratadenia:    Glai^dule  disci  superiores   elongatae,    comi- 
formes;  semina  glabra.  —  Plantae  cirrhiferae. 
X  Sepala  4 

1)  G.  grandiflorum  Sw. 

Forma  1.  genuinum(C. grandifl. Sw.,  1788 ;  C.  vesicarium Hnmb., 
1819;  C.  coluteoides  Kunth,  1821 ;  C.  macrophyllum  Kunth,  1821 ; 
G.  coluteoides  E.  ap.  Gamb.,  1825,  partim ;  G.  pilosum  Vell., 
1825—27;  G.  velutinum  W.  Hook,  et  W.-Arn.,  1833):  Gaulis, 
foliola  subtus    fructusque  subtomentosa  vel  fructns  glabrati. 

Forma  2.  elegans  (G.  elegans  Kunth,  1821;  G.  Duarteanum 
Gamb.,  1825;  G.  coluteoides  K.  ap.  Gamb.,  partim;  G.  infla- 
tumVelL,  1825—27;  Pauli,  enneaphylla,  non  Don,  Turcz.  1858, 
p.  397  ezcl.  Appun  n.  140,  cfr.  G.  Gorindum):  Gaulis,  foliola 
fructusque  glabriuscula. 

Forma  3.  hirsutum  (G.  hirsutum  Willd.  1799 ;  G.hispidum Kunth, 
1821;  FauUinia  spec-  Turcz.,  1858,  p.  398,  „coli.  Jürgensen  n. 
926";    C.  barbicaule  Baker,  1868):  Gaulis  setoso-hirsutus. 

X  X  Sepala  5 

2)  G.  integerrimum  Badlk.:  Folia  bitemata;  foliola  ex  ovali  sub- 

lanceolata,  integerrima,  glabra.  (Fructus  ignotus.)  —  Brasilia:  Sello 
n.  94  (inter  Vittoria  et  Bahia). 


BacUkofer  :  lieber  Sapindt^s  etc.  261 

Uebergänge  von  zusammengesetzten  zu  einfachen  Blättern 
bei  derselben  Art  vor.  Auch  die  ersten  Laubblätter  jünger 
Pflanzen,  gleichwie  die   obersten  an  blähenden  Zweigen  sind 

Sectio  II.  Braehyadenia:  Glandulae  disci  breves,  saborbicalar es ;  semina 
glabra.  —  Pleraeqnae  cirrhiferae,  nna  species  ecirrhosa. 
X  Sepala  4 

-|-  Herbaceum;  semina  hilo  magno  cordato-bilobo 

3)  C.  Halicacabum  Linn.  (C.  glabrum  Schum.  &  Thonn.,  1828;  C 

corjcodes  Kze.,  1843;  C.  luridum  Bl.,  1847). 
y  a  r.  m i c r 0  car pnm  Bl.  (C.  moniliferum  Schwägr.  ed.  Breiter, 
1817  —  non  „Sw."  uti  Steudel  refert;  C  microcarpum  Eonth, 
1821;  C.  microspermum  E.  Meyer  in  Drege  PI.  exsicc. ;  C. 
acuminatum  Miqnel,  1844;  C.  truncatnm  Rieh.,  1847;  C.  Halic. 
var.  corycodes  Bl.,  1847,  qaoad  specim.  Martinic:  Sieber  n. 
104,  fide  Hb.  Lngd.-Bat.;  C  purailomBl.,  1847,  C.  panrifloram 
Tausch  ed.  Opiz,  1851.) 

4-  -{-  SujQfrutescens ;  semina   hilo   minore  semiurbiculari  vix 
emarginato 

4)  C.  Corindum  Linn.  (C.  pubescens  Lag.?  1816;  C,  loxense  Kunth, 

C.  molle  Kunth,  1821 ;    0.  grandiflomm,  non  Sw.,  Sieber  Fl.  Mar- 
tinic. n.  105;  C.  parviflorum  Camb ,  1825;  C.  canescens  Wall.,  1830; 
C.  ovatum  &  hexagonum  Hb.  Wight,  ed.  Wight  in  Cat.,  1833;   C. 
yillosum  Macfad.,  1837;  0.  ferruginenm  Bich.,  1845;  C.  clematide- 
um  &  oblongum  Rieh.,  1847;  C.  pubescens  Griff.  Joum.,  1847;  C. 
Halicac.    Hb.    Heyne   ed.    Wall,    in    Cat.    n.    8030  A,    1847;  C. 
erectum  Tausch  ed.  Opiz,  1851;  C.  pilosum  Turcz.,  1858;  Paullinia 
enneaphylla,  non  Don,  Turcz.  1858,  p.  397,  quoad  Appun   n.  140, 
cfr.  C.  grandifl.). 
Var.  brachycarpum  Radlk.:   Fructus   brevis,   truncatus.  — 
Mexico :  Andrieux  n.  485. 
+  +  +  Fruticosum 

5)  C.  tortuosum  Benth. 

X  X  Sepala  5 
+  Cirrhiferum 

6)  C.  (?)  macrolophum  Radlk.:  Caules  (interdum  perbreves  et  tnno 

ecirrhosi)  petiolique  tomento  e  cano  rufescente  induti ;  folia  ternata, 
foliolis  terminalibus  tripartitis  lateralibus  basi  profundius  lobatis 
transeuntia  in  biternata,  7—12  cm.  longa;  foliola  ovata,  inciso- 
dentata  vel  -lobata,  subtus  densius  quam  supra  breyiter  canescenti- 


262         Sitzung  der  matK-phys,  Claaae  vom  1,  Juni  187S, 

bei  Sapindus  Saponaria  (und  wahrscheinlich  auch  bei  an« 
deren  Arten)  nicht  selten,  die  ersteren  vielleicht  sogar  in 
der  Regel  einfach,  und  Aehnliches  findet  sich  bei  Arten  von 
Ätalaya,  {Ä.  varüfolia,  A.  salicifolia,  nach  B  e  n  t  h  a  m  auch  A. 


velatina;  flores  majuscoli,  sofferngineo-tomentosi;  squamae  peta- 
loram,  praesertim  saperioram,  crista  alta  squamam  ipsam  fere 
aequante  instnictae.  (Frnctus  ignoti.)  —  Venezuela  (Angostura) : 
Moritz  n.  546  (m.  Dec.,  flor.;  Hb.  Berol.);  Grosourdy  n.  19  (Hb.  Par.). 
-f-  +  Ecirrhosam  (anne  sectionis  seqnentis  ?) 

7)  C.  (?)  procumbens  Badlk.  Gaules  plares  spithamei,  procumbentes, 

basi  lignosi,  cano-tomentosi ;  folia  stipulata  simplicia,  ex  oboyato  in 
petiolnm  attenuata,  triloba,  lobis  dentatis,  membranacea  ^  subtus 
ad  nervös  pilosa;  thyrsi  petiolis  yix  longiores ,  apice  cinncinos  2 — 3 
gereutes ;  flores  sat  magni,  basi  pilosi.  (Frnctus  ignoti.)  —  Bra- 
silia: Biedel  n.  583  („Bio  Pardo  in  campis  siccis^  m.  Sept.  1826", 
flor.;  Hb.  Petrop.). 
Sectio  III.  Carphospermnm  (xaQfpog  palea) :  Glandulae  disci  breves, 
suborbiculares ;  semina  paleaceo-  vel  squamoso-pilosa.  —  Sepala  4; 
frnctus  stipitati  triquetri  septa  angustissima,  immo  subnulla ;  plantae 
ecirrbosae.  (Anne  genus  proprium?) 
X  Folia  (superiora)  bitemata 

8)  C.  anomalum  Camb. 

X  X  Folia  temata 

9)  C.  strictum    Badlk.:    Gaules  plures,  breves,  stricti    petiolique  pa- 

tenti-pilosi ;   foliola  ovata,  inciso-lobata,  lobis  inciso-dentatis ;    cin- 

cinni  pauci,  plerumque  duo^  ad  apicem  peduncali  communis  elongati; 

semen  squamoso-pilosum.  —  Brasilia:   Olfers;    Pohl  n.  694  (Santa 

Luzia;  Hb.  Yindob.,  Monac). 

Bei  Cardiospermum  (?)  procumbens  erscheint  der  eben  zur  Frucht- 
bildung sich  anschickende  Fruchtknoten  dreischneidig  mit  fast  flügel- 
artig vorspringenden  Kanten.  £s  drängt  sich  darnach  die  Frage  auf, 
ob  die  Pflanze  nicht  eher  zu  ürvillea  als  zu  Cardiospermum  gehören 
möchte.  Vor  der  Hand  bin  ich  nicht  geneigt,  diese  Frage,  auf  welche 
sich  eine  endgiltige  Antwort  natürlich  erst  nach  dem  Bekanntwerden 
der  Frucht  wird  geben  lassen,  zu  bejahen;  denn  die  Pflanze  wurde  bei 
ürvillea  noch  anomaler  erscheinen  als  bei  Cardiospermum,  theils  nach 
der  Beschafienheit  —  Zartheit,  Form  und  Grösse  —  der  übrigen  Blüthen- 
theile,  theils  nach  der  Gestaltung  des  Blattes.  Bei  Cardiospermum 
zeigt  sich  schon   an  den    übrigen  Arten  eine    mehrfache    Abstufung  in 


L 


Badlkofer:  Ueber  Sapindus  etc,  263 

hemiglauca)  und  Xerospermum  (X.  murieatum),  und  mit- 
unter an  den  untersten  Blättern  der  Triebe  von  Melicocca 
bijuga  und  TouUcia  tomentosa  (s.  Zus.  35  zu  Tabelle  I). 

der  Zusammensetzung  des  Blattes,  wodurck  ein  Auftreten  einfacher  Blät- 
ter gleichsam  schon  angebahnt  ist.  F&r  ÜrviUea  ist  die  Zusammen- 
setzung des  Blattes  eine  durchaus  gleichförmige.  Alle  bis  jetzt  bekannt 
gewordenen  Arten  besitzen  gedreite  Blätter.  Nur  die  Gestalt  und  son- 
stige Beschafifenheit  der  Blättchen  ist  verschieden.  Eine  gedrängte  Zu- 
sammenstellung der  Arten  mag  das  näher  ersichtlich  machen. 

UrvUlea  Eunth. 

Sectio  I.  Physeljrtron :  Fructus  loculi  inflati,  seminibus  ovoideis  multo 
majores.  Stipulae  breves,  ovatae  vel  ovato-lanceolatae. 
X  Macrocarpae:  Fructus  4~-6-centimetrales 

1)  U.  triphylla  Radlk.  in  Monogr.  Serj.,  1875,  p.  47,  73  (Cardio- 
spermum  t.  Yell.,  1825— 27,  Ic.  lY,  t.  25):  Bami  rectiusculi;  foliola 
ex  ovato  oblonga,  remote  dentata,  dentibus  subrecurvis,  impunctata 
vel  obscure  et  sparsim  pellucido-punctata,  epidermide  non  mucigera ; 
flores  majores;  fructus  maximi,  loculis  fructum  dimidium  aequanti- 
bus,  intus  hispidulis. 

2)U.  intermedia  Badlk. :  Bami  rectiusculi;  foliola  ovato-lanceolata, 
remote  serrulata ;  sparsim  pellucido-punctata,  epidermide  mucigera, 
muco  vero  aquam  difificilius  imbibente ;  flores  minores ;  fructus  an- 
gustiores,  sat  longi,  loculis  tertiam  tantum  fructus  partem  aequan- 
tibus,  intus  glabris.  —  Brasilia,  prov.  Bahia:  Blanchet  n.  2381, 
partim  (cfr.  Serjania  faveolata  Badlk.). 
Flores  exhibet  U.  glabrae,  habitum  U.  triphyllae. 

3)  U.  glabra  Camb.:    Bami  geniculatim  flexuosi;  foliola  ovata,  utrin- 

que  obsolete  2~'3-dentata,  insigniter  et  plerumque  dense  pellucido- 
punctata,  epidermide  non  mucigera;  flores  minores ;  fructus  sat  magni, 
loculis  fructum  dimidium  aequantibus,  intus  hispidulis. 
X  X  Microcarpae:  Fructus  2~3-centimetrale8 

4)  U.  rufescens  Camb.:    Foliola  late  ovata  vel  suborbicularia,    cre- 

nato-dentata,  subcoriacea,  subtus  ramique  dense  rufescenti-tomentosa, 
epidermide  mucigera;  cincinni  sessiles. 

5)  U.  ulroacea  Eunth  (U.  seriana  Grieseb. ,  partim ;    cf.  Badlk.  Mo- 

nogr. Seij.):  Foliola  ovata  vel  ovato-lanceolata,  inaequaliter  et  sub- 
duplicatim  serrato-dentata,  membranacea,  epidermide  mucigera;  cin- 
cinni sessiles. 


264        Sitzung  der  math-phys.  Classe  vom  l,  Juni  1878. 

Die  erwähnten  Momente  sind  sicherlich  nicht  geeignet, 
eine  im  übrigei)  sich  documentirende  Zusammengehörigkeit 
betreffender  Arten  zu  einer  Gattung  in  Frage  zu  stellen. 


Forma  1.  gennina  (Cardiosp.  almac. Hnmb.,  1819;  U.  olmacea 
K.,  1821,  specimina  Hnmboldtiana,  a  Kuntb  sola  descripta; 
U.  afifinis  Schlecht.,  1844;  Serjania?  Moritziana  Schlecht., 
1844;  ü.  mexicana  Gray,  1850) :  Foliola  sabtus  densios  laziusve 
pnbescentia. 

Forma  2.  Berteriana  (Koelreuteria  spec.  Fers.,  1805;  Koel- 
renteria  tripbylla  Juss.  Herb.  ed.  Kuntb,  1821;  Serjania  cir- 
rbiflora  Sieb.  Fl.  Martinic.  Snppl.  n.  84;  U.  tripbylla  Poir.  in 
Lam.  JIl.  Gen.  Suppl.,  1828,  p.  664 ;  U.  Berteriana  DC,  1824): 
Foliola  glaberrima. 

Forma  3.  incisa:  Foliola  (glabra)  inciso-lobata,  lobis  serrato- 
dentatis.  —  S.  Vincent:  Oaley;  Caba:  De  la  Ossa. 

Forma  4.  lanceolata  (Serjania  1.  Camb.):  Foliola  (subgla- 
bra)  anguste  ovato-lanceolata. 

6)  ü.  an  iloba  Badlk.  in  Monogr.  Serj.^  1875,  p.  173  (Seijania  sinuata, 

non  Scbnm.  etc,  W.  Hook.  Bot.  Mise,  1833,  p.  159):  Foliola  ovato- 

lanceolata,  acute  acuminata,    inaequaliter   inclso-serrata,    lateralia 

valde  inaequilatera,    ad  basin   lateris  exterioris  latioris  .incisione 

profundiore  lobo  plus  minus  conspicuo  instructa,  tenuia,  glabra,  epi- 

dermide  mucigera;  cincinni  stipitati.  —  Bepubl.  Argent.:  Courbon 

(Montevideo) ;  Fox  (S.  Isidore  pr.  Buenos  Aires) ;  Uruguay :  Tweedie 

(Serj.  sin.  W.  Hook.) ;  Fox  n.  284,  395 ;   Bras.  meridionalis :  Sello. 

Sectio  II.  Stenelytron:  Fructus  loculi  compressi,  semina  trigona  arctius 

amplectentes.    Stipulae  elongatae,   lineari-subulatae,  subfalcatae. 

X  Bamorum   corpus   lignosum  3-sulcatum   (serius   in  corpora 

3  partialia  disruptum) 

7)  ü.  stipitata  Badlk.:  Foliola  ovata  vel  ovato-lanceolata  acute  acu- 

minata, supduplicato-serrato-dentata,  submembranacea,  epidermide 
mucigera;  cincinni  longe  stipitati.  —  Brasilia,  prov.  Bio  de  Janeiro: 
Gaudichaud n. 829,  845;  Vautbier  n.  183;  Claussenn.  24,  88,  1992, 
1995;  Glazioun.  2948;  Luscbnatb (Mart.  Hb.  Fl. bras.  n.  1272)  etc.; 
prov.  Bahia:  Blancbet  n.  756;  prov.  Mato  Grosso:    Gaudichaud. 

8)  ü.  laevis    Badlk.    in    Atti  del  Congresso  internazlonale  botanico 

tenuto  in  Firenze  nelP  anno  1874  (1876)  p.  63;  seors.  impr.  1875, 
p.  6:  Foliola  ovata,  subanguloso-serrato-dentata,  cliartacea,  supra 
laevigata  et  nitidula,    epidermide  non  mucigera;    cincinni    (fructi- 


Radlkofert  lieber  Sapindus  etc,  265 

Wohl  aber  können  sie,  gleichwie  die  Discasform,  brauch- 
bare Anhaltspunkte  abgeben  zur  Gliederung  der  Gattungen 
in  ünterabtheilungen,  in  Seciionen. 

Für  die  Gattung  Sapindus  lassen  sich  darnach  zweck- 
mässig vier  Sectio nen  aufstellen: 

1)  Eusapindus,  mit  kleinen,  zarten  Bluthen,  regel- 
mässigem, kahlem  Discus,  kahlen  Früchten  und  gefie- 
derten Blättern  (zugleich  mit  fast  kahlen,  blumenblatt- 
artigen Kelchblättern)  —  die  folgenden  8,  Arten  in 
sich  schliessend:  5.  acuminatus  Rafin.,  8.  Manatensis 
Shuttelw.,  8.  8aponaria  Linn.,  8.  MuJcorossi  Gärtn., 
8.  vitiensis  Gray,  8.  .balicus  Radlk. 

2)  Dasysapindus,  mit  grossen  und  derben  Blüthen, 
regelmässigem,  behaartem  Discus,  behaarten  Früchten 
und  gefiederten  Blättern  (zugleich  mit  stark  behaarten, 
derberen  Kelchblättern  und  deutlich  carinirten  Frucht- 
knöpfen)  —  8.    trifoliatus  Linn. 

3)  Sapind  astrum,  mit  ziemlich  grossen  und  derben 
Blüthen,  regelmässigem,  kahlem  Discus,  kahlen  Früch- 
ten und  einfachen  Blättern  (zugleich  mit  dicht  behaarten 
Kelchblättern  und  derbwandigen,  länglich  ellipsoidi- 
schen  Fruchtknöpfen)  —  8,  oähuensis  Hillebr, 


feri  qaoqHe)    snbsessiles.  ^  Brasilia,   prov.   Min.  Qer.,   S.  Paulo: 
Burcbell  n.  5004;  Begnell  III  n.  341;  Mos^n  etc. 

9)  ü.  villosa  Badlk.:    Foliola  ex  ovato  ovalia,  serrato-dentata,   mem- 

branacea,  su^tus  ramique  villosinscnla,    epidermide  non  mnoigera; 
cincinni  sessiles,    frnctiferi   breviter  stipitati;   fractos    glabri.  — 
Brasilia,  proY.  Min.  Ger.:  Clanssen  511,  650;  Pohl  705,  etc. 
X  X  Bamorum  corpus  lignosum  non  sulcatum 

10)  U.  dasjcarpa  Badlk.:  Bami  petiolique  pilis  patulis  birsuti;  fo« 
liola  ovata,  inaequaliter  8errato*dentata,  subtus  pube  molli  canes- 
cente  induta,  membranacea,  epidermide  non  mucigera;  cincinni  bre- 
viter stipitati;. fr uctus  hirtelli.  —  Mexico:  Andrieux  n.  404  (Hb. 
Deleas.),  n.  486  (Hb.  Hook.). 


266  Sitzung  der  math,-phys   Classe  vom  1,  Juni  1S78, 

4)  Dittelasma  (Genas  Dittelasma  Hook,  f.,  Electra 
Noronh.)  mit  ziemlich  grossen,  aber  weniger  derben 
Blüthen,  unregelmässigem,  kahlem  Discus,  kahlen 
Früchten  und  gefiederten  Blättern  (zugleich  mit  dicht 
seidenhaarigen  Kelchblättern,  mit  nur  4,  paarweise 
gleichen  Blumenblättern,  während  das  unpaare  in 
Folge  der  Unregelmässigkeit  des  Discus  unterdrückt 
ist,  und  mit  dickschaligen  deutlich  carinirten  Frucht- 
knöpfen) —  S.  Barak  DC. 

Aus  8.  Barak  eine  besondere  Section  zu  bilden  hat 
schon  Blume  vorgeschlagen  (in  Rumphia  III,  1847,  p.  92), 
ohne  aber  seinen  Vorschlag  selbst  auszufuhren. 

Erscheint  nach  dem  Gesagten  die  Einheit  der  Gattung 
Sapindus  in  dem  eben  gekennzeichneten  Umfange  genügend 
sicher  gestellt,  und  die  Verneinung  der  Frage  nach  einer 
allenfalls  nöthigen  Beschränkimg  dieser  ihrer  Auffassung 
nach  allen  Richtungen  hinreichend  begründet,  so  dürfte  es, 
ehe  ich  zur  Erledigung  der  dritten  oben  noch  gestellten 
Aufgabe  einer  prägnanten  Bestimmung  des  formellen  In- 
haltes, resp.  des  Charakters  der  Gattung  Sapindus  übergehe, 
hier  api  Platze  sein,  die  wesen  tlichsten  Consequen- 
zen  in*s  Auge  zu  fassen,  welche  sich  aus  der  im  Vori- 
gen urgirten  Werth Verminderung  der  Discus- 
f  orm  und  der  davon  abhängigen  Regelmässigkeit  oder  Un- 
regelmässigkeit der  Blüthe  für  die  Familie  der  Sapindaceen 
in  systematischer  Hinsicht  ergeben. 

Es  dürfte  das  um  so  mehr  hier  am  Platze  sein,  als  diese 
Consequenzen  selbst  wieder  auf  das  tur  Sapindtis  gewonnene 
Resultat  im  Sinne  einer  Bestätigung  desselben  zurückzuwirken 
geeignet  erscheinen. 

Dabei  würde  es  übrigens  zu  weit  fuhren,  wollte  ich 
darlege»,  in  welche  neue  Gruppen  die  Gattungen  der  Sa- 
pindaceen nach  Abolirung  des  aus  der  Discusform  ab- 
geleiteten   irrigen   Classificationsprincipes    zu    ordnen   sind. 


RadlJcofer:  üeher  Sapindus  etc.  267 

Denn  bei  dem  Versuche  einer  solchen  neuen,  möglichst  natür- 
lichen Gruppirang  sind  ja  vielerlei  andere  Verhältnisse  mit 
in  Betracht  zu  ziehen,  welche  für  das  hier  eigentlich  gesteckte 
Ziel,  die  Klärung  der  Gattung  Sapindtis^  kein  näheres  Interesse 
bieten.  Es  soll  demnach  hier  nur  von  jenen  Gattungen 
und  Arten  die  Rede  sein,  welche  durch  die  Geltendmachung 
jenes  irrigen  Principes  gerade  in  neuerer  Zeit  eine,  wie  mir 
scheint,  unhaltbare,  weil  unnatürliche  Stellung  erhalten 
haben  ^^),  oder  für  welche  weiterhin  eine  derartige  Deplaci- 
rung  zu  befürchten  wäre. 

Ich  rechne  hieher  die  Vereinigung  von  Erioglossum 
mit  Fancovia  bei  Bai  Hon;  die  Aufstellung  der  Gat- 
tungen Pseudatalaya  Baill.  und  Melicopsidium 
BailL  ;  die  Einordnung  von  Tina  madagascariensis  Herbarior. 
in  die  Gattung  Gossignia  sAs  Cossignia  madagascariensis 
Baill.;  die  Aufrechterhaltung  der  (huitxxngen  Hemig y rosa 
und  ^nomo^an^^ß^  bei  Bentham  und  Hooker,  wie  bei 
Baillon;  die  Versetzung  von  Diploglottis  Hook.  f. 
aus  der  Nähe  von  Gupania  in  die  von  Erioglossum  und 
Hemigyrosa  bei  den  eben  genannten  Autoren;  endlich  die 
eventuell  zu  erwartende  Auseinanderreissung  einer  Gruppe 
von  Arten,  welche  bisher  der  Gattung  Thouinia  einverleibt 
waren,  welche  aber  eine  besondere  Gattung  Thouinidium 
zu  bilden  haben,  und  die  allenfallsige  Isolirung  einer  bei 
Toulicia  unterzubringenden  Pflanze  {T»tomentosa). 

Dabei  beschränke  ich  mich  auf  die  Angabe  des  Tbat- 
sächlichen,  ohne  auf  eine  specielle  Begründung  meiner  Auf- 
fassung in  jedem  einzelnen  Falle  einzugehen,  was  hier  um 
so  mehr  zulässig  erscheint,  als  ja  eine  Begründung  im  all- 
gemeinen schon  in  dem  Vorausgehenden  enthalten  ist. 


11)  Eine  gedrängte  Uebersicht  derselben  enthält  der   Bericht  über 
die  Naturforscherversammlung  zu  München  i.  J.  1877,  p.  208. 


268  Sitzung  der  math.-phys.  Gasse  vom  1.  Juni  187 S, 

Die  Gattung  Erioglossum  Bl.  ist  von  Pancovia 
W.  weit  verschieden.  Es  ist  Bai  Hon 's  Verdienst,  diese 
letztere  Gattung  mit  der  von  I  s  e  r  t  in  Guinea  gesammelten, 
von  Willdenow  beschriebenen  und  im  Herb.  Willd.  unter 
n.  7126,  wie  ich  nach  Autopsie  der  Pflanze  bestätigen 
kann,  noch  vorhandenen  Art  Pancovia  hijuga  Willd.  aus 
dem  bisherigen  Dunkel  hervorgezogen  und  unter  Einbe- 
ziehung der  Synonyma :  Afeelia  spec,  ?  Smith  in  Rees  Cyclop. 
V,  p.  26;  AfjgeUa?  Pancovia  DC.  Prodr.  II,  1825,  p.  502 
und  Aßelia  hijuga  Spreng.  Syst.  Veg.  IV,  P.  II,  Carae 
post.,  1827,  p.  170  in  besseres  Licht  gesetzt  zu  haben, 
indem  er  die  Identität  dieser  Pflanze  mit  dem  von  Guil- 
lemin,  Perrottet  und  A.  Richard  in  der  Flora  Sene- 
gambiae  (1830—33)  p.  118,  tab.  28  nach  von  Perrottet 
gesammelten  Materialien  aufgestellten  Erioglossum  cauli" 
florum  nachwies.  Wohl  nur  einem  Lapsus  calami  ist  es 
zuzuschreiben,  wenn  Baillon  in  Adansonia  IX,  1870, 
p.  229  diese  Art  gelegentlich  Pancovia  africana  nennt, 
vielleicht  in  Folge  einer  Verwechselung  der  Afjselia?  Pan^ 
cövia  DC.  mit  der  daneben  von  DC.  aufgeführten  Afeelia 
africana  Smith.  Ein  wesentlicher  Fehler  aber  ist  es,  wenn 
Baillon  die  wohl  auch  nur  aus  einer  einseitigen  Berück- 
sichtigung der  Discusform  hervorgegangene  und  in  dem 
angeführten  Namen  von  Guillemin  etc.  ausgedrückte 
Auffassung  dieser  Pflanze  als  einer  zum  Genus  Erioglossum 
gehörigen  Art  dadurch  sanctionirt,  dass  er  nunmehr  umge- 
kehrt Erioglossum  Bl.  mit  Pancovia  Willd.  vereinigt,  un- 
geachtet der  wohl  begründeten  Auseinandersetzung  Blume *s 
(in  Rumphia  III,  1847,  p.  119)  darüber,  dass  diese  Pflanze, 
wie  schon  ihre  ersten  Beobachter  vermuthet  hatten,  den 
Typus  einer  besonderen  Gattung  bilde,  wesshalb  sie  Blume 
—  leider  unter  Wiedergebrauch  des  von  Cambessedes 
herrührenden y  aber  von  Blume  bei  seinem  Erioglossum 
als  Synonym  richtig  untergebrachten  Gattungsnamens  Mou- 


Badlkofer:  Ueber  Sapindus  etc.  269 

linsia  —  als  Moulimia  cauliflora  bezeichnet.  ^^)  In  noch 
weiterer  unrichtiger  Betonung  der  Discusform  wird  sodann 
von  Baillon  nicht  nur  Erioglossum  El.,  sondern  auch 
Dittelasma  Hook.  f.  mit  Pancovia  vereiniget. 

Auf  Dittelasma  brauche  ich  hier  nicht  mehr  einzugehen, 
da  ich  ihr  im  Vorausgehenden  die  gebührende  Stellung  an- 
gewiesen zu  haben  glaube. 

Was  aber  Erioglossum  Bl.  betrifft,  so  ist  hier  hervor- 
zuheben, dass  dieselbe,  wie  Blume  richtig  geurtheilt  hat, 
von  Pancovia  Willd,,  d.  i.  Moulinsia  (non  Camb.)  BL,  in 
der  That  wesentlich  verschieden  ist. 

Es  drückt  sich  diese  Verschiedenheit  deutlich  schon  in 
den  Blüthentheileu,  welche  von  Guillemin  etc.,  wie  hier 
nebenbei  bemerkt  sein  mag,  nicht  alle  correct  beschrieben 
worden  sind,  am  deutlichsten  aber  im  Baue  der  inzwischen 
bekannt  gewordenen  Frucht  aus,  durch  welchen  Pancovia 
in  eine  besondere,  mit  Erioglossum  nicht  unmittelbar  in 
Zusammenhang  stehende  Oruppe  von  Gattungen  verwiesen 
wird,  deren  bekannteste  Lepisanthes  Bl.  ist,  und  welche  ich 
desshalb  Lepisantheae  nennen  will,  da  die  Einschränkung 
der  von  Baillon  für  einen  ganz  anderen  Complex  von 
Gattungen  und  nach  ganz  anderen  Gesichtspunkten  ge- 
schaffenen Bezeichnung  P  an  cot;  jeae  auf  sie  nicht  zulässig 
erscheint  *') 

Die  Frucht  von  Pancovia  ist   weder  drupös,    noch   in 

12)  üeber  eine  andere  gelegentlich  oxd  Moulinsia  bezogene  Pflanze, 
welche  gleichfalls  eine  besondere  Gattung  —  Porocystis  —  darstellt, 
sieh  Zusatz  10  za  Tabelle  I. 

13)  Es  handelt  sich  hier  nicht  um  eine  Veränderung  der 
Baillon'schen  Gruppe  der  Pancovieae^  in  welchem  Falle  nach  den 
De  Candolle'schen  Noraenclaturregeln  dieser  Name  auch  für  die  ver- 
änderte Gruppe  beizubehalten  wäre,  sondern  um  die  Aufstellung  einer 
ganz  neuen  Gruppe,  nach  neuen  Gesichtspunkten,  ähnlich  wie  es  sich  bei  der 
Aufstellung  der  Pancovieae  Baill.  nicht  blos  um  eine  Erweiterung  der 
Ällophyleae  von  Blume  gehandelt  hat,  unter  welchen  die  mit 
Pancovia  von  Baillon    vereinigte  Gattung  Erioglossum  ihren  Platz 

[1878.  3.  Math.-phys.  CL]  19 


270  Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  1,  Juni  1878. 

Cocoi  gegliedert,  wie  die  von  Erioglossum^  sondern  in  Ge- 
stalt und  sonstiger  Beschaffenheit  zunächst  ähnlich  der  von 
Lepisanthes.  Sie  ist  zwar  noch  nicht  von  der  bisher  er- 
wähnten Pancovia  bijuga  Willd.  bekannt,  wohl  aber  von 
einer  bis  jetzt  davon  noch  nicht  unterschieden  gewesenen 
Art,  welche  Heudelot  in  Guinea  gesammelt  und  in  ver- 
schiedenen Herbarien  unter  der  Nummer  869  niedergelegt 
hat.  Diese  Art  zeichnet  sich  vor  Pancovia  bijuga  beson- 
ders dadurch  aus,  dass  die  Blüthe  nicht  scharf,  wie  bei 
dieser,  gegen  den  kurzen  Bluthenstiel  abgesetzt  ist,  sondern 
sich  allmälig  in  denselben  verjüngt  und  so  mit  Einschluss 
des  Blüthenstieles  eine  nahezu  kreiselformige  Gestalt  besitzt. 
Ich  will  sie  mit  Rucksicht  darauf  Pancot;ia  turbinata  nennen.  ^  ^) 


gefanden  hatte.  Baillon^s  Pancavieae  sind  die  Vereinigang  jener 
Gattungen  der  Sapindaceen  älteren  und  eigentlichen  Sinnes,  welche  nn- 
regehnassige  Blüthen  haben,  wie  Pancovia.  An  der  Unregelmässigkeit 
der  Blüthe  hängt  also  die  Bezeichnung  nP<incovieae''.  Es  wäre  desshalb 
nicht  gat^  sie  bei  Yerändernng  der  Stellang  von  Pancovia  zugleich  mit 
dieser  Gattung  einer  andern,  nach  ganz  anderen  Gesichtspunkten  ge- 
bildeten Gruppe  zuzuertheilen,  in  welcher  Gattungen  mit  regelmässigen 
und  mit  unregelmässigen  Blüthen  sich  neben  einander  finden,  und  die- 
ses Moment  der  Blüthe  überhaupt  als  ein  ganz  gleichgiltiges  er- 
scheint. 

14)  Pancovia  turbinata  Badlk.:  Subglabra,  cortice  subfusco, 
ramis  foliisque  juvenilibus  nee  non  inflorescentiis  breviter  ferrugineo- 
tomentosis;  folia  paripinnata,  bijuga;  foliola  lanceolata  vel  elliptico- 
lanceolata;  flores  mediocres  in  pedicellos  breves  crassiusculos  angustati, 
subturbinati ;  calyx  breviter  ferrugineo-tomentosus ;  rudimentum  pistill 
in  flore  $  minimum,  tomentosum. 

Obwohl  anscheinend  kahl,  sind  die  Blätter  dieser  und  der  anderen 
Art  doch  durch  eine  sehr  eigenthümliche,  aber  allerdings  spärliche  Haar- 
bildung ausgezeichnet.  Die  kurzen  borstlichen  Haare  sind  nämlich  mit 
ihrer  kugelig  aufgetriebenen  und  durch  spiralige  Streifung  ausgezeich- 
neten Basis  unter  die  Epidermiszellen  eingesenkt.  Derg;egen  diese  Basis 
scharf  abgesetzte,  eigentlich  haarförmige  Theil  steckt  zwischen  den  Epi- 
dermiszellen wie  in  einer  Scheide,  diese  mit  seinem  freien  Ende  bald 
nur  wenige  bald  beträchtlich  überragend. 


Radlkofer:  lieber  Sapindus  etc.  271 

Die  Frucht  dieser  Art  habe  ich  im  Herb.  Franqueville  und 
Herb.  Parisiense  gesehen.  Sie  besitzt  der  Anlage  nach 
3  Fächer,  von  denen  aber  nicht  immer  alle  zur  vollen  Aas- 
bildung gelangen.  Die  ausgebildeten  springen  der  ganzen 
Länge  nach  seitlich  stark  vor,  so  dass  die  Fracht  in  hori- 
zontaler Richtung  tief  gelappt  erscheint.  Die  Lappen 
(resp.  Fächer)  sind  von  ihren  Seitenflächen  aus  zusammen- 
gedrückt, von  fast  bohnenartiger  Gestalt,  im  Längsdurch- 
schnitte  nahezu  halbkreisförmig,  aussen  lederig-,  innen 
pulpös-fieischig,  mit  der  schwach  behaarten  Innenfläche  dem 
Samen  fest  anhaftend,  aussen  dicht  mit  kurzen  Haaren  be- 
setzt. Die  Gestalt  des  Embryo  war  an  den  nicht  vollstän- 
dig ausgebildeten  Samen  nicht  deutlich  zu  erkennen. 

Pancovia  Willd.  stellt  sich  als  eine  rein  africanische 
Gattung  dar.^*) 

Schon  darnach  ist  eine  nahe  Verwandtschaft  mit  der 
indisch-malayischen  Gattung  Erioglossum  nicht  zu  ver- 
muthen.  Desshalb  lässt  sich,  was  eine  zweite  von  Baillon 
mit  der  Gattung  Erioglossum  überhaupt  zu  Pancovia  ge- 
brachte Art  —  Erioglossum  cuneifolium  Bl.  —  betrifft, 
welche  von  Blume  (in  Bumphia  IH,  1847,  p.  118)  nach  der 
mangelhaften  Beschreibung  von  Sapindus  Saponaria  Blanco, 


15)  Africa  und  die  dazu  gehörigen  Inseln  scheinen  noch  eine  Reihe 
eigenthümlicher  Sapindaceen-Gattungen  zu  beherbergen,  von  denen  bis- 
her aber  grösstentheils  nur  unvollständige  Materialien  zu  uns  gelangt 
sind,  so  dass  noch  kaum  ersichtlich  ist,  bei  welchen  anderen  Gattungen 
der  Familie  sie  ihren  Anschluss  finden.  Soweit  unsere  Bekanntschaft; 
mit  ihnen  bis  jetzt  reicht,  erscheinen  sie  alle  als  monotjrpische  Gattun- 
gen. Eine  derselben,  Homea  (ThoiUnia  mauritiana  Bojer^,  hat 
jüngst  durch  B  a  c  k  e  r  Publicität  erlangt.  FOr  sechs  andere  — 
Placodiscus,  CotylodiscuSf  LychnodiscuSf  Plagioacy- 
phuH,  Haplocoelum  und  Äporrhiga  —  mag  hierin  Zusatz  5  zu 
Tabelle  I  im  Anschlüsse  an  eine  siebente,  aus  Sapindua  capensia  Send, 
hervorgehende  —  Smelophyllum  — ,  eine  kurze  Charakteristik  Platz 
finden. 

19* 


272  Sitzung  der  math.-phys.  Clause  vom  /.  Juni  1878, 

1837  (Sapindus  Quisian  Blanco  Ed.  IT,  1845),  an%estellt 
worden  ist,  mit  Rücksicht  auf  das  Vaterland  der  Pflanze 
wohl  mit  genügender  Sicherheit  aussprechen,  dass  dieselbe 
nicht  zu  Panama  gehöre.  Was  aber  unter  ihr  zu  verstehen 
sei,  ist  dermalen  noch  nicht  sicher  zu  bestimmen  (s.  Zusatz  24 
zu  Tabelle  I).  Das  Gleiche  gilt  von  Pancovia  tomentosa 
Kurz,  1877  {Sapindus  tomentosus  Kurz,  1875), 

Was  die  anderen  auf  Grund  jenes  irrigen  Classifications- 
principes  von  Bai  Hon  gemachten  Aufstellungen  betrifft, 
so  bedarf  es  für  Pseudatalaya  Baill.  nur  des  bereits 
erbrachten  Nachweises  von  der  Hinfälligkeit  des  Principes, 
um  dieselbe  so  zu  sagen  von  selbst  dahin  zurückkehren  zu 
sehen,  wo  sie  schon  früher  mit  Becht  untergebracht  war, 
nämlich  zu  At'alaya  Bl.  (1847)  als  Atalaya  multiflora 
Benth.  (1863).  Die  generelle  Uebereinstimmung  mit  den 
übrigen  (in  Zusatz  2  zu  Tabelle  I  aufgezählten)  Arten  dieser 
Gattung  ist  so  evident,  dass  es  überflüssig  erscheint,  weiter 
ein  Wort  darüber  zu  sagen. 

Ebenso  natürlich  ordnet  sich  Melicopsidium  trifo- 
liatum  Baill.  für  jede  unbefangene,  durch  jenes  unrichtige 
Princip  nicht  irre  geleitete  Betrachtung  der  Gattung  Gos- 
signia  Gomm.  ed.  Juss.  (1789)  unter  —  Cossignia  trifo- 
liata  Radlk.  (nicht  zu  verwechseln  mit  Cossigina  iriphylla 
Comm.  ed.  Lam.)  —  als  eine  Section  ^^Melicopsidium^*^ 
mit  regelmässiger  Blüthe,  gegenüber  einer  durch  unregel- 
mässigen Blüthenbau  ausgezeichneten  Section  „JE^t^co 5$ t^- 

Ferner  tritt  Cossignia  madagascariensis  Baill,  welche 
in  den  Herbarien  bisher,  wie  Baillon  in  Ädansonia  XI 
(July  1874)  p.  248  erwähnt,  mehrfach  unter  dem  Namen 
Tina  madagascariensis  cursirte,  eben  so  selbstverständlich 
und  natürlich  in  die  Gattung  Harpullia  Roxb.  (1824) 
ein,  als  eine  besondere  Section  mit  unregelmässiger  Blüthe, 
welcher  der  von  Baillon  für  eine  betreffende  Section  von 


Eadlkofer :  Ueher  Sapindus  etc,  273 

Gossignia  gebildete  Name  ^,HarpuUiopsis^^  verbleiben  könnte, 
wenn  nicht  der  im  Jahre  1871  in  Hook  er  Icon.  XI,  tab. 
1097  der  Pflanze  von  Kirk  in  Folge  ihrer  Auffassung  als 
einer  besonderen  Gattung  ertheilte  Name  „Jfaji  (2^  a  (zan- 
guebarica)^^  den  Altersvorrang  besässe.  Die  Pflanze  ist 
übrigens  schon  vor  Bai  Hon  und  Eirk  durch  Voigt 
(und  Griffith)  i.  J.  1845  in  die  Literatur  eingeführt 
worden.  Sie  nämlich  ist,  wie  ein  im  Hb.  Hooker  unter 
n.  1017  aufbewahrtes,  aus  dem  Garten  zuGalcutta  stammen- 
des und  von  dort  aus  mit  dem  Namen  Tina  madagas- 
cariensis  bezeichnetes  Exemplar  des  Hb.  Griffith  unzweifel- 
haft darthut,  die  Pflanze,  welche  unter  der  von  Voigt 
(und  Griffith)  im  Hortus  suburbanus  Calcuttensis,  1845, 
p.  94  n.  5  mit  dem  Synonyme  ^^Tina  madagascariensis  DG.'* 
aufgeführten  ^^Cupania  madagascariensis  G.  Don*'  zu  ver- 
stehen ist  —  unbeschadet  dessen,  dass  die  eigentliche,  aus 
Tina  madagascariensis  DC.  durch  Uebertragung  in  die 
Gattung  Cupania  entstandene  Cupania  madagascariensis 
Don  etwas  gänzlich  Verschiedenes  ist,  wie  an  anderer  Stelle 
(bei  Betrachtung  der  Gattung  Cupania)  dargethan  werden 
soll.  So  ist  also  schon  seit  langem  der  auch  von  B  a  i  1 1  o  n 
gebrauchte,  auf  die  hauptsächliche  Heimat  der  Pflanze  hin- 
weisende Beiname  ^^madagascariensis^*  mit  der  nun  zu  Har- 
ptdlia  zu  versetzenden  Pflanze  —  HarpuUia  madagascariensis 
Radlk.  —  verknüpft. 

Was  weiter  die  von  Blume  i.  J.  1847  aufgestellte 
Gattung  Hemigyrosa  betrifft,  so  schloss  dieselbe  zu  der 
Zeit,  in  welcher  Baillon's  Arbeit  über  die  Sapindaceen 
erschien,  drei  Arten  in  sich:  Hemigyrosa  Perrottetii  Bl., 
H.?  Pervillei  Bl,  u.  H.  canescens  Bl.  (alle  aus  d.  J.  1847). 
Keine  dieser  drei  Arten  hat  mit  der  andern  etwas  ge- 
mein. Jede  derselben  gehört  vielmehr  zu  einer  anderen 
Gattung. 

Die  eigentliche  Grundlage  der  Gattung  bildet  H.  Per- 


274  Sitzung  der  math-phys.  Glosse  vom  1.  Juni  1878. 

rottetiij  von  deren  halb  ringförmigem  Discus  Blume  den 
Namen  für  die  Oattnng  hergenommen  hat  Diese  Pflanze 
gehört  zu  einer  Gruppe  der  Sapindaceen,  welche  ich  mit 
Blume  als  Cupanieae  bezeichne,  und  zwar  zu  der  von 
Gavanilles  (i.  J.  1797)  aufgestellten  Gattung  Guioa 
welche  man  später,  gleich  wie  andere  dieser  Gruppe  ange- 
horige  Gattungen  in  zu  weit  gehendem  Streben  nach  Ver- 
einfachung direct  mit  der  Gattung  Cupania  vereiniget  hat. 
Ganz  mit  Recht  stellt  demnach  Blume  seine  Gattung  He- 
migyrosa,  da  er  dabei  diese  Q-uioa  -  Qtiioa  Perrottetii  Radlk. 
—  im  Auge  hat,  in  die  Abtheilnng  der  Cupanieae^  obwohl 
aach  er  geneigt  war,  denWerth  des  symmetrischen  Blüthen- 
baues  zu  überschätzen,  und  obwohl  die  übrigen  von  ihm 
zu  dieser  Gruppe  gerechneten  Gattungen  regelmässige 
Blüthen  besitzen;  er  wollte  eben  nicht,  wie  auch  die  Be- 
lassung von  Sapindm  Barak  DG.  bei  Sapindus  zeigt,  der 
Geltendmachung  eines  einzelnen  Merkmales  die  sonst  deut- 
lich ausgesprochene  natürliche  Verwandtschaft  zum  Opfer 
bringen.  Die  Gattung  Guioa  schliesst  theils  Arten  mit 
halb  ringförmigem,  theils  solche  mit  ganz  ringförmigem 
Discus  in  sich,  welche  durch  äusserst  enge,  mit  schlagender 
Deutlichkeit  im  Baue  der  Frucht  sowohl,  als  im  Habitus 
ausgesprochene  Verwandtschaft  miteinander  verknüpft  sind, 
so  dass  diese  Gattung  einen  ebenso  deutlichen  Beweis,  wie 
die  Gattung  Sapindus^  dafür  liefert,  dass  eine  Umgrenzung 
und  Gruppirung  der  Gattungen  nach  der  Beschaffenheit 
des  Discus  und  dem  davon  abhängigen  Baue  der  Blüthen 
unnatürlich  sei.  Ja  es  erscheint  sogar  fraglich,  ob  eine 
Gruppirung  dieser  Arten  in  eine  Section  Euguioa  mit  regel- 
mässigem Discus  (die  Art  von  Gavanilles  ^^Ouioa  lentis- 
cifolia^^  in  sich  schliessend)  und  eine  Section  Hemigyrosa 
(Genus  Hemigyrosa  Bl,  spec.  excl.)  mit  unregelmässigem, 
resp.  einseitigem  Discus  (mit  der  in  Rede  stehenden  Ouioa 
Perrottetii  als  Typus)  dauernd  wird  aufrecht  erhalten  werden 


Badlhofer:  Ueher  Sapindus  etc,  275 

können.  Schon  nach  den  gegenwärtig  vorliegenden  Materialien 
ist  nämlich  bei  manchen  Arten  der  ersten  Section  in  einer  ge- 
legentlichen, wenn  auch  massigen  Yerschmälerang  des 
Discus  an  der  unteren  Seite  der  Blüthe  eine  Annäherung 
an  die  Discusform  der  zweiten  Section  und  damit  ein 
Debergang  der  einen  Section  in  die  andere  zu  erkennen.  ^^) 

Die  zweite  von  Blume  zu  Heniigyrosa^  jedoch  nur 
fragweise  gerechnete  Art,  ist  eine  von  ihm  missverstandene 
Pflanze,  welche  er,  wie  er  selbst  ausspricht,  nur  nach  habi- 
tuellen Merkmalen  dahin  gebracht  hat,  da  der  jugendliche 
Zustand  der  Blüthenknospen  dieser  von  Perville  auf  Ma- 
dagascar  (Ambongo)  gesammelten  Pflanze  eine  genaue  Unter- 
suchung derselben  (für  Blume)  unmöglich  machte  („florum 
Status  parum  evolutus  speciminis  nostri  diligens  examen 
impedit'^  Rumphia  III,  p.  166).-  Obwohl  andere  Materia- 
lien, als  die  von  Perville  gesammelten  bisher  nicht  be- 
kannt geworden  sind,  so  kann  ich  doch,  Dank  den  Auf- 
schlüssen, welche  die  mikroskopische  Untersuchung  gewährte, 
mit  Bestimmtheit  angeben,  dass  die  Pflanze  einen  regel- 
mässigen Discus  hat,  und  dass  sie  nach  allen  einschlägigen 
Merkmalen,  so  viele  deren  nur  immer  die  Analyse  junger 
Blüthenknospen  und  die  anatomische  Untersuchung  an  die 
Hand  gibt,  zur  Gattung  Deinhollia  zn  rechnen  ist,  als  eine 
besondere  Art  derselben  —  Deinhollia  PerviUei  Radlk.  ^'') 

Die  dritte  und  letzte  Art,  welche  Blume  in  einem  Zu- 
sätze zu  dem  Charakter  der  Gattung  (Bumphia  III,  p.  165) 
als  zu  Hemigyrosa  gehörig  bezeichnet,  und  welche  er  in 
einer  Bemerkung  zu  Hemigyrosa?  Pervillei  (a.  a.  0.  p.  166) 


16)  Eine  Aufzählung  der  Arten  beider  Sectionen,  wie  sie  nach 
den  gegenwärtig  vorliegenden  Materialien  zu  sondern  sind,  sieh  in  der 
Uebersicht  der  Sapindaceen  Holländisch-Indiens  (Amsterdamer  Oongress- 
bericht,  1878),  Nachtrag  13. 

17)  Eine  Anfzählnng  der  übrigen  Arten  von  DeinhoUia  nebst  kur- 
zer Charakterisirong  der  nenen  Arten  sieh  in  Zusatz  31  zu  Tabelle  I. 


276  Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  1.  Juni  1878, 

anter  dem  Gattungsnamen  Hemigyrosa  direct  nennt,  ist  die 
aus  Gupania  canescens  Pers.  gebildete  Hemigyrosa  canes- 
cens  Bl.  Diese  Pflanze  stellt  sich  nach  der  Beschaffenheit 
der  Frucht,  sowie  nach  anderen  Charakteren,  welche  zu  be- 
sprechen nicht  hier  der  Ort  ist,  einer  unbefangenen  Be- 
trachtungsweise auch  wieder  als  nichts  anderes  dar,  denn 
als  eine  durch  unregelmässigen  Discus  und  dem  entsprechen- 
den Blfithenbau  ausgezeichnete  Art  einer  älteren  Gattung  — 
der  Gattung  Lepisanthes  Bl.  (1825),  zu  der  ich  sie  schon 
in  der  Uebersicht  der  Sapindaceen  Holiändisch-Iudiens  unter 
gleichzeitiger  Wiederaufnahme  ihres  ältesten  Species-Bei- 
namens  aus  dem  die  gleiche  Pflanze  bezeichnenden  Namen 
Sapindus  tetraphyllm  Yaiil  (1794)  als  Lepisanthes  tetraphylla 
Badlk.  und  als  Typus  einer  besonderen  Section  dieser  Gattung 
verbracht  habe.  Mit  ihr  treten  auch  diejenigen  Arten  in  die 
gleiche  Abtheilung  der  Gattung  Lepisanthes  über,  welche  kurz 
nach  Baillon^s  ArbeitHiern  in  Hooker's Flora  of  British 
Iridia  (1875)  neben  Hemigyrosa  canescens  gestellt  hat,  und  wel- 
chen ich  nach  autoptischer  Untersuchung  den  Werth  selbstän- 
diger Arten  beimesse,  vi^m[i(Ai Hemigyrosa  longifoliali.iQTn  als 
Lepisanthes  longifolia  Badlk.  und  Hemigyrosa  deficiens 
Beii, sAb  Lepisanthes  de ficiensBaiilk,  Mit  der  letzteren 
Art  wächst  der  betreffenden  Section  von  Lepisanthes  auch  die 
entsprechende  Bezeichnung „-4 nomosanthes^^zn  (während 
^^Hemigyrosa*\  entsprechend  der  von  B 1  u  m  e  ihr  g^ebenen 
Grundlage^®),  in  der  Gattung    Ouioa,   wie  oben  Seite  274 


18)  Es  ist  wohl  zn  bemerken,  dass  die  Auffassung  der  Gattung 
Hemigyrosa^  d.  h.  ihr  formeller  Inhalt,  im  Laufe  der  Zeit  eine  wesent- 
liche Veränderung  erlitten  hat,  indem  von  den  mangelhaft  bekannt  ge- 
wesenen Arteuj  welche  B 1  u  m  e  in  diese  seine  Gattung  eingerechnet  hatte, 
nicht  die,  nach  welcher  er  den  fragmentarischen  Oharacter  der  Gattung 
aufgestellt  hatte,  d.  i.  H,  Perrottetii  Bl.  =  Quioa  Perrottetii  Badlk., 
sondern  eine  nur  nebenher  von  ihm  behandelte  Pflanze^  die  H,  canes- 
cens Bl.  =  Lepisanthes  tetraphylla  Kadlk.;    nachdem  dieselbe  in  voll- 


Eadlkoferi  lieber  Sapindus  etc.  277 

dargelegt,  als  Sectionsbezeichnung  ihre  YerwenduDg  za  fin- 
den hat).  Lepisanthes  deficiem  bildete  nämlich  früher  die 
einzige  Art  ^^)  der  vor  Hiern,  und  zwar  auch  noch  von 
Baillon  für  selbständig  gehaltenen  GsAtxmg  Anomosanthes 
Bl.  (1847),  welche  Baillon,  gleichwie  Bentham  &  Hoo- 
ker aus  der  Stellung,  die  ihr  Blume  zunächst  neben 
Lepisanthes  und  Scorododendran  angewiesen  hatte,  trotz  der 
hohen  principiellen  Werthung  des  uuregelmässigen  Discus 
doch  der  in  anderen  Merkmalen  sich  aussprechenden  natürli- 
chen Verwandtschaft  gegenüber  nicht  zu  den  Pancovieen^ 
resp.  den  Sapindaceen  mit  unr^elmässigem  Discus  zu  ver- 
setzen für  gut  befunden  hatten,  damit  die  Schwäche  dieses 
Principes  selbst  documentirend.  Es  bleibt  noch  hervorzu- 
heben, dass  die  Gattung  Lepisanthes  mit  der  Zuführung  der 
Section  Anomosanthes  nicht  einmal  eine  wesentlich  neue 
Gestalt  gewinnt,  denn  sie  schloss  bisher  schon  unbemerkter 
Weise  eine  Art  mit  unregelmllssigem  Discus  in  sich  —  Le- 
pisanthes Burmanica  Kurz  (1875)  —  welche,  während  der 
unregelmässige  Bau  ihrer  Blüthen  der  Wahrnehmung  sich 
entzog,  nach  Merkmalen  der  Frucht  und  des  Habitus  ganz 
natürlich  imd  unabweisbar  einen  Platz  bei  Lepisanthes  sich 
vindicirt  hatte  und  damit  ganz  ungezwungen  einen  Beweis 
dafür  lieferte,  dass  Arten  mit  regelmässigem  und  mit  unre- 
gelmässigem Discus  sich  ganz   wohl  in   derselben  Gattung 


ständigeren  Exemplaren  bekannt  geworden  war,  zara  Ausbaa  der  Gat- 
tung, d.  h.  zur  Yervollständigang  des  Gattnngscharakters  nnd  zwar  in 
Benth.  Hook.  Gen.  PL,  I,  1862,  benutzt  wnr de.  So  erscheint  Hemi- 
gyrosa  bei  Benth.  Hook,  eigentlich  als  eine  ganz  andere  Gattung  als 
bei  Blnmc,  obwohl  da  wie  dort  den  wesentlichen  materiellen  Inhalt 
der  Gattung  die  gleichen,  eben  genannten  Pflanzen  bilden. 

19)  In  Benth.  &  Hook.  Gen.  ist  zwar  die  Zahl  der  Arten  von 
Anomosanthes  Bl.  fragweise  auf  4,  bei  Baillon  anf  2—3  angegeben. 
Diese  weiteren  Arten  bestanden  aber  nie  aus  etwas  anderem,  als  ans 
unrichtig  taxirtcn  Herbarium-Materialien. 


278         Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  1,  Juni  1878. 

miteinander  vertn^en  können.  Die  ans  ersteren  iü  der  Gat- 
tung Lepisanthes  zu  bildende  Section  habe  ich  Eulepi- 
santhes  genannt.  Eine  weitere  Section,  Score doden- 
dron^  wächst  der  Gattung  durch  die  Ueberführung  von 
Scarododmdron  pdllens  Bl.  in  dieselbe  zu  (s.  d.  Uebersicht 
der  Sapindaceen  Holländisch-Indiens  p.  106). 

Aehnlich,  wie  die  Arten  von  Hemigyrosa  mit  unregel- 
mässiger Blüthe  zu  Gattni^en  mit  meist  regelmässigen 
Blüthen  hinüber  rücken,  so  hat  auch  die  von  Baillon, 
wie  von  Bentham  &  Hooker  in  unmittelbarer  Nachbar- 
schaft von  Hemigyrosa  bei  den  Sapindaceen  mit  unregel- 
mässiger Blüthe  untergebrachte  Gattung  Diploglottis 
Hook.  f.  (1862)  eine  ihrer  früher  schon  innegehabten  ähnliche 
Stellung  bei  gewissen  Sapindaceen  mit  regelmässiger  Blüthe 
wieder  einzunehmen,  nämlich  in  nächster  Nähe  der  Gattung 
Cupania^  mit  welcher  sie  seit  1849  als  Gupania  Cunning- 
hami  W.  Hooker  direct  vereiniget  war,  nachdem  sie  zuerst 
von  Don  (1831)  unter  dem  in  der  Sammlung  von  Cun- 
n  i  n  gh  am  handschriftlich  ihr  beigefugten  Namen  Stadman- 
nia  amtralis  veröflFentlicht  worden  war.  Die  Frage,  ob  sie 
nicht  mit  der  Gattung  Gupania  selbst  wieder  zu  vereini- 
gen sein  möchte,  ähnlich  wie  Dittelasma  Barak  Hook.  f. 
mit  Sapindus  ^  möchte  ich  verneinen.  Die  Pflanze  zeigt 
ausser  dem  minder  wichtigen  Momente  des  symmetrischen 
Blüthenbaues  in  Blüthe,  Frucht  und  Same  noch  Eigenthüm- 
lichkeiten  in  ausreichender  Menge,  um  ihre  Auffassung  als 
eine  besondere  Gattung  in  der  Gruppe  der  Cupanieae 
zu  rechtfertigen.  Dabei  erscheint  es  übrigens  angemessen, 
ihr ,  wie  es  die  De  Candoll e'schen  Nomenclaturregeln 
verlangen,  den  ursprünglichen  Species-Beiuamen  aus  der 
Zeit  vor  ihrer  Vereinigung  mit  Gupania  wieder  beizulegen 
und  sie  Diploglottis  uustralis  zu  nennen,  da  Stadmamiia 
austrdlis  unzweifelhaft  der  zuerst  veröffentlichte  Name  der- 
selben ist. 


BadlW^r:  üeher  Sapindua  etc.  279 

Ein  Fall,  welcher  sich  mit  dem  von  Ätalaya  verglei- 
chen lässt  nnd  gleichsam  eine  Umkehrnng  desselben  dar- 
stellt, findet  sich  bei  der  Gattung  Toulicia,  Während 
nämlich  alle  übrigen  Tonlicia-Arten  einen  einseitig  ent- 
wickelten Discus  besitzen  zeigt  eine  bis  jetzt  unbeschrieben 
gebliebene  Pflanze,  welche  nach  der  Beschaffenheit  ihrer 
Frucht  unbedingt  in  die  Gattung  Totdicia  zu  verweisen  ist, 
einen  rings  um  das  Andröciiim  und  zwar  meist  ziemlich 
gleichmässig  entwickelten,  nur  gelegentlich  etwas  stärker 
ungleichseitigen  Discus.  Es  erscheint  angemessen,  sie  dar- 
nach in  eine  besondere  Section  der  Gattung  zu  verweisen, 
wozu  auch  noch  andere  Eigenthümlichkeiten  Veranlassung 
geben.  Sie  als  besondere  Gattung  aufzufassen,  würde  un- 
befangener Anschauung  kaum  entsprechen.  Ich  habe  sie 
als  Toülicia  tomentosa  in  Zusatz  35  zu  Tabelle  I  kurz 
charakterisirt  und  ihre  Stellung  zu  den  übrigen  Arten  der 
Gattung  darzulegen  versucht, 

um  die  üebersicht  der  Sapindaceen-  Gattungen,  in  wel- 
chen neben  Arten  mit  regelmässigem  auch  solche  mit  un- 
regelmässigem Discus  vorkommen,  vollständig  zu  machen, 
ist  endlich  noch  einer  Gattung  Erwähnung  zu  thun,  welche 
aus  Arten  von  Thouinia  —  unter  Hinzutreten  einer  noch 
unbeschriebenen  Pflanze  —  zu  bilden  ist,  ähnlich  wie  die 
sicher  als  vollberechtigt  anzusehende  Gattung  Thinouia 
Triana  &  Planch. ««)     Ich  wiU  ihr,  um  auch  für  sie  an  ihre 


20)  Auch  für  Thinouia  kann  die  Frage  aufgeworfen  werden^  ob  sie 
nicht  den  Gattungen  mit  theUs  regelmässigem,  theUs  nnregelmässigem 
Discus  beizuzählen  sei.  Doch  ist  der  Unterschied ,  soweit  das  vorlie- 
gende Material  beurtheilen  lässt,  nicht  scharf  ausgeprägt.  Eine  ge- 
ringe Ungleichsoitigkeit  des  Discus  dürfte  allen  Arten  zukommen. 
Aber  dieselbe  scheint  individuellen  Schwankungen  zu  unterliegen  und 
ist  gewöhnlich  so  schwach  ausgebildet ,  dass  sie  am  getrockneten  Ma- 
teriale  nur  schwer  mit  Sicherheit  zu  constatiren  und  an  Fruchtezem- 
plaren,  welche  für  manche  Art  allein  vorhanden  sind,  gar  nicht  mehr 
zu  erkennen  ist.    Nur  bei  einer  Art,  Thinouia  ventricosa  Badlk.,  habe 


280         «  Sitzung  der  m<Uh.'phy8.  Clasae  vom  1,  Juni  1878. 

bisher^e  Gemeiuschaft  mit  Thomnia  zu  erinnern,  den  Namen 
Thouinidium  beilegen  und  lasse  eine  kurze  Charakteristik 
derselben  und  ihrer  Arten  unter  Verwerthung  der  Discus- 
beschaffenheit  für  die  Bildung  von  Sectionen  folgen. 


ich  sie  deutlicher  auftreten  sehen.  Aber  auch  hier  ist  die  Unregelmäs- 
sigkeit nicht  so  stark,  dass  sie  nicht  während  der  Frachtreife  fast 
vollständig  verwischt  würde. 

Mit  Unrecht  wird  der  Gattnng  Thinouia  Tr.  &  PI.  in  Benth.  & 
Hook.  Gen.  PI.  I,  p.  1000  and  darnach  aach  von  Baillon  in  Hist. 
d.  PI.  V,  p.  405  der  Bang  einer  selbständigen,  neben  Thouinia  Poit. 
vollberechtigten  Gattung  streitig  gemacht.  Dieselbe  ist  sicherlich  eigen- 
artig, was  sich  sowohl  im  Baue  von  Bl&ihe  und  Fracht,  als  auch  darin 
aasspricht,  dass  alle  Arten  dieser  Gattung  Banken  tragen,  die  Arten 
von  Thouinia  aber  nicht.  Auch  geographisch  sind  diese  beiden  Gat- 
tungen wohl  geschieden.  Die  Arten  von  Thinouia  gehören  dem  süd- 
americanischen  Festlande,  Brasilien,  Peru,  Neu-Granada  und  Guiana 
(T.  myriantha  Tr.  &  PL,  coli.  Martin)  an;  die  Arten  von  Thouinia 
den  westindischen  Inseln  und  Mexico.  Die  letztere  Gattung,  fär  welche 
die  allen  ihren  Arten  zukommende  Unregelmässigkeit  des  Discus  bis- 
her auffiäUender  Weise  allgemein  übersehen  und  vernachlässigt  worden 
ist,  umfasst  nach  den  vorliegenden  Materialien  10,  die  erstere  7  Arten. 
Eine  Aufzählung  derselben,  unter  Angabe  der  hauptsächlichsten  unter- 
scheidenden Merkmale  für  die  neuen  unter  ihnen,  mag  hier  folgen. 

Thouinia  Poit.  (spec.  ezcl.) 
X  Folia  simplicia. 

1)  T.  simplicifolia  Poit. 

X  X  Folia  ternata. 

2)  T.  trifoliata  Poit.  (acced.  syn.  T.  nervosa  Griseb.  PI.  Wright. 
p.  169,  quoad  „Schmid.  nerv.  Rieh."  et  „coli.  Wright  n.  1173**, 
excl.  speciminib.  florig.;  cfr.  T.  patentinervis  Radlk.). 

3)  T.  elliptica  Badlk.  (T.  trifoliata,  non  Poit.,  Grieseb.  Cat  PI. 
Gubens,  p.  46,  quoad  „Kugel  312**):  Foliola  rhombeo-elliptica,  in- 
tegerrima  vel  sermlato-dentata,  subtus  molliter  pubescentia  et  in 
axillis  nervorum  barbata,  subcoriacea,  impunctata.  —  Cuba:  Bügel 
n.  812,  608. 

4)  T.  villosa  DC. 

5)  T.  serrata  Badlk.:  Foliola  lanceolata,  sat  argute  serrata,  [subtus 
villosiuscula,  membranacea,  vix  punctata.  —  Mexico:  Liebmann  n.  12. 

6)  T.  patentinervis  Badlk.   (T.    nervosa  Grieseb.  1.  c.  partim): 


RckcUkofer:  üeber  Sapindiis  etc.  281 

Thouinidium  Radlk.  (Thouinia  spec.  antor.):  Flores 
polygami.  Sepala  5,  concava,  imbricata,  dao  exteriora  mi- 
nora.     Petala  5,  interdam  4  in  eadem  specie  (T.  decandrum), 


Foliola  lanceolata,  nervis  lateralibus  validis  patentibns  ezcurrentibus 
snbrepande  spinuloso-dentata,  rigidiascula,  glabra,  pellncide  punctata 
et  lineolata.  —  Cuba:  Wrigbt  n.  11 78,  specimina  florigera  (cf.  n.  2). 
7)  T.  pun  et  a  ta  Radlk.  (T.  trifoliata,  non  Poit.,  Griseb.  1.  c.  pariim): 
Foliola  ovato-lanceolata ,    snpra  medium  obsolete  repando-dentata» 
subtns  in  axillis  nervornm  barbata,  caeternm  glabra,  coriacea,  panctis 
pellncidis  majoribns  crebris  notata;  rami  juniores  flayescenti-velatini. 
—  Cnba :  Wrigbt  n.  2168»  specimina  fructigera  (cf.  n.  8). 
8)T.  cauescens  Radlk.  (T.  trifoliata,  non  Poit.,  Griseb.  1.  c.  partim): 
Foliola  elliptico-lanceolata,  obsolete  repando-dentata,  snbtns  canescen- 
ti-tomentosa,  coriacea/punctis  pellncidis  lineolisqne  notata;  rami  pe- 
tiolique  tomento  cano  brevi  indnti.  —  Cuba:  Wrigbt  n.  2168,  speci- 
mina florigera  (cf.  n.  7). 
9)  T.  discolor  Griseb.  (PL  Brit.  W.  Ind.  Isl.  p.  127). 
10)  T.  tomentosa  DO. 

Bei  allen  Arten  von  Thouinia  sind  4  Blumenblätter  vorbanden  (der 
Platz  des  unteren  Blumenblattes  frei).  Ancb  die  nacb  der  früberen  Auf- 
fassung von  ITiOuinia  zu  dieser  Gattung  gerecbneten  Arten  von  Thinouia 
und  Thouinidium  9ind  sämmtlicb  mit  Blumenblättern  verseben.  Demgemäss 
muss  es  eine  ausserhalb  dieser  drei  Gattungen  (mit  zusammen  21  Ar- 
ten) stehende  Pflanze  sein,  welche  in  Benth.  Hook.  Gen.  unter 
Thouinia  die  Angabe  „vel  petala  nuUa"  veranlasst  hat.  An  Thoui- 
nia adenophora  Miq.  ist  dabei  wohl  nicht  zu  denken,  da  diese  Pflanze 
schon  1844  von  Miqnel  selbst  richtig  zu  Dodonaea  verbracht  wor- 
den war. 

Was  die  auszaschliessenden  Arten  betrifft,  so  erinnere  ich  an  die- 
ser Stelle  ausser  an  die  eben  erwähnte  T.  adenophora  Miq.  nur  an 
T.  dioica  Nees.  &  Mart.  1824  =  Schmidelia  dioica  Mart.  Hb.  Fl. 
bras.  n.  274  (Flora  1889),  T.  Morisiana  Cäsar.  1845  =  Tauaandra 
Morisiana  Radlk.  in  Flora  1870,  p.  92  und  an  T.  integrifolia 
Spreng.  1821  (Neue  Entdeck.  11,  p.  155),  welche  nur  aus  der  Be- 
schreibung Sprengers  bekannt,  und  von  der  es  zur  Zeit  uner- 
findlich ist,  was  unter  ihr  zu  verstehen  sei.  Die  übrigen  sind  theils  im 
Folgenden  unter  den  Arten  von  Thinouia  und  Thouinidium,  theils  im 
Anhange  der  Tabelle  I,  andere  in  den  Zusätzen  1  und  namentlich  2 
(über  Atcdaya)  zu  Tabelle  I  und  oben  S.  271  (unter  Homea)  erwähnt. 


282         SiUung  der  matK-phys,  Classe  iDom  1,  Juni  1878, 

snpra  iingüem  squama  emarginata  vel  in  squamulas  duas 
cum  laminae  ovatae  marginibus  continiias  divisa  aucta. 
Discas  cupularis,    completus  vel   inter  sepalum  tertium  et 


ThinoQia  Tr.  &  PI. 
Seetio  I«  Petalodlne  {durog  validos,  praevalQns):  Petala  ipsa  squamis 
suis  majora. 

X  Microcarpae:  Fractus  azis  3,5  cm  non  ezcedens 

1)  T.  compressa  Badlk.:  (Folia  ternata,  ut  in  omnibus  reliqnis 
speciebns.)  Foliola  lateralia  e  triangalari,  terminal  ia  e  rhombeo 
ovata,  obsolete  dentata;  froctos  locoli  oblongi,  quam  maxime  com- 
pressi.  —  Brasilia:  Biedel  n.  513. 

2)  T.  mucronata  Badlk.:  Foliola  ovalia  yel  subrotunda,  obtasa  vel 
snbacnta,  mucronata,  obsolete  denticulata^  snbtos  snbfusca,  glabrins- 
cnla;  frnctos  locali  obovoidei  Tel  subglobosi.  —  Brasilia,  prov.  S. 
Paulo  et  Min.  6er.:  Biedel  n.  1845;  Mos^n  n.  ä953;  Begnell  m. 
n.  1812,  etc. 

8)  T.  ternata  Badlk.  (Banisteria  ternata  Yell.,  1825;  Ic.  IV,  t. 
159;  Seijania  speo.  Mart.  in  Fl.  bras.XXXI,  p.  124):  Foliola  ovata, 
crenata  vel  subserrata,  subtus  molliter  pubescentia;  fructus  loculi 
semi-ellipsoidei.  —  Brasilia,  prov.  Min.  Ger.:  Warming. 

4)  T.  ventricosa  Badlk.  in  Atti del  Congresso  internazionale botanico 
tenuto  in  Firenze  neiranno  1874  (1876)  p.  61 ,  63 :  seors.  impr. 
(1875)  p.  4  &  6:  Foliola  angustius  ovata,  subrepando-dentata,  glabra; 
fructus  loculi  semi-rhombei,  yentricoso-inflati,  semine  ipso  largiores. 
—  Brasilia,  prov.  S.  Paulo:  Manso  (Mart.  Hb.  FL  bras.  n.  1803, 
partim);  Correa  de  Melle  n.  7,  etc. 

X  X  Macrocarpae:  Fructus  axis  5—6  centimetralis 

5)  T.  Scan  de  ns  Tr.  &  PI. 

Forma  l.gen^uina  (Thouinia  scandens  Camb.):  Foliola  oblonge- 
lanceolata,  subintegerrima,  viridia. 

Forma  2.  racemosa  (PauUinia  racemosa  Vell.  Ic.  IV,  t.  29; 
Thouinia  macroptera  Cäsar.):  Foliola  oblonga  vel  subovata,  obsolete 
bi  —  tri-dentata,  plus  minus  glauoescentia. 

Forma  3.  c  au  data  (Paullinia  caudata  Vell.  Ic.  IV,  t.  31):  Fo- 
liola ovata,  insignius  et  crebrius  dentata,  fnscescentia 
Sectio. II.  Lepidodine:  Squamae  petalorura  petalis  ipsis  majores. 

6)  T.  myriantha  Tr.  &  PL 
Sedls  dnbiae  (ob  petala  ignota): 

7)  T.  0  b  1  i  q  u  a  Badlk.  (Paullinia  obliqua  Buiz  &  Pav.  in  scbed. ;  ?  Pauli, 
obliqua  E.  ed.  Trev.  in  Bot.  Zeit.  1847,  n.  28,  cf.  Badlk.  Monogr. 


RacUkofer:  lieber  Sapindua  etc,  283 

quintam  interruptus.  Stamiua  6—10,  iutra  discum  inserta. 
Fl.  c^  :  Radimentum  pistilli .  triquetrum.  Fl.  g  (potios  ^): 
Oermen  obcordato-triqüetrnm,  trilooulare ;  Stylus  brevis, 
Simplex,  supeme  stigmatosus ;  gemmulae  in  locnlis  solitariae. 
Fructas  trialatus,  tricoccas,  coccis  lateraliter  compressis  toto 
dorso  in  alas  prodnctis,  alis  patulis  apice  primom  sursam 
flexis,  dein  paullnlum  reciirvis,  snbmembranaceis,  margine 
inferiore  tenuissimo,  snperiore  incrassato ,  nervis  e  margine 
snperiore  arcnato-descendentibus  (arcos  concava  parte  deor- 
sum  spectante)  instrnctis.  Semina  erecta,  compressa,  bilo 
ad  basin  laterali  parvo;  embryo  curvatas,  notorrhizas '^) ; 
cotyledones  a  marginibos  quam  maxime  compressae,  erectae, 
basi  curvatae ;  radicula  brevis,  infera,  centripeta.  —  Arbores 
vel  frntices  ecirrhosi.  Folia  exstipulata,  abrupte  pinnata, 
foliolis  1— 6-jugis  tenuiter  retieulato*venosis  integerrimis  ser- 
ratisve.  Paniculae  multiflorae  in  ramulis  lateralibus  ter- 
minales.    Flores  mediocres. 

Species  hucusque  cognitae  4,  americanae: 

Sectio  I.  Eathouinldium :    Discus  completus  (foliola  inte- 
gerrima). 

X  Petala  (5)  extus  sericea 
+  Foliola  1 — 3-juga,  obovata 

1)  T.  pinnatnm  Radlk.  (Thouinia  pinnata  Turpin,  1804). 


Seij.  p.  54):  Foliola  ovata  (lateralia  basi  obliqna),  ad  paginam 
superiorem  hypodennate  mncigero  instnicta  ("qua  re  ab  omnibus  aliis 
speciebas  diversa);  frnctas  locnli  suborbiculards,  margine  obtnso, 
fructas  axis  5,5  cm  longos.  —  Perayla:  Buiz  &  Pavon  n.  916  („in 
Andinm  nemoribas,  vere"). 

21)  In  Hnmb.  &  Bonpl.  Fl.  Aeqoinoct.,  1808,  tab.  56,  fig.  10  ist 
der  Embryo  unrichtiger  Weise  als  lomatorrhiz  gezeichnet.  Aach  andere 
Angaben  von  Bonpland  (bezüglich  der  Narbe,  der  Eablheit  der  Blumen- 
blätter und  Staabgefässe)  sind  angenaa.  Bei  Tarpin  ,  Mem.  Mos.  Y, 
t   26  ist  der  stehen  bleibende  Griffel  der  Früchte  richtiger  dargestellt. 


284  Sitzung  der  math.-phys.  Glasse  vom  1.  Juni  187 S. 

+  +  Foliola  2-jnga,  elliptico-lanceolata 

2)  T.  pulyerulentam  Radlk.    (Thoainia  palveralenta 
Griseb.  Cat.  PI.  Cnb.,  1864,  p.  46). 

X  X  Petala  (5)  extus  snbglabra;  foliola  2— 3-juga, 
oblonga 

3)  T.  oblongum  Radlk.:  Foliola  2 — 3-juga,  inferiora 
opposita,  superiora  alterna,  oblonga  yel  lineari-oblonga, 
obtusa,  breviter  petiolulata,  integerrima ,  sübmembra- 
nacea,  tenuissimereticDlato-veuosa,  glabra,STipranitidala; 
sepala  praeter  marginem  ciliolatum  glabra ;  petala  extus 
basi  tantum  puberula.  —  Mexico:  C.  Ehrenberg  (m. 
Januar.  1840,  flor.;  Hb.  Berol.}. 

Sectio  II.  Loxothouinidium :  Discus  interruptus,  obliquus 
(petala  4  Tel  5,  extus  subglabra;  foliola  sub-6-juga, 
lineari-lanceolata,  serrata). 

4)  T.  decandrum  Radlk.  (Thouinia  decandra  Humb.  & 
Bonpl,  1808). 

Diese  Gattung  ist  in  Beschaffenheit  von  Blüthe  und 
Frucht,  sowie  im  Habitus  deutlich  verschieden  von  Thouinia^ 
wenn  auch  immerhin  nahe  verwandt  damit,  gleichwie  sie 
auch  in  geographischer  Hinsicht  ihr  nahe  steht.  Noch 
enger  scheint  sie  mit  Atdlaya  verknüpft  zu  sein.  Mannig- 
fache Beziehungen  besitzt  Thouinidium  auch  zu  einer  süd- 
atnericanischen,  eine  neue  Gsktinng  ^^Diatenöpt er  yx^^  ^^) 


22)  Diatenopterjx  Badlk.:  Flores  polygami.  Sepala  4,  parva,  e 
triangulari  lanceolata,  inferiore  (tertinm  et  quintnm  omnino  connata  vel 
apice  tantum  libera  exhibente)  latiore  ovato-oblongo.  Petala  4,  infimi 
sede  vacna  (rarias  rudimento  petali  occnpata),  sepalis  plas  daplo  majora, 
oblonga,  sapra  nngaem  brevem  latioscnlnm  sqoama  oblonga  concava 
apice  cristata  petala  dimidia  aeqnante  ancta.  Discas  pnlTinans,  nni- 
lateralis,  inter  petala  in  lobos  obscnros  tamens,  pnbescens.  Stamina  8^ 
excentrica.  Fl.  Q  :  Bndimentam  pistilli  bilocnlaris,  localis  lateralibns, 
gemmnlis  singulis  instmctis.  Fl.  §:  — .  Fructus  divaricato-bialatus, 
dicoecus,  coccis  a  lateribns  suis  compressis  toto  dorso  in   alas  horizon- 


Hadlkofer:  Üeber  Sapindus  etc,  285 

darstellenden  Pflanze,  welcher  sie  nach  Tracht  und  Fmcht- 
form  ähnlicher  ist ,  als  den  Arten  von  Thouinia.  Eine 
generische  Trennung  der  Arten  mit  YoUständigem  und 
jener  mit  unterbrochenem  Discos  erschiene  für  Thouinidium 
bei  der  Gleichartigkeit  aller  übrigen  Verhältnisse  wohl  sicher 
nicht  naturgemäss. 

Betrachtet  man  die  ganze  Reihe  der  Sapindaceen-Gti.t- 
tungen,  so  sieht  man,  dass  der  unregelmässige  Discus  und 
die  davon  abhängige  XJnr^elmässigkeit  der  Bläthe  selbst 
keinen  constanten  Werth  hat  —  bald  vielmehr  ganzen 
Gruppen  nahe  verwandter  Gattungen  eigen  ist,  wie  den 
Gattungen  Serjania^  Pauüinia,  Urvillea^  Cardiospermum, 
bald  wieder  vereinzelten  Gattungen  aus  sich  fern  stehenden 
Gruppen  zukömmt,  wie  den  Guttungen  Enoglossunty  PaiP- 
covitty  DiploglottiSy  hier  also  nicht  mit  anderen,  die  Gruppen 
kennzeichnenden   Charakteren   zusammengehend  und  über- 

taliter  patentes  prodactis,  alis  membranaceis  nervis  e  margine  saperiore 
crassiore  arcuato-descendentibus  (arcns  concava  parte  deorsum  spectante)  in- 
structis.  Semina  oblique  adscendentia,  oompressai  hilo  sapm  basin  laterali 
parvo;  embryo  cnr^atiis,  notorrhizns;  cotjledones  a  marginibns  compressae, 
erectae,  basi  carvatae;  radicola  brevis,  infera,  centripeta.  —  Arbor  alta. 
Folia  exstipalata,  decrescentim  pari-  vel  imparipinnata ,  foliolis  sab-5- 
jagis,  Serratia.  Thyrsi  axillares,  panicnliformes,  laxe  cincinnigeri,  ein- 
cinnis  8nb-6-floris  longins  stipitatis.  Flores  mediocres,  longinscnle  pe- 
dicellati,  pedicellis  articalatis. 

Species  1,  brasiliensis: 

D.  sorbifolia  Badlk.:  Foliola  snperiora  lanceolata,  5-6 cm  longa, 
inferiora  ovalia,  1—1,5  cm  longa,  omnia  snbtns  ad  nervom  mediannm 
petiolique  dense  pilosL  —  Brasilia:  Seilen.  2214;  Regnell  I  n.  118**, 
III  n.  1564  (Serra  do  Caldas,  prov.  Min«  Ger.,  m.  Sept.  florig.,  m. 
Jannar.  fhiot.) 

Durch  die  Gestalt  der  Blätter  erinnert  diese  Pflanze  zunächst  an 
Thouinidium  decandrum;  kaum  minder  an  TcvAicia  stana. 

Ausser  ihr  liegen  mir  aus  Brasilien  noch  zwei  unbeschriebene  Pflanzen 
vor,  welche  als  Typen  neuer  Gattungen  -—  Porocystia  und  Viloden- 
dron  —  erscheinen.  Dieselben  sollen  in  Zusatz  10  zu  Tabelle  I  kurz 
charakterisirt  werden. 

[1878.  3.  Math.-phjs.  Cl.]  20 


286  Sitzung  der  tnath.-phys.  Ckuse  vom  1,  Juni  1878. 

hanpt  mit  selir  verschiedenen  Charakteren  sich  vergesell- 
schaftend, bald  endlich  auch  wieder  als  einzige  erheblichere 
Verschiedenheit  auftretend  innerhalb  einer  Reihe  von  Pflanzen, 
welche  nach  allen  übrigen  Beziehungen  die  grosste  lieber- 
einstimmung  zeigen,  so  dass  es  der  Natnr  Gewalt  anthuen 
hiesse,  wollte  man  sie  nicht  in  ein  und  dieselbe  Gattung 
znsammen&ssen,  wie  sich  am  deutlichsten  bei  Sapindus  und 
Guioa  zeigt,  Damach  kann  der  Discusgestalt  fQr  sich,  wie 
schon  eingangs  angedeutet  wurde,  nicht  schlechthin  ein 
grosser  Werth  zugemessen,  und  kann  dieselbe  nicht  als 
gajbtnngsbildendes  Moment  ein  für  allemal  aufgefEusst  wer- 
den. Ihr  Werth  ist,  wie  das  bei  anderen  Charakteren  ja 
auch  zutrifft,  ein  wechselnder,  in  jedem  Falle  bedingt  durch 
die  neben  ihr  auftretenden  und  allenfalls  bei  einer  ganzen 
Reihe  von  Arten  mit  ihr  parallel  gehenden  Charaktere. 

Ich  komme  nun  zur  Erledigung  des  dritten  der  oben 
als  Gegenstand  weiterer  Erwägung  bezeichneten  Punktes, 
zur  Erledigung  der  Aufgabe  nämlich,  fQrden  formellen 
Inhalt  der  Gattung  einen  scharfen  und  bündi- 
gen Ausdruck,  für  die  Charakteristik  derselben  eine 
möglichst  gedrängte  Fassung  zu  finden. 

Diese  Aufgabe  unterliegt  nach  der  in  Tabelle  II  vor- 
genommenen Sichtung  der  zu  Sapindus  gehörigen  Arten 
keiner  Schwierigkeit  mehr.  Das  diesen  Arten  Gemein- 
schaftliche lässt  sich  leicht  überblicken.  Zugleich  zeigt  sich, 
dass  sogenannte  Uebergänge  zu  auderen  Gattungen,  auch 
den  nächst  stehenden,  nicht  vorhanden  sind,  dass  die  Gattung 
also  eine  scharf  abgegrenzte  ist. 

Die  Gattung  Sapindus  lässt  sich  kurz  bestimmen  als 
die  Gemeinschaft  derjenigen  Sapindaceen,  welche  in  nicht 
aufspringende,  flügellose  Pruchtknopfe  (cocci)  zerfallende, 
schwach  drupose,  d.  h.  mit  einem  dünnen  Endocarpe  aus 
bandartigen,  in  mehreren  Lagen  sich  schief  kreuzenden, 
klerenchymatischen  Zellen  versehene  Fruchte  besitzen  und 


Badlkofer:  Ueber  Sapindus  etc  287 

im  Fleische  dieser  in  Yergrosserten  Parenchymzelleu  Sapouin 
enthalten,  und  zwar  einerseits  nur  dieser,  andererseits  aber 
auch  aller  dieser,  gleichgiltig  ob  sie  regelmassige  oder  nn- 
regelmässige  Blüthen,  zarten  oder  derben  Kelch«  kahle 
oder  filzige  Früchte,  zusammengesetzte  oder  einfache  Blätter 
besitzen. 

Der  morphologische  Charakter  der  Fracht  als 
flügelloser  Spaltfracht  von  drupöser  Beschaffenheit  einerseits, 
der  anatomische  Charakter  des  Endocarps  und  Sarco- 
carps  andererseits,  dazu  noch  der  chemische  Charakter 
des  Sarcocarps,  diese  dreierlei  Charaktere  genügen,  um  so 
zu  sagen  das  Wesen  der  Gattung  Sapindus  zu  bezeichnen 
und  sie  für  jetzt  und  wahrscheinlich  für  immer  von  den 
übrigen  Gattungen  der  Sapindaceen  zu  unterscheiden. 

Es  möchte  nach  dem  bisher  bekannt  Gewordenen  fast 
scheinen,  als  ob  der  Saponingehalt  der  Frucht  allein  schon 
hinreichend  wäre,  um  die  Gattung  Sapindus  zu  kennzeich- 
nen. Dem  ist  aber  nicht  so.  Es  würde  niemals  angemessen 
sein,  ein  einziges  Moment,  und  noch  dazu  ein  chemisches, 
als  die  Basis  einer  Gattung  hinzustellen.  Besonders  hierauf 
gerichtete  Untersuchungen  haben  mir  aber  auch  gezeigt, 
dass  Saponin  oder  dem  Saponin  sehr  nahe  verwandte  Sub- 
stanzen auch  in  den  Früchten  anderer  Sapindaceen  vor- 
kommen und  ausser  in  den  Früchten  auch  in  den  Blättern, 
hier  besonders  den  Inhalt  jener  Zellen  und  Zellgruppen 
bildend,  welche  als  durchsichtige  Punkte  der  Blätter  von  je- 
her die  Aufmerksamkeit  auf  sich  gezogen  haben. 

Es  ist  auffallend,  dass  die  für  die  Sapindaceen  durch 
das  Verhalten  von  Sapindus  so  nahe  gelegte  Frage,  ob 
nicht  auch  bei  anderen  Gattungen  derselben  Saponin  vor- 
komme und  welche  Verbreitung  dasselbe  innerhalb  der  Fa- 
milie überhaupt  besitze,  noch  gar  keiner  Behandlung  unter- 
zogen worden  zu  sein  scheint,  obwohl  der  erste  Schritt 
zu     ihrer     Beantwortung,    das     Hervorrufen    seifenartigen 

20* 


288         Sitzung  der  matK-phys.  Olasae  vom  U  Juni  1878, 

Schanmes  durch  Schütteln  der  betreffenden  Pflanzentheile 
mit  Wasser  so  leicht  zu  machen  ist,  und  dieses  erste  Anzeichen 
durch  die  oben  bei  Sapindus  Saponaria  ang^ebenen  An- 
haltspunkte ftir  die  mikrochemische  Untersuchung  des  in 
besonderen  Zellen  in  bestimmter  Erscheinungsweise  als  aus- 
schliesslicher Inhalt  abgelagerten  Saponins  ebenfitlls  ohne 
Schwierigkeit,  wenn  auch  nicht  ohne  Mühe  und  Sorgfalt, 
weiter  verfolgt  werden  kann.  Weiter  freilich  als  bis  zu 
dem  Grade  der  Sicherheit  oder  Wahrscheinlichkeit,  welchen 
diese  mikrochemische  Untersuchung  gewährt,  lasst  sich  vor 
der  Hand,  und  so  lange  nicht  ausreichendes  Material  für 
die  makrochemische  Untersuchung  zur  Verfügung  steht,  die 
Sache  nicht  fuhren. 

Aus  der  Reihe  der  Untersuchungen,  welche  ich  in  der 
besagten  Richtung  an  den  mir  zur  Disposition  stehenden 
MateriaKen  durchgeführt  habe,  mag  hier  Folgendes  mitge- 
theilt  sein. 

Ausser  den  Sapindus- Arten  enthalten  in  ihren  Früchten 
Saponin,  respective  dem  Saponin  nahe  verwandte  Sub- 
stanzen die  Gattungen  ^')  Sarcapteryx,  Jagera,  Trigonnchrctö^ 
Lqndopetdlufn  und  BUghia,  und  zwar  in  allen  Arten  von 
denen  überhaupt  reife  Früchte  zur  Zeit  vorliegen.  Diesen 
schliessen  sich  zunächst  an  Chdoa^  Elattostachys  und  Har- 
pullia,  femer  Nqphelium  und  Xerospermum.  Bei  dieser 
zweiten  Reihe  von  Gattungen  zeigt  das  in  Rede  stehende 
Yerhältniss  übrigens  mannigfache  Modificationen.  Bei  Ouioa 
tritt  die  Schaumbildung  nur  in  schwächerem  Grade  auf, 
und  der  Schaum  vergeht  wieder  ziemlich  rasch.  Manche  Arten, 
wie  Ouioa  diplopetaia  und  pubescens^  zeigen  die  Schaum- 
bildung gar  nicht.  Diesen  fehlen  auch  die  durch  ihre  Ge- 
stalt  und  Grösse   ausgezeichneten  Zellen,    welche   bei    den 

23)  Yergleiche  über  die  hier  nnd  im  nächst  Folgenden  genannten 
neuen  Gattungen  und  Arten  die  mehrfach  erwähnte  Uebersicht  d«r  Sa- 
pindaceen  Hollandisch-Indiens. 


Eadlkofer:  lieber  Sapinäus  etc.  289 

übrigen  Arten  den  Sitz  der  betreffenden  Verbindung  bilden. 
Elattostachys  und  Harpullia  verhalten  sich  ähnlich  wie 
{jruioa.  Bei  Nephelium  tritt  die  Lösung  der  betreffenden  Ver- 
bindung und  somit  auch  die  Schaumbildung  m  der  Regel 
erst  beim  Erwärmen  der  Fruchtschale  in  Wasser  ein.  Von 
Xerosperimim  zeigen  die  Erscheinung  wieder  nur  einzelne 
Arten.  Bei  einer  Art,  Xerospermum  acuminatwm^  ist  die 
betreffende  Substanz  nicht  im  Pericarpe,  sondern  im  Em- 
bryo in  besonderen  Zellen  abgelagert.  Ein  Gleiches  findet 
sich  bei  Haplocoelum  inopleum  (s.  Zus.  5  zu  Tabelle  I)  fiir 
eine  vom  eigentlichen  Saponin  übrigens  in  ihtem  reactiven 
Verhalten  schon  beträchtlicher  abweichende  Substanz.  Gänz- 
lich erfüllt  von  einer  saponinartif^en  Substanz  ist  der  Em- 
bryo von  Filidum.  Man  wird  dadurch  auf  den  Gedanken 
gebracht,  dass  diese  Substanzen  bei  der  weiteren  Entwick- 
lung  des  Embryo  eine  wesentliche  Rolle  zu  spielen  haben. 

Nur  eine  oder  die  andere  Art  scheint  einen  saponin- 
art^en  Körper  zu  beherbergen  bei  den  Gattungen  Otophara 
und  Lepisanthes,  Ein  solcher  war  nachzuweisen  in  dem 
inneren  Theile  der  Fruchtwand  von  Otophora  amoena  und 
im  Pericarpe  von  Lepisanthes  heterolepis^  bei  letzterer  Pflanze 
ausgezeichnet  durch  doppelte  Brechung  des  Lichtes. 

Bei  d^r  Gattung  Sapindus  kommt  das  Saponin  nicht 
blos  in  den  Früchten,  sondern  auch  in  den  Blättern  vor, 
in  Zellen,  welche  die  kleinen  durchsichtigen  Punkte  der- 
selben bilden.  Dem  entsprechend  zeigen  auch  die  Blätter 
beim  Schütteln  mit  Wasser  Schaumbildung,  wenn  auch  in 
viel  schwächerem  Masse  als  die  Früchte,  üebrigens  zeigt 
nicht  bei  allen  Arten  der  Inhalt  der  betreffenden  Zellen 
gleich  deutlich  die  dem  Saponin  zukonmienden  reactiven 
Erscheinungen.  Daran  mögen  wohl  auch  mancherlei  schwer 
zu  controlirende  und  noch  schwerer  zu  eliminir^ade  Neben- 
umstände bei  der  Einwirkung  der  betreffenden  Reagentien 
unter  dem  Mikroskope  mit  schuld  sein. 


290         Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  1.  Juni  1878. 

Auch  bei  den  anderen  oben  genannten  Glatiangen,  deren 
FrSchte  eine  saponinartige  Verbindung  enthalten,  lässt  sich 
ftir  bestimmte  Arten  in  den  Blättern  ein  analoges  Vorkom- 
men constatiren.  So  z.  B.  bei  Sarcopteryx  squamosa  und 
melanophloea.  Nicht  dagegen  bei  Sarcopteryx  Martyana^ 
deren  Blätter  aber  auch  keine  durchsichtigen  Punkte  besitzen. 

Für  Smelophyllutn  ist  mir  das  Vorkommen  einer  sa- 
poninartigen  Substanz  nur  aus  der  Untersuchung  der  Blätter 
bekannt.     Früchte  standen  mir  nicht  zu  Gebote. 

Bei  VcUerufuelia  enthalten  nur  die  Blätter  eine  vielleicht 
noch  hieher  beziehbare,  von  dem  reactiven  Verhalten  des 
eigentlichen  Saponins  aber  schon  mehr  abweichende  Sub- 
stanz. Dieselbe  löst  sich  in  Schwefelsäure  ohne  oder  mit 
nur  schwach  gelber  Farbe.     Die  Früchte  sind  frei  davon. 

Bei  Haplocoelum  scheint  eine  von  dem  eigentlichen 
Saponin  ebenfalls  beträchtlicher  abweichende  Substanz  in 
den  durchsichtigen  Punkten  der  Blätter,  ebenso  wie  in  den 
Samen,  enthalten  zu  sein. 

Bei  den  meisten  Sapindaceen  mit  durchsichtig  punk- 
tirten  Blättern  enthalten  die  betreffenden  Zellen  einen  harz- 
artigen oder  gummiharzartigen,  in  Wasser  unlösUchen,  aber 
häufig  darin  erweichenden  Körper. 

Dass  auch  Pflanzen  aus  anderen  Familien  in 
ihren  Blättern  schaumbildende  Substanzen  enthalten,  welche 
aber  mit  dem  Saponin  nicht  in  näherem  Zusammenhange 
zu  stehen  scheinen,  weder  nach  ihrem  reactiven  Verhalten 
noch  nach  der  Art  ihres  Auftretens,  dafür  liefert  Oouania 
ein  Beispiel.  Die  Untersuchung  derselben  wurde  durch  den 
Versuch,  für  die  von  Hughes  unter  dem  Namen  „Soap- 
Berry-Bush^^  verstandene  Pflanze  eine  bestimmte  Deutung 
zu  finden,  veranlasst  (vergl.  Zusatz  36  zu  Tabelle  I).  Die 
Schaumbildung  rührt  hier   von  einem  amorphen,  gelblich- 


Badlkofer:  üeber  Sapindus  ete,  291 

weissen  Körper  her,  welcher  sich  in  den  Epidermiszellen 
der  oberen  Blattseite  abgelagert  findet.  Derselbe  ist  un- 
löslich in  Alkohol  nnd  wird  durch  essigsaures  Eisen 
schwarz  gefärbt,  erweist  sich  also  als  zur  Gruppe  der  gerb- 
stoffartigen Körper  gehörig.  In  Schwefelsäure  löst  er  sich 
mit  gelblicher  Farbe,  welche  auch  nach  längerer  Zeit  nicht 
in  Roth  übergeht. 

Bemerkenswerth  ist  es,  dass  die  Fruchte  einer  zu  den 
oben  genannten  Gattungen  gehörigen  Pflanze,  Blighia  sapida, 
essbar  und  wohlschmeckend  sind.  Auch  hierin,  wie  in  den 
mancherlei  schon  erwähnten  Modificationen  des  reactiven 
Verhaltens  gibt  sich  unzweifelhaft  zu  erkennen,  dass  wir 
es  in  der  Familie  der  Sapindaceen  nicht  überall,  wo  schaum- 
bildende und  in  ihren  Beactionen,  sowie  in  der  Art  ihres 
Auftretens  dem  Saponin  der  Sapindus-Früchte  entsprechende 
Substanzen  vorkommen^  mit  eigentlichem  Saponin,  sondern 
wohl  häufig  nur  mit  saponinartigen  Körpern  zu  thun  haben, 
deren  nähere  Kenntniss  uns  noch  fehlt.  Es  bleibt  künftigen 
Untersuchungen  überlassen,  uns  über  die  Stellung  derselben 
zum  Saponin  sowohl  in  chemischer  wie  in  physiologischer 
Beziehung,  gleichwie  über- die  physiologische  Bedeutung  des 
Saponin's  selbst,  nähere  Einsicht  zu  verschaffen. 

Es  übrigt  noch,  um  die  Betrachtung  der  Gattung 
Sapindus  nach  allen  der  Systematik  dienenden  Beziehungen 
zu  erschöpfen,  auch  ihre  geograp  hische  Verbreitung 
in's  Auge  zu  fassen. 

In  dieser  Beziehung  ist  gegenüber  den  bisherigen  An- 
gaben als  Resultat  der  in  den  beiden  folgenden  Tabellen 
gegebenen  Zusammenstellungen  hervorzuheben,  dass  weder 
in  Africa,  noch  auf  dem  australischen  Fest- 
lande nach  unseren  bisherigen  Kenntnissen  Sapindus- Arten 
einheimisch  sind.  Auf  dem  australischen  Festlande  ist  bisher 
überhaupt  keii;  epl^ter  Sapindus  gefunden  worden.  In  Afric» 


,.> 


292        8iUung  der  tnath^-phys.  Olwse  vom  1.  Juni  1878. 

ist  zwar  im  Sen^pdgebiet  und  anf  yerschiedenen  Inseln 
8apmdi48  Sapanaria  linn.,  aaf  der  Ostseite  (Madagascar), 
wenn  eine  betreffende  Herl>^riamaagabe  yerlässig  ist,  anch 
Sapindus  trifoUatus  Linn.  gefunden  worden,  aber  sicherlich 
nur  als  ähnliche  Eindringlinge ,  einerseits  von  America, 
andererseits  von  Asien  her,  wie  z.  B.  unter  den  Sapindaceen 
auch  fClr  Paullinia  pvnnata  der  Fall  ist,  welche  nicht  nur 
in  Senegambien,  sondern  zugleich  auch  an  der  Ostküste 
von  Africa,  auf  Madagascar  und  inZanzibar  sich  eingenistet 
hat.  Pflanzen,  welche  aus  diesen  Erdtheilen,  aus  Africa 
und  AustraUen  stammen,  mag  ebenso  wie  Pflanzen  mit  ess- 
baren Früchten  der  Eintritt  in  die  Gattung  Sapindw  in 
Zukunft  nicht  mehr  so  leichthin  gewährt  werden,  wie 
bisher. 

Das  Vorkommen  der  echten  Sapindus- Arten  beschränkt 
sich,  wenn  wir  von  den  erwähnten  Eindringlingen  in  Afirica 
absehen,  auf  das  wärmere  America,  die  ostliche  Hälfte  des 
wärmeren  Asiens  und  die  dazu  gehörigen  Inseln  und 
auf  die  zwischen  Asien  und  America  gelegenen  Inseln  der 
tropischen  und  subtropischen  Zone  —  möglichst  übersicht- 
lich ausgedrückt  also  auf  die  wärmere  Umrahmung 
des  stillen  Oceans  (wobei  aber  nicht  blos  an  Küsten- 
striche zu  denken  ist)  und  auf  die  zwischen  den  bei- 
den ümrahmungsstflcken  gleichsam  die  Brücke 
bildende  oceanische  Inselwelt. 

Allen  drei  Gliedern  dieses  Verbreitungsgebietes  kommen 
eigenthümliche,  autochthone  und  zum  Theil  endemische 
Arten  zu:  America  Sapindus  Saponaria^  aeuminatus^  Ma- 
natensis;  Asien  8.  Mukorossi^  haUcus^  trifoUatus^  Barak; 
dem  zwischenliegenden  Inselgebiete  8*  vitiensis  und  oähuensis. 

Sapindus  Mukorossi,  balicus^  vitiensis  scheinen  gleich- 
sam nur  Seitenzweige  des  auch  die  americanische  Arten- 
gruppe tragenden  Astes  der  Gattung  zu  bilden.  Sapindus 
trifoUatus  und  noch  mehr  Sapvndus  Barak  und  Sapindus 


Badlkcfer:  üeber  SapindtAs  etc.  293 

oahuensis  erscheinen  als  selbständigere  Glieder  der  Gattung, 
als  die  Spitzen  besonderer  Aeste  —  ob  alterer,  eben  im 
völligen  Versinken  begriffener,  ob  jfingerer,  neu  aufgetauch- 
ter und  weiterer  Gliederung  und  Auszweigung  enigegen- 
sehender,  ist  uns  bis  zur  Gewinnung  einer  Einsicht  in 
die  Yorweltliche  Gliederung  der  Gattung  leider  versagt  zu 
erkennen. 

Das  bezeichnete  Verbreitungsgebiet  ist  f&r  eine  Gattung 
Yon  so  Wenig  Arten  immerhin  ein  grosses»  ebenso  l¥ie  der 
Formenkreis  in  dem  sich  die  Arten  bewegen  im  Verhältniss 
zu  dem  der  übrigen  Sapindaceen-Gattungen  ein  grosser  ge- 
nannt zu  werden  verdient  mit  Rücksicht  auf  das  Vorkom- 
men von  regelmassigen  und  unregelmässigen  Blüthen,  von 
zusammengesetzten  und  einfachen  Blättern,  von  Blumen- 
blättern mit  deutlichen  und  ohne  deutliche  Schuppen. 
Beide  Beziehungen  weisen  auf  ein  hohes  Alter  der  Gattung 
hin.  Ihr  Stamm  mag  mit  zu  den  ältesten  der  Familie  der 
Sapindaceen  gehören. 

Sonach  erscheint  die  Gattung  Sapindus  in  der  That, 
und  trotz  der  hier  vorgenommenen  Beducirung  derselben 
auf  wenige  Arten,  wohl  geeignet,  der  Familie  selbst  ihren 
Namen  zu  geben. 


Tabelle  I. 

Als    Sapindus-Arten    irrthümlich    oder    ohne 

nachweisbare   Berechtigung    bezeichneiie,    aus 

der  Gattung  auszuschliessende  Pflanzen. 

Vorbemerkungen. 

1)  Für  die  meisten  der  hier  unter  fortlaufenden 
Nummern,  in  alphabetischer  Ordnung  und  mit 
Angabe  der  Zeit  ihrer  Veröffentlichung  aufge- 
führten Pflanzen  besteht  volle  Sicherheit  darüber,  dass  sie 
nicht  zur  Gattung  Sapindus  gehören,  nämlich 
für  alle  diejenigen,  welchen  eine  bestimmte  Interpre- 
tation beigefügt  ist. 

Nur  wenigen  Arten  konnte  eine  bestimmte  Interpre- 
tation nicht  beigefugt  werden.  Es  gehören  diese  zu  den 
mangelhaft  bekannten  Pflanzen,  welche  bisher 
kaum  irgend  Jemand  ausser  ihrem  jeweiligen  Autor  zu 
untersuchen  in  der  Lage  war.  Auch  f&r  diese  mangelhaft 
bekannten  Arten  erscheint  die  Ausschliessung  aus  der  Gat- 
tung Sapindus  mit  Bücksicht  auf  die  ihr  zu  Grunde  liegen- 
den Anhaltspunkte  grösstentheils  als  eine  vollkommen  ge- 
sicherte. Nur  für  ein  paar  derselben  fehlt  jeder  Anhalts- 
punkt,  um  über  die  ZugLrigkeit  oder  Nichtzogehörigkeit  zu 
der  oLttong.  deren  Zaea  !ie  bisher  feugenTein  sicheres 
ürtheil  gewinnen  zu  können.  Um  eine  Fernhaltung  aller 
fremden  Elemente  von  der  Gattung  Sapindt^  sicher  zu  er- 
reichen, wurden  auch  diese  vorläufig  und  bis  zur  etwaigen 
Gewinnung  von  positiven  Anzeichen  für  ihre  Zugehörigkeit 


Baälkafer:  üeher  Sapindua  etc.  295 

za  Sapindus  als  ansznschliessende  Arten  behandelt 
und  der  gegenwärtigen  Tabelle  eingefügt,  da  die  Aufstellung 
einer  besonderen  Tabelle  für  diese  wenigen  Fälle  nicht  an- 
gemessen erschien. 

2)  Wenn  zwei  oder  mehrere  Namen  (mit  der  Gattungs- 
bezeichnung iSn/'Mti^)  nicht  nur  in  dem  Sinne  synonym  sind, 
dass  sie  sich  auf  die  gleiche  Art,  sondern  in  dem  engeren 
Sinne,  dass  sie  sich  ausgesprochener  Massen  (d.  h.  nach 
directer  Angabe  oder  nach  dem  deutlich  erkennbaren  Ge- 
dankengange der  betreffenden  späteren  Autoren)  auf  das 
gleiche  Material  einer  bestimmten  Art  oder  doch  im 
wesentlichen  auf  dieses  beziehen,  gleichviel  ob  die  späteren 
Yon  ihnen  durch  absichtliche  Namensänderung,  oder  unab- 
sichtlich, z.  B.  durch  Schreib-  und  Gedächtnissfehler,  oder  wie 
immer  entstanden  sind,  so  wurden,  da  von  solchen  Namen 
alle  bis  auf  einen  übergangen  werden  können,  wenn  es  sich 
nicht  um  eine  Zählung  der  Bezeichnungen,  sondern  der 
unter  diesen  •  Bezeichnungen  bis  zu  einer  bestimmten  Zeit 
in  der  betreffenden  Gattung  aufgestellten  und  als  selb- 
ständig betrachteten  Arten  handelt,  die  übergehbaren  Namen 
durch  Einklammerung  der  betreffenden  laufenden 
Nummern  gekennzeichnet,  und  zwar  nach  Zweck- 
mässigkeitsgründen (und  namentlich  mit  Rücksicht  auf  deren 
allgemeinere  Geltung  in  jüngster  Zeit)  bald  die  älteren  bald 
die  jüngeren. 

Zugleich  sind  die  betreffenden  Synonyme,  welche  man 
die  „engeren*^  nennen  könnte,  durch  Anführung  der  ent- 
sprechenden laufenden  Nummern  am  Schlüsse  der  bezüglichen 
Interpretationen  unter  einander  in  Beziehung  ge- 
setzt. (Es  ist  überflüssig  auf  den  Unterschied  dieser  Syno- 
nyme Yon  solchen  weiter  hinzuweisen,  welche  aus  mehrmaliger, 
aber  ganz  unabhängig  von  einander  erfolgter  Bearbeitung 
und  Benennung  gleicher  oder  yerschiedener,  d.  h.  aus  ver- 


296         Sitzung  der  tiiatK-phys,  Classe  vom  1.  Juni  1878. 

schiedenen  Qaellen   stammender  Materialien   ein   nnd  der- 
selben Art  entstanden  sind.) 

3)  Durch  Yordmck  einer  stehenden  Doppellinie 
sind  diejenigen  Arten  gekennzeichnet,  für  welehe  eine  Eli- 
mination aus  der  Gattung  Sapindus  noch  nicht,  oder  nicht 
mit  Erfolg  bewerkstelliget  war,  welche  somit  als  Arten  der 
Gattung  Sapmdus  zur  Zeit  noch  gegolten  haben. 

Eine  einfache,  stehende  Linie  ist  denjenigen  Arten 
vorgedruckt,  für  welche  eine  Elimination  zwar  bewerkstelliget, 
aber  in  wesentlich  anderer  Form  zum  Ausdrucke  gebracht 
worden  war  als.  hier.  Als  unwesentlich  betrachte  ich  hie- 
bei  solche  Formverschiedenheiten,  welche  sich  aus  den  jetzt 
geltenden  Nomenclaturregeln  ergeben  (z.  B.  Jagera  ^errata 
Badlk.>  Biskit  Jagera Boxburghii  Bl. ;  Qlefmiea  umjuga  Badlk., 
statt  Glenniea  zeylanda,  non  „Hook,  f.",  Thw.),  oder  nur 
als  eine  Wiederaufnahme  bereits  früher  in  Gebrauch  ge- 
wesener Bezeichnungen  sich  darstellen  (z.  B.  LitcM  chinensis 
Sonn.,  statt  Nephelium  Litchi  Gamb.,  etc.). 

Ohne  vorgedrucktes  Zeichen  erscheinen  die- 
jenigen Arten,  deren  Eliminirung  schon  früher  in  der  an- 
geführten oder  einer  nur  unwesentlich  davon  verschiedenen 
Form  stattgefunden  hat. 

Die  mit  eingeklammerten  Nummern  versehenen  Kamen 
sind  von  dieser  Bezeichnung  ausgeschlossen  geblieben. 

Die  Gründe  für  die  betreffende  Bezeichnung  in  jedem 
Falle  liegen  meist  klar  zu  Tage  oder  ergeben  sich  aus  der 
Synonymie  der  betreffenden  Arten.  Eine  besondere  Dar- 
legung derselben  erschien  überflüssig. 

4)  Was  die  in  dieser  Tabelle  angeführten  Inter- 
pretationen betrifft,  so  ist  bei  denselben  folgende  Be- 
zeichnung in  Anwendung  gekommen  (auch  hier  übrigens 
abgesehen  von  den  unter  eingeklammerten  Nummern  aur- 
geführten  Pflanzen.) 


Eadlkofer:  Utber  Sapindua  etc.  297 

Bei  Namen,  deren  Znlässigkeit  und  Qrltigkeit  ejrst  bei 
der  Sichtung  der  betreffenden  Gattungen  entschieden  werden 
soll,  wurde  die  betreffende  Autorität,  inderenSinn 
der  Name  gebraucht  ist,  durchschossen  gedruckt. 

Ein  Rufzeichen  ist  beigefügt,  wenn  ich  die  ange- 
fahrte Deutung  auf  Grund  autoptischer  Untersuchung  vor- 
zuschlagen oder,  wenn  sie  schon  vorgeschlagen  war,  doch 
zu  vertreten  im  Stande  bin,  unbeschadet  natürlich  des  im 
Vorstehenden  soeben  ausgesprochene!)  Vorbehaltes. 

Andernfalls  ist  entweder  innerhalb  eckiger  Klam- 
mern der  Autor  angeführt,  welcher  für  die  betreffende 
Deutung  verantwortlich  ist,  oder  es  fehlt  die  eine  und 
die  andere  dieser  Beifügungen,  wenn  die  Deutung 
unmittelbar  aus  der  Synonymie  oder  aus  sonstigen  Bemer- 
kungen der  dabei  in  Betracht  kommenden  Autoren  sich  er- 
gibt (wie  z.  B.  bei  Sapindus  dmensU  Linn.,  Sapinäus  Pappea 
Sond.  etc.).< 

Nur  vermuthungsweise  und  ohne  Berathung  der  be- 
treffenden Materialien  aufgestellten  Interpretationen  ist  ein 
Fragezeichen  beigesetzt. 

Ein  Sternchen  ist  denjenigen  Interpretationen  als 
entsprechende  Hinweisung  beigefügt,  welche  schon  in  meiner 
„Uebersicht  der  Sapindaceen  Holländisch-Indiens*^  Erwäh- 
nung und  Beleuchtung  gefunden  haben. 

Eine  über  der  Zeile  stehende  Ziffer  weist  auf 
einei^  der  Zusätze  am  Schlüsse  des  Ganzen  hin. 

Gerne  hätte  ich  auch  die  Autoren  angeführt,  welche 
die  verzeichneten  Interpretationen  zuerst  aufstellten  oder  an- 
bahnten, nebst  den  betreffenden  Jahreszahlen.  Doch  Hess 
sich  das  in  entsprechender  Klarheit  nicht  durchführen  ohne 
näheres  Eingehen  auf  die  Synonymie  und  die  Geschichte 
der  einzelnen  Arten,  welche  seiner  Zeit  bei  der  Betrachtung 
der  betreffenden  Gattungen  Berücksichtigung  finden  wird, 
für  welche  aber  hier  kein  Baum  war. 


298        Sitzung  der  nuUh.'phya.  Classe  vom  i.  Juni  1878. 

5)  Fast  überflüssig  ist  es,  besonders  anzuführen,  dasa 
ich,  wie  es  in  neuerer  Zeit  üblich  geworden  ist,  abweichend 
von  Linne  und  anderen  älteren  Autoren  den  Namen  Sa- 
pindus^  entsprechend  seiner  Ableitung  aus  Sapo  indus  und 
ohne  Bücksicht  auf  die  altrömische  Auffassung  der  Bäume 
und  Straucher  als  weiblicher  Wesen,  durchgehends  alsMas- 
culinum  gebraucht  habe,  auch  in  den  von  Linne  und 
Anderen  herrührenden  Namen. 


1  II  S.  abyssinicus  Fresen.,  1837 

=  Aphania  senegalensis  Badlk.I'*'  (Y.  p.  241.) 

2  acutus  Wallich  Catal.  n.  8096  (non  Boxb.),  1847 

=  Engelhard tia  spec.  [Hiem.] 

3  I    '  adenophyllus  Wall.  Cat.  n.  8044,  1847 

=  Arytera  litoralis  B1.I* 

4  alternifolius  Hb.  Hamilt.  ed.  Wight.  &  Am.,  1834 

=  Erioglossum  rubiginosum  Bl.'*'  [W.  &  Am.] 

5  angustifolius  Wall.  ed.  Voigt  inH.  Calc.(nonBl.),1845 

=  Quid? 

6  arborescens  Aublet,   1775 

=  Cupania  Aubletii  Miq.  (excl.  exclud.)!  (Cf. n. 
58,  84.)  ^ 

7  arborescens   (non   Aubl.)    Miq.,    in  Linnea,    1844, 

coli.  Eappler  n.  1377 
=  Cupania  subrepandaMart.,  f. glabrior  Miq. !  ^ 

8  arborescens  (non  Aubl.)  Miq.  in  sched. coli.  Eappler 

n.  744,  ed.  Hohenack.   1846 
=  Cupania  laeyigata  Miq.!^ 

(9)       arborescens  (non  Aubl.)  Spreng.,  1825,  quoad  Sap. 
Senegal.  Poir.  et  patriae  indicat.  „Africa  occident." 
=  Aphania  senegalensis  Badlk.  (Cf.  n.  85.) 

10  II       attenuatus  WaU.  Cat.  n.  8037,  1847 

=  Aphania  rubra  Badlk.  I  ♦  (Cf.n.  77;  v.p.  238.) 

11  II     ?australis  Benth.,  1863 

==•  Atalaya  australis  (nonFerd.  Müll.)  Badlk. !  ^ 

12  II        azogius  Hb.  Hamilt.  ed.  Wall,  in  Cat.  n.  8041,  1847 

=  Erioglossum  rubiginosum  Bl.  ?** 


Radlhofer:  üeher  Sapindus  etc.  299 

13  I  S.  baccatus  Blanco,  1837 

=  Otophora  fruticosa  Bl.?** 

14  bengalensis  Roxb.  Ic.  941,  ed.  Wight&Arn.,  1834 

=  Euphoria  Longana  Lam.*[W.  &  Am.] 

15  II       bifoliolatus  Hiern,  1875 

^  Aphania  bifoliolata  Radlk.!*  (V.  p.  238.) 

16  I       bijugus  Wall.  Cat.  n.  8045,  1847 

=  Lepisantbes   tetraphyllaBadlk.*  [Hiern] 

(17)  capensis  Höchst.,  1 843, excl. syn.  „Papp. cap.Eckl.&Z." 

=  Deinbollia  oblongifolia  Badlk.  (Cf.n.48,67.) 

(18)  capensis  Höchst.  1843,  quoad  „Papp.  cap.  Eckl.  &Z." 

=  Pappea  capensis  Eckl.  &  Zeyh.  (Cf.  n.  71.) 

19  II       capensis  Sond.,  1859 — 60 

=  Smelophyllum  capense  Badlk.!^ 

20  II       cerasinus  Benth.  in  sched.  coli.  Spruce,  1851 

=  Talisia  cerasina  Badlk. I  ' 

21  chinensis  Linn.,   1774 

=  Eoelreuteria  paniculataLaxm.  (Cf.n.  70, 88.) 

22  I       cinereus    Oiinningh.  in  Hb.  Hook.    ed.  Asa  Gray  in 

Bot.  Wilkes  Exped.,  p.  258,  1854 
=  Alectryon  connatum  Radlk. I*^ 

23  II       cinereus  Turczan.,  1858 

=  Euphoria  cinerea  Badlk.! 

24  II       cultratus  Turczan.,  1858 

==  Trigonachras  cultra ta Badlk.  I* (Cf.n.  109.) 

25  II       cuspidatus  BL,  1847 

=  Aphania  cuspidata  Badlk.!*  (V.  p.  238.) 

26  II       Danura  Voigt,  1845 

=  Aphania  Danura  Badlk.!*  (V.  p.  238.) 

27  I       deficiens  Wight  &  Am.,  1834 

=  Lepisantbes  deficiens  Badlk.!* 

28  edulis  Ait.,  1789 

=  Litchi  chinensis  Sonn.* 

29  II       edulis  Blanco,  1845 

=  Erioglossum  rubiginosum  Bl.?** 

30  edulis  Bl,  1823 

^  Erioglossum  rubiginosum  Bl.  !♦  * 


300         Sitgung  der  math.-phya,  Ctaase  vom  1,  Juni  1876, 

(31)  S.  edulis  Spach  (\oco  S.  esctQeiit.),  1834 

=  Talisia  esculenta  Badlk.  (Gf.  n.  33.) 

32  II       erectus  Hiern,  1875 

=  Thraulococcus  erectus  Radlk.l*(V.p.  246.) 

33  II       esculentus  St.  Hil.,  1824 

=  Talisia  esculenta  Radlk.I  (Cf.  n.  31.)* 

34  fraxinifolius  DC,  1824 

=  Erioglossum  rübiginosum  Bl.I**® 

35  I       fraxinifolius  (n<m  DC.)  Hb.  Par.  ed.  Bl.,  1847 

=  Lepisanthes  pallens  Badlk.I* 

36  I       frutescens  Aubl.,  1775 

=  Pseudima  frutescens  Badlk.!*^* 

(37)  frutescens  (non  Aubl.)  Spr.,  1825,  quoad  S.  suri- 

namens.  Poir. 
=  Picraena  excelsa  Lindl.  (Cf.  n.  83,  93.) 

(38)  fruticosus  caudice   et  ramis  spinosissimis  etc. 

P.  Browne,  1756 
=  Zanthoxylum  sapindoidesDC.  (Cf.  n.  89.) 

39         fruticosus  Boxb.,  1814 

=  Otophora  fruticosa  Bl. !♦  (V.  obs.  4.) 

(40)       fruticosus    (non  Boxb.)    Wight  &  Arn.,  quoad  S. 
longifol.  Vahl,  1834 
=  Euphoria  Longana  Lam.  (Cfr.  n.  54.) 

41  I       glabratus  WaUich  Cat.  n.  8095,  1847 

~  Xerospermum  glabratum  Badlk.l* 

42  glabrescens  W.  Hook.  &  Am.,  1841 

=  Cupania  glabra  Sw.  I  ** 

(43)       Glenniei  Thwaites,  1864 

=  Glennieä  unijuga  Badlk.  (Cf,  n.  102.) 

44  II       guineensis  Don,  1831 

(=  Aphania  senegalensis  Badlk.*??  [W.  Hook.]) 
=  Deinbollia  pinnata  Schum. &Thonn.?  ^' 

(45)       Guisian  Blanco,  1845  (S.  Saponaria  Blanco  1837) 
=  Erioglossum  rubiginoäum  Bl.  ?(Cf.n.  81.) 

46  II       juglandif  olius  Camb.,   1825 

=  Cupaniea  altero  loco  interpretanda! 


Bctdlkofer:  lieber  Sapindus  etc.  301 

47    S.  Koelreuteria  Blanco,    1837  (Koelreuteiia  arborea 
Blanco,  1845) 
r=  Guioa  spec.?  [Bl.]  i* 

(48)       lachnocarpus   Höchst.,    in   PI.  Erauss.,     1839?; 
Flora  1843 
=  Deinbollia  oblongifolia  Eadlk.  (Cf.  n.  17,  67.) 

49  II       laurifolius  (non  Vahl)  Brunner  (in  Eeise  n.  Senegamb. 

p.  202),  1840 
Aphania  senegalensis  Radlk.  !*  (V. p.  242.) 

50  ji       laurifolius  (non  Vahl)  ZoU.  PI.  jav. n.  3459,  1847—48 

=  Hebecoccus  ferrugineuB  Eadlk.  !♦  (Cf.  n. 
124;  V.  p.  246.) 

51  lepidotus    Wall.  Cat.  n.  8036,  1847 

=  Aglaia  Wallichii  Hiem.  [Hiem.] 

52  longifolius  Hb.  Hamilt.  ed.  Wight  &  Am.,  1834 

=  Erioglossum  rubiginosum  Bl.*[W.&Am.] 

53  II       longifolius    (non„Willd."  resp.  Vahl)Eoxb.,  1813 

=  Euphoriopsis  Ion  gif  olia  Eadlk.  I*(Cf.  n.  75.) 

54  II       longifolius  Vahl,  1794 

=  Euphoria  Longana  Lam. ! ♦  (Cf.  n.  40.) 

55  II       lucidus  Desvaux  Herb.  ed.  Hamilton,   1825 

=  Hypelate  päniculata  Camb.!^^ 

56  II       marginatus  Bl.  in  Teysm.  &  Binn.  Cat.,  1866 

=  Quid?i« 

57  II       mauritianus  Hort.    Par.  in  Broussonet  Cat.  Hort. 

Monsp.,   1804 
=  Quid?!^ 

(58)       microcarpus  Dietr.,  Fr.  G.,  1808 

=   Cupania  Aubletii  M.  (Cf.  n.  6,  84.)         ^ 

59  II       microcarpus  Kurz.,   1875 

=  Aphania  microcarpa  Eadlk.  !*  (V.  p.  238.) 

60  II       microcarpus  Euiz  &  Pav.,  1802 

=  Allophylus  Cominia  Sw.!  ^® 

61  microcarpus  Wight  &  Am.,   1834 

—   Meliosma  Arnottiana  Walp. ! 

62  monogynus  Hb.  Heyne  ed.  Wall,  in  Cat.  n.  8049, 1847 

=  Euphoria  Longana  Lam.I* 

[1878  3.  Matb.-phys.  Cl]  21 


302         Siimng  der  mathrphys,  Glosse  vom  1,  Juni  187 8, 


63  II  S.  montanus  Bl.  1847 

=  Aphania  montana  BL  I*  (V.  p.  238.) 

64  II       montanus  (non  Bl.)  Teysm.  &Binn.  Cat.,  1865  (partim) 

=  Hebecoccus  ferruginens  EadlkJ*^* 

65  II       montanus  WaU.  Cat.  8041  C,  1847 

.=  Erioglossum  rubiginosum  Bl.?**^ 

66  multijugus  WaU.  Cat.  n.  8099,  1847 

=  Chisoclieton  paniculatus  Hiem?  [Hiem.] 

67  II       oblongifolius  Sonder,  1859—60 

=  Deinbollia    oblongifolia  Radlk.!  (Cf.  n. 

17,48.)" 

68  II       oblongus  Benth    in  sched.  coli.  Spruce,  1851 

=  Talisia  cerasina  Badlk.!  '* 

69  obovatus  Wight  &  Am.,  1834 

=  Blighia  sapida  Eoenig.  [Hiem.] 

(70)       paniculatus  Du  Mont  de  Courset  1802 

=  Eoelreuteria  paniculata  Laxm.  (Cf.  n.21,88.) 

71  Pappea  Sond.,  1859  —  60 

=  Pappea  capensis   Eckl.  &  Zeyh.  (Cf.  n.  18.) 

72  pinnatus  Roxb.  Ic.  89,  ed.  Hiem,  1875 

=  Erioglossum 'rubiginosum   Bl.*  [Hiem] 

73  II       pubescens   Zoll,  k  Moritzi,  quoad  coli.  Zoll.,  1846 

=  Guioa  pubescens  Badlk. !* 

74  II       pubescens  Zoll,  k  Moritzi,  quoad  coli.  Perrott.,  1846 

=   Guioa  Perrottetii  Radlk.!* 

(75)       Rar  ak  (non  DC.)  Wight  &  Am.,  1834,  quoad  S.  longi- 
fol.  (non  Vahl)  Roxb. 
=  Euphoriopsis  longifolia  Radlk.  (Cf  53.) 

76  I       regularis  Eorth.  ed.  Bl.,  1847  (Cupania  regul.  Bl.) 
=  Guioa  diplopetala  Radlk.I* 

(77)       ruber  Eurz,  1877 

=  Aphania  rubra  Radlk.  (Cf.  n.  10.) 

78  rubiginosus  Roxb.,  1795 

=  Erioglossum  rubiginosum  Bl.I*** 

79  II       rufescens  Turczan.,  1858 

==  Quid? 


Badlkofer:  üeber  Sapindua  etc.  303 

80  S.  salicifolius  DC,  1824 

=  Atalaya  salicifolia  BL!  (V.  obs.  2.) 

81  I       Saponaria  (non  L.)  Blanco  (S.  Guisian Blanco  1845) 

=  Erioglossum  rubigiDosumBl.?*(Cf.n.  45.)^* 

82  Saponaria  (nonL.sp.) Hb.  Linn.  ed. Hiem,  1875,  part. 

=  Erioglossum  rubiginosum  Bl.l*  ** 

(83)  Saponaria  (non  L.)  Eich.  PL  Cub.,   1845,  quoad  S. 

sxLrinamens.  Poir. 
=  Picraena  excelsa  Lindl.  (Cf.  n.  37,  93.) 

(84)  senegalensis  (non  Poir.)  Dietr.  P.  G.,  1838,  quoad  S 

arboresc.  Aubl.  et  patriae  indicat.   „Guiana" 
=  Cupania  Aubletii  M.  (Cf.  n.  6,  58.) 

85  II       senegalensis  Juss.  ed.  Poir.,   1804 

=  Aphania  senegalensis  Badlk.!'*'    (Cf.  n.9; 
V.  p.  238.) 

86  serratus  Roxb.,   1813 

.=  Jag  er  a  serrata  Radlk.  1* 

^  87  II       simplicifolius  Don,  1831 
-^  Quid? 

(88)       sinensis  Gmelin,  1791 

=  Koelreuteria  paniculata  Laxm.(Cf.  n.  21,  70.) 

89  spinosus  Linn.,  1762 

=  Zanthoxylum   sapindoides  DC.    [Lunan, 
DC]  (Cf.  n.  38.) 

90  II       squamosus  Roxb.,  1813 

=7   Sarcopteryx   squamosa  Badlk.  !'*' 

91  I       squamosus  (non Roxb.)  Wallicb  Cat. n.  8097,  1847 

=   Guioa  squamosa  Radlk.I* 

92  II       stellulatus  Turczan,   1858 

=  Euphoria  stellulata  Radlk.I 

93  II       surinamensis  Poir.,   1804 

=  Picraena  excelsa  Lindl. I  (Cf.  n.  37,  83.)  *^ 

94  II       surinamensis  (non  Poir.)  Turczan.,   1858 

=  Talisia  bemidasya  Radlk.I  *^ 

95  I       tetrapbyllus   Vahl,  1794 

=  Lepisanthes  tetraphylla  Radlk.I* 

21* 


304         Sitzung  der  math.-phys.  Ctasse  vom  1,  Juni  1878. 


96  II  S.  Thwaitesii  Hiern,  1875  (v.  p.  246) 

==  Thraulococcus    simplicifolius    Eadlk.  !'*' 

97  trifoliatus  (non  Linn.  Sp.  PI.)  Linn.  Syst.  Veg.,  Ed. 

Xn,  1767,  quoad  cit.  „Fl.  zeyl.  n.  603  ** 
=  Scheichera  trijuga  WiUd. 

98  II       trifoliatus  Turczan.,  1863 

=  Quid? 

99  I       tomentosus  Kurz,  1875  (Pancovia  t.  Kurz  1877) 

=  Quid?" 

100  travancorensis  Wallich  Cat.  n.  8047,   1847 

=  Canarium  commune  Linn.  [Hiern.] 

101  undulatus  WaU.  ed.  Voigt,  1845 

=  Euphoria  Longana  Lam. ?'*'  [Hiern.] 

102  unijugus  Thwaites,  1858 

=  Glenniea  unijuga  Radlk.I*  (Cf.  n.  43.)  ^^ 

103  II       verticillatus  Kurz  in  Pegu  Report,  1875 

=  Aphania  Danura  Radlk.I*  (V.  p.  238.) 

104  II       xanthocarpus  Klotzscb,  1862 

=:  Deinbollia  xanthocarpa  Radlk.!'^ 

105  (sp.)  Brown  Rob.,  1818, 

=  Deinbollia  insignis  Hook,  f.!  '^ 

106  „  Brown  Rob.,  1818,  partim 

=  Deinbollia  laurifolia  Baker,  partim!'* 

107  I         n  Brown  Rob.,  1818,  partim 

=  Deinbollia  oboyata  Radlk.I*^ 

108  II         „  Cuming  PL  philip.  n.  1170,  ed.  Hohenack. 

=  Lepidopetalum  Perrottetii  Bl.  1* '^ 

(109)         y  Cuming  PL  philip.  n.  1304,  ed.  Hohenack. 

=  Trigonachras  cultrata  Radlk.  (Cf.n.  24.) 

HO  I  „  Göring  U,  n.  38,  ed.  Turcz.,  1858 

=  Pometia  pinnata  Forst. ?*•• 

1 1 1  II         „  Hiern  („äff.  S. bifolioL,  coU.  Schomb.,  e  Siam"),  1875 

=  Aphania  microcarpa  Radlk.?*** 

112  II         n  Hostmann  PL  Surin.  n.  596, 

=  Toulicia  guianensis  AubL  I  '^ 

113  ,         n  Hughes  („Soap-Berry-Bush«),  1750 
=  Gouania  domingensis  Linn. ?*^ 


Badlkofer:  lieber  Sapindus  etc.  305 

114||S.  (sp.)?  Kew-Catalogue  Hb.  Griff,  etc.,  n.  1006/1,  1865 
=  Xerospermum  laevigatum  Radlk.  I'*^ 

115  „  Ph.  MiUer,  Ed.  VIII,  sub  Melicocca,   1768 

=  Melicocca  bijuga  Linn. 

116  „  ?  Miquel  in  Linnaea  XXTE,  coli.  Kegel  n.  268,  1849 

=  Cupania  laevigata  Miq.I'^ 

117  n  Miquel  in  scbed.  coli.  Hostm.  n.  600,  a,  ed.  Hoben.  1 846 

=  Cupania  Aubletii  Miq.!'^ 

118  „  Miquel  in  scbed.  coli.  Hostm.  &  Kappl.  n.  604,  a,  ed. 

Hobenack.  ca.   1844 
=  Tapiria  guianensis  Aubl.1 

119  II         „?  ZoU.  &  Moritzi,  coU.  ZoU.  1314,  1846 

=  Dialium  sp.  (?)! 

120  II         „  Spruce  PL  bras.  n.  1785,   1851 

=  Talisia  cupularis  Radlk. !  •» 

121  II         „  Spruce  PL  bras.  n.  3311,  1853—54 

=  Talisia  firma  Radlk.!»» 

122  II         „  Spruce  PL  bras.  n.  1992,  1855 

=  Talisia  acutifolia  Radlk.!  »» 

123  II         rt  Teysmann  &  Binnend.  Cat.  Hort.  Bogor.,  1866  (p. 

215  „Bourbon«) 
—  DeinboUia  borbonica  Scbeff.?'* 

(124)         „  Zollinger  PL  jav.  n.  3459,  1847—48 

=  Hebecoccus  ferrugineus  Radlk.  (Cf.  n.  50.) 

125  II         „  Zollinger  PL  jav.  n.  3466,  1847—48 
=  Aphania  montana  BL!**^ 

Nach  Abzug  der  bei  einer  Zählung  der  Arten  uber- 
gehbaren  19  unter  eingeklammerten  Nummern  aufgeführten 
(sieh  Vorbemerkung  2),  beläuft  sich  die  Zahl  der  aus- 
zu  seh  Hess  enden  Arten,  respective  der  die  Geltung 
solcher   in  Anspruch   nehmenden  Bezeichnungen  auf   106. 

Von  diesen  waren  53,  also  die  eine  Hälfte,  schon  früher 
ausgeschlossen  worden,  und  zwar  37  in  derselben  Form, 
16  in  anderer  Form  als  gegenwärtig;  53  gelangen  erst  hier 
zur  Ausschliessung. 


306         Sitzung  der  math.-phys,  Claase  vom  1.  Juni  1879, 

Von  den  in  Rede  stehenden  106  Arten  sind  7  vor  der 
Hand  gänzlich  unbestimmbar  (n.  5,  56,  57,  79,  87,  98,  99). 
Für  mehrere  derselben  sind  Materialien  sicher  vorhanden, 
waren  aber  bis  jetzt  leider  nicht  zu  erlangen.  Für  die 
zwei  von  Turczaninow  aufgestellten  Arten  (n.  79u.  98) 
sind  mir  dieselben  seit  mehr  als  einem  Jahre  durch  die 
gütige  Vermittlung  des  Herren  Dr.  Batalin  in  Aussicht 
gestellt,  aber  noch  nicht  eingetroffen, 

Die  übrigen  99  Arten  von  jenen  106  sind  wenigstens 
der  Gattung  oder  in  einem  Falle  der  Tribns  nach  bestimmt 
und  interpretirt  (wobei  nur  flir  wenige  eine  definitive  Fest- 
stellung der  Bezeichnung  nach  Vorbemerkung  4  vorbehalten 
ist):  darunter  von  den  früher  ausgeschlossenen  51,  und 
zwar  36  in  derselben  Form,  15  in  wesentlich  anderer  Form 
als  früher;  von  den  neu  ausgeschlossenen  48.  Für  33  der 
letzteren  und  12  der  ersteren,  im  ganzen  also  für  45,  war 
es  nothwendig,  neue  Namen  oder  Namencombinationen  zu 
schaffen,  und  zwar  38  an  der  Zahl. 

Für  fast  volle  drei  Viertheile  dieser  99  Interpretationen, 
für  71  nämlichi  war  mir  autoptische  Untersuchung  der  be- 
treffenden Materialien  möglich.  Von  den  übrigen  28  sind 
13  auf  die  Angaben  anderer  Autoren  hin  aufgeführt;  es 
betreffen  diese  grösstentheils  ostindische  Arten,  besonders 
von  Wal  lieh  und  Roxburgh,  von  welchen  Materialien 
aus  England  nicht  zu  erhalten  waren;  5  ergeben  sich  aus 
den  Anführungen  der  betreffenden  zu  berichtigenden  Autoren 
von  selbst  (n.  21,  28,  71,  97,  115);  10  endlich  habe  ich 
ohne  Kenntniss  der  betreffenden  Materialien  nach  anderen 
Anhaltspunkten  fragweise  au&ustellen  versucht  (n.  12,  13, 
29,  44,  65,  81,  110,  111,  113,  123). 

Die  wenigstens  bis  zur  Bezeichnung  der  Gattung  gehen- 
den 98  Interpretationen  schliessen  nach  den  hier  (jedoch 
unter  dem  in  Vorbemerkung  4  an  erster  Stelle  ausgesprochenen 
Vorbehalte)   aufgeführten   Bestimmungen  74  Arten  in  sich, 


Badlkofer:  üeher  Sapindus  etc,  307 

welche  sich  auf  43  Gattungen  aus  10  yerschiedenen  Familien 
vertheilen,   wie  folgende  in  allen  Theilen  alphabetisch  ge- 
ordnete Zusammenstellung  zeigt: 
Anacardiaceae: 

Tapiria  guianensis  Aubl.  (Sap.  sp.  Miq.) 
Burseraceae: 

Ganarium  commune  Linn.  (S.  travancorensis  Wall.) 
Gaesalpinieae: 

Dialium  sp.  (S.  sp.  Zoll.  &  Mor.) 
Juglandeae: 

Engelhardtia  sp.  (S.  acutus  Wall.) 
Meliaceae: 

Aglaia  Wallichii  Hiem  (S.  lepidotns  Wall.) 
Ghisocheton  paniculatus  Hiem  (S.  mnltijugus  Wall.) 
Rharaneae: 

Gouania  domingensis  Linn.  (S.  sp.  Hughes?) 
Sabiaceae: 

Meliosma  Amottiana  Walp.  (S.  microcarpus  W.  &  Arn.) 
Sapindaceae: 

Alectryon  connatum  Radlk.  (S.  einer.  Gunn.  ed.  Gray.) 
AUophylus  Cominia  Sw.  (S.  microcarpus  R.  &  Pav.) 
Aphania  bifoliolata  Radlk.   (S.  bifoliolatus  Hiem.) 
cuspidata  Radlk.  (S.  cuspidatus  Bl.) 
Danura  Radlk.  (S.  Danura  Voigt,  S.  ver- 

ticiUatus  Kurz.) 
microcarpa  Radlk.  (S.  microcarpus    Kurz, 

S.  sp.  Hiem?) 
montana  Bl.  (S.  montanus  Bl.,  S.  sp.  Zoll.) 
rubra  Radlk.  (S.  attennatus  Wall.) 
senegalensis   Radlk.  (S.  abyssinicus  Fres., 
guineensis  Don  ??,  cfr.  DeinboUia  pinnata, 
S.  laurifolius  Bmnn.,  senegalensis  Juss. 
ed.  Poir.) 
Arytera  litoralis  Bl.  (S.  adenophyllus  Wall.) 


n 
n 


308        Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  1,  Juni  1878, 

Atalaya  australis  Radlk.  (S.  australis  Benth.) 

n       salicifolia  Bl.  (S.  salicifolius  DC.) 
Blighia  sapida   Koenig  (S.  obovatos  W.  &  Arn.) 
CupaniaAubletiiMiq.  (S.  arborescens  Aubl.,  S.  sp.  Miq.) 
„       glabra  Sw.  (S.  glabrescens  W.  Hook.  &  Arn.) 
„       laevigata   Miq.   (S.   arborescens,   non  Aubl., 

Miq.,  S.  sp.  ?  Miq.) 
„       subrepanda  Mart.  forma  glabrior  Miq.  (S.  ar- 
borescens, non  Aubl.,  Miq.) 
DeinboUia  borbonica  Scheff.  (S.sp.  „eBourbon"  Teysra. 

&  Binn.?) 
„  insignis  Hook.  f.  (S.  sp.  R.  Brown.) 

„  laurifolia  Bak.,  pari.  (S.  sp.  R.  Brown.) 

„  oblongifolia  Radlk.  (S.  oblongifolius  Sond.) 

obüvata  Radlk.  (S.  sp.  R.  Brown.) 
pinnata  Shum.  &Th.  (S.  guineensis  Don?) 
xanthocarpa  Radlk.  (S.  xanthoc.  Elotzscb.) 
Erioglossum  rubiginosum  Bl.  (S.  alternifolius  Harn.  ed. 

W.  &  Arn.,  azogius  Harn,  ed  Wall.?, 
edulis  Blanco?,  edulis  Bl.,  fraxini- 
folius  DC,  longifolius  Harn.  ed. 
W.  &  Am.,  montanus  Wall.  ?,  })in- 
natus  Roxb.  ed.  Hiern,  rubiginosus 
Roxb. ,  S.  Saponaria  Bio.  Ed.  I.?, 
•  Saponaria  Linn.  H!b.  ed.  Hiern  part.) 
Euphoria  cinerea  Radlk.  (S.  cinereus  Turez.) 

„         Longana  Lam.   (S.   bengalensis  Roxb.  ed. 
W.  &  Arn.,  longifolius   Vahl,    mono- 
gynus  Heyne  ed.  Wall.,  undulatus  Wall, 
ed.  Voigt?) 
„  stellulata  Radlk.  (S.  stellulatus  Turcz.) 

Euphoriopsis  longifolia  Radlk.  (S.  longifolius  Roxb.) 
Glenniea  unijuga  Radlk,  (S.  unijugus  Thw.) 
Guioa  diplopetala  Radlk.  (S.  regnlaris  Eortb.  ed.  Bl.) 


» 


« 


Badlkofer:  lieber  Sapindua  etc.  309 

Gaioa  Perrottetii  Rndlk.  (S.  pubescens  Zoll.  &  Mor.  part.) 
„     pubescens  Radlk.  (S.  pubescens  Zoll.  &  Mor.  part.) 
„     squamosa  Badlk.  (S.  squamosus  Wall.) 
„     spec.  (S.  Koelreuteria  Blanco  Ed.  I?) 
Hebecoceus  ferrugineus   Badlk.   (S.  laurifolins  Zoll., 

montanus  Teysm.  &  Binn.  part.) 
Hypelate  paniculata  Camb.  (S.  lucidus  DesY.  ed.  Harn.) 
Jagera  serrata  Radlk.  (S.  serratus  Roxb.) 
Kölreuteria  paniculata  Laxm.  (8.  chinensis  Linn.) 
Lepidopetalum  Perrottetii  Bl.  (S.  sp.  Hohenack.) 
Lepisantlies  deficiens  Radlk.  (S.  deficiens  W.  &  Arn.) 
n  pallens  Radlk.  (S.  fraxinifolius  Hb.  Par. 

ed.  Bl.) 
„  tetraphyllaRadlk.  (S.  bijugus  Wall.,  tetra- 

phyllus  Vahl.) 
Litchi  chinensis  Sonn.  (S.  edulis  Ait.) 
Melicocca  bijuga  Linn.  (S.  sp.  Ph.  Miller.) 
Otopliora  fruticosa   Bl.  (S.  baccatus  Blanco?,  fruti- 

cosus  Roxb.) 
Pappea  capensis  Eckl.  &  Zeyh.  (S.  Pappea  Sond.) 
Pometia  pinnata  Forst.  (S.  sp.  Göring  ed.  Turcz.?) 
Pseudima  frutescens  Radlk.  (S.  frutesc.  Aubl.) 
Sacropteryx  squamosa  Radlk.   (S.  squamosus  Roxb.) 
Schleichera  trijuga  Willd.  (S.  trifoliat.  Linn.  Syst.  part.) 
Smelopbyllum  capense  Radlk.  (S.  capensis  Sond.) 
Talisia  acutifolia  Radlk.  (S.  sp.  Spruce.) 

ji       cerasina  Radlk.  (S.  ceras.  Benth.,  oblong.  Benth .) 
„        cupularis  Radlk.  (S.  sp.  Spruce.) 
„        esculenta  Radlk.  (S.  esculentus  St.  Hil.) 
„        firma  Radlk.  (S.  sp.  Spruce,) 
„        hemidasya  Radlk.  (S.surinam.,  nonPoir.,  Turcz.) 
Thraulococcus  erectus  Radlk.  (S.  erectus  Hiern.) 

„  simplicifolius  Radlk.  (S.  Thwait  Hiern) 

Trigonachras  cultrata  Radlk.  (S.  cultratus  Turcz.) 


310         Sitzung  der  tntUK-pTtya,  Classe  vom  /.  Juni  1878. 

Tonlicia  guianensis  Aubl.  (S.  sp.  Hostm.  PI.  Surin.) 

Xerospermnm  glabratum  Radlk.  (S.  glabratas  Wall.) 
„  laevigatum  fiadlk.  (S.  sp.  Gatal.  Eew.) 

Simarabaceae: 

Picraena  excelsa  Lindl.  (S.  snrinamensis  Poir.) 
Zanthoxyleae: 

Zanthoxylam  sapindoides  DG.  (8.  spinosos  Linn.) 


I 

■  ( 


Anhang  zu  Tabelle  i. 

Im  Anschlass  an  jene  Pflanzen  des  anmittelbar  voraus- 
gehenden Yerzeichnisses,  welche  nicht  blos  aus  der  Gattung 
Sapindus^  sondern  aus  der  Familie  der  Sapindaceen 
überhaupt  ausscheiden,  mag  hier  noch  eine  Reihe 
anderer  aufgeführt  sein,  welche  bisher  verschiedenen  Sapin- 
daceen-Gattungen  zugetheilt,  oder  als  Sapindaceen  schlecht- 
hin bezeichnet  worden  sind,  aber  gleichfalls  nicht  zur 
Familie  der  Sapindaceen  gehören. 

Ich  beschränke  mich  dabei,  ohne  übrigens  selbst  in 
dieser  Hinsicht  hier  Vollständigkeit  anzustreben  und  indem 
ich  z.  B.  absichtlich  die  betreffenden  Pflanzen  aus  Walli  ch*s 
Oatalog  und  andere,  für  welche  mir  Autopsie  oder  eine 
sonst  ausreichende  Grundlage  zu  ihrer  Deutung  fehlt,  über- 
gehe, auf  eine  Zusammenstellung  jener,  welche  bisher  meines 
Wissens  nicht  schon  am  rechten  Orte^  oder  wenigstens  nicht 
unter  Anfuhrung  der  hier  eben  zu  berichtigenden  Bezeich- 
nungen untergebracht  worden  sind,  sei  es  von  Anderen, 
sei  es  durch  mich  selbst  in  dieser  oder  in  anderen  Abhand-^ 
lungen.  Ich  füge,  wo  immer  das  möglich,  meine  Inter- 
pretation bei,  so  weit  dieselbe  eben  geht,  denn  obwohl  ich 
mit  Ausnahme  von  n.  29  und  33  die  betreffenden  Pflanzen 
sämmtlich  gesehen  habe,  war  es  mir  doch,  namentlich  beim 
Durchgeben  auswärtiger  Sammlungen,  durch  Zeit  und  Um- 


SadlJcofer:  Ueher  Sapindua  etc,  311 

stände  mehrfach  versagt,  Weiteres,  als  dass  dieselben  nicht 
zu  den  Sapindaceen  gehören,  zu  constatiren,  oder  höchstens 
noch,  zu  welcher  Familie  oder  Qattnng  sie  zu  rechnen  sein 
dürften,  zu  eruiren.  Möge  ihre  Erwähnung  an  dieser  Stelle 
za  baldiger  vollständiger  Erledigung  den  Anstoss  geben. 

Die  Einschliessung  der  laufenden  Nummern 
in  Klammern  hat  dieselbe  Bedeutung  wie  in  der  Tabelle  I 
selbst  (s.  d.  Vorbemerkung  2  hiezu). 

Entsprechende  Erörterungen  sind  als  Zusätze  beige- 
fügt, welche  den  zu  Tabelle  I  gehörigen  in  fortlaufender 
Nummerirung  angeschlossen  sind. 


1  Cupania  juglandifolia  Seem.Fl. Vit.II,  1865,p.46 

=  Quid? 

2  „laevigata    (non    „Miq.'^)  Hohenack.  in  PL  surin., 

Hostm.  n.  744  (ex  confusione  c.  Eappler  744) 

=  Terminalia  dichotoma   G.  Meyer  (teste 
Miq.  in  Stirp.  surin.  p.  61). 

3  9  (Dodonaea?)    Macgillivrayi    Seem.  Flor.  Vit. 

Ily  1865,  p.  46  in  annot. 
=  Quid?  (Cf.  n.  8.) 

4  „  trachycarpa  Griseb.  Pl.Wright.,  1860,  p.  169; 

coU.  Wr.  n.  103 

=  Trichilia  spondioides  Sw. 

(5)  „  ?8p.  Spruce  PI.  bras.  n.  1890,  ao.  1851 

=  Trichilia  septentrionalis  0.  DC.  (Of.  n.  40.) 

(6)  „  sp,  Turcz,  Bull.  Mose.   1858,  p.   406,  Metz  n.  835 

=  Amoora  Bohituka  Wight&Am.  (Cf.  n.  38). 

7  Dodonaea  discolor  Desf.  Oat.  PI.  Hort.  Paris.  Ed.  III, 
Addit.,  1832,  p.  457  (Spach.  Eist.  nat.  d.  Vög.,  Phan- 
erog.  m,  1834,  p.  70) 

=  Beyeria  viscosaMiq.  (Orotonv.Lab.,  1806).*^ 

(8)       „  ?Macgillivraei   Seem.  1.  supra  c. 
=  Quid?  (Cf.  n.  3.) 


312        Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  1.  Juni    1878. 

9     Dodonaea  ?serrulata  DC.  Prod.  I,  1824,  p.  617 
=  Wimmeria  serrulata  Badlk.  ** 

(10)  Ephielis  fraxinea  (non  W.)  Bertero  ed.  Oamb.,  Mem. 

Mus.  XVin,   1829,  p.37  (Trichüia?  sp.  Camb.  1.  c.) 
=  Hedwigia   balsamifera  Sw.  (Cf.  n.  17.) 

(11)  „  Patrisiana  Spreng.  Syst.  Veg.  U,  1825,  p.  223 

=  Inga  sp.  (Cf.  n.  18.) 

12     Euphoria  Malaanonan  Bio.  Fl.Filip.,    1837,   p.  286 
=  Anisoptera  Guiso  DC?  (Cf.n.l3.)" 

(13)       „  Nephelium  (non DC.) Bio.  ib. Ed.  U,  1845,  p.  200 
=  Anisoptera  Guiso  DC?  (Cf.n.  12.) 

14         „  sp.?  Zoll.  &  Mor.  n.   1314  („Sapindus  sp.?«) 

=  Dialium  sp.  (?)  (Cf.  supra  Tab.  I,  n.   119.) 

(15)     Hypelate  geniculata  Don  Gen.  Syst.  I,  1831,  p.  672 

=  Protium  Aracouchini  March.  (Cf. n.  19.) 

16  Eölreuteria    paniculata    (non  Laxm.)   Ejralik   PI. 

Tunetanae,  ao.  1854 
=  Melia  Azedarach  Linn. 

17  Matayba  guianensis  (non  Aubl.)  DC.  Prodr.  I,  1824, 

p.  609,  quoad  specim.  Berterian.  in  S.  Domingo  lect. 
=  Hedwigia  balsamifera  Sw.  (Cf.n.  10.)** 

18  „  Patrisiana  DC.  Prodr.  I,  1824,  p.  609 

=  Inga  sp.  (Cf.  n.  11.) 

19  Melicocca  geniculata  Spreng.  S.V.  11,  1825,  p.  220 

=  Protium  Aracouchini  March.  (Icica Ara- 
couchini Aubl.).  (Cf.  n.  15.)  *» 

20  „  sp.  Linden  coli.  n.  1547»  ao.  1843 

=  Zanthoxylum  sp.  (Cf.  n,  37.) 

21  Ornitrophe   Cobbe   Balbis  Hort.  Taur.,  1812,   p.  54 

=  Bhus   Toxicodendron  Linn.  (Cf.  n.  22.) 

(22)       „  integrifolia  Capelli  Hort.  Taur.,  1821,  p.  41 
=  Bhus  Toxicodendron  Linn.  (Cf.  n.  21.) 

23  Schieckea  Karsten   in  Bot.  Zeit.  VI,  1848,  p.  398 

=  Maytenus   toyarensis  Badlk.  *^ 

24  Schmidelia   bahiensis    Turcz.    Bull.    Mose,     1858, 

p.  398,  Blanchet  n.  2344 
=  Connarus  Blanchetii  Planch.  ^^ 

25  n  integrifolia   Tenore  Hort.  Neap.,  1845,    p.  65 

;=  Bhus  Toxicodendrob  Linn, 


BadUeofer:  üeher  Sapindua  etc,  313 

26  Schmidelia  oblongifolia  Baker  in  Oliy.  Fl.  trop. 

Afr.,  I,  1868,  p.  424 
=  Euphorbiacea.  (V.  p.  243,  annot.) 

27  „  ?  r  eflexa  Baker  in  Oliv.  Fl.  trop.  Afr.,  I,  1868,  p.  425 

=  Euphorbiacea.   (V.  p.  243,  annot.) 

(28)    Talisiae  affin.  Eunth  1.  infra  c. 

=  Eleutheria  nobilis  Tr.  &  PI.  (Cf.  n.  36.) 

29  Thouinia?  dicarpa  Turcz.,  Bull.  Mose.  1863,  p.  587 

=  Hymenocardia  lyrata  Tul.  (ex descript,), 

30  n  polygama  (non  G.  Meyer)  Miq.  in  PI,  Hohenack., 

Kappler  n.  1642 
=:  Trichilia  sp.  (V.  obs.  1.) 

31  »  sp.  Griseb.  in  PI.  Hohenack.,  Kappler  n.  2130 

===  Trichilia  sp.  (V.  obs.  1.) 

32  Sapindacea  Cat.  Kew.  Hb.  Griff,  etc.,  1865,  n.  1020/3 

=  Engelhardtia  polystachya  Eadlk.  *® 

33  „  DC.  Prodr.  Vm,  1844,  p.  270  (Halesia  temata  Blanco) 

=  Illigera  sp.  *• 

34  „  Funk  coli.  n.  819,  ao.  1843 

=  Zanthoxylum  sp. 

35  „  Galeotti  coli.  n.  4296,  ao.  1840 

=  Gouania  sp.  *® 

36  „  („Talisiae  affin.?«)  Kunth  in  Humb.  Bonpl.  K.  Nov. 

Gen.  etc.  VU,    1825,  p.   214  (Ed.  in    4«,  p.  276; 

Kunth  Synops.  IV,  p.  268) 
=  Eleutheria  nobilis   Tr.  &  PL  in  Ann.  Sc. 
nat.    1872,  XV,    p.  376  (Schmardaea    nobilis 
Karst.  Fl.  Columb.I,  p.  187,  t.  93).  (Cf.  n.  28.) 

(37)        „  Linden  coli.  n.  1547,  ao.  1843 

=  Zanthoxylum  sp.  (Cf.  n.  20.) 

38  »  Miq.  in  PI.  Hohenack.,  Metz  n.  835 

=  Amoora  Bohituka    W.  &  Am.  (Cf.  n.  6.) 

39  n  Miq.  in  PI.  Hohenack.^  Metz  n.  1559 

.=  Bischoffia  javanica  Bl. 

40  „  Spruce  PL  bras.  n.  1890,  ao.  1851 

=  Trichilia   septentrionalis  C.  DC.  in  Flor, 

bras.  Fase.  75,  1878,  p.  220.  (Cf.n.5.) 


314         Sitzung  der  math.-phya,  Classe  vom  1.  Juni  1878. 

Von  den  PflaDzen  dieser  Liste  sind  2  zur  Zeit  noch 
nicht  bestimmt,  nämlich  n.  1  und  3  (8),  beides  Pflanzen 
von  Seemann  aus  den  Fidji-Inseln  und  nur  flüchtig  von 
mir  in  London  gesehen. 

Die  übrigen,  theils  vollständig,  theils  wenigstens  der 
Gattung  oder  der  Familie  nach  bestimmt,  gehören  12  ver- 
schiedenen Familien  an,  welche  hier  in  alphabetischer  Ord- 
nung und  unter  Hinweisung  auf  die  betreffenden  Nummern 
der  Liste  noch  besonders  zusammengestellt  sein  mögen: 

Anacardiaceae:  n.  21;  (22);  25. 
Burseraceae:  (10);  (15);  17;  19. 
Caesalpinieae:  (11);  14;  18. 
Gelastrineae:  9;  23. 
Gombretaceae:  2;  33. 
Connaraceae:  24. 
Dipterocarpeae :  12;  (13). 
Euphorbiaceae:  7;  26;  27;  29;  39. 
Juglandeae:  32« 

Meliaceae:  4;  (5);  (6);  16;  (28);  30;  31;  36;  38;  40. 
Rhamneae:  35. 
Zanthoxyleae:  20;  34;  (37). 

Es  sind  das  grossentheils  dieselben  Familien,  von  denen 
mehrfach  Pflanzen  auch  in  die  Gattung  Sapindus  selbst 
sich  verirrt  haben,  wie  die  diesem  Anhange  unmittel- 
bar vorausgehende  Znsammenstellung  ersichtlich  macht.  Am 
stärksten  ist  von  solchen  Missnahmen  die  Familie  der  Me- 
liaceen  betroffen.  Es  ist  das  auffallend,  da  die  Meliaceen 
nicht  blos  durch  den  Bau  ihrer  Blüthen,  sondern  auch, 
was  die  meisten  der  hier  in  Frage  kommenden  Gattungen 
betrifft,  durch  Momente  des  Habitus,  besonders  durch  die 
Gestaltung  des  Blattes  (s.  ob.  8.  233  in  der  Anmerkung) 
und  häufig  durch  eine  eigenthtimliche  glanzlose  Glätte  der 
Blättchen  auch  flüchtigen  Blickes  nicht  schwer  von  sonst 
ähnlichen  Sapindaceen  zu  unterscheiden  sind. 


SacUhofer:  Ueher  Sapindus  etc,  315 

Weiter  ist  anflfiallend ,  dass  verhältnissmässig  häufig 
Pflanzen  aus  Familien,  welche  durchgehends  oder  £euit  durch- 
gehends  einfache  Blätter  besitzen,  für  Sapindaceen  ange- 
sehen worden  sind,  welchen  doch  in  nur  wenigen  Gattungen 
ausschliesslich  und  in  nicht  viel  mehreren  blos  bei  ein- 
zelnen Arten  (s.  ob.  S.  260)  einfache  Blätter  zukommen, 
was  grosse  Vorsicht  in  entsprechendem  Falle  nahe  legt. 


Tabelle  II. 

Als    Sapindus- Arten,     selbständige    oder    un- 
selbständige, mit  Recht  bezeichnete  Pflanzen. 

Vorbemerkungen. 

1)  Die  Tabelle  II  gibt  in  ähnlicher  Anordnung  wie  Ta- 
belle I  unter  fortlaufenden  Nummern,  in  alphabetischer  Reihen- 
folge und  mit  Angabe  der  Zeit  ihrer  Veröfientlichung  eine  Auf- 
zählung derjenigen  in  der  Literatur  (einschliesslich  veröffent- 
lichter Sammlungen)  bis  jetzt  unter  dem  Gattungsnamen  Sa^ 
pindus  aufgeführten  Pflanzen,  welche  sicher,  oder,  was  die 
mangelhaft  bekannten  Pflanzen  betrifft,  gemäss  bestimmter 
positiver  Anhaltspunkte  doch  sehr  wahrscheinlich  zur  Gattung 
Sapindus  gehören,  unter  Ausscheidimg  in  Synonyme  und 
eigentliche,    selbständige   Arten. 

Den  Synonymen  ist  der  Name  der  Art  beigesetzt, 
zu  welcher  sie  hier  gerechnet  werden. 

Die  eigentlichen  Arten  sind  durch  gesperrten 
Druck  hervorgehoben.  Für  sie  ist  das  Vaterland,  resp. 
der  Verbreitungsbezirk  namhaft  gemacht. 

2)  Die  Einklammerung  der  laufenden  Num- 
mern hat  dieselbe  Bedeutung  wie  in  Tabelle  I  (sieh  dort 
Vorbemerkung  2).  Auch  die  gegenseitige  Verweisung  bei 
den  betreffenden  Namen  ist  dieselbe  wie  dort. 

3)  Für  die  synonymischen  Namen  ist,  abgesehen  von 
jenen  mit  eingeklammerter  laufender  Nummer,  dorch  Vor- 
druck   einer    Doppellinie    oder    durch  Fehlen   dieses 


316         Sitzung  der  math.-^hys»  Glosse  vom  i.  Juni  1878, 

Zeichens,  ähnlich  wie  in  Tabelle  I,  angedeutet,  ob  dieselben 
erst  hier  oder  schon  früher  aus  der  Reihe  der  eigentlichen 
Arten  gestrichen  worden  sind  (vergl.  Vorbem.  3  zu  Tab.  I). 

4)  Ruf-  und  Fragezeichen,  femer  in  eckige 
Klammern  eingeschlossene  Autornamen,  gleich- 
wie auch  das  Fehlen  dieser  Bezeichnungen  am  Ende  der 
den  synonymischen  Namen  beigesetzten  Angaben  hat  die- 
selbe Bedeutung  wie  in  Tabelle  I  (s.  dort  Vorbemerkung  4). 
Auch  hier  ist  abgesehen  von  den  Namen  mit  eingeklammerter 
laufender  Nummer.  Das  Rufiseichen  ist  zwischen  Klammern 
gesetzt,  wenn  die  Materialien,  auf  deren  Autopsie  es  hin- 
deutet, nicht  unzweifelhaft  authentische  sind. 

Auf  die  Zusätze  ist  ebenso,  wie  in  Tabelle  I,  durch 
über  der  Zeile  stehende  Ziffern  hingewiesen,  welche 
die  Reihenfolge  der  zu  Tabelle  I  und  ihrem  Anhange  ge- 
hörigen unmittelbar  fortsetzen. 

5)  Das  unter  dieser  Ziffer  zu  Tabelle  I  Bemerkte  gilt 
selbstverständlich  auch  für  Tabelle  II. 


1  S.  abruptus  Lour.,  1790  =  S.  Mukorossi  Gt.  [EL] 

2  abstergens    Roxb.  Ic.  1235,  \  _       trifoliatus Limi '  «^ 

ed.  Wight  &  Am.,  1834     f  ~       tntoiiatU8i.imi.. 

3  acuminatus  Rafinesque,   1836.   —  America  borealis 

calidior  (Carolina,  Texas  etc.).  *^ 

4  acuminatus  Wall.  ed.  Royle, 

1839  (WaU.  Cat.  n.  8035, 
1847) 

5  acutus  Roxb.  Ic.   1965,  ed.  \  =       trifoliatus      Linn. 

Wight  &  Am.,  1834  J  [W.  &  Arn.] 

6  II       angulatus  Poir.,  1804  =       trifoliat.  Linn.?  *» 

7  angustifoHus  Bl.,  1847  =       Rarak  DC. !  »* 


==  S.  Mukoros.  Gaert. ! 


(8)        aromaticus   Endl.  Enchind.,  \  x  -i?  v  .  t  • 

^  ^  ,^--  1,  1      X    1         a  I  =  tnfouatus       Linn. 

1841 ,    spnalmate  loco   S.  >  ,p«  s 

emarginat.  Vahl  |  V    •     •        -^ 


Eadlkofer:  üeher  Sapindus  etc. 


317 


9  S.  balicus  Radlk.,  J878.   — 
60.)  " 

10  II  detergens  (non  Roxb.)  Cat.« 
Kewens.  Hb.  Griff,  etc.  n. 
1006/4,  1865,  quoad  spec. 
c.  Mus.  Paris,    communic. 

detergens  Eoxb.,   1814 


Insnla  malaica  Bali.  (Of.  n. 


11 
12 
13 
14 
15 

16 


17 

(18) 


(19) 

(20) 

(21) 

22 
23 


24 


=  S.  Barak  DC.  I  6« 


detergens  (non  Eoxb.)  Wall.  \    _ 
Cat.  n.  8042,  1847  I  "" 

divaricatus   Hb.    Willd.    ed.  I  _ 
Camb.,   1825  /  "" 

Drummondi  W.Hook.  &  Am.,  \ 
1841,  var.  o  |     " 

Drummondi  W.Hook.  &  Am.,  \  _ 
1841,  var.  /?  f  ~ 

emarginatus(nonVahl)Tenore  \ 
Hrt.  Neap.,  1845  (Pasquale  >  = 
Hort.  Neap.   1867)  ' 

emarginatus  Vabl,   1794  = 

emarginatus  (non Vabl)  Wigbt  \  _ 
&  Am.,  1834,  quoad  S.  de-  >  "^ 
terg.  Roxb.  i 

foliis  altemis  Thunb.,  1784  = 
(„jap.  Mukorossi") 

foliis  costae  alatae  innascenti-  = 
busPlum.— Toumef.,  1694 

foliis  oblongis  etc.  P.  Browne,  = 
1756 

Forsythü  DC,  1824  = 

fuscatus  Hb.  Harn.  ed.  Wall.  \  _ 
in  Cat.n.  8042,  1847  f 

inaequalis  DC,  1824 


[1878  3.  Matb.-phys.  Cl.] 


Mukorossi  Gaert.  I 
(Cf.  n.  18.) 

Rarak  DC ! 
Saponaria  Linn. ! 
acuminatus  Rafin.  I 
Saponaria  Linn.  I 

Mukoros.  Gaert.  !*^ 

trifoliatus    Linn. ! 
(Cf.  8,  37,  39.)  " 

Mukorossi  Gaertn. 
(Cf.  n.   11.) 

Mukorossi  Gaertn. 
(Cf.  n.  44.) 

Saponaria  Linn.(Cf . 
n.  53.) 

SaponariaLinn.(Cf. 
n.  53.) 

Saponaria  Linn. ! 
-=       Rarak  DC.  [Hiem.] 

Saponaria     Linn. ! 
(Cf.  n.  30.) 

22 


318  Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  1.  Juni  1878. 


25    S.  inaequalis  (non  DC.)  Tenore  \ 

Hort.    Neap.,   1845    (Pas-  [  =  S. 


Mukorossi  Gaert. !  *• 


26 


27 

28 


(30) 

(31) 
32 
33 
34 
35 
36 


(37) 


(38) 


(39) 

40 
41 


quäle  Hort.  Neap ,  1867) 

indicus  (non  Poir.)  Pasquale  \ 
Hort.  Neap.,  1867   (et  alii  [  = 
Hort.  Catal.)  i 

indicus  Poir.,  1804  = 

indicus  Beinwardt  ed.  Bl.  in  1  = 
Cat.,  1823  („Jarak«) 


} 


(29)       laurifolius  (non  Vahl)  Harn., 


1832,quoadEarakRumph.  >  = 
Hb.  Amboin.  ■' 

laurifolius    (non   Vahl)    Hb.      = 
Balbis  ed.  DC,   1824 

laurifolius  Vahl,  1794  = 

longifolius  (non  Vahl)  Bojer  \  __ 
Hort.  Maurit.,   1837  j 

longifolius    (non  Vahl,    nee.  \  

WiUd.Sp.)W.Enum.,  1809  J 

maduriensis  Perrott.  ed.  Du- 
chesne  in  PI.  util.,    1846 

Manatensis    Shuttelw.    in    PL 


) 


Rarak  DC. !  «• 

Saponaria  Linn.  (!)  ^  ^ 

Rarak   DC.   (V.    p. 
258.) 

RarakDC.(Cf.n.49.) 

Saponaria  Linn.  (Cf. 
n.  24.) 

trifoliatus  Linn.  (Cf. 
n.  56.) 

Rarak  DC.  (!)  «» 
SaponariaLinn. !  *' 


=     Rarak  DC.  ?  «* 


Rugel,    1845.    - 


America  borealis  calidior  (Florida).    (Cf.  n.  38.)  *^ 

ut.  \ 
}im  > 


marginatus    (non    W.)   aut.  \        ^  •     x      t^  n    . 

americ.    plur. ,    praesertim  '  =^  ^-  ^^^^^^us  Rafin ! 

Torrey  &  Gray,  1838 


(V.  n.  3.) 


marginatus  Cat.  Kewens.  Hb.  \  

Griff,  etc.  n.  1006/3,  1865,  [  "" 
sphalm.  loco  S.  emarginat.    i 

marginatus  (non  W.)  Gray  m  \  

Smithon.  Contr.  lU,  1852,  [  "" 
quoadS.Manatens.  Shuttel.  f 

marginatus  Walpers,    1842,      = 
sphalm.  loco  S.  emarg. 

marginatus  Willd.,   1809  = 

microcarpus    (non  R.    &  P.  1 

Don  1831,  quoad  descript.  | 


trifoliatus  Linn.  (Cf. 
n.  17.) 

Manatensis  Shuttel. 
(Cf.  n.  35.) 

trifoliatus  Linn.  (Cf. 

n.  17) 

Saponaria  Linn. !    *  * 

Saponaria  Linn.    ^'^ 


Badlhofer:  Üeber  Sapindw  etc.  319 

42  S.  moUis  Bl.,  1847  =  S.  trifoliatus  Linn.! 

43  II       Mukorossi  (non  Gaertn.)  Co-  |  _     trifoliatus  Linn. !  «» 

nnaldi,   1835  | 

44  Mukorossi  Gaertn.,  1788.   —  Japonia,  China,  India 

Orientalis.  (Cf.  n.   19.) 

45  oahuensis  Hillebr. ,    1869.   —  Insula  sandwiccensis 

Oahu.  ß» 

46  II       peruvianus  Walpers,  1843        =  S.  Saponaria  Linn. ! 

47  pinnatus  Miller,  1768?  =     Barak  DC? [DG.]  ^o 

48  polyphyllus  Roxb.  1814  =     Barak  DO.   [Kurz] 

49  Barak  DC.,   1824.   —  Insulae  malaicae,  Cochinchina, 

Pegu,Malacca  (introductus  in  ins.  Ceylon,  ins.  Sechellar. 
et  mascarens.).     (Cf.  n.  29,  54.)  ^^ 

50  II       rigidus  Miller,  1759  =S. Saponaria  Linn.! 

51  II       Byteh  Delile,   1813  -^     trifoliatus  Linn.  ^2 

52  Saponaria    (non  Linn.)   aut.  \  .     .         -r»  n 

^        .      ^1  ^-      I   ==     acummatus     Bann, 

amenc.   plur.,  praesertim  >  rr»  o    n 

ElUot,  1821  /  '^"^•1 

*53  Saponaria  Linn.  Sp.  PI,  Ed.  I,  1753.  —  America 
tropica  et  subtropica,  Polynesia,  ins.  Philippinenses 
(translatus  ad  Africae  oram  occidentalem,  ins.  mas- 
carenses  etc.).    (Cf.  n.  20,  21,  58.)^' 

(54)       Saponaria  (non  Linn.  Sp.  PI.  1 

Ed.  I)  Linn.  Sp.  PI.  Ed.  H,  I  =     S.  Barak  DC.  (Cf.  n. 
1762,quoadBarakBumph.  j  49.)  ^* 

Hb.  Amboin.  J 

55  stenopterus  DC,  1824  =     Saponaria  Linn.  I 

56  trifoliatus  Linn.  Sp.Pl.  Ed.  I,  1753.  —  India orien- 

talis,Persia?  (translatus  ad  ins,  Madagascar).  (Cf.n.31.) 

57  vitiensisA.  Gray,   1854.   —  Insulae  Viti. 

(58)       (sp.)  Linnö  Hort.  Cliff.,  1737      =  S.  Saponaria  Linn.  (Cf. 

n.  53.) 
59  II      (sp.)?  Spruce  PI.  brasil.,  1852      =     Saponaria  Linn. ! 

(60)       (sp.)  Teysm.  &  Binn.  Cat.  Hrt.  \ 

Bogor.,     1866     (p.      215  [  =     balicus  Badlk.    (Cf. 
„Balie«)  f  n.  9.) 

22* 


320  Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  1.  Juni  1878. 

Nach  Abzug  der  bei  einer  Zählung  der  Arten  tiber- 
gehbaren  14,  welche  unter  eingeklammerten  Nummern  auf- 
geführt sind  (s.  Vorbemerkung  2),  beläuft  sich  die  Zahl  der 
bisher  in  der  Literatur  (und  ihr  gleich  zu  achtenden 
veröffentlichten  Sammlungen)  enthaltenen  zu  Sapindus 
gehörigen  Pflanzen  auf  46. 

Diese  reduciren  sich  auf  9  Arten.  Eine  davon  war 
bisher  als  Synonym  betrachtet  (S.  Manatensis  Shuttelw.), 
eine  andere  unter  einem  irrig,  aber  ziemlich  allgemein  auf 
sie  angewendeten  Namen  als  Art  angesehen  worden  (S.  acu- 
minattis  Raf  unter  dem  Namen  S.  marginatus  Willd.), 
welcher  Name  nur  gelegentlich  seinem  wahren  Werthe  ent- 
sprechend (als  Synonym  von  S.  Sapmaria  L.)  aufgefasst  worden 
ist  (von  A.  Richard,  s.  Zusatz  n.  66). 

Als  blose  Synonyme  erscheinen  von  den  obigen 
46  Pflanzen,  resp.  Pflanzenbezeichnungen,  37. 

Von  diesen  waren  bald  mehr,  bald  weniger  entschieden 
schon  früher  als  Synonyme  betrachtet  worden  23;  14 
werden  erst  hier  in  die  Reihe  der  Synonyme  verwiesen. 

Für  die  Deutung  von  26  dieser  37  Synonyme  ist  die 
Gewähr  autoptischer  Untersuchung  gegeben,  welche  sich 
übrigens  in  2  Fällen  (S.  indicus  Poir.,  S,  longifolivs 
Bojer)  auf  Materialien  von  nur  unsicherer  Authenticität 
stützt.  Von  den  übrigen  11  beruhen  6  auf  den  Angaben 
anderer  Autoren;  es  sind  das  mit  Ausnahme  von  zweien 
ostasiatische  (indische  und  cochinchinesische)  Pflanzen ;  3  er- 
geben sich  aus  den  Anführungen  der  betreffenden  zu  be- 
richtigenden Autoren  selbst  mit  befriedigender  Sicherheit 
(u.  28,  41,  51);  2  endlich  lassen  sich  nach  den  darüber 
vorhandenen  Mittheilungen  zur  Zeit  nur  fragweise  deuten 
(n.  6  u.  34). 

Diese  37  Synonyme  vertheilen  sich  auf  5  Arten  in 
folgender  Weise:     Es  treffen 


Badlkofer:  Ueher  Sapindus  eic.  321 

auf  S.  Saponaria  12  (S.  diyaricatas,  Drummondi /?,  For- 
sythii,  inaequalis  DC,  indicus  Poir.  ? ,  longifolius 
W.  Enum. ,  marginatus  W.,  microcarpus  Don, 
perayianus,  rigidus,  stenopterus,  S.  spec.  ?  Spruce); 

»  S.  Rarak  10  (S.  angustifolius ,  detergens  Cat.  Eew., 
detergens  Wall.,  fuscatus,  indicus  Pasq.,  indicus 
Reinw.,  maduriensis  ?,  longifolius,  Boj.?,  pinnatus, 
polyphyllus) ; 

»  S.  trifoliatns  7  (S.  abstergens.,  acutus,  angulatus?, 
emarginatus  Yahl,  moUis ,  Mukorossi  Gorin., 
Ryteh) ; 

>  S.  Mukoros8i5(S.  abruptus,  acuminatus  Wall.,  deter- 

gens Roxb.,  emarginatus  Ten.,  inaequalis  Ten.) ; 
»    S.  acuminatus  3  (S.  Drummondi  a,  marginatus  aut. 
americ.  plur.,  Saponaria  aut.  americ.  plur.). 
Dazu  kommen  von  SynoQymen  (mit  dem  Gattungsnamen 
Sapindus)  bei  Berücksichtigung    der   mit  eingeklammerten 
Nummern  versehenen  Namen: 
auf  S.  Saponaria    noch  4  (n.  20,  21,  30,  58),    im 

ganzen  also  16; 
»    S.  Rarak  »      2  (n.  29, 54),  >        >     12; 

»    S.  trifoliatus        »      4  (n.  8,  31,  37,  39),  »         »     11; 

>  S.  Mukorossi        >      2  (n.  18,  19),  >        >       7; 
»    S.  Manatensis  femer  1   (n.  38),  »        »       1; 

>  S.  balicus  ebenso  1  (n.  60),  »        »        l. 

Kein  Synonym,  d.  h.  keines  der  in  Taballe  II  berühr- 
ten (mit  dem  Gattungsnamen  iSa2>«^e2t«6[),  fällt  aufS.  oahu- 
ensis  und  S.  vitiensis. 

Für  die  hier  als  giltig  angesehenen  9  Arten  war  nur 
in  einem  Falle,  nämlich  für  8,  acuminatus  Raf.,  die  Au- 
topsie betreffender  Originalien  nicht  zu  erlangen,  welche  aus 
America  erhaltener  Nachricht  gemäss  überhaupt  kaum  mehr 
existiren  dürften. 


322  Sitzung  der  math.'phys.  Glosse  vom  1,  Juni  1878, 

Das  Gesammtresultat  der  in  Tabelle  I  und 
II  Yorgenommenen  Sichtung  des  auf  Sapindus 
bezüglichen  Materiales  ist  folgendes: 

Die  Summe  der  bisher  aufgestellten  Sapin- 
dus-Arten, oder  genauer  genommen  der  bisher  für  ver- 
meintliche und  wirkliche  Sapindus-Arten  aufgestellten  Be- 
zeichnungen mit  dem  Gattungsnamen  Sapindus  (also  mit 
Ausschluss  der  vor  der  Constituirung  der  Gattung  durch 
Linne,  i.  J.  1737,  gebrauchten  und  mit  Ausschluss  der 
einen  anderen  Gattungsnamen  tragenden  Synonyme)  beträgt 
185  (125  Tabelle  1  +  60  Tab.  II)  und  nach  Abzug  der 
33  (19  Tab.  1+14  Tab.  II)  mit  anderen  auf  dieselben 
Materialien  sich  beziehenden  (durch  Einklammerung  der  be- 
treffenden Nummern  gekennzeichneten)  152. 

Von  diesen  152  Bezeichnungen  betreffen  Pflanzen, 
welche  nicht  zur  Gattung  Sapindus  gehören, 
106.  Davon  waren  53  schon  früher  als  nicht  zu  Sapindus 
gehörig  bezeichnet ;  53  wurden  es  hier  (s.  Tabelle  I). 

Aufpflanzen,  welche  zu  Sapindus  gehören, 
beziehen  sich  von  obigen  152  Bezeichnungen  46.  Von  diesen 
bleiben  nur  9  für  die  allein  als  giltig  und  selbständig 
anzusehenden  Arten  erhalten;  die  übrigen  37  treten 
in  die  Reihe  der  Synonyme  zurück,  auf  5  der  giltigen 
Arten  sich  vertheilend.  Von  den  37  Synonymen  waren  23 
schon  früher  als  solche  bezeichnet  worden;  14  wurden  es 
hier  (s.  Tabelle  II). 

Aus  der  Reihe  giltiger  Artbezeichnungen  mit  dem  Gat- 
tungsnamen Sapindus^  oder  nach  kürzerer  üblicher  Sprech- 
weise, aus  der  Reihe  der  Arten  von  Sapindus 
treten  also  überhaupt  143  (106  Tab.  I  +  37  Tab. II), 
das  ist  noch  etwas  (um  2  Arten)  mehr,  als  die  Gattung 
Jahre  ihres  Bestehens  zählt,  und  zwar  67  (53  Tab.  1+14 
Tab.  II)  von  diesen  143,  also  nahezu  die  Hälfte,  erst  an 
dieser  Stelle. 


Ecidlkofer:  üeber  Sapindus  etc.  323 

Unter  Hinzurechnung  der  durch  die  einfache  stehende  Linie 
in  Tabelle  I  angedeuteten  Modificationen,  16  an  der  Zahl,  steigt 
die  Summe  der  wesentlichen  Veränderungen, 
welche  bei  gegenwärtiger  Revision  der  Gattung  Sapindus 
in  den  Auffassungen  des  auf  sie  bezogenen  und  (laut  Ta- 
belle II)  zum  Theile  wirklich  zu  beziehenden  Materiales  vor- 
zunehmen waren,  auf  83.  Und  damit  ist  die  Zahl  derartiger 
Veränderungen  noch  nicht  erschöpft ;  denn  es  ist  ja  hier  nur 
die  Rede  von  den  in  den  vorstehenden  Tabellen  verzeichneten 
Auffassungen,  welche  unter  der  speciellen  Ueberschrift  „iSla- 
pindus^*^  zum  Ausdrucke  gelangt  sind,  nicht  auch  von  jenen 
gleichfalls  auf  Sapindus  sich  beziehenden,  welche  unter  einer 
anderen  Ueberschrift  (sei  es  Cupania  oder  Zanthoxylum, 
Bittelasma  oder  Pancovia  u.  s,  w.)  zu  Tage  getreten  sind, 
und  welche  nicht  hier  Erwähnung  finden  konnten,  sondern 
nur  in  dem  vorausgehenden  oder  folgenden  Theile  (s.  S.  258, 
S.  259  Anmerk.  9,  S.  272  und  Zusatz  73). 

Es  gibt  das  keine  sehr  erfreuliche  Vorstellung  von  dem 
gegenwärtigen  Zustande  der  systematischen  Botanik,  hundert 
Jahre  nach  Linne's  Tod!  Doch  ist  dieser  Zustand  leicht 
erklärlich,  wenn  man  bedenkt,  dass  noch  keinerlei  Organi- 
sation der  Arbeit,  jetzt  so  wenig  wie  zu  Linnens  Zeit  für 
diesen  Zweig  der  Wissenschaft,  für  dessen  Förderung  sie  so 
noth wendig  wäre,  besteht.  Organisation  der  Arbeit  ist  es 
sicherlich  nicht,  wenn  10  Arbeiter  an  10  verschiedenen 
Orten,  mit  je  V*®  des  zu  einer  erspriesslichen  Arbeit  in 
seiner  Gesammtheit  gerade  dürftig  ausreichenden  Materiales 
und  in  ^jto  der  dazu  nothwendigen  Zeit  dasselbe  Ziel  an- 
streben, so  dass  die  aus  der  Mangelhaftigkeit  des  gesammten 
Materiales  immer  noch  resultirenden  und  zur  Zeit  kaum  ver- 
meidlichen  Fehler  auch  richtig  verzehnfacht,  wenn  nicht  in 
noch  höherem  Masse  vervielfältiget  werden.  Zu  helfen 
wäre  leicht,  aber  nur  mit  vereinten   Kräften. 


Zusätze. 


A.  Zusätze  zu  Tabelle  I. 

1.  Die  Ueberführung  von  Sapindus  arhorescens  Aublet 
in  Cupania  Aubletii  Miquel  wurde  von  letzterem  Autor  in 
den  Stirpes  surinamenses  selectae  (1850)  auf  Grund  der 
Identificirung  einer  von  „Kapp  1er"  (oder  der  Etiquette 
nach  von  Hostmann)  gesammelten  Pflanze  —  nämlicli  der 
von  Hohenacker  mit  der  Bezeichnung  Sapindm  (spec.) 
Miq.  i.  J.  1846  herausgegebenen  Nummer  600,a  der  Host- 
mann-Kappler'schen  Pflanzen  —  mit  der  betreffenden 
Aublet 'sehen  Beschreibung  und  Abbildung  vorgenommen. 
Ich  kann  nach  directer  Vergleichung  der  Aublet'schen 
Originalpflanze  mit  der  Eappler's  die  Richtigkeit  der 
ÄliqueTschen  Annahme  von  der  Uebereinstimmung  beider 
bestätigen.  Als  unrichtig  dagegen  muss  ich  es  bezeichnen, 
wenn  Miquel  zugleich  die  Thouinia  polygama  (j,  Meyer 
(1818)  mit  den  eben  erwähnten  Pflanzen  in  Verbindung 
bringt.  Meyer's  Pflanze  ist  höchst  wahrscheinlich  nicht 
einmal  eine  Sapindacee.  Ebensowenig  kann  ich  sie  in  der 
von  Miquel  in  Linnaea  1844,  p.  755  als  Thouinia  pdly- 
^raiwa  Mey.  bezeichneten  Meliacee,  Eappler  n.  1642,  er- 
kennen, oder  in  der  später  als  Thouinia  spec.  vonGrise- 
bach  (laut  autographirter  Etiquette)  bestimmten  Meliacee, 
Eappler  n.  2130.  Meyer 's  Pflanze  mag  eine  unklar 
aufgefasste   Simarubacee   oder  ein  Gemisch  von  zweierlei 


Eadlkofer:  lieber  Sapindus  etc.  325 

Pflauzen  sein.  Mit  voller  Sicherheit  wird  sich  das  schwer- 
lich mehr  eruiren  lassen,  da  das  betreffende  Original  (nach 
brieflicher  Mittheilung  von  Grisebach)  nicht  mehr  vor- 
handen sein  soll.  Eine  andere  Pflanze  allerdings,  welche 
Miqnel  i.  J.  1849  als  Thouinia  polygama  Mey.  bestimmt 
hat,  d.  i.  Kapp  1er  n.  1829 ,  gehört  als  identisch  mit 
Eappler  oder  Hostmann  n.  600,a  zn  Cupania  Aubletii 
Miq.,  wie  auf  späteren  (autographirten)  Etiquetten  der  be- 
treffenden von  Hohenacker  edirten  Sammlung  richtig 
angegeben  ist.  Mit  Meyer^s  Pflanze  hat  diese  Thouinia 
polygama  so  wenig  zu  schaffen,  wie  die  von  Miquel  i.  J. 
1844  so  genannte. 

lieber  zwei  andere,  unter  7  und  8  der  Tabelle  aufge- 
führte Pflanzen  der  Kapp  1er 'sehen  Sammlung  (n.  1377 
und  n.  744),  welche  Miquel  früher  irriger  Weise  für  Sapin- 
dus  arhorescens  Aubl.  bestimmt,  in  den  Stirpes  surinamenses 
(1850)  aber  anders  gedeutet  hat,  behalte  ich  mir  das  eigene 
Urtheil   für   eine  Betrachtung  der    Gattung    Cupania  vor. 

Ebenso  auch  ein  näheres  Eingehen  auf  die  Aubl  er- 
sehe Pflanze  selbst. 

2.  Da  Atalaya  australis  Ferd.  Müll.  (Fragm.  Phytogr, 
Austral.  I,  1858 — 59),  hervorgegangen  aus  Thouinia  austra- 
lis A.  Rieh.  (Sertum  Astrolab.,  1834),  nur  ein  Synonym 
von  Atalaya  salicifolia  Bl.  (Rumphia,  1847)  ist,  so  steht 
nichts  im  Wege,  den  von  Bentham  in  Sapindus  austra- 
lis gebrauchten  Speciesbeinamen  in  Atalaya  australis  Radlk. 
zu  erhalten. 

Die  Pflanze,  welche  Bentham  bei  Aufstellung  seines 
Sapindus  australis  vorlag,  und  welche  ich  gesehen  habe, 
besitzt  keine  Früchte  und  überhaupt  nur  männliche  Blüthen. 
Aber  auch  an  diesen  ist  aus  der  Gestalt  des  Pistillrudimen- 
tes die  Zugehörigkeit  zur  Gattung  Atalaya  leicht  zu  ent- 
nehmen. 


326  Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  1.  Juni  1878, 

Für  identisch  mit  dieser  Pflanze  halte  ich  Fruchtexem- 
plare, welche  mir  durch  die  Güte  Ferd.  v.  Müller 's  unter 
nicht  zu  edirender  Bezeichnung  zugekommen  sind,  und  deren 
Früchte  durch  dichte  Behaarung  am  unteren  Theile,  und 
durch  stark  nach  abwärts  gekrümmte  Flügel  vor  denen  der 
Atalaya  salicifolia  sich  auszefchnen. 

Die  Charakteristik  der  neuen  Atalaya  australis  mag 
zusammen  mit  der  einer  andern  neuen  Art,  welche  ich  im 
Hb.  van  Heurck,  von  F.  v.  Müller  mitgetheilt,  gesehen 
habe,  in  folgender  üebersicht  des  bisher  bekannt  geworde- 
nen Gattungsinhaltes  Platz  finden. 

Atalaya  Bl. 

Sectio  I.  Fseudatalaya  (Pseudatalaya  H.  Baill.,  Hist.  d.  PI., 
1874,  p.  419,  ]qua  genus  proprium):  Discus  1- la- 
teralis (petala  4;  alabastra  sericeo*tomentosa ;  foliola 
nervis  lateralibus  surrectis). 

1)  A.  multiflora  Benth.  1863  (Pseudatalaya  m.  Baill. 
1.  c. ;  A.  australis  F.  Müll.  Herb,  [partim !]  ed.  Baill. 
1.  c), 

Sectio  II.  Euatalaya:  Discus  annularis,  completus  (petala 
5;  foliola  nervis  lateralibus  patulis). 

X  Alabastra  glabra 

+  Foliola  crasse  coriacea  (6 — 8) 

2)  A.  coriacea  Radlk. :  Folia  abrupte  pinnata,  glabra, 
petiolo  teretiusculo,  rhachi  dilatata,  supra  plana,  linea 
mediana  elevata  notata,  subtus  carinata;  foliola  3—4- 
juga,  opposita,  oblonga,  apice  basique  angustata,  ob- 
tusa,  in  petiolulum  latiusculum  attenuata,  crasse  coria- 
cea, multinervia,  nervis  lateralibus  patulis,  (sicca)  fus- 
cescentia ;  sepala  late  ovata,  praeter  marginem  ciliolatum 
glabra;  petala  ovata,  glabriuscula,  supra  unguem  mar- 
gine  auriculato-inflexo  bisquamulatae:  squamulae  apice 
deflexae,  barbatae,  dorso  crista  parva  corniformi  instruc- 


Badlkofer'  Ueher  Sapindus  etc,  327 

tae;  filamenia  hirsuta,  antherae  puberalae.  (Fractus 
desunt.)  —  Australia,  Lord  Howe's  Island:  Pullagan 
(c.  Hb.  van  Heurck  comm.  F.  Müll.). 

+  +  Foliola    submembranacea    (2  —  6 ;    fructus 
glabri) 

3)  A.  salicifolia  BL,  1847  (Sapindus  s.  DC.  1824; 
Capania  s.  Decaisne,  1834 ;  Thouinia  australis  A.  Rieh., 
1834;  Atalaya  bijnga  Spanogh.  mss.,  1836,  ed.  Schlecht. 
1841;  Atalaya  australis  F.  Müll.  Fragm.,    1858  —  59). 

X  X  Alabastra  sericea   vel   tomentosa   (fructus  in- 
ferne  tomentosi) 

+  Petiolus  nudns  (rhachis  interdum  alata) 

*  Foliola   elliptico-oblonga ;  alabastra  incano- 

tomentosa 

4)  A.  australis  Radlk.  (Sapindus  (?)  a.  Benth.,  1863): 
Folia  abrupte  pinnata,  glabra,  petiolo  tereti,  rhachi 
supra  ,planiuscula ;  foliola  2 — 3-juga,  opposita  vel  in- 
feriora  subalterna,  elliptico-oblonga  vel  inferiora  sub- 
ovata,  omnia  subacuta,  basi  in  petiolulum  inaequaliter 
et  sat  rapide  attenuata,  subcoriacea,  multinervia,  nervis 
lateralibus  oblique  patentibus,  (sicca)  glaucescentia ;  se- 
pala  ovata,  iiicano*tomentosa ;  petala  oblonga,  extus 
dense  lanosa,  intus  glabriuscula,  supra  nnguem  brevem 
squama  lata  integra  vel  emarginata  dense  villosa  ecri- 
stata  aucta;  filamenta  hirsuta;  fructus  cocci  inferne 
dense  pubescentes,  alis  glabrescentibus  &lcatim  recur- 
vatis  apice  dilatatis.  —  Australia,  ad  Promontorium 
York:  Macgillivray  (Hb.  Benth.);  Daemel  (comm.  F. 
Müll). 

*  *  Foliola    anguste    linearia ;    alabastra    se- 

ricea 

5)  A.  he  m  ig  laue  a  F-  Müll.  Herb.  ed.  Benth.,  1863 
SThouinia  h.  F.  Müll.  Fragm.  1858—59). 


328  Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  1,  Juni  1878, 

+  +  Petiolus  (foliorum  compositornm)  rhachisque 

insigniter  alati ;  alabastra  flavido-tomentosa 

6)  A.  variifolia  F.  Müll.  Herb.  ed.  Bentk,  1863  (Thou- 

inia  v.  F.  Müll.  Fragm.  1858—59). 
Speeies    dubiae:    A.  annnlaris  BL;    A.   cochinchi- 

nensis  Bl.    (Rumphia,    1847). 

Die  letzteren  beiden  Arten  sind  Interpretations versuche 
von  Blume,  welche,  wie  die  ihnen  zu  Grunde  liegenden 
Aufstellungen  von  Blanco  und  Loureiro  lediglich  als 
o£Pene  Fragen  für  die  Zukunft  zu  registriren  sind.  Die  an 
gleicher  Stelle  von  Blume  ausgesprochene  Vermuthung  über 
die  Zugehörigkeit  von  Gupania  anacardioides  A.  Rieh,  zu 
Atalaya   ist  längst  beseitigt. 

Bentham  beschreibt  für  Ä,  muUiflora  neben  anderen 
auch  behaarte  Früchte  und  solche  mit  sichelförmigen  Flügeln. 
Ich  vermuthe,  dass  diese  Angaben  sich  auf  Fruchtexemplare  von 
A.  australis  Radlk.  beziehen.  Leider  fehlen  mir  unzweifel- 
haft zu  A.  muUiflora  gehörige  Früchte,  so  dass  ich  meiner 
Vermuthung  grössere  Bestimmtheit  nicht  zu  geben  vermag. 

A.  coriacea  Radlk.  ist  nicht  blos  im  äusseren  Ansehen 
des  Blattes,  welches  fast  eher  an  Gupania  anacardioides 
A.  Rieh,  als  an  eine  Atalaya  erinnert,  sondern  auch  in 
der  Structur  desselben  so  wesentlich  abweichend  von  der 
im  übrigen  zunächst  stehenden  A,  salidfolia^  dass  ich  nicht 
fehl  zu  greifen  glaube,  wenn  ich  sie  als  besondere  Art  auf- 
fasse. Den  in  Vergleich  mit  -4.  salicifolia  wenigstens  drei- 
mal  so  dicken  Blättchen  der  A,  coriacea  fehlen  nicht  nur 
die  harzfiihrenden  Zellen,  welche  bei  A,  salicifolia  gewöhn- 
lich vorhanden  sind  und  die  meist  dicht  gelagerten  durch- 
sichtigen Punkte  bilden,  sondern  auch,  was  ausserdem  nur 
noch  für  A.  variifolia  der  Fall  ist,  die  flachen,  einen  braunen, 
gerbsto£Partigen  Körper  enthaltenden  Zellen,  welche  an  der 
Blattoberseite  zwischen  der  Epidermis  und  dem  eigentlichen 
Pallisadeugewebe  gewöhnlich  in  doppelter,  seltener  in  drei- 


Badlkofer:  lieber  Sapindus  etc.  329 

&cher  oder  nur  einfacher  Lage  bei  A.  salicifolia  (wie  bei 
Ä.  multifloraf  amtralis  und  hemiglauca)  auftreten.  Weiter 
ist  die  äussere  Membran  der  oberseitigen  Epidermiszellen 
bei  Ä,  cariacea  getüpfelt,  bei  Ä.  salicifolia  nicht.  Noch 
bemerke  ich,  dass  die  Angaben  für  A.  coriacea  auf  Blätter 
und  Blüthen  des  gleichen  Zweiges  sich  beziehen. 

3.  Da  für  alle  übrigen  unter  n.  8041  A — I  in  Wal- 
lich 's  Gatalog  aufgeführten  Pflanzen  die  Identität  mit 
Erioglossum  ruhiginosum  Bl.  (über  welches  Zusatz  8  u.  10 
zu  vergleichen)  ausser  Zweifel  steht,  so  erschien  es  mir  zu- 
lässig, auch  für  8041  C,  d.  i.  j^Sapindtis  asogius^^  und 
,ßapindu8  montanus^^  das  Gleiche  zu  vermuthen.  Gesehen 
habe  ich  die  betre£Penden  Pflanzen  nicht. 

4.  Blume,  welcher  überhaupt  geneigt  war,  dem  Vater- 
lande der  Pflanzen  bei  der  Sonderung  und  Abgrenzung  der 
Arten  ein  zu  grosses  GcMricht  beizumessen,  hat  Sapindus 
baccaius  Blanco  als  eine  besondere  Art  der  Gattung  Ofo- 
phora  unter  dem  Namen  0.  Blancoi  Bl.  betrachtet.  Da 
inzwischen  durch  die  Sammlung  von  Cuming,  n.  1127 
(welche  Nummer  vielleicht  identisch  mit  der  mir  nicht  zu 
Gesichte  gekommenen  n.  1922,  d.  i.  Otolepis  nigrescens  Turcz. 
1848  =  Otophora  Blancoi  Bl.  sec.  A.  Gray  iu  Bot.  Wilkes 
Expl.  Exped.,  1854),  Gewissheit  darüber  erlangt  worden 
ist,  dass  Otophora  fruticosa  ^1.  auch  auf  den  Philippinen 
vorkommt,  und  die  Beschreibung  Blanco 's  zugleich  gut 
auf  diese  Pflanze  passt,  so  scheint  es  mir  kaum  zweifelhaft, 
dass  0.  Blancoi  Bl.  als  identisch  mit  0.  fruticosa  Bl.  zu 
betrachten,  und  ^  die  erstere  Bezeichnung  desshalb  durch  die 
letztere  (aus  Sapindus  fruticosus  Roxb.  hervorgegangene) 
zu  ersetzen  sei. 

Blanco  selbst  hat  in  der  zweiten  Ausgabe  der  Fl. 
Filip.   (1845),    welche    Blume    nicht  gekannt   zu  haben 


330         Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  1,  Juni  1878. 

scheint,  seinen  8.  baccatus  zur  Gattung  Koelreuteria  ("„Z*. 
edulis^^)  gebracht.  Das  ist  jedoch  schon  gemäss  der  Be- 
zeichnung der  Frucht  als  einer  essbaren  Beere,  mag  die- 
selbe auch,  wie  in  der  zweiten  Ausgabe  angegeben  wird, 
dem  Autor  nur  unvollständig  entwickelt  vorgelegen  haben, 
sicher  unrichtig.  Die  üebertragung  eines  Theiles  der  in 
der  ersten  Ausgabe  unter  Sapindm  aufgeführten  Arten  in 
die  Gattung  Koelreuteria  scheint  überhaupt  nur  für  eine 
Art  (Sapindtis  Koelreuteria  Ed.  I,  Koelreuteria  arhorea  Ed.  II) 
einigen  Sinn  zu  haben,  in  so  fern  als  man  annehmen  kann, 
dass  der  Autor  damit  dem  einseitigen  Discus  dieser  Pflanze 
gerecht  werden  wollte.     Man  vergleiche  hiezu  Zusatz   14. 

5.  Von  Sapindus  capensis  Sonder,  welche  nach  diesem 
Autor  aus  den  Sammlungen  von  Drege  und  Eck  Ion  & 
Zeyher  bekannt  ist,  liegt  mir  nur  ein  mangelhaftes  Exem- 
plar des  Wiener  Herbars,  Drege  n.  8266,  vor,  ohne  Früchte, 
nur  mehr  die  Fruchtstiele  und  allzu  junge,  in  der  ersten 
Entwicklung  stehende  Inflorescenzen  tragend.  Weiteres 
Material  wurde  mir,  ungeachtet  wiederholten,  mündlich  und 
schriftlich  an  die  geeignete  Adresse  gerichteten  Ersuchens, 
nicht  zu  Theil.  Trotz  der  besagten  Mangelhaftigkeit  des 
Materiales  glaube  ich  nach  dem,  was  die  mikroskopische 
Untersuchung  der  für  entscheidende  Resultate  allerdings  viel 
zu  jungen  Blüthen  gezeigt  hat,  und  nach  den  übrigen  Eigen- 
thümlichkeiten  der  Pflanze,  dieselbe  als  in  der  That  zur 
Familie  der  Sapindaceen  gehörig  betrachten  zu  dürfen,  und 
zwar  als  den  Typus  einer  besonderen  Gattung  dieser  Familie, 
welche  der  Gattung  Deinbollia  nahe  zu  stehen  scheint.  Aus 
der  Untersuchung  des  erwähnten  Materiales  ergibt  sich  unter 
Beiziehung  der  von  Sonder  gemachten  Angaben  folgende 
mangelhafte  Charakteristik : 

Smelophyllnm  Radlk.  (Sapindus  spec.  Sond.  in  Fl. 
capens.  1859 — 60):  Flores  reguläres,  monoico-polygami(?). 


Sadlkofer:  üeher  Sapindus  etc.  331 

Sepala  5,  imbricata,  crassiuscala,  pellncido-punctata,  extus 
puberala  glandulisque  lepidiformibus  obsita.  Petala  5.  Dis- 
cus,  quantum  concliidi  potest  ex  interstitio  conspicuo  inter 
petalorum  et  staminum  (pistillo  quam  maxime  approxima- 
torum)  insertionem,  extrastaminens.  Stamina  8;  antherae 
introrsae.  Pistilli  primordium  2?  -  merum.  (Omnia  haec 
ex  investigatione  microscopica  sectionum  transversalium 
alabastri  juvenilis.)  Fructus  breviter  stipitatus,  coccos  li- 
beros  („carpella")  2—1  subglobosos,  carnosos,  glabros,  cera- 
siformes,  1-spermos  exhibens.  Semina  erecta,  subfusco-pur- 
purea,  nitida,  piso  majora  (ex  Sond.  1.  c).  —  Arbor?  ra- 
mis  junioribus  nee  non  foliis  pilis  brevissimis  crispatis  glan- 
dulisque ferrugineis  adspersis,  demum  decalvatis;  glandulae 
lepidiformes,  e  cellulis  heteromorphis,  marginalibus  yarie  ar- 
cuatis  et  pröminulis,  materia  quadam  flavida  in  aqua  nee 
non  in  alcohol  sensim  sensimqne  solubili  foetis  exstructae. 
Folia  alterna,  exstipulata,  abrupte  pinnata,  petiolo  rhachi- 
que  supra  linea  mediana  elevata  notata  complanatis,  nudis; 
foliola  3 — 4-juga,  snbopposita,  subsessilia,  ex  ovali  sublan- 
ceolata,  grossiuscule  obtuse  dentata,  margine  undulata  et 
subrevoluta,  coriacea,  reticulato-venosa,  punetis  pellucidis 
sat  insignibus  crebris  notata,  epidermide  non  mucigera; 
puncta  pellucida  singula  cellulas  singulas  magnas  globosas 
Tel  utriculiformes  materia  quadam  Saponino  afi^i  et  saponis 
modo  (inde  generis  nomen)  spumam  efficiente  foetas  exhi- 
bentia.  Thyrsi  axillares  spiciformes  (basi  interdum  ramosi?) 
e  dichasiis  vel  cincinnis  paucifloris  yix?  stipitatis  compositi. 
Flores  parvi,  vix?  pedicellati. 

Species  1:  S.  cap^nse  Badlk.  (Sapindus c.  Sond.  I.e.): 
Foliola  5—6  cm  longa,  1,5 — 2,5  cm  lata.  —  Promontorium 
bonae  spei:  Eckion  &  Zeyh.  (sec.  Sond.  1.  c);  Drege  n. 
8266.     Fructus  maturat  m.  Dec.  (Sond.). 

Im  Anschlüsse  an  diese  Gattung  mögen  hier  auch  die 
übrigen   neuen   Gattungen   aus   Africa,  von  welchen  schon 


332         Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  1.  Juni  1878, 

S.  271   in  der  Anmerkung   die   Rede  war,  nach   Massgabe 
der  vorhandenen  Materialien  charakterisirt  sein. 

Placodlscas  Radlk. :  Flores  reguläres,  polygami?  (mas- 
culi  tantum  suppetebant).  Calyx  5-dentatus,  dentibus  val- 
vatis,  ante  anthesin  subglobosus,  apertus  turbinatus,  extus 
velutinus  pilisque  longioribus  articulatis  apice  glandulosis 
adspersus,  intus  hirtellus.  Petala  0  Discus  regularis,  la- 
tiuscule  patellaris,  raedio  excavatus,  calycis  fundum  vestiens, 
camosulus,  glaber.  Staniina  8,  intra  discum  inserta;  fila- 
menta  e  basi  fere  fasiformi  filiformia,  inferne  hirsuta,  su- 
perne  glabra,  apice  incurva;  antherae  introrsae,  oblongae, 
glabrae,  dorso  supra  basin  af&xae,  vix  exsertae.  Rudimeu- 
ttim  germinis  obcordatum,  3— 4-lobum,  3 — 4-loculare,  pau- 
cisetnm;  stjli  vel  stigmata  rudimentaria  ad  latus  interius 
loculorum  brevia,  filiformia ;  gemmnlae  in  loculis  solitariae, 
axi  sapra  basin  affixae.  (Flores  hermaphroditae  non  suppe- 
tebant, neque  fructus.)  —  Frutex?  ramis  (quos  in  Hb. 
Paris,  floribus  descriptis  adjectos  inveni)  petiolisque  striatis 
pube  laxa  cincrascente  adspersis.  Folia  altema,  exstipulata ; 
abrupte  pinnata;  foliola  4-juga,  subopposita,  oblongo-lan- 
ceolata,  inferiora  minora  subovata,  acuminata,  basi  acutata, 
breviter  petiolulata  integerrima,  subchartacea,  reticulato-ve- 
nosa,  glabra,  nitidula,  pallide  viridia,  impunctata,  epider- 
mide  non  mucigera.  Thyrsi  (gemini?  e  ramis  adultioribus 
enascentes?)  spiciformes,  cincinnis  numerosis  paucifloris  glo- 
meruliformibus  obsiti,  rhachi  angulosa  subfnsco-  velqtina, 
bracteis  bracteolisque  subulatis  velutino-pubescentibus.  Flores 
sessiles,  mediocres. 

Species  1:  P,  turbinatus  Radik. :  Foliola  superiora 
15 — 20  cm  longa,  4—6  cm  lata,  inferiora  7  cm  louga, 
3,5  cm  lata;  thyrsi  circiter  8-centimetrales.  —  Africa  tro- 
pica occidentalis :  Mann  (1859 — 63;  ex  Hb.  Kewensi  comm. 
c.  Mus.  Par.).  — 

Lychnodlscus  Radlk. :  Flores  reguläres,  polygami  ?  (mas- 


Radihof  er:  Ueher  Sapindus  etc.  333 

culi  tantum  suppetebant).  Calyx  profunde  5-partitus,  lobis 
angaste  imbricatis  ovato-lanceolatis  acutis,  extas  tomento- 
sus,  intus  glabriuseulus.  Petala  5,  parva,  intus  supra  unguem 
squama  cum  laminae  marginibus  connata  aucta,  inde  infun- 
dibuliformia,  glabra,  squama  vero  laminam  pauUo  superante 
margine  nee  non  intus  tomentosa.  Discus  quasi  duplex, 
lychnucbum  aemulans :  inferior  pateriformis,  calycis  fundum 
vestiens,  centro  in  stipitem  brevem  patera  minore  scyphoi- 
dea  —  i.  e.  disco  snperiore  —  coronatum  assurgens,  uterque 
margine  tenui  undulato  instruetus,  glaber.  Stamina  10; 
intra  discum  superiorem  inserta,  calyce  pauUo  longiora; 
filamenta  filiformia,  basi  crassiora,  inferne  reflexa  tomen- 
tosa, superne  inflexa  glabra ;  antherae  ovatae,  glabrae,  dorso 
supra  basin  emarginatam  affixae,  loculis  (4)  basi  introrsis, 
apice  lateralibus.  Rudimentum  germinis  breviter  stipitatum, 
tomentosum,  triquetrum,  triloculare  —  (gemmnlae  non  visae 
—  an  abortivae,  anne  mycelio  in  loculis  obvio  destructae? 
Flores  hermaphroditi  non  suppetebant,  neque  fructus.)  — 
Arbor  „30-pedalis"  (Mann),  ramis  leviter  striatis  petiolisque 
laxe  hirtello-puberulis.  Polia  alterna,  exstipulata,  pari-pin- 
nata;  foliola  4--6-juga,  oblonga,  apice  serrulata,  acutata 
vel  cuspidato-acuminata,  basi  subacuta,  breviter  petiolulata, 
subchartacea,  supra  laeviuscula,  nitida,  glaberrima,  subtus 
reticulato-venosa,  opaca,  glandulis  parvis  subsessilibus  pauci- 
cellularibus  (capitulo  plerumque  4-cellulari)  praesertim  ad 
nervös  adspersa,  epidermide  non  mucigera.  Paniculae  in 
ramis  lateralibus  terminales,  ramis  6  —  7  tomentosis  leviter 
sulcatis  dense  cincinnigeris,  cincinnis  sessilibus  glomeruli- 
formibus  3— 4-floris,  bracteis  bracteolisque  lineari-subulatis 
tomentosis  apice  ramorum  comam  efficientibus.  Flores  me- 
diocres,  pedicellati,  pedicellis  tomentosis  prope  basin  articulatis. 
Species  1:  L.  reticulatus  Radlk.:  Foliola  8  — 12  cm 
longa,  3 — 4  cm  lata.  —  Ad  oram  Africae  occidentalis  in 
insula  Fernando  Po:  Mann  n.  1422. 
[1878.  3.  Matb.-phys.  C1.1  t  23 


334  Sitzung  der  math.-^ys.  Claase  vom  1.  Juni  1878, 

Cotylodlscns  Radlk.  Flores  reguläres,  polygami  ?  (mas- 
culi  tantuoi  suppetebant).  Calyx  5-partitiis,  lobis  imbricatis 
rotnndatis  margine  petaloideis,  basi  extus  pilis  parvis  seta- 
losis  adspersos,  pellucido-punctatus.  Petala  5,  obovata,  extas 
basi  pilosa,  intus  glabra,  supra  unguem  brevem  latum  squama 
late  obovata  galeato-cucuUata  margine  pilis  subfuscis  bre- 
viter  barbata  carnosula  petala  dimidia  aequante  aucta, 
obscurius  pellucido-punctata.  Discns  cotyloideus,  erenulatus, 
intus  filamentorum  pressione  striatus,  camosulus,  glaber* 
Stamiiia  8,  intra  discum  inserta,  petalis  vix  longiora;  fila- 
menta  subulata,  infeme  complanata,  glabra;  antherae  lineari- 
oblongae,  basi  cordatae,  dorso  supra  sinum  basilarem  af&xae, 
introrsae,  oonnectivo  dorso  dilatato,  apice  in  apiculum  ob- 
tusum  producto,  basi  pilosiusculae,  caeterum  glabrae.  Budi- 
mentum  germinis  triquetrum,  triloculare,  densissime  fusco- 
pilosum ;  gemmulae  in  loculis  solitariae,  axi  af&xae.  (Flores 
hermapbroditi  non  suppetebant,  neque  firnctus.)  —  „Frutex 
venenosus^'  (Flacourt  1.  infra  c),  trunco  subere  lamelloso 
tecto.  Folia  deerescentim  pari-pinnata,  glabra,  rhachi  4-an- 
gnlari  4-sulcata,  angulo  superiore  magis  quam  inferior  et 
laterales  foliola  emittentes  prominente;  foliola  („feuilles^^ 
Flac.)  opposita,  ? — juga  (fragmentum  tantum  folii  juga 
tria  exhibens  suppetebat),  lanceolato-oblonga,  utrinque  acuta, 
basi  inaequali  sessilia,  crebre  subincise  spinoso-dentata,  un- 
dulata,  margine  indurato  revoluto,  firme  corlacea,  lucida, 
(sicca)  subfosca,  quoad  strncturam  maxime  insignia  stoma- 
tibus  singulis  in  cavitates  singnlas  subsphaericas  poro  an- 
gusto  tantum  pervias  immersis,  impunctata,  epidermide  non 
mucigera.  Flores  majores,  fasciculati;  fasciculi  e  thjrsis 
brevissimis  cincinnos  5—6  sub-6-floros  gerentibus  compositi, 
e  cortice  suberoso  truncorum  enascentes  „truncos  a  basi 
usque  ad  apicem  obtegentes^^  (Flac.)  pedicellique  prope  basin 
articulati  ferrugineo-tomentelli. 

Species  1:    G.  stelechantbus   Radlk.    („Langhare*^ 


Badlkofer  :  Üeber  Sapindus  etc,  335 

Madagascariensium,  Flacourt  Histoife  de  la  grande  isle  de  Ma- 
dagascar,  1661,  p.  137,  n.  95):  Foliola  saperiora  18  cm 
longa,  5  cm  lata,  reliqua  minora ;  „flores  sanguinei'*  (Flac). 
—  Madagascar:  Flacourt  (specimen  c.  Hb.  Vaillant  comm., 
in  Museo  Parisiensi  servatum). 

Flagioscyphus  Radlk. :  Flores  irreguläres,  polygami? 
(masculi  tantum  suppetebant).  Calyx  parvus,  carnosulus,  5- 
partitus,  lobis  imbricatis,  duobus  exterioribus  lata  triangu- 
laribus  acutis,  reliquis  rotundatis  margine  petaloideis,  basi 
extus  pilis  parvis  setulosis  adpressis  adspersus,  punctis  pellu- 
cidis  siccitate  prominulis  notatus.  Petala  4,  inferioris  sede 
(inter  sepalum  3.  et  5.)  vacua,  spathulato-oblonga,  sepalis 
duplo  longiora,  glabra,  pellucido-punctata,  intus  supra  un- 
guem  brevem  latum  squama  magna  carnosula  petalum  ipsum 
altitudine  aequante,  latitudine  duplo  superante,  apice  lato 
inflexo  obcordato-sinuata,  juxta  sinum  utrinque  in  processum 
cristiformem  carnosulum  producta,  basi  cum  lamiua  connata, 
margine  tomento  denso  subfusco  yestita  aucta.  Discus  car- 
nosus,  obliquus,  altus,  basi  pentagono-prismaticus,  superne 
constrictus,  supra  stricturam  in  cupnlam  oblique  scyphoi- 
deam  margine  5-lobam  ad  latus  inferius  depressam  pro- 
ductus,  angulis  lobisque  cum  petalis  alternantibus,  praeter 
angulos  minutim  puberulos  glaber.  Stamina  8  (rarius  7 
tantum),  intra  disci  cupulam  excentrice  circa  pistjUum  in- 
serta;  filamenta  subulata,  adpresse  pilosella,  apice  glabra; 
antherae  introrsae,  oblongae,  dorso  et  margine  puberulae, 
apice  glanduloso-apiculatae ,  basi  excisae,  dorso  supra  ex- 
cisuram  affixae,  primum  erectae,  denique  reclinatae,  longe 
exsertae.  Rudimentum  germinis  inter  disci  centrum  et  mar- 
ginem  inferiorem  positum,  rotundato-ovatum ,  lenticulare, 
adpresse  tomentosum,  biloculare,  loculis  transversalibus  a 
lateribus  suis  compressis,  in  apiculos  stigmatosos  desinen- 
tibus;  gemmulae  in  loculis  solitariae,  medio  axi  affixae. 
(Flores  hermaphroditi  non  suppetebant,  neque  fructus.)  — 

23* 


334  Sitzung  der  math.-phys.  GIobm  vom  1,  Juni  1878, 

Cofylodiscns  Radlk.  Flores  r^ulares,  polygami  ?  (mas- 
culi  tantuDi  snppetebant).    Galyx  S-partitns,  lobis  imbricatis 
rotnndatis   margine  petaloideis,  basi  extus  pilis  parvis  seta- 
losis  adspersns,  pellucido-punctatos.    Petala  5,  obovata,  extas 
basi  pilosa,  intus  glabra,  snpra  nngaem  brevem  latnm  sqnama 
late  obovata  galeato-cncuUata   margine   pilis  snbfuscis  bre- 
viter    barbata    carnosula     petala    dimidia   aequante    aucta, 
obscurins  pellncido-punetata.    Disens  cotyloideus,  erenulatus, 
intas   filamentorum   pressione  striatus,   camoscilas,   glaber* 
Stamiiria  8,   intra  discum  inserta,  petalis  vix  longiora;  fila- 
menta  subulata,  infeme  complanata,  glabra;  antherae  lineari- 
oblongae,  basi  cordatae,  dorso  supra  sinum  basilarem  affixae, 
introrsae,   connectivo  dorso  dilatato,  apice  in  apiculum  ob- 
tusum  produeto,  basi  pilosinsculae,  caeterum  glabrae.    Bndi- 
mentum  germinis  triquetrnm,   triloculare,  densissime  fiisco- 
pilosam ;  gemmalae  in  localis  solitariae,  axi  affixae.     (Flores 
hermapfaroditi  non  suppetebant,  neqne  frnctus.)  —  „Frutex 
venenosus"   (Flacourt  1.  infra  c),    truneo    subere  lamelloso 
tecto.  Folia  decrescentim  pari-pinnata,  glabra,    rhachi  4-an- 
gulari   4-8alcata,    angulo  superiore  magis  quam  inferior  et 
laterales   foliola   emittentes   prominente;    foliola    („feuilles" 
Plac.)   opposita,    ?— juga   (firagmentum   tantum    folii  j^iga 
tria  exhibens  suppetebat),  laneeolato-oblonga,  utrinque  acuta, 
basi  inaequali  sessilia,  crebre  subincise  spinoso-dentata,  un- 
dulata,  margine  indurato  revoluto,   firme   coriacea,  lucida, 
(sicca)   subfosca,  quoad  stracturam  maxime  insignia  stoma- 
tibus   singulis  in   cavitates  singulas  subsphaericas  poro  an- 
gusto  tantum  pervias  immersis,  impunctata,  epidermide  non 
mucigera.     Flores  majores,  fasciculati;  fasciculi    e  thyrsis 
brevissimis  cincinnos  5 --6  sub-6-floros  gerentibus  compositi, 
e  cortice  suberoso  trcincorum    enascentes   „truncos  a  basi 
usque  ad  apicem  obt^entes^^  (Flac.)  pedicelliqne  prope  basin 
articulati  ferrugineo-tomentelli. 

Species  1:    C.  stelechanthus   Radlk.    („Langhare 


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inis  dorso 
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xstipulata, 
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:i  ex  ovali 
poliolulum 
ovata  vel 
.^'  l)ractei- 
rcvoluta, 
viridia, 
•iie  per- 
lucigera. 
l-florae, 
iparo,  ad 
S  sepalis 
.•ticulatis. 
superiora 
,   quodam- 
.   —  Zan- 

lie  diirch- 

uud  Al- 

r  uud  in 

*'ubstanz. 

«eiche  in 


336  Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  1.  Juni  1878, 

„Frutex  10— 15-pedalis'S  ramis  (in  Hb.  Parisiensi  sub  eo- 
dem  numero  collectionis  Boivin  ac  flores  descripti  servatis) 
glabratis,  cortice  subfusco.  Folia  alterna,  exstipulata,  de- 
crescentim  pari-pinnata,  petiolo  teretiuscalo  rhacbique  stria- 
tis;  foliola  5-juga,  opposita,  oblonga,  apice  in  acomen 
longum  nervo  excurrente  spinoso-aristatum  attennata,  basi 
in  petiolulos  breves  inaeqaaliter  contracta,  integerrima,  sub- 
nndulata,  coriacea,  glaberrima,  supra  laevia  nitidula  pallide 
viridia,  subtus  opaca  pallide  subfusca  et  quodammodo  prni- 
noso-cinerascentia ,  stomatibus  cellularum  epidermidis  pro- 
cessubus  circnmvallatis  insignia,  pellucide  punctata,  epider- 
mide  non  mucigera.  Thyrsi  singuli  vel  gemini  (pluresveV) 
e  cortice  truncorum  enascentes,  racemiformes,  dichasia  nu- 
merosa  parva  breviter  stipitata  utrinque  in  cincinnum  3 — 4- 
florum  producta  gereutes,  rhachi  tereti  bracteisque  brevibus 
triangularibus  nee  non  pedicellis  basi  articulatis  pilis  bre- 
vibus adpressis  laxe  adspersis  glandulisque  cellulisque  interi- 
oribus  resiniferis  siccitate  prominentibus  scabriusculis.  Flores 
mediocres,  pedicellati. 

Species  1:  P.  cauliflorus  Radlk.:  Foliola  superiora 
20  cm  longa,  5,5  cm  lata,  inferiora  dimidio  minora;  thyrsi 
4--6-centimetrales.  —  Madagascar,  S.  Marie,  ad  littora 
maris:  Boivin  n.  1876/2  (m.  Sept.,  1849). 

Haplocoelnm  Radlk. :  Flores  reguläres,  polygami?  (frnc- 
tus  tantum  suppetebant.)  Sepala  6  ( — 7?),  lineari-oblonga, 
membranacea,  juxta  nervum  medianum  crassiora,  apice  to- 
mentosa,  denique  decidua.  Petala  0(?).  Discus  sub  fructus 
stipite  regularis,  breviter  stipitiformis,  fructus  stipitem  la- 
titudine  vix  superans,  glaber.  Stamina  (secundum  cicatrices 
ab  iis  relictas)  6—7,  supra  discum  infra  fructus  stipitem 
inserta.  Bacca  sicca,  tenuiter  corticata,  olivaeformis,  glabra, 
quodammodo  pruinosa,  breviter  stipitata,  apice  styli  residuis 
apiculata,  apiculo  truncato,  dissepimentorum  secessione  1- 
locularis,   septis  rudimentarüs  tribus   infra    medium    magis 


BacUkoferi  üeber  Sapindus  etc.  337 

conspicuis  axem  non  attmgentibus  endocarpio  adpressis 
basin  versus  conniveutibus  instructa,  abortu  1-sperma,  (prae- 
ter semen  evolutum)  gemmulis  singulis  ad  basin  loculorum 
abortivorum  obviis.  Semen  prope  mediam  fractns  basem 
affixum,  erectum ,  compressiascule  ellipsoideum,  arillo  teuui 
dorso  fisso  fere  nsque  ad  apicem  involutum,  testa  crustacea 
tenui  sabfusca.  Embryo  carvatus,  notorrbizas;  cotyledones 
crassae,  snperpositae ,  amylo  nee  non  in  cellulis  propriis 
substantia  quadam  Saponino  affini  saponis  modo  spumam 
efficiente  foetae;  radicnia  sat  longa,  a  medio  seminis  dorso 
descendens,  plica  testae  profunda  excepta.  —  Frutex?  ramis 
striatis  puberulis  cinerascentibus.  Folia  alterna,  exsfcipulata, 
pari-pinnata,  petiolo  brevi  supra  piano  hirto,  rhachi  mar- 
ginata  hirtella;  foliola  2-juga,  opposita,  superiora  ex  ovali 
oblonga  vel  subovata,  obtusa,  emarginata,  basi  in  petiolulum 
perbrevem  inaequaliter  attenuata,  inferiora  parva,  ovata  vel 
suborbicularia ,  interdum  minima,  ad  squamulas  bractei- 
formes  reducta,  omnia  integerrima,  margine  subrevoluta, 
membranacea,  praeter  nervum  medianum  glabra,  viridia, 
cellulis  fibrosis  sclerenchymaticis  in  omni  directione  per- 
cnrsa,  obscure  pellucide  punctata,  epidermide  non  mucigera. 
Inflorescentiae  parvae,  breviter  racemiformes ,  2 — 5-florae, 
flore  terminali  vel  uno  alterove  laterali  quoque  fructiparo,  ad 
apices  ramulorum  axillares,  hirtellae ;  bracteae  parvae,  sepalis 
conformes ;  flores  pedicellati,  pedicellis  prope  basin  articulatis. 

Species  1:  H.  inopleum  Badlk.:  Foliola  superiora 
5—10  cm  longa,  2— 4  cm  lata;  fructus  rubri,  quodam- 
modo  pruinosi,  1,8  cm  longi,  circiter  1  cm  lati.  —  Zan- 
zibar,  Mombaza:  Boivin  (1847—52;  Mus,  Paris.). 

Die  kleinen  Zellen  des  Blattfleisches,  welche  die  durch- 
sichtigen Punkte  bilden,  enthalten  eine  in  Aether  und  Al- 
kohol unlösliche,  in  warmem  Alkohol,  in  Wasser  und  in 
Schwefelsaure  (ohne  Farbe)  losliche  amorphe  Substanz, 
Ebenso   verhält  sich   die  saponinartige  Substanz,  welche  in 


338         Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  1.  Juni  1878, 

besonderen  Zellen  des  Embryo  enthalten  ist.  Wahrschein- 
lich sind  beide  Substanzen  identisch  (s,  ob.  S.  289,  290). 
Anch  die  Blätter  veranlassen,  mit  Wasser  geschüttelt,  Schaum- 
bildung, wenn  auch  in  geringereili  Grade  als  der  Embryo. 
Aporrhiza  Badlk. :  Flores  reguläres,  polygamo-monoici 
(masculi  tantum  suppetebant  frnctusque).  Calyx  profunde 
5-partitus,  lobis  ovato-lanceolatis  acutis  3,5  mm  longis 
subvalvatis,  pilis  crispis  d^nse  tomentellus.  Petala  5,  se- 
palis  pauUo  minora,  ovata,  breviter  unguiculata,  glabrinscula, 
supra  unguem  margine  auriculato-inSexo  bisqnamulata,  squa- 
mulis  dense  hirsutis.  Discus  regularis,  patellaris,  calycis 
fundnm  vestiens,  sublobatas,  lobis  cum  petalis  alternantibus, 
fructifer  in  stipitem  brevem  conicum  elevatus.  Stamina  7, 
intra  discum  inserta;  fiiamenta,  filiformia,  praeter  apicem 
glabrum  hirsuta,  primum  inferne  reSexa,  superne  inflexa, 
dein  rectiuscula ,  exserta ;  antherae  introrsae ,  ovatae,  basi 
cordato-excisae ,  dorso  supra  excisuram  affixae,  glabrae. 
Rudimentum  germinis  tomentosum ,  conico-ovatum ,  com- 
pressum,  biloculare,  loculis  medianis  in  apiculos  stigmatosos 
desinentibus ;  gemmulae  in  loculis  solitariae ,  medio  axi 
affixae.  (Flores  hermaphroditi  non  suppetebant.)  Capsula 
biscutellaris ,  breviter  stipitata,  basin  versus  secundum  me- 
dianam  diiatata,  tomento  brevissimo  cano  induta,  bilocu- 
laris,  loculis  lenticulari-compressis  1-spermis,  (apice  certe) 
loculicide  bivalvis,  valvis  in  emarginatura  apicali  styli  longi- 
tudinaliter  fissi  residuis  brevibus  coronatis,  endocarpio  car- 
tilagineo  (illi  Guioae  et  Aphaniae  quoad  structuram  simili) 
glabro  a  mesocarpio  intus  spongioso-parenchymatoso  solubili. 
Semina  in  loculis  solitaria;  ad  medium  fructus  axem  affixa, 
infra  hilum  magis  quam  supra  producta,  inde  fere  pendula, 
compressa,  versas  loculornm  basin  ut  loculi  ipsi  diiatata; 
testa  crustacea,  in  parte  fructus  apicem  spectante  fusca, 
laevis,  nitida,  in  reliqua  parte  infra  lineam  a  micropyle 
hilo  opposita  oblique  ascendentem  strato  camoso  flavescente 


Badlkofer:  ütber  Sapindm  etc,  339 

arillum  mentiente  obtecta.  Embryo  curvatus,  notorrhizus; 
cotyledones  crassae,  compressae ,  saperpositae,  amyligerae ; 
radicnla  brevis,  ab  hilo  longe  remota  (inde  nomen  generis), 
ad  medium  seminis  dorsnm  plica  testae  leviore  excepta, 
deorsnm  yersa.  -  Arbor  rami»  teretibus  glabrescentibns, 
junioribus  petiolisque  pulyerulento-pabemlis ,  cortice  fnsco. 
Folia  altema,  decrescentim  pari  -  pinnata ,  petiolo  tereti, 
rbacfai  supra  planiuscala;  foliola  4-jiiga,  opposita,  elliptico- 
obloüga,  ntrinque  acuta  vel  apice  breviter  et  obtuse  acumi« 
nata,  petiolulata,  petiolulis  brevibus  basi  dilatatis  compla- 
natis,  int^errima,  subcoriacea,  glabra  nee  nisipilis  singulis 
brevibus  setulosis  in  pagina  inferiore  adspersa,  nitidula, 
sordide  viridia,  impunctata,  epidermide  non  mucigera.  Pa- 
niculae  in  ramulis  terminales,  minutim  puberulae;  rami  pani- 
culae  inferiores  nee  non  rhacheos  striatae  apex  dichasia 
longiusbreviusve  stipitatamox  in  cincinnos  abenntia  gereutes; 
bracteae  bracteolaeque  lineares,  pubescentes,  saepins  recau- 
lescentes.  Flores  mediocres,  dicfaasiomm  terminales  saepius 
bermaphroditi  (fructipari),  reliqui  masculi,  omnes  pedicellati, 
pedicellis  infra  medium  articulatis. 

Species  1:  A.  paniculata  Radlk.:  Folia  circiter  4 dm 
longa;  foliola  superiora  20  cm  longa,  6  cm  lata,  inferiora 
9  cm  longa,  4  cm  lata;  flores  3—4  mm  longi  et  lati; 
fructus  2,4  cm  lati,  1,5  cm  alti.  —  Africa  centralis, 
terra  Niamniam,  ad  flumen  Nabambisso:  Schweinfarth  n. 
3041  (m.  Febr.  1870,  flor.  et  fruct.). 

6.  Die  Charakteristik  dieser  Art  sieb  mit  jener  der 
übrigen  Talisia-Arten  in  Zusatz  9. 

7.  ^ySapindm  cinereus  Gunningh.,  Hb.  Hook."  wird  von 
Asa  Gray  a.  a.  0.  (Bot.  Wilkes  Exped.,  1854,  p.  258) 
als  Synonym  seiner  .^Cupania  subcvnerea^*  beigefügt.  Das 
ist  in  so   fern  nicht  ohne  Grund,  als   die  beiden   Pflanzen 


340         Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  1.  Juni  1878. 

wenigstens  der  Gattung  nach  zusammengehören;  denn  auch 
Cupania  subcinerea  ist,  wie  schon  die  Beschreibung  ver- 
muthen  liess,  und  wie  ein  gütigst  mir  übersendetes  Frag- 
ment der  Originalpflanze  Äsa  Oray's  vollkommen  bestätigte, 
eine  Art  der  Gattung  Älectryon^  Äledryon  sübcinereum 
Kadlk.  (s.  die  Uebersicht  der  Sapindaceen  HoUändisch-Indieus 
im  Amsterdamer  Congressberichte  Znsatz  19  und  Nachtrag 
dazu),  und  dieselbe  Pflanze  wie  Nephelium  leiocarpum  P, 
Müll,  collect.,  deren  Nanie  da,  wo  er  zuerst  in  der  Literatur 
auftritt,  in  Transact.  Phil..  Inst,  Victor.,  III,  1859,  p.  25, 
von  seinem  Autor  selbst  in  Spanoghea  nephelioides  F.  Müll, 
umgeändert  wurde.  An  derselben  Stelle  treten  zuerst  auch 
in  ähnlicher  Weise  neben  einander  Nephelium  connatum  F. 
Müll,  collect,  und  Spanoghea  connata  F.  Müll,  auf,  als 
Namen  einer  Pflanze,  mit  welcher  Bentham  in  seiner  Flora 
Austral.  I,  1863,  p.  465  den  Sapindus  cinereus  Cunningh. 
richtig  vereiniget  hat,  und  welche  ebenfalls  zu  Äledryon 
zu  rechnen  ist,  unter  dem  Namen  Älectryon  connatum  Radlk., 
da  der  Name  von  Cunningh  am  durch  A.  Gray  ohne  An- 
gabe von  Merkmalen,  also  nicht  etwa  rite  publicirt  ist  und 
eine  Priorität  desshalb  nicht  beanspruchen  kann.  Die 
Pflanze  von  Cunningham  habe  ich  auch  im  Hb.  Martins 
und  im  Hb.  Vindob.  gesehen,  jedoch  unter  einem  anderen 
Gattungsnamen  aus  der  Feder  Gunningham's,  der  aber 
hier  mit  Stillschweigen  übergangen  sein  mag,  um  die  Syno- 
nymie  nicht  weiter  zu  compliciren;  das  Gesagte  wird  ge- 
nügen, um  auf  die  richtige  Bestimmung  hinzuleiten,  falls 
die  Ounningham'sche  Pflanze  auch  noch  in  anderen  Her- 
barien unter  einem  anderen  als  dem  Gattungsnamen  Sapindus 
vorhanden  sein  sollte. 

8)  Die  Beschreibung  von  Sapindus  edulis  Blanco, 
welcher  in  der  ersten  Ausgabe  der  Flor.  Filip.  fehlt,  passt 
ziemlich  gut  auf  Erioglossum  rübiginosum  Bl. ,  so  dass  wir 


BacUkofer:  lieber  Sapindus  etc,  341 

hier  eine  vollständige  Wiederholung  von  Sapindus  edulis 
Bl.  (1823)  vor  uns  hätten.  Von  letzterem  hat  Blanco 
wohl  ebensowenig  Kenntniss  gehabt,  wie  von  dem  i.  J.  1825 
daraus  hervorgegangenen  Erioglossum  edüle  Bl.,  da  beide 
in  dem  von  Blanco,  wie  es  scheint,  hauptsächlich  zu  Bathe 
gezogenen  Prodrom us  von  De  Candolle  nicht  enthalten 
sind.  Dass  Blanco  in  dem  bei  De  Candolle  aufge- 
führten Sapindus  ruhiginosus  Roxburgh  und  Sapindus  fra- 
xinifoUus  DC.  seine  Pflanze  nicht  erkannt  hat,  ist  bei  der 
UnVollständigkeit  der  betreffenden  Diagnosen  nicht  auffallend, 
um  so  weniger,  als  ja  De  Candolle  selbst  in  der'  Pflanze 
aus  Timor  (S.  fraxinifoUus)  den  S,  ruhiginosus  Roxb.  nicht 
erkannte,  obwohl  ihm  von  letzterem  die  Abbildung  Rox- 
burgh's  vorgelegen  zu  haben  scheint. 

Bezüglich  der  Ersetzung  des  aus  Sapindus  edulis  Bl. 
zunächst  hervorgegangenen  Namens  Erioglossum  edule  Bl. 
durch  Erioglossum  ruhiginosum  Bl.  vergleiche  Zusatz  10. 

9.  Im  Anschluss  an  das  oben  S.  250  u.  251  über  die 
zu  Talisia  zu  übertragenden  vermeintlichen  Sapindus-Arten 
Gesagte  mag  hier,  um  neben  den  wesentlichsten  Charakteren 
dieser  Arten  auch  ihre  Stellung  in  der  zugleich  durch  Bacaria 
Aubl.  und  Melicocca  oUvaeformis  Kunth,  sowie  durch  ver- 
meintliche Cupania-Arten  zu  bereichernden  Gattung  Talisia 
ersichtlich  zu  machen,  eine  kurze  Uebersicht  der  Talisia- 
Arten  überhaupt  und  der  aus  ihnen  zu  bildenden  Gruppen 
Platz  finden. 

Talisia  Aubl. 

Sectio  I.  Racaria  (Racaria  Aubl.,  qua  genus):  Petala  su- 

pra  unguem  auriculato-inflexa.   (Discus  annularis,  con- 

vexus,   crenatus,   glaber ;    stamina   filiformia,    praeter 

basin  pilosiuscula ;  antherae  subrotundae,  apiculatae.) 

X  Fructus  acuti 

1)   T.  sylvatica    Radlk.   (Racaria  s.    Aubl.!):    Foliola 


342         Sitzung  der  math,-phy8,  Classe  vom  1,  Juni  1878, 

elliptica,  utrinqae  subacuta,  chartacea,  praeter  nervös 
subtus  minutim  puberulos  glabra,  nitida,  breviter  petio* 
Inlata,  petiolulis  basi  incrassatis. 

2)  T.  pedicellaris  Radlk.:  Foliola  ex  ovato  oblonga, 
acuminata,  membranacea,  subtus  ad  nervum  medianum 
hirsuta,  eaeterum  pilis  minutissimis  rectiusculis  adspersa, 
supra  subtusque  nitidula,  insignius  petiolulata,  petio- 
lulis gracilibus.  —  Guiana  gallica:  Sagot.  n.  1188 
(flor.) ;  Mölinon  (fruct.).  —  Der  Speeiesbeiname  ist  aus 
dem  von  Sagot  der  Pflanze  beigelegten  Namen,  den  ich 
als  nicht  publicirt  betrachten  will,  adoptirt. 

X  X  Pructus  obtusi 

3)  T.  pulverulenta  Radlk.:  Foliola  ex  ovato  elliptica, 
acuminata,  submembranacea,  subtus  undique  pilis  minutis 
apice  hamulatis  pulverulento-pubescentia,  supra  glabra 
et  nitida,  petiolulata,  petiolulis  crassiusculis.  —  Guiana 
gallica:  Melinon  (fr not.). 

Sectio  II.  Cotopais  (Melicocca  sp.  Eunth) :  Petala  intus 
supra  unguem  squama  perbrevi  bi-  vel  subtrifida  margine 
villosa  aucta.  (Discus  lobatus,  interdum  inter  petala  in 
glandulas  tumens,  glaber ;  stamina  e  basi  fusiformi  subu- 
lata,  infra  medium  dense  hirta ;  antherae  ovatae,  obtusae.) 

4)  T.  olivaeformis  Radlk.  (Melicocca  o.  Eunth ;  Stad- 
mannia  o.  Dietr.,  1840). 

Bei  der  nahen  Verwandtschaft  von  Melicocca  und  Ta- 
Usia  mag  es  angemessen  erscheinen,  die  Uebertragung  der 
eben  angeführten  Pflanze,  deren  Aehnlichkeit  mit  Melicocca 
bijuga  L.  gewissermassen  schon  in  den  Yulgärnamen  zum 
Ausdruck  gelangt  ist  —  Mamon  (Triana&Pl.)>  Mammon 
(Eunth),  Mammoncillo  (A.  Rieh.)  t^r  Melicocca  lijuga^ 
Mamon  Mico  (Eunth,  Rohr),  Mammon  Cotopais 
(Rohr,  in  Hb.  Schum.)  für  Talisia  olivaeformis^  deren  Früchte 
auch  schlechthin  Gotopaises  oder  Cotoperises  (Bon- 


Badlkofer:  Ueber  Sapindus  etc.  343 

pland,  Bredemeyer  in  Hb.  Willd.)  genannt  werden  — ,  ans 
der  einen  in  die  andere  Gattung  kurz  zn  rechtfertigen. 

Ich  will  zu  diesem  Behufe  nur  auf  folgende  Momente 
hinweisen. 

Die  Gattung  Melicocca  ist  in  ganz  ausnehmender  Weise 
ausgezeichnet  durch  „Antherae  extrorsae",  wie  schon  in 
Benth.  &  Hook.  Gen.  PI.  hervorgehoben  ist.  Talisia 
olivaeformis  dagegen  besitzt,  wie  alle  Arten  von  Talisia 
„Antherae  introrsae."  Die  Frucht  von  Melicocca  geht  aus 
einem  einfächerigen,  kaum  an  der  Ansatzstelle  der  Samen- 
knospen im  untersten  Theile  mit  einem  Rudiment  einer 
Scheidewand  versehenen  Fruchtknoten  hervor ;  die  von  Ta- 
lisia  aus  einem  dreiföcherigen  Fruchtknoten.  Die  Frucht 
beider  ist,  wie  för  Melicocca  schon  Gaertner  richtig  an- 
gegeben hat  („Bacca  corticosa^^)  eine  gewohnlich  dünnschalige 
Beere  (nicht  eine  „Drupa  mit  ein-  oder  mehrfacherigem 
Putamen",  wie  in  Benth.  &  Hook.  Gen.  PI.  unter  Meli' 
cocca  gesagt  ist).  Der  Same  besitzt  bei  Talisia  so  gut,  als 
bei  Melicocca  (entgegen  der  Angabe  bei  Benth.  &  Hook.) 
keinen  Arillus,  dafür  aber  eine  Testa  druposa,  extus  carnosa. 
Der  anatomische  Bau  der  fleischigen  Partie  der  Samenschale 
ist  ein  wesentlich  anderer  bei  Melicocca  als  bei  Tcdisia. 
Der  Embryo  endlich  ist  bei  Melicocca  gerade,  bei  Talisia 
bald  mehr,  bald  weniger  stark  gekrümmt.  In  all  diesen 
Punkten  stimmt  die  in  Betracht  stehende  Pflanze  mit  den 
übrigen  Arten  von  Talisia  überein.  Andere,  in  Kelch  und 
Krone  I  Blüthenstand  und  Blattstructnr  gel^ene  Unter- 
schiede von  Melicocca  mögen  als  minder  wichtig  hier  über- 
gangen sein. 

Melicocca  hätte  somit  in  die  Reihe  der  monotjrpischen 
Gattungen  zurückzutreten.  Doch  liegt  mir  eine  Pflanze  vor, 
welche  der  Beschaffenheit  ihrer  Blüthen  nach  eine  besondere 
Art  neben  Melicocca  bijuga  zu  bilden  scheint,  von  der  es 
aber   freilich,    da   nähere  Angaben    über    ihr  Vorkommen 


344         Sitzung  der  math.-phya,  Classe  w>m  1,  Juni  1878, 

fehlen,  auch  wieder  als  möglich  erscheint,  dass  sie  eine 
blose  Cultarform  von  Melicocca  hijuga  sei.  Ich  will  sie, 
um  gleich  im  Namen  die  wesentlichste  Eigenthümlichkeit 
derselben  hervorzuheben,  Melicocca  lepidopetdla  nennen  und 
dieselbe  kurz  folgendermassen  charakterisiren : 

Melicocca  lepidopetala  Badlk.:  Petala  intus  su- 
pra  unguem  squama  brevi  bifida  margine  dense  barbata  aucta. 
Discus  conspicue  4-lobus,  lobis  cum  petalis  alternantibus. 
Folia  1-juga  cum  impari  quam  foliola  lateralia  minore  (plus 
minus  rudimentario  ?,  in  foliis  nonnullis  delapso,  cicatrice 
tantum  indicato).  Reliquae  partes  nee  non  habitas  omnino 
ut  in  Melicocca  bijuga.  —  Chiquitos:  d'Orbigny  n.  818 
(flores  masculi  tantum). 

Ich  würde  in  dem  Vorkommen  der  Endblättchen  nur 
eine  anomale  Entwicklung,  veranlasst  vielleicht  durch  den 
südlicheren  Standort,  erblicken,  wenn  nicht  gleichzeitig  eine 
auffallende  Verschiedenheit  in  der  Beschaffenheit  der  Blumen- 
blätter, die  ich  bei  M.  bijuga  stets  schuppenlos  gefunden 
habe,  vorhanden  wäre.  Ob  auch  hierin  blos  eine  gelegent- 
liche Abweichung  zu  sehen  sei,  wird  wohl  erst  wiederholte 
Beoachtung  der  Pflanze  in  dem  bezeichneten  Gebiete  ent- 
scheiden lassen. 

Sectio  III.  Entalisia;  Petala  intus  supra  unguem  squama 
subulato-lanceolata  petalum  ipsum  subaequante  integra 
vel  apice  bifida  intus  dense  villoso-pilosa  aucta.  (Dis- 
cus profundius  leviusve  cupularis,  inter  petala  in  lobos 
productus,  glaber  vel  pilosus;  stamina  filiformia,  glabra 
vel  pilosa ;  antherae  ovato-  vel  lineari-oblonga,  breviter 
apiculata.) 
Subseetio  1.  Pitombaria  (a  nomine  vulgari  T.  esculentae 
„P  i  1 0  m  b  e  r  a^\  cujus  fructus  ut  et  ii  aliarum  Eutalisiae 
specierum  „Pitomba^^  audiunt):  Petala  simul  cum 
calyce  expansa,  calycem  denique  plus  minus  superantia. 
(Calyx  fere  usque  ad  basin  partitus,  pilis  crispis  inca- 


Badlkafer:  Ueher  Sapindw  etc,  345 

nus;  discns  carnosnlus,  concavus,  minus  altos,  snblo- 
batas,  glaber  yel  hirsutus;  antherae  ovato-oblongae, 
sagittatae,  breviter  apicnlatae;  foliola  minora). 

X  Discus  glaber,  stamina  pilosiuscula 

5)  T.  esculenta  Badlk.  (Sapindus  e.  St.  Eil,  1824; 
Sapindns  ednlis  Spach.,  1834;  ?  „Cnpania  e  coli.  Brasil. 
Clausseni  1840^'  Turcz.,  1858,  p.  405):  Foliola  2-4- 
juga,  ex  ovato  vel  oblongo  sublanceolata,  membrauacea 
glabra. 

X  X  Discas  hirsutus,  stamina  hirsuta 
+  Foliola  4— 7-juga 

6)  T.  subalbens  Radlk.  (Capania  s.  Mart.  Herb.  Fl. 
bras.  n.  264):  Foliola  4— 6-juga,  ex  ovali  anguste  ovata 
vel  sublanceolata,  acuta  vel  obtusa,  breviter  petiolnlata, 
coriacea,  subtus  albo-sericea,  supra  pilis  minntissimis 
pulverulento-puberula,  opaca. 

7)  T.  angustifolia  Badlk.:  Foliola  circiter  14,  inferiora 
alterna,  superiora  opposita,  anguste  lanceolata,  obtuse 
acuminata,  in  petiolulos  brevissimos  attenuata,  coriacea, 
supra  glaberrima  nitida,  subtus  pilis  brevibus  adpressis 
laxeadspersa.  —  Brasilia,  prov.  Goyaz:  Burchell  n.  6195. 

+  +  Foliola  2-juga 

8)  T.  praealta  Badlk.:  Foliola  bijuga,  elliptico-oblonga 
vel  subobovata,  subacuminata,  acumine  obtuso  vel  emar- 
ginato,  in  petiolulos  basi  crassiores  attenuata,  coriacea, 
plus  minus  buUata,  utrinque  nitidula,  paucinervia,  ner- 
vis  (praesertim  mediano)  subtus  acutis;  paniculae  foliis 
minores  axillares  vel  spurie  terminales.  —  Guiana  gal- 
lica:  Sagot  n.  1047. 

Der  Speciesbeiname  ist  aus  dem  von  Sagot  der 
Pflanze  beigelegten  Namen,  den  ich  als  nicht  publicirt 
betrachten  will,  adoptirt. 


346         Sitzung  der  math.^phya.  Glosse  vom  1   Juni  1878, 

XXX  Discus  hirsutas,  stamina  glabra 

+  Foliola  1— 2-juga,  supra  hypodermate 
instructa 
9)  T.  squarrosa  Radlk. :  Foliola  ovalia  vel  suboblonga, 
utrinque  subacuta,  coriacea,  plana,  utrinquenitidulapauci- 
nervia,  nervis  (praesertim  mediano)  latiusculis  obtusis; 
paniculae  in  ramulis  lateralibus  (spurie)  terminales, 
squarroso-ramosae,  camis  elongatis.  —  Guiana  britan- 
nica:  Schomburgk  n.  738. 

+  +  Foliola  2-juga,  hypodermate  nuUo 

10)  T.  coriacea  Radlk.:  Foliola  ovata,  in acumen  acutissi- 
mum  acutata,  in  petiolulos  basi  yix  crassiores  inae- 
qualiter  contracta,  coriacea^  plus  minus  bullata,  utrin- 
que nitidula,  paucinervia,  nervis  (praesertim  mediano) 
subtus  acutis;  paniculae  axillares  terminalesque,  folia 
paullo  superantes.  —  Brasilia,  Ilheos:  Luscbnath. 

11)  T.  multineryis  Radlk.:  (Cupania  sp.  Spruce  PI. 
bras.,  1853):  Foliola  oblonga,  breviuscule  acuminata, 
basi  in  petiolulos  conspicuos  attenuata,  margine  subun- 
dulata,  coriacea,  supra  maxime  splendentia^  subtus  opaca, 
multinervia;  paniculae  laterales  nee  non  spurie  termi- 
nales, foliis  minores.  —  Brasilia,  Panurö  ad  Rio  üaupes ; 
Spruce  n.  2421. 

12)  T.  firma  Radlk.:  (Sapindus?  sp.  Spruce  PI.  bras., 
1853) :  Foliola  lanceolata,  in  acumen  elongatum  sensim 
attenuata,  insigniter  petiolulata,  firme  coriacea,  supra 
nitidula,  subtus  opaca,  plurinervia;  paniculae  spurie 
terminales,  inter  minores.  —  Brasilia  ad  flumina  Casi- 
quiari,  Vasiva  et  Pacimoni:  Spruce  n.  3311. 

+  +  +  Foliola  3  -  4-juga 

13)  T.  hexaphylla  Vahl  Eclog.  11,  1798,  p.  29. 
Subsectlo  2.  Acladodia  (Acladodia  R.  &  P.,  qua  genus; 

Comatoglossum    Tr.    &   PI.):      Petala    imbricata    post 
calycis   expansionem    ad   duplam  —  quadruplam  'ejus 


Baälkofer:  üeber  Sapindua  etc.  347 

longitudinem  elongata,  quasi  alabastrnm  interius  exhi- 
bentia,  tum  denique  expansa.  (Calyx  usque  ad  medium 
vel  ultra  medium  partitus,  glaber  vel  yarie  teetus; 
discus  carnosus,  cupularis,  sat  altus,  extus  pentagouus, 
lateribus  petalorum  pressioue  concavis,  glaber,  birtellus 
vel  hirsutus;  antberae  lineari-oblongae,  basi  cordatae; 
foliola  majora.) 

X  Discus   glaber  (calyx  profuudius  partitus,   floris 
foecundati  mox  deciduus,  puberulus;  petala  ex- 
tus glabra;  stamina  glabra) 
+  Foliola  1 — 4-juga 

14)  T.  oedipoda  Badlk.:  Foliola  1— 4-jnga,  opposita, 
oblougo-lauceolata ,  in  petiolulos  basi  eximie  bulboso- 
incrassatos  attenuata,  crasse  coriacea,  glabra;  petiolus 
supra  planus,  subtus  convexus  vel  obtuse  angulatus, 
basi.  valde  incrassatus.  —  Brasilia,  ad  Rio  Pardo,  in 
campis  siccis  arenosis:  Biedel  n.  522.  Suffrutex  par- 
vus,  18 — 30  cm  altus. 

15)  T.  macrophylla  Radlk.  (Cupania  m.  Mart.  Hb.  Flor, 
bras.  n.  483):  Foliola  3-juga,  ex  oblongo  cuneata,  pe- 
tiolulis  semi-cylindricis  crassis  insidentia. 

+  +  Foliola  multijuga 

16)  T.  guianensis  Aubl.  (T.  rosea  Vahl ;  T.  glabra  DC; 
T.  guianensis  Camb.  partim,  cfr.  T.  carinata):  Foliola 
5— 15-juga,  lanceolata  yel  suboblonga,  acuminata,  in 
petiolulos  longiusculos  basi  bulboso  -  incrassatos  atte- 
nuata, subcoriacea,  glabra,  supra  subtusque  nitida,  reti- 
culato-Tenosa;  rfaachis  foliorum  (petiolusque)  teres; 
petala  extus  glabra;  epispermii  pars  putaminosa  laevis. 

X  X  Discus   pilis  brevibus   birtellus   (stamina  plus 
minus  hirsuta) 
+  Calyx  profundius  partitus,  floris,  foecun- 
dati  mox  deciduus  fpetala  extus  glabra) 

17)  T.  cerasina    Radlk.    (Sapindus   c.   Benth.   in  Hook. 


348  Sitzung  der  math,-phy8,  Glosse  vom  1.  Juni  1878. 

Jonrn.  Bot.  III,  1851,  p.  197;  Sapindus  oblongus 
Benth.  ibid.  p.  198):  Poliola  3 — 8-juga,  oblonga,  bre- 
yiuscale  acaminata,  in  petiolulos  basin  versus  plus 
minus  incrassatos  rapidius  attenuata,  subcoriacea,  glabra, 
supra  nitida,  subtus  nitidula  vel  subopaca;  petiolus 
rhacbisqueteretiusculi;  petala  calyce  3 — 4-plo  longiora, 
extus  glabra;  stamina  hirtella. 

+  +  Calyx    ad  medium   tantum   fissus,  longe 
persistens  (petala  extus  sericea) 
'^  Rhachis    foliorum   subtus    carinata,    inde 
subtriquetra,  glabra 

18)  T.  longifolia  Radlk.  (Gupania  longifolia  Benth.  in 
Hook.  Journ.  Bot.  IL  1850,  p.  211):  Foliola  7— 8-juga, 
elongate  lanceolata,  petiolulis  brevibus  crassis  insidentia 
coriacea,  nervis  subtus  vix  prominentibus  obtusis,  utriu- 
que  glabra  et  nitida;  petala  extus  laxe  sericea;  stamina 
hispida. 

19)  T.  carinata  Radlk.  (T.  guianensis,  non  Aubl.,  Camb. 
partim,  nempe  quoad  specimina  quaedam  a  Martin  coli., 
a  Camb.  determ.,  in  Mus.  Par.  servata):  Foliola  6  — 
multijuga  lanceolata  vel  suboblonga,  acuminata,  in  pe- 
tiolulos basin  versus  sensim  incrassatos  attenuata,  sub- 
coriacea,  nervis  subtus  prominentibus  acutis  plus  minus 
carinatis,  utrinque  glabra,  supra  nitida,  subtus  nitidula 
vel  subopaca ;  petala  extus  tota  vel  basi  tantum  sericea, 
stamina  fairsuta ;  epispermii  pars  putaminosa  apice  scro- 
biculato-rugosa.  —  Guiana:  L.  Gl.  Richard,  Poiteau, 
Sagot,  Melinon  n.  357.  (In  Herbariis  versatur  sub 
nomine  T.  guian.  Aubl.  vel  T.  glabr.  DC.) 

*  *  Rbachis  foliorum  teres,  hirsuta 

20)  T,  dasyclada  Radlk.:  Foliola  3-juga,  opposita,  elon- 
gate oblonga,  subacuminata ,  submembranacea,  subtus 
ad  nervum  medianum  hirsuta,  caeterum  glabra,  supra 
nitidula,  subtus  opaca,   reticulato-venosa ;  petioluli  bre- 


BacUkofer:  Ueber  Sapindus  etc.  349 

vissimi,   crassi,  ramique  hirsuti.   —    Brasilia,  in  um- 
brosis  siccis  prope  Borba;  Riedel  n.  1367. 

21)  T.  clathrata  Radlk. :  Foliola  4 — 5-juga,  opposita, 
oblonga,  in  acumen  Uneare  subito  protracta,  submembra- 
nacea,  utrinque  glabra  et  nitidala,  clathrato-venosa ; 
petioluli  conspicui,  semicylindrici ,  petioliqae  ramiqne 
glabrati.  —  Brasilia:  Martins. 

XXX  Discus  hirsntus,  in  plnribas  (n.  27 — 30)  hirsu- 
tissimns 

+  Calyx  profandius  par^tus,  floris  foecnndati 
plerumqae  mox  deciduus  (sepala  angustiora, 
lanceolata,   acutiuscnla  thyrsiqne    hirsuti; 
stamina  glabra) 
*  Foliola  pltLrijuga,  lanceolata 

22)  T.  m  Ollis  Eunth  Herb.  ed.  Gamb.  (T.  guianensis, 
non  Anbl. ,  DC,  excl.  syn.  „T.  ros.  Vahl."):  Foliola 
5— mnltijnga,  lanceolata,  acnminata,  breyissime  petioln- 
lata,  petiolulis  incrassatis,  snbcoriacea,  snbtns  hirta. 

23)  T.  bemidasya  Radlk.  (Sapindus  surinamensis ,  non 
Poir.,  Turcz.  in  Bull.  Mose,  1858,  p.  402):  Foliola 
4 — 8-juga,  lanceolata,  acuminata,  in  petiolulos  basi  in- 
crassatos  oblique  attenuata,  subcoriacea,  margine  undu- 
lata ,  supra  glaberrima,  subtus  glabriuscula.  —  Suri- 
nam: Hostmann  n.  1274. 

24)  T.  pilosula  Sagot  (in  scbedis):  Foliola  5 — 10-juga, 
lanceolata,  acuminata,  petiolulata,  coriacea,  margine 
revoluta,  subtus  pilosula.  —  Guiana  gallica:  Sagot. 

**  Foliola    paucijuga,    ovato-lanceolata 

25)  T.  acutifolia  Radlk.  (Sapindus  sp.  Spruce  PI.  bras., 
1855):  Foliola  3— 4-juga,  ovato-lanceolata,  in  acumen 
acutissimum  sensim  acutata,  basi  subacuta  petiolulis 
crassiusculis  semicylindricis  insidentia,  coriacea,  margine 
pauUulum  revoluta,  utrinque  glabra,  supra  nitida,  subtus 

[1878.  3.  Math.-phy8.  CL]  24 


350         Sitzung  der  tnatK-phys.  Classe  vom  1,  Juni  1878, 

opaca.  —  Brasilia,  prov.  Rio  Negro:  Spruce  n.  1992; 
Martins. 

+  +  Calyx   ad   medium   tantum    fissus,    persi- 
stens  (sepala   late  ovata,   obtusa  thyrsi- 
que  breviter  velutini   vel  velutino-tomen- 
tosi;  flores  majores 
*  Foliola  snboblonga 

26)  T.  cupnlaris  Radlk.  (Sapindas  sp.  Spruce  PI.  bras., 
1851):  Foliola  circiter  6-juga,  elliptico-oblonga,  sub- 
acuminata,  petiolulis  brevibus  basi  bulboso-iucrassatis, 
coriacea,  glabra ;  inflorescentia  breviter  velutina ;  petala 
extas  glabra;  discushirsutns;  stamina  glabra.  -  Bra- 
silia,  prov.  Rio  Negro,  prope  Barra:   Spruce  n.  1785. 

27)  T.  pachycarpa  Radlk.:  Foliola  ?— juga,  maxima, 
oblonga,  apice  basique  acutata,  petiolulis  brevissimis 
bulbiformibus  hirsutis,  subcoriacea,  subtus  hirta;  in- 
florescentia breviter  velutina;  discus  hirsutissimus ;  sta- 
mina  glabra;  epispermii  pars  putaminosa  granulato- 
scaberrima.  —  Guiana  gallica:  Poiteau  (Hb.  Deless.). 

**  Foliola  plus  minus  cuneata 

28)  T.  megaphylla  Sagot  (in  scbedis):  Foliola  circiter 
6-juga,  magna,  cuneata,  breviter  acuminata,  petiolulis 
sat  crassis  semicylindricis  glabris,  coriacea,  subtus  pube 
laxa  adspersa  vel  glabriuscula ;  inflorescentia  velutina; 
alabastra  subglobosa;  petala  extus  praeter  marginem 
tomentosa;  discus  hirsutissimus;  stamina  glabra ;  fructus 
junior  dense  lanoso-tomentosus,  laevis.  —  Guiana  gallica 
et  batava:  Poiteau;  Sagot  n.  1194;  Hostmann  n.  1149. 

29)  T.  stricta  Tr.  &  PI.  (Gomatoglossum  s.  Karsten  & 
Tr.  in  Triana  Nuevos  Jeneros  etc.,  1854,  p.  11  et  in 
Linnea  1856,  p.  437):  Foliola  4— 7-juga,  ex  oblongo 
cuneata,  inferiora  obovata,  breviter  acuminata,  petio- 
lulis sat  crassis  semicylindricis  velutinis,  coriacea,  sub- 
tus  velutino-tomentosa ;    inflorescentia  velutino-tomen- 


Radlkofer:  üeber  Sapindus  etc.  351 

tosa;  alabastra  cylindrica;  petala  extus  infra  medium 
tantum  tomentosa;  discus  hirsutissimns;  stamioa  pilo- 
siuscula ;  fructus  maturus  glabratus,  punctato-scaber.  — 
Arbuscula  recta  subsimplex  (t.  E.  &  Tr.  in  Linnaea). 
***  Foliola  sublinearia 
30)  T.  pinnata  Radlk.  (Acladodea  pinnata  Raiz  &  P., 
Prodr.,  1794.  t.  29;  Talisia?  Acladodea  DC.  Prodr., 
1824):  Foliola  ex  oblongo  linearia,  insigniter  acumi- 
nata,  petiolulis  sat  tenuibus  semicylindricis  tomento- 
sis,  membranacea,  plus  minus  buUata,  subtud  mol- 
liter  pubescentia;  inflorescentia  velutino-tomentosa ; 
alabastra  globosa;  petala  extus  infra  medium  tantum 
tomentosa;  discus  hirsutissimus ;  stamina  hirsuta.  - 
Frutex  trunco  ramis  destituto  (t.  B.  &  P.  1.  c). 

10.  Scbon  Cambessedes  citirt  (1829) Sapindus fraxi- 
nifolius  DC.  zu  seiner  Moulinsia  cupanioides,  welche  der 
Hauptsache  nach  nichts  anderes  ist  als  Erioghssum  ruMgi-- 
nosum  Bl.,  mit  Ausnahme  nämlich  der  von  Cambessedes 
abgebildeten  und  als  loculicid  beschriebenen  Frucht.  Dieser 
Fehler  in  der  Beschreibung  von  Cambessedes  ist  zwar 
schon  von  Wight  und  Arnott  (Prodr.  1834,  p.  112) 
und  ebenso  von  Blume  (Rumphia  III,  1847,  p.  121)  her- 
vorgehoben, jedoch  bis  jetzt  nicht  aufgeklärt  worden.  Der- 
selbe resultirte  daraus,  dass  Cambessedes  Fruchtexemplare 
von  Ärytera  litordlis  Bl.  mit  Bluthenexemplaren  von  Erio* 
glossum  ruhiginosum  Bl.  unter  seiner  Moulinsia  cupanioides 
zusammengefasst  hat.  Was  Cambessedes  als  Frucht  von 
Moulinsia  cupanioides  beschrieben  und  abgebildet  hat,  ge- 
hört nicht  zu  Erioglossum  ruhiginosum^  sondern  zu  Ärytera 
litoralis.  Ein  von  Cambessedes  eigenhändig  als  Mou-- 
linsia  cupanioides  bezeichnetes  Exemplar  von  Ärytera  litoralis 
ist  noch  jetzt  im  Pariser  Museum  als  Belegstück  für  diese 
Verwechslung  vorhanden. 

24* 


352  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  1.  Juni  1878. 

Die  Gattungsbezeichnung  von  Gambessedes,  Mou- 
linsia  (1829),  hat  der  älteren  von  Blume ,  Erioglossum  (1825), 
weichen  müssen.  Ebenso  (nach  den  De  C  a  n  d  o  1  le 'sehen  No- 
menclatarregeln)  die  Artbezeichnnng  von  Blume,  .Erio- 
glossum  edule  (1825),  der  späteren  desselben  Autors,  in 
welcher  er  den  Sapindus  rübiginosus  Roxb.  (1795)derGattung 
Erioglossum  zugeführt  hat,  Erioglossum  rubiginosum  Bl. 
(Rumphia  III,  1847,  p.  118,  observ.),  da  die  Identität  dieser 
Pflanze  mit  Erioglossum  edule^  an  welcher  Blume  selbst 
(a.  a.  0.)  noch  gezweifelt  hatte,  gegenwärtig,  wie  schon  in 
meiner  Uebersicht  der  Sapindaceen  HoUändisch-Indiens  (Zus. 
21)  erwähnt  worden  ist,  ausser  aller  Frage  steht.  Don 
hat  die  gegenwärtige  Auffassung  von  Sapindus  rübiginosus 
Boxb.  durch  die  Bezeichnung  als  MouUnsia  rubiginosa 
Don  (1831),  und  Wight&Arnott  durch  die  Beziehung  von 
MouUnsia  cupanioides  Camb.  und  Sapindus  fraxinifölius  DG. 
auf  den  von  ihnen  aufrecht  erhaltenen  Sapindus  rübiginosus 
Roxb.  angebahnt  (1834). 

Der  durch  Erioglossum  verdrängten  Gattungsbezeich- 
nung MouUnsia  wollte  Blume  ihren  Fortbestand  dadurch 
sichern,  dass  er  sie  für  eine  neue  Gattung  verwendete,  welche 
er  aus  einer  africanischen,  von  ihren  Entdeckern  mit  Un- 
recht zu  Erioglossum  gebrachten  Pflanze,  nämlich  aus  Erio~ 
glossum  cauliflorum  Guillerain  &  Perrottet  bildete.  Aber 
auch  für  diese  Gattung  ist  schon  ein  älterer  Name  vor- 
handen, nämlich  Pancovia  Willd.,  1799  (s.  oben  S.  268), 
so  dass  der  Name  MouUnsia  aufs  neue  verdrängt  wird. 

Ich  halte  es  nicht  für  zweckmässig,  solche  in  die  Reihe 
der  Synonyme  zurückgetretene  Gattungsnamen  immer  wieder 
auf  neue  Gattungen  zu  übertragen,  weil  dadurch  nicht  selten 
Missnahmen  herbeigeführt  werden,  wie  das  gerade  auch  für 
MouUnsia  der  Fall  und  in  dem  oben  (S.  268)  über  Pan- 
covia Gesagten  dargelegt  ist.  Andernfalls  würde  dieser  Name 
abermals  Verwendung  finden  können  für  eine  americanische 


Radlkofer:  Ueber  Sapindus  etc.  353 

Pflanze,  welche  mit  ihm  bereits  in  Beziehung  gesetzt  worden 
ist,  und  welche  sich  als  Typus  einerneuen  Gattung  darstellt. 

Es  ist  das  n.  1100  und  1175  derSammlungvon  Spr  uce, 
auf  den  betreffenden  Etiquetten  als  ^^MouUnsiae  afSnis** 
bezeichnet.  Diese  Pflanze,  welche  Spruce  unter  n.  1784 
auch  mit  Früchten  übersendet,  und  welche  auch  Martins 
mit  Früchten  am  Solimoes,  ferner  Schomburgk  blühend 
in  Guiana  gesammelt  hat,  ist  übrigens  nicht  gerade,  wie  die 
erwähnte  Bezeichnung  andeutet,  verwandt  im  eigentlichen 
Sinne  des  Wortes  mit  Erioglossum,  resp.  Moulinsia^  viel- 
mehr nur  in  einzelnen  Stücken  —  in  der  ünregehnässigkeit 
des  Discus  und  in  der  Blattgestalt  —  ihr  ähnlich.  Wirk- 
lich verwandt  ist  die  Pflanze  mit  der  americanischen  Gattung 
Toulicia,  von  der  sie  im  nicht  fructificirten  Zustande  nur 
schwer  zu  unterscheiden  ist.  Durch  ihre  Frucht  erweist 
sie  sich  als  Typus  einer  besonderen  Gattung,  welche  hier 
in  üblicher  Form  charakterisirt  sein  mag: 

Poroeystis  Radlk.  („Moulinsiae  affin."  Spruce  PI.  bras., 
1850—- 51):  Flores  irreguläres,  polygamo-monoici.  Sepala  5, 
coucava,  imbricata,  2  exteriora  minora,  omnia  adpresse  pu- 
bescentia,  interiora  margine  glabra  et  petaloidea.  Petala  4, 
inferioris  sede  (inter  sepalum  3.  &  5.)  vacua,  ovata,  in  unguem 
laminam  dimidiam  aequante  attenuata,  extus  sericea,  intus 
glabra,  supra  unguem  squama  alta  bifida  aucta ;  squamarum 
laciniae  apice  incurvae,  barbatae,  margine  villosae,  dorso 
ad  marginem  interiorem  processu  comiformi  villoso  cristatae, 
petalorum  lateralium  inferiores,  i.  e.  petali  deficientis  sedem 
spectantes,  abbreviatae.  Discus  unilateralis,  semilunaris,  pul- 
vinatus,  cano-tomentosus.  -  Stamina  8,  excentrica,  floris  mas- 
culi  exserta,  floris  hermaphroditi  inclusa;  filamenta  filifor- 
mia  (floris  hermaphroditi  subulata,  complanata)  cano-villosa ; 
antherae  introrsae,  ovatae,  basi  emarginatae,  dorso  supra 
emarginaturam  affixae,  glabrae.  Rudimentum  pistilli  florum 
masculorum  parvum,  tomentosum.     Germen  florum  herma- 


354        Sitzung  der  maih.-phys.  Classe  vom  1,  Juni  1878, 

phroditorum  tomentosum,  ovatum,  trilobato-trigonum,  tri- 
loculare;  Stylus  filiformis,  basi  incrassatus,  germine  panllo 
longior,  tomentosus;  stigma  parYam^  obtusum,  brevissime 
yel  Tix  brevissime  trilobum ;  gemmulae  in  locuUs  solitariae, 
axi  supra  mediam  affixae.  Capsula  membranacea,  inflata, 
tricocca;  cocci  angulo  centrali  tantum  cohaerentes,  denique 
secessione  liberi,  axe  fructus  nuUo  relicto,  e  trigono  sub- 
globosi,  gyroso-torulosi,  apice  fissura  brevi  ad  angnlum  cen- 
tralemdehiscentes,  sapra  fissuramstyli  in  partes  tres  a  basi 
ad  apicem  dirupti  basi  indurata  spinoso-apiculati,  puberuli, 
intus  glabri.  Semina  supra  medium  loculum  angulo  centrali 
in  placentam  crassam  per  totam  longitudinem  intnmescenti 
affixa,  subglobosa,  pisi  magnitudine,  in&a  hilum  magis  quam 
supra  producta,  testa  crustacea  fusca  laevi,  hilo  longitudi- 
naliter  oblongo.  Embryo  curvatus,  notorrhizus;  cotyledones 
crassae,  erectae,  basi  curvatae,  amyligerae;  radicula  brevis, 
infera,  centripeta,  plica  testae  excepta.  —  Arbor  parva, 
trunco  8  cm  crasso,  ramis  teretiusculis  glabris,  cortice  pal- 
lide  subfnsco.  Folia  alterna,  abrupte  pinnata,  glabra,  petiolo 
rhacbique  teretiusculis  vel  rbacbi  supra  subtusque  sulco  la- 
terali  utrinque  notata;  foliola  7 — 12,  alterna  vel  suboppo- 
sita,  oblonga  ellipticave,  subaequilatera,  apice  acuminata, 
basi  subacuta,  breviter  petiolulata,  petiolulis  basi  incrassatis, 
integerrima,  coriacea,  utrinque  laevigata,  supra  viridia,  sub- 
tus  subfnsca  et  reti  venarum  tenui  pallidiore  instructa, 
impunctata,  epidermide  non  mucigera.  Paniculae  in  ramis 
lateralibus  terminales  axillaresve,  folia  aequantes,  minutim 
puberulae,  ramis  dicbasia  crebra  glomeruliformia  subsessilia 
5 — 1 1-flora  gerentibus ;  bracteae  bracteolaeque  parvae,  trian- 
guläres, pubescentes.  Flores  mediocres,  pedicellati,  pedicellis 
in&a  medium  articulatis. 

Species  1 :  P.toulicioides  Radlk.:  Foliola  15— 25  cm 
longa,  4,5 — 10  cm  lata,  inferiora  minora ;  flores  albi;  fructus 
(eos  Staphyleae  pinnatae   quodammodo   in    mentem  revo- 


Badlkofer:  Ueber  Sapindus  etc.  355 

caDtes)  circiter  2  cm  alti,  3 — 4  cm  lati.  —  Brasilia,  prov. 
Rio  Negro:  Martins;  Spruce  n.  1100,  1175,  1784;  Guiana 
anglica:  Schomburgk  n.  986.    Flor.  m.  Nov.,  frnct.  m.  Febr. 

Eine  weitere,  zur  Zeit  monotypische  Gattang  aas  Bra- 
silien,  Diatempteryx^  ist  oben  gelegentlich  der  Aufsiellnng 
von  Thouinidium  Radlk.  erwähnt  worden  (s.  S.  284).  ^  Um 
im  Anschlüsse  hieran  die  Darlegung  der  auf  noch  unbe- 
schriebenen Materialien  beruhenden  neuen  Gattungen 
aus  Brasilien  zu  vervollständigen,  mag  es  gestattet  sein, 
hier  die  Charakteristik  einer  weiteren  solchen  Gattung  an- 
zufügen, welche  schon  St.  Hilaire  und  Martins  in  un- 
vollständigen Exemplaren  gesammelt,  aber  nicht  zur  Publi- 
cation  gebracht  haben.  Leiderlassen  auch  die  von  Riedel 
und  War  min  g  herrührenden  neueren  Materialien  an  Voll- 
ständigkeit noch  viel  zu  wünschen  übrig.  Die  Samen 
fehlen  gänzlich,  und  die  vorhandenen  Früchte  sind  lose  bei- 
liegend, so  dass  unbedingte  Sicherheit  für  ihre  Hieherge- 
hörigkeit  nicht  gegeben  ist.  Ich  will  die  Gattung  nach 
den  für  die  Pflanze  von  Warm  in  g  angegebenen  Yulgär- 
namen  Puta  pobre,  Maria  pobre,  Maria  molle, 
Farinha  secca,  welche  offenbar  auf  eine  geribge  Nutz- 
barkeit der  Pflanze  hindeuten,  und  welchen  noch  der  von 
Martins  einem  der  mikroskopischen  Struktur  nach  unzweifel- 
haft hiehergehörigen  Holzstückchen  (coli.  lign.  ü,  16)  und 
den  von  ihm  gesammelten  Blättern  dieser  Pflanze  (observ. 
ined.  n.  1532)  beigesetzte  und  direct  die  Werthlosigkeit 
des  Holzes  ausdrückende  Name  Pao  pobre  hinzuzufügen 
ist,  Dilodefidron  (deiXog^  armselig)  nennen.  Die  Charakteri- 
stik ist  folgende: 

Dilodendron  Radlk.:  Flores  subregulares ,  poljgami 
(dioici?).  Sepala  5,  late  ovata  (praesertim  florum  mascu- 
lorum),  concava,  imbricata,  2exteriora  minora,  omnia  mar- 
gine  fimbriato  -  glandulosa  extus  pilis  setulosis  adspersa, 
pellucido-punctata.    Petala  3—4,  rarius  5,  plerumque  unum 


356  Sitzung  der  math.'phys.  Classe  vom  1.  Juni  1878, 

alteromve  rudimentarium  vel  in  floribus  mascnlis  omnino 
nolla,  late  ovata  vel  suborbicularia,  in  UDguem  brevem  ab- 
rupte contracta,  intas  sapra  unguem  marginibus  subinflexis 
crassinsculis  pilosis  squamulas  rndimentarias  exbibentibus 
instracta,  caetemm  glabra  nee  nisi  glandulis  minutis  in 
pagina  interiore  et  ad  marginem  obsita,  sepalis  minora. 
Discns  concavus  subaequalis,  sublobatus,  camosulus,  glaber, 
rubicundus.  Stamina  8,  rarius  7  vel  9,  intra  discum  in- 
serta,  snbcentrica ;  filamenta  subulata,  basi  compressiuscula, 
glabra ;  antherae  subintrorsae,  sagittato-ovatae,  setulis  glan- 
dulisqne  stipitatis  obsitae  vel  floram  masculornm  glabrins- 
culae,  dorso  ad  siniim  basilarem  affixae,  breviter  exsertae. 
Rudimentum  pistilli  floram  masculornm  parvum,  parce  pilo- 
sum.  Germen  florum  hermapbroditorum  late  ovatum,  tri- 
gonum,  triloculare,  loculo  uno  sepalum  posterius  (secundum) 
spectante,  pilis  setulosis  brevibus  perlaxe  adpersum;  Stylus 
brevis,  crassus,  curvatus,  denique  rectiusculus ;  Stigma  ob- 
tusum,  breviter  trilobum,  lobis  loculis  respondentibus,  intus 
et  margine  stigmatosis,  rubicundis;  gemmulae  in  loculis 
solitariae^  axi  supra  basin  afflxae,  camptotropae,  micropyle 
prope  basin  extraria.  Fructus  trigonus,  capsularis,  loculi- 
cide  trivalvis,  valvis  medio  septiferis  suborbicularibus  crasse 
coriaceis,    siccis    rugulosis    nigricantibus,    intus    hirsutulis. 

Semina  ad  basin  loculorum   affixa —  Arbor  trunco 

tereti,  int^rdum  elato,  cortice  fusco  vel  rubescente  subver- 
rucoso  et  interdum  annulato  glabro  (Warming).  Folia 
alterna  exstipulata,  abrupte  bipinnata,  larga^  petiolo  rbacbique 
e  tereti  obtuse  triangularibus  sulcatis  hirtellis  denique  gla- 
bratis;  pinnae  utrinque  3 — 7,  alternae  vel  suboppositae 
oblongae,  superiores  intermediis,  inferiores  superioribus  bre- 
viores,  rliachibus  interdum  (rarius  rhachi  foliorum  com- 
muni  quoque)  foliolo  terminali  plus  miiius  rudimentario  in- 
structis;  foliola  (pinnulae)  4--9-juga,  alterna  vel  suboppo- 
sita,  ovata,  basi  inaequali  subsessilia,  acuta,  simpliciter  vel 


:"-    r  y 


Radlkofer:  Ueher  Sapindus  etc.  357  ^ 

subdnplicatim  iDciso-serrata ,  multinervia ,  snbcoriacea,  dis- 
coloria ,  sapra  laevia  glabraque,  subtns'  cuticula  uodoso- 
granulata  plus  minus  glanca  et  birtello-pnbescentia,  miDutim 
pellucido-punctata,  epidermide  mucigera.  Tbyrsi  ad  apices 
ramulorum  brevium  vel  in  ramalis  novellis  laterales,  nu- 
merosi,  fasciculatim  panicalatimve  congesti,  flavescenti-toraen- 
telli,  basi  ramosi,  snpeme  ramique  dichasia  simplicia  (tri- 
flora)  vel  (praesertim  in  thyrsis  masculis)  composita  (pluri- 
flora)  tomqae  glomeruliformia  et  in  cincinnos  abeautia 
sat  crebra  stipitata  vel  subsessilia  gerentes ;  bracteae  bracteo- 
laeque  parvae^  triangulari-lanceolatae,  pubescentes.  Flores 
mediocres,  breviter  pedicellati,  pedicellis  basi  articulatis. 

Species  1:  D.  bipinnatnm  Radlk. :  Foliola  4 — 6  cm 
longa,  1 — 2  cm  lata;  thyrsi  8  —20  cm  longi;  fructus  1,5  cm 
longi,  totidem  lati.  —  Brasilia,  prov.  Minas  Geraes:  St. 
Hilaire,  Cat.  B  1,  n.  1586;  Martins;  Riedel  n.  1090; 
Warming;  Lnnd?  n.  695  (in  Hb.  Warming).  Arbor  sil- 
vestris  rara  (Warming). 

Einer  Bemerkung  von  Martins  über  „Pao  pobre" 
(unter  n.  1532)  mag  Folgendes  entnommen  sein:  „Arbor 
trunco  flexuoso ,  ramis  late  expansis,  altitudine  20  pedum 
.  .  .  .  Semina  oblonga,  atra,  nitida,  oleosa.  Oleum  ex  bis 
expressum  ad  lucem  adhibetur  et  commedi  potest." 

Das  Holz  der  Pflanze  ist  durch  eine  starke  Entwick- 
lung des  Holzparencbymes  und  Sonderung  desselben  in  con- 
centriscbe,  mit  dem  Prosencbyme  abwechselnde  Binden  oder 
Zonen  ausgezeichnet.  Theils  in  den  Gefassen,  theils  in 
harz-  oder  gummigangartigen  Lücken  findet  sich  eine 
amorphe  Masse  von  harzartigem  Aussehen,  welche  sich  weder 
in  Aether  noch  Alkohol,  noch  Wasser,  noch  Kalilauge, 
noch  verdünnter  Schwefelsäure  löst,  in  letzteren  drei  Me- 
dien nur  etwas  Quillt  und  ihrem  sonstigen  reactiven  Ver- 
halten nach  als  eine  der  Holzsubstanz  zunächst  ähnliche 
Masse   sieb  darstellt,   deren  eigenthümliches  Auftreten  wei- 


^358  Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  1,  Juni  1878, 

terer  Untersuchnng  werth  sein  dürfte.  Sie  scheint  aus 
einer  Veränderung  von  Zellmembranen,  analog  der  bei  der 
Gummibildung  vorkommenden,  hervorzugehen. 

11.  Ueber  Pseudima  frutescem  Radlk.  (Sapindus  frutes- 
cens  Aubl.)  vergleiche  Radlkofer,  Sopra  un  arillo  speciale 
di  una  Sapindacea,  XII  Congresso  della  Societa  Italiana  pel 
Progresso  delle  Scienze,  Classe  IV,  Roma  1877,  p.  23 
(s.  Nuovo  Giornale  Botanico  Italiano,  Vol.  X,  No.  2, 
Aprile  1878).  Erwähnt  mag  hier  sein,  dass  in  De  Can- 
dolle  Prodrom.  I  das  „v.  s.'*  (vidi  siccum)  bei  SapindtAS 
frutescens  zu  streichen  ist.  Es  rührt  nicht  von  De  Can- 
d  o  1 1  e  selbst  her,  sondern  wurde,  wie  das  noch  vorhandene 
Manuscript  ausweist,  von  Seringe  hinzugefügt  auf  Grund 
unrichtig  bestimmter  und  zwar  zweierlei  unrichtig  bestimmter 
Pflanzen,  welche  wohl  auchSeringe  erst  an  der  betreffen- 
den Stelle  des  Hb.  Prodromi  eingefügt  hat.  Ihre  Namhaft- 
machung  mag,  um  die  Synonymie  nicht  zu  vermehren) 
unterbleiben,  was  hier  um  so  eher  thunlich,  als  eine  er- 
hebliche Rückwirkung  auf  die  Diagnose  nicht  bemerk- 
bar ist. 

12.  Sapindm  gldbrescens  W.  Hook  &  Arn.  ist  bereits 
von  Grisebach  (Flora  Brit.  West  Ind.  Isl,  1859—64, 
p.  125)  richtig  zu  Gupania  glabra  Sw.  gebracht  worden. 
Nicht  von  allem,  was  Grisebach  sonst  noch  an  dieser 
Stelle  auf  die  Pflanze  von  S  wart  z  bezieht,  gilt  das  Gleiche, 
wovon  Weiteres  bei  anderer  Gelegenheit. 

13.  Sapindus  guineensis  Don  wurde,  wie  schon  oben 
S.  243  erwähnt,  von  Hooker  in  Niger  Flora  1849  zu 
Sapindus  senegalensis  ^  d.  i.  Äphania  senegalensis  Radlk. 
gezogen.  Ich  muss  die  Richtigkeit  dieser  Deutung,  welche 
sich  wohl  sicher  nur  auf  die  Beschreibung  Don^s,  nicht 
auf  Autopsie  stützt,  dahingestellt  sein  lassen.  Mir  scheinen 
die  Angaben  von  Don  „leaflets  numerous*^  i^young  branches 


BadlJcofer:  Üeher  Sapindus  etc.  359 

as  well  as  panicles  clothed  with  rufous  hairs ;  panicles  large, 
terminal  ^  besser  auf  DeinhoUia  pinnata  als  auf  Äphania 
senegalensis  zu  passen;  auch  die  Angabe  über  die  Frucht 
„fruit  red,  about  the  size  of  a  cherry  with  a  whitish  fari- 
naceous  pulp*'  scheint  dieser  Auffassung  nicht  zu  wider- 
sprechen, wenn  man  die  mehUge  Beschaffenheit  auf  die 
von  Sklerenchymzellen  körnige  äussere  Fruchtschicht  be- 
ziehen darf. 

14.  Sapindus  Koelrmteria  Blanco  ist  von  Blan  co  selbst 
in  der  zweiten  Ausgabe  der  Flor.  Filip,  (1845)  in  Koelr 
reuteria  arborea  umgewandelt  worden.  Aus  der  Beschrei- 
bung der  Pflanze  geht  ziemlich  sicher  hervor,  dass  dieselbe 
zur  Gattung  Koelreuteria  nicht  gehöre ,  und  dass  die  Ver- 
setzung zu  ihr  wohl  nur  dem  Vorhandensein  eines  unregel- 
mässigen Discus  Rechnung  tragen  sollte  (s.  Zus.  4).  Zu 
bestimmen,  wohin  sie  gehöre,  dazu  reicht  die  Beschreibung 
nicht  aus,  zumal  die  Frucht  der  Pflanze  unbekannt  ist.  Am 
ehesten  möchte  dem  Autor  ein  Blüthenexemplar  irgend  einer 
Guioa  vorgelegen  haben.  Das  hat  auch  Blume,  dem 
wohl  nur  die  erste  Ausgabe  der  Flor.  Filip.  bekannt  war, 
schon  als  wahrscheinlich  angenommen,  indem  er  unter 
Hemigyrosa  Perrottetii^  d.  i.  Ghiioa  Perrottetü  Radlk.,  sagt: 
^ßapindus  Koelreuteria  Blanco  forte  eadem  aut  altera  hujus 
generis  species"  (Rumphia  III,  1847,  p.  165).  Auf  Oruioa 
weist  wenigstens  die  Beschreibung  der  Blumenblattschuppen 
hin  und  der  einseitige  Discus,  welcher  in  den  Worten: 
„Estambres  ocho  ä  un  lado  del  germen*^  angedeutet  zu  sein 
scheint.  Gegen  Guioa  spricht  übrigens  wieder  die  Angabe, 
dass  der  Kelch  nur  4-theilig  sei,  vorausgesetzt,  dass  diese 
Angabe  exact  ist. 

15.  Das  Original  des  Sapindus  lucidum  Desv.  Hb.  ed. 
Hamilton  befindet  sich  im  Herbarium  des  Herrn  Alp h.  La- 


360  Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  1,  Juni  1878. 

vallee,  Generalsecretärs  der  Societe  centrale  d'Horticul- 
ture  in  Paris,  Herr  Her  ine  q,  Präparator  am  Pariser 
Museum,  hat  sich  das  Verdienst  erworben,  die  Lösung  des 
seit  1825  mit  dieser  Art  den  Botanikern  aufgegebenen  und 
bis  jetzt  geduldeten  Räthsels  zu  ermöglichen,  indem  er 
meine  Nachforschungen  nach  dieser  Pflanze  unterstützte 
und  mir  (bei  meineni  letzten  Aufenthalte  in  Paris  im  April 
1877)  die  Autopsie  derselben  verschaffte.  Sie  gab  sich  da- 
bei auf  den  ersten  Blick  als  Hypelate  paniculata  Gamb.  zu 
erkennen.  Zur  gleichen  Pflanze  gehört,  wie  hier  beigefügt 
sein  mag,  die  von  Schlechtendal  und  Ohamisso  nach 
der  Sammlung  von  Schiede  und  Deppe  mit  dem  Ein- 
gebomen-Namen „(7o/?aZiKo"  (Papantlensium)  in  Linnaea 
V,  1831,  p.  419,  n.  1295  erwähnte  „Sapindacee**,  zugleich 
mit  der  als  damit  verwandt  bezeichneten  ^^Ephielis  juglan- 
dinea  Poepp.  Enum.  pl.  cub."  (1824). 

16.  Ich  würde  in  ,ßapinäus  marginatu^  Bl.'^  von 
Teysmann  &  Binnendijk,  resp.  des  von  diesen  her- 
ausgegebenen Catalogus  Plantarum  quae  in  Horto  bot.  Bo- 
goriensi  coluntur  (1866),  nur  einen  Schreibfehler  für  „/S. 
emarginatusNdioX  (Blume  Rumphia  HI,  1847,  p.  94,  n.  2) 
erblickt  haben,  zumal  von  Teysmann  i.  J.  1867  an 
Hasskarl  gesendete  Exemplare  letzterer  Pflanze,  welche 
wohl  zweifellos  aus  dem  Garten  zu  Buitenzorg  herrühren, 
im  Hb.  Hasskarl  und,  von  Hasskarl  mitgetheilt,  im  Hb. 
Berol.  vorhanden  sind,  wenn  nicht  die  betreffenden  Autoren 
als  Vaterland  ihrer  Pflanze  „Java"  angegeben  hätten, 
während  sie  zugleich  8.  emarginattis  Vahl  als  solchen  auf- 
führen. Einer  Beziehung  auf  S,  marginatus  Willd.  stand 
gleichfalls  die  Vater landsangabe  im  Wege;  zugleich  ist  der- 
selbe von  Blume  meines  Wissens  nirgends  berührt  wor- 
den. Vielleicht  liegt  der  Angabe  lediglich  eine  Bestimmung 
Blume' 8  aus  der  Zeit  seines  Aufenthaltes  in  Buitenzorg 


Radlkofer:  üeber  Sapindus  etc-  361 

zu  Grunde.  Irgend  ein  positiver  Anhaltspunkt  dafür,  dass 
die  Pflanze  wirklich  zur  Gattung  Sapindus  gehöre,  liegt 
nicht  vor.  Es  ist  das  sogar  unwahrscheinlich,  wenn  die 
Pflanze  in  der  That  aus  Java  ist.  Denigemäss  hielt  ich  es 
für  das  Beste,  sie  nicht  in  der  zweiten,  sonderh  in  der 
ersten  Tabelle  aufzuführen. 


17.  unter  dem  Namen  Sapindus  mauritianus  Hort, 
Par.  etc.  mag  wohl  eine  wirkliche  Sapindns-Art,  vielleicht 
aus  dem  Garten  auf  Mauritius  in  den  zu  Paris  und  Mont- 
pellier gelangt,  gemeint  sein.  Es  liegt  aber  zur  Zeit  irgend 
ein  positiver  Anhaltspunkt  dafür  nicht  vor.  Desshalb  wurde 
die  Pflanze,  v^e  die  im  vorausgehenden  Zusätze  besprochene, 
nach  den  in  der  Vorbemerkung  1  dargelegten  Grundsätzen, 
in  die  Tabelle  I  aufgenommen. 

18.  Sapindus  microcarpus  R.  &  P.,  Flor,  peruv.  IV, 
1802,  tab.  341  (ohne  Text)  ist,  wie  schon  die  Abbildung 
deutlich  erkennen  lässt,  und  wie  ein  im  Hb.  Webb.  vor- 
handenes Originalexemplar  der  betreffenden  Autoren  bestätiget, 
nichts  anderes  als  Allophylus  Cominia  Sw.,  während  die 
folgende  Tafel  342  einen  wirklichen  Sapindus  darstellt,  und 
zwar  S.  Saponaria  L. ,  wie  das  auch  Ruiz  &  Pavon  an- 
gegeben haben,  aus  deren  Herbar  auch  von  dieser  Pflanze 
Originalien  vorhanden  sind  (Hb.  Boissier,  De  Cand.,  Berol.). 

Es  wäre  nicht  nothwendig  gewesen,  auf  diese  Pflanzen 
hier  einzugehen,  wenn  nicht  Don  in  seinem  General  Syst. 
I,  1831,  p.  665  den  betreffenden  Tafeln  eine  andere  Bezieh- 
ung gegeben  hätte.  Don  citirt  nämlich  zur  Beschreibung 
des  S.  Saponaria  L.  unter  anderem  Ruiz  &  Pavon  PI. 
Peruv.  IV,  tab.  341.  Das  mag  ein  bioser  Druckfehler 
sein ,  statt  tab.  342.  Unter  S.  microcarpus  R.  &  P.,  wel- 
chen Don  als  5.  Sapindus- Art  aufzählt,  wird  wieder,  und 


362  Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  1,  Juni  1878, 

hier  im  Einklänge  mit  der  Flor.  Peruv.,  tab.  341  citirt  — 
die  Beschreibung  aber,  welche  Don  dazugegeben  hat,  steht 
nicht  im  Einklänge  mit  dieser  (ohne  Beschreibung  von  R. 
&  P.  edirten)  Tafel  341,  sondern  sie  scheint,  was  sich  wenig- 
stens für  die  Angaben  über  Blatt  und  Blüthenstaud  ziem- 
lich sicher  annehmen  lässt,  vielmehr  nach  tab.  342,  also 
nach  8.  Saponaria  gemacht  zu  sein.  Don's  fünfte  Sapin- 
dus-Art ist  desshalb  mit  Ausschluss  der  erwähnten  tab.  341 
sAb  ^jSapindus  microcarpus^  von  R.  &  F.,  Don  quoad  descrip- 
tionem"  unter  die  Synonyme  von  S.  Saponaria  zu  verweisen 
(s.  Tabelle  II,  n.  41),  ebenso  wie  die  Copie  derselben  bei 
WalpersRep.  I,  1842,  p.  417. 

19.  lieber  die  wenigstens  theil weise  Unterschiebung 
von  Hebecoccm  ferrugineus  Radlk.  unter  Sapindus  montanus 
Bl.  im  Garten  zu  Buitenzorg  und  in  dessen  von  Teysmann 
&  Binnendijk  (1866)  herausgegebenem  Cataloge  ist  das 
in  meiner  Uebersicht  der  Sapindaceen  Holländisch  -  Indiens 
in  Zusatz  2  und  Nachtrag  dazu  Gesagte  nachzusehen. 

20.  Zu  der  fragweise  gegebenen  Interpretation  von  8. 
montanus  Wall.  Cat.  8041  C.  ist  das  in  Zusatz  3  Gesagte 
zu  vergleichen. 

21.  In  dem  Namen  Sapindus  oilongifolius  Sonder  ist 
der  älteste  und  desshalb  auch  bei  ihrer  üeberführung  in 
die  Gattung  DeinholUa  zu  gebrauchende  Art-Beiname  der 
Pflanze  enthalten.  Diess  ersichtlich  zu  machen,  mag  die 
Synonymie  der  Pflanze  hier  Platz  finden: 

Bhus  oUongifolia  E.   Mey.    in    Drege   PI.,  exsicc, 

circa  1835—37; 
Sapindus   lachnocarpa  Hochstetter    in  Krauss    PI. 

exsicc.  (cf.  Flora  1843,  p.  80); 


BadlJcofer:  Ueber  Sapindus  etc.  363 

Simäba    lachnocarpa    Hochstetter    in    Eranss    PI. 

exsicc.  (cf.  Flora  1843,  p.  80) ; 
Prostea  öblongifolia   Walk.-Arn.  in  Hook.   Journ. 

Bot.  III,  1841,  p.  151; 
Sapindus   capensis  Hochstetter  in  Flora  1843,   p. 

80,  excl.  syn.,  ^Pappea  capensis  Eckl.  &  Zeyh."; 
Prostea    öblongifolia    Presl    bot.    Bemerk. ,    1845, 

p.  40; 
Hippobromus  ohlongifolius  Drege  in  Linnaea  1847, 

p.  614; 
Sapindus  ohlongifolius  Sond.  in  Harv.  &  Sond.  Flor. 

capens.  I,  1859—60,  p.  240. 

22.  Sapindus  öblongus  Benth.  betrachte  ich  als  syno- 
nym mit  Sapindus  cerasinus  Benth.,  d.  i.  Talsia  cerasina, 
über  welche  Zusatz  9  nachzusehen  ist. 

23.  Ueber  die  aus  Sapindus  ruhiginosus  Roxb.  hervor- 
gegangene, alle  übrigen  verdrängende  Bezeichnung  der  be- 
treffenden Pflanze  als  Erioglossum  ruhiginosum  Bl.  ist  das 
in  Zusatz  10  Bemerkte  zu  vergleichen. 

24.  Ich  halte  Sapindus  Saponaria  Blanco,  Flor.  Filip. 

« 

Ed.  I,  1837  {Sapindus  Guisian  ibid.  Ed.  II,  1845),  durch 
Blume' 8  schon  oben  S.  271  erwähnte  Aufstellung  einer 
besonderen  Art  von  Erioglossum  y,JE.  cuneifolium^^  dafür, 
welcher  lediglich  die  mangelhafte  und  unklare  Beschreibung 
Blanco^s  zu  Grunde  liegt,  keineswegs  für  endgiltig  auf- 
geklärt. Damit  will  ich  nicht  in  Abrede  stellen,  dass  die 
Beschreibung  Blanco 's  eher  auf  Erioglossum  als  auf  eine 
andere  Gattung  sich  beziehen  lasse.  Nur  mochte  ich  es 
als  angemessen  erachten,  bis  zum  Nachweise  einer  beson- 
deren, der  Beschreibung  von  Blanco  besser  entsprechenden 
Art  von  Erioglossum  auf  den  Philippinen,  in  seiner  Pflanze 


364  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  1,  Juni  1878, 

lediglich  eine  der  vielen  Formen  von  Erioglossum  rubigi- 
nosum  za  vermuthen,  angemessener,  als  eine  gänzlich  un- 
zureichend fondirte  besondere  Art  darnach  aufzustellen.  Dass 
auch  in  dem  unmittelbar  neben  S.  Guisian  gestellten  S. 
edulis  der  IL  Ausgabe  der  Flor.  Filip.  kaum  etwas  anderes 
gemeint  sein  dürfte  als  Erioglossum  rubiginosum^  tritt  bei 
der  mannigfachen  'Gestaltung  dieser  Pflanze,  von  der  Blume 
4  Varietäten  aufzählt,  dieser  Anschauung  keineswegs  störend 
entgegen. 

25.  Im  Herbarium  Linnens  liegen  unter  Sapindus 
Saponaria  dreierlei  Pflanzen,  was  vielleicht  besser  zu  über- 
gehen gewesen  wäre,  da  die  Basis  von  Sapindus  Saponaria 
L.  ja  nicht  der  Inhalt  des  Li nne' sehen  Herbares  bildet, 
sondern  in  erster  Linie  Plumier — Tournefort,  in  zweiter 
das  Herb.  Cliffort,  auf  welches  sich  Linne  bei  der 
Aufstellung  der  Art  beruft,  während  eine  Bezugnahme  auf 
die  betreffenden  Materialien  seines  Herbärs  nirgends  zu 
erkennen  ist.  Da  übrigens  doch  einmal  der  betreffende  In- 
halt des  Linn ersehen  Herbares  durch  Hiern  Erwähnung 
gefunden  hat ,  so  mag  zur  Motivirung  des  in  der  Tabelle 
seiner  Angabe  beigefügten  „partim"  hervorgehoben  sein, 
dass  es  nicht  blos  Erioglossum  rubiginosum,  sondern  auch 
der  echte  Sapindus  Saponaria  ist,  welchen  Linnens  Herbar 
unter  dem  letzteren  Namen  enthält.  Die  dritte  Pflanze, 
einer  dritten  Sapindaceen-Gattung  angehörig,  mag  unge- 
nannt bleiben,  um  nicht  noch  weitere  Gomplication  der 
Synonymie  hier  und  dort  zu  veranlassen.  Nur  bei  Erio- 
glossum rubiginosum  ist  von  Linne  der  Name  Sapindus 
Saponaria  vollständig  beigesetzt;  bei  der  zweiten  Pflanze 
nur  der  Name  Sapindus ;  bei  der  dritten  auch  dieser  nicht. 
Die  beiden  letzteren  Pflanzen  (resp.  die  betreffenden  Plagulae) 
sind  durch  Stecknadeln  mit  der  ersteren  verbunden,  was, 
wie  Linne   selbst   in  den  Mittheilungen  über  sein  Herbar 


Radlkofer:  Ueher  Sapindm  etc.  365 

(bei  Afzelins,  p.  231)  angibt,  ein  Zeichen  dafür  ist,  dass 
er  alle  die  betreffenden  Pflanzen  als  zur  selben  Species  ge- 
hörig betrachtet  habe. 

26.  Es  ist  auffallend,  dass  seit  der  Aufstellung  von 
Sapindas  surinaniensis  Poir.  i.  J.  1804  bei  zahlreichen,  in 
den  verschiedensten  Herbarien,  wie  auch  in  der  Literatur 
(s.  z.  B.  n.  37,  83  und  94  der  Tabelle  I  und  Zusatz  54 
zu  Tabelle  II)  zu  findenden  Versuchen,  die  Angaben  Poir  et 's 
auf  ein  bestimmtes  Material  zu  beziehen,  Niemand  Verdacht 
rücksichtlich  der  Zugehörigkeit  der  Pflanze  Poiret's  zur 
Gattung  Sapindus  schöpfte,  obwohl  mehrere  der  von  ihm 
angeführten  Merkmale  dazu  Veranlassung  geben,  ohne  aber 
zur  Klärung  der  Pflanze  selbst  schon  ausreichende  Anhalts- 
punkte darzubieten.  *  Glücklicher  Weise  sind  die  Originalien 
Poir  et 's  im  Herb.  Surian  (n.  827)  und  Herb.  Jussieu  (n. 
11387,  dieses  dem  Herb.  Surian  entnommen)  noch  erhalten. 
Es  hat  zunächst  Herr  Triana  auf  meine  briefliche  An- 
regung hin  die  Güte  gehabt  die  Pflanze  nachzusehen  und 
ihre  Zugehörigkeit  zu  Picraena  excelsa  Lindl.  zu  constatiren. 
Bei  meinem  letzten  Aufenthalte  in  Paris  im  April  1877 
war  es  mir  gegönnt  beide  Originalien  zu  vergleichen.  Das 
im  Herb.  Jussieu  hatte  ich  schon  früher  (1867)  gesehen 
und  mir  als  nicht  zu  den  Sapindaceen  gehörige  Pflanze 
notirt,  war  aber  damals,  da  das  Herb.  Jussieu  nur  den  Ein- 
gebornen-Namen„Chipitiba"  nach  Surian  und  nicht  auch 
die  Bestimmung  von  Poiret  enthielt,  auf  den  Znsammen- 
hang der  Pflanze  mit  S.  surinamemis  Poiret  nicht  sogleich 
aufmerksam  geworden.  Erst  das  nähere  Studium  der  Gat- 
tung Sapindus  führte  später  darauf  hin. 

27.  lieber  die  Merkmale  und  die  Stellung  der  aus  8. 
surinamemis  (non  Poir.)  Turcz.  hervorgehenden  Talisia 
hemida^ya^  deren  Namen  ich  mit  Rücksicht  darauf  gewählt 

[1878,  3.  Math.-phys.  CIJ  25 


366  Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  1.  Juni  1878, 

habe,  dass  hier  nur  die  Inflorescenz,  uicht  auch,  wie  bei 
der  zunächst  stehenden  T.  mollis,  das  Blatt  rauhhaarig  ist, 
ist  Zusatz  9  nachzusehen. 


28.  Dass  Sapindus  tomentosus  Kurz  nicht  zu  Pancovia 
gehören  könne,  wohin  Kurz  die  Pflanze  später  gebracht 
hat,  ist  schon  oben  S.  272  dargelegt  worden. 

29.  Nach  den  De  Candolle'schen  Nomenclaturregeln 
ist  aus  der  Bezeichnung  Sapindus  unijugus  bei  Erhebung 
der  betreffenden  Pflanze  zu  einer  besonderen  Gattung  Glen^ 
niea  für  die  Art  der  Name  Glenniea  unijuga  zu  bilden. 
J.  Hooker  hat  bei  der  Aufstellung  von  Glenniea  in  Beut  h. 
Hook.  Gen.  I,  1862,  p.  404  die  Bezeichnung  der  Art  ganz 
ausser  Betracht  gelassen  und  der  Gattuugsdiagnose  über- 
haupt nur  die  Bemerkung  beigefugt,  dass  nur  1,  und  zwar 
eine  auf  Zeylon  einheimische,  durch  Thwaites  bekannt 
gewordene  Art  der  Gattung  vorhanden  sei:  „Species  1, 
Zeylanica.  Thw.  Enum.  PI.  Zeyl.  56  (Sapindu^  unijugus).*'' 
In  Folge  unrichtiger  Auffassung  dieser  Bemerkung  hat 
Thwaites  in  den  zwei  Jahre  nach  dem  Erscheinen  des  be- 
treffenden Bandes  von  Benth.  Hook.  Gen.  veröffentlichten 
Zusätzen  zu  seiner  Enumeratio  PI.  Zeyl.  die  Pflanze  als 
Glenniea  eeylanica  Hook.  fil.  aufgeführt  und  dieser  Name 
ist  auch  von  Hiern  beibehalten  worden.  Dieser  Name 
würde  nach  Umänderung  der  Autoritätsbezeichnung  in 
„Thwaites"  (entsprechend  den  in  seinem  Briefe  an  Cog- 
niaux*)  erläuterten  und  sicher  zu  billigenden  Anschauungen 
De  Candolle's)  beibehalten  werden  können,  wenn  der 
überhaupt  zuerst  mit  dem  richtigen  Genus-Namen  verknüpfte 
Art-Beiname   als  der   giltige  angesehen  würde,  und   wenn 

*)  Bulletin  de  la  Soci^t^  royale  de  Botanique  de  Belgique,  XV, 
1876,  p.  482. 


Radlkofer:  lieber  Sapindus  etc.  367 

über  dessen  Prioritätsansprüche  nicht  zurückgegangen  zn 
werden  brauchte.  Man  kann  es  bedaaern,  dass  die  D  e 
Can  doli  ersehen  Nomenclaturregeln  nicht  diesen  früher 
herrschend  gewesenen  Gebrauch  sanctionirt  haben,  da  die 
Anerkennung  weiter  zurück  liegender  Prioritätsansprüche 
häufig  noch  Namensänderungen  nothwendig  macht,  wo  sie 
ausserdem  würden  vermieden  werden  können.  Trotz  dem 
scheint  es  mir,  um  nur  überhaupt  einmal  zu  einer  geregelten 
und  stabilen  Nomen clatur  zu  gelangen,  angemessen,  den 
genannten  Regeln  Folge  zu  geben  und  ihnen  die  eigene  ab- 
weichende Anschauung  nnterzuordnen,  wie  bei  der  Ein- 
führung des  Namens  Glenniea  unijuga  geschehen. 

30.  Von  der  aus  Sapindus  xanthocarpus  Elotzsch  her- 
vorgehenden DeinboUia  xanthocarpa  war  schon  oben  S.  247, 
248  die  Bede. 

31.  Die  von  Christian  Smith  am  Gongo  gesam- 
melten Pflanzen,  welche  Baker  (in  Oliver  Flor.  trop. 
Africal,  1868,  p.  432)  unter  i)einÄoZKa  laurifolia  beschrieben 
hat,  und  welche  ich  im  Herbarium  zu  Eew  gesehen 
habe,  erachte  ich  als  zu  zwei  verschiedenen  Arten  gehörig. 
Nur  die  eine  davon  besitzt  Blättchen,  welche  sich  mit 
denen  des  Lorbeers  vergleichen  lassen  und  mit  Baker  als 
oblong  zu  bezeichnen  sind.  Die  Blättchen  der  anderen  sind 
obovat,  und  auf  sie  ist  aus  Baker^s  Angaben  „the  point 
acute  or  acuminate,  the  base  rounded  or  subcuneate^^  je 
der  zweite  Theil  zu  beziehen,  während  der  vor  dem  „oder" 
die  eigentliche  D.  laurifolia  betrifft.  Die  von  D.  laurifolia 
abzutrennende  Pflanze  mag  den  Namen  D.  obovata  fuhren. 
Rob.  Brown  scheint  sie  wohl  auch  zusammen  mit  D. 
laurifolia  Baker  emend.  als  eine  Art  betrachtet  zu  haben, 
da  er  in  seinem  Berichte  über  die  von  Ghristian  Smith 
am  Gongo  gesammelten  Pflanzen  (1818,  s.  Brown's  ver- 
mischte Schriften    übers,    von  N.  v.  Esenbeck  1,    1825, 

25* 


368  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  1,  Juni  1878. 

p.  188)  nur  „2  neue  Arten"  von  Deinhollia,  oder,  wie 
er  sich  ausdrückt,  von  ^^Sapindus^^  angibt,  und  da  ausser  den 
bisher  erwähnten  auch  noch  Deinbollia  grandifolia  Hook.  f. 
(Niger  Flora,  1849,  p.  249)  von  Smith  amCongo  gesammelt 
vorliegt,  welche  Baker  mit  Recht  neben  Deinbollia  insignis 
Hook.  f.  (1  c.  p.  250)  nicht  als  besondere  Art  aufrecht  zu 
erhalten  für  gut  befunden  hat. 

Die  Charakteristik  der  D.  öbovata  ist  nach  Exemplaren 
des  Herbariums  zu  Kopenhagen,  welche  mir  vorliegen,  kurz 
folgende : 

Deinbollia  obovata  Radlk.  (D.  laurifolia  Baker, 
partim):  Folia  pari-pinnata,  longe  petiolata,  petiolo  tereti 
rhachin  subaequante  imrao  (in  foliis  inferioribus)  superante ; 
foliola  mediocria  4-juga,  superiora  opposita  ex  obovato  cuneata 
breviuscule  petiolulata,  inferiora  alterna  obovata  vel  sub- 
oblonga  longiuscule  petiolulata,  omnia  insigniter  abrupte 
acuminata,  membranacea,  supra  laevia,  subtus  reti  venarum 
prominulo  notata,  utrinque  glabra,  glandulis  stipitatis  fili- 
formibus  profunde  immersis  supra  subtusque .  ornata,  epi- 
dermide  non  mucigera.  —  Guinea  inferior,  ad  flumen  Congo : 
Smith. 

Bei  Deinbollia  laurifolia,  wie  ich  sie  fasse,  betragen 
die  Blattstiele  kaum  ^l^—^js  der  Rhachis;  die  Blättchen  sind 
6 — 7-jocbig,  in  eine  stumpfe  Spitze  endigend,  alle  kurz  ge- 
stielt ,  und  ihre  Epidermiszellen  grossentheils  (wie  auch  bei 
Deinbollia  cuneifolia  Baker)  mit  verschleimten  inneren  Wan- 
dungen versehen. 

Neben  Deinbollia  obovata  mag  hier  noch  eine  weitere 
neue  Art  von  Deinbollia^  welche  ich  im  Hb.  Jussieu  unter 
n.  11414  vorgefunden  habe,  kurz  charakterisirt  sein: 

Deinbollia  neglecta  Radlk.:  Folia  pinnata;  foliola 
parva,  7-juga,  ex  obovato  oblonga,  apice  acuta  vel  sub- 
acuminata,  basi  in  petiolulos  breves  cuneato-attenuata,  mem- 
branacea,   utrinque   laeviuscula,   glabra,    glandulis  stipitatis 


11 


11 


Badlkofer:   lieber  Sapindm  etc.  369 

immersis  ornata,  epidermide  mucigera ;  flores  minores ;  sepala 
glabriuscula,  margine  ciliolata;  petala  margine  villosa,  intus 
squama  lata  deflexa  margine  yillosa  ancta;  discus  glaber; 
stamina  8  —  10,  filamentis  apice  villosis;  rudimentnm  ger- 
minis  deorsum  bilobum,  —  Madagascar:  Commerson. 

Mit  dieser  Art  welche  der  D.  laurifolia  emend.  zunächst 
steht,  steigt  die  Zahl  der  bis  jetzt  zur  Unterscheidung  gelangten 
DeinboUia- Arten  auf  folgende  10,  von  welchen  mir  sämmt- 
lieh  authentische  Materialien  vorgelegen  haben : 

Deinbollia  pinnata   Schum.  &  Thonn.  1829  ("Orni- 

trophe  p.  Poir.  1808^, 
insignis  Hook.  f.  1849  (incl.  D.  grandi- 

folia  Hook,  f.); 
borbonica    Scheffer    1868    (in    Scheff. 
Observ.  phytograph.  p.  17.); 
„  cuneifolia  Baker  1868; 

„  laurifolia  Baker  emend.  1868; 

„  Pervillei  Radlk.  1877  (in  Bericht  d.  50. 

Versamml.  deutsch.  Naturf.    u.  Aerzte, 
p.  209;  Hemigyrosa?  P.Blume  1847); 
oblongifolia  Radlk.  (Rhus  oblongifol. 
E.  Meyer  1835—37,  etc.;  cf.  p.  362); 
xanthocarpa     Radlk.     (Sapindus     x. 

Klotzsch   1862); 
obovata   Radlk.    (D.   laurifolia    Baker, 
partim,  1868); 
„  neglecta  Radlk. 

Zu  Deinbollia  horhcytiica  rechne  ich  als  eine  forma 
glabrata  Exemplare  aus  Mayotte  (n.  3358)  und  Zanzibar 
von  Boivin  (i.  d.  J.  1847 — 52  gesammelt),  sowie  aus 
Zanzibar  von  J.  M.  Hildebrandt  (i.  J.  1873  gesammelt), 
welche  kaum  einzelne  Härchen  an  der  Unterseite  der  Blätt- 
chen wahrnehmen  lassen;  als  forma  trichogyra  ferner 
ein  Exemplar  aus  Zanzibar  von  Boivin  (im Oktober  1847 


11 


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11 


370  SitZMu/  der  math.-2)hys.  Classe  vom  1.  Juni  1878. 

mit  jungen  Früchten  gesammelt),  welches  sich  vor  allen 
übrigen  Materialien  dadurch  aaszeichnet,  dass  der  Discos 
der  Blüthe  aussen  unter  seinem  scharfen  aufwärts  gerichteten 
Rande  mit  einem  Ringe  dicht  stehender  Haare  besetzt  ist, 
während  sonst  der  Discus  kahl  erscheint. 

Wenn  ich  endlich  vermuthe,  dass  Deinbollia  borhonica 
die  Pflanze  sei,  welche  unter  ^^Sapindm  spec.^  Bourbon"  in 
Teysmann&Binnendijk  Cat. Hort. Bogor,  1866, p. 215 
zu  verstehen  sei,  so  hoflfe  ich  nicht  fehl  zu  greifen. 

32.  Unter  Cuming  n.  1170  scheinen  verschiedene 
Pflanzen  edirt  worden  zu  sein.  Die  mir  vorliegende  mit 
der  Bezeichnung  „ÄapintiMs"  auf  der  Etiquette  von  Hohen- 
a  c  k  e  r  ist  Lepidopetalum  Perrottetii  Bl.  mit  jungen  Früchten. 
J.  Müller  führt  unter  der  gleichen  Nummer,  aber  ohne 
Angabe  darüber,  ob  derselben  eine  Bestimmung  beigefügt 
war,  Mallotus  muricatus  Müll.  Arg.  auf  (Linnaea  XXXIV, 
p.  191;  DC.  Prodr.  XV,  2,  p.  972). 

33.  Ich  habe  die  Göring'sche  Pflanze  nicht  gesehen. 
Nur  aus  der  von  Turczaninow  (Bull.  Mose.  1858,  p.  404) 
gegebenen  Beschreibung  schliesse  ich,  dass  dieselbe  zu  Po- 
metia  gehören  mochte. 

34.  Die  von  Hiern  (in  Hook.  Fl.  Brit.  Ind.,  I,  1875, 
p.  684  in  obs.  ad.  n.  7)  gemeinte  Pflanze  ist  wohl  die 
unter  n.  163  und  221  aus  der  Sammlung  von  Seh omburgk 
aus  Siam  im  Herb.  Hooker  niedergelegte  Pflanze.  Diese 
habe  ich  gesehen.  Was  ich  über  sie  notirt  habe  gibt  mir 
in  Verbindung  mit  dem,  was  Hiern  darüber  mittheilt,  zu 
der  Vermuthung  Veranlassung,  dass  sie  identisch  sei  mit 
der  mir  vorliegenden  Äphania  microcarpa  Radlk.  aus  Siam 
(SapinduLS  m.  Kurz). 

35.  Die  Host  mann 'sehe  Pflanze  weicht  zwar  durch 
dünnere  Blättchen  mit  besonders  unterseits  stärker  hervor- 


BacUkofer:  Ueber  Sapindus  etc.  371 

tretendem  Venennetze  und  beiderseits  annähernd  gleicher 
Farbe  von  der  typischen  TouUda  guianensis  Aubl.  etwas 
ab;  diese  Unterschiede  scheinen  mir  aber  nicht  aus- 
reichend, um  die  Pflanze  als  eine  besondere  Art  ansehen  zu 
können,  da  wenigstens  die  Blüthentheile  (besonders  die  Ge- 
staltung der  Blumenblätter)  vollständige  üebereinstimmung 
mit  Aublet^s  Original  zeigen. 

Anders  scheint  es  sich  mir  mit  den  Exemplaren  zu 
verhalten,  welche  Sagot  i.  J.  1857  in  Guiana  gesammelt 
und  unter  n.  1036  an  einige  Herbarien  mitgetheilt  hat. 
Hier  ist  sowohl  die  Gestalt  der  Blumenblätter  als  auch  die 
Beschaffenheit  des  Blattes  derartig  eigenthümlich,  dass  in 
diesen  Exemplaren  wohl  eine  neue  Art  zu  erblicken  ist. 

Ich  will  sie  in  folgender  üebersicht  der  bis  jetzt  mir 
bekannt  gewordenen  Toulicia- Arten  kurz  charakterisiren  und 
ihr  den  entsprechenden  Platz  anzuweisen  suchen, 

Toulicia  Aubl. 

Sectio  I.  Eutoulicia :  Petala  4,  squama  profunde  bifida  aucta ; 
discus  unilateralis ;  foliola  integerrima  (magna  numerosa). 

X  Discus  glaber 

+  Foliorum  rhachis  lateraliter  compressa,    subtus 
carinata 

1)  T.  guianensis  Aubl.  1775.  („Ayoua"  incol.,  fide 
Hb.  L.  Cl.  Richard.) 

+  +  Poliorum  rhachis  teretiuscula 

2)  T.  pulvinata  Radlk.:  Foliola  subopposita,  sursum 
imbricata,  ovato-elliptica,  valde  inaequilatera,  apice  basi- 
que  subacuta,  petiolulis  brevissimis  crassis  pulviniformi- 
bus  insidentia,  coriacea,  glabra;  petala  squama  brevi 
bifida  laciniis  dorso  corniculato-cristatis  instructa.  — 
Guiana  gallica:  Sagot  n.  1036. 

X  X  Discus  pubescens 

3)  T.  elliptica  ßadlk.  (Paullinia  sp.  Spruce  PI.  bras., 


\ 


372  Sitzung  der  inath.-phys.  Glosse  vom  1.  Juni  1878. 

1852) :  Foliola  alterna,  magna,  late  elliptica,  subaeqni- 
latera,  utriuqne  subacuta,  petiolulata,  petiolulis  basi 
incrassatis,  coriacea,  glabra,  supra  e  viridi  livescentia, 
subtus  fuscescentia ;  discus  cano-hirtellus.  —  Brasilia, 
prov.  Rio  Negro,  Säo  Gabriel:  Spruce  n.  2290.  Arbor 
parva. 

4)  T.  bull  ata  Radlk.  (Paullinia  sp.  Spruce  PL  bras., 
1852):  Foliola  12  — 14-juga,  subopposita,  oblonga,  acuta 
yel  brevissime  acuminata,  basi  inaequalia,  petiolulata, 
coriacea,  bnllata,  discoloria,  supra  viridia,  subtus  fusca; 
discus  cauo-sericeus.  —  Brasilia,  prov.  Rio  Negro,  prope 
Panurö  ad  Rio  üaupes:  Spruce  n,  2797.  Arbuscula 
„15-pedalis^^  simplicissima. 

Sectio  II  Dieranopetalum  (Dicranopetalum  Presl  1845, 
qua  genus):  Petala  4,  squama  profunde  bifida  aucta; 
discus  unilateralis  (hirsutus);  foliola  serrata  (parva, 
numerosa). 

X  Foliola  laevigata,  obsolete  serrulata;  paniculae, 
pro  genere  minores,  folia  vix  superantes 

5)  T.  laevigata  Radlk.:  Foliola  7— 12-juga,  lanceolata, 
iuaequilatera,  plus  minus  falcata,  suporne  remote  et 
obsolete  serrulata,  subcoriacea,  supra  laevigata,  subtus 
venis  prominulis  minutim  reticulata,  breviter  petiolu- 
lata. —  Brasilia,  prov.  Rio  de  Janeiro :  Riedel  LL. ; 
Riedel  &  Langsdorff  n.  629.    Arbor  „20  -  25  pedalis." 

X  X  Foliola  utrinque  minutim  reticulata,  insigniter 
serrata;  paniculae  magnae,  folia  subduplo  su- 
perantes 

6)  T.  st  ans  Radlk.  in  Monogr.  Serj ,  1875,  p.  353  (Ser- 
jania  stans  Schott  in  Spreng.  Syst.  IV,  2,  1827,  p.  405 ; 
Tulicia  brasiliensis  Gasaretto  Decad.,  V,  1843,  p.  45 ; 
Dicranopetalum  polyphyllum  Presl  bot.  Bemerk.,  1845). 

Sectio  III.  Ereagrolepis :  Petala  5,  squama  profunde  bifida 
aucta ;  discus  unilateralis  (hirsutulus) ;  foliola  crenata 
(minora,  sat  numerosa). 


Badlkofer:  lieber  Sapindus  etc.  373 

7)  T.  crassifolia  Radlk. :  Foliola  6  — 11-juga,  ovata, 
subaequilatera,  snbsessilia,  apice  grossinscule  paucicre- 
nata,  crasse  coriacea,  supra  laevissima,  splendentia, 
snbtas  reticalato-yenosa,  opaca;  panicnla  magna,  folia 
subduplo  superans,  parum  ramosa.  —  Brasilia,  prov. 
Minas-Geraes  et  Pernambuco:  Martins;  Gardner  n. 
2802.     Frntex  4— 6-pedalis. 

Sectio  IT.  Aphanolepls :  Petala  5,  esquamata,  margine 
utrinque  snpra  nnguem  subinflexo  barbato;  discus 
subregularis,  snbaequalis  (glaber) ;  foliola  integerrima 
(sat  magna,  panciora). 

8)  T.  tomentosa  Badlk.:  Rami,  petioli  et  foliola  snbtns 
subhirsnto-tomentosa;  folia  nnnc  pari-,  nnnc  impari- 
pinnata,  rarissime  trifoliolata  vel  simplicia;  foliola  ex 
ovato  snboblonga,  vix  inaequilatera,  brevissime  petioln- 
lata,  acnta  vel  obtnsa,  rigide  coriacea,  supra  laevissima ; 
panicnla  maxima.  —  Brasilia,  prov.  S.  Panlo  et  Minas- 
Geraes:  Pohl  n.  1950;  Riedel  n.  2217,  2643;  Lnnd; 
Claussen.  Frntex  ereetus  2 — 3-pedalis.  Ludit  foliolis 
snbtns  glabrescentibns. 

Sedis  dubiae  (ob  petala  ignota): 

9)  T.  megalocarpa  Radlk.:  in  Monogr.  Serj.,  1875, 
p.  353  (Serjania  m.  Turez.,  1858). 

Für  die  nnter  Nummer  3  und  4  aufgeführten  Arten 
ist  die  Frage,  ob  sie  nicht^etwa  zu  der  in  Znsatz  10  auf- 
gestellten Gattung  Forocystis  gehören,  als  eine  offene  zu 
betrachten,  deren  Erledigung  von  dem  Bekanntwerden  der 
Früchte  abhängig  erscheint. 

36.  üeber  Hnghes's  „Soap -Berry-Bush  or 
Fire-Burn-Leaf,  lat. 5apindw5",  nach  Hughes's  Angabe 
eine  mit  hackenförmigen  Ranken  versehene  Pflanze,  deren 
dünne,  herzförmige  und  scharf  zugespitzte  Blätter  zerrieben 
und  mit  Wasser  geschüttelt  einen  eben  so  starken  Schaum 


374  Sitzimg  der  math.-phys,  Classe  vom  1.  Juni  1878. 

gebeD,  wie  die  gleiche  Menge  Seife,  sagt  Maycock  (Flora 
barbadensis,  1830,  p.  159)  in  einer  Anmerkung  zu  dem 
unter  Sapindus  Saponaria  angeführten  Citate  „Black 
Nicker-Tree  Hughes  p.  118":  „This  cannot  be  con- 
founded  with  the  Soap-Berry-Bush  or  Fire-Burn-Leaf  of 
Hughes,  p.  149,  which  I  have  not  been  able  to  identify 
with  any  plant  I  have  met  with". 

Eine  unzweifelhaft  sichere  Deutung  der  Angaben  Hu- 
ghes's  kann  auch  heute  noch  nicht  beigebracht  werden. 
Doch  scheinen  sich  dieselben  unschwer  auf  bestimmte  Arten 
von  Gouania  vereinigen  zu  lassen.  Hughes 's  Beschrei- 
bung der  Banken  und  der  Blätter  stimmt  ganz  gut  zu 
dem,  was  z.  B.  Gouania  martinicensis  zeigt,  oder  die  schon 
von  Linne  (Spec.  PL  Ed.  H,  Append.  p.  1663)  für  Barba- 
dos und  Jamaica  angeführte  Gouania  domingensiSy  die 
Linne  selbst  auch  früher  (im  Hort.  Upsal.,  1748,  p.  97) 
einer  Sapindaceen-Gattung  (Paullinia)  beigerechnet  hatte 
(s.  unten  Zus.  50  zum  Anhange  der  Tabelle  I).  Mit  den 
Blättern  dieser  Arten  angestellte  Versuche  liessen  wahr- 
nehmen, dass  dieselben  in  der  That  beim  Schütteln  mit 
Wasser  eine  reichliche  Schaumbildung  veranlassen,  wovon 
schon  oben  S.  290  die  Rede  war.  Bemerken  will  ich  hiezu 
noch,  dass  eine  Art  von  Gouania,  G»  tomentosa  Jacq.,  nach 
Seemann  Bot.  Herald  p.  98  in  Panama  den  Namen 
„Javonsillo"  führt,  welcher  offenbar  von  Jabon  (Seife) 
abgeleitet  ist.  Da  die  Blätter  der  Rhamneen  zum  Theile 
ähnlich  wie  die  der  Corneen  mit  der  Zeit  eine  lebhaft  rothe 
Farbe  annehmen,  so  mag  das  wohl  auch  für  Gouania  do- 
mingensis  der  Fall  sein  und  zu  dem  Namen  Fire-Burn- 
Leaf  Veranlassung  gegeben  haben. 

Nach  all  dem  habe  ich  mich  für  berechtigt  gehalten, 
Gouania  domingensis  fragweise  als  die  von  Hughes  viel- 
leicht gemeinte  Pflanze  in  die  Tabelle  I  einzusetzen,  um  die 


Radlkofer:  lieber  Sapindus  etc,  375 

Aufmerksamkeit  Anderer  auf  sie  zu  lenken,  und  zu  weiterer 
Prüfung  der  Sache  Anstoss  zu  geben. 

37.  Ueber  dievonMiquel  ursprünglich  als  Sapindus 
spec.  bestimmte  Nummer  600,  a  der  Hostmann-Kappler'- 
schen  Sammlung  vergleiche  das  in  Zusatz  1  Angegebene. 
Auf  die  spätere,  in  der  Tabelle  Angeführte  MiqueTsche 
Bezeichnung  dieser  und  der  vorausgehend  unter  n.  116 
der  Tabelle  erwähnten  Pflanze  werde  ich  an  anderem  Orte 
zurückkommen,  wie  schon  in  Zusatz  1  bemerkt  worden  ist. 

38.  Die  Charakteristik  der  hier  sich  folgenden  Talisia 
cupulariSy  firma  und  acutifolia  sieh  in  Zusatz  9. 

39.  Vergleiche  das  am  Ende  von  Zusatz  31  über 
DeinbolUa  lorbonica  Scheff.  Gesagte. 

40.  Aus  der  Sammlung  vonZoIlinger  habe  ich  die- 
jenigen Materialien  unberücksichtigt  gelassen,  deren  Nummern 
der  Buchstabe  „z^^  beigefügt  ist.  Da  auf  diese  Materialien 
fast  niemals  die  Bestimmung  passt,  welche  für  die  entspre- 
chende Nummer  in  dem  Verzeichnisse  von  Zo  Hing  er 
und  Moritzi  gegeben  ist,  so  habe  ich  angenommen,  dass 
dieselben,  wie  wohl  durch  Beisetzung  des  Buchstabens  „z" 
angedeutet  sein  soll,  eine  besondere,  vielleicht  später  erst 
gemachte  Sammlung  bilden,  und  da  ich  diese  Materialien 
nirgends  als  in  dem  Herbarium  von  Franqueville  ge- 
funden habe,  welches  ZoUinger's  eigenes  Herbar  enthält, 
so  bin  ich  der  Meinung  geworden,  dass  dieselben  überhaupt 
nicht  edirt  worden  sind,  und  dass  die  beigesetzten  Namen 
desshalb  als  nicht  vorhanden  zu  betrachten  seien. 


376  Sitzung  der  mathrphys.  Classe  vom  1  Juni  1878. 

B.    Zusätze  zum  Anhange  der  Tabelle  I. 

41.  Von  Dodonaea  discolor  Desf.  finden  sich  Exem- 
plare ans  dem  Pariser  Garten  im  Herb.  Desfontaines,  resp 
Webb,  ohne  Jahreszahl;  im  Herb.  Delessert  vom  Jahre  1831 ; 
im  Herb,  Webb  ausserdem  vom  Jahre  1836  und  1842. 
Weiter  liegen  mir  Zweige  vor,  welche  ich  der  im  Pariser 
Garten  lebend  vorgefundenen  Pflanze  i.  J.  1867  selbst  ent- 
nommen habe.  Alle  diese  Exemplare  stimmen  vollkommen 
überein  mit  Zweigen  aus  der  ^Sammlung  La  billardiere's, 
von  Webb  an  Boissier  mitgetheilt,  welche  unzweifelhaft, 
obwohl  die  betreffende  Bestimmung  denselben  nicht  beige- 
setzt ist,  als  Originalien  der  ursprünglich  von  Labillardiere 
(in  Nov.  Holl.  Plantar.  Specim.  II,  1806,  pag.  72,  t.  222) 
als  Groton  viscosum  veröffentlichten  Beyeria  viscosa  Miq. 
(Ann.  Sc.  nat,  III.  Ser.,  I,  1844,  p.  350,  i  15)  anzu- 
sehen sind. 

Als  zu  Beyeria  viscosa  und  zwar  zu  ß.  oblongifolia 
gehörig  mag  hier  noch  eine  Pflanze  erwähnt  sein,  welche 
Verreaux  auf  Tasmannia  („Mont  Nelson,  Nov.  1843, 
flor.")  gesammelt  hat  und  welche  unter  n.  90  und  134  von 
dem  Pariser  Museum  an  verschiedene  Herbarien  mitgetheilt 
worden  ist.  Sie  konnte  von  J.  Müller  (in  De  Candolle 
Prodr.  XV,  2,  1866,  p.  202)  nicht  aufgeführt  werden,  da 
sie  unter  dem  Einflüsse  der  Desf ontaines^schen  Auf- 
stellung sich  gleichfalls  zu  Dodonaea  verlaufen  hatte.  Ich 
erwähne  sie,  um  ihre  Unterbringung  am  rechten  Orte  in 
den  betreffenden  Herbarien  zu  erleichtern. 

42.  Dodonaea  ?  serrulata  DC.  Prodr.  I,  1824,  p.  617, 
n.  16,  welche  ich  hiemit  zur  Gattung  Wimmeria  als  W. 
serrulata  vorbringe,  wurde,  wie  das  noch  vorhandene  Ma- 
nuscript  zu  dem  betreffenden  Theile  des  Prodromus  ersehen 
lässt,  nicht  von  P.  De  Candolle  selbst,  sondern  von  dessen 


Radlkofer:  lieber  Sapindus  etc,  377 

Hilfsarbeiter  Se ringe  aufgestellt,  auf  Grund  eines  im 
Herb.  Prodromi  noch  vorhandenen  Exemplares  aus  dem 
Herb.  Thibaud,  welches  i.  J.  1815  an  De  Candolle  ge- 
langt ist.  Als  Standort  der  Pflanze  gibt  die  betreffende 
Etiquette  „Monte- Video"  an.  Da  alle  übrigen  Wimmeria- 
Arten  in  Mexico  zu  Hause  sind,  so  bedarf  diese  Angabe 
weiterer  Aufklärung,  welche,  wenn  nicht  auf  anderem 
Wege,  so  doch  durch  das  Bekanntwerden  neuer  Materialien 
zu  erlangen  sein  wird. 

Um  die  in  Bede  stehende  Pflanze  im  Gegenhalte  zu 
den  übrigen  Arten  von  Wimmeria  in  aller  Kürze  genügend 
zu  charakterisiren,  mag  eine  übersichtliche  Zusammenstellung 
der  sämmtlichen  bis  jetzt  bekannt  gewordenen  Arten  hier 
Raum  finden.  Der  Umstand,  dass  die  fructificirten  Materialien 
dieser  Gattung  häufig  für  Dodonaea-Arten  angesehen  wur- 
den, hat  mir  ein  geeignetes  Material  für  eine  solche  Ueber- 
sicht  in  die  Hände  gespielt.  Dasselbe  zeigt,  dass  die  Gattung 
wohl  doppelt  so  viele  Arten  in  sich  fasst,  als  man  noch 
in  neuester  Zeit  annahm.  In  Baillon  Hist.  d.  PL,  1875, 
p.  38  wird  die  Zahl  der  Arten  auf  2 — 3,  in  Benth.  & 
Hook.  Gen.  I,  1862  p.  369  auf  3  angegeben.  Diese  sind 
W,  discolor  Schlecht.  Linnaea  VI,  1831,  p.  428,  W.  cm- 
color  Schlecht.  1.  c.  und,  was  die  dritte  Art  betrifft,  einer 
Mittheilung  von  Oliver  gemäss,  die  Pflanze  von  Hartweg 
coli.  n.  41,  welche  früher  in  Bentham  PI.  Hartwegianae, 
1839,  p.  9  und  in  Hooker  Icon.  IV,  1841,  t.  356  mit 
TF".  concolor  identificirt  worden  war,  nunmehr*  aber  mit 
Recht  als  besondere  Art  von  den  genannten  Autoren  auf- 
gefasst  wird.  Die  erstgenannten  beiden  Arten  dürfte  ein 
reicheres  Material  wohl  nur  als  wenig  erhebliche  Formen 
einer  und  derselben  Art  erkennen  lassen.  Für  jetzt  mögen 
sie  noch  als  selbständige  Arten  aufgeführt  sein,  deren 
Zahl  dann  im  ganzen  £^uf  6  sich  entziffert,  wie.  fol- 
gende Uebersicht  zeigt. 


378         Sitzung  der  mcäh.-phys.  Glosse  vom  1,  Juni  1878, 

Wimmeria  Schlecht. 
Heetio  L  Endalophus:  Fractas  longiores  quam  lati^ 
oyato-obloDgi,  angastias  alati,  alis  membranaceo-char- 
taceis,  endocarpio  ecristato.  Folia  (glabra)  atrinqne 
laevigata,  reti  venaram  obsoleto,  nee  prominulo  nee 
pellucido. 

1)  W.  discolor  Schlecht.  1.  c:  Folia  ex  elliptico  lan- 
ceolata  vel  ovato-lanceolata,  5 — 8  cm  longa,  1,5— Sem 
lata;  pedicelli  glabri ;  fr  actus  2 — 2,5  cm  longi,  1,2 — 1,5 
cm  lati.  —  Papantla,  S.  Sebastian :  Schiede  &  Deppe 
n.  162  (fruct.  m.  Jan.);  Liebmann;  Earwinski  n- 
112,  114. 

2)  W.  concolor  Schlecht.  I.e.:  Folia  ex  elliptico  sub- 
rhombea,  circ.  4  cm  longa,  1,5  cm  lata.  Verosimiliter 
forma  tantom  praecedentis  gracilior,  foliis  minoribus 
pallidioribus.  —  Colipa:  Schiede  &  Deppe  n.  159  (flor. 
m.  Mart.). 

Sectio  n.  Endolophus:  Fractas  breviores  quam  lati, 
suborbicalares,  latias  alati,  endocarpio  septorum  incom- 
pletornm  rndimentis  3-cristato.  Folia  reti  venarnm  in 
una  specie  laxiore  pellucido,  in  reliquis  arctiore  pro- 
minulo eodemqne  plus  minus  pellucido  instracta. 
X  Fractus  alae  membranaceae 
+  Folia  pubescentia 

3)  W.  pubescens  Radlk.:  Folia  parva,  2— 3  cm  longa, 
0,7 — 1  cm  lata,  ex  oblongo  vel  subobovato  cuneata, 
obsolete  et  remotiuscule  serrulata,  nervis  lateralibus 
inferioribus  elongatis  sab-quintuplinervia,  nervis  apice 
anastomosantibus  rete  venarum  laxum  pellucidam 
efiSicientibuSy  supra  glabriuscula,  sabtus  ramulique  pedi- 
cellique  pilis  brevibus  septatis  pubescentia,  quam  supra 
pallidiora;  fructus  1,1  —  1,2  cm  longi,  1,3— 1,4  cm  lati. 
—  Gonsoquitla:  Liebmann  (flor.  m.  Aug.,  fruct.  m. 
Oct. — Nov.). 


RacUhofer:  lieber  Sapindus  etc.  379 

+  +  Folia  glabra 

*  Nervi  laterales  debiles,   venis  vix   robu- 
stiores 

4)  W.  pallida  Badlk.  (W.  concolor,  non  Schrecht., 
Benth.  PL  Hartweg.  1.  c,  Hock.  Ic.  1.  c):  Folia 
2  — 5  cm  longa,  1 — 3  cm  lata,  obloDga,  ovata  vel  subor- 
bicularia,  tenuiter  reticulato-venosa ;  pedicelli  pulveru- 
lento-puberuli;  fructus  1,4 — 1,7  cm  longi,  1,6 — 2  cm 
lati.  —  Hartweg  n.  41  (flor.);  Haenke  (fruct.);  Lieb- 
mann (pr.  Pochutla;  fruct.  m.  Oct.). 

Ich  hoflfe  nicht  fehl  zu  greifen,  wenn  ich  die 
Fruchtexemplare  von  Haencke  und  Liebmann  als 
zur  selben  Art  wie  die  Pflanze  von  Hart  weg  gehörig 
betrachte,  obwohl  deren  Blätter  durch  Grösse  und 
stärkere  Breitenentwicklung  beim  ersten  Anblick  sich 
als  beträchtlich  verschieden  darstellen.  Es  scheint 
mir  das  im  Zusammenhange  zu  stehen  mit  der  voll- 
ständigeren Entwicklung  dieser   Exemplare  überhaupt. 

*  *  Nervi    laterales    sat    robusti,    quam 
venae  multo  magis  prominentes 

5)  W.  persici folia  Radlk.:  Folia  majuscula,  petiolo 
1,5 — 2  cm  longo  flaccido  adjecto  7 — 11  cm  longa, 
2 — 3  cm  lata,  subovato-lanceolata,  apice  in  acumen 
acutum  sensim  angustata,  basi  rapidius  attenuata, 
minutim  calloso-serrulata,  transversim  reticulato-venosa, 
flavescenti-viridia,  subtus  quam  supra  pauUo  pallidiora; 
pedicelli  glabri;  fructus  (submaturus)  1,5  cm  longus, 
1,7  cm  latus,  superne  angustior,  stylo  perbrevi  coronatus. 
—  Ejutla:  Liebmann  (fruct.  submat.,  m.  Oct.). 

X  X  Fructus    alae   subcoriaceo-chartaceae,    nervis 
crebris  parallelis  rectis  fibrosae 

6)  W.  serrulata  Radlk.  (Dodonaea  ?  s.  DC.  I.e.;  Don 
Gen.  Syst.  I,  1831,  p.  674,  n.  20;  Steudel  Nomencl. 
Ed.   n,    1840,    p.   522;    Schlecht,    in  Linnaea    XVII, 


380  Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  1.  Juni  1878. 

1843,  p.  639  —  sphalm.  739  — ):  Folia  ellipidca, 
atrinqae  attenuata,  petlolo  1,2  cm  longo  adjecto  circ. 
6  cm  longa,  2  cm  lata,  serrulata,  tenniter  reticulato- 
yenosa,  glabra;  pedicelli  glabri;  fractas  1  cm  longus, 
1,6  cm  latus,  apice  sinn  lato  excisos,  alis  oblique  paten* 
tibus,  apice  divaricatis.  —  Monte- Video?  ' 

Eine  früher  von  Turczaninow  (in  Bull.  Mose.  1858, 
p.  451)  als  Wimmeria  ?  integerrima  bezeichnete  Pflanze  hat 
dieser  Autor  selbst  später  (Bull.  Mose.  1859,  p.  276)  als 
nicht  hieher  gehörig  erkannt  und  als  Zinoioiewia  inte" 
gerritna  unterschieden. 

Was  den  Gattungscharakter  yon  Wimmeria  betrifft, 
so  ist  es  nicht  richtig,  wenn  Schlechtendal  und  nach 
ihm  Bentham  und  Hooker  (Gen.  PI.  1.  c.)  den  Frucht- 
knoten als  dreiföcherig  bezeichnen.  Er  ist  das  nur  an 
seiner  Basis,  soweit  die  Insertion  der  Samenknospen  reicht. 
Der  obere  Theil  ist  einfacherig  und  nur  bei  den  Arten 
der  zweiten  Section  mit  leisten-  oder  kammartig  nach  innen 
vorspringenden,  aus  den  Bändern  der  Fruchtblätter  gebil- 
deten unvollständigen  Scheidewänden  versehen.  Die  Frucht 
wird  also  nicht  erst,  wie  Schlechtendal  hervorhebt,  durch 
Abortus  einfächerig,  wohl  aber  durch  Verkümmerung  ein- 
(oder  zwei-)8amig.  Bei  mehreren,  oder  selbst  allen  Arten 
kommen,  namentlich  an  den  Seitenblüthen  letzter  Ordnung 
der  dichasischen  Inflorescenzen,  gelegentlich  nur  zweiflügelige 
Früchte,  d.  h.  nur  zwei  Fruchtblätter  vor  (W.  discolor^ 
pübescens^  paUida^  persicifolia,  serrtdata)^  welche  in  der 
Mediane  der  Blüthe  stehen,  in  die  auch  sonst  eines  der 
Fruchtblätter  (das  hintere,  über  Sepalum  2  und  dem  darüber 
am  Rande  eines  der  fünf  schwach  entwickelten  Discuslappen 
stehenden  Staubgefasse  gelegene)  fällt. 

Die  Früchte  sind  bei  allen  Arten  an  der  Basis  und 
Spitze  mehr  oder  weniger  tief  herzförmig   ausgeschnitten 


BadlJcofer:  lieber  Sapindus  etc.  381 

und  von  dem  an  Länge  gewöhnlich  der  Tiefe  des  betreffen- 
den 'Ausschnittes  gleich  kommenden  Griffel  gekrönt.  Bei  W. 
persicifolia  ist  der  Griffel  durch  geringe  Länge  ausgezeichnet. 

Die  Narbenlappen  sind  commissural,  alterniren  also  mit 
den  der  Mediane  der  Fruchtblätter  entsprechenden  Kanten  des 
Fruchtknotens  und  den  daraus  hervorgehenden  Fruchtflfigeln, 
was  in  Hook  er  Icon.  1.  c.  nicht  richtig  dargestellt  ist. 

Der  Kelch  ist  in  der  Knospenlage  eutopisch  imbricirt; 
die  Krone  contort,  und  zwar  in  den  gegenläufigen  Seiten- 
blüthen  des  Dichasiums  in  entgegengesetzter  Richtung  und 
so,  dass  die  mit  dem  gedeckten  Rande  des  dritten  Kelch- 
blattes gleichnamige  Seite  der  Kronenblätter  die  deckende  ist. 

Die  Inflorescenz  ist  bald  ein  einfaches  (3-blüthiges) 
oder  selbst  auf  die  Mittelblüthe  reducirtes,  bald  ein  mehr- 
fach verzweigtes  (7-  bis  lö-blüthiges)  Dichasium.  Das 
Erstere  kommt,  jedoch  nicht  lediglich  dieses,  besonders 
bei  W.  pallida  vor. 

Dass  mit  Rücksicht  auf  TT.  puhescens  die  Wimmeria- 
Arten  nicht  mehr  schlechthin  als  „arbusculae  glaberrimae", 
wie  in  Benth.  Hook.  Gen.,  bezeichnet  werden  können, 
bedarf  keiner  besonderen  Erinnerung. 

Verschleimung  der  Epidermiszellmembranen  wurde,  wie 
noch  erwähnt  sein  mag,  bei  keiner  Art  beobachtet. 

43.  Ein  im  Hb.  De  CandoUe  vorhandenes,  von 
Llanos,  dem  Mitarbeiter  Bl an co 's,  unter  der  Bezeichnung 
Euphoria  Nephelium  Blanco  mitgetheiltes  Exemplar  zeigt, 
dass  es  nur  dicht  weichstachelige,  den  Früchten  von  Nephe- 
lium einigermassen  ähnliche  Gallen  sind,  welche  die  Miss- 
deutung der  betreffenden  Pflanze  bei  Blanco  als  Euphoria? 
Nephelium  ?  Blanco  Ed.  H .  und  Euphoria  Malaanonan 
Blanco  Ed.  I  veranlasst  haben.  Die  Pflanze  ist  sicher  eine 
Dipterocarpee  und  höchst  wahrscheinlich  dieselbe  Pflanze, 
welche  Blanco  (nach  normalen,  gallenfreien  Materialien) 
[1878,  3.  Math.-phys.  Cl.]  '26 


382  Sitzung  der  math-phys,  Classe  vom  1,  Juni  1873, 

als  Mocanera  Guiso  in  Ed.  I,  1837,  p.  449,  als  Diptero- 
carpus  Guiso  in  Ed.  II,  1845,  p.  313  auff&lirt,  und  weicht 
bei  Blume,  Mas.  Lugd.-Bat.  II,  1852,  p.  34,  zu  Shored 
Otiiso,  ferner  bei  De  Candolle,  Prodr.  XVI,  2,  1868, 
p.  616,  zu  Änisoptera  Ouiso  geworden  ist. 

Der  von  Blanco  zuerst  der  Pflanze  gegebene  Name 
Euphoria  Malaanomm^  Ed.  I,  p.  286  (spbalmate  289)  mag 
die  Frage  auftauchen  lassen,  ob  die  Pflanze  nicht  etwa  mit 
Mocanera  Malaanonan  Blanco  Ed.  I,  p.  858,  Dipterocarpus 
Malaanonan  Blanco  Ed.  II,  p.  312,  d.  i.  Shorea  Malaanonan 
Blume  Mus.  Lugd.-Bat.,  II.,  p.  34  (DC.  1.  c.  p.  631)  in 
Beziehung  zu  bringen  sei.  Das  scheint  übrigens  der  Be- 
schreibung y^on  Blanco  gemäss  nicht  der  Fall  zu  sein, 
üeberdiess  geht  aus  dessen  Mittheilungen  (Ed.  I,  p.  858) 
hervor,  dass  der  Name  „Malaanonan^^  kein  eng  begrenzter, 
nur  einer  bestimmten  Pflanze  zukommender  ist,  so  dass  es 
nicht  auflkllend  sein  kann,  wenn  ihn  Blanco  mehrmal  zur 
Bezeichnung  immerhin  nahe  verwandter  Gewächse  ver- 
wendet hat. 

44.  Auf  die  richtige  Bestimmang  der  von  Bertero, 
P.  De  Gandolle  und  Gambessedes  missdeateten  Pflanze 
als  Hedmgia  halsamifera  Sw.  hätte  schon  der  von  Bertero 
seinen  Exemplaren  beigefügte  Tulgärname  „Bois  cochon** 
hinleiten  können,  da  Swartz  diesen  Namen  bei  der  Auf- 
stellung seiner  Pflanze  ebenfalls  schon  angeführt  hat 
(Swartz  Prodr.  1788,  p.  62),  und  Hedmgia  Sw.  unter  dem 
in  Rede  stehenden  Vulgärnamen  von  Poiret  in  Lamarck 
Encycl.,  Suppl.  I,  1810,  p.  656  erwähnt  ist. 

45.  Melicocca  geniculata  Spreng,  ist  unmittelbarer 
Vergleichung  gemäss  dieselbe  Pflanze  wie  Icica  parviflora 
Benth.  in  sched.  PI.  Sprue,  n.  2321,  d.  i.  der  Flora  bras. 
Vol.  XII,  2  (Fase.  65,  1874),  p.  274,  275  gemäss  (woselbst 


Radlkofer:  Ueher  Sapindus  etc.  383 

übrigens  Bentham's  Name  in  J.  parvifolia  umgewandelt 
ist)  Protium  Aracouchini  March.,  Adansonia  VIII,  1867, 
p.  51  (Icica  Aracouchini  Aubl.,  1775,  p.  343,  t.  133). 
Die  Pflanze  liegt  mir  sowohl  aus  dem  Hb.  Sprengel  selbst, 
als  aus  dem  Hb.  Berol.  mit  Etiquette  von  Sprengel 's 
Hand  vor.  Sie  ist  von  Sello  in  Brasilien  gesammelt. 
Eine  nähere  Angabe  des  Standortes  fehlt.  Die  von  Sello 
beigefügte  Nummer  108  lässt  schliessen,  dass  sie,  wie  andere 
mit  nahe  stehenden  Nummern  versehene  Pflanzen  (z.  B. 
„n.  93"  Serjania  suhimpunctata  Radlk.),  aus  der  Provinz 
Bahia  sein  werde. 

46.  Die  Charakteristik  des  aus  SchiecTcea  Karsten 
(Bot.  Zeit.  1848,  p.  398)  hervorgehenden  Maytenus  ist 
folgende : 

Maytenus  tovarensis  Radlk.  (Schieckea  Karst.  1.  c.) : 
Cortex  nigro-fuscus  lenticellis  crebris  albo-punctatus ;  folia 
(nee  „foliola''  uti  Karsten  dicit)  alterna,  oblongo-lanceolata, 
serrulata,  nervis  lateralibus  utrinque  6  —  8  subtus  prominen- 
tibus,  subcoriacea,  stipulis  parvis  deltoideis  (aegrius  perspi- 
ciendis)  instrueta ;  paniculae  subracemiformes  (ramis  brevibus 
paueifloris)  solitariae  vel  t^rnae — quinae  ad  axillas  foliorum 
congestae,  folia  paullulum  superantes;  Capsula  e  globoso 
trigona,  9-millimetralis,  trilocularis,  loculis  angulis  respon- 
dentibus,  loculicide  dehiscens,  abortu  monosperma.  —  Colonia 
Tovar  (Karsten  in  seheda). 

Diese  Charakteristik  mag  hinreichen,  um  im  Zusammen- 
halte mit  dem,  was  Karsten  selbst  a.  a.  0.  angibt  „frutex 
scandens  caracasanus  ramis  junioribus  saepe  cirrhosis^'  (welch' 
letzere  Angabe  aber,  wie  die  über  die  Holzstructur  des 
Stammes,  an  dem  vorliegenden  Exemplare  sich  nicht  contro- 
liren  lässt)  die  Art  zu  kennzeichnen,  deren  Beinamen  ich 
aus  der  Etiquette  von  Karsten  selbst  (im  Berliner  Herbare) 
adoptirt  habe. 

26* 


384  '       Sitzung  der  math-phys.  Classe  vom  1.  Juni  1878. 

Was  die  nicht  so  fast  auf  den  Charakter  der  Art  als 
der  Gattung  bezüglichen  Angaben  von  Karsten  betriflPl, 
so  ist  für  diejenigen,  welche  einer  Berichtigung  oder  Er- 
gänzung bedürfen,  dieselbe  schon  in  dem  Obigen  enthalten. 
Zur  Vervollständigung  kann  noch  hervorgehoben  werden, 
dass  aus  den  Resten  von  Blüthentheilen,  welche  unter  ein- 
zelnen Früchten  noch  aufgefunden  werden  konnten,  bei 
sorgfältiger  Untersuchung  deutlich  zu  erkennen  war,  dass 
der  Blüthe  5  Kelchblätter,  5  damit  altemirende  Blumenblätter, 
5  über  die  Kelchblätter  fallende,  pfriemliche  Staubgefasse, 
welche  mit  den  Blumenblättern  unter  dem  Rande  eines 
mit  der  Basis  der  Frucht  verschmolzenen  Discus  inserirt 
sind,  zukommen,  wornach  die  Zugehörigkeit  der  Pflanze, 
welche  Karsten  selbst  als  zunächst  mit  Cupania  verwandt 
betrachtet  hatte,  und, welche  inBenth.  Hook.  Gen.  noch 
nicht  hatte  bereinigt  werden  können  („genus  ut  videtur 
Serjaniae  affine,  ex  descriptione  futili  tantum  notum''  1.  c. 
I,  1862,  p.  392),  zur  Gattung  Maytenus  keinem  Zweifel 
mehr  unterliegt. 

47.  Zu  Connarm  Blanchetii  Planch.  führt  Planchon 
selbst  in  Linnaea  XXIII,  1850,  p.  432  die  Nummer  2234 
der  Sammlung  von  Blanchet  an,  Baker  in  der  Flora 
bras.  Vol.  XIV,  2  (Fase.  54,  1871)  p.  187  aber  n.  2344, 
übrigens  ohne  die  Auffassung  von  Turczaninow  zu 
erwähnen. 

Ob  die  Angabe  von  Planchon  nur  auf  einem  Druck- 
fehler beruht,  oder  ob  auch  eine  Nummer  2234  der  Samm- 
lung von  Blanchet  hieher  gehöre,  kann  ich  nicht  ent- 
scheiden, da  mir  nur  n.  2344  (aus  dem  Herb.  Franqueville) 
vorliegt.  Auf  diese  passt  vollständig  sowohl  die  Beschrei- 
bung von  Schmidelia  bahiensis  Turcz.,  als  die  von  Connarus 
Blanchetii  Planch. 


Badlkofer:  lieber  Sapmdus  etc,  385 

48.  Von  Engelhardtia  pölystachya  liegt  mir  nur  ein 
mäunlicherBliithenzweig  vor,  aus  dem  Herb.Griffith  (n.  1020/3 
„East  Bengal^')  in  das  Herb.  Paris,  übergegangen ,  nach 
welchem  sich  folgende  Charakteristik  der  Pflanze  geben  lässt : 

Engelhardtiapolystachya  Radik. :  Rami,  petioli, 
foliola,  amenta,  perigonia  antheraeque  glandulis  peltatis  au- 
reis  crebris  (in  foliolorum  pagina  superiore  tantum  rariori- 
bus)  omata,  caeterum  glabra;  folia  decrescentim  pari-pinnata, 
3 — 4-juga;  foliola  subopposita,  petiolulata,  petiolulo  5  —8  mm 
longo  adjecto  7— 14  cm  longa,  3—5  cm  lata,  inferiora  ovata, 
superiora  oblonga,  basi  inaequaliter  subattenuata,  omnia 
breviteracuminata,  integerrima,  margine  subrevoluta,  coriacea, 
tenuiter  reticulato-venosa;  amßnta  (mascula)  in  ramulis  axil- 
laribus  plerumquQ^  binis  superpositis  tenuibus  2  —  3  cm  longis 
octoua  denave,  elongata,  laxiflora ;  flores  sessiles ;  perigonium 
quadrilobum,  bracteae  oblongae  apice  tridentatae  adnatum, 
lobis  obovatis  apice  cucuUatis;  stamina  plerumque  10,  fila- 
mentis  brevissimis. 

Die  Pflanze  scheint  der  E.  WalUchiana  Lindl.  ß.  chryso- 
lepis  Gas.  DC.  (Prodr.  XVI,  2,  1864,  p.  142;  E.  chrysolepis 
Hance  in  Ann.  Sc.  nai,  IV.  Ser.,  XV,  1861,  p.  227),  welche 
mir  zur  Vergleichung  fehlt,  nahe  zu  stehen.  Leider  sind 
von  letzterer  weder  bei  Han  ce  noch  beiC.  DeCandolle 
die  männlichen  Blüthen  beschrieben.  Der  Annahme  einer 
directen  Zusammengehörigkeit  beider  stehen  vor  der  Hand 
die  Standortsangaben  und  wohl  auch  die  Massverhältnisse 
entgegen  (Hance  gibt  die  ausgewachsenen  Blättchen  auf 
3  Zoll,  C.  DeCandolle  die  Blättchen  von  jE.  WalUchiana 
auf  6 — 10  cm  an).  Die  Pflanze  sieht  beim  ersten  Anblicke 
mehr  einem  Xerospermum  als  einer  Engelhardtia  ähnlich, 
was   offenbar   ihren  Platz    im  Eew-Cataloge  bestimmt  hat. 

49.  Auf  die  von  Alph.  De  Candolle,  Prodn  VIII, 
1844,  p.  270  als„Sapindacea"  bezeichnete fiafe^ia  temata 


386  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  1.  Juni  1878. 

Blanco,  Fl.  Filip.  Ed.  I,  1837,  p.  399  (Ed.  IT,  1845,  p.  279) 
bin  ich  von  Herrn  Dr.  J.  Schultes  aufinerksam  gemacht 
worden,  der  mich  zugleich  bei  der  Klärung  dieser  wie  zahl- 
reicher anderer  Pflanzen  auf  das  dankenswertheste  unter- 
stützt hat. 

Die  Pflanze  gehört  der  Beschreibung  B 1  a  n  c  o  *  s  gemäss 
wohl  zweifellos  zur  Gattung  Uligera  Bl. ,  Bijdrag.  1825, 
p.  1153  (für  deren  Namen,  wie  nebenbei  bemerkt  sein  mag, 
in  Pfeiffer's  Nomencia tor  eine  der  Angabe  von  Blume 
Selbst  gegenüber  gänzlich  haltlose  Ableitung  versucht  wird). 

Ob  sie  vielleicht  identisch  ist  mit  der  inBentham& 
Hooker  Gen.  I,  2,  1865,  p.  689  nach  dem  Vorgange  von 
Miquel,  Fl.  Ind.  Bat.  I,  1859,  p.  1094  zu  Uligera  ge- 
brachten Uenschelia  Lujsonensis  Presl,  Reliq.  Haenck.  II, 
1835,  p.  81,  tab.  63,  mag  dahin  gestellt  bleiben. 

In  Benth.  Hook.  Gen.  1.  c.  ist  nicht  die  in  Rede 
stehende  Pflanze  Blanco 's,  sondern  Gronovia  (temata) 
Blanco,  Ed.  I,  p.  186  (Ed.  II,  p.  132)  mit  Uligera  in  Ver- 
bindung gebracht;  ob  mit  Recht,  erscheint  nach  den  An- 
gaben Blanco 's  ziemlich  zweifelhaft. 

üebergangen  ist  weiter  von  Bentham  &  Hooker 
die  sicher  zu  Uligera  gehörige  Coryzadenia  (trifoliata) 
Griffith,  Posth.  Pap.  IV,  p.  356,  d.  i.  Uligera  Coryzadenia 
Meisner  in  DC.  Prodr.  XV,  1,  1864,  p.  251,  welche  Kurz 
in  Journ.  As.  Soc.  Beng.  XL  VI,  2,  1877,  p.  59  mit  Uligera 
appendiculata  Bl.  vereiniget. 

50.  Die  Gattung  Oouania  hat  durch  ihre  spiralig  ein- 
gerollten Ranken,  wie  in  der  Sammlung  von  Galeotti, 
so  schon  öfters  zu  Verwechselungen  mit  Sapindaceen 
Veranlassung  gegeben.  So  ist  es  bekanntlich  eine  Oouania^ 
G.  domingensis  Linn.  Spec.  Ed.  II,  1763,  p.  1663,  welche 
Linne  unter  der  Bezeichnrmg  JPaullinia  foliis  simplicibus 
lanceolatis  serratis  im  Hort.  Upsalens.,  1784,  p.  97  beschrieb. 


Eadlkofer:  Ueber  Sapindus  etc.  387 

Eine  Gouania^  vielleiclit  dieselbe  G~  domingensis  ^  scheint 
es  zii  sein,  welche  Hughes,  wie  in  Zusatz  36  zu  Tabelle  I 
erörtert  wurde,  zu  Sapindus  selbst  gerechnet  hat.  Vielfach 
finden  sich  Arten  von  Gouania  in  den  Herbarien  unter  die 
Sapindaceen  eingemengt. 

Bei  dieser  Gelegenheit  mag  einer  gleichfalls  zu  Gouania 
gehörigen  Pflanze  gedacht  sein,  welche  von  Boemer  & 
Schultes  im  Syst.  Veg.  VI  (1820)  nach  hinterlassenen 
Aufzeichnungen  von  Willdenow  als  besondere  Gattung 
veröflFentlicht  wurde  und  seitdem  unter  den  nicht  näher 
interpretirbaren  Gattungen  den  Pflanzensystemen  angehängt 
erscheint. 

Es  ist  das  die  Gattung  Trisecus  „Willd.  mss."  (1.  c. 
p.  LXI  &  641). 

Endlicher  fuhrt  sie  p.  1333  als  n.  6894  unter  den 
Genera  dubiae  sedis  auf. 

DeCandolle  erinnert  im  letzten  Bande  des  Prodromus 
(XVII,  1873,  p.  298)  unter  den  Genera  omissa  ausser  an 
sie  auch  an  die  von  den  gleichen  Autoren  in  analoger  Weise 
veröffentlichte  Gattung  Sphondylococca  ,, Willd.  mss."  (1.  c. 
p.  LXX  &  799),  und  Pfeiffer  an  entsprechender  Stelle 
seiner  Synonymia  botanica,  1870,  p.  357,  noch  an  eine 
dritte  ebenso  zur  Veröffentlichung  gelangte  Gattung  Buno- 
phila  „Willd.  mss."  (in  Schultes  Mantissa  III,  1827,  p.  8 
[sphalm.  „PwwopÄiZa'^]  &  p.  128). 

Herr  P.  Ascherson  hat  die  Güte  gehabt,  mir  die 
im  Berliner  Herbare  noch  vorhandenen  Originalien  dieser 
Gattungen  zur  Einsicht  zu  übersenden. 

Derselbe  hat  bei  dieser  Gelegenheit  selbst  schon  Sphon- 
dylococca malabarica  aut.  cit.  (Herb.  Willd.  n.  6267,  coli. 
Klein  n.  582,  Trankebar  m.  Febr.  1797)  als  zu  der  Ela- 
tineen- Gattung  Bergia  gehörig  erkannt  und  als  „J?cr^ia 
ammanioides  Roxb."  bezeichnet. 


388         Sitzung  der  math.-pJiys.  Classe  vam  1,  Juni  1878. 

TJeber  Bunophila  lycioides  aut.  cit.   kann  ich  nur  An- 
deutungen zu  einer  künftigen  Bereinigung  derselben  geben. 
Dieselbe  ist  eine  Rubiacee,  und  zwar,  soviel  an  dem  sehr 
dürftigen  Materiale  unter  Rücksicht  auf  die  gebotene  Schonung 
desselben  festgestellt  werden  konnte,  zu  denjenigen  Pflanzen 
dieser  Familie  zählend,  welche  in  jedem  der  beiden  Frucht- 
knotenfacher  eine  einzelne,  anatrope,  hängende  Samenknospe 
mit   auswärts  gekehrter  Naht   besitzen.     Den  Materialien, 
welche  ich  von  derartigen  Rubiaceen  in  Vergleichung  ziehen 
konnte ,  liess  sich  übrigens  die  Pflanze  nicht  anreihen,  und 
es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  sie  in   der   That   den 
Typus   einer  besonderen   Gattung  bilde.     Sie  mag 
desshalb   zu   weiterer  Klänmg   der    Aufmerksamkeit    jener 
empfohlen  sein,  welchen  von  Rubiaceen  der  gedachten  Or- 
ganisation und  der  betreffenden  Flora  ein  erklecklicheres  Ma- 
terial zur  Hand  ist.     Als  Vaterland  der  Pflanze  ist  a.  a.  0. 
(p.  128)  „America  meridionalis"  genannt,  als  Sammler  der- 
selben „Humboldt&Bonpland".     Das  mir  vorliegende 
Exemplar   aus  dem  Hb.  Kunth  (Hb.  Berol.)  trägt  die  An- 
gabe „La  Puente'*  und  die  Nummer  4122.     Dieser  Nummer 
nach    ist    es  mir  zweifelhaft,   ob  eines  der  „Puente"  Süd- 
america's   gemeint  sei,    welche   unter    den  Standorten    der 
Humboldt-Bonplan  d*  sehen  Pflanzen  genannt  sind 
(s.  Kunth  Synopsis  IV,  p.  342  „Puente  de  Icononzo*'  in 
Neu-Granada,  p.  401  „Puente  de  Rio  Puela"  in  Ecuador). 
Es  ist  darnach  vielmehr  an  Mexico  und  vielleicht  an  Puente 
de  Istla  (s.  Kunth  a.  a.  0.,  p.  112,  465)  oder  Puente  de 
la  Madre  de  Dios  (ebd.  p.  466)   als  Heimat  der  Pflanze  zu 
denken.     Ich  lasse,  um  die  definitive  Bereinigung  und  Unter- 
bringung der  Pflanze  an  der  ihr  zukommenden  Stelle  nach 
Möglichkeit  zu  fördern,  eine  Charakteristik  derselben  folgen, 
wie  sie  aus  dem  mangelhaften,  von  Kunth  wohl  absicht- 
lich übergangenen  Materiale  des  Herb.  Kunth  (das  des  Herb. 
Willdenow  wird  mir  als   noch  unvollständiger  bezeichnet) 


Badllcofer:  üeber  Sajpindm  etc,  389 

sich  eben  entnehmen  lässt;  einige  zwischen  Anführungs- 
zeichen gesetzte  Angaben  darin  sind  wörtlich  einer  kurzen, 
der  PiSanze  beiliegenden  Beschreibung  von  Bonpland^s 
Hand  entnommen: 

Bunophila  lycioides  Willd.  ed.  Schult.:  „Prutex 
sesquiorgyalis,  ramosissimus ;  rami  altemi  seu  terni",  teretes, 
juniores  (0,8  —  1  mm  crassi)  pilis  brevibus  crispis  patulis 
cano-puberuli ;  folia  ternato-verticillata,  verticillis  (plerum- 
que  1  —  1,5  cm  distantibus)  in  ramulis  juvenilibus  tardae 
evolutionis  contiguis  fasciculatim  congesta,  lineari-oblonga 
(1  cm  vix  longiora,  1,5  mm  lata),  in  petiolum  brevem 
attenuata,  subacuta,  subtus  et  margine  pilis  brevissimis  in- 
curvis  laxe  adspersa,  stipulata;  stipulae  connatae,  inter- 
petiolares,  apice  bi — plurifidae  cum  petiolis  vaginato-connatae, 
vaginis  intus  pilis  setosis  dense  vestitis,  inde  margine  re- 
voluto  vel  lacerato  et  partim  delapso  spurie  setoso-ciliatis : 
dichasia  pauciflora,  axillaria  vel  in  ramulis  axillaribus  parvis 
basi  verticillo  foliorum  ornatis  terminalia;  flores  parvi  (3- 
millimetrales) ,  laterales  bracteis  (bracteolis  florum  termina- 
h'um)  sufifulti  ipsique  bibracteolati ;  bracteae  foliis  similes, 
sed  multo  minores  stipulisque  parvis  lateralibus  nee  cum 
iis  bracteae  oppositae  connatis  instructae ;  bracteolae  minimae ; 
pedicelli  flores  subaequantes  brevioresve,  hirtelli;  calycis 
tubus  ovario  adnatus,  turbinatus,  compressus,  limbus  superus, 
4-partitus,  „persistens",  lobis  ovatis  obtusis  margine  his- 
pidulo-ciliatis  imbricatis,  duobus  medianis  exterioribus,  la- 
teralium  uno  saepius  reliquis  minore;  corolla,  ut  videtur, 
flavida ,  „campanulato-rotata",  4  -  partita ,  lobis  obovato- 
oblongis  glabris  imbricatis,  duobus  (vicinis)  exterioribus  (i.  e. 
apicibus  reliquas  obtegentibus,  quoad  margines  laterales  uno 
omnino  exteriore,  alio  opposito  omnino  interiore,  reliquis 
latere  uno  tantum  obtectis)  tubo  perbrevi  intus  villosiusculo; 
stamina  4,  coroUae  tubo  prope  faucem  inserta;  filamenta 
CoroUam  aequantia;    antberae  medio   dorso  afflzae,  subin- 


390  Sitzung  der  math,-phi/s.  Classe  vom  1.  Juni  1878. 

trorsae;  germen  infernm,  turbinatum,  biloculare,  loculo  uno 
anteriore,  altero  posteriore,  a  lateribus  loculoram  cotnpressum, 
„hinc  et  inde  longitudinaliter,  sulcatum"  hirtellum;  styliduo, 
infra  medium  connati,  superne  clavato-incrassati,  compressi- 
usculi,  apice  intus  stigmatosi ;  gemmulae  in  loculis  solitariae, 
lineari-elongatae,  compressiusculae,  ab  apice  septi  pendulae, 
funiculo  umbilicali  filiforrai  curvato,  rapbe  dorsali,  micro- 
pyle  supera;  fructus  —  —. 

Was  endlich  Trisecus  frangulaefolius  aut.  cit.  betrifit, 
so  rührt  diese  Pflanze  ebenfalls,  wie  schon  Roemer  & Schultes 
angegeben  haben,  aus  der  Sammlung  von  Hu  mboldt&Bon- 
pland  her  (n.  1014)  und  ist  bei  S.  Barbara  am  Orinoco 
gesammelt.  Sie  ist  vonWilldenow  (in  dessen  Herbarium, 
n.  6075)  als  zur  Pentandria  Trigynia  geliörig  bezeichnet 
und  mit  folgender  kurzen  Bemerkung  versehen  worden: 
„Calyx  5-dentatus  superus;  petala  5;  fructus  trilocularis, 
loculis  monospermis'*.  Das  ist  die  Grundlage  für  die  An- 
gaben von  Römer  &  Schultes.  Meisner  (Gen.  PI.  H, 
Comment.  1836  -  43,  p.  250)  hat  die  Pflanze  fragweise  als 
Euphorbiacee  gedeutet. 

Das  nur  mit  Blüthen,  von  denen  sich  einige  zur  Frucht- 
bildung anschicken,  versehene  Exemplar  war  unschwer  als 
eine  Art  der  Gattung  Gouania  zu  erkennen,  zumeist  ähn- 
lich der  (?.  Blanchetiana  Miq.  (Linnaea  XXII,  1849,  p.  797) 
und  G.  pyrifoUa  Reissek  (Flor.  bras.  Fase.  27 — 28,  1861, 
p.  110). 

Diese  beiden  Arten  hat  zwar  Reissek  a.  a.  0.  ziem- 
lich weit  von  einander  entfernt  in  zwei  verschiedenen  Sectionen 
der  Gattung  untergebracht ;  aber  das  hindert  nicht  ihre  nahe 
Verwandtschaft  unter  einander.  Die  von  Reissek  gebildeten 
Sectionen  der  Gattung  Gotuinia  erscheinen  nämlich  nicht 
als  natürliche  Gruppen,  und  somit  nicht  als  haltbar.  Das 
Moment,  auf  welches  sie  ausschliesslich  basirt  sind,  die  Haar- 
bekleidung des  Discus,  ist  ohne  Zweifel  brauchbar,  um  Arten 


Badlkofer:  Ueber  SapindiM  etc.  391 

oder  Formen  unterscheiden  zu  helfen;  zur  Gliederung  der 
Gattung  in  Sectioncn  reicht  dasselbe  sicherlich  nicht  aus, 
und  wie  schon  Triana  &  Planchon  (Annal.  d.  Sc.  nat. 
1872,  XVI,  p.  382)  über  einen  derartigen  Sectionsunterschied 
hinweg  eine  Vereinigung  von  O,  columaefoUa  Reiss.  mit 
Q.  veluUna  Reiss.,  welche  ihr  Autor  ebenfalls  zwei  ver- 
schiedenen Sectionen  zugewiesen  hat,  fftr  gut  befunden  haben, 
so  möchte  ich  hier  einer  Vereinigung  von  G,  pyrifolia  Reiss. 
mit  G.  Blanchetiana  Miq.  das  Wort  reden.  G.  pyrifolia^ 
von  Martius  in  der  Provinz  Parä  gesammelt,  ist  wohl 
nur  eine  G.  Blanchetiana  mit  weniger  tief  gekerbten  oder, 
wie  bei  einer  hieher  zu  rechnenden  Pflanze  von  Spruce 
(n.  1505  aus  der  Umgegend  von  Barra  am  Rio  Negro)  zu 
sehen,  in  der  oberen  Hälfte  selbst  ganzrandigen  Blättern. 
Es  spricht  ausser  der  schlagenden  Aehnlichkeit  der  beider- 
seitigen Exemplare  in  der  gesammten  äusseren  Erscheinung 
für  eine  solche  Vereinigung  noch  besonders  der  Umstand, 
dass  bei  den  Originalexeraplaren  von  G.  pyrifolia^  wie  auch  bei 
Spruce  n.  1505,  der  Discus  in  der  Umgebung  der  Griffel- 
basis (anstatt  ganz  kahl)  gelegentlich  mit  sehr  kleinen 
Börstchen  in  ähnlicher  Weise  schwach  besetzt  zu  treffen  ist, 
wie  das  in  etwas  erheblicherem  Grade  für  G.  Blanchetiana 
und  die  betreffende  Section  überhaupt  von  Reissek  als 
charakteristisch  angegeben  wird. 

Der  so  durch  G.  pyrifolia  aas  Parä  und  vom  Rio  N^ro 
bereicherten,  im  übrigen  aus  den  Provinzen  Bahia  und  Rio 
de  Janeiro  bekannten  G,  Blanchetiana  schliesst  sich  Trise- 
cus  frangulaefoHus  vom  Orinoco  als  nächst  verwandte  Pflanze 
an.  Sie  stimmt  hinsichtlich  der  Blattgestalt  fast  vollkommen 
mit  dem  erwähnten  Exemplare  von  Spruce  überein,  unter- 
scheidet sich  aber  von  diesem,  wie  von  G,  Blanchetiana 
überhaupt  dadurch,  dass  der  Discus  bei  ihr  nicht  blos  an 
seiner  wallartigen  Erhebung  um  die  Griffelbasis  mit  zahl- 
reichen kleinen  Borstenhaaren,   sondern   auf  seiner  ganzen 


392         Sitzung  der  math.-jyhys.  Glosse  vorn  1.  Juni  1878, 

Fläche  mit  kleinen  Härchen  locker  besetzt  ist.    Dieser  Unter- 
schied^ welcher  die  Pflanze  in  die  erste  SectionReissek's 
verweisen  würde,  während  G,  Blanchefiana  von  diesem  Autor 
der   zweiten,    G.  pyrifolia  der   dritten   Section   zngetheilt 
worden  ist^    mag  vor    der  Hand   als    aasreichend   erachtet 
werden,    um  die  Pflanze  als    eine  besondere  Art  neben  G, 
Blanchetiana  (emend.)   aufzufassen  und    sie  ihr  unter   dem 
Namen  Gouania  frangulaefoUa  (non  Willd.  Herb.  ed.  Reiss., 
quae  G.  Blanchetiana  t.  Reiss.  1.  c.)  an  die  Seite  zu  stellen. 
Es  erscheint  das  um  so  mehr  als  angemessen,    als  dadurch 
für   keinen    Fall    ein    überflüssiger  Name  geschaffen   wird. 
Denn  falls   auch   ein  reicheres  Material,   wie  ich  das  wohl 
als  möglich  erachte,  dazu  nöthigen  sollte,  G,  frangulaefoUa 
und  G,  Blanchetiana  nur  als  Formen  einer  Art  anzusehen, 
so  würde  nach  den  De  C an doUe' sehen  Nomenclaturregeln 
immer  die   letztere  unter  dem   ersteren  Namen   und  nicht 
umgekehrt  mit  der  anderen  zu  vereinigen  sein.     Unterstützt 
wird  die  gegenwärtige  Auffassung  von  G.  frangulaefoUa  als 
selbständige  Art  durch  die  steifen,  schief  aufwärts  gerichteten, 
ziemlich  langen  Inflorescenzen,  welche  bei  G.  Blanchetiana^ 
und  zwar  auch  bei  den  höchstens   als   eine  Form   mit  fast 
haarlosem  Discus  (forma  pyrifolia)  imterscheidbaren  Exem- 
plaren aus  Parä  und  vom  Rio  Negro,  fast  immer  horizontal 
abstehen  und  bogen-   oder  S-förmig  gekrümmt  sind.     Die 
Blätter  von  G.  frangulaefoUa  sind  aus  eiförmiger  Basis  el- 
liptisch, der  grösste  Breitendurchmesser  weiter  nach  unten 
gerückt  als  bei  G.  Blanchetiana  em.,  in  der  oberen  Hälfte 
ganzrandig ,   im  übrigen ,   namentlich  nach  Farbe  und  Be- 
haarung,  ganz  mit  denen  der  G.  Blanchetianaüheremstimmeni. 
Diese  Aehnlichkeit  hat  schon  Will  de  now,  sei  es  absicht- 
lich, sei  es  unabsichtlich,  zum  Ausdrucke   gebracht,  indem 
er  eine  (nach  Reiss ek  a.  a.  0.)  zu  Gouania  Blanchetiana 
zu  rechnende  Gouania  seines  Herbars  (n.  18999,  fol.  1)  eben- 
so mit  dem  Beinamen  ^frangulaefoUa''^  belegte,  wie  die  hier 


Radlkofer:  üeher  Sapindus  etc.  393 

in  Rede  stehende,  als  besondere  Gattung  Trisecus  von  ihm 
anfgefasste  Pflanze. 

Eine  kurze  Charakteristik  in  üblicher  Form  mag  das 
Gesagte  vervollständigen : 

Gouania  frangulaefolia  (von  Willd.  Hb.  ed.  Beiss.) 
Radlk.  (Trisecus  f.  Willd.  ed.  R.  &  Seh.):  Rami  juniores 
6  —  8-angulares,  leviter  sulcati«  praesertim  ad  angulos  fer- 
rugineo-hirtelli,  adultiores  teretiüsculi,  glabrati,  cortice  nigro- 
fusco;  folia  petiolata,  ovato-elliptica ,  petiolo  0,5  cm  longo 
adjecto  6  —  7  cm  longa ,  2,8-3  cm  lata ,  in  acumen  breve 
obtusiusculum  mucronulatum  contracta,  infra  medium  dentibus 
utrinque  3  —  5  obsoletis  callosis  notata,  nervis  lateralibus 
circiter.6  oblique  adscendentibus  supra  impressis  instructa, 
supra  pilis  setulosis  adpressis  raris,  subtus  pilis  brevioribus 
crebrioribus  praesertim  in  nervis  venisque  adspersa,  fusco- 
viridia,  subtus  pallidiora,  stipulis  semihastatis ;  inflorescentiae 
(thyrsi  racemiformes)  10 — 18  cm  longae,  strictae,  oblique 
erectae,  ferrugineo-hirtellae ,  fasciculos  florum  (dichasia  in 
cincinnos  abeuntia)  parvos  4  —  7  -  floros ,  bractea  subulata 
hirtella  suffultos  gereutes;  pedicelli  flores  2-millimetrales 
aequantes,  post  anthesin  paullulum  elongati;  calyx  extus 
adpresso-hirtus ;  discus  circa  stylum  elevatus,  totus  pilis 
brevibus  prope  stylum  longioribus  laxe  hirtellus,  lobis  la- 
ciniis  calycinis  subduplo  brevioribus  triangularibus  apice 
emarginatis  glabris. 

G.    Zusätze  zu  Tabelle  IL 

51.  Ein  als  authentisch  anzusehendes  Exemplar  von 
Sapindus  abstergens  Roxb.  habe  ich  im  Herb.  Delessert  ge- 
sehen. 

52.  Den  Namen  Sapindus  acuminatus  Rafiu.  (1836)  be- 
trachte ich,  wie  schon  aus  der  S.  321  im  Anschlüsse  an  die 


394  Sitzung  der  matli.-phys.  Classe  vom  1.  Juni  1878, 

Tabelle  II  gegebenen  Zasammenstellung  der  Synonyme  zn 
ersehen  ist,  als  den  ältesten  für  die  am  meisten  nördlich 
vorkommende  americanisehe  Sapindus-Art,  welche  bisher, 
wenigstens  von  den  nordamericanischen  Autoren,  gewöhnlich 
als  Sapindtis  marginatus  Willd.,  von  Anderen  auch  als  8. 
Sapmaria  L.  (s.  n.  36  und  52  der  Tabelle  II),  bezeichnet 
worden  ist.  Die  unter  Aem'S^Lmeji  8.  marginatus  vonWill- 
denow  im  Berliner  Garten  cultivirte  Pflanze,  von  welcher 
sein  Herbarium  ein  Exemplar  (unter  n.  7740)  enthält,  er- 
scheint mir  als  nichts  anderes,  denn  als  eine  Form  von  dem 
ja  auch  in  Carolina  und  Georgien  vorkommenden  Sapindus 
Saponaria  L.  mit  nur  an  der  Spitze  schmal  berandeter 
Rhachis  des  Blattes.  Früher  mass  man  einer  derartigen  Be- 
randung  oder  Flügelung  einen  viel  zu  grossen  Werth  bei. 
Ich  habe  dieselbe  an  Blättern  desselben  (lebenden)  Baumes 
von  Sapindus  Saponaria  theils  in  sehr  hervorragender  Weise 
ausgebildet,  theils  gänzlich  unterdrückt  gesehen.  Aehnliches 
hebt  auch  A.  Eichard  (Flora  cubensis,  1845,  p.  280) 
hervor. 

53.  Sapindus  angulatus  Poiret,  welcher  Poiret's 
eigener  Angabe  gemäss  nach  einer  Pflanze  des  Herb.  Jus- 
sien  aufgestellt  ist,  findet  sich  im  Herb.  Jussieu  nicht  mehr 
vor,  wenn  nicht  etwa  ein  am  Schlüsse  der  Gattung  (nach 
n.  11387)  liegendes,  sowohl  von  Jussieu  als  von  Poiret 
ohne  Bezeichnung  gelassenes  Exemplar  von  Sapindus  tri- 
foliatus  L.  hieher  zu  beziehen  ist.  Aus  der  Beschreibung 
Poiret's,  deren  allenfallsige  Beziehung  auf  das  erwähnte 
«Exemplar  ich  leider  gegenwärtig  nicht  durch  unmittelbare 
Vergleichung  prüfen  kann,  geht  ziemlich  sicher  hervor,  dass 
die  von  ihm  geraeinte  Pflanze  wirklich  zur  Gattung  Sapin- 
dus  gehöre  und  nicht  etwa,  wie  sein  Sapindus  surinamensiSy 
zu  einer  ganz  anderen  Familie.  Die  Beschreibung  ohne  alles 
Bedenken  auf  Sapindus  trifoliatuslt.  zu  beziehen  wird  nur 


Radlkofer:  üeher  Sapindus  ete,  395 

durch  den  Umstand  gehindert,  dassPoiret  die  Früchte  als 
„kahP^  bezeichnet.  Uebrigens  zeigen  sich  ältere  Früchte  von 
Sapindus  trifoUatus  oft  vollständig  kahl  geworden  bis  auf 
die  Umrandung  der  Yerbindungsflächen  ihrer  Cocci.  Eine 
stark  hervortretende  Carina,  auf  welche  der  von  Poiret 
gewählte  Name  hindeutet,  besitzen  ausser  den  Früchten  von 
S.  trifoUatus  vorzüglich  noch  die  vo»  Sapindus  BaraJc  DC. ; 
aber  auf  diese  Art  passt  die  Beschreibung  der  Blätter  nicht. 

Ich  kenne  nur  noch  eine  Pflanze,  welche  hier  in  Be- 
tracht kommen  könnte. 

Es  ist  das  ein  angeblich  aus  dem  Garten  in  Algier 
in  den  zu  Bocca  di  Falco  bei  Palermo  und  später  in  den 
Garten  von  Palermo  selbst  gelangter  Sapindus  mit  der  Fo- 
liatur  des  S.  Mukorossi  und  mit  stark  carinirten  Früchten, 
deren  Pericarp  durch  beträchtliche  Dicke  dem  von  S,  BaraJc 
gleichkommt,  eine  Pflanze,  von  welcher  mir  spontane  Exem- 
plare nicht  bekannt  geworden  sind,  so  dass  darin  wohl  eine 
Cultur Varietät  von  8,  MuJcorossi  oder  selbst  ein  (in  Gärten 
entstandener?)  Bastard  zwischen  S,  MuJcorossi  und  S. 
BaraJc  (S.  MuJcorossi  x  BaraJc?)  zu  erblicken  sein  dürfte. 

Dass  schon  Poiret  diese  Pflanze  vor  Augen  gehabt 
habe,  ist  kaum  anzunehmen.  Das  Wahrscheinlichste  bleibt 
somit  immerhin,  dass  seine  Beschreibung  sich  auf  den  seit 
langer  Zeit  in  den  Herbarien  verbreiteten  S.  trifoUatus  L. 
beziehe.  Poiret  hat  von  dieser  Art,  welche  er  unter  den 
Namen  S.  laurifoUus  Vahl  und  S.  enmrginatus  Vahl  auf- 
führt, die  letztere  Form  nicht  gesehen.  Ein  Uebergangs- 
exemplar  zwischen  beiden  Formen  konnte  ihm  leicht  als 
etwas  eigenartiges  erschienen  sein. 

54.  Dem  Sapindtts  angu^tifoUus  Bl.  liegen  bekanntlich 
nur  Blätter  einer  jungen,  zur  Zeit  van  Royen's  im  Lei- 
dener Garten  aus  Samen  gezogenen  Pflanze  zu  Grunde.  Es 
ist  auffallend,   dass  Blume  die  Aehnlichkeit  dieser  Blätter 


396  Sitzung  der  mathrphys.  Classe  vom  1.  Juni  1878. 

mit  denen  von  Sqpindas  Baraks  dessen  Samen  ja  aucli  so 
leicht  aus  Holländisch  -  Indien  nach  Leiden  gelangt  sein 
konnten,  nicht  erkanate  nnd  anstatt  zu  einer  Bezugnahme 
auf  diesen  zu  einer  Vergleichung  mit  Sapindus  surinamensis 
Poir.,  einer  Pflanze,  die  ihm  gänzlich  unbekannt  sein  mnsste 
und  die  nicht  einmal  zu  Sapindus  gehört^  sich  veranlasst  fühlte. 

55.  Sapindus  balictts^  von  Teysmann  auf  Bali  ge- 
sammelt, scheint  sicher  identisch  zu  sein  mit  dem  in  der 
Tabelle  darauf  bezogenen  Sapindus  spec.  Teysmann  &  Bin- 
uendijk,  Cata).  Hort.  Bogor.  1866,  für  welchen  in  diesem 
Cataloge  „Balie"  als  Vaterland  angegeben  ist  (vergl.  die 
Uebersicht  der  Sapindaceen  Holländisch-Indiens).  Er  ist  aus- 
gezeichnet durch  kleine  und  äusserst  dünnschalige  Früchte. 
Eine  kurze  Charakteristik  desselben  mag  hier  aus  der  eben 
erwähnten  „Uebersicht'*  wiederholt  sein: 

Sapindus  balicus  Kadlk. :  Folia rhachi nuda ;  foliola 
2— 3-juga  elliptico- vel  lanceolato-oblonga ;  paniculae  maxi- 
mae,  foliis  triplo  longiores ;  fructus  parvi',  pericarpio  tenui, 
sicco  papyraceo  fragili.  —  Ins.  Bali:  Teysmann. 

56.  Von  den  unter  Nummer  1006/4  aus  dem  Hb.  Grif- 
fith  etc.  von  Kew  aus  zur  Vertheilung  gelangten  und  in 
dem  betreffenden  gedruckten  Cataloge  (v.  J.  1865)  als  S. 
detergens  Koxb.  bezeichneten  Pflanzen  ist  wenigstens  das 
im  Pariser  Museum  befindliche  Exemplar  nicht  die  zu  8, 
Mukorossi  Gaertn.  gehörige  Roxburgh'sche  Pflanze,  von 
der  ich  authentische  Exemplare  im  Hb.  Willd.  und  Hb.  De- 
lessert  gesehen  habe,  sondern  der  schon  in  Wal  lieh 's 
Catalog  irriger  Weise  unter  Roxburgh's  Bezeichnung 
aufgeführte  S.  Barak  DC.  Für  andere  Exemplare  mag  sicff 
das  anders  verhalten. 

57.  Die  in  den  Catalogen   des  botanischen  Gartens  zu 


Badllcofer:  Ueher  Sapmdus  etc.  397 

Neapel  von  Tenore  (1845)  und  Pasquale  (1867)  als  8. 
emarginatus  Yahl  aufgeführte  Pflanze  habe  ich  im  genannten 
Garten  zur  Zeit  der  Fruchtbildung  gesehen.  Ihre  Zugehörig- 
keit zu  S.  Mukorossi  Gaertn.  scheint  mir  keinem  Zweifel 
zu  unterliegen.  Wie  auch  an  spontanen  Exemplaren  mit- 
unter zu  beobachten,  zeigen  sich  die  Blättchen  bei  diesen 
Bäumen  häufig  krankhaft  verändert,  das  Blattfleisch  an 
der  Spitze  blasig  aufgetrieben  und  die  Spitze  selbst  einge- 
zogen. Das  hat  wohl  Veranlassung  gegeben,  sie  auf  8.  emar^ 
ginattis  Yahl  zu  beziehen.  Derartige  Pflanzen  sind  unter 
dem  gleichen  Namen  aus  dem  Garten  zu  Neapel  auch  in 
den  von  Palermo  übergegangen. 

58.  Von  8.  emarginatits  Vahl  (von  König  gesammelt) 
habe  ich  zwar  nicht  gerade  von  Vahl  selbst  mit  diesem 
Namen  bezeichnete  Exemplare  gesehen,  wohl  aber  solche, 
welche  Schumacher  nach  Vergleichung  mit  denen  des 
Herb.  Vahl  so  bezeichnet  hat.  Da  die  Pflanze  nicht  leicht 
mit  etwas  anderem  zu  verwechseln  ist,  so  glaube  ich  diese 
von  Schumacher  mit  Vahl's  Original  verglichenen 
Exemplare  als  authentische  ansehen  zu  dürfen. 

59.  Die  als  Sapindtts  inaequälis  DG.  im  Garten  zu 
Neapel  cultivirten  Exemplare  sind  von  den  in  Zusatz  57 
besprochenen  (irrthümlich  für  S.  emarginatus  gehaltenen) 
nur  durch  eine  normalere  Ausbildung  der  Blättchen  ver- 
schieden, ohne  Zweifel  also  ebenfalls  zu  S.  Mukorossi  ge- 
hörig. Der  unterschied  mag  damit  zusammenhängen,  dass 
die  betreffenden  Manzen  jünger  (obwohl  auch  schon  frucht- 
tragend)* sind  und  schattiger  stehen. 

60.  Von  den  als  Sapindus  indicus  Poir.  im  Garten  zu 
Neapel  bezeichneten  Pflanzen  fehlen  zur  Zeit  noch  Blüthen 
und  Früchte.  Die  reiche  Gliederung  und  sonstige  Beschaffen- 

[1878,  3.  Math.-phys.  CL]  27 


398  Sitzung  der  nutthrphys.  Classe  vom  1,  Juni  187 Si 

heit  des  Blattes  lässt  aber  kaum   etwas   anderes  als  Sapin- 
diAS  Barak  DC.  in  denselben  erblicken. 

61.  Was  ich  bei  der  Beziehung  von  Sapindm  indicus 
Poir.  auf  S.  Saponaria  L.  im  Auge  habe,  sind  Blätter  aus 
dem  Garten  zu  Paris,  zur  Zeit  Thouin's  von  einem  der 
dort  beschäftigt  gewesenen  Gärtner  unter  dem  Poiret'schen 
Namen  eingelegt  und  seit  längerer  Zeit  in  dem  Münchener 
Herbare  befindlich.  Sie  haben  das  Aussehen  von  Blättern 
junger,  aus  Samen  gezogener  Pflanzen,  deren  erste  Blätter 
einfach  oder  doch  weniger  reich  gegliedert  sind  als  die 
Blätter  erwachsener  Pflanzen.  Die  Beschreibung  von  P  o  i  r  e  t 
bezieht  sich  deutlich  auf  solche  junge  Pflanzen,  üeber  das 
Vaterland  bemerkt  Poir  et  nur:  „Cette  plante  croit  dans 
les  Indes'%  nicht  wie  bei  anderen  Arten  „dans  les  Indes 
orientales.^^  Es  kann  also  auch  Westindien  gemeint  sein, 
und  steht  diese  Angabe  somit  jedenfalls  der  versuchten 
Deutung  nicht  entgegen. 

62.  Unter  ^ßapindtis  longifoUusYBhV^  inBojerHort. 
Maurit.  (1837,  p.  35)  ist  sicher  nicht  die  unter  diesem 
Namen  von  Vahl  gemeinte  Pflanze,  nämlich  Euphoria 
Longana  Lam.  (s.  Tabelle  I  unter  n.  54)  zu  verstehen,  da 
diese  von  Bojer  noch  besonders  aufgeführt  wird.  Wohl 
aber  scheint  es  mir  zulässig,  auf  die  bezeichnete  Anfuhrung 
Bojer 's  (die  ja,  wenn  sie  überhaupt  auf  einen  echten  Sa- 
pindus bezogen  werden  soll,  auf  keinen  besser  passt  als  auf 
den  mit  den  längsten  Blättern  unter  allen  Arten  versehenen 
Sapindus  Barak  DC.)  Exemplare  des  Sapindus  Barak  aus 
Mauritius  zu  beziehen,  welche  um  das  Jahr  1820  aus  dem 
Pariser  Museum  in  das  Herb.  Kunth  gelangt  sind,  wenn 
auch  unter  anderer,  fehlerhafter  Bezeichnung.  Es  zeigen 
dieselben  wenigstens,  dass  zu  Bojer's  Zeit  sicher  schon 
S.  Barak  auf  Mauritius  vorhanden  war.     Da  femer  Bojer 


BadlJcofer:  lieber  Sapmdus  etc.  399 

den  S.  Barak  selbst  nicht  nennt,  so  liegt  es  sehr  nahe, 
den  von  ihm  angeführten  Namen  „8.  longifolim  Vahl", 
dessen  eigentliche  Bedeutung  bis  heute  unbekannt  war,  and 
unter  welchem  fast  jeder  Autor  etwas  anderes  verstanden 
hat  (vgl.  die  beiden  Tabellen),  auf  den  durch  die  erwähnten 
Exemplare  repräsentirten  S.  BaraJc  zu  beziehen.  Für  die 
beiden  ausserdem  von  Bojer  aufgeführten  Arten  S.  Sa- 
ponaria  L.  und  S.  emarginatus  Vahl,  liegen  Materialien  vor, 
welche  diese  Bestimmungen  als  richtig  erscheinen  lassen. 
Für  die  erstere  Art  nämlich  Exemplare,  welche  Poiret 
seiner  Zeit  als  8.  rigidus  aus  Mauritius  beschrieben  hat; 
für  die  letztere  Art  von  Bojer  selbst  mitgetheilte  Exem- 
plare in  den  Herbarien  von  München,  Wien  und  De  Can- 
dolle.  Es  ist  überflüssig  hervorzuheben,  dass  Bojer  all 
die  hier  genannten  Pflanzen  ausdrücklich  als  cultivirte  be- 
zeichnet. 

63.  Was  8.  longifoUus  Willd.  Enum.  (1809,  p.  432) 
betrifft,  so  ist  ein  Blatt  der  von  Will  den  ow  unter  diesem 
Namen  cultivirten  Pflanze  in  dessen  Herbar  (unter  n.  7741) 
vorhanden,  worin  ich  nichts  anderes  als  eine  Form  des  viel- 
gestaltigen 8.  8aponana  L.  sehen  kann.  Es  ist  dieser  8. 
longifoUus  also  nicht  zu  vermengen  mit  dem,  was  Willd  e- 
now  in  den  Spec.  Plant.  (1799),  die  er  vergeblicher  Weise 
dazu  citirt,  unter  diesem  Namen  aufführt,  d.  i.  der  von  Will- 
denow  selbst  ja  nicht  gekannte  und  nicht  verstandene  8, 
longifoUus  Vahl,  Euphoria  Longana  Lam.  nämlich.  Will- 
denow,  welcher  seine  Pflanze  (vielleicht  in  Samen)  aus 
Mauritius  erhalten  zu  haben  scheint,  fügt  derselben  die  An- 
gabe bei  „Habitat  in  insula  Mauritii."  Das  mag  wieder  für 
Bojer  Veranlassung  gewesen  sein,  auch  seinerseits  einen 
Ä  longifoUus  unter  den  auf  Mauritius  ihm  vor  Augen  ge- 
wesenen Sapindus- Arten  zu  suchen,  wobei  ihn  lediglich  der 
Name  selbst  von  8.  8aponana  ab  und  auf  den  in  der  That 

27* 


400  Sitzung  der  maih,-pky8.  Glosse  vom  1,  Juni  1878, 

mit  sehr  langen   Blättern  versehenen   8.  Barak  hingeleitet 
zu  haben  scheint  (s.  den  voransg.  Zus.). 

64.  Sapindtis  maduriensis  ist  wohl  ein  echter  SapindaSf 
da  Dnschesne  angibt:  Die  Früchte  dienen  auf  Java  als 
Seife.  Es  dürfte  darunter  wohl  kaum  etwas  anderes  als  8. 
Barak  DC.  zu  verstehen  sein.  Rosenthal  (Synopsis  Plant, 
diaphoric,  1862,  p.  779)  bezeichnet,  wohl  nur  in  Folge 
eines  geographischen  Irrthums,  die  Philippinen  als  Vater- 
land der  Pflanze. 

65.  Sapindus  Manatensis  wurde  bisher  zu  dem  unter 
S.  marginatus  Willd.  verstandenen  8.  acuminatus  Raf.  ge- 
zogen (s.  Tabelle  11,  n.  38),  scheint  mir  aber  durch  die  Ge- 
stalt der  Früchte  sowie  durch  Unterschiede  in  den  Blättern 
als  besondere  Art  hinreichend  ausgezeichnet  zu  sein.  Die 
Cocci  der  Früchte  sind  verlängert  ellipsoidisch,  ähnlich  wie 
die  von  8,  oahuensis,  seitlich  etwas  zusammengedrückt,  nicht 
undeutlich  gekielt  und  spreizend.  Die  Blättchen  sind  weniger 
sichelförmig  als  bei  8.  acuminatus  Raf.,  und  ihrem  Mittel- 
nerv fehlt  die  Behaarung,  welche  bei  8.  acuminatus  Raf. 
unterseits  gegen  die  Basis  zu  regelmässig  zu  finden  ist. 

66.  Vergleiche  das  in  Zusatz  52  über  die  gewöhnliche 
Auffassung  von  Ä  marginatus  Willd.  Gesagte.  Die  hier  v^- 
tretene,  auf  Autopsie  basirte  Auffassung  des  S,  marginatus 
Willd.  als  Synonym  von  8.  8aponaria  L.  ist  schon  früher 
einmal  von  A.  Richard  (Flora  Gubens.,  1845,  p.  280) 
für  angemessen  erachtet  worden. 

67.  Sieh  Tabelle  I  n.  60  und  den  Zusatz  18  dazu. 

68.  Vergleiche  das  in  Zusatz  72  über  die  Angaben  Co- 
riualdi's  Gesagte. 


Badlkofer:  Ueher  Sapindm  etc.  401 

69.  Sapindm  odhuensis  Hillebr.  ist  mir  zuerst  in  einem 
Exemplare  von  Wawra  (aus  dem  Wiener  Herbare)  mit  der 
Bezeichnung  ^^ Celastrinea ?  n.  gen.,  n.  2282,  ex  Herb. 
Hillebrand*'  zugekommen;  dann  in  Fragmenten  eines 
Exemplares,  welches  von  Wilkes's  Exploring  Expedition 
herrührt  („Eaala  Mounts,  Oahu^^,  aus  dem  Herbarium  von 
Asa  Gray,  der  es  bei  der  Bearbeitung  der  botanischen 
Ausbeute  genannter  Expedition  übergangen  hatte;  endlich 
ans  dem  Berliner  Herbare  mit  der  Etiquette:  „Flora  Ha- 
waiensis;  coli.  Dr.  W.  Hillebrand,  1869;  Sapindus 
Oahuensis  sp.  nov. ;  hab.  Oahu." 

Der  von  Hillebrand  herrührende  Name  kann  nach 
den  De  Gando lle 'sehen  Nomenclaturregeln  als  giltig  an- 
gesehen werden.  Derselbe  scheint  erst  nach  Wawra 's  Be- 
such auf  den  Hawai'schen  Inseln  (Dec.  1870  —  Apr.  1871, 
sieh  dessen  Mittheilungen  in  der  österreichischen  botanischen 
Zeitung  1872,  p.  223  und  1873  p.  97)  der  Pflanze  ertheilt 
worden  zu  sein,  da  er  nicht  zugleich  mit  der  Pflanze  selbst 
von  Hillebrand  an  Wawra  mitgetheilt  worden  ist.  So 
kam  es,  dass  Wawra  über  die  Natur  der  Pflanze  im  Un- 
klaren blieb  und  sie,  irregeführt  durch  die  einfachen  Blätter 
und  trotz  der  von  ihm  bemerkten  Uebereinstimmung  mit  den 
Sapindaceen  und  der  Gattung  Sapindus  insbesondere  rück- 
sichtlich des  Blüthenbaues,  als  eine  fragliche  Gelastrinee 
in  seinen  Beiträgen  zur  Flora  der  Hawai'schen  Inseln  (Flora 
1873,  p.  141)  aufführte. 

Als  kurze,  die  oben  S.  266  hervorgehobenen  Sections- 
merkmale  ergänzende  Charakteristik  der  Pflanze  mag  Fol- 
gendes angeführt  sein. 

Sapindus  oahuensis  Hillebr.  (Celastrineae?  nov. 
gen.  Wawra  in  Flora  1873,  p.  141):  Rami  juniores  pani- 
culaeque  fulvo-tomentosi,  adultiores  glabrati,  cortice  albicante 
lenticellis  crebris  notato.  Folia  simplicia  (iis  Populi  balsa- 
miferae   W.  similia),    ovata,   ovato  -  lanceolata    ellipticave, 


402  Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  1,  Juni  1878. 

acuta,  rarins  obtusa,  basi  pleramque  inaequalia,  latere  uno 
(nnnc  anodo,  nunc  kathodo)  breviore  paalloque  latiore, 
longe  petiolata,  integerrima,  chartaceo-coriacea ,  utrinqae 
glabra  nee  nisi  glandulis  stipitatis  microscopicis  fbveolis 
minatissimis  oblique  insertis  subtus  adspersa,  supra  saturate 
yiridia  nitidula,  subtus  pallida  (vel  sicca  deniqne  subfasca) 
opaca,  minutissime  pellucido-punctata ;  fructus  cocci  ellipso- 
idei,  a  lateribus  compressiusculi,  subtus  versus  basin  obtuse 
carinati,  (submaturi)  in  directione  radiali  2,5  cm,  in  verti- 
cali  1,8  cm  metientes,  glabri,  laevigati,  epicarpio  crassiore 
subcoriaceo,  sarcocarpio  parciore,  endocarpio  firmius  char- 
taceo;  semen  compressiusculum,  testa  ossea.  —  Ins.  Oabu: 
Hillebrand  etc. 

70.  Sieh  das  oben  S.  259  in  der  Anmerkung  9  über 
S.  pinnatus  Mill.  Gesagte. 

71.  Was  die  Synonymie  von  Sapindus  Barak  betriflFt, 
so  ist  das  oben  S.  259  in  der  Anmerkung  9  und  das  in 
den  Schlussbemerkungen  zu  Tabelle  II  S.  321  Angeführte 
nachzusehen. 

Linne  hat  Barak  {a.  Saponaria ^  Rumph.  Hb.  Amb. 
II,  p.  134)  in  der  zweiten  Ausgabe  der  Spec.  Plant.,  1762, 
p.  526  zu  seinem  SapindtiS  Saponaria  gezogen,  resp.  letztere 
Bezeichnung  auch  auf  die  indisch-malayische  Pflanze  ange- 
wendet, und  darin  folgten  ihmBurman  (Flor.  Ind.,  1768, 
p.  91),  Loureiro  (Flor.  Cochinch.  I,  1790,  p.  238)  und 
Horsfield  (Verhandl.  Batav.  Genootsch.  VII,  1814,  Nr.  7), 
welchen  nicht,  wie  von  Blume  geschah  (Rumphia  III,  p. 
93),  dieser  Fehler  auf  eigene  Rechnung  gesetzt  werden  darf, 
ebensowenig  wie  z.  B.  Aublet,  der  Linnens  Auffassung 
gleichfalls  sich  zu  eigen  machte  (PI.  Guian.  I,  1775,  p.  359). 

72.  Den  Namen  Sapindus  Ryteh  legte   Delile  (De- 


Badlkofer:  Ueher  Sapindus  etc.  403 

scription  de  TÄgypte;  Histoire  naturelle  II,  1813,  p.  81) 
den  schon  von  Forskäl  (Materia  medica  ex  officina  pharma- 
ceutica  Eahirae  descripta,  1775,  p.  151)  unter  der  Bezeich- 
nung „Bt7e"  erwähnten  Sapindus^Fruchteji  bei,  welche  nach 
des  Letzteren  Angabe  aus  Indien  nach  Cairo  gebracht  werden 
und  dort  zum  Waschen  von  Kleidungsstücken  dienen.  Der 
Name  und  die  Yaterlandsangabe  bei  Forskäl  weisen  zunächst 
auf  Sapindus  trifoUatus  L.  hin.  Zur  Gewissheit  wurde  mir 
diese  Annahme  durch  die  Autopsie  der  im  botanischen  Mu- 
seum zu  Florenz  aufbewahrten  Früchte^  welche  Corinaldi 
i.  J.  1826  in  den  Droguerien  von  Cairo  vorgefunden  und 
später  unter  der  irrigen  Bezeichnung  Sapindus  Mukorossi 
Gaertn. ,  womit  auch  seine  unrichtige  Yaterlandsangabe 
„Japan^^  zusammenhängt,  beschrieben  hat  (Cenni  sopra  al- 
cuni  frutti  e  legni  trovati  nelle  Drogherie  del  Cairo  Tanno 
1826:  Memorie  Valdamesi,  1835,  p.  75,  t.  1,  f.  6  &  7). 
Früchte,  welche  ich  mit  aller  Bestimmtheit  als  derselben  Art 
angehörig  erkannt  habe  (s.  die  Mittheilung  hierüber  in  der 
Zeitschrift  für  Ethnologie,  IX,  1877,  p.  307),  kommen  auch 
in  altegyptischen  Gräbern  vor.  Es  ist  daraus  zu  entnehmen, 
dass  ihr  Gebrauch  schon  im  Alterthume  bekannt  war  (s. 
ob.  8.  234  Anmerk.  5). 

73.  Den  in  der  Tabelle  schon  theilweise  zur  Aufführ- 
ung gekommenen  Synonymen  von  Sapindus  Saponaria  L., 
deren  Erledigang  der  Monographie  der  Gattung  vorbehalten 
werden  muss,  mögen  hier  nur  zwei  von  den  Autoren  bisher 
noch  nicht  berührte  Synonyme  beigesellt  sein,  nämlich: 

Zanthoxylum  sp.,  Mandon  Plantae  Andium  Boli- 
viensium  n.  859  (1861)  und 

Cupania  saponarioides  Sw.  Prodr.  (1788)  p.  62  & 
Fl.  Ind.  occid.  II  (1800)  p.  661  (Cupania  Saponaria  Persoon, 
Synops.  I,  1805,  p.  413),  partim,  nempe  quoad  ramum  folii- 


404  Sitzung  der  math.'phys.  Classe  vom  1.  Juni  1878, 

gerum,  excl.  vero  floribus  et  frnctibas  ad  Capaniam  ameri- 
canam  L.  referendis. 

Das  letztere  Synonym  beruht  auf  der  Autopsie  der  be- 
treffenden, von  Anderson  auf  S.  Lucia  gesammelten  Ori- 
ginalien  von  Swartz  im  „Herbarium  Banks/^  Es  bestehen 
diese  aus  einem  beblätterten  Zweige  von  Sapindus  Saponaria 
L. ,  auf  welchen  (abgesehen  von  der  Gattungsdiagnose)  an 
der  eitirten  Stelle  des  Prodromus  von  Swartz  allein  nähere 
Beziehung  genommen  -wird,  und  aus  einer  isolirten,  mit 
jungen  Früchten  besetzten  Inflorescenz  einer  anderen  Pflanze, 
der  Cupania  americana  L.  nämlich.  Auf  diese  Inflorescenz 
bezieht  sich  (ausser  der  Gattungsdiagnose  überhaupt)  be- 
sonders die  Beschreibung  der  Blüthen  und  jungen  Früchte 
von  Cupania  saponarioides  Sw.  in  der  Flora  Indiae  occ.  11, 
p.  661  &  662,  an  welcher  Stelle  auch  direct  auf  das  Her- 
barium Banks  hingewiesen  wird. 

Dem  Gesagten  gemäss  hat  Grisebach  der  Hauptsache 
nach  sicher  recht  gethan,  wenn  er  in  der  Flora  of  Brit. 
West  Ind.  Isl.  p.  125  die  Cupania  saponarioides  Sw.  zu 
Cupania  americana  L.  citirt,  nur  verfiel  er  dabei  bis  zu 
einem  gewissen  Grade  in  den  gleichen,  weiter  aber  in 
den  umgekehrten  Fehler  wie  Swartz.  Das  Erstere,  indem 
auch  er  die  generische  Verschiedenheit  der  in  Rede  stehenden 
Fragmente  nicht  erkannte.  Das  Letztere,  indem  er  den  be- 
blätterten Zweig,  um  dessen  Besonderheit  willen  Swartz 
auch  die  Früchte  des  Mixtum  compositum  für  verschieden 
von  seiner  Cupania  tomentosa,  d.  i.  Cupania  americana  L., 
gehalten  hatte,  der  von  ihm  (Grisebach)  richtig  bestimmten 
Früchte  halber  für  eine  blose  Form  der  Cupania  americana 
ansah  („C.  tomentosaSw,:  the  form  with  serrate  leaflets;  G. 
saponarioides  Sw.:   the   form  with  repand-entire  leaflets'*). 

Kaum  Erwähnung  verdient  die  irrige  Auffassung  von 
Sprengel,  welcher  (1825)  der  im  Syst.  Veg.  II  p.  220 
aufgeführten  Cupania  Saponaria  Pers.''  die  Omitrophe  ma- 


Badlkofer:  Ueber  Sapmdm  etc. 


405 


crophylla  Poir.,  d.  i.  PauUinia  Cambessedesii  Tr.  &  PL,  als 
Synonym  beifügt. 

74.  Bezüglicli  der  Autoren,  welche  Linn^  in  der  Auf- 
fassung von  üara%  Rumph«  gefolgt  sind,  ist  das  in  Zusatz  71 
Gesagte  nachzusehen. 


Yerzeichniss  der  Pflanzennamen. 

(Die  Familien-  und  Tribusnamen  sind  in  gesperrter,  die  Gattungs-  und  Sections- 
namen  in  gewöhnlicher,  die  Vulg^namen  in  liegender  Schrift  gedruckt;  den  Sections- 
namen  ist  das  Zeichen  §  vorgesetzt.  Autornamen  sind  nur  den  neuen  oder  neu  wieder 
aufgenommenen  Gattungen  in  Abkürzung  beigefügt.  Bei  oft  sich  wiederholenden 
Namen  sind  nur  die  wesentlicheren  Stellen  in  den  Seitenangaben  berücksichtiget. 
Wiederholung  auf  einer  oder  mehreren  nächstfolgenden  Seiten  ist  durch  „f."  oder 
„ff."  angezeigt) 


§  Acladodea  346,  851. 

Afzelia  268. 

Aglaia  307. 

Alectiyon  307,  340. 

Allophyleae  269. 

AUophylus  260,  307,  361. 

Amoora  311,  313. 

Anacardiaceae  233,  307,  314. 

Anisoptera  312,  382. 

§  AnomosantheB  267,  276  f. 

Aphania  Bl.  231 E,   238  ff.,  268, 

260,  307,  358  f.,  370. 
§  Aphanolepis  873. 
Aporrhiza  R.  271,  338. 
Arytera  Bl.  307,  351. 
Atalaya  262,  272,  279,  281,  284, 

308,  325  ff. 
Ayoua  371. 
Banisteria  282. 
Bergia  387. 
Beyeria  311,  376. 


Bischoffia  313. 

Black  Nicker  Tree  874. 

Blighia  Koen.  288,  291,  308. 

Bois  cochon  382. 

§  Brachyadenia  260. 

BuDophila  387  ff. 

Barseraceae  238,  807,  314. 

Oaesalpinieae  807,  314. 

Oanarium  807. 

Oardiospermnm  222,    254,  260  ffL, 

285. 
§  Carphospennnin  262. 
Celastrin^ae  314,  401. 
§  Ceratadenia  260. 
ChipUiba  365. 
Chisochetoa  807. 
§  Comatoglossnm  846,  850. 
Combretaceae  314. 
Gonnaraceae  238,  314. 
Connanu  812,  384. 
Copdlülo  360. 


406  Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  1.  Juni  1878, 


Coryzadeuia  366. 

Cossignia  267,  272  f. 

§  Cotopais  842. 

Cotopaises  842. 

Cotoperises  342. 

Cotylodiscus  R.  271,  334. 

Croton  876. 

Cupania  250, 259,  267,  273  f.,  276, 

278,  308,  311,  324  f.,  327  f., 

839 f.,  341,  345 ff.,  358,  884, 

403  f. 
Capauieae274,  278,  300  (n.46). 
§  Dasjsapindus  265. 
DeiuboUia  248,  247, 258,  275,  308, 

830,  859,  862,  367  ff. 
Dialiom  307,  312. 
Diatenopteryz  B.  284  f.,  355. 
§  Dicranopetalam  372. 
Didymococcas  243. 
Dilodendron  B.  285,  355. 
Diploglottis  267,  278,  286. 
Dipterocarpeae  314,  381. 
Dipterocarpus  382. 
§  Dittelasma  252,  258,  266,  269, 

278. 
Dodonaea  260,  281,  311  f.,  876  f., 

379. 
Elatineae  387. 
Elattostachjs  B.  288  f. 
Electra  266. 
Eleutheria  813. 
§  Endalophus  378. 
§  Endolophus  378. 
EDgelhardtia  307,  313,  885. 
Ephielis  312,  360. 
Erioglossum   248 f.,   253,    267 ff., 

285,  308,  329,  840  f.,  851  ff, 

363  f. 
§  Euatalaja  326. 
§  Eacossignia  272. 
§  Engoioa  274. 


§  Ealepisanthes  278. 
Euphorbiaceae  243,  313,  314, 

890. 
Euphoria  Joss.  245, 808, 312,  381  £., 

389  f. 
Enphoriopsis  B.  808. 
§  Eusapindus  265. 

§  Eutalisia  344. 

§  Euthoainidmm  288. 

§  Eatoulicia  371 

Farinha  secca  355. 

FiUciam  289. 

Fire-BurnrLeaf  373  f. 

Glenniea  296,  308,  366. 

Gronovia  386. 

Gouania  290,  307,  313,  374, 386  f., 

390  ff. 

Guioa  Cav.  274,  276,  285,  288  f., 

308  f.,  359. 
Halesia  313  (n.  33),  385. 
Haplocoelum  B.  271,  289  f.,  386. 
Harpullia  272  f.,  288  f. 
§  Harpnlliopsis  273. 
Hebecoccns  B.  246,  809,  862. 
Hedwigia  812. 
§  Hemigyrosa  254, 267, 278  ff.,  359, 

369. 
Uenschelia  886. 
Hippobromns  363. 
Homea  271,  281. 
Hjrmenocardia  818. 
Hypelate  309,  312,  360. 
Icica  312  (n.l9),  882  f. 
Illigera  313,  386. 
Inga  312. 

Jagera  288,  296,  309. 
Jardk  258. 
Javonsülo  374. 
Juglandeae  307,  314. 
Eoelreuteria  264,  309,  312,  380, 

859. 


Badlkofer:  Ueber  Sapindm  etc. 


407 


§  Ereagrolepis  37^. 
Langhare  334. 
§  Lepidodine  282. 
Lepidopetalum  Bl.  288,   309,  370. 
Lepisantheae  269,  276. 
Lepisanthes  247, 269  f.,  276  ff.,  289, 

309. 
Litchi  Sonn.  244  f.,  248,  296.  309. 
§  Lozothouinidium  284. 
Lychnodiscas  B.  271,  332. 
§  Majidea  273. 
Malaanonan  382. 
Mallotus  370. 
Mammon  342. 
Mammoncülo  342. 
Mammon  Cotopais  342. 
Mamon  342. 
Mamon  Mico  342. 
Maria  molle  356. 
Maria  pohre  355. 
Matayba  312. 
Maytenus  312,  383  f. 
Melia  312. 

Meliaceae  233,  307,  314,  324 
Melicocca  263,  309, 312, 341ff.,  382. 
§  Melicop^idium  267,  272. 
Meliosma  307. 
Mocanera  382. 
Moalinsia  269,  351  ff. 
Nephelium  243,  245  f.,  288  f,  296, 

340,  381. 
Omitrophe  243,  812,  369,  404. 
Otolepis  329. 

Otophora  239,  247 f.,  289, 309,  329. 
Pancovia  253,  258,  267  ff.,  285, 352, 

366. 
Pancovieae  252 f.,  269,  277. 
Pao  pohre  355,  857. 
Pappea  248,  309,  363. 
Paollinia  222,  224  f.,  242,  260  f., 

282,  285,  371  f.,  374,  405. 


Pansandra  281. 

§  Petalodine  282. 

§  Physelytron  263. 

Picraena  310,  365.    ^ 

Pitomba  844. 

§  Pitombaria  344. 

Pitomhera  344. 

Placodiscns  B.  271,  332. 

PlagioscyphnB  B.  271,  335. 

Pometia  309,  370. 

Porocystis  B.  269,  285,  353,  373. 

Prostea  363. 

Protium  312,  383. 

§  Psendatalaya  267,  272,  826. 

Psendima  B.  309.  358, 

Punophila  887. 

Puta  pöbre  356. 

§  Bacaria  341. 

Bbamneae  307,  314. 

Baralc  402,  405. 

Bite  235,  403. 

Bhns  812,  362,  369. 

Bnbiaceae  388. 

Sabiaceae  307. 

Sapindaceae  232,  263,  307  ff., 

313,  360,  385. 
§  Sapindastrnm  265. 
Sapindeae  252. 
Sapindns  227  ff.,  286  ff.,  294,  298  ff., 

815  ff. 
Sarcopteryz  B.  288,  290,  309. 
Scbieckea  312,  883. 
Scbleicbera  809. 
Schmardaea  313  (n.  36). 
Schmidelia  243,  280  f.,  812  f.,  384. 
§  Scorododendron  277  f. 
Scytalia  243  ff. 
Seijania  221  ff.,  254,  264,  282,  285, 

872  f.,  384. 
Shorea  382. 
Simaba  368. 


408  Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  1,  Juni  1878, 


Simarubaceae  233,  307,  324. 
Smelophyllum  R.  271, 290,  309, 330. 
Soap-Berry-Bush  290,  373. 
Spanoghea  $40. 
Sphondylococca  387. 
Stadmannia  278. 
Staphylea  354.  - 
§  SteDeljtron  264. 
Talisia  248>  250,  309,  313,  341  ff., 

365. 
Tapiria  307. 
Terminalia  311. 

Thinouia  Tr.  &  PI.  226,  279  ff. 
Thoainia  260,  267,   271,   279  ff., 

313,  324  f.,  327  f. 
Thominidium  B.  267,  280  ff.,  355. 
ThranlococcuB  B.  246, 258, 260, 309. 


Tina  267,  272  f. 

Tingoori  245. 

Tinguree  246. 

TouUcia  263,  267,  279,  285,  310, 

353,  371  ff. 
Trichilia  311,  313. 
Trigonachras  B.  288,  309. 
Trisecus  387,  390  f.,  893. 
Tulicia  372. 

Urvillea  226,  262,  263  ff.,  285. 
Valenzuelia  290. 
Wimmeria  312,  376  ff. 
Xerospermam  263, 288  f.,  310,  385. 
Zanthoxjleae  233,  307,  314. 
Zanthoxylam  310,  312,  813,  403. 
Zinowiewia  380. 


Einsendungen  vm  BruckBchHfUn,  409 


Yerzeichniss  der  eingelaufenen  Bfichergeschenke. 


Tom  Verein  fUr  Nahirkunde  m  Fulda: 
5.  Bericht.  1878.  8°. 

Vom  naturimssenschaftlichen    Verem   an   der  Je.  Je.  technischen 

Hochschtde  in  Wien: 

Bericht  I.  H.  1877.  8^ 

Von   der  physikaHsch-medicinischen   Gesellschaft  in    WUrzhurg : 
Verhandlungen  N.  F.  Bd.  XH.  1878.  8^ 

Von  der  k.  k.  Sternwarte  in  Prag: 

Astronomische,  magnetische  imd  meteorologische  Beobachtungen. 
38.  Jahrg.  1878.  4«. 

Vom  Verein  für  Naturktmde  in  Cassel: 
24.  und  25.  Bericht  1876—1878.  1878.  8^ 

Von  der  Redaäion  des  Archivs  vn  Oreifswald: 

Archiv  der  Mathematik  und  Physik.   Th.  62.   Heft  1.    Leipzig 

1878.  8^ 

Vom  Nassauischen  Verein  für  Naturkunde  in  Wiesbaden: 
Jahrbücher.  Jahrg.  29.  und  30.  1876—77.  8®. 

Vom  Verein  zur  Beförderung  des  Gartenbaues  vn  BerUn: 
Monatsschrift  20.  Jahrg.  1877  in  12  Heften.  1877.  8*. 


410  Einsendungen  von  Druckschriften. 

Vom  siebenbürgischen  Verein  fä/r  Naturwissenschaften  in 

Hermarmstadt : 

Verhandlungen  und  Mittheüungen.  28.  Jahrg.  1878.  8*. 

Von  der  Leopoldmisch-Carolmischen  Akademie  der  Natu/rforscher 

in  Dresden: 

Verhandlungen.  Bd.  37—39.  1875  —  77.  4^ 

Vom  Naturforscherverein  in  Riga: 
Correspondenzblatt.  22.  Jahrg.  1877.  8®. 

Von  der  Eedaction  des  Moniteur  scientifique  in  Paris: 

Moniteur  scientifique.  438*  Livraison.  1877.  gr.  8®.  Livr.  439. 
1878.  8«. 

Von  der  SociäS  de  geographie  commerciale  in  Bordeaux: 
Bulletin.  Nr.  XI— XII.  1878.  8^ 

Vom  jR.  Istituto  di  studi  superiori  in  Florenz: 

a)  Pubblicazioni.   Sezione  di  medicina  e  chirurgia.    1876.  8®. 

b)  Pubblicazioni.  Sezione  di  scienze  fisiche  e  naturali.  1877.  8®. 

c)  G.  Cavanna,  Studi  e  ricerche  sui  Picnogonidi.    1877.    8®. 

Vom  physikalischen  CentraürOhservatorium  in  St.  Petersburg: 
Annalen.  Jahrg.  1876.  1877.  4^. 

Von  der  Boy  dl  medical  a/nd  chirurgical  Society  in  London: 
Medico-chirurgical  Transactions.  Vol.  60.  1877.  8**. 

Von  der  Boycd  astronomicäl  Society  in  London: 
Memoires.  Vol.  43.  1875—77.  1877.  4®. 

Von  der  geologicäl  Society  in  London: 

a)  The  quarterly  Journal.     Vol.  XXXUI.     1877.     8®.     Vol. 
XXXIV.  1878.  8^ 

b)  List  of  the  Members  Nov.  1'*-  1877.  1877.  8®. 


Einsendungen  van  Druckschriften  411 

Ton  der  Royal  Institution  of  Oreat  Britain  in  London: 
List  of  the  Members  in  1876.  1877.  8°. 

Von  der  Liter ary  and  philosophical  Society  in  Liverpool: 
Proceedings.  66***  Session,  1876  —  77.  Nr.  XXXI.  London  1877.  8^. 

Vom  Ihm  Echt  Ohservatory  in  Äberdeen: 

Publications.  Vol.  11.    Mauritius  Expedition,   1874.    Division  I. 
Dun  Echt,  Äberdeen  1877.  4^ 

Von  der  Royal  Society  in  London: 

a)  Philosophical  Transactions.  Vol.  166.  Part.  2. 

„     167.      „      1.    1877.    4^. 

b)  Proceedings.  Vol.  25  Nr.  175  - 178. 

„     26     „    179-183.  1877.  8^ 

c)  Catalogue   of  Scientific  Papers   (1864—1873).   Vol.    VH, 
1877.  4^. 

Von  der  k.  Je.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Krakau: 

a)  Rozprawy.  Mathem.  Classe.  Bd.  4.  1877.  8^ 

b)  Sprawozdanie  komisyi  fiizyjograficznöj.  Vol.   11.   1877.  8®. 

c)  Pamigtnik.  Mathem.  Classe.  Thom.  lU.  1877.  4^. 

Vom  Radcliffe  Ohservatory  in  Oxford: 
Radcliffe  Observations  1875.   Vol.  35.    1877.  8^ 

Vom  Royal  Ohservatory  in  Edinburgh: 
Astronomical  Observations.  Vol.  14.    1870—1877.    1877.    8®. 

Von  der  Botanicäl  Society  in  Edmhmgh: 
Transactions  and  Proceedings.    Vol.  XIII.    1877.    8®. 

Von  der  R.  Äccademia  dd  Lincei  in  Rom: 

Memorie  della  classe  di  scienze  fisiche,  matematiche  e  naturaü« 
Vol.  I.  Dispensa  1  e  2.  1877.  4^. 


412  Einsendungen  wm  Druckschriften. 

Von   der  ungarischen  k.  naturwissenschaftlichen  Gesellschaft  in 

Budapest: 

a)  E.  Stablberger,    Die  Ebbe    und  Fluth   in  der  Ehede    von 
Piume.  1874.  4^ 

b)  Jos.  Alex.  Erenner,  Die  Eishöhle  von  Dobschau.  1874.  4^. 

c)  G.  Horyäth,  Monographia  Lygacidarum  Hungariae.  1875.  4  ^. 

d)  0.  Herman,  Ungarns  Spinnen-Fauna.   1876  —  78.  4^. 

e)  T.  Kosutäny,  Ungarns  Tabak  (ungarisch).   1877.  4**. 

Van  der  k.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Stockholm: 

Iconographia  Crinoideorum  in  stratis  Sueciae  siluricis  fossilium 
auctore  N.  P.  Angelin.     Holmiae  1878.     fol. 


Vom  Herrn  E.  Heine  in  Halle: 
Handbuch  der  Kugelfunktionen.  Bd.  I.  2.  Aufl.  Berlin  1878.  8*^. 

Vom  Herrn  Ferdmmd  von  MuUer  in  Melbourne: 
Fragmenio  phjtographiae  Austraüae.    Vol.  X.    1876—77.    8®. 

Vom  Herrn  Francesco  Ärdissone  in  Mailand: 

a)  Le  Floridu  italiche  descritte  ed  iUustrate.  Fase.  I.  1874.  8*. 

b)  La  vie  des  cellules  et  rindiyidualitö  dans  le  rägne  yäg^tal. 
1874.  8^ 

Vom  Herrn  J.  F.  Julius  Schmidt  in  Athen: 

Charte  der  Gebirge  des  Mondes.  Text  und  Atlas.  Berlin  1878 
4®  u.  fol. 

Vom  Herrn  Älph.  Favre  in  Genf: 

Expäriences    sur    les    effets    des    refoulements    ou    äcrasements 
latäraux  en  göologie.     1878.  8*^. 


OeffenÜiche  Sitzung 

znr  Vorfeier   des   Qeburts-   und   Namensfestes 
Seiner  Majestät  des  Königs  Ludwig  IL 

am  25.  Juli  1878. 


Wahlen. 

Die  in  der  allgemeinen  Sitzung  vom  25.  Juli  vorge- 
nommene Wahl  neuer  Mitglieder  erhielt  die  Allerhöchste 
Bestätigung, 

und  zwar: 

A.    Als  auswärtige  Mitglieder : 

1)  Charles  Darwin  zu  Down  bei  Beckenham  bei  London. 

2)  Charles  Her  mite,    Professor  an  der  polytechnischen 
Schule  in  Paris. 

3)  Luigi  Cremona,  Professor  und  Director  der  Ingenieur- 
schule in  Rom. 

4)  Adolf  Wfirtz,  Professor  der  Chemie  in  Paris. 
[1878.  4.  Math.-phj8.  Ol.]  28 


414  Oeff entliche  Sitzung  vom  25.  JtUi  1878. 

B.    Als  correspondirende  Mitglieder: 

1)  Dr.  Josef  Stefan,   ordentlicher   Professor  der   Physik 
an  der  Universität  zu  Wien. 

2)  Dr.  Karl  Graebe,  Professor  der  Chemie  in  Zürich. 


Sitzung  vom  6.  Juli  1878. 


Herr  von  Banernfeind  machte  folgende  nachträg- 
liche Bemerkungen 

Zur  Ausgleichung  der  zufälligen  Be- 
obachtungsfehler in  geometrischen 
Höhennetzen. 

In  der  Sitzung  unserer  Glasse  vom  2.  December  1876 
habe  ich  mein  Näherungsverfahren  zur  Ausgleichung  der 
unvermeidlichen  Beobachtungsfehler  in  geometrischen  Höhen- 
netzen besprochen,  welches  ich  schon  ein  halbes  Jahr  vor- 
her auf  die  Ausgleichung  von  vier  ganz  innerhalb  des 
Königreichs  gelegenen  Polygonen  des  bayerischen  Prä- 
cisionsnivellements  angewendet  hatte,  wie  aus  den  Abhand- 
lungen der  mathematisch-physikalischen  Glasse  der  k.  Aka- 
demie Bd  XII,  Abth.  3,  Seite  110—132  (Vierte  Mittheil- 
ung über  das  bayerische  Präcisionsnivellement)  und  aus 
deren  Sitzungsberichten  Bd  VI,  1876,  Seite  243—270  (das 
oben  bezeichnete  Näher ungsverfahren.enthaltend)  hervorgeht. 

Diese  beiden  Schriften,  wovon  ich  der  Kürze  wegen  in 
der  Folge  die  erste  nur  mit  „Abhandlung^^  und  die  zweite 
mit  „Sitzungsbericht"  bezeichnen  werde,  wurden  von  Herrn 
E.  H.  Courtney,  k.  Major  und  Lehrer  der  Vermessungskunde 
an  der  Ingenieurschule  zu  Coopers  Hill,  für  die  vom  Secre- 
tär  des  Instituts  der  Civilingenieure   von  England,   Herrn 

28* 


416  Sitzung  der  math.'phya-  Classe  vom  6.  Juli  1878, 

J.  Forrest  herausgegebenen  „Abstracts  of  papers  in  foreign 
transaciions  and  periodicals^'  aasgezogen  und  unter  dem 
Titel  „Improved  method  of  adjusting  errors  in  levelling  by 
Mr.  V.  Bauemfeind"  in  Bd  LH,  Abth.  2,  Seite  1  bis  10 
genannter  Zeitschrift  zum  Abdruck  gebracht. 

Bei  dieser  Gelegenheit  ergaben  sich  zunächst  zwei 
Druckfehler  in  dem  Sitzungsbericht,  auf  welche  Herr  Court- 
ney  auiinerksam  machte,  und  die  ich  um  so  weniger  uner- 
wähnt lassen  darf,  als  sonst  ein  Widerspruch  in  den  An- 
gaben dieses  Berichts  und  der  Abhandlung  stattfände.  In 
letzterer  gebe  ich  nämlich  auf  Seite  123  den  nach  der  Me- 
thode der  kleinsten  Quadrate  berechneten  mittleren  Eilo- 
meterfehler  der  oben  erwähnten  vier  Nivellementsschleifen 
zti  ::t  2,228  mm  an,  während  in  dem  Sitzungsbericht  Seite 
258  für  denselben  Fehler  der  Werth  i  2,601  mm  steht. 
Dieser  letztere  Werth  ist  falsch  und  kam  durch  Verwechs- 
lung mit  dem  in  Gl  (11)  auf  Seite  116  der  Abhandlung 
enthaltenen  und  aus  einer  dort  als  fehlerhaft  nachge- 
wiesenen Uechnungsmethode  entsprungenen  gleichen  Werthe 
in  den  Sitzungsbericht.  Eine  wiederholt  von  mir  vorge- 
nommene Berechnung  des  fraglichen  Werthes  ergab  wie 
früher  m  =  ^  2,228  mm ,  was  auch  Herr  Courtney  fand. 

Eine  andere  Bewandtniss  hat  es  mit  dem  zweiten  Irr- 
thnm,  welcher  sich  auf  den  nach  meinem  Näherungsver- 
fahren berechneten  und  im  Sitzungsbericht  Seite  262  zu 
-}-  2,709  mm  angegebenen  mittleren  Eilometerfehler  bezieht. 
Dieser  Irrthum  beruht  auf  einem  B.echnungsversehen  von 
meiner  Seite,  das  jedoch  nicht  bei  der  Herstellung  der 
Fehlerquadrate  und  deren  Summe  vorkam,  da  eine  Wieder- 
holung der  Berechnung  dieser  Quadrate  genau  den  auf  Seite 
262  des  Sitzungsberichts  angegebenen  Werth  [uu]  =  53,8810 
lieferte.  Wie  dem  auch  sei,  der  richtige  Werth  des  mitt- 
leren Eilometerfehlers  nach  meinem  Verfahren  heisst  in 
üebereinstimmung  mit  Herrn  Courtney  m  =  i  2,278,  so 


V.  Bauern feind:  Ausgleichung  geometrischer  UöhennetBe.    417 

dass  zwischen  dem  nach  der  strengen  Methode  berechneten 
Werthe  2,228  mm  nnd  dem  ans  meinem  Nähernngsverfahren 
folgenden  2,278  nnr  ein  unterschied  von  0,05  mm  besteht. 
Die  wiederholte  numerische  Berechnung  des  mittleren 
Eilometerfehlers  einer  Reihe  doppeltnivellirter  Schleifen  hat 
mich  zu  abgekürzten  Formeln  für  diese  Berechnungen  ge- 
führt, welche  ich  nachstehend  mittheilen  will.  Diese  Ab- 
kürzungen beziehen  sich  auf  den  Ausdruck  der  Summe  der 
mit  den  Gewichten  multiplicirten  Fehlerquadrate,  und  er- 
strecken sich  sowohl  über  das  strenge  als  das  abgekürzte 
Verfahren.  Beschäftigen  wir  uns  zuerst  mit  der  strengen 
Methode. 

Bekanntlich  ist  das  Quadrat  des  mittleren  Fehlers  m 
einer  Reihe  von  Schleifen,  welche  zusammen  n  Seiten  von 
den  Längen  s^  s,  S3  .  • .  .  s^  haben  und  deren  Verbesser- 
ungen des  Doppelniyellements  v^  v,  V3  .  .  .  .  Vn  sind,  aus- 
gedrückt durch  die  Gleichung 

""    -      n      -     n     V  S,      +      S,   +  •  •  •  •  +     S  J 

und  es  geht  diese  Formel  auf  den  von  uns  behandelten  be- 
sonderen Fall  Yon  4  Scheifen  des  bayerischen  Präcisions- 
nivellements  mit  11  Strecken,  deren  Gesammtlänge  S  = 
1254,474  Em  ist,  dadurch  über,  dass  man  n  =  11  setzt. 
Bleiben  wir  bei  diesem  Falle,  so  gibt  es  nach  Seite  121 
der  Abhandlung  zwischen  den  beobachteten  Höhenunter- 
schieden dj  d,  d3  .  .  dj^  und  ihren  Verbesserungen 
^1  ^2  ^8  *  «  ^11  "^^^^  unabhängige  Bedingungs-  und  eilf 
Fehlergleichungen,   welche  mit  der  Forderung 

2  ^  =  Pi  Vi  Vj  +  p,  V,  V,  +  .  .  +  p,i  Vii  Vji  =  min. 

gleichzeitig  zu  erfüllen  sind.  Wenn  die  Gewichte  den 
nivellirten  Strecken  umgekehrt  proportional  angenommen 
werden;    wenn   man   ferner  jene  4  Bedingungsgleichungen 


418  Sitgung  der  math.-phys.  Classe  vom  6.  Juli  1878, 

nacheinander  mit  den  willkürlichen  Factoren  k^  k,  kg  k^ 
multiplicirt  und  die  Fehler  der  vier  Polygonabschlüsse 
mit  ^1  //j  ^3  J^  bezeichnet,  so  nehmen  nach  Gl  (17) 
Seite  122  der  Abhandlung  die  11  Verbesserungen  fol- 
gende allgemeine  Werthe  an,  bei  welchen  die  Reciproke 
1  :  S  =  c  gesetzt  ist : 

v^  =  —  c  k,  Sj  v^  =  +  c  kj  s^ 

Vg  =  +  c  kj  Sg  Vg  =  —  c  (k^— kg)  Sg 

▼s  =  +  c  (k,— kj  83  Vg  =  —  c  k,  S9 

V4  =         c  kj  S4  Vj^  =    4-  c  k^  SjQ 

Vg  =         c  kg  Sg  Vj  j  =         c  k^  s,  j 


V 


e    =  +  c  (kj-kj)  Se  (2) 

Die  Werthe  der  willkührlichen  Factoren  k,  k,  kg  k^  sind 
auf  Seite  123  der  Abhandlung  für  den  zehnten  Theil  des 
Werths  von  S,  nämlich  0,1  S  =  125,4474  Km  berechnet; 
behält  man  den  wirklichen  Werth  von  S  bei,  so  werden 
jene  Factoren  10  mal  grösser,  d.  h. 
k  =  10,473       kg  =  14,947       kg  =  7,385       k^  =  57,763. 

Die  Nivellementsschleife  oder  das  Polygon  Nr  I  hat 
3  Seiten  mit  der  Gesammtlänge  Si  =  Sj  -|-  ^2  +  ^3  =^ 
452,062  Em.,  und  es  ist  fär  dasselbe,  wenn  man  für  V  die 
betreffenden  Werthe  aus  den  Fehlergleichungen  (2)  einsetzt : 

lill  ,  lili  ,  Vi.  __  k^  k^  Si  +  kg  (kg  —  2  kj  Sg 
h  ^2  h  ~  SS  (3) 
Die  Schleife  Nr  II  besteht  aus  4  Seiten  mit  der  Ge- 
sammtlänge Sn  =  S3  +  S4  +  S5  =  Sg  =  482,993  Km 
und  dem  Unterschiede  Sn  —  Sg  =  s^  +  Sg  +  Sg  — 
335,727  Km,  Setzt  man  wieder  für  die  Fehler  v  die  .obigen 
allgemeinen  Werthe,  so  wird 

^4^4     I    Isis.    ,    leZe   _.  K  K  (Sn  —  Sg)  +  kg  (kg  —  2 kg)  Sg 

84  85       "^      Sg  SS  (4) 

Das  Polygon  Nr  III  hat  ebenfalls  4  Seiten  mit  der 
Gesammtlänge  Sm  ~  Sg  +  s,  +  Sg  +  Sg   ^  403,108  Km 


V.  Bauemfeind:  Ausgleichung  geometrischer  Höhennetze.     419 

und   einem    Unterschiede  Sm  —  Se   ==  "^7  ~H  "'s   +    ^9    ^ 
302,025  Km.     Nach  Einsetzung  der  v-Werthe  wird 

^7^7    I    liZs    ,    M?  _  kg  ka  (Sm  —  Sg)  +  1^4  (^^4  —  2  kg)  83 
87  88     "^     89     ~  SS  (5) 

Endlich  hat  die  Schleife  Nr  IV  3  Seiten  mit  der  Ge- 
sammtlänge  Siv  =  Sg  +  Sj^  +  s^,  =  244,772  Km  und 
dem  Unterschiede  Siv  —  Sg  =  s^^  +  Sj,  =  164,660  Km. 
Setzt  man  für  v,^  und  Vjj  die  obenstehenden  Werthe,  so 
wird 

Iiolio  ^  ▼iiVii   ^    k^   (Siv  --  8^)  (6) 

Sie  Sil  SS 

Addirt  man  die  Gleichungen  (3)  bis  einschliesslich  (6) 
und  schreibt  für  die  Summe  der  linken  Seiten  das  bekannte 
Zeichen,  so  ergibt  sich 

[p  vv]    =    ^  (k,»  S,  +  k,«  Sn  +  k,«  Sn,  +  Ik,»  Sxy  - 

2  (kj  kg  S3  +  kg  kg  Sg  +  kg  k^  Sg)  I  ^^x 

Nun  ist  nach  den  Gleichungen  (18)  auf  Seite  122  der 
Abhandlung 

k,  Si   =  S^i  +  kgSg 
kg  Sn  =  S  //g  +  kj,  Sg  +  kg  Sß 
kg  Sni  =  S^g  +  kg  Sß  +  k^  8« 
k^  Siv=  Sz/^  +  kg  Sg 

und  wenn  man  diese  Werthe  in  (7)  setzt  und  reducirt: 
[pvv]  =-|-(ti^,+k,^,+k,^,  +  k,^,)^g^ 

Wird  dieser  Ausdruck  in  (1)  gesetzt  und  der  mittlere 
Fehler  pro  Kilometer  unter  Anwendung  der  bereits  ange- 
führten Werthe  von  n^  S^  kj  k,  kg  k^  und  der  aus  der  Ab- 
handlung bekannten  Schlussfehler 

J^  =  +  2,02  cm,     -^2  =  +  3,93  cm,     ^g  =  —  2,52  cm, 

^^  =  +  10»80  cm 


420         SiUung  der  matK-phys.  Glosse  wm  6.  JüU  1878. 

berechnet,  so  ergibt  sich  zunächst 

S  [pyv]  =  21,15546  +  58,74171  —  18,61020  +  623,84040 

=  685,12737 

und  hieraus  weiter  [pvv]  =  11  m*  =  0,546147  und 
schliesslich 

m  =  ±  0,2228  cm  =  ^  2,228  mm  (9) 

genaa  übereinstimmend  mit  dem  in  der  Abhandlung  (S.  123) 
aus  den  11  Posten  ^i'  :  s^  bis  Vj^^ :  s^i  unmittelbar  berech- 
neten Werthe. 

Oehen  wir  nun  zum  Näherungsverfahren^  über  und 
suchen  wie  sich  hier  der  Ausdruck  für  [pt)t)]  abkürzen 
lässt.  Bekanntlich  sind  nach  diesem  Verffthren  für  ein 
Polygon  Nr  1,  dessen  fi  Strecken  zusammen  die  Länge  S' 
haben  und  dessen  Schlussfehler  J'  ist,  die  Verbesserungen 
dieser  Strecken 


t)j=eSj^  t)|=es2  t)     =eSj 


wobei  e'  die  Verbesserung  pro  Kilometer  oder  den  Ein- 
heitswerth  der  Verbesserung  für  die  Schleife 
Nr  1,  nämlich  e'  den  Quotienten  J'  :  S'  vorstellt. 

Hieraus   folgt   die    Summe   der   mit   ihren  Gewichten 
multiplicirten  Fehlerquadrate 

[p.V]  =?^li  +  ^-t^ 


e  e  (s\  +  s',  +  . . .  +  sV)  = 


S^ 


Schliesst  sich  an  dieses  Polygon  ein  zweites  Nr  2  an 
mit  den  v  Strecken  s  |  s  ,  s  3  •  .  •  sVi  deren  Gesammt- 
länge  S''  ist,  und  heisst  die  Verbindungsstrecke  in  diesem 
Polygon  a\  während  sie  in  Nr  1  s'^  heisst,  so  ist  s'^  = 
h\  und  der  Einheitswerth  der  Verbesserung 

^'  —  oV 
e    -     S"  -  s",  (10) 


V.  Bauemfeindi  AnagUidkung  geometrischer  Höhennetze.     421 
Mit  diesem  Factor  erhält  man  die  Yerbesseriuigen 


//  //       ft  9t  H       99  99  99      99 

DjSseSi      t>8^^®^8      t)^=e8^ 


und  damit  die  Smnme  der  mit  den  Gewichten  multiplicirten 
Fehlerqnadrate 


99         99  99         99  99         99 


Pt)  t)    I    zz:       V   *  H V-^  ^ V^  + = 

e  e    (S    -  8  ,  j  =  -S^^TT^T 

So  fortfahrend  gelangt  man  fBr  z.  B.  4  Schleifen  zu 
folgendem  Ansdracke  für  die  Summe  der  Fehlerqaadrate 
mnltiplicirt  mit  ihren  Gewichten: 

.    K...~ °  .*>  nn 

-j-  -—^m 9m —  (11; 


[pt.»] 


wofür   man  auch,  unter   Beibehaltung   der  Einheit8werthe 
e'  e"  .  . .,  schreiben  bann : 

[p t)t)]    =  e'  e'  S'  +  e"  e"  (s"-  8'\)  +  e'" e'"  (s'"-  b\) 

+  e"%""  (S""- 8"",)  (IIa) 

Wendet  man  diese  allgemeinen  Formeln  auf  das  baye- 
rische Präcisionsnivellement ,  d.  i.  auf  die  4  Schleifen  an, 
welche  ganz  in  Bayern  liegen,  und  schreitet  man  bei  der 
Ausgleichungsberechnung  vom  Polygon  IV  zu  dem  Poly- 
gon I  fort,  so  ist  zu  setzen: 

Kin*  Kill« 

S*  =  Siy  =  224,772  S'— o   =8^—0  =  244,772 

S"  =^  Sm  =  403,108  8"  —  Sj"  =  Sn,— 8,=  322,996 

S'"  =  Sa  =  482,993  8'"—  s,'"  =  Sn  —  8,=  381,910 

S""  =  S,  =  452,062  S""-  8,""  =  8,  —8,=  304,796 


422      Sitzung  der  nuUh'.phys,  Glosse  vom  6.  Juli  1878, 


cm 


J'  =^4  =  +  10,80  J'  -o    =J^  —  o  =  +  10,80  —  0,00=10,80 

J"  =J^-—   2,52  J"  —  v'fi  =:zj^—vg=--—  2,52  +  3,54  =    1,02 

J"'  =J^=+   3,93  J"'  —  v'y=Jt-Vg  =  +   3,93  +  0,83  =    4,26 

J""=:J^=:+   2,02  J"'—x)'7i=Ji  —  Vg=r-\-  2,02  +  1,64=    8,66 

10,80  ,      , 

244  772  ~  0,044123;  löge    =  8,64466  —   10 


e  = 


1,02 
e  ==  ^Q3  ^^^   =  0,003158;  löge  =  7,49940  —  10 

e"  =  ^3^  ggg  =  0,011128;  löge"  =  8,04643  —  10 

e""  =  ^^^  Qg^  =  0,012008;  löge""  =  8,07947  —  10 

Mit  diesen  besonderen  Werthen   findet   man  zunächst 

Ppw]  =  0,476526  -f  0,003221  +  0,047295  +  0,043949 

=  0,570990 
und  hieraus  den  mittleren  Ealometerfehler  wie  oben  (S.  417) 


m 


=  1/0:57099  ^  ^  2,278  mm 


Die  abgekürzten  Formeln  (8)  und  (11)  für  die  Summe 
der  mit  ihren  Gewichten  multiplicirten  Fehlerquadrate, 
welche  das  n  fache  Quadrat  des  mittleren  Eilometerfehlers 
darstellen,  lehren  uns  über  die  Eigenschaften  dieses  Fehlers 
und  der  Polygone  Folgendes: 

1)  Der  Unterschied  der  Werthe  \on  m  und  m  in  Gl 
(8)  und  Gl  (11),  welcher  den  Grad  de^  Annäherung  meines 
abgekürzten  Verfahrens  an  das  strenge  der  Methode  der 
kleinsten  Quadrate  erkennen  lässt,  kann  nicht  allgemein 
entwickelt  werden,  weil  die  Darstellung  der  willkührlichen 
Factoren  k^  k,  kg  k^  zu  umständlich  ist;  doch  wird  die 
numerische  Berechnung  jenes  Unterschieds  durch  die  For- 
meln (8)  und  (11)  wesentlich  erleichtert. 


V.  Bauemfeind:  Ausgleichung  geometrischer  Höhennetze,      423 

2)  Mein  Näherungsverfahren  schliesst  sich  der  Methode 
der  kleinsten  Qaadrate  för  ein  einzelnes  Polygon  von  be- 
liebig vielen  Seiten  ganz  an,  und  wäre  es  möglich  alle  Po- 
lygone nur  mit  je  einem  einzigen  Punkte  zu  verknüpfen,  so 
müsste  dieses  Verfahren  ausschliesslich  angewendet  werden ; 
in  allen  anderen  Fällen  kommt  meine  Methode  der  strengen 
um  so  näher,  je  kürzer  die  Seiten  sind,  in  welchen  sich 
die  Polygone  berühren.  Man  sollte  daher  bei  der  Anlage 
der  Höhennetze  eines  Landes  hierauf  Rücksicht  nehmen. 

3)  Der  mittlere  Kilometerfehler  ergibt  sich  nach  meinem 
Verfahren  nothwendig  stets  etwas  grösser  als  jeder  nach 
der  Methode  der  kleinsten  Quadratsummen  gefundene ;  beide 
Fehler  unterscheiden  sich  aber  nach  allen  bisherigen  Er- 
fahrungen so  wenig  von  einander ,  dass  ihr  Unterschied 
völlig  übersehen  werden  darf. 


Herr  v.  Pettenkofer  1^  vor   und  bespricht  nach- 
stehende Abhandlung: 

Theorie    des    natürlichen    Luftwechsels 
von  G.  Becknagel. 

Erste  Abhandlung. 

Seit  y.  Pettenkofer^)  durch  die  überzeugende  Kraft  un- 
zweideutiger Versuche  festgestellt  hat,  dass  die  Stein  wände, 
welche  die  von  uns  bewohnten  Räume  einschliessen ,  nicht 
nur  nicht  luftdicht  schliessen,  sondern  ansehnliche  Mengen 
von  Luft  durchlassen  können,  ist  es  Aufgabe  der  Physik 
geworden,  die  Bedingungen  zu  erforschen,  unter  denen 
in  bestimmter  Zeit  bestimmte  Mengen  von  Luft  in  einen 
Baume  eintreten  oder  denselben  verlassen,  um  gleich  grossen 
Mengen  neuer  Luft  Platz  zu  machen. 

Obwohl  diese  Forschung  in  erster  Linie  auf  den  Ver- 
such augewiesen  scheint,  so  beweist  doch  eine  Uebersicht 
über  die  bisher  durch  Versuche  gewonnenen  Resultate,  wie 
sie  uns  eben  Herr  C.  Lang^)  gibt,  dass  auf  dem  bisherigen 
Wege,  wo  man  sich  darauf  beschränkt,  die  Gesammtmengen 
von  Luft  zu  ermitteln,   welche   während   einer  gemessenen 


1)  V.  Pettenkofer :   üeber   den   Luftwechsel   in   Wohngebäuden 
München  1858.    Ursprünglich  3  Abhandlungen  der  natnrw.-techn.  Kom- 
mission der  k.  b.  Akademie  der  Wissenschaften  in  München.  1858. 

2)  C.  Lang :  üeber  natürliche  Ventilation  nnd  die  Porosität  von 
Baumaterialien,  Stuttgart  1877. 


G.  Recknagel:  Iheorie  des  natürlichen  Luftwechsels.       425 

Zeit  in  einem  Raame  wechseln,  noch  nicht  sichere  Grund- 
lagen für  Voransberechnnng  desjenigen  EfiPektes  gewonnen 
werden  können,  welcher  bei  bestimmter  TemperaturdifiPerenz 
sowie  bei  bestimmter  Stärke  und  Richtang  des  Windes  zu 
erwarten  ist.  Eine  solche  Voransberechnung  mnss  aber  als 
Ziel  der  Forschung  in*s  Auge  gefasst  werden,  zunächst  für 
jeden  ventilatorisch  untersuchten  Raum,  sodann  unter  An- 
lehnung an  gewisse,  sorgfaltig  imtersuchte  Typen,  sogar  für 
beliebige  Räume.  Zur  Anbahnung  dieses  Zieles  sollen  fol- 
gende theoretische  Untersuchungen  dienen,  welchen  an  ge- 
eigneter Stelle  der  beweisende  Versuch  zur  Seite  stehen 
wird. 

1.  Allgemeine  Prinzipien. 

1.  Entwickelung  von  Luftströmen  in  wei- 
ten Canälen.  Im  Allgemeinen  ist  zu  betonen,  dass  — 
abgesehen  von  den  Wirkungen  der  DifiPusion,  die  im  folgen- 
den nicht  berücksichtigt  werden,  übrigens  nur  eine  schein- 
bare Ausnahme  bilden  —  ohne  eine  zu  beiden  Seiten  einer 
Wand  bestehende  Druckdifferenz  —  Luft  durch  dieselbe 
nicht  hindurch  geht,  ebenso  wenig  als  sich  aus  ruhender 
Luft  heraus  ein  Luftstrom  in  eine  Röhre,  einen  Kamin,  ein 
Schürloch  entwickelt,  ohne  dass  diese  ruhende  Luft  eine 
höhere  Spannkraft  besitzt,  als  die  Luft  jenseits  der  OefiP- 
nung.  Wenn  diese  Druckdifferenzen  vielfach  unbeachtet 
geblieben  sind,  so  trägt  daran  die  ünempfindlichkeit  der 
Messinstrumente  Schuld,  welche  man  zum  Nachweis  oder 
zur  Messung  solcher  Differenzen  verwenden  wollte.  Führt 
man  durch  das  Zugloch  eines  Ofenthürchens  ein  gebogenes 
Glasrohr  so  ein,  dass  seine  freie  Mündung  in  dem  wind- 
stillen Räume  liegt,  der  sich  hinter  dem  Thürchen  befindet, 
so  zeigt  ein  gewöhnliches  offenes  Wassermanometer, 
dessen   einer  Schenkel   durch   einen  Eautschukschlauch  mit 


426  Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  6,  Juli  1678, 

dem  Glasrohr  yerbunden  ist,  erst  dann  1  Millimeter  Niveaa- 
differenz,  wenn  die  Laft  mit  c.  4  Meter  Geschwindigkeit 
durch  das  Zugloch  einströmt.  Die  beobachtete  Druckdifferenz 
von  1  Millimeter  oder,  was  dasselbe  ist,  von  1  Kilogramm 
pro  Quadratmeter  ist  die  nächste  Ursache  des  Luft- 
zuges von  4  Meter  Geschwindigkeit,  und  man  hat  sich  dem- 
gemäss  den  Zug  der  Kamine  vorzustellen,  wie  das  Aus- 
strömen Yon  Luft  aus  einem  (unendlich  grossen)  Gefässe, 
wo  sie  unter  höherem  Drucke  steht,  in  einen  ebenfalls 
unendlich  grossen  Raum ,  wo  der  Luftdruck  geringer  ist, 
das  Zugloch  bildet  die  Grenze  dieser  beiden  Bäume. 

Die  massgebende  Spannungsdifferenz  wird  hervorge- 
bracht durch  die  Gewichtsdifferenz  zweier  Luffcsäulen, 
der  wärmeren  im  Kamin  und  einer  kälteren,  deren  Höhe 
ebenfalls  vom  Zugloch  aus  bis  zur  oberen  Mündung  des 
Kamins  zu  rechnen  ist,  wenn  zwischen  diesen  bei- 
den Stellen  auch  aussen  freie  Ko,mmunikation 
stattfindet,    wie   z.  6.  bei  den  meisten  Fabrikschlöten. 

Lidern  nämlich  die  untersten  Schichten  der  weniger 
dichten  Säule,  gleichviel  ob  sie  selbst  warm  oder  kalt  sind, 
von  oben  her  weniger  stark  gedrückt  werden  als  die  unter- 
sten Schichten  der  dichteren  Säule ,  üben  jene  auch  ihrer- 
seits nach  oben  einen  geringeren  Gegendruck  aus  als  diese. 
Und  was  von  dem  nach  oben  gerichteten  Drucke  gilt,  gilt 
von  der  Spannkraft  der  Schichte  überhaupt,  da  in  Gasen 
und  Flüssigkeiten  Einseitigkeit  in  der  Reaktion  einer  Schicht 
ausgeschlossen  ist. 

Die  Gewichtsdifferenz  von  Luftsäulen  gleicher  Höhe, 
aber  verschiedener  Dichtigkeit  ist  demnach  stets-  die  ent- 
ferntere Ursache  der  Luftströmung.  Die  Gewichts- 
differenz erzeugt  eine  Spannungsdifferenz  und  die  Span- 
nungsdifferenz wird  zur  Ursache  der  Luftströmung. 

Wie  aus  dem  oben  angeführten  Beispiel  hervorgeht, 
sind  die  Druckdifferenzen ,    durch  welche  starke  Luftström- 


G,  Becknagel:  Theorie  des  natürlichen  Luftwechsels.        427 

uDgen  erzeugt  werden,  nur  klein.  Zur  Messung  derselben 
bediene  ich  mich  eines  Differenzialmanometers,  dessen  äus- 
serer Schenkel  eng  (etwa  2  bis  3  Millimeter  weit)  und  stark 
geneigt  ist,  während  der  andere  Schenkel  einen  Oylinder 
von  100  Millimeter  Weite  darstellt,  und  benütze  Petroleum 
statt  des  Wassers.')  Mit  Hilfe  dieses  Manometers,  dessen 
äusserem  Schenkel  man  zu  diesem  Zwecke  am  besten  eine 
Neigung  von  4  bis  5  Procent  gibt,  lassen  sich  die  Druck- 
differenzen, welche  zur  Ursache  von  Luftströmungen  werden, 
genau  genug  messen,  um  die  oben  entwickelten  Sätze  auch 
durch  den  Versuch  zu  beweisen. 

Als  Versuchsobjekt  dient  mir  ein  20  cm  weites  und 
etwa  2  Meter  hohes  Rohr  von  Eisenblech,  welches  unten 
mit  einem  abnehmbaren  Kniestutzen  versehen  ist,  so  dass 
der  unterste  Theil  des  Apparates  durch  ein  horizontales 
Rohrstück  von  40  cm  Länge  gebildet  wird.  Etwas  ober- 
halb der  Stelle,  wo  das  Eniestück  mit  dem  Rohr  zusammen- 
gesteckt wird,  enthält  jenes  eine  Anzahl  (4)  Gasbrenner, 
welche  von  aussen  durch  Schläuche  mit  der  Gasleitung  in 
Verbindung  gesetzt  werden  können  und  den  Heizapparat 
bilden.  Der  ganze  Apparat  wird,  an  einem  Holzgestell  be- 
festigt, auf  den  Tisch  gestellt.  Das  Manometer  steht  an 
einem  erschütterungsfreien  Ort. 

Wird  nun  ^b&  Rohr  geheizt,  so  entwickelt  sich  ein 
Luftstrom  in  den  horizontalen  Theil  desselben,  dessen  grösste 
Geschwindigkeit  leicht  anemometrisch  bestimmt  werden  kann. 
Führt  man  von  aussen  durch  ein  seitliches  Loch  von  etwa 
1  cm  Durchmesser  eine  Glasröhre  ein,  deren  vorderer  Theil 
ausgezogen   und  an  der  äussersten  Spitze  rechwinkelig  um- 


3)  Das  Differenzialmanometer,  seine  Aichung  und  Anwendung  ist 
in  den  Annalen  der  Physik  und  Chemie,  Neue  Folge.  Bd.  2.  1877,  und 
im  Journal  für  Gasbeleuchtung  and  Wasserversorgung,  Jahrgang  1877. 
S.  662  ff.  beschrieben. 


428  Sitzung  der  math.-phys,  Claase  vom  6,  Jtdi  1878, 

gebogen  ist,  so  dass  sich  das  offene  Ende  vom 
Luftstrome  abwendet,  so  gibt  das  Manometer,  dessen 
inneres  Niveau  mit  dieser  Glasröhre  durch  einen  Schlauch 
verbunden  ist,  einen  Ausschlag,  welcher  mit  der  beobach- 
teten grössten  Geschwindigkeit  des  Luftstromes  in  derselben 
gesetzmässigen  Beziehung  steht,  welche  zwischen  einer 
Druckdifferenz  (p  Kilogramm  pro  Quadratmeter  oder  p""^ 
Wasserhöhe)  und  der  durch  sie  erzengten  grössten  Ans- 
strömungsgeschwindigkeit  (v)  der  Luft  stattfindet. 
Die  genannte  gesetzmässige  Beziehung  ist  für  die  hier  in 
Betracht  kommenden  Druckdifferenzen  genau  genug  durch 
die  Gleichung 

p  =  Y  mv* 

gegeben,   worin   m  die  Masse  eines  Kubikmeters  der   ein- 
strömenden Luft  bezeichnet. 

Der  beschriebene  manometrische  Versuch  gibt  durchaus 
das  gleiche  Resultat,  an  welcher  Stelle  des  Querschnitts 
man  ihn  anstellen  mag,  ob  in  der  Mitte,  wo  die  Strömung 
am  stärksten  ist,  oder  näher  an  der  Wand  oder  hinter 
einer  Platte,  welche  einen  Theil  der  Einströmungsöffhung 
verdeckt,  und  das  Differenzialmanometer  kann  somit  als 
Anemometer  verwendet  werden.  Nur  in  unmittelbarer  Nähe 
der  Wand  gibt  es  Stellen,  wo  ein  schwacher  Gegenstrom 
aus  dem  Innern  heraus  stattfindet  und  indem  er  in  die  Glas- 
röhre bläst,  die  zu  messende  Druckdifferenz  schwächt. 

Der  Versuch  gibt  stets  die  wirkliche  während  der 
Strömung  aktive  und  neue  Luftmassen  von  aussen  nach 
innen  in  Bewegung  setzende  Druckdifferenz  und  ist  dem- 
nach, wenn  Widerstände  in  der  Rohrleitung  zu  überwinden 
sind,  stets  kleiner  als  diejenige  Druckdifferenz,  welche  sich 
aus  der  Gewichtsdifferenz  der  warmen  und  kalten  Säule  be- 
rechnet Die  beobachtete  Druckdifferenz  nähert  sich  der 
aus  der  Gewichtsdifferenz    der   Luftsäulen    berechneten    um 


G,  Recknagel:  Iheorie  des  natii/rlichen  Luftwechsels.         429 

so  mehr,  je  geringer  die  vom  Luftstrome  zu  überwindenden 
Widerstände  sind. 

2.  Messung  statischer  üeberdrücke.  Will 
man  die  aas  der  Gewichtsdifferenz  berechnete  Druck- 
differenz vollständig  nachweisen,  so  ist  der  Versuch  sta- 
tisch anzustellen.  Man  erwärmt  zu  diesem  Zweck  die 
Luft  in  einer  vertikalen  Eöhre,  deren  Durchmesser  einige 
Centimeter  betragen  kann,  am  besten  dadurch,  dass  man 
die  Röhre  mit  einem  Dampfmantel  umgibt. 

a)  Ist  die  Röhre  oben  offen  —  die  Oeffnung  selbst 
darf  nicht  so  gross  sein,  dass  sich  in  ihr  Gegenströme  der 
Luft  ausbilden  können  — ,  während  sie  unten  durch  einen 
Schlauch  mit  dem  Manometer  communicirt,  so  erhält  man 
an  diesem  das  Resultat  (p)  der  Rechnung,  welches  sich  aus 
der  Formel 

p  =  H.  1,293  ^(^-^-i^) 

ergibt,  worin  H  die  Höhe  der  Röhre,  B  den  Barometerstand, 
T  die  Temperatur  der  in  der  Röhre  enthaltenen  Luft  und 
t  die  Temperatur  der  Umgebung  bezeichnet.  Den  Ueber- 
diack  p  gibt  die  Rechnung  in  Kilogrammen  pro  Quadrat- 
meter, der  Versuch  in  ebenso  viel  Millimetern  Wasserhöhe, 
was  sich  deckt,  weil  das  Wasser,  welches  1  Millimeter  über 
dem  Quadratmeter  steht,  1  Kilogramm  wiegt.  Der  Äus- 
dehnungscoefficient  a  wird,  da  die  Luft  stets  feucht  sein 
wird,  besser  gleich  0,0037  genommen.  Statt  des  eingeklam- 
merten Ausdrucks  kann  mit  hinreichiender  Annäherung 

T~t 


270  +  (T+t)' 


[1878,  4.  Math.-  phys.  Cl.]  29 


430  Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  6,  JvHi  1878, 

also 

B  T  —  t 

p  =  h  .  1,293 


760     270  +  T  +  t 
gesetzt  werden.*) 


4)  Die  stetige  Zanahme  der  Dichtigkeit  mit  der  Tiefe  ist  hier  in- 
sofern ausser  Acht  gelassen,  als  hei  Berechnung  der  Drücke  der  Loft- 
saalen,  welche  sich  im  Zimmer  und  dessen  Umgehung  hefinden,  stets 
eine  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  gleiche  mittlere  Dichtigkeit  mge^ 
schriehen  wird. 

Da  es  sich  im  Folgenden  um  die  Differenzen  sehr  kleiner  Drücke 
handelt,  ist  die  Zulässigkeit  einer  solchen  Annahme  nicht  unmittelbar  klar. 

Desshalh  soll  das  Resultat  der  strengen  Rechnung  mit  dem  der 
abgekürzten  verglichen  werden. 

Sei  am  oberen  Ende  einer  Luftsäule  vom  Querschnitt  1  (O™)  und 
von  der  Temperatur  t^  0  der  Luftdruck  B  ( Eilogr.),  und  B  +  P  in  der 
Tiefe  z,  so  ist  die  Dichtigkeit  an  dieser  Stelle 

B  +  P  1 

*     760     'l+at' 

wobei  mit  a  die  normale  Dichtigkeit  der  Luft  (1,293  Eilogr.  pro  Cubik- 
meter)  bezeichnet  ist. 

Die  Zunahme  dP,  welche  der  Luftdruck  erfährt,  wenn  die  Tiefe 
z  um  dz  wächst,  ist  dem  Gewichte  der  elementaren  Schicht  von  der 
Dicke  dz  gleich  und  somit 

,_  B  +  P         1         ., 

dP  zr  a  • •  : r  •  ^ 

7Ö0         l  +  at 

woraus  durch  Integration  gefunden  wird 


log  (1  +  l)  = 


az 


760(l  +  «t) 

oder 

az 

l+I.-:e  760(l  +  «t).- 
B 

Berechnet   man   hieraus   P   für   den   Fall,    dass    z  r=  5™  und 
t  ==  —  10^  C  ist,  so  findet  man 

P^  =  0.008873  B. 

Nimmt  man  dagegen  t  =  4-  20^  C,  so  ergibt  sich 

P,  =  0,007952  B. 


G,  Becknagel:  Theorie  des  natürlichen  Luftwechsels,        431 

Ist  die  Temperatur  (T)  des  Dampfes  100®,  die  der  um- 
gebenden Luft  20®,  so  beträgt  bei  Anwendung  einer  2"*  hohen 
Röhre  die  Druckdifferenz  zwischen  der  kalten  und  warmen 
Luftsäule  0,53  Kilogramm  pro  □"*,  was  sich  bei  dem  oben 
genannten  Manometer,  dem  man  eine  Steigung  von  3^/o  gibt, 
durch  einen  Ausschlag  von  c.  22""  verräth. 

b)  Ein  zweiter  statischer  Versuch,  welchen  man  an  den 
ersten  leicht  anschliessen  kann,  besteht  darin,  dass  man  die 
im^  ersten  Versuch  offene  obere  Mündung  der  Versuchs- 
röhre mit  dem  Manometer  in  Verbindung  setzt  und  dann 
die  untere  Mündung  öffnet,  damit  sich  jetzt  an  dieser 
Stelle  die  innere  Luft  mit  der  äusseren  ins  Gleichgewicht 
setze.  Das  Manometer  zeigt  in  diesem  Falle  einen  üeber- 
druck    der  an   dem   oberen  Rohrende   befindlichen  inneren 


Gegenüber  dieser  ezacten  RechnuDg  besteht  die  vereinfachte 
darin,  dass  man  von  der  Entwickelang  der  Ezponentialgrösse 


az 


760.(l  +  «t)  _  az  1  r         az         T» 

®  —  A-t-  760(l4-at)  ^  2  L760(l  +  «t)  J 

nur  die  beiden  ersten  Glieder  beibehält  and  demgemäss  setzt 

^~**  760  *l  +  «t' 
was  demnach  etwas  za  klein  ist. 

Führt  man  aach  die  vereinfachte  Bechnang  für  die  vorhin  ange- 
nommenen Fälle  namerisch  darch,  so  erhält  man 

P^  =  0,008833  B, 
P,  =:.  0,007920  B. 

Die  genaue  Differenz  ist  demnach 

Pj  —  Pj  =  0,000921  B, 
die  genäherte      0,000913  6. 

Man  verliert  also  ungefähr  17©  des  Werthes,  und  dieser  Fehler 
darf  gegenüber  der  durch  die  Beobachtung  erreichbaren  Genauigkeit  als 
bedeutungslos  angesehen  werden. 

Ist  die  Höhe  kleiner  als  5™  oder  die  Temperatur-Differenz  kleiner 
als  30^  so  betragt  der  Unterschied  zwischen  der  genauen  und  verein- 
fachten Rechnung  weniger  als  l^o  des  Werthes. 

29* 


432  Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  6.  Juli  1878, 

Luft  über  die  mit  ihr  in  gleichem  Niveau  liegende  äussere 
Luft  an,  der  ebenso  gross  ist  als  die  vorher  im  Niveau  der 
unteren  Mündung  beobachtete  Depression. 

Die  Noth wendigkeit  dieses  üeberdrucks  lässt  sich  leicht 
beweisen,  wenn  man  bedenkt,  dass  sich  über  den  im  Gleich- 
gewicht befindlichen  untersten  Luftschichten  einerseits  eine 
wärmere,  also  leichtere  Luftsäule  erhebt,  als  auf  der  an- 
deren Seite,  dass  somit  der  Druck  und  hiemit  die  Spann- 
kraft auf  der  wärmeren  Seite  um  weniger  abnimmt,  als  &uf 
der  kälteren.     Oder  in  Zeichen: 

Sei  P  die  gleiche  Spannkraft  zweier  Luftschichten,  die 
sich  über  zwei  in  demselben  Niveau  liegenden  Flächen- 
einheiten (Quadratmeter)  befinden.  Erhebt  man  sich,  vertikal 
aufsteigend,  aus  diesem  Niveau  in  ein  anderes,  so  vermindert 
sich  über  jeder  der  beiden  Flächeneinheiten  die  Spannkraft 
der  Luft  gerade  um  das  in  Kilogrammen  ausgedruckte 
Gewicht  der  senkrechten  Luftsäule,  die  man  zurückgelegt 
hat.  Beträgt  nun  das  Gewicht  der  wärmeren  Säule  w  Kilo- 
gramm, das  der  kälteren  k  Kilogramm,  so  ist  die  Spannkraft 
der  am  oberen  Ende  der  warmen  Säule  befindlichen  Luft- 
schichte 

P— w  Kilogramm 

und  die  Spannkraft  der  am  oberen  Ende  der  kälteren  Säule 

P— k  Kilogramm. 

Da  nun  w  kleiner  ist  als  k,  so  ist  P — w  grösser  als 
P— k.  Das  oben  eingesetzte  Manometer  gibt  die  Differenz 
(P  -  w)  -  (P-k)  oder  k-w. 

c)  Es  ist  nicht  überflüssig,  noch  einen  drittenVer- 
such  anzustellen,  bei  welchem  man  die  mit  dem  Dampf- 
mantel umgebene  Versuchsröhre  während  der  Erwärmung 
unten  und  oben  verschlossen  hält,  während  die  warme  Luft 
an  einer  zwischenlieerenden  Stelle  mit  der  äusseren  Luft  in 


Q,  Recknagel:  Theorie  des  natürlichen  Luftwechsels.        433 

Verbindung  steht.  Setzt  man  dann  das  Manometer  unten 
an,  so  erhält  man  nur  einen  Theil  (p^)  der  früher  beob- 
achteten Depression;  und  setzt  man  nach  Verschluss  der 
unteren  Mündung  den  Manometerschlaucb  an  die  obere,  so 
tritt  nun  der  andere  Theil  (p^)  der  Differenz  k — w  als 
Ueberdruck  auf.  Hat  man  unter  den  bei  dem  ersten  Ver- 
such angenommenen  Umständen  in  einer  Höhe  von  68°" 
die  innere  Luft  mit  der  äusseren  ins  Gleichgewicht  gesetzt 
und  verbindet  das  innere  Niveau  des  Manometers  mit  dem 
unteren  Ende  der  Versuchsröhre,  so  tritt  das  äussere  Niveau 
um  7,5""'  zurück.  Wird  überdies  ein  Schlauch  vom  äusseren 
Niveau  des  Manometers  nach  dem  oberen  Ende  der  Röhre 
geführt,  so  drückt  der  an  diesem  Ende  vorhandene  Ueber- 
druck das  äussere  Niveau  des  Manometers  um  weitere 
14,5  Millimeter  zurück,  und  man  hat  somit,  da  die  Reduc- 
tionszahl  auf  vertikale  Millimeter  Wasser  0,024  ist 

PqI=0,18  Kilogramm 
P2=0,35  „ 

Daraus    wird    zugleich    klar,    dass    die    beobachteten 

Spannungsdiffereozen    p^    und   p^    sich  verhalten   wie    die 

Abstände   der   beiden    Stellen,   wo   sie   auftreten,   von   dem 

0  18 
Niveau    des    Gleichgewichts;    denn   --^    ist    nahe    genug 

gleich 


132' 


3.  Im  Änschluss  an  die  vorausgehenden  Versuche  wird 
leicht  verständlich,  dass  zwei  angrenzende  Luftsäulen  von 
verschiedener  Temperatur  nur  in  einem  Niveau  im  Gleich- 
gewicht sein  können.  Oberhalb  dieses  Niveaus  besitzt  die 
warme  Lufb  Ueberdruck  über  die  kalte,  unterhalb  die  kalte 
über  die  warme. 


434  Sitzung  der  matK-phys.  Classe  vom  6.  Juli  1878, 

11.    lieber  den  Luftwechsel,   welcher  in  einem    yon 
freier  Luft  umgebenen  Zimmer    durch    Temperatur- 
unterschiede veranlasst  wird. 

1.  Voraussetzungen.  Yon  dem  Gegenstände  der 
Untersuchung  soll  Folgendes  vorausgesetzt  werden: 

1)  Er  ist  bei  vollkommener  Windstille  durch  poröse 
Wände  von  der  ihn  rings  umgebenden  freien  Luft  voll- 
kommen abgeschlossen,  nirgends  führt  ein  Kanal  nach 
aussen,  welcher  der  Grösse  seines  Querschnitts  wegen  nicht 
mehr  als  capillare  R5hre  gelten  kann; 

2)  Es  findet  durch  die  Poren  seines  ümschlusses  hin- 
durch ein  stetiger  Luftwechsel  —  bestehend  in  Eintritt 
und  gleichzeitigem  Austritt  gleich  grosser  Mengen  atmo- 
sphärischer Luft  —  statt.*) 

3)  Zur  Fixirung  der  Vorstellung  wird  die  Annahme 
beigefugt,  dass  die  im  Innern  des  betrachteten  Raumes 
befindliche  Luft  überall  eine  höhere  Temperatur  habe  als 
die  äussere. 


5)  Der  Einfachheit  wegen  ist  hier  als  Annahme  aufgef&hrt,  was 
bei  bestehender  Temperatur-Differenz  als  Bedingung  eines  stationären 
Zustandes  bewiesen  werden  kann. 

Zunächst  ist  klar,  dass  ein  stationärer  Zustand  unmöglich  wäre, 
wenn  die  Menge  der  einströmenden  oder  die  der  ausströmenden  Luft 
überwöge.  Denn  in  beiden  Fällen  würden  Aenderungen  in  der  Dichtig- 
keit der  Zimmerlnffc  eintreten,  welche  Steigerung  oder  Abnahme  ihrer 
Spannkraft  zur  Folge  haben.  Indem  so  der  Gegendruck  der  inneren 
oder  der  äusseren  Luft  wüchse,  würde  das  Einströmen  oder  das  Aus- 
strömen geschwächt  und  so  auf  Ausgleichung  der  Luftmengen  hinge- 
arbeitet werden. 

Die  Möglichkeit  eines  stationären  Zustandes  ohne  Bewegung  von 
Luft  durch  die  Poren  des  ümschlusses  ist  dadurch  ausgeschlossen,  dass 
nach  I  3}  eine  warme  Luftsäule  nur  in  einer  und  nicht  in  jeder  Höhe 
mit  einer  kälteren  im  Gleichgewicht  sein  kann. 


G*  Becknagel:  Theorie  des  natürlichen  Luftwechsels,        435 

Die  folgende  Betrachtungsweise  ist  indessen  aucb  auf 
den  entgegengesetzten  Fall  anwendbar,  wo  die  Temperatar 
der  inneren  Laft  tiefer  ist  als  clie  der  äusseren. 

Bei  Erfüllung  dieser  Voraussetzungen  sollen  die  Be- 
dingungen des  Problems  im  Folgenden  kurz  als  ,,normale 
Umstände"  bezeichnet  werden. 

2.  Nothwendigkeit  einer  neutralen  Zone. 
Durch  die  erste  Voraussetzung  —  des  stetigen  Luftwechsels 
—  ist  die  Annahme  ausgeschlossen,  dass  die  innere  Lufk 
überall  höheren  oder  überall  geringeren  Druck  ausübe  als  die 
äussere,  weil  in  beiden  Fällen  die  Strömung  durch  die  Poren 
nur  einseitig,  entweder  von  innen  nach  aussen  oder  von 
aussen  nach  innen  stattfände.  Vielmehr  muss  angenommen 
werden,  dass  in  gewisser  Höhe  der  innere  Druck  dem  äusseren, 
in  anderer  Höhe  der  äussere  dem  inneren  überlegen  ist. 

Da  die  Spannungen  nur  durch  Gewichte  von  Luft- 
schichten und  demnach  stetig  wachsen,  so  muss  auch  der 
üeberdruck  als  Differenz  solcher  Spannungen,  in  irgend 
einer  Höhe  zwischen  zwei  Stellen,  wo  er  verschiedene 
Vorzeichen  hat,  einmal  Null  und  somit  die  innere  mit 
der  äusseren  Luft  im  Gleichgewicht  sein. 

Diese  Stelle  des  Gleichgewichts  kann  weder  am  Boden 
liegen,  noch  an  der  Decke;  denn  läge  sie  am  Boden  und 
wäre  also  die  an  demselben  anliegende  Lufk  gegen  die 
äussere  Luft  im  Gleichgewicht,  so  würde  der  Boden  Luft 
weder  herein  noch  hinauslassen,  in  jeder  anderen  Höhe 
aber  wäre  (nach  1, 2  b)  der  innere  Druck  dem  äusseren 
überlegen  und  folglich  würde  im  Ganzen  bloss  Ausströmen 
der  Lufb  stattfinden,  was  gegen  die  Voraussetzung  ist. 
Ebenso  wenig  kann  die  Stelle  des  Gleichgewichts  an  der 
Decke  liegen,  weil  dann  die  Lufb  nur  einströmen  würde. 
Es  bleibt  also  nichts  übrig  als  die  Annahme, 
dass  das  Gleichgewichts-Niveau  sich  innerhalb 
der  vertikalen  Begrenzung   des  Raumes  befindet. 


436  Sitzung  der  math.-phys.  Clasae  vom  6.  JuU  1878, 

Von  diesem  Niveau  aus  wächst  nach  der  Decke  zu  der 
Ueberdrack  der  inneren  (warmen)  Luft  über  die  äussere 
(kalte),  nach  dem  Boden  zu  der  Ueberdruck  der  äusseren 
Luft  über  die  innere. 

Demnach  findet  unterhalb  des  genannten  Niveaus  Ein- 
strömen, oberhalb  desselben  Ausströmen  der  Luft  statt. 

3.  Berechnung  des  Ueberdrucks.  a)  Die  Grosse 
des  üeberdruckes  (in  Kilogr.  pro  □"*  oder  in  Millimetern 
Wasserhöhe)  an  einer  Stelle,  welche  um  h"  von  dem  Niveau 
des  Gleichgewichts  absteht,  wird  erhalten,  wenn  man  die 
Gewichte  zweier  Luftsäulen  von  der  Höhe  h  vergleicht) 
welche  1  Q""  zur  Basis  und  im  übrigen  die  Beschaffenheit 
derjenigen  inneren  und  äusseren  Luffc  haben,  welche  zwischen 
dem  Niveau  des  Gleichgewichts  und  der  betrachteten  Stelle  li^. 
Die  Differenz  dieser  Gewichte  ist  der  fragliche  Ueberdruck. 

Der  Beweis  dieses  Satzes  folgt  schon  aus  dem  Voraus- 
gehenden (I,  2  a)  und  wird  beim  Beweise  des  folgenden  Satzes 
wiederholt  werden. 

b)  Die  absolute  (ohne  Rücksicht  auf  das  Vorzeichen 
gebildete)  Summe  der  Spannungsdifferenzen  p^  und  p^, 
welche  zu  beiden  Seiten  der  Gleichgewichtsstelle  in  der 
Entfernung  H  von  einander  auftreten,  ist  gleich  dem  Ge- 
wichtsunterschied zwischen  zwei  über  der  Flächeneinheit 
aufgebauten  Luftsäulen  von  der  Höhe  H,  welche  einerseits 
mit  der  Luft  des  Baumes,  andererseits  mit  der  Luft  seiner 
Umgebung  gleiche  Dichtigkeit  haben. 

Beweis.  Ist  B  das  Gewicht  einer  Luftsäule,  welche 
über  der  Flächeneinheit  aufgebaut  ist  und  vom  Niveau  des 
Gleichgewichts  bis  zum  Ende  der  Atmosphäre  reicht,  q, 
das  Gewicht  der  Luftsäule  von  der  Basis  1,  welche  inwendig 
vom  Niveau  des  Gleichgewichts  bis  zur  oberen  Grenze  des 
betrachteten  Raumes  von  der  Höhe  H  reicht,  q^  das  Gewicht 
der  Luftsäule  von  der  Basis  1,  welche  inwendig  vom  Niveau 
des  Gleichgewichts  bis  zur  unteren  Grenze  des  betrachteten 


G,  Recknagel:  Iheorie  des  natürlichen  Luftwechsels,       437 

Baumes  reicht,  während   q',  und  q'^  die  analogen  Bedeu- 
tungen für  die  umgebende  äussere  Lufb  haben,  so  ist 

B-q, 
die  Drnckintensität  oder  Spannung  der  inneren  Luft  an  der 
oberen  Grenze, 

B-q, 
die  Spannung  der  äossereu  Luft  an  der  oberen  Grenze; 

B+q, 
die  Spannung  der  inneren  Lufb  an  der  unteren  Grenze, 

B+q', 
die  Spannung  der  äusseren  Luft  an  der  unteren  Grenze. 

Somit  ist   der  Ueberdruck  der  inneren  Luft   über  die 
äussere  an  der  oberen  Grenze 

und  der  Ueberdruck  der  äusseren  Luft  über  die  innere  an 
der  unteren  Grenze 

Po  =  (B+q  o)-(B+qo)  =  qo'-qot 

wodurch 'der  erste  Satz  dargestellt  ist. 
Addirt  man  diese  Gleichungen,  so  ist 

P2+P0  ='-  (q«+qo)--(q8+qo)» 

mithin  gleich  dem  Gewichtsunterschiede   der  ganzen  Säulen 
von  der  Höhe  H. 

c)  Ist  die  Temperatur  innerhalb  des  betrachteten  Raumes 
durchaus  gleich  hoch*)  und  auch  die  Temperatur  der  Um- 


6)  Ist  diese  Bedingung  nicht  erfüllt,  sondern  die  mittlere  Tempera- 
tur unterhalb  der  neutralen  Zone  Tq,  oberhalb  Tj»  so  geben  die  für  po 
und  P2  folgenden  Formeln,  dass  sehr  nahe 

Po  C^s  ""  *)  --.  ^ 
P2  (To  -  t)        h,  ' 

Man  kann  in  solchen  Fällen  die  einfache  Gleichung 

JPo  _.^ 
Pa        hg 

benützen,  um  annähernd  die  Bezirke  zu  finden,  deren  mittlere  Tempera- 


438  Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  «om  6,  Juli  1878. 

gebuDg  überall  gleich,  so  yerhalten  sich  die  in  den  Abständön 
ho  nnd  h,  vom  Niveau  des  Gleichgewichts  stattfindenden 
Spannnngsdifferenzen   (p^,   p,),   wie  diese   Abstände.     Also 

Po  •P2  =  ^o^h,- 
Beweis:  Ist  die  innere  Temperatur  T,  die  äussere  t, 

so  ist  mit  hinreichender  Annäherung 

Po  ~  Do  li^y^    760     270+T+t  ' 

Pa  =  h,  1,293  -J 'LA . 

760     270+T+t 

Durch    Division    beider    Gleichungen    folgt      die  Be- 
hauptung. 

4.  Experimentelle  Bestimmung  des  üeber- 
drucks  und  der  Lage  der  neutralen  Zone.  Hat 
man  sich  überzeugt,  dass  ein  Raum  die  Bedingungen  für 
die  Anwendbarkeit  der  vorausstehenden  Sätze  annähernd 
erfüllt,  so  lässt  sich  die  Lage  der  Gleichgewichtslinie  mit 
Hilfe  des  DifPerenzialmauometers  experimentell  bestimmen, 
indem  man  an  Stellen  wie  A,  B  (Fig.  1)  eiserne  RohrstQcke 
durch  die  Wände  oder  Thüren  hindurohsteckt  und  das  innere 
Ende  derselben  mit  dem  inneren  oder  äusseren  Niveau  des 
Manometers  durch  einen  Eautschukschlanch  verbindet.  Ist  das 
Manometer  in  dem  zu  untersuchenden  Zimmer  selbst  aufge- 
stellt, und  hat  man  das  äussere  Niveau  mit  dem  oberen  Rohr- 
stück A  verbunden,^)   so  steigt  die  Flüssigkeit  im  äusseren 

m 

turen  T«  und  Tg  za  messen  sind,  und  dann  mittelst  der  Messungsresnl- 

tate  das  gesuchte  Verhältniss  der  Höhen  1'^)  comgiren. 

Hat  man  z.  B.  experimentell  p^  =  pg  gefanden,  während  die  Tem- 
peratur der  Umgebung  0^,   die  der  oberen  Zimmerhälfte  22^,  die  der 

li  1 1 

unteren  18^  ist,  so  würde  -r^  =  ^^  zu  nehmen  sein,  und  die  neutrale 

Zone  nicht  in  -jr-  sondern  in  -^  der  Zimmerhohe  liegen. 

7)  Da  es  nicht  angeht,  an  das  Glasröhrchen,  in  welchem  sich  das 
äussere  Niveau  des  Manometers  befindet,  einen  der  Bewegung  ausgesetz- 


G.  Becknagel:  Iheorie  des  natürlichen  Luftwechsels.        439 

Schenkel  um  den  üeberdruck,  welchen  die  innere  Luft  oben 
über  die  äussere  übt.  Dieser  üeberdruck  soll  mit  Pg  be- 
zeichnet werden.  Setzt  man  nun  überdies  das  innere  Niveau 
mit  dem  unteren  Rohrstück  (B)  in  Verbindung,  so  erfolgt 
ein  neues  Steigen  des  Manometers  um  den  üeberdruck  (p^), 
welchen  unten^die  äussere  Luft  über  die  innere  besitzt. 

Bezeichnet  man  mit  h  die  gesuchte  Höhe  der  neutralen 
Zone  über  dem  Boden,  mit  H  die  ganze  Hohe  des  Baumes, 
so  gibt  der  Satz  3,  die  Proportion 

Po  :  p,  =  h  :  (H-h) 
oder 

h  =  H        Po 


Po+Pa 

Wird  nun  ein  drittes  Rohr  in  der  Höhe  h  über  dem 
Boden  ins  Freie  geführt,  so  zeigt  das  Manometer  keinen 
Ausschlag.  Zugleich  überzeugt  man  sich,  dass  Po'-i'Ps  =  P 
ist,  d.  h.  gleich  der  aus  der  Temperaturdifferenz  der  beiden 
Luftsäulen  yon  der  Höhe  AB  berechneten  Spannungs- 
differenz. 

Die  Eenntniss  der  neutralen  Zone  belehrt  uns  über  die 
Vertheilung  des  Ventilationsgeschäftes :  Was  unterhalb  der- 
selben liegt,  lässt  Luft  herein,  was  darüber  liegt,  lässt  eine 
gleich  grosse  Menge  Luft  hinaus. 

5.  Annahmen  und  Definitionen.  Die  weitere 
Entwicklung  ruht  auf  der  Annahme,  dass  die  in  gleichen 
Zeiten  durch  dieselbe  Wandfläche  gehenden  Luftmengen 
den  zu  beiden  Seiten  der  Wand  bestehenden  Druckdifferenzen 
proportional  sind. 

Diese  Annahme  ist  sowohl  durch  die  allgemeinen  Ver- 
suchsresultate über  den  Durchgang  der  Luft  durch  capillare 


ten  Schlanch  anzusetzen,  verbindet  man  dasselbe  durch  ein  kleines 
Schlancbstück  mit  einem  anderen  Glasrobr,  welches  fest  dnrch  ein  be- 
festigtes Brettchen  gesteckt  ist. 


440  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  6.  Jtdi  1878, 

Röhren  als  auch  durch  besondere  Versuche*)  über  die  Per- 
meabilität einzelner  Baumaterialien  gestützt. 

Ferner  soll   der  Begriff  der  Durchlässigkeit   oder 


8)  Vgl.  C.  Lang  a.  a.  0.  S   73. 

Der  geringste  Drack,  welchen  Herr  C.  Lang  anwandte,  betmg 
30mm  Wasser. 

In  der  Absicht,  das  Gesetz  auch  für  die  weit  kleineren  üeberdrücke 
zu  prüfen,  welche  den  natürlichen  Luftwechsel  veranlassen,  stellte  ich 
im  Dezember  1876  mit  einem  Ziegelstein,  welcher  30«"  lang,  16°™  breit 
und  7*^"  dick  war  nnd  knrz  vorher  zur  Ausführung  des  bekannten  Pet- 
teDkofer*8chen  Versuchs  (Ausblasen  eines  Lichts  durch  den  Stein  hin- 
durch) gedient  hatte,  einige  Proben  an,  welche  ein  für  die  Annahme 
sehr  günstiges  Resultat  gaben. 

Die  vier  schmalen  Seiten  des  Steins  waren  mit  Wachs  und  venet. 
Terpentin  luftdicht  verstrichen,  die  eine  Breitseite  war  frei,  die  andere 
mit  einer  Fassung  von  Zinkblech  versehen. 

Von  der  Fassung  führte  ein  Eautschukschlauch  nach  einem  Hahn, 
welcher  in  die  eine  Bohrung  eines  Kautschukpfropfs  gesteckt  war,  der 
eine  grosse  Wasserflasche  oben  versehloss.  Auch  in  der  zweiten  Bohr- 
ung des  Pfropfs  stack  ein  Hahn,  von  welchem  ein  Schlauch  nach  dem 
Differenzialmanometer  führte.  Unten  hatte  die  Flasche  einen  Tnbulos, 
welcher  ebenfalls  durch  einen  Kautschukpfropf  und  einen  Hahn  ver- 
schlossen werden  konnte.  Indem  man  diesen  Hahn  mehr  oder  weniger 
öffnet,  hat  man  es  in  seiner  Gewalt  grössere  oder  kleinere  Üeberdrücke 
zu  erzeugen.  Das  Volumen  des  unten  ausgeflossenen  Wassers  gibt  die 
Menge  der  durch  den  Stein  in  den  oberen  Baum  eingetretenen  Luft  an. 
Durch  dieses  Verfahren  erhielt  ich  folgende  Resultate: 
Druck  in  Millimetern  Wasser  Pro  Minute  u.  Millimeter  Druck 

durchgelassene  Luftmenge 
in  Cub.-Ceut. 
0,64™"»  1,6  C«"» 

0,62  1,5 

2,55  1,6 

2,52  1,6 

1,17  1,6 

Für  die  Stunde  und  das  Quadratmeter  folgt  daraus  eine  Durch- 
lässigkeit von  2,1  Liter,  was  bei  Reduction  auf  V^  Dicke  noch   durch 

100 

-=-  zu  dividiren  ist  und  somit  den  Werth  0,14  Liter  erhält. 


G.  Becknagel:  Iheorie  des  natürlichen  Luftwechsels.        441 

Permeabilität  einer  Wand  so  definirt  werden,  dass  er  die 
Anzahl  der  normalen  Cabikmeter  Luft  bezeichnet,  welche 
durch  1  Quadratmeter  der  Wand  unter  dem  XJeberdruck 
von  1  Kilogramm  (1"*"  Wasserhöhe)  in  einer  Stunde  hin- 
durchgehen. 

Bei  der  Anwendung  dieses  Begriflfe  auf  eine  vertikale 
Zimmerwand  begegnet  man  der  Schwierigkeit,  dass  Fenster, 
Fensternischen  und  Thüren,  indem  %ie  sich  nicht  über  die 
ganze  Höhe  der  Wand  erstrecken,  verursachen-,  dass  dem  un- 
teren Theile  der  vertikalen  Begrenzung  im  Allgemeinen  eine 
andere  Durchlässigkeit  zukommt  als  dem  oberen.  Da  sich 
nun  beide  Theile  in  verschiedener  Weise  an  dem  Ventilations- 
geschäfke  betheiligen,  wird  es  nicht  immer  zulässig  sein, 
für  beide  dieselbe  mittlere  Durchlässigkeit  in  Ansatz  zu 
bringen. 

6)  Aufstellung  der  Gleichung  des  Luftwech- 
sels. Es  soll  nun  der  Flächeninhalt  des  Bodens  dem 
Flächeninhalt  der  Decke  gleich  angenommen  und  beide  mit 
dem  Buchstaben  f  bezeichnet  werden.  Der  Umfang  des 
Bodens  sei  u,  die  Höhe  des  Zimmers  H,  die  Entfernung 
der  neutralen  Zone  vom  Boden  h.  Ferner  sei  mit  k^  die 
Durchlässigkeit  des  Bodens,  mit  k^  die  mittlere  Durchlässig- 
keit des  unteren  Theiles,  mit  k'  die  mittlere  Durchlässigkeit 
des  oberen  Theiles  der  vertikalen  Begrenzung,  endlich  mit 
kg  die  Durchlässigkeit  der  Decke  bezeichnet.  Die  Grössen 
Po,  Pg  und  p  =  P0  +  P2  liaben  ihre  frühere  Bedeutung  :  p^ 
bezeichnet  den  Ueberdrnck,  den  die  äussere  Luft  über  die 
am  Boden  befindliche  innere  Luft  ausübt,  p^  den  Ueberdruck 
der  an  der  Decke  befindlichen  inneren  Luft  über  die  äussere. 

Dann  gibt  die  Annahme  von  der  ünveränderlichkeit 
der  im  Zimmer  befindlichen  Luftmenge  die  Gleichung 

f  k,  Po  +  n  hk,  ^  =  n  (H-h)  k'  ^  +  f  k,  P,  '^' 


9)  Dem  Bedenken,  welches  darans  entstehen  konnte,  dass  für  den 
unteren  oder  oberen  Theil  der  vertikalen  Begrenzung  ein  Mittelwerth 


442  Sitzung  der  mathrphys.  Classe  vom  6.  Jvii  1878. 

Die  linke  Seite  bedeutet  die  Laftmenge,  welche  in  der 
Stunde  durch  den  Boden  und  den  unteren  Theil  der  verti- 
kalen Wände  einströmt,  während  die  rechte  Seite  der 
Gleichung  die  durch  den  oberen  Theil  der  vertikalen  Wände 
und  durch  die  Decke  abströmende  Luftmenge  darstellt. 

7.  Discussion  der  Gleichung  des  Luftwech- 
sels. Aus  dieser  Gleichung  in  Verbindung  mit  dem 
Früheren  lassen  sich  drei  wichtige  Sätze  ableiten. 


der  Darchlässigkeit  angenommen  und  dieser  mit  dem  Mittelwerthe  des 

des  Drucks  ( ~^  >  "^  )  multiplicirt  ist,  begegnet  man  durch  folgende 

Betrachtung. 

Ist  die  Durchlässigkeit  k  eine  Funktion  der  Höhe  z,  so  ist  die 
Luftmenge,  welche  durch  einen  um  z.- Meter  unterhalb  der  neutralen 
Zone  befindlichen  Streifen  von  der  Breite  dz  eintritt, 

u  dz  k  P, 
wobei  mit  P  der  an  dieser  Stelle  vorhandene  üeberdruck  bezeichnet  ist 

Nun  ist  P  =  -r-  Po,  folglich  die  Luftmenge 

u  -^  •  k  z  dz. 

um  die  gesammte  Luftmenge  zu  erhalten,  welche  unterhalb  der 
neutralen  Zone  durch  die  vertikale  Begrenzung  geht,  hat  man  diesen 
Ausdruck  zwischen  den  Grenzen  o  und  h  zu  integriren  oder 

Po    r 

o 

zu  bilden.    Da  z  innerhalb  der  Grenzen  sein  Vorzeichen  nicht  ändert, 
so  kann  man 


Jh  nh 

k  z  dz  =  k^  J  ^  ^^ 


o  o 

setzen,  wobei  ki  irgend  ein  zwischen  dem  grössten  und  kleinsten  Werth 
von  k  liegender  mittlerer  Zahlenwerth  ist. 
Dann  wird  die  gesuchte  Luftmenge 

u^ki-j-^uhki-g- 

wie  im  Text  angenommen  wurde. 


O,  Becknagel:  Theorie  des  natMichen  Luftwechsels.       443 

a)  Setzt  man  £Ör  h  seinen  Werth  H  —    ein ,    (worin 

P 
die  Annahme   gleichmässiger  Temperaturvertheilung  liegt), 

dividirt  die  Gleichung  durch  p  und*  setzt  p— Po  aii  die 
Stelle  von  pj ,  so  erhält  man  der  Reihe  nach  die  Um- 
formungen: 

fk.p,+«Hk,  |^'  =  uH(l-.^)k'&-  +  fp,k, 
fk.-^  +  |.Hk,(^)'=i.nHk.(.-^)B  +  ,£.k. 

f  k.  1=  +  l,Hk.(B)'=|.H^(l-£^)%  ,(,_£.)k.. 

Aus  der  letzten  in  Bezug  auf  -^  quadratischen  Gleich- 
ung lässt  sich  dieses  Yerhältniss  so  entwickeln,  ^^)  dass  es 
von  den  Grössen  Po  und  p  selbst,  also  auch  von  den  Tem- 
peraturen (T,  t)  unabhängig  und  nur  durch  die  Dimen- 


10)  Die  Aaflösnng  ist 

Po  _       fko  +  nHk^  +  ffca    . 
p   ""  uH(k,--kO         "^ 

-,/^k^  +  f1c2    ,    /fko-t-nHk^  +  fkTy 
y    uH(kj-k')   "+■  V       uH(ki-k')       / 

Darf  kx  =  k'  gesetzt  werden,  dann  folgt  viel  einfacher 

inHk,-hfk, 

Po   ^ 


p    -fko+üHk^  +  fka 
Bei  ungleicher  Temperatnrvertheilang  ist  zu  setzen 

Po  T«-t) 


h  =  H 


p(To~t)  +  Po(T,-To) 


statt  des  einfachen  h  =  H  -  -^  * 

P 


444       .    Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  6.  Jtdi  1878, 

sionen  und  Dorchlässigkeiten  der  Begrenzung  bestimmt 
erscheint. 

Somit   ist  auch  .der   Werth    von  h=H— ,    oder    die 

P 

Lage  der  neutralen  Zone  von  der  Temperatur 
unabhängig.  Sie  liegt  bei  normalen  Umständen 
und  gleichmässiger  Temperaturvertheilung, 
solange  sich  die  Beschaffenheit  der  Begren- 
zung nicht  ändert,  ein  für  allemal  fest. 

b)  Die  hin  und  wieder  gemachte  Annahme, 
das  die  Decke  allein  alle  Luft  hinauslasse, 
welche  durch  die  übrige  Begrenzung  eindringt, 
ist  nicht  haltbar. 

Wäre  nämlich  diese  Annahme  zulässig,  so  müsste  das 
erste  Glied  auf  der  rechten  Seite  der  Gleichung,  welches 
die  durch  den  oberen  Theil  der  vertikalen  Wände  hinaus- 
gehende  Lufbmenge  darstellt,   Null  werden   können.     Also 

u(H-h)k'^  =  0. 

Dieses  Glied  konnte  aber  nur  dann  Null  sein,  wenn 
entweder  k'  =  0,  also  der  über  der  Qleichgewichtslinie 
liegende    Theil    der    vertikalen   Begrenzung   undurchlässig, 

oder   wenn  H=h,   somit  da  h  =-5iH,  p«  =  p  wäre. 

Nun  ist  aber  p  =  Po  +  P2»  ^^^^  müsste  Pj  =  0  sein, 
was  unmöglich  ist,  weil  in  diesem  Falle  —  ohne  üeber- 
druck  —  auch  durch  die  Decke  selbst  keine  Luft  hinaus- 
gehen, somit  überhaupt  kein  Luftwechsel,  sondern  nur 
Einströmen  von  Luft  stattfinden  würde. 

c)  Der  Ausdruck  für  die  einströmende  Luft  in  der  Form 

fkopo  +  uhk,-^ 

kann  durch  Einführung  des  Werthes  von  po  auf  die  Form 
gebracht  werden 


G.  Becknagel''  Theorie  des  natürlichen  Luftwechsels,       445 

Hier  ist  (bei  gleichmässiger  Vertheilung  der  Temperatur) 
der  ganze  Ausdruck  in  1  1  von  der  Temperatur  unab- 
hängig und  der  Nenner  (270+T+t)  ändert  sich  innerhalb 
derjenigen  Temperaturen,  welche  bei  der  Lüftung  von 
Zimmern  in  Betracht  kommen,  nur  wenig.  Somit  ist  der 
unter  normalen  Umständen,  bei  gleichmäs- 
siger  Temperaturvertheilung  durch  Tempe- 
raturunterschied in  einem  Zimmer  hervorge- 
brachte Luftwechsel  nahezu  der  Temperatur- 
differenz  (T — t)  proportional,  und  es  hat  somit  bei 
Räumen,  welche  den  vorgenannten  Bedingungen  entsprechen, 
einen  guten  Sinn,  von  dem  für  je  1  Grad  Temperatur- 
differenz in  einem  Zimmer  stattfindenden  Luftwechsel  zu 
sprechen. 

Hat  man  für  einen  Raum,  welcher  den  oben  ange- 
führten Bedingungen  genügt,  etwa  mittelst  des  Pettenkofer- 
schen  Verfahrens  bei  Windstille  und  einer  bestimmten 
gemessenen  Temperaturdifferenz  die  Gesammtventilation 
ermittelt,  so  kann  man  daraus  für  einen  späteren  Fall, 
wo  die  Temperaturdifferenz  eine  andere  geworden  ist,  den 
Luftwechsel  mit  hinreichender  Annäherung  durch  einfache 
Rechnung  finden.  Betrug  z.  B.  bei  15"  Temperaturdifferenz 
der  durch  dieselbe  veranlasste  stündliche  Luftwechsel 
60  Gubikmeter ,  so  entspricht  einem  Grade  ein  Luft- 
wechsel von  4  Gubikmeter  und  einer  später  beobachteten 
Temperaturdifferenz  von  n  Graden  ein  Luftwechsel  von  4  n 
Gubikmeter.  ^^) 


11)  Aus  V.  Pettenkofers  Versnchen  folgt  für  das  von  ihm  unter- 
suchte Zimmer  bei  je  1^  Temperaturdifferenz  der  Luftwechsel 

[1878,  4.  Math.-phys.  Cl.J  30 


446  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  6,  Juli  1678, 

d)  Andererseits  darf  ausdrücklich  hervorgehoben  werden, 
dass  man  darch  wiederholte  Messungen  des  gesammten  in 
einem  Zimmer  anter  normalen  Umständen  bei  verschiedenen 
Temperaturen  vor  sich  gehenden  Luftwechsels  die  beiden 
unbekannten   Durchlässigkeiten    kg    und   k^    des  Aasdrucks 

fkoPo+^uHk,  P^* 


2 ^     p    ' 

für  welchen  solche  Messungen  Werthe  geben,  nicht  trennen 
kann.  Man  erfahrt  zwar,  dass  der  Boden  und  ein  mit  der 
Lage  der  neutralen  Zone  zugleich  bekannter  unterer  Theil 
der  vertikalen  Begrenzung  stündlich  eine  gewisse  Luftmenge 
einlassen;  aber  welchen  Autheil  daran  der  Boden  hat  and 
welchen  der  einlassende  Theil  der  vertikalen  Wände ,  das 
lässt  sich  durch  Bestimmungen  der  Gesammtventilation  nicht 
ermitteln. 

8)  Luftwechsel  in  Zimmern  von  gleicher 
Durchlässigkeit.  Im  Allgemeinen  kann  von  dem 
Luftwechsel,  welchen  man  unter  normalen  Umständen  in 
einem  Zimmer  gefunden  hat,  auf  den  unter  gleichen 
Umständen  in  einem  Zimmer  von  anderen  Dimensionen 
stattfindenden  Luftwechsel  selbst  dann  nicht  geschlossen 
werden,  wenn  die  Durchlässigkeiten  in  beiden  Zimmern  als 
gleich  vorausgesetzt  werden  dürfen. 


^  =  47 
20  ' 

22 

f^  =  5,5 


Im  Mittel  4,7  C". 

Die  Abweichung  vom  Mittel  beträgt  im  zweiten  Versuch  —  14,  im 
dritten  -f-  4  C" .  Diese  Fehler  erklären  sich  leicht  durch  die  Möglich- 
keit verschiedener  Abweichungen  von  den  normalen  Umständen. 


G,  Becknag el:  Theorie  des  natürlichen  Luftwechsels,        447 

Durch  Untersuchung  der  Bedingungen,  unter  denen 
ein  solcher  Schluss  möglich  ist,  kommt  man  zu  folgendem 
merkwürdigen  Satze: 

Ist  in  zwei  Zimmern,  welche  gleiche  Durch- 
lässigkeiten haben,  das  Yerhältniss  der  ver- 
tikalen Begrenzung  zur  Bodenfläche  gleich 
gross,  so  verhalten  sich  die  in  diesen  Zimmern 
bei  gleichen  Temperaturen  stattfindenden  Luft- 
wechsel wie  ihre  Kubikinhalte. 

Gelten  die  früheren  Bezeichnungen  in  dem  Sinn,  dass 
die  analogen  Dimensionen,  Durchlässigkeiten  und  üeber- 
drücke  des  zweiten  Zimmers  sich  durch  Marken  von  denen 
des  ersten  Zimmers  unterscheiden,  so  sind  die  Bedingungen 
ausgedrückt  durch  die  Gleichungen 

^/    •    •    •    •         X  P     1 

WOZU  noch  die  Voraussetzung  gleicher  Temperaturen 
3)  4-  =  ^ 

zwischen    den   Summen   der  üeberdrücke  und    den  Höhen 
der  Zimmer  liefert. 

Die  Behauptung  geht  dahin,  dass  die  beiden  Luft- 
wechsel W  und  W'  mit  den  Kubikinhalten  f  H  und  f'  H' 
in  der  Beziehung  stehen 

W    _    fH 

W  ~  Tb! 


12)  Aus  der  Entwickelang  folgt,  dass  es  sowohl  für  diese  Anwen- 
dung als  für  die  folgende  (in  Nro  9)  genügt,  dass  die  Verhältnisse 

£i.  ,  _  ,  J^    in  dem  einen  Zimmer  so  gross  sind  wie  im  andern. 
*o         ^0         ^ 

Die  hiedurch  erreichte  Erweiterung  dürfte  indessen  von  geringer  prak- 
tischer Bedeutung  sein. 

30* 


448  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  6,  Juli  1878, 

Der  Beweis  ergibt  sich  ans  Folgendem. 

Führt  man  in  die  Werthe  —  und  ^,   wie  sich   die- 

P  P 

selben   aus   der  quadratischen  Gleichung  in   II  7  a  ergeben, 
die  Bedingungen  1)  und  2)  ein,  so  findet  man,  dass 

A\  Po  _  P'o 

4 )  .  .  .   .  —  — r, 

P  P 

woraus  mit  Bücksicht  auf  3)  folgt: 
R\  Po  _  H 

Po  ti 

Nun  ist  unter  Voraussetzung  gleicher  Durchlässigkeiten 
allgemein : 

W  2  p 


W 


was  auf  die  Form 


fkoP'o  +  YuH'k.P^^ 


1   «H  ,     Po 


fpo 

"'2      f     ''^    p 

1    Po 

,         ,      1    Q    H    ,       Po 

k.+  2-r-ti^ 

gebracht  werden  kann. 

Wegen  2)  und  4)  ist  der  zweite  Bruch  der  Einheit 
gleich  und  folglich 

W  _  fpo 

woraus    durch    Einführung    von    5)    die    Behauptung    er- 
halten wird. 

9)  Annähernde  Berechnung  des  Verhält- 
nisses von  Luftwechseln.  Es  gibt  einen  nicht  selten 
vorkommenden  Fall,  wo  man  durch  Anwendung  der  im 
vorigen  §  aufgestellten  Proportion  einen  genäherten  Werth 


G.  BecTcnagel:  Iheorie  des  natwrUchen  huftwechaeU.        449 

für   das  Verhältniss   zweier  Luftwechsel  findet,   obwohl  die 
Bedingung  2)  auch  nicht  annähernd  erfüllt  ist. 

Sind  nämlich  in  zwei  Zimmern  die  Durchlässigkeiten 
gleich,  darf  ferner  ein  Mittelwerth  für  die  Durchlässigkeit 
der  vertikalen  Begrenzung  angenommen  und  (wegen  Gleich- 
heit der  Herstellungsart)  die  Durchlässigkeit  (ko)  des  Bodens 
gleich  der  Durchlässigkeit  (k^)  der  Decke  gesetzt  werden, 
so  ist  bei  gleichen  Temperaturen  das  Verhältniss  der  Luft- 
wechsel um  so  näher  dem  Verhältniss  der  Kubikinhalte 
gleich,  je  kleiner  die  Durchlässigkeit  der  vertikalen  Begren- 
zung gegenüber  der  Durchlässigkeit  der  Decke  ist. 

Die  Bedingungen  sind  hier 

1)  Kq  =  k  0,  k^  ^  k  ^,  k  =  k  ^  k^  =  k  ^ 

Z)  kj^  ^  k ,  kp  =:^  kj 

X     P  H 

3)    -V  =  -^  • 
p  fl 

Der  Beweis  liegt  in  Folgendem: 

So  oft  k^  =  k'  ist,  wird  die  Gleichung  II 7  a  in  Bezug 

auf  —   vom  ersten  Grad  und 
P 

fk,  +  4-iiHk, 
iL  -        '2 
p    ^  fko  +  uHk, +fk/ 

Setzt  man  überdies  ko  =  k,,  so  erhält  —  den  Werth 

— ,  d.  h.   die  neutrale  Zone  liegt  in  der  Mitte  der  Höhe, 

was  leicht  auch   ohne  Rechnung  als  Folge  der  gemachten 
Voraussetzungen  erkannt  wird. 

Denselben  Werth  hat  2^.     Somit  gilt  ^  =  2^  und 

P  ^        P  P 

Po  H  '      •       ß    o 

^=  ^  Wie  m  §  8, 
Po       ^ 


450  Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  6.  JtUi  1878. 

Man  erkennt  nun  die  Wahrheit  der  Behauptung  leicht 
aus   der  zweiten  Form,  in  welche  oben  (Nr.  8)  der  Werth 

W 

=^  gebracht  wurde.     Denn  es  ist 

W  _    fH     ^  "*"   4      f       ' 

Ko  +  ■;j^      p""  *^x 

und  der  zweite  Bruch  nähert  sich  der  Einheit  um  so  mehr, 

k 
je  kleiner  T~^ist. 

Um  ein  Zahlenbeispiel  för  den  Grad  der  An- 
näherung zu  erhalten,  nehmen  wir  an,  zwei  Zimmer  haben 
die  gleiche  Höhe  (H  =  H'  =  3,6"^)  und  die  gleiche  Tiefe 
von  7",  während  die  Breite  des  einen  5™,  die  des  anderen 
10™  betragen  soll.  Ferner  sollen  die  Durchlässigkeiten  in 
beiden  Zimmern  gleich  sein,  und  auch  k^  z=:  k',  kp  =  k, 
gesetzt  werden  dürfen. 

Dann  ist 


35    '      f  35  ' 

und  es  berechnet  sich,  wenn  k^  =  0,2  ko  angenommen  wird, 

W  _  ^     112 

W  -  "^  •  109  ' 
während  das  Verhältniss  der  Cubikinhalte  2  ist.    Man  ver- 
liert also   unter   diesen  Umständen   durch  Anwendung   der 
Proportion  nur  c.  3  ^/o  des  wahren  Werthes. 

10.  Experimentelle  Bestimmung  der  Durch- 
lässigkeiten. Aus  dem  Vorausgehenden  folgt,  dass  man 
ohne  Eenntniss  der  Durchlässigkeiten  nur  in  einzelnen 
günstigen  Fällen  von  dem  Luftwechsel  eines  Zimmers  auf 
den  eines  anderen  schliessen  kann.  Man  hat  demnach  sein 
Augenmerk  auf  jene  Constanten  zu  richten,  mit  Hilfe  deren 


G,  Becknagel:  Theone  des  natürlichen  iMftwechsels.       451 

der  üebergang  von  einem  Zimmer  auf  ein  anderes,  welches 
nur  in  den  Dimensionen  und  Temperaturen  abweicht,  unter 
allen  Umständen  gemacht  werden  kann.^') 


13)  Wie  nothwendig  es  ist^  die  DurcblässigkeiteD  an  den  Begrenz- 
ungen der  Zimmer  selbst  zu  bestimmen  ^  ergibt  sich  aus  einem  Ver- 
gleich der  Werthe,  welche  für  die  Dnrchlassigkeit  einzelner  Bau- 
materialien gefunden  werden^  mit  denjenigen^  welche  zur  Erklärung  beo- 
bachteter Luftwechsel  den  aus  diesen  Materialien  aufgebauten  Wänden, 
Decken  etc.  zugeschrieben  werden  müssen. 

Nach  Herrn  C.  Lang's  Versuchen  würde  eine  Mörteldecke  von  1«"* 
Dicke  unter  einem  Ueberdruck  von  1"™  Wasser  pro  □"»  und  Stunde 
0,091  C™  Luft  durchlassen. 

Wenn  wir  uns  eine  Zimmerdecke  durch  eine  solche  Mörtelschicht 
repräsentirt  denken  >  scheinen  wir  eine  für  die  Durchlässigkeit  dieser 
Decke  sehr  günstige  Annahme  zu  machen.  Wir  wollen  desshalb  die 
erwähnte  Durchlässigkeit  sowohl  der  Decke  als  dem  Boden  des  Zimmers 
zuschreiben.  Femer  sollen  die  Wände  nur  10"^  dick  und  von  Ealktuff- 
stein  —  dem  durchlässigsten  Material  —  hergestellt  sein,  so  kommt 
ihnen  nach  Herrn  0.  Langes  Versuchen  die  Durchlässigkeit  0,08  zu. 

Das  Zimmer  sei  7™  lang,  5™  breit,  3,6™  hoch  und  die  Tempera- 
turdiflferenz  20®  C. 

Der  stündliche  Luftwechsel  dieses  Zimmers  berechnet  sich  dann  aus 

nz  0,79  Cabikmeter. 

V.  Pettenkofer  hat  für  ein  viel  kleineres  Zimmer  mit  Backstein- 
wänden, bei  19^  G  TemperaturdifiPerenz  nach  Verkleben  aller  Bitzen 
einen  stündlichen  Luftwechsel  von  54  Cabikmeter,  also  ungefähr  das 
Siebzigfache  gefunden. 

Ich  selbst  habe  mittelst  einer  rein  physikalischen,  auf  ihren  mög- 
lichen Fehler  leicht  controlirbaren  Methode,  welche  ich  demnächst  mit- 
theilen werde,  den  Luftwechsel  eines  Zimmers,  welches  obige  Dimen- 
sionen und  Wände  von  rothem  Sandstein  hat,  bei  20®  Temperaturdif- 
ferenz unter  normalen  Umständen  gleich 

70  Oukikmeter 
gefunden,  was  von  der  Wahrheit  um  höchstens  7  Cubikmoter  abweichen 
kann. 

Daraus  folgt,  dass  —  wahrscheinlich  in  Folge  der  undefinirbaren 
Art,  wie  unsere  Mauern,  Zimmerdecken  etc.  hergestellt  werden  —  die 


452  Sitzung  der  mathrphys.  Classe  vom  6.  JtUi  1878. 

Will  man  durch  Bestimmnng  des  Gesammtluftwechsels 

Werthe  für   die  Durchlässigkeiten   der   drei   Begrenzungen 

erhalten,    so   hat  man  zwei  Zimmer  auszuwählen,  welchen 

man  gleiche   Durchlässigkeiten  zutrauen   darf,   während  in 

beiden  das  Verhältniss 

u  H 

f 
verschiedene  Werthe  hat. 

In  beiden  Zimmern  muss  zu  der  unter  normalen  Um- 
ständen ausgeführten  Messung  der  Gesammtyentilation  noch 


für  einzelne  Baumaterialien  gefandenen  Durchlässigkeiten  auf  die  aus 
denselben  aufgeführten  Mauern  ....  nicht  übertragen  werden  dürfen, 
um  eine  direkte  Controle  für  dieses  Urteil  zu  gewinnen,  habe  ich 
ein  eisernes  Bohr  durch  die  0^80"^  dicke  Mauer  des  vorgenannten  Zim- 
mers getrieben^  mit  der  Absicht  in  verchiedenen  Dicken  den  Ueberdruck 
der  äusseren  Luft  über  die  innere  manometrisch  zu  bestimmen.  Ich  kam 
dabei  zufällig  zuerst  auf  einen  Stein  von  etwa  20<™  Dicke.  Nachdem 
dieser  durchbohrt  war,  glitt  das  Rohr  beinahe  widerstandslos  40***  vor- 
wärts und  stiess  dann  auf  den  Widerstand  der  äusseren  Steinlage. 

Man  erhält  dadurch  das  in  Fig.  2  gegebene  Bild  des  vertikalen 
Querschnitts  einer  solchen  Mauer,  von  dessen  Richtigkeit  man  sich  hier 
bei  jedem  Neubau  überzeugen  kann.  Der  innere  Raum  ist  mit  kleinen, 
sehr  unregelmässigen  Abfallstücken  so  ausgefüllte  dass  dem  Durchgang 
der  Luft  kein  Widerstand  entgegensteht.  Nach  jeder  Steinhöhe  folgt 
eine  unregelmässige  Mörtelschicht.  Die  äussere  Steinlage,  welche  in 
dem  untersuchten  Fall  ohne  Bewurf  ist^  leistet  der  Luft  ebenfalls  sehr 
wenig  Widerstand;  denn  der  Druck  wurde  in  dem  Räume  des  Gerölls 
merklich  ebenso  gross  gefunden  als  in  der  freien  Luft. 

So  bleibt  im  Grunde  nicht  viel  mehr  als  der  innere  Bewurf, 
der  meistens  von  Rissen  und  Sprüngen  durchzogen  ist,  welche  nur  ganz 
oberflächlich  gedeckt  sind. 

Ebenso  habe  ich  mich  überzeugt,  dass  die  zwischen  den  Diehlen 
des  Fussbodens  befindlichen  Zwischenräume  der  Luft  einen  beinahe 
freien  Durchgang  gestatten:  an  einem  bloss  durch  die  Diehlen  ge- 
steckten Rohr  Hess  sich  kein  Ueberdruck  nachweisen,  derselbe  tritt  erst 
dann  merklich  hervor  ^  wenn  das  Rohr  in  den  weiter  unten  mit 
Schlacken  vermengten  Sand  eindringt. 


G,  Becknagel:  Theorie  des  natürlichen  Luftwechsels.        453 

die  (manometrische)  Messung  von  po  nnd  p^o  kommen, 
d.  h.  derjenigen  Ueberdrücke,  welche  die  äussere  Luft  un- 
mittelbar am  Boden  über  die  innere  besitzt.  Die  Summen 
p  =  p^^  -j-  p^  und  p'  -=  p'o  +  p'2  können  ans  den  Tempe- 
raturen und  Zimmerhöhen  berechnet  oder,  was  oft  bequemer 
ist,  ebenfalls  gemessen  werden.  Da  in  jedem  der  beiden 
Zimmer  sowohl  die  Menge  der  einströmenden  Luft  als  auch 
die  der  abströmenden  dem  gefundenen  Werthe  der  Gesammt- 
ventilation  gleich  gesetzt  werden  kann,  erhält  man  durch 
zwei  vollständige  Messungen  zwei  paar  Gleichungen  von 
der  Form 


b  =  rkop'o+^n'H'k,4* 
a  =  fk,P.  +  Y"Hk'^* 

l>  =  fk.p'.+  |'^'H'k'4' 


1) 


2) 


in  welchen  die   vier  Unbenannten  kg,  k^  und  k',  k,  paar- 
weise vorkommen,  während  alles  üebrige  bekannt  ist. 

IL  Zweite  Methode  die  Durchlässigkeiten 
zu  finden.  Die  in  Nr.  10  angegebene  Methode  ist  auf 
die  Yoraassetzung  gegründet,  dass  Zimmer  gefunden  werden 
können,  von  denen  man  annehmen  darf,  dass  sie  gleiche 
Durchlässigkeiten  haben,  ohne  dass  man  diese  Durchlässig- 
keiten selbst  kennt. 

Obwohl  man  über  diese  Voraussetzung  nicht  hinweg 
kommen  wird,  wenn  man  von  dem  bekannten  Luftwechsel 
eines  Zimmers  auf  den  noch  unbekannten  eines  anderen 
schliessen  will,  so  scheint  es  doch  von  einem  anderen  Ge- 
sichtspunkte aus  wünschenswerth ,    eine  experimentelle  Me- 


454  Sitzung  der  math.-ph/ys.  Classe  vom  6.  Jtüi  1878, 

thode  zu  besitzen,  welche  die  Durchlässigkeiten  kennen  lehrt, 
ohne  uns  noch  auf  ein  zweites  Zimmer  anzuweisen. 

Eine  solche  Methode  will  ich  nun  angeben.  Sie  setzt 
voraus,  dass  man  für  den  vertikalen  Theil  der  Begrenzung 
eine  mittlere  Durchlässigkeit  (k^  =  k')  annehmen  darf. 
Das  Verfahren  ist  folgendes. 

1)  Man  bestimmt  die  Lage  der  neutralen  Zone  durch 
Messung  des  am  Boden  stattfindenden  üeberdracks  (po)  und 
Berechnung  (oder  Messung)  der  Summe  p  =  Po  +  P2* 

Dadurch  erhält  man  einen  Werth  für  die  linke  Seite 
der  Gleichung 

1)  Po f 

'  p    ~  fkg  +uHk^  4-  fko 

2)  Man  misst  den  gesammten  Luftwechsel  (a)  nach 
von  Pettenkofer's  Methode.  Dadurch  erhält  man  die 
Gleichung 

2) .  . .  •  Cp-Po)fk,  +  I  ^Hk,  ^^2^*  =  a. 

Diese  beiden  Messungen  können  leicht  gleichzeitig  aas- 
gefuhrt  werden. 

3)  Man  bahnt  der  Lufb  einen  neuen  Weg  dadurch, 
dass  man  einen  bisher  verschlossenen  Kanal,  der  sich  am 
besten  nahe  am  Boden  (z.  B.  im  untersten  Theil  der  Thüre) 
oder  nahe  an  der  Decke  befindet,  öffnet. 

Die  Luftmenge,  welche  durch  diesen  Kanal  strömt,  wird 
gemessen.  Zugleich  beobachtet  man  die  Veränderungen, 
welche  durch  das  Oeffnen  des  Kanals  in  der  Druckvertheil- 
ung  vor  sich  gehen. 

Liegt  der  Kanal  nahe  am  Boden,  so  sinkt  bei  seiner 
Eröffnung  die  neutrale  Zone,  liegt  er  an  der  Decke,  so 
steigt  sie,  und  diese  Verschiebungen  geben  sich  durch  Ver- 
änderungen im  Werthe  von  po  kund,  während  p  zr  po  +  P| 


G.  Becknagel:  Iheorie  des  natwrlichen  Luftwechsels.        455 

constant  bleibt,  weil  es  nur  Yon  der  Höhe  des  Zimmers  und 
den  Temperaturen  abhängt. 

Das  Yerhältniss  der  durch  den  Elanal  stündlich  ein- 
oder  ausströmenden  Luftmenge  zu  der  gleichzeitigen  Aen- 
derang  des  Werthes  von  Po^*)  ist  der  Werth  des  Ausdruckes 
fko  +  ^H'^i  +  f'^2'  welcher  auf  der  rechten  Seite  der 
ersten  Gleichung  den  Nenner  bildet. 

Diesen  Ausdruck,  der  sich  aus  3  Summanden  zusammen- 
setzt, welche  uns  sagen,  was  jede  einzelne  Wand  bezüglich 
der  Lüftung  zu  leisten  vermag  und  leistet,  wenn  der  Ueber- 
druck  1""*  Wasser  beträgt,  will  ich  das  Lüftungsver- 
mögen des  Zimmers  nennen. 

Dann  lässt  sich  der  eben  aufgestellte  Satz  so  aus- 
sprechen : 

Tritt  unter  normalen  Umständen  bei 
constanter  Temperatur  ein  constanter  Luft- 
strom in  ein  Zimmer  ein  oder  aus  dem- 
selben aus,  welcher  stündlich  m-Eubik- 
meter  Luft  zu-  oder  abführt,  so  ist  wäh- 
rend der  Dauer  dieser  Strömung  der  Werth 
des  am  Boden  stattfindenden  U eberdrucks 
der  äusseren  Luft  über  die  innere  um  d 
kleiner  oder  grösser  als  ohne  den  Strom, 
und  man  erhält  das  Lüftungsvermögen  (L) 
des  Zimmers,  wenn  man  m  durch  ä  dividirt. 

In  Zeichen 

fko  +  uHk,  +fk,  =L=  ^. 

Dieser  nützliche  Satz,  welcher  u.  A. ,  wenn  das  Lüft- 
ungsvermögen eines  Lokals  einmal  bekannt  ist,  die  Prüfung 


14)  Statt  der  Aenderang  von  po  kann  auch  die  Aendernng  des  iu 
irgend  einer  anderen  Höhe  bestehenden  Ueberdrncks  beobachtet  werden^ 
da  sich  alle  üeberdrücke  um  die  gleiche  Grösse  ändern. 


456  Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  6,  Jtdi  1878, 

der  Leistung  einer  in  demselben  einseitig  thät^en  Yenti- 
lationsanlage  auf  die  manometrische  Messung  der  Verschieb- 
nng  der  neutralen  Zone  zurückfuhrt ,  wird  leicht  bewiesen, 
indem  man  die  Gleichung  des  natürlichen  Luftwechsels 

ftoPo+  2"  ^^'^i  (2Po— P)  =  fkj  (P  — Po) 
von  der  Gleichung  des  künstlich  gesteigerten  Luftwechsels 

m  +  f  ko  p  0  +  2-  11  H  k^  (2  p'o  — p)  =  f  t«  (p  — Po) 

abzieht«    Man  erhält 

m  =  f  ko  (po  —  p'o)  +  u  H  k^  (po  —  p'o)  +  f  tf  (Po  —  p'o) 

oder 

m         - 


r-  =fko  +  uHk,+fk,, 
Po  —  P  0 

was  zu  beweisen  war. 

Die  Form  des  Beweises  bezieht  sich  auf  den  Fall  des 
Einstromens,  wobei  po  vermindert  wird.  Für  den  Fall  des 
Abströmens  ändert  sich  zugleich  das  Vorzeichen  von  m  und 
von  Pq  —  p'e,  ,  was  auf  den  Werth  des  Quotienten  keinen 
Einfluss  hat. 

Beispiel.  Ein  Zimmer,  welches  3,6"*  hoch,  7"  lang 
und  5"  breit  ist,   hat  eine  Temperatur   von  20*^  C,    seine 

Umgebung  0®  C. 

13 

1)  Die   neutrale   Zone   liegt   in  —   der  Höhe,    weil 

Po  =  0,13,  p  =  0,32  gefunden  wird. 

2)  Der  gesammte  Luftwechsel  beträgt  39,9  G™  per 
Stunde. 

3)  Durch  einen  nahe  am  Boden  befindlichen  Kanal 
von  1  □  Decimeter  Querschnitt  strömen  28  C"  per  Stande 
ein,  während  p'o  =  0,08  und  p  =  0,32  ist. 


G.-  Becknagel:  Iheorie  des  natürlifCAen  Luftwechsels.        457 

Man  hat  nun 

fk, +  -J-uHk, 
,.13  *    '     2  ^ 

^>32= L ' 

2)  0,19  f  k,  +  ^5^  n  H  k,  =  39,9 , 

3)  L  =  ;^  =  560. 
^  0,05 

Daraus  erhält  man 

ko  =  8,3 , 

k,  =  1,0 , 

kj  ^  5,3  • 

Die  üeberdrücke  Po  •  •  •  werden  leicht  auf  eine  Einheit 
der  zweiten  Dezimale  genan,  d.  h.  so  erhalten,  dass  der 
Fehler  kleiner  ist  als  0,005,  wenn  man  der  Messröhre  des 
Manometers  eine  Steigung  von  c.  3%  gibt,  und,  um  den 
Nullpunkt  sicher  zu  eliminiren,  den  Schlauch  abwechselnd 
an  das  innere  und  äussere  Niveau  ansetzt. 

Die  Unsicherheit  des  Werthes  von  L  ist  demnach  auf 
höchstens  10  ^^  anzuschlagen. 

12)  Der  dritte  Versuch,  welcher  in  Nro  11  angegeben 
wurde,  belehrt  uns  zugleich  über  das  Mass,  in  welchem  der 
Effekt  der  Porenventilation  abnimmt,  sobald  ein  durch 
weite  Oeffnungen  zugelassener  oder  auch  durch  besondere 
Vorrichtungen  (Ventilatoren)  eingetriebener  Luftstrom  sich 
am  Ventilationsgeschäfte  betheiligt.  Die  Abnahme  ist  durch 

den  Ausdruck  (p^  —  p'q)   [f  k^  +  "5"  ^  H  kj]  gegeben  und 

somit  der  Druckabnahme  (p^  —  p'^,)  proportional. 

Setzt  man  p^  =:  0,08  mit  den  übrigen,  nun  bekannten 
Werthen  in  den  Ausdruck,  welcher  die  durch  die  Poren 
einströmende  Luftmenge  darstellt: 


458  Sitzung  der  maih.-pkys,  Classe  vom  6.  Juli  1878. 

SO  erhält  man  24,1  C",  während  vorher,  ehe  der  Oanal  ge- 
öffnet Würde,  durch  die  Poren  39,9  C"*  einströmten. 

Durch  Oeffuen  des  Oanals,  der  28  C"  einliess,  steigerte 
sich  demnach  der  Luftwechsel  von  39,9  C"  auf  24,1  +  28,0 
oder  52,1  C",  und  die  Zunahme  betrug  (in  Folge  der  Ab- 
nahme des  Effekts  der  Porenventilation)  nur  12,2  C". 

Ganz  analog  wirkt  die  Oeffnung  eines  Abzugscanais 
und  einer  Absauge- Vorrichtung.  Stets  ist  der  durch  solche 
Vorrichtungen  gesteigerte  Luftwechsel  kleiner  als  die  Summe 
aus  der  durch  den  Ganal  strömenden  Luftmenge  und  dem 
bei  geschlossenem  Ganal   stattfindenden  Luftwechsel. 

Fügt  man  zu  dem  einlassenden  Ganal  noch  einen  Ab- 
zugs-Ganal,  so  wird  die  Poren  Ventilation  nur  dann  nicht 
geschwächt,  wenn  durch  beide  Ganäle  gleich  grosse  Luft- 
mengen strömen. 

Li  einer  folgenden  Abhandlung  hoffe  ich  den  Einfluss 
nachzuweisen,  welchen  angrenzende  geschlossene  Bäume  auf 
den  Luftwechsel  eines  Zimmers  ausüben. 


Ueberslcht  der  hanptsächlichsten  Resultate  der  ersten 

Abhandlung. 

1)  Hat  die  Luft  eines  Zimmers  eine  constante  Tem- 
peratur, welche  höher  ist  als  die  Temperatur  seiner  Umgeb- 
ung, und  hat  auch  diese  Umgebung,  welche  frei  und  wind- 
still vorausgesetzt  wird,  constante  Temperatur,  so  findet 
in  dem  Zimmer  ein  Luftwechsel  statt,  welcher  einem  statio- 
nären Zustand  zustrebt. 

Ist  dieser  Zustand  erreicht,  so  befindet  sich  in  irgend 
einer  Höhe,  welche  geringer  ist  als  4ie  Höhe  des  Zimmers, 
die  innere  Luft  mit  der  äusseren  im  Gleichgewicht.  Unter- 
halb der  neutralen  Zone  strömt,  vermöge  eines  Ueber- 


G.  Bechnagel:  Iheorie  des  natürlichen  Luftwechsels,       459 

drucks  der  äusseren  Lnft  über  die  innere,  Luft  in  das  Zim- 
mer ein,  oberhalb  derselben  strömt  vermöge  eines  üeber- 
drucks  der  inneren  Luft  über  die  äussere  in  derselben  Zeit 
gleichviel  Luft  aus. 

2)  Ist  die  Temperatur  in  der  ganzen  Höhe  des  Zim- 
mers gleich,  so  ist  die  Lage  der  neutralen  Zone  da- 
durch bestimmt,  dass  ihre  Abstände  von  Boden  und  Decke 
sich  wie  die  im  Niveau  dieser  Grenzflächen  bestehenden 
üeberdrücke  verhalten. 

Unter  derselben  Voraussetzung  ist  die  Lage  der  neu- 
tralen Zone  von  den  Temperaturen  des  Zimmers  und  seiner 
Umgebung  unabhängig,  und  nur  dnrch  die  Dimensionen 
und  Darchlässigkeits- Verhältnisse  bestimmt. 

3)  Der  stationäre  Luftwechsel  eines  Zimmers 
ist  dem  Unterschiede  zwischen  seiner  Temperatur  und  der 
Temperatur  seiner  Umgebung  nahezu  proportional. 

4)  Ohne  Eenntniss  der  Durchlässigkeiten  lässt  sich  nur 
in  einzelnen  Fällen  von  dem  Luftwechsel  eines  Zimmers  auf 
den  eines  anderen  von  gleichen  Durchlässigkeiten  schliessen. 
In  diesen  Fällen  ist  das  Verhältniss  der  Luftwechsel  gleich 
dem  der  Kubikinhalte. 

5)  Eine  Methode  die  Durchlässigkeiten  zu 
finden  besteht  in  Vergleichung  des  Luftwechsels  zweier 
Zimmer  von  gleichen  Durchlässigkeiten  und  verschiedenen 
Dimensionen  bei  gleichzeitiger  Messung  der  Temperatur  und 
Bestimmung  der  Lage  der  neutralen  Zone. 

.  6)  Eine  zweite  Methode,  die  Durchlässigkeiten 
eines  Zimmers  zu  finden,  ist  begründet  auf  Messung  seines 
gesammten  Luftwechsels,  Bestimmung  der  Lage  seiner  neu- 
tralen Zone  und  Eröffnung  eines  neuen  Luftcanales.  Dabei 
ist  der  Satz  anzuwenden:  Das  gesammte  Lüftungsver- 
mögen eines  Zimmers  ist  dem  Quotienten  aus  der  durch 
den  Canal  strömenden  Luftmenge  und  der  durch  das  Oeff- 


460 


Süiung  der  math.-phyg.  Clasge  v 


neu  des  Canale  ao  irgend  einer  Stelle  des  Zimmera  bewirk- 
ten Aenderong  des  Ueberdmcks  gleich. 

7)  Die  durch  eine  besondere  Ventiktionsanlage  be- 
wirkte Abnahme  des  Effekts  der  Porenrenti- 
latioD  ist  der  gleichzeitig  mit  Bethätigong  der  Yentila- 
tionsanlage  eintretenden  Aendernng  des  an  irgend  einer 
Stelle   des  Zimmers   bestehenden  Ueberdmcks   proportional. 

Fignren. 


O.  Becknagel:  iheorie  des  natürlichen  Luftwechsels,       461 


Zweite  Abhandlang. 

Die  erste  Abhandlung  enthielt  die  Theorie  des  Luft- 
wechseis  für  ein  Gemach,  welches  durchaus  von  freier  ruhiger 
Luft  umgeben  ist.  Es  wurde  gezeigt,  wie  dieser  Luftwechsel 
aus  den  Temperaturen,  Dimensionen  und  Durchlässigkeiten 
berechnet  werden  kann,  auch  wurden  Methoden  ang^eben, 
die  Durchlässigkeiten  der  Begrenzungen  experimentell  zu 
bestimmen. 

Es  soll  nun  die  Voraussetzung  der  allseitig  freien  Um- 
gebung aufgegeben  und  untersucht  werden,  welche  Ver- 
änderungen gegenüber  dem  unter  normalen  Umständen 
stattfindenden  Luftwechsel  eines  Gemachs  eintreten,  wenn 
einzelne  Theile  der  Begrenzung  nicht  mehr  von  freier  Luft 
umgeben  sind,  sondern  den  betrachteten  Raum  von  eben- 
falls abgeschlossenen  Räumen  trennen.  Und  zwar  soll  zu- 
nächst der  Fall  betrachtet  werden,  wo  über  oder  unter 
einem  Gemach  sich  ein  abgeschlossener  Raum  befindet, 
welcher  von  jenem  durch  eine  poröse  Wand  getrennt  ist. 
In  einer  dritten  Abhandlung  soll  untersucht  werden,  welchen 
.Einfluss  ein  seitlich  angrenzender  abgeschlossener  Raum  auf 
den  Luftwechsel  eines  Zimmers  ausübt.  Endlich  soll  die 
Aufgabe,  den  Antheil  zu  berechnen,  welchen  bei  einer  be- 
liebigen Gombination  von  Gemächern  jede  einzelne  Wand 
an  dem  durch  Temperaturunterschied  hervorgerufenen  Luft- 
wechsel nimmt,  allgemein  gelöst  werden. 
[1878,  4.  Matb.-phy8.  Cl.]  ^^ 


462  Sitzung  der  maiK-phya,  Classe  vom  6,  Juli  1878, 

Luftwechsel  in  zwei  abgeschlossenen  Gemächern,  welche 

durch  eine  horizontale  Wand  yon  einander  getrennt,  im 

Uebrigen  aber  yon  freier  Luft  umgeben  sind. 

1. 

Das  eine  d*er  beiden  Gemächer  habe  die  Tem- 
peratur der  freien  Umgebung,   das  andere  eine 

höhere  Temperatur. 

1)  Befindet  sich  ein  abgeschlossenes  Gemach  von  der 
Temperatur  der  Umgebung  über  einem  wärmeren  Zimmer, 
so  kann  man  sich  yorstellen,  dass  der  obere  Raum  yorher 
vermöge  oflfener  Fenster  und  Thüren  einen  Theil  der  „freien 
ümgebung^^  des  unteren  bildete  und  die  Yeränderungen  stu- 
diren,  welche  das  Schliessen  der  Fenster  und  Thüren  im  Luft- 
wechsel dieses  Raumes  selbst  und  im  Luftwechsel  des  unter 
ihm  befindlichen  wärmeren  Zimmers  hervorbringt.  Yon  der 
Dicke  der  horizontalen  Trennungsschicht  soll  dabei  abge- 
sehen werden. 

Zunächst  ist  klar,   dass   durch  die  Decke  des  unteren 

Zimmers,  welche  zugleich  den  Fussboden  des  oberen  bildet, 

Luft  aus  dem  unteren  Zimmer  in  das  obere  einströmt,  weil 

im  Niveau  der  Decke  ein  üeberdruck  (p,)   gegen  die   &eie 

Luft  vorhanden  ist  (vgl.  S.  435  Nro  2),  und  die  Luft  des 

oberen   Zimmers   im   ersten   Moment   nach  Verschluss   der 

Fenster  und  Thüren  noch  alle  Eigenschaften  der  freien  Luft 

besitzt. 

Durch  dieses  Einströmen  von  Luft  in  das  obere  Zimmer 

wird  daselbst  die  Luft  verdichtet,  gewinnt  nach  allen 
Seiten  hin  üeberdruck  {g)  über  die  äussere  Luft  und  setzt 
auch  dem  Drucke,  der  die  Luft  von  unten  durch  die  Decke 
treibt,  diesseits  einen  Gegendruck  (q)  entgegen.  Ein  sta- 
tionärer Zustand  wird  im  oberen  Zimmer  dann  eingetreten 
sein,  wenn  q  so  gross  geworden  ist,  dass  ebenso  viel. Luft 
als  durch  den  Fussboden  einströmt  von  dem  Ueberdrucke  q 
durch  die*  übrige  Begrenzung  hinausgetrieben  wird. 


Q,  Becknctgel:  Theorie  des  natürlichen  Luftwechsels,       463 

Damit  ist  jedoch  die  Aafgabe  noch  nicht  vollständig 
erklärt.  Vielmehr  besteht  durch  Vermittelung  der  porösen 
Scheidewand  zwischen  den  über  einander  li^enden  Zimmern 
eine  so  enge  Beziehung  ^  dass  der  Luftwechsel  des  einen 
ohne  den  des  anderen  nicht  verstanden  werden  kann« 

Dadurch  nämlich,  dass  im  oberen  Zimmer  der  Gegen- 
druck Q  entsteht y  wird  offenbar  die  aus  dem  unteren 
Zimmer  durch  die  Decke  abströmende  Luftmenge  ver- 
mindert und  folglich  die  früher  (bei  allseitig  freier  Umgeb- 
ung) im  unteren  Zimmer  zvnschen  einströmender  und  ab- 
strömender Luft  bestandene  Gleichung  gestört.  Es  wird 
sich  als  Ausdruck  eines  neuen  stationären  Zustandes  eine 
neue  Gleichung  bilden,  in  welcher  sich  der  geringeren 
Menge  von  abströmender  Luft  eine  geringere  Menge  ein- 
strömender Luft  gegenüberstellt.  Damit  dieses  möglich  wird, 
muss  'im  unteren  Zimmer  der  Ueberdruck  p^,  den  die  äussere 
Luft  am  Boden  über  die  innere  besitzt,  abnehmen,  p^  um 
ebensoviel  wachsen  und  folglich  eine  Verlegung  der 
neutralen  Zone  nach  unten  eintreten. 

Es  gehe  p^  über  in  p^j  —  y,  so  muss  p,  auf  p,  +  y 
anwachsen,  damit  die  Summe  (p)  beider,  welche  nur  von 
der  Zimmerhöhe  und  den  Temperaturen  abhängt,  constant 
bleibt.     Die  Gleichung  für  das   untere  2iimmer  wird  dann 

u  (H  -  h)  k,  2i±i:  +  f  k,  (p,  +  y  -  c)  .  . . .        1), 

wobei  wie  früher  mit  f  der  Flächeninhalt  des  Bodens  sowie 
der  Decke,  mit  u  der  Um&ng  derselben,  mit  H  die  Höhe 
des  Zimmers,  mit  h  die  Höhe  der  neutralen  Zone  über  dem 
Boden,  ferner  mit  k^  die  Durchlässigkeit  des  Bodens,  mit 
kg   die  Durchlässigkeit  der   Decke   bezeichnet  und  für   die 


464  Sitzung  der  matK-phya,  Clasae  vom  6,  Juli  1878. 

ganze  vertikale  B^enzung  eine  mittlere  Darchlässigkeit  k^ 
angenommen  ist. 

Die  Gleichung  des  Laftweclisels  für  das  obere  Zim- 
mer ist 

f  k,  (p,  +  y  -  e)  =  e  (u  H'  kg  +  f  k,) . . . .        2), 

wobei  kg  die  mittlere  Durchlässigkeit  der  vertikalen  Be- 
grenzung, kg  die  Durchlässigkeit  der  Zimmerdecke,  H'  die 
Höhe  des  oberen  Zimmers  bezeichnet,  u,  f,  der  umfang 
und  die  Fläche  des  Bodens  und  der  Decke,  sind  im  oberen 
Zinmier  ebenso  gross  angenommen  wie  im  unteren. 

Aus  diesen  beiden  Gleichungen  kann  man  ,  und  y  be- 
rechnen,  d.  h.  in  ihrer  Abhängigkeit  von  den  Eigenthüm- 
lichkeiten  der  beiden  Zimmer  und  deren  Temperaturen 
(T,  t)  nachweisen.  Bezeichnet  man  das  Lüftungsvermögen 
(f  kj  +  f  kg  +  ^  H'  kg)  des  oberen  Zimmers  mit  L',  das 
des  unteren  mit  L  (vgl.  S.  455),  und  setzt  der  Reihe  nach 
lo»  li»  I21 15»  Je  ^^  f  ^01  ^  H  k^,  f  k„  u  H'  k^,  f  k^,  so  dass 

L  =  lo  +  1.  +  1, 
L'  =  1,  +  I5  +  le, 
80  wird  ans  der  zweiten  Gleichung 

L'f-l,y  =  l,p,  (2' 

Mit  Benützung  der  Proportion 

A  _  Po  — y 

H  -       p 

kann  die  erste  Gleichung  umgeformt  werden  in 

lo  (Po  -  y)  + 1,  ^2^*  =  1.  ^2*^*  + 1,  (P.  +  y  -  ?) 

and  w^en  Po  +  Pt  =  P  ™ 

lo  (Po  -  y)  +  -g  ii  (Po  -  p«  -  2  y)  =  1,  (p,  +  y  —  o)- 


G.  Becknagel:  Theorie  des  natürlichen  Luftwechsels.       465 

Sabtrahirt  man  diese  Gleichung  von  der   auf  normale 
Umstände  bezüglichen 

Ifl  Po  +  "2  h  (Po  —  P»)  =  1»  Pt» 
so  erhält  man 

ifl  y  +  U  y  =  ij  te  —  y) 

oder 

Ly  =  l,c.  (1\ 

Aus  (1*  und  (2'  wird 


1,  L 
^  =  P«  LL--1,' 

V 

y  =  p»  — 


F.  1 


LL'  — 1.» 


l«+fl, 
worin  noch  der  Werth  von  p,,  nämlich  p = sub- 

"D  m i. 

stituirt  werden  kann,  während  p  aus  H  1.293 ^  .  . 

'  ^  '        760  270  +  T+t 

gefunden  wird. 

Der  Luftwechsel  des  oberen  (kalten)  Zimmers  ist  ge- 
geben durch 

(WO  =  1,  (p,  +  y  -  e) . . . .  F.  2 

was  durch  den  Fussboden  aus  dem  unteren  Zimmer  kommt, 
oder  auch  durch 

(WO  =  Ob  +  1«)  ?  .  •  •  .  F.  2' 
was  durch  die  vertikale  Begrenzung  und  die  Decke  in's 
Freie  strömt. 

Der  Luftwechsel  W  des  unteren  (warmen)  Zimmers  be- 
steht aus  der  Grösse  1,  (p,  -\r  y  —  d)  (die  durch  die  Decke 
abströmt)  und  aus  der  Luftmenge 

,  (P,  +  yy 

^        2p       ' 


466  Sitzung  der  math.'phys.  Glosse  vom  6.  Juli  1878. 

welche  durch  den  oberen  Theil  der  vertikalen  Begrenzang 
entweicht,  so  dass 


oder 


W  =  1,  (p,  +  y  -  f)  +  1,  ^H*^  ....  P.  3 
W  =  1„  (Po  -  y)  +  1,  ^-^^^  ....  F.  3- 


worin  das  erste  Glied  die  durch  den  Fussboden,  das  zweite 
Glied  die  durch  den  unteren  Theil  der  vertikalen  Begrenz- 
ung einströmende  Luftmenge  bezeichnet. 

Beispiel.  Nehmen  wir  k^j  =  k,  =  kg  =  5  k^,  kj  = 
k^  =  1,  H  =  H'  =  3,6",  u  =  24-*,  f  =  35  D"»  so  ^^g* 
Po  ^  P2*  Foi'ii^f  sei  die  Temperatur  des  unteren  Zimmers 
20^  C,  die  des  oberen  und  der  Umgebung  0*^  C,  so  ist 
p  =  0,32,  Po  =  0,16,  y  =  0,031""  und  q  -=  0,076"". 

Der  Luftwechsel  des  unteren  (warmen)  Zimmers  betrug 
vorher,  bei  freier  Umgebang: 

oder  31,5  C". 

Nach  dem  Schliessen  der  oberen  Fenster  und  Herstel- 
lung des  neuen  statioi^ren  Znstandes  beträgt  er  noch 
24,9  C". 

Das  obere  kalte  Zimmer  erhält  durch  das  unter  ihm 
liegende  warme  einen  Luftwechsel  von 

Ij  (Pj  +  y  —  Q) 
oder  20,1  C",  während,  wenn  das  untere  Zimmer  ebenfalls 
kalt  wäre,  der  Luftwechsel  Null  sein  würde. 

Durch  Oefihen  der  Fenster  des  oberen  Zimmers  steigert 
sich  der  Luftwechsel  desselben  von  20,1  C"  auf 

Is  Ps 
oder  28,0  G",   und  der  des  unteren  Zimmers  von  24,9  auf 

31,5  C". 


G.  Becknagel:  Theorie  des  natürlichen  Luftwechsels.       467 

Es  lassen  sich  demnacli,  wenn  die  Dimensionen,  Durch- 
lässigkeiten und  Temperaturen  bekannt  sind,  alle  den  Luft- 
wechsel beider  Zimmer  betreffenden  Fragen  beantworten. 

Dabei  ist  die  Voraussetzung  gemacht,  dass  trotz  der 
ansehnlichen  Lnftmengen,  welche  stündlich  aus  dem  unteren 
Zimmer  in  das  obere  übergehen,  dieses  seine  Temperatur 
(t)  beharrlich  beibehält.  Erhöht  sich  die  Temperatur  des 
oberen  Zimmers,  so  hat  eine  andere  Betrachtung  Platz  zu 
greifen,  welche  für  den  Fall  eines  erreichten  Beharrungs- 
Zustandes  weiter  unten  dmrchgefiihrt  werden  wird. 

Die  Yoraussetzang  constanter  Temperatur  wird  wohl 
mit  grösserem  Rechte  gemacht,  wenn  das  kalte  Zimmer 
unterhalb  des  wärmeren  li^t,  währeüd  letzteres  eine 
Wärmequelle  besitzt. 

2)  Befindet  sich  das  warme  Zimmer  von  der  Tempera- 
tur T'  über  einem  kalten  von  der  Temperatur  (t)  der  freien 
Umgebung,  und  schliesst  man  die  vorher  offenen  Fenster 
des  unteren  Zimmers,  so  treten  folgende  Veränderungen  ein. 

Da  die  an  der  Decke  des  unteren  Zimmers  befindliche 
Luft  zunächst  noch  die  Spannung  der  äusseren  besitzt, 
welche  um  p^  grösser  ist  als  die  Spannung  am  Boden  des 
oberen  Zimmers,  so  geht  ein  Luftstrom  durch  die  Decke 
des  kalten  Zimmers  nach  dem  warmen.  Dadurch  nimmt  die 
Dichtigkeit  der  Luft;  im  unteren  Zimmer  ab,  und  ihre  Span- 
nung wird  allenthalben  (um  y)  geringer  als  die  der  äusseren 
Luft. 

In  Folge  dessen  strömt  sowohl  durch  den  Boden  als 
durch  die  gesammte  vertikale  Begrenzung  von  aussen  Luft 
in  das  kalte  Zimmer.    Ihre  Menge  ist 

Diese  Luffcmenge  strömt  durch  die  Decke  allein  nach 
dem  oberen  Zimmer  ab. 


468  SUzung  der  math^-phys,  Glosse  vom  6.  Juli  1878. 

Die  über  dem  Boden  dieses  2iiinmer8  befindliche  Lafb 
besass  vorher  den  Minderdmck  p^  g^enüber  der  unterhalb 
des  Bodens  befindlichen  Luft.  Dieser  Minderdmck  redacirt 
sich  jetzt  auf  p^  —  y,  und  es  strömt  somit  durch  den  Boden 
des  oberen  Zimmers  weniger  Luft  ein  als  vorher.  Der  sta- 
tioidre  Znstand  stellt  sich  dadurch  her,  dass  sich  auch  die 
Menge  der  abströmenden  Luft  vermindert,  und  diese  Ver- 
minderung vollzieht  sich  dadurch,  dass  im  oberen  Zimmer 
die  neutrale  Zone  nach  oben  ruckt.  Es  wachst  P4  auf 
p^  4~  ?  s^i  während  p^  um  q  abnimmt,  da  die  Summe 
beider  p'  =  P4  +  Pe  constant  bleibt. 

Die  Gleichungen  des  stationären  Luftwechsels  sind: 

1)  für  das  untere  (kalte)  Zimmer: 

2)  für  das  obere  (warme)  Zimmer: 

(P4  +  er  _ 


1»  (p*  +  ?  —  y)  +  U 

(Pe  -  Q)* 


2  p' 


I5        2  p'       +  J«  (Ps  -  e)  •  •  •  •  (*• 

Redacirt  man  mittelst  P«  4~  Pe  — -  P'>  ^  folgt  zonschst 
lg  (P4  +  ?  -  y)  +  "2  ^5  (P4  —  P«  +  2  C)  =  1«  (p,  —  Q), 

woraus  durch  Anwendung  der  Gleichung  des  normalen  Luft- 
wechsels erhalten  wird 

L'Q  =  l,  y.  (4'. 

Da  ausserdem  noch 

Ly-l,c  =  l,P4  (3% 


so  wird 


?-P4  LL'-l.« 

>  F.  4. 
-  UL' 

''"P*  LL'  — 1.« 


O,  Becknagel:  Theorie  des  ncUwrlichen  Luftwechsels.       469 
Für  p^  kann  sein  Werth 


h  +  i:h 


P' 


1^ 

2 


eingesetzt  werden,  wobei 

B  T'  - 1 


p'  =  H'  1,293 


760   270  +  T'  +  t 

Die  Formeln  für  den  Luftwechsel  im  oberen  Zimmer 
sind 

w^  =  i,(p,  +  g-y)  +  i5  ^^aV^' ^'^ 

wobei  das  erste  Glied  die  durch  den  Boden,  das  zweite  die 
durch  den  unteren  Theil  der  vertikalen  Begrenzung  des 
oberen  Zimmers  aus  dem  Freien  einströmende  Luft- 
menge bezeichnet,  oder 

W  =  I5  ^^^^'  +  1«  (Pe  -  ß)  ....  F.  5- 

wobei  das  erste  Glied  die  durch  den  oberen  Theil  der  verti- 
kalen Begrenzung,  das  zweite  die  durch  die  Decke  ent- 
weichende Luftmenge  angibt. 

Im  unteren  Zimmer  ist 

(W)  =  I3  (P4  +  ?  -  y) . . . .  F.  6 

die  durch  die  Decke  abströmende  Menge,  während 

(W)  =  Go  +  li)y----  P-6' 
die  aus  dem  Freien  einströmende  Menge  bezeichnet. 

3)  Vergleicht  man  diese  Resultate  mit  den  in  Nro  1) 
erhaltenen,  so  ergibt  sich,  dass  p,  durch  p^,  L  durch  L^ 
und  y  durch  q  ersetzt  ist.  Demnach  liesse  sich  leicht  eine 
gemeinschaftliche  Lösung  der  beiden  in  1.  und  2.  behandel- 
ten Aufgaben  formuliren.  Es  scheint  indessen  nützlicher 
auf  den  unterschied   aufmerksam  zu  machen,   der  in 


v.* 


470  Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  6.  JtUi  1878. 

hygienischer  Beziehung  zwischen  beiden  Fällen 
bestehen  kann. 

Während  der  Bewohner  eines  geheizten  Zimmers  dnrch 
ein  oberhalb  liegendes ,  welches  die  Temperatur  der 
freien  Atmosphäre  (oder  eine  davon  wenig  verschiedene 
Temperatur)  hat,  nur  insofern  geschädigt  werden  kann,  als 
dasselbe  den  Luftwechsel  des  geheizten  Zimmers  etwas  ver- 
mindert ,  kann  ein  kaltes  Gemach ,  welches  unterhalb 
eines  geheizten  liegt,  dem  Bewohner  dieses  Zimmers  über- 
dies dadurch  nachtheiiig  werden,  dass  die  gesammte  (mög- 
licherweise nicht  unbeträchtliche)  Luftmenge,  welche  aus 
dem  kalten  Zimmer  abzieht,  durch  den  Fussboden  in  das 
geheizte  eindringt.  Enthält  das  kalte  Zimmer  eine  Ur- 
sache der  Lnftverschlechterung ,  so  hat  der  darüber  Woh- 
nende, der  sein  Zimmer  heizt  und  dadurch  dem  unteren 
Zimmer  eine  namhafte  Ventilation  verschafiFt,  die  Wirkung 
jener  Ursache  zu  erwarten.  In  einem  solchen  Falle  durfte 
es  für  den  oben  Wohnenden  rathsam  sein,  die  Zwischen- 
räume zwischen  den  Diehlen,  welche  den  grössten  Theil  des 
unzuträglichen  Luftwechsels  vermitteln,  luftdicht  zu  schlies- 
sen  und  sich  behufe  der  Luftzufuhr  eines  besonderen  mit 
der  freien  Luft  communicirenden  Kanals  zu  bedienen«  Ein 
solcher  Kanal  wird  am  besten  innerhalb  der  horizontalen 
Zwischenwand  so  angebracht,  dass  er  einerseits  in*s  Freie, 
andererseits  in  den  Mantel  des  Ofens  mündet. 

4)  Auf  die  Lösung  des  in  Nro  2  behandelten  Problems 
lassen  sich  gute  und  einfache  Methoden  gründen,  das 
Lüftungsvermögen  eines  Zimmers  und  seiner 
Begrenzungen  zu  bestimmen.  Diese  Methoden  sind 
in  allen  Fällen  anwendbar,  wo  sich  über  dem  Versuchs- 
zimmer ein  anderes  von  gleicher  oder  grösserer  Bodenfläc^e 
befindet,  welches  geheizt  werden  kann. 

a)  Während  bei  Windstille  das  obere  Zimmer  auf  eine 
möglichst  hohe  Temperatur  gebracht  wird,  sucht  man  dem- 


G.  Becknagel:  Theorie  des  natürlichen  Luftwechsels.       471 

nnteren  durch  OefiFhen  aller  Fenster  und  Thuren  die  Tem- 
peratur der  äusseren  Luft  zu  verschaffen  und  durch  Oeffnen 
der  Fenster  und  Thüren  in  etwa  seitlich  angrenzenden 
Lokalen  eine  freie  Umgebung  herzustellen. 

Ist  die  Temperatur  des  oberen  Zimmers  nahe  constant 
und  die  des  unteren  der  Temperatur  der  äusseren  Luft  gleich 
geworden,  so  schliesst  man  im  unteren  Zimme;  alle  Fenster, 
Thären  und  sonst  vorhandenen  nicht  capillaren  Oeffhungen 
(insbesondere  die  Ofen-Zuglöcher)  und  misst  nun  nach  v« 
Pettenkofers  Methode  den  gesammten  Luftwechsel  (W)  =  a 
des  unteren  Zimmers. 

Zugleich  beobachtet  man  mittelst  des  im  kalten  Zim- 
mer aufgestellten  Differenzial-Manometers  au  irgend  einer 
Stelle  der  vertikalen  Wand  den  Ueberdruck  (y)  der  äusseren 
Luft  über  die  innere  und  an  einem  durch  die  Zimmerdecke 
getriebenen  eisernen  Gasrohr  den  Ueberdruck 

Pa  +  ?  —  y  =  b 

der  inneren  Luft  über  die  warme  Luft,  die  sich  am  Boden 
des  oberen  Zimmers  befindet.  Diese  Beobachtungen  müssen 
während  der  Dauer  des  Versuchs  von  Zeit  zu  Zeit  wieder- 
holt werden.  Es  geschieht  dieses  sehr  ein&ch,  indem  man 
sowohl  von  dem  inneren  als  von  dem  äusseren  Niveau  des 
Manometers  einen  kurzen  Schlauch  ableitet  und  diesen  von 
Zeit  zu  Zeit  mittelst  eines  Glasrohrs  mit  einem  der  beiden 
Schläuche  zusammensteckt,  welche  nach  den  eisernen  Bohr- 
stücken führen. 

Da 

bl,  =a 

so  ergibt  sich  aus  diesen  Beobachtungen  sofort  1,,  das 
Lüftungsvermögen  der  Decke. 

Da  femer  auch 

y(L~g  =  a 

und  a,  y^  1,  bekannt  sind,  so  erhält  man  L,  das  gesammte. 


472  Sitzung  der  mcUh.-phys.  Glosse  mm  6.  Jvii  1878. 

Lüfliungsverm^en  des  Zimmers.  Es  ist  jetzt  noch  übrig, 
die  Grössen  1^  nnd  1^ ,  deren  Summe  bekannt  (=  L  —  1,) 
ist,  von  einander  zu  trennen.  Dieses  gelingt  durch  Bestim- 
mung der  neutralen  Zone  des  Zimmers,  welche  in  der  schon 
früher  (S.  438  u.  439)  beschriebenen  Weise  durchgeführt 
werden  kann. 

Man  misst  nämlich  zu  einer  Zeit,  wo  das  untere  Zim- 
mer geheizt  und  in  yollsi»ndig  freier  Umgebung  ist  (das 
obere  Zimmer  ist  nicht  geheizt,  und  seine  Fenster  und 
Thüren  sind  offen),  sowohl  den  am  Boden  bestehenden 
üeberdruck  (p^),  den  die  äussere  Luft  über  die  innere  be- 
sitzt, als  auch  den  an  der  Decke  yorhandenen  üeberdruck 
(p,)  der  inneren  Luft  über  die  äussere.  Dadurch  erhält 
man  die  linke  Seite  der  Gleichung 

Po  ^     '^  2    ^ 
Po+Pi  ^  ' 

woraus  die  Unbekannte  1^  gefrinden  wird.  Endlich  ist 
I.  =  L  -  1,  -  1,. 

b)  Das  folgende  Yer&hren  bietet  den  grossen  Vortheil, 
dass  der  Versuch  in  wenigen  Minuten  yollendet  und  auf 
seinen  Fehler  leicht  controlirt  werden  kann. 

Ist   das   Yersuchszimmer   und   dessen   Umgebung    wie 

yorhin  yorbereitet  und  das  obere  geheizt,  so  nusst  man  die 

Ueberdrücke    b  =  (p^  +  ß  —  d)    und    y,    wodurch    die 

Gleichung 

bl,=y(L-l,) 

erhalten  wird,  in  welcher  1,  und  L  unbekannt  sind. 

Nun  wird  ein  irgendwo  in  der  yertikalen  B^prenzung 
oder  im  Boden  des  unteren  Zimmers  angebrachter  Kanal 
geöffnet  (dazu  können  die  kleinen  Schalter  gut  benützt 
werden,  welche  eine  einzige  Fensterscheibe  enthalten),  und 
es  werden  sowohl  die  in  der  Zeiteinheit  durch  den  Kanal 


G,  Recknagel:  Iheorie  des  natürlichen  Luftwechsels,       473 

strömende  Lnfbmenge  (m)  als  auch  die  beiden  üeberdräcke 

b'  y\   welche  beziehungsweise   an  der   Decke  und   in   der 

Yertikalen  Begrenzung  stattfinden,  gemessen,  wobei  b'  >  b 

und  y'  <Z  y  ausfallen  wird.   Dadurch  erhält  man  die  zweite 

Gleichung 

b'l,  =  y'(L-l,)  +  m. 

Multiplicirt  man  die  eirste  Gleichung  mit  y'^  die  zweite 
mit  y  und  subtrahirt,  so  erhält  man 

1,  b'  y  —  lg  b  y'  =  m  y 


oder 


1  _      ^y 


yb'  —  y'b  ' 

und 

^   m  (y  +  b) 

yb'  — y'b  * 

Das  Uebrige  kann  dann  durch  Bestimmung  der  neu- 
tralen Zone  des  unteren  Zimmers  gefunden  werden  wie 
vorhin. 

Man  erreicht  denselben  Zweck,  wenn  man  einen  durch 
die  Decke  fahrenden  E^anal  öffnet »  wodurch  y  gesteigert 
wird  und  b  abnimmt.  Doch  dörften  solche  Kanäle  seltener 
zu  Gebote  stehen.*) 

c)  Mit  den  unter  b)  beschriebenen  Versuchen  lässt 
sich  leicht  die  Bestimmung  der  Durchlässigkeiten  des 
oberen  Zimmers  verbinden,  da  die  Durchlässigkeit  l,  seines 
Fussbodens  schon  bekannt  ist. 

Zu  diesem  Zweck  misst  man  die  Temperatur  (T')  des 
oberen  Zimmers  zu  der  Zeit,  wo  unten  die  üeberdrücke 
b  und  y  beobachtet  werden,  und  erhält  dann  p'  =  P4  +  Pe 
aus  der  Formel 


*)  In  einem  Anhang  sind  Versnche,  welche  nach  einer  ähnlichen 
Methode  durchgeführt  worden,  aoBführlich  heschriehen.  %■ 


474  Sitetmg  der  matK-phys.  Glosse  vom  6.  Jvii  1876. 

g  rji/  f 

p'  =  H'  1,293  ^  .  270  +  T'  +  t 
der  berechnete  Werth  von  p'  wird  in  die  Gleichung 


^  =  P 


1,  (L'  -  1,  -  I  1.) 
LL'-l,» 


eingesetzt,  in  welcher  nur  L'  und  I5  unbekannt  sind. 

Die  unter  normalen  Umstanden  (bei  allseitig  freier 
Umgebung  des  oberen  Zimmers)  ausgeführte  Bestimmung 
der  neutralen  Zone  gibt  einen  Werth  (£)  für  die  linke  Seite 
der  Gleichung 

P4  +  Pe  ^' 


in  welcher  dieselben  beiden  unbekannten  h'  nnd  1,   Tor- 
kommen.    Ans 

1,  (L'  -  1,  -  1  1») 


und 


£= J— 


folgt 


1   *  V 


Ly-(i-ÖP'U' 

\,  =  2(L'i-  1,). 
Endlich  ist: 

1,  =  L'  -  a,  +  is)- 


G.  Bechnagel:  Iheorie  des  naiH/rUchen  Luftwechsels,       475 


n. 

1)  Haben  zwei  Zimmer,  von  welchen  das 
eine  über  dem  anderen  liegt,  höhere  Tempera- 
taren als  die  freie  Luft,  welche  die  ganze  Gombina- 
tion  umgibt,  so  lässt  sich  der  Luftwechsel  dieser  Zimmer 
ebenfalls  nach  den  im  vorigen  Abschnitt  angewandten 
Principien  bestimmen. 

Die  Temperatur  des  oberen  Zimmers  sei  constant  T^ 
die  des  unteren  T,  beide  grösser  als  die  constante  Tempera- 
tur t  der  Umgebung. 

Die  Lüftungsvermögen  der  beiden  Zimmer  sollen  wie 
bisher  mit  L  und  L^,  die  der  einzelnen  Begrenzungen  in 
ihrer  Reihenfolge  von  unten  nach  oben  mit  den  Buchstaben 
1q  ,  1^ ,  lg ,  I5 ,  lg  bezeichnet  werden,  wobei  die  geraden  In- 
dices  sich  auf  die  3  horizontalen,  die  ungeraden  auf  die  2 
vertikalen  Begrenzungen  beziehen.  Die  Ueberdrücke,  welche 
am  Boden  und  an  der  Decke  der  beiden  Zimmer  unter  nor- 
malen Umständen  stattfinden,  werden  durch  p^,  p,,  p^,  p^ 
ausgedrückt,  femer  p^  +  p,   =  P  5  P4  +  Pe  =  P'  gesetzt, 

so  dass  H  —  =  h;  H'  -^  =  h'  die  normalen  Höhen  der 
P  P 

beiden  neutralen  Zonen  über  dem  Fussboden  bezeichnen,  und 
die  Gleichungen 

1 


p._'-+^'' 


P4 


1«  +  i  I5 


•  •  • 


n) 


Geltung  haben. 

Zu  beiden  Weiten  der  Trennungsfläche  (l^)  beider  Zim- 
mer   bestehen ,    wenn    man    durch    Aufeinanderstellen    der 


476  Sitzung  der  mcUih.'phys.  Clause  vom  6,  Juli  1878. 

Zimmer  die  normalen  umstände  eben  erst  beseitigt  denkt, 
üeberdrücke  p,  nnd  p^ ,  von  welchen  p,  der  im  unteren 
Zimmer  bestehende  Ueberdrnck  der  inneren  Lufb  über  die 
äussere,  p^  der  im  Niveau  des  Fussbodens  des  oberen  Zim- 
mers bestehende  XJeberdruck  der  äusseren  Luft  über  die 
innere  ist. 

Demnach  besitzt  (bei  Vernachlässigung  der  Dicke  der 
Zwischenschicht)  die  Luft  unterhalb  der  Trennungsfläche 
zunächst  den  Ueberdruck  pj  +  p^  über  die  oberhalb  der- 
selben Fläche  befindliche  Luft,  und  es  strömt  nun  in  das 
obere  Zimmer  mehr  Luft  ein,  als  vorher,  wo  dasselbe  in 
freier  Umgebung  war.  Die  nächste  Folge  ist,  dass  dieses 
Zimmer  einem  neuen  Beharrungszustande  zustrebt ,  in 
welchem  auch  mehr  Lufb  ausströmt.  Dieses  kann  aber  nur 
dadurch  geschehen,  dass  der  Druck  p^  zunimmt.  Die  Zu- 
nahme von  pg  (um  q)  hat  eine  Abnahme  von  p^  um  den- 
selben Betrag  zur  Folge,  weil  die  Summe  p'  =  P4  +  Pei 
welche  nur  von  der  Zimmerhöhe  und  den  Temperaturen 
abhängt,  constant  bleibt.  Somit  geht  Pe  ui  Pe  "h  ?i  ^^^ 
p^  in  p^  —  Q  über,  und  die  neutrale  Zone,  die  vorher  in 

der  Höhe  h'  1=:  ^  H'  lag,  rückt  nun  abwärts,  der  Tren- 
nungsfläche näher,  in  die  Höhe  — — j— ^  H'. 

Im  unteren  Zimmer  muss,  weil  nun  durch  die  Decke 
mehr  Luft  als  vorhin  ausströmt,  auch  die  einströmende 
Menge  wachsen.  Es  wächst  demnach  p^  (um  /),  und  um 
ebensoviel  muss  p^  abnehmen.  Die  neutrale  Zone  rückt 
aufwärts  der  Trennungsfläche  näher  und  liegt  schliesslich 
in  der  Höhe 

Po  +  y  g 
P 


G,  Recknagel:  Theorie  des  naUürlichen  Luftwechsels.       477 

Die  Grössen  q  nnd  y  können  bestimmt  werden  ans  den 
beiden  Gleichungen  des  Luftwechsels 

1.  (P.  +  r)  +  }  1, 524^' =  1 1.  Ü^'- + 

h  [p»  +  p*  —  (y  +  p)]  .  •  •  (5 

>.[p.+p.-fr+ö]+ji.'-«^'  = 

|i.^^*+UP.+»)-.-  (6. 

welche  man  zu  diesem  Zweck  mit  Hilfe  von  p^  4"  Ps  ^  P> 
P4  4"  Pe  ^^  P'  ^^  ^^^  einfacheren  Formen 

(Po  +  y)io  +  |ii(Po-p«  +  2y)  = 

1«  [p,  +  p*  -  (y  +  p)]  •  • .  (5' 

1«  [p,  +  p*  -  (y  +  ?)]  +  I U  (p*  -  P6  -  2?)  = 

1«  (p.  +  ?)  •  •  •  (6' 

überfuhren  kann. 
Da  auch  gilt 


lo  Po  +  7  li  (Po  -  P»)  =  If  P»  j 


Gleichangen  den  normalen 
j  I  Luftwechsels, 

1»  P4  +  -g  ^6  (Pi  —  Pe)  =  ^6  Pe 
80  erhält  man  noch  ein&cher 

lo  y  +  ii  y  =  U  (p4  -  (y  +  q)) 
U  (p»  -  (y  +  e))  -  is  ?  =  U  ? 

[1878.  4.  Hath.-ph78.  Cl.]  32 


478  Sittung  der  math.-^».  Classe  vom  6.  Jvii  18!f8. 

und  hieraus 

I'  y  +  Ij  e  =  li  P*  .  .  .  (S" 

I,  y  +  L>  =  1,  p,  .  .  .  (6N 


wodurch 


„_  \  (L  P,  —  Ij  pj 
*  ~       L'  L  —  1,» 

,  _  1.  jy  P.  -  1.  P«) 
^~       L'L  — 1,» 


•     •     • 


F.  7 


wird. 


Fär  die  Berechnung  des  Luftwechsels  bei- 
der Zimmer  dürften  die  Formeln 

W'  =  i,[p,  +  P,  -(y+?)]  + 1 15  ^-5^^* ...  F.  8 

(Einströmang  in  das  obere  Zimmer) 

w  =  i,[p.  +  P4-(y  +  e)]  +  |i/-^«^*...P.  9 

(AusstrQmimg  aus  dem  onteren  Zimmer) 
am  bequemsten  sein. 

Ausserdem  gilt  auch 

W'  -  I,  (p,  +  ?)  +  I5  ^5^t^*  .  .  .  P.  8- 
(Ausströmimg  aus  dem  oberen  Zimmer) 

W  =  lo  (Po  +  y)  +  1.  ^^^^Y^  ...  F.  9' 

(Einströmang  in  das  untere  Zimmer) 

In  diesen  Formeln  stellen  die  ersten  Glieder  die  Luft- 
mengen dar,  welche  durch  die  horizontalen  Wände  gehen« 
die  zweiten  Glieder  geben,  was  durch  den  jedesmal  an- 
grenzenden Theil  der  vertikalen  B^renzung  strömt. 


Q.  Becknagel:  Iheorie  des  natürlichen  Luftwechsels,       479 

Die  Discontinuitat  in  der  Richtung  der  Wände  verur- 
sacht indessen  hinsichtlich  der  Anwendung  dieser  Formeln 
eine  Ausnahme.  Ist  p^  L  <  1^  p^,  was  auch  bei  wenig 
verschiedenen  Durchlässigkeiten  beider  Zimmer  dann  vor- 
kommen kann,  wenn  die  Temperatur  des  oberen  Zimmers 
viel  höher  ist  als  die  des  unteren,  so  ist  p^  —  y  negativ 
Po  4"  y  >  Pi  ^^^  somit  die  neutrale  Zone,  welcher  das 
zweite  Glied  des  Luftwechsels  seine  Existenz  verdankt,  aus 
dem  unteren  Zimmer  verschwunden.  Es  betheiligt  sich  in 
Folge  des  übermässigen  Ansaugens,  welches  von  Seiten  des 
oberen  Zimmers  erfolgt,  ausser  dem  Boden  des  unteren 
Zimmers  auch  noch  dessen  gesammte  vertikale  Begrenz- 
ung am  Einlassen  der  Luft,  die  durch  die  Decke  allein 
nach  dem  oberen  Zimmer  abströmt.  Somit  verschwindet 
in  diesem  Fall  das  zweite  Glied  aus  der  Formel  W  des 
unteren  Luftwechsels,  und  dieser  ist  auf  das  erste  Glied 

h  [p2  +  P4  -  (y  +  e)]  1 

welches  die  durch  die  Decke   nach   oben   strömende   Luft- 
menge gibt,  beschränkt. 

Analoges  tritt  im  oberen  Zimmer  ein,  wenn 

P4  ^'  <  If  P2  1 
also  bei  wenig  verschiedenen  Durchlässigkeiten  die  Tem- 
peratur des  unteren  Zimmers  bedeutend  höher  ist.  Die 
Decke  und  die  ganze  vertikale  Wand  des  oberen  Zimmers 
lassen  dann  Luft  hinaus,  während  die  Einströmung  durch 
den  Fnssboden  allein  stattfindet.  Die  Formel  W'  des  Luft- 
wechsels reducirt  sich  dann  auf  das  erste  Glied 


h  (p«  +  Pi  —  (y  +  Q))  • 


Der  Beweis  für  die  Richtigkeit  der  eben  aufgestellten 
Behauptungen  wird  dadurch  geführt,  dass  man  die  Giltig- 
keit   der  ^us  den  Formeln  (F.  7)   berechneten  Werthe  von 


480  Sitzung  der  mabhrphys.  Glosse  vom  6,  Juli  1878. 

y  nnd  q  auch  für  den  Fall  nachweist,  dass  die  neutrale 
Zone,  deren  Existenz  bei  Aufstellung  der  Gleichungen  (5 
und  (6  vorausgesetzt  wurde,  in  einem  der  beiden  Zimmer 
nicht  mehr  vorhanden  ist. 

Fehlt  die  neutrale  Zone  im  unteren  Zimmer,  so  erhält 
man  die  durch  dessen  vertikale  Begrenzung  einströmende 
Luftmenge,  wenn  man  1^  mit  dem  arithmetischen  Mittel 
der  am  unteren  und  oberen  Ende  bestehenden  Ueberdrücke 
(der  äusseren  Luft  über  die  innere)  multiplizirt.  Demnach 
wird  die  Gleichung  des  Luftwechsels  im  unteren  Zimmer 

lo  (Po  + /)  +  l/P»  +  ^^^  t  ^'' ~ ''^   - 

K  (p*  +  P*  -  (Y'  +  Q'^) 
und  im  oberen 

1.  (p,  +  P4  -  (y +  ?'))  + y  »5  ^^*^- = 

i  U  ^^- +  Up«  +  .0 

Da  die  erste  dieser  beiden  Gleichungen  mit  (5%  die 
zweite  mit  (6  identisch  wird  ,  wenn  man  y',  q*  durch  y ,  q 
ersetzt,  so  ergeben  sich  für  die  hier  angenommenen  Er- 
gänzungen y',  q'  die  oben  für  y  und  q  abgeleiteten  Werthe. 

Stellt  man  die  Gleichungen  des  Luftwechsels  für  den 
Fall  auf,  dass  im  oberen  Zimmer  die  neutrale  Zone  fehlt, 
so  kommt  man  auf  die  Gleichungen  (5  und  (6*,  also  eben- 
falls auf  die  Formeln  (F.  7),  was  zu  beweisen  war. 

2.    Diskussion   der  Formeln   des  Luftwechsels. 
Die  Ungleichungen 

I^  P2  <  1«  P4 
lg  pg  >  L'  p^ 


6r.  Becknagel:  Theorie  des  natürlichen  Luftwechsels,        481 

sind  auch  entscheidend  für  Beantwortung  der  Frage,  ob 
eines  der  beiden  Zimmer  bei  der  angenommenen  gegenseitigen 
Lage  grösseren  oder  kleineren  Luftwechsel  hat,  als  bei  voll- 
ständig freier  Umgebung. 

Vergleicht  man  nämlich  die  oben  mit  (P.  8*)  und 
(P.  9*)  bezeichneten  Pormeln  mit  denen  des  vollständig 
freien  Luftwechsels 


1    ü    J-li     Po 
^0  Po  -t-  2  ^1 


2 


1    D    4-li    iL 

so  folgt,  dass  der  modificirte  Luftwechsel  dem  freien  gegen- 
über gesteigert  oder  vermindert  ist,  je  nachdem  die  Druck- 
änderungen ^,  y  positiv  oder  negativ  ausfallen. 

Bei  einer  Untersuchung  über  die  Vorzeichen  von  q 
und  y  ist  zu  beachten,  dass  die  Grössen  L ,  L'  nur  positiv 
sein  können,  und  dass  auch  der  Nenner  L  L'  —  1^  *  immer 
positiv  ist,  weil  \^  nur  ein  Glied  der  Entwickelung  von 
L  L'  bildet ,  welche  aus  lauffer  positiven  Gliedern  besteht. 
Was  endlich  die  Grössen  Pg  und  p^  betrifiFt,  so  stellen  sie 
diejenigen  Ueberdrücke  dar,  welche  unter  normalen  Um- 
ständen in  dem  unteren  Zimmer  an  der  Decke,  im  oberen 
am  Pussboden  bestehen  und  haben  daher,  wenn  sie  positiv 
sind,  insofern  entgegengesetzten  Sinn,  als  p^  einen  Ueber- 
druck  der  inneren  Luft  über  die  äussere,  p^  einen  Ueber- 
druck  der  äusseren  Luft  über  die  innere  bezeichnet.  Diese 
Grössen  sind  von  den  Temperaturen,  Dimensionen  und 
Durchlässigkeiten  abhängig,  wie  in  der  ersten  Abhandlung 
(S.  443)  nachgewiesen  ist,  und  so  lange  beide  Zimmer 
höhere  Temperatur  als  ihre  Umgebung  haben,  immer 
positiv. 


482  Sitzung  der  math.-phy8.  Glosse  vom  6.  JtUi  1878. 

Somit  ist  Q  positiv  und  der  Luftwechsel  des  oberen 
Zimmers  gesteigert,  so  lange 

I^  Pi  >  ^2  P4'; 
hingegen  ist  Q  negativ  und   der  Luftwechsel  oben  vermin- 
dert, wenn 

Da  andererseits  y  n^ativ,  Null  oder  positiv  wird,  je 
nachdem 

^'  P4  =  \  P21 

so  ist  der  Luftwechsel  des  unteren  Zimmers,  je  nachdem 
eine  dieser  Beziehungen  stattfindet,  kleiner,  ebenso  gross 
oder  grösser  als  bei  vollständig  freier  Umgebung. 

Man  kann  demnach  (mit  Rücksicht  auf  S.  479)  die 
Antwort  auf  die  gestellte  Frage  auch  in  folgender  Form 
geben:  Liegt  ein  Zimmer  so  über  einem  andern,  dass  die 
Decke  des  einen  zugleich  den  Fussboden  des  andern  bildet, 
und  haben  beide  Zimmer  höhere  Temperatur  als  die  freie 
Umgebung,  so  ist  der  Luftwechsel  in  einem  dieser  Zimmer 
grösser,  eben  so  gross  oder  kleiner  als  bei  allseitig  freier 
Umgebung  desselben,  je  nachdem  im   andern   Zinmier  die 

neutrale  Zone  innerhalb  der  vertikalen  Wand,  an  deren 
Grenze,    oder   ausserhalb  derselben  liegt. 

Ferner  erkennt  man,  dass  nie  in  beiden  Zimmern  zu- 
gleich der  Luftwechsel  dem  freien  gleich  oder  geringer  als 
dieser  sein  kann.     Denn  aus 

I^  P2  ^  1«  Pi 

folgt 

I^'  P4  >  '2  P21 

und  aus 

^'  P4  ^  If  P2 

folgt 

^V%>\  P4- 


G,  Becknagel:  Theorie  des  natwrlichen  Luftwechsels.       483 

Wohl  aber  kann  der  Luftwechsel  in  beiden  Zimmern 
zugleich  gesteigert  sein. 

Stellt  man  alle  Fälle  zusammen,  so  erhält  man  folgende 
üebersicht: 

1  L' 

Liegt  p,  zwischen  -y-  p^  und  -r—  p^ ,  so  ist  der  Luft- 

Wechsel  in   beiden  Zimmern  gesteigert.     Bleibt   p,    unter 

dem  Werthe  -p-  P4 ,    so   ist   der   Luftwechsel   des   unteren 

Zimmers  gesteigert,   der   des  oberen   yermindert.     Geht  p, 

über  y~  P4  hinaus,  so  ist  der  Luftwechsel  des  oberen  Zim- 

mers  gesteigert,  der  des  unteren  vermindert. 

Aus  den  Gleichungen 

I2 
P2  =  ^  P4 

L' 
P2  =  1-  P4 

kann  man  die  beiden  Grenztemperaturen  berechneui 
bei  welchen  ein  Wechsel  in  dem  allgemeinen  Grössenver- 
hältniss  des  freien  zu  dem  durch  gegenseitige  Beeinflussung 
der  Zimmer  veränderten  Luftwechsel  eintritt. 

Diese  Gleichungen  lassen  sich  mit  Hilfe  der  Gleich- 
ungen (n)  umformen  in 


«: 


*\   "^^ 

n' 

i,(i| 

+ 

1 
2 

I5) 

p  — 

P 

L'Oo 

+ 

1 

2 

li) 

p' 

L(l, 

+ 

1 
2 

1«) 

V  — 

1,(1. 

+ 

1 
2 

li) 

484  Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  6.  Juli  1878. 

und  gehen  darch  Substitution  für  p  und  p'  über  in 

T-t  ^  T^-t  ^>  Os  +  2"  ^5) 

270  +  T  +  t    -         270  +  T'  +  f  ^.^,^^|j^j 

T-t         _  V-t  I^  Oe  +  2^  ^^> 

270  +  T  +  t    ~         270  +  T'  +  t  *    .    n     .     1  1  x 

Nimmt  man  hier  T'  als  gegeben  an,  so  findet  man 
zwei  Werthe  für  T  (T^  <  0),  welche  das  Temperaturiuter- 
vall  begrenzen,  innerhalb  dessen  der  Luftwechsel  beider 
Zimmer  gesteigert  ist.  Ist  T  <  T^ ,  so  ist  der  Luftwechsel 
des  oberen  Zimmers  vermindert,  ist  T  >  @,  so  ist  der  Luft- 
wechsel des  unteren  Zimmers  dem  freien  gegenüber  ver- 
mindert. 

Umgekehrt  kann  man  T  als  gegeben  betrachten  und 
die  entsprechenden  Qrenzwerthe  von  T'  (T'^  <  ©')  be- 
rechnen. 

Beispiel.  Nimmt  man  den  früheren  Angaben  gemäss 

le  =  I2  ='01  I5  ==1m  I2  =  5.35,  1,  =24.3,6,  H  = 
H'  =  3,6 ,  t  =  0 ,  T'  constant  und  gleich  20^  C,  so  muss, 
damit  der  Luftwechsel  des  oberen  Zimmers  grosser  wird 
als  bei  freier  Umgebung,  die  Temperatur  des  unteren  Zim- 
mers 7,7°  C  überschreiten. 

Das  untere  Zimmer  hat,  während  seine  Temperatur 
von  0^  G  an  wächst,  gesteigerten  Luftwechsel ,  bis  dieselbe 
56,1^  überschreitet.  Von  da  an  bildet  das  obere  Zimmer 
ein  Hindemiss  für  den  Luftwechsel  des  unteren. 

Wenn  die  Temperatur  des  oberen  Zinuners  constant 
20^  ist  und  die  des  unteren  zwischen  7,7*  und  56,1®  liegt, 
haben  beide  Zimmer  grösseren  Luftwechsel  als  bei  freier 
Umgebung. 


G,  Becknagel:  Theorie  des  natürlichen  Luftwechsels.      485 

Ist  z.  B.  die  Temperatur  des  unteren  Zimmers  eben- 
falls 20^  so  berechnet  sich  der  Luftwechsel  in  jedem  der 
beiden  Zimmer  zu  41,8  C"*,  während  derselbe  nur  31,5  C" 
betrüge,  wenn  jedes  der  beiden  Zimmer  durchaus  von  freier 
Luft  umgeben  wäre. 

Vom  hygienischen  Standpunkt  ist  zu  diesen  Resultaten 
ähnliches  su  bemerken  wie  in  (I).  Sind  beide  Zimmer  be- 
wohnt, so  zieht  nur  das  untere  wirklichen  Nutzen  aus 
der  Steigerung  des  Luftwechsels,  welche  durch  Heizen  des 
oberen  bewirkt  wird.  Das  obere  hingegen  verliert  bei  der- 
jenigen Steigerung  seines  Luftwechsels,  welche  durch  Heizen 
des  unteren  Zimmers  hervorgebracht  wird,  einen  Theil  der 
vortheilhafben  Strömung,  welche  ihm  durch  den  unteren 
Theil  der  vertikalen  Wände  Luft  aus  dem  Freien  zuführte, 
während  der  Strom  verbrauchter  Luft,  der  durch  den  Fuss- 
boden  aus  dem  unteren  Zimmer  eindringt,  um  mehr  als 
jenen  Verlust  anwächst.  Es  sind  somit  auch  an  dieser 
Stelle,  also  für  den  im  Winter  bei  weitem  häufigsten  Fall, 
dem  oben  Wohnenden  die  in  (I)  angegebenen  Massregeln 
zu  empfehlen. 

Znsammenstellnng 

der  Formeln,  welche  zur  Berechnung  des  Luftwechsels  zweier 
Zimmer  dienen,  deren  eines  über  dem  anderen  liegt. 

1.    Oberes   Zimmer, 
a)  Wenn 

P«  <  T"  P4 
Einströmung  durch  den  Boden: 

I2  [pi  +  P2  —  (?  +  y)]- 

Einströmung  durch  die  vertikalen  Wände: 


486  Sitzung  der  ma(h.'pky8.  Glosse  vom  6,  Juli  1878, 

Aasströmnng  darch  die  yertikalen  Wände: 

1   (p«  +  g)' 

*         2  p' 
Aussbrömang  durch  die  Decke: 

le  (P«  +  ?)• 
b)  Wenn 

L'  ' 

Pi  >  T-  P*» 

Mnströmang  durch  den  Boden: 

1,  [p4  +  p»  —  fe  +  y)]- 

Einstromang  dorch  die  vertikaien  Wände: 

Null. 

Ausströmung  durch  die  vertikalen  Wände: 

g-  's  (P«  —  P*  +  2  ?). 

Ausströmung  durch  die  Decke: 

1.  (P,  +  C). 

2.  Unteres  Zimmer, 
a)  Wenn 

Einströmung  durch  den  Boden: 

^0  (Po  +  y)- 

Einströmung  durch  die  vertikalen  Wände: 

,    (Po  +  y)' 

Ausströmung  durch  die  vertikaien  Wände: 

,    (p.-y)' 

*» — 2^ 

Ausströmung  durch  die  Decke: 

1,  [p*  +  Pi  —  (?  +  y)]- 


G,  Becknagel:  Theorie  des  natürlichen  Luftwechsels.       487 
b)  Wenn  L 

P2  <  -^  P4' 

Einströmung  durch  den  Boden: 

^0  (Po  +  y)- 

Einströmung  durch  die  vertikalen  Wände: 

-2  ll  (Po  -  P«  +  2  y). 

Ausströmung  durch  die  vertikalen  Wände: 

Null. 


Ansströmnng  dnrcb  die  Decke: 

1,  [P*  +  P.  - 

(« +  y)] 

HiezQ  kommt: 

1,  (L  p,  —  1,  P4) 

j 

,,  _  1.  (^'  Vi.  -  1.  P. 
^~       LL'  — 1,» 

• 

1»  +  2  ^x 

^.+  1-^ 

P.  —  P        I, 

P.  —  P        L 

__.,''  +  i'' 

P4  —  P              l^s              » 

P«  —  P          L/ 

p  =  H .  1,293  4 

T  — t 

270  +  T  +  t 

P'_HM,293  4 

T'  — t 

270  +  T'  +  t 

in. 

Verallgemeinerung  der  Resultate. 

Es   sollen   nun   die   Bedingungen  angegeben    werden, 
unter   denen  die  im  zweiten  Theil  (II)  erhaltenen  Formeln 


488  Sitzung  der  maJth.-phys.  Classe  vom  6.  Jtdi  1878, 

für  die  übrigen  Fälle  gelten,  welche  durch  Abänderung  der 
Beziehungen  zwischen  den  3  Temperaturen  T',  T,  t  com- 
binirt  werden  können. 

1)  Die  früher  (in  I)  behandelten  Aufgaben,  wo  eines 
der  beiden  Zimmer  die  Temperatur  der  Umgebung  hat,  das 
andere  aber  eine  höhere  Temperatur,  sind  unbedingt  be- 
sondere Fälle  von  (II).  Je  nachdem  das  untere  oder  das 
obere  Zimmer  das  kältere  ist,  wird  T  zz  t  oder  T'  zu  t, 
und  da  im  ersten  Fall,  wegen 

pzz:  0,  Pj  =  0, 

Pa  <  -^  Pi  nnd  Pg  <  j-  P4  ist; 

im  zweiten  Fall,  wegen 

p'  =  0,  P4  =  0, 
L'  ^  I2 

P2   >   J-  P4    l^^d    P2  >  ^   P4' 

so  gilt  für  das  Zimmer,  welches  die  Temperatur  der  Um- 
gebung hat,  der  in  der  Zusammenstellung  (S.  485  ff.  unter  b) 
yerzeichnete ,  für  das  wärmere  der  unter  a)  aufgeführte 
Luftwechsel. 

2)  Sind  beide  Zimmer  kälter  als  die  Um- 
gebung, so  sind  ebenfalls  sämmtliche  Formeln  unbedingt 
zulässig.  Da  T  <  t  und  T'  <  t,  werden  sämmtliche  Ueber- 
drücke  negativ,  und  auch  die  Veränderungen  derselben 
(?»  Y)  wechseln  ihr  Vorzeichen.  Die  I^uftwechsel  erscheinen 
mit  negativem  Vorzeichen,  was  auf  den  thatsächlich  ein- 
getretenen Wechsel  in  der  Richtung  der  Luftströmungen 
hinweist. 

In  den  Ungleichungen,  welche  zwischen  den 
Formeln  des  Luftwechsels  entscheiden,  sind  die  absoluten 
Werthe  der  Ueberdrücke  pg  und  p^  anzuwenden. 

3)  Hat  eines  der  beiden  Zimmer  die  Tem- 
peratur   der    Umgebung,    während    das    andere 


G.  Becknagel:  Theorie  des  natürlichen  Luftwechsels,        489 

kälter  ist,  so  sind  ebenfalls  sämmtliche  Formeln  unbe- 
dingt anwendbar,  und  zwar  gelten  ans  analogen  Gründen 
wie  in  1)  für  das  Zimmer,  welches  die  Temperatur  der 
Umgebung  hat,  die  unter  b)  vorgetragenen  Formeln,  hin- 
gegen für  das  kältere  die  unter  a)  eingesetzten. 

4)  Zuletzt  ist  noch  denkbar,  dass  das  eine  Zimmer 
kälter,  das  andere  wärmer  als  die  Umgebung  ist.  Dieser 
Fall  soll  besonders  erklärt  werden. 

Ist  das  obere  Zimmer  wärmer,  so  ist  zu  beiden  Seiten 
der  horizontalen  Trennungsschicht  der  Luftdruck  geringer 
als  im  gleichen  Niveau  der  Umgebung,  und  es  ist  zunächst 
sowohl  für  die  Richtung  als  für  die  Menge  der  durch  die 
Zwischenschicht  strömenden  Luft  die  Differenz  der  beiden 
Minderdrucke  (p^  und  p^)  massgebend.  Ist  (absolut) 
P2  >  P41  ^^  wirkt  der  geringere  Minderdruek  (P4),  dem 
grösseren  Minderdruck  (p^)  gegenüber  als  Ueberdruck,  und 
es  geht  die  Luft  durch  die  Decke  von  oben  nach  unten ; 
hingegen  strömt  sie  von  unten  nach  oben,  wenn  p,  <  p^  ist. 
Da  nun  bei  vollständig  freier  Umgebung  beider  Zimmer  die 
Luft  sowohl  durch  den  Boden  in  das  obere  Zimmer  als  durch  die 

Decke  in  das  untere  einströmen  würde,  beides  zugleich  aber 
bei  der  Gombination  der  Zimmer  unmöglich  ist,  so  ist  in 
einem  der  beiden  Zimmer  der  Luftwechsel  abnorm.  Die 
neutrale  Zone  scheidet  hier  die  Flächen  nicht  mehr  in  ein- 
lassende und  hinauslassende,  sondern  es  liegen  auf  derselben 
Seite  der  neutralen  Zone  Flächen,  welche  sich  in  entgegen- 
gesetztem Sinn  am  Luftwechsel  betheiligen. 

Analoge  Erwägungen  führen  zu  dem  allgemeinen  Re- 
sultat, dass  der  stationäre  Luftwechsel  in  demjeni- 
gen der  beiden  Zimmer  dem  freien  ähnlich  ist,  in  welchem, 
zunächst  der  Zwischenschicht,  der  grössere  Ueberdruck  oder 
Minderdruck  besteht. 

Also  in  dem  oberen,  wenn  dem  absoluten  Zahlen- 
werthe  nach 


490  Sitzung  der  math-phys,  Glosse  vom  6,  Juli  1878. 

V^  —  Q>Vi—Yf 
and  in  dem  unteren,  wenn  umgekehrt 

P»  —  y  >  P4  —  ?• 
Dieser  dem  normalen  ähnliche  Luftwechsel  wird  durch 
die  in  der  Zusammenstellung  (8.  485  S.)  unter  a)  gegebenen 
Formeln  ausgedrückt.  Denn  da  in  diesem  Fall  der  Luft- 
ström  durch  die  Zwischenschicht  immer  schwächer  ist  als 
bei  freier  Umgebung,  so  hat  im  oberen  Zimmer  (—  q)  mit 
p^,  im  unteren  ( —  y)  mit  p,  gleiches  Vorzeichen,  und  es 
kann  nicht  vorkonmien,  dass  p^  —  q  oder  p,  —  y  Null 
oder  n^ativ  werden.  Auch  bleibt  nothwendig  P4  —  ß  <C  p' 
und  pj  —  y  <  P  >  da  ausserdem  nur  eine  Art  der  Ström- 
ung im  Zimmer  stattfinden  würde. 

Auch  der  abnorme  Luftwechsel  des  anderen  Zimmers 
ist  durch  die  Formeln  der  Zusammenstellung  (S.  485  £P.)  ge- 
geben, und  zwar  durch  die  unter  a)  vorgetragenen,  wenn 
(absolut) 

P4  -  ?  <  P'i 
beziehungsweise 

p»  -  y<p; 

hingegen  durch  die  Formeln  b),  wenn  (absolut) 

Va-  Q  >  P'f 
beziehungsweise 

p»  -  y  >  p. 

Man  sieht,  dass  für  die  Wahl  der  Formeln  die  Er- 
wägung, ob  der  Luftwechsel  normal  oder  abnorm  ist,  nicht 
entscheidet;  sondern  dass  man  sich  auf  Beachtung  der  zu- 
letzt angeschriebenen  vier  Ungleichungen  beschränken  kann. 

Bei  allen  Uebertragungen  der  Formeln  (Zusammenstel- 
lung S.  485  ff.)  auf  Fälle,  für  welche  sie  nicht  direkt  abge- 
leitet sind,  ist  zu  beachten,  dass,  so  oft  ein  Glied  des  Luft- 
wechsels negativ  ausfällt,  die  Art  der  Strömung  der  in 
der  Ueberschrift  angegebenen  entgegengesetzt  ist,  also  Ein- 


G,  Becknagel:  Iheorie  des  natürlichen  Luftwechsels.        491 

Strömung  durch  Ausströmung  und  umgekehrt  ersetzt  wer- 
den muss. 

Beispiel.     Gelten    für   die   beiden   Zimmer   die   den 
früheren  Rechnungen  zu  Grund  gelegten  Annahmen: 

lo  =  I2  =  Is  =  175,  1^  ==  Iß  =  86,4,  H  =  H'  --.  3,6 
T'  =  20«,  t  =  0«,  aber  T  =:  —  10^ 
so  ist  (der  Barometerstand  =  760""  vorausgesetzt) 
p'  =  0,32,  p^  =  pg  =  0,16 
p  =  —  0,176,  p,,  =  p,  =  —  0,088 
^  =  —  0,073 
y  =  +  0,093. 
Da  dem  absoluten  Zahlenwerth  nach 

P>  -  y  <  P4  -  ft 
so  geht  der  Strom  durch  die  Decke  aufwärts,  und  der  dem 

freien  ähnliche  Luftwechsel   des  oberen   Zimmers 

kann  nach  der  Formel  1)  a 

berechnet  werden.  Man  findet  16,3  G"  für  diese  Einström- 
ung, also  bedeutend  weniger  als  bei  freier  Umgebung,  wo 
sie  31,5  C"  betragen  würde. 

Sucht  man  den  Luftwechsel  des  unteren  Zim- 
mers, so  erkennt  man  zunächst,  dass  (absolut) 

p»  -  y  >  P 

(nämlich  0,181  >  0,176),  und  mithin  zur  Berechnung  des 
Luftwechsels  die  Formeln  2)  b  dienen. 
Man  erhält 

lo  (Po  +  y)  =  175  .  0,005 
oder  0,875  G"  für  die  Einströmung  durch  den  Boden, 

-2  ^1  (Po  -  P«  +  2  y)  =  86,4  .  0,093 

oder  8,035  C"  für  die  Einströmung  durch  die  vertikalen 
Wände. 


492  Sitzung  der  math.'phys,  Classe  vom  6,  JiUi  1878, 

Diese  8,9  G"^  strömen  durch  die  Decke  aus,  was  man 
durch  Berechnung  der  Formel 

\  [P4  +  Pg  -  (?  +  y)]   =    175  .  0,052, 

in  den  ganzen  Gubikmetern  übereinstimmend ,  ebenfalls 
findet. 

Bei  freier  Umgebung  würde  der  Luftwechsel  des  un- 
teren Zimmers  17,3  C""  betragen  haben. 

Die  starken  Veränderungen,  welche  in  dem  berechneten 
Beispiel  durch  gegenseitige  Einwirkung  der  beiden  Zimmer 
entstehen,  machen  dasselbe  besonders  instruktiv. 

Die  Figur  (Nr.  3)  gibt  eine  graphische  Darstellung  . 
der  Drnckvertheilung,  welche  aus  den  der  Rechnung  zu 
Grunde  liegenden  Angaben  folgt.  Die  Begrenzung  der 
Zimmer  ist  durch  Doppelstriche  ang^eben.  Durch  die 
punktirten  Linien  sind  diejenigen  Ueberdröcke  begrenzt, 
welche  bei  vollständig  freier  Umgebung  in  jedem  einzelnen 
Zimmer  den  Luftwechsel  bewirken  würden.  Die  einfach 
ausgezogenen  Linien  begrenzen  die  Ueberdrücke,  welche 
sich  entwickelt  haben,  nachdem  die  Gombination  beider 
Zimmer  einen  Beharrnngszustand  erreicht  hat. 

Im  unteren  Zimmer  fehlt  schliesslich  die  neutrale  Zone, 
welche  vorher  bei  N„  lag,  und  es  strömt  sowohl  durch  die 
ganze    vertikale  Begrenzung    (unter   dem   mittleren   Ueber- 

druck  -^ — J   als   durch   den    Boden    (unter    dem 

Ueberdruck  0,005)  Lufb  ein,  während  eine  gleich  grosse 
Luftmasse  (unter  dem  Ueberdruck  0,052)  durch  die  Decke 
entweicht. 

Im  oberen  Zimmer  lag  die  neutrale  Zone  vorher  .  bei 
No  und  ist  schliesslich  nach  N  hinaufgerückt,  weil  der  stark 
verminderten  Boden-Einströmung  verminderte  Ausströmung 
entsprechen  muss. 


Fifjnr  J. 


i,.,Wnfh.   p}nj^.  rij 


LüK.AiustaU  v  Crt^\)VÜde.r  0>i^ac\vw:  ,'^Ki-w3cveTv 


482  Sitzung  der  mcUh.-phys.  Glosse  vom  6,  Juli  1878. 

Somit  ist  q  positiv  und  der  Luftwechsel  des  oberen 
Zimmers  gesteigert,  so  lange 

L  P,  >  1«  P4'; 
hingegen  ist  q  negativ  und   der  Luftwechsel  oben  vermin- 
dert, wenn 

I^  Pa  <  '2  P4- 
Da  andererseits  y  negativ,  Null  oder  positiv  wird,  je 
nachdem 

^'  P4  =  \  P«i 

so  ist  der  Luftwechsel  des  unteren  Zimmers ,  je  nachdem 
eine  dieser  Beziehungen  stattfindet,  kleiner,  ebenso  gross 
oder  grösser  als  bei  vollständig  freier  Umgebung. 

Man  kann  demnach  (mit  Rücksicht  auf  S.  479)  die 
Antwort  auf  die  gestellte  Frage  auch  in  folgender  Form 
geben:  Liegt  ein  Zimmer  so  über  einem  andern,  dass  die 
Decke  des  einen  zugleich  den  Fussboden  des  andern  bildet, 
und  haben  beide  Zimmer  höhere  Temperatur  als  die  freie 
Umgebung,  so  ist  der  Luftwechsel  in  einem  dieser  Zimmer 
grösser,  eben  so  gross  oder  kleiner  als  bei  allseitig  freier 
Umgebung  desselben,  je  nachdem   im   andern   Zimmer  die 

neutrale  Zone  innerhalb  der  vertikalen  Wand,  an  deren 
Grenze,    oder   ausserhalb  derselben  liegt. 

Ferner  erkennt  man,  dass  nie  in  beiden  Zimmern  zu- 
gleich der  Luftwechsel  dem  freien  gleich  oder  geringer  als 
dieser  sein  kann.     Denn  aus 

^  P2  <  \  P4 

folgt 

L'  p^  >  \  p„ 

und  aus 

L'  P4  ^  If  P2 

folgt 

L  pj  >  1,  p^. 


O,  Becknagel:  Theorie  des  natürlichen  Luftwechsels.       483 

Wohl  aber  kann  der  Luftwechsel  in  beiden  Zimmern 
zugleich  gesteigert  sein. 

Stellt  man  alle  Fälle  zusammen,  so  erhält  man  folgende 
Uebersicht: 

1  L' 

Liegt  pg  zwischen  -y-  p^  nnd  y-  P4 1  so  ist  der  Luft- 
wechsel in  beiden  Zimmern  gesteigert.  Bleibt  p,  unter 
dem  Werthe  -p  P4  9  so  ist  der  Luftwechsel  des  unteren 
Zimmers  gesteigert,  der  des  oberen  vermindert.  Geht  p, 
über  -r—  P4  hinaus,  so  ist  der  Luftwechsel  des  oberen  Zim- 

mers  gesteigert,  der  des  unteren  vermindert. 

Aus  den  Gleichungen 

L 

L' 
Pf  =  T"  P* 

kann  man  die  beiden  Grenztemperaturen  berechneui 
bei  welchen  ein  Wechsel  in  dem  allgemeinen  Grossenver- 
hältniss  des  freien  zu  dem  durch  gegenseitige  Beeinflussung 
der  Zimmer  veränderten  Luftwechsel  eintritt. 

Diese  Gleichungen  lassen  sich  mit  Hilfe  der  Gleich- 
ungen (n)  umformen  in 


L'  Oo  +  I  h) 


Lo.  +  Iu 

p  —-  p^  

1,  0«  +  I  Ix) 


484  Sitzung  der  mathr^ys.  Glosse  wnii  6.  Jidi  1878. 

und  gehen  darch  Substitution  für  p  und  p'  über  in 

T-t         ^  T'-t  ^  0«  +  -2  ^») 

270  + T  +  f-         270  +  T'  +  fj^,^,^_^lj^^ 

H         T~t  _  T  —  t  ^  Oe  +  ^  ^g) 

270  +  T  +  t    -         270  +  T'  +  t  '    ,    n    u.   ^  1  ^ 

U  Uo  +  -2"  ^1^ 

Nimmt  man  hier  T'  als  gegeben  an,  so  findet  man 
zwei  Werthe  für  T  (T^  <  0),  welche  das  Temperaturiuter- 
vall  begrenzen,  innerhalb  dessen  der  Luftwechsel  beider 
Zimmer  gesteigert  ist.  Ist  T  <  T^, ,  so  ist  der  Luftwechsel 
des  oberen  Zimmers  vermindert,  ist  T  >  0,  so  ist  der  Luft- 
wechsel des  unteren  Zimmers  dem  freien  gegenüber  ver- 
mindert. 

Umgekehrt  kann  man  T  als  gegeben  betrachten  und 
die  entsprechenden  Qrenzwerthe  von  T'  (T'<,  <  ©')  be- 
rechnen. 

Beispiel.  Nimmt  man  den  früheren  Angaben  gemäss 

le  =^  I2  =  'oi  I5  ==  Im  I2  =  5  .  35,  1,  =  24.  3,6,  H  = 
H'  =  3,6 ,  t  =  0 ,  T'  constant  und  gleich  20^  C,  so  muss, 
damit  der  Luftwechsel  des  oberen  Zimmers  grösser  wird 
als  bei  freier  Umgebung,  die  Temperatur  des  unteren  Zim- 
mers 7,7^  C  überschreiten. 

Das  untere  Zimmer  hat,  während  seine  Temperatur 
von  0^  G  an  wächst,  gesteigerten  Luftwechsel ,  bis  dieselbe 
56,1^  überschreitet.  Von  da  an  bildet  das  obere  Zimmer 
ein  Hinderniss  für  den  Luftwechsel  des  unteren. 

Wenn  die  Temperatur  des  oberen  Zimmers  constant 
20^  ist  und  die  des  unteren  zwischen  7,7^  und  56,1^  liegt, 
haben  beide  Zimmer  grösseren  Luftwechsel  als  bei  freier 
Umgebung, 


G,  Becknagel:  Theorie  des  natürlichen  Luftwechsels,      485 

Ist  z.  B.  die  Temperatur  des  unteren  Zimmers  eben- 
falls 20  ^  so  berechnet  sich  der  Luftwechsel  in  jedem  der 
beiden  Zimmer  zu  41,8  C™,  während  derselbe  nur  31,5  C" 
betrüge,  wenn  jedes  der  beiden  Zimmer  durchaus  von  freier 
Luft  umgeben  wäre. 

Vom  hygienischen  Standpunkt  ist  zu  diesen  Resultaten 
ähnliches  su  bemerken  wie  in  (I).  Sind  beide  Zimmer  be- 
wohnt ,  so  zieht  nur  das  untere  wirklichen  Nutzen  aus 
der  Steigerung  des  Luftwechsels,  welche  durch  Heizen  des 
oberen  bewirkt  wird.  Das  obere  hing^en  verliert  bei  der- 
jenigen Steigerung  seines  Luftwechsels,  welche  durch  Heizen 
des  unteren  Zimmers  hervorgebracht  wird,  einen  Theil  der 
vortheilhafben  Strömung,  welche  ihm  durch  den  unteren 
Theil  der  vertikalen  Wände  Luft  aus  dem  Freien  zuführte, 
während  der  Strom  verbrauchter  Luft,  der  durch  den  Fuss- 
boden  aus  dem  unteren  Zimmer  eindringt,  um  mehr  als 
jenen  Verlust  anwächst.  Es  sind  somit  auch  an  dieser 
Stelle,  also  für  den  im  Winter  bei  weitem  häufigsten  Fall, 
dem  oben  Wohnenden  die  in  (I)  angegebeneu  Massregeln 
zu  empfehlen. 

Znsammenstellnng 

der  Formeln,  welche  zur  Berechnung  des  Luftwechsels  zweier 
Zimmer  dienen,  deren  eines  über  dem  anderen  liegt. 

1.    Oberes   Zimmer, 
a)  Wenn 

Einstromimg  darch  den  Boden: 

U  [p*  +  P2  —  (?  +  y)]- 

Einströmung  durch  die  vertikalen  Wände: 

,         (P4   -  g)' 


486  Sitzung  der  math.'phy8,  Glosse  vom  6.  Juli  1878, 

Aasströmnng  darch  die  vertikalen  Wände: 

Aosströmaiig  durch  die  Decke: 

1«  (P«  +  Q)' 
b)  Wenn 

L'  ' 

P«  >  1"  P41 

Einströmang  darch  den  Boden: 

1,  [Pi  +  P.  —  fe  +  y)]' 

Einströmang  durch  die  vertikalen  Wände: 

Null. 

Ausströmung  durch  die  vertikalen  Wände: 

2"  I5  (Pe  —  P*  +  2  ?). 

Aufiströmang  durch  die  Decke: 

le  (P«  +  ?)• 

2.   Unteres  Zimmer, 
a)  Wenn 

P»  >  X"  P* 
Einströmang  durch  den  Boden: 

lo  (Po  +  y)' 

Einströmang  durch  die  vertikalen  Wände: 

,    (Po  +  y)' 

Ausströmung  durch  die  vertikalen  Wände: 

,    (p.-y)' 

Ausströmung  durch  die  Decke: 


1,  [p*  +  P,  —  (C  +  y)] 


G.  Beeknagd:  Theorie  dee  matürUdten  Luftwedwis.       487 

b)  Wenn  L 

Pt  <  -J-  P*. 

Einströmang  durch  den  Boden: 

lo  (Po  +  r)- 

Einströmang  dorch  die  rertikalen  Wände: 

^  Ij  (Po  —  P»  +  2  y). 

Ansströnrang  dorch  die  veridkalen  Wände: 

Nnll. 


Ansströmnng  durch  die  Decke: 

1,  [Pi  +  P.  - 

id  +  y)] 

Hiezu  kommt: 

1,  (L  p,  -  1,  pj 
*~       LL'  — 1.» 

1 

,.       U  (I''  P4  -  J.  Pt 
^            LL'  — 1,» 

• 

^0  +  1  1. 

1^         ~~~"    Y\              ......         .    .       ,.         • 

i«  +  yU 

Pi  —  p       1 

p. — p   L 

._.,''  +  i'' 

P*  —  P         L/ 

P«  —  P          L/ 

p  =  H .  1,298  ^Jq 

T  — t 

270  +  T  +  t 

P'_HM.293  4 

T'  — fc 

270  +  T'  +  t 

HL 

Verallgemeinarting  der  Beiultate. 

Eb  sollan  nun  die   Bedingung^  angegeben   werden, 
unter  denen  die  im  zweiten  Tbeil  (H)  erhaltenen  Formeln      j 

1 


488  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  6.  Jtdi  1878. 

für  die  übrigen  Fälle  gelten,  welche  durch  Abänderung  der 
Beziehungen  zwischen  den  3  Temperaturen  T',  T,  t  com- 
binirt  werden  können. 

1)  Die  früher  (in  I)  behandelten  Aufgaben,  wo  eines 
der  beiden  Zimmer  die  Temperatur  der  Umgebung  hat,  das 
andere  aber  eine  höhere  Temperatur,  sind  unbedingt  be- 
sondere Fälle  von  (II).  Je  nachdem  das  untere  oder  das 
obere  Zimmer  das  kältere  ist,  wird  T  =  t  oder  T'  zu:  t, 
und  da  im  ersten  Fall,  wegen 

p  =  0,  Pg  =  0, 

1  L' 

P2  <  -^  p^  und  Pä  <  j-  P4  ist; 

im  zweiten  Fall,  wegen 

p'  =  0,  p^  =0, 


L'  ,  1 


P2  >  -]-  P4  ^^^  Pa  >  -j;  P41 

so  gilt  für  das  Zimmer,  welches  die  Temperatur  der  Um- 
gebung hat,  der  in  der  Zusammenstellung  (S.  485  ff.  unter  b) 
verzeichnete ,  für  das  wärmere  der  unter  a)  aufgeführte 
Luftwechsel. 

2)  Sind  beide  Zimmer  kälter  als  die  Um- 
gebung, so  sind  ebenfalls  sämmtliche  Formeln  unbedingt 
zulässig.  Da  T  <  t  und  T'  <  t,  werden  sämmtliche  Ueber- 
drücke  negativ,  und  auch  die  Veränderungen  derselben 
fe>  y)  wechseln  ihr  Vorzeichen.  Die  Luftwechsel  erscheinen 
mit  negativem  Vorzeichen,  was  auf  den  thatsächlich  ein- 
getretenen Wechsel  in  der  Richtung  der  Luftströmungen 
hinweist. 

In  den  Ungleichungen,  welche  zwischen  den 
Formeln  des  Luftwechsels  entscheiden,  sind  die  absoluten 
Werthe  der  Ueberdrücke  pg  und  p^  anzuwenden. 

3)  Hat  eines  der  beiden  Zimmer  die  Tem- 
peratur   der   Umgebung,    während    das    andere 


G.  EecknageU  Theorie  des  natürlichen  Luftwechsels.        489 

kälter  ist,  so  sind  ebenfalls  sämmtliche  Formeln  unbe- 
dingt anwendbar,  und  zwar  gelten  aus  analogen  Gründen 
wie  in  1)  für  das  Zimmer,  welches  die  Temperatur  der 
Umgebung  hat,  die  unter  b)  vorgetragenen  Formeln,  hin- 
gegen für  das  kältere  die  unter  a)  eingesetzten. 

4)  Zuletzt  ist  noch  denkbar,  dass  das  eine  Zimmer 
Kälter,  das  andere  wärmer  als  die  Umgebung  ist.  Dieser 
Fall  soll  besonders  erklärt  werden. 

.  Ist  das  obere  Zimmer  wärmer,  so  ist  zu  beiden  Seiten 
der  horizontalen  Trennungsschieht  der  Luftdruck  geringer 
als  im  gleichen  Niveau  der  Umgebung,  und  es  ist  zunächst 
sowohl  für  die  Richtung  als  für  die  Menge  der  durch  die 
Zwis^chenschicht  strömenden  Lufk  die  Differenz  der  beiden 
Minderdrücke  (p^  und  p^)  massgebend.  Ist  (absolut) 
P2  >  P41  ^^  wirkt  der  geringere  Minderdruck  (p4)t  dem 
grosseren  Minderdruck  (p^)  gegenüber  als  Ueberdruck,  und 
es  geht  die  Luft  durch  die  Decke  von  oben  nach  unten ; 
hingegen  strömt  sie  von  unten  nach  oben,  wenn  p,  <  p^  ist. 

Da  nun  bei  vollständig  freier  Umgebung  beider  Zimmer  die 
Luft  sowohl  durch  den  Boden  in  das  obere  Zimmer  als  durch  die 

Decke  in  das  untere  einströmen  würde,  beides  zugleich  aber 
bei  der  Combination  der  Zimmer  unmöglich  ist,  so  ist  in 
einem  der  beiden  Zimmer  der  Luftwechsel  abnorm.  Die 
neutrale  Zone  scheidet  hier  die  Flächen  nicht  mehr  in  ein- 
lassende und  hinauslassende,  sondern  es  liegen  auf  derselben 
Seite  der  neutralen  Zone  Flächen,  welche  sich  in  entgegen- 
gesetztem Sinn  am  Luftwechsel  betheiligen. 

Analoge  Erwägungen  führen  zu  dem  allgemeinen  Re- 
sultat, dass  der  stationäre  Luftwechsel  in  demjeni- 
gen der  beiden  Zimmer  dem  freien  ähnlich  ist,  in  welchem, 
zunächst  der  Zwischenschicht,  der  grössere  Ueberdruck  oder 
Minderdruck  besteht. 

Also  in  dem  oberen,  wenn  dem  absoluten  Zahlen- 
werthe  nach 


490  Sitzung  der  math.'phys,  Glosse  vom  6.  Juli  1878, 

P4  — e>p«  — y> 

and  in  dem  unteren,  wenn  umgekehrt 

Pa  —  y  > :P4  —  ?• 
Dieser  dem  normalen  ähnliche  Luftwechsel  wird  durch 
die  in  der  Zusammenstellung  (8.  485  fP.)  unter  a)  gegebenen 
Formeln  ausgedrückt.  Denn  da  in  diesem  Fall  der  Luft- 
strom durch  die  Zwischenschicht  immer  schwächer  ist  als 
bei  freier  Umgebung,  so  hat  im  oberen  Zimmer  (—  q)  mit 
p^,  im  unteren  ( —  y)  mit  Pj  gleiches  Vorzeichen,  und  es 
kann  nicht  vorkommen,  dass  p^  —  q  oder  pj  —  y  Null 
oder  negativ  werden.  Auch  bleibt  nothwendig  P4  —  ß  <  p' 
und  pj  —  y  <  P  >  da  ausserdem  nur  eine  Art  der  Ström- 
ung im  Zimmer  stattfinden  würde. 

Auch  der  abnorme  Luftwechsel  des  anderen  Zimmers 
ist  durch  die  Formeln  der  Zusammenstellung  (S.  485  ff.)  ge- 
geben, und  zwar  durch  die  unter  a)  vorgetragenen,  wenn 
(absolut) 

Vi,-  Q  <V'^ 
beziehungsweise 

Pi  -  y<p; 

hingegen  durch  die  Formeln  b),  wenn  (absolut) 

P4  -  e  >  PS 

beziehungsweise 

p»  -  y  >  p. 

Man  sieht,  dass  für  die  Wahl  der  Formeln  die  Er- 
wägung, ob  der  Luftwechsel  normal  oder  abnorm  ist,  nicht 
entscheidet;  sondern  dass  man  sich  auf  Beachtung  der  zu- 
letzt angeschriebenen  vier  Ungleichungen  beschränken  kann. 

Bei  allen  Uebertragungen  der  Formeln  (Zusammenstel- 
lung S.  485  ff.)  auf  Fälle,  für  welche  sie  nicht  direkt  abge- 
leitet sind,  ist  zu  beachten,  dass,  so  oft  ein  Glied  des  Luft- 
wechsels negativ  ausfällt,  die  Art  der  Strömung  der  in 
der  Ueberschrift  angegebeneu  entgegengesetzt  ist,  also  Ein- 


Q.  Becknagel:  Iheorie  des  natürlichen  Luftwechsels,        491 

Strömung  durch  Ausströmung  und  umgekehrt  ersetzt  wer- 
den muss. 

Beispiel.     Gelten   für   die   beiden   Zimmer   die   den 
früheren  Rechnungen  zu  Grund  gelegten  Annahmen: 

lo  =  1,  =  le  =  175,  1,  =  I5  =  86,4,  H  =  H'  -  3,6 
T'  =  20%  t  =  0%  aber  T  =  —  10^ 
so  ist  (der  Barometerstand  =  760"""  vorausgesetzt) 
p'  =  0,32,  P4  =  P«  =  0,16 
p  =  —  0,176,  p^,  =  p,  =  —  0,088 
ß  =  —  0,073 
y  =  +  0,093. 
Da  dem  absoluten  Zahlenwerth  nach 

Pi  -  y  <  P4  -  ft 
so  geht  der  Strom  durch  die  Decke  aufwärts,  und  der  dem 

freien  ähnliche  Luftwechsel   des  oberen  Zimmers 

kann  nach  der  Formel  1)  a 

berechnet  werden.  Man  findet  16,3  C*^  für  diese  Einström- 
ung, also  bedeutend  weniger  als  bei  freier  Umgebung,  wo 
sie  31,5  C"  betragen  würde. 

Sucht  man  den- Luftwechsel  des  unteren  Zim- 
mers, so  erkennt  man  zunächst,  dass  (absolut) 

Pi  -  y  >  P 

(nämlich  0,181  >  0,176),  und  mithin  zur  Berechnung  des 
Luftwechsels  die  Formeln  2)  b  dienen. 
Man  erhält 

lo  (Po  +  y)  =  175  .  0,005 
oder  0,875  O  für  die  Einströmung  durch  den  Boden, 

I  li  (Po  -  Pt  +  2  y)  =  86,4  .  0,093 

oder  8,035  C™  für  die  Einströmung  durch  die  vertikalen 
Wäude. 


492  Sitzung  der  math-phys,  Classe  vom  6,  Juli  1878, 

Diese  8,9  C"  strömen  durch  die  Decke  aas,  was    maa 
durch  Berechnung  der  Formel 

1.  [p4  +  P2  -  (e  +  y)]  =  175 . 0,052, 

in    den    ganzen    Cuhikmetern    übereinstimmend ,    ebenfalls 
findet. 

Bei  freier  Umgebung  wurde  der  Luftwechsel  des  un- 
teren Zimmers  17,3  C"  betragen  haben. 

Die  starken  Veränderungen,  welche  in  dem  berechneten 
Beispiel  durch  gegenseitige  Einwirkung  der  beiden  Zimmer 
entstehen,  machen  dasselbe  besonders  instruktiv. 

Die  Figur  (Nr.  3)  gibt  eine  graphische  Darstellung 
der  Drnckrertheilung,  welche  aus  den  der  Rechnung  zu 
Grunde  liegenden  Angaben  folgt.  Die  Begrenzung  der 
Zimmer  ist  durch  Doppelstriche  ang^eben.  Durch  die 
punktirten  Linien  sind  diejenigen  Ueberdrücke  begrenzt, 
welche  bei  vollständig  freier  Umgebung  in  jedem  einzelnen 
Zimmer  den  Luftwechsel  bewirken  würden.  Die  einfach 
ausgezogenen  Linien  begrenzen  die  Ueberdrücke,  welche 
sich  entwickelt  haben,  nachdem  die  Combination  beider 
Zimmer  einen  Beharrungszustand  erreicht  hat. 

Im  unteren  Zimmer  fehlt  schliesslich  die  neutrale  Zone, 
welche  vorher  bei  N„  lag,  und  es  strömt  sowohl  durch  die 
ganze   vertikale  Begrenzung    (unter   dem    mittieren    Ueber- 

druck  — — J   als   durch   den    Boden    (unter    dem 

Ueberdruck  0,005)  Luft  ein,  während  eine  gleich  grosse 
Luftmasse  (unter  dem  Ueberdruck  0,052)  durch  die  Decke 
entweicht. 

Im  oberen  Zimmer  lag  die  neutrale  Zone  vorher  bei 
No  und  ist  schliesslich  nach  N  hinaufgerückt,  weil  der  stark 
verminderten  Boden-Einströmung  verminderte  Ausströmung 
entsprechen  muss. 


Figur  J. 


f^,,iraf/f.   phfßit.  CU 


LitK.  Pinst&U  V  CreVjtud«  0\j"^aE\vw  ,"\^\ws.^«^ 


■.  1 


E 


^'X'X  \P  V 


r^:?  rrs'- 


■rr-."«" ;  r 


G.  BecJcnagel:  Theorie  des  natürlichen  Luftwechsels.        493 

Anhang. 

Experimentelle  Bestimmang  der  Durchlässig- 
keiten eines  Zimmers. 

1.  Beschreibung  des  Zimmers.  Das  Zimmer, 
dessen  Durchlässigkeiten  ermittelt  wurden,  liegt  im  Erdge- 
schoss  des  Schulgebäudes  der  Industrieschule  zu  Kaiserslautern. 
Es  ist  3,6  Meter  hoch,  wendet  eine  mit  2  Fenstern  versehene 
7"  lange  Seite  nach  Süd-Süd-Ost,  die  zweite  5"*  lange  Seite 
ebenfalls  mit  2  Fenstern  nach  West-Süd- West.  Diese  bei- 
den Mauern  haben  eine  Dicke  von  0,80".  In  den  vier 
Fensternischen,  deren  jede  1,22"  breit,  2,40"  hoch  ist  und 
zudem  oben  mit  einem  halbkreisförmigen  Bogen  von  0,60" 
Radius  abschliesst ,  ist  die  Mauer  bis  zu  einer  Höhe  von 
0,80"  nur  0,40"  dick.  Es  folgt  nach  NNW  eine  Wand 
von  7"  Länge  und  0,50"  Dicke,  welche  das  untersuchte 
Zimmer  von  einem  grösseren  Nebenzimmer  trennt  und  eine 
Thüre  von  2"  Höhe  und  1"  Breite  enthält.  Die  vierbe 
Wand  ist  5"  lang,  0,50"  dick,  enthält  eine  Thüre  von 
gleichen  Dimensionen  wie  die  vorige  und  scheidet  das  Zim- 
mer von  der  Hausflur. 

Sämmtliche  Wände  sind  von  rothem  Sandstein  (Bruch- 
steinen) aufgeführt,  innen  mit  Mörtel  beworfen  und  mit 
grüner  Kalkfarbe  angestrichen.  Aussen  steht  der  Bau  rauh 
und  ist  bis  zu  einer  Höhe  von  1,35"  mit  Sandsteinplatten 
belegt. 

Der  Fussboden  ist  gediehlt.  Die  Diehlen  sind  vor 
5  Jahren  mit  einem  Oelfarb-Anstrich  versehen  worden,  der 
an  den  zugänglichen  Stellen  ziemlich  abgetreten  ist.  Zwischen 
den  Diehlen  befinden  sich  Zwischenräume  von  3  bis  5  Milli- 
meter Breite,  welche,  einem  besonders  angestellten  Versuch 
gemäss,  der  Luft  soweit  freien  Durchgang  gestatten,  dass 
diesseits  und  jenseits  der  Diehlen  sich  eine  merkliche  Druck- 
differenz nicht  ausbildet.  Unter  dem  Zimmer  ist  kein  Keller. 
[1878,  4.  Math.-phys.  Cl.]  33 


494  Sitzung  der  math.-pkys,  Classe  vom  6.  Jtdi  1878, 

Dasselbe  liegt  als  südwestliches  Eckzimmer  des  Hauses, 
welches  an  einen  von  Süd  nach  Nord  aofisteigenden  Berg- 
abhang gebaut  ist,  über  einer  Anfmanernng  von  1"*  Höhe 
welche  nach  Süden  3",  nach  Westen  6"  vorspringt  und, 
soweit  sie  vorspringt,  mit  einer  Gartenanlage  versehen  ist. 

Die  Decke  ist  0,30""  dick,  unter  der  Balkenlage  ver- 
schalt, mit  Mörtel  beworfen  und  mit  einem  ganz  dünnen 
Gypsanstrich  versehen.  Schadhafte  Stellen  der  Decke,  welche 
dnrch  Senknng  (Einschlagen)  entstanden  waren,  sind  im 
Herbst  1877  mit  Gyps  oberflächlich  ansgebessert  worden. 
Die  Decke  trennt  das  Versuchsobjekt  von  einem  Zimmer, 
welches  in  den  Dimensionen  und  der  Beschaffenheit  des 
Fussbodens  jenem  ziemlich  gleich  ist. 

Durch  die  Decke  fuhrt  ein  dnrch  ein  Blechrohr  be- 
grenzter Luffckanal  von  0,20"  Durchmesser,  den  ich  zum 
Zwecke  der  Ventilationsversuche  habe  herstellen  lassen« 
Der  Kanal  kann  oben  durch  einen  mit  Wei^  umwickelten 
eingepassten  Holzdeckel  verschlossen  werden. 

2.  Die  Versuche.  Das  Manometer  stand  im  Ver- 
suchszimmer auf  einem  etwa  0,80"  über  dem  Boden  an  der 
nordlichen  Wand  befestigten  Brett  und  war  mit  Petroleum 
gefüllt. 

Als  am  Abend  des  27.  Mai,  nachdem  den  Tag  über 
schwacher  Ostwind  geweht  hatte,  Windstille  eingetreten 
war,  warde  das  über  dem  Versuchszinmier  li^ende  Zinuner 
geheizt,  während  in  jenem,  sowie  in  der  Hausflur  und  im 
Nebenzimmer  dnrch  Oeffiien  aller  Fenster  und  Thüren  Aus- 
gleich der  Temperaturen  angestrebt  wurde.  Da  trotzdem 
noch  innerhalb  des  Hauses  die  Temperatur  etwas  niedriger 
war  als  im  Freien,  so  wurde  abgewartet,  bis  (zwischen  7 
und  8  Uhr  Abends)  die  Temperatur  der  äusseren  Luft  auf 
die  des  Hauses  herabgesunken  war. 

Nun    wurde    das    Versuchszimmer    vollständig    abge- 
schlossen und  folgende  Beobachtung  gemacht. 


G.  Recknagel:  Iheorie  des  natürlichen  Luftwechsels.       495 

a)  Die  Bestimmung  des  Nullpunkts  am  Manometer  ergab 

11,0. 

Vom     äusseren    Niveau     des    Manometers    führt    ein 

Schlauch  nach   einem  unmittelbar  über  dem  Fussboden  (in 

der   Fensternische)   durch    die    westliche  Mauer   gesteckten 

Rohr:  das  Manometer  zeigt 

11,2. 

Voin  äusseren  Niveau  des  Manometers  fuhrt  überdies 

ein  Schlauch  nach  einem  durch  die  Decke  gesteckten  Rohr : 

Manometerablesung : 

12,2. 

Nullpunkt : 

11,0. 

Bezeichnet  v  den  Reductionsfaktor  der  Manometerab- 
lesuug  auf  vertikale  Millimeter  Wasser,  so  sagt  der  Versuch, 
dass  durch  den  Boden  und  die  vertikale  Begrenzung  unter 
einem  üeberdruck  von  0,2  v  (Kilogramm  per  Quadratmeter) 
eben  so  viel  Luft  in  das  Zimmer  drang,  als  gleichzeitig 
unter  einem  üeberdruck  von  1,0  v  (Kilogr.  per  □"*)  durch 
die  Decke  entwich. 

Ist  f  der  Flächeninhalt  des  Bodens  sowie  der  Decke, 
u  der  umfang  des  Bodens,  H  die  Höhe  des  Zimmers,  also 
u  H  der  Flächeninhalt  der  vertikalen  Wände,  femer  k^  die 
Durchlässigkeit  des  Bodens  [Anzahl  der  Cubikmeter  Luft, 
welche  in  der  Stunde  unter  1  Eilogr.  üeberdruck  durch 
das  Quadratmeter  gehen],  so  ist  I^  =  k^  f  das  Lüftungsver- 
mögen des  Bodens,  1^  =  k^  u  H  das  Lüftungsvermögen  der 
vertikalen  Begrenzung,  I,  =:  k^  f  das  Lüftungsvermögen  der 
Decke  und  L  =  1q  +  'i  +  'a  das  Lüftungsvermögen  des 
ganzen  Zimmers. 

Der  Versuch  gibt 

0,2  V  Oo  +  Ix)  =  1,0  V  1, 
oder 

lo  +  li  -  5  1„ 

38* 


496  Sitzung  der  math-phys.  Clasae  vom  6,  Juli  1878, 

d.  h.  bei  gleichem  Ueberdrack  würden  Boden  und  yertikale 

Begrenzung  zusammen  fünfinal   soviel  Luft  durchlassen  als 

die  Decke. 

b)  Um  grössere  Ausschl^e  zu  erhalten,   iiess  ich  nun 

einen  Kanal  ö£Ehen,  welcher  durch  die  Decke  des  oberen 

Zimmers  hindurch  fuhrt.     Im  Yersuchszimmer  selbst  wurde 

nichts  geändert. 

Nun   folgten   folgende  Beobachtungen  am  Manometer: 

Vom    inneren  Niyeao  gieng   der   Schlauch    nach    dem 

durch  die  vertikale  Begrenzung  gesteckten  Rohr,    während 

zugleich   vom   äusseren   ein  Schlauch   nach   dem  durch  die 

Decke  gehenden  Rohr  fährte. 

Ablesungen : 

13,0 

13,1 

13,2 

Die  Verbindung  des  Manometers  mit  der  Decke  wnrde 

gelöst : 

Ablesungen : 

11,4 

11,3 

Nullpunkt : 

1 1,0. 

Es  sind  mehrere  Ablesungen  gemacht  worden,  weil, 
jedenfalls  durch  den  Einfluss  einer  leichten  Windwelle,  das 
Manometer  etwas  unruhig  war. 

Die  Mittelwerthe  geben  die  Gleichung: 
0,35  V  (lo  +  IJ  =  1,75  V  1, 
oder 

lo  +  1,  =  5  1, 
wie  vorhin. 

Weitere  Versuche  wurden  an  diesem  Abend  nicht 
mehr  ausgeführt,  weil  die  äussere  Temperatur  schon  etwas 
unter  die  Temperatur  des  Zimmers  gesunken  war. 


G,  Becknagel:  Ihearie  des  natürlichen  Luftwechsels,        497 

c)  Der  nächste  Versuch  wurde  am  21.  Juni  augestellt, 
wiederum   nachdem  am  Abend  Windstille   eingetreten   war. 

Er  hatte  die  Ermittlung  der  normalen  Lage  der  neu- 
tralen Zone  zum  Ziel. 

Nachdem  die  Umgebung  durch  Oeffhen  aller  ins  Freie 
fuhrenden  Fenster  und  Thüren  möglichst  frei  gemacht 
worden  war,  wurde  das  Yersuchszimmer  durch  einen  eisernen 
Mantelofen  geheizt,  bis  ein  2  Meter  hoch  über  dem  Fuss- 
boden  aufgehängtes  Thermometer  24.6  ^  C  anzeigte.  Die 
Temperatur  der  Umgebung  war  gleichzeitig  18,8  ^  C. 

Dann   folgten  nach  Verschluss  aller  Zugöffhungen  des 

Ofens   sowie  der   Ofenklappe   folgende    Beobachtungen    am 

Manometer : 

Nullpunkt : 

39,1. 

Das  innere  Niveau  war  mit  dem  unmittelbar  über  dem 
Fussboden  ins  Freie  führenden  Bohr  verbunden. 
Ablesung : 

40,2. 

Das  innere  Niveau   wie  vorhin,   das  äussere  war  mit 
dem  durch  die  Decke  führenden  Rohr  verbunden. 
Ablesung : 

43,0. 

Bezeichnet  p^  den  Ueberdruck,  welchen  unmittelbar 
am  Boden  die  äussere  Lufk  über  die  innere,  p^  den  Ueber- 
druck, welchen  an  der  Decke  die  innere  Luft  über  die 
äussere  besitzt,  so  folgt  aus  dem  Versuch 

p,  =  y  .  1,1  (Kilogr.  per  D") 

Po  +  Pa  =  »^  •  3,9  (Kilogr.  per  Q") 

Ist  h  die  Höhe  der  neutralen  Zone  über  dem  Boden, 
so  ist  allgemein 

Po-rP» 


498  Sitzung  der  math.-phys.  Olasse  wm  6.  JvHi  1878. 

also  hier 

h  =    -^  H  oder  0,28  H. 

Da  H  =  3,6",  liegt  die  neutrale  Zone  1,0"  über  dem 
Fussboden,  and  es  dringt  demnach  bei  vollsiändig  freier 
Umgebung  durch  den  Fussboden  und  den  unteren  1"^  hohen 
Theil  der  yGi'tikalen  Begrenzung  eben  so  viel  Luft  ein,  als 
durch  die  Decke  und  den  oberen  2,6"  hohen  Theil  der 
vertikalen  Wände  entweicht. 

Die  L^e  der  neutralen  Zone  ist  von  der  Temperatur 
unabhängig,  sie  ändert  sich  nur  dann,  wenn  die  Durch- 
lässigkeitsverhältnisse  andere  werden  oder  die  Umgebung 
aufhört  frei  zu  sein. 

d)  Zu  dem  gleichen  Zwecke  wie  der  dritte  wurde  ein 
vierter  Versuch  angestellt,  nachdem  die  Temperatur  des 
Zimmers  auf  27,1  ®  gestiegen,  die  der  Umgebung  auf  17,8^ 
gesunken  war.  Bei  gleicher  Reihenfolge  wie  vorhin  wurde 
abgelesen 


Nullpunkt : 
Ablesung  (1)  : 

Ablesung  (2)  : 

Daraus  folgt: 


39,2 


40,9 


45,5 


und 


Po  =  V  •  1,7 
Po  +  Pa  =  »^  •  6|3 


h  =  -i|-H  =  0,27H 


in  guter  Uebereinstimmung  mit  dem  vorigen  Werthe. 

Die  Kenntniss  der  Lage  der  neutralen  Zone  lässt  sich 
zur  Bestimmung  der  Durchlässigkeiten  verwerthen  mittelst 
der  Gleichung 


G.  Recknagel:  Iheorie  des  natürlichen  Luftwechsels,       499 

U  +  -5-  ii 


Po+Pa  ^ 

Im  Mittel  ist  demnach 

I2   +  I  Ix 

j^ =  0,275. 

Schon  hieraus  folgt,  dass  der  Boden  vielmal  durch- 
lässiger ist  als  die  Decke. 

Fasst  man  die  Resultate  der  bisherigen  (4)  Versuche 
zusammen,  so  ergeben  sich  zwischen  den  Lüftungsvermögen 
die  einfachen  Beziehungen 

li  =  1,3  I2 

lo  "=  3,7  Ig         ♦ 

L=     6  1,, 

welche  durch  sehr  einfache  und  rasch  verlaufende  mano- 
metrische Beobachtungen  gewonnen  sind. 

e)  Ein  fünfter  Versuch  sollte  zur  Ermittelung  des  ge-- 
sammten  Lüftnngsvermögens  (L)  dienen,  auf  Grundlage  des 
früher  (S  455)  bewiesenen  Satzes,  dass  diese  Constante  er- 
halten wird,  wenn  man  die  durch  einen  einlassenden  oder 
hinauslassenden  Kanal  stündlich  strömende  Luftmenge  durch 
die  Aenderung  des  üeberdrucks  dividirt,  welche  an  irgend 
einer  Stelle  der  Umgrenzung  des  Zimmers  durch  Eröffnung 
des  Kanals  hervorgebracht  wird. 

Es  wurde  der  Kanal  geöffnet,  welcher  durch  die  Decke 
führt.  Ein  Gehilfe  hielt  das  Anemometer  an  einer  lang- 
stieligen Gabel  in  die  Mitte  des  Kanals,  während  ich  am 
Manometer  die  Veränderung  beobachtete,  welche  in  dem 
vorher  abgelesenen  Werthe  von  p^  vor  sich  gieng. 

Das  Manometer  stieg  von 

41,05  auf  43,45. 


500  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  com  6.  JtUi  1878, 

Das  Anemometer  machte  327  ümdrehangen  in  der 
Minute,  was  nach  der  for  dasselbe  ermittelten  Formel 

V  =  0,174  +  0,1441  n 
für  die  Geschwindigkeit  v  den  Werth  0,96"  gibt. 

Nach  Versuchen,  welche  ich  mit  einem  gleichweiten 
Rohr  angestellt  habe,  entspricht  dieser  grossten  Geschwindig- 
keit eine  mittlere  von  0,64"^,  und  da  der  Querschnitt 
0,0314  □"  gross  ist,  strömten  in  der  Secunde  0,020  C", 
somit  in  der  Stunde  72  0°"  Luft  durch  den  Kanal. 

Der  Reductionsfactor  (v)  des  Manometers  auf  vertikale 
Millimeter  Wasser  war 

0,02546, 
so   dass  der  beobachteten  Aenderung  von  p^   die   Druck- 
änderung 

2,4  .  0,02546  =  0,061  (Kilogr.  p.  Q") 
entspricht.     Somit  ist 

72 

L  =  — ^^-  =  1180  C", 
0,061        ^^°^^  ' 

d.  h.   bei  einem  Ueberdruck  von  1  Kilogr.  per  □"  würde 
die  ganze  Begrenzung  des  Zimmers   (als   eine  Wand    ge- 
dacht) stündlich  1180  C"*  Luft*)  durchlassen. 
Nun  folgt 

Ij  =  197  Cr 

\   =-   256    „ 

lo   =   727    „ 


*)  Die  Luft  hatte  bei  einem  Barometerstande  von  745"^  eine 
Temperatur  von  27^6  ^  Zar  Bednction  auf  normale  Cubikmeter  dient 
der  Divisor 

-l^d^  ^l^\  -  1 124 

745  [;  +  270 ;  -  ^'^'^^• 

Durch  die  Beduction  vermindern  sich  das  Lüftungsvermögen  L  and 
mit  ihm  Iq,  1| ,  I2  um  11  Procent  ihres  Wertbes,  ebenso  die  Durch- 
lässigkeiten ko,  k^,  kg,  daher  ist  die  Correctur  bei  Versuchen  über  die 
Beständigkeit  der  Durchlässigkeiten  wesentlich. 


G.  Becknagel:  Ihewie  des  natürlichen  Luftwechsels.        501 

und  die  Durchlässigkeiten: 

kg  =     5,6  C"*  per  Stunde  und  □"* 
^1   ^^     *^>"    11      11         11         >i       11 

f)  Am  Abend  des  25.  Juni  wurde,  wiederum  bei  Wind- 
stille, ein  Versuch  ausgeführt,  welcher  wie  der  fünfte  die 
Ermittelung  des  gesammten  Lüftungsvermögens  (L)  zum 
Ziel  hatte. 

Als  Abzugskanal  wurde  dieses  Mal  das  0,034  Q""  grosse 
Zugloch  des  geheizten  Mantelofens  benützt. 

Das  Anemometer  wurde  so  gehalten,  dass  die  Speichen 
des  Flügelrades  sich  im  äussersten  (nächsten)  Querschnitt 
des  Zugkanals  bewegten,  also  die  EinstromungsöSnung  und 
die  beobachtete  Geschwindigkeit  voll  in  Rechnung  zu 
bringen  waren. 

Ich  erhielt  folgende  Resultate: 

Zunahme    des    Ueberdrucks     von      ümdrehnngen  des  Anemometers  in 
aussen  nach  innen  in  Theilstrichen  der  Minute : 

des  Manometers: 

1,7  127 

1,6  107 

1,65  108 

1,65  95 

Daraus  berechnet  sich  eine  mittlere  Zunahme  des 
Ueberdrucks  von  1,65  Theilstrichen  oder  0,042  Kilogr.  per 
□"  und  eine  mittlere  Geschwindigkeit  von  0,43".  In  der 
Stunde  würden  in  das  Zugloch  strömen 

52,56  C", 
und  es  folgt 


502  Sitzung  der  inathrphys,  Classe  vom  6.  Juli  1878. 

L  =  ^^  =  1250  C-, 
0,042 

was  um  6  ^/o  grosser  ist   als   die  früher  gefandene  Zahl.  *) 

3.    Folgerungen. 

a)  Am  27.  Mai  war  der  Luftwechsel,  welchen  man 
dem  unteren  ungeheizten  Zimmer  durch  Heizen  des  oberen 
verschaffte,  zunächst,  ehe  der  Kanal  in  der  Decke  des 
oberen  Zimmers  geöffnet  wurde, 

V  .  1,0  Ij,  oder  v  .  0,2  (Iq  +  \). 
Da  V  damals  den  Werth  0,0972  hatte    und  1,   =    197 
ist,  folgt  fär  den  Luftwechsel 

19,1  C^ 

b)  Durch  Oeffhen  des  Kanals  in  der  Decke  des  oberen 

(geheizten)    Zimmers    steigerte    sich    der    Luftwechsel    des 

unteren  auf 

0,0972  .  1,75  1,  oder  33,5  C». 

c)  Am  21.  Juni,  wo  das  Versuchszimmer  seihst  geheizt 
war  [seine  Temperatur  war  27,1  ®,  während  die  Tempera- 
tur der  Umgebung  17,8  ^  betrug]  strömte  durch  den  Boden 
ein  die  Luftmenge 

^0   Pol 
durch   den   unterhalb   der   neutralen  Zone  liegenden   Theil 

der  vertikalen  Wände 

k,  u  h  ^  . 

1  o 


Dabei  ist 


lo   =  727 

Po  ==  1,7  .  0,02546  =  0,043 
k^  =  3 
u  =  24 
h  =  0,275  H  =  0,99, 


*)  Die  Temperatur  der  Lufb  war  20  ®,  der  Barometerstand  746"'"' . 
Durch  die  Beduction  auf  normale  Cubikmeter  gehen  demnach  hier  9 
Procent  des  Wertbes  von  L  ab. 


G.  Recknagel:  Ihemie  des  natürlichen  Luftwechsels,        503 

80  dass  durch  den  Boden  kamen 

31,3  C~ 
und  durch  die  vertikale  Wand 

1,5  C-, 

im  Ganzen 

32,8  C". 

d)  Für  eine  von  9,3  ®  verschiedene  Temperaturdififerenz 
(A)  findet  man  den  Luftwechsel  (WJ  des  Zimmers  mit 
Annäherung  ans  der  Proportion 

W,  :  32,8  =  A  :  9,3 , 
woraus 

W,  =  3,53  A 
folgt. 

Bei  dieser  Rechnung  ist  Windstille  und  vollständig 
freie  Umgebung  vorausgesetzt,  d.  h.  die  normalen  Umstände 
wie  sie  am  Abend  des  21.  Juni  stattfanden. 

e)  Der  fünfte  Versuch  (vom  21.  Juni)  gibt  auch  die 
Mittel,  die  Zunahme  des  Luftwechsels  zu  finden, 
welche  durch  das  Oeffnen  des  Abzugskanals 
erzielt   wurde. 

Nach  dem  Oeffnen  des  Kanals  war  nämlich 

Po  =  4,05  V  =  0,103, 
während   sich  p,    aus  der  grössten  im  Kanal  beobachteten 
Geschwindigkeit  von  0,96"  mittelst  der  Formel 

p,  =  -J-  m  V«  =  ~  0,117  .  0,92  =  0,054 

berechnet.     (Der  Barometerstand  war  745""',  die  Tempera- 
tur der  strömenden  Luft  27,6  ^.) 

Somit  war  die  neutrale  Zone,  welche  ausserdem  in  der 

Höhe  0,275  H   liegt,   bis  in  die  Höhe -^  H  =  0,656  H 

gerückt,  und  es  strömten  durch  den  Boden  unter  dem  Ueber- 
druck  0,103    und  durch  die  unteren  zwei  Drittel  der  verti- 


504  Sitzung  der  maih.-pliys.  Clause  vom  6.  Juli  1878. 

kalen   Wände  unter   dem    mittleren  üeberdruck  -^— —  um 

72  C"   Lnft   per   Stunde    mehr   ein    als    dorcli   das    obere 
Drittel    der    vertikalen   Begrenzung   (unter    dem   mittleren 

0  054  \ 
üeberdruck  -^ —  i  und  durch  die  Decke  (unter  dem  Üeber- 
druck 0,054)  entwich. 

Berechnet  man  die  zwei  letzten  Posten,  so  findet  man 
3  .  24  .  1,2  .  0,027  =  2,3  C", 
197  .  0,054  =  10,6  er. 
Somit  ist  die  Gesammtmenge  der  abziehenden  Luft 
72  +  2,3  +  10,6  =  85  C^ 
während   sie  bei  der  gleichen  Temperaturdifferenz  (10,2  ®) 
ohne  den  Abzugskanal   nur   36  G"'  würde  betragen  haben. 
Der  wahre  Yentilationseffekt  des  Kanals  ist  demnach  auf 
49  G""  anzuschlagen.     Indem   der  Kanal   die  Poren-Venti- 
lation des  Zimmers  zurückdrängt,  ist  er  weit  entfernt,  den 
gesammten  Luftwechsel  um  das  zu  steigern,  was  durch  ihn 
hindurchgeht. 


Herr  Hermann  v.  Schlagintweit-Sakünltinski 
hält  einen  Vortrag: 

„Ueber  das  Auftreten  von  Bor-Verbindun- 
gen in  Tibet." 


Inhalt: 

Allgemeine  Verbältnisse;  die  Beschränkung  der  Quellen 
im  centralen  und  im  nördlichen  Hochasien;  die  Mineralquellen  und 
Thermen. 

I.  Der  Borazbezug  ans  Tibet. 

Borsäure  und  Borax.  —  Daten  über  die  Fundstätten  im  östlichen 
Tfbet;  (Bul  Tso,  ein  „Soda-See").  —  Unsere  Beobachtungen  im  west- 
lichen Tfbet.  —  Der  Borax  im  Handelsverkehre.  —   Die  Benennungen. 

IL  Die  Borax-Bodendecke  und  die  Thermen  von  Püga. 

Die  topographische  Lage.  —  Die  Gesteine  an  den  Quellen  und  im 
weiteren  Umkreise.  —  Die  Gestaltung  des  Puga- Thaies.  —  Der  abge- 
lagerte feste  Borax.  Mittlere  Dicke;  die  Prominenzen;  die  Pfuhle.  Aus- 
dehnung. —  Landschaftliches  Bild.  —  Isolirte  Pfuhle.  —  Die  Be- 
schaffenheit der  Masse,  chemisch  und  physikalisch.  —  Aeltere  Salzsee- 
form des  Beckens.  —  Die  Temperatur-Verhältnisse  der  Thermen.  —  Lo- 
cale  thermische  Modificationen  der  Flora  und  der  Fauna.  Der  Luftdruck ; 
die  Beschaffenheit  absorbirter  Gase  im  Wasser  grosser  Höhen.  — 

Früherer  Besuch,  von  Thomson  und  von  Cunningham. 

(Die  Höhen  sind  in  englischen  Fuss  gegeben ;  1000  engl.  F.  = 
304-79  Meter  =  938-3  par.  F.  —  Die  Transscription  ist  durch- 
geführt wie  bisher  von  mir,  in  Text  und  in  Karten;  hier  sei  nur  in 
Kürze  erwähnt:  ch  =  tsch  im  Deutschen;  h  =  hörbare  Aspiration, 
aber  Khan  =  Chan  im  Deutschen;  j  =  dsch;  sh  =  seh;  v  =  w; 
z  :=z  weiches  s.  Vocal  mit  ^  =  unbestimmt  tönend;  mit  *  =  nasal. 
Auf  jedem  mehrsilbigen  Worte  ist  der  Hauptton  angegeben.) 


506        Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  t^om  6.  Juli  1878, 


Allgemeine   Verhältnisse. 

Im  tibetischen  Hochasien,  auch  bis  in  die  Nähe  der  Mittel- 
stofen  des  nördlichen  Känlun- Abhanges  in  Ost-Turkistän,  ist 
die  Zahl  der  Quellen,  die  zu  Tage  treten,  und  die  Wasser- 
menge, welche  sie  liefern,  verhältnissmässig  sehr  gering.  Selbst 
grosse  Flächen,  zumeist  im  Norden  der  Earakorüm- Kette, 
sind  entweder  ganz  wasserleer  oder  unterscheiden  sich  hy- 
drographisch von  tief  liegenden  Wüsten  nur  dadurch,  dass 
isolirter  Abfluss  aus  GletscKern  oder  aus  den  Höhen,  die 
noch  über  die  Schneegrenze  sich  erheben,  während  der  wär- 
meren Monate  des  Jahres  periodisch  sie  durchzieht. 

Bedingt  ist  diese  Seltenheit  der  Quellen  durch  die  ge- 
ringe Menge  atmosphärischen  Niederschlages  und  durch  die 
bedeutende  Verdunstung,  ehe  das  Grundwasser  in  den  Mulden 
oder,  bei  genügender  relativer  Erhebung  und  bei  günstiger 
Schichtenstellung  des  Gesteines,  am  unteren  Rande  von  Ab- 
hängen sich  ansammeln  kann.  Vermehrend  wirkt  auf  die 
Verdunstung  schon  die  starke  Insolation  des  Bodens ;  noch 
grösser  ist  der  Einfluss  der  extremen  Trockenheit  der  Luft 
in  diesen  Gebieten,  wo  überdiess  der  Luftdruck,  vielfach 
selbst  längs  der  Thalsohlen,  ein  sehr  geringer  ist.  Nach  den 
directen  Beobachtungen  in  Hochasien,  die  in  unserem  eng- 
lischen Reisewerke  in  Vol.  II  „Hypsometry*'  zusammenge- 
stellt sind,  hatte  sich  für  Luftdruck  von  14*96  engl.  Zoll 
oder  380-0  Millim,  „von  halber  Atmosphäre",  Mittelwerth 
der  Höhe  von  18,600  bis  18,800  engl.  Puss  ergeben. 

Unter  den  con stauten,  noch  wasserreich  zu  nennenden 
Quellen,  obwohl  unabhängig  von  Firnwasser,  war  die  höchst- 
gelegene, die  von  uns  in  Tibet  aufgefunden  wurde,  jene  am 
Lagerplatze  Murgäi  in  Nubra.  Sie  tritt  zu  Tage  bei  16,382 
engl.  F.;  der  Barometerstand  war  16-630  engl.  Zoll  (am 
6.  Aug.  1856). 


H.  V,  Schlayintweit:  üeher  Bor- Verbindungen  in  Tibet.     507 

Als  Maximum  der  Höhengrenze  der  Quellen  für  ganz 
Höchasien  wird  16,500  bis  17,000  Fuss  anzunehmen  sein, 
mit  Einschluss  zugleich  isolirter  Fälle  höchsten  Vorkommens 
in  besonders  günstigen  Lagen  und  mit  geringerer  Wasser- 
menge. Die  Quelle  zu  Murgäi  zeigte  sich  dort  zusammen- 
fallend mit  der  Strauchgrenze;  gleiche  Goincidenz  gilt  auch 
für  die  übrigen  Theile  des  centralen  und  nördlichen  Hoch- 
asien, weil  in  den  etwas  feuchteren  Gebieten,  wo  die  Ve- 
getation begünstigt  ist,  die  Quellenhöhen  ebenfalls  die  grös- 
seren sind.  Dagegen  wird  auf  der  Südseite  des  Himalaja, 
wo  die  directe  Besonnung  durch  die  Wolkenbildung  so  sehr 
beschränkt  ist  und  wo  die  Niederschlagsmenge  auch  in  Re- 
gtnform  so  hoch  ansteigt,  bei  15,200  Fuss  für  die  Strauch- 
grenze, das  Auftreten  der  obersten  Quellen,  fast  um  2000  F., 
das  Höhere.  Diese  Differenz  würde,  den  klimatischen  Ver- 
hältnissen entsprechend,  eine  noch  grössere  werden,  wenn 
nicht  in  jenen  Regionen  schon  durch  das  Vorherrschen 
steiler  Gebirgsform  die  Entstehung  der  Quellen  erschwert 
wäre. 

In  den  Alpen  steigt  die  Höhengrenze  des  Auftretens  von 
Quellen,  wie  wir  früher  in  den  „Untersuchungen  über  die 
physikalische  Geographie  und  die  Geologie  der  Alpen"  zu 
erläutern  hatten,  zu  9000  bis  9600  engl.  F.  hinan  (Band  I, 
S.  243).  Die  Strauchgrenze,  für  welche  in  den  Alpen  8000 
Fuss  Höhe  sich  ergibt,  wird  dabei  von  den  Quellen  stets  um 
mehr  als  1000  Fuss  überschritten. 

Topographisch  zeigt  sich  schon  in  den  Alpen  für  die 
Quellen,  verschieden  darin  von  den  kleineren  europäischen 
Gebirgen,  eine  verhältnissmässig  grosse  Depression  unter 
die  mittlere  Gipfel-  und  Eamm-Höhe,  welche  über  2000 
engl.  F.  beträgt.  In  Hochasien  wird  für  das  ganze  Gebiet, 
ungeachtet  des  flachen  Ansteigens  der  centralen  Theile,  der 
Abstand  der  obersten  Quellen  von  der  Kamm-  und  Gipfel- 
Gestaltung  noch  ungleich  grösser.  Veranlasst  ist  dieses  hier 


508  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  6,  Jtdi  1878. 

vor  Allem  darch  die  viel  geringere  Dichtigkeit  der  Luft; 
es  ist  mit  Ausnahme  der  Hochregionen  der  Südseite  des 
Himalaja  die  absolute  Menge  atmosphärischer  Feuch- 
tigkeit überall  sehr  bedeutend  vermindert. 

In  trockenem  Klima  im  Allgemeinen  sowie  in  grossen 
Höhen  vermehrt  sich,  durch  Zunahme  der  Verdunstung  des 
Bodenwassers,  relativ  die  Menge  gelöster  Salze,  welche  Quellen 
mit  sich  fuhren.  Aber  in  den  meisten  Gebieten  Hochasiens 
ist  an  sich  durch  die  geologische  Formation  mit  Auftreten 
krystallinischer ,  schwer  löslicher  Gresteine  der  Salzgehalt 
der  Süsswasserquellen  sehr  beschränkt;  und  es  ist  derselbe 
in  Tibet  und  in  Turkistan  selbst  für  die  Hauptströme 
der  grossen  Thäler  weniger  gesteigert  als  die  Verdunstung 
allein  es  erwarten  liesse  —  dessbalb,  weil  in  den  meisten 
Lagen  der  grösseren  Erhebung  wegen  die  Wärme  als  för- 
dernde Bedingung  der  Lösung  von  Bodensalzen  eine  be- 
deutend geminderte  ist 

Mineralquellen,  und  Thermen  —  Quellen  die  sich  durch 
Menge  und  meist  auch  Qualität  des  Salzgehaltes  oder  durch  ihre 
Temperaturverhältnisse  als  anomal  unterscheiden  •—  hatten 
sich  gleichfalls  in  Hochasien  zur  Beobachtung  geboten!  Ent- 
sprechend ihrem  Auftreten  in  hohen  Breiten  ist  dasselbe 
auch  aus  den  Hochgebirgen  durch  niedere  Lufttemperatur 
als  solche  nicht  ausgeschlossen;  doch  zeigt  es  sich  stets 
geologisch  local  bedingt  und  enge  begrenzt. 

In  Hochasien  sind  die  meisten  der  in  Europa  bekannten 
Erscheinungen  dabei  vertreten,  und  zwar  in  äemlich  ähn- 
licher relativer  Häufigkeit  ungeachtet  des  grossen  Unter- 
schiedes der  Bodenerhebung.  Die  höchst  gelegenen  heissen 
Quellen,  die  wir  fanden,  waren  jene  der  Mineralquellen- 
Gruppe  in  der  Nähe  des  Salzsees  Kiuk  Eiöl ,  im  Earakash- 
Thale   in  Ost-Turfa'stän ;    Höhe    15,010  engl.  F. 


H,  V,  ScJdagintweit:  üeher  Bor- Verbindungen  in  Tibet      509 

I. 

Der  Boraxbezug  aus  Tibet. 

Als  6i^e  an  sich  ungewöhnliche  Erscheinung  ist  für  Hoch- 
asien, und  zwar  für  Tibet,  das  Auftreten  von  Bor- Verbindungen 
hervorzuheben.  Ueberdiess  zeigen  sie  sich  dort  deutlicher  als 
in  Europa,  und  sind  auf  mehrere,  in  der  Oberfläche-Gestaltung 
ganz  getrennte  ,»Localitäten^^  vertheilt.  Sie  bieten  sich  unter 
so  eigenthümlichen  topographischen  und  physikalischen  Er- 
scheinungen, dass  durch  ihre  Lagerstätten  schon  seit  langer 
Zeit  die  Bewohner  aaf  diese  Naturproducte  selbst  und  auf  die 
Benützung  derselben  aufmerksam  geworden  sind. 

Ich  werde  versuchen,  allgemein  zusammen&ssend  die 
jetzt  vorliegenden  Daten  über  die  Bor- Verbindungen  zu  geben, 
obgleich  über  das  Auftreten  derselben  directe  Beobachtungen 
durch  Europäer  nur  in  den  westlichen  Theilen  Hochasiens 
bisher  gemacht  wurden. 

Im  ostlichen  Tibet  ist  das  Vorkommen  von 
Bor  -  Vecbindungen^quantitativ  das  grössere ;  es  reichen 
vereinzelte  Nachrichten  von  Europäern  über  dieselben  als 
Gegenstand— 4es  Handelsverkehrs  ziemlich  weit  zurück,  doch 
sind  diese  nur  indirecte  Daten,  meist  nach  den  Mittheilungen 
der  Indier.  Auch  die  von  uns  während  der  Reisen  gesam- 
melten Angaben  beschränkten  sich  für  Ost-Tibet  auf  die  Er- 
läuterungen, die  wir  über  Borax  von  eingebomen  Handels- 
leuten erhalten  konnten;  in  Sikkim  und  in  Bhutan  war  es 
mir  wenigstens  möglich  mit  tibetischen  Garavanenfuhrern 
selbst,  durch  Hindostäni-Dolmetscher,  in  jenen  Bazars  mich 
zu  besprechen. 

Was  aus  Tibet  ausgeführt  wird,  ist  zweifach  borsaures 
Natron^,, d^r  Borax  (B^  0^  Na,  +  10 aq),  der  aber  zum  Theil 
erst  künstlich  dort  iiergestellt  wird. 

Es  wird  nämlich  an  einer  der  Bezugsstätten  zur  Her- 
stellung von  Borax  das  bctiraäurerh^ltige  Wasser  eines  von 
[1878.  4.  Math-phys.  Cl.]  84 


510  Sitzung  der  tnath.-phy8.  Glosse  vom  6.  Juli  1878. 

heissen  Quellen  gebildeten  kleinen  Sees  benützt.  Dort  wird 
der  Borax  hergestellt  darch  Mischung  dieses  Wassers  mit 
Boden -Efflorescenzen,  die  vorzugsweise  aus  kohlensaurem 
Natron  oder  Soda  bestehen. 

Das  Auftreten  von  Soda,  als  Bodensalz,  ist  in  Tibet 
ziemlich  häufig  und  in  einzelnen  Lagen  sehr  ausgedehnt ; 
die  Ausscheidung  an  der  Bodgnoberfläche  herrscht  vor  in 
kalter  trockener  Jahreszeit,  und  an  jenem  borsäure-haltigen 
See  soll  uiigeachtet  bedeutender  Hohe  seiner  Lage  die  Pro- 
duction  des  Borax  nur  im  Winter  vorgenommen  werden ; 
das  beizumischende  Bodensalz,  das  ohnehin  nicht  aus  reiner 
Soda  besteht,  wird  nur  sehr  unvollständig  von  adhärirender 
erdiger  Masse  getrennt,  und  es  ist  desshalb  das  Borax- 
Product,  das  aus  jener  Localität  geliefert  wird,  sehr  unrein. 
Erste  Mittheilung  darüber,  aber  in  sehr  unvollkommener 
Weise,  hat  d.  d.  August  1786,  ein  Brief  von  William 
Blane  aus  Läknau  nach  Europa  gebracht^). 

An  den  andern  Fundstätten  in  Tibet  wird  überall  Borax 
gesammelt,  der  schon  als  natürliches  Erzeugniss  sich  bietet. 

Localitäten  desselben  im  östlichen  Tibet  wurden  an- 
gegeben in  einem  fast  gleichzeitigen  Berichte  aus  der 
Missions- Anstalt  in  Patna,  abgesandt  im  September  1786'). 
Als  die  eine  Lage,  25  Tagmärsche  westlich  von  Läsa,  wird 
darin  das  MarMe^ebiet  genannt;  als  eine  zweite,  10  Tag- 
märsche noch  weiter  im  Gebirge,  nennt  der  Bericht  das 
Täpse-Thal;  eine  dritte  Stelle,  deren  Position  nicht  näher 
bezeichnet  ist,  heisst  darin  Ghoga.  Mit  Bestimmtheit  wird 
vom  Auftreten   d^^  Borax   als   natürliches  Erzeugniss    ge- 


1)  „Some  Farticolars  relative  to  the  Prodaction  of  Borax."  Phil. 
Transactions,  1787.  S.  297—300. 

2)  „A  letter  from  the  Father  Prefect  of  the  Mission  in  Thlbet, 
Joseph  da  Bovato,  containing  some  Observations  relative  to  Borax." 
Phil.  Transactions,  1787.  S.  801—304.  (Dieser  Brief  ist,  in  der  Sprache 

des  Originals,  italienisch  dort  gegeben.) 

l  » 


H,  V,  SchlagintweU:  Ueher  Bor- Verbindungen  in  Tibet     511 

sprochen ,  nnd  es  wird  dasselbe  als .  Ausscliei4nng  feilten 
Salzes  in  wassererfällten  Pfuhlen  beschrieben. 
-^'^"""^eher  einen  See  des  östlichen  Tibet,  an  dessen  Ufern 
Borax  in  festen  Schichten  abgelagert  ist,  findet  sich  Mit- 
theilang  von  Saunders  im  Werke  von  Turner  (London  1800'); 
Saunders  hatte  die  politische  Mission  als  der  Beobachter 
für  naturwissenschaftliche  Gegenstände  nach  Bhutan  und 
nach  Tashilhünpo  in  Tibet  im  Jahre  1783  begleitet.  Das 
Boraxlager  selbst  hatte  Saunders  nicht  gesehen.  Er  schätzt 
die  Lage  desselben  15  Tagmärsche  von  Tashilhünpo  ent- 
fernt, gegen  Norden.  Jedenfalls  liegt  demnach  dieser  See 
viel  östlicher  und  bedeutend  weiter  abwärts  im  Stromge- 
biete des  Dihöng,  als  die  Fundstätten,  welche  in  den  beiden 
vorhergehenden  Mittheilungen  besprochen  sind.  (Als  „Namen^^ 
für  diesen  See  habe  ich  Ma-pin-mu  Thsa-le  angegeben  er- 
halten; das  2.  Wort  ist  jetzt  erläutert,  S.  474). 

„Dieser  See'S  wie  Saunders  sagt,  „hat  20  engl.  Meilen 
„Umfang  und  hat  weder  Zufluss  noch  Abfluss  eines  Baches. 
„Er  wird  »von  Wasser  von  Salzquellen  gefüllt  und  bleibt 
„doch  immerfort  gleich  gross ;  dabei  wird  der  Borax  von  den 
„üferrändern  gesammelt,  aus  der  Tiefe  wird  in  den  mittleren 
„Theilen  festes  Kochsalz  heraufgeholt.^' 

Dass  der  Borax  schon  am  Ufer  fest  sich  ansetzt ,  ist 
ohnehin  bei  der  geringen  Löslichkeit  des  Salzes  und  bei 
stets  isolirtem  Auftreten  einzelne^^  Boraxquellen  das  Wahr- 
scheinlichste. Ueberdiess  ist  nach  dem,  was  bis  jetzt  vor- 
liegt, für  Boraxquellen  stets  sehr  hohe  Temperatur  an  ihrer 
Austrittsstelle  anzunehmen,  was  gleichfalls  das* Ansetzen  fe- 
sten Salzes  bei  Abkühlung  beschleunigt.  Die  Temperaturver- 
hältnisse sind  jedoch  von  Saunders  ganz  unerwähnt  gelassen. 

Auch  dass  in  jener  regenarmen  Gegend  die  Wasser- 
menge des  Sees  stets  nahezu  die  gleiche  bleibt,   hat  nicht 

8)  Turner,  „An  Account  of  anEmbassy  to  the  coürt  of  theTeshoo 
Lama  in  Tibet";  Bericht  Yon  Saunders  S.  406. 

34* 


512  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  6,  Juli  1678, 

die  ünwahrscheinlichkeit  zufälliger  Coincidenz,  sondern  lässt 
sich  aus  gewisser  Ciombination  von  Wasser  und  Bodenge- 
staltung sehr  wohl  erklären.  Ist  die  Wassermenge  der  Quellen 
gering  aber  gross  genug,  um  dem  Eintrocknen  des  Sees  zn 
widerstehen,  so  kann  in  einem  so  flachen  Becken,  wo  bei 
geringer  VeraiÄrhiig  oder  Verminderung  der  sich  ansam- 
melnden Wassermenge  die  Oberfläche,  welche  wasser be- 
deckt ist  und  ausdünstet,  so  bedeutend  sich  ändert,  inner- 
halb enger  Grenzen  das  angesammelte  Wasservolumen  das 
gleiche  bleiben. 

Dass  Kochsalz  mehr  als  etwa  spurenweise  in  der  Tiefe 
sich  ansetzt,  kann  nur  eintreten,  wenn  gleichzeitig  Sättigung 
der  Lösung  vorliegt ;  weil  Salz  aus  der  Tiefe  heraufgeholt  wird, 
lässt  sich  schliessen,  bei  der  Unvollkommenheit  der  Werkzeuge 
jener  Gebirgsvölker  und  bei  ihrer  Entbehrung  selbst  grosser 
Holzgeräthe,  dass  die  Tiefe  wenigstens  nicht  sehr  bedeutend 
ist.  Geringe  Dimensionen  überhaupt  machen  allein  das  An- 
setzen festen  Salzes  in  gesättigter  Lösung  wahrscheinlich; 
es  würde  diess  dann  sehr  wohl  mit  den  Formen  anderer 
Kochsalzquellen  sich  vergleichen  lassen,  die  wir  in  Ost- 
Turkistän  in  kleinen  Pfuhlen  austreten  sahen.  Da  Saunders 
den  See  nicht  selbst  besuchte,  ist  ohnehin  bei  der  steten 
Neigung  wenig  cultivirter  Menschen,  alles  Ungewöhnliche 
in  seinen  Eigenschaften  und  in  seinen  Formen  bedeutend 
zu  überschätzen,  sehr  wohl  anzunehmen,  dass  die  Angaben 
der  Eingebornen  über  die  Grösse  des  Sees  übertrieben  waren, 
oder  dass  vielleicht  innerhalb  der  ihm  gegebenen  Fläche 
„von  20  Meilen  Umfang"  nicht  1  grosses,  sondern  mehrere 
solch  kleinerer  Salzwasserbecken  sich  zeigen  würden. 

In  den  Nachrichten,  die  während  der  letzten  Jahre  ein^ 
getrofiPen  sind,  ist  für  das  östliche  Tibet  noch  ein  anderer 
See  als  Borax-See  bezeichne.t  worden,  der  gleichfalls  hier  zu 
besprechen  ist;  er  befindet  sich  in  jener  grossen  östlichen 
Gabelung  des  Hauptkammes  des  Karakorum- Gebirges,   die 


« 

H,  V,  ScJüagintweit :  üeher  Bor- Verbindungen  in  Tibet.     513 

nordlich  von  Tashilhüiipo  und  von  Läsa  liegt.  Bekannt  waren 
für  diese  Erhebungs-Stufe  seit  längerer  Zeit  schon,  vor  allem 
ihrer  Grösse  wegen,  der  See  Nam  Tso  oder  T^ngri  Nur  und 
der  See  Nämur  Tso ;  der  erstere  galt  als  der  grosste  See  in 
Tibet,  was  durch  das  Eintreffen  directer  Beobachtungen  jetzt 
bestätigt  worden  ist. 

Die  neuen  Mittheilungen  wurden  kürzlich  über  jenes  Gebiet 
durch  Nain  Singh^)  geliefert,  einen  der  Eingebornen,  welche 
gegenwärtig  von  Indien  aus  zu  Beobachtungen  in  den  Hoch- 
gebirgen verwendet  werden. 

Der  betreffende  See  heisst  Bul  Tso.  Er  liegt  dem  Tengri 
Nur  ziemlich  nahe,  etwas  nördlich  von  der  mittleren  Thal- 
linie jenes  Hochlandes  und  etwas  höher  noch  als  der  Tengri 
Nur,  für  welchen  15,500  Puss  als  vorläufiges  Ergebniss  der 
Beobachtungen  Nain  Singh's  anzunehmen  ist. 


4)  Nain  SlDgb  ans  MÜnm  in  Eämäon  war  in  den  Jahren  1855 
bis  1857  von  uns  in  Dienst  genommen  worden  nnd  wurde  dann  von 
Oberst  Montgomerie  als  Native  Assistant  für  die  Indische  Landes- 
aufnahme (Great  Trigonometrical  Survey)  engagirt.  Nain  Singh  hat  auch 
in  seiner  neuen  Verwendung  gut  sich  bewährt  und  bat  dort  sehr  bald 
Gelegenheit  erhalten,  selbstständig  zu  reisen.  Erläutert  von  mir  in  „Be- 
richt über  Anlage  des  Herbariums."  Denkschr.  der  II.  Gl.  d.  k.  b.  Ak. 
d.  Wiss.,  Band  XII,  S.  165.  Details  über  die  Beise  Nain  Singh's  und 
der  anderen  in  ähnlicher  Weise  entsandten  Pändits  sind  von  Oberst 
Montgomerie  oMciell  publicirt. 

Seiner  Abstammung  nach  ist  Nain  Singh  einer  der  Bhot-Bajp6t8,  die 
sich  als  Misch-Ba9e,  aber  mit  Beihalten  des  turanischen  Oharacters 
in  ihrer  Sprache ,  auf  die  indische  Seite  der  centralen  Theile  der  Him- 
alaya-Eette  vorschieben.  In  den  meisten  der  östlicher  liegenden  Theile  des 
Himalaja-Gebirges  ist  aber  auch  die  reine  Ba9e  der  Bhots  oder  Ti- 
beter auf  die  indische  südliche  Seite  vorgedrungen.  In  Bhutan  und  in 
Sfkkim,  sowie  in  den  nördlichen  Hocbstufen  Nepals  noch,  ist  die  Bhot- 
Bevölkerung  reiner  Ra^e  die  zahlreichste. 

Die  Verhältnisse  zu  Mflum  sind  besprochen  in  y,Beisen  in  Indien 
und  Hocbasien'\  Bd.  II,  S.  332. 


514         Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  6,  Juli  1878, 

In  Dr.  GanzenmüUer^s^)  sorgfältiger  niid  möglichst 
vollständig  dnrchgefuhrter  Bearbeitung  der  bis  jetzt  vor- 
liegenden Bereisnngen  und  Beschreibungen  Tibets,  die  mich 
veranlasst  hatte,  auf  seinen  Wunsch  eine  allgemeine  ver- 
gleichende Zusammenstellung  dem  Buche  beizufügen,  ist  der 
Auffindung  dieses  Sees  durch  Nain  Singh  sowie  der  von 
ihm  durch  die  Tibeter  erhaltenen  Angaben  gleichfalls  schon 
erwähnt  (S.  52),  wie  folgt: 

„Benannt  ist  der  See  nach  dem  Bul  oder  Borax,  der 
daraus  gewonnen  wird.  Er  ist  etwa  6  Meilen  lang  and 
5  Meilen  breit.  Er  konnte  vom  Pändit  Nain  Singh  von 
einer  erstiegenen  Höhe  übersehen  werden.'^ 

Es  ist  diess  die  Angabe  nach  dem  Report,  den  Mont- 
gomerie  publicirte;  aber  die  Deutung  des  Wortes  „Bol" 
ist  in  demselben  entschieden  irrig.  Bei  den  Tibetern  heisst 
Bul  nicht  Borax  sondern  Soda,  speciell  die  schon  oben 
(S.  466)  erwähnte  Boden -Efflorescenz,  und  Nain  Singh, 
dessen  Landessprache  als  Bhot-Rajput,  gleichfalls  das  Ti- 
betische ist,  hat  die  Verwendung  des  Salzes,  die  er  sah,  keines- 
wegs als  dem  Begriffe  von  Soda  widersprechend  aufgefasst. 
Denn  er  fdgte  gerade  über  dieses  Bul-Salz  das  noch  bei,  was 
eben  die  allgemeine  Benützung  der  Soda  in  Tibet  ist,  ohne 
dass  er  darin  etwas  ungewöhnliches  fQr  das  Salz,  das  hier 
sich  bot,  gefunden  hätte.  Er  sagte  nemlich  über  diesen  Bul, 
„dass  er  in  Tibet  zu  den  Nahrungsmitteln  gehört,  indem 
er  von  den  Eingebornen  als  eine  Würze  des  Fleisches,  des 
Thees  sowie  zum  Waschen  der  Kleider  u.  dgl.  verwendet 
wird,  und  dass  er  in  grossen  Quantitäten  von  den  Händlern 
weggefahrt  wird." 

Im  westlichen  Tibet  wurde  uns  das  Auftreten  von 
Borax  nur  bekannt  für   eine  Begion,   für    das  Püga-Thal 


5)  „Tibet  nach  den  Resultaten  geographischer  Forschungen  früherer 
und  neuester  Zeit."  Stuttgart,  Leyj  und  Müller,  1878. 


H,  V,  SMagintweit:  üeher  Bor- Verbindungen  in  Tibet,     515 

in  Büpchu,  einer  Provinz  Ladäks.  Im  Jahre  1856  hatte 
mich  meine  Bereisung  der  tibetischen  Salzseen®)  mehrmals 
in  die  Nähe  geführt,  wodurch  zugleich  die  allgemeinen  topo- 
graphischen und  geologischen  Verhältnisse  der  Umgebung 
mir  bekannt  wurden. 

Mein  Lager  im  Juni  1856  hatte  ich  zu  Räldang  auf- 
geschlagen ;  es  war  diese  Haltestelle  in  geringer  Entfernung 
nordöstlich  von  Puga  und  doch  etwas  günstiger  für  die 
Lastthiere,  auf  einer  Seitenstufe  des  linken  Indus-Ufers  ge- 
legen. Als  Höhe  für  das  Lager  ergab  sich,  nach  correspon- 
direnden  Beobachtungen  zu  Simla  und  zu  Mässnri  berechnet"^), 
14,272  F.;  für  das  Niveau  des  Indus,  am  unteren  Ende 
zugleich  des  Bäldang-Thales,  erhielt  ich  13,858  F. 

Mein  Bruder  Adolph  fand  Gelegenheit  1857  vor  seinem 
Aufbrechen  nach  Turkistän  an  das  obere  Ende  des  Borax- 
bodens zu  gehen.  Er  machte  seine  Untersuchungen  in  der 
ersten  Woche  des  Juni,  und  es  liegt  mir  ausser  seinem  Ma- 
nuscripte  eine  landschaftliche  Aufnahme  (Aquarell  Gen. 
Nr.  727)  vor. 

Ich  werde  diesen  Gegenstand  etwas  leichter  getont,  mit 
2  bis  3  Tonplatten ,  wie  die  Salzseen ,  in  den  landschaft- 
lichen Bildern  des  Atlas  zum  nächsten  Bande  der  „Besults*^ 
geben.   (Vol.  V.  Meteorology,  Part  H.) 

Die  Bedingungen  grosser  Trockenheit  auf  allen  das 
Boraxlager  umgebenden  Gehängen  sind  in  den  klimatischen 
Verhältnissen  für  jene  Gebiete  sehr  charakteristisch. 

(Die  Besprechung  des  Auftretens  des  Borax  zu  Pöga  ist 
hier  als  getrennt  gehaltener  Abschnitt  angereiht.    Die  un- 


6)  Bericht  darüber  gab  ich  in  „üntersnchnngen  über  die  Salzseen 
im  westlichen  Tibet  und  in  Turkistän.  1  Theil :  B6pcha  und  Pangkong.'* 
Denkscbr.  der  II.  Ol.  der  k.  b.  Ak.  der  Wiss.,  Band  XI,  S.  115—190. 

7)  ,,Besults  of  a  scientific  Mission  to  India  and  High  Asia."  Leipzig; 
F.  A.  Brockhaus;  London:  Trübner  and  Co.|  Vol.  II,  p.  442. 


516  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  6,  Jtdi  1878, 

gewöhnlichen  Erscheinungen  der  Wasser-  und  Boden- Ver- 
hältnisse, auf  welche  dabei  eingegangen  werden  kann, 
durften  bei  der  Mächtigkeit  des  Auftretens  von  Borax  zn 
Puga  Anhaltspunkte  zur  Beurtheilung  der  meisten  nn- 
bestimmter  gehaltenen  Angaben  über  Einzelheiten  an  an- 
deren Lagerstätten  bieten.) 

Der  Borax  im  Handelsverkehr  kömmt  aus  dem  öst- 
lichen Tibet  meist  über  Bhutan  und  Assam'^nach  dem  Süden ; 
zum  Theil  wird  er  über  Nepal  nach  Indien  gebracht.  Die 
Stücke,  die  ich  in  Kathmändu  sah,  zeigten  eisenhaltigen 
Thon,  Gyps,  auch  etwas  Schwefel  eingeschlossen.  Häufig 
ist  die  Masse  etwas  fettig,  weil  man  vor  dem  Transporte 
Oel  oder  Fett  zusetzt,  um  sie,  wie  man  mir  sagte,  gegen  zu 
starkes  Zerfallen  zu  schützen.  (Hygroskopisch  aber  ist  die 
Substanz  nicht,  Zerfliessen  also  wäre  nicht  zu  befürchten, 
so  lange  sie  gegen  Kegen  gesichert  ist). 

Aus  dem  westlichen  Tibet  geht  der  Weg  des  Trans- 
portes, ohne  das  nördlich  von  der  Fundstätte  gel^ene  Le 
zu  berühren ;  direct  gegen  Südwesten  nach  der  Hauptver- 
kehrslinie  zwischen  Tibet  und  Lahöl,  und  auf  dieser  nach 
dem  westlichen  Indien. 

Aehnlich  wie  zum  Getreidehandel  werden  dabei  im 
Hochgebirge  von  den  Tibetern  meist  Schaafe  benützt, 
welche,  mit  2  seitlich  hängenden  Säcken,  bis  gegen  40  Pfiind 
schwer  beladen  werden. 

Die  Reinigung  von  erdiger  Masse  und  von  fremden 
Salzen  wird  erst  in  Indien ,  und  zwar  nach  dem  Verkaufe 
im  Grossen  Yorgenommen.  Es  genügt,  in  heissem  Wasser 
zu  lösen,  die  festen  Theile,  die  sich  zu  Boden  senken,  durch 
Umgiessen  der  Flüssigkeit  von  dieser  zu  trennen  und  deren 
Erkaltung  eintreten  zu  lassen,  wobei  sich  bedeutende  Menge 
des  reinen  Borax  aus  der  Mutterlauge  krystallinisch  ausscheidet. 

Seine  allgemeinste  Anwendung  findet  Borax  bekanntlich 
als  Schmelzmittel,  in  Indien  gleichfalls;    er  verändert  zwar 


H,  V,  Schlagintweit :  üeher  Bor-Verbindungen  in  Tibet     517 

nicht  unmittelbar  die  Schmelzbarkeit  der  Metalle,  aber  er 
begünstigt  die  Behandlung  derselben  dadurch,  dass  er  die 
störende  Einwirkung  von  Oxydkrusten  entfernt,  indem  er 
mit  diesen  eine  leichtflüssige  glasartige  Verbindung  bildet. 

In  Indien  wird  noch  der  Borax  in  wässeriger  Lösung 
benützt,  um  jene  Incrustationen  auf  Zweigen  zu  erweichen, 
welche  Gummilack  und  die  rothe  „Lakh-*'  (oder  Lack-)  Farbe 
liefern;  es  sind  diess  zellenartig  angesetzte  Secretionen  der 
Schildlaus-Species  Coccus  lacca,  welche  auf  sehr  verschiedenen 
tropischen  Bäumen  vorkommen. 

Früher  wurde  ungeachtet  der  grossen  Entfernung  Borax 
fast  ausschliesslich  aus  Tibet  über  Indien  in  Europa  einge- 
führt. In  Indien  selbst  ist  ein  Vorkommen  desselben  nicht 
bekannt;  auch  in  Europa  kömmt  Borax  in  Natur  nirgends 
vor,  aber  seit  der  Production  fester  gereinigter  Borsäure®) 
aus  heissen  Gasströmen  im  Toskanischen,  die  am  Fundorte 
selbst  sogleich  zur  Bereitung  von  Borax  benützt  wird,  hat 
die  Einfuhr  via  Indien  aufgehört^). 

8)  Die  Borsäure  wird  speciell  zn  Porcellan-  und  Glasbereitnng  (in 
Europa)  gebraucht.  Eine  eigenthümliche  Yerwendong  im  Kleinen  hat  sich 
für  Borsäure  bei  uns  zur  Präparation  des  Dochtes  von  Stearinkerzen  er- 
geben. Wird  solcher  Docht  in  Losung  von  Borsäure  getaucht,  und  zwar 
in  sehr  verdünnte  nur,  so  bildet  die  Borsäure  mit  der  Asche  des  Dochtes 
beim  Verbrennen  leicht  flüssiges  Salz,  dessen  Volumen  so  gering  ist 
und  dessen  Entstehung  so  vollkommenes  Verbrennen  des  Kohlenstoffes 
möglich  macht,  dass  bekanntlich  bei  solchen  Kerzen  kein  Abschneiden 
restirenden  Dochtes  nöthig  ist. 

9)  Ueber  Bor  und  das  Vorkommen  von  Borverbindungen  im  All- 
gemeinen sowie  über  die  chemischen  Verhältnisse  desselben  sind  unter 
den  neuen  grösseren  Werken  besonders  anzuführen: 

„Muspratt's  Theor.,  pract.  und  analytische  Chemie;  frei  be- 
arbeitet von  Bruno  Kerl  und  F.  Stohmann",  sowie  „Liebig's 
Neues  Handwörterbuch  der  Chemie,  bearbeitet  und  redijg^rt  von  Dr.  Her- 
mann von  Fehling.''  Das  Muspratt'sche  Handbuch  enthält  in  seiner 
neuen  Auflage  den  Artikel  ,Bor"  in  Bd.  I,  von  1874,  S.  1477—1510; 
das  Liebig'sche  Wörterbuch  in  Bd.  II,  von  1875,  Artikel  »Bor«  S.  141— 
146,  und  „borsaure  Salze"  S.  161—168.  -. 


518  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  6,  Juli  1878, 

Die  gewöhnliche  Benennnng  des  Borax  in  Hindo- 
stäni  ist  Sohäga  (sanskrit);  auch  Tinkar  und  Tftakar 
(persisch ^°),  sowie  Börak  (arabisch),  unser  „Tinkal"  und 
„Borax",  hört  man  in  Indien;  „Tinkal",  obwohl  jetzt 
wenig  gebraucht,  war  früher  in  Verbindung  mit  der  Einfuhr 
aus  Indien  das  allgemeinere  Wort,  im  Deutschen  und  Eng- 
lischen sowie  in  den  romanischen  Sprachen ;  bisweilen  wurde 
es  zum  Unterschiede  von  „Borax"  vorzüglich  auf  die  noch 
nicht  gereinigte  Masse  beschränkt. 

In  Tibet ^*)  wird  für  Borax  Thsa-le  gebraucht,  in  den 
Eathmändu-Bazärs  wurde  er  mir  Chaläraya  benannt.  Im 
chinesischen  Handel  heisst  Borax  Pong-cha. 


U. 

Die   Borax-Bodendecke   und    die    Thermen    von 

Puga. 

In  Bupchu  findet  sich  der  Borax  als  fester  Körper,  in 
mächtiger  Ausscheidung  aus  zahlreichen  Thermen,  zu  D^ra 
Püga,  bei  SS^'  12'  nördlicher  Breite,  78«  25'  östlicher  Länge 
von  Greenwich;  15,310  P.  ist  die  mittlere  Höhe  der  Quellen^*). 

Schon  diese  Lage  würde  permanentes  Bewohntsein  mit 


10)  In  Fersien  soll  gleichfalls  Borax  gesammelt  werden;  Einfahi 
nach  Indien  fand  zur  Zeit  nicht  statt,  auch  nicht  in  den  Hafen  von 
Bomhaj,  wo  in  so  vielen  anderen  Gegenständen  der  Verkehr  mit  Persien 
sehr  lehhaft  ist.    (Boraxgmhen  in  Südamerika  giht  es  zu  Yinqaiota). 

11)  Wie  mein  Bruder  Emil,  nach  den  hetreffenden  in  tibetischen 
Lettern  geschriebenen  Wörtern  als  Fachmann  mir  noch  angab,  ist  laut- 
lich thsa  =  Salz,  aber  in  thsa-le  fehlt  das  diakritische  Zeichen,  welches 
für  Salz  dem  thsa  zur  Unterscheidung  vom  gleich  geschriebenen  Worte 
für  heiss  beigeschrieben  wird;  die  Anwendung  solcher  Zeichen  ist  im 
Tibetischen  selten. 

12)  Die  Höhe  des  Lagerungsplatzes  unterhalb  der  Thermen  ist, 
nach  Canningham,  15,264  Fuss.  „Results",  YoL  II,  S.  442. 


H,  V.  Schlagintweit:  üeber  Bor- Verbindungen  m  Tßet     519 

aller  Vorsicht  nahezu  unmöglich  machen*');  auch  als  Som- 
meraufenthalt Yon  Hirten  werden,  wegen  des  rauhen  und 
trockenen  Klimas,  weder  dieser  Punkt  noch  die  unmittel- 
baren Umgebungen  desselben  gewählt.  Dessungeachtet  wurde 
APuga^*)  früher  jedes  Jahr  im  Sommer  einige  Monate  von 
Garawanen  bezogen,  und  es  sind  dortt  wie  bei  einem  Som- 
merdorfe  rohe  Gebäude  zum  Schutze  während  solchen  Auf- 
enthaltes, allerdings  nur  Wälle  und  Mauern  ohne  Bedach- 
ung, aufgerichtet. 

Seit  die  Ausfuhr  des  Borax  von  Indien  nach  Europa, 
wenigstens  in  irgend  nennenswerther  Menge,  aufgehört  hat, 
hat  auch  der  Besuch  von  APüga  sich  rasch  vermindert; 
es  fanden  sich  dort  zur  Zeit  unserer  Bereisung  selbst  die 
ganz  einfachen  Steinconstructionen  schlecht  unterhalten  und 
meist  zerfallen. 

Das  Puga-Thal,  in  dem  die  Quellen  zu  Tage  treten,  ist 
ein  Seitenthal  des  Baldang-Flusses,  in  den  es  links  etwas 
ober  A  Bäldang  mündet. 

Obwohl  diese  Quellen  nach  vielen  Richtungen  hin  von 
Salzseen  umgeben  sind,  zeigen  sie  sich  in  ihrem  Auftreten 
dessenungeachtet  ganz  isolirt  davon.  Gegen  etwaige  unter- 
irdische Verbind  ang  des  Boraxlagers  mit  jenen  Seen  spricht 


13)  Nur  von  Dera  Th5k  Jälnng  dn  den  Goldfeldern  von  Ceniral- 
Tfbet,  das  überdiess  noch  bedeutend  hoher  liegt ,  bei  16,330  Fuss,  ist 
bis  jetzt  bekannt  geworden,  dass  es  einigemale  in  (den  letzten  Jahren 
auch  während  des  Winters  bezogen  blieb.  (Unter  den  jetzt  »ständig  be- 
wohnten Orten"  hatten  sich  uns  als  die  höchsten  f&r  Tibet  und  damit 
für  die  Erde  im  Allgemeinen  isolirte  buddhistische  Klöster  gezeigt; 
als  Maximum  solch  hoher  Lage  ergab  sich  jene  des  Lama-Sitzes  Hänle 
in  Ladak,  mit  15,117  Puss.  „Results",  Vol.  II  S.  477). 

14)  »A*  ist  hier,  ebenso  wie  auf  unseren  Karten,  als  Signatur 
für  »Dera*  gewählt,  mit  der  Bedeutung  einer  als  Haltestelle  und  La- 
gerplatz benützten  Localität,  ohne  Verbindung  mit  regelmässiger  Boden- 
cultur  oder  mit  Viehzucht  in  grösserer  Ausdehnung,  wie  bei  dem  eigent- 
lichen «Sommerdorfe." 


520  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  6.  Juli  1878, 

sowohl  die  Form  der  trennenden  Kämme,  die  von  bedeu- 
tender Breite  ebenso  wie  von  grosser  relativer  Höhe  sind, 
als  anch  die  ganz  verschiedene  Qualität  des  Salzgehaltes 
dieser  Seen,  welche  als  eintrocknende  Süsswasserreste  zn 
betrachten  sind  und  unter  den  gelösten  Salzen  selbst  von 
Kochsalz  theils  nur  Spuren,  theils  nur  sehr  geringe  relative 
Menge  enthalten. 

Die  Entfernung  der  Puga-Quellen  vom  Tsomoriii-See 
beträgt  29  engl.  Meilen ;  jene  vom  Tsomognalari,  mit  dem 
Indus-Flusse  dazwischen,  etwas  über  33  Meilen.  Von  den 
kleineren  Seen  sind  als  die  zunächst  gelegenen  der  Tso  Garn 
zu  nennen,  9  engl.  Meilen  gegen  Westen  entfernt,  und 
der  Tso  Gyagar,  18  engl.  Meilen  gegen  S.  54^  W. ;  doch 
hat  schon  bei  diesen  der  trennende  Kamm  breite  Basis  und 
mehr  als  3000  Fuss  relativer  Höhe.  Ihre  Entfernung  von 
den  beiden  andern,  gegen  Westen  und  gegen  Westnordwesten 
liegenden,  kleineren  Seen  beträgt  unter  ähnlichen  Verhält- 
nissen für  den  Tso  Kar  an  20,  für  den  Mure  Tso  etwas 
mehr  als  40  Meilen. 

Unter  den  Gesteinen  fanden  wir  als  das  dominirende 
an  den  Borax-Quellen  und  in  weitem  Umkreise  derselben 
krystallinischen  metamorphischen  Schiefer  von  blangrauer 
Farbe.  Westlich  schon  vom  Thag  La-Kamme  zeigten  sich 
grosse  Massen  von  Diorit,  krystallinischem  granitartigen 
Grünstein.  Dasselbe  wiederholte  sich  auf  der  Püga-Seite, 
und  dieser  massige  kömige  Grünstein  tritt  dort  noch  viel 
stärker  hervor ;  im  landschaftlichen  Charakter  der  Gegend  ist 
er  durch  Schuttfelder  mit  sehr  grossen  Blöcken  bemerkbar. 

Weder  basaltähnlicbe  noch  vulkanische  Gesteine,  mit 
welchen  locale  anomale  Bodenwärme  sonst  am  häufigsten  sich 
verbindet,  treten  zu  Tage;  man  bemerkt  auch  keine  Bo- 
dengestaltungen, welche  man  als  Wirkungen  von  Bewegung 
heissflüssiger  Gesteinsmasse  an  der  Oberfläche,  oder  in  ge- 
ringer Entfernung  davon  in  der  Tiefe,  von  den  Formen  der 


H.  V.  ScMagintweit :  üeher  Bor- Verbindungen  in  Tibet..    521 

krystallinischen  und  sedimentären  Gesteine  in  den  andern 
Theilen  des  Hochgebirges  unterscheiden  könnte  ^^). 

Im  Schiefer  der  Abhänge,  welche  sogleich  oberhalb  der 
Quellen  folgen  und  den  oberen  Rand  des  Puga- Beckens 
umgeben,  tritt  auch  Schwefel  auf,  so  massig,  dass  er  von 
den  Eingebornen  gebrochen  und  ausgeführt  wird. 

An  zwei  Stellen  hatten  sich  ziemlich  grosse  natürliche 
Aushöhlungen  gebildet,  mit  reichlichem  Schwefelansatze  an 
den  Wänden;  diese  sind  jetzt  künstlich  noch  etwas  ausge- 
schürft. 

Sehr  verbreitet  fand  sich  das  Auftreten  von  Gyps, 
welcher  theils  für  sich  lagert,  theils  als  Cement  in  nagel- 
fluhartigen  Schichten  vorkömmt.  Gyps  wird  in  Ladäk  von 
den  Tibetern  nirgends  benützt,  wohl  desshalb  nicht,  weil 
der  hohe  Werth  des  Brennmaterials  die  Bearbeitung  desselben 
zu  kostspielig  machen  würde.  So  kömmt  es,  dass  er  nicht 
einmal  allgemein  bekannt  ist ;  die  Lamas  aber  wussten  meist 
davon,  und  im  östlichen  Tibet  soll  er,  wie  man  uns  sagte, 
in  den  grösseren  der  priesterlichen  Gebäude  architektonisch 
angewendet  sein^*). 

Dass  Gyps  sich  bietet,  würde  gerade  hier  das  Vorhan- 
densein von  Kochsalz  in  der  Nähe  gleichfalls  sehr  wahrschein- 
lich gemacht  haben.  Doch  ist  Kochsalz,  massig  auftretend, 
weder  in  anstehenden  Schichten  noch  gelöst  in  Quellen 
hier  oder  in  den  Umgebungen  bis  jetzt  bemerkbar  geworden. 


15)  Ueber  die  toscanischen  Borsäure-Fumarolen  liegt  eingebende 
geologiscbe  üntersachnng  von  Prof.  Scbmidt  in  Dorpat  vor.  (AnnaL  d. 
Cbem.  n.  Pbarm.  98,  271;  102,  190.)  Dort  findet  sieb,  ganz  dem  Auf- 
treten des  Diorites  entsprecbend,  das  Vorkommen  von  Serpentin,  welcher 
den  Kreidekalk  der  Apenninen  dnrebbricbt. 

16)  In  Indien  dagegen  sahen  wir  Gyps  von  den  Eingebornen  eben- 
sowenig angewandt  als  im  westlichen  Tibet;  dort  ist  er  ausgeschlossen 
dnrcb  seine  geringe  Widerstandsfähigkeit  gegen  grosse  Feuchtigkeit 
der  Luft  in  heissen  Gebieten. 


522  Sitzung  der  math.-phys»  Classe  vom  6.  Juli  1678, 

Die  Form  und  der  Charakter  des  Puga-Thales 
selbst  zeigt  sich  wie  folgt: 

a)  Das  Thal  zieht  sich  vom  Thag  La-Eamme,  der  es  im 
Südwesten  muldenförmigabschliesst,  nach  dem  Räldang-Thale 
nahe  der  Haltestelle  herab.  Der  Eamm,  der  die  obere  Be- 
grenzung des  Pdga-Thales  bildet,  senkt  sich  an  mehreren 
Stellen  —  die,  weil  die  niedersten,  auch  als  Uebergangspunkte 
benützt  werden  — zu  16,800  bis  16,500  Puss  ein.  Das  Gefälle 
des  Thaies  in  diesem  seinem  „oberen  Theile^'  ist  yerhältniss- 
mässig  nicht  steil,  aber  das  Bett  des  Baches  ist  dessenun- 
geachtet, bei  nicht  sehr  bedeutendem  Widerstände  des  Ge- 
steines, schon  dort  deutlich  erodirt.  Dieser  Strecke  entlang 
fliesst  ausschliesslich  Süsswasser  ab;  Richtung  nach  N.O. 

b)  Dann  tritt  der  Bach  in  das  weite  längliche  „Püga- 
Becken^^  ein ;  dieses  istsehr  flach.  Hier  wird  die  mittlere  Richtung 
des  Baches  mit  einer  Wendung  um  90  Grade  eine  südöstliche, 
parallel  dem  Industhale  aber  mit  entgegengesetztem  Gefälle. 
So  bleibt  es,  fast  so  weit  als  das  Thal  seine  breite  Form 
hat;  nur  im  unteren  Theile  des  breiten  Beckens  folgt  wieder 
starke  Drehung  des  Abfliessens. 

Die  Längenausdehnung  des  ganzen  Beckens,  ge- 
radlinig auf  die  äussersten  oberen  und  unteren  Grenzen  be- 
zogen, beträgt  etwas  über  4  engl.  Meilen.  Die  Breiten- 
ausdehnung, Yon  einer  gemessenen  Basis  aus  mit  pris- 
matischem Gompass  bestimmt,  fand  sich,  mit  geringer  Ver- 
änderung an  einzelnen  Stellen,  gleich  1420  bis  1480  engl. 
Fuss. 

Die  Wassermenge  des  Baches  ist  im  oberen  Theile 
klein,  dem  trockenen  Gharacter  jener  Hochregionen  ent- 
sprechend. Im  flachen  Becken  aber  ist  die  mittlere  Breite 
20  Fuss,  die  Tiefe  2  —  3  Fuss,  und  die  resultirende  Wasser- 
menge ist  ungeachtet  des  langsamen  Fliessens  eine  bedeu- 
tend grössere;  mehr  als  ein  Drittel  des  Wasservolumens 
ist  dabei  Zufluss  aus  den  Boraxquellen. 


H,  V»  Schlagintweit:  üeher  Bor- Verbindungen  in  Tibet,    523 

c)  Im  „dritten  Theile"  des  Thaies,  vom  Pügabecken  bis 
zur  Mündung  in  den  Bäldang-Flass  hinab,  ist  die  Richtung 
des  Pugabaches  nahezu  wieder  nordöstlich,  parallel  mit  jener 
oberhalb  des  flachen  Beckens,  und  es  ist  dabei  das  Gefälle 
ein  für  Tibet  steiles  zu  nennen,  ebenso  wie  im  unteren  Theile 
des  Eäldang-Thales.  In  Verbindung  damit  ist  in  beiden  die 
Erosionsschlucht,  die  sich  gebildet  hat,  unerwartet  tief  und  enge. 

Formen  wie  diese,  nämlich  Unterbrechung  des  Thal- 
laufes durch  breite  Becken,  in  der  Richtung  des  Thaies  oder 
divergirend  gestellt,  sind  in  Tibet  das  gewöhnliche;  sehr 
auffallend  dagegen,  auch  durch  eigen thümliche  Gestaltang 
der  Oberfläche  des  Bodens,  ist  das  Auftreten  des  Borax  selbst. 

Das  Thalbecken  ist  oben  eine  Strecke  weit  ohne  festes 
Salz ;  dann  folgt,  scharf  begrenzt,  eine  Bedeckung  mit  Borax 
welche  vom  Puga- Bache  in  gewundener  Linie  durchzogen 
wird;  am  unteren  Ende  des  flachen  Beckens,  wo  jetzt  die 
Mauerwerke  des  Lagerplatzes  stehen,  ist  ein  schmaler  Theil 
der  Quere  nach  wieder  frei  von  dieser  Boraxdecke.  („Tiza", 
eine  Verbindung  von  Bor  mit  Kalk  und  Natron,  die  als 
Mineral  in  Südamerika  sich  findet,  scheint  hier  nicht  vor- 
zakommen.) 

/<!®ie  Oberfläche  des  Borax  ist  vorherrschend  wellen- 
förmig und  zeigt  dabei  geringes  aber  allgemeines  Ansteigen 
gegen  die  Mitte  der  beiden  Flächen  links  und  rechts  vom 
Bache.  An  einigen  Stellen  sieht  man  grosse  isolirte  Pro- 
minenzen, die  kegelförmig  gestaltet  sind. 

Diese  Formen  sind  hervorgebracht  durch  das  Austreten 
der  salzablagernden,  mehr  oder  weniger  starken  Thermeii, 
wovon  die  m'eisten  ihre  Mündung  bedeutend  verschieben, 
wenn  die  Ablagerung  eine  gewisse  mittlere  Mächtigkeit  er- 
reicht hat ;  vereinzelte  aber,  welche  stärkeren  Zufluss  haben, 
bilden  die  grösseren  Kegel.  Einige  dieser  Eegel  erreichen 
ein  EmpQrragen  über  die  umgebende  Salzfläche  von  15  bis 
20   Fuss;   dann   wird   gerade  bei  den  grossen  Kegeln  ein 


526  Sitzung  der  math^-phys.  Classe  vom  6,  Juli  187B, 

Hohe  desselben  gewählt,  und  dieser  Punkt  li^  dabei  so, 
dass  sich  die  Erhebung  auch  in  ihrer  ganzen  seitüchen  Ann- 
dehnung  im  Vordergründe  zeigt;  die  mittlere  Neigung  ihrer 
Abhänge  ist  20  bis  30  Grad. 

Die  Hauptmasse  des  Salzes  fallt  hier,  einem  grossen 
Tieffirne  ähnlich,  den  Thalgrund  aus,  während  die  grauen 
Berge  der  Umgebungen,  in  auffallendem  G^ensatze,  nii^end 
bis  zur  Schneegrenze  sich  erheben. 

Im  langsam  fliessenden  Wasser  des  Baches  zeigt  sich 
viel  algenartige  Y^etationsmasse.  Dabei  wird  es  zu  einer 
anderen  Eigenthümlichkeit  dieses  Bildes,  dass  längs  beider 
üferränder  des  Pügabaches,  besonders  am  linken  üferrande 
grosse  Streifen  schwarzer  Masse  sich  anlagern,  die  wie 
feuchter  fester  Boden  aussehen,  doch  zum  grossten  Thdle 
nur  vom  Wasser  getragen  werden.  In  \hxer  Form  sind  sie 
mit  dem  Ansätze  von  Eis  am  üferrande  während  kalter  aber 
schneefreier  Jahreszeit  zu  vergleichen;  ihr  Farbene£Eect,  in 
Verbindung  mit  dem  hellen  Salze,  das  hier  den  Boden  seitlich 
deckt,  ist  gerade  der  enl^^engesetzte. 

Diese  stellenweise  sehr  breiten  Anlagerungen  sind  ve- 
getabilische Masse,  aber  sie  sind,  mit  Ausnahme  vereinzelter 
und  wenig  zahlreicher  Stämmchen  in  denselben,  nur  Beste 
der  Wasservegetation.  Das  geringe  Gefalle  des  Wassers  be- 
dingt, dass  viel  davon  lange  haftet,  ehe  es,  nach  genügender 
Zersetzung  und  Zerkleinerung,  vom  abfliessenden  Wasser 
entfernt  wird. 

Das  tiefe  Blau  des  Firmamentes,  das  Yixer  Monate  lang 
ganz  wolkenlos  und  wegen  der  bedeutenden  Hohe  des  Stand- 
punktes sehr  dunkel  sich  zeigt,  trägt  gleichfalls  viel  dazu 
bei,  den  eigenthümlichen  Eindruck  der  Landschaft  in  diesem 
Theile  Hochasiens  zu  steigern. 

Vereinzelte  Pfuhle  von  Borax-Salzwasser,  mehr 
oder  weniger  mit  Abfluss,  finden  sich  noch  in  den  beiden 
nicht  salzbedeckten  Theilen  des  Puga-Beckens;  sie  kommen 


H,  V.  Schlagintweü :  üeher  Bor- Verbindungen  in  Tibet,     527 

bis  gegen  anderthalb  Meilen  entfernt  vor,  thalanfwärts  und 
thalabwärts  von  der  Hauptmasse. 

Sowohl  in  den  unmittelbaren  Umgebungen  der  isolirten 
Antrittstellen  als  an  vielen  anderen  Punkten  des  Puga- 
Beckens  ist  der  Boden,  wenn  auch  nicht  salzhaltig,  in  auf- 
fallender Weise  zerfressen  und  gelockert ;  schwacher  poröser 
Ealktuff-Boden  zeigt  sich  ebenfalls,  ziemlich  ausgedehnt. 

Die  Beschaffenheit  der  Boraxmasse  ist  Yorzüg- 
lich  modificirt  durch  Beimengungen  von  Schwefel  und  von 
Borsäure,  die  in  ziemlich  grosser  Menge  auftreten  und 
an  den  einzelnen  Stellen  sehr  ungleich  vertheilt  sind;  in 
kleinerer  Menge  finden  sich  darin  Kochsalz,  Salmiak,  schwe- 
felsaure Magnesia,  Alaun  ^^). 

Bei  den  starken  Thermen  macht  sich  mit  dem  Wasser- 
dampfe Austreten  von  Schwefelwasserstoffgas  aus  den  Mün- 
dungen durch  intensiven  Gerach  bemerkbar,  auch  etwas 
Borsäure-Gas  steigt  mit  auf,  obwohl  in  geringer  Menge 
nur,  wie  am  Niederschlage  von  fester  Borsäure  in  den  näch- 
sten Umgebungen  zu  erkennen  ist.  Letzterer  tritt  ein,  weil 
überhaupt  beim  Verdampfen  wässeriger  Lösung  von  Bor- 
säure stets  verhältnissmässig  viel  davon  mit  dem  Wasser- 
dampfe flüchtig  wird. 

Massenhaftes  Ausströmen  von  Borsäure  in  Gasform, 
wie  aus  den  Borsäure-Lagunen  Toscanas,  kömmt  hier  an 
keiner  Stelle  vor,  und  ist  mir  auch  nicht  für  die  andern 
Localitäten ,  aus  denen  Borax  geholt  wird,  nach  Beschrei- 
bungen der  Bazärleute  irgend  wahrscheinlich. 

18)  Auch  die  Borsäure,  wie  sie  nach  der  künstlichen  Concen- 
tration  der  Lagunen-Flüssigkeit  in  Toscana  sich  ansetzt,  ist  niemals 
rein;  sie  soll  sich  sogar  von  Jahr  zu  Jahr  verschlechtem.  Ausführliche 
Mittheil ungen  üher  dieselbe  im  Jähre  1840  brachte  das  Bepertorium  f. 
die  Pharmacie  in  der  Abhandlung:  ,,Ueber  die  Zusammensetzung  der 
natürlichen  in  Toscana  gewonnenen  Borsaure,  von  Dr.  G.  C.  Wittstein." 
Band  LXXII  S.  145—162. 

Für  die  reine  Borsäure  in  krystallisirtem  Zustande  (mit  3  Atomen 
Wasser  verbunden),  ergab  sich  dabei  76-4947o.  35* 


o2S  Sitzung  der  matk-phys,  Classe  vom  6.  Juli  1S78. 

Qualitativ  ist  der  Borax  am  besten,  sowohl  am  reinsten 
als  am  dichtesten  angesetzt,  in  den  mittleren  Schichten. 
Die  Oberfläche  ist  rauh  und  etwas  verwittert,  und  im  Som- 
mer wird  sie  durch  Staubniederschlag  bei  stürmischen  Winden 
verunreinigt;  die  Helligkeit  derselben  wird  dessenungeachtet 
wenig  verändert,  da  sich,  wie  bei  altem  Firne,  der  grob- 
körnig ist,  der  angewehte  Staub  meist  in  die  porenähnlichen 
Vertiefungen  einlegt.  Durch  Schneeschmelzen  und  zum  Theile 
durch  isolirte  Regen  wird  die  Boraxdecke  ebenfalls  etwas 
rauh;  doch  ist  diess  vorzüglich  eine  mechanische  Aus- 
waschung. Die  Löslichkeit  des  Borax  in  Wasser,  wenn  nicht 
durch  bedeutende  Wärme  gesteigert,  ist  so  gering,  dass 
selbst  die  starke  Insolation  in  solchen  Höhen,  die  hier  ge- 
wöhnlich sehr  rasch  nach  den  ohnehin  nur  seltenen  und 
.schwachen  Regen  die  noch  feuchten  Flächen  afficirt,  die 
Lösung  nur  wenig  vermehrt. 

Von  den  unteren  Lagen  auf  den  Felsen  sind  einige  mit 
Steinfragmenten  gemischt. 

Die  Quantität  der  Boraxmasse,  die  hier  lagert,  scheint 
sich  sehr  wenig  zu  ändern,  eher  etwas  grösser  zu  werden 
als  abzunehmen.  Letzteres  lässt  sich  daraus  schliessen, 
dass  selbst  an  den  Bruchstellen  die  früher  etwas  stärkere  Aus- 
fuhr, deren  Menge  übrigens  im  Verhältnisse  zum  ganzen  Salz- 
lager doch  keine  grosse  zu  nennen  ist,  so  ziemlich  wieder 
ersetzt  sich  zeigt. 

Würde  nicht  die  Erosion  des  Pugabaches  dieses  Thal- 
becken längst  schon  entleert  haben,  so  wäre  auch  hier  durch 
das  Auftreten  der  Quellen  die  Thalstufe  wasserbedeckt,  und 
es  würde  noch  jetzt,  wie  dieses  für  die  frühere  Periode  an- 
zunehmen ist,  ein  Boraxsee  hier  vorliegen. 

Die  scharfe  Begrenzung  der  Salzdecke,  ihre  Unebenheit 
und  das  Ansteigen  derselben  in  ihren  mittleren  Theilen 
auf  den  beiden  Seiten  der  Wasserlinie  spricht  nicht  dagegen. 
Die  Gestaltung  der  Ablagerung  von  Borax  wie  sie  gegen- 


H.  V.  ScMagintweit:  üeber  Bor- Verbindungen  in  Tibet.     529 

wärtig  fortdauert,  nämlich  Anhäufung  desselben  in  unmittel- 
barer Nähe  der  Austrittsst eilen  der  Thermen,  kann  sehr 
wohl  schon  unter  allgemeiner  Wasserbedeckung  hier  be- 
gonnen haben,  weil  damals  die  Wärme  der  ungleich  grös- 
seren Wassermenge  des  Sees  von  den  Quellen  nur  wenig 
geändert  wurde  und  das  Wasser  dabei  ruhig  lag;  jetzt  ist, 
wegen  der  viel  geringeren  Wassermenge,  die  Wärme  des 
Baches  von  jener  der  Thermen  viel  weniger  verschieden  und 
die  Bewegung  des  Wassers  beschränkt  überdiess  die  Mög- 
lichkeit fester  Incrustation. 

Das  Fortdauern  des  Austretens  von  Quellen  kann  die 
Unebenheit  der  Oberfläche  nur  vermehren  ^^). 

Was  gleichfalls  Ansetzen  des  Borax  am  Boden  zur  Zeit 
als  die  Thalstufe  noch  wasserbedeckt  war,  erkennen  lässt, 
ist  der  Umstand,  dass  an  den  meisten  Stellen  das  Salz  un- 
mittelbar am  festen  Gesteine  lagert,  während  bei  Salzdecken, 
die  nur  durch  Ablagerung  aus  Wasser  von  Bächen  und 
Quellen  bedingt  sind,  zwischen  dem  festen  Gesteine  uud  den 
Salzen  stets  noch  Schichten  von  Sand  und  Schlamm  sich 
finden. 

Die  Untersuchung  der  Temperaturverhält- 
nisse ergab  für  die  Zuflüsse  des.  Boraxlagers  die  grösste 
Wärme,  wie  zu  erwarten,  bei  jenen  Thermen,  welche  so 
kräftig  aufsteigen,  dass  sich  grosse  Ablagerungskegel  bilden. 
Das  Maximum  der  Wärme  war  an  solcher  Stelle  72*5®  C. 
gewesen,  1857  am  5.  Juni  9^  a.  m. 

19)  Sinken  des  Wasserspiegels  von  Salzseen  durch  Erosion,  wenn 
aus  diesen  Salze  gewöhnlicher  Loslickeit  dahei  ausgeschieden  werden,  hat 
zur  Folge,  dass  die  Ahlagenmgen  der  Salze  vorzüglich  an  den  Bändern 
sich  zeigen. 

Bei  Seen,  die  nicht  durch  locale  Erosion,  sondern  durch  Eintrocknen 
wasserleer  werden,  was  aber  nur  mit  der  allgemeinen  Veränderung  der 
Feuchtigkeit  in  grossem  Umkreise  sich  verbinden  kann,  wird  die  ent- 
sprechende Salzablagerung  unter  den  gewöhnlichen  Verhältnissen  am 
mächtigsten  an  der  tiefsten  Stelle  der  Seemulde. 


530  Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  6,  Juli  1678. 

(Die  Siedetemperatnr  des  destillirten  Wassers  ist  bei 
15,264'  Höhe  und  bei  17*2  engl.  Zoll  entsprecbenden  Baro- 
meterstandes 85^-25  bis  85^-30  C.*«).  Für  die  Lufttemperatur 
in   Tibet  bei   dieser  Hohe  ergibt  sich   das  Jahresmittel   = 

1-3  a»i) 

Die  weniger  starken  Thermen,  wenn  sie  auch  als  Quellen 
austreten  und  ständig  abfliessen,  hatten  hier  meist  54  bis 
58®  C.  gezeigt. 

Die  Wärme  des  Puga-Baches  erreicht,  von  der  Mitte 
des  Salzlagers  an  bis  etwas  unterhalb  desselben  noch,  im 
Sommer  25  bis  30®  C.  als  Mittel  seines  frei  abfliessenden 
Wassers,  da  der  Zufluss  von  den  Boraxquellen  relatiy  sehr 
gross  ist  und  da  das  Wasser  hier  sehr  geringes'  Gefälle  hat. 

Wo  Quellen  aus  dem  Schlamme  des  Baches  austreten, 
kann  ober  diesen  die  Wärme  des  abfliessenden  Wassers  noch 
bedeutend  steigen  und ,  was  yiel&ch  von  Wichtigkeit  ist, 
bleibt  dann  auch  im  Winter  stets  sehr  gross. 

Es  &idet  sich  demnach  hier  in  mehr  als  15,000  Fuss 
Höhe  fliessendes  Wasser,  dessen  Wärme  jener  des  Ganges 
im  indischen  Tieflande  im  Mittel  gleich  zTu  setzen  ist. 

Solch  exceptionelle  Verhältnisse  machen  sich  ungeachtet 
der  isolirten  Lage  und  der  geringen  Ausdehnung  ihres  Ge- 
bietes in  ihrem  Einflüsse  auf  Vegetation  und  Fauna 
sehr  deutlich  erkennbar.  Da  jedoch  die  Wärme  der  Luft 
durch  die  Berührung  derselben  mit  den  Thermen  und  dem 
warmen  Bache  nur  ganz  unmerklich  und  auch  durch  das 
Austreten  warmer  Dämpfe  und  Gase,  bei  stets  relativ  ge- 
ringer Menge  derselben,  jedenfalls  sehr  wenig  nur  sich  än- 
dern kann,  bleiben  die  anomalen  organischen  Verhältnisse  &st 
ausschliesslich  auf  das  Wasser  als  ihr  Medium  beschränkt. 

20)  Unsere  directen  vergleicbeDden  Beobachtungen  mit  Thermo- 
barometem  und  Barometern  sind  gegeben  „Resnlts",  Vol.  US.  26— d2. 

21)  Die  Daten  im  englischen  Bande  sind  „Temperatur  von  85  Fahr, 
in  15,000  Fuss  Höhe  ü.  M.,  bei  400  F.  Erhebung  für  P  F.  Warmeabnahme.*. 
Nach  tabellarischer  Zusammenstellung  in   ^^Kesults",  Vol.  lY,  S.  548 


H.  V.  SMagintweit:  lieber  Bor-Verbindungen  in  Tibet.     531 

Die  Vegetation  bot  sich  dabei  als  eine  sehr  unge- 
wöhnliche vor  allem  durch  das  schon  erwähnte  Auftreten 
von  Wasserpflanzen  im  Bache  sowie  in  den  Quellen.  Von 
Phanerogamen  sind  es  Potameen,  die  vorherrschen;  unter 
den  Cryptogamen  sind  Algen  in  sehr  verschiedenen  Formen 
vertreten. 

Auf  der  Bodenoberfläche  des  Beckens,  wo  sie  trocken 
aber  wenigstens  nicht  salzbedeckt  ist,  steht  ebenfalls  etwas 
Vegetation,  doch  sieht  man  nur  sehr  vereinzelte  verküm- 
merte Gruppen,  sowohl  im  flachen  Thalboden  als  an  den 
Wänden  der  umgebenden  Felsen.  In  der  Flora  des  festen 
Bodens  machen  im  Ganzen  weder  die  Arten  der  Pflanzen, 
die  sich  zeigen,  noch  die  Menge,  in  der  sie  auftreten,  nen- 
nenswerthe  Verschiedenheit  bemerkbar  im  Vergleiche  mit 
andern  Localitäten  Tibets  von  entsprechender  Höhe. 

Recht  deutlich  ist  dieser  Charakter  hoher  und  öder  tibe- 
tischer Landschaft  in  Adolphs  Aquarell,  für  das  ganze  Puga- 
Becken  sowie  für  jene  Umgebungen  desselben,  welche  dgrt 
von  der  Thalsohle  aus  zu  übersehen  sind. 

Vereinzelt  dagegen  tritt  hier,  in  geringer  Entfernung 
von  diesem  Standpuncte,  in  ungewöhnlicher  Weise  eine 
günstige  Modification  der  Bewachsung  des  trockenen  Bodens 
auf,  durch  ein  Vorkommen  der  Myricaria  germanica  Desv. 
(Tamarix  germanica  L.) 

Diese  Tamariscinee,  welche  in  unsern  Alpen  und  in  den 
Gebirgen  Mitteldeutschlands  strauchartig  bleibt,  ist  in  Tibet 
viel  allgemeiner  und  zeigt  sich  an  manchen  Standorten  stark 
holzbildend  und  in  kräftiger  baumartiger  Entwicklung.  Letz- 
teres ist  hier  der  Fall  —  längs  der  Uferränder  —  in  der 
Erosionsschlucht,  die  vom  Püga-Becken  nach  dem  Baldang- 
Thale  fuhrt.  Die  Standorte  reichen  in  derselben  bis  gegen 
15,300  F.  hinan  und  die  Myricaria  hat  dessenungeachtet 
noch  entschiedene  „Baumform.^^ 

Es  bilden   sich  nämlich   Stämme   von    gleicher   Dicke 


516  Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  6.  Jtdi  187S. 

gewölmliclien  Erscheinungen  der  Wasser-  und  Boden- Ver- 
hältnisse, auf  welche  dabei  eingegangen  werden  kann, 
dürften  bei  der  Mächtigkeit  des  Auftretens  von  Borax  zn 
Püga  Anhaltspunkte  zur  Beurtheilung  der  meisten  un- 
bestimmter gehaltenen  Angaben  über  Einzelheiten  an  an- 
deren Lagerstätten  bieten.) 

Der  Borax  im  Handelsverkehr  kömmt  aus  dem  öst- 
lichen Tibet  meist  über  Bhutan  und  Assam^nach  dem  Süden ; 
zum  Theil  wird  er  über  Nepal  nach  Indien  gebracht.  Die 
Stücke,  die  ich  in  Eathmändu  sah,  zeigten  eisenhaltigen 
Thon,  Gyps,  auch  etwas  Schwefel  eingeschlossen.  Häufig 
ist  die  Masse  etwas  fettig,  weil  man  vor  dem  Transporte 
Oel  oder  Fett  zusetzt,  um  sie,  wie  man  mir  sagte,  gegen  zu 
starkes  Zerfallen  zu  schützen.  (Hygroskopisch  aber  ist  die 
Substanz  nicht,  Zerfliessen  also  wäre  nicht  zu  befürchten, 
so  lange  sie  gegen  Begen  gesichert  ist). 

Aus  dem  westlichen  Tibet  geht  der  Weg  des  Trans- 
portes, ohne  das  nördlich  von  der  Fundstätte  gelegene  Le 
zu  berühren,  direct  gegen  Südwesten  nach  der  Hauptver- 
kehrslinie zwischen  Tibet  und  Lahöl,  und  auf  dieser  nach 
dem  westlichen  Indien. 

Aehnlich  wie  zum  Getreidehandel  werden  dabei  im 
Hochgebirge  von  den  Tibetern  meist  Schaafe  benützt, 
welche,  mit  2  seitlich  hängenden  Säcken,  bis  gegen  40  Pfiind 
schwer  beladen  werden. 

Die  Reinigung  von  erdiger  Masse  und  von  fremden 
Salzen  wird  erst  in  Indien,  und  zwar  nach  dem  Verkaufe 
im  Grossen  vorgenommen.  Es  genügt,  in  heissem  Wasser 
zu  lösen,  die  festen  Theile,  die  sich  zu  Boden  senken,  durch 
Umgiessen  der  Flüssigkeit  von  dieser  zu  trennen  und  deren 
Erkaltung  eintreten  zu  lassen,  wobei  sich  bedeutende  Menge 
des  reinen  Borax  aus  der  Mutterlauge  krystallinisch  ausscheidet. 

Seine  allgemeinste  Anwendung  findet  Borax  bekanntlich 
als  Schmelzmittel,  in  Indien  gleichfalls;    er  verändert  zwar 


Ä  v.  Schlagintweit :  lieber  Bor- Verbindungen  in  Tibet     517 

nicht  unmittelbar  die  Schmelzbarkeit  der  Metalle,  aber  er 
begünstigt  die  Behandlung  derselben  dadurch,  dass  er  die 
störende  Einwirkung  von  Oxydkrusten  entfernt,  indem  er 
mit  diesen  eine  leichtflüssige  glasartige  Verbindung  bildet. 

In  Indien  wird  noch  der  Borax  in  wässeriger  Lösung 
benützt,  um  jene  Incrustationen  auf  Zweigen  zu  erweichen, 
welche  Gummilack  und  die  rothe  „Lskh-"  (oder  Lack-)  Farbe 
liefern;  es  sind  diess  zellenartig  angesetzte  Secretionen  der 
Schildlaus-Species  Coccus  lacca,  welche  auf  sehr  verschiedenen 
tropischen  Bäumen  vorkommen. 

Früher  wurde  ungeachtet  der  grossen  Entfernung  Borax 
fast  ausschliesslich  aus  Tibet  über  Indien  in  Europa  einge- 
führt In  Indien  selbst  ist  ein  Vorkommen  desselben  nicht 
bekannt;  auch  in  Europa  kömmt  Borax  in  Natur  nirgends 
vor,  aber  seit  der  Production  fester  gereinigter  Borsäure*) 
aus  heissen  Gasströmen  im  Toskanischen,  die  am  Fundorte 
selbst  sogleich  zur  Bereitung  von  Borax  benützt  wird,  hat 
die  Einfuhr  via  Indien  aufgehört^). 

8)  Die  Borsäure  wird  speciell  zu  Porcellan-  und  Glasbereitnng  (in 
Europa)  gebraucht.  Eine  eigenthümliche  Verwendung  im  Kleinen  hat  sich 
für  Borsäure  bei  uns  zur  Präparation  des  Dochtes  von  Stearinkerzen  er- 
geben. Wird  solcher  Docht  in  Lösung  von  Borsäure  getaucht,  und  zwar 
in  sehr  verdünnte  nur,  so  bildet  die  Borsäure  mit  der  Asche  des  Dochtes 
beim  Verbrennen  leicht  flüssiges  Salz,  dessen  Volumen  so  gering  ist 
und  dessen  Entstehung  so  vollkommenes  Verbrennen  des  Kohlenstoffes 
möglich  macht,  dass  bekanntlich  bei  solchen  Kerzen  kein  Abschneiden 
restirenden  Dochtes  nöthig  ist. 

d)  Ueber  Bor  und  das  Vorkommen  von  Borverbindungen  im  All- 
gemeinen sowie  über  die  chemischen  Verhältnisse  desselben  sind  unter 
den  neuen  grösseren  Werken  besonders  anzuführen: 

„Muspratt^s  Theor.,  pract.  und  analytische  Chemie;  frei  be- 
arbeitet von  Bruno  Kerl  und  F.  Stohmann'*,  sowie  „Liebig's 
Neues  Handwörterbuch  der  Chemie,  bearbeitet  und  redijgirt  von  Dr.  Her- 
mann von  Fehling.'*  Das  Muspratt'sche  Handbuch  enthält  in  seiner 
neuen  Auflage  den  Artikel  »Bor*  in  Bd.  I,  von  1874,  S.  1477—1510; 
das  Liebig'sche  Wörterbuch  in  Bd.  ü,  von  1875,  Artikel  ,Bor"  S.  141— 
146,  und  „borsaure  Salze*  S.  161—168.  -. 


518  Sitzung  der  math.-jßys,  Classe  vom  6,  Juli  1878, 

Die  gewöhnliche  Benennung  des  Borax  in  Hindo- 
stani  ist  SohägS  (sanskrit);  aoch  Tinkar  und  Tän^kar 
(persisch^^),  sowie  Börak  (arabisch),  unser  „Tinkal"  und 
„Borax'',  hört  man  in  Indien;  „Tinkal",  obwohl  jetzt 
wenig  gebraucht,  war  früher  in  Verbindung  mit  der  Einfuhr 
aus  Indien  das  allgemeinere  Wort,  im  Deutschen  und  Eng- 
lischen sowie  in  den  romanischen  Sprachen ;  bisweilen  wurde 
es  zum  Unterschiede  von  „Borax"  vorzüglich  auf  die  noch 
nicht  gereinigte  Masse  beschränkt. 

In  Tibet ^*)  wird  für  Borax  Thsa-le  gebraucht,  in  den 
Eathmändu-Bazärs  wurde  er  mir  Ghaläraya  benannt.  Im 
chinesischen  Handel  heisst  Borax  Pong-cha. 


n. 

Die  Borax-Bodendecke  und    die    Thermen   von 

Püga. 

In  ßupchu  findet  sich  der  Borax  als  fester  Körper,  in 
mächtiger  Ausscheidung  aus  zahlreichen  Thermen,  zu  Dera 
Püga,  bei  33^  12'  nördlicher  Breite,  78<>  25'  östlicher  Länge 
von  Greenwich;  15,310  F.  ist  die  mittlereHöhe  der  Quellen ^^). 

Schon  diese  Lage  würde  permanentes  Bewohntsein  mit 


10)  In  Fersien  soll  gleichfalls  Borax  gesammelt  werden;  Einfahr 
nach  Indien  fand  zur  Zeit  nicht  statt ,  auch  nicht  in  den  Hafen  von 
Bomhay,  wo  in  so  vielen  anderen  Gegenständen  der  Verkehr  mit  Persien 
sehr  lehhaft  ist.    (Boraxgmhen  in  Südamerika  giht  es  zu  Vingointa). 

11)  Wie  mein  Bmder  Emil,  nach  den  hetreffenden  in  tihetischeii 
Lettern  geschriehenen  Wörtern  als  Fachmann  mir  noch  angah»  ist  laut- 
lich thsa  =  Salz,  aher  in  thsa-le  fehlt  das  diakritische  Zeichen,  welches 
für  Salz  dem  thsa  zur  Unterscheidung  vom  gleich  geschriehenen  Worte 
für  heiss  beigeschriehen  wird;  die  Anwendung  solcher  Zeichen  ist  im 
Tibetischen  selten. 

12)  Die  Höhe  des  Lagerungsplatzes  unterhalb  der  Thermen  ist, 
nach  Cunningham,  15,264  Fuss.  „Besults**,  Vol.  II,  S.  442. 


H,  V,  Schlagintweit:  Ueher  Bor- Verbindungen  in  Tibet,     519 

aller  Vorsicht  nahezu  unmöglich  machen*');  auch  als  Som- 
meraufenthalt von  Hirten  werden,  wegen  des  rauhen  und 
trockenen  Klimas,  weder  dieser  Punkt  noch  die  unmittel- 
baren Umgebungen  desselben  gewählt.  Dessungeachtet  wurde 
A  Püga^*)  früher  jedes  Jahr  im  Sommer  einige  Monate  von 
Garawanen  bezogen,  und  es  sind  dorti  wie  bei  einem  Som- 
merdorfe  rohe  Gebäude  zum  Schutze  während  solchen  Auf- 
enthaltes, allerdings  nur  Wälle  und  Mauern  ohne  Bedach- 
ung, aufgerichtet. 

Seit  die  Ausfuhr  des  Borax  von  Indien  nach  Europa, 
wenigstens  in  irgend  nennenswerther  Menge,  aufgehört  hat, 
hat  auch  der  Besuch  von  APüga  sich  rasch  vermindert; 
es  fanden  sich  dort  zur  Zeit  unserer  Bereisung  selbst  die 
ganz  einfachen  Steinconstructionen  schlecht  unterhalten  und 
meist  zerfallen. 

Das  Puga-Thal,  in  dem  die  Quellen  zu  Tage  treten,  ist 
ein  Seitenthal  des  Baldang-Flusses,  in  den  es  links  etwas 
ober  A  Bäldang  mündet. 

Obwohl  diese  Quellen  nach  vielen  Richtungen  hin  von 
Salzseen  umgeben  sind,  zeigen  sie  sich  in  ihrem  Auftreten 
dessenungeachtet  ganz  isolirt  davon.  Gegen  etwaige  unter- 
irdische Verbindung  des  Boraxlagers  mit  jenen  Seen  spricht 


13)  Nur  von  Dera  TIi5k  Jalnng  lin  den  Goldfeldern  von  Centrai- 
Tfbet,  das  überdiess  noch  bedeutend  hoher  liegt,  bei  16,330  Fujss,  ist 
bis  jetzt  bekannt  geworden,  dass  es  einigemale  in  |den  letzten  Jahren 
auch  während  des  Winters  bezogen  blieb.  (Unter  den  jetzt  ^ ständig  be- 
wohnten  Orten*  hatten  sich  uns  als  die  höchsten  für  Tfbet  und  damit 
für  die  Erde  im  Allgemeinen  isolirte  buddhistische  Klöster  gezeigt; 
als  Maximum  solch  hoher  Lage  ergab  sich  jene  des  Lama-Sitzes  Hanle 
in  Ladak,  mit  15,117  Fuss.  „Results",  Vol.  II  S.  477). 

14)  »A*  ist  hier,  ebenso  wie  auf  unseren  Karten,  als  Signatur 
für  „Dera"  gewählt,  mit  der  Bedeutung  einer  als  Haltestelle  und  La- 
gerplatz benützten  Localität,  ohne  Verbindung  mit  regelmassiger  Boden- 
cultur  oder  mit  Viehzucht  in  grösserer  Ausdehnung,  wie  bei  dem  eigent- 
lichen .Sommerdorfe." 


532  Sitzuwj  der  mathrphys.  Classe  vom  6,  Jtdi  1878, 

wie  bei  gut  entwickelten  Zwerg-Obstbäumen  und  es  beginnt 
in  ähnlicher  Weise  seitliche  Verästlung  dieser  Myricaria- 
Stämme  ebenfalls  schon  1  bis  IV«  Fuss  über  dem  Boden; 
ihre  Höhe  aber  ist  geringer  als  die  der  obsttragenden  Zwerg- 
bäume bei  gleicher  Stammesdicke. 

Bedingung  des  Auftretens  der  Myricaria  in  der  Schlucht 
ist  nebst  Schutz  gegen  Wind,  die  Erhöhung  der  Lufttem- 
peratur durch  den  warmen  Bach  dem  eingeengten  Laufe 
entlang  und,  wahrscheinlich  gleichfalls  in  nicht  ganz  unbe- 
deutendem Antheile,  die  Ausdehnung  anomal  erhöhter  Bo- 
denwärme"). 

Im  Becken  übrigens  finden  sich  Myricaria-Stämme  yon 
solcher  Form  nicht;  dort  ist  der  Schutz  gegen  Wind  un- 
genügend. Doch  für  diese  Pflanze  als  niederer  Strauch 
kommen  hier,  wie  überhaupt  in  Tibet  als  obere  Extreme  der 
Strauchgrenze,  Standorte  bis  17,000  Fuss  Höhe  vor. 

Von  Thieren  zeigten  sich  im  warmen  Wasser  des 
Puga- Baches  innerhalb  des  Beckens  eine  kleine  Apus- 
Krabbe^')  und  in  auffallender  Anzahl,  ungeachtet  des  un- 
gewöhnlichen aber  noch  immer  relativ  geringen  Salzge- 
haltes, Fische  ähnlich  jenen  in  den  etwas  tiefer  liegenden 
Gebirgsbächen  der  Umgebungen**).  Der  günstigen  Temperatur 

22)  Für  die  Pflanzengrenzen  ist  bei  solcher  YertheUang  unmittelbar 
yon  grossem  Einflasse,  „dass  im  Organismus  der  Pflanzen  nur  Circulation 
von  Flüssigkeit,  nirgend  von  Luft  in  gasförmigem  Zustande  wie  für  das 
thieriscbe  Leben  das  Bedingende  ist.'*  Bereits  von  mir  erwähnt  in:  Kli- 
matischer Charakter  der  pflanzengeographischen  Regionen  Hochasiens. 
Ak.  Abb.  IL  Cl.  XIL  Band,  München  1876;  S.  220. 

23)  Diese  Crustacee  dürfte  wohl  dieselbe  sein,  welche  ich  am  Tso- 
moriri-See  in  Küpcbu,  bei  gegenwärtiger- üf erhöhe  von  15,130'  sowohl  le- 
bend in  dem  im  Eintrocknen  begriffenen  Wasser  des  Salzsees  als  auch, 
gut  erkennbar  noch,  an  den  üferabhängen  bis  hinan  zum  früheren  Bande 
des  Sees  gefunden  habe.  „Reisen'*,  Band  ni,  S.  217. 

24)  Die  systematische  Untersuchung  des  zoologischen  Materials 
unserer  Sammlungen  wird  in  den  „Results"  als  2.  Theil  des  Vol.  VlII, 
zugleich  mit  den  nöthigen  Abbildungen  der  neuen  Formen  gegeben  werden. 


H,  v.  Schlagintweit:  lieber  Bor-Verbindungen  in  Tibet.     533 

wegen  scheint  sich  dabei  vor  Allem  ihre  Zahl  zu  vermehren, 
durch  seitliches  Herbeikommen,  vielleicht  auch  durch  locale 
Fortpflanzung  daselbst;  in  ihren  Species  und  in  ihrer  Grösse, 
die  kaum  mehr  als  Handlänge  bei  den  kräftigsten  Exem- 
plaren erreicht  hatte,  scheinen  sie  sich  nicht  von  den  Fischen 
im  kalten  Wasser  in  ähnlicher  Höhe  zu  unterscheiden. 

Dass  unter  so  günstigen  thermischen  Bedingungen  der 
geringe  Luftdruck,  obwohl  nur  */io,  genauer  0'575  des  Luft- 
druckes im  Meeresniveau  betragend  (das  Verhältniss  ist  gleich 
17-20: 29-92  engl.  Zoll),  den  Aufenthalt  von  Fischen  nicht 
nothwendig  ausschliesse,  Hess  sich  schon  daraus  folgern,  dass 
wir  auch  in  kalten  kkinen  Flüssen  in  Tibet  innerhalb  der 
ganzen  Breiteunterschiede  vom  Himälaya  bis  zum  Kara- 
korum  in  Höhen  bis  15,100'  wiederholt  das  Vorkommen  von 
Fischen,  wenigstens  im  Sommer  demnach,  beobachtet  hatten. 
Nain  Singh  (1.  c.)  sah  Fische  auch  im  Tengri-See  (c.  15,500')- 

In  den  Alpen  gibt  es  Fische  im  Sommer  vereinzelt  in 
Höhen  über  7000  engl.  Fuss  noch,  was  den  Temperatur- 
verhältnissen gegenüber  sogar  noch  etwas  grössere  Wider- 
standsfähigkeit bedingen  könnte  als  in  Tibet  bei  15,100'  — 
wo  z.  B.  für  das  Jahresmittel  der  Lufttemperatur  1-5^  C. 
sich  ergibt,  und  wo  überdiess  die  Wirkung  der  Insolation 
eine  viel  günstigere  ist  als  in  den  Alpen.  In  den  Central- 
alpen  liegt  die  Jahresisotherme  der  Luft  von  1*5^  C.  bei 
6070  engl.  F.  Höhe,  jene  von  0«  C.  bei  6820  F.") 

Bedeutend  ist  dessenungeachtet  der  Unterschied  der 
Temperaturverhältnisse  keines  falls  zu  nennen,  und  es  genügt, 
dass  das  Verweilen  von  Fischen  an  den  obersten  Aufenthalts- 
plätzen in  den  Alpen  auf  etwas  kürzere  Zeit  sich  beschränke, 
um  zu  bedingen,  dass  die  temporären  Wärmeminima  des 
Wassers  sowie  der  Luft  im  Schatten  nahezu  die  gleichen  sind 


23)  umgerechnet  nach  den  Daten  in  par.  F.  der  Tabelle  der  Höhen- 
isotiiermen  in  unseren  ,,üntersuch.  d.  Alpen*^  Bd,  I,  S.  345. 


536  Sitzung  der  mcUh.-j^s.  Glosse  vom  6.  Juli  1878. 

Als  sehr  bedeutend  aber  ist  der  directe  Einfinss  der 
Verschiedenheit,  so  wie  sie  in  den  Gebirgen  zur  Wirkung 
kommt,  nirgend  anzunehmen,  selbst  in  jenen  Lagen  noch 
nicht,  die  in  Hochgebirgen  als  die  obere  Begrenzung  des 
Aufenthaltes  von  Fischen  sich  bieten.  In  zunehmender  Er- 
hebung steigert  sich  zugleich,  im  Allgemeinen,  durch  die 
Temperaturabnahme  die  Fähigkeit  des  Wassers,  die  durch 
mechanische  Bedingungen  absorbirte  Luft  zurück  zu  halten. 

Als  ich  Gelegenheit  hatte,  meine  Ansicht  über  den 
Zustand  der  im  Wasser  absorbirten  Luft  „als  flüssig  und  als 
nahezu  unabhängig  vom  Barometerstande  in  den  yerscbie- 
denen  Höhen",  jüngst  mit  Herrn  Professor  Ludwig  Seidel 
zu  besprechen,  theilte  er  mir  mit,  dass  er  mit  Prof.  Stein- 
heil zusammen  vor  längerer  Zeit  experimentelle  Resultate 
erhalten  hatte,  welche  ebenso  wie  dieses  Vorkommen  der  Fische 
für  Flüssigsein  der  absorbirten  Luft  sprechen.  Veranlasst 
waren  die  Beobachtungen  durch  die  von  Schumacher  ange- 
regten Fragen  in  Betreff  der  Genauigkeit  bei  Bestimmung 
specifischen  Gewichtes  in  Wasser,  auch  mit  Berücksichtigung 
des  ümstandes,  dass  destillirtes  Wasser,  welches  Luft  ab- 
sorbirt  enthält,  weniger  schwer  sein  werde  als  Wasser  ohne 
Luftabsorption. 

Bei  ihrer  experimentellen  Untersuchung  vor  etwa  30 
Jahren  hatte  sich  ergeben  —  als  möglichst  sorgfaltig  das 
specifische  Gewicht  des  gleichen  Korpers,  eines  Bergkrystalles, 
in  destillirtem  Wasser  ohne  Luftabsorption  bestimmt  wurde 
und  in  solchem,  in  welchem  Luftabsorption  hervorgebracht 
war  —  dass  allerdings  das  letztere  ein  etwas  geringeres  spe- 
cifisches  Gewicht  hatte,  aber  doch  ein  so  wenig  nur  ver- 
ändertes, dass  für  das  absorbirte  Gas  eine  von  Wasser  nur 
sehr  geringe  Verschiedenheit  der  Schwere  eingetreten  war, 
also  eine  Condensation  auf  nahezu  700  mal  grossere  Diditig- 
keit  als  jene,  welche  Luft  in  Gasform  bei  gleichem  Luftdruck 
und  bei  gleicher  Wärme  hatte. 


M.  V,  Schlagi/ntweit:  Ueher  Bor-Verbrndungen  in  Tibet,     537 

Pablication  dieser  mit  Gasen  durchgeführten,  übrigens 
wenig  zahlreichen  Experimente  war  damals  nicht  erfolgt; 
doch  ist  es  mir  speciell  gestattet,  dessenungeachtet  deren 
hier  erwähnen  zu  können. 


Früherer  Besuch.  Ueber  das  Pugathal  und  das 
Vorkommen  des  Borax  in  demselben  hatte  auch  kurzer  Be- 
richt aus  dem  Jahre  1847  vorgelegen.  Der  Besuch  des  Pü- 
gathales  war  damals  am  21.,  22.  und  23.  September  von 
2  Mitgliedern  der  officiellen  Coramission  ausgeführt  worden, 
welche  zur  Grenzregulirung  nach  Ladäk  entsandt  war.  Die 
Beauftragten  sind  Major  Alexander  Cunningham,  Militärarzt 
Dr.  Thomas  Thomson  und  Capitän  Henry  Strachey  gewesen. 

Der  gemeinschaftliche  Aufbruch  von  Simla  erfolgte  am 
2.  August;  doch  wählten  sie  bald  darauf,  in  eifriger  For- 
schung, soviel  als  möglich  unter  sich  unabhängige  Routen. 

Capitän  Strachey  hatte  zuerst  sich  getrennt,  am  11.  Sep- 
tember im  Pärang-Thale;  von  den  andern  beiden  liegen  spe- 
cielle  Angaben  über  die  Boraxquellen  von  Püga  vor. 

Thomson  geht  in  seinem  Reiseberichte  2®)  auf  die  lo- 
calen  Verhältnisse  des  Püga-Thales  näher  ein  als  Cunning- 
ham und  hat  auch  hier,  wohlbekannt  als  verdienstvoller 
Förderer  der  indischen  Botanik,  auf  die  Vegetationserschein- 
ungen, die  sich  boten,  besondere  Rücksicht  genommen.  Von 
ihm  ist  zuerst  auf  das  oben  erwähnte  Auftreten  der  Myri- 
caria  aufmerksam  gemacht  worden;  auch  hebt  er  bereits 
hervor,  „dass  dichte  Gruppen  von  Wasserpflanzen  in  der 
ruhigen  Flussstrecke  des  Puga-Beckens  sich  zeigen,  welche 
vorzüglich  Species  von  Zannichellia  und  Potamogeton  sind; 
in  den  heissesten  Quellen  fand  er  3  Species  von  Conferva." 


28)  Western  Himalaja  und  Tibet;  a  narrativeofa  journey  through 
the  mountains  of  northern  India  dnring  the  years  18i7 — 8.  London  1852  : 
,,Pugha  ravine-sulphur  raine"  p.  163—169. 


538  Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  6,  Jtdi  1878, 

Als  Maximum  von  Quellenwärme,  beobachtet  am  21.  Sep- 
tember 1847,  erhielt  er  78' 9®  C;  also  eine  über  6  Grad 
höhere  Temperatur  noch,  als  das  Wärmemaximum,  das  wir 
in  jenen  Lagen  (1857)  auffinden  |connten,  obwohl  Thomsons 
BeobachtuDg,  die  uns  bekannt  war,  um  so  mehr  unsere 
Aufmerksamkeit  auf  die  etwa  der  Wärme  besonders  J2fün- 
stigen  Bodengestaltungen  lenkte.  Doch  ist  es  nicht  nnwahr- 
scheinlich,  dass  an  der  gleichen  Ausfluss-Stelle  in  verschie- 
denen Jahren  die  Temperatur  nicht  die  gleiche  bleibe, 
ebenso  wie  die  Menge  des  austretenden  Wassers  und  jene 
der  aufgelösten  Salze  nicht  selten  deutlich  sich  veränderlich 
zeigen,  wenn  das  Wasser  sehr  stark  salzhaltig  ist. 

Als  Temperatur  des  Püga- Baches  hatte  Thomson  am 
21.  September,  ungeachtet  kühler  herbstlicher  Witterung  in 
solcher  Höhe,  20^«®  C.  erhalten. 

Das  Vorkommen  von  Kochsalz  nebst  andern  Salzen 
im  Borax  lässt  Thomson  nicht  unerwähnt,  bezeichnet  aber 
das  Auftreten  desselben  gleichfalls  als  ein  sehr  geringes  und 
ganz  untergeordnetes. 

Gunningham  in  seinem  eigenen  Werke  über  Ladak**) 
sagt  über  die  Püga-Quellen  sehr  wenig  und  differirt  unter 
Anderm  auch  in  den  Temperaturangaben  ungeachtet  gleich- 
zeitigen Aufenthaltes  sehr  bedeatend  von  Thomson. 

Als  Maximum  der  Wärme  der  beissen  Quellen  führt 
er  an  64-4^  C.  (148®  F.) 

Das  Auftreten  der  Quellen  nennt  Gunningham,  ohne 
die  Gesteine  näher  zu  erläutern,  „vulcanischen  Effect,  der 
im  Aussterben  ist",  bezeichnet  die  Salze  in  etwas  unbe- 
stimmter Weise  „als  halb  Kochsalz,  halb  Borax",  und  lässt 
überdiess  das  Vorbandensein  der  grossen  zusammenhängenden 
Salzdecke  in  Verbindung  mit  den  Boraxquellen  von  Püga 
ganz  unerwähnt.  * 

29)  Ladäk,  physical,  Statistical  nnd  historical.  London  1854:  »Paga 
Springs"  p.  144./145. 


Sitzung  vom  2.  November  1878. 


Herr  Vogel  trägt  vor: 

„Ueber  Wasserverdunstung  von  verschiedenen 
Vegetations  decken." 

Vor  einigen  Jahren  habe  ich  die  Ehre  gehabt,  der 
Classe  eine  grössere  Versuchsreihe  über  Wasserverdunstung 
auf  besätem  und  unbesätem  Boden  vorzulegen*).  Bei  den 
im  kleineren  Maasstabe  ausgeführten  Versuchen  jener  Arbeit 
war  die  direkte  Wägung,  bei  den  im  Freien  auf  verschiedenen 
Vegetationsdecken  ausgeföhrten  das  System  der  Hygrometrie 
und  Atmidometrie  zur  Anwendung  gekommen. 

Das  Klinkerfuss'sche  Patenthygrometer,  welches  seit 
einiger  Zeit  vielfach  Eingang  gefunden ,  veranlasste  mich 
die  früheren  Versuche  in  weiterer  Ausdehnung  und  abge- 
ändert wieder  aufzunehmen.  Das  Instrument  zeichnet  sich 
durch  Bequemlichkeit  der  Manipulation  vortheilhaft  aus  vor 
dem  August'schen  Psychrometer.  Durch  zahlreiche  mannich- 
fach  abgeänderte  Versuche  habe  ich  mich  von  der  Empfind- 
lichkeit desselben  bei  gehöriger  Behandlung  zu  überzeugen 
Gelegenheit  gehabt.  Das  Instrument  ergibt  sowohl  relative 
Feuchtigkeit  als  Thaupunktstemperatur  ohne  Rechnung  und 
Tabellen.  Wiederholte  Versuche,  theils  von  mir  selbst,  theils 
auf  meine  Veranlassung   von  Anderen   ausgeführt,    zeigten 


1)  Versuche  über  die  WasserverdnnstQDg  auf  besätem  und  nnbesätem 
Boden.    Abb.  d.  k.  b.  Ak.  d.  W.  II.  Cl.  X.  Bd.  II.  Abth.  S.  331. 


540      Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  ^.  November  IST'S. 


die  Differenzen  des  vom  Zeiger  angegebenen  Procentsatzes  der 
relativen  Feuchtigkeit  unter  verschiedenen  Umständen  als 
sehr  bedeutend.  Ich  Wtähle  aus  der  grossen  Menge  mir  vor- 
liegender Beispiele  nur  einige  aus,  um  diess  anschaulich  zu 
machen. 


Relative 
Feuchtigkeit. 

• 

Lüft- 
temperatur. 

Thaupunkt. 

I. 

26.  Februar. 

Am  offenen  Fenster. 

7  h.  30».  Morgens 
9^-  Morgens 
12  h-  Mittags 
2^-  Nachmittags 

65 
72 
55 
60 

+    5 
+    3 
+  10 
+  10 

0 
-  0,5 
+  2,5 

+  3,3 

II. 

• 

28.  Februar. 

Ungeheizter  Raum. 

7^*  Morgens 

65 

+  12 

+  6,5 

Am  offenen  Fenster. 

7  h.  30m.  Morgens 
gh.  30  m.  Abends 

75 
65 

+    7 
+    8 

+  3,5 

+  2,8 

IIL 

29.  Februar. 

) 

Ungeheizter  Raum. 

7  h.  30  m.  Morgens 

60 

+  12 

+  5,5 

Am  offenen  Fenster. 

8*»-  Morgens 

85 

+    6 

+  4 

Die  Grösse  der  Differenzen  wird  aus  dem  Ueberblick 
des  Schema's  ersichtlich.  Beobachtung  I  zeigt  während  eines 
Zeitraumes  von  6^2  Stunden  bei  ziemlich  gleichmässigem 
Wetter  Schwankungen  des  Zeigers  von  55  bis  72  im  re- 
lativen Feuchtigkeitsgrade. 


Vogel:  lieber  Wasserverdunstung  etc.  541 

Am  bedentendsten  sind  die  Veränderungen,  wenn  das 
Instrument  aus  dem  geschlossenen  Räume  an  das  offene 
Fenster  gebracht  wird.  JBeobachtung  II  ergab  einen  Unter- 
schied von  10  nach  Verlauf  einer  halben  Stunde.  Beobach- 
tung III  sogar  einen  Unterschied  von  25  in  derselben  Zeit. 

Da  es  sich  bei  den  Versuchen  über  den  Einfluss  ver- 
schiedener Vegetationsdecken  auf  den  Feuchtigkeitsgrad  der 
Atmosphäre  sehr  oft  darum  handelt,  geringe  Differenzen 
wahrnehmen  zu  können,  so  ergibt  sich  aus  den  mitgetheilten 
Zahlen  bei  dem  grossen  Ausschlage,  welchen  das  Instrument 
liefert,  dessen  Anwendbarkeit  für  den  gesetzten  Zweck. 

Vor  der  Beschreibung  meiner  mit  dem  Patenthygro- 
meter ausgeführten  Versuche  auf  besätem  und  unbesätem 
Boden  mögen  hier  zunächst  noch  einige  andere  Beobach- 
tungen in  Hinsicht  auf  Bestimmung  des  Wassergehaltes  der 
i;iuft  erwähnt  werden. 

Schon  vor  Jahren  habe  ich  vergleichende  Versuche 
angestellt  über  die  Fähigkeit  der  Schwefelsäure  und  des 
Chlorcalciums,  den  Wassergehalt  der  Lnft  zu  absorbiren'). 

Zu  diesem  Zwecke  wurde  atmosphärische  Luft  im 
feuchten  Zustande  durch  Röhren  geleitet,  welche  theils 
Chlorcalcium,  theils  mit  concentrirter  Schwefelsäure  getränkten 
Asbest  enthielten  oder  auch  durch  Liebig'sche  mit  Schwefel- 
säure gefüllte  Eugelapparate.  Die  Luft  strömte  wechselweise 
zuerst  über  Chlorcalcium  und  dann  über  Schwefelsäure  oder 
umgekehrt.  Die  hiebei  auftretenden  Gewichtsveränderungen 
bildeten  den  Gegenstand  besonderer  Untersuchung. 

Bei  diesen  Versuchen  waren  folgende  Gesichtspunkte 
zu  Grunde  gelegt  worden. 

Wenn  man  feuchte  atmosphärische  Luft  über  eine  der 
beiden  Substanzen  leitet,    so   wird   diejenige  ihrem  Zwecke 


1)  üeber  den  Einflass  der  Vegetation  auf  die  Atmosphäre.    Abh. 
d.  k.  b.  Ak.  d.  Wiss.  II.  Cl.  VI.  Bd.  II.  Abth.  S.  267. 
[1878.  4.  Math.-phy8.  Cl.]  36 


542      Sitzimg  der  math.-phys.  (Hasse  vom  ^,  November  18T8, 

am  besten  entsprechen,  welche  alles  Wasser  aus  derselben 
aufnimmt,  ohne  selbst  an  die  Luft,  welche  durchströmt, 
etwis  abzugeben.  Sind  beide  Bedingungen  oder  eine  derselben 
unvollkommen  erfüllt,  so  kann  ersterer  Fehler  bei  dem  Ghlor- 
calcium  sowohl  als  bei  der  Schwefelsäure,  letzterer  aber  bei 
der  Schwefelsäure  allein  stattfinden. 

Strömt  feuchte  Luft  zuerst  über  Chlorcalcium  und  dann 
über  Schwefelsäure,  so  ninmit  ersteres  entweder  alles  Wasser 
auf  oder  nicht.  Ist  die  Schwefelsäure  vollständiger  trocknend, 
ohne  sich  zugleich  in  bemerkbarer  Menge  vermöge  der 
eigenen  Tension  zu  verflüchtigen,  so  wird  sie  nicht  an  Ge- 
wicht zunehmen,  wenn  das  Chlorcalcium  die  Gesammtquan- 
tität  des  Wassers  aufgenommen  hat ;  eine  Gewichtszunahme 
der  Schwefelsäure  wird  aber  eintreten,  wenn  das  Chlorcal- 
cium noch  Spuren  von  Wasser  unabsorbirt  hindurchlässt. 
Ist  die  Tension  der  Schwefelsäure  grösser  als  dieser  Zuwachs 
von  Feuchtigkeit,  so  wird  sie  an  Gewicht  abnehmen.  Eine 
gleiche  Schlussfolge  findet  offenbar  auch  statt,  wenn  die 
Luft  zuerst  über  Schwefelsäure  und  dann  erst  über  Chlor- 
calcium streicht,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  letzteres 
an  Gewicht  nicht  abnehmen  kann,  weil  dasselbe  selbstver- 
ständlich keine  Tension  besitzt.  Zahlreiche  in  dieser  Rich- 
tung angestellten  Versuche  haben  gezeigt,  dass  wenn  nach 
einem  27"  langen  Chlorcalciumrohre  ein  mit  concentrirter 
Schwefelsäure  gefüllter  Kugelapparat  eingeschaltet  worden 
war,  nach  dem  Durchleiten  einer  grösseren  Menge  feuchter 
Luft  die  Schwefelsäure  an  Gewicht  zugenommen,  während 
umgekehrt  ein  Chlorcalciumrohr,  welches  auf  ein  Schwefel- 
säureasbestrohr folgte,  durchaus  keine  Gewichtszunahme  be- 
merken liess. 

Diese  Versuche  sind  nach  ihrer  Veröffentlichung  in  der 
Folge  von  verschiedenen  Seiten  wiederholt  und  deren  Re- 
sultate vollkommen  bestätigt  werden.  Man  kann  daher, 
wenn  es  sich  um   das  Trocknen  eines  Luftstromes  handelt, 


Vogel:  lieber  Wasserverdunstimg  etc,  543 

über  die  Wahl  der  dabei  zn  wählenden  Methode  nicht 
zweifelhaft  sein.  Die  Schwefelsäure  ist  entschieden  dem 
Chlorcalcium  als  Trocknungsmaterial  vorzuziehen,  obschon, 
wie  ich  früher  gezeigt  habe  ^),  dieselbe  wegen  ihrer  Tension 
bei  den  genauesten  Versuchen,  wie  z.  B.  bei  Ätomgewichts- 
bestimmungen,  allerdings  eine  unbedeutende  Fehlerquelle  in 
sich  schliesst. 

Der  Vorzug  der  concentrirten  Schwefelsäure  vor  dem 
geschmolzenen  Chlorcalcium  als  Trocknungsmaterial  kann 
durch  den  Patenthygrometer  in  einfacher  Weise  anschaulich 
gemacht  werden.  Ich  habe  für  diesen  Zweck  zwei  gleich- 
grosse  Glascylinder  —  sogenannte  Pulvergläser  —  jeder  zu 
8  Liter  Inhalt ,  benützt.  Auf  dem  Boden  des  einen  Glas- 
cylinders  befand  sich  eine  Schicht  grobgestossenen  Chlor- 
calcium*s,  auf  dem  Boden  des  anderen  Cylinders  eine  Schicht 
gleicher  Höhe  mit  concentrirter  Schwefelsäure  getränkter 
Bimssteinstücke.  Auf  den  Boden  der  beiden  Gefasse  wurden 
vermittelst  gläserner  Dreifusse  die  Hygrometer  aufgestellt 
und  hierauf  die  Cy linder  hermetisch  geschlossen.  Die  in  den 
beiden  Cylindern  eintretende  Wirkung  auf  die  Hygrometer 
ist  so  bedeutend  "und  tritt  so  rasch  ein,  dass  der  Versuch 
zur  Vornahme  in  Vorlesungen  geeignet  erscheint,  um  den 
verschiedenen  Grad  der  Trocknungsfähigkeit  des  Chlorcal- 
cium's  und  der  Schwefelsäure  anschaulich  zu  machen. 

In  der  mit  Schwefelsäure  getrockneten  Luft  betrug  die 
nach  14  Minuten  beobachtete  Differenz  des  Wassergehaltes 
von  dem  ursprünglichen  Peuchtigkeitsgrade  50,  in  einem 
zweiten  Versuche  nach  8  Minuten  40,5. 

Der  Hygrometer,  welcher  sich  in  der  mit  Chlorcalcium 

getrockneten  Luft  befand,   zeigte    in   dem  ersten  Versuche 

nach  14  Minuten  eine  Feuchtigkeitsdifferenz  von  26,  in  dem 

zweiten  Versuche  nach  8  Minuten  eine  Feuchtigkeitsdifferenz 

von  23, 5> 

1)  Journal  f&r  pi^ktische  Chemie  Bd.  27,  S.  368. 

36* 


544      Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  2.  November  1878. 

Wie  man  erkennt,  sind  diess  unterschiede  der  Wirkung 
von  Ghlorcalcinm  und  Schwefelsaure  auf  den  Trockenheits- 
grad sehr  wesentlich.  In  Vergleichszahlen  ausgedrückt  ergibt 
sich  das  Verhältniss  der  Trocknungsfahigkeit  der  Schwefel- 
säure zum  Ghlorcalcinm  wie  100  :  52.  Selbstverständlich 
zeigten  die  Thermometer  der  Instrumente  in  den  beiden 
Gylindem  genau  übereinstimmende  Temperatur.  Als  nahe- 
liegendes Resultat  ergibt  sich  aus  diesen  Beobachtungen, 
dass  durch  Schwefelsaure  eine  gegebene  Menge  Luft  in  der 
Hälfte  der  Zeit  auf  denselben  Grad  der  Trockenheit  gebracht 
werden  könne,  wie  solches   durch  Ghlorcalcinm  möglich  ist. 

Wechselt  man  die  Hygrometer,  indem  man  das  einige 
Minuten  über  Schwefelsäure  gestandene  Exemplar  in  den 
mit  Ghlorcalcinm  versehenen  Glascylinder  bringt,  so  wird 
alsbald  eine  retrograde  Bewegung  des  Zeigers  wahrgenommen, 
während  das  Instrument,  wenn  es  aus  dem  mit  Ghlorcal- 
cinm getrockneten  Gylinder  in  den  mit  Schwefelsäure  ge- 
trockneten gebracht  wird,  sofort  ein  beschleunigtes,  aber 
mit  der  ursprünglichen  Bewegung  übereinstimmendes  Fort- 
schreiten zeigt. 

Zu  den  im  Freien  ausgeführten  Verbuchen  mit  dem 
Patenthygrometer  auf  verschiedenen  Vegetationsdecken,  sowie 
auf  vegetationslosen  Flächen  war  ich  bemüht,  so  weit  diess 
nach  einem  Zeiträume  von  beinahe  10  Jahren  möglich  er- 
schien, dieselben  Versuchsfläch&i  einzuhalten,  welche  als 
Objekte  für  meine  frühere  Arbeit  (a.  a.  0.)  gedient  hatten. 

Die  Beobachtungen  (mit  dem  Patenthygrometer)  um- 
fassen folgende  vier  ungefähr  V^  Stunde  von  einander  ent- 
fernt liegende  Versuchsfelder : 

1)  Ein  Haferfeld  (cultivirtes  Wiesenmoor). 

2)  Eine  Wiese  (entwässertes  Wiesenmoor). 

3)  Ein  brachliegender  Acker,  welcher  im  vorhergehenden 
Jahre  Hafer  getragen  und  umgeackert  worden  (cultivirtes 
Wiesenmoor). 


Vogel:  üeber  Wasser  Verdunstung  etc,  545 

4)  Ein  Torfwiesenmoor  mitTypha  bewachsen,  sumpfig. 

5)  Ein  Kleefeld. 

Es  folgen  nun  die  Zahlen,   wie  sie  sich  direkt  ergeben 

haben. 

Grm.  Wasser 
in  1  Gab.  Meter 

I.  6,26 

IL  7,47 

III.  5,38 

IV.  7,92 
V.  7,21 

Meine  früheren  Versuche,  obgleich  den  hier  beschrie- 
benen nicht  in  allen  Theilen  vollkommen  vergleichbar, 
finden  hiedurch  wesentliche  Bestätigung  und  zwar  in  fol- 
genden Punkten: 

1)  Die  Wasserverdunstung  auf  besätem  Boden  ist  be- 
deutend gröser,  als  auf  unbesätem  Boden. 

2)  Die  Natur  der  Pfianzenspecies  ist  auf  die  Menge  des 
verdampften  Wassers  von  wesentlichem  Einflasse. 


Herr  v.  Jolly  legt  vor  und  bespricht  nachstehende 
Abhandlung : 

„Nachweis  der  elektromagnetischen  Dreh- 
ung der  Polarisationsebene  des  Lichtes 
im  Schwefelkohlenstoffdampf"  von  A.  Eundt 
und  W.  C.  Röntgen." 

Faraday  gelang  es  bekanntlich  nicht  die  elektromag- 
netische Drehung  der  Polarisationsebene  des  Lichtes  in  Gasen 
nachzuweisen.  Auch  später  ist  eine  solche  nicht  beobachtet 
worden. 

Bei  dem  Interesse,  welches  die  Frage  bietet,  ob  den 
Gasen  diese  Eigenschaft  überhaupt  nicht  zukommt,  ent- 
schlossen wir  uns  die  Versuche  nochmals  mit  möglichst 
starken  Strömen  und  unter  im  üebrigen  möglichst  günstigen 
Bedingungen  zu  wiederholen.  Es  ist  uns  nunmehr  auch  ge- 
lungen, die  gesuchte  Erscheinung  wenigstens  für  den  Schwefel- 
kohlenstoffdampf zu  constatiren.  — 

Wir  wählten  für  die  Versuche  diese  Substanz,  weil 
dieselbe  einerseits  im  flüssigen  Zustand  eine  kräftige  elektro- 
magnetische Drehung  zeigt,  andererseits  ihr  Dampf  schon 
bei  verhältnissmässig  niederen  Temperaturen  eine  beträcht- 
liche Spannkraft  besitzt. 

Der  zum  Einschliessen  und  Erhitzen  des  Schwefelkohlen- 
stoffs benutzte  Apparat' ist  in  nebenstehender  Figur  in  V^o 
seiner  wahren  Grösse  gezeichnet.  Ein  Eisenrohr  aa  ist  an 
seinen  Enden  mit  2  starken,  conisch  ausgedrehten  Messing- 
ansätzen bb  versehen ;  in  diese  können  2,  gleichfalls  conische 


Kundt  u.  Röntgen:  JEJlektr.-magn.  Ih'ehung  d/ Polarisationsehene.  547 

Messingstücke  c  c  eingesetzt  und  dureh  je  6  starke  Sehrauben 
fest  eingepresst  werden.  Die  Einsatzstücke  sind  in  der 
Längsrichtung  des  Rohres  durchbohrt  (Durchmesser  der 
Löcher  1  cm.)  und  auf  die  dem  innern  Theil  des  Rohres 
^zugewendeten  Seite  sind  zwei,  1cm  dicke  Glasplatten  dd 
gekittet,  die  ausserdem  noch  durch  starke  Schrauben  gehalten 
werden.  An  die  Einsatzstücke  c  sind  je  2  Blechröhren  e  e 
geschraubt  und  das  Ganze  ist  von  dem  Blechrohr  ff  um- 
geben in  dessen  Mitte  es  durch  die  beiden  Korke  gg  ge- 
halten wird.  Die  Blechröhren  e  ragen  um  einige  Centimeter 
aus  den  Korken  heraus.  Durch  ein  Zuleitungsrohr  h  in  einem 
der  Korke  kann  Wasserdampf  in  den  Zwischenraum  zwischen 
dem  Eisenrohr  und  dem  umgebenden  Blechrohr  eingeleitet 
werden;  der  Dampf  kann  durch  ein  Rohr  i  im  andern  Kork 
wieder  austreten.  Das  Eisenrohr  konnte  somit  durch  herum- 
geleiteten Wasserdampf  in  seiner  ganzen  Länge  auf  100® 
erhitzt  werden.  Das  äussere  Blechrohr  war  umgeben  mit 
6  grossen  Drahtrollen.  — 

Der  Draht  hat  eine  Dicke  von  3  mm;  auf  jeder  Rolle 
befinden  sich  circa  400  Windungen,  durch  die  der  Strom 
von  64  grossen  Bunsen'schen  Elementen  gesandt  werden 
konnte. 

Für  den  Versuch  wurde  in  das  Eisenrohr  etwas  Schwefel- 
kohlenstofif  gegossen  und  die  Luft  durch  den  sich  schon 
bei  gewöhnlicher  Temperatur  bildenden  Schwefelkohlenstoflf- 
dampf  ausgetrieben.  Dann  wurden  die  Einsatzstücke  an  den 
Enden  möglichst  fest  angeschraubt,  das  Rohr  mit  seinen 
Ansatzröhren  an  seine  Stelle  im  Innern  des  weiteren  Blech- 
rohrs und  der  Spiralen  befestigt  und  Wasserdampf  einge- 
leitet. —  Nachdem  das  ganze  Rohr  die  Temperatur  des 
siedenden  Wassers  angenommen  hatte,  war  jeder  Beschlag 
von  den  Glasplatten,  der  sich  beim  Anheizen  gezeigt  hatte 
verschwunden  und  waren  die  Platten  und  der  Schwefel- 
kohlenstoffdampf,   der   sich   im   Rohr    gebildet   hatte   klar 


548      Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  2,  November  1878. 

durchsichtig.  Ein  darch  einen  Nicol  geradlinig  polarisirtes 
Lichtbündel  wurde  nunmehr  durch  den  Dampf  gesandt; 
ein  Nicol  am  anderen  Ende  des  Rohres  löschte  das  Bündel 
aus.  —  Wurde  jetzt  der  Strom  der  64  Elemente  durch  die 
Rollen  geschickt,  so  trat  eine  deutliche  Erhellung  des  Ge- 
sichtsfeldes auf.  Die  Erhellung  wurde  noch  beträchtlicher 
als  nach  Stromschloss  der  vordere  Nicol  auf  dunkel  gedreht 
und  dann  mit  einem  Commntator  der  Strom  umgekehrt  wurde. 

Die  Drehung  der  Polarisationsebene  erfolgte,  wie  zu 
erwarten  war,  im  Sinn^  in  welchem  der  positive  Strom 
durch  die  Drahtrollen  ging.  — 

Um  zu  untersuchen  ob  die  beobachtete  Drehung  nicht 
etwa  ganz  oder  zum  Theil  hervorgebracht  werde  durch  die 
die  Enden  des  Rohres  verschliessenden  Glasplatten,  wurde 
der  Schwefelkohlenstoff  aus  dem  Rohr  entfernt,  und  nun 
das  leere  Rohr  mit  seinen  Glasplatten  abennals  erhitzt  and 
beobachtet.  Bei  Schluss  des  Stromes  zeigte  sich  in  der  That 
eine  sehr  schwache  von  den  Glasern  herrührende  Drehung, 
d^en  Betrag  aber  wesentlich  kleiner  war  als  bei  dem  Versuch 
in  welchem  sich  Schwefelkohlenstoffdampf  im  Rohr  befand. 
Um  von  dieser  schwachen  Drehung  der  Glasplatten  ganz 
frei  zu  werden,  wurden  sodann  die  beiden  äussersten,  den 
Glasplatten  zunächst  liegenden  Drahtrollen  aus  dem  Strom- 
kreis ausgeschaltet;  die  4  vom  Strom  noch  durchflossenen 
Rollen  waren  jetzt  so  weit  von  den  Glasplatten  entfernt, 
dass  ihr  Einfluss  auf  letztere  nur  noch  sehr  gering  sein 
konnte.  In  der  That  ergab  sich  nun  auch,  dass  das  leere, 
durch  Wasserdampf  erhitzte  Rohr  keine  Spur  von  Drehung 
erkennen  liess.  Als  dann  aber  das  Rohr  wieder  mit  Schwefel- 
kohlenstoffdampf erfüllt  war,  ergab  sich  beim  Stromschluss 
durch  die  4  Rollen  eine  deutliche  Erhellung  des  vorher 
durch  Ejreuzung  desNicols  verdunkelten  Gesichtsfeldes.  Wir 
vermochten  nicht  den  Betrag  der  Drehung  genau  zu  messen, 
wir  schätzten  denselben  beim  letzten  Versuch  auf  etwa  V«"« 


"T' 


K 


I 


— I 


___^__i 


fürs.  ^.M€Uh..p?t^a.  ClJ* 


Kundt  M.  Röntgen:  Elektr.-^nagn,  Drehung  d.  Polarisationsebene,  549 

Hiemit  ist  bewiesen,  dass  gesättigter  Schwe- 
felkohlenstoffdampf  bei  etwa  100^  im  magnetischen 
Feld  die  Polarisationsebene  desLichtes  dreht. 

Als  in  das  Eisenrohr  etwas  Schwefeläther  gefallt  war 
und  erhitzt  wurde,  konnte  beim  Schliessen  des  Stromes  keine 
Drehung  beobachtet  werden.  — 

Wenn  freilich  durch  unsere  Versuche  bisher  nur  gezeigt 
ist,  dass  gesättigter  Schwefelkohlenstoff  elektromagnetische 
Drehung  der  Polarisationseben«  zeigt,  so  ist  punmehr  doch 
wohl  kaum  noch  zu  bezweifeln,  dass  man  auch  in  unge- 
sättigten Dämpfen,  in  Gasen,  die  Drehung  wird  nachweisen 
können.  —  Wir  sind  mit  der  Construction  eines  Apparates 
beschäftigt,  der  uns  erlaubt  permanente  Gase  bei  sehr  hohen 
Drucken  im  magnetischen  Feld  zu  untersuchen,  um  auch 
für  diese  die  Drehung  nachzuweisen,  und  wenn  möglich  die 
Erscheinung  messend  zu  verfolgen. 

Es  wird  ein  besonderes  Interesse  bieten  zu  constatiren, 
ob  Sauerstoff  die  Polarisationsebene  in  demselben  Sinne  dreht 
wie  die  andern  Gase. 

Strassburg,  Octob.  1878. 


1 


V 


Herr  Fr.  v.  Eobell  spricht: 

1)  „lieber  die  Erystallisation  des  Kaliiim- 
Eisen-Cyanürs   und   des  Eisenvitriols." 

E.  Mallard  bespricht  in  einem  interessanten  Auf- 
satz^) die  anomalen  optischen  Erscheinungen,  welche  an 
vielen  Krystallen  beobachtet  sind.  Diese  Erscheinungen 
entsprechen  dann  einem  andern  Krystallsystem,  als  es  die 
Winkelmessungen  der  betrefiFenden  Erystalle  fordern.  Es 
geschieht  dieses,  wenn  die  Messungen  den  wahren  Winkel 
nicht  genau  angegeben,  während  im  optischen  Verhalten 
die  krystallographische  Differenz  entschieden  erkannt  wird. 
Zu  solchen  täuschenden  Krystallen  gehören  auch  die  oft 
sehr  wohl  gebildeten  des  Kalium-Eisen-Cyanürs,  von  welchen 
Wyrouboff^)  im  Jahre  1869  nachgewiesen  hat,  dass  sie 
klinorhombisch  und  nicht  quadratisch  sind,  wie  gewohnlich 
angenommen  wurde.  Mallard  bestätigt  dieses  und  weist 
nach,  wie  durch  eigenthümliche  Schichtung  der  Spaltungs- 
blätter ein  System  gebildet  werden  kann,  welches  das  Po- 
larisationsbild einaxiger  Erystalle  zeigt.  Ich  kann  dazu  be- 
merken, dass  von  mir  schon  im  J.  1855  an  dem  stauro- 
skopischen  Verhalten  der  fraglichen  Erystalle  erkannt  wurde, 
dass  sie  optisch  zweiaxig  seien  und  dass  ich  damals  schon 
ausgesprochen,  es  könne  eine  klinorhombische  Gombination 
vorliegen^). 

1)  Ann.  des  Mines.  1.  X.  1876. 

2)  Ann.  de  pbjs.  chim.  VIII.  16. 

3)  Gelehrte  Anzeigen.  1855.  Nr.  8. 


V,  Köbell:  Die  KrystälUsation  d.  KaliumrEisen-Gyanürs  etc.  551 

Es  ist  nämlich  die  scheinbare  Quadratpyramide  mit 
der  basischen  Spaltangsfläche  zu  betrachten  als  bestehend 
ans  einem  klinorhombischen  Prisma  mit  der  klinodiagonalen 
Fläche,  welche  die  Spaltungsfläche,  und  mit  einem  Elino- 
doma,  dessen  Kante  aber  mit  der  Prismenkante  einen  jedoch 
nur  scheinbar  rechten  Winkel  bildet,  denn  ein  wirklicher 
rechter  Winkel  kann  unter  diesen  Verhältnissen  nicht  vor- 
kommen. Das  Kreuz  im  Stauroskop  erscheint  also  auf  der 
als  basisch  angegebenen,  für  quadratisch  gehaltenen  Fläche 
in  seiner  Stellung  gegen  die  Seiten  nicht  unverändert,  son- 
dern schneidet  diese  in  zweierlei  Winkeln,  welche  das  Stau- 
roskop zu  33®  und  57^  angibt  und  ähnlich  verhält  es  sich 
nach  meinen  Beobachtungen  an  den  isomorphen  Krystallen 
des  Kalium-Osmium-Cyanürs*).   — 

Ich  erwähne  bei  dieser  Gelegenheit  noch  einer  andern 
von  mir  1858  gemachten  Beobachtung,  dass  sich  die  Kry- 
stalle  des  Eisenvitriols  stauroskopisch  klinorhomboidisch 
und  nicht  klinorhombisch  verhalten.  Die  ebenen  Winkel 
der  gewöhnlich  als  Rhombus  genommenen  basischen  Fläche 
werden  nämlich  vom  Kreuz  nicht  halbirt,  sondern  der 
stumpfe  Winkel  (von  99®)  wird  im  Winkel  von  52°  und  47® 
getheilt^). 


1)  Sitzungsberichte  1868.  p.  66. 

2)  Gelehrte  Anzeigen  1858  Nr.  31. 


552      Sitzung  der  mcUhrphys.  Classe  vom  2.  November  1878. 


2)  „lieber  das  Vorkommen  von  Lithion  und 
Thallinm  in  den  Zinkerzen  von  Baibel 
in  Eärnthen/^ 

Ich  habe  im  J.  1871  bei  üntersnchung  einiger  Zink- 
blenden mit  dem  Spectroskop  in  den  dichten  Varietäten  von 
Geroldseck  im  Breisgan  und  von  Herbesthal  in  Westphalen 
die  Gegenwart  von  Thallium  erkannt  und  nun  auch  derlei 
Blende  (Schaalenblende)  von  Raibel  darauf  geprüft.  Die 
Thalliumlinie  zeigte  sich  nicht  bestimmt,  dagegen  erkannte 
ich  deutlich  die  Lithionlinie.  Auch  die  am  Raibel  vorkom- 
menden Smithsonite  reagiren  auf  Lithion.  Es  ist  dieses  ein 
seltenes  lokales  Vorkommen,  denn  eine  Reihe  von  Blenden 
verschiedener  Fundorte  zeigten  die  Reaction  nicht,  ebenso- 
wenig die  Smithsonite  von  Nertschinsk,  Bilbao,  Aachen, 
Rauschenberg  und  die  Calamine  von  Sterling  und  Altenberg  ^). 

Die  Vorkommnisse  von  Raibel  verdanke  ich  der  gütigen 
Mittheilung  des  Herrn  Professors  v.  Elipstein  in  Giessen.  — 

1)  Als  ich  nachstehendes  Verfahren  anwendete,  entdeckte  ich  an 
den  erwähnten  Erzen  neben  der  Lithionlinie  auch  die  Thalliumlinie.  Ich 
kochte  die  pulversirte  Probe  mit  Salzsäure  und  dampfte  die  Losung  zur 
Trockne  ab.  Der  Bückstand  zog  schnell  Feuchtigkeit  an  und  die  dadurch 
erhaltene  Flüssigkeit  dampfte  ich  wieder  zur  Trockne  ein.  Ich  Jegte 
dann  von  der  bleibenden  Kruste  eine  kleine  Menge  auf  einen  feindurch- 
löcherten dünnen  Platinstreifen,  der  von  einer  Platinpincette  horizontal 
gehalten  wurde,  befeuchtete  sie  mit  Salzsäure  und  brachte  sie  in  die 
Flamme.  Die  rothe  Linie  vom  Lithium  und  die  grüne  vom  Thallium  er- 
schienen sehr  deutlich  und  zwischen  ihnen  die  nie  fehlende  gelbe  Na* 
tronlinie.  Zur  Beobachtung  bediente  ich  mich  eines  kleinen  Handspeciro- 
skops,  — 


Sach-Register, 


Bor-Verbindnogen  in  Tibet  505. 

Compositen,  nene,  des  Herbariums  Schlagintweit  78. 
Carven  6.  Ordnung  121. 

ElectricitStserregung  beim  Contact  140. 

Electromagnetische  Drehung  der  Polarisationsebene  des  Lichtes  546. 

Gewicht,  specifisches,  geglühter  Silicate  1. 

Hefe,  chemische  Zusammensetzung  161. 
Höhennetze,  geometrische,  deren  Ausgleichung  415. 

Krystallisation  des  Ealium-Eisen-Cyanürs  550. 

Lithion  in  den  Zinkerzen  552. 
Luftwechsel,  Theorie  desselben  424. 

Manganknollen  im  stillen  Ocean  189. 
Mekonin  8. 

Phtalid  (Phtalaldehyd)  8. 

Rosanilin  210. 


554  Sach-Begister, 

Sapindus  221. 
Steinmeteoriten  in  Bayern  14. 


Thallium  in  den  Zinkerzen  552. 


Wasserverdanstong  von  Vegetationsdecken  539. 


Zinn  in  Silicaten  136. 


Namen-Eegister, 


Baeyer  8,  210. 

Bauer  121. 

y.  Banemfeind  415. 

V.  Beetz  140. 

Braun  Alexander  (Nekrolog)  99. 

Cremona  (Wahl)  418. 

Darwin  (Wahl)  413. 

Fischer  Emil  210. 
Fischer  Otto  210. 
Fries  Elias  Magnus  (Nekrolog)  109. 

eräbe  (Wahl)  414. 
Gfimbel  14.      , 


Hermite  (Wahl)  413.^. 
Bessert  8.  ^ 


V.  Jelly  546. 

V.  Kobell  1,  99,  136,  550,  552. 
Enndt  546. 

Leverrier  Urbain  Jean  Joseph  (Nekrolog)  102. 


556  Namen-Begister, 

V.  Mayer  Julius  Robert  (Nekrolog)  112. 

▼.  Nägeli  161. 

Nöggerath  Johann  Jakob  (Nekrolog)  105. 

Pariatore  Filippo  (Nekrolog)  104. 
V.  Pettenkofer  424. 

Radlkofer  221. 

Recknagel  424. 

Regnault  Henri  Victor  (Nekrolog)  108. 

Röntgen  546. 

Sandberger  136. 

▼.  Schlagintweit-SakQnlQnski  73,  505. 
Secchi  Angelo  (Nekrolog)  HO. 
Stefan  (Wahl)  414. 

Vogel  539. 

Volkmann  Alfred  Wilhelm  (Nekrolog)  103. 

Weber  Ernst  Heinrich  (Nekrolog)  111. 
Würtz  (Wahl)  413. 


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