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Full text of "Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Classe"

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SITZUTSTGSBERICHTE 


DER  KAISERLICHEN 


AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


PHILOSOPfflSCH-HISTORISCHE  CLASSE. 


fOnfundneunzigster  band. 


WIEN,  1880. 


IN   COMMI88ION  BEI   CARL   GEROLD'S   SOHN 

BDCHHÄNDLBK  DER  KAIS.  AKADRMIR  DKK  WI88BN8CHAPTEK. 


SITZUNGSBERICHTE 


fHILOSOPHISCH-HISTORlSCHEN  CLASSE 


AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


F0NFUNDNEUNZIQ8TER  BAND. 
JAHRGANG   1879.  —  HEFT  I— IV. 


WIEN,  1880. 

IN   COHHI88IOK  BEI    CARL  OEROLD'8   SOHN 


; 


DrticV  von  Adolf  Holzhaasen  in  Wien, 
k.  k.  Hof-  und  UDireraitMtfBoohdruckar. 


INHALT. 


Seite 

SYl.  Sitiung  vom  2.  Juli  1879 3 

Mayr:   Voltaire-Studien 5 

Krall:    Die  Coinpositiou    und  die    Scliicksalc    des'Manetho- 

nischen  GeBchichtswerkes •     .  128 

XTO.  Hltxuiig  vom  9.  Juli  1879 227 

Hof  1er:  Abbandlungon  aus  dem  Gebiete   der  slaviscbeu  Ge- 
schichte. 1 229 

XrilJL  Hitsung  vom  16.  Juli  1879 246 

Pfizmaier:  Begebenheiten  neuerer  Zeit  in  Japan     ....  249 
Dadfk:   Historische  Forschungen   in  der  kaiserlichen    öffent- 
lichen Bibliothek  zu  St.  Petersburg 329 

Pellner:   Zur  Geschichte  der  attischen  Finanzverwaltung  im 

fünften  und  vierten  Jahrhunderte 383 

Knöll:  Das  HandschriftenverliKltniss  der  Vita  S.  Severini  des 

Eugippius 445 

:.  Sitsmig  vom  8.  October  1879 501 

:.  Sitenng  vom  15.  October  1879 503 

Oebauer:    Nominale  Formen  des  altböhniischen  Comparativs  505 

H  ö  f  1  e  r :  Abhandlungen  auH  dem  Gebiete  der  alten  Geschichte.VII.  521 

Sitsaug  vom  22.  October  1879 566 

Hitiung  vom  5.  November  1879 571 

3)     Horawitz:  firasmiana.  II 575 

XXni«  mtcung  vom  12.  November  1879 611 

Math:  Heinrich  von  Veldeke  und  die  Genesis  der  romantischen 

and  heroischen  Epik  um  1190 613 

Rzach:  Stadien  zur  Technik  des  nach  homerischen  heroischen 

Verses 681 

XXIY.  8it2ling  vom  19.  November  1879 873 

Höfler:    Abhandlungen   aus  dem  Gebiete  der  slavischen  Ge- 
schichte. H.  und  III 875 

XXY«  8itsaBg  vom  3.  Decerober  1S79 915 

XXYI.  Sitzung  vom  10.  December  1879 917 

Pfizmaier:  Die  Sammelhäuser  der  Lehenkönige  Chiua's  .     .  919 

XXVII.  Sitzung  vom  17.  December  1879 977 


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SITZUNGSBERICHTE 


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DER  KAISERLICHEM 


\K4DEMi  DER  WISSENSCHAFTEN. 


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PHILOSOPHISCH-HISTORISOHP]  CI.ASSE. 


XCV.  BAND.    HEFT  I. 


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JAHRGANG   1879. 


JULI. 


-•  WIEN,  1879. 


1        N       - 


^ 


IN    COMMIS8ION    BEI    CARL    GEROLD'S   SOHN 

nUCHHANDLKR  DER  KAIS.   AKADKMIK  DKK  WISSKNSCIIAFTKN. 


INHALT. 


Seite 

XVI.  Sitzung  vom  2.  Juli  1879 3 

Mayr:   Voltaire-Studien 5 

Krall:  Die  Composition  und  die  Schicksale  des  ManethO'nischen 

Gescbicbtswerkes 123 

XVII.  Sitzung  vom  9.  Juli  1879 227 

Höfler:   Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der  sla vischen  Ge- 
schichte      229 

XVIIL  Sitzung  vom  16.  Juli  1879 246 

Pfizmaier:  Begebenheiten  neuerer  Zeit  in  Japan      ....  249 
Dudik:  Historische  Forschungen   in   der  kaiserlichen   öffent- 
lichen Bibliothek  zu  St.  Petersburg 329 

Fe  11  n er:   Zur  Geschichte  der  attischen  Finanzverwaltung  im 

fünften  und  vierten  Jahrhunderte 383 

KnöU:  Das  HandschriftenverhKltniss  der  Vita  S.  Severini  des 

Eugippius 445 


SITZUNGSBERICHTE 


DBB 


KAISERLICHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN 


PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE  CLA8SE. 


XCV.  BAND.  I.  HEFT. 


JAHRGANG  1879.  —  JULI. 


SitnnpUr.  d.  phil.-hUt.  Cl.  XCV.  Bd.  I.  Bft. 


Ausgegeben  am  20.  Docember  1879. 


XVI.  SITZUNG  VOM  2.  JULI  1879. 


Der  Verein  böhmischer  Aerzte  in  Prag  ladet  zu  der  in 
Gemeinschaft  mit  der  König;grätzer  Stadtvertretung  am  3.  August 
d.  J.  zu  begehenden  Feier  der  Einsetzung  einer  Gedenktafel 
an  dem  Geburtshause  Rokitansky's  ein. 


Das  w.  M.  Herr  Hofrath  Alfred  Ritter  von  Krem  er  über- 
mittelt einen  Betrag  von  fünfhundert  Gulden  zum  Zwecke  der 
Unterstützung  einer  herzustellenden  Textausgabe  der  , Geogra- 
phischen Beschreibung  Arabiens'  von  Hamdäny. 


Herr  Siegfried  Mekler^  Supplent  an  dem  k.  k.  akademi- 
schen Gymnasium^  legt  eine  Abhandlung:  ^Ueber  einige  lücken- 
kfte  Stellen  des  Euripides-Textes'  mit  dem  Ersuchen  um  ihre 
Veröffentlichung  in  den  Sitzungsberichten  vor. 


An  Druckschriften  wurden  vorgelegt: 

Acad^mie  des  Inscriptious   et  Belles-Lettres :    Comptes  rendus.    IV^   S^rie. 

Tome  VII.  BuUetiu  de  Janvier-Fevrier-Mars.  Paris,  1879;  8". 
—  royale  des  Sciences,  des  Lettres  et  des  Beaiix-  Arts  de  Bcl^que.  Bulletin. 

48«  Ann^e,  2«  S^rie,  Tome  47.  Nr.  5.  Bruxelles,  1878 ;  8«. 
Accademia,  reale  della  Crusca:  Atti.  Firenze,  1879;  S^. 
Akademie  der  WissenschafteD,  königl.  preussische,  zu  Berlin:  Monatsbericht. 
April  1879.  Berlin;  S^ 

1* 


AmbroBi,  Francesco:  Profili  di  una  storia  degli  Scrittori  e  Artisti  Trentini. 

Borgo,  1879;  80. 
Central-Commission,   k.    k.   statistische:   Statistisches  Jahrbuch  für  das 

Jahr  1876.    VII.  Heft.    Wien,  1879;    8«.     Für  das  Jahr  1877.    IX.  Heft 

Wien,  1879;  8«. 
Christiania,  Universität:    Aarsberetning  for  Aaret  1876  og  1877  med  Bi- 

läge.     Christiania,    1877    og    1878;    8'^     —     Universitets-     og    Skole- 

Annaler.  Tredie  Racke.  3.  og  4.  Hefte.  Juli  1877.  Christiania,   1877;  8». 

Tredie  Racke.  XV.  1.   og  2.  Hefte.  Juli  1878.   Christiania;  80.  3.  Hefte. 

Februar  1879.  Christiania;  80. 

—  Widenskabs-Selskabet:  Forhandlinger.  Aar  1876.  Christiania,  1877;  S^. 
Aar  1877  og  1878.  Christiania,  1878/79;  8«.  —  Register  1868—1877.  Chri- 
stiania, 1879;  8^  —  Fortegnelse  over  Separat-Aftryk.  Christiania,  1878;  8^. 

—  Norske  Rigsregistranter  Tildeeis  i  Uddrag.  6.  Binds,  2.  Hefte.  1631—1634 
ved  Otto  Gr.  Lundh.  Christiania,  1877;  S^.  7.  Binds,  I.Hefte.  1635— 
1637  ved  Otto  Gr.  Lundh.  Christiania,  1877;  8^. 

—  Heilagra  Manna  Sögnr:  af  Dr.  C.  R.  Unger.  II.  Christiania,  1877;  8". 
Altitalische  Studien  von  Sophus  Bugge.  Christiania,  1878;  8^. 

—  Beretning  om  Bodsfaengslets  Virksomhed  i  Aaret  1876  og  1877.  Chri- 
stiania, 1877/78;  80. 

—  Festskrift  til  det  kgl.  Universitet  i  Upsala  ved  dets  Jubilaeum  i  September 
1877.  Christiania,  1877;  40. 

Greifswald,    Universität:     Akademische    Schriften    pro     1878.     37    Stück 

40  und  80. 
Mittheilungen    aus  Justus   Perthes^    geographischer    Anstalt    von    Dr.    A. 

Petermanu.    XXV.  Band,  1879.    VI.  Gotha;  40. 
^Revue    politique    et  litt^raire*  et   ,Revue    scientifique    de    la  France    et   de 

TEtranger*.  VIII«  Ann^e,  2«  SMe.    Nr.  51  et  62.  Paris,  1879;   40. 
Society,  the  American  geographical:    Bulletin.    1879.    Nr.  2.  New  York;  8^. 
Ungarischer  Karpathen- Verein :  Jahrbuch.  VI.  Jahrgang.  1879.  K^sm^rk;  S^. 
Verein,  croatisch-archäologischer:  Viestnik.  Godiua  I.   —  Br.  3.  U  Zagrebu, 

1879;  80. 

—  für  Landeskunde  von  Niederösterreich:  Blätter.  Nene  Folge.  XII.  Jahr- 
gang. Nr.  1 — 12.  Wien,  1878;  80.  —  Topographie  von  Niederösterreich. 
IL  Band.  4.  und  5.  Heft.  Wien,  1879;  40. 

—  militär-wissenschaftlicher,  in  Wien:  Organ.  XVUI.  Band.  4.  und  ö.  Heft. 
Wien,  1879;  80. 


Xajrr.    Volteire-Stvdien. 


Voltaire-Studien. 

Von 

Br.  Biohard  Mayr. 


Voltaire's  königliche  Stellung  in  der  Literatur  haben 
Freund  und  Feind  anerkannt.  Seinen  thatsächlichen  Einfluss 
hat  noch  Niemand  bestritten.  Aber  diese  Taxation  seiner  histo- 
rischen Bedeutung  und  die  Würdigung  des  relativen  oder 
absoluten  Werthes  seiner  Leistungen  auf  den  mannigfaltigen 
Gebieten  des  Schriftthums  sind  zweierlei  Dinge.  In  letzterer 
Beziehung  ist  das  Urtheil  noch  keineswegs  zur  Ruhe  gekommen. 
Die  nachfolgenden  Studien  bezwecken,  zur  Klärung  des  Urtheils 
beizutragen.  Sie  erstrecken  sich  über  ein  Gebiet,  auf  welchem 
Voltaire  geradezu  Epoche  macht ;  sie  betreffen  seine  histo- 
Kschen  und  geschichtsphilosophischen  Werke. 

Im  Jahre  1731  debutirte  er  mit  seinem  Karl  XIL  Zwischen 
dem  Erscheinen  dieses  seines  Jugend werkes  und  der  welt- 
berühmten universalhistorischen  Arbeiten  liegt  eine  Frist  von 
zwei  Decennien.  Poetische  und  naturphilosophische  Schriften 
schienen  seine  Thätigkeit  vollständig  zu  absorbiren.  Allein 
seine  englischen  Briefe  und  andere  mehr  vereinzelte  Aeusse- 
rangen  beweisen  uns,  dass  der  geschichtliche  Mensch  auch  zu 
dieser  Zeit  in  die  Sphäre  seiner  Studien  einbezogen  blieb.  Zu- 
dem wissen  wir  aus  seinen  Briefen  und  aus  seiner  Biographie^ 
dass  er  um  1740  sich  mit  einer  Lebhaftigkeit  und  Ausdauer 
der  Geschichte  zuwandte,  wie  dies  nur  seinem  unvergleich- 
lichen Naturell  möglich  war.  ConceptC;  die  er  damals  zu 
Papier  brachte,  circulirten  lange,  bevor  seine  gereiften  Ar- 
beiten im  Drucke  erschienen,  unter  Freunden  und  Anhängern. 


6  Mayr. 

1744  wurde  er  zum  Ilistoriographen  von  Prankreich  ernannt, 
was  ihn  bewog,  die  Geschichte  Ludwig  XIV.  zu  fördern  und 
auch  die  des  regierenden  Königs  ia  Angriff  zu  nehmen.  Um 
das  Jahr  17.50  begann  endlich  die  lange  zurückgedämmte  Fluth 
historischer,  politischer,  philosophischer  Schriften  sich  über  die 
gebildete  Welt  zu  ergiessen,  welche  längst  gewohnt  war,  auf 
ihn  als  ihr  Orakel  zu  lauschen.  Die  Liste  aller  diesbezüglichen 
Werke,  Abhandlungen,  Gelegenheitsschriften,  Artikel  würde 
allzuviel  Raum  einnehmen ;  bis  in  seine  Romane  und  Poeme 
können  wir  die  Gedanken  verfolgen,  welche  der  Auffassung 
geschichtlicher  Dinge  bei  ihm  zu  Grunde  liegen. 


Yoltaire's  Yerhältniss  zu  seinen  Vorgängern  auf  dem 
Gebiete  der  Geschichtschreibnng. 

Den  letzten  entscheidenden  Anstoss  zu  umfassenderen 
historischen  Studien  gab  Voltaircn  seine  berühmte  Freundin, 
die  Marquise  du  Chätelet.  Voltaire  selbst  spricht  davon  zu 
wiederholten  Malen.  Nachdem  die  merkwürdige  Frau  Mathe- 
matik, Newton's  Physik  und  Leibnizens  Philosophie  bewältigt 
hatte,  warf  sie  sich  mit  unersättlichem  Wissenstriebe  auch  auf 
Geschichte ;  davor  hatte  ihr  bisher  stets  gegraut.  ^  ,Diese 
philosophische  Dame',  sagt  Voltaire,  ,fuhlte  sich  vornehmlich 
durch  zwei  Dinge  zurückgestossen :  durch  die  langweiligen 
Details  und  die  haarsträubenden  Lügen,  wie  sie  den  grössten 
Theil  unserer  historischen  Compilationen  erfüllten ;  sie  wollte 
Geschichte  lesen  und  fand  nichts  als  ein  Chaos,  eine  An- 
häufung nutzloser  Facten ;  sie  verzichtete  also  auf  ein  eben  so 
trostloses,  wie  grenzenloses  Studium,  das  den  Geist  zu  Boden 
drückt,    ohne    ihn   aufzuklären.'     Da   entwickelte   ihr  Voltaire 


*  Vgl.  Memoire»  pour  servir  k  la  vie  de  Voltaire  Berits  par  lui-m^me, 
compoB^s  1759.  —  A  M . . .  profess.  en  bist.,  1753.  —  Pr^face  zur  Aus- 
gabe des  Essai  von  1754.  —  Remarques  ponr  servir  de  suppl.  k  l'E^ai; 
1763,  I.  —  Fragments  sur  l'bist  g6n6r.,  1773,  L 


Voltaire-Stadien.  7 

seine  Vorstellungen  von  einer  geistvolleren  Art  Geschichte  zu 
betreiben,  und  siehe  da,  beide  warfen  sich  nun  mit  Eifer  auf 
ein  Studium,  dessen  schwierigere  Hälfte,  nämlich  die  Arbeit, 
auf  Voltaire  fiel.  ,Ich  war  anfangs  überrascht,  wie  wenig 
Unterstützung  ich  in  den  zahllosen  Büchern  fand.  Das  einzige 
was  mich  bei  diesen  so  undankbaren  Studien  aufrecht  erhielt, 
war  der  Umstand,  dass  wir  ab  und  zu  etwas  über  Künste  und 
Wissenschaften  vorfanden.  Darauf  richteten  wir  unser  Haupt- 
augenmerk .  .  .  Sie  (die  Marquise  nämlich)  wollte  das  Genie, 
den  Charakter,  die  Gesetze,  Vorurtheile,  Culte,  Künste  der 
Völker  kennen  lernen',  während  sie  in  den  alten  Büchern  nur 
fand,  ,da88  im  Jahre  der  Schöpfung  3200  oder  3900,  gleich- 
riel,  ein  unbekannter  König  einen  noch  unbekannteren  in  der 
Nähe  einer  Stadt,  deren  Lage  vollständig  unbekannt  war,  in 
die  Flucht  geschlagen  habe.' 

Aus  diesen  Aeusserungen  geht  zur  Genüge  hervor,  dass 
dasjenige,  was  Voltaire  zum  Studium  der  Geschichte  führte, 
eigentlich  der  klägliche  Durchschnittszustand  dieser  Wissen- 
schaft und  das  Bedürfniss  der  Zeit  nach  einer  höheren  Art  von 
Historiographie  war,  welches  Bedürfniss  wir  uns  in  der  ,gött- 
lichen  Emilie'  so  zu  sagen  verkörpert  denken  können.  Voltaire 
arbeitet  im  stillen  Auftrage  der  Gebildeten,  der  ,honnetes  gens' 
seiner  Zeit,  welchen  das  Alte  nicht  mehr  genügte  und  welche 
die  Welt,  wie  die  Wissenschaft  nach  ihrer  Fagon  geformt  wissen 
wollten.  Voltaire  ist  der  Qeschichtschreiber  oder  besser  der 
Geschichtsphilosoph  dieser  neuen  Welt,  mehr  noch  als  ihr 
Denker  oder  Dichter.    Was  aber  fand  er  vor? 

Die  ältere  Geschichtschreibung,  die  Voltaire  in  Bausch 
und  Bogen  verurtheilte,  zeigte  denn  doch  Eigenschaften  und 
Leistungen,  welche  ihn  selbst  veranlassten,  sein  Verdict  im 
Einzelnen  zu  mildern.  Zudem  boten  Andere,  die  wir  als 
seine  Vorläufer  betrachten  können,  Anknüpfungspunkte  in 
Menge,  Uebergänge,  welche  die  historische  Continuität  zwischen 
dem  Zeitalter  Ludwig  XIV.  und  dem  Zeitalter  Voltaire's  her- 
stellen. Werfen  wir  also  auf  die  verschiedenen  Richtungen 
der  vor-Voltaire*schen  Geschichtschreibung  einen  orientirenden 
Blick;  Voltaire^s  Verhältniss  zu  seinen  Vorgängern  soll  uns  in 
das  VerständnisB  seiner  historiographischen  Leistungen  ein- 
fiihren. 


8  M»yr. 

Voltaire  macht  in  dem  alphabetischen  Schriftsteller -Ver- 
zeichniss,  das  er  seinem  Si^cle  de  Louis  XIV  voranschickt,  bei- 
läufig hundert  Historiker;  d.  i.  dreissig  Procent  der  verzeichneten 
Schriftsteller,  namhaft.  Man  kann  daher  mit  Recht  von  einem 
schwunghaften  Betriebe  dieses  Literaturzweiges  sprechen,  um  so 
mehr,  wenn  man  bedenkt,  dass  es  auch  den  Deutschen,  Ita- 
lienern, Engländern,  Nordländern  nicht  an  Historikern  fehlte.  ^ 
Eines  hatte  der  Gelehrte  jener  Tage  überdies  noch  vor  dem  der 
unserigen  voraus,  das  geographisch  minder  eingeschränkte  Publi- 
cum, woferne  er  lateinisch  oder  französisch  schrieb.  Freilich 
erwuchs  demselben  daraus  eine  Mehrbelastung  mit  Lecture, 
weshalb  denn  auch  die  Majorität  im  Lesen  und  Compiliren  auf- 
ging. Doch  würde  man  irren  zu  glauben,  es  habe  der  vor- 
Voltaire'schen  Zeit  ganz  an  lebendigen  Motiven  oder  tieferen 
Auffassungen  des  Geschichtsstudiums  gefehlt.  Die  Renaissance 
und  in  gewisser  Hinsicht  auch  die  Reformation  hatten  die 
geistige  Thätigkeit  der  abendländischen  Welt  höher  gestimmt; 
das  verlor  sich  nicht  gänzlich,  als  die  religiösen  Kämpfe  die 
Culturentwicklung  Europas  zum  Stillstande  brachten;  ja  die 
reactionären  Strömungen  des  siebzehnten  Jahrhunderts  waren 
nicht  so  unfruchtbar,  als  man  nur  allzugerne  annimmt.  Was 
Frankreich  im  Besonderen  betrifft,  so  waren  es  weniger  die 
humanistischen  und  religiösen  Interessen,  die  zur  Geschichte 
führten,  wie  in  Italien  und  Deutschland  der  Fall  war,  sondern 
die  politischen.  ^     Reale  Politik  und  rationale  Politik  (im  Sinne 


1  In  Le  Long's  Bibliotheque  sind,  wie  Voltaire  angibt,  17.487  bloss  anf  die 
Geschichte  Frankreichs  bezügliche  Werke  verzeichnet,  darunter  Werke 
Ton  mehr  als  hundert  Bänden.  (Lc  Liong*s  Bibliotheque  war  1719  in  erster 
Auflage  erschienen.)  ,Zudi  Glück  ist  die  Mehrzahl  dieser  Bücher  das 
Lesen  nicht  werth*,  setzt  Voltaire  hinzu.  (Remarques  de  PEssai  1763, 
Nr.  20.)  Die  auf  fünf  Folianten  vermehrte  Ausgabe  von  1768-1778  ent- 
hält bereits  mehr  als  42.000  Nummern.  —  ,11  faudrait  vivre  cent  ans,  pour 
lire  seulement  tons  les  histoires  depuis  Franfois  I.*  (A  Belle-Isle,  4.  Ang'. 
1752.)  —  Voltaire  konnte  in  Betreff  seiner  Zeit  sagen:  ,L*histoire  est  la 
partie  des  bcUes-lettres  qui  a  le  plus  de  partisans  dans  tons  les  pays*. 
(A  Cidevillo,  9.  Juli  1754.) 

^  Vgl.  Monod  in  der  Revue  historique  I.  Du  progrös  des  6tudes  historiqnes 
en  France  depuis  le  XVI*  siecle.  —  Buckle,  Geschichte  der  Civilisation, 
13.  Cap.  —  Flint,  Philosophy  of  history,  p.  76  ff.  —  Wachler,  iGcechichte 
der  historischen  Forschung  und  Kunst.  —  La  Harpe,  Lyc^e,  T.  X,  C  2. 


Voltairo-Stuilicn.  9 

der  politischen  Theorie)  kreuz{en  sich  zu  p]nde  des  sechzehnten 
Jahrhunderts  in  den  Erscheinungen  der  historischen  Literatur. 
£6  ist  die  Zeit  Bodin's^  Popelini^re's^  Hotman's  u.  A.  Aber 
dieser  freien  ^  theoretisirenden;  dabei  nicht  allzu  kritischen 
Qeschichtschreibung  machten  die  ungünstigen  Verhältnisse  ein 
Ende;  das  siegreiche  Eönigthum  Hess  dann  nichts  Wider- 
strebendes mehr  aufkommen.  Auch  die  Philosophie  erweckte 
zunächst  kein  höheres  Interesse  für  die  Geschichte.  Vom 
Schokisticismus  ganz  zu  schweigen,  so  standen  sowohl  Cartesius 
wie  Malebranche  der  historischen  Welt  vollkommen  fremd,  ja 
ahnungslos  gegenüber.  Sie  Hess  sich  nicht  construiren  und  in 
die  Formeln  des  Calculs  zwängen ;  sie  war  ihnen  kein  Gegen- 
stand des  Nachdenkens,  sie  galt  als  Zeitverlust.  * 

Wenn  aber  auch  das  Eönigthum  alle  spontanen  Regungen 
anterdrückte,  so  war  es  doch  aus  Gründen  der  Selbsterhaltung 
getrieben,  seinen  Gedankeninhalt  und  sein  Interesse  voll  und 
Dach  allen  Seiten  zu  entfalten,  das  voll  und  imposant  Entfaltete 
aber  den  Geistern  mit  allen  Mitteln,  von  der  einschmeichelnden 
Ceberredung  angefangen  bis  zur  Dragonadenwirthschaft,  aufzu- 
Döthigen.  Der  Ruhm  der  Vergangenheit,  die  Einsicht  in  die 
historische  Nothwendigkeit,  die  Reflexion  auf  den  Zusammen- 
hang des  irdischen  mit  dem  überirdischen  Eönigthume  sollte  den 
Lustre  der  Monarchie  vermehren  helfen.  Sie  bedurfte  einer 
historischen  Rechtfertigung;  das  ihr  entsprechende  Gedanken- 
sjstem  wäre  unvollständig  gewesen  ohne  die  Heranziehung  der 
Geschichte.  Ja,  in  dem  Maasse  als  infolge  des  Systemes  geistige 
Kraft  überschüssig  wurde,  musste  dafür  gesorgt  werden,  dass 
diese  nicht  in  feindliche  Spannung  gerathe.  Jedes  Machtsystem 
sucht  die  Geister  zu  binden,  und  bevor  nicht  die  constitutionellen, 
demokratischen  oder  socialistischen  Systeme  darauf  feierlichst 
Verzicht  leisten,  dürfen  sie  es,  mindestens  dem  Principe  nach,  den 
theokratischen,  monarchischen  oder  oligarchischen  Herrschaft- 
Vereinigungen  nicht  übel  nehmen.  Eine  besondere,  ausnahms- 
weise Schurkerei  oder  Servilität  war  es  daher  von  den  Zeit- 
^nossen   Ludwig  XIV.   nicht,   wenn   sie   die  Geschichte   dem 


*  Vgl  H.  Taine,  Entstehung  des  modernen  Frankreichs  (übersetzt  von 
Katscher)  I«  p.  188.  —  Und  wenn  es  erlaubt  ist,  sich  selbst  zu  citiren, 
meine  ,Ge8chicht8aafFassang  der  Neuzeit'  6.  Cap. 


10  Mayr. 

herrschenden  Systeme  anzupassen  suchten;  desgleichen  war  es 
keine  exceptionelle  Schandthat  der  Regierung,  dass  sie  die  ihr 
günstige  Historie  sich  gefallen  Hess  und  protegirte.  Gleich- 
wohl bietet  ein  derartiges  Verhältniss  zwischen  den  herrschenden 
Gewalten  und  der  Wissenschaft  ein  beinahe  untrügliches  In- 
diciuni;  dass  die  letztere  den  ersteren  sich  und  die  Wahr- 
heit zum  Opfer  bringt.  Zwar  überreden  sich  die  Menschen 
gerne,  dass  dies  nicht  der  Fall  sei;  häufig  verstehen  sie 
auch  das  Verlangen  nach  Wahrheit  gar  nicht:  Wahrheit  und 
Interesse  decken  sich  für  die  im  Weltleben  befangenen  Geister 
bis  zur  UnUnterscheidbarkeit.  Es  ist  nur  den  auserwählten 
Geistern  auserwählter  Zeiten  vorbehalten,  über  den  Bann- 
kreis der  Interessen  hinauszublicken  und  damit  den  Math 
zu  verbinden,  das,  was  sie  gesehen,  auch  zu  bekennen.  Eine 
solche  auserlesene  Zeit  war  das  Jahrhundert  Ludwig  XIV. 
keineswegs,  wenngleich  es  innerhalb  seiner  Grenzen  voll  Pathos 
und  ethischen  Schwunges  war.  Das  erhebende  Schauspiel 
einer  nur  dem  Gebote  des  Wahren  und  Guten  hingegebenen 
Wissenschaft  wurde  den  Menschen  erst  im  Zeitalter  der 
Aufklärung  zu  Theil.  Hoffen  wir,  dass  es  sich  nie  wieder 
vergisst. 

Unter  Ludwig  XIV.  waren  natürlich  die  Geistlichen,  als 
die  Vermittler  beider  Welten,  diejenigen,  welche  das  dem 
Ganzen  entsprechende  Geschichtssystem  in  Pflege  und  Aus- 
bildung nahmen.  Die  ludovicianische  Hof-  und  Staats-Geschicht- 
Schreibung  ist  durchaus  hoch  gestimmt,  loyal,  christlich,  wohl- 
redend, vornehm.  Wir  finden  einen  Universalhistoriker,  wie 
Bossuet,  dessen  Discours  das  grösste  Meisterwerk  classicistischer 
Prosa  und  in  vieler  Hinsicht  das  Vorbild  Montesquieu's,  Vol- 
taire's  u.  A.  darstellt.  Besonders  enthält  der  dritte  Abschnitt 
geistvolle  Analysen  und  Reflexionen,  die  unübertroffen  da- 
stehen. ^  Wir  finden  einen  Nationalhistoriker,  wie  den  Jesuiten 
Daniel,  einen  namentlich  von  Voltaire  viel  geschmähten  Mann, 
von  dessen  französischer  Geschichte  heute,  im  Zeitalter  der 
Republik,  in  der  wissenschaftlichsten  historischen  Zeitschrift  des 
Landes  gesagt  wird,  dass  sie  nicht  nur  alle  Vorgängerinnen, 
sondern   auch    die    meisten    ihrer«  Nachfolgerinnen   weit    über- 


1  Lobrede  bei  Nisard,   Histoire  de  1&  litt^ratare  fran^aise  III,  294  ff. 


Yoltoire-Sindira.  1 1 

treffe. '  Da  schreibt  der  Abb6  Fleury  eine  Kirchengeschichte, 
welche  selbst  Voltaire  Worte  der  Achtung  abnöthigt.  Und 
80  fort.  Eines  aber  fehlte  dieser  Gruppe  von  Hofscribenten^ 
ein  Ding,  das  freilich  für  einen  Historiker  so  wichtig  ist;  wie  für 
eine  Frau  der  Ruf  der  Keuschheit,  nämlich  aller  und  jeder 
kritische  Sinn.  Unter  den  geistreichsten  Reflexionen  tummeln 
sich  im  Schmucke  pompösester  Diction  die  abgeschmacktesten 
Fabeln,  Anekdoten,  Erdichtungen.  Im  Ganzen  betrachtet  fehlt 
allerdings  dem  Zeitalter  die  Kritik  nicht;  aber  es  ist  schade, 
dass  die  Historiker  keine  Kritiker  waren,  und  die  Kritiker 
keine  Historiker.  Für  sich  betrachtet  sind  die  Kritiker  des  ludo- 
vicianischen  Zeitalters  von  höchster  Achtbarkeit;  sie  machen 
in  vieler  Beziehung  Epoche.  Da  ist  es  nun  eigenthümlich  zu 
beobachten,  dass  es  wiederum  die  Geistlichen  sind,  welche  diese 
kritische  Richtung  vertreten.  Noch  eigenthümlicher  aber  ge-' 
staltet  sich  das  Verhältniss  der  verschiedenen  Orden  zu  ihrem 
kritischen  Geschäft.  Die  Weltgeistlichen  spielen  als  Kritiker 
keine  hervorragende  Rolle.  Die  Jesuiten  sind  in  allen  Sätteln 
fest;  sie  produciren  reine  Hofhistoriographen,  die,  wenn  es 
sich  gerade  schickt,  nebst  dem  König  auch  den  Zwecken  ihres 
Ordens  dienen,  wie  z.  B.  Daniel;  wir  finden  unter  ihnen  Sammler, 
Kritiker,  Editoren  wie  Sirmond,  Labbä,  BoUand;  einen  Chrono- 
logen ersten  Ranges  und  zugleich  Universalhistoriker  im  alten, 
nicht  gallicanisirten  Stile,  wie  Petau  ;  Fabulisten  mindester 
Qualität  und  einen  fast  wahnwitzigen  Skeptiker,  wie  Hardouin, 
welcher  den  Quintilian  und  den  Gregor  von  Tours  zu  Schrift- 
stellern des  vierzehnten  Jahrhunderts  p.  Chr.  n.  macht,  den 
Karl  Mailell  für  ein  Hirngespinst  erklärt  und  nur  den  Münzen 
unbedingten  Glauben  schenkt.'' 

Dagegen  treten  die  Benedictiner  als  eine  geschlossene, 
einheitlich  arbeitende,  wohl  disciplinirte  Corporation  auf,  deren 
kritische  Leistungen  wahrhaft  epochal  genannt  zu  werden  ver- 
dienen.    Die  Namen  Mabillon,  Montfaucon  ehren  ihren  Orden, 


'  Revue  hiatorique  I,  p.  18.  —  Uebrigens  besitzen  wir  eine  nocb  unmittel- 
barer mit  dem  Hofe  zusammenhängende  Geschichte  Frankreichs,  nfimlich 
aus  der  Feder  des  Dauphin,  welcher  sie  unter  der  Leitung  Bossnct*i 
schrieb. 

*  Wttttke,  Ueber  die  Gewissheit  der  Geschichte  (Festschrift  zu  Wachs- 
muth's  101.  Docenten Semester,  Leipzig  1865)  p.  6  ff. 


12  Mayr. 

ihre  Wissenschaft,  ihr  Vaterland.  Ausser  den  Benedictinern 
glänzten  noch  die  Oratorianer:  ein  Lelong,  Ijecointe^  Richard 
Simon.  Was  diese  mehr  minder  erbgesessenen  Corporationen 
betrifft,  so  hatten  sie  ausser  dem  wissenschaftlichen  noch  ein 
anderes  Motiv,  das  sie  in  einer  gewissen  Opposition  gegen 
das  System  Ludwig  XIV.  hielt  Bewahrten  die  Jesuiten  ihre 
vollständige  Ungebundenheit,  so  wollten  die  Benedictiner  das 
Ihrige  vor  einer  Gewalt  schützen,  die  ihrer  Natur  nach  über- 
greifend, nur  zu  häufig  die  Tendenz  zeigte,  mit  alten  Institu- 
tionen wenig  Federlesens  zu  machen.  Als  nun  insbesondere  die 
Jesuiten  auf  die  Schwäche  der  pergamentnen  Rechtstitel  dieses 
besitzfrohen  Ordens  hinwiesen,  da  musste  er  daran  denken, 
durch  sorgfältige  Untersuchungen  über  die  Haltbarkeit  seiner 
Besitzthümer  ins  Klare  zu  kommen.  Wir  sehen  somit,  dass 
selbst  das  dominirende  und  die  Geister  zwingende  System  des 
grossen  Königs  in  den  ihm  zunächst  stehenden  Gesellschafts« 
kreisen  selbständige  Strebungen  nicht  unmöglich  machen  konnte, 
wie  viel  weniger  in  abliegenden  Kreisen. 

Ueber  die  Jansenisten,  die  allerdings  einen  namhaften 
Historiker  zu  den  ihren  zählten,  Tillemont,  wäre  nicht  viel  zu 
sagen.'  Dagegen  blitzte  bald  da,  bald  dort  ein  oppositioneller 
Gedanke  auf;  man  versuchte  anders  zu  empfinden,  zu  urtheilen, 
zu  wollen  und  auch  die  Geschichte  zu  betrachten,  als  es  der 
Hof  gerade  vorschrieb.  Zumal  als  das  Königthum  von  seiner 
Culmination  rasch  abwärts  glitt,  da  mehrten  sich  die  Kritiker, 
die  Zweifler,  die  Warner,  die  Zukunftsmenschen.  Alle  Zukunfts- 
menschen haben  aber  auch  ein  nach  rückwärts  gewandtes 
Antlitz,  und  wo  sich  die  Zukunftsmenschen  mehren,  da  gibt  es 


1  Dem  tiefsten  Gehalte  seiner  Partei  hat  Pascal  Ausdruck  gegeben,  übrigens 
ein  Mann  von  der  ansserordentlichsten  Originalität.  Seine  Pens^es  ent- 
Iialten  manchen  auch  für  den  Qeschichtsphilosophen  interessanten  Licht- 
blick. Besondere  Cclcbrität  genlesst  sein  Apercu  über  den  Fortschritt 
der  neueren  Jahrhunderte,  die  eigentlich  die  Siteren  heisscn  sollten, 
während  das  sogenannte  Alterthum  der  Jugend  des  Geschlechtes  näher 
stünde.  Ein  Gedanke,  den  schon  Otto  von  Freising  im  zwölften  Jahr- 
hundert ausgesprochen  hatte. 

Ueber  Tillemont  Sussert  sich  Voltaire  folgcndermaassen :  Son  faistoire 
des  empires  et  ses  seize  volumes  de  Vhistoire  eccl^siastique  sout  Berits 
avec  autant  de  vdrite  que  peuvent  l'etre  des  compilations  d^anciens  hi- 
storiens.  (Sifecle  de  Louis  XIV.  Catal.  des  6criv.  s.  v.  Lenain.) 


Yoltaire*Stiidieii.  13 

auch  immer  geschichtliche  und  geschichtsphilosophische  Arbeit. 
Die  zerstreuten  und  versprengten  Fractiönchen  sammeln  sich, 
mischen  sich  und  siehe  da,  neue  Gebilde  treten  an  den  Tag. 
Wer  wollte  und  könnte  die  Mannigfaltigkeit  der  Uebergangs- 
l^fitaltungen  kennzeichnen  ?  Eine  Richtung  nur  zeigt  eine 
gewisse  Continuität;  man  kann  sie  als  die  Vorstufe  der  Auf- 
klärung bezeichnen;  nämlich  die  Skepsis,  deren  Vertreter  Mon- 
taignC;  Charron,  de  la  Mothe  le  Vayer,  Bayle  progressiv  im 
Sinne  des  achtzehnten  Jahrhunderts  wirken,  wo  hingegen  Er- 
scheinungen, wie  die  Skepsis  Huet's,  auch  PascaFs,  dieses  Ver- 
dienst nicht  haben. 

Fontenelle's  ,histoire  des  oracles'  und  St.  Evremont's 
historische  Schriften  gehören  dann  schon  ganz  der  neuen  Welt 
aD,  wiewohl  sie  durch  kräftigere  Emanationen  in  den  Schatten 
gestellt  wurden.  Insbesondere  leitet  St.  Evremont  direct  auf 
Montesquieu  und  Voltah*e,  schon  als  Kenner  Englands,  des 
eigentlichen  Mutterlandes  der  Aufklärung.  Dahin  wenden  wir 
UD8  auf  einige  Augenblicke. 

In  England  stand  es  das  siebenzehnte  Jahrhundert  hin- 
durch mit  den  historischen  Studien  übel.  Zunächst  wird  sich 
der  Exeget  dieser  Erscheinung  an  die  politischen  Zustände 
des  Königreichs  erinnern  müssen.  Er  wird  jedoch  auch  be- 
merken, dass  das  Interesse  bereits  in  Anspruch  genommen 
war.  Denn  die  Wissenschaften  treiben  es,  wie  die  realen  Wesen 
dieser  Welt  oder  die  Vorstellungen  in  unserer  Seele ;  eine  sucht 
die  andere  zu  verdrängen,  und  wenn  eine  im  Blickpunkte  der 
allgemeinen  Aufmerksamkeit  ist,  so  übernimmt  sie  auch  die 
Sorge  dafür,  dass  keine  zweite  über  den  Horizont  emportauche. 
WeU  die  Naturwissenschaften  gross  und  erfolgreich  dastanden, 
so  lagen  die  Geisteswissenschaften  unterhalb  der  Schwelle  des 
A%emeinbe¥niS8tseins.  Auch  die  Philosophie  Englands  war 
der  Historie  wenig  günstig,  wenig  die  Philosophie  Bacon's  und 
Hobbes',  etwas  mehr  die  Locke's.  Doch  kehrte  sie  der  Be- 
trachtung des  socialen  und  politischen  Menschen  wenigstens 
nicht  den  Rücken,  wie  der  Cartesianismus.  Einen  entschiedenen 
Impuls  empfing  das  geschichtliche  Studium  an  der  Wende  des 
siebenzehnten  und  achtzehnten  Jahrhunderts  von  Seiten  der 
Theologie ;  die  kritische  Thätigkeit  der  Deisten,  der  free- 
tfainkers,  die  Controversen,  welche  sich  entspannen,  eröffneten 


14  Mayr. 

der  Forschung  bisher  verschlossene  Gebiete.  Bolingbroke  ver- 
einigte dann  die  geistige  Aufklärung  mit  der  Erfahrung  und 
Gesinnung  des  Weltmannes  und  Politikers.  Seine  Briefe  über 
das  Studium  der  Geschichte  bezeichnen  auf  historischem  Ge* 
biete  den  Beginn  eines  neuen  Zeitalters.  Bei  ihm  sind  sie  alle 
in  die  Schule  gegangen;  Engländer  wie  Franzosen.  Daneben 
vertieften  sich  die  Engländer  mit  der  ihnen  eigenen  Akribie 
in  das  Studium  der  Alterthümer;  welches  seinen  ursprünglichen 
Charakter  des  Dilettantismus  und  der  Curiosität  immer  mehr 
abstreifte,  um  methodischer  und  philosophischer  zu  werden. 
Die  englische  Historiographie  um  die  Mitte  des  achtzehnten 
Jahrhunderts  steht  dann  schon  unter  dem  Einflüsse  der  Fran- 
zoseU;  hauptsächlich  Voltaire's. 

Hören  wir  nun,  wie  sich  Voltaire  über  seine  näheren 
und  entfernteren  Vorgänger  auf  historiographischem  Gebiete 
äussert.  ,Cette  nouvelle  passion  des  archives  n*a  peut-^tre  pas 
6000  ans  d'antiquit^.'  So  lange  die  Menschen  tief  in  ihren 
eigenen  Sorgen  stecken,  fragen  sie  nicht  um  die  ihrer  Vor- 
fahren. Die  ,passion  de  Thistoire'  ist  ein  Kind  der  Müsse.  * 
Erst  nach  vielen  Anläufen  gelingt  es  den  in  ihrer  Entwickelung 
fortgeschritteneren  Völkern  Materialien  zu  sammeln,  zu  formen, 
zu  verbinden,  endlich  Geschichte  zu  schreiben.  Aber  die  alten 
Zeiten  sind  in  solchen  Geschichten  durch  blosse  Fabeln  re- 
präsentirt;  die  jüngeren  durch  ein  Gemisch  von  Fabel  und 
fragmentarischer  Ueberlieferung,  wie  wir  aus  Herodot  und 
Fabius  Pictor  ersehen  können.  Dieses  ungünstige  Verhältniss 
zeigt  sich  bei  den  geistig  erwecktesten  aller  Völker;  wie  viel 
ungünstiger  müssen  die  Dinge  anderwärts  stehen.^  Insoweit 
die  Geschichte  ein  Kind  der  blossen  Neugier  ist  und  auf 
einem  abergläubischen  Respect  vor  der  Vergangenheit  beruht, 
ist  sie  fiir  Voltaire  ein  überflüssiger  und  tadelnswerther  Zeit- 
vertreib. Die  Geschichte  muss  infolge  tieferer  Antriebe  und 
gleichwohl  im  Geiste  der  Nüchternheit  geschrieben  werden. 
Das  älteste  Beispiel  einer  besonnenen  Geschichtschreibung 
liefern  ihm  die  Chinesen.  Ihre  Annalen  basiren  auf  einer 
richtigen  Zeitrechnung;    sie   enthalten   genaue    zeitgenössische 


1  Fragment  faistorique  snr  Vlnde,  c.  31. 

2  Phil,  de  rhiut.  LH. 


yolUire-Stndi«B.  15 

Daten  über  Mrirkliche  Ereignisse  und  keinerlei  Beimischung 
von  Fabeln  oder  Mythen.  *  Von  der  historischen  Ueberlieferung 
der  übrigen  orientalischen  Völker  hält  er  nicht  viel ;  alle  Völker 
wollen  sich  alt  und  ehrwürdig  machen;  alle  geben  Dichtung 
für  Wahrheit  aus.  Dabei  zweifelt  er  nicht  an  der  Echtheit 
und  dem  hohen  Alter  Sanchoniathon's.  ^ 

Bemerkenswerther;  als  dies,  ist  Voltaire's  kritische^  freie 
Haltung  gegen  die  Historiker  des  classischen  Alterthums.  Noch 
war  Alles  was  mit  der  Schule  zusammenhing  in  kritikloser 
Bewunderung  erstorben.  ^  Noch  galt  allgemein  das  blosse  Er- 
heben der  Frage  über  den  Vorzug  der  Neueren  vor  den  Alten 
fär  eine  Ketzerei.  Man  hätte  sicherlich  die  Heterodoxen  auf 
den  Scheiterhaufen  geschickt,  wenn  sich  ein  Kaiser  Sigismund 
dazu  gefunden  hätte.  Voltaire  jedoch  vermochte  nicht  einzu- 
sehen, warum  man  die  Alten  nicht  eben  denselben  Regeln  der 
Beurtheilung  unterwerfen  sollte,  wie  alle  Anderen.  Der  ,respect 
superstitieux'  für  jederlei  Alterthum  war  ihm  ein  Gräuel.  Die 
sichere  griechische  Geschichte  beginnt  für  ihn  mit  Xerxes  und 
die  Qeschichtschreibung  mit  Thukydides. '^  Herodot  ist  das 
Muster  des  Fabulisten,  des  Märchenerzählers.  ^  Xenophon  und 
Polybius  rühmt  er  ihrer  genauen  Sachkenntniss  halber.^  Was 
Herodot  für  die  Griechen  ist  Livius  für  das  römische  Alter- 
thum. ^    Den  Tacitus  nennt  er  einen  geistvollen  Satiriker,   der 


1  Phil  de  rhist  XVIII  und  LH.  Les  ChinoiB  ^crivireat  leur  histoire  la 
plume  et  TaBtrolabe  k  la  main,  avec  une  simplicit^  dont  on  ae  trouve 
point  d^exemple  dans  le  raste  de  TAsie.  (Ibid.  XVIII.) 

2  PhU.  de  l'hist.  XXIX.  Dien  et  les  hommes  (1769),  c.  9.  —  D^f.  de  m. 
onde  (1767)  21. 

'  Buckle  (übersetsst  von  Bitter)  III,  144. 

*  Art.  Diodore  et  H^rodote.  L^histoire  honnete  de  Thucjdide  et,  qui  a 
quelques  lueurs  de  v^rit^,  commence  k  Xerxus ;  mais  avant  cette  ^poque, 
que  de  temps  perdu!  —  Pyrrhonisme  de  Tfaistoire  (1768),  c.  6. 

^  Presque  toat  ce  qn*il  raconte  sur  la  foi  des  ^trangers  est  fabuleux,  mais 
tnut  ce  qa'il  a  vu  est  vrai  .  .  son  livre  n^est  plus  qu'un  roman  .  .  Art. 
Diodore  et  Herodote:  Diodor,  sagt  er,  sei,  obwohl  er  siebenhundert  Jahre 
nach  Herodot  lebte,  kein  Haar  besser,  als  dieser.  Vgl.  Pyrrhonisme  de 
rhistoire,  c.  6—7. 

*  Art.  Xenophon.  —  Art.  Histoire,  8ect.  IV. 

^  Od  sait  assez  que  la  m^thode  et  le  style  de  Tite-Live,  sa  gravit^  son  ^lo- 
quence  sage  conviennent  k  la  majest^  de  la  r^publique  romaine.   (Ibid.) 


16  M»yr. 

mehr  die  Kritik^  als  die  Geschichte  seines  T^andes  geschrieben 
habe  und  unserer  Bewunderung  würdig  wäre^  wenn  er  sich 
unparteiisch  gezeigt  hätte ;  er  imputire  den  Fürsten  immer 
heimliche  Verbrechen.  Die  Germanen  lobpreise  er  mehr  aus 
pädagogischen  Gründen.  ^  Den  Sueton  tadelt  er,  weil  er  sich 
zur  Posaune  der  pöbelhaftesten  Gerüchte  hergebe.  ^  Dio  Cassius 
schilt  er  einen  Schmeichler,  Verleumder,  Zeitungsschreiber, 
einen  trockenen  und  verschwommenen  Schriftsteller.  ^  Plutarch'B 
Biographien  nennt  er  ,un  recueil  d'anecdotes  plus  agröables 
que  certains^^  In  Voltaire's  [Jrtheilen  liegt  keine  Selbstüber- 
hebung, es  spricht  aus  ihnen  vielmehr  ein  erhöhtes  Pflicht- 
gefühl. ,Wenn  man  auch  die  Alten',  sagt  er,  ^  , vielfach  als 
Vorbilder  betrachten  kann,  so  hat  man  doch  heutzutage  eine  un- 
gleich schwerere  Last,  als  die  ihre  war,  auf  sich  zu  nehmen.  Man 
verlangt  von  einem  modernen  Historiker  mehr  Details,  besser 
festgestellte  Thatsachen,  genaue  Daten  und  Belege,  mehr  Acht- 
samkeit auf  die  Gewohnheiten,  Gesetze,  Sitten,  den  Handel, 
die  Finanzen,  den  Ackerbau,  die  Bevölkerung.  Es  verhält  sich 
mit  der  Geschichte,  wie  mit  der  Mathematik  und  Physik;  das 
Ziel  ist  erstaunlich  weiter  gesteckt.' 

Zwischen  dem  Alterthum  und  der  Neuzeit  liegt  das  finstere 
Mittelalter;  seine  Geschichtschreiber  sind  seiner  würdig.  Vol- 
taire's  Grauen  vor  den  rohen,  dumpfen,  mönchischen  Historikern 
scheint  so  gross  gewesen  zu  sein,  dass  er  eigentlich  keinen  kennen 
zu  lernen  verlangte.  Sicherlich  schöpfte  er  sein  Eenntniss  des 
Mittelalters  aus  neueren  Forschungen.  Es  ist  das  Recht  des 
Universalhistorikers.  Detailforschungen  sollen  die  sonst  unleist- 
bare  Arbeit  erleichtern,  nicht  vermehren  und  erschweren.  ^   Nur 


1   Esaai,   Avant  -  propos ;   Phil,   de  Thist.,   c.    14.     Pyrrhouisme   de   Thist., 
c.  12.  —  A  M.  Du  Deffand  (30.  JuH  1768). 

3  Art.  extr.  de  la  gaz.  litt^raire  (1764),  Nr.  VII. 

3  Art.  CuiBflage. 

«  Si^cle  de  Louis  XIV.,  c.  25.  —  Ueber  Ammian  MarcelL  Brief  an  Fr.  II., 

29.  Jäuner  1776. 
5  Art.  Histoire,  8.  IV. 
•  Pour  p^n^trer  dans  le  labjrinthe  t^n^breux  du  mojen   äge,  ü  faut  le 

secours  dos  archives  .  .   Ce  n'est  pas  \k  un  recueil   ou  Ton  puiflse 

s'^clairer  sur  Thistoire  politique   .  .  Vorzug  Englands  und  der  Bymer'schen 

Födera.  (Pyrrhouisme  de  Phist.,  c.  11.) 


über  Gregor  von  Tours  und  Fredegar  äussert  sich  Voltaire  in 
einer  Weise,  dass  man  vermuthen  darf,  er  kenne  sie  aus  eigener 
Anschauung.^  Er  erhärtet  an  ihnen  einen  seiner  kritischen  Haupt- 
grundsätze, dass  nur  Hauptzüge  und  Hauptbegebenheiten  der 
Geschichte  sich  feststellen  Hessen,  alles  Detail  aber  schwankend 
und  ungewiss  sei. 

Eine  neue  Aera  vertrauenswürdiger  und  ihrem  Stoffe  an- 
gemessener Oeschichtschreibung  beginnt  für  ihn  mit  Guicciar- 
dini.  ^  ,Italien',  sagt  er,  ,besitzt  in  Guicciardini  seinen  Thuky- 
dides  oder  besser  Xenophon;  denn  er  befehligte  zuweilen  in 
den  Kriegen,  welche  er  beschrieb.' ^  Auch  Machiavelli  nennt 
er  einen  ausgezeichneten  Historiker,  De  Thou  den  besten 
Geschichtschreiber  seiner  Nation.  *  Bei  aller  Achtung  vor  den 
Humanisten  erklärt  er  dessenungeachtet,  die  beschichte  habe 
wie  die  Physik  erst  um  das  Ende  des  sechzehnten  Jahrhunderts 
herum  sich  zu  entwirren  begonnen.  ^  Der  Anfang  eines  Zeit- 
alters der  Kritik  fällt  ihm  so  ziemlich  mit  dem  Jahrhunderte 
Ludwig  XIV.  zusammen. 

Geschmackvoll,  wie  das  Jahrhundert  im  Allgemeinen,  die 
Franzosen  und  Voltaire  im  Besonderen  waren,  legten  sie  einen 
uns  Deutschen  des  neunzehnten  Jahrhunderts  kaum  fasslichen 
Nachdruck  auf  die  Reinheit  und  Vollendung  der  Form.  Hierin 
gestanden  sie  den  Alten  gerne  den  Preis  zu.     Allerdings  Hess 


*  Phil,  de  rhist.,  c.  62:  Ordgoire  de  Tours  est  notre  H^rodote,  k  cela  prfes 
qne  le  Tonrangeaa  est  moins  amuBant,  moins  ^l^gant  qne  le  Grec  . 
Enfin  tons  les  details  de  ce  temps^Iä  sont  autant  de  fables  et,  qai  pis 
est,  de  fables  ennnjeases.  —  Er  nennt  die  mittelalterlichen  Chronisten 
f^crivains  pen  instmits  qui  ont  donnc  des  chroniqnes  informes  de  ces 
texnps  xnalhenreux.  (Pyrrhonisme  de  Thist.,  c.  11  und  18.) 

^  On  peut  dire  quo  jusqu^ä  Oaichardin  et  Machiavelli  nous  n^avons  pas 
eu  ane  histoire  bien  faite.  (Essai,  c.  10.)  Henri  Estienne  ne  se  servit 
d*H^rodot  qne  pour  nons  rendre  execrables  et  ridicules.  Nous  avons  un 
dessein  tout  oontraire;  nous  pr^tendons  montrer  que  les  histoires  mo- 
dernes de  nos  bons  auteurs,  depuis  Guichardin,  sont  en  gen^ral  anssi 
sages,  anssi  vraies  que  Celles  de  Diodore  et  d^H^rodoto  sont  folles  et 
fabulenses.  (Art.  Diodore.) 

3  Essai,  c.  121. 

*  Le  President  de  Thou  justifi^  contre  les  accusations  de  M.  de  Buri  (1766). 
—  A  DamUaviUe,  21.  Kai  1766. 

*  Essai,  c.  8. 

Sitsnagabtr.  d.  pUK-hist.  Ci.  XCV.  Bd.  I.  Hfl.  2 


18  Mayr. 

Bich  Voltaire  durch  die  Form  nicht  bestochen.  Er  schied 
wohl  zwischen  ästhetischer  und  sachlicher  Kritik.  Als  Kunst- 
liebhaber  pries  er  Niemanden  mehr  denn  Bossuet.  Noch  heute 
schwelgten  die  Franzosen  in  dem  Wohllaute^  dem  edlen  Pathos 
seines  Discours.  Neben  ihm  fanden  als  Stilkünstler  noch 
St.  Real,  der  glückliche  Nachahmer  Sallust's,  Fontenelle  u.  A. 
allgemeine  Anerkennung.  Nie  wird  der  Tadel  Voltaire's  spitzer 
und  kleinlicher,  möchte  man  sagen,  als  wenn  es  sich  um  Stil- 
fragen handelt.  ' 

Was  das  Sachliche  betrifft,  so  war  Voltaire  natürlich  ein 
principieller  Widfersacher  der  ludovicianischen  Hofhistorio- 
graphie. Vor  allem  verdient  sein  Verhältniss  zu  Bossuet  bemerkt 
zu  werden.  Als  Voltaire  mit  der  Marquise  du  Chatelet  sich 
auf  Universalhistorio  warf,  knüpfte  er  unmittelbar  an  das  Werk 
des  Bischofs  von  Meaux  an.  2  Die  ausführliche  und  zusammen- 
hängende Erzählung  seines  Essai  beginnt  dort,  wo  Bossuet 
geendigt  hatte,  nämlich  bei  Karl  dem  Grossen.  Nebenbei  ver- 
breitete er  sich  —  in  mehr  zusammenfassender  und  reflec- 
tirender  Weise  —  besonders  über  jene  Partien,  die  Bossuet  ver- 
nachlässigt hatte  oder  wo  ihre  Ansichten  sich  diametral  entgegen 
standen :  über  Inder,  Chinesen,  Hebräer,  Araber,  das  Christen- 
thum.  Griechische  und  römische  Geschichte  Hess  er  fast  gänz- 
liche ausser  Acht,  wenn  wir  von  seinen  kritischen  Bedenken 
absehen,  hauptsächlich  weil  ihn  die  Leistungen  seiner  Vorgänger, 
speciell  Bossuet^s  bef riedigten. '"^  Gleichwie  Jedermann  noch  heute 


*  .Ic  ne  connaiR,  apres  lui  (Bossuet),  aucan  historien  oü  je  trouve  du 
sublime,  quo  la  Conjuration  de  St.- Real.  La  Franco  fonrmUle  d'histo- 
rlcns  ot  inaiique  dV'crivains.  (A  d*OHvet,  6.  Jänner  173G.)  —  Je  dis  qirun 
liommc  qui  ecrit  bien  une  fable  en  ^crira  bcaiicoiip  mioux  Thistoire.  .Te 
snia  persTiadu  quo  Fonelon  aurait  su  rendre  Thistoire  de  Franco  inter- 
essante. (A  Marmontel,  11.  April  1772.) 

'  Vgl,  Meinoircs  de  1758  (1784).  —  ,Comme  Thistoirc  du  respcctable 
Bossuet  iinissait  h  Charlemap^nc,  M.  du  Chütelet  nous  pria  de  nous  in- 
struire  en  g^ncral  avec  eile  de  co  qu^ätait  alors  lo  roste  du  raondo  et  dp 
oe  qu*il  a  oti^  jusqu^ä  nos  jours'.  (Fragments  sur  rhistoire  gt^noralo  von 
1773,  Art.  I.)  Hanptstellcn  über  Bossuet:  Avant-propos  des  Kssai  s.  1. 
m. ;  Remarques  pour  serv'ir  de  Supplement  k  rEsnai  I;  Siocle  de  Louts  XIV, 
c.  32;  Pyrrbonisme  de  l'hist.,  0.  2.  —  A  Burigny,  12.  Sept.  1761. 

3  L'illustre  Bossuet,  qui  dans  son  discours  sur  une  partie  de  Thistoire 
universelle  en  a  saisi  le  v^ritable  esprit,  au  moins  dans  ce  qu^il  dit  de 
Vempirc  romain  ....  (Avant-propos  des  Essai.) 


VoUaire-SUiien.  19 

urtheilen  würde,  tadelt  Voltaire  an  Bossuet's  Universalgeschichte, 
sie  enthalte  nur  die  Geschichte  von  vier  bis  fünf  Völkern, 
insbesondere  der  kleinen  jüdischen  Nation,  dieses  der  ganzen 
übrigen  Welt  unbekannten  oder  mit  Fug  und  Recht  miss- 
liebigen  Volkes,  auf  welches  Bossuet  trotzdem  alle  Ereignissö 
beziehe.  ,Der  berühmte  Bossuet',  sagt  er,  , scheint  nur  darum 
geschrieben  zu  haben,  damit  er  uns  glauben  mache,  alles 
in  der  Welt  sei  um  der  jüdischen  Nation  willen  geschehen. 
Das  ist  möglich;  aber  die  Grösse  des  Cyrus  oder  des  Römer- 
yolkes  hatte  denn  doch  noch  andere  Ursachen,  die  Bossuet 
selbst  nicht  unberücksichtigt  Hess,  wo  er  auf  den  Geist  der 
Nationen  (i.  e.  im  dritten  Theil)  zu  sprechen  kam.  Es  wäre 
zu  wünschen  gewesen,  dass  er  sich  auch  der  alten  Völker  des 
Orients,  der  Inder  und  Chinesen  zum  Beispiel,  ein  wenig  erinnert 
hätte/ 1  Bezeichnend  ist  das  Ui-theil,  welches  er  der  Chätelet 
vindicirt:  ,elle  admira  son  (i.  e.  Bossuet's)  pinceau  et  trouva 
son  tableau  tres-infidele'.  ^  Doch  ist  er  bei  allem  Gegensatze 
nicht  blind  für  die  Vorzüge  des  Discours.  .Bossuet's  Discours 
BOT  rhistoire  universelle*,  sagt  er,  ,hat  weder  ein  Vorbild  gehabt, 
noch  Nachahmer  gefunden.  Wenn  das  System,  welches  er  an- 
wendet, um  die  jüdische  Zeitrechnung  mit  jener  der  übrigen 
Völker  zu  versöhnen,  unter  den  Gelehrten  Widerspruch  ge- 
fanden hat,  so  hat  sein  Stil  nur  Bewunderer  gefunden.  Man 
war  verblüfft  von  der  majestätischen  Gewalt,  mit  welcher  er 
die  Sitten,  die  Regierung,  den  Wachsthum  und  Verfall  der 
grossen  Reiche  darstellt ;  von  diesen  raschen  Zügen  voll  Ener- 
gie und  Wahrheit,    mit   denen    er   die  Nationen    schildert  und 


'  Avant -propos  des  Essai.  ,0n  iie  parle  point  d'euz  (Arabes)  dans  nos 
histoires  aniverselles  fabriqu^es  dans  notre  Occident;  je  le  orois  bien: 
ils  n'ont  aucnn .  rapport  avec  la  petite  nation  juive,  qni  est  devenu  Tobjet 
et  le  fondement  de  nos  histoires  pr^tendues  universelles,  dans 
lesqoeUes  an  certain  ^enre  d^auteurs,  se  copiant  les  uns  les  autres  oublie 
les  trois  qnarts  de  la  terre,  (Phil,  de  Thistoire,  XV.)  Ueber  den  Titel 
histoire  universelle  moquirt  sich  Voltaire  im  Art.  gloire,  S.  III.  —  Vgl. 
A  Henanlt,  28.  Sept.  1768. 

'  Remarques  etc.  I.  —  Bossuet  avait  de  la  science  et  du  g^nie;  il  ^tait 
le  Premier  des  d^clamateurs,  mais  le  dernier  des  philosophes,  et  je  puis 
▼ous  asBurer  qii*il  n*6tait  pas  de  bonne  foi.  (A  M*  le  duc  de  Bouillon, 
23.  Dec  1767.) 


20  M»yT. 

beurtheilt/  *  So  stellt  er  auch  in  der  Vorrede  zu  seinem  Essai 
dem  Bischöfe  das  Zeugniss  aus,  dass  er  in  der  von  ihm  be- 
handelten Partie  der  Universalgeschichte  deren  wahrhaften 
Geist  erfasst  habe,  mindestens  dort^  wo  er  vom  Romerreiche 
%preche.2 

Nächst  Bossuet  achtet  er  am  meisten  Fleury,  den  Kirchen- 
historiker. Seine  Einleitung  könnte  man  für  das  Werk  eines 
Philosophen  halten,  seine  eigentliche  Geschichte  allerdings 
nicht,  obwohl  sie  die  beste  sei,  die  jemals  geschrieben  worden.^ 
Von  Daniel  dagegen,  dem  Jesuiten  und  Historiographen  Frank- 
reichs, weiss  er  fast  gar  nichts  Gutes  zu  sagen.  ,Man  wirft 
ihm  vor',  sagt  er,  ,dass  seine  Diction  nicht  immer  rein,  sein 
Stil  allzu  kraftlos  sei,  dass  er  nicht  zu  interessiren,  nicht 
darzustellen  wisse,  dass  er  die  Gebräuche,  Sitten,  Gesetze 
nicht  ausreichend  kennen  lehre;  dass  seine  Geschichte  nur 
Details  über  kriegerische  Operationen  enthalte,  bezüglich  deren 
ein  Historiker  seines  Standes  fast  immer  irre  .  .  .  Graf 
Boulainvilliers  sagt,  man  könne  Daniel  zehntausend  Irr- 
thümer  nachrechnen;  das  ist  viel;  jedoch  hat  es  mit  diesen 
Irrthümern  glücklicher  Weise  eben  so  wenig  auf  sich,  als  mit 
den  Wahrheiten,  die  er  hätte  an  deren  Stelle  setzen  können  .  . 
Sein  Hauptfehler  ist,  dass  er  von  den  Rechten  der  Nation  nichts 
gewusst  oder  über  dieselben  absichtlich  geschwiegen  hat.  So 
hat  er  die  berühmten  Reichsstände  von  1355  völlig  bei 
Seite  gelassen.  Von  den  Päpsten,  und  zumal  dem  grossen  und 
guten  König  Heinrich  IV.,  redet  er  nur  als  Jesuit;**  er  besitzt 


»   Sifecle  de  Louis  XIV,   c.  32. 

3   Seine  Kritiklosig^keit  wirft  Voltaire    dem   Bischöfe   oftmals   vor,    z.   B. : 

Defense  de  mon  oncle,   c.  9;  aber  eben  nur  hinsichtlich  des  Einzelnen. 

Eine   schwerere   Anklage  findet  sich    in   einem   Briefe  an  d'Olivet :    ,en 

France  on  ne  peut  pas  la  (la  verit^)   dire.    Bossnet  a  menti  avec  une 

^legance  et  nne  force  admirables.  (6.  Jänner  1736.) 
'  Siide  de  Louis  XIV.    Liste  raisonn^e  s.  v.  Fleury.  —  Pyrrhonisme    de 

Thist.,  c.  3. 

*  Un  homme  qui  ne  saurait  pas  que  Daniel  est  un  j^suite,  le  prendrait  ponr 
un  sergent  de  bataillc.  Cet  homme  ne  vous  parle  jamai  que  d*aile  droite  et 
d^aile  gauche.  On  retrouve  onfin  le  j^suite  quant  il  est  k  Henri  IV-  et 
c^est  encore  bien  pis.  (A  Formont,  19.  Juni  1755.)  La  marquise  cherchait 
dans  Daniel  Thistoire  du  grand  Henri  IV  et  eile  y  tronvait  celle  du  j^snite 
Coton.   (Remarques  I.)   —  Vgl.  Lettre  h  M.  Du  Deffand,  18.  Aug.  1761. 


YolUlre-Sindien.  21 

keine  Kenntniss  der  Finanzen,  der  inneren  Zustände  des  Reiches 
und  der  Sitten' J 

lieber  die  Gescbichtscbreiber  vom  Durchschnitte,  die 
Schlachtenerzähler,  Anekdoten-  und  Fabeljäger  äussert  sich 
Voltaire  stets  in  verächtlichen  Ausdrücken;  er  ist  sich  seines 
höheren  Zieles  bewusst.  Da  gebe  es  eine  erstaunliche  Anzahl 
von  chronologischen  Systemen  der  alten  Welt;  aber  sie  diffe- 
rirten  um  beiläufig  zwei  Jahrtausende.  Da  gebe  es  unzählige 
Beschreibungen  von  Bataillon ;  aber  nur  selten  verrathe  eine 
Verständniss  des  Kriegswesens.  Da  gebe  es  beständig  Wunder- 
erzählungen; von  der  Natur  aber  wisse  man  nichts.  Jeder 
Autor  betrachte  seine  Secte  als  die  allein  Avahre  und  schmähe 
alle  übrigen.  2  ,Wozu  air  die  Details  von  kleinlichen  Inter- 
essen, die  heute  nicht  mehr  bestehen,  von  ausgestorbenen  Fa* 
mihen,  die  sich  um  Provinzen  stritten,  die  ein  grösseres  Reich 
dann  verschluckt  hat?' 

Fast  jede  Stadt  habe  heute  ihre  wahre  oder  falsche, 
jedenfalls  ihre  detaillirtere  Historie  ,als  weiland  Alexander 
der  Grosse'.  Die  blossen  Annalen  eines  Mönchordens  seien 
voluminöser,  als  die  des  römischen  Reiches.  ^  Wollen  wir 
zusammenfassen,  was  Voltaire  hundert  und  hundert  Male  den 
landesüblichen  Geschichtschreibern  vorwirft,  so  ist  es  Folgendes: 
erstlich,  ihre  Kritiklosigkeit  und  Leichtgläubigkeit;  dann,  ihre 
ungezügelte  Sammelwuth  und  sinnlose  Hochachtung  vor  allem. 


^  Siiclo  de  Louis  XIV.  Catalogue  8.  v.  Daniel.  —  Mezeray  et  Daniel 
m^enuuient;  c'est  qu'ils  ne  savcut  ni  peindro  ni  remuer  les  passions.  11 
faut  daiiB  une  hiatoire  comme  dans  une  piece  de  tli(5ätre,  expoaition,  noeud 
et  denoüment  On  n^a  fait  qae  rhistoire  des  rois,  mais  on  n^a  point  fait 
ceUe  de  la  nation.  (A  d^Argenson,  26.  JSnner  1740.) 

^  Remarques  I.  —  ,C'est  lä  (in  der  Qeschichte)  que  chaque  äcrivain  eüt 
dfi  dire:  Homo  sum,  mais  la  plupart  des  historiens  ont  d^crit  des 
bttaUles.'  (Essai,  c.  84.)  Introduction  von  1753 :  II  semble  en  lisant  les 
histoires,  que  la  terre  n'ait  it6  faite  que  pour  quelques  souverains  et 
pour  ceux  qui  ont  servi  leurs  passions;  tout  le  reste  est  niglig^.  — 
Cf.  Lettre  k  Vernet,  1.  Juni  1744. 

^  Essai,  Avant- propos.  —  Vgl.  auch  Histoire  de  la  Bussie  sous  Pierre  le 
Grand,  Pr^face  §§.  4  und  o.  —  Je  ne  crois  quHl  y  a  homme  sur  terre 
qai  m^rite  qu*on  fasse  sur  lui  deux  volumes  in-4<'  .  .  .  car  tout  ce  qui 
a  et^  fait  ne  m^rite  pas  d^etre  ecrit.  (A  Formont,  25.  Juni  1735.  — 
A  RicheHeu,  13.  Juni  1768.) 


22  M.yr. 

was  alt  ist ;  ferner  ihre  Verranntbeit  in  unentacheidbare  Fragen 
und  interesselose  Details ;  ihre  Unfähigkeit  Wichtiges  von  Un- 
wichtigem,  Bleibendes  von  Vorübergehendem,   der  Mittheilung 
Würdiges  von  puren  Niaiserien  zu  unterscheiden ;  ^   ihre  Igno- 
ranz in  Dingen,  von  denen  sie  handeln,    besonders  im  Kriegs- 
und Staatswesen ;  ^  ihre  Gedankenlosigkeit  bezugs  Aufgabe  und 
Zweckes  der  Geschichtschreibung;   daher  ihre  Nichtbeachtung 
der   wichtigsten  Materien  der  Forschung :    wie  der  Sitten,  des 
Rechtes,^   des  Volksgeistcs,    der   Künste,   der   Wissenschaften; 
ihre  religiöse,  nationale,  politische,   sociale  Befangenheit.    Auf 
die  Einzelheiten  der  Voltaire'schen  Vorwürfe  einzugehen,  würde 
sich  um   so   weniger  lohnen,   als   die  Leute,   gegen  welche  sie 
gerichtet  waren,   heutzutage   kein   erhebliches  Interesse,   nicht 
einmal  literarhistorischer  Art,   err^en. 

Nicht  allein  die  künstlerische,  geistreiche  Darstellung, 
auch  die  ernste,  schwer  geladene  Erudition  achtet  er,  soferne 
sie  nicht  der  Kritik  ermangelt.  Er  rühmt  die  Benedictiner, 
die  Gründlichkeit  und  Neuheit  ihrer  Untersuchungen;  gerade 
in  Frankreich  hätten  sie  sich  hervorgethan.  ^  Er  preist  den 
Abbate  Muratori  als  weisen  und  gelehrten  Kritiker.  ^  Gegen  die 
Bollandisten  aber,  ja  gegen  Dom  Ruinart,  welche,  wie  er  meinte, 
die  Zuverlässigkeit  und  Wahrhaftigkeit  ihrer  Acta  martyrum 
und  Vitae  sanctorum  überschätzten^  schleudert  er  die  heftigsten 
Invectiven.6     Als   dann    die    Academie    des    belles-lettres    der 


^  Toutes  les  histoires  modernes  nous  donnent  presque  toajours  de  fausses 
notions  parce  qu'on  a  rarement  distingu^  les  temps  et  les  personnes,  les 
abus  et  les  lois,    les  eveiiements  passagers  et  les  usages.    (Essai,  c.  93.) 

^   Doch  auch  in  der  Naturlehrc  %.  B.  Ann.  de  rcmpire  a.  a.  1283. 

3  Les  bistoriens,  qni  ne  sont  pour  la  plupart  que  de  froids  compilateurs 
de  gazettes,  ne  savent  pas  un  mot  des  lois  des  pays  dont  ils  parlent. 
(A  Servan,   13.  Jfinner  1768.) 

^  Si^cle  de  Louis  XIV.  Catalogue  s.  v.  Rninart.  —  Vgl.  Balnze,  Calmet, 
Duchesne,  Ducange  (,de  pareils  hommes  m^ritent  notre  ctemelle  recon- 
naissancc,  apres  ceux  qui  ont  fait  servir  leur  g^nie  k  nos  plaisirs*), 
Labbe,  Lacroze,  Lelong,  Petau,  Simon,  Sirmond. 

^  Ann.  de  Tempire  a.  a.  997. 

^  Essai,  c.  9.  Fragments  sur  Thistoire  generale,  VI.'  Art.  Martyrs.  Auch 
die  Ohronologen,  die  sich  mit  Bestimmungen  iictiver  Daten  abplagen, 
behandelt  er  mit  Hohn  und  Abscheu:  z.  B.  Art  Chine,  Sect.  IL  Phil, 
de  Thist.,  c.  24.  —  Art.  Chronologie.  —  Uebcr  die  Chronologie  Newton*s 
vgl.  Lettres  philos.  (1734),  Nr.  17. 


Voltoin-Studien.  23 

Historie  ihre  Aufmerksamkeit  zugewendet  hatte^  so  rühmte  ihr 
Voltaire,  allerdings  mit  einiger  Uebertreibung,  nach,  sie  habe 
für  die  Geschichte  nahezu  dasselbe  geleistet,  wie  die  Acadömie 
des  scienccs  für  die  Naturwissenschaften :  ,elle  dissipa  des 
erreura^  * 

Das  Zeitalter  Ludwig  XIV.  macht  nach  seiner  Ansicht 
auch  in  Sachen  der  historischen  Kritik  und  Darstellung  Epoche. 
Seitdem  gewinne  der  kritische  Geist  immer  mehr  Raum,  während 
man  zuvor  der  Vergangenheit  kaum  mehr,  als  Irrthümer  ent- 
lehnt habe.  Je  näher  die  Historiker  seiner  Gesinnung  stehen, 
desto  mehr  drückt  sich  in  seinen  Aeusserungen  über  sie  das 
Gefühl  der  Wahlverwandtschaft  aus.  St.  ReaFs  ,Conjuration 
de  Venise'  nennt  er  ein  Meisterwerk,  eine  glückliche  Nach- 
bildung des  Sallust,  welche  ihr  Vorbild  vielleicht  übertroffen 
habe.  ^  Rapin  de  Thoiras'  englische  Geschichte  gilt  ihm  für  die " 
beste  Bearbeitung  des  Stoffes  vor  Hume.  ^  St.  Evremont,  den 
Verfasser  der  ,Discours  sur  les  Romains',  rühmt  er  nur  als  an- 
genehmen, geistreichen  Schriftsteller,  der  indessen  keiner 
gelehrten  Untersuchung  fähig  gewesen  wäre.  *  Bernard  de 
Fontenelle  ist  ihm  als  Verfasser  der  , Relation  de  Tile  de  Bor- 
neo'  und  als  Bundesgenosse  in  der  Streitfrage  über  die  Alten 
und  Modernen  höchst  sympathisch.  Von  dessen  berühmter 
jHistoire  des  oracles'  weiss  er  nicht  viel  mehr  zu  sagen,  als 
dass  sie  ein  ungemein  verständiger  und  gemässigter  Auszug 
aus  der  gi^ossen  und  gelehrten  Geschichte  der  Orakel  des  Hol- 
landers Van  Dale  sei.^  Unter  den  älteren  skeptischen  Schriften 
betraf  die  Abhandlung  des  La  Mothe-le-Vayer  ,Traite  de  la 
vertu  des  paiens^  einen  viel  verhandelten  Gegenstand.  Auf 
seiner  Seite  stand  auch  Voltaire  gegen  die  Jansenisten,  welche 


^  Siecle  de  Louis  XIV,  c.  31. 

2  Siecle  de  Loui»  XIV.  Catal.  s.  v.  St.  R^al  uud  c.  32.  Doch  gibt  er 
ZQ,  dass  sich  darin  ^quelques  embellissements  de  roman'  finden.  (Essai, 
c.  186.)  Vgl.  den  Brief  an  Grosley,  22.  Jänner  1758. 

'  Siecle  de  Louis  XIV.  Catal.  s.  v.  Eapin  de  Thoiras  und  Articles  extraits 
de  la  gazette  litt^raire  (1764),  Nr.  VII. 

*  Lettre  sur  les  Fran(;ais.  (Nr.  7  der  Lettres  ä  Mgr.  le  Prince  de  Brun- 
swick von  1767.)  —  A  DamilaviUe,  6.  Dec.  1763. 

^  Catal.  s.  V,  Fontenelle  und  I^ettre  sur  les  Franvais.  —  Art.  Oracles,  S.  I. 


24  M»yr. 

mit  Äugustin  die  Tugenden   der  Heiden  für  glänzende  Laster 
erklärten.  ^ 

So  nahe  Bayle  seiner  Richtung  sonst  stand,  so  nennt  er 
ihn  doch  ^souvent  röpr^hensible  et  petit  quand  il  traite  des 
points  d'histoire  et  des  affaires  du  monde*^.^  Seines  Verhält* 
nisses  zu  Montesquieu,  St.  Pierre  und  anderen  berühmten 
Geschichtsphilosophen  der  Zeit  werden  wir  noch  bei  passender 
Gelegenheit  besonders  gedenken.^ 


Lettre  s.  v.  Fran^ais. 

Essai,  c.  174.  Lettre  sur  les  Fran9ai8.  De  Bayle.  —  Art  Ath^isme  IV.; 
David;  Philosophe  I.  —  A  d'Argensoii,  21.  Juni  1739.  —  A  Vemes, 
2.  Jänner  1763.  —  Catalo^e  b.  v.  Bayle. 

Unter  den  Geschichtschreibern  zweiten  Ranges  hebt  Voltaire  im  Schrift- 
stellercataloge  des  Si^cle  de  Louis  XIV  besonders  hervor:  Amelot  de  la 
HouBsaie,  den  Geschichtschreiber  Venedigs  und  Commentator  Machia- 
vell's  (Preface  de  TAntimach.,  1740)  —  Avrigny,  den  Verfasser  der  ver- 
lässlichen Annales  1601 — 1715  ,auteur  d'une  nouvelle  mani^re  d'^rire 
Thistoire*  —  Basnage  —  Beaumont  de  Per^fixe,  Geschichtschreiber  Hein- 
rich IV.  ,P.  Erneut  tont  cueur  uä  sensible  et  fait  adorer  la  memoire  de 
ce  prince*  —  Beausobre,  dessen  Geschichte  der  Manichäer  er  ,an  des 
livres  les  plus  profouds,  les  plus  curieux  et  les  mieuz  faits*  nennt  — 
Bergier's  Histoire  de  grands  chemius  de  rEmpire  romain  —  Cordemoy, 
den  tüchtigen  Forscher  über  ältere  französische  Geschichte  —  d'Olivet, 
den  Historiographen  der  Akademie,  mit  welchem  Voltaire  in  Brief- 
wechsel stand  —  d'Orlcans  S.  J.  ,Ie  prcmier  qui  ait  choisi  dans  Thistoire 
les  r^volutions  pour  son  seul  objet^  —  Dubos,  den  berühmten  Aesthetiker, 
dessen  Geschichte  der  Ligue  von  Cambray  Voltaire  als  Muster  ihrer 
Gattung  preist  —  Duhalde,  den  Sinologen  —  Dupleix  ,le  premier  historien 
qui  ait  cit^  au  marge  ses  autorites'  —  Dupuy  (Histoire  des  Templiers)  — 
F^libien  (Entretiens  sur  la  vie  des  peiutres)  —  Fl^chier,  den  berühmten 
Redner,  Verfasser  einer  Geschichte  des  Theodosius  —  II6nault*s  Abr^gö  — 
Huet,  den  Skeptiker  ,de  tous  ses  livres  le  Commerce  et  la  Navigation 
des  anciens  et  TOrigine  des  Romans  sout  le  plus  d'usag«'  —  Lenfant 
(Histoire  du  concile  de  Constance)  —  M^zeray,  wenn  wir  diesen  Mann 
zu  den  Historikern  zweiten  Ranges  zählen  dürfen  —  Pellisson  (Histoire 
de  TAcad^mie;  Histoire  de  la  conqucte  de  la  Franchc  -  Comt^)  —  P6ti8 
de  la  Croix  pfere  (Histoire  de  Gengis-kan  et  de  Tamerlan)  —  Quincy 
(Histoire  militaire  de  Louis  XIV)  —  Rollin,  dessen  beredte  und  gewandte 
Compilationen  Voltaire  ihrer  Kritiklosigkeit  halber  oftmals  tadelte  (z.  B. 
Phil,  de  Thist.,  Defense  de  mon  oncle,  c.  9;  Pyrrhonisme  de  Thistoire, 
c.  6)  —  Adr.  de  Valois,  Geschichtschreiber  Frankreichs  —  Vertot, 
jhistorien  agreable  et  elegant'  —  Velly  et  Villaret  (Histoire  de  France) 
vgl.  Art.  extraits  de  la  Gazette  littdraire,   Nr.  21;  Remarques  de  TEssai 


Yoltaire-Stadien.  25 

Gleichwie  Voltaire  die  Engländer  im  Allgemeinen  be- 
wunderte und  sich  als  Schüler  Locke's  und  Newton's  den  Car- 
tesianern  entgegenstellte^  so  gehörte  er  auch  zu  den  Lob- 
rednem  ihrer  historiographischen  Leistungen.  Er  rühmt  ihre 
Eenntniss  des  classischen  Alterthums;  besonders  erwähnt  er  die 
Forschungen  Marsham's  über  das  alte  AegypteB;  Hyde's  über 
die  Perser  und  die  Religion  Zoroasters,  Sale's  über  den  Moha- 
medanismus.  ^  Ungemischtes  Lob  spendet  er  der  englischen 
Geschichte  des  als  Historiker  und  Philosophen  gleichberühmten 
Hume.  ,Nie'^  sagt  er^  ,hat  das  Publicum  besser  gefiihlt,  dass 
es  nur  den  Philosophen  zukomme,  Geschichte  zu  schreiben  .  . 
Harne  scheint  in  seiner  Geschichte  weder  der  parlamen- 
tarischen noch  der  royalistischen  Partei  anzugehören;  weder 
Anglikaner,  noch  Presbyterianer  zu  sein;  man  findet  in  ihm 
nichtS;  als  den  billig  denkenden  Mann;  er  steht  über  seinem 
Stoffe  und  spricht  von  den  Schwächen,  Irrthümern,  Barbareien  der 
Menschen,  wie  ein  Arzt  von  den  epidemischen  Krankheiten.'^ 


(1763),  c.  3  —  LSveoque  de  Pouilly  (h  Damilaville,  23.  April  1764)  — 
Mignot,  Histoire  de  Ferdinand  et  dlsabelle  (k  Florian,  22.  Jänner  1766)  — 
Gaillard,  Verfasser  einer  Geschichte  Franz  I.  {k  Gaillard,  2.  Nov.  1768, 
28.  AprU  1769,  26.  Nov.  1770,  4.  Febr.  1771)  —  Mille's  Histoire  de 
Bourgogne  (13.  Sept.  1771)  —  Mallet  du  Pan  (24.  April  1772)  —  d^Es- 
pagnac^s  Histoire  de  Maurice  comte  de  Saxe  (15.  Sept  1773,  10.  Jänner 
1774,  1.  Febr.  1775,  10.  Mfirz  d.  J.)  —  Raynal  (26.  Nov.  1775)  — 
BaUly's  Histoire  de  Tastronomie  ancienne  (15.  Dec.  1775,  9.  Febr. 
1776)  —  Mennier,  Esprit  des  usages  (24.  Juli  1776)  —  Delisles  de  Sales 
(7.  März  1777). 

1  Si^le  de  Louis  XIV,  c.  34.  Seines  Verhältnisses  zu  den  Deisten  — 
Tindal,  Collins,  Bolingbroke,  VVarburton  —  werden  wir  später  ausführ- 
licher gedenken.  Sarkasmen  über  die  grosse  englische  Welthistorie  siehe 
Fragment  von  1773,  Art.  I.  —  Ueber  H.  Walpole*s  Geschichte  Richard  lU. 
siehe  Lettre  k  H.  Walpole,  15.  Juli  1768. 

'  Articles  eztraits  de  la  Gazette  litt^raire,  1764,  Nr.  VU.  —  Hingegen 
wirft  er  Bumet,  Clarendon  u.  A.  ihre  Parteilichkeit  vor  (Art.  Histoire, 
ß.  III,  im  Dict.  phil.)  und  meint  überhaupt:  ,Mais  un  Anglais  veut  qu^on 
soit  toujours  partial,  ou  tout  whig,  ou  tout  tory,  et  la  raison,  qui  est 
impartiale,  ne  Taccommode  pas^  (A  Fr6deric  U,  1751,  Nr.  1752  der 
Hachette'schen  Edition.)  —  Pyrrhonisme  de  Vhist.,  c.  18.  —  Ueber  Hume 
sagt  er  an  einer  anderen  Stelle:  ,La  seule  m^thode,  qui  puisse  convenir 
k  nne  histoire  g^n^rale,  a  iÜ  aussitot  adopt^e  par  le  philosophe  qui 
^crit  rhistoire  particuli6re  d'Angleterre'.  (Remarques  de  TEssai,  1763.)  — 
,Nos  malheoreux  Welches  n'^criront  jamais  Thistoire  comme  lui  (Hume); 


26  M»yr. 

Wie    HumO;    so    überhäuft    er    auch    Robertson  ^^    mit    Lob- 
sprüchen. 

Nach  Allem  lässt  sich  wohl  sagen,  dass  Voltaire  seine 
Vorgänger  und  Zeitgenossen  erstlich  gekannt  und  zweitens 
nicht  getadelt  habe,  wofern  sie  es  nicht  reichlich  verdienten ; 
gelobt  hat  er  sie  just  auch  nicht  im  Uebermaass.  Man  wird 
überhaupt  diesem  beweglichen  und  durchdringenden  Geiste  nie 
seine  Zustimmung  und  Bewunderung  versagen  können,  wenn 
man  nicht  an  Einzelnhciten  kleben  bleibt. 


n. 

Yoltaire's  Geschicbtsphilosophie. 

A.  Voltaire's  Histörik. 

Die  kritischen  Aeusserungen  Voltaire's  über  seine  Vor- 
gänger deuten  überall  auf  seine  positiven  Ansichten;  sie  sind 
voll  des  Geistes,  in  dem  er  selbst  gedacht  und  gewirkt  hat. 
Schon  die  Titel  seiner  universalhistorischen  Hauptschriften 
offenbaren  uns  seinen  Sinn  und  enthüllen  uns  seine  Stellung 
innerhalb  des  Entwicklungsganges  der  Wissenschaft :  , Philo- 
sophie de  Phistoire'  und  , Essai  sur  les  moeurs  et  Tesprit  des 
nations^^ 

Den  Terminus  ,philosophic  de  Thistoire'  hat  er  erfunden, 
Herder  nach  Deutschland  verpflanzt.  ^    Die  Sache  selbst  hatte 


ils  sont  continuellemeiit  genes  et  g^arrottes  par  trois  sortes  de  chaiues: 
Celles  de  la  conr,  Celles  de  rE^lisc,  et  Celles  de  tribunaux  appeles  parle- 
ments  .  .  J*aime  bien  autant  encore  la  philosophie  de  M.  Harne,  que  ses 
ouvrages  historiqnes.  (A  M.  Du  Defiand,  20.  Juni,  1764.) 

1   A  M.  Du  Deffand,  28.  Jänner  1770.  —  A  Robertson,  26.  Febr.  1770. 

3  Die  Schrift,  welche  seit  1769  den  definitiven  Titel  ,Es8ai  sur  les  moears 
et  Tesprit  des  nations*  trägt,  erschien  zuerst  (1754 — 1758)  unter  dem 
Titel  jEssai  sur  Thistoire  universelle*.  1765  erschien  die  , Philosophie  de 
ThistoireS  welche  seit  1769,  mit  dem  Essai  verbunden,  als  ,IntrodacUon' 
oder  ,Discours  pr^liminaire'  desselben  6gurirt  Davon  zu  unterscheiden 
ist  der  ,Avant-proposS  welcher  dem  ersten  Capitel  des  eigentlichen  Essai 
voranläuft. 

3  In  seiner  Schrift  ,Auch  eine  Philosophie  der  Qeschichte  zur  Bildung  der 
Menschheit'  (1774).  Uebrigens  hatte  schon  1768  ein  J.  J.  Härder  Vol- 
taire's Philosophie  de  Thistoire  übersetzt* 


YoUaire^todion.  27 

längst  vor  ihm  existirt.  Aber  die  Geschichte  der  Wissen- 
schaften zeigt,  wie  viel  auf  eine  glückliche  Namenschöpfung 
ankömmt.  Der  pure  Terminus  ^Philosophie  der  Geschichte' 
macht  sich  als  eine  fortzeugende  Kraft  bemerkbar  und  beein- 
fluBst  den  Gang  der  Philosophie,  wie  der  Geschichte.  Er  besagt, 
dass  es  eine  besondere  Disciplin  der  Philosophie  gebe,  Namens 
Ge&chichtsphiloBophie,  etwa  wie  eine  Naturphilosophie  existirt; 
er  macht  zu  wissen,  dass  es  neben  der  gewöhnlichen  Art  der 
Geschichtschreibung  auch  eine  höhere  Betrachtung  historischer 
Dinge  gebe.  Er  enthält  eine  Aussage  über  das  Zusammen- 
bestehen beider  Wissenschaften.  Wie  weit  nun  die  Wechsel- 
beziehungen beider  reichen,  sagt  er  nicht.  Es  geht  uns  hier 
auch  nichts  an.  Wir  haben  uns  zuvörderst  nur  darum  zu 
kümmern,  wie  Voltaire  selbst  seinen  Begriff  einer  ,philosophie 
de  rhistoire'  definirt  und  verwirklicht. 

Wir  wären  heutzutage  am  wenigsten  geneigt,  der  Geschichts- 
philosophie zu  vindiciren,  was  Voltaire  gerade  als  eine  ihrer 
Hauptaufgaben  betrachtet :  die  Kritik  der  Ueberlieferungen,  der 
Data  und  Facta.  ,Bei  allen  Nationen',  sagt  er,  ,wird  die  Ge- 
Bchichte  durch  Fabeleien  entstellt,  bis  endlich  die  Philosophie 
die  Menschen  aufzuklären  beginnt^^  Der  ganze  Zustand  der 
Historiographie,  den  er  vorfand,  lehrte  ihn,  dass  dieser  Wissens- 
zweig der  Philosophie  bedürfe.  ^  So  rechnete  er  es  denn  auch 
zu  den  grossen  Ergebnissen  seines  Zeitalters,  dass  es  den  Geist 
des  Zweifels  über  die  fälschlicher  Weise  Geschichte  genannten 
Fabeln  des  Alterthums  verbreitet  habe.^  Kein  Historiker  wird 
heutzutage  so  leicht  zugeben,  dass  zur  Kritik  gerade  Philo- 
sophie nöthig  sei.  Jedenfalls  kann  er  zugeben,  dass  man  zu  . 
Voltaire's  Zeiten  deren  bedurfte,  wenn  auch  heute  die  Um- 
stände gewechselt  haben,    und   wenn    wir  auch  gewohnt  sind. 


*  Essai,  c.  197.  —  Unter  den  mancherlei  Bedeutungen,  welche  Vol- 
taire dem  ,esprit  philosophique*  beilegt,  erscheint  auch  diese  ,resprit  qui 
distingue  le  faox  du  vrai,  Tincroyahle  du  vraisemblable  et  qui  sacrifie 
rinntile*.  (Siicie  de  Louis  XIV.  Liste  rais.  s.  v.  Rollin.) 

'  Histoire  de  la  Russie,  Pr^face,  §.  7. 

3  Pr^cis  du  Stiele  de  Louis  XV,  e.  43.  —  Die  sonst  nicht  näher  bezeich- 
neten Citate  dieser  Studie  sind  dem  Art.  Histoire  des  Dict.  philos.  ept- 
nommen.  Ueber  genannten  Artikel  vgl.  den  Brief  an  d^Alembert  vom 
9.  Oetober  1756. 


28  Mayr. 

gewisse  ÄDsicbten,  welche  einst  die  Philosophie  in  hartem 
Streite  errungen  hat,  für  selbstveratändlich  zu  halten. 

Die  Geschichte  hat  für  Voltaire  nicht  die  Sicherheit  der 
Mathematik  oder  Naturwissenschaft.  Jedes  historische  Datum 
besitzt  nur  einen  mehr  oder  minder  hohen  Grad  von  Wahr- 
scheinlichkeit. Einer,  der  die  Schlacht  von  Philippi  mitgemacht 
hat,  weiss  davon  allerdings  kraft  Anschauung  oder  Empfindung. 
Das  Hörensagen  hingegen  kann  nie  die  gleiche  Gewissheit 
verleihen.  Wenn  einer  die  Sache  auch  von  zwölftausend  Augen- 
zeugen gehört  hätte,  besässe  er  doch  nur  eine  annähernde,  keine 
volle  Gewissheit.  Die  Angabe  einzelner  Zeugen  ist  zweifelhaft, 
und  von  Generation  zu  Generation  nimmt  die  Wahrscheinlich- 
keit immer  mehr  ab,  bis  sie  gleich  Null  wird.  Indess  ist  der 
Mensch  darauf  angewiesen,  sich  mit  dergleichen  Wahrscheinlich- 
keiten nach  bestem  Vermögen  zu  behelfen.  ^ 

Als  Richtschnur  möge  Folgendes  dienen :  Nichts,  was  dem 
regelmässigen  Laufe  der  Natur  widerstreitet,  darf  geglaubt 
werden ;  was  schlechthin  unmöglich  ist,  ist  auch  nicht  wirklich. 
Nur  das,  was  durch  zuverlässige  Zeugnisse  erhärtet  werden 
kann,  verdient  Glauben;  insonderheit  wenn  die  Zeugen  das 
stärkste  Interesse  gegen  die  mitgetheilte  Thatsache  haben. ^ 
Ausgeschlossen  sind:  alle  Daten,  die  überhaupt  auf  keinerlei 
Beobachtung  beruhen  können;  Angaben  über  Zeitalter,  bezugs 
deren  keine  Zeugnisse  vorliegen  können;  ferner  Erzählungen 
unglaubwürdiger  Berichterstatter.  Mit  der  äussorsten  Behutsam- 
keit muss  alles  aufgenommen  werden,  was  dem  gesunden  Sinne 
widerstreitet,  dem  natürlichen  Verstände  ins  Gesicht  schlägt, 
.   das  Wunderliche,  Monströse,  Exceptionelle.  ^ 


J  Art.  V^ritÄ.  —  Art.  Histoire,  S.  III.  —  Art.  Certitude  —  J'ai  senti 
combien  il  ^tait  di£6cile  d*^crire  uue  histoiro  coutemporaine  (Charles  XII). 
Tous  ceux  qui  ont  vu  les  meines  6veneinents  les  ont  vos  avec  des  yeux 
dififöreuts;  les  t^moins  se  contredisent.  (A  Fr^deric,  Mai  1737.)  —  Pour 
rhistoirc,  ce  n'est,  aprös  tout,  qu^uue  gazette;  la  plus  vraie  est  rempUe 
de  faosset^s  et  eile  ne  peut  avoir  de  mdrite  que  celui  de  style.  (A  Fre- 
d^ric  II,  6.  Jänner  1778.) 

2  Tout  ce  qui  n'est  pas  demontr^  aux  yeux,  ou  reconnu  poar  vrai  par 
les  parties  ^videmment  int<^'ress6es  k  le  nier,  n^est  tout  au  plus  que  pro- 

.   bable.  (Essai  sur  les  probabilit^s,  1772,  Eingang.) 

'  L*incr^dulite  est  le  fondement  de  toute  sagesse,  selou  Aristote.  Cette  maxime 
est  fort  bonne  pour  qui  lit  Thistoire  et  surtout  Thistoire  ancienne.   Que 


Vo1teir«-Stndien.  29 

Theilt  man  nach  den  Berichten,  welche  uns  vorliegen, 
die  Zeiten  in  historische  und  fabelhafte,  so  fallen  diese  ganz, 
jene,  sofern  sie  vor  der  Kritik  nicht  bestehen,  aus  der  Geschichte 
hinaos.  ^  '  Grundsätze  dieser  Art  sind  auch  zu  Voltaire's  Zeiten 
nicht  neu  oder  unbekannt  gewesen.  Was  aber  Voltaire  aus- 
zeichnet ist  seine  enorme  Kraft,  sie  anzuwenden;  denn  ein- 
gesehen wird  auf  der  Welt  sehr  viel,  aber  angewandt  nicht, 
aas  Mangel  an  Urtheilskraft,  als  der  Fähigkeit,   das  Einzelne, 


de  faits  absurdes,  qnel  amas  de  fables  qni  choqiient  le  sens  commiin. 
(Histoire  de  Charles  XII,  Pr^face  1748.)  —  ,Son  grand  but  6tait  de  juger 
parle  sens  com  man  les  fables  de  Tantiquite*,  sagt  er  von  sich.  (Ddfense 
de  mon  oncle,  1767.  Exorde.) 
'  J«a  fable  est  la  scenr  aint^'o  de  Thistoire*,  ist  einer  seiner  Lieblings- 
sprflche.  —  Aprös  les  temps  fabnlenx  viennent  les  temps  historiques;  et 
cet  historiqne  est  encore  partout  mele  de  fables.  (Fragments  historiques  sur 
rinde,  c.  31.)  —  Je  n*approuye  point  dans  Tite-Live  ce  qne  j'aime  dans 
rUom^re.  (A  Colini,  21.  Oct.  1767.)  Kritische  Erörterungen  finden  sich 
aller  Orten  in  seinen  historischen  und  philosophischen  Haupt-  und 
Nebenwerken.  Die  ausführlicliste  kritische  Untersuchung  aus  seiner  Feder 
betrifft  das  Testament  Richelieu^s,  worüber  viel  gestritten  worden.  Die 
Zahl  angeblicher  Ooschichten,  welche  er  ins  Fabelbuch  verweist,  ist 
Legion.  Ich  nenne  nur  beispielshalber:  die  französischen  Königsmirakel 
(Rheimser  Fluschen  etc.),  Essai  c.  42;  das  Histörchen  von  Eginhard  und 
Emma  (,digne  de  Tarcheveque  Turpin^  Ann.  de  Tempire  a.  a.  794);  den 
MKusethurm  (a.  a.  969);  Heinrich  II.  Jungfräulichkeit  (a.  a.  1024);  den 
Antheil  Kaiser  Friedrich  II.  an  dem  Pamphlete  ,De  tribus  impostoribus^ 
(a.  a.  1239);  die  TeUsage  (,Fable  danoise',  Essai,  c.  67  und  Ann.  a.  a. 
1307).  Wie  genau  er  es  mitunter  nahm,  dafür  ein  Beispiel  statt  hundert 
anderer.  Er  las  von  einer  angeblich  aus  dem  Jahre  1301  stammenden 
Kanone,  die  sich  noch  in  Amberg  befinden  sollte.  Das  frühe  Datum 
machte  ihn  stutzen.  Er  veranlasste  also  den  Grafen  Holnstein,  sich  an 
Ort  und  Stelle  um  die  Sache  zu  bekümmern.  Die  Kanone  existirte  nicht. 
Dagegen  fand  man  auf  dem  Grabsteine  eines  Ingenieurs  Abbildungen 
von  Kanonen  und  im  Epitaph  die  Jahreszahl  1501.  Offenbar  hatte  man 
aus  der  abgebildeten  eine  veritable  Kanone,  und  aus  der  Fünf  eine  Drei 
gemacht.  ,Si  on  approfondisait  ainsi  toutes  les  antiquit^s,  ou  plutdt  tous 
les  contes  dont  on  nous  berce,  on  trouverait  plus  d^une  vieille  erreur  k 
rectifier.*  (Remarques  1768,  Nr.  VIII.) 

Voltaire  war  weder  der  Erste,  der  obige  Fabeln  bezweifelte,  noch 
gab  er  sich  dafür  aus.  Aber  er  hatte  für  das,  was  bezweifelt  zu  werden 
verdiente,  einen  lebendigen  Instinct.  Er  verbreitete  den  kritischen  Sinn 
fiber  alle  Welt  und  machte  mehr,  als  irgend  ein  Andrer,  die  kritiklose 
Erudition  und  den  spielenden  bel-esprit  in  der  Geschichtschreibung  nn- 
mogUch. 


30  Mayr. 

Concrete  richtig  zu  subsumiren,  und  aus  Mangel  an  Muth.  So 
schleppte  man  denn  getrost  alle  Märchen  der  altorientalischen, 
der  griechischen,  römischen  und  mittelalterlichen  Historie  durch 
die  Bücher.  Man  hielt  es  fiir  das  erste  Erfordemiss  eines 
Geschehnisses,  durch  Wunderlichkeit  zu  amüsiren.  Noch  zehrte 
das  Publicum  an  Bächern,  wie  denen  Rollin's,  der  den  ganzen 
livianischen  und  herodotischen  Fabelkram  kritiklos  wiederkäute. 
Sicherlich  hat  der  in  mancher  Hinsicht  vorzügliche  Mann  recht 
wohl  jene  Grundsätze  gekannt,  welche  Voltaire  bewogen,  die 
ersten  fünfhundert  Jahre  der  römischen  Geschichte  ins  Fabel- 
buch  zu  verweisen.  Aber  angewendet  hat  er  sie  nicht.  Vol- 
taire aber  machte  geltend,  dass  über  die  besagten  Zeiten  keine 
Nachrichten  vorliegen  könnten,  weil  der  Bildungszustand  der 
alten  Römer  historische  Aufzeichnungen  nicht  erlaubt  hätte; 
weil  etwaige  Documente  im  Laufe  der  Zeit,  sicherlich  beim 
gallischen  Brande,  zu  Grunde  gegangen  wären ;  endlich  vreil 
die  Daten  selbst  das  Gepräge  des  Unwahrscheinlichen,  Fabel- 
haften, Erfundenen  an  sich  trügen.  Das  Verdienst  Voltaire's 
bleibt  ungeschmälert,  wenn  man  auch  unserer  Zeit  das  ihrige 
zuerkennt,  nämlich  nach  verschiedenen  Principien  und  mit  ver- 
schiedenem Erfolge  brauchbare  Bausteine  zum  Aufbaue  der 
älteren  römischen  Geschichte  aus  dem  Wüste  der  Ueber- 
lieferüngen  ausgesondert  zu  haben.  ^  Noch  eclatanter  springt 
Voltaire's  historisches  Verdienst  in  die  Augen,  wenn  wir  sehen, 
wie  er  die  nämlichen  Grundsätze  der  Kritik  in  Anwendung 
brachte,  wo  immer  es  sich  um  die  Ueberlieferungen  der  alt- 
jüdischen und  altchristlichen  Geschichte  handelt.  Man  mag  an 
seinen  Spöttereien  Aergerniss  nehmen  —  sie  gehören  zur  blossen 
Einkleidung  —  und  sich  einer  genaueren,  umfassenderen  Kennt- 
niss  der  Dinge  rühmen;  das  schmälert  nicht  Voltaire's  Ver- 
dienst, welches  man  auch  dann  schwerlich  aus  der  Welt  schaäPen 
wird,  wenn  man  nachweist,  dass  er  in  dieser  Beziehung  den 
englischen  Deisten  viel  zu  verdanken  habe. 


*  Buckle,  Geschichte  der  Civilisation  III,  140  (Ritter* sehe  Uebersetzung).  — 
Interessant  ist  in  diesem  Jahrhundert  der  Anklagen  und  Rettungen  der 
Versuch  Voltaire^s,  Calligula,  Nero  etc.  von  den  Verleumdungen  Sueton's 
und  Tacitus*  rein  zu  waschen.  (Pyrrhonisme  de  Thist.,  c.  12 — 13.)  Vgl. 
Commentaire  sur  Tesprit  des  lois  (1777),  45. 


Voltaire-Stndipti.  31 

So  wenig,  lehrt  ferner  Voltaire,  als  die  pure  Möglichkeit 
oder  Wahrscheinlichkeit  die  Wirklichkeit  eines  Factums  er- 
härteti  so  wenig  reicht  der  Schein  der  Unwahrscheinlichkeit  in 
allen  Fällen  zu,  eine  Ueberlieferung  zweifelhaft  zu  machen. 
Auch  das  wahrscheinliche,  an  sich  mögliche,  widerspruchs- 
freie Factum  bedarf  des  guten,  gewichtigen  Zeugnisses,  um 
Glauben  zu  verdienen.  Andrerseits  vermögen  gute  Zeugnisse 
Nachrichten,  die  auf  den  ersten  Anblick  Verdacht  erregen  und 
eine  grosse  Familienähnlichkeit  mit  den  landläufigen  Fabeln 
haben,  plausibel  zu  machen.  *  Unter  den  Ueberresten  der  Ver- 
gangenheit sind  vornehmlich  die  Monumente  schätzenswerth. 
Jedoch  beweist  ein  Monument  als  solches  noch  nicht  die  Wahr- 
heit eines  hiedurch  verewigten  Factums;  es  beweist  nur,  dass 
diejenigen,  welche  es  errichtet,  an  das  betreffende  Factum 
glaubten.  ,Wie  hätte  ein  Philosoph  im  Tempel  des  Jupiter 
Stator  die  Menge  überreden  können,  dass  Jupiter  nicht  vom 
Himmel  herabgestiegen  sei,  um  der  Flucht  der  Römer  Einhalt 
zu  gebieten?  .  .  .  Die  Priester  würden  ihm  geantwortet  haben: 
Uoglaubiger  Verbrecher!  Ihr  müsst  zugeben,  wenn  ihr  die 
Rostra  sehet,  dass  wir  eine  Seeschlacht  gewonnen  haben,  von 
der  diese  Säule  das  Wahrzeichen  ist:  so  gebt  auch  zu,  dass 
die  Oötter  auf  die  Erde  herabgestiegen  sind,  uns  zu  vertheidigen, 
und  lästert  nicht  unsere  Mirakel  angesichts  der  Monumente, 
welche  sie  bezeugen.'  So  wenig  als  Monumente  gewähren 
Medaillen,  Feste,  Ceremonien  eine  hinreichende  Bürgschaft  für 
die  Thatsache,   von  der  sie  Zeugniss  geben  sollen.^    Was  die 


^  Ce  qni  n'est  vraisemblable  ne  doit  pent-etre  cru,  h  moins  qne  plusieurs 
contemporaiuB  dignes  de  foi  ne  d^ponent  UDanimoment  (Siecle  de  Lonis  XIV^ 
c.  25,  vgl.  Essai,  c.  197.)  Dass  das  scheinbare  Natnnvidrig-e  doch  mitunter 
wirklich  ist,  beweist  die  religiöse  Prostitntion  in  Babylon.  (Defense  de  mon 
oncle,  1767,  2.)  Voltaire  bekämpft  das  hcrodoteische  Zeugniss  mit  dem 
Satze:  ,Ce  qui  n^est  pas  dans  la  nature  n^est  jamais  vrai^  Freilich  sind 
es  analoge  FSlle,  die  hier  und  oftmals  dem  nicht  nnbczweifelbaren  Zeug- 
nisse Eur  Stütze  dienen.  Von  der  Analogie  macht  er  selbst  oft  Gebrauch, 
^n  serait  encore  difficile  de  concilier  les  id^es  sublimes  que  les  bramines 
conservent  de  r£tre  sublirae,  avec  leurs  superstitions  et  leur  mythologie 
fabolense,  si  Thistoire  ne  nous  montrait  pas  de  pareilles  contra- 
dictions  che»  les  Grecs  et  les  Romains.  (Essai,  c.  3.) 

'  Phil,  de  rhist.,  24:  Par  quel  excös  de  ddmence,  par  quelle  opini&tret^ 
Absurde,  tant  des  compilateurs  ont-ils  voulu  prouvor  dans  tant  de  volnmes 


32  M»yr. 

Autoren  betrifft,  so  hat  man  sich  erstlich  um  die  Glaubwürdig- 
keit derselben  zu  kümmern,  dann  die  Uebereinstimmun^en  und 
Abweichungen  der   glaubwürdigeren  zu  beachten.     Was  durch 
die  öffentlichen  Register,  die  Uebereinstimmung  zeitgenössischer, 
aufgeklärter,  unter  öffentlicher  Controle  schreibender  Historiker 
verbürgt   ist,    verdient    Glauben.  *     ,Wenn    Zeitgenossen,    wie 
der  Cardinal  von  Retz   und  der  Herzog  von  Larochefoucauld, 
wechselseitige  Feinde,  das  nämliche  Factum  in  ihren  Memoiren 
erzählen,   so  ist  dieses  Factum  unbezweifelbar;   widersprechen 
sie  sich,  so  tritt  der  Zweifel  in  sein  Recht.' ^     Zeitgenössische 
Memoiren   sind  stets  der  Parteilichkeit  verdächtig;    da  gilt  es 
denn,  der  satirischen  Absicht,  der  Frivolität,  der  Uebertreibung 
die  Spitze  abzubrechen.     Gar  keinen  Werth  besitzt,  was   von 
obscuren  Leuten  in  einem  obscuren  Winkel  ohne  alles  historische 
Gefühl  in  die  Geschichte  eingeschwärzt  wird.     In  rohen  Zeiten 
sind  Bildungslosigkeit   und  Einbildung,  in  aufgeklärter  Partei- 
lichkeit und  Schurkerei  die  Feinde  historischer  Wahrheit.^ 

Zu  den  ,hi8torischen  Lügen'  rechnet  Voltaire  nicht  allein 
die  Wundergeschichten  und  Fabeln,  sondern  auch  die  Anekdoten, 
die  ,Portraits'  und  ,Harangues';  ihnen  allen  gereicht  das  Moment 
der  Absichtlichkeit  zum  Verderben.  Rohe  und  barbarische  Zeiten 
sind  lügenhafter,  als  helle  aufgeklärte.  Je  höher  die  geistige 
Cultur  eines  Schriftstellers  steht,  desto  höher  steht  er  in  der 
Scala  der  Glaubwürdigkeit.  Niedere  Gesinnung,  Unwissenheit 
und  Lügenhaftigkeit  gehen  Hand  in  Hand.  Nur  aufgeklärte 
Zeiten  bringen  wahrhaftige  Historiker  hervor,  woferne  nicht 
rednerisches  Pathos,  Affect  oder  Parteileidenschaft  den  Vorzug 
der  Aufklärung  wieder  zu   nichte  machen.^    Indess  sind  nicht 


Enormes,   qu^nne  fote  publique  etablie   en  memoire  d^un  ^v^nement  ^tait 
nne  demonstration  de  la  v^rite  de  cet  ^v^uement? 

1   Essai,  c.  197. 

^  Siöcle  de  Louis  XIV,  c.  25.  So  dieot  ihm  der  Qegensatz  Sarpi*8  und 
Pallayicini^s  zur  Controle  ihrer  Glaubwürdigkeit.  (Essai,  c.  172.) 

3  Ces  fables  ne  sont-elles  pas  invent^es  par  Toisivet^,  la  superstition  et 
rint^ret?   (Remarques  1763,  Nr.  21.) 

*  D'ordinaire  les  histoires  sont  des  satires  on  des  apologies,  et  Tauteur, 
ma1gr6  qu^il  en  ait,  regarde  le  heros  de  son  histoire  comme  nn  predi- 
cateur  regarde  le  saint  de  son  sermon  .  .  (Lettre  k  Canmont,  15.  Sept 
1733.)  —  Un  historien  a  bien  des  devoirs  . .  celui  de  ne  point  calomnier 


Voltftire-Studidn.  ^3 

alle  historlBchen  Daten,  welche  verworfen  werden  müssen, 
quaiificii*te  Lügen;  es  gibt  auch  historische  Irrthümcr  sehr 
verzeihlicher  Natur. ^  Man  kann  irren  aus  Unachtsamkeit;  man 
kann  irren  in  seinen  Schlussfolgerungen,  was  nur  allzu  häufig 
vorkömmt.  Im  Ganzen  überwiegt  die  Lüge  den  Irrthum.  So 
berechtigt  diese  Erwägimgen  Voltaire's  sein  mögen,  so  sind  sie 
doch  zu  allgemein  hingestellt.  Er  kennt  nicht  den  Unterschied 
von  Mythen,  Sagen,  Legenden  und  Tendenzmärchen.  Wie  sein 
ganzes  Jahrhundert  gewährt  er  der  bewussten  Erfindung,  der 
eigentlichen  Lüge,  dem  qualificirten  Betrüge  einen  allzu  weiten 
Spielraum.  Er  bedenkt  auch  nicht,  dass  selbst  Uass,  Leiden- 
schaft, Servilismus  selten  absichtlich  die  Unwahrheit  sagen; 
sie  umdunkeln  vielmehr  von  vorneherein  den  Intellect  und 
heben  dessen  Freiheit  auf. 

Dass  Voltaire  die  Anekdoten,  die  Volksreden  im  Stile 
des  Thukydides  oder  Livius,  die  Charakterschilderungen  (por- 
traits^)  üblicher  Art  bekämpft,  liegt  im  rationalistischen 
Znge  seiner  Natur  und  seiner  Zeit,  in  der  bei  ihm  zum  Durch- 
bruch gelangenden  Abneigung  des  wissenschaftlichen  Geistes 
gegen  die  classicistische  Tradition,  welche  darin  einen  un- 
entbehrlichen Schmuck  der  historischen  Diction  erblickte. 
Insbesondere  sieht  Voltaire  jeder  Anekdote  ^  scharf  ins  Gesicht; 
ihre  pöbelhafte  Physiognomie  hat  etwas  Empörendes  für  den 
Mann,  der  mit  den  Grossen  dieser  Welt  auf  vertrautem  Fusse 
zu  leben  gewohnt  war.  Anekdoten  reproducirt  er  niemals  gerne, 
auch  wenn  sie  wohl  verbürgt  und  glaubhaft  sind.  Erstlich 
widerstrebt  es  ihm,  wie  oft  geschieht,  Anekdoten  zu  erzählen 
and  auf  sie  den  Ursprung  grosser  Ereignisse  zurückzufuhren, 
statt   sich    der   Mühe    einer   Untersuchung    ihrer   verwickelten 


et  oelni  de   ne  point  ennnjer.    (A  Nordberg,   1742,    Nr.  1271   der  Ha- 
chette*8ehen  Edition.) 

^  Hifltoire  de  ki  Bussie,  Pr^face  §.  7. 

^  Les  portraits  des  hommes  sout  presqne  tous  faits  de  fantaisie  .  .  .  les 
hommes  publica  des  temps  passes  ne  peuvent  etre  caracterises  que  par 
let  faits.  Vgl.  Connaissance  de  la  po^sie  et  de  Teloquence  (1749).  Carac- 
t^res  et  portraits. 

*  VgL  den  Art.  Ana,  Anecdotea  im  Dict.  phil.  —  Histolre  de  la  Russie 

soos  Pierre  le  Grand,  Pr^face  §.  4—7.  —  Si^cle  de  Louis  XIV,  c.  25.  — 
A  M  . .  sur  les  anecdotea  (1775). 
Sitaufaber.  d.  p]iü.-kiBt.  CL  XCY.  Bd.  1.  Uft.  3 


34  Mayr. 

Bedingungen  zu  unterziehen  J  Zweitens  lenken  sie  nach  seiner 
Meinung  von  dem  eigentlich  Historischen  ab,  zeiTen  das  oft 
bedeutungslose  Privatleben  vor  die  Oeifentlichkeit  und  geben 
der  Gemeinheit,  Bosheit,  Niederträchtigkeit  einen  willkommenen 
Anlass,  das  Erhabene  auf  ihr  Niveau  herabzuziehen.  ,AUe 
diese  kleinen  Qeschichtchen,  mit  welchen  man  die  Historie 
aufputzen  will,  entstellen  sie;  unglücklicher  Weise  bestehen 
fast  alle  alten  Geschichten  bloss  aus  derartigen  Histörchen. 
Malebranche  hatte  in  dieser  Hinsicht  Recht,  wenn  er  sagte, 
er  mache  sich  aus  der  Geschichte  nicht  mehr,  als  aus  dem 
Klatsche  seines  Viertels.'  Es  ist  begreiflich,  dass  Voltaire 
einem  Zeitalter,  dessen  Interesse  an  der  Oeffentlichkeit  sich 
lediglich  um  die  chronique  scandaleuse  drehte,  unaufhörlich 
würdigere  und  zutreffendere  Ansichten  beizubringen  bestrebt 
war.  Wenn  Cicero  sagt,  der  Geschichtschreiber  dürfe  keine 
Wahrheit  verheimlichen,  so  entgegnet  Voltaire:  , Angenommen, 
Ihr  seid  Zeuge  einer  Schwachheit  gewesen,  die  ohne  Einfluss 
auf  die  öffentlichen  Angelegenheiten  geblieben  ist,  seid  Ihr 
vei-pflichtet,  sie  zu  enthüllen  ?  In  diesem  Falle  würde  die 
Geschichte  zur  Satire  werden/  Voltaire  hasste  die  Anekdoten 
so  zu  sagen  persönlich;  denn  einen  seiner  Helden  hatte  man  über 
seinen  Maitressen,^  einen  andern  über  seinen  Schnapsräuschen 
beinahe  vergessen.  Auch  hierin  ist  Voltaire  ein  populärer 
Schriftsteller,  der  das  Publicum  zu  sich  emporzieht,  während 
Andere  dessen  ordinären  Gelüsten  nachgeben  und  das  Edlere 
ausser  Cours  bringen. 

Voltaire  rechnet  nicht  bloss  die  Anekdoten  zum  Ballast 
der  Historie;  vielmehr  sind  seine  Ansichten  über  das  Unnütze, 
das  der  philosophische  Geist  ausser  Acht  lassen  dürfe^  ziemlich 
radicaler  Natur.  Man  müsse  die  Dinge  im  Ganzen  und  Grossen 
betrachten,  sagt  er;  man  müsse  sich  an  die  Gemälde  der  Jahr- 
hunderte halten ;  der  menschliche  Geist  sei  von  Natur  schwach 
und   erliege   unter   der   Last  minutiöser   Details.    Details,    die 


*  Die  verborgenen,  rein  persönUchcn  Triebfedern  der  menschlichen  Hand- 
lung;en  Rind  tiberbnapt  kein  Oegeniitand  für  den  Historiker.  «La  cause 
premi^re  n*est  gn^re  faite  ponr  le  physicien,  et  les  premiers  ressortft  des 
intrigues  ne  sont  gu^re  faits  ponr  Thistorien.  (20.  Mai  1738,  an  den  Prinzen 
Friedrich.) 

2  Eigentlich  ausser  Ludwig  XIV.  auch  Heinrich  IV.    (Vgl.  Essai,  c.  174.) 


Volltire-Slndien.  35 

uns  nichts  lehren^  seien  dasselbe^  was  die  Bagag^e  bei  einem 
Heere  ist:  ^impedimenta'J  Man  habe  sich  nicht  um  die  Samm- 
lung einer  enormen  Masse  von  Thatsachen  zu  bemühen,  die 
sich  wechselseitig  verwischen,  vielmehr  nur  um  die  hauptsäch- 
lichsten und  best  beglaubigten  zu  bekümmern.^  Man  erforsche 
mit  aller  Sorgfalt  den  Tag  einer  Schlacht,  den  Pomp  einer 
Ceremonie  bis  auf  den  letzten  Lackei  herab  —  gut.  Aber 
wenn  man  tausende  von  Schlachtbeschreibungen  und  hunderte 
von  Friedensschlüssen  gelesen,  habe  man  nichts  weiter  gelernt, 
als  Thatsachen,  Ereignisse.  Man  vernachlässige  um  dieser 
Dinge  willen  Kenntnisse  von  einer  mehr  ftihlbaren  und  an- 
dauernden Nützlichkeit.^  Aus  der  ungeheuren  Fülle  der  That- 
sachen müsse  man  hervorheben,  was  gekannt  zu  werden  ver- 
diene: den  Geist,  die  Sitten,  die  Gewohnheiten,  Vorurtheile, 
Culte,  Gesetze^  Künste,  Wissenschaften  der  Völker,  gestützt 
auf  die  zum  Verständniss  unentbehrlichen  politischen  Ereignisse. 
Nicht  der  gekrönte  Pöbel,  sondern  nur  die  Könige,  deren 
Orassthaten  ihre  Völker  beglückt  haben,  seien  der  historischen 
Erinnerung  werth.*    Die  Ereignisse,  Parteiungen,  Revolutionen 

*  Pi^face  Ton  1754.  —  On  noiu  accable  d'histoires  anciennes,  saus  choix  et 
saus  jugement;  on  les  lit  k  pea  pres  avec  le  meme  esprit  qu^elles  ont  ^t^ 
iaites  et  on  ne  se  met  dans  la  tete  que  des  errenrs.  (Phil,  de  Thist.,  XIV.) 

'  Remarques  (1763)  III.  —  Von«  pensez  aussi  qu'il  ne  faut  jaraais  s'ap- 
pesantir  snr  les  petits  detail«  qni  ötent  aux  grands  ^v^nements  tont  ce 
qn^ils  ont  dMmportant  et  d*augnste  .  .  Les  memoires,  les  dupliques  et 
les  r^pliqnes,  sont  de  nionnments  k  conserver  dans  des  archivcs  ou  dans 
les  reeneils  des  Lambert!,  des  Dnmont,  on  meme  de  Ronssel;  mais  rien 
n*est  plns  insipide  dans  une  histoire.  (A  Schowalow,  14.  Nov.  1761.)  — 
De  qnels  fatts  pent-on  etre  nn  pen  instmits  dans  Thistoire  de  ce  monde  ? 
des  grands  ^venements  publics  que  personnc  n*a  jaroais  contestes  .  .  mais 
qni  pent  p^netrer  les  d^tails?  On  aper^oit  de  loin  la  couleur  domi- 
nante; les  nnances  ^chappent  nucessairement.  (AM.,  snr  les  anecdotes 
1775.)  Le  fond  de  son  histoire  (Cjrus)  est  tr^s  yrai;  les  äpisodes  sont 
fabalenx:  il  en  est  ainsi  de  tonte  histoire.  (Phil,  de  Thist.,  XI.)  —  Er 
meint,  dass  man  die  kritisch  sicheren  Details  znm  Behnfe  der  eigent- 
Ueben  Historiographen  annalistisch  oder  lexikalisch  ssusammenstellen  solle. 
(Priface  von  1754.)  Des  d^tails  qne  je  hais  .  .  Malheur  aux  gros  livres! 
je  m*occnpe  k  rendre  celui-ci  (Si6cle  de  Louis  XIV.)  plus  petit  et 
meillenr.  (A  Richelieu,  16.  Dec.  1762.) 

'  fKonvelles  consid^rations  sur  Thistoire*.  Vorwort  zum  Charles  XII. 

*  L'bistoire  des  dates,  des  g^n^alogies,  des  villes  prises  et  reprises,  a  son 
m^rite;  mais  l'histoire  des  moeurs  vaut  raieux,   a  mon  gr^.   (A  Bnrigny, 


und  Verbrechen  solle  man  nicht  um  ihrer  selbst  willen  der 
Beachtung  würdigen;  sondern  nur  insoferne  sie  uns  helfen, 
die  Geschichte  der  menschlichen  Meinungen,  des  menschlichen 
Geistes  überhaupt  verstehen  zu  lernen.*  Weil  die  Geschichte 
sich  selbst  unzählige  Male  wiederhole,  genüge  es  die  bezeich- 
nendsten Momente  hervorzuheben.  Freilich,  die  Principien, 
nach  denen  Voltaire  die  Auswahl  und  Anordnung  der  histori- 
sehen  Geschehnisse  vornahm  und  vorgenommen  wissen  wollte, 
werden  uns  erst  ganz  klar  werden,  wenn  wir  den  Umkreis  seiner 
historisch-philosophischen  Ansichten  werden  durchmessen  haben. 
Welchen  Nutzen  verspricht  sich  nun  Voltaire  von  seiner 
kritisch  gesichteten  Historie?  Was  er  selbst  darüber  sagt,  das 
übersteigt  in  der  Regel  nicht  das  Durchschnittsmaass  skizzen- 
hafter Banalität;  wir  wollen  dessen  daher  nur  im  Vorbeigehen 
erwähnen;  charakteristisch  ist  es  immerhin,  namentlich  im  Ver- 
gleich mit  der  theologischen  und  höfischen  Auffassung  Bossuet's. 
Die  Geschichte,  meint  er,  liefere  dem  Staatsmanne,  wie  dem 
Bürger  das  Material  zu  Vergleichungen  der  actuellen  Zustände 
seines  Landes  mit  denen  fremder  Zeiten  und  Völker;  dadurch 
errege  sie  den  Wetteifer  der  Nationen.  Als  Fehler-  und  Bei- 
spielsammlung übe  sie  eine  heilsame  Wirkung,  zumal  auf  die 
leitenden  Persönlichkeiten,  aus.  Sie  sei  eine  Schide  der  Politik; 
so  lehre  sie  das  Gleichgewichtssystem  erkennen,  dem  Europa 
verdanke,  dass  es  nicht  einer  einzelnen  Macht  unterworfen 
sei.2    In  Zeiten   geschichtlicher  Unwissenheit  treffe  man  keine 

10.  Mai  1757.)  Vgl.  den  Avant-propos  des  Easai.  —  Autant  il  faut  con* 
naitre  les  grandes  actions  des  souverains  .  .  qoi  ont  renda  leurs  peuples 
meilleurs  et  pIns  heureuz;  antant  on  doit  ignorer  le  vulgaire  des  rois 
qoi  ne  servirait  qvCk  charger  la  mdmoire.    (Introduction  von  1753.) 

*  Remarques  (17G3)  IL  —  Tont  ce  qui  s'est  fait  -ne  merite  pas  d'etre  6crit. 
On  ne  s'attacliera,  dans  cette  histoire,  qu*&  ce  qoi  m^rlte  rattentioii  de 
tous  Ics  temps,  &  ce  qui  pent  peindre  le  g^nie  et  les  majurs  des  homiues, 
k  ce  qui  peut  servir  dUnstruction  et  conseiUer  Tamour  de  la  vertu,  des 
arts  et  de  la  patrio.  (Si6cle  de  Louis  XIY.  —>  Introduction.)  Mon  but 
n'est  pas  d*ecrire  tout  ce  qui  s*est  fait,  mais  seulement  ce  qui  on  a  fatt 
de  grand,  d*utilc  et  d'agr^able.  C^est  le  progr&s  des  arts  et  de  Tesprit 
humain  que  je  veux  faire  voir  et  non  Thistoire  des  intrigues  de  cour  et 
des  m^chancet^s  des  hommes.  (A  Berger,  April  1739.) 

2  ,Ces    d^tails',    sagt    er    gelegentlich,    ,pourraient   fournir   des    exemples, 
s^il  y  avait  des  cas  pareils;  mais  il  ne  8*en  trouve  jamais,  ni  dans    les 


VoltoiTC-Siiidien.  37 

Vorsichtsmaassregelii  und  öffne  so  allen  Calamitäten  Thür  und 
Thor.  ;Aneantis8ez  F^tude  de  rhistoire,  vous  verrez  peut-etre 
des  ät.-Barth6Iemy  on  France  et  des  Cromwell  en  Angleterre.' 
Das  ist  doch  der  ganze  Voltaire!  der  Geist  des  achtzehnten 
Jahrhunderts,  welches  glaubt,  die  Erkenntniss  sei  im  Stande, 
das  Unheil,  das  aus  den  vernunftlosen  Leidenschaften  der 
Völker  entspringt,  för  ewige  Zeiten  zu  bannen !  ^ 

Wegen  ihres  Nutzens,  aber  auch  ihrer  höheren  Zuver- 
lässigkeit halber,  bevorzugt  Voltaire  entschieden  die  neuere 
Geschichte.  In  dieser  Beziehung  ist  er  mit  Bolingbroke  einver- 
standen; einige  seiner  Aeusserungen  scheinen  unter  dem  directen 
Eindrucke  der  , Letters  on  the  study  of  history'  geschrieben  zu 
sein.  ,Ich  wollte',  sagt  er,  ,das8  man  ein  ernsthaftes  Geschichts- 
Studium  erst  mit  jener  Zeit  beginne,  wo  sie  für  uns  interessant 
zu  werden  anfängt:  das  ist,  wie  mir  scheint,  gegen  Ende  des 
fünfzehnten  Jahrhunderts.  Alte  Geschichte  treiben  heisst  einige 
Wahrheiten  unter  tausend  Lügen  zusammenstoppeln.  Alte 
Geschichte  ist  nur  insoweit  von  Nutzen,  als  es  die  Fabel  ist, 
nämlich   durch   ihre  grossen  Ereignisse,   die  den  stets  wieder- 


affaires  ni  dans  lä  guerre.  Les  ressemblances  sont  tonjonrs  imparfaites, 
les  difflSrences  toujoura  graudes.*  (Siede  de  Louis  XIV.  Catalog^e  8.  v. 
Qaincy.) 

,Ceax  qni  diraient  ä  an  historien:  Ne  parlez  pas  de  no0  extravägances 
pass^es,  ressembleraient  aux  enfants  des  pestifer^s,  qui  ne  voudraient  pas, 
qu'on  dSt  qne  lenrs  p^res  ont  eu  le  charbon.  Les  papiers  publlcs  .  . 
effrayent  le  crime,  ils  arreteut  la  main  prete  k  le  commettre.  Pins  d'un 
potentat  a  craint  qnelquefois  de  faire  une  mauvaisc  action  qui  serait  en- 
registree  sur  le  champ  dans  toutes  les  archives  de  Tesprit  humain^  (Re- 
marques de  TEssai,  1763,  Nr.  VII,  vgl.  Nr.  XV.)  —  ,8i  les  princes  et 
les  particuliers  n'avaient  pas  quelque  int^ret  k  s*instruire  des  revo- 
lutions  de  tant  des  barbarcs  gonvemements,  on  ne  ponrrait  plus  mal 
employer  son  temps  qu'en  lisant  Thistoire.*  (Essai,  c.  94.)  —  ,Le  juge- 
fflent  de  la  post^rit^  est  le  seul  rempart  qu*on  ait  contre  la  tyranuie 
heureuse.'  (Essai,  c.  166.)  —  ,La  consolation  du  genre  humain  est  d*avoir 
des  annale«  fid^les  qui,  en  exposant  les  crimes,  excitent  a  la  vertu.' 
(Annales  de  Teropire.  Lettre  k  Madame  la  Ducbesse  de  Saxe-Qotha, 
H,  MSrz  1754.)  —  Tous  les  faits  principaux  de  Thistoire  doivent  etre 
appliqu^s  4  la  morale  et  k  T^tude  du  monde;  sans  cela  la  lecture  est 
iootile.  (Pens^es,  remarques  et  observations  de  Voltaire.)  Enfin  les 
bommes  s*^clairent  un  peu  par  ce  tableau  de  leurs  malheurs  et  de  leurs 
sottises.  (Remarques.  1763.) 


38  Mayr. 

kehrenden  Gegenstand  neuer  Gemälde^  Dichtungen,  Gespräche, 
moralischer  Erörterungen  bilden.  Die  alte  Geschichte  verhfilt 
sich,  wie  mir  scheint,  zur  neueren,  gleichwie  die  alten  Medaillen 
zu  den  in  Curs  befindlichen  Münzen:  die  ersteren  bleiben  in 
den  Cabineten,  die  letzteren  circuliren  zum  Behuf  des  Uandels- 
yerkehrs  in  der  ganzen  Welt/  '  Nützlich  zu  sein,  d.  h.  min- 
destens die  Einsicht  zu  erweitern,  was  die  Anhäufung  falscher 
oder  auch  wahrer  Details  niemals  vermag,  rechnet  Voltaire 
zu  den  wesentlichen  Pflichten  des  philosophischen  Geschicht- 
schreibers. ^  Letzterer  aber  setzt  den  philosophischen  Leser 
voraus.  ^ 

Dem  Staatsmann,  dem  Philosophen  kommt  es  nach  Vol- 
taire's  Ansicht  zu,  Geschichte  zu  schreiben;  schriftstellerische 
Talente  sind  ihm  gleichfalls  unentbehrlich.*  Der  Geschicht- 
schreiber muss  die  Menschen  kennen,  damit  er  sie  schildern 
kann.  ^Begnügen  wir  uns',  sagt  er  mit  Montaigne,  ,wenn  wir  ein- 
fache Historiker  haben,  welche  mit  Sorgfalt  und  Fleiss  anhäufen, 
was  ihnen  zur  Kenntniss  kommt,  die  alles  redlich,  ohne  daran 


^  Siehe  ^Remarques'  und,  Nouvelles  consid^rations'  vor  dem  Charles  XIL  — 
yCVst  dans  Thistoire  de  nos  propres  folies  qit'oii  apprend  k  etre  sage  et 
non  dans  les  discussions  t^n^breuses  d*une  vaine  antiquitd.*  (Couclusion 
von  1763,  Nr.  IV.)  Vgl.  Conseils  »ur  l'histoire  (1737).  —  Laissons  donc 
Ik  toute  la  pr^tendue  histoire  ancienne,  et,  k  T^gard  de  la  moderne,  que 
chacun  cherche  k  s'instruire  par  les  fautes  de  son  pays  et  par  celles  de 
ses  voisins,  la  le^on  sera  longue.  (L' A,  B,  C ;  6"*"  entretien.) 

2  Vous  voudriez  que  des  philosophes  eussent  ecrit  Thistoire  ancienne  .  . 
Vous  ne  cherchez  que  de  v^rites  utiles  .  .  Tachons  des  nous  ^clairer 
ensemble.    (Phil,  de  Thist.  I.) 

3  Si  \e9  homines  ^taient  raisounables,  ils  ne  voudraient  d^histoires  qu« 
Celles  qui  mcttraient  les  droits  des  peuples  sous  leurs  yeux  .  .  mais  cett« 
maniere  d'ecrire  l'histoire  est  aussi  difficile  que  dangereuse.  Ce  serait 
unc  6tnde  pour  le  lectetir  et  non  uu  d^lassoment.  Le  public  aime  mieux 
les  fahles:  on  lui  en  donne.  (Pyrrhonisme  de  Thist.,  c.  16.) 

*  Habile  historleu,  c^ost-ä-dire  Thistorien  qui  a  pulse  dans  les  bonnes 
sources,  qui  a  compare  les  relatious,  qui  en  juge  saiuemeut,  en  un  mot 
qui  a'est  donne  beaucoup  de  peine.  S'il  a  encore  le  don  de  narrer  avec 
Teloquence  convenable,  il  est  plus  qu'habile,  il  est  grund  historleu,  comme 
Tite-Live,  de  Thou  .  .  (Art,  Habile.)  —  Enfin  le  grand  art  est  d  ar- 
ranger  et  de  prdsenter  les  ovenements  d^une  maniere  interessante;  c'est 
un  art  tr6s-difficile,  et  qu'aucun  AUemand  n*a  connu.  (A  Schowalow, 
14.  Nov.  1761.) 


Yoltaire-Stttdien.  39 

viel  herarnzuklaubeo;  eiaregistriren^  indem  sie  unser  Urtheil 
bczugs  der  Erkenntniss  des  Wahren  freilassen/  ^Äber^,  setzt  er 
hinzu,  ,wir  wollen  sie  mit  philosophischem  Geiste  lesen.^ '  Der 
schalen  Reflexion,  des  aufdringlichen  und  schiefen  Urtheiles 
müde,  äussert  sich  Voltaire  oft  so,  als  ob  es  dem  Geschicht- 
schreiber nur  zukäme,  die  nackten  Thatsachen  für  sich  selbst 
sprechen  zu  lassen.  Ihn  beseelte  zeitlebens  ein  reger  Sinn  für 
alles  Factische.  Jedoch  was  er  den  Pedanten,  den  Fanatikern 
verwehrt  wissen  wollte,  dem  auch  für  seine  Person  zu  entsagen, 
kam  ihm  gar  nicht  in  den  Sinn.  Ihm  waren  seine  Reflexionen, 
seine  Urtheile  über  Menschen  und  Ereignisse,  die  Wirkung  auf 
die  Gesinnungen  seiner  Zeitgenossen  Haupt-  und  Endzweck  der 
historischen  Darstellung.^ 


B.  Gott  und  Mensch  in  der  Geschichte.  ^ 

Wie  wir  bisher  gesehen  haben,  rechnet  Voltaire  zu  den 
Aufgaben  einer  philosophischen,  über  den  gewöhnlichen  geist- 
losen Betrieb  erhabenen  Geschichtschreibung:  erstens,  eine  scharfe, 
rücksichtslose  Kritik  der  Ueberlieferungen ;  zweitens,  eine  vei*- 


I   Articles  extraits  de  la  Gazette  litt^raire  (1764),  Nr.  24. 

3  Je  pense  qu^il  faut  ^crire  rhistoire  en  philosophe;  mais  qa*]l  ne  faut  pas 
r^crire  en  pr^cepteor,  et  qu*an  historien  doit  instruire  le  ^nre  humain 
aans  faire  le  pedagogue.  (A  Thieriot,  31.  Oct  1738.)  —  ,J'ai  fait  tout 
ce  que  j*ai  pu  ponr  contribuer  k  ^tendre  cet  esprit  de  philosophie  et  de 
tolerance  qui  semble  aujourd'hui  caracteriser  le  si^cleS  schreibt  er  über 
seinen  Essai  an  Thieriot  (26.  März  1757).  —  Je  crois  qne  la  meilleure 
mani^re  de  tomber  snr  Tinfäme  est  de  paraitre  n*avoir  nulle  envie  de  Tat- 
taquer,  de  d^brouiller  un  pen  le  chaos  de  Tantiquit^  .  .  de  repandre 
qnelque  agrement  sur  Thistoire  ancienne,  de  faire  voir  combien  on  nous  a 
tromp^s  en  tont,  combien  ce  qu^on  nous  a  donn^  pour  respectable  est 
ridicule,  de  laisser  le  lecteur  tirer  lui  meme  les  consequences.  (A  Dami- 
laville,  13.  Juli  1764.)  Vgl.  den  Briefwechsel  über  die  Philosophie  de 
Thistoire,  MiErz  bis  JuU  1765. 

^  Die  besten  mir  bekannten  Darstellungen  der  Voltaire'schen  Philosophie, 
ansser  der  Monographie  Bersot's  (La  philosophie  de  Voltaire,  1848)  sind : 
D.  Fr.  Strauss:  Voltaire,  ö.  Vortrag  (vgl.  K.  Fischer'«  Francis  Bacon, 
2.  Aufl.,  p.  678—682)  —  II.  Hettner,  (»eschichte  der  frauzöaischen  Lite- 
ratur (1872,  3.  Aufl.),  p.  178—226  —  Windelband,  Geschichte  der 
neueren  Philosophie  (1878),  p.  367—375  —  Flint,  Philosophy  of  history, 
p.  116—124. 


40  M»yf, 

ständige  Auswahl  der  wichtigen,  inhaltsvollen,  erspriesslichen 
Daten  aus  dem  Chaos  der  Einzelheiten,  wobei  er  das  Haupt- 
gewicht nicht  auf  die  Kriegs-  oder  Staatengeschichte,  sondern 
auf  das,  was  wir  unter  Culturgeschichte  begreifen,  legt.  Wir 
haben  nun  mit  ihm  zu  erforschen,  welche  die  in  der  Geschichte 
wirksamen  Kräfte  sind;  welche  Triebfedern  die  menschlichen 
Handlungen  bewegen ;  wie  weit  sich  das  Reich  der  Nothwendig- 
keit  und  das  Reich  der  Freiheit  erstrecken.  Erst  müssen  wir 
den  natürlichen  Verlauf  der  Begebenheiten  kennen,  das  Was 
und  Wie  des  historischen  Geschehens :  dann  können  wir  die 
Frage  nach  dem  Wozu,  dem  Ziel  und  Ende  der  menschlichen 
Bestrebungen  aufwerfon,  um  daran  den  Werth  derselben  zu 
messen.  Kraft  dieser  Beurtheilung,  über  deren  Art  und  Weise 
wir  hier  keine  allgemein  giltige  Norm  aufzustellen  gedenken, 
bemächtigt  sich  die  Philosophie  eigentlich  erst  des  empirischen 
Stoffes.  Doch  hat  sie  zur  gemeinen  und  wissenschaftlichen 
Erfahrung  noch  ein  anderes  Verhältniss:  sie  kritisirt  auch  die 
Zulänglichkeit  der  empirischen  Erklärungsweisen.  Gewöhnlich 
gibt  sie  sich  mit  denselben  nicht  zufrieden,  sondern  sucht  eine 
Ergänzung  zu  den  leicht  fassbaren  Factoren,  mit  welchen  die 
Empirie  zu  rechnen  gewohnt  ist.  Sie  stellt  der  Physik  eine 
Metaphysik  zur  Seite  und  unterwirft  nun  das  ganze  Gebiet 
natürlicher,  wie  geschichtlicher  Erfahrungen  der  metaphysischen 
Betrachtung.  Zu  den  metaphysischen  Kräften,  welche  man  zur 
Natur  und  zur  Geschichte  in  Beziehung  bringt,  zählt  auch  die 
Gottheit. 

Namentlich  in  der  jüdischen  und  der  christlichen  Religion 
hatte  man  den  Wechsel  und  Wandel  des  historischen,  socialen, 
moralischen  Lebens  der  Menschen  auf  das  engste  mit  dem 
Willen  der  Gottheit,  ihren  Plänen,  ihren  mannigfaltig  bedingten 
Actionen  verknüpft.  Voltaire  fand  das  bezügliche  Geschichts- 
system noch  in  voller  Herrschaft.  Doch  hatte  das  philosophi- 
sche Bewiisstsein  der  neueren  Jahrhunderte  gegen  dasselbe 
schon  wiederholt  revoltirt. 

Mitten  in  die  Bestrebungen,  die  auf  eine  gänzliche  Eli- 
mination der  metaphysischen  Potenzen  aus  dem  Reiche  der 
Erfahrung  zielten,  fiel  Voltaire*s  Leben.  Er  hält  auch  hier  eine 
mittlere  Richtung  ein ;  ihm  widerstreben  alle  Excesse  der 
Meinung;  er  gehört  zur  Partei  des  ,juste  railieu'  und  des  ,bon 


VolUire-StQdien.  41 

sens'.  *  Nicht  gegen  die  Existenz  und  die  Wirksamkeit  Gottes 
im  Allgemeinen  wendet  er  sich ;  er  bekämpft  nur  die  anthropo- 
morphistischen  Vorstellungen^  welche  er  in  der  christlichen  Auf- 
fassung vorzufinden  meint.  Nicht  das  universelle  Princip  der 
Tfaätigkeit  stellt  er  in  Abrede^  wohl  aber  die  Möglichkeit,  die 
Wirksamkeit  Gottes  in  ihrem  Wesen,  ihrem  Grunde  und  ihrem 
Endziele  zu  erkennen.  Nicht  die  Abhängigkeit  des  Univorsums 
von  ihrem  Schöpfer  und  Lenker  leugnet  er,  wohl  aber  die 
Annahme,  dass  imser  kleiner  Planet  oder  wohl  gar  das  Geschick 
eines  bedeutungslosen  Völkleins  der  Punkt  sei,  auf  welchem 
sich  das  Wirken  Gottes  concentrire.  Er  verdammt  das  ,a8ylum 
ignorantiae^  und  die  ,ignava  ratio';  er  protestirt,  dass  man  Alles, 
was  man  nicht  erklären  könne,  der  Gottheit  zuschiebe;  er  will 
nicht,  dass  die  Menschen  in  feiges  Gewährenlassen  und  fata- 
listisches Zusehen  versänken;  er  will  ihnen  vielmehr  die  Pflicht 
des  Selbsthandelns  und  die  Selbstverantwortlichkeit  zu  Gemüthe 
führen.  ^ 

Der  Qott  Voltaire*s  ist  der  Gott  des  Deismus,  des  Vernunft- 
glaubens, nicht  der  Gott  des  Dogmas  und  der  Mystik.  Unter 
den  Beweisen  für  seine  Existenz  bevorzugt  er  den  physico- 
theologischen  und  den  moralischen  (ethico-theologischen) ;  auch 
den  kosmologischen  wendet  er  an.^  Ist  der  Gott  des  Dogmas,  so 
zu  sagen,  historischer  Abkunft  und  historischen  Charakters,  so  ist 
der  Gott  Voltaire's,  wie  der  der  neueren  Philosophie  überhaupt, 
physischer   Herkunft,    ein    Naturgott,    zu   dessen    entlegensten 


*  II  a  fallu  dire  ce  qne  je  pense,  et  le  dire  d^une  mani^re  qui  ne  rdvolt&t 
ni  lefl  esprits  trop  phüosophes  ni  les  esprits  trop  crddules.  J'ai  vu  la 
nicesaite  de  bien  faire  connaitre  ina  fa9on  de  penser  qui  n^est  ni  d'an 
superatitieux,  ni  dun  athde;  et  j^ose  croire  que  toud  les  honnetes 
gens  seront  de  mon  avis.  (A  Cideville,  12.  April  1756.) 

'  Die  wichtigsten  Stellen  über  Gott  sind  in  folgenden  Schriften  enthalten: 
Tratte  de  Metaphjsiqne  (1734).  2  c.  —  Elements  de  la  pbilosophie  de 
Newton,  I  part,  1 — 3  c.  —  Sophronime  et  Addlos  (1768)  —  Le  philo- 
Bophe  Ignorant  (1766)  —  Hom^lie  sur  Tath^isme  (1767)  —  Tont  en 
Dien,  Commentaire  snr  Malebranche  (1769)  —  Dien  et  los  hommes 
(1769)  —  Lettres  de  Memmius  k  Clodron  (Traite  de  Memmins)  I— XIII 
(1771)  —  II  fallt  preudre  un  parti  (1772)  —  Dialogues  d*£vhdmere 
(1777).  —  Femer  diverse  Artikel  des  philosophischen  Wörterbnches,  wie 
Art.  Athee;  Ath^isme;  Dien;  Religion. 

'  Eettner,  Französische  Literatnr,  p.  184  ff. 


42  H»,r. 

Actionsgebieten  nebstbei  die  historische  Welt  gehört.    Der  in 
der  Natur  Yorherrachende  Typus  des  Wirkens  prädominirt  in 
dieser  Gottesvorstellung^  während  die  Merkmale  des  seelischen 
LebenS;  Liebe  und  Hass,  von  ihr  geradezu  ausgeschlossen  werden. 
Vernunft  zwar^  wie  sie  sich  im  Mechanismus  der  Natur  zu  offen- 
baren scheint;  hat  dieser  physikalische  Gott;   aber  menschlich 
verständliche  Absichten  nicht.    Wie  die  Welt  der  Empfindung 
und  des  Begehrens   nur  ein  Nebeneffect  der  ewig  waltenden, 
indifferenten  Natur  ist,  so  erscheint  auch  in  der  metaphysischen 
Projection  derselben  der  Charakter  des  Mechanischen^  Gleich- 
gütigen.   Unwandelbaren   vorwaltend.     Kein  seelischer  Contact 
herrscht  zwischen  Gott  und  Menschenwelt;  nur  ein  mechanisches 
Verhältniss    obwaltet   zwischen  Gott   und  Natur.  ^    £r  iat  der 
yöternel  gdom&tre'  des  Universums;    er  ist   der  ,maitre  de   la 
nature^   ,Nature'  und  ,Dieu^  werden  als  Synonyma  gebraucht, 
ähnlich   wie   Spinoza  ,Deus   sive  Natura'  sagt.^    Gott  ist   die 
ewige  Macht,  welche  die  von  ihm  ersonnene  mechanische  Thä- 
tigkeit  der  Natur  in  ihrem  bewundemngswürdigen,  gesetzlichen 
Ablauf  erhält. 

Die  Unbegreiflichkeit  des  Natm'lebens  ist  auch  für  Vol- 
taire der  Grund,  ein,  trotz  aller  Reserve,  doch  nach  mensch- 
licher Analogie  iingirtes  Wesen  anzunehmen.  Weil  alles  sich 
bewegt  und  lebt  —  Himmel,  Erde,  Wasser,  Organismus  und 
Leichnam  —  so  muss  es  auch  ein  besonderes  Princip  dieser 
universellen  Thätigkeit  geben;  die  Welt  bedarf  eines  belebenden 
Principes,  eines  Motors.  ^  Die  constante  Uniformität  der  Natur- 
gesetze im  Laufe  der  Gestirne,  wie  im  Leben  jeder  Thiergattung 
beweist   die  Einheit  dieses  Principes.     Der  Beweger  des   Alls 


1  Le  vulgaire  imagine  Dien  corome  an  roi  qtii  tient  son  lit  de  jnstice  dans 
sa  cour.  Les  coaiirs  tendres  se  le  repr^sentent  comme  un  pere  qui  a  soin 
de  ses  enfants.  Le  sage  nc  lui  attribue  aucnne  affection  humaine.  (De 
TÄme,  1774.)  —  Les  physiciens  sont  devenus  les  h^rauta  de  la  Provi- 
dence:  un  cat^cbiste  aunonce  Dieu  k  des  enfants  et  un  Newton  le  d6- 
montre  aux  sagos.  (Art  Theisme.)  —  cf.  Art.  Ath6e,  S.  II. 

2  Le  fabricateur  ^ternel.  (Sophronime  et  Ad^los,  1766.)  —  L'6ternel  machi- 
niste.  (Trait^  de  mdtaphysique,  c.  8.)  —  L'architecte  de  runivors,  Tarran- 
geur,  formateur,  conservateur,  destructeur  et  reproducteur  u.  s.  w. 

3  Eine  der  wicbtigsten  Schriften  Voltaire's  ist  überschrieben:  II  faut  prendre 
un  parti  ou  le  principe  d'action  (1772).  Es  ist  der  treffendste  Aus- 
druck seiner  Meinung. 


Yolttire-Stndlen.  43 

]0t  %Ar  xDÖchtig^  nicht  aHmächtig,  ^  sehr  intelligent,  sehr  weise, 
unveränderlich^  ewig,  wie  das  Universum.  Identisch  mit  dem 
letzteren  ist  er  nicht:  er  ist  nur  dort,  wo  schon  etwas  ist.  Er 
ist  der  Arrangeur  der  Weltbestandtheile,  der  weise  Urheber 
der  allwaltenden  Gesetze.  Wie  Alles,  so  ist  auch  der  Mensch 
ein  Geschöpf  Gottes.  Gott  gab  ihm  seinen  Leib  und  pflanzte 
der  Materie  die  Fähigkeit  zu  denken  ein.  Durch  die  Organi- 
sation,  die  er  ihm  gab;  ward  er  zugleich  der  Urheber  des  ge- 
selligen Lebens^  der  Urheber  des  Sittengesetzes.  Von  einem  Fol 
zum  andern  ist  der  Urgrund  der  Menschennatur  gleich;  allein 
das  allen  Gemeinsame  ist  der  Abstufung,  der  Entwicklung^  der 
Vervollkommnung  fähig.  Das  ist  der  Punkt,  wo  die  Geschichte 
an  die  Stelle  der  Naturgeschichte  eintritt.  So  weit  bedarf  Vol- 
taire Gottes ;  so  weit  reicht  das  Unbegreifliche,  zu  dessen  Auf- 
hellung ihm  der  Gottesbegriff  verhilft:  von  da  ab  beginnt  das 
Reich  des  Menschlichen,  deshalb  Verständlichen. 

Die  ursprüngliche  Anordnung  der  Weltbestandtheile  durch 
eine  höchste  Intelligenz  vorausgesetzt,  vollzieht  sich  der  Ablauf 
der  Ereignisse  nach  unwandelbaren  Gesetzen;  für  besondere, 
80  oder  so  motivirte  Eingriffe  Gottes  ist  innerhalb  dieses  Systems 
weder  Bedürfniss,  noch  Möglichkeit  vorhanden.  Die  Ereignisse 
folgen  sich  nach  dem  Principe  von  Ursache  und  Wirkung.  Alles 
ist  Rad,  Rolle,  Strick,  Triebfeder  in  der  ungeheuren  Maschine. 
Kein  Geschöpf  ist  von  diesen  ewigen  Gesetzen  eximirt,  mag  es 
empfindungslos  sein  oder  Empfindung  haben.  Jedes  Geschöpf 
folgt  den  eigenen  Gesetzen  seiner  Natur^  ist  aber  in  das  grosse 
Ganze  hineinverwebt.  Man  missverstohe  aber  diese  Lehre  nicht. 
Wohl  ist  jedes  Ereigniss  die  Wirkung  vorangehender  Ursachen. 
Aber  nicht  jedes  Ereigniss  wird  selbst  wieder  Ursache.  Wenn 
die  Vergangenheit  die  Mutter  der  Gegenwart  ist,  so  geht  auch 
die  Gegenwart  mit  der  Zukunft  schwanger:  jedoch  nicht  jeder- 
mann ist  Vater,   wie  er  Kind  ist.     Es   verhält  sich  damit  wie 


*  n  est  T^ritableinoDt  le  seul  pnisBant,  puiflque  c^est  Itti  qni  a  tout  fonii^; 
maifl  il  n^est  pas  extravag^mment  puissant  .  .  Chaque  etre  est  circon- 
scrit  dans  sa  nature;  et  j'ose  croire  que  r£tre  sapreme  est  circonscrit 
dans  la  sienne.  (Dialogues  d^ilvh^m^re,  2.)  —  II  est  esciave  de  sa  voloot^, 
de  sa  sagesse,  des  propres  lois  qnMl  a  faites,  de  sa  nature  n^cessaire. 
II  ne  peut  les  enfreindre,  parce  qa'il  ne  peut  etre  faible,  inconstant, 
Tola^  comme  nous.  (Les  oreilles  du  Corate  de  Cbesterfield,  c.  4,  1775.) 


44  M»7r. 

mit  den  Stammbäumen:  alle  Häuser  geben  bis  auf  Adam  zurück, 
aber  es  gibt  in  jeder  Familie  Leute  genug,  die  keine  Nach> 
kommenschaft  hinterlassen.  *  ^Wenn  man  nicht  den  Kaiser- 
schnitt an  Cäsar's  Mutter  vorgenommen  hätte,  so  würde  Cäsar 
die  Republik  nicht  zerstört  haben.  Maximilian  heirathete  die 
Erbin  Burgunds  und  der  Niederlande,  welche  Heirath  die  Ursache 
zweihundertjähriger  Kämpfe  wurde.  Aber  ob  Cäsar  rechts  oder 
links  gespuckt,  ob  die  Erbin  von  Burgund  ihre  Coiffure  so  oder 
so  geordnet  hat,  das  war  sicherlich  fiir  das  System  der  Dinge 
gleichgiltig.  Es  gibt  eben  Ereignisse,  die  Wirkungen  hervor- 
bringen, und  andere,  bei  denen  dies  nicht  der  Fall  ist.^^ 

Von  dieser  Lehre  macht  *er  denn  auch  als  Geschichts- 
Philosoph  uneingeschränkten  Gebrauch.  So  sagt  er  einmal  in 
Bezug  auf  den  Islam :  ^  ,Diese  für  uns  so  gewaltige  Um- 
wälzung ist  in  Wahrheit  nur  gleich  einem  Atom,  das  in  der 
Unendlichkeit  der  Dinge  seinen  Platz  gewechselt  hat;  .  .  aber 
mindestens  ist  es  ein  Ereigniss,  welches  man  als  ein  Rad  in 
der  Maschine  des  Weltalls  und  als  eine  nothwendige  Wirkung 
der  ewigen,  unveränderlichen  Gesetze  betrachten  muss:  denn 
kann  sich  irgend  etwas  ereignen,  was  nicht  von  dem  Meister 
aller  Dinge  wäre  vorausbestimmt  worden?  Nichts  ist  anders, 
als  es  sein  muss  .  .  Wie  könnte  in  dem  Werke  des  ewigen 
Geometers,  der  die  Welt  hervorgebracht  hat,  nur  ein  einziger 
Punkt  sich  ausserhalb  der  Stelle  befinden,  die  ihm  der  oberste 
Künstler  angewiesen  hat?  Man  kann  Worte,  welche  dieser 
Wahrheit  widersprechen,  vorbringen;  aber  eine  entgegenge- 
setzte Meinung  kann  kein  Mensch  haben,  wofern  er  nachdenkt. 
Der  Graf  Boulainvilliers  behauptet,  Gott  habe  den  Mohamet 
erweckt,  um  die  orientalischen  Christen  zu  strafen  .  .  .  Allein 
dies  heisst  ihm  parteiische  und  particuläre  Absichten  unter- 
legen. Es  ist  doch  wunderlich,  sich  einzubilden,  das  ewige 
und  wandellose  Wesen  verändere  seine  allgemeinen  Gesetze, 
würdige  sich  zu  kleinlichen  Absichten  herab  .  .  .  opfere  durch 
einen    speciellen   Eingriff  die   von    seinem    Sohne    verkündete 

«  Art  jEnchainement*  nnd  »Deatin*.  —  Vgl.  die  Anmerkung  zum  75.  Vers 
des  Porm«  ,8ur  le  desastre  de  Lisbonne^  —  II  faut  prendre  un  parti 
(c.  6 — 8.)  —  Elements  de  la  philosophie  de  Newton,  I,  3. 

2  Note  zum  ,Poeme  sur  le  desastre  de  Lisbonne'  (17ö5). 

3  Remarques  de  TEsiiai  (1763),    IX. 


Voltatre-Studii'n.  45 

Religion  einer  falschen  auf.  Entweder  hat  er  seine  Gesetze 
verändert^  was  doch  ein  unbegreiflicher  Wankelmuth  bei  einem 
höchsten  Wesen  wäre;  oder  die  Vernichtung  des  Christenthums 
in  diesen  Himmelsstrichen  war  eine  unfehlbare  Folge  der  uni- 
versellen Gesetze^ 

Unter  den  so  verpönten  particulären  (den  gesetzmässigen 
Ablauf  der  Dinge  unterbrechenden)  Wirkungen  Gottes  nimmt 
in  Glauben  und  Geschichte  das  Wunder  den  ersten  Platz  ein. 
Die  Bekämpfung  des  Wunderglaubens  bildete  ein  Lieblings- 
thema der  Aufklärer.  Voltaire  hatte  hierin  berühmte  Vorgänger, 
wie  Woolston,  Bolingbroke,  und  einen  noch  berühmteren  Mit- 
kämpfer: D.  Hume.^  So  oft  Voltaire  auf  die  Wunderfrage  zu 
sprechen  kommt,  lässt  er  alle  Künste  seiner  corrosiven  Beredt- 
samkeit  spielen.  Meistens  ironisirt  er,  selten  bricht  er  in  Hohn 
oder  Entrüstung  aus.  In  seinen  verhältnissmässig  jüngeren 
Jahren  -r-  er  wurde  sehr  alt  und  blieb  sehr  lange  jung  — 
bevorzugt  er  die  leichteren  Formen  des  Witzes;  je  älter  er 
wird,  desto  knirschender  wird  sein  Ton.  Man  focht  eben  da- 
mals nicht  mit  Schulklingen,  sondern  mit  blanker,  nicht  selten 
vergifteter  Waffe, 

Auf  dem  Standpunkte  Voltaire's  gibt  es  kein  Wunder; 
fiber  Wunder  findet  von  Rechtswegen  weder  ein  Wissen,  noch 
ein  Meinen  oder  Glauben  statt.  Wohl  aber  gibt  es  einen 
Wunderglauben  als  historische  Thatsache,  als  historisch  machte 
vollen  Wahn,  der  es  seiner  thatsächlichen,  actuellen  Bedeutung 
halber  verdient,  auf  seinen  Ursprung,  seine  Motive,  Ziele, 
kurzweg  Erscheinungsformen  geprüft  zu  werden.  Unter  den 
historischen  Wundern  sind  wiederum  die  biblischen  für  uns 
die  wichtigsten,  nicht  weil  sie  realer  wären,  als  die  Wunder 
der  heidnischen  Welt^  sondern  weil  sie  den  stärksten  Einfiuss 
auf  die  Schicksale  der  Menschen  ausgeübt  haben.    Wenn  sich 


'  Ueber  Woolston'a  Schrift  (Disconraea  on  the  miracles  of  oor  aaviour) 
erzählt  Voltaire :  ,11  en  fit  en  deux  ans  depuia  1727  k  1729  trois  öditious 
de  vin^  mille  exemplairea  chacnne;  il  est  difficile  aujoard'hni  d*ea 
troaver  chez  lea  librairesS  (Art.  Miracles,  Sect.  IV.)  —  Er  selbst  bekämpft 
das  Wander  nnd  die  Wunder,  man  kann  sagen,  in  jeder  seiner  philo- 
sophischen oder  historischen  Abhandlungen.  Insbesondere  vgl.  Questions 
snr  les  miraclea  (1765).  —  Art  Miracles  (nach  Beuchot  nur  zum  TheUe 
Ton  Voltaire  herrührend). 


4G  tfayr. 

die  Wundergläubigen  darauf  berufen,  dass  Gott  nur  zu  Ounsten 
seiner  Auserwählten  Wunder  verrichte,  so  entgegnet  ihnen  der 
Philosoph,  dass  alle  Völker  sich  für  auserwählt  hielten  und  die 
Geschichte  aller  von  Wundern  wimmle,  die  man  einem  irgendwie 
benannten    Gotte    zuschreibe.     Entweder   —    oder!    Entweder 
gesteht    die    Göttlichkeit   all    diese   Wunder   zu,    oder   unter- 
werft  auch   eure   eigenen  Wundergeschichten  der  historischen 
und    philosophischen    Kritik.^     Die    erstere    beobachtet,    dass 
Wunder   zu   allen   Zeiten   an   guter  historischer   Beglaubigung 
Mangel   leiden;   dass   sie  sich  in  dem  Maasse  mehren,    als  die 
Zeiten  dunkler,  barbarischer,  unwissender  werden;  dass  sie  in 
dem  Maasse   verschwinden,   als  Vernunft   und  Aufklärung  zu- 
nehmen. ^     Die    historische    Kritik    lehrt   überdies,    daas    mit 
den  Mächten   des  Wahnes  auch   die  Absicht  zu  täuschen,    der 
Betrug,    Hand   in   Hand    geht.     Wunder    finden    sich   überall 
dort,   wo   es   theokratische   Ansprüche  gibt;   sie   sind   Stützen 
und  Mittel  der  Herrschaft  über  die  rohe  Menge.    Der  Wunder- 
glaube  vergeht   mit  dem   anbrechenden   Lichte  der  Vernunft. 
Das  Wunder  ist  dem  Philosophen  ein  Unding,  weil  es  eine  Ver- 
letzung der  mathematischen,  unabänderlichen,  göttlichen  Gesetze 
des  Weltalls  behauptet;  weil  es  auf  eine  ebenso  widerspruchs- 
volle, als  niedrige  Vorstellung  vom  Wesen  Gottes  basirt  ist;  weil 
es  auf  einem  barbarischen  Wahne  von  der  Wichtigkeit  unseres 
winzigen  Planeten  und  unserer  erbärmlichen  Querellen  beruht.^ 


*  Quoi?  vons  ne  croyez  paa  anx  miracles  rapportes  dans  les  Herodote  et 
les  Tite-Live  par  cent  anteurs  respect^s  des  nations;  et  youb  croyez  k 
des  aventnres  de  la  Palestine  racontes,  dit-on,  par  Jean  et  par  Marc, 
dans  des  livres  ignor^s  etc.  (Cat^chisme  de  rhonnete  homme,  1763.)  — 
jChaqae  peupleS  spottet  er  in  der  Phil,  de  Thist,  c.  39,  ,a  ses  prodigea ; 
mais  tont  est  prodige  chez  le  penple  juif ;  et  on  peut  dire  que  oela  devait 
etre  ainsi,  pnisqu^il  ^tait  condnit  par  Diea  möme.  II  est  clair  que 
rhistoire  de  Dieu  ne  doit  pas  ressembler  k.  celle  des  hommes/ 

3  Ponrquoi  a-t-il  (Dien)  fait  nne  foule  de  miracles  incompr^hensible  en 
faveur  de  cette  ch^tive  nation  avant  les  temps  qn*on  nomme  historiquea? 
Ponrquoi  n'en  fait-il  plus  depuis  quelques  siecles?  (Qnestions  de  Zapata 
III,  1767.)  — '  Depuis  les  temps  historiques,  c'est-^-dire  depuis  lea  con- 
qiietcs  d^Alezandre,  vous  ne  royez  plus  de  miracles  ches  les  Juifs.  (Art. 
Miracles,  S.  III.)  ^-  Plus  les  soci^t^s  perfectionnent  les  connaissances, 
moins  il  7  a  de  prodif^es.  (Ibid.) 

'  Eine  reizende  Persi6age  des  geocentriscfaen  Grössenwahnes  enthfilt  der 
Roman  Mikromegas. 


Voltaire-Stnaien.  47 

Den  Wunderglauben  finden  wir  häufig  mit  dem  Aus- 
erwäUungsglauben  verbunden.  Auch  dieser  widerspricht  allen 
besseren  Vorstellungen  über  Gott  und  Weltlauf;  er  ist  eine 
blosse  Ausgeburt  des  nationalen  Dünkels,  insbesondere  bei 
den  Juden  und  Christen.  ,Das  ist  doch  der  Gipfelpunkt  des 
Schreckens  und  der  Lächerlichkeit,  Gott  als  einen  unsinnigen 
and  barbarischen  Despoten  aufzufassen,  der  heimlich  einigen 
seiner  Günstlinge  ein  unverständliches  Gesetz  verkündet  und 
die  übrigen  Völker  hin  würgt,  weil  sie  von  diesem  Gesetze 
nichts  wissen.'  ^  Ebenso  widrig  dünkt  unserem  Philosophen 
eine  andere  Grundvorstellung  der  christlichen  Geschichts- 
Philosophie,  die  Lehre  von  der  Gnadenwahl  sammt  allem,  was 
daran  hängt,  der  civitas  dei  und  diaboli.  In  einem  seiner 
frühesten  Gedichte^  schon  sagt  Voltaire: 

Je  yenz  aimer  co  Dien,  je  cherche  en  lai  mon  p^re: 
On  me  montre  nn  tjran  qne  noiis  devons  hair. 

Ce  Dien  poursuit  encore,  aveugle  en  m  col^re, 
Snr  ses  demiers  enfants  Terreur  d^un  premier  p^re; 
II  en  demande  compte  k  cent  peuples  divers 

Assis  dans  la  nnit  da  nlensonge; 

II  punit  au  fond  de  Tenfers 
L*ignorance  invincible  oii  lai-mdme  il  les  plonge, 
Lni  qui  veat  Sclairer  et  sauver  runivors! 

Am^>rique,  vastes  contr^es, 
Penples  qne  Dien  fit  naitre  aus  portes  da  soleil, 

Vous,  nations  hyperborSeS) 
Qae  Terrenr  entretient  dans  un  si  long  sommeil, 
Serez-vous  poar  jamais  k  sa  fareur  livrdes 

Poar  n^avoir  pas  sa,  qu^aatrefois, 
Dans  an  aatre  hdmisph^re,  aa  fond  de  1a  Syrie, 
Le  fils  d*an  char])entier,  enfant^  par  Marie, 
Reni^  par  C^phas,  expira  snr  la  croix? 

Später  freilich  bekämpfte  er  den  nach  seiner  Meinung 
tyrannischen  und  ungerechten  Gott  der  jüdisch-christlichen 
Geschichtsphilosophie  nicht  mehr  vom  Standpunkte  einer  ge- 
fiihlvoUeren,  humaneren  Auffassung.  Er  sah  in  ihm  das  Wider- 
spiel seines  Gottes,  seines  ,ma!tre  de  la  nature^  mit  ihrer  ewigen, 

^  Dien  et  les  hommes   (1769),  Axiomes.   —  Vgl.  über  diesen  Gegenstand 

den  folgenden  Abschnitt  vorliegender  Abhandlang. 
'  Le  poar  et  le  contre  (1722). 


48  M»yt. 

undurchbrechbaren    Qesetzlichkeit.     Er    sah    in    der  jüdisch- 
christlichen   Religion   nur  ein  Exemplar  jener   positiven  Reli- 
gionen,  in   denen  der  Abei^glaube  der  Massen  und  der  Betrug 
der    Priester    Verkörperung   gefunden    haben.     Wenn    Einem 
Manne,  so  ist  ihm  die  Vernichtung  des  bis  dahin  herrschenden, 
noch  von  Bossuet  voi^etragenen  Geschichtssystems  zu  danken. 
Gerade   dass    er   hundertmal    und    tausendmal    die    nämlichen 
Themen   variirt,   dass   er   kein  Capitel  vorübergehen   lässt,    in 
dem  er  seinen  Gegnern  nicht  einen  Hieb  versetzt :  gerade  dies 
macht   das  Geheimniss  eines  literarischen  Erfolges  aus.    Trotz 
der   ernstlichst  gemeinten  Wiederbelebungsversuche  gelang  es 
nicht  wieder,  die  entschlafenen  Meinungen  zu  erwecken.    Mag 
einer   über  die  Beziehungen   der  überirdischen   zur   irdischen 
Welt   so  oder  anders  denken,   in  der  Geschichte,   als  Wissen- 
schaft,   darf   er   weder   Wunder-    noch  Auserwählungsglauben 
zum  Vorschein   kommen   lassen;    als   Mitwisser   der  göttlichen 
Absichten   darf  er  sich  nicht  geriren:    das  einmüthige  Verdict 
der  Wissenschaft  würde   ihn  widrigenfalls   in  seine  Schranken 
weisen.     Unser   historisches   Jahrhundert,    das   über   das    ,un- 
historische'  achtzehnte  so  gerne  die  Achseln  zuckt,  steht  doch 
auch  in  historischen  Dingen  auf  dessen  Schultern. 

Ist  Gott  der  weise  Schöpfer,  Ordner,  Erhalter  des  Welt- 
alls, so  entsteht  die  Frage,  erstlich  wie  es  sich  mit  dem  in 
der  Welt  vorhandenen  Uebel  verhält,  zweitens  wie  er  sich 
dazu  verhält. 

Für  Voltaire  gibt  es  nichts  Lächerlicheres  und  Beklagens- 
wertheres  als  den  Versuch,  das  Uebel  zu  leugnen  oder  hinweg 
zu  disputiren,  als  die  Theodicee  Shaftebury's,  Pope*8,  Leib- 
nizens,  als  den  Satz:  ,Tout  est  bicn^^  In  seinen  historischen 
und    philosophischen   Schriften,    wie   in   seinen   Romanen    und 


^  Ceux  qui  ont  cn6  quo  tont  est  bien  Bont  des  charlatans.  (II  fattt  prendro 
tili  parti,  15.)  —  Avouez  que  le  mal  oxiste,  ot  n^ajoutez  pas  k  tant  de 
iiiis6res  ot  d'horrenr«  la  fureur  absurde  de  los  nier.  (Ibid.)  —  L*auteur 
s'elöve  eontre  les  abus  qu'on  peut  faire  de  cet  ancien  axiome:  ,Tout 
est  bien^  II  adopte  cette  triste  et  plus  ancienne  verit^  reconnne  do  toas 
les  hotnmes,  qtt'il  y  a  dn  mal  sur  la  terre  .  .  ainsi  qne  du  bienj 
il  avoue  qu*aucuu  philosophe  ii^a  pu  Jamals  expliqoer  Torigine  da  mal 
moral  et  du  mal  physique.  (Pr^face  zum  Gedichte  ,Sur  le  disastre  de 
Lisbonne*  1756.) 


Voltaire-Siadicn.  49 

Gedichten  —  zumal  im  Candide  und  im  Poeme  sur  le  d^sastre 
de  Lisbonne^  —  gibt  er  in  uneingeschränktestem  Maasse  die 
Thatsache  des  Uebels  zu;  er  macht  auch  keinen  ernsthaften 
Versuch,  durch  ätiologische  oder  teleologische  Wendungen  uns 
mit  derselben  zu  versöhnen.  Seine  Schilderungen  des  physi- 
sehen,  intellectuellen  und  moralischen  Elendes  der  Menschen 
stehen  an  Drastik  hinter  denen  Schopenhauer's  kaum  zurück, 
der  Voltaire  auch  mit  Vorliebe  citirt.  Durch  die  ganze  Natur 
hin,  sagt  Voltaire,  walten  Kampf  und  Schmerz.  Ein  unwider- 
stehlicher  Hang  treibt  Thier  gegen  Thier,  und  eines  lebt  vom 
Morde  des  anderen.  Mensch  und  Vieh  leiden  fast  ohne  Unter- 
lass,  ja  jenem  ist  gerade  seine  höhere  Entwicklung  eine  Quelle 
vermehrten  Leides.^  Wie  zeigt  uns  erst  die  Geschichte  so 
recht  das  Elend  des  menschlichen  Daseins!  Man  werfe  nur 
einen  Blick  auf  die  Schicksale  der  Gesellschaft  etwa  von  den 
Proscriptionen  Sullas  bis  zu  den  irländischen  Massenmorden! 
)Un  esprit  juste',  sagt  er,  ,en  lisant  Thistoire  n'est  presque 
oecup^  qu'k  la  refuter.'  Er  nennt  die  Geschichte  ,un  tableau 
de  cruaut^s  et  de  malheurs  des  hommes,  une  suite  presque 
continue  des  crimes  et  des  d^sastres^^  Er  spricht  von  der 
ybizzarerie  des  öv^nements^,  von  der  Herrschaft  des  Wider- 
spruches, des  Unwahrscheinlichen,  des  Unberechenbaren,  des 
Dämmen   und  Schlechten.^    Er  schwankt  zwischen   dem  Tone 


'  Vgl.  die  Briefe  vom  28.  November  1755  bifl  beiläufig  Kum  Jänner  1756 
über  daa  Erdbeben  selbst  und  die  Briefe  vom  MSrz  1756  bis  in  den 
Mai  d.  J.  Ober  das  Poem.  Hiezu  das  Sendschreiben  Rousseau's  vom 
18.  Ang.  1756.  —  lieber  den  Werth  des  Lebens  im  AUgemeinen  spricht 
■ich  Voltaire  vornehmlich  in  seinem  Briefwechsel  mit  der  Du  Defiand  auB. 

^  II  faut  prendre  un  parti,  15 — 25. 

'  Je  Tous  avone  qne  je  souhaiterais,  pour  Tedification  du  genre  humain, 
qa*on  jet4t  dans  le  feu  toute  Thistoire  civile  et  ecclesiastique :  je  u'y 
voifl  gn^re  que  des  annales  des  crimes  .  .  puisque  la  papautä  a  subsist^ 
an  milien  d*an  debordement  si  long  et  si  vaste  de  tous  les  crimes, 
paiaqne  les  archives  de  ces  horreurs  n^ont  corrig6  personne,  je  conclus 
qae  Thistoire  n'est  bonne  k  rien*.  (L'A,  B,  C ;  12""*  entretien.) 

*  n  ue  faut  pas  croire  qu^il  y  alt  aucnne  v^rit^  fondamentale  dans  la 
science  de  Thistoire  comme  il  en  est  dans  les  mathematiqnes.  (Annales 
de  l'empire  a.  a.  919 — 920.)  —  La  bizzarerie  des  ^v^nements  qui  met 
taut  des  contradictions  dans  la  politiquc  humaine.  (Essai,  c.  140.)  — 
(Test  le  sort  du  genre  humain  que  la  vdrit^  soit  pers^cnt^e  d^s  qu*ellc 
oommence  k  paraitre.  (Ibid.  121.)  —  La  dostin^o  se  joue  de  Tunivers. 
9Hang«b«r.  d.  phiL-bist.  Gl.  CX?.  Bd.  I.  Hft.  4 


50  Miyr. 

des  Absehens  und  der  Entrüstung.  jDiese  Gescliiclite^  —  so 
sehliesst  er  seine  ^Annales  de  TEmpire'  —  ,ist  doch  beinahe 
nur  ein  ungeheures  Schauspiel  menschlicher  Schwächen,  Fehler, 
Verbrechen,  Unglücksßille,  worunter  man  einige  Tugenden  und 
Erfolge  gewahrt;  ebenso  verhält  es  sich  mit  allen  übrigen  Ge- 
schichten/ Fast  mit  den  nämlichen  Worten  drückt  er  sich 
im  Schlusscapitel  seines  Essai  aus:  ,Man  muss  gestehen,  dass 
diese  ganze  Geschichte  eine  Anhäufung  von  Verbrechen,  Thor- 
heiten  und  Unglücksfällen  ist,  worunter  sich  einiges  Gute  und 
einige  glückliche  Zeiten  befinden,  so  wie  man  etwa  in  wilden 
Wüsteneien  da  und  dort  verstreute  Wohnsitze  antrifft.'  ,Es 
scheint',  sagt  er  im  zehnten  Capitel  des  Ing^nu,  ,da88  die  Ge- 
schichte missfallt  und  langweilt,  wie  die  Tragödie,  wenn  sie 
nicht  durch  Leidenschaften,  Unthaten  und  grosse  Unfälle  be- 
lebt ist.' 

So  crass  diese  Aeusserungen  klingen  mögen,  vor  einer 
totalen  Weltvernoinung  haben  unsem  Philosophen  doch  stets 
Naturell,  bon  sens  und  ideale  Gesinnung  bewahrt.  Den  Ex- 
tremen abhold  hat  er  eine  mittlere  Stellung  gesucht.  Im  Baboue 
heisst  es:  ,Si  tout  n'est  pas  bien,  tout  est  passable'.  Dieselbe 
Ansicht  bekennt  er  auch  noch  Jahrzehnte  später.*  Weder  die 
positive  Natur  des  Vergnügens,  noch  die  Hoheit  der  mensch- 
lichen Vernunft,  noch  das  Vorhandensein  der  Tugend  hat 
Voltaire  jemals   bezweifelt.    Der  geschichtliche  Fortschritt  ge- 


(Remarqties,  X,  1768.)  —  Si  vons  aimez  tut  tablean  trcB  fidMe  de  ce 
vilain  monde,  vons  en  trouverez  un  qoelque  jour  dans  ^rhistoire  g<^n^rale* 
des  fiottises  du  genre  humain.  (A  M.  Du  Deffand,  13.  Oct.  1759.)  —  Ce 
qui.  nVflt  j^a»  vraisemblable  est  arrivd ;  et  c'est  qu*on  a  vu  cent  fois  dans 
cette  vaste  Iiistoire  ou  los  grands  ^v^nements  ont  presqne  tonjonrs  tromp^ 
les  hommes.  (Conclusion  von  1763.)  —  La  t«rre  entiere  est  gouvern^e 
par  des  contradictions.   (Fragments  historiques  snr  Tlnde,  c.  7.)  — 

O  triste  muse  de  l^histoirc 
Ne  grave  plus  h  la  memoire 
Ce  qui  doive  p^rir  k  jamais; 
Tu  n*a  vu  qu'horrour  et  d^Ure, 
Les  annales  de  chaque  empire 
Sont  lc8  archives  des  forfaits. 

(Ode  Rur  le  pass6  et  le  präsent,  1776.) 

L'A,B,C;  3"'  entretien  (1769).  —  Dialognes  d'Evb^mtre  (1777),  2.  — 
Histoire  de  .Jenny  (1775),  9. 


Voltaire-dtadien.  51 

hört  zn  den  Fundamentalsätzen  seines  Bekenntnisses.  Allein 
sein  klarer  Kopf  vermochte  nie  einzusehen,  dass  die  That- 
sächlichkeit  und  Fühlbarkeit  des  Uebels  aus  der  Welt  geschafFt 
oder  nur  irgendwie  gemildert  werde  durch  die  Einsicht  in  die 
Nothwendigkeit  ^  oder  durch  leere  Speculationen  über  die  Zweck- 
mässigkeit des  Widrigen  und  Verwerflichen  oder  gar  durch  die 
Berufung  auf  die  unerkennbaren  Eigenschaften  Gottes.  Aller 
Theodicee  war  er  feind. 

Schon  im  grauen  Alterthume  versuchten  die  Inder  das 
physische  und  moralische  Uebel  zu  erklären  und  zu  recht- 
fertigen. Sie  erfanden  den  vielfach  nachgeahmten  Roman  vom 
Falle  der  Geister,  ihrer  Busse  und  Erlösung;  das  Uebel  galt 
ihnen  als  gerechte  Strafe  des  Bösen,  als  Mittel  zur  Reinigung. 
Allein  eine  noch  so  schöne  Fiction  vermag  unseren  Verstand 
nicht  zu  beschwatzen.  Es  kamen  die  Perser  und  trennten  das 
gnte  Princip  vom  Bösen;  sie  zerrissen  die  Einheit  des  welt- 
bewegenden Principes.  Polytheisten,  Monotheisten,  Philosophen 
aller  Schulen  versuchten  sich  in  der  Rechtfertigung  des  Uebels.^ 
Voltaire,  der  das  Uebel  einräumt  und  sich  nicht  durch  Re- 
flexionen auf  den  Zusammenhang  des  Weltalls  irre  machen  lässt, 
empfindet  eben  gar  kein  Bedürfniss,  seinen  Gott  von  der  Schuld 
oder  Mitschuld  am  Uebel  zu  reinigen.  Sein  Gott  ist  zwar 
mächtig,  aber  nicht  allmächtig  im  überschwenglichen  Sinne 
der  Theologie;  er  ist  auch  weise  und  gut;  jedoch  erzeigen  wir 
ihm  keinen  Dienst,   wenn   wir   nach   dem  Wenigen,   was   wir 

'  D  serait  bien  plns  important  de  trouver  an  rem^de  k  nos  maux,  mala 
il  n'y  en  a  point,  et  nouB  sommes  r^dnits  k  rechercher  tristement  lenr 
origin  e.  (Art.  Bien.)  V^l.  die  drastische  Schildemng  einer  Steinoperation 
im  Art  Tont  est  bien.  ,Je  menrs  dans  des  tourments  aflfreux:  tont  cela 
est  bien,  tont  cela  est  la  suite  Evidente  des  principes  physiqnes  inalt^rables.* 

'  II  fant  prendre  nn  parti,  17  —  25.  —  Ueber  Leibniz  vgl.  Philosopbe 
Ignorant,  26.  —  Art.  Tont  est  bien,  —  Gegen  ihn,  Pope  und  Shaftes- 
bory  kjlmpft  er  vornehmlich  für  die  Ansicht,  dass  alle  Rechtfertigung 
des  Uebels  verlorene  Mühe  sei;  erstlich,  weil  die  hiezn  verwendeten 
Gedankengfinge  die  Grenzen  nnserer  Erkenntniss  überschritten ;  zweitens, 
weil  das  Uebel  nicht  aufhöre  Uebel  zu  bleiben,  wenn  wir  noch  so  sehr 
eingesehen  haben,  dass  es  nothwendig  und  gut  sei;  drittens,  weil  der 
Widerspruch  zwischen  der  Annahme  eines  allervollkoromensten  Wesens 
und  der  Thatsache  des  Uebels  bestehen  bleibe,  mögen  wir  die  Sache 
wenden,  wie  wir  wollen. 

4* 


52  Mayr. 

von  der  Welt  und  ihrem  Zusammenbange  wissen^  oder  wenn 
wir  nach  unseren  beschränkten,  augenblicklichen  Zwecken  (k  la 
Pangloss)  die  Vorsehung,  ihre  Weisheit  und  Güte  rechtfertigen 
wollen.  Mit  unserer  Vernunft  und  Einsicht  können  wir  der 
allgemeinen  Vernunft,  deren  Emanationen  sie  sind,  schwerlich 
zu  Hilfe  kommen.^  Sicher  ist  nur  dies,  dass  Gott  wirklich 
der  Urheber  der  Gesetze  ist,  denen  zufolge  das  Uebel  eintritt, 
dass  Gott  die  Welt  nicht  anders  machen  konnte,  als  sie  ist, 
eben  die  Welt  mit  all  ihrem  Jammer  und  Verderben.  ,Ich 
werde  stets  über  den  Ursprung  des  Uebels  ein  wenig  in  Ver- 
legenheit bleiben,  aber  auch  vermuthen,  dass  der  gute  Oromase 
(Ahura  -  mazda),  der  Alles  gemacht  hat,  es  nicht  hat  besser 
machen  können.  Unmöglich  liegt  eine  Beleidigung  für  ihn 
darin,  wenn  ich  sage:  Du  hast  Alles  gethan,  was  ein  mächtiges, 
weises  und  gutes  Wesen  vermag.  Es  ist  dein  Fehler  nicht, 
wenn  deine  Werke  nicht  eben  so  gut,  eben  so  vollkommen 
sein  können,  wie  du  selbst  .  .  Du  hast  keine  Götter  machen 
können,  es  war  nothwendig,  dass  die  Menschen  bei  all  ihrer 
Vernunft  auch  Narrheit  besässen,  so  wie  Reibungen  bei  joder 
Maschine  unvermeidlich  sind  .  .  Für  meine  Person,  so  unvoll- 
kommen ich  bin,  danke  ich  dir  doch,  dass  du  mir  für  einige 
Zeit  das  Dasein  geschenkt  und  mich  insbesondere  nicht  zum 
Theolügieprofessor  geschaffen  hast.'  ^  Die  ewige  Weltordnung 
und  deren  intelligentes  Princip  ist  eben  zu  erhaben,  als  dass 
wir  auch  nur  das  Recht  hätten,  es  mit  unseren  Schmerzen  und 
Klagen  in  Verbindung  zu  bringen.  Die  Uebel  und  Leiden  der 
Menschen  afficiren  Gott  nicht.  Wir  haben  eine  der  mensch- 
lichen Kraft  angemessene  Leidensfähigkeit;  unsere  mensch- 
lichen Schmerzen  und  Unvollkommenheiten  erregen  weder  das 


1   Tout  en  Diea  (1769),  Bösnltat.  —  Art  Bien. 

'  II  fant  prcndro  iin  jmrti,  24.  —  II  y  a  certainement  des  choses  qne  la 
fluprümc  intcUigcnce  iie  peat  empecher  .  .  La  liste  de  ces  impossibilites 
serait  tr&s  longuc;  il  est  donc  tros  vraisemblable  que  Dien  n*a  pu  em- 
pecher le  mal.  (Lettrea  de  Memmins  h  Ciceron.  Trait«^  de  Memmios, 
VIII.)  -  Tons  CC8  caracteres,  qui  nie  paraissent  essentiels  k  Dien,  ne 
me  disent  pas  qu*il  ait  fait  Timpossible  .  .  J1  etait  probablement  contra- 
dictoire  que  le  mal  n^entrAt  pas  dans  le  monde.  (Dialogues  d^Evh^- 
m^re,  2.)  —  Tout  en  Dien,  Resultat.  —  II  y  a  dans  la  nature  nne 
intelligence;  et,  par  les  imperfections  et  les  niis^res  de  cette  natnre,  il 
me  parait  que  cette  intelligence  est  born/^e.  (A  Dalembert,  27.  Nov.  1771.) 


Yoltaira-Sindien.  53 

Hideidy  noch  den  Zorn  Gottes,  dass  dieser  sich  etwa  veranlasst 
fiihlen  könnte,  die  einmal  festgestellte  Ordnung  zu  alteriren. 
Unser  Elend  bleibt  Elend,  woferne  wir  nicht  selbst  die  göttliche 
Gabe  der  Vernunft  zu  dessen  Linderung  verwenden.  Nur  darin 
liegt  Trost;  die  Einsicht,  dass  es  so  sein  müsse,  oder  die  Fiction, 
dass  es  so  sein  solle,  gewährt  keinen. 

Alles  Wehe  beschränkt  sich  schliesslich  auf  die  empfin- 
denden Wesen.  Physisches  und  moralisches  Elend  kennt  nur 
der  Mensch.  Es  ist  mit  dem  innersten  Kerne  seines  Wesens 
anzertrennlich  verknüpft,  Auf  den  Menschen,  den  eigentlichen 
Träger  der  Geschichte,  d.  h.  des  vielen,  vielen  Leides  und 
des  wenigen  Guten,  das  ihm  zu  Theil  geworden,  müssen  wir 
nan  unseren  Blick  wenden. 

Der  innerste  Kern  der  Menschennatur  ist  überall  der 
nämliche.'  Wie  könnte  es  auch  in  dieser  gleichförmigen  Welt 
anders  sein?  Natura  est  semper  sibi  consona.  Im  sogenannten 
Physischen  tritt  dies  aufs  deutlichste  hervor.  Alle  Verrich- 
tungen der  gleichartigen  Organe,  alle  damit  verbundenen  Ge- 
ixihle  und  Begierden  sind  überall  gleich.  Demzufolge  sind 
aach  die  Grundrichtungen  des  geselligen  Lebens,  soferne  sie 
auf  der  Natur  des  Menschen  beruhen,  bei  allem  Wechsel  der 
Formen,  ein  und  dieselben.  Das  Gebiet  des  Veränderlichen 
zeigt  sich  durchweg  eingeschränkt.  Der  Mensch  ist  seiner  Cor- 
porisation  nach  eines  der  schwächsten,  das  waffenloseste  unter 
den  Landsäugethieren.  Die  Männchen  sind  stärker  als  die 
Weibchen.2  Den  Bedürfnissen  des  Körpers  entsprechen  die 
primitiven  Verrichtungen,  von  denen  keiner  eximirt  ist  und 
in  denen  das  Leben  aller  Menschen,  wenige  ausgenommen, 
ohne  Rest  aufgeht.  Ein  Stück  Brod,  eine  Hütte  und  ein  Ge- 
wand: ,Voilä  rhomme  tel  qu'il  est  en  gön^ral  d'un  beut  de 
l'univers  ä  Tautre^*'^  Auf  diesen  unabänderlichen  Bedürfnissen, 
auf  der  Arbeit,  sie  zu  gewinnen  und  zu  erhalten,  ruhen  Ge- 
sellschaft und  Geschichte.  ,Le  physique  gouvcrno  toujours 
le  moraL'** 


I  Essai,  197;  ibid.  142. 

^  Art  Femme.    —  L'homme  a  beaucoup  de  superiorite  par  celle  du  corps 

et  m^me  de  Tesprit. 
'  Art.  Homme.  —  Art.  Instinct. 
*  Art.  Femme.  (Physique  et  morale.) 


54  Mayr. 

Doch  sind  die  MenBchen  weder  im  PhyBiachen,  noch  Mora- 
lischen vollkommen  gleich.  Es  gibt  auch  Unterschiede.  Die 
verschiedenen  Racen  z.  B.  zeigen  eine  nicht  unerhebliche  Diver- 
sität  der  äusseren  Erscheinung  und  der  geistigen  Begabung.^ 
^Gleichwie  Birnbäume,  Tannen,  Eichen  nicht  von  demselben 
Baume  abstammen,  so  kommen  auch  die  bärtigen  Weissen,  die 
wollhaarigen  Neger,  die  schlichthaarigen  Gelben  nicht  von  dem 
nämlichen  Menschen  her.  ^  Dieselbe  Vorsehung,  die  den  Ele- 
phanteu  geschaffen  hat,  hat  auch  in  einer  andern  Welt  Menschen 
von  einem  Charakter  entstehen  lassen,  welcher  nicht  der  unserige 
ist.'^  Voltaire  ist  demnach  ein  Anhänger  der  Lehre  von  der 
Unveränderlichkeit  der  Arten,  und  weil  er  die  Menschenracen 
für  ,bona8  species^  hält,  so  kann  er  nicht  umhin,  sie  mit  all 
ihren  charakteristischen  Merkmalen  direct  aus  der  Hand  des 
Schöpfers  hervorgehen  zu  lassen.^ 

Wie  hinsichtlich  des  Körperlichen  und  Physischen,  so  ist 
auch  hinsichtlich  des  Psychischen  und  Moralischen  die  Natur 
des  Menschen  nur  eine ;  aber  der  Spielraum  des  Veränderlichen 
erweitert  sich.  Was  die  intellectuelle  Seite  des  Menschen  betrifft, 
so  legt  Voltaire  auf  sie  einen  grossen  Nachdruck,  wie  es  sich 
für  einen  Schüler  Locke's  ziemt.  ^ 

Es  gibt  keine  angeborenen  Ideen  (im  Sinne  des  Cartesius), 
welche  der  Schöpfer  in  den  Menschen  gepflanzt  haben  soll. 
Alles  muss  sich  der  Mensch  erwerben.  Er  tritt  in  die  Welt 
hinein  und  empfangt  von  ihr  mittels  der  Sinne  diverse  Eindrücke; 
daraus  schafft  er  seine  mehr  oder  minder  compHcirten  Ideen. ^ 
Sowie  das  Kind  bildet   sich  auch   der  historische  Mensch  erst 


1  Art.  Homme.  (Diff.  r&ces.)  —  Essai,  c.  146 :  On  peat  r^dnire,  si  Ton  vent, 
sous  une  seule  espece  tous  les  hommes,  parce  qu'ils  ont  tous  les  memes 
organes  de  la  vie,  des  sens  et  du  mouvement  Mais  cette  esp&ce  parat  evi- 
demment  divis^e  en  plusiears  autres  dans  lephysiqueetdanslemoral. 

a  Traitö  de  M^taphysique  (1734),  I. 

3   Phil,  de  l'hist.,  8. 

*  Si  Oll  ne  s^ötonne  pas  qu*il  y  ait  des  mouches  en  Amerique,  c'est  une 
stupidit^  de  s'^tonner  quUl  y  ait  des  hommea  .  .  Le  maitre  de  la  nature 
a  peuple  et  vari^  le  globe.  (Essai,  c.  146.)     Vgl.  Phil,  de  Thist,  8. 

^  Tant  de  raisonneurs  ayaiit  fait  le  roman  de  Tarne,  un  sage  est  venu, 
qui  en  a  fait  modestement  Thistoire.  (Lettres  philosophiqiies,  13.) 

6  Trait6  de  Mctaphysique,  c.  3.  —  La  nature  6tant  par  tout  la  meme,  les  hoinmes 
out  du  adopter  les  memes  v^rites  et  les  memes  erreurs.  (Phil,  de  Thist.,  6.) 


Voltaire-Stadien,  55 

allfliälig  im  Laufe  der  Zeit  seine  Vorstellungen  über  Gott,  Seele 
und  Welt.*  Jedoch  wird  der  Mensch,  wenn  er  die  untersten 
Stufen  überschritten  hat,  in  eine  schon  vorhandene  Welt  von 
Ideen  und  Meinungen  hineingeboren.  Wie  diese  überhaupt  die 
Welt  regieren,  so  bemächtigen  sie  sich  des  Einzelnen  und  lassen 
ihm  nur  einen  geringen  Spielraum.^  Die  Freiheit  gewinnt  der 
Mensch  nur  durch  die  höchste  Entwicklung  seiner  intellec- 
tuellen  Anlagen.  Irrthum  und  Wahn  machen  den  Menschen  un- 
glücklich und  böse;  nur  die  Aufklärug  der  Vernunft  vermag 
um  gut  und  glücklich  zu  machen.^ 

Jedenfalls  gestaltete  sich,  wie  man  daraus  vorläufig  ersehen 
kann,  auf  dem  Locke -Voltaire'schen  Standpunkte  die  Geschichte 
weit  interessanter,  als  auf  dem  Bossuet^schen  oder  Cartesia- 
nischen.  Von  dem  Principe  der  Wunder-,  Eingriffs-  und  Aus- 
erwählungstheorie  ganz  abzusehen,  so  hemmte  das  geschichts- 
widrige  System  der  eingebornen  Ideen,  weil  es  aus  historischer 
Ignoranz  stammte,  das  Verständniss  der  Geschichte.  Aus  dem 
Locke'schen  Princip   ergab   sich   dagegen   die   fruchtbare  Auf- 


^  Yomehmlich  Phil,  de  Thist.,  c.  4—6.  Tout  a  sa  source  daus  la  natnre 
de  Teaprit  Iiumain.  (Ibid.  48.) 

^  Ueber  die  Macht  der  ,opuiiou'  vgl.  die  Remarques  de  TEssai  (1763). 
L^opinion,  cette  reine  inconataute  du  nionde.  (Art.  Climat.)  —  Die 
Leiatuugeu  des  Menschen  auf  wissenschaftlichem,  überhaupt  geistigem 
Gebiete  gelten  ihm  als  die  höchsten. 

,£t  le  plus  digne  objet  des  regards  etemels 

Le  plus  brillant  spectacle,  est  T&me  du  vrai  sage 

Instruisant  les  mortels.* 

(Ode  k  1£M.  de  TAcad^mie  des  Sciences.)  L^opinion  gouverne  le  monde, 
mais  ce  sont  les  sages  qui  k  la  longue  dirigent  cette  opiuion.  (Conformez 
vous  aux  temps,  1764.) 

'  La  seule  maniere  d'empecher  les  hommes  d^etre  absurdes  et  mechauts,  c'est 
de  les  dclairer.  (Remarques,  c.  XV.)  —  Pourqnoi  le  plus  superstitieux 
est-il  le  plus  mechant?  (Dlalogues  d'Kvh^mere,  I.)  —  Vgl.  vornohmlich 
«Eloge  historique  de  la  raison*  (1774).  —  II  est  ridicule  k  penser 
qu  une  nation  eclairde  ne  soit  pas  plus  heureuse,  qu^une  untion  iguorante. 
(Reflexions  pour  les  sots,  1760.)  —  Les  hommes,  etaut  plus  6claires,  en 
sont  devenns  plus  sages  et  moins  malheureux.  (Cri  des  nations,  1769.) 
La  vertu,  quand  eile  est  eclairee,  change  eu  paradis  Teufer  de  cc  mondc. 
(A  M.  le  Chevalier  de  Richelieu,  20.  Sept.  1760.)  —  N^est-ce  donc  rien 
d*etre  gueri  des  malheureux  prcjuges  qui  mettent  u  la  chaiue  la  plupart 
des  hommes  et  surtout  des  femmes?    (A  M.  Du  DelTand,  4.  Juui  1764.) 


56  U»fr. 

fassimg;  dass  die  Geschichte  das  Reich  der  sinnvollen,  geistig 
belebten  Veränderung  und  Fortschreitung  sei;  dass  es  gelte, 
den  Spuren  des  Geistes  nachzugehen  und  sich  über  den  jeweilig 
erreichten  Höhegrad  ein  Urtheil  zu  bilden. 

Voltaire,  der  Erfahrungs-  und  Geschichtsphilosoph,  liebt 
nicht,  den  Menschen  als  isolirtes  Wesen  zu  betrachten.  So  oft 
er  auf  ihn  zu  sprechen  kommt,  denkt  er  sich  ihn  als  Mensch 
unter  Menschen,  als  ,bete  sociale^  In  der  gesammten  Thier- 
weit,  lehrt  er,  manifestirt  sich  die  Unveränderlichkeit  der  In- 
stincte.  Der  Vogel  baut  sein  Nest,  wie  die  Gestirne  ihre  Bahn 
einhalten.  Wäre  der  Mensch  zu  einem  solitären  Leben  bestimmt 
gewesen,  wäre  er  dann  wohl,  dem  Naturgesetze  zuwider,  ein 
geselliges  Wesen  geworden?  Der  Mensch  muss  von  Anbeginn 
kraft  Naturgebotes,  nicht  infolge  naturwidriger  Entwicklung  in 
He  erden  gelebt  haben.  Freilich  hat  er  nicht  immer  ,schöne 
Städte,  Vierundzwanzigpfünder,  komische  Opern  und  Nonnen- 
klöster gehabt;  aber  von  jeher  hat  ihn  der  Instinct  beseelt, 
sich  in  seiner  eigenen  Person,  in  der  Gefährtin  seiner  Lust, 
in  seinen  Kindern,  seinen  Enkeln,  den  Werken  seiner  Hand 
zu  liebend  *  Weil  der  Grund  zur  Gesellschaft  stets  vorhanden 
war^  so  hat  es  auch  stets  eine  gegeben.  So  roh  wir  uns  den 
Menschen  auch  denken  mögen,  wie  die  Dachse  oder  Hasen 
hat  er  nie  gelebt. 

Den  stärksten  Antrieb  zur  Geselligkeit  bildet  die  sexuelle 
Begierde.  Auf  ihr  und  dem  instinctiven  Wohlwollen  fiir  die 
Gattung  ruht  die  älteste,  einfachste  Grundform  der  Gesellschaft : 
die  Familie,  2  ,Jede8  Thier  wird  durch  einen  unbezwinglichen 
Instinct  zu  allem  getrieben,  was  seiner  Erhaltung  dienen  kann ; 
es  gibt  aber  Momente,  in  denen  es  durch  einen  fast  ebenso 
starken  Instinct  zur  Paarung  und  Fortpflanzung  angetrieben 
wird,  ohne  dass  wir  jemals  sagen  könnten,  wie  dies  alles  vor 
sich  geht.*  ^    Wie  bei  anderen  Thiercn,  so  erstreckt  sich  auch 

»   Phil,  de  rhiflt.,  7. 

3  Art.  Amour.  —  LMiomme  n^est  pas  comme  les  autres  animaux,  qui  n^ont 
qiie  rinatinct  de  Tamour  -  propre  et  celui  de  Tacconplement;  uon  seale- 
inent  il  a  cet  amour- propre  necessaire  pour  sa  conservation,  mais  il  a 
aussi,  pour  son  espece,  une  bienveillance  naturelle.  (Trait^  de  M^ta- 
phyßique,  8.) 

3  Phil,  de  rhist,  7. 


Voltafar^StQditn.  57 

beim  Menschen  die  Gesellung  über  die  Qeburt  des  Jungen 
hinaus.  Auf  dieser  Stufe  entwickelt  sich  bereits  der  mecha- 
nische Instinct,  mit  welchem  der  Mensch  lange  versehen  ist, 
ehe  er  die  Gesetze  der  Mechanik  aufzufassen  vermag.  Der 
Keim  einer  Sprache  entsteht,  der  freilich  erst  später  zur  Ent- 
faltung kommt.  Ohne  Nachahmungstrieb  keine  Sprache.  ,Man 
wird  zweifeUos  mit  Ausrufungen  zur  Bezeichnung  der  ersten 
Bedürfnisse  angefangen  haben;  hierauf  werden  die  begabteren 
Individuen,  welche  mit  den  biegsamsten  Organen  geboren  waren, 
einige  Articulationen  versucht  haben,  die  ihre  Kinder  wieder- 
holten.^ Die  ersten  Sprachen  dürften  monosyllabisch  gewesen 
sein.  Nun  ging  es  mit  der  Gesellschaftsbildung  rascher  von 
Statten.  Aber  zur  Entstehung  von  Reichen,  wie  sie  der  alte 
Orient  aufweist,  bedurfte  es  ungezählter  Jahrtausende,  sowie 
des  Zusammentreffens  vieler  begünstigender  Umstände.  ^  Dieser 
.concours  de  circonstances  favorables'  ist  die  Formel,  durch 
welche  die  mechanische  Weltanschauung  ihre  Entwicklungs- 
lehre von  den  entsprechenden  Doctrinen  der  teleologischen 
Systeme  unterscheidet.^ 

Für  die  Entwicklung  des  Menschen,  welchen  wir  bisher 
nach  seiner  physischen  und  intellectuellen  Seite  gekennzeichnet 
haben,  kommt  vor  allem  sein  moralischer  Charakter  in  Betracht.^ 
Voltaire's  gemässigter  Ansicht  standen  hier  zwei  diametral  ent- 
gegengesetzte outrirte  Meinungen  gegenüber.  Nach  der  einen 
ist  der  Mensch  in  Folge  des  Sündenfalls  corrumpirt,   mit  der 


'  Phil,  de  rhist.,  3.  —  II  est  certain  qa^l  y  a,  dans  tontes  les  langues 
dn  monde,  nne  logiqne  secr&te  qui  conduit  les  idSes  des  hommes  sans 
qTi'ils  s'en  aper^oiyent,  comme  il  7  a  one  g^omitrie  cacb4e  dans  tous 
le«  arts  de  la  main,  sans  que  le  plus  grand  nombre  des  artistes  s*en 
doute.  (A  Beaugee,  14.  Jänner  1768.)  Les  philosophes  n*ont  point  £ut 
l«fl  langlies  et  voilk  pourqnoi  elles  sont  tontes  imparfaites.  (Ibid.) 

3  n  a  falln  partont,  non  senlement  nn  espace  de  temps  prodigienx, 
mais  des  circonstances  henreuses,  poor  que  rhonune  s^^leTftt  aa- 
dessas  de  la  vie  animale.  (Ayant-propos  de  TEssai.) 

'  Tous  ces  penples  ne  neos  ressemblent  qne  par  les  passions  et  par 
la  raison  nniverselle   qui  contrebalance  les  passions  .  .   Ce  sont  ]k 

9 

les  deux  caractires  que  la  nature  empreint  dans  tant  des  races  d'hommes 
diff^rentes.  (Essai,  143.)  —  La  nature  a  donn^  k  rhomme  la  disposition 
ä  la  pitid  et  le  pouvoir  de  comprendre  la  v^rit^.  Ces  deux  pr^sents  de 
Dieu  sont  le  fondement  de  la  soci^t^  civile.  (Art.  Conscience.) 


58  Majr. 

Erbsünde  behaftet,  ohne  göttliche  Hilfe  zeitlichem  und  ewigem 
Elende  verfallen.  Nach  der  anderen  ist  der  Mensch  von  Natur 
gut  und  glücklich;  aber  durch  die  Cultur  verderbt,  entartet; 
unglücklich  gemacht.  Die  eine  ist  die  Doctrin  der  Kirche,  die 
andere  die  Lehre  Rousseau's.  Mit  jener  ist  auch  das  Axiom 
Hobbes'  verwandt,  aus  welchem  er  seine  Staatslehre  ableitet. 
Voltaire  hält  die  Lehre  von  der  absoluten  Bosheit  und  Corrup- 
tion  der  Menschennatur  für  einen  schlimmen  Wahn,  der  von 
eigensüchtigen  Priestern  genährt  werde,  um  die  Menschen  in 
Abhängigkeit  zu  erhalten.  ^  Qegen  die  Lehre  Rousseau's  empört 
sich  sein  historischer  Sinn.  Seine  wissenschaftliche  Ueberzeugung 
geht  dahin,  dass  der  anfanglich  wilde,  barbarische,  vernunft- 
lose Mensch  nur  mittelst  der  Cultur  schrittweise  besser,  gebil- 
deter und  auch  glücklicher  geworden  sei.^  Nach  Voltaire's 
Ansicht  ist  die  menschliche  Natur  nicht  böse;  sie  ist  ein  Gemisch 
von  Gut  und  Böse,  Tugend  und  Laster.  Wäre  der  Teufel 
wirklich  der  Herr  dieser  Welt,  sagt  er,  so  gäbe  es  längst 
keinen  Menschen  mehr.  ^ 

In  seinen  jüngeren  Jahren  waren  Voltaire's  Ansichten  leicht- 
blütiger, milder,  optimistischer;  in  seinen  späteren  wurde  er 
strenger,  herber,  unzufriedener  mit  Welt  und  Weltlauf.  Eine 
principielle  Wandlung  seiner  Ansichten  hat  er  nicht  durch- 
gemacht. Er  hebt  später  nur  das  Widrige,  Böse,  Sinnlose  stärker 
hervor  und  legt  minderes  Gewicht  auf  Gedankengänge,  die  uns, 
wenn  nicht  ganz,  so  doch  einigermaassen  mit  dem  Laufe  der 


1  Art  Homme.  (Uhomme  est-il  ii^  mdchant?)  —  L'A,  B,  C;  3"><>  entretien.  — 
Art  Original.  (P6chä.) 

3  Art.  Homme.  (De  Thomme  dans  T^tat  de  pure  natare.) 

3  1728  schreibt  er  gegen  Pascal:  ,J*ose  prendre  la  partie  de  Thumaniti 
contre  ce  misauthrope  sublime;  j'ose  assurer  que  nous  ne  sommes  ui  si 
mechants,  ni  si  malheureux  qu*il  le  dit.  (Premiers  remarques  s.  Pascal.) 
—  L^ homme  est  m6l6  de  mal  et  de  bien,  de  plaisir  et  de  peine.  —  Si  le 
crime  est  sur  la  terre,  la  vertu  j  est  aussi.  (Histoire  de  Jenni,  9.)  —  II 
y  a  des  aspects  sous  lesquels  la  nature  humaine  est  la  nature  infer- 
nale. (A  Pinto,  21.  Juli  1762.)  —  N*admirez-voas  pas  comme  cette  vie 
est  mcMe  de  haut  et  de  bas,  de  blanc  et  de  noir?  (9.  Febr.  1767,  h 
Damilaville.)  —  Vous  avez  grande  raison,  monsieur,  de  dire  qu*on  a  sou- 
vent  exager^  la  m^chancete  de  la  nature  humaine,*  mais  il  est  bon  de 
faire  des  caricatures  des  mechantes  gens,  et  de  leur  pri^senter  des  ml- 
roirs  qui  les  enlaidissent  (A  Condorcet,  1.  Febr.  1772.) 


Toltaire-Btndien.  59 

Dinge  versöhnen  können.  Eine  Apologie  der  Selbstliebe  und  der 
Leidenschaften,  wie  sie  das  achte  Capitel  des  Trait^  de  metaphy- 
sique  enthält;  eine  Verherrlichung  der  Sinnenlust  und  des  raffi- 
nirten  Genusses,  wie  im  Mondain,  hätte  er  später  nicht  wieder  ge- 
schrieben, obgleich  er  weder  die  Selbstliebe,  noch  die  Begierden, 
noch  die  Freuden  des  Daseins  als  solche  jemals  missbilligte.  Zur 
Fahne  der  Asketen  hat  er  niemals  geschworen.  >  In  den  eben 
erwähnten  Schriften  seines  Jugend-  und  Mannesalters  (vor  1750) 
legt  er  vornehmlich  auf  den  Qedanken  Nachdruck,  dass  Wohl- 
wollen, Mitleid,  Sympathie  von  geringerem  socialem  oder  histori- 
schem Werthe  seien,  als  die  von  den  Moralisten  geschmähten 
Laster  und  Leidenschaften  der  Menschen,  wie  Selbstsucht,  Hoch- 
math, Herrschbegier  u.  s.  f.  Diese  Erörterungen  deuten  auf 
den  EinfluBs  Mandeville's.  Jedoch  gedenkt  Voltaire  seiner  mit 
keinem  Worte. 

Vielleicht  lagen  die  Ideen  in  der  Luft,  wie  man  sich  aus- 
drückt. Vielleicht  inspirirte  sie  ihm  der  Widerspruch  gegen  die 
weltflüchtige  Tendenz  PascaPs  und  anderer  christlicher  Sitten- 
lehrer.  Sicher  ist,  dass  Voltaire  in  seinen  späteren  Jahren  die 
Uebertreibung  derselben  durch  Helvetius  und  die  Materialisten 
perhorrescirte.  Auf  diese  späteren  Jahre  aber  kommt  es  bei 
Voltaire  an.  Nahezu  alle  seine  historischen  und  philosophischen 
Schriften  stammen  aus  denselben:  der  Dichter  und  Natur- 
kundige  von  ehemals  war  Denker  und  Qeschichtsphilosoph 
geworden. 

Voltaire  verkündet  oft  und  mit  grossem  Nachdrucke  seine 
Absicht,  die  Menschen  lieber  schildern,  als  richten  zu  wollen. 
Er  lehnt  es  ab,  die  Gemeinplätze  moralischer  Art  immer  wieder 


^  Oft  nimmt  er  sich  der  natürlichen  Neigungen  gegen  ihre  Verleumder  an. 
XiCS  malheureux  harangueurs  parlent  sans   cesae  contre  Tamour  qui  est 
U  seole  consolation  du  genre  humain.'  (Art  Guerre).  Desgleichen  ist  er 
ein  Feind    der  Quieiisten.    (Siicle  de  Louis  XIV,    38.)     Voltaire    hätte 
kein  Franzose  sein  müssen,  wenn  ihm  nicht  Leichtsinn,   Lebensfreudig- 
keit, Fröhlichkeit,  Geselligkeit  über  Alles  gegangen  wären.    ,Tout  ce  que 
je  crains   c*est   qu*un  esprit  de  pr^sbyt^rianisme  ne   s'empare  de  la  tete 
de<  Fran9ais  et  alors  la  nation  est  perdue.  Douze  pariements  jansenistes 
Boot  capables  de  faire   des  Fran^ais  un  peuple  d*atrabiliaires.     II  n'y  a 
phs   de   gaietä    qu'a   TOp^ra  Coraique.     Tous    les   livres    ecrits   depuis 
qoelque  temps  respirent  je  ne  sais  quoi  de  sombre  et  de  pedantcsque.' 
[i  Damilavüle,  30.  Jänner  1764.) 


60  Mtyr. 

aufzutischen J  Allein,  er  lässt  es  bei  dem  g^ten  Willen  be- 
wenden. Des  Urtheils  entscblägt  er  sich  meistens  nur  dann, 
wenn  er  zwischen  zwei  feindlichen  Richtungen,  die  er  ftir  gleich 
absurd  oder  verwerflich  hält,  entscheiden  soll.^  Sonst  aber  ist 
er  keineswegs  enthaltsam.  Was  er  für  edel  oder  gemein,  för 
gut  oder  schlecht,  heilsam  oder  verderblich,  weise  oder  un- 
sinnig erachtet,  das  gibt  er  auf  das  unzweideutigste  kund.  In 
richtiger  Selbsterkenntniss  gesteht  er,  in  seinem  Essai  nur  die 
Absicht  verfolgt  zu  haben,  dass  der  Tugend  und  dem  Laster 
ihr  Recht  werde. ^ 

Die  natürlichen  Regungen  an  sich  hält  er  fiir  moralisch 
indifferent,  aber  social  bedeutsam.  Er  leugnet  dabei  nicht, 
dass  sie  in  jeder  Beziehung  verderblich  werden  können.  Von 
den  physischen  Principien  des  ,Hunger8  und  der  Liebe'  war 
schon  die  Rede.  Unter  den  Antrieben  moralischer  Natur  ist 
die  Selbstliebe  der  wichtigste.^  Die  Selbstliebe  dient  dem  In- 
dividuum zur  Selbsterhaltung.  Sie  ist  ihm  und  mittelbar  der 
Gesellschaft  von  Nutzen,  wofernc  sie  gezügelt  wird.  Desgleichen 
haben  die  Begierden,  sowie  die  aus  ihrer  Befriedigung  er- 
wachsende Lust  nichts  Verwerfliches  an  sich.  Gleichwie  Sorge 
und  Schmerz,  wenn  sie  ein  gewisses  Maass  nicht  überschreiten, 
das  Leben   nicht  verbittern,   sondern  anregen,   so  dienen  auch 


>  Notre  objet  est  de  peindre  les  hommes  plutöt  que  de  les  jo^r.  (Essai, 
c.  8.)  —  Je  voudrais  ddcouvrir  quelle  etait  alors  la  societö  des  hommes 
plutot  que  de  r^p^ter  .  .  les  lieux  commiins  de  la  mdchancete  bumaine. 
(Ibid.  c  81.)     Vgl.  p.  34. 

^  Qael  iusens^  voudrait  que  j*easse  fait  le  controversiste  au  lieu  d'^crire 
en  historien.  Je  me  sola  horni  aux  faits.  (Annales  de  TEmpire.  Brief  sn 
die  Herzogin  von  €k)tha.) 

3  A  Albergaü-Gaparelli,  23.  Dec.  1760.  —  Ueber  die  zweite  Anflage  seiner 
Uistoire  g^ndrale  im  Verhältniss  zur  ersten  schreibt  er:  ,0n  n'ayait  donn6 
que  quelques  soufiflets  an  genre  humain  dans  ces  arcbives  de  nos  sot- 
tises ;  nons  y  ajouterons  forts  coups  de  pied  dans  le  derri^re.  (A  Verne«, 
25.  Aug.  1761.) 

*  La  faim  et  ramour,  principe  pbysique  pour  tous  les  animaux :  amonr- 
propre  et  bienveillance,  principe  moral  pour  les  hommes.  Les  premieres 
roues  fönt  mouvoir  toutes  les  autres  et  toute  la  machine  du  monde  est 
gouvern^e  par  eile.  (Pens^es,  remarques  et  observations  de  Voltaire.)  — 
Art.  Amour- propre.  —  II  me  parait  que  tout  ce  qui  nous  fait  plaisir 
sans  faire  tort  &  personne  est  tres-bon  et  tr^s-juste.  (Entretien  d'un  sau- 
vagC)  1761,  I.) 


VolUtre-Stadien.  61 

Begierden  und  Leidenschaften,  die  Thätigkeit  des  Menschen 
anzustacheln^  ihn  mit  Seinesgleichen  in  Verbindung  zu  bringen 
und  zu  beglücken.^  Um  ihres  blossen  Vorhandenseins  willen 
wäre  die  Welt  weder  elend,  noch  schlecht.  Nun  aber  zeigt 
ans  die  geschichtliche  Erfahmng  ein  Uebermaass  von  Leiden, 
Absurditäten  und  Verbrechen.  Dies  muss  wohl  daher  rühren^ 
dass  den  natürlichen  Regungen  kein  Zügel  angelegt  wird,  dass 
in  den  leidenschaftlichen  Bestrebungen  der  Menschen  kein 
Maass  waltet,  dass  Vernunft  und  Wohlwollen  kein  ausreichen- 
des Gegengewicht  zu  bilden  vermögen. 

Die  Selbstliebe  verwandelt  sich  in  die  interessirte  Selbst- 
sacht.  Ihr  muss  Alles  weichen.  Sie  dictirt  Gesetze  und  Sitten.^ 
Sie  nimmt  den  Schein  des  Wohlwollens,  der  Belehrung,  der 
Beglückung  an,  um  so  sicherer  ihr  Ziel  zu  erreichen.  Mit  der 
Selbstsucht  ist  der  Hochmuth  verwandt,  die  Begierde,  Andere 
anter  sich  zu  sehen,  die  Wonne,  Andere  zu  beherrschen.  Die 
grauenhafteste  Form  hochmüthiger  Herrschgier  findet  sich  bei 
Priesterschaften;  sie  entwickelt  sich  daselbst  zum  Fanatismus, 
wohl  der  ärgsten  Geissei,  die  je  das  Menschengeschlecht  be- 
troffen hat 


*  N*a-t-il  pas  donn4  aax  hommes  Tamour- propre  pour  veiller  k  leur 
eonservatioii;  U  bienveillance,  la  bienfaisance,  la  vertu,  pour  veiller 
sar  Vamonr  •  propre ;  les  besoins  mutuels  pour  former  la  soci^t^;  le 
plalsir  pour  en  jouir  ;  la  douleur  qui  avertit  de  jouir  avec  modcration; 
les  passions  qui  uous  portent  anx  grandes  choses  et  la  sagesse  qui 
met  un  frein  k  ces  passions?  (Questions  de  Zapata,  Nr.  66,  a.  1767.)  — 
n  fallait  que  les  d^sirs  s'allumassent  dans  les  org^anes  de  tous  les 
aoimaux  qui  ne  ponvaient  chercher  leur  bien-etre  sans  le  d^sirer;  ces 
affections  ue  pouvaient  §tre  vives  sans  etre  violentes,  et  par  cons^quent 
saus  ezciter  ces  fortes  passions  qui  produisent  les  querelles,  les  ^erres, 
lea  menrtres,  les  fraudes  et  le  brigandage.    (Dialognes  d'l^vh^m^re,  2.) 

Dieu  prit  piti^  du  genre  humain 

II  le  cr^  frivole  et  vain 

Pour   le    rendre    moins   miserable. 

(Ode  flor  ranniversaire  de  St-Barthälemy.)  —  Dieu  vous  a  donn^  des 
passions  avec  lesquelles  on  pent  faire  du  bien  et  du  mal.  (Histoire  de 
Jenni,  c  10.) 
'  Cette  prodigieuse  vari6t6  des  moeurs  qui  ont  tout  le  meme  principe:  Tin- 
t^rit  (Essai,  194.)  ->  Art.  Int^rSt:  Avez  vous  connaissance  de  qaelque 
roi  on  de  quelque  r^publique  qui  ait  fait  la  guerre  ou  la  paiz  .  •  par 
vsa  autre  motif  que  celui  de  Tint^rSt? 


62  UfLjf. 

Der  Hochinnth,  der  intolerant  macht  \  ist  nicht  die  einzige 
Menschheitsgeissel.    Zu  ihm  gesellt  sich  die  Habgier,  die  Sacht, 
Andere  niederzuzwingen,  und  fiir  seinen  Vortheil  auszubeuten.^ 
Rachsucht  und  Neid  sind  die  Laster  der  Unterdrückten  oder 
von  der  Natur  minder  Bevorzugten.    Höherer  Art  sind  Ehrgeiz 
und   Ruhmsucht.     Sie   spielen   in   der   Geschichte   eine   grosse 
Rolle.    Ruhm  wird  jenen   zu  Theil,    deren  Thaten   durch  ihre 
Grossartigkeit  imponiren."^  Die  Eroberer,  welche  so  viel  Unheil 
über   die  Völker   bringen,    müssen   wir   trotzdem    bewundem.* 
Ueberhaupt  ist  es  umsonst  zu  hoffen,  man  könne  die  Menschen 
von    dem   sie    entzückenden    Laster    der   Ehrbegierde    heilen. 
Jeder   Mensch  will,    dass    seiner   Ambition    gehuldigt  werde. ^ 
Hinter  allen  erdenklichen  Vorwänden  versteckt  sich  das  näm- 
liche verderbliche  Laster.^    Vornehmlich   bedient   es   sich   der 
Lüge,  des  Betruges,  der  Ränke,  um  zu  seinem  Ziele  zu  kommen. 
Man   nennt   dies  Politik.''     Häufig   greift   es   zur  ultima  ratio, 
der   Gewalt.     Unter  allen   Uebeln   das   schrecklichste   ist   der 
Krieg,   und   alle  Laster  sind   insofeme  fürchterlich,   als  sie  zu 
Krieg   und    Gewaltthat   führen    können.     Der   Krieg   ist    das 
traurige  Erbtheil   unseres  Geschlechtes  seit  Anbeginn  der  Ge- 
schichte.    Um    der    nichtigsten    Vorwände    willen    fallen    die 
Menschen  in  Massen  über  einander  her.    Ja,  die  Religion  (die 
,religion   artificielle',   nicht   die  ,religion  naturelle^   gibt  ihren 


1  C'est  Torgneil  seul  qni  est  intolerant.  (Id^ee  r^pnblicaines,  1762,  64.) 
Bezugs  der  geistlichen  Herrschsucht  vgl.  man  die  AusftUirangen  im  Essai 
über  Savonarola,  Luther,  Calvin  u.  s.  f.  —  Art  Jesuites  on  rorgneil. 

^  II  n'y  a  pas  d^antre  sujet  de  giierre  chez  les  hommes;  chacün  d^fend  son 
bien  autant  qn*il  le  pent  (Petit  commentaire  sur  T^loge  de  Dauphin,  1764.) 

'  Art  Gloire. 

*  Conseils  k  un  Journal.  (1734)  sur  Thistoire.  — 'Art.  Alexandre.  —  Dialognes 
d'Evhemire,  I  (1776).  —  La  Bible  cnfin  expliqu^e  (1776).  Les  MachaWes. 

'   Hom^lie  sur  la  superstition  (1767). 

^  La  religion  et  le  pretexte  d^epurer  la  loi  re^ue,  ces  deux  grands  instru' 
ments  de  Tambition.  (Essai,  118.) 

"^  Le  mensongo  a  M  utile  pour  asservir  les  peuples.  (Essai,  8.)  —  Dans 
le  voi  h  main  arm^e,  c'est  le  plus  fort  qui  Temporte :  dans  les  acqui- 
sitions  convenues,  c'est  le  plus  habile.  (Les  droits  des  hommes,  1769,  L)  — 
Le  grand  art  de  surprendre,  tuer  et  voler.  (L'A,  B,  C;  5"**  entretien.)  — 
Je  voudrais  saroir  pourquoi  ce  qni  est  un  forfait  abominable  dans  un 
particnlier  serait  innocent  dans  trois  cents  s^nateurs.  (L'A,  B,  C;  12***  en- 
tretien.   Code  de  la  perfidie.) 


VolUiro-dtndi«n.  63 

Segen  daznJ  und  doch  wie  wenig  bedeuten  alle  im  Feld 
erreichbaren  Vortheile  gegen  das  Unheil  einer  einzigen  Cam- 
pa^e.  Das  Schrecklichste  von  Allem  bleibt,  dass  der  Krieg  eine 
unvermeidliche  Geissei  ist,  die  schliesslich  kein  Raisonnement 
aus  der  Welt  schaffen  wird.  Kriege  erzeugen  sich  durch  ZuföUig- 
keiten,  Intriguen,  Begierden,  Eifersüchteleien,  Hoffnungen  und 
vergehen  damit,  bis  wieder  neue  entstehen. 

Die  wilden  Leidenschaften  (passions  feroces)  sind  demnach 
die  Motoren  des  fürchterlichen  Schauspiels  der  Geschichte.^ 
Eroberung,  Krieg,  Politik,  sie  alle  wurzeln  in  den  verbrecheri- 
schen Neigungen  der  Einzelnen,  ohne  dass  die  Menschen 
darüber  zur  Besinnung  kämen,  weil  sie  betrogen  sein  wollen 
and  dem  Erfolge  zujubeln.^ 

Wie  kommt  es,  dass  bei  alledem  doch  das  Menschen- 
geschlecht noch  existirt,  dass  in  der  Geschichte  sich  mancherlei 
Gates  vorfindet,  ja  dass  eine  allgemeine  Tendenz  des  Fort- 
schrittes, der  Vervollkommnung  nicht  abgeleugnet  werden 
kann?  Dieselbe  Natur  (oder  auch  dieselbe  Gottheit),  die  uns 
das  Verlangen,  die  Selbstliebe,  die  Leidenschaft  eingepflanzt 
hat,  hat  uns  auch  einen  Hang  zum  Wohlwollen  für  unseres 
Gleichen  mitgetheilt.  Es  gibt  ein  Moralgesetz,  das  zugleich 
Naturgesetz  ist,  das  man  das  einzige  Fundamentalgesetz  der 
sittlichen  Welt  nennen  kann,  das  von  einem  Weltende  zum 
andern  herrscht  und  eben  darum  nicht  menschlichen,  sondern 
göttlichen  Ursprunges   ist.^    Dieses  Moralgesetz,   das,   in  allen 

^  Art.  Oaerre.  —  L'A,  B,  C;  11™*  entretien :  Les  pretres  ont  toajonrs 
prech6  le  camage. 

'  Toot  86  fait,  comme  partout  alUears,  par  les  passions  hnmaines.  (La 
Bible  enfin  expliqn^e.  Reis  II.) 

'  Leg  hoinmea  veulent  Stre  amns^s  et  tromp^s.  (Essai,  104.)  —  La  post^rite, 
eblonie  par  T^clat  de  sa  gloire,  semble  avoir  oubUe  cette  injastice 
(Annales  de  rEmpire,  772),  sagt  Voltaire  über  Karl  den  Grossen.  Man 
▼gl  Essai,  c.  15:  C'est  Taction  d'an  brigand,  qae  dUllastre  sncc&s  et 
des  qnalites  brillantes  ont  d^ailleurs  fait  grand  homme.  —  Les  hommes 
ne  jngent  qne  par  les  sncc^.  L^envie  est  confondne.  On  n*a  rien  k 
r^ndre  k  xme  bataille  gagn^e!  (A  Catherine,  17.  Oct.  17G9.) 

^  n  est  donc  prouvä  qae  la  natare  senle  nons  inspire  des  id^es  ntiles  qni 
pr^c^cnt  tontes  nos  r^flexions.  II  en  est  de  m^me  dans  la  morale. 
Moas  aTona  tons  denx  sentiments  qni  sont  le  fondement  de  la  soci^t^: 
li  Gommis^ration  et  la  justice    .   .    Dieu  nons  a  donn^  un  principe  de 


64  Mayr. 

Herzen  wirksam,  der  Selbstsucht  und  der  Leidenschaft  ent< 
gegenstrebt,  haben  die  Weisen  und  Lehrer  aller  Zeiten  — 
Confucius,  Zoroaster,  Jesus  u.  s.  w.  —  in  klaren  Worten  der 
Welt  verkündet.  Mögen  die  Meinungen,  die  Gebräuche,  die 
Handlungen  der  Menschen  noch  so  sehr  divergiren,  das  Eine 
Moralprincip  findet  bei  allen  die  gleiche  Anerkennung,  wenn- 
gleich nicht  Befolgung.  In  den  Gewissensbissen  kündigt  es 
sich  an  und  als  ,rai8on  universelle^  zügelt  es  die  verderblichen 
Triebe.  Beglückung  und  Besserung  der  Welt  gehen  von  ihm 
aus.  Die  Anerkennung  und  Befolgung  dieses  Gesetzes  ist  der 
einzige  wahre  Dienst  Gottes,  dessen  Existenz  es  verbürgt. 
Darin  besteht  die  natürliche  Religion. 

Je  ne  puis  ignorer  ce  qa*ordonna  mon  maitre 

II  m*&  donnS  sa  loi,  paiBqa'il  m^a  donne  TStre. 

Sans  donte  il  a  parld;  mais  c'est  k  Toniverfl: 

II  n*a  point  de  TJ^gypte  habit^  les  d^serts; 

Delphes,  D^los,  Ammon  ne  sont  paa  ses  afliles; 

II  ne  se  cacha  point  aox  antres  des  Sibylles. 

La  morale  uniforme  en  tont  temps,  en  tont  lieu 

A  des  si^cles  sans  fin  parle  au  nom  de  ce  Dieu. 


raison  universelle,  comme  il  a  donn^  des  plumes  auz  oiseauz.  (Phil,  de 
rhist.,  7.)  —  Au  milien  de  ces  sacca^ments  et  de  ces  destructions 
nous  voyons  un  amour  de  Tordre  qni  anime  en  secret  le  g^nre  humain 
et  qui  a  pr^venu  sa  ruine  totale.  (Essali  197.)  —  II  y  a  une  loi  natu- 
relle, et  eile  ne  consiste  ni  h  faire  le  mal  d'autrui  ni  k  s'en  r^jouir. 
(L'Ay  B,  C;  4™"  entretien.)  —  Plus  j*ai  tu  les  hommes  diff^rents  .  .  et 
plus  j'ai  remarqu6  qu*ils  ont  tous  le  mdme  fond  de  morale  .  .  II  m^a 
donc  paru  que  cette  id^e  du  juste  et  de  Tinjuste  leur  ^tait  n^cessaire, 
puisque  tous  s'accordaient  en  ce  point  .  .  Du  moins  il  n*y  aurait  eu  an- 
cune  soci^t^i  si  les  hommes  n'avaient  con^u  l'id^e  de  qnelque  justice  . . 
Comment  Tauraient-ils  eu  les  mSmes  notions  fondamentales  du  juste  et 
de  rinjuste  si  Dieu  n'avait  donn^  de  tout  temps  k  Tun  et  k  Tautre  cette 
raison  .  .  La  notion  de  quelque  chose  de  juste  me  semble  si  naturelle, 
qu'elle  est  ind^pendante  de  toute  loi,  de  tout  pacte,  de  tonte  relig^on  . . 
Gleich  der  Gravitation  ,1a  loi  fondamentale  de  la  morale  agit  ^galement 
sur  toutes  les  nations  bien  connues  .  .  depnis  Zoroastre  jusqu'ii  Shaftes- 
bury,  je  vois  tous  les  philosophes  enseigner  la  mSme  morale.  (Philosophe 
ignorant,  31 — 38.)  —  Lettres  de  Memmius  k  Ciceron,  19  —  20.  —  Art. 
Juste.  —  Art  Loi  naturelle  (mit  dem  4.  Dialogue  zum  A,  B,  C  von  1769 
nahebei  identisch).  —  Natürlich  schliesst  dieses  Naturgesetz,  das  nur  ein 
Gegengewicht  gegen  das  Gesetz  des  Stärkeren  darstellt  (Remarques  de 
FEssai,  15),  weder  Irrthum,  noch  Missbrauch  aus. 


Voltaire  Stadien.  65 

C*eat  Is  loi  de  Trajan,  de  Socrate,  et  la  vötre, 
De  ce  culte  6ternel  dont  la  natnre  est  Tapdtre. 

(Poeme  snr  la  loi  naturelle.) 

Knüpfen  wir  hier  wieder  an  das  zu  Beginn  dieses  Capitels 
Gesagte  an.  Voltaire's  Gott,  sagten  wir  da,  sei  der  Gott  des 
physico-theologischen  und  moralischen  Beweises.  In  dem  oben 
bezeichneten  Sinne  denkt  sich  Voltaire  Gott  als  Urheber  und 
Herrn  der  sittlichen  Weltordnung.  Gott  stattet  den  Menschen 
mit  seinen  physischen,  intellectuellen  und  moralischen  Anlagen 
aus  und  stellt  ihn  in  den  Zusammenhang  der  Dinge  hinein. 
Weder  menschliche  Bosheit,  noch  Heiligkeit  veranlassen  Gott 
irgendwie,  in  den  natürlichen  Ablauf  der  Dinge  einzugreifen, 
und  wäre  es  auch,  um  zu  strafen  oder  zu  lohnen.  Dessen- 
ungeachtet und  trotz  seines  Kampfes  gegen  die  dogmatische 
Annahme  eines,  vom  Leibe  abtrennbaren,  unsterblichen  Seelen- 
wesens will  Voltaire  den  Glauben  an  eine  Vergeltung  nicht 
fahren  lassen.^  Das  Böse  straft  sich  eben,  da  besondere  Ein- 
griffe, Himmel  und  Hölle  ausgeschlossen  sind,  nach  göttlicher 
Anordnung  von  selbst:  es  erhebt  sich  die  Stimme  des  Gewissens.'^ 
Wäre  die  Welt  nicht  so  böse,  so  wäre  sie  nicht  so  unglücklich. ^ 


^  11  fant  reconnaitre  nn  Dien  r^mun^ratenr  et  vengeur,  on  n^en  point 
recoimattre  do  tout  .  .  On  il  rCy  a  point  de  Dien,  ou  Dieu  est  juste. 
(Hom^lie  sur  Tath^isme,  1767.)  —  Tont  le  monde  rit  aujourd^hni  de  votre 
enfer  .  .  mais  personne  ne  rirait  d*un  Dieu  r6mun4rateur  et  vengenr  .  . 
en  Ignorant  Tespece  des  ch&timents  et  des  rScompenses,  mais  en  6tant 
persuade  qa*il  y  en  anra,  parce  que  Dien  est  juste.  (Diner  de  Oorate 
de  Boulainvilliers,  3*>«  entretien.) 

'  Sophronisme  et  Adelos  (1766).  —  Art.  Conscience.  —  Tout  ce  que  je 
puls  Tons  dirO)  c^est  que,  si  vous  avez  commis  des  crlmes  en  abusant  de 
▼otre  liberte,  11  vous  est  impossible  de  prouver  que  Dieu  seit  incapable 
de  vous  en  punir.  (Hlstoire  de  Jenni,  c.  10.)  —  lieber  die  Fortdauer 
nach  dem  Tode,  die  Art  und  Weise  derselben  lässt  sich  nach  Voltaire^s 
Ansicht  nichts  ausmachen.  Jedenfalls  ist  es,  wie  die  Geschichte  zeigt, 
eine  praktische  Annahme  von  grossem  Werthe,  an  eine  Belohnung  und 
Bestrafung  über  das  Diesseits  hinaus  zu  glauben.  Vgl.  Strauss,  Voltaire. 
(O.  W.  XI,  167  ff.)  Das  letzte  Wort  behSlt  denn  auch  bei  Voltaire  die 
,pcakti8cfae  Vernunft*.  Man  könnte  auch  sagen,  Voltaire  bestand  auf  der 
Möglichkeit  einer  Vergeltung  in  einem  möglichen  Jenseits,  gerade  weil 
er  in  der  Unsterblichkeitsfrage  Skeptiker  blieb. 

'  Je  Toudrais  qn*on  examinftt  quel  si^cle  a  M  le  plus  fScond  en  crimes  et 
par  cons^qnent  en  malheurs.  (Derniers  remarques  sur  Pascal,  99.) 
SltrangBber.  d.  phiL-hist.  Ol.  XCY.  Bd.  I.  Hft.  5 


66  Majr. 

Jedoch  ist  nicht  jedes  Unglück  eine  Folge  der  eigenen  Schlech- 
tigkeit. Die  Menschen  sind  den  Natnrkräften  und  der  Bosheit 
ihrer  Mitmenschen  preisgegeben.  Wie  in  Allem,  so  zeigt  sich 
auch  hierin  die  Welt  als  Gemische  von  Gut  und  Schlecht,  als 
das  aus  unvollkommenen  Bestand theilen  zusammengesetzte  Werk 
des  relativ  höchsten  Wesens.  Das  Princip  der  Vei-geltung  ist 
vorhanden,  aber  es  wird  durchkreuzt  und  paralysirt,  wie  das 
Sittengesetz  von  den  schlimmen  Neigungen,  die  Vernunft  von 
den  willkürlichen  Absurditäten  überwuchert  wird. 

Kann  nach  dem  Angeführten  noch  die  Rede  sein  von 
einer  Freiheit  des  Willen?  Nein,  oder  nur  in  einem  sehr  ein- 
geschränkten Sinne.  , Wahrhaft  frei  sein,  heisst  können.  Wenn 
ich  thun  kann,  was  ich  will,  so  besteht  darin  meine  Freiheit; 
aber  ich  will  nothwendig,  was  ich  will;  sonst  würde  ich  ohne 
Grund,  ohne  Ursache  wollen,  was  unmöglich  ist  .  .  .  Meine 
Freiheit  besteht  darin,  eine  schlechte  Handlung  nicht  zu  be- 
gehen, wenn  mein  Geist  sich  dieselbe  als  nothwendig  schlecht 
vorstellt;  eine  Leidenschaft  zu  imterdrücken,  wenn  ich  ihre 
Gefährlichkeit  erkenne  und  der  Schauder  vor  einer  solchen 
Handlung  mein  Verlangen  kräftig  niederkämpft  .  .  Es  ist 
wunderlich,  dass  die  Menschen  mit  diesem  Maasse  von  Frei- 
heit nicht  zufrieden  sind,  d.  h.  mit  dem  Vermögen,  das  ihnen 
die  Natur  verliehen  hat,  in  einigen  Fällen  zu  machen,  was  sie 
wollen'  *  .  .  .  Jedes  Wesen  ist  eben  an  die  Schranken  seiner 
Natur  gebunden,  selbst  Gott.  Nur  sind  dem  Menschen  keine 
so  engen  Schranken  gezogen,  wie  dem  Himmelskörper  oder 
dem  Thiere.^  Zu  den  Gesetzen  seiner  Natur  zählt  auch  das 
Sittengesetz,  zu  seinen  Fähigkeiten  die  Vernunft. 

Eben  deshalb  dürfen  sich  die  Menschen  wegen  des  mora- 
lischen  Uebels   nicht  auf  Gott  ausreden.     Sie   machen   einen 


>  Philoflophe  ignorant,  13.  —  De  la  mort  de  Louis  XV  (1774).  —  Art. 
DeBtin;  Libert6.  —  Vgl.  Straus«,  Voltaire  (G.  W.  XI,  170-172).  — 
Trait^  de  M^taphysique  (1734),  7.  Cap.  —  8ur  rhomme.  (Poöme.)  Brief 
an  den  Prinzen  Friedrich  vom  Oct.  1737  nebst  einigen  weiteren  über  den 
Gegenstand  gewechselten    Briefen.    (A  M.   Dn  Deifand,    24.  Mai   1764.) 

^  Chacun  ob^it  k  son  instinct  .  .  Ainsi  personne  change  son  caractere. 
Tout  suit  les  lois  6ternelles  de  la  nature.  Nous  avons  perfectionn^  la 
socidt^ ;  oui,  mais  nous  y  ^tions  destin6s,  et  il  a  fallu  la  combinaison  de 
tous  les  ^v^nements  pour  qu*un  mattre  k  danser  montrftt  k  faire  la  r^v^ 
rence.    (Pens^es,  remarques  et  obserrations.) 


VolUire-Stodira.  67 

verabscheuungswürdigen  Gebrauch  von  der  Freiheit,  welche  das 
erhabene  Wesen  ihnen  gegeben  hat  und  geben  musste,  nämlich 
von  der  Macht  ihren  Willen  auszuführen,  ohne  welche  sie  blosse 
Maschinen  wären,  geformt  von  einem  bösen  Wesen,  um  von 
ihm  wieder  zertrümmert  zu  werden.  ,Ihr  werdet  mir  zugeben, 
dass  Qott  die  Welt  mittels  allgemeiner  Gesetze  regiert.  Zufolge 
dieser  Gesetze  beschloss  Crom  well,  dieses  Ungeheuer  von  Fanatis- 
mus und  Heuchelei,  um  seines  Interesses  willen  den  Tod  Carl  I. 
Nach  den  von  Gott  festgestellten  Gesetzen  der  Bewegung  schlug 
der  Henker  diesem  Könige  den  Kopf  ab ;  aber  sicherlich  tödtete 
Gott  Carl  I.  nicht  durch  einen  besonderen  Act  seines  Willens. 
Gott  war  weder  Cromwell,  noch  Jeffreys,  noch  Ravaillac.  Gott 
verübt,  befiehlt,  gestattet  nicht  das  Verbrechen  ^  aber  er  hat  den 
Menschen,  sowie  die  Bewegungsgesetze  gemacht;  diese  ewigen 
Gesetze  werden  gleichermaassen  von  dem  Barmherzigen,  der  dem 
Armen  zu  Hilfe  kommt,  wie  von  dem  Bösewichte,  der  seinen 
Bruder  erwürgt,  ausgeführt.'  * 

Wenngleich  die  Menschennatur  nur  Eine  ist,  so  bringen 
doch  verschiedene  Umstände  Mannigfaltigkeit  und  Wechsel  in 
die  Geschichte.2  Die  Menschen  diverser  Orte  und  Zeiten  ähneln 
sieb,  sind  aber  nicht  vollkommen  gleich.  Wenn  Alles  schliess- 
lich vom  Geiste  des  Menschen,  der  Höhe  seiner  Ausbildung 
abhängig  ist,  so  müssen  wir  untersuchen,  von  welchen  Factoren 
er  hinwiederum  beeinflusst  wird,  ,Drei  Dinge  üben  ohne  Unter- 
lass  Einfluss  auf  den  menschlichen  Geist:  das  Klima,  die  Re- 
gierung und  die  Religion.'^  Indem  wir  Religion  und  Staats- 
wesen auf  die  nächstfolgenden  Abschnitte  versparen,  fügen  wir 
hier  noch  die  Erörterung  der  Art  und  Weise  bei,  wie  sich 
Klima  und  Menschengeschichte  zu  einander  verhalten. 


*  Histoire  de  Jenni,  c.  9.  —  Tout  le  physique  d*une  mauvaise  action  est 
Teffet  des  lois  gen^ralea  imprim^s  par  la  main  de  Dieti  h  la  matiöre: 
toat  le  mal  moral  de  Taction  crimiaelle  est  Teffet  de  la  libert^  dont 
Thomme  abnse.  (Ibid.) 

'  11  r^snlte  de  ce  tableau  qne  tont  ce  qai  tient  intim ement  k  la  natnre 
hnmaine  se  ressemble  d'nn  bont  de  Tunivers  k  Tantre;  que  tont  ce  qui 
peat  d^pendre  de  la  coutnme  est  different  .  .  L'empire  de  la  coutnme 
est  bien  plus  vaste  qne  celui  de  la  natnre  .  .  11  r^pand  la  Tariet^  sur 
la  sc^ne  de  TuniTers,  la  natnre  y  r^pand  Tnnit^.  (Essai,  197.) 

'  Essai,  197. 


b* 


G8  Mayr. 

Wir  berühren  damit  ein  Thema,  welches  zu  Voltaire^s 
Tagen  den  Reiz  der  Neuheit  besass.  Wie  weit  Montesquieu, 
der  es  in  Schwung  brachte,  hiebei  seinen  Vorgängern  ver- 
pflichtet war,  ist  denn  doch  am  Ende  eine  sehr  untergeordnete 
Frage.  Das  wussten  schon  die  Gelehrten  des  achtzehnten  Jahr- 
hunderts, welche  Wichtigkeit  das  Alterthum  den  Einwirkungen 
des  Klimas  beigelegt  hat;  auch  das  Andenken  des  halb  ver- 
schollenen Bodin  wurde  bei  der  Gelegenheit  wieder  aufgefrischt.' 
Thatsache  ist,  dass  erst  seit  Montesquieu  besagtes  Thema  in 
der  Socialwissenschaft  dauernde  Pflege  gefunden  h^t.  An  Montes- 
quieu knüpfen  auch  die  Erörterungen  Voltaire's  unmittelbar 
an.  Wie  immer,  tritt  er  allen  Extravaganzen  und  Paradoxien 
entgegen. 

Ohne  Zweifel  hat  nach  Voltaire's  Ansicht  das  Klima  Ein- 
fluBs  auf  Geist  und  Sitten  der  Menschen,  aber  einen  vielmal 
geringeren,  als  Staat  und  Religion.  Läge  Alles  am  Klima,  wie 
wäre  es  dann  möglich,  dass  die  Aegypter,  von  deren  kriege- 
rischem Wesen  die  Geschichte  erzählt,  heute  weichlich  und  feige 
geworden  sind?  Warum  gibt  es  dann  in  Hellas  keinen  Ana^ 
krieon,  Aristoteles  oder  Zeuxis  mehr?  Warum  hat  Rom  statt 
seiner  Ciceros  und  Gates  heute  nur  mehr  mundtodte  Bürger 
und  verthierte  Bettler,  deren  höchstes  Glück  darin  besteht,  Pro- 
cessionen  anzugaffen?  Der  Himmel  Londons  ist  so  neblig,  wie 
zu  Cäsars  Zeiten,  und  doch  welcher  Unterschied  der  Verhält- 
nisse !  Das  Klima  beeinflusst  ohne  Zweifel  die  Religionen,  was 
die  Ceremonien  und  Gebräuche  anbelangt:  das  Dogma,  der 
Glaube,  überhaupt  das  Geistige  an  den  Religionen  ist  vom 
Klima  unabhängig.  Die  Veränderungen,  die  da  stattfinden, 
werden  von  anderen  Ursachen  hervorgerufen,  von  der  Erziehung^ 
vom  Wechsel  der  Meinungen,  der  Regierungsformen  u.  s.  w.^ 
Es  gibt  auch  kein  Land  der  Erde,  wo  Vermögen  und  Rechte 
der  Bürger  von  Wärme  oder  Kälte  abhängig  wären.  Das  Klima 


^  L'auteiir  de  reaprit  des  lois,  eans  citer  personne,  ponssa  cette  id^e  plns 
loin  que  Dubos,  Chardin  et  Bodin  (auch  Fontenelle  und  Diodor  von 
Sicilien  nennt  er  früher).  Une  certaine  partie  de  la  nation  Ten  crot 
Tinventeur  et  hii  en  fait  nn  crime.  (Art.  Climat.) 

'  Art.  Climat.  —  Commentaire  sur  Tesprit  des  lois  (1777).  Da  climat.  — 
üeber  die  wechselseitige  Angemessenheit  Ton  KiimSi  Flora,  Fauna  und 
Bevölkerung  vgl.  Histoire  de  Jenni,  c.  9. 


Yoltaira-StadiM.  69 

erstreckt  seine  Macht  auf  GrÖBse  und  Schönheit  des  Körpers, 
auf  die  Anlagen,  auf  die  Neigungen.  ,Wir  haben  nie  von  einer 
samojedischen  oder  äthiopischen  Phryne,  von  einem  laplän- 
dischen  Herkules,  von  einem  ^Newton  topinambou'  sprechen 
hören;  dagegen  hat  Montesquieu  schwerlich  Recht,  wenn  er 
behauptet,  die  Völker  des  Nordens  hätten  stets  denen  des  Südens 
obsiegt/     Gegeninstanzen:  die  Araber  und  Römer. 

Auch  die  Erde,  welche  wir  bewohnen,  ihre  Oberfläche 
and  ihre  klimatischen  Verhältnisse  waren  im  Laufe  der  Zeit 
Veränderungen  unterworfen.  *  Vielleicht  hat  unser  Planet  so 
viele  Revolutionen  durchgemacht,  als  unsere  Staaten;  sie  er- 
strecken sich  bis  in  die  historischen  Zeiten.  Vielleicht  auch 
sind  ganze  Menschengeschlechter  verschwunden,  bevor  eines 
der  ältesten  Reiche,  von  denen  wir  Kunde  haben,  entstand. 

So  naturkundig  Voltaire  auch  war,  auf  die  Bedeutung 
dieser  natürlichen  Factoren  oder  Vorgänge  legte  er  kein  be- 
sonderes Gewicht.  Ungleich  wichtiger  nahm  diese  Dinge  erst 
Herder.  Voltaire  meinte  eben,  das  Räthsel  der  Geschichte  müsse 
sich  aus  sich  selbst  lösen  lassen.  Er  räumte  dem  Schöpfer  und 
£rhalter  die  gebührende  Ehre  ein,  läugnete  auch  nicht  die 
Influenz  der  äusseren  Natur,  dämmte  jedoch  die  Bedeutung 
beider  so  weit  ein,  dass  er  sich  im  Ganzen  nur  mit  den  rein 
menschlichen  Factoren  des  historischen  Lebens  befassen  zu 
mÜBsen  glaubte.  In  der  Darstellung,  Erklärung  und  Beurthei- 
lung  der  Geschichte  hielt  er  sich  innerhalb  der  Grenzen  des 
Menschlichen.  In  allem  historischen  Dasein,  in  allen  Formen 
der  Thätigkeit  —  Religion,  Staat,  Cultur  —  fühlte  er  den  Puls- 
schlag menschlichen  Wollens,  spürte  er  das  Weben  des  mensch- 
lichen Gedankens. 


C.  Voltaire's  Philosophie  der  Beligionsgeschichte. 

Wenn  wir  im  vorangehenden  Abschnitte  betrachtet  haben, 
wie  sich  bei  Voltaire  Gott  zum  Menschen  verhält,  so  obliegt  es 
uns  nunmehr,  auf  das  Verhältniss  des  geschichtlichen  Menschen 

'  Phil  de  rhiat,  1.  —  Dissertation  sur  les  changeraents  arriv^s  daos 
notre  globe  (1746).  —  Art.  ChangementB.  —  Defense  de  mon  oncle 
(1767),  c.  19.  —  Lefl  colima^ons  (1768). 


70  Mftyr. 

ZU  Gott,  mit  anderen  Worten  auf  Voltaire's  Philosophie  der 
Religionsgeschichte  überzugehen.^  Was  immer  man  von  dem 
Werthe  seiner  Auffassung  göttlicher  und  menschlicher  Dinge 
denken  mag,  das  Verdienst  der  Klarheit,  Nüchternheit  und 
Consequenz  wird  man  seinen  Ansichten  kaum  absprechen 
dürfen.  Gerade  in  seiner  Philosophie  der  Religionsgeschichte, 
dem  historisch  bedeutsamsten  Abschnitte  seiner  Thätigkeit, 
treten  diese  nicht  hochklingenden,  aber  seltenen  Eigenschaften 
in  ungewöhnlichem  Maasse  hervor. 

Jeder  Mann  der  Wissenschaft  ist  schliesslich  von  dem 
ihm  zugänglichen  empirischen  Materiale  abhängig;  die  Nach- 
welt hat  es  leicht,  die  vorangehenden  Generationen  an  Fülle 
des  Stoffes,  an  Verallgemeinerungen  und  Schlussfolgerungen, 
welche  die  ausgedehntere  Erfahrung  an  die  Hand  gibt,  zn 
überbieten.  Die  heutige  Welt  wird  über  die  Dürftigkeit  des 
Materiales,  das  unserem  Philosophen  zu  Gebote  stand,  lächeln; 
sie  darf  es:  denn  mit  eisernem  Fleisse  hat  sie  Unbekanntes 
aufgespürt,  Thatsache  auf  Thatsache  gehäuft  und  auch  nicht 
verabsäumt,  zu  inductiven  Verallgemeinerungen  zu  gelangen. 
Allein,  einen  eigentlichen  Vorwurf  kann  sie  weder  dem  Jahr- 
hunderte noch  dem  grossen  Schriftsteller,  von  dem  wir  sprechen, 
aus  dem  Umstände  machen,  dass  diese  nicht  verwerthet  haben, 
was  sie  nicht  gewusst  haben.  Ferner  folgt  aus  dem  berührten 
Verhältnisse  noch  lange  nicht  Recht  oder  Pflicht,  die  Leistungen 
des  abgelaufenen  Jahrhunderts  als  irrelevant  anzusehen.  Ein 
Jahrhundert,  das  in  der  denkenden  Betrachtung,  in  der  kriti- 
schen Beurtheilung  seine  Stärke  hatte,  kann  und  darf  für  die 
Wissenschaft  nie  umsonst  gearbeitet  haben. 

Voltaire  kannte  die  Religionen  Vorderasiens  und  Aegyptens 
nur  aus  den  griechischen  und  hebräischen  Berichten;  die  Monu- 
mente dieser  Völker  traf  damals  noch  kein  forschender  Blick.- 
Besser  kannte  er  die  Religion  Zoroaster's  —  schon  hatten 
Hyde  und  Anquetil  -  Duperron  begonnen,  das  Geheimniss  der- 
selben  zu   enthüllen   —   besser  auch   die  Religion  Altindiens; 


*   Zu  diesem  Abschnitte  vgl.  besonders:  Philosophie  de  Thistoire  (1765)  — 
Dien  et  les  hommes  (1769)  —  Art.  Religion. 

2  II   faat  d^sesperer  d^avoir  jamais   rien  des  Egyptieus;   leurs    livres  sont 
perdus,  leur  religion  s'est  an6auti.  (Phil,  de  Tbist.,  17.) 


ToIteürt^tadieD.  71 

doch  lag  das  Sanskritstudium  noch  in  den  Windeln.^  China 
uod  die  Lehre  des  Confucius  war  ihm  durch  die  Schriften 
jesuitischer  Missionäre  bekannt  geworden.  Er  hatte  den  Koran, 
das  Alte  und  das  Neue  Testament,  natürlich  auch  die  antike 
Mythologie  studirt.  Mit  der  Kirchengeschichte  aller  Zeitalter 
war  er  wohlvertraut.  Rechnen  wir  noch  dazu,  was  er  aus 
Reisebeschreibungen  von  den  religiösen  Vorstellungen  halb  oder 
i^nz  uncivilisirter  Völker  wusste,  so  haben  wir  den  Umkreis 
seines  Wissens,  überhaupt  des  zu  seiner  Zeit  Wissbaren  durch* 
messen. 

Die  erste  Frage  für  einen  Philosophen  der  Religions- 
geschichte ist  wohl  die  nach  dem  Ursprung  der  Religionen. 
Voltaire  fand  noch  eine  Beantwortung  der  Frage  vor,  die  fast 
canonisches  Ansehen  genoss:  man  führte  nämlich  die  Ent- 
stehung der  Religionen  auf  eine  ursprüngliche  göttliche  Offen- 
barung und  auf  eine  Corruption  derselben  durch  den  Einfluss 
kakodämonischer  Mächte  zurück;  man  brandmarkte  die  heid- 
nischen Religionen  als  Teufels  trug  und  Götzendienst;  man  be* 
trachtete  die  heidnischen  Götter  als  böse  Geister,  die  Orakel 
und  Prodigien  als  Wirkungen  derselben;  dem  Reiche  des  Teufels 
setzte  man  dann  das  durch  besondere  Offenbarungen  ausgezeich- 
nete, in  Judenthum  und  Christenthum  zum  Vorschein  kommende 
Reich  Gottes  entgegen.^    Allein   das  Studium   der  Alten  hatte 


^  Id  die  veddische   Religion  gewährten  ihm  ,le  Shasta  et  rEzoonreidam' 

Einblick.     Holwell  und  Dow    macht   er  als    seine  Autoritäten  namhaft. 

(S.  Art  Ezoorveidam  nnd  PhiL  de  Thist,  17.)  Voltaire  rühmt  sich,  allein 

nnter  seinen  Landslenten  die  Forschungen   der  Engländer  verwerthet  zu 

haben;   zugleich  wirft  er  den  Franzosen  vor,    sie  hätten   während  des 

fünfzigjährigen  Bestandes   der  ostindischen  Compagnie  verabsäumt,   sich 

mit  Land  und  Leuten  bekannt  zu  machen.   (Lettres  chinoises,  indiennes 

«t  tartares,  Nr.  X.)   —   Vgl.  Lettre  k  Capperonnier,  13.  Juli  1761   —  & 

Vernes,    1.   Oct.    1761,    woraus    hervorgeht,    dass   Voltaire   jenen    Veda- 

Conunentar  von  einem  seiner  Bekannten,  Maudave,  zum  Geschenk  erhielt 

Qfld  der  königlichen  Bibliothek  übermittelte,  ,et   on  Vy  regarde  comme 

le  monument  le  plus  pr^cieux,   qu*elle  possede^   —  A  Peacock,   8.  Dec. 

1767.  —  A  Chabanon,  25,  Dec.  1767.  —  A  Bailly,  27.  Febr.  1777. 

^  Bientdt  les  peres  de  TEglise  attribu^rent  au  diable  toutes  les  religions, 

qui  partageaient  la  terre,  tous  les  grands   ^vdnements  (Art.  Oracles)  — 

lies  monuments  les  plus  irr^fragables  .  .  n*ont  pas  empech^  nos  dispu- 

tatears  de  TOccident  de   donner  k  des  gouvemements  si  sages  le  nom 

ndicale  d'idolatres.   (Fragments  historiques  sur  Tlnde,   22.)  —   Cf.  Art. 


72  Mtjr. 

mit  anderen  Beantwortungen  der  Frage  vertraut  gemacht,  und 
die    neuere    Philosophie    fugte    auch    ihrerseits    selbstständige 
Lösungsversuche    hinzu.     Im   Ganzen   kamen   die   Philosophen 
auf  das  alte  ^primos  in  orbe  fecit  deos  timor'  zurück.    Sie  be- 
mühten sich  jedenfalls;  das  Problem  aus  den  Höhen  der  Meta- 
physik  auf  den  festeren  Boden  der  Empirie   und  Psychologie 
zu  verpflanzen.    So  sagt  auch  Voltaire:  ^Pour  savoir,  comment 
tous  ces  cultes  ou  ces  superstitions  s'ötablirent|    il  me  semble 
qu^il    faut   suivre   la  marche   de    Tesprit  humain  abandonne  a 
lui-meme'.*   Jedoch  der  psychologische  Weg  hat  seine  Gefahren. 
Fast   unmerklich   schiebt   der  Forscher  den  Seelen  primitiver, 
überhaupt  fremdartiger  Menschen  Ideen,  Gefühle,  Begehrungen 
unter,   die   ihnen    ebenso   ferne   liegen,   als   sie   ihm  selbst  ge- 
läufig sind.    Voltaire's   heller  Geist  war  sich  der  Gefahr  wohl 
bewusst;    seine   ausgebreiteten   Kenntnisse   bewahrten   ihn    vor 
einem   Abwege,   den  jemand   leichter  geht,    welcher  aus    Un- 
wissenheit seine  Umgebung  mit  all  ihren  specifischen  Merkmalen 
für    die   Menschheit   schlechthin   nimmt.'^     Es   ist  nun  überaus 
merkwürdig,  dass  Voltaire  den  Urmenschen  sich,  ganz  in  mo- 
derner  Weise,    nach    Analogie    des   Wilden    und    des   Kindes 
construirt;   selbst   der   ihm   aus  unmittelbarer  Anschauung  be- 
kannte  französische  Bauer   muss    ihm    zum  Verständnisse    des 
Urmenschen  herhalten. ^    Die    Geistes-    und  Gemüthszustände, 


Idole.  —  Gegon  den  Vorwurf  der  Teafelsanbetung:  ,Ce8  reproches  absurdes 
Bont  intoUrables  .  .  II  est  temps  que  noas  quittions  Tiiidi^e  usage  de 
calomnier  toutes  les  sectes  et  d'insulter  toutes  les  nations.   (Essai,  c.  4.) 

«   Phil,  de  l'hist.,  V. 

3  So  sagt  Voltaire  z.  B.  er  halte  Sonne  und  Mond  nicht  für  die  ursprüng- 
lichen Gottheiten.  Culturlose  Menschen  ^ne  sont  frapp^s  ni  de  la  beaut^ 
ni  de  Tutilit^  de  Tastre  qui  anime  la  nature  .  .  ils  n^j  pensent  pas,  ils 
y  sont  trop  accoutum^s.  On  n^adore,  on  n^invoque,  on  ne  peut  apaiser 
que  CO  qu*on  craint;  tous  les  enfants  voient  le  ciel  avec  indiff^rence; 
mais  que  le  tonnerre  gronde,  ils  tremblent*.  (Art.  Religion,  S.  III.)  — 
Dass  die  Verehrung  des  Lingam  bei  den  Indem  nicht  auf  wollüstige 
Ueppigkeit  deute,  erörtert  er  Essai,  143;  Fragments  historlques  sur  Tlnde, 
29.  —  Les  oreilles  du  Comte  de  Chesterfield  (1775),  c.  6. 

3  Tous  les  peuples  furent  pendant  des  si^cles  ce  que  sont  aujourd'hui  les 
habitauts  des  plusieurs  cotes  m6ridionales  de  TAfrique.  (Phil,  de  Thist., 
V.)  —  Examinons  ce  qui  se  passe  dans  les  enfants  .  .  Les  premiers 
hommes  ont  sans  doute  agi  de  meme.  (Art  Religion,  S.  III.)  —  Cf.  Phil, 
de  l'hist.,  VII,  XX. 


YoIUire-Sindien.  73 

aas  denen  bei  dem  Wilden^  dem  Einde^  dem  Bauern  religiöse 
Vorstellungen  hervorgehen,  sind  also  nach  seiner  Ansicht  die 
Dämlichen,  aus  denen  die  primitiven  Religionen  überhaupt 
hervorgegangen  sind.  Ist  einmal  der  göttliche  sowohl,  als  der 
teuflische  Ursprung  der  Religionen  abgelehnt  und  der  mensch- 
liche acceptirt,  so  ergibt  sich  auch  für  die  Werthbeurtheilung 
derselben  ein  anderer  Standpunkt.  Was  involvirt  doch  die 
bekannte  Herleitung  der  Religion  aus  dem  Affecte  der  Furcht? 
Doch  dies,  dass  die  Religion  selbst  dahinfallt,  wenn  sich  zeigen 
sollte,  dass  die  Furcht  eine  leere  ist,  oder  wenn  die  Furcht 
der  inneren  Missbilligung  unterliegt  und  einer  tapferen,  edlen 
Seele  unwürdig  erscheint.  Jedoch,  Voltaire's  Theorie  fällt  mit 
der  eben  besprochenen  nicht  gänzlich  zusammen. 

Den  religionsbildenden  Urmenschen  dürfen  wir  uns  nach 
Voltaire  nicht  völlig  roh  und  thierisch  vorstellen,  sondern  in 
geselligem  Vereine  lebend,  etwa  in  einer  Dorfschaft  ,dans  une 
bourgade  d'hommes  presque  sauvages'.  ^  Vor  der  Urgesellung 
liegt  eine  Periode  absoluter  Gottlosigkeit.  So  lange  sich  der 
Mensch  ausschliesslich  mit  der  Sorge  um  die  Fristung  des 
Daseins  befasst,  ist  er  der  Conception  eines  übernatürlichen 
Wesens  unfähig.  ^  Voltaire  beruft  sich  auf  die  thatsächliche 
Existenz  atheistischer  Völker,  die  man  jedoch  nicht  im  ge- 
wöhnlichen Sinne  atheistisch  nennen  dürfe,  indem  sie  Qott 
nicht  läugnen,  sondern  einfach  nicht  kennen.  Nehmen  wir 
also  an,  einige  nahezu  wilde  Menschen  hätten  sich  zu  einer 
Dorfschaft  vereinigt.  Sie  sehen  ihre  Nährfrüchte  zu  Grunde 
gehen,  eine  Ueberschwemmung  zerstört  ihre  Hütten,  Blitz  und 
Donner  erschrecken  sie;  kurz  sie  fragen,  wer  ihnen  all  das 
angethan  habe.  Es  muss  eine  geheimnissvolle  Macht  sein,  die 
sie  misshandelt  hat;  es  gilt,  dieselbe  zu  versöhnen,  indem  man 


»  PhU.  de  rhiBt.,  V. 

'  Art  Ath^isme:  Ponr  les  peuples  entierement  sanvages  on  a  d^j&  dit 
qn'on  ne  peat  les  compter  ni  parmi  les  ath^es,  ni  parmi  les  th^istes  .  . 
ils  ne  flont  pas  plas  ath^es,  qne  p^ripat^ticiens.  —  Ausser  der  Entwick- 
lung der  Gottesidee  behandelt  Voltaire  auch  die  Entstehung  des  Glaubens 
an  eine  Seele,  den  Ursprung  der  Riten,  Orakel,  Prodigien  etc.  gemäss 
dem  im  vorangehenden  Capitel  erörterten  Grundsatze:  La  nature  6tant 
partout  la  meme,  les  hommes  ont  du  n^cessairement  adopter  les  memes 
T^rit^s  et  les  memes  erreurs.  (Phil,  de  Thist.,  VI.) 


74  M^yr. 

ihr  in  klug  berechnender  Absicht  Geschenke  darbringt  and 
£hrerbietigung  erweist.  *  So  weit  geht  Voltaire  mit  der 
Schreckenstheorie;  wie  sie  leitet  er  die  primitive  Gottes  Vor- 
stellung aus  der  psychischen  Reaction  gegen  die  Wahrnehmung 
des  Weltelendes  ab.  Jedoch  nur  die  primitive  Religion  ruht 
auf  so  schwankem  Fundamente. 

Wird  dann  die  Einbildungskraft  weiter  angeregt,  fahrt 
Voltaire  fort,  so  bevölkert  sich  bald  die  ganze  Erde  mit  gött- 
lichen Wesen;  die  Dörfer  bekommen  Kenntniss  von  den  Göttern 
ihrer  Nachbarn  und  nehmen  dieselben  unter  Umständen  an. 
Dies  ist  der  Ursprung  des  Polytheismus ,  der  Religion  der 
Masse,  deren  Gottes  Vorstellung  immer  und  überall  auf  niedrigen, 
unedlen  Motiven  beruht.^  Jedoch  sondert  sich  bei  zunehmender 
Cultur  aus  der  Menge  ein  Häuflein  Weiser  ab,  welche  zu  der 
erhabenen  und  giltigen  Idee  eines  Schöpfers,  Ordners,  Er- 
halters der  sichtbaren  Welt  und  zugleich  Vergelters  von  Gut 
und  Böse  vordringen.  ^  Wäre  die  Religion  bloss  auf  die  Motive 
der  Massen  gebaut,  so  wäre  sie  der  Beachtung  nicht  werth; 
die  Religion  der  Weisen  aber  (oder  die  Philosophie)  macht 
die  Religionsgeschichte  zu  einem  würdigen  Objecto  der  Be- 
trachtung. 

Hiemit  sind  wir  an  der  Schwelle  der  eigentlichen  Historie, 
an  der  Schwelle  der  Ueberlieferung,  bei  den  Religionen  der 
alten  Culturvölker  angelangt;  Inder,  Chinesen,  Chaldäer  sind 
die  ältesten  derselben,  jünger  sind  die  Aegypter,  Phönizier, 
Juden,  Griechen  und  Römer.     Sie  alle  haben  so  ziemlich  die- 

>  Phil,  de  rhiflt.,  V.  —  D*oii  est  donc  d^riv^e  cette  id4e?  du  senUment 
et  de  cette  logiqne  naturelle  qai  se  d^veloppe  avec  Tage  dans  les  hommes 
les  plus  grossiera.  On  a  vu  des  effets  ätonnants  de  la  natura,  des  moisBons 
et  des  st^rilites,  des  bienfaits  et  des  fl^aux,  et  on  a  senti  un  maitre.  (Art 
Dieu  I.)  —  Aber  auch  die  moralische  Naturaulage  des  Menschen  bezeichnet 
Voltaire  als  religiös.  ,11  faut  donc,  avant  tous  les  eultes,  une  religion 
naturelle,  qui  trouble  le  coBur  de  Thomme,  quand  il  eut  .  .  commis  une 
actlon  inhumaine.'    (Art.  Expiation.) 

3  Der  Polytheismus  folgt  dem  Ur-Monotheismus  zeitlich  nach.  ,J*08e  croire 
qu'on  a  commenc^  d'abord  par  reconnaitre  un  seul  Dieu,  et  qu'ensuite  la 
faiblesse  humaine  en  a  adopte  plusieurs.^  (Art.  Religion,  III,  2.) 

3  Cependant  il  faut  bien  que  la  raison  se  perfectionue  .  .  Tous  ces  philo- 
sophes  babyloniens,  persans  etc.  admettent  nu  Dieu  supreme  r^munera- 
teur  et  vengeur.  (Art.  Religion,  ibid.) 


Yoltaire-StQdien.  75 

Beiben  Phasen  der  Entwicklung  durchgemacht.  Eine  Ausnahme 
bildet  China.  Es  stellt  nicht  den  durchschnittlichen;  sondern 
den  idealen  Typus  dar;  es  ist  das  Musterland,  welches  von 
Anbeginn  in  einem  Zustande  religiöser  Verfassung  lebt^  den  die 
anderen  Länder  selten  erreicht  haben.  Voltaire  hat  die  Chinesen 
in  der  Weltgeschichte  eingebürgert;  den  Essai  eröffnet  er  mit 
ihnen,  ein  Brauch,  der  bis  auf  den  heutigen  Tag  in  den  soge- 
nannten Weltgeschichten  fortdauert.  Leider  sind  die  idealen 
Chinesen  Voltaire's  nicht  die  Chinesen  der  Wirklichkeit,  der 
Geschichte  und  Ethnologie.* 

Nach  Voltaire's  Schilderung  zeichnet  sich  die  Religion  der 
Chinesen  durch  ihre  Einfachheit  und  Erhabenheit  aus.  Sie  ist 
frei  von  allem  Dogmatismus  und  Aberglauben ;  deshalb  gibt  es 
in  ihr  keinen  Streit,  keine  Intoleranz,  keinen  Fanatismus.^  Sie 
besteht  aus  blosser  Moral;  wie  sie  die  Weisen  aller  Zeiten  und 
Völker  gelehrt  haben.  Sie  verehrt  nur  Ein  höchstes  Wesen,  den 
Herrn  der  physischen  und  moralischen  Welt.^  Ihrer  sittlichen 
Auffassung  des  Familienlebens  entspringt  ein  pietätvoller  Cultus 
der  Ahnen.  Der  Lehrer,  eigentlich  Wiederhersteller,  dieser  Reli- 
gion, die  zugleich  Staatsreligion  ist,  war  Confucius,  ein  Mann, 
der  weder  den  Inspirirten,  noch  den  Propheten  spielte,  keinerlei 
iljsterium,  nicht  einmal  die  Fortdauer  nach  dem  Tode,  sondern 
blosse  Sittenlehre  verkündigte.  Duldsam  wie  sie  war,  wehrte 
die  Religion  des  Confucius  nicht  dem  Eindringen  des  Foismus 
und  des  Bonzenthums.  Dem  neuen  Glauben,  dem  Buddhismus, 
einem  Gemisch  von  Aberglauben  und  Unsinn,  fiel  der  Pöbel  an- 
heim,  den  die  Bonzen  für  ihre  Zwecke  ausbeuteten;  der  alten 
Religion  blieben  die  herrschenden  und  gelehrten  Classen  treu. 

^  lieber  die  chmesische  Religion  siehe  Phil,  de  Thist.,  18  —  Essai,  1 — 2  — 
Art  Chine,  Catechisme  cbinois  —  Entretiens  chinois  (1768)  —  Frag- 
ments sor  Thistoire  generale  (1773)  —  Lettres  chinoises  (1776)  —  ferner 
Siecle  de  Louis  XIV,  c.  39,  and  Essai,  c.  195,  sowie  die  Relation  du 
bannissement  des  Jesuites  de  la  Chine  (1768). 

'  II 07  a  en  qa*ane  senle  religion  dans  le  monde  qui  n'ait  pas  et^  souilUe  par 
le  fanatisme,  c'est  celle  des  lettres  de  la  Chine.  (Art.  Fanatisme,  S.  II.) 

'  II  est  constant  que  tous  les  penples  polices  en  adorant  un  seul  Dien 
Tenercrent  des  dieux  secondaires.  Exceptons-en  les  seuls  Chinois,  qni, 
dones  d*iine  sagesse  superieure,  ne  firent  jamais  partager  a  personne  la 
moindre  ecoulement  de  l^  Dlvinite.  (Canonisation  de  St-Cucufin,  1767 
(1769?). 


1&  M.yr. 

Letztere  beschränkten  sich  darauf,  Pöbel  und  Pfaffen  in  Zaum 
zu  halten,  weshalb  dem  Lande  die  Geissei  der  Religionskriege  und 
der  Kampf  zwischen  sacerdotium  und  imperium  erspart  blieb.* 
Auch  als  die  Missionäre  christlicher  Herkunft  den  Fanatismus 
zu  schüren  suchten,  vermochte  es  den  Frieden  zu  bewahren. 
Infolge  seiner  religiösen  Zustände  war  und  ist  China,  ungeachtet 
seiner  Mediocrität  in  den  Wissenschaften  und  seines  Hanges 
zur  Stabilität,  das  bestgesittete  Land  der  Erde.^ 

E&  finden  sich  hier  alle  wesentlichen  Stücke  der  Voltaire- 
schen Religionsphilosophie  beisammen :  sein  Abscheu  gegen  das 
Dogma; 3  sein  Hass  gegen  die  Organisation  des  Aberglaubens;^ 
sein  Kampf  gegen  eine  Priesterreligion,  die  sich  über  den  Staat 
erhebt  und  dem  Fanatismus  Halt  gewährt;  seine  Identification 
von  Religion  und  Moral;  seine  Lehre  von  der  Uebereinstinmiung 
aller  echten  Religion  an  allen  Orten  und  zu  allen  Zeiten;^ 
seine  Unterscheidung  zwischen  der  Religion  der  Gebildeten  und 
dem  Wahne  des  Haufens,  gegen  welchen,  soferne  er  gewisse 
Schranken  überschreitet,  der  Höherstehende  principiell  keinerlei 

*  fCrois  ce  qni  tu  voudras,  m&is  fais  ce  que  je  t*ordonne.'  Dieses  Princip 
des  Friedericianischen  Absolutismus  hält  Voltaire  auch  für  das  der  chi- 
nesischen Regierung.  (Dieu  et  les  hommes,  c.  4.) 

2  Siicle  de  Louis  XIV,  39. 

'  La  th^ologie  n^a  jamais  servi  qu*4  renverser  les  cervelles  et  quelquefois 
les  Etats.  (L*A,  B,  G ;  10°>*  Entretien.)  —  Culte,  n^cessaire ;  Tertu,  indispen- 
sable; crainte  de  Tavenir,  utile;  dogme,  impertinent;  dispute  sur  le  dogme, 
dangereuse;  pers^cution,  abominable;  martyr,  fou.  (Pens^es,  remarques, 
observations.) 

*  Jamais  la  nature  humaine  n'est  si  avilie  que  quand  Tignorance  super* 
stitieuse  est  arm^e  de  pouyoir.  (Essai,  c  140.) 

^  La  relig^on  enseigne  la  m^me  morale  k  tous  les  peuples  eans  aucune 
exception  :  les  c^r^monies  asiatlqnes  sont  bizarres,  les  croyances  ab- 
surdes, mais  les  pr^ceptes  justes  .  .  il  nVst  pas  possible  quHl  y  ait 
jamais  une  soci^t^  religieuse  institu^e  ponr  inviter  au  crime.  (Essai, 
c.  197.)  —  Die  Moral  aller  Religionen  ist  vortrefflich,  nur  ihre  Meta- 
physik absurd  und  ihr  Geremonienwesen  lächerlich.  (Dieu  et  les  hommes, 
c.  9.)  —  Toutes  les  sectes  sont  differentes  parce  qu'elles  viennent 
des  hommes;  la  morale  est  partout  la  meme  parce  qu^elle  Tient  de 
Dieu.  (Art  Theisme.)  —  On  a  dit  souvent  que  la  morale  qui  vient  de 
Dieu  r^unit  tous  les  esprits,  et  que  le  dogme  qui  vient  des  hommes  les 
divise.  (Instruction  pour  le  prince  royale  de  .  .  .,  c.  3,  1762  oder  1767.) 
—  Vgl.  Art  Dogmes. 


Yolteire-Stnaien.  77 

Duldung  üben  soll.  >  Zwischen  den  Zeilen  lesen  wir  den  Tadel 
gegen  das  positive  Christenthum,  das  Widerspiel  des  geschilderten 
Idealsznstandes.  Das  Christenthum  ist  dogmatisch^  proselytisch, 
fanatisch;  es  ist  eine  Volksreligion,  die  auch  die  Aristokratie 
des  Geistes  knechten  will;  es  ist  theokratisch  organisirt  und  stellt 
sich  nicht  selten  dem  Staate  entgegen;  es  hat  seit  anderthalb 
Jahrtausenden  Streit  und  Verderben  über  die  Völker  gebracht; 
es  vernachlässigt  zu  Gunsten  des  Dogmas  die  Moral,  ja  stellt  die 
fragwürdigsten  Exempel  der  Sittlichkeit  zur  Nachahmung  auf. 
Die  religiöse  Entwicklung  Indiens  weicht  von  der  Chinas 
ab,  nähert  sich  dagegen  dem  mittleren  Durchschnitte.  In  Indien 
haben  wir  den  Ursprung  der  Theologie  zu  suchen ;  hier  lebten 
die  Erfinder  und  Lehrer  der  ältesten,  späterhin  verbreitetsten 
Dogmen  und  Mythologeme.  So  lange  Priesterthum  und  Eönig- 
thuffl  noch  nicht  getrennt  waren,  konnte  die  Religion  auf  blosse 
Vernunft  (raison  universelle)  gegründet  werden,  wie  bei  den 
Chinesen ;  als  aber  das  Priesterthum  sich  ablöste  und  zur  Kaste 
versteinerte,  trat  auch  der  Verfall  der  ursprünglichen  Religion 
zu  Tage.  ^  Die  Brahmanen  bewahrten  stets  eine  edlere  Glaubens- 
ansieht,  als  der  Haufe.  Sie  verehrten  einen  einzigen  höchsten 
Gott,  obwohl  sie  Untergötter  anerkannten;  sie  lehrten  die  Welt- 
Bchöpfung  aus  dem  Nichts,  führten  das  Uebel  der  Welt  auf  den 


1  La  canaiUe  cr^  la  superstition,  les  honnetes  gens  la  d^traisent.  (Diner 
du  Comte  de  Bonlaiovilliers,  Pens^es  de  St -Pierre.)  —  «Chez  presque 
tontes  les  nations  nommdes  idolätres  il  y  avait  la  thSologie  sacr^e  et 
Terrenr  popnlaire,  le  calte  secret  et  les  c^r^moniea  pabliques,  la  religion 
des  sages  et  celle  de  vnlg^ire.  (Art.  Idole.) 

*  lieber  die  Eeligion  der  Inder  siehe  Phil,  de  Thist.,  17  —  Essai,  3 — 4  — 
Defense  de  mon  onde,  1767,  c.  13  —  Precis  du  Si6cle  de  Louis  XV, 
c.  29  —  Art.  Brachmanes;  ilzourveidam  —  Fragments  historiqiies  snr 
quelques  revolutions  daus  Tlnde  (1773)  —  Lettres  chinoises,  indiennes 
et  tartares  (1776)  —  Vgl.  den  Roman:  Les  lettres  d'Amabed  (1769)  — 
Les  Indiens  de  qni  toute  esp^ce  de  th^ologie  nons  est  venue  (Phil,  de 
Thist.,  48)  —  Les  Brachmanes  furent  les  inventenrs  de  Tastronomie  et 
de  U  mjthologie  (Un  Chr^tien  c.  siz  Juifs,  II,  1776)  —  C'est  des  Indiens 
que  nouB  viennent  ces  prodigieuses  austerit^s  .  .  L'Europe  en  ce  ne  fnt 
que  Timitatrice  de  Tlnde  (Essai,  139)  —  II  m  a  pamt  Evident  que  notre 
sainte  religion  chretienne  est  uniqnement  fondde  sur  Tantique  religion  de 
Brahma  .  .  une  miserable  et  froide  copie  de  Tancienne  theologie  indienne 
(A  Pr^d^ric  II,  21.  Dec  1775)  —  Vgl.  29.  JÄnner  1776,  14.  Juni  1776 
k  La  Gentile. 


78  Mayr. 

Abfall  himmlischer  Geister  zurUck,  lehrten  aber  auch  die  Er- 
lösung^ der  Verdammten  durch  stufenweise  Rückkehr  zu  Gott, 
An  diese  Lehre  knüpfte  der  Seelenwanderungsglaube  an,  welcher 
hinwiederum  zur  Begründung  des  Kastenwesens  verwendet  wurde.' 
Mit  der  fortschreitenden  Degeneration  und  Herrschsucht  der 
Brahminen  griffen  auch  Ceremonienwesen  und  Aberglauben 
um  sich.  Das  indische  Rituale  erregt  unser  Lachen;  freilich 
revanchirt  sich  der  Gangesanwohner,  indem  er  über  das  Treiben 
der  Leute  am  Tiber  lächelt;  der  Philosoph  lacht  über  den  einen, 
wie  über  den  anderen,  sowie  er  ihnen  auch,  wo  sie  es  verdienen, 
Anerkennung  zollt.  Der  Philosoph  findet,  dass,  so  lächerlich 
das  Rituale  der  Brahmanen  auch  sein  möge,  ihre  erhabene 
Moral  nur  Bewunderung  erregen  könne.^  Gegenwärtig  habe  sich 
die  indische  Religion  nur  mehr  bei  wenigen  Philosophen  in 
ihrer  alten  Reinheit  erhalten;  diese  gäben  sich  keine  Mühe, 
einem  entarteten  und  verweichlichten  Volke  bessere  Vorstel- 
lungen beizubringen:  sie  würden  die  anderen  Brahmanen,  die 
Weiber,  den  Pöbel  gegen  sich  aufreizen.  In  neuerer  Zeit,  er- 
zählt er,  hat  der  Muhamedanismus  Fortschritte  gemacht,  das 
Christenthum  hingegen  trotz  seiner  Evidenz,  seiner  Heiligkeit 
und  seiner  Missionäre  keine.  Wie  könne  man  auch  eioem 
Volke  zumuthen,  den  Glauben  von  Menschen  anzunehmen,  die 
gleich  Räubern  über  ferne  Länder  herfallen  und  den  religiösen 
Hader  ihrer  Heimat  an  fremde  Gestade  tragen. 

Die  (beschichte  der  indischen  Religion  gibt  Voltaire  auch 
über  die  Wechselwirkung  von  Klima,  Religion  und  Gesellschaft 
zu  denken.^    Die  frappirende  Aehnlichkeit  zwischen  indischen 

^  Ce  farent  les  premiers  Brachmanes  qui  invent^rent  le  roman  th^olog^qne 
de  la  chnte  de  rhomme,  ou  pIntot  des  ang^es :  et  cette  cosmogonie,  aussi 
ing^niease  que  fabnleuse,  a  ete  la  source  de  toutes  les  fables  s&crees 
qui  ont  Inonde  la  terre.  (Demi^res  remarques  sur  Pascal,  Nr.  112,  1777.)  — 
Cf.  Art.  Ange. 

'  Aach  traurige  Verirrungen,  wie  die  Witwenverbrenming,  bespricht  er. 
Ueber  die  Bussgebräuche  sagt  er:  ,Dus  qu*il  y  eut  des  religions  etablies, 
11  y  eut  des  expiations ;  les  ceremouies  furent  ridicules :  car  quel  rapport 
entre  Teau  du  Gange  et  un  meurtre  .  .  Nous  avons  d^j4  reraarque  cet 
exc&s  de  d^meoce  et  d*absurditS,  d^avoir  imagine  que  ce  qoi  lave  le 
Corps  lave  Pftme.*  (Art.  Expiation  —  Bapteme.) 

'  Si  Jamals  le  climat  a  influe  sur  les  hommes  c*est  assurement  dons 
rinde  .  .  Leurs  superstitions  sont  les  m^mes  que  de  temps  d* Alexandre. 


Voltaire-Stodien.  79 

und  jüdisch-christlichen  Lehren  leitet  ihn  auf  den  Gedanken 
einer  Uebertragung  mittels  der  Chaldäer  und  Aegypter.  Jeden- 
falls hat  Voltaire  mit  seiner  Polemik  gegen  die  schulgerechte 
Lehre  der  Zeit  Recht,  der  zufolge  eine  Uebertragung  in  um- 
gekehrter Ordnung,  von  der  Bibel  zu  den  Indem,  stattgefunden 
hätte.  Aus  mehr  als  einem  Grunde  setzt  er  die  indische  gegen 
die  chinesische  Religion  zurück:  er  macht  ihr  die  kastenmässige 
Abscheidung  von  König-  und  Priesterthum,  die  Ausspinnung 
simpler  und  natürlicher  Einsichten  zu  phantastischen  Mytholo- 
gemen,  die  Verhüllung  des  besseren  Kernes  durch  ein  obligates 
Ceremoniell,  die  Erweckung  abergläubischer  und  fanatischer  Re- 
gungen, den  verweichlichenden  Einfluss  zum  Vorwurfe.  Während 
in  China  alle  theokratischen  Gelüste  niedergehalten  wurden, 
haben  sich  in  Indien,  und  später  allüberall,  die  Priester  zu 
einer  dominirenden  Classe  aufgeworfen.  Sie  haben  Gesetze 
gegeben  und  ihnen  einen  direct  göttlichen  Ursprung  angedichtet. 
Das  angebliche  Herabsteigen  der  Götter  ist  ein  sicheres  Indi- 
cium  der  Theokratie.'  ,Der  erste  Unverschämte',  sagt  Voltaire,^ 
.welcher  wagte,  Gott  sprechen  zu  lassen,  war  ein  Gemisch  von 
Schurkerei  und  Fanatismus.'  Traumgesichte  brachten  ihm  wohl 
selbst  die  Ueberzeugung  seiner  höheren  Mission  bei.  ,Das  Hand- 
werk lässt  sich  gut  an;  mein  Charlatan  bildet  Schüler,  die  alle 
mit  ihm  das  nämliche  Interesse  theilen.  Ihre  Autorität  wächst 
mit  ihrer  Anzahl.  Gott  offenbart  ihnen,  dass  die  schönsten 
Rinds-  und  Hammelsstücke,  das  fetteste  Geflügel,  der  erlesenste 
Wein  ihnen  zukomme.  Der  König  des  Landes  schliesst  hierauf 
einen  Handel  mit  ihnen,  um  besseren  Gehorsam  beim  Volke 
zu  finden;  aber  bald  ist  der  Herrscher  der  Narr  bei  dem 
Gfeschäfte  .  .  Samuel  entthront  den  Saul  und  Gregor  VII.  den 
Kaiser  Heinrich  IV.  .  .  .  Dieses  diabolico-theokratische  System 


(ÜMaif  c.  194.)  —  La  physique  de  Tlnde,  diff^rant  en  tant  de  choses 
du  ndtre,  il  iaUait  bien  que  le  moral  differdt  aussi.  (Essai,  c.  3.)  —  La 
moUesse  inspir^e  par  l»  cUmat  ne  se  corrige  jamais.  (Ibid.)  Lenr  climat 
est  si  donx  .  .  qne  tont  y  invite  au  repos  et  ce  repos  k  la  m^ditation. 
(8iir  Tüme,  1774.) 

'  PhiL  de  Thist,  9.  —  Art.  Th^ocratie. 

*  L'A.B,  C;  5«*  Entretien  (1769).  —  Depnis  Calchas  jusqu'i  Gn'goire  VII 
et  Sixte  V  .  .  la  puissance  sacerdotale  a  6t^  fatale  au  monde.  (Art, 
Prttres.) 


RO  Mayr. 

dauert  fort,  bis  sich  hinlänglich  unterrichtete  Fürsten  finden, 
welche  Geist  und  Muth  genug  besitzen^  einem  Samuel  oder 
Gregor  die  Klauen  zu  stutzen.  Das  ist;  wie  mir  scheint,  die 
Geschichte  der  Menschheit  .  .  Das  Volk  ist  immer  bereit  sich 
um  die  Franciskaner  und  Kapuziner  zu  schaaren  .  .  Die  Mönche 
bleiben  mächtig,  bis  eine  Umwälzung  sie  hinwegspült/ 

Hnmani  generis  mores  tibi  nosse  volenti 
Snfficit  nna  domas. 

(Jnv.  Sat,  XIII,  Vb.  159.) 

Nächst  den  Veden  und  den  Kings  gilt  der  Zend-Avesta 
für  das  älteste  Buch  der  Erde.  Zoroaster's  Sittenlehre  ist  vor- 
trefflich J  Dagegen  macht  er  einen  vergeblichen  Versuch,  das 
Uebel  in  der  Welt  zu  erklären  und  zu  rechtfertigen,  indem  er 
den  Gegensatz  von  Gut  und  Böse  auf  zwei  ursprüngliche  Prin- 
cipien  zurückfährt,  wodurch  das  gute  Princip  von  dem  Vorwurfe, 
der  es  in  monotheistischen  Religionen  trifft,  entlastet  wird. 
Die  Lehre  von  Himmel,  Hölle  und  Teufel  machte  dann  ihren 
Weg  über  die  Welt;^  zur  Zeit  der  Hasmonäer  wurde  sie  von 
den  Juden  adoptirt.  Der  Glaube  an  das  Jenseits  hat  sich  als 
wirksamer  Zügel  der  Massen  erwiesen.  Die  Dc^pmen  und 
Riten   dieser  Religion   sind  ihm  selbstverständlich  ein  Gräuel. 

üeber  die  Religionen  der  Chaldäer,  Syrer,  Phönicier  eilt 
Voltaire  ziemlich  flüchtig  hinweg;  das  Interessanteste  daran 
sind  ihm  die  Namen,  Lehren  und  Gebräuche,  welche  die  Juden 
diesen  ihren  Nachbarn  oder  Herren  entlehnt  haben.  ^  Die 
Religion  der  Chaldäer  nennt  er  einen  Sabismus,  der  aus  der 
Anbetung   eines    höchsten   Wesens   und    der   secundären   Ver- 


^  ,Je  me  coufirme  dans  Tidee  qiie  plus  Zoroastre  ^tablit  dea  saperatitions 
ridiculea  en  fait  de  culte,  plus  la  puret6  de  sa  morale  fait  voir,  qu*il 
n*^tait  paa  en  lui  de  la  corrompre.*  (Philoaophe  ignorant,  39,  1766.)  — 
Je  Toudrais  que,  pour  notre  plaisir  et  pour  notre  instraction,  tons  ces 
granda  prophötes  de  rantiquit^,  ies  Zoroaatrea  etc.  revinaaent  aujourd'hai 
aur  la  terre,  et  qu^ila  conversaaaent  avec  Locke,  Newton  etc.  que  dis-je? 
avec  lea  philosophea  Ies  moins  aaranta  dea  noa  jonra,  qui  ne  aont  pafl 
lea  moiua  aenaea.  J^en  demande  pardon  k  Vantiquit^,  maia  je  crois 
qu^ila  feraient  une  triste  figure.  H^laa  I  lea  pauvres  charlatana  I  ils  ne 
vendraient  paa  leura  droguea  aur  le  Pont*neuf.  (Art.  Zoroaatre.) 

2  Art.  Bekker.  —  II  faut  prendre  un  parti  (1772),  c.  20. 

»   Phil,  de  rhiat,  10—13. 


VolUire-StttdiPii.  81 

ehrang  von  Astralgeistern  bestünde.  ^  An  der  syrischen  Reli- 
gion findet  er  die  Ceremonie  der  Selbstverstümmelung  be- 
achtenswerth.  Die  rationalistische  Deutung,  als  sei  es  der 
Uebervölkerung  wegen  Brauch  gewesen,  die  Priester  zu  ca- 
striren,  genügt  ihm  nicht.  Er  meint,  dass  wir  es  hier  mit  der 
alten  Sitte  zu  thun  hätten,  den  Göttern  das  Liebste  zu  opfern, 
was  man  habe;  hiezu  komme  die  Scheu  sich  ihnen,  behaftet 
mit  dem,  was  für  unrein  gilt,  zu  nahen.  ^  Die  phönizische 
Religion  ist  durch  ihre  Eosmogonie  ausgezeichnet;  ihr  ent- 
lehnten die  Juden  die  Namen  ihres  Gottes.  Was  die  Aegypter 
bctriflFt,*  so  hält  er  sie  für  jünger,  als  die  genannten  Völker, 
wodurch  die  Prätensionen  ihrer  Lehrlinge,  der  Juden  —  die 
Prätension  das  älteste  Culturvolk  zu  sein,  die  Lehren  und 
Gebräuche  aller  anderen  Nationen  beeinflusst  zu  haben  —  in 
Nichts  zerfallen.  Von  dem  ägyptischen  Thiercultus,  der  Volks- 
religion, ist  die  reinere  Lehre  der  Mystagogen  zu  unterscheiden.^ 
Uebrigens  lastet  auf  den  Aegyptern  der  schwere  Vorwurf  der 
Intoleranz,  des  Fanatismus.'*  ^Von  den  Aegyptern',  sagt  er, 
,gilt  die  Bemerkung,  die  auch  von  den  übrigen  Völkern  gilt, 
dass  sie  niemals  constante  Meinungen  besessen  haben  .  .  Nur 
die  Geometrie  ist  unveränderlich;  alles  ist  sonst  in  unaufhör- 
lichem Wechsel  begriffen  .  .  Die  Gelehrten  streiten  und  werden 
streiten  .  .  Sie  haben  alle  Recht,  wenn  man  Zeit  und  Menschen, 
die  gewechselt  haben,  unterscheidet^*^ 

Wir  kommen  nun  zur  Hauptarbeit  von  Voltaire's  Leben: 
zu  seinem  Kampfe  gegen  die  weltbeherrschende  I^hre  des 
Christenthums.     Sein   Interesse   für   das  Judenthum    und    das 


*  Art.  BabeL 

3  PbiL  de  Tbist.,  12.  Vgl.  Art.  Circoncision,  CUmat.  (Inflaence  de  climat) 
»  Pha  de  rhiat,  19—23. 

*  n  eflt  Ji  croire  quo  les  fanatiques  voyaient  an  lai  (Apis)  un  diea,  lea 
tages  an  aimple  symbolei  et  quo  le  sot  peuple  adorait  le  boeuf.  (Art. 
Apis.) 

^  In  dem  Scbriftcben  ,De  la  paix  perpetnelle*  (1769),  c.  6  besebnldigt  er 
die  AegTpter,  sie  seien  die  ersten  gewesen  ,qai  ont  donn^  Tid^e  de 
VintoUrance;  tont  ^tranger  6tait  impur  chez  eux  .  .  le  miserable  peuple 
a  pay6  bien  cber  son  intol^rantisme  et  est  devenu  le  plus  m^prisö  de 
toos  les  penples  apris  les  Jnifs.  —  Dien  et  les  hommesi  c.  10.  —  De- 
fense de  mon  oncle,  21,  S^*  diatribe.  —  A  Mairan,  9.  Aug.  1760. 

*  Phü.  de  rhist.,  22. 

»tnngiter.  d.  phil.-hiit.  Cl.  XCV.  Bd.  I.  Hft.  6 


82  M»yr. 

Alte  Testament  wurzelt  in  dem  actuelieren  Interesse  für  die 
christliche  Religion.  ^  Voltaire's  Stellung  in  dem  langen  Kampfe 
zwischen  Philosophie  und  Glauben  ist  durch  den  Oebrauch 
gekennzeichnet,  welchen  er  von  den  WaiFen  der  historischen  und 
philosophischen  Kritik  gegen  den  Glauben  macht.  Seit  der 
Reformation  war  der  Katholicismus  bemüht,  die  Angriffe  der 
historischen,  theologischen  und  philosophischen  Kritik  von  sich 
abzuwehren;  der  historischen  Kritik  gewährte  er  nur  zu  den 
äussersten  Vorwerken  Zugang;  die  theologische  Kritik  blieb 
eine  rein  interne,  den  Laien  verschlossene  Angelegenheit;  mit 
der  Philosophie  wussten  sich  namentlich  die  Jesuiten  geschickt 
abzufinden.  Innerhalb  des  Protestantismus  war  immer  eine 
fortdrängende  Richtung  vorhanden,  welche  jederlei  Kritik  die 
weitesten  Concessionen  machte,  aber  doch  im  Sinne  der  Er- 
haltung und  des  Glaubens.  Erst  die  neuere  Philosophie,  indem 
sie  sich  über  den  Gegensatz  der  Confessionen  erhob,  procla- 
mirte  auch  das  Recht  der  Vernunft,  das  Christenthum,  die 
Religion  selbst,  in  Frage  zu  stellen.  Die  avancirtesten  Vor- 
kämpfer des  Deismus  in  England  gingen  von  der  protestanti- 
schen Verneinung  der  Tradition  zur  Bekämpfung  der  Bibel 
über,  lösten  den  Zusammenhang  derselben  mit  der  überirdischen 
Welt  auf  und  setzten  den  nunmehr  als  menschlich  betrachteten 
Lehren  die  Satzungen  eines  blossen  Vemunftglaubens  entgegen. 
Voltaire  ging  im  Principe  nicht  über  die  Deisten  hinaus;  ab- 
gesehen von  seinen  schriftstellerischen  Gaben  übertraf  er  sie 
jedoch  an  historischer  Gelehrsamkeit.  In  der  Beurtheilung  der 
Quellen,  der  Kritik  einzelner  Daten,  in  der  Erklärung  der 
religiösen  Erscheinungen  aus  dem  Geiste,  dem  Gemüthszustand, 
den  Geschicken  der  Zeitalter,  bewies  er  eine  bis  dahin  einzige 
Meisterschaft.  Sollen  wir  noch  den  Unterschied  zwischen  der 
englisch-französischen  Religionsphilosophie  und   der   deutschen 


^  Ce  penple  doit  nous  interesser  puisque  nous  tenons  d*eux  notre  religion  . . 
noas  IIB  sommes  au  fond  que  de  Jnifs  avec  an  prepuce.  (Essai,  103.)  — 
Les  Chr^tiens,  qui  ne  farent  pendant  cent  ans,  qne  des  demi-jaifs  (L*A, 
B,  C;  3™"  Entretien)  —  nous  qui  devons  notre  religion  k  \\n  petit  peuple 
abominable,  rogneur  d'especes  et  marchand  des  vieilles  cnlottes.  (16.  Au^. 
1761  a  Mairan.)  —  II  y  a  plus  d*absurdit6  encore  k  iroaginer  qu'ane 
secte  n^e  dans  le  sein  de  ce  fanatisme  juif  est  la  loi  de  Dien  et  1a 
verit^  m^me.  (A  d*Argence,  11.  Oct  1763.) 


Voltain-Stodien.  83 

bezeichnen,  so  ist  er  gleich  dem  Unterschiede  von  Empirie 
und  Specalation:  die  mit  Lessing  anhebende  speculative  Theo- 
logie sucht  die  von  der  Realphilosophie  zersetzten  Dogmen  zu 
sablimiren  und  zugleich  den  höheren  geistigen  Forderungen 
der  Zeit  anzupassen. 

Die  Darstellung  Voltaire's,  über  welche  ein  Wort  gestattet 
sein  möge,  ist  bald  mehr  ironisch  gehalten,  bald  ergeht  sie 
sich  in  den  unzweideutigsten  Invectiven.  Besonders  wenn  er 
die  Maske  des  Engländers  vornimmt,  wird  seine  Ausdrucks- 
weise heftig,  extrem.  Kein  Terminus  scheint  mir  weniger  be- 
rechtigt, als  das  Wort  ,frivol',  womit  man  Voltaire's  Art  zu 
kennzeichnen  liebt.  ^  Ihm  war  es  mit  der  Sache  wahrlich  bittrer 
Ernst.  Nur  die  Schwerfölligkeit  oder  der  böse  Wille  können 
sich  durch  seine  Witze  und  Spöttereien  veranlasst  fühlen,  ihm 
Mangel  an  Ernst  vorzuwerfen.  Voltaire  repräsentirt  das  äusserste 
(}egentheil  des  Indifferentismus.  Die  Aufklärung  über  die 
höchsten  Fragen  des  Daseins  ist  seine  vornehmste  Leidenschaft. 
Sie  ist  der  innerste  Beweggrund  seiner  heftigen  Angriffe  auf 
diejenigen  Mächte,  welche  ihrer  ungehemmten  Entfaltung  feind- 
lich entgegen  treten.  Ihm  standen  Pathos  und  Cynismus  gleich 
sehr  zur  Verfügung.  Er  wollte  gar  nicht  schonen,  er  wollte 
verletzen,  weil  ihm  die  Dinge  so  sehr  am  Herzen  lagen.  Wenn 
er  die  Linien  des  ästhetisch  Erlaubten  vielleicht  überschritt, 
80  möge  man  dies  ästhetisch  tadeln.  Wer  möchte  aber  Je- 
mandem Vorwürfe  machen,  dass  er  im  Eifer  des  Kampfes  die 
Regeln  übertritt,  welche  auf  dem  akademischen  Fechtboden 
ihre  Berechtigung  allenfalls  haben? 

Das  Reich  der  Wirklichkeit,  zu  dem  doch  hoffentlich  der 
Kampf  um  die  höchsten  Qüter  des  Geistes  gehört,  unterliegt 
anderen  Gesetzen,  als  das  Reich  des  schönen  Scheines.  Allein 
auch  der  ästhetische  Tadel  ist  übel  angebracht^  da  Voltaire,  trotz 
der  Energie  und  Leidenschaftlichkeit  seiner  Empfindung,  sich 
fast  immer  innerhalb  der  Grenzen  des  Anmuthigen  hält;  er  ist 
der  liebenswürdigste  Spötter,  den  es  je  gegeben  hat.  Er  hat  die 
künstlerische  Transfiguration  der  Unflätherei  und  Zote  zu  Wege 
gebracht    Es   liegt   etwas   wie  Bonhomie  über   einem   grossen 


^  Was  es  flberhanpt  mit  dem  Vorwurfe  der  Frivolität  aaf  sich  habe,  ex- 
ponirt  D.  Fr.  Stranss  in  seinem  Vottaire.  (O.  W.  XI,  152.) 

6* 


84  M»yr. 

Theil  seiner  Schriften;  ein  ;bon  homme'  ist  er  freilich  nicht, 
aber  gut  und  gross  ist  der  innerste  Kern  seines  Wesens. 
Böse  und  klein  sehen  wir  ihn  nur  im  Hader  mit  der  bösen 
und  kleinen  Welt,  in  der  er  so  lange  lebte.  Als  Greis  hat  er 
dann  für  die  Sünden  des  Jünglings  und  Mannes  ausreichende 
Oenugthuung  geleistet. 

^Vojons-donc,  si  le  judalisme  est  Touvrage  de  Dien.' 
Die  Ansprüche  des  Judenthums  ruhten  auf  dem  Glauben  an 
die  Inspiration  der  biblischen  Schriften,  dem  Glauben  an  die 
Auserwählung  vor  allen  Völkern  der  Erde,  dem  Glauben  an 
eine  specielle,  so  zu  sagen,  ordentliche  und  ausserordentliche 
Lenkung  seiner  Schicksale.  Wir  wissen  aus  dem  vorangehen- 
den Abschnitte,  wie  sehr  diese  Auffassung  den  Vorstellungen 
widerstrebte,  die  sich  das  Auf  klärungszeitalter  von  der  Gottheit 
zu  machen  pflegte. 

Der  Inspirations-  und  Offenbarungsglaube,  obwohl  den 
Juden  nicht  fremd,  bekam  doch  erat  in  der  christlichen  Welt 
seine  dauernde  Form. «  Nachdem  durch  eine  merkwürdige 
Verkettung  der  Umstände  das  kleine,  verachtete  Judenvolk 
auf  die  religiöse  Umwälzung  des  orbis  romanus  Einfiuss  ge- 
nommen hatte,  setzte  sich  der  Glaube  an  die  Inspiration  des 
Alten  Testamentes  durch  den  Geist  Gottes  auch  bei  den 
Christen  fest;  der  paulinische  Gedanke  einer  religiösen  Stufen- 
folge, einer  Erziehung  der  Menschheit  (xaiSoYcoY'o^  ^U  Xpcorsv; 
Gal.  III,  24)  schlug  Wurzel.  Dieser  Gedanke  leistete  auch 
der  Hermeneutik  grosse  Dienste,  indem  sie  die  Inconvenienzen 
und  Widersprüche,  welche  der  fromme  und  unfromme  Scharf-' 
sinn  aufstöberte,  mit  der  Wendung  löste,  Gott  habe  sich  der 
Capacität  des  jeweiligen  Zöglings  accommodiren  wollen.  Solche 
abgenützte  exegetische  Kunstgriffe  gaben  Voltaire  reichlichen 
Stoff  zum  Spotte.  Während  er  vorschützt,  an  der  Göttlichkeit 
der  heiligen   Schrift   nicht  zu   zweifeln   und   den  Auslegungen 


*  Xotre  sainte  Egflise  qai  a  les  Jaifs  en  horreur,  nous  apprend  que  les  livres 
jnifs  ODt  ^t&  dict^B  par  ie  Dien  cr^ateur  et  p^re  de  tous  les  hommeB  .  . 
II  eat  vrai  qae  notre  faible  entendement  ne  peut  concevoir  dans  Dien 
une  antre  sagease,  une  aatre  justice,  une  autre  bont^,  qae  celle,  dont 
nous  avons  Tid^e;  mais  enfin  il  a  fait  ce  qu*il  a  voulu;  ce  u^est  pas  k 
nous  de  le  juger,  je  m*en  tiens  toujours  au  simple  historique.  (Phil,  de 
rhist.,  36.)  —  Pjrrrhonisme  de  rhistoire,  c.  4. 


yoIUir»-8iiidien.  85 

0 

der  Kirchenväter  Folge  zu  leisten,  bittet  er  um  die  Erlaubniss, 
als  Historiker,  Philosoph  und  Mensch  sein  uninaassgebliches 
Urtheil  abgeben  zu  dürfen.  ^  Oleich  den  Pentateuch  kann  er 
nicht  für  das  Werk  Mosis  halten;  das  Buch  dürfte  schwerlich 
vor  dem  Zeitalter  der  babylonischen  Gefangenschaft,  genauer  des 
Esdras,  niedergeschrieben  worden  sein.^  Wenn  man  die  Bibel 
unbefangenen  Sinnes  lese,  so  sei  Moses  ein  blosser  Zauberer 
nnd  Wunderthäter,  ein  unfähiger  und  grausamer  VolksfÜhrer, 
ein  Fanatiker,  dessen  Qebahren  der  Idee  einer  göttlichen  Sen- 
dung auf  das  äusserste  widerspreche.  In  Wahrheit  sei  er  das 
Erzeugniss  einer  althebräischen  Umbildung  der  über  die  halbe 
Welt  verbreiteten  Bacchussage.  Diese  fabelhafte  Persönlichkeit 
sei  mit  dem  Gesetzgeber  confundirt  worden,  der  die  Juden  auf 
ihrer  Wanderung  von  den  Grenzen  Aegyptens  nach  Palästina 
gefuhrt  haben  mag^  ohne  dass  irgend  ein  glaubhaftes  Detail 
darüber  bekannt  wäre.^ 

Der  Glaube  an  die  Inspiration  heiliger  Bücher  und  an 
eine  besondere  Offenbarung  ist  keine  Eigenthümlichkeit  der 
Juden;  sie  theilen  denselben  mit  den  meisten  Völkern  der 
alten  Welt.  Aber  wie  können  wir  diesen  Glauben  mit  ihnen 
theilen?  Soll  Gott  wirklich  die  handgreiflichsten  Märchen  für 
geschichtliche  Thatsachen   ausgegeben  haben?  ^   Soll   Gott  die 

I  Hom^lie  rar  rinterpretation  de  rAncien  Testament  (1765):  Xons  savons 
que  Dieu  daig^  se  proportionner  k  lenr  intelligence  encore  grossiire  .  . 
TEsprit  Saint  a  tooIu  nons  faire  voir  combien  nne  fausse  seienoe  est 
dangereuse  .  .  ii  fant  sonmettre  sa  raison  orgneillense  soit  qa'on  lise 
eette  histoire  comme  v^ridiqne,  soit  qn*on  la  regarde  comme  nn  em- 
bl^me  .  .  Edifions-nons  de  ce  qui  fait  le  scandal  des  antres.  Vgl.  Art. 
Figore;  Embleme.  —  Phil,  de  Thist.,  47. 

-  Art  Mo'ise,  9.  III.  —  G^nöse.  —  Examen  important  de  M.  Bolingbroke 
(1767),  c.  4.  —  Phil,  de  Thist,  40. 

'  Ils  prirent  nne  partie  de  la  fable  de  Tancien  Back  ou  Bacchus,  dont  ils 
firent  leur  Moise.  (Examen  important  de  M.  Bolingbroke,  c.  5.)  —  Vossins 
est,  je  pense,  le  premier  qni  ait  ^tendn  ce  parallele.  (Art.  Bacchus.)  — 
Cf.  Phil,  de  Thist,  c.  28  und  40.  —  Art.  Moise.  —  Voltaire  polemisirt 
in  der  Phil,  de  Thist.  (c.  25  nnd  28)  gegen  Huet,  der  Moses  mit  Minos, 
Osirifl,  Typhon,  Zoroaster,  Aescnlap,  Homnlus,  Adonis,  Priapus  n.  s.  f. 
identifieirte.  lieber  einen  Fabeldeuter  ähnlichen  Kalibers  siehe  Art.  ex- 
traits  du  Journal  de  politique  (1777),  IV. 

*  Notre  Onlliver  a  de  pareilles  fahles,  mais  non  de  telles  contradiction«. 
(Examen  important  de  M.  Bolingbroke,    c.  8.)    —    Ces  prodiges  de  Gar- 


86  Mayr. 

Aufbewahrung  dieser  absurden,  geschmacklosen;  schmutzigen 
Erzählungen  angeordnet  haben  ?^  Soll  Oott  gesagt  haben,  dass 
die  Massenschlächter,  Betrüger,  Wollüstlinge  der  Bibel  nach 
seinem  Herzen  seien?  ^  Sollen  von  Gott  die  Bitten  um  Ver- 
nichtung aller  Völker  und  alleinige  Erhebung  des  Judenvolkes 
eingegeben  sein?^  Soll  Gott  die  barbarischen  Gesetze,  die 
bizarren  Ceremonien,  die  abgeschmackten  Vorstellungen  dieser 
Nation  ersonnen  haben?  ^  Ist  Gott  für  die  evidenten  Wider- 
sprüche, die  chronologischen,  geographischen,  naturwissen- 
schaftlichen Schnitzer  der  Bibel  verantwortlich  zu  machen?' 
Unermüdlich,  wie  den  Inspirationsglauben,  bekämpft  Vol- 
taire auch  den  Auserwählungswahn  der  Juden.  Sie  selbst 
halten  sich  fUr  die  Günstlinge  Gottes,  für  den  providentiellen 
Mittelpunkt  der  Weltgeschichte.®  Noch  Bossuet,  der  letzte 
Kirchenvater,  hatte  diese  Prätension  anerkannt.  Freilich  mit 
der  Menschwerdung  Jesu  ändert  sich,  nach  christlicher  Auf- 
fassung, das  alte  Yerhältniss;  die  Christen  halten  sich  für  be- 

gantoa.  (L*A,  B,  C;  17"«  entretien.)  —  Art.  Gargau toa.  —  Relises  les 
miile  et  nne  nuits  et  tont  TExode.  (Instructioii  k  Fr.  Pedicoloso, 
1768,  XL) 

>  Ces  iivres  sana  raison  et  sans  pndeur.  (Examen  important  de  M.  Boling- 
broke,  c.  9.)  Monuments  de  la  folie  la  plus  outr^e  et  de  la  plas  inföme 
d^bauche.  (Ibid.)  Cette  chetive  nation  serait  digne  de  nos  regards  ponr 
avoir  conservi  quelques  fables  ridiciiles  et  atroces,  quelques  contes  ab- 
surdes infiniment  au-dessous  des  fables  indiennes  et  persanes.  (Demi^res 
remarques  sur  Pascal,  Xr.  114.)  Von  den  Invectiven  gegen  die  cano- 
nischen Bficher  nimmt  er  den  Hiob  aus,  welcher  arabischen  Ursprungs' 
sei.   (Art.  lob  —  Arabes.) 

3  David  Thomme  selon  le  coeur  de  Dieu  . .  II  faut  arouer  que  nos  vclenrs 
de  grand  chemin  ont  et^  moins  coupables  aux  yeux  des  hommes;  mais 
les  voies  du  Dieu  de  Juifs  ne  sont  pas  les  n6tres.  (Examen  important 
de  M.  Bolingbroke,  c.  8.).  —  Art  David.  Ein  Thema,  das  bereits  Bayle 
abgehandelt  hat.  —  La  Bible  enfin  expliqu^e.  Bois  II. 

»  PhU.  de  rhist.,  44. 

*  Si  leur  loi  n*etait  pas  divine,  eile  paraitrait  une  loi  de  sauvages.  (Art 
Juifs,  8.  U.)  —  Cf.  Art.  Lois.  (8.  IL) 

'  Vgl.  vornehmlich :  La  Bible  enfin  expliqu^e  par  plnsieurs  aumöniers  (1776). 
^  L*orgueil  de  chaqne  Juif  est  Interesse   k  croire  que  ce  n*est  point  sa 

d^testable  politiqne,  son  ignorance  des  arts,  sa  grossi^rete  qui  Ta  perdn; 

mais  que  c'est  la  col^re  de  Dieu  qui  le  punit  (Remarques  sur  les  pens^es 

de  Pascal,  c.  9,  1728.) 


YolUirD-atsdieii.  87 

rechtig^  die  nachchristlichen  Juden  zu  verachten^  zu  schmähen, 
za  tödtenJ  Voltaire  weiss  recht  wohl^  dass  die  Juden  mit 
ihrem  Auserwählungsglauben  sich  in  zahlreicher  Gesellschaft 
befinden;  nationaler  Dünkel  ist  etwas^  das  er  geleg^entlich  auch 
an  seinen  lieben  Franzosen  missbilligt.  ^  So  weiss  er  ebenfalls 
recht  wohl,  dass  die  Ceremonien,  Lehren,  Gesetze  der  Juden 
nicht  als  exceptionelle  Monstrositäten  angesehen  werden  dürfen. 
Es  empört  ihn  nur,  dass  man  die  ungleich  höher  stehenden 
Nationen  und  Religionen  des  Alterthums  —  die  chinesische, 
indische,  persische,  griechische,  römische  —  gegeii  die  jüdische 
zurücksetzt.  Die  Ungerechtigkeit,  die  darin  liegt,  bildet  das 
Leitmotiv  seiner  ,Philosophie  de  Thistoire^  Was  ihn  zu  den 
heftigsten  Invectiven  anstachelt  ist  die  Zumuthung,  welche 
doch  in  keinem  anderen  Falle  gestellt  wird,  die  natürlichen 
Lebensäusserungen  eines  kleinen  Winkelvolkes  auf  den  unter- 
sten Stufen  seiner  Entwicklung  für  providentiell  und  muster- 
g:ültig  ansehen  zu  sollen.  Gott,  der  Herr  und  Schöpfer  der 
Welten,  der  Unerfassliche,  der  gerechte  Vergelter  soll  sich 
darauf  capricirt  haben,  eine  winzige,  unwissende,  abscheuliche 
Horde  zu  bevorzugen,  und  wir  sollen  dies  glauben,  weil  es 
die  Juden  sagen!  Derselbe  Gott  soll  der  Lenker  einer  Ge- 
schichte sein,  die  von  Gräueln  und  Schandthaten  trieft,  wie 
keine  andere,  vorausgesetzt  dass  wir  glauben,  was  die  Juden 
von  sich  selbst  erzählen!  £r  soll  die  grossen,  edlen,  policirten 
Nationen  des  Ostens  und  Westens  nur  zu  dem  einen  Zwecke 
in  Contribution  gesetzt  haben,  damit  sie  den  jüdischen  National- 
zwecken dienen!  Er  soll  eine  Geschichte  inscenirt  haben,  die 
nichts  als  ein  beständiges  Fiasco  der  ihm  untergeschobenen 
Absichten  wäre!^ 


'  Noufl  detestons  le  jadaisme,  il  n'y  a  pas  quinze  ans  qa*on  brülait  encore 
les  jaifa  ...  et  nous  nous  assemblons  tous  les  dimanches  pour  paal- 
modier  des  cantiques  juifs.  (Art.  Contradictions.)  —  Sermon  da  Babbln 
Akib,  1761. 

2  DUcoun  anx  Welcbes  (1764). 

^  Poniquoi  Dien,  qa'on  ne  peut  sans  blasph&me  regarder  comme  injoste, 
a-t-U  pu  abandonner  la  terre  entiire  ponr  la  petite  borde  juive  et  en- 
mite  abandonner  sa  petite  borde  pour  une  antre?  (Questions  de  Zapata, 
2,  1767.)  Grand  Dien!  an  reste  d'Arabes  voleors,  aan^inaires,  super- 
■titiettz  et  osariers  serait  le  dcpositaire  de  tes  secrets !  (Derni^res  remarques 


88  Mayr. 

Wie  ist  denn  die  angebliche  Lieblingsnation,  wie  ihre 
Religion,  ihre  Geschichte  beschaffen?  Voltaire's  höchst  un- 
günstiges Urtheil  über  die  Juden  ist  aufrichtig  und  ernstlich 
gemeint,  allerdings  im  Eifer  der  Polemik  ins  Carrikirte  ge- 
zogen. Jedenfalls  hat  das  Jahrhundert,  dessen  Principien  ihnen 
die  Emancipation  brachte,  sie  herzlich  missachtet  Indess  der 
Judenhass  jener  Zeit  brach  sich  an  der  zunehmenden  Huma- 
nität; wilder,  thatkräftiger  Eruptionen  war  die  Gesellschaft,  in 
der  die  neuen  Ideen  gepflegt  wurden,  nicht  fähig.  In  der 
kirchlich  gesinnten  Welt  des  Mittelalters,  welche  den  Juden 
einen  hohen,  wenngleich  veralteten  Vorzug  einräumte,  waren 
sie  den  rohesten  Ausbrüchen  der  Volks wuth  preisgegeben;  in 
der  Welt  der  Aufklärung,  die  ihre  Prätensionen  unbedingt 
missbilligte,  haben  sie  Schutz  und  Gleichberechtigung  erlangt.^ 


snr  Pascal,  115.)  La  suite  de  ThLstoire  juive  n*est  qu'un  tissa  de  for- 
faits  consacr^s.  (Examen  important  de  M.  Bolinj^broke,  c.  8.)  Si  malheu- 
reasement  nne  seale  des  aventnres  de  ce  peuple  6tait  vraie,  tontes  les 
nations  se  seraient  reunies  pour  Texterminer;  si  elles  sont  £ausses,  on  ne 
peut  mentir  plus  sottement.  (Ibid.  7.)  II  est  fort  difficile  &  gonverner 
les  hommes.  Les  Jnifs  eurent  pour  maitre  Dieu  meme;  voyez  ce  qui  leur 
en  est  arrive :  ils  ont  ^t^  presque  toujours  battus  et  esclaves.  (Art.  Demo- 
cratie.) 

Je  vous  aime  tant,  que  je  voudrais  que  tous  fussiez  tons  dans  Hersha- 
laim  (Art.  Juifs,  Q'^^  lettre).  Voltaire  gibt  auch  gelegentlich  seinen  Ge- 
sinnungen den  Ausdruck  des  Mitleids:  ,Vou8  devez  savoir  que  je  n^ai  jamais 
hai  votre  nation  .  .  Lioin  de  vous  baiVi  je  vous  ai  toujours  plaint.  (Art 
Juifs,  S.  IV.)  —  Je  n*accnmule  pas  tontes  ces  v^rit^s  pour  offenser  la 
nation  juive,  mais  pour  la  plaindre.  (Un  Chr^tien  contre  six  Juifs,  1776,  II.) 
DasB  übrigens  Voltaire  nicht  bloss  die  alten  Hebräer,  sondern  auch,  wie 
Villemain  sich  ausdrückt,  ,par  contrecoup  leur  descendants*  —  die  mo- 
dernen Juden  —  treifen  wollte,  davon  zeugen  hunderte  von  Aeusserungen. 
,Vous  ne  trouvez  en  eux  qu^un  peuple  Ignorant  et  barbare,  qui  Joint 
depuis  long^emps  la  plus  sordide  avarice  k  la  plus  d^testable  snper- 
stition  et  k  la  plus  invincible  haine  pour  tous  les  peuples  qui  les  tol^- 
rent  et  qui  les  enrichissent  .  .  ,11  ne  faut  pourtant  les  brüler.*  (Art 
Jnifs,  I.)  —  Dieses  letztang^führte  Wort  möge  uns  erinnern,  dass  Voltaire 
die  Grundsätze  der  Toleranz  auch  über  die  Juden  erstreckt  wissen  wollte. 
Wie  weit  hierin  die  französische  Aufklärung  ging,  darüber  möge  man 
den  Sermon  du  Rabbin  Akib  II  (1761)  vergleichen.  Von  einer  juden- 
freundlichen Gesinnung  des  achtzehnten  Jahrhunderts  lässt  sich  jedoch 
nur  mit  grosser  Einschränkung  sprechen,  sowie  auch  die  Freiheiten, 
welche  der  bevormundende  Despotismus  den  Juden  einräumte,  sehr  knapp 


Voltaiie-Stndieii.  89 

Voltaire  schildert  uns  den  jüdischen  Charakter,  wie  er 
ans  in  der  drei  Jahrtausende  alten  Geschichte  des  Volkes,  in 
dem  Ideale  seines  Denkens  und  Wollens  entgegentritt.  Er 
nennt  die  Juden  fleischlich  und  wollüstig,  blutdürstig  und 
grausam/  fanatisch  und  exclusiv.^  Kraft  ihres  erstarrten  Ge- 
setzes sind  sie  die  Erzfeinde  des  Menschengeschlechtes.    Kein 


bemessen  waren.  Vollkommen  falsch  ist  das  Aphorisma  Hemers,  der 
Jndenbaas  beginne  erst  mit  der  romantischen  Schule.  Die  stärksten 
Anslalle  derselben  sind  matt  gegen  den  Ton,  in  dem  die  Matadoren  der 
AnfklKrnng  das  Jndenthum  zu  behandeln  pflegen.  Von  den  englischen 
Deisten  ganz  zu  schweigen,  so  gehört  nnser  Reimarus  zu  den  inten- 
sivsten Judenfeinden  der  Zeit.  ,Die  besondere  Abneigung  gegen  die 
jüdische  Nation  theilt  Reimarus  so  vollkommen  mit  ihnen  (den  Deisten), 
dass  man  oft  nicht  weiss,  sind  ihm  die  neuen  Hebräer  um  der  alten 
oder  die  alten  um  der  neuen  willen  so  zuwider.*  (Fr.  D.  Strauss,  G. 
W.  V,  259.)  Kant  wollte  von  Lessing's  Nathan  nichts  wissen,  weil  die 
Juden  darin  zu  gut  wegkämen.  (Jul.  Schmidt,  Geschichte  des  geistigen 
Lebens  in  Deutschland  von  Leibniz  bis  Lessing,  11.  p.  736.  Leipzig, 
1864.)  Ueber  Kant*s  Beurtheilung  des  Judenthums  vgl.  die  ,Religion 
innerhalb  der  Grenzen  der  blossen  Vernunft.*  (G.  W.  ed.  Hartenstein, 
VI,  224  ff.) 

1  Si  Ton  peut  conjecturer  le  caract^re  d^une  nation  par  les  priores  qu'elle 
fait  k  Dien,  on  s'apercevra  ais^ment  que  les  Juifs  ^taient  un  peuple 
chamel  et  sauguinaire  (Phil,  de  Thist.,  44)  —  porc,  aniraal  moins  impur 
que  cette  nation  mSme.  (Examen  important  de  M.  Bolingbroke,  c.  8.) 

'  Wenn  auch  die  Juden  aus  Politik,  Hochmuth  und  selbst  Fanatismus 
Strome  von  Mejischenblut  vergossen  haben,  so  sind  sie  doch  nie  so  tief 
gesunken,  wie  die  Christen,  Kriege  rein  um  der  Religion  willen  zu 
fähren.  ,Le6  H^breux,  voisins  des  Egyptiens,  .  .  imit^rent  leur  intoU- 
nmce,  et  la  surpass6rent;  cependant  il  n*est  point  dit  dans  leurs  histoires 
que  Jamals  le  petit  pays  de  Samarie  ait  fait  la  guerre  au  petit  pays 
de  Jerusalem  uniquement  par  principe  de  religion.*  (De  la  paix 
perpetuelle,  c.  7,  1769.)  —  Art.  Tol^rance,  S.  II:  Le  peuple  jnif  etait 
an  peuple  bien  barbare.  II  ^gorgeait  sans  piti^  tous  les  habitants  d^un 
malheurenx  petit  pays,  sur  lequel  il  n^avait  pas  plus  de  droit  qu^il  n*en 
a  sur  Paris  et  sur  Londres  .  .  Les  Juifs  adoraient  leur  Dieu;  mais  ils 
n*^taient  jamais  ^tonn^s  que  chaque  peuple  eüt  le  sien  .  .  Voili.  des 
exemples  de  tol^rance  chez  le  peuple  le  plus  intolerant  et  le  plus  cruel 
de  tonte  rantiqnit^:  nous  Tavons  imit^  dans  ses  fureurs  absurdes,  et  non 
dans  son  indnlgence^  Vgl.  Trait^  sur  la  tol^rance  (1763),  c.  12—13.  — 
A  Dalembert,  13.  Febr.  1764.  —  Ueber  Menschenopfer  bei  den  Israeliten 
▼gl.  Art.  Jepht^  I:  Voilä  donc  les  sacrifices  de  sang  humain  clairement 
^tablis;  il  n'y  a  aucun  point  d^histoire  mienx  constat^;  on  ne  peut  juger 
d'une  nation  que  par  ses  archives,  et  par  ce  qu^ello  rapporte  d'elle-meme. 


!K)  Mayr. 

menschlicher,  kein  edler  Zag  erhellt  ihre  düstere  Geschichte. 
Sie  kennen  keine  Gastlichkeit,  Freigebigkeit  und  Milde.  Sie 
sind  aller  Cultur  baar;  Wissenschaft  und  Kunst  sind  ihnen 
fremd.  1  Nur  Selbst-  und  Gewinnsucht  hat  seit  jeher  ihr  Herz 
erfüllt.  Wenn  sie  die  Sieger  sind,  so  kennen  sie  kein  Er- 
barmen; unterliegen  sie,  so  scheuen  sie  keine  Erniedrigung. 
,Toujours  superstitieuse,  toujours  avide  du  bien  d'autrui,  tou- 
jours  barbare,  rampante  dans  le  malheur  et  insolente  dans  la 
prosperit^'  nennt  er  die  Nation.^  Keine  hat  so  viel  Unglück 
erlitten,  keine  so  viel  verdient.  Die  Völker  aller  Zeiten  und 
Zonen  stimmen  in  dem  Abscheu  vor  den  Hebräern  überein. 
Ihr  Gesetz  schreibt  ihnen  die  Absonderung  und  den  Hass  vor; 
sie  dürfen  sich  nicht  wundern,  wenn  sie  mit  gleicher  Münze 
bezahlt  werden.  Aus  fanatischem  Abscheu  und  schnöder  Geld- 
gier machen  sie  den  Wucher  zu  ihrer  heiligsten  Mission.  Un- 
ablässig flehen  sie,  dass  Gott  ihnen  ihre  Feinde,  d.  i.  die 
Welt,  in  die  Hände  gebe.^  Das  sind,  das  waren  die  Juden. 
Und  die  gläubigen  Christen  sehen  in  ihnen  ihre  Vorläufer, 
,les  h^rauts  de  la  ProvidenceM 

Hat  Gott  diesen  ,peuple  chetif  wirklich  vor  allen  anderen 
Völkern  auserkoren,  so  muss  sich  dies,  sollte  man  glauben, 
in  seiner  Geschichte  zeigen.  Allein  die  jüdische  Geschichte 
erweist  sich  als  das  Werk  einer  politisch  und  moralisch 
gleich  missbegabten  Nation ;  sie  ist  so  natürlich,  wie  nur  ii^end 


1  Nulle  politesse,  nulle  science,  nul  art  perfectioune  dans  aucun  temps 
chez  cette  nation  atroce.  (Esaaii  6.) 

3  Pbil.  de  rhiflt,  42. 

3  Essai,  c.  103.  —  Remarques  sur  Pascal  (1728),  31.  —  La  l^pre,  ainBi 
que  le  fanatisme  et  Tusure,  avait  6t&  le  caract^re  distinctif  des  Juifs. 
(Art.  L^pre.)  La  löpre,  qui  appartenait  de  droit  au  peuple  juif,  peuple 
le  plus  infecte  en  tout  genre  qui  ait  jamais  ^t^  sur  notre  malheureux 
globe.  (A  Faulet,  22.  April  1768.)  —  Cette  nation  est,  k  bien  des  ^gards, 
la  plus  d^testable  qui  ait  jamais  souill^  la  terre.  (Art.  ToUrance,  T.)  — 
Le  pour  et  le  contre  (Poeme,  1722): 

II  est  un  peuple  obscur,  imb^rile,  volage, 
Amateur  insens^  des  superstitions, 
Vaincu  par  ses  voisins,  rampant  dans  Tesclavage, 
Kt  IVtomel  mcpris  des  aiUre»  nation^. 


VolUire-StQdien.  91 

eincJ  Die  Juden  haben  es  nie  zu  einem  achtbaren  Staatswesen 
gebracht,  kaum  zu  einer  rechtschaffenen  Theokratie,  geschweige 
denn  daas  ihre  Hohenpriester  unter  der  verfassungsmässigen 
Lenkung  Jehovas  gestanden  wären.^  ,0  mein  Gott!'  ruft  er 
aus,  yWenn  Du  in  eigener  Person  auf  die  Erde  herabstiegest 
und  mir  beföhlest,  an  dieses  Gewebe  von  Mordthaten,  Räu- 
bereien, Meuchelei  en,  Schändlichkeiten,  begangen  in  Deinem 
Namen  und  auf  Deinen  Befehl,  zu  glauben,  ich  würde  sagen: 
Nein,  Du  willst  mich  ohne  Zweifel  nur  versuchen.  Wie  könnte 
man  auch  an  diese  gräuliche  Geschichte  auf  so  elende  Zeugnisse 
hin  glauben!' 3  Rein  historisch  betrachtet,  ohne  theologische 
Voreingenommenheit  und  ohne  Concession  an  den  jüdischen 
Hochmuth,^  sind  die  Hebräer  ein  kleiner  nomadischer  Stamm, 
welcher  sich,  nachdem  er  längere  Zeit  unter  ägyptischem  Cultur- 
einflusse  gestanden,  eines  syrischen  Landstrichs  von  elender 
Beschaffenheit  bemächtigte,^  dann  nach  Wechsel  vollen  Schick- 
salen unter  selbstständigen  Königen  lebte ''  und  seinen  phönici- 
sehen  Nachbarn  das  wenige  Gute,  das  ihre  Einrichtungen 
hatten,  entlehnte.  Kurz  nach  seiner  höchsten  Blüthe  spaltete 
»ich  das  Reich  und  gerieth  unter  die  Herrschaft  der  vorder- 
asiatischen Grossstaaten. 

Seit    dieser    Zeit   verwarfen    sich    die    Hebräer   auf   das 
Mäkler-,   Wechsler-   und  Trödlergeschäft,   namentlich  in   dem 


'  Ponrqüoi  ces  Joifs  fnrent-iU  presque  tonjours  dans  Tesclavage?  .  .  le 
Dien  des  armces  4tait  toujours  ä  leur  tete  .  .  N*est-il  pas  dair,  qne  si 
les  Jnifs,  qoi  esp^raient  la  conquSte  da  monde,  ont  iti  presqtte  toajours 
asserris,  ee  fnt  lenr  fante.   (Phil,  de  Thist.,  41.) 

^  Art  Th^ocratie. 

^  Sermon  des  Cinquante  (1752),  2™*  point.  —  Dialogae  du  douteur  et  de 
radorateur  (1763):  Je  ne  crois  pas  ces  horreurs  impertinentes  .  .  Diese 
Ansicht  hüngt  damit  zusammen,  dass  er  den  Geschichtsbüchern  des  Alten 
Testaments  (wie  des  Neuen  Testaments)  nur  einen  höchst  geringen 
QaeUenwerth  beimisst.  Die  Einzelheiten  derselben  würdigt  er  keines 
Olanbens;  wenn  er  sie  kritisirt,  so  kritisirt  er  sie  aus  philosophischen 
Gesichtspunkten,  um  auch  ihren  intellectuellen  and  moralischen  Werth 
heimbsosetsen. 

^  Noos  ezaminons  cette  histoire  comme  nous  ferions  celle  de  Tite-Live 
oa  d*Herodote.  (Dieu  et  les  hommes,  c.  14.)  —  Les  livres  juifs  ne  sont 
point  juges  cn  leur  propre  cause.  (Ibid.) 

-  Ueber  das  »gelobte  Land*  vgl  Art  Judee  —  Juifs  (6"»«  lettre). 

^  Voltaire  nennt  sie  selten  anders,  als  ,le8  roitelets  juifs*. 


92  Mayr. 

neugegründeten  Alexandria,  wo  auch  die  griechische  Cultur 
auf  sie  zu  wirken  begann.^  Sobald  das  Volk  nur  einen  Schatten 
von  Freiheit  genoss,  wüthete  es  gegen  sein  eigen  Fleisch  und 
Blut.  Die  Zeiten  seiner  Sklaverei  waren  die  Zeiten  seines 
Glückes.  Sein  meuterischer  Geist  beschwor  endlich  die  Straf- 
gerichte der  Kömer  herauf ,  die  Jerusalem  zerstörten;  doch 
war  es  bereits  vor  dieser  Katastrophe  über  alle  Welt  ver- 
streut. ^  Die  Juden  haben  sich  bis  auf  die  Gegenwart  erhalten, 
was  nichts  Besonderes  ist,  da  es  noch  mehrere  solcher  ver- 
sprengter, heimatloser  Stämme  in  der  Welt  gibt.^  Durch  ihren 
Glauben,  der  sie  in  dem  Wahne  verhärtet,  die  übrige  Welt 
sei  nur  um  ihretwillen  vorhanden,  sowie  durch  ihre  Achtung 
vor  Geld  und  Kindersegen  gedeihen  sie  fort  und  fort.  ,Le8 
Juifs  ont  regardd  comme  leurs  deux  grands  devoirs,  des  enfants 
et  de  Targent.'* 

Natürlich  betrachtet,  zeigt  sich  auch  die  jüdische  Religions- 
geschichte in  einem  anderen  Lichte,  als  sie  gemeinhin  dar- 
gestellt wird.  Der  Mosa'ismus  ist  weder  göttlichen  Ursprungs, 
noch  schlechthin  originell;  er  ist  einfach  zusammengestohlen.^ 
Was  man  aufgenommen,  wurde  dann  dem  Volksgeiste  angepasst, 
d.  h.  vergröbert  und  mit  einer  Masse  theils  abergläubischer, 
theils    fanatischer    Bräuche   versetzt.^     £r8t    in    der    Zeit   des 


^  La  Bible  enfin  expliquee,  Machabc'es. 

2  Plaisante  politiqae  que  celle  d'un  malheureux  pcuple  qui  fut  sang^naire 
Sans  @trc  guerrier,  iisurier  sans  etre  commer^ant,  brigand  sana  pouvoir 
conserver  ses  rapiiies,  presque  toujoars  esclave  et  presqae  toujours 
revolt^i  vendu  aa  march^  par  Titas  et  Adrien,  comme  on  vend  Tani- 
mal  que  ces  Juifs  appellent  immonde  et  qui  etait  plus  utile  qu'eux. 
(L*A,  B,C;  6"»  ontretien.)  —  Phil,  de  Phist.,  38—50. 

3  Guebem,  Banianen,  Zigeuner.  (Art.  Juifs.) 

^   Ueber  die  Lage  der  Juden  im  Mittelalter  vgl.  Essai,  103. 

^  Ramas  confus  et  contradictoire  des  rites  de  leurs  voisins.  (Dieu  et  les 
hommes,  XVII.) 

*  C'est  la  nation  faible  et  gfrossi^re  qui  se  conforme  grossi^rement  am 
usages  de  1a  grande  nation  .  .  Leurs  rapsodies  demontrent  qn'ils  ont 
pill^s  toutes  leurs  idi^es  ches  les  Ph^.niciens,  les  Chald^.ens,  les  Egyptiens, 
comme  ils  ont  pill^  leurs  biens  quand  ils  ont  pu.  (Examen  important  de 
M.  Bolingbroke,  c.  ö — 6.)  —  Histoire  de  r^tablissement  du  Christ.,  5.  — 
Le  miserable  peuple  jiiif  prit  toutes  les  snperstitions  de  sc«  voisins,  et, 
dans  Texces   de  sa  brutale  ignorance,  i!  y   ajoute  des  superstitions  nou- 


Voltairft-Stadien.  93 

fisdras  kam  die  Entwicklung  zur  Ruhe.  Ijange  vor  den  Juden 
g^ab  es  Monotheisten.^  Zudem  haben  sie  nie  an  der  Existenz 
and  der  Macht  anderer  Götter  gezweifelt;  denen  sie,  zum 
Aei^r  der  Jehovapriester ,  gelegentlich  huldigten.  Auf  die 
£DtIehnung  Jehovas  deutet  der  blosse  Name;  auch  die  übrigen 
Namen  Gottes  sind  phönikisch.^  Wie  jederlei  Philosophie  ihrem 
harten  Sinne  fern  blieb;  so  hat  auch  die  Unsterblichkeitslehre 
erst  spät;  infolge  des  Contactes  mit  Persern  und  Griechen 
bei  einzelnen  Secten  Eingang  gefunden.  Das  mosaische  Gesetz 
kennt  nur  die  Aussicht  auf  Oel,  Wein  und  Krätzen.^  ^Kannte 
Moses  die  Unsterblichkeitslehre  nicht;  so  war  er  unwürdig 
eine  Nation  zu  leiten ;  kannte  und  verheimlichte  er  sie^  so  war 
er  dessen    um    so   unwürdiger.'^     Der   Mangel    einer   edleren 


vellea.  Loraqae  cette  petite  horde  fut  esclave  k  Babylone  eile  y  apprit 
le  nom  du  diable  .  .  (L'A,  B,  C;  3"*  entretien.)  —  Y  a-t-ilun  aeul 
ev^oement  dans  TAncieii  et  le  Nouvean  Testament  qui  n^ait  ^t^  copi^ 
des  anciennes  mythologies?  . .  Comparez  et  jugez.  (Epttre  aaz  Romains, 
3,  1768.)  —  Ces  malheureux  Jnifs  sont  si  nouveanx,  qnUls  n'avaient  pas 
meme  en  leur  lan^e  de  nom  ponr  signifier  Dien.  Ils  forent  Obligos 
d  empronter  le  nom  d'Adonai  des  Sidoniens,  le  nom  de  Jehova  ou  Jao 
des  Syriens.  Lear  opinifttretö,  leurs  superstitlons,  leur  usure  consacr^e 
sont  les  seules  choses  qui  leur  appartiennent  en  propre.  Et  11  y  a  toute 
apparence  que  ces  poUssons,  chez  qui  les  noms  de  geom^trie  et  d'astro- 
nomie  fnrent  toujours  absolument  inconnns,  n^apprirent  enfin  k  lire  et  k 
ecrire  que  quand  ils  furent  esclaves  k  Babylone.  On  a  d^j&  prouv6  que 
c^st  ]k  quHls.  connurent  les  noms  des  anges,  et  meme  le  nom  d'Israel, 
comme  ce  tronsfuge  juif  Flavius  Josephe  Tavoue  lui-mdme.  (L^A,  B,  C; 
l?»»  entretien.)  —  Art.  Juifs,  4«»  et  5»«  lettre.  —  Phil,  de  Thist.,  48—49. 
'  Mon  Beul  but  est  de  faire  voir  que  tous  les  grands  peuples  civilis^s  et 
meme  les  petita  ont  reconnu  un  Dien  supreme  de  temps  imm^morial. 
(Dien  et  les  hommes,  c  10.) 

2  Dieu  et  les  hommes,  c.  16.  —  Phil,  de  Thist.  48—49.  —  Art.  J6ova. 

3  Htstoire  de  Tetablissement  du  Christ.,  22. 

*  Phit  de  rhist,  25.  —  A  d'Argence,  11.  Oct.  1763.  —  Warburton  hatte 
in  einem  zweibändigen  Werke  bewiesen,  dass  die  Juden  nicht  an  die 
Unsterblichkeit  der  Seele  glaubten,  daraus  aber  gefolgert,  die  jüdische 
Beligion  müsse  göttUchen  Ursprungs  sein,  sonst  hätte  sie  sich  nicht 
erhalten  können.  Der  Deist  Morgan  folgerte  natürlich  das  Gregentheil. 
(Lettre  k  d'Argenee,  1.  Oct  1769.  —  A  Warburton,  1767.  —  Art  Arne; 
£nfer,  —  Defense  de  mon  oncle,  15  —  17.)  Vgl.  über  dieses  Thema: 
Lessing's  Erziehung  des  Mg.,  §§.  22  —  26.  —  4.  Fragment  des  Wolfen- 
batteler  Unbekannten.  Neuestens:  Spiess,  Entwicklungsgeschichte  der 
Vorsiellnugeu  vum  Zustande  nach  dem  Tode,    16.  Capitel.   (Jena,   1877.) 


94  M»yr. 

Vorstellung   von  Lohn   und  Strafe   hängt   zusammen   mit  dem 
Mangel  besserer  MoraibegrifFe. 

So  steht  denn,  können  wir  schliessen,  dieses  auserwählte 
Volk  gegen  alle  Nationen  der  Erde  zurück;  es  hat  weder 
Cultur,  noch  Geschichte,  noch  Freiheit,  Macht,  Religion,  Philo- 
sophie oder  Moral  besessen,  welche  sich  denen  anderer  Völker 
an  die  Seite  stellen  Hessen.  Trotzdem  verdient  es  unsere  Be- 
achtung, weil  nämlich  die  jüdische  Religion  die  Mutter  des 
Christenthums  und  des  Islam  geworden  ist.^ 

Das  Samenkorn  des  Christenthums  wuchs  im  Römerreiche 
zum  Baume  heran,  der  die  helleno-romanische  Welt  überschattete. 
Es  ist  auffallig,  wie  selten  Voltaire  von  den  Griechen  und 
selbst  den  Römern  spricht.  Er  macht  ihnen  seine  schuldige 
Reverenz;  jedoch  sein  Herz  schlägt  nur  für  die  moderne  Welt 
Gerade  in  religiöser  Beziehung  hatten  Hellas  und  Rom  keine 
Bedeutung.  Griechenland,  das  Land  der  Fabeln,  Orakel  und 
Tempel,  bot  nur  vermöge  seiner  Mysterien  und  Philosophen, 
für  welche  die  Lossagung  vom  Pöbel wahn  charakteristisch 
erscheint,  Interesse.^  Die  Fabeln  Griechenlands  haben  jedoch 
vor  denen  der  übrigen  Welt  den  Vorzug,  schön  und  geistreich 
zu  sein;  um  ihretwillen  schlug  man  sich  auch  nicht  todt.^ 
Weder  den  Amphiktyoncnkrieg,  noch  die  Hinrichtung  des 
Sokrates  will  Voltaire  als  Proben  von  Fanatismus  gelten 
lassen;  es  seien  Parteistreitigkeiten  gewesen.*    Was  die  Römer 

^  Tont  Buperstitieux,  .  .  tout  malheareux  quMls  ont  ete  et  quUU  sont 
encore,  ils  sont  ponrtjtnt  lea  pires  des  deux  religionsi  qui  partagent  an- 
jonrd'hui  le  monde.  (La  ßible  eufin  expliqnce,  Machabees.) 

2  Phü.  de  rhiat,  24—37.  —  Depui«  Orphi^e  et  Homire  juaqu'i  Virgile  il  n> 
a  pas  nn  senl  pochte,  an  senl  philosophe  qui  ait  admis  plasieara  dieux 
sapr^mes  .  .  II  fant  convenir  que  les  aiiciens  avaient  plus  de  ven^nttion 
ponr  leurs   dieux   secondaires  que   nous.    (Canonisation   de  St-Cucufin.) 

3  Histoire  de  r^tablissement  du  Christ.,  o.  26.  —  £ine  Apologie  gegen 
jansenistische  Eiferer:  ,Beancoup  de  fahles  sont  plus  philosophiques  que 
ces  messienrs  ne  sont  philosophes  .  .  Les  helles  fahles  ont  encore  ce 
grand  avantage  sur  Thistoire  qu^elles  presentent  une  morale  sensible  .  . 
Pour  qui  ne  regarde  quVix  övcnements,  Thistoire  semble  accnser  la 
Providence,  et  les  helles  fahles  morales  la  justifient.  (Art.  Fahle.)  — 
Hiezu  das  Poeme:  Apologie  de  la  fahle.  —  Sitele  de  Louis  XIV,  Catal. 
s.  y.  G^doin. 

♦  lieber  Sokrates  vgl.  Art.  Socrate  —  Art.  Tol^rance,  1  ~  Prix  de  la 
justice,  XI,  1777  —  auch  den  Art.  Amour  socratique. 


Voltalr«*-8tndien.  95 

betrifft,  deren  Riten  und  Satzungen  aus  Tuscien  und  Griechen- 
land stammten,  so  zeichneten  sie  sich  durch  ihre  extreme 
Toleranz  ^  —  sie  hatten  keine  Dogmen,  daher  keine  Religions- 
kriege, wohl  aber  Denkfreiheit  —  sowie  durch  die  öffentliche 
Anerkennung  eines  einigen  höchsten  Gottes,  ,Deus  optimus 
maximus'^  aus.  Freilich  verbanden  sie  damit  eine  Masse  aber- 
gläubiger Vorstellungen.^  ,Die  Scipio,  Paulus  Aemilius,  Cicero, 
Cato,  Cäsar  hatten  andere  Dinge  zu  verrichten,  als  den  Aber- 
glauben der  Masse  zu  bekämpfen.  Wenn  sich  ein  alter  Irr- 
thnm  festgesetzt  hat,  so  bedient  sich  die  Politik  seiner  als 
eines  Gebisses,  das  sich  der  Haufe  selbst  angelegt  hat,  bis 
ein  anderer  Wahn  den  früheren  verdrängt,  in  welchem  Falle 
die  Politik  aus  dem  neuen  Irrthume  Nutzen  zieht,  gleichwie 
aus  dem  alten.^^ 

Den  Sturz  der  antiken  Götter  führte  das  Christenthum 
herbei,  zu  dem  wir  nunmehr  übergehen.  Dass  die  Geschichte 
Jesu  von  einer  Kritik  der  neutestamentarischen  Schriften  ab- 
hangig sei,  war  ein  von  der  Wissenschaft  jener  Zeit  längst 
angenommener  Lehrsatz.^  Voltaire  schlug  den  Werth  dieser 
Quellen  äusserst  gering  an.  Wer  und  was  Jesus  gewesen, 
meinte  er,  lasse  sich  kaum  mehr  erkennen.  In  den  ersten 
christlichen  Gemeinden  sei  Evangelium  auf  Evangelium  ent- 
standen; jede  habe  das  ihrige  gehabt,  je  nach  Geschmack  und 
Bedürfniss;  an  Mirakeln  und  Abstrusitäten  überbiete  eines 
das  andere.  Vor  Irenäus  finde  sich  kein  Citat,  das  auf  eines 
der  vier  canonischen  Evangelien  hinweise.    Wie  so  aber  gerade 


'  A  H^nault,  26.  Febr.  1768. 

^  Art  Augure,  Atheisme  I,  Idole  II,  Oracles  II.  —  Qa*on  me  montre  dans 
tonte«  lenrs  (Romains  et  Grecs)  histoires  un  senl  fait,  et  dans  tons  leurs 
liyres  nn  senl  mot,  dont  on  puisse  inferer  qn'ils  avaient  pinsienrs  dieux 
sninrömes.  (Art.  Polytb^iame.)  —  Ou  devait  disting^er  les  Metamorphoses 
d^Onde  de  la  religion  des  anciens  Romains.  (Art.  Atheisme.) 

»  Phil,  de  Fhist.,  ÖO. 

*  Seine  Vorgänger  zählt  er  auf:  Dien  et^  les  hommes,  23,  31.  —  Ueber 
das  Verhältniss  Voltaire^s  zn  den  ihm  voranlaufenden  bibelkritischen 
Leistungen  vgl.  Strauss:  Voltaire  (G.  W.  XI,  176  ff.)  und  Reimarus  (V, 
255).  Es  berührt  eigenthümlich,  dass  z.  B.  Hase  in  seiner  Geschichte 
Jesn,  ailwo  die  obscurste  Emanation  des  namenlosesten  Pastors  gewissen- 
hafte Beracksichtigung  gefunden  hat,  die  Engländer  und  Franzosen  des 
siebenzehnten  und  achtzehnten  Jahrhunderts  mit  keinem  Worte  erw&hnt. 


96  Mayr. 

diese  dazugekommen  wären,    vor  ihren  Mitgenossen   bevorzugt 
zu  werden,  sei  purer  Zufall.^ 

Jesum  hält  Voltaire  für  einen  guten,  wohlwollenden 
Menschen  aus  dem  Volke,  wie  Fox;  an  all  dem,  was  ihm 
später  zugeschrieben  worden,  sei  er  vermuthlich  unschuldig. 
Der  Christus  des  Glaubens  sei,  wie  das  Christenthum  selbst, 
das  Werk  Jahrhunderte  langer  Entwicklung;  Christus  habe 
nicht  an  die   Neugründung   einer  Religion  gedacht.^     Er  blieb 


1  Chacün  de  ces  petita  troapeaax  voalait  faire  Bon  Evangile  .  .  tous  se 
contredisent  .  .  toas  lui  (J^sus- Christ)  attri1>aent  autaut  de  prodigea 
qiiMl  7  eo  a  dans  les  Metamorphoses  d'Ovide.  Presqae  toas  ces  Evan- 
g^les  ont  ^t^  visiblement  forges  apr^s  la  prise  de  Jerusalem  .  .  Un 
fauflsaire  se  d^couvre  toujoars  par  quelque  endroit  .  .  ces  fadaises  et  les 
Evang^les  leur  (Qrecs  et  Romains)  etaient  entiirement  inconnus;  on  pon- 
vait  roentir  impanement  .  .  rEvangile  attribne  k  Matthiea  n^a  ^t^  ^crit 
que  tr^-longtemps  apr^s  lui  par  quelque  malheureux  demi-juif  demi- 
chretien  helleniste  .  .  Enfiu  on  ehoisit  quatre  Evangiles;  et  la  g^nde 
raison,  au  rapport  de  saint  Ironie,  c'ent  qu^il  n'y  a  que  quatre  vents  cardi- 
naux  .  .  Mais  avant  qu'on  oüt  donne  quelque  pr^fcrence  k  ces  quatre 
Evangiles,  les  p^res  des  deux  premiers  si^cles  ne  citaient  presque  jamais 
que  les  Evangiles  nomm^s  anjonrd'hui  apocrjphes  .  .  Mais  qui  a  fabri- 
qu^  ces  quatre  Evangiles?  n^est-il  pas  träs  -  probable  que  ce  sont  des 
chretiens  hellcnistes?  .  .  Quelle  foule  des  contrarietes  et  d^impostures 
est  restee  dans  ces  quatre  Evangiles!  N^y  en  eüt-il  qu*nne  senle,  eile 
suffirait  pour  demontrer  que  c^est  un  ouvrage  des  tenebres  .  .  Au- 
tant  des  mots  autant  d'erreurs  dans  les  Evangiles.  Et  c*est  ainsi  qn'on 
r^ussit  avec  le  peuple.  (Examen  important  de  M.  Bolingbroke,  c.  13.)  — 

Avonons-le  hardiment,   nous   qui  ne  sommes  point  prStres  et  qui  ne  les 

» ■ 

craignons  pas,  le  berceau  de  TEglise  naissante  ii^est  entonre  que 
d'impostnres.  C^est  une  succession  non  interrompue  de  livres  absurdes 
sous  des  noms  supposds  .  .  C^est  un  tissu  de  miracles  extravagants  .  . 
Tons  ces  contes  furent  dcrits  dans  des  gaUtas  et  enti^rement  ignor^s  de 
Tempire  romain.  (Histoire  de  Totablissement  du  Christ.,  c.  12.)  — 
Art.  Apocryphes;  Christianisme,  S.  II;  Evangile.  —  Sermon  des  Cinquante, 
3»«  point,  1752.  —  Homelie  (1765),  4.  —  Collection  d'anciens  Evangiles 
(1769).  —  La  Bible  enfin  expliqu6e.  (Sommaire  historique  des  quatre  l^van- 
giles.)  1776. 

2  Die  Ursache,  warum  das  Leben  Jesu  bei  Voltaire  so  wenig  Raum  ein* 
nimmt  und  sich  auf  so  wenige,  oft  wiederholte  Punkte  beschrKnkt,  liegt 
wohl  darin,  dass  er  den  Evangelien  einen  ungleich  geringeren  Quellen- 
werth  beimisst,  als  irgend  ein  maassgebender  Kritiker  des  neunzehnten 
Jahrhunderts;  ferner  darin,  dass  er  die  Ltlcken  des  historischen  Wissens 
nicht  mit  allerlei  Speculationen  überspinnt,  wie  dies  wohl  üblich  ist, 
weil   er  das   Seelenleben  Jesu  und   des  Volkes,   dem  er  angehört,  nicht 


Yoltaire-Stndien.  97 

ein  Jade,  und  auch  die  Urchristen  bildeten  eine  blosse  jüdische 
SectO;  wie  die.Essener^  Therapeuten  u.  s.  f.  In  allen  Haupt- 
orten entstanden  wieder  besondere  Spielarten.  Insbesondere 
erzeugte  sich  in  Alexandria  unter  Einwirkung  des  Piatonismus 
die  Logoslehre.  Wie  andere  Secten,  lebte  auch  die  christliche, 
80  lange  sie  schwach,  unbekannt  und  auf  Duldung  angewiesen 
war,  friedsam  nach  aussen  und  innen.  ^  Doch  manifestirte  sich 
schon  in  Paulus  der  Geist  des  Fanatismus.  ,Sein  Charakter 
war  leidenschaftlich,  hochfahrend,  fanatisch  und  grausam.  £r 
übertrug  die  Heftigkeit  seines  Wesens  auf  die  neue  Secte,  in 
welche  er  eintrat.'  Voltaire  wird  nicht  fertig,  ihn  anzuklagen.^ 
Dass  Petrus  nie  in  Rom  gewesen,  erklärt  er  für  eine  aus- 
gemachte Thatsache;^  die  Martyrien  der  älteren  Zeit  hält  er 
för  baare  Erfindungen:  denn  nur  der  Duldsamkeit  des  Römer- 
reiches verdanke  das  Christenthum  sein  Dasein.^  ,Als  die 
ersten  Galiläer  sich  unter  die  griechische  und  römische  Volks- 


hoeh  anschlugt  Die  HauptsteUen  über  Jesus  Christas  finden  sich:  Ser- 
mon des  GinqüAnte,  S"*"  point  (1762)  —  Trait^  sur  la  tol^rance,  c.  14 
(1763)  »  Cat^chisme  de  Thonndte  homme  (1763)  —  Dialogue  du  dou- 
teur  et  de  Tadorateur  (1763)  —  Questions  sur  les  miracles,  vorzügUch 
1.— 3.  Brief  (1765)  —  Examen  important  de  M.  Bolingbroke,  c.  10—11 
(1767)  —  Hom^lie  sur  Tinterpr^tation  du  Nouveau  Testament  (1767)  — 
Diner  du  Comte  de  BoulainvilUers,  2°»«  entretien  (1767)  —  ConseUs  rai- 
sonnables  k  M.  Bngier  (1768)  —  Profession  de  foi  des  th^istes  (de  la 
doctrine),  1768  —  De  la  paix  perp^tueUe  (1769),  c.  15—18  —  Dieu  et 
les  hommes  (1769)  —  La  Bible  enfin  ezpliquee  (Sommaire  bistorique  des 
quatre  ^vangiles),  1776  —  Histoire  de  r^tablissement  du  Christ  (1777), 
c.  6—7  —  Art  Christianisme;  Divinit^  de  J^sus;  G^n^alogie;  Messie 
(▼gl.  k  Dalembert,  12.  Oct  1764;  k  Damilaville,  Nr.  4232  der  l^dition 
Hachette;  k  H^nault,   20.  Oct  1764);   Art.  Religion;  Tol^rance,   S.  III. 

1  Art  l^lise;  Ess^niens.  —  II  est  reconnu  par  les  fanatiques,  mdme  les 
plus  entdtds,  que  les  premiers  chr^tiens  emploj&rent  les  fraudes  les  plus 
honteuses  pour  soutenir  leur  secte  nalssante.  Tont  le  monde  avoue  qu^ils 
forg^ent  de  fausses  prMictions,  de  fausses  hlstoires,  de  faux  miracles. 
(Dialogne  du  douteur  et  de  Tadorateur,  1763.)  —  Sermon  des  Cinquante, 
3«  point 

>  Histoire  de  T^tablissement  du  Christ,  c.  8.  —  Examen  important  de 
11  Bolingbroke,  c.  12.  —  Art.  Apötres;  Paul.  •—  Epitre  aux  Romains 
(1768).  —  Dialogue  du  douteur  et  de  Tadorateur  (1763). 

'  Essai,  6.  —  Examen  important  de  M.  Bolingbroke,  c.  20.  —  Art 
Voyage  de  saint  Pierre.  —  Pierre. 

«  Trait^  sur  la  toUrance  (1763).  c.  9.  —  Phil,  de  Tbist,  50. 
«tx«opb«r.  d.  phil.-hist  Cl.  XCV.  Bd.  i.  Uffc.  7 


98  Hftyr. 

meDge  mischten,  fanden  sie  letztere  mit  allen  erdenklichen 
abgeschmackten  Ueberlieferungen  inficirt  .  .  Die  Obrigkeiten, 
die  besseren  Bürger  hielten  sich  von  diesen  Ausschreitungen 
ferne,  die  Masse  aber  nährte  sich  davon:  ,et  c'ötait  la  Canaille 
juive  qui  parlait  k  la  Canaille  paYenne/  >  Stets  behandelt 
Voltaire  die  ersten  Christen  en  Canaille;  wenn  irgendwo,  so 
zeigt  sich  hier  seine  Differenz  von  der  protestantischen  An- 
schauung. Als  Ursachen  des  allmäligen  Wachsthums  und  end- 
lichen Erfolges  der  christlichen  Secte  gibt  er  folgende^  an: 
Die  Sectenftahrer  schmeichelten  ihrer  Horde  mit  der  Idee  der 
natürlichen  Freiheit,  die  gerade  auf  den  Pöbel  eine  berückende 
Kraft  ausübt;  es  bildete  sich  ein  Staat  im  Staate,  eine  Rotte 
von  Rebellen,  so  dass  es  kein  Wunder  ist,  wenn  das  Gemein- 
wesen dagegen  Maassregeln  ergriff.  Ferner  waren  die  Christen, 
ursprünglich  ein  Häuflein  Juden  unter  Juden,  dem  Wucher- 
gewerbe ergeben,  wodurch  sie  zu  Geld  und  Macht  gelangten; 
Constantin  Chlorus  z.  B.  kam  durch  ihre  Vorschüsse  auf  den 
Thron.  Die  Christen  genossen  dabei  einer  nahezu  ununter- 
brochenen Religionsfreiheit,  was  sich  erst  änderte,  als  sie 
anfingen,  staatsgefahrlich  zu  werden  und  gegen  die  heid- 
nische Religion  aggressiv  vorzugehen.  ^  Einer  der  stärksten 
Gründe  des  Fortschrittes  lag  in  der  Ausbildung  eines  umfassen- 
den Systemes  von  Dogmen;  die  alten  Religionen  hatten  nichts 
dem  Aehnliches.  Aus  platonischer  Metaphysik  und  christlichen 
Mysterien  ^  entstand  eine  Lehre,  welche  alle  erdenklichen  Fragen 
über  Gegenwart,  Vergangenheit  und  Zukunft  beantwortete. 
Jedoch  blieben  die  Christen  nicht  bei  dem  einmal  Errun- 
genen stehen,   sondern  die  Geister  wurden  in  steter  Erregung 


1  Examen  important  de  M.  Bolingbroke,  c.  12.  —  Une  canaille  abjectc 
8*adre88ait  k  une  populace  non  moins  m^prisablo  (c.  14)  —  la  canaiile 
6tant  d'nne  ndcessitä  absolue  poar  <^tablir  toute  nouvelle  secte.  (Histoire 
de  rdtablissement  du  Christ ,  c.  10.)  —  Derni^res  paroles  d'Epictete 
(1763),  wo  er  die  Entstehung  des  Ghristenthums  mit  den  Augen  eines 
gebildeten  zeitgenössischen  Griechen  ansieht. 

>  Histoire  de  T^tablissement  du  Christ.,  c.  13.  —  Epitre  aux  Romains 
(1768),  7. 

'  De  la  paix  perpetuelle  (1769),  c.  9 — 14.  —  Art.  Diocletien,  Art.  Martyrs. 

*  On  voit  que  la  pliilosophie  de  Piaton  fit  le  Chris tianisme.  (Histoire  de 
Tetablissement  du  Christ.,   c.  9.)    —    De  la  paix  perp^tuelle,    17  (1769). 


VolUiiv-Stiidien.  99 

erhalten J  Zu  den  Lockmitteln  des  Christenthums  zählt  Voltaire 
auch  die  Abschaffang  der  unappetitlichen  Schlachtopfer  und  die 
Einführung  humanerer  Ceremonien.  ,Le8  Chr^tiens,  dans  leur 
premier  institut,  faisaient  ensemble  un  hon  souper  k  portes 
ferm^es.  Ensuite  ils  chang^rent  ce  souper  en  un  ddjeüner, 
oii  il  n'y  avait  que  du  pain  et  du  vin.'^ 

Auf  solche  Weise  gelangte  das  Christenthum  zur  Herr- 
schaft im  Römerreiche.  Kaiser  Constantin,  welcher  die  Wen- 
dung der  Dinge  besiegelte^  wird  von  Voltaire  kaum  besser 
behandelt;  als  St.  Paul.^  Dagegen  gesellt  er  sich  zu  den 
Apo](^eten  des  Kaisers  Julian.^  Sobald  das  Christenthum 
befestig^  war,  nahm  es  eine,  nach  seiner  Ueberzeugung,  für 
das  Wohl  der  Menschen  verderbliche  Entwicklung.  Zunächst 
untergrub  es  den  Bestand  des  Reiches.  ;Le  christianisme 
ouvndt  le  ciel,  mais  il  perdait  Tempire.'^  Die  alte  Religion, 
unter  deren  Banner  die  Römer  von  Triumph  zu  Triumph 
geschritten  waren,  wurde  ausgerottet.  Der  Sectengeist  decimirte 
die  Christenheit  selbst. 

Während  die  Barbaren  an  den  Grundvesten  des  Reiches 
rüttelten,  versammelten  die  Kaiser  Concilien  und  verliehen 
den  lächerlichsten  Streitigkeiten  das  Gewicht  ihrer  Autorität.^ 
In  dieser  Zeit  befestigte  der  Fanatismus  seine  Herrschaft; 
die  Aera  der  Glaubensverfolgung  um  des  Glaubens  willen 
brach  an.  Die  neuen,  unerhörten  Gräuel  des  Fanatismus  und 
das  Mitleid  mit  der  davon  betroffenen  Menschheit  bilden  die 
Beweggründe   des   Hasses,   den  Voltaire   gegen   das   Christen- 


'  Ge  qui  contribaa  le  plus  k  raccroissement  de  la  religion  nonvelle,  ce 
fdt  Tidee  qui  se  r^pandit  alors  que  le  temps  de  la  fin  du  monde  appro- 
chait.  (Ibid.  10.)  —  Art.  Fin  du  monde. 

^  Histoire  de  r^tablissement  du  Christ.,  c.  13.  Art.  Autels;  Baiser. 

*  Etsai,  10—11.  —  Histoire  de  retablissement  du  Christ.,  c.  16—22.  — 
Art  Constantin;  Vision  de  Constantin.  —  Fragments  sur  Thistoire  g^n^- 
rale  (1773),  VII. 

*  Art.  Apostat;  Julien.  —  Discours  de  Tempereur  Julien  (1769).  Portrait 
und  Supplement  rühren  von  Voltaire  her ;  die  Uebersetzung  des  Urtextes 
hat  d^Argeoce  geliefert. 

»  Essai,  11. 

*  Art  Anthropomorphites;  Antitrinitaires;  Arianisme;  Conciles;  H^r^sie; 
ImtiaÜon;  Originel;  Trinite;  Z^le. 

7» 


100  Majr. 

thum  hegt.^  Wenn  er  die  übrigen  Volksreligionen  mehr  aus 
Gründen  der  Vernunft,  des  beleidigen  bon  Bens  missbilligt,  so 
verabscheut  er  das  Christenthum  insbesondere,  weil  es  die  In- 
toleranz zum  Systeme  und  den  Aberglauben  zu  einer  Staat  wie 
Gesellschaft  dominirenden  Macht  erhoben  habe.  Das  Christen- 
thum habe  den  altjüdischen  Fanatismus  noch  weit  überboten. 
Demgemäss  sei  die  Geschichte  des  Mittelalters  und  der  Neuzeit, 
bis  auf  den  Beginn  des  Auf  klär  ungsalters,  ja  im  abgeschwächten 
Maasse  bis  heute,  nur  ein  ungeheueres  Register  der  Plagen, 
welche  Aberglaube  und  Verfolgungssucht  über  die  Welt  ge- 
bracht haben.  In  erster  Linie  komme  die  historische  Ausbildung 
der  Hierarchie  in  Betracht.  Die  rein  geschichtliche  Betrachtung 
der  geschichtlich  gewordenen  Dinge  ist  der  Triumph  des 
Aufklärungszeitalters  über  die  vorangehenden  Perioden  des 
Dogmatismus.    Der  schon  im  Zeitalter  der  Renaissance  wieder 


^  Pourqaoi  le  monatre  de  rintol^rantisme  habita-t-il  dans  la  fange  des  ca- 
vemes  habit^es  par  les  premiers  chr^tiens?  Pourqaoi,  de  ces  doaqaefl,  o& 
il  8e  noarriflsait,  paasa-t-il  dans  les  ^coles  d'Alezandrie,  oü  ces  demi-chre- 
tiens  demi-juifs  enseign&rent?  poarqnoi  s'^tablit-il  bientdt  dans  les  ehaires 
^piscopales  et  si^ga-t-il  enfin  sar  le  trdne  k  c6t6  des  rois?  .  .  Avant 
qne  ce  monstre  naqutt,  jamais  il  n'y  avait  ea  de  gnerres  religieoses 
sor  la  terre;  jamais  aucune  qnerelle  sar  le  culte.  (De  la  paix  per- 
petuelle  [1769],  5.)  —  Kesprit  de  contention,  dMrr^soIation,  de  divi- 
sion,  de  querelle  avait  pr^sid^  au  berceau  de  TEglise.  (Ibid.  19.)  —  II 
est  Evident,  que  la  religion  chretienne  est  un  filet  dans  lequel  les  fri- 
pons  ont  enveloppe  les  sots  pendaut  plus  de  diz-sept  si&cles,  et  an 
poignard  dont  les  fanatiques  ont  ^gorg^  leurs  fr^res  pendant  plus  de 
quatorze.  (Ibid.  31.)  —  La  notre  (sc.  religion)  est  sans  contredit  la  plus 
ridicule,  la  plus  absurde  et  la  plus  sanguinaire,  qui  ait  Jamals  infecte  le 
monde.  (A  Fr^d^ric  11,  5.  Jänner  1767.)  —  Traite  sur  la  toUrance 
(1763),  14.  —  Prix  de  la  justice  (1777),  8.  —  Cette  religion  chretienne,  qui 
a  6t4  la  source  de  tant  de  divisions,  de  guerres  civiles  et  de  crimes,  qoi 
a  fait  couler  tant  de  sang  et  qui  est  partag^e  en  tant  de  sectes  ennemies 
dans  les  coins  de  la  terre  oü  eile  r6gne.  (Sermon  des  Cinquante,  3*°°  point) 
—  Dans  tous  les  temps  on  se  bat,  s'^gorge,  on  s^assassine.  A  chaque 
dispute,  les  rois,  les  princes  sont  massacr^s.  Tel  est  le  fruit  de  Tarbre 
de  la  croix,  de  la  potence  qu^on  a  divinis^e.  (Ibid.)  —  Plus  ma  vleil- 
lesse  et  la  faiblesse  de  mon  temp^rament  m^approchent  du  terme,  plus 
j'ai  cru  de  mon  devoir  de  savoir  si  tant  de  gens  c^lebres,  d^puis  J^röme 
et  Augustin  jusqa*^  Pascal,  ne  pourraient  avoir  quelque  raison.  J*ai  vu 
clairement  quMls  n'en  avaient  aucune  et  qu^ils  n'^taient  que  des  advo- 
cats  Bubtils  et  v^h^ments  de  la  plus  mauvaise  de  toutes  les  causes.  (AM. 
Du  Deffand,  Märss  1765.) 


Voltaire-Studien.  101 

erwachte  historische  Sinn,  der  während  des  Kampfes  der  Con- 
fessionen  zurückgedrängt  worden  war,  gewann  einen  neuen 
Impuls,  indem  kein  Gebiet  des  Daseins  ihm  ferner  verschlossen 
blieb.  Im  Sinne  des  herrschenden  Empirismus,  von  metaphy- 
sischen Voreingenommenheiten  und  wirren  Oeschichtsdoctrinen 
unbeirrt,  zeigte  Voltaire  Alles  in  seinem  natürlichen  Werden, 
Wachsen,  Vergehen  und  ermuthigte  den  Geist  des  Fortschrittes, 
den  auch  die  fatalistische  und  quietistische  Reaction  nicht 
wieder  aus  der  Welt  zu  schaffen  vermochte.  Ideal  in  seiner 
Gesinnung,  massig  in  seinen  Erwartungen,  nüchtern  in  seinen 
Erkenntnissen,  wies  er  den  Geist  der  abgelaufenen  Jahrhunderte 
von  sich;  deren  Denken,  Wollen,  Handeln  erschien  ihm  als 
ein  Fremdes  und  Verwerfliches;  weit  davon  entfernt,  sie  auch 
nur  als  Uebergangsstufen  in  relativem  Sinne  gelten  zu  lassen, 
verfiel  er  in  den  Fehler,  das  Mittelalter  an  sich  zu  beurtheilen, 
wie  dessen  in  die  moderne  Welt  hereinragenden  Ueberreste, 
uud  zugleich  die  Widerstandskraft  der  letzteren  zu  unter- 
schätzen. Aber  auch  die  bessere  Einsicht  in  die  Gewalt  der 
historischen  Realität  hätte  ihn  nie  von  der  inneren  Verpflichtung 
absolviren  können,  das  Richtigere  und  Bessere,  wenigstens 
nach  seiner  Einsicht  Bessere,  zu  verfechten,  vor  dem  Wahne, 
der  Verblendung  und  dem  bösen  Willen  zu  schützen. 

Wie  erwähnt,  das  wichtigste  Moment  der  Geschichte  des 
Christenthums  war  nach  Voltaire  die  Entstehung  der  Hierarchie. 
Aus  dem  Wesen  und  der  Geschichte  der  Hierarchie  folgte 
ihr  Kampf  mit  der  Staatsgewalt.  >  Auf  dem  Gipfel  seiner 
Macht  nahm  dann  das  Sacerdotium  sogar  den  Kampf  mit  der 
concurrirenden  Weltreligion,  dem  Muhamedanismus,  auf  seine 
Schultern. 

Es  sei  hier  gestattet,  Voltaire's  Ansicht  des  Islam  ein- 
zoschalten. ^  Der  Islam  entspringt,  im  Unterschiede  vom 
Christenthume,   nahezu  vollendet   dem    Haupte   seines  Stifters. 


*  Ueber  die  Beziehungen  zwischen  Kirche  nnd  Staat,  vgl.  den  nächst- 
folgenden politischen  Abschnitt 

'  Essai,  6 — 7.  —  Art.  Alcoran;  Arot  et  Marot;  Mahometans.  —  Lettre 
dvile  (1760).  —  lian  vgl.  die  Tragödie  Mahomet  (Goethe's  Bearbeitung 
im  35.  Bande  der  Cotta^schen  Ausgabe).  —  Remarques  de  l^Essai,  1763, 
IX— X.  —  A  Frederic,  Dec.  1740. 


102  M»yr. 

Vor  Allem   gibt  es   keinen   alten  Gesetzgeber  oder  Eroberer, 
dessen    Geschichte    uns    zuverlässiger    bekannt    wäre,    als   die 
Mahomets.    Der  Koran  enthält   dessen  authentische  Lehre;  er 
ist   kein  Machwerk    späterer  Zeiten.    Mahomet  ist  das  Modell, 
nach   welchem   sich  Voltaire   alle   Religionsstifter,   mehr  oder 
minder,  gebildet  denkt,  ^  so  dass  es  einmal  möglich  ist,  den  Ur- 
sprung einer  Religion  im  Detail  zu  erfassen.    Mahomets  Vor- 
gang  hatte   etwas   Absichtliches,    Ueberleg^es.     Nach    langem 
Studium    des    Charakters    seiner   Mitbürger,    reif  an    Jahren, 
proclamirte   er   sich   selbst  als  Propheten  Gottes,    als  Wieder- 
hersteller   der    von    Juden    und    Christen    entstellten    Lehre 
Abrahams.      Er    war   nicht    unwissend    und    besass    poetische 
Anlagen.   Von  seinen  Ideen  lebhaft  ergriffen,  versank  er  wohl 
selbst   in  Träumereien   und   endigte  mit  Selbstbetrug,   ja  dem 
Betrüge  Anderer.    Dass  er  verfolgt  wurde,  war  ihm  von  Nutzen; 
einmal  siegreich,  verbreitete  er,  ein  Unicum  unter  den  Religions- 
stiftem,   seine  Lehre  mit  dem  Schwert  in  der  Hand.^    Jedoch 
unterschied   sich  die   ungleich   edlere  Nation   der  Araber  von 
den    einst   ebenfalls   erobernden   Juden   durch   das   Vermögen, 
ihre  Eroberungen   zu   behaupten   und   zu  assimiliren.^    Ueber- 
redung  und  Belehrung  vollendeten  das  Werk  der  kriegerischen 
Unterjochung.    Leicht  fand  der  Koran  Eingang,   da  er,  ausser 
dem   Prophetenthume  Mohamets,   keine   neue   Lehre   enthielt.^ 
Späterhin  war  dem  Islam  nichts  so  heilsam,  als  die  Vereinigung 
von  staatlicher  und  geistlicher  Macht  in  den  Händen  der  ersten 
Chalifen.^    Natürlich  verdammt  Voltaire   die  Absurditäten   des 


^  ,Mai8  d^toumons  les  yeux  |  de  cet  impur  amas  d*impo8tenrs  odienx* 
sagt  Voltaire  im  PoSme  snr  U  loi  naturelle  I,  und  nimmt  in  der  An- 
merkung blo8  Confutse  aus.  —  ,Il8  <^taient  tout  au  plus  de  tr^-prudents 
menteurs',  sagt  er  von  den  Religionsatiftem  im  Gegensatze  zu  den  Philo- 
sophen. (Art  Philosophe,  I.) 

3  Mahomet,  imposteur,  brigand,  mais  le  seul  des  l^g^lateurs  r^lig^eux  qoi 
ait  eu  du  courage  et  qui  ait  fond6  un  grand  empire.  (Art.  Contradictions.) 

^  Pourquoi  Mahomet  et  ses  successeurs,  qui  commenc&rent  leurs  conquetes 
pr^cis^ment  comme  les  Juifs,  firent-ils  de  si  grandes  choses,  et  les  Jnifs 
de  si  petites?  (Essai,  6.) 

^  Art.  Alcoran. 

^  L^opinion  et  la  guerre  firent  la  grandeur  des  califes;  Topiniou  et  Tha- 
bilite  firent  la  grandeur  des  papes.  (Remarques,  c.  X,  1763.) 


VolUire-Stadien.  103 

Korans  und  die  furchtbaren  Mittel  seiner  Verbreitung,  wogegen 
er  ihn  wider  die  unberechtigten  Angriffe  christlicher  Eiferer 
in  Schutz  nimmt.  ^  Im  Allgemeinen  rechnet  er  auch  den  Islam, 
wie  den  Judaismus  und  das  Christenthum,  zu  den  Calamitäten 
der  Menschheit^ 

Ohne  uns  in  die  Einzelheiten  seiner  Darstellung  der 
Religions*  und  Kirchengeschichte  des  Mittelalters  einzulassen, 
wollen  wir  nur  auf  den  Refrain  lauschen,  in  welchen  er  jedes 
Capitel  derselben  ausklingen  lässt.  An  der  unsäglichen  Barbarei, 
Unwissenheit,  Verwilderung  dieser  Jahrhunderte  ist  vor  Allem 
die  Religion  schuld.  Sie  hat  die  Menschen  nicht  besser  ge- 
macht, sondern  ihren  Leidenschaften  noch  den  Fanatismus, 
den  Glaubenshass,  die  Verfolgungswuth  hinzugefügt.  Träger 
dieses  Geistes  sind  die  Priester,  welche  sich  auf  die  thierischen, 
fanatisirten  Massen  stützen  und  auch  deren  Führer  mit  sich 
ziehen.  Sie  ersinnen  neue  Geissein  (Mönchswesen,  Inquisition) 
für  die  ohnehin  schon  hinlänglich  geplagte  Menschheit,  erregen 
Kampf  und  Krieg,  ja  sie  wagen  sich  an  die  nothwendig  exi- 
stirende  Staatsgewalt.  Solchermaassen  basirt  das  Mittelalter 
auf  einem  Gemisch  von  Unwissenheit,  Betrug,  Frechheit,  Selbst- 
sucht der  Herrscher,  Dummheit  und  Schwäche  der  Beherrschten. 
Jeder  Uchtblitz  erstickt  in  der  allgemeinen  Finsterniss;  nicht 
einmal  eine  ordentliche  Häresie  kann  um  sich  greifen.«'' 


*  LeB  moyens  sont  affreux;  c'est  la  fonrberie  et  le  menrtre  .  .   (Alcoran.) 

'  Der  Islam  hat  wohl  mit  dem  Schwerte  bekehrt;  aber  Je  ne  connais  pas 
nne  seale  gnerre  civile  entre  les  Tnrcs  ponr  la  religion^  (Homdlie  aar 
ia  raperstition,  1767.)  —  Essais  7. 

'  CTest  ainsi  qne  vons  verrez  dans  ce  vaste  tableau  des  d^mences  hu- 
maines,  les  sentiments  des  th^ologiens,  les  superstitions  des  peuples,  le 
fiuiatisme,  vari^s  saus  cesse,  mais  tonjonrs  constants  k  plonger  la  terre 
dans  Tabnitissemeiit  et  la  calamit^  .  .  .  (Essai,  62.)  G*est  de  ce  fanatisme 
qae  sortirent  les  croisades,  qui  d^peupl&rent  TEorope  pour  aller  im- 
moler  en  Syrie  des  Arabes  et  des  Tarcs  k  J^sus- Christ  (Profession  de 
foi  des  theistes,  c.  4.)  —  Les  Chretiens  n*ont  cess6  de  s'^gorger  en 
Afriqne  et  en  Asie  quo  qaand  les  musnlmans,  lenrs  vainqueurs,  les  ont 
desarm^  et  ont  arrctd  lenrs  farenrs.  Mais  k  Constantinople  et  dans  le 
reste  des  l^tats  chretiens,  Tancienne  rage  prit  de  nouvelles  forces.  (De  la 
paix  perp^tnelle,  24.) 

Les  papes  ont  voulu  abmtir  Tesprit  des  hommes.  (Art.  Lois,  S.  3.) 
Rome  donnait  tonjonrs   le  monvement  k  tontes  les  affaires  de  TEurope. 


104  Mayr. 

Wenn  Voltaire  das  Mittelalter  aus  diesen  und  ähnlichen 
Gründen  verurtheilte;  wie  verhielt  er  sich  dann  zur  Reformation? 
In  keiner  Hinsicht  tritt  der  Gegensatz  zwischen  dem  abgelaufenen 
Jahrhundert  und  dem  Durchschnittsbewusstsein  des  laufenden 
schroffer  hervor,  als  bezüglich  des  Urtheils  über  die  Reformation. 
Eine  Verurtheilung  der  Reformation  wird  heute  wohl  nur  mehr 
von  der  streng  katholischen  Welt  erwartet  Alles,  was  nur  im 
Entferntesten  mit  freisinnigeren  Richtungen  zusammenhängt,  er- 
geht sich  in  Hymnen  auf  die  Kirchenverbesserung,  und  doch 
sind  es  dieselben  Principien  der  Aufklärung,  denen  zufolge 
Voltaire  über  das  Mittelalter  und  die  Reformation  den  Stab 
bricht.  Seine  Beurtheilung  ist  im  höchsten  Grade  der  Auf- 
merksamkeit werth. 

Für  Voltaire  schiebt  sich  zwischen  Mittelalter  und  Re- 
formation das  denkwürdige  Vorspiel  der  Aufklärung:  die 
Renaissance,  das  Zeitalter  Leo  X.^  Den  Lobrednem  der  Re- 
formation würde  er  heute  antworten:  Was  wollt  ihr  mit  euerer 
Reformation,  welche  im  Wesentlichen  dieselben  Lehren  ver- 
kündete, auf  dieselben  Bücher  schwor,  wie  die  römische  Kirche^ 
höchstens   dass   sie   an   die  Stelle  schon  vorhandener  Absurdi- 


(Eflsai,  c  49.)  —  G*e8t  pendant  ces  siteles  d'ignorance,  de  supentition, 
de  fraude  et  de  barbarie,  qne  TEglise,  qai  savait  lire  et  6crire,  dicta  des 
loifl  k  tonte  TEnrope,  qui  ne  savait  qne  boire,  combattre  et  se  confesser 
k  des  moiiies.  (Prix  de  justice,  VIII,  1777.)  —  L*empire  et  le  sacerdoce 
avaient  d^soU  Tltalie,  TAUemagne  et  presqoe  tons  les  autrea  Etats. 
(Essai,  127.)  —  Lear  gprande  politique  consistait  k  exciter  des  gaeires 
civil  es.  (Ibid.  52.) 

Ce  fat  Saint  Basile  qni  le  premier  imagina  ces  vgbox,  ce  serment 
de  Tesclavage.  II  introdnit  an  noaveaa  fl^aa  sar  la  terre  et  U  tooma  en 
poison  ce  qoi  avait  ^t6  invente  comme  remede.  (Art  Ess^niens.)  — 
Essai,  c.  139.  —  Remarques  de  l'Essai  (1763),  XI.  —  L'inqoisition  est 
comme  on  sait  ane  invention  admirable  et  tont  k  üsit  chrötienne  pour 
rendre  le  pape  et  les  meines  plus  puissants  et  poar  rendre  an  royaame 
bjpocrite  (Art.  Inqoisition).  —  LHnqaisition,  ce  noaveaa  fl^o,  inconna 
anparavant  chez  toates  les  religioDS  da  monde  .  .  C'est  donc  ainsi  qae 
rinqnisition  commen^  en  Earope:  eile  ne  m^ritait  pas  an  aatre  ber- 
ceao.  Voas  sentez  assez  qae  c^est  le  dernier  degr^  d*ane  barbarie  brutale 
et  absurde  de  maintenir,  par  des  ddlateurs  et  des  bourreaux,  la  religioo 
d*an  Dien  qae  des  bourreaox  firent  p6rir.  (Essai,  62.) 

Kssai,  121.  —  Siecle  de  Louis  XIV.  Introduction. 


VolUire-Stndieu.  105 

täten  andere  neue  setzte?^  Was  soll  uns  der  starrsinnige 
Luther,  der  fanatische  Calvin  zu  einer  Zeit,  die  freieren  An- 
schaanngen  und  leichteren  Lebensformen  zustrebte?^  Seht  ihr 
nicht,  wie  hinter  dem  Verwände  der  Religion  sich  egoistische, 
ehrgeizige,  habgierige  Tendenzen  verhalten  7^  Haben  denn 
Vernunft,  Aufklärung,  Fortschritt  in  dem  Protestantismus  ihre 
Wurzeln,  oder  mussten  sie  nicht  erst,  nachdem  die  Welt  des 
Haders  und  Blutvergiessens  müde  geworden  war,  im  Gegen- 
satze zu  Katholicismus  und  Protestantismus  durchdringen?^ 
Hat  nicht  die  Reformation  die  Geister,  welche  schon  auf  die 
Stimme  der  Philosophie  zu  horchen  begannen,  auf  das  Feld 
der  religiösen  Querellen  abgeleitet  und  den  Fanatismus,  die 
Glaubenswuth   von  neuem   entzündet?^    Beiläufig   dies   würde 


Soavenes  vons  des  temps  de  ces  ^nerg^m&nes,  nomm^s  papistes  et  cal- 
▼inistes,  qai  prechaient  le  fond  des  mdmes  dogmes  et  qni  se  poarsnivi- 
rent . .  poar  quelques  mots  diff^remment  interpr^t^s.  (Demi^res  remarques 
snr  les  pens^es  de  Pascal,  Nr.  123.)  —  Art  Eucharistie.  —  Vos  refor^ 
mateurs  ii*ont  renversd  Tautorit^  du  pape  que  pour  se  mettre  sur  son 
tröne.  Aux  d^cisions  des  conciles  voos  avez  fi^rement  Substitut  Celles 
de  vos  synodes,  et  Bameweldt  a  p^ri  comme  J.  Hus.  (A  Bertram, 
26.  Dec.,  1763.)  —  Hom^lie  sur  la  communion  (1769). 

,La  religion  n^avait  rien  d'austöre',  sagt  er  von  der  Zeit  Leo  X.,  ,elle 
s*attirait  le  respect  par  des  c^r^monies  pompeuses  .  .  ce  qui  pouvait 
offenser  la  relig^on  n'^tait  pas  aper^u  dans  une  cour  occup^e  d'intrigues 
et  de  plaisirs.'  (Essai,  c.  127.)  —  Luther  und  Calvin  öfiheten  die  Klöster 
,ponr  changer  en  couveuts  la  soci^t^  humaine'.  (Essai,  c.  183.) 

Essai,  c.  118  und  138. 

Les  disputes  de  religion  retard&rent  les  progris  de  la  raison  au 
lien  de  les  hXter  .  .  ces  querelies  ne  furent  qu*une  maladie  de  plus 
dans  Tesprit  humain.  (Essai,  c.  121.)  —  Depuis  Charles  V  jusqn'&  la 
paix  de  Westphalie  les  qnerelles  th^ologiques  ont  fait  couler  le  sang  .  . 
La  seole  arme  contre  ce  monstre  est  la  raison.  (Remarques  de  FEssai, 
1763,  c.  XV.) 

Le  laste  de  la  cour  voluptneuse  de  L6on  X  pouvait  blesser  les  yeux; 
fflais  anssi  on  devait  voir  que  cette  cour  meme  polissait  VEurope  .  .  La 
religion,  depuis  la  pers^cution  contre  les  hussites,  ne  causait  plus  aucun 
troable  dans  le  monde.  (Essai,  127.)  —  Eloge  historique  de  la  raison 
(1775).  —  La  fnreur  dogmatique  a  bouleversä  plus  d*un  Etat,  depuis  les 
massacres  des  Albigeois  ju8qu*&  la  petite  guerre  des  C^vennes  au  com- 
mencement  du  diz-huititoe  si^cle.  Le  sang  a  coul4  dans  les  campagnes  et 
rar  les  ^cbafauds,  pour  des  arguments  de  th^olog^e,  tantot  dans  un  pays, 


106  Utkjr. 

Voltaire  den  modernen  Apologeten  erwidern,  vorausgesetzt, 
dass  er  sich  bei  ihren  Phrasen  auch  immer  etwas  denken 
könqte. 

Dass  die  Kirche  einer  Verbesserung  bedürftig  war,  gibt 
Voltaire  natürlich  zu.  Ein  System,  welches  den  Kampf  zwischen 
Staat  und  Kirche  perpetuirte,  die  Gemüther  ihrem  Vaterlande 
entfremdete,  in  jedem  Staate  ein  stehendes  Heer  unterhielt 
und  aller  Welt  Geldbeutel  in  Anspruch  nahm,  schien  auch  ihm 
der  Erhaltung  nicht  werth.  ^)  Allein  bei  der  Abstellung  dieser 
Missbräuche  blieb  die  Reformation  nicht  stehen. 

Zu  Anfang  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  hoffte  man  von 
der  Beilegung  des  Schismas  eine  für  das  ganze  kirchliche 
System  wohlthätige  Wirkung ;  dann  setzte  man  seine  Hoffnungen 
auf  die  Concilien:  indess  Concilien  vergehen,  während  die 
Päpste  bestehen.^)  Es  kamen  Wicleff,  Huss,  Savonarola,  drei 
erpichte  Dogmatiker,  letzterer  ein  herrschsüchtiger  Rede- 
künstler, welcher  für  die  Empörung,  die  er  predigte,  mit  Fug 
und  Recht  bestraft  wurde.  3)  Nach  ihnen  trat  Luther  auf,  ein 
kühner,  eigensinniger  Mann.  Weil  die  Augustiner  den  Domini- 
kanern die  Ablasssporteln  missgönnten,  so  hiessen  sie  ihn  gegen 
den  Ablass  predigen.  *)  Die  Nation  folgte  dem  Anstosse  — 
aus  Armuth.  ,0n  vendait  trop  eher  les  indulgences  et  la  deli- 
vrance  du  purgatoire  k  des  ämes,  dont  les  corps  avaient  alors 
trfes-peu  d'argent  .  .  On  prit  une  religion  k  meilleur  march6.'^) 
Der  Schauplatz  des  neuen  Glaubens  war  der  Norden  Europas, 
der  Schauplatz  des  heissesten  Kampfes  Deutschland   und  die 


tantot  dans  an  aatre,  pendant  cinq  cents  anndes  presque  sans  iuterniptioii-, 
et  ce  fl^u  n*a  darö  si  loDg^temps  quo  parce  qu*on  a  toujoars  n^gligi^  la 
morale  pour  le  dogme.  (Essai,  c.  197.)  Faut-il  qa'on  ait  ^prouve  plus 
de  deax  cents  ans  de  fr^n^sie  pour  arriver  k  des  jours  de  repos?  (Essai, 
c.  134.) 

1  La  forme  du  gouvernement  la  plus  absurde.  Cette  absurdit^  consistait 
k  d^pendre  chez  soi  d*un  ^traoger.  (Essai,  c  65.)  Vgl.  Essai,  127:  II  y 
avait  des  abus  violents,  il  j  en  avait  de  ridicules.  —  Trait^  sur  la  tole- 
rance,  3. 

3  Essai,  71. 

'  Ibid.  108. 

♦  Ibid.  127. 

»   Art.  Climat. 


Yolteli^Btadien.  107 

Schweiz;  die  Bewohner  dieser  Länder  galten  nicht  fUr  be- 
sonders aufgeweckt.  ^  Das  geistreiche,  lebenstreudige,  in  In- 
trigaen  verwickelte  Volk  Italiens  blieb  dagegen  diesen  Wirren 
fern ;  es  belustigte  sich,  wie  früher,  an  dem  kirchlichen  Schau- 
gepränge und  beutete  den  Aberglauben  der  übrigen  Welt  zu 
seinem  Vortheile  aus.  ^  In  ganz  Europa  erregte  die  Kirchen- 
trennung  politische  Verwicklungen.  Die  deutschen  Fürsten  be- 
nutzten die  Gelegenheit  zur  Einziehung  der  Kirchengüter,  zur 
Aufrichtung  von  Landeskirchen  und  zum  Widerstand  gegen 
die  Reichsgewalt.  ^  Das  hatten  also  die  Geistlichen  von  ihrer 
theologischen  Zänkerei,  dass  sie  laut  Commandos  des  Landes- 
herm  auf  schmalen  Sold  gesetzt  wurden.^  Welches  Unheil 
hatte  nicht  die  religiös-politische  Parteiwuth  über  Voltaire's 
Vaterland  gebracht!  Dem  Sänger  der  Henriade  war  klar,  was 
er  von  den  Segnungen  der  Reformation  zu  halten  habe.  Eng- 
land hatte  die  nämlichen  Schicksale  erlitten  und  auf  seinem 
Boden  die  paradoxesten  Secten  erwachsen  sehen.^  Am  meisten 
hasste  Voltaire  doch  jenen  Calvin,  der  so  lange  nach  Duldung 
schrie,  bis  er  selber  mächtig  wurde  und  Servet  verbrannte. 
In  Calvin  hasste  er  den  incarnirten  Culturfeind,  den  Gegner 
aller  Lebensfreudigkeit,  der  Wissenschaften,  der  schönen  Künste, 
der  Schauspiele.  ^   ,Man  muss  gestehen^,  sagt  Voltaire,  ,dass  die 


ki,  128. 

'  nrid.  —  Les  Italiens  s'enrichissaient  du  moins  de  Pavenglement  des 
antares  penples ;  mais  aillenrs  on  embrassait  la  snperstition  par  elle-mdme. 
(Essai,  82.)  —  Art  D^mocratie. 

'  Les  anciens  dogmes  embrass^s  par  les  Vaudois  etc.,  renonvel^s  et  difiF<Srem- 
ment  ezpliqn^s  par  Lntber  et  Zwingle,  forent  re^as  avec  aviditd  dans 
rAllemagne,  comme  an  pr^tezte  ponr  s'emparer  de  tant  des  terres  dont 
les  ^vdqiies  et  les  abb^s  8*6taient  mis  en  possession,  et  ponr  r^sister  aus 
empereors,  qni  alors  marchaient  k  grands  pas  au  pouvoir  despotique. 
(Louis  XIV,  c.  36.) 

*  Essai,  134. 

^  Essai,  135—137;  Lettres  anglaises  (1734),  c.  1—8. 

*  Essai,  133—134.  Ueber  Luther  und  Calvin  :  Tons  deox  laborieux  et 
aust^res,  mais  dnrs  et  empörtes;  tous  denx  brülant  de  Tardeur  de  signa- 
ler et  d*obtenir  cette  domination  sur  les  esprits  .  .  .  ils  avaient  des 
mceurs  faroucbes:  leors  discours  respiraient  le  fiel  (133).  In  verschie- 
denen Briefen  machte  er  den  Genfern  Elogen,  dass  sie  ihm  erlaubten,  sein 


103 


Hayr. 


Missbräucbe  der  alten  Kirche  kein  hinreichender  Grand  waren, 
80  viele  Bürgerkriege  zu  autorisiren^  und  dass  es  nicht  noth- 
wendig  gewesen  wäre^  andere  Menschen  zu  tödten^  ,parce  que 
quelques  prilats  faisaient  des  enfants,  et  que  des  cur^s  achetaient 
avec  un  öcu  le  droit  d'en  faire*.  * 

Die  Deutschen,  von  dem  besten  Willen   beseelt,   fremde 
Art  zu  begreifen,  pflegen  doch  über  derlei  Bonmots  zu  straucheln. 
Hätte  Jemand  die  ernsthaftesten  Dinge  vorgebracht,  es  würde 
ihm  nichts   nützen;   bei   den   strengen  Merkem   hätte  er  ver- 
sungen  und  verthan.     Gilt  es  nun  gar,   wie  im  vorliegenden 
Falle,   die  Reformation,   welche   man  wohl  als  die  tiefste  und 
energischeste  Regung  des  deutschen  Geistes  zu  feiern  liebt,  so 
ist  Jedermann  nur  um  so  mehr  geneigt,  die  Frivolität  und  In- 
competenz  des  Wälschen  und  Ungläubigen  mit  harten  Worten 
zu  geissein.    Es  hat  sich  eine  Reformationsmythologie  heraus- 
gebildet, welche  respectirt  sein  will,  und  derjenige,  welcher  als 
Historiker   oder   Philosoph  daran   rührt^   wird   beschuldigt,  er 
beleidige    das   religiöse   und   nationale   Gefühl.     Die    Wissen- 
schaft ist  aber  nicht  dazu  da,  Gefühle  zu  cultiviren  oder  auch 
nur  zu  schonen.     Wer   dergleichen  von  ihr  verlangt,    will  das 
Unmögliche  von  ihr.     Die  Wissenschaft  ist  gefühlloser,  als  die 
Politik,  ja  als  die  Furie  des  Krieges;  diese  rechnen  immerhin 
mit    den    menschlichen,    heiligen    Gefühlen:    die   Wissenschaft 
gedeiht    erst   recht   auf   der    Schädelstätte    der    Gefühle.     Sie 
kann  und  darf  nicht  fragen :  Ist  es  erfreulicher,  beglückender, 
erhebender,  moralischer,   die  Reformation   als  Mutter   des  mo- 
dernen Fortschrittes,   als   die   fruchtbarste,   ruhmreichste   That 
der  deutschen  Geschichte   zu  lobpreisen?     Sie  kann   und  darf 
nur  der  Frage   nachgehen:   Ist  es  richtig  oder  unrichtig,   dies 
anzunehmen?     Und  sollte  die  Welt  darüber  zu  Grunde  gehen, 
die   Wissenschaft    müsste    achselzuckend    bei    ihrem    Verdicte 
bleiben ;  das  ist  ihr  Pathos,  ihre  Würde !  In  dem  reinen  Aether 
der   Wahrheit  gibt  die   Rücksicht    auf  die   Nützlichkeit   oder 
Erquicklichkeit    einer   Meinung    den   Ausschlag  nicht.     Selbst 
wenn   die  Wahrheit   unter   allen  Umständen  schädlicher  wäre, 


abf&lliges  Urtheil  über  Calvin  in  Genf  zn  drucken;  z.  B.  &  P.  Rousseau, 
24.  Febr.  1767.  —  Vgl.  ferner  k  Henault,  26.  Febr.  1768. 

1  Essai,  c.  127. 


Voltilire-SiQdieD.  109 

als  der  Irrthum,  die  Wissenschaft  müsste  doch  ihrem  innersten 
Impulse  folgen.  Die  Fälle  der  Praxis  aber,  wo  in  der  That 
der  Irrthom  heilsamer  ist,  als  die  Wahrheit,  kann  sie  getrost 
auf  sich  beruhen  lassen.  Früher  oder  später  kommt  die  Praxis, 
der  Buhlschaft  mit  dem  Irrthume  müde,  doch  wieder  ge- 
schlichen, an  den  Pforten  der  Wahrheit  zu  pochen;  sie  kehrt 
zurück  und  zwar  um  so  sicherer,  je  weiter  vorgerückt  der 
Zeiger  der  Weltenuhr  ist.  Voltaire  selbst  warf  wohl  gelegent- 
lich die  Aeusserung  hin:  ,Die  Philosophie  ist  nicht  geeignet 
die  Welt  zu  regieren ;  sie  erhebt  sich  zu  hoch  über  den  grossen 
Haufen;  sie  redet  eine  Sprache,  die  er  nicht  verstehen  kann^^ 
Allein  gegen  die  absichtliche  Täuschung  der  Menge  hat  er 
stets  seine  Stimme  erhoben,  und  als  Schriftsteller,  als  Gelehrter 
nie  eine  Zeile  geschrieben,  in  welcher  er  die  unpraktische  Wahr- 
heit dem  praktischen  Irrthume  geopfert  hätte.  Die  Ansicht 
Voltaire's  über  die  Reformation  wird  man  also,  trotz  ihrer 
Unerquicklichkeit,  gar  wohl  der  wissenschaftlichen  Meditation 
unterziehen  können;  man  wird  ihr  wenigstens  ein  Plätzchen 
zugestehen  dürfen  neben  den  herrschenden  Ansichten,  deren 
ebe  die  Reformation  als  Urquell  des  modernen  Culturlebens 
glorificirt,  während  eine  andere  die  Reformation  als  Theil- 
erscheinung  der  Renaissance^  als  Ergebniss  der  gleichen  Kräfte 
und  als  Ursache  gleicher  Wirkungen  verherrlicht. 

Allem  Erwähnten  zufolge  war  Voltaire  über  den  Gegen- 
satz von  Katholicismus  und  Protestantismus  so  weit  hinaus, 
dasB  er  die  beiden  Confessionen  für  Erscheinungsformen  ein 
und  des  nämlichen  Geistes  nahm.^    Die  Vernunft  schien  ihm 


*  Art  Priores. 

'  pApistea,  luth^riens,  calvinistes,  ce  sont  autant  de  factions  sangoinaires. 
(Axiomes  im  Anhängte  zur  Abhandlnng  ,Dieu  et  les  bommes'.)  —  Quel- 
ques protestants  ont  rcprochä  k  Tanteur  de  TEssai  snr  les  masars 
de  )es  avoir  souvent  condamn^a;  et  quelques  catholiques  ont  charg^ 
Fanteiir  d*avoir  montr^  trop  de  compassion  pour  les  protestants.  Ces 
pUintes  pronvent  qu*il  a  gard^  ce  juste  milieu  qui  ne  satisfait  que  les 
esprits  mod^res.  (Remarques  de  TEssai,  1763,  XVI.)  Ausnahmsweise 
gesteht  er  den  Protestanten  auch  einen  Vorsng  zu:  Si  les  protestants  se 
trompent  comme  les  antres  dans  le  principe,  ils  ont  moins  d*erreurs  dans 
les  ooas^quences.  (Cat^chisme  de  ThonnSte  bomme.)  Ce  n'est  pas  que 
les  hngoenots   ne  soieut  aussi  fous  que  les   sorboniqueurs;  mais,  pour 


110  M.yr. 

bei  den   Kämpfen,   die  theils  wirklieb,   theils   angeblicb  über      | 
religiöse  Querellen  entbrannt  waren,  nichts  gewonnen  zu  haben. 
Ob   man  den  Menschen  die   katholische,   die  lutherische  oder 
calvinische  Lehre  aufrede,  galt  ihm  gleich  viel.    Alle  drei  waren 
für  ihn  Töchter  der  Theologie,  der  Superstition,  des  Fanatismas. 
Wie  absonderlich  musste  doch  dem  Champion  der  Aufklärung 
zu  Muthe  werden,   wenn   er  mitten  in  seinem  hellen  Zeitalter 
die  öffentliche  Aufmerksamkeit  von  dem  Gezanke  der  Janse- 
nist en  und  ihrer  Gegner  in  Anspruch  genommen  sah,  einem 
Gezanke,   das  nun   schon   über  Ein  Jahrhundert  währte J    Zu 
seiner   Genugthuung  vermochte   der   Jansenismus  dem   Staate 
nicht  mehr  ge&hrlich  zu  werden ;  aber  diese  Secte  beeinträch- 
tigte das  philosophische  Interesse  und  erschien  als  eine  blosse 
Missgeburt  des  theologischen  Geistes.    Man  argumentirte  über 
unentscheidbare,  wahnschaffene  Fragen  mit  Stellen  der  Schrift 
und  der  Kirchenväter  in  den  Terminis  der  Scholastik.   Voltaire 
empfand  es  als  eine  Schande  seines  erleuchteten  Jahrhunderts, 
dass  man  über  Chimären  stritt,  wie  z.  B.  welche  Bewandtniss 
es  mit  der  ,gratia  sufficiens,  efficax  und  concomitans'  habe,  ob 
Angustin   oder  Pelagius   im  Rechte    sei,    ob   die   Welt  janse- 
nistisch  oder  molinistisch  denken  solle !  ^    Man  wird  den  Wider- 


etre  fon  k  lier,  on  n*en  est  pas  moins  citojen;  et  rien  ne  serait  assore- 
ment  plus  sage  qae  de  pennettre  k  tont  le  monde  d*Stre  fon  k  aa  zoa- 
niire.  (A  Marmontel,  2.  Dec.  1767.) 

^  SiMe  de  Lonia  XIV,  c.  37.  C'est  rendre  service  au  genre  homain  que 
donner  k  cet  dangerenses  fadaises  le  ridieide  qn^elles  m^tent  (A  de 
Faulte,  4.  März  1768)  schreibt  er  über  das  bezügliche  Capitel  der 
Qeschichte  Ludwig  XIV.  —  Pr^cis  du  Siicle  de  Louis  XV,  c  36,  38.  — 
Histoire  du  parlement  de  Paris,  64—66.  —  Art  Conyulsions.  —  Gali- 
matias  dramatique  (1767).  —  Balance  ^gale  (1762).  —  D'un  £ait  sin- 
gulier  concemant  la  litt^rature  (1763).  —  Commentaire  sur  Tesprit  de 
lois  (1777).  Avant-propos.  —  Derniöres  remarques  sur  les  pensöea  du 
Pascal  (1777).    Avertissement 

3  Les  sottises  molinistes  et  jans^nistes  iront  toujonrs  leur  tsain  .  .  II  est 
honteux  pour  rhumanlt^  que  dans  nn  siecle  aussi  ^lair^  que  le  notre, 
ces  impertineutes  disputes  soient  enoore  k  la  mode;  mais  le  Tulgaire  se 
ressemble  dans  tons  les  temps.  (A  Caumont,  19.  April  1736.)  —  11  n*y 
a  plus  gu&re  de  querelles  fanatiques  qu'en  France  .  .  Le  prinee  n*a  qu*li 
8*en  moquer  et  les  peuples  en  riront;  mais  les  princes  qni  ont  des  con- 
fessenrs  sont  rarement  des  rois  pbilosophes.  (A  Fr^^ric  II,  Not.  1742.) 


yoll«ir«-8ttidieii.  111 

willen  Voltaire's.  gegen  den  Jansenismus  begreifen.  In  ihm 
bekämpfte  er  den  verhassten  Dogmenstreit,  die  Sectirerei,  den 
Geist  der  Askese.  So  weit  er  Historiker  Ludwig  XIV.  und 
Ludwig  XV.  war,  musste  freilich  auch  er  den  verabscheuten 
Zänkereien  seine  Aufmerksamkeit  widmen.  Jedoch  nahm  er 
nicht  Air  die  Jansenisten  Partei;  ihm,  dem  philosophischen 
Historiker,  galten  Jesuiten  und  Jansenisten  gleich  wenig,  eher 
die  Jesuiten  noch  mehr,  als  die  Jansenisten.^    Der  eigentliche 


Ml  7  a  tonjonn  dans  la  nation  nn  peuple  qui  n*a  nul  commerce  avec  les 
honnetes  gens,  qui  n^est  pas  da  si^cle^  qui  est  inaccessible  aux  progrös 
de  la  raison  et  aar  qui  Tatrocit^  du  fanatisme  conserve  son  empire, 
comme  certaines  maladies  qui  n*attaqaent  qne  la  plus  yile  populace  .  . 
II  serait  tr^- utile  k  ceux  qui  sont  entetea  de  toutes  ces  disputes,  de 
jeter  les  yeux  sur  ThiBtoire  g^n^rale  du  monde;  car  on  voit  le  peu  de 
figure  que  fönt  sur  la  terre  uu  moliniste  et  un  jans^niste.  On  rougit 
alors  de  sa  fr^n^sie  pour  un  parti  qui  se  perd  dans  Timmensit^  de  choses. 
(Siide  de  Louis  XIV,  37.)  —  Cette  dispute  ne  prodnisit  en  France  qne 
dea  mandements,  des  bnlles,  des  lettres  de  cachet  et  des  brochures,  parce 
qa^il  y  avait  alors  des  querelles  plus  importantes.  (Ibid.,  37.)  — 
Dans  des  temps  moins  ^clair^s,  ces  pu^rilit^s  anraient  pu  subvertir  la 
Fnmce  .  .  mais  le  mepris  qne  tous  les  bonnetes  gens  araient  pour 
le  fond  de  ces  disputes  saura  la  France.  (Histoire  du  parlement  de 
Paris,  65.) 

Ce  qu*on  appelle  nn  janseniste  est  r^ellement  nn  fou,  un  mau- 
Tais  citoyen,  et  un  rebelle  .  .  Les  molinistes  sont  des  fous  plus  doux. 
n  ne  faut  etre  ni  k  Apollos  ni  k  C^phas,  mais  k  Dien  et  au  roi.  II  est 
certain  qne  plus  il  j  aura  de  pbilosopbes,  plus  les  fous  seront  k  port^e 
d^etre  gu^ris.  (Voix  du  sage,  1750.)  On  a  ri  &  la  mort  du  janseniste  et 
du  moliniste,  et  de  la  gr&ce  concomitante,  et  de  la  medecinale,  et  de  la 
süffisante,  et  de  Tefficace.  Quelle  lumiere  s*est  lev^e  sur  TEurope  de- 
pnis  quelques  ann^es.  (Demiires  remarques  sur  les  pens^es  de  Pascal. 
Avertissement.)  —  Les  jans^nistes  ont  servi  k  V^loquence  et  non  k  la 
pbilosopbie.  (Pens^es,  remarques  et  observations.)  —  Kurz  nach  dem 
Attentate  Damiens*  schreibt  er:  Je  n^avais  cru  les  jans^nistes  et  les 
moUmstes  que  rldicules,  et  les  yoilk  sanguinaires,  les  voili  parricidesi 
(A  Thiercot,  13.  Jfinner  1757.)  —  L^esprit  convulsionnaire  a  pdn^« 
tr6  dans  TAme  de  cet  execrable  coquin  .  .  Si  Louis  XIV  n'avait  pas 
donn4  trop  de  poids  k  un  plat  livre  de  Quesnel  et  trop  de  confiance 
anx  foreurs  du  fripon  Le  Tellier,  son  confesseur,  Jamals  Louis  XV  n^eüt 
re^Q  de  coup  de  canif.  (A  Cideville,  16.  Jänner  1757.)  —  Aehnlioh  in 
den  Briefen  des  Jahres  1757  Monat  Jfinner,  Februar,  Mfirz.  —  Les 
monstres,  nomm^s  jans^nistes  et  molinistes,  apris  s*dtre  mordus,  aboient 
ensemble   contre  les   pauvres  partisans   de   la  raison  et  de  Thumanite. 


112  Mayr. 

Todfeind    der    Jesuiten    war    überhaupt    night    er,    sondern 
Dalembert. 

Wo  bleibt^  nach  so  viel  Negation,  die  Position?  Was 
hat  uns  Voltaire  für  die  Verneinung  der  positiven  Religion  und 
der  Geschichte  zu  bieten?  Was  dürfen  wir  femer  glauben, 
hoffeU;  lieben,  heilig  halten?  Voltaire  setzte  den  religiösen 
Systemen  der  Geschichte  seine  Vernunftreligion,  sein  philo- 
sophisches Bekenntniss,  seinen  ^Theismus'  entgegen,  die  zwei 
Sätzchen:  Verehre  Gott  und  befolge  das  Sittengesetz. ^  Alle 
anderen  Fragen  wies  er  als  unvernünftig  oder  unbeantwortbar 
zurück.  Der  Theismus  war,  nach  seiner  Meinung,  nichts 
Neues.  Er  hielt  ihn  für  die  Religion  der  Vernünftigen  und 
Guten  seit  Beginn  der  Civilisation,  während  der  dumme,  ver- 
derbte Haufe   dem  Aberglauben  anhinge.^    In  dem  Bemühen, 


(A  PaliMot,  ?  Mfin  ?  1757.)  —  Voltaire*s  Grimm  erreichte  seinen  Hobe- 
pnnkt,  als  ,le8  serpents  appel^s  j^snites  et  les  tigres  appel^s  convolsion- 
naires'  {k  M.  d'J^pinay,  25.  April  1760)  sich  mit  Erfolg  gegen  die  Ency- 
klopMdisten  alliirten.  Die  Jesuiten  nannte  er  wohl  auch  Fttchse,  die 
Jausenisten  Wölfe.  (A  ChaloUis,  3.  Nov.  1762.)  —  ,0n  se  plaignait 
autrefois  des  j^nites;  mais  saint  M^dard  devient  plns  k  craindre  qne 
Saint  Ignace.  81  on  ne  pent  ätrangler  le  dernier  moliniste  avec 
les  boyaux  dn  dernier  janseniste,  rendons  ces  pertnbateors  da 
repos  public  ridicnles  aux  yeux  des  honnetes  gens.*  (A  Dalembert, 
8.  Mai  1761.)  —  A  d*Argeuce,  26.  Oct  1761.  —  A  d*Argental,  26.  Jünner 

1762.  —  A   DamilaTille,  30.  JKnner  1762.   —  A  d*Argental,  19.  Nov. 

1763.  —   A  Damilaville,  30.  J&nner   1764.   —    A  Dalembert,   26.  Dec. 

1764.  —  Au  mSme  7.  Aug.  1766.  —  A  Marmontel,  7.  Aug.  1767.  — 
A  Dalembert,  26.  Dec.  1767.  —  A  De  Fanlös,  4.  Mfirs  1768.  —  A  Dalem- 
bert, 1.  Mai  1768.  —  A  d*Argental,  6.  Mai  1768. 

1  Essai,  136  und  182.  —  Art.  Th^isme;  Th6iste;  Athie;  Ath^iame.  — 
Elements  de  la  philosophie  de  Newton,  5.  —  Examen  important  de 
M.  Bolingbroke,  Conclusion.  —  Id6es  de  la  M.  le  Vayer  (1761).  — 
Defense  de  M.  Bolingbroke  (1752).  —  Entretiens  chlnois  (1768).  — 
Epttre  ^crite  de  Constantinople  (1768).  -~  Profession  de  foi  des  th^istes 
(1768).  —  Hlstoire  de  T^tablissement  du  Christ,  c.  26. 

2  Notre  religion  est  sans  donte  divine,  puisqu'elle  a  ^t^  grav4e  dana  nos 
cosurs  par  Dieu  meme,  par  ce  maitre  de  la  raison  universelle,  qui  a  dit 
au  Chinois,  k  Tlndien,  au  Tartare  et  k  nous:  ,Adore-moi  et  sois  juste*. 
Notre  religion  est  anssl  ancienne  que  le  monde,  puisque  les  premiers 
hommes  n*en  pouvaient  avoir  d*autre.  (Profession  de  foi  des  thdistea.)  — 
Qu*on  me  montre  dans  Thistoire  du  monde  entier  une  seule  quereile  sur 
cette  profession  de  foi:   ,Jadore  Dien  et  je  dois   dtre   bienfaiaant*    .   . 


Volteiro-Stndien.  113 

historische  Celebritäten  zu  baren  Theisten  in  seinem  Sinne 
omsuprägen,  ging  Voltaire  offenbar  zu  weit.  Dagegen  hatte 
er  nicht  Unrecht,   wenn  er  behauptete,   der  Theismus  habe  in 


Yoilii  C6  (radoration  d*an  Dien  et  raccomplissement  de  nos  devoirs)  qni 
est  n^ceBsaire  en  tont  lien  et  en  tont  temps.    II  y  a  donc  Tinfini  entre 
le  dogme   et  la  Tertn.   (De   la  paix  perpetnelle,  c.  28.)   —  J'ose  croire 
nne  chosei   c*eBt  que  de  tontes   les  religions  le  th^isme  est  la  plas  r^- 
pandae  dant  ronirers:  eile  est  la  religion  dominante  k  la  Chine;   c^est 
la  secte  des  sages  ches  les  mahom^tans ;  et  de  dix  philosophes  clir^tiens 
U  7  en  a  hnit  de  cette  opinion  .  .  c*est  nne  esp^ce  de  secte,  sans  asso- 
ciationi  sans  cnlte,  sans  c^r^monies,  sans  dispute  et  sans  z^le,  r^pandne 
dans   rnnivers    sans   avoir   it&   prdch^e.    Le   th^isme   se   rencontre   an 
milieu  de  tontes  les  religions   conune  le  jndaisme;  ce  quMl  y  a  de  sin- 
gnUer,   e*est  qne  Tnn  ^tant  le  comble   de  la  superstition,   abborr^  des 
penples  et  m^pris^   des  sages,   est  tol^rä  partout  k  prix   dWgent;    et 
Tantre  ^tant  Toppose  de  la  superstition,  inconnn  an  penple,  et  embrass^ 
par  les   seuls  philosophes,    n*a  d^exercice  pubUc  qu*&  la  Chine  .  .   Ge 
sont,   k  Tegard  de   la  religiou  chr^tienne,  des  ennemis  pacifiqnes  qn*elle 
porte  dans  son  sein,  et  qni  renoncent  k  eile  sans  songer  k  la  ddtrnire  . . 
On   n*a  jamais   vu  de  tb^istes  qni  aient  cabal^  dans  aucun  Etat.  (Art 
Athee,  8.  II.)     Distingne  toujours  les  honndtes   gens  qni  pensent  de  la 
popnlace  qni  n*est  pas  falte  ponr  penser.    Si  Tusage  t*oblige  k  faire  nne 
oir^monie  ridicnle  en  favenr  de   cette  Canaille,   et  si  en  chemin  tu  ren- 
eontres  quelques  gens  d'esprit,  avertis-les  par  un  signe  de  tdte,  par  une 
coup  d*<BU  que  tu  penses  comme  enx,   mais  qu*il  ne  faut  pas  rire.  (Art. 
Bl£.)  —  La  plupart  des  bonnStes  gens  sont  instmits  .  .  mais  la  popn- 
lace n^est-elle  pas  ce  qn*elle  ^tait  du  temps  de  Henri  III  et  de  Henri  IV? 
D*e8i-eUe  pas  toujours  gouvem^e  par  des   moines?    n*est-elle  pas  trois 
oentfl  Ibis  au  moins  plus  nombreuse  que  ceux  qui  ont  re^u   une  ^du- 
cation  honndte  ?  (Le  cri  des  nations,  1769.)  —  Le  petit  nombre  qui  pense 
condnit  le  grand  nombre  avec  le  temps.    L*idole  tombe  et  la  tol^rance 
nnirerseUe  s'^l^ve  chaque  jour  sur  ses  d^bris.   (De  la  paix  perp^tuelle, 
1769,  e.  32.)   —   Le  monde  s'am^liore  un   peu;  oui,  le  monde  pensant, 
mais  le  monde  brüte  sera  longtemps  un  compos^  d^ours  et  de  singes; 
et  la  Canaille  sera  toujours  cent  contre  un.     C*est  pour  eile  que  tant 
dliommes   qni  la  d^daignent   composent   lenr  maintien  et  se  d^guisent; 
c^est  k  eUe  qu*on  veut  plaire,   qu*on   veut  arracher  des  cris  de  Tivat; 
c^est  ponr  eile  qu*on  ^tale  des  c^r^raonies  pompeuses;    c*eBt  pour  eile 
leide  enfin  qu'on  fait  du  supplice  d*un  malbenreux  un  grand  et  süperbe 
spectacle.   (Prix  de  la  justice,  1777,  8.)  —  C*est  la  fatale  philosopbie  des 
Anglais  qni  a  conmienc^  tont  le  mal  .  .   Cette  contagxon  s^est  r^pandue 
partout.    Le    dogme  fatal  de  la  toUrance  infecte  anjourd*hui   tons  les 
esprits;  les  trois  quarts  de  la  France  au  moins  commencent  k  demander 
U  libert^  de  conscience.   (A  HeWMicus,  25.  Ang.  1763.) 
Sitiupb«r.  d.  pbil.-bi<it.  Cl.  XCV.  Bd.  1.  Hft.  8 


114  Mayr. 

den   letzten   hundert  Jahren   Einfluss   und   Terrain   gewonnen. 
Namentlich  blühe   er   in   England.    Mitten    unter   den   streit- 
süchtigen  Secten  habe  er  sich  befestigt^  ohne  selbst  eine  Kirche 
oder  Clique  zu  bilden.^     Nicht  im  Dogma,  in  der  Moral  sucht 
Voltaire  das  Heil  der  Welt.     Sein  Essai  predigt  unablässig  die 
grosse  Lehre,    dass   vor  Allem   durch   die    (positive)   Religion, 
den   Aberglauben,   den   Fanatismus,   das  Dogma   —   oder  wie 
sonst   er    ein    und    denselben    Erscheinungscomplex   benennen 
mag   —   die   Geschichte   der  Menschen   eine  Geschichte  ihrer 
Leiden  geworden  sei ;  ^  nur  die  Gewissensfreiheit,  die  Toleranz^ 
die  Humanität,  die  Moral,  die  Philosophie,  unterstützt  von  einer 
weisen   und   starken  Politik,   vermöchten  die  Welt  zu  erlösen. 
An   einer  Stelle   berechnet  Voltaire   die  Anzahl   der  seit  Con- 
stantin    durch   Religionskriege,    Verfolgungen/  Ketzergerichte 
u.  s.  w.  ums  Leben  gekommenen  Menschen  auf  9,468.800.^    An 
einer  anderen  Stelle  sagt  er :  ,La  religion  chrötienne  a  coüt6  ä 
rhumanitä   plus  de  dix-sept  millions  d'hommes*.^     Die  Philo- 
sophie   i.  e.    die  Vernunft   allein,    habe   diesen  Zuständen   ein 
Ende   gemacht.     Um   den  Fanatismus   dauernd  zu  bewältigen, 
müsse  man  sich  an  die  denk  fähigen  Leute  wenden,  überhaupt 
das  Volk  aufklären  und  nicht  im  Aberglauben  erhalten.     ,Die 
Aufgeklärten    (honnetcs    gens)    lesen   die  Geschichte   der  Reli- 
gionskriege mit  Schaudern;   sie  lachen  über  die  theologischen 
Dispute,  wie  über  die  italienische  Posse.     I^sst  uns  eine  Reli- 
gion bekennen,  die  weder  schauern  noch  lachen  macht.^^ 


^  Unter  den  bestehenden  Secten  waren  zwei,  mit  denen  Voltaire,  der 
Einfachheit  ihres  Bekenntnisses  halber,  sympathisirte :  die  Socinianer  nnd 
Qoäker. 

^  L'histoire  du  monde  est  celle  du  fanatisme.  (Hom^lie  sur  la  supersUtion, 
1767.)  Tantum  relligio  potuit  suadere  malomm  (Lncret.  I,  102)  ist 
eines  seiner  Lieblingscitate. 

3  Dien  et  les  hommes,  42. 

<  Art.  Ath^isme,  S.  U. 

^  Diner  du  comte  de  Boulainyilliers.  Pens^es  de  Bt-Pierre.  —  L'esprit 
de  Philosophie  a  enfin  emooss^  les  glaires.  (Essai,  134.)  —  La  raison, 
en  se  perfectionnant,  d^trnit  les  germes  de  gnerres  de  religion.  C^est 
Tesprit  philosophique  qui  a  banni  cette  peste  du  monde.  (La  voix  dn 
sage  et  du  peuple  1750.)  —  Si  la  religion  n'enfante  pas  plus  de  gaerres 
civiles,  c*e8t  k  la  philosophie  seule  qu*on  en  est  redevable.  (Art.  Diea.)  — 
L^esprit  philosophique,   qui  n'est  d'autre  chose  que  la  raison^  est  devenu 


Yolteire-Stndien.  115 

Voltaire's  Theismus  ist  keine  leere  Zukunftshoffnung, 
sondern  bat  eine  Vergangenheit  nnd  eine  respectable  Gegen- 
wart. In  seinem  Sinne  sollen  die  höheren  Classen,  insbesondere 
die  Regierungen,  denken  und  handeln.  Den  positiven  Religionen 
soll  nicht  durch  aggressive  Gewaltmaassregeln  Abbruch  gethan 
werden ;  auch  die  Cabalenmacherei  verschmäht  Voltaire's  edler 
Sinn:  die  unbehinderte  Wirkung  auf  die  Geister  allein  be- 
hält er  dem  Äufklärungsbekenntnisse  vorJ    Die  Staatsgewalt 


cbez  tous  les  honnetes  gens  le  senl  antidote  daus  ces  maladies  6pi- 
d^iqnes.  (Art.  Confession.)  —  La  saperstitdon  excita  les  orages  et  la 
Philosophie  les  apaise.  (L'A,  B,  C;  16"®  entretien.)  —  L*intol Trance 
chr^tienne  a  senle  cans^  ces  horribles  d^sastres;  il  faut  donc  qae  la 
tol^rance  les  r^pare.  (Paix  perpetnelle,  c.  4.)  —  II  n'est  d^atttre  rem^de 
k  cette  maladie  ^pid^mique  qne  Vesprit  philosophiqne  .  .  Les  lois  et  la 
relig^on  ne  saffisent  pas  contre  la  peste  des  ämes.  (Art.  ^anatisme, 
S.  n.)  —  II  me  semble  qii'enx  seuls  (les  philosophes)  ont  uu  peu  adonci 
les  moenrs  des  hommes,  et  qne  sans  eux  nous  aurions  deux  on  trois 
SaiDt-Barth^lemy  de  siecle  en  si^cle.   (A  Dalembert,  9.  Nov.  1764.) 

^  Adorer  Dien ;  laisser  k  chacnn  la  libert^  de  le  servir  selon  ses  id^s ; 
aiiner  ses  semblables,  les  ^clairer  s^il  on  peut,  les  plaindre  s4ls  sont 
dans  Terrenr :  .  .  voilii  ma  religion  qni  vant  mieux  qne  tons  vos  systömes 
et  tons  vos  symboles.  (A  M.,  5.  Jänner  1759.)  —  lieber  die  AnfklSnmg 
der  Blassen  vgl.  Jnsqn*Ä  quel  point  on  doit  tromper  le  penple  (1756).  — 
Fragment  d^nne  lettre  de  Bolingbroke  (1761?):  L^honn^te  homme  sera 
v^ritablement  religienx  en  derasant  la  superstition.  Son  exemple  inflnera 
snr  la  populace.  —  Nons  ne  prdtendons  pas  ddpouiller  les  prdtres  .  i 
mais  nous  vondrions  qne  ces  pretres  .  .  se  joignissent  k  nons  pour 
pr&cher  la  vdritd.  (Sermon  des  Cinqnante,  3™*  point.)  —  Traitd  snr  la 
tol&ance,  c.  20.  —  Wie  sieb  Voltaire  zur  Action  der  Aufklärungspartei 
verhält,  geht  vornehmlich  aus  seinem  Briefwechsel  mit  Dalembert  hervor. 
Voltaire  war  kein  Gegner  der  Volksanfklämng,  wie  ans  seinen  Schriften 
klirlichst  hervorgeht  Mit  einzelnen  Briefstellen,  die  er  gelegentlich  im 
Zorne  niederschrieb,  wird  man  dem  nicht  widersprechen  können.  So 
schreibt  er  einmal  an  Friedrich  II.:  ,La  Canaille,  qui  n'est  pas  digne 
d*etre  ^laird  et  k  laquelle  tous  les  jongs  sont  propres^  Voltaire  reflec- 
tirt  denn  da  doch  nur  auf  den  thatsächlichen  Zustand  der  Canaille,  ohne 
die  Pflicht  der  Volksaufklärung  in  Abrede  zu  stellen.  Für  die  Dinge, 
wie  sie  lagen,  war  die  Wirkung  auf  die  Massen  zu  weit  aussehend,  zu 
problematisch  in  ihren  Erfolgen.  Er  betrachtete  die  Organisation  der 
erfahrenen  Philosophenpartei  und  die  Aufklärung  der  ,honn6te8  gens'  als 
die  zunächst  erforderlichen  Leistungen,  damit  sie  der  Menge  als  Stütze 
nnd  Leitung  dienen  könnten.  Jedenfalls  würde  man  g^t  thun,  sich 
seinen   Voltaire  immer   genau   anzusehen.     So   wandert   z.  B.   der  Satz: 

8* 


116  M»yr. 

solle  nur  die  Störung  des  öffentlichen  Friedens  hintanhalten, 
jeden  Ausbruch  des  Fanatismus  niederwerfen  und  die  reli- 
giösen Angelegenheiten  im  Sinne  der  Toleranz  verwalten.  ,  Voulez 
vous  donc  empScher  qu'une  seete  ne  bouleverse  FEtat,  asez 
de  tol^rance/^ 

Ein  Gemeinwesen  ohne  Religion  schien  Voltaire  undenk- 
bar. Zeit  seines  Lebens  bekämpfte  er  den  Atheismus,  als  die 
schlimmste  Form  der  Religionslosigkeit.  ^  Wenige  Jahre  vor 
seinem  Tode  warf  er  noch  dem  ,  Systeme  de  la  nature'  deo 
Fehdehandschuh    zu.     Als    Philosoph    machte    er    gegen    den 


fQaand  U  popal&ce  se  m61e  de  raisonner,  tont  est  perdu*  durch  eine 
Reihe  von  Schriften  zum  Beweise,  dass  der  Philosoph  ein  incamiter 
Feind  der  VolksaufklSrung  gewesen.  Der  Satz  stammt  aus  einem  Briefe 
an  Di^ilaviUe  (1.  April  1766).  Liest  man  ihn  im  ZusammenhangOi  bo 
bekömmt  er  einen  ganz  anderen  Sinn;  Voltaire  spricht  nfimlich  darin 
ein  verwerfendes  Urtheil  über  die  dogmatischen  Zwistigkeiten  der  byzan- 
tinischen Kaiserzeit  und  der  Reformationsperiode  aus,  welche  deshalb 
so  schrecklich  wurden,  weil  das  unwissende,  nicht  aufgeklärte  Volk 
sich  an  ihnen  betheiligte.  Wie  sich  Voltaire  das  Verhfiltniss  der  Auf- 
gekl&rteu  zum  niederen  Volk  dachte,  mögen  folgende  Briefstellen  er- 
läutern :  ,Le  bas  peuple  en  vaudra  certainement  mieux,  quand  les  prin- 
cipaux  citoyens  cultireront  la  sagesse  et  la  vertu:  il  sera  contenu  par 
Texemple,  qui  est  la  plus  belle  et  la  plus  forte  des  le^ns  .  .  c*est  la 
seule  mani^re  dMnstruire  Tignorauce  des  villageois.  Ce  sont  donc  les 
principaux  citoyens  qu*il  faut  d*abord  eclairer^  (A  Damilaville,  13.  April 
1766.)  ,Non  monsieur',  schreibt  er  an  Linguet,  ,tout  n^est  pas  perdn 
quand  on  met  le  peuple  en  etat  de  s*apercevoir  qu*il  a  un  esprit  Tout 
est  perdu  au  contraire  quand  on  le  traite  comme  une  troupe  des  tau- 
reaux;  car,  tot  ou  tard,  ils  vous  frapperont  de  leurs  cornes.  (15.  März 
1767.)  —  On  n*a  jamais  prdtendu  ^clairer  les  cordonniers  et  les  ser- 
vantes;  c*est  le  partage  des  apötres.  (A  Dalembert,  2.  Sept.  1768.) 

Commentaire  sur  la  loi  des  d^Iits  et  des  peines  (1766),  IV.  —  Dass  es 
in  Wirklichkeit  nicht  so  friedlich  hergehen  könne,  musste  er  freilich 
einem  Friedrich  IT.,  einer  Katharina  II.  zugeben. 

Art  Ath^e;  Ath^isme;  Dieu.  —  Histoire  de  Jenni  (1775,  8—11)  in 
welchem  Romane  Birton  gegen  Freind  die  Sache  des  Atheismus  führt, 
zum  Schlüsse  aber  vor  diesem  Deisten  die  Segel  streicht.  —  Trait^  de 
m^taphysique  (1734),  2.  —  Dialogue  entre  Lucröce  et  Posidonius  (1758). 
—  Hom^lie  prononc^e  k  Londres,  I.  Sur  Tath^isme  (1767).  —  Lettres 
de  Memmius  k  Ciceron ;  Traite  III— VI.  —  Dialogue  d*Evh^m^re  (1777), 
2—4.  —  A  Villevieille,  26.  Aug.  1768.  —  Vgl.  den  Briefwechsel  des 
Jahres  1770. 


VoUaire-ätndiea.  117 

Atheismos  die  früher  erwähnten  Beweisgänge  geltend.  Nament- 
lich liess  er  es  sich  angelegen  sein,  die  Argumente,  welche 
der  Atheismus  aus  der  Thatsache  des  Weltübels  schöpfte,  zu 
entkräften.  Doch  hatte  er  gegen  diese  Doctrin  noch  weitere 
Qründe  ins  Treffen  zu  führen.  Er  berief  sich  auf  die  ge- 
achichtliche  Erfahrung.  Italien  war  z.  B.  im  fiinfzehnten  Jahr- 
bondert  voll  Atheisten.  Was  ergab  sich  daraus?  Dass  es  so 
gebräuchlich  wurde,  Gift  wie  Nachtessen  zu  verabreichen,  Dolch- 
stosse  wie  Umarmungen  auszutheilen.  Die  Zeit  des  Atheismus 
ist  durch  Namen  wie  Sixtus  IV.,  Alexander  VI,  Cäsar  Borgia 
gekennzeichnet  und  gerichtet.  <  Voltaire  gibt  zwar  zu,  dass 
gebildete  Leute  von  guter  Lebensstellung  und  sanftem  Cha- 
rakter sich  ohne  Schaden  für  die  Gesellschaft  werden  zum 
Atheismus  bekennen  dürfen«  Allein  man  denke  sich  die  Armen, 
die  Ungebildeten  ohne  den  Zügel  der  Religion,  ohne  die  Furcht 
Gottes.^  Oder  man  denke  sich  einen  atheistischen  Herrscher 
ohne  das  Geftihl  der  Verantwortlichkeit.  ,Un  roi  ath^e  est 
plus  dangereux  qu'un  Ravaillac  fanatique.^  ^  Gerade  auf  das 
Praktische,  die  sittliche  Wirkung  legt  Voltaire  hier  das  Haupt- 
gewicht. Nur  diejenigen  Theisten,  sagt  er,  welche  glauben, 
dass  Gott  den  Menschen  ein  natürliches  Gesetz  gegeben  habe, 
besitzen  eine  Religion,  wenn  sie  auch  keinen  Cultus  äusserlich 
mitmachen.^  Eine  solche  praktische  Religion  darf  um  der 
öffentlichen  Moralität  willen  niemals  von  der  Philosophie  be- 
seitigt werden.  Der  Staat  hat  ein  Interesse  an  der  Existenz 
der  Religion.*^    Besser   eine   schlechte  Religion,   als  gar  keine. 


'  Histoire  de  Jenni,  11.  —  Essai,  136. 

^  On  demande  enauite,  si  an  peuple  d^ath^es  pent  subsister;  U  me  semble 
qa'il  £aiit  distingaer  entre  le  penple  proprement  dit,  et  une  sociit^  de 
philosophes  aa-dessus  du  penple.  II  est  tr^-vrai  que  par  tont  pays  la 
popnlace  a  besoin  de  plus  g^rand  frein,  et  qne  si  Bayle  avait  eu  seule- 
ment  cinq  k  six  Cents  paysans  k  gouyerner,  il  n*anrait  pas  manqne  de 
lenr  annoncer  nn  Dien  r^mun^rateur  et  veng^nr.  (Art.  Ath^isme,  I.) 

'  Qne  Tath^isme  est  nn  monstre  tr^-pemicienz  dans  cenz  qui  gouvernent; 
qn'ü  Test  aossi  dans  les  gens  de  cabinet.  (Ath^isme,  IV.)  —  Hom^lie  sar 
rath^isme  (1767). 

«  Art.  Ath^e  II. 

I 

'  n  est  donc  absolnment  n^cessaire  ponr  les  princes  et  ponr  les  penples, 
qne  Tid^e  d'un  £tre  snpreme  cr^tenr,  gonverneur,  r^mnn^ratenr  et  ven- 


118  Majr. 

vorauBgesetzt  dass  dem  Fanatismas  kein  Spielraum  gewährt 
werde J  Denn  unter  den  beiden  Uebeln,  Fanatismus  oder 
Atheismus,  ist  das  erstere  das  schlimmere.  Gerade  aus  den 
Wirren  des  religiösen  Meinungskampfes  entstand  ehedem  der 
Atheismus.  Die  wahre  Philosophie,  die  Moral,  das  Interesse 
der  Gesellschaft  haben  ihn  wieder  yerschwinden  lassen.^ 

Voltaire  yertheidigt  demnach  die  Religion  gegen  den 
religionslosen  Atheismus,  sowie  er  seine  natürliche  Religion 
gegen  die  künstlichen  (,artificielle^),  die  positiven  oder  hi- 
storischen Religionen  zeitlebens  verfochten  hat.  Eine  Religion 
in  seinem  Sinne,  eine  Religion,  die  minder  schlecht  wäre, 
als  alle  bestehenden,  müsste  auf  folgende  Punkte  Gewicht 
legen:  sie  müsste  die  Anbetung  eines  einigen,  höchsten  Wesens, 
Schöpfers  und  Erhalters,  Vergelters  und  Rächers  lehren;  an 
die  Stelle  aller  bestreitbaren  Dogmen  die  unbestreitbare  Mond 
setzen;  sich  alles  eitlen  Ceremoniells  entschlagen;  die  Nächsten- 
liebe um  Gottes  willen  und  die  echte  Toleranz  zum  Grundsatz 
erheben;  daneben  könnte  sie  erhabene  Ceremonien  ausüben, 
welche  die  Masse  frappiren,  ohne  die  Weisen  und  Ungläubigen 
zu  irritiren,  sowie  auch  ihren  Dienern  einen  ausreichenden 
Unterhalt  sichern,  ohne  sie  dem  Wohlleben  oder  Müssiggange 
anheimzugeben.  3    Gegen    eine    solche   Religion    hatte   Voltaire 


geuT,  soit  profondement  grav6e  dAns  les  eaprits  (Ath^isme,  IV).  Philosophez 
tant  qu'il  voub  plaira  entre  vous  .  .  Si  vous  avez  une  bourgade  k  gou- 
vemer,  il  faut  qu^elle  ait  ane  religion.  (Art  Religion,  I.) 

1  II  est  indubitable  que,  dans  iine  ville  poUcee,  il  est  infiniment  plus  utile 
d^avoir  une  religion,  memo  mauiraise,  que  de  n*en  avoir  point  du  tont. 
(Art.  Athöisme,  S.  IV.) 

2  Essai,  136. 

3  Art.  Religion,  I  und  III,  5™^  question:  Apres  notre  sainte  religion,  qui 
Sans  doute  est  la  seule  bonne,  quelle  serait  la  moins  mauvaise?  Ne 
serait-ce  pas  la  plus  simple?  ne  serait- ce  pas  celle  qui  enseignerait 
beaucoup  de  morale  et  tr^s-peu  de  dogmes?  celle  qui  tendrait  k  rendre 
les  hommes  justes,  sans  les  rendre  absurdes?  .  .  Ne  serait-ce  point  celle 
qui  ne  soutiendrait  pas  sa  creance  par  des  bourreanx,  et  qui  n'inonderait 
pas  la  terre  de  sang  pour  des  sophismes  inintelligibles?  celle  dans  la- 
quelle  une  ^quivoque,  un  jeu  des  mots  et  deux  ou  trois  ehartes  suppos^es 
ne  feraient  pas  un  souverain  et  un  dieu  d*un  pretre  souvent  incestuenz, 
homicide  et  empoisonneur?   celle  qui  ne  sonxnettrait  pas   les  rois  k  ce 


Voltaire-Stodiea.  119 

nichts  einzuwenden^  so  wenig  als  gegen  eine  Staatsreligion, 
welche  mit  Berücksichtigung  des  Bestehenden  die  Priester  und 
Kirchen  in  ihre  Obhut  nimmt,  woferne  sie  nicht  die  Grenzen 
der  Gesetze  überschreiten  und  dem  Gemeinwesen  schädlich  sind. 
Diese  Religion,  meint  Voltaire,  wurzle  theilweise  schon  in  den 
Herzen  mancher  Fürsten,  aber  zur  Herrschaft  würde  sie  erst 
kommen,  sobald  die  Artikel  des  ewigen  Friedens,  den  der  Abb^ 
St-Pierre  in  Vorschlag  gebracht  hat,  von  allen  Potentaten  sig^ 
nirt  sein  würden.^  Voltaire  pflegt  eben  allen  überschweng- 
lichen Erwartungen  einen  Dämpfer  aufzusetzen. 

Voltaire  nennt  zwar  seinen  Theismus  eine  philosophische 
Lehre;  ^  aber  die  Gebiete  der  Philosophie  und  Religion  fallen 
far  ihn  nicht  vollkommen  über  einander,  ob  er  sie  nun  in 
ihrem  historischen  Begriffe  nimmt,  oder  ob  er  sich  ihr  Ideal 
construirt.  Für  den  Philosophen  in  Voltaire's  Sinne  gibt  es 
noch  ein  besonderes,  selbstständiges,  unterscheidbares  Gebiet 
der  Religion.  Sondern  wir  alle  jene  Vorschläge,  die  auf  die 
bestehenden  Verhältnisse  Bezug  haben,  alle  jene  Mittel-  oder 
Compromissformen  ab,  welche  von  dem  bestehenden  auf  idealere 
Zustände  überleiten  sollen,  so  bleibt  noch  eine  rein  philo- 
sophische Religionslehre  übrig,  die  zur  eigentlichen  Philosophie 
ergänzend  hinzutritt.  Die  Religion  ist  nicht  blosses  Surro- 
gat der  Philosophie;    sie  ist   auch   nicht    durch    die    letztere 


pretre?  celle  qui  n^easeignerait  que  Tadoration  d^un  Dieu,  la  justice,  la 
tol^rance  et  rhamanitä? 
*  Art.  Reli^on,  I.  Wie  gemäsaigt  Voltaire^s  Ansichten  überhaupt  waren, 
sofeme  sie  ins  Praktische  einschlugen,  möge  eine  Stelle  aus  dem  ver- 
tranlichsten  Briefwechsel  beweisen:  ,Je  sais  bien,  qu*on  ne  d^truira  pas 
la  hi^rarchie  Stabile,  puisqu'il  en  faut  une  an  peuple;  on  n^abolira  pas 
la  secte  dominante,  mais  certainement  on  la  rendra  moins  dominante  et 
moins  dangereuse.  Le  christianisme  deviendra  plus  raiacnnable  et  par 
coDsäquent  moins  pers^cuteur.  On  traitera  la  religion  en  France  comme 
en  Angleterre  et  en  Holland,  oü  eile  fait  le  moins  de  mal  qu*il  soit 
poBsible.  (A  Helv^tius,  26.  Juni  1765.) 

^  Cest  que  le  th^isme  doit  encore  moins  s^appeler  une  religion  qu'un 
fjst^e  de  Philosophie.  (Art.  Ath^e,  II.)  —  On  demande  pourquoi,  de 
cinq  ou  siz  cents  sectes,  il  n'y  en  a  gu^re  eu  qui  n'aient  fait  r^pandre 
<hi  sang,  et  que  les  theistes,  qui  sont  partout  si  nombreux,  n^ont  Jamals 
cause  le  moindre  tumulte?  c/est  que  ce  sont  des  philosophes.  (Art. 
Tbdisme.) 


120  M»yr. 

überflüssig   gemacht;    sie  ist  nicht   blosses  Zähmungsmittel  ku 
Nutz  und  Frommen  des  Staates:   sie  hat  ihre  Berechtigung  in 
sich.     Die  Philosophie   nämlich  anerkennt   die  Thatsache  und 
die    Giltigkeit    des    Sittengesetzes ;     aber    dass    es    göttlichen 
Ursprunges  und  dass  Gott  der  Hort  desselben  ist,   vermag  sie 
nicht  zu  erweisen,  kann  es  höchstens  plausibel  machen.    Noch 
weniger  ist  die  Philosophie   im  Stande,   etwas  über  die  Ver- 
geltung im  Jenseits   und  die  Unsterblichkeit  der  sogenannten 
Seele    auszumachen.     Im    Gegentheil,    derartigen    Annahmen 
stehen  die  gewichtigsten  Bedenken  entgegen.    Die  Philosophie 
lässt  uns   da  vollkommen  im  Stiche;   Vergeltung  und  sittliche 
Weltordnung  bedürfen  daher  der  Stütze  des   Glaubens.    Um 
der  Sittlichkeit  willen  muss   der  Einzelne,   muss  das  Gemein- 
wesen an  der  Belohnung  des  Guten  und  Bestrafung  des  Bösen 
durch  Gott  festhalten.    Der  Theismus  Voltaire's  verlangt  dea 
unbedingten  Glauben  an  Gott  den  Vergelter;  seine  Philosophie, 
die   auch   die  Frage   der   Unsterblichkeit  dahin  gestellt   sein 
lässt,   kann   zwar  die  Existenz  Gottes,   des  Schöpfers  und  Er- 
halters der  Welt,  beweisen,  aber  den  göttlichen  Ursprung  des 
Sittengesetzes  bloss  wahrscheinlich  machen  und  uns  überreden, 
dass   die   sittliche  Weltordnung  nicht  vei*neint  werden   müsse. 
Religion   ist  demnach  gleich  der  Entscheidung  für  die  mora- 
lisch  und  social  werth volle  Annahme,   dass  sich  Gott  für  das 
sittliche  Leben  interessire,  was  philosophisch  nicht  strenge  er- 
wiesen werden  kann.^ 

Der  reine  Kant,  wird  man  sagen.  In  Frankreich  hegte 
man  die  Meinung,  Kant  habe  nur  in  schwer  verständlicher, 
schulgerechter  Sprache  gesagt,  was  vor  ihm  die  Aufklärer, 
Voltaire  obenan,   in   graciöser,   populärer  Ausdrucksweise  zum 


1  Le  syst&me  des  ath^es  m*a  tonjours  parn  tr^s-extravagant.  Spinosa  lui- 
meme  admettait  une  Intelligence  nniTerselle.  II  ne  8*agit  plus  qae  de 
savoir  si  cette  Intellig^nce  a  de  la  justice.  Or,  il  xne  parait  impertinent 
d*admettre  an  Dien  injaste.  (A  Fr^d^ric-Goillaume,  11.  Jlinner  1771.)  — 
II  7  a  deuz  sortes  de  th^istes:  cenz  qni  pensent  que  Dien  a  fait  le 
monde  sans  donner  k  Thomme  des  r^gles  da  bien  et  da  mal;  il  est 
clair  qae  ceaz-I&  ne  doivent  avoir  qae  le  nom  de  philo- 
sophes.  Ilya  ceaz  qai  croient  qae  Diea  a  donn^  k  Thomme  ane  loi 
natarelle  (natürliches  Sitteng^esetz),  et  il  est  certain  qae  ceaz-l&  ont 
ane  religion,  qooiqn^ils  n*aient  pas  de  colte  ezt^rieur.  (Art.  Ath6e,  II.) 


Volftaire-Sftiidi«ii.  121 

Gemeingut  der  Lese  weit  gemacht  hätten.*  Aber  nicht  bloss 
hinsichtlich  der  Terminologie  und  des  Vortrags  unterscheiden 
sich  Kant  und  Voltaire.  Der  Letztere  glaubt  das  Dasein  Gottes 
erweisen  zu  können^  er  ist  hierin  Dogmatist:  Kant's  Kritik  des 
ErkenntnisBvermögens  betrachtet  die  Idee  Gottes  nur  als  Po- 
stulat der  praktischen  Vernunft.  Voltaire  schliesst  aus  der 
empirischen  Thatsache  der  Giltigkeit  eines  allen  Völkern  und 
Zeiten  gemeinsamen  Sittengesetzes  auf  den  göttlichen  Ursprung 
desselben:  Kant  baut  auf  die  unbedingte  Giltigkeit  des  Sitten- 
gesetzes, für  welches  alle  empirische  Bestätigung  iiTclevant 
ist,  den  moralischen  Glauben  an  Gott,  Freiheit  und  Unsterb- 
lichkeit. Der  Gott  Voltaire's  ist  in  erster  Linie  Schöpfer  und 
Erhalter  der  natürlichen  Welt  und  nach  Analogie  dieses  Ver- 
hältnisses auch  Organisator  und  Hort  der*von  der  natürlichen 
nicht  abtrennbaren  sittlichen  Welt:  der  Gott  Kant's  ist  der 
Harmonisator  der  natürlichen  und  sittlichen  Weltordnung,  jenes 
höchste  Wesen,  das  der  Würdigkeit  glücklich  zu  sein  die 
Glückseligkeit  verbürgt.  Voltaire  legt  auf  den  Nutzen  des 
Vergeltungsglaubens,  dass  der  Einzelne  einen  Zaum  fühle  und 
die  Gesellschaft  keinen  Schaden  erleide,  Nachdruck:  Kant 
nicht;  ihm  ist  der  Glaube  ein  Bedürfniss  der  Vernunft  an  und 
fiir  sich.  Voltaire  unterscheidet  nicht  strenge  zwischen  Glauben 
und  Wissen;  auch  wird  er  seinen  Skepticismus  nie  voll- 
kommen los:  nach  Kant  ist  der  moralische  Glaube  nothwendig 
und  allgemein  giltig,  indess  nicht  Wissen,  sondern  eben  Glaube. 
Die  beiden  Hauptsätze  des  Voltaire'schen  Theismus  sind  ein- 
ander coordinirt:  Verehre  Gott  und  sei  gerecht.  Kant  sub- 
ordinirt  den  Glauben  an  Gott  und  Unsterblichkeit  der  Moral. 
Voltaire's  Mensch  ist  seiner  Anlage  nach  ein  Gemisch  von  Gut 
and  Böse:  Kant,  der  diesen  Synkretismus  verschmäht,  bekennt 
sich  zur  Lehre  von  dem  radical  Bösen  der  Menschennatur. 
Darauf  ruht  seine  Heils-  und  Erlösungslehre,  deren  es  bei 
Voltaire  gar  nicht  bedarf.  Kant  knüpft  an  das  Christenthum, 
insbesondere  den  Protestantismus  an;  er  denkt  sich  seine  Lehre 
als  den  geistigen  Inhalt  einer  die  historische  Continuität  wahren- 
den Kirche  und  gibt  sich  unsägliche  Mühe,    den  überlieferten 


'  Lftnfrey:  L'^lise  et  les  pbilosophes  au  dix-huitiime  si^cle  (2*  ^d.  Paris 
1867),  ptig.  343  ff. 


122  Mayr.    Voltoix«-8tadieii. 

Mysterien  einen  fasslicben  Sinn  onterztdegen.  Voltaire  löst 
mit  Bewusstsein  seinen  Theismus  von  allem  Zusammenluuige 
mit  Christenthum  und  Kirche  ab,  legt  der  kirchlichen  Organi- 
sation keinen  Werth  bei,  verhöhnt  und  verwirft  alle  Dogmatik, 
geht  überhaupt  in  seiner  Verneinung  der  Oeschichte  weiter, 
als  Kant  mit  seiner  Verneinung  der  statutarischen  Religionen, 
seiner  Beschränkung  des  historischen  Glaubens  und  seiner 
Verdammung  des  Afterdienstes.  Wir  wollen  der  Parallele,  die 
sich  ins  Endlose  fortspinnen  liesse,  ein  Ende  machen. 


Krall.  ManeihoniBches  Geschichtswerlc.  123 


Die  Composition  und  die  Schicksale  des  Mane- 
thonischen  Geschichtswerkes. 


Von 

Dr.  Jacob  Krall. 


Mit  besonderer  Vorliebe  hat  sich  in  unserem  Jahrhun- 
derte die  Forschung  auf  dem  Gebiete  altorientalischer  Oe- 
schichte  dem  Manethonischen  Geschichtswerke  zugewendet, 
ich  nenne  nur  die  Namen  von  Boeckh,  Bunsen,  Lepsius, 
firugsch,  Lauth,  Lieblein,  Unger,  v.  Pessl.  Sie  alle  haben 
sich  der  mühevollen  Aufgabe  unterzogen,  theils  die  erhaltenen 
Listen  zu  ordnen,  theils  sie  mit  den  Denkmälern  zu  ver- 
gleichen, um  dadurch  möglichst  sichere  Grundlagen  für  die 
ägyptische  Chronographie  zu  gewinnen.  Dagegen  wurde  eine 
Reihe  von  Fragen,  die  direct  diesem  Zwecke  nicht  zu  dienen 
schienen,  entweder  als  a  priori  ausgemacht  angesehen  oder 
aber  überhaupt  gar  nicht,  in  anderen  Fällen  wenigstens  nicht 
genügend  in  Betracht  gezogen.  In  welchem  Verhältnisse  stehen 
die  Listen,  die  Josephus  uns  gibt  zu  den  t6{i.oi,  und  wie  haben 
wir  uns  seine  Zahlenangaben  zu  erklären  —  decken  sich  die 
^'t^  hinsichtlich  ihres  Umfanges  und  ihrer  Anlage  mit  den 
Manethonischen  ßißXoi  —  gehen  sie  auf  eine  von  Manetho 
seinem  Werke  beigefugte  chronographische  Uebersichtstafel 
zurück,  oder  hat  eine  solche  überhaupt  niemals  bestanden  — 
und  wenn  dies  Letztere  der  Fall  ist,  wer  sind  dann  die  Ver- 
gaser der  T6|jL0t  —  woher  kommen  die  bedeutenden  Abwei- 
chungen der  uns  vorliegenden  ixSöast;,  die  doch  alle  von  den 
A'-p-Tioxa  ausgehen  —  woher  kommen  die  bedeutenden  Ab- 
weichungen in  der  Zählung  und  Benennung  der  Dynastien 
(Potestates)  des  Barbarus,  während  die  iytZoaev;  des  Africanus 
und  £a8ebius  das  Bestreben  zeigen,   hier   gleichmässig  vorzu- 


124  Krall. 

gehen  —  schlieBsIich,   was  haben  wir  von  den  Dynastien  und 
ihrer  Zählung  zu  halten? 

Aus  mehreren  Stellen    in  ^Manetho  und  die  Hundsstern- 
periode'  kann  man  entnehmen ,   dass  Boeckh  mitten  in  seiner 
Arbeit  der  Tragweite   dieser   Fragen ,   wenn   auch   leider  nur 
vorübergehend  y   sich   bewusst   ward.     So   schreibt   er   p.  498: 
yuur  wissen  wir  nicht,   ob  die  vorhandenen  Auszüge,   nament- 
lich des  Africanus  und  Eusebius  aus  der  Urschrift  geflossen; 
oder  selber  nur  früheren  Auszügen  entlehnt  sind',  oder  p.  499 : 
,Josephu8   gibt  einige  Auszüge,  und  zwar  etwas  ausführlichere, 
die  sich  nur  auf  etliche  Dynastien   beziehen;    wobei   es  sehr 
unwesentlich  ist,    dass  er   die  Dynastien  nicht  unterscheidet; 
die  beiden  anderen  liefern  ein  ganzes  System  von  Dynastien, 
wobei  es  wieder  sehr  gleichgiltig,  ob  Manetho  selbst  oder  ein 
anderer  auf  ihn  bauend  die  Abtheilungen  gemacht  habe',  end- 
lich p.  502:   ,Nach  Ueberlegung  alles  Angeführten  dürfte  sicli 
kaum    ein  anderer    Ausweg   finden    lassen   als   anzu- 
nehmen,   das  Manethonische  Werk,  dem  die  Auszüge  entlehnt 
sind,  habe  den  Anfertigern  der  letztern  in  einer  Gestalt  oder 
in   Gestalten  vorgelegen,   vermöge  deren   das   Verschiedenste 
daraus  entnommen  werden  konnte'. 

Diese  Fragen  weiter  zu  verfolgen  ward  Boeckh  durch  die 
Anlage  seiner  gesammten  Untersuchungen  über  Manetho  ge- 
hindert. Auf  Grundlage  der  von  den  erwähnten  Forschern 
gemachten  Beobachtungen  wollen  wir  den  Versuch  einer  Lö- 
sung der  aufgeworfenen  Fragen  wagen.  Es  kommen  uns  hiebei 
zu  Statten  die  gewaltigen  Fortschritte,  die  die  Erforschung  der 
Denkmäler  Aegyptens  und  Assyriens  in  den  letzten  Decen- 
nien  gemacht,  und  die  unsere  Auffassung  nicht  nur  der 
orientalischen  sondern  überhaupt  der  ganzen  alten  Geschichte 
wesentlich  umgestaltet  hat.  Die  bewunderungswürdige  Geistes- 
that  Champollion's  hat  uns  über  dreissig  Jahrhunderte  mensch- 
licher Entwickelung  wiedererobert  und  uns  gezeigt,  wie  all- 
mälig  der  menschliche  Geist  zu  der  Höhe  aufgestiegen  ist, 
auf  der  er  früher  unvermittelt  im  hellenischen  Alterthume  dem 
staunenden  Beobachter  entgegentrat. 

Wir  haben  früher  einige  Stellen  aus  dem  Manetho  von 
Boeckh  angeführt,  um  die  Berechtigung^  der  Fragen,  zu  deren 
Lösung  wir  einige  Bausteine  zu  liefern  hoffen,   darzuthun,  wir 


Mandthoniaehtts  Oeiohiohtiwerk.  125 

wollen  noch  ein  Wort  Boeckh's  dahersetzen,  welches  zu  unserer 
Rechtfertigung  dienen  soll,  wenn  uns  nicht  immer  gelungen 
»ein  sollte,  die  Wahrheit  zu  finden,  (p.  394):  ,Die  Natur  ist 
frei  von  Irrthum  und  Lüge;  die  Erscheinungen,  welche  sie 
offenbart,  sind  immer  wahr:  fehlt  der  Naturforscher,  so  liegt 
die  Schuld  an  ihm,  an  seiner  unrichtigen  Beobachtung  oder 
an  unrichtigen  Urtheilen  und  Schlüssen.  Weit  schlimmer  steht 
es  mit  dem  geschichtlichen  Versuch;  die  Ue herlief erungen,  die 
seine  Grundlagen  sind,  hat  Zufall,  Nachlässigkeit,  Lüge  und 
Betrag  entstellt,  und  namentlich  ist  mir  niemals  ein  verwirrterer 
Gegenstand  der  Betrachtung  als  dieser  Manetho  vorgekommen^ 


Einleitung. 

Die  Vertreibung  der  Hyksos  bezeichnet  den  Beginn  einer 
neuen  glänzenden  Periode  der  ägyptischen  Geschichte;  Hand 
in  Hand  mit  dem  gewaltigen  politischen  Aufschwünge  des 
ägyptischen  Volkes,  der  in  der  Begründung  eines  eigentlichen 
Weltreiches  gipfelt,  geht  ein  neues  Aufblühen  der  Wissen- 
schaften und  Künste.  Mit  besonderer  Vorliebe  wandte  man 
«ich  der  Erhaltung  und  Sammlung  der  vorhandenen  schrift- 
lichen Ueberreste  der  verflossenen  Epoche  zu,  wie  dies  die  in 
dieser  Zeit  angefertigten  zahlreichen  Abschriften  von  uralten 
Papyrus  hinreichend  beweisen.  In  dieser  Zeit  ist  zugleich, 
unserer  jetzigen  Kunde  der  Denkmäler  zufolge,  überhaupt  das 
Bestreben  bei  den  ägyptischen  Priestern  erwacht,  die  ver- 
gaDgenen  Perioden  ihrer  Geschichte  zu  durchforschen  und 
chronologisch  festzustellen.  Aus  der  Zeit  der  Thutmosiden 
und  Ramessiden  stammen  die  Wandgemälde  von  Karnak, 
Abydos  und  Saqqarah,  welche  uns  eine  Auswahl  der  Könige 
seit  den  frühesten  Zeiten  der  ägyptischen  Geschichte  vor- 
fahren, sowie  der  leider  heutzutage  nur  in  Trümmern  vorlie* 
^nde  Turiner  Papyrus,  der  eine  nach  Gruppen  geordnete 
Reihenfolge  der  ägyptischen  Herrscher  bis  auf  A^roes  I.  mit 
ihren  R^erungszahlen  und  ihrer  Lebensdauer  enthielt^ 


*  Du  Original  des  Toriner  Papyms  rührt  aus  der  Zeit  A^mes  I.  her,  die 
nns  erhaltene  Absclirift  dagegen  wnrde,  da  der  Rflckentext  hän6g  das 


126  Krall. 

Es  drängt  sich  uns  nun  unmittelbar  die  Frage  auf,  wie 
weit  waren  die  Aegypter  in  dieser  Zeit  in  der  Lage,  das  Älter 
ihrer  Cultur  und  den  Anfang  ihres  Königthums  chronologisch 
festzustellen  7  umsomehr  als  von  der  richtigen  Beantwortung 
dieser  Frage  auch  die  richtige  Auffassung  der  uns  erhaltenen 
Fragmente  des  Manethonischen  Gescbichtswerkes  abhängt, 
welches  nach  des  Verfassers  ausdrücklicher  Erklärung^  nichts 
anderes  als  die  einheimischen  Urkunden  den  Griechen  zu  ver- 
dolmetschen beabsichtigte. 

In  der  Zeit  der  Thutmosiden  besassen  die  Aegypter,  wie 
es  nach  den  epochemachenden  Forschungen  von  Riel^  fest- 
steht, bereits  ein  festes  Sonnenjahr  mit  vierjähriger  Schaltang, 
welches  mit  der  jährlich  constant  um  dieselbe  Zeit  eintretenden 
Nilschwelle  begann,  dessen  sich  jedoch  die  Priester  nur  fiir 
die  Regelung  der  Feste  bedienten,  während  für  den  bürger- 
lichen Kalender  das  Wandeljahr  in  Verwendung  blieb.  Nach 
je  120  Jahren  verschob  sich  nun  das  Wandeljahr  gegen  das 
feste  Jahr  um  einen  Monat,  derart,  dass  wenn  bei  der  Ein- 
richtung des  festen  Jahres,  dessen  erster  Monat  der  Thot,  mit 
dem  ,Thot  des  Wandeljahres  sich  deckte,  nach  120  Jahren 
derselbe  mit  dem  Paophi  des  Wandeljahres  zusammenfiel.  Für 
diese  Periode  von  120  Jahren  besassen  die  Aegypter  die  sowohl 
im   Todtenbuche   als   auch   im   Turiner  Königspapyrus   häufig 

vorkomnxende  Gruppe  x    v2     A  Ai^ä    Han-ti;^  für  die  Periode 

^ A  AAAA/V\  VN  U  U  O 

Namensschild  des  Königs  Ramses  III.  enthält,  unter  den  Bamessiden  an- 
gefertigt Lauth,  Manetho  nnd  der  Tnriner  EÖnigspapyms  75. 
>  Josephus  Contra  Apionem  I.  14,  1  ed.  Müller:  y^p«?£  yip  'EXX«8i  ^wvt; 
TT]v  ::aTpiov  larop^av,  Ex  te  tojv  Upcov,  fo;  ^Tjaiv  auTO^,  (iiETa^paaa;  cf.  I.  26,  1. 

2  Karl  Riel,  Das  Sonnen-  und  Siriusjahr  der  Bamessiden  mit  dem  Qe- 
heimniss  der  Schaltung  und  das  Jahr  des  Julius  Cäsar,  Lei^izig  1875.  — 
Der  Doppelkalender  des  Papyrus  Ebers ,  verglichen  mit  dem  Fest-  nnd 
Stemkalender  von  Dendera,  1876.  —  Der  Thierkreis  und  das  feste  Jahr 
von  Dendera,  1878. 

3  Auf  Grund  der  Gleichstellung  des  Turiner  Papyrus  (ed.  Lauth  II,  7), 
,19  Hanti  2280  (—  19  X  120)  Jahre*  ist  schon  von  Hiuck«  (in  Wil- 
kinson:  The  hier.  pap.  of  Turin  55)  ausgesprochen  worden,  dass  man  io 
der  Gruppe,  die  wir  nach  der  Darlegung  von   Lauth   (Manetho  72)  dem 

hieroglyphischen  m  gleichzusetzen  und  Hanti  zu  lesen  haben,  die  Be- 
zeichnung einer  Periode  von  120  Jahren  vorliege.  Cf.  Lauth,  Aegyptisclie 
Chronologie  p.  8. 


Manethonisehei  Oeeehiehtswerk.  127 

voD  1460  jul.  Jahren,  nach  deren  Verlauf  das  feste  und  das 
Wandeljahr  sich  wieder  vollkommen  deckten,  hatten  sie  da- 
gegen in  der  Zeit  der  Thutmosiden  und  Ramessiden  wenigstens 
gar  keine  Bezeichnung. 

Diese  Verschiebung  des  Wandeljahres  gegen  das  feste 
Jahr  bot  eine  sichere  Handhabe  für  die  Chronologie  dar.  Man 
brauchte  nur  festzustellen  unter  welchen  Königen  das  feste 
und  das  Wandeljahr  mit  einander  coincidirt  hatten  —  was 
wohl  keinen  besonderen  Schwierigkeiten  unterlag,  da  die  Priester 
denen  die  Obsoi^e  der  Zeitrechnung  anvertraut  war,  über  die 
Verschiebung  der  beiden  Jahre  genaue  Aufzeichnungen  be- 
sitzen mussten  —  und  hatte  damit  die  Grundlagen  gewonnen 
um  auf  denselben  das  System  der  ägyptischen  Chronologie 
aufbauen  zu  können. 

In  welche  Zeit  &llt  aber  die  Einrichtung  des  festen 
Jahres?  Nach  Riel  gehört  sie  in  die  Mitte  des  18.  Jahr- 
hunderts, 1  in  die  Zeit  sonach  der  Erhebung  des  nationalen 
Königthums  gegen  die  fremden  Hyksos.  ^  Wir  werden  jedoch 
durch  den  Umstand,  dass  1766/2  der  erste  Thot  des  festen 
Jahres  nicht  mit  dem  ersten  Thot,  sondern  mit  dem  ersten 
Pachons  des  Wandeljahrs  sich  deckte,  auf  die  Tetraeteris 
2726/2  hingewiesen,  und  es  ist  die  Möglichkeit  nicht  auszu- 
schliessen,  dass  schon  damals  den  Priestern  die  Bildung  eines 
festen  Jahres  gelungen  sei ,  mit  dem  die  Verschiebung  des 
damals  gleichgesetzten  festen  und  Wandeljahres  ihren  Anfang 
glommen  hätte,  um  so  mehr,  als  auch  die  Inschrift  des  ^ap- 
zefa,'  die  wohl  unter  den  Sebekboteps  entstanden  ist,  gewiss 
aber  der  Zeit  vor  dem  Einfalle  der  Hyksos  angehört,  das 
grosse  Nilfeat,  das  Uaga,  ebenso  wie  die  Festkalender  der 
Ramessidenzeit  auf  den  16 — 17  Thot  verlegt.  Darnach  würde  sich 
zu  diesem  festen  Jahre  von  2726/2  das  Jahr  von  1766/2  ebenso 
verhalten,  wie  sich  zu  dem  letzteren  das  Jahr  von  Canopus 
verhält,  wiewohl  nicht  zu  läugnen  ist,  dass  die  Reorganisation 
des  Kalenders  unter  dem  Könige  Set-äa-nub-pebti  eine  viel  durch- 
greifendere gewesen  sein  muss,  als  die  unter  Ptolemäus  Euergetes. 

>  Biel,  Sonnen-  and  Sirinsjahr  p.  865. 
*  L  L  p.  107. 

^  lieber  die  leider  noch  nicht  bearbeitete,  in  jeder  Beziehung  sehr  wichtige 
Inschrift,  cf.  Bmgsch,  Recueil  I,  p.  21,  nnd  Geschichte  Aegyptens  p.  185y 


128  Krall. 

Auf  die  Tetraeteris  2726/22  weist  uns  ferner  hin  der  lange 
bis  auf  Riel '   unerklärliche    Bericht   Herodot's ,    wonach  ,die 
Sonne  viermals  ihren  Ort  gewechselt  hätte,   wo  sie  jetzt  auf- 
gehe^ sei  sie  zweimal  untergegangen,  und  wo  sie  jetzt  unter- 
gehe, sei  sie  zweimal  aufgegangen,  ohne  dass  sich  irgend  etwas 
in  der  Natur  ihres  Landes  oder  Flusses  geändert  habe^^  Die 
ägyptischen  Priester  hatten  die  Tetraeteriden  2726/22,  1986/2, 
1266/2   und  526/2   im   Auge;    im   Laufe  dieser  Zeit   war  die 
Sonne  zweimal  im  Sommerpunkte  des  Himmels,  dem  Morgen- 
punkte  der  Normalsphäre,  und  zweimal  im  Winterpunkte,  dem 
normalen  Abendpunkte,  aufgegangen,   sie  hatte  sonach  viermal 
ihren  Ort  am  Himmel  verändert,  ebenso  wie  auch  die  Gestirne 
ihren  Lauf  inzwischen  viermal  vertauscht  hatten.    Sei  es  nun^ 
dass  die  Priester  die  Tetraeteris  bloss  durch  Rückrechnung  ge- 
wonnen hatten,   sei  es,  dass  damals  thatsächlich   die  Aegypter 
schon  im  Besitze  eines  festen  Jahres   waren,   so   viel    ist  aus 
der  angeführten  Stelle  Herodot*s  sicher,   dass  die  ägyptischen 
Chronologen  ihre  auf  astronomischer  Grundlage   basirten  Auf- 
stellungen über  das  28.  Jahrhundert  vor  Christi   nicht  gefuhrt 
haben,  in  welcher  Zeit  sie,  wie  wir  im  Verlaufe  unserer  Unter- 
suchung sehen   werden,   die  Regierungen  der  Amenemhä  und 
Usertesen  verlegten. 

Die  sichere  Grundlage  der  Verschiebung  des  Wandel- 
jahres und  festen  Jahres  verliess  die  Aegypter  fiär  die  Zeiten, 
die  vor  dem  Beginne  der  Herrschaft  der  Amenemhä  und 
Usurtesen  lagen,  in  denen  man  ein  Jahr  von  365 V4  Tagen  noch 
nicht  kannte  —  denn  die  Annahme,  dass  die  Aegypter  schon 
von  den  frühesten  Zeiten  ihrer  Cultur  an,  ein  festes  Jahr  ge- 
habt hätten,  erscheint  ganz  unztdässig  und  wird  durch  die  an- 
geführte Stelle  Herodot's  widerlegt.  Für  diese  Periode  ihrer 
Geschichte  mussten  sie  auf  andere  Hilfsmittel  bedacht  sein. 
Es  lässt  sich  nicht  läugnen,  dass  bei  der  frühen  Ausbildung 
der  Hieroglyphenschrift,  die  schon  auf  den  ältesten  Denk- 
mälern   vollkommen    ausgebildet   uns    entgegentritt   und   beim 


sowie  Mariette,  Monuments  divers  p1.  64 — 68,  wo  sieh  ein  vortrefflicher 
Abdruck  der  Inschrift  findet  und  Brugsch,  Mat^rianx  p.  101. 

«  1.  1.  p.  184  f. 

a  Herodot  II,  142. 


ManethonischM  Oeschichtawerk.  139 

ausgesprochenen  Sinne  der  Aegypter  für  die  Erhaltung  histo- 
rischer Ueberlieferungen  ^auf  dass  lebe  ihr  Name  auf  £rd6n 
ewiglich^  schon  aus  früher  Zeit  Aufzeichnungen  historischer 
Art  vorgelegen  haben.  Ausserdem  umfasste  die  Geschichte  der 
ältesten  Zeit  eine  Reihe  von  Regierungen  von  Snefru  bis  auf 
die  Königin  Nitokris  —  darunter  die  Pyramidenerbauer  — 
über  deren  Reihenfolge  und  Oesammtdauer  man  nicht  im 
Zweifel  sein  konnte.  Anders  stand  es  mit  den  Regierungen 
nach  Nitokris  und  vor  Snefru.  Dort  klafifte  eine  gewaltige  Lücke, 
die  bezeichnet  ist  durch  die  Herrschaft  fremder  Stämme  über 
Aegypten,  die  einen  gänzlichen  Verfall  in  der  Entwickelung 
Aegyptens  herbeigeführt  haben,  ^  mit  dem  sich  der  durch  die 
Hyksos  bewirkte  gar  nicht  vergleichen  lässt,  und  wenn  nicht 
alles  trügt,  so  haben  die  Gelehrten  der  Thutmosidenzeit  über  diese 
denkmallose  Periode  keine  genauen  chronographischen  Angaben 
gehabt.  Mit  den  Vorgängern  Snefrus  stehen  wir  ganz  auf 
mythischem  Boden,  nicht  mit  Unrecht  beginnt  die  Tafel  von 
Eamak  mit  ihm  die  Reihe  der  ägyptischen  historischen  Könige. 
Man  braucht  nur  die  Anmerkungen  zu  den  ersten  Dynastien 
der  TCjAoi  des  Africanus  oder  Eusebius  zu  lesen,  um  sich  hievon 
zu  überzeugen.  Da  hören  wir,  dass  unter  dem  Könige  Boethos 
f'n,  1)  in  Bubastus  ,der  Erde  Schlund  sich  aufgethan  und 
mancher  fuhr  lebendig  in  die  Hölle',  ^  dass  unter  Nefercheres 
(II,  7)  jdes  heiligen  Stromes  Wasser  eilf  Tage  lang  des 
Honigs  Wohlgeschmack  annahm'  und  dass  die  Libyer  durch 
das  plötzliche  ,rie8ige  Anwachsen  des  Mondes  geschreckt,  von 
Xecherophes  (III,  1)  bezwungen  wurden',  wir  erfahren,  dass 
Sesochris  (II,  8)  fünf  Ellen  lang  gewesen  sei,  dass  unter  Se- 
mempses  (I,  8)  eine  Pest  und  unter  Unnepher  (I,  4)  eine 
Hungersnoth  ausgebrochen  seien  ,trotz  aller  Noth  und  Pein 
gefiers  dem  letztern  auf  der  Stätte  von  Kakami  (Schwarzstier) 
durch  Pyramidenbauten  seine  Leute  zu  beschäftigen'.  ^  Auch 
die  Nachrichten,  dass  Binothris  (II,  3)  die  weibliche  Erbfolge 
eingeführt,  dass  Kaiechos  (II,  2)  den  Dienst  des  Apis,  Mnevis 

*  Vergl.  meinen  Aufsatz  ,Die  Vorläufer  der  Hyksos*,  in  der  Aeg.  Z.  1879, 
p.  34  f. 

*  Ich  folge  der  Uebersetzung  von  Brugsch,  die  uns  den  Geist  dieser  uralten 
Nachrichten  recht  gut  wiedergibt  (Geschichte  Aegyptens  p.  61  f.). 

^  Vcrgl.  hiezu  Herodot  I,  94. 
Sttzwigiber.  d.  pbil.-hiBt   Cl.  XCV.  Bd.  1.  Hrt.  9 


130  Krall. 

und  des  heiligen  Widders  eingesetzt  habe  oder,  dass  Tosorthros 
(III,  2)  einer  der  Begründer  der  Arzneikunde,  der  ägyptische 
Asklepios  gewesen  sei  und  die  Kunst  mit  behauenen  Steinen 
Gebäude  aufzuführen,  erfunden  habe,  ^  können  keinen  höheren 
Anspruch  auf  Geschichtlichkeit  erheben  als  die  Tradition,  dass 
das  Fetialencollegium  unter  Numa  Pompilius  eingesetzt  worden 
sei  2  oder  dass  Jubal  der  Begründer  der  Musik  und  Thabal 
Kain  der  der  Metallarbeit  gewesen  sei.  ^ 

Ueberdies  sind  wir  sogar  in  der  Lage  die  Entstehung 
dieser  Notizen  bei  den  Aegyptern  nachweisen  zu  können.  Eine 
Reihe  von  Capitelu;  Formeln,  die  als  besonders  wirksam  hin- 
gestellt werden  sollten,  wurde  von  den  Aegyptern  auf  die  Zeit 
ihrer  ältesten  Könige  zurückgeführt.  So  heisst  es  z.  B.  im 
Todtenbuche  von   c.  130,  es  sei  gefunden   worden   unter  dem 

Könige    (        — «—         j  IJusapti,   also   dem   Usaphaides  (I,  5) 

dör  TC(jLoi  oder  von  c.  64   es  stamme   aus  der  Zeit  des  Königs 

f  Q  .umij,  JJ  j   Menkaura,  Mykerinos,  her,  ferner  lesen  wir  im 

werthvollen  medicinischen  Papyrus  Ebers  von  einer  Haarsalbe 

die  schon  von  Seh  der  Mutter  des  Königs  roo(|  j  Teta,   also 

allem  Anscheine  nach,  dem  Athotis  (I,  2)  der  Listen  bereitet 
wurde.  "^  Dass  wir  es  bei  diesen  Angaben  nicht  mit  echten 
Ueberlieferungen  zu  thuu  haben,  ersehen  wir  einfach  daraas, 
dass  dasselbe  Capitel  (das  64.)  welches  nach  dem  Turiner 
Exemplar    des    Todtenbuches    unter  Menkaura   aufgekommen 

sein  sollte,    nach  einer  Reihe  anderer  Texte   dem  (         J  Qu- 

sap-ti  zugeschrieben  wurde.  Derartige  theils  falsche  theils 
richtige  Anmerkungen  und  Anspielungen,    die  in  bedeutender 

^  Trotzdem  Iieisst  es    schon  vom  Nachfolg^er  des   Mena,   Athotis   ,6   rot  v* 

3  Dion.  2,  72.  Plut.  Numa  12,  Camillus  18,  Livius  I,  32  schreibt  sie  da- 
gegen dem  Ancns  Marcius;  Cicero,  de  rep.  2, 17,  dem  Tallns  Hostilius  su. 

3  Genesis  4,  22  ,die  Zilla  aber  gebar  auch,  nämlich  den  Thabal  Rain,  den 
Meister  in  allerlei  Erz  und  Eisenwerke  Cf.  Delitzsch,  Die  Qenesis  I, 
p.  207.  Knobel,  Die  Genesis  p.  65. 

*  R.  Lepsius,  Ueber  den  Kalender  des  Papyrus  Ebers  und  die  Geschicht- 
lichkeit der  ältesten  Nachrichten  Aeg.  Z.  1875  p.  145  gelangt  zu  einem 
abweichenden  Ergebnisse. 


Muttthoniscbes  Gaechichtinrerlr.  lol 

Anzahl  selbst  in  den  wenigen  uns  erhaltenen  Resten  der  alt- 
ägyptischen  Literatur  vorkommen ,  kamen  den  Priestern  der 
Thatmosidenzeity  die  daran  gingen  einen  Canon  ihrer  ältesten 
Oeschiohte  zusammenzustellen,  zur  Ausfüllung  desselben  sehr 
wohl  zu  Statten.  Auch  falsche  Etymologien  haben  dazu  her- 
halten müssen,  das  dürre  Verzeichniss  von  alten  Eönigs- 
namen  zu  beleben.    Der  vierte  König  der  Tafel  von  Saqqarah 

[\\  -^"^^^l  Qa-qö'i  ,Stier  der  Stiere',  wird  einfach  wegen 
dieses  seines   Namens   in   den  t6|xoi   als   derjenige   bezeichnet 

M£v3i^uto<;   'zpdt^o^  evo{JL{oOir)aav  eTvai  Oeo»!. 

Erweisen  sich  sonach  die  Anmerkungen  zu  den  einzelnen 
Königen  vor  Snefru  als  von  sehr  zweifelhaftem  Werthe,  so 
steigert  sich  unser  Misstrauen,  wenn  wir  die  Reihenfolge  der- 
selben sowie  ihre  Namen  überhaupt  ins  Auge  fassen.  Die  auf 
uns  gekommenen  Königstafeln  zeigen  sowohl  unter  sich,  als 
auch  mit  Manetho  und  dem  Turiner  Papyrus  verglichen^ 
eine  Reihe  von  Abweichungen.  Zuerst  zeigt  sich  ein  ver- 
schiedener Voi^ang  in  der  Auswahl  der  überlieferten  Königs- 
namen,  d.  h.  derjenigen  Namen,  welche  die  Priester  der  Thut- 
mosiden  auf  den  ihnen  vorliegenden  Denkmälern  überhaupt 
erwähnt  gefunden  haben.  So  fehlen  der  grossen  Königstafel 
von  Abydos  bis  auf  Snefru  drei  oder  vier  Könige;  die  auf  der 
Tafel  von  Saqqarah  stehen,  dagegen  hat  diese  sieben  oder 
acht  Könige,  die  nicht  auf  der  Tafel  von  Abydos  vorkommen, 
und  merkwürdig,  sie  beginnt,  ebensowenig  als  «die  Tafel  von 
Kaniak  aus  der  Zeit  Thutmes  lU.,  nicht  mit  Mena  sondern 
erst  mit  dem  sechsten  Könige  der  Tafel  von  Abydos  —  sollten 

ihrem  Verfasser  t=^  vS  M  (,  Tu(nu)ri,  >  in  dem  wir  den 

ältesten  bisher  uns  namentlich  bekannten  historischen  Kritiker 
zu  erkennen  haben,  über  die  Echtheit  der  ersten  fünf  Könige 
Zweifel  aufgestiegen  sein? 

Trotz  der  Sorgfalt  mit  der  die  Priester  vorgegangen  sind 
und  des  ungemein   reichhaltigen   Materials   das   ihnen   vorlag. 


*  S=3  Y^  (I  [1  ta(nii)ri  copÜBoh  acoop  fortem,  potentem  esse. 


9» 


132  Krall. 

sind  wir  doch  im  Stande ,  da  uns  die  Gräber  von  Gizeh  und 
Abydos,  eine  für  die  Aegypter  verschlossene  GeBchichtsquelle, 
zur  Verfügung  stehen,  einige  Namen  nachzutragen ,  die  den 
Forschern  der  Thutmosidenzeit  entgangen  sind ;  wir  finden  auf 

dem  Steine  von  Palermo  einen  König  [  (|  ß  j   A^tes  sowie 

in  dem  Grabe  des  Senofemhet  einen  (  ^.  (1  tj  ^  J  Aqau^or, 

welche  der  sogenannten  V.  Dynastie  des  Africanus  angehören 
müssen,  die  jedoch  auf  den  uns  vorliegenden  Listen  gar  nicht 
vorkommen.  ^ 

War    sonach    die    Zahl    der    Vorgänger    Snefru's    steten 
Schwankungen  ausgesetzt,  so  war  man  ebenso  vielfach  im  Un- 
klaren über   die    Reihenfolge   der   einzelnen  Fürsten.     Da  wir 
hier  keine  eingehende  Vergleichung  der  Eönigstafeln  mit  Ma- 
netho  und  dem  Turiner  Papyrus  geben  können,   so  genügt  es 
auf  einige  typische  Fälle  hinzuweisen,  die  das  von  uns  Gesagte 
hinreichend  erhärten  werden.     Vorerst  erhebt   sich  hiebei   die 
Frage :  wenn  die  Priester,  wie  wir  darzuthun  versuchten,  keine 
alten  Verzeichnisse  der  Könige  vor  Snefru  besassen,    sondern 
darauf  beschränkt  waren  die  einzelnen  Namen  erst  zu  sammeln, 
wie   war   es    für   sie    möglich    eine    geordnete   Reihenfolge   zu 
geben?   Hiezu    waren   ihnen   zuerst   dienlich   die  in  der  ihnen 
vorliegenden   Literatur   wohl    häufig    vorkommenden   Angaben 
über   Könige,    die   nacheinander  regiert   haben,    durch   deren 
Verbindung  man    einige   feste   Punkte  zu  gewinnen  im  Stande 
war.     Der   Papyrus    Prisse   gibt  uns   ein   gutes   Beispiel    der- 
artiger Angaben;  ,da  starb',    berichtet    er  uns,    ,seine  Majestät 
der  König   5uni;    siehe   es   folgte   seine   Majestät    der   König 
Snefru  als  guter  König  über  das  ganze  Land*  —  dadurch  war 
für  die  ägyptischen  Forscher  die  Reihenfolge  ^uni,  Snefru  ge- 
sichert.    Wie  unzuverlässig  jedoch  dieses  Material  ist  und  wie 
leicht  dadurch  die  Priester  zu  falschen  Aufstellungen  verleitet 
werden  konnten,    bezeugt   uns   eine  Stelle   des  Berliner  medi- 
cinischen  Papyrus.  ,Aufgefunden  wurde',  heisst  es  in  demselben, 
,dies  Capitel  unterhalb  der  Füsse  des  göttlichen  Anubis  in  der 
Stadt  Sochem  (Letopolis)  zur  Zeit  als  Sapti  König  war.  Nach 

^  Cf.  Ronge,  Recherclies  sur  les   monuments  qu'on  peut  attribuer  aux  six 
premieres  dynasties  p.  84,  88. 


ManethoniscbM  Geachichtswerlc. 


133 


dessen  Tode  ward  die  Schrift  gebracht  zu  seiner  Majestät  dem 
Könige  Senta'.  ^  Die  natürlichste  Deutung  dieser  Stelle  — 
und  man  hat  auch  vor  Auffindung  der  Königstafeln  von  Abydos 
und  Saqqarah  an  derselben  festgehalten^  —  ist,  dass  König 
Senta  der  Nachfolger  Husapti's  gewesen  sei.  Bei  der  Betrach- 
timg der  Königstafeln  zeigt  sich  jedoch ,  dass  beide  Könige 
durch  sieben,  beziehungsweise  sechs  Regierungen  von  einander 
getrennt  sind,  dass  die  Priester  sonach  in  der  Lage  gewesen 
sind,  durch  anderweitige  Hilfsmittel  und  Combinationen  den 
Zwischenraum  auszufüllen.  Dieses  Beispiel  ist  ganz  geeignet 
uns  zu  zeigen,  dass  man  bei  Benützung  ähnlicher  Angaben 
mit  äusserster  Vorsicht  zu  Werke  gehen  muss,  und  es  würde 
uns  daher  gar  nicht  überraschen,  wenn  irgend  ein  neuer  Fund 
darthun  möchte,  Snefru  sei  nicht  der  unmittelbare  Nachfolger 
Qttni's  gewesen. 

Die  Vergleichung  der  beiden  Königstafeln,  zu  der  wir 
nun  übergehen,  wird  uns  zeigen,  dass  auch  die  Priester  der 
Thutmosidenzeit  über  die  Stellung  einer  Reihe  von  Königen 
in  ihrem  Canon  zweifelhafter  Meinung  gewesen  sind. 


AbydoB 

8)  Qebubu 

WD 

9)  Bufau 

10)  Qaqeu 

11)  Ba-n-nuter 

12)  Utnas 


c 


Saqqarah 

2)  Qebubu 
3)  Ba(u)nuter 


AfricanuB 

I,  8  Bieneches 


II,  1  Boethos 


] 


www    I 


4)  Qaqeu 
5)  Ba-nuter 
6)  Utnas 


II,  2  Kaiechos 


II,  3  Binothris 


II,  4  Tlas 


'  Clial>as,  Melanges  I.  Bnigsch,  Becueil  de  Monuments  Egyptieus  II.  p.  113, 

pLXV. 
^  Cf.  Laatb,  Manetho  p.  120. 


134 


Erall. 


Wir  sehen,  dass  an  der  Stelle,  wo  wir  in  der  Tafel  von 
Saqqarah   einen  Bafau   erwarten   mfissen,   da  Vorgänger  und 
Nachfolger  identisch  sind,   ein  Ba(u)nQter  steht    Man  pflegt 
gewöhnlich  anzunehmen,  <   dass   wir   es   hier   mit  zwei  Namen 
f&r  einen  und  denselben  König  zu  thun  haben,   ein  Blick  auf 
die  t6(i.oi   belehrt    uns  jedoch,    dass    Butau   =   Boethos  und 
Ba(u)nuter  ^  Binothris  ist  Nach  der  Tafel  von  Abydos,  und 
mit  ihr  steht  hier  in  vollkommener  Uebereinstimmung  Hanetho, 
war  Ba-n-nuter  (Binothris)  der  Nachfolger  Qaqeu's  (Kaiechos)  — 
was  bew(^  den  Verfasser  der  Tafel  von  Saqqarah  hieven  ab- 
zuweichen?  Ein    genaueres   Eingehen   auf  seine    Reihenfolge 
zeigt   uns,    dass   auch   er   auf  Qa-qeu   einen   Ba-nuter   folgen 
liess;  der  Vorgänger  und  Nachfolger  des  Qaqeu  sind  sonach, 
einige  orthographische  Kleinigkeiten  abgerechnet,   auf  seiner 
Tafel  vollkommen  identisch.  Die  Erklärung  dieser  so  wunder- 
lich   scheinenden    Thatsache    ist   nach    dem    Gesagten    sehr 
einfach.    Der  Verfasser   der   Tafel  von  Saqqarah  fand  in  dem 
hergebrachten  Königscanon,  der  uns  in  der  Tafel  von  AbydoB 
und  in  den  t6|xo(  vorliegt  einen  Ba(u)nuter  als  Nachfolger  des 
Qaqeu,   seine  eigenen   Forschungen  wiesen  ihn  jedoch  darauf 
hin  —  und  wer  wollte  ihre  Berechtigung  läugnen  —  dass  ein 
Ba(u)nuter  der  Vorgänger  Qaqeu's  gewesen  sei;   es  blieb  ihm 
sonach   nur  übrig,    entweder    anzunehmen,    dass    es    derselbe 
König  sei,  und  einzugestehen,  dass  man  seine  genaue  Stellung 
gar  nicht  fixiren  könne  oder  aber  zwei  Ba(u)nuter  aufzustellen. 
Er  wählte  das  letztere,  um  sowohl  seinen  eigenen  Forschungen 
als  auch  dem  Canon  gerecht  zu  werden. 

Die  Reihenfolge  der  Könige  stellt  sich  nach  dem  Gesagten 
folgendermassen : 

Saqqarah 


Abydos 

8)  Qebubu 

9)  Bufau 

10)  Qaqeu 

11)  Ba-n-nuter 

12)  ütnas 


2)  Qebubu 

3)  Ba(u)nuter 

4)  Qaqeu 

5)  Ba-nuter 

6)  Ufnas 


AfricanuB 

I,  8  Bieneches 

II,  1  Boethos 

II,  2  Kaiechos 
II,  3  Binothris 
II,  4  Tlas 


1  Rongij  Recherches  p.  23. 


ManethoBtfchM  Geschlcbtswerlc.  135 

Noch  gröBser  als  bei  Baunater  ist  das  Schwanken  der 
ägyptischen  Chronographen  in  Bezug  auf  die  richtige  Ein- 
reihung eines  anderen  Königs  des  (olfjl  Noferqarä.  Nach 

der  Tafel  von  Abydos  war  er  der  unmittelbare  Vorgänger  des 
Snefru,  nach  der  Tafel  von  Saqqarah^  die  hi^r  mit  dem  t6(xoc 
übereinstimmt;  folgte  er  dagegen  auf  Senda ;  Senda  und  Snefru 
sind  nun  etwa  durch  über  zehn  Regierungen  von  einander  ge- 
trennt. Dasselbe  können  wir  bei  dem  Könige  ( O^^^::::^!!! 
Nebqarä  der  Tafel  von  Saqqarah,  der  sich  deckt  mit  dem 
f^37[jl  J  Nebqa  der  Tafel  von  Abydos,  sowie  bei  fS  ^^  J 

Hufefa  beobachten.  Eine  vergleichende  Zusammenstellung  der 
beiden  Tafeln  wird  dies  hinreichend  darthun. 

Abydos  Saqqarfth 

13)  Senda  7)  Senda 

'8)  Noferqarä 
9)  Noferqasokar 

40)  #  f  # 

14)  T'afai  /^      11)  T'atai 

15)  Nebqa> 

16)  Sar  "\<r'y^  ^2)  Sar 

17)  Teta     ^...-"'"O^  ^3)  Sarteta 

18)  Sefes- 

19)  Noferqarä-' 

14)  Nebqarä 

15)  Huni 

20)  Snefru  16)  Snefru 

Als  Nachfolger  des  Mena  bezeichnet  die  Tafel  von  Abydos 
eine  Reihe  von  ,Niederwerfern'  es  sind       (1   Teta,    (jofl    AteO, 

Ata.     Die  T6(jLot  kennen    dagegen    nur    einen    Athotis, 

dafür    nennen     sie     uns    als    zweiten    Nachfolger    des    Mena 
den  König    Kenkenes,    welcher   deutlich   auf  das   ägyptische 

Qenqen   ,Gewalt'   hinweist.     Haben  wir   es  hier 

mit  denselben  Persönlichkeiten   zu   thun,    führte   der  ,Nieder- 
werfer^  noch  den  Beinamen  der  ,Gewaltsame',  oder  liegen  uns 


136  Krall. 

hier   Erscheinungen    vor,    wie    wir    schon    mehrere    bei   den 
Eönigstafeln  beobachtet  haben? 

Wir  kommen  nun  zu  einem  weiteren  Hilfsmittel,  dessen 
sich  die  Priester  bedient  haben,  um  die  überlieferten  Königs- 
namen  in  eine  feste  Reihenfolge  zu  bringen,  nämlich  zu  dem 
der  freien  Combination.  Hier  ist  es  vorerst  nothwendig  auf 
die  Bedeutung  der  Namen  selbst  einzugehen.  ^ 

Mena  (1  der  Muthige, 

AA/VS/>A     I 

Teta      [1    der  Niederwerfer, 
AteO  (1^1    der  Schläger, 
Ata  1J'=^^<^  der  Verderbende, 
Eenkenes  der  Gewaltsame, 


A/WWA  /WNA/NA 


^usap-ti  ^™      der  Doppelgau, 


SS 


w 


Meribapu  xya  der  des  Metall(baus)  Beflissene.^ 

Semempses   (^S^  j  dss  Bild  des  Ptah,  ^ 
Qebubu  ^  J  §  ^  ß  der  Opferer, 
Bufau  Ji  ^y  der  Mastbaum,  ^ 

Uf"       -TjQ 
^^=71)  der  Stier  der  Stiere, 


1  Cf.   Lanth,  Manetho  p.  87  f.,  der  für  den  grössten  Theil  der  Namen 
dieser  Könige  ganz  abscbUessend  die  Bedeutung  festgesteUt  hat. 

'1(1  Ba  auf  dem  der  Sonnengott  einherfährt  (Todtenbuch  ^Aelteste 

Textes  pl.  33,  59)  ist  entweder  ein  harter  Stein  (Brugsch)  oder  ein  Metali 

(Deveria,   Chabas);     1  (]  "^St,     J  O  Ba    ,Mine    oder  Steinbrnch* 

(BrugBch).  In  der  Bedeutung  ^Wunder*  Ifisst  sich  xy  so  viel  uns  bekannt 

ist,  nicht  nachweisen;   wir  glauben  daher  an   unserer  Uebersetzung  fest- 
halten zu  können. 
'  Lieblein,  Recherches  snr  la  Chronologie   ^gjptienne  p.  13,    erinnert  mit 

Recht  .up^^°j8em-a-ptab. 

*  Cf.  Todtenbuch  ed.  Lepsius  c.  99,  13. 


Manethonisches  Getchicbtowerk.  137 

Ba-D-nuter  ^^5J  ]^'^^^  ^iö  Seele  des  Gottes, 

Uatnas  ]| /wvsaa  I  der  mit  blühender  Rede  Begabte, 

Senda    I         |l  der  Ehrwürdige. 

Hutefa   1^^  ? 

ratai  H  ®  (1  ö  der  Kopf  ,der  Verständige^ 

Noferqarä  olfj  ^  gab  die  Güte  (Schönheit), 

Noferqasokar         <r:>T[t  Sokar  gab  die  Güte  (Schönheit), 

Nobqara  ©  ^^r:^  [_j  Rä  gab  Gold, 

Sar  der  Organisator, 

Sarteta  (1  der  Organisator  und  Niederwerfer, 

Huni    8  ^    vv      der  Drescher, 


Snefrn  PI*=>%  der  Wohlthätige. 


Diese  Reihenfolge  gibt  uns  ein  recht  anschauliches  Bild 
Ton  der  Art  und  Weise  ^    wie  sich  die    Priester  der  Thutmo- 
sidenzeit  den  Verlauf  ihrer  ältesten  Geschichte  vorgestellt  haben. 
Aus  kriegerischen,    anarchischen    Zuständen    Hessen    sie    das 
Eönigthum  hervorgehen  und  stellten  an  die  Spitze  ihrer  Reiche 
den  ,Muthigen',  den  ,Niederwerfer',    den  ,Schläger',   den  , Ver- 
derbenden',   den   ,Gewaltsamen',   sonach   diejenigen  der  über- 
lieferten Königsnamen,  welche  ihnen  auf  eine  eminent  unruhige 
Zeit  hinzuweisen  schienen.  Dieser  Vorgang  wird  uns  gar  nicht 
auffaUend  erscheinen,   wenn   wir   die   Zeit   berücksichtigen  in 
der  diese  Tafeln  entstanden  sind  —  hatten  die  Aegypter  nicht 
während  der  Hyksoszeit   das  Königthum   aus  dem   Chaos   der 
Verwirrung  bei  den    fremden   Eindringlingen  hervorgehen  ge- 
sehen?  ,Lange  Jahre  der  Verwüstung  und   des  Elends  waren 
über  Aegjpten  dahingegangen,  endlich  erhoben  die  Hyksos  einen 
König',  so  berichtet  uns  ja  Josephus  aus  Manetho.    Auf  diese 
Gruppe  folgen  Könige,    die   uns   das   Anbrechen   einer  neuen 
besseren  Zeit  darlegen  sollen,  wie  etwa  auf  Romulus  und  Tullus 


138  Krall. 

HoBtiliuB  in  der  römischen   Königsreihe   Numa   Pompilius  und 
Ancus  Martins  folgen.     Die  beiden   Vertreter   des   Krieges  in 
der  römischen  Liste  haben  jedoch  in  der  Sage  ihren  Platz  ge- 
hörig ausgefüllt   —   fortwährend    waren   sie  mit  kriegerischen 
Unternehmungen  beschäftigt  —  Athotis,  ,der  Niederwerfer'  da- 
gegen baute  die  Königsburg  von  Memphis  und  schrieb  anato- 
mische Werke,  ,denn  er  war  ein  Arzt',  —   gewiss  eine   merk- 
würdige Verbindung  von  zwei  von  einander  ganz  unabhängigen 
Mythonströmungen.    Mit   ^usapti  sehen   wir   den   ägyptischen 
Staat  aus  dem  Chaos  erstehen,  es  wird  uns  die  Grundlage  des 
politischen  ägyptischen  Lebens  ,der  Doppelgau'  (von  Ober-  und 
Unterägypten),    und  im   Anschlüsse   daran    die    Erfindung  der 
Behandlung  der  Metalle  vorgeführt  —  Meribipen  ist  der  ägyp- 
tische Thubal  Kain.     Sodann   tritt  uns  die  religiöse  Seite  des 
ägyptischen   Volkes    (,da8   Bild   des   Ptah'   und   der  ,Opferer', 
endlich    die    Entwickelung    des    Handels    und   Verkehrs    (das 
Schiff,  ,der  Mastbaum')   entgegen.     Soweit  das  Leben   im  All- 
gemeinen;  mit   Qaqeu    betreten   wir   ein    engeres   Gebiet,   es 
werden  uns  die  Menschen,  die  sich  auf  der  Grundlage  des  nun 
geordneten  Staates  erheben,   nach  ihren  verschiedenen  Eigen- 
schaften hin,  angeführt.    Wie  der  Staat  von  kriegerischen  An- 
fängen ausging,  so  beginnt  auch  diese  Reihe  der  Muthige  (der 
Stier  der  Stiere,   der  Krieger)   hierauf  folgt   die   ,Seele   des 
Gottes',  die  uns  auf  die  priesterliche  Thätigkeit  hinweist,  und 
daran  sich  anschliessend  der  mit  blühender  Rede  Begabte  und 
der  ,Ehrwürdige'  und  der  ,Verständige',  die  sich  in  demselben 
Anschauungskreise   bewegen.     Den   Beschluss  bilden   die   mit 
Götternamen  gebildeten  Königsringe  —  eine   allem  Anscheine 
nach,    in    den   ältesten   Zeiten    sehr   seltene   Art  der   Namen- 
gebung  —  über  deren  Einfügung  in  die  künstliche  Reihenfolge 
man,  bezeichnend  genug,  wie  wir  gesehen  haben,  verschiedener 
Meinung  war. 

Mit  dem  Könige  Sar  beginnt  der  Turiner  Papyrus  eine 
neue  Gruppe  von  Königen  —  er  ist  der  Ordner,  der  Organi- 
sator, in  seinem  Nachfolger  Sarteta  sehen  wir  die  verflossene 
Periode  mit  der  neu  angebrochenen  vereinigt,  er  ist  der  Orga- 
nisator und  Niederwerfer.  Noch  einmal  sehen  wir  das  Spiel 
sich  wiederholen  auf  den  ,Drescher',  ,Schläger',  Huni'  folgt  der 


Uanathoniichee  Geieliiclitsw«rk.  139 

wohlthätige  ^Snefru^^  mit  dem  wir  in  die  monumental  gesicherte 
(xeschicfate  Aegyptens  eintreten. 

Aus  dem  bisherigen  Gange  unserer  Untersuchungen ,  die 
weiter  auszuführen  unsere  Aufgabe  nicht  gestattet ,  ergibt  sich 
etwa  Folgendes:  Die  Priester  der  Thutmosidenzeit  konnten  ihre 
chronologischen  Untersuchungen  auf  astronomischen  Grund- 
lagen basirend,  bis  auf  die  Zeiten  der  Amenemhas  und  Usur- 
teaen  führen;  fiir  die  vorhergehenden  Perioden  waren  sie 
einerseits  auf  die  Sammlung  aller  vorhandenen  Nachrichten, 
andererseits  auf  freie  Combination  angewiesen.  Besondere 
Schwierigkeiten  boten  ihnen  zwei  Zeiträume  ihrer  ältesten 
Geschichte  dar;  der  eine,  der  charakterisirt  ist  durch  den  Ein- 
fall fremder  Völker  in  Aegjpten,  der  andere  der  die  Snefru 
vorangehenden  Regierungen  bis  auf  die  Begründung  des  König- 
thnms  hin  umfasste.  Wie  sie  mit  dem  ersteren  fertig  wurden 
lässt  sich  mit  unseren  jetzigen  Mitteln  nicht  sagen,  dagegen 
li^  zur  Beurtheilung  ihrer  Anordnung  des  letzteren  ein  reiches 
Material  vor.  Wir  haben  die  Entstehung  der  Nachrichten,  die 
sich  an  die  einzelnen  Könige  knüpfen,  verfolgt  und  gesehen, 
dass  sie  entweder  aus  Etymologien,  die  keinen  Werth  fiir  uns 
beanspruchen  können,  oder  aber  durch  Rückschlüsse  aus 
grossentheils  unrichtigen  Angaben  gewonnen  sind;  wir  haben 
femer  gesehen,  dass  über  Auswahl  und  Reihenfolge  der  Kö- 
nige Zweifel  und  oft  sehr  bedeutende  Zweifel  bestanden  und 
schliesslich,  dass  die  überlieferten  Namen  in  ein  System  ge- 
bracht wurden,  welches  den  Mangel  an  Nachrichten  über  die 
Succession  einer  Reihe  dieser  uralten  Könige  ersetzen  sollte. 
Mit  unseren  jetzigen  Mitteln  sind  wir  gar  nicht  im  Stande 
Historisches  und  Unhistorisches  in  der  uns  vorliegenden  Liste 
zu  scheiden;  wir  können  nur  sagen,  dass  keiner  der  Könige 
vor  Sar  —  etwa  Senda  ausgenommen  ^  —  durch  gleichzeitige 
Denkmäler  uns  bezeugt  ist,  ja  was  noch  mehr  sagen  will,  dass  auf 
den  Denkmälern  der  Nachfolger  Snefrus  keinerlei  Erwähnungen 
dieser  früheren  Herrscher  sich  vorfinden,  ^  während  wir  doch 
in  denselben   häufig  Priestern  verstorbener  Könige   begegnen. 


*  Lanib,  Manetho  p.  123. 

'  Eben  so  wenig  finden  nch  Erwähnungen  nach  der  Art  der  des  Königs 
Ha-n-nsor  (Y.  Dynastie)  auf  einer  Statuette  des  Königs  Usurtesen.  Rongd, 


140  Krall. 

Nicht  plötzlich  treten  wir  sonach  aus  dem  unbekannten 
Nichts  mit  Mena  in  das  helle  Licht  der  Geschichte,  sondern 
wir  sehen  vielmehr  in  der  ersten  Königsreihe  des  Turiner 
Papyrus  Fabel  und  Geschichte  innig  mit  einander  verflochten, 
und  wir  können  daher  wohl  die  Behauptung  wagen,  dass  die- 
selbe mit  der  Liste  der  Patriarchen,  zehn  vor  der  Fluth,  eben- 
soviele  nach  derselben,  zu  vergleichen  ist,  ohne  jedoch  einen 
Schluss  auf  gegenseitige  Abhängigkeit  der  letzteren  von  der 
ägyptischen,  ziehen  zu  wollen. 

Leider  fehlt  uns  jegliche  monumentale  Nachricht  darüber 
wie  gross  die  Aegypter  den  Zeitraum  von  Mena  bis  auf  den 
Beginn  der  Verschiebung  des  festen  und  des  Wandeljahres  an- 
genommen haben;  denn  die  Bruchstücke  des  Turiner  Papyros 
sind  gar  zu  lückenhaft,  als  dass  selbst  eine  Vermuthung  in 
dieser  Hinsicht  gestattet  wäre.  Da  jedoch,  wie  wir  bei  Be- 
trachtung der  t6[jlo(  des  Eusebius  beobachten  werden,  die  Re- 
gierung Mena's  von  dem  Anfange  der  wirklichen  Verschiebung 
des  festen  und  des  Wandeljahres  durch  1461  Jahre  getrennt 
gedacht  wurde,  so  müssen  wir  annehmen,  dass  die  Zeiten  von 
Menes  bis  auf  Amenemha  in  Ermangelung  anderer  besserer 
Hilfsmittel  cyclisch  zugeschnitten  worden  sei. 

Unsere  bisherigen  Untersuchungen,  die  den  hie  und  da 
auftretenden  Glauben  einer  bis  auf  Jahr  und  Tag  möglichen 
Bestimmung  des  Regierungsantrittes  Mena's  zu  erschüttern  und 
eine  richtigere  Auffassung  der  Bedeutung  der  ältesten  Periode 
der  ägyptischen  Oeschichte  zu  begründen  bemüht  waren,  zeigen 
uns,  dass  das  Werk,  welches  die  Priester  in  der  Zeit  der 
Thutmosiden  und  Ramessiden  vollbracht  haben,  auf  derselben 
Höhe  steht  wie  die  Systeme  der  babylonischen,  jüdischen, 
griechischen  und  römischen  Chronographen.  Wie  die  jüdischen 
Chronographen  von  dem  Tempelbaue,  so  sind  die  römischen 
von  dem  einzigen  festen  Datum  ihrer  alten  Geschichte  aus- 
gegangen, dem  der  Einnahme  Roms  durch  die  Gallier  Ol.  98/1 
=  388/7  vor  Christi,  *  und  haben  den  Zeitraum  der  von  der 
Vertreibung   der  Könige   bis   auf  die   Alliaschlacht   vei*flo88en 


Recherches  p.  89.     Erst  am  Ende  der  &g}']>ti8chen  Geschichte  begegnen 
wir  einem  Priester  des  Mena.  Rouge  1.  1.  30,  31. 
1  Mommsen,  Römische  Geschichte,  I^  p.  331. 


Han«thoiiiicb«B  GeHchichtswerk.  141 

war  auf  zwei  SoBsosperioden  =:  120  Jahre  fixirt.  Dadurch 
kamen  sie  in  das  Jahr  508/7  vor  Christi,  von  wo  sie  vier 
Sossosperioden  =  240  Jahre  bis  auf  die  Erbauung  der  Stadt 
=  748/7  rechneten.  *  Der  Gründungstag  von  Rom,  der  21.  April 
747  fiel  auf  diese  Weise,  was  den  römischen  Chronologen  nur 
erwünscht  sein  konnte,  nahezu  mit  dem  Beginne  der  Aera  des 
Nabonassar,  27.  Februar  747;  zusammen.^ 

Zum  Schlüsse  müssen  wir  daran  erinnern,  dass  der  An- 
satz Amenemhä  I.  =  28.  Jahrhundert  v.  Chr.  nur  gilt,  wenn  die 
Annahme  wahr  ist,  dass  es  den  Aegyptern  schon  unter  der  Re- 
gierung der  Amemhä's  gelungen  sei,  ein  festes  Jahr  zu  gründen, 
gegen  welches  im  18.  Jahrhunderte,  wo  sie  nachweislich  ein 
solches  besassen,  das  Wandeljahr  um  acht  Monate  verschoben 
war.  Sollten  dagegen  weitere  Untersuchungen  darthun,  dass  diese 
Annahme  unzulässig  sei,  dass  die  Aegypter  erst  im  18.  Jahr- 
hunderte ein  festes  Jahr  gebildet  haben,  so  müssten  wir  unsere 
Folgerungen  noch  weiterfuhren ;  wir  müssten  dann  sagen,  dass 
die  Priester  ausgehend  von  dem  sichern  Punkte  der  Einrich- 
tung des  festen  Jahres,  der  daran  sich  schliessenden  Ver- 
treibung der  Hyksos  und  der  Erhebung  der  Thutmosiden  auf 
die  Zeit  zurückrechneten,  wo  das  feste  und  das  Wandeljahr 
sich  deckten,  und  in  dieselbe  die  Regierungen  der  Amenemhä, 
der  mächtigsten  Herrscher  der  Vorzeit,  verlegten.  Noch  eine 
Epoche  vorher  fiel  ihnen  dann  der  Beginn  des  Eönigthums  in 
Aegypten,  der  Regierungsantritt  Mena's. 

Wir  wenden  uns  nun  zu  den  Götterregierungen.  Nach 
der  ägyptischen  Mythologie  gingen  den  menschlichen  Regie- 
rungen die  der  Götter,  Halbgötter  und  Manen  voraus,  für 
welche  unsere  vorzüglichste  Quelle  ein  Bruchstück  des  Turiner 
Papyrus  ist.  Dasselbe  gibt  uns  freilich  nur  über  den  ersten 
Götterkreis  Auskunft,  indem  es  folgende  Namen  umfasst: 


*  Es  eind  dies  die  Ansätze  des  Fabins  Pictor.  In  Uebereinstimmung  mit 
ihm  yerlegt  Poljbias  III,  22  den  Anfang  der  Republik  in  das  Jahr  508/7. 
et  Mommsen,  Römische  Geschichte,  I^  p.  460  A,  463  A;  p.  204  macht 
er  darauf  aufmerksam,  dass  die  Theilung  des  Ganzen  in  12  Einheiten 
nationalitalisch  sei;  wodurch  sich  die  Zahlen  120,  240  ganz  ungezwungen 
erklären. 

'  Bfidinger  in  Bnrsian's  Jahresbericht  über  die  Fortschritte  der  classischen 
Alterthnmswissenschaft.  1873,  II.  B.,  p.  1182  A. 


142  Krall. 

Fr.    40  Ptab 
Fr.  141  Rä 

Seb 

Osiris  [Isis] 

Sutech 

Horus  300  J. 

Thot    226  J. 

MÄt  (200)  J. 

Hör  .  .  . 

Rubrik. 

Leider  sind  uns  im  Papyrus  die  Regierungen  von  nur  drei 
Gottheiten  erhalten ;  wir  sind  jedoch  aus  einem  anderen  Monu- 
mente im  Stande  uns  zu  vergegenwärtigen,  in  welcher  Weise  die 
Aegypter  bei  der  Bildung  dieser  Zahlen  vorgegangen  sind.  Aus 
den  werthvollen  von  Naville  herausgegebenen,  von  Brugsch 
übersetzten  Inschriften,  ^  über  den  Kampf  des  Horus  und  Sutech 

erfahren  wir,  dass  «Slmv^nn"?" ^(^^]f^'^ 

Anfange  der  Tetra@teris^  363  des  Rä  Qarmachis'  das  Ringen 
der  beiden  gewaltigen  Oegner  begonnen  habe.  Die  Aegypter 
haben  sonach  die  Ereignisse,  welche  sich  nach  ihrer  Mythologie 
im  Laufe  eines  Jahres  vollzogen,  auf  eine  grosse  Periode  von 
365  X  4  Jahren,  deren  einzelne  Tetraäteriden  den  Tagen  des 
gemeinen  Jahres  entsprachen,  übertragen.  Wie  in  dem  letz- 
teren Osiris,  während  der  fünfzig  Tage  des  Jahres,  während 
welcher  der  Samum  über  Aegypten  weht,  der  Machtwaltung 
des  Sutech  weichen  muss ,  bis  er  in  seinem  •  Sohne  Horus  zu 
neuer  Kraft  wiedererwacht,  den  Kampf  mit  Sutech  während 
der  Epagomenen  (361. — 365.  Tag)  aufnimmt  und  seinen  Gegner 
veraichtet,  so  beginnt  in  der  grossen  Periode  von  365  X  ^ 
Jahren,  von  der  363.  Tetraeteris  ab,  gegen  Sutech  der  Kampf. 
Wir  werden  diesen  Angaben  bei  Besprechung  der  Oötterreihe 
der  Excerpta  Barbari  begegnen. 

Wichtiger  als  das  besprochene  Fragment  ist  für  unseren 
Zweck  Fragment  1,   auf  dem   wir  eine  Zusammenfassung  der 


1  Navüle,  Textes  relatifs  an  mythe  d*Honu.  Bragsch,  Abhandlungen  der  6e- 

Bellflchaft  der  Wissenschaften  zu  Göttingen,  XIV,  173. 
'  Cf.  Laath,  Chronologie  p.  29. 


ManethonischM  Qeschichtswerk.  143 

Götterregierungen  vor  ans  haben ;  <  die  ersten  Zeilen  desselben 
sind  sehr  lückenhaft,  aus  der  zehnten  Zeile  jedoch  ersehen 
wir,  dasB  bis  auf  Mena  23.300  -f-  ^  Jahre  verflossen  sind. 
Nach  dem  Zeichen  für  300  bricht  das  Fragment  ab,  es  kann 
jedoch  kein  Zweifel  darüber  sein,  dass  wir  23.376  Jahre  zu 
lesen  haben,  d.  h.  sechzehn  Perioden  zu  1461  Jahren.  Die 
Götterzeit  ist  im  Turiner  Papyrus  cyclisch  zugeschnitten;  vor 
Menes  endete  daher  eine  Periode  von  1461  Jahren,  mit  der 
Tetraeteris  2726/2  begann  eine  neue,  die  Zeit  von  Menes  bis 
aaf  die  Tetraeteris  2726/2  musste  sonach  entweder  eine  oder 
mehrere  Perioden  zu  1461  Jahren  umfassen  (vgl.  p.  140). 

Also  gestaltete  sich  das  allgemeine  Gerüste  der  ägyptischen 
Chronographie  in  der  Zeit  da  sich  in  ihrem  Lande  alles  con- 
ceDtrirte,  was  der  menschliche  Qeist  überhaupt  geleistet  hatte 
und  wo  zugleich  die  Völker  des  damals  bekannten  Erdkreises 
den  Herrschergeboten  der  Pharaonen  sich  fügten.  Aus  dieser 
Zeit  stammt  das  stolze  Wort  Thutmes  III. :  ,Siehe  ewig  wird 
Theben  bestehen,  immerdar  Amon  herrschen,  ich  aber  werde 
erhalten  bleiben  in  der  Sage  der  spätesten  Zeit'.^  Es  kam 
aber  anders  —  die  Macht  Aegyptens  zerfiel  rasch  um  sich 
nimmer  zu  erheben,  der  Cult  des  Amon  wich  anderen  reli- 
giösen Vorstellungen,  und  an  die  Stelle  der  Aegypter  selbst 
traten  ganz  andere  Völker  mit  neuen  Anlagen  und  Hervor- 
bringungen. Wenn  auch  anfangs  nur  zögernd,  haben  die 
Aegypter  sich  doch  genöthigt  gesehen,  die  Vorherrschaft  der- 
selben zuzugestehen,  und  da  sie  nicht  mehr  als  die  Herren 
derselben  gelten  konnten,  haben  sie  sich  als  ihre  Lehrer  und 
Erzieher  betrachtet. 

So  trat  an  die  Aegypter  die  Nothwendigkeit  heran,  ein- 
heimische und  fremde  historische  Ueberlieferungen  in  Ueber- 
einstimmung  zu  bringen,  was  nach  beiden  Seiten  hin  auf  man- 
nigfache Schwierigkeiten  stiess.  Einerseits  fanden  die  Priester 
in  ihren  Aufzeichnungen  nichts  Bestimmtes  über  die  Oriechen 
und  Juden,  deren  Ueberlieferungen  dennoch  vielfach  auf 
Aegypten  hinwiesen   —   ebenso    mochte   es   dem   griechischen 


*  Bong^,  Recherches  p.  162  f.  gibt  22.300  Jahre,  es  ist  jedoch  mit  Lauth 

Chronologie  p.  71  za  lesen  , Jahre  23.300*  .  .  . 
^  Hariette,  Kamak  XVI,  28—30. 


144  Krall. 

Forscher  etwa  des  zweiten   oder   ersten  Jahrhunderts  ei^ehen, 
der  Nachrichten  über  das  Erscheinen   der  römischen  Gesandt- 
schaft in  Athen    während   des   glänzenden   perikleischen  Zeit- 
alters sich  Raths   erholen   wollte  *   —  andererseits   fanden  die 
hohen  Ansätze  der  Aegypter  weder  bei  Griechen   noch  Juden 
rechten  Glauben.     Schon   der   erste   wissenschaftlich   gebildete 
Grieche,  der  Aegypten  bereiste,  Hekataios,  kam  mit  den  Angaben 
der  Priester  in  Conflict  —  er  wusste  ja,   dass  sein  Stamm  im 
sechzehnten  Gliede  auf  einen  Gott  zurückging,  wie  konnte  er 
es  daher  für  möglich  halten,  trotz  des  Hinweises   der  Priester 
auf  die  gewaltigen  Kolosse  der  Piromis,  d.  h.  der  Menschen,^ 
dass  345  aufeinanderfolgende  Generationen  vor  ihm  in  Aegypten 
gelebt  hätten,  von  denen  keine  an  einen  Gott  oder  einen  Heros 
anknüpfte.  ^     Das  Ergebniss   der  Thätigkeit  auf  dem  Gebiete 
der   Verschmelzung    der    Ueberlieferungen   —   besonders  der 
chronographischen  —  der  alten  Völker,  die  in  Aegypten  seit  den 
Saiten   sich   zu   vollziehen  begann,   und   durch   die  Ptolemäer 
neue  Anregungen  erhielt,   waren   einerseits  die   ideoxÖTü)^  {jlu8> 
XoYOU{X6va,^    wie   sie   Josephus   richtig   bezeichnet,    die    Sagen, 
aus  denen  sich  fast  alles  zusammensetzte,  was  von  den  GriecheD 
uns  als  ägyptische  Geschichte  überliefert  worden  ist,    anderer- 
seits die  Reductionen  der  jüdischen  und  später  der  christlichen 
Forscher. 

Auf  Aegypten  wiesen  hin,  von  griechischer  Seite,  die 
Sagen  von  der  lo,  von  Danaus  dem  Bruder  des  Aegyptos,  die 
auch  schon  von  Amasis  officiell  anerkannt  worden  war,  ^  und 
dessen  Nachkommen  Perseus,  sowie  von  dem  Aufenthalte  des 
Menelaus  in  Aegypten  ^'  und  hieran  sich  anschliessend  die  Frage 
nach  dem   in    Homer    genannten   Polybus,  ^   der   natürlich   ein 

^  Livius  III,  31.  Dionysius  X,  öl,  62,  54,  66. 

2  Das  Wort    ^NT  '   **°"*"  ,Meu8chen*   mit  dem  Artikel  Pi-romu  ist 

im  Hieroglyphischen  selten,  desto  h&nfiger  aber  im  Demotisehen  und 
Koptischen  nachzuweisen,  v.  Birch  in  Wilkinson,  Manners  and  Castoms. 
1878,  I,  p.  12  A. 

>  Herodot  II,  143. 

^  Contra  Apionem  I,  16,  3. 

6  Herodot  II,  182. 

«  Herodot  11,  112  f.  Homer  Od.  IV.  351  -352. 

7  Odyssee  IV,  126. 


]fanethoDi«chet<  Geschichtiiwerk.  145 

König  sein  musste,  sowie  von  Heracles  und  dem  grausamen 
Busiris ;  *  von  jüdischer  dagegen  die  Geschichten  Abrahams, 
Josephs,  des  Auszugs  und  besonders  die  Zeitrechnung  der  Er- 
schaffung der  Welt,  der  Sündfluth  und  der  Völkerzerstreuung, 
die  sich  bei  den  ursprünglich  niederen  Zahlen  der  heiligen 
Bücher,  mit  den  hohen  Ansätzen  der  Aegypter  nicht  verein- 
baren liessen. 

Wiewohl  ich  in  anderen  Untersuchungen,  auf  den  Ein- 
flass,  welchen  die  ägyptischen  chronographischen  Systeme  auf 
die  der  Griechen  und  Juden  geübt  haben,  zurückzukommen 
gedenke,  so  muss  ich  doch  auch  in  diesem  Zusammenhange 
auf  einen  Punkt  eingehen ,  der  für  unsere  Ueberlieferung  der 
Hanethonischen  t6{aoi  von  der  höchsten  Bedeutung  gewesen  ist 
—  ich  meine  die  erhöhten  Zahlen  der  Septuaginta.  Im  3.  und 
2.  Jahrhunderte  vor  Christi  ist  diese  griechische  Uebersetzung 
des  alten  Testaments  entstanden,  *^  in  einer  Zeit  sonach,  welche 
wie  wir  gesehen  haben,  die  Traditionen  der  östlichen  Völker 
in  Einklang  zu  setzen  bemüht  war.  Sollte  dieses  Streben  an 
der  in  Aegypten  und  wohl  in  Alexandrien  entstandenen  Septua- 
ginta spurlos  vorübergegangen  sein?  Ein  Blick  auf  eine  ver- 
gleichende Zusammenstellung  der  Zahlen  für  die  Patriarchen 
vor  und  nach  der  Fluth  in  dem  hebräischen  Urtexte  und  in 
der  Septuaginta^  wird  uns  leicht  vom  Gegentheile  überzeugen. 
Den  Zeitraum  von  Adam  bis  zur  Fluth  hat  die  griechische 
Uebersetzung  um  606,  den  bedeutend  kürzeren  von  der  Fluth 
bis  auf  die  Einwanderung  Abrahams  gar  um  650  Jahre  ver- 
längert, und  dies  alles  nur  vom  Bestreben  geleitet,  den  Anfang 
der  Menschengeschichte  im  Anschluss  an  die  ägyptischen  Ueber- 


'  Lepsins,  Chronologie  der  Aegypter  273  f. 

'  De  Wette-Scfarader,  Einleitang  in  das  alte  Testament,  p.  92  f. 

3  Ich  verweise  auf  die  Tabellen  bei  Delitzsch  Genesis  I,  429«  430.  Von 
Adam  verflossen  bis  znr  Fluth  nach  dem  hebräischen  Texte  1656  Jahre 
(130  +  105  4-90  +  70  +  65  +  162  -f-  65  +  187  +  182  +  500  +  100) 
nach  der  Septuaginta  dagegen  2262  Jahre  (230  +  205  +  190  +  170 
+  166  +  162  +  187  +  188  +  600  +  100).  Von  der  Fluth  oder  genauer 
von  der  Geburt  Arpachsad's  bis  auf  Abrahams  Einwanderung  Hess 
der  hebräische  Text  365  Jahre  (100  +  35  +  30  4-34  +  30  +  32  +  30 
+  29  +  70  +  75),  die  Septuaginta  hingegen  1015  Jahre  (100  +  135 
+  (130)  +  130  +  134  +  130  +  132  +  130  +  79  +  70  +  75)  verstreichen, 
flitnngsber.  d.  phil.-hiit.  Cl.  XCV.  Bd.  I.  Hft.  10 


146  Krftll. 

lieferungen  möglichst  hoch  hinaufzurücken.    Ohne  an  der  über- 
lieferten   Lebensdauer   der    Patriarchen  ^    im    Allgemeinen  zu 
rütteln,   haben   die  Urheber  der  Septuaginta  dies  dadurch  er- 
reicht, dass  sie  das  Alter,  welches  die  Urväter  bei  der  (Geburt 
ihres  Erstgebornen  hatten,  fast  durchgehends  um  100  Jahre  e^ 
höhten.  Auch  f&r  die  Zeit  von  Abrahams  Einwanderung  bis  zum 
Tempelbau^  weicht  der  griechische  Text  von  dem  hebräischen, 
wenn  auch  nicht  mehr  so  bedeutend,  ab;    so  waren,   von  dem 
Aufenthalte   der  Juden  in  Aegypten   abgesehen  —   nach  der 
Septuaginta  verstrichen  von  der  Einwanderung  Abrahams  bis 
zum  Auszuge  430  Jahre,   von   denen  die  Hälfte  auf  den  Auf- 
enthalt der  Juden  in  Aegypten  entfielen  —  zwischen  dem  Aus- 
züge und  dem  Tempelbau   nach   dem   hebräischen  Texte  480, 
dagegen  nach  der  Septuaginta  nur  440  Jahre  verflossen.    Die 
Zeit  des  Tempelbaus    lässt  sich   freilich   nicht   bestimmt  fest- 
stellen, ^  wir  können  jedoch,  da  es  für  unseren  Zweck  auf  eine 
genaue  Angabe  gar  nicht  ankommt,    für  denselben    die  Mitte 
des  10.  Jahrhunderts  vor  Christi  annehmen. 

Tempelbau c.     950  a.  Ch. 

Vom  Auszuge  bis  auf  denselben 440  J. 

Wanderschaft  in  Canaan  und  Aegypten 430  „ 

Von  der  Fluth  bis  auf  Abrahams  Einwanderung     1015  „ 

c.  2835  a.  Ch. 

Nach  den  Zahlen  der  Septuaginta  fällt  daher  die  Oeburt 
ArpachSad's  etwa  2835  vor  Christi,  und  da  er  135  Jahre  alt 
bei  der  Geburt  Selah's  war,  so  fällt  seine  Generation  etwa 
in  die  Jahre  2835—2700  vor  Christi.  Arpachfiad  ist  nun  der 
Sohn  Sems,  dessen  jüngerer  ^  Bruder  Ham  in  der  Genesis  als 
der  Vater  Mizraims  bezeichnet  wird,  des  ersten  Aegypters  nach 
der  Bibel,  des  Begründers  des  ägyptischen  Staates  überhaupt, 
wie  er  ja  auch  in   der  That   in   den    unter  dem  Einflüsse  der 


>  Oppert,  La  Chronologie  de  la  Gen&ae,  p.  5  f.  Berthenu  im  JahreaberichtP 
der  deutschen  morgenländischen  Gesellschaft.  1845,  p.  40  f.  Lepsius, 
Chronologie  der  Aegypter  p.  394  f.  Prenss,  die  Zeitrechnung  der  Septua- 
ginta p.  30  f. 

'  Unger,  Chronologie  p.  232. 

3  Delitzsch,  die  Genesis  I,  p.  272. 


] 


HanethonischeB  0«8chich«8w«rk.  147 

heiligen  Schrift  entstandenen   Königslisten  ^   an   der  Spitze  der 
menschlichen  Könige  erscheint.     ArpachSad  und  Mizraim  sind 
sonach  Vettern  und  Zeitgenossen,  und  es  gehört  auch  des  letz- 
teren Generation   etwa  in  die  Jahre  2835 — 2700  vor  Christi, 
d.  h.  die  Tetraeteris  2726/2,  der  Beginn  der  festen  ägyptischen 
Zeitrechnung  und  daher  der   sicher  beglaubigten   Geschichte, 
fallt  in  die  Generation   Mizraims,    und   wir  erhalten    aus  den 
Zahlen  der  Septuaginta,  die  unter  der  Einwirkung   der   ägyp- 
tischen  Zeitrechnung  zugeschnitten   sind,   einen   neuen  Beleg 
für  die  Richtigkeit  unserer  bisherigen  Ausführungen.  Als  unter 
den  Chronographen  die  Anschauung  sich  geltend  machte,  dass 
anter  Phalek  die  Völkerzerstreuung  eingetreten  sei,   da  sehen 
wir,  dass  Africanus  dessen  Generation  in  die  Jahre  2841 — 2712 
setzte,  derart,   dass  die  Tetraöteris   2726/2,   mit  der  die  feste 
ägyptische  Zeitrechnung  und  auch  der  zweite  t6[ijq^  begann,  in 
die  Zeiten  Phaleks  fiel,  vor  dem  ja  an  den  Anfang  von  Staaten 
nicht  recht  zu  denken  war.  Wenn  ferner  das  chronographische 
System  des   Eusebius  mannigfaltige  Uebereinstimmungen   mit 
dem  ägyptischen  zeigt, ^   so   wird   uns   dies,   nachdem  wir  ge- 
sehen haben,    dass  die  Zahlen  der  Septuaginta  selbst  von  der 
Gleichung  Mizraim   =   Anfang  der    sichern    ägyptischen   Ge- 
schichte beeinflusst  sind,  gar  nicht  auffallend  erscheinen,  und 
wir  werden  daher  unsere  Zuflucht   zu   der  sehr  unwahrschein- 
lichen Annahme  nicht  zu  nehmen  brauchen,  dass  Eusebius  sein 
chronographisches   System    nach   den    ihm    vorliegenden    T6[jLot 
bearbeitet  hat,    denen   er  in   seinem  Canon   gar  nicht  gefolgt 
ist,  wie   dies   die  Vergleichung    der   Ansätze    {fiv  die   letzten 
Dynastien  deutlich  zeigt.  "^ 


*  So  beginnt  der  Canon  des  Syukellos  mit  ME(rrpa\[x  6  xat  Myjvt);. 
'  V.  Petsl,  Das  chronologische  System  Manetho*8.  1878,  p.  101  f. 
>Ttf(totde8  Ensebins  XXIX.  Dynastie:    Nepherite  annis  VI,  Akhöris 

annis  XIIL  Phsammnthes  anno  I  Mathesanno  I,  Nepherites  mensibns  IV 

Canon  des  Eusebins  Ephirites  a.   6,   Achoris  a.   12,  Psamathes  a.  1, 

Hephirites  a.  18. 

T^)ioi  XXX  Dynastie:  Nectanebis  annis  X,  Teos  annis  II,  Nectanebns 

annis  YIII,  Canon  Teos  a.  2.  Nectanebns  (alter,   adhnc?)  a.  18  (19  Z). 


10* 


148  Krall. 

Dem  neuen  Culturvolke,  den  Griechen,  welches  unter  der 
Herrschaft  der  Ptolemäer  alle  Schichten  des  ägyptischen  Volkes 
zu  durchdringen  begann,   fehlte  zu  einer  richtigen  Darstellung 
ägyptischer  Geschichte  die  genaue  Kenntniss  der  Sprache,  sowie 
überhaupt  das  tiefere  Eingehen  auf  die  Eigenart  des  ägyptischen 
Volkes;  zugleich  war  ihnen  wohl  auch  die  Einsicht  der  in  den 
Tempelarchiven  aufbewahrten  heiligen  Schriften,  ohne  welche 
an  eine  richtige  Darstellung  ägyptischer  Geschichte  gar  nicht 
zu  denken  war,   verwehrt.     Da  unternahm  es  im  3.  Jahrhun- 
derte vor  Christi  ein  ägyptischer  Priester  selbst,  der  ganz  mit 
griechischer   Bildung   erfällt   war,  *   Manetho   aus   Sebennytos, 
den  Griechen  die  Geschichte    seines   Volkes   quellenmässig  zu 
erzählen,     lieber    Manetho's   Leben   sind    wir    fast   gar  nicht 
unterrichtet,    wir  wissen  nur^    dass  er  in  den  letzten  Lebens- 
jahren Ptolemäus  I.  schon  die  priesterliche  Laufbahn  beschritten 
hatte^^   und   dass   sonach   unter   dessen   Nachfolger  Ptolemäus 
Philadelphus  der  Höhepunkt   seines  Wirkens  fiÜIt.  ^    Alle  an- 
deren Angaben,   die   sich   beim   Synkellos  finden,    haben  nur 
einen  problematischen  Werth,    da  sie   auf  die  Widmung  der 
unechten    ßißXog    xi^q   SojOecog    zurückgehen.^     Eine    Reihe   von 
Schriften  wird  auf  ihn  zurückgeführt,   von   allen   sind  jedoch 
nur  spärliche   Fragmente   auf  uns  gekommen.    Gewiss  gehen 
auf  Manetho  folgende  Werke  zurück:*^ 


1  Josephus  C.  A.  I  14,  1  t^;  'KXXvjvtxijf  [iETEa)rf)xoi>(  :cai$E{ac. 

2  Vgl.  meine  Schrift  »Tacitus  und  der  Orient*  (Wien  1879,  bei  Konegen),  I. 

3  Da  die  Angabe  zn  dem  vierten  Könige  der  XII.  Dynastie  der  tö^loi* 
AayapT);  o(  lov  ev  ''ApaivofrT)  XaßupivOov  iauTco  ra^ov  xaiEoxEuaae  doch  wohl, 
wie  Unger ,  Chron.  2,  annimmt,  von  Manetlio  herrührt,  so  haben  wir 
neben  der  Angabe  Plntarch*8,  einen  weiteren  festen  Anhaltspunkt  sor 
Bestimmung  der  Lebenszeit  Manetho^s,  sowie  hauptsächlich  der  Abfaasungs- 
zeit  der  A?YU7CTiaxa  gewonnen.  Die  Stelle  muss  einige  Zeit  nach  der 
Vermlihlung  der  Arsinoe  mit  Ptolemäus  II.  geschrieben  sein,  da  er  ja  zu 
Ehren  seiner  Schwester  und  Gemahlin  der  Stadt  Krokodilopolia  den 
Namen  Arsinoe  gab.  Die  Heirat  fand  nach  Unger  (1.  1.  p.  2)  im  Jahre 
277  statt.  Droysen  (Geschichte  der  Epigonen  I,  268  A)  verlegt  sie  da- 
gegen ziemlich  dicht  vor  das  Jahr  266.  In  unseren  Untersuchungen 
,Tacitus  und  der  Orient',  haben  wir  uns  dem  Ansätze  Ungera  ange- 
schlossen. 

*  Synkellos  p.  40  A.  Günstiger  urtheilt  über  dieselben  Lepsius,  Chrono- 
logie, p.  406. 

*  Müller,  F.  H.  Gr.  II,  511  f.    Parthey,  Ueber  Isis  und  Osiris  p.  180  f. 


MaaethoiiischM  Oetchichtswerk.  149 

1)  Ai-fiwrrtaxi 

2)  'lepi  ß{ßXo<; 

3)  4>WlXü>V    eXtTOfAI^ 

4)  Il€pl    ^Optbiv 

5)  Ilspt  dpxaVa[Aou  xae  euaeߣ((Z^ 

6)  Ilepl  xaiaaxeut];  xu9{(ov. 

Ob  die  vier  letztgenannten  Schriften  nur  Theile  der 
\i^x  ßißXo<;,  was  uns  mit  Fruin  *  das  Wahrscheinlichste  scheint, 
oder  ob  sie  selbstständig  erschienen  sind,  lässt  sich  mit  Sicher- 
heit nicht  erkennen. 

Von  den  angeführten  Werken  wird  uns  fortan  nur  das 
erstgenannte,  die  Al-^u^JTzioaui  zu  beschäftigen  haben,  von  dem 
zum  Glücke  uns  zahlreiche  Fragmente^  erhalten  sind.  Unter 
diesen  kommen  für  unsere  Untersuchungen  diejenigen  in  erster 
Linie  in  Betracht,  welche  Josephus  in  seiner  Streitschrift 
gegen  Apion^  uns  gibt;  einerseits  weil  Josephus  nach  seiner 
eigenen  Versicherung  wenigstens^  seinen  Gewährsmann  grossen- 
theils  wörtlich  wiedergibt,  andererseits  weil  er  unter  den 
Quellen,  auf  die  wir  bei  der  Untersuchung  der  Fragmente 
Manetho's  angewiesen  sind,  Manetho  der  Zeit  nach  am  näch- 
sten steht,  was  bei  einem  Autor,  der  wie  wir  noch  sehen 
werden,  im  Laufe  der  Zeit  so  mannigfaltige  Umgestaltungen 
erfahren  hat,  sehr  viel  zu  bedeuten  hat.  Jede  Untersuchung 
der  Manethonischen  Fragmente  hat  sonach  von  der  primären 
Quelle,  von  des  Josephus  Schrift  Contra  Apionem  auszugehen 
und  vorerst  an  der  Hand  derselben  eine  möglichst  deutliche 
Vorstellung  von  der  Anlage  der  AtYiwrcioxct  zu  gewinnen,  die 
noch  immer  trotz  der  fortschreitenden  Erforschung  der  Denk- 
mäler unsere  Hauptquelle  für  die  ägyptische  Geschichte  bilden 
müssen.  In  zweiter  Linie  kommen  dann  für  unsere  Untersuchung 


1  Hanetho  p.  LXXVI. 

^  Ich  bediene  mich  für  den  Africanus  der  Ansg^be  von  Unger  in  seiner 
Chronologie  des  Manetho. 

'  Der  eigentliche  Titel  dieser  erst  nach  dem  Jahre  101  verfassten  Schrift 
ist  ixp\  Tcov  ^louBa{(ov  ap)^at^T7)T0(.  Bei  Hieronymns  finden  wir  sie  dagegen 
Qnter  dem  jetzt  allgemein  fiblichen  aber  wenig  passenden  Namen  auf- 
geführt: xai  6uo  ap^ratoTT^To;  xata  ^Ati^cdvo^  Ypa(A[iaTixou  'AX€^av8p^(i){.  Cf. 
J.  G.  Müller,  Des  Josephns  Schrift  gegen  den  Apion  p.  17  f« 

^  Wir  kommen  hierauf  p.  152  zurück. 


150  Kr*ll. 

in  Betracht  die  t6[aoc  des  Julius  Africanus  und  Eusebius  ^  sowie 
die  Excerpta  latina  Barbari.  ^     Während  uns  Josephus  Bruch- 
stücke  aus  den  ßCßXot   der  A^Yurnonca  bringt,  haben  wir  es  hier 
zu  thun   mit  üebersichtstafeln '  zu  chronologischen  Zwecken, 
die  aus  den  ßCßXot  gezogen  worden   sind,   etwa  in   der  Weise 
wie  Mark  Aurel  sich  ausdrückt :   feci  excerpta  ex  libris  60  in 
5  tomis.^  Während   uns   in  den  ß(ßXot  die  ernste  und  gedrun- 
gene Darstellungsweise  Manetho's  entgegentritt^  werden  uns  in  den 
t6{jloi  dürre  Namen-  und  Zahlenverzeichnisse   geboten,  die  hie 
und  da  von  kurzen  Notizen  und  Synchronismen  ans  griechischer 
und  jüdischer  Geschichte   unterbrochen  werden  und    in   den 
t6(xoi  des  Barbarus  sogar  gänzlich  fehlen.   Noch  trüber  fliessen 
die   Quellen,   die   uns   in   dem   Vetus  Chronicon  und   in  den 
Bruchstücken    aus   dem   Sothisbuche   beim   Synkellos   erhalten 
sind.     Ihre  Verfasser  haben  kein  Interesse  mehr  für  Personen 
und  Ereignisse,  sondern  nur  für  Zahlen,  ihre  Quellen  sind  die 
t6{xoi  und  die  heilige  Schrift,  Quellen  sonach,  die  auch  uns  zur 
Verfügung  stehen    —  für  unsere    Untersuchungen    haben   sie 
daher  keine  Bedeutung,  sie  können  uns  höchstens  zeigen,  bis 
zu   welchem    Grade    die    Verstümmelung    der   ursprünglichen 
Manethonischen  Angaben  gediehen  ist. 

Schon  Boeckh^  hat  dargethan,  dass  das  alte  Chronicon 
ein  Machwerk  späterer  Zeit  sei,  welches  zum  Behufe  der 
Rechtfertigung  der  biblischen  Zeitrechnung  gegenüber  der 
ägyptischen  angefertigt  wurde.  Es  umfasste  36.525  Jahre, 
d.  h.  25  Cyclen  von  je  1461  Jahren,  die  auf  30  Dynastien  und 
113  Geschlechter,  die  in  Auriten,  Mesträer  und  Aegyptier  zer- 
fielen, vertheilt  waren.  Das  Chronicon  begann  mit  den  Oötter- 
regierungen  und  endigte  mit  Nectanebus,  mit  der  Eroberung 
Aegyptens  durch  Ochus  sonach,  mit  welcher  der  Verfasser  eine 
Sothisperiode  eintreten  liess.  Nach  den  Darlegungen  von  Boeckh^ 


^  A.  Schöne,  Eusebi  Chronlcomm  llbri  dno,  I,  131  f. 

»  Schöne  L  1.  I,  177  f. 

'  Das  Wort  t^(jio(  als  Synonym  mit  unserem  Worte  Tafel,  findet  sich  an 

verschiedenen  Stellen,  wir  erinnern  an  das  6  tou  noi9)(a 'z6\lo^  des  Anian 

beim  Synkellos.  Unger,  Chronologie  p.  9  f. 
*  Bei  Fronto  II  13,  Unger,  Chronologie  p.  10. 
»  Manetho  p.  424  f. 
>  Manetho  1.  1. 


HluiothoDisclMf  GeBchichtiw«rk.  151 

Laath  ^  und  Unger,  ^  auf  die  wir^  sowie  wir  das  Sothisbuch 
berOhren,  verweisen,  ist  die  Bedeutung  des  Vetus  Chronicon 
^^  S®1^>  ^^  wissen  nun,  dass  seine  Quelle  die  t6{xoi  des 
EosebiuB  waren ;  und  dass  es  allem  Anscheine  nach  in  der 
zweiten  Hälfte  des  4.  Jahrhunderts  entstanden  ist. 

Auch  die  Unechtheit  des  Sothisbuches  ist  von  Boeckh^ 
mit  durchschlagenden  Gründen  dargethan  worden,  v.  Gutschmid  ^ 
and  im  Anschlüsse  an  ihn,  Lauth^  haben  die  Werthlosigkeit 
der  von  dem  Sothisbuche  als  manethonisch  gegebenen  Zahl 
3555  zur  Gewissheit  erhoben ;  Lepsius  ^  und  Unger  ^  verdanken 
wir  den  Nachweis,  dass  es  jünger  als  das  Vetus  Chronicon 
ist,  dem  es  nach  Zweck  und  Werth  vollkommen  gleichsteht. 
Zur  Ausfüllung  der  Dynastien,  die  in  den  t6(jloi  ohne  nament- 
liche Angabe  der  einzelnen  Könige  aufgeführt  erscheinen,  hat 
der  Verfasser  des  Sothisbuches  die  willkürlichsten  Namen  er- 
fanden —  so  die  ganze  Reihe  von  Ramesses,  Ramessomenes, 
Ramesseseos,  Ramessomeno,  Ramesse  Jubasse,  Ramesse  Uaphru, 
die  wie  Lepshis  und  Lauth^  dargethan  haben,  die  XVI.  Dy- 
nastie der  TÖjiboe  darstellen  sollen. 

Ebenso  wenig  als  das  Vetus  Chronicon  und  das  So- 
thisbuch, werden  wir  bei  unseren  Untersuchungen  ein  drittes 
Machwerk  in  Betracht  ziehen,  nämlich  die  angebliche  erato- 
sthenische  Liste,  die  uns  Sjnkellos  theil weise  erhalten  hat. 
Schon  Rask  hat  darauf  hingewiesen,  dass  die  fUnfzehn  ersten 
Könige  dieser  Liste  gerade  wie  die  fünfzehn  Geschlechter  des 
Chronicon  443  Jahre  umfassen,  in  neuester  Zeit  hat  H.  Diels 
den  Beweis  erbracht,  dass  die  Liste  ein  Machwerk  der  nach- 
christlichen Zeit  sei.  ^ 

Nachdem  wir  uns  also  den  Weg  frei  gemacht  haben, 
wenden  wir  uns  zur  Betrachtung  der  Manethonischen   Frag- 

Manetho  p.  14  f. 

Chronologie  des  Manetho  p.  20  f. 

Manetho  p.  396  f. 

Bettrige  rar  Geschiclite  des  alten  Orients  p.  8. 

Manetho  p.  17. 

Chronologie  p.  413  f. 

Chronologie  Manetho^s  p.  29  f. 

Manetho  p.  22. 

Chronologische  Untersnchangen  über  ApoUodor^s  Chronica  (Rheinisches 

Museum  31  Bd.,  p.  1  f.). 


152  Krall. 

mente,  wie  sie  uns  bei  Josephus  vorli^en;  ihn  müssen  wir 
nach  den  Grundsätzen  der  historischen  Kritik,  da  Manetho's 
Werk  verloren  gegangen  ist,  als  den  ältesten  Zeugen  über 
dasselbe  vernehmen. 


I.    Capitel. 
Die  Fragmente  des  Josephus. 

Die  Manethonischen  Fragmente  bei  Josephus  behandeln 
den  Einfall  der  HyksoS;  ihre  Herrschaft  über  Aegypten,  sowie 
ihre  Vertreibung  durch  das  nationale  Königthum,  ferner  die 
Geschichte  des  Sethotis  und  Armais,  in  welche  getrübte  Er- 
innerungen an  den  Kampf  zwischen  Sutech  (Seth)  und  Har- 
machis  hineinspielen,  endlich  den  Auszug  der  Juden,  bei  dem 
Josephus  näher  verweilt.  Zur  Ausfüllung  der  Zeit,  welche 
zwischen  diesen  Ereignissen  verflossen  ist,  dienen  verschiedene 
Königslisten,  die  von  Synchronismen  aus  assyrischer  und 
griechischer  Geschichte  begleitet  werden. 

So  wenig  umfangreich  und  zusammenhängend  diese  Frag- 
mente auch  sind,  so  geben  sie  uns  doch  ein  ganz  genügendes 
Bild  von  der  knappen  und  ernsten  Darstellung  Manetho's,  die 
uns  von  Josephus  theils  wörtlich,  theils  auszugsweise  wieder- 
gegeben wird.  Hier  ist  es  vor  allem  für  uns  wichtig  festzu- 
stellen, mit  welchem  Grade  von  Genauigkeit  Josephus  bei  der 
wörtlichen  Wiedergabe  Manetho's  vorgegangen  ist,  wobei  uns 
wohl  zu  Statten  kommt,  dass  Josephus  sich  bei  der  Wider- 
legung der  Darstellung  Manetho's  über  den  Auszug  der  Juden, 
veranlasst  sieht,  dieselbe  noch  einmal  vorzuführen.  Die  Ver- 
gleichung  dieser  beiden  Reproductionen  des  Manethonischen 
Textes  ^  zeigt  uns ,    dass  wir  bei  Josephus   auch  in  den  wört- 

^  I  26,  11:  ^AvaXaßtjjv  te  t^v  te  ''Aniv  xai  Ta  SXka  xa  sxEtai  (JLETaTKfi^O^vTa 
Isp«  ^(ua,  e06u(  e2(  A?6to3c{av  aviJyOr]  wird  I  28,  10  wiedergegpebei/  \K\U' 
v(i)9iv  il^  T^v  Ai6ioic(av  sOBu;  ovoBpavai,  tov  61  ^Aniv  xa{  nva  rtov  oXXtov 
Up(uv  ^(u(ov  napaTE6Eix^vai  Tot;  UpEuai  SiocouXaTTEaOai  xsXEuaovTa  oder  1 26, 
13:  Ol  ok  MoXu^rrai  .  .  .  xai  Oiia^  xai  a^ayEt?  toutwv  (sc.  Tt5v  Uptuv  ?^cou>v) 
UpEt;  xoci  Tzpo^if^XA^  i^vo^xal^oy  ■>(if*zfj^on  verwandelt  sich  I  28,  11  in  tou; 
'l£poooXu|Ji{Ta(  .  .  .  xai  tov>;  hpia^  otTEoa^dttTEiv.   Ferner  I  28,  5  (iia  o^^eoov 


ManethoniscliM  GMchichtswerk.  153 

liehen  Fragmenten  keine  vollkommen  genaue  Wiedergabe  seiner 
Vorlage  zu  suchen  haben,  sondern,  dass  er  im  Gegentheile 
sich  zahlreiche  Ungenauigkeiten  und  Versehen  hat  zu  Schulden 
konmien  lassen,  wie  er  denn  auch  I  26,  11  Kamses,  den  Sohn 
des  Amenophis,  als  Treviasii^^  uns  vorführt,  während  er  ihn 
I  33,  6  dagegen  veavtai;  nennt ;  ja  nach  I  29,  5  soll  er  zu  der- 
selben Zeit,  also  als  ein  (unijähriger  Knabe,  ein  Heer  gegen 
die  eingefallenen  7cot(i^ei;  geführt  haben. 

StoBsen  wir  demnach  schon  hier  auf  eine  Trübung  des 
Manethonischen  Berichtes,  wie  er  dem  Josephus  vorlag,  so  er- 
öfihet  sich  uns  keine  erfreuliche  Aussicht,  wenn  wir  die  Frage 
aufwerfen,  welche  Veränderungen  das  ursprüngliche  Manetho- 
nische  Qeschichtswerk  bis  auf  die  Zeit,  wo  Josephus  sein 
Bach  Contra  Apionem  schrieb,  erfahren  hat,  d.  h.  während 
eines  Zeitraumes  von  ungefähr  drei  und  ein  halb  Jahrhun- 
derten. Allem  Anscheine  nach  lagen  Josephus  zwei  verschie- 
dene Handschriften  der  AiYurnoxa  vor,  aus  denen  er  uns  zwei 
ganz  abweichende  Erklärungen  des  Namens  der  Hyksos  gibt.  ^ 
Die  eine  derselben,  die  mit  den  Denkmälern  vollkommen 
übereinstimmt,  gehört  wohl  Manetho  an,  während  die  andere, 
welche  eine  geringe  Eenntniss  der  ägyptischen  Sprache  vor- 
aussetzt, uns  an  die  schönen  Erklärungen  in  der  Königsliste, 
die  dem  Eratosthenes  zugeschrieben  wird,  erinnert;  sie  findet 
jedoch  die  Billigung  des  Josephus,  da  sie  den  Vorzug  hat,  mit 
der  jüdischen  Tradition  besser  in  Einklang  zu  stehen,  wodurch 
sie  sich  freilich  in  unseren  Augen  als  ein  später  Zusatz  irgend 
eines  jüdischen  Gelehrten  documentirt.  Zu  den  Ungenauig- 
keiten, die  sich  Josephus  bei  der  Wiedergabe  seiner  Quelle 
hat  zu  Schulden  kommen  lassen,  treten  sonach  die  Verände- 
rungen hinzu,  die  jüdische  und  griechische  Gelehrte,  die  gleich- 
massig durch  ihre  Ueberlieferungen  auf  die  ägyptische  Chro- 
nologie und  Geschichte  gewiesen  waren,  am  Manethonischen 
Texte  vorgenommen   haben,    und  deren  Tragweite  wir  leider 


fl^pq.  auXXsyiivai  wovon  I  26,  6,  wo  der  Bericht  Manetho's  wörtlich 
wiedergegeben  wird,  nichta  steht  Ebenso  I  27,  1:  IvJxijaov  (sc.  Tob; 
j»t{xba(  xai  TOU(  p.tapou{)  xai  icoXXou;  ob:oxT£(vavTE(  ISfco^av  auTou;  Syijpt  tcov 
op(<i>v  TfJ;  IiMpiai  dagegen  ausföhrlicher  I  29,  7 :  6  8k  {i^XP^  '^^  Supfa; 
svaiptuv,  ^i)9iv,  auTOu^  i^xoXouOtjoe  $ia  t^c  (|;a[jL[jLou  X7\^  avuopou. 
'  C.  A.  I  14,  16. 


154  Krall. 

ZU  ermessen  gar  nicht  in  der  Lage  sind.  Erwägt  man  ferner, 
dass  auch  unser  Text  des  Josephus  viel  zu  wünschen  übrig 
lässty  ^  so  wird  man  zugeben  müssen ,  dass  wir  selbst  bei  den 
Fragmenten  die  uns  Josephus  bringt^  uns  auf  keinem  sicheren 
Boden  bewegen. 

Wir  wenden  uns  nach  diesen  einleitenden  Betrachtungen 
zu   den  Königslisten   und  den   chronologischen   Angaben,  die 
uns  Josephus  mittheilt,  da  dieselben  für  unsere  Untersuchung^ 
welche  die  Fragmente  Manetho's   nicht  nach   ihrer  sachlichen, 
sondern  ihrer  chronologischen  Seite  hin,  zu  prüfen  hat,  haupt- 
sächlich in  Betracht   kommen.     Werthvoll   ist  fiir  uns  hiebei 
eine  Bemerkung  von  Josephus,  aus  der  wir  erfahren,  dass  Ma- 
netho  jedem  Könige  auch  die  Zeit  seiner  Regierungsdauer  sorg- 
fältig beigefügt  bat.  ^  Bevor  wir  die  Königsreihen  näher  ins  Auge 
fassen,  müssen  wir  zweierlei  uns  ins  Gedächtniss  zurückrufen, 
einmal  die   Flüchtigkeit,   mit  der  Josephus  arbeitet,    und  die 
besonders  in  chronographischen  Dingen  sich  leicht  rächt,  sodann, 
dass  wir  es  mit  den  Fragmenten  eines  Autors  zu  thun  haben, 
dessen  Genauigkeit,  selbst  für  die  ältesten  Zeiten,   die  Tafeln 
von  Saqqarah  und  Abydos  auf  das  glänzendste  bestätigt  haben. 
Wir  gehen  daher  von  der  Ansicht  aus,  die  wohl  bei  Niemanden 
Anstoss  erregen  wird,  dass  grobe  Verstösse  in  einer  an  Monu- 
menten so  reichen  Zeit,  wie  die  der  Thutmosiden  und  Rames- 
siden  es  ist,  bei  Manetho  nicht  vorauszusetzen  sind. 

Josephus  gibt  uns  drei  Königsreihen.  Die  erste  I  14,  8 
enthält  die  Hyksoskönige,  die  zweite  I  15,  2  deckt  sich  grossen- 
theils  mit  der  XVIII.  Dynastie  des  Africanus  und  Eusebius, 
die  letzte  I  26,  4  mit  der  XIX.  Dynastie. 

Die  Reihe  in  I  15,  2  lautet: 

Thutmosis  regiert  nach  der  Vertreibung  der 

Hyksos 25  Jahre  4  Monate 

Chebron,  sein  Sohn 13       „ 

Amenophis 20      „        7       „ 

Amessis,  seine  Schwester 21       „        9       „ 

Mephres    12      „        9       „ 


1  y.  Gutochmid,  Beiträf^  16. 
3  C.  A.  1  26,  3. 


Manethonischea  OMchichUwerk.  lof) 

MephramuthosiB 25  Jahre  10  Monate 

ThmosiB    .  .  / 9  „  8  „ 

Amenophis 30  „  10  „ 

Gros 36  „  5  ^ 

AkenchriB,  seine  Tochter 12  „  1  „ 

Rathotisy  ihr  Bmder 9  ;, 

Akencheres 12  „  5  „ 

Akencheres 12  „  3  „ 

Annais 4  „  1  „ 

Ramesses 1  „  4  „ 

Armesses  Miamun     66  „  2  „ 

Amenophis 19  „  6  „ 

Die  Reihe  wird  von  einem  Könige  eröffnet^  der  von  Jo- 
sephas  beharrlich  Thutmosis  genannt  wird;  es  kann  jedoch 
kein  Zweifel  darüber  bestehen,  dass  wir  es  hier  mit  dem  Ver- 
treiber  der  Hyksos,  A^mes  zu  thun  haben.  Weiter  unten 
werden  wir  zu  untersuchen  haben,  wie  denn  Josephus  zu  seiner 
abweichenden  Namensform  gekommen  ist ,  ^  hier  genügt  es 
darauf  hinzuweisen,  dass  die  25  Jahre,  die  diesem  Könige 
beigelegt  werden,  vortrefflich  mit  den  monumentalen  Angaben 
stimmen,  die  das  22.  Jahr  des  Abmes  verzeichnen.^ 

Als  dessen  Nachfolger  bezeichnet  Josephus  dessen  Sohn 
Chebron  und  dann  Amenophis ;  nach  den  Denkmälern  dagegen 
folgte  auf  Abmes  vorerst  sein  Sohn  Amenbotep  I.   und   dann 

Thutmes  I.  mit  dem  Beinamen  O  fl  ^  [    ]  Chep(er)-Rä-qa-ää, 

in  welchem  wir  das  griechische  X^ßpcov  erkennen.  Wir  haben 
es  sonach  mit  denselben  Königen  zu  thun,  nur  mit  dem  Unter- 
schiede, dass  in  der  Reihe  des  Josephus  ihre  Folge  ver- 
tauscht ist. 


*  Der  annenische  EiuebinB  hat  für  ThutmosiB  die  ursprüngliche  Form 
Sethmosis  und  wir  glauben,  dass  Josephus  den  König  Set-nub-ti-Sä-pet^ti, 
auf  den  wir  in  unserem  Excurse  zurückkommen,  mit  Al^mes  entweder 
verwechselt  oder  verschmolzen  hat. 

^  Rmgsch,  Geschichte  Aegyptens  258  f.  Cf.  überhaupt  die  vollstfindige  Zu- 
sammenstellung unserer  Nachrichten  über  die  XVIII.  Dynastie  des  Afri- 
eanus  and  Eusebius  von  Dr.  Wiedemann  in  der  Zeitschrift  der  morgen- 
lindischen  Gesellschaft  Bd.  31  und  32,  und  Pleyte,  ^Königin  Makara* 
(Aeg.  Z.  1874,  p.  43  f.). 


156  Krall. 

Als  Nachfolgerin  des  Amenophis  bezeichnet  Josephus 
dessen  Schwester  Amessis.  Die  Denkmäler  wissen  dagegen 
Folgendes  zu  berichten :  Thutmosis  I.  hinterliess  drei  Kinder, 
eine  Tochter  Haiop  und  zwei  Söhne,  die  späteren  Thutmosis  IL 
und  III.  ^  von  denen  der  letztere  noch  unmündig  war.  Auf 
den  Vater  folgte  Thutmosis  IL,  der  nach  ägyptischer  Sitte  mit 
seiner  Schwester  Ha§op  sich  vermählte,  die  nach  dem  bald 
eingetretenen  Tode  ihres  Gemahls  und  Bruders  die  Regierung 
für  ihren  Bruder  Thutmes  IIL  führte.  ^  Zu  wiederholten  Malen 
finden  wir  Hasop  neben  ihrem  königlichen  Qemahl  Thutmes  11. 

als  ü         ^^  Amon-sat  bezeichnet, d.h. Amensis  oder  Amessis.^ 

Die  Liste  des  Josephus  ignorirt  die  Regierung  Thutmes  II. 
gänzlich,  verzeichnet  dagegen  die  seiner  Mitregentin  und 
Schwester  Amessis ;  während  hinwiederum  die  officiellen  ägyp- 
tischen Königsverzeichnisse  nichts  von  Amessis-Hafiop  wissen 
und  blos  die  Regierung  von  Thutmes  IL  und  III.  kennen. 
Einundzwanzig  Jahre  sagt  uns  Josephus  hat  Amessis-HaSop 
regiert.  In  denselben  müssen  zuerst  die  Jahre  der  Regierung 
Thutmosis  IL  und  dann  auch  die  Jahre  eingerechnet  sein,  in 
denen  Hai&op  für  ihren  jüngeren  Bruder  Thutmosis  III.  die 
Herrschaft  führte.  Die  Denkmäler  zeigen  uns  dagegen,  dass 
der  grosse  Eroberer  die  Mitherrschafb  seiner  Schwester  über- 
ging, und  die  Jahre  deraelben  sich  allein  zuzählte,  wie  er  denn 
!  auch   den   Namen   seiner   Schwester   auf  den  Inschriften   aus- 

I  meisseln  Hess.    Leider  verweigern  die  Denkmäler  eine  genaue 

Auskunft  darüber,  wie  lange  HaSop  mit  Thutmes  III.  zusammen 
regiert  hat;  wir  wissen  nur,  dass  das  Jahr  16  des  Thutmes 
das  letzte  ist,  in  dem  er  mit  seiner  Schwester  gemeinsam  herr- 
schend auftritt,^  und  wir  werden  daher  nicht  viel  von  der 
Wahrheit  abweichen,  wenn  wir  annehmen,  dass  seit  seinem 
16.  Regierungsjahre,  Thutmes  allein  die  Herrschaft  gefUhrt  hat. 
Von  den  21  Jahren  der  Regierung  der  Amessis  würden  sonach 
etwa  5  auf  ihre  Herrschaft  mit  Thutmes  IL  und  16  auf  die  mit 
Thutmes  IH.  entfallen. 


^  Bnig^ch,  Geschichte  Aegyptens,  p.  276  f. 

2  Pleyte  1.  1.  p.  44. 

3  Bnigsch  1.  1.  p.  291. 


ManethonisGhee  Geechichtawerk.  157 

Aof  Amessis  folgten  nach  der  Liste  des  Josephus^  Mephres  ^ 
mit  12  Jahren  9  Monaten^  Mephramuthosis  mit  25  Jahren  10  Mo- 
naten; aus  den  Denkmälern  ist  uns  dagegen  bekannt^  dass 
Thutmes  UI.  genau  53  Jahre  11  Monate  und  4  Tage^^  also 
mnd  54  Jahre,  regiert  hat.  Von  denselben  würden  nach  dem 
Gesagten  etwa  38  Jahre  auf  die  Alleinherrschaft,  16  auf  die 
gemeinsame  Regierung  mit  Ha§op  fallen.  Wir  haben  gesehen, 
dass  die  Liste  des  Josephus  die  16  Jahre  in  der  Regierung 
der  Amessis  untergebracht  Iiat ;  addiren  wir  nun  die  Regierungs- 
dauer ihrer  beiden  Nachfolger,  so  erhalten  wir  die  gesuchten 
38  Jahre  (und  dazu  7  Monate),  d.  h.  Mephres  und  Mephramu- 
thosis) sind  nicht  zwei  Könige  sondern  nur  einer;  ihre  Re- 
gierungen geben  uns  zusammengezählt  die  Zeit  der  AUein- 
r^emng  Thutmes  IQ.,  wie  denn  der  zweite  Name  nichts  ist 
als  der,  durch  Thutmosis  vermehrte,  erste. 

Wir  erhalten  sonach  folgende  Tafel  der  Regierungen  der 
Nachfolger  des  Ahmes: 

1  Af^mes  [Amasis] 25  Jahre  5  Monate 

3  Amenl^otep  [Amenophis]     .  20      „      7       „ 

2  Thutmes  I.  [ChebronJ  ...  13      „ 

4  Amunsat-Ha&op  [Amessis]  .15      „     +Ji  Thutmes  II. 

(16        ,.       "I*  ^1  KomAinsam  mit  ThntmM  III. 

5  Mephres ggj  12  J.     9  M.  |  54  J.  Thutmes  III. 

6  Mephramuthosis     ...       (  25   „    10    „  ] 

Der  B^nn  der  Herrschaft  des  Mesphramuthosis  fällt 
mit  dem  30.  Regierungsjahre  Thutmes  III.  zusammen,  wie  aus 
der  vorstehenden  Tabelle  ersichtlich  ist,  also  mit  dem  Jahre, 
welches  als  Abschluss  einer  Triakontaeteride  in  der  Regierung 
jedes  Königs  vom  ganzen  Lande  festlich  begangen  wurde. 

Auf  die  Könige  Mephres  und  Mephramuthosis  folgen  bei 
Josephus  Thmosis  (9  Jahre  8  Monate),  Amenophis  (30  Jahre 
10  Monate)  und  Orus  (36  Jahre  5  Monate);  die  Denkmäler 
dagegen  geben  uns  die  Reihe  Amen^^otep  IL,  Thutmes  IV.  und 


1  MVjtpp);  ist  wie  das  folgende  tou  zei^t,  ein  Mann  und  keine  FraUi  wozu 

ihn  einige  Forscher  gern  machen  möchten. 
^  Bmgsch,  J)er  Tag  der  Thronbesteigung  des  dritten  Thutmes'    (Aeg.  Z. 

1874,  p.  133  f.). 


158  Krall. 

Amenhotep  III.,  sodann  den  König  Amenhotep  IV.,  Achn-n-aten,^ 
dessen   Namen   den   Amonspriestem   ein   Gräuel  war,   hierauf 
eine  Reihe  von  Eleinkönigen ,   endlich    Hor(-m-hib).     In  der 
Liste  ist  sonach  der  Nachfolger  Thutmes  III.,  der  zweite  Amen- 
t^otep,  der  nur  kurze  Zeit  regiert  haben  kann  —  seine  höchste 
Regierungszahl,  3  Jahre,  findet  sich  auf  der  Stele   von  Amada 
—  ausgelassen;  hingegen  sind  dessen  Nachfolger  Thutmes  m. 
und  Amenhotep  III.  an  ihre  richtige  Stelle  gesetzt  Mit  Honis 
(Orus,  Qor-m-t^ib)   begegnet   sich  die   Liste   des  Josephus  mit 
den  Monumenten  wieder.  Achu-n-aten  und  seine  unbedeutenden 
Nachfolger  sind  bei  Josephus  verschoben,  sie  wurden  hinter  Onis 
aufgeführt  (cf.  p.  185  und  187).  Als  seine  Nachfolger  werden  uns 
nämlich  Akenchris,  die  als  seine  Tochter,  und  Rathotis,  der  als 
ihr  Bruder  erscheint,  und  zwei  Akencheres  bezeichnet.  Leider 
werfen  auch  die  Denkmäler   kein  genügendes  Licht  auf  diese 
Periode  ägyptischer  Geschichte;    wir   befinden  uns  daher  bei 
der   Vergleichung   mit   denselben    in    keiner   günstigen    Lage. 
Amenbotep  IV.  nahm,  in  ausgesprochenem  Gegensatze   zu  den 
Amonspriestem   in   Theben,    bald    nach    seinem    Regierungs- 
antritte den  Namen  Achu-n-aten,  Achu  der  Sonnenscheibe,  an : 
setzen   wir  hiefür  Achu-n-rä,    Achu   der  Sonne  —  der  ägyp- 
tischen   Priesterschaft   musste  ja   alles   daran   liegen   jegliche 
Erinnerung  an   den  Cult   des   Aten   zu   vernichten   —  so  er- 
halten wir  die  ägyptische   Form   des  griechischen  Akencheres 
oder    nach   der   richtigeren    Form    bei    Africanus    und    Euse- 
bius  Acherres.    Josephus,  in  dessen  Liste   er  als  letzter  der 
nachgetragenen,  als  legitim  von  den  Aegyptern  nie  anerkannten 
Könige  erscheint,  gibt  ihm  12  Jahre  3  Monate,  womit  die  Denk- 
mäler vollkommen  übereinstimmen.^  Amenhotep  IV.,  Achu-n-aten 
starb  ohne  männliche  Nachkommen  zu  hinterlassen.  Eine  seiner 

Töchter  Mer-aten  war  mit  O  [1  ^ — c  m  i  Seää-next  ver- 
mählt; eine  andere  Anch-nes-pa-aten ,  die  später  den  Namen 
Änch-res-Amon    annehmen    musste ,    hatte   n        o^^-V-  f  ijl  1 

*  Ueber  denselben  vgl.  Reinischf  Ursprang  und  Entwickelnngflgeschichte  de» 
ägyptischen  PrieBterthmns,  Wien,  1877.  Ueber  den  Namen  Acha-n*aten 
cf.  meine  oben  (p.  148)  angeführte  Schrift  ^Tacitos  und  der  Orient'  I,  c.  2. 

3  Ueber  die  ganze  Zeit:  Bmgsch  1.  1.  p.  433^439,  sowie  Lepsins,  Königs- 
bnch  Nr.  387—410. 


XfanethonifchM  0«flchie1itsw«rk.  159 

Amon-tut-änch  Hiq-an-res  zum  Manne.  Beide  sowohl  Seää-necht 
als  auch  Tut-änch-Amon  finden  wir  als  Nachfolger  Achu-n-aten's 

erwähnt,  ausserdem  noch  den  ^heiligen  Vater'  M  Qö  H  H  ^^  ^®^ 
sich    O  m  ^  '  -<^=*"  Cheperu-rä-ar-mat  nannte.  Die  Bemer- 

kungen bei  Akenchris  und  Rathotis  ,seine  Tochter',  ,ihr  Bruder' 
geben  uns  keinen  Sinn,  wenn  wir  nicht  den  König  Akencheres, 
in  welchem  wir  schon  Achu-n-aten  erkannt  haben,  zwischen  sie 
undOrus  einschieben.  Dann  ist  in  der  That  Akenchris  (Acherres 
Africanus)  —  aus  Anch-nes-pa-aten  und  dieses  wie  Achu-n-rä  aus 
Achu-n-aten  so  seinerseits  aus  Anch-nes-rä  entstanden  —  seine 
(nämlich  des  Achu-n-aten)  Tochter  und  auch  Rathotis  (Rathos 
Africanus)  konnte  als  ihr  Gemahl,  nach  ägyptischer  Sitte  als 
Bruder  gelten.  In  Rathotis  haben  wir  nach  dem  Gesagten 
den  Amon-tut-änch  zu  erkennen;  wie  seine  Gemahlin  ihren 
frühem  Kamen  Anch-nes-pa-aten  in  Anch-nes-amon  verwandeln 
musste,  80  mag  auch  er  früher  den  Namen  Aten-tut-änch  geführt 
liaben,  welcher  von  Manetho  durch  R&-tut*änch  wiedergegeben 
wurde.  Das  ursprüngliche  Aten  der  Denkmäler  wird  sonach 
von  Manetho  durchgehends  durch  Rä  ersetzt  —  in  dieser  ein- 
fachen Thatsache  liegt  die  Erklärung  dieser  sonst  unlösbaren 
Namen.  Noch  bleibt  ein  Name  zu  erwägen;  es  ist  der  zweite 
Akencheres  bei  Josephus  —  wohl  eine  Verschreibung  veranlasst 
durch  den  gleichlautenden  folgenden  König  —  für  den  Afri- 
canus die  richtige  Form  Chebres  gibt,  worin  wir  unschwer 
den  Beinamen  des  heiligen  Vaters  Ai  ,Chep(eru)-rft'  wieder- 
erkennen. 

Seäft-necht,  dessen  Name  das  einzige  ist,  was  die  Denkmäler 
von  ihm  bisher  gemeldet  haben,  wurde  von  der  Liste  des  Jo- 
sephus mit  Stillschweigen  übergangen,  die  andern  Herrscher 
seit  Amenl^otep  III.  finden  sich  dagegen  alle  in  derselben,  und 
es  stellt  sich  sonach  die  Reihe  bei  Josephus  seit  Thatmes  III., 
mit  den  Denkmälern  verglichen,  folgendermassen  : 

[Amenbotep  II.  fehlt] 

7  Thmosis  fThutmes  IV.J    9  J.    8  M. 

8  Amenophis  [Amenbotep  ULJ 30  „    10  „ 

13  Akencheres  (Acherres)  [Achu-n-aten] 12  „      3  „ 

rS 

10  Akenchris,  seine  Tochter  [Anch-nes-pa-atenJ    .  12  „      1  „ 


160  Krall. 

1 1  Rathotis;  ihr  Bruder  [Äten-tut-änchJ 9  J.  —  M. 

12  Akencberes  (Chebres)  [Chep(eru)-rä  Ai]  .  .  .  .  12  „      5  ^ 
9  Oros  [Hor-m-hib] 36  „     5  ^ 

Mit  Horus  lassen   die  Denkmäler  ein   Königsgeschlecht 
ausgehen  und  ein  neues,  das  der  Ramessiden,   an  seine  Stelle 
treten.     Der  erste  dieses  Hauses  war  Ramessu  I.,  ihm  folgten 
Mineptah    Seti   I.    und    Miamun    Ramessu    IL,    von    welchem 
letztem  wir  das  67.  Jahr  auf  den  Denkmälern  erwähnt  finden  ^ 
—  es  war  sein  letztes  und  gehörte   ihm   nicht  ganz  zu.    Aof 
Ramessu  11.   folgten   den  monumentalen    Nachrichten   zufolge 
Mineptah  IL  Qotept^iermä  und  hierauf  Seti  Mineptah  III.  Die 
Liste   des   Josephus   macht   bei   Orus    (9.  König)    beziehungs- 
weise Akencberes  (13.  König)  keinen  Abschnitt,    sie  setzt  sich 
fort  mit    Armais,    Ramesses,    Armesses    Miamun    (66   Jahre 
2  Monate),  und  Amenophis  (19  Jahre  6  Monate),  mit  dem  das 
Verzeichniss  abbricht.     Wir    erhalten   in   den   nächsten  Para- 
graphen die  Geschichte  des  Verrathes,  den  Armais  gegen  seinen 
Bruder  den  König  Sethosis,  der  auch  Ramesses  hiess,  begehen 
wollte,   der  jedoch   mit   der  Vertreibung   des  Armais   endete, 
welcher  nun  den  Beinamen  Danaus  erhielt,  während  sein  Bruder 
den  von  Aegyptos  bekam.  Wie  wir  aus  I  26,  4  ersehen,  herrschte 
Sethosis-Aegyptus  nach  diesen  Ereignissen  noch  59  Jahre,  und 
es  folgte  auf  ihn  sein  Sohn  Rampses,   der  66  Jahre   regierte. 
Wenn,   wie   es  in  der  That,  nach   der  jetzigen   Fassung    der 
Worte  des  Josephus  den  Anschein  hat,  der  Sethosis-Ramesses 
in  I  15,  3,  auf  den  Amenophis  folgte,   der   die  lange  Königs- 
reihe in  1 15,  2  abschloss,  dann  hätten  wir  folgende  Reihenfolge: 

Armais     4  Jahre  1  Monat 

Ramesses 1  „      4       „ 

Armesses  Miamun 66  „       2       „ 

Amenophis     19  „       6       „ 

Hermaios  und  Sethosis 

Sethosis  [=  Ramesses]  ...  59  „ 

Rampses 66  „ 


»  Pierret,   Friere    de    Ramses  IV   &   Osiri«    (Revue   Arch.  XIX.    p.    273), 
Bnigsch  1.  1.  5Gt. 


Man«tboBi8c)iM  Geiichichtswerk.  161 

Ganz  abgesehen  davon,  dass  eine  solche  Reihenfolge 
monumental  ganz  undenkbar  ist,  zeigt  eine  ganz  einfache  Be- 
trachtung derselben,  dass  hier  nicht  eine  sondern  die  zwei 
folgenden  Reihen  vorliegen*,   die  parallel  mit  einander  laufen. 

DenkmlÜer:  I,  16,  2:  I,  26,  4: 

Armaiii 4J. IM.     Hermaios  [=  Danaus] 

SethoB  L  Ramenses  ....     1.4.      Sethosis  1       .  1 69J. 

L=  AegyptoBj 

EamesaralLMeiamon     Armesses  Miamun  66  „  2  „      Rampses     66  „ 

Meneptah  II.  Amenophis. 

Der  König  Sethosis  in  I,  15,  3  folgte  sonach  nicht,  wie 
man  nach  dem  Wortlaute  der  freilich  verderbten  Stelle,  die 
schon  im  Alterthume  Anlass  zu  verschiedenen  Conjecturen  ge- 
geben hat,  1  annehmen  müsste,  auf  Amenophis ,  sondern  im 
Gegentheile  war  das  Verhältniss  folgendes:  Josephus  gibt  in 
I,  15,  2  die  gesammte  Reihenfolge  der  Könige  seit  Al^mes,  dem 
Vertreiber  der  Hyksos  an,  d.  h.  der  Zeit,  in  welche  er  den 
Äoszug  der  Juden  setzte  bis  einschliesslich  Amenophis  (einem 
der  Könige  der  XIX.  Dynastie  des  Africanus  und  Eusebius), 
also  dem  Zeitpunkte,  in  welchem  Manetho  den  Auszug  statt- 
finden Hess;  er  will  uns  hiedurch  den  Abstand  zeigen,  der 
zwischen  den  beiden  Ansätzen  bestand,  und  damit  einerseits 
die  Ansicht  Manetho's  widerlegen,  andererseits  uns  das  hohe 
Alter  des  jüdischen  Volkes  vorführen.  Zu  diesem  Zwecke 
nimmt  er  auch  I,  15,  3  die  Geschichte  von  Sethosis  und  Armais 
auf,  die  sonst  für  den  Zusammenhang  seiner  Darstellung  ganz 
überflüssig  ist,  indem  ihm  die  Identificirung  des  ersteren  mit 
Aegyptus,  des  letztern  mit  Danaus  willkommenen  Anlass  gibt,  zu 
constatiren,    dass  393  Jahre  vor  der  Ankunft   des  Danaus  in 


*  Bnnaen  (Urknndenbuch  p.  46)  bemerkt  zu  der   Stelle:  Ipsa  autem    sen- 

tentia  vetereii  jam  exercnit  (frammaticos  e  qnibnii  invita  Minerva   aliquis 

baec  adflcripsit,  qnae  in  marine  Codd.  Bi^.  et  Hafn.   apposita  legantar : 

iiiperat  Iv  hipta  ovrifpa^u  o&tü>(*p.E6^  ov  S^6ü>ai(  xat  *Pa{jL^aa7)(  Suo  aBeX^of, 

0  (UV  vouTix^v    l)^oi>v  Buva^iLiv    TOU(  xaTa    OdIXaaaav    obcavTcuvra^  SiE^cipouvTO 

3a>Xtopx(üv  *  (UT^  ou  izokh  hl  Tov  'Pa[ic9<T7)v  aveXcov  ^Apfiaiv  &XXov  auTou  aSeX^bv 

&:{Tpo:nv  TTJ;  A^Y^TTTou  xacT^aiT]9Ev.  Der  Satz  womit  I,  15,  3  anbebt  knüpft 

nicht  an   den   letzten   König   Amenophis,    sondern   an   den    drittletzten 

König  an,  es  moss  daher  heissen :   *0   ti  Si6ü>9tc  xai  'Pa[i./90T];,  licnixfjv 

»R  vauitx^v  l^taw  8uva[i.iv,  t6v  «SeX^bv  "Apfiaiv  kKlxpono'i  Tijc  A^y^tctou  xai^- 

OTn«ev  X.  T.  X. 

ir.  d.  phii.-hiit.  Ol.  XCY.  Bd.  I.  Hft  11 


I 


162  Krall. 

Argos  und  nahezu  tausend  Jahre  v  o  r  dem  trojanischen  Kriege  seine 
Vorfahren  aus  Aegypten  ausgewandert  seien.  Durch  unsere  An- 
nahme, dass  die  Königsreihe  in  I,  26,  4  schon  in  der  von  1, 15, 2 
enthalten  sei,   lösen   sich    sofort   die  Schwierigkeiten  der  An- 
knüpfung der  beiden  Listen,  die  schon  in  den  Königslisten  bei 
Eusebius,  wie  wir  noch  sehen  werden  Spuren  hinterlassen  haben, 
und  wir  gewinnen   zugleich   die   erwünschteste   Uebereinstim- 
mung  mit  den  Denkmälern.     Nur  eine   Schwierigkeit  scheint 
sich  unserer  Auffassung  entgegen  zu  stellen;  in  I,  15,  2  werden 
dem  Könige  Ramesses  1  Jahr  4  Monate  gegeben,  während  der, 
nach  unserer  Annahme,   mit   ihm   identische   König    Sethosis- 
Aegyptos-Ramesses   über  59  Jahre  regierte.     Diese  scheinbare 
Schwierigkeit  bietet  im    Oegentheile   einen   weitem   Beleg  fär 
die  Richtigkeit  unserer  Ansicht.   Aus  der  langen  Inschrift  von 
Abydos  ersehen  wir  nämlich,  dass  Seti  I.  [SethosisJ  seinen  Sohn 
Ramessu  II.  sehr  frühzeitig  zum  Mitregenten  ernannt  hat,  und 
zwar  that  er  dies   nicht   aus   Altersschwäche  —  Ramessu  war 
ja  bei   seiner   Erhebung   erst   ein   ,lockiger  Knabe'   [Inschrift 
von  Kuban]  ^  —  sondern  aus  politischen  Gründen;   durch  die 
Erhebung    seines    ältesten    Sohnes,    zugleich  des  Sohnes   der 
rechtmässigen  Erbin  des  früheren  Königshauses,  konnte  er  nur 
seine  Stellung  befestigen  und  vergessen  machen,  dass  er  nicht 
aus  einer  königlichen  Familie  entsprossen  sei.    Wie  lange  Se- 
thosis   gemeinsam    mit    seinem    Sohne   die   Regierung   gefuhrt 
hat,  sagen  uns  die  Denkmäler  nicht,  wir  können  mit  Brugsch 
nur  sagen,    dass    mehr   als  die  Hälfte  der  66jährigen  Re- 
gierung  Ramessu  IL    auf  sein  gemeinschaftliches   Königthum 
mit  dem  Vater  zu  rechnen  sein  dürfte.  2    Halten  wir   nun  die 
Angaben   der  beiden  Listen   in  I,  15,   2   und  I,  26,  4   gegen- 
einander, so  sehen  wir,  dass  die  erstere  uns  die  Zeit  der  Allein- 
herrschaft Sethosis  L  gibt,  während  die  andere  die  seiner  Ge- 
sammtregierung  über  Aegypten  uns  vorfuhrt. 

Nicht  unerwähnt  dürfen  wir  lassen,  dass  Josephus  auch 
hier  flüchtig  vorgegangen  ist.  Aus  I,  26,  4  erfahren  wir  gar 
nicht,  wie  lange  die  gemeinsame  Regierung  des  Armais  und 
Sethosis  gedauert  hat,    sondern  es  wird  uns  nur  gesagt,    dass 


*  Reinisch,  Chrestomathie  I,  10. 
2  Brugsch  1.  1.  p.  470—477. 


Manethooisches  Oeiichichtswerk.  163 

Sethosis  nach  der  Vertreibung  seines  Bruders  aus  Aegypten 
noch  59  Jahre  regiert  hat;  die  Summe  518  in  I,  26,  3  setzt 
dagegen  voraus,  dass  die  59  Jahre  auch  die  gemeinsame  Re- 
gierung der  Brüder  umfassen,  da  sie  aus  den  Posten  393  (Re- 
gierungen bis  auf  die  Brüder  Sethosis  und  Ärmais)  59  (also 
Sethosis  und  Ärmais)  und  66  (Ramessu  II.)  gebildet  ist.  Ent- 
scheiden zu  wollen,  welche  dieser  beiden  Angaben  die  ohne- 
dies nur  um  4  Jahre  (denn  so  lange  dauerte  nach  I,  15,  2  die 
gemeinsame  Regierung  der  beiden  Brüder)  abweichen,  die 
richtigere  sei,  erscheint  mir  unthunlich. 

Es  ist  ein  buntes  Wirrwar  von  genauen  Angaben  und 
von  Irrthümem,  welches  die  beiden  Listen  des  Josephus  dar- 
bieten; sie  verschieben,  wie  wir  gesehen  haben,  die  Könige 
Thutmes  I.  (Chebron)  und  Amentjiotep,  sie  übergehen  mit  Still- 
schweigen die  Könige  Thutmes  II.  und  Amentotep  IL ,  sowie 
den  Fürsten  Seäänecht,  sie  zerreissen  die  chronologische  Reihen- 
folge seit  Amenopfais  (Amenhotep  III.  =  8.  König  der  Reihe) ; 
ja  noch  mehr,  sie  machen  aus  dem  einen  Könige  Thutmes  III. 
gar  zwei,  Mephres  und  Mephramuthosis;  sie  haben  kein  festes 
Princip  in  der  Auswahl  der  Könige.  Während  sie  die  Nach- 
folger Amenhoteps  III.  als  illegitim  aus  der  officiellen  Reihen- 
folge ausscheiden  und  erst  nach  Horus  nachtragen,  geben  sie 
der  Amessis  21  Jahre  mit  Ueberspringung  ihres  Oemahls 
Thutmes  IL,  wiewohl  ihre  Regierung  schon  von  ihrem  Nach- 
folger Thutmes  III.  als  illegitim  angesehen  worden  ist  —  mit 
einem  Worte  die  Listen  sind  entweder  von  Josephus  selbst 
oder  von  einem  vor  ihm  lebenden  Chronographen  verfertigt 
worden  —  denn  dass  sie  unmöglich  von  Manetho  herrühren 
können,  erscheint  mir  nach  den  bisherigien  Darlegungen  als 
ausgemacht. 

Wenn  wir  die  Listen  des  Josephus  mit  denen  des  Euse- 
bius  vergleichen,  so  tritt  uns  die  merkwürdige  Erscheinung 
entgegen,  dass  der  Verfasser  der  letztern  in  den  Fehler  verfallen 
ist,  die  Reihe  I,  26,  4  an  die  von  I,  15,  2  anzuschliessen  ohne 
zu  bemerken,  dass  die  letztere  in  der  erstem  schon  ganz  ent- 
halten war.  Dieser  Fehler  setzt  die  Kenntniss  der  Listen  des 
Josephus  voraus,  denn  er  ist  nur  aus  ihnen  zu  erklären,  und 
wir  müssen,   da  der  durch   denselben   erwachsende    Zuschuss 

von  Jahren  durch  die  Anlage  der  Eusebischen  t6{j.oi,   wie   wir 

11» 


164  Krall. 

noch  sehen  werden,  gefordert  wird,  annehmen^  dass  der  Ver- 
fasser derselben  den  Josephus  schon  vor  sich  gehabt  hat  and 
nicht  etwa  der  Fehler  von  einem  Spätem  aus  dem  Josephus 
in  die  t6{jlo'.  hineingetragen  worden  ist.  Auch  die  t6|jloi  des 
Africanus  in  ihrer  jetzigen  Gestalt  tragen  die  Spuren  der 
Beeinflussung  durch  die  Liste  des  Josephus  deutlich  an  sich. 
Dieselbe  ist  jedoch,  wie  die  folgende  Vergleichung  zeigen  wird, 
nur  etwas  Aeusserliches,  welches  in  die  t6(i.oi  von  einem  Manne 
hineingetragen  worden  ist,  der  dieselben  mit  dem  ihm  eben- 
falls vorliegenden  Josephus  zu  vereinbaren  bemüht  war. 

JosephnB :  A  fric&niu : 


Akencheres  ....  12  J.  1  M.     XVIII.  Acherres 

Rathotis 9  „  Rathos   . 

Akencheres    ....  12  ^   5  „  Chebres 


32  J. 

6„ 

12  „ 

1 . 


Akencheres   ....  12  „  3  „  Acherres  .  . 

Armais     4  „  1  „  Armessis  .  . 

Ramesses 1  ,,  4  ,,  Ramessis  .  . 

Armesses  Miamun  66  „  2  „ 

Amenophis    ....  19  ,,  6  „  Amenophut.  .  .  19  „ 

Die  t6(j.c(  des  Africanus  haben  die  XVIII.  Dynastie  um 
drei  Könige,  die  der  XIX.  Dynastie  angehören  bereichert; 
wir  können  den  Grund  dieser  Einfügung  der  drei  Könige  Ar- 
messis, Ramessis  und  Amenophut  leicht  nachweisen.  Sie  geht 
auf  die  zuerst  von  Josephus  aufgebrachte  Gleichsetzung  der 
Hyksos  mit  den  Juden,  nach  der  der  Auszug  unter  dem  Könige 
Abmes  I.  stattgefunden  hat,  zurück.  Diesem  kommt  nach  den 
Listen  eine  25jährige  Regierung  zu,  welche,  da  der  Pharao 
des  Auszugs  bei  der  Verfolgung,  nach  der  heiligen  Schrift, 
seinen  Tod  fand,  vor  die  Vertreibung  der  Hyksos  fallen  musste. 
Auch  Africanus  hat,  wie  wir  aus  seiner  Anmerkung  zum  Kö- 
nige Amosis  ersehen,  der  Ansicht  des  Josephus  sich  ange- 
schlossen, und  wir  können  daher  vorläufig  (cf.  p.  217)  an- 
nehmen, Africanus  selbst  habe  die  Veränderungen  an  den 
t6[jloi  vorgenommen.  In  der  That  weisen  seine  t6|jloi  für  die 
Hyksosdynastie  statt  der  überlieferten  259  Jahre :  284  (259  +  25) 
auf.  Dafür  hat  Africanus  die  25  Jahre  des  Ahmes  ausgelassen, 
da  dieselben  in  der  Zeit  der  Herrschaft  der  Hyksos  einbe- 
griffen waren,   indem  ja  sein  letztes  Regierungsjahr  sich  mit 


HanethoBiflches  OMcbicbtswerk.  165 

dem  Jahre  der  Vertreibung  der  Fremden,  also  nach  Josephus 
und  AfricamiB  der  £xodus,  deckte  —  so  erklärt  sich  die  Ab- 
wesenheit jeglicher  Angabe  der  Regierungsdauer  bei  Abmes, 
die  schon  dem  Synkellos  ^  aufgefallen  war.  Um  den  Ausfall 
der  25  Jahre  des  Ahmes  bei  der  XVIII.  Dynastie  zu  decken, 
nahm  Africanus,  oder  wer  immer  die  Veränderungen  vorge- 
nommen hat,  aus  der  ihm  bei  Josephus  vorliegenden  Liste  die 
genannten  drei  Könige  auf,  deren  Regierungszeit  genau  25  Jahre 
aasmachte.  So  glaubte  er  der  heiligen  Schrift,  den  ihm  vor- 
liegenden t6|mc  und  der  so  stark  von  denselben  abweichenden 
Liste  des  Josephus  gerecht  zu  werden ;  wie  wenig  ihm  freilich 
dies  gelungen  ist,  werden  wir  später  beobachten  können.  Halten 
wir  dies  fest,  so  ist  die  Herstellung  der  ursprünglichen  Fassung 
der  Td{JLS(  sehr  leicht,  man  braucht  nur  die  Hyksosdynastie  von 
den  25  eingeschobenen  Jahren  zu  befreien,  Ahmes  mit  25  Jahren 
an  die  Spitze  der  XVHI.  Dynastie  zu  setzen,  und  die  letzten 
drei  Könige  derselben  zu  streichen  (cf.  p.  173). 

Wenn  wir  nun  die  von  allen  fremden  Einflüssen  gerei- 
nigte Liste  des  Africanus  mit  der  des  Josephus  vergleichen, 
so  finden  wir,  dass  abgesehen  von  einigen  wenigen  Abwei- 
chungen in  den  Regierungszahlen  und  Namensformen,  die  wir 
dem  schlechten  Zustande  unserer  handschriftlichen  Ueber- 
lieferung  zuzuschreiben  haben,  beide  mit  einander  identisch 
sind.  Qanz  dasselbe  Verfahren  in  der  Anordnung  der  Könige, 
ganz  dieselben  Wunderlichkeiten  und  Versehen,  die  wir  schon 
oben  näher  ins  Auge  gefasst  haben,  und  die  uns  bei  den  an- 
deren Dynastien  wiederholt  begegnen  werden,  treten  uns  nicht 
nur  in  der  ursprünglichen,  von  den  Veränderungen,  die  ein 
später  Chronograph  vorgenommen  hat,  gereinigten  Fassung 
der  XVin.  Dynastie,  sondern,  wie  wir  vorgreifend  bemerken 
wollen,  in  allen  übrigen  Dynastien  der  t6[xo(  entgegen  und 
^  ist  daher  der  Schluss  unabweisbar,  dass  Josephus  seine 
Listen  nicht  selbst  gemacht,  sondern  dass  er  sie  einer  chrono- 
logischen Tafel  entnommen  hat,  die  seinem  Manetho-Exem- 
plare  beigefügt  war,  und  die  er  natürlich  als  ein  echt 
Manethonisches  Product  ansah.  Daraus  erklärt  es  sich,  dass 
Josephus  für  Sethosis,  den  Bruder  des  Armais,    zwei   so   ver- 


*  SjukeUoB  70,  B :  tou  yap  'AfjL(i>;  o\it*  okta^  cTtiev  Iit). 


166  Krall. 

Bchiedene  Angaben  uns  mittheilt ,  die  eine  entnahm  er  den 
Manethonischen  ß(ßXct;  die  andere  seiner  chronologiBchen  Tafel. 
Er  nimmt  zu  der  letztern  seine  Zuflucht,  wenn  er  dem  Leser 
T^v  Twv  xP^wv  Ta^tv  vorfuhren  will  (I,  15,  1),  und  es  ist  die 
Möglichkeit  vorhanden,  dass  wir  in  diesen  Worten  die  Reste 
des  Namens  der  Tafel  selbst  zu  suchen  haben. 

lieber  die  Anlage  dieser  Uebersichtstafel  gibt  uns  die 
Betrachtung  zweier  Stellen  hinreichende  Auskunft,  von  denen 
wir  die  eine,  518,  schon  kennen  (p.  163),  und  deren  andere  393 
den  Erklärern  sehr  viele  Schwierigkeiten  gemacht  hat.  Seit  Thut- 
mosis,  dem  Vertreiber  der  Hyksos,  waren  bis  auf  die  Brüder 
Hermaios-Danaus  und  Sethosis-Aegyptus,  nach  der  Angabe  des 
Josephus,  393  Jahre  verflossen.  Rechnet  man  jedoch  die  Re- 
gierungszahlen der  gesammten  Reihe  der  Könige  in  I,  15,  2  zu- 
sammen, so  erhält  man  erst  333  Jahre,  und  da  es  leider  nicht 
einmal  gestattet  war,  an  das  beliebte  Auskunftsmittel  einer  Ver- 
schreibung  zu  denken,  da  Josephus  die  Zahl  zweimal  gibt  und 
weil  überdies  die  zweite  Zahl  518  die  erstere  voraussetzt,  ^  so 
blieb  scheinbar  nichts  anderes  übrig  als  anzunehmen,  Josephus 
habe  zweierlei  Redactionen  dieser  Listen  vor  sich  gehabt' 
Nach  unserer  Auffassung  der  Liste  stellt  sich  die  Sache 
dagegen  einfach  so :  Wenn  die  393  Jahre  nur  bis  zu  den  Brü- 
dern Hermaios  und  Sethosis  gingen,  so  müssen  wir  die  Re- 
gierungen von  Armais  (4  Jahre  1  Monat),  Ramesses  (1  Jahr  4  Mo- 
nate), Armesses  (66  Jahre  2  Monate)  und  Amenophis  (19  Jahre 
6  Monate),  also  zusammen  91  Jahre  1  Monat,  von  der  Qesammt- 
summe  333  abziehen,  wodurch  wir  242  Jahre  erhalten.  Ziehen 
wir  242  von  393  ab,  so  verbleiben  uns  151  Jahre,  die  wir 
irgendwie  unterbringen  müssen.  Hier  setzt  eine  Angabe  des 
Africanus  ein,  die  er  bei  der  XVII.  Dynastie,  die  vor  Thut- 
mosis-Ahmes  regiert  hat,  anführt :  6(j.ou  ol  xoi{i.evs(;,  xal  ol  Btjßaic: 
£ßa9(XsuaaveTY2pva'[151].  Ahmes  begründete  kein  neues  Geschlecht; 
er  ist  ja,  wie  wir  aus  Josephus  wissen,  der  Sohn  des  Mephra- 
muthosis;  seine  Vorfahren  hatten  sich,  wie  wir  aus  Africanus 


1  C.  A.  I,  26,  4;  16,  1;  26,  3;  31,  2. 

2  MüUer  F.  H.  Gr.  II,  574  .  .  .  miraris  sane  licet  Josepham  exputare  annos 
393.  Non  enixn  librarii  error  subesse  videtur,  quam  eondem  nitmerum 
denno  memoret  in  sequentibus.  Hand  dubie  aliena  miscuit  Josephas,  qnem 
8cimu8  diversas  MaDethoniani  operis  recensiones  ante  ocuIob  habnisse. 


Manethouiscbes  OMchicbtswerk.  167 

ersehen,  lange  vorher  gegen  die  Hyksos  erhoben  und  gegen 
sie  einen  151jährigen  Krieg  geführt.  Hiemit  haben  wir  die 
Erklärung  der  wunderlichen  Zahl  393  gewonnen,  sie  gibt  uns 
die  Qesammtregierung  der  thebanischen  Fürsten  seit  dem 
Ausgange  des  letzten  legitimen  Hyksos,  über  den,  wie  wir 
noch  sehen  werden,  bei  dem  Verfasser  der  TCfMi  Zweifel  be- 
standen. Josephus  fand  die  Zahl  in  seiner  Tafel,  wohl  am 
Ausgange  des  Geschlechtes  vor  dem  Emporkommen  der  Brüder 
Danaus  und  Aegyptus,  verzeichnet  und  glaubte  sie  auf  die  Re- 
gierungsdauer der  thebanischen  Fürsten  seit  A^mes  beziehen 
za  müssen,  während  sie  im  Gegentheile  auch  noch  alle  seine 
königlichen  Vorfahren  umfasste. 

Ans  dem  Gesagten  ergibt  sich,  dass  die  Zahl  393  nicht 
von  Josephus  gemacht  sein  kann,  wie  etwa  die  Zahl  518, 
welche  er  durch  Summirung  der  Posten  393  -f-  59  +  66  ge- 
wann, wobei  ihm  das  Versehen  unterlief,  die  Jahre  der  gemein- 
samen Regierung  des  Sethosis  und  Ramesses  Miamun  doppelt 
zu  zählen.  Wir  ersehen  ferner,  dass  die  Tafel,  die  dem  Jo- 
sephus vorlag,  die  XVII.  und  XVIII.  Dynastie  des  Africanus 
nicht  getrennt  vorführte,  sondern  noch  als  ein  Ganzes  rechnete, 
was  auch  ganz  natürlich  war,  da  der  letzte  König  der  XVII. 
Dynastie  der  Vater  des  ersten  der  XVIII.  Dynastie  war,  und 
das  Ereigniss  der  Vertreibung  der  Hyksos  gar  nicht  so  ein- 
schneidend war;  denn  schon  in  dem  Momente,  da  in  Theben 
sich  einheimische  Fürsten  erhoben,  hörte  in  den  Augen  der 
Aegypter  die  Hyksosdynastie  auf,  legitim  zu  sein.  Dagegen 
ist  bei  Horus  der  Abschnitt  gerechtfertigt,  denn  mit  seinen 
Nachfolgern  Ramessu  I.  und  Seti  I.  betritt  ein  neues  Herrscher- 
geschlecht den  ägyptischen  Thron,  es  ist  das  der  Ramessiden. 
Allem  Anscheine  nach  hat  der  Verfasser  der  chronographischen 
Uebersichtstafel,  von  der  uns  Bruchstücke  in  den  Listen  des 
Josephus  erhalten  sind,  die  Königsgruppen  nach  Familien  ge- 
schieden, wahrscheinlich  nach  dem  Vorgange  von  Manetho 
selbst  So  erklärt  sich,  dass  Königsgruppen  so  oft  mit  Frauen 
ausgehen,  es  sind  eben  die  letzten  Sprossen  von  Königsfamilien, 
mit  deren  Hand  auch  die  Herrschaft  an  fremde  Königshäuser 
überging.  * 

'  Cf.  aach  Lauih,  Manetho  p.  116,  der  freilich  dieses  Qesetz  auch  auf  die 
soi^nannte  XVIll.  Dynastie  erstreckt,   wo   es  keine  Giltigkeit  hat,  denn 


168  Krall. 

Findeo  wir  nun  einerseits,  dass  die  ursprünglich  eine 
Gruppe  bildenden  thebanischen  Fürsten  in  zwei  Dynastien  ge- 
spalten wurden,  so  muss  uns  andererseits  auffallend  erscheinen, 
dass  Josephus  den  Einschnitt  bei  Hermaios  und  Sethosis,  mit 
denen  ja  eine  neue  Gruppe  begann,  gar  nicht  betont;  es  kann 
daher  auch  seine  Vorlage  denselben  nicht  zu  markant  be- 
zeichnet haben.  Wenn  Josephus  ferner  mit  Amenophis  die 
Reihe  in  I,  15,  2  abbricht,  so  geschieht  diess  nicht  etwa,  weil 
dieser  König  den  Abschluss  einer  neuen  Gruppe  bildete,  son- 
dern einfach  aus  dem  Grunde,  weil  Josephus  dem  Leser  nur 
die  Könige  bis  zum  Auszuge  vorführen  wollte.  Amenophis 
schloss  ja  kein  Geschlecht  ab ,  wie  uns  die  Darstellung  des 
Auszuges  bei  Josephus  selbst  I,  26  bezeugt,  und  es  lag  für  den 
Verfasser  der  Listen  des  Josephus  daher  kein  Grund  vor,  nach 
Amenophis  einen  Abschnitt  zu  machen. 

Zu  diesen  Beobachtungen  tritt  eine  neue,  ergänzende  hinzu. 
Das  Wort,  welches  in  den  angeblichen  Manethonischen  Frag- 
menten bei  Africanus  so  häufig  vorkommt,  und  in  unserer 
Vorstellung  als  untrennbar  von  den  AiYux7tax.3(  selbst  erscheint, 
SuvaoT£{a  ist  in  den  echten  Fragmenten  xcrra  X^|(v  bei  Josephus 
gar  nicht  nachzuweisen.  In  den  auszugsweise  wiedergegebenen 
Fragmenten  kommt  es  wohl  einmal  vor  I,  14,  15:  <poßou{Aivou;  o^ 
T^v  !A.aaupia>v  Suva9Te(av ;  wir  müssen  uns  jedoch  vorerst  daran 
erinnern,  dass  man  auf  den  Wortlaut  in  den  auszugsweise 
gegebenen  Stellen  bei  Josephus  nicht  viel  bauen  kann ;  es  zeigt 
sich  sodann,  dass  die  betrachtete  Stelle  nichts  anderes  ist,  als 
die  Paraphrase  von  I,  14,  6:  rpoop(ö|xevo(;  'Aaoupiwv  i6xe  \kiZw 
ioxü6vT(i)V  6(joiJLivTf)v  l7ctÖü|xia  vq^  auTTj?  ßocriXeiaj;  l^oSov,  worin  sich 
nichts  von  ^uvaareC«  findet.  Während  wir  sonach  in  den  echten 
Fragmenten  Manetho's  bei  Josephus  das  Wort  Suvoorsta  als 
technischen  Ausdruck  gar  nicht  finden,  tritt  uns  dagegen  das 
Wort  ßaffiXfita  in  zwei  Stellen  xaT«  X^$iv  I,  14,  6,  I,  15,  6  und  in 
I,  26,  3  entgegen  ^  sowie  auf  den  bilinguen  Inschriften  der  Pto- 


HaSop   beendete    kein   Geschlecht,    ihr    Nachfolger   war  ja    ihr    Bruder 
Thutmes  III. 
^  C.  A.  I,  14,  6  Eao^i^vTiv  e7:i0up.{a  ttJ;  au-rij;  ßaaiXEJa;  ^f  oSov.  I,  26,  3  xsi  012 
TouTo  ^p^vov  ouTOu  -»](  ßaaUE^af   6p{aat   {x^  ToXp.iJaac.   I,  15,  6  xai  ExpflCT7]cr£ 


Hanetbonisches  0«schicbtBirwk.  169 

lemäerzeit  ^  und  dem  entsprechend  heisst  es  zur  ersten  Dynastie 
bei  AfricanuB  (JieTdc  vex6a^  xal  tou«;  ^{AtOeou^  Tup^nQ  ßaaiXsCa  xaiäc- 
piOjAsiTat  —  es  ist  dies  ein  spärlicher  üeberrest  der  alten  Be- 
zeichnung. Seiner  etymologischen  Bildung  nach  entspricht  der 
Name    vollkommen    dem   technischen    ägyptischen    Ausdrucke 

l(l[|oj|i  von    I         j|  ,König';  wie  ßaciXeia  von  ^ocaCkedq,    Der 

Untersuchung  der  beiden  6x.36as((;  des  Africanus  und  Eusebius 
moss  es  vorbehalten  bleiben,  diese  Beobachtungen  aufzunehi^en 
und  weiter  auszuführen;  erst  aus  der  Vergleichung  derselben 
wird  sich  herausstellen;  was  es  für  eine  Bewandtniss  hat  mit 
den  Suvoareiai,  die  —  schon  nach  dem  Gesagten  zu  schliessen  — 
Manetho  ganz  fremd  gewesen  zu  sein  scheinen. 

Während  wir  aus  den  t6{jloi  des  Africanus  und  Eusebius  ge- 
wohnt sind;  bei  Manetho  ein  festes,  in  allen  Einzelnheiten  aus- 
gebautes chronographisches  System  zu  suchen ,  finden  wir  in 
den  echten  Fragmenten  Manetho's  bei  Josephus  das  Gegentheil 
bezeugt ;  selbst  wo  wir  Zahlenangaben  wünschen  möchten,  gibt 
sie  uns  Manetho  nicht.  Wir  vermissen  bei  ihm  eine  genaue 
Angabe  darüber,  wann  die  Hyksos  sich  entschlossen  haben, 
einen  König  zu  erheben,  Manetho  sagt  nur  Tzipaq  (I,  14,  5); 
ebenso  wenig  wird  uns  mitgetheilt,  wie  lange  der  x6XetjL0^  (AeY^q 
ir.  zcXuxp6vto?  (I,  14,  13)  gedauert  habe.  Wir  können  diesen 
Mangel  nicht  der  Fahrlässigkeit  des  Josephus  zur  Last  legen; 
denn  es  ist  gar  nicht  wahrscheinlich,  er  habe  anstatt  der  ge- 
nauen Zahlenangabe  des  Manetho  ein  xepa^  oder  ein  'jz6\s,\iaq 
^sA'jXpdvto;  gesetzt.  Zur  Gewissheit  wird  sich  der  Mangel  eines 
ausgebildeten  chronographischen  Systems  erheben,  wenn  wir 
an  der  Hand  der  exSoaei;  des  Africanus  und  Eusebius  werden 
beobachtet  haben,  wie  die  Verfasser  derselben  sich  bemüht 
haben,  aus  den  Ai^uTmoexik  ein  System  zu  zimmern,  und  zu 
welchen  sonderbaren  Auskünften  sie  manchmal  ihre  Zuflucht 
haben  nehmen  müssen,  um  dem  Mangel  bestimmter  Zahlen 
abzuhelfen. 


■y 


I  '^      I    ol  TEpoTcpov  ßeßaaiXeuxoiec  Stele  von  Tanis  8/lö. 


170 


Krall. 


n.   C  a  p  i  t  e  1. 
Die  x6|JLoi. 

§.  1,  Der  zweite  TOfJLOi;. 

Die  Grundlage  ftir  die  Betrachtung  der  TÖpiot  des  Afri- 
canus  und  Eusebius  müssen  uns  die  Fragmente  Manetho's  bei 
Josephus  bilden;  ausgehend  von  dem,  was  uns  diese  be- 
riq}iten,  haben  wir  zu  untersuchen,  wie  sich  dasselbe  in  den 
t6{jlo(  wiederspiegelt.  Da  uns  bei  Josephus  nur  Fragmente  er- 
halten sind,  welche  Ereignisse  behandeln,  die  innerhalb  des 
zweiten  Töfjio^  fallen,  müssen  wir  daher  mit  demselben  beginnen. 

Schon  eine  oberflächliche  Vergleichung  der  Topic'.  des 
Africanus  und  Eusebius  zeigt,  dass  dieselben  trotz  bedeutender 
Abweichungen,  in  einem  Abhängigkeitsverhältnisse  zu  ein- 
ander stehen;  die  TCfiict  des  Eusebius  setzen  die  des  Africanus 
voraus.  Der  grösste  Theil  der  Notizen,  die  sich  bei  Africanus 
finden,  kehrt  auch  bei  Eusebius  wieder.  Dies  könnte  freilich 
auch  durch  die  Annahme  einer  gemeinsamen  Quelle  erklärt 
werden  ;  entscheidend  ist  jedoch  die  Stelle,  die  auch  nach  einer 
anderen  Seite  hin  für  die  t6(i.oi  des  Africanus  sehr  wichtig  ist 
und  sich  beim  Könige  Chufu  findet  (IV,  2):  03to?  hk  xat  ksf- 
CTO)?  61?  Oeou?  e^evero  xal  xyjv  tepav  auv6Ypa<^£  ßCßXov,  i^^  <**?  P'-^T^ 
XpijjAa  6V  Ai^uxTü)  Y£v6iJL6VO?  £XTYjffa[jLY)v.  Bci  Eusebius  wird 
diese  Angabe,  die  natürlich  in  dieser  Form  nur  für  den  Verfasser 
der  T6|A0t  des  Africanus  richtig  war,  also  verändert:  qui  et 
superbus  in  deos  inventus  est,  usquedum  eum  poenituit,  et  Volu- 
mina sacra  conscripsit;  quos  velut  magnas  opes  habebant 
Egiptii.  Die  Vergleichung  dieser  Stellen  zeigt  uns  hinreichend 
das  Abhängigkeitsverhältniss ,  in  welchem  die  T6{Jiot  des  Euse- 
bius zu  denen  des  Africanus  standen.  Woher  kommen  denn 
dann  die  grossen  Abweichungen  zwischen  den  beiden  £x369£t; 
—  auf  diese  Frage  zu  antworten  ist  die  Aufgabe  der  folgenden 
Untersuchungen.  Für  den  zweiten  tcjjlc?  geben  uns  die  exBwfii; 
des  Africanus  und  Eusebius,  sowie  die  Excerpta  Barbarorum 
folgende  Angaben : 

Africanus : 

XII.  Dynastie     7  Thebaner  .  mit  160  Jahren 
Xin.  „         60  Thebaner  .     „    453       „ 


Manethonisches  Qeflchichtswerk.  171 

XIV.  Dynastie  76  ChoiteD  .  .  mit  184  Jahren 
XV.         „  6  Hyksos    .  .    ^     284      ^ 

XVI.  „  32  Hyksos    .  .  „  518      „ 

XVn.  „  —  Thebaner  .  „  151  (+ 43)  Jahren 

XVIII.  „  16  Thebaner  .  „  263  Jahren 

XIX.  „  6  Thebaner  ,  ^  209       „ 

Ensebias: 

XII.  Dynastie     7  Thebaner.  .  mit  245  Jahren 
XIII.  „         60  Thebaner.  .    „     453       „ 

XrV.  „         76  Choiten .  .  .    „     484       „ 

XV.  „         —  Thebaner.  .    „     250       „ 
XVI.  „  5  Thebaner.  .    „     190       „ 

XVII.  „  4  Hyksos.  .  .    „     103       „ 

XVIII.         „         14  Thebaner.  .    „     348       „ 

XIX.  „  5  Thebaner.  .    „     194       „ 

Excerpta  Barbari: 

X.  Potestas  Diospolitanorum  ....  an.  160 

XI.  „  Bubastanorum „  153 

Xn.  „  Tanitorum „  184 

Xni.  „  Sebennitorum „  224 

XrV.  „  Memphitorum „  318 

XV.  „  Iliopolitoram „  221 

XVI.  „  Ermapolitorum „  260 

Die  Abweichungen  unserer  Listen  sind  sehr  bedeutend; 
am  grössten  sind  sie,  sowohl  was  die  Reihenfolge  der  Dyna- 
stien ab  auch  die  Zahl  ihrer  Regierungsjahre  anbelangt,  bei 
denjenigen  Dynastien,  deren  Herrschaft  zwischen  den  Einfall 
und  die  Vertreibung  der  Hyksos  fällt.  Nur  folgende  spärliche 
Angaben  erhalten  wir,  aus  den  echten  Fragmenten  Manetho's 
bei  Josephus,  über  diese  unruhige  Zeit : 

I  14,  2  die  Hyksos  fallen  in  Aegypten  ein,  als  daselbst  der 
König  (Amun?)-Timaios  regierte  und  bleiben  eine  Zeit- 
lang hindurch  ohne  Könige. 
1  14,  5  n^oq  erheben  sie  Salatis  zum  Könige. 
I  14,  12  MeTÄ  Toöra  erheben  sich  in  Aegypten  einheimische 
Forsten,  die  nach  einem  langwierigen  Kampfe  die  Hyksos 
vertreiben.  [Aus  der  Darstellung  des  Josephus  ist  es  nicht 
klar  ersichtlich,    worauf   sich  das  {xe^a  lauia   bezieht,    ob 


172  Krall. 

auf  die  Reihe  der  Hyksos,  die  mit  ABsis  abschloss,  oder 

überhaupt   erst  auf  die  511  Jahre;   wahrscheinlicher  ist 

jedoch  das  erstere.] 
I  14;  8  erhalten  wir  die  Reihenfolge  und  Regierungsdauer  der 

von  den  Aegyptern  selbst  anerkannten  Hyksos, 
I  14,  11  erfahren  wir,   dass   diese    sowie  ihre  Nachfolger  511 

Jahre  über  Aegypten  regiert  haben. 

Diese  letzteren  Angaben  sind  allem  Anscheine  nach  Ma- 
netho  und  nicht  der  uns  bekannten  Tafel  entnommen.  Den 
Angaben  Manetho's  treten  die  Denkmäler  ergänzend,  berich- 
tigend und  bestätigend  zur  Seite.  So  spärlich  auch  die  monu- 
mentalen Nachrichten  über  den  Beginn  der  Hyksoszeit  sein 
mögen,  so  viel  steht  doch  fest,  dass  unmittelbar  nach  der 
Königin  Skemiophris,  die  in  unseren  Listen  die  XII.  Dynastie 
abschliesst,  die  Hyksos  in  Aegypten  nicht  eingefallen  sein 
können ;  dass  vielmehr  die  ^Nachfolger  derselben,  die  Sebekt^o- 
teps,  und  zwar  nicht  bloss  die  ersten  unter  ihnen,  noch  immer 
als  uneingeschränkte  Herren  von  ganz  Aegypten  erscheinen, 
wie  uns  denn  auch  Monumente  derselben  in  allen  Theilen  des 
Landes,  ja  selbst  hart  an  der  Ostgrenze  des  Delta  in  Tanis 
erhalten  sind.  ^  Der  Turiner  Papyrus  lässt  auf  die  Amenemha's 
etwa  140  Könige  folgen,  von  denen  der  grössere  Theil  der 
Zeit  des  Einfalls  und  des  siegreichen  Vordringens  der  Hyksos 
angehören  mag,  wie  denn  in  der  That  die  niederen  Regierunge- 
zahlen, die  selten  3 — 4  Jahre  überschreiten,  die  stürmische  Zeit 
hinreichend  bezeichnen,  ^  ohne  dass  jedoch  uns  irgend  ein 
Mittel  an  die  Hand  gegeben  würde,  diesen  Zeiti*aum  näher  za 
bestimmen.  3     Der  Turiner  Papyrus   bezeugt  uns  ferner,   dass 


^  Bmgsch  1.  1.  p.  175.  Cf.  übri^ns  Lieblein,  Recherches  p.  92  f. 

3  Lauth,  Manetho  p.  236  f. 

3  Wahrscheinlich  werden  uns  die  Keilinschriften  noch  früher  als  die  ein- 
heimischen Denkmäler  Auskunft  über  diese  dunkle  Periode  ägyptischer 
Geschichte  geben.  Babylonische  Inschriften  berichten ,  dass  der  alte 
König  Sarrukin  von  Agani  und  sein  Nachfolger  Naram-sin  in  kriegerisclie 
Beziehungen  zu  dem  Lande  Mftgan  getreten  seien.  Dass  Mftgan,  schon 
in  dieser  frühen  Zeit,  Aegypten  bezeichnete  wird  von  Schrader  (Keil- 
iuschriften  und  Geschichtsforschung  p.  297)  bezweifelt;  Masporo  erinnert 
jedoch  mit  Recht  an  Josephus  0.  A.  I,  14,  6,  15  sowie  daran,  dass  die 
Eroberung  von  PalSstina-Phönicieu  durch  Sarrukin  inschriftlich  feststeht 
(Revue  critique  1879). 


Hanethoniflche«  Gescbichtawerk.  173 

die  Aegypter  der  Thutmosidenzeit  eine  Reibe  von  Hyksos  als 
legitim  in  ihre  Königsverzeichnisse  aufgenommen  haben  ^  und 
es  sind  uns  in  der  That  durch  andere  Denkmäler  zwei  Hyksos- 
Damen  —  Salatis  und  Apophis  —  erhalten.  Aus  dem  Papyrus 
Sallier  n.  I  ersehen  wir,  dass  unter  dem  letztgenannten  Könige 
Apophis  sieh  ein  Haq  in  Oberägypten,  Namens  Raseqenen,  er- 
hoben hat,  dessen  Nachfolger  A^mes  I.  es  endlich  gelungen 
ist,  die  Hyksos  aus  Aegypten  zu  vertreiben.  Andere  Denk- 
mäler zeigen  uns,  dass  Abmes  I.  eine  Reihe  von  Raseqenen 
vorausgegangen  ist,  dass  sonach  die  oberägyptischen  Fürsten 
eine  Zeitlang  als  Vasallen  der  Hyksos  regiert  haben  müssen, 
bevor  sie  den  Kampf  gegen  dieselben  aufnahmen.  ^ 

Wir  haben  nun  zu  untersuchen,  wie  sich  die  Zahlen  der 
TC{jio(  zu  den  bei  Josephus  erhaltenen  Manethonischen  sowie  zu 
den  monumentalen  Angaben  stellen.  Zuerst  müssen  wir  ims  jedoch 
daran  erinnern,  dass,  'nachdem  Josephus  die  Gleichsetzung  der 
Juden  mit  den  Hyksos  aufgebracht  hatte,  die  Einwirkungen 
der  jüdischen  und  christlichen  Chronographen  bei  keinem 
anderen  Theile  der  T6(jLot  so  stark  gewesen  sind  als  gerade 
bei  diesem ;  wir  müssen  es  daher  versuchen,  so  schwierig  es  auch 
sein  mag,  die  Zahlen  der  T6{j.ot  von  diesen  Einflüssen  zu  be- 
freien. Zu  diesem  Behufe  gehen  wir  von  der  Hyksosdynastie, 
die  uns  in  drei  Redactionen  erhalten  ist,  aus. 


Josephus  I  14,  8: 

Africanus: 

Eusebius  [Arm] : 

Salatis        19  J. 

Saites         19  J. 

Saites      19  J. 

Beon          44  „ 

Bnon          44  „ 

Bnon      40  ^ 

Apaduuis  36  „  7  M. 

Pachnan    61  (36  +  25)  J. 

Apophis      61  „ 

^^Staan          50  J. 

Annas         50  „  r^x;^ 

Archles      49  „ 

Archles  30  „ 

Assis          49  „  2  ^^ 

\JLpbobi8      61  „ 

Aphobis  14  „ 

259  J.  284  (259  +  25)  J.  103  J. 

Wir  haben  schön  (p.  164)  ausgeführt,  dass  die  T6|xot  des  Afri- 
canus die  Regierungsdauer  der  XV.  Dynastie  um  25  Jahre  er- 
höhen; aus  dem  vorstehenden  Schema  ergibt  sich,  wie  dies, 
durchsichtig  genug,  dadurch  erreicht  wurde,  dass  man  dem  dritten 
Könige  Apachnas  statt  der  überlieferten  36  Jahre,  61  (36  +  25) 
gab.  Wir  haben  femer  gesehen,  dass  unter  derselben  Einwirkung 

^  Zuerst  ward  hierauf  Lauth  anfmerksam,  Manetho  247  f. 
^  Kaspero,  Histoire  ancienne  p.  175. 


174  .       Kmll. 

die  25  Jahre  des  Amasis  bei  Africanus  auBgelassen  wurden,  da 
sie  als  gleichzeitig  mit  den  letzten  Jahren  der  Hyksos  angesehen 
wurden.  Das  folgende  Schema  wird  uns  dies  hinlänglich  er- 
läutern : 

Hyksos  259  J.  y  Thebaner  194  J. 

25  „  J  '  Amasis        25    ^ 

Wenn  man  consequent  verfahren  wollte,  so  musste  man 
auch  die  Gesammtdauer  der  Herrschaft  der  Hyksos  über 
Aegypten,  die  von  Josephus  auf  511,  von  Africanus,  wir  werden 
noch  (p.  178)  sehen  warum,  auf  618  Jahre  angesetzt  wurde,  um 
25  Jahre  erhöhen.  Und  in  der  That  gehen  sowohl  die  T6)jL0t  des 
Eusebius  als  auch  die  Excerpta  Barbari  von  der  Voraussetzung 
aus ,  dass  die  Hyksos  518  +  25  =  543  Jahre  über  Aegypten 
regiert  haben;  wenn  wir  die  Dynastien  bei  Eusebius  ins  Auge 
fassen,  die  die  Hyksoszeit  repräsentiren,' nämlich  die 


XV.  Dynastie  250  J.  \ 


XVL         „        190  „ 
XVII.  „        103  „ 


\  543  J., 


so  finden  wir,  dass  sie  genau  543  Jahre  geherrscht  haben.  Die 
t6{xoi  des  Eusebius  sind  sonach  in  ihrer  jetzigen  Gestalt  durch 
die  von  Josephus  aufgebrachte  Identificirung  der  Juden  mit  den 
Hyksos  beeinflusst,  ebenso  wie  die  Excerpta  Barbari,  welche 
den  beiden  auf  die  XIV.  Dynastie  der  TÖpiot  folgenden  Potestates 
der  XIII.  und  XIV.,  224  +  318  =  542  Jahre  zuweisen. 

Indem  wir  uns  diese  Einwirkungen  stets  gegenwärtig 
halten,  die  in  den  t6ijlo(  des  Africanus  etwas  ganz  äusserliches 
sind,  während  sie  in  den  x6[koi  des  Eusebius  und  den  Excerpta 
Barbari  viel  nachhaltigere  Spuren  hinterlassen  haben  und  uns 
stets  von  denselben  frei  zu  erhalten  bemühen,  wenden  wir  uns 
zur  Betrachtung  der  einzelnen  Dynastiezahlen. 

Wir  haben  schon  eine  Differenz  zwischen  der  Hyksos- 
reihe  bei  Josephus  und  Africanus  kennen  gelernt;  viel  wich- 
tiger ist  für  unsern  Zweck  eine  andere.  Während  sich  in 
beiden  Listen  die  Regierungszahlen  der  Könige  und  die  Namen 
derselben,  von  einigen  Verschreibungen  abgesehen,  vollkommen 
decken,  besteht  in  der  Reihenfolge  der  Könige  ein  auffallender 
Unterschied :  nach  Josephus  ist  Apophis  der  vierte,  nach  Afri* 


Manethonischea  Geschichtswork.  175 

canus  der  letzte  —  sechste  —  König  der  Reihe.  Die  Erklä- 
rung dieser  Thatsache  haben  wir  bei  Eusebius  zu  suchen. 
Dieser  hat  nur  vier  Hyksos  und  gibt  dem  letzten  derselben^ 
Apophis,  anstatt  der  61  Jahre,  die  wir  bei  Josephus  und  Afri- 
canns  finden,  nur  14  Jahre,  d.  h.  er  lässt  in  dessen  14.  Re- 
§^erungsjahre  die  Erhebung  des  nationalen  Königthums  gegen 
die  Hyksosherrschaft  stattfinden,  welche  in  der  That,  wie  wir 
aus  dem  Papyrus  Sallier  wissen,  unter  Apophis  eingetreten  ist. 
In  dem  Momente,  als  in  Oberägjpten  sich  eine  einheimische 
Dynastie  erhob,  hörten  die  Hyksos  in  den  Augen  des  Ver- 
fassers der  t6(jlo(  des  Eusebius  ^  auf,  als  legitim  zu  gelten,  er 
Bchloss  daher  seine  Hyksosdynastie  mit  dem  14.  Regierungs- 
jahre des  Apophis  ab.  Eine  Anmerkung  eines  Scholiasten  des 
Piaton,  die  in  der  Anfuhrung  der  Namen  und  Zahleri  fiir  die 
Hjksos  mit  Eusebius  vollkommen  übereinstimmt,  zeigt,  dass 
Eusebius,  nicht  der  Urheber  dieser  von  Africanus  abweichenden 
Anordnung  ist,  sondern,  dass  er  sie  den  ihm  vorliegenden  t6{jl9i 
entnahm;  denn  die  Annahme  die  Anmerkung  des  Scholiasten  sei 
von  Eusebius  abhängig,  ist  schon  deshalb  unzulässig  weil  der 
erstere  einen  Satz  bringt,  den  der  letztere  gar  nicht  hat:  6  ^k 
Ishft^  'jrpoaeOiQxe  tw  [at^vI  üypaq  tß',  w?  eTvat  T^iJLspwv  X',  xat  tw  Ivioüto) 
i^vtspo;  5'  (e')  xal  ye^ovs  T^ptspöv  T§e'.  Wir  ersehen  aus  dieser  Notiz, 
dass  die  Hyksos  unter  dem  Einflüsse  des  ägyptischen  Kalenders 
ihr  Mondjahr  zu  einem  Sonnenjahre  umgestaltet  haben. 

Die  x6iLoi  des  Eusebius  und  die  Notiz  des  Scholiasten 
zeigen  uns,  dass  Manetho,  in  Uebereinstimmung  mit  den 
Monumenten,  in  die  Mitte  der  Regierung  des  Apophis  den  An- 
fang der  Erhebung  der  Thebaner  gesetzt  hat;  denn  hätte  er  es 
nicht  gethan ,  wie  wären  dann  die  Verfasser  der  tojaoi  auf  das 
Richtige  gekommen? 

Aber  eben  darin  lag  die  besondere  Schwierigkeit  für  den 
Verfasser  der  x6\mi  des  Africanus  —  einerseits  fand  er  eine 
Reihe  von  sechs  anerkannten  Hyksos  bei  Manetho  aufgezählt, 
anderseits  jedoch  die  Bemerkung,  dass  schon  unter  dem 
vierten  derselben,  einheimische  Fürsten  sich  erhoben  hätten. 
Wen  sollte  er  als  legitimen  Herrn  von  Aegypten  in  seinen 
'iiAoc  verzeichnen  ?  Diesen  Schwierigkeiten,  denen  der  Verfasser 


*  ▼.  Bndinger,  zar  ägyptischen  Forschung  Herodot^s  p.  25. 


176  KralL 

der  '?6[jLot  des  Easebius  durch  Abbrechen  der  Reihe  mit  Äpophis 
entging,  glaubte  er  am  besten  dadurch  auszuweichen,  dass  er 
den  König  Apophis  an  das  Ende  der  Reihe  versetzte.  Mit  einem 
Schlage  fällt  nun  klares  Licht  auf  die  XVII.  Dynastie  des 
Africanus.  Aus  der  Anmerkung  zu  derselben  —  ?vot{jive;  akhi 
ßaaiXeX;  [xf'  (sc.  Ityj)  xal  örjßoToi  AtociroXTTai  [xy'  (sc.  Itij),  ojjloO  :t 
icotfJL^veq  xai  ol  BYjßaioi  eßactXeuaav  STr,  pva'  —  die  von  den  Ab- 
schreibern gar  nicht  verstanden  wurde  und  daher  in  einer 
verderbten  Gestalt  uns  zugekommen  ist,  ersehen  wir,  dass  der 
Gewährsmann  des  Africanus,  die  Zeit  der  gleichzeitigen  Re- 
gierungen der  Hyksos  und  der  thebanischen  Dynastien  in  zwei 
ungleiche  Theile  schied,  von  denen  die  erste  43,  die  zweite 
151  Jahre  umfasste.  ^ 

Nach  den  bisherigen  Erörterungen  müssen  sich  die  43  Jahre 
auf  die  gemeinsame  Regierung  des  Apophis  mit  den  gegen  ihn 
aufgestandenen  thebanischen  Fürsten  beziehen.  Mit  dem  Tode 
des  Apophis  endet  die  legitime  Hyksosreihe  —  daher  der  Ab- 
schnitt. Die  folgenden  151  Jahre  repräsentiren  uns  den  wei- 
teren Verlauf  des  %6'ke[Loq  fx^ya^  xal  7:oXuxp6vto^.  Bei  EusebiuB 
finden  wir,  wie  wir  noch  oft  werden  beobachten  können,  nahezu 
durchgehends  die  überlieferten  Zahlen  verkürzt;  auch  die 
Hyksosreihe  bietet  uns  hievon  einige  Beispiele,  dem  Bnon  gibt 
er  40  statt  44,  dem  Arcbles  30  statt  36  Jahre,  kein  Wunder 
daher,  dass  er  die  Erhebung  gegen  Apophis  in  dessen  14.  statt 
wie  Africanus  in  dessen  18.  Kegierungsjahre  eintreten  lässt. 

Die  gleichzeitige  Regierung  der  Hyksos  und  der  einhei- 
mischen  Dynasten  dauerte  nach  Africanus  im  Ganzen  43  -|-  151 
=  194  Jahre;  aus  diesen  194  Jahren  hat  der  Verfasser  der 
t6(xoi  des  Eusebius  seine  XVI.  Dynastie  gebildet,  die  sich  so- 
nach vollkommen  deckt  mit  der  XVII.  des  Africanus.  wenn  wir 
davon  absehen,  dass  die  letztere  eigentlich  zwei  parallele  Dy- 
nastien umfasste.  Von  dem  Ueberarbeiter  der  tö[jloi  des  Euse- 
bius, der  wie  wir  (p.  174)  gesehen  haben,  von  der  Ansicht  aus- 
ging, die  Hyksos  hätten  543  Jahre  über  Aegypten  geherrscht, 
wurden  die  194  Jahre  zu  190  abgerundet.  Wir  fassen  die 
bisherigen  Ergebnisse,  der  leichteren  Uebersicht  halber,  auf  dem 
folgenden  Schema  zusammen: 


1  Cf.  Lieblein,  Chronologie  p.  68  and  Recherches  p.  124. 


Manethonischefl  Oesctaiehtswerk.  177 


AfricanuB.  Eusebius. 

XV.  Dynastie  259  J.:  XVII.  Dyn.  103  J.: 

Saites  19  J.  Saites  19  J. 

Bnon  44  „  Bnon  40  „ 

Pachnan  36  „ 

Staan  50  „ 

Archles  49  „  Archles  30  „ 

Apophis  Aphobis  14  „(statt  18 J.) 

allein  18  J.l 

)61 


} 


XVII. Dyn.  m.  d.  Theb.  43  jJ  j    "         XVn.  Dyn.  XVI.  Dynastie 

il94J.      Thebaner  5  Thebaner 
Andere  Hyksos  151  „  )                (43  +  löi) 

=  194  J.  190  J. 

Wenn  auch  von  denselben  Angaben  ausgeheqd,  weichen 
die  beiden  sviBöaetq  bedeutend  von  einander  ab ;  nach  der  lx.So(7i^ 
des  AfricanuB,  wie  sie  jetzt  sich  uns  darstellt,  sind  von  Saites 
bis  auf  die  Vertreibung  der  Hyksos  259  +  151  =  410,  nach 
der  des  Eusebius  dagegen  nur  103  -|-  190  =  293  Jahre  ver- 
strichen. Werden  wir  der  sxBocji?  des  Eusebius  oder  der  des 
Africanus  den  Vorzug  geben  ?  Bei  dem  jetzigen  Stande  unserer 
Kenntniss  dieser  Periode,  sind  wir  gar  nicht  in  der  Lage  diese 
Frage  zu  beantworten;  so  viel  dürfte  uns  jedoch  schon  jetzt 
klar  geworden  sein,  dass  auch  Manetho's  Angaben  für  dieselbe 
nicht  so  ganz  abschliessend  gewesen  sein  können;  denn  wie 
hätten  sonst  die  Verfasser  der  t6{jloi  in  redlichster  Benützung 
des  ihnen  gebotenen  Zahlenmaterials  zu  zwei  so  verschiedenen 
Systemen  kommen  können? 

Wir  wenden  uns  nun  zur  Betrachtung  der  anderen  Dynar 
stien  der  Hyksoszeit.  Hier  fesseln  zuerst  die  zwei  Riesendyna- 
stien  des  Africanus,  die  XVI.  mit  518  und  die  XIII.  mit 
453  Jahren  unsere  Aufmerksamkeit.  Die  Gesammtdauer  der 
Herrschaft  der  Fremden  über  Aegypten  betrug  nach  Josephus 
511  Jahre,  wovon  259  auf  die  legitime  Hyksosdynastie  und 
252  (511—259)  auf  die  Nachfolger  derselben  entfallen  sollten. 
Allem  Anscheine  nach  hat  jedoch  Josephus,  was  bei  ihm  gar 
nicht  auffallen  kann,  seine  Quelle  flüchtig  gelesen  oder  miss- 
▼erstanden,  und  es  umfassen  die  511  Jahre  die  Gesammt- 
dauer der  Herrschaft  der  Hyksos  über  Aegypten,  somit  auch 
die    Zeit,     während    der    sie    keine    Könige    gehabt    haben. 

Sitnnfsbar.  d.  phil.-Unt.  CI.  XCT.  Bd.  I.  Hft.  12 


178  Krall. 

Wie  dem  auch  sei,  so  viel  ist  sicher,  dass  in  den  511  Jahren 
die  259  Jahre  der  legitimen  Hyksos  enthalten  waren;  die  xijjiK 
des  Africanus  dagegen  haben,  sowohl  eine  Dynastie  zu  518,  als 
auch  eine  zu  259  Jahren.  Wie  für  uns,  so  erhob  sich  auch 
für  die  Verfasser  der  t6|jloi  die  wichtige  Frage,  wie  denn  die 
511,  beziehungsweise  518  Jahre  zu  vertheilen  seien.  Waren 
denn  die  151  Jahre,  während  welcher  die  Hyksos  nach  dem 
Tode  ihres  letzten  legitimen  Königs,  des  Apophis,  in  fortwäh- 
rendem Kampfe  gegen  die  Thebaner,  bis  zu  ihrer  schliess- 
liehen  Vertreibung  aus  Aegypten,  sich  behauptet  hatten,  in  die 
Zeit  der  Gesammtherrschaft  einbegriffen?  Der  Verfasser  der 
T9(jLoc  des  Africanus  hat  sich  dagegen  erklärt;  die  eigentliche 
Herrschaft  der  Hyksos  brach  fUr  ihn  mit  dem  Tode  des  Apo- 
phis ab.  Ohnedies  stand  sein  System  nach  diesem  Ereignisse 
ganz  fest,  der  Best  von  518—259  Jahren  musste  sonach  vor 
Saites  untergebracht  werden. 

Aus  demselben  eine  Hyksosdynastie  zu  bilden  war  un- 
möglich; denn  nach  Manetho's  bestimmter  Angabe  war  Saites 
der  erste  König,  den  die  Hyksos  erhoben  haben.  *  Wir  wissen 
jedoch,  dass  die  Hyksos  langsam  und  in  stetem  Kampfe  gegen 
die  einheimischen  Fürsten  vorgerückt,  und  zur  Herrschaft  über 
Aegypten  gekommen  sind,  und  dass  der  Turiner  Papyrus  die 
langen  Reihen  der  einheimischen  Fürsten  dieser  Zeit  enthielt 
—  ähnliche  Erwägungen  haben  die  Verfasser  der  tijxot  veran- 
lasst, den  Rest  von  518  (oder  511) — 259  Jahren  für  eine 
thebanische  Dynastie  in  Anspruch  zu  nehmen.  Es  ist  dies  die 
XV.  Dynastie  des  Eusebius  mit  den  hübsch  abgerundeten  250 
Jahren.  Der  Verfasser  der  t6{jioi  des  Africanus  hat  diese  erste 
thebanische  Dynastie  mit  259  Jahren  mit  der  zweiten,  die  wir 
schon  ins  Auge  gefasst  haben  (die  XVH.),  mit  194  Jahren  zu 
seiner  XIII.  Riesendynastie  mit  453  (259  +  194)  Jahren  zu- 
sauimengefasst ,  ohne  zu  berücksichtigen,  dass  sie  durch  die 
legitime  Hyksosreihe  von  einander  getrennt  waren. 

Wir  haben  bei  unserer  bisherigen  Untersuchung  nicht  in 
Betracht  gezogen,  was  den  Verfasser  der  t6jx5i  des  Africanus 
bewogen  hat,  die  von  Josephus  aus  Manetho  uns  überlieferten 
511  Jahre  auf  518  zu  präcisiren.     Durch    diese  Erhöhung  der 


1  Josephufl  C.  A.  I,  14,  5. 


ManetboniflchM  Geschicbtswerk.  179 

überlieferten  Zahl  erreichte  er,  dass  die  Gesammtdauer  der 
Uyksosherrschaft  in  zwei  Hälften  zu  je  259  Jahren  zerfiel,  von 
denen  die  erste  der  königlosen  Zeit,  die  wie  wir  gesehen  haben 
als  thebanische  Dynastie  in  den  t6[ao(  erschien,  die  zweite  da- 
gegen den  sechs  legitimen  Hyksos  angehörte.  Unser  Autor  hat 
sonach,  allem  Anscheine  nach,  dieselben  kritischen  Grundsätze 
gehabt,  wie  die  Urheber  der  Septuaginta,  welche  die  430  Jahre 
seit  der  Einwanderung  Abrahams  bis  auf  den  Auszug  auch  in 
zwei  Hälften  zu  je  215  Jahren  theilten,  von  denen  die  erstere 
auf  den  Aufenthalt  in  Kanaan,  die  zweite  auf  den  in  Aegypten 
entfiel  (vgl.  oben  8.  146). 

Während  die  t6{jioi  des  Africanus  und  Eusebius  trotz  be- 
deutender Abweichungen  in  der  Zählung  der  XV.,   XVI.  und 

XVII.  Dynastie  sich  mit  der  XVIII.  wieder  begegnen  und  be- 
züglich der  Herkunft  der  einzelnen  sich  entsprechenden  Dyna- 
stien mit  einander  vollkommen  übereinstimmen,  finden  wir  in 
den  Excerpta  Barbari  gerade  das  Entgegengesetzte.  Wiewohl 
kein  Zweifel  darüber  bestehen  kann,  dass  die  Potestas  Dios- 
politanorum  mit  der  XII.  Dynastie  des  Africanus  und  Eusebius 
identisch  sei,  so  finden  wir  sie  als  X.  Potestas  bezeichnet; 
ebenso  erscheint  die  XIV.  Dynastie  als  XII.  und  die  XVIII. 
als  XVI.  Potestas.  Die  XIV.  Dynastie  wird  bei  Africanus  und 
Eusebius  als  ,choitische',  die  XVIII.  als  ,thebanische'  bezeichnet, 
die  ihnen  entsprechenden  Potestates  dagegen  als  tanitische  und 
hermopolitische.  Selbst  in  der  Abtheilung  der  t6{jloi  weichen 
die  Excerpta  von  den  bisher  betrachteten  zwei  h.b6(jeiq  ab; 
während  diese  erst  mit  der  XIX.  Dynastie  ihren  zweiten 
Ti|ts^  schliessen,  enden  jene  denselben  mit  der  XVI.  Potestas 
'=  XVIIL  Dynastie).  Die  Abweichungen  der  Excerpta  von 
den  exBo^seq  gehen  nicht  auf  Verschreibungen  zurück,  wir  können 
an  einem  Beispiele  vielmehr  beobachten,  dass  dieselben  wohl- 
begründet sind  und  die  Eenntniss  des  Manethonischen  Werkes 
verrathen.  Die  Excerpta  bezeichnen  die  XVI.  Potestas  als 
eine  hermopolitische,  während  die  ihr  entsprechende  XVIH.  Dy- 
nastie von  Africanus  und  Eusebius  übereinstimmend  als  ein 
thebanisches  Fürstenhaus  bezeichnet  wird.  Wir  wissen  nun 
aas  den   Denkmälern,    dass    Al^mes   I. ,    der    die    sogenannte 

XVIII.  Dynastie  beginnt,  nicht  thebanischer  Abstammung  war, 

Bein  Name^   so   wie   der   in   seiner  Familie   so  häufig  vorkom- 

12» 


180  Kr»Il. 

mende  von  ,Thutme8%  weisen  uns  vielmehr  auf  Hermopolis 
hin;  1  die  Hauptcultstätte  deb  Mondgottes  Thut,  der  von  den 
Griechen  ihrem  Hermes  gleichgesetzt  wurde  —  mit  vollem 
Rechte  konnten  daher  die  Excerpta  die  XVI.  Potestas  als  eine 
hermopolitische  bezeichnen. 

Wir  haben  schon  (S.  174)  die  Summe  der  Regierungszeiten 
der  XIII.  und  XIV.  Potestas,  die  die  Hyksosherrscbaft  in  den 
Excerpta  uns  darstellen,  ins  Auge  gefasst,  es  erübrigt  uns  noch 
die  Posten  einzeln  zu  prüfen  und  dann  den  Anschluss  der- 
selben an  die  Regierungen  der  X.  Potestas  (XII.  Dynastie) 
festzustellen.  Nach  Josephus,  beziehungsweise  Manetho,  resi- 
dirten  die  Hyksos  in  Memphis,  als  Memphiten  werden  im  Vetas 
Chronicon  die  vier  legitimen  Hyksos  bezeichnet,  in  der  XIV.  Po- 
testas Memphitorum  müssen  wir  sonach  eine  Reihe  von  Hyksos 
erwarten.  In  der  That  stimmen  auch  die  derselben  beigege- 
benen 318  Jahre  vollkommen  mit  den  Ansätzen  des  Eusebios 
überein.     Nach  demselben  regierten  die  Hyksos. 

XVII.  Dynastie 103  J. 

XVI.         „         (gleichzeitig  mit  den  Thebanern)  190  „ 

Dazu  die  Jahre  des  Abmes     .  .     25  „ 

318  J. 

Auch  hier  zeigen  sich  die  Excerpta  von  der  durch  Jo- 
sephus aufgebrachten  Identificirung  der  Hyksos  und  Juden 
beeinflusst,  und  zwar  innerlich,  nicht  bloss  äusserlich,  wie  wir 
dies  bei  den  TC{jLOt  des  Africanus  beobachtet  haben.  Die  XIII. 
Potestas  Sebennitorum  mit  224  Jahren  ist  durch  Subtraction 
(542,  Gesammtdauer  der  Hyksosherrscbaft,  — 318,  XIV.  Po- 
testas Memphitorum)  entstanden,  ein  Vorgang,  der  uns  nach 
den  bisherigen  Darlegungen  nicht  mehr  auffallend  erscheinen 
kann.  Ob  sich  der  Verfasser  der  Excerpta  die  XIII.  Potestas 
als  eine  fremde  oder  einheimische  Herrscherreihe  gedacht  hat, 
können  wir  nicht  sagen ;  wenn  wir  uns  jedoch  daran  erinnern, 
dass  ihr  Sitz  nach  Sebennytos,  der  Heimatsstadt  Manetho*s, 
verlegt  wird,  so  liegt  die  Vermuthung  nahe,  dass  wir  es 
hier  wahrscheinlich  auch,  wie  bei  der  XVI.  hermopolitischen 
Potestas,  mit  einer  echt  Manethonischen  Angabe  zu  thun  haben, 


1  BrogBcb  1.  I.  254. 


Manethonisoliea  Geacbiehtswerk.  181 

die  wohl  in  diesem  Falle  auf  den  Localpatriotismos  ihres  Ur- 
hebers zurückzuführen  sein  dürfte.  Manetho  brauchte  nur 
anzü^ben,  dass  beim  Einfalle  der  Hyksos  eine  einheimische 
Dynastie  sich  längere  Zeit  in  Sebennytos  zu  behaupten  ver- 
stand' —  die  Verfasser  der  t6[tJ0i  berechneten  nach  der  uns 
wohlbekannten  Weise  die  genaue  Regierungsdauer  leicht  heraus. 

Zwischen  der  XIV.  Potestas,  die^  wie  wir  gesehen  haben^ 
von  den  Hyksos  eingenommen  wurde,  und  der  XVI.,  die  dem 
Abmes  und  seinen  Nachfolgern  angehört,  finden  wir  die  XV.  Po- 
testus  Heliopolitorum  verzeichnet.  Es  lässt  sich  bei  dem 
jetzigen  Stande  unserer  Kenntnisse  nicht  sagen,  ob  wir  es  hier 
mit  der  XVI.  Dynastie  des  Eusebius  (190  -f-  25  J.)  oder  aber 
mit  einer  parallel  laufenden  zu  thun  haben ,  denn  wir  wissen 
aus  Josephus,  dass  gleichzeitig  in  verschiedenen  Theilen  Aegyp- 
tens  nationale  Könige  gegen  die  Fremdherrschaft  sich  erhoben 
haben 2  —  immerhin  mag  nicht  unerwähnt  bleiben,  dass  die 
Namen  der  Rftseqenen  uns  nicht  nach  Theben,  die  Hauptcult- 
Btatte  des  Amon,  sondern  eher  auf  Heliopolis,  die  heilige 
Stadt  des  Rft,  hinweisen. 

Den  von  uns  bisher  betrachteten  Hyksosdynastien  gingen 
nach  den  ixSöaeu;  des  Africanus  und  Eusebius  die  XIV.,  welche 
sie  als  choitische  bezeichnen,  voraus.  In  dieser  nämlich,  nicht 
in  der  XIII.,  wie  man  bisher  angenommen  hat,  haben  wir  die 
Nachfolger  der  Skemiophris  zu  suchen.  Abgesehen  davon, 
dass  wir  nun  wissen,  was  es  fiir  eine  Bewandtniss  hat  mit  der 
XIII.  Dynastie,  müssen  wir  uns  erinnern,  dass  dieselbe  als 
eine  thebanische  Herrscherreihe  hingestellt  wird,  während  wir 
dagegen  wissen,  dass  die  Nachfolger  der  Skemiophris  keine 
Förderer  des  Amoncultes  in  Theben  gewesen  sind,  ja  dass  sie 
sich  im  Oegentheile  in  directem   Gegensatz   zu  demselben  ge- 


^  Ea  ist  dies  ja  die  Zeit,  die  in  der  grossen  Meneptal^-Inschrift  also  ge- 
schildert wird :  ,die  Könige  UnterKgyptens  befanden  sich  innerhalb  ihrer 
StSdte,  Qmschlossen  von  Erdschanzen,  abgesperrt  durch  Kriegsvolk,  denn 
sie  hatten  keine  Söldner,  am  jenen  zu  antworten'  (1.  9);  »damals  als  Unter- 
Igypten  in  der  Gewalt  der  Fremden  war,  indem  sich  diese  fest  behaup- 
teten, and  die  Könige  von  OberSgypten  [nicht  eingreifen  konnten]*  (1.  39) 
—  fUr  die  Uebersetzung  cf.  Brugsch,  Geschichte  Aegyptens  Ö57  f.  Chabas, 
Recherches  p.  84  f. 

»  C.  A.  I,  14,  12. 


182  Krall. 

stellt  haben,  durch  die  besondere  Pflege  des  krokodilköpfigen 
Sebeky  der  den  frommen  Aegyptern  als  Sjmbol  des  bösen 
Sutech  galt.  ^ 

Genauer  sind  die  Angaben  der  Excerpta ;  nach  denselben 
regierten  nach  der  X.    Potestas   (XII.    Dynastie)   bis   auf  die 
Hyksoszeit  zwei  Potestates,  die  erste  in  Bubastus  mit  153,  die 
zweite  in  Tanis  mit  184  Jahren.  Die  letztere  ist  identisch  mit 
der  XIV.  Dynastie  der  ivZoczi^,   wenn  auch  die  Angaben  hin- 
sichtlich   des  Sitzes   der   Regierung    von   einander  abweichen. 
Regierten  die   beiden   Potestates  gleichzeitig,  folgten  sie  auf- 
einander? Es  ist  schlechterdings  unmöglich  auf  diese  Fragen 
antworten  zu  wollen  ;  es  lässt  sich  nur  sagen,  dass  die  Residenzen 
Tanis,  Bubastus  und  Chois  uns  auf  Unterägypten  in  vollkom- 
mener Debereinstimmung  mit  den  Denkmälern  hinweisen,  die 
uns  bestätigen,   dass  die  Nachfolger  der  Skemiophris  mit  Vor- 
liebe in  Tanis  und  Bubastus  sich   aufhielten  —   wir  erinnern 
nur  an  die  gewaltigen  Statuen  des  Königs  Mermefia  in  Tanis.  ^ 
Africanus  legt  seiner  XIII.  Dynastie  184  Jahre  bei,  Euse- 
bius  dagegen  in  der  zuverlässigeren  armenischen  Uebersetzung 
484.     Wir  haben  es   bei  dem  letzteren   mit  einer   Summe  zu 
thun,  die  sich  analog  der  von  453  Jahren  bei  der  XIII.  Dynastie 
verhält;  wie  diese  die  Regierungen   der   thebanischen  Fürsten 
während    der   Hyksoszeit   zusammenfasst,   so    repräsentirt  uns 
die   Zahl    484    die   Regierungssummen    der   nichtthebanischen 
Fürsten  von  der   XII.   bis   zur  XVIII.   Dynastie,  nämlich  die 
choitische  Dynastie  mit  184  Jahren,  die  XVI.  legitime  Hyksos- 
reihe  mit  106  Jahren  und  ihre  Nachfolger,    die  mit  den  The- 
banern  gemeinsam  194  Jahre  regierten.     Dass  wir  es  hier  mit 
den    nicht  reducirten  Zahlen  zu  thun  haben  —  die  Reduction 
derselben  entsprang,  wie   wir  gesehen  haben,   dem   Bestreben, 
die  543   der   Hyksosherrschaft  über  Aegypten   zu  erzielen  — 
beweist,  dass  die  Reduction  nichts  Ursprüngliches  in  den  tc|X5'. 
ist,  sondern  erst  von  einem  spätem  Chronographen,    der  von 
Josephus   Schrift,    Contra   Apionem    beeinflusst    war,    vorge- 
nommen worden  ist. 

Zur  leichtern  Uebersicht  der  von  uns  bisher  gewonnenen 
Ergebnisse,  geben  wir  eine  Zusammenstellung  der  drei  Haupt- 

»  Bnigsch  1.  L  p.  176. 
2  Brugsch  1.  I.  p.  181. 


Hufltbonisehes  OMchiebtewerk.  183 

qaellen  für  die  Erkenntniss  der  Manethonischen  Chronographie, 
die  uns  deutlich  zeigt,  dass  die  t6(jlo(  ursprünglich  tabellarisch 
zusammengestellt  waren,  und  erst  später  die  Gestalt  erhalten 
haben,  in  der  sie  uns  vorliegen. 

Äfricanua: 


XII.  Djnastie  Thebaner  160  J. 
XIV.  Dynastie  Choiten  184  J. 


» 

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o 

a 


X 


Thebaner  259  J. 

HD 
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lO 

CO 

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OQ 

d 

Q 


X VII.  Dynastie  Thebaner    ^ 

eemeinBanimitApophis  43J.i 

194  J. 


Hyksos  ohne  Konige 
259  J. 

XV.  Dyn.  6  Hyksos  259  J. 
Saites  19 
Bnon  44 
Pachnan  36 
Staan  50 
Archles  49 
Apophis 
allein  18  Jo,,. 


!\  mUdenThebaneni4d  J 
19*  •     Hyksos  151 

XVIII.  und  XIX.  Dynastie  Thebaner  472  J. 

Ende  des  IL  t6|jlO(;. 


*  h94J. 

n  I 


u 
o 


Eusebius: 

XII.  Dynastie  Thebaner  245  J. 

Choiten  184  J. 
XV.  Dyn.  Thebaner  250 
(st.  259  oder  252)  J. 

XVII.  Dyn.  Hyksos  103 


^A  (8t.  106)  J. 


c  2 


X 


XVI.  Dyn.  Thebaner  190  Andere  Hyksos  190 

(st  194)  J.  (8t.  191)  J. 

g^meinaam  mit  Apophis 
seit  seinem  14.  (8t«18«)  J. 
und  dessen  Nachfolgern. 

XVIII.  Dynastie  Thebaner  348  J. 
XIX.  Dynastie  Thebaner  194  J. 

Ende  des  IL  x6\Loq, 


HD 

00 

a 
-¥• 

o 

O 

. 

Q 

X 


184  Krall. 

Excerpta  Barbari: 

X.  Potestas  Diospolitanorum  160  J. 
XI.  Potestas  Bubastanorum  153  J. 

XII.  Potestas  Tanitorum  184  J. 
XIII.  Potestas  Sebennitorum 
224  J. 

XIV.  Potestas  Memphitorum 
XV.  Potestas  HeliopoHto-  318  J.  (=  103  + 190  +  25.) 

rum  221  J. 
XVI.  Potestas  Hermapolitorum  260  J. 

Ende  des  II.  'z6\ioq. 

§.  2.  Der  dritte  t6[xo?. 

Es  kann  hier  unsere  Aufgabe  nicht  sein,  eine  Vergleichung 
der  Könige  der  einzelnen  Dynastien  mit  den  überlieferten  Gar- 
touchen  zu  geben,  da  wir  es  nicht  mit  ägyptischer  Chrono- 
graphie überhaupt  zu  thun  haben,  sondern  bloss  mit  der  Unter- 
suchung der  aus  den  AiYu^rrioyic  geschöpften  exBcasti;,  um  an  der 
Hand  derselben  einen  Einblick  in  die  Anlage  der  TopLot  and 
ihr  Verhältniss  zu  den  ßtßXci  zu  gewinnen.  Hierauf  werden 
wir  uns  beschränken  und  die  Denkmäler  wie  bisher  nur  soweit 
heranziehen  als  für  unsere  Zwecke  uns  unumgänglich  noth- 
wendig  erscheint. 

Dynastie  XIX.  und  XX.  Die  Differenzen,  welche  fiir 
diese  Dynastien  in  unseren  ^x.86(7e((;  bestehen,  sind  ziemlich  be- 
deutend.  Wir  fassen  zuerst  die  XIX.  näher  ins  Auge. 


Afric. 

Euseb.  [Arm.] 

Monumente. 

Sethos            51  J. 

55  J. 

Seti  I. 

Rapsakes       66  „ 

66  „ 

Ramessu  II.  Meiamun 

Amenephtes  20  „ 

8  „ 

Meneptah  II. 

Rauiesses      60  „ 

fehlt  bei  Euseb. 

Amenemnes    5  „ 

26  J. 

Thuoris           7  „ 

7  . 

Ueber  die  Gleichsetzung  der  drei  ersten  Herrscher  mit 
den  monumentalen  Königen  Seti  I.,  Ramessu  II.  und  Meneptah 
kann  kein  Zweifel  bestehen ;  schwieriger  steht  es  dagegen  mit 


Manethonische«  Oeachichtswerk.  185 

den  drei,   beziehungsweise   zwei   folgenden,   da  Eusebius    den 
König  Ramesses  mit  60  Jahren  nicht  kennt. 

Die  Denkmäler  bezeichnen  als  den  Nachfolger  des  Ame- 
nephtes  seinen  Sohn  Seti  IL,  dem  Setinacht-Merer-Miamun  II. 
folgte.  Beide  Könige  hatten  fortwährend  mit  Gegenkönigen 
zu  kämpfen;  gegen  Seti  II.  erhob  sich  Amonmessu,  gegen 
Seti-nacht  der  Gemahl  der  Ta-user,  Mineptah  Siptah.  Die 
höchste  Regierangszahl,  die  von  irgend  einem  dieser  Könige 
gefunden  worden  ist,  ist  das  dritte  Jahr  des  Siptah  —  es  hat 
sonach  keiner  dieser  Könige  lange  regiert.  Unter  Seti-nacht 
brachen  fremde  Völker  in  Aegypten  ein;  es  ist  die  Zeit  in 
die  uns  das  von  Josephus  erhaltene  Manethonische  Fragment 
über  die  £xodus  versetzt.  Nach  demselben  haben  die  fremden 
Eindringlinge  dreizehn  Jahre  über  Aegypten  geherrscht,  nach 
deren  Verlauf  es  Seti-nacht  —  warum  er  bei  Josephus  Amenophis 
genannt  wird,  werden  wir  an  einem  anderen  Orte  zu  unter- 
suchen haben  —  unter  Beistand  seines  Sohnes  Ramessu  gelang, 
die  Feinde  aus  Aegypten  zu  vertreiben.  Ramessu  selbst 
gibt  uns  in  dem  für  unsere  Wissenschaft  so  werthvollen  Pa- 
pyrus Harris  ^  die  officiellen  Belege  für  den  Manethonischen 
Bericht.  Weder  Seti  II.  und  Seti-nacht  noch  ihre  Gegenkönige 
Amonmessu  und  Siptah  können  nach  dem  Gesagten  mit  dem 
Ramesses  des  Africanus  verglichen  werden,  dem  volle  60  Jahre 
beigelegt  werden.  Anders  steht  die  Sache  bei  Seti-nacht's 
Sohne,  dem  erwähnten  Ramessu ;  ganz  abgesehen  von  der  voll- 
kommenen Uebereinstimmung  der  Namen,  ist  f\ir  denselben 
ein  hohes  Regierungsjahr  —  32  —  durch  den  schon  ange- 
führten Papyrus  Harris,  das  sein  letztes  auch  nicht  gewesen 
ist,  wohl  bezeugt.  Die  beiden  folgenden  Könige  sind  monu- 
mental leicht  erkennbar;  Amenemnes  ist  der  Gegenkönig  Amon- 
messu und  Thuoris  ist  die  Gemahlin  Siptah's,  die  gewaltige 
Tauser.  Die  z6\»ai  huldigen  sonach  auch  hier  denselben  Grund- 
sätzen wie  bei  der  XVIII.  Dynastie,  wo  auch  die  legitimen 
Könige  bis  auf  Horus  vorgeführt  werden  und  erst  dann  die 
Kebenkönige  nachfolgen  (p.  158  u.  187).  Nach  dem  Gesagten 
lösen    sich    die    Abweichungen    in    den    Regierungsjahren    bei 


'  Edd.  Birch   und   Eisenlohr,  vgl.  Eisenlohr's  Vortrag  über  den   Papyms 
Harris,  Chabas,  Recberches  23—27,  Brugsch  l  1.  589. 


186  Kr»ll. 

Africanus  und  Eusebius  von  selbst.  Meneptah  hat  nach  Eose- 
bius  acht,  nach  Africanus  zwanzig  Jahre  regiert,  der  letz- 
tere fasst  sonach,  wie  wir  dies  schon  so  oft  beobachtet  haben, 
die  Regierungen  von  Meneptah  (8  J.),  Amenemnes  (5  J.) 
und  Thuoris  (7  J.)  zusammen.  Anderseits  hat  Eusebius  für 
Amenemnes  26  Jahre,  d.  h.  Amenemnes  (5  J.),  Thuoris  (7  J.) 
und  die  dreizehn  Jahre  der  Herrschaft  der  Fremden;  die  nicht 
legitimen  Regierungen  werden  uns  in  ihrer  Gesammtheit  vor- 
geführt. Die  dreizehn  Jahre  der  Anarchie  werden  von  Afri- 
canus in  die  Regierung  des  Königs  Ramesses  (47  -|-  13  =  60  J.) 
einbegriffen,  etwa  wie  die  Regierungen  der  nicht  legitimen 
Amenemnes  und  Thuoris  in  der  des  Meneptah  enthalten  sind. 
Wo  hat  aber  der  Verfasser  der  T6{Aot  des  Eusebius  die  Regierung 
Ramessu  III.  untergebracht  ?  Die  dreizehn  Jahre,  die  in  dessen 
sechzigjähriger  Regierung  enthalten  sind,  figuriren  bei  Eusebius 
in  den  26  Jahren  des  Amenemnes  —  aber  die  übrigen  47  Jahre? 
Hier  tritt  uns  die  überraschende  Thatsache  entgegen,  dass  die 
nächste  Dynastie  bei  Eusebius  *  43  Jahre  mehr  hat  als  bei 
Africanus,  d.  h.  Ramessu  III.  ist  nach  dem  erstem  das  Haupt 
der  XX.  Dynastie,  während  er  bei  dem  letzteren  in  der  XIX. 
vorkommt.  Trotzdem,  dass  mit  der  XX.  Dynastie  ein  neuer 
t6[jlo^  beginnt,  ist  die  Scheidung  zwischen  derselben  und  der 
ihr  vorangehenden  keineswegs  sehr  scharf;  sie  hängen  viel- 
mehr auf  das  innigste  zusammen,  wie  es  uns  auch  die  Denk- 
mäler darthun.  Es  ist  hier  nicht  unsere  Aufgabe  zu  prüfen, 
was  die  Trennung  veranlasst  hat ;  wir  bemerken  nur,  dass  wir 
ähnlichen  Erscheinungen  schon  begegnet  sind  bei  der  XVIL 
und  XVIII.  Dynastie  des  Africanus,  und  dass  uns  dasselbe  bei 
der  XI.  und  XII.  Dynastie,  somit  an  dem  Uebergange  des 
ersten  auf  den  zweiten  t6|jio<;,  entgegentreten  wird.  Dieselben 
60  Jahre,  welche  bei  Africanus  dem  Ramesses  beigelegt  werden; 
sind  bei  Eusebius,  nicht  bloss  auf  verschiedene  Könige,  sondern 
auf  zwei  Dynastien,  ja  auf  zwei  T5|jiot  vertheilt. 

Zum   Schlüsse  stellen   wir   die   gewonnenen    Ergebnisse 
tabellarisch  zusammen: 


^  Der  griechische  Text  gibt  der  XX.  Dynastie  178,  die  armenische  Uebcr- 
setsung  172  (182?)  Jahre.  Wie  nahezu  durchgehends  bei  Eusebius  Bind 
die  Zahlen  auch  hier  verkürzt. 


o 

m 
m 
o 

B 


Hanethonisches  G«8cbichtinr«rk.  187 

Afr.  Enseb.  [Arm.] 

XIX.  Dynastie  209  J.  194  J. 

SethoB  51  „  55 

RapaakeB  66  „ 

Amenephtes     8  \ 
Amenemnes     5  >  20  „ 
Thuoris  7  j 

Herrschaft  der  Fremden 
13  J. 

III.  t6jjio4 
XX.  Dynastie 
Ramesses  47  J.  Bamesses  47  J. 

III.  TÖjjioc.  XX.  Dynastie  182  J. 

12  Fürsten  135  J.       12  andere  Fürsten  135  „      . 

Wir  haben  schoD  bei  der  Betrachtung  der  XVIII.  Dy- 
nastie beobachten  können  ^  dass  die  illegitimen  Nachfolger 
Amenhoteps  III.^  das  Geschlecht  des  Achu-n-aten^  erst  nach 
Horus  nachgetragen  wird;  dieselbe  Erscheinung  können  wir 
auch  bei  der  XIX.  Dynastie  verfolgen.  Amenemnes  und  Thuoris, 
welche,  wie  wir  eben  gesehen  haben,  vor  Ramses  III.  (Ramessu) 
friert  haben,  folgen  in  den  t6)ji.oi  auf  denselben.  Unsere  bis- 
herigen Untersuchungen  geben  uns  zugleich  die  Mittel  an  die 
Hand,  den  Grund  dieser  Erscheinung  festzustellen.  Wir  haben 
gesehen ,  dass  die  t6(jloi  ursprünglich  eine  tabellarische  Form 
hatten,  und  dass  sie  erst  später  in  die  uns  vorliegende  Form 
gebracht  worden  sind;  wir  haben  ferner  gesehen,  dass  für  die 
Zeit  der  Hyksosherrschaft  zwei  Rubriken  vorhanden  waren, 
dasselbe  müssen  wir  auch  für  die  XVIII.  und  XIX.  Dynastie 
aonehmen.  Auf  der  einen  Seite  standen  die  legitimen,  auf  der 
andern  die  illegitimen  Könige  —  als  man  die  tabellarische 
Form  der  icpict  aufhob,  liess  man  die  illegitimen  Könige, 
ohne  sie  an  ihre  richtige  Stelle  zu  setzen,  ohne  Weiteres 
auf  die  legitimen  folgen;  so  kommt  es,  dass  in  den  t6[jloi  auf 
Ramesses  seine  Vorgänger  Amenemnes  und  Thuoris  folgen  oder 
dass  dem  Geschlechte  Achu-n-atcn's,  Horus  vorangeht. 

Gewaltsam  hat  man,  wie  wir  gesehen  haben,  die  XIX. 
von  der  XX.,  sowie,  worauf  wir  noch  zurückkommen,  die  XI. 
von  der  XII.  Dynastie  durch  den  Tdfxo^-Einschnitt  auseinander 


188  Krall. 

gerissen  —  was  berechtigte  die  Verfasser  der  lipios  zu  einem 
so  gewaltsamen  Vorgange?  Um  diese  Frage  beantworten  za 
können,  müssen  wir  den  zeitlichen  Gesammtumfang  des  ganz 
in  sich  abgerundeten  zweiten  t6(jlo^  bestimmen.  Hier  wo  es  sich 
um  eine  stricte  Reihenfolge,  nicht  um  die  Gesammtsumme  der 
Regierungen  handelt,  müssen  wir  diejenigen  Dynastien,  die 
wir  als  Nebendynastien  oder  als  Zusammenfassungen  anderer 
noch  besonders  aufgezählter  Dynastien  festgestellt  haben,  aus- 
scheiden. 

Africanus:       XH.  Dynastie  160  J. 

XIV.     \  184  „ 

XVI.         „  518  „ 

XVII.        „  151  „ 

XVIII.  u.  XIX.  Dynastie  447  „ 


Summe  1460  J. 

Eusebius:  Amenemes  4  J. 

XII.  Dynastie  182  „ 

XIV.         ,  184  „ 

XV.        „  250  „ 

XVI.         „  190  „ 

XVII.         „  103  „ 

XVIII.  u.  XIX.  Dynastie  542  „ 


Summe  1455  J. 


Die  Summirung  der  Posten  der  einzelnen  aufeinander 
folgenden  Dynastien  ergibt  sonach,  nach  beiden  exSd^si;,  die 
Periode  von  Jahren,  nach  deren  Verlauf  sich  Wandeljahr  und 
festes  Jahr  vollkommen  wieder  decken.  Der  t6{jio^  und  mit 
ihm  die  Periode  endeten  mit  Ramses  III.  —  also  in  der  Zeit, 
wo  nach  den  Forschungen  von  Riel, '  von  denen  wir  in  unserer 
Einleitung  ausgegangen  sind,  der  Thot  des  Wandeljahres  mit 
dem  Thot  des  festen  Jahres  sich  deckten.  1460  julianische 
Jahre  vorher  war  dies  Ereigniss  schon  einmal  eingetreten ,  und 
in  diese  Zeit  &llt  nach  dem  übereinstimmenden  Ansätze  der 
TOfJLoe  des  Africanus,  des  Eusebius  und  der  Excerpta  Barbari, 
die  Regierung  des  Hauptes  der  XII.  Dynastie,  des  Amenemes. 


*  Riel,  Sonnen-  und  Siriuajahr  p.  180 — 183. 


ManeihoDiächeB  Oeichicbtowerk.  189 

Ueberall  bieten  uns  die  t6{jloi  Abweichungen  dar^  nur  in  diesem 
Cardinalpunkte  stimmen  sie  miteinander  vollkommen  überein 

—  der  beste  Beweis ,  dass  wir  es  hier  mit  einer  echt  Mane- 
thonischen  Angabe  zu  thun  haben.  Ist  aber  dieser  Ansatz  von 
Hanethoy  dann  ist  auch  unsere,  schon  oben  (p.  128)  ausgespro- 
chene Annahme;  dass  die  ägyptischen  Priester  in  ihren  heiligen 
Schriften^  deren  Dolmetsch  Manetho  nur  sein  wollte;  den  Be- 
ginn der  Verschiebung  der  beiden  festen  Jahre  in  die  Zeit 
der  Amenemha's  gesetzt  haben,  vollkommen  gerechtfertigt 

Es  scheint  nun  nahe  zu  liegen,  und  in  der  That  ist  dies 
auch  die  allgemeine  Meinung  der  Forscher,  dass  die  ßißXoc  des 
Manetho  den  einzelnen  t6{aoi  entsprechen.  Dagegen  spricht 
jedoch  die  Nachricht  des  Josephus,  *  dass  Manetho  den  Einfall 
der  Hyksos  in  seinem  ersten  Buche  behandelt  hat,  während 
uns  dagegen  derselbe  erst  in  dem  zweiten  t6[jio;  entgegentritt 

—  die  t5(aoi  laufen  demnach  nicht  parallel  mit  den  ßißXoi.  In 
der  That  wird  uns  dies  nach  unseren  bisherigen  Ausführungen 
^  nicht  auffallend  erscheinen ;  Manetho's  Schrift  ist  ein  histo- 
risches, die  TÖfAoi  sind  dagegen  ein  chronographisches  Werk; 
Manetho  theilt  nach  historischen  Gesichtspunkten  sein  Werk 
ab,  die  Verfasser  der  t6[jioi  hielten  sich  dagegen  an  die  Periode 
der  Verschiebung  des  Wandeljahres  gegen  das  feste  Jahr; 
deren  Epochen  ihnen  von  Manetho  gegeben  waren. 

Die  XIX.  Dynastie  bietet  uns  einen  Synchronismus  mit 
l^riechischer  Geschichte ;  unter  ihrem  Könige  Thuoris  soll  näm- 
lich Troja  eingenommen  worden  sein.  Ueber  die  Zeit,  in  welche 
dieses  bedeutendste  Factum  ihrer  Vorgeschichte  anzusetzen 
sei,  waren  die  Griechen  selbst  abweichender  Meinung.  Nach 
Herodot  fiel  die  Einnahme  von  Troja  etwa  in  das  Jahr  1270 
T.  Chr.;  nach  Thukydides  dagegen  in  das  Jahr  1209  v.  Chr. 
Ephoros  setzte  die  Eroberung  in  das  Jahr  1156,  Timaios  gar 
in  das  Jahr  1349  v.  Chr.  Mit  Zuhilfenahme  der  assyrischen 
Zeitrechnung  fixirte  Ktesias  dieses  Ereigniss  auf  das  Jahr  1183 
V.  Chr.,  ein  Ansatz,  der  später  von  Eratosthenes  und  ApoUodor 


>  Die  YerlisBliche  armenische  Venion  des  Eosebiiu  hat:  et  hie  sane  Ma- 
nethd«  in  primo  (Hbro)  rerom  egiptiacanim  hac  ratione  de  nobis  scribit. 
Den  Listen  dea  Africanns  und  Ensebitu  za  Liebe  wurde  das  ursprüng- 
liche ev  Tj  nptazr^  verwandelt  iv  t^  Seui/poe. 


190  Kr»ll. 

acceptirt  wurde  und  allgemeine  Anerkennung  fand;  ^  Welchem 
dieser  Ansätze  hat  Manetho  bei  dem  Synchronismus  des  Thuoris 
—  falls  derselbe,  was  gar  nicht  mit  Gewissheit  auszumachen 
ist,  von  Manetho  selbst  herrührt  —  sich  angeschlossen?  Dass 
er  sich  an  den  Ansatz  von  1183  v.  Chr.  nicht  gehalten  hat, 
ist  von  Lepsius  dargethan  worden;  unsere  Untersuchungen 
führen  zu  dem  Ergebnisse,  dass,  da  Thuoris  in  der  ursprüng- 
lichen Anlage  der  t6[xoi  als  Vorgänger  Ramses  III.  verzeichnet 
war,  die  Zerstörung  von  Troja  nach  den  T^piot  vor  1266 
V.  Chr.  fallen  müsste,  und  es  steht  sonach  der  Annahme 
von  Lepsius  ^  nichts  im  Wege ,  dass  Manetho  den  Ansatz 
Herodots  acceptirt  habe  —  einen  sichern  Anhaltspunkt  bietet 
uns  jedoch  dieser  Synchronismus  aus  griechischer  Geschichte 
ganz  und  gar  nicht. 

Dynastie  XXI — XXVL  Birch  hat  zuerst  ^  darauf  aufmerk- 
sam gemacht,  dass  die  Namen  der  Könige  der  XXII.  Dynastie  der 
TCfjLoe  kein  ägyptisches,  sondern  vielmehr  ein  assjnrisches  und 
aramäisches  Gepräge  tragen;  er  setzte  Osorchon  Sargon,  Ta- 
kelat  Tiglat  und  Namurot  Nimrod  gleich  und  schloss  hieraus 
auf  eine  enge  politische  Verbindung  zwischen  Aegypten  und 
Assyrien,  sowie  auf  Verheirathungen  zwischen  den  beiden 
Königsfamilien.  ^  Im  Anschlüsse  an  Birch,  aber  in  einer  Reihe 
von  Punkten  wesentlich  von  ihm  abweichend,  legte  Lepsius^ 
zuerst  dar,  dass  die  Bevölkerung  des  Delta  und  namentlich 
seines  östlichen  an  Asien  grenzenden  Theiles  sehr  gemischt 
war,  und  führte  hierauf  aus,  dass  Sedonk  I.  als  das  Haupt  einer 
ursprünglich  asiatischen,  wahrscheinlich  semitischen,  in  Bu- 
bastus  eingebürgerten,  Familie  anzusehen  sei.  Die  Ansicht 
von  Lepsius  hat  unter  den  Forschern  allgemeine  Geltung  er- 
langt, da  sie  in  der  That  an  Klarheit  und  Einfachheit  nichts 


^  J.  Brandis,  Comm.  de  temp.  graecomm  antiquissimorum  ratione,  Bonn  1857. 

^  Königcsbucli  p.  137. 

'  Transact.  of  the  R.  S.  of  Lit  Second  Ser.  III,  p.  165  f. 

*  ,1  have  entered  into  this  philological  detail  becanse  I  think  it  demon- 

strates,  by  a  new  route,  an  alliance  between  tbe  Assyrian  and  Egyptinn 

conrts,  and   shows    that  at  the  period  connections  of  blood   mnst  bave 

exiflted  between  the  two  royal  houaes.' 
^  Ueber  die  XXII.  ägyptische  Königsdynastie,  PhiL-hist.  Abh.  der  Berliner 

Akademie,  1856,  p.  285  f. 


Hanethonisehes  OeBChichtswerk.  191 

ZU  wünschen  übrig  lässt,  und  eine  Reihe  von  schwierigen 
Fragen  glücklich  löst.  Da  überraschte  Brugsch  die  gelehrte 
Welt  mit  der  Entdeckung,  ^dass  die  ägyptischen  Denkmäler 
von  dem  Jahre  1000  v.  Chr.  an^  uns  zum  ersten  Male  die 
Kenntniss  assyrischer  Königsnamen  in  ägyptischer  Schreibung 
gewähren,  und  die  Qegenwart  assyrischer  Satrapen  im  Nilthale 
bezeugen.  Pallascharnes,  Seäonk,  Nimrod,  Tiglat,  Sargon  und 
andere  mehr,  sind  echt  assyrische  Gestalten,  welche  fortan  mit 
der  Geschichte  Aegyptens  im  engsten  Zusammenhange  stehen 
werden'. ' 

Ausgehend  von  der  Stele  des  Peson^or  ^  und  einer  grossen, 
wenn  auch  nur  zum  Theil  erhaltenen  Inschrift,  auf  der  Vorder- 
seite eines  Granitblockes  in  Abydos,  legt  uns  Brugsch  dar, 
dass  das  aussterbende  von  Herhor  und  seinen  Nachfolgern  be- 
drängte Geschlecht  der  Ramessiden  Verbindungen  mit  den 
Assyriern  angeknüpft  habe;  ein  Urenkel  des  von  Herhor  ge- 
stürzten Ramessu  XIII.  hätte  sich  mit  der  ungenannten  Tochter 
eines  Grosskönigs,  dessen  Namen  Pallascharnes  an  Ninip-pal- 
lasar  und  Tiglath-phalasar  erinnerte,  vermählt,  was  den  König 
der  Assyrer  Naromath  (=  Nimrod)  nach  Aegypten  zu  ziehen 
und  seinen  Sohn  Schaschanq  zum  König  von  Aegypten  ein- 
zusetzen, veranlast  hätte.' ^ 

Die  hohe  Bedeutung  der  Darlegungen  von  Brugsch  für 
die  ägyptische  Chronographie,  und  daher  für  die  Anordnung 
der  spärlich  auf  uns  gekommenen  Manethonischen  Fragmente 
leachtet  sofort  ein;  wir  hätten  ganz  abgesehen  von  der  Glei- 
chung SeSonk  =  5.  Jahr  des  Rehoboam,'*  noch  eine  andere 
mit  der  assyrischen  Königreihe  gewonnen ;  es  ist  daher  am 
Platze  dieselbe  näher  zu  untersuchen,  und  mit  den  bisher 
bekannten  Thatsachen  aus  dieser  Zeit  zusammenzustellen. 

Fassen  wir  vorerst  die  damalige  Lage  der  grossen  Reiche 
im  Oriente  näher  ins  Auge.  Als  bequemer  Anhaltspunkt  bietet 


^  Bnigsch  1.  L  Einleitung  p.  X. 

'  Mariette,  Athen.  Fran^.  1855.  Bull.  Arch.  p.  95.  Lepsins  1.  1.  p.  264  f. 

>  BragBch  1.  1.  p.  643  f. 

*  1  Konig^e  14,  25.  Zam  Andenken  an  den  Feldzng  Hess  Sesonk  im 
21.  Jahre  seiner  Regierung  eine  Säulenhalle  des  Amonstempel  errichten, 
in  der  wir  ein  langes  Verzeichniss  von  eroberten  Stfidten  wiederfinden. 
Cf.  Brugsch  1.  1.  p.  660  f. 


192  Krall. 

sich  uns  der  Synchronismus  Scheschonks  Zug  gegen  Judäa 
=  5.  Jahr  des  Reboboam  dar.  Die  Reihe  der  Vorgänger  Sche- 
schonks, Nimrod,  Scheschonk^  Pithut,  Nebonescha,  Mausan,  die 
wir  nach  Brugsch  als  assyrische  Könige  anzusehen  hätten/ 
weist  uns  sonach  in  die  Zeit,  wo  das  Reich  der  Hebräer  in 
Folge  günstiger  Verhältnisse  unter  den  Vorgängern  Rehoboams^ 
Saul,  David  und  Salomon  im  westlichen  Asien  eine  bedeu- 
tende Stellung  einnahm.  Syrien  ist  von  der  Natur  selbst  darauf 
gewiesen,  in  der  Geschichte  keine  selbstständige  Rolle  zu 
spielen,  es  war  immer  der  Zankapfel  zwischen  den  Monarchien, 
die  entweder  im  Nilthale  oder  am  Euphrat  und  Tigris  sich  er- 
hoben hatten  —  nur  vorübergehend,  wenn  dieselben  zerfielen, 
hat  es  eigene  Bedeutung  erlangt.  Die  ägyptische  Monarchie 
war  unter  den  letzten  Ramessiden,  in  steten  inneren  Kämpfen 
begriffen,  gar  nicht  in  der  Lage,  ihr  Ansehen  nach  Aussen 
geltend  zu  machen;  die  assyrische  war  nach  der  Niederlage 
Tiglatb-pilesar  I.  durch  die  Babylonier  bei  Hekali,  und  nach 
der  unglücklichen  Schlacht  seines  dritten  Nachfolgers  Assur- 
rab-amar  unweit  Karchemisch,  die  die  voiiibergehende  Unab- 
hängigkeit Syriens  begründete,  ganz  zerfallen.^  Die  nachfol- 
genden Könige  verloren  allmälig  alle  ihre  Eroberungen  und 
sahen  sich  bald  auf  ein  kleines  Gebiet  in  der  unmittelbaren 
Nähe  ihrer  Hauptstadt  beschränkt,  ^  bis  endlich  mit  Tiglath- 
adar  am  Anfange  des  neunten  Jahrhunderts  eine  neue  Er- 
hebung Assyriens  begann.  In  dieser  Zeit  des  Verfalls  der  ägyp- 
tischen und  assyrischen  Monarchien  erhob  sich  gewaltig  das 
Reich  der  Hebräer,  unter  David  und  Salomon  reichte  es  von 
der  ägyptischen  Grenze   bis  zum  Euphrat  und  rothen  Meere; 


1  Brugsch  theilt  dieselben  wohl  in  assyrische  Könige  und  Fürsten  (auf 
seiner  Stammtafel  der  königlichen  Familien  der  Dynastien  XX — XXVI). 
Der  Unterschied  ist  jedoch  keineswegs  stichhaltig,  da  auf  der  Inschrift 
des   Pesonhor   von  Nimrod   aufwfirts   alle    Vorgänger    Scheschonks   als 

y    I     I  ,  als  mit  derselben  Würde  bekleidet,  bezeichnet  werden  [Lepsius 

1.  1.  p.  288  A].  Es  waren  sonach  Nimrod  und  seine  Vorgänger,  Boiouana 
ausgenommen,  insgesammt  assyrische  Könige  oder  es  war  es  deren  keiner. 

2  M6nant,  Annales  p.  53 — ö6. 

3  Rawlinson,  The  five  great  Monarchies  II.  80—83.  Oppert,  Histoire  den 
empires  de  Chald^e  et  d'Assyrie  p.  Gl — 69.  M^nant,  Annales  p.  59— (>K 
Maspero,  Histoire  ancienne  p.  342 — 543. 


Manethonifcbee  Oescbichtswerk.  193 

in  dem  Momente  wo  sich  einerseits  das  ägyptische  Reich  unter 
Scheschonky  andererseits  das  assyrische  unter  Tiglath-adar  und 
seinen  Nachfolgern  erhob ,  waren  ihm  die  Grundlagen  seiner 
Existenz  —  die  Schwäche  seiner  Nachbarn  —  entzogen  und 
es  trat  sein  Verfall  ein. 

Diese  Betrachtung  über  die  Statik  der  Reiche  im  west- 
lichen Asien  war  nothwendig,  um  festzustellen^  dass  die  An- 
nahme eines  Zuges  eines  assyrischen  Königs  nach  Aegypten, 
die  nur  zu  einer  Zeit  der  höchsten  Blüthe  des  assyrischen 
Reichs  und  der  völligen  Unterwerfung  Syriens,  wie  sie  in  den 
spätem  Perioden  eintrat,  überhaupt  denkbar  ist,  für  die  Zeiten 
Salomons  ganz  unzulässig  ist.  Aber  noch  mehr;  so  spärlich 
auch  unsere  Nachrichten  über  die  assyrische  Geschichte  dieser 
Zeit  fiiessen  mögen,  so  ist  uns  doch  der  grösste  Theil  der 
Konigsnamen  erhalten;  keiner  derselben  lässt  sich  auch  nur 
im  Geringsten  mit  den  Namen  der  Stele  des  Pison^^or  iden- 
tificiren.  Es  müsste  denn  doch  ein  sehr  eigenthümlicher  Zufall 
gewaltet  haben,  wenn  gerade  die  Namen  dieser  ganz  geschlosse- 
nen assyrischen  Königsreihe,  die  wir  im  Gegensatze  zu  allen 
Nachrichten  als  ungemein  mächtig  ansehen  müssten,  da  sie  zu 
Zeiten  Davids  mit  Aegypten  in  Verkehr  getreten  waren,  und 
nnter  Salomon  Aegypten  zu  einer  Provinz  ihres  Reiches  machen 
konnten,  gänzlich  verloren  gegangen  wären,  ja  dass  selbst  die 
historischen  Bücher  der  Juden,  die  bei  diesen  Dingen  in  erster 
Linie  interessirt  waren,  gar  keine  Nachricht  hierüber  uns  er- 
halten haben.  Musste  ja  doch  die  gewaltige  Ausdehnung  des 
assyrischen  Reiches,  wie  sie  eben  in  der  Eroberung  Aegyptens 
gipfelte,  weithin  ihre  Wirkungen  äussern,  wovon  während 
der  ganzen  friedlichen  Regierung  Salomons  gar  keine  Spuren 
vorliegen. 

Wenn  aber  Nimrod  und  seine  Vorgänger  keine  assyrischen 
Könige  waren,  was  waren  sie  denn  dann  ?  Ihre  Namen  ^  weisen 
ans  darauf  hin,  dass  sie  assyrischen  Stammes  waren,  wie  kamen 
sie  aber  nach  Aegypten?  Um  diese  Frage  zu  beantworten, 
müssen  wir  die  Nachrichten,  die  wir  über  diese  Vorgänger 
Scheschonks  haben,    näher  ins  Auge  fassen.     Wir  finden   bei 

*  Der  Scblusfl  ist  freilich  nicht  ganz  zwingend,   denn  wir  finden  z.  B.  bei 
den  Griechen  den  Namen  Psametik  seit  der  Sai'tenzeit  häafig  angewendet. 
Sitzugsb«r.  d.  phiL-bift.  Gl.  XCY.  Bd.  I.  Hft.  13 


A/VWNA 


194  Krall. 

Lepsius '  die  Legende:  1   '^'^^    Hl    |'  aA  /   i 

Ramses,  der  Befehlshaber  aller  Truppen  (Namens)  Nimrod,  seine 

Mutter  (war)  die  Tochter  des  grossen  Fürsten  von  |  (Mäti), 

Panure§nes  (mit  Namen)/  Es  ist  von  Brugsch  ^  mit  Recht  darauf 
aufmerksam  gemacht  worden,  dass  unser  Nimrod  der  Brader 
der  auf  einer  anderen  Stele  genannten  [Zadj  Qoraufänch  und 
[Zad]  Annubasänch  ^  sei,  die  nachweislich  Zeitgenossen  SeSonks  I. 
gewesen  sind.  Wer  ist  aber  dann  Panuresnes,  ist  es  die  Mutter 

Nimrods,  ist  es  der  Name  des  Fürsten  von     1         ?    Brugsch 

entscheidet  sich  für  das  Letztere,  ^  da  ihn  der  Name  an  Ninip- 
pallasar  erinnert.  Dem  gegenüber  müssen  wir  jedoch  bemerken, 
dass  einerseits  der  Name  PanureSnes  sich  gut  ägyptisch  er- 
klären  lässt,   ,unsere  Freude-  über  sie^,  ^  anderseits    dass,  da 

wir  in  der  Reihenfolge  der  nj  A  der  ,assyrischen  Könige'  nach 

der  Annahme  von  Brugsch  auf  der  Stele  des  Pisonhor  kein 
PanureSnes  vorkommt,  wir  zur  Aufstellung  eines  zweiten  wohl 
einem  anderen  Geschlechte  angehörigen  assyrischen  Königs  zur 
Zeit  der  Vorgänger  Scheschonks  —  also  eines  Gegenköoigs  — 
genöthigt  wären.  Ohne  uns  weiter  in  diese  Hypothese  hinein 
zu  verstricken,  geben  wir  die  Stammtafel  Nimrods,  daran  fest- 
haltend, dass  Panuresnes  die  Mutter  Nimrods  war. 


Ich  mU88  zudem  daran  erinnern,  dass  das  Wort,  welches  dem  Namen 
Bniuuaua  vorangeht,  Thehen  (p.  74,  A  2)  möglicherweise  auch  ,Lib)rer' 
bedeuten  kann  (Dümichen,  Recaeil  II,  p.  58  n.  passim). 

1  Königsbuch  Nr.  784  und  785  (Nachtrag). 

2  Ramses  und  Scheschonk  (Aeg.  Z.  1875  p.  163  f.). 

Berten  Abdruck  der  Inschrift  des  Sohnes  des  Ramses,  Nimrod,  gibt  v.  Berg- 
mann in  seinen  ,Hierogljphischen  Inschriften'  p.  4 — 6  und  pl.  III.  o.  IV. 
*  1.  1.  644. 

^0',  rep,  Freude,  p&^c  gaudium.  Ich  erinnere  nur  an  BentreS 


,die  Tochter  der  Freude',  die  Gemahlin  eines  Ramessiden,  von  der  uns 
die  bekannte  Stele  berichtet.  Reiuisch,  Ghrest.  I.  pl.  12.  Mit  Recht 
schreibt  daher  Lepsius  (1.  1.)  ,8eine  Mutter  Panurettues*. 


HanethonUelies  Geschichte  werk.  195 


grosser  Fürst  von  ] 


o    W 


Ramessu  XVI.  (?)  PanureSnes 


[Zad]  ^oraaßlnch   [Zad]  Annubasänch   Nemrud 

Wir  sehen  aus  dieser  Stammtafel  ^  wie  innig  die  Bezie- 
bangen  zwischen  den  ^grossen  Fürsten'  von  1  .  und  den  ägyp- 
tischen Fürsten  gewesen  sein  müssen ;  die  Tochter  des  Assyrers 
fuhrt  einen  ägyptischen,  der  Sohn  des  ägyptischen  Königs  einen 
assyrischen  Namen,   so  war  es  möglich,    dass   die  Herrschaft 

von  den  Kamessiden  leicht  auf  die   Gross-Fürsten   von   ] 

übergehen  konnte.  Die  Mutter  Scheschonks  Thentsepeh  war 
allem  Anscheine  nach  eine  Verwandte  des  letzten  Ramessiden, 
seine  Gemahlin  vielleicht  dessen  Schwester,  mit  ihrer  Hand 
gewann  er  auch  das  Recht  der  Nachfolge  in  Aegypten.  Diese 
Angaben  der  ägyptischen  Inschriften  reichen  nicht  aus,  um  die 

wahre   Bedeutung  der  ,grossen   Fürsten   von  oder   der    ] 

Mäti'  festzustellen;  wir  müssen  die  Keilinschriften  zu  Bathe 
ziehen.  Auf  einer  Inschrift  des  Königs  Tiglath-pilesar  II. 
(745 — 727), '  finden  wir  einen  Grenzwächter,  einen  assyrischen 
Markgrafen  erwähnt,  ,den  Itibill  setzte  ich  zum  Grenzwächter 
ein  für  das  Land  Mu^ri^  Tiglath-Pilesar  ist  nicht  erobernd 
nach  Aegypten  gezogen,  er  fand  es  jedoch  angemessen  über 
die  an  Aegypten  grenzenden  Gebiete  einen  ,nigab%  einen 
Wächter,  aufzustellen.  Steigen  wir  nun  von  Scheschonk,  dem 
altem  Zeitgenossen  Rehoboams,  der  also  etwa  der  zweiten 
Hälfte  des  zehnten  Jahrhunderts  angehört,  sechs  Generationen 
aufwärts  —  so  viele  zählt  nämlich  die  Stele  des  Pesonbor  als 
Vorgänger  Scheschonks  auf  —  so  kommen  wir  in  den  Aus- 
gang des  zwölften  Jahrhunderts,  d.  h.  in  die  Zeit  Tiglath- 
pilesars  I.,  des  gewaltigsten  Könige  der  ersten  Periode  assy- 
rischer Geschichte,  der  nachweislich  bis  Arados  vorgedrungen 
ist,  welches  ihm  seine  Thore  öffnete.^  So  gross  war  sein  Ansehen, 

*  £.  Schrader,  Keiliaschriften  und  Geschichtsforschnn^  p.  262  und  A;  die 
Inschrift  findet  sich  bei  Lajard  66  und  II,  B.  67   und   III,  R.   10  Nr.  2. 
^  Maspero,  Histoire  ancienne  p.  282. 

13* 


196  Kr»n. 

dass  selbst  der  König  von  Aegypten  sich  beeilte,  ihm  eine 
Reihe  von  Geschenken  zu  senden.  ^  Halten  wir  dies  alles  zu- 
sammen;  so  kommen  wir  zu  dem  Ergebnisse,  dass  Buiu-uaua,- 
der  Ahnherr  der  Familie  Scheschonks,  zum  assyrischen 
Markgrafen  gegen  Aegypten  von  Tiglath-pilesar  I.  eingesetzt 
worden  sei. 

Mit  Tiglath-pilesar  I.  Niederlage  bei  Hekali,  zerfiel  die 
assyrische  Machjt;  den  assyrischen  Grenzgrafen  gelang  es,  allem 
Anscheine  nach,  Dank  der  Waffenmacht,  die  ihnen  Tiglath- 
pilesar  I.  mitgegeben  hatte,  sich  an  der  Grenze  Aegyptens  zn 
behaupten.  Nunmehr  unabhängig  von  Assyrien,  welches  nur 
mit  Mühe  sich  der  Angriffe  der  benachbarten  Völker  erwehren 
konnte,  traten  Buiu-uaua  und  seine  Nachfolger  in  Verbindung^ 
mit  den  Ramessiden,  denen  ihre  Unterstützimg  im  Kampfe  gegen 
die  Priester  und  Könige  von  Theben  nur  erwünscht  sein  konnte.^ 


em 


^  Auf  dem  zerbrochenen  Jagdobelisken  von  Nimmd,  welcher  von  Äsur- 
nasirbabal  herrührt,  wird  von  Geschenken  des  Königs  von  Mn^ri 
gesprochen  und  unter  denselben  ,ein  Namsuh  (Krokodil)  ein  ...  des 
Flusses,  und  Thiere  des  grossen  Meeres*  (Mittelländisches  Meer)  erwähnt 
Schrader,  K.  u.  G.  p.  264  f. 

'  Er  fuhrt  auf  der  Inschrift  den  Titel  II  v  /w^w  TTIT  Theljeu ,  dessen  Be- 
deutung wir  jedoch  festzustellen  nicht  in  der  Lage  sind.  Immerhin  erinnern 
wir  an    Ä  X  T&^no   detinere,    prohibere.    Dass    \  x  AAA^AA  ^TTTj'  in 

der  That  ein  Titel  und  kein  Bestandtheil  des  Namens  ist,  zeigt  die  Stele 
des  Pesonfaor,    welche   vor  jedem    Namen   entweder   einen    Titel  oder 

in  y    I     I     gibt.  Lepsius  1.  1.  p.  288  A,  vgl.  jedoch  oben  p.  193  A  1. 

3  Scheschonks  gleichnamiger  Grossvater  war  mit  der  ägyptischen  Prinzessin 
Mehet>n-Usech,  dessen  Sohn  Nimrod  mit  Thentsepeh  verm&hlt. 

*  Den  Titel,  den   diese   assjrrischen  Markgrafen  führen    rn  ](  ^aa/^  | 

igrosser  Fürst  von  oder  der  MSti^,  finde  ich  vollständig   ausgeschrieben 

bei  Tiglath  II.,  der  vor  seiner  Thronbesteigung  r^  A  aaaa/v\  .i^^  f  ^  I 

,gro8ser  Fürst  der  Mät'  war  [vide  Lepsius,  Königsbnch  Nr.  600],  Tiglath 
war  zugleich  »grosser  Fürst  der  Maschuascha'  (Maxjer).  Es  ist  daher  der 
Titel  fgrosser  Fürst  von  Mäti*  nicht  wie  Brugsch  (1.  1.  p.  644)  annimmt, 
die  Benennung  eines  assyrischen  Grossher m,  sondern  vielmehr  die  eines 
Anführers,  eines  in  ägyptischem  Solde  stehenden  Volkstheiles  —  nach 
unseren  Ansfiihrnngen ,    die   uns   zur  Annahme   von  Birch   und   Lepsin«, 


Manethoniscbes  GeBchichtewerk.  197 

Wir  wenden  uns  nun  zur  Betrachtung  der  xcfjLot,  Die 
beiden  exB&cjs«;  stimmen  hinsichtlich  der  XXI.  Dynastie  voll- 
kommen übereiu;  mit  der  einzigen  Ausnahme,  dass  bei  Euse- 
bius  dem  letzten  Könige  der  Reihe,  Psusennes,  35  Jahre  ge- 
geben werden,  statt  der  14  des  Africanus.  Der  vorhergehende 
König  Psinaches  regierte  9  Jahre,  es  beläuft  sich  sonach  die 
Regierungszeit  der  beiden  letzten  Könige  der  Dynastie  in  der 
exdsdt;  des  Eusebius  auf  44  Jahre. 

In  dieser  Zahl  liegt  die  Erklärung  der  Abweichungen 
der  beiden  ex8cast<;  für  die  XXII.  bis  XXVI.  Dynastie. 

Afr.  Eus.  Arm. 

XXII.  Dynastie  Bubastiden   120  J.  49  J. 

XXIII.  „         Taniten          89  „  44  „ 

XXIV.  „         Saiten              6  „  44  „ 
XXV.          „         Aethiopen      40  „  44  „ 

XXVI.  „         Saiten  150  „  6  M.      167  „ 

Der  Verfasser  der  TÖfzoi,  wie  sie  uns  gegenwärtig  bei 
Eusebius  vorliegen,  kannte  die  t6{jloi  des  Africanus ,  auch  seine 
XXII.'  Dynastie  ist  hiefiir  ein  neuer  Beleg,  sie  umfasst  etwa 
70  Jahre  weniger  als  bei  Africanus,  indem  sie  die  sechs  unge- 
nannten Könige  desselben  einfach  streicht.  Was  bewog  unseren 
Anonymus  die  grossen  Aenderungen  an  den  überlieferten 
Zahlen  vorzunehmen?  Aus  Herodot  und  Diodor  war  ihm  be- 
kannt, dass  vor  der]  Erhebung  Psametiks  in  Aegypten,  die  so- 
genannte Dodekarchie  bestanden  hatte  —  die  neuen  Ent- 
deckungen, die  Pianchistele  sowie  die  assyrischen  Inschriften 
bezeugen  uns  das  Vorkommen  von  Theilkönigen  im  Delta  —  er 
glaubte  in  seinen  x6\t.Gi  dieselbe  zur  Anschauung  bringen  zu 
müssen.  Jetzt  wird  es  uns  klar,  warum  bei  der  XXI.  Dynastie 
die  Regierungszahl  des  letzten  Königs  auf  35  Jahre  erhöht 
wurde  —  nach  der  Auffassung  unseres  Autors  haben  die  letzten 
Könige  derselben  (9  +  35  =  44  J.),  gleichzeitig  mit  der  XXII. 
bis  XXV.  Dynastie  regiert.  Dieselbe  Erscheinung  können  wir 
bei  den  Anfängen  der  XXVI.  Dynastie  beobachten.  Hier 
finden  wir  zuerst    den   Aethiopen    Ameres    (das  Haupt   einer 


wenn  aach  mit  einigen  Modificatlonen  zurückfahren,   werden  wir  in  den 
Miti  in  der  Tbat  assyrische  Söldner  zu  erkennen  haben. 


198  Krtll. 

libyschen  Ednigsfamilie !)  mit  18  Jahren^  dann  den  StepbiDateB 
mit  Ty  den  Nekepsos  mit  6  und  Nekao  mit  8  Jahren,  es  sind 
sonach  seit  der  Erhebung  der  Dynastie  bis  auf  Psametik 
39  Jahre  verflossen.  Psametik  selbst  regierte  nach  Eosebins 
44,  nach  Africanus  54  Jahre,  d.  h.  der  letztere  gibt  uns  dessen 
gesammte  Regierungszeit,  der  erstere  nur  die  Zeit  der  Allein- 
herrschaft. Zählen  wir  die  10  Jahre,  während  welcher  Psa- 
metik mit  den  übrigen  Theilf&rsten  zusammen  regierte,  den 
39  Jahren  seiner  Vorgänger  hinzu,  so  erhalten  wir  49  Jahre, 
d.  h.  so  viele  Jahre,  wie  bei  der  XXII.  Dynastie.  Eb  stellt 
sich  sonach  das  Schema  bei  Eusebius  folgendermassen : 


Taniten  Bubastiden  Taniten 

XXI.  Dyn.  XXII.  Dyn.  XXIII.  Dyn. 

44  J.  49  J.  44  J. 


Psinaches       9  J.i 
Psusennes   35  „/ 


Saiten  Aethiopen  Saiten 

XXIV.  Dyn.  XXV.  Dyn.  XXVI.  Dyn. 

(  Ameris  18 
Stephinates  7 
Nekepso  6 
Nekao  8 

Psametik     10 


44  J.  44  J.        49  J. 


IUI 

44/ 


54 


Dadurch  ward  das  Bild,  wenn  auch  nicht  einer  Dodek- 
archie,  wozu  die  Namen  bei  Manetho  gar  nicht  ausreichten, 
so  doch  einer  Hexarchie  erreicht  —  freilich  mit  Vergewaltigung 
der  Manethonischen  Angaben.  Die  Continuität,  die  der  Ver- 
fasser der  T6{jL0t  des  Africanus,  seit  dem  Ende  seines  zweiten 
x6[koq  wohl  oder  übel  einzuhalten  bemüht  war,  war  zerrissen; 
zwischen  dem  Ende  der  XX.  Dynastie  und  dem  Beginne  der 
XXI.  Dynastie,  deren  Ausläufer  in  die  Zeit  der  Dodekarchie 
fallen  sollten,  klaffte  eine  zweihundertjährige  Lücke.  Aus  dem 
Gesagten  wird  zugleich  hinreichend  klar  geworden  sein,  warum 
der  Verfasser  der  t6{aoi  des  Eusebius  den  Synchronismus  bei 
Petubastis  nicht  aufgenommen  hat.  Africanus  sagt  von  diesem 
ersten  Könige  der  XXIII.  Dynastie,  e^*  ou  'GXufjLTCia*;  tJx^  icp^'n;, 
nach  den  t6|ji,o(  des  Eusebius  ist  er  dagegen  ein  Zeitgenosse  der 


Maaethonisches  Oeschichtswerk.  199 

Aethiopen,  einer  der  TheilförBten  zur  Zeit  der  Erhebung  Psa^- 
metiks,  es  fiel  sonach  sein  Regierangsantritt  lange  nach  der 
ersten  Olympiade. 

Dynastien  XXVII — XXXL  Die  beiden  exoöcei^  weichen 
hinsichtlich  der  Regierungsdauer  des  Kambyses,  und  demzu» 
folge  auch  der  Zeit  der  Eroberung  Aegyptens  durch  die  Perser 
von  einander  ab.  Eusebius  gibt  dem  Kambyses  18  Jahre, 
wovon  15  Jahre  vor  und  3  Jahre  nach  der  Eroberung  Aegyp- 
tens fallen.  Die  T6(ioe  des  Eusebius  zeigen  sich  vielfach  beein- 
flusst  durch  die  Angaben  griechischer  Autoren,  auch  hier  können 
wir  dies  beobachten.  Die  18  Jahre  sind  dem  Ktesias  ^  — 
vielleicht  aber  auch  einer  Quelle,  die  dem  Ktesias  folgte, 
dann  wahrscheinlich  Diodor  —  entnommen.  Wahrscheinlich 
sind  die  18  Jahre  des  Ktesias  von  der  Einnahme  Babylons  ab 
gezählt,  derart  etwa,  dass  Cyrus  gleich  nach  der  Eroberung 
Babylons  den  Kambyses  daselbst  zum  Nebenkönige  eingesetzt 
hätte.  2 

Bei  der  XXVIII.  Dynastie  haben  die  Neueren  Schwierig- 
keiten gefunden,  die  gar  nicht  existiren,  sie  haben  annehmen 
zu  müssen  geglaubt,  dass  der  Amyrtaios,  der  dieselbe  ausmacht, 
ein  Enkel  des  aus  Herodot  und  Thukydides  uns  wohlbekannten 
unteragyptischen  Verbündeten  der  Athener,  während  des  grossen 
Aufstandes  Aegyptens  gegen  Artaxerxes  I.,  gewesen  sei.  Der 
einzige  Grund,  den  man  hiefür  vorgebracht  hat,  ist  wenig 
stichhaltig ;  zwischen  dem  Ausgange  der  XXVII.  Dynastie  und 
dem  Beginne  der  XXIX.,  ist  in  den  i;6{aoi  eine  Lücke  von 
einigen  Jahren,  die  man  durch  die  XXVIII.  Dynastie  (6  J.) 
aosiiillen  zu  können  meinte.  Bei  der  Betrachtung  der  t6(jici  sind 
uns  jedoch  ganz  andere  Lücken  ^  und  Unebenheiten  entgegen- 
getreten; dies  wäre  sonach  fiir  uns  kein  zwingender  Grund, 
einen  zweiten  Amyrtaios  zu  erfinden.  Dazu  kommt  noch  ein 
weiteres  entscheidendes  Moment :  Aegypten  hat  sich  nicht  erst 


'  Cteaiae  fragmenta  ed.  Müller  p.  48. 

'  Damit  scheinen  anch  die  Inschriften  zu  stimmen,  die  das  eilfte  Jahr  des 

Kambjses  als  Königs  von  Babylon  vorführen.  Cf.  Schrader,  Aeg.  Z.  1879, 

p.  39  f. 
3  Auch  für  diese  Zeit  bieten  uns  die  Topi  Lücken ;    so  fehlt  in  denselben 

der  König  Psammetichos,  der  vom  Scholiasten  zu  Aristophanes  Wespen, 

718  ans  Philochoros  erwähnt  wird. 


200  Krall. 

nach  dem  Tode  Dariua  II.,  sondern  viel  früher  erhoben.  Denn 
ausdrücklich  versichert  uns  Diodor  ^  zum  Jahre  41 1 ,  dass 
Aegypten  einen  eigenen  König  gehabt  habe,  der  im  Bunde  mit 
dem  Könige  der  Araber  sogar  einen  Angriff  auf  Phönicien 
plante;  ferner  ersehen  wir  aus  Thukydides, ^  dass  Athen,  der 
Feind  des  persischen  Reiches,  von  Aegypten,  Getreidesendungen 
empfing,  denen  von  den  Lakedämoniern,  den  Verbündeten  der 
Perser,  nachgestellt  wurde.  Es  lässt  diese  Stelle  uns  eindo 
Bund  zwischen  Athen  und  den  gegen  die  Perser  aufgestandenen 
Aegyptem  vermuthen  —  also  eine  Wiederholung  dessen,  was 
zu  Zeiten  des  Jnarus  und  Amyrtaeos  eingetreten  war.  Nur  ein 
Moment  schien  diesen  Ausfuhrungen  entgegenzutreten  —  die 
Aegypter  im  Heere  Artaxerxes  II.  Wir  wissen  jetzt  jedoch, 
dass  dieselben  Nachkommen  der  von  Amasis  gesandten  Hilfs- 
truppen im  Heere  des  Krösus  gewesen  sind,  denen  Cyrus  als 
Anerkennung  ihrer  Tapferkeit  im  inneren  Asien  Städte  ein- 
geräumt hatte,  die  noch  zu  Xenophons  Zeiten  Aegypterstädte 
hiessen.^  Erinnern  wir  uns  nun  zum  Schlüsse,  dass  Synkellos 
den  Aufstand  Aegyptens  im  zweiten  Regierungsjahre  des  Danas 
Nothus  eintreten  lässt, ^  so  werden  wir  zugeben  müssen,  dass 
Aegypten  nicht  erst  mit  dem  Ausgange  der  XXVII.  Dynastie 
aufgestanden  sein  kann,  sondern  schon  viel  früher  sich  erhoben 
haben  muss.  Zur  Ausfüllung  der  Lücke,  die  dadurch  entsteht, 
reichen  die  sechs  Jahre  des  Amyrtaios  bei  Weitem  nicht  aus. 
Anderseits  finden  wir  bei  Diodor^  zum  Jahre  400/399  einen 
König  Psametik  verzeichnet,  der  in  den  Listen  gar  nicht  vor- 
kommt; wir  werden  uns  daher  bescheiden  müssen,  die  Lücke 
einfach  zu  verzeichnen  und  uns  hüten,  die  XXVHI.  Dynastie 
von  ihrer  Stelle  neben  Artaxerxes  L  wegzurücken. 

Hinsichtlich  der  XXIX.  Dynastie  stimmen  die  beiden 
e)c36aei(;  überein,  wenn  wir  von  dem  Könige  Muthes  (1  Monat) 
absehen,  den  Eusebius  mehr  hat.  Bei  der  folgenden  XXX.  Dy- 
nastie werden  im  Gegensatze  zu  Africanus,  die  Regierungsjahre 

^  XIII,  46:  nuvOavtfp.Evo{  tov  te  'Ap^cuv  ßavtX^a  xai  tov  At^uTurfcov  Iki^uX^ueiv 

Tot(  TCEf i  <[>oiv{xY)V  3:por]f[jLa9tv,  wahrscheinlich  aufl  Ephoros. 
2  VIII,  35. 

'  Büdinger,  Krösus^  Sturz  p.  24. 

«  p.  256  D.  Cf.  übrigens  Unger,  Chronologie  p.  294—296. 
*  XIV,  35. 


MaBethoniscben  Geschichtswerk.  201 

der  einzelnen  Herrscher  abgekürzt,  um  die  Eroberung  Aegyp- 
tene  durch  Ochus  in  dasselbe  Jahr  wie  Diodor  anzusetzen,  wie 
dies  Boeckh  schon  mit  entscheidenden  Qründen  dargethan  hat.  * 


§.  3.  Der  erste  t6|ji.o^. 

DyncLstien  VI — XII.  Wir  haben  in  denselben  ein  Stück 
vor  uns,  analog  den  Dynastien  der  Hyksoszeit,  nur  dass  wir 
hier  des  sicheren  Leitfadens  der  Fragmente  Manetho's,  sowie 
überhaupt  aller  Monumente  gänzlich  entbehren.^ 

Africanus. 

VI.Dyn.    6Memphiten         203  J. 
VIT.     „     70         „  70  T. 

VIII.     „     27  „  142  J. 


Eusebius. 

Memphiten 

203  J. 

5 

75  „ 

5 

100  „ 

4  Uerakleopoliten 

100  „ 

19 

185  „ 

16  Diospoliten 

43„ 

Auienemes 

16  „ 

IX.     „     19  Herakleopoliten  409  „ 

X.     „     19  „  185  „ 

XI.     „     16  Diospoliten  43  „ 

Amenemes  16 ,, 

Wie  uns  bei  Africanus  in  der  XVI.  Dynastie  mit  518  Jahren 
die  Gesammtsumme  der  Regierungen  der  Hyksos,  die  schon 
in  anderen  Dynastien  enthalten  waren,  entgegen  getreten  ist, 
so  können  wir  dasselbe  bei  seiner  IX.  Dynastie  mit  409  Jahren 
beobachten.  Sie  stellt  sich  dar  als  Summe  der  VI.,  VII.,  VIII. 
und  XL  Dynastie,  sowie  der  um  vier  Jahre  erhöhten  Regierung 
des  Amenemes,  wie  denn  in  der  That  auch  der  Turiner  Pa- 
pyrus demselben  über  19  Jahre  gibt.  ^  Die  X.  herakleopoli- 
tische  Dynastie  erweist  sich  anderseits  als  gleichzeitig  mit 
der  VIII.  und  XI.  Dynastie,  da  sie  185  Jahre  umfasst,  also 
gerade  so  viel  als  die  beiden  letzteren  zusammen  (142  +  43 
=  185  Jahre).  Es  stellt  sich  sonach  das  ganz  durchsichtige 
Schema  des  Verfassers  der  Tcpiot  des  Africanus  folgender- 
inassen: 


'  Mftnetho  p.  509  f.  Für  diese  letzten  Dynastien  verweisen  wir  auf  Unger, 
Chronologie,  wo  die  meisten  Fragen  abschliessend  behandelt  sind,  sowie 
auf  SchSfer^s  Demosthenes  und  seine  Zeit,  I.  Bd.,  p.  15,  23,  54,  142,  102, 
329  f.,  412  f.,  426  f.,  442,  endlich  auf  die  Zeittafel. 

*  Kran,  Die  Vorläufer  der  Hyksos,  Aeg.  Z.  1879,  p.  34. 

^  Lanth,  Manetho  p.  223. 


202  Krall 

EinheimiBche  Fürsten.  Herakleopoliten. 

VI.  Dynastie  203  J. 

VII.  „  1   ,  I  o 

VTIT  14.9      » 

Y^'  "  Iq  "1  X.   Dyn.  185   (142  +  43)  J.     | 

Ammenemes  (16  +  4)  20  „ 


Q 


Anders  steht  es  dagegen  mit  dem  Schema  des  Easebiiu, 
auch  hier  tritt  uns  die  schon  häufig  bei  ihm  beobachtete  Vor- 
liebe für  runde  Zahlen  entgegen.    Wir  finden   zwei  Dynastien 
mit  je  hundert  Jahren,  was  natürlich  nicht  geeignet  ist,  unser 
Vertrauen  in  seine  Angaben  zu   erhöhen.     Für   diese  Periode 
ägyptischer   Geschichte    fehlen    uns    die    Hilfsmittel    gänzlicli, 
durch  deren  Vergleichung  uns  die  Reconstruction  des  Schema 
für   die   Dynastien    der   Hyksoszeit   gelungen   ist   —   nämlicli 
Bruchstücke  aus  den  Manethonischen  ß{ßXoi  und   monumentale 
Angaben.     Wir  können  daher  auf  unsere  bisherigen   Beobach- 
tungen uns  stützend,  nur  vermuthen,    dass  die  VIII.  und  IX. 
Dynastie  zu  je  hundert  Jahren  in  dem  Schema  des  Verfassers 
der  t6{xoi  des  Eusebius  als   gleichzeitig  herrschende   Dynastien 
verzeichnet  waren,  und,  da  es  feststeht,  dass  die  Herakleopoliten 
eine  Reihe  von  nicht  ägyptischen   Herrschern   vorstellen,    wir 
es  hier  mit  einem  genauen  Seitenstücke  zu  den  Dynastien  der 
Hyksoszeit  zu  thun  haben.     Danach   würde   sich  das   Schema 
also  gestalten: 

Einheimische  Fürsten.  Herakleopoliten. 

VII.  Dyn.     75  J.|  IX.  Dyn.  100  J.l  ^.  , 

VHI.     „      100  J  218  J.  X.     „      185  „1    ^ 

XL     „       43  „^ 

Wie  für  die  Zeit  der  Hyksosherrschaft  zwei  Rubriken 
nöthig  waren,  auf  deren  einer  die  Hyksos,  auf  deren  anderer 
die  einheimischen  Dynastien  standen,  finden  wir  auch  in  dem 
Schema  des  Africanus  und  Eusebius  eine  analoge  Gegenüber- 
stellung der  Herakleopoliten  und  nationalen  Fürsten. 

Wir  kommen  nun  zur  XII.  Dynastie,  bei  welcher  die 
Angaben  unserer  beiden  ex8o5cj?  bedeutende  Abweichungen 
zeigen.  Africanus  gibt  7  Könige  mit  160  Jahren,  Eusebius 
dagegen   wohl  auch  7  Könige  aber   mit   245    beziehungsweise 


ManethonischeB  G«Bchichtawerk.  203 

182  Jahren.  Addirt  man  nämlich  die  den  einzelnen  Königen 
beigefiigten  Posten^  so  erhält  man  182  Jahre ,  Easebius  selbst 
gibt  dagegen  als  Summe  245  Jahre.  Darin  scheint  in  der 
That  eine  bedeutende  Schwierigkeit  zu  liegen,  und  man  nimmt 
gerne,  um  ihr  zu  entgehen,  seine  Zuflucht  zu  Verschreibungen 
oder  man  ignorirt  sie  einfach.  Vor  der  XII.  Dynastie  regierte 
die  XL  ebenfalls  thebanische  Dynastie,  über  deren  Zusammen- 
hang mit  den  Amememha's  kein  Zweifel  besteht;  ihre  Regie- 
rungsdauer  betrug  nach  den  tibereinstimmenden  Angaben  der 
TC|wt  43  +  20  Jahre  —  wir  haben  schon  bemerkt,  dass  vier 
Jahre  des  Amenemes  ausgefallen  sind,  und  dass  er  daher  nicht 
16  sondern  über  19,  also  rund  20  Jahre  geherrscht  hat.  Nehmen 
wir  zu  diesen  63  Jahren  die  182  hinzu,  welche  die  Regierungs- 
posten (46  4-  38  +  48  +  8  +  42)  der  XII.  Dynastie  bei  Euse- 
biuB  betragen,  so  bekommen  wir  genau  245  Jahre.  Es  geht 
sonach  die  Summe  bei  Eusebius  über  den  T6(A0(;-Einschnitt  hin- 
weg und  umfasst  die  XI.  und  XII.  Dynastie,  die  ja  so  innig 
mit  einander  zusammenhängen,  dass  der  erste  König  der  XII. 
Dynastie  der  Sohn  des  letzten  Königs  des  I.  t6(xo^  war.  Der 
^^{ic^-EinBchnitt  hat  sonach  wie  die  XIX.  von  der  XX.,  so  auch 
die  XI.  von  der  XII.  Dynastie,  die  ursprünglich  eine  Einheit 
bildeten,  gewaltsam  auseinander  gerissen,  ohne  dass  jedoch, 
wie  wir  beobachtet  haben,  alle  Spuren  der  ursprünglichen  Zu- 
sammengehörigkeit verwischt  worden  wären. 

Dynastien  I — V.  Nach  den  Arbeiten  von  Rougä  und 
Laath  können  wir  uns  für  diese  Dynastien  auf  das  Nothwen- 
digste  beschränken.  Für  die  drei  ersten  Dynastien  weichen 
unsere  eitBdaetc;,  mit  Ausnahme  einer  Differenz,  auf  die  wir  bald 
surückkommen  werden,  nicht  bedeutend  ab;  wir  bemerken 
nur,  dass  Eusebius  wie  gewöhnlich  verkürzte  Summen  uns 
darbietet : 

Afric.  Easebius  [Arm.]. 

I.  Dynastie  Thiniten        253  J.  252  J. 

n.  „         Thiniten        302  „  297  „ 

IIL         „         Memphiten   214  „  197  „ 

Bedeutender  sind  dagegen  die  Abweichungen  bei  der  IV. 
und  V.  Dynastie.  Nach  Africanus  8  Könige  mit  284  und 
^  Könige    mit  248   Jahren,    nach   Eusebius,    der    nur   seiner 


204  KrtU. 

IV.  Dynastie  die  Anzahl  der  Könige  und  ihre  Regierungsdauer 
beifügt,  17  Könige  mit  448  Jahren,   d.   h.  bei  Eusebius  sind 
die    zwei   Dynastien   des   Africanus  in   eine    zusammengefasst 
(17  Könige  =8  +  9;  die  Regierungssumme  ist  bedeutend  ab- 
gekürzt).    Es  ist  dies  ein  Vorgang,  den  wir  schon  zu  wieder- 
holten  Malen   beobachtet   haben,    und   der   richtig  aufgefasBt, 
sich  also  stellt  Sowie  die  zwei  ei*sten  Dynastien,  die  Thiniten, 
nach  dem   Zeugnisse   des   Turiner   Papyrus   nur   eine   Gruppe 
eigentlich  bildeten,    so  hingen  auch  die   IV.  und  V.  Dynastie 
des    Africanus   ursprünglich    zusammen,    was    uns    auch   vom 
Turiner  Papyrus  bestätigt  wird,  der  mit  Onnos  (V,  9)   einen 
Abschnitt  macht.     Dieser  ursprüngliche  Bestand  der  memphi- 
tischen   Geschlechter   wird   uns   von   dem  Verfasser  der  t5ijl9'. 
des  Eusebius  wiedergegeben;  der  Gewährsmann  des  Africanus 
hat  dagegen,  wie  die  thinitischen  Geschlechter,  so  auch  die  mem- 
phitischen  Geschlechter  in  je  zwei   Gruppen  zerschlagen,  und 
zwar  aus  rein  praktischen  Gründen;  um  zwei  Riesendynastien 
von  je  17  Königen  auszuweichen,  hat  er  diese  auf  vier  Dyna- 
stien vertheilt,  von  denen  die  einen  9,  die  anderen  8  Könige  um- 
fassten.  Wir  haben  schon  bei  der  Erhöhung  der  Zahl  511  auf 
518  für  die  Hyksosherrschaft  gesehen,  dass  der  Verfasser  der 
TOfjLot   des  Africanus    ein   grosser    Freund   der   Symmetrie  ge- 
wesen ist. 

Während  sonach  die  Topioi  des  Africanus  bis  auf  Onnos 
ftinf  Dynastien  ergaben,  hatten  die  des  Eusebius  bis  dahin  nur 
vier;  zu  einer  von  seiner  Vorlage  abweichenden  Zählung,  wie 
sie  die  Excerpta  Barbari  uns  darbieten,  konnte  der  Ueber- 
arbeiter  (p.  216)  der  t6(ji.oc  des  Eusebius  sich  nicht  entschliessen, 
und  so  blieb  ihm  nichts  anderes  übrig,  als  die  VI.  Dynastie  des 
Africanus  in  zwei  Dynastien  zu  zerlegen,  in  die  V.  und  VI. 
Die  31  Könige,  die  der  fünften  Dynastie  des  Eusebius  beigelegt 
werden,  geben  uns  eine  Zusammenfassung  der  Könige  der  V. 
und  VI.  Dynastie  (die  denselben  entsprechende  VI.  des  Afri- 
canus hatte  6  Könige),  sowie  der  VIII.  und  XI.,  d.  h.  derjenigen 
Dynastien,  die  wir  als  legitim  bei  Eusebius  erkannt  haben. 

Für  die  Dynastien  IV — XII  ergibt  sich  nach  den  bis- 
herigen Untersuchungen  folgendes  Schema: 


H&nethonuches  Oeflcliiehtswerk. 


205 


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206  KralL 

Die  III.  memphitische  Dynastie  scheiden  wir  nach  dem 
Vorgange  von  Rougä  ^  als  eine  Nebendynastie  aus. 

Die  Götterdynastien,  Africanus  hat  es  verschmäht,  die- 
selben aus  den  ihm  vorliegenden  TOfjiot  mitzutheilen ,  wir  sind 
daher  in  erster  Linie  auf  Eusebius  und  die  Excerpta  ange- 
wiesen. Eusebius  theilt  uns  über  die  Götterdynastien  etwa 
Folgendes  mit.  ^  Zuerst  regierten  über  Aegypten  Vulcanus,  Sol, 
Satumus,  Osiris,  Typhon,  endlich  Horus,  denen  eine  Reibe 
ungenannter  Herrscher  folgte,  die  mit  Bytes  endete.  Die  erste 
Götterreihe  regierte  13.900  Jahre,  ihr  folgten  die  Heroen  and 
Manen 

post  deos  regnavere  heroes  annis 1255 

rursusque  alii  reges  dominati  sunt  annis 1817 

tum  alii  triginta  reges  Memphitae  annis 1790 

deinde  alii  Thinitae  decem  reges  annis 350 

Secuta  est  manium  heroumque  dominatio  annis  .  .  .  5813 

Die  Gesammtdauer  der  Götterherrschaft  betrug  nach  Euse- 
bius 24.900  Jahre.  Es  ist  schon  oft  darauf  hingewiesen  worden, 
dass  die  Aufzählung  des  Eusebius  an  Klarheit  viel  zu  wünschen 
übrig  lässt,  und  es  sind  mannigfache  Versuche  gemacht  worden 
die  Angaben  des  Eusebius  zu  combiniren;  für  unseren  Zweck 
werden  etwa  folgende  Andeutungen  genügen. 

Die  Excerpta  Barbari  geben  für  die  Götterregierungen 
folgende  Zahlen: 

Hephaistos 680  J. 

Sol 77  „ 

Sosinosiris  (Isis  et  Osiris)  320  „ 

Orus 28  „ 

Typhon 45  „ 

Summe  1150  J. 

Die  Excerpta  geben  uns  als  Summe  1550,  wir  können 
uns  jedoch  an  dieselbe  nicht  halten,  da  ihre  Summen  ganz 
werthlos  sind.  Als  Anzahl  der  Jahre  der  Götterregierungen 
erweist  sich  die  Summe  1150  als  viel  zu  klein ,   wir  haben  es 

'  Roug^,  RechercheB  p.  25. 

2  LepsiuSf  Chronologie  p.  462  f.  Lauth,  Manetho  p.  30  f.  y.  Pessl,  System 
Manetbo^s  p.  121. 


Muetbonische«  OMChichtswerk.  207 

daher  mit  einer  Reduction  zu  thun.  Wenn  wir  nach  Diodor  I,  26 
unsere  reducirte  Zahl  1150  mit  12  multipliciren,  erhalten  wir 
13.800  Jahre,  d.  h.  nur  um  100  Jahre  weniger,  als  die  Dauer 
der  Regierungen  des  ersten  Götterkreises  nach  Eusebius  be- 
trog. Wir  können  sonach  die  Zahl  13.900,  die  uns  als  Abrun- 
duug  von  9V2  Perioden  zu  1461  Jahren,  d.  h.  13.879  entgegen 
tritt,  als  ziemlich  gesichert  betrachten.  Auch  nach  einer  an- 
deren Seite  sind  die  Zahlen  der  Excerpta  für  uns  wichtig 
—  die  Regierungen  des  Osiris  und  Typhon  betragen  nach 
denselben  365,  d.  h.  nicht  reducirt  365  X  ^^  Jahre. 
Diese  Angabe  bestätigt  unsere  Ausführung,  dass  wir  in  den 
Zahlen  für  die  Regierung  des  Osiris,  die  üebertragung  des 
jährlich  im  Laufe  von  365  Tagen  sich  vollziehenden  Kampfes 
des  Osiris  und  Sutech  auf  eine  Periode  von  365,  respective 
365  X  ^  od^i*  36^  X  1^2  Jahren  zu  erkennen  haben.  Die  Zahlen 
für  die  Halbgötter  sind  in  den  Excerpta  zu  verstümmelt,  bei 
Eusebius  dagegen  ist  ihre  Einfügung  in  das  gesammte  Schema 
der  Götterzeit  zu  zweifelhaft,  als  dass  wir  es  wagen  könnten, 
etwas  Sicheres  hierüber  zu  sagen  —  so  viel  ist  jedoch  klar, 
dass  die  Oesammtsumme  von  24.900  Jahren,  an  die,  von  den 
Priestern  für  die  Götter  zeit  gewonnene,  Periode  von  23.376 
Jahren  lebhaft  erinnert.  Die  Manen  und  Heroen  regierten 
nach  Eusebius  5813  Jahre,  d.  h.  5844  Jahre  (=  4  Perioden 
zu  1461  Jahren)  weniger  31  Jahre.  Die  fehlenden  31  Jahre 
sind  an  einer  Stelle  nachzuweisen,  wo  man  sie  nicht  suchen 
möchte.  Der  erste  König  der  I.  Dynastie^  Mena,  hat  in  der 
armenischen  Version  des  Eusebius  30  Jahre,  d.  h.  30  oder 
32  Jahre  weniger  als  gewöhnlich.  Die  Regierung  des  Menes 
wurde,  nach  dem  Calcul  des  Verfassers  der  t6{ao(  des  Eusebius, 
durch  die  Periode  von  1461  Jahren  ebenso  zerschnitten  wie 
die  des  Königs  Amenemes.  Wie  bei  diesem  4  Jahre  durch 
Schuld  der  Abschreiber  verloren  gingen,  so  geschah  es  auch 
bei  Menes.  Das  Schema  für  den  ersten  t6{xo^  stellt  sich  sonach 
nach  Ausscheidung  der  Nebendynastien,  zu  denen  auch  die  III. 
gehörte,  nach  Eusebius  folgendermassen : 

Halbgötter  und  Manen    ....      5813  J. 
I-  Dynastie     Menes    vor    der  \  4  Perioden  5844  J. 

Epoche     31  „ 


208  Krall. 

Menes  und   seine   Nachfolger 

nach  der  Epoche     228  J. 

II.  Dynastie 297 

IV.        „  448 

V.         „  203 

IX.  und  X,  Dynastie 285 


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\   1.  Periode  1461  J. 


in.  Capitel. 
Geschichte  der  xöixol. 

Die  At-fUTTTioxi  waren  bestimmt,  in  knapper  Form  dem  neuen 
Culturvolke^  das  in  Aegypten  herrschend  auftrat,  den  Griechen, 
die  wesentlichsten  Momente  der  ägyptischen  Geschichte  vorzu- 
führen. Sie  wollten  dagegen,  und  konnten  es  wohl  auch  nicht,  ein 
in  allen  Einzelnheiten  ausgebautes  System  geben ;  ebenso  wenig 
war  es  die  Absicht  Manetho's,  den  hellenischen  Leser,  für  den 
ja  sein  Werk  berechnet  war,  durch  lange  Verzeichnisse  von 
Königsnamen  zu  ermüden.  *  Manetho  war  ja  ein  Historiker  und 
kein  Chronograph.  Die  zwei  festen  Anhaltspunkte,  mit  deren 
Hilfe  die  Priester  des  18.  Jahrhunderts,  ihre  Systeme  aufgebaut 
hatten,  glaubte  er  jedoch  geben  zu  müssen,  den  einen  wonach 
die  Verschiebung  des  Wandeljahres  gegen  das  feste  Jahr  unter 
Amenemha  I.  begonnen  (vgl.  oben  S.  189),  den  anderen  wonach 
unter  den  Ramessiden  dieselbe  ihren  ersten  Kreislauf  vollendet 
hatte  —  aber  selbst  in  dieser  astronomisch  gesicherten  Periode 
klaffte  eine  gewaltige  Lücke,  die  Zeit  der  Hyksosherrschaft.  Wir 
haben  hinreichend  beobachten  können,  wie  spärlich  und  un- 
sicher die  Manethonischen  Angaben  über  diese  Zeit  gewesen 
sein  müssen,  ebenso  wie  über  die  Zeit  der  Herrschaft  der 
Herakleopoliten  über  Aegypten,  die  der  Erhebung  der  XI.  the- 
banischen  Dynastie  vorausgingen.  Mit  grosser  Vorliebe  hat 
sich  Manetho,  seiner  Aufgabe  entsprechend,  bei  den  Berührungs- 


-    ■** 


1  Es  waren  ihm  ja  die  Worte  Herodots  bekannt  II,  101,  und  102:  tuv  oe 
aXXtüv  ßaaiX^cov,  ou  yap  ^eyov  ou$£(ji{av  ^pycov  abro$£$iv,  xai*  ouBkv  cTv&i  Xsa- 
3:poT7]TO(,  nXyjv  Ivo;  .  .  .  };apa(xei^d(i.£vo(  «Lv  toutou(. 


Hanethonisches  Goschiehttiwerk.  209 

punkten  ägyptischer  und  griechischer  Cultur  aufgehalten ;  wenn 
er  hier  in  der  Betonung  ägyptischer  Einflüsse  auf  Griechen- 
land zu  weit  gegangen  ist,  so  werden  wir  es  ihm,  dem  Aegypter, 
nicht  BO  sehr  zur  Last  legen,  wenn  wir  bedenken,  dass  selbst 
der  Qrieche  Herodot,  überwältigt  von  den  Eindrücken  ägyp- 
tischer Cultur,  die  in  den  nach  seiner  ägyptischen  Reise  ge- 
schriebenen XoYct,  so  mächtige  Spuren  hinterlassen'  hat,  in  den- 
selben Fehler  verfallen  ist.  ^ 

Die  spärlichen  chronographischen  Angaben  genügten  den 
Späteren  nicht  —  sie  brauchten  ein  System  der  ägyptischen 
Chronographie,  um  an  demselben  die  Systeme  der  anderen 
Völker  zu  messen,  und  da  sie  keines  bei  Manetho  fanden,  so 
zimmerten  sie  aus  den  AiY^irciayi  ein  solches  zusammen.  Wie 
man  in  der  alexandrinischen  Zeit,  die  in  den  Werken  des 
Herodot  und  Thukydides  zerstreuten  Zeitangaben  sammelte, 
combinirte  und  mit  denselben  hübsche  chronographische  Karten- 
häuser auiTuhrte,  so  that  man  es  auch  mit  Manetho.  Wo  be- 
stimmte Angaben  in  seinem  Werke  fehlten,  da  half  man  mit 
eigener  Ei*flndung  nach.  So  entstanden  die  Tdtxoe,  deren  erste 
Spuren  wir  in  den  Bruchstücken  einer  chronographischen  Ueber- 
sichtstafel  bei  Josephus  erkannt  haben.  Sie  zeigt  uns  die 
früheste  Stufe  der  Entwickelung  der  Tspiot,  sie  kennt  keinen 
Abschnitt  zwischen  Af^mes  und  seinem  Vorgänger  Misphragmu- 
tosis,  sondern  fasst  die  Regierungen  der  thcbanischen  Fürsten 
seit  dem  Tode  des  letzten  legitimen  Hyksos,  des  Apophis,  zu- 
sammen, sie  betont  die  Dynastieabtheilungen  gar  nicht,  ja  sie 
scheint  den  Namen  Suvacrsta  ebenso  wenig  als  die  echten  Mane- 
thottischen  Fragmente  bei  Josephus  zu  kennen. 

Diese  Uebersichtstafel,  von  der  uns  Josephus  nur  so  weit 
er  es  fiir  seine  Zwecke  braucht,  Bruchstücke  mittheilt,  liegt 
uns  vollständig  in  der  ursprünglichen  Fassung  der  tsijiot  des 
Africanus  vor.  Denn  die  Unterschiede  zwischen  beiden  ver- 
schwinden den  Uebereinstimmungen  gegenüber  —  wir  erinnern 
einfach  an  die  wunderliche  Liste  der  Nachfolger  des  Alt^mes 
—  und  wir  werden  dadurch  auf  eine  Gemeinsamkeit  des  Ur- 
sprungs der  Tafel  des  Josephus  und  der  t6{jlo'  des  Africanus 
(in  ihrer  ursprünglichen  Gestalt)  gewiesen.  Die  t6[ji.oi  sind  durch 


*  Bauer,  Entstehung  des  Herodotischen  GeBchichtswerkes  p.  27  f. 
»tmgtber.  d.  phlL-hist.  Cl.  CXV.  Bd.  I.  Hft.  U 


210  Kr»n. 

viele  Hände  gegang^en  und  haben  mancherlei  Umgestaltungen 
erfahren,  ehe  sie  die  Form  erhalten  haben,  in  der  sie  uns  nun 
vorliegen.  Eine  derselben  haben  wir  schon  hinreichend  be- 
sprochen und  gesehen ,  dass  sie  erst  spät  in  die  TffAOt  Auf- 
nahme fand,  nämlich  die  Erhöhung  der  Regierungsseit  der 
Hyksos  um  25  Jahre.  Auf  eine  andere,  bedeutend  wichtigere, 
werden  wir  noch  zurückkommen. 

Es  ist  hier  am  Platze,  einen  Blick  auf  den  Verfasser  der 
TÖfAOi  des  Africanus  zu  werfen,  da  uns  ja  in  seinem  Werke 
allem  Anscheine  nach  das  älteste  aus  den  Manethonischen  An- 
gaben gezimmerte  chronographische  System  vorliegt,  welches 
für  alle  späteren  bis  auf  unsere  Tage  massgebend  gewesen  ist 
Für  die  Gestaltung  der  ägyptischen  Chronographie  hat  es  daher 
grössere  Wichtigkeit  als  Manetho's  Werk  selbst  gehabt,  und 
wir  hofifen,  dass  unsere  Untersuchung  dargethan  hat,  dass  die 
Systeme,  welche  die  Neueren  auf  Grundlage  der  xöpiot  auf- 
gebaut haben,  im  besten  Falle  nicht  das  System  Afanetho's, 
sondern  das  dieses  unseres  ersten  Anonymus  (Anonymus  A) 
wiedergegeben  haben.  Näheres  erfahren  wir  über  denselben 
aus  seinem  Werke  selbst,  den  t6jjlo(.  Hier  wird  uns  zunächst 
erzählt,  dass  König  Souphis,  also  Cheops,  eine  Upa  ß{ßXo^  ge- 
schrieben habe,  und  es  findet  sich  hiezu  die  für  uns  wichtige 
Notiz:  :^v  ü^  [Lt-^a  XP^H**^  ^^  Ai^uttco)  y^^^I^vo^  €XTV]9i{i.Y]y.  Es  wird 
allgemein  zugestanden,  dass  diese  Notiz  von  Manetho  nicht 
herstammen  könne;  es  bleibt  sonach  nur  die  Mc^lichkeit 
übrig,  dass  dieselbe  von  Africanus  oder  einem  Manne  her- 
rührt, der  vor  ihm  und  nach  Manetho  gelebt  hat  Erwägen 
wir  jedoch,  dass  der  Verfasser  an  dieser  Stelle  sich  selbst  als 
einen  Aegypter  bezeichnet,  was  Africanus  nicht  war,  ferner, 
dass  die  Schrift  des  Chufu  nach  Art  des  c.  64  des  Todten- 
buchs,  auf  jeden  Fall  aber  in  ägyptischer  Sprache  abgefasst 
war,  deren  Kenntniss  wir  bei  Africanus  nicht  anzunehmen 
geneigt  sein  werden,  schliesslich,  dass  unmöglich  der  Kirchen- 
schriftstelier  Africanus  die  Schrift  des  heidnischen  Königs 
Chufu,  die  für  ihn  nur  sinnlose  Formeln  enthielt,  als  ein  {xs^x 
Xpi}pE.a  bezeichnen  konnte,  so  werden  wir  zugeben  müssen,  dass 
wir  in  diesem  Zusätze  eine  Bemerkung  des  Verfassers  der 
T6{jL0t  selbst  vor  uns  haben.  Derselbe  war  sonach  ein  Aegypter 
von  Geburt  und  wohl  auch  der  ägyptischen  Schrift  und  Sprache 


IfuethonischM  OMchiehtmverk.  211 

mächtige  und  för  die  Erhaltung  der  Ueberreste  des  sich  auf- 
lösenden altägyptischen  Wesens  besorgt.  Die  Vorliebe  für 
Mittheilung  von  Dingen  rein  antiquarischen  Interesses,  die 
Hand  in  Hand  geht  mit  einer  Hinneigung  zum  Wunderlichen , 
wird  ans  daher  in  seinem  Werke,  den  t6{jlo(,  *  nicht  überraschen. 
Sie  zeigen  uns  ein  Gemisch  genauer  und  ungenauer  Angaben, 
die  bunt  durcheinander  gewürfelt  sind,  und  die  ganz  von  ein- 
ander zu  scheiden,  bei  dem  jetzigen  Stande  unserer  Kenntniss 
der  Denkmäler,  nicht  möglich  ist. 

Seine  t6iaoc  waren  ganz  tabellarisch  eingerichtet ;  die  gleich- 
zeitig herrschenden  Eönigsgruppen  waren  einander  gegenüber- 
gestellt  —  so  waren  für  die  Zeiten  der  Hyksosherrschaft  zwei 
Rubriken  nöthig,  auf  der  einen  Seite  standen  die  Hyksos,  auf 
der  anderen  die  thebanischen  Fürsten  —  ebenso  waren  die 
legitimen  von  den  nicht  legitimen  Königen  geschieden,  wie  wir 
dies  für  Achu-n-aten  und  seine  Nachfolger,  sowie  für  Ame- 
nemes  und  Thuoris  beobachtet  haben.  Nach  Ablauf  von  Zeit- 
räumen, die  als  ein  Ganzes  hingestellt  werden  sollten  —  Hyksos- 
zeit  —  oder  nach  Königsreihen,  die  wenn  nicht  den  Familien, 
80  doch  der  Residenz  nach  als  zusammengehörig  betrachtet 
werden  konnten  —  Thebaner,  Herakleopoliten  —  pflegt  unser 
Anonymus  gewisse  zusammenfassende  Zahlen  zu  geben.  Dort 
wo  bestimmte  Angaben  bei  Manetho  fehlten,  schreckte  unser 
Gewährsmann,  wie  wir  bei  der  Zahl  518  dargethan  haben,  vor 
willkürlichen  Combinationen  nicht  zurück. 

Seine  Abtheilung  der  x6[kOi  hat  er  nicht  im  Anschlüsse  an 
dieManethonischen  ßißXo(  gemacht,  sondern  sich  der  von  Manetho 
(vgl.  oben  S.  189)  angegebenen  Coincidenzpunkte  des  festen  und 
des  Wandeljahres  bedient.  Dadurch  wurden  Königsreihen,  die, 
wie  wir  noch  ganz  deutlich  erkennen  können,  bei  Manetho  ein 
Ganzes  bildeten,  gewaltsam  auseinander  gerissen.  So  wurden 
die  thebanischen  Amenemhä's  auf  den  ersten  und  zweiten,  die 
Bamessiden  auf  den  zweiten  und  dritten  x6\koq  vertheilt. 

Entsprechend  der  Aufgabe  der  t6[jlo(,  eine  Grundlage  fiir 
die  Vergleichung  der  ägyptischen  und  fremden  Chronographie 


*  n,  2:  69*  o5  o\  ß<j£5  *Aäi;  6v  IVHp^ei  xai  Mveut;  ev  'HXiouTurfXsi  xai  6  M£vSi{aio; 
Tpd(yo(  lvo{ibOT}7av  eTvci  6eoC  111,2:  xat  t^v  Bia  l^sarcov  XiOcuv  oIxo6o(jL(av  Euparo. 
XXV,  1 :  i6*  ou  opvtov  i^O^Y^aio. 

14* 


212  Krau. 

abzugeben,  finden  wir  in  denselben  eine  Reihe  von  Synchro- 
nismen aus  anderen  Geschichten  herangezogen.  Die  Betrach- 
tung derselben  zeigt  uns,  dass  unser  Autor  die  ägyptische 
Chronographie  nicht  nach  einer  fremden  umgemodelt  hat,  son- 
dern vielmehr  den  Manethonischen  Angaben  genau  gefolgt  ist. 
Wir  haben  schon  festgestellt,  dass  die  scheinbare  üeberein- 
stimmung  der  t6ijloc  des  Africanus  mit  den  Angaben  des  Jose- 
phus  über  den  Auszug  der  Hyksos,  das  Werk  eines  Spätern^ 
vielleicht  des  Africanus  selbst,  ist;  es  erübrigt  uns  noch 
darzuthun,  wie  die  Anmerkung  des  Africanus  zu  dem  ersten 
Könige  seiner  XVIII.  Dynastie  zu  verstehen  sei :  if '  ou  M(i>üar^ 

dcvo^xil^^i,  stI  toutou  tov  Mitmia  ou)iLßa{vei  vdov  ^Tt  eTvat.  Nach 
Africanus  fand  der  Auszug  unter  Amosis  statt,  Manetho  hatte 
dagegen  denselben  unter  einem  Könige  Amenophis  angesetzt 
—  wir  werden  an  einer  anderen  Steile  ^  auf  diese  Frage 
zurückkommen  —  und  so  fand  auch  Africanus  in  den  x6fMt  den 
Auszug  unter  dem  längere  Zeit  nach  Amosis  lebenden  Könige 
Amenophis  verzeichnet  und  konnte  daher  mit  Recht  sagen, 
Moses  sei  den  ihm  vorliegenden  TCfjLOi  zufolge  zu  der  Zeit,  da 
er  (sc.  Africanus)  den  Auszug  ansetzte,  noch  ein  Knabe  gewesen. 
Diese  Unabhängigkeit  unseres  Anonymus  von  der  grie- 
chischen, und  besonders  der  jüdischen  Chronographie  würde 
uns,  auch  wenn  wir  es  nicht  aus  seinem  eigenen  Munde  wüssten^ 
ein  deutlicher  Beweis  dafür  sein,  dass  er  ein  Aegypter  gewesen 
ist.  Leider  lässt  sich  die  Zeit,  in  der  er  geschrieben  hat,  nicht 
näher  fixiren;  wir  können  nur  sagen,  dass  er  älter  als  Jose- 
phus  ist,  da  demselben,  wie  wir  gesehen  haben,  die  T6{A0t  schon 
vorlagen.  Wäre  die  Vermuthung  Letronne's  [La  statue  vocale 
de  Memnon]  richtig,  dass  die  Anmerkung  der  x6\ioi  zum  Könige 
Amenophis  (XVIII,  8)  c3t6^  doriv  5  MifAvuv  elvot  v9[jLC^6{A£yo;  xoa 
^OsffofjLSvo?  XiOoi;  erst  nach  dem  im  Jahre  27  v.  Chr.  einge- 
tretenen Erdbeben  geschrieben  sein  könne,  so  hätten  wir  einen 
weiteren  Anhaltspunkt  für  das  Zeitalter  unseres  Anonymus  ge- 
wonnen —  er  müsste  unter  einem  Kaiser  der  julisch-claudischen 
Dynastie   geschrieben   haben.     Unger^  hat  jedoch   dargethan, 


1  jTacitns  nnd  der  Orients  H.  Wien  bei  Konegen. 
'  Chronologie  p.  190. 


Uanetbonischea  Geschiohtinrerk.  213 

dtLAs  die  Argumentation  von  Letronne  nicht  zwingend  sei^  und 
68  entfUlt  daher  dieser  terminus  a  quo. 

Es  ifit  kein  erfreuliches  Bild,  welches  uns  die  Betrach- 
tang der  t6{jlo(  unseres  Anonymus  darbietet;  dennoch  bleiben 
eie  wegen  ihrer  Ursprünglichkeit  und  Treue  für  uns  von  be- 
deutendem Werthe.  Ganz  anders  steht  es  mit  den  t6[jlo(,  die 
ans  bei  Eusebius  erhalten  sind.  Auf  Schritt  und  Tritt  zeigen 
ans  dieselben  ihre  Abhängigkeit  von  dem  Werke  unseres  Ano- 
nymus. Eines  der  merkwürdigsten  Beispiele  bieten  uns  die 
Sammen  am  Schlüsse  der  t6(jio(  des  Eusebius;  wiewohl  die 
hioGiq  des  Eusebius  im  Einzelnen  wiederholt  andere  Zahlen 
aufweist  als  die  des  Africanus,  und  man  sonach  auch  eine 
Abweichung  in  den  Summen  erwarten  müsste,  finden  wir,  dass 
der  Verfasser  der  töjaoi  des  Eusebius  die  Summe  unseres  Ano- 
nymus einfach  herübernimmt.  Aber  nicht  bloss  von  unserem 
Anonymus  A  zeigt  sich  der  Verfasser  der  toijloi  des  Eusebius 
abhängig,  sein  Werk  trägt  vielmehr  auch  mannigfache  Spuren 
der  Benützung  des  Josephus,  Herodot,  Diodor  (Ktesias)  an 
ßich.  Abgesehen  davon,  dass  er  bei  der  XXII.— XXV.  Dy- 
nastie ganz  willkürlich  vorgehend,  die  überlieferten  Zahlen 
der  Dodekarchie  zu  Ijiebe  zurechtgeschnitten  hat,  finden  wir, 
dass  er  bei  der  Wiedergabe  der  Nachfolger  des  Albernes  in 
einen  groben  Irrthum,  der  nur  aus  der  ungenauen  Ausdrucks- 
weise des  Josephus  sich  erklären  lässt,  verfallen  ist.  Und  doch 
hätte  ein  einfacher  Einblick  in  das  Manethonische  Geschichts- 
werk den  Verfasser  der  löpioi  des  Eusebius  leicht  von  der  Un- 
richtigkeit seines  Beginnens  überzeugen  können,  ein  Einblick 
in  das  Werk,  dessen  genaue  Kenntniss  durch  eine  Reihe  von 
Angaben  der  Töpicc  des  Eusebius,  wie  wir  gesehen  haben,  vor- 
ausgesetzt ist.  Das  Räthsel,  vor  welchem  wir  zu  stehen  scheinen, 
löftt  sich  jedoch  ganz  einfach.  In  den  t6{ao(  des  Eusebius  haben 
wir  das  Werk  zweier  Chronographen  vor  uns.  Der  eine  der- 
selben, den  wir  den  Anonymus  B  nennen  wollen,  hat  mit  ge- 
nauer Kenntniss  der  AVfjimoyA  seine  t6(aoi  verfertigt  und  eine 
Reihe  werthvoUer  Manethonischer  Angaben  in  seinem  Werke 
uns  erhalten.  Er  gibt  uns  die  IV.  und  V.  Dynastie  noch  als 
ein  Ganzes,  wie  sie  uns  ja  auch  im  Turiner  Papyrus  entgegen- 
tritt; ebenso  fasst  er  die  XI.  und  XII.  Dynastie  zusammen. 
Er  kennt  ferner  die  richtige  Reihenfolge  der  Hyksos,  das  Jahr 


214  Krall. 

der  Erhebung  der  einheiniiBchen  Fürsten  g«gen  die  Fremd- 
herrschaft; mit  welchem  er  die  legitime  Hyksosreihe  unter- 
bricht —  lauter  Angaben ,  die  auch  der  Anonymus  A  nicht 
kennt,  und  die  sonach  auf  Manetho  direct  zurückgehen  müssen. 
Soweit  wir  beurtheilen  können,  war  das  Bestreben  des  Ano- 
nymus B  auch  darauf  gerichtet,  eine  möglichst  stricte  Auf- 
einanderfolge der  Herrschergeschlechter  zu  geben,  er  vermied 
es  daher  Zusammenfassungen  und  Nebendynastien,  wenn  sie 
ihm  nicht  unumgänglich  noth wendig  erschienen,  zu  geben. 
Es  ist  sehr  schwer  über  sein  Verhältniss  zu  dem  Anonymus 
A  ein  abschliessendes  Urtheil  abzugeben,  da  wir  nicht  im 
Stande  sind,  aus  den  uns  vorliegenden  Toptoc  des  Eusebius  das 
ursprüngliche  Werk  ganz  herauszuschälen.  Wenn  die  XIII. 
Dynastie  mit  453  Jahren  —  die  die  Erhöhung  der  Zahl  511 
auf  518  voraussetzt;  und  daher  nur  auf  den  Anonymus  A 
zurückgehen  kann  —  schon  in  den  t6ijloi  des  Anonymus  B  ent- 
halten war,  so  wäre  die  gegenseitige  Abhängigkeit  dieser  wich- 
tigsten Quellen  für  die  ägyptische  Chronographie  nicht  zu 
läugnen;  es  ist  jedoch  nicht  unmöglich,  dass  die  453  Jahre, 
wie  nachweislich  so  viele  andere  Angaben  aus  dem  Werke 
des  Anonymus  A  erst  von  dem  Chronographen,  der  den  TOjAOt 
des  Anonymus  B  die  Gestalt  gegeben  hat,  in  der  sie  uns  bei 
Eusebius  vorliegen,  herübergenommen  worden  sind.  Wie 
dem  auch  sei,  so  viel  ist  jedoch  sicher,  dass  die  Ueber- 
einstimmung  des  A  und  B  so  lange  anhält,  als  die  Darstellung 
Manetho's  ruhig  hinfliesst;  sobald  sie  sich  verwickelt  oder  un- 
deutlich wird,  sobald  seine  Angaben  Lücken  zeigen,  wie  etwa 
für  die  Herakleopoliten  und  Hyksos,  stellen  sich  sofort  Ab- 
weichungen ein. 

So  standen  die  Dinge,  als  ein  dritter  Chronograph,  den 
wir  den  Anonymus  C  nennen  wollen,  daran  ging,  die  TOjxot  des 
B  mit  Verwerthung  der  ihm  vorliegenden  tofAO»  des  A,  sowie 
der  gesammten  übrigen  griechischen  Literatur  über  ägyptische 
Geschichte,  zu  einem  neuen  Werke  umzugiessen,  welches  uns 
bei  Eusebius  erhalten  ist.  Der  Anonymus  C  kennt,  wie  wir 
gesehen  haben,  Manetho  nicht  —  er  ist  also  fUr  uns  eine 
secundäre,  keine  primäre  Quelle  —  er  hat  aber  auch  kein 
grosses  Vertrauen  auf  die  ihm  vorliegenden  tojxoi.  Wenn  es  ihm 
nur    möglich   ist,    nimmt   er   zu    anderen    Hilfsmitteln   seine 


lUneihonlschM  Oeschichtswerk.  215 

Zttflacht,  um  mit  ihnen,  wie  er  glaubt,  die  TOfAot  zu  ergänzen  und 
zu  verbessern;  so  zieht  er  sogar  die  von  Josephus  wieder- 
gegebenen Manethonischen  Fragmente  den  t6[ji.oi  vor,  wobei  er 
freilich  in  einen  gewaltigen  Irrthum  verfiel  —  ein  Vorgang, 
der  uns  an  den  des  Synkellos  erinnert,  der  die  Fragmente 
Masetho's  bei  Josephus  dem  ihm '  vorliegenden  Sothisbuche 
vorzog.  Unter  dem  Eindrucke  der  von  Josephus  aufgebrachten 
Gleichsetzung  der  Hyksos  mit  den  Juden,  hat  der  Anonymus 
C  bedeutende  Veränderungen,  besonders  Reductionen  der  Zahlen 
der  t6{ac(  des  B  vorgenommen,  die,  wie  wir  gesehen  haben  (S.  182), 
noch  nachzuweisen  sind.  Den  griechischen  Autoren,  besonders 
dem  Herodot  und  Diodor,  hat  er  eine  Reihe  von  Zahlen  für 
seine  letzten  Dynastien,  sowie  den  Gedanken  entnommen,  in 
seinen  t6[jioi  die  Dodekarchie  zu  reproduciren,  was  ihm  freilich 
nur  theilweise  gelungen  ist. 

Aber  noch  mehr ;  hatte  der  Verfasser  der  Topioi  des  Africa- 
Dus  die  Abtheilung  der  ägyptischen  Geschichte  auf  Grund  der  ihm 
von  Manetho  überlieferten  Coincidenzen  des  festen  und  Wandel- 
jahres vorgenommen,    so  glaubte   der  Anonymus  C  es   besser 
machen  zu  können.  Inzwischen  hatte  nämlich  die  Siriusperiode, 
die  zuerst  von  Geminus  im  ersten  Jahrhunderte  erwähnt  wird, 
allgemeine  Geltung  erlangt.  ^    Am  Beginne   des   zweiten  Jahr- 
hunderts wird  sie  von  Tacitus  angeführt,  bei  Clemens  Alexan- 
drinus  heisst  sie  zum  ersten  Male  ZcoOiox^  %epi6ioq  und  erst  bei 
dem  Mathematiker   Theon,    am  Ausgange  des    vierten   Jahr- 
hunderts, wird  der  Aera  dbcb  Mevo^pscix;  gedacht  Der  Ausgangs- 
punkt der  Siriusperiode,    deren   Entstehung   wir   sonach  nicht 
über  den  Beginn  unserer  Zeitrechnung  hinaufrücken  können, 
war  jedoch  nicht  das  Jahr  1266,  sondern  das  Jahr  1322  v.  Chr. 
Dies  veranlasste   den  Verfasser  der  t6[aoi  des  Eusebius  —  wie 
es  der  Anonymus  B   gehalten  hat,    wissen   wir   nicht  —  den 
xciAc;-Elinschnitt  fi-üher  anzusetzen,  d.  h.  er  versetzte  den  König 
Ramesses,    der  in  seiner  Vorlage  den  zweiten  t6(j.o;  abschloss, 
an  den  Anfang  des  dritten  toijlo«;.     So  schloss  in  der  That  sein 
zweiter  x6|jlc^  mit  dem  legitimen  Könige  Amenephtes  ab,  welcher 


*  Lepsin«,  Chronologie  p.  167  f.  Cf.  Riel,   Sonnen-  und    SiriuBJahr  160  f. 
IL  {NUMim. 


216  Krall. 

Name   su   Menophres   verstümmelt ,   den  AnlasB   zur  Aera  «;s 
Mev6^peci>(;  doch  wohl  erst  gegeben  hat. 

Wir  haben  hiemit  die  Thätigkeit  unseres  Anonymus  C 
noch  bei  weitem  nicht  ganz  kennen  gelernt.  Er  war  es,  der 
wenn  nicht  alles  trügt,  den  Anstoss  zur  Aufstellung  und  Zäh- 
lung von  Dynastien  gegeben  hat.  Die  ursprüngliche  tabellarische 
Form  der  x6\tat  mit  den  vielfachen  Rubriken,  musste  sich  bald 
als  unbequem  erweisen;  um  dem  zu  entgehen,  verwandelte  der 
Anonymus  C  dieselbe  in  eine  einfache  Aufeinanderfolge  der 
einzelnen  Gruppen;  zusammengehörige  Glieder  wurden  hiebei 
von  einander  gerissen,  nicht  zusammengehörige  mit  einander 
verbunden;  manche  wurden  mehrmals  aufgezählt,  wieder  an- 
dere ganz  ausgelassen.  So  ist  es  gekommen,  dass,  um  nur 
an  einige  Beispiele  zu  erinnern,  die  XVII.  (bei  Eusebius  XVI.) 
Dynastie  des  Africanus  von  der  XVIII.  gerissen  wurde,  oder 
dass  die  XVII.  und  XV.  Dynastie  des  Africanus  besonders 
aufgezählt  wurden,  während  sie  schon  in  der  XIII.,  beziehungs- 
weise XVI.  Dynastie  enthalten  waren.  Ebenso  wurde  die 
XVII.  Dynastie  mit  einer  Gruppe,  die  in  den  vorliegenden 
T6fA0'.  des  Africanus  ausgefallen  ist,  zur  XIII.  Dynastie  ver- 
bunden, wiewohl  sie  beide  durch  259  Jahre  in  den  TOfMt  des 
Anonymus  A  von  einander  getrennt  waren.  Die  einzelnen  auf- 
einander folgenden  Gruppen  wurden  des  leichteren  Gebrauchs 
halber  numerirt  und  als  Suva^Tetai  bezeichnet,  ein  Ausdruck^ 
der,  wie  wir  gesehen  haben,  Manetho  und  vielleicht  auch  dem 
Anonymus  A  und  B  fremd  gewesen  ist.  Die  Zählung  der  ein- 
zelnen Dynastien  zeigt  uns  deutlich  das  Bestreben  unseres 
Anonymus,  eine  Uebereinstimmung  der  ihm  vorliegenden  t6[jlo'. 
zu  erzielen.  Trotz  der  bedeutenden  Abweichungen  zwischen 
denselben,  hat  er  es  verstanden,  30  Dynastien  aus  den  beiden 
ihm  vorliegenden  tabellarischen  Uebersichten  herauszuschlagen, 
und  mit  wenigen  Ausnahmen  ist  es  ihm  auch  gelungen,  die 
sich  entsprechenden  Dynastien  mit  einer  gleichen  Nummer  zu 
versehen.  Um  dies  zu  erreichen,  hat  er  freilich  zu  recht 
eigenthümlichen  Hilfsmitteln  seine  Zuflucht  nehmen  müssen. 
Der  Anonymus  B  fasste,  wie  wir  wissen,  nach  Manethonischem 
Vorgange,  die  sogenannte  IV.  und  V.  Dynastie  des  Africanus 
zu  einer  Gruppe  zusammen,  die  als  die  IV.  Dynastie  be- 
zeichnet werden  musste.     In  Folge  dieses  Ausfalles   hätte  die 


Manethonischee  Goschichtswerk.  217 

VI.  Dynastie  des  Africanus  in  den  i6{aoi  des  Eusebius  als 
die  V.  verzeichnet  werden  müssen,  wodurch  die  Gleichmässig- 
keit  der  2iählung  empfindlich  gestört  worden  wäre.  Um  dem 
Uebelstande  auszuweichen,  machte  der  Anonymus  C  aus  der 
Gruppe,  die  bei  Africanus  die  VI.  Dynastie  bildet,  zwei  Dy- 
nastien, die  V.  und  VI. 

Africaniu :  EusebioB : 

IV.  Dynastie  j  j^   ^^^^^^ 

VI.  Dynastie  I  ^j' 

l   Vi.         ,} 

Sehen  wir  sonach  unseren  Autor  von  dem  Bestreben  ge- 
leitet, eine  gleichmässige  Zählung  der  von  ihm  aus  den  tabel- 
larischen Tdjjioi  des  Anonymus  A  und  B  gezogenen  Dynastien, 
die  er,  wie  wir  gesehen  haben,  ohne  jedes  Verständniss  des 
inneren  Zusammenhanges  aus  den  einzelnen  Gruppen  ausschied, 
herbeizuflihren,  und  hiedurch  die  TöfAOt  des  A  und  B  wohl  oder 
übel  in  einen  anscheinenden  Zusammenhang  zu  bringen,  so 
werden  wir  nicht  zweifeln  können,  dass  er  es  gewesen  ist,  der 
in  seine  z6\>jo\  aus  den  xöiJLOt  des  Anonymus  A  die  in  denselben 
enthaltenen  Notizen,  sowie  die  Tdfxo^-Summen,  die  ja  zu  seinem, 
dem  B  entnommenen,  Systeme  gar  nicht  passten,  herübernahm. 
Sein  Werk  sollte  Alles  umfassen,  was  auf  dem  Gebiete  Mane- 
thonischer  Forschung  bis  auf  seine  Zeit  geleistet  worden  war, 
es  sollte  alle  seine  Vorgänger  überflüssig  machen. 

Den  Beweis  dafür,  dass  die  Zählung  der  Dynastien  und  die 
Notizen  in  den  T6{Jiot,  wie  sie  uns  bei  Africanus  und  Eusebius 
vorliegen,  das  Werk  eines  Mannes,  also  gleichsam  eine  T6(Jiot- 
Harmonie  sind,  liefern  uns  die  Topioc  des  Barbarus,  die  eine  von 
der  allgemein  üblichen,  abweichende  Zählung  der  Dynastien 
ans  zeigen.  Die  TiiJLoi  des  Barbarus  weisen  uns  wie  die  des 
Eosebius  auf  das  Werk  zweier  Chronographen  hin,  von  denen 
der  erste  (Anonymus  D)  eine  zwischen  den  z6[fjoi  des  A  und 
B  m  der  Mitte  stehende  chronographische  Tafel  aus  Manetho 
zog  —  ihr  erster  Theil  deckte  sich  mehr  mit  dem  Werke 
des  A,  ihr  zweiter  mehr  mit  dem  des  B  —  die  dann  von  einem 
zweiten,  der  nach  Josephus  lebte,  überarbeitet  und,  dem  allge- 
meinen Zuge  der  Zeit  entsprechend,  in  eine  Aufeinanderfolge 


218  KralL 

von  XVI  Potestates,  hierin  ganz  unabhängig  vom  Anonymus  C, 
verwandelt  wurde. 

Wir  stehen  am  Schlüsse  unserer  Untersuchungen.  Drei 
chronographische  Systeme,  deren  gegenseitige  Abhängigkeit 
sich  direct  nicht  nachweisen  lässt,  haben  wir  aus  dem  Hane- 
thonischen  Werke  erstehen  gesehen ;  wir  haben  ferner  erkamit, 
wie  das  Erscheinen  der  Schrift  des  Josephus  ^Contra  Apionem' 
und  die  in  derselben  aufgestellte  Identification  der  Juden  mit 
den  HyksoS;  sowie  der  Beginn  des  Kampfes  des  Christenthums 
gegen  das  Heidenthum,  eine  gewaltige  Einwirkung  auf  die 
T^fjLoe  der  vorchristlichen  Zeit  geübt  haben.  Ueber  die  ursprüng- 
liche Schichte  legte  sich  eine  zweite,  die  überall  von  diesen 
neuen  Momenten  beeinflusst  ist  —  es  ist  die  Form,  in  der  wir 
die  t6|jioi  bei  Africanus,  Eusebius  und  dem  Barbarus  vor  un8 
sehen.  Weiter  zu  gehen  und  die  folgenden  Schichtungen  zu 
verfolgen,  erscheint  uns  für  die  uns  gestellte  Au%abe,  wie  wir 
einleitungsweise  bemerkten,  ganz  zwecklos.  Schon  in  der 
zweiten  Schichte  haben  wir  keine  Spur  auch  nur  der  gering- 
sten Einsichtnahme  in  die  Werke  Manetho's  beobachten  können; 
mit  dem  Momente,  wo  die  Totxot  zu  entstehen  begannen,  hörte 
ja,  wie  wir  gesehen  haben,  das  Interesse  för  die  At^uimaxi  auf. 

Der  leichteren  Uebersicht  halber,  stellen  wir  die  über 
die  fünf  Anonymi  gewonnenen  Ergebnisse  kurz  zusammen. 

1.  Anonymus  A.  Er  verfasste  die  TSiJLoi,  die  uns  bei  Jo- 
sephus theilweise,  und,  wenn  auch  überarbeitet,  ganz  bei  Afri- 
canus  vorliegen.  Er  kennt  keine  Zählung  der  Dynastien,  er 
gibt  nur  tabellarisch  geordnete  Gruppen  von  Königen.  Die 
Form,  in  der  die  T6(xot  des  Africanus  uns  jetzt  vorliegen,  haben 
dieselben  erst  durch  den  Anonymus  C,  der  die  Gruppen  zer- 
schlug und  aus  ihnen  dreissig  Dynastien  bildete  und  ausserdem^ 
falls  diese  Aenderung  nicht  auf  Africanus  selbst  zurückgeht, 
an  den  Dynastien  der  Hyksoszeit,  von  Josephus  beeinflusst^ 
verschiedene  leicht  auszuscheidende  Veränderungen  vornahm, 
erhalten. 

2.  Anonymus  B.  Er  verfasste,  vielleicht  ganz  unab- 
hängig vom  Anonymus  A,  die  Grundlage  der  xojjLot  des  Eusebius. 

3.  Anonymus  C.  Er  überarbeitete  die  t6|aoi  des  B  und 
gab  ihnen  die  Gestalt,  in  der  sie  uns  bei  Eusebius  vorliegen. 
Er  ist    ganz    abhängig    von    Josephus   und   den   griechischen 


UaaethonischM  Oesckichlswerk.  219 

Autoren  und  wendet  die  Siriusperiode  in  seinen  t6(ii.o(  an.  Er 
macht  die  Dynastien  und  f&lirt  eine  gleichmässige  Zählung 
derselben  ein.  Den  t6(jloi  des  Anonymus  A  entoimmt  er  die 
Notizen  bei  den  einzelnen  Königen. 

4.  Anonymus  D.  Der  Verfasser  der  'zd^Miy  die  uns  über- 
arbeitet in  den  Excerpta  Barbari  vorliegen. 

5.  Anonymus  E.  Der  üeberarbeiter  der  t6|aoi  des  D. 
Er  lebt  nach  Josephus  und  nimmt  eine  vom  Anonymus  C  ganz 
unabhängige  Gliederung  seiner  Vorlage  vor. 

Wenn  wir  die  Gesammtheit  unserer  Ausfuhrungen  über- 
schauen, so  drängt  sich  uns  unwillkürlich  die  Frage  auf: 
können  wir  denn  noch  weiter  an  der  Fiction  der  ägyptischen 
Dynastien  und  ihrer  Zählung,  wie  man  sie  in  gutem  Glauben 
an  die  toixoe  bei  Africanus  und  Eusebius  angenommen  hat,  fest- 
halten? Können  wir,  nachdem  wir  seinem  Ursprünge  nachge- 
gangen sind,  dieses  Machwerk  eines  Chronographen  des  zweiten 
Jahrhunderts  nach  Christo  auch  fernerhin  als  Manethonisch 
ausgeben?  Nur  so  lange  man  die  chronographischen  Ueber- 
sichtstafeln,  wie  sie  sich  aus  den  lY.l6aEn;  des  Africanus,  Euse- 
bius und  des  Barbarus  ergeben  haben,  mit  ihren  Rubriken  und 
Zusammenfassungen  vor  Augen  hat,  haben  die  Gruppen,  deren 
willkürliche  Entstehung  wir  für  die  dunkeln  Epochen  ägyp- 
tischer Geschichte  beobachten  konnten,  überhaupt  einen  rechten 
Sinn,  ohne  dieselben  sind  die  ts{jloi  in  der  Gestalt,  die  sie  durch 
den  Anonymus  C  erhalten  haben,  ganz  werthlos. 

Leider  liegen  uns  keine  Nachrichten  vor,  über  die  Gesammt- 
heit der  officiellen  einheimischen  Gruppirung  der  ägyptischen 
Könige  —  denn  dass  eine  solche  bestand,  zeigt  uns  der  Turiner 
Papyrus  hinreichend.  Wir  werden  uns  daher,  um  nicht  in  den 
Bahnen  des  Anonymus  C  weiter  zu  wandeln,  am  besten  damit 
behelfen,  nach  dem  jeweiligen  Stande  unserer  Kenntnisse 
ägyptischer  Geschichte,  die  zu  einer  Familie  gehörigen  Könige 
unter  dem  Namen  zusammen  zu  fassen,  der  in  derselben  am 
häufigsten  vorkommt  —  der  ja  gewöhnlich  den  Namen  des 
Gottes  in  sich  schliesst,  dem  das  Geschlecht  besondere  Ver- 
ehrung gezollt  hat  —  und  wo  dies  nicht  angeht,  was  besonders 
för  die  ersten  Zeiten  der  ägyptischen  Geschichte  gilt,  uns 
^  die  Residenzen  zu  halten.    Danach  würde  sich  die  ägyp* 


220  Kr»n. 

tische  Qeschichte  —  bis  auf  die  ThatmosidenKeit  kommt  uns 
der  Turiner  Papyrus  wohl  su  Statten  —  also  gliedern: 

1.  Die  Thiniten.  In  den  t6ijlo(  sind  sie  auf  die  I.  und 
II.  Dynastie  vertheilt. 

2.  Die  Memphiten.  Beim  Anonymus  B  bildeten  rie 
noch  eine  Gruppe;  der  Anonymus  A  hat  aus  ihnen  zwei 
Ghiippen  gemacht,  die  wir  in  der  IV.  und  V.  Dynastie  wieder 
finden.  Nach  den  Pyramiden^  den  gewaltigsten  Ueberresten 
dieser  Herrscher ^  .kann  man  sie  auch  die  Pyramidener- 
bauer nennen. 

Nach  dem  Vorgange  von  Rougä  scheiden  wir  die  IIL  Dy- 
nastie aus. 

3.  Die  Könige  von  Abydos.  Wir  fassen  unter  diesem 
Namen  die  Könige  der  VI.  Dynastie  des  Africanus  (V.  und 
VI.  des  Eusebius),  sowie  die  Nachfolger  der  Nitokris  zusammen. 
Mit  Nitokris  macht  bekanntlich  der  Turiner  Papyrus  keinen 
Abschnitt;  wir  sind  jedoch  gar  nicht  in  der  Lage  aus  den 
Fragmenten,  die  der  Zeit  seit  Nitokris  bis  auf  die  Erhebung 
Amenemha  I.  angehören  müssen,  ein  auch  nur  annähernd  rich- 
tiges Bild  zu  gewinnen.  Mit  Hilfe  anderer  Nachrichten  können 
wir  jedoch  sagen ,  dass  bald  nach  der  sogenannten  VI.  Dy- 
nastie fremde  Völker  in  Aegypten  erobernd  vordrangen,  deren 
Könige  wir,  nach  dem  Vorgange  von  Lepsius,  bezeichnen 
können  als 

4.  Die  Herakleopoliten.  In  den  zS^tai  sind  sie  durch 
die  IX.  und  X.  Dynastie  vertreten. 

5.  Die  Amenemha  umfassen  die  XI.  und  XII.  Dynastie; 
in  ihrem  Namen  ist  zugleich  der  Gott  erhalten,  dem  das  Ge- 
schlecht besonders  gehuldigt  hat.  Dasselbe  ist  der  Fall  bei 
der  folgenden  Gruppe. 

6.  Die  Sebekbotep  entsprechen  allem  Anscheine  nach 
der  XIV.  Dynastie  der  x6[loi  (p.  181). 

7.  Die  HyksoB. 

8.  Die  Thutmosiden  umfassen  die  XVII.  und  XVIII. 
Dynastie  bei  Africanus,  die  ursprünglich,  wie  bemerkt,  auch 
in  den  TÖjAot  ein  Ganzes  bildeten. 

9.  Die  Ramessiden,  d.  h.  die  Könige  der  XIX.  und 
XX.  Dynastie,  die  ja  fast  alle  den  Namen  Ramessu  fuhren. 


ManelhonischM  Geschichte  werk.  221 

10.  Qerhor  und  seine  Nachfolger  oder  die  Könige 
and  Propheten  des  Amon. 

11.  Scheschonk  und  seine  Nachfolger. 

12.  Die  Aethiopen.  Ihnen  entspricht  in  den  T6|JLot  die 
XXV.  Dynastie  mit  3  Königen;  während  uns  inschriftlich  be- 
deutend mehr  Könige  bekannt  sind. 

13.  Die  Theilkönige.  Unter  diese  Bezeichnung  fassen 
wir  die  Qesammtheit  der  Fürsten  zusammen,  die  theils  unter 
assyrischer,  theils  unter  äthiopischer  Oberhoheit,  theils  auch 
selbstständig  in  Aegypten,  besonders  in  Delta  herrschten. 
Hieher  gehört  die  XXIIJ.  und  XXIV.  Dynastie. 

14.  Die  Saiten  umfassen  die  Fürsten  der  XXVI.  Dynastie. 

15.  Die  Perser  und  die  Zeiten  der  Empörung  unter 
Amyrtäos,  also  die  XXVII.,  XXVIII.  und  XXXI.  Dynastie. 

16.  Die  letzten  nationalen  Könige,  d.  h.  die  XXIX. 
and  XXX.  Dynastie. 

In  diese  sechzehn  Qruppen  zerfallt  die  ägyptische  Qe- 
schichte;  die  Bezeichnungen  derselben,  die  ohnedies  sich  ein- 
zabürgem  beginnen,  machen  uns  die  Dynastieeintheilung  ganz 
entbehrlich,  und  es  ist  kein  Zweifel  vorhanden,  dass  bei  dem 
raschen  Fortgange  der  ägyptischen  Studien  und  bei  dem  Um- 
stände, dass  wir  bisher  nur  einen  kleinen  Theil  der  Hinter- 
lassenschaft der  Aegypter  uns  zu  Eigen  gemacht  haben,  es 
alhnälig  gelingen  wird,  die  Qruppen  schärfer  zu  präcisiren 
and  zu  vervollständigen. 


222  Krall. 


E  X  0  u  r  s. 

Der  BegiernngSBiitrftt  Ahmes  I. 

In  unseren  UnterBuchungen  sind  wir  zu  wesentlich  n^* 
tiven  Ergebnissen  f&r  die  ägyptische  Chronologie  gelangt,  wir 
wollen  es  im  Folgenden  versuchen,  von  einer  Stelle  des  Tacitus 
ausgehend,  ein  positives  Datum  festzustellen. 

Anknüpfend  an  das  Erscheinen  eines  neuen  Phönix  in 
Aegypten,  gibt  uns  Tacitus,  Ab  excessu  VI,  28  eine  Darstellung 
der  Phönizsage,  aus  welcher  folgende  Angaben  über  die  Dauer 
der  Phönixperiode  für  uns  grosse  Wichtigkeit  haben:  de  nu* 
mero  annorum  varia  traduntur,  maxime  vulgatum  quingentorum 
spatium,  sunt  qui  adseverent  mille  quadringentos  sexi^nto 
unum  interici,  prioresque  alios  tres  Sesoside  primum,  post 
Amaside  dominantibus,  dein  Ptolemaeo,  qui  ex  Macedonibus 
tertius  regnavit,  in  civitatem  cui  Heliopolis  nomen  advolavisse 
multo  ceterarum  volucrum  comitatu,  novam  faciem  mirantiom, 
sed  antiquitas  quidem  obscura:  inter  Ptolemaeum  et  Tiberiom 
minus  ducenti  quinquaginta  anni  fuerunt,  unde  non  nulli  fal- 
sum  hunc  phoenicem  neque  Arabum  e  terris  credidere,  nihil- 
que  usurpavisse  ex  iis,  quae  vetus  memoria  firmavit. 

Wenn  wir  die  Angaben  des  Tacitus  näher  ins  Auge  fassen, 
ohne  uns  vorerst  zu  kümmern,  wie  sich  das  Resultat  zu  der 
ägyptischen  Chronographie  stellen  wird,  müssen  wir  sagen,  dass 
die  ungezwungenste  Erklärung  derselben  ist,  die  Königsreihe 
auf  die  Periode  von  1461  Jahren  zu  beziehen,  denn  sonst 
müsste  dieselbe  vor  den  Worten  sunt  qui  adseverent  stehen, 
falls  wir  nicht  annehmen  wollten,  Tacitus  habe  in  einer  so 
wichtigen  Angabe  aus  Nachlässigkeit  oder  aus  Absicht  sich 
undeutlich  ausgedrückt. 

Der  letzte  König  der  Reihe,  Ptolemaeus  qui  ex  Macedo- 
nibus tertius  regnavit  [ebenso  Historien  IV,  84  regnante  Ptole- 
maeus quem  tertia  aetas  tulit]  ist,  da  Tacitus  Ptolemäas 
Soter  und  nicht  Alexander   den    Grossen  als   den   bezeichnet, 


Manothonisches  Gttchichtswerk.  223 

qui  Macedonum  primus  Aegypti  opes  firmavit  [Hist.  IV^  83J, 
kein  anderer  als  Ptolemäus  III.  Euergetes^  der  247  zur  Re- 
gierung gekommen  ist,  womit  auch  vortrefflich  die  Bemerkung 
stimmt:  inter  Ptolemaeum  ac  Tiberium  minus  ducenti  quinqua- 
ginta  anni  fuerunt.  ^  In  dem  zweiten  Könige  der  Reihe  Amasis, 
sehen  die  Erklärer,  nach  dem  Vorgange  von  Lepsius  und 
Bansen,^  den  vorletzten  König  der  sogenannten  XXVI.  Dy- 
nastie, den  uns  aus  Herodot  wohlbekannten  Amasis.  Wie,  war 
denn  die  Zeit  des  berühmten  Königs  Amasis  so  entlegen,  dass 
Tacitus  nicht  wissen  konnte,  es  könne  unmöglich  zwischen 
demselben  und  Ptolemäus  Euergetes  eine  Periode  von  500, 
geschweige  denn  von  1460  Jahren  verflossen  sein!  Gibt  er 
denn  nicht,  wenige  Zeilen  darauf  mit  den  Worten  ,inter  Pto- 
lemaeum ac  Tiberium  minus  ducenti  quinquaginta  anni  fuerunt' 
einen  Beweis,  dass  er  doch  etwas  von  diesen  Dingen  verstand ! 
Hit  Recht  hat  daher  schon  Unger^  betont  —  es  scheinen  je- 
doch seine  Worte  ungehört  verhallt  zu  sein  —  dass  der  Amasis 
des  Tacitus  nicht  der  Saite  dieses  Namens,  sondern  A^mes  I., 
der  Vertreiber  der  Hyksos,  gewesen  sein  müsse.  Nach  der 
Reihe  bei  Tacitus  fallt  sonach  A];imes  I.  Regierung  1460  Jahre 
vor  Ptolemäus  Euergetes,  d.  h.  etwa  1700  v.  Chr.,  womit  wir 
ans  in  vollständiger  Uebereinstimmung  befinden  mit  dem  von 
Brugsch,  aus  den  Genealogien  der  hohen  ägyptischen  Qe- 
schlechter,  gewonnenen  Ansätze.  ^  Der  erste  König  der  Reihe 
weist  uns  endlich  in  die  Zeit  des  Beginns  der  Verschiebung 
der  beiden  ägyptischen  Jahresformen  hin,  in  dieselbe  Zeit,  in 
welche  uns  die  Scheidung  des  ersten  und  zweiten  x^ixo;,  sowie 
die  schon  oft  erwähnte  Notiz  Herodots  versetzt  haben^  in  die 
Zeit  der  Amenembä:  Der  König  Sesosis  bei  Tacitus  ist  der 
Sesostris  (XII.  Dynastie)  des  Africanus  und  Eusebius.  ^ 

'  Nipperdey  in  seiner  Tacitosansgabe  zu  ab  excessu,  VI,  28.  Anderer  An- 
sieht war  dagegen  Lepsius  —  Chronologie,  189  —  und  nach  ihm  Stein 
m  Herodot  II,  73. 

'  Chronologie  der  Aegypter  p.  188  f.  Aegyptens  Stellung  in  der  Welt- 
geschichte IV,  86  f. 

'  Chronologie  des  Manetho  123. 

*  Geschichte  Aegyptens  253,  768. 

*  Es  ist  hier  nicht  unsere  Aufgabe  auf  die  astronomischen  Grundlagen  der 
Phonixperiode  einzugehen,  es  genüge  darauf  hinzuweisen,  dass  die  Liste 
bei  Tacitus  unn  an  wichtige  Epochen  in  der  Geschichte  des  festen  Jahres 


224  Krall. 

Setzt^  wie  wir  gesehen  haben,  die  Liste  bei  Tacitus  die 
Regierung  des  Abmes  ungefähr  1700  v.  Chr. ,  so  werden  wir 
in  dieselbe  Zeit  durch  eine  andere  ebenso  werthvoUe  Nach- 
richt bei  Africanus  gewiesen.  Wir  finden  nämlich  bei  seiner 
XXIV.  Dynastie  folgende  Bemerkung:  Boyyjiipi^  Sat-nfj?  In;  c', 
6(p'  ou  apvtov  6<pe^Y$aT0  •  hr^,  C^q'  (990).  Zählen  wir  von  720  v.  Chr. 
—  um  welche  Zeit  die  Regierung  des  Königs  Bocchoris  fallen 
muss,  da  sie  unmittelbar  der  des  Aethiopen  Seve  voranging  — 
990  Jahre  aufwärts,  so  kommen  wir  in  das  Jahr  1710  v.  Chr., 
d,  h.  in  dieselbe  Zeit,  in  welche  uns  die  Liste  bei  Tacitus 
mit  ihrem  Könige  Abmes  L  versetzt.  Aus  Diodor  (I,  69)  er- 
sehen wir  ferner,  welche  hohe  Bedeutung  die  Aegypter  darauf 
legten,  dass  ihr  Land  4700  Jahre  von  einheimischen  Herrschern 
regiert  worden  war,  wir  sehen  ausserdem  aus  seiner  Tafel  (1, 44), 
wie  scharf  zwischen  einheimischen  und  fremden  Herrschern 
selbst  bei  chronologischen  Uebersichten  geschieden  wurde  — 
Grund  genug  daher,  bei  Bocchoris  die  Regierungen  seit  der 
Vertreibung  der  Hyksos  zusammen  zu  fassen  und  dem  Leser 
vorzuführen,  dass  990  Jahre  nationaler  Herrschaften  verstrichen 
waren,  als  Bocchoris  dem  fremden  Eroberer  erlag. 

Gewinnt  sonach  das  Jahr  1700,  als  ungefährer  Beginn 
der  Regierung  A^mes  I.  auch  von  dieser  Seite  seine  Bestä- 
tigung, so  erhebt  sich  nun  die  Frage,  wie  verhält  sich  dieses 
Ergebniss  zu  der  merkwürdigen  Inschrift  von  Tanis,  *  deren 
eigentliche  Bedeutung  Riel  zuerst  schlagend  dargethan  hat. 
Ihre  bis  auf  ihn  räthselhafte  Datirung  ,Jahr  400  des  Königs 
Set-nubti-ää-pet^ti',  hat  er  auf  die  Einrichtung  des  festen  Jahres 
in  der  Tetraöteride  1766 — 62  v.  Chr.  bezogen,    und  somit  für 


in  Aegypten  erinnert.  Die  Regierung  des  Königs  Sesosis,  de«  ersten  der 
Reihe,  knüpft  an  an  den  Beginn  der  Verschiebung  des  Wandeljahres  gegea 
das  feste  Jahr,  der  zweite  König  Amosis,  versetzt  uns  in  die  Zeit  der 
Errichtung  des  festen  Jahres  1766—62,  indem  dieselbe  lieber  an  ihn  als 
an  den  obscuren  Set-nubti-ää-pehti  angeschlossen  wurde ;  die  Regierung  des 
letzten  Königs  endlich,  Ptolemäus  Euergetes,  wird  bezeichnet  durch  die 
Einrichtung  des  sogenannten  festen  Jahres  von  Kanopns,  über  welche 
uns  eine  andere  Stele  von  Tanis  hinreichende  Kunde  bringt. 
1  Roug6,  Revue  arch^ologique  1864,  und  Mariette  1.  l.  1865.  Lauth,  tfa- 
netho  p.  251.  Ebers,  Aegypten  und  die  fünf  Bücher  Mosers,  p.  -09. 
Brugsch,  Geschichte  Aegyptens  546,  Riel  1.  1.  177  £• 


Mftnethonlscbes  Geschichtswerk.  225 

die  ägyptische   Chronologie   zwei  feste   Daten   gewonnen.     Es 
fragt  sich  nun,  wer  ist  der  erwähnte  König  Set-nubti-äS,-pehti  ? 

Die  Inschrift    selbst   gibt    uns    hierüber   Auskunft:    |^|l[   dl 


C  Jl  AA/NA/SA 

AAAAAA  ^'     ^ 


AAV^AA 


Qj||j        m ZJ"^ 


aufstellen  eine  grosse  Stele  aus  Syenit  für  den  grossen  Namen 
seiner  Väter,  mit  dem  Wunsche  zu  erhalten  den  Namen  des 
Vaters  seiner  Väter  [und]  des  Königs  Seti  1/  Der  Vater 
seiner  Väter  kann  kein  anderer  sein^  als  der  am  Anfange  der 
Inschrift  genannte  Set-nubti-ää-pe^ti,  zu  dessen  Verherrlichung 
ja  die  Angabe  diente,  der  Stein  sei  gesetzt  im  Jahre  400  der 
von  ihm  begründeten  Aera.  Es  liegt  kein  Grund  vor,  in  dem 
Namen  des  Königs  Set-nubti-ää-pe^ti  einen  Hyksos  zu  erkennen, 
wie  dies  verschiedene  Forscher  gethan  haben  ^  —  mit  Recht 
ist  daher  Chabas^  dieser  unwahrscheinlichen  Annahme  ent- 
gegen getreten.  Set  und  Sutech  sind  urägyptische  Gottheiten, 
wie  wir  dies  anderwärts  dargethan  haben,  ^  und  wir  werden 
sonach  sagen  müssen  zu  den  Vorfahren  des  Königs  Ramses 
gehörte  ein  König  Set-nubti-ää-pe^ti,  und  wir  glauben  uns  nicht 
zu  täuschen,  wenn  wir  annehmen ,  dass  er  sich  von  der  Stadt 
Ombos  aus,  erhoben  hat  gegen  die  Hyksosherrschaft.  Für 
das  letztere  bürgt  Manetho,  der  uns  (Josephus,  C.  A.  III,  14,  12) 
mittheilt  [isxst  xoDta  3s  xwv  h.  vfiq  ÖTißafSo^  %a\  t^^  aXXtjq  A'.yutc- 
isj  ßz7!X€a>v  vsviaOat  ^r^atv  cid  toü^  TCotjjLdva^  CTCOvaaraciv ,  für  das 
erstere  der  Name  des  Königs  selbst.  In  Ombos,  welches  sich 
ganz  ketzerischen  Culten  schon  von  Alters  her  ergeben  hat, 
—   wir  finden    hier    auch    den  Sebek   besonders    verehrt  — 

ward    nämlich   dem    'Vi  Sutech  gehuldigt.    Wohl  wegen  des 


'  Besonders  Roag^  and  Mariette  v.  Anm.  1  auf  S.  224. 

'  Chabas  in  der  Aeg.  Z.,  1865,  p.  29  f.  Les  Ramses  sont-ils  de  la  race  des 
Pastenrs?  ^tudes  sur  la  stele  de  Tan  400. 

3  Ae^.  Z.  1879,  p.  66. 

Sitnmgsber.  d.  phiK-tÜHt.  Gl.  XCV.  Bd.  I.  Hft.  15 


226  Krall.    UanethoniicheB  Oeschichtswerk. 

Namens  fwl  u  M      ,Nubi',  ,die  Goldstadt',  '    den  in   den  Hiero- 
glyphen   Ombos   führt,    hat  Set-nubti-ää-pe^ti    den  Beinamen 
rwl       erhalten.     Die  Inschrift  von  Tanis   bezeugt  uns,   dass 

im  Jahre  1766  die  Erhebung  gegen  die  Hyksos  in  vollem  Gange 
war ;  wir  werden  daher  auch  von  den  monumentalen  Angaben 
selbst  auf  das  Jahr  1700  v.  Chr.  als  auf  das  Jahr  der  Er- 
hebung Abmes  I.  hingewiesen. 


*  Gold  galt  ja  bei  den  Aegyptcm  als  typhonisch;  Bnig-sch,  Geschichte 
Aegyptens  p.  199  erinnert  daran,  dass  beim  Opferfeste  des  Helios,  nach 
Plntarch  de  Is.  ac  Osir.  c.  30,  die  Priester  ermahnt  wurden,  kein  Gold 
am  Leibe  zu  tragen. 


XVIL  SITZUNG  VOM  9.  JULI  1879. 


Das  w.  M.  Herr  Hofrath  Ritter  v.  Höfler  in  Prag  über- 
sendet für  die  Sitzungsberichte  die  erste  der  ,Abhandlungen 
aus  dem  Gebiete  der  slavischen  Geschichte'  unter  dem  Titel: 
;Die  Waiachen  als  Begründer  des  zweiten  bulgarischen  Reiches 
der  Asaniden  1186—1257'. 


Von  Herrn  Dr.  Thomas  Fellner  in  Wien  wird  eine  Ab- 
handlung: ,Zur  Geschichte  der  attischen  Finanz  Verwaltung  im 
fünften  und  vierten  Jahrhundert',  mit  dem  Ersuchen  um  ihre 
Aufnahme  in  die  Sitzungsberichte,  vorgelegt. 


Herr  Dr.  B.  Münz  in  Wien  überreicht  eine  Abhandlung 
unter  dem  Titel:  ^Die  Philosophie  des  Protagoras  und  die  Aus- 
legung und  Kritik,  welche  dieselbe  erfahren',  mit  dem  Ersuchen 
um  ihre  VeröflFentlichung  in  den  Sitzungsberichten. 


Das  w.  M.  Herr  Professor  Dr.  Hartel  übergibt  eine  Ab- 
handlung des  Herrn  Professor  Pius  Knöll,  welche  betitelt  ist: 
,Das  Handschriftenverhältniss  der  Vita  S.  Severini  des  Eugippius' 
mit  dem  Ersuchen  des  Verfassers,  dieselbe  in  die  Sitzungs- 
berichte aufzunehmen. 


15 


r„* 


228 


An  Druoksohriften  wurden  vorgelegt: 

Be  rlin,  Friedrich-Wilhelms-Üniversität:  Druckschriften  pro  1878/79. 9 Stack 4«. 
Gesellschaft,   k.  k.   geographische,  in  Wien:   Mittheilungen.    Band  XXII. 

(N.  F.  XII.)  Nr.  6,  7,  8  und  9.  Wien,  1879;  4«. 
Müller,  Max:  The  sacred  books  of  the  Bast.  I.,  IL,  III.  Volume.  Oxford, 

1879;  8. 
(Revue    politique  et    litt^raire*    et  ,Reyue    scientiüque   de  la  France  et  de 

l'Etranger*.  IX«  Ann6e,  2«  S^rie.  Nr.  1.  Paris,  1879;  40. 
Sociedad    cientifica    argentina:    Anales.   Mayo   de    1879.   —    Entrega  V. 

Tomo  VII.  Buenos-Aires,  1879;  8». 
Tübingen,    Universität:    Akademische  Schriften    pro   1876/77.    21   Stucke. 

40  und  80. 
—  Universität:  Akademische  Schriften  pro  1878.  21  Stück  4«  und  H^. 
Verein,  militär-wissenschaftlicher:  Organ.  XVJII.  Band.  Separatbeiluge  zum 

4.  und  6.  Heft.  1879.  Wien;  80. 


Höfler.    AbhandlnDgen  aas  dem  Gebiete  der  slaTuchen  Geschichte  I.  229 


Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der  slavischen 

Geschichte. 

Von 

Gonstantin  B.  von  Hof  1er, 

wirkl.  Hitgliede  der  kaii».  Akademie  der  Wisfeaschaften. 


I. 

Die  Walachen  als  BegrBiider  des  zweiten  bulgarischen 
Beiches,  der  Asaniden,  1186—1257. 

jjer  Untergang  des  Bulgarenreiches  durch  Kaiser  Basilios 
den  Bulgarentödter,  1018;  gehört  zu  den  wichtigsten  und  mass- 
gebendsten  Thatsachen  des  eilften  Jahrhunderts,  ja  des  Mittel- 
alters überhaupt.  Das  römische  (romäische)  Reich  war  wieder 
aufgerichtet  und  reichte  vom  adriatischen  zum  schwarzen  MeerC; 
von  der  Donau  bis  zur  Südspitze  des  Peloponnesos.  Im  Innern 
war  die  Fremdherrschaft  gebrochen,  der  Traum  eines  bulgarisch- 
römischen Eaiserthums  verflogen,  der  Kern  des  bulgarischen 
Volkes  auf  den  Schlachtfeldern  geblieben,  die  Kiesenknochen 
der  Bulgaren  bleichten  auf  dem  Schlachtfelde  am  Spercheios, 
verödet  waren  die  Ebenen  um  NiS,  Sophia  und  am  Ovöepolje, 
die  uneinnehmbaren  Bergfesten,  die  Kaiserpaläste  von  Trnowo 
und  Kastoria  in  den  Händen  der  Romäer ;  die  Zwietracht  und 
der  Verrath  der  Mitglieder  des  Sidmaniden-Hauses  hatten  den 
Untergang  des  Reiches  beschleunigt,  dieser  selbst  musste  die 
Verschmelzung  der  Bulgaren  mit  den  Slaven  und  die  Slavisirung 
der  ersteren  erleichtern,  ja  vollenden.  So  schwer  es  aber  für 
die  Romäer  gewesen,  den  Untergang  des  Reiches  herbeizuführen, 
das  ihnen  selbst  so  oft  verderblich  gewesen,  so  schwer  war  es, 
die  Lücke  auszufüllen,  die  der  Sturz  der  heimischen  Dynastie 
und  der  politische  Untergang  des  Volkes  erzeugt  hatte.  Schon 


230  Höfler. 

in  ihrem  eigenen  Interesse  waren  die  Bulgaren  Donauwächter 
gewesen;  ihre  theuersten  .historischen  Erinnerungen  beziehen 
sich  auf  die  Zurückweisung  des  Russen  Svjatoslav,  dessen 
Einbruch  969  zuletzt  den  Untergang  des  Buigarenreiches  von 
Pfeslav  und  die  Einverleibung  desselben  in  das  romäische  unter 
Johann  Zimisches  971  herbeigeführt  hatte.  Darauf  erst,  auf 
den  Untergang  des   östlichen  Reiches ,    erfolgte   der  Streit  nm 

V 

das  Erbe  der  vier  Söhne  Si^mans,  der  sich  963  von  dem  Haupt- 
reiche und  dessen  Czaren  Peter  losgesagt  und  das  Reich  von 
Prespa  (Ochrida,  Eastoria)  gegründet  hatte.  Der  Zwiespalt 
zwischen  beiden  Reichen,  an  welchem  vielleicht  das  Ueber 
wiegen  der  slavischen  Bevölkerung  um  Ochrida  wesentlichen 
Antheil  genommen,  erleichterte  den  Romäern  den  Sieg.  Der 
vierzigjährige  Vernichtungskampf  unter  Basilios  hatte  aber  nicht 
blos  die  Besiegten  entsetzlich  heimgesucht;  auch  der  Sieger 
hatte  ungeheure  Verluste  erlitten.  Als  Bulgarien  schon  unter- 
worfen war,  ging  ein  griechisches  Heer  im  Kampfe  mit  Stefan 
Vojslav,  Herrn  von  Zeta  und  Travunia,  1040  unter ;  neue  Ver- 
luste brachte  die  bulgarische  Erhebung  unter  Peter  Deljan,  angeb- 
lichem Sohne  des  Czaren  Gabriel  hervor,  bis  dieser  durch 
einen  andern  SiSmaniden,  Alusian,  Sohn  des  Czaren  Wladislav, 
unschädlich  gemacht  wurde.  Dann  aber  wurde  erst  noch  ein 
grosses  romäisches  Heer  in  den  Engen  am  See  von  Skutari 
aufgerieben.  Diese  entsetzlichen  Zustände  beschleunigten  den 
Einbruch  der  Polovcer  (Petschenegen)  in  das  alte  Thracien 
und  Macedonien.  Was  der  Bulgarenkrieg  verschont  hatte,  ging 
jetzt  zu  Grunde  (1048 — 1051),  und  als  die  Petschenegen  end- 
lich, nachdem  sie  dreimal  die  romäischen  Heeresabtheilnngen 
vernichtet,  über  die  Donau  zurückgewichen  waren,  kamen  erst 
seit  1065  die  mörderischen  Rumänen,  verbanden  sich  dann  mit 
den  Petschenegen  und  raubten,  mordeten  und  plünderten  die 
Donauländer  bis  tief  in  das  zwölfte  Jahrhundert.  Als  es 
1122  gelang  die  Petschenegen  tüchtig  zu  schlagen,  traten  die 
Rumänen  an  ihre  Stelle  und  versinken  Land  und  Bewohner 
in  den  Zustand  gränzenloser  Barbarei,  Thracien  gehörte  wlachi- 
schen  Hirten,  romanischen  Nomaden  an.  Eine  allgemeine  Anar- 
chie war  eingetreten.  Basilios  hatte  die  dreissig  bulgarischen 
Bisthümer  belassen,  in  Ochrida  einen  vom  Patriarchen  von 
Constantinopel   abhängigen  griechischen  Erzbischof  eingesetzt; 


Abhandlnogen  aus  dem  Gebiet«  der  slaTiBchen  Geschichte  I.  231 

er  mochte  hoffen,  durch  die  Bischöfe  auf  die  Bewohner  des 
nuterworfenen  Landes  einzuwirken.  Allein  die  Militärherrschaft 
unter  Strategen  und  der  romäische  Steuerdruck,  der  die  Pro- 
vinzen dem  Reiche  entfremdete,  lasteten  schwer  auf  der  wieder 
gewonnenen  Herrschaft ;  der  griechische  Clerus  konnte  sich  mit 
dem  bulgarischen  Volke,  ,diesen  schmutzigen,  übelriechenden 
Barbaren'  nicht  befreunden.  Es  war,  wie  der  griechische  Erz- 
bischof von  Ochrida,  Theophilaktos,  schrieb,  nur  an  Bosheit 
reich,  auf  das  Aeusserste  herabgekommen,  kleidete  sich  in 
stinkende  Felle  und  verleidete  dem  gebildeten  Griechen  den 
Aufenthalt.  Dazu  kam,  dass  ,die  Serben,  die  auch  Kroaten 
heissen',  von  der  Katastrophe  der  Bulgaren  für  sich  Gebrauch 
machten,  das  Reich  von  Ochrida  sich  zu  unterwerfen  trachteten, 
die  Kirchen  verbrannten,  Alles  mit  Feuer  und  Schwert  ver- 
wüsteten, so  dass  der  Erzbischof  1073  schrieb,  nicht  Ein  Dia- 
con,  nicht  Ein  Priester  sei  mehr  in  der  einst  so  herrlichen 
Kirche  Bulgariens  vorhanden.  Die  Auflösung  machte  sich  nach 
allen  Seiten  geltend.  Theophylakt  erwähnt  eines  Apostaten/ 
welcher  Mokoi  einen  Theil  von  Ochrida  beunruhige.  Es  war 
dies  zweifelsohne  ein  Bogomile.  Nicht  minder  auch  Dobromio, 
der  1078  in  Mesembria  einen  starken  Heerhaufen  sammelte. 
Ein  anderer  behauptete  sich  in  Beljatowo,  heiratete  eine  kuma- 
Dische  Fürstentochter  und  hauste  nach  Willkür  in  Thracien. 
Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  dieses  bewaffnete  Auftreten 
der  Bogomilen  wieder  den  Anschluss  der  Kroaten  an  Rom  er- 
leichterte, wie  dann  andererseits  die  Ertheilung  der  Königskrone 
an  Zwonimir  durch  Papst  Gregor  VII.  zu  einem  ähnlichen  Be- 
gehren des  Serbenfürsten  Michael  führte,  eines  Sohnes  jenes 
Stefan  Vojslav,  der  sich  gegen  die  Romäer  erhielt  und  1053 
den  Titel  eines  Protospatharios  erlangte.  Michael  erscheint 
zwar  in  dem  Schreiben  des  Papstes  als  Slavenkönig,  rex  Sla- 
vorum,  aber  mehr  als  factischer  König  anerkannt  denn  als 
legitimer.  Er  befand  sich  in  Zerwürfnissen  mit  dem  Erzbischof 
von  Spalato,  dem  entgegen  er  den  Bischof  von  Ragusa  be- 
gllnstigte.     Der   letztere  sollte  wohl  das  Pallium  erhalten,   das 

^  ft  servo  et  apostata.  £p.  LXIV.  Die  lateinische  Uebersetztmg  der  Briefe 
Tbeophylakts  bei  Baronias  nach  einem  vaticanischen  Codex  stimmt  aber 
nicht  mit  den  in  der  besonderen  Ausgabe  dieser  Briefe  veröffentlichten 
äberein. 


232  HftfUr. 

Michael  für  einen  Erzbischof  begehrte,  er  selbst  aber  verlangte 
eine  Fahne  zum  Geschenke,  mit  welcher  der  neue  König 
Kroatiens  päpstlicher  Seits  ausgerüstet  worden  war.  Die  Dinge 
geriethen  aber  in  der  nächsten  Zeit  ins  Schwanken,  da  der 
Einbruch  des  päpstlichen  Vasallenherzogs  Robert  Guiscard  in 
das  romäische  Reich  erfolgte,  das  Königreich  Kroatien  mit  der 
Krone  von  Ungarn  vereinigt  wurde,  endlich  die  siegreiche  Aus- 
breitung der  romäischen  Hen*schaft  unter  Manuel  dem  Komnenen 
1143 — 1181  bis  an  die  Adria  erfolgte,  Ungarn  eine  Zeit  lang 
mit  dem  romäischen  Reiche  vereinigt  zu  werden  schien  und 
selbst  der  König  fon  ,Tschechi8'/  Wladislaus  von  Böhmen,  Vasall 
des  romäischen  Kaisers  wurde,  der  die  Vereinigung  der  beiden 
Kaiserthümer,  des  deutschen  und  romäischen,  im  Streite  Papst 
Alexanders  mit  Friedrich  I.  durchzusetzen  hoffte. 

Da  erscheint  plötzlich  eine  Nationalität,  die  bisher  nur 
bestimmt  gewesen  zu  sein  scheint,  von  Slaven,  Bulgaren,  Ko- 
mäern,  Potschenegen,  Kumanen  überritten  zu  werden,  an  der 
Spitze  neuer  Ereignisse. 

Die  südslavische  Welt  hatte  damals  ihren  Mittelpunkt 
nicht  mehr  an  der  Donau,  sondern  in  Ochrida  und  dem  serbi- 
schen Dioclea,  für  welches  das  Erzbisthum  von  Antivari 
begründet  wurde,  das  selbst  der  serbische  Primatialsitz  wurde. 
Lateinische  Bisthümer,  die  nachher  verschwanden, ^  entsprachen 
der  lateinischen  (römischen)  Bevölkerung  der  Küste.  Im 
Innern  des  Landes  aber  treten  die  Nachkommen  römischer 
Provincialen  als  Wlachen  auf,  die  mitten  unter  den  Bulgaren 
sitzen,  so  dass  die  Städte  Ochrida,  Prespal,  Perlepe,  Belgrad 
in  Ober-Macedonien  als  walachisch- bulgarisch  erscheinen.- 
Noch  im  vierzehnten  Jahrhundert  wohnten  in  Cattaro,  Anti- 
vari, Dulcigno,  Svac,  Scutari,  Drivasto  Lateiner,  im  zwölften 
Jahrhundert  aber  sprachen  nach  Wilhelm  von  Tyrus  (f  1188) 
wohl  die  Einwohner  des  inneren  Dalmatiens  slavisch,  aber 
nicht  die  der  Küstenstädte.  Es  gab  Wlachen  vor  Allem  in 
Thessalien,  das  als  Gross -Wlachien,  {xs^aAiQ  EXa^ia^^  bezeichnet 

^  Wie  Kynamos  schreibt. 

^  EpiBcopatns  Swarinensis,  Polatinensis »  Arvastinensis,  Svacinensis,  Dulci- 

nensis,  Sarcanensis.    Theiner,  Vet.  monnm.  I,  n.  XIV. 
3  Hopf,  Griechenland  S.  333. 
*  Hopf  S.  328—336. 


Abhandlang«B  aas  dem  Gebiete  der  sUTisclieii  Oeechiehte  I.  233 

wurde;  ein  Klein -Wlachien  auf  der  anderen  Seite  des  Pindos, 
ein  Weiss- Wlachien  in  Mösien,  dem  sich  ein  Schwarz -Wlachien 
in  der  Moldau  gegenüberstellt;  ^  in  der  Khodope;  in  der  Do- 
brudza,  bei  Anchialis  und  Bizje.  ^  Ansbert,  der  kenntnissreiche 
Verfasser  der  Geschichte  des  Kreuzzuges  Kaiser  Friedrichs  I., 
kennt  in  der  Nähe  von  Thessalonika  ein  fruchtbares  Land, 
Fiachiam  ^  genannt.  Noch  mehr.  Er,  der  den  Grossherzog  von 
Serbien  und  Rascien  (Crassiae),  den  grossen  Nemanja  nennt, 
sehr  wohl  Bulgaren,  Serben  und  Wlachen  unterscheidet,  nennt 
auch  geradezu  die  Gründer  des  zweiten  Bulgaren  reiches, 
das  unter  dem  Namen  der  Asanidenherrschaft  hervortritt, 
Blachen;  Peter,  der  auch  Kalopeter  heisst,  ist  Herr  der  Wlachen 
idofflinus  blachorum).  Ihre  Macht,  die  auf  der  Vereinigung  der 
Wlachen  und  Kumanen  beruhte,  war  1190  so  gross,  dass  sie 
Kaiser  Friedrich  I.  die  namhaftesten  Anerbietungen  im  Kampfe 
mit  den  Romäern  machten ;  ein  serbisches  Heer  sollte  sich  an- 
schiiessen  imd  Constantinopel  erobern  helfen,  Petrus  aber,  der 
sich  bereits  den  goldenen  Reif  aufgesetzt,  als  er  die  Bulgaren 
für  sich  gewann,  durch  den  deutschen  (alemannischen)  Kaiser 
Beherrscher  von  Constantinopel  werden.  Rösler  hat  in  seinen 
romanischen  Studien  ganz  recht,  ^  wenn  er  auf  den  Entschluss, 
welchen  damals  Kaiser  Friedrich  fasste,  als  auf  einen  ungemein 
folgereichen  hinwies,  da  das  romanische  Volk,  welches  das 
Innere  aller  Provinzen  Thraciens,  Macedoniens,  Thessaliens, 
Mösiens  erfüllte,  ,an  Zahl  und  physischer  Kraft  das  grie- 
chische übertraf.  Nur,  hätte  er  hinzufügen  sollen^  war  es 
nicht  organisirt,  fehlten  vor  Allem  städtische  Mittelpunkte,  es 
war  weder  politisch,  noch  kirchlich,  noch  territorial  geeinigt, 
es  war  überall  und  doch  nirgends  und  erlangte  einen  festen 
Kern  zuletzt  doch  nur  durch  die  in  Städten  lebenden  Bulgaren. 
Dass  aber  die  Bewegung,  die  seit  1186  zur  Aufrichtung  eines 
grossen  Wlachenreiches  führte,   von  Wlachen  und  begreiflich 


M.  c  p.  61. 

'  Jirecek  S.  218.     Das  Despotat  von  Epiros  nannten  die  Serben  das  Wla- 

chiotenland.  Rösler,  die  Wohnsitze  der  Romanen  im  Mittelalter,  S.  105  ff. 
^  Ansdrfieklich  sagt  Niketas,  dass  die  Wlachen  über  den  Istros  gingen  and 

sich  mit  den  benachbarten  Skythen  verbanden,  tov  ''laipov  §ia7cX(oV9a(ievoi 

ToT;  £x  YsiTOvcuv  SxuOaif  7;poa^(ii^av,  p.  487. 
*  8.  Uö. 


234 


Höfler. 


nicht  von  Bulgaren  ausging,  sehr  uneigentlich  also  als  bulga- 
risch bezeichnet  wird^  spricht  nicht  blos  Ansbertus  aus,  dem 
man  als  Fremden,  wenn  auch  seine  Beobi^chtungsgabe  sehr 
treffend  war,  möglicher  Weise  irrige  Auffassung  nationaler 
Verhältnisse  zuschreiben  könnte.  Aber  in  ganz  entschiedener 
Weise  stimmt  einer  der  besten  Zeugen  jener  Tage,  der  Choniate 
Kiketas,*  mit  dem  deutschen  Verfasser  der  Kreuzzüge  Kaiser 
Friedrichs  überein.  Er  bezeichnet  die  wlachischen  Brüder  als 
jene,  die  das  ganze  Volk  der  Wlachen,  zu  dem  sie  gehörten, 
aufregten,^  die  Asaniden  als  Wlachen,  nicht  als  Bulgaren. 

Es  ist  nun  vor  Allem  nothwendig  den  Bericht  des  Cho- 
niaten  näher  in  das  Auge  zu  fassen,  da  er  Zeitgenosse  des 
wlachischen  Aufstandes  war  und  als  vorzüglicher  Kenner  der 
Ereignisse  seiner  Zeit  ^  auch  besondere  Anerkennung  ver- 
langen kann. 

Er  kennt  ihre  Wohnsitze,  bezeichnet  sie  als  ehemalige  Myser, 
Mösier,  die  Brüder  Peter  und  Asan  stets  als  Wlachen,*  erwähnt 
die  Gründe  des  Aufstandes,  unterscheidet  Bulgaren  und  Blachen 
die  die  Brüder  zu  gemeinsamem  Aufstande  bewegen  und  zwar 
mit  der  Absicht  der  Vertilgung  der  Romäer,*  die  Selbstkrönung 
Peters  in  der  Stadt  Pristhlaba,  den  ersten  Blachenkrieg  und 
wie  in  diesem  Peter  und  Asan  mit  den  Ihrigen  über  den  Istros 
getrieben  wurden  und  nun  sich  mit  den  benachbarten  Skythen 
(den  Kumanen)  vermengten,'^  so  dass  also  ein  dritter  Völker- 
bcstandtheil  mit  dieser  Erhebung  hervortrat:  Blachen,  Bulgaren, 
Kumanen.  Die  Blachen  unterwarfen  sich  zum  Scheine  dem 
Kaiser  Isaak  Angelos,  der  es  versäumte  den  Aufstand  völlig 
niederzuschmettern  und  dadurch  den  Blachen  die  Möglichkeit 
gewährte  sich  zu  sammeln   und   aufs  Neue  loszubrechen.     Auf 

i  'Icrrop(a.  Ed.  Bekker»  Bonnae. 

^  TO  €6^05   oXov  avaas{aavT£5 ,    IHTpo;   T15    xai  'Aaav  ojjloyevcTs   xai  Taurda::opoi. 

p.  482. 
3  ouvei;:opL7]v   yap   xai    aurb;    ßaacXsT   (Isaak   Angelos   ini   zweiten   Wlachen- 

kriege)  u}:oYpa[i[xaTEua)v,  p.  518. 

*  p.  482.  485. 

*  Tous  hi  yg  auXXa{jißavo{jL^vou5  xara  ::oX€[jlov  jjltj  ^wv-perv,  iXX'  aROffOOTTEiv  xx. 
xatoTEivfiiv  avT]XEto(,  p.  486. 

6  Auch  noch  später  zogen  Kumanen  mit  den  Wlachen  über  den  Istros  nach 
Thracien,  was  doch  wohl  beweisen  dürfte,  dass  Wlachen  und  Komaueo 
auf  dem  rechten   Douiiuufer  zusummiiiwolmteu.  Niketas  p.  063. 


Abhandlnngen  aas  dem  Gebiete  der  slarischen  GescUicfate  I.  235 

dieses  kehrte  Asan  mit  gewaltiger  Unterstützung  der  Rumänen 
zuriick  und  nun  trachtete  er  darnach,  aus  Blachen  und  Bulgaren 
Ein  Reich  zu  machen/  wie  es  früher  gewesen  war.  Dies  war 
somit  das  zweite  Stadium  der  Erhebung.  Im  nächsten  Kampfe 
erbeuteten  Peter  und  Asan  das  kaiserliche  Banner  und  die 
kaiserlichen  Gewänder  und  schmückten  sich  damit.^  Dann  er- 
folgte der  neue  Blachenkrieg,^  der  Kampf  des  Kaisers  mit  den 
Blachen  und  Rumänen  bei  Berrhoea,  die  Gefangennahme  der 
Gemahlin  des  Asan  und  die  Auslieferung  seines  Bruders 
Johannes  als  Geisel;  der  Krieg  wurde  schlecht  geführt.  Als 
der  Feldherr  Constantinos  Aspietes  dem  Kaiser  Isaak  bemerkte, 
das  Heer  könne  nicht  zugleich  gegen  die  Blachen  und  den 
Hunger  kämpfen,  liess  ihm  der  Raiser  die  Augen  ausstechen. 
Die  Blachen  hatten  ihre  Burgen  uneinnehmbar  gemacht,  ver- 
heerten mit  den  Rumänen  die  römischen  Provinzen,  der  Raiser 
verlor  (1190)  Heer  und  Hauptschmuck  (xaatv).*  Die  Beschrei- 
bung, die  Niketas  von  dem  Treiben  des  Raisers  Isaak  Angelos 
macht,  bestätigt  vollkommen,  was  er  berichtet,  dass  die  wlachi- 
schen  Brüder  nichts  so  sehnlich  gewünscht  als  Erhaltung  dieses 
Kaisers,^  dessen  Unfähigkeit  den  Wlachen  und  ihren  skythi- 
schen  Freunden  den  Sieg  ihrer  Waffen  verbürgte.  Rennten 
denn  doch  ihre  Schaaren  mit  den  Waffen  ausgerüstet  werden, 
die  die  flüchtigen  Romäer  in  den  Engpässen  verloren,  die  ihre 
^\e  die  Ziegen  kletternden  Leute  ihnen  abgenommen.^  Sie 
sind  es^  Wlachen  und  Rumänen,  die  fortwährend  mit  Isaak 
Angeles  Heeren  kämpfen,"  die  Blachen  sind  es,  welche  siegen. ^ 


*  Die  Stelle  ist  sehr  merkwürdig:  i^v  t(üv  MuatüV  xai  twv  Bou).Yapwv  8uva- 
r.iin  6?s  ?v  <juva?{<ouaiv  w;  KdtXai  tcotI  9[v,  p.  489. 

^  TJt  Xp-jvoUsf]  j^ou)ra  xou  xalaoLpo^  —  xai  ta  oXa^xouXo,  p.  490. 
^  orjTc'pav  xar«  t<ov  BX«)(^ü>v  e^op[j.Y]9iv,  p.  516. 

*  p.  569. 

^  ^  oEUToJv  ßaaiXEudvTtov  (die  Angeli)  hi  xai  eti  xa  twv  BXa^cov  j:poaeÄi8tüaoua( 

TS  ja\  (jL£YE6ov8i{aETai,  p.  572.  573. 
'^  Aber  nicht  Balgaren,  sondern  Wlachen  und  Kumanen. 
'  Niketas  lU,  8. 

*  L  e.  p.  5d9,  600.  612.  Niketas  weiss  selbst,  dass  'Ißayxb;  (Ivanko)  der 
wlaehische  Name  für  Johannes  war.  Es  war  dies  der  Mörder  des  Johannes 
Asan  1196.  —  p.  624.  643.  691,  wobei  immer  Wlachen  und  Kumanen 
▼ereinigt  gegen  die  BomSer  kämpfen  und  endlich  auch  die  Russen  gegen 
»ich  haben.    BAa^aoi  xal  üxuOixof,  p.  824.  837.  «52. 


236  HOfler. 

Sie  machen  Thracien  zur  Wüste,  zerstören  die  Städte,  ermorden 
die  Einwohner  oder  verkaufen  sie  in  weite  Ferne  in  die  Skla- 
verei, Feld,  Wald  und  Weinberg,  aller  Anbau  geht  zu  Grunde 
und  die  einzige  Frucht  der  Erhebung  des   neuen  Reiches  von 
Trnowo    ist   Vernichtung   der    romäischen   Cultur    und   soweit 
Wlachen    und   Skythen,    Rumänen,    können,    des    romäisclieD 
Volksstammes.     Thracien   sollte   nur   für   wilde  Thiere  Wohn- 
stätte   sein.^     Ein   nicht   unbedeutender  Fingerzeig   in   Betreff 
der  Wlachen,  die  jetzt  die  gi*OBse  Rolle  spielen  und  nicht  blos 
auf  dem   rechten  Donauufer  Niederlassungen   haben,   ist  der. 
dass  bei   der  Auflösung   des   romäischen  Reiches   der  Angeles 
und   der   Begründung  eines   lateinischen   nicht  blos   in  Nicäa, 
Herakleia,  Sinope  und  Trapezunt  neue  griechische  Staaten  ent- 
stehen, sondern  auch  Sguros  Leon  einen  in  Korinth  und  Nau- 
plion  gründet,^   Chamaretos  Leon  in  Sparta,   Michael  aus  dem 
Geschlechte  der  Sebastokrators  Joannes  in  Nikopolis  und  Du- 
razzo    (Epidamnos),    der    lateinische    Markgraf   Bonifacius   in 
Thessalonike  und  Kieder-Thessalien,    in  Ober-Thessalien  aber, 
das  jetzt  Gross-Blachien  genannt  wird,  ein  anderer  Fürst  sich 
aufwarf,    den  Niketas  nicht  namentlich   anführte.     Aber  auch 
der  Franke  Robert  von  Clary,  der  in  französischer  Sprache 
den  Kampf  der  Lateiner  mit  den  Grien,  den  Griechen,  und  die 
Eroberung  von  Constantinopel  1204  beschreibt,  kennt  den  Tod- 
feind der  Lateiner  und  Romäer,  Johannes   nicht   anders    denn 
als  Johans  li  Blaks^  und  ebenso  seinen  Neffen  und  Nachfolget; 
nachdem  der  heil.  Demetrius  den  ersteren  im  October  1207  bei 
nächtlicher  Weile  erschlagen.   Es  waren  Könige  von  Wlachien, 
rois  de  Blakie.     In  gleicher  Weise   drückt   sich  Geoffroi   de 
Villeharduin  aus:  Johannis  li  rois  de  Blakie;  nur  gebraucht 
er  auch  den  Ausdruck  le  roy  de  Blakie  et  de  Bougrie.*    Der 
neu  französische  Uebersetzer   aber  nahm  sich  die 
unhistorische    Freiheit,    daraus    le    Bulgare     oder 
roy    de   Bulgarie    zu    machen,    was    nachher    in    unsere 


1  NikeUs  III,  14.  15. 

2  p.  841. 

3  Hopf,  Chroniques  greco-romaines  p.  83. 

^  1.  c.  p.  80,  aber   gleich  darAuf  wieder  le  rois  de  Blaquie.    Veigl.  p.  84. 
87.  88.  91.  95.  99.  100. 


AbbandlnDg«n  aas  d«m  Gebiete  der  Blaviachen  Geschichte  I.  237 

Geschichtsbücher  überging.  *  Selbst  wo  GeoflFroy  ausdrücklich 
roi  de  Blakie  hat,  setzt  der  Uebersetzer  roi  des  Bul- 
gare s.^  GeoflFroy  redet  nicht  wie  Niketas  von  den  Skythen, 
sondern  von  Rumänen  und  Wlachen.  ^  Die  gefangenen  Ein- 
wohner romäischer  Städte  werden  auf  Befehl  des  Königs 
Johannes  nach  Blaquie  in  den  Kerker  geschleppt.^  Ällmälig 
(seit  1206)  hört  man  auch  von  einem  Czaren  von  Wlachen  und 
Balgaren/  sogleich  aber  wieder  von  einem  kumanischen. 

Auch  Heinrich  von  Valenciennes ,  der  Nachfolger 
GeoflTroy's  von  Villeharduin,  spricht  regelmässig  von  Blas  et 
Comains;^  er  erwähnt,  dass  Esclas,  Vetter  des  Beherrschers 
der  Blas  und  Comains,  Burille^  für  Blaquie  la  Grant  Lehens- 
mann  Kaiser  Heinrichs  wurde. 

Diese  Thatsachen  dürften  denn  doch  schon  an  und  für 
sich  genügen,  um  zu  beweisen,  dass  das  neue  bulgarische  Reich 
der  Asaniden  vor  Allem  ein  wlachisches,  somit  romanisches 
war  und  vorherrschend  diesen  Charakter  an  sich  trug.  Doch 
scheint  noch  immer  dieser  Anschauung  entgegenzustehen,  dass 
dasselbe  von  Peter  und  Asan  in  Tmowo,  der  altbulgarischen 
Hauptstadt,  begründet  wurde,  und  zweitens  tritt  der  Aner- 
kennung der  Asaniden  als  Wlachen  selbst  scheinbar  ihre  directe 
Behauptung  entgegen,  sie  seien  aus  dem  Stamm  der  altbulga- 
rischen Czaren  hervorgegangen,  somit  das  Reich  und  sein 
Fürstenhaus  acht  bulgarisch  und  nicht  wlachisch.  Wir  werden 
diesen  Einwurf  genau  erörtern  müssen. 


*  Michaud  et  Ponjoulat,  nonv.  Collection  I.  So  p.  88.  89.  Auf  dem  Wege 
nach  Salonichi  kam  der  Markgraf  Bonifacio  in  eine  ^ville:  la  Blache* 
(woU  die  Ton  Ansbert  bezeichnete  Gegend  Blachia),  p.  65. 

^  p.  78.  79.  Wo  Geoffroy  Johanni  le  roi  de  Blakie  et  de  Bougrie  hat,  p.  89, 

heisst  es:   roy  de  Balgarie.    Auch  p.  92.    Statt  Johannis  p.  90  setzt  er: 

le  roy  de  Balgarie. 
^  li  Comains,  p.  81.   li  Gomains  et  li  Blac  et  li  Grien,  p.  82.  90.  91.   Uebri- 

gens  lernen  wir  aach  ans  Geoffroy,  dass  die  Poplicane  (Manicheans)  sich 

dem  Wlachenkönige  ergeben  hatten,  p.  90. 

*  p.  93.  94.  Das  bezeichnet  endlich  die  französische  Uebersetsnng  als 
Valaehie. 

^  p.  102. 

^  Micband  I,  p.  121.  Die  französische  ITebersetznng  hat  wieder:  les  Balgares 
et  les  Comains. 


238  HöfUr. 

Das  erstere  wird  Niemand  läugnen,  und  wenn  die  beiden 
wlachischen  Brüder  das  wichtige  Trnowo  und  das  Volk  der 
Bulgaren  zur  gemeinsamen  Erhebung  gegen  die  Romäer  ge- 
winnen wollten,  so  mussten  sie  sich  nach  der  alten  Cz&ren- 
Stadt  wenden  und  diese  zum  Ausgangspunkte  ihres  Aufstandes 
machen,  das  bulgarische  Volk  in  die  Revolution  yerwickeln^ 
die  ja  die  Vertilgung  der  Romäer  zum  Zwecke  hatte.  Nichts 
begriffen  die  Bulgaren  leichter,  als  dass  auf  einen  romäischen 
Bulgarentödter  aus  Constantinopel  ein  Romäertödter  aus  Trnowo 
folgen  werde. 

Was   nun  den  Ursprung   der  bulgarischen  Erhebung  be- 
trifft, so  ist  sicher,    dass  dieselbe  gar  nicht  von  Bulgaren  aas- 
ging,   sondern   von  den   beiden   wlachischen  Brüdern,    welche, 
wie  man  später  ersehen  wird,  sich  selbst  als  Romanen,  Römer, 
aber  nicht  Romäer  oder  Lateiner  bezeichneten.  Das  Begehren, 
welches  Peter   und  Asan   an   Kaiser   Isaak  Angelos   richteten, 
und  dessen  Ungestüm  dem  Asan  auf  Befehl  des  Sebastokrators 
Johannes  einen  Backenstreich  in  das  Gesicht  eintrug,  der  nach- 
her mit   so  vielem   romäischen  Blute   vergolten   wurde,   bezog 
sich   auch   nicht  auf  Bulgaren,   sondern   auf  den  Eintritt  von 
Wlachen  in  romäische  Kriegsdienste,  und  erst  als  das  Gesuch 
in  der  kränkendsten  Weise   zurückgewiesen  worden  war,   ent- 
schlossen sich  die  beiden  unternehmenden  Brüder  den  Versuch 
zu  machen,    auch    die   Bulgaren    aufzuwiegeln,    sich   an   deren 
Spitze  zu  erschwingen  und  wie  Nemanja  unter  den  Serben  die 
Losreissung  von  der  romäischen  Herrschaft  erstrebt,  so  Gleiches 
gegen  die  schwankende  Regierung  des  Hauses  Angelos  zu  unter- 
nehmen. 

Wären  nun  Petrus  und  Johannes  Asan,  wie  neuerdings 
behauptet  worden.  Nachkommen  der  alten  Bulgarenczaren  ge- 
wesen, so  hätte  sich  ihre  Erhebung  sehr  einfach  gestaltet.  Sie 
brauchten  nur  in  Trnowo  sich  darauf  zu  berufen  und  die  Bul- 
garen, welche  so  oft  schon  den  Versuch  angestellt,  das  Joch  der 
Romäer  abzuschütteln,  so  bald  nur  einer  der  wahren  oder  falschen 
Abkömmlinge  der  alten  Czaren  das  Banner  der  Unabhängig- 
keit   aufgepflanzt,   schaarten   sich   mit  Enthusiasmus   um  sie.' 


Niketas  p.  485. 


AblLandluDgen  aus  dem  Oebiete  der  slavischen  Geschichte  I.  239 

Allein  davon  geschah  nichts.  Die  beiden  Wlachen  bedurften  erst 
der  Unterstützung  einer  Art   von  Prophetinen   und  Propheten, 
die  es  als  Gottes  Wille  ausgaben,  dass  die  Wlachen  und  Bul- 
garen  sich    erhöben.     Merkwürdiger   Weise   musste  auch   der 
heil.  Demetrios  intervenireU;  der  sich  in  Patras  wie  in  Salonichi 
als  der  grösste  Gegner  der  Slaven  erwiesen   und  unter  dessen 
Anrufung,   wie   die  Czechen  unter  Anrufung  des  heil.  Wenzel 
gegen  die  Deutschen,    so  die  Romäer  zum  Kampfe  gegen  die 
Slaven  auszuziehen  pflegten.  Jetzt  hatte  aber  der  Heilige  nach 
der  Verwüstung  von  Salonichi  durch  die  Normanen  sein  Heilig- 
tham  in  der  Griechenstadt  verlassen,    um  das  in  Trnowo,   das 
zwar  nicht  von  Bulgaren,  aber  von  dem  Wlachen  Peter  erbaut 
worden   war,    au&usuchen.     Nährte   aber   Kalopeter   den    Ge- 
danken, auch   auf  die   mit   der  Herrschaft   der  Angeloi  unzu- 
friedene   griechische    Bevölkerung    einzuwirken,    erstere    zu 
stürzen   und  Kaiser  der  Romäer   zu   werden,   so   gab   es   kein 
besseres  Mittel  als  den  heil.  Demetrios  in  das  Spiel  zu  ziehen, 
den  Schutzpatron  der  Griechen,  der  wie  einst  St.  Veit  von  den 
Sachsen   zu   den   Böhmen,   jetzt   von   Salonichi  nach   Trnowo 
gewandert  war.  Allein  die  Sache  ging  trotzdem  nicht  so  leicht 
vor  sich.     Bulgaren  und  Wlachen  mussten   sich  noch   auf  die 
Kamanen   stützen,   unter   denen   zweifelsohne  auf  dem  linken 
Donauufer    W^lachen    sassen.     Die    Begründung    des    Serben- 
reiches  unter   dem   grossen   Nemanja,    wie   Ansbert   sich    aus- 
drückte,  bereitete  den  Romäem,    die  wiederholt  die  Bulgaren 
geschlagen  hatten,   neue  Verlegenheiten.     Die  Verbindung  der 
wlachischen  Czaren  Bulgariens  mit  den  Kumanen  war  aber  so 
innig    geworden,    dass   Kalopeter    dem    deutschen    Kaiser    in 
seinen  Streitigkeiten    mit    dem    byzantinischen    ein   Hül&heer 
von  40.000  Bulgaren   und  Kumanen   anbot,    wolle   er   ihn   als 
romaischen   Kaiser    anerkennen.     Friedrich    I.    hatte    die   An- 
erbietungen der  Serben  von  Dioclea  verworfen,  er  ging  auf  die 
des  Wlachen-  und  Bulgaren fürsten  auch  nicht  ein,  sondern  zog 
anaufhaltsam  gen  Jerusalem.  Statt  an  den  Jordan  kam  er  aber 
nur  an  den  Saleph,   die  Leiche  wurde   im  befreiten  Antiochia 
bestattet.     Mit    Mühe   rettete    damals   1190    Kaiser   Isaak    im 
Kampfe  bei  Berrhoea  mit  den  Bulgaren  sein  Leben;  als  diese 
Nia  und  Sophia  eroberten,    führten   sie   von    da   die  Reliquien 
des  ächten  Patrons  der  Bulgaren  mit  sich  nach  Trnowo.    Der 


240  H6f1«r. 

heil.    Johannes    von    Ryl    verdrängte    bei    den    Balgaren  den 
romäisirenden   heil.   Demetrios.     Er    konnte    übrigens    Johann 
Asan   I.    nicht   vor   Verrath    und    Ermordung    schützen.    Der 
jüngere  Bruder   wurde   1196,   der   ältere  Kalopeter   im  Jahre 
1197;  beide  von  Bulgaren  ermordet.   Der  dritte  Bruder  wurde 
von  einem  Rumänen  1207  erstochen.  ^     Nach  der  Legende  fiel 
er  jedoch  unter  der  Hand   des   heil.  Demetrios  von  Salonichi^ 
unbeschützt  von  Johannes  von  Ryl,  dem  Patron  der  Bulgaren. 
Es  ist  nun  von  Wichtigkeit  zu  erfahren,  wie  die  Glieder 
des  neuen   wlachischen  Czarenhauses  ihre  Abkunft  selbst  be- 
zeichneten.  Diese  Frage  scheint  durch  einen  Brief  Papst  Inno- 
cenz  III.  an   seinen  Legaten   in  Antwort   auf  die  Klagen  des 
Ungarnkönigs  vom  Jahre  1204   erledigt   zu   sein,   in   welchem 
es  ausdrücklich  heisst,  dass  Peter  und  Johannicius,  welche  von 
dem  Blute  der  früheren  Könige  abstammten,  nicht  sowohl  das 
Land  ihrer  Väter  zu  gewinnen,   als  wieder  zu  erlangen  streb- 
ten.^ Hiemit  scheint  eine  Stelle  in  dem  Briefe  des  Johannicins 
(Kalojohannes),  Kaisers  (imperator  Bulgarorum  et  Blachomm), 
übereinzustimmen,   in  welchem  es  heisst:   Gott   blickte  unsere 
Demuth   an   und   brachte   uns   das  Blut  und  das  Vaterland  in 
Erinnerung)  von  welchem  wir  abstammen  (das  heisst  aber:  vom 
Vaterlande).^  Diesem  Briefe,  der  sich  bei  näherer  Betrachtung  sehr 
vorsichtig  ausdrückt  und  von  dem  Papste  eine  Krone  begehrte 
(1202),  wie  sie  Petrus  und  Samuel  hatten,  die  durchaus  nicht 
als  Vorfahren  (progenitores)  bezeichnet  wurden,  steht  nun  ein 
Brief  Basils   des  Erzbischofs   von  Zagora   an   denselben  Papst 
zur  Seite,   in  welchem  dieser  als  Grund  der  Würdigkeit  einer 
Kaiserkrone  des  Kalojohannes  wie  des  ganzen  Kaiserreichs  Hin- 
neigung zur  römischen  Kirche  bezeichnet,  und  zweitens  dessen 
Abstammung  von  römischem  Blute  (1202)!^  In  einem  früheren 
Briefe  aber,  den  Kalojohannes  an  Papst  Innocenz  schrieb  und 
aus  welchem  dieser  eine  Stelle  citirt,  sagte  der  Beherrscher  der 


^  Acropolita  p.  236. 

2  duo  fratres  —  de  prioram  regnm  prosapia  descendentea  temm  patruro 
snoram  non  tarn  occupare  quam  recuperare  ceperant.  Theiner,  Vet  mon. 
Slav.  merid.  I,  p.  36. 

3  redaxit  nos  ad  memoriam  sangainis  et  patrie  nostre  a  qua  deseendimas. 
Theiner,  1.  c.  p.  16. 

*  tanqnam  heredes  descendentea  a  sangaine  Romano.  Theiner,  l.  e.  p-  27. 


Abhaadlttugen  aiu  dem  Gebiete  der  aUTutcUen  Qeüchichte  1.  241 

Bulgaren  und  Wlachen  (Bulgarorutn  et  Wlachorum)  geradezu, 
dasB  seine  Vorfahren  aus  Rom  stammten^  (1199?), 
somit  nicht  Bulgaren  waren. 

Wohl  ist  es  die  römische  Kanzlei,  welche  die 
früheren  ächtbulgarischen  Czaren  als  progenitores  des  Johanni- 
cius  statt  als  praedecessores  bezeichnet,  wodurch  dann  der 
Irrthum  entsteht,  als  hätte  der  Wlache,  der  Romane,  der  sich 
ächtrömischer  Abkunft  rühmt,  nicht  sowohl  Bulgaren  zu  Vor- 
fahren, als  zu  Ahnen  gehabt!  Innocenz  erwähnt  der  Bitte  des 
Kalojohannes  um  eine  römische  Krone,  wie  sie  Peter,  Samuel 
und  anderen  Vorfahren  des  Kalojohannes  zu  Theil  geworden, 
und  ordnet  an,  dass  der  nach  Bulgarien  bestimmte  Legat  sorg- 
fältige Nachforschungen  über  die  dessen  Vorfahren  von  der 
römischen .  Kirche  gewährte  Krone  pflege.  ^  Johannicius  möge 
vorderhand  dafür  Sorge  tragen,  dass  die  von  dem  Legaten  ge- 
brachten Statuten  von  der  ganzen  Kirche  der  Bulgaren  und 
Wlachen  angenommen  und  beobachtet  würden.  Einen  gleichen 
Ausdruck  für  das  Doppelreich  gebrauchte  Innocenz  auch  in 
der  Antwort  auf  das  Schreiben  des  Erzbischofs  von  Zagora 
(27.  Nov.  1202).^  Kalojohannes  aber  nannte  sich  auf  diess  Im- 
perator Bulgai'orum  und  versicherte  den  Papst,  dass  die 
Griechen  ihm  durch  den  Patriarchen  Anerbietungen  gemacht 
hätten,  ihn  zum  Kaiser  krönen  zu  wollen,  ihm  auch  einen 
Patriarchen  zu  geben,  weil  ohne  diesen  ein  Kaiserthum  nicht 
denkbar  sei."»  Er  wolle  aber  Diener  des  heil.  Petrus  und  Seiner 
Heiligkeit  sein.  Auf  dieses  entschloss  sich  Innocenz,  ,den 
Herrn  der  Bulgaren',  wie  er  noch  am  10.  September  1203  Kalo- 
Johannes  nannte,  am  25.  Februar  1204  als  König  der  Bul- 
garen und  Blachen  anzuerkennen,'*  ihm  eine  Krone  und 
ein  Scepter  zu  übersenden,  ihn  zum  Könige  krönen  zu  lassen, 
den  Erzbischof  von  Trnowo    zum    Primas   (nicht  Patriarchen) 


'  qnod  de  nobili  Urbis  Romae  prosapia  progenitores  tui  originem  traxerint. 

l  c  p.  11. 
^  Schreiben  vom  27.  Nov.  1202:  et  aliis  progenitoribuB  tnis  in  librifi  tnis 

legitor  conceBsissc.    1.  c.  p.  16  (p.  21). 
M.  c  p.  17. 

*  n.  XXIX. 

'"  qaia  Imperium  Atne  Patriarcha  non  starct.    1.  c.  p.  21. 

•  L  c.  n.  XLI. 

SilMigiker.  d.  pbil.-hi8i  Ol.  XCV.  Bd.  I.  Hft.  16 


242  HAfler. 

dc8  Königreiches  der  Bulgaren  und  Wlachen  zu  er- 
heben, diesem  das  Recht  zu  eriheilen  die  Könige  der  Wlacken 
und  Bulgaren  zu  krönen,  das  Chrisma  in  jeder  Kirche  Bul- 
gariens und  Wlachiens  zu  weihen,  worauf  die  entscheidende 
Erklärung  des  neuen  ^Kaisers'  von  ganz  Bulgarien  und  Wlachien 
erfolgte.* 

In  dem  Schreiben,   durch  welches  Kalojohannes  als  Im- 
perator  von   ganz   Bulgarien   und   Wlachien   sein  Reich  dem 
römischen    Stuhle    übergab,    sprach    er    wiederholt    von  dem 
früheren   Kaisem   Bulgariens :     Simeon,   Petrus   und  Samuel.* 
Es  ist  nun  bezeichnend,   dass  er  selbst   da,   wo   es   in   seinem 
Interesse  lag,    sie   als  seine  Ahnen   zu   bezeichnen,    nur  den 
Ausdruck  Vorgänger  (praedecessores)  gebrauchte,   während  er 
sie  Kaiser  nennt,   sich   selbst  ebenso  bezeichnet  und   daneben 
vom  Kaiserthume  Bulgariens  und  Wlachiens  spricht.    Erst  als 
er  direct  von  Papst  Innocenz  begehrte,  es  solle  der  neue  Erz- 
bischof  von  Trnowo  und  Primas  von  ganz  Bulgarien  und  Wla- 
chien zum  Patriarchen  erhoben,  ein  immerwährendes  Patriarchat 
in  seinem  Reiche  eingesetzt,  er  selbst  gekrönt  werden,^  spricht 
er  von  den  Kaisern  Simeon,  Petrus  und  Samuel  nicht  blos  als 
seinen  Vorgängern,  sondern  auch  als  seinen  Vorfahren.    Inno- 
cenz hütet  sich  ihn  als  Kaiser  anzuerkennen,   heisst   ihn  blos 
rex,  spricht  aber  auch  von  ihm  als  res  Bulgarorum  et  Vlacho- 
rum   qui  imperat;'^   er   erwähnt,   dass  Bulgaren   und  Wlachen 
von    römischem   Blute    abstammten,  ^  was   jedenfalls    nur  von 
letzteren  gelten  konnte.  Jetzt  erst  am  15.  Sept.  1204  bezeichnet 
der  Papst  in   dem  Schreiben  an   den  König  von  Ungarn   die 
Brüder   Peter  und   Johannicius    als   Abkömmlinge   vom   alten 
(bulgarischen)   KönigsstiEimme,  ^  was   als   historische  Thatsache 
nicht  mehr  Werth  besitzt  als   die   vorausgehende  Erwähnung, 
dass   Bulgaren   und  Wlachen   von   römischer  Abkunft  seien. 


^  me  dominum  et  imperatorem  totius  Bulgariae  et  Vlachiae.    1.  c.  n.  XLIII. 

2  n.  XLin. 

3  n.  XLVI,  praedecessorum  meorum  Imperatomm  Bnlgarornm  et  BUchornm 
—  Sjmeonis  Petri  et  Samuelis  prog^nitorum  meormn.   1.  c.  p.  29. 

^  Archiepiscopifl  Belesbudensi  et  ProstlavenBi,  n.  XLVII. 

^  Bulgarorum  et  Blachorum  populis  —  descenderunt   etiam   ex  sanguine 

Romanorum,  n.  XLVIII. 
»  1.  c.  p.  36. 


Abhandln ng«n  aas  dem  Gebiet«  der  elavischen  Geschichte  I.  243 

Ealojohannes  hatte  aber  erreicht  was  er  wollte.  Er  wollte 
Kaiser  werden  wie  die  früheren  Czaren,  konnte  es  nur  wer* 
den,  wenn  er  sich  auf  diese  stützte ,  und  so  wurden  aus  den 
Vorgängern  Ahnen;  der  Papst  stimmte  in  Letzterem  bei,  um 
dem  Könige  von  Ungarn  zu  beweisen,  dass  die  neue  Erhebung 
keine  eigentliche  Neuerung  sei,  nicht  auf  Kosten  oder  zum 
Schaden  von  Ungarn  geschehe,  sondern  die  Brüder  siegreich 
nur  das  Ihrige  zurückverlangten.  Nur  in  dem  Einen  entsprach 
der  Papst  nicht  den  Wünschen  des  Kalojohannes.  Er  nannte 
ihn  nie  direct  Imperator,  den  Primas  nie  Patriarchen,  und  als 
jetzt  Balduin  Graf  von  Flandern  (lateinischer)  Kaiser  von 
Constantinopel  wurde,  so  genügte  selbst  die  Krönung,  die 
Uebersendung  von  Scepter,  Krone  und  Banner  (vexillum) 
nicht;  unmittelbar  mit  dem  Siege  der  Lateiner  tritt  bei  dem 
neuen  Könige  eine  Verdriesslichkeit  hervor,  die  sich  schon  in 
dem  Schreiben  über  die  vollzogene  Krönung  kundgibt.  Kalo- 
jobannes nennt  sich  hiebei  König  von  ganz  Bulgarien  und 
Wlachien  '  und  seine  Herrschaft  regnum,  was  übrigens  ßaatXsu; 
und  ßoffiXsto,  den  griechischen  Ausdruck  für  Kaiserthum,  nicht 
auBschliesst.  Hingegen  spricht  der  Erzbischof  Primas  von  er- 
folgter Kaiserkrönung  am  8.  November  1204  bulgarischen  Styls.^ 
Die  Theilong  des  Kaiserthums  Romänien  ist  erfolgt,  Balduin 
von  Flandern  Kaiser  des  nur  mehr  aus  einem  Viertheile  be- 
stehenden Reiches  und  der  Kampf  zwischen  ihm  und  dem 
bttlgarisch-wlachischen  Kaiser-König  bricht  los.  Bald  hat  der 
Reichsverweser  (moderator)  Graf  Heinrich,  Balduins  Bruder, 
von  dem  üblen  Ausgange  der  Schlacht  von  Adrianopel  am 
15.  April  1205,  von  der  Gefangenschaft  Balduins  in  dem 
Kerker  des  Johannicius,  des  Herrn  der  Wlachen^  zu  melden, 
der  jenen  mit  einer  unzähligen  Menge  von  Wlachen  und  Ku- 
manen  angegriffen.  Heinrich  übersandte  dem  Papste  die  Be- 
weise, dass  der  Wlache  sich  auch  mit  den  Türken  vei'bunden, 
nicht  blos  mit  den  Kumanen,  die  ja  mit  den  Wlachen  fast  zu 
einem  Volke  sich  vereinen.  Innocenz  III.  sah  sich  genöthigt, 
an  einem  Frieden   zwischen  Bulgaren -Wlachen    und  Lateinern 


»  n.  LXL 

»  n.  LXII. 

'  ft  Jobannicio  Blachonim  domino,  n.  LXllI. 

16* 


244  UöfUr. 

zu  arbeiten ;  es  gelang  ihm  nicht  einmal  die  Befreiung-  Bal- 
duins  zu  erwirken,  dessen  Haft  wohl  etwas  erträglicher  wurde 
—  er  war  anfänglich  bis  zum  Halse  mit  Ketten  beladen  — 
der  aber  zuletzt  mit  abgehauenen  Armen  und  Beinen  in  einen 
Abgrund  geworfen  wurde,  in  welchem  er  kläglich  unterging. 
Stadt  für  Stadt  auf  lateinisch-griechischem  Boden  wurde  jetzt 
ausgeplündert,  ausgemordet;  das  neue  Reich  war  wenigsteas 
insoferne  ein  bulgarisches,  dass  es  wie  dieses  in  den  Tagen 
Krumbs  das  herrlichste  Land  zur  Wüste  machte,  nur  wilde 
Thiere,  aber  kein  Komäer  oder  Lateiner  sollte  es  bewohnen. 
Der  heil.  Dcmetrios  selbst  musste  endlich  kommen  und  den 
Komüoktonos  bgi  nächtlicher  Weile  ermorden.  Johannicias 
hatte  sich  mit  dem  Anführer  der  Bulgaren  entzweit  und  dieser 
zog  vor,  anstatt  ermordet  zu  werden,  den  Kaiser-König  selbst 
zu  ermorden  (1207). 

Daraus  dürfte  denn  doch  eine  Reihe  von  Thatsachen  als 
sicher  hervorgehen. 

L  Bulgarisches  Reich  im  wahren  Sinne  des  Wortes  war 
nur  das  ältere,  welches  durch  die  blutige  Regierung  des  Basi- 
Hos  Bulgaroktonos  und  die  romäische  Herrschaft  von  der 
Asanidenherrschaft  getrennt  ist. 

2.  Die  Gründer  des  erneuten  Bulgarenreiches  waren 
Wlachen  und  nicht  Bulgaren,  von  romanischer  Abkunft  and 
das  neue  Reich  vom  Jahre  1186  ein  wlachisch-bulgarisches. 

3.  Die  Erhebung  des  Jahres  1186  ging  von  Wlachen 
aus,  stützte  sich  vorzüglich  auf  die  Kumanen,  riss  die  Bul- 
garen mit  sich  fort,  und  so  unterscheidet  sich  dieses  bulgarisch- 
wlachische  Reich  wesentlich  von  dem  ersten;  es  ist  ein  vor- 
zugsweise wlachisches  Reich,  das  sich  bulgarisch  nennt,  weil 
es  den  wlachischen  Brüdern  gelang,  sich  auch  zu  Herrschern 
von  Bulgarien  zu  erschwingen. 

4.  'Erst  nachdem  dieses  geschehen  war,  erfolgte  auch  die 
Bemühung,  das  neue  wlachische  Herrschergeschlecht  mit  dem 
alten  bulgarischen  in  geschichtliche  und  verwandtschaftliche 
Beziehungen  zu  bringen,  was  rein  willkürlich  und  irrthüm- 
lich  war. 

5.  Das  ganze  Verhältniss  der  Wlachen  zu  den  Bulgaren 
und  Kumanen  hat  man  sich  somit  anders  als  bisher  zu  denken. 
Welche    Folgerungen    aber    hieraus    für    die    Geschichte    der 


AbhandloDfl^on  aoi  dorn  Gebiete  der  slaviBchen  Geschichte  I.  345 

Rumänen   zu   ziehen  sind^   ist   nicht  mehr  Gegenstand   dieser 
Erörterungen. 

6.  Ist  es  denn  doch  wohl  unstatthaft,  von  dem  Reiche 
der  Asaniden  als  einem  bulgarischen  zu  sprechen.  Man  be- 
ginge sonst  denselben  Fehler,  in  welchen,  wie  ich  nach- 
gewiesen, der  französische  Uebersetzer  Villeharduin's  verfiel, 
als  er  willkürlich  Blaquie  in  Bulgarie  verwandelte  und  gerade 
den  charakteristischen  Unterschied  des  Äsanidenreiches  von 
dem  früheren  bulgarischen  verwischte.  Geht  dadurch  auch  ein 
Stück  rein  slavischer  Geschichte  verloren,  so  hat  damit  die  ge- 
schichtliche Wahrheit  nur  gewonnen.  Das  Reich  war  wlachisch- 
bulgarisch-cumanisch,  die  Dynastie  aber  wlachisch. 


XVIIL  SITZUNG  VOM  16.  JULI  1879. 


Für  die  akademische  Bibliothek  wurden  mit  Zuschrift 
eiDgesendet: 

von  Sr.  Excellenz  dem  Herrn  Ackerbauminister  Graf  von 
Mannsfeld  die  von  dem  k.  k.  Ackerbau-Ministerium  heraas- 
gegebenen  ,Pläne  landwirthschaftlicher  Bauten  des  Elebgrond- 
besitzes  in  Oesterreich' ; 

von  der  Centraldirection  des  kais.  deutschen  archäolo- 
gischen Institutes  in  Berlin  die  von  de  Rossi  herausgegebenen 
mittelalterlichen  Stadtpläne  von  Rom; 

von  dem  historischen  Vereine  zu  Freiburg  i.  B.  die  bis 
jetzt  erschienenen  Bände  seiner  Zeitschrift; 

von  dem  Herrn  Präsidenten  in  Catanzaro,  Herrn  Giuseppe 
Collucci  sein  Werk:  ,1  cosi  della  guerra  per  T indipendenza 
d' America'  3  vol. 


Von  dem  mit  Unterstützung  der  kais.  Akademie  er- 
schienenen Werke:  ,Die  Gredner  Mundart'  von  Gärtner 
werden  die  Pflichtexemplare  vorgelegt. 


Von  dem  w.  M.  Herrn  Dr.  Pfizmaier  wird  eine  für  die 
Sitzungsberichte  bestimmte  Abhandlung:  ^Begebenheiten  neuerer 
Zeit  in  Japan'  vorgelegt. 


247 

Herr  Graf  Julian  Pejacsevich  legt  mit  dem  Ersuchen 
um  ihre  Veröffentlichung  in  den  akademischen  Schriften  eine 
Abhandlung  vor,  welche  betitelt  ist:  ,Peter  Freiherr  von  Par- 
cbevich,  Erzbischof  von  Martianopel,  apostolischer  Vicar  und 
Administrator  der  Moldau,  bulgarischer  Internuntius  am  kaiser- 
lichen Hofe  und  kaiserlicher  Gesandter  bei  dem  Eosakenhet- 
mann  Bogdan  Chmelnicky  (1612 — 1674)'. 


Von  Herrn  Professor  Dr.  Johann  Gebauer  in  Prag  wird 
eine  Abhandlung  über  ^Nominale  Formen  des  altböhmischen 
Comparativs'  mit  dem  Ersuchen  um  ihre  Veröffentlichung  in 
den  Sitzungsberichten  eingesendet. 


Herr  Professor  Dr.  Richard  von  Muth  hält  einen  Vortrag 
über  ^Heinrich  von  Veldeke  und  die  Genesis  der  romantischen 
and  heroischen  Epik  um  1190'  und  ersucht  um  die  Veröffent- 
lichung des  Manuscriptes  in  den  Sitzungsberichten. 


An  DraokBOhriften  wurden  vorgelegt: 

Accademia  di  Sctenze,  Lettere  ed  Arti  in  Modena.  Tomo  XVIII.  Modena, 

1878;  gr.  4«. 
—  reale  delle  Scienze  di  Torino:  Atti.  Vol.  XIV.  Disp.  4^  (Marao  1879).  8». 
Ackerban-MiDiBteriam,    k.    k.,   in  Wien:    Pläne   landwirthschaftlicher 

Bauten  des  Kleingnmdbeaitzes  in  Oesterreich  und  Text  explicatif.    Wien, 

1873;  FoUo. 
Akademija,  Jngoslavenska  znanosti  i  umietnosti :  Rad.  Knjiga  XLVII.  UZa- 

grebn,  1879;  8^.   —  Jugoslavenski  Imenik  Bilja.    Sastavio  Dr.  Bogoslav 

lulek.  V  Zagrebu,  1879;  8«. 
Bern,  Hocbschule:    Akademiscbe  Schriften  pro  1878.    65  Stück  4^  und  S^ 
Budapest,   königl.    UniyersitSt:    Akademische    Schriften   pro    1876—1878. 

9  Stfiek  80  ond  49. 
Central-Commission,   k.  k.   statistische:   Statistisches  Jahrbuch   für  das 

Jahr  1876.  2.  Heft.  Wien,  1879;  8©.  Für  das  Jahr  1877.  8.  Heft.  1879;  8«. 
Colncei,  Ginseppe:  I  casi  della  guerra  per  V  indipendenza  d*  America.  Vol.  I. 

Parte  1  e  2  e  Vol.  11.  Genova,  1879;  8«.  Vol.  II.  Genova,  1879;  8«. 
Ecoles  fran<^ises  d' Äthanes  et  de  Borne:   Biblioth^ue.   Fascicules  3*— 7*,- 

Paris,  1879;  8». 


248 

Geflollschaft,  könig^l.  böhmische,  der  Wissenschaften  in  Prag:  Sitzanga- 
borichte. Jahrgang  1878;  8^  Jahresbericht  vom  9.  Mai  1877  und 
10.  Mai  1878.  Prag,  1877/78;  8«.  —  Abhandlungen.  V.  Folge  15.  Band. 
Prag,  1866- 187Ö;  4©.  —  VI.  Folge  9.  Band.  Prag,  1878;  4^. 
—  für  Geschichtskiinde  zii  Freiburg  i.  Br. :  Zeitschrift.  I.  Band  (1867—1869). 
Freiburg  i.  Br.,  1869;  8«.  II.  Band  (1870-1872).  Freibnrg  i.  Br.,  1872; 
80.  ni.  Band.  1.-3.  Heft.  Freiburg  i.  Br.,  1873/74;  8«.  IV.  Band. 
1.— 3.  Heft.  Freiburg  i.  Br.  1876,  1877/78;  80. 

Institut,  kais.  archäologisches  deutsches,  in  Berlin:  Plante  icnografiche  e 
prospettiche  di  Roma  anteriori  al  secolo  XVI  raccolte  e  dichiarate  dt 
Giov.  Battista  de  Rossi.  Borna,  1879;  Folio. 

Numismatische  Blfitter:  Organ  für  Numismatik  und  Alterthumskunde. 
I.  Jahrgang.  Nr.  1,  2,  3,  4  und  6.  Wien,  1879;  40. 

jRevue  politique  et  litt^raire*  et  ,Revue  scientifique  de  lä  France  et  de 
ritranger'.  IX«  Ann^e,  2*  Serie.  Nr.  2.  Paris,  1879;  4^. 

Society,  the  royal  geographical :  Proceedlngs  and  monthly  record  of  Geo- 
graphj.  Vol.  I.  Nr.  7.  July  1879.  London;  80. 

Verein  für  hessische  Geschichte  und  Landeskunde:  Mittheilungen.  Jahr- 
gang 1877.  III.  Vierteljahresheft.  Oassel,  1878;  12.  Jahrgang  1878. 
I.  und  III.  Vierteljahresheft.  Cassel,  1878;  12.  1879.  I.  Vierteljahresheft. 
Cassel;  12.  —  Zeitschrift.  Neue  Folge.  VIII.  Band.  Heft  1  und  2.  Cassel, 
1879;  8*^.  —  Bericht  über  die  heidnischen  Alterthümer  der  ehemals  kürhessi- 
schen Provinzen  Fulda,  Oberhessen,  Niederhessen,  Herrschaft  Schmalkalden 
und  Grafschaft  Schauenburg,  von  Dr.  Eduard  Finder.  Cassel,  1878;  ■l^ 


Pfizmaier.  Begebenheiten  neuerer  Zeit  in  Japan.  240 


Begebenheiten  neuerer  Zeit  in  Japan. 

Von 

Dr.  A.  Fflzmaier, 

wirkl.  Mitgliede  der  kais.  Akademie  der  Wissenschaften. 


Die  hier  gebrachten  Erzählungen  neuerer  Begebenheiten 
in  Japan  wurden  den  ersten  drei  Bänden  eines  im  zweiten 
Jahre  des  Zeitraumes  Kuan-yen  (1749  n.  Chr.)  in  zwölf  Bänden 
erschienenen  Werkes:  ^  ^  ^  ^  sin-tno-mon  siü  ,Samm- 
lung  des  neu  zu  Ohren  Gekommenen'  entnommen.  Die  in  den 
zwölf  Bänden  in  sehr  bedeutender  Anzahl  verzeichneten  Be- 
gebenheiten fallen  grösstentheils  in  das  siebzehnte^  einige  auch 
in  das  sechzehnte  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung. 

Das  genannte  Werk,  welches  seitdem  nicht  wieder  auf- 
gelegt worden  zu  sein  scheint,  ist  nichts  weniger  als  leicht, 
da  nebst  den  Eigenthümlichkeiten  des  Stjles,  wobei  der  Zu- 
sammenhang zumeist  errathen  werden  muss,  viele  Zeichen  der 
Thsaoschrift  von  den  jetzt  in  Japan  gebräuchlichen  verschieden 
und  nur  theilweise  mit  der  Aussprache  versehen  sind,  welche 
letztere  gerade  dort,  wo  deren  Setzung  am  nothwendigsten 
gewesen  wäre,  fehlt. 

Uebrigens  stammt  in  diesem  Werke  die  Aussprache  der 
chinesischen  Zeichen,  wo  sie  überhaupt  angegeben  wird,  offen- 
bar nicht  von  dem  Verfasser,  sondern  von  den  Herausgebern, 
wesshalb  sie  mit  der  Schreibweise  des  Textes,  namentlich  was 
die  Verwechslung  von  teo  und  o,  je  und  e  betrifft,  häufig  im 
Widerspruche  stehen.  Diese  anscheinend  dialectischen  Ab- 
weichungen, deren  Ursprung  auf  frühere  Zeiten  zurückzuführen 
ist,  wurden  in  der  Wiedergabe  des  Textes  nicht  besonders 
berücksichtigt. 


250  Pfiinftisr. 

Dieses  und  mehrere  andere  Werke,  deren  Auffindung 
der  Güte  zweier  in  Je-do  lebenden  hochgestellten  Japanern 
zu  verdanken  ist,  wurden  dem  Verfasser  dieser  Abhandlung 
durch  Herrn  W.  Vissering  in  Orayenhage,  Verfasser  des 
von  ungewöhnlicher  Eenntniss  des  Chinesischen  zeugenden 
Werkes:  fin  Chinese  Currency^ j  zugesendet,  nachdem  eine 
holländische  Buchhandlung  auf  eine  in  Jokohama  gemachte 
Anfrage  die  Antwort  erhalten  hatte,  dass  diese  Bücher  nicht 
zu  haben  seien. 


J^  g  (Tdü^tsin)  f^  ^  (tekkua)  ^  t^  (sih^Udüy 
wo  jakazv. 

Dem  redlichen  Diener  verbrennt  ein  glühendes 
Eisen  nicht  die  Handfläche. 


V^  ^  (Mei'tsi)  0  iS]   (fi-uga)-no  -^  kamt  ^  (dwio)'m 

kubi  sarasare-si-wo  nanumonthjaran  nusumi'si  sono  ^  ^  (sm- 

gi)  fana-fadasi'kari'si  toki  *^    ^  (j^-na)  ^    jj^  (t-WKinJ-to 
iü  jÖ    A    (rb-nin)  tasika-ni  mi-jari-si  koto  ari-te  fruga-no  kam 

tono-no    ^   g    (rihsin)    ^  ^    (sai-tS)   p^    ^    ^   *wa- 
suke-ga   fjft    iS    (sio-i)  nari-to  uttaje'si-ka'ba. 

Das  zur  Schau  ausgestellte  Haupt  Mei-tsi's,  des  Herrn 
Statthalters  von  Fi-uga,  stahl  irgend  ein  Mensch.  Als  die  Unter- 
suchung desswegen  äusserst  streng  betrieben  wurde,  machte  ein 
beschäftigungsloser  Krieger  Namens  Je-na  I-man  die  Anzeige, 
dass,  wie  man  es  ganz  gewiss  gesehen,  ein  alter  Diener  des 
Herrn  Statthalters  von  Fi-uga,  ein  'gewisser  Sai-to,  Gehilfe  der 
Kammer,  dieses  gethan  habe. 

Jaga-te  kura-svke-wo  mesi-idasare  tadzune-tamh-ni  kura-sttks 
&  'MI  (^^90'^^  ^^^^i  ^f^tte-no  fokorno  ke^siki-wo  nasL  Sari- 
to-mo  j^  "^  tsikurzen-no  kamt  torKhiii-toa  ni-awazaru  6se  nari. 

"tr  ^  (B6'kun)  fon-uwo  tfissezu-aite  kaku  nari-fcUe-n  sono 
sirusi  nare-ba  iku-tosi-tvo-mo  sarasi-tooki  ^  J[^  (sio-sij^no  te- 
motO'to-mo  nasu-beki-ni  soregasi  nusumi-kakusi^te  nani-no  ^^ 
(jekiyga  aran-to  i-i-si-ka-ba. 

Der  Gehilfe  der  Kammer  wurde  sogleich  vorgeladen,  und 
man  befragte  ihn.  Der  Gehilfe  der  Kammer  machte  sich  auf 
eine  würdevolle  Weise  zurecht  und   nahm   eine  ungewöhnliche 


Beg«b«iilieilea  nentrer  Zeit  in  Jaitan.  251 

Miene  an.  Er  sprach:  Bei  alledem  hat  der  Herr  Statthalter 
von  Tsiku-zen  unpassende  Worte.  Dass  der  todte  Gebieter 
seinen  Willen  nicht  kundgegeben  und  so  geendet  hat^  ist  be- 
wiesen. Während  er  so  viele  Jahre  zur  Schau  ausgestellt 
blieb  und  es  sämmtlichen  Kriegsmännern  vor  der  Hand  liegen 
konnte,  welchen  Nutzen  sollte  ioh  haben,  ihn  zu  stehlen  und  zu 
verbergen? 

Tsiku-zen-no  kami  tono-ni'-mo  si-goku-no  koUMii  mesiridasare 
kono  uj&Mfa  tote  kura'8uke''to  i-man-to-ni  ^  jjj^  (ten-sin)^no 
maje-nite  j^  ^  (tekkua)'WO  nigirase-si-ni  i-man-toa  tatsi- 
matti  jake-tatare-si-ni  kura-stike-wa  nani-no  kawari-si  koto-mo 
na-kari-kere-ha  tsui-ni   |||    (nanj-wo  nogare-si-to  nari. 

Von  dem  Herrn  Statthalter  von  Tsiku-zen  in  der  äusser- 
sten  Sache  vorgeladen,  Hess  man  überdiess  den  Gehilfen 
der  Kammer  und  I-man  vor  den  Göttern  des  Himmels  ein 
glühendes  Eisen  erfassen.  I-man  verbrannte  sich  auf  der  Stelle 
und  wurde  von  den  Göttern  gestraft.  Bei  dem  Gehilfen  de^* 
Kammer  fiel  gar  keine  Veränderung  vor,  und  er  entkam  so- 
gleich dem  Unglüpk. 

Kib-dai  iisuwari-te  ^   5^^  ^  ^  (ki-ri^ai-tanj-ni  kudaru. 
Zwei  Brüder  reisen  zum  Scheine  zu  den  Christen. 

1^   Jß   (Js-do)-nite  am  rib-nin  kib-dai-nte  oja~tco  ^  ^ 

fko-hoyae-gi-ni  moto-jari  su-beki  waza  na-kere-ba  tada  ^  ^ 
{kon-kiü)-no  koto  nomi-wo  nageki-kurase-si  ai'U  toki  anUga  iwaku 
rnidzukara-tco    ki-ri-n-tan    nari-to    ^    ^    (8(hnin)'8ite  gO'fd- 

hi'too  1^  -^  (fai-reo)-8i  oja-wo  ^  ^  (an-rctkuj-niarase^jo-to. 

Zwei  in  Je-do  lebende  beschäftigungslose  Krieger,  welche 
Brüder  waren,  behandelten  ihren  Vater  mit  Kindlichkeit.  Da 
fiie  ursprünglich  kein  Geschäft  hatten,  das  sie  betreiben  konnten, 
verbrachten  sie  die  Tage  bloss  in  Beseufzung  ihres  Elends. 
Zu  einer  Zeit  sagte  der  ältere  Bruder:  Zeige  mich  an,  dass 
ich  ein  Christ  bin,  nimm  die  Belohnung  in  Empfang  und  be- 
wirke, dass  der  Vater  Gemächlichkeit  und  Freude  hat. 

Sikiri-ni  i-i-si-ka-ba  wototo  makoto-ui  kono  ife  (gi)  aikaru- 
hesi.  Sikasi-nagara  ani-wo  utiajen-kotO'Wa  ten-no  osore-mo  am- 
4e«.   Tada  negatoakii-wa  soregan^wo  uttaje-tamaje-jo-to  fita-sura^ 


252  rfizniaior. 

ni  nageki'Si'ka'ba   oja-no  tame^ni   suten  inotn  wosimu-btld  hofo- 
ka-toa  tO'tno  kaku-mo  jo  tote. 

Er  sagte  dieses  fortwährend.  Der  jüngere  Bruder  er- 
wiederte:  Diese  Sache  ist  in  der  That  angemessen.  Jedoch 
wenn  man  den  älteren  Bruder  anzeigen  wollte^  müsste  mau 
Furcht  vor  dem  Himmel  haben.  Um  was  ich  bitte,  ist,  daes 
du  mich  anzeigest. 

Dabei  klagte  er  ungemein.  Jener  sagte:  Sollte  um  des 
Vaters  willen  das  Opfer  des  Lebens  zu  bedauern  sein?  Wie 
immer  es  auch  sei,  es  ist  das  Beste. 

Oja-ni-tca  fukaku  kakusi  ki-n-si-tan  ^^  ^  (bu-gib)  nari- 
81  Jt  J^  (wi-no  vje)  tsiku-go-no  kamt  tono-je  uitoje^si-rU  som 
mi-mo  ki-ri-si'tan  nari-si-ka-do  ^fk  K  (so-ninj-no  koto  nare- 
ba  sirO'kane  fiaku-mai  fo-bi-tamawari  kano  mono-wa  sunatcaUl 
^    ^    (kin-gokuj-serare-si. 

Es  vor  dem  Vater  streng  geheim  haltend,  machte  er  bei 
dem  Herrn  Wi-no  uje,  Statthalter  von  Tsiku-go,  welcher  Ober- 
aufseher der  Christen  gewesen,  die  Anzeige.  Derselbe  war 
zwar  selbst  ein  Christ  gewesen,  doch  da  es  eine  Anzeige  war, 
gab  er  eine  Belohnung  von  hundert  Silberstäcken  und  schloss 
dann  jenen  Menschen  in  das  Gefängniss. 

Sikaim-ni  ki-n-si-tan  kasira-jon  kono  tabi-no  mofiio-wa  kono 
fo-no  ^  ^  (siij-to)-7iife-wa  fanberazu-to  uttaje-si-ka'ba  köre- 
wa  ibukasi'ki  koto  tote    ^B    Ht    (80'f6)'fco  mesi  aefi-gi  ari-si-ni 

sare-ba  ware-ra-ga  ^  f^  (stü-monj-ni-fva  sadamari-taru  tonaje- 
kofo^no  sbrb'Wo  kono  mono-wa  knt^n-te  sirazu.  Mata  ika-naru 
te-BUzi-jori  narern-zo-to  kiki-si-ni  faidka'-narU'm  sfio-ko-mo  arazu- 
to  kuwasi-kn  i-i-si-ba. 

Indessen  wurde  von  Seite  des  Hauptes  der  Christen  aus- 
führlich gesagt:  Man  zeigte  an,  dass  der  Mensch,  um  den  es 
sich  diessmal  handelt,  kein  Anhänger  der  Secte  dieser  Gegend 
sei.  Dieses  für  sonderbar  haltend,  Hess  ich  beide  Tfaeile  holen. 
Es  fand  eine  Untersuchung  statt,  doch  die  von  unserer  Secte 
bestimmten  Gebete  kannte  dieser  Mensch  durchaus  nicht.  Ich 
hörte  auch^  dass  er  von  irgend  einer  Abzweigung  sei,  doch 
ich  habe  keinen  Beweis,  dass  es  gewiss  ist. 

Kono  koto  sa-mo  aru-beki  tote  kano  mono-too  seme-iamai-ai- 
ni  kono   uje-wn   tautmimu-beki-yii  arazu-to  aika-aika^no    ^ 


Begebenheiten  neuerer  Zeit  in  Japan.  253 

(bd-keij'tDO  motte  go-  ^  ^k  (ko-gij-wo  kaa^ume-tate-matsuru  toga 
yiogare-gatasi.  Ögi^ntgawaku-wa  ^S^  J^  (ainkihywo  on-tamke 
ari-te  sortgasi-ga  fitori-wa  nani-bun-ni  ^J  S-  (kei-bas)  si- 
famaware-to   |  kasira-wo  tataki  jfif   (tsi)'ni  na-i-te  nageki^si-ka-ba 

jaga-te  "^  ffl  (kb'bun)'ni  i^  (tas)  si  "&  ^[  (kd'db)-no 
mar6-naru  mono  nari-to^ö  matsi-tosi-jorti-no  Ä  (zonj-ja  w^  (fudzi) 
^  P^  (^'^^f^'^^^)'^^^  fidzuke  ari'te  sono  notH  inotsi-wo  tasuke- 
iose  tamb. 

In  der  Meinung,  dass  diese  Sache  so  sein  könne,  ver- 
hörte er  jenen  Menschen.  Derselbe  konnte  darüber  nichts 
verbergen.  Er  sagte:  Der  Schuld,  durch  solche  Anschläge  das 
Oeffentliche  beraubt  zu  haben,  kann  ich  unmöglich  entkommen. 
Um  was  ich  flehentlich  bitte,  ist,  dass  man  meinen  älteren 
Bruder  rette.  Ueber  mich  allein  möge  man,  auf  welche  Weise 
es  sei,  Strafe  verhängen.  —  Indem  er  hiermit  das  Haupt 
an  den  Boden  schlug  und  bei  dem  Blute  weinte,  klagte  er. 

Man  brachte  es  sogleich  nach  oben  zu  Ohren  und  sagte, 
es  sei  ein  seltener  Mensch  des  Weges  der  Kindlichkeit.  Man 
übertrug  es  Fudzi-e-mon,  dem  Vorangehenden  der  bejahrten 
Männer  der  Strasse,  und  bewirkte  hierauf,  dass  man  ihm  das 
Leben  schenkte. 

Tsikv^go-no  kamt  tono-jori  ^    ^  (kin-su)  -p    p^  ziü- 

rib  matsi-bu-gib  kaka-  J^   (tsuifie)    ^  >&    (bu-jeij-no  M  (fu) 

tono-jori  kane  itsi-mai  kago-bu-gib  ^  pj  (isi-de)  tate-waki-jori 
faine  ^  ^  (san-rib)  ftidzi-ta-ro-jori  kane  san-rib  -^  jj 
kb-rioku  ari-si-to  nari.  Kono  koto  "JH^  (jo)-ni  kakure-nc^kari-si- 
ka-ba  kano  kib-dai-wo  ^  ^j-  (fo-sina)  fi-go-no  kamt  tono-je  mesi- 
idasare-si-to  iian. 

Von  dem  Herrn  Statthalter  von  Tslku-go  wurden  zehn 
Tael  in  Goldstücken,  von  dem  Strassenoberaufseher  Herrn  Kaka- 
tsume,  Stützenden  der  kriegerischen  Leibwache,  ein  Stück  Gold, 
von  dem  Sänften  ob  eraufseher  Isi-de  Tate-waki  drei  Tael  Goldes, 
von  Fudzi-ta-ro  drei  Tael  Goldes  zum  Geschenke  gemacht. 

Da  diese  Sache  in  der  Welt  nicht  unverborgen  blieb, 
berief  man  jene  zwei  Brüder  zu  dem  Herrn  F6-sina,  Statt- 
halter von  Fi-go. 


254  Pfixmftier. 

Ä    Ä    ffl    ^    fPitn-fta  mofi-guai). 
Man  lässt  die  Sänfte  vor  dem  Thore. 

^  $k  C*^^'^^)  Jt  1^  (uje-no)  8uke  tono  kago-m  nori- 
nagara  J^    :;^  (^j^-^ugi)  ^  j£  (ian-nb)  tono  ja-tiki-no  vra- 

P^  (mon)'jori  kakt-irerare-si'-wo  fj^  ^  (saka-ta)  3l  >&  R 
go-e-mon-to  iü  mono  momo-datn  takaku  tori-U  faairi-^ide  kago- 
wo  osaje  köre  ufe-no  tono  ika-ni  tan-sib-no  JP  ^  (zippu)-fu 
Site  otoasi-mase-ba  tote  uje-sugi-no  ije-wa  koto-kata-Uhwa  kawareri 
Kakaru  furumai-wa  kono  ije^no  kizu-ni  nari-ahrh  mama  surntjaka- 
ni  kaki-modod  katd-nite  irase-tamaje-to  manako-wo  iraragete  i'-i- 
8i-ka-ba  ge-ni-mo  ajamari-tari  tote  katsi-nite  iri-tamai-gi-to  nari, 

Herr  Uje-no  Suke  von  Je-ro,  in  einer  Sänfte  sitzend, 
liess  sich  durch  das  innere  Thor  des  Hauses  des  Herrn  Uje- 
sugi  Tan-siö  hereintragen.  Ein  Mann  Namens  Saka-ta  Qo-e-mon, 
die  Beinkleider  hoch  umschlagend,  lief  hinaus,  hielt  die  Sänfie 
nieder  und  sprach :  Herr  Uje-no !  Möget  ihr  irgendwie  der 
wirkliche  Vater  Tan-sio's  sein,  das  Haus  Uje-sugi's  wird  mit 
einer  verschiedenen  Seite  vertauscht.  Ein  solches  Benehmen 
wird  ein  Flecken  dieses  Hauses.  Lasset  euch  eilig  zurück- 
tragen und  tretet  zu  Fusse  ein!  —  Sein  Blick  zeigte  dabei 
Aufregung. 

Jener  sprach:  Ich  habe  mich  in  der  That  geirrt  — 
Hiermit  trat  er  zu  Fusse  ein. 


i  A  (Si^zin)-wo  jg  ^  (tmi'hoydte  H  ^  i^' 
jake)'8ima'ni  itaru. 

Den  Gebieter  noch  liebend,  gelangt  man  zu  der 
Insel  Mi-jake. 

Jedo  ^  ^  (gin-za)  ^  ^  (fira-no)  igl  (1fet>«-rö- 
wa    ke-rai-no   aku-zi-ni  jotte   i-dzu    ^     Ä    (mi-jakeysma'ni 

BE    iMS    (fai-ruj'serare-si'ni  niesi-tsukai-no   ^    ^  iSJ   (if^' 

ian-finyto  iü  mono    db    ^    (8iü'Zin)'no  wakare-wo  kanasi-mi 

ika-nz-mo   site  ima   itsi-do    ai^moriraaen-to    kosi'kata  kokoro-too 
hudaki, 

Fira-no  Ki-si-rö  aus  dem  Silbermünzhause  zu  Je-do  wurde, 
der  Uebelthaten  seiner  Hausgenossen  wegen,  nach  der   zu  I-dsu 


RegtfbenbeitOB  nemver  Zeit  in  Japan.  255 

gehörenden  Insel  Mi-jake  verbannt.  Der  ihm  dienende  Ija- 
san-fin  war  wegen  der  Trennung  von  dem  Gebieter  betrübt. 
Er  quälte  sich  seitdem  mit  dem  Gedanken,  wie  er  auf  ii^nd 
eine  Weise  jetzt  einmal  mit  ihm  zasammentreffen  könne. 

(An)-wo   megurasi  fune-wo    kogi-narai    kauzoku-gata 

/h  5£  JK  (ko-gasa-wara)  ^  ßko-dai-fu  tono-no  kumi-no 
ka-ko-ni  idete  mi-jake-no  lajori-no  fune-wo  mat^i-te  |j^  j^ 
(to-kaiyn   ^    ^   (nen-rai)    K    ^    (jd-ij-se-si  tcokuri-mono 

amata  tVo^e  ||j|^  ^  (su-nenj-no  j&  ^  (i-guanj-no  toge-fanheri- 
ii  sono  notsi  ten-wa  aan-nen  ki-si-rh  sta-men-tco  kbmuri  j^  BB 
(ki'koku)'8e'n  toki  ija-san-ßn  mi-no  ari-kiri-no  ffl*  8f  (saufd)- 
iro  motte  siü-zin-wo  tasuke  ito-nengoro-ni  fo-kd-ae-si-to  nari. 

Fort  und  fort  sinnend,  lernte  er  rudern  und  trat  in  der 
Gegend  der  Seeräuber,  in  Ko-gasa-wara,  unter  die  Schiffsleute 
des  Herrn  Fiko-dai-fu.  Er  wartete  auf  das  Schiff,  welches 
Nachricht  von  Mi-jake  brachte,  und  übersetzte  das  Meer.  Die 
vielen  durch  Jahre  bereit  gehaltenen  Geschenke  hereinnehmend, 
erreichte  er  seinen  mehrjährigen  Wunsch.  Als  später,  im  dritten 
Jahre  des  Zeitraumes  Ten-wa  (1683  n.  Chr.),  Ki-si-r6  Ver- 
zeihung erhielt  und  in  das  Reich  zurückkehrte,  half  Ija-san-fin 
durch  die  in  seinem  Besitze  befindlichen  Güter  und  Kostbar- 
keiten dem  Gebieter  und  diente  ihm  sehr  eifrig. 


W  iät.    (Fiaku'8e6)  igf  ^  (zin-suke)  ^  |^  (k6-teiyni 
nie  ije  tomu. 

Das  Haus  Zin-suke's,  eines  Menschen  des  Volkes, 
wird  durch  Kindlichkeit  und  Bruderliebe  reich. 

BittsM-no  kuni    |^     p]    (asa-gutsi)  kowori  ^  "^  (siba- 

ki)  mura^no  ßaku-aed   ^    (ko)  mi-tari-ni   ^   j/f^   (den-dziywo 

m-tsu-ni  toakete  judzuruai-ni  ani  futari-wa   ^j^   ^    (kb-aaku) 

okotari^gatn-ni  nie    ^     ^    (nen-tfen)    ^    j||    (mi-«tnj-5e-«- 

ha-do  noototo-no  !j^  ^  (zin'$uke)''wa  kata-no  gotoku  ^    (sei)^ 

idoü'ti  juje  4^  j||  (mi-sin)  nado-mo  naku-te  faw€h7no  kore-ga 
hUormte  kokoro'jokti  jasinai  jome-ga  ^  ^  (k6-k6)  matatfigui" 
na-feofi-«. 


25(3  Ffismaiet. 

Ein  Mann  des  Volkes  in  dem  zu  dem  Kreise  Asa-gatsi, 
Reich  Bittsiü,  gehörenden  Dorfe  Siba-ki  vererbte  seinen  drei 
Söhnen  die  Grundstücke^  die  er  in  drei  Theile  theilte.  Die 
zwei  älteren  Brüder^  da  sie  hauptsächlich  den  Ackerbau  ver- 
nachlässigten, waren  Jahr  für  Jahr  mit  den  Abgaben  im  Rück- 
stande. Jedoch  der  jüngere  Bruder  Zin-suke,  weil  er  nach  der 
Vorschrift  sich  Mühe  gab,  war  in  keinem  Rückstande.  Aach 
seine  Mutter  ernährte  er  seinerseits  mit  Freuden,  und  die 
Schwiegertochter  hatte  in  kindlichem  Wandel  nicht  ihres 
Gleichen. 

Aru  toki  futari-no  ani-ga  iwaku  oja-nagara  A^  tt  Qt- 
ko)  avi  nandzi-ni-wa  joki  den-dzi-wo  judzuri  ware-ware-nt-wa  m- 
kl  tokorO'WO  atoje-ai  juje  itsu-mo  mi-sin-to  nareii  nandd-m 
fyf  ^^  (sio-redyto  kaje-toran-to  are'ba  makoto-ni  woae^io  gotoku- 
nite  tsune'dzune  seo-si-ni  omoi-si  mama  naru-fodo  sa-jb-ni  meaaru- 
besi'to  ije-ba  ija  tatoi  nandzi-ga  Ä  ^  (i'90  ci^^^^o-mo  toradt- 
wa  woku-heki-ka  tote. 

Einmal  sagten  die  zwei  älteren  Brüder:  Ist  es  auch  der 
Vater,  so  war  er  doch  parteilich.  Er  vererbte  dir  die  guten 
Grundstücke.  Weil  er  uns  die  schlechten  Orte  gab,  kam  es 
dahin,  dass  wir  immer  mit  den  Abgaben  im  Rückstande 
blieben.  Wenn  wir  deinen  Antheil  von  Land  in  Tausch  nähmen; 
wäre  es  wirklich  seinem  Worte  gemäss  und  auf  das  beständige 
Leid  Bedacht  genommen.   Also,  es  soll  so  geschehen. 

Sie  setzten  hinzu:  Ei,  gesetzt  du  mögest  anderer  Mei- 
nung sein,  sollen  wir,  ohne  es  zu  nehmen,  es  dabei  bewenden 
lassen? 

Wosi'te  tmi'-kajesi'ka'domo  sukosi-mo  u$*ainuf*u  kokoro-nakn 
kano  aai-kl  ta-wo  tsukuri-te  nawo  vii-sin-sui-u  koto-mo  nakari-si 
ani'Wa  tsugi-no  tosi-ni  mi-sin  masari-te  J^  (sedyja-jori  todome- 
ni  ai'Si-wo  zin-suke  nageki-te  wabt-goto-si  woi-mono  nado  jhjaku- 
ni  t8tigunoi'jari-8t-wo  jj  (sed)-ja'mo  >p  ^  (fu-binyno  koto- 
ni  omoi  ani-domo'wo  jurusi-keri. 

Obgleich  sie  es  mit*  Gewalt  im  Tausche  wegnahmen, 
hatte  er  nicht  den  geringsten  Groll  im  Herzen.  Er  bebaute 
jene  schlechten  Felder  und  blieb  nicht  mehr  mit  den  Abgaben 
im  Rückstande.  Die  älteren  Brüder  blieben  im  nächsten  Jahre 
mit   den  Abgaben    noch   mehr    im   Rückstande    und  gerietheu 


Begebenheiten  neuerer  Zeit  in  Japan.  257 

von  Seite  des  Aeltesten  des  Dorfes  in  den  Verhaft.  Zin-suke 
klagte  darüber  und  flehte.  Er  bezahlte  und  schickte  nach  und 
nach,  was  sie  schuldeten.  Der  Aelteste  des  Dorfes  empfand 
Mitleid  und  liess  die  älteren  Brüder  frei. 

Arn  togi-no  aki  ^  ^  (rin'u)'8ite  ^  JjJC  (ko-zui)  ari 
ien-dzi  o^ku  nagarete  mura-mura  o-oki-ni  nageku  tokoro-ni  zin- 
suke-ga  fit  /^  (sio-hunj-wa  sukosi-mo  itamu  koto-mo  naku  fo- 
nanu  itsU'fno-jori'fnojoku  tatsi-si-ka-ha  ^  1^  (dai-kuan)  ^  jj^ 
(naka-mura)  ^  (taira)  ^  ^  (san-fin)  ^  /^  (ken-bun) 
ari'U  köre  tada-koio-ni  arazu  tote  B|  ^  (koku'si)-je  uttaje- 
tamai-n-ni  me-tsuke  gin-mi-no  uje-nite  makoto-ni  imizi-ki  koto 
nari  isogi  zin-svke-wo  jobi-jose-jo-to  aH-si-ni, 

In  dem  Herbste  eines  Jahres  war  langwieriger  Regen 
und  entstand  grosses  Wasser.  Viele  Grundstücke  wurden  fort- 
geschwemmt, und  in  den  Dörfern  beklagte  man  sich  sehr. 
Indessen  hatte  der  Antheil  Zin-suke's  nicht  im  Geringsten  zu 
leiden  und  die  Saaten  standen  trefflicher  als  gewöhnlich. 

Die  stellvertretende  Obrigkeit  Taira-san-fin  von  Naka- 
mura  besichtigte  es,  und  in  der  Meinung;  dass  dieses  keine 
gewöhnliche  Sache  sei,  zeigte  er  es  dem  Rcichsvorsteher  an. 
Nach  der  Untersuchung  der  Aufpasser  war  es  wirklich  eine 
äusserst  merkwürdige  Sache.  Es  hiess:  Man  rufe  eilig  Zin- 
soke  her. 

Sono  jj^  (jo)  zin-mke-ga  jume-ni  Mj  ^  (siUkke)  si-go- 
nin  tsuki'WO  wogami-trare-si  aono  usiro-ni  fakama-ki-taru  fito 
amaia  otcasi-te  WL  |ft  (kiö-w6)'no  |^  (tei)-ni  mye-si  joku- 
teo  fawa-ni-mo  tsikaki  mano-ni-mo  kakaru  jume  mi-fanberi-ai-to 
iaiari-ajeru  tokoro-je  woka-jama  kowori-no  bu-gib-jori  isogi  kitare- 
to  ari-ri-ka-ba  jaga-te  ide-juki-si-ni  fatoa-mo  ibukad-ku  omoi  ato- 
jari  ani'WO  mi-mai-ni  tsukatoasi-keru. 

In  dieser  Nacht  träumte  Zin-suke,  dass  vier  oder  fünf 
Bonzen  den  Mond  verehrten.  Hinter  ihnen  befanden  sich  viele 
mit  Beinkleidern  bekleidete  Menschen,  und  es  hatte  den  An- 
schein, als  ob  es  eine  Bewirthung  gäbe.  Am  nächsten  Morgen 
erzählte  er  der  Mutter  und  den  ihm  nahestehenden  Menschen, 
dass  er  einen  solchen  Traum  gehabt  habe.  Er  hatte  dieses 
kaam  gethan,  als  ihm  von  Seite  des  Oberaufsehers  des  Kreises 
Woka-jama   aufgetragen    wurde,    er   solle   eilig   kommen.    Er 

r.  d.  pbil..kirt.  Ol.  XCY.  Bd.  I.  Hft.  17 


258  Pfisniftier. 

ging  sogleich  fort.    Die  Mutter,   darüber  verwundert,   schickte 
ihm  zur  Erkundigung  die  älteren  Brüder  nach. 

Sono  fi-wa    ^     flj     (koku-si)    ^    j^    (sib-zinj-bi-mte 

H     ^     ^     (hoku-sih-zi)-no    jj^    (sd)    ai-go-nin    kitareru-ni 

meäzuraka-ni  ^t  j(^  (ko-sinj-no  mono  ari  mi-tamaje  tote  tono- 

ni'fno  fakama-wo  tsifiku-si-tamai   ^    ;^    (ka-rb)'no  men-men- 

mo    7^    ^    (reUU'Zaysi  suje-no  ma-je  zin-suke-wo  johase-Umb, 

IKf    1$    (sen'ja)-no  jume-ni  sukosi-mo  tagawazn. 

An  diesem  Tage  war  der  Reinheitstag  des  Reichsvor- 
stehers und  vier  bis  fünf  Bonzen  des  Klosters  Koku-si6  waren 
gekommen.  Er  sagte:  Es  gibt  einen  Menschen  von  einem 
wunderbar  kindlichen  Herzen.  Sehet  ihn!  —  Er  zog  in  dem 
Palaste  die  Beinkleider  an,  die  Alten  des  Hauses  sassen  alle 
in  Reihen.  Er  Hess  Zin-suke  in  das  letzte  Zimmer  rufen.  Es 
war  von  dem  Traume  der  vorigen  Nacht  nicht  im  Geringsten 
verschieden. 

Säte  nandzi  ijasi-ki  mi-to  site  iE.  ^  (nen-rai)  fatoa  ani- 
ni   ^t    ^    (kd-tei)-wo   tsukuse-si  koto   makoto-ni    y^    (tenj-no 

S^  Jffi  (niib'Zio)'ni  aikanajeri»  Fo-bi-to  Ute  nagaku  ta-fata-wo 
tamawari-si    "^    (monj-ni  iwaku. 

—  Dass  du,  niedrig  wie  du  bist,  Jahre  hindurch  der 
Mutter  und  den  älteren  Brüdern  gegenüber  Kindlichkeit  und 
Bruderliebe  erschöpft  hast,  hierin  konntest  du  in  Wirklichkeit 
der  dunklen  Hilfe  des  Himmels  zu  Theil  werden. 

In  der  Schrift,  in  welcher  er  ihm  zum  Lohne  für  immer 
die  Felder  verlieh,  hiess  es: 

Ftttstü  asa-gfitsi  kowori  wowo-sinia   siba-ki-mura    t^    ^ 

(kakaje-bun)  ta-gata  ^    ^  (aan-dan)  fata-gata  ^    W  (san- 

dan)    ^    ^    (tsu'kh)    -i    ^    (roku-dan)    ^^    jjj^    (kotei)- 

no    ^    (kö)-wo   aru-no    Ä    (kan)'Zm*u-ni  jotte    J^    ^    (jei- 

tai)  kore-wo  ath.    Moto-jorl   jÄ  j/^    (feki-t8i)-no  tami   ^    |^ 

(ko-teiyno  wonje-aru  koto-wo  sirazu-to  ije^domo  makoto-ni  ^  ^ 
(ten'zit8u)-no  ^^    j^  (rei-mib)  narn  kana.    ^    |il    (Gun-tnü) 

mina  sono  ^^  (bi)-u>o  ^|k|  (sedJ'Stiru-ni  itaru  köre  mata  ^ 
(ten)'no  ^  (rei)  narL  Karu-ga  juje-m  ^  jA  (ten-rokuj-wo 
motte  kore-wo    ^    (sibj-suru  mono  narL 


Begebenheiten  neuerer  Zeit  in  Japan.  2ö9 

;3t    i^    ^J    C'Saka-'niaaa  fan). 

Sc    Jfi    (Seo-wd)  san-nen  ziü-itsi-guatsu  ziü-san-niUL 

Siba-ki-mura  zin-suke. 

In  dem  Dorfe  Wowo-sima  Siba-ki,  Kreis  Asa-gutsi  in 
Fittsiü,  umschlossene  niedere  Felder  drei  Stück,  Bergfelder 
drei  Stück,  zusammen  sechs  Stück,  in  Betracht,  dass  man  von 
dem  Wandel  der  Kindlichkeit  und  Bruderliebe  eingenommen 
ist,  für  ewige  Zeiten  verschenkt  man  sie.  Obgleich  ursprüng- 
lich das  Volk  der  abgelegenen  Erde  die  Lehre  der  Kindlich- 
keit nicht  kennt,  ist  es  wirklich  das  geistige  Wunderbare  der 
Wesenheit  des  Himmels!  In  dem  Kreise  sind  Alle  dahin 
gelangt,  die  Trefflichkeit  zu  preisen.  Dieses  ist  ebenfalls  die 
Qeistigkeit  des  Himmels.  Desswegen  belohnt  man  ihn  mit 
dem  Segen  des  Himmels. 

Das  Siegel  Mitsu-masa's. 

Dreizehnter  Tag  des  eilften  Monats  des  dritten  Jahres 
des  Zeitraumes  Seo-wö  (1654  n.  Chr.). 

An  Zi-suke  aus  dem  Dorfe  Siba-ki. 

Kaku-no  gotoki  &  ~)J^  (kub'dai)'no  go-  JH  ^  (won- 
sibj'tco  1^  (fatJ-se-H-ka-do  tada  dauzi  nasi-to  hakari  i-i-te  sa- 
nomi  tsune-no  ke-siki-ni  kawaru  koto  nasL  Wori-kami-wo  kitanaki 
fvikuriMn  ire-n-wo  kowori-bu-gib  mi-tamai-te  fako-tvo  sasase  toraaen 
tote  fito-fi  iome-wokare'si. 

Obgleich  er  eine  so  grosse  Gnade  und  Belohnung  empfangen, 
sagte  er  bloss,  es  sei  von  keiner  Bedeutung  und  zeigte  in 
seiner  Miene  keine  Veränderung.  Er  legte  das  gefaltete  Papier 
in  einen  schmutzigen  Sack.  Der  Oberaufseher  des  Kreises 
sah  dieses  und  sagte,  er  werde  ein  Kästchen  machen  lassen 
and   es  ihm   geben.    Eines  Tages  blieb  es  darin  niedergelegt. 

Mala  joko-me  jama-da-no  fara  SJ  (röj-to-ro-m  wowose- 
Uuke  fawa-ga  jd-su-wo  mise-tamh-ni  tosi-wa  /^  ^  (fatsi-ziün)- 

to  ije^domo  fana-fada  wakaku  mije-si  :^  -^    (k6-8i)'WO  mote^ 

ba  nani-goto-nw  kokoro-ni  kakaru  koto  na-kere-ba  ika-naru  y^  ^ 

(dai-mib)  J^  ^  (kh'ke)'WO-mo  nrajaraasl-ku-wa  omoi-fanberazu- 

io  fcma-ga  i-i-si-mo  makoto-ni  saru  koto^nite  fanberi-si. 

Derselbe   gab    femer    dem   Späher  K5-ta-ro    von   Jama- 

dapoo   fara   einen  Auftrag  und   sah   den  Zustand   der  Mutter. 

Obgleich  sie  achtzig  Jahre  zählte,   schien  sie  überaus  jung  zu 

17* 


260  Pfizmftier. 


sein.  Sic  sagte:  Da  ich  einen  kindlichen  Sohn  habe  und 
nichts  ist;  das  mir  Sorge  machte  so  denke  ich  selbst  an  irgend- 
welche Fürsten  und  hohe  Häuser  nicht  mit  Neid.  —  Dieses 
ist  wirklich  der  Fall  gewesen. 


Ä  "^  (Zon'bo)'ni'Wa  (^)  kd-wo  tsukusi  "|]j  ^  ßo- 
fu)-n{-wa  fodokosi'WO  okonb. 

Gegen  die  lebende  Mutter  erschöpft  man  die 
Kindlichkeit y  dem  verstorbenen  Vater  erweist 
man  Wohlthaten. 

Bittsiü  wa-ke  kowori   sofvrkd  mura-ni   ^    -|-    ^  (H- 

ziil'rh)-io  iü  mono  ari  ßtori-no  fawa-ni  ^t  ^T  (kd-db)  tagui 
nad.  Kare-ga  ane  ni-nin  ari  kore-wa  ije  nado-mo  tomi  jutaka 
nari  aare-domo  fawa  sore-ga  kata^je-wa  jukazu  fnadztui-ki  Ja- 
ziü-rb-ni  jasinaware-si. 

In  dem  Dorfe  Sofu-k6;  Kreis  Wa-ke  in  Bittsiü^  lebte  ein 
Mensch  Namens  Ki-ziü-r6.  Dessen  Weg  der  Kindlichkeit 
gegen  eine  Mutter  war  ohne  Gleichen.  Er  hatte  zwei  ältere 
Schwestern,  deren  Häuser  reich  und  voll  Ueberfluss  waren. 
Indessen  ging  die  Mutter  nicht  zu  ihnen  und  wurde  von  dem 
armen  Ki-ziü-rö  ernährt. 

Sikaru-ni  jorne-ga  kokoro-zasi  utoki  tote  -^  (ko)  mi-tari 
ari'si-wo  |M|  J||j  (ri-hes)  su,  Murano  mono-domo  wctbi-koto-se- 
»i-ka-do  ija-to-jo  fawa-ni  >K  ^ä  (fu-köj^no  mono  ika-de  wohu- 
beki'ka  koto-ni  kare  mi-me-mo  ßto-nami-ni-wa  sugi-tari.  Ima 
wakaki  aida-ni  idzutsi-je-mo  juki-taru  koso  sono  mi-no  tame-mo 
katsura-me  tote  do-sin-sezari-gi. 

Da  jedoch  die  Vorsätze  der  Schwiegertochter  entfremdet 
waren,  Hess  er  sich  von  ihr,  welche  drei  Söhne  hatte,  scheiden. 
Die  Leute  des  Dorfes  legten  zwar  Fürbitte  ein,  doch  er  sagte: 
Nicht  doch!  Eine  gegen  die  Mutter  unkindliche  Frau,  wie 
soll  ich  sie  hinstellen  können?  Sie  ist  besonders  durch  ihr 
Angesicht  vor  den  gewöhnlichen  Menschen  ausgezeichnet.  Jetzt, 
während  sie  jung  ist,  ist  sie  irgendwohin  gegangen,  ihretwegen 
auch  als  Brautführer  in.  —  Er  war  mit  ihnen  nicht  einver- 
standen. 


B«g«beDheit6ii  nenerar  Zeit  in  Japan.  261 

Ki-ziü-rb  mai''nit9i  nha-wo  kari  ^  f«m>^-nf  ncui^te  faiva- 
ICO  jcumb.  Tntn-ga  ^  Q  (mei'nitsiyni'Wa  nha-wo  tera-ni 
motsi-juki  kado-ni  sute-woi-te  kajeri-si-wo  ^  ^  (dziü-dzi) 
mite  mata  ki-ziü-rlhga  ^  ^  (gio-i)  narurhesi  tote  jjj^  (rei)- 
wo  ije^ha  ware-wa  Hrazu^to  iü,  Onazi-mura-no  mono  nado  kono 
aida-wa  taki-gi-ni  koto-kaku-to  ije-ha  aono  mama  siba-wo  motsi- 
jvki  sute-woku  ^^  (reij-no  koto-to  omoi  jM  (reij-wo  ije-ba  jume- 
jume  sirazu  tote  kawo-wo  akame-si. 

Ki-ziü-r6  schnitt  jeden  Tag  Reisholz,  machte  es  zu  Geld 
und  ernährte  die  Matter.  An  dem  Todestage  seines  Vaters 
trug  er  Reisholz  zu  dem  Tempel,  legte  es  an  dem  Thore  nieder 
and  kehrte  heim.  Der  Vorsteher  des  Tempels  sah  dieses  und 
sagte:  Dieses  wird  ebenfalls  das  Werk  Ei-ziü-r6's  sein,  doch 
was  die  Beziehung  zu  den  Gebräuchen  betrifft,  so  weiss  ich 
es  nicht. 

Die  Leute  seines  Dorfes  meinten,  man  habe  während 
dieser  Zeit  Mangel  an  Brennholz,  und  er  trage  unterdessen 
Reisholz  herbei  und  lege  es  nieder,  es  sei  eine  gewöhnliche 
Sache.  Was  die  Beziehung  zu  den  Gebräuchen  betrifft,  so 
wussten  sie  dieses  nicht  im  Geringsten  und  stieg  ihnen  darob 
die  Röthe  in  das  Angesicht. 

Mata  ini'Si'Je'toa  den-dzi-mo  firoku  motsi'si-ka-'do  uri-fanatsi- 
kere-ba  bu-giö-mo  ftMn-ni  omoi  kajeru  jb-ni  rite  torasen-to  are- 
ha  uri-ri  toki-toa  uresi-gari-ri-wo  ima  fito-no  te-ni  iri-ri-wo  kajeri" 
mbsu  koto  omoumo  jorazu  tote  kajette  wabi-goto^too  ae-ri  kakai'u 
iE    Ä    (silhziki)    "z^    ^    (k8'd^)'naru  koto    B|    fjj    (kokn- 

*V  l)t  Jl^  4^  (mitsu-maaa'kSJ-ni-mo  kikori-meri-te  J\  ^ 
^fatri-hokuj'too  tamawari-ri  nawo  kasanete  den-dzi-too  tamawaran- 
to-no  koto-to-ka-ja. 

Auch  besass  er  ehemals  Grundstücke  in  grosser  Aus- 
dehnung, doch  er  verkaufte  sie.  Der  Oberaufseher  empfand 
Mitleid  und  wollte  sie,  als  ob  sie  zurückfielen,  ihm  geben. 
Doch  Jener  hatte  zur  Zeit  des  Verkaufes  Freude,  und  er 
dachte  nicht  daran,  dass  man  dasjenige,  was  in  die  Hände 
der  Menschen  gekommen,  zurückstelle.  Er  verlegte  sich  im 
Gegentheil  auf  Bitten.  Die  Sache  eines  so  richtigen  und 
geraden  Weges   der   Kindlichkeit   kam    dem    Reichsvorsteher, 


262  Pfismaier. 

Fürsten  Mitsu-Masa;  za  Ohren   und  er  verlieh  ihm  Reis.   Er 

wird    ihm    vielleicht  noch    wiederholt    die    Grundstücke   ver- 
leihen. 


j^  (Sei-nü)  kame-jama-nite  ^  ^  (fu'kei)'no  katoki- 
ICO  utsu. 

Auf  dem  Schildkrötenberge  in  Sei-siü  tödtet 
man   den  Feind  des  Vaters   und  des   älteren  Bruders. 

Awo-jama  ina-ba-no  Jcami  tono  toowo-zaka  go-  iff^  4^  (nb- 

dai)'8i'tamb  foki  ^  |ll  (ka-tsiUJ-ni  ^  ^  (isi-i)  ^  (u) 
yb  P^  (-e-monj-to  lü  mono-wa  tosi-goro  i-ao-zi  hakari-nite  mono- 
koto  ai'kokorchje  fito-nami  imizi-ki  fuimmai  nare-ha  -Ä  |if 
(fd'hai)  naka  made-mo  ujamai-keri. 

Zur  Zeit,  als  Awo-jama,  der  Herr  Statthalter  von  Ina-ba, 
Stellvertreter  in  der  Feste  von  Wowo-zaka  war,  verstand  in 
dessen  Hause  ein  Mensch  Namens  Isi-I  U-e-mon  in  einem 
Alter  von  fünfzig  Jahren  alle  Sachen.  Da  er  ein  Mann  von 
ausgezeichnetem  Benehmen  war,  wurde  er  selbst  von  seinen 
Oenossen  geehrt. 

Silmru-m  ^  B|  (sai^kokuj-gata-nt  aka-fori  gen-  3l  (9^)' 
e-mon-to  ij&i*u  JÖ  ^  (r^i-nin)  tosi  ni-ziü-sai  amari-ni  nte  fi- 
goro  ari'tauhi'wo  kcLsege-domo  wom6  sina-mo  na-karirsi.  Sano  siru 
fito-no  nanigasi-ni  mono-si  nam-to-zo  sono  fo  S,  |^  (nn-rrd)- 
no  u-e-mon  tono-wo  tajoii-to  site  awo-jama  tono-no  go-  Sj^  lil 
(ka't9iü)-ka  mafa-wa  ^  B|  ^k  (to-goku-fenj-no  ni-awasi-ki 
koto-mo  kana-to  stkiri-ni  tanomi-kere-ba  iza-jo  tote  jfi  J^ 
(aeb'Soku)  ai-aoje  u^e-mon  kata-je  kosi-kerL 

Indessen  bemühte  sich  ein  über  zwanzig  Jahre  alter 
beschäftigungsloser  Krieger  Namens  Gen-go-e-mon  aus  dem  zu 
der  Gegend  der  westlichen  Kreise  gehörenden  Aka-fori  lange 
Zeit  hindurch  um  eine  Anstellung  im  Dienste,  doch  es  waren 
keine  Umstände,  wie  er  sie  sich  dachte.  £r  wandte  sich  an 
einen  seiner  Bekannten  und  sagte:  O  wenn  ich  doch  irgend- 
wie mit  Hilfe  eures  Verwandten,  des  Herrn  ü-e-mon  einen 
Dienst  in  dem  Hause  des  Herrn  Awo-jama  oder  etwas  Passendes 
an  den  Gränzen  der  östlichen  Reiche  erhalten  könnte!  —  Da 
er  fortwährend  bat,  sagte  Jener:  Wohlan!  —  Er  gab  ihm  ein 
Schreiben  mit  und  schickte  ihn  zu  U-e-mon, 


Beg«beDh«iton  nemrer  Zeit  in  Japui.  363 

U-e-mon  koto-no  Jori-too  kiki-todoks  saburai^wa  tagai-no  hoto 
nare-ba  to-kaku  ß^  ^(^  (if^'j^^)  ^  |^  (zi-setsu)  aran-ni 
madsBU  segare    ^    J^    |||[    (san'si'natooj-gata'ni  >^  ^|^  (kiü- 

ioku)'8i  tare^tare-to-mo    |S    jiP    (kaku-i)   arase-na  tote  mi-utsi 
dd-zen   -4^    |^    (ktn-föyserare-keri. 

U-e-mon,  als  ihm  der  Qrund  der  Sache  zu  Ohren  kam^ 
sagte :  Da  es  bei  dem  Kriegsmann  eine  gegenseitige  Sache  ist, 
80  wird  jedenfalls  die  Zeit  der  geheimen  Beziehung  sein.  Zuerst 
ruhe  ich  bei  meinem  Sohne  San-si-nawo  aus,  es  soll,  wer  es 
auch  sei,  keinen  Zwiespalt  geben.  —  Er  wurde  von  seinen  An- 
gehörigen so  wie  früher  gepflegt. 

Oen-go-e-mon  i-nazimi  ^    d|  (ka-taiHJ-no  wakaki  ^   tb 

fgiü^dziü)-to  ide-ai  jari-no  ^j0  (sij-to  nasi  koko-kasiko  mote- 
/ajasare^si-ni  aru  toki  u-e-mon  ßsoka-ni  gen-go-s-mon-wo  maneki 
nardgasi-mo  wakaki  toki-jori  j|^  Wk  (bu-gei)-ni  tchja  kaku-to 
kokoro'VDO  tmkusi  SL  (mibj-ga-ni  ai-kanai  tono-ni-mo  jari-no 
go-   :|§    ^    (si-iianJ'WO   mbsi    ^    d|    (ka-tsiüyno   tare-kare- 

mo  jjä  -5^  (de-8i)'nite  ari-gi-ga  sono  fo-no  jari  kano  goro  mono- 
kage^ori  ukagal-mi-si-ni  ika-ni-mo  4^  %  (mi-ziiiku)'ni'ZO  mije- 
n-ga  fiiosi-toa  JJ  ^  (kö-naj-naru  mono  mi-togamen-mo  kokoro- 
U'kere-ba  jafne-tamaje-to  aH-si-ka-ha, 

Gen-go-e-mon,  an  seinen  Wohnort  gewöhnt,  ging  mit  den 
in  dem  Hause  befindlichen  jungen  Herren  gemeinschaftlich 
hinaus,  machte  den  Meister  der  Lanze  und  wurde  hier  und  dort 
berühmt. 

Einmal  winkte  U-e-mon  heimlich  Qen-go-e-mon  zu  sich 
und  sagte :  Ich  erschöpfte  seit  meiner  Jugend  auf  jede  Weise 
meine  Oedanken  bei  den  schönen  Künsten  des  Krieges,  im 
Stande,  der  dunklen  Hilfe  theilhaftig  zu  werden,  unterrichtete 
ich  auch  den  Herrn  in  dem  Gebrauche  der  Lanze,  und  Manche 
in  dem  Hause  waren  meine  Schüler.  Ich  habe  eure  Lanze  um 
diese  Zeit  aus  einem  Verstecke  beobachtet.  Wie  immer  auch 
sie  dem  Unerfahrenen  erscheinen  mag,  der  erfahrene  Mensch 
wird  sie  vielleicht  vorwurfsvoll  ansehen,  und  da  er  im  Herzen 
betrübt  ist,  so  lasset  davon  ab. 

KotoborfU-wa  j^  j^l  (siö-inj-site  sara-ni  jamazari-si-wo 
mata-no   toki   samurai   — •    ^    (itn-dzuj-no   kasegi-wa  9awari 


264  Pfisnaier. 

'^^  j$  ^  (ftii-^eO-no  koto-wa  uje-naki  mono  nare-ba  kajdte 
fiUhno  j^  ^  (f6-fen)'mo  nado-to  koto-no  wake-wo  tötete  ^  J^ 
(i-kenj-se-si-ni  sikara-ha  ^r  ^  (ki-denj-no  go-si-nan-ni  oi- 
toii  tofe   j^    "j^    (kei'ko)'jari'WO   tori-idasi   ^    ^    (sunno)- 

site-gere-ba  ija  ^    ^    (mu-jdj-no  koto  nari  tare-no  makete-m 

sina  an-si-to  |^  (ziysi-si-ka-do  tsurete^no  koi-nite  awase-se-d- 
ni  ja-a-to  iü  ko-e^no  siia^ni  mune  sitataka  taukare-kere-ha  ima 
fito-awaae-to  ari-si-wo  — •  |^  QUo-rnukiJ-ni  oH-tome-n-^i  h- 
siki  kawatte  nozorni-si-wo  inami-gataku-te  mata  awasi-ni  9ono 
mama  naga-je^wo  fumi-otosarete  keri. 

Diesen  Worten  zwar  beiBtimmend,  Hess  er  dorchans 
nicht  ab. 

Ein  anderes  Mal  sagte  er:  Bei  dem  einzigen  Streben 
des  Eriegsmannes  ist  kein  Hindemiss.  Da  die  schönen  Künste 
des  Krieges  eine  Sache  sind,  über  welche  nichts  geht,  so  ist 
im  Gegentheil  auch  Lobpreisung  und  Herabsetzung  der  Men- 
schen. —  Hiermit  die  Bedeutung  der  Sache  hinstellend,  war 
er  verschiedener  Ansicht. 

Jener  sagte:  Also  will  ich  mich  eurem  Unterrichte  an- 
schliessen.  —  Er  nahm  eine  Uebungslanze  hervor  und  ging 
auf  sein  Ziel  los. 

—  Nein,  es  ist  eine  unbrauchbare  Sache.  Mag  Jemand 
auch  besiegt  werden,  die  Art  ist  schlecht. 

Er  weigerte  sich,  doch  auf  wiederholtes  Bitten  traf  er 
mit  ihm  zusammen.  Indem  er  einen  Ruf  des  Erstaunens  aus- 
stiesB,  wurde  er  stark  in  die  Brust  gestossen. 

Jener  sagte:  Jetzt  ein  Zusammentreffen.  —  Der  Andere 
hörte  mit  einem  Male  auf.  Seine  Miene  veränderte  sich,  es 
war  unmöglich,  das  Gewünschte  auszuschlagen  und  auch  bei 
dem  Zusammentreffen  war  der  lange  Schaft  niedergetreten 
worden. 

Oen-go-e-mon  ika-hakari  kutsi-on-ki  koto-ni  omoi  kono 
]&    ^^    (i'siü)    farasan-to  fima-wo   ukagoi^ari-si-ni  jagate-no 

Ä  (j^)  inu-no  koku-bakari-ni  u-e-mon  8%r(hjori  kajeri-n  wori- 
si-mo  faru'Same-si  ama-gu  totonoje  nani  kokoro-naku  kajeri-si- 
tok^O'WO  gen  go-e-mon-wa  ko-jabu-no  kage-jori  tonde  ide  jaii-no 
i'siii  obojeta-ka  tote  ko-jari-nite  dd-fara-wo  tsuki-towose-ha  u-e-mon 
katana  nuki-ai-ka^o  ^    R  (boku-ri)  kuzikete  titd-tawore-d'^i 


Begebenheiten  neuerer  Zeit  in  Jepnn.  265 

^  (boku)-wa  osorost'ki  Jcoto-ni  onuri  aono  mama  ^  (taku)'je 
kake-modasi  ka-jh-ka-jb-no  koto-to  tsuge-kere^ba  saiust-nawchwo 
fazhne  ke-rai  nokorazu  kake-tmke  jb-jaku'ni  tnsukete  kajeri-si- 
ka-do  toowo-kizu  nare-ba  je-mo  tamarazu. 

Gren-go-e-mon,  an  eine  so  bedauerliche  Sache  denkend, 
lauerte  auf  eine  Gelegenheit,  seinen  Hass  zu  befriedigen.  In 
einer  sogleich  darauffolgenden  Nacht,  um  die  Stunde  Inu, 
kehrte  U-e-mon  aus  der  Feste  zurück.  Um  diese  Zeit  fiel  ein 
Frühlingsregen.  Während  er,  mit  den  Geräthen  gegen  den 
Regen  sich  versehend,  unbesorgt  heimkehrte,  flog  Gen-go-e- 
mon  aus  dem  Verstecke  eines  kleinen  Dickichts  hervor  und 
durchstiess  ihm  mit  dem  Rufe:  Hast  du  die  Feindschaft 
der  Lanze  gemerkt?  mit  einer  kleinen  Lanze  die  Seite  des 
Rumpfes.  U-e-mon  zog  zwar  das  Schwert,  doch  in  seinen  Holz- 
schuhen strauchelnd,  stürzte  er  zu  Boden. 

Der  Knecht,  bei  dem  Gedanken  an  die  schreckliche 
Begebenheit,  lief  unterdessen  in  das  Wohnhaus  zurück  und 
meldete  alles,  wie  es  geschehen.  Von  San-si-nawo  angefangen 
liefen  die  Hausgenossen  insgesammt  herbei,  halfen  allmälig 
und  kehrten  nach  Hause.  Doch  da  es  eine  grosse  Wunde 
war,  konnte  er  es  nicht  überstehen. 

^    ^    (Zi-nan)  ^   |^  (naka-kuraj-toa  go-sai  ^  J|| 

(ian-nan)  "^  |^  (moto-kiuraywa  ni-sai  tomo-m  ijfj  5f^  (jh- 
in)  nare-ba  fatoa  zui-bun-ni  ^  "§  (jo-ikuyse-jo  ani  san-si- 
nawo-wa  ziH-fatatrsai-no  koto  nare-ba  ude-ni  W  (ndJ-Tno  iri-si 
mama  tsitsi-ga  kataki-wo  utte  ^S  jl|'  (bühzen)'ni  aonaje-jo-to 
ijertHüo  ]^  ^  (aai-goj'tio  koto-to  alte  aono  notai  tau-i-ni  muncui- 
ku  nari-nu. 

—  Der  nächste  Sohn  Naka-kura  ist  fünf  Jahre  alt.  Der 
dritte  Sohn  Moto-kura  ist  zwei  Jahre  alt.  Da  Beide  unmündig 
sind,  möge  sie  die  Mutter  sorgfaltig  aufziehen.  Da  der  ältere 
Bruder  San-si-nawo  achtzehn  Jahre  alt  ist,  möge  er,  indess  in 
seinen  Arm  Tüchtigkeit  kommt,  den  Feind  des  Vaters  tödten 
und  vor  dem  Ahnentempel  das  Opfer  reichen. 

Dies  waren  seine  letzten  Worte.  Später  war  er  alsbald 
verschieden. 

San-ai-nawo-wa  "j^  ^  ^  (u-aan-teo)  fono-je  'S  Jj^  (j^*" 
zth)-n  fi   ^i:  yj^  (mfin-kio-ffibj-wo  itadnki  toai-bai-no  waka-th 


266  PfiBDftier. 

itn-nin  mesi-taure  idzuku-to-mo  naku  idete  ni-Etä-nirsai-nö  /oru 
mcule  t8'8ei  nan-boku-no  kunüguni  jama-wo  koje  umi-wo  toatm-U 
tadzune-si'ka'do  kataki  sara-ni  sirezari-si. 

San-si-nawo  brachte  die  Meldung  dem  Herrn  U-san-tO) 
nahm,  einen  Erlaubnissschein  aaf  dem  Haupte  tragend,  einen 
Begleiter  von  gleichem  Alter  mit  sich,  zog,  ohne  ein  be- 
stimmtes Ziel  zu  haben,  aus  und  überschritt  bis  zu  dem  Früh- 
linge  des  zwei  und  zwanzigsten  Jahres  die  Berge  der  östlichen, 
westlichen,  südlichen  und  nördlichen  Reiche,  übersetzte  das 
Meer  und  suchte.  Allein  von  dem  Feinde  hatte  er  durchaus 
keine  Kunde. 

Amari-no  kot(hni  omoi  genrgo-e-mon  jtR  ^  (ket-fu)  aha- 

fori  ^  ^  (jü'SaiJ'to  iü  ^  ^  (i-8ia)  ^  "^  (woioo-isu)- 
ni  wi'kere^ba  kono  mono- wo  utte  "^  "jjd^  (kd'SatsuJ^ioo  taU 
toga-naki  jü-sai-wo  utn-si  mono-wa  isi-i  san-si-nawo  nari  wojor 
no  kataki'Wo  toran-to  omowa-ba  mi-no-no  kuni  nani-mura-no  naiu- 
P^(zi)'ga  ije-je  kitare  aka-fori  gen-go-e-mon-je  ma-iru-to  kaki-taru 

Er  machte  sich  im  Uebermasse  Oedanken.  Da  der  Stief- 
vater Gen-go-e-mon's,  ein  Arzt  Namens  Aka-fori  Jü-sai,  sich  in 
Wowo-tsu  befand,  tödtete  er  diesen  Menschen  und  stellte  eine 
hohe  Schrifttafel  hin,  auf  welche  geschrieben  war:  Derjenige, 
der  den  schuldlosen  Jü-sai  getödtet  hat,  ist  Isi-i  San-si-nawo. 
Wenn  du  den  Feind  des  Vaters  zu  fangen  begehrst,  so  komm  in 
das  Reich  Mi-no,  in  das  und  das  Dorf,  in  das  Haus  des  und 
des  Geschlechtes.  Ich  gehe  zu  Qen-go-e-mon  in  die  Qesellschaft. 

8ate  natsu-ni-mo  nari-si-ka-ba  san-si-nawo  mi-no-no  nani- 
zi-ga  firo-niwa^niU  ^  'jjt  (gib-zuij-si'kere-ba  TO  3L  ^T  (^^ 
gO'tedj^mo  tsudzuki-si  takaki  jnbu-no  utsi-jori  gen-go-e-num  kake- 
idete  woja-no  kataki  wobojefa-ka  tote  kata-saki^jori  kiri-keri 
San-si-nawo  fi-goro  matsi-uke-si  koto  nare-ba  kokoro-je-tari  tote 
kosi-moto-ni  motase-si  waki-zasi^nite  nuki-tUsi-ni'Si-kere'ba  gen- 
go-e-mon-ga  senaka-to  oboje-si  tokoro-wo  farai-kiri-ni-site-geri, 
San-si-nawo  wowo-kizu  nare-ba  famarade  M  ^  (8oku-za)-ni 
^^  (siysi'keH, 

Da  es  auch  im  Sommer  war,  badete  sich  San-si-nawo  in 
dem  weiten  Vorhofe  des  und  des  Geschlechtes  von  Mi-no. 
Aus  einem  in  einer  Ausdehnung  von  vier  bis  fünf  Strassen- 
längen  sich  fortsetzenden  hohen  Dickichte  stürzte  Gen-go-e-mon 


Begebenheit«!!  neuerer  Zeit  in  Japan.  267 

hervor  und  hieb  mit  den  Worten:  Hast  du  dir  den  Feind  des 
Vaters  gemerkt?  von  der  Vorderseite  auf  ihn  ein.  San-si-nawo^ 
da  er  durch  lang;e  Zeit  auf  ihn  gewartet  hatte,  zog  mit  den 
Worten :  Ich  habe  es  verstanden !  das  an  der  Hüfte  getragene 
kurze  Schwert  und  hieb  damit  ein.  Er  führte  im  Schwünge 
eben  Hieb  gegen  die  Stelle,  wo  er  bemerkte,  dass  es  der  Rücken 
6en-gQ*e-mon'8  sei.  San-si-nawo,  da  er  eine  grosse  Wunde  hatte, 
überstand  es  nicht  und  war  auf  der  Stelle  todt. 

Tsuki-soi-ai  toaka-tb  nan-bS  kutsi-osi-ki  koto-ni  omoje-domo 
gen-go^e-mon  juki-kata-wo  mi-uHnai-si  koto  nare-ha  ze-ß'-naku 
^  H  (/<w-Soiu)-ye  taUi'kajeH  ^  ^  (zi^nan)  ^  ^  (sari" 
tton^-n/  koUhno  danrdan-wo  i-i'/ukume-si. 

Der  hinzugegebene  Begleiter  hielt  es  zwar  fiir  eine  be- 
dauernewerthe  Sache,  doch  da  er  die  Gegend,  wohin  Qen- 
go-e-mon  ging,  aus  dem  Qesichte  verloren  hatte,  kehrte  er, 
ohne  anders  zu  können,  in  sein  Reich  zurück  und  erzählte  dem 
nächsten  Sohne  und  dem  dritten  Sohne  die  Umstände  der  Sache. 

Riö-nin-mo  jb-jaku  ^  ^  (aei-zin)  site  ^  Q  (no-koku)- 
wo  kake'VKMwari'kerU'ga  motthtcura  ni-ziü-san-sai-no  toki  sukoH 
koio-no  fosi-VDO  ktki-si  jvje  Wj^  >W  (sei-siü)  kame-jama-no  siro-ni 
üa-kura  ^  ^  (stt-fSJ-no  kami  tono  ka-tdü  ni-fiaku-go-ztü-jj^ 

(seki)  toii-si  fata-dai-sib  aita-rmtra  ^  (magoj'e-mon-je  j&  ^ 
(mori'feiyto  na-too  aratame  zo-ri-tori-ni  suje  mi-too  tsukusi  föne- 
wo  kudaki'te  tsttkaje-n  juje  siü-zin-mo  ^  ^  (ta-zij-naku  fu- 
hin^ari'H  onazi  ka-tsiü-no  tare^tare-ni-mo  mi-sirarezi,  Naka-ni- 
mo  aka-fari  ^  (miäzuj-e-mon  tote  fiaku-go-zvA-j^  (seki)  tori-ri 
motuHio  kata-ni  fnori-fei-ga  ke-rai-no  mono-iüo  wcika-tö  fS-kS-ni 
mvuue'ai  aida  ßto-aitoo  nengoro-mo  ide-irt-se-si. 

Die  beiden  Menschen  waren,  indem  sie  allmälig  auf- 
wuchsen, in  allen  Reichen  umhergesprengt.  Zur  Zeit  als  Meto- 
kura  drei  und  zwanzig  Jahre  alt  war,  hörte  er  ein  wenig  von 
einem  Theile  der  Sache.  Die  Ursache  war:  Der  in  dem  Hause 
Ita-kura's,  des  Vorgesetzten  der  Feste  des  Schildkrötenberges 
in  Sei-siü,  des  Herrn  Statthalters  von  Su-fo,  befindliche  groses 
Heerf&hrer  der  Fahnen,  welcher  zweihundert  fiinfzig  Scheffel 
einnahm,  gab  Sita-mura  Mago-e-mon  den  neuen  Namen  Mori-fei 
und  setzte  ihn  zum  Strohschuhehalter  ein.  Weil  dieser  sein 
Aeosserstes    that    und    seinen   Dienst    mit   Mühe    verrichtete, 


268  Pfiinaier. 

hatte  auch  der  Gebieter,  ohne  eine  andere  Sache,  Mitleid  mit 
ihm  und  war  keinem  der  in  dem  Hause  befindlichen  Menschen 
von  Angesicht  bekannt.  Unter  diesen  befand  sich  auch  ein 
Mann  Namens  Aka-fori  Midzu-e*-mon.  Während  man  ihn  von 
Seite  eines  Menschen,  welcher  einhundert  fUnfzig  Scheffel  ein- 
nahm,  zum  Hausgenossen  Mori-fei's  mit  dem  Dienste  eines  Be- 
gleiters machte,  trat  er  immer  freundlicher  aus  und  ein. 

Gen-roku  ziü-san-nenr-no  natsu-no  koto-nite  ari-si-ga  mago- 
e-mon-jori  nudzu-e-man  kcUa-je  ffl  (j&)-fio  koto  artete  mori-fü-voo 
Uukauxue-n  midzu-e-mm  ff  ;JC  (gib-zmj-site-geri.  Fi-gm 
'^  ^  (zen-nunj-^o  huwaje-ri  mori-fei  nare^ba  jobirjo96  sendka- 
wo  nagaatue-ai-ni  senakorjori  kosi-ni  itari  motte-no  foka-no  kizur 
ato  ari. 

Es  war  im  Sommer  des  dreizehnten  Jahres  des  Zeit- 
raumes Gen-roku  (1700  n.  Chr.),  als  von  Seite  Mago-e-mon's 
für  Midzu-e*mon  etwas  zu  thun  war  und  man  Mori-fei  ab- 
sandte. Midzu-e-mon  badete  sich  eben.  Da  es  Mori-fei  war, 
der  seit  Tagen  ihm  Mitleid  zugewandt  hatte,  rief  er  ihn  herbei 
und  Hess  den  Rücken  auf  dem  Wasser  schwimmen.  Von  dem 
Rücken  bis  zu  den  Hüften  zeigte  sich  ein  ungewöhnliches 
Wundmal. 

Mori-fei-ga  iwdku  kore-wa  ikarjh-no  kizur-nite  owase-si-to 
are-ha  aare-ba  sano  fo-wa  if^  J||J  (kaku-betsuyno  mono  nari 
kataran.  8oi*ega8i  toakaki  toki  ka-fi-ka-ß^-no  koto-nite  isi-i  u-e- 
mon'to  iü  mono-wo  utsi^si  aono  segare  sansi-natoo-to  iü  mono 
soregasi'WO  ßJci-idasan  tame-ni  saregasi-ga  woja  jü-sai-wo  utte-- 
kere-ba  mi-no-no  kuni  nanigaai-no  tcowo-jabur-no  utsi-ni  si-go-ziu 
nitn  ukagai-kakure  san-H-nawo  ^  ^  (gib'ZU%)^^8i  tokoro-wo 

tobi-kakari  tasika-ni  wowo-  ^S  ^  (ge-saj-ni  utai-si-ga  saau-ga- 
no  mono  nare-ba  koal-moto-ni  waki'Zaai'WO  motaaete  aoragasi 
nigurii  tokoro-wo  farai-ai  aono  kizu  nari. 

Mori-fei  sprach :  Was  für  eine  Wunde  ist  dieses  gewesen? 

—  Dieses  ist  eine  eigenthümliche  Sache,  ich  werde  es 
erzählen.  In  meiner  Jugend  hatte  ich  in  einer  solchen  und 
solchen  Sache  einen  Mann  Namens  Isi-i  U-e-mon  getödtet. 
Dessen  Sohn,  ein  Mensch  Namens  San-si-nawo,  tödtete,  um 
mich  hervorzulocken,  meinen  Vater  Jü-sai.  In  dem  grossen 
Dickichte    des    und    des   Geschlechtes    in   dem    Reiche   Mino 


B6geb«Dheiten  neuerer  Zeit  in  Japan.  269 

spähte  ich  verborgen  durch  vierzehn  bis  fünfzehn  Tage.  Als 
San-si-nawo  sich  badete,  flog  ich  herbei  und  stach  ihn  zuver- 
lässig in  die  grosse  Schärpe.  Da  es  ein  solcher  Mensch  war, 
trug  er  an  den  Lenden  ein  kurzes  Schwert  und  schwang  es 
gegen  mich,  als  ich  entfloh.    Daher  ist  diese  Wunde. 

Sore-ga  tcototo  rib-nin  ari-si-ga  sugo-sai-no  miäzurko-no 
koto  nare-ba  iki-tarn-mo  sini-taru-mo  sirazu,  Tatoi  ikt-ie  irttr 
to-mo  fni-sirazare-ba  ima-sara  utan-to  ori-ni  koto-wa  kanawazu 
Sikare-domo  nanigeutUTno  kataki  aru  mi  nare-ba  ika-bakan  mi- 
fDO  dai'zi-ni  onio.  Mala  tono-ni-mo  kano  koto-wo  airi-tanib  juje 
zui'bun  kakoi'tamawaru.  Kono  koto  kamajete  fito-ni  katai^u-na-to 
netigor(hni  {^  (aetj-ai-rare-su 

Er  hatte  zwei  jüngere  Brüder.  Da  dieselben  kleine  Kinder 
von  vier  bis  fünf  Jahren  waren,  so  weiss  ich  nicht,  ob  sie  leben 
oder  gestorben  sind.  Gesetzt  auch,  sie  sind  am  Leben,  so 
ist,  da  sie  mich  nicht  kennen,  zu  der  Zeit,  wo  sie  mich  jetzt 
endlich  tödten  wollen,  die  Sache  nicht  passend.  Da  aber  auch 
ich  einen  Feind  habe,  wie  sehr  halte  ich  meinen  Leib  für 
eine  wichtige  Sache!  Ferner  bin  ich  von  dem  Herrn,  weil  er 
diese  Sache  weiss,  ziemlich  umhegt.  Verschliesse  diese  Sache 
und  erzähle  sie  nicht  den  Menschen.  —  Hiermit  wurde  freund- 
lich ein  Verbot  gemacht. 

Mari-fei  kokoro-no  utsi-ni-wa  kore-zo  kami-fotoke-no  ßki- 
awase'to  omaje-domo  tsuju-mo  ka-nari-ni-wa  idasazu  mi-goto-ni 
ai'SOisi-te  sarv-nu.  Koko-ni  oi-te  mori-fei  i-aai-ni  fumi  sitatame 
jt'dfMii  ari'H  ani  naka-kura  tono-je  i-i-tsukawasi  nani-to-zo  die 
hmofd  ^f^  Üi  (zih-tsiü)'je  kitari-tamaje-to  i-i'kosi'kere'ba  naka- 
kura-fiio  koko-kasiko   kiki-tate   ^   ^    (su-wb)   tono  fu-Ui-nin 

UutsumuuUi  natsume  /^  (fatsi)  ^  ^  (san-fin)  kata-je  "^  ^ 
(kitn-suke)'to  na-wo  aratame  ari-tsuki  kame-jama-je  tomo-site 
kitari'SU 

Mori-fei  dachte  sich  im  Herzen :  Dieses  ist  die  Zusammen- 
iugnng  des  göttlichen  Buddha.  Doch  er  sprach  es  nicht  im 
Geringsten  aus,  dass  es  sein  könne.  Er  grüsste  artig  und 
giag  fort. 

Demgemäss  schrieb  Mori-fei  ausführlich  einen  Brief  und 
schickte  dem  in  Je-do  sich  aufhaltenden  älteren  Bruder,  dem 
Herrn  Naka-kura  das  Wort:   Wie  es  auch  sei,  kommet  in  die 


270  Pfismftier. 

Fettte.  —  Nachdem  er  dieses  Wort  hinübergeschickt  hatte,  zog 
auch,  Naka-kura  hier  und  dort  Erkundigungen  ein.  Einem 
unterstützten  Menschen  des  Palastes  von  Su-wd,  dem  Tronunler 
Natsume  Fatsi-san-fin  veränderte  er  den  Namen  zu  Eatsi-suke. 
Derselbe  trat  in  seine  Dienste  und  war,  ihn  begleitend,  za 
dem  Schildkrötenberge  gekommen. 

Joku-nen  san^gucUsu-no  de-kawari-ni  tatte  itoma-wo  tori 
mori-fei  kutsi-iri-nite  sitsi-ziü  seki  tori-si  ^  ^  >^  (kin-ziu- 
jaku)  suzu-ki  ^  (nbaye-mon  kata-je  fd-kS-si  kore-jari  ^  ^ 

(setsU'Setsu)  mori-fev-to  midzu-e-mon-kata-no  waka-tb-to  ^  ßö^ 
(san-gin)  ide^i  nani-to-zo  tono-no  je-do  ^  |^  (san-ktrij-m 
maje-ni  fon-i-wo  togu-beki  tote   ft   ^H^  (nai-dan)  kiwame-keru 

Bei  dem  Dienstaustritte  des  dritten  Monates  des  nächsten 
Jahres  erhob  er  sich,  nahm  Abschied  und  diente  auf  Em- 
pfehlung Mori-fei's  dem  den  Dienst  eines  Nahen  und  Ver- 
trauten versehenden  Suzu-ki  Siba-e-mon,  welcher  siebzig  Scheffel 
einnahm.  Seitdem  traf  er  fleissig  mit  Mori-fei  und  dem  Be- 
gleiter Midzu-e-mon's  in  dreifacher  Untersuchung  zusammen. 
Er  sagte:  O  wenn  ich  doch  vor  dem  Herrn,  dem  in  Je-do 
zum  Besuche  erschienenen  Fürsten,  meine  Absicht  erreichen 
könnte!  —  Sie  trieben  die  heimlichen  Gespräche  auf  das 
Aeusserste. 

Midzu-e-Tnon-ga  waka-tb  mbsi-se-si-wa  soregaM  woja-wa 
Afi  -^  (tsiaku'si)  san-n-nawo  tono-ni  tauki-^oi-n-kordo  fon-i-wo 
togezu'site  munasi-ku  kuni-moto-nite  mi-makan-gi  toki  sono  fb-wa 
fS  ^  (ftt-rfaij-no  mono  nare-ha  nanuto-zo  gite  zi-nan  san-nan-wo 
wo-mi'tate-mbsi  woja  animo  kataki-wo  utc^e-mbsi  kano  i-siü-wo 
farcLse-jo.  Ware-wa  tada  kono  koto  nomi  kusa^ha-no  kage-made- 
mo  womo-zo  ai-kamajete  munasi-ku  ruMu-na-to  jS  '^  O'^i-gon)- 
aite  owari-nu.  Negawaku-wa  ^  p^  ]^  (go-rib-sioyno  mtke- 
datsi  jwusase'tamaje-to. 

Der  Begleiter  Midzu-e-mon's  sprach:  Mein  Vater  war 
dem  erstgeborneu  Sohne,  dem  Herrn  San-si-nawo  zugesellt^ 
doch  er  erreichte  seine  Absicht  nicht,  und  zur  Zeit  als  er 
vergebens  in  seinem  Reiche  starb,  sagte  er:  Da  du  die  Oe- 
schlechtsalter  hindurch  zu  dem  Hause  gehörst,  so  sieh  auf 
den  nächsten  Sohn  und  auf  den  dritten  Sohn,  lasse  sie  den 
Feind   des  Vaters   und   des  Bruders   tödten   und   diesen  Haas 


Begebenheiton  neuerer  Zeit  in  Japan.  27 1 

löschen.  Ich  habe  nur  an  diese  Sache  sogar  in  dem  Schatten 
der  Blätter  der  Pflanzen  gedacht.  Bringe  es  in  Ordnung  und 
handle  nicht  vergebens.  —  Nachdem  er  mir  diese  Worte 
hinterlassen,  starb  er.  Ich  bitte,  dass  ihr  mir  erlaubet,  euch 
Beiden  das  helfende  Schwert  zu  sein. 

Kuri-kajesi  i-i-si-ka-ba  p^  ^  (rib-ninj-no  iwaku  ija  huni- 
mato-ni   ^^  ■&  (rb-bo)  ari  iaogi  kttdari  kano  josi-wo  mbsi  ^ 

(tsüyzerjo  y^  — •  (ban-itsi)  ^  ;|B  (susonj-zi-tara-ba  rib-nir>ni 
nari-kawari  fatDa-too  jb-iku-itase.  Mosi  somuku-ni  oi-te-wa 
J\^  A  (8it8i'8ib)'7nade'no  ^  ^  (kan-d^yto  ari-kere-ba  stkara- 
ha  kono  uje-toa  tsikara  nasi  aa-ara-ba  kono  tokoro-jori  — —  J^ 
(iigi-ri)  bakari-no  sono  tokoro-wa  matsu  woi-sigeri  kage  araware- 
gataki  koio  nare-ba  soregasi  kate-wo  motsi-juki  ai-matan-ni  fon- 
i-no  uje-nite  sen  sono  tokoro-je  kitari-tamaje  kanarazu-kanarazu- 
to  ari-kere-ba  kono  koto  sikaru-besi  tote  ^  ^  (siü-zin)  midzu- 
e-mon  kata-wo  — •  p^  0  (itsi-rtb-nif^yno  fima-wo  koi-te  ide- 
jukx'keri. 

So  drehte  er  die  Sache  mit  Worten  herum.  Die  beiden 
Menschen  sprachen:  Nein!  In  dem  Reiche  haben  wir  eine 
alte  Mutter.  Reise  eilig  hinab,  melde  diesen  Umstand  und 
theile  es  mit.  Wenn  wir,  zehntausend  gegen  eins,  zu  Schaden 
gekommen  sind,  so  vertritt  die  Stelle  von  uns  Beiden  und 
ernähre  die  Mutter.  Wenn  du  diesem  zuwider  handelst,  hast 
du  bis  zu  dem  siebenten  Leben  den  älterlichen  Zorn. 

—  Wenn  es  so  ist,  so  geht  darüber  keine  Stärke.  Also 
an  einem  Orte,  der  von  diesem  Orte  eine  Weglänge  entfernt 
ist,  wachsen  Fichten  dicht  und  in  Menge.  Da  ein  Schatten 
sich  nicht  zeigen  darf,  nehme  ich  Lebensmittel  mit  und  warte 
auf  euch,  es  wird  mehr  als  euer  ursprünglicher  Wille  sein. 
Kommet  zu  diesem  Orte. 

—  Gewiss,  gewiss. 

—  Diese  Sache  wird  angemessen  sein.  —  Er  bat  den 
Voi^esetzten  Midzu-e-mon  um  einen  oder  zwei  Tage  Urlaub 
und  ging  fort. 

Kiisi'Suke'Wa  si-guatsu-no  kokono-ka-no  J^  äB  (8b'te6)'-ni 
«Ä-2m  siba-e-mon-je  p^  Jj^  (aaku-ban)  negai-mbsi-g^rb  towori 
^  Wi  0^^'^)  itstt-tsu  toki-ni  kuni-kator-no  mono  kono  BB 
(jekij-wo  towori^si  niama  sibasi-no  itoma  tamaware  tote  ide-si-too 


272  Pfisnftier. 


idü'Zin  mada  wosoku-mo  arazi  ^  ^  4^  (kami'Saka'jaJdywo 
rite  juke-to  ije-ha  üsu-mo-no  gotoku  sore-aore-wo  totonoje  anm-ti 
koto  sfikori-mo  iro-ni  idasazu.  Ai-tsutomete  sore-jori  siro-no  wa- 
fori-no  fata  matsu-no  ko-kage-ni  ^  (konj-no  fitcje-mofUHii 
tDOwo-waki-z<uunite  sinobi-i  miäzu-e^mon  towotH-ri  tokoro-wo  oiotir 
to  matri-uke-tari. 

Kitsi-Buke  sprach  am  frühen  Morgen  des  neunten  Tages 
des  vierten  Monats  zu  dem  Vorgesetzten  ^Siba-e-mon:  Um  was 
ich  gestern  Abends  gebeten  habe :  Heute  Morgen  um  die  fünfte 
Stunde,  während  ein  Mensch  von  Seite  des  Reiches  durch 
diese  Post  gegangen,  gewähret  mir  fiir  eine  Weile  freie  Zeit,  — 
Hiermit  trat  er  hinaus. 

Der  Vorgesetzte  sprach:  £s  ist  noch  nicht  spät.  Mache 
mir  den  Mondausschnitt  des  Haupthaares  und  gehe  dann  fort. 

Jener  brachte  alles  in  Ordnung  wie  gewöhnlich  imd  Hess 
das,  was  er  dachte,  nicht  im  Geringsten  durch  die  Miene 
kund  werden. 

Nachdem  er  den  Dienst  verrichtet,  blieb  er  in  dem  Schatten 
der  an  dem  Rande  des  äusseren  Grabens  der  Feste  befind- 
lichen Fichten,  in  einem  blauen  einfachen  Kleide  und  mit 
einem  grossen  kurzen  Schwerte,  verborgen.  Er  wartete  mit 
Ungeduld,  bis  Midzu-e-mon  hindurchgegangen  sein  würde. 

Mari'fei'Wa  riü-zin-jori  waka-tb-ni  su-beki  josi-wo  Jt  ^ 
(aai-san)  iware-ai-ka-do  katau-te  vkezari'ri-ga  nani-to  amoukerw 
ni-ja  kono  aida^wa  kata-zi-ke-naki  josi-wo  mbse-ba  aiü'zin''jori 
katana  tamawan  na-too  ^^  (tsu)'e'mon-to  arat-amu.  Kono  koto 
wodzi-ni   kikaae-ri-ni  ika-bakari  jorokobi   ^J  4^    (dziü-daij-no 

fttO'koai'WO  kure-ai-wo  aiü-zin-je  miae-kere-ba  BB  (aeki)  idzumi 
kami-no  ZL  /}.  fw***Miifctt^  ^  tJ*  (aan-aunyno  kowori-no  gotoku- 
nite  kimo-wo  fijaai-faheri-ai, 

Mori-fei,  obgleich  ihm  von  Seite  des  Vorgesetzten  zwei- 
bis  dreimal  gesagt  wurde,  dass  er  den  Begleiter  machen  solle, 
nahm  es  niemals  an.  Was  mochte  er  sich  gedacht  haben? 
Da  er  unterdessen  etwas  Verbindliches  sagte,  erhielt  er  von 
dem  Vorgesetzten  ein  Schwert  zum  Geschenke  und  man  ver- 
änderte seinen  Namen  zu  Tsu-e-mon.  Er  brachte  die  Sache 
dem  Oheim  zu  Ohren.  Dieser  freute  sich  ungemein  und  gab 
ihm   ein    durch  mehrfache  Geschlechtsalter  vererbtes  Schwert. 


Begebenheiten  neuerer  Zeit  in  Japan.  273 

Als  Mori-fei  es  dem  Gebieter  zeigte,  war  es  gleich  dem  zwei 
Schuh  drei  Zoll  messenden  Eisen  Seki's,  Statthalters  von  IdzumO; 
und  erkältete  das  Herz. 

Säte  ja-ka-  ni  midzu  -  e  -  mon  -  kata  -no  "JC  "^  (ge  -  dzio)  -  ni 
giroki  nta-wohi  futa-suzi-no  fasi-nui-too  tanomi  kokono-ka-no 
sb-teo  nü-zin-no  kia-ra-no  ahura  moto-jui  nado  totoncjen  tote  ide- 
si-ni  ]^  IQ  (fu'to)  tcowo-te-nite  midzu-e'mon'ni  ai-si  kore-wa 
f'tsu-ni  kawari  j\\  HJ  9}  (ko-ja-rb)  itsi-nin-nite  wo-sagaH  ika- 
ga  kokaro-moto-nasi-to  i-i-si-ka-ba  rmdzu-e-mon-ga  itoaku  sare-ba 
^  Wi  (kon-teo)  koto-no  foka  gS  ^J&  (dzy^tsitj-se-si  juje  itau^ 
tsu-no  ^^  (ban)-kawari-wo  matsi-kane  ^  ^  (dö-jakuj-ni 
koUnt>arU'Wo  täte  ja-rh-ga  kusuH  motsi'kita'ii'si'WO  saiwai-no  koto- 
ni  omoi  kajeru-to  are-ba. 

Am  achten  Tage  des  Monats  begehrte  er  von  der  Magd 
Midzu-e-mon's  einen  weissen  unteren  Gürtel  mit  einer  Rand- 
naht  von  zwei  Fäden.  Am  frühen  Morgen  des  neunten  Tages 
des  Monats  sagte  er,  dass  er  für  den  Vorgesetzten  Calambacöl, 
Haarschopfbänder  und  Anderes  herschaffen  werde  und  ging 
hinaus.  An  der  Vorderseite  der  Feste  begegnete  ihm  un- 
verhofft Midzu-e-mon. 

—  Dieses  ist  anders  als  gewöhnlich.  Ihr  kommt  mit 
einem  kleinen  Burschen  herab.    Wie  könnt  ihr  ängstlich  sein? 

Auf  diese  Worte  erwiederte  Midzu-e-mon :  Weil  ich  diesen 
Morgen  einen  ungewöhnlichen  Kopfschmerz  hatte,  konnte  ich 
den  Wechsel  der  fünften  Nachtwache  nicht  erwarten.  Ich  ent- 
schuldigte mich  gegen  meine  Dienstgenossen.  Dass  der  Bursche 
mit  Arzneien  gekommen  war,  hielt  ich  für  einen  glücklichen 
Umstand  und  kehrte  heim. 

Sikara-ba  nanigasi  "j^  ^  (an-ma)  itasi  ^fö  ^^  (red-dzi) 
md-irasen  nado  tawamure-to-mo  ae-n-ni  midzu-e-mon-no  iwaku 
9ono  fh  kutsi'ire-no  siba-e-mon  ke-rai-no  kitn-svke-wa  nanv-to-mo 
ga-tenrno  jukanu  manako-zasi  nari  kasanete  Ä  ^U  (rio-guai) 
ara'bauttesuten'toare-batau'e'fno itoaku'^  ^  (ge-gej-wa  tare-si- 
mo  onazi'koto  nari  tada  wowo-me-ni  mi-tamaje-to. 

—  Ich  werde  also  das  Kneten  vornehmen  und  die  Hei- 
lung bewerkstelligen. 

Er  machte  noch  andere  Scherze,  doch  Midzu-e-mon  sprach: 
Ber  von  euch  empfohlene  Kitsi-suke,  der  Hausgenosse  Siba-e- 

Sitmgtber.  d.  phiL-hiit.  Cl.  XCY.  Bd.  I.  Hfl.  18 


274  Pfiim»i«r. 

mon's,    wirft   Blicke,    die    ich  gar    nicht   verstehe.     Wenn  er 
wieder  unartig  ist,  werde  ich  ihn  niederhauen. 

Tsu-e-mon  sprach :  Unter  den  Niederen  findet  bei  Jemandem 
dieselbe  Sache  statt    Sehet  ihn  nur  mit  grossen  Augen  an. 

lü  tokoro'je  hUsi-svke  matsu-kage-jori  tobi-idete  isi-t  ih* 
mon-ga  segare  naka-kura  nari  woja  narabi-ni  ani-no  kataki 
obajeta-ka-to  iü  mama-ni  kasira-jori  fana-no  sita-Je  fan-hun-n 
kitte  otosu,  Wonazi-ku  wototo  gen-kura  nari  tote  kata-saki-jm 
wowo-ge-sa-ni  kiri-fanasu,  Soregcui  kib-dai  8an'ziü'9an'8€Ü''to  son- 
ziü-sai'to  kono  fi-ni  atari-te  i£  ^  (nen-ratj-no  ^  jSf  (1io-»j-«» 

^  (tos)  seri  köre  fito-je-ni  ^  ^fjjf   (butsu-zinj-no   on-megumi 

mata-wa  "^  ^  (bö-fu)  i^  ^  (bb'kib)'no  kusa-ma-no  ^  jjj 
(nen-^riki)  nari  tote  te-wo  awase  TO  "jtf  (si-fSJ-ioo  fai-si.  Säte 
kaki'woki-si  — •  ^A  (ipptl)  midzu-e-vion-ga  fakama-no  kosi-ni 
jui-tsuke  kib'dai  moro-tomo-ni  asi-bajaku  ij^  ^  (ztö-guai)  »asi-te 
ide-keri. 

Indem  er  dieses  sagte,  stürzte  Kitsi-suke  aus  dem  Schatten 
der  Fichten  hervor  und  sprach:  Es  ist  Naka-kura,  der  Sohn 
Isi-I  U-e-mon's.  Feind  des  Vaters  und  zugleich  des  älteren 
Bruders,  hast  du  es  gemerkt?  —  Mit  diesen  Worten  hieb  er  ihn 
von  dem  Haupte  bis  unter  die  Nase  entzwei  und  streckte  ihn 
nieder. 

Er  sagte :  Es  ist  ebenso  der  jüngere  Bruder  Gen-kura.  —  ' 
Mit    diesen    Worten    hieb   er   ihn    von    dem   Vordertheile  der 
Schulter  bis  zu  der  grossen  Schärpe  entzwei. 

—  Wir  Brüder  haben  nach  drei  und  dreissig  Jahren  und 
dreissig  Jahren  diesen  Tag  erlebt  und  haben  den  jahrelangen 
Willen  durchgesetzt.  Dieses  ist  einzig  die  Gnade  des  Buddha- 
geistes  und  die  Entschlossenheit  des  verstorbenen  Vaters,  des 
verstorbenen  älteren  Bruders  zwischen  den  Pflanzen. 

Dieses  si^nd,  legten  sie  die  Hände  zusammen  und 
verbeugten  sich  nach  den  vier  Gegenden.  Nachdem  sie  ein 
zurückgelassenes  versiegeltes  Schreiben  an  den  Lendentheil 
der  Beinkleider  Midzu-e-mon's  gebunden,  gingen  die  Brüder 
gemeinschaftlich  in  der  Richtung  ausserhalb  der  Feste  hinaus. 

Ko'ja-rb'toa   kore-ni  odoroki  kakoi-no  fori-je  otn^si-ka-do 

jb'jaku  fai-agari  koto-no  ^  j|^   (8i'Ziü)-wo  mi-taii-Bi  aassoku 

tono-je   gon-zib-si    kudanno  — •  ^   (ippüj-wo  firake-ha  wowo- 


Begebenheiten  neuerer  Zeit  in  Japan.  275 

zaka  i-rai-no  dan-dan-wo  kaki-tsukusi  jä  /^  (zi-hunyzi-bun 
j^  ^  (ke-mib)  tf  ^^  (ziUn-mibJ^wa  mbrn-ni  ojobazu  katana 
v>aki'zasi-no  ^  (mei)  made  kuwasirku  sirusi-t^geH. 

Der  kleine  Bursche^  darüber  erschreckend;  fiel  in  den 
Graben  der  Umschliessung,  doch  er  kroch  allmälig  empor  und 
hatte  den  Anfang  und  das  Ende  der  Sache  gesehen.  Er  mel- 
dete es  unverzüglich  dem  Herrn.  Als  man  den  erwähnten 
Brief  öffnete^  waren  seit  Wowo-saka  die  Umstände  vollständig 
Diedei^eschrieben;  und  man  hatte  aus  eigenem  Antriebe  den 
falschen  Namen^  den  wirklichen  Namen  und,  was  anzugeben 
nicht  nöthig  ist,  selbst  die  Inschriften  des  Schwertes  und  des 
kurzen  Schwertes  ausfuhrlich  bekannt  gemacht« 

Wotte-ni'Wa  tare-ka  kare-ka-to  futa-toki  bakäri  ^  (anj-zu 
tamai'te  jlhjaku  todse-idarare-st-to  nari  makoto-ni  fukaki  go^ 
Ä  Ä  (»i'rio)'ja'to  mina-ßto  kan-zi-ajeri,  Rib-nin-^no  mano-wa 
kanete  i-i-awase-si  matsu-jama-no  ut^i-ni  san-si-nitsi  tamerai-i-te 
^  j§  (tob'kuan)'no  ftto-no  utvasa  kUd-todoke  mo-faja  wotte-no 
kirtsttkai  rmsi  tote  waka-Üb-wo  fon-koku-je  kajesi. 

Unter  den  Verfolgern  betrieben  diese  und  jene  durch 
zwei  Stunden  die  Untersuchung,  und  endlich  wurde  das  Wort 
herausgegeben.  Sagend,  es  sei  wirklich  eine  tiefe  Ueberlegung, 
waren  alle  Menschen  in  Gemeinschaft  gerührt. 

Die  beiden  Menschen  hatten  sich  im  Voraus  verabredet. 
Sie  weilten  in  dem  Gebirge  der  Fichten  drei  bis  vier  Tage 
unschlüssig  und  hörten  das  Gerede  der  hingehenden  und 
zurückkehrenden  Menschen.  Sie  sagten:  Von  den  Verfolgern 
ist  bereits  nichts  zu  besorgen.  —  Dabei  schickten  sie  den 
Gefährten  in  das  Reich  zurück. 

Rib-nin-wa  madzu  uje-kata-no  gch  |l^  p^  (tsib'-menywo 
kesan  tote  juki-si-ga  saka-no  sita-no  ^8  (jefti)-ni  go^roku-fiaku- 

Hki-mo  toran-to  ohori-ki  bu-ai-no  "*K  |n)  (ge-ko^seru-wo  mi-kake 
^^n  ^  4JJJ^  (mU'8in)'no  koto  ari.  Ka-jb-ka-jb-no  ^  ^t 
(fi-nüj'nite  tada-ima  tatsi-sari-d  kono  aida  ^  ^  (san-ja) 
inadoroniazu  koto-no  foka  tsukare-si  mama  sibasi  on-kakoi  ari-te 
j(uum(uete  gusi-to  ije-ba. 

Die  beiden  Menschen,   sagend,  dass  sie  vorerst  das  hohe 

Register  löschen  werden,  gingen  fort.    An  der  Post  unter  der 

B^^eppe  zog  ein  Kriegsmann,   von  dem  man  glaubte,   dass 

18* 


276  rfismaier. 

er  fünfhundert  Scheffel  einnehmen  werde,  abwarte.  Als  sie 
dieses  sahen,  war  bei  ihnen  ein  wenig  Widerstreben.  Mit 
solchen  Absichten  eben  jetzt  fortgegangen,  hatten  sie  unter- 
dessen durch  drei  Nächte  nicht  geschlummert.  Während  sie 
ungemein  ermüdet  waren,  trafen  sie  nach  einer  Weile  auf  eine 
Einschliessung.  Sie  sagten:  Möchte  man  uns  doch  ausruhen 
lassen ! 

Sahurai'toa  tagai-no  koto  nari  tote  j^  (tsiaj'ja-no  tDoku-no 
ma-ni  fan-nitsi  hakari  ne-scise  mo'faja  JJ^  (ban)'m  ojabi-ai  mafM 
jukase-jo  tote   3(^  ^   (reo-ri)   tmsunie   ^  ^  (kin)-su  -|-  ^ 

(ziü-rib)  tori-idasi  ikagasi-ku  sbrajedotno  tada  >p  Q  ^  (/«- 
z%'jü)'tDO  tasi-tamaje-jo-to  are-ba  tsika-goro  won-kokoro-zasi-wa 
wasure-gatasi.  Kono  fo-ni-mo  taknwaje-'mono  se-si  tote  ^  ^ 
(fiaku-rih)  bakari  tori^dtuimisure-ba  tanomosi-ki  won-  ^  (nj-kata 
nari  iza  aara-ba-sara-ba-to  tagai-ni  jjjtt  ä^  (rei'gi)-foo  noht 
Ä   ^[i  (nan-boku)'je  wakarete-gerL 

Der  Kriegsmann  sprach:  Es  ist  eine  gegenseitige  Sache. 
Schlafet  in  dem  inneren  Zimmer  eines  Theehauses  den  halben 
Tag.  Da  es  schon  gegen  den  Abend  ist,  gehet  hin.  —  Hier- 
mit trug  er  ihnen  gekochte  Speise  an,  nahm  zehn  Tael  in 
Goldstücken  hervor  und  sagte:  Ich  bin  zwar  in  Ungewissheit, 
doch  helfet  damit  nur  bei  Ungelegenheit  aus. 

—  Eure  eben  kundgegebene  Absicht  ist  unvergesslich. 
Auch  bei  uns  hat  man  einen  Vorrath  angeschafft. 

Hiermit  nahmen  sie  hundert  Tael  hervor  und  zeigten 
sie  ihm. 

—  Es  ist  eine  verlässliche  Handlungsweise.  Also  lebet 
wohl,  lebet  wohl! 

Sie  bezeigten  sich  gegenseitig  ihre  Achtung  und  trennten 
sich  nach  Süden  und  Norden. 

Säte   awO'jama   ina-ba-no  kami  toiw  go-  -^    Ö    (si-soku) 

simo-tsuke-no  kami  tono-wa  jÄ  j^  (jen-siü)  ^  ;[^  (fama- 
maisuyno  airo-ni  ima-zo  kajen-kere-ba  rib-san-nin  tatsi-kajeri- 
si'WO  tagui-mkunaki  mono-domo  tote  ika-bakari  itoawase-tamai 
ani  naka-kura-ni  woja-no  jfc  jA  (fon-tsi)  ni-ßaku-go-ziü-aeki 
wototo  moto-kura-ni  ^Üf  j|h  (sin-tn)  ni-ßaku-seki  tamawari  ja-siki 

sabisi'ku  kakoi  ^||:  ^   (ban-nin)  sore-sore-ni  wose-tBukerare-si-to 

nari,      Makoto-ni    ^  '^  ^    (mi'80'%i,)'no    koto    tote  tsutaje-si 


B«g^henh6ii«n  n«tt«rer  Zeit  in  Japan.  277 

fito-bito    J^    (kan)'Zezai*U'tDa  na-kan-si.      jj^    (JoJ-ni  gen-roku 
i^  ^  (^^'9^)  ^**  mote-fajase'Si'mo  ito  imizi-ki  ^  (setsu)  nari. 

Als  der  Herr  Statthalter  von  Simo-tsuke,  der  Sohn  Awo- 
jama's,  des  Herrn  Statthalters  von  Ina-ba,  zu  der  Feste  Fama- 
matsu  in  Jen-siü  jetzt  zurückgekehrt  war,  kehrten  die  zwei 
oder  drei  Menschen  heim.  Er  sagte,  es  seien  Menschen,  der- 
gleichen es  wenige  gebe  und  Hess  ihnen  in  grossem  Masse  Glück 
wünschen.  Dem  älteren  Bruder  Naka-kura  wurden  zweihundert 
fünfzig  Scheffel  als  das  ursprüngliche  Lehen  des  Vaters^  dem 
jüngeren  Bruder  Moto-kura  zweihundert  Scheffel  als  neues  Lehen 
verliehen.  Der  Grund  war  einsam  und  wurden  Wächter  der 
Umschliessung  jedem  Einzelnen  hinzugegeben.  Man  sagte,  es 
sei  eine  Sache,  welche  in  Wirklichkeit  noch  nicht  vorgekommen, 
and  überlieferte  es.  Unter  den  Menschen  war  keiner,  der  es 
nicht  bewundert  hätte.  In  der  Welt  sagte  man :  das  Geschlecht 
So-ga  des  Zeitraumes  Gen-roku,  und  indem  man  es  rühmte, 
waren  es  aasgezeichnete  Reden. 


-f^   fli    (WowO'Zaka)  ^  £^  (sed-nen)  ^  («Ä)-m  sitai 

Ein  Jüngling  von  Wowo-zaka,  nach  dem  Vor- 
gesetzten sich  sehnend,  tödtet  sich  selbst. 

WotDO'Zaka  ^  J^  (a-tsutstj-matai-no  ^  ^  (je-ra) 
^   ^   ^  {ßko'San-finJ    ko    j^    (fikoj-ta-^b    aan^sai-no    toki 

/J\  ^  (ko-nKmoj'ni  ^  (kanj-ta-rb  tote  ziü-issai  naru-wo  wokir 
91 -ga  SB  Ä  (ted'hd)  nare-ntasi-mi-keru-ga,  Fiko-ta-rb  foBsai" 
no  toki  fu-to  wadznrai'tsvki-te  ^  ^  (zi-scnj-ni  taTionU-naku 
nari'te  kan-ta-rb-too  taikadznkete  woja-tatsi  ^  -ffl:  (niü-boj-ni 
saki'datgu  koto  ze^fi-mo  nasi-to  omoje'domo  tada  nandzi-nt  wakaren 
koto-no  kanasi'Sa'jO'to  ije-ba  kan-ta-rb-ga  iwaku  moai  jfc  (f^^)' 
buku-mo  owasezU'Wa  S^  ^  (mei-do)  ^  ^  (kub-senj-no  tomo- 
n-nan  on-kokoro  jasu-kart^to  fukakn  i-i'kaioase'si'ni  fodo-naku 
'rai'-fit  fakanaku  nain-si. 

Als  Fiko-ta-r6,  der  Sohn  Je-ra  Fiko-san-fin's  von  der  Strasse 
A-tsutsi  in  Wowo-zaka  drei  Jahre  alt  war,  bestellte  man  zum 
dienenden  Knaben  einen  Menschen  Namens  Ean-ta-r6,  welcher 


278  PfiimaUr. 

eilf  Jahre  alt  war.  Derselbe  war  am  Morgen  und  Abend  ver- 
traut und  freundschaftlich.  Als  Fiko-ta-r6  acht  Jahre  alt  wv, 
befiel  ihn  unvermuthet  ein  Unwohlsein,  und  sein  Zustand  wurde 
im  nächsten  Jahre  hoffnungslos.  Er  zog  Kan-ta-r6  nahe  zu 
sich  und  sagte:  Ich  glaube,  es  ist  keine  Frage,  dass  ich  den 
Aeltern  und  der  Amme  im  Tode  vorangehe,  doch  welch'  eine 
Betrübniss,  dass  ich  von  dir  getrennt  sein  werde! 

Kan-ta-r6  sprach:  Wenn  deine  Wiederherstellung  nicht 
erfolgt,  so  werde  ich  dir  auf  dem  finsteren  Wege,  an  den 
gelben  Quellen  Gesellschaft  leisten.  Sei  im  Herzen  beruhigt  — 
Er  gab  ihm  ein  feierliches  Versprechen.  Nicht  lange  Zeit  darauf 
verschied  Jener. 

Kan-ta-rb^wa    ^  ^  (nü-zinyno  —   ^    tt|   (ikka-tsiü) 

kujami-^'i  ariki-te  naka-itri-nitn  tooki-te  ^  B8^  (nükaij-ni  agari 
wosi'fada-nugi  ßdari-no  waki-ni  waki-ztui-wo  tstM-tatete  migiri- 
no  toaki-je  ßki-mawasi  jA  JS  (km-hij-jori  foB<Mio  sita-madt 
-l-  ^  ^  (ziü'tnon'zij'ni  kiri-te  fuje-wo  kaki^si-ni  fone-mo 
kirete  usiro-no  ^  (kawa)  sukosi  kakart-si  sono  wakt^zcui-rco 
tsuje-ni  tsuki  kahe-ni  motarete  ^  (sij-su.  Waki-zcLsi-no  kissdid 
si-gO'bu  bakain  wore-tari-si. 

Ean-ta-r6  ging  umher,  indem  er  in  dem  ganzen  Hause  des 
Vorgesetzten  sein  Leid  klagte.  Nachdem  er  einen  Tag  dazwischen 
gelassen,  stieg  er  in  das  zweite  Stockwerk.  Schnell  den  Oberleib 
entblössend,  in  die  linke  Seite  das  kurze  Schwert  stossend,  drehte 
er  dieses  zu  der  linken  Seite,  machte  von  der  Herzgrube  bis 
unter  den  Nabel  einen  Durchschnitt  und  zerkratzte  dann  die 
Kehle.  Indem  auch  der  Knochen  durchschnitten  war,  hing 
rückwärts  die  Haut  ein  wenig  herab.  Auf  das  kurze  Schwert 
wie  auf  einen  Stab  sich  stützend,  lehnte  er  sich  an  die  Mauer 
und  starb.  Die  Spitze  des  kurzen  Schwertes  war  vier  bis 
fünf  Linien  weit  gebrochen. 

^   ^   (Ka-nai)  odoroki  ^  ^IL  (kd-gij-je  tUtoje-ri-ka-ba 

4^  ^  f  X;en-n)  kitari-te  ware-ra  iku-tahi-ka  ^  ^  (zt-gtUJ^e- 
si-^oo  mi-si-rd  kakaru  kenage-naru  furumai  kiki-mo  ojobcau-to 
^  (kanj'zi'keru.  ^fß  j^  (Wa-siUJ-ni  oja-no  an-si-ga  kono  tet- 
wo  mite  fi-goro-no  on-nengoro-ni  kakaru  kokoro-baae  nasi-ie-ioa-to 
iaagijoku  mbse-si. 


B«geb«nlieiten  neuerer  Zeit  in  Japan.  279 

In  dem  Hause  war  man  erschrocken  und  meldete  es  der 
Obrigkeit.  Der  untersuchende  Abgesandte  kam  und  sagte  voll 
Bewunderung:  Wir  haben  wohl  mehrmals  gesehen,  dass  man 
einen  Selbstmord  beging,  allein  ein  so  kühnes  Vorgehen  ist 
uns  nicht  zu  Ohren  gekommen. 

In  Wa-siü  befand  sich  der  Vater  Kan-ta-r6's.  Diesen 
Zustand  sehend,  meldete  er  aufrichtig:  Er  hat  in  seiner  lang- 
jährigen Freundlichkeit  einen  solchen  Entschluss  gefasst. 

Katawara-ni  — -  ^  (ittsüj-no  kaki  tooki-ari-si-ga  go-bu- 
S^  15  ^  (tw-warw)  ;g  ^  (iwa-mi)  tono  ^  ^  (fi-ken)-8i- 
tamb-ni  ^  ffl  (bun-teij^mo  oU/na-si-ha  sin-zin-no  S^  ^  (mei- 
do)'no  tomO'Seru  jasi-no  ^  (bun)  nari-kere-ba  tono-mo  namida- 
ni  mute-tamai-te  ana  fu-bin-ja  ima-doki-wa  byrsi-ni-mo  kakaru 
mono-wa  mare-naru^zo-ja  mamrte  matsindo-no  ge-ge-to  i-i  ^  fe 
(ziaku-nenj-nite  san-to-wa  ^  ^  (ki'taij-no  mono  kana.  Ato- 
jori  toburai-te  torase-jo-to  wdserare-si  sunawaUi  ^^  ^  (d6-tan)- 
fori  ^   P  (sen-nitsiydera-ni  ^  :^  (8iil'zijü)-no  ist-  ^    (tb) 

— •  fif  (is^toj-^i  tatsi'Si'tO'ZO,    Kono  koto  jen-fo  go-nsn  si-guatau 
ni'ZÜi-jokka'nite  ari-ai. 

Zur  Seite  war  eine  Schrift  zurückgelassen  worden.  Als 
die  Oberaufseher,  die  Herren  Isi-maru  und  Iwa-mi  sie  öffneten 
und  durchsahen,  waren  die  Schriftzüge  männlich,  es  war  eine 
Schrift,  welche  besagte,  dass  er  der  Begleiter  des  Vorgesetzten 
aaf  dem  finsteren  Wege  gewesen.  Auch  der  Herr  schluchzte 
unter  Thränen  und  sagte :  Ach  wie  bedauerlich !  In  der  gegen- 
wärtigen Zeit  ist  selbst  unter  den  Kriegsmännern  ein  solcher 
Mensch  selten.  Um  so  mehr  ein  Jüngling,  welcher  einer  der 
Niedrigen  der  Menschen  der  Strasse  genannt  wird,  er  ist  somit 
ein  Mensch  der  seltenen  Zeitalter.  Nachher  lasset  ihn  den 
Besuch  des  Grabes  annehmen. 

Man  errichtete  dann  an  dem  Graben  D6-ton,  in  dem 
Kloster  der  tausend  Tage,  zugleich  die  steinerne  Pagode  des 
Gebieters  und  Dieners. 

Dieses  ereignete  sich  am  vierzehnten  Tage  des  vierten 
Monates  des  fünften  Jahres  des  Zeitraumes  Jen-fd  (1677  n.  Chr.). 


280  Pfiimaier. 

FaiDOrioo  isame  mideu-ni  iru. 

Der  Mutter  Vorstellungen  machend,  stürzt  man 
sich  in  das  Wasser. 

Je-do  ko-ami  matsi-no  fotori-ni  am  mono-no  1^  ^  (ko- 
sitsu)  toai  san-ziil-sitsi-fatsi  bakan  narirn-ga  asa^na  jü-be-m  1f^ 
(funJ'WO  nuri  bem-wo  iroje  ^  ^  (i-sibj-ni  itam-made  ima- 
jb-no  fü-riü'WO  Uukusi  arui-toa  siba-i  ^  i^  (ken-butm)  arui- 
wa  kami'jasiro-mbde  tera-ma-iri  nado-io  mai-nitsi  idzuru  koto 
^  ^  (nen-getsu)  kasanari-kei-e-ba  "jy^  (jo)'no  sonri  fito-no 
azakeri  kiki-nikuki  koto^domo-nite  ari-sL 

In  Je-do,  in  der  Nähe  der  Strasse  Ko-ami,  war  die  zweite 
Gattin  eines  Mannes  sieben  bis  acht  und  dreissig  Jahre  all 
Dieselbe  legte  am  Morgen  und  am  Abend  weisse  Schminke 
auf;  färbte  sich  mit  Roth  und  selbst  in  ihren  Kleidern  erschöpfte 
sie  die  Zierlichkeit  der  gegenwärtigen  Tracht.  Bisweilen  sah 
sie  das  Schauspiel,  bisweilen  ging  sie  zu  dem  göttlichen  Altäre, 
besuchte  den  Tempel  und  andere  Orte.  Da  ihre  täglichen  Aus- 
gänge durch  die  Monate  des  Jahres  sich  wiederholten,  tadelte 
die  Welt,  die  Menschen  spotteten,  und  es  gab  zugleich  Dinge, 
welche  abscheulich  zu  hören  waren. 

Ni'Ziü-sai  bakari  naru  J|  -^  (nan-si)  ari-si-ga  kono  koUh 
wo  fukaku  Hoi-kanasi-mite  sasu-ga-ni  woja-ko-no  naka  i-i-gataku- 
te  fito-wo  tanomute  sama-zama-ni  isamure-domo  sara-ni  &  ^| 
(sib-inj-mo  sezan-kere-ba  sen-kata-naku-ja  omoi-ken  kaki-woki 
nengoro-ni    totonoje    ^    B|     (rib-kokuj-fasi-no    uje-jori    mi-wo 

"^  ^  (sen-ninj-no  ^  J[j^  (aui-teij-ni  nage-si-ga  nani-to-ka 
gi'tsuran  sidzumi-jedo  kawa-no  uje-ni  nagare-juku,  ffi^  ^  ^ 
(Koma'gata-dbyno  fotori-nite  ßto-bito  fiki-age-si-ni  sini-mo  jarade 
woja-moto-ni  oknri-kei^e-ba  fatoa  toaga  ajamatsi  juje  kaku  koso 
are-to  futsu-ni  "jg^  (jo)'WO  nnki-mono-ni  site  kami-tvo  kiri  sama-wo 
kaje  ^^  j^  (go-se)  ^   ÖJ  (san-maij-no  ßto-to   iiari-faberi-hi. 

Sie  hatte  einen  Sohn,  der  zwanzig  Jahre  alt  war.  Der- 
selbe empfand  über  diese  Sache  tiefen  Verdruss  und  Traurigkeit. 
Da  es  indessen  zwischen  Aeltern  und  Kind  unmöglich  war,  es 
zu  sagen,  bat  er  darum  einen  Menschen  und  machte  ihr  durch 
diesen  auf  allerlei  Weise  Vorstellungen,  doch  sie  stimmte 
durchaus  nicht  bei. 


Begebenheit«)!!  neuerer  Zeit  in  Japftn.  281 

Wohl  in  der  MeinuDg,  dass  sich  nichts  thun  lasse;  ver- 
fertigte er  eine  zu  hinterlassende  freundschaftliche  Schrift  und 
stürzte  sich  von  der  Brücke  Ri6-koku  in  die  tausend  Halb- 
klafter messende  Wassertiefe.  Was  er  auch  gethan  haben  wird? 
Er  konnte  nicht  untersinken  und  schwamm  auf  dem  Strome 
fort.  Bei  der  Halle  Koma-gata  zogen  ihn  Menschen  herauf. 
Er  war  nicht  todt,  und  man  schickte  ihn  zu  den  Aeltern. 

Die  Mutter  sprach:  Es  wird  meiner  Fehler  wegen  so 
geschehen.  —  Indem  sie  entschieden  die  Welt  fUr  nichts  hielt; 
schnitt  sie  das  Haupthaar  ab,  veränderte  ihr  Wesen  und  wurde 
ein  im  Guten  beharrlicher  Mensch  des  späteren  Zeitalters. 


Goku-rin-no  ^^  (sin)  toki-wo  matsi  QJ  (sai^wo  jfe|^  (ken)'Zu. 

Ein  überaus  geiziger  Diener  wartet  auf  die 
Zeit  und  macht  die  Qüter  zum  Geschenke. 

ij^  ^  (MatsU'fira)  Bogami-no  kamt  tono   ^  ^  (nai-sed) 

7  ilU  ji^  (fu-nio-ij-ni  tsuM  anbete  ^  pb  (ka-tsiü)  mbsi-awaae 

531  fy  (tsi-ge6)  "J^  (taka)-ni  ]g  (woj-site  ^  -^  (kin-au) 
fore-sare-ni  scm-age-n-ni  4^  ;fcj*  (take-mura)  i^  (zin)  go-e-mon  tote 
ni'fiaku'Seki  tamatoaru  Kiwamete  ijasi-ki  fito-nite  dH  ^  (ted- 
itki)  kuro-gome-mesi-ni  jaki-siwo-no  foka  nuka-mi-so-no  azi-wo-mo 
nrazari-ai  fodo-nite  fito  maziwaii'mo  ikko-ni  na-kari-sUga. 

Matsu-fira,  der  Herr  Statthalter  von  Sagami,  erfuhr  in 
Sachen  des  Inneren  Unannehmlichkeiten.  In  seinem  Hause 
reichte  er,  dem  übereinstimmend  angegebenen  Ertrage  des  Lehens 
entsprechend,  einem  Jeden  Geld.  « 

Ein  Mann  Namens  Zin-go-e-mon  aus  Take-mura  erhielt 
zweihundert  Scheffel  Gehalt  Da  er  als  ein  äusserst  gemeiner 
Mensch  am  Morgen  und  am  Abend  bei  seinem  Mahle  von 
schwarzem  Reis  ausser  gebranntem  Salze  nicht  einmal  den 
Qeschmack  der  Brühe  aus  Reiskleie  kannte,  hatte  er  auch 
dorchaoB  keinen  Umgang  mit  Menschen. 

JTono  tahi  uttoje-si-wa  sore-gasi-ga  jA  (roku)  -p  ^ 
(ziü-nen)  fai-nd  itasazu  sono  aida  ®  ij^  (gun-jaku)  mata-toa 
%  ^  ^  (sio-bu-td)  koto-gotoku  ai-tsutome  koto-ni  ^  ^ 
(faku-gin)  san-ziü-kuan-me  sad-agertai-to  fito-je-ni  negai'H-ka^ba 


282  Pfismaier. 

Umo-wo  fazime  gun-ain  mina  Ican-zi  tamajeri,  Sikare-d<mio  kwioRr 
no  negai-wa  ^  ^f;  (sio-sij-no  ^  (rei)'ni  more-keru  UAt  tike- 
taTnawazari-n-to  nari. 

Dieses  Mal  zeigte  er  an:  Ich  habe  den  Gehalt  durch 
zehn  Jahre  nicht  in  Empfang  genommen.  Ich  habe  unterdessen 
bei  den  Obliegenheiten  des  Heeres^  ferner  bei  den  Kriegs- 
männem  alle  Dienste  geleistet.  Ich  möchte  insonderheit  dreissig 
Schnüre  Silber  darreichen.  —  Hiermit  bat  er  flehentlich.  Von 
dem  Herrn  angefangen  bis  zu  den  Dienern  waren  alle  von 
Bewunderung  erfüllt.  Was  jedoch  die  erwähnte  Bitte  betraf, 
so  sagte  man,  es  sei  durch  die  Gewohnheiten  der  Kriegs- 
männer w^gefallen;  und  man  nahm  es  nicht  an. 


^  ^  (Siaku-sonJ-ni  "^  ^  -^  (bd-fu-boytii   manäjen 

koto-wo  0f  ^  (kt-güj'su. 

Man  erbittet  von  Buddha,  dass  man  die  ver- 
storbenen Aeltern  sehe. 

Je-do  ^  ^  (j(ht8U  jaj'ni  :j|||  pj   (woai-da)  jj  (aed)-»- 

mon  tote  ^  ^  (go-zibj-no  go-fd-kd-nin  ari  i^  ^  (jS-nenJ-ino 

toki  ^  -j^  (fu-bo)'ni  okure  ^jj^  A   (gan-siokuj-wo  toobcjezaru 
koto-^ßo  fukaku  nageki-si-ni. 

In  Jo-tsu  ja  in  Je-do  war  ein  Mann  Namens  Wosi-da 
Se6-e-mon  ein  Dienender  in  der  hohen  Feste.  In  den  Jahren 
der  Kindheit  von  seinen  Aeltern  zurückgelassen,  beklagte  er 
tief,  dass  deren  Züge  ihm  nicht  im  Gedächtnisse  waren. 

Gen-roku  san-ziü-nen-no  natsu  ^  ^  (raJcu-zai)  |^  ||^ 
(sa-gaj-no  siaku-son  ^  B|  ^  (go-koku'zij-nite  fatsi^ziü^nitsi' 
no  PI  ^||^.  (kai'tsib)  ari-gi-ni  mai-nitsi  ^  ^  (8an-r8)'no  negat- 
wo  wokosi  naJci  fu-bo-ni  fito-tabi  awase  gan-sioku  mi-ma-tras« 
kotoba-tDokawasase-tamaje-jo^to  — •  ^  (iBsin)'ni  ^  ^  (nm-gu)- 
se'si'-ka-'ba. 

Im  Sommer  des  dreizehnten  Jahres  des  Zeitraumes  Gen- 
roku  (1700  n.  Chr.)  war  im  Westen  der  Hauptstadt,  in  dem 
das  Reich  schützenden  Kloster  des  Buddha  von  Sa-ga  die 
achtzigtägige  Eröffnung  des  Vorhangs.  Er  brachte  jeden  Tag 
bei  dem  Besuche  die  Bitte  vor:   Lasse  mich  ein  einziges  Mal 


Begebenheiten  neuerer  Zeit  in  Japan.  283 

mit  den  verstorbenen  Aeltern  zusammentreffen,  ihre  Züge 
sehen  und  Worte  wechseln.  —  Er  betete  so  mit  ganzem  Herzen. 

Go-nitsi-ni  ataru  jfi^  Q'oJ-no  jume-ni  siaku-son-no  on-maje-ni 
W  ^1  (kiesen)   amata  ari-si  naka-ni  -|-^  ^ffi[  (zittoku)  ki-taru 

jjy  P^  (zen-^monj-wa  usircMvo  mi-matoiisi  ware-wa  nandzi-ga 
tiitsi  nari  ^    (joku)   koso  mai-nitsi   ^  ^    (san-keij-se-si-to 

iasika-nt  kotoba-wo  kawaae^ai  tsitsi-jori  ija-  ^^  1^  (sin-sin)  isami- 
te  inori'kererha  san-ziü-nitsi-ni  ataru  jfi^  (jo)-no  jume-ni  ma-no 
atari  fatoa-ni  mamije'faberi'Si  sono  tdtosa  mi-ni  simi-te  itsi-ri 
amari  fedate-si  tokoro-je  tsu-gb  san-fiaku-do  san-kei-si-tari-si. 

In  der  Nacht  des  fünften  Tages  träumte  ihm,  dass  vor 
Buddha  viele  Vornehme  und  Geringe  sich  befanden.  Unter 
ihnen  sah  sich  ein  in  ein  langes  Kleid  gekleideter  Bonze  nach 
rückwärts  um  und  sagte:  Ich  bin  dein  Vater.  Du  hast  gut 
gethan,  dass  du  jeden  Tag  den  Tempel  besucht  hast.  —  Durch 
den  Vater,  der  sicherlich  Worte  gewechselt  hatte,  fasste  er  in 
dem  gläubigen  Herzen  immer  mehr  Muth  und  betete. 

In  der  Nacht  des  dreissigsten  Tages  ti*äumte  ihm,  dass 
er  die  vor  seinen  Augen  befindliche  Mutter  besuchte.  Diese 
Ehre  machte  auf  ihn  tiefen  Eindruck,  und  er  erschien  an  dem 
durch  einen  Zwischenraum  von  mehr  als  einem  Ri  getrennten 
Orte  im  Ganzen  dreihundertmal  zum  Besuche  in  dem  Tempel. 


jj^  fS  {KiH-minywo  nigiivasi-sukui  ^M  (sibj-niö. 

Indem  man  das  erschöpfte  Volk  unterstützt 
und  rettet,  erhält  man  Lohn. 

Bittsiü-no  kuni  ^    ßj    (ja-taymura  ^  'jjc   (kS-zmJ-site 

ia-fata  koto-goioku  ^  "j^  (son-böj-se-si-ka-ha  "g"  jj^  (ßaku-aed) 
«ttde-nt  ^  ^  (ga-stj-ni  ojohi-^u,  jj  ^  (Sed-ja)  miru-ni 
taje-gaiaku  omoute  -^  ^  (bei^kokuj-mo  aru  kagiri-too  tori- 
idasi  wofKhwono-ni  kasi-ataje  mala  wara  anuUa  tarasete  zb-ri 
vara-zi  nado  tsukurasete  nigitDase-si-ka-ba  fito-hito  jorokobi-ajeru 
koto  kagiri-nasi. 

In  dem  Dorfe  Ja-ta,  Reich  Bittsiü,  war  grosses  Wasser, 
^  die  Felder  wurden  sämmtlich  beschädigt  und  zu  Grunde 
gerichtet.    Die   Menschen    des  Volkes    waren    dahin    gelangt, 


2H4  Pfritmaler. 

Hungers  zu  sterbeD.  Der  DorfUlteste,  der  dieses  sah,  hielt  es 
für  unerträglich,  er  nahm  das  Aeusserste  des  vorhandeoen 
Reises  und  Getreides  hervor  und  lieh  oder  schenkte  es  jedem 
Einzelnen.  Ferner  Hess  er  vieles  Stroh  nehmen,  Grasschuhe 
und  Strohschuhe  verfertigen  und  damit  betheilen.  Die  gemein- 
schaftliche Freude  der  Menschen  hatte  keine  Gränzen. 

Kono  goro  g  fj  (koku-sij-jori  ^  ^  (jf^asa)  ß  % 
(min-buJ'WO  ^  ^  (bu-gibj-to  site  ^  ^  (siO'sioJ-no  ^  ^ 
(kon-kiü)'WO  tculzune-tamai-si-ni  mura-mura-jori  f^  JE  (9^'^V 
tasuke-no  :H^  J3p  (fu'tsi)'WO  koi-si  koto  kazu-wo  sirazu. 

Um  diese  Zeit  machte  der  Keichsvorsteher  seinerseits 
Ju-asa,  einen  Angestellten  von  der  Abtheilung  des  Volkes, 
zum  Oberaufseher.  Derselbe  suchte  an  allen  Orten  die  Er- 
müdeten und  Erschöpften  auf.  Die  Zahl  der  Bitten  von  Seite 
der  Dörfer  um  Unterstützung  zur  Rettung  der  Verhungernden 
war  unbekannt. 

Sono  naka-ni  midau-ni  tsujoku  aterare-si  ja-ta-murorjori-wa 
nani-no  negoi-mo  sezare-ba  sed-ja-no  fakarai-to  süe  ko-fiakursei- 
wa  nni'Si'dai'to  omoukeru-ni-ja  fu-todoki-no  koto  nari-to  tote 
imizi-ku  sen-gi'si'tamai'kere'ba  tada-ima  koto  mbau-beki'toa  fon- 
i-ni-mo  arazu  mata  kakusu-beki'ni'nu)  fabet'azare-ba  tote  ari-no 
mama-ni  i-i-si-ka-ba  bu-gtb  te-wo  utsi  odoroki  ka-bakari  ^  ^ 
(ki-dokuj-no  koto  koao  are-to  sumyaka-ni  ^  ^  (iai'ziüyje 
uttoje-tamai-suni  J^  l(^  (kan-sin)  naname-narazu  owaai-te  J\,  >|C 
(fat8%'boku)'WO  tamawari-si-to  nari. 

Darunter  war  von  Seite  des  von  dem  Wasser  stark  be- 
troffenen Dorfes  Ja-ta  irgend  eine  Bitte  nicht  gestellt  worden. 
Man  sagte:  Ist  es  eine  Berechnung  des  Dorfältesten  und  hat 
er  vielleicht  gedacht,  es  sei  für  die  kleinen  Menschen  des 
Volkes  in  der  Ordnung,  dass  sie  sterben?  Es  ist  eine  Frech- 
heit! —  Als  man  genau  nachgeforscht  hatte,  hiess  es,  dass 
man  es  eben  jetzt  melden  solle,  ist  nicht  die  ursprüngliche 
Absicht,  man  kann  es  auch  nicht  verheimlichen.  Man  sagte 
es,  wie  die  Sache  sich  verhielt. 

Der  Oberaufseher  schlug  in  die  Hände  und  rief  erstaunt: 
Eine  so  wundervolle  Sache  sollte  es  geben!  Er  meldete  es 
schleunig  dem  Statthalter.  Die  Bewunderung  in  dessen  Herzen 
war  keine  geringe,  und  er  machte  ein  Geschenk  von  Reis. 


Begebenheiten  nunerer  Zeit  in  Japan.  280 

^  ÜSk  (^^*-J^0  ^  (heo)-wo  san-ziü-san  J^  (sio)'ni  inoru. 

Man  betet  wegen  der  Krankheit  eines  Nicht- 
verwandten an  drei  und  dreissig  Orten. 

Wotoo-zaka  naga-fori  naka-fast-no  zb^-uri  ^^  (ninj-be-e- 
ga  tana-ni  ^  ^.  (an-giaj-no  ^  (ad)  ko8i-kake  ^  (tsia)- 
vx>  koware-si'ka-ba  mi-gurusi-ku-wa  nije-domo  kore-je  irase-jo 
tote  tna-wan  aratame-susume-keri. 

In  der  Bude  des  Strohschuhverkäufers  Nin-be-e  an  der 
mittleren  Brücke  des  langen  Grabens  zu  Wowo-zaka  setzte 
sich  ein  wandernder  Bonze  nieder  und  bat  um  Thee.  Nin-be-e 
sagte:  Wenn  sie  garstig  ist^  so  schenket  ihn,  obgleich  er  ge- 
sotten isty  in  diese.  —  Hiermit  reichte  er  ihm  eine  neue 
Theeschale. 

Ntn-be-e-ga  ani  nari-si  ^fj  (itsij'be-e'to  iü  mono  i-awasete 
hm-nitn-wa  kokoro-zasi-no  fi-nite  arL  Madzusi-ki  soregasi  nare- 
domo  0^  ifQ  (so'sbj-naru  ^  ^    (fi'^0   ma-iraae-tasi-to    ije-ba 

^  Ä  (ki-dokuj-no  koto  an,    Jitki-te  toben  tote  tomonai-juki-H 

jj^  (sdj-no  iwaku  iäC  ^  (td-siiiywa  manako-no  asi-ki-ni-ja 
iare-ba  kono  ß^  Säg  (gan-beo)  juje  itodo  ^  |bk  (sin-tai)  Bemarir 
taruni  mata-mo  su-beki  jb  nasi-to  nageJä-kere-ba, 

Ein  Mensch  Namens  Itsi-be-e,  welcher  der  ältere  Bruder 
Nin-be-e's  war,  hatte  sich  hinzugesellt  und  sagte:  Heute  ist 
der  Tag  des  Vorsatzes.  Obgleich  ich,  der  Arme  es  bin,  möchte 
ich  ein  grobes  Nachmittagsmahl  darreichen. 

Es  war  eine  wundervolle  Sache.  Er  sagte:  Wir  werden 
fortgehen  und  speisen.  —  Er  bogleitete  ihn  und  ging  fort. 
Der  Bonze  sagte:  Sind  denn  die  Augen  des  Wirthes  schlecht? 
Wegen  dieser  Augenkrankheit  wurde  der  Körper  mehr  und 
mehr  bedrängt.  Es  gibt  auch  nichts,  was  man  thun  kann.  — 
Dabei  klagte  er. 

SiScara-ba  san-ziü^san-rio-no  )|B  ifi  (ziitn-reij-wo  se-jo-to 
sugume'tafnat-si'ka'do   j^  ^jt  (ro-senj-fno  nasi    W^  ^  (sai^si)- 

nojasinai'fno  naku  tada  JS  (guan)  bakari-nite  omoi'tatsi'gatasi'' 

io  are-ba  sate-n-mo  ^/k  \\r  (seo-aiyno  koto-wo  kiku  mono  kana. 
Mi-dzukara  mosi  inotsi  ara-ba  rai-nen  nandzi-no  tame-ni  ziün- 
rei'W'hesi'to  iware-si-ka-do  masasi-karazaru  koto-ni  omoi-ai-ni. 


286  rfismaier. 

—  Indessen  rieth  man  mir,  dass  ich,  an  dreiunddreissig 
Orten  umherziehend,  die  Andacht  verrichte.  Doch  ich  habe 
kein  Reisegeld,  Gattin  und  Kinder  sind  auch  ohne  Nahnmg, 
es  ist  unmöglich,  den  blossen  Gedanken  an  das  Gelübde  auf- 
kommen zu  lassen. 

—  Also  höre  ich  den  Gegenstand  des  Leides!  Ich  selbst 
werde,  wenn,  ich  das  Leben  habe,  im  künftigen  Jahre  fbr  dich 
umherziehend  die  Andacht  verrichten. 

Jener,  obgleich  ihm  dieses  gesagt  wurde,  hielt  es  for 
eine  Sache,  die  nicht  wahr  ist. 

Mib-nen  san-guafsu-ni  kitari  jaku-soku-no  ziün-rei-st  fabm- 
nan-to  are-ba  itsi-he-e  utsi-odoroki  makoto  saru  koto-nite  ari-n- 
ka-jo-to  ttfr  Ä  (kuan'ki)'no  namida-wo  nagasi  ito  ari-gataku- 
wa  oboje-si-ka-do  moto-jwi  madztisi-ki  wäre  nai^e-ba  su-beki  jb-mo 
fabercLZU  köre  nan  wcja-jori  tsutawari-si  mamori  jßj^  ajb  g[ 
(dz%^z6'8on)'nite  owase-si  semete-no  koto-ni  fodokosi'ma'iraBen'to 
are-ba  jagate  eri-ni  kake  nengoro-ni  itoma-koi-si  idete  jukt-tamai-si» 

Im  dritten  Monate  des  nächsten  Jahres  kam  der  Bonze 
wieder  und  sagte:  Ich  werde  die  versprochene  Andacht  im 
Umherziehen  verrichten. 

Itsi-be-e,  sehr  überrascht,  rief:  Ist  es  in  Wahrheit  eine 
solche  Sache  gewesen?  —  Er  vergoss  Freudenthränen  und 
sagte:  Ich  fiihle  mich  sehr  zu  Dank  verpflichtet,  doch  da  ich 
ursprünglich  arm  bin,  kann  ich  auf  keine  Weise  etwas  thun. 
Dieses  von  dem  Vater  vererbte  Zaubergehänge  ist  der  Geehrte 
der  Erdkammer.  Ich  werde  es  zum  Wenigsten  als  ein  Geschenk 
reichen.  —  Jener  hängte  es  sogleich  an  den  Kragen,  nahm 
freundlich  Abschied  und  ging,  indem  er  hinaustrat,  fort. 

Fodo-naku  roku-guatsu  ni'Ziü-itsi-niisi'ni  "TJ  |^  (s^^) 
ari'te  807'e-no  me  96  (dziyd-gataku-wa  vii-dzukara  me^d-i-te 
nandziiiokokorO'jO'karan  jb-ni'io  H[  (guan)-tate'9Uka*do  ^  j^ 
(butsu-rikij-ni-mo  kanawade-ja  kono  uje-wa  (rniov-akiramurhesi, 
Kaku  sin-tai-mo  ijo-ijo  otoroje  ^  -^  (sai-sij-mo  ri-beasi  iooMo- 
ga  ^  1^  (kai-fö)'ni  awan-mo  ito  kokoro-u-karvrbeH.    Ware-wa 

'jßS  ^  [U  (kh-ja-san)  ^  ^  (sai-koku)  ^  ||  (ren-gey^ 
(inj-no  S  j§  (in'kio)-nite  fabeH  nandzi  ßtoi-i-no  ari-te-mo  sa- 
nomi  nan-gi-ni-mo  faberazi  iza  ko-jo  tote. 


Begebenheiten  neuerer  Zeit  in  Japan.  287 

Nach  nicht  langer  Zeit,  am  ein  und  zwanzigsten  Tage 
des  sechsten  Monats,  kam  er  zurück  und  sagte:  Wenn  diese 
Augen  nicht  zu  heilen  sind,  so  war  ich  selbst  blind,  und  ob- 
gleich du  auf  eine  wohl  freudige  Weise  das  Gelübde  gethan 
hast,  so  war  es  vielleicht  der  Kraft  Buddha's  nicht  angemessen. 
Darüber  kann  ich  dich  aufklären.  Wenn  so  dein  Leib 
immer  mehr  abnimmt,  deine  Gattin  und  deine  Kinder  sich 
trennen  und  du  der  Pflege  des  jüngeren  Bruders  überlassen 
bleibst,  wirst  du  im  Herzen  sehr  traurig  sein.  Ich  bin  ein  in 
Verboi^enheit  Wohnender  des  Gebäudes  Ren-ge  in  dem  west- 
lichen Thale  des  Berges  K5-ja.  Bist  du  auch  ein  einzelner 
Mensch,  du  wirst  nur  so  nicht  im  Unglück  sein.   Also  komm! 

Akuru  ß  PI  ^r  (do-döysite  ^  |_L|  (t6'8an)''si'tainai'8i. 
Gen-roku  san-nen-no  koto  nari.  Mizu  sirazu-no  ßto-wo  ka-hakari 
itawari'tamai'si-tDa  makoto-ni  totoki  fiziri-nite  owoM-mcuu-to  fito* 
hito  J^  ]|p|  (kan-ruiyae-d. 

Am  nächsten  Morgen  reiste  er  mit  ihm  gemeinschaftlich 
und  erstieg  den  Berg.  Dies  ereignete  sich  im  dritten  Jahre 
des  Zeitraumes  Gen-roku  (1690  n.  Chr.).  Derjenige,  der  für 
einen  Menschen,  den  er  nicht  gesehen  hatte  und  nicht  kannte, 
auf  eine  solche  Weise  Sorge  getragen,  ist  wirklich  ein  vor- 
nehmer heiliger  Mann.  Dieses  sagend,  bewunderten  und  weinten 
die  Menschen. 


•^  (Jen-si)  woja-wo  «^    (r%b)'dte    ^  f(^  (zin-sin)- 
ico  JH  $^  (kan-fas)  su. 

Der  junge  Affe  heilt  den  Vater  und  erweckt 
in  dem  Herzen  des  Menschen  Rührung. 

Sin-Hü   Hmo'i-na   kowori  ^  ^  ^Qt  (iini-iw-ja)   mura-no 

wono  fvjU'HO  fi  kari-ni  tde  >|^  j^  (fu'8t)-awa8e'nite  kajeru 
mitsi-no  wowo-ki-ni  tcowo-zaru-no  i-tari-si-wo  köre  kukkib-no  koto 
«an  tote  utsi-tori  ^  (jo)-ni  tri  jado-ni  tsukl  mih-nitsi  kawa-wo 
ffigi'TMH  kori'terwa  fagi-gatasi  tote  i-ro-ri-no  uje-ni  tauri-oki-nu. 

In  dem  Kreise  Simo-i-na  in  Sin-siü  ging  ein  Mensch  des 
Dorfes  Iru-no-ja  an  einem  Wintertage  auf  die  Jagd.  Als  er 
kein  Glück   hatte    und    heimkehrte,    sass    auf   einem    grossen 


2H8  Pfizmaiar. 

Baume  des  Weges  ein  grosser  AfFe.  In  der  Meinung,  d&ss 
dieses  eine  vortreffliche  Sache  sei,  erlegte  er  ihn  und  nahm 
ihn  mit.  Es  wurde  Nacht^  er  erreichte  sein  Nachtkger  und 
sagte:  Ich  werde  morgen  die  Haut  abziehen.  Wenn  sie  gefriert, 
kann  man  sie  unmöglich  abziehen.  —  Hiermit  befestigte  er 
ihn  an  einen  Haken  über  dem  Ofen. 

•Ä  W  (Sin'ko)'ni  me-wo  samasi  mire-ba  tkete  oki-si  ß- 
kage  mije-tsu  kakure-tsu  sum-wo  ibukasi-ku  onioi  fi^  ^  (no- 
n6)  ukagat'  mire-ba  ko-saru  woja-no  waki-no  sita-ni  tori-tnüd-i- 
keru-ga  — •  pC  (ippiki)-dzut8U  kawaru-gawaru  ori-te  ^  Cfi)-nite 
•^  (teJ'WO  aburi  woja-saru-no  teppo-kizu-wo  atatnme'Si'Wo  mim- 
jofi  atcare-sa  kagiri-nahi-te  wäre  ika-nare-ba  mi-ßto^tsu  taten 
tote  kakaru  nasake-naJci  koto-wo  nasi-tau-to  4q  ^  (aen-fij-wo 
kui'te  akuru  ß  jagate  nio-bd-ni  itoma  torasete  kanra-wo  9m 
jO'WO  nogare  — '  K^  ^  fjü  (^***"*  fv-ranjno  ^  ^  ^ 
(nen'biUsU'zia)'to  nari  ^  ^  (siokoku)  ^  Jfj^  (tvi-giaj-ni 
ide-gi-to  van. 

Als  er  um  die  Zeit  der  tiefen  Nachtwache  sich  ermun- 
terte und  hinsah;  war  der  Schein  des  Feuers,  das  er  angefacht 
und  hingestellt  hatte,  bald  zu  sehen,  bald  war  er  verdunkelt. 
Darüber  verwundert,  blickte  er  spähend  hin.  Junge  Affen 
hatten  sich  unter  der  Achsel  des  Vaters  festgehalten.  Sie  stiegen 
einer  um  den  anderen  abwechselnd  herab,  wärmten  an  dem 
Feuer  die  Hände  und  wärmten  die  durch  einen  Flintenschuss 
beigebrachte  Wunde  des  alten  Affen. 

Als  jener  Mann  dieses  sah,  hatte  sein  Mitleid  keine 
Gränzen.  Er  sagte:  Wie  kommt  es,  dass  ich,  um  mich  allein 
aufzurichten,  eine  so  grausame  Handlung  beging?  —  Das 
frühere  Unrecht  bereuend,  gab  er  am  nächsten  Morgen  sogleich 
seinem  Weibe  den  Abschied,  schor  das  Haupt,  vermied  die 
Welt  und  wurde  ein  mit  ganzem  Herzen,  durch  nichts  gestörter, 
den  Namen  Buddha's  Betender.  Er  zog  aus,  um  alle  Reiche  zu 
Fusse  zu  durchwandern. 


Be^benheiten  neuerer  Ztit  in  Japan.  289 


^   f^    (Yü-men)    ^   ^    (zan-sia)    -^  f^    (sen-ßj-wo 

^  'jfl  (k6'kuai)'SU. 

Ein  begnadigter  Verleumder  bereut  das  frühere 
unrecht. 

J^  J\\  (To-katva)  fi-go-no  kamt  tono  ke-rai  i^  jjj  (sugi- 
jama)  ^^  (sigej-e-man-to  iü  mono  siü-ssin'no  dkurzi  ziü-san-ka- 
^  (deo)  ^  ^S^  0^^'S^)'j^  vttaje-si-ka-domo  makoto-^iaki  koto- 
uite  fu'todoki  mbn-taru  tote  sunawatsi  sige-e-man-too  siü-zin-ni 
kudatare'tari.  Ka-rh-no  men-men  ai-gi-süe  kubi-too  fanen-to  iü, 
Siü-zin  ki'ki-tamai'te  ija  aore^ni  cjohazi  tote  juru$i'tamai'8i''ka''ha 
ka-tM-no  monO'domo  woku-ha-wo  kamute  ikari-wo  oaaje-tari. 

Ein  Hausgenosse  To-kawa's;  des  Herrn  Statthalters  von 
Fi-go,  ein  Mensch  Namens  Sugi-jama  Sige-e-mon  zeigte  dreizehn 
Schlechtigkeiten  seines  Vorgesetzten  bei  dem  Hofe  an.  Man 
^^^  jedoch,  es  seien  unwahre  Dinge  und  er  habe  auf  freche 
Weise  die  Meldung  gemacht.  Hierauf  überliess  man  Sige-e-mon 
dem  Vorgesetzten.  Die  Aeltesten  des  Hauses  gingen  einzeln 
unter  sich  zu  Rathe  und  sagten,  man  werde  ihm  das  Haupt 
abschlagen.  Der  Vorgesetzte  hörte  dieses  und  sagte :  Nein,  so 
weit  darf  es  sich  nicht  erstrecken.  —  Hiermit  begnadigte  er 
ihn.  Die  I^eute  im  Hause  bissen  die  Zähne  zusammen  und 
unterdräckten  ihren  Zorn. 

Sono  notsi  ike-da  ^  Bb  (ku-nai)  tono-je  ^  ibk  (stn-dai) 
swumi-te  kuni-tsukaini  sige-e-mon  kitari-si-ni  nikvki  -^  ^ 
(nei-zin)  ko90  kitareri-to  mina  fito  nirami-fn-ni  fi-go-no  kami-dono 
wno  mono  kore-je  tote  johi-idasi  nandzi-ni  fisasi-ku  awazu  sin- 
dai  ari-tmkeru  jo-na  ku^nai-dono-ni  ai-na-ba  tori-awase  iü-^beki- 
zo-to  ari'si'ka-ba  sige-e-mon  sikiri-ni  A  ]X|  (kan^ruij-ni  muaebi 
m-gataki  on-kokoro  kana  waga  ajamari  si-goku  tsukamatsurt-nu. 
^  V  (Seß-se6)  j^  v^  (jo-jo)  wamre-gataki  go-  g  Jg  (k6- 
^m)  nnri  tote  jovokoln-si-to  narL  Kwe-too  i-zeu-ni  korotd-na-ba 
nani'tote  kaku-bakari  waga  ajamart-to-wa  omd-beki-jn-fo  tono- 
fii-mo  mata-niata  jorokobi'tamajeri'tO'ka'ja, 

Später  trat  er  vor  Herrn  Ike-da,  den  Inneren  des  Pa- 
lAstes,  und  als  Abgesandter  des  Reiches  kam  Sige-e-mon. 
Alle  Menschen  blickten  finster  und  sagten:  Der  abscheuliche 
Schmeichler  ist  gekommen.  —  Der  Herr  Statthalter  von  Fi-go 

8«li«Bgt^«r.  a.  phil.-hiat  CL  XCT.  Bd.  I.  Rft.  19 


290  PfiimaiiT. 

sagte:  Jener  Mensch  hierher!  und  rief  ihn  hervor.  Er  sas^te: 
Ich  bin  mit  dir  lange  Zeit  nicht  zusammengetroffen.  Wenn 
ich  mit  dem  Herrn,  dem  Inneren  des  Palastes,  welcher,  wie  es 
scheint,  dich  angestellt  hat,  zusammentreffe,  so  werde  ich  alles, 
unter  einander  gemengt,  ihm  sagen. 

Sige-e-mon,  fortwährend  zu  Thränen  gerührt  und  schluch- 
zend, sagte :  Wie  schätzbar  ist  euer  Herz !  Mein  Fehler  hat 
die  äusserste  Gipfelung  erreicht.  Weil  durch  alles  Leben, 
alle  Zeitalter  hindurch  eure  hohe  Gnade  unvergesslich  ist, 
habe  ich  mich  gefreut.  Wenn  man  mich  früher  tödtet,  wie 
könnte  ich  in  einem  solchen  Masse  an  meine  Fehler  denken? 
Ist  es  bei  dem  Herrn  auch  der  Fall,  dass  er  immer  wieder 
sich  freut? 


|S   4J^   (Ven-konJ    '|^  (kuaij-wo  nasu. 

Der  Hass  des  Affen  bewirkt  Seltsamkeiten. 

Kiisi-ge-ffono  kita-jama  wowo-fara-no  ^9J  >^  Wf  (tsi-gih- 
sibj-rtite  teppo-fco  motsi  wowo-zant-no  mije-si-wo  nerai-tamb.  Saru 
onore-ga  fara-wo  icosijete  te-wo  awase-tari-st-wo  vtsi-kwosare-si. 
Sonn  fi-jnri  kokotsi  asi-ki  lote  mijako-ni  kajeri-famh.  Tswif-ni 
kiiareru  ^  ^jß  (i-siyno  mije-n  fodo-ni  jagate  ^(  (miaku)'ti^o 
mise-tamaje-ha  kore-wa  tsune-no  jamai-ni-wn  kaicaren.  Mamtigi- 
wo  motsi'-i'tnmatra-ba  tatn-dokoro-ni  sirusi  ari-nan.  Sara-ba  sore- 
tco  motome-jO'to, 

Der  Herr  Kusi-ge  ergriff  auf  seinem  Lehen  Wowo-fara 
in  Rita-jama  eine  Flinte  und  zielte  auf  einen  grossen  Affen, 
welcher  sich  zeigte.  Der  Affe,  der,  seinen  eigenen  Bauch  in 
Acht  nehmend,  die  Hände  zusammengelegt  hatte,  wurde  ge- 
tödtet. 

Seit  diesem  Tage  sagte  Kusi-ge,  dass  er  sich  schlecht 
fühle  und  kehrte  nach  Mijako  zurück.  Als  ein  gewöhnlich 
kommender  Arzt  erschien,  Hess  er  ihn  sogleich  den  Puls  fühlen. 

Der  Arzt  sprach :  Dieses  hat  sich  aus  einer  gewöhnlichen 
Krankheit  verändert.  Wenn  ihr  eine  Natter  verwendet,  so 
wird  es  auf  der  Stelle  ein  Kennzeichen  geben. 

—   Also  verschaffe  sie. 


Begebenheiten  neuerer  Zeit  in  Japan.  291 

M  tokoro-je  wmco-^kcara-no  Ü^  ^^  (seS-ja)  kifari-si-ka-hn 
tada-ma  nnndzi-ga  kafa-nite  mamtisi'too  tori-te  ma-irase-jo-to 
tsukai-wo  tmkawasu  tokoro  nari.  Sed-ja-ga  iwaku  saiwai  fito-ni 
tanamarete  mamusi-too  mofsi  kitarishrh  kiü-naru  on-koto-ni  sh- 
ravca-ha  madzu  kore-wo  tafe-matsuru-hesi  tote  tori-idasi-kefu-wo 
jaffafe  i-si-no  tcogije-st  mama-ni  totanojete  ma-irase-keru-ni  ^ä^ 
(neisii)  fanafada  sakan-ni  natte  tawa-koto-wo  i-i  osorosi-kari- 
kere-bn  woi-woi  i-si-no  moto-ni  fito-wo  jari-keru-ni , 

Indem  er  dieses  sagte,  war  der  Dorßllteste  von  Wowo- 
fara  gekommen. 

—  Es  werde  ein  Bote  geschickt,  welcher  in  deiner  Gegend 
eine  Natter  fangen  und  herbringen  lässt. 

Der  Dorfalteste  sprach:  Glücklicher  Weise  wurde  ich 
von  einem  Menschen  darum  gebeten  und  habe  eine  Natter 
sjebracht.  Wenn  es  bei  euch  eine  dringende  Sache  ist,  so  kann 
ich  sie  euch  früher  darbieten.  —  Hiermit  nahm  er  sie  hervor. 

Man  bereitete  sie  sogleich  nach  der  Vorschrift  des  Arztes 
und  reichte  sie.  Das  Fieber  wurde  sehr  heftig,  er  redete  irre 
nnd  war  furchtsam.    Man  schickte  eilig  zu  dem  Ärzte. 

Jb-jaku  i-si-mo  kitari-si-ni  mamtm-wo  ma-irasete-jori  kaku 
ko8o  owasure-io  kataru.  Ist  odoroki  soregasi-wa  kono  goro  gd- 
siü-ni  makari  iada-ima  kajerirsi  tokoro-ni  tsvkai  tabi-tabt-ni  ojobi" 
sfi'to  nke-tamawari-te  ma-iri'sbrh'to  wS  Ä-  (sekkaku)  kore-too 
kiJd  fu-si-gi-no  koto  nari  ika-ni-mo  juje  aru-besi  tote  wowo-fara- 
fti  fito  t^ikawasi'te  towase-keru-ni  seß-ja  kono  aida-wa  O  £R 
ikihtoyni  ide-sbrawazu-to  iü. 

Endlich  kam  auch  der  Arzt.  Man  erzählte  ihm,  dass, 
nachdem  man  die  Natter  gereicht,  der  Kranke  sich  so  befinde. 
Der  Arzt  war  erstaunt  und  sagte :  Ich  war  um  diese  Zeit  nach 
Gö-siü  verreist  und  als  ich  eben  jetzt  zurückkehrte,  vernahm 
ich,  dass  ein  Bote  mehrmals  angelangt  sei.  Kaum  dass  ich 
hereinkomme,  höre  ich  dieses.  Es  ist  eine  wunderbare  Sache. 
Es  muss  irgendwie  eine  Ursache  haben. 

Man  schickte  nach  Wowo-fara  einen  Menschen  und  liess 
fragen.  Man  sagte,  der  Dorfalteste  sei  während  dieser  Zeit 
nicht  in  die  Hauptstadt  gekommen. 

Kote  t4ida-kofo-ni  arazu  tote  kusi-ge^dono-no  ^    jj^  (ren- 

fiij'mtt  owafii-keru  4^    ^    -^   (waka-wh-n)  ^   jjj^  (s6-zih)-to 

19* 


292  Pfi«inai«r. 


y>^  ^  (rokkaku-no)  j£  f||j  ^  (sed-sen-in)  jf^  j£  («6-zftj- 
#0  ai'tomo-ni  flj  (dan)-too  kazari-te  inorase-tamtMii  dan-no  ujt- 
ni  wowO'Zaru  ßto-tsu  araware-si-wo  so-zib  jagate  fiki-kumi  dan- 
jori  sita-ni  korobi  wotsi-saru-wo  osajen-to  aerare-d-ni  saru-voa 
nigete  M  ^A  (mon-gucdynite  juki-gata-naku  nari-ai-ka-ba  «o- 
zib-mo  sate-wa  kono  inori  kanawazu  tote  dan-wo  jaburar&-9i  kmo 
toki-ni  ^  ^  (biö'zia)  iki-toje-keru-to-kti-ja. 

In  der  Meinung,  dass  dieses  keine  gewöhnliche  Sache  Bei, 
schmückten  der  Richtige  der  Bonzen  bei  dem  jungen  Königs- 
söhne  und  der  Richtige  der  Bonzen  von  dem  sechseckigen 
richtigen  Gebäude  der  Unsterblichen,  Menschen,  welche  die 
Brüder  des  Herrn  Kusi-gc  waren,  einen  Erdaltar  und  beteten. 
Auf  dem  Erdaltare  zeigte  sich  ein  grosser  Affe.  Die  Richtigen 
der  Bonzen  umklammerten  ihn  sogleich  und  rollten  ihn  von 
dem  Erdaltar  herab.  Sie  wollten  den  gefallenen  Affen  nieder- 
drücken. Der  Affe  entfloh,  und  da  vor  dem  Thore  der  Ort, 
wohin  er  gegangen,  nicht  zu  sehen  war,  sagten  auch  die  Rich- 
tigen der  Bonzen :  Also  ist  dieses  Gebet  unmöglich !  —  Sie 
zerstörten  den  Erdaltar,  und  um  diese  Zeit  gab  der  Kranke 
den  Geist  auf. 


jW^  äfi  (Sef8H'gat)-no  jjj^  (so)  -^  (koj-fo  natfe  ije-ico 
forobosfi. 

Ein  gemordeter  Bonze  wird  der  Sohn  und 
vernichtet   das   Haus. 

Je-do-nite   aru   ka-tsiü-no  ^    ^R   (iwa-ma)  fgf  (kan)'Za- 

je-mon-to  iü  mono-no   ^  (ko)  ^   -j-*    ]^  (fatsi-ziü-rh)  cnazi 

-^   "H    läS   (roku-ziü-rb)   -Ä    ^   (bakti-jekij'ni  fokareri,     Jo 

ftikete-tca  Wt   (saij-mu^ime  nado-mo  idete   ^    tt^   (*^'fö)  "*'" 

gurusi'ki    kikoje   ari-si-ka-ba    tooja-wa    ^    ^    (seppvku)    -^ 

(ko)  futari'Wa  -^   ^  (8en'8iil)-nite  kuln^wo  fanerare-n, 

Fatsi-ziü-rö  und  Roku-ziü-rö,  die  Söhne  eines  in  Je-do 
lebenden  Hausgenossen  Namens  Iwa-ma  Kan-za-je-mon,  waren 
dem  Spiele  ergeben.  Wenn  es  tief  in  der  Nacht  war,  gingen 
seine  Gattin  und  seine  Töchter  aus,  und  von  ihrer  Aufführung 
verlauteten  hässliche  Dinge.  Der  Vater  schnitt  sich  den  Bauch 
auf,  die  zwei  Söhne  wurden  in  Sen-siü  enthauptet. 


Begebenheiton  neaerer  Zeit  in  Japsa.  !^93 

Oja-seppvku-^o  toki  jA  ^R  (ken'sij-ni  mukai  siharaku 
matst'tamaje  mbsi-oki-taki  koto  arL  Ware  niaku-nen-no  koro 
akinai'ßziri  fi-goro  i-i-kawase-si  koUhno  ari-te  neii-goro  asa-ka- 
razu  wori-ni-toa  waga  fe-ja-ni  kitari  tomari-in  aru  toki  kin-su 
san-ßaki^rib  amari  motsi-kttari  kon-do-wa  si-awase  joku-te  j|^  Q 
{kin-zitmt)  mijako-je  agaru  tote  sono  ^  (jo)'mo  onazi-toko-ni 
ne-tari'si-ga  tsuku-dzuku-to  omoi-kerurwa  kono  fito-wo  korosi  karte- 
wo  fori  omo  mama-ni  tsukai-fabera-ba  kokoro-jokaran-to  ^  ^ 
(aku-nen)  okori-si'wo  Hj  ^  (aiükkej'to  i-i  aitaai-ki  tomo-to  i-i 
iobwrai-no  ni-awazaru  koto  ika-de  aru-beki-to  mi-wo  kajeri-mite 
nere-ba  sara-ni  ne-gataku-te  tsui-ni  ake-gata-ni  8<Mi-koro8i  ai-gai- 
wo  fukaku  kakusi  kudan-no  kane-wo  taukb-ni  motio-koto  >|^  J^ 
(fvrsoku)  na-kari-si-ka-ba  notsi-ni-wa  imizi-ku-mo  si-tari-to  OTiun- 
$i  koto-mo  faberi'si. 

Zur  Zeit  als  der  Vater  sich  den  Bauch  aufschnitt,  sagte 
er  zu  dem  untersuchenden  Abgesandten:  ; Wartet  eine  Weile! 
Ich  habe  etwas,  das  ich  aussagen  möchte.  Als  ich  ein  Jüng- 
ling war,  geschah  es,  dass  ein  mit  Handel  sich  befassender 
heiliger  Mann  gewöhnlich  mit  mir  Worte  wechselte,  und  seine 
Freundlichkeit  war  keine  geringe.  Zuweilen  kam  er  in  mein 
Zimmer  und  kehrte  bei  mir  ein.  Zu  einer  Zeit  brachte  er 
über  dreihundert  Tael  Goldes.  Er  sagte :  Diessmal  ist  die  Ge- 
legenheit gut,  ich  werde  nächster  Tage  nach  Mijako  reisen.  — 
Diese  Nacht  schliefen  wir  in  einem  und  demselben  Bette.  Ich 
dachte  ernstlich:  Wenn  ich  diesen  Menschen  tödte,  das  Geld 
nehme  und  es  nach  Gutdünken  verwende,  so  werde  ich  in 
Gemächlichkeit  leben.  Indem  ich  diesen  bösen  Gedanken 
fasste,  nahm  ich  auf  mich  Rücksicht  und  dachte:  Es  ist  ein 
Bonze,  es  ist  ein  nahestehender  Geführte.  Wie  könnte  eine 
für  einen  Kriegsmann  unpassende  Sache  stattfinden?  Es  war 
mir  unmöglich,  zu  schlafen,  es  wurde  endlich  Tagesanbruch, 
und  ich  erstach  ihn.  Ich  versteckte  den  Leichnam  gut,  nahm 
das  erwähnte  Geld  und  verwendete  es.  In  meinen  Sachen  war 
nichts  Unzureichendes,  und  später  glaubte  ich,  dass  ich  etwas 
Vortreffliches  gethan  habe^ 

Sono  notn  3E  (sai)'WO  mukajete  fatM-ziü-rb  umare-d-ja 
im-ja  ubu'ja-no  utsi-ni  kakajete  miru-ni  kano  fiziri-ni  sukosi-mo 
iagawazu.  Amari  fu'si'gi'Sa-ni  fiziri-no  kosi-sita-ni-wa  fokuro 
ari-»i    kore-ni-wa    naki-ka-to    mire-ba    azajaka-ni    ari,     Sate-wa 


294  Pfiimaier. 

fizin-no  waga  ko-ni  wumare-tai^u-jo-to  wosorosi-ku  omoi-d-ga 
itsu'si-ka  ßto-to  nari-nu,  Ima  kakaru  uki-me-ni  ai  -^  -^  {hu- 
siyno  Tnitsi-ni  arazai^u  wowaH-tvo  tori-si  koto  mattaku  fatsi-ziü- 
rb-ga   toga-ni  arazu  waga  ^^   ^    (seki-aku)  ima  koko-ni  mu- 

kui  kitareri.  Kore-wo  «N^  »Mj  (zan-geysi  ^  J^  (go-secym 
tasukaru  tojan-m-mo  nare-kasi-to  fadzi-wo-mo  kajeri-mizti-dtt 
mbse-si  nari.  Ono-ono  —  ^  (ippen)'no  [g]  |^  (j^-kb)  ta- 
rnuke-sase-tamaje.  Wakaki  kata-gata-wa  kore-wo  mi-oki-tamaje 
kanarazu  johonmanaru  koto  si-tamb-na,  Inia  kore-made  nari 
tote  aeppuku-se-si-to  nari. 

Später    nahm    ich    eine    Gattin,    und    Fatsi-ziü-rö    wurde 
geboren,    vielleicht  auch  nicht.     Als  ich  ihn  in   dem    Wochen- 
zimmer in  die  Arme  nahm  und  anblickte,   war  er  von  jenem 
heiligen  Manne  nicht  im  Geringsten  verschieden.   Zum  Ueber- 
flusse    des   Wunderbaren    hatte    der    heilige    Mann    unter  der 
Hüfte  ein  Mal.    Als  ich  nachsah,    ob    dieses   nicht   vorhanden 
sei,    war    es    deutlich   vorhanden.     Ich   dachte   entsetzt:    Also 
wurde  der  heilige  Mann  als  mein  Sohn  geboren!  —    Zu  einer 
Zeit  war  er  erwachsen.    Dass  ich  jetzt  in  solche  Mühseligkeit 
gerathen    bin   und   ein  Ende   nehme,   welches   nicht   der  Weg 
des    Kriegsmannes    ist,    dieses   ist  nicht    gänzlich    die   Schuld 
Fatsi-ziü-rö's.    Für   mein    aufgehäuftes  Böse   ist  jetzt  hier  die 
Vergeltung  gekommen.    Indem  ich  dieses  bekenne,    möchte  es 
ein  Mittel   zur  Rettung   des   künftigen  Lebens   sein,    und  auf 
die    Schande   nicht   Rücksicht   nehmend,   sagte  ich   es.     Möge 
ein  Jeder  als  Handopfer  die  Gebete  hinlegen.    Junge  Herren, 
sehet  dieses!    Hütet  euch,   unrechte  Dinge  zu  thun.     Jetzt  ist 
es  so  weit  gekommen.  —   Dieses  sagend,   schnitt  er  sich  den 
Bauch  auf. 


^    ^  (Won-nen)   tatsi-matsi  ^    ^  (bu-zio)-ni  tsukete 
kataki'ioo  ^  (gai-su). 

Man   heftet   die    Rachsucht    plötzlich  an  eine 
Beschwörerin  und  tödtet  den  Feind. 

Je-do   ^|)   ^    (go-tsiaj-no   miäzu-no  jama^gtitsi   ^  (ija) 

go-za-je-mon  dono  ke-rai-wo  ^  ^^  (ß-db)'ni  korosare-si  ^t  i^ 
(rei'kon)    sm-zin-ni  tsuki  aranu  koto  kutd-basiri-si-ka-ha  mi-ko- 


Begebenheiten  neuerer  Zeit  in  Japan.  !^9ö 

ivo  maneki  jari-wo  tatasase  inori-kerurni  jjj^  ^J^  Hj  (ki-nen- 
sioj-ni  müci-mi'Wo  tate-oki-taiu-ni  sono  katana-wo  ottori  ija  go- 
za-je-man-wo  tada  fito-tttsi-ni  kiri-korod-tarp,  aida  sunawatsi 
mi'ko  ^^  ^^  Ör  (feO'zib'sioJ'ni  fiki-idasi  aen-gi  »Msi-masi- 
keru-ni  mi-ko-ga  iwaku  aara-ni  oboje-faberazu  wäre  wonna-no 
mi-nite  nani-no  jS  4J^  (i-konj-mo  imki-ni  ajawe-vibsan-ja-to 
i-i-si-wo  sa-mo  ari-nu-beki  koto-to  kiki-todoke-tamai  mi-ko-wa  tt| 
man)' wo  nogare-ni'keri. 

In  Je-do,  an  dem  Bergausgange  des  Wassers  Go-tsia, 
hatte  der  Herr  Ija  Go-za-je-mon  einen  Hausgenossen  wider- 
rechtlich getödtet.  Der  Geist  des  Getödteten  heftete  sich 
an  den  Vorgesetzten  und  sprach  durch  dessen  Mund  unbe- 
gründete Dii^e.  Man  berief  eine  Beschwörerin  und  liess  sie 
ein  Bannseil  aufrichten.  Während  sie  betete,  hatte  man  an 
dem  Orte  des  Gebetes  eine  blosse  Schwertklinge  hingestellt. 
Sie  ergri£f  dieses  Schwert  und  tödtete  Ija  Go-za-je-mon  mit 
einem  einzigen  Hiebe. 

Unterdessen  führte  man  die  Beschwörerin  in  das  Gerichts- 
haus. Als  man  Nachforschungen  machte,  sagte  die  Beschwö- 
rerin: Ich  erinnere  mich  durchaus  nicht.  Da  ich  als  ein  Weib 
^egen  ihn  keinen  Groll  emptinde,  warum  sollte  ich  ihn  tödten? 
—  Man  nahm  an,  dass  es  so  gewesen  sein  könne^  und  die 
Beschwörerin  entkam  dem  Unglück. 


-^    (Kt'H'sO'WO   karo8i'fe    notai    ^J    ^    (kd-riku)- 

Nachdem  man  einen  Mann  der  Bestätigung 
getödtet,  wird  man  mit  dem  Tode  bestraft. 

Mijako  fatsi-man-no  fo^i  moto-ni  kbzi-ja  Sl  (joj-za-je- 
mon-to  iü  mono-too  ^^  ^  (dzib'8iiiku)'7ii  ai-keru  jama-bim  aru 
toki  kitari'te  katari-tn-wa  tosi-ßsdsi-ku  kitari-d-lca-domo  aa-nomi- 
no  koto-mo  na-kari-ai-nt  kon-do  mitai-mitsi-na  jgff  j^  (ki-td)- 
iro  t^momare  fu-ae-ni  gin-au  ni-mai  uke-ai  aono  iwai-ni  aake  ma- 
irasen-to  ari-kere-ba  aore-wa  ^  J^  (tain-teöj-no  koto  iiari 
icurt-mo  ajakaran  tote  aakaiia-wo  fotonoje  tagai-ni  nomi-keri, 
Jamorbuai  joi-id-aite  ne-tara  tok&ro-wo  scm-koroal-te-gerL 


296  Pfismaier. 

Ein  wahrsagender  Bonze,  der  seine  Einkehr  bei  einem 
an  der  Brücke  Fatsi-man  in  Mijako  wohnenden  Hefenverkäafer 
Namens  Jo-za-je-mon  nahm,  kam  su  einer  Zeit  und  sagte  im 
Gespräche:  Ich  bin  schon  lange  Jahre  gekommeni  doch  eine 
solche  Sache  ist  noch  nicht  gewesen.  Diessmal  wurde  ich  auf 
den  Wegen  um  Gebet  ersucht  und  erhielt  als  Almosen  zwei 
Stück  Silber.  Zur  Feier  dessen  werde  ich  Wein  darbieten.  — 
Der  Andere  sagte:  Dieses  ist  eine  kostbare  Sache.  Auch  ich 
werde  etwas  Aehnliches  thun. 

Er  schaffte  Fisch  her,  und  sie  tranken  mit  einander. 
Als  der  wahrsagende  Bonze  in  der  Trunkenheit  eingeschlafen 
war,  erstach  ihn  Jener. 

Sono  goro  niijako-ni  fd^ko-saae-heru  musume  hiiari-üe  hono 
ari'sama-wo  mite  oja-nagara-mo  osorosi-ki  koto  suru  mono-ktuia- 
to  mamori'ukeru-ga.  Jagate  ^jj^  /(^  (ran-sinj-site  kuUi-iiuin 
nasake-na-ja  wadzvka-no  kane-ni  ware-wo  korosu  ktmo  urami 
8uko8t-karazu  mi-jo-mi-jo  nandzi  ^jr  JS  (an'On)-ni'ica  kJcu- 
nuisi'ki'Zo  ara  kutsi-wosi-ja-to  nonosiri-sakebu  fodo-ni  woja-no 
ktisira-ni  ^lawa-too  tsuku-beki  mono  nari  tote  kore-mo  sasi-ko- 
rosi  kaica-ni  nagasi^keri» 

Um  diese  Zeit  war  seine  Tochter,  welche  er  in  Mijako 
dienen  Hess,  gekommen.  Indem  sie  diesen  Umstand  sah,  dachte 
sie  sich:  Obgleich  es  der  Vater  ist,  verübt  er  schreckliche 
Dinge!  —  Sie  war  auf  ihrer  Hut.  Sogleich  wurde  sie  im 
Herzen  verwirrt  und  sprach  mit  dem  Munde  des  Todten: 
Unbarmherzig!  Wegen  einer  Kleinigkeit  Geldes  tödtet  man 
mich.  Dieser  Hass  ist  kein  geringer.  Siehe,  siehe!  Du  lebst 
in  Ruhe  wohlauf,  wie  bedauerlich! 

Als  sie  so  schmähte  und  schrie,  sagte  er:  Sie  ist  eine, 
die  an  den  Hals  des  Vaters  den  Strick  legen  kann.  —  Er 
erstach  auch  sie  und  warf  sie  in  den  Fluss. 

Tsuma-ga  iioaku  musume-ga  nuno-ko-wa  fagi-ie  nagasi- 
kerurka-to  fje-ba  joku  i-i-tari-to  farvka-ni  nagare-si  si-gal-wo 
wokkake  fadakani  ncmi-ie  jari-kerL  Kaku-balcari  y^  |g  ^ 
(dat-akti-nin)  jiije  wokkake  nusu-bito-no  jado-wo  st-si  toga-nitt 
fari-tsuke-ni  kakareri,  Kono  toki  nani-to  omoi-kaje-keru-ni-ja 
dan-dan-no  aku-zi-wo  f^  jj^  (zan-gej-site-geri. 

Die  Mutter  fragte:  Hast  du  das  Tuchkleid  der  Tochter 
ausgezogen  und  sie  dann  in  das  Wasser  geworfen? 


Begebenheiten  nenerer  Zeit  in  Japan.  297 

—  Es  ist  gut  gesagt. 

Er  lief  dem  Leichnam  der  weit  weggeschwommenen 
Tochter  nach,  zog  sie  nackt  aus  und  trieb  sie  fort. 

Wegen  eines  so  grossen  Bösewichts  machte  man  sich 
auf  die  Verfolgung,  und  er  wurde  wegen  des  Verbrechens, 
Räuber  beherbergt  zu  haben,  an  das  Kreuz  gehängt.  Wie 
mochte  er  um  diese  Zeit  anders  gedacht  haben!  Er  gestand 
seine  nach  und  nach  verübten  bösen  Thaten. 


Woi'WO  korosi'te  ami-ioo  jdku. 

Man  tödtet  den  Neffen  und  man  verbrennt 
das  Netz. 

Sb'siü  jjj  Q  (fon'meJ'Ura-ni  -^  32  (dai-ku)  fatai-ro- 
hih-je-to  iü  mono-no  woi-ni  ^S  ^  (dku-nin)  atte  mote-atsukai- 
si-ga  tsui-ni  karamete  umi-ni  sidzunie  korosi-kem-wa  jen-fo  sttsi- 
nen-no  natau-no  koto  ari-si,  Joku-nen-no  natsu  W^  (aai)  ^   -^ 

(nan-nj-wo  umu.  Tari-agete  mire-ba  ßtauni  tsuno  ari  J^  "K 
(zih-geyno  'jK  (fa)  kui-tsigai  sono  womote-buri  woi-ni  ni-tart- 
ü-wo  osorosi  tote  j^  32  (sai-ku)-no  db-gu-bako-wo  tye-ni  woki- 
te  woai-korosi-keru-ni. 

An  der  Bucht  Fon-me  in  Sö-siü  hatte  ein  Zimmermann 
Namens  Fatsi-ro-biö-je  zum  Neffen  einen  bösen  Menschen  und 
verhandelte  mit  ihm.  Zuletzt  band  er  ihn  und  versenkte  ihn 
in  das  Meer.  Dieses  geschah  im  Sommer  des  siebenten  Jahres 
des  Zeitraumes  Jen-fö  (1679  n.  Chr.). 

Im  Sommer  des  nächsten  Jahres  gebar  die  Gattin  einen 
Knaben.  Als  er  ihn  emporhob  und  anblickte,  befand  sich  auf 
dessen  Stirn  ein  Hörn,  die  oberen  und  unteren  Zähne  standen 
einander  ungleich  gegenüber  und  dessen  Gesichtszüge  hatten 
Aeimlichkeit  mit  denjenigen  des  Neffen.  In  der  Meinung,  dass 
dieses  fürchterlich  sei,  stellte  er  über  ihn  die  das  Handwerks- 
zeug enthaltende  Eiste  und  erdrückte  ihn. 

Sibarakurwa  mukvHnuku-to  motsi-age'si'tO'ka-ja  aore-vx)  mi- 
hcno  adzuaa-ni  kakete  kiki-keru-ni  ware-wo  umi-ni  aidzume-ai 
urami  fuJcaku-te  -^  (koj-to  umare  ata-wo  naaan-to  ae-ai-ka-do 
Tnaia  korGaare-nure-ba  taikara  naai.    Kono  uje-toa   4^   |||  (kiAa- 


^98  Pfizmaier. 

nan)'ni  awasu-besi-to  i-i-si-ka-ba  sono  notsi  fodo-naku  ura-m 
monO'to  issio-ni  ami-wo  fost-oJci'»i'ni  fatsi'rO'bib'je-ga  ami  ncm 
mwaka-ni  nioje-agan-te  jake'fabtri-si'tO'ka-ja. 

Nach  einer  Weile  war  es^  als  ob  es  in  windender  Be- 
wegung die  Kiste  erhöbe^  und  man  sagte :  Ich  habe  dieses  an 
den  Hartriegel  der  Beschwörerin  gehängt  und  es  gehört.  Der 
Hass  darüber,  dass  man  mich  in  das  Meer  versenkte,  war  tief, 
und  ich  wurde  als  Sohn  geboren,  wollte  als  Feind  auftreten, 
doch  da  man  mich  wieder  tödtete,  habe  ich  keine  Kraft. 
Ueberdiess  werde  ich  Feuerschaden  erleiden  lassen. 

Später,  nicht  lange  nachher,  legten  die  Menschen  der 
Bucht  gemeinschaftlich  ihre  Netze  zum  Trocknen  nieder.  Das 
Netz  Fatsi-ro-bi6-je's  allein  loderte  plötzlich  auf  und  verbrannte. 


^  3S  r^*^!)-^^*  jatsnko'ico  korosi  JH  -^  (ni-si)  :JJ  ^ 
(kühbiöJ'SU. 

Man  tödtet  ohne  Recht  Sclaven  und  zwei 
Söhne  werden  wahnsinnig. 

Bi-siü  totüO'jania  j^  "pf  (ka-monj-io  iü  fito  mcu-nen  ke- 
rai'tvo  te-ntsi-nt  jrf?'  Wj^  (sei-bai)'Serararu  koto  sono  kadzu-wo 
sirazu.  Ka-mon  futari-no  ko  ari  ani-wo  I^  ^  Hj|  (zin-no 
suke)  wototO'Wo  J^^  ^  Hj|  (miima-no  8iiJce)'to  iü.  7bwo-»i 
fHi  K^  (ran'»in)'»ite-geri. 

Die  Zahl  der  Hausgenossen  eines  Menschen  Namens 
Ka^mon  aus  Towo-jama  in  Bi-siü,  welche  alljährlich  von  ihm 
durch  Erschlagen  gestraft  wurden,  kennt  man  nicht.  Ka-mon 
hatte  zwei  Söhne.  Der  ältere  hiess  Zin-no  suke,  der  jüngere 
hiess  Muma-no  suke.    Sie  wurden  zugleich  geisteszerrüttet. 

Sono  woko7*u  toki'Wa  'IfS  "ö  (dokit-gortyni  ware^-wa  nani 
je-mon  nani  za-je-mon  nani  suka  hani  kura-nite  shrb'ZO  ware- 
warcwa  »ukosi-no  toga-nite  fabei-u-ni  inotsi-no  in  (gi)  a-jurtud 
o-tasuke-tamoware-ja-to  tsubttjaki-te-wa  mata  nianako-xoo  ikarakasi 
asi'ki  jatsuko  kana  sore-dzure-no  koto  iü-ni-ja  nan-deo  onore-wo 
tasuken-to  i-i-te-wa  ftdto  tat^i-te  fasira-nite  kasira-wo  utsi-tsuke- 
utsi-tsuke  utsi-jaburi  i&  ^jß  (zessiJ'Si-keru-wo  sono  mama-ni 
sute-oke-ba  mala  jorni-kajeri-te  j£  ^  (sib-ki)'ni  nari  mi-no 
uje-wo  kanasi'i'iuigeku  koto  kib-dai  tomo^ni  onazi-kari'si-fo'fuzn. 


Begebenheiten  nenarer  Zeit  in  Japan.  399 

Äla  ihr  Wahnsinn  ausbrach;  sprachen  sie  mit  sich  selbst 
und  flüsterten:  Ich  bin  der  und  der  Je-mon,  der  und  der  Za- 
je-mon,  der  und  der  Suke,  der  und  der  Kura.  Wir  haben  eine 
geringe  Schuld.  Wird  die  Sache  des  Lebens  von  euch  zuge- 
standen, von  euch  gerettet?  —  Femer  blickten  sie  zornig  mit 
den  Augen  und  sagten:  Welch'  ein  schlechter  Sclave!  Eine 
solche  Sache  sagst  du?     Wie  werde  ich  dich  retten? 

Plötzlich  erhoben  sie  sich  und  die  Häupter  immer  an 
einen  Pfeiler  stossend,  zerbrachen  sie  ihn.  Sie  waren  gänzlich 
todt,  und  als  man  sie  so  Hess,  wurden  sie  wieder  lebendig  und 
waren  bei  Sinnen.  In  der  Traurigkeit  und  der  Beklagung  ihrer 
selbst  blieben  die  Brüder  einander  gleich. 


Muma-wo  tf^uwari-te  ^[J   ^  (kub-siysu. 

Man  sagt  bei  dem  Pferde  Lügen  und  stirbt  im 
Wahnsinn. 

;|^  2p  (Matsu-fira)  a-wa-no  kamt  dono  muma-wo  seme- 
sarnn  tote  kai-wo  si-iaru-ja-to  tadzune-famai-si-ni  sukosi  kai-tsure- 
domo  kuriufi-karazi-to  oniol  imada  kai-faherazu-to  mosi-tari-si-kd- 
basono  munia-too  seme-tamb.  Sikari-si-jori  boiio  muma  toadzurai-te 
tmi-ni  ^  (tti)-si-keru 

Matsu-fira;  der  Herr  Statthalter  von  A-wa,  wollte  ein 
Pferd  abrichten  und  fragte:  Ist  es  gefüttert?  —  Man  erwiederte: 
Ich  habe  es  ein  wenig  gefüttert,  doch  ich  glaube,  es  kann  nicht 
mühsam  sein.  Ich  futtere  noch  nicht.  —  Jener  richtete  dieses 
Pferd  ab.  Weil  es  so  geschehen,  wurde  das  Pferd  krank  und 
Btarb  zuletzt. 

iSono  notsi  muma-ja-no  mono  i^  ^  (kib-kij-site  kutsi-basii'u 
phtoa  tono-no  o-ose-numo  kai-wo  sezu-wa  norazi-fo  koso  faberi- 
n-ni  onore  itsiiware-si  juje  kaku  jamai-dzuki  ^  (sij-tare-ba 
kono  urami  naiidzi-ni  an-to  i-Ute  tsui-ni  kurui-sini-ket^i. 

Hierauf  wurde  der  Mensch  des  Pferdestalles  wahnsinnig 
und  sprach  mit  dem  Munde  des  todten  Pferdes:  In  dem  Be- 
fehle des  Herrn  hiess  es:  Wenn  man  nicht  gefüttert  hat,  so 
besteigt  man  es  nicht.   Weil  du  gelogen  hast,  wurde  ich  so  von 


300  PfismaUr. 

Krankheit  befallen,  und  ich  bin  gestorben.    Dieser  Hass  fallt 
auf  dich.  —  Alsbald  starb  er  im  Wahnsinn. 


38K  ^  (Nvrfi)'wo  ^  ^  (kin-goku)'8i  ^  (ziaj-ni  ^ 
(fenJ'Site  inotsi-wo  ubb. 

Eine  Magd,  in  das  Gefängnis»  gesetzt,  ver- 
wandelt sich  in  eine  Schlange  und  raubt  das 
Leben. 

Je-do  ßsa-je-man  matsi-ni  ^  B  (kon-ja)  4^  (saj-ta-rb-to 
iü  mono  ari.  Am  jo  nusu-bito-ni  ai  ka-nai-no  sen-scJcu  ivwd- 
kari'si-ni  "^  -^  (ge-zioj-ga  mippu  sono  jo  küari-si-wo  siru- 
be-ni  bu-gib-sio-ni  uttaje-n-ka-ba  toi-zth-ni  kakaru,  Kono  tcotoko- 
^^  ^^E  ^K  fSi  (sorku-mayteö  ^  "J"  (san-teSyme  ^  f-^^nj" 
bib-je-to  iü  mono  nari  kore-ga  aiü-zin  kono  motio-wa  sa-aru  kot4) 
8w*u  mono-ni-wa  arazu-to  kataku  mbsi-tatete  adzukari-nu. 

Zu  Je-do,  in  der  Strasse  Fisa-je-mon  lebte  ein  Färber 
Namens  Sa-ta-ro.  Derselbe  traf  in  einer  Nacht  einen  Räuber. 
Indem  er  die  Untersuchung  in  dem  Hause  sorgfältig  betrieb, 
erfuhr  er,  dass  der  Buhle  der  Magd  in  jener  Nacht  gekommen 
war.  Als  er  dieses  dem  Amte  des  Oberaufsehers  anzeigte,  sehritt 
man  zur  Befragung.  Dieser  Mann  war  ein  Mensch  Namens  Kin- 
bio-je  aus  dem  dritten  Hause  der  Strasse  Sa-ku-ma.  Dessen 
Vorgesetzter  behauptete  fest;  dass  dieser  Mensch  kein  Mensch 
sei,  der  eine  solche  That  begeht,  und  erklärte  sich  für  verant- 
wortlich. 

Kudan-no  wonna  nomi  1^  M  (go-monyni  kakari  tsuraki 
seme  iabi-tabi-ni  kcuanari  wadzurai-si-wo  siü-zin-ni  ^  9ä|  (kan- 
bib)'»U'b€8i-to  no-tamai-si'ka-do  sa-ta-rb-ga  Wt  (sai)  motte-no 
foka-ni  ikari-nonosiri  nttsu-bito-ni  woi-to-wa  kono  koto  nari  sina- 
ba  sine-to  tori-awazari-suni  tsut-ni  komori-  ^  (fAysi-tari-si-wo 
si-gai'WO  tori-oku-bed-ja-to  o-oserare-si-ka-do  natoo-mo  sono  koto 
ima-imasi  tote  mimt^ni-mo  kiki-irezari-si-ka-ba  ß^  ^  f^  (siü- 
gokvrsiyjori  tera-ni  wokuri-sL 

Man  schritt  bloss  zum  Verhöre  des  erwähnten  Weibes. 
Da  harte  Peinigung  sich  mehrmals  wiederholte,  wurde  sie 
krank.     Man  sagte  ihrem  Herrn,  dass  er  sie  in  der  Krankheit 


R4>g«lNinlint«n  naiierer  Zeit  in  Japan.  301 

pflegen  möge.  Die  Gattin  Sa-ta-ro's  zürnte  und  schmähte 
jedoch^  indem  sie  sagte:  Für  den  Dieb  eine  Dareingabe  ist 
diese  Sache.  Wenn  sie  stirbt,  so  sterbe  sie.  —  Sie  kümmerte 
sich  nichty  und  die  Magd  starb  bald  in  dem  Gefangnisse.  Man 
befahl,  dass  sie  den  Leichnam  wegnehme;  doch  es  war  ihr 
noch  immer  unangenehm,  und  sie  hörte  es  nicht  an.  Der 
Vorsteher  des  Gefängnisses  schaffte  hierauf  den  Leichnam  in 
den  Tempel. 

Sotio  goro  aa-ta-rb-ga  W^  (sai)  itawari'si-ga  jo-na-jo-na 
an-do-no  uje-ni  fehi  wadakamari'si  aono  toki'Xoa  koto-ni  kurtm- 
mi-keri.  Febi'WO  korosi-te  sutsure-domo  mata  tsiigi-no  jo-wa  kitari- 
ini-nari  sti-beki  koto-nalcu  mote-atsukai-si-ga  tsui-ni  mi'fnakai'isi, 
Si-gm-wo  moku-joku-scLse-keru-m  kubi-ni  fehi-no  Tncdoutari-n-wo 
wotto  miru'jori  mi-no  ke  jodatsi'te  uki  koto-ni  omoi  tje-ico  ide 
^  Aj)  (fossin)  j&  ^  (siti-gihj-no  mi-to  nari-nu. 

Jetzt  empfand  die  Gattin  Sa-ta-rö's  Mitleid.  Allnächtlich 
krümmte  sich  über  der  Laterne  eine  Schlange,  und  um  diese 
Zeit  war  sie  besonders  leidend.  Sie  tödtete  die  Schlange  und 
warf  sie  weg,  doch  diese  kam  die  nächste  Nacht  wieder  und 
verblieb.  Ohne  etwas  thun  zu  können,  befasste  sie  sich  damit 
and  alsbald  verschied  sie.  Als  man  den  Leichnam  waschen 
Hess,  hatte  sich  um  ihren  Hals  eine  Schlange  gewunden.  So- 
bald ihr  Mann  dieses  sah,  standen  ihm  die  Haare  zu  Berge 
und  dieses  für  eine  traurige  Sache  haltend^  trat  er  aus  dem 
Hause,    bekehrte   sich   und  wurde  ein   den  Wandel  Uebender. 


Muma-no  suzi-fone-wo  itameie  |jA  "Aw  (fsin'zen)-ni  (fit 
ffn)'Wo  miru. 

Man  verletzt  Sehnen  und  Knochen  des  Pferdes 
and  sieht  vor  dem  Gotte  Blut. 

Musasi-no  ^  ^  -5^  (fatsi-wb-si)  seii-nin-siü  kasira 
^  ^  (fara-fanysa-je-mon  dono  tsune-ni  muma-no  wo-suzi 
naje^stizi-too  kiri  jakugane-wo  atsnru  koto-wo  konomare-si,  Aru 
ton-no  guan-nitgi-ni  gi-soku  ij^  (gonj-ziü-rb  udzi-gami-je  jjtt  ^ 
(M-9an)'8en  tote  tori-t-uo  maje-made  jukare-si-ga  ana  kitana-no 
mnmn-no  jfe  (tsiyja  ko-wanani-to  iü  koto-zo  |j^  "jj  (sin-zenj-made 
U  ^  (man^manj'fxxrisan'kei-wanaru'be'karazu,  Tomo-no  saburai- 
domo  ika-naru  kofo  no^tamb-m-ja  tsi-toa  katsu-te  mije-faberazu'to. 


302  Pfizmaier. 

Der  Herr  Fara-fan-sa-je-mon,  das  Haupt  der  Men^  der 
tausend  Menschen  der  acht  Köni^ssöhne  von  Masasi,  liebte 
es  gewöhnh'ch,  die  Schweifsehnen  und  vorderen  Sehnen  des 
Pferdes  zu  durchschneiden  und  ein  glühendes  Eisen  darüber 
zu  halten. 

An  dem  ersten  Tage  eines  Jahres  wollte  sein  Sohn  6on- 
ziü-r6  den  Altar  des  Oottes  der  Geschlechtsnamen  besuchen 
und  war  bis  zu  dem  Vogelsitze  gegangen,  als  er  ausrief:  Sehr 
schmutziges  Pferdeblut!  Was  bedeutet  dieses?  Es  hat  sich  bis 
zu  der  Vorderseite  des  Gottes  verbreitet.  Der  Besuch  de? 
Tempels  kann  nicht  stattfinden. 

Die  ihn  begleitenden  Kriegsmänner  sprachen:  Was  für 
eine   Sache  sprechet   ihr?     Blut  ist  durchaus  nicht  zu  sehen. 

Lje-domo  mi-dzukara-ga  me-ni-wa  mina  tsi-ntte  fnmu  fokoro 
nasi  tote  tori-i-no  foka-nite  nnkadzuki  kajeri-keni-jori  tccufzurfii' 
dzuki  mvma-no  inanahi  ma-ne-wo  si  nanu-ka-ni  atari-siß  J^  ^ 
(sxb-kiyni  naii-te  iwaku  mu-npri-ja  woja-no  jo-karanu  koto-tco  mft 
muma-wo  kurusime-tamb  5p  [^  (zai-sib)  tcare-nt  mukui  t^fihi- 
sib-db-ni  ^  (das)  sunt  koto-no  kanafd-sa-jo  tote  ^|^  4fi  (ko- 
knai)-serare  sono  M^   (jo)  mimast-kn  narare-ki. 

Er  aber  sagte :  Vor  meinen  eigenen  Augen  ist  alles  Blut. 
Es  ist  kein  Ort,  auf  den  ich  treten  könnte.  —  Er  schlug  ausser- 
halb des  Vogelsitzes  das  Haupt  an  den  Boden.  Sobald  er 
heimgekehrt  war,  wurde  ihm  unwohl.  Er  ahmte  das  Wiehern 
des  Pferdes  nach.  An  dem  Tage,  an  welchem  es  sieben  Tage 
waren,  kam  er  zu  Sinnen  und  sagte:  O  Leid!  Der  Vater  thut 
Dinge,  welche  nicht  gut  sind,  und  quält  Pferde.  Das  hindernde 
Verbrechen  wird  an  mir  vergolten.  O  die  Traurigkeit,  dass 
ich  dem  Wege  der  Thiere  verfalle!  —  Reue  bezeigend,  starb 
er  in  derselben  Nacht. 


"TC  lllfe  (Dai-zia)'%co  Wt  S&  (setsv-gai)-site  notsi  onazi-hi-ni 

^  (/n)-sn. 

Man  zerhaut  eine  grosse  Schlange  und  stirbt 
später  an  dem  nämlichen  Tage. 

To'db  idzumi-no  kami  dono  vtsi.  ^^  SS  (waka-wara) 
Ä  Jj^  (^'jo)-to  in  ßto-no  ke-rai  löj  ^    (zin-feij-to   itt  memo 


Bei^benhpit4*ii  neuerer  Zeit  in  Japan.  303 

{'fte-no  ^@    ffl    (gn-ma)'WO  fnne-nite  toworu  toki  itoa-ni  ataini-to 
omoi-Hi-ni  tcohifatasi-ku  ßbiki-fe  ^  jj|^  (dai-zia)  ugokf-ide-tari. 

Als  Zin-fei,  der  Hausgenosse  eines  in  dem  Inneren  T6- 
Ah\  des  Herrn  Statthalters  von  Idzumi,  befindlichen  Menschen 
Namens  Waka-wara  I-jo,  durch  Qa-ma  in  I-se  zu  Schiffe  reiste, 
g^laubte  er,  dass  man  an  einen  Felsen  stosse.  Es  wiederhallte 
gewaltig,  und  eine  grosse  Schlange  hatte  sich  herausbewegt. 

Zin-fei  sukosi-mo  sawagazu  katana-wo  nuki  -^  jj|^  (dai- 
naj-wo  kasiva-wo  ntsi-otose-si  sono  take  ziüsan-ken  ari-si,  Kakaru 
monO'Wa  aio-ni  intari-wo  nasu-io  lü  M^  Bf  (ko-zitsu)  ari  tote 
do-wo  mi-tsn-ni  kiri  kubi-to  issio-ni  fSmuri-te  toburausi-ni  ziü- 
san-nen-me-no  ^  ^  (do-gnatsu)  ^  Q  (do-zitsu)  ^  ^j 
(do-kokuyni  widzu-wo  nomu  tote  mutende  sini-keri.  Ika-naru 
koUhno  ajcLsi-ki  koto-no  ari-kei'U'ni'ja  sadamete  jj|^  (zia)'no  juje 
nant'besi'to  ßfo-bito  mbsi-ajeri-kL 

Zin-fei,  nicht  im  Geringsten  bestürzt,  zog  das  Schwert 
and  hieb  das  Haupt  der  grossen  Schlange  ab.  Die  Länge 
derselben  betrug  dreizehn  Ken.  Meinend,  es  sei  ein  altes 
Gesetz,  dass  solche  Wesen  in  der  Folge  Heimsuchung  bewirken, 
zerhieb  er  den  Rumpf  in  drei  Theile,  vergrub  diese  zugleich 
mit  dem  Haupte  und  beging  die  Trauer. 

Im  dreizehnten  Jahre,  in  demselben  Monate,  an  demselben 
Tage  und  in  derselben  Viertelstunde,  indem  er  Wasser  trank, 
schluchzte  er  und  starb.  Welche  Seltsamkeit  irgend  einer 
Sache  geschehen  sein  mochte  ?  Die  Menschen  sagten  unter 
einander,  dass  es  wahrscheinlich  wegen  der  Schlange  sein 
werde. 


Kome-wo  ubai  momo-wo  kiri  J^  W^  (sitsi-dai)  asi-wo  jamu. 

Man  raubt  Reis,  haut  den  Schenkel  ab,  und 
sieben  Geschlechtsalter  haben  kranke  Füsse. 

Seküga-wara  ^  (dzin)-m  ^  J||  (mi-ma)  yj"  (saij-san- 
r^hfo  iü  fito  jama  husi-no  ^  ffi  (bei-noywo  motsi-te  towoH-keru- 
^*  "Ä  ^  (^/J^ro^-Mo  fame-ni  tote  jama-bust-no  migiri-no  taka- 
momo'Vco  kiri^te  otosi  kome-wo  ubai'fori'kere'ba  jama-btisi  wowoi-ni 
^ri'te  fiiiai-'dai-wa  urami-wo  nasan-to  omeki  sini-keri. 


304  PfiimRifer. 

Id  dein  Kriegslager  von  8eki-ga-fara  hieb  ein  Mensch 
Namens  Mi  -  ma  Sai  san  -  rb,  als  ein  wahrsagender  Bonze  mit 
einem  Sacke  Reis  hindurchging,  unter  der  Angabe,  es  sei 
wegen  der  Mundvorräthe  der  Krieger,  den  rechten  Ober- 
schenkel des  wahrsagenden  Bonzen  ab  und  raubte  den  Reis. 
Der  wahrsagende  Bonze,  in  grossem  Zorne,  schrie :  Ich  werde 
sieben  Geschlechtsalter  hindurch  Rache  üben!  und  starb. 

Sore-juje-ni-Ja  sai-san-rb  migiri^jw  kata  nage-cui-ni  nari 
^  J§  (In-kioJ-site  ^  ^  (ka^tokuj-wo  watase-lßa  an  na- 
wori-te  ka-toku-no  ko  mala  nage-asi-ni  naru  koto  ima-ni  iiari-U 
onazi.  Maki-no  suru-ga-no  kami  dono  ^tt  "^  (ka-rb)'io  nan 
mbsi-  tsuiaje-au 

Desswegen  wohl  wurde  Sai-san-rö  auf  dem  rechten  Fasse 
lahm.  Als  er  sich  zurückzog  und  seinen  ältesten  Sohn  brachte^ 
heilte  sein  Fuss,  und  der  Fuss  des  Sohnes  des  ältesten  Sohnes 
wurde  wieder  lahm.  Bis  jetzt  geht  es  so  fort.  Der  Haus- 
älteste Maki-no's,  des  Herrn  Statthalters  von  Suru-ga  hat  es 
überliefert. 

Tora-no    kawa    vsi-wo    matoi    tisi-no    naki-wo    nasi-te    ^ 

(8i)-8U. 

Mit  einer  Tigerhaut  das  Rind  umwickelnd, 
ahmt  man  die  Stimme  des  Rindes  nach  und  stirbt. 

Je-do  wO'Wari  Wj  (ted)  itsi-teo-nie-no  bgi-ja  usi-no  ko-wo 
motome  womote-jori  asi-made  tora-no  kawa-nite  nm-fukufin  sakai- 
BIJ*  (teo)'no  siha-Uni  idasi  dai-btin-no  atai-wo  fori-si  sika-mo 
nako^ezi  tote  kutsi-wo  nui-kome-si  juje-ni  ^^  jttj  (sioku-moimi)- 
wo  tatte  roku-sitsi-nitsi  sugttre-ba  sini-keni-wo  tori-kaje-tori-kaje 
go-roku'  p[C  (ßki)-ni  ojoberi.  Sono  goro-jon  kano  mono  kokoro- 
oM'ku'te  najami'si  notsi-ni-wa  fitamra-ni  vst-no  naku  ma-ne-tco 
site  8tni'8i'to  nan. 

Zu  Je-do,  in  dem  ersten  Hause  der  Strasse  Wo-warij 
suchte  ein  Fächermacher  ein  Kalb,  nähte  es  vom  Gesichte  bis 
zu  den  Füssen  in  eine  Tigerhaut,  führte  es  dann  zu  dem 
Schauspielhause  der  Gränzstrasse  hinaus  und  nahm  dafür  einen 
übermässigen  Preis.  Jedoch,  damit  es  nicht  blöke,  hatte  er 
ihm  den  Mund  zugenäht.  Desswegen  hatte  es  kein  Futter, 
und   nach  Verlauf  von  sechs   bis   sieben  Tagen  starb  es.    £r 


BegeVenheiten  neuerer  Zeit  in  Japan.  305 

nahm  immer  wieder  andere  und  gelangte  bis  zu  fünf  oder 
sechs  Thieren.  Seit  dieser  Zeit  war  jenem  Menschen  im 
Herzen  übel,  und  er  kränkte  sieh.  Später  ahmte  er  ernstlich 
die  Stimme  des  Rindes  nach  und  starb. 


Nezumi  jubi-wo  kurai  itumu. 

Der  Schmerz  von  dem  Bisse  einer  Ratte  in 
den  Finger. 

Je-do  ko-isi-gawa  Ä  ^  fö  (den-dzü-inj-ni  ^  ^ 
(n-satsu)-to  iü  JÖj'  >^  (sio-ke)  ari.  Kono  ^  (8&)  ziaku- 
nen-no  toki  aru-fi-no  sariirno  koku-bakari-ni  nezumi-wo  torajen 
tote  woi-mawasi  migiri-no  te-nite  mgiri  korosare-si-ni  nezumi  ka- 
ftira-wo  furi'kajesi  jubi-wo  kurai-te  sini-keru  ^  ^  (Tb- 
hun)'ni  sukosi  itami-d-ka-do  sctssoku  kokoro-joku  nari-faberi-si' 
ga  sono  notsi  fi-goto-ni   JJ^   (ban)  nana-tsu  koro-ni-wa  kudan^no 

jubi  sücu'siku'to  itami-te  — •  ^^  (isseSJ-ga  aida  onazi-koto  nari, 

Kano  nezumi  ikareru  ^   ^  (8ai'go)-no   — •   ^  (itsi'nenyni'ja 

mnkoto-ni    osorosi-ki    äj    1^    (si^'sin)    nari-to    tsune-ni   kata- 

rare-si. 

Zu  Je  -  do,  in  dem  Gebäude  Den  -  dzu  von  Ko  -  isi  -  gawa, 
befand  sich  ein  Novize  Namens  Ri-satsu.  Dieser  Bonze  wollte 
in  seiner  frühen  Jugend,  an  einem  Tage  um  das  Viertel  der 
Stunde  Saru  eine  Ratte  fangen.  Indem  er  sie  herumtrieb, 
erfasste  er  sie  mit  der  rechten  Hand.  Während  sie  getödtet 
wurde,  drehte  die  Ratte  schnell  das  Haupt  zurück,  biss  ihn  in 
den  Finger  und  starb.  Obgleich  es  ihn  im  Augenblicke  ein 
wenig  schmerzte,  war  er  sogleich  guter  Dinge.  Später  schmerzte 
ihn  jeden  Tag  am  Abend  um  die  siebente  Stunde  in  geringem 
Grade  dieser  Finger,  und  es  blieb  sich  dieses  gleich,  so  lange 
er  lebte.  Man  sprach  gewöhnlich:  Diese  Ratte  war  zornig, 
sie  war  wohl  in  dem  einzigen  Gedanken  der  letzten  Stunde. 
Es  ist  in  der  That  eine  schreckliche  Ergreifung  des  Herzens. 


Sittnngeber.  d.  phü.-hist.  Ol.  XCV.  Bd.  I.  Uft.  20 


306  Pfixmaier. 


yj      (Ka-sai)    ^    -^    (fteo-zio)  mi-dzukara    ij^ 
(8eO'SP.t8u)'to   -S    (f/hysii. 

Ein  durch  die  Qabe  des  Liedes  ausgezeich- 
netes junges  Mädchen   nennt  sich   Fich tenschnee. 

I'Se-no  kuni  nanigasi-no  musvvue-yu  A\^  (inu)-fo  ijeru  mono 

fl''^'«     2fC    |m    (Fon-sev)  jasasi-kti-te    5(5D    Wi  (toa-kaj-wo  kam- 

meri,     Notsi-no  a^ita-no  koi-to  ijeim  ^S  (dai)-siU 

Kinu-ginu-no  wakare-no  fodo-no  womoi-dete  ima  dam  tsv- 
raki  tori-no  ko-e  kana. 

In  dem  Reiche  I-se  war  ein  Mädchen  Namens  Inu.  Ihre 
Gemüthsart  war  freundlich^  und  sie  liebte  das  japanische  Lied. 
Sie  dichtete  auf  den  Gegenstand:  ,Die  Liebe  des  späteren 
Morgens'  die  Verse: 

Der  Seidenzeuge  |  Trennung,  ihre  Zeit  |  wenn  in  die 
Gedanken  kommt,  {  ist  jetzt  nur  die  schmerzliche  |  Stimme 
des  Vogels! 

-p  ^^  ^^  (Ziu'Saii'SaiJ-no  jowai-ni  gen-roku  ziu-mn 
sib-gtmtsu-ni.  mi-makari-keru-ga  ifo-joku  j^  "rap  (gO'8e)-no  ito- 
nami-wo-mo  saiori-te  nru  fg  (sö)-wo  maneki  waga  rmki-na-wo 
i^    ^^    (sed-8efsv)-to    tamaware   sari-si    koro    matsu-no  jvJci-f^ 

ijeru   SS    (dai)-nife  ufa  jorni-fanberi-keru  tote 

Saza-nami-ja  ^k  ^[  (si-gaj'no  fama-matsu  itsti-jori-mo 
ima  fitO'sitco-no  jnki-no  ake-bono. 

]^  iÜ  i&  (Si-de-dziyno  j|g  (kateyni  -|-  ^  (ziü- 
nenj'-wo  sadzuke-je-sase-tamaje  tote  nen-goro-ni  ^  '^  (neu- 
bus)  81. 

Moro-tomo-ni  kutsi-na-ba  kufsi-jo  nagarajete  nokoru-mo  tsu- 
rasi  adasi  uki-  ^^  (naj-no 

to  jomi-te  owari-to  nari. 

In  dem  Alter  von  dreizehn  Jahren,  im  ersten  Monate  des 
zehnten  Jahres  des  Zeitraumes  Gen-roku  (1698  n.  Chr.),  starb 
sie.  Sehr  gut  den  Aufbau  der  späteren  Welt  erkennend,  rief 
sie  einen  Bonzen  zu  sich  und  sprach :  Verleihet  mir  nach 
meinem  Tode  den  Namen  Seö-setsu  ,Fichten8chnee^  Um  die 
Zeit  meines  Scheiden»  habe  ich  unter  der  Aufschrift  «der 
Fichtenschnee'  ein  Gedicht  verfasst: 


Begebenheiten  neuerer  Zeit  in  Japan.  30^ 

Die  krausen  Wellen  !  |  Die  üferfichte  von  Si  -  ga,  |  seit 
wann  auch  |  ist  sie  jetzt  immer  noch  |  der  Tagesanbruch  des 
Schnees  ? 

Lasset  mich  auf  dem  Wege  des  Todeshimmels  als  Mund- 
vorrath  die  zehn  Gebete  gereicht  erhalten!  —  So  sagend; 
betete  sie  eifrig  zu  Buddha. 

Wenn  Alle  zugleich  |  verfaulen,  mögen  sie  verfaulen!  | 
Im  Fortleben  |  übrig  bleibend,  leidvoll  ist  |  ein  anderer  eitler 
Name. 

Nachdem  sie  diese  Verse  gesagt,  verschied  sie. 

Fodo'fete    iioUi   kono   musume-no   kakaru    96    yj^    0*«**" 

saij-no   ari-si   koto   ika-nai^u   tajori  ari-te-ka    "tC     %    (dai-ri)- 

ni  kikosi-mesare  anata-no   ^(  (jei)'no  naka-ni  5Bl   "^  (go-siü) 

^    (onJ'tome-scise-keru-fO'jn    ^    (jo)'no    ZL    "^    (ni'siüj-tca 

morasi-tAu,    Matsu-no  juki-to  ijeru  dai-wo   ^t  (anj-zi-tvadzurai" 

te  ^  (sij-seru  ßto-no  futa-tahi  kitareru  ija-to  fifo-bito  i-i-ajeri. 

Nach  einiger  Zeit  hörte  man,  da  wohl  irgend  eine  Nach- 
richt zugekommen,  in  dem  grossen  Inneren,  dass  dieses  Mädchen 
von  so  schöner  Begabung  gewesen,  und  man  behielt  unter  jenen 
Gesängen  etwa  fünf  Stücke  zurück.  Die  übrigen  zwei  Stücke 
gingen  verloren.  Das  Gedicht  ,der  Fichtenschnee'  beurtheilte 
man  mühsam,  und  die  Menschen  fragten  in  Gemeinschaft,  ob 
die  Verstorbene  noch  einmal  gekommen  sei  oder  nicht. 


T    ^    Ä?     Ä    r^*^'^^^    zen-ni)    omote-wo  jai-te    ^ 
I fb)-wo  motomu. 

Die   Nonne   Ri6-nen   verbrennt   ihr  Angesicht 
und  sucht  die  Vorschrift. 

T    ^    'iPI    Ä    (Jii^''^^^  zev'm)'wa    ^    (mijako)'no 

fito-nife   -^    Bb    (o'O-ufM)'m  fjfuknje-faheri'si'ga    fj^    ^    (kon- 

in)-i}o  koto  fito-no  naka-datn-si-keru-ni  \   ^  (ko)   ^    y^    ^ 

(8an'Si'7iin)-mo    umi-na-ha    itoma     tainaware-to    sS    ^»J    (kei- 

jaku-site    ^    (kaj-si   juki-keri.       ^    "f"    ^    ^    (San-ziü- 

jo-sai)^no   toki  made    J|    ^    (nan-nio)    ^    ^    (aan-nin) 

20* 


308  Pfismaier. 

mhke   wofto-ni  sika-sika-no  koio-wo  i-i  fsyi-ni  kami-wo   sori  ko- 
romO'WO   some    ^    ^    (rin-sai)    ^    f^    (wh'b€Jcu)'no   ^ 

JjS|    tt    (siO'Zen'rin)'nt    vi    ^    ^T    (san-dh)    fima-naku    tm- 

tofne-keri. 

Die  Nonne  Riö-nen  stammte  aus  Mijako  und  diente  in  dem 
grossen  Inneren.  Ein  Mensch  machte  fiir  ihre  Vermälung  den 
Vermittler.  Indem  sie  sich  bedung,  dass  man^  wenn  sie  drei 
bis  vier  Kinder  geboren  haben  würde,  ihr  die  Entlassung  gebe, 
vermalte  sie  sich  und  ging  weg.  Bis  zu  ihrem  dreissigsten 
Jahre  erhielt  sie  Söhne  und  Töchter  im  Ganzen  drei.  Sie 
sagte  dem  Manne  das  Bewusste,  schor  hierauf  das  Haupthaar, 
färbte  die  Kleider  und  in  den  Priesterwald  der  die  Vollendung 
überwachenden  gelben  Flügelfrucht  tretend,  befleissigte  sie  sich 
unablässig  des  Besuches  des  Weges. 

Ten.u>a    guan-nen-no  fuju   ^    0.    (fm-mn)-no   tame-ni 

tote    ]jf]2    ^    (je-do)-m  kudari    ^    J^    (i-no    uje)  jamato-no 

kamt  tono-no  jasiki-ni  ari-si    ^     ^    (faku-wo)  tvo-sib-ni  ma 

mije    ^^    (fo)'too  uken-to   koi-si-ka-do  kawo-katat^i  uruwast-kl- 

ni'Wa  ^^   pj  (nin-ko)  osare  ari-to  nO'tamai'si'ka'ba  jogate  tafsi- 

kajeri  fi-kaki-too  jaki  fitai-jori  j^  (rihyno  kawo-ni  itai^u  madt 

jaki-tadarasi  wo-sib-m  mn-iri-ai-ka-ba  sono   ^^    ^    (kon-sihtDO 

fukakti  J^   (kan)-zi  ^    j^  (tai-fo)  nokori-naku  [^    ^  (fv- 

ziii)  ari'Si  toki     ^     ^     (si'ka)'Xco    ^    (fu)'Site     ^    (fcij- 
si'keri. 

Im  Winter  des  ersten  Jahres  des  Zeitraumes  Ten-wa 
(1681  n.  Chr.)  reiste  sie,  wie  sie  sagte,  um  überall  die  Tempel 
zu  besuchen,  nach  Je-do  herab,  erschien  bei  dem  in  dem 
Hause  I-no  uje's,  des  Herrn  Statthalters  von  Jamato,  befind- 
lichen Bonzen  Faku-w6  und  bat,  die  Vorschrift  in  Empfang 
nehmen  zu  dürfen.  Doch  dieser  sagte  ihr,  dass  bei  der 
Schönheit  ihrer  Gesichtszüge  die  Reden  der  Menschen  zu 
furchten  seien. 

Sie  ging  sogleich  nach  Hause,  glühte  ein  Schüreisen 
und  brannte  sich  von  der  Stirne  bis  über  beide  Wangen. 
Als  sie  sich  hierauf  zu  dem  Bonzen  begab,  war  dieser  von 
ihrem  ernsten  Vorsatze  tief  ergriffen  und  überlieferte  ihr 
vollständig  die  grosse  Vorschrift.    Er  dichtete  dann  ein  chine- 


Begebenheiten  seaerer  Zeit  in  Jspftn.  309 

sisches  Gedicht   und  ein  japanisches  Lied  und  machte  es  da- 
durch bekannt. 

Mitkasi    ^     ^    (kiü-rij-ni    asohi    B||    Jfi    (raTi-ztaytoo 

takn  I  inia  |jp  j^   (zen-rinj-ni   Ute   ^    ^    (men-fiywo  jaku. 

Einst  wandelte  sie  zu  dem  Inneren  des  Tempels,  brannte 
Luftblumen  und  Moschus.  Jetzt  tritt  sie  in  den  Priesterwald 
uud  verbrennt  die  Haut  des  Angesichts. 

PH    ^    (Si-zioyno    jj/j^    ^   (riü^kd)    sara-ni   ato-nasi   \ 

tare-ka  köre  ^S   iff  (ko-tsinj-ni  utsuru  koto-wo  sirazu. 

Der  Lauf  der  vier  Ordnungen  ist  wieder  ohne  Spuren. 
Man  weiss  nichts  dass  Jemand  in  die  Zahl  übergegangen. 

Ikeru,  "jH^  (jo)'ni  sutete  taku  ^  (mi)-ja  u-karamcuii  jMl 
(tsui)'no  taki-'gi'to  omowazari-se-ba. 

In  der  lebendigen  Welt  |  der  Leib  wohl,  den  man  ver- 
wirft und  brennt,  |  wird  elend  sein,  |  als  Brennholz  des 
Endes  |  wenn  man  ihn  nicht  betrachtet. 

Tadare-taru  kizu  jagate  ijete  suko^i-mo  ato  tsukcunari-ai-mo 
nuifa  ^  iäp  (ki'doku)-no  koto  nari.  Je^do-tsikaki  wotsi-jai-to 
iü  tokoro-ni  mi-dzukara  4^  -^  (sed-zia)'Wo  ^&  ^UL  f^^**" 
riujsi  — •  ^  ^  (itsi-zeO'inJ'to  -S*  (yo^si  ama-mt-tJüp  atsume 
j^  (f6)-tco  toki'si-to  tiarL 

Die  Brandwunden  heilten  sogleich  und  Hessen  nicht  im 
Geringsten  Narben  zurück,  was  ebenfalls  ein  Wunder  ist.  An 
einem  nahe  bei  Je-do  gelegenen  Orte  Namens  Wotsi-jai  er- 
richtete sie  ein  geistiges  Haus.  Indem  sie  dieses  das  Oebäude 
der  einzigen  Ueberwindung  nannte,  versammelte  sie  die  Nonnen 
und  erklärte  die  Vorschrift. 


Ip    Ä    (Zen-ni)    womote-wo  jaki   ^    ^    (ßi-ka)    ^ 

(fo^wo  vkii. 

Eine  Nonne  verbrennt  ihr  Angesicht,  singt 
ein  japanisches  Lied  und  nimmt  die  Vorschrift  in 
Empfang. 

Mukcui    ^    ^    (ko'siü)    aiwo-jama-ni    ^    ^    (fo-sin) 

uJ0-«e6  tote   Tß^    ^    (ko-söj-no  imoto  nari-d  zen-ni  owim^keru^ 


310  Pfixmaier. 

ni  yj^   j^    (sai'tsi)  ßto-ni    koje    ffi    i^    (sessoj-ni   tagui-na- 

kari-si-ka-do  hi-rei-no  kikoje  an-te  "W  (jo)-no  sosiri  saJce-ga- 
tasi'to  010  (8i)'no  no-tamai-si  koto-wo  kiki-tamai-te  ^1^  ^ 
(tekkuaj-wo    womote-ni    ate    5(«D    ^    (wa-kaj-wo    ^  (jeij-nie 

Waga  woniote  urami-te  jaku-zo  nwo-no  jama  ff^  J^ 
(ama)'no  faku  «f^  (fi)-^  fito-ja  miru-ran. 

Einst  befand  sich  auf  dem  Salzberge  in  Ko-siü  eine 
Nonne,  welche  die  jüngere  Schwester  eines  hohen  Bonzen,  des 
Bonzen  F6-sin  war.  Dieselbe  überragte  die  Menschen  in  Be- 
gabung und  Verstand,  ihr  Festhalten  an  der  Tugend  war  ohne 
Gleichen.  Da  sie  jedoch  in  dem  Kufe  der  Schönheit  stand 
und  gehört  hatte,  dass  der  Meister  sagte,  es  sei  ihr  unmöglich, 
den  Tadel  der  Welt  zu  vermeiden,  legte  sie  ein  glühendes 
Eisen  auf  ihr  Angesicht  und  sang  das  japanische  Lied: 

Mein  Angesicht,  |  im  Hasse  verbrenn*  ich  es.  |  Auf  dem 
Salzberge  |  als  Feuer,  welches  die  Seelischer  brennen,  |  werden 
es  die  Menschen  seh'n. 

Kaku-te  0j0  (si)-no  moto-je  itari-tamaje-ba  jagate  Ä  I» 
(b-giywo  katabuke-tsukusi'te  sadzuke-tamai-fn-to  nari. 

Als  sie  so  zu  dem  Meister  kam,  neigte  dieser  sogleich 
die  tiefen  Bedeutungen  gänzlich  seitwärts  und  übei^ab  sie  ihr. 


(#  ^  fJ5an-z«tj  ^  |iä^  (wo -810)  ^  ^  (zia-sinj-ico 
>^  (ked-ke)'8u. 

Der  Bonze   Ban-zui    belehrt    und   umgestaltet 
die  unrechte  Secte. 

jl  j^  (Kia-siv)  ^^^^  (ki-n.»i.tan)-no  ^  R 

(siü-mon)  ^f    |ä    (fakkhysUe  jGj^  ^^   (sei-dbj-no  samadake-to 

naru   kofo  fanafadasi'kari'kera'ba    ^j^     »    (sio-ymi)    ^   ^ 
(bup-pd)-wo  motte    Vg    (dzi )-itezun-ba   uam-mazi-ki   koto-to  ohoH- 

mesi'te    1%     J^     ^    (zo-zib-zij-no    ^     0jj     (koku-stj-t^)   go- 

Bb   Wf^   (nai'dan)  an-te   ojoso  kono  koto    ^^  ^    (si-togej-nan- 

wa  ^   ^  (sio'siiij-no   tiaka-ni  jf^  ^   (ban-zutj-ni  sngi-iani- 
wa  arazt  tote. 


Begebenheiten  neuerer  Zeit  in  Japan.  311 

Als  in  Eiü-siü  die  Secte  der  Christen  entstand  und  in 
hohem  Masse  ein  Hinderniss  des  Weges  der  Lenkung  wurde, 
glaubte  der  Heerführer,  dass  man  nicht  anders  als  durch  die 
Vorschrift  Buddha's  sie  zurecht  bringen  könne.  Indem  er  mit 
dem  Reichslehrmeister  des  Klosters  Sö-zi6  eine  geheime  Unter- 
redung hatte,  sagte  er:  Wenn  man  diese  Sache  zu  Stande 
bringen  will,  so  ist  unter  sämmtlichen  Secten  Niemand,  welcher 
Ban-zui  übertroffen  hat. 

Jl  fiP   (Zih'siywo  motte  on-tanomi  ari-si-ni  vxhsih  kataku 

^  (zi)   sei'are'si'ka-domo  J^  ^^    (zib-si)   san-do-ni   ojobi  mosi 

kono  ^&  ^  (aku'db)  y6  ^^  (tai'dzi)'si-tamaica-ha  ika-naru 
koto  nari'to^mo  nozomi-ni  makasu-hesi-to  ari-kere-ha  kono  nje-wa 
^  "jk,  (ze-ßj-ni  ojobazu  sa-ara-ha^T^  |3)  (ge-kbj'si-nan  kasiko- 
ni  kari-no  ^  (doj-wo  tsukttrase-tamaje-to  ari-kere-ba  sunawcdsi 
0    (Sj     fß'Uga)'no    kuni-ni    oi-te    — •  ^^    (itsi'u)'W0    ^^  jj^ 

[zö-rin)  ari-keri  wia-no   ^  ^^  ^  (faku-db-zi)  köre  narL 

Er  bat  diesen  dui'ch  einen  oberen  Abgesandten.  Der 
Bonze  weigerte  sich  zwar  beharrlich,  doch  der  obere  Ab- 
gesandte sagte,  als  es  das  dritte  Mal  war:  Wenn  ihr  diese 
schlechten  Genossen  zurückwerfet  und  zurecht  bringet,  so  wird 
oian,  was  für  eine  Sache  es  auch  sei,  sie  eurem  Wunsche  über^ 
lassen. 

Jener  konnte  dagegen  nichts  einwenden,  und  er  sprach : 
Ich  werde  also  hinabreisen.  Lasset  dort  eine  vorläufige  Halle 
erbauen.  —  Man  Hess  hierauf  in  dem  Reiche  Fi-uga  ein  Vor- 
dach errichten.  Dieses  ist  das  gegenwärtige  Kloster  des  weissen 
Weges. 

Sore-jori  onio  tokoro  are-ba  tote  i-se  |^  ^  (kuma-naj-je 
rnbden  tote  madzu  ""ij^  J^  ^  {tai-zin-güj-wo  inori-tate-matsuran- 
'^*  |1|  B9  (J^^i<i'da)'7ii  itari-tamb  sono  ^  (jo)-no  jume-ni 
kata-zi-ke-naku-mo  ^^  ]|jA  (son-sin)  makura-ni  tatase  kono  tabi- 
no  "^  (5j  (ge-kb)  mottomo  jA  ffi^  (siüseo)  nari  ware-mo 
inkara-wo  sojen-to-no  tsuge  ari-si-ka-ba  koto-ni  tbtoku  omoi  sono 
M  ^  (joku-ted)  "^  j^  (but8U'z6)'W0  nri-mono  kitarerü 

Hierauf,  indem  er  sagte,  was  er  im  Sinne  habe,  wollte 
er  sich  nach  Kumo-no  in  I-se  begeben  und  gelangte  früher, 
um  in  dem  Palaste  des  grossen  Gottes  zu  beten,  nach  Jama- 
da.    In  dieser  Nacht  träumte  ihm,    dass  dankbar  der  geehrte 


312  Pfismftier. 

Gott  an  dem  Polster  stand  und  ihm  sagte :  Dieses  Mal  ist  die 
Reise  hinab  sehr  vortrefflich.  Ich  werde  auch  meine  Kraft 
hinzugeben.  —  Er  hielt  dieses  für  besonders  ehrenvoll.  Am 
nächsten  Morgen  war  der  Verkäufer  eines  Buddhabildnisses 
gekommen. 

Iza  tote  wogamase-tamb^i  aono  totosa  itirmo  sara-nari-kere- 
ba  masasi'ku  mL  Hup  (son-sinj'no  tsikara  awasase-tamh  sirm 
naran  tote  |^  ^.  (kuan-kihsi  jagate  ^  (»edj-si  tamai-keru. 
Saru  fodo-ni  nandzi  idzuku-no  fito-zo-to  are-ba  sadaka-ni  iwaz» 
ato-wo  sitbte  mi-tamh-ni  ]f/jf  ^  ^|  (sin-ro-sanj-ni  iru-to  ßtosi- 
ku  juku'kata  sirazu  nari-ni-d. 

Er  verehrte  es  somit  und  dessen  Schätzbarkeit  war  durch 
Worte  nicht  auszudrücken.  Glaubend,  dieses  werde  richtig  ein 
Zeichen  sein,  dass  der  geehrte  Gott  mit  ihm  die  Kraft  vereint, 
freute  er  sich  und  erbat  es  sogleich.  Er  fragte :  Also,  woher  bist 
du?  —  Jener  sagte  es  nicht  bestimmt.  Der  Bonze  blickte  ihm 
verlangend  nach.  Jener  trat  in  das  Gebirge  des  göttlichen 
Weges,  und  zur  selben  Zeit  wusste  man  nicht,  wohin  er  ge- 
gangen. 

Sore-jari  kuma-no-wa  kajeru-sa-ni  se-baja-to  ß-uga-no  kuni- 
ni  kudari'tsuki'te  Jj^  |^  (sib-boyioo  toki-nobe  3J|J  |^  (2*0-/0;- 

wo    sirizoke-kudaki'tamai'kere'ba    kano    ^    ^    (zionto)    mina- 

mina   aratame-kui    S^    4^    (ki-fukuj-site    &t    ^   f^    (zth-do- 

monj-ni    iru    mono    iku    -^     ^    (8en-man)-nin'to    iü   koto-tco 

gircizu.  Sono  naka-ni  ^  -^  (san-senj-jo-nin-wa  sib-bo-ni  ajeru 
ureai'Sa-no  amari  tote  tatst-dokoro-fii  ^{^  ^  (sia-sinj-si-keru' 
tO'ka-ja. 

Hierauf,  in  der  Absicht,  dass  er  es  in  Kuma-no  bei  der 
Rückkehr  thun  werde,  reiste  er  zu  dem  Reiche  Fi-uga  hinab 
und  erklärte  und  verbreitete  bei  der  Ankunft  die  richtige 
Vorschrift,  warf  zurück  und  zertrümmerte  die  unrechte  Vor- 
schrift. Alle  unrechten  Genossen  besserten  sich  und  bereuten, 
diejenigen,  welche,  sich  zuwendend  und  sich  unterwerfend,  in 
das  Thor  der  reinen  Erde  traten,  man  weiss  nicht,  wie  viele 
Tausende  und  Zehntausende  es  waren.  Unter  ihnen  mochten 
über  dreitausend  Menschen  gewesen  sein,  welche  in  dem  lieber- 
masse  der  Freude  darüber,  dass  sie  die  richtige  Vorschrift 
getroffen,  auf  der  Stelle  der  Welt  entsagten. 


B«gebenheiton  n«iieT«r  Zeit  in  Japan.  ol3 

Wo-stb  amoi-no  mama-ni  ^  j|J  5(H)  ^^  (gu-dzü-ri-jaku)- 
aite  kano  £  ^  [rei'ZoJ'WO'ha  ^  ^  ^  (faku-db-ziyno 
i  Ä  (fon-zonyto  agame-iate-matsuri  mata  kuma-no-je  womo- 
nuld'tamai'te  sunawatsi  ^  Q  (nana-ka)  komori-te  j^  jj^ 
(fd-seysi'tamai'kerU'ni   dai-nana-ka  ^  (mei)  owari-tatnai-si-wo 

^  >^  (zui-sO-no  ±  M^  tS6  (^^"^  /«-«^  ^'C  f$ 
'kua'sdj'tii  nasi-keru-ga  fone-wa  sukost-mo  naku-te  ^^  t^ 
ffti-zei)   fjlf  ^   (8io-dzi)'no   ^  ^  (nen-ziü)  »^  ^  ßuan- 

i'auß'to  teri'kagajakei-u,  ^  5^^)  (Sia-riJ-to  nari-te  tsunagi- 
nagara-ni  *^  ftl  (kua't^ü)'joH  ide-kere-ba  kore-voo  JX.  ^ 
(je-do)'je  mori'tate-matsuri'te  ima  M^  |^  ^  (han-zui-inj-no 
fi    SP    (dziü'fd)'?iite-zü   ari-kerL 

Der  Booze;  der  nach  seinem  Wunsche  den  grossen  durch- 
o:ängigen  Nutzen  geschafft^  verehrte  jenes  heilige  Bildniss  als 
den  vorzüglichsten  Geehrten  des  Klosters  des  weissen  Weges. 
Indem  er  ferner  nach  Kuma-no  eilte,  schloss  er  sich  durch 
sieben  Tage  ein  und  befasste  sich  mit  der  Vorschrift.  Am 
siebenten  Tage  war  sein  Leben  zu  Ende. 

Der  folgende  und  aufwartende  Bonze  des  grossen  Durch- 
wepjes  war  bei  der  Feuerbestattung  thätig.  Es  waren  nicht  im 
Geringsten  Gebeine  vorhanden,  und  der  Rosenkranz,  den  er 
durch  sein  ganzes  Leben  in  den  Händen  gehalten,  erglänzte 
hell.  Er  wurde  das  Ueberbleibsel  und  als  er  zusammen- 
gebunden aus  dem  Feuer  herausgekommen  war,  bewahrte  man 
ihn  fiir  Je-do.  Er  war  die  wichtige  Kostbarkeit  des  jetzigen 
Gebäudes  Ban-zui. 


JC  i^  (In-sei)  wO'Sib  kane-wo  sute  j^   (kiö)-wo  wosamu. 

Der  Bonze  In-sei  verschmäht  das  Gold  und 
ordnet  die  mustergiltigen  Bücher. 

Ig  Jl  ^  (Zo'zib-ziJ'no  ^  jg^  (in-sei)  ico-aib-to  ijeru 
jU(hje  ^  ^  ^  (gaku^mm-reo)  tote  ^  ^  (kin-su)  H  "0  j^ 
(wn-fiaku-rib)  ßto-no  je-sase-tate-matsinu-wo  wäre  negai  ari  tote 
zo-zih'Zt'iio  — •  -^  j^  (issai-kibj^o  mu^-ni  jj^    (sonj-si-tfum- 

wo   nra-utsi-si    ^    ^^    (san-zas)   site    mi-tvake-gataki-wo    koto- 
g*Aoku  tcoginai-aratame  jen-fo  sl-nen-jon  onazi  fatsi-nen-ni  itarn 


314  PfiiBAier. 

made^ni  jb-jaku  negai  mitst-nu,  Onazi  ktk-nen  i-se-no  B|  fi| 
(ren-geydani-ni  fiki-komon  JS  |B  (in-toiij-serare-si  uxhdb-UHi 
^  (tora)'no  tori  tora-no  isuki  tora-no  fi  tara-no  toki^ni  umare- 
tamaje-ba  osatiaki-joH  kono  na-wo  tsuke-tamb-to  iiari. 

Einem  Menschen,  welcher  der  Bonze  In -sei  von  dem 
Kloster  Zö-zi6  hiess,  Hessen  die  Menschen  für  die  Leitimg 
des  Lernens  dreihundert  Tael  Goldes  zukommen.  Er  sagte: 
Ich  habe  einen  Wunsch.  —  Hierauf  verklebte  er  sämmtliche 
mustergiltigen  Bücher  des  Klosters  Zo-zib,  welche  wurmstichig 
waren,  inwendig  mit  Papier  und  besserte  alles,  was  zerstreut, 
vermischt  und  nicht  zu  erkennen  war,  von  Neuem  aus.  Vom 
vierten  Jahre  des  Zeitraumes  Jen-fo  (1676  n.  Chr.)  angefangen 
bis  zu  dem  achten  Jahre  desselben  Zeitraumes  (1680  n.  Chr.i 
hatte  er  endlich  seinen  Wunsch  erfüllt.  Im  neunten  Jahre 
desselben  Zeitraumes  (1681  n.  Chr.)  verbarg  er  sich  in  dem 
Thale  der  Lotosblumen  in  I-se  und  lebte  abgeschieden. 

Dieser  Bonze  war  in  dem  Jahre  Tora,*  in  dem  Monate 
Tora,  dem  Tage  Tora  und  in  der  Stunde  Tora  geboren.  Man 
legte  ihm  daher  seit  seiner  frühen  Jugend  diesen  Namen  bei. 


^     (Zen-tei)  fo-si    ^    (jei)-wo    ktrai-te    ^    ^ 

(kotsU'zihi)-8U. 

Der  Bonze  Zen-tei  verabscheut  den  Ruhm 
und   bettelt. 

^  ^  (Zen-tei)  fo-ai-wa  kama-kura  -^  V^  ^  (kub- 
mib'zi)'no  j^  ^Q  (gaku-rio)  nari-si-ni  noisi-ni  ^  j&  (raku- 
j^)  ^  J@l  ^  (tsi'Won-inyni  ^  J§  (gu-kioj'serare'si  nttgure- 
tarvrwo  netamu  "jH^  (jo)-no  narai  nare-ba  mutsu-kasi-ki  koto- 
domo  O'O'kari-ai'WO  vki  koto-ni  omojeru  koro  ijj  i  (san-Hüj-jori 
tera  tamawan-io  ari-ai-ka-ba  kaku  uto-masi-ki  ^j^  (jo)-ni  nani- 
ka  sen  fajaku  d^  5^  (mib-riJ-'WO  suten-ni-wa  »ikazi-to  omot- 
sadamete  ^    f^  (jo-zai)-wo  stite-tcoki  tada  A^   ^    ^  (kin- 


*   Ein  Jahr,   für  dessen  Zählung  das  cycliscbe  Zeichen    J?  (in  oder  tor<i, 
gebraucht  wird. 


Begebenheiten  neuerer  Zeit  in  Japtn.  315 

san-rthJ'WO  motsi  kore-wa  ^fi^  ^  fseki-nen) -jori  negai  ari-fe  i-se 
"jj^  JJ9  ^   (tai-Bin~gü)'ni  fo-no-si. 

Der  Bonze  Zen-tei  wurde  ein  Lerngenosse  des  Klosters 
des  glänzenden  Lichtes  in  Kama-kura.  Später  wurde  ihm  der 
Wohnsitz  in  dem  Gebäude  der  Gnade  des  Verstandes  in  Raku- 
j6  zugewiesen.  Da  es  die  Gewohnheit  der  das  Ausgezeichnete 
beneidenden  Welt  ist,  waren  die  verdriessHchen  Dinge  eine 
grosse  Menge.  Während  er  in  Traurigkeit  nachdachte,  sagte 
man,  dass  man  ihm  von  Seite  des  Vorgesetzten  des  Berges 
ein  Kloster  verleihen  werde.  Was  sollte  er  in  einer  so  ent- 
fremdeten Welt  thun  ?  Indem  er  in  Gedanken  beschloss,  dass 
das  Beste  sei,  auf  Kamen  und  Vortheil  schnell  zu  verzichten, 
Hess  er  das  übrige  Gut  liegen  und  nahm  bloss  drei  Tael  Goldes. 
Er  bot  dieses,  da  er  seit  früheren  Jahren  den  Wunsch  hatte, 
dem  Palaste  des  grossen  Gottes  von  I-se  dar. 

Sore-jori  ^  j^  (sin-siü)  ^  -^  ^  (zen-kuö'zi)^i 
stwirai'juki'te  kotsU'ziIci-serare'si'WO  tokoro-no  fito-hito  nasake- 
fukaku  maziwan-te   ^    (toki)   nado  ma-irase    ^  |^   (fu-se)- 

monO'WO  sonbre-domo  fu-tsu-ni  uke-je-iamawazan-si  ^K  ^j^  (toki- 
niaje)  tote  ma-irasure-ba  itsi'do-no  K  (j6)  fodo  nokosi-te  foka- 
ica  kotsu-ziki-ni  toraserare-nu,  Sono  sama  ycm-karanu  fito  nari-to 
ito  VDosimi-te  ^S  (an) -wo  musuhi-ma-irase-si^ 

Hierauf  wanderte  er  zu  dem  Kloster  des  Glanzes  des 
Guten  in  Sin-siü  aus  und  bettelte.  Die  Menschen  des  Ortes, 
za  ihm  innige  Neigung  fassend,  verkehrten  mit  ihm  und 
reichten  ihm  Mahlzeiten,  boten  Almosen,  doch  er  nahm  es 
nicht  ganz  an.  Wenn  man  den  gespendeten  Reis  darreichte, 
Hess  er  so  viel  als  für  einen  einmaligen  Gebrauch  nöthig  war, 
übrig  und  gab  das  Andere  den  Bettlern.  Man  bedauerte  sehr, 
dass  er  ein  Mensch  von  nicht  gemeiner  Erscheinung  war, 
baute  eine  Strohhütte  und  bot  sie  ihm  dar. 

^  H  (^^'^^^^)  mafsu-motO'jori  ^  ^  (kiü-jüj-no  to- 
am  >^fl  (so)  kitari  toi-faheri-si-ni  katari-te  iwaku  mukasi  wäre- 
tco  netami'Si  ßto-ja    ari-gataki    ^    ^    ^    (zen-tsi-sikij-nite 

(mcae-fd  sono  fito  na-kari-se-ba  kaku  bakari  jH^  (joj-wa  sute-mazi- 
to  namida-ico  nogoie  jorokobare-si-to  navL  Jen-fd  {Sl.  m  (neti" 
tiinj-no  koto-nite  ari-sL 


316  Pfismaier. 

AuB  Matsu-moto  in  demselben  Reiche  kam  ein  Bonze^ 
welcher  zu  ihm  ein  alter  Freund  war,  und  befragte  ihn.  Jener 
sagte  im  Gespräche:  Dank  den  Menschen,  welche  mich  einst 
beneideten,  bin  ich  ein  gut  Wissender  und  Erkennender  ge- 
wesen. Wenn  diese  Menschen  nicht  wären,  würde  ich  in  einem 
solchen  Masse  der  Welt  nicht  entsagen.  —  Er  trocknete  die 
Thränen  und  freute  sich.  Dieses  ereignete  sich  in  den  Jahren 
des  Zeitraumes  Jen-fo  (1673  bis  1680  n.  Chr.). 


^  S  (Zifln-sei)  mi-wo  seme  Ä  ^  (ko-jen)  fotoJce- 
wo  J^  (geil)- zu. 

Ziün-sei,  sich  selbst  quälend,  macht  in  dem 
wohlriechenden  Rauche  Buddha  erscheinen. 

^  j^  (Zib-siü)  }Z  P  (ß-do)-8akl  i^C  ±  ^  C^«'- 
nen-ziyno  tsikaki  tokoro-ni  sumi-si  ^  ^  (ziün-seij-to  ijem 
fo-si'Wa  umare-tsuki  kitvamete  j^  [§]  (sib'zUciyiiaru  mono- 
nite  K  4S  (nin'Zib)'ico  kazari-si  koto  tote-wa  tsuju-hakari-mo 
na-karisi  ^   ^    (fei-zei)    ^  (nsi)   ^    {fora)'no  ^J  (kohi) 

bakari-ni  icoki-te  nen-buUsu-tvo  S  ^^  (jü-mio)-ni  tsutome-si 
Mosi  wokfzaru  maje-ni  karasu-no  naki-watare-ba  mi-<lzukara 
mi-wo  seniete  iwaku  sia-mon-no  mi-to  site  kaku-made  inete  tai- 
setsu-no  |H|  ^  (gon-ginj-ico  wokotari-si  koto-no  fu-todoki-jo 
kore-ni  jotte    keo-wa   ^   ^   (»ioku-zi)-wo  ^S    j^    (ted-zi)-sen 

tote  joku'Zitsu  made   fö|f    ^   (dan-zikiJ-si-kerL 

Der  an  einem  dem  Kloster  des  grossen  Betens  von  Je- 
do-saki  in  Zi6-siü  nahen  Orte  wohnhafte  Bonze  Namens  Ziün- 
sei  hatte  als  ein  von  Gemüthsart  äusserst  richtiger  und  gerader 
Mann  nicht  das  Geringste,  wodurch  er  die  Eigenschaften  der 
Menschen  verschönert  hätte.  Sein  ganzes  Leben  hindurch 
um  die  Stunde  Usi  oder  Tora  aufstehend,  befleissigte  er 
sich  muthig  und  stark  des  Gebetes  zu  Buddha.  Wenn,  ehe 
er  aufstand,  Raben  krächzend  vorüberzogen,  quälte  er  sich 
selbst  und  sagte:  Dass  ich  als  ein  Bonze  in  einem  solchen 
Masse  geschlafen  und  den  wichtigen  emsigen  Wandel  vernach- 
lässigt  habe,   ist   ungebührlich!     Desswegen   werde   ich  heute 


Begebenheiten  neuerer  Zeit  in  Japan.  317 

mit  dem    Essen    innehalten.   —   Hiermit    fastete    er    bis    zum 
nächsten  Tage. 

^    0   (Ka-zitsu)   ^ij^  Hj    (ia-8iiktsfii)'7io  toki-wa  kanarazu 

M  ^  (sen-sti)  ni'fon  .rotsi-si  ippon-ica  ^  ^  J^  (sib-zib- 
sen)  tote  iS  ^j^  (rei-butstij-iio  toki  narade-wa  motsi-i-zu.   Mata 

ika-hakari-no  ^  ^f  (u-setsuj-no  toki-ni-mo  mino  kasa  naku-te 
ariki'si  fiio  ibugari-te  toje-ba  sare-ha  koso  ^  (ten)'jori  nurasi- 
ie  jo'kere-ba  koso  ^  ^  (u-setsu)-wo  furase-tamh.  Terasi-te 
ja-kere-ha  koso  fare-sase-tamh.  Sikaru-wo  wataktm-no  "T  "ffi 
(nh-ken)-wo  motte  mino  kasa-wo  kite  josi-to  iü  koto-wa  o-oki- 
naru  fi-ga  koto-nüe  faberi-si  tote  fito-sibon-ni  nari-te  ^fl^  ^ 
I wo-raij'se-si,  Roku-guatsu-no  4/S  ^  (jen-te?i)-m'mo  tsui-ni 
kasa  kizari'Si-mo  onazi-kotoioavi  naH. 

In  den  Tagen  des  Sommers,  wenn  Andere  ausgingen,  trug 
er  sicher  zwei  Fächer.  Den  einen,  welcher  der  klare  und  reine 
Fächer  hiess^  gebrauchte  er  nicht,  wenn  nicht  die  Zeit  der  Ver- 
ehrung Buddha's  war.  Auch  zur  Zeit  von  irgend  vielem  Regen 
und  Schnee  wandelte  er  ohne  Mantel  und  Hut.  Als  die  Menschen 
sich  darüber  verwunderten  und  ihn  fragten,  sagte  er:  Also  wenn 
von  Seite  des  Himmels  das  Benetzen  gut  ist,  so  lässt  er  regnen 
und  schneien.  Wenn  das  Erleuchten  gut  ist,  so  lässt  er  es  heiter 
werden.  Wenn  ich  jedoch  nach  der  eigenen  Meinung  mich  mit 
Mantel  und  Hut  bedecke,  so  ist  die  Sache,  welche  man  gut 
nennt,  ein  grosses  Unrecht  gewesen.  —  Nachdem  es  zu  einem 
einmaligen  Auswinden  gekommen,  ging  er  auf  und  ab.  Dass  er 
bei  dem  heissen  Wetter  des  sechsten  Monats  sich  sofort  nicht 
mit  Mantel  und  Hut  bedeckte,  geschah  aus  dem  nämlichen 
Grunde. 

jÄ  Ü  (Jen-Ä»nj-7?o  ^  ^  (sio'nin)-xco  sustvmete  ^  -^ 
(dzÜMroku)'no  mi-d-a-son-wo  j^  jj^  (zo-riHJ-site  ^  Ä  (zib- 
kh)'W0  taki-keni-^i  sono  soba-nam  j®  "T*  (sib'zij-ni  itsu-to  naku 
^  ffl  i^^'j^^)  kawori-kakan-te  si-zen-no  mi-da-son  ^^  (jei) 
de-ki-sase-tamb.  Mata  fodo-tsikaki  ^  ^  J^  (hcma-i-doyto 
«ö  murorno  fiaku-seö-no  ije-ni  itari  jo-mo-sugara  nen-busse-si-m 
fusuma-stb-züni  katsu-zen-to  ^  -^  (zib-roku^no  'j^  ^  (son- 
j^J  araware-scLse-tambte  ima-ni  ari.  Aru  toki  ziün-sei-ga  mimt 
nitcaha-^n  mimt-si-i'-te  jaja  ari-te  sikiri-ni  nari-si  tote  tatdki- 
kere-ba  nani  jaran  mono-mo  id^-tari-si^wo  mi-si-ni  tsi-iaaki  ^  ^j^ 


318  Pfiimaier. 

(kna'keiyno   j^  ^^  (bntsu-zoj-ni  ni-taru    ^    5^   (da-riynite 
owasi-ki. 

Er  forderte  alle  in  der  Nähe  und  Ferne  betindlichen  Menschen 
auf;  einen  die  Knie  zusammenlegenden  Amida-Buddha  zu  ver- 
fertigen. Als  man  den  gewöhnlichen  Weihrauch  brannte^  hängte 
sich  an  den  zur  Seite  stehenden  Schirm  nach  und  nach  wohl- 
riechender Rauch;  und  das  Bild  Amida-Buddha's  kam  von  selbst 
hervor. 

Ferner  kam  er  in  das  Haus  eines  Menschen  des  Volkes 
in  dem  nahen  Dorfe  Kana-i-do  und  betete  die  ganze  Nacht  zu 
Buddha.  Auf  dem  Schirme  des  Schubfensters  zeigte  sich  plötz- 
lich das  Bild  des  die  Knie  zusammenlegenden  Amida-Buddha 
und  ist  heute  vorhanden. 

Einmal  waren  die  Ohren  Ziun-sei's  plötzlich  taub.  Nach 
einer  ziemlichen  Weile  sagte  er,  dass  es  fortwährend  klinge. 
Er  schlug  hiu;  und  irgend  ein  Gegenstand  kam  heraus.  Als 
man  hinsah;  war  es  ein  heiliges  Bein,  welches  einem  kleinen 
in  liegender  Qestalt  verfertigten  Buddhabildnisse  glich. 


^  1^  (San-kai)  J[^  A  (stb-nin)  ame-too  inori  ^ 
(rai)'ico    ^M,  (tainyau. 

Der  Bonze  San-kai  erbittet  den  Regen  und 
unterdrückt  den  Donner. 

Stmbsa    ^    ^    (motO'kuriyfasi    ^    ^    (gtb'nenyzi-no 

ffi  M|  (kai'San)  ^  j^  (san-kai)  sib-nin-wa  "^  ^  (mohh 
zikiynite  4^  jäf^  (tsiku-rinyno  naka-ni  san-nen-ga  aida  ^  ^ 

(ki'vi'ßyno  ^  (gihywo  tmtome  ^  |^  [Jj  (ju-dono-sanym  tmi 
mbde-site  imizi-ki  ^    Ä  (kh-tokuynite   owasi-ki. 

Der  den  Berg  eröffnende  Bonze  San-kai  aus  dem  das  Gebet 
ausübenden  Kloster  an  der  Brücke  von  Moto-kuri  in  Simisa 
befleissigte  sich,  Baumfrucht  verzehrend,  mitten  in  dem  Bambus- 
walde drei  Jahre  hindurch  des  Wandels  der  Erhebung.  Indem 
er  den  Berg  Ju-dono  jährlich  besuchte,  war  er  ein  Mann  von 
sehr  hoher  Tugend. 

Simotsuke-no  -^  A^  (mi-huyno  fen  san-nen  utm-tsudziiki 
ßderi-site    sato-hito    fanafada    kurusimi-si    am    toki    stb-mn-wo 


Begebenheiten  neaerer  Zeit  in  Japan.  319 

maneki  ame-no  inori-wo  km-keru-m  wäre  inorn  nara-ba  ika-nmn 
^  JjWj  (kan-batsu)  naH-to-mo  ame-furazu-to  lü  koto  iiasi-io 
no-tamai'Si-ioo  netamasi-ku  omojei^k  ^   (ad)  wowo-kan-si.     Sib- 

nin  nana-ka  fi|f  ^  (dan-zikij-si  ^  /(^  (tan-mij-wo  nukinde 
tamb-m  dai^siUt'niUi'ni  ojobi-'si-'ka'do  nani-no  rirtisi-mo  mijezari- 
ii-ka-ba  kano  'ffj^   jj^    (to-8d)'domo  kara-kasa-wo  aast  >^    ^ 

fboku'ri)'WO  faki  isami  kitari-te  sama-zama-ni  V^  ^P  (ted- 
roy^i-keru-ni  fitsuzi-no  koku-bakari-ni  J^  ^  (sei-ten)  nitoaka- 
ni  knrchkumo  okori  ame  ]^  M  (sia-zikuj-ioo  nagcm-ker^ba 
kano  so'domo  omote-buse-nite  kajeri-keru. 

Seitwärts  von  Mi-bu  in  Simotsuke  war  durch  drei  Jahre 
fortwährend  Dürre,  und  die  Menschen  der  Dörfer  hatten  überaus 
zu  leiden.  Einst  luden  sie  den  Bonzen  ein  und  baten  ihn  um 
das  Gebet  um  Regen.  Er  sprach :  Wenn  ich  bete,  mag  es  was 
fiir  eine  Dürre  immer  sein,  es  ist  nicht  der  Fall,  dass  es  nicht 
regnet. 

Der  neidisch  gesinnten  Bonzen  waren  viele.  Der  Bonze 
fastete  durch  sieben  Tage,  hob  sein  aufrichtiges  Herz  hervor. 
Obgleich  es  der  siebente  Tag  war,  war  irgend  ein  Zeichen  nicht 
zu  sehen.  Jene  neidischen  Bonzen  spannten  die  Sonnenschirme 
auf,  zogen  Holzschuhe  an,  und  indem  sie  kühn  herbeikamen, 
verspotteten  sie  ihn  auf  allerlei  Weise.  Um  die  Stunde  Fitsuzi 
erhoben  sich  bei  heiterem  Himmel  plötzlich  schwarze  Wolken, 
der  Himmel  goss  Wagenachsen  herab,  und  jene  Bonzen  kehrten 
beschämt  nach  Hause. 

Mata    Ä    .^  (saftej-no  ^  (eki)'ni  juje  ari-te   ^    JJA 

frai'8{n)'W0   ^^  (tsinj-si-tamai  jasiro-wo  j(^  ^  (zo-jei)  arare- 

n  kono  mitsi'Suzt  fazimp'Wa  faba  firo-kain-si-wo  jj  j^  (sed-ja)- 
jori  nen^nen-ni  nusumt'maioasi-kere'ba  sib-nin  kiki-tamm-te  ika- 
de  kaku'Wa  se-si^zo  jßj^  (dzi)-wo  kajesu-besi,  Most  sa-naku-wa 
^  (rmj-no  t<Uari-ni  awasen-to  stmesare-si-ka-do  sukosi-fho 
osoruni  ke-siki-mo  na-karisi-ka-ba  nandzi-ni  omoi-sirasen  tote 
inorare-ai-ni  tatgi-matsi  ^  ^St  (rat -den)  sed-ja-ga  ije-ni  otsi 
nari-fatameku  koto  nana-ka  nana-jo  nari,  Sed-ja  -^  "fe 
fsen'kata)'naku'te  mi-wo  kudaki  nageki-kanasimi-te  fita-sura-ni 
fanomi  4q  ^  (sen-ßj-wo  kui-si-ka-ba  kono  uje-wa  tote  inori- 
kajesare-si-to  nari. 


320  Pfiimiier. 

Ferner  unterdrückte  er  an  der  Post  Satte  aus  einer  Ursache 
den  Donnergott  und  erbaute  einen  Altar.  Diese  Abzweigung 
des  Weges  war  anfänglich  breit.  Von  Seite  des  Dorfvorstebers 
raubte  man  alljährlich  einen  Theil  in  der  Runde  umher.  Der 
Bonze  hörte  dieses  und  sagte:  Er  hat  es  irgendwie  so  gethan, 
er  muss  den  Boden  zurückgeben.  Widrigenfalls  werde  ich  ihn 
die  Heimsuchung  des  Donners  erfahren  lassen.  —  Ungeachtet 
dieser  Erklärung  zeigte  Jener  nicht  im  Geringsten  in  seiner 
Miene  Furcht.  Der  Bonze  sagte:  Ich  werde  dich  es  erkennen 
lassen.  —  Dabei  betete  er.  Plötzlich  fuhren  Donner  und  Blitz 
auf  das  Haus  des  Dorfältesten  herab,  der  Donner  rollte  durch 
sieben  Tage  und  sieben  Nächte.  Der  Dorfälteste^  rathlos  und 
gebrochen,  trauerte  in  Leid,  bat  inständig  und  bereute  das 
frühere  Unrecht.  Jener  nahm  in  Betreff  dessen  das  Gebet 
zurück. 


lÄ    ^    (^"-/*0    it    (seij-wo   womomu. 

Ein  Kriegsmann  schätzt  den  Geschlechts- 
n  a  m  e  n  hoc  h. 

;^    p    (Mi-to)-no    ^     g    (ka-sin)     f\t     [^    (naka- 

jama)    hi-zen    kami-no    4^     ^    (ziti-siaj-m    J^     ^&.    {^^'9^ 

jatsu)  J\  (fatsi)'be-e-'io  ijeru  art\  Sono  ßfr  IjA  (sfO'zi)'no 
katana-wo  i  A  (siii-zin)  "J^  |B  (fn-to)  me-ni  tomari-U 
anagafsi-ni  nozomare-si  koto  san-si-do-ni  oJobi'Si-ka-do  j&  S| 
(se6-in)''8ezari'8i-ka-ba  ö  ^^  (zi-bunj-no  katana-wo  famaicari 
kane  ziü-rih  äS  jttl  (rei-motsit)  moiio-sen  tote  ari-si-ka-do  tatoi 
inotsi-wa  usinh-to-mo  juruaase'tamaje'fo  ||4  (ziysi-si-ka-do  m- 
zin  j^  H^  (rippukii)  fanafadan-ku-te  ^  W  (fei -nun})- 
saserare-si-ni. 

Unter  den  Hausdienern  des  Geschlechtes  Mi-to  war  eio 
Mann,  der  als  Begleiter  Naka-jaraa's,  Statthalters  von  Bi-zen^ 
den  Namen  Ogi-ga  jatsu  Fatsi-be-e  führte.  Es  geschah  drei 
bis  viermal,  dass  das  in  seinem  Besitze  befindliche  Schwert 
der  Vorgesetzte,  zufällig  darauf  mit  den  Blicken  verweilend, 
hartnäckig  begehrte,  doch  er  willigte  nicht  ein.  Jener  sagte: 
Ich  werde  dir  mein  eigenes  Schwert   schenken    und    dir  zehn 


Begebenheiten  neneTer  Zeit  in  Japan.  321 

Tael  Goldes  als  Erkenntlichkeit  geben.  —  Doch  er  weigerte 
sich,  Adern  er  sagte :  Sollte  ich  auch  das  Leben  verlieren,  ent- 
schuldiget! —  Der  Vorgesetzte  wurde  überaus  zornig  und  liess 
ihn  das  Thor  verschliessen.  ^ 

Kokoro-jasu-ki  'fife  J^  (fd-bai)  toburai-te  ka-fodo  made- 
no  aramasi-wa  ikorsama  juje  aran-to  kotoba-wo  tsikai-te  tadzune- 
kere-ba  sa-ara-ba  kataran  mi-dzukara-wa  J^  "j^  (^j^-^ugi) 
M  ^  (nori-masaj-no  jj^  ^  (tsiahi'8on)'ni  site  kono  katana- 

Moa  P^  ^  (si-dai)  motn-tsutaje'si  hgi-^a  jatsvrno  jj^  ■& 
(sei-gbj'toa  kama-kura-ni  kari-zumai-se-si  ^  ^  (zairmib) 
nari'to  kuwctsi-ku  i-i-si,  Kono  koto  (8iü'zin)'fno  fisoka^i  kiki- 
tüTnai-te  fatsi-be-e-ioo  jobi-idasi  koto-no  ai-sni-wo  toi-tamaje-domo 
karira-too  sage  irajezu. 

Ein  gegen  ihn  freundlicher  Qefährte  besuchte  ihn  und 
sagte :  Eine  so  weit  gehende  Schroffheit  wird  auf  irgendwelche 
Weise  eine  Ursache  haben.  —  Bei  diesen  Worten  schwörend, 
fragte  er  nach.  Jener  erwiederte :  Ich  werde  also  sprechen.  Ich 
bin  der  rechtmässige  Enkel  Uje-sugi  Nori-masa's,  und  auf  diesem 
Schwerte  ist  der  Name  des  Geschlechtes  Ogi-ga  jatsu,  welches 
es  vier  Zeitalter  hindurch  besessen  und  vererbt,  als  es  in  Kama- 
kora  vorläufig  seinen  Wohnsitz  hatte,  eingegraben.  —  Er  sagte 
dieses  in  seinen  Einzelnheiten. 

Der  Vorgesetzte,  welcher  diese  Sache  im  Geheimen  hörte, 
rief  Fatsi-be-e  heraus  und  fragte  nach  den  Umständen  der  Sache, 
doch  Jener  senkte  das  Haupt  und  willigte  nicht  ein. 

Sono  omomuki  ^  jjjQ  ^  (sai-siö-kd)  kikosi-mesi-ie  fatd- 
be-e-wo  "^C  ^  (ge'Za)-ni  woki-keru-ja  J^  ^  (ziö-zo^-m 
mukaje  toje-jo-to  wdserare-si  sono  omornuki-ni  mote-nasi-kere-ba 
fatsi'be-e  nani-no  ^  j|^  (zi-taQ-mo  nakti  J^  ^  (zib-zaj-ni 
nawm  i-sai-ni  mbsi'faberi-si'to  nan. 

Als  diesen  Gegenstand  der  Fürst,  der  Vorgesetzte  und 
Reichsgehilfe  hörte,  sagte  er:  Hat  man  Fatsi-be-e  auf  den  unteren 
Sitz  gesetzt?  Man  empfange  ihn  auf  dem  oberen  Sitze  und 
frage  ihn.  —  Auf  diese  Weise  behandelte  er  ihn.  Fatsi-be-e 
ging,  ohne  irgendwie  sich  zu  weigern,  wieder  auf  den  oberen 
Sitz  und  meldete  die  Sache  ausführlich. 


^  £r  gab  ihm  Hanabaft. 
Sitiugeber.  d.  phiL-biat.  Ol.  XCY.  Bd.  I.  Hft.  21 


322  Pfixmai«r. 

Sai'sih'ko-mo     ^    ^    (fai-za)'nite   on-    J^    (m)   aii-U 

g<h    |R    (kan)-no    ico8e'domO''7nte    waga    ^    jf^    (reö-tsO-m 

utsi-ni   3te    ^    (zcd-taku)   nrare-jo   tote   go-    ^    "K    (zi^hka) 

tsikaki  tokoro-nite  m-fiaku-  j^  (sekt)  tamatoart-si-to  nan. 

Der  Fürst,  der  Vorgesetzte  und  Reichsgehilfe,  auf  dem 
gegenüber  befindlichen  Sitze  das  Zusammentreffen  habend,  sprach 
mit  freundlichen  Worten:  Wohnet  in  einem  Hause  innerhalb 
meines  Lehens.  —  £r  verlieh  ihm  an  einem  der  Stadt  seiner 
Feste  nahe  gelegenen  Orte  zweihundert  Scheffel  Gehalt 


^  $  C^^^j^)  fnatmi'WO  uje  kawadzu-no  kamabütm-ht 
nakvrwo   W  (8iü)'9u, 

Teo-jo,  Fichten  pflanzend,  beschwört  das 
laute  Geschrei  der  Frösche. 

WowO'Saka  j&i  (tarnj-matgi-suzi  /^  Wj*  (fats%'te6)'me 
IPJ  i^  (gxMnrseoyzi  ^  ;^  (teö-joj-wa  ztä-bun-no  nen-^uttu- 
iio  j^  010  (dh'Si)  nari-si,  Kono  tera  moto-toa  ^  &  (ftö- 
an)'nife  wadzuka-ni  ^  ^  (mn-ken)  DW  ffi  (si-menj-nn 
wara-buki-no  —^  ^^  (itsi-u)  hakari  nari-si-too  ima-wa  ^k  ^ 
(hutsu'den)  Ht  a^  (fd-dzih)  jK  ^B|  (kti-ri)  mnde  kofo-gotohi 
J^    ^    (zib'beji)'8ite  kerL 

Teö-jo  aus  dem  Kloster  des  Entstehens  der  Bitte  an  der 
achten  Strassenvereinigung  des  Pfades  der  Thalstrasse  in  Wowo- 
saka  war  ein  leitender  Lehrmeister  des  fleissigen  Betons  zu 
Buddha.  Dieses  Kloster,  ursprünglich  eine  Grashütte,  war  bloss 
ein  einziges  mit  Stroh  gedecktes  Vordach  von  kaum  drei  Schritten 
Höhe  mit  vier  Seiten.  Jetzt  hatte  er  die  Vorhalle  Buddhas^ 
das  Kloster,  selbst  die  Küche  sämmtlich  vollendet  und  unter- 
schieden. 

Kono   ^^    ^    (siiljei)^no  fazime-ni   ne-naki   matsu-wo 

futa-kuki    f^    J^    (mon-kw)'m    uJe    viosi    ^    W    (zi-mon) 

^  ^  (fan-jd)'8e'ba  kono  matm  ^  ^  (8ei-t9ib)'su- 
besi-to  mi'dzukara  j|JJ  (8iakn)'8erare'8i'ni  fata^i-t«  Ä  ^ 
(ut8u-mo)'8ife  ima  o-oki-nara  ki-to  nareri. 


Beg^benbeiteH  nenerar  Zeit  in  Japan.  323 

Im  Anfange  der  Anordnung  dieses  Baues  pflanzte  er  die 
Stämme  zweier  wurzellosen  Fichten  an  der  Gränze  des  Thores, 
Er  betete  dabei :  Wenn  das  Thor  des  Klosters  vielfachen  Glanz 
erhält,  so  werden  diese  Fichten  vollkommen  aufwachsen.  —  In 
der  That  sind  dieselben,  dunkel  und  in  Fülle,  jetzt  grosse  Bäume 
geworden. 

M(xta  gitoo-matsi-ni  P|||  J^  (kan'kio)-no  j^  (an) -wo 
ime-tamm^si'ni  niwa-no  ike-no  naka-ni  kawadzu  mure-nai-te 
kamabUusi-kari'kere'ba  -|-    ^  (ziü^ietij-wo  sadzukete  jS     ||^ 

(te6-zi)'8erare'8i'ni    ^    Ä|    (8ed-gai)'no    utsi-wa   katsute  naka- 
zari'»i. 

Als  er  femer  in  der  Salzstrasse  eine  Hütte  des  ruhigen 
Wohnens  in  Besitz  genommen  hatte,  schrien  und  lärmten  in 
dem  Teiche  des  Vorhofes  die  Frösche  in  Schaaren.  Indem  er 
ihnen  die  zehn  Gebete  übergab,  brachte  er  sie  zum  Innehalten, 
and  sie  schrien  niemals  mehr,  so  lange  er  lebte. 

Oen^roku  kiü-nen  fatsi^guaUu  ztü-sitsi-nüsi  sttn-ziü'-nisai' 
näe  arakazüne  j|^  ^  (metsu  -  go)  -  no  ^  ^j^  (86'8iki)'W0 
itmami  maje  ztü-itsi-nitsi-jori  ^  ^  (an'j6)'no  ^  ^ 
(sei'8iii)'no  S^  (sü)-ni  iii-si  koto-wo  obojete  tattoku  nen-bussife 
Kowari-nu. 

Am  siebzehnten  Tage  des  achten  Monats  des  neunten 
Jahres  des  Zeitraumes  Gen-roku  (1696  n.  Chr.),  in  seinem  zwei- 
nndsiebzigsten  Lebensjahre,  bestimmte  er  im  Voraus  die  nach 
seinem  Tode  zu  beobachtenden  Gebräuche  der  Bestattung.  Indem 
er  schon  früher,  seit  dem  eilften  Tage,  bemerkt  hatte,  dass  er 
in  die  Zahl  der  Heiligen  des  Paradieses  eingetreten,  betete  er 
vornehm  zu  Buddha  und  verschied. 


A'ki    j^    J\,    (i'fatsi)    wo-sib. 

Der   Bonze  I-fatsi   von  A-ki. 

^  j^  (Od'M)  mija'zima  ^  VJ^  ^  (kub-miö-in)- 
"®  H  UJ  (ka^'san)  J^  /V  O'f^^)  wo-sih-wa  ^  j^ 
(m-M)  iwa-hi-no  fito  vari.  Sono  fawa  ^  (ko)'^io  naki  koto- 
ICO  urfjeie    ^    ^    ^    ^    (ben-8ai'ten'nio)'ni    f^    ^    (ki- 


324  Pfizmmipr. 

8ei)'site  woke-ni  midzu-tro  trete  hasira-ni  itaddki  arirwo  Uuma- 
datete  tsuki-kafje-wo  uts^isi-jadosi  arafa-ni  -^  ^  (ki'Zu{)-wo 
jete  ^  ^  (tan'Ze6)'8i-favih,  Notsi-ni  sHikke-sitamai-te  ^  fj 
(tokkb)  nozokari-keri. 

Der  Bonze  I-fatsi,  Qründer  des  Gebäudes  des  glänzenden 
Lichtes  zu  Mija-zima  in  Gei-siü,  stammte  aus  Iwa-ki  in  Wo- 
siü.  Seine  Mutter,  betrübt,  dass  sie  keine  Kinder  hatte,  betete 
zu  der  Göttin  Ben-sai-ten.  Nachdem  sie  in  einen  Zuber 
Wasser  gegossen,  trug  sie  es  auf  dem  Haupte,  stellte  sich  auf 
die  Zehen  und  Hess  das  Mondlicht  darin  sich  abspiegeln  und 
einkehren.  Sie  erhielt  von  Neuem  ein  wunderbares  Glucks- 
zeichen, und  er  wurde  geboreu.  Später  entsagte  er  der  Welt 
und  trachtete  nach  dem  Wandel  der  Tugend. 

Jim    ^   (Ka-t6)   ^   ^    in    HÜ   (»iki-bu  tai-fu)  Um- 

wa     ^    ^    (fu'8in)-btto    nari-kere-ha    iza    8<nio    jjj^    (so) -wo 

kokoro-min    tote    "Jj^    ^    (feo-zed)    ari-fe    ^    (tokij-wo   mbkek 

^    "^Ik,   f^^'^'^J  ni-nin  ;jlQ    ^ft.    (sh-hanyni  ttite  sono  kib-tco-ni 

koto-gotoku    ^     ,|^     (giO'teo)-tvo    ^    3g    (reo-riysi    §g    -^ 

(Jen-siokuJ-arii    ^     ^    (nio'»i)    go-roku-nin    tada  fitoje-naru 

uau-mono-wo  kisete   j^    ^^    (kiu-zi)-ni   idcisi  mono-tio  ßwa-jori 

ukagai-mi'tamb'ni    too-sio    Ö     ^B*    (zi-ziakuj^-to    süe    sÜHiraku 

manakO'Wo  todzi-tumih-ni  Ä*  ^|  (red-ri)'Seru  'ffi  J^  (gio- 
fed)-tca  tattd-matsi-ni  tobi-^dori  kid-zi-seru  nio-si-wa  misu-misn 
"^  *^  (gai-kot9u)'io  nari-nu,  Tai-fu-dono  wowoi-ni  odoroki-osort 

HP  ^  (Boku'Za)'ni  ^  i|f|  (kai-ge)  ^  f^  (fossinysi-taniaje-ba 
mina  moto-no  gotoktt-ni  nari-si. 

Der  Herr  Ka-to,  grosser  Stützender  von  der  Äbtheilung 
der  Muster,  war  ein  ungläubiger  Mensch.  Er  sagte:  Wohlan! 
Ich  werde  diesen  Bonzen  auf  die  Probe  stellen.  —  Er  bat  ihn 
zu  sich,  richtete  eine  Mahlzeit  her  und  indem  er  ihm  zwei 
Alte  des  Hauses  zu  Geföhrten  gab,  Hess  er  für  die  Bewirthung 
lauter  Fische  und  Vögel  zubereiten,  Hess  fünf  bis  sechs  Mädchen 
von  zierlichem  Aussehen  bloss  in  einfachen  Flor  sich  kleiden 
und  schickte  sie  zur  Bedienung  heraus.  Dabei  blickte  er 
spähend  durch  den  Zwischenraum  eines  Gegenstandes.  Der 
Bonze  benahm  sich  so  wie  früher  und  schloss  eine  Weile  die 
Augen.     Die  zubereiteten  B^ische  und  Vögel  flogen  plötEÜch  in 


Begebenheit«!!  neuerer  Zeit  in  Japan.  325 

die  Höhe;  die  Mädchen,  welche  bedienten,  wurden  zusehends 
Todtenknochen.  Der  Herr  grosse  Stützende  war  in  grossem 
Masse  von  Schrecken  und  Furcht  erfüllt.  Er  besserte  sich, 
bereute  und  bekehrte  sich  auf  der  Stelle.  Alles  wurde  hierauf 
wie  es  ursprünglich  gewesen. 

Wo-giö  fät  -flj  (ked-ge)  nen-goro-ni  si-tamai-te  sore-jori 
a-ki-no  kuni-ni  iri-tamai-te  naja^zima-ni  ^  J§  (ziü-kio)-wo 
$imeraru.  Tsune-ni  bi-rei-naru  wonna  ziü-jo-nin  |^  ^^  (zui-si)' 
n-kere-ba  ^    ^  (ß'fd)-wo  nasi-keru-wo  kiki-tamai-te  j^  ^ 

(fö-dan)'no  ÖJ  (seki^je  jobi-idaai  nandsd-ra  juje  sa-ni  sosiri-no 
tsumi'WO  ruMiuifnuru  koto  mata  waga  kamzsi-mi  nari,  Isogi  kono 
tokoro-too  taUfi-noku-besi'to  ari-si-ka-ba  f^  J^  (kai-ztö)  ntwaka- 

ni  ^  Jj^  (fa-rh)  okori-te  ^  ^  (bd-fü)  susamasi-kari- 
kere-ba  S§  |^  (te6'mon)-no  ßto-bito  kimo-wo  fijasu  tokoro-ni 
^(igi-mo  2^  ]§§  (j^'j^f^)  nari'si  sugata  tatsi-matsi  ^  ^ 
fzia-gtöj'to  nari-te  kuro-kumo-to  ßtosi-ku  j^  J[j^  (kai'tei)'ni 
ire-ba  makoto-ni  ^  -^  (ten-nioyno  -J-»  3l  ßi^-go)  ^  -^ 
fdo^ihwo  isukatcasi-te  j^  ^^  (kiü-zi)'8e8i7ne-tamb  koto  kono  toki 
fazimete  sirisi-to-ka-ja. 

Der  Bonze  betrieb  eifrig  Belehrung  und  Umgestaltung 
und  trat  hierauf  in  das  Reich  A-ki,  wo  er  in  Mija-zima  den 
Wohnsitz  aufschlug.  Da  ihm  gewöhnlich  zehn  schöne  und 
zierliche  Mädchen  folgten,  redete  man  ihm  Uebles  nach.  Als 
er  dieses  hörte,  rief  er  sie  zu  dem  Teppiche  der  Besprechung 
der  Vorschrift  und  sagte :  Dass  ich  euretwegen  auf  diese  Weise 
das  Verbrechen  der  üblen  Nachrede  begehen  lasse,  dieses  ist 
auch  mein  Kummer.  Ihr  könnet  euch  eilig  von  diesem  Orte 
zurückziehen.  —  In  diesem  Augenblicke  erhoben  sich  auf  der 
Meeresfläche  plötzlich  Wellen  und  der  Sturmwind  war  fürchter- 
lich. Während  die  Zuhörer  sich  entsetzten,  wurden  selbst  die 
so  zierlich  gewesenen  Gestalten  plötzlich  Schlangengestalten 
und  traten,  mit  den  schwarzen  Wolken  gleich,  in  den  Boden 
des  Meeres.  Dass  er  wirklich  fünfzehn  Knaben,  welche  Himmels- 
mädchen  waren,  verwendete  und  sich  von  ihnen  bedienen  Hess, 
erfuhr  man  um  diese  Zeit  wohl  zum  ersten  Male. 

Sono  noid  —  -^  Q  (issen-nitsiyno  J||j  ^  (betzu-zi)- 
nm-butm-wo  ^  (ziü)-si-famb.  /V  ^  B   (FatM-fiaku-nifai)' 


326  Pficmaier. 

mo  sugi-nuru  horo  it^uktirsima-no  jj(J  ^  (sta-nin)  tare-kare 
su-nin  itsi-jb-ni  jume-no  Uuge  ari-te  nokoru  tohoro-no  ni-ßakur 
nit»i-wa  jjt(  ^  (sia-naiynüe  tmitomti-heki  josi  jjjjsT  3^  (^' 
gen)  arata-ni  rib-do  made-ni  ojabi-n-ka-ha  kono  uje-^oa  toH 
kano  betsu-zi-nen-butsu-wo  sia-nai-ni  ntsusi-te  tautomeraru.  Maia 
fiaku-go-zvA-nitsi  fodo-fete    wo-aih    tattoki    S^    ^S^    (rei-rnnj-no 

ari-te  wäre  kofio  |g|   |^    (je-l^J-no  ß-ni  atari  ^^  ^  (w5-«to^- 

su'to  no'tamai'si'ka-ba  jtt  j|^  (jenrkin)'ni  kikoje  ^^  ^  (dh- 
zoku)  iku-  -^  'J^  (sen-man)  aUumari-si. 

Später  übte  er  das  eintausend  Tage  währende,  sn  ver- 
schiedenen Zeiten  stattfindende  Qebet  ssu  Buddha.  Zur  Zeit 
als  achthundert  Tage  vergangen  waren,  hatten  hier  und  dort 
einige  Altarmenschen  von  Itsuku-siroa  ^  auf  die  nämliche  Weise 
einen  Traum  zu  melden,  und  eine  Offenbarung,  dass  man  sich 
in  den  noch  übrigen  zweihundert  Tagen  in  dem  Inneren  des 
Ältares  befleissigen  solle,  war  von  Neuem  selbst  zweimal  er- 
folgt. In  Bezug  auf  dieses  verlegte  er  jenes  zu  verschiedenen 
Zeiten  stattfindende  Gebet  zu  Buddha  nach  dem  Inneren  des 
Altares  und  befleissigte  sich. 

Als  ferner  hundertfunfzig  Tage  vergangen  waren,  hatte 
der  Bonze  einen  vornehmen  reingeistigen  Traum  und  sagte: 
Ich  mache  an  einem  Tage  dieses  wiederholten  Gebetes  den 
Gang  zu  dem  neuen  Leben.  —  In  der  Nähe  und  Ferne  ver- 
lautete dieses,  und  Männer  des  Weges  und  Laien  V3rsammelten 
sich  in  einer  Anzahl  von  mehreren  Tausenden  und  Zehn- 
tausenden. 


Sono  fi-no  fi-naka-ni  ^^  d^  (gun'Zii)L)'no  mono-ni  taka^'aka- 
ni  -j-*  ^4^  (ziü-nen)  sadzukete  "^^  iä^  ^b  (tai-^b-zibJ-tDO  toge- 
tamai'si,  ^  ^  (Si-vn)  g§  Ht  (sai-fdyjon  tanabiki  ^  0 
(ten-kua)  j^  ^  (m^-kh)  Ijjf^  j^  (bi-mibj-naru  hoto-dom 
nari.  yj^^H^  (Rb-sed)  |S  Ä  (zui-kij-no  namida  fosi-ajezu 
gO'  *^  (kotsiiJ'Wo  firoi'tori'te  jK  j(||^  (hitsi-jen)-sen-to  maisi' 
kake-faru-ni    mwaka-ni    usiwo    minagiri-käe    — •    9^    (itten)'no 

^    (jo'kuai)-mo  naku  mina  j^    dl    (kai-tsittyni  nagare- 

^   Itsaka-sima  ist  so  viel  als  Mija-zima. 


BegelMDbeitea  neuerer  Zeit  in  Japan.  327 


iri-^to  nan.     Makoto-ni  |^    jfi^   (riü-zinj-no   ^  ^  (^^'j^)' 
se-si  koto-jo-to  obojete  iiawo  totosi. 

Am  Mittage  dieses  Tages  theilte  er  den  Versammelten  mit 
lauter  Stimme  die  zehn  Gebete  mit  und  erreichte  den  grossen 
Gang  zu  dem  neuen  Leben.  Eine  purpurne  Wolke  neigte  sich 
aus  der  westlichen  Gegend  herab^  es  waren  die  unschein- 
baren wundervollen  Dinge  des  wundervollen  Wohlgeruchs  der 
Himmelsblüthen. 

Kaum  dass  Alte  und  Junge  die  Freudenthränen  getrocknet^ 
erwartete  man,  dass  man  die  Gebeine  auflesen  und  das  Ver- 
hältniss  zu  Buddha  knüpfen  werde.  Plötzlich  kam  die  Meer- 
fluth  überschwellend  heran  und  ohne  dass  ein  Punkt  übriger 
Asche  gewesen  wäre,  wurde  alles  in  das  Meer  geschwemmt. 
Indem  man  erkannte,  dass  der  Drachengott  ihm  das  Opfer 
gebracht  habe,  war  er  noch  mehr  geehrt. 


De-wa  kiri'jamn    &  f^  (gan-tsiü)  ^  Jfj^  (dai-zia). 

Die  grosseSchlange  in  dem  Felsen  desNebel- 
berges  in  De-wa. 

De-wa-no   kuni   kiri-jama-no    siro-wa    -^     J||^    (dai-zia) 
makiri'te   ^3^  ^&  (siü-^oyse-si-to  mukcm-jori  i-t'tsutaje-si.  Sare- 

ha  ^  ^  (ko-ganj-no  man-naka-ni  fast  nagaku  tatete  TO  tJ" 
(n-mn)  hakari  wareAant  tokoro  ari  sono  maje-ni  kaki-wo  jui 
fime-^wo  ßki-tari.  Sono  ware-me-jori  utsi-wo  ukagaje-ba  ki-iro- 
nite  isi-datami-no  gotoku  nnru  uroko-no  faje-taru  jj|^  (zia) 
teune-ni  fima-nakii  meguri-keri.  Kubi-to  wo-to^wo  mi-si  fito- 
tm  nan. 

Von  der  Feste  des  Nebelberges  in  dem  Reiche  De-wa 
wurde  von  Alters  her  tiberliefert,  dass  eine  grosse  Schlange, 
welche  zusammengerollt  war,  sie  beschütze.  Indessen  stellte 
man  gerade  in  der  Mitte  des  grossen  Felsens  eine  lange  Brücke 
auf,  welche  eine  gespaltene  Stelle  von  vier  Zoll  hatte.  Vor 
ihr  errichtete  man  eine  Mauer  und  zog  ein  BannseiL  Wenn 
man  von  dieser  Spalte  in  das  Innere  spähte,  wand  sich  ge- 
wöhnlich eine  Schlange,  auf  welcher  gelbe,  steinernen  Stufen 
ähnliche  Schuppen  wuchsen,  ohne  einen  Stillstand  zu  machen, 


328  Pfitmaier.  Begebenbeiten  nenerer  Zeit  im  Japftn. 

umher.  Es  war  kein  Mensch,  der  ihr  Haupt  und  ihren  Schweif 
gesehen  hätte. 

*1^  ^  (T<?d-t)   "j^  ^  {zaM^yno  mke  tono  kano  tokoro 

4S    Mb    (rib'tsi)'si'tamai-9i    toki    ^    |£    (ka-dn)    "jj^    ^ 

(taka-tsu)  ku-rb-be-e-to  iü  fito   3j^   S|:   (zaibanj-ni  kose-si  toki 

tahi'tahi  mi-kajeri-nu-to  katcLrare-sL 

Zur  Zeit  als  Teo-i,  der  Herr  Gehilfe  der  Mutterstadt  zur 
Linken,  jenen  Ort  zu  seinem  Gebiete  machte,  erzählte  sein 
Hausdiener,  ein  Mensch  Namens  Taka-tsu  Ku-r6-be-e,  daes 
er,  wenn  er  auf  der  Wache  hinüberschritt,  mehrmals  sie  er- 
blickt habe. 


Dndik.  Bistorische  Fonchangen  in  der  Bibliothek  za  St.  Petenborg.  329 


Historische  Forschungen  in  der  kaiserlichen  öffent- 
Uchen  Bibliothek  zu  St.  Petersburg. 

Von 

Dr.  B.  Dudik  0.  S.  B. 

Die  Geschichte  der  kaiserlichen  öffentlichen  Bibliothek 
in  St.  Petersburg  liegt  in  ihrer  Zusammensetzung.  Sie  ist  nicht 
genetisch  geworden^  auch  wurzelt  sie  nicht  in  der  Vergangen- 
heit des  russischen  Staates,  sie  ist  vielmehr  ein.  Conglomerat 
neueren  Datums ;  entstanden  in  der  jetzigen  Form  um  1810 
aus  verschiedenen  Sammlungen;  die  längst  schon^  bevor  sie  in 
den  grossen  Complez,  der  jetzt  ,die  kaiserliche  öffentliche 
Bibliothek'  heisst^  aufgenommen  wurden ,  ihre  eigenen  Ge^ 
schichten  hatten^  die  man  kennen  muss,  um  sich  mit  Nutzen 
in  den  weiten  Räumen  der  am  Katharinenplatze  stehenden 
kaiserlichen  Bibliothek^  und  in  ihren  breitangelegten  Catalogen 
auszukennen. 

Als  Grundlage  der  jetzigen  Bibliothek;  welche  nahezu 
anderthalb  Millionen  gedruckter  Werke  und  an  40.000  Hand- 
schriften zählt;  dient  die  bis  zum  Jahre  1795  in  Warschau 
bestandene;  und;  in  Folge  der  dritten  Theilung  PolenS;  durch 
die  Kaiserin  Katharina  II.  nach  Petersburg  geschaffte  soge- 
nannteZaluskische  Bibliothek;  mit  der  wir  uns  ihrer  reichen 
historischen  Quellen  wegen,  welche  allerdings  unmittelbar  die 
Geschichte  PolenS;  mittelbar  jedoch  auch  die  der  österreichisch- 
ungarischen  Monarchie  beleuchten;  eingehender  beschäftigen 
wollen. 

Den  Namen  führte  diese  ihrer  Zeit  berühmte  Bücher- 
ond  Handschriften-Sammlung  von  ihren  Begründern;  den  Brü- 
dern Andreas  Stanislaus  Kostka  und  Josef  Andreas  Grafen 
Zalnski  in  Zaluskie.  Söhne  des  Wojwoden  von  Rawa,  gehören 
sie  einem   alten  polnischen  GeschlechtC;   welches  sich  in  der 


330  Dndfk. 

Staats-  und  Literaturgeschichte  Polens,  einen  ehrenvollen  Platz 
errungen  hatte.  Der  ältere  Bruder,  Andreas,  machte  in  seiner 
Jugend  grosse  Reisen,  studierte  in  Korn,  wo  er  die  Doctor- 
würde  nahm  und  widmete  sich  dem  geistlichen  Stande.  Noch 
sehr  jung,  erhielt  er  am  18.  Dezember  1722  den  bischöf- 
lichen Sitz  zu  Plock,  den  er  bis  1737  inne  hatte,  er  wurde 
dann  unter  dem  Könige  Friedrich  August  II.  1735  zum  Gross- 
kanzler des  Reichs  befördert,  welches  Amt  er  zehn  Jahre  lang 
verwaltete,  darauf  1737  nach  Luck,  am  15.  Juli  1739  nach 
Kulm,  und  endlich  am  2.  Mai  1746  nach  Krakau  versetzt,  wo 
er  den  IG.  Dezember  1758  in  dem  Rufe  eines  gelehrten  und 
biederen  Mannes  und  Bischofs  starb.  Seine  reiche  Bücher- 
sammlung vermachte  er  seinem  jüngeren  Bruder  Josef. 

Josef  Andreas  Zahiski,  geboren  1701,  ist  der  eigent- 
liche Qründer  der  nach  ihm*  benannten  Bibliothek.  Durch 
Reisen  in  Deutschland,  Holland,  Frankreich  und  Italien  ge- 
bildet, trat  er  frühzeitig  mit  den  gelehrtesten  Männern  seiner 
Zeit  in  literarischen  Verkehr,  und  fasste  den  Entschluss,  sein 
bedeutendes  Vermögen  dadurch  zum  Wohle  seines  Vaterlandes 
zu  verwenden,  dass  er  eine  öffentliche  Bibliothek  in  Polens 
Hauptstadt,  Warschau,  zu  begründen  sich  vornahm,  eine  Bi- 
bliothek, die  in  erster  Linie  alles  vereinigen  sollte,  was  die 
polnische  Literatur  je  zu  Tage  förderte.  Die  Verhältnisse 
waren  diesem  seinen  Unternehmen  günstig.  Es  mag  auffallen, 
dass  wir  diese  Behauptung  aufstellen,  denn  Zaluski's  Jugend 
&llt  in  die  Parteiungen  hinein,  welche  in  Folge  des  nordischen 
Krieges  in  dem  Wahlstaate  Polen  zu  Tage  traten.  Dem  recht- 
mässigen Könige,  Friedrich  August,  wurde  nämlich  1704  durcli 
den  Einfluss  des  Königs  von  Schweden,  Karl  XII.,  der  Woj- 
wode  von  Posen,  Stanislaus  Leszinski,  als  Gegenkönig  auf- 
gestellt. Allerdings  gewann  1709  Friedrich  August  wieder  die 
Oberhand ;  aber  das  Land  blieb  nichts  destoweniger  gespalten, 
bis  erst  1733  mit  der  Wahl  Friedrich  August  IL  eine  etwas 
festere  Ordnung  in  das  unglückliche  Polen  gelangte.  Josef 
Zaiuski  zählte  damals  das  22.  Lebensjahr,  und  seine  Bibliothek 
bereits  4000  Bände  und  mehrere  hunderte  von  kostbaren,  die 
politische  und  Rechtsgeschichte  Polens  beleuchtenden  Hand- 
schriften. Er  erwarb  sie  bei  den  allgemeinen  politischen 
Wirren  um  billige  Summen,    und  da  er  sich  ontschloss,   dem 


HistoritelM  Fonchangen  in  der  Bibliothek  xn  St.  Peteruburg.  331 

Gegeilkönige  Stanislaus  ine  Ausland  zu  folgen  und  in  Lothringen 
reiche  Benefizien  anzunehmen,  fand  er  neben  Beinern  Vermögen 
die  hinreichenden  Mittel,  seine  Bibliothek  nach  Wunsch  zu 
vermehren;  darum  sagten  wir,  dass  gerade  die  politischen 
Wirren  dem  strebsamen  Manne  günstig  waren  ^  um  seiner 
Bücherliebhaberei  nachgehen  zu  können. 

Als  die  Zustände  Polens  um  das  Jahr  1733  durch  die 
Wahl  des  sächsischen  Kurfürsten  Friedrich  August  II.  (III.) 
zum  Könige  sich  zu  regeln  anfingen,  kehrte  Graf  Josef  in  die 
Heimat  zurück,  wählte  Warschau  zu  seinem  gewöhnlichen 
Sitze,  und  hier  war  es,  wo  er  1747  seine  und  die  seines 
Bruders  Andreas,  Bischofs  von  Krakau,  bereits  catalogisirte 
Bibliothek  mit  grosser  Feierlichkeit  dem  Publikum  ö£fiiete, 
selbe,  sammt  dem  Palais  worin  sie  stand,  und  das  im  Werden 
begriffene  Museum,  dem  Vaterlande  für  immerwährende  Zeiten 
durch  eine  eigene  Schrift,  welche  zugleich  die  Bestimmungen 
des  Donators  über  die  Verwaltung  und  Benützung  der  Bibliothek 
enthält,  zu  Eigen  gab  mit  der  Motivirung :  ,ut  exstet  perpetuum 
quoddam  quasi  monumentum  meae  erga  sedcjn  apostolicam  de- 
votionis,  cum  qua  (bibliotheca)  cupio  huiusmodi  legato  con- 
Bcientiam  meam  exonerara,  si  quos  fructus  ex  reditibus  meis 
ecclesiasticis ,  dum  vixi,  male  forsan,  perceperim^  ^  Wir  be- 
sitzen diese  Bestimmungen  und  eine  gleichzeitige,  kostbare  Re- 
lation über  diesen  am  3.  August  1747  stattgefundenen  Akt, 
von  dem  wir  hier  Einiges  dem  freundlichen  Ijoser  mittheilen. 

Josef  Zahiski  sagt  in  dieser  Schrift,  dass  seit  46  Jahren 
an  der  Bibliothek  gesammelt  wurde.  Da  nun,  wie  wii*  wissen, 
Graf  Josef  1701  geboren  war,  so  ist  klar,  dass  hier  auch  von 
den  Büchern  seines  viel  älteren  Bruders  Andreas,  die  Rede  ist, 
welcher  damals,  als  die  Inauguration  stattfand,  Bischof  von 
Krakau  war.  Leider  wurde  nach  seinem,  wie  oben  gesagt, 
am  16.  Dezember  1758  erfolgten  Tode  diese  bischöfliche  Schen- 
kung wegen  gewissen  Formenfehlern  seines  Testaments  revo- 
cirt,  so  dass  blos  ein  Kapital  von  46.000  Qulden  polnisch  und 
von  den  Büchern  2500  Bände  für  die  Warschauer  Bibliothek 
übrig  blieben ;  doch  dies  störte  den  Gründungseifer  des  Grafen 

^  Catalo^ne  des  pnblieationR  de  la  hibliotbeqne  imperiale  publique  de 
Saint^Petersbourg;  depnis  sa  fondatiou  jasqu'  en  18C1  etc.  4^,  und  darin 
paf^.  X  RitOB  Inauguration  19)  worin  pag.  XVI  die  obige  Stelle  vorkommt 


332  DudiiL 

Josef  keineswegs,  höchstexis,  dass  von  nun  an  Josef  allein  als 
der  eigentliche  Stifter  galt. 

Als  Bibliothekare  amtirten  noch  zu  Ijebzeiten  des  Kra- 
kauer Bischofs  Andreas,  der  in  der  literarischen  polnischen 
Welt  bekannte  Canonicus,  Johann  Daniel  Janocki,  und  etwas 
später,  doch  mit  ihm  zugleich,  der  Jesuit  Albertrandi  und 
Kantzier.  Vom  Janocki  stammen  die  ersten  Cataloge  der 
Zaiuskischen  Bibliothek;  der  Handschriftencatalog  führt  den 
Titel :  ,Specimen  Catalogi  codicum  manuscriptorum  bibliothecae 
21a}uscianae  exhibitum  iussu  et  sumptu  optimi  et  munificentis- 
simi  principis  epbcopi  Cracoviensis'  etc.  1752,  4^  175  pp.  und 
über  die  seltenen  polnischen  Drucke:  ,Nachricht  von  denen  in 
der  hochgräflichen  Zahiskischen  Bibliothek  sich  befindenden 
raren  polnischen  Büchern^  Dresden.  Walther  1747  — 1753. 
FtLnf  Partien  in  2  Bänden.  8^.  Beide  diese  Cataloge  ver- 
schafften der  ZiJuskischen  Bibliothek  in  Warschau  den  euro- 
päischen Ruf,  dessen  sie  sich  mit  Recht  erfreut  hatte,  und  wer 
noch  heut  zu  Tage  die  Zaluskische  Bibliothek  kennen  lernen 
will,  muss  zu  diesen  beiden  Arbeiten  des  Bibliothekar  Janocki 
seine  Zuflucht  nehmen. 

Minder  glücklich  angelegt  und  durchgeführt  ist  von 
Janocki  folgender  Catalog':  ,Bibliograph]a  Zalusciana,  exhibens 
ill.  excell.  atque  reverendissimi  D.  D.  los.  Andr.  Comitis  in 
Zaluskie  Zaiuski,  Kioviensis  atque  Czernichoviensis  episcopi, 
heroici  ordinis  aquilae  albae  equitis,  tam  edita  quam  edenda 
scripta,  inspersis  plurimis  notis  atque  observationibus  Ute- 
rariis  ex  eiusdem  illustrissimi  praesulis  scrinio  desumtis. 
Opus  literariae  historiae  Poloniae  amatoribus  iocundum  ac 
perutile,  partim  Berdiczoviae  in  typog^apheo  Mariano,  par- 
tim Varsaviae  Mizlerianis,  coUegiique  Societatis  lesu  typis 
Impressum  annis  1763,  1764,  1765  et  1766.  Fol.  Man  sieht 
es  diesem  Werke  an,  dass  damit  nicht  so  sehr  der  Wissen- 
schaft, als  vielmehr  der  Eitelkeit  des  alternden  Fundators 
gedient  werden  sollte,  denn  selbst  die  unbedeutendsten  An- 
spielungen auf  den  Qrafen,  die  in  welcher  Literatur  immer 
gefunden  wurden,  stehen  hier  als  Bibliographia  Z^skiana  ver- 
zeichnet, des  mittlerweile  1759  zum  Bischöfe  von  Kijew- 
2itomirz  ernannten  Grafen  Zaluski,  dessen  Leben  am  besten 
beschrieben  erscheint  in  ,Frie8e,   Vitae    episcoporura  Kiowien- 


Historische  Forschungen  in  der  Bibliothek  zn  St.  Petersburg.  333 

sium  et  Czernichoviensium.'  Varsoviae  1761.  Das  Petersburger 
Exemplar  ist  voll  von  Anmerkungen  und  Zusätzen,  die  von 
der  Hand  des  Bischofs  stammen.  Man  siebt  daraus,  dass  sich 
der  Bischof  gerne  in  Berdiczow  in  der  Ukraine  aufhielt,  und 
das  ist  der  Grund,  warum  Janocki  einen  Theil  der  Bibliographia 
Zidaskiana  in  Berdiczow  drucken  Hess,  und  warum  die  Fort- 
setzung des  Werkes  in  Warschau  geschah,  wird  erklärlich, 
wenn  man  in  der  oberwähnten  Bischofsgeschichte  liest,  dass 
Oraf  Josef  als  polnischer  Senator  nach  dem  Tode  des  Königs 
August  II.  nach  Warschau  eUen  musste,  um  1764  dem  neuen 
Herrscher,  Stanislaus  August  Poniatowski,  die  Stimme  zu  geben. 
Als  er  jedoch  auf  dem  Reichstage  1766  gegen  die  von  den 
Russen  beschützten  Dissidenten  heftig  auftrat,  ward  er  auf 
Veranlassung  des  russischen  Gesandten,  Repnin,  nach  Kaluga 
verwiesen,  und  daselbst  bis  1773  festgehalten.  Aus  dieser  Zeit 
stammt  ein  höchst  rares  Werkchen:  ^Mensonges  imprimäs  du 
äujet  de  Joseph  comte  de  Zaluski^  etc.,  s.  1.  und  ,Przypadki 
uiektöre  J.  W.  J.  1.  J6zefa  Zaluskiego^  ktöre  mu  si^  w  niewoli 
Hoskiewskej  6-letniej  trafyli'.  (s.  1.)  1773.  8^  Kaum  frei  ge- 
worden, starb  dieser  polnische  Patriot  am  9.  Januar  1774. 

Obwohl  die  nach  Josef  Zaluski  genannte  Bibliothek  kraft 
seines  Testamentes  der  polnischen  Nation  gehörte,  bestimmte  er, 
dass  die  Jesuiten  die  Verwalter  derselben  blieben ;  die  Jesuiten 
aber  worden  schon  1773  aufgehoben,  und  so  ging  die  Bibliothek 
in  die  Verwaltung  des  Staates  über,  und  wurde  zwanzig  Jahre 
hindurch  von  der  Warschauer  Erziehungscommission  verwaltet 
wiewohl  die  Verwandtschaft  der  Gründer  Einsprache  dagegen 
erhoben  hatte.  Der  Process  dauerte  noch  fort,  als  die  dritte 
Theilung  Polens  1795  erfolgte,  und  1795  die  Kaiserin  Katha* 
rina  IL  den  Befehl  ertbeilte ,  die  Zaluskische  Bibliothek  als 
Staatsgut  nach  St.  Petersburg  zu  überführen.  Sie  zählte  damals 
weit  über  200.000  Bände,  und  bildete  die  Grundlage  der  jetzigen 
kaiserlichen  öffentlichen  Bibliothek,  die  dann  später  zwischen 
den  Jahren  1831  und  1834  noch  durch  eine  Auswahl  seltener 
Schriften  aus  Plotzk  vermehrt  wurde,  die  ehedem  im  Besitze 
der  Jesuiten  waren,  weiter  durch  die  ausgezeichnete  Bibliothek 
der  Fürsten  Czartoriski,  die  in  Pulawi  stand,  sowie  durch  die 
der  Sapieha  und  Bzewucki,  und  endlich  durch  150.000  Bände, 
welche    der    Gesellschaft    der    Literaturfreunde    in   Warschau 


334  Dndik. 

gehörten,  worunter  sich  mehrere  Tausende  der  seltensten  £rst- 
lingßdrucke  aus  dem  15.  und  IG.  Jahrhunderte,  und  viele  gute 
Handschriften  (im  Cataloge  mit  O  bezeichnet)  befinden,  welche 
die  Gesellschaft  in  Folge  der  Jahre  zumeist  aus  den  polnischen 
Klöstern,  wo  sie  verbeißen  lagen,  gesammelt  hatte.  Man  kann 
daher  mit  voller  Berechtigung  sagen,  dass  die  heutige  kaiser- 
liche öffentliche  Bibliothek  in  St.  Petersburg,  in  ihrer  grossen 
Mehrzahl  aus  Büchern  und  Handschriften  besteht,  die  vor  den 
polnischen  Revolutionen  im  Königreiche  Polen  lagen,  und  nur 
als  Siegesbeute  nach  St.  Peterburg  wanderten. 

Allerdings  bewahrt  die  kaiserliche  öffentliche  Bibliothek 
auch  noch  andere  Aquisitionen,  zu  denen  wir  in  erster  Linie 
die  Manuscripten  -  Sammlung  des  russischen  Kirchensängers 
und  nachmaligen  russischen  Oesandtschaftsbeamten  in  Paria, 
Peter  Dubrawski,  zählen.  Augenzeuge  der  französischen  Re- 
volution von  1789  und  der  Plünderung  der  Abtei  von  St.  Germain 
und  anderer  französischen  Bibliotheken  und  Archive,  wusste 
Dubrawski  eine  Menge  werthvoller  Handschriften,  die  von  der 
rohen  Masse  zum  Thoile  auf  die  Strasse  geworfen  wurden,  um 
ein  geringes  zu  erwerben,  und  so  zu  rotten.  Dubrawski  schenkte 
in  späteren  Jahren,  nachdem  er  zum  Legationsrathe  vorgerückt 
war,  seine  ganze  Sammlung  dem  Kaiser  Alexander  I.,  der  ihn 
dafür  zum  Conservator  des  Handschriften  -  Departements  der 
Bibliothek  mit  reichlichem   lebenslänglichen  Gehalte  ernannte. 

Auch  die  27.000  Bände  reiche  Sammlung  des  als  russischen 
Gesandten  in  Stockholm  1836  verstorbenen  Grafen  Suchtelen 
bildet  einen  Bestandtheil  der  jetzigen  kaiserlichen  öffentlichen 
Bibliothek.  Sie  wurde  um  100.000  Rubel  angekauft,  und  so 
könnten  wir  noch  eine  ganze  Reihe  von  Acquisitionen  anfahren^ 
um  die  anderthalb  Millionen  Bände,  welche  die  weiten  Säle 
der  kaiserlichen  Petersburger  Bibliothek  fassen,  begreiflich  zu 
machen,  wenn  es  uns  um  eine  Geschichte  der  erwähnten 
Bibliothek  ginge;  dies  ist  nicht  unser  Zweck.  Unser  Zweck 
lag,  als  wir  unsere  historischen  Studien  in  St.  Petersburg  eb- 
leiteten,  die  Handschriften  der  ehemals  Zaluskischen  Bibliothek 
durchzugehen,  um  ihren  Werth  für  die  österreichisch- ungarische 
Staatengeschichte  zu  constatiren. 

Allerdings  sind  jetzt  die  Zaiuskiana  unter  die  anderen 
vorhandenen  Handschriften  eingereiht,  und  bilden  somit  keine 


Hutorische  Foracbangen  in  der  Bibliothek  in  St.  Petersburg.  3*35 

selbstständige  Abtheilung,  und  .es  wäre  eine  fast  vei^gebliche 
Mühe  gewesen ;  sie  herauszufinden',  wenn  die  Verfasser  der 
Cataloge  nicht  zu  jeder  Handschriften-Nummer  die  Provenienz 
angemerkt  hätten.  Sie  thaten  dies  aber  mit  grosser  Gewissen* 
haftigkeit,  und  ermöglichten  uns  unsere  Studien,  die  durch  die 
ungemein  wohlthuende  Zuvorkommenheit  des  Bibliotheks- 
Directors,  des  Staatsrathes  Deljanow,  und  durch  die  unver- 
drossene Gefälligkeit  der  beiden  Oberbibliothekare ,  MinzlofF 
und  Byschkof,  zur  angenehmen  Beschäftigung  wurden.  Ich 
sage  hier  den  erwähnten  Herren  öffentlich  meinen  Dank.  Nicht 
nur,  dass  mir  die  Cataloge  ohne  Ausnahme  zur  Durchsicht 
überlassen  wurden,  ich  erhielt  auch  sonst  noch  Zugeständnisse, 
die  mir  die  Arbeit  sehr  erleichterten  und  ich  meine  Zeit  gut 
ausnützen  konnte,  denn  nur  dadurch  wurde  es  möglich,  dass 
ich  vom  14.  August  bis  13.  September,  nahezu  an  hundert 
Handschriften  prüfen  und  einen  Theil  der  Handschriftencataloge 
durchgehen  konnte. 

Die  Handschriftencataloge  der  kaiserlichen  öffentlichen 
Bibliothek  —  und  nur  mit  diesen  haben  wir  es  zu  thun  — 
richten  sich  nach  der  Aufstellung  der  Manuscripte.  Der  Hauptr 
eintheilungsgrund  derselben  bildet  die  Sprache,  weiter  die 
Materie  und  endlich  das  Format.  Unsere  Aufgabe  war  blos 
die  lateinisch  und  polnisch  geschriebenen  Manuscripte  durch- 
zugehen; in  böhmischer  Sprache  abgefasste  besitzt  die  Bi- 
bliothek nicht.  Für  die  lateinischen  Handschriften  besteht  der 
Catalog  aus  drei,  und  für  die  polnischen  aus  einem  Bande. 
Der  erste  Band  der  lateinischen  Handschriften  enthält  die 
Äbtheilungen  (oddleni) :  I.  Theologia,  der  zweite  Band :  II.  luris- 
pradentia,  III.  Philosophia,  IV.  Historia,  V.  Historia  naturalis, 
M.  Medicina,  VII.  Physica,  VIII.  Chymia,  IX.  Mathesis, 
X.  Artes  mechanicae,  XI.  Artes  liberales,  XH.  Musica,  XIU.  Ars 
delineandi,  und  der  dritte  Band:  XIV.  Poesis,  XV.  Lingui- 
rtica,  XVI.  Eloquentia,  XVII.  Polygraphia  und  XVHI.  Historia 
literaria. 

Nach  diesen  Abtheilungen,  in  der  Bibliothek  Od^leni  ge- 
nannt, zerfallen  also  die  Handschriften  in  XVHI.  Gruppen. 
Man  muss  dies  wissen,  weil  man  sonst  die  Handschrift  nicht 
auffinden  könnte,  denn  die  Signatur  einer  jeden  Handschrift 
iftt:  die  erste,  die  Angabe  der  Sprache,  die  zweite,  ob  die  Hand- 


336  Dndik. 

Schrift  auf  Papier  oder  Pergament  geschrieben,  die  dritte,  die 
Abtheilung,  die  vierte,  das  Format  und  endlich  die  fünfte,  die 
laufende  Nummer  des  Formats  und  der  Abtheilung,  deren  jede 
mit  Nummer  eins  beginnt,  und  zwar  separirt  ftir  Charta  und 
Membrana,  und  separat  nach  dem  Format;  Folio,  Quart  oder 
Octav.  Zu  jeder  Nummer  ist  im  Cataloge  mit  einem  Buch- 
staben die  Provenienz  derselben  angegeben,  z.  B.  Z.  Zahiski, 
D.  Dubrovski,  G.  Gesellschaft  der  Literaturfreunde  in  War- 
schau, W.  Warschau  etc.  Es  ist  dies  allerdings  ein  viel  zu 
komplicirter  Apparat  der  Aufstellung,  besonders,  als  das  Ein- 
reihen der  einzelnen  Handschriften  nach  Materien  in  gar  vielen 
Fällen  fast  zur  Unmöglichkeit  wird.  Indess  da  der  Stock  der 
Bibliothek,  die  Zaluskiana,  diese  Bezeichnung  schon  mitbrachte, 
beliess  man  sie  auch  für  die  später  acquirirten  Manuscripte. 
Man  muss  daher,  um  in  der  St.  Petersburger  Bibliothek  eioe 
Handschrift  regelrecht  zu  verlangen,  also  die  Signatur  angeben: 
Lat.  Chart.  I.  fol.  Nr.  185. 

Wir  wollen  jetzt  nach  den  Abtheilungen,  die  von  mir 
benutzten  oder  blos  eingesehenen  Handschriften,  wobei  ich 
abermals  erinnere,  dass  ich  mich  fast  ausschliesslich  nur  mit 
Zatuskischen  Manuscripten  beschäftigte,  anführen,  und  zu  jedem 
flir  spätere  Forscher  die  Signatur  beisetzen. 


I.  Abtheilung.   Theologia. 
In  folio  membr.  et  eharta. 

1.  Legendae  Sanctorum.  Seculi  XIV.  membr.  Sig.  124. 
Im  Catalog  steht  die  Bemerkung,  dass  von  diesem  Werke  zwei 
Volumina  vorhanden  seien.  Ich  sah  nur  einen  Band  mit  schönen 
Initialen.  Im  vorliegenden  Bande  ist  das  Leben  der  heiligen 
Elisabeth,  der  Landgräfin  von  Thüringen,  in  der  Recension,  in 
welcher  sie  in  der  Legenda  aurea  lacobi  a  Voragine  vorkommt. 
Das  Leben  der  böhmischen  Landespatrone:  Ludmilla  und 
Wenzeslaus  fehlt  in  diesem  Bande.  Auch  unter  der  Sig.  426 
kommt  ein  Legendarium  vor,  in  welchem  unter  anderen  schon 
das  Leben  des  heiligen  Stanislaus,  aber  noch  nicht  das  der 
heiligen  Clara  und  der  heiligen  Hedwig  vorkommt,  ein  Beweis, 


Uifiiohiche  Fonchongen  in  der  Bibliothek  txt  St.  Petenbarg.  3<)7 

dass  dieser  Codex  aus  einem  viel  älteren  Exemplare  abge- 
schrieben wurde;  da  Clara  1255  und  Hedwig  1267,  Stanislaus 
aber  bereits  1253  heilig  gesprochen  wurden.  Vitae  Sanctorum 
Seculi  XV.  liegen  femer  unter  der  Sig.  515,  und  eine  Vita 
sanctae  Elisabethae  und  St  Hedwigis  de  anno  1472  unter  der 
Sig.  333. 

2.  Bartholomaei,  Ord.  Praedicatorum,  Summa  de  casibus 
coDScientiae  de  anno  1347.  Von  Fol.  1  bis  217.  Darauf  von 
2ir  bis  218:  De  casibus  reservatis.  Folio  218'  bis  22a  leer. 
Von  Fol.  221  bis  237  Statuta  Amesti  Archiepiscopi  Pragensis. 
Eigentlich  sind  es  auf  Orund  der  Arnestinischen  Provinzial- 
Statuten  vom  November  1349,  niedergeschriebene  Informationen 
für  den  Seelsorg-Clerus  und  für  die  Beichtväter  der  Prager 
Eirchenprovinz.  So  ist  gleich  der  Anfang  der  Statuten  ge* 
Dommen  aus  Cap.  45  (Editio,  Dudik,  Brunn  1872,  pag.  54), 
and  lautet:  Statuta  domini  Amesti  Archiepiscopi  sie  dicunt: 
Nullus  presbyter  parochianum  alterius  sine  proprii  licentia 
sacerdotis,  non  in  articulo  mortis  constitutum,  ad  confessionem 
recipiat,  cum  cum  absolvere  nequeat  vel  ligare,  neque  ei  mini- 
stret  quodcumque  aliud  sacramentum  ecclesiasticum.  Quaestio: 
utnim  nos  religiosi,  et  non  curam  populi  habentes,  possimus 
procurare  omnibus  sacramentis  parochianos  aliorum,  ut  merca- 
tores,  viatores  et  peregrinantes,  si  venerint  ad  nos  et  inciderint 
iD  infirmitates,  ut  timeatur  periculum  mortis,  quod  forte  non 
habent  licentiam,  nee  cogitaverunt  petere  ?  Kesponsio :  Si  veri- 
similiter  timetur  mortis  periculum,  et  de  facili  licentia  a  pro- 
prio presbytero  haberi  non  potest,  potest,  cum  necessitas  legem 
non  habeat;  alias  non  est  tutum  etc.  Peregrinos  autem  et 
sanoB,  si  peram  et  baculum  a  propriis  presbyteris  susceperunt, 
Tel  ab  aliis  de  licentia  propriorum,  vel  cum  iam  iter  arripue- 
nmt,  absolvere  potest  etc.  Und  in  dieser  Form  geht  es  weiter. 
Stets  eine  Frage,  und  darauf  eine  Antwort.  Die  Fragen  nach 
alphabetischer  Ordnung  gestellt,  z.  B.  Absolutio  criminum  inter 
religiöses,  (tder  Aqua  beuedicta,  oder  Anni  pubertatis  qui  sunt? 
Sehr  umständlich:  de  usura  et  de  restitutione.  Werth  copirt 
ZQ  werden.  Fol.  235'  Sequuntur  Rationes  magistri  Drusonis. 
Alles,  wie  sich  der  Beichtvater  bei  den  angeführten  Facten 
verhalten  solle.  Ein  Index  von  drei  Seiten  endet  das  Ganze, 
welches  eine  eigene  Folirung  hatte  mit  den  Toih  geschriebenen 

KtnagrWr.  d.  plia.-hi8t.  Cl.  XCV.  Bd.  I.  Uft.  22 


338  Dudik. 

Worten:  ,Kxpliciunt  Statuta  domini  Arnesti  Archiepisoopi  Pra- 
^nsis^  Darauf  ,de  ornatu  mulierum',  eine  cultorgeschichtliche 
Predigt  etc.  Cod.  chart.  fol.  See.  XIV.  Folia  242.  Sig.  7. 

3.  Eusebii  Historia  per  Rufinum.  Die  Chronik  schlecht 
und  fehlerhaft  geschrieben.  Zwei  Citationes  Olomacensis  Epi- 
scopi  in  membr.  Sind  zwei  Vorsatzblätter  ohne  Bedeutong 
See.  XVI.  Darauf  Quaestiones  decisae  in  Rota  audientiae  do- 
mini pape  de  diversis  materiis.  Schluss:  CoUationes  episto- 
larum  dorainicalium  editae  a  fr.  Nicoiao  de  Interamnis,  Ord. 
fr.  Minor.  Cod.  Chart.  See.  XV.  Sig.  11. 

4.  Fr.  Conradi  Pragensis  Postilla,  mit  der  Schlossbe- 
merkung:  ,Hunc  librum  dominus  Michael,  praepositus  Miecho- 
vien,  comparavit  Pragae  in  studio  existens,  pro  LX.  sexagenas*. 
Cod.  See.  XV.  Sig.  27. 

5.  Mathäus  de  Cracovia,  Tractatus  de  conscientia  et  ra- 
tione,  elucrubratus  Präge  1390.  Cod.  See.  XIV.  Sig.  39. 

6.  Postilla  Studentium  Prägen  universitatis.  Circa  annuni 
1393.  Cod.  See.  XIV.  Sig.  39. 

7.  Postilla  Studentium  Pragensium  a.  D.  Conrado  Wal- 
thusen  compikta  1427.  Cod.  See.  XV.  Sig.  185. 

8.  Mathfti  de  Legnitz  Postilla  per  manus  Simonis  de 
Auspitz.  See.  XV.  Sig.  53. 

9.  Homiliae  per  Quadragesimam  scriptae  a.  D.  1414.  Ge- 
hörten im  erwähnten  Jahre  dem  Nicolaus  de  Hustoped,  nunc 
plebani  in  Erasa.  Cod.  See.  XV.  Sig.  132. 

10.  lacobi  a  Voragine,  Legenda  aurea  de  anno  1423. 
Cod.  See.  XV.  Sig.  167.  Ein  zweites  Exemplar  Sex.  XV.  hat 
die  Sig.  191.  Darin :  ,Vita  quinque  fratrum  in  Polonia'.  Leider 
nur  ein  Blatt  und  unvollständig,  eine  Vita,  welche  sonst  in  der 
Legenda  aurea  nicht  vorzukommen  pflegt.  Auch  ist  hier  die 
Vita  anders  als  im  Benedictiner  Brevier. 

11.  Liber  poenitentiarius  per  Petrum,  Cracoviensem  epi- 
scopum,  in  synodo  Wislicensi  anno  1396  promulgatus.  Cod. 
See.  XV.  Sig.  187.  Es  ist  da  die  Rede  von  dem  Krakauer 
Bischöfe  Petrus  Wisz  Radolinski^  welcher  1392  das  Bisthum 
erhielt  und  1412  nach  Posen  versetzt  wurde.  Er  stai'b  1414. 
Obwohl  einer  späteren  Zeit  entsprossen,  ist  dieser  , Liber  poe- 
nitentiarius' schon  darum  höchst  merkwürdig;  weil  er  noch 
Busscanonen  enthält,   die   in  Folge   des  Entwickelungsganges, 


Historische  Forvehungeu  in  der  Bibliothek  cn  St.  Pett<nbvrg.  339 

welcheu  die  Bussdisciplin  genommen   hatte,    in   den   Bussord- 
nangen  des  westlichen  Europas  nicht  mehr  vorkamen. 

12.  Rabrica  missamm  secundom  consuetudinem  ecclesie 
Olomacen  et  Cracovien,  scripta  circa  annum  1396.  Cod.  See. 
XIV.  ad  finem.  Sig.  43.  Ein  viel  versprechender  Titel!  Leider 
besteht  die  Rubrica  missarum  nur  aus  vier  Blatt.  Jncipit  de 
prima  Dominica  Adventus  et'finit  in  die  Parasceve^,  die  wei- 
teren Theile  des  Jahres  fehlen;  doch  immerhin  wichtig,  weil 
der  Rest  die  Uebereinstimmung  des  kirchlichen  Directoriums 
der  beiden  aneinander  grenzenden  Diöcesen  darthut,  und  daher 
den  Schiuss  erlaubt,  dass  beide  Diöcesen  einen  und  denselben 
Ursprung  hatten,  und  dass  demnach  die  Tradition,  die  Slaven- 
apostel,  Kyrill  und  Method,  seien  auch  ihre  Begründer  gewesen, 
doch  irgend  einen  Grund  haben  müsse.  Was  nach  der  ,Ru- 
brica'  im  Codex  noch  folgt,  ist  ein  Liber  poenitentiarius,  dann 
Canonen  und  verschiedene  Predigten. 

13.  Apologia  Theutonicorum  contra  Bohemos  per  mona- 
chum  Cisterciensem.  Cod.  See.  XVI.  Sig.  44.  Bios  auf  sechs 
Seiten  ohne  Werth ;  es  sind  theologische  Argumente  wider  den 
Husitismus.  Voran  gehen  theologische  Abbandlungen  und  Aus- 
züge aus  Thomas  von  Aquino. 

14.  Revelationes  S.  Brigidae.  Beginnen :  Epistola  solitarii 
ad  reges.  Liber  coelestium  imperatorum,  revelatus  s.  Brigidae. 
Geschrieben  um  das  Jahr  1430.  Cod.  See.  XV.  Folia  348. 
Sig.  195.  Ein  anderer  Codex  Revelationum  s.  Brigidae  ist 
vom  J.  1448.  Sig.  233. 

15.  Literae  pro  canonisatione  S.  Brigidae  et  S.  Cathe- 
rinae  Suecae  de  anno  1480  usque  ad  an.  1500.  Bekanntlich 
ist  Catharina  die  Tochter  der  heiligen  Birgitta.  Cod.  See.  XVI. 
Folia  22.  Sig.  376.  In  der  Zahiskischen  Bibliothek  signirt 
mit  Z.  155. 

16.  lohannis  de  Capistrano  praedicatio  Cracoviae  circa 
1453.  Cod.  See.  XVI.  Sig.  207.  Der  Codex  selbst  enthält 
Predigten  und  darunter  Fol.  394  ist  Capistrans  Rede. 

17.  Liber  de   viris   illustribus   Ord.    Cistercien   de   anno 

1435.  Folia  256.  Cod.  See.  XV.  Sig.  208,  und  Sig.  223  ist  eine 

ähnliche,   wenn   auch  nicht   gleiche  Schrift   unter   dem  Titel: 

Anonymus  Clarevallensis  monasterii,   de   viris  illustribus  Ord. 

Cistercien.  Liber  scriptus  1444  pro  monasterio  Eoprivnicensi. 

22* 


340  Ondik. 

18.  lacobos  de  Paradiso,  abbas  Mogiiensis  s.  Glarae 
Tumbae,  Sermones  et  alia  opuscula  inedita.  Scripta  circa  an. 
1439.  Cod.  See.  XV.  Sig.  223. 

19.  GalluSy  abbas  Aulae  regiae  in  Bohemia,  Malogranatam 
i.  e.  Liber  de  triplici  statu  religiosorum.  Compillatam  1342 
(ob  es  nicht  1372  lauten  soll?).  Cod.  See.  XV.  Folia  222. 
Sig.  311.  Der  Scl)luss  fehlt  und  viele  Blätter  sind  zerrissen. 
Der  Abt  Gallus  lebte  um  das  Jahr  1370;  der  Codex  kann 
also  nicht,  wie  der  Catalog  sagt,  1468  geschrieben  worden  sein. 

20.  Gesta  Concilii  Constantienis.  Cod.  See.  XVI.  Folia 
480.  Sig.  321.  Ist  unvollständig  und  ungenau. 

21.  Registrum  lectoris  et  subprioris  ab  anno  1436  et  alia 
vetusta  scituque  digna  usque  ad  1511.  Cod.  See.  XVI.  Sig.  212. 
DasB  diese  hier  niedergelegten  Annotata  einem  Breslauer  Kloster 
gehören,  ersieht  man  aus  folgender  Anmerkung:  ,Sub  anno 
1436  die  17.  Aprilis  ego  Fr.  Michael  Kerer,  lector  et  supprior 
conventuB  Wratislavien,  etiam  praesens  registrum  concepi  con- 
scribere  cum  diligentia,  qua  potui  res  et  utensilia  conventus 
praedicti'.   Was  war  das  für  ein  Convent? 

22.  Annales  conventus  Cisterciensis  ac  res  gestae  in  regno 
Poloniae  succincte  ab  anno  1684  connotati.  Cod.  See.  XVIL 
Folia  478.  Sig.  569  e  bibl.  Europatkiana. 

23.  Leopoliensis  archiepiscopatus  historia  ab  anno  1624  V 
per  lohannem  Thomam  losephovicz,  Leopolien  Canonicum,  ex 
actis  authenticis  et  historicis  per  annotationes  annorum  collecta 
ad  annum  1700.  Cod.  See.  XVIII.  Folia  482.  Sig.  585.  Bei 
Zatuski  322,  Janocki,  specimen  catalogi  etc.  pag.  30.  LXXXL 

I.  Theologia  in  i^  in  membrana. 

24.  Beda  venerabilis,  historia  ecclesiastica  Angloinim. 
See.  VIII.  (Autograph?)  .  Sig.  18  (D.  143).  Cod.  membr. 
Fol.  161. 

25.  Ordo  scrutinii  catechumcnorum.  See.  IX.  Cod.  Cor- 
beien.  Fol.  88.  Sig.  34  (D.  234). 

26.  Calendarium  de  anno  1228  usque  ad  1234  ad  usum 
fratrum  Ordinis  Theutonici.  So  im  Catalog.  Wir  bezweifeln, 
dass  es  ein  Calendarium  ordinis  Theutonici  sei.  £s  enthält 
sechzehn  Blätter.   Nach  dem  Calendarium  kommt  ein  lateinisches 


Hiatorieeho  Fonehnngeii  in  der  Bibliothek  zn  St  Petenbvg.  341 

Lied  de  B.  M«  V.  mit  Noten  und  darauf  Peregrinus  de  Sanctis. 
Cod.  memb.  See.  XIII.  Sig.  69,  bei  Dubrowaki  295. 

27.  ConBtitutiones  Cracoviensis  ecclesiae  dto.  Cracoviae 
1326  NoniB  Octobris.  Die  Statuten  sind  sieben  Blatt  stark. 
Darauf  kommt,  wie  in  der  vorigen  Nummer,  Peregrinus  de 
Sanctis.  Fol.  85 '  liest  man  roth :  Explicit  Peregrinus  de 
sanctis  et  Evangelia  dominicalia  scripta  per  manus  Petri  de 
Zjtauia.  Ist  das  der  Abt  von  Eönigssaal,  der  Geschichts- 
schreiber? Darauf  kommt:  Summa  poenitentiae.  Der  Codex, 
Anfangs  See.  XIV  ist  am  Schlüsse  unvollständig,  die  Holzdeckel 
gebrochen.     Cod.  Memb.  Fol.  128.   Sig.   105  (G.  535). 

28.  Historia  passionis  et  ascensionis  Domini  cum  narra- 
tione  de  losepho  Arimatheo.  Cod.  memb.  See.  XV.  Fol.  10. 
Sig.  187  (D.  349). 

I.  Theologia  in  iP  in  eharta. 

29.  Breviarium  ad  usum  ecclesiae  Moraviae. 

Diese  Aufschrift  gab  dem  Büchelchen  Zaluski  und  mit 
Recht  Es  enthält  nämlich  einen  Theil  des  ,Proprium  Moraviae 
Sanctorum^  Nach  einigen  Stylübungen  eines  böhmisch  ge- 
schriebenen Briefes,  beginnt  Fol.  1'  Historia  corporis  Christi, 
ad  primam  Anthiph.  Super  psalmos  ant.  Sacerdos  in  etemum 
Christus  Dominus  secundum  ordinem  melchisedech  etc.  — 
Fol.  5'.  Marie  Nivis.  Ad  primam  vesperam  antiphona  etc.  — 
Fol.  6.  Sancte  Anne.  —  Fol.  T.  Sancti  Victorini.  —   Fol.   9. 

Istoria  sanctorum  Cirilli  et  metudii  confessorum. 

In  I.  Vesperis. 

Adest  dies  gloriosa  pontificum  beatorum  ciruUi  et  metudii 
^rmanorum  de  alexandria  grecie  genitorum.  Psalmi  feriales. 
Capitulum,     Plures    facti    sunt    sacerdotes    secundum    legem, 

idcirco  quod  morte  prohibentur  permanere.  Deo  gi'acias. 
Respcnsorium :   Gaude  Welgrad  et  tota  gens  Bohelnorum 

de  adventu  istorum  presulum,  beatorum   cirillo  et  me- 

tudio,  adeo  tibi  concessis  de  alexandria  grece  (sie)  pro- 

genitis,  laudaque  Deum  in  excelsis. 
VernctUus,  Nee  sileat  vox  in  imnis,  cantent  et  laudes  in 

eorum  laude  provincia  lauda. 


342  Dndik. 

YmpniM:  Sanctorom  meritis  indyta  gaudia^  etc.  nt  in 
plurimorum  martyrum. 

Oratio.  OmnipoteiiB,  piissime  Deus,  qui  nos  per  beatos 
pontifices  ac  confesBoreB  tuoa  noBtroBque  apostolos  et 
patronos,  metudium  et  cirillam,  ad  credulitatem  fidei 
cristiane  vocare  dignatus  es,  presta,  ut  qui  eorom  festi- 
vitate  in  presenti  gloriamor,  eorum  eüam  gloriam  sem- 
piternam  consequi  mereamur.  P.  D.  N.  —  Alia  omnia 
secundum  carsum  temporis. 

Ad  matutinas. 

Livitatorium,  Sonora  voce  et  mentis  iubilo  iubilemus  altissimo 
in  sanctoram  Cirilli  et  metadii,  noBtroram  patronoram^ 
natalicio. 

Psfdmua:  Venite  exultemus  etc. 

Ymnus:  Eterna  chriBti  munera  etc.  (Plurimorum  mar- 
tyrum). 

In  primo  nocturno. 

1,  Antif.:  Papa  Nicolaus  corpus  allatum  sancti  clementis  rome 

in  ecclesiam  intulit,   dudum  in  honore  ipsiuB  constrac- 
tarn,  et  honorifice  sepeliuit. 
Pgalmxis:  Beatus  vir  (ut  in  feste  Plur.  martyr.). 

2.  Antif.:  Ibique  beatus  cirillus,  archiepiscopatui  cedens,   mo- 

nachum    se  fieri   obtinuit,    et    in    eodem   loco,  darifi 

miraculis  fulgens,  vitam  finiuit. 
Psalmus:  Quare  fremuerunt  gentes  etc. 
d.  Antif,:  Qui  frater  buus,  sanctus  metudius,   in   sedem  vele- 

grad  substituitur  remuneratusque  a  papa  multis  gratüs^ 

ad  sedem  predictam  remittitur. 
Paalmua:  Cum  invocarem  etc. 
Versus:  Letamini  in  Domino  et  exultate  iusti. 
Besp,:  Et  gloriamini  omnes  recti  corde. 

Lectiones. 

i.  Lectio.  Quemadmodum  ex  historiis  plurimorum  Banctornm 
et  ex  cronicis  diversis  colligitur,  beatus  Cirillos  et 
metudius,  fratres  germani  de  alexandria  grecie  et  sla- 
wonice  ligwe  (sie),  venerunt  ad  terram  morauie,  Domino 


ffigtoriseho  Foneliaiigen  in  der  BibUotliek  zu  St.  Petnsbug.  343 

Deo  concedente,  ad  salatem  gentis  illiuB  in  forma  pere- 
grinorum  ac  sacerdotali  gradu,  sine  titolo  insigniti. 
Quibus  rex  Swatopluk  terre  moravie,  paganicb  ritu 
dedituB;  cum  gente  Bua  occorrit  et  reverenter  eo8  sus- 
cepit.  Qui  tandem,  gracia  Dei  largiente,  ipsum  cum 
tota  gente  sua  ad  fidem  cristi  conuerterunt  et  ad  bap- 
tismi  gratiam  perduxerunt.  Qui  Swatopluk  rex  pro- 
curavit  pro  augmento  fidei  cristiane;  quod  sedes  archie- 
piscopaÜB  in  welgrad  ecclesia,  quam  romane  fidei 
ordinaverat;  et  ubi  sedes  regni  sui  erat,  et  Septem 
episcopi  sufraganei  sub  ipsa  sede  ordinati  in  polonia 
et  in  uogaria  fuere^  sanctum  quoque  Cirillum  in  archi- 
presulem  obtinuit  ordinari.  Cui  magnifice  beatus  Ci- 
riiluB  presidens,  multos  in  fide  Christi  roborauit,  et  per 
eiuB  sanctam  doctrinam  multorum  anime  ad  celos 
transierunt. 
iZesp.:  Cum  beatus  Cirillus  pape  et  cardinalibus  esset 
delatus;  quod  in  slawonica  ligwa  (sie)  missas  et  divina 
officia  decantaret,  multum  de  hoc  est  per  eos  repre» 
hensus,  sed  ille  dauidicis  et  apostolicis  auctoritatibus 
se  digne  excusauit. 
Versiculus:  Multuro  de  hoc  est  per  eos  reprehensus  etc. 
2.  Leetio.  Cum  beatus  Cirillus  missas  et  divina  officia  in  sla- 
wonico  decantaret;  et  romam  causa  orationis  venisset, 
delatus  fuit  summo  pontifici  et  dominis  cardinalibus^ 
quod  in  ligwa  (sie)  prohibita  hec  faceret  contra  san- 
Ctorum  patioim  instituta.  Propter  quod  vocatus  fuit  ad 
domnum  papam,  qui  yeniens  suo  se  conspectui  presen- 
tavit;  causam  sue  vocationis  requirens.  Quem  domnus 
papa  cum  indignacione  magna  reprehendit,  cur  in 
ligwa  (sie)  vetita  missas  et  diyina  officia  presnmeret 
celebrare?  lUo  humiliter  satis  faciente,  et  eos  volens 
mitigare,  arrepto  psalterio  versum  psalmographi  in  eo 
recitauity  videlicet:  Omnis  spiritus  landet  dominum^  et 
ait:  Cor  presbyteri  ellecti  prohibetis  missarum  solempnia 
decantare  in  ligwa  (sie)  mea  slavonica,  et  verba  greca 
seu  latina  transferre  in  slawonicum?  Nam  nisi  hec 
facerem^  nullo  modo  possem  genti,  per  me  converse^ 
Bubvenire,   quia  gens    dure   ceruicis  est  et  ydyota  et 


344  Dndik. 

ignara  viarum  dei,  solum  salutare  eis  reperi  deo  inspi- 
rante,  per  quod  multos  Uli  aqnisioi,  quapropter  ignoscite 
mihi  patres  et  domini  mei. 

Resp. :  CuiuB  rationibus  papa  cum  collegio  cardinalium 
sibi  aBsistencium  aquieuit ,  Et  ut  in  slawonico  in  par* 
tibuB  suis  misse  et  divina  officia  cantaret  institaii 

Versiculus:  Quod  quidem  in  partibus  slawonicis  ad  hec 
tempora  observatur. 

3.  Lectio.  Item  quidem  et  beatus  paulus  apostolus  inquit:  loqai 

diversis  ligwis  (sie),  nolite  prohibere.  At  Uli  hec 
audientes  et  admirantes  tantam  viri  dei  fidem  et  meri- 
tum,  auetoritate  sua  statuunt  et  confirmant  slawonica 
ligwa  (sie)  in  paii;ibu8  Ulis  missarum  solempnia  ceteras- 
que  horas  canonicas  ympnizare.  Demum  sanctus  Ci- 
rillus  ad  partes  suas  rediens,  spiritu  sancto  edoctos  ad 
oysonam  (das  Wort  corrigirt;  kann  auch  ozjson&m, 
chersonam  gelesen  werden),  insulam  marinam  properat, 
et  mari  siccato,  diuinitus  ecclesiam  dudum  per  angeloe 
ibi  constructam,  ingreditur,  et  corpus  sancti  clementis 
pape  et  martyris  cum  anchora  invenit,  quod  multa  tem- 
pora fuerat  ibi  proiectum.  Quod  reuerenter  recepit,  et 
illud  ad  ecclesiam  suam  Welgrad  deportauit  et  ibidem 
multo  tempore  retinuit.  Sed  in  spiritu  preuidens  terre 
moravie  destruccionem  futuram,  suscepto  corpore  sancti 
clementis,  Romam  illud  detulit,  et  domno  pape  nicolao 
nunciauit,  quod  tantum  thezaurum  romam  deferret. 

Resp.:  Omnesque  qui  aduenerant,  sunt  admirati  sancti 
Spiritus  doni  tanti  ei  donati ;  quod  tot  et  tantis  auctori- 
tatibus  eos  superasset. 

Versic,:  Qui  perenni  victi  (sie)  aquierunt,  quod  tot  et 
tantis  etc. 

In  secundo  nocturno. 

4.  Antif, :  Beatus  Metudius  de  roma  remeans,  a  rege  Swatopluk 

et  sua  gente  gratanter  suscipitur  et  eis   leticia  magna 
ex  aduentu  suo  cumulatur. 

Psalmus:  Verba  mea. 


Hiitoriflehe  Fonehnnfren  in  der  Bibliotbek  n  8i.  Petersburg.  345 

5,  Aniif. :  Iste  beatus  dncem  Borzy woj  bohemorum  in  quodam 

convivio  regis  Swatopluk  convertit^  et  cum  eo  triginta 
sttOB  baptizauit  et  de  fide  caiholica  edocuit. 
Psalmus:  Domine  Dominus  noster. 

6.  Antif.:  Sacerdotesque    eis  adiunxit,   qui  gentem    suam   in 

bohemia  regnantem^  ad  fidem  cristi  conuerterunt  et  ad 

baptismi  gratiam  perduxerunt. 
Psalmus:  Domine,  quis  habitabit  etc. 
Vers.:  Exultent  iusti  in  conspectu  Dei. 
Resp.:  £t  delectentur  in  letitia. 

Lectiones. 

4.  Leetio.  Dominus  papa  cum  clero  et  toto  populo  romano  cum 
ingenti  gaudio  ei  occurrit,  et  illud  corpus  in  ecclesia 
sancti  clementis,  que  ante  multa  tempora  fuit  fabricata, 
sepeliuity  et  ibi  sanctus  Cirilus  episcopatui  renuncians, 
monachum  se  fieri  obtinuit,  et  ibi  miraculis  coruscans, 
in  domino  quieuit;  et  per  domnum  papam  honorifice 
in  eadem  ecclesia  tumulatur.  Qui  fratrem  suum,  san- 
ctum  Metudium,  substituit  in  locum  archipresulatum, 
quem  multis  gratiis  remunerans,  ad  ecclesiam  suam  in 
Welgrad  remittit,  qui  benedictione  papali  recepta,  ro- 
gat,  ut  fraternum  corpus  secum  possit  deferre  pro 
augenda  deuotione  gentis  morauice  et  fidei  cristiane 
per  eos  suscepte  confirmacione.  Cuius  peticioni  papa 
noluit  annuere.  Sanctus  tamen  metudius  clam  pro 
tempore  stetit  rome  et  tandem  nocturno  tempore  in- 
grediens  ecclesiam  sancti  clementis,  corpus  sancti  cirilli 
oculte  recepit,  et  secum  illud  versus  moraviam  depor- 
tavity  et  cum  aliquod  dietas  cum  eo  fecisset,  tandem 
in  loco  ameno  cum  eo  requieuit,  et  cum  ab  illo  loco 
illud  vellet  deferre ,  nulla  ope  seu  racione  hoc  facere 
potuit.  Nam  adeo  se  graue  illud  corpus  exhibuit,  quod 
nulla  arte  abinde  potuit  remoueri. 
Rssp.:  Letare  felix  Girille,  qui  meruisti  conuertere  regem 
Swatopluk  morauie  cum  gente  sua  incredula,  Et  ad 
fidem  Christi  perducere. 
Vers.:  De  fideque  Christi  cum  tu  edocuisti.  Et  ad 
fidem  etc. 


346  Dodik. 

5.  Lectio,  Tandem  cum  orationibus,  vigiliis  ac  ieioniis  aanctiu 

metudius  insisteret,  petens  sibi  divinitus  revellari,  ntram 
vellet  moraviam,  vel  denuo  romam  deferri,  qui  manu 
dextra  ellevata  ostendit  multis  videntibus,  quod  romam 
deberet  reportari.  £t  cum  illud  reportaretur,  papehoc 
nunciatur,  qui  cum  clero  et  populo  romano  ei  occarrit, 
et  illo  recepto  ad  ecclesiam  sancti  clementiB  illud  de- 
fert,  et  honorifice  in  eodeni  tumulo^  in  quo  prius  iacne- 
rat,  recondit  Post  hec  veniente  sancto  metudio  ad 
suam  ecclesiam  in  welgrad^  rex  Swatopluk  cum  gente 
8ua  ei  ocurrit  et  usque   ad  suam   ecclesiam   conduxit 

Resp.:  Glorioses  principes  nostros,  cirillum  cum  metudio, 
honore  veneremur,  qui  sub  se  septem  presules  ha- 
buerunt,  Et  Welgradensis  eoclesie  reg^ni  moravie  archi- 
presules  fuerunt. 

Vers,:  Nam  et  apostoli  gentis  illius  exstiterunt.  —  Et 
welgradensis  etc. 

6.  LecHo,  Qui  in  fide  Christi  subditos   suos  informans,   eccle- 

siamque  suam  in  omni  sanctitate  gubemans,  tandem  in 
quodam  conuinio,  facto  per  regem  Swatopluk  principi- 
buB  plurimis,  ducem  borzywoy  bohemorum,  qui  sub 
mensa  regis  in  detestationem  sue  perfidie  locatus  in 
conyivio  fuerat;  convertit,  predicens  ei  ore  prophetico, 
quod  si  baptizaretur,  quod  ipse  et  sui  successores  prin> 
cipes  et  reges^  maiores  umnibus  principibus  et  regibus 
ligwe  (sie)  slawonice  fierent,  quod  verifice  est  imple- 
tum  usque  in  hodiernum  diem.  Cuius  verbis  dux  bor- 
zywoy  consentiensy  se  post  refectionem  petit  babtizari 
cum  suis  Omnibus,  numero  triginta,  qui  tunc  ibi  secum 
aderant,  et  eis  babtizatis  et  de  fide  Christi  edoctis  et 
sacerdotibus  secum  receptis,  libris  et  aliis  omamen- 
tum  (sie)  ad  propria  revertitur,  et  uxorem  suam  sanctam 
Ludmillam  cum  tota  gente  bohemorum  procurat  babti- 
zari. Qui  in  fide  Christi  viventes,  post  multa  tempora 
animas  Christo  reddiderunt  et  sancta  exempla  post  se 
relinquentes  suis  posteris  usque  in  hodiernum  diem  ad 
laudem  et  gloriam  Deo  omnipotenti,  cui  laus  est  et 
gloria  per  infinita  secula  secnlorum  amen. 


Hintoriiohe  Fonchnngen  in  der  Bibliothek  su  St.  Petersburg.  347 

Rup.:  Magnificemus  Dominum,  salvatorem  omnium,  qui 
meritis  presulum  beatorum  Cirilli  et  metudii  convertit 
ad  fidem  gentem  Bohemorum. 

Vers. :  Dignasque  laudes  eis  soluere  nostra  studeat  mens. 
Et  convertit  ad  fidem  etc. 

In  tertio  nocturno. 

7.  Antif.:  Sanctus   metudius   predixit  ore  duci  borzywoyo  pro- 

phetico,  quod  si  fidem  Christi  assumeret,  maior  ipse  et 
sui  posteri  ligwe  Slawonice  fieret. 
Psalmus:  Conserva  Domine. 

8,  Antif, :  Quod  ab  illo  tempore  est  verificatum,  et  usque  hodie 

impletam,  quia  principes  et  reges  bohemie  maiores  sunt 

totius  ligwe  Slawonice. 
Psalmus:  Dominum  cantate. 
^.  Antif,:  Hoc  testantur  sacre  historie  et  multorum  sapientum 

dictate  cronice. 
Psalmua:  Beati  quorum. 
Vers.:  lusti  autem  in  perpetuum  vivent. 
Resp.:  Et  apud  Dominum  est  merces  eorum. 

Lectiones. 

Omslia:  Sint  iumbi  vestri  precincti  (de  communi  Confessoris 
non  pontificis). 

7.  Besp.:  Ad  laudem  digna  preconia  nostra  resultent  cantica 
Deoque  cum  omnium  gaudio  nostra  psallat  devocio  oris 
et  mentis  iubilo  in  sanctorum  Cirilli  et  metudii  na- 
talicio. 
Vers.:  Ut  eorum  suffragio  sociemur  sanctorum  consorcio 
—  In  sanctorum  etc. 

S.  Resp,:  Accidit  stupendum  miraculum,  cum  beatus  metudius 
corpus  sancti  Cirilli  defert  moraviam  ad  suam  eccle- 
siam,  adeo  grave  et  inportabile  se  reddidit,  quod  romam 
illud  deferri  oportuit 
Vers:  Quod  sanctus  Cirillus  fraternis  victus  precibus, 
ostendit  omnibus  per  sue  vicinis  manus  errectionem 
versus  romam  indicacionem.  Quod  romam  illud  etc.  — 
Das  Weitere  fehlt.    Mit  rother   Tinte  steht  bemerkt: 


348  Dadfk. 

Residuum  vero  quere  in  fine  libri  in  secundo  folio  f 
tale  Signum.  Dort  die  Fortsetzung: 
9,  Resp.:  Quod  dum  miraculum  narratur,  statim  processio  ad 
occurrendum  ei  paratur,  cui  papa  cum  clero  et  popolo 
toto  romano  reverenter  occurrit  et  in  waluis  suis  eum 
suscepit. 
Vers :  In  ecclesiaque  sancti  clementis  eum  sepelioit  et 
indulgentias  largas  omnibus,  qui  aderant^  donauit  Et 
in  waluis  suis  eum  excepit  etc. 

Ad  Landes  Antifonae. 

1.  Magnificemus  Dominum  de  tantis  personis  nobis  donatis  et 

propter  eorum  merita  salutis  fructibus  condonatis. 

2.  In  dignaque  memoria  eos  habeamus,    et  ut   propicii  nobis 

esse  debeant^  ipsos  devote  imploramus. 

3.  Gestaque  et  actus  eorum  imitemur,  ut  ipsorum  precibus  ad 

gloriam  etemam  perducamur. 

4.  Nee  eis  immemores  et  ingrati  esse  debemus  de  tot  et  tantis 

beneficiis  ab  ipsis  nobis  coUatis. 

5.  Cum  quevis  gens  et  nacio  suos  apostolos  condigno   laudum 

veneretur  preconio. 

Capitulum.   Flures  facti  sunt  sacerdotes   (ut  in  vesperis). 

Hymnus  (deest). 

Versiculus  (deest). 
Ad  Benedictus  Antifona :  Festa  veneranda^  ad  hec  tempora  per 
nos  neglecta,  digne  solempnisemus  officio  Cirilli  et 
metudii  beatorumque  nostrorum  apostolorum,  qui  gen- 
tem  boemorum  de  statu  dampnatorum  suis  dignis  operi- 
bus  angelorum  agminibus  sociare  meruerunt,  nunc 
quoque  consortes  fac  et  nos  eorum  patrociniis. 

Oratio:  Omnipotens,  piissime  Dens  (ut  in  uesperis). 

Ad  Boras,  ut  in  Communi  plurimorum  martyrum,  ex- 
ceptis  capitulis. 

Capitulum  ad  Sextam:  lesus  autem  cum  manet  in  eter- 
num,  sempitemum  habet  sacerdotium,  unde  et  salusre 
in  perpetuum  potest. 

Capitulum  ad  Nonam:  Tales  enim  decebat,  ut  nobis 
essent  pontifices  sancti,  inocenteS;  inpoluti;  segregati  a 
peccatoribus  et  excelsiores  celo. 


Hiiloritche  Forsehant^n  in  der  BiblioChek  za  Bt.  Peterabarg.  349 

In  secundis  Vesperis. 

Totum  ut  in  communi  plurimorum  martyram  exceptis: 

Anüf(mat  ut  in  laudibus. 

Capitvivm:  Qui  non  habet  cottidie  necessitatem  quemad- 
modum  sacerdotes  prias  pro  suis  delictis  hostiam  offerre, 
dein  de  (sie)  populo  hec  cum  facit  semel  se  offerendo 
Dominus  lesus  Christus. 

i?«4p. :  Quod  dum  miraculum  (ut  in  responsorio  nono). 

Hymnus  ut  hie  adiungitur  (deest). 

Vera.:  Exultabunt  etc. 
Ai  Magnißcat.  AnUfana :  Glorioses  principes  et  patronos  nostros 
digno  honore  prosequamur  beatos  Cirillura  et  metudium, 
qui  sub  se  Septem  sufraganeos  episcopos  habuerunt, 
sedemque  suam  in  morauia  welgrad  salubriter  oraauerunt 
apostolique  et  conversores  gentis  illius  et  nostri  fuerunt. 

Oratio  ut  supra. 
Ad  Missam:  Sacerdotes  Dei  benedicite. 

Oratio:  Ipsorum  —  alia  temporis. 

Epiiftola:  Flures  facti  sunt  sacerdotes. 

Graduale:  Exultabunt  sancti  in  gloria. 

Trachis:  Qui  seminat  in  lacrymis. 

EwangtUum:  Sint  lumbi  vestri  praecincti. 

Offertorium :  Anima  nostra. 

Communioi  Ego  vos. 

Wir  halten  dieses  Officium  divinum  der  mährischen  Apostel 
Kyrill  undMethud  für  dasjenige^  welches  durch  ein  Diöcesanstatut 
vom  Jahre  1380  in  den  Mährischen  Earchen  zum  ersten  Male 
eingeführt  wurde.  (Man  vergleiche  Cod.  Dipl.  Mor.  VII  pag.  696 
iDe  festivatione  Cyrilli  et  Metudii^,  wo  statt  1349  zu  lesen  ist 
1380).  Darauf  scheint  die  Antifona  ad  Benedictus:  ^Festa 
veneranda,  ad  hec  tempora  per  nos  neglecta,  digne  solemnise- 
mus  oiScio  Cirilli  et  Metudü^  beatorumque  nostrorum  Aposto- 
lorum'  etc.  anzuspielen.  Wenngleich  bei  der  Olmützer  Käthe- 
dralkirche  in  einer  Grabeskapelle  des  Canonicus  Telchontius^ 
bereits  1310  ein  Altar  der  heiligen  Kyrill  und  Methud  dotirt 
und  weiter  1330  und  1360  bereits  bestiftet  wurde;  so  musste 
dennoch  ein  eigenes  Diöcesan-Statut  provocirt  werden^  um  das 
Andenken  an  die  Wirksamkeit  der  beiden  Apostel  wachzurufen 


3o()  Dudik. 

und  au  ihren  Sitz  Welehrad  zu  erinnern.  In  der,  dem  Officium 
einverleibten  Legende  sind  allerdings  Facta  beigemischt;  die 
sich  mit  der  strengen  Geschichte  nicht  vertragen,  wie  z.  B. 
die  Ernennung  des  heiligen  Cyrill  zum  Erzbischofe  von  Wele- 
4irad.  Dass  aber  diese  Ansicht  im  14.  Jahrhunderte  in  Mähren 
festgewurzelt  war,  zeigt  die  Gewohnheit  der  Olmützer  Metro- 
politankirche,  die  Series  Episcoporum  Olomucensium  mit  Kjrill 
und  Method  zu  beginnen,  und  Welehrad  als  den  ersten  ers- 
bischöflichen  Sitz  hinzustellen.  Die  Erinnerung  an  diesen 
Sitz  erhielt  sich,  wie  das  Officium  deutlich  zeigt,  auch  dann 
noch,  als  weder  von  den  Reliquien  der  beiden  Heiligen,  noch 
auch  von  ihrer  kirchlichen  Verehrung  mehr  die  Rede  war. 
Ihr  ämtliches  Andenken  wurde  vielleicht  absichtlich  zurück- 
gedrängt, der  Ort  jedoch  ihrer  Wirksamkeit,  Welehrad  bei 
Hradisch,  blieb  lebendig  in  der  Erinnerung  des  dankbaren 
Volkes,  welches  wohl  Ideen,  nie  aber  die  Wirklichkeit  zn  ver- 
gessen pflegt. 

Nach  diesem  Officium  folgt: 

Fol.  10.    Historia  sancti   Castuli.     Ist   wieder  das  ganze 
Officium. 

Fol.  13.  Historia  sancte  Marie  Egyptiace. 

Fol.  14'.  De  lancea  Domini  —  Officium. 

Fol.  18.  S.  Longini  martyris.  Hoc  festum  celebratm*  quarto 
die  post  Gregorii. 

Fol.  20'.  Decem  millia  militum.  Nur  ein  Theil  des 
Officiums. 

Fol.  21.  Item  de  s.  Sigismundo.  Antiphonen  und  Hymnus. 

Fol.  22.  Paraphrasirtes  Pater  noster.  Nach:  libera  nos  a 
malo  presenti,  preterito  et  futuro  steht:  Pomni  na  mne,  mily 
Bo2e,  kdy2  jinak  b^ti  nemo2e,  vysvobodf  mne  z  täte  nflze,  od 
nepi'itel  mj^ch  velikj^ch,  kaci^&v  zloi^eden^ch,  mili  panno  Marie, 
ra6  byti  za  to  orodovnice.     Darauf  kommt 

Fol.  22'  ein  paraphrasirtes  Ave,  und  nun  in  zwei  Co- 
lumnen,  im  Ganzen  vier  Columnen,  chronologische  Noten  aus 
der  böhmischen  Geschichte.  Sie  beginnen:  Anno  Domini 
M^*.  CCC^.  X  coronatus  est  rex  lohannes,  pater  Elaroli  impera- 
toris,  et  vixit  annos  XXXVI.  Eodem  anno  Relicta  regis  lo- 
hannis  et  filia  Wenceslai  secundi,  ultima  heres  regni  bohemie, 


Hintoriaehe  Forachnngen  in  der  Bibliothek  sn  St.  Teteraburg.  851 

copulata  fuit  lohanni  filio  Henrici  septimi  imperatoris  .  .  . 
Addo  D.  M.  CCC^.  XVIIP  aatuB  est  secundus  filius,  nomine 
pFziemifll.  Anno  D.  M.  CCC®.  XXII^  natus  est  lohannes,  pater 
marchionum  Moravie.  Anno  D.  M.  CCCXXIII^.  nate  sunt 
due  gemelle,  Anna  et  Elisabeth  in  Bavaria  .  .  .  Anno  D. 
M.  CCC.XLVII.  Studium  Pragense  fuit  confirmatum  .  .  .  Anno 
D.  M.  CCC.  XLIX.  advenerunt  flagellarii  in  regnum  Bohemie  . . 
A.  D.  M.  CCC.  LL  instituti  fuerunt  canonici  reguläres  ad  s. 
Karolum  .  .  .  A.  D.  M.  CCC.  LXI.  natus  est  Wenceslaus^  filius 
Karoli,  in  civitate  Nurenburgensi^  et  ibidem  fuit  baptizatus  . .  . 
A.  D.  M.  CCC.  LXV.  allatum  fuit  corpus  sancti  Sigismundi 
versus  Pragam  in  vigilia  s.  Wenceslai  de  civitate  Augnesii  •  .  • 
Anno  D.  H.  CCC.  LXXX®.  fuit  pestilentia  magna  in  Bohemia, 
qne  vignit  a  festo  sti  Sigismundi  usque  ad  wenceslaum  .  .  • 
A.  D.  M.  CCC.  XCnn^.  rex  Wenceslaus  fuit  captivatus  in 
Verona  a  marchione  Moravie  et  a  Baronibus  in  die  sancti  Sta- 
nislaiy  et  post  quindecim  septimanas  fuit  liberatus  per  fratrem 
suum^  ducem  lohannem  Gorlicensem.  Schluss:  Anno  Domini 
M'.  CCC«.  XCIX  (1399)  in  die  sancti  Nicolai  combustum  fuit 
pretorinm  cum  multis  aiinis  in  maiori  civitate  pragensi. 

Fol.  24.  De  sancto  Joanne  baptista.  Bios  Lectiones. 

Fol.  25  und  26.  Arithmetische  Zifferreihe  von  1  bis  538. 
Darauf  Fol.  26  der  Schluss  des  Officiums  der  heiligen  Cirill 
und  Method;  und  Fol.  27  zum  Theil  abgerissen,  Daten  aus  der 
Weltchronologie,  und  da  steht:  Ab  origine  mundi  usque  ad 
nativitatem  Christi  V.  M.  C.  XXIX.  anni  (5129  Jahr).  Ob  XX 
es  ist,  ist  nicht  klar,  abgerissen.  —  Geheftet  im  Papierumschlag. 
Cod.  Chart  See.  XV.  Fol.  27,  Sig.  4  (Z.  1759). 

30.  Breviarium  monasticum  1264  — 1313  adiunctis  notis 
ploribus  a  recentioribus  manibus  a.  1580  et  1642.  Fol.  427. 
Sig.  2  (G.  198). 

31.  Petrus  de  Rosen  heim  O.  S.  B.  monasterii  Medlicen. 
V.  hi  N.  Testamentum ,  versiculis  mnemonicis  expressum  an. 
1348.  Fol.  37,  Sig.  3  (D.  427). 

32.  Amandus  Fr.  Ord.  Praedicatoruro,  üorologium  divi- 
nae  sapientiae.  2.  Visiones  s.  Brigidae  etc.  de  anno  1411.  Fol. 
339,  Sig.  24  (G.  468). 

33.  Novum  testamentum  praemissa  tabula  lectionum  etc. 
Inter  alia:   Fol.  216  ^    Epistola   ad   Hussonem,   haereticum,    a 


352  Dudik. 

papa  damnatam  cum  suis  sequacibus.  —  205^.  Explicit  opus- 
culum  epistolaruni  a  M.  Mareil  contra  haereticum  Hubb  etc.  &. 
D.  1422.  Sig.  33.  Fol.  109  .  M.  Mareil,  Exhortatio  ad  Boke- 
mom  huBsam,  haercBi  infectum.  Ibid.  (G.  184).  Sehr  zerriBBener 
und  boBchädigter  Codex. 

34.  TractatuB  contra  IV.  articulos  Bohemorum  etc.  See.  XY. 
Fol.  242.  Sig.  38  (G.  361). 

35.  Articuli  oblati  Concilio  ex  parte  regni  Bohemiae  et 
marchionatuB  Moraviae.  an.  1433.  Fol.  38,  Sig.  49  (Z.  1752). 

36.  De  fide  catbolica  etc.  Darunter  Fol.  162  ^  Constitii- 
tioneB  Alberti.  epiBcopi  CracovienBis  sub  anno  1420.  Explicit. 
Fol.  185,  Sig.  50. 

37.  HieronymuB  de  Praga,  Linea  BalutiB  heremitarum  etc. 
per  Nicolaum  Ord.  S.  B.  monaBterii  b.  CruciB  Calvimontis 
1434  etc.  Sig.  51  (G.  469).  Etiam  Sig.  67. 

38.  AlanuB,  AuctoritatCB  Sanctorum,  BcriptuB  1437.  Decem 
praecepta  etc.  Schulhefte,  worunter  auch  Mauritii  ad  lohannem 
Hub  epiBtola  und  dann  zwei  Pergamentblätter  mit  der  rothen 
AufBchrift:  ,De  Btudentibus  ad  generalia  studia  mittendis'.  Es 
iBt  dies  ein  Fragment  aus  der  Bulla  BenedictB  Xu.  dto.  Ave- 
nione  XII.  Kai.  lulii  (20.  luni).  Pontif.  an.  secundo.  Der  Codex 
gehörte  dem  Benedictiner-KIoBter  Stae  CruciB  in  monte  calvo 
(lisa  g6ra),  ist  stark  ruinirt.  Cod.  See.  XV.  Fol.  335.  Sig.  63 
(G.  691). 

39.  HermannuB  de  Lonsbach,  Historia  de  asBumtione  B. 
M.  V.  Deventriae  1457  scripta.  Dann :  Petrus  de  Rosenheim, 
O.  S.  B.  Versus  biblici  und  Chronica  Kadluben,  et  Chronica 
temporum.  Fol.  264  et  Petrus  Fol.  383.  Cod.  See.  XV.  Sig. 
90  et  91. 

40.  Historia  trium  regum,  et  alia  de  anno  1458.  Sig.  94 
(G.  528). 

41.  Vita  de  sancta  Barbara.  Cod.  See.  XV.  Sig.  127. 

42.  Alanus  et  alia  theologica,  worunter  ein  Auszug  *aus 
Beda's  Chronik,  die  Jahre  966  bis  1170  betreffend,  und  dann 
aus  der  Papstchronik  die  Jahre  1284 — 1464.  Cod.  See.  XV. 
Sig.  132  (G.  876). 

43.  ConraduB  de  ^oltkov  in  Studio  Prägen,  Glossa  supra 
sacram  constitutionem  de  fide  catholica.  Cod.  See.  XV.  Sig. 
149  (G.  708). 


Historiache  Forschungen  in  der  Bibliothek  zu  8i  Petersbarg.  353 

44.  Henricus,  Prägen  Magister,  Vita  Salvatoris.  Fol.  277 
Cod.  See.  XVI.  Sig.  168  (ö.  895). 

45.  HieronymuB  de  Praga^  Sermo  coram  Concilio  Con- 
stantien  in  Octava  Paschae  1413,  et  Matheus  de  Cracovia  de 
7.  mortalibus  peccatis.  Cod.  See.  XV.  Sig.  177  (Z.  818). 

46.  lohannes  Hus,  Super  quatuor  libros  sententiarum. 
Beginnt:  praemisso  registro  V]  Si  quis  vestrum  indiget  sa- 
pientia^  postulet  a  Deo  etc.  Der  Codex  datirt :  ,Anno  D.  1411 
currente  interdicto  Archiepiscopi  per  Pragam^  Im  Catalog  die 
Bemerkung  ^autographum^  Keineswegs,  scheint  aber  im  Husens 
Besitze  gewesen  zu  sein.  Cod.  See.  XV  pag.  361,  Sig.  180. 

47.  lohannis  Hus  et  lohannis  de  Praga  Positiones.  P. 
quia  heu  rectoratus  fungor  officio  etc.  pag.  14.  cum  identitas 
sit  mater  fastidiorum  etc.  Scripta  1471.  Cod.  See.  XV.  Fol.  50. 
Sig.  182.  Z. 

48.  lohannis  Hus,  Sermones  1^.  Dixit  Martha  etc.  pag.  33. 
In  missa  universitatis  ad  S.  lacobum  a.  D.  1410.  Mgr.  loh. 
Hus  praedicator  fecit  sermonem  infra  scriptum:  Et  fui  in 
coelo  etc.  pag.  37.  Sig.  183  (Z.  1814). 

49.  lohannes  de  Verona,  quondam  abbas  in  Aula  regia, 
Malogranatum  de  an.  1428  und  dann  Schluss  pag.  258^:  Epi- 
stola  episcopi  Olomucen  in  böhmischer  Sprache,  eine  Privat- 
angelegenheit betreffend.     Cod.  See.  XV.  Sig.  189. 

50.  Stephanus  Palecz,  Sermo  contra  Mgr.  Hus.  ,Gaude 
Maria  Virgo,  cunctas  haereses  sola  interemisti  in  universo 
mundo^  Pars  tantum  maioris  Voluminis.  S.  XV.  Fol.  25. 
Sig.  210.  Z. 

51.  Evangelium  Nicodemi  de  passione  Christi.  Cod.  See. 
XVI.  Sig.  219  (G.  455). 

52.  Thomas  a  Kempis:  ,Incipit  über  interne  consola- 
tionis'  etc.  Cod.  See.  XV  vel  XVI.  Fol.  187.  Sig.  283.  Z. 
Ein  Exemplar  in  8^  chart.  Sig.  30.  Gehört  zu  den  besseren 
Handschriften  mit  dem  Namen  des  Verfassers. 

53.  lohannes  de  Capistrano ,  poenitentiarius  publicus. 
Einige  Briefe  von  ihm  pag.  206^  im  Cod.  See.  XVI.  Sig.  296  Z. 

54.  Martinus,  Prior  Calvimontis  O.  S.  B.  Sermones  de 
Sanctisy  scripti  1560.  Beigebunden  ist  das  Leben  der  heiligen 
Dorothea  in  memb.  See.  XIV.  Der  Codex  selbst  See.  XVI. 
Sig.  31 1  (G.  348).  Das  Leben  der  heiligen  Dorothea  gab  nach 

MteiBgihtr.  d.  phil.-hirt.  Cl.  XCV.  Bd.  I.  Hft.  23 


854  Dndik. 

dieser  Haadschrift  Minzloff  heraus  unter  dem  Titel:  Beschrei- 
bung einiger  Prussica  der  kaiserlichen  öffentlichen  Bibliothek 
zu  St.  Petersburg,  1858.  S.  14  in  8«. 

55.  Petri  Illicini^  I.  U.  Dr.  et  canonici  Olomucen,  opuß- 
cala.  Olim  inscripta  catalogo  domus  Cracovien  S.  I.  ad  S. 
Barbaram.  Darunter:  Epistola  ad  Moravos  contra  Novatores 
de  unitate  fidei  cum  episcopo  servanda  —  ad  Transilvaniae 
Vojvodam  de  pellendis  haereticis  —  ad  Transilvanos,  qui  de- 
fecerunt^  reprehensio;  —  ad  Polonos  de  novis  Babellianis  pel- 
lendis —  ad  Saxoniae  ducem  de  falsa  Wittenbergensium  reli- 
gione.  —  Epistola  ad  Wittembergenses.  Cod.  pag.  620.  Sig. 
339  (Z.  1244). 

56.  Relatio  de  vitae  sanctitate^  miraculis  et  processibus 
beati  Stanislai  Kostka  S.  I.  facta  a.  D.  1616  Romae  a  N. 
Lanuco  (sie!).  Cod.  pag.  23.  Sig.  376.  Z. 

57.  Meditationes  et  exhortationes  a  P.  Druczbicki  S.  I. 
1639  etc.  Cod.  See.  XVII.  Sig.  419,  420  etc. 

58.  Catalogus  monasteriorum  regni  Poloniae  ab  anno 
1154—1278  etc.  Cod.  See.  XVI.  Sig.  550.  Z. 

59.  Historia  provinciae  Croaticae  Ord.  frat.  Eremitarum 
S.  Pauli  ab  anno  1721—1723  a  losepho  Bedekovich.  Fol.  16. 
Cod.  See.  XVIII.  Sig.  1298  (Z.  3792). 

60.  Bonaventura  Makowski,  Fr.  0.  Minor.  Convent*  War- 
saviae^  1764  in  novum  exeroplar  redegit  Chronicam  Ord.  frat 
Minor,  conventus  St.  Francisci  provinciae  Poloniae,  auctore 
fratre  lohanne  Fürstenhaino,  eiusdem  Provinciae,  ad  mandatum 
Stephan!  de  Bruna,  Generalis  vicarii  et  Commissarii,  Brunae 
1503  die  4.  Maii.  Ms.  in  archivio  Cracoviensi  olim  asservatum. 
Chronica  transscripta  a  Didaco  Stanislao  Meiler,  insertis  frag* 
mentis  variis,  historiam  et  Status  eiusdem  provinciae  coneer- 
nentibus.  Mortuus  est  praefatus  Melier  in  Conventu  Posna- 
niensi  die  28.  JuUi  1661.  Pag.  351.  Sig.  1322. 

61.  Compendium  historicum  S.  S.  Polonorum  r^ni  Patro- 
norum  O.  S.  Francisci  Conventualium  mar^rrum  et  confessorum 
utriusque  sexus  personarum,  a  Martine  Baronio,  laroslaviense 
clerico,  congestum  —  ex  veteri  exemplari  transscriptum  Oa- 
coviae  per  Fr.  Ludovicum  Starcovicz  ex  mandato  Fr.  Marcin- 
kovski,  Ouardiani  Cracov.  1640.  Cod.  See.  XVI.  Sig.  1322. 


Hifltoriiche  Fonchunn^n  in  der  Bibliothek  zn  St.  Petersburg.  355 

1.  Theologia  in  H^  niembrana. 

62.  Psalterium  germanicum.   Cod.   memb.  de  anno  1253. 
See.  XIII,  pag.  279.  Sig.  26  (Z.  663). 

63.  Breviarium  iuxta  Ord.  Cistercien  post  an.  1267.  Cod. 
memb.  pag.  277.  Sig.  30  (G.  116). 

64.  Processionale  ad  usum  fratrum  Praedicatorum  in  Po- 
lonia  circa  1450.  Cod.  memb.  See.  XV.  Sig.  114.  Z. 

65.  Breviarium   Benedictinum   ad    UBum   Poloniae    circa 
1476.  Cod.  memb.  Fol.  97.  Sig.  122  (Z.  1212). 

66.  Regula  sti  Benedicti,  scripta  1466.  Was  diesen  Codex 
wichtig  macht,  ist  der  Anhang:  De  imitatione  Christi  libri 
quatuor,  mit  der  ausdrücklichen  Bemerkung,  dass  der  Verfasser 
Johann  Gersen  heisse.  Cod.  memb.  See.  XV,  pag.  284.  Sig.  121, 
bei  Dubrowski  84.  Wir  haben  Nr.  52  den  Verfasser  Thomas 
a  Eempis  genannt.  Wer  ist  demnach  der  Verfasser  des  gol- 
denen Büchleins  ,De  imitatione  Christi?'  Nach  dem  literarischen 
Handweiser^  Jahr  1878  Nr.  13,  war  der  erste,  welcher  dem 
Thomas  von  Kempen  (Regularcanoniker  vom  heiligen  Augustin) 
die  Autorschaft  des  oberwähnten  Büchleins  absprach,  ein 
Spanier  in  einer  anonymen  Schrift  des  Jahres  1604;  dieselbe 
fuhrt  den  Titel :  ,Apparejos  para  administrar  el  sacramento  de 
la  Penitenzia'.  Der  Jesuit,  Petrus  Manriquez,  soll  der  Ver- 
fasser derselben  sein.  Petrus  meinte,  das  Buch  werde  schon 
vom  heiligen  Bonaventura  erwähnt,  was  sich  jedoch  bald  als 
unwahr  erwies.  Mittlerweile  aber  hatte  sich  der  Benediktiner- 
abt, Cajetan  von  St.  Barontius,  in  Rom  des  Fundes  bemächtigt, 
da  ihm  zu  gleicher  Zeit  eine  Handschrift  der  Imitatio  zuge- 
stellt wurde,  von  der  er  glaubte,  sie  stamme  aus  dem  13.  Jahr- 
hunderte; dieselbe  hatte  am  Ende  des  vierten  Buches  die 
Notiz:  ,explicit  liber  quartus  el;  ultimus  abbatis  lohannis  Gersen'. 
Darauf  unternahm  Cajetan  eine  wissenschaftliche  Reise  durch 
Italien,  um  die  verschiedenen  Handschriften  der  Imitation  in 
den  einzelnen  Bibliotheken  zu  untersuchen,  und  als  er  nun  zu 
Polirona  bei  Mantua  einen  zweiten  Codex  entdeckte,  welcher 
dem  Abte  Gersen  die  Autorschaft  des  Buches  zuschrieb,  trug 
er  kein  Bedenken  mehr,  dasselbe  dem  Thomas  von  Kempen 
abzusprechen,  und  für  Abt  Gersen,  den  er  ohne  Beweis  zum 
Beuediktinerabte  macht,  zu  reclamiren.  Seine  Ausgabe  erschien 

28* 


356  Dadilc. 

ZU  Rom  unter  dem  Namen  des  genannten  Abtes  G^ereen  1616, 
prachtvoll  ausgestattet.  Das  ist  der  Ursprung  des  berüchtigten 
Federkriegs  über  den  Verfasser  der  Nachfolge  Christi.  Der 
älteste  bis  jetzt  bekannte ,  noch  vorhandene  Codex  mit  dem 
Namen  Johannes  Gersen,  ist  ein  Salzburger  vom  Jahre  1463 
bei  St.  Peter.  An  diesen  würde  sich  nun  der  Petersbiii|;er 
von  1466  anreihen,  während  die  kaiserliche  Bibliothek  in  Wien 
Handschriften  aus  dem  14.  Jahrhunderte  besitzt,  welche  den 
Namen  Thomas  a  Kempis  tragen.  In  der  deutschen  Sprache 
verfasst,  ist  dieses  Werk  See.  XV,  8^  in  der  erwähnten  Hof- 
bibliothek unter  Nr.  3003.  Es  erscheint  uns  demnach  die 
Frage  über  den  Autor  des  asketischen  Tractates  bereits  als 
abgethan,  und  für  Thomas  von  Kempen  entschieden. 

I.  Theologia  in  8«  Charta. 

67.  loh.  Wikleff,  de  compositione  hominis.  Cod.  See. 
XVI.  Fol.  27.  Sig.  58  (D.  468). 

68.  lohannis  de  Capistrano  Literae  und  dabei:  Ex  anna- 
libus  Polonorum  ab  anno  550  usque  ad  an.  1484.  Cod.  See. 
XVI.  Sig.  242. 

69.  Orationes  XL  S.  Brigittae  de  passione  Domini.  Vil- 
nae  typis  academicis  S.  I.  1699.  Sig.  547. 

70.  Spicilegium,  sive  coUectio  veterum  aliquot  scriptoruiD, 
qui  in  Poloniae  bibliothecis  delituerant,  in  ordine  ad  conficien- 
dam  historiam  generalem  monasteriorum  ord.  S.  Benedict!,  in 
eodem  regno  existentium.  Opera  et  studio  D.  Gerardi  Lefe- 
bure  O.  S.  B.  Datum  in  monasterio  S.  Crucis  in  calvo  monte 
die  2.  Aprilis  1702  (sie!),  Sig.  577 5  in  mehreren  (7)  Bänden. 
Cod.  See.  XVIIII.  Auch  im  Catalog  noch  an  zwei  Stellen 
verzeichnet,  nach  Nr.  564  und  nach  Nr.  576.  Gehörte  dem 
Josef  Zaluski.  Die  Jahreszahl  im  Cataloge  1702  ist  unrichtig. 
Es  soll  1802  stehen.  Damals  verliess  Dom.  Gerard  Lefebure, 
welcher  in  der  Provinz  Artois  in  einer  kleinen  Feste,  Bapaume, 
den  28.  April  1764  geboren  wurde,  und  im  Jahre  1784  in  dem 
Benediktinerkloster  Stae  Rictrudis,  Diöccse  Arras,  die  Profess 
ablegte,  das  Kloster  Lisa  göra,  und  ging  nach  Raigern  in 
Mähren.  Zu  dieser  Auswanderung  zwang  ihn  die  französische 
Revolution^  nachdem  1790  sein  Kloster  secularisirt  wurde.  Er 


Hutorische  Forschongen  in  der  Bibliothek  zu  St.  Petersburg.  357 

ging  zuerst  nach  Brüssel,  dann  in  das  Stift  Weiblingen;  weiter 
nach  Lisa  göra  (mens  calvus  ad  stam  Crucem)],  Tyniec  bei 
Erakau  und  1802  nach  Raigern.  Mit  den  Franzosen  kehrte 
er  1805  in  sein  Vaterland  wieder  zurück  —  ein  sehr  fleissiger, 
aber  wenig  productiver  Mann ,  der  sich  mit  dem  Ordnen  der 
Archive  und  mit  dem  Copieren  von  Urkunden  und  Annalen 
gerne  befasst  hatte.  Sein  Spicilegium  hat  fiir  die  Geschichte 
des  Benediktinerordens  in  Polen  darum  einen  hohen  Werth, 
weil  die  Originalien,  aus  denen  er  schöpfte,  nicht  mehr  vor- 
banden sind. 

71.  Constitutiones  S.  M*  Brigittae  de  humilitate,  castitate 
et  paupertate.  Datum  Bononiae  1379  etc.  Fol.  45.  Sig.  779  (Z). 
See.  XVn.  Ziemlich  selten. 

Im  Qanzen  sind  in  der  Abtheilung  I.  Theologia  im  Catalog 
verzeichnet : 

in  Folio  •  .  .  132  Nummern  in  Memb.  und  677  in  Charta 
in  4»   ....    225         „  „        „        „    403  „        „ 

in  8"   .    ...    187  „  „        „        „     865  „        „ 

Summa:  Theologia  544  Nummern  in  Memb.  und  1945  in  Charta. 


II.  Abtheilung.  lurisprudentia. 

In  Folio.  Chart. 

72.  Zaiuski  (J.  A.).  Notata  e  libro,  qui  vocatur  Thea- 
trum  politicum^  quibus  adsuta  sunt:  1.  Specimen  historiae  po- 
lonicae  criticae  eiusdem  Zaluski^  et  2.  alia  varia  notata. 
Sig.  7.  Z. 

73.  Sczerbie  (Pauli)  Fromptuarium  legum  Poloniae.  Sig.  9. 
Z.  Etiam  Sig.  30  et  Sig.  193.  Z. 

74.  Instructio  Cracoviensis  canonisationis  B.  lohannis 
Kantii.  Folia  36.  sine  anno.  See.  XVm.  Sig.  14.  W. 

75.  Liber  definitionum  Capituli  generalis  Ord.  S.  Cist. 
de  anno  1605.  Sig.  15. 

76.  Formularium  literarum  polonicarum.  Folia  435.  Sig.  18. 
W.  —  Aliud  Sig.  20.  Z.  sub  Joh.  Casimire. 


3Ö8  Dndik. 

77.  Codex  Diplomatum  regni  Boh.  Fol.  183.  Big.  25.  W. 
Immerhin  werth  fiir  Karl  IV.  durchgegangen  zu  werden,  wenn 
gleich  Baibin  und  Goldast  benützt  sind.  Ohne  Schluss. 

78.  Enchiridion  iuris  Hungar.  consuetudinarii  de  anno 
1720.  Sig.  26.  Z. 

79.  Bogoria  (laroslai  de  —  archiepis.  Qnesnen)  Consti- 
tutiones  ecclesiarum  Poloniae  anno  1357  sancitae^  insertis  ve- 
terrimis  praedecessorum  statutis.  Sig.  31.  Z.  pag.  9.  Cod.  auto- 
grafus  Augusti  II.  temporibus  Upsaliam  devectus,  ibique  anno 
1741  a  losefo  Andrea  Zaluskio  recuperatus. 

80.  Concilium  Basiliense  ^LtVI.  sessionibus  absolutum, 
scriptum  1521.  Sig.  32.  W. 

81.  Acta  varia,  quae  monasterii  Scirzicensis  Ord.  Cister. 
bona  spectant^  ab  anno  1382  usque  1738.  E  biblioth.  Kurs- 
patkiana.  Sig.  36.  W. 

82.  Decisiones  sacrae  Rotae  Romanae  de  anno  1376. 
Sig.  43.  W. 

83.  Acta  congregationis  Benedictinae  in  Polonia  et  Magno- 
Ducatu  Lituaniae  una  manu  exaratus  Codex  per  secretarium 
Congregationis.  pag.  196.  Sig.  51.  W.  Beendet  1711,  ange- 
fangen 1653. 

84.  Acta  publica  dictalia  Pozonii  a  14.  Mai  1741  usque 
ad  27.  October.  Sig.  52.  W. 

85.  Extractus  e  Republica  Boema  a  Paulo  Stranskj^. 
Sig.  74.  Z. 

86.  Bremond  (Antonini)  Magistri  generalis  Ord.  Prae- 
dicat.  Dissertatio  de  diplomatibus  Pontificiis.  Beurtheilung  ihrer 
Echtheit  und  Unechtheit,  Styl,  Schrift  etc.  Wichtig.  Sig.  78.  Z. 

87.  Inventarium  omnium  et  singulorum  pririlegiorum, 
literarum  etc.,  que  in  arce  Cracoviensi  asservabantur  anno 
1682.  Sig.  79.  Z.  Fol.  13.  —  Etiam  de  anno  1613.  Sig.  198.  Z. 
Kommt  häufiger  vor. 

88.  Acta  legationis  Cardinalis  Bernardi  Macziejovski  ad 
Sigismundum  III.  regem  Poloniae  in  causa  eins  matrimonü 
cum  filia  archiducis  Caroli,  Constantia,  de  anno  1605.  Sig.  81. 
W.  (Janocki^  specimen  catalogi  etc.  pag.  40.  CII.) 

89.  Zahiski  Pauli  notata  iuridica  e  Mss.  losefi  Andreae 
Z^ski.  Sig.  84.  Z. 


Hiitoriadie  Fonehaog«n  in  d«r  Bibliothek  su  St.  Patersborg.  3ö9 

90.  Statuta  synodalia  EpiBcopatus  Plocensis  de  anno  1398. 
Sig.  123.  Z. 

91.  Kostka  Pauli  leges.    Cod.  Ser.  XV.  Sig.  124.  Z. 
Am  SchluBse  dieses  in  zwei  Columnen  geschriebenen  Codex 

liest  man:  ^Expliciunt  libri  I^um  Theutonicalium^  Iuris  Magde- 
borgensis  et  feodalis,  nee  non  Statuta  zkazimiri  (sie)  in  terra 
Cracoviensiy  et  Statuta  zlaciciensis  (sie)  terre^  et  statuta  dacum 
et  dominorum  terrigenarum  terre  Masoviensis  per  manus  Pauli 
Eosthka^  civis  de  Woynycz.  Finiti  et  finita  sunt  feria  quinta 
precise  in  Oetava  Nativitatis  B.  M.  V.  Anno  Domini  Millesimo 
CCCC*".  sexagesimo  tertio.  Et  sie  laus  et  decus  Deo  patri, 
filio  et  spiritui  sancto  per  infinita  secula  seculorum.  Amen^ 

Diese  Worte  geben  auch  den  Inhalt  an.  Nach  einem  sehr 
umständlichen  Idex  mit  Capitelanzeige  folgt  von  Fol.  V  das 
Magdeburger  Recht,  getheilt  in  drei  Bücher:  lus  municipale, 
Iu8  provinciale  et  ius  feodale,  und  endet  Fol.  86\  (Die  Fol.  57 
und  72^  sind  zur  Hälfte  weggerissen.)  Darauf:  ,Hic  incipiunt 
constituta  Poloniealis  iuris  castri  Cracoviensis  perpetue  con- 
servata'.  Es  sind  dies  die  Statuta  des  Königs  Kazimir.  Leider 
sind  nach  Folio  86  etwa  zwölf  Blätter  ausgeschnitten,  so  dass 
nach  dem  Anfange  des  Caput  II  ,Nemo  ex  parte  consanquinei 
860  familiaris  ad  iudicium  veniat',  der  Schluss  des  Cap.  LVI 
(Fol  87)  folgt.  Mit  dem  Cap.  CVIII  ,De  invento  occiso  per 
ministerialem'  hören  die  Iura  regis  Casimiri  auf,  und  es  be- 
ginnt Fol.  96  Incipit  forma  de  processu  iudicii  spiritualis  se- 
cundum  formam  iuris.  ,Antequam  de  processu  iudicii  dicatur, 
notandum  est,  quid  sit  iudicium,  et  que  sint  partes  iudicii  et 
quo  sint  persone,  que  debent  consistere  in  iudicio.  Iudicium 
est  actus  trium  personarum,  scilicet :  iudicis,  actoris  et  rei  etc.' 
Diese  Abhandlung  endet  Fol.  109.  Darauf:  ,Notantur  Con- 
stitutiones  et  iura  terre  laciciensis,  per  omnes  terrigenas  maiores 
facte  et  ab  antiquo  observate^  Anfang:  ,Quum  Emetho  ali- 
qaem  nobilem  vulnerat  seu  interficit,  quocunque  iure  residet, 
seu  manet,  iure  theutonico,  seu  quovis  alio  se  defensare  non 
potest;  sed  iure  Polonico  respondere  tenebitur,  et  hoc  servatur 
in  Omnibus  terris  regni  polonie^  —  Der  letzte  Artikel  lautet 
Fol.  144:  Statuta  ducum  et  dominorum  terrigenarum  terre 
Maszowiensis  et  principaliter  de  milite  vulnerato  per  Kme- 
thonem.    Anfang:  Sub  anno   Domini   1421   feria   quinta  post 


360  Duafk. 

festum  S.  Kiliani  martyriB  gloriosi  nos  Domini  de  consilio 
nostro  principalem  articulum  statuimus  pro  nobilibas  et  kme- 
thonibuB  etc.  Schluss :  Jdem  ius  inter  nostros  militeB  et  dorn- 
num  Archiepiscopum  observetur*.  —  Expliciunt  etc.  wie  oben. 
—  Ein  zum  Vergleich,  wie  das  Magdeburger  Recht  in  Polen 
Anwendung  fand,  und  wie  es  in  das  polnische  Recht  über- 
ging, recht  brauchbarer  Codex  im  alten  weissen  Ledereinbande 
mit  Messingbeschlägen. 

92.  Novum    opus    tripartitum    (Hungar.    consuetud.)  de 
anno  1719. 

93.  Proventus  Tinecensis  monasterii.  O.  S.  B.  Fol.  47. 
Sig.  132.  Z. 

94.  Pensiones  in  Zuppis  Wieliciensibus,  Bochnensibus  et 
Cameris  Mazoviae  ordinatae  de  anno  1685.  Sig.  136.  Z. 

95.  Zaiuski  Josef,  referendarii  Reg.  Norma  interr^m 
Polonici  de  anno  1733.  Sig.  140.  Z.  et  141.  Z. 

96.  Rolandini  Magistri  Summa  artis  notariae.  See.  XV— 
XVI.  Sig.  156.  Z. 

97.  Formulare  de  modo  iuridico.  See.  XV.   Sig.  162.  W. 

98.  Cromerii  Martini,  Formularium  Cancellariae  regni 
Pol.  Anno  1536—1549.  Sig.  172.  Z. 

99.  Tractatus  inter  regem  et  episcopos  Norvegiae.  See 
XVI.  Sig.  188.  Z. 

100.  Speculum  Saxonicum,  seu  ius  theuton.  Magdeb. 
scriptum  1499.  Sig.  191.  Z. 

101.  Statuta  episcopi  Cracovien.  Scripta  1470.  Sig.  202.  W. 

102.  Acta  Concilii  Basilienis  de  anno  1433  (lohannes 
de  Regusio,  Rokyezan,  Hieronym.  de  Praga  etc.).  Fol.  363. 
Sig.  219.  W. 

In  4<*  membrana. 

103.  Statuta  regni  Poloniae  See.  XIV.  Sig.  4.  W.  Fol.  30. 
Cod.  Ms.  memb. 

104.  Res  ecclesie.  Beginnt  roth:  Quid  sint  res  ecclesie? 
Res  ecclesiae,  sicut  a  sanctis  patribus  traditur,  et  in  superiori- 
bus  capitulis  continetur,  vota  sunt  iidelium  etc.  Der  nächste 
Aufsatz:  Ut  canonici  cuculas  monachorum  non  induant.  Es 
sind  nach  gewissen  Rubriken  Kirchencanonen,  oder  ein  Liber 


Hiatoiuche  Forechnngen  in  der  Bibliothek  zu  8t.  Petersburg.  361 

poenitentiarius  aus  Isidor^  unterschiedlichen  Conciiien,  Kirchen- 
vätern etc.  Fol.  53'.  Ex  Ordine  Romano  pro  monasterio  Cor- 
bejenßi.  Scheint  diesem  Kloster  gehört  zu  haben,  als  Peter 
Dubrowsky  den  Codex  in  Paris  aquiriii;  hatte.  Cod.  memb. 
Secul.  IX.  40.  Fol.  56.  Sig.  IL  4».  Nr.  5  (Dubrovsk^). 

105.  Statuta  Ord.  Cistercien  de  anno  1366.  Sig.  6.  W. 
Cod.  memb. 

106.  S.  Benedicti  Regula.  Cod.  memb.  Fol.  95.  Sig.  7.  W. 
See.  XV. 

107.  Regulae  SS.  Augustini,  Benedicti,  Francisci,  lero- 
nimi  ad  virgines.  Cod.  memb.  See.  XV.  Sig.  9.  W. 

108.  Lex  Salica  seculi  IX.  Folia  40.  Sig.  11.  D.  Cod. 
memb. 

In  i^  in  Charta. 

109.  Mycielski  Christof;  Processus  iudiciarius  regni  Polen. 
1642.  Sig.  22.  Z.  Cod.  Chart. 

110.  Zamoyski  lohannes.  Liber  legationum  aliorumque 
negotiorum  externorum,  anno  D.  1582  et  1583(84?)  lohanne 
de  Zamoyski  in  Cancellaria  regni  tractatorum  expeditorumque. 
Sig.  135.  Z.  Folia  576.  (Janocki,  specimen  etc.  p.  40,  C  I.) 

111.  Processus  iudicarius  Bohemiae,  et  2.  formae  iura- 
mentorum  bohemice.  —  Die  Handschrift  beginnt  mit  einer 
Inhaltsanzeige :  Pro  debito  maiori  trina  citatio.  Pro  debito 
fideiuBSorio  maiori,  trina  citatio  etc. 

Da  diese  Processordnung ,  wie  sie  in  Mähren  unter  den 
Markgrafen  Prokop  und  Jodok  gesetzlich  war,  im  Jahre  1870 
dem  Herrn  Hermenegild  Jireöek  zur  Benützung  eingeschickt 
wurde,  glauben  wir  von  einem  Eingehen  in  die  Handschrift 
absehen  zu  dürfen.  Ihre  vollständige  Abschrift  liegt  in  Jireöeks 
Händen.  Der  Codex  ist  unvollständig.  Es  fehlen  am  Schlüsse 
einige  Blätter.  Am  letzten  Blatt  oben  in  margine  steht  die 
Bemerkung:  ,manus  bergow  filii^  Jireöek  gibt  hiezu  folgende 
Bemerkung:  ,Otto  starSi  z  Bergova  na  Bölinö  byl  purkrabim 
praisk^m  1388 — 1392,  pak  na  krdtce  1402  podkomofim;  vidy 
vsak  protivnikem  Väcslava  IV.  Otto  mladäi  z  Bergova  prichAzi 
mezi  rokera  1399  a  1415'.  —  Sig.  142.  Z.  Fol.  37.  Codex 
See.  XV. 


362  DndiL 

112.  OrichoviuB  (Orzechowski  Stanisl.)  Facies  perturbatae 
et  afflictae  reipublicae  eiusque  restaurandae  ratio,  per  visionem 
in  Pathmo  cuidam  revelata.  Sig.  146.  Z.  (Janocki  specimen 
62.  CLXXXIIL?  de  ao.  1566?) 

113.  Caramuel,  Lobkovetzii  loh.  Disputatio  politica  de 
Bupremo  impeiii  tribanali.  Sig.  147.  Z.  Folia  28. 

114.  Leges  Magdeburgicae  See.  XV.  Fol.  123. 

115.  Lascharii  Andreae  Qoslawicki,  episcopi  electi  Pos- 
nanen  (f  25.  August  1426),  regis  Poloniae  legati,  oratio  pare- 
netica  in  Concilio  Constantiensi  1414  mense  lanuarii  ad  lo- 
hannem  XXIII.  Cod.  Fol.  19.  Ex  antiquissimo  Ms.  Caes.  Vidob. 
Parte  IV.  Acta  Concil.  Constant  post  medium  Fol.  149.  Sig. 
158.  W. 

116.  Canones  Apostolorum,  Conciliorum  etc.  See.  XIV— 
XV.  Sig.  204.  Z. 

117.  Constitutiones  Patrum  Marianorum  Ord.  imac.  B. 
M.  V.  congregationis  Polonicae.  Sig.  231.  Z.  Folia  63. 

118.  Statuta  Ord.  Praemonstrat.  reformata  anno  1618  et 
1619  in  capitulo  generali.  Cod.  Folia  44.  Sig.  264.  W. 

119.  Statuta  ducis  Massoviae  de  anno  1473.  2.  Iura  Theu- 
tonicalia.  See.  XV.  Sig.  277.  Z. 

120.  Functiones  sacerdotum  congregationis  Missionis. 
Sig.  280.  Z. 

121.  Catalogus  (sie)  omnium  transactionum,  erectionum  in 
Archive  Universitatis  Cracovien  existentium.  Cod.  Folia  14 
Sig.  330.  Z. 

122.  Modus  gubemandi  Eremorum  famUias  et  manutenendi 
disciplinam  Ord.  Camaldulensis.  Sig.  398.  Z. 

123.  Alberti  Episc.  Cracovien  Constitutiones  1420.  Sig. 
399.  Z. 

124.  Forma  processus  fori  spiritualis  in  regno  Hungariae. 
Sig.  397.  W.  Folia  177. 

125.  Statuta  ecclesiae  Cracovienis  ab  anno  1028^1523. 
Ms.  Folia  96.  Sig.  427.  Z. 

126.  Blonie  Kicolaide  Sacramentale  (mit  lateinischen 
Versen)  de  anno  1472.  Sig.  437.  W. 

127.  Statuta  incliti  ac  heroici  ordinis  Equitum  immacu- 
latae  B.  M.  V.  Sig.  449.  W. 


Hiatorische  Forscliiingeii  in  der  Bibliothek  zu  St.  Peteriburg.  363 

128.  Dunin  Petri  Spoth,  Comitis  de  Skrzynno  etc.  De- 
claratio,  quali  Polonia  indigeat  rege?  Pragae  excudebat  Geor- 
gias Nigrinus  1590.  Ms.  Folia  45  apographom  libri  impressi. 
Sig.  450.  Z. 

In  8^  in  Charta. 

129.  Constitutiones  monachorum  congregationis  S.  Mauri 
0.  S.  B.  conscriptae  anno  1795  in  monasterio  S.  Crucis  montis 
Calvi.  Cod.  Fol.  212.  Sig.  21.  W. 

130.  Constitutiones  fratrum  Carmelitarum  Congregationis 
S.  Elisabeth  discalceatornm  1623.  Sig.  50.  Z. 

131.  Summa  de  poenitentiariis  D.  Archiep.  Hostiensis, 
Leonis  etc.  Ms.  Fol.  404.  See.  XV.  Sig.  84.  Z. 

Im  Ganzen  sind  in  der  Abtheilung  II.  lurisprudentia  im 
Cataloge  verzeichnet :  in  Folio  252,  in  4»  466  und  in  8^  87  Kum- 
mern. Der  grössere  Theil  ist  von  Josef  Andreas  Zahiski  (die 
mit  W.  bemerkten  aus  Warschau) ,  und  betrifft  das  Studium 
des  römischen  und  Kirchenrechtes  im  Allgemeinen ,  und  das 
von  Polen  in  Specie.  Die  Zaluskischen  Manuscripte  dieser 
Abtheilung  gehören  dem  17.  und  18.  Jahrhunderte  an. 


III.  Abtheilung.  Fhilosophia. 

In  Folio  Charta. 

132.  Ferdinandi  Rom.  regis  et  aliorum  principum  ei  coe- 
Toram  horoscopus  factus  circa  an.  1550  et  a  coSva  manu 
scriptus.  (Ex  bibl.Mich.  Walckeri  sen.).  Cod.  Folia  8.  Sig.  35.  Z. 

In  40  in  Charta. 

133.  Hugonis  Mag.  Prioris  Sti  Laurentii,  De  avium  mo- 
rali  et  mystica  significatione.  Cod.  Folia  54  cum  figuris  et  ima- 
ginibos  avium.  Sig.  1.  D. 

134.  Tractatus  Anonymi:  An  ludaei  humano  sanguine 
atantur,  et  quaenam  sunt,  praecipua  ludaeorum  de  re  medica 
et  secretiori  Philosophia  volumina.   Cod.  Folia  63.  Sig.  26.  Z. 


364  Dttdik. 

135.  Leibnitz  (Friedrich)  unterschiedliche  Reden.  Cod. 
Folia  66.  Sig.  48.  Z. 

136.  Abnanzoris  opera  eabalistica  eiasdemque  iudicia  ad 
magnuni  regem  Saracenorum.  Cod.  Folia  138.  See.  XYl. 
Sig.  262.  D. 

137.  Terbalissi,  Ästronomi  Ärabi,  geomantia,  neomantia 
et  alia  magica.  See.  XV.  Cod.  Folia  27.  Sig.  454.  D. 

138.  Comenii  loh.  Arnos,  Typographeum  vivum,  h.  e.  ars 
compendiose,  et  tarnen  copiose  ac  eleganter  sapientiam  noo 
chartis,  sed  ingeniis  imprimendi. 

Der  Zweck  dieser  Schrift  ist,  zu  zeigen,  wie  gute  Schuleo 
eingerichtet  werden  sollen:  Multos  equidem  esse  nostro  aevo, 
qui  rei  literariae  et  scholarum  emendationem  Optant,  quaemnt 
moliuntur,  verum  est,  sed  quo  adhuc  profectu  ?  Conienius  nimmt 
zum  Thema  dieser  Abhandlung  den  Satz:  Filii  huius  seculi 
prudentiores  sunt  filiis  lucis  in  generatione  sua  (Lue.  16.  18\ 
und  beginnt  mit  der  Frage  die  Untersuchung:  De  filiorum  lucis 
prudentia  a  filiis  seculi  mutanda,  hoc  est:  quomodo  artium 
mechanicarum  exemplis  Ars  artium,  hominum  ingenia  ingenuose 
tractandi,  ad  summam  certitudinem  ac  evidentiam  dcduci  possit? 
rationabilis  disquisitio.  Es  ist  dies  eine  halb  mystisch  gehal- 
tene Abhandlung  mit  häufiger  Bezugnahme  auf  seine  Didactica. 
Man  lernt  aus  derselben  das  ganze  Verfahren  einer  Buch- 
druckerei  und  alle  dabei  gebrauchten  technischen  Ausdrücke. 
Das  Werkchen  beginnt:  Domini  nostri  lesu  Christi  effatum 
est:  Filii  huius  seculi  prudentiores  sunt  filiis  lucis  in  genera- 
tione sua  (Luc.  16.  18),  quod  non,  ut  suos  imprudentiam  do- 
ceret,  sed  ut,  si  eam  committunt,  exprobraret,  dixit :  male  dos 
circa  minora  solertiores,  circa  maiora  negligentiores  esse  .  .  . 
Quinam  enim  sunt  filii  seculi?  etc.  .  .  Schluss:  Sed  et  sanc- 
tissimus  Dens,  quod  alias  quoque  ultimis  se  facturum  promisit 
diebus,  ut  indat  legem  suam  menti  nostrae,  cordibusque  nostri^ 
inscribat  eam.  lerem.  Cap.  XXXI.  v.  33,  Amen.  Gehörte  dem 
Grafen  Zahiski.  Hie  und  da  sind  Correcturen  von  fremder 
Hand.  —  Cod.  Fol.  19.  Sig.  480.  Z.  Kommt  unter  den  Schriften 
des  Amos  Eomenius  nie  vor. 

Die  Abtheilung  HI.  Philosophia,  zählt  etwa  643  Nummer 
in  4^  und    115  in  8^  und   stammt  grossentheils   von   Zahiski^ 


Historische  ForBclrangren  in  der  Bibliothek  an  St.  Petersburg.  365 

hat  jedoch  einen  sehr  untergeordneten  Werth.  Es  sind  Schul- 
hefte und  Compendien  über  die  mannigfachsten  philosophischen 
Studien^  worunter  Astrologie,  Chemie,  Chyromantie  etc.  gezählt 
worden. 


IV.  Abtheilung.  Historia. 

In  Folio  Memb. 

139.  lohannis  Petri  Caballi  de  Terronibus  (?),  Descriptio 
urbis  Romae  veteris  et  novae.  Codex  Descriptus  1387.  Sig.  1. 

140.  Compendium   historiarum,   a  mundo   condito   usque 
ad  tempuB  christianum.  £  museo  Dubrowski.  Sig.  7. 

141.  Ademari  chronicon  de  origine  et  gestis   Francorum. 
E  museo  Dubrowski.  Sig.  1.  97. 

142.  Codex  chronicarum  Franciae,    vita  Caroli   M.  Ade- 
mari  Engolismen.  Sig.  1.  168. 

In  Folio  Chart. 

143.  Kronica  Dzirswy  s  Annotatami,  kronica  Kadlubka, 
Bogufala  a  Archidiacona  Gnieznienskeho.  Sig.  19  et  31.  Weiter 
sind  hier  vorzüglich  in  mehreren  Handschriften :  Dlugossi  Lon- 
gini historia,  seu  Annales  et  Chronica  regni  Poloniae  vertreten. 
See.  XVI  et  XVII.  Ebenso  Chronika  Kadlubka  und  Bogu- 
fala. —  Ueber  die  hier  und  überhaupt  in  den  Petersburger 
Bibliotheken  aufbewahrten  Handschriften  des  Chronisten  Dlugosz 
schrieb  Antoni  Bialecki,  R§kopisma  Dlugosza  w  Petersburg- 
skich  bibliotekach  pod  wzgl§dem  paleograficznym  i  bibliogra- 
äczDjm,  S.  32  litografowanimi  podobiznami.  Petersburg,  dru- 
kiem  Jozafata  Ohryzki  1860.  SS.  X.  126.  Es  sind  hier  be- 
schrieben: in  der  kaiserlichen  öffentlichen  Bibliothek  von  der 
ganzen  Chronik  37  Mss.  und  von  der  abgekürzten  5  Mss. 
Ueber  Vincentius  Kadlubek,  Bischof  von  Krakau  (1208 — 1218 
t  1223)  und  seine  Chronik  Polens  schrieb  Heinrich  Zeissberg, 
im  Archiv  der  kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften, 
Bd.  42,  Wien  1870,  wo  auch  S.  188  die  Petersburger  Hand- 
schriften erwähnt  und  beschrieben  wurden. 


366  Dndtk. 

144.  Kaiserling  (Com)  Comitia  sub  Piastis  regibus  Polo- 
niae  habita  a  Piasto  842  usque  ad  Interregnum  post  obitum 
Ludovici  regis  1385;  imo  ad  an.  1456.  Sig.  26. 

145.  Hessii  (Gregor)  rerum  in  Prossia  geBtarum  Libri  V. 
opus  postbumum  studio  Tbomae,  Hessii  iilii,  reipubl.  Elbingen 
Proconsulis  anno  1649.  Sig.  28. 

146.  Bogufali  Chronica  magna  Lechitarum  et  Polonorum. 
Gutes  Exemplar  von  Zaluski  benutzt  Sig.  31. 

147.  Orzelsky.  Interregni  Poloniae  libri  VIII  a  Suentoslao 
Orzelsky,  Radeoviensi  Capitaneo,  editi  a.  S.  1576.  Sig.  36. 
(Janockiy  specimen  etc.  p.  38,  XCVIII.) 

148.  Chronologiae  universae  a  creatione  mundi  usque  ad 
an.  1640  a  J.  A.  Zaluski.  Sig.  44. 

149.  Manuscriptum  itineris  Pauli  Knibby  I.  U.  Dr.  Vene- 
tiis  per  Italiam  anno  1574.  Sig.  61. 

150.  Diplomata  Poloniae  et  Prussiae.  Scripta  1430.  Sig.  68. 

151.  Swirsky  Nicolaus,  Annales  Poloniae  ab  anno  1657— 
1666.  Sig.  83.  (Janocki,  specimen  etc.  p.  88,  CCCII.) 

152.  Brevis  et  accurata  regiminis  ac  stoliorum  Zupparum 
Vieliciensis  et  Bochnensium  anno  1518  Descriptio.  Sig.  85. 

153.  Orzelscii  Suentoslavi  .  .  .  historia  Polonica  ad  suam 
avunculum  Czazukovium,  Castellanum  Poznanien,  res  post  obi- 
tum Sigismundi  Augusti  gestas  ab  anno  1572  ad  anno  1576 
complectens  libros  VIII.  Sig.  94  (v.  supra  Nr.  147). 

154.  Gesta  Sigismundi  I  ab  anno   1508 — 1544.   Sig.  101. 

155.  Historia  Husitarum  (Janocki  specimen  1.  c.  116. 
CCCLXXXIV.  2.  Vol.).  -  Ohne  einen  eigentlichen  Titel  beginnt 
der  aus  mehreren  Theilen  bestehende  Codex,  die  jedoch  alle  einen 
und  denselben  Zweck  verfolgen:  darzustellen  die  Ungiltigkeit 
der  Wahl  des  Königs  Georg  Podöbrad,  mit  einem  sehr  reich- 
haltigen Index  einer  Abhandlung,  die  sich  die  Frage  vorlegt: 
ob  man  im  Gewissen  verpflichtet  ist,  einem  häretischen  Könige 
zu  gehorchen?  Diese  Frage  wird  negativ  beantwortet,  und  so- 
mit dargelegt,  dass,  da  Geoi^  von  Pod^brad  häretisch  ist,  man 
an  ihn  nicht  gebunden  sei.  Nicht  er,  sondern  König  Ladislaus 
sei  der  rechtmässige  König  von  Böhmen,  Markgraf  von  Mähren 
und  Fürst  von  Schlesien.  Um  dies  zu  beweisen,  wird  die  Ge- 
schichte zu  Hilfe  genommen,  und  dieser  Umstand  macht  den 
gutgeschriebenen  Codex  zu  einem  werthvoUen. 


HiBtorMche  Forschungen  in  der  Bibliothek  sn  St.  Petersburg.  367 

Die  Abhandlung  beginnt  Fol.  19,  nachdem  von  Fol.  1 
bis  8'  von  einer  andern  Hand  ,de  Thaboritarum  origine  in 
Bohemia  et  quibusdam  Wiclefitarum  actibus'  geschrieben  ist. 
Dieser  Aufsatz  beginnt:  ,Wenczeslaus  rex  Bohemie,  volens 
obstare  principüS;  quesivit  iam,  licet  sero,  consilia  varia,  qui- 
bus  iam  conspirationem  viperinam  capitibns  diversis^  sed  caudis 
ad  invicem  colligatis,  possit  dissplvere  etc.  Schluss  Fol.  1': 
Post  dies  octO;  a  feste  s.  Marie  Magdalene  computando;  Magister 
civium  etc.  sunt  sine  misericordia  interfecti.  —  Adhuc  de 
eodem.  Fol.  1'.  Quidam  loannes  apostata  de  Ordine  Cister- 
densi,  qui  postmodum  anno  Dom.  1422  feria  11.  post  Remini- 
scere  in  die  sanctorum  Cyrilli  et  Methudii  in  pretorio  maioris 
civitatis  pragensis  hora  prandii  per  Consules  secte  Wiclefistice 
extitit  decolatus  etc.  Darauf:  Fol.  2.  De  morte  regis  Wences- 
lai  et  eins  sepultura.  Qualiter  corpus  eius  exhumatum  fuit  et 
conbustum^  et  de  tyranide  Husitarum.  Hier  wird  unter  anderen 
erzählt  von  der  Trommel,  die  2i2ka  aus  seiner  Haut  zu  machen 
anbefahl.  ,Hic  (2i2ka)  dum  morti  proximus  esset  consulerent- 
qae  Taborite,  quem  post  se  principem  designarent:  Postquam 
animus,  inquit,  a  me  fugerit,  excoriate  corpus  meum,  et  carnes 
date  volucribusy  ex  coreo  vero  tympanum  facite,  atque  hoc  in 
prelio  ducem  habete.  Nam  quocies  locorum  Theutones  sonum 
eius  audierint,  mox  terga  dabunt,  ^iikam  in  tympano  formi- 
dantes  etc.  Hie  Zischka  (geschrieben  Zischa)  sabbato  ipso, 
die  Laurentii  per  Wyclefistas  corpus  Wenceslai  regis  Bohemie 
fecit  exhumari  et  ossa  eius  in  ecclesia  dispergi  et  monasterium 
incinerari.  Die  Erzählung  geht  bis  zur  Wahl  Georgs  von 
Pod^brad  1458  und  endet  mit  dem  abgebrochenen  Satze :  Anno 
Domini  1460  confederati  sunt  Bohemi  et  Poloni  in  na  Blogonia 
maiori.  —  Fol.  9—18'  Inhaltsanzeige.  —  Fol.  19—140  die 
Abhandlung:  Utrum  salva  conscientia  in  regno  Bohemie^  heresi 
et  schismate  infecto,  dari  potest  obedientia  regi,  eiusdem  con- 
ditionis  electo?  Diese  Abhandlung  schrieb,  wie  es  scheint^ 
irgend  ein  Jurist  in  Breslau  unter  Papst  Pius  IL,  und  zwar 
auf  Antrag  des  damaligen  Fürstbischofs  von  Breslau.  Am 
Schluss  steht  roth  geschrieben:  Compilata  est  huius  questionis 
determinatio  anno  D.  1463.  Das  Ganze  per  extensum  ge- 
schrieben. 


888  Dndik. 

Der  zweite  Theil  der  Handschrift,  von  einer  andern,  aber 
gleichzeitigen    Hand,    ist    in    zwei    Columnen    abgefasst,  und 
behandelt  dasselbe  Thema:  juridisch   und   historisch   die  Un- 
gültigkeit der   Wahl    des   Königs    Qeorg    darzulegen  nnd  za 
zeigen ,    dass  Niemand  im  Gewissen   verpflichtet  sei ,   ihm  zu 
gehorchen.  Beginnt:  ,Ordo  nature  et  rationis  exig^t,  quod,  ubi 
magna  eminent  pericula,  cautele  adhibende  sunt  habundantiores. 
Sed  postquam   hec  alma  Slesie  provincia  illustrata   est  spiritu 
sancto   inspirante   fide   catholica'  —   daher   darf  sie   sich  den 
Geoi^  Podebrad,  wie  die  Böhmen  wollen,  nicht  als  König  auf- 
dringen lassen.    Die  Abhandlung  endet  Fol.  154.  —  Fol.  154' 
beginnen    unterschiedliche  Bullen    und   Breven   in  Georgs  An- 
gelegenheiten von  verschiedenen  Händen.    Die  erste  ist  ,Bulla 
Pii  IL  ad  Bohemos  ddo.  Senis  XIX.  April,  Pontf.  anno  primo. 
Der  grössere  Theil  bezieht  sich  auf  Breslau.    Merkwürdig  ist 
ein  Brief  Georgs  an  Pius  11,  ddo.  Pragae  die  XXVII.  Octobr. 
anno  1462.  —  Fol.  157  folgt :  Kesponsio  domini  nostri  'sanetis- 
simi  Pii  Papae  II.  data  Oratoribus  Boheme rum   regis,    die  ul- 
tima mensis  Martii  anno  1462   in   publice  Consistorio    Romae. 
Endet  159'.  —  Fol.  160  abermals  päpstliche  Briefe,    darunter 
Episcopo  Olomucensi,  Aufmunterung  und  Ermahnung  im  katho- 
lischen Glauben  in  diesen  Tagen  der  Häresien  fest  auszuhalten 
und  das  Volk  vor  Irrthümern  zu   bewahren.    ,Hec    scribimus, 
sagt  der  Papst,    non   quod  diffidamus  de  tua   bona    uoluntate, 
sed  ut  zeluni  et  favorem,   quem  te  habere   credimus,    patemis 
monitionibuB  magis  iucendamus,  iterum  atque  itcrum  hortantes 
tuam  fraternitatem,  ut  predicta  omnia  diligenter  atque  soUicite 
exequaris,  unde  premium  a  Deo  consequaris  et  apud  nos  com- 
mendationem.'     Das   Breve   an   Capitulo   Olomucensi    ist   ddo. 
Thuderti  sub  annulo  piscatoris  die  tertia  Decembris.  Anno  D. 
1462.   Pontif.   nostri   anno  X.   —    Fol.  161   ist  abermals  eine 
juridisch-canonische  Abhandlung  über  Georgs  Rechtmässigkeit 
Endet  171'.   —   Fol.  173.   Zwei   Bullen   Pius  IL   ddo.    Romae 
apud  st.  Pctrum  1463.  IV.   Kai.    Apr.  Pontf.  n.  an.  5  ad  uni- 
versos  Christi  fideles,    und  die  zweite  ddo.   Romae  1463,  Kai. 
April.  Pontf.  a.  V.,   die    dritte  mit  einer  andern  Hand  an  den 
Klerus,  Hauptmann,  die  Consules  und  die  Gemeinde  von  Breslau 
ddo.  Romae  sub  annulo  piscat.  1463  1.  April.  —  Fol.  175'  ,Rex 
Bohemiae  ad  Dominum  apostolicum  Anno  1463,  3.  Martii^,  mit 


Hisftomcbe  Fonohanfon  in  der  BibliotlMk  zu  St.  Potersbary.  369 

Interlinear-Glossen.    Pragae  die  tertia  Martii,  regni  nosti-i  anno 
quinto.  —  Fol.  181  bis  zum  Schluss  des  Codex  263'  folgt  ein 
reiches  Material   zur   Geschichte  König   Ludwigs  und  Georgs. 
Fol.  181.   Dominus   Petrus ,    Wratislaviensis  Orator   ad   sedem 
apostolicam.   ^Exegit  angustiarum   pressura'  etc.   —   Fol.  184. 
Legatio  administratorum   ad  ducatus  Sweytnitz  ac  lawren  per 
magistrum  lohannem  Crusfen  (sie?).     Abgesandt  waren:  Nico- 
Uus  Tempilfeld,  Lehrer  der  heiligen  Schrift  und  Andreas  Scoda, 
Domherr  von    Breslau.     Endet   Fol.    185%    ist    in    deutscher 
Sprache.  —  Fol.  186.  Epistola  Domno  Georgio,  regi  Bohemiae, 
a  Domno  leronymo^  Archiepiscopo  Cretensi,  ac  Vicecammerario 
sedis  apostol.  missa,  ist  unvollendet.  Nach  193  sind  vier  Blätter 
ausgeschnitten.  Darauf  von  197  an  abermals  Briefe.  —  Fol.  197. 
£ine   Relation    über   König   Ladislaus   Tod    und    des    Wiener 
Bürgermeisters  Holzers  Gefangennehmung  und  Tod.    Beginnt: 
Qaum  illustrissimus  atque  nobilissimus  ille  princeps  Ladislaus  . . . 
coronatus  in   regem   Bohemie  etc.     Schluss   Fol.   199':    Diem 
suum  taliter  qualiter^   prout   Dens  novit,   ut  fertui*,    violenter 
clansit  extremum,  Cuius  anima  fruatur  reqnie  sempiterna.  Amen^ 
Drei  Blätter  leer.  —  Fol.  203.   Decretum   sacri  concilii  Basi- 
liensis  in  30.  Sessione  etc.  Briefe  des  Papstes  an  König  Georg 
bis  210  inclus.  —  Fol.  211 — ^226.  Dialogus  contra  Bohemos  et 
Taboritas  de  sacra  communione  sub  una  specie.   (Confer  Aen. 
Sflvii  opera.  Basileae  1571  typis  edita  Epistel.   C.  XXX.  Fol. 
660  fg.)    Die   rothe   Aufschrift  lautet:   Ad  Cardinalem   sancti 
Angeli  de  disputatione  contra  Bohemos  per  modum  Dialogi.  — 
Fol.  226' — 232.  Hie  notande  sunt  interrogationes ,   cum  quibus 
interrogantur  WiclefistC;  et  contra  ipsorum  responsiones  statim 
allegantur  scripture,  contra  quas  rationabiliter  nesciunt  os  ape- 
rire,  et  sunt  multum  utiles   iste   interrogationes.    Es  sind  vier- 
zehn Fragen  und  Antworten  theologischen  Inhalts.  —  Fol.  232 — 
246.  Francisci  de  Toledo  contra  lohannem  de  Rokyczan  Dispu- 
tatio  de  Communione   utriusqne   specie   abusuque  Bohemorum. 
Beginnt :  Franciscus  de  Toletho  lohanni  de  Rokyczana  Salutem. 
In  ipso  articulo  recessus  ab  ista  civitate  nostra  etc.    Schluss: 
Deo  gratias.  —  Fol.  246—254.   Hi  sunt  excessus  circa  vene- 
rabile  Sakramentum  Ewkaristie  commissi,    et  circa  missam  et 
occasione  utriusque  speciei  perpetrati  in  Katholicis   post  edita 
compactata   et  nonuUa   post    mandata  novissime  regio  nomine 

8iUmiiftbtr.  d.  phil.-hiit.  Gl.  XCY.  Bd.  I.  Hfl.  24 


370  Ündik. 

facta.  £&  Würden  siebzig  Errores  angeführt.  Schluss:  ^Hec  pauca 
ex  multis  et  infinitis  scripta  et  collecta  sufficiont.  Datum  Präge 
Anno  D.  1455  per  venerabiles  et  egregios  Domnom  Wencses- 
laum  de  Crumpnaw  decretorum  doctorem,  Decaniun  et  admi- 
nistratorem  in  spiritualibus  sede  vacante  ecclesie  PragenBis,  nee 
non  per  Magistrum  Prokopiuni;  Baccalaoreum  in  theologia  for- 
matum  pragensem^  qui  domni  Rokyczani  omnem  neqoitiam  et 
occultissimos  articulos  hereticales  funditus  sciunt  et  ipsis  mani- 
fest!  extant,  sed  Präge  manifestare  non  presumont,  ne  forte 
tumultus  fieret  in  populo^  —  Fol.  254 — 263.  Seqauntur  articoli 
et  errores  lohannis  Rokyczani,  quos  contra  sanctam  eoclesiam 
Romanam  .  .  profert,  tenet,  dogmatizat,  multiplicat,  augmentat, 
qui  ex  sermonibus  et  operibus  et  factis  suis  et  suorum  eliciti 
sunt  non  putativi  sed  veridici.  Primo  circa  cultum  adorationis 
lesu  Christi.  —  Fol.  263.  Sequuntur  Statuta,  que  fecerat  (Ro- 
kyczana),  cum  Pragam  advenerat  et  obtinebat  post  traditionem 
domini  Sigisnmndi  Polonorum,  ex  quibus  cognoscitur  fides  iilios 
et  religio  ad  ecclesiam  Romanam.  Schluss:  Fol.  263'  Sabatho 
post  .  .  .  A.  D.  1461.  Präge  coUectum.  Sit  laus  Deo.  Im 
weissen  Ijcder  gebunden.  Cod.  chart.  Fol.  See.  XV.  Sig.  102. 

156.  Radzi villi  (Alberti  Stanislai  ducis),  De  rebus  gestis 
Sigismundi  III.,  Wladislai  IV.  et  Casimiri.  Sig.  109.  (Janocki 
1.  c.  88.  CCXCVIII.?) 

157.  Pistorii  loh.  Chronica  Polonorum  et  ducatuum  Sile- 
siae.  Sig.  111. 

158.  Vitae  archiepiscoporum  Gnezdensium  loh.  Longini  V 
Fol.  560.  Sig.  112  (Janocki,  1.  c.  30.  LXXIX.?) 

159.  Pastorii  ab  Hirtenberg,  Pacificationis  Olivensis  Dia- 
rium. Fol.  127.  Sig.  115.  (Autograph,  Janocki  1.  c.  p.  42.  CIX.) 

160.  Zadzik  lacobus,  Acta  publica  ad  Ducatum  Prussiae 
spectantia.  Fol.  148.  Sig.  117. 

161.  Wonceslaus  Comes  a  Lessno,  Annales  rerum  Polo- 
nicarum  ab  cxordio  gentis  usque  ad  Sigismundum  III.  Conti- 
nuatio  ab  anonyme.  Fol.  103.  Sig.  121. 

162.  Sumaryusz  transakczi  spisanj^ch  in  Archive  Castrensi 
Opocznensi  de  domu  Zaluskich  referujczich.  Fol.  30.  Sig.  122. 

163.  Liber  legationum  aliorumque  negotiorum  extemoriun 
anno  D.  1582  und  1583  (1584?)  a  lohanne   Zamoiski  in  Can- 


Uistoiisclie  Forschmigen  in  der  Bibliothek  xn  Si.  Petenbnrf.  371 

cellaria  regni  tractatorum  expeditorumqae.  Fol.  192.  Sig.  124. 
(Janocki  1.  c.  p.  46.  CL?) 

164.  Rudkowski,  Historiarum  Poloniae  ab  excessu  Wla- 
diski  IV.  Tomi  primi  libri  IX.  auctore  Laurentio  lohanne 
Radkowski,  Cathedralis  ecclesie  Olomucenis  Canonico^  Sacrae 
Caes.  Maiestatis  ac  Serenissimi  Leopoldi  Goilielmi,  Archiducis 
Austriae^  Consiliario.  —  Das  gut  geschriebene  und  durchgesehene 
Werk,  welches  von  Zaluski  als  Rudkowski's  Exemplar  (Opus 
authographum)  bezeichnet  wird/ beginnt  mit  einer  Epistola  dedi- 
catoria  an  Kaiser  Leopold  I.,  worauf  3^^^^^^^  lectori  author 
Salutem'  folgen  lässt.  Das  Letztere  ist  datirt :  Viennae  Austriae 
die  20.  Sept.  1660.  Jedem  Buche  geht  eine  Inhaltsanzeige  voran. 
Die  Geschichte  geht  bis  zum  Frieden  von  Oliva  1660.  Ge- 
druckt wurde  dasselbe  in  Warschau  und  Leipzig  1755.  Ueber 
Rudkowski:  Encyklopedia  powszechna.  Warschau  1866.  Die 
Herausgabe  der  Encyklopedie  besorgte  Orgelbrand.  Auf  dem 
braunen  Ledereinbande  ist  ein  Wappen:  Kreuz,  ein  Halbmond 
und  ein  Stern  übereinander.  Cod.  chart  Fol.  See.  XVII. 
Fol.  972.  Sig.  129  (Janocki,  p.  41.  CVIL). 

16Ö.  Starowolsci  Simeonis,  Rerum  memorabilium  libri 
tree.  Sig.  142. 

166.  Görski  Stanislaus,  Epistolarum,  legationum  etc.  sub 
lohanne,  Alberto,  Alexandre,  Sigismundo,  Regibus  emissarum. 
Stanislaus  Görski,  Canonicus  Cracovien.  et  Plocen.,  Vicecan- 
celiarius  Petri  Tomicii  Episc.  Sig.  145.  —  In  neunzehn  Folianten. 
Ein  zweites  Exemplar  Sig.  146  (Janocki,  p.  35.  XCII.  Ge- 
druckt Acta  Tomiciana  etc.). 

167.  Epistolarum  reg.  Sigismundi  patris  et  Sigismundi 
filii  per  Stanisl.  Hosium  et  Martinum  Cromerum  secretarios 
conscriptarum.  Tomi  duo.  Sig.  150. 

168.  Zamoiski,  Commentarium  literarum,  regum  etc.  in 
rebus  Status  tenente  sceptrum  in  Polonia  Stephane  Bithori. 
Sig.  155  (Janocki  etc.  p.  40.  GL). 

In  4''  in  Charta. 

169.  Chronicon  Polonorum  auctore  Vincentio  E^adlubek. 
Sig.  2.  Z.  E  bibl.  Stanisl.  Augusti ;  aliud  Exempl.  Sig.  6.  Z. 
(bei  Zeisberg  pag.  188  und  189). 

24* 


372  Dadik. 

170.  Zaluski;  Qenealogia  comitum  Zahiskionun  Jonossi- 
tarum,  descripta  a  losefo  Andrea  Zabiski.  Sig.  3.  Z.  Item  48. 
Z.  Item  91.  Z. 

171.  Chrepinski  Valentin ,  Diarium  reverend«  D.  losefi 
Andreae  Zaluski  1763,  1764,  1765  et  1766.  Sig.  13  und  U.Z. 

172.  8temmata  regni  Poloniae,  alphabetico  ordine  digesta, 
adiuDctis  unique  stemmati  observationibus.  Big.  21.  Z.  Ms.  Fol. 
87.  Auch  Sig.  41.  Z.  42.  Z. 

173.  Zaluski  los.  Andr.,  Excerpta  ex  actis  Capituii  Cra- 
covien  ab  anno  1464—1547.  Sig.  22.  Z. 

174.  Martini  Poioni,  Chronica  Martiniana,  continuata  ad 
an.  1320.  Ms.  Fol.  195.  Sig.  25.  Z.  Auch  30.  D.  See.  XV. 

175.  Zimorowicz,  Leopolis,  Russiae  metropolis,  a  Turcis, 
Tartaris,  Cosacis,  Moidavis  anno  1672  hostiliter  obsessa,  a  Deo 
mirifice  liberata,  per  Bartholomaeum  Zimoro\vicz  Consulem 
ibidem.  Sig.  27.  Z.  Folia  54. 

176.  Grabiecki  Martini,  Diarius  circa  gesta  huius  tem- 
poris  1663—1680.  Autog.  Sig.  45.  Z. 

177.  Memoriale  rerum  gestarum  in  Polonia  a  morte  Sigis- 
mundi  III.  inchoatum  et  continuatum  ab  anno  1632 — 1654  a 
me  Alb.  Stanisl.  Radziwil.  Pag.  1136.  Sig.  56.  Z.  (Janocki,  I. 
c.  88.  CCXCVUI.) 

178.  Percepta  et  distributa  pecnniarum  privatorum  pro- 
ventuum  rogis  Sigismundi  Augusti  a  1.  lanuario  1560  usque  ad 
diem  ultimum  Decembr.  1568.  Sig.  59.  Z. 

179.  £uropae  descriptio  geografica,  Fol.  14.  Authogr. 
regis  Sobieski.  Sig.  63.  Z. 

180.  Origines  stemmatum  Poloniae  cum  annexis  Symbolis^ 
auctore  Theophilo  Rutka.  Fol.  368.  Sig.  71.  Z.  Zd.  79.  Z. 

181.  Posselius  loachim.  Compendium  historiae  Posselianae 
ab  an.  1387—1623. 

182.  Konarski,  Qenealogia  domus  Potockiorum  .  .  prin- 
cipi  Theodore  Potocki,  Archiep.  Gnesnensi  dedicata  a  Stanislao 
a  S.  Laurentio,  alias  Konarski,  schol.  piar.  et  iussu  los.  Sjaluski 
ex  autografo  descripta.  Fol.  38.  Sig.  83.  Z. 

183.  Diarium    rerum   gestarum   ab   anno    1644  usque 
an.  1655.  Sig.  97.  Z. 


HlBtoriieh«  Fomchnngen  in  der  Bibliothek  zu  Si  Peteriburg.  373 

184.  Chronic«  Polonicaüs,  conscripta  a  Vincentio  Eadlu- 
bonis  (sie)  Episc.  Cracovien.  (Unwichtig,  ist  die  Chronik  von 
Dzirswa).  Sig.  98.  Z. 

185.  Chronica  de  gestis  principum  Poloniae  auctore  Ma- 
thaeo,  Cracov.  Episc.  Ms.  Fol.  277.  Codex  elegantiseime  exa- 
ratus.  Sig.  105. 

186.  Dusburgi  Petri  anno  1326  historici.  Res  Prnthenicae 
in  compendinm  redactae  studio  Ootofr.  Fr.  T.  Zamelii,  Cons. 
Elbib.  1668  (Zamelsche  Chronik)  pag.  32.  Sig.  100. 

187.  Swirski  Nicol.  Episcopi  Suffragan.  Chelmensis,  An- 
nales Poloniae  ab  anno  1657  usque  ad  anno  1666.  Fol.  170. 
Sig.  124.  Z.  (Janocki  1.  c.  p.  88.  CCCIL) 

188.  lUustrissiffli  principis  D.  D.  Guilielmi  Egonis,  Land- 
gravii  Fürstenbergii  iniusta  dedentio.  Fol.  35.  Sig.  126.  Z. 

189.  De  ordine  Hospitalariorum,  seu  de  Cruciferis  Prus- 
siacy  fragmentum  de  anno  1453.  Sig.  129.  Z. 

190.  Insignia  gentilitia  Episcoporum  Smogroviensium  et 
Wratislaviensium  in  Silesia  ab  anno  969  ad  1600,  variis  colo- 
ribus  depicta  et  descripta.  Fol.  45.  Sig.  137.  Z. 

191.  Radzivila  (Albert.  Stanisl.)  historia  gestarum  in  Po- 
lonia  sub  tribus  regibas,  Sigismundo  III.;  Wladislao  IV.  et 
Johanne  Eazimiro,  Ms.  Fol.  214.  Sig.  143.  Z.  (Janocki  1.  c.  p.  88. 

ccxcvni.) 

192.  Tomicki  Petri,  Codex  epistolarum  etc.  Sigismundi  I. 
regia  anno  1531.  Ms.  pag.  700.  Sig.  154.  Z.  (Janocki  1.  c.  36. 

xcm.?) 

193.  RungiuB  (C),  Notitia  scriptorum  historiae  Silesiacae. 
Mb.  Fol.  356.  Sig.  155.  Z. 

194.  Disceptatio  de  antiquis  mensuris,  monetis  et  ponde- 
riboB  •  .  .  cum  eorum  reductione  ad  mensuras,  monetas  et 
pondera  nostri  temporis  anno  1673.  Exemplar  zum  Drucke  be- 
stimmt. Ms.  Fol.  23.  Sig.  158.  Z. 

195.  De  primis  Polonorum  nummis  argenteiS;  sive  grossis 
Pragensibus  exercitatio  (descripta  ex  impresso  libro  cum  qui- 
bosdam  additamentis).  Ms^  Fol.  5.  Sig.  159.  Z. 

196.  Respublica,  sive  Status  regni  Poloniae^  Lituaniae, 
Prassiae,  Livoniae  etc.  diversorum  auctorum,  nempe  Stanislai 
Krzistanowicz,  Martini  Poloni^  Chodkiewicz  etc.  Ms.  p.  871. 
Oekaaft  am  30.  Juni  1844  a  Mss.  Conservatore. 


374  Dndik. 

197.  Zahiski  (J.  A.),  Emditiones  de  stemmatibus  gentOiciis 
Polonorum  ordine  alphabetico  (A — T.)  etc.  Ms.  Fol  36.  Sig. 
189.  Z. 

198.  Hankius  Mart.  CoUegimn  de  rebus  Silesiacis  habi- 
tum  1692.  Ms.  p.  120.  Big.  204.  Z. 

199.  Apographa  publicarum  literarum,  brevium  Pontifica- 
lium  et  aliorum  actoruniy  quae  historiam  Poloniae  spectani 
Darunter:  1.  Regni  Hungariae  politica  descriptio  (pag.  46  — 
Fol.  24).  2.  Epistola  Andreae^  Comitis  de  Lesno  et  Archiep. 
Gnesnenei,  de  proelio  ad  Warsaviam  commisso  (F.  4).  3.  Frag- 
mentum  historiae  Principum  domus  Saxoniae  (F.  24).  4.  Annales 
1657.  Fragmentum  chronici  Poloniae  Nicolai  Swirski.  5.  Facies 
Europae  exeunte  anno  1667  breviter  delineata.  6.  Narratio  de 
confoederatione  violenta  statuum  Poloniae,  vulgo  Rokosz,  contra 
regem  Ludovicum  Hungarorum  ad  Gliniany  coactamm  etc. 
manu  Zaluskii.  Ms.  Fol.  136.  Sig.  213. 

In  8^  in  Charta. 

200.  Nicolaus  frater,  Peregrinatio  terrae  sanctae  ^Fecimus 
compositiones  de  Bursa  nostra  per  2.  Florenos  ad  comparan- 
dum  necessaria^  etc.  de  anno  1461.  Ms.  Fol.  106.  Sig.  2.  D. 
521.  —  Descriptio  Palestinae  de  anno  1522.  Sig.  3.  D.  490. 

201.  Mirabilia  Romae.  Videtur  Ms.  editum  1475.  p.  10  in  4^. 

202.  Calendarium  Gregorianum  et  chronica  tempomm  cum 
aliis  miscellaneis  per  fratrem  Stanislaum  Glitowski,  Priorem 
S.  Crucis,  Praep.  Wawelno  1621,  pag.  217.  Sig.  15.  Z. 

203.  lacobi  Sobieski,  principis,  regis  Poloniae  Diarium 
obsidionis  Viennae  1683,  cui  cum  Patre  suo,  rege  lohanne, 
adfuit.  —  Beginnt:  Ingruente  turbida  omnibus  Germaniae  po- 
pulis,  maximeque  capitali  eins,  urbi  Viennae,  tempestate,  eadem- 
que  nobis  magnam  minante  perniciem  etc.  Schluss  15.  (Octobris) 
mane  D.  P.  Voliniae  mortuus.  Sr.  rex  ad  Starj  Sanec  ad  Sr. 
reginam  venit.  Werth,  copirt  zu  werden.  Cod.  FoL  25.  Sig.  33.  Z. 

204.  Flosculi  omnium  fere  materiarum  ex  libris  historia- 
rum  collecti.  Opera  Fr.  Antonii  Leparski  Ord.  Praed.  Varsa- 
viae  an.  D.  1705.  Sig.  40. 

205.  Duces  et  reges  Bohemiae.  Eine  jesuitische  Arbeit 
ohne  Werth  unter  Karl  VI.  Ms.  pag.  64.  Sig.  89. 


Hietoriflche  ForBchnngen  in  der  Bibliothek  sn  St.  Petersburg.  375 

Die  AbtheiluDg  IV.  Historia^  ist  unter  den  Zaluskiana 
die  WerthyoUste,  sie  enthält  in  Fol.  4  Mss.  in  memb.  und  178 
in  Charta,  in  4*^  6  in  memb.  und  221  in  Charta,  und  in  8^ 
ö  memb.  und  90  in  Charta. 

V.  Abtheilung.  Historia  naturalis.  VI.  Medicina,  VII.  Phy- 
aica.  VIII.  Chymia.  IX.  Mathesis.  X.  Artes  mechanicae.  XI. 
Artes  liberales.  XII.  Musica.  XIII.  Ars  delineandi.  XIV.  PoSsis. 
XV.  Linguistica.  XVT.  Eloquentia.  XVII.  Polygraphia  und 
XVIII.  Historia  literaria.     Daraus  wurden  angemerkt: 


XIV.  AbtheUunff.  Poösis. 


206.  Liber  comoediarum  et  actionum,  quae  sunt  habitae 
Monachii  ab  anno  D.  1595  usque  ad  finem  anni  1661.  De- 
ecriptae  ab  Agricola  Soc.  lesu.  Cod.  chart.  Folia  434.  Sig.  1.  Z. 

207.  Cod.  memb.  8«.  See.  XIV.  Folia  42.  Sig.  Cod.  lat. 
memb.  XIV.  8.  Nr.  6.  Dubr. 

Titel:  Historia,  sive  Chronica  imperatorum  Romano-Ger* 
manicorum.  Beginnt:  Die  erste  Zeile  unleserlich  etwa:  Sit  hie 
liber  .  .  Chronica  nuntiata  |  In  qua  materia  diversa  sit  asso- 
ciata  I  Clarius  ut  varios  valeas  agnoscere  libros  |  Cronica  sub- 
scriptus  liber  est  idcirco  vocatus  |  Tempora  Francorum  quia 
describit  tunc  regum  |  Qualiter  imperium  rome  sit  eis  socia- 
tum  etc.  Erster  rother  Absatz :  De  regno  Romanorum  quoad 
reges,  consules,  imperatores.  Zweiter  Absatz :  De  re^o  Fran- 
corum. Weiter:  De  diversis  nominibus  huius  terre.  —  Fol.  10 
über  Karls  des  Grossen  Begräbniss  in  Achen :  Nam  fit  aquis- 
grani  positus  cum  sede  sepulcri  |  Sedes  ex  auro  fuit  hec  sibi 
factaque  claro  |  Hinc  ewangelium  datur  ex  auro  sibi  scrip- 
tum I  Sed  manni  dextre,  sceptrum  regale  sinistre  |  Aurea  clara 
bona  capiti  datur  inde  Corona  |  Ex  auro  puro  scuto  sibi  con- 
Bociata  |  Olim  romani  sibi  quod  dederant  veterani.  |  Taliter  ad 
tumolum  positus  fiiit  hie  preciosum  etc.  —  Fol.  23  rothe  Auf- 
schrift: De  Karolo  rege  hoc  nomine  quarto.  ,Rursum  materiam 
regum  tractabo  relictam  |  Annos  ante  duos  Ludovicus  quum 
moriatur  |  Clemens  papa  petit  rex  alter  quod  statuatur  |  Scri- 
bens  pi*incipibu8,  quod  ad  hoc  sit  quisque  paratus  |  Tunc  Tre- 


376  Dndik. 

vereDsis  Coloniensis  Rexque  bohemus  |  Et  dux  Saxonie  senior, 
qui  tunc  fuerit  ille  |  Et  Maguntinus   presul  qaidam  iavenilisl 
Nam  banno  dedituB  presul  fuit  ipse  senilis  |  Constituunt  Garo* 
lum  subito  pro  rege  bohemum  |^  etc.     Fol.  28  beginnt  die  Ge- 
schichte der  Flagellanten :  Jsta  procul  dubio  noscas^  qae  tunc 
tibi  Bcribo  |  Multa  flagellando  se  plebs  terras  peragrabat  |  Ver- 
beribus   diris  que   se   dire   crueiabat   |   Cum    diris   nodis  quos 
adiunxere  flagellis   |   Nam    triplum    nodum    carpebat   quodque 
flagellum  |  Est  cruce  signatus,  quisquis  fuit  hiis  sociatus  |  Nam 
vult  scriptura  nato  de  virgine  pura  |  Quod  cruce  signatus  dig- 
nus  fiat  quoque  gratus  |  Suntque  cruces  bine  mantellis  associate  | 
Pilleus  atque  cruces  debebat  carpere   binas  |  Est  frater  qnivis 
indutus  vestibus  istis  |  Extra^   sed  vestes  fert  infra  non  cruce 
tactas  I  Pilleus   induitur  quum  cibus  hiis  adhibetur  |  Cumque 
flagellatur  quis,  pilleus  associatur  |  Vt  semper  tenuis  assit  crux 
atque  flagellum  |  etc.  etc.  —  Fol.  29.  ,Nocte  semel,  bis  quaqae 
die   se   verbere   diro  |  Torquebant   populis  cernentibus   ordine 
miro  I  Ymnos  cantabant,  per  circuitum  meabant  |  In  formam- 
que  crucis   prosternere   seque  parabant  |   Et  senis  vicibus  hec 
quaque  die  faciebant  |  Usque  pater  noster  dico    quisquis  perfi- 
ciebat  |  Post  hec  surgebant,    ymnos  iterumque  canebant  |  Se 
tedendo  nimis  prius  ut  fecere  flagellis  |  (In  margine)  Cum  pe- 
dibus  nudis  incedebant  tectis  pudibundis.  Pannus  ad  umbelicum 
sociatus  erat  quia  a  talo  |  Sursum  sunt  membra   preter  caput 
omnia  nuda  |  Nocte  semel  quivis  torquebat  seque  flagellis  |  Us- 
que pater  noster  septem  dixit  properanter^     Und  so  wird  der 
Ritus   und  .  die  Lebensweise   der  Flagellanten  weiter  umständ- 
lich von  Fol.  28—30'  beschrieben.  —  Fol.  30.  ,Nulliu8que  de 
mum  quisquam  tenebat  adire  |  Sin   prius   hospes   eum  faceret 
sua  tecta  subire  |  Emere  ut  vellet  sibi  quod  prodesse  putaretj 
Quod  si  non  fieret,  in  campis  tunc  remaneret  |  Inque  viis  sta- 
bant  hoc  donec  quisque  vocabat  |  Escas  ut  caperent,  vel  secom 
nocte  manerent.  |  Unum   vel   binos  semper  tenuere  Magistrosj 
Ad  quorum  visum  complent  sua  singula  facta  |  Portant  vexilla, 
crucibus    sociantur    et   illa  |  Incedunt  bini,    pueri   quasi   sint 
Uterini  |  Ymnos  et  tales  cantant  ut  quique   seculares  |:  Quam 
flagellari  cupiuntque  locis  sociari  |  Cum   sunt   intrantes,   cam- 
pane  sunt  resonantes  |  Ipsos  ut  turbe  cernent  in  qualibet  urbe  |, 
Ipsorum  dira  cernerent  quecunque  vulnera   miraj '  etc.  etc.  — 


ffistoriiohe  Fonehnogen  in  der  Bibliothek  sn  St.  Petersburg.  377 

Fol.  3(X — 36',  also  fünf  und  ein  halbes  Blatt,  enthalten  die  Lieder 
der  Flagellanten  in  deutscher  Sprache,  und  zwar  mit  Neumen 
und  mit  Noten  auf  vier  Linien. 

Fol.  30'  roth.  Quum  intrabant  aliqua  loca  cantabant  can- 
tica  subscripta:  ,Nu  ist  ein  betfart,  so  here  Crist  rait  selber 
gen  ierusalem,  Er  f&rt  an  crutz  an  siner  haut.  Nu  helf  uns  der 
hailant.  —  Nu  ist  di^  betfart  so  g&t,  hilf  uns  herre  durch  din 
hailigs  blftt,  daz  du  an  dem  crucz  vergossen  hast,  vnd  uns 
von  dem  töd  erlöset  hast  etc.,  im  Ganzen  fünf  Strophen.  — 
Fol.  31.  Älia  cantio  (roth).  Maria  m&ter  rainü  m4it,  erbarm 
dich  über  die  cristenhait,  Erbarm  dich  über  dinü  kint,  div  noch 
in  disem  ellind  sint.  |  Maria  m&ter  gnade  vol.  Du  kanst  vnd 
machst  uns  ghelfen  wol,  verlih  uns  aim  gnedigen  dot  etc.  — 
Fol.  32.  Maria  vnser  frowe  Kyrieleyson,  Was  in  göüicher 
schowe  aleluja,  globen  sis  du  maria  |  Z&z  ir  wart  ain  engel 
gsant  kyrieleyson  |  d'  waz  Gabriel  genant.  Alleluja  u.  s.  w. 
Das  ganze  Leben  Mariens  wird  so  abwechselnd  mit  Kyrieleyson 
and  Alleluja  durchgegangen.  Schluss  Fol.  34':  Der  diz  gdiht 
loblich  singet,  Kyrieleyson  |  Grossen  Ion  es  im  bringet.  Alle- 
loja I  Maria  wil  sin  pflegen  Kyrieleyson  |  Vnd  ir  kind  fr&de 
geben  Alleluja.  Darunter  roth:  Anno  Domini  M'^  CCC.  XLIX^ 
(1349)  in  augusto  scripta  est  hec  cantio.  —  Dum  flagellatores 
volebant  se  flagellare,  ut  erant  exuti  usque  ad  camisias,  ab 
ambelico  deorsum  pendentes,  incipiebant  cantare  predictos  rit- 
moB  sub  melodia  prefata,  et  duo  precentores  semper  cantabant 
dimidium  ritmum,  quem  tunc  ceteri  omnes  repetebant.  Die 
Ritmen  lauten :  ,Nu  tret  her  zu  der  bösen  welle ,  fliehen  wir 
die  haissun  helle.  Lucifer  ist  bös  geselle  etc.  —  Sub  priori 
melodia  cantantur  ritmi  sequentes:  ,Der  unsere  b&zze  welle 
pflegen,  der  sol  gelten  vnd  wider  geben  |  Er  biht  und  lass  die 
Sünde  uam,  so  wil  sich  got  vbr  in  erbarn  etc.  Mit  Neumen. 
Schluss:  ,Da  vorheh6t  uns  herre  got,  dez  bit  wir  durch  dinen 
tod'.  —  Ein  weiteres  Lied  Fol.  35  mit  Noten  auf  vier  Linien 
beginnt:  , Jesus  wart  gelabt  mit  gallen.  Des  suln  wir  an  ain 
crucze  uallen  |  Nu  hebent  uf  die  hend,  da  got  daz  grozze 
sterben  wend  |  Nu  reggen  vf  die  vrown  arm,  um  daz  sich  got 
vber  uns  erbarm.  —  Ad  secundam  genuflectionem :  ,Maria  stund 
in  grossen  nötten,  Do  si  ir  liebes  kint  sach  tötten.  An  Swert 
ir  durch  die  seile  snäit  |  Sünder  daz  las  dir  wesen  lait  etc.  — 


378  Dndfk. 

Fol.  36'.  Postea  non  flageiabunt  se  ulterius  sed  cantant  can- 
cionem :  ^Nu  ist  die  betfart  so  her  et  cetera,  ut  sunt  in  sexto 
folio  et  circumeunt  ut  prius  (Dort  [in  folio  sexto]  steht  das  Lied : 
Jesus  ward  gelabt  etc.).  Deinde  vadunt  ad  crucem,  et  flexis 
genuis  contant  illam  cantilenam,  que  ibidem  reqoitnr:  Maria 
m&ter  raine  mäit  etc.  usque  ad  finem.  Postea  flectunt  iteram 
genua  et  magister  eorum  dicit:  Ave  Maria.  Jesu  m&ter  Maria 
erbarme  dich  über  di  armen  ellinder  cristenhait.  Et  ipsi  dicunt 
hoc  idem.  Iterum  dicitur  Ave  Maria,  et  tunc  omnes  cadunt 
in  formam  crucis,  et  magister  eorum  adhortatur  eos  ad  pas- 
sionem  Christi  recolendam,  et  incipit  Ave  Maria,  ipsi  etiam 
erigunt  se,  et  dicunt  cum  eo:  Trösterin  alier  Sünder,  erbanne 
dich  über  alle  Todsünder  und  über  alle  Todsünderin.  Itemm 
incipit  Ave  Maria  et  ipsi  cadunt  in  formam  crucis.  Tertio 
dicitur:  Ave  Maria,  Rose  im  Himmelreich,  erbarme  dich  über 
uns  vnd  über  alle  glöbig  sela,  vnd  über  alles  daz  wandelbar 
ist  in  der  haiigen  cristenhait  amen.  Als  gleichzeitige  Anmer- 
kung ist  nach  dem  Texte  Fol.  36'  in  margine  die  Note:  Ul- 
timo Magister  subiunxit:  Lieben  kinder  bietet  got,  daz  wir 
unser  liden  vnd  unsere  wallefart  also  gelaisten,  daz  uns  got 
vor  dem  ewigen  ualle  behüte,  unt  daz  die  armen  glöbigen  sola 
gelöst  werden  von  ir  arbaiten,  vnd  daz  wir  vnd  alle  sonder 
gottes  huld  erwerben,  vnd  daz  alle  guten  Leuten  in  gnaden 
Sterken  welle.  Amen.  —  Fol.  37  ist  die  Fortsetzung  der  Reim- 
chronik,  aber  schon  aus  der  biblischen  Geschichte  mit  späteren 
Anmerkungen.  Neuerer  Einband  in  rother  Leinwand.  Wacker- 
nagels deutsches  Kirchenlied  kennt  die  hier  citirten  Lieder^ 
doch  mit  vielen  Abweichungen. 

208.  Poema  de  contemptu  mundi:  ,Peniten8  cito,  pecca- 
tor,  cum  sit  miserator  Index,  et  sint  hec  quinque  tenenda 
tibi  etc.  de  anno  1344.  Sig.  4  (D.  46)  8o. 

209.  Miseria  clericorum.  2.  Documenta  philosophorum  in 
metro.  3.  historia  Romanensis  prosaica.  In  Bohemia  scripta 
sunt  haec  XV.  See.  —  Fol.  19*^.  Panno  milA  Maria,  bud  milo- 
stiv4,  a  qvodam  Romanae  curiae  inimico.  —  Fol.  14^.  Curia 
Romana  non  querit  ovem  sine  lana.  Sig.  11.  D.  8^ 


HiBtorisehe  Fonehnngen  in  der  Bibliothek  tu  St.  Petersbvrg.  379 


XV.  Abtheilung.  Lingtustica. 

210.  Caroli  Aloisii  Ramsay  Tacheografia  seu  ars  breviter 
et  compendiose  scribendi  etc.  Frankf.  et  Lipsiae  apud  lohannem 
Bielkiam  bibl.  a.  1684.  Ms.  Folia  11.  Sig.  29  in  8o. 


XVI.  AbtheiluDg.  Eloquentia. 

211.  Chrzastowski ,  de  stemmatibus  familiarum  nobilium 
Poloniae.  Folia  319.  Sig.  4«.  23.  Z. 

212.  Christinae,  reginae  Sueciae,  Epistolae  ad  Georgium 
electoreVn  Saxoniae  et  huius  ad  eandem  tres.  Folia  14.  Sig. 
4«.  74.  Z. 

213.  Johann  Arnos  Comenius.  Panegyricus  Carole  Gustavo, 
magno  Suecorum,  Gothorum  Vandalorumque  regi,  incruento 
Sarmaciae  victori  et  quaque  venit,  liberatori  pio,  felici;  augusto 
heroi;  afflictis  in  solatia,  regibus  in  exemplum  dato  1655. 
Folia  12.  Sig.  4^.  77.  Z.  Eine  überschwengliche  Lobrede  des 
annen^  damals  sehr  gehetzten  Exulanten. 


XVII.  Abtheilung.  Folygrafla. 

214.  loh.  Amonis  Comenii^  Ars  didactica  etc.  Sig.  Fol.  54.  Z. 

215.  Emerici  Hungari,  monachi  Ord.  S.  Pauli  eremitae^ 
Chronicorum  sui  temporis  fragmentum  ab  anno  1506  usque  ad 
annum  1530.  Sig.  Fol.  55.  Z. 


XVnL  Abtheilung.  Historia  literaria. 

216.  Index  manuscriptorum  incliti  monasterii  Coprivniensis 
S.  Ord.  Cisterc.  variis  disquisitionibus  et  historicis  notis  illu- 
stratus;  opera  et  studio  D.  Gerardi  Lefebure  0.  S.  B.  1802. 
Folia  325.  Sig.  Fol.  2. 

217.  Catalogus  librorum  ex  Bibliotheca  R.  Praelati  Cano- 
niconun  Regul.  Later.  Casimiriae  ad  Cracoviam.  Renovatus 
1711.  Sig.  Fol.  10. 


380  Dndfk. 

218.  Index  archivii  Universitatis  Cracoviensis  in  Collegio 
Maicke  ad  S.  Annam.  Sig.  Fol.  14. 

219.  CataloguB  librorum  Bibliothecae  Domini  Petri  Da- 
browsky.  Folia  15.  Sig.  Fol.  48. 

Classic!  latini  in  membr. 

220.  losefi  ludaei  historici  antiquitatum  ludaicariun  libri 
XX.  memb.  See.  XV.  Sig.  Fol.  6.  W. 

221.  losefi  Flava  historiographi  Antiquitatum  libri  XIX. 
Fol.  253.  See.  XV.  Sig.  Fol.  14.  D.  memb.  et  Sig.  Fol.  13.  Z. 
in  Charta. 

222.  Eutropius.  memb.  in  4».  See.  VIII.  Sig.  9.  D.  Fol.  22. 

223.  Sallustius,  Bellum  Catilinarium.  Cod.  chart.  Fol.  46. 
See.  XrV.  Fol.  Sig.  16.  Z. 

Auch  BoctiuB,  SolinuS;  MartianuS;  selbst  Cicero  ad  Heren- 
nium  sind  hier  aus  dem  8.  und  9.  Jahrhunderte  vertreten 
Sig.  7,  8,  9  und  10. 


Hitioriaclie  ForsclmngftB  in  der  Bibliothek  xn  St.  Petertburg.  381 


Auszflge  aus  dem  Cataloge  der  polnisch  geschrie- 
benen Handschriften. 

Theologia: 

224.  Obiewienia  Swi^tey  Brigitty  (Revelationes)  niegdy 
od  Cardinala  Turrecremati  przeyrzane  y  od  consulasa  Duranta 
a  S.  Angelo  notami  albo  znakami  ozdobione.  Cod.  Fol.  161 
iiteris  iDitialibuB  et  rubricis  minio  scriptis.  Sig.  13.  Z. 

225.  Jozafata  (Ziwot  S.)  Kuncewicza,  archiepiscopa  niekdy 
Polockiego  etc.  Beatificationsprocess.  Cod.  Fol.  146.  Sig.  15.  Z. 

lurispradentia : 

226.  Artikuly  priva  Magdebursk^ho  de  anno  1500.  Cod. 
Fol.  40.  Sig.  Fol.  35.  Z. 

227.  Statut  WolyAski  i  wielkego  X§stwa  Litevskego. 
Cod.  Folia  168  cum  picturis  et  rubricis  initialibus  minio  scriptis. 
Fol  36.  Z. 

228.  Inventarz  ksi^g  etc.  i.  e.  Synopsis,  sive  connotatio 
varioram  librorum,  vulgo  Metrica  regni  dictorum,  decreta,  in- 
scriptiones,  privilegia,  legationes,  lustrationes  in  se  continen- 
tiom  auctore  Hankievicz.  Von  den  Schweden  weggeführt;  kam 
dieser  Codex  durch  den  Frieden  von  Oliva  wieder  nach  Polen 
zurück.  Fol.  48.  Sig.  Fol.  61.  Z.  Auch  76.  Z. 

229.  Papiery  tycz^ce  sie  Reformy  £yd6w.  Ein  ganz  gutes 
Material  zur  Geschichte  der  polnischen  Juden.  Sig.  Fol.  70. 
(CzÄrtorisky's  Bibl.). 

230.  Compendium  s^dow  krola  J.  M.  pravem  koronnem 
na  dwie  czeä6i  rozdielone.  R§kopis  oiiarowany  krölovi  pol- 
skiemu  Zigmuntovi.  Sig.  Fol.  84. 

231.  Regula  sv.  Benedicta  in  4".  Sig.  4.  5.  6.  Z. 

232.  2^kony  Sioström  reguly  s.  Augustyna  na  kazimierzu 
przy  Krakowie  kosciola  S.  Katerzyny.  Przez  X§dza  Symona, 
cloktora  pisma  w  Krakowie.  1600.  Sig.  23.  Z. 


382  Dndik.    Hktorische  Foraehoagta  in  der  Bibliothek  n  Bt    l>et«rabiirg 

Hlstoria : 

233.  Gol^biowskiy  Panowanie  Wladyslawa  Jagieliy  przez 
Lukasza  Gol^biowskego.  pagin.  276.  Sig.  6.  Fol.  V. 

234.  Czeikowski;  Badanie  historicziia  o  Skitöw  etc.  Fol.  60. 
Sig.  8.  Fol.  V. 

235.  Sobieski  (Jakub) ,  Dyaryu8z  Campagniey  (1686), 
pisany  wlasn^  rek^  Sobieskego.  Mss.  Folia  26.  Sig.  Fol.  13.  Z. 

236.  Zycia  Sapiehöw  mit  Correspondenzen  etc.  pag.  ISO. 
Sig.  Fol.  16.  V. 

237.  Paprocki;  herby  lyterstwa  polskego.  Abgeschrieben 
vom  gedruckten  Exemplar.  Krakau  1584,  und  mit  neuen 
Wappen  1635  vermehrt  durch  Stanisl.  Baranowski,  pag.  888. 
Sig.  Fol.  20.  Z. 

238.  Herbarz  litewski  przez  Kojatowicza.  Sig.  28.  Fol.  Z. 

239.  Anecdota,  czyli  inedita  Naruszewicza,  drei  starke 
Fascikel.  Sig.  243.  Z.  Bibliotheky  Sierakowskiego.  Auch 
Sig.  246. 

I.  0.  G.  D. 


Fellner.   AtÜKche  Finanz verwmHiiDg  im  f&nften  and  vierten  Jalirhundeite.         383 


Zur  Geschichte  der  attischen  Finanzverwaltung 
im  fünften  und  vierten  Jahrhunderte. 


Von 

Dr.  Thomas  Fellner. 


Uie  Untersuchungen  von  MüUer-Strübing  haben  Veran- 
lassung gegeben^  dass  streitige  Punkte  auf  dem  Gebiete  der 
attischen  Staatsverwaltung  einer  erneuerten  und  eingehenderen 
Besprechung  unterzogen  worden  sind.  Besonders  lebhaft  wurden 
die  Fragen  in  Betreff  des  attischen  Staatsschatzmeisters  —  Tapiia^ 
:i;;  xotv^;  icpoa6Sou  —  erörtert.  Bekanntlich  geht  die  Meinung  von 
vielen  Gelehrten  dahin,  Aristides  sei  der  erste  Staatsschatzmeister 
gewesen.  Andere,  und  ich  kann  wohl  sagen  eine  grössere  Zahl, 
halten  die  Ansicht  U.  Köhlers  für  die  richtige,  welcher  das 
Schatzmeisteramt  für  nacheuklidisch  erklärt.  *  Meiner  Meinung 
nach  haben  die  jüngst  erschienenen  Abhandlungen  in  ent- 
scheidender Weise  die  Unmöglichkeit  der  Existenz  eines  Vor- 
Btandes  der  Verwaltung  vor  Euklid  dargethan.  Wir  finden 
nirgends  Anhaltspunkte,  welche  erlaubten,  sichere  Schlüsse  in 
dieser  Richtung  zu  ziehen.  Man  sollte  also  den  ganzen  Gegen- 
stand einfach  bei  Seite  legen. 

Von  Interesse  dürfte  es  aber  doch  sein  nachzuspüren, 
durch  welche  Umstände  man  sich  bestimmen  liess,  einem  ein- 
zigen Mann  in  einer  überaus  entwickelten  Republik,  wie  es 
die  athenische  war,  eine  so  bedeutende  Gewalt  zuzuschreiben. 
Den  Anfang  hierin  hat  Böckh^  gemacht,  welcher  auf  Grund 
der  Nachrichten,  die  wir  über  den  Eteobutaden  Lykurg  haben, 

^  Köhler:  Urk.  u.  Untersuch,  z.  Gesch.   d.  attisch-delischen  Bundes  p.  151 

(AbhandL  der  Berl.  Akad.  1869). 
^  Vgl.  dazu   Böckh :  Staatshaush.  d.  Ath.  I,  222  ff,  u.  569  ff.   d.  2.  Ausg. 


384  Fellnor. 

richtig  erkannte,  dass  damals  ein  Amt  bestand,  dessen  Trager 
den  Tilel:  5  Tafito^  'nj;  %om^q  rpoaöSou  führte,  die  übrige  reforma- 
torische Thätigkeit  Lykurgs  aber  auf  den  verschiedensten  Ge- 
bieten davon  nicht  genau  unterschied  und  denselben  zu  einem 
gewaltigen  Finanzminister  machte.  Zu  verwundern  ist  es  daher 
nicht,  dass  man,  nachdem  einmal  Lykurg  als  solcher  Finanz- 
minister  erkannt  war,  auch  nach  anderen  in  früheren  Perioden 
suchte.  Es  war  nicht  schwer,  Personen  ausfindig  zu  machen, 
welche  dieses  Amt  etwa  hätten  bekleidet  haben  können. 

Wer  erinnert  aus  früherer  Zeit  mehr  an  Lykurg  als 
gerade  Perikles?  Auch  dieser  war  in  den  verschiedensten 
Richtungen  thätig.  Er  führte  als  Feldherr  grosse  Kriege,  baute 
den  Parthenon,  die  Propyläen,  das  Odeon,  führte  die  Feier  von 
Musikspielen  am  Feste  der  Panathenäen  ein  —  und  wurde 
gerade  so  wie  Lykurg  von  seinen  Feinden  zu  Rechnungsab- 
lagen  gezwungen.  Wenn  wir  im  zweiten  Buche  des  Thukydidee 
(2,  13)  lesen,  wie  genau  Perikles  den  Stand  des  ßaarvermögens 
auf  der  Burg  und  den  Vorrath  an  ungemünztem  Gold  und 
Silber,  den  Werth  der  Weihgeschenke  und  der  heiligen  Qeräth- 
schaften  anzugeben  weiss  und  die  Worte  bei  Diodor  (XII,  38 1 : 
('A8rjVÄWj)  |j^Ti^veYxav  €t?  to^  'AWjva?  %ai  TCapd$(i)xav  ^uXoTresv  Uefwlsl 

—  den  Schatz  von  Dolos  — [wxa  Be  xtva  /pövov  ayr|X<i)Xb>;  ax' 

fltuTwv  i5(a  xXyjOo;  txovbv  xpTifxarwv,  xai  Xo^ov  dratTOUjjLevo?,  et;  opptosTtav 

svereaev Btirrep  lUptxXfj; i^'fyiei  5t'  ou  Tpdwo'J  tob?  'Aör,- 

va{oü<;  BüvatT*  äv  qxßaXetv  et;  [xi^av  •j:6X£[xov  in  Erwägung  ziehen  und 
dann  noch  beachten,  in  welch  einer  gewaltigen  Stellung  dieser 
Staatsmann  von  den  alten  Schriftstellern  überhaupt  geschildert  wird, 
so  müssen  wir  es  geradezu  sehr  erklärlich  finden,  wenn  man  Irr- 
thümer  in  der  Auffassung  seiner  Stellung  beging  und  ihn  zu  einem 
attischen  Staatsschatzmeister  machte.  Denn  wenn  man  einmal  zu- 
gab, dass  Perikles  dieses  Amt  inne  gehabt  hatte,  so  lag  es  nahe, 
auch   noch  andere  Männer  mit  dieser  Machtfiillo  auszustatten. 

Böckh  (a.  a.  O.  1.  222)  hatte  schon  geltend  gemacht, 
dass  Aristides  Ta[x{a^  tt]^  xotvt]^  trpodoSou  war,  andere  suchten 
dasselbe  von  Kleon  zu  erweisen.  Da  man  directe  Anhaltspunkte 
nicht  hatte,  so  mussten  selbst  Stellen  aus  der  Komödie,  welche 
sehr  allgemeine  Deutungen  zulassen,  wie: 

/Äi  vuv  dhcoSo?  Tbv  SontTuXtov,  ui^  oüx  Iti 
e|jioi  Ta[jLt£'jaei;.  —  Befehl  des  Demos  — , 


Attifche  FinanzTenraltiiDg  im  fünften  and  Tierton  Jmhrhnudert«.  385 

worauf  Kleon  erwidert: 

lyt  ToaouTov  V  106'  Srt 

et  |xr|  (jl'  eacec^  snixporceuetv,  sTEpoc;  au 

6[jLoO  luavoupfOTepi?  it?  ava^avT^aeTat. 

(Aristoph.  Ritter  947  ff.)  — 

als  Nothbehelf  dienen.  Ohne  den  Worten  Gewalt  anthua  zu 
wollen,  scheinen  sie  nur  zu  besagen:  Verstoss  mich  nicht, 
Heber  Herr  Demos;  wenn  ich  mein  Ansehen  einbüsse  —  als 
leitender  Demagoge  icpooi;orcY]^  xou  Si^(jiou  —  so  tritt  dann  ein 
anderer  vielleicht  noch  viel  verschmitzterer  an  meine  Stelle.^ 
Unberücksichtigt  hatte  man  bei  all  diesen  Folgerungen  den 
attischen  Verwaltungsapparat  dieser  Zeit  gelassen.  Die  Schrift 
vom  Staate  der  Athener  liefert  ein  klares  Bild  von  Tpöm^  der 
athenischen  xoXttsdz.  Es  geht  daraus  deutlich  hervor,  dass  in 
Athen  zu  jener  Zeit  die  reinste  Volksherrschaft  bestand.  Ueberall 
werden  die  schlechten^  armen  und  zum  Demos  gehörigen  Leute 
vor  den  guten  begünstigt.  Der  Demos  will  eben  frei  sein  und 
das  Regiment  führen.  Alle  ohne  Unterschied  reden  daher  in 
den  politischen  Versammlungen,  nicht  allein  die  tüchtigsten  und 
besten  Männer.  ^  In  diesem  Sinne  den  Charakter  der  xoXixeCa 
aafgefasst,  lernen  wir  bald  begreifen,  warum  in  Athen  damals 
kein  gesetzlich  iixirtes  Amt  bestehen  konnte,  welches  eine 
solche  Summe  von  Gewalten  in  die  Hände  eines  Einzelnen  legte. 
Wir  finden  coUegialische  Aemter  mit  beschränkten  Wirkungs- 
kreisen. Auch  Perikles  vollbrachte  seine  grossartigen  Leistungen 
nicht  als  Beamter  des  athenischen  Staates,  sondern  durch  einen 
nicht  näher  zu  definirenden  Einfluss,  den  er  auf  alle  Schichten 
der  Bevölkerung  durch  die  Kraft  seiner  Rede  ausübte.  Sicherlich 
würde  Thukydides  bei  Schilderung  der  Macht  des  Perikles 
nicht  übersehen  haben,  uns  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass 
derselbe  im  Wesentlichen  alles  vermöge  einer  umfassenden  amt- 


'  V^l.  darüber  Keck:  Quaestiones  Aristophaneae  historicae  p.  25  ff.,  and 
Gilbert:  Beitrige  zur  innerD  Oeiicb.  Athens  im  Zeitalter  des  Pelop.  Krieges 
p.  91,  welche  anch  die  ganze  Literatur  bringen. 

^  &utta  Bk  0  fviot  Oau|jid^ouaiv  oti  navTdc)r^ou  nX^ov  v^[jLOuai  rot;  novTjpoi;  xai  %i>n\QK 
xal  $i2|M-nxoi!;  ^  lot^  ^pijaxoT^,  iv  auro)  toutco  ^avoOvrat  xjjv  8T)[jLOxpaT{otv  Staaco- 
^ovTtf  I  4;  und  Emoi  V  Sv  ti;,  cu;  ixP^jv  auTOu;  [jltj  iav  X^yeiv  icovra^  l^fj; 
^rjSi  ßouXeueiv,  ocXXa  iou(  8Eii(oTdcTou(  xat'  av$pa;  apCoiouc  *  ot  Bk  xat  ev  toutcu 
apioiB  ßouXe^ovraiy  ec5vi£(  xa\  tou(  Tcowjpou;  X^yeiv.  I  6. 
SttUBfib«.  d.  pUl.-hiit  Ol.  XCV.  Bd.  I.  Hfk.  25 


38^  Pellner. 

liehen  Stellung  —  als  Tajxia^  t^;  xoiv^c  irpocroBou  —  vollbrachte, 
wenn  er  eine  solche  wirklich  besessen  hätte.  Wozu  wäre  es 
dann  sonst  nöthig  gewesen  zu  erklären,  dass  Perikles  an  An- 
sehen und  Einsicht  hervorragend,  wie  kein  anderer,  die  Menge 
durch  den  Einfluss  lenkte,  den  er  in  der  Volksversammlung  aus- 
übte, so  dass  es  zwar  dem  Namen  nach  eine  Volksherrschaüt 
gab,  in  der  That  aber  die  Herrschaft  von  dem  ersten  Manne 
ausging  (Thuk.  2,  65).  Wenn  wir  die  Abschnitte,  welche  bei 
Thukydides  über  Perikles  handeln  und  die  Biographie,  welche 
Plutarch  ausgearbeitet  hat,  durchlesen,  so  bekommen  wir  überall 
den  Eindruck,  dass  Perikles  seiner  ausserordentlichen  persön- 
lichen Stellung  die  grossen  Erfolge  verdankte. 

Auch  die  speciellen  Stellen,  welche  noch  angeführt  werden 
könnten,  um  unsere  Ansicht  über  das  Schatzmeisteramt  im 
fünften  Jahrhundert  zu  erschüttern,  zeigen,  auf  ihr  richtiges 
Maass  zurückgeführt,  wie  wenig  haltbar  diese  vielfach  be- 
stechende Hypothese  ist.  Wenn  das  13.  Capitel  des  zweiten 
Buches  von  Thukydides  deswegen  angezogen  wird,  weil  dort 
von  Perikles  die  laufenden  Einnahmen  —  ta  xpoofovra  —  und 
die  Reservefonds  im  Grossen  und  Ganzen  angegeben  werden,^ 
so  ist  darin  kein  Beweis  fiir  einen  alles  controlirenden  und  über- 
sehenden Finanzbeamten  enthalten,  wenn  wir  berücksichtigen, 
dass  die  Schatzmeister  der  Athena  und  der  andern  Götter  in 
jedem  Jahre  Rechnung  legen  mussten  von  den  vorhandenen, 
den  hinzugekommenen  und  verausgabten  Werthgegenständen 
und  diese  Rechnungen  noch  dazu  in  Steinurkunden  auf  der 
Burg  aufgestellt  wurden.  Weiter  ist  bekannt,  dass  die  Hellene- 
tamien  die  Tribute  der  Bundesgenossen  alljährlich  bei  den 
Schatzmeistern  der  Athena  deponirten^  und  über  die  Ver- 
gütung, welche  der  Staat  dafür  an  die  Göttin  zahlte,  in  Ge- 
meinschaft mit  den  Logisten  öffentlich  Urkunden  aufstellten 
(Tributlisten).  Jeder  Athener  war  dadurch  in  die  Möglichkeit 
gesetzt,  genau  die  eingegangenen  Tributsummen  zu  bestimmen. 
Da  bei  Thukydides  keine  anderen  Summen  als  die  jährlichen 
Tributgelder    und    die    Reservefonds    auf  der   Burg    namhaft 


^  Baehr  nnd  Stark  in  ihrer  Ausgabe  von  G.  F.  Hennann'ii  Staats-Altertbamern 

folgern  so  159,  8. 
'  [ix  5e  Tüiv  9^p(o]v  xoraTiB^vai  5c[aTflt  ibjv   Iviaoiov  t«  Ixetforon  yeWjJ^w  nap 

To]r?  Tajiiaai  Tüiv  [t^{  'AÖjTjvaCa?  too;  'FIXXijvo  [Ta|jL{a(].  C.  I.  A.  I.  82  B.  19— 2(.». 


Attische  Fmansverwaltiing  im  fftniten  nnd  vierten  Jahrhunderte.  387 

gemacht  sind;  so  dürfte  es  dem  Perikles  nicht  schwerer  ge- 
fallen sein^  als  anderen,  die  betreffenden  Posten  von  den 
öffentlichen  Urkunden  abzulesen.*  Dass  Perikles  Gelder  zu 
verrechnen  hatte,  wird  gewiss  Jedermann  gerne  zugeben,  nur 
darf  nicht  übersehen  werden,  dass  er  dadurch  nicht  einem 
speciellen  Finanzamte  vorstand,  sondern  dass  dies  in  verschie- 
denen Stellungen  geschah.  Wenn  Plutarch  §.  23  erzählt,  dass 
derselbe  Iv  tw  vfi<;  mpocxti^aq  aTcoXoYifffAo)  zehn  Talente  unter  dem 
Titel:  Noth wendige  Ausgabe  ansetzte,  so  legte  er  diese  Rechnung 
bei  der  Rechenschaftsablage  über  die  ihm  vermöge  seines  Feld- 
faermamtes  anvertrauten  Qelder.  Anders  ist  der  Volksbeschluss 
des  Drakontides  zu  fassen,  dass  Perikles  die  Rechnung  der 
Staatsausgaben  bei  den  Prytanen  einzureichen  habe.^  Man  hat 
im  Auge  zu  behalten,  unter  welchen  Umständen  dies  vor  sich 
ging.  £b  war  die  Zeit,  in  welcher  die  Anklagen  gegen  Phidias, 
Anaxagoras  und  Aspasia  geschleudert  wurden.  Perikles'  Stellung 
war  damals  eine  erschütterte  zu  nennen.  Die  Bauten  auf  der 
Burg  hatten  sehr  grosse  Summen  gekostet.  Das  Verhältniss,  in 
welchem  der  leitende  Staatsmann  zu  Anaxagoras  und  Aspasia 
stand,  hatte  Missfallen  erweckt.  Das  Volk  war  mit  ihm  un- 
zufrieden. Alle  möglichen  Hebel  wurden  in  Bewegung  gesetzt^ 
am  den  so  hoch  gestiegenen  Mann  die  Macht  des  Demos 
einmal  recht  fiihlen  zu  lassen.  Was  war  natürlicher,  als  dass 
man  seine  Freunde  angriff  und  auch  ihn  dazu  zwang,  noch 
einmal  ausnahmsweise,  wie  aus  der  besonders  feierlichen  Form 
der  Abstimmung  geschlossen   werden   kann,    eine   vollständige 

'  VgL  XU  den  obigen  Bemerkungen:  Th.  2,  13.  Oapaetv  tk  ix^euE  npoauJvKov 
{i£v  iSaxoj{(üv  laXd^vtcov  a)(  ln\  xo  JCoXl»  ^dpou  xai^  iviatuibv  oazo  tcuv  ^ujjLfjLaycov 
ifj  Kokii  av£u   Tvj^  SXkrfi   TcpoffdSou,    incopy^dvrtov  B^  iv  irj   axpoicoXei   rri  x6xe 

xppipfov  S3ci9i{{Aou  £ifluit(yiX{(i)v   raXavTCüv ,  X^P^^^  ^^  Yjp^ioioM 

a9i({A0u  xat  apYup{ou  h  xt  avaOi{{AaJtv  Ihloi^  xat  Bt)[jio9{oi;  xat  09a  Upa  oxeOt] 
X£p{  TE  Ta(  im[tJUi^  xai  tou;  ayrova^  xai  oxuXa  .VlvjBixa  xat  e*i  tt  totouTOTponov, 
oü/  iXaaoovo^  7|  nEvtoxoattov  tocXavtcov.  eti  os  xai  la  ix  tcuv  oXXtov  Upcov  npov- 
ixibti  )(_pr)[AaTa  oux  dX{Ya,  oT;  -/jsiJaEoOai  auiou^,  xai  9Jv  icavu  s^ECpYcovTai  ndcvTCüv, 
xat  aut^(  T^^  Osou  tou;  7CCpiX£i(Jt^voi(  )rpua{ot(  *  on^^atvE  $^e/ov  xo  ayaXjJA  xtoaa- 
pozovta  toXavTa  oraSfiLOv  y^uatou  on^f  Oou  xai  REptatpEtbv  s?vai  &cav.  /j37)9a- 
fiivou^  TE  &9it  9(i)iif]p{a  ?^7]  yi^privott,  [x^  iXä^aco  avTixaiaorfJaat  ttoXiv.  — 

3  hiyo^^fOM  $£  Tou  $i^[xou  —  Antrag  des  Diopeithes,  —  xai  3cpo9iE[ji^vou  xa^ 
oia^Xa;,  outcü;  j[g7]  JriJ^iafxa  xupouTai,  Apaxovxidou  ypa^avro^,  onco^  ol  Xdyoi 
*'^  /^(Aoituv  uicb  ÜEpixX^ou^  £((  tou;  TcpuTötvEi;  obcoT^OEtEVf  ol  8e  Bucaarat  ttjv 
'iff(^  abn  tou  ß<i>[Aou  (fiporzi^  ev  tij  TcdXsi  xpivoiEV  —  Plut.  vitt.  32. 

26» 


H^9>  Ppllner. 

Abrechnung,  hauptsächlich  über  die  Gebäude  auf  der  Burg, 
vorzulegen,  die  ja  vorzüglich  unter  seiner  Leitung  entstanden 
zu  sein  scheinen,  da  er  gewöhnlich  Obmann  und  entscheidender 
Stimmführer  der  Baucommission  gewesen  ist.  *  Was  endlich 
von  der  Angabe  des  Diodor  zu  halten  ist,  dass  die  Athener 
den  von  Dolos  in  ihre  Stadt  gebrachten  Schatz  dem  Perikleg 
zur  Bewachung  übergaben  und  dass  dieser  dann  den  groBsen 
Krieg  heraufbeschwor,  weil  er  eine  Rechnungsablage  über 
den  auf  eigene  Faust  gebrauchten  Staatsschatz  vermeiden 
wollte,  ergibt  sich  nach  dem  Gesagten  von  selbst.  Die  so 
allgemein  und  unbestimmt  gehaltenen  Worte  des  oft  unklaren 
Schriftstellers  lassen  keine  genaue  Auslegung  zu. 

Mehr  Schwierigkeiten  machte  denen,  welche  von  einem 
tafAia^  T^^  >wtvT3;  rpoadBou  vor  Euklid  nichts  wissen  wollen, 
die  richtige  Deutung  der  plutarchischen  Stelle  über  Aristides: 
Twv  5t3plo(7((i)v  (Böckh  xotvwv)  ?rpo<76$u)v  alpeOst;  STJtfjLeAYj'nj?  . .  (Arist  c.4). 
Manche  meinen,  dass  die  anekdotenhafte  Form  der  Angabe  des 
Idomeneus  bei  Plutarch  schliessen  lasse,  dass  das  Ganze  eine 
Erfindung  aus  späterer  Zeit  sei  (Gilbert  a.  a.  0.  p.  90),  wieder 
andere  wollen  die  Worte  damit  erklären,  dass  Aristides  unter 
den  ersten  Hellenotamien  gewesen  sei  (Keck  a.  a.  0.  p.  30). 
Sehr  viel  Wahrscheinlichkeit  gestehe  ich  besonders  dem  letzten 
Erklärungsversuche  nicht  zu.  Aber  auch  die  Angabe  des  Ido- 
meneus für  eine  leere  Erfindung  zu  halten,  scheint  mir  nicht 
räthlich  zu  sein.  Ich  möchte  betonen,  dass  unter  Aristides 
der  neue  Seebund  ins  Leben  trat,  und  dass  er  es  war. 
welcher  die  finanziellen  Angelegenheiten  des  Bundes  ordnete. 
Es  lässt  sich  annehmen,  dass,  da  dieses  Ereigniss  ein  ausser* 
gewöhnliches  war,  auch  der  Mann,  welcher  das  Ganze  schlichtete, 
mit  einer  ausserordentlichen  aber  vorübergehenden  Gewalt  — 
iriixiXsta  —  ausgestattet  wurde.  Der  Titel  dafür  war  InixcAr^rr;: 
Tcov  Sr3|i.ü)c(ü)v  (?)  i:po(765tov.  Die  Worte  des  Idomeneus  twv  —  7rpw:Bo)v 
alpeOel^  iTuiixsXrjiY}^  können  somit  als  glaubwürdig  angesehen 
werden.  Der  Zusammenhang  aber,  in  welchem  sie  stehen. 
dürfte  auf  einer  unrichtigen  Auffassung  des  Schriftstellers  be- 
ruhen,  der    hier  gerade  auf  die  Ehrlichkeit  des  Aristides  eine 


*  Michaelis:  Parthenon  p.  11  und  C.  Wachsmuth:  Die  Stadt  Athen  im  Alter- 
thnm  p.  524. 


▲ttische  Finuiifenraltuog  im  Anfteii  and  Tierten  Jahrh änderte.  389 

Ijobrede  hält  und  die  verschiedenen  Aeniter^  welche  dieser 
bekleidete,  vermengt,  wie  daraus  zu  ersehen  ist^  dass  STCt|JLeXY)Tr|<; 
:uv  ST;(Aoatu>v  ^pCdcScüv  mit  äpyjui^i  ItA  tt;v  outtjv  Bio(xr|aiv  und  einfach 
mit  ip/m  wechselt.  ^ 

Wie  also  auch  aus  diesen  Erörterungen  hervorgeht,  hat  man 
mit  Recht  die  von  Müller-Strübing  wieder  aufgenommene  Hypo- 
these über  einen  voreuklidischen  Staatsschatzmeister  zurück- 
gewiesen; aber  gerade  in  Folge  dieser  Zurückweisung  drohen 
andere  irrige  Auffassungen  in  die  attische  Geschichte  des  fünften 
Jahrhunderts  sich  einzuschleichen.  Man  neigt  jetzt  sehr  dahin, 
die  Feldherrngewalt,  besonders  wie  Perikles  sie  gehabt  hat, 
häufig  mit  ausserordentlichen  Machtbefugnissen  sich  ausgestattet 
zu  denken.  Was  die  Stellung  der  Strategen  anbelangt,  so  wird 
jeder  gern  zugeben,  dass  sie  das  angesehenste  Amt  in  Athen 
versahen.  Man  ist  aber  nicht  zu  dem  Schlüsse  berechtigt,  der 
auch  gezogen  wurde:  summa  denique  totius  reipublicae  potestas 
ante  Euclidis  annum  penes  präetorum  consilium  fuisse  videtur/^ 
Wir  haben  ja  Beamte  vor  uns,  die  sich  in  den  Kahmen  der 
athenischen  Verfassung  fUgen  mussten,  in  welchem  Bule  und 
Ekklesia  die  beiden  treibenden  Factoren  bildeten.  Dem  steht 
nicht  entgegen,  dass  Feldherren  in  gewissen  Fällen  mit  einer 
ausserordentlichen  Gewalt  in  militärischer  und  finanzieller 
Hinsicht  ausgestattet  wurden.  Nicht  mit  Unrecht  werden  wir 
UDQ  den  Kimon  auf  seinen  verschiedenen  Expeditionen  an  der 
hellespontischen,  thrakischen,  jonischen,  karischen  und  pam- 
phylischen  Küste  in  einer  so  bevorzugten  Stellung  denken. 
Ueber  eine  ähnliche  Macht  dürfte  Perikles  in  dem  so  kritischen 
Zeitpunkte  verfügt  haben,  als  Euböa  und  Megara  abfielen  und 
die  Peloponnesier  in  Attika  einbrachen.  Thukydides  spricht  da 
immer  nur  von  dem  einen  Feldherm  Perikles. ^  Derselbe  setzt 
nach  Euböa  über,  geht  auf  die  Kunde  vom  Abfall  Megaras  und  dem 
bevorstehenden  Einbruch  der  Peloponnesier  nach  Attika  zurück 

*  Es  mag  gleich  hier  erwfihnt  werden,  dass  es  nicht  mehr  angehen  dürfte: 
i:n{jL£Xr|T7j(  Tüiv  [xoivwv]  :cpoao$a)v  mit  den  Titulaturen:  6  sjci  t^  $ioixij9£i 
nnd  Taip.fa(  ttJ;  xoivtj;  Tcpovddou  zu  identificiren. 

^  Arnold.  De  ...  .  praetoribns.  Leipzig.  Diss.  1873. 

^  Daas  Perikles  damals  über  eine  bedeutende  Gasse  verfügt  habe,  geht 
aus  der  Verwendung  der  ,10  Talente*   hervor. 


390  Fellner. 

and  wendet  sich  gegen  den  heranziehenden  König  PleistoaDax. 
Nachdem  es  ihm  gelungen  ist,  die  Spartaner  zam  Rücksng  zu 
bewegen ;  betreibt  er  neuerdings  die  Unterjochung  Enböas 
(1.  114). 

Man  darf  aber  in  der  Annahme  von  solch'  ausserordentlicheD 
Gewalten  nicht  zu  weit  gehen.  Ob  z.  B.  die  Worte  bei  Thukj- 
dides :  IlepixX^ou;  Bexätou  owtoO  arparrj-f oOvto;  £vau|jwt)rrjffav  zpo^  Tp r;ü 
TTJ  vT(5«o  (samischer  Krieg,  1. 116.)  und  FleptxXtj;  6  SavOi^rccj  7Tp2iT,f:: 
ü^v  'AOv;vai(dy  Bexoto^  auTo;  (Ausbruch  des  pel.  Krieges,  2.  13)  so 
zu  deuten  seien,,  dass  Perikles  damals  eine  autokratore  Stellung 
hatte,  ähnlich  wie  die  nach  Sicilien  abgehenden  Feldherren^ 
Alkibiades,  Nikias  und  Lamachos,  von  welchen  es  Thukydides 
ausdrücklich  besagt  (6.  8),  dürfte  bezweifelt  werden  können. 
£&  wäre  sonderbar,  warum  der  Schriftsteller  gerade  diesen 
Ausdruck  von  den  drei  Feldherren,  welche  nach  Sicilien  ge- 
schickt wurden,  gebrauchte  und  nicht  von  Perikles,  wenn  er 
damals  oTpaTv]Yo;  altioxf  orcop .  gewesen  wäre.  Der  Ausdruck 
auTCxpaTcop  hat,  wenn  wir  uns  die  Worte  bei  Thukydides  ver- 
gegenwärtigen, den  Sinn,  dass  die  betreffenden  Feldherren  eine 
absonderliche,  eine  Ausnahmsstellung  bekamen,  wohl  in  Rück- 
sicht darauf,  dass  sie  mit  einer  so  grossen  Macht  auf  ganz 
ungewisse  Zeit  in  entfernte  Gegenden  geschickt  wurden. 
Die  andere  Ausdrucksweise  und  die  Fassung,  in  der  sie 
gebraucht  wird,  lässt  auf  eine  autokratore  Stellung  in  diesem 
Sinne  nicht  schliessen.  Wenn  Gilbert  (a.  a.  0.  p.  43.)  be- 
hauptet, dass  die  Worte :  eaipan^Y^^  ^^  Nix(a^  6  Ntxr^pirou  xpCio^  x^ts; 
(Thuk.  4,  42)  zu  erklären  sind:  ,Nikias  nahm  unter  den  drei 
die  Expedition  gegen  das  korinthische  Gebiet  commandir enden 
Strategen  die  Stelle  des  Oberbefehlshabers  ein^,  so  werden  wir 
ihm  für  die  gewiss  richtige  Erklärung  dieser  Worte  sehr  dankbar 
sein,  wenn  er  aber  dann  weiter  geht  und  bemerkt,  dass  Perikles 
als  (TtpoTYjYb;  hhjaxoq  omo^  der  oberste  unter  den  zehn  FeldheiTen 
und  daher  (npavri'^h^  auToxpoercop  war,  so  wird  das  nicht  zugestanden 
werden  können.  Der  Schriftsteller  will  damit  nur  ausdrücken, 
dass  in  diesem  Feldzug  alle  zehn  Strategen  verwendet  wurden 
und  Perikles  derjenige  war,  welcher  das  Obercommando  führte. 
Es  ist  ja  auch  sehr  natürlich,  dass,  als  nach  Auflösung 
des  diplomatischen  Verkehrs  zwischen  Athen  und  Sparta  die 
athenische    Land-    und   Seemacht  auf  den   Kriegsfuss   gesetzt 


▲ttuch«  FinMUTenraltanff  in  fftBften  und  Tierten  Jahrhundert.  391 

wurde,  alle  zehn  Strategen  unter  der  Oberleitung  des  Perikles 
in  Thätigkeit  kamen.  Das  Gleiche  gilt,  wenn  erzählt  wird, 
dass  Perikles  die  Athener  in  der  Seeschlacht  bei  der  Insel 
Tragia  als  Bixaioq  rspocxTt^oq  führte.  Es  wird  damit  ausgedrückt, 
dass  die  Athener,  als  der  Aufstand  in  Samos  eine  gefahr- 
liche Gestalt  angenommen  hatte,  sich  genöthigt  sahen,  ihre 
gesammte  Flotte  zu  mobilisiren  und  dem  Perikles  darüber 
den  Oberbefehl  zu  ertheilen.  Alle  zehn  Feldherren  waren  da- 
durch in  Thätigkeit  gebracht.  Ein  Theil  von  ihnen  ging  gleich 
mit  einer  starken  Flottenabtheilung  ab  und  kämpfte  unter 
Perikles'  Führung  bei  Tragia,  andere  führten  dann  die  Ver- 
stärkungen nach:  ,'AOT)vaToi  Be  .  .  .  .  '^wXeuaavre^  vKUdiv  i^i^^xovTa  iizi 
lipisu  TaT^  [x^v  exy.aiBsxa  twv  vswv  oux  exp/j^ovio  (Itj^ov  ^ip  a\  [jlsv  ItA 
Rxpia^  I;  7cp5cxoxrjV  twv  <I>ctvwcü>v  veujv  clyrdpievat,  al  5'  iiri  Xioj 
X21  Adffßo'J  ^spuf f£AAouffat  ßsr^SeTv),  Tsacapdxovra  oe  vauci  xal  Teo^apfft 
(hptxXlou^  osxaTOu   «ütoO  ^xpaTr^vouvco^  svaüfJLaxTG^ÄV  Tcpb^  Tpa^ia 

T^  »njüco 'jcTTspov  8e  auTOi?  sßot^Orjcav  ix  twv  'AOtqvwv  '/t)£? 

TSTcapixovTa  xal  Xi(i)v  xal  Ae^ßicov  TcevTc  xac  eixcat 

(UptxXi]«;  Bs  Xaßfa>v  E^ixovia  vau(;  .  .  .  (px^TO  xaia  Taxo<;  Itci  Kauvcu 
xal  Kapta^'  —  es  war  nämlich  eine  phönizische  Flotte  signalisirt 
worden.  —  Von  dort  kehrte  Perikles  wieder  nach  Samos  zurück 
und  bekam  neue  Verstärkungen,  da  während  seiner  Abwesen- 
heit die  aufständischen  Samier  gewaltige  Vortheile  errungen 
hatten:  ,xat  ex  tü)v  'A6t]V(i>v  Oercepov  Tcpoaeßoi^Ovjaav  leaaapixovxa  [asv  al 
lUTa  BcuxuSiSou  xai  "Ay^ta^o^  yuxi  <^9p{x{(l)V9^  vv]£^,  eixoci  3s  al  (xsTa  TXiqxo- 
*A£|ji5u  xal  AvTixXiou^,  ix  $iX{cu  xscl  AicTßou  TpiaxovTa'  (Thuk.  1. 116  und 
117).  Ueberall  tritt  somit  derselbe  als  Oberadmiral  auf.  Damit 
war  aber  keine  extraordinäre  Gewalt  verbunden.  Wir  müssen 
eben  strenge  scheiden  zwischen  a^parqyh^  auroxpaKop  und  crpan^Y^; 
Ihtanoq  oder  xpiTO^. 

Nach  den  gepflogenen  Frörterungon  könnte  es  schon  als 
ausgemachte  Thatsache  gelten,  dass  im  fünften  Jahrhundert 
in  Athen  kein  Beamter  fungirte,  welcher  die  Stelle  eines 
Oberaufsehers  über  das  ganze  Finanzwesen  einnahm.  Ich 
habe  mich  bisher  den  Betrachtungen  angeschlossen,  welche 
von  den  Gelehrten,  die  sich  mit  diesem  Gegenstande  beschäf- 
tigten, gemacht  worden  sind,  und  dieselben  entweder  einfach 
aogefiihrt  oder  mit  kleinen  Veränderungen  in  meine  Darstellung 
des  Sachverhaltes  verarbeitet.   Obwohl  ich  mich  im  Folgenden 


392  Fellnar 

mit  verschiedenen  Finanzämtern,  wie  sie  vor  Euklid  bestanden, 
beschäftigen  werde,   so  bietet  doch  gerade  die  Inschrift  (C.  I. 
A.  I.  32),  welche  ich  diesen  Auseinandersetzungen  zu  Grunde  lege, 
auch  die  Hauptbeweisstelle  dafür,  was  in  den  vielen  Abhand- 
lungen über  diesen  Gegenstand  nicht  geltend  gemacht  worden 
ist,    dass   von  einem  lotida^  t^<;  xotv^^  ?cpo96Sou  vor  Euklid  nicht 
die  Rede   sein  kann.     Hätte  ein  Staatsschatzmeister   zu  jener 
Zeit  amtirt,   so   hätte   er   in    dieser  Urkunde   erwähnt   werden 
müssen.   Dieselbe  gibt  über  die  finanzielle  Gebahrung,  wie  sie 
damals  in  Athen  herrschend   war,    den    entscheidendsten   and 
sichersten  Aufschluss.     Wir  lernen  aus  ihr,   dieser  Satz  kann 
nie  genug  betont  werden,  dass  die  Gesammtheit  des  Rathes 
im  Verein   mit   den  Prytanen   die   oberste  Finanzbehörde 
im  athenischen  Gemeinwesen  vorstellt.    Die  Bule  ist  es,  welche 
während  ihres  Amtsjahres  über  alle  athenischen  Schatzbeamten 
Controle   übt.     Derselben   Bule   werden   Vollmachten   ertheilt, 
Finanzbeamte  in  ausserordentlicher  Weise  zu  versammeln,  um 
mit  ihnen  nothwendige  Berechnungen  anzustellen.  Die  Prytanen, 
der   im  Amt   befindliche   Ausschuss,    der    Bule   bekommen  im 
Verein   mit    dem    ganzen    Rathe   den    Auftrag   die    Summen, 
die  der  Staat  den  andern  Göttern  schuldete,  zurückzuerstatten. 
In  Gegenwart  des   gesammten   Rathes  werden   den   neu  ein- 
gesetzten Schatzmeistern   der  andern  Götter  die  Gelder  dieser 
Götter   von    den  Schatzmeistern,   Vorstehern  und  Opferherren 
der   einzelnen  Tempel,    welche   sie   bisher  gesondert  verwaltet 
hatten,  zugewogen  und  zugezählt.   Im  griechischen  Texte  lauten 
diese  entscheidenden  Stellen :  Xo^i^ocoOtov  Ik  [o\  XjoYtotat  o\  Tpiixcvra 
okep  vuv  Tflc  bftik6\LVfOL  Tot?  Oeöi;  ötx.p[tßw]<;.  auvorfWY^?  Se  TwXXovtfftwv 
ii  ßoüXr,  a'JTOxcaxwp  *  fotw.  ätcoBovtwv  [hk  t]«  ^pT^ixai«  oi  «purovei^  |Jir:i 
Tijq  ßoüXYJ?  xat  e^aXei^ovTwv  ....  und   weiter    unten   Trapa  Ik  wv 
vuv  TajJLiüiv  xai  twv  eTCtffraTwv  xai  twv  Ispoicoiöv  twv  ev  loT^  *.spoi^,  o?  vyv 
Biax£iptl^ou[(7t]v,  d7:apiö|jLr^(7a(76ü)v  y.ai  d^roarrjOaoSwv  la  yjp-fi[k(x:za  evavTisv 
Tij?' ßouX[t5];  l|xic6Xei.   (C.  I.  A.  I  32  A.  8—10  und  18-21).^ 

1  In  den  Snpplem.  zum  C.  I.  A.  I  findet  sich  in  nr.  22  a  auch  die  Formel 

in   ähnlicher  Fassung.    Frg.  d  e  vs.  17  [']r\  ßou[XTJ   t^;   ^JuXa«^«  •  twv  5j 

4o^9[ia[jLaia)v]  vel  ^^^[iffO^vKov]. 

vs.  18 av  i;:iT[d^rc7]]Tai,  ii  ßouX?)  auToxpaT[(üp  —  — 

3  Diese   Inschrift  besprechen   besonders  Böckh    im  Staatsh.   2.  50  ff.,  and 

Kirchhoff:    Bemerk,  zu    den  Urk.  der  Schatzmeister   der  anderen  Götter 


Attische  FinanzTerwaltttog  im  ffkofteu  und  vierten  Jahrhunderte.  393 

Auch  in  anderer  Hinsicht  ist  diese  Inschrift  noch  von  grossem 
Interesse. 

Wir  erfahren  hier,  dass  von  nun  an  für  die  Ver- 
waltung der  Tempelschätze,  welche  in  der  Nachzelle  des 
Parthenon  aufzubewahren  sind,  zwei  Schatzmeistercollegien 
bestehen  sollen,  das  eine  ist  das  schon  seit  Alters  wirkende, 
der  Schatzmeister  der  Athena,  das  andere  ist  das  der  anderen 
Götter,  welches  jetzt  durch  diesen  Volksbeschluss  ins  Leben 
tritt.  Weiter  wird  dann  in  einem  zweiten  Theile  der  Inschrift 
(Rückseite)  angeordnet,  oder  nach  Eirchhoff  besser  ausgedrückt: 
eingeschärft,  dass  die  Hellenotamien  die  bei  ihnen  jährlich 
einlaufenden  Gelder  bei  den  Schatzmeistern  der  Athena  de- 
poniren  sollen.  *  Daraus  geht  deutlich  hervor,  dass  in  der  Nach- 
zelle des  Parthenon  dreierlei  Schätze  aufbewahrt  werden.  Auf 
der  linken  Seite  befinden  sich,  wie  die  Inschrift  zeigt,  die 
Werthgegenstände  der  anderen  Götter,  rechts  die  Gelder  der 
Athena  und  mithin  auch  die  Staatseinkünfte.  Festzuhalten  ist 
aber  dabei,  dass  man  streng  unterscheiden  muss  zwischen  den 
Schätzen  der  Tempel,  welche  Eigenthum  derselben  und  in  Ver- 
waltung der  Schatzmeister  der  Athena  und  der  anderen  Götter 
sind,  und  dem  Staatsschatze  von  Athen,  welcher  Eigenthum  des 
Staates  ist  und  von  den  zehn  Hellenotamien  verwaltet  wird.^ 
Ueber  letzteren  konnte  der  Demos  unbeschränkt  disponiren. 
Die  Tempelgelder  durften  aber  zum  Schutze  des  Staates  nur 
in  ,der  allerdings  wesentlich  fictiven  Form  von  verzinslichen 
und  zurückzahlbaren  Anleihen  verwendet  werden'  (vgl.  Abhandl. 


p.  9  ff.  Abhandl.  der  Berl.  Akad.  1864,  uud  derselbe :  zur  Geschichte  des 
athenischen  Staatsschatzes  im  fünften  Jahrhundert  p.  33  und  44  ff. 
Abhandl.  der  Berl.  Akad.  1876. 

<  Kirchhoff,  Abhandl.  a.  a.  O.  Köhler  (Abhandl.  d.  Berl.  Akad.  1869, 
p.  104)  hält  mit  Unrecht  dafür,  dass  nnr  die  verbleibenden  Ueberschüsse 
deponirt  wurden.  Vgl.  Lösch ke,  Bonner  Dissert.  1876  p.  5. 

2  Vgl.  Abhandl.  d.  Berl.  Akad.  1876,  32  ff.  Es  wird  hier  mit  Grund  Staats- 
schatz und  nicht  Tributgelder  gesagt,  weil  überhaupt  auf  der  Burg  die 
UeberschÜMe  der  Einnahmen,  welche  wohl  vorzüglich  aus  den  Tribut- 
geldem  bestanden,  aufbewahrt  wurden.  Schon  die  Alten  hatten  die  gleiche 
Meinung.  Die  Lexikographen  sprechen  von  Ispoc  xai  ^[Loata  ypi^^jiaTa  auf 
der  Burg,  vgl.  den  Artikel  tajxfat  bei  Harpokration,  Photios  und  Siiidas 
and  die  Worte  des  Hesjchios:  oZ  to  Stj^xo^iov  apy^piov  an^xsito   [xcpb^  to) 


394  Fellner. 

d.  Berl.  Akad.  1876,  p.  58).   Die  Competenz  der  beiden  Sch&te- 
behörden,  welche  die  Tempelgelder  verwalteten,  ist  mit  Leich- 
tigkeit aus  den  angezogenen  Steinurkunden  und  den  gleichfalls 
im   C.   I.   A.   I.   gebrachten    Uebergabsurkunden    und  Jahres- 
rechnungen dieser  Schatzmeister  festzustellen.     Schwieriger  ist 
es  zu  einem  richtigen  Verständnisse  der  Befugnisse  der  Helleno- 
tamien  zu  gelangen.  Thukydides  sagt  von  ihnen:  xal  £X).i]voTa)i{a'. 
T5TS  TTpwTOv  WOiQvaioj?  y.xr^^TTr;  apx^  ®^  kii'/p'no  tov  ^opcv  1.  96,  ,und 
das   (als  Thukydides   dies   schrieb,   noch  bestehende)  Helleno- 
tamien  genannte  Amt  wird  damals  zuerst  (allgemein,   in  jener 
früheren  Zeit)  bei  den  Athenern  eingerichtet,  welche  den  Tribut 
zu  vereinnehmen  hatten^  '    Die  Hellenotamien  erscheinen  wohl 
schon  hier  als  eine  Behörde,   welche   mit  dem  Einnehmen  der 
Tribute  zu  thun  hatte.  Dasselbe  bezeugen  die  oben  besprochene 
Worte  der  Steininschrift,  aus  denen  auch  hervorgeht,  dass  die 
Hellenotamien  die  bei  ihnen   einlaufenden  Tribute   im  Tempel 
der  Göttin   auf  der  Burg  niederlegten.     Von  weiterem  Belang 
ist,   dass   aus  derselben  Urkunde   zu  folgern  ist,   dass  der  ge- 
sammte  jährlich  eingehende  Tribut  deponirt  wird.    Wir  sehen 
somit,   der  athenische  Staat   deckte  seine  laufenden  Ausgaben, 
über  deren  Höhe  wohl  zu  Anfang  des  Jahres  ein  Ueberschlag 
gemacht    worden    sein    düi*fte,    nicht    aus    den    Tributgeldern, 
sondern,  wie  vor  der  Ueberführung  des  Bundesvermögens,  aus 
seinen  eigenen  £innahmsquellen.     In  Bezug   auf  die   amtliche 
Stellung   der  Hellenotamien   ergibt  sich   ferner  als  Frage  von 
grosser   Wichtigkeit:    in   welchem   Verhältnisse    standen    dann 
eigentlich  diese  Beamten  zu  dem  Staatsschatze?   Deponirten  sie 
bloss  die  eingelaufenen  Summen  oder  waren  sie  auch  die  Ver- 
wahrer und  Verwalter  des  Staatsschatzes.  Dass  sie  nicht  lediglich 
als   Deponenten,    sondern   als   Verwalter   anzusehen    sind,   hat 
Eirchhoff  überzeugend  dargethan  (vgl.  Abhandl.  d.  Berl.  Akad. 
1876,  p.  33  ff.).    Ob  sie  auch  an  der  Verwahrung  des  Schatzes 
Antheil  hatten,  scheut  sich  wohl  derselbe  Gelehrte  bestimmt  aus- 
zusprechen, wenn  er  sagt:  ,0b  sie  (die  Hellenotamien)  im  Besitze 
eines  besonderen  Schlüssels  zu  dem  gemeinschaftlichen  Gassen- 
local,    dem   Opisthodom,    des   Parthenon   waren   und,   wie  die 

1  Rirchhoff:    Der   deliache  Bund   im   ersten  Decennium    seines  Bestehens. 
Hermes  XI,  p.  33. 


Atüsche  FinADZTenraltong  im  f&nfken  und  TierioB  Jahrhiuid«rte.  395 

Schaiameister  der  Athena  und  der  anderen  Götter^  bei  der 
gemeinschaftlichen  Oeffnong,  Schliessung  und  Versieglung  des 
Locales  sich  betheiligten^  ist  nicht  überliefert;  jedenfalls  ver- 
ßigte  der  Rath  der  Fünfhundert  über  einen  Schlüssel,  der  sich 
in  der  Verwahrung  des  jedesmaligen  Epistaten  der  Prytanen 
befand  und  von  diesem  im  Falle  des  Bedarfes  entnommen 
werden  konnte,  und  die  Zahlungen  aus  dem  Depositum  er- 
folgten durch  die  Hellenotamien  und  nicht  die  Schatzbehörd'e 
des  Tempels,  die  sie  diesen  nur  auszufolgen  hatten  (a.  a.  O.)  ^ 
Als  Belegstellen  werden  angeführt:  Eusthatios  zur  Odyssee, 
p.  1827.  ^'/e'xoii  Yap,  (pr|Otv  (Telephos  von  Pergamos),  sTctcraTri? 
WÖnjVKjgiv  sx  Twv  7:puTiv£ü)v  sT^,  oq  ewoTOTsT  vuxta  xat  T^jAspor/  [jliV;, 
7.a'  zXstct)  yupi'K'i  ou*/.  I^ecrciv  ouSe  3t(;  tov  aurbv  YSveoOai,  TOtq  t£  -aXcT^, 
£V  ot^  Ta  }^pii^pLO(Ta  51(71,  ^uXaTTe:  xal  ta  ^pd^ij^cna  tij?  toXsü);  xal 
TTjV  3r|(Aoa{av  a^paYiSa.  Suidas  1,  458.  xa>v  xpuTav£(i>v  v.q  6  Xo^^wv  äTci- 
yiÄTTi^  eXe^fifO-  St^  Bs  tbv  autbv  i'KKJzavfpai  oux  i^^v.  ^uXacrffst  Se  tou 
lepcD  xa?  xXs;?,  ev  ta  xa  SyjfJiocia  j^pr^fjiaxa,  £xt  |jly;v  xal  xyjv  8r^[jioaiav 
J^poriftoa.  Etymolog.  M.  p.  364.  ei«(jxaxai  ouo  ^aav  'AOn^vifjaiv,  wv  6 
•A£v  Ix.  7puxav£ü)v  £xXiQpouxo  —  f  üXdacfii  §£  Tou  Upou  xas;  xX£i?5 
£v  a>  xa  3r^[A6cia  xp-^iiKOLza,  sxi  jjlyjv  xal  xtjv  iri[ioa(fpxfZ(X.  Pollux  8,  96. 
entoxirrij;  o'  iaxh  eiq  xwv  icpuxovswv,  6  xXi^pü>  Xaxc«)v.  Slq  8'  oux  i^toxi 
vcVfisOa».  xbv  «uxbv  £ictoxaxY;v.  fi^et  Be  oSxoq  xwv  Upöv  xa(;  xX£i(;, 
£v  ol^  xa  xp^ii^^*^^  **^  '^  YpafjipLaxa.  Ueberzeugend  glaube  ich 
können  die  obigen  Auseinandersetzungen  .Eirchhoffs  sammt 
den  Belegstellen  nicht  wirken,  derselbe  scheint  überhaupt  das 
Richtige  nicht  getroffen  zu  haben.  Vor  allem  muss  doch  die 
Inschrift  Nr.  32  selbst  in  Betrachtung  gezogen  werden.  In 
dieser  steht  nun  ausdrücklich :  xal  cuvavoiYovxwv  xai  aüY>tXY)6v- 
Twv  —  xayLlai  xwv  d(XXa>v  öeöv  —  xa;  %poLq  xoö  5xtff6o86|JLOu  xal  ouaoYj- 
iiaiviaöwv  xotq  xuiv  xiji;  'A^^vata;  xa|jL(at;  (Z.  16 — 18).  Diese  Worte 
sagen,  dass  die  Schatzmeister  der  Göttin  früher  allein  die 
Thüren  der  Nachzelle  öffneten,  verschlossen  und  versiegelten, 
und  dass  nach  Errichtung  der  neuen  Schatzbehörde  die  Schatz- 
meister der  andern  Götter  dieses  Geschäft  im  Verein  mit 
den  Schatzmeistern  der  Athena  zu  verrichten  hatten.  Es  ist 
dies  ein  Reglement  für  die  Oeffnung  und  Schliessung  des 
Schalzhauses.  Von  den  Hellenotamien  und  dem  Epistates  der 
Prytanen  ist  dabei  mit  keinem  Worte  die  Rede.  Weder  dieser 
noch  jene   können   daher  nach   dem   feststehenden   Wortlaute 


396  Fellner. 

der  Urkunde   betheiligt  gewesen  sein.     Gewiss  hätte  letzterer 
Umstand  in   einem   Volksbeschluss,   der   die  Competenz  einer 
neuen  Behörde  festsetzte  und  der  überhaupt  das  Cassenwesen 
auf  der  Burg  regelte  und  ordnete,    besonders  erwähnt  werden 
müssen.     Dass    also   die    Hellenotamien    einen   Schlüssel  zum 
Opisthodom   nicht   besassen,    ist   mithin   zu   folgern.     Es  war 
auph    nicht    notwendig.     Dieselben    hinterlegten    ja    bei    den 
Schatzmeistern  der  Athena  die  eingelaufenen  Summen.    Diese 
nahmen   sie    in   Gewahrsam    und   händigten   sie   den   Helleno- 
tamien, welche  allein  die  Verwaltung  und  Verrechnung  darüber 
zu  führen  hatten,   im  Bedarfsfalle  wieder  aus.     Deshalb  zahlte 
der  Staat   dafür  die  oxap/y^.     Die  Staatsgelder   waren   dadurch 
in   den  Schutz  der  Göttin  übergegangen   und  wurden  von  den 
der   Göttin  und   den   Göttern   gestellten   Schatzbeamten   unter 
Schloss  und  Riegel  gehalten.     Auch  der  Epistat  der  Piytanen 
kann   somit   bei   der   Oeffnung,   Schliessung  und   Versiegelang 
nicht    zugegen    gewesen    sein.     Was    sollen   aber    die   Worte: 

welche  wir  bei  den  Lexikographen  in  grösseren  oder  geringeren 
Variationen  lesen,  besagen?  Streng  genommen  ist  in  ihnen 
nur  enthalten,  dass  der  jeweilige  Vorstand  der  Prytanen,  der 
Epistat,  die  Schlüssel  der  Nachzelle  in  Aufbewahrung  hatte. 
Und  so  haben  wir  wohl  die  Worte  zu  fassen.  Der  Möglichkeit 
dieser  Erklärung  steht  nicht  nur  nichts  im  Wege,  es  stimmen 
vielmehr  andere  Beobachtungen,  die  wir  gemacht  haben,  voll- 
kommen damit  überein.  Es  ist  bereits  darauf  hingewiesen 
worden,  dass  der  Rath  mit  den  Prytanen  über  den  heiligen  und 
profanen  Schatz  auf  der  Burg  die  oberste  Controle  übte.  Anderer- 
seits wissen  wir,  dass  es  unter  den  Beamtenkategorien  in  Athen 
nur  eine  gab,  welche  beständig  einen  Ausschuss  in  Amtsthätig- 
keit  hatte.  Es  ist  dies  wieder  die  Bule,  von  der  abwechselnd 
fünfzig  Mitglieder  (Prytanen)  in  einem  eigenen  Amtslocale, 
der  Tholos,  sich  aufhielten.  Was  ist  natürlicher,  als  dass  der 
Epistat  derselben  die  Schlüssel  zum  Opisthodom,  wenn  sie  von 
den  Schatzmeistern  nicht  gebraucht  wurden,  in  seinem  Bureau  der 
grösseren  Sicherheit  wegen  Tag  und  Nacht  in  Verwahrung  hatte. 
Wenden  wir  uns  nach  dieser  kurzen  Digression,  die  aber 
doch  zur  Sache  gehört,  wieder  zu  den  Hellenotamien  zuriic^k. 
Es  wäre  nämlich  noch  zu  bemerken,   dass  wir  aus  Inschriften 


Atiiiclie  FinanxTerwaltiinfr  im  fftnfteti  and  Tierten  Jahrhaii'^erte.  397 

einigen  Einblick  in  das  Verliältniss  bekommen;  in  welchem 
die  Verwalter  des  Staatsschatzes  zu  den  Schatzmeistern  der 
Athena  und  der  anderen  Götter  standen.  Bekanntlich  zog  es  das 
athenische  Volk  vor,  auch  wenn  es  über  sehr  bedeutende  eigene 
Gelder  zu  verfugen  hatte,  Ausgaben,  welche  aus  den  laufenden 
Einnahmen  nicht  bestritten  werden  konnten,  durch  Anleihen, 
welche  bei  den  Tempelschätzen  gemacht  wurden,  zu  decken 
(a.  a.  O.  p.  46).  Noch  mehr  wurden  letztere  in  Mitleidenschaft 
gezogen,  wenn  der  Staatsschatz  erschöpft  war.  Abgesehen  von 
anderen  Modalitäten,  welche  beobachtet  werden  mussten,  wenn 
Gelder  oder  Werthgegenstände,  die  den  Göttern  gehörten,  zu 
Staatszwecken  verwendet  wurden,  wollen  wir  hier  blos  darauf 
Rücksicht  nehmen,  in  welcher  Art  und  Weise  die  Uebergabe 
dieser  Gelder  oder  Werthgegenstände  an  den  Staat  erfolgte. 
Zahlreiche  Inschriften  gewähren  darüber  Auskunft.  Unter 
den  vielen  wähle  ich  folgende  aus:  [A6Y)vaTot  avi^Xcoaov  bd  'Avrt- 

^VTC?  i^jiYZoq  %ai  i%i  TYJq  ßoüXtjq,  ^ xpÖTO(;  IyP^M-M" 

T6ÜS  .  i;]a[[JL]tat  |  [lepwv  xP^P^öctwv  vr^q  'AOrjvata;,  nu663(i)po<;  'AXateu; 
xa»  flTüvdp/ovTSc,  oiq  (^op{At(l)v  'AptTCiwvo;  Ku]Baöevat€|[ü?  i-^pa[i.\kdizDe^ 
TJxpBococi  'EXXtjvcTaiJLiai^,  "EpYoxXsi  'ApicisCSou  Br^aatet  xal  ^ujvipyouat, 
ifjxi  xape^pot^,  |  ['IspoxXsi  'Ap^earpaTOu  'AöfACvet  y,at  ouvap/ouc«,  ixi  ttj«; 
-  -  iloq  -  -  ?  xpüTa]vsuo'j(n;?  xat  t^JA^P«  5eüT|[^a  xal  etxoort)  rfiq 
'pAactzioL^  .  .  .  oüTOi  Ik  ISoaav  tci^  ItA  tou;  oxXtTotYWYJou;  toT^  jxeta 
AsjjLco^^voüi;.  E'[-  -  -  -  -  dbco§oOva]i  tou<;  'EXXTjvOTapita;  xal  [T|01>? 
"opdBpoik;  toi?  TafjLiai?  T>jc]  Oeou  nu8[oS(i)p<i)  *AXai€T  x.al  §uvap/owiv, 
•/.xl  Tou;  Tajxjta?  t^c  Oecö  xaXtv  wapaBou[v|ai  to  i?  'EXXyjvoTapiCaK;  xjai 
'ov;    i:ap63[poi?.    ouToi    81    ISoffov    Gxpavfi'^oiq    hd    0]paxTf)(;,    E'j6uB^[jki) 

'Eu3^<|xou.    I (Z.    1—9.    nr.    180— 183.    C.    I.    A.    I.) 

Der  Sinn  dieser  Urkunde  nach  Kirchhoffs  eigenen  Worten 
ist:  Demosthenes  quominus  statim  proficisceretur  quum  mora 
esset  objecta,  jussisse  populum  pecuniam  Hellenotamiis  nume- 
ratam,  ut  traderetur  Demostheni,  reddi  Deae  quaestoribus; 
mox  bis  esse  imperatum,  ut  eandem  pecuniam  rursus  tra- 
derent  Hellenotamiis,  qui  dandam  curarent  Euthjdemo  eiusque 
coUegiis  (a.  a.  O.).  Wir  haben  uns  also  den  Vorgang  so  vor- 
zustellen, dasB  die  Schatzmeister  die  vom  Volke  ausgeliehenen 
Sommen  den  Hellenotamien  übergaben.  Letztere  übermittelten 
dieselben  den  bestimmten  Cassen  oder  Personen.  Die  Formel 
dafiir   ist,    wie   die   gleich    im    corpus    folgenden    Inschriften 


39S  FellEüT. 

zeigen:  Ta(i.tat TrapeSoaov  'EXXrjvoTapLtai;  oder  'E)^»Y;vcTa|*.{r.; 

rapeSoöt). 

Man  findet  aber  auch,  dass  in  diesen  Rechnungsablagen 
der  Schatsmeister  die  Formeln  vorkommen:  crcpomriYoT;  xopeBf^j, 
aOXoOexat^  zap£860v),  lepoxoioi^  7cape§66T),  Tpttjpixci)  ....  -irttp&^i^j 
(C.  I.  A.  I.  188,  189.)  £s  fragt  sich;  wie  wir  diese  Aob- 
drücke  deuten  sollen.  Man  könnte  meinen,  dass  sie  dasselbe, 
wie  die  früher  in  ihrem  vollen  Wortlaute  erwähnten  besagen. 
£s  liesse  sich  annehmen,  dass  die  Worte  icopa  xm  ^EkXrjycxiiLm 
zu  substituiren  seien.  Dem  widerspricht  aber  die  ganze  Fassung 
dieser  Steinurkunden,  wie  unter  anderm  zeigt:  &k\  ty);  'Avnc/jBo: 
brfi6rq^  'j7puTaveuo69Y]^  SeuTi[pa  i^fJL^poc  rf^q  xpirca]ve£a[;]  ^EXXYjvorapia  tr. 
icizpdBpii),  <^iXopLi^[Xci)  M] '  apa6(i)v{ci),  %a\  cTpomQycp  dv  T(j>  BepfAatb)  x^X*?]» 
......   (C.  I.  A.  I.   182,   183.  d.  Z.  17—19!  p.  82). 

Man  muss  gerade  auf  Grund  dieser  letzteren  Worte 
schliessen,  dass  die  Tempelschätze  in  doppelter  Weise  von  den 
Schatzmeistern  der  Oöttin  verausgabt  wurden,  erstens  durch 
die  Vermittlung  der  Hellenotamien,  dann  direct  an  bestimmte 
Personen  und  Behörden  selbst.  Ersterer  Fall  war  der  regel- 
mässige und  gewöhnliche.  Letzterer  dürfte  nur  auf  specielle 
Anordnung  der  Volksversammlung,  in  welcher  die  Anleihe  be- 
schlossen wurde,  eingetreten  sein. 

Obwohl  bisher  nur  die  Rede  war  von  Anleihen,  welche 
bei  dem  Schatze  der  Athena  gemacht  wurden,  so  ist  doch  eben- 
so festzuhalten,  dass  auch  bei  den  Schatzmeistern  der  anderen 
Götter  geborgt  wurde,  wie  aus  nr.  273  p.  148  hervorgeht. 

Die  Gelder,  von  denen  wii-  gesprochen  haben,  sind  solche, 
welche  das  Volk  bei  den  Schatzmeistern  der  Göttin  oder  der 
anderen  Götter  auslieh.  Es  wurde  aber  auch,  wie  aus  Thuky- 
dides  deutlich  genug  hervorgeht,  der  grosse  Staatsschatz, 
welchen  die  Hellenotamien  zu  verwalten  hatten,  während  des 
peloponnesischen  Krieges  vollständig  aufgebraucht.  Da  derselbe 
mit  den  Schätzen  der  Athena  verwahrt  wurde,  so  mussten 
die  Schatzmeister  dieser  Göttin  bei  der  Auslieferung  von  Staats- 
geldern betheiligt  gewesen  sein,  wohl  nur  in  der  Art  und 
Weise,  dass  sie  die  Nachzelle  des  Parthenon  öffneten  und  die 
Summen  den  Hellenotamien  ausfolgten,  welche  deren  Ver- 
rechnung allein  zu  besorgen  hatten.  Leider  sind  von  Seite  der 
Hellenotamien    keine    Rechnungsablagen    vorhanden.     Ich  bin 


Aitiflche  Finanz T«TwaUnnsr  im  fftnfUn  uod  vierton  Jahrhundert«.  399 

aber  überzeugt,  dass  in  denselben  nicht  gestanden  haben  kann, 
dass  die  Schatzmeister  der  Göttin  den  Hellenotamien  Gelder 
überliefert  haben,  weil  ja  sonst  leicht  eine  Verwechslung  mit  den 
Recbnungsablagen  dieser  Schatzmeister  selbst  möglich  gewesen 
wäre.  Topiiai  -rij?  'A0»;vata?  dürften  hier  gar  nicht  erwähnt  worden 
sein,  sondern  es  wird  geheissen  haben:  die  Hellenotamien 
übergaben  diesen  oder  jenen  Behörden  folgende  Gelder. 

Es  sind  überhaupt  gar  wenig  Inschriften  vorhanden,  in 
welchen  die  Hellenotamien  als  selbständige  Behörde  genannt 
werden.  Dazu  gehören  die  Baurechnungen,  aus  denen  mit  Evidenz 
geschlossen  werden  kann,  dass  die  beiden  Behörden  der  Tapiiai 
and  der  IXXaQvoraiJLiai  streng  zu  scheiden  sind.  Wir  lesen  in  ein 
nnd  derselben  Inschrift,  dass  Gelder  zu  einem  Bau  gegeben 
wurden  von  den  Schatzmeistern  und  von  den  Hellenotamien  — 
Xi^ifAfLoca  Tcapi  TaiAUov  und  Xi^pLp.aETa  ?cap3c  IXXyjvotoijk^ov  —  (C.  I.  A.  I. 
304,  309,  310,  312,  315,  316).  Ferner  ist  überliefert,  dass  die 
Hellenotamien  zuweilen  durch  VolksbescUuss  angewiesen  wurden, 
Gelder  zur  Errichtung  von  Inschriften  oder  für  Kränze  herzu- 
geben, wie  die  Worte  darthun:  [t^v  Je  gtJtt^Xyjv  aico[Jiia6a>aavTa)[v  ot 
-wXt^rat  iy  vf^  ßoujXtj  *  tovx;  Be  *EXXTjvoTajji[{a(;  Souvat  to  dp^üptov.] 
(C.  I.  A.  I.  59,  Z.  34—36.)  *  Die  Kolakreten,  welche  den  dafür 
bestimmten  Fond  in  Verwaltung  gehabt  zu  haben  scheinen, 
werden  damals  nicht  in  der  Lage  gewesen  sein,  die  nöthigen 
Smnmen  auszuzahlen.  In  Folge  dessen  wurde  durch  Volks- 
beschluss  ^das  Geld  direct  aus  dem  Staatsschatz  genommen 
und  die  Hellenotamien  als  die  Verwalter  desselben  angewiesen 
es  auszufolgen. 

Um  die  Frage  über  die  Competenz  der  Hellenotamien  als 
erledigt  betrachten  zu  können,  muss  noch  eine  Stelle  aus  der  In- 
schrift nr.  32  angeführt  werden,  in  welcher  angegeben  wird,  in 
welcher  Weise  Gelder,  die  der  Staat  bei  den  Tempeln  der  Götter 
schuldete,  zurückgezahlt  werden  sollen.  Der  Text  lautet:  oxo- 
5t[5]ävai  li  dncb  töv  xpiQlJ^öcTwv,  ä  e?  azcSociv  scrtv  toi?  öeoi^  £ijflr,9toix[s]va, 
•i  Tc  Trapa  tot^  'EXXiQVOTaixfat?  ovt«  vuv  xat  xoXXa,  a  wit  toütwv 
[twv]  xpv;|jLiTbw,  xal  Ta  ex  t^?  8exöCTrj(;5  exeiSav  xpaOt).  Z.  4 — 7.  Was 
soll  man  nach  unsern  Ausfährungen  zur  Erklärung  dieser  Worte 

^  Vgl  noch  C.  I.  A.  I.  61  und  vielleicht  Supplement,  dazu  nr.  71,  p.  20.  Hier 
mag  femer  noch  die  Inschrift  a.  a.  O.  116  e,  p.  24,  genannt  sein,  in  welcher 
die  Hellenotamien  als  selbständig  auszahlende  Behörde  aufautreten  scheinen. 


400  Fellner. 

sagen?  Mit  diesem  Geldposten  kann  doch  unmöglich  der  Staats- 
schatz gemeint  sein^  welchen  die  Hellenotamien  verwalteten.  Es 
sind;  wie  es  scheint;  Gelder  darunter  zu  verstehen,  welche  wirklicli 
noch  in  den  Händen  der  Hellenotamien  und  noch  nicht  in  das 
Depositum  auf  der  Burg  übergegangen  waren.  Wir  wissen,  dass 
es  öfter  vorkam,  dass  Bundesgenossen  den  Zahlungstermin  an 
den  grossen  Dionysien  nicht  einhielten.  *  Solche  gerade  bei  den 
Hellenotamien  nachgezahlte  Gelder  kann  der  VolksbeschluBS  im 
Auge  haben.  Andererseits  ist  es  möglich,  dass  ein  Theil  des 
Phoros,  welcher  an  den  Dion  jsien  einlief,  sogleich  zur  Zahlung 
der  Schulden  an  die  Götter  verwendet  wurde.  Diese  Summen 
hatten  auch  momentan  die  Hellenotamien  bei  sich. 

Endlich  wären  noch  zwei  Finanzämter,  die  der  Apodekten 
und  Kolakreten,  zu  besprechen,  über  welche  auch  die  Inschriften 
aufschlussreich  sind.  Was  die  Apodekten  anbelangt,  so  hätte 
ich  nur  ganz  Weniges  zu-  Böckhs  Auseinandersetzungen  hinzu- 
zufügen. Daran  muss  festgehalten  werden,  dass  sie  die  General- 
einnehmer aller  Staatsgelder  waren;  sie  hatten  keine  eigene 
Cassa,  sondern  führten  die  eingegangenen  Summen  an  die  vom 
Volke  bestimmten  Gassen  ab.  All  diese  Gelder  können  sie  nur 
im  Buleuterion  in  Empfang  genommen  haben,  wie  schon  Böckh 
(Staatsh.  1,  p.  245)  bemerkt  hat  und  wie  indirect  aus  den  Ur- 
kunden über  das  attische  Seewesen  hervorgeht.  Man  vergleiche: 
'ATO^jjLtov  4>Xueb^  P,  vecopfcov  iT:ijjL£Xir;T[">};]  ItA  KaXXt]ji.i^Sou(;  apxov»<;,  xal 
iTcpov,  5  dq  ßouXeun^piov  y.oreßaXev,  'd  co^Xsv  ex  vq^  ^icttiraiio^  fy 
SicSixaaaTo  zpbq  9sc<pavir;v  ...  (X  d  95  ff.,  p.  384).  Da  die  meisten 
dieser  Inschriften  besagen,  dass  die  Aufseher  der  Werfte  den 
Apodekten  das  eingegangene  Geld  übergaben  und  man  hier 
von  einer  Ablieferung  in  das  Buleuterion  liest,  so  kann  bereits 
daraus  der  Schluss  gezogen  werden,  dass  die  Apodekten  im 
Buleuterion  die  Gelder  eingehändigt  bekamen.  Ueber  diese 
Beamten  haben  wir  vor  Euklid  keine  urkundlichen  Belege 
erhalten.  Sehr  häufig  aber  werden  dieselben  in  den  nach- 
euklidischen Inschriften,  besonders  in  den  Seeurkunden,  er- 
wähnt (vgl.  a.  a.  O.  p.  57).  Da  ihre  Thätigkeit  vor  und  nach 
Ol.  94,  2  im  Wesentlichen  dieselbe  geblieben  ist,  so  werden  wir 
gleich   das   aus   späteren  Inschriften  Bemerkenswerthe  in  den 


>  Vgl.  C.  I.  A.  I  38  und  40. 


Attisehe  FinanxTenraltitnf  im  fftnftan  und  Tierten  Jahrhiuiderte.  401 

Kreis  unserer  Betrachtung  ziehen.  Eines  der  meist  besprochenen 
Denkmäler  in  dieser  Hinsicht  ist  die  jetzt  im  C.  I.  A.  II. 
nr.  38  verzeichnete  Inschrift,  welche  schon  Böckh  verwerthet 
hat  (Staatsh.  1,  p.  215).  Von  Wichtigkeit  sind  die  Zeilen: 
{upirat  Se  TO  apY^iov  to  etpv](jiivov  tou^  dnrodexTai;  ex  Tb)y  xoraßaXXo- 
jxfivwv  xptjpi.d'Rov,  dweiSav  ta  ex  twv  vifxwv  (jt.ep{ffii>ariv  Z.  18  ff.  Die- 
selben im  Sinne  Böckhs  aufgefasst,  sind  zu  deuten,  ,da8s  die 
Apodekten  zu  bestimmter  Zeit  aus  den  eingezahlten  Geldern  die 
Austheilong  der  gesetzlich  zu  bestimmten  Zwecken  angewiesenen 
Summen  machend  In  jüngster  Zeit  wurde  von  W.  HarteP 
folgende  Erklärung  vorgeschlagen:  ^Vielmehr  werden  hier  die 
Apodekten  angewiesen,  die  Zahlung,  nachdem  oder  für  den 
F&U,  dass  sie  die  gesetzlich  bewilligten  Summen  aufgebracht 
haben,  ex  x(ov  xotaßaXXopieviov  xpif][AiTü>v  zu  leisten.  Das  waren 
aber  jene  Gelder,  zu  welchen  man,  wie  wir  aus  Demosthenes, 
Rede  gegen  Timokrates  96.  S.  730,  23  wissen,  im  Falle  der  Noth 
seine  Zuflucht  nahm:  lotiv  u(j.Tv  x6p(0(;  v6(jlo(;,  heisst  es  dort,  zohq 
•r/cno^  Tot  ö'  ispa  xal  Ta  Scta  XP^H'^'^^  xataßöcXXeiv  siq  to 
^cjAs^TTjpiov.  8ia  totvüv  TOü  vöfjLOü  TouTOü  3totx€iTai  Toc  xotvd  •  T«  Y*P  s!q 
:i;  hxkTida^  xat  t«?  öucia?  xal  tyjv  ßouX^v  xai  tou^  hcKiaq  xal  xlXXa 
XfT,{jiaT'  avaXiax6[Aev'  out6(;  teö'  6  vöjao?  6  'iroiwv  TcpoaemcopetoOat.  oi)  y<*P 
cTTwv  ncovwv  Twv  Ix  Töv  TeXb)v  xp'>Q{^(«>v  t^  Siotxi^aei,  xa  TCpoaxaTaßXT^lxar' 
:vcjiaIJ6jx£va  8ta  tbv  toü  vofAOu  to6toü  (p6ßov  xaTaßfltXXeTai.' 

Zum  letzteren  Punkte  der  Erklärung  Harteis  möchte  ich  im 
Vorhinein  bemerken,  dass  es  nicht  nothwendig  ist,  unter  den  Ix 
:wv  xoToßaXXoiAivcdv  xpiQ{AiTu>v  der  Inschrift  unbedingt  Gelder  zu  ver- 
stehen, welche  im  Falle  der  Noth  aufgebracht  wurden.  Aus 
ioBchriftlichen  Zeugnissen  erhellt,  dass  der  Ausdruck  xp^l^aTa  xora- 
^iXXeiv  die  gewöhnliche  Formel  fär  das  Abliefern  der  Gelder  ist, 
wie  die  Worte  touro  xorreßotXofjLev  diroSIxTai?  oder  toOto  xoreßXT^Oiij 
koJ^xTÄK;  beweisen  (vgl.  u.  a.  Seeurkd.  XI  b,  15  flF.,  p.  402  und 
XIII  d,  170  ff.,  p.  450).  Ferner  ist  zu  berücksichtigen,  dass  die 
Apodekten  nicht  allein  zu  Anfang  des  Jahres  Gelder  in  Empfang 
nahmen,  sondern  dass  dies,  da  die  Einkünfte  des  attischen 
Staates  so  verschiedenartig  waren,  auch  während  des  Jahres 
^schah.    Man  lese  z.  B.  die  Urkunde  XIV  c,  110  ff.,  p.  485: 


^  Studien  über  attisches  Staatsrecht  und  Urkunden wesen  von  W.  Hartel, 
1878,  p.  134,  oder  Sitzungsberichte  der  Wiener  Akad.  d.  W.,  XCI.  Bd. 
9itnuKBb«r.  d.  phiL-hist.  Cl.  XCV.  Bd.  I.  Hfl.  26 


402  Pellner. 

^  5vo|xa  AeX^i;,  'Eic'y^vou^  Ipyov.  oü[to](;  xarißaXev  eT:i  t^^  Se-jt^i; 
rpuTOveia;  7:pb<;  dn:oSexTa<;  Touq  ex'  *AvtixX^oü^  XP*  xat  hspo;  i[v] 
TYj^  xiiATTTT,*;  xpüT(xveia(;.  Ebenso  scheinen  die  Aufseher  der  Werfte, 
da  sie  keine  eigene  Gasse  hatten  und  doch  zu  verschiedeneD 
Zeiten  Gelder  eingezahlt  erhielten,  dieselben  unmittelbar  den 
Generaleinnehmern  übergeben  zu  haben  (a.  a.  O.  p.  57  and 
p.  484  und  485). 

Auf  alle  Fälle  ist  damit  vollkommen  sicher  gestellt^  dass 
die  in  Inschrift  nr.  38  genannten  xaiaßaXX^fjisva  xpi^piarra  nicht 
gerade  solche  gewesen  sein  müssen,  zu  denen  der  Staat  im 
Falle  der  Noth  seine  Zuflucht  nahm,  sondern  es  können  auch 
andere  Gelder  darunter  gedacht  werden,  die  im  Laufe  des 
Jahres  eingegangen  sind.  Und  ich  glaube,  dass  wir  das  wirklich 
hier  nach  dem  Inhalt  der  Inschrift  anzimehmen  haben.  Dem 
Phanokritos  aus  Parion  am  Hellespont  wird  eine  bereits  von  den 
Feldherren  ausgesetzte  Belohnung  an  Geld  auch  von  der  Volks- 
versammlung zugesprochen,  weil,  wenn  man  dessen  Aussagen 
befolgt  hätte,*  ein  feindliches  Geschwader  abgefangen  worden 
wäre.  Mit  der  Auszahlung  dieser  Summe  wird  man  in  Athen 
sich  nicht  beeilt  haben.  Phanokritos  konnte  warten,  bis  wieder 
Gelder  eingingen,  auch  wenn  dies  erst  zu  Anfang  des  Jahres 
geschehen  wäre.  So  viel  über  den  zweiten  Punkt  der  Erörterungen 
von  W.  Hartel. 

In  Betreff  der  Auffassung  des  citirten  Textes  scheint 
mir  die  Deutung  des  letzteren  Gelehrten  im  Ganzen  der  von 
Böckh  vorzuziehen  zu  sein.  Der  Aorist  ixspfeüxjiv  ist  gewiss 
mit  dem  Perfect  zu  geben.  Nur  halte  ich  dafür,  dass  der  Satz 
exeiBav  Ta  ex  twv  vöjjlwv  (xep{a(i)aty  in  das  Deutsche  zu  übertragen 
wäre:  sobald  sie  die  gesetzlich  bewilligten  Summen 
aufgebracht  haben,  wenn  man  die  von  mir  gebrachte  Er- 
klärung der  Inschrift  acceptirt. 

In  neuester  Zeit  ist  noch  eine  weitere  Inschrift  gefunden 
worden,  welche  in  die  Competenz  der  Apodekten  einen  lehr- 
reichen Einblick  gewährt.  Es  ist  dies  das  Ehrendecret 
der    Söhne   des   bosporanischen  Fürsten  Leukon,    enthalten  ini 


»  Vgl.  Kirchhoff,  Abhandl.  d.  Berl.  Akad.   1861,   p.  601  ff.  nnd  SchSfer  im 
Philolo^s  XVII.  1860.  8.  160. 


Attiwlie  FinsnzTenraUiiiig  im  finflen  and  viertAn  Jahrhandert«.  403 

A^vatov  VI.  152.  *  Hinsichtlich  der  Geldbeschaffung  der  da- 
selbst decretirten  Kränze  wird  verfugt,  Z.  39:  rb  ^k  ap^^ptov  SiBovai 
Tci;  dOXcOirat^  et^  Tob?  ore^dvoü^  tbv  toO  8i^[jioü  TafJiiav  ^x  twv  elq  t«  xaxa 
•ini;9tc{jt^xa  Ti7)  Si^pui)  (jLepiJ^ofjievcuv  '  tb  8^  vuv  sTvai  xapadouvac  Touq  dcicoB^xia^ 
TÖ  £tc  Tou^  ore^dvoix;  ix  tcüv  orpaT'.coTtxcSv  ^pYjfjiaTcov.  Mit  Recht  hat 
Hartel  (a.  a.  O.  p.  134)  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  wir 
es  mit  einem  Borggeschäft  zu  thun  haben.  In  der  Regel 
mochte  das  Geld  fiir  solche  Kränze  der  TOLiKiaq  tou  8i^ijlou  aus 
dem  ihm  vom  Volke  im  Anfang  des  Jahres  zugewiesenen  Geldern 
zahlen.  Dafür  scheint  der  Infinitiv  des  Präsens  3(B6voei  zu  sprechen, 
der  Wiederholungen  dieses  Vorganges  bezeugt.  Jetzt  war  aber 
die  betreffende  Casse  vollständig  erschöpft,  es  wurde  daher  den 
Apodekten  der  Auftrag  gegeben  für  den  Augenblick  die  Summe 
vorzustrecken  —  TcapaSouvai  einmaliger  Act  —  aus  den  atpoTcdTtxoe 
'f^tlLoeza,  Das  stimmt  mit  anderen  Ueberlieferungen.  Diese  cxpa- 
TiwTtxa  xp^iiLora  wurden  aus  dem  Ueberschuss  der  Verwaltungs- 
gelder gebildet.  Diese  Ueberschüsse  wurden  aber,  wie  wir  aus 
der  Zeit  von  Eubulos'  Finanzverwaltung  wissen,  sehr  gern  zu 
andern  Zwecken  verwendet.  Nur  erscheint  es  merkwürdig,  dass 
nicht  der  xa[d(xq  tü^v  orpoTuoTixiov,  der  doch  die  Kriegsgelder  über 
sich  hat,  diese  Gelder  vorstreckt. 

Dartiber  nun  werden  wir  später  eine  Aufklärung  erhalten. 
Das  Eine  können  wir  aber  doch  hier  schon  festsetzen,  dass  die 
Apodekten  erst  kurze  Zeit  früher  diese  Gelder  übernommen 
haben  werden.  Ein  ganz  ähnlicher  Vorgang  liegt  einer  Urkunde 
zu  Grunde,  welche  Böckh  im  dritten  Bande  der  Staatshaushai tung 
der  Athener  erläutert  hat.  Man  hatte  in  Athen  Ol.  113,4  =  325/24 
den  Beschluss  gefasst,  die  Gründung  einer  Colonie  nahe  dem 
Ausgang  des  adriatischen  Meeres  zu  unternehmen.  Die  Aus- 
rüstung der  Schiffe  wurde  sehr  beschleunigt.  Den  Trierarchen, 
welche  ihre  Schiffe  zuerst  segelfertig  gemacht  haben,  werden 
werthvoUe  Kränze  als  Belohnung  ausgesetzt.  Man  liest  dann:  %a\ 
r/r;:pei>ai[Tii)  6  xTJJpü^  x^^  ßouXijq  [6]ap[-pQXiwv]  tw  d^Y^vt  Tolx;  cTe[9avoü;] ' 
*:^:  Ik  flhcoS^xa;  [Soüva]t  Tb  dp"(Tjptov  xb  [et?  tou]<;  cT5(pavou;.  ^  Also 
auch  hier  wurde  die  Casse  des  xafAiac;  toü  Si^|xou,  vielleicht  bloss 
um  sie  zu  schonen,  nicht  in  Anspruch  genommen.     Die  Apo- 


»  V^L  Schfifer,  Kh.  M.  f.  Ph.  N.  F.  XXXIH,  p.  416  ff. 
3  Seearkd.  XlVa.  200 ff.  p.  464,  and  Schäfer:  Demosth.  3a.  p.  272. 

26* 


404  FttUner. 

dekteii;  bei  denen  Geld  eingegangen  war,  massten  zahlen.  Am 
den  angeführten  Belegen  kann  weiter  gefolgert  werden^  daaa  es 
nicht  thunlich  ist,  die  Stellung  der  Oeneraleinnehmer  so  aofn- 
fassen,  als  ob  dieselben  niemals  Staatsgelder,  selbst  nicht  einig« 
Tage  in  Verwahrung  gehabt  hätten.  Regel  war  wohl,  dass  sie  die 
Gelder  sogleich  in  Empfang  nahmen  und  nur  den  einzelnen  Gassen 
überschrieben.  Dabei  ist  aber  anzunehmen,  dass  bei  den  Apo- 
dekten,  oder  besser  gesagt  im  Buleuterion  Gelder  liegen  geblieben 
sein  müssen,  für  welche  im  Augenblick  noch  keine  Verwendung 
bestimmt  war,  wie  die  während  des  Jahres  eingegangenen 
Summen.  '  Schliesslich  hätte  ich  noch  eine  Inschrift  (C.  I.  A. 
II.  115  b),  zu  nennen,  welche  eine  nicht  zu  unterschätzende 
Aufhellung  über  die  Stellung  der  Apodekten  gibt.  Dem  Delier 
Peisitheides  wird  eine  Unterstützung  gewährt.  Das  Volk  be- 
schliesst  in  Bezug  auf  die  Auszahlung  Z.  36  ff. :  tbv  Ta{&m  ir^ 
$i{(ji^u  [ibv  aet  T]a{Ji[iJe6ovTa  3tS6vai  n£tff[(6e{3Y)]  SpoxP^V  '^i^  "hv^?^  ^ 
Tu>[v  xata  i|/T]9t]?fjLaTa  avaXioxojJLevcüv  [to)  Si^i^ü)]  *  ev  B^  tsX^  y5{jis6sT2i[;! 
x[ouq  xpo^3p]oüq  ol  Stv  icpoeBpeOwotv  [xal  tov  l]7:[tff]TaTr|V  zpoovo|Ao6£TT;[w. 
TÖ  dtpYjupiov  t[o]Oto  [xepC^eiv  t[ou?  axo8]^XTas  tw  TajJtia  tsj 
Si^{x[ou  xaT^t  Tb]v  evtauTbv  SxaaTOv,  6  de  T[a[kiaiq  on:]oB6TO)  ne'.[ci]6E{Sr. 
xora  [ty;v  xpüTja[v£]iav  xtX.  Wir  sehen  daraus,  dass  die  Apodekten, 
den  einzelnen  Behörden,  welche  Cassen  haben,  hier  dem  ir^'iz: 
TOü  Si^fxou,  die  vom  Volke  votirten  Gelder  zu  theilen,  und  weiter, 
dass  dieses  mit  Beginn  des  Jahres  geschieht.  Dann  liefert 
diese  Inschrift  noch  einen  schönen  Beleg  dafür,  was  wobi 
schon  längst  erkannt  wurde,  dass  die  Apodekten  keine  Cassa 
zu  verwalten  hatten. 

Ueber  das  zweite  Amt,  welches  noch  zu  erörtern  ist, 
habe  ich  nur  Geringfügiges  zu  sagen.  Abgesehen  davon,  dass 
die  Kolakreten  den  Richtersold  auszahlten,  erfahren  wir  aus 
den  Inschriften,  dass  sie  das  Geld  für  die  Aufstellung  der 
Steinurkunden,  welche  von  Staatswegen  erfolgte,  herzugeben 
hatten:  avaypitj^ai  Ik  to  ^,(Piff[jLa  ToBe  xal  töv  5pxov  h  «m^Xt)  XidCvTj  xa- 
ffT^jcai  £|jLTc6Xei  tbv  Ypa|JLiJLaT^a  ':^<;  ßoüXt)<;  *  ol  ^k  xwATjxal  arofAtffÖwffovruv  • 
ol  81  xa>Xay.p^Tat  86vt(i)v  to  (ipYuptov.2    Dann  wäre  die  Inschrift 


1  Böckh:  Staatflh.  1,  p.  216.  Vgl.  dazu  C.  I.  A.  II.  181.  Frg.  b,  Z.  6  ff. 

3  Vgl.   C.  I.  A.  I.  nr.   20  und  Index  dazn,  ferner  Supplem.  nr.  27.  p.  9, 
yielleicht  nr.  71  p.  20,  116  b  p.  23  und  116  e  p.  24. 


Attische  FioftnzrerwaltQDg  im  fftaften  and  Tiert«n  Jahrhunderte.  405 

nr.  285  zu  nennen^  in  welcher  von  einem  opus  publicum,  un- 
bekannt welchem,  die  Rede  ist.  Sicher  kann  ergänzt  werden: 
erirracrat  .  .  .  i:apa  xwXoxpeTÖv.  Die  Casse  der  Eolakreten  wurde 
somit  vor  Euklid  in  dreifacher  Weise  gebraucht.  Erstens 
wurde  aus  ihr  der  Sold  für  die  Richter  bezahlt.  Das  war  die 
grösste  Auslage.  In  zweiter  Linie  hatten  diese  Beamten  das 
Geld  für  die  Aufstellung  von  gewissen  Steininschriften  her- 
zugeben. Dadurch  dürfte  die  Cassa  nicht  stark  in  Mitleiden* 
^chaft  gezogen  worden  sein,  da  nur  wenige  Urkunden  in  Stein 
aufgestellt  wurden,  während  die  Mehrzahl  der  Volksbeschlüsse 
im  Metroon,  welches  als  Staatsarchiv  diente,  aufbewahrt  wurde. 
Zudem  waren  auch  die  Preise,  die  man  den  Steinmetzen  zahlte, 
gering  (Hartel  a.  a.  O.  p.  141).  In  welcher  Höhe  die  Gelder, 
welche  die  Kolakreten  zu  verausgaben  hatten,  für  die  Er- 
richtung von  öffentlichen  Bauten  verwendet  wurden, 
kann  gar  nicht  festgestellt  werden. 

Um  nicht  das  Wenige,  was  wir  von  ihnen  aus  den  Zeiten 
nach  Euklid  wissen,  später  nicht  ganz  ohne  Zusammenhang  an- 
führen zu  müssen,  sei  h\er  kurz  bemerkt,  dass  wir  keine  Nach- 
richten darüber  haben,  ob  aus  ihrer  Casse  weiter  der  Richtersold 
gezahlt  wurde  und  Gelder  zu  Bauzwecken  ausgefolgt  wurden. 
Nur  auf  zwei  nacheuklidischen  Inschriften  findet  sich  die 
Formel  erhalten:  ot  8e  zwXiQtai  a^rofjLicOwcavtwv  •  ol  B4  xo)Xay.p6Tat 
ccvTwv  fo  dpvupiov.  Später  besorgt  dies  der  TafJLia^  tou  St^ixoü.  Der 
Kolakreten  wird  mit  keiner  Silbe  mehr  gedacht.  Es  ist  sehr 
wahrscheinlich,  dass  das  Amt  abgeschafiFt  wurde  und  dessen 
Geschäfte  von  anderen  Behörden  besorgt  wurden. 


406  Fellner. 


Die  vor  dem  peloponnesischen  Kriege  sehr  günstige  finan- 
zielle Lage  des  athenischen  Gemeinwesens  verschlechterte  sich 
während  des  Krieges  sehr.  Bald  war  der  ganze  Baarvorrath. 
der  auf  der  Burg  niedergelegt  war,  aufgebraucht.  Schon  in  den 
ersten  Jahren  des  Krieges  musste  den  Bürgern  eine  ciofopä  auf- 
erlegt werden.  Ja  man  sah  sich  genöthigt  die  Tribute  der  Bundes- 
genossen zu  verdoppeln.  Wohl  trat  nach  dem  Frieden  des 
Nikias  eine  Wendung  zum  Besseren  ein.  Der  sicilische  Krieg 
verschlang  aber  die  frisch  gesammelten  Schätze  neuerdings. 
Eine  solche  Geldklemme  entstand,  dass  man  sich  beim  Aus- 
bruch des  Krieges  in  lonien  veranlasst  fand,  den  Reservefond 
von  tausend  Talenten,  der  nur  im  äussersten  Nothfalle  ange- 
griffen werden  sollte,  herzunehmen.  Jetzt  ging  es  rasch  thalab 
mit  dem  attischen  Gemeinwesen.  In  der  Stadt  selbst  fand 
eine  Verfassungsumwälzung  statt,  welche  zu  allem  Unglück  noch 
die  oligarchische  Partei  ans  Ruder  brachte.  Obwohl  dieselbe 
nur  kurze  Zeit  herrschte,  richtete  sie  viel  Unheil  an.  Die 
inneren  Wirren  der  Hauptstadt  übten  natürlich  einen  nach- 
theiligen Einfluss  auf  die  Flottenmannschaften  aus.  Der  Krieg 
der  sich  sehr  in  die  Länge  zog,  wurde  in  leichtsinniger  Weis« 
gefuhrt,   bis  endlich  die  Katastrophe  über  Athen  hereiobrach. 

Ungeheure  Summen  kostete  die  Erhaltung  einer  so  be 
deutenden  Kriegsflotte  durch  so  viele  Jahre  hindurch.  Die  Pelo- 
ponnesier  konnten  das  leicht  ertragen,  da  ihre  Flottensoldateo 
mit  persischem  Gold  ausgezahlt  wurden.  In  Athen  wurde  aber 
besonders  der  Krieg  zur  See  der  finanzielle  Ruin  des  Staates. 
Es  half  nichts,  als  man  auf  kurze  Zeit  anstatt  der  von  den 
Bundesgenossen  bezahlten  Tribute  den  Zwanzigstel  (sixotty;)  vod 
der  Ausfuhr  und  Einfuhr  zur  See  in  den  unterwürfigen  Staaten 
erhob.  Man  musste  doch  schliesslich  zu  den  Maassregeln  greifen, 
welche  schon  Perikles  als  möglich  besprochen  hatte.  Die  Aus- 
rüstung der  Flotte,  welche  in  der  Schlacht  bei  den  Arginusen 
(Ol.  93.  3  =  406/5  a.  Ch.)  kämpfte,  erforderte  solche  Summen, 


AitiMhe  FiB»nsT«rw»]tiin(f  im  Anften  nnd  Tierten  Jahrhoadsrte.  407 

dass  man  die  Werihgegenstände  des  Pronaos  und  wahrschein- 
lich des  Hekatompedon  und  des  Parthenon  in  die  Münze 
schicken  musste  (C  I,  A.  I.  140).  * 

Athen    war  zu  Ende  des  Krieges  in  jeglicher  Beziehung 
zu  Grunde  gerichtet.    Politisch  wurde  es  von  Sparta  abhängig, 
in  Bezug  auf  die  Finanzen  lag  es  ohnehin  schon  vollkommen 
brach.    Wie  elend   es   um   die  Athener  damals  stehen   musste, 
gebt  daraus  hervor,  dass  ihnen  die  Lacedämonier,  wegen  rück- 
ständiger 100  Talente,  mit  Gewalt  drohten ;  ja  es  war  so  weit 
gekommen,   dass   sie  nicht  einmal  zwei  Talente,   welche  ihnen 
die  Böoter  geliehen,  zurückerstatten  konnten.  Sehr  richtig  ist  das 
Wort  des  Lysias,  dass  die  Athener  damals  von  dem  kleinsten  Staate 
isicb  nicht  unterschieden  (pro  Agor.  §.  47.    üxrce  (jLiQBev  Sia^epeiv 
TT,?  eXx/iimj^  TcoAEd)^  ttjv  ir6Xtv).    Unter  solchen  Verhältnissen  wurde 
die  alte  Verfassung  wieder  ins  Leben  gerufen.     Leider   haben 
wir  über  die   so  merkwürdigen  Vorgänge,    welche   damit  ver- 
bunden   waren,    nur    unvollständige    Nachrichten.     Xenophon, 
welcher   diese  Dinge   beschrieben,    unterlässt   es    uns    darüber 
aufzuklären.     Er   sagt   nur   am  Schlüsse    des    zweiten  Buches: 
,äie  wählten  nun  die  Behörden  und  liessen  die  alte  Verfassung 
wieder  in  Kraft   treten'.^     Die  Redner,    welche  in  dieser  Zeit 
lebten,   wie  Andokides  und  Lysias,   geben   bloss   über  gewisse 
Veränderungen  Auskunft,  wie  über  Gesetzesrevisionen,  welche 
beantragt   wurden.     Dass   nicht   die   alte  Verfassung   in   ihrer 
Tutalität,  wie  sie  war,  mit  ihrem  Beamtenstatus  einfach  wieder 
hergestellt  werden   konnte,   liegt  auf  der  Hand.    Besonders  in 
Bezug  auf  die  Finanzverfassung  müssen  jedenfalls  Aenderungen 
vorgekommen  sein.    Böckh  hat  mit  Recht  betont:  ,Die  Finanz- 
verfassung ist   unter  Euklid,   als   die  Umstände    sich   gänzlich 
verändert  hatten,  ganz  anders  eingerichtet  worden^^    Da  keine 
directe  Nachrichten  darüber  vorliegen,  so  wollen  wir  wenigstens 
versuchen,    durch  Combination,    wenn  möglich,   diese  Verände- 
rungen festzustellen.    Vorerst  haben  wir  im  Auge  zu  behalten, 
dass  der  Staatsschatz  vollkommen  leer  und  dass  der  Parthenon 
Beiner  Werthgegenstände  beraubt  war,  ja  dass  der  Staat  sogar 


1  Abhandl.  der  Berl.  Akad.  1864,  p.  54,  und  1876,  p.  38. 

*  XX'.  TOie  |A£v  ofX^^  xaTa9TiJaa[X£vot  enoXiTEuovro.  |I.  4.  43. 

'  Boekb,  Abhandl.  d.  Berl.  Akad.  1846,  p.  366,  und  Droysen  im  Hermes  IX,  11. 


408  PelUer. 

Schulden  hatte.  Weiter  haben  wir  uns  zu  vergeg^enwärtigen,  da&s 
die  attische  Sjmmachie  aufgehört  hat,  dass  Athen  selbst  eine  Stadt 
geworden  war,  welche  unter  der  Botmässigkeit  Spartas  stand. 
Tribute  wurden  nicht  mehr  eingezahlt.  Es  war  mithin  keine  Be- 
hörde mehr  nothwendig,  welche  dieselben  und  den  Staatsschatz  za 
verwalten  hatte.  Die  Hellenotamien  verschwinden.  Sehr  wahr- 
scheinlich ist  es  dann,  dass  im  Jahre  des  Euklid  eine  Ver- 
änderung der  Schatzbehörden  eingetreten  ist,  welche  die  Tempel* 
schätze  zu  verwahren  hatten.  War  doch  das  Amt  der  Schatzmeister 
der  anderen  Götter  zu  einer  Zeit  gescha£fen  worden,  als  Athen 
in  finanzieller  Hinsicht  auf  dem  Gipfelpunkt  seiner  Entwicklung 
stand.  Wozu  sollte  man  jetzt  zwei  Schatzbehörden  im  Amte 
haben,  da  die  Einkünfte  der  Götter  aufgebraucht  waren  und 
man  nur  im  Pronaos  einen  Kranz  liegen  hatte. 

Ebenso  sonderbar  wäre  es  anzunehmen,  dass  etwa  unter 
dem  Archontat  des  Euklides  der  Vorsteher  des  Staatsschatzes 
—  TajjLia^  xriq  xotvi)^  wpoaoBou  —  eingesetzt  wurde.  Dessen 
Wirksamkeit  wäre  jetzt  einfach  illusorisch  gewesen.  Nicht 
minder  unhaltbar  dürfte  die  Ansicht  sein,  dass  in  demselben 
Jahre  zwei  neue  Behörden,  nämlich  die  Theoriken Vorsteher 
und  der  Kriegszahlmeister  creirt  wurden.  *  Ich  kann  mir 
nicht  vorstellen,  dass  unter  solchen  Verhältnissen  gleich  eine 
Cassa  für  Volksvei^ügungen  gebildet  wurde,  oder  dass  man 
schon  Ueberschüsse  der  Verwaltung  hatte,  um  eine  Kri^s- 
cassa  zu  errichten.  Es  ist  vielmehr  festzuhalten,  dass  die  Athener 
unter  Euklid  diejenigen  Stellen  abschafften,  welche  überflüssig 
geworden  waren  und  jetzt,  wo  sie  auf  ihre  Einkünfte  allein 
angewiesen  waren,  ernstlich  sich  bestrebten,  den  Staatshaushalt 
ins  Gleichgewicht  zu  bringen.  Man  wird  daher  neue  Aemter 
erst  dann  errichtet  haben,  als  der  Staat  zu  prosperiren  anfing 
und  das  Volksbewusstsein  wieder  mächtig  wurde. 

Zum  Lobe  des  Volkes  muss  gesagt  werden,  dass  die  ge- 
drückte Stimmung  bald  überwunden  wurde  und  dass  in  kurzer 
Zeit  ein  staunenswerther  Aufschwung  eintrat.  Gross  waren  eben, 
wenn  sie  weise  ausgenützt  wurden,   die  Hilfsquellen  in  diesem 


1  ,Wir  sind  berechtigt  anzunehmen,  d&ss  durch  die  euklidische  Verfassung 
an  die  Stelle  der  Hellenotamien  zwei  neue  Stellen,  das  KriegSBahlmeister- 
amt  und  die  Theorikenbehörde,  gesetzt  wurden^  Böckh  Staatsh.  1,  p.  246. 


Attiicbe  Pinanzvenraltang  im  fflnften  und  Tiert«n  Jahrhnndert«.  409 

kleinen  Winkel  griechischer  Erde.  Ein  schönes  Zeugniss 
fiir  den  wieder  erwachenden  Sinn  der  Athener  liefert  der 
Umstand,  dass  man  kaum  von  dem  drückenden  Elend  befreit, 
den  Qlanz  der  Feste  zu  heben  beschloss.  Es  wurde  bestimmt, 
dass  denen,  die  sich  dabei  persönlich  verdient  machten,  ehrende 
Inschriften  gesetzt  werden  sollten  (C.  I.  Q-.  I.  nr.  213).  Ein 
Beweis  für  den  beginnenden  Wohlstand  ist,  dass  bereits  Ol.  96,  2 
unter  dem  Archon  Diophantos  die  Restauration  des  Erechtheion, 
welches  durch  Brand  Schaden  gelitten,  beschlossen  und  aus- 
geführt wurde.*  Nicht  minder  spricht  dafür,  dass  man  rasch 
daran  ging,  werthvolle  Weihgeschenke  als  Ersatz  für  die  ein- 
geschmolzenen im  Parthenon  aufzustellen. 

Sichere  Belege  darüber  liefern  die  Inschriften.  Ich  führe 
die  Präscripte  einer  solchen  mit  den  Ergänzungen  Böckhs  an: 
TaB&  o\  Ta[JL{[a]i  tcov  iepa)v  xp[^l^^^^  "^i^  AOvjva]  |  iaq  xal  tojv  oXXcov  Becov 

5t  h:\  [Aa)rY3T0(;   oipr/p'n]\oq   MeiJwv    EüwvujjLeu^ 8.  Z.    oi; 

B£pT!/voJ|xo<;9  OhiixXoq  £Ypa{A{JLi[T£U£,  Tuopaos^aiJLevoi  7;a]|pa  Tb>[i.  xpoT^pcov 
Ta|ji[iü)v  Tü)v  ItA  Hsvaiv^Tou  op]  |  xovto(;  .  .  (Staatsh.  d.  Ath.  2  b, 
XIV.  11).  Wenn  zwar  auf  den  ersten  Anschein  hin  der  Haupt- 
sache nach  nur  Ergänzungen  vorkommen,  so  wird  Jedermann, 
der  sich  die  von  Böckh  im  Vorbeigehenden  näher  besprochenen 
Inschriften  besieht,  gern  zugeben,  dass  diese  Ergänzungen 
sachlich  richtig  sind.  Der  Archon  Laches  ist  durch  eine  frühere 
Urkunde  bezeugt;  [^apaSe^aixevoi  izapa  tu>v  Tupoxepcojv  xa{jLi(t>v  tu>v 
iz\  Ai[x]r|To^  (a.  a.  O.  XFV,  7).  Wir  können  somit  schliessen, 
dass  Ol.  95.  1  oder  Ol.  94.  4  werthvolle  Weihgeschenke  im 
Tempel  der  Göttin  auf  der  Burg  sich  befanden. 

Unter  denselben  figuriren  in  der  That  Ol.  95.  1  =  400/399 
in  dem  Theile  des  Tempels,  welcher  Parthenon  genannt  wurde, 
Halsbänder,  Kränze,  Ohrgehänge,  ölzweigähnliche  goldene  Blätter, 
Siegel,  Trinkgefässe  und  Ketten.  Merkwürdig  ist,  dass  der  Pronaos 
nicht  mehr  als  Aufbewahrungsort  genannt  wird.  Hingegen  barg 
der  Hekatompedos  bald  viel  mehr  und  viel  werthvollere  Gegen- 
Btände,  als  selbst  der  Parthenon.  Schon  Ol.  95.  3  befand  sich 
dort  eine  goldene  Nike,  welche  ein  Gewicht  von  beinahe  zwei 
Talenten  hatte.  Weihgeschenke,  von  Athenern  und  Fremden 
gespendet,   werden   schon    in   der   ersten   Zeit  nach  dem  pelo- 


^  C.  Waehtmuth :  Gesch.  d.  St.  Athen  p.  678,  und  Köhler,  Hermes  II,  p.  21. 


410  FoUner. 

ponnesischen  Kriege  aufgezählt.  Nicht  ungesagt  mag  bleiben, 
dass  auch  der  bekannte  spartanische  Feldherr  Lysander  der 
Göttin  einen  Kranss  spendete.*  Beachtenswerthe  Aufschlüsse  gibt 
eine  von  Kirchho£f  (Abhandl.  d.  Berl.  Akad.  1867)  edirte  lieber* 
gabsurkunde  der  Schatzmeister  der  Athena  vom  Jahre  Ol.  109. 
1  =  344/3 :  Volk  und  Rath  werden  mit  Kränzen  von  Auswärts 
beehrt^  welche  sie  im  Parthenon  niederlegen.  Aus  Samos,  auB 
dem  ChersoneS;  Samothrake  .  .  .  werden  von  befreundeten  oder 
kleruchischen  Gemeinden  oder  von  attischen  Soldtruppen  Kränze 
geschickt.  Diese  verschiedenen  Belege  zeigen  deutlich,  dass 
man  in  Athen,  kaum  dass  der  unglückliche  Krieg  vorüber 
war,  eifrigst  Werthgegenstände  für  die  Götter  zu  sammeln 
begann,  die  bald  zu  einer  ansehnlichen  Höhe  anwuchsen. 

Man  wird  nicht  fehlgehen,  wenn  man  aus  den  Inschriften 
schliesst,  dass  sehr  viele  von  diesen  Gegenständen  von  reichen 
Privaten  und  von  auswärtigen  Freunden  gespendet  wurden;  viele 
wurden  ausserdem  aus  dem  eingezogenen  Vermögen  der  Dreissig 
hergestellt,  wie  Philochoros  bei  Harpokration  unter  ^ropL-rräia  be- 
richtet: TcoiJLTreiotq  8e  -reporspov  £/po)VT3  ot  'AOyjvoioi  toi?  ex  vfiq  cua'a;  twv 
Tpiaxovia  yjxTaaxeuaaOeioiv.  Das  Wenigste  scheint  der  Staat  zur  Aus- 
schmückung der  Heiligthümer  beigetragen  zu  haben.  In  den  ersten 
Jahren  nach  Euklid  stellte  er,  wie  die  Ueberlieferung  lehrt,  nur 
einmal  ein  Weihgeschenk  auf  und  auch  das  unter  eigenthümlichen 
Umständen :  oreq^avo^  öaXXou  yjp'JGOüq^  8v  iq  Tzok\^  aveOtjxe,  xa  vtxt;Ti;:ia 
Tou  xiOapwSou.  2  W^ie  dem  auch  sei,  die  Thatsache  ist  vorhanden, 
dass  sich  ziemlich  rasch  in  den  heiligen  Gelassen  des  Tempels 
der  jungfräulichen  Göttin  Schätze  ansammelten. 

Diejenigen  Weihgegenstände  nun,  welche  im  Pronaos, 
Hekatompedos  und  Parthenon  waren,  und  den  Metallschatz 
der  Athena  im  Opisthodom  verwalteten  vor  Euklid  die  Schatz- 
meister der  Göttin;  die  Schatzmeister  der  anderen 
Götter  hatten  gleichfalls  einen  Theil  der  Nachzelle  zu  ihrer  Ver- 
fügung, wo  sie  die  Gelder  dieser  Götter  und  gewisse  Werth- 
gegenstände, wie  (piaXai  und  aiJ^popYj;  aufbewahrten.  ^    Es  entsteht 


«  Vgl.  über  das  Gesagte:   Michaelis:   Parthenon  p.  291»  296  ff.  und  Böckh 
a.  a.  O.  bes.  XII a,  (C.  I.  Gr.  nr.  150).  Z.  lö  ff.  und  Z.  30—32. 

2  Böckh  a.  a.  O.  XII a,  Z.  35,  36. 

3  C.  I.  A.  I.  Frg.  c,  196,  197.  Frg.  h,  2U6,  207.  Frg.  i,  208,  209. 


Attische  FiDJUDXfonraltanflf  im  fflnftan  und  Tierten  Jahrhunderte.  411 

jetzt  die  Frage,  ob  die  Verwaltung  dieser  Schätze  nach  Ruklid 
in  derselben  Weise  fortgeführt  wurde.  In  erster  Linie  ist 
aufTillig;  dass  nach  Euklid  keine  Spur  mehr  von  vierjährigen 
Cyklen  (al  iiv:oLpe<;  ap^at)  vorkommt,  und  dass  die  beiden 
Schatzmeisterbehörden  vereinigt,  wenigstens  Ol.  94.  4 — 95.  4 
=  401 — 396  als  TafJLiai  twv  lepwv  y^pr^ifjhui'f  -rij;  'AOYjvaia^  xal  twv 
aXXu>v  Beöiv  auftreten. '  Daraus  kann  fuglich  mit  einiger  Sicherheit 
geschlossen  werden,  dass  unter  Euklid  diese  Veränderungen 
getroffen  wurden.  Wie  die  Hellenotamien  aufhöi-ten,  weil  sie 
äberflüssig  geworden  waren,  so  wurden  auch  die  SchatzcoUegien 
verringert.  Man  konnte  annehmen,  dass  eines  allein  die  Ver- 
waltung zu  versehen  im  Stande  wäre,  da  zwei  Collegien,  wie 
oben  angedeutet,  der  Staat  erst  benöthigt  hatte,  als  er  auf  einer 
hohen  Stufe  von  Wohlstand  sich  befand,  und  da  ferner  im 
Momente  die  Anzahl  der  Weihgegenstände  im  Parthenon  sehr 
gering  gewesen  sein  wird. 

Diese  und  ähnliche  Umstände  dürften  entscheidend  dafür 
gewesen  sein,  dass  man  an  die  Stelle  von  zwei  Schatzbehörden, 
eine  setzte,  welche  sowohl  die  Gelder  und  Werthgegenstände 
der  Qöttin  wie  die  der  anderen  Götter  in  Hinkunft  zu  verwalten 
hatte.  Wenn  dann  später  der  volle  Titel  nicht  mehr  vor- 
kommt, sondern  die  Schatzmeister  nur  Ta[jLiac  tv);  OeoO  oder  -zolilIoh 
Tcdv  vfi^  6sou,  selbst  auf  Rechnungsablagen  genannt  werden,  so 
können  wir  daraus  nicht  schliessen,  wie  es  von  Michaelis 
(a.  a.  O.)  geschieht,  dass  die  vereinigte  Behörde  nur  eine  kurze 
Zeit  bestanden  habe  und  vielleicht  schon  seit  Ol.  98.  4  =  385/4 
wieder  die  zwei  Collegien  nebeneinander  existirt  haben,  sondern 
es  geht  daraus  hervor,  dass  man  der  Bequemlichkeit  wegen 
zur  einfacheren  Titulatur  zurückkehrte,  zumal  da  die  Verwal- 
tung der  Schätze  der  Athena  die  Hauptsache  war.  Umgekehrt 
darf  man  aus  den  Beschlüssen,  welche  zu  Gunsten  der  von 
Lysander  vertriebenen  samischen  Volkspartei  nach  Köhler 
Ol.  94.  2  ==  403/2  gefasst  wurden  —  und  in  denen  es  heisst: 
:i  31  Ta[i.{ai  Sovrwv  tb  ap-yupiov  oder  ol  Ss  Ta^xiai  aapaoxövTwv  (C.  I. 
A.  II.  1  b.  Z.  24  und  Z.  31)  —  nicht  folgern,  dass  damals  die 
vereinigte   Behörde    noch   nicht  eingeführt   war,    sondern    wir 


'  Vgl.  Böckh:   Staatsh.  2.  b.  XII,  XIV,  und  Michaelis  a.  a.  O.  p.  291,  der 
auch  andere  inschriftliche  Belege  bringt. 


412  Fallner. 

haben  vielmehr  unter  den  erwähnten  Schatzmeistern  die  ts|jl{zi 
Toiv  lepcüv  xpv]{jiaTb>v  vf^q  'A^vaio^  xat  Tciiv  oXXcov  6eo»v  zu  yerstehen, 
die,  da  hier  keine  officielle  Rechnungsablage  vorliegt  und  ein 
Missversiändniss  unmöglich  war,  einfach  lapitai  genannt  werden. 
Der  Gründe,  welche  dazu  drängen,  auch  fUr  später  an  einem 
Colleg  festzuhalten,  sind  mehrere.  Es  werden  die  verschie- 
densten Werthgegenstände  selbst  aus  späteren  Jahren  erwähnt;^ 
welche  der  Artemis  von  Brauron  gehören  und  vorzüglich  im 
Hekatompedos  niedergelegt  waren.  Noch  Ol.  106.  4  =:  3d3/'2 
kommt  zu  den  Schätzen  der  Artemis  im  Tempel  der  Athena 
neuerdings  ein  Zuwachs.  xiS'  ex  tou  Afr/aiou  veib  zape$[u)]x£v  t; 
Up€i[a]  TOt[q]  £wtffTaxa[i?j  to|T;  ejirl  0o[üSJi5[ji.]ou  dUpjrovTO^  [tlq]  ibv 
na[p6£vu>]va  .  .  .  .^  Wenn  dann  goldene  Schalen  der  anderen 
Oötter  in  der  Uebergabsurkunde  des  Parthenon  von  Ol.  109.  1 
genannt  werden:  n)  Z.  58  —  60.  [»liXat  .  .  .]i  x[p]'J^«  "töv  dtA>uüv 
Oewv,  I  [«Youaat  otoÖjjlov,  c  iTZf^t>(]p<xTnon  ixi  xat^  ft[a]Xa?  ![•••]  ^^^ 
o)  Z.  60 — 61.  [^tiXr)  xP'jJo^  töv  aXXuiv  Oewv  (KirchhoflF  a.  a.  0.), 
und  Inschriften  von  Weihgegenständen  der  Demeter  und 
Aphrodite  auf  der  Burg  reden ,  •*  so  geht  aus  all  dem  zur 
Genüge  hervor,  dass  nicht  allein  in  den  ersten  Jahren 
nach  Euklid,  sondern  viel  später  die  Schätze  der  verschiedenen 
anderen  Götter  nicht  von  einem  eigenen  Colleg  verwaltet 
wurden,  sondern  vielmehr  von  den  Schatzmeistern  der  Athens, 
weil  diese  Werthgegenstände  sonst  nicht  im  Hekatompedos 
oder  Parthenon  sich  hätten  befinden  können. 

Wir  haben  ausserdem  aus  der  Ijkurgischen  Zeit  eine 
Urkunde  erhalten,  in  welcher  die  lafAtai  t(ov  ifXXcov  Oeäv  sicher 
genannt  worden  sein  müssten,  wenn  sie  in  der  damaligen 
Zeit  vorhanden  gewesen  wären.  Es  ist  die  Inschrift  C.  I.  A.  II. 
nr.  163,  in  welcher  Bestimmungen  über  die  feierlichen  Ab- 
haltungen  der  jährlichen  Panathenäen  getroffen  werden.  Man 
liest  Z.  7  ff.:  ejtJ/v^^ioOai  tu  Sv^txci),  xa  {xev  oXXa  xa6a{[?:ep  vfi  ßouXfi« 
Ö]u6{v   8e   Tolx;   lepoxotou(;   xa?   jjlsv    8uo  |  [Ouata«;   -njv   ts   tjj]  *AOr,va   Tji 

TYtsia   xat    ttjv   ev    tw    ap   [ ;x6vyjv   xa6a?;ep  ^pcrspsv 

x«l    veijjLavT ,  [a^   idiq    wpüTfllvJsutv    x^vts    jjiepiSa?    xal    toi§    svvea    d^  - 

1  Vgl.  Michaelis  a.  a.  O.  p.  307  ff. 

3  Ich  gebe  den  Text  nach  Michaelifl  a.  a.  O.  p,  309,  der  die  Sammelwerke 

anfahrt. 
3  Vgl.  Michaelis  a.  a.  O.  p.  369  und  Ephem.  4040. 


Attisch«  FiDaazrtnraUnng  im  f&afton  und  vierton  Jahrhundert«.  413 

[xoufftv ]   xal   ta^Llonq  xf^   Oeou    fiCov   xal   toi^   l£p{[oicotoi^  [Jiiav] 

xat    Töiq  ot[pGfr]T;7oTq  xat   tot?   Ta5iapxi[®^ **'  "^J^^?  TrojAic[€ua]iv 

T9i;  'AOYjvaiotq  xat  Ta,[T^  xavr^^öpoc]^  yiaxä  (t3c)  eifa>[66xaj,  la  8^  diXXa 
xpia  *AOiQva(o|[i(;  {ji.epiXetv  '.  Bei  der  Aufzählung  der  Würdenträger^ 
welche  Theile  vom  Opferfleisch  bekommen,  konnten  unmöglich 
die  Schatzmeister  der  anderen  Götter,  welche  an  Rang  den 
Schatzmeistern  der  Göttin  gleich  waren,  ungenannt  bleiben. 
Es  ist  diese  Inschrift  mithin  als  ein  Beweis  anzusehen,  dass 
es  TaiAiat  toSv  (£XXtt>v  Oeoiv  nach  Euklid  nicht  gab.  Zuletzt  haben 
wir  noch  die  Inschrift  C.  I.  Ä.  II.  nr.  162  zu  besprechen, 
welche,  wie  sie  ergänzt  worden  ist,  gegen  die  obige  Auffassung 
zeugen  könnte.  Die  23.  Zeile  derselben  (Frg.  c)  ist  überliefert: 

1 C .  STQNeEQNTOAPrrPION  » 

Köhler  liest: 

xoü^  Ta[JL{a^  "cjopj]?  twv  6eöv?  Tb  dpY'>^ptov. 

Zu  beachten  ist,  dass  dem  bedeutenden  Epigraphiker  seine 
Ergänzung  selbst  nicht  recht  zuverlässig  erscheint.  Ferner 
muBB  bemerkt  werden,  dass  der  Sinn  des  Fragmentes,  von 
welchem  man  nur  im  Allgemeinen  annehmen  kann,  dass  es 
über  die  Regelung  der  Feste  und  Opfer  handelt,  nicht  noth- 
wendig  auf  die  Ergänzung  —  Ta^xtai  t^?  Oeou  —  hinführt.  Wir 
müssen  uns  bescheiden,  diese  Worte  der  sehr  corrupten  In- 
schrift nicht  einmal  annähernd  klar  stellen  zu  können.  Die- 
selben werden  daher  nicht  unter  den  Beweisen  fungiren  können, 
dass  zu  Lykurgs  Zeit  zoLidai  tü)v  Oeu)v  bestanden  haben. 

In  Betreff  der  Competenz  der  Schatzmeister  nach  Euklid 
bleibt  schliesslich  noch  Einiges  zu  erörtern.  Dass  sie  eben- 
falls, wie  die  voreuklidischen  Beamten,  die  heiligen  Schätze 
zu  verwalten  und  darüber  Rechenschaft  abzulegen  gehabt,  geht 
aus  den  Uebergabsurkunden,  welche  überliefert  sind,  hervor.  Nur 
das  bleibt  auffallig,  dass  in  allen  diesen  Inschriften  lediglich 
von  der  Uebergabe  von  Werthgegenständen  der  Athena  oder  der 
anderen  Götter  die  Rede  ist  und  sich  keine  Rechnungsablagen 
vorfinden  über  Summen,  welche  dem  Demos  von  Seite  der 
Schatzmeister  geliehen  wurden.  Denn  wenn  auch  das  Tempel- 
vermögen im  peloponnesischen  Kriege  vollkommen  zu  Grunde 

'  Leider  war  es  nicht  möglich  die  Buchstahen  in  der  Form  wiederzugeben, 
wie  sie  im  corpus  I.  A.  stehen. 


414  Fellner. 

gegangen  war,  so  steht  doch  fest,  dass  sich  wieder  ein  neues 
ansammelte,  denn  nach  wie  vor  fielen  dem  Herkommen  gemäss 
gewisse  Bussgelder  den  Göttern  anheim.  So  bekam  der  Schatz 
der  Polias  ein  Zehntel  der  confiscirten  Güter,  an  ihn  oder  an  den 
der  Nike  kam  der  Zehnte  der  Kriegsbeute  und  in  den  Schatz 
der  Artemis  Agrotera  floss  die  Bsxott]  dvSponc6§a>v.  Dann  hatten  die 
Tempel  Ländereien,  welche  verpachtet  waren.  Die  Pachtgelder 
wurden  in  die  betreffenden  Tempelcassen  abgeliefert.  Daraus 
ergibt  sich,  dass  sich  allmälig  im  vierten  Jahrhundert  wieder  ein 
Tempelschatz  gebildet  haben  dürfte.  Stark  kann  derselbe  zwar 
nicht  angewachsen  sein.  Der  Zehnte  der  Kriegsbeute  und  die 
SeKixT)  ocvSpoTCoBcov  werden  keine  erheblichen  Summen  abgeworfen 
haben,  ebenso  können  wir  annehmen,  dass  gar  keine  oder  wenig 
Gelder  aus  den  Pachterträgnissen  der  auswärtigen  Besitzungen 
eingingen.  ^  Ausserdem  werden  die  Götterfeste,  deren  frühere 
Pracht  hergestellt  wurde,  sicherlich  einen  grossen  Theil  der 
Tempeleinnahmen  verschlungen  haben.  Es  Hesse  sich  mithin 
gerade  verständlich  machen,  warum  wir  nicht  zahlreiche  Ur- 
kunden aus  dieser  Zeit  haben  können,  in  welchen  die  von  den 
Göttern  dem  Staate  geliehenen  Gelder  verzeichnet  sind.  Ein 
Erklärungsgrund  für  das  einstweilige  gänzliche  Fehlen  der- 
selben kann  aber  doch  nur  darin  liegen,  dass  noch  nicht  alle 
inschriftlichen  Denkmäler  aufgefunden  sind. 

Wenn  auch  derlei  Inschriften  nicht  vorhanden  sind,  so 
können  wir  doch  andere  anführen,  die  über  die  singulären  Leih- 
geschäfte, welche  zwischen  dem  Staate  und  den  Schatzmeistern 
der  Göttin  abgeschlossen  wurden,  Aufschluss  geben.  Gleich  aus 
dem  oben  angeführten  Decret  zu  Gunsten  der  von  Lysander 
vertriebenen  Samier  erfahren  wir,  dass  die  vereinigte  Schatz- 
behörde der  Göttin  und  der  Götter  eine  Ehrengabe  von 
500  Drachmen  auszahlt  und  das  Geld  für  die  Anschaffung 
eines  Kranzes  und  die  Aufstellung  der  Beschlüsse  hergibt. 
Leicht  zu  begreifen  ist,  dass  damals  der  Staat  nicht  in  der 
Lage  war,  das  Geld  aus  seinem  eigenen  Säckel  zu  geben. 
Deshalb  können  in  dieser  Inschrift  nicht  die  Kolakreten  als 
zahlende  Behörde  genannt  sein.  Die  Schatzmeister  werden 
schon    wieder    einiges  Geld   gehabt   haben   und  streckten   nun 


1  Kirchhoff,  Abhandl.  d.  Berl.  Akad.  1876  p.  28  und  52. 


Attische  FinaaiTerwaltnnflf  im  fBnft«n  und  rierten  Jahrhunderte.  415 

dasselbe  dem  Staate  vor.  Wir  haben  also  hier  entschieden  an 
ein  Leihgeschäft  zu  denken.  *  Immerhin  bleibt  es  merkwürdige 
dass  in  dieser  unglückseligen  Zeit  vom  Volke  aus  Liberalität 
so  bedeutende  Summen  gespendet  wurden,  die  mit  dem  sonstigen 
Elend  gar  seltsam  contrastiren.  Eine  zweite  Inschrift,  nr.  37, 
welche  bereits  nach  dem  Jahre  378  fällt  und  die  nach  Köhlers 
sicherer  Ergänzung  die  Worte  bringt:  ib  ^k  ap-^pwv  Bövrwv  ol 
Toiiiai  Twv  TTJq  6£oü  sww«  Bpoxi^^  möchte  ich  ähnlich  auffassen.^ 
Dann  haben  wir  noch  weitere  Inschriften  (nr.  17,  44,  84,  86), 
in  welchen  auch  gesagt  wird,  dass  die  Schatzmeister  der  Göttin 
Geld  hergeben,  aber  mit  dem  Zusätze :  ex  tcov  Sixa  TaXavTcov.  Die 
bekannteste  darunter  ist  die  Bundesurkunde  aus  dem  Archontat 
des  Nausinikos. 

Die  einschlägige  Stelle  lautet  (nr.  17,  Z.  66 ff.):  xb  U  ap[YOjpiov 
ccav«  £t?  TYjv  dvoYpaptjv  ttj«;  (ru[i^Xt;]<;  ^^^xovra  ^payj^f;  ^it  twv  M%a 
TaA[iv]'cii)v  Touq  Ta[jL(fl^  ttj«;  Oeou.  Die  anderen  drei  Inschriften  ent- 
halten Proxeniedecrete  mit  derselben  Formel.  Es  drängt  sich 
zuerst  die  Frage  auf,  ob  die  betreffenden  Worte  den  Sinn 
haben,  dass  aus  dem  Schatze  der  Göttin  geborgt  wurde,  wie 
wir  es  bei  Besprechung  der  früheren  Decrete  angenommen 
haben.  Der  Ausdruck  ex  xtov  B6ca  TaXdvrcov  scheint  mir  dagegen 
zu  sprechen.  Von  demselben  ist  anzunehmen,  dass  er  auf  einen 
bestimmten  Budgettitel  hinweist.  Eine  schöne  Vermuthung 
Harteis  (a.  a.  O.),  der  ich  vollkommen  beistimme,  ist,  dass 
die  zehn  Talente  einen  durch  die  ei(jq;opat  der  Metöken  Jahr  für 
Jahr  zusammengebrachten  Einnahmeposten  bildeten. 

Wenn  derselbe  Gelehrte  aber  dann  ausführt,  dass  die 
Ta^isi  Ttaiv  TTJ^  Oftou  hier  nicht  sowohl  zu  zahlen,  als  zu  borgen 
hatten,  weil  die  dem  TafjLia^  tou  3i^|aou  ausgeworfenen  Gelder  — 
dieser  bestritt  sonst  die  in  diesen  Inschriften  angegebenen  Aus- 
lagen —  aufgebraucht  waren,  und  dass  wir  es  also  mit  Anlehen 
im  Kleinen  nach  dem  Muster  jener  grossen  Anlehen  des  fünften 
Jahrhunderts  zu  thun  haben,  so  kann  ich  nicht  vollkommen  bei- 
stimmen. Eine  Stelle,  welche  von  Hartel  mit  Recht  angeführt 
wird,  um  den  Beweis  zu  verstärken,  dass  wir  unter  den  ,B£x<z 
■:f/.x/ra'  eine  6ta<popa  der   Metöken  zu    verstehen  haben,   scheint 


>  Vgl.  Hartel  a.  a.  O.  p.  131  ff. 

*  Eben«)  C.  I.  A.  II.  nr.  43  und  nr.  114  B.  Z,  7—9. 


416  P«Iln«r. 

g^egen  obbesagte  Auffassung  zu  sprechen:  {ji^Totxo;  8i  sottv,  bünxf 
Tt(;  6lt:o  ^evrj«;  eXOcov  evotxij  tyj  «ÄÖXet,  x^Xo;  teXöv  et?  a^oxeTaYH^sva; 
Tivi<;  xpet«<;  "f^?  w6Xew;  (Aristoph.  Byz.  bei  Boissonade  Hero- 
dian.  Epimer.  S.  287).  Aus  derselben  ergibt  sich,  dass  die 
Gelder,  welche  die  Metöken  zahlten,  fbr  die  Bedürfnisse  des 
Staates  dienten,  also  Staatsgelder  waren.  Dieselben  brauchte  der 
Staat  von  den  Schatzmeistern  der  Göttin  nicht  auszuleihen, 
da  sie  sein  Eigenthum  waren.  Das  zeigt  uns,  dass  unter  der 
Obhut  dieser  Schatzmeister  sich  wie  früher  sowohl  der  Schati 
der  Götter  als  etwaige  Staatsgelder  befanden.  Summen  aus 
dem  ersteren  konnten  dieselben  nur  ausleihen,  die  Staatsgelder 
aber,  da  sie  bei  ihnen  bloss  deponirt  waren,  durften  sie  nur  auf 
Volksbeschluss  ausfolgen.  Für  unsere  Betrachtung  gewinnen 
wir  als  Resultat,  dass  in  den  Inschriften,  in  welchen  die  Schatz- 
meister ix  Tb>v  3exa  xaXovtiüv  Geld  hergeben,  sie  dies  in  der 
Eigenschaft  als  Verwahrer  von  Staatsgeldem  thun.  Von  einem 
,Anlehen'  dürfen  wir  wohl  absehen. 

Ausser  den  Urkunden,  welche  Köhler  in  der  attischen  In- 
schriftensammlung edirt  hat,  haben  wir  durch  Böckh  in  den  See- 
Urkunden  eine  Inschrift  erläutert,  in  der  lafiCat  twv  t^?  Bew  vor- 
kommen. Es  ist  dies  die  bereits  angeführte  Urkunde  nr.  XIV  a, 
p.  464,  welche  aus  Ol.  113.  4  stammt  und  über  die  Gründung 
einer  Colonie  am  adriatischen  Meere  handelt  Man  liest  Z.  220ff.: 
Tov  [8J6  {jLicOcv  3t86vai  xoT?  Jixaongpioi^  toü^  Tafji{[a]^  twv  t^  SscO 
xocTiz  TOV  [v6](jLov.  Zur  Aufklärung  möge  dienen,  dass  nach  dem- 
selben Psephisma  fQr  den  Fall,  als  Trierachen  eine  Entschuldi- 
gung wegen  der  zu  leistenden  Trierachie  einlegen  wollen,  ein 
Gerichtshof  eingesetzt  wird,  welcher  darüber  die  Entscheidung 
zu  fällen  hat.  Den  Vorsitz  führt  der  für  die  Symmorien  ge- 
wählte Strateg.  Gericht  selbst  soll  den  2.  und  5.  Munjchion 
gehalten  werden.  Am  10.  Munychion  müssen  die  Trierachen  die 
Schiffe  fertig  gemacht  haben.  Die  Richter  erhalten  ihren  Sold  von 
den  Schatzmeistern  der  Göttin  xaxa  tcv  v6|aov  ausbezahlt.  Es  ist 
das,  wie  Böckh  erkannt  hat,  das  Gesetz  des  Diphilos  {eiq  fiXacxiiv 
T^q  x^P^^)-  I^h  führe  zum  Verständnisse  des  Vorgangs  dessen 
eigene  Worte  an:  ,Für  die  dahin  gehörigen  Fälle  waren  aber 
besondere  Bestimmungen  gemacht,  welche  sich  namentlich  auf 
Geldbezahlung  bezogen,  und  zwar  nicht  durch  Volksbeschluss, 
sondern  durch  ein  Gesetz;  wahrscheinlich  enthielt  dieses  Gesetz 


Attische  Finanzverwaltang  im  fünften  nnd  vierten  Jahrhunderte.  417 

die  Bestimmung^  dass  fiir  die  auf  diese  Fälle  bezüglichen 
Berichte  der  Richtersold  von  den  Schatzmeistern  der  Göttin 
bezahlt  werden  soll'  (a.  a.  O.  p.  210).  Daraus  scheint  nicht 
mit  Bestimmtheit  entnommen  werden  zu  können,  ob  die  Schatz- 
meister hier  mit  Geldern  der  Göttin  oder  mit  Staatsgeldern 
zahlen.  Ich  halte  dafür,  dass  wir  an  den  ersten  Fall  zu  denken 
haben,  deswegen  weil  der  Budgettitel  nicht  angegeben  ist.  Es  ist 
nicht  einmal  nöthig  anzunehmen,  dass  die  Staatscassa  damals  leer 
war.  In  Athen  liebte  man  es  heilige  Gelder  zu  verwenden,  auch 
wenn  der  Staat  nicht  in  Noth  war.  ^  Endlich  gehört  hieher  noch 
ein  Decret  der  lw:ei<;  aus  dem  Jahre  300  (Ol.  120.  1),  in  welchem* 
den  Schatzmeistern  Kränze  zuerkannt  werden:  e'jretS^  cl  Ta{jL[(a: 
Töijv  xf|^  6€ou  ol  iiA  *HYSjJLi[xoü  dip^Jovro«;  eirefxeX^ÖTiffotv  [ixeidt  tJäv 
'.7n:2p7a)v  5xü><;  äv  ol  [tTir]e[t]?  tov  ts  atTOv  xo|JLioci)v[Tai  Trjapa  tou  Bi^jaou 
::v  d(^£iX[6jjievcv]  auToT[(;]  (C.  I.  A.  II,  nr.  612).  In  dieser  bedrängten 
Zeit  konnten  höchst  wahrscheinlich  nur  Gelder,  welche  bei 
den  Tempeln  eingingen,  zur  Verwendung  kommen.  Man 
hat  daher  an  eine  Anleihe  zu  denken. 

Zur  Auffassung  der  Stellung  der  Schatzmeister  könnten 
noch  Inschriften  dienen,  die  zum  Theile  erst  kürzlich  gefunden, 
von  Köhler  in  den  Mittheilungen  des  deutschen  archäologischen 
Instituts  in  Athen  eingehend  behandelt  werden  (3.  Jahrgang). 
Auf  Seite  173  sind  folgende  Worte  einer  bisher  unedirten  üeber- 
gabdurkunde  der  Schatzmeister  der  Athene  beachtenswerth :  [-  - 
«»-ptai   apJYUpai   Tpet^,    äq   STCoti^aavro   TaJjjLiat  ol  iiA  'A[pxiin:ou(ip5(6vToq] 

h  Tuv    ^laXcov    Tb>v    e^sXeuOepjixoJv ,    äq   Aeofjie 

£i:5i[T,]a£v.  Es  sind  das  silberne  Hydrien,  welche  die  Schatz- 
meister aus  dem  Material  silberner  Schalen  hatten  anfertigen 
lassen.  Ob  dieselben  eigenmächtig  solche  Umschmelzungen 
vornehmen  konnten  oder  ob  dazu  ein  Volksbeschluss  noth- 
wendig  war,  ist  nicht  gesagt.  Da  diese  Inschrift  der  nach- 
lykargischen  Zeit  angehört,  so  kann  man  vielleicht  annehmen, 
dass  bei  Gelegenheit  der  Reorganisirung  des  heiligen  Schatz- 
wesens  durch  Lykurg,  auch  über  diesen  Punkt  Bestimmungen 
fiir  die  Zukunft  getro£fen  wurden. 


*  Ans    dieser    Urkunde     darf    man    aber    nicht    schliessen ,     dass     die 
Scbatzmeister  der  Göttin  nach   Euklid   überhaupt  den  Richtersold   aas- 
saUteo. 
Sitiwig»b«r.  d.  pkil.-hi»t.  Cl.  XCV.  Bd.  I.  Hft.  27 


418  Fellner. 

Von  BODBtigen  Inschriften^  in  denen  der  TOfuat  r^c  OesO  ge- 
dacht wird,   hätte  ich   vornehmlich   die   oft  erörterte  Urkuude 
betreffs  der  Inventarisirung  der  Chalkothek  zu  nennen,  in  welcher 
verordnet  wird,  dass  dabei  ausser  den  Militärbehörden,  die  Schatz- 
meister der  Göttin  zugegen  sein  müssen  (C.  I.  A.  II,  Gl).  Warum 
letzteres  der  Fall  war,    wird  schon  von  Kirchhoff*    dargethan. 
Zur  weiteren  Aufklärung  des  Sachverhaltes  dürften   die   neu- 
gefundenen  Bruchstücke   zur   Inschrift  nr.  G4    des   IL  Bandes 
der  attischen  Urkunden  dienen.    Diese  Fragmente  wurden  von 
Köhler  ^   in   ausführlicher  Weise  im   Zusammenhang  mit  dem 
früher   aufgefundenen  Theil   der  Inschrift   erläutert.     Von  Be- 
lang sind  die  Zeilen  39,  40:  [t^]v  5s  ct[>jJX[tjv  ttjJv  xpb[?  'A]X[shjv- 
8[p]ov  [xa]ö[6jX[6]Iv  [t|ou(;  fTa[JLia](;  tyj;  Beou  T[t)v  ^j£p[i  tyj];  [cjuiipiaxi^v 
Es  wird   angeordnet,   dass   die   Stele   mit   dem   mit  Alexander 
von    Pherä   abgeschlossenen   Vertrag    vernichtet    werden   soll. 
Folgende    erklärende   Worte   werden   von    dem   Editor   hinzu- 
gefiigt:    ,Die    Säule    stand    auf  der   Burg,    daher   werden  die 
Schatzmeister  der  Athene  mit  der  Ausführung  des  Beschlusses 
beauftragt^   Es  scheint  somit  alles,  was  auf  der  Burg  war,  unter 
der  Obhut  der  Schatzmeister  der  Göttin   gestanden   zu  haben. 
Deshalb   mussten    sie   bei    der  Inventarisirung  der  Chalkothek 
zugegen  sein,  deshalb  konnten  auch  sie  nur  eine  Stele,  welche 
auf  dem  der  jungfräulichen  Göttin  heiligen  Kaume  stand,  ver- 
nichten lassen. 

Von  den  Schatzmeistern  hinweg  wenden  wir  uns  zu  einer 
neuen  Behörde,  die  in  Folge  der  Verfassungsumänderungen 
unter  dem  Arclion  Euklides  ins  Leben  getreten  sein  soll.  £s 
ist  dies  die  Theorikenbehörde.  Die  Benennung  derselben  ist 
schwankend,  wie  ein  Blick  in  Böckhs  Staatshaushaltung  (1.  2ii) 
zeigt.  Am  häufigsten  kommt  der  Name:  o\  iid  tc  OEcupixbv  if;pi;- 
[khoi  vor.  Dass  wir  davon  abzugehen  haben,  dass  diese  Be- 
amtung  unter  Euklid  geschaffen  wurde,  ist  oben  schon  aus- 
geführt worden.  Vielleicht  gelingt  es  aber  doch,  den  Zeitpunkt 
wahrscheinlich  machen  zu  können,  wann  die  Creirung  dieser 
Behörde  vor  sich  ging.  Zu  dem  Zweck  wird  es  nothwendig 
sein,  vorerst  das  Wesen  des  Amtes  zu  erwägen. 


1   PhilologUB  XV,  p.  405. 

3   Mittheil,  des  archäolog.  lustituts  in  Athen  II,  p.  291. 


Attiiche  FinansTenraltang  im  fOnften  und  vierten  Jahrhunderte.  419 

In  Perikles  Zeit  zeigt  sich  das  lebhafte  Bestreben,  es 
dahin  zu  bringen,  dass  alle  Athener  an  den  Leiden  und 
Freuden  des  Staates  innigen  Antheil  nehmen.  Gross  und 
gewaltig  stand  damals  die  athenische  Bürgerschaft  da.  Ihre 
Führer  waren  bestrebt,  diese  Macht  des  Staates  zur  An- 
schauung zu  bringen.  Daher  führten  sie  die  mächtigen,  von 
ganz  Griechenland  angestaunten  Bauten  auf,  daher  auch  be- 
gingen sie  die  Götterfeste  —  da  immer  viele  Fremde  in  Athen 
weilten  —  mit  einer  früher  nie  gesehenen  Pracht.  Den  ärmeren 
Bürgern  wäre  es  bei  der  Menge  der  Feste  schwer  gefallen  an 
allen  Vergnügungen,  die  der  Staat  damit  verband,  theilnehmen 
zu  können,  wie  z.  B.  an  den  Schauspielen,  für  die  ein  Eintritts- 
geld gezahlt  werden  musste.  Von  Staatswegen  wurden  daher  den 
ärmeren  Leuten  Festgelder  ausgezahlt,  damit  dieselben  sich 
mit  den  Reichen  zugleich  freuen  konnten.  Dieser  Vorgang  ist 
vor  Euklid  unter  dem  Namen  der  Diobelie  überliefert  (elq  tyjv 
-yo^EXix/  ^S63r,)J  Nach  dem  peloponnesischen  Kriege  konnte 
bei  der  schlechten  finanziellen  Lage  des  Staates  von  einer 
Diobelie  nicht  die  Rede  sein.  Nachdem  sich  aber  der  Staat 
wieder  etwas  erholt  hatte,  drängten  die  leichtlebigen  Athener 
sf»  lange,  bis  endlich  die  Festgelder  wieder  eingefuhi-t  wurden, 

Demagogen  gab  es  genug,  welche  das  Volk  dadurch 
für  sich  zu  gewinnen  suchten.  Der  Zeitpunkt,  wann  dieses 
u"  >chah,  läsat  sich  ziemlich  annähernd  bestimmen.  Harpokration 
sas^t  unter  Oswpiy.a:  Oecoptxic  -j^v  Tiva  Iv  xcivtj>  /pT^iJLara  otTcc  Toiv  t^^ 
"Sk'Jo^  ::po<7iBu)v  Gruv(r;6[X£va'  Tauta  $£  TupsTspov  jxsv  si^  Tic  tou  T:oki\t.o\j 
'/}V2z  ssuXoTTSTO  xal  exocXsTw  arpaTiwTixa,  üaispsv  ck  y,aTcT(6sT0  et? 
'i'.iz,  ^TiiLGciaq  xaTaaxEua?  xat  8iavö|xa(;,  wv  irpöTo?  ffp^o^xo  ^-^d^^'.oq. 
Von  einem  Manne,  der  diesen  Namen  führt,  wissen  wir  aber, 
«iass  er  einer  der  bedeutendsten  und  angesehensten  Volksmänner 
nach  dem  peloponnesischen  Kriege  war,  dass  er  möglicher 
Weise  den  Ekklesiastensold  eingeführt  und  wenn  schon  das 
nicht,  so  sicherlich  auf  drei  Obolen  gebracht  hat.  Böckh  hat 
:'ioh  mit  Recht  dafür  entschieden,  dass  auch  bei  Harpokration 
im  Artikel  Theorika  derselbe  Argyrrhios  gemeint  sei  (a.  a.  O. 
p.  315).  Wenn  weiter  Zenobius  berichtet,  III,  27:  SpayjxYj  x^Xa- 
jüTa  —  i%\  AioodvTO'j  tc  OswpTjTixbv  (1.  Oewpixov)  i'^t^e'zc  ^p(x/j^i\^  IxstSr) 


•  C.  1.  A.  I,  188,  189. 

2V 


420  Fellner. 

geht  daraus  hervor^  dass  unter  dem  Archon  Diophaatos  (Ol.  ^6. 
2  =  395)  die  Volksspendeu  schon  wieder  eingeführt  waren.  Wir 
werden  wohl  nicht  fehl  gehen,  wenn  wir  aus  derselben  Stelle 
folgern,  dass  die  Auszahlung  der  Belustigungsgelder  zu  Anfang 
von  Ol.  96. 2  oder  zu  Ende  des  vorhergehenden  Jahres  beschlosden 
wurde.  Damals  kam  auch  officiell  der  Name  Osü>ptv.a  für  Dio- 
belie  auf. 

Gleichfalls  wäre  darauf  hinzuweisen,  dass  es  früher  nicht 
eine  eigene  Casse  gab,  aus  der  die  Belustigungsgelder  gezahlt 
wurden,  sondern  dass  sie  aus  dem  Staatsschatz  entnommen 
wurden  und  von  den  Hellenotamien  zur  Vertheilung  kamen.  Nur 
im  Falle  der  Noth  wurden  sie  aus  dem  Schatze  der  Athena  ent- 
lehnt. Aber  auch  da  geht  die  Vertheilung  durch  die  Helleno- 
tamien vor  sich.^  Später  um  Ol.  96.  2  konnte  natürlich  tod 
Ueberschüssen  der  Verwaltimg,  welche  für  die  6c(i>pixa  verwendet 
wurden,  nicht  gesprochen  werden,  sondern  dieselben  mussten  aas 
den  laufenden  Staatseinnahmen  genommen  werden.  Dann  als 
die  finanziellen  Verhältnisse  sich  zeitweise  wieder  besserten  und 
unter  Eubulos  Athen  zu  einer  scheinbaren  Nachblüthe  kam,  da 
wurden  in  grösserem  Massstabe  f)£0)ptxa  an  das  Volk  ausgezahlt; 
ja  sogar  in  so  übertriebener  Weise,  dass  dadurch  das  Staatswesen 
sichtlich  Schaden  litt."^  Die  Vertheilung  dieser  Gelder  und  die 
Verwaltung  der  neu  errichteten  Theorikencasse  konnten  selbst- 
verständlich nach  Euklid  die  Hellenotamien  nicht  mehr  besorgen, 
es  musste  dafür  ein  neues  Amt  gegründet  werden.  Das  sind 
eben  die  ol  iiri  tc  Ö£0)ptxbv  x£/eipoTC»«;}jL£voi.  Sie  scheinen  zehn 
an  der  Zahl  gewesen  zu  sein.  Dass  nun  dieses  Amt  erst  noth- 
wendig  ward,  als  unter  dem  Archon  Diophantos  oder  im  Jahre 
früher  Agyrrhios  die  Wiederaufnahme  der  Auszahlung  von 
Volksspenden  beantragte  und  durchsetzte,  scheint  mir  sicher 
zu  stehen.  Die  Errichtung  dieser  Behörde  wird  nicht  früher 
geschehen  sein,  bevor  nicht  Festgelder  zur  Austheilung  kamen. 
Die  Einführung  der  Theorika  und  die  Einsetzung  einer  Behörde, 
welche  sie  zu  verwalten  und  zu  vertheilen  hatte,  dürfte  sogar  in 


>   Würz  (1878):  De  ecclesiastica  mercede  p.  21,  31. 
2   Kirchhoff  (Abhdlg.  der  Berl.  Akad.  1876)  p.  40. 
'  A.  Schäfer:  Demosthenes  tind  seine  Zeit.  1.  181. 


Attische  FinanzTerwaltnnfif  im  f1inft«n  und  rierten  Jahrhunderte.  421 

ein  und  derselben  Volksversammlung^  beschlossen  worden  sein, 
a;erade  so  wie  einst  in  einer  Volksversammlung  die  Benützung 
des  Opisthodom  als  Schatzlocal  tiir  alle  Götterschätze  und  die 
Aufstellung  von  zx[jJ.oli  luiv  di)vX(ov  Osöv  festgesetzt  wurde. 

Gleichzeitig  mit  den  Theorikenvorstehern  soll  in  der 
euklidischen  Verfassung  dem  taixia«;.  -röv  cTpaTiwTtxtov  ein  Platz 
eingeräumt  worden  sein.  Der  Kriegsschatz  wurde  gebildet  aus 
den  Tributen,  dem  Ueberschuss  der  Verwaltung  (xit  Trspiovra 
/pT;putT3t  ty;^  BiotÄii^ffcü);  cTvai  arparitoTixa  Rede  gegen  Neära,  s.  1346,  4) 
und  der  Vermögenssteuer  (sicr^opa).*  Tribute  fallen  nach  Euklid 
überhaupt  weg,  auch  von  Ueberschussgeldern  der  Verwaltung 
und  einer  th^opk  konnte  damals  nicht  die  Rede  sein.  Es  klingt 
unwahrscheinlich,  dass  man  in  jener  Zeit,  wo  der  Staat  so  sehr 
des  Friedens  bedürftig  war  und  wo  gar  keine  Nothwendigkeit 
dazu  vorlag,  die  Kriegszahlmeisterstelle  errichtet  habe.  An- 
fänglich hielt  ich  es  für  wahrscheinlich,  dass  dieselbe  im  Jahre 
des  Xausinikos  ins  Leben  trat,  in  einer  Zeit,  wo  der  Staat  wieder 
neu  aufzublühen  begann.  Das  lassen  aber  die  bereits  genannten 
Worte  der  Inschrift  (Athenaeon  VI.  152)  nicht  zu:  to  Be  vOv  stvat 
-ipacojvat  TO'j;  OTroSr/.ia^  xb  ci;  ttoj^  Tcx^ivou^  iv,  tcov  crpaTuoTixtuv  xp^- 
.i.a-u)v,  aus  welchen  Arnold  Schäfer*^  mit  gutem  Grunde  schliesst, 
daüs  in  dem  Jahre  der  Ausstellung  dieser  Urkunde  (Ol.  108.  2 
—  347)  das  Amt  eines  Ta;x{a?  twv  axpaTtwTiy^ov  noch  nicht  be- 
^taDden  habe.  Demosthenes*  Reden  scheinen  damit  übereinzu- 
j^timmen,  in  welchen  oft  genug  Gelder  genannt  werden,  die  man 
zu  r:p3[T!(i)Tixi  xpKJiJLara  verwenden  soll.^  Nie  aber  findet  man  nur 
^ine  leise  Bezugnahme  auf  den  ßeamten,  welcher  der  Kriegs- 
easse  vorstand.  Bei  Erklärung  derselben  Inschrift  gibt  Schäfer 
an,  dass  Georg  Löschke  der  Erste  war,  welcher  Böckhs  Ansicht 
über  das  Einsetzungsjahr  des  Kriogszahlmeisters  als  irrig  er- 
kannt und  wahrgenommen  hat,  dass  das  Amt  erst  Ol.  110.  3 
=  338  mit  Beginn  von  Lykurgs  Finanzverwaltung  geschaffen 
und  seitdem  beständig  beibehalten  wurde.  Ich  muss  gestehen, 
dass  diese  Anschauung  Löschke's  sehr  viel  für  sich  hat.  Ist 
ja  doch  der   früheste    inschriftliche  Beleg   über    die  Thätigkeit 


'  Vgl  Böckh  Ä.  a.  O.  1.  246. 

'  Rh.  M.  XXXIII,  p.  431. 

'  Z.  B.  Olynth.  Reden  1.  19  und  3.  10. 


422  FelUer 

eines  KriegszahlmeiBters  aug  der  Zeit  Lykurgs  erhalten.  Damals 
wurde,  wie  ich  unten  weiter  ausführen  werde,  eine  commissa- 
rische  Behörde  eingesetzt,   welcher   die  Ordnung   der  heiligen 
Schätze   oblag.     Diese  bezieht   (Ol.    111,   3  =  334)   auB  den 
vom   -zol^lIou;  (rcpaii(i>Tixä>v   verwalteten   Staatsüberschüssen   Gelder 
für  Niken  und  Festgeräthschaften  (eiq  la;  v{[xa?]  xai  t«  T:[opL]7:sIiy 
Ausserdem    weiss   man,   dass    Kallias,    Sohn  des  Habron,  ein 
Schwager  Lykurgs  Ol.  110.  3  :=  338  Kriegszahlmeister  war.^  In 
späterer  Zeit,  nach  dem  Jahre  300,  als  gewichtige  Veränderungen 
in  der  athenischen  Staatsverfassung  stattfanden,  wird  der  tsi^iz: 
9Tp(rct(ji)TiKa>v  weit  häufiger  genannt.  Das  Amt  hatte  damals  an  An- 
sehen unstreitig  sehr  zugenommen  und  auch  Veränderungen  in 
seiner  Competenz  erfahren.  Wie  Hartel  sehr  wahr  betont,  ist  der 
Kriegszahlmeister  jetzt  eine  oberste  Verwaltungsbehörde  geworden. 
Das  geht  in  erster  Linie  aus  der  Inschrift  nr.  327  (C.  I.  A.  II 
hervor:    si^  Ik    tt;v    avaYpa^r^v    [xa:    xtjv   avaOsJtTtv  tt^c  arrjXr,;  \)s^.zi'. 
Tov   Ta;jLiav    [twv   aTpariwjTixwv   xal   to'j^   It:!  tsT  SiotÄi^'s».  to  y^[^^H^-^^' 
dviXwJ'jJia.^  Aus  den  Inschriften,  welche  im  Corpus  vorhergehen, 
ersieht   man,    dass  die  oberste  Verwaltungsbehörde,   welche  zu 
jener    Zeit    bestand,  ol   ii:\  t^  otoixT^ffsi  genannt  wurde  und  die 
Kosten  für  derlei  Auslagen  bestritt.    In  unserer  Urkunde  aber 
wird    5    Ta[jL'!a;   twv    orTpaTicüTixcjv    vor    cl    st::   vr^    B'oixijaei    nanihalt 
gemacht  und  zwar   in    einer  Fassung,    welche   den  Schluss  er 
laubt,  dass  damals  an  der  Spitze  der  Verwaltung  eine  combinirte 
Behörde    stand.     Auch   kurze    Zeit   später,   als    das    Amt    der 
ext   Tij    $'.cty,Yia£i   wieder    in    der   Hand    eines    einzigen    Beamten 
vereinigt  war,  der  den  Titel  6  iid  ttj  Bioty.ijjet  führte,  finden  \*ir 
sehr  häufig  den  Kriegszahlmeister   genannt  und  mit  denselben 
Functionen    wie    den     obersten    Verwaltungsbeamten     betraut. 
Daraus    folgt,    dass   diese  beiden  Beamten  als  oberste  Behörde 
neben  einander  bestanden.     Um   ihre   gleiche  Wirksamkeit  zn 
erkennen,  führe  ich  aus  vielen  Inschriften  nr.  393  und  396  an: 
et;  $e  [tyjv  ivavpa^irv  /.al  ttjv  ivaOeütv  tt;;]   tm^AiQ?  (Jt-epi^ai   Tbv  ezi  'i- 
[BicixriCet  to  vevcjjLevsv  aviAO){jLa]   (393)  und  et;  Be  [ttjv  avaYpafr//  y,i 
TTjv  avaOsaiv  rr^];  ctyJXt,;  [[jLspiaat  Tbv  Ta|i.(av  twv  crpaTtWTiy.jwv  tb  ^efv:- 


1  Köhler:  Hermes  224  ff.  und  Michaelis  a.  a.  O.  292. 

2  Böckh  a.  a.  O.   1.  246. 

'   Die  Inschrift  ist  kurze  Zeit   vor  dem  chremoiädeischen  Krieg  zu  setzm 


Attische  FinanzTerwaltung  im  fftnften  und  Tieften  Jahrhunderte.  423 

fxrvsv  dvaX(i){i.a]  (369).  Weiterhin  ist  aber  auch  bezeugt,  dass 
der  Kriegszahlmeister  seinen  früheren  Obliegenheiten  in  gleicher 
Weise  nachzukommen  hatte.  Einen  schönen  Beleg  dafür  liefert 
eine  Urkunde,  welche  in  die  Zeit  des  chremonideischen  Krieges 
gehört,  nr.  334: 

Tajxiaq  aTpaxio)[Ttx(i>vJ 
EupuxXcicr^i;  ■Vltxuovoi;  [Kv;(ptat£6!;J 

folgen  die  Präscripte  und  dann: 

[B£|s|r,|JLO^  Tt|jLoy,X£ouc  MapaOwvio^  £Tt:£[v  •  ötcüx;  av  Y^pri[Ldito^  '^]^P^' 
:6£"/Twv  v/^s,'.  b  i^iiia^  [xspt^ctv  la  [Be6|jL£va,  Tva  y.aia  tov  x]axaXot7:ov 
•/::vsv  Toü  ivtauTOÜ  TJvy.[ojjLia6(octv  et  ix.  Y^c;?]  [xjapxoi   [A£t'  OLa^^oikdciq.^ 

Unter  b  TajjLia;  kann  nur,  wie  zudem  aus  der  Ueberschrift, 
aus  dem  darauf  folgenden  Text  und  vornehmlich  aus  den 
Worten:  to  Ik  '^,[(^i(syjx  t6S£,  £::£iBtj]  si£pi  xopou  XPW^'^^'*  ^^'^^''  orpa- 
■:iw':ixü)[v,  clvai  xKTf  tlq  ^ü]Xaxv;v  t^^  x^P^^  ^^^^  wird,  der  Kriegs- 
zablmeister  gemeint  sein,  welcher  Zahlung  leistet. 

Endlich  wäre  noch  auf  einige  Ephebendecrete  zu  verweisen, 
welche  dem  Ende  des  zweiten  und  Anfang  des  ersten  Jahrhunderts 
angehören,  in  denen  ebenfalls  der  xa^Liaq  arpaTttoTixüiv  genannt 
ist.  Wir  lernen  daraus,  dass  die  Strategen  und  der  Kriegs- 
zahlmeister dafür  zu  sorgen  haben,  dass  an  den  bestimmten 
Festen  die  Verkündigung  der  Auszeichnung  geschieht,  welche 
das  Volk  den  Epheben  zuerkannt  hatte:  tt;;  §£  ava^opeuaEux;  xou 
:Ti5ivoj  ixtiXEXYjÖTjvat  toü(;  arpaTfjYoix;  xat  tov  xajxiav  twv  aTpaT((i)xixü)V 
iz.  B.  467  Z.  50  S.).  Das  Geld  für  die  Aufstellung  der  Ur- 
kunde in  Stein  gibt  der  Taii.ta<;  her:  to  oe  7£v6|A6vov  siq  outyjv 
aviXwiia  jAsptcjai  tcv  xaiJLtav  twv  cTpaxiwTixwv  (a.  a.  O.).  Bis  tief  in 
das  erste  Jahrhundert  scheint  der  Kriegszahlmeister  jenen  an- 
§:e6eheDen  Verwaltungsposten  bekleidet  zu  haben. 

Wie  überall,  so  waren  in  Athen  die  verschiedenen  Aemter 
dem  Wechsel  der  Zeit  ausgesetzt.  Denn  wie  die  Macht  und  wie 
die  Anschauungen  des  Volkes  sich  änderten,  in  gleicher  Weise 
waren  die  Beamtengewalten   mit  den  Wandlungen  des  Volkes 

'  Vgl.  Hartel  a.  a.  O.  9  u.  77  ff. 


424  Fallnar. 

Veränderungen  unterworfen.  Schon  früher  aber  habe  ich  geltend 
gemacht,  dass  die  Auffassung  nicht  nothwendig  sei,  dass  unmittel- 
bar im  Gefolge  einer  Katastrophe  all  die  Umgestaltungen,  wie  wir 
sie  später  vorfinden,  vor  sich  gehen.  Wahr  ist,  dass  viele  Um- 
änderungen gleich  damit  eintreten,  manche  davon  aber  kommen 
oft  erst  geraume  Zeit  später  zum  Vorschein.  So  haben  wir 
gesehen,  dass  in  der  athenischen  Finanz  Verwaltung  nach  dem 
peloponnesischen.  Krieg  Veränderungen  statthaben  mussten. 
Die  nothwendigsten  wurden  gleich  ins  Werk  gesetzt,  andere 
finden,  wie  es  in  der  Natur  der  Sache  lag,  später  Eingang.  Es 
dauerte  eine  Weile,  bis  der  attische  Finanzapparat  wieder 
vollständig  in  Ordnung  gebracht  war.  Unter  den  Aemtero, 
welche  einige  Zeit  nach  Euklid  eingeführt  wurden,  ist  auch 
das  des  Volkszahlmeisters  {ya^kia^  toj  ^y^ixou)  zu  nennen.  Wann 
das  Amt  errichtet  wurde,  lässt  sich  schwer  sagen.  Sicher  ist, 
dass  es  unter  Euklid  selbst  nicht  geschah,  weil  damals  noch 
behufs  Herstellung  von  Inschriften  die  Poleten  die  Steinarbeiten 
verdingten  und  die  Kolakreten  die  Zahlung  leisteten.  Auch 
das  scheint  nicht  vollkommen  fest  gestellt  werden  zu  können, 
dass  es  vor  dem  Archontat  des  Nausinikos  schon  einen  x2(jl'!2; 
Tou  l-f^[Lo\j  gab.  Köhler  ergänzt  zwar  Z.  4 — 6  der  Inschrift  nr.  12: 
xo  [8]e  [ipfipiov  £1^  rrjv  om^Xr^v  Joövai  xcjv  lajAiov  [tJou  [ck$ijlc'j  i%  twv  =•: 
({nf2f(9(A«ia  dvaXt?]xo(jLdv[(i>v  und  bemerkt  zur  Texterklärung:  ,foedus 
cum  Seutha  Maesadae  filio  Odrysarum  rege  Thrasybulo  auctore 
Ol.  97.  2/3  (390  a.  Ch.)  primum  ictum  esse,  narrat  Xenophon 
Hell.  IV,  8,  26.  Sed  Cbabriam  tum  temporis  in  Thracia 
versatum  fuisse  vix  credi  potest,  et  insunt  etiam  in  ipso  titulo 
quae  probare  videntur  eum  pauUo  recentiorem  esse^  Ob  dieser 
Titel  nicht  unter  Ol.  100.  3  herabgerückt  werden  könnte,  wage 
ich  zwar  nicht  zu  entscheiden ;  Ergänzungen  wie  Z.  3  (levoi  ^^[y] 
c[u[ji.(jLax(i)v  ?]  und  Z.  22  [ou(jLp.]a/Jü>v]  scheinen  beinahe  dafür  zu 
sprechen.  Mit  meiner  Auffassung  der  Dinge  würde  es  eher  zu- 
sammenstimmen, wenn  das  Amt  eines  tapiia^  lou  §i^{jlo*j  unter  dem 
Archen  Nausinikos  oder  etwas  später  erst  nachweisbar  wäre. 
Worin  der  Schwerpunkt  des  Amtes  lag,  geht  aus  dem  her- 
vor, dass  der  -za^tJ.aq  angewiesen  wird,  bestimmte  Summen 
für  die  Herstellung  von  Inschriften  zu  geben:  ex  twv  ci;  ?i 
xaxa  ^fiG\t.(r:a  avaXtoxojJisvwv  tw  8t^;jl(i)  oder  abgekürzt  i%  twv 
xorca  *^Tif.G\>.7r:7,  dvaX tffy-ojJLevwv  tw  $ii^|[aci>  (vgl.  Hartel  a.  a.  0.  s.  130). 


Attisch«  Fin&nzirenraltiiBg  im  fftnft^u  nnd  Tierten  Jahrhnndarte.  425 

Der  Sinn  davon  ist,  dass  alljährlich  bei  Feststellung  des  Budgets 
eine  bestimmte  Summe  vom  Volke  für  die  Aufstellung  wich- 
tiger Volksbeschlüsse  dem  Volkszahlmeister  überwiesen  wurde, 
aoalog  wie  es  bei  den  Kolakreten  der  Fall  war.  Es  konnte 
nun  vorkommen,  dass  in  einem  Jahr  mehr  Inschriften,  in  einem 
andern  weniger  zur  öffentlichen  Aufstellung  kamen.  Dann 
war  die  Möglichkeit  vorhanden,  die  Casse  des  xafjLia^  ander- 
weitig in  Anspruch  zu  nehmen.  Ferner  lässt  sich  der  Fall 
denken,  dass  das  Volk,  wenn  es  gerade  keine  Gelder  zur 
Disposition  hatte,  über  die  Casse  des  Zahlmeisters  nach  seinem 
Belieben  verfugte.  Wir  finden  daher,  dass  derselbe  manchmal 
andere  Auslagen,  wie  für  Opfer,  Kränze  und  Diäten  zu  zahlen 
hatte  (a.  a.  0.).  Alles  dieses  aber  wurde  aus  demselben  Budget- 
titel bestritten  und  unter  demselben  verrechnet,  wie  schon 
die  früher  besprochene  Inschrift  nr.  115  b  lehrt,  wo  gesagt 
wird:  tov  Ta[xiav  tou  Si^ji.ou  ibv  a£l  TajjLisuovxa  5i56vai  UetaiOeiBiQ  Spaxixt;v 
tt;:  r^[upa<;  sx  twv  xoxa  tj/Y)9ic|Jt.aTa  dvaXiaxo{jt.evü)v  tw  Bi^fjui).  Ferner 
lassen  die  Worte :  tov  laj^^iav  tou  8i^|aoü  tov  del  TafAieüona  wie  tyjv  ^u- 
A7;v  Tijv  ael  ßouXeuouaav  erkennen,  dass  das  Amt  ein  jähriges  ist. 
Aus  dei*selben  Urkunde  kann  gefolgert  werden,  dass  der  xa[uai; 
eine  Casse  zu  verwalten  hatte,  da  wir  lesen,  dass  ihm  die  Apo- 
dekten  das  Geld  xord  tcv  iviaurbv  £xaaTov  geben.  Wie  lange  dieses 
Amt  in  Athen  bestand,  lässt  sich  ebenso  wenig  angeben,  wie 
dessen  Errichtungszeitpunkt.  Das  älteste  datirte  Decret,  in 
welchem  es  vorkommt,  stammt  aus  Ol.  103 1.  =  368/7,  das  jüngste 
aus  Ol.  114,  3  ==  322  (a.  a.  O.).  Dadurch  ist  aber  nicht 
ausgeschlossen,  dass  der  Volkszahlmeister  vorher  und  eine  Zeit 
nachher  fungirte.  Mit  Sicherheit  kann  angenommen  werden,  dass 
er  mit  Beginn  des  dritten  Jahrhunderts  vom  öffentlichen  Schau- 
platz verschwindet.  In  welchem  Verhältnisse  er  zu  dem  iiA  xr^  Btot- 
f-izti  stand,  werden  wir  kennen  lernen,  wenn  wir  von  letzterem 
Amt  handeln.  Hier  aber  möchte  ich  schon  darauf  hindeuten, 
dass  bald  nach  dem  Sturze  des  Demetrios  aus  Phaleron  grosse 
Veränderungen  im  athenischen  Gemeinwesen  erfolgt  zu  sein 
scheinen.  Die  Aerater  eines  Tap^ia^  -nj«;  xotviji;  TcpocoSou,  Ta|jLta(;  tou  Bt^- 
;^j  und  vielleicht  schon  des  Kriegszahlmeisters  dürften  davon 
betroffen  worden  sein.  Die  Inschrift  nr.  243,  welche  jedenfalls 
vor  301,  vielleicht  sogar  einige  Jahre  früher  ziv  setzen  ist, 
scheint  dem  Uebergangsstadium    angehört  zu   haben,   wie    die 


426  Fellnar. 

Worte  andeuten:  £?c   Bs  Tr;v  avavpjt^rjv  ty;;  mjAr,;  5ouvai  tcv  ta'^ir^ 
TO'J  5k^,{jloü  AAA  opo/ixac  sy.  xwv  xoivtov  /pr^ixatcov;  weder  vorher 
noch   nachher  finden  wir  diese  Formel  gebraucht.     Der  tixx; 
Tcu  Iriikoj  stand  auf  kurze  Zeit  in  einem  nicht  mehr  näher  auf- 
2sukiärenden  Verhältnisse  zu  den  y.otva  xp^ji^ora  (vgl.  a.  a.  0.  p.  135). 
Bevor   wir   den   Kreis   unserer  Erwägungen   mit  der  Be- 
trachtung des  wichtigsten  Finanzamtes  in  Athen,  mit  dem  zx^a; 
vriq  xo'.vYJi;  Tipoüilo'j  abschliessend   erübrigt  noch,  die  Stellung  der 
Ta{JLia'.  ':f;(;  ^zjXr^q  näher  ins  Auge  zu    fassen,   über   die   wir  aus 
den    hinterlassenen  Urkunden   nur  spärliche  Notizen   sammeln 
können.  Die  Lexikographen  lassen  uns  hier  im  Stich.  Ob  schon 
vor  Euklid  Ta|j.(as  t^;  ßouXij^  existirt  haben,  darüber  können  nur 
Vermuthungen  angestellt  werden.  Nach  ihrer  Competenz,  die  wir 
bald  kennen  lernen  werden,  zu  schliessen,  Hesse  sich  die  Frage 
unter  gewissen  Einschränkungen  bejahen.  Urkundlich  bezeugt  ist 
dieses  Amt  in  der  nacheuklidischen  Zeit.    Die  erste  Erwähnung 
dieser  Schatzmeister  finden  wir  in  der  Inschrift,    welche  über 
die  Inventarisirung  der  in  der  Chalkothek  aufbewahrten  Gegen- 
stände handelt  (nr.  61).     Es  heisst  in  diesem  Rathspsephisma, 
welches    in    die    Jahre   Ol.    105.    3/4   oder   Ol.  106.  3/4  nach 
anderen   Ol.  107.  4  =  349  zu  setzen  ist   Z.  17  ff.:    i-s-.iiv  ti 

[ev]  on^Xf)  X'.OtVY)  cT^yai  Eix-rrpocOev  tt;;  x*'^'-^^^[^i?]  '  f^?]  ^^  '")^  ^^'' 
Ypa^-Tjv  Tijq  zvf[>sri^  Bcjvat  Tobc  Ta(/.{a;  [xf^c]  ßcjX^(;:  A  A  A:  fcp]ax}Ai; 
ex  TÖY^OTÄ  'WifioiJ.OL'zoL  avaX['ay,o][i.£V(i)v  vfi  ßcu/xtj.  Weiter  ist  noch 
von  Belang,  die  den  Erklärern  so  viele  Schwierigkeiten  bietende 
Inschrift  nr.  114,  welche  in  das  Jahr  Ol.  109.  2  =  343  2 
filllt.  Es  ist  in  derselben  ein  Volksdecret  enthalten,  in  welchem 
der  Bule  ein  goldener  Kranz  zuerkannt  wird,  weil  sich  die- 
selbe um  die  Abhaltung  der  ludi  scenici  an  den  grossen  Diony- 
sien  bestens  verdient  gemacht  hatte,  daran  schliessen  sich 
Rathsdecrete,  welche  von  der  Bule  aus  Anlass  dieses  Ereignisses 
zu  Gunsten  von  Rathsmitgliedern  oder  Beamten  des  Rathes 
erlassen  waren.  Zu  Anfang  des  Inschriftentheiles  C,  welchen 
Köhler  mit  dem  Volksbeschluss  bei  B  unter  folgenden  Worten 
in  Verbindung  bringt:  In  quibus  si  reete  cxplevimus  vs.  4—5 
(tob;  ßo'jXeuTa^  oi  . .  .  sSocor/)  intellegendi  esse  videntur  magistratus 
vel  ministri  quorum  nomina  exarata  sunt  in  parte,  lesen  wir 
vs.  1—9: 


Attische  FinanzTerw&ltang  im  fünften  and  Tierten  Jahrhunderte.  427 

[vpotjjLjiuxiJepjjq  xata  •^[p'jTaJvctav  * 
KXeoatpoTO^ 

Av;{jL6ftXo^ 

ItzI  zo  Oewptxov  • 

KY)^ac9ü>v 

WvTtxy.ijq  'ApioTOKpaxou;  Ku8aör,vat€ü^ 
ApoiJLoxAetOY2(;  0paju|jLi^^8ou(;  'A^f^ojcrio;. 

Weiter  ist  beachtenswerth  im  Abschnitte  A  vs.  4 — 16  Aeivo- 

rrpato;  AstvtotSou  'AfpüXYjOev    sTxsv  •    ^tcsiSy;    tq    ßouXr; , 

Sesdyöat  xy]  ßouXij,  äyäÖtj  tu/y)  tou  SiJfAOü  tou  'A6t)va{ci)v  xat  vf^q  ßouX^;, 

iza^iaxi  ^av6Jr,|xov  AiöXXou  BujjuziTdSiQv xat  cpc£<pavwaai  auxbv 

•/pu7cT)  aT£9av<d to  5s  op^uptov  sTvai  ib  si?  tov  ore'favcv  s.% 

Twv  £1^  xa  xaxa  »{^r^^ lajAaTa  avaX(axo(i.£V(()v  ist  ßoüXei  und  B 
Z.  14—15  TO'j<;  Se  Ta[ii[a{;  Souvat  xjb  ipYipiov  ex.  twv  xaxa  (Iz-ij^ta- 
(laTa  ava[Xt(jxo]|X£V(üv  iy;  ßoiiXf). 

Ferner  steht  im  'AOi^vatov  VI,  270  (4.  Jahrhundert  a.  Chr.) 
in  einem  Rathspsephisma:  to  Se  s^  a^fx^poLt^ri^^  t^<;  gti^Xt;;  aviXü)(jt.a 
85'>/at  xbv  xajjLtav  t^;  ßoüX^<;  s?xo[(yi  Spax[jLa(;].  Ebenso  ist  C.  L  A.  IL 
nr.  375;  jJLspwai  xbv  xajjiiav  xb  fevoixevov  avaXwfxa  an  den  xotfAia«;  x^<; 
^cjXyjc  zu  denken  (Harte!  a.  a.  O.  p.  136),  da  wir  einen  Raths- 
beschluss  vor  uns  haben.  Aus  den  angezogenen  Inschriften 
wird  mit  Sicherheit  hervorgehoben  werden  können,  dass  gerade 
60,  wie  bald  nach  Euklid  ein  Budgettitel  für  die  Aufstellung 
von  Inschriften  von  Seite  des  Demos  bewilligt  wurde, 
ebenso  von  der  Volksversammlung  um  dieselbe  Zeit  ein  eigener 
Budgettitel  für  die  Bedürfnisse  der  Bule  eingeführt  wurde. 
Aus  demselben  sind  die  Aufstellungen  von  Inschriften,  welche 
der  Rath  besorgen  Hess  und  andere  Arten  von  Ehrenbezeugungen, 
welche  derselbe  beschloss,  gezahlt  worden.  Vermuthlich  werden 
die  Einnahmen,  welche  der  Rath  hatte,  z.  B.  Bussen  für  kleine 
Vergehen,  in  diese  Casse  geflossen  sein.  Aus  derselben  sind 
dann  auch  die  Speisungen  der  Prytanen  und  der  Sold  der 
Rathsherren  bezahlt  worden.  Letzterer  Umstand  scheint  dafür 
zu  sprechen,  dass  bereits  vor  Euklid  xaixiai  x^;  ßouX^(;  bestanden, 
welche  die  Verwaltung  der  Rathscasse  zu  besorgen  hatten.  Dass 
es  mehrere  xa|i.tai  gab,  bekräftigen  die  angeführten  Inschriften. 
Wenn  Köhler  auf  Grund  von  nr.  114  schliesst,  dass  um  die  Mitte 


428  Fellnor. 

des  vierten  Jahrhunderts  zwei  Schatzmeister  des  Rathes  waren, 
so  scheint  er  sich  doch  zu  irren  (Hermes  V,  13).  Erstlich  ist 
zu  bedenken,  dass  die  Zweizahl  im  attischen  Beamtenstand 
sonst  keine  Rolle  spielt  und  zweitens,  dass  in  den  Formeln, 
welche  hinterlassen  sind,  dann  überall  der  Dual  gebraucht 
worden  wäre.  Wie  bei  den  meisten  athenischen  Finanz- 
behörden, so  scheint  hier  die  Zehnzahl  berücksichtigt  worden 
zu  sein.  Ich  halte  es  für  wahrscheinlich,  dass  die  Schatzmeister 
der  Bule  aus  den  Buleuten  genommen  worden  sind  und  dass 
analog  den  10  Phylen  und  den  10  Prytanien  auch  10  tojjL'at 
bestanden. 

Ausser  den  früher  besprochenen  Inschriften  sind  uns  noch 
eine  grosse  Anzahl  von  Urkunden  erhalten,  in  welchen  gleichfalls 
Schatzmeister  angeführt  werden,  die  mit  dem  Rathe  in  Beziehung 
stehen.  Die  Documente  stammen  aus  der  Zeit,  in  welcher  es  Mode 
geworden  war,  die  Einzelnen,  sowie  die  Körperschaften,  auch 
wenn  dieselben  nichts  Besonderes  geleistet,  sondern  nur  ganz 
einfach  ihre  Pflicht  und  Schuldigkeit  im  Dienste  des  Staates 
gethan  hatten,  mit  Ehren  und  Kränzen  zu  überschütten.  So 
sehen  wir  denn,  dass  es  beiläufig  um  die  Mitte  des  dritten 
Jahrhunderts  zur  Regel  wurde ,  die  abtretenden  Prytanen 
zu  beloben  und  mit  einem  goldenen  Kranze  zu  beehren, 
,weil  sie  die  vorgeschriebenen  Opfer  dargebracht,  Rath  und 
Volk  versammelt  und  die  Bilder  des  Volkes  aufgestellt  haben' 
(a.  a.  O.  p.  331  ff.).  Ebenso  machten  die  scheidenden  Pry- 
tanen einen  Bericht  in  Betreff  ihres  Cassierers  und  Schrei- 
bers, und  letztere  wurden  dann  vom  Rathe  gelobt  und  durch 
einen  Kranz  aus  Zweigen  geehrt.  Zahlreiche  Inschriften  aus 
den  letzten  Jahrhunderten  vor  Christ,  sind  darüber  über- 
liefert: 329,  390,  391,  393,  408,  417,  425,  426,  431,  432,  440, 
441,  454,  459  und  487.  Unseren  Zwecken  entsprechend  wollen 
wir  einige  Stellen  aus  denselben  genauer  erörtern.  In  der  Inschrift 
nr.  329,  welche  in  die  erste  Hälfte  des  dritten  Jahrhunderts 
gesetzt  wird,  *  sind  folgende  Zeilen  von  besonderer  Wichtigkeit: 
SeSö^Oai    Ttj    ßcuXei   eicatvecjat    tov    Ta{/.iav    Nixox pixYjv   Aibivs; 


*  Es  wird  wohl  in  derselben  Eubulon  als  Archon  genannt.  Das  Jahr  lä^st 
sich  aber  nicht  genau  bestimmen.  Dittenberger  setzt  die  Urkunde  zwischen 
Ol.  126.  1   und  128.  1.  Hermes  II,  387,  vgl.  dazu  C.  I.  A.  II.  p.  156. 


Attische  FinanzTArwaltnng:  im  fünften  nnd  riartan  Jahrhnndert«.  429 

WfAu/.ijösv syaeßsia?   Ivexa  t^^  xpb^  tou?  6eou^  xai 

srASTipita^  Tf|;  sU  'o'-»^  ouXsxa;*  und  aus  dem  zweiten  Decret: 
ir.  T»)^  ^wSexaTTi;  xpuTOVsia^  •  iijxo<;  (?)  ....  eTxsv  •  exsiSt;  Nixo- 
xpiTY;;    ßouXsüsiv    Xa^wv    xbv    eviouTÖv   xbv   ^7:'    EußouXoü   d^x^^o; 

JixTtTsXexsv    Xevwv    xai   xpirrwv  aYOÖcv ,   xal   tapiia? 

alpeO&s;  liTzb  'f^q  ßouX^^  et^  ts  xie«;  Ouotoc^ IJLS{jLepixsv  xoXq 

IcfozotoTg.  Die  am  Schlüsse  der  Urkunde  beigefügten  Summarien 
lauten : 

Ol  9uXs';a(  *0  SyJjjlo;  Ol  ätattoi 

NlXOXpOCTTjV  NixoxpötTr,v. 

Dazu  bemerkt  Köhler:  illud  dubitari  potest,  num  Kico- 
crateS;  qui  in  altero  decreto  diserte  quaestor  senatus  fuisse 
dicitur,  etiam  quaestor  prytanum  Aegeidis  tribus  fuerit  .... 
Man  könnte  also  hier  einen  Schatzmeister  der  Prytanen  und 
einen  laiAto^  tt^^  ßouXf^<;  unterscheiden.  Das  ist  sicher,  dass  der 
Nikokrates  im  ersten  Decret  mit  dem  Nikokrates  im  zweiten 
identisch  ist^  da  in  beiden  Beschlüssen  Vatername  und  Gau- 
Dame  ^  übereinstimmen.  Der  Schatzmeister  der  Prytanen  und 
der  des  Rathes  würden  also  hier  ein  und  dieselbe  Person  sein. 
Aus  dem  zweiten  Decret  ergibt  sich  ausserdem,  dass  der  'za\kiaq 
^;  ßouX^^  Nikokrates  Buleut  war  und  dass  die  Schatzmeister- 
würde nicht  durch  das  Loos  sondern  durch  Wahl  besetzt  wurde. 
Mit  diesen  Ergebnissen  dürfen  wir  uns  aber  noch  nicht  zu- 
frieden stellen. 

Zu  einem  Ziele,  glaube  ich,  wird  die  Untersuchung  erst 
dann  gefuhrt,  wenn  wir  noch  die  Inschrift  nr.  431  in  den  Kreis 
anserer  Erwägungen  ziehen.  Es  heisst  da  Z.  33  ff,: 

[£ojo56[v  TsT  ßJouXei  • 
"Ex^avTo;  [E]'j[  .  .  .  .  oJu  [eTwev]  •  a7;:[ei8]Ti  o\  xpurivei?  ty);  Aewv- 
y^^  iT:av£[(JotvT£^]  xa[l  ffxjs^avwaavrsq  aico^aivouai  t£i  ßouXeT  T[bv 
:)a|i{[av]  Sv  sTXovto  6$  [iauTwJv  IlaTpoxX^v  iloüv{e[a]  xal  Tb(v 
7]p[|JLp.a]Tda  'ATCoXXo<pa[vt)v  Kt^ttioJv  toi?  Bu«««;  T66u[x]6vat  i:d[<jaq  xa^ 
x]3ÄT)xouca?  Iv  T[€t  irpujTOvgCa  urc^p  T£  t^^  ßouXij^  xa[t]  t[ou  $i^ii.]ou,  [eiciiJLe- 
•^]Xi;[aöai    3£   x]otl   twv   aXXwv  d?cavTu>v  xaXw[q  xat  f  iXotijaw?  •  «Y«]^ 


'  Auch  am  SehliiRse  des  zweiten  Decretes  liest    man:    Nixoxpdbi)y  A{(ovo( 
'A^xuXi^ecv. 


430  Ftllner. 

T[u)rci  8eSo)r]0ai  tcT  ßouXe^,  £ratv£[c]at  xbv  Ta[[A{]av  [l[aTpoxX^  .... 
Sojuviia  nuxi  Tov  Ypa[jLji.[aT]^a  'A'ffoXXc93cv[r<v  'A':roA]A09[ivoü;  Kf,TTt|7* 
xal  Tbv  'r[a|ji(av  xji;;  ßoüXrjs  "Exfavtov  0pia[ajtov  xal 

Hier  ist  nun  deutlich  genug  ausgedrückt^  dass  die  Prytanen 
fiir  sich  einen  Schatzmeister  für  die  Dauer  der  Prytanie  aus 
ihrer  Mitte  wählen.  —  Die  Ergänzung  Sv  sFagvic  e^  cxjtwv  ist 
durch  die  Inschrift  nr.  454  vollkommen  gesichert.  —  Derselbe 
ist  mithin  Prytane  und  hat  dafür  zu  sorgen,  dass  die  Opfer, 
welche  die  Frytanen  während  ihrer  Amtsdauer  zum  Wohle 
des  Rathes  und  des  Volkes  darzubringen  haben,  in  gehöriger 
Weise  vor  sich  gehen.  W^eiter  lesen  wir,  dass  der  Ta|JLia;  t^: 
ßouXi^c,  Ekphantos,  mit  dem  Schatzmeister  der  Frytanen  Fatrokles 
gelobt  wird.  Klar  ist  jetzt,  dass  man  strenge  den  -rajita;  der  Prj- 
tanen  und  den  Schatzmeister  des  Rathes  zu  sondern  hat.  Beide 
sind  zwar  Buleuten.  Der  erstere  Schatzmeister  ist  aber  nur  für 
die  Dauer  der  Prytanie  und  speciell  auch  für  die  Prytanie  allein 
in  Wirksamkeit  und  daher  aus  der  Mitte  der  Prytanen  genommen. 
Der  Ta|x(a^  ttJc  ßouXt;;  ist  hingegen  mit  umfassenderer  Competenz 
von  der  gesammten  Bule  zu  Anfang  des  Jahres  —  unc  t^: 
ßoüXY;?  alpeöst?  —  als  ihr  Schatzmeister  gewählt. 

Nachdem  wir  den  Thatbestand  zur  Kcnntniss  genommen, 
ergibt  sich  das  Resultat,  dass  nacli  Euklid  lange  Zeit  hindurch 
Tdcfitat  tij;  ßouXT;;;  gewählt  wurden,  welche  wahrscheinlich  zehn  an 
der  Zahl  waren.  Ende  des  vierten  Jahrhunderts  wird  es  dann 
gewesen  sein,  dass  dieses  collegialische  Amt  einer  Person 
übertragen  wurde ;  sonst  wäre  es  nicht  erklärlich,  warum  mit 
einer  solchen  Bestimmtheit  nur  mehr  ein  -zai^i^q  tt;;  ßcuX^: 
genannt  wird.  Besonders  auffällig  würde  es  sein,  dass,  wenn 
mehrere  gewesen  wären,  unter  den  Aisiten  nur  einer  angeführt 
würde.  Es  können  auch  nur  so  die  Inschriften  ('AÖT^vatov  VI,  270 
und  C  I.  A.  IL  375)  ihre  Erklärung  finden,  iü  denen  der 
Schatzmeister  des  Rathes  eine  Zahlung  zu  machen  hat. 
Die  Inschrift  nr.  329  wird  damit  befriedigend  erklärt,  wenn  wir 
annehmen,  dass  Nikokrates,  welcher  bereits  zum  xix[doi^  vr,z  ßojAi;; 
gewählt  war,  von  den  Prytanen  seiner  Phyle  zu  ihrem  speciellen 
Schatzmeister  genommen  wurde,  als  die  Prytanie  zu  amtiren 
anfing.  So  bekleidete  derselbe  zwei  Schatzmeisterstellen,  die 
der  Bule  und  die  der  Prytanie  der  Aigeis.  Im  ersten  Decret 
wird  er  gelobt  als  Schatzmeister   der  Prytanen   seiner  Phyle, 


Attiarbe  Finanzvenraltang  im  f&nftf>n  and  vierten  Jahrhunderte.  431 

im  zweiten  Decret,  welches  am  Ende  des  Jahres  abgefasst 
wurde  (It::  iy];  ^woexiTTi^;  izp-jxoi^feloiq)  wird  er  als  Kathsmann 
und  Ta;jLtac  t^;  ßouXr^;  geehrt.  In  welchem  Verhältnisse  der 
jeweilige  Schatzmeister  des  Rathes  zu  dem  der  Prytanen  stand, 
ist  zwar  nicht  überliefert,  es  lässt  sich  aber  doch  vermuthen, 
dass  die  vom  Volke  für  den  Kath  bewilligten  Gelder  sonder 
Zweifel  der'  -za^Liaq  t7;<;  ßouÄTJq  in  Empfang  genommen  und  dem 
jeweiligen  Schatzmeister  der  Prytanen  das  Nothwendige  über- 
mittelt hat. 

Nach  der  Besprechung  der  verschiedenen  Finanzämter 
erübrigt  noch,  um  den  Kreis  unserer  Betrachtungen  abzu- 
schliessen,  das  Amt  zu  behandeln,  welchem  von  den  verschie< 
densten  Forschern  eine  so  hohe  Bedeutung  zugeschrieben 
wird,  nämlich  das  eines  locfAia^  zr^q  xoivi;^  izpocohoM,  oder  wie  es 
genannt  wird:  6  et:!  tt)  Bcoixi^osi.  Schon  im  Anfange  meiner  Ab- 
handlung habe  ich  darauf  hingewiesen,  dass  diejenigen,  welche 
das  Amt  ein  nacheuklidisches  nennen,  jedenfalls  der  Hauptsache 
nach  das  Entscheidende  geltend  gemacht  haben.  Wie  schon 
früher  aber  wiederholt  betont  worden  ist,  dürfen  wir  unter  der 
Bezeichnung  nacheuklidisch  nicht  gerade  verstehen,  dass  ein 
Amt  bereits  unter  Euklid  geschaffen  wutde  und  unmittelbar 
nachher  ins  Leben  trat.  Auch  hier  werden  wir  diese  Worte 
nicht  so  gebrauchen  können.  Denn  erst  als  Eubulos  und  seine 
Partei  die  Geschicke  Athens  leiteten,  finden  wir  eine  Er- 
wähnung von  einem  xafAia^  tt)^  ^(v>J^  7;pocö§ou.  Es  fragt  sich, 
in  welchem  Jahre  etwa  dieses  Amt  in  Athen  errichtet  worden 
ist,  oder  mit  anderen  Worten,  wann  die  Nothwendigkeit  an 
das  athenische  Volk  herantrat,  eine  Behörde  zu  gründen, 
welche  die  Verwaltung  der  gesammten  Staatseinkünfte  oder 
des  athenischen  Staatsvermögens  in  die  Hand  nahm.  Wir 
werden  nicht  fehl  gehen,  wenn  wir  an  das  Jahr  des  Nausinikos, 
das  ist,  an  die  Errichtung  des  neuen  Seebundes  denken.  ^  Der 
Staat  hatte  sich  eben  damals  zu  erholen  angefangen,  sein  An- 
sehen nach  Aussen  hatte  sich  verstärkt.  Er  konnte  es  wagen, 
einen  neuen  Bund  in  Anregung  zu  bringen,  der  offen  als  seine 


'  Die  Arbeit  war  schon  vollendet,  als  ich  die  von  Wilamowitz  (Hermes  XIV, 
p.  löO)  nebenbei  gemachte  Bemerkung-  Jab,  dass  das  oberste  Finaneamt 
frühestens  354  geschaffen  wurde. 


432  Fellner. 

TendenZ;  die  Sicherung  der  Freiheit  und  Selbständigkeit  der 
Hellenen  gegen  die  Lakedämonier  aussprach  otzu^^  dti  A2[x£]- 
8[at|jii]vtoi    ewffi    toü;    "EXXtjva^    eX£ü6^[p]o'j?    [xai]    <rjT9v6{xo'j;   f,w/uw 

dq'siv (C.  I.  A.  IL  17  A  Z.  9—11).     Athen  hatte  sich 

endlich  aufgerafft,  kühn  erhob  es  sein  Haupt  und  versuchte 
wenigstens  einen  Theil  seiner  alten  Machtstellung  zurückzu- 
gewinnen. Ob  ihm  dieses  auf  die  Dauer  gelang,  ist  fiir  unsere 
Betrachtung  nicht  von  Belang.  Aber  das  ist  wichtig,  dass 
wenigstens,  als  Nausinikos  Archon  war,  jeder  Athener  stolz 
auf  die  Errungenschaften  seines  Staates  sein  konnte.  Eb  war 
wieder  Wahrheit  geworden,  dass  Athen  als  Haupt  einer  ansehn- 
lichen Symmachie  dastand.  Beiträge,  welche  zur  Unterhaltung  der 
Kriegsmacht  des  Bundes  dienten,  wurden  eingezahlt.  Wenn  man 
ihnen  auch  einen  anderen  Namen:  ,cuvTa^€u;'  gegeben  hatte,  so 
kamen  sie  doch  im  Wesen  dem  Phoros  gleich.  Da  sie  nach  Athen 
eingezahlt  wurden,  so  trat  die  Nothwendigkeit  heran,  eine  Behörde 
einzusetzen,  welche  sich,  wie  früher  die  Hellenotamien,  mit  der 
Verwaltung  der  in  Athen  einlaufenden  Gelder  der  Bundes- 
genossen zu  befassen  hatte.  Wenn  Schäfer  (a.  a.  O.  1,  28/29: 
meint,  dass  keine  neue  Behörde  zu  dem  Zwecke  gegründet 
wurde,  sondern  dass  die  Strategen  die  Bundesgelder  zu  ver- 
walten hatten,  so  scheint  mir  das  noch  nicht  ganz  sicher  zu 
sein.  Die  Belegstellen,  welche  derselbe  anführt,  zeigen  alle 
nur,  dass  die  Feldherren  zu  ihren  Operationen  Gelder  an- 
gewiesen bekamen,  welche  sie  selbst  von  den  Bundesgenossen 
einzucassieren  hatten.  Von  einer  Empfangnahme  und  einer 
Verwaltung  derselben  durch  die  Feldherren  in  Athen  selbst  wird 
nichts  gesagt.  Dafür  musste  aber  eine  Behörde  bestehen,  da 
ja,  wie  Schäfer  zugibt,  eine  Bundescassa  bestand.  Ich  bin  über- 
zeugt, dass  man  damals  in  der  Hoffnung,  ein  mächtiger  Bundes- 
schatz werde  sich,  wie  ehemals  wieder  ansammeln,  kaum  unter- 
lassen haben  wird,  eine  Behörde  zu  gründen,  welche  den  zu 
erwartenden  Schatz  verwalten  sollte.  ^ 

Wer  diese  Verwaltung  bekommen  hat,  kann  nach  den 
obigen  Andeutungen  von  meinem  Standpunkte  aus  nicht  schwer 
beantwortet  werden.    Es  ist  der  ':oL\hia(JTq^  xotv^<;  xpoacSou,  dessen 


^  Vgl.  Georg  Busolt:  Der  zweite  athenische  Bniid.  7.  Sapplementband  der 
Jahrb.  für.  cl.  PhU.,  p.  716  und  717. 


Attische  FinanzTerwaltung  im  ftnft«n  nnd  riarten  Jahrhundert«.  433 

Amtstbätigkeit   von  jener  Zeit  ab   zu   datiren   ist.     Wenn   mit 
dieser    neuen    Beamtung    die    Verrechnung    aller    Einnahmen 
und  Ausgaben   des   Staates    in   Verbindung  gebracht,   und   in 
Erinnerung  an  die  vierjährige  Verwaltungsperiode  von  grossen 
Panathenäen  zu  grossen  PanathenäeU;  die  Wirksamkeit  des  Amtes 
aaf  vier  Jahre  normirt  wurde,  so  lassen  sich  dafür  gewiss  manche 
Erklärungsversuche  finden.  Was  den  Namen  dieses  Beamten  an- 
belangt, so  erscheint  es  als  gesichert,  dass  er  die  Titulatur  6  'zoLpJ.a^ 
-CT,;  xQivij^  wpocöSou  und  b  &i:\  tyj  Stoixi^ffei  führen  konnte,  deren  iden- 
tische Bedeutung  Böckh  (a.  a.  O.  1,  p.  227)  nachgewiesen  hat. 
Fraglich  ist  aber,  ob  beide  Titulaturen  nebeneinander  oder  ob 
nicht  vielleicht  jede  nur  für  eine  bestimmte  Zeit  im  Gebrauch  war. 
Der  Titel  6  lapLia^  TTjq  xotv^<;  xpoa6Sou  findet  sich  bei  Pseudoplutarch 
in  dem  Decrete   des  Stratokies   (vitt.   x   orr.  p.  852).     Durch 
die  Untersuchungen    von    C.    Curtius    (Philolog.   24   p.   86  ff.), 
welchen    Köhler    bei    Herstellung    des    Textes    der    Urkunde 
nr.   240    gefolgt    ist,    ist    festgestellt,    dass    die    Echtheit    des 
Decretes,    welches    hinter   dem  Leben   der  zehn  Redner  steht, 
in  der  That   nicht   angefochten    werden    darf,    da   es   mit   den 
Resten    einer    Steinurkunde   oft   wörtlich  übereinstimmt.      Als 
liesultat    der    Vergleichung    beider    Texte    ergibt    sich    nach 
Curtius  (a.  a.  O.  p.  111),  ,dass  das  Decret  bei  Pseudoplutarch 
in  einer   abgekürzten  Form    überliefert   ist,    dass    hier    einige 
Abschnitte   und   besonders   solche,    die    sachliche   Nachrichten 
enthalten,    dem   Wortlaut   des    Originals   entsprechen,    andere 
dagegen,    in   denen   Lobeserhebungen   allgemeinerer   Art  über 
das  Verhalten  des  Lykurg  standen,  entweder  ganz  ausgelassen 
oder  bedeutend   zusammengezogen   sind   und   dadurch  an  Ge- 
nauigkeit  und  Correctheit   des  Ausdruckes   eingebüsst  habend 
Wenn  nun  in  dem  Decret,  welches  zu  Ehren  des  Lykurg 
bei  Plutarch   steht,   von  ihm  gesagt  ist:   xal  y£v6[J[£V0(;  rf^q  xoivYjg 
•pccd^u  lo^iaq   ty)   TcoXet   lid   ipsi^   TCSvTariTepßo^,  '    so  werden  wir 
mit  ziemlicher  Sicherheit,  wenn  auch  in  der  Steinurkunde  hier 
eine  Lücke    ist,    annehmen    können,    dass   der   officielle   TilSel 
Tur  den  obersten  Finanzbeamten  damals  in  Athen,  als  das  Pse- 
phisma  abgefasst  wurde  (Ol.  118.  2  =  307/6)  und  zur  Zeit  als 
Lykurg   lebte,    Tajxia;    xf^q    y.o'yr^^    -pocsSoü    war.     Wie    steht   es 

*  Ich  benutze  die  Ausgabe  von  A.  Wentermann. 
SitnDpb«r.  d.  phU.-hist.  Ol.  XCV.  Bd.  1.  Hft.  28 


434  Fellner. 

nun  mit  dem  Titel  c  iizt  ifj  Bioixi^aEc?  Wann  gelangte  dieser  im 
offieiellen  Stil  zur  Geltung?  Dass  beide  Titel  nebeneinander 
in  Urkunden  gebraucht  worden  sein  sollen,  erscheint  mir 
zweifelhaft,  trotzdem  dies  sehr  bedeutende  Gelehrte  anzu- 
nehmen scheinen,  wenn  sie  die  Inschrift  über  den  Mauemban, 
in  welcher  Habron,  Lykurgs  Sohn,  als  Schatzmeister  vorkommt: 
nr.  167.  Z.  36  ol  iccaXiQTal  xal  b  iiA  tei  Sioexi^aei  'Aßpfa>[v  Aux]c6pYff> 
BouT[i]3rj;  in  Lykurgs  Zeit  (etwa  zwischen  Ol.  IIL  3  und  133.  3) 
setzen.  Man  stützt  sich  dabei  auf  die  bekannten  Worte  im 
Leben  unseres  Staatsmannes  (a.  a.  O.  p.  841  c) :  tb  (a^  icpärov  aif  e- 

Oivta  h:\  la  8v;(JL69(a  xp^I^^^  —  und  femer  darauf,  dass  die  Repara- 
tur der  Mauern  am  besten  ad  aetatem  Alexandri  Magni  verleg:t 
werden  könne.  >  Der  Sohn  des  Lykurg,  hielt  man  dafür, 
konnte  dabei  als  Stellvertreter  des  Vaters  fungiren  und  am 
ehesten  im  Geiste  desselben  wirken.  Unberücksichtigt  dürften 
aber  die  inschriftlich  überlieferten  Worte  mit  Köhlers  Er- 
klärungen und  Ergänzungen  geblieben  sein:  ^nr.  240  Frg.  b 
Z.  2  ff.  d^ixv  .  .  Z.  3  .  •  t  x[exo]orii.T)|JLevY)v  (?)  tt^v,  Z.  4  —  Tr,<;  irta.}^ 
XouoT]^  auT£  .  .  ,  Z.  5  [e]^(i)xoS9|jLr|9€v.  De  navalium  (veti>9otxf()v 
aedificatione  in  bis  sermonem  fuisse  Curtius  probabiliter  suspi- 
catur.  Idem  praeeunte  ex  parte  Kumanade  reliqua  sie  resti- 
tuenda  esse  coniecit  Tr)v  §£  a  { [xsuoOii^xv^v  xat  tb  diorrpov  rb]  Aisvj- 
Jiaxbv  6§TfjpYa(Ja  [to  t6  t£  TciStov  ts  DavaöiQvjatxbv  xal  tb  *p|JLviatov  t  (: 
XÄta  Tb  A6x£iov  xaTeoxeuJaaev  xal  d^XXai^;  8e  TOoXXai  [q  xaiaaxcuat;  sxia- 
|jt.t;aev]  oXt;v  ty;v  tcoXiv*  und  das  Decret  bei  Plutarch  a.  a.  O.  852  e: 
TTpbq  Se  TouToiq  T^iJLiepY*  xapaXaßwv  tou^  ts  ve(i>90txou^  xal  tJjv  axcjoöiQxif;v, 
XÄt  Tb  öeorrpov  to  Awvüaiaxbv  eJeipYfltuoTo  xal  äxsTdXeorcv  t6  t£  oraScov  t5 
TTOVoOYjvaVxbv  xal  Tb  Y^jjLvaaiov  xora  A'jxsiov  xaT£ffX£6ac£v  »al  iXXai; 
::oXXaTq  xaraaxfiüaT;  £x6c|j.y;^£  tyjv  icoXiv.  In  beiden  Ueberlieferungen 
des  Volksbe Schlusses  zu  Ehren  Lykurgs  sind  fast  überein- 
stimmend die  Bauten  angeführt^  welche  unter  dessen  Auspicieo 


1  O.  Müller:  De  munim.  Ath.  p.  33  ff.,  C.  Curtius  im  Philolog  24,  :!79,  und 
Köhler  im  C  1.  A.  II.  ur.  167,  huldigen  dieser  Ansicht.  Böckh  spricht 
sich  nicht  bestimmt  aus,  a.  a.  O.  1.  570.  Schäfer  (Philologus  9.  165  und 
Demosth.  III,  1,  573,  Anmerkung  5)  und  C.  Wachsmuth  a.  a.  O.  p.  616 
sprechen  sich  dagegen  aus  und  setzen  die  Inschrift  nach  Ol.  118.  S  =  307. 


Altiscbe  FinanzTerw&Uatig  im  fnnfltm  and  yierien  Jahrhunderte.  485 

zur  Vollendung  gebracht  wurden:  die  Schiffshäuser,  das  ge- 
waltige Zeughaus,  das  Dionysostheater,  das  panathenäische 
Stadion ,  das  Oymnasiurn  im  Lykeion  und  andere  Anlagen.  ^ 
Wären  bei  einer  so  genauen  Aufzählung  die  umfassenden  Ver- 
besserungen, welche  Habron  als  Vorsteher  der  Finanzen  aber 
unter  der  Leitung  seines  Vaters  an  den  Befestigungswerken 
vornehmen  liess^  unberücksichtigt  geblieben?  Ebenso  wie  die 
anderen  wichtigen  Bauten  —  welche  alle  wahrscheinlich  zwischen 
Ol.  111.  3  und  113.  3  also  nicht  mehr  in  die  Zeit  fallen,  als  Ly- 
kurg selbst  Ta{i.ta^  if);  xoiv^<;  xpoooBou  war  —  ihm  zugeschrieben 
wurden,  ebenso  wäre  im  Decrete  des  Stratokies  der  Mauerbau 
erwähnt  worden,  wenn  er  zu  Lykurgs  Zeit  vor  sich  gegangen 
wäre.  Wir  werden  daher  nicht  fehl  gehen,  wenn  wir  mit  Schäfer 
annehmen,  dass  die  Ausbesserung  der  Mauern  in  die  Zeit  des 
vierjährigen  Krieges  um  302  zu  setzen  ist,  als  von  Antigonos' 
Sohn  Demetrios  die  alten  Formen  der  Verfassung  wieder  her- 
gestellt und  Männer  wie  Demochares,  ein  Neffe  des  Demosthenes, 
thätig  waren, '^  zumal  noch  dazu  kommt,  dass  gerade  damals 
in  Inschriften  der  Titel  5  i%\  itj  Btotxi^aet  zuerst  aufzutreten  pflegt 
U'gl.  C.  I.  A.  II.  251). 

E^  scheint  somit,  dass  ursprünglich  die  Titulatur  der 
obersten  Finanzbehörde  6  T(X[jita;  Ty)(;  xoiv^«;  xpoaoBou  war,  dass 
aber  dann  in  Inschriften  kurze  Zeit  vor  Ol.  120.  1  =  300 
der  Titel  b  iiA  vfi  StoocY^aet  sich  Eingang  verschaffte.  Dass  das 
Amt  vierjährige  Dauer  hatte,  ist  hinlänglich  bezeugt  und  kann 
vielleicht  jetzt  inschriftlich  belegt  werden  (vgl.  nr.  162,  frg.  c, 
Z.  17,  [.  .  ojü  eviauTOü  ev  ty)  isTpasTia  ex  .  .  und  Hermes  I,  315). 
In  welcher  Ordnung  die  neue  Behörde  rangirte,  lässt  sich 
schwer  sagen.  Aus  der  bereits  genannten  Inschrift,  nr.  163, 
weiss  man,  dass  sie  nicht  in  gleichem  Ansehen  stand,  wie  die 
der  Archonten,  der  Schatzmeister  der  Göttin,  der  Opfervor- 
steher, der  Strategen  und  Taxiarchen.  Weiter  bestätigt  das  eine 
Stelle  bei  Plutarch,  wo  es  dem  so  einflussreichen  und  ange- 
sehenen Eubulos  als  grosse  Bescheidenheit  ausgelegt  wird, 
dass  er  sich  nur  dejn  Staatshaushalte  widmete :  eTcaivouai  Se  xal  * 
'^  'AvafXuüTtov  Ei5ßouXov,    ort  xiaiiv  ejrwv  ev  lot^  [j^aXiora  xal  8uva[ji.tv 


'  Vgl.  u.  a.  Curtius  a.  a.  O.  24,  p.  261  ff.,  und  C.  Wachsmnth  a.  a.  O.  698. 
^  Vgl.  SchSfer  a.  a.  O. 

28* 


43ß  F«»llner. 

)rpi4{jLaTa  liS«?  iaurbv  r,5^ce  xa?  xoiva<;  xpoffiSou^  xai  ja^y^^  "^^  '^'"'^ 
dt?:©  to6tci)v  üxpdXtjaev  (Plut.  Reg.  f.  d.  Staatsm.  15,  S.  812  f.).  Wir 
werden  daher  nicht  fehl  gehen  zu  schliessen,  dasa  das  Amt  in 
den  Händen  eines  geistig  untergeordneten  Mannes  nicht  die 
Bedeutung  hatte,  welche  man  ihm  überhaupt  nach  den  Berichten 
mancher  Schriftsteller  zuweisen  möchte,  sondern  dass  es  erst,  be- 
kleidet von  hervorragenden  Männern,  jenen  Alles  beherrschenden 
Einfluss  erlangte.  Es  scheint  mir  auch  wenig  wahrscheinlicli 
zu  sein,  dass  nur  Männer  der  ersten  Vermögensciasse  die  Stelle 
inne  haben  konnten.  Zwar  ist  es  von  Lykurg  anzunehmen, 
dass  er  aus  einem  alten  hervorragenden  Qeschlechte  stammend 
unter  die  Pentakosioimedimnen  gehörte,  da  sein  Grossvater 
Hellenotamias  war  (Schäfer  a.  a.  O.,  2.  298).  Anders  steht 
es  mit  dem  Bruder  des  Aeschines  Aphobetos,  der  auch  T2;i.(z: 
-rij^  xoivijg  xpoa68oü  war,  aber  nicht  in  die  erste  Vermögens- 
classe  gehört  haben  kann;  denn  es  ist  bekannt,  dass  er  von 
Eltern  stammte,  welche  sich  in  sehr  ärmlichen  Vermögens- 
verhältnissen befanden  und  herangewachsen,  als  Schreiber  allen 
möglichen  Beamten  um  Geld  diente  (Schäfer  a.  a.  O.  1.  191  ff.'. 
Nach  Endigung  dieser  Fragen  wenden  wir  uns  zur  Fest- 
stellung der  Competenz,  welche  dem  xaiAia^;  t^?  xoiv^i;  xpoosBöu  kraft 
seines  Amtes  zustand.  Abgesehen  von  einer  Stelle  bei  Aeschines 
über  Aphobetos,^  geben  vorzüglich  einige  Nachrichten  Aus 
kunft,  die  über  Lykurgs  Wirksamkeit  erhalten  sind.  Die  Haupt- 
stelle  findet  sich  bei  Pseudoplutarch,  wo  eigentlich  die  Summe 
der  finanziellen  Thätigkeit  Lykurgs  in  den  Worten  gezogen  ist: 
xal  Ysvofxevo;  tt)^  xoivf|?  rpoaiBou  TapLCaq  rij  icoäei  st:»  tpei;  zsvta- 
STYjpiSa?  xal  SiavsifJLa^  ir,  t^(;  xoivf^q  rpoaoBou  [JLjpta  xat  ixtaaiT/i).:! 
xal  £vax6(Tia  xaXovTa,  xoXXa  Be  to>v  iJiwtwv  8ia  w^tsw^  Xoßwv  id\ 
TcpoSovefea^  xat  ei^  touc  xtf^  tcoasox;  xatpob^  >wtl  loG  8t^|xoj  tä  xivra  2;2- 
y.6a(a  xal  7:£VTii5>tO'/Ta  TaXavta,  So^o;  5e  änrovTa  Tauta  Bixaico^  Bwaxijxivai. . . 
p.  852  b.  Wir  haben  damit  überhaupt  den  Wirkungskreis  des 
obersten  Finanzbeamten  in  übersichtlicher  und  bestimmt  fixirter 


*  R.  V.  d.  Gei.  §.  149.   ^A9oßY]to;  8^  outoai  6  vea>tato(  «oeXoo;  r,[i.(uv, 

xaXoj;   $£  xai  8ixa{(u(   twv  0[i.£Tepa>v  icpoao8b>v  sTCt[JL£X7]6£i(,   ors  aurov  int  ttjv 
xoiv^v  8io(xv)aiv  etXeoOc. 


Attische  FinanzferwaltuDdr  un  füiifl^a  and  ?iertea  Jahrhunderte.  437 

Weise  zuBaminengestellt.  Von  Lykurg  wurden  als  laiLiaq  vf^q 
«tvi;;  ::poac8oü  18.900  Talente  verrechnet  (Böckh  a.  a.  O.  1, 
{>.  571  und  227).  Wahrscheinlich  erscheint  es,  dass  derselbe 
uuch  im  Anfang  seiner  Finanzverwaltung  Anleihen  bei  Pri- 
vaten gemacht  habe,  ohne  ein  Unterpfand  zu  geben  oder 
Zinsen  zu  zahlen,  um  nur  dem  Staate  wieder  aufzuhelfen 
•  Hermes  I,  341).  Wenn  es  dann  noch  bei  Pollux  VIII,  113 
von  der  höchsten  Finanzstelle  heisst:  6  ^k  k%\  i^^  diocxi^^aeu)^ 
zlpsTs;  ^v  h:\  Tcov  TwpoaiovTtov  xai  dvGcXt9xo(jLivü)v,  so  geht  daraus 
gleichfalls  hervor,  dass  wir  es  lediglich  mit  einem  Finanzbeamten 
zu  thun  haben,  welcher  über  die  gesammten  Einnahmen  und 
Ausgaben  des  Staates  Buch  zu  führen  hatte,  und  ich  glaube, 
dass  es  Unrecht  ist,  aus  diesen  Stellen  Schlüsse  zu  ziehen,  als 
ob  dieser  Beamte  die  ganze  Verwaltung  in  Händen  gehabt, 
als  ob  er,  so  zu  sagen,  die  gesammte  Staatsmaschine  dirigirt 
hatte,  eine  Vorstellung,  welche  wir  bekommen  müssen,  wenn 
wir  Böckhs  und  Schümanns  Darstellung  aufmerksam  lesen. 

Dass  der  Oberbeamte  des  Verrechnungswesens  eine  Cassa 
zu  verwalten  hatte,  bezeugen  schon  die  gerade  gebrauchten 
Worte  (%a\  Stxvefixoi;  .  .  .).  Es  ist  die  Cassa  gewesen,  in  welche 
die  Tribute  der  Bundesgenossen  und  die  gerade  nicht  ge- 
brauchten Staatseinnahmen  flössen.  Einnehmer  der  Gelder 
blieben  immer  noch  die  Apodekten.  Der  Tafjiia;  tvj;  xocvy}^  icpo- 
7:3&u  und  sein  Gegenschreiber  werden  aber  auch  anwesend  ge- 
wesen sein,  wenn  bei  der  Bule  die  Gelder  abgeliefert  wurden  und 
an  die  verschiedenen  Gassen  zur  Vertheilung  kamen.  Am  Ende 
des  Jahres  dürften  beim  Schatzmeister  die  verschiedenen  Behörden 
ihre  Abrechnung  eingebracht  haben,  so  dass  derselbe  dann  im 
Stande  war,  am  Ende  einer  Finanzperiode  über  die  einge- 
gangenen und  verausgabten  Gelder  Rechnung  zu  legen.  Damit 
will  aber  nicht  gesagt  sein,  dass  das  Amt  des  Ta{jL(a;  von  Männern 
verwaltet,  welche  eine  Begabung  für  finanzielle  Dinge  hatten, 
nicht  zu  einer  Bedeutung  gelangen  konnte,  welche  streng 
genommen  mit  dem  Wesen  des  Amtes  nicht  verbunden  war. 
Der  jeweilige  Ta{jL(a^  hatte  nämlich  den  genauesten  Einblick  in 
den  Stafid  der  Finanzen,  ferner  standen  ihm  Mittel  und  Wege 
zu  Qebote,  die  Hilfsquellen  des  Staates  zu  studiren,  er  konnte 
daher  am  leichtesten  zur  Hebung  und  Besserung  der  Finanzen 


438  FelUer. 

durch  geeignete  Vorschläge  wirken.  Diese  Bedeutung  liegt 
aber  nicht  nothwendig  im  Amte,  sondern  erst  durch  befähigte 
Männer  erlangt  dasselbe  diese  Wichtigkeit.  Von  diesem  Stand- 
punkte aus  sind  die  Worte  des  Hjpereides  in  den  Rhett.  IX, 
p.  545  ed.  Walz  ToxOel;  §6  sxl  tv]  itoixi^jaet  Toi>v  xpTiiLxniy^  eupe  xspsx 
zu  fassen.  Der  gleiche  Sinn  liegt  in  den  bereits  citirten 
plutarchischen  Worten  über  die  Finanzverwaltung  des  £ubuIo& 
Auch  die  Anleihen,  welche  Lykurg  bei  Privaten  machte,  weisen 
auf  einen  Finanzkünstler. 

Früher  wurde  schon  bemerkt,  dass  das  Schatzmeisteramt 
eine  vierjährige  Dauer  hat.  Es  ist  nun  auffällig,  dass  gerade  im 
Decret  des  Stratokies  überliefert  ist,  Lykurg  habe  als  •zoL[i.ii^  ir,; 
xocv^q  T:po(s6io\j  durch  drei  Penteteriden  gewirkt.  Wir  sollten  somit 
aus  diesem  Decret,  das  doch  inschriftlichen  Werth  hat,  schliessen, 
dass  derselbe  durch  drei  Perioden  das  Amt  eines  obersten  Finanz- 
beamten  versehen  habe.  Andererseits  lässt  dies  die  anderweitige 
Ueberiieferung  nicht  zu  (vgl.  Böckh  a.  a.  O.  1,  569  und  Schäfer 
1,  176).  Es  bleibt  somit  nichts  übrig  als  anzunehmen,  dass  wir  es 
im  Volksbeschlusse  des  Stratokies  mit  der  thatsächUchen  Auf- 
fassung der  Stellung  Lykurgs  zu  thun  haben,  dass  also  ein  urkund- 
liches Schriftstück,  welches  erst  kurze  Zeit  nach  dem  Tode  dieses 
Mannes  entstanden  ist,  eine  Anschauung  theilt,  welche  schon  früh 
allgemein  geworden  ist,  wie  die  Worte:  8(>>S6xa  en}  to^  lupoc^^su: 
Tf^q  xöXeu)^  Sto(xi^aa<;  XVI,  88.  bei  Diodor  beweisen,  welcher  doch 
aus  gleichzeitigen  Quellen  schöpfte.  Das  Decret  bei  Pseudo- 
plutarch  ist  aber  ausserdem  noch  von  sehr  grossem  Werthe, 
weil  es  nicht  allein  genau  lehrt,  welche  Gewalt  der  Tafita;  ti;: 
xotv^(  7cpoa63ou  gehabt  hat,  sondern  weil  es  die  besonderen 
Competenzen  nennt,  durch  welche  Lykurg  seine  vielen  Plane 
ausgeführt  hat.  Böckh  hat  bereits  auf  die  vielseitige  Thätigkeit 
desselben  aufmerksam  gemacht,  hat  es  aber  unterlassen  die  ver- 
schiedenen Gewalten  genau  zu  prüfen  und  zu  sondern  (a.  a.  0.571); 
so  dass  es  den  Anschein  haben  konnte,  als  ob  all  diese  mit  dem 
Amt  eines  TaiJLia^  in  naher  Verbindung  stünden.  G^rn  werden 
wir  zugeben,  dass  die  grossartigen  Bauten  und  anderweitigen 
Unternehmungen  Lykurgs  als  ein  Ausfluss  des  finanziellen  Wohl- 
standes anzusehen  sind,  welcher  damals  in  Athen  herrschte.  Des- 
wegen sind  sie  aber  nicht  mit  der  Competenz  des  ersten  Finanz- 


Attische  FiBMiiTerwaUuig  im  fünften  and  nerten  Jnhrhnnderte.  439 

beamten  in  Verbindung  zu  bringen.  Mit  Recht  haben  daher  Cnrtius 
ia.  a.  O.  282)  und  noch  stärker  Köhler  (a.  a.  O.  321)  die 
commissarischen  Aemter  betont,  weiche  Lykurg  im  athenischen 
Gemeinwesen  inne  hatte.  Aus  dem  Decrete  des  Stratokies  geht 
deutlich  hervor,  dass  diese  vollständig  getrennt  von  einander 
zu  halten  sind.  Zuerst  handelt  dasselbe  vom  Schatzmeisteramte, 
dann  geht  es  darauf  über,  die  einzelnen  Verdienste  unseres  Staats- 
mannes zu  würdigen.  Es  berichtet,  dass  Lykurg  in  specieller 
Mission  den  heiligen  Schatz  auf  der  Burg  einer  vollständigen 
Reorganisation  unterzog:  Iv.  ik  alpeOet^  (j^ko  tou  Sifjjiou  xP^ixordE 
TsXXa  ouvi^aY^v  ei{  tyjv  obipoTCoXiv  xat  icopaoxeuiaa^  xi)  Oecp  xöqxov, 
'thaq  TS  6Xoxpuoou^  7co|iiiceti  ts  xP^^  '^'^  dp^upä  xat  x6qAoy  xp^aouv 
Ixorccv  xavv;f  6pcu<;.  Qleichfalls  wurde  er  besonders  damit  beauftragt, 
ßir  die  Anschaffung  von  Waffen  und  Oeschossen  zu  sorgen  und 
die  Kriegsmarine  in  gehörigen  Stand  zu  setzen  (xeiporowjOei^ 
Ik  sici  T^{  TOU  7oXs{JL0u  icapaaKeuY}^).  Vollkommen  selbstständig  wird 
dann  die  Bauthätigkeit  mit  den  Worten  angefUhrt  (xpb^  li 
TOuTocq  i]kUf^a  iropaXoßbiv  To6q  t£  veo)9o(xou^  xal  tv)v  ox€uo6i^y]v  .  .  .  .) 
Dies  nach  der  Darstellung  Köhlers.  So  sehr  ich  dessen 
Verdienste  betreffs  Aufhellung  der  ,lykurgiBchen  Verwaltung' 
anerkenne,  so  kann  ich  ihm  doch  nicht  beistimmen,  wenn  er 
annimmt,  dass  Lykurg,  nachdem  er  von  Ol.  110.  3 — 111.  3 
als  T<z(&(a^  vf^q  xoivi]^  TipoacSou  an  der  Spitze  der  Verwaltung 
gestanden,  dieselbe  auch  in  den  beiden  folgenden  Penteteriden 
leitete,  in  der  ersten  als  Obmann  jener  zur  Regulirung  der 
Staatsfeste  und  heiligen  Schätze  eingesetzten  Behörde,  in  der 
zweiten  als  Yeip&xorrfieiq  exi  tv;^  toj  icoXdjxou  Tuapooxeur;^  (a.  a.  O.  321). 
Öern  gestehe  ich  zu,  dass  Lykurg  diese  commissarischen  Aemter 
gehabt  hat,  dass  er  aber  durch  dieselben  die  ,Leitung  der  Ver- 
waltung' in  den  Händen  hatte,  ist  mir  zweifelhaft.  Zunächst 
änden  wir  bei  den  Alten  nicht  die  leiseste  Spur  einer  solchen 
Auffassung,  dann  aber  weiss  man,  dass  Lykurg  auf  die  finan- 
zielle Leitung  des  Staates  dadurch  £influss  nahm,  dass  es  ihm 
^lang,  Personen,  die  von  ihm  abhängig  waren,  während  der 
zwei  genannten  Penteteriden  die  Würde  eines  xa[daq  rf^q  xocv^^ 
*pc3s3ou  zu  verschaffen.  Die  beiden  erwähnten  commissarischen 
Aemter  haben  damit  nichts  zu  thun.  Von  ihnen  können  wir 
nicht  sagen,    wie   lange   sie    dauerten.     Sie    waren   an   keine 


440  Fellner. 

beBtimmte  Zeit  gebondeD,  sondern  hörten;  da  sie  eben  aoBBer- 
gewöhnlicher  Natur  waren,   auf,    als  die  durch  Volksbeschloss 
angeordneten    Veränderungen    ausgeführt    waren.     £s    ist  ja 
richtig,    dass    die  Rechnungsablage   der   Commission,    welche 
die   heiligen   Schätze   zu   ordnen   hatte   und   zu  der  sicherlich 
Lykurg  gehörte;  mit  dem  Archontat  des  Etesikles  (Ol.  111.  3 
=  334/3)  beginnt  (Hermes  2,  25).    Wie  lange  aber  die  Com- 
mission   im   Amt   war,  lässt   sich   nicht  feststellen.     Sie  kann 
ebenso   gut   vor   wie   nach  Ol.  112.  3  eingegangen  sein.    Man 
kann  also  nicht  daran  denken,    in   diesen  selbst  zeitlich  unbe- 
grenzten  commissarischen  Aemtern    einen  vollständigen  Ersatz 
für  die  niedergelegte  Schatzmeisterwürde  zu  sehen.    Sehr  zu- 
treffend ist  aber  die  weitere  Ansicht  Köhlers,  dass  die  Rede  Ly- 
kurgs 'Tüspt  Btotxi^aect)^,  in  welcher  das  vielgedeutete  Fragment  ex  ^aüv 
lepcdv  u)v  i^|Ji.6t^  liceTpo^e6ca(jiev  (Lykurg  und  die  Commission)  vor- 
kommt,' nicht  unmittelbar  nach  der  Finanzverwaltung  Lykurgs 
Ol.  110.  3^111.  3   gesetzt   werden  könne,    da  sie  nicht   eine 
Bechnungsablage  über  die  Amtsführung  desselben,  als  t2{jl{o^  ^z 
xotvi;^  icpofföSou,  sondern  vielmehr  einen  Rechenschaftsbericht  über 
die  zu  Ende  gebrachte  Neugestaltung  des  heiligen  Schatzes  enthalte. 

Was  endlich  die  im  Psephisma  des  Stratokies  angefahrten 
Bauten  betrifft,  so  geht  schon  aus  der  Fassung  des  Decretes 
hervor,  dass  sie  mit  den  commissarischen  Aemtern  und  mit  dem 
Schatzmeisteramt  nichts  zu  thun  haben,  sondern  vollkommen 
unabhängig  davon  ausgeführt  wurden.  Lykurg  war  es,  welcher 
den  Bau  in  der  Volksversammlung  beantragte.  Baucommissionen 
wurden  dann  aufgestellt,  in  denen  er  in  hervorragender  Weise 
thätig  war,  wie  die  Worte  in  seiner  Lebensbeschreibung:  ib 
dv  Aiov69ou  Odorcpov  imcnonm  £7C6TdXe(76v  zeigen.^ 

Lykurgs  Wirksamkeit  war  gewiss  eine  ausserordentlich 
umfassende  zu  nennen,  besonders  wenn  wir  bedenken,  dass  er 
auch  als  Staatsmann  auf  dem  politischen  Gebiete  Einiges  leistete. 
Deshalb  sagt  der  schon  so  oft  genannte  Volksbeschluss  xat  l]yj; 
euOuvo^  TCoXXoxt^  [tcov  ir6icoXiT£U[i.^y(«)y  t6  %ai  Tü>y]  St(i)xr/)jLSv[<i>y  h  eXeu6ep2 


1  Bekker  Anecd.  p.  145,  33.    In  der  Fragmentsammlang  von  Kieasling  8.  80 

und  Müller  (Didot'sche  Ansgabe)  oratt  att.  II.  frg.  30. 
'  C.  Wachsmuth  a.  a.  O.  p.  601  und  Gurtius  a.  a.  O.  p.  282. 


Attiicli«  FiiumiTenraltttng  im  fftnfton  nad  vierte  n  Jfthrhnnderte.  441 

ia\  SvjiAoxpoToupidv^  vfji\i  xoXei  (C.  I.  A.  II.  nr.  240).  Man  hat 
also  eigentlich  den  Verwaltaogsmann  vom  Staatsmanne  zu 
trennen.  Wie  wir  aber  bei  anderen  bedeutenden  Männern 
Athens,  wenn  wir  ihre  Wirksamkeit  im  Staate  im  Auge  haben, 
voD  xoXtTEta  reden,  so  können  wir  auch  die  gesammte  öffent- 
liche Thätigkeit  Lykurgs  mit  diesem  Namen  bezeichnen.  Pau- 
sanias  ist  daher  nicht  zu  tadehi,  wenn  er  schreibt:  %axea%süa<jt 
Ik  rojixeta  ti)  Oeo),  iq  ik  i:6Xs(jioy  S^Xa  xat  ßiXiQ  %a\  TeTpomooia^ 
'Wj^a/pijQVi  eTv0E(  Tpciijpet^*  oixodofJii^jAaTa  Se  itcsTiXsffs  )jl^v  Tb  O^orpov 
hep<ov  ir;rap§a)j(ivu)v ,  Ta  8e  ixl  ty}^  auTOu  KoXcxefa^  &  (d)(.oS6|xiQ96y, 
SV  Ileipztei  vc(ik;  statv  oTxot  xat  to  —  YUfjivaciov  (I,  29,  16).  Darnach 
muss  die  Rede  Lykurgs  dbcoXoYiopLo^  a>v  'ireiceXCteurat  beurtheilt 
werden.  Derselbe  vertheidigt  hier  seine  ganze  öffentliche  Thätig- 
keit in  umfassender  Weise,  er  wird  da  nicht  allein  von  der  Ver- 
waltung der  Staatsfinanzen,  sondern  auch  von  den  commissari- 
Bchen  Aemtern,  den  Bauten  und  seiner  politischen  Thätigkeit 
gesprochen  haben,  wie  schon  die  wenigen  Fragmente  zeigen 
können,  welche  erhalten  sind.  Im  Lexikon  des  Harpokration 
werden  folgende,  aus  dieser  Rede  des  Lykurgs  entnommene 
Wörter  angeführt:  3ep{i.aTix6v,  43(i)Xti9ai  (ai  sv  Tai<;  vouci  xaO^Bpat) 
nurT6(Ai:£9ov,  vsbipia  xal  vecuaoixot. 

Es  sind  noch  einige  Inschriften  zu  nennen,  welche  über 
Lykurgs  Stellung  Aufklärung  geben  könnten.  Vor  allem  ist 
die  von  Köhler  nr.  164  angeführte  Inschrift  wichtig,  welche 
in  das  letzte  Jahr  und  in  den  letzten  Monat  von  dessen 
Finanzverwaltung  (01.111.  2/3)  gehört.  Es  wurde  vom  Volke 
eine  umfassende  Revision  der  heiligen  Schätze  und  eine  Organi- 
sation des  gesammten  Cultwesens  beschlossen.  Eine  eigene 
Behörde  wurde  eingesetzt,  welche  den  von  Lykurg  angeregten 
Volkswillen  zur  Ausführung  bringen  sollte.  Anfangs  Ol.  111.  3 
beginnt  diese  ihr  Amt  zu  versehen.  Leider  sind  nur  Bruch- 
stücke der  inschriftlich.  niedergelegten  Rechnungsablage  dieser 
Behörde  erhalten.  >  Von  Wichtigkeit  ist ,  dass  daraus  hervor- 
geht, dass  der  Rechenschaftsbericht  über  die  Einnahmen,  welche 
aus  den   verkauften  Häuten    der   Opferthiere  erzielt   wurden, 


Boekh  a.  a.  O.  II,  p.  111—142,  Rang  841  u.  842.  Eph.  arch.  S266  und  8452, 
Heimes  I,  p.  317—318  and  U.  24  ft. 


442  Pellner. 

nicht  wie  Böckh  meint  (a.  a.  O),  vom  Ta{Aia(;  vf^q  xotvr^c  ^cpocd^ 
herrührt,  sondern  von  obiger  Behörde  gemacht  wurde. 

Die  gepflogene  Untersuchung  hat  gezeigt,  dass  die  ver- 
schiedenen  Aemter,  welche  Lykurg  bekleidete,  durchaus  nicht 
mit  einander  zu  vermengen  sind.  Für  die  Feststellung  der 
Competenz  des  xaidaq  vfi<;  xctvt^^  7:po96§ou  wurde  als  bestimmteB 
Resultat  erzielt,  dass  dafür  nur  die  Stellen  im  Decrete  des 
Stratokies  und  die  kurze  Notiz  bei  PoUux  massgebend  sind. 

Kurz  wäre  noch  Einiges  über  die  Bedeutung  zu  sagen, 
welche  das  Amt  des  Schatzmeisters  im  damaligen  athenischen 
Parteigetriebe  hatte.  Wir  könnten  es  fast  ein  Partei&mt  im 
strengsten  Sinne  des  Wortes  nennen.  Der  Finanzvorsteher  ist 
immer  ein  Mitglied  der  die  Wahl  beherrschenden  politischen 
Fraction.  Verliert  dieselbe  ihren  Einfluss,  so  dürfen  wir 
sicher  sein,  dass  in  der  nächsten  Finanzperiode  keines  ihrer 
Mitglieder  die  Stelle  des  xaixia^  tqq  xoivi)^  7:poa6Scu  einnimmt.  Als 
Eubulos  und  seine  Anhänger  das  Uebergewicht  hatten,  waren 
Männer  dieser  Partei  Schatzmeister,  wie  Eubulos  selbst  und 
Aphobetos,  der  Bruder  des  Aeschines.  Nach  dem  Sturze 
des  Eubulos,  sehen  wir  Ol.  HO.  3  einen  Finanzvorsteher  im 
Amt,  welcher  aus  den  Gegnern  genommen  ist.  Es  ist  das 
der  Eteobutade  Lykurg,  der  Parteigenosse  des  Hypereides  und 
des  Demosthenes.  Durch  drei  Finanzperioden  hindurch  hatten 
diese  Männer  einen  starken  Einfluss  bei  der  Büigerschaft.  Den 
Niedergang  ihrer  Partei  bezeichnet  das  Jahr  Ol.  113.  3,  in 
welchem  Menesaechmos,  ein  Mann  der  Gegenpartei  und  ein 
persönlicher  Feind  Lykurgs  mit  der  Leitung  des  obersten 
Finanzamtes  betraut  wurde.  Welcher  Werth  diesem  Amte  von 
Parteiführern  beigelegt  wurde,  geht  femer  noch  aus  dem 
Umstand  hervor,  dass  Eubulos,  als  er  dasselbe  nicht  mehr 
verwalten  konnte,  es  dadurch  unschädlich  zu  machen  suchte^ 
dass  er  eine  andere  Behörde,  wo  Wiederwahl  möglich  war, 
mit  einer  Gewalt  auszustatten  wusste,  durch  welche  alle  anderen 
Aemter  im  Staate  in  Schatten  gestellt  wurden. 

Den  Schlussstein  der  Erwägungen  sollen  einige  Bemer- 
kungen über  die  Umgestaltung  bilden,  welche  das  oberste 
Finanzamt   zu  Ende   des  vierten  Jahrhunderts  traf.     Nebenbei 


Attüebe  FilUHizTarwaltiing  im  fllnfton  und  riarten  JftlirhQnd(*rte.  443 

wurde  schon  auBg^esprochen,  dass  nach  dem  Sturze  des  Deme- 
trioB  aus  PhaleroD,  in  Athen  die  Demokratie  wieder  auflebte 
and  Veränderungen  im  attischen  Staatswesen  eintraten,  von 
welchen  das  Amt  des  xafJLia;  tt;^  xotvfjc;  npocoSou  ebenfalls  berührt 
wurde.  Wahrscheinlich  dürfte  damals  der  Titel  6  iid  ty)  8(ot)iii^9£t 
zur  Geltung  gekommen  sein.  Dann  wurde  aus  dem  Amt  eine 
formliche  Verwaltungsbehörde  gemacht.  Der  Beamte  6  iizl  vf^ 
stotxnjaei  musste  dafUr  sorgen,^  dass  die  Kränze  und  die  Stand- 
bilder, welche  das  Volk  Einzelnen  oder  Gemeinden  zuerkannte, 
angefertigt  wurden  und  dass  diese  Ehrenbezeugungen  zur  Ver- 
kündigung gelangten:  rfi<;  8e  roi-Zjaeb)^  toO  orefivou  ym  vf^  e!xivo^ 
ki[ukrfirjyM  xbv  hd  tei  Sio(x-/j9S(  (nr.  251)  oderiTJ^  Ik  icoci^aeoi)^  toü  ote- 
fivo'j  Htm  rft^  eixovo?  (?)  xal  t^?  dvoYopeüCEWi;  e^ipi6XT;^vat  töv  kiA  tsT 
i'.ooL-fyjti  (nr.  275).  Kurze  Zeit  blieb  neben  dieser  umgestalteten 
Behörde  der  Taixia^  toO  Bi{{jlou  in  seiner  vollen  Amtsgewalt 
bestehen.  Bald  aber  erlosch  dieses  Amt  und  der  6  i7:\  tv)  Siot- 
xt;«!  verrichtete  die  Functionen  desselben,  wie  z.  B.  die  In- 
schrift nr.  300  zeigt,  welche  dem  Jahre  Ol.  121.  2  =  295/4 
angehört:  slq  ^k  ttiV  dvaYP«f»iv  Tij(;  tt/iXtq^  8ouvat  tov  eici  tsI  StoiXK^aet 
TS  aviAb)[xa.  Gleich  hier  sei  noch  angefügt,  dass  man  sich  nicht 
etwa  durch  die  Inschrift  nr.  254,  Z.  18  S, :  [rr^q  ^k  luoi^aeü)^  to]u  cre- 
jivoy  xal  |  [zfi^  dvaYop66aew^  £xijjL€Xr|Of^v]at  xbv  Ta|jL{[a]v  TOj[ij  Stjfjioü]; 
täuschen  lasse  und  glaube,  der  Ta|xta^  tou  §ii{|jlou  habe  vor  Auf- 
hebung des  Amtes  dieselbe  Gewalt  gehabt,  wie  der  6  iiA  vr^ 
C'.5'.xi{a£t.  Die  Urkunde  scheint  nicht  richtig  ergänzt  zu  sein. 
Ich  bin  der  Meinung,  dass  wir  nur  an  den  Taijua^  T(5y  cxpaim- 
touijv  denken  können,  der  bekanntlich  sich  damals  mit  dem  6  i^A  tv] 
^.5tx^4c6l  in  die  oberste  Verwaltung  theilte.  Der  vorgeschlagenen 
Aenderung  steht  nichts  im  Wege,  soweit  wir  aus  den  gering- 
fügigen Ueberresten  der  Inschrift  schliessen  können.  ^  Wenn 
wir  weiter  die  neugeschaffene  Competenz  des  6  k%\  ty]  Siotxi^ffei 
verfolgen,  so  lässt  sich  nur  sagen,  dass  sie  nicht  lange  un- 
verändert blieb.  Schon  im  Jahre  Ol.  123.  3  =  286/5  finden 
wir  mehrere  Vorsteher  der  Verwaltung,  welche  ol  i%\  rf)  Siotxi^aei 
genannt  werden  (nr.  311).    Aber  auch  dieser  Zustand  dauerte 


'  Vgl.  u.  a.  C.  I.  A.  II.  251  und  276,  und  Harte!  a.  a.  O.  p.  130. 
^  Ebenso  iat  Inschrift  310  an  den  Ta|i{a{  luiv  TTpaicoTixcov  zu  denken. 


444      Felln«r.     Attitch«  Fia»uT6rwftUa Dg  im  fftnflen  und  riertan  Jfthrhutdarte. 

kurze  Zeit.  Zur  Zeit  des  chremonideiscben  Krieges  stand 
wieder  ein  6  iiA  vf^  itotxi^aet  an  der  Spitze  der  Verwaltung.  Im 
zweiten  Jahrhundert  verschwindet  das  Amt  gänzlich  vom  poli- 
tischen Schauplatz  (nr.  451).  Der  Eriegszahlmeister  und  die 
Strategen  theilen  sich;  wie  die  Ephebeninschriften  darthun,  in 
seine  Befugnisse. 


KdoII.   Dm  Handlich rift«nT«rhä1tniKii  der  Vita  S.  SeT«rini  des  Knrippia».         445 


Das  Handschriftenverhältniss  der  Vita  S.  Severini 

des  Eugippius. 

Von 

F.  KnöU. 

Uie  in  sachlicher  wie  in  sprachlicher  Hinsicht  äusserst 
wichtige  und  interessante  Biographie  des  heiligen  Severinus 
von  seinem  Schüler  Eugippius  hat  in  neuerer  Zeit  so  sehr  die 
Aufmerksamkeit  nicht  nur  der  Historiker,  sondern  auch  der 
Philologen  und  Theologen  auf  sich  gewendet,  dass  es  beinahe 
f^ewagt  scheint,  nach  den  Ausgaben,^  Abhandlungen^  und  Ueber- 
setzungen,*^  die  das  Schriftchen  in  den  letzten  Jahren  veran- 
lasst, nochmals  auf  dasselbe  zurückzukommen.  Auch  würde 
ich  es  gewiss  unterlassen  haben,  dies  zu  thun,  wenn  ich  nicht 


^  Von  neueren  Aasgaben  sind  zu  erwähnen:  a)  Vila  S.  Severini  auctore 
Eugippio;  critice  edidit  Antonius  Kerschbanmer.  Scaphuaiae  1862.  Sie  ist 
ein  genauer  Abdruck  einer  nachlSssig  angefertig^n  Collation  des  Codex 
Lateranensia,  von  der  jedenfalls  nicht  gilt,  was  der  Herausgeber  auf  dem 
Titelblatt  von  ihr  behauptet,  dass  sie  eine  kritische  Ausgabe  sei.  bj  Die 
erste  kritische  Ausgabe,  veranstaltet  von  H.  Sauppe  für  den  I.  Band 
der  Monumenta  Germaniae:  Eugippii  Vita  S.  Severirii  recenauit  et  cid' 
notauit  Hermannu»  Sauppe.  Berol,  f877, 

^  Abgesehen  von  einigen  italienischen  Abhandlungen,  die  theils  Bekanntes 
tbeils  Unrichtiges  wieder  behandeln,  ist  hier  die  verdienstvolle  Abhand- 
lang von  Professor  M.  Büdinger:  Etigipina^  eine  Untersuchung  (Sitzber. 
d.  k.  Akademie  d.  W.  XCI.  Bd.  8.  793  ff.)  zu  erwähnen. 

'  Nach  Carl  Ritter^s  Uebersetzung  sind  noch  folgende  erschienen :  a)  Leben 
des  heiligen  Severin  von  Eugippius.  Uebersetzt  von  Dr.  Carl  Roden- 
herg.  Leipzig  1878.  (Gescbichtscbreiber  der  deutschen  Vorzeit;  Liefe- 
rung 55);  sie  legt  den  Sauppe'schen  Text  zu  Grunde,  b)  Das  Leben 
des  Noriker- Apostels  St.  Severin  von  seinem  Schüler  Eugippius  von 
Sebastian  Brunner.  Wien  1879.  Das  Bezeichnendste  für  diese  Uebersetzung 
ist,  dass  sie  auf  Grund  des  schlechten  Textes  der  Bollandistenansgabe 
gemacht  ist,  obwohl  der  Verfasser  die  Sauppe^sche  Ausgabe  kennt. 


44f>  Kn«ll. 

die  Ueberzeugung  gewonnen  hätte,  dass  namentlich  (lir  den 
Text  und  die  Textgeschichte  der  Vita  auch  nach  der  neuesten, 
sehr  verdienstlichen  Ausgabe  von  H.  Sauppe  noch  manches  zu 
thun  übrig  bleibe ,  anderes  vielleicht  anders  gethan  werden 
müsse.  Denn  Sauppe  benützte  für  die  Herausgabe  eine  ver- 
hältnissmässig  geringe  Anzahl  von  Handschriften,  blos  drei, 
den  Lateranefisis  (L),  Vaficanus  (V)  und  Ambrosianus  (M),  und 
wenn  wir  bedenken,  dass  in  zweien  derselben,  dem  Vaticanus  und 
Ambrosianus,  einzelne  Theile  der  Vita  (Capitulation  und  Epistola 
Paschasii)  fehlen,  beide  aber  bedeutend  jünger  sind  als  La- 
teranensis,  so  ist  es  erklärlich,  dass  Sauppe  seiner  Textes- 
recension  diesen  Codex  zu  Grunde  legte.  Da  mir  nun  ein 
grösserer  handschriftlicher  Apparat  vorliegt,  den  ich  auf  einer 
Reise  in  Italien  gesammelt  habe,  darunter  Handschriften,  die 
mehr  Klarheit  in  die  Frage  über  die  Textgeschichte  der  Vita 
zu  bringen  vermögen,  so  schien  es  mir  am  Platze,  zu  unter- 
suchen, ob  denn  der  Text  nicht  nach  einem  anderen  Codex 
als  dem  zugestandenermassen  sehr  fehlerhaften  Laternnensis  zu 
gestalten  sei.  Zugleich  soll  diese  Untersuchung  über  die  Hand- 
schriften der  Vita  der  Vorläufer  und  die  Rechtfertigung  meiner 
im  Auftrage  der  k.  Akademie  der  Wissenschaften  für  die 
Sammlung  der  Kirchenschriftsteller  zu  veranstaltenden  Aus- 
gabe sein. 


Die  handschriftliche  Ueberlieferung  dieser  Schrift  stützt 
sich  keineswegs,  wie  bei  vielen  Werken  aus  dem  Alter- 
thum,  auf  eine  geringe  Zahl  von  Codices;  vielmehr  ist  die 
Vita  durch  eine  sehr  beträchtliche  Anzahl  von  Handschriften 
vom  9.  bis  ins  15.  Jahrhundert  hinein  überliefert,  und  zwar 
sind  es  ausnahmslos  Codices  der  sogenannten  Vitae  Sanctorum, 
in  welchen  sie  sich  findet;  niemals  ist  sie  mit  dem  andern 
grösseren  Werke  desselben  Autora,  den  Exeerpta  ex  operibus 
S.  Augtistini,  in  einem  Codex  vereint.  Von  solchen  Hand- 
Schriften  hatte  A.  Bethmann,  wie  Sauppe  p.  IX  seiner  Aus- 
gabe anmerkt,  dreissig  thcils  selbst  verglichen,  theils  von 
Anderen  vergleichen  lassen.  Hauptsächlich  sind  es  die  Biblio- 
theken Italiens  und  in  Deutschland  die  Klosterbibliotheken  der 
Donauprovinzen,   in   denen   zahlreiche  Handschriften   der  Vita 


Du  H»ndc€hrift6urerhältuiMfi  der  Vita  S.  Öeferini  des  Eng^ippittt».  447 

aufbewahrt  sind;  aus  den  letzteren  gingen  einige  in  die  Biblio- 
theken Wiens  und  Münchens  über.  Diese  grosse  Masse  von 
Plandschriften  lässt  sich  im  Allgemeinen  in  zwei  Classen  theilen, 
deren  ersterer  die  guten  Handschriften  angehören,  die  sich, 
so  weit  unser  Wissen  bis  jetzt  reicht,  ausnahmslos  in  den  Biblio- 
theken Italiens  finden;  die  zweite,  die  Classe  der  schlechten 
Handschriften,  ist  die  weitaus  zahlreichere  und  umfasst  bei- 
nahe alle  Handschriften  des  12.,  13.,  14.,  15.  Jahrhunderts; 
diese  letzteren,  zu  denen  alle  in  deutschen  Bibliotheken  befind- 
lichen Handschriften  der  Vita  zu  rechnen  sind,  bieten  für  die 
Textesrecension  in  keiner  Beziehung  irgend  etwas  Berück- 
sichtigenswerthes.  Ohne  den  geringsten  Nachtheil  fUr  den  Text 
können  alle  insgesammt  unberücksichtigt  bleiben.  Höchstens 
80  viel  kann  man  aus  ihnen  lernen,  dass  kein  Grad  der  Will- 
kür, Nachlässigkeit  und  der  anderen  Untugenden  eines  Ab- 
schreibers zu  hoch  ist,  den  nicht  einer  oder  der  andere  von 
ihnen  erreicht  hätte.  Dass  diese  Classe  sich  nicht  blos  auf 
jüngere  Handschriften  beschränkt,  zeigt  uns  der  dem  9.  Jahr- 
hundert angehörige  Münchener  Decurtatus  {D  bei  Sauppe),  der 
in  Bezug  auf  das  Alter  sogar  alle  Handschriften  der  guten 
Classe  übertrifft,  aber  seiner  Fehlerhaftigkeit  nach  unbedingt 
dieser  Classe  beizuzählen  ist;  da  diese  allgemein  eingestanden, 
und  die  Handschrift  selbst  für  den  Text  werthlos  ist,  so  ist 
sie  von  mir  in  der  folgenden  Untersuchung  ebensowenig  wie 
ii^nd  ein  Codex  der  schlechten  Classe  berücksichtigt  worden. 
Von  Handschriften  dieser  letzteren  Classe  habe  ich  folgende 
theils  ganz,  theils  bruchstückweise  verglichen :  einen  Venediger 
Harcianus;  vier  Handschriften  der  Bibliotheca  Vallicellana  in 
Rom;  einen  äusserst  fehlerhaften  Codex  Barberinianus  zu  Rom; 
vier  Handschriften  der  k.  Hofbibliothek  in  Wien. 

Sehr  häufig  findet  sich  die  Vita  in  den  Handschriften 
dieser  Classe  noch  überdies  abgekürzt  und  zwar  nicht  in 
einer  und  derselben  Weise,  sondern  bald  ist  dieser,  bald  jener 
Theil,  oft  sogar  der  grösste  Theil  des  Textes  weggelassen; 
dieses  ist  unter  den  oben  genannten  Codices  beispielsweise 
in  dem  Mtinchener,  dem  Marcianus,  einem  Vallicellanus,  zwei 
Vindobonenses  der  Fall.  Der  Grund  für  die  Kürzung  der- 
selben ist  wohl  zunächst  in  dem  Mangel  an  Raum,  an  dem  ja 
besonders    die    Handschriften    der  Vitae  Sanctorwm   leiden,    zu 


448  KnöU. 

suchen.  Nachdem  der  Schreiber  aus  der  Vita  Hinreichendes, 
wie  ihm  schien,  über  den  Heiligen  mitgetheilt,  —  denn  mn 
das  Historische  in  derselben,  dessenthalben  wir  sie  sch&tzen, 
war  es  ihm  wohl  nicht  zu  thun  —  brach  er  wohl  ab  mit  der 
Schlussformel:  ihs  xps  dfla  nr  eui  e  hcmor  et  gia  p  inßnitaKiä 
sciorum.  amen,  wie  dies  im  Marcianus  der  Fall  ist. 

Von  Handschriften  der  guten  Classe  habe  ich  in  ver- 
schiedenen Bibliotheken  Italiens  folgende  gesammelt  und  zum 
grössten  Theile  selbst  verglichen: 

1 .  Codex  Late/i'anensis  LXXIX  (L)y  angehörig  dem  Archiv 
der  Archibasilica  des  Lateran;  Grösse:  0*51  M.  lang,  037  M. 
breit.  Diese  Handschrift,  die  in  vier  Theilen  durchwegs  Lebens- 
beschreibungen von  Heiligen  enthält,  stammt  wahrscheinlich 
aus  der  zweiten  Hälfte  des  10.  Jahrhunderts;  der  Text  ist  in 
Doppelcolumnen  geschrieben.  Auf  dem  ersten  unbeschriebenen 
Blatte  der  Handschrift  steht  von  bedeutend  späterer  Hand  die 
Nachricht  über  den  angeblichen  Zusammensteller  der  Sammlung: 
Est  corwpo^itum  a  Secundino  epo  tauromeiiitano  tempore  8,  Grre^orii 
paj)^]  darunter  schrieb  eine  diesem  oder  dem  vorigen  Jahr- 
hunderte angehörige  Hand  die  wohl  richtige  Bemerkung  erronea 
inscriptio.  In  dem  ersten  Bande  nun  von  Fol.  29^  bis  4CK* 
steht  die  Vita  Severini ; '  und  zwar  enthält  die  Handschrift 
sowohl  die  beiden  Briefe  des  Eugippius  und  Paschasius  als 
die  Capitulation  und  die  eigentliche  Biographie  des  Heiligen 
in  folgender  Reihenfolge:  1.  den  Brief  des  Eugippius^  an 
Paschasius  unter  dem  Titel  plogtts  de  uiUi  uel  obitu  m 
seuerini;  2.  den  Antwortsbrief  des  Paschasius  an  Eugippius; 
3.  die  Vita  selbst.  Die  Anfangsbuchstaben  einzelner  Capitel 
sind    wie    im    Cod.    Amhrosianus  am    Rande    wiederholt.     Die 


*  Diese  Handschrift  wurde  von  mir  nach  dem  Migne*scben  Abdruck  der 
Bollandistenausgabe  verglichen,  nachdem  mir  durch  Vermittlung  der 
k.  k.  Botschaft  und  die  zuvorkommende  Güte  des  Monsignore  Ettore 
Valeri  die  Benützung  derselben  ermöglicht  worden  war.  Stellen,  an  deneu 
meine  Collation  von  der  sehr  sorgfältigen  Hinck*schen  der  Sanppe^'schea 
Ausgabe  abwich,  wurden  von  mir  nochmals  einer  genauen  Prü- 
fung  unterzogen;  namentlich  trachtete  ich  genau  zu  ver- 
zeichnen, an  welchen  Stelleu  Rasuren  bemerkbar  seieo, 
und  was  von  erster  oder  zweiter  Hand  herrühre. 

2  Die  Handschrift  hat  überall  die  Form  eu*jepiu9. 


Das  HaBdtchriftenv«rhä1tiiiM  d»r  Vita  S.  Severini  des  Engippins.  449 

Capitulation  ist  gleichsam  als  Titelüberschrift  und  Inhaltsangabe 
den   zugehörigen  Capiteln   vorangesetzt :   eine   Anordnung,   die 
sich  in  keinem  der  anderen  Codices  findet  und  auch  dem  Arche- 
typus  des  Lateranensis    fremd   war;   sie   ist  vielmehr,   wie  so 
vieles  andere  in  dieser  Handschrift,  auf  Rechnung  des  Schreibers 
der  Handschrift  zu  setzen.  Dass  die  Anordnung  der  einzelnen 
Theile,  aus  denen  die  Vita  besteht,  in  der  Vorlage  des  L  eine 
andere  war,  als  sie  jetzt  in  L  ist,  wird  aus  folgendem  ersicht- 
lich.   Den    Brief   des    Eugippius    an    Paschasius    schliesst    der 
Schreiber    mit   folgenden    Worten:    Explidt  flogtis.    Incipiunt 
capifnla.     Doch    folgt   blos    ein    Theil    der   Inhaltsangabe    des 
ersten  Capitels;   hierauf  aber  wird  abgebrochen   und    es   folgt 
der  Antwortsbrief  des  Paschasius  und  die  Capitelüberschriften 
sind   vor   die   entsprechenden   Capitel   der   Vita   gesetzt.     Nur 
einmal  (Cap.  XI)  vergass  der  Schreiber  die  Capitelüberschrift 
beizusetzen;    die   zweite   Hand,   die   überhaupt  in   der   Hand- 
schrift   sehr   viel    herumradirt    und    corrigirt    hat,    setzte    sie 
mit  schwarzer  Tinte  an   den   Rand,   so   dass    sie    später    beim 
Einbinden   der  Handschrift  zum  Theil   weggeschnitten   wurde. 
Die  Inhaltsangaben   zu  Cap.   II   und  III   finden    sich    doppelt 
in  der  Handschrift;  denn  die  zweite  Hand  wiederholte  sie  am 
Rande.     Uebrigens   scheinen   auch   die   von    erster  Hand   her- 
rührenden Inhaltsangaben  erst,    nachdem   der  Text  der  Hand- 
schrift  bereits   vollständig   niedergeschrieben    war,   mit   rother 
Tinte  in   den    hiefür   freigelassenen  Raum   eingesetzt  zu   sein; 
deon  der   offen   gelassene  Raum   erwies   sich  oft  als  zu  klein. 
Nach  dem   eben  Gesagten   war   also   die  Anordnung   der   ein- 
zelnen Theile  der  Vita  in  der  Vorlage  des  L  folgende:  1.  Der 
Brief  des   Eugippius;   2.   die   Capitulation;   3.    der   Brief  des 
Paschasius ;  4.  die  Vita  selbst.    Doch  ist  es  sehr  wahrscheinlich 
und  lässt  sich  aus  der  Anordnung   der   anderen  Handschriften 
namentlich    des    dem   L   sehr   nahe   stehenden   Vaticanua  1197 
schliessen,  dass  der  Brief  des  Paschasius  auch  in  der  Vorlage 
des  L  die  letzte  Stelle  einnahm ;  der  Schreiber  des  L  bemerkte 
denselben  erst,   als  er  die  Capitulation  zu  schreiben  begonnen, 
und  brach   ab,   um    das  Antwortschreiben    des  Paschasius   un- 
mittelbar  auf  den  Brief  des  Eugippius   folgen    zu   lassen.     So 
unbedeutend  und  unwesentlich  nun  dies  scheint,  so  ist  es  doch 
auch  ein  Beweis  für  die  Willkürlichkeit  des  Schreibers  des  L. 

Sitnifsbcr.  d.  phU.-hist.  a.  XCV.  Bd.  I.  Hft.  29 


450  Knftll. 

2.  Codex  Tavrinenifis  (T)^  der  k.  Universitätsbibliothek  in 
Turin  angehörig,  führt  daselbst  die  Signatur  F.  IV,  25.  Diese 
Handschrift^  in  4^,  die  Seite  gleichfalls  zu  zwei  Columnen, 
gehört  wohl  noch  dem  Ende  des  10.  Jahrhunderts  an ;  Reiffer- 
scheid  setzt  sie  übereinstimmend  in  das  10.  bis  11.  Jahrhundert. 
Dieser  Codex,  wohl  im  Kloster  Bobbio  geschrieben,  war  ehe- 
mals Eigenthum  dieses  Klosters,  wie  eine  viel  spätere  Hand 
am  oberen  Rande  des  ersten  wie  des  zweiten  Blattes  bemerkt: 
Liber  scti  (sie!)  \t48\  columbani  de  hohio*^  und  auf  Fol.  4^  wird 


nochmals  von  derselben  Hand  in  Erinnerung  gebracht,  dass 
die  Handschrift  Eigenthum  des  Klosters  Bobbio  sei :  hie  Uh^ 
est  monachorum  congregationis  sctq  tustinq  de  o6ßuäfta  ordts  icti 
benedicti  residentiü  in  mon  ~8ci  columbani  de  bobio.  6  cupr  st 
nöiö  17.  Der  Codex  enthält  alle  Theile  der  Vita  von  Pol.  1" 
bis  Fol.  24^'  und  zwar  in  folgender  Reihenfolge:  1.  den  Brief 
des  Eugippius^  an  Paschasius,  ohne  Titelüberschrift;  2.  die 
Capitulation ;  voran  gehen  folgende  in  Majuskeln  theils  mit 
rother,  theils  mit  schwarzer  Tinte  geschriebene  Worte :  Indpimt 
capitula  de  hie  quae  in  cofnemoraiorio  continentur  id  est  qmb: 
uitq  uel  gestorum  sei  seuerini  panduntur  indieia;  zum  Schluss 
der  Capitulation  ebenfalls  in  Majuskeln:  expliciunt  capitvla 
incipit  uita  sei  seuerini  abbatis,  welche  Worte  eine  spätere  Hand 
wiederholt  hat;  3.  das  Commemoratorium ;  dies  schliesst  mit 
folgenden,  gleichfalls  in  Majuskeln  geschriebenen  Worten :  Iwhes 
egregi  xpi  (nicht  jcpe,  wie  bei  Reifferscheid  p.  138)  minister 
commemoratium  (sie  I)  de  quo  opus  effidas  tuo  magisterio  fruetuo- 
sum  explicat  commemoratorium  in  quo  sei  seuerini  nitae  con- 
tinentur indieia  incipit  rescriptum  sancti  pascasii  diaconi.  Es 
folgt  nun  4.  der  Brief  des  Paschasius.  Auf  die  Vit/i  S.  Se- 
verini  folgen  dann  Lebensbeschreibungen  anderer  Heiligen,  die 
unter  dem  Collectivtitel  Paradisus  zusammengefasst  sind.  Der 
Schreiber  dieser  Handschrift  verfuhr  im  Allgemeinen  bei  seiner 


*  Dieselbe  wurde  bisher  noch  niemals  für  die  Herausf^abe  der  Vita  benGtzt; 

Reifferscheid  erw£hnt  sie  BUtliothteapatrnm  latinomm  italica  IL  Bd.p,  137 f.; 

ich  yergflich  sie  im  October  1877;  eine  Nachvergleichang  einzelner  xweifel- 

faafter   Stellen    besorgte    mit    gewohnter    Liebenswürdigkeit    Prof.    Cat. 

G.  Müller  in  Turin. 
'  Der  Codex  hat  zweimal  (Fol.  1"  23'»')  die  Form  eugepin»;  einmal  (24^*) 

eugipiü. 


0aB  HmdtchrifkeiiTerh&UniM  der  Vita  S.  Sarerini  des  Engippins.  451 

Abschrift  sehr  sorgsam;  daher  finden  sich  in  derselben  selten 
Rasuren  und  Correcturen;  Verbesserungen  von  zweiter  Hand 
sind  an  einigen  Stellen  nachvireisbar ;  doch  betreffen  sie  meist 
Nebensächlichkeiten,  wie  Assimilation  von  Consonanten  u.  ä., 
so  dass  z.  B.y  veenn  die  erste  Hand  ammanere  geschrieben 
hatte,  die  zweite  das  erste  m  durch  einen  Punkt  tilgte  und 
darüber  ein  d  setzte.  Qewaltsame  Umgestaltungen  des  Textes 
und  grössere  Correcturen  hat  sie  nicht  gewagt.  Trotz  dieser 
augenscheinlichen  Sorgfalt  des  Schreibers  ist  die  Handschrift 
jedoch  nicht  ganz  fehlerfrei. 

3.  Codex  Vaticanua  6772  (V^.  Eine  Handschrift  in  Folio, 
wohl  aus  der  ersten  Hälfte  des  11.  Jahrhundei*ts,  mit  zwei 
Colomnen  Text  auf  jeder  Seite.  Auch  diese  Handschrift  war, 
bevor  sie  der  vaticanischen  Bibliothek  einverleibt  wurde,  Eigen- 
thum  des  Klosters  Bobbio,  wo  sie,  wie  später  nachgewiesen 
werden  soll,  auch  geschrieben  wurde.  Dass  sie  dem  Kloster 
Bobbio  gehörte,  zeigt  die  Ueberschrift  am  oberen  Rande  des 
ersten  Blattes:  Liber  «ci  [i23\  columbani  de  bohio.    Von  Fol.  29'^ 


bis  41'^  enthält  der  Codex  1.  den  Brief  des  Eugippiüs^  an 
Paschasius;  2.  das  Commemoratorium ;  die  Capitulation  und 
das  Antwortschreiben  des  Paschasius  fehlen.  Der  Brief  dfes 
Eugippius  fuhrt  die  Ueberschrift:  Incipit  uita  beati  seuerini; 
doch  rührt  seuerini  erst  von  zweiter  Hand  und  steht  mit 
schwarzer  Tinte  auf  einer  Rasur;  darüber  schrieb  dieselbe 
Hand  mit  kleineren  Buchstaben  als  Titel  für  den  Brief:  plogus 
'»  Ulla,  Die  Anfangsbuchstaben  der  Capitel  fehlen  sehr  häufig; 
offenbar  sollten  sie  später  in  den  für  sie  freigelassenen  Raum 
mit  rother  Tinte  eingesetzt  werden.  Ueber  das  Verhältniss  dieser 
Handschrift  zum  Taurinensis  wird  später  gehandelt  werden. 

4.  Codex  Vaticanus  1197  (V.t),  Eine  Handschrift  mit 
Lebensbeschreibungen  von  Heiligen  von  grösstem  Format,  mit 
zwei  Spalten  Text  auf  jeder  Seite.  ^     Die  Vita  S.  Severini  füllt 


*  An  der  einen  SteUe,  wo  dieser  Käme  vorkommt  (zu  Beg^inn  des  Briefes), 
lantet  er  mgipiu». 

^  Diese  Handschrift  scheint  bisher  noch  nicht  yollstfindig'  benützt  worden 
sa  sein;  Sauppe  erwfihnt  sie  ein  einziges  Mal  zur  Emendation  einer 
SteUe  der  Capitulation,  die  im  Lateranensis  corrupt  ist  (p.  6).  Der  Codex 
wurde  bis  Cap.  VIII  von  mir,  der  übrige  Theil  von  Hm.  G.  Kieseritzky 
verglichen. 

29* 


452  KnftU. 

in  derselben  den  Raum  von  Fol.  189'^  bis  205'^  aus;  sie  ent- 
hält sowohl  die  beiden  Briefe  als  die  Capitulation  und  das 
Commemoratorium  in  folgender  Reihenfolge:  1.  Epistola  Eugippii' 
ad  Paschasium  bis  Fol.  190'^;  2.  die  Capitulation  bis  Fol.  191"; 
3.  die  Vita  Severini  bis  Fol.  204^^;  4.  die  Epistola  Paacbasii 
bis  Fol.  205'^.  Die  Handschrift  stammt  nach  einer  gütigen 
Mittheilung  des  Herrn  Dr.  G.  Loewe  aus  dem  11.  bis  12.  Jahr- 
hundert und  ist  in  langobardischen  Charakteren  auf  Monte 
Cassino  oder  von  einem  Monte  Cassinenser  Mönche  geschrieben 
worden.^  Die  Schrift  der  ersten  Hand  ist  im  Allgemeinen 
correct;  verhältnissmässig  selten  kommen  Rasuren  und  Ver- 
besserungen, von  einer  zweiten  Hand  herrührend,  vor. 

5.  Codex  Vallicellanus  Tom.  XII,  028  M.  lang,  016  M. 
breit,  aus  dem  11.  bis  12.  Jahrhundert;  angehörig  der 
Bibliothek  des  Oratorianerklosters  der  Chiesa  nuova  zu  Rom. 
Er  enthält  von  Fol.  74^  bis  108^  die  beiden  Briefe,  die 
Capitulation  und  die  Vita;  und  zwar  folgen  die  einzelnen 
Theile  in  derselben  Reihenfolge  auf  einander  wie  im  Tau- 
rinensüy  also:  1.  der  Brief  des  Eugippius;'  2.  die  Capitulation; 
3.  das  Commemoratorium;  4.  der  Brief  des  Paschasius.  Sogar 
die  Subscriptionen  der  einzelnen  Theile  sind  fast  wörtlich  mit 


^  Die  Form  des  Namens  lantet  überall  eugepiu». 

>  Aaf  Monte  Cassino  befinden  sich  nach  Angabe  des  Catalogs  noch  Tier 
Handschriften  der  Vita,  alle  aus  dem  11.  Jahrhundert:  die  Codices  13H. 
144,  145,  146,  von  denen  der  letzte  ein  Cod,  decurtatu»  ist,  in  dem  der 
grösste  Theil  des  Textes  fehlt;  144  enthält  Mob  die  Epistola  Eagippii, 
die  Capitnlation  nnd  von  der  Vita  nur  das  1.  Cap.;  im  Cap.  2  bricht 
die  Handschrift  nach  den  Worten  monüM  tUri  dei  »ancU»  aperihn»  ab,  dA 
eine  Anzahl  BIfttter  aus  der  Handschrift  herausgerissen  ist  VollstSndi^ 
sind  also  blos  139  und  145;  doch  fehlt  in  139  die  Capitulation.  Mangel 
an  Zeit  machte  mir  es  unmöglich,  diese  Handschriften  während  meine« 
Aufenthaltes  in  Italien  zu  vergleichen.  Doch  scheinen  sie  ganz  derselben 
Classe  anzugehören  wie  Vat,  1197;  sicher  nachzuweisen  ist  dies  fiir 
Cod.  144;  denn  aus  der  Capitulation  wird  klar,  dass  derselbe  in  C.  XLV 
drei  Krankenheilungen  und  C.  XLI  die  Namensform  Ferderuchns  hatte; 
dass  Cod.  139  und  145  zu  derselben  Classe  gehören,  wird  durch  die  Weg- 
lassung von  merito  vor  uener(»biU  zu  Beginn  der  Epistola  Eugippü  wahr- 
scheinlich; die  Classe  T  V  Vau.  A  haben  alle  merüo. 

3  Die  Form  des  Namens  lautet  wie  im  T  meist  tugephi»;  nur  am  SchlnsM 
der  Epistola  Paschasii  steht  wie  im  T  eugipiü. 


Daa  HandschrifteiiTerh&ltnisB  der  Vita  8.  SeTerini  des  Ea^ppios.  453 

denen  im  Taurineiisis  übereinstimmend.  Auf  die  Vita  Severini 
folgen  in  dieser  Handschrift  wie  im  T  Heiligengeschichten 
unter  dem  Titel  Paradisus:  Incipiunt  cap  lih*i  qui  appellatur 
paradisus.  In  der  Handschrift,  die  von  erster  Hand  sehr  nach- 
lassig und  fehlerhaft  geschrieben  ist,  hat  eine  neue  Hand  An- 
merkungen und  Lesarten  aus  anderen  schlechten  Handschriften 
oder  Ausgaben  über  die  Zeilen   oder  an  den  Rand    beigesetzt. 

6.  Codex  Ambrosianus  J.  61.  inf.  (A,  bei  Sauppe  M) ; 
eine  Handschrift  in  4^  aus  dem  12.  Jahrhundert;  im  Cataloge 
der  Bibliothek  ist  sie  dem  10.  Jahrhunderte  zugewiesen;  doch 
ist  dies  nicht  wohl  möglich^  da  sie  bereits  die  Apices  auf  ii 
hat.  Er  enthält  die  Epistola  Eugippii '  und  das  Commemora- 
torium  von  Fol.  45'  bis  60^;  vorher  geht  wie  im  Cod.  Valli- 
cellanus  die  Vita  heati  hylarionis  (sie!).  Der  Schreiber  der 
Handschrift  verfuhr  sehr  nachlässig,  was  aus  den  zahlreichen 
Lücken  und  falschen,  willkürlichen  Lesarten  der  Handschrift 
za  ersehen  ist;  überdies  zeigt  dieselbe  noch  die  nicht  viel 
spätere  Hand  eines  Correctors.  Eine  noch  spätere,  vielleicht 
dem  16.  Jahrhundert  angehörige  Hand  fügte  am  Rande  der 
Handschrift  den  Inhalt  betreffende  Anmerkungen^^  einige  Eigen- 
oamen,'^  die  Nummern  der  Capitel  und  deren  Anfangsbuchstaben 
je  nach  Massgabe  des  Raumes  hinzu,  die  später  beim  Ein- 
binden der  Handschrift  zum  Theile  weggeschnitten  wurden. 

Wie  Sauppe  richtig  bemerkt,  zerfallen  die  älteren,  guten 
Handschriften  der  Vita  im  Allgemeinen  in  zwei  Classen;  in 
eine,  deren  Hauptvertreter  vermöge  seines  Alters  der  Latera- 
iitnsis  ist,  und  in  eine  andere,  der  Vat,  5772  und  Ambrosianus 
beigezählt  werden ;  von  den  von  mir  überdies  benützten  Hand- 
schriften gehört  Vat.  1197  (und  wohl  alle  Cassinenser)  der  ersten, 
Taurinensis  und  ValUcellanus  der  zweiten  Classe  an.  Obwohl 
wir  nicht  wissen,  wo  der  älteste  Codex  der  ersten  Classe,  der 
Lat.,  geschrieben  ist,  so  könnten  wir  doch,  da  die  Monte 
Cassinenser  Handschriften,  wie    oben    angedeutet    wurde,    alle 


^  Die  in  der  Handschrift  übliche  Namensform  ist  ettgepiuri. 

'  So  z.  B.  zu  §.  10  der  Ep.  Eu^.  auf  Fol.  46«^:  Scs  aeuerin'  tx  Iciqla  patuU 
fnine  laän*;  u.  a. 

'  Zu  §.  8  der  Ep.  Eug.  die  Namen  PHmeniua,  Orette»  patriciu»;  den  Bei- 
fall des  Lesers  soll  wohl  das  §.  9  beigeschriebene  pulchre  ausdrücken. 


454  KnAU. 

dieser  Classe  ^  angehören ,  die  Hauptvertreter  der  anderen  Classe 
dagegen  im  Kloster  Bobbio  geschrieben  sind,  jene  die  Monte 
Cassinenser  oder  unteritalienische,  diese  die  Bobbienser  oder 
oberitalienische  Redaction  der  Vita  nennen.  Ich  beginne  zunächst 
mit  der  Untersuchung  der  Handschriften  der  zweiten  Clas&e. 

Von  dieser  Familie  benützte  Sauppe  fUr  seine  Ausgabe 
zwei  Handschriften,  den  Vat.  5772  und  den  Codex  AtfUn'osianw, 
den  er  mit  M  bezeichnet;  von  diesen  ist  V^  der  ältere  und 
weitaus  wichtigere ,  während  A  von  Sauppe  im  Allgemeinen 
als  das  gekennzeichnet  wurde,  was  er  in  Wahrheit  ist,  als 
eiue  willkürlich  hergestellte,  durch  Correcturen  und  zahlreiche 
Lücken  entstellte  Abschrift  eines  uns  unbekannten  Codex 
dieser  Classe  (p.  XII) ;  über  ihn  soll  weiter  unten  eingehender 
gehandelt  werden. 

Die  Wichtigkeit  des  V^at,  5772  einzugestehen  ist  Sauppe 
selbst  gezwungen  p.  XIII  sq. :  ea  praestantia  (codids  LateranensU) 
non  tanta  est,  vi  his  duobus  codidbus  (Vat,  et  Ambr.)  super- 
sedere  possimus.  Dies  ist  nicht  zu  verwundern ;  denn  bei  einer 
Ausgabe  des  Textes  der  Vita  nach  dem  sehr  fehlerhaften  L 
waren  Vat.  und  Ambros.  unentbehrlich  und  eine  grosse  Anzahl 
von  Lesarten,  die  in  dem  L  sinnlos  sind,  mussten  aus  dem 
F|  aufgenommen  werden. 

Allein  Fi  ist  keineswegs  der  beste  Vertreter  der  Hand- 
schriften dieser  Classe,  die  überhaupt  noch  existiren;  es  lässt 
sich  vielmehr  mit  ziemlicher  Sicherheit  der  Nachweis  fuhren, 
dass  er  aus  einer  anderen  Handschrift  entstanden  ist,  die  wir 
noch  besitzen,  die  aber  Sauppe  allerdings  nicht  gekannt  zu 
haben  scheint,  nämlich  aus  dem  Taurinensis.  Dies  geht  aus 
folgendem  hervor: 

1)  V^  setzt  nirgends  einen  vollständigeren  Text  voraus, 
als  der  Taurinensis  gibt;  wenn  Fi  irgendwo  mehr  bietet,  so 
rührt  dies  von  fehlerhaftem  Abschreiben,  meist  von  Dittographien^ 
her.  So  Ep.  Eug.  §.  6  steht  perfectione  in  Fj  zweimal;  Vit 
XXXV,  1  ist  sibi  nach  praestaii  wiederholt.  Auffalliger  ist 
die  Einschiebung  von  reliquerat   nach   semiumus  (XXXIII,  2). 


*  Derselben  Classe  g^ehÖrte  offenbar  auch  der  Codex  an,  den  der  Autor, 
der  die  Getta  epUeoporum  Neapolitanonim  Eusammenstellte,  benatxt^: 
vgl.  Monumenta  Germ.  Scriptt.  rer.  langob.  p.  408  f. 


Dm  HaiidBcbriftonTerliAltDiiiB  d«r  Vita  8.  SaTerini  des  Bogippios.  455 

2)  Stimmt  er  in  Eigenthümlichkeiten  der  Schreibung  und 
in  Fehlem  vollständig  mit  T  überein ;  ja  die  Abhängigkeit  von 
dem  Taurinensis  geht  sogar  soweit^  dass  er  beinahe  regelmässig 
da,  wo  T  Initialen  im  Texte  hat,  sie  gleichfalls  setzt. 

a)  Von  Eigenthümlichkeiten  der  Schreibung  der  Wörter 
scheinen  mir  folgende  der  Erwähnung  werth:  £p.  Eug.  §.  2 
haben  beide  silenti,  welche  Zusammenziehung  sonst  in  der  Vita 
nicht  nachzuweisen  ist;  die  anderen  haben  silentiif  mit  Aus- 
nahme des  Vallic.  und  Ambros.  Ep.  Eug.  §.  10  nurici  statt 
norici'y  Vit.  I,  5  disperatiaj  ibid.  opidaneis'^  IV,  3  incolames'j 
ebenso  XXXIII,  2;  VII,  2  ist  in  T  das  zweite  s  von  uilisiimü 
ausradirt;  mit  einem  8  hat  es  auch  F|.  VIII,  2  hat  T  ministtrivj 
das  e  nach  t  ist  wegradirt;  daher  schrieb  auch  V^  miuistrii 
nicht  minütrij  wie  Sauppe  in  der  Varians  scriptura  anmerkt. 
IX,  4  (und  XIX,  5)  prouintiam  T  V^]  X,  2  coepercoit  statt 
ceperant'y  XI,  1  monitiontbus  statt  munitionibus  ]  XI,  3  comunem 
mit  einem  m;  XVII,  1  poene  statt  paene;  XX,  1  puplids] 
XXII,  1  biothro]  doch  haben  beide  XXXVI,  1  baithro;  XXVIII,  4 
immodum  assimilirt  statt  in  modum ;  XXXII,  2  adolatione ;  XL, 
2  heisst  die  Königin  in  beiden  Handschriften  gisa,  obwohl 
in  e.  VIU  beide  Handschriften  übereinstimmend  die  richtige 
Namensform  gUo  haben.  XLII,  3  nonita  statt  monita ;  XLIH,  1 
agebat  statt  dtiebat]  XLIII,  5  Seimus  statt  Simus]  XLIV,  4 
Uudericutn^  die  übrigen  theodericum]  XLVI,  2  lucallano  (luoalano 
auch  A)\  ibid.  per  inanu  sei  statt  per  mantu  ici  u.  a.  m. 

Aus  einigen  dieser  Stellen,  namentlich  aus  VII^  2  und 
Vm,  2  geht  hervor,  dass  Fj  aus  dem  bereits  corrigirten  Codex 
Taurinensis  hervorgegangen  ist;  da  nun  aber  beide  Hand- 
schriften der  Zeit  nach  nicht  weit  auseinander  fallen,  so  dürften 
die  Correcturen  im  T  vielleicht  vom  Schreiber  desselben  selbst 
herrühren  oder  wenigstens  nicht  viel  jünger  sein;  die  Züge 
der  Schrift  sprechen  nicht  gegen  diese  Annahme. 

b)  Auch  grössere  Fehler  und  Corruptelen,  die  der  Text 
des  T  zeigt,  finden  wir  in  F|  ohne  Veränderung  wieder;  so 
Ep.  £ug.  §.  3  pro  quo  fluis  statt  quo  profluis ;  ebenso  c.  XIX,  4 
fro  re  qua  sti^tt  re  pro  qua ;  *  Ep.  Eug.  9  senior,  wo  das  durch 


*  Eine  Cormptel,  die  in  älteren  Handschriften  nicht  ohne  Beispiel  ist;   so 
hat  der  Vindobonensis  des  Livius  XLI,   1,  6,   ganz  mit   unserem  Falle 


456  KnMl. 

Kj  überlieferte  ;serio  die  ursprüngliche  Lesart  gibt.  Vit.  X,  1 
quidam  statt  quadani]  XII,  6  hatte  ursprünglich  T  passest]  der 
Corrector  jedoch  radirte  die  Silbe  se  von  posse  weg  und  setzte 
ein  t  in  die  Rasur;  und  so  schreibt  denn  auch  V^  p'  se  = 
post  se,  XIV,  1  haben  beide  Handschriften  languentes,  wo  der 
Sinn  languentis  verlangt,  welches  die  anderen  Handschriften 
haben.  XV,  2  fuisse  statt  fuisseL  Der  Querstrich  (statt  m) 
über  Vocalen  ist  in  T  in  folgenden  drei  Fällen  vergessen  worden: 
XVn,  4  nonnvllam  —  copia\  XXVUI,  2  turba  numerumqut] 
XXIX,  4  uia  assimilirt  an  qua]  und  eben  dieselben  Fehler 
hat  auch  V\  in  seinen  Text  aufgenommen.  XLIV,  7  hat  T 
eundem  iter  und  ebenso  auch  F|.*  Durch  Abschweifung  der 
Augen  scheinen  in  T  XII,  5  atque  contemptor  und  XXXI,  1  ex 
quilms  unum  erat  fabianis  ausgefallen  zu  sein;  sie  fehlen  daher 
auch  im  F|. 

Einzelne  der  angeführten  Fälle  sind  so  überzeugend,  dass 
es  kaum  einem  Zweifel  unterliegen  kann,  dass  F,  aus  T  her- 
vorgegangen ist.  Dies  wird  noch  wahrscheinlicher  durch  die 
Thatsache,  dass  beide  Handschriften,  wie  bereits  oben  bemerkt 
wurde,  dem  Kloster  des  heiligen  Columban  von  Bobbio  ange- 
hörten. Der  Umstand,  dass  V^  in  dem  Verzeichnisse  der  Hand- 
schriften der  Klosterbibliothek  eine  frühere  Nummer  führte, 
kann  nicht  dagegen  sprechen,  wenn  man  bedenkt,  dass  diese 
in  arabischen  Ziffern  geschriebenen  Nummern  erst  einer  wohl 
in  der  Neuzeit  vorgenommenen  Neuordnung  der  Bibliothek  ihren 
Ursprung  danken.  Ebenso  wenig  kann  gegen  diese  Annahme 
beweisen,  dass  in  Vi  die  Epistola  Paschasii  und  die  CapiteU 
Überschriften   ausgelassen   sind,    obwohl   sie  T  hat;   das  Weg- 


übereinstimmend  CatmduB  pro  regulo  eraty  was  Madvig  in  reffulut  praeertU 
bessert;  vgl.  Emendadones  Liv.  ^  p.  602. 
1  Doch  braucht  dies  nicht  unbedingt  als  Fehler-  angesehen  zu  werden; 
denn  dass  Neutra  oft  als  Masculina  gebraucht  werden,  davon  existiren 
in  Inschriften  und  Handschriften  späterer  Zeit  zahlreiche  Beispiele.  Der 
Grammatiker  des  4.  Jahrhunderts  n.  Chr.,  Fortunatianus,  bemerkt  sogar 
(Rhett,  IcU,  min.  p.  123 y  9  ed,  Ilalm),  dass  zu  seiner  Zeit  die  meisten 
Neutra  sich  in  Mascnlina  verwandelten :  Eomani  neutra  mtdta  mtuculino 
genere  potius  ent^tUiant  tU  ^huJic  thecUi^um,  hunc  prodigium^-y  vgl.  Pancker 
de  latin.  scriptt  bist.  Aug.  p.  64  sqq.  Bücheier,  Grundr.  d.  lat.  Decli- 
nation,  herg.  von  Windekilde,  2.  Aufl.  p.  8  u.  10.  Vgl.  überdies  Victor  Yil 
III,  27  (ed.  Halm)  ttUeni  .  .  .  resporuntm  dedü. 


Du  H»ad8chrift«nferh&ltniiw  der  Vita  S.  Severini  des  Bagippiiu.  457 

lassen  dieser  Theile  hatte  wohl  hauptsächlich  darin  seinen  Grund^ 
weil  dem  Abschreiber  diese  Theile  nebensächlich  und  nicht 
unbedingt  zur  Vita  gehörig  erschienen;  überdies  mochte  auch 
Raummangel,  der  ja,  wie  bereits  oben  bemerkt  wurde,  nament^ 
lieh  in  den  jüngeren  Handschriften  die  Kürzung  der  Vita 
nothwendig  machte,  die  Weglassung  dieser  beiden  Theile  in 
Fj  veranlasst  haben.  Wenn  überdies  V^  und  T  in  den  Ueber- 
schriften  und  Schlussbemerkungen  der  einzelnen  Theile  der 
Vita  (Epist.  £ug.  und  Vita)  nicht  übereinstimmen,  so  erklärt 
sich  dies  leicht  daraus,  dass  der  Schreiber  des  F^,  da  er 
einzelne  Theile  ausliess,  die  Bemerkungen  in  T  nicht  brauchen 
konnte.  Daraus,  dass  F|  eine  Abschrift  aus  T  ist,  erklärt  sich 
auch,  dass  der  Text  des  F|  weitere  Corruptelen  zeigt,  die  dem 
T  fremd  sind.  So  hat  Fj  folgende  Lücken :  Vit.  V,  2  lässt  er  die 
Worte  soUicitus  qu<ie  nobis  est  aus,  die  T  hat.  XIV,  2  fehlt 
inuenire'y  XXV,  1  diebus  und  graue»  XXXIII,  2  setzte  der 
Schreiber  statt  des  ungewöhnlicheren  sospttate  das  gewöhnlichere 
saniiate  in  den  Text,  schrieb  jedoch  sospitate  daiüber;  denn 
beide  rühren  von  derselben  Hand  her. 

Von  Verderbnissen  des  Textes,  die  der  Unaufmerksamkeit 
des  sonst  ziemlich  sorgiältigen  Schreibers  leicht  widerfahren 
konnten,  zähle  ich  folgende  auf:  Ep.  Eug.  2  timore  statt  m^rore; 
£p.  Eug.  9  cm  =  cuius,  nicht  sui,  wie  Sauppe  anmerkt,  statt 
ciuisy  eine  Verweehselung,  die  in  den  Handschriften  nicht  selten 
ist;  so  hat  z.  B.  L  XLVI,  3  cuiua  statt  ciuis.  III,  1  relioais 
statt  religioais]  HI,  2  releuatione  statt  reuelatione]  IV,  2  pr<ie- 
cepit  statt  praedpit'^  IV,  3  a  statt  ad\  IV,  4  di  statt  dö;  IV,  5 
iüh  statt  iüud\  IV,  10  torpescitur  statt  torpescit]  IV,  12  mino 
statt  miro'^  VI,  5  xpTdnl  statt  ^i;  VIH,  2  romanis  statt  romanos; 
X,  2  cella  statt  cellula]  XI,  2  psuoH  statt  persuasit-^  XII,  5 
segete  statt  segetem]  XVI,  2  milites  statt  miles'j  XVI,  3  pietas 
statt  pUtatis]  XIX,  1  ad  statt  a;  XIX,  3  famulü  statt  famulo] 
XIX,  4  diacoii*  =  diaconus  statt  diaconuTHy  XXII,  ö  off  endo 
statt  offenso  c?ö;  XXIII,  1  »es  statt  acissimus'j  ibid.  qua  statt 
quem;  XXV,  3  caniis  statt  cordis]  XXVII,  1  latos  statt  latuit 
und  andere  kleinere  Abweichungen  häufiger. 

Diese  Abweichungen  sind  jedoch,  wie  jeder  einsieht,  von 
80  geringer  Bedeutung,  dass  sie  nichts  gegen  die  obige  Be- 
hauptung, Vi  sei  aus  T  entstanden,  beweisen;  vielmehr  machen 


458  KnftU. 

es  einzelne  der  Stellen,  in  denen  Fj  und  T  übereinstimmen, 
die  Identität  des  Ortes  der  Entstehung  beider  Handflchrifien, 
ferner  die  geringe  Altersdifferenz  der  beiden  ganz  wahrscbein- 
lieh,  dasB  ihre  Verwandtschaft  nicht  erst  durch  ein  Mittelglied 
vermittelt,  sondern  dass  V^  directe  Abschrift  aus  7  ist.  Dadurch 
aber  verliert  auch  Vy  die  Geltung  einer  Handschrift 
von  selbständigen)  Werthe  für  die  Herstellung  des 
Textes  und  verdient  daher  in  dieser  Beziehung  keine 
weitere  Beachtung;  wo  er  von  T  abweicht,  ist  diese  Ver- 
schiedenheit der  Unachtsamkeit  des  Schreibers  zuzuschreiben. 
Als  Vertreter  dieser  Classe  hat  daher,  da  Vallic.  und  Ambras, 
jüngeren  Ursprungs  sind,   T  zu  gelten. 

Von  diesen  jüngeren  Handschriften  selbst  gehört  Valli- 
eellanus  ganz  offenbar  derselben  Classe  an,  wie  T  und  \\; 
dies  zeigen  die  Zusätze  in  dem  Briefe  des  Eugippius  §.  7 
und  zu  Beginn  (I,  1)  der  Vita,  sowie  das  Fehlen  der  beiden 
durch  den  Leichnam  des  Heiligen  bewirkten  Krankenheilongen 
zum  Schlüsse  derselben  (XLVI,  4.  5).  Dass  VaU.  jedoch  nicht 
aus  Vi  geflossen  sein  kann,  zeigt  erstens  der  Umstand,  dass  die 
Capitulation  und  der  Brief  des  Paschasius,  die  bekanntlich 
in  Fj  fehlen,  im  ValL  vorhanden  sind;  zweitens,  dass  an  den 
oben  citirten  Stellen,  an  denen  Fj  Lücken  zeigt,  ValL  diese 
nicht  kennt,  sondern  den  vollständigen  Text  gibt.  Es  bleibt 
daher  nur  noch  eine  zwiefache  Möglichkeit,  entweder  dass  Voll. 
aus  T  entstanden  ist,  oder  dass  er  auf  einen  andern,  jetzt  unbe- 
kannten, vielleicht  verlorenen  Codex  derselben  Classe  zurück- 
geht.   Für  crstere  Annahme  Hesse  sich  folgendes  anführen: 

1)  Folgen  die  einzelnen  Theile  der  Vita  in  beiden  Hand- 
schriften ganz  in  derselben  Reihenfolge  auf  einander,  so  dass 
die  erste  Stelle  der  Brief  des  Eugippius  einnimmt,  hierauf  die 
Capitulation,  auf  diese  die  Vita  folgt  und  die  Epistola  Paschasii 
die  ganze  Reihe  abschliesst.  Ja  sogar  die  Ueborschriften  und 
Schlussbemerkungen  der  einzelnen  Theile  sind  in  beiden  Hand- 
schriften fast  wörtlich  übereinstimmend,  wie  sie  sich  in  keiner 
andern  Handschrift  w^iederfinden.  Am  Schlüsse  der  Epistola 
Eugippii  heisst  es  in  beiden  ganz  gleichlautend :  Indpiunt  capiiuk 
de  his  quae  in  comniemoratono  continentur  id  est  quibus  uitae 
(om.  ValL)  uel  gestorum  sei  seuerini  panduntuv  cajntula.  Zum 
Schlüsse  der  Capitulation :  Explicinnt   capltula  incipii  uitd  sa 


Das  HandschriftenverhiltDisB  d«r  YiU  8.  SeT«rini  d«B  Engippiiu.  459 

»tuerini  ahhoUia,  Am  Schlüsse  der  Vita:  Hohes  egregi  xpi  minister 
cimmemoratorium  de  quo  opus  efficias  tuo  magisterio  fructuosum; 
diesem  fügt  T  noch  folgende  Worte  an,  die  im  Voll,  fehlen: 
t-xplicai  commemorcUorium  in  quo  sei  seuerini  uitae  continentur 
indicia.  Dann  haben  beide  gemeinschaftlich  :  Indpit  rescriptum 
(rescripta  Voll.)  sancti  pascasii  (paschasii  ValL)  diaconi, 

2)  Lässt  sich  für  obige  Behauptung  eine  ziemlich  grosse 
Zahl  übereinstimmender  Lesarten  aus  beiden  Handschriften  vor- 
briDgen;  da  eine  vollständige  Aufzählung  derselben  zwecklos 
wäre,  so  beschränke  ich  mich,  einige  auffallende  Fälle  der  Ueber- 
einstimmung  beider  anzuführen.  So  hat  VaÜ.  übereinstimmend 
mit  T  und  V^  VI,  1  die  Form  ossuum  gegen  ossium  der  übrigen 
Handschriften;  ebenso  XXVI,  2  mensuum  statt  mensium,  wie 
LV^A  haben.  XLIV,  7  hat  ValL  eund  iter,  also  überein- 
stimmend mit  T  Fl ;  ibid.  felethem  mulsemensis  regionis  mit 
T  F,  gegen  montem  feleteni  muliis  emensis  reqionibus ;  XLV,  2 
et  arasset  mit  T  V^  statt  et  orasse  et ;  überdies  übereinstimmend 
mit  7  zweimal  die  Form  eugepius,  einmal  eugipiü  u.  a.  m. 

Allein  so  auffällig  auch  die  Uebereinstimmung  der  beiden 
Handschriften  in  gewisser  Hinsicht  sein  mag,  und  so  sehr  man 
geneigt  wäre  aus  diesen  Gründen  auf  Abhängigkeit  des  VaU. 
von  T  zu  schliessen,  so  lassen  sich  doch  gegen  diese  Annahme 
ziemlich  schwer  wiegende  Gründe  geltend  machen ;  diese  sind 
folgende: 

1)  zeigt  ValL  einen  Zusatz  von  mehreren  Worten,  der 
sich  in  T  (Vi  A)  nicht  findet,  während  hierin  ValL  sogar  mit 
L  V^  übereinstimmt;  er  hat  nämlich  übereinstimmend  mit 
L  Fj  XXXI,  1  die  Worte :  ex  quibus  unum  erat  fahianis,  welche 
in  r  F)  ^  fehlen.  Nun  könnte  man  wohl  versucht  sein,  die- 
selben für  ein  Glossem  zu  halten  und  dadurch  ihr  Fehlen  in  T 
zu  erklären;  doch  spricht  gegen  eine  solche  Annahme,  dass 
in  dem  unmittelbar  vorhergehenden  Theile  von  der  Stadt 
Fahianis  nicht  die  Rede  war,  man  also  auch  nicht  einsieht, 
wie  der  Interpolator  auf  den  Namen  kam;  überdies  lässt  sich 
die  Möglichkeit  eines  Ausfalls  dieser  Worte  in  T  sehr  leicht 
erklären;  denn  diesen  Worten  vorher  geht  uicinis  und  es  ist 
sehr  wahrscheinlich,  dass  dieselben  wegen  der  Gleichheit  der 
Endung  von  uicinis  und  fahianis  in  T  wegfielen. 


460  KnAH. 

3)  Weicht  auch  der  Text  des  ValL  von  T  an  mehreren 
Stellen  ab  und  stimmt  mit  der  anderen  Classe  überein;  so 
XII,  2  fletu  mit  L  V^  A  statt  in  fletu  T  V^ ;  XV,  2  fuüset  mit 
L  V2  A  gegen  das  fehlerhafte  fuisse  T  V^ ;  XIX,  ö  hat  Voll 
mit  L  V2  repertus  statt  reperturus  T  Fj ;  doch  beruht  repertus  in 
ValL  sicher  auf  Verachreibung,  da  er  trotzdem  übereinstimmend 
mit  T  F|  qtuintos  numeros  hat.  XXI,  3  lasst  er  mit  L  non  vor 
ifine  aus;  ebenso  fehlen  XXIV,  3  die  Wörter  Sed  pretbyiero, 
wie  in  L  V^;  XXVII,  2  hat  er  mit  L  V^  amnes,  das  in  den 
anderen  Handschriften  fehlt;  XXVIII,  4  stupore  mit  L  V^  gegen 
timore  T  V^ ;  XXIX,  2  ebdomadä  gegen  ebdomadem  T  Fj ;  XL, 
1.  2  ffUo  mit  L  F2;  ^«a  die  anderen.  XLIU,  6  affatu  gegen 
affecfu  T  F, ;  XLIII,  9  praeteiire  mit  Z  F2  statt  praeteriri  T  F, ; 
XLV,  2  con^u6t/erat  mit  L  Fj  ^  gegen  consuerat  T  Fj  u.  a. 

Diese  letzterwähnten  Fälle  sind  jedoch  kaum  von  Bedeu- 
tung; bei  einigen  derselben,  namentlich  bei  XIX,  ö,  beruht 
die  Uebereinstimmung  mit  L  offenbar  auf  einem  Irrthum  des 
Schreibers  des  ValL  Allein  das  Gewicht  der  Stelle  XXXI,  1^ 
wo  in  T  wahrscheinlich  eine  Lücke  ist,  die  Vau.  nicht  hat, 
ist  nicht  zu  verkennen  und  verbietet  uns  eine  directe  oder 
indirecte  Abstammung  des  ValL  aus  T  anzunehmen.  Dagegen 
machen  es  die  oben  p.  458  angeführten  Uebereinstimmungeo 
beider  Handschriften  in  den  Subscriptionen  und  der  Namens- 
form eugepius  und  eugipiu  sehr  wahrscheinlich,  dass  VaU. 
mittelbar  auf  denselben  Codex  zurückgehe,  aus  dem  T  abge- 
schrieben ist. 

Doch  ist  der  Werth  des  ValL  in  Bezug  auf  die  Recon- 
struirung  des  Textes,  abgesehen  vielleicht  von  der  eben  er- 
wähnten Stelle  XXXI,  1,  fast  gar  keiner;  denn  der  Schreiber 
desselben  verfuhr  bei  der  Abschrift  sehr  nachlässig  und  un- 
achtsam. Dies  beweist  eine  grosse  Anzahl  von  Lücken,  die 
ValL  allein  hat  und  die  sich  nicht  einmal  durch  Homoeoteleuta 
und  andere  Ursachen  entschuldigen  lassen ;  so  fehlt  VIII,  4  tuo; 
VIII,  5  egit-,  XV,  3  ad-,  XVI,  6  est]  XX,  2  jma;  XXI,  1  fwaro; 
XXVI,  2  ut]  XXVII,  1  tarn;  XXVIII,  5  die  Worte  quod  cum 
feciaset  et  adhuc  afiliis  ua^a  deposceret]  XXXI,  5  enim]  XXXV,  2 
uidendi'y  XXXVI,  2  sit;  XLIII,  5  memores]  XLVI,  2  in  u.  a. 
Dies  zeigt  ferner  die  Willkür,  mit  der  er  im  Ausgang  der  Wörter 
den   Querstrich    (=    m)  entweder   weglässt   oder  überflüssiger 


Dm  HandichriftonTerhiltniM  dar  Tita  B.  S«Tarini  des  Euffippins.  461 

Weise  hinzufügt;  ersteres  ist  z.  B.  der  Fall  XVI;  1  nocte; 
XXIII,  2  .basilica]  XXVI,  1  implorante*^  XXVII,  3  commonente*^ 
letzteres  XXI,  2  remeant^  XXXIII,  2  oratione]  XL,  2  prostratü'^ 
statt  pro  statu  und  so  öfter;  ganz  abgesehen  von  anderen  Zeichen 
der  Flüchtigkeit  und  Nachlässigkeit. 

Der  Codex  Ambrostanus  (A,  bei  Sauppe  M)  gehört  der- 
selben Classe  wie  die  beiden  Bobbienser  Handschriften  und 
der  Vallicellanus  an;  denn  er  hat,  wie  diese,  die  bekannten 
Zusätze  in  dem  Briefe  des  £ugippius  (§.  7)  und  zu  Beginn 
der  Vita  (I,  1),  und  am  Schlüsse  der  Vita  fehlen  in  demselben 
die  beiden  Krankenheilungen  von  Tvnc  et  Laudücius  bis  mira- 
cula  (XliVI,  4.  5).  Ferner  stimmt  er  mit  T  V^  an  den  meisten 
Stellen  gegen  Cod.  L  überein;  so  z.  B.  XIII,  1  alterutra  hac 
petrae  A,  wo  T  F,  alterutra  ac  pefrae  haben,  während  L 
vor  ac  noch  ferri  einschiebt;  ebenso  an  sehr  vielen  anderen 
Stellen,  die  hier  nicht  angeführt  zu  werden  brauchen,  da  sie 
aus  der  sehr  sorgfältigen  Collation  B.  Niese's  bei  Sauppe  zu 
ersehen  sind.  Trotzdem  hält  es  schwer,  sein  Verhältniss  zu 
T  F|  und  ValL  genau  zu  bestimmen.  Dies  kommt  daher,  weil 
der  Schreiber  desselben  oder  vielleicht  auch  der  Schreiber  seiner 
Vorlage  beim  Abschreiben  mit  einer  fast  beispiellosen  Willkür 
verfuhr,  indem  er  1)  an  zahlreichen  Stellen  theils  einzelne 
Wörter,  theils  ganze  Sätze  oder  Satztheile  wegliess;  so  fehlt 
Ep.  Eug.  §.  6  uirtutum]  ibid.  §.  8  italiae]  ibid.  deus;  ibid.  9 
cognosds  quid  te  necesse  est  terrenam;^  Vita  IV,  5  de  cuius  et 
miseratione  promittit;  VIII,  2  serue  dei;  IX,  2  a  tali  ministerio 
tandem'j  ebenso  X,  1;  XII,  3;  XII,  6;  besonders  XLIV,  7  und 
XLVI,  3 ;  desgleichen  an  vielen  anderen  Stellen,  die  aus  der  ge- 
nauen Collation  der  Handschrift  bei  Sauppe  leicht  zu  ersehen  sind. 

2)  Nahm  der  Abschreiber  Umstellungen  von  Wörtern  vor, 
die  sich  in  keiner  der  älteren  Handschriften  finden;  so  z.  B. 
XIV,  2  inuenire  pro  meis'j  XV,  1  eiusdem  loci\  XV,  2  fluuium 
ammodo  statt  amodo  fluuium;  XVI,  1  ex  more  duxissent  statt 
duxissent  ex  more]  XVI,  5  prae  gaudio  tacere  statt  tacere  prae 
gatidio]  XIX,  2  regem  constancia  aüocutus  est  statt  constantia 
ftgem  est  allocutus  u.  a. 


*  Bios  auf  Veraehen  bemht  ee,  wenn  Sanppe  angibt,    dass   diese  Worte 
anch  F|  weglasse. 


462  Kndll. 

3)  Verwandelte  er  eigenmächtig  Wörter  und  Wortformen 
in  andere  ähnliche:  IX,  4  tribulatiofm  statt  tribulantium]  XII,  3 
exhibebat  statt  exigebat;  XII,  4  qtujtntum  statt  quanti;  XIII,  1 
dictwri  statt  redditurii  XIV,  1  funeratcuf  statt  funereat;  XIV,  2 
agnoscite  statt  agnoaco ;  XV,  2  illuuione  ^  statt  aUuuione ;  XV,  3 
p'l^  /acto  statt  po^e9  facta '^  XVII,  1  naluari  statt  «atorori; 
XVII,  4  ctim  kostib'  statt  cum  obsidentibus  gothia  u.  a. 

4)  Fügt  er  Wörter  hinzu,  die  in  allen  anderen  Hand- 
schriften fehlen:  XII,  2  dicens  nach  propAefam;  XVII,  2  inopias 
UR^hfamis]  XX,  1  «imt<Z  und  uno;  XXIV,  1  60  vor  amplius  u.  a. 

Aus  diesem  allen  geht  hervor,  dass  der  Schreiber  des  A 
oder  seiner  Vorlage  kein  sorgfältiger  Abschreiber  war,  sondern 
dass  er  vielmehr  bei  der  Abschrift  viel  zu  viel  seine  eigenen 
Erfindungen  statt  des  in  der  Vorlage  Gelesenen  in  den  Text 
einsetzte.^  Bei  diesem  Zustande  der  Handschrift  aber  lässt 
sich  kaum  entscheiden,  ob  die  Zusätze  an  den  Stellen,  wo  die 
anderen  Handschriften  insgesammt  Lücken  aufweisen,  vom 
Schreiber  auf  eigene  Faust  gemacht  worden  sind,  oder  ob  er 
sie  seiner  Vorlage  verdankte.  Dies  ist  der  Fall  IX,  3,  wo  in 
sämmtlichen  Handschriften  beider  Classen  nach  praesentauit 
offenbar  mehrere  Worte  ausgefallen  sind;  diese  Lücke  füllte 
dem  Sinne  vollständig  entsprechend  durch  die  Worte  rdiqmasq: 
scorum  ab  eo  stuctpiens  uiro  di  defulit ;  entnahm  sie  der  Schreiber 
seiner  Vorlage,  so  ist  es  unmöglich,  dass  A  auf  die  beiden 
Bobbienser  Handschriften  zurückgeht.  Dann  ist  es  aber  auch 
sehr  unwahrscheinlich,  dass  A  auf  den  Codex,  aus  dem  L  und 
r  gemeinschaftlich  hervorgegangen  sind,  zurückgehe;'  denn, 
wäre  dies  der  Fall,  so  müsste  sich  doch  noch  in  einer  der 
beiden  Handschriftenclassen  dieser  Zusatz  erhalten  haben;  die 
Uebereinstimmung  zweier  so  abweichender  Handschriften  wie 
T  und  L  zwingt  uns  vielmehr  zu  der  Annahme,  dass  diese 
Lücke  bereits  im  Archetypus  beider  Classen  bestanden  haben 
müsse  und  es  ist  dann  anzunehmen,  dass  er  auf  einen  anderen 
Codex  als  den  gemeinsamen  Archetypus  beider  Classen  zurück- 


*  Bei  Sauppe  niclit  angemerkt. 

2  Richtig  charakterisirt  ihn  Saappe,  wenn  er  sagt:  de  senlentia  »aepf  mag» 
quam  de  nerbis  ttollicHua  rem  leuitu  egit  quam  V  codieia  ncriptor  (p.  XII). 

3  Dies  nimmt  Saoppe  an  p.  XV. 


Das  HandichriftonTerhiltnifls  der  TiU  S.  S6Ter!ni  des  Engrippiafl.  463 

gehe,  in  dem  einzelne  Cormptelen,  die  Bämmtliche  übrigen 
Handschriften  zeigen,  noch  nicht  existirten;  eine  ähnliche 
Corrnptel  zeigen  alle  Handschriften  XLV,  2  interrogantis,  wo 
A  allein  das  richtige  interrogattis  erhalten  hat.  Eine  feste  An- 
sicht über  die  Abstammung  dieser  Handschrift  auszusprechen, 
ist  bei  einer  so  entstellten  und  willkürlich  hergestellten  Hand- 
schrift wie  A  schwer;  ich  begnüge  mich,  auf  die  Schwierig- 
keiten, diese  Abstammung  festzustellen,  aufmerksam  gemacht 
za  haben.  Doch  müssen  wir  auch  zugeben,  dass  die  Art  der 
Abstammung  dieser  Handschrift  von  uns  wegen  des  Mangels 
der  vermittelnden  Glieder  nicht  genauer  angegeben  werden 
kann,  so  kann  darüber  kein  Zweifel  sein,  dass  dieselbe  zur 
Classe  der  Bobbienser  Handschriften  gehört,  der  sie  auch  Sauppe 
richtig  zugewiesen  hat. 


Als  Grundlage  für  die  erste  kritische  Ausgabe  wurde 
bekanntlich  von  H.  Sauppe  der  Codex  Lateranensts  benützt,  auf 
den  zuerst  A.  Bethmann  aufmerksam  gemacht  hatte.  Doch  ist 
der  Herausgeber  gezwungen  einzugestehen,  dass  derselbe  an 
vielen  Stellen  auffallende  Verderbnisse  zeigt  (p.  XHI  sq.);  er 
nimmt  an  diesen  Stellen  seine  Zuflucht  zu  den  Lesarten  des 
Vy  seltener  zu  denen  des  Ay  also  zu  den  Lesarten  der  von 
L  abweichenden  Handschriftenclasse.  Diese  zählt  Sauppe  selbst 
p.  XIV  f.  auf;  dieser  Zahl  von  Lesarten,  die  im  L  einge- 
standenermassen  schlechter  sind,  während  Fj  und  A  das  Richtige 
erhalten  haben,  Hesse  sich,  wie  aus  dem  folgenden  klar  werden 
wird,  eine  nicht  minder  grosse  Anzahl  anderer  anfügen,  wo 
gleichfalls  F|  das  einzige  Richtige  überliefert,  während  die 
Lesart  des  L  sich  kaum  vertheidigen  lässt;  überdies  eioe  be- 
deutende Zahl  anderer,  bei  denen  man  schwankt,  welche  der 
anderen  vorzuziehen  ist. 

Was  aber  vor  allem  Verdacht  gegen  die  Werthschätzung 
des  L  wachiTifen  muss,  das  sind  die  zahlreichen  Rasuren  und 
Correcturen,  die  sich  in  demselben  finden  und  mit  denen 
sowohl  die  Hand  des  Schreibers  als  auch  eine  zweite,  der  Zeit 
nach  nicht  viel  spätere  Hand  eines  Correctors  den  Text  der 
Handschrift  verunstalteten,  indem  sie  theils  offenbare  Fehler 
der  Vorlage  besserten,  theils  aber  auch  eigene  Conjecturen  an 


464  Knftll. 

die  Stelle   des   wegradirtea  Richtigen   in   den  Text  einsetzten. 
Nun  hat  zwar  fast  jede  Handschrift  Correcturen   aufzuweisen, 
doch  der  Umfang,  den  dieselben  in  L  angenommen  haben,  ist 
ein  so  grosser,   die  Thätigkeit  des  Correctors  schneidet  oft  so 
tief  in  den  Text  ein,  dass  dieses  Verfahren  bei  jedem,  der  die 
Handschrift  selbst  gesehen  hat,  nothwendig  Verdacht  gegen  die 
Vorzüglichkeit  derselben  wachrufen  muss.   Da  ich  nun  auf  die- 
jenigen Stellen,  an  denen  die  zweite  Hand  nachweislich  durch 
ihre  Correcturen   den  Text   der  Handschrift  gewaltsam  umge- 
staltete,  noch  weiter  unten  zurückkommen  muss,    so   möge  es 
hier  genügen    nur  einige  derselben  beispielsweise  anzufahren: 
dass   dabei   oft   die   zweite   Hand   das  Richtige   statt   des  von 
erster  Hand  herrührenden  Falschen  in  den  Text  setzte,  ist  för 
die  Beurtheilung  des  Zustandes  der  Handschrift  nicht  von  Be- 
lang.   In  der  Inhaltsangabe  zu  c.  VII  schrieb  die  erste  Hand 
pnuntiatf    die    zweite   fügte   mit    schwarzer  Tinte    über  t  das 
Häkchen  '   =  us   hinzu;    daselbst   schrieb   die   m*  regnatwros, 
die  zweite  besserte  es  in  regnaturus ;    IX,  1  schrieb   die   erste 
Hand  transitadere,  die  zweite  verwandelte  e  durch  einen  darüber 
gezogenen  Strich  in  a ;  genau  so  geschrieben  ist  XV,  2  Utbnlaia, 
wo  e  gleichfalls  von  ersterHand   herrührt,   wie   Sauppe   richtig 
bemerkt.    Wenn  a  von  erster  Hand  und  e  von  zweiter  herrühren 
würde,  wie  Sauppe  anmerkt,    dann   müsste  nach   der  Schreib- 
weise der  Handschrift  cp.  in  derselben  stehen,*  XIII,  2  memoraim 
m*,  memoratis  m^.    XV,  4  hatte  die  erste  Hand  die  Worte  quod 
impi^esserat   homo  dt  prorsus  excederet  weggelassen;  die  zweite 
fügte  sie  eine  Zeile  tiefer  bei.     Ebenso  stehen  in  der  Ueber- 
schrift  zu  c.  XVI  die  Worte  positü  celebratis  nacte  uigiliis  mox 
ad  uoce  uo   —   auf  einer  Rasur,  in  der  also  wohl  ursprünglich 
etwas  anderes  geschrieben  war.    XXI,  1  hatte  die  erste  Hand 
das   richtige  dies,  die   zweite   radirte   s  aus  und  setzte  6;  über 
die  Zeile  (=  diebus).  XXIV,  3  nuntiis  m*,  nuntius  m^.  XXV,  1 
aliquit    m<,    aliquot    m^.     XXIX,    1    steht   fecimus    auf    einer 
Rasur   und    rührt   von    zweiter   Hand.     XLIII,  2  steht  ß  von 


*  An  unserer  Stelle  ist  nicht  Irantnadere  mit  der  ersten  Hand  des  L, 
sondern  traruuadare  mit  der  zweiten  und  allen  übrigen  Handschriften  xn 
schreiben.  Ganz  gleich  gebraucht  dieses  Verbum  Victor  Vitensis  bist, 
pers.  Vand.  I,  1  (ed.  Halm):  traruniadans  faeili  Irannht,  per  anguitiaf 
marit.    Vgl.  Roensch  Itala  und  Valg.  2.  Aufl.  p.  202. 


Dm  HandschrifteuverhäliniRS  der  Viia  3.  ScToriui  deb  Kugippiati.  465 

infimi  auf  einer  Rasur,  in  der  vielleicht  ursprünglich  das  richtige 
inßrmi  stand.  Die  Aufzahlung  anderer  Fälle  wäre  überflüssig 
und  gehört  unter  die  Varia  scriptura;  ich  breche  daher  ab  mit 
der  Bemerkung,  dass  die  hier  angeführten  Fälle  sich  mit 
leichter  Mühe  vermehren  Hessen. 

Es  kommt  jedoch  noch  ein  Umstand  hinzu,    der   uns  die 
lichtige  Werthschätzung   des  L  wesentlich   erleichtert;   es   ist 
nämlich  L  nicht   der   einzige   Vertreter   seiner  Handschriften- 
classe,  wie  bisher  angenommen  wurde,  sondern  wir  haben  noch 
einen  anderen   Repräsentanten   derselben  Familie,    der,   wenn- 
gleich jünger  als  Codex  L  und  selbst  nicht  fehlerlos,  doch  bei 
dem  Zustande    des   L  in    hohem   Grade   Beachtung    verdient 
Diese    Handschrift    ist   der   auf   Monte   Cassino    geschriebene 
Codex  Vaticanus  1107  (V^),  Dass  beide  Handschriften  denselben 
Archetypus  voraussetzen,   lässt  sich  durch  Folgendes,   wie  ich 
glaube,    zur   Evidenz    beweisen;    beide    Handschriften    haben: 
1)  Lücken   gemeinschaftlich,    die  sich   in   keiner  der  übrigen 
älteren  Handschriften  finden.  In  der  £p.  Eug.  §.  7  lassen  beide 
^icd  und  die  Worte  tarnen  quid  hinc  ab  ineunte  aetate   cogno- 
uerim  non  tacebo  aus.     Ebenso  fehlen  in  beiden  Handschriften 
zu  Beginn  der  Vita  (I,  1)  die  Worte  ac  primuni  inter  filios  eiuti 
de  obtiiiendo  regno  magna  9unt  exorta  certaminay  qui  morbo  do^ 
rainationis  inflati  materiam  sui  sceleris  aesHmarunt  pabis  interiium; 
dieselben  finden  sich  in  allen  übrigen  Handschriften  der  anderen 
Classe;   desgleichen   fehlen  XXIV,  3  in  Z.  und  V^^.  ^^^  beiden 
Wörter  ISed  presbytero,  die  allerdings  auch   der  jüngere  Valli- 
cellanus  auslässt.    Ueberdies  lassen  beide  gemeinschaftlich  noch 
an  folgenden   Stellen    einzelne   Wörter    aus,    die    die    andei*en 
Handschriften  haben:  IV,  7  abditam  nach  soliivdinem'^  VIII,  3 
fneo  nach  domino\  ibid.    uitae  nach  «rpem;    XXI,  1  latiiis  nach 
nu«;  XXIX,  2   quendam   nach   soporem;   XXXIV,  1   se  nach 
rogans]   XXXV,    2  o   vor  fili]   XXXVI,  3   illa   nach   omniay 
XXX Vin,  1  utr  nach  item ;  XLHI,  7  amen ;  et  fehlt  an  folgen- 
den Stellen,  wo  die  Handschriften  der  anderen  Classe  die  Con- 
junction  haben:  XIII,  2  nach  sicut]  XXU,  1  vor  uüro]  XXX,  3 
nach  positus, 

2)  Beide  Handschriften  haben  dieselben  Zusätze  im  Texte, 
die  in  sämmtlichen  anderen  Codices  der  andern  Classe  fehlen; 
80  vor  allem  den  grossen  Zusatz   zum  Schlüsse   der  Vita  von 

Bitiugsber.  d.  pMl.-hiit.  Cl.  XCY.  Bd.  I.  Hft  30 


4(M\  Knöll. 

den   beiden  Krankenheilungen,    die   durch   den  Leichnam  des 
Heiligen  bei  seiner  Ueberföhrung  nach  Neapel  bewirkt  wurden, 
XLVI;   4   tunc  et  Laudicius  bis   XLVI,   6  miraeula.    Ferner 
unterscheiden  sich  L  und  V^  durch  einen  vollständigeren  Text 
noch  an  folgenden  Stellen  von  den  übrigen  Handschriften:  X,  1 
haben  beide  mV  di ;  XH,  5  atque  cotUemptor.    Einzelne  Wörter 
an    folgenden    Stellen:    Ep.    Eug.    9   potiwf]    ibid.    10   prtttf; 
IV,  3  et-,  IV,  4  uero  nach  ceteros'y^  IV,  10  semper;  V,  3  latro- 
cinantium  barbarorum  statt   latronumj   wie   alle   übrigen  Hand- 
schriften haben;  XIII,  1  /em;  XIV,  2  inquit'^  XX VE,  2  «p«; 
XXVni,  5  scps  nach  iesus]  ibid.  uasarum]  XXXI,  3  tuus  nach 
pater;    XXXH,    1   «i   qua  statt   qucie,   wie   die  andern  haben; 
XXXII,  2  inter  nach  integer;  XLII,  2  nos;  XLIV,  7  numi««; 
XLVI,  6  titri.  An  allen  diesen  Stellen  stimmen  L  und  V2  gegen 
die  anderen  vier  von  mir  verglichenen  Handschriften  überein; 
nur    an   zwei   Stellen   geht    noch   Vau.,   wie    bereits   oben  be- 
merkt wurde,  mit  ihnen,  nämlich    XXVII,  2,   wo   omnes  auch 
ValL  hat;   und  XXXI,  1,   wo  die  Worte  ex  quibus  unum  erat 
fabiania  in  T  V^  A  fehlen ;  vgl.  p.  459. 

3)  Stimmen  L  und  V^  in  einer  grossen  Anzahl  von  Les- 
arten gegenüber  der  anderen  Classe  überein ;  zur  anschaulichen 
Vergleichung  setze  ich  der  Kürze  halber  einige  aus  Anfang« 
Mitte  und  Schluss  nebst  den  entsprechenden  der  Vertreter  der 
andern  Classe  hierher  und  verweise  die  übrigen  unter  den  Strich. 

L  Fj  TV,A 

Ep.   Eug.  2    promptiore  mandauit        prompto  remandauit 


77               77            77 

rogaretur 

efßcere 

efßcere  rogaretur. 

.        »      7 

Nam  cum 

multi 

Cum  mtdti  igitur. 

Vita       I,  2 

inquinati 

inclmati. 

.     in,  2 

misericorditer 

mia  ( —  misericordia). 

«        .     3 

credebant 

crediderant 

.      IV,  4 

inuenenint 

inueniunt. 

.         «     7 

deriegaret 

negaret. 

»        V,  3 

cum 

dum 

„  vm,  1 

retrahebat 

veuocabaL 

^  An  dieser  Stelle  ist  bei  Sauppe  in  der  Adnotatio  critica  wühl  ans  Ver- 
sehen neben  V  der  Buchstabe  M  weg^g^efaUen ;  denn  uero  fehlt  gleicbfalU 
im  Amhronanui. 


Daui  HandKchrifl«nvorhftltiiiBff  der  Vita  S.  Severini  den  Ungippius.  467 

L  Fj  TV^A 

Vita        VIII,  6   promittena  prondttentes. 

„             IX,  4    respiciendo  aapidendo. 

„               ^,  1    imminenti  periculo  non  ab   imminenti  pefHjcvlo 

carebis  non  cauehis, 

„              XI,  5    liquabcU  liquauit 

„           XII,  6    8ibi  spes  spes  8ibi. 

rj          XIV,  3   percepta  recepta. 

„          XVI,  3    credide^is  pofuisse  credideras  posse. 

jy          XIX,  5    quantus    repertus    nu-  quantos  reperturus  nvr 

merus  meros,  ^ 

XX,  2    iubet  ivbens. 

XXIV,  2    praescig^io  nuntio  T  V^  nuncio  A 

„           „'3    uastantes  uexantes. 

„       XXVI,  2    praecepit . . .  permanere  praecepit,   ut   —  fer- 

manerent. 

XXVin,  2    pretiosuvi  pretiosius    T  V^,   pre- 

dosius  A 

XXX,  5    isset  esset 

XXXI,  4    seruitio  L;  das  Rieh-  seruitutem;  oin.  A 

tige  seruiHum  hat  V2 

ji            »6    romä  soll  prouindam  L  romanis  ( —  os  A) 

romani     soli     pro-  ad  suas  prouindam. 
uincia  V^ 

r,      XXXII,  2    integritatem  integri  (tnterim  A) 

XXXV,  1    imbecillitate  plurimum  irnbecUlitatem  plurimam 

praegraxiotus  mede-  patiebatur  medelamr 

lam  que. 

„         2    uidere  uidendi, 

„            XL,  5    U08  ego  indigmis  et  in-  ego  indignus  et  infimus 

fimus  uos  T  Fj 
XLII,  1    ferderuckus  fredericus. 
XLIII,  9    nobis  nostris. 
n       XLIV,  7    multis    eniensis    regio-  mulsemensis  regtonis/^ 
nibus 

*  ValL  hat,  wie  oben  bemerkt  wurde,  zwar  quantos  nunierot^  aber  mit  L  V^ 
rtperUu. 

^  L  und  V^  stimmen  überdies  noch  in  folgenden  Lesarten  gegen  die  Les- 
arten der  anderen  Handschriften,    die  ich  hier  der  Kurse  halber  nicht 

30* 


n 


j) 


4(58  Knöll. 

Die  angefahrten  Stellen  beweisen  zur  Genüge,  dass  L  und 
V2  AUS  einem  und  demselben  Archetypus  geflossen  sind,  der 
sich  von  dem  der  andern  Classe  an  vielen  Stellen  wesentlich 
unterschied. 

Doch  ist  andererseits  mit  Sicherheit  nachzuweisen,  dass 
V2  nicht  aus  L  entstanden  ist;  hiedurch  aber  erhält  V^  eine 
selbständige  Geltung  und  ist  zur  Beurtheilung  des  Zustandes  des 
Archetypus  von  L  V^  unentbehrlich.  Dass  V^  nicht  auf  L  zurück- 
gehen kanU;  muss  aus  folgenden  Gründen  angenommen  werden: 


anführe,  überein:  Ep.  Eng.  1  fnerüo  aoagfelaasen ;  ibid.  tita«^  £p.  Eng.  2 
ailentii;  ibid.  dUeriitudine;  ibid.  3  nequaquam;  ibid.  4  eampanat;  ibid.  6 
euehitur;  ibid.  9  euüat'e]  Vita  I,  1  uicinia]  I,  2  gtiodam;  ibid.  oe  tehmüi 
et  L  F2,  et  ieiuniU  ac  T  Vi  A]  III,  1  /o^tanw;  III,  2  diu,  Welchea  aach 
A  hat;  ibid.  teruare]  IV,  1  9urr9ptume\  IV,  4  addttxere;  ibid.  denuntiaie: 
IV,  7  hurgum;  V,  1  inferiore]  VIII,  1  feua;  ibid.  conitinx;  ibid.  quo9dan; 
VIII,  4  pefüura  L  7,,  |>o«c«rw  7"  7,  i4;  IX,  1  Aa6»«tM;  X,  2  ^eamenuLV., 
seamarM  T  V^,  aeamareu  A;  XII,  3  quae]  ibid.  uoee  L  V^  A^  uoce  T  T}, 
von  Sanppe  übergangeu.  XII,  4  inuisendi  L  \\  A\  ibid.  ea;  XIII,  t 
apCZ^Jellabatur ;  ibid.  conctissis]  XIV,  1  r/iti^.t<}*ru>,  doch  steht  das  Wort  in 
L  auf  einer  Rasur.  XV,  1  piano  L  V2,  planü  T  V^  A\  XV,  3  navi\ 
XVI,  6  9uhdiac<»ii  und  matenii]  XVII,  2  anguatiam;  angustitu  hat  anch 
F|;  XVII,  3  ^'^'''nanere/;  XVII,  4  mnltit]  XIX,  1  renum  L,  rAenum  1';, 
Aeriut»  cet.;  XIX,  4  diaconeni  L  V^t  diaconum  T  V^  A,  bei  Sanppe  nicht 
angegeben;  XIX,  5  apopondü  ae;  ibid.  a  L  V^,  ex  T  V^  A\  ibid.  po*t- 
modum  aca  luciÜua  pbtr\  XX,  1  idem\  XX,  2  aca  legeret  aeuerinua  L  \\, 
welche  Lesart  Sauppe  nicht  anführt;  er  setzt  die  Lesart  äci  aeuerinug 
legeret  T  Vi  A  in  den  Text.  XXI,  2  eum;  XXII,  1  prarferehai;  XXII,  2 
febanum  L  rti^  V2\  ibid.  deatituto\  XXIV,  2  diUUione  L,  dilacione  V\;  ibid. 
maximianum\  ibid.  a<{mo»{prt  £  tn^  F^;  XXV,  2  prae^^riic^u«;  XXVII,  1 
praeaentea;  XXVII,  2  tn9^n/a;eruf<^ ;  XXVII,  3  diacedamua  L  Kj  A,  deacen- 
damua  T  Tj-,  XXVIII,  1  patmehat  =  peratruelnU  L  Fj;  diese  Lesart  ist  bei 
Sauppe  nicht  angegeben,  sondern  er  folgt  stillschweigend  der  der  andern 
ClasBB  praeatruehal]  XXVIII,  3  Mf^no</ue;  ihid.  dexlrae :  ihid.  miniatrantiun 
L  V2  CA)\  XXIX,  1  inclnderet]  XXIX,  3  quantumtjue ;  XXX,  1  item;  ibid. 
poterant  httmana  aoUicitudine]  ihid,  per atruxü;  XXX,  4  inuefiiunt  L  V^^  in- 
uenerunt  T  V^  A;  XXX,  5  agnou^runt;  XXXI,  3  ae  frequenter;  XXXI,  4 
debeant;  XXXII,  2  t/tiodam;  XXXIII,  1  exequiaa;  XXXVI,  3  diaioli 
L  K,  A;  XXXIX,  1  apiHtualia;  XLII,  3  immmUa  L  Kj,  nwnUa  T  V^  A-, 
XLIII,  2  ainguloa  L  Kj,  aingulorum  T  V^  A;  ibid.  inßmi;  XLIII,  4  examtna- 
tione  Lf  doch  rührt  ton  von  zweiter  Hand;  examifiacione  V^y  examitit 
T  Vi  A]  ibid.  nidet  honio]  XLIII,  9  praeUrire\  XLIV,  2  mmtapatn^ 
L  r,  Äf  mancipatum  T  K,;  XLIV,  4  atque  ad;  XLIV,  Q  permanaiMt.*; 
XLV,  1  multia;  ibid.  reaoluta;  XLV,  2  oraaae  eL 


Dag  Handsehriftonyerh&ltniss  der  ViU  S.  Severini  des  EngippioB.  469 

1)  L  zeigt  Lücken,  die  V^  nicht  kennt,  an  folgenden 
Stellen :  IV,  3  fielen  nach  perge  uehciter  in  L  die  Worte  perge 
ßdenter  aus;  die  beiden  Wörter  sind  an  unserer  Stelle  durch- 
aus passend  sowohl  wegen  der  Eindringlichkeit  des  Auftrages, 
als  auch,  weil  sich  nur  an  perge  fidenter  der  darauf  folgende 
Satz  begründend  anschliesst;  allerdings  verwandelte  auch  der 
Schreiber  des  L  das  nam  in  iam.  ^  IV,  6  fehlen  in  L  die  beiden 
Wörter  animas  audüorum,  oder  wie  nach  V^  zu  schliessen  der 
Archetypus  von  L  und  V^  hatte,  animos  audüorum.  VI,  2  Hess 
der  Schreiber  des  L  die  Worte  tamquam  misericordtam  con- 
secutus  a  döy  die  V2  und  alle  Codices  der  andern  Classe  haben, 
durch  Abschweifung  der  Augen  von  consilium  tarnen  do  aus ; 
der  Grund,  den  Sauppe  gegen  die  Zugehörigkeit  dieser  Worte 
aniuhrt,^  scheint  mir  nicht  stichhältig.  XVII,  4  fehlen  in  L 
die  Worte  tuzrio  cum  obsidentibus  gothis  certamine;  dieselben 
sind  durchaus  noth wendig,  wie  Sauppe  nachweist  (p.  XIV); 
dass  sie  im  Archetypus  nicht  fehlten,  zeigt  F2.  Die  Lücke 
in  L  entstand  offenbar  durch  die  Aehnlichkeit  des  Ausgangs 
der  Wörter  tiburtiniq  und  cei*tamine.  Der  gleichen  Ursache 
wie  die  beiden  eben  erwähnten  verdankt  auch  die  Lücke 
XXXI,  1  ihre  Entstehung;  denn  die  Wörter  euxiserant  gladios 
launaco  fielen  aus  durch  Abschweifung  der  Augen  des  Schreibers 
von  harharico  auf  lauriaco,  welches  letztere  Sauppe  in  Lau- 
riacum  verwandelte.  Da  sich  aber  die  Entstehung  der  Lücke 
in  L  blos  dann  erklären  lässt,  wenn  die  Form  lauriaco  in  der 
Vorlage  des  L  stand,  da  femer  diese  Form  sowohl  V2  als  T  V^ 
überliefert  haben,  so  müssen  wir  annehmen,  dass  von  diesem 
Stadtnamen  neben  der  Form  Lauriacum  auch  noch  die  Ablativ- 
form Lauriaco  nach  Analogie  der  übrigen  Städtenamen  ge- 
bräuchlich   war.^     XXXV,  2   fehlen  in  L  die  Worte  non  tibi, 


'  Aehnlicfae  Wiederholungen,  durch  gleiche  Ursachen  veranlasst,  finden 
sich  in  der  Vita  ziemUch  häufig;  VII,  2  uade  (kI  lUUiam,  uade\  VIII,  4 
nc^  iie  a  deo  tuo  ülattie  uindicantur  iniuriae  (wo  allerdings  L  naU^  V2 
blos  MC  hat);  und  an  einer  mit  unserer  ganz  ähnlichen  Stelle  XXII,  3 
perge,  quae»o,  9ancte,  perge  uelociter;  XLIII,  3  imitamini  fidem,  imitamini 
tanetüaUm, 

^  p.  XIV :  cum  consUianti  parum  necesaana  ease  miaericordiae  diuinae  comme- 
moratio  uidealur. 

^  Doch  vergleiche  mau,  was  Sauppe  p.  XVI  darüber  sagt. 


470  Knöll. 

die  Sauppc  ohne  Grund  in  Quid  verändert;  dac»  non  tan  im 
Archetypus  stand^  zeigt  die  Ueberlieferung  des  V^,  die  «och 
mit  T  V^  A  übereinstimmt.  In  der  Ep.  Pasch.  §.  4  fielen  in 
L  die  Worte  quantum  ferucrh  attribuant  offenbar  wegen  der 
Äehnlichkeit  des  Ausganges  von  attnbuant  und  impertiant  aus; 
in  V2  sowie  in  T  ValL  finden  sich  dieselben  und  Sauppe  hat 
sie  mit  Recht  aus  den  jüngeren  Handschriften  in  den  Test 
aufgenommen. 

Einzelne  Wörter  sind  in  Z»  an  folgenden  Stellen  ausge- 
fallen: Ep.  Eug.  2  praefatae  nach  epütolae]^  ibid.  7  fehlt  in 
L  qua  nach  de;  denn  qua  hatte  nach  der  Ueberlieferung  des 
F2  der  Archetypus  von  L  und  F^;  Sauppe  füllte  die  Lücke 
dem  Sinne  entsprechend  durch  ea  aus.  Vita  I,  4  fehlt  omnixm 
nach  opinionem,  welches  V2  hat  und  das  für  den  Sinn  passend 
scheint.  IV,  6  ut  nach  fto;  VIII,  3  pro  vor  fabricandi$\* 
X,  2  in  vor  cellula\  XVI,  2  dbi  nach  domino\  XVIII,  2  Aa«c 
vor  promissio]  XIX,  3  id  vor  opus]  XXII,  3  «on  vor  sine] 
XXVIII,  2  huiv^  vor  liquoris]  XXVIII,  5  hatte  die  erste  Hand 
die  beiden  Wörter  et  oleum  weggelassen ;  statt  deren  fiigte  der 
Corrector  blos  oleü  am  Rande  bei,  das  Sauppe  aufnahm;  dass 
et  oleum  im  Archetypus  stand,  zeigt  V^.  XXX,  2  fehlt  j>«f 
vor  exploratores'j  Sauppe  lässt  es  aus  und  ist  gezwungen  iUi  in 
iüis  zu  verwandeln;  XXXI,  2  in  vor  uicesimo]  XXXH,  2  in- 
quit  vor  integer]  XL,  3  uoa  vor  uideritis]  XLIII,  2  et  vor pro- 
pheticae ;  XLVI,  1  Hess  der  Schreiber  religioaa  aus  und  schrieb 
durch  eine  eigenthümliche  Verbindung  des  Ausgangs  des  ersten 
mit  dem  Anlaut  des  folgenden  Wortes  die  Unform  deuotiosa] 
Vi  hat  mit  T  V^  religiosa  deuotione]  doch  steht  religioaa  in  V^ 
auf  einer  Rasur ;  eine  Umstellung  der  beiden  Wörter  mit  Sauppe 
ist  übei*flüssig.     XLVI,  3  fehlt  in  vor  itinere. 

Dass   die   grösseren   Lücken   in  L  ihre  Ursachen   in  der 
Unachtsamkeit  des  Schreibers  haben,  ist,  wie  ich  glaube,  oben 


^  P^^/^^  ^A^  auch  r2  T  Fj ;  es  fehlt  in  A  und  L;  bei  Sauppe  fiel  offenbar 
aus  Versehen  in  der  Adnot.  critica  V  neben  D  aus. 

^  Die  Präposition  pro  hat  hier  nichts  auffälliges;  dieselbe  wird  bekanntlich 
in  der  späteren  Latinität  sehr  häufig,  um  den  Zweck  auszudrücken  (=  adjy 
gebraucht;  hiefür  lassen  sich  aus  der  Vita  folgende  Beispiele  anfahren: 
XI,  1  pro  suis  mun%ti<yniJ)U8\  XVII,  4  pro  decimi»  dandis;  XX,  1  pro 
custodia  limilis  aiebantur;  vgl.  Halm,  Index  zu  Victor  Vitensis  s.  v.  p.  88. 


Dm  HftndflehriftenTerh&ltniBs  der  Vita  S.  Seyerini  dei  Enirippiai.  471 

wahrscheinlich  gemacht  worden;  ebenso  erhellt  die  Fehler- 
haftigkeit desselben  an  Stellen,  wo  je  ein  Wort  ausgefallen  ist, 
aus  Ep.  Eng.  7;  Vita  IV,  6;  X,  2;  XXH,  3;  XXVHI,  5; 
XXX,  2;  XXXI,  2;  XXXII,  2;  XL  VI,  1;  XLVI,  3;  an  allen 
diesen  Stellen  muss  Sauppe,  obwohl  er  den  L  seiner  Textes- 
recension  zu  Grunde  legt,  entweder  zur  Lesart  der  andern 
Classe  greifen,  oder  sich  mit  Correcturen  aushelfen,  die,  wie 
F]  zeigt,  der  an  diesen  Stellen  vollständig  mit  den  guten  Ver- 
tretern der  andern  Classe  übereinstimmt,  dem  Archetypus 
beider  fremd  waren.  Dass  auch  an  den  übrigen  erwähnten 
Stellen  die  übereinstimmenden  Lesarten  des  V^  und  der  anderen 
Classe  entweder  den  Vorzug  verdienen  oder  zum  mindesten 
einen  gleich  guten  Sinn  geben  wie  die  entsprechenden  des  Z, 
zeigt  eine  unbefangene  Vergleichung  beider.  Wir  sind  also 
wohl  gezwungen  anzunehmen,  dass  diese  angeführten  Lücken 
sich  im  Archetypus  von  L  und  V^  nicht  fanden,  sondern  ihren 
Ursprung  der  Unachtsamkeit  und  Leichtfertigkeit  des  Schreibers 
des  L  verdanken. 

2)  L  hat  von  erster  und  zweiter  Hand  herrührende  Inter- 
polationen, die  dem  V^  fremd  sind.  Hiebei  sei  bemerkt,  dass 
die  Correcturen  in  L  jedenfalls  noch  vor  der  Entstehung  des 
^2  entstanden  sind,  wie  auch  Sauppe  p.  IX  richtig  bemerkt: 
mamis  haud  mulfo  recenfior.  Meist  geben  sie  sich  als  ungeschickte 
Erfindungen  auf  den  ersten  Blick  zu  erkennen.  Im  Beginn 
der  Vita  fügte  die  erste  Hand  I,  1  In  vor  tempore  bei;  dass 
dasselbe  vollständig  überflüssig  ist,  zeigt  die  ganz  gleiche  Stelle 
Ep.  Eug.  8  tempore  quo  patrmus  Orestes  inique  perenvptus  est. 
IX,  1  schob  dieselbe  vor  indastria  das  sinnlose  ex  ein  und  ver- 
wandelte stiidiotnis  in  studiosius,  IX,  4  ist  7  (=  et)  von  zweiter 
Hand  vor  pompae  beigegeben.  XII,  5  von  erster  Hand  sub 
vor  pernicie,  welches  sonst  keine  Handschrift  kennt  und  für 
die  Stelle  ganz  gut  zu  entbehren  ist.  XIV,  2  ist  die  Inter- 
polation mit  ziemlicher  Sicherheit  nachzuweisen;  von  erster 
Hand  scheint  quodsi  im  Texte  gestanden  zu  haben,  was  auch 
V^  hat;  dies  nun  radirte  der  Corrector  aus  und,  da  er  in  die 
nun  entstandene  Lücke  noch  pro  ea  einsetzen  wollte,  war  er  ge- 
nöthigt  gd  (sie!)  und  p*o  compendiarisch  zu  schreiben:  gdsipea] 
pro  ea,  obwohl  offenbare  Interpolation  der  zweiten  Hand,  nahm 
Sauppe  in  den  Text.  XV,  1  zeigt  das  sinnlose  Verfahren  dieses 


472  Knöll. 

Correctors  deutlich :  vor  f^cundarum  municipiü  wird  von  iW 
noch  locus  —  wohl  als  Erklärung  für  munieipiutn  —  über  die 
Zeile  gesetzt.  Einschiebsel  ähnlicher  Art,  die  von  dem  Corrector 
herrühren,  sind  noch:  IV,  8  ja  vor  cqlestis  und  IV,  11  5  vor 
digimnr,  beide  über  der  Zeile.  XVI,  5  wird  von  erster  Hand 
ut  vor  rogemus  beigegeben,  das  nach  uis  vollständig  überflüssig 
ist.  XVIII,  2  scheint  die  nach  decimas  unnöthig^  wie  Sauppe 
selbst  im  Index  (s.  u.  coUocatio  uerhorum  p.  33)  anmerkt;  dass 
es  im  Archetypus  nicht  war,  zeigt  F2.  XL,  6  fUgte  die  erste 
Hand  et  bei  und  verwandelte  toUite  in  tolletis.  XLVI,  6  fügte  der 
Schreiber  in  vor  eodem  loco  hinzu,  das  vollständig  überflüssig 
ist.  In  der  Ep.  Pasch.  §.  4  setzte  der  Schreiber  des  L  et  hinzu, 
das  sowohl  im  V2  als  in  T  ValL  fehlt,  und  zwar  mit  Recht,  da 
das  Particip  incipiens  offenbar  dem  Partie,  contexens  unterge- 
ordnet ist.  Am  Schlüsse  der  Ep.  Pasch,  fügt  der  Schreiber  d» 
L  noch  folgende  Schlussformel  an :  Misericordia  dei  nostri  sancti- 
totem  uestram  semper  tueatur  incolumem;  dieselbe  fehlt  in  V^  und 
T  ValL  und  scheint  ein  Zusatz   des  Schreibers  des  L  zu  sein. 

3)  Hierzu  kommt  eine  grosse  Anzahl  von  Lesarten,  in 
denen  L  von  Fj  abweicht,  während  letzterer  in  den  meisten 
Fällen  mit  den  guten  Vertretern  der  andern  Handschriftenclasse 
übereinstimmt.  Auch  hier  lassen  sich  die  Willkürlichkeiten 
und  Interpolationen  im  Texte  des  L  an  den  meisten  Stellen 
überzeugend  nachweisen;  an  anderen  verdient  die  Lesart  des 
Fj,  der  meist  mit  T  V^  übereinstimmt,  vor  der  des  L  den  Vor- 
zug, was  an  vielen  Stellen  auch  Sauppe  zugibt. 

a)  Schreibfehler  und  Correcturen  in  L. 

Ich  hebe  zuerst  die  Lesarten  heraus,  in  denen  sich  durch 
vorhandene  Rasuren  nachweisen  lässt,  dass  ursprünglich  in  L 
etwas  anderes  stand,  das  dann  entweder  die  erste  oder  die 
zweite  Hand  —  denn  eine  sichere  Entscheidung  zwischen  beiden 
ist  zuweilen  nicht  leicht  —  besserte.  Ep.  Eug.  8  hat  L  ex- 
citauerint]  wie  dieser  Fehler  entstand,  wird  durch  V^  klar; 
der  Archetypus  hatte  offenbar  ^itauerint,  das  in  F^  steht;  der 
Schreiber,  dem  die  Schreibung  des  Wortes  auffällig  war,  corri- 
girte  es  falsch  in  excitauerint,^  —  Ep.  Eug.  9  hat  L  qua'y  doch 

1  Ich  füge  diese  Stelle  hier  ein,  obwohl  sie   eigentlich   in   diese  Kategorie 
nicht  gehört,  weil  die  Entstehung  des  Fehlers  darch  V^  kUr  wird.  Doch 


Dm  HandtcbriftenverhUtiüss  der  Tita  S.  Severini  des  Bogippini.  473 

ist  über  a  noch  der  Querstrich  trotz  der  Rasur  deutlich  sichtbar; 
es  stand  also  ursprünglich  qua  =  quam  in  Ly  das  V2  und  die 
Vertreter  der  anderen  Classe  haben.  Die  Rasur  wurde  durch 
die  Veränderung  des  ursprünglichen  denderare,  wie  alle  Codices 
haben,  in  designare  nothwendig.  Die  Lesart  des  L  gibt  jedoch 
auch  keinen  passenden  Sinn;  auch  Rodenberg,  der  doch  die 
Ausgabe  Sauppe's  seiner  Uebersetzung  zu  Grunde  legte,  über- 
setzt nach  der  Ueberlieferung  der  andern  Classe.  —  Ep.  Eug.  10 
hat  L  quicquä]  doch  steht  c  auf  einer  Rasur  und  rührt  von 
zweiter  Hand;  es  ist  also  wahrscheinlich,  dass  L  ursprünglich 
das  richtige  quisquä  hatte,  das  auch  V^  und  die  übrigen  haben. 
—  I,  3  hat  L  ctto;  doch  rührt  o  von  zweiter  Hand  her  und 
steht  auf  einer  Rasur,  in  der  noch  %  nach  t  deutlich  sichtbar 
ist;  es  ist  also  ziemlich  sicher,  dass  die  erste  Hand  citius 
schrieb,  das  auch  V^  und  die  übrigen  Handschriften  haben.  — 
I,  4  steht  in  L  fädle ;  doch  stammt  das  e  von  der  Hand  des 
Correctors  und  steht  auf  einer  Rasur,  in  der  man  i  noch  deut- 
lich unterscheidet;  die  erste  Hand  hatte  also  wohl  facilis  ge- 
schrieben ;  denn  für  f acutus,  das  nach  Hinck's  Vermuthung  in 
der  Lücke  gestanden  hat,  schien  mir  der  Raum  der  Rasur  zu 
eng;  facilia  hat  auch  V^  und  die  andere  Classe.  Ist  aber 
dargethan,  dass  facilis  wahrscheinlich  die  ursprüngliche  Les- 
art des  L  und  seines  Archetypus  war,  dann  muss  natürlich 
nulUique  in  dem  Vorangehenden  fallen  und  die  Lesart  des  V2 
und  der  anderen  Classe  nuUtque  in  den  Text  aufgenommen 
werden.  —  IV,  8  setzte  der  Schreiber  der  Handschrift  wohl 
aus  Versehen  statt  ^  grä  in  den  Text;  der  Corrector  ftigte 
daher  noch  qa  vor  cqlestis  über  der  Zeile  bei.  —  XII,  7  befindet 
sich  nach  sui  eine  Rasur  von  dem  Räume  eines  Buchstabens; 
es  ist  daher  wohl  anzunehmen,  dass  ursprünglich  in  L  suis  ge- 
schrieben war,  was  auch  die  anderen  Handschriften  haben.  — 
XV,  1  schrieb  die  erste  Hand  das  sinnlose  fecundarum  statt 
secundarum,  und  die  zweite  Hand  setzte  noch  das  Häkchen 
unter  das  e.  —  XIX,  2  hatte  L  von  erster  Hand  adtentu]  die 
zweite  radirte   d  aus   und    setzte   in   den   freien   Raum  t  ein: 


halte  ich  haentaretU  mit  T  V^  für  die  allein  passende  Lesart,  weil  das 
Imperf.  an  unserer  Stelle  sinngemässer  ist,  und  weil  ja  das  andere  Verbum 
^auderefj  gleichfalls  im  Imperf.  steht 


474  Knöll. 

attentu,  während  die  richtige  Lesart  aduentu  war ;  adteniu  he- 
ruht  offenbar  auf  einem  Lesefehler  des  Schreibers  des  L.  -- 
XX;  2  hat  L  qa  -=  quia ;  doch  rührt  der  Querstrich  in  q  and 
a  von  zweiter  Hand;  letzteres  steht  überdies  auf  einer  Rasur, 
in  der  recht  gut  von  erster  Hand  qtie  gestanden  haben  kann, 
das  ja  auch  die  übrigen  Handschriften  haben.  —  Ebendaselbst 
hat  L  humano  —  crtwre;  ü  und  e  rühren  von  zweiter  Hand 
und  e  steht  auf  einer  Rasur;  ursprünglich  war  also  richtig  der 
Ablativ  geschrieben,  der  erst  nach  der  Veränderung  von  quf 
in  qa  durch  den  Corrector  in  den  Accusativ  verwandelt  wurde. 

—  XXII;  4  hatte  auch  L  ursprünglich  wie  alle  übrigen  Hand- 
schriften mit  Ausnahme  des  A  hunumundua  nicht  humimimiu»y 
wie  Sauppe  bemerkt;  der  Corrector  radirte  den  zweiten  Schenkel 
des  u  aus  und  schrieb  über  den  übrigbleibenden  ersten  t  (sie!) 
ein  über  die  Zeile  hinausragendes  /;  es  ist  also  hunumunda* 
als  die  ursprüngliche  Lesart  aller  besseren  Handschriften  in 
den  Text  zu  setzen.  —  XXIV,  2  ist  in  L  allerdings  jetzt 
et  lacrimans  zu  lesen,  wie  auch  Sauppe  herausgab;  doch  ist 
vor  l  eine  Rasur  von  zwei  Buchstaben  noch  deutlich  sichtbar, 
in  der  also  wohl  ü  gestanden  haben  mag;  übereinstimmend 
damit  hat  V2  ülacrimatiSy  die  übrigen  Handschriften  itüacrimoM. 

—  XXV,  1  heisst  es  nach  der  Ueberlieferung  des  L:  aeeeptü 
litteris  ad  icni  Paulinum  episcopum  ordinaüs;  ordinaHs  ist 
offenbar  corrupt;  denn  es  heisst  meines  Wissens  niemals 
epistolam  ordinäre  ad  aliquem.  Dieses  Verbum  kommt  in  der 
Vita  überhaupt  nur  in  folgenden  Bedeutungen  vor:  1)  er- 
nennen: episcopum  ordinäre  (IV,  2);  2)  in  der  Bedeutung  ver- 
fügen, anordnen:  VIII,  2  liceaf  nobis  de  aeruis  nottrit 
ordinäre,  quod  uolumiis.  Einen  Brief  richten,  senden  an 
jemanden  heisst  immer  epistolam  mittere,  destinare^  dirigert, 
ad  aliquem.  Dies  Bedenken  gegen  ordinäre  wird  auch  durch 
die  Handschrift  bestätigt;  in  derselben  stehen  nämlich  die 
beiden  Wörter  episcopum  ordinatis  über  der  Zeile,  die  an  dieser 
Stelle  eine  Rasur  zeigt,  und  sie  rühren,  wie  ich  mir  ausdrück- 
lich angemerkt  habe,  von  zweiter  Hand  her,  was  bei  Sauppe 
nicht  angemerkt  ist.  Ohne  Zweifel  verdankt  also  ordinatis  dem 
vorausgehenden  episcopum  seine  Entstehung  und  ist  durch  eine 
eigenthümliche  Idiosyncrasie  des  Correctors  des  L  in  den  Text 
gekommen,  aus  dem  es  zu  entfernen  und  dafür  die  Lesart  des 


Dm  HandBchrlflenverhiltiiiu  d«r  Vita  S.  Severini  des  Eagippias.  475 

1 2  und  der  anderen  destinaiis  einzusetzen  ist.  —  XXVHI,  2 
ist  die  Corniptel  klar  nachzuweisen;  L  hat  daselbst  dementum] 
doch  stehen  die  Buchstaben  ele  auf  einer  Rasur  und  rühren 
von  zweiter  Hand,  was  bei  Sauppe  allerdings  nicht  angegeben 
ist ;  es  ist  also  sehr  wahrscheinlich,  dass  ursprünglich  alimentum 
geschrieben  war,  wie  auch  V^  und  die  Handschriften  der  andern 
Qasse  lesen.  —  XXIX,  2  fehlt,  wie  schon  oben  bemerkt  wurde, 
sowohl  in  L  wie  in  V^  quendam,  das  vermuthlich  also  schon 
im  Archetypus  beider  wegen  der  Aehnlichkeit  des  Ausgangs 
mit  sopoi'em  ausfiel;  es  blieb  also  nur  noch  das  sinnlose,  fehler- 
hafte m  effigie  statt  in  effigie  stehen,  und  so  überliefert  auch 
F)  diese  Stelle.  Im  L  jedoch  macht  sich  auch  hier  die  inter- 
polirende  Thätigkeit  des  Schreibers  (oder  Correctors)  geltend; 
er  radirte  nämlich,  da  ihm  die  Stelle  in  dieser  Fassung  keinen 
Sinn  gab,  in  vor  effigie  aus  (denn  vor  effigis  ist,  wie  ich  mir 
ausdrücklich  anmerkte,  eine  Rasur  von  zwei  Buchstaben,  was 
Sauppe  nicht  erwähnt)  und  Hess  nur  effigie  =  effigiem  im  Text. 
Da  also  in  im  V^  noch  vorhanden,  im  L  ausradirt  worden  ist, 
so  kann  die  Stelle  ursprünglich  nicht  so  gelautet  haben,  wie 
sie  im  L  durch  den  Corrector  hergestellt  worden  ist,  sondern 
es  ist  vielmehr  mit  der  andern  Classe  zu  schreiben  quendam 
in  effigie  uiri  dei,  —  Noch  deutlicher  nachweisbar  ist  die  Emen- 
dationsthätigkeit  des  Correctors  XXX,  2,  wo  die  erste  Hand 
das  richtige  catientes  schrieb,  das  auch  V^  und  die  anderen 
Handschriften  haben;  die  zweite  Hand  nun,  nicht  die  erste, 
wie  Sauppe  anmerkt,  tilgte  durch  Punkte  über  und  unter  der 
Linie  die  Buchstaben  n  und  «,  so  dass  cauete  entstand,  welches 
Sauppe  in  den  Text  aufnahm.  —  Ebendaselbst  ist  in  L  igno- 
rahant  zu  lesen;  doch  rührt  dieses  Wort  nicht  ganz  von  erster 
Hand,  wie  Sauppe  bemerkt ;  igno%ra  stammt  vielmehr  erst  von 
der  Hand  des  Correctors  und  nach  o  befindet  sich  ein  leerer 
Raum  für  einen  Buchstaben;  Sauppe  vermuthet,  dass  nicht 
affirmabant^  sondern  irgend  ein  anderes  Wort  ursprünglich  in 
der  Lücke  stand ;  mir  ist  es  dagegen  sehr  wahrscheinlich,  dass 
die  erste  Hand  affirmabant  schrieb,  wofür  der  freie  Raum  voll- 
ständig ausreicht;  auch  V2  hat  dieses.  —  XXXI,  2  hat  L 
ma/ttn|tus;  nach  i  ist  freier  Raum  für  einen  Buchstaben  und 
n  (nur  dieses)  stammt  von  zweiter  Hand ;  ursprünglich  stand 
also  sicherlich  matutinue  in  der  Handschrift,  das. dem  Corrector 


476  Kn9II. 

wohl  uuklar  war^  weshalb  er  es  in  maturitis  änderte  ]  bei  dieser 
Gelegenheit  sei  noch  bemerkt^   dass  dieselbe  Lesart  ausser  V^ 
und  T  auch  F|  hat,  nicht  mututints,  wie  Sauppe  anmerkt;  docli 
ist  maiutinus  so  geschrieben,  dass  der  zweite  Schaft  des  u  mit 
8  vereinigt  ist,   eine  Abkürzung,   die  ja  in  den  Handschriften 
ziemlich  häufig  ist ;  als  Beispiel  dafür  ftihre  ich  aus  demselben 
Fj  aceruus  (XXX,  3)  an.  —  XXXI,  6  hat  L  molestis]  doch  ist 
vor  l  eine  Rasur  bemerkbar;    die  erste  Hand   hatte  also  wohl 
niodestis  geschrieben,   das   auch  V^  und  die  Handschriften  der 
andern  Classe  haben;  am  Rande  bemerkte  die  zweite  Hand:  af 
destis  (==  cdids  modestis).  —  XXXVI,  2  steht  postmodü  von  zweiter 
Hand  auf  einer  Rasur,  in  der  höchst  wahrscheinlich  von  erster 
Hand  in  postern  geschrieben  war,  woftir  das  Spatium  genau  aus- 
reicht; in  postenim  hat  auch  V^  ^^^  ^^^  anderen  Handschriften: 
Sauppe   nahm  jedoch  posfmodum  in  den  Text.   —   XXXVI,  3 
lesen  wir  in  L  paiicaidSq'^  doch  rühren  die  Buchstaben  aufe  von 
zweiter  Hand  und  stehen  in  einer  Rasur,  in  der  also  wohl  aita 
gestanden  haben   mag,   wie  V^   und  die  übrigen  Handschriften 
haben.  —  Ebendaselbst  hatte  die  erste  Hand  das  unverständliche 
tempus  geschrieben;  die  zweite  besserte  es  in  temtus\  das  richtige 
tenttuf  hat  V2   und   die  Handschriften   der   anderen  Classe.  — 
XXXVI,  4  hat  L  von  erster  Hand  impertit^   und  dies  scheint, 
da  V^  dieselbe  Lesart  hat,  im  Archetypus  beider  gestanden  zu 
haben ;  erst  die  zweite  Hand  fügte,  was  Sauppe  nicht  anmerkt 
über  ü  noch  ein  i  über   der  Zeile    bei.    —   XL,  2   steht  Id  L 
porrecta^   doch   rührt   nur  ta  von  erster  Hand;   porrec   schrieb 
erst  die  zweite  Hand  auf  einer  Rasur,  in  der  also  wohl  proten 
gestanden  haben  mag,  das  den  Raum  genau  ausfüllt;   auch  V^ 
und   die   übrigen   haben    protenta,   —   XLII,  2  hatte  die  erste 
Hand  deceai*^   die   zweite   besserte  es  in  doceat]  jenes   ist  die 
richtige  Lesart.  —  Ebenso  hatte  auch  XLIII,  7  die  erste  Hand 
das   Richtige   geschrieben:   dicentis]    der   Corrector   radirte  tis 
aus    und    fügte  s  über  n  hinzu:  dicen^.    —   XLIV,  2   schrieb 
die   erste  Hand  in  L  tremore  und   dieses   ist  auch   die  Lesart 
des  Fj   und   der   übrigen   Handschriften;   der   Corrector  tilgte 
jedoch  r^  durch  Punkte  und  schrieb  darüber  ti  =  tumoie, 

h)  Hat  nun  in  den  erwähnten  Fällen  zumeist  die  zweite 
Hand  die  richtige  Lesart  der  ersten  getilgt  und  ihre  eigenen 
Erfindungen   eingesetzt,   so   ftigt  sich   diesen  eine  grosse  Zahl 


Das  liandBcbrifteuverhiiUuüb  der  Vita  S.  Severiui  des  fingippins. 


477 


anderer  Lesarten  an,  wo  das  Falsche  offenbar  vom  Schreiber 
selbst  herrührt;  an  allen  den  nun  zu  erwähnenden  Stellen 
weicht  V2  von  L  ab  und  hat  unstreitige  die  Lesart  des  Arche- 
typus besser  gewahrt  als  L;  ich  bemerke  nur  noch,  dass  an 
allen  Stellen  Sauppe  die  Ueberlieferung  des  L  aufgibt  und  zu 
den  Lesarten  des  F,  und  A  zu  greifen  gezwungen  ist,  von  denen 
jener  zumeist  mit  V2  übereinstimmt. 

L  Vo 


Ep. 

£ug.    9 

seuerinus 

serio^ 

r> 

«     11 

denstat 

desistas 

Vita 

1,1 

rupensis 

ripensis 

« 

n    3 

prodiens 

prodens 

n 

n    4 

inierunt 

tnierant 

V 

fj     rt 

exemplü 

exempla 

1* 

II,  1 

8Cl 

sanctis 

n 

III,  1 

famis 

fames 

71 

IV,  10 

medio 

media 

jj 

n       n 

conteptii,8 

contentiis 

r 

.  11 

in  me 

immo 

n 

V,   1 

delegatum 

denegatum 

n 

.    2 

turharis 

turhaheria'^ 

7) 

7j        n 

desideratä  prospeiitate 

desideratä  pi'oaperitate 

n 

VI,  5 

desperata 

desperato 

n 

VU,  1 

deuenerunt  ^ 

deuertei'unt 

n 

.     2 

scito 

cito 

n 

vm,  2 

prqcessisset  * 

prqcepisset 

n 

.      4 

sictit 

sic^ 

fl 

n         5 

miro  patitur 

minora  peiitur 

n 

.      6 

monsirmis 

monatrat 

7} 

IX,  5 

memorabatur 

memorabat 

B 

X,  2 

properantes 

properanter 

n 

XI,  1 

adueniret 

eueniret 

<  Die  Handachrifteu  der  anderen  Classe  haben  das  fehlerhafte  aenior, 

^  So  auch  T  T]  Vau.;  nur  Ä  hat  offenbar  irrthümlich  turberis^  das  Sauppe 

aufnimmt. 
'  Dies  hat  sich   durch  ein  Druckversehen  bei  Sauppe  in  den  Index  p.  33 

(s.  u.  collocatio  uerborum)  eingeschlichen. 

*  Sauppe  bemerkt  aus  Versehen,  preceaaissel  sei  die  Lesart  des   7. 

*  Sie  sie  haben  T  Vi  A  VaU. 


47« 


Katll. 


L 

itfl 

t        XII, 

4 

«cc^a 

n 

fj 

5 

mann§ 

rj 

XVI, 

2 

dixerant 

n 

n 

3 

i9&U9 

» 

XVII, 

4 

collata  ^ 

TJ 

XIX, 

3 

absoluerent 

n 

n 

4 

mirantib; 

n 

XX, 

1 

quid^ 

n 

XXII, 

1 

Video 

Tf 

n 

3 

ut 

rj 

XXVI, 

1 

gratfi 

» 

n 

V 

effugaret 

» 

XXVIII, 

2 

difficillima 

n 

n 

n 

idem 

n 

XXIX, 

3 

quanto 

n 

XXX, 

2 

commonentes 

n 

XXXII, 

2 

huinan§ 

» 

r» 

n 

probaturns 

n 

XXXIII, 

2 

migrante 

n 

XXXV, 

1 

Bonns 

n 

XXXVI, 

2 

auctoritate 

n 

XL, 

2 

aibi  cum 

n 

XLIV, 

4 

antequä 

1? 

XLVI, 

1 

in  itcdia 

j? 

» 

2 

veapolitans 

n 

» 

n 

reuertentibus 

ecclenam 

mane 

dixerat 

iatic 

eollatam 

absolueref 

mirantts 

quidam 

et  ideo 

et 

gra 

difficälimam 

ibidem 

quarUa 

commanentes 

humana 

probaturos 

mirante 

Banosus 

auctorem^ 

cum  aibi 

ante  quem 

in  italiam 

neapolüano 

reuerentibue^ 


1  Von  Sanppe  Übergangen. 

^  T  Vi  haben  auctoj-e. 

3  Ebenso  anch  T  V^  VeUl,;  A  hat  reuei-endis;  Sanppe  schreibt  nach  Vrtue- 
rentibftg.  An  einer  andern  Stelle  (VIII,  6)  dagegen  verKndert  er  die  Les- 
art der  besten  Handschriften  und  des  L  reuerentuHnitu  nach  einigen 
jöngem  Handschriften  in  reuet'endiasimtu ;  mit  Unrecht,  wie  ich  glsube; 
denn  einige  Participia  praesentis,  namentlich  amant  und  reuer&Uj  werden 
zumal  im  Superlativ  und  bei  Aureden  in  passivem  Sinne  gebrancbt;  man 
vgl.  hierüber  H.  Usener,  zur  Geschichte  des  lat.  Participiums,  Fleckeis. 
Jahrbb.  1878  p.  55  f.  C.  v.  Paucker,  Spicilegium  addendorum  lex.  Ut. 
Mit  1875,  von  dessen  Beispielen  ich  einige  hiehersetze:  Fronto  ep.  ad 
Marc.  Caes.  I,  6  amice  denderaiUUsvne.  11,  5.  V,  40.  CapitoL  Albin.  7, 3 
fratri   amaniiaaimo   et    deaideratitMaimo,    Amm.   Marc.   XV,  8,  12.    Mar. 


I 


I)m  Hiin<l<ichriftenTerhftItnies  d(>r  Vita  S.  SeTerini  des  Kugippius. 


479 


Vita     XLVI,  3    cuius  neapolitane 

itinere 


7) 


n 


ciuis  nea'poUtana 
in  itinere 


An  allen  diesen  Stellen  ist,  wie  schon  erwähnt,  Sauppe 
gezwungen,  die  Ueberlieferang  des  L  fallen  zu  lassen  und  der 
der  andern  Classe  zu  folgen,  was  er  in  der  Einleitung  zu- 
gesteht (p.  XIV  sq.).  Es  erhellt  hieraus,  dass  L  ein  nicht 
blos  von  zweiter  Hand  willkürlich  corrigirter  und  interpolirter 
Codex  ist,  sondern  dass  er  auch  schon  durch  den  Schreiber 
vielfach  entstellt  worden  ist.  Hierdurch  werden  jedoch  auch 
die  Stellen  verdächtig,  an  denen  V^  mit  der  andern  Classe  über- 
einstimmt, während  L  allein  differirt. 


Ep.  Eug. 


Vita 


I, 


2 
9 
1 
2 


n 


n,  1 


r 


L 

ede9'et 

qu^ris 

castitate  et  pietate 

ut  ppter    —    insidicis 

inhqrerent 
incredulitatis 
tertia 
Actoque 
m,  1    fore^ 

ammonev^tur  (sie!) 

beatus  '^ 

quq  —  8olut§ 

continua  (auch  A) 

tigantia  ^ 

pdixerat 

recedens 


V 


2 


2 


»     1) 
IV,  4 


n 

6 


^2 

8criberet 

requiris 

pietate  et  castitate 

ut    —    insidias   inhibe- 

rent 
incredtditati 
tertio 
auctoque 
affore 

commonetur 
beatissimus 
qua  —  8oluta 
continuata 
tyguncia 
prqceperat 
secedens 


MercaL  Subnot.  4,  4  qua  nihil  honestiua  irUer  reuerentisHmas  matronaa 
inueniat»  Cassiod.  Var.  VII,  24  reiierentisHmum  te  onmibus  fada.  ps.  107. 
init  Id.  facond.  def.  V,  2  reuerentissimi  episcopi  dixeruni'^  eine  Zasammen- 
stelltmg  derselben  bei  Neue  Lat.  Formenl.  II,  193. 

^  Auch  Ä  bat  fore, 

^  So  setzt  L  zQweilen  den  Positiv  von  Adjectiven,  wo  die  anderen  Hand- 
schriften den  Superlativ  haben:  XXUI,  1  «ei  L  Vj  9c%snmu9  TA  F,; 
XLI,  1  bealus  L  A  healianmua  T  V^  V^. 

'  Dürfte  wohl  verschrieben  sein  statt  tigtatUa]  T  V^  VaU,  haben  ticuntia] 
A  ticHftcia. 


480 


Kuöll. 


Vita 


n 


r> 


n 


n 


n 


» 


r> 


IV,  7 
«   10 
V,  1 

propitio 
penitus  nuUo 
infestos 

propius  ^ 
nuUo  penitus 
infensos 

VI,,  2 
VIII,  4 

ueste  qua 
uindicabuntur 

uestem  quam 
uindicantur 

XI,  3 

claritate 

alacritate 

XII,  5 

abrasum 

ahrosum 

XV,  2 

tabulatis 

super  tabulata 

xvni,  1 

XIX,  2 

improuisa 
semet 

improuisq 
senec 

»     » 

tremore  fuisse 

fuisse  tremore^ 

XX,  2 

lacrimari 

lacrimare 

XXII,  1 
XXV,  1 

deberi  —  deferetur 
excidium 

debere  —  deferreho' 
exicium 

XXVTT,  2 
„        3 

computetis 
ebdomada  ^ 

irnputetis 
ebdomade 

xxxvm,  2 

narrare 

narrasse  * 

XL,  2 
»    3 

ut 
dö 

quo 
dno 

XLIII,  5 

inuenimur 

inueniamur 

XTJV,  6 

in  teiTa 

in  terram^ 

n         n 

unanimiter 

humanitsr 

XLV,  2 
XLVI,  1 

signoue 
multo  honore 

signoque 
multo  labore^ 

Doch  auch  in  vielen  dieser  eben  erwähnten  Fälle  ver- 
dient die  mit  den  Hauptvertretern  der  andern  Classe  überein- 
stimmende Ueberlieferung  des  V2  vor  der  des  L  den  Vorzug, 
wie  eine  unbefangene  Prüfung  derselben  zeigt;  an  anderen 
Stellen  ist  die  Entscheidung  zwischen  den  beiden  HandBchriften 
eine  schwierigere.  Es  sei  mir  gestattet,  auf  einige  der  er- 
wähnten Abweichungen  einzugehen  und  sie  mit  einander  zu 
vergleichen. 


>  So  auch  A;  propitiua  rVj. 

3  So  haben  auch  T  V^  A  Voll,;  V  M  bei  Sauppe  ausgeCailen. 

'  So  auch  A, 

^  Bei  Sauppe  iat  neben  V  noch  M  hinzuzufügen. 

^  So  auch  A, 

»  Cum  multo  lahort  T  F,  Vau.  A, 


Du  Handschriftfinrerh&ltiiisfl  der  Vito  S.  Sererini  des  Engippius.  481 

Die  Stelle  VHI,  4  lautet  nach  der  üeberlieferung  des  L 
folgendennassen:  Siait  a  deo  tuo  illatq  uindicahuntur  hnuriq. 
Abgesehen  von  dem  fehlerhaften  Stent,  welches  Sauppe  richtig 
in  de  verwandelt  hat,  —  aenn  nach  der  üeberlieferung  des  V^ 
war  Sic  die  Lesart  des  Archetypus  beider  Handschriften  — 
fallt  vor  allem  das  Futurum  uindicahuntur  auf,  dem  ich  einen 
für  unsere  Stelle  passenden  Sinn  nicht  zu  entnehmen  vermag;^ 
denn  das  Aergste^  was  der  Königin  Giso  widerfahren  konnte, 
ist  ihr  ja  bereits  widerfahren :  ihr  Söhnlein  ist  in  der  Gewalt 
der  barbarischen  Goldarbeiter,  die  es  jeden  Augenblick  tödten 
können;  und  in  den  unmittelbar  darauf  folgenden  Worten 
heisst  es:  fatebatur  se  pro  scelere  confemptus  -  .  .  ,  plagae prae- 
ffutis  ultione  perceUi;  diese  Stelle  zeigt,  dass  das  Praesens 
nindicantur,  das  V2  und  die  andere  Classe  hat,  die  einzig 
richtige  Lesart  ist.  Das  Futurum  aber  so  erklären  zu  wollen, 
dass  die  Tödtung  des  Sohnes  nur  eine  aus  der  Zahl  der  gött- 
lichen Strafen  sei,  die  der  Königin  drohen,  der  andere  derartige 
nachfolgen  sollen,  wäre  gesucht  und  überdies  unpassend  für 
unsere  Stelle;  dieselbe  hat  also  wohl  zu  lauten:  Sic,  sie  a 
deo  tuo  illatae  uindicantur  iniuriae;  ganz  passend  ist  in  dem 
Munde  der  aufgeregten  Königin  die  Wiederholung  des  /Sic,  das 
wohl  aus  Versehen  in  der  andern  Classe  nur  einmal  geschrieben 
wurde;  vgl.  p.  469. 

XI,  3  verdient  alacritate  vor  claritate  offenbar  den  Vor- 
zug; denn  aus  claritate,  das  , Klarheit^,  ,Helle^,  ,hellen  Glanz', 
kaum  , Reinheit',  , Unbeflecktheit'  bedeuten  kann,  lässt  sich 
weder  in  Verbindung  mit  hortatus  est  noch  mit  deprecari  ein  an 
unserer  Stelle  passender  Sinn  gewinnen.  Ciaritas  selbst  kommt 
in  der  Vita  noch  IV,  12  (tanta  dinini  muneris  claritate  fulgebat) 
und  XIII,  2  (claritas  tarnen  tantae  uirtutis  occultaH  non  potuit) 
vor,  jedes  Mal  in  der  Bedeutung  ,Klarheit',  ,heller  Glanz',  nie- 
mals in  der  letzteren.  Dagegen  gibt  die  Lesart  alacHtate  in  der 
Bedeutung  ,freudiger  Eifer',  ,Inbrunst',  in  der  ja  sowohl  alacrita^ 
wie  alacer  vorkommt,  den  für  unsere  Stelle  passenden  Gedanken 


^  Anch  Rodenberg,  der  in  seiner  Uebersetznng  sonst  der  Sauppe^schen 
Recension  des  Textes  genau  folgt,  ist  gezwungen  an  unserer  Stelle  das 
PrSsens  wiederzugeben:  ,bo  werden  von  deinem  Gotte  Beleidigungen 
bestrafte 

Siirancsber.  d.  phil.-hiat.  Ol.  XCV.  Bd.  I.  Hft  31 


482  KnöU. 

jSeverin  ermahnte  die  Priester  und  Diaconen,    mit  ihm  in  der 
ganzen  Inbrunst  des  Herzens  zu  Gott  zu  flehend 

XXII,  1:  Severin  weist  die  Priester,  die  sich  anbieten, 
für  die  Basilica  in  Boiotro  Reliquien  zu  holen,  mit  den  Worten 
ab,  dass  die  Gegend  ohnehin  bald  vor  den  Einfallen  der  Bar- 
baren werde  geräumt  werden  müssen ;  und  zu  ihnen  gewendet 
fahrt  er  in  indirecter  Rede  —  nach  der  Ueberlieferung  des  L  — 
folgendermassen  fort:  et  ideo  (Cod.  Video)  pro  reliqum  sanctorvm 
nullum  laborem  deberi  suscipere,  quia  idtro  eis  sancti  JohannU 
bejiedictio  deferetur.  In  diesen  Worten  ist  deben  offenbar  ver 
derbt;  Sauppe  besserte,  indem  er  deberi  in  debefis  änderte. 
Allein  diese  Aenderung  ist  zu  gewaltsam;  dann  missiällt  in 
der  so  hergestellten  directen  Rede  eis,  wofür  wir  uobis  oder 
nobis  erwarten;  überdies  scheint  mir  das  Verfallen  aus  der 
directen  in  die  indirecte  Rede  ganz  passend  und  ursprünglich. 
Aber  zu  einer  Aenderung  ist  gar  kein  Grund  vorhanden,  wenn 
wir  die  Ueberlieferung  des  V^  und  der  andern  Classe  fest- 
halten. In  7^  —  und  im  Wesentlichen  gleich  auch  in  V2  —  lautet 
die  Stelle:  et  ideo  pro  reliqüiis  sanctoi^um  nnllum  laborem  deh er e 
suseipere,  quia  et  ultro  eis  sancti  iohannis  benedictio  d^ferretvr. 
In  dem  ersten  Theile  könnte  eos  ergänzt  werden,  das  nach 
ideo  leicht  ausfallen  konnte;  allein  selbst  diese  Einschiebung 
ist  unnöthig,  da  es  sich  ja  aus  dem  Zusammenhange  von  selbst 
ergibt.  In  dem  Nebensatze  aber  ist  an  d^iferretur  nichts  zu 
ändern;  das  Imperf.  Conj.  ist  nämlich  Stellvertreter  des  fehlen- 
den Futur.  Conj.,  wofür  sieh  in  der  Vita  noch  folgende  Beispiele 
finden:  VIII,  3  dicentes,  quod  ....  pai^mlnm  regium  ptimitvji 
transfigentes  semetipsos  postea  trucidarent;  direct:  nosmetipsos 
truddabimus,  XI,  1  crederUes,  quod  nihil  eis  eueniret  aduer.n; 
direct:  nihil  adtiersi  iiobis  eueniet,  XVI,  3  cogitaui  mecum,  quod 
seruus  Christi  .  .  .  praesentem  mortuum  svsdtaret ,-  direct: 
suscitabit,  XXVII,  1  credentes,  quod  duorum  populos  oppidorttm 
.  .  ,  praedarenttir ;  direct:  praedabimur.  In  directer  Rede  müsste 
allerdings  das  Futurum  Ind.  stehen:  z.  B.  XXXI,  5;  diese 
aber  an  unserer  Stelle  mit  Sauppe  herzustellen,  ist  über- 
flüssig. 

XLIV,  6  heisst  es  nach  der  Ueberlieferung  von  Li  Deinde 
unanimiter  aestimantes  ossa  funeris  inueniri  disiuncta  cet  Ganz 
unpassend   scheint   mir    unanimiter;   denn   ob    die  Anwesenden 


Dm  Hand8chriffc«iiT«rUltniM  der  Vita  S.  Sererini  des  Engippias.  483 

einmüthig  erwarteten,  die  Gebeine  des  Heiligen  zerstreut  zu 
finden  oder  ob  Meinungsverschiedenheit  unter  ihnen  darüber 
herrschte,  darauf  kommt  es  offenbar  nicht  an.  Vollständig  passend 
ist  dagegen  die  Lesart  des  Fj  und  der  anderen  Handschriften 
humaniter:  man  erwartete  die  Gebeine  des  Heiligen,  die  bereits 
das  sechste  Jahr  in  der  Erde  lagen,  wie  die  des  ersten  besten 
Menschen  zerstreut  zu  finden. 

XL  VI,  1  heisst  es  nach  L,  der  Leichnam  Severins  sei 
multo  honore  nach  Italien  überführt  worden.  Abgesehen  davon, 
dass  von  Ehrenbezeigungen  auf  dem  Wege  nach  Felethe  in 
der  Vita  nichts  zu  finden  ist,  —  und  es  ist  wohl  anzunehmen, 
dass  der  genaue  Biograph,  der  sonst  nichts  Erwähnenswerthes 
äbergeht,  solche  Ehrenbezeigungen,  deren  Augenzeuge  er  doch 
war,  nicht  verschwiegen  hätte  —  Ehrenbezeigungen  von  Seite 
der  Ueberfiihrenden  aber  selbstverständlich  waren:  so  ist  doch 
der  Widerspruch  mit  dem  Folgenden  auffallend  genug;  denn 
trotz  dieser  angeblichen  Ehren  hatte  doch  der  Leichnam 
nirgends  eine  Ruhestätte  gefunden  (usqtie  ad  illud  tempus  terrcte 
nullatenns  trcUlitum),  Offenbar  stand  im  Archetypus  des  L  und 
Fo  das,  was  V2  erhalten  hat,  multo  labore^  womit  auch  die 
andere  Classe  übereinstimmt,  die  ganz  passend  cum  hinzuftigt: 
.unter  vieler  Mühe  war  der  Leichnam  von  der  Donau  nach 
Felethe  in  Italien  gebracht  worden^ 

Ich  unterlasse  es,  auf  andere  Stellen,  an  denen  die  Ueber- 
lieferung  des  V^  und  der  anderen  Classe  zum  mindesten  gleich 
passend  wie  die  des  L  ist,  hier  näher  einzugehen.  Von  Fj 
aber  anzunehmen,  dass  er  ein  aus  beiden  Classen  entstandener 
Mischcodex  sei,  ist  wohl  dadurch  ausgeschlossen,  dass  er  sonst 
an  Stellen,  wo  T  und  die  andere  Classe  einen  vollständigeren 
Text  haben  (z.  B.  im  Briefe  des  Eugippius  und  zu  Beginn  der 
Vita),  diesen  aufgenommen  hätte. 

Das  im  Vorhergehenden  eingehend  Dargelegte  will  ich 
nun  noch  einmal  kurz  wiederholen  und  den  daraus  sich  er- 
gebenden Schluss  ziehen:  da  an  Stellen,  wo  L  und  V2  von 
einander  abweichen,  die  Lesart  des  L  entweder  nach- 
weislich erst  durch  den  Corrector  entstanden  ist, 
oder  schon  vom  Schreiber  selbst  herrührende,  dem 
Sinne  nicht  entsprechende  Conjecturen  aufweist;  da 
ferner  an   diesen  Stellen  die  Lesart   des  F^   uicht  nur 

31* 


484  Kuß  11. 

zumeist  den  besseren  Sinn  g:ibt,  sondern  noch  durch 
die  Vertreter  der  anderen  Classe  g^esichert  erscheint: 
80  ergibt  sich  der,  wie  ich  glaube,  zwingende  Schluss, 
dass  L  ein  sowohl  von  erster  wie  von  zweiter  Hand 
vielfach  entstellter  Codex  sei,  der  keineswegs  als 
gute  Abschrift  seines  Archetypus  gelten  kann;  dass 
vielmehr  V^j  obwohl  bedeutend  jünger  als  L  und  keines- 
wegs fehlerlos,  den  Text  des  gemeinsamen  Arche- 
typus getreuer  gewahrt  habe  als  L.  Für  dieses  Arche- 
typen aber  ergibt  sich  ferner  aus  dem  Angeführten, 
dass  dasselbe  der  Classe  der  Bobbienser  Handschriften 
bedeutend  näher  stand,  als  man  nach  dem  Texte  des 
L  bisher  schliesscn  konnte.  Verhält  sich  aber  dieses  alles 
so,  dann  muss  natürlich  L  aufhören  die  Grundlage  für  die 
Recension  des  Textes  der  Vita  zu  bilden.* 

Da  wir  jedoch  aus  L  und  F2,  den  Repräsentanten  der 
einen  Handschriftenclasse,  die  von  T  und  der  anderen  Classe 
in  vielen  wesentlichen  Punkten  abweicht,  den  gemeinsamen 
Archetypus  beider  mit  ziemlicher  Sicherheit  erschliessen  können, 
so  lässt  sich  wohl  mit  Recht  die  Frage  aufwerfen,  ob  nicht 
diesem  aus  den  beiden  Handschriften  zu  erschliessenden  Arche- 
typus, oder  mit  anderen  Worten  L  und  Fj  zusammen  der  Vorzug 
vor  der  anderen  Classe,  deren  bester  Repräsentant  T  ist,  ge- 
bühre. Allein  abgesehen  von  der  offenbaren  Schwierigkeit,  die 
ein  derartiger  Versuch  hat,  scheint  mir  auch  aus  einzelnen 
wichtigeren  übereinstimmenden  Stellen  der  beiden  Handschriften 
mit  ziemlicher  Sicherheit  hervorzugehen,  dass  eine  ähnliche, 
wenngleich  nicht  so  weit  gehende  Interpolation,  wie  wir  sie 
im  L  finden,  auch  für  den  Archetypus  von  L  und  V^  sich 
nachweisen  lässt,  während  T  an  einzelnen  Stellen  einen  zwar 
corrupten,  aber  doch  nicht  durch  Interpolationen  entstellten 
Text  überliefert  hat. 

Um  diese  Frage  zu  entscheiden,  müssen  natürlich  vor 
allem  jene  hundert  und  etwa  dreissig  Stellen  in  Betracht  ge- 


1  Ans  dem  Vorhergehenden  ergibt  sich,  das«  das  ürtheil  Sanppe's  über  den 
Znstand  des  L  ein  viel  zu  mildes  ist:  haec  menda  omnia  iia  camparaia 
es9e  apparet,  fU  inaciUcie  et  errori  oadorum  trtbuenda  «n/,  non  uolvnfati 
lün'arii  (p,  XV), 


Du  HandschriffeenverhältniBa  der  YiU  S.  Sererim  des  EagippioB.  485 

zogen  werden,  die  oben  p.  466  ff.  aufgezählt  wurden^  an  denen 
L  und  V^i  gegenüber  T  und  der  andern  Classe  übereinstimmen. 
Viele  von  diesen  sind  von  der  Art,  dass  sieb  kaum  ohne 
subjective  Voreingenommenheit  der  Nachweis  führen  lassen 
dürfte,  die  Losart  der  einen  Classe  verdiene  vor  der  der  andern 
den  Vorzug;  diese  Stellen  müssen  also  von  vornherein  von 
der  Untersuchung  ausgeschlossen  bleiben.  Von  den  anderen, 
hier  in  Betracht  zu  ziehenden  Stellen  ist  vorerst  eine  verhält- 
nissmässig  geringe  Zahl  von  Lesarten  zu  erwähnen,  an  denen 
die  Ueberlieferung  des  T  die  einzig  richtige  ist,  so  dass  Sauppe 
selbst  gezwungen  ist,  den  Lesarten  des  mit  T  übereinstimmen- 
den F|  den  Vorzug  vor  der  des  L  (V^)  zu  geben.  So  nimmt 
er  mit  Recht  XIV,  3  die  Ueberlieferung  des  T  Fj  recepta  statt 
der  des  L  V^  percepta  in  den  Text.  Ebenso  schreibt  er  XVI,  3 
mit  T  Vi  credideras  statt  credideris  nach  L  Fi^;  XX,  1  id  mit 
T  V^  A  statt  idem  nach  L  V^ ;  XX,  2  scs  seuerintts  legeret  mit 
T  V^  A  statt  scs  legeret  seuerinus,  wie  L  V>i  haben ;  diese  Ab- 
weichung des  L  von  Fj  ist  allerdings  von  Sauppe  nicht  ange- 
führt. Ebendaselbst  Mens  mit  T  V^  A  statt  iubet  nach  L  V^. 
XXII,  1  proferehat  mit  T  V^  A  statt  praeferebat  L  V^ ;  XXII,  2 
febanem  mit  T  V^  A  statt  febanum,  wie  L  von  zweiter  Hand 
und  Vo  hat.  Ebendaselbst  destituta  mit  T  V^  A  statt  destituto 
L  \\,  XXIV,  3  zeigt  L  V^  eine  Lücke,  die  Sauppe  mit  Recht 
nach  der  Ueberlieferung  der  anderen  Classe  durch  die  Wörter 
sed  presbytero  ausfüllt.  XXVIII,  1  ist  das  von  Sauppe  in  den 
Text  gesetzte  praestruebat  die  Lesart  von  T  Fj ;  die  von  Sauppe 
nicht  angeführte  Ueberlieferung  von  L  (V^)  ist  pstruebat  =  per- 
strijtebat.  Ebenso  schreibt  er  mit  T  F|  XXX,  1  praestruxit 
statt  pstruxit,  wie  L  V^  überliefern.  In  der  XXXVI,  3  einge- 
flochtenen Stelle  aus  dem  zweiten  Dialog  des  Sulpicius  Severus 
stimmt  T  F^  mit  dem  ältesten  Codex  dieses  Schriftstellers,  dem 
aus  dem  7.  Jahrhundert  stammenden  Veronensis  überein;  die 
Lesart  des  L  und  V^  dagegen  mit  den  jüngeren  Handschriften 
dieses  Schriftstellers;  Sauppe  folgt  auch  hier  mit  Recht  der 
Ueberlieferung  von  F,,  indem  er  diabolo  statt  diaboli  und  omnia 
üla  quae  statt  omnia  quae  in  den  Text  aufnimmt.  XLIII,  2 
schreibt  er  mit  F|  infirmi  statt  infimi  nach  der  Ueberliefe- 
rung von  L  (V^\  ebenso  XLV,  1  multi  mit  Fj  statt  multis 
nach  L  (V^. 


486  kb6ii. 

Doch  die  meisten  der  angeftUirten  Stellen  sind  von  nicht 
gar  grosser  Bedeutung;    viele   derselben  zeigen  eben  Verderb- 
nisse, wie  sie  in  Handschriften  dieser  Zeit  sehr  gewöhnlich  sind. 
Wichtiger   ist   höchstens   die   Lücke   XXIV;  3  in  £  F,,  sowie 
die  beiden  Stellen,  an  denen  T  V^  mit  der  Ueberlieferong  des 
besten   Codex    des    Sulpicius   Severus    übereinstimmen.    Dock 
selbst   diese   sind   zur  Entscheidung   unserer  Frage  von  wenig 
Belang.    Stellen,  auf  die  es  hier  ankommt,  sind  vor  allem  die- 
jenigen, wo  der  Text  der  einen  Classe  mehr  bietet,  als  in  der 
andern  überliefert  ist,  und  Stellen,  an  denen  grössere  Corroptelen 
bereits  in  dem  Stammcodex   beider  Classen   vergelten  hfiben 
müssen,  die  dann  der  Abschreiber  der  einen  unrichtig  corrigirt 
hat.     Zu   den    crsteren   gehört   der   bekannte    Zusatz   in  L  \\ 
c.  XLVI,  4 — 6  von  den   beiden  Krankenheilungen,   die   durch 
den  Leichnam  des  Heiligen  bei  seiner  Ueberführung  nach  dem 
Lucullanum  bei  Neapel  bewirkt  worden  sein  sollen,  von  Tunc 
et  Laudicius  quidam  caecus  bis  retulisüe  miracula.    Diese  Worte 
halte  ich  aus  folgenden  Gründen  für  eine  nicht  von  Eugippius 
herrührende  Interpolation : 

1)  Steht  die  erwähnte  Stelle  zuweilen  in  offenbarem  Wider- 
spruche mit  dem,  was  in  dem  früheren  gesagt  wurde;  so 
namentlich  die  Worte,  mit  denen,  ungeschickt  genug,  die  Er- 
zählung der  bei  dem  Einzüge  in  Neapel  geschehenen  wunder- 
baren Krankenheilungen  abgebrochen  wird:  Vet^m  multis plura 
sdentibtis  sufficiat  tria  de  innumeris,  quae  in  ingressu,  eius  gesta 
9untj  heneßciorum  uirtuiumque  retulisse  miracula.  Die  Worte 
uerum  multis  plura  scientibus  setzen  doch  offenbar  voraus,  dass 
Eugippius  nun  nach  der  Aufzählung  der  drei  Wunder  mit 
seinem  Wissen  von  Krankenheilungen,  die  in  Neapel  durch 
den  Heiligen  bewirkt  wurden,  zu  Ende  ist.  So  aber  konnte 
Eugippius  unmöglich  schreiben,  der  doch  in  dem  Briefe  den 
Paschasius  bittet,  er  möge  auch  die  Wunder  und  Kranken- 
heilungen, die  bei  der  Ueberführung  (in  ifinere)  und  bei  dem 
Grabe  (ad  —  memoriam)  geschehen  seien  und  die  er  dem 
Deogratias  zur  mündlichen  Erzählung  aufgetragen  habe,  seiner 
Biographie  des  Heiligen  einverleiben :  iüa  quoque,  precor,  uirti^ 
tum  beneßda  sanitaiumque  remedia,  quae  uel  in  itinerej  nel  hie 
ad  eiundem  heatissimi  patris  memoriam  diuina  sunt  peracta  ?/iV- 
tute,  digneris  adnectere;  quae  quoniam  ßdelis  portitor,  ßlius  tiester 


Das  HandschrifteDTerhAltiÜBB  der  ViU  6.  SeYerini  das  EogippinB.  487 

DeogratttiSf  optims  nouit,  uerbo  commendauimus  intimanda,  ^  Und 
XL  VI,  3  sagt  er:  multi  .  .  ,,  qnos  recensere  longum  est,  gesteht 
also  indirect  ein,  dass  er  noch  mehr  weiss,  als  er  hier  erzählt. 
Offenbar  waren  die  Worte  des  Briefes  dem  ungeschickten 
Interpolator  bereits  aus  dem  Gedächtniss  geschwunden. 

2)  Widerspricht  es  der  steten  Gewohnheit  des  Autors  des 
Commemoratoriums,  dass  hier  drei  Krankenheilungen  angeführt 
werden;  denn  bei  allen  ähnlichen  Gelegenheiten  erwähnt  er 
der  Kürze  halber,  wie  er  oft  genug  betont  (XXXVIII,  2 
XLV)  blos  eine  wunderbare  Heilung;  und  zwar  entschuldigt 
er  an  unserer  Stelle  eigens  seine  Kürze  (quos  recensere  longum 
est),  während  unmittelbar  vorher,  wo  blos  ein  Beispiel  einer 
wunderbaren  Heilung  während  des  Verweilens  des  Leichnams 
zu  Felethe  angeführt  wird,  dies  ohne  jede  Entschuldigung 
geschieht;  und  dass  er  ätoff  genug  gehabt  hätte,  auch  dort 
mehrere  einzufügen,  zeigen  ja  die  Worte  XLV,  1  per  idem 
tfmpus  multi  uanis  occupati  languoribus  et  nonnulli  a  spiritibua 
immundis  appressi  medellam  diuinae  gratiae  sine  ulla  mora  aen- 
»trunt.  Und  auf  gleiche  Weise  wie  an  unserer  Stelle  entschuldigt 
er  auch  XXXVIII,  2  die  Anführung  eines  einzigen  Beispieles: 
prolixi  aperis  fastidia  declinando.  Nach  dem  gleichen  Ver- 
fahren des  Autors  an  ähnlichen  Stellen,  nach  der  Versicherung 
desselben,  kurz  sein  zu  wollen,  muss  man  auch  an  unserer 
Stelle  die  Angabe  eines  einzigen  Beispiels   erwarten;   zugleich 

'  Die  Worte  uerbo  eommendauimus  intimanda  Übersetzt  Rodenberg:  ,8  0 
empfehlen  wir  sie  Dir  zur  Bekanntmachung  durch  Dein 
Wort*,  so  dass  also  uerbo  intimare  fast  gleich  käme  litteria  intimare 
Treb.  Poll.  Gall.  16,  1;  diese  UebersetKUUg  scheint  mir  jedoch  unrichtig; 
denn  erstens  müsste  nothwendig  eommendamna  statt  commendammu» 
stehen;  zweitens  müsste  es  tibi  oder  tuo  heissen;  intimare  kommt  in  der 
Vita  c.  IX  in  der  gewöhnlichen  Bedeutung  Jemanden  mittheilen' 
vor:  nt  —  retierau9  aihi  maturiu9  intimaref.  Dieselbe  Bedeutung  hat  es 
offenbar  auch  hier;  die  Stelle  ist  daher  zu  übersetzen:  ,Da  diese  nun  der 
Ueberbringer,  euer  Sohn  Deogratias,  sehr  gut  kennt,  so  haben  wir  ihm 
aufgetragen,  sie  mündlich  dierboj  mitzutheilen*.  Der  Dat.  ei 
ergänzt  sich  leicht  aus  dem  Zusammenhange.  Eugippius  hatte  also  eine 
Anzahl  von  wunderbaren  Krankenheilungen,  die  bei  der  Ueberführung 
and  beim  Grabe  des  Heiligen  geschehen  waren  und  im  Commemoratorium 
keine  Aufnahme  gefunden  hatten,  dem  Deogratias  roitgetheilt  und  bittet 
nun  den  Paschasins  sie  in  die  ausführlichere  Biographie  aufzunehmen. 


488  Kn611. 

bezeichnete  wohl  dieses  eine  Beispiel  die  Stelle,  an  der  Pascha- 
sius  in  seiner  ausfuhrlichen  Biographie  die  ihm  von  Deogratias 
im  Auftrage  des  Eugippius  mitgetheilten  Wunder  einflechten 
sollte;  vgl.  Ep.  Eug.  6. 

3)  Erinnern  die  beiden  letzten  Erankenheilungen  (§§.  4 
und  5)  sogar  in  den  Ausdrücken  häufig  an  die  unmittelbar 
vorbeigehenden;  man  vergleiche  Tunc  et  Laudicius  quidam 
cctecus  mit  XLV  Tunc  et  miUus  quidam ;  das  in  kurzem  Zwischen- 
raum lästig  wiederholte :  gratias  deo  lacrimantibua  gaudüs  retu- 
lerunt  (4)  und  uoti  sacrifidum  deo  cum  gratiarum  actione  reddehat 
(5)  mit  XLV  exultantes  in  gaudio  diuinae  deinentiae  gratiarmi 
retuUmus  actionem;  caput  uehicuto  credens  apposuit  (5)  erinnert 
entfernt  an  ingressa  8ub  uehicuh  (3);  occurrens  (5)  an  oecurrit 
(3).  Ueberhaupt  erinnert  die  §.  5  erwähnte  Krankheit  und  ihre 
Heilung  sehr  an  die  §.  3  erzählte,  und  es  ist  mir  kaum  glaub- 
lich; dass  Eugippius  in  dem  Commemoratorium,  das  ja,  wie  er 
selbst  oft  genug  betont,  kurz  sein  soll,  sich  diesen  Ueberfluss 
von  zwei  fast  ganz  gleichen  Heilungen  an  einer  Stelle  gestattet 
habe.  Es  zeigt  sich  also  in  der  Erzählung  dieser  beiden  §.  4 
und  §.  5  angeführten  Wunder  die  ganze  Wort-  und  Gedanken- 
armuth  des  ungeschickten  Interpolators.  Aber  vor  allem 
täppisch  und  ungeschickt  ist  die  Art,  wie  er  die  zweite  Hei- 
lung an  die  erste  anreiht:  Tunc  et  Laudicius  quidam  caecus  .... 
interrogat]  eine  derartige  Ungeschicklichkeit  ist  selbst  der 
stilistisch  ziemlich   mittelmässig  abgefassten  Vita  sonst  fremd. 

Das  Gedicht,  welches  A.  F.  Ozanam  aus  einem  Codex  Vati- 
canus  veröffentlichte,  und  das  Sauppe  p.  XIX  sq.  seiner  Ausgabe 
abdruckte,  erwähnt  nun  zwar  V.  43  f.  die  Heilung  eines  Blinden 
und  diese  Stelle  muss  sich  nothwendiger  Weise  auf  XLVI,  4 
der  Vita  beziehen;  doch  beweist  sie  natürlich  nichts  fiir  den 
genuinen  Ursprung  dieser  beiden  Paragraphen;  vielmehr  wird 
dadurch  blos  erwiesen,  dass  derjenige,  welcher  nach  dem  Comuie- 
moratorium  des  Eugippius  dieses  Gedicht  gemacht  hat,  hiefür 
einen  Codex  der  Classe  L  V^y  also  einen  bereits  interpolirten, 
benützte. 

In  dem  Briefe  des  Eugippius  an  Paschasius  §.  7  lassen 
bekanntlich  die  Handschriften  L  und  V^  die  Worte  Ucet  und 
tamen  quid  hinc  ab  ineunte  aetate  cognouerim  non  tacebo  aus. 
Sauppe  gibt  in  der  Einleitung  zu  seiner  Ausgabe  (p.  XIV)  zu, 


Du  HAad«chiift«iiTerhiltiiijis  der  Yita  S.  SeTerini  de«  Eugippias.  489 

daBs  dieselben  für  den  Zusammenhang  sehr  passend  sind; 
zugleich  müssten  sie  eine  sehr  frühe  Interpolation  sein;  denn 
dieselben  stehen  bereits^  obzwar  in  entstellter  Form,  in  der 
dem  9.  Jahrhundert  angehörigen  Münchner  Handschrift.  Doch 
schreckt  er  vor  der  Aufnahme  derselben  in  den  Text  durch 
das  Bedenken  zurück,  dass  sie  einen  Widerspruch  gegen  das 
§.  2  des  Briefes  Gesagte  enthalten,  da  ja  Eugippius  nicht  die 
Zeit  seiner  frühesten  Jugend  bei  Severin  zugebracht  habe. 
Sehen  wir  vorerst  von  diesem  Punkte  ab  und  vergleichen  den 
Gedankengang  der  Stelle  nach  der  Ueberlieferung  der  beiden 
Classen.  Nach  L  V2  sagt  der  Autor:  Man  fragt  vielleicht  nach 
seinem  Vaterland  (I);  davon  weiss  ich  nichts  (II);  denn  als 
einst  Viele  zweifelten,  fragte  ihn  Primenius:  Woher  hat  Dich 
Gott  geschickt?  (III).  Nach  dieser  Ueberlieferung  fehlt  offenbar 
zwischen  II  und  III  ein  Satz,  der  die  Motivirung  der  nun  an- 
geführten Erzählung  enthält;  nam  ist  eine  ganz  ungeschickte 
Verkittung  des  Schadens.  Qanz  passend  dagegen  nach  der 
anderen  Classe:  Man  fragt  wohl  nach  seinem  Vaterland  (I). 
Obzwar  ich  davon  nichts  Bestimmtes  weiss,  will  ich  doch 
mittheilen,  was  ich  betreffs  dessen  gehört  habe  (II).  Als 
einst  u.  s.  w.  Ueberdiess  heisst  es  im  Folgenden  (§.  10):  Haec 
igifur  sola,  quae  retuli,  ....  semper  audiui  mit  offenbarer 
Beziehung  auf  cognouerim  an  unserer  Stelle. 

Doch  auch  abgesehen  von  der  Nothwendigkeit  dieser 
Worte  für  den  Zusammenhang  und  das  Verständniss  der  Stelle, 
kaon  ich  einen  Widerspruch  derselben  mit  der  in  §.  2  mit- 
getheilten  Angabe  der  Quellen,  aus  denen  der  Autor  schöpft 
(ex  notissima  nohis  et  cottidiana  maiorum  relatione),  nicht  finden. 
Denn  die  §.  2  gegebene  Erklärung  bezieht  sich  auf  die  in  der 
Gedcnkschrift  mitgetheilten  Thatsachen,  diese  dagegen  blos 
auf  die  in  dem  Brief  enthaltenen  Nachrichten  betreffs  seiner 
Heimat.  Zudem  liegt  ja  in  den  Worten  quid  hinc  ab  ineunte 
aetate  cogiiouerim,  noch  keineswegs  die  Andeutung,  dass  er  die 
folgenden  Nachrichten  aus  Severinus'  eigenem  Munde  gehört 
und  dass  er  von  seiner  Jugendzeit  an  bei  Severin  gewesen, 
sondern  die  frühere  Quelle,  die  älteren  Brüder  des  Klosters, 
kann  Eugippius  auch  wohl  hier  meinen;  denn  die  Worte  selbst 
besagen  doch  nur,  dass  er  mittheilen  wolle,  was  er  über  den 
Gegenstand  (hinc)  von  seiner  Jugendzeit  an  (ab  ineunte  aetate) 


490  KnöU 

erfahren.  Da  dieselben  nun  auch,  wie  oben  gezeigt  wurde, 
für  das  Verständniss  der  Stelle  erforderlich  sind;  so  halte  ich 
an  der  Echtheit  derselben  fest. 

Was  nun  die  Worte  im  Anfange  der  Vita  (I,  1)  ae  prmum 
inter  ßlios  bis  interitum  betrifft,  so  lassen  sich  dieselben  aller- 
dings auch  ganz  gut  entbehren ;  doch  dürfte  kaum  Jemand  an 
ihnen  gegründeten  Anstoss  nehmen,  da  sie  ja  ganz  passend  die 
allgemeine  Weltlage  zu  der  Zeit,  da  unsere  Geschichte  beginnt, 
schildern.  Dass  Eugippius  nichts  Näheres  darüber  berichtet 
und  auch  über  Severins  Wirken  in  dieser  Zeit  schweigt,  erklärt 
sich  durch  das  überaus  schnelle  Verschwinden  der  Hunnen- 
herrschaft von  selbst.  Uebrigens  war  ja  Eugippius,  dessen 
iniens  aetas  wohl  in  die  letzten  Lebensjahre  S.  Severins  fallt,^ 
nicht  Augenzeuge  davon  gewesen,  konnte  also  nichts  Aus- 
führliches darüber  angeben. 

Von  einzelnen  Stellen,  die  wahrscheinlich  in  L  Fj  durch 
Interpolation  entstellt  sind,  führe  ich  folgende  an.  Cap.  XIII 
wird  das  in  der  Stadt  Juvao  geschehene  Wunder  von  der 
Entzündung  der  Kerzen  durch  göttliche  Einwirkung  erzählt; 
die  Stelle  lautet  nach  der  Ueberlieferung  von  L  und  Fj  folgen- 
dermassen :  cum  quadam  die  intrantes  basilicam  ,  ...  ad  accen- 
denda  luminaria  ignem  minivie  reperissent,  flammam  concussii 
ex  more  lapidibus  elicere  nequiuerunt;  in  tantum  alterutraferri 
ac  petrae  coUisione  tardantes,  ut  cet.  und  so  gibt  sie  auch 
Sauppe  heraus.  Nichtsdestoweniger  erhebt  sich  ein  Bedenken 
gegen  das  Wort  ferri.  Denn  da  vorher  ausdrücklich  des 
Versuches  Feuer  zu  machen  blos  durch  das  Schlagen  von 
Steinen  (coiumssis  ex  more  lapidibus)  Erwähnung  geschieht,  so  ist 
man  mit  Recht  erstaunt,  wie  wenige  Worte  nachher  plötzlich 
das  Eisen  erwähnt  wird,  von  dem  doch  früher  gar  nicht  die 
Rede  war.  Bestätigt  wird  dieses  Bedenken  durch  die  I^esart 
der  anderen  Classe;  denn  es  fehlt  in  allen  Handschriften  der- 
selben das  Wort  ferri.  Die  Stelle  lautet  nach  der  Ueber 
lieferung  des  T:  aüerutra  ac  petr^  conlisione;  durch  die  Hinzu- 
fügung eines  einzigen  Buchstabens  an  das  entstellte  ac  erhalten 
wir  die  ursprüngliche,  dem  Zusammenhange  allein  entsprechende 
Lesart:  aüerutra  hac  petrae  conlisione  und  diese  Lesart  hat  noch 

1  Vgl.  Büdinger,  Kugipius,  eine  UnterBUchuDg  p.  9  f. 


Das  HftndftchriftenTerh&ltiuBS  der  Vita  S.  Sevarini  des  Eagxppias.  491 

A  und  Vallic.  gewahrt,  von  dem  oben  nachgewiesen  wurde, 
dass  er  auf  einen  andern  Codex  derselben  Classe,  deren  Ver- 
treter jetzt  T  ist,  zurückgeht.  Ueber  den  adjecti vischen  Ge- 
brauch des  reciproken  Pronomens  alteruier  in  der  späten  Latinität 
vgl.  TertulL  pudic.  2:  alteruf ra  oppositio;  id.  persec.  1:  alterutra 
diligentia.  C.  v.  Paucker,  Spicilegium  addendorum,  lex.  lat. 
Mit.  1875  (s.  V.)  und  M^langes  gr6co-rom.  III,  p.  608.  Der 
Sinn  der  Stelle  ist  klar  und  steht  mit  dem  Vorhergehenden 
im  £inklang:  ,durch  die  gegenseitige  Reibung  des  Steines 
hielten  sie  sich  so  lange  auf,  dass'  u.  s.  w.;  für  den  coUecti- 
vischen  Singular  petrae  habe  ich  allerdings  kein  Beispiel;  ist 
vielleicht  auch  petrae  fremder  Zusatz  und  aus  dem  Texte  zu 
entfernen?  Wie  die  Interpolation  ferri  in  der  Handschriften- 
classe  L  V^  entstand,  ist  unschwer  zu  erklären.  Offenbar  stand 
bereits  im  Archetypus  des  L  und  T  das  fehlerhafte  oc,  nach 
einer  in  lateinischen  Handschriften  sehr  häufigen  Corruptel; 
vgl.  Lachmann  zu  Lucrez  p.  156,  176,  178,  287,  411,  420.  Der 
Schreiber  der  Vorlage  des  L  und  V^  vermuthete  nun,  da  er  ac 
irrthümlich  für  die  Conjunction  ansah,  es  sei  etwas  ausgefallen. 
Was  war  nun  für  ihn  natürlicher,  als  ferri  einzuschieben? 
Dabei  entging  ihm  jedoch,  dass  er  durch  seine  scheinbar  so 
leichte  und  passende  Emendation  mit  den  unmittelbar  vorher- 
gehenden Worten  des  Eugippius  in  Widerspruch  gerieth. 

Noch  deutlicher  als  diese  Stelle  zeigt  eine  andere  durch 
die  Uebereinstimmung  eines  anderen,  sehr  alten  Zeugen,  dass 
T  den  Text  des  gemeinsamen  Archetypus  viel  treuer  über- 
liefert hat,  als  L  und  V^\  es  ist  dies  c.  XXXII,  2.  Die 
dort  mitgetheilte  Prophezeiung  Severins  gewissen  Vornehmen 
gegenüber  betreffs  der  Dauer  der  Herrschaft  Odoacars 
lautet  nach  der  Ueberlieferung  des  L\  respondentib]  ododcri 
odoäcer  integer  inter  trededm  et  quatuordedm  annos  uidelicet 
integritate  eius  regni  significans.  Sauppe  sucht  der  offenbar 
corrupten  Stelle  durch  Einschiebung  von  inquit  und  qui  auf- 
zuhelfen; doch  ist  dadurch  dieselbe  noch  keineswegs  geheilt. 
Vor  allem  fallt  integritatem  auf;  denn  die  Worte  von  uidelicet 
angefangen  müssen  offenbar  eine  Erklärung  und  Deutung  des 
Biographen  für  die  etwas  unklare  Prophezeiung  enthalten; 
in  dieser  Fassung  aber  erklären  sie  nichts,  sondern  wieder- 
holen tautologisch  mit  etwas  verändertem  Ausdruck  die  Prophe- 


492  KnftU. 

zeiung    und    sind   daher  ebenso  überflüssig,   wie  es  überflüssig 
wäre,  wenn  wir  sagen  würden:   ,König  Odoacer   wird  unver- 
sehrt sein  dreizehn  oder  vierzehn  Jahre;  damit  bezeichnete  er 
die  Unversehrtheit  seiner  Herrschaft';   und  hier  handelt  es 
sich  ja,    wie   der   Zusammenhang   lehrt,    blos   um   den  König 
Odoacer.     Dieser   Verdacht    gegen    tntegrttateni   wird   bestärkt 
durch  den  Umstand,   dass   der  anonyme  Excerptor  Valesii  be- 
reits  im  9.  Jahrhundert  in   seinem   Exemplar   der  Vita  nicht 
integritatem,   sondern  übereinstimmend  mit  der  anderen  Classe 
iniegri  las.   Die  Ueberlieferung  des  T  an  unserer  Stelle  lautet: 
respondentibus    odoucarem,    odoacar,    inquit    inUger    tredecim  et 
quattuordecim  annoa  uidelicet  integn  eins  regni  »ignißcatis.  Sehen 
wir  vorerat  von  dem  ersten  Theile  dieser  Stelle  ab;  die  Worte 
im  zweiten  Theile   geben  allerdings  in   dieser  Fassung  keinen 
Sinn;  doch  ist  meiner  Meinung  nach  durch  eine  leichte  Besse- 
rung der  letzte  Thoil   der  Stelle   vollständig   zu   heilen:  annot 
muss   ursprünglich   im   Texte    zweimal    gestanden    haben;   die 
Verwirrung   aber    war   bereits    im    Archetypus    beider  Classen 
entstanden,   dessen  Schreiber  annos  durch  Abirrung  der  Augen 
blos    einmal    geschrieben    hatte.     Es   ist   daher   zu    schreiben: 
tredecim   et  quattuordecim   annos:    annos    uidelicet    integri  dus 
regni  significansJ     Das  Passende  des  Sinnes   springt   sofort  in 
die  Augen:    ,Odoacar,    sprach   er,    wird    wohlbehalten    bleiben 
dreizehn    bis    vierzehn  Jahre';    der  Biograph    nun    ftigt,  offen- 
bar   um    den   Irrthum    fernzuhalten,  als   ob   die  Regierungszeit 
Odoacars  von    dem  Zeitpunkte'^   der  Prophezeiung   noch  drei- 
zehn bis  vierzehn  Jahre  dauern    werde,    bei:    ,damit  meinte  er 
nämlich    die    Jahre    seiner    ganzen    Regierung,    seine    voll- 
ständige Regierungszeit^     Der  erste    Theil    kann    kaum  mit 


1  K.  Zangemeister,  der  mit  Recht  dem  Vj  vor  dem  L  den  Vorzug  zu 
geben  scheint,  zieht  (Rhein.  Mus.  XXX,  31-1  f.),  wie  ich  uachtrag^Uch 
ersehe,  annoa  zu  dem  folgenden;  doch  scheint  mir  wegen  der  Unbe- 
stimmtheit der  Zeitangabe,  die  in  den  blossen  Zahlen  tredecim  et  quattuor- 
decim liegt,  annos  bei  demselben  unentbehrlich;  auch  nimmt  er,  obswar 
in  der  Hauptsache  der  Ueberlieferung  des  V^  folgend,  das  in  dieser  Hand- 
schrift fehlende  inter  in  den  Text. 

2  Dieser  kann,  wenn  das  in  der  Vita  Enthaltene,  wie  Sanppe  darthut, 
chronologisch  angeordnet  ist,  nicht  weit  von  dem  Lebensende  des  Hel- 
ligen entfernt  sein. 


Dm  HandschriffceDTerh&ltniBfl  der  Tita  S.  SeYerini  des  Eagippius.  493 

Sanppe  als  Frage  anfgefasst  werden.  Denn  dann  würden  wir 
Doth wendig  den  Accnsativ  Odoacremj  nicht  den  Nominativ  er- 
warten; dann  ist  aber  auch  die  Einschaltung  des  qui  vollständig 
überflüssig.  Auch  in  diesem  Theile  ist  die  Ueberlieferung  des 
T  gewiss  die  bessere  als  die  der  andern  Classe;  vielleicht 
dürfte  erit  zu  ergänzen  sein,  das  zwischen  integer  und  tre- 
decim  leicht  ausfallen  konnte;  doch  auch  ohne  erit  ist  der  Satz 
verständlich  und  ich  weiss  nicht;  ob  nicht  vielleicht  das  Aus- 
lassen desselben  beabsichtigt  ist,  um«  dem  Satze  etwas  Dunkles, 
Zweideutiges  zu  geben,  das  ja  gerade  für  eine  Prophezeiung 
passt;  man  müsste  dann  wohl  annehmen,  dass  et  in  dem  Sinne 
von  uel  stehe,  ein  Gebrauch,  der  aus  dem  Griechischen  wohl 
zu  belegen  (cf.  Dem.  27,  9:  ava  zevrs  piva;  xat  €?),  im  Latei- 
nischen aber  nicht  nachweisbar  ist.  Vielleicht  ist  jedoch  et 
aus  dem  sehr  ähnlichen  aut  entstanden.  So  würde  also  diese 
kritische  Stelle  nach  der  Ueberlieferung  des  T  lauten:  respon- 
dentibiis  fidoocaremf  ,Ofio<icar^  inquit  ,tnteger  tredeeim  et  (autf) 
qftattuordecim  annos^:  annoß  uidelicet  integri  eins  regni  signifi- 
cam.  Ist  die  Emendation  der  Stelle  die  richtige,  so  geht  aus 
derselben  hervor,  dass  T  die  Ueberlieferung  viel  besser  ge- 
wahrt habe,  als  der  Archetypus  von  L  V^,  der,  statt  das  Un- 
verstandene und  Fehlerhafte  getreu  zu  überliefern,  durch 
Correcturen  die  fehlerhafte  Ueberlieferung  zu  bessern  suchte. 
Dies  Verfahren  des  Archetypus  von  L  V^  lässt  sich  auch  noch 
aus  andern  Stellen  nachweisen ;  so  namentlich  auch  aus  c.  XLIU. 
Wie  bekannt,  war  Eugippius  von  dem,  was  er  in  seinem 
Commemoratorium  erzählt,  nicht  Augenzeuge,  sondern  er  hat 
seine  Nachrichten  ex  notissima  nobis  et  cottidiana  maiorum  rela- 
tione,  wie  er  in  seinem  Briefe  an  den  Diacon  Paschasius  §.  2 
sagt,  also  aus  der  Mittheilung  der  älteren  Brüder  des  Klosters. 
Büdinger  macht  nun  durch  eine  Zusammenstellung  der  Stellen 
(a.  a.  O.  p.  9)  wahrscheinlich,  dass  Eugippius  vielleicht  erst 
ia  den  späteren  Lebensjahren  Severins  mit  diesem  zusammen- 
icekommen,  von  diesem  aber  häufig  zu  kleineren  Missionen  ver- 
wendet worden  sei.  Die  einzige  Stelle,  worauf  diese  Annahme 
fusBt,  ist  die  Erzählunp:  von  dem  Lebensende  des  Heiligen; 
c.  XLIII,  9  heisst  es  nach  der  Ueberlieferung  des  L  und  V2: 
Snto  ü<iqtte  iduum  ianuariarum  die  in  hoc  ^iersiculo,  nobis  tUx 
retpondentibys,  quieuit  in  donano,    Nobis,  an  dem  noch  Niemand 


494  KnGll. 

AnstoBs   nahm,   ist  aber   auffällig   genug;    denn    weder  vorher 
noch   nachher   ist   irgend   eine  Notiz,    dass  Eugippius  an  dem 
Sterbebette   Severins    zugegen    war.     XLIII,  1    heisst  es  blos, 
dass  Severin   die  Brüder   um   sich   versammelt   habe  (fraJtra 
adesse  praecepit)'  ebenso  nach  der  Abschiedsrede  §.  8:cuncfos 
per  ordinem  ad  osculnm   suum  tu^sit   accedere;   desgleichen  im 
Folgenden:  ut  psallerent  imperautt  und  quibu»  maeroris  suffu- 
sione   cfmctantibus.     80   aber    schreibt   Eugippius    nicht,    wenn 
etwas  in  seiner  Gegenwart  geschehen  ist,  sondern  er  versäumt 
es  nie,  ausdrücklich   darauf  aufmerksam   zu   machen,   dass  er 
selbst  Augenzeuge  gewesen.  Man  vergleiche  c.  XLIV,  wo  er  von 
der  in  seiner  Gegenwart  vollzogenen  Oeffnung  des  Grabes  des 
Heiligen  berichtet;  dort  sagt  er  §.  6:  tantae  stuxmtatts  fragrantia 
amnts  nos  circumstantes   acceptt,   ut  ,  .  ,  .  prostemeremur  i» 
ten'a(m)  ....  integram  compagem  corpoHs  repperimui  .... 
gratian  rehilimus   omnium   conditori;   §.    7:   cundis  nobiseum 
prouincialibus  idem  iter  agentibus.     Und  c.  XLV,   2  unterlässt 
er  es  nicht  zu  betonen,  dass  er  zugegen  war,  als  das  Wunder 
in  Felethe    dem  Lucillus  gemeldet   wurde:  smulque  nobis  qiii 
cum  illo  eramus;   und   ebenso  im  Folgenden:   grafiarum  rettt- 
limus   acfionem.     Aus    diesen    Stellen    geht    hei-vor,    dass   der 
Biograph  nicht  versäumt,   es  ausdrücklich  anzugeben,  wenn  er 
bei  einem  Ereigniss  zugegen  war.    Ebenso  musste  er  auch  an 
den  erwähnten  Stellen  des  c.  XLIII  schreiben:  nos  adesse  prae- 
cepit;  cunctos  nos  per  ordinem  ad  osculum  suum  iussit  decedere: 
ut  psallerent 71 8  imperauit;  nobis  .  .  .  cunctantibus.    Gegen  die 
Ueberlieferung  von  L  Fj  nobis  besteht   also   gegründeter  Ver- 
dacht und,   nach  der  sonst  üblichen  Redeweise  des  Eugippius 
zu  schliessen,  kann  sie  unmöglich  richtig  sein.    Dieser  Anstoss 
schwindet  und  Alles  stimmt   aufs  Beste,   wenn  wir  die  Lesart 
des  T  einsetzen:   nostris  uix  respondentibus.     Zugleich  muss 
Jedermann  zugeben,  dass  nostris  aus  nobis  nicht  so  leicht,  dagegen 
nobis  aus  nris  =  nostris  sehr  leicht  entstehen  konnte.  Ist  dies 
richtig,    so  wird  auch  die  oben    erwähnte  Annahme  Büdingers 
schwankend,    die    er    speciell    auf  Grund   unserer   Stelle  aus- 
spricht.    Bei    dem    Tode    des    Heiligen    war    sein    Biograph 
wenigstens  nicht  anwesend. 

Die  Schlussworte  des  c.  XLIV  von  der  Verpflanzung  der 
römischen  Ansiedler  und  der  Ueberführung  des  Leichnams  des 


Pu  HandflchrifteiiTerh&UniHs  der  Vita  S.  Sdrerint  d«B  Eugippius.  495 

Heiligen  nach  Italien  lauten  nach  L  V^:  euehitur,  curictts  nobis- 
cum  prouincialibus  idem  iter  agentibus,  qui  oppidis  super  ripam 
danubii  derelictts  per  diuersas  Italiae  regiones  uarias  suae  pere- 
giinationis  sortiti  sunt  sedes  ,  sei  üaque  corpusculum  ad  castellum 
nomine  montem  feletem  multis  emensis  regionibus  apportatum 
est.  In  dieser  Ueberlieferung  ist  multis  emensis  regionibus  ein 
müBsiger  Beisatz;  denn  dass  einer,  der  von  der  Donau  oder 
auch  nur  von  Oberitalien  aus  bis  nach  dem  unbekannten 
Felethe,  das  wir  doch  wohl  an  der  Grenze  von  Mittel-  und 
Siiditalien  vermuthen  müssen,  viele  Gegenden  durchmisst,  ist 
selbstverständlich;  femer  enthalten  diese  Worte  eine,  wenn 
auch  vom  Leichname  des  Heiligen  hier  geltende,  doch  matte 
Wiederholung  des  früheren  per  diuersas  Italiae  regiones.  Ich 
glaube  daher,  dass  auch  diese  Stelle  durch  die  Emendations- 
sucht  des  Schreibers  der  Vorlage  des  L  und  V2  entstellt  ist, 
der  in  dieser  Unverstandenes  vorfand.  Dieses  Entstellte  ist 
nun,  wie  ich  glaube,  durch  T  und  seine  Classe  überliefert:  ad 
castellum  nomine  Felethem  mulsemensis  (sie!)  regionis  appor- 
tatum est;  regionis  haben  T  F|  Vall.,  und  es  ist  bei  Sauppe 
aus  Versehen  unter  den  Varianten  übei^angen.  Wenn  wir  von 
dem  offenbar  corrupten  mulsemensis  absehen,  so  ist  der  Ge- 
danke nach  dieser  Ueberlieferung  klar;  der  Genetiv  regionis 
ist  beigegeben  zur  Bezeichnung  der  Gegend,  in  der  Felethe 
lag:  ,der  Leichnam  des  Heiligen  wurde  nach  Felethe  gebracht, 
welches  in  der  Gegend  von  .  .  .  liegt'.  Diese  Lesart  enthält 
nichts  Müssiges,  wie  die  des  L  und  F2,  sondern  etwas  durch- 
aus Nothwendiges ;  denn  Eugippius  konnte  doch  nicht  voraus- 
setzen, dass  der  Leser  oder  auch  nur  Paschasius  dieses  sonst 
nie  erwähnte  Castell  kenne.  So  nothwendig  nun  auch  dieser 
Gedanke  erscheint,  so  rathlos  stehen  wir  vor  dem  Worte 
mulsemensis.  Was  verbirgt  sich  dahinter?  Hier  verlassen  uns 
die  Mittel  der  Nachforschung.  So  viel  scheint  jedoch  aus  dem 
Zusammenhang  hervorzugehen,  dass  dieser  Ort  nicht  gar  zu 
weit  von  Neapel  gelegen  haben  kann  und  dass  daher  an  Monte 
Feltre  in  Umbrien  kaum  zu  denken  ist. ' 

Sogar  auf  Eigennamen   hat   sich   die  Willkür   des   Inter- 
polators    der    Classe  L  V^  erstreckt.      Ich    meine    den   Namen 

^  iBt  Tielleicht  an  Molise  zu  denken? 


496  KD  5 11. 

Ferdet^chus,   der  in  L  V^  c.  XLII,  1.  2.  3.  XLIV,  1.  3  steht. 
Ich  kann  nämlich  nicht  mit  Büdinger  übereinstimmen,  der  diese 
Form  des  Namens  für  die  correcte   hält,    während   die  andere 
Frederictut   durch  , Abschreiberweisheit'   entstanden  sei.  *    Denn 
die    deutschen    Eigennamen    sind    Composita   und  lassen   sich 
ausnahmslos  betreffs  ihrer  Ableitung  erklären.  ^   Bei  dem  Namen 
Ferdevxichus  aber   sucht   man    umsonst   nach    einer   Ableitung: 
'Uchus  könnte  allerdings   -wi^^chus    sein,    wie   Mundiuchus,  Gun- 
di'ucus  (vgl.  Müllenhoff  in  Haupt's  Zeitachr.  X,  160);  der  erste 
Theil  Ferder  jedoch  ist  unerklärlich.  Offenbar  beruht  vielmehr 
diese    Form,   nicht    aber  Fredencus,    auf  Entstellung;   dieselbe 
ist    durch  Aspirirung  des   c   und  Umstellung   von  e  und  r  aus 
der   Namensform  FredericuSy   die   die  andere    Classe    hat,  ent- 
standen.    Der  Grund  dieser  Entstellung  lag  wahrscheinlich  in 
dem  Umstände,   dass  Oheim   und  Neffe,   Bruder  und  Sohn  des 
Königs  Feba,  denselben  Namen  fuhren.    Die  Söhne  aber  nach 
den  Brüdern  oder  Schwägern  zu   benennen,   ist  gut   altgerma- 
nischer  Brauch;  vgl.  Nibel.  660  und  662  (Lachmann): 

den  Ute  man  do  taufen  und  gap  im  einen  namen 
Günther  nach  ^nem  ceheim. 

Vgl.  überdiess  Tac.  Germ.  c.  20;  Beispiele  geben  alle  alten 
Genealogien.  Die  Auffälligkeit,  dass  c.  XLIV  ein  Frederiaa 
den  andern  vertreibt,  hat  wohl  die  Entstellung  des  Namens 
in  L  V^  veranlasst.  Es  ist  also  auch  hierin  die  Ueberlieferung 
des  T  die  ursprüngliche,  richtige,  die  von  L  V2  dagegen 
durch  Interpolation  entstellt.  Ebenso  müssen  auch  einige 
dem  classischen  Latein  zwar  fremde,  im  Vulgärlatein  aber 
gebräuchliche  und  gut  belegte  Wortformen,  die  die  Classe 
der  Bobbienser  Handschriften  erhalten  hat,  als  die  ursprüng- 
lichen, vom  Autor  herrührenden  angesehen  werden.  Ich  meine 
die  Genetivformen  osstium  (VI,  1)  und  mensuum  (XXVI,  2).' 
An  beiden  Stellen  haben  L  Fj  die  gewöhnlichen  Formen  auf 
lum;    offenbar    ist    die    Abänderung    derselben    und    die    Sub- 


'  Eng^pins,  eine  üntersnchnng  p.  10. 

^  Ich    verdanke    nachfolgende    Angaben    der    gütigen    Mittheilnn|r    iDeiner 

Frennde,  der  Professoren  Jnlins  Znpitza  in  Berlin  und  R.  v.  Mnth  in  Wien. 

3  Ueber  diese  Formen  vgl.  man  H.  Roenscb,  Itala  und  Vulgata.  2.  Anfl.  p.  26ö. 


Dm  RandschriftenTerhriltniBB  dwr  Vita  8.  S«y(«nni  il<>fi  EngippinR.  497 

stituirung  der  gebräuchlicheren  Form  der  Interpolation sthätig- 
keit  des  Schreibers  des  Archetypus  von  L  V^  zuzusehreiben; 
denn  das  Gegentheil  anzunehmen,  dass  die  selteneren  Formen 
erst  durch  einen  Abschreiber  in  die  Ciasso  T  F,  eingedrungen 
seien,  ist  doch  wenig  wahrscheinlich.  Dasselbe  gilt  wolü  auch 
von  den  Gen.  plur.  der  substantivirten  Participia  praesentis.  Auch 
hier  ist  es  das  durchaus  Wahrscheinlichere,  dass  die  selteneren, 
dichterischen  Formen  auf  nm  die  ursprünglichen  sind,  die  ge- 
wöhnlichen auf  inm  dagegen  erst  der  bessernden  Hand  des 
Schreibers  des  Archetypus  von  L  V^  ihren  Ursprung  danken. 
An  zwei  Stellen  hat  sich  die  Form  auf  um  auch  in  L  erhalten: 
fafenfnm  XI,  5;  egentum  XVII,  1.  Dieselben  Formen  hat  die 
Classe  T  V^  noch  an  folgenden  Stellen:  V,  4  adiursantum'^ 
XXVIII,  3  mimstrantnm]  an  beiden  Stellen  haben  L  V2  über- 
einstimmend mit  dem  bekanntlich  sehr  interpolirten  A  die 
Formen  auf  tum. 

Aus  diesen  Gründen  scheint  mir  demnach  der  gemein- 
same Archetypus  in  den  Bobbienser  Handschriften 
und  stellenweise  in  A  getreuer  überliefert,  als  in  der 
Classe  L  Fj,  und  ich  halte  dafür,  dass  nach  jener 
Classe  und  ihrem  Hauptvertreter  T  mit  stellenweiser 
Zuhilfenahme  des  Cod.  A  der  Text  der  Vita  zu  ge- 
stalten sei;  umsomehr,  als  wir  an  der  Hand  dieser  Classe 
mit  den  Lesarten  derselben  vollständig  ausreichen, 
ohne  gezwungen  zu  sein,  zu  der  anderen  Classe  die 
Zuflucht  zu  nehmen;  während  Sauppe,  wie  bereits  oben 
erwähnt,  an  zahlreichen  Stellen  zu  den  Lesarten  des  \\  greifen 
muss,  wo  der  L  offenbare  Fehler  überliefert. 

Dass  der  Text  des  gemeinsamen  Archetypus  beider  Classen 
bereits  an  verschiedenen  Stelleu  corrupt  gewesen  sei,  ist  schon 
früher  bemerkt  worden;  doch  wies  er  noch  an  anderen  Stellen 
als  den  oben  erwähnten  Verderbnisse  auf,  die  dann  gemeinsam 
in  beide  Classen  sich  verpflanzten ;  ich  erwähne  hier  beispiels- 
weise Ep.  Eug.  §.  6  dicturos  statt  des  von  Sauppe  hergestellten 
richtigen  ducturos]  XII,  2  überliefern  sämmtliche  Handschriften 
docetis]  Sauppe  vermuthet  d^et'^  doch  scheint  vielmehr  Eugippius 
docet  iste  geschrieben  zu  haben;  unter  dem  iste  ist  der  un- 
mittelbar vorher  erwähnte  Prophet  (Joel)  gemeint;  isfe  in  ähn- 
lichem Sinne   (=  hie,  is)   gebraucht  Vita  XXII,  3:  In  tavtum, 

Sitmigaber.  d.  p^L-bist.  Ol.  XCV.  Bd.  I.  Hffc.  32 


l 


498  RdöU.  P&s  HandüchrifteinT^rhäUniim  der  ViU  S.  SeT(«rini  des  Engippiat. 

ut  locus  iste  uiolandus  sii;  nam   in    haptiftterio   loqudmtur^  v^l 
Hartel,  Index  zu  Cyprian  8.  v.    Verderbt  rauss  der  Archetypus 
auch  in  XXIX,  2  gewesen  sein ;  dort  heisst  es  nach  der  Ueber- 
lieferung  aller  Handschriften  beider  Classen,  dass  der  Bär,  der 
die  Noriker,  welche  Kleider  für  die  Armen  dem  Heiligen  über- 
brachten, aus  der  Lebensgefahr  rettet,  denselben  durch  200.000 
römische  Doppelschritte  (per  ducent/i  ferme  milia),    also  durcb 
39  bis  40  deutsche  Meilen,  den  Weg  gezeigt  habe.    Dies  aber 
ist  ganz  unwahrscheinlich   und  stimmt  auch  mit  den  folgenden 
Worten   des  Autors    nicht   überein;    denn    §.  3   heisst  es,  der 
Bär  habe  sie  bis  zu   den  Behausungen    der  Menschen  gefuhrt 
(usqu4>  ad  hahüanda  hovnnnm  qua  potvit  humanifate  perdimt): 
da  wir  aber  nicht  annehmen  können,  dass  damals  in  den  Alpen 
eine  Wüste  von   40   deutschen  Meilen    in    der  Länge   oder  in 
der  Breite  existirt  habe,  so  ist  die  Zahl  offenbar  verderbt.  Dies 
sah   K.  Roden  borg   richtig   und   setzte   statt   dticenta   in   seiner 
Uebersetzung  ,12  (wohl  römische)  Meilen*.  Möglich  ist  es  aber 
auch,    dass  ursprünglich    II  vom  Autor   geschrieben    war;  ein 
Abschreiber  verwechselte  nun  die  etwas  nach  rechts  gebogenen 
Striche  und   las  statt  deren  cc  =  ducenta.     An   und   für  sich 
bleibt  das  Wunder  auch  so  gross  genug,  dass  ein  Bär  die  an 
Rettung  Verzweifelnden  fast   eine  halbe  deutsche  Meile  bis  zu 
den  Wohnungen  der  Menschen  geleitet. 

Der  Stellen,  welche  beweisen,  dass  der  Text  bereits  im 
gemeinsamen  Archetypus  beider  Ilandschriftenclassen  nielit 
fehlerfrei  war,  Hessen  sich  noch  mehrere  anführen;  doch  da 
diese  in  der  Ausgabe  Sauppe's,  der  sie  meist  richtig  emendirte, 
bereits  angegeben  sind,  und  da  der  Umfang  dieses  Aufsatzes 
die  Grenzen  des  ihm  bestimmten  Raumes  überschritten  hat,  s<> 
breche  ich  ab.  Es  ist  also  der  Text  der  Vita  in  keiner  der  un? 
bis  jetzt  bekannten  Handschriften  fehlerfrei  überliefert:  doch 
ist  Codex  Taurinensis  als  der  relativ  fehlerfreieste  Vertreter 
der  besseren  Handschriftenclasse  der  Herstellung  des  Textes 
der  Vita  zu  Grunde  zu  legen. 


Die  Sitzungsberichte  dieser  Classe  der  kais.  Akademie 
der  WiBsenschaften  bilden  jährlich  10  Hefte,  von  wel- 
chen nach  Maassgabe  ihrer  Stärke  zwei  oder  mehrere 
einen  Band  bilden,  so  dass  jährlich  nach  Bedürfhiss 
2  oder  3  Bände  Sitzungsberichte  mit  besonderen  Titeln 
erscheinen. 

Von  allen  grösseren,  sowohl  in  den  Sitzungsberich- 
ten als  in  den  Denkschriften  enthaltenen  Aufsätzen 
befinden  sich  Separatabdrücke  im  Buchhandel. 


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WIEN,  1879. 


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DRUCK  VON  ADOLF  H0I.ZHAD8EN 

K.   K.   UNIVKRSITÄTSRnCMORUCXKREI. 


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S^'^^i^. 


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Ausgegeben  am  20.  December  1879. 


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SITZUNGSBERICHTE 


DEB  KAISERLICHEN 


4K4DENIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


i 


PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE  CLASSK 


XCV.  BAND.    HEFT  II— IV. 


JAHRGANG  1879.  —  OCTOBER,  NOVEMBER,  DECEMBER. 


WIEN,  1880. 


k' 


IN    COMMISSION   BEI   CARL    6£R0LD*S   SOHN 

BUCHHZnDLKB  DBB  KAIB.  AKADBMIE  DEB  WI88ENSCHAPTEV. 


Ausgegeben  am  20.  April  1880. 


XIX.  SITZUNG  VOM  8.  OCTÜBER  1879, 


Der  Präsident  bcgrüsst  im  Namen  der  Classe  das  neu 
eing^etretene  Mitglied  Herrn  Professor  Dr.  Richard  Heinzel, 
und  gedenkt  des  Verlustes,  den  die  Akademie  durch  den  Tod 
des  w.  M.  Hofrathes  Fenzl  erlitten  hat,  worauf  die  Mitglieder 
>ich  von  ihren  Sitzen  erheben. 

Die  Dircctionon  des  k.  k.  Staatsgymnasiums  in  Hernais, 
<les  Mariahilfer  Conimunal  Real-  und  Obergymnasiums  in  Wien 
und  der  k.  k.  böhmischen  Lehrerincnbildungs- Anstalt  in  Prag 
sprechen  den  Dank  aus  für  die  Ucberlassiing  einzelner  aka- 
demischer Publicationen. 

Der  k.  k.  Hofrath  und  Director  der  k.  k.  Familien-Fidei- 
commiss-Bibliothek  Herr  Dr.  M.  A.  Ritter  von  Becker  über- 
sendet die  Fortsetzung  des  als  Manuscript  gedruckten  Catalogs 
der  vereinten  kais.  Familien-  und  Privatbibliothek.  (Band  II, 
Ablheilung  2). 

Von  Herrn  Alexander  Lombard  in  Genf  wird  sein  eben 
erechienenes  Werk:  ,Paulicicns  Bulgares  et  Bons-Hommes  en 
(Orient  et  en  Occident',  eingesendet. 


Die  Direction  des  k.  k.  militär-geographischen  Institutes 
übermittelt  zwölf  weitere  Blätter  der  Spccialkarte  der  Öster- 
reichisch-ungarischen Monarchie. 

Herr  Regierungsrath  Dr.  Constant  Ritter  von  Wurz- 
bach legt    den   39.   Band   des    biographischen   Lexikons    mit 

33* 


502 

dem   Ersuchen   um  Gewährung   des   üblichen   Druckkostenbei- 
trages  vor. 

Von  dem  w.  M.  Herrn  Dr.  A.  Pfizmaier  wird  eine  für 
die  Denkschriften  bestimmte  Abhandlung:  ,Der  Anfang  der 
japanischen  Erklärungen  der  Werke  des  kleinen  Sprechens^ 
vorgelegt. 

Das  w.  M.  Herr  Hofrath  Ritter  von  Miklosich  legt  eine 
für  die  Denkschriften  bestimmte  Abhandlung  vor:  ,Uber  die 
Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europas,  IX. 
Lautlehre  der  Zigeuner-Mundarten^ 


An  Drucksohriften  wurden  vorgelegt: 

Acad^mie  royale  des  Sciences,  des  Lettres  et  des  Beaox-Arts  de  Belgxqae: 
Bulletin.  48«  Ann^e,  2«  S6rie,  Tome  47.  Nr.  6.  Tome  48.  Nr.  7.  Broxelles, 
1879;  80. 

Academy,  the  American,  of  arts  and  sciences:  Proceedings.  N.  S.  Vol.  VI. 
Whole  series.  Vol.  XIV.  from  May  1878  to  May  1879.  Boston,  1879;  S\ 

—  the  royal  Irisch:  Proceedings.  Vol.  I,  Ser.  II,  Nr.  13.  April,  1879. 
Dublin;  8«.  —  Vol.  III,  Ser.  II,  Nr.  3.  Juli,  1879.  Dublin;  8«.  —  Tran»- 
actions.  Polite  Literature  and  Antiquities.  Vol.  XVII.  February  and  April 
1879.  Dublin;  8». 

Akademie  der  Wissenschaften,  königl.  bair.,  zu  München:  Sitzungsberichte 
der  philosophisch-philologischen  und  historischen  Classe.  1879.  Heft  IL 
München,  1879;  S^. 

—  —  königl.  preussische,  zu  Berlin:  Monatsbericht  Mai  und  Juni  1879. 
Berlin;  8». 

Familien-  und  Privat-Bibliothek  Sr.  Majestät  des  Kaisers:  Die  Sammlungen. 

IL  Band.  2.  Abtheilung.  Wien,  1879;  Folio. 
Gesellschaft,    k.  k.  mähr.-schles.,  zur  Beförderung  des   Ackerbaues,    der 

Natur-  und  Landeskunde:  Carl  von  Zierotin  und  seine  Zeit  1564  —  1615, 

▼on  Peter  Ritter  von  Chlumecky.  Zweiter  oder  Beilagen-Band.  Brunn. 

1879;  80. 
Institut,  deutsches  archäologisches:  Geschichte  1829—1879.  Festschrift  zum 

21.  April  1879.  Berlin,  1879;  4«. 

—  njitional  genevois:  M^moires.  Tome  quatorzieme.  1878/79.  Gen^ve,  1879;  4'. 
Institution,  royal,  of  Great-B ritain :  Proceedings.  Vol.  VIII,  Parts  V  et  VI. 

Nros.  68  et  69.  London,  1878 ;  8^.  —  List  of  the  Members,  OfiScers  and 
Professors;  with  the  Report  of  the  Visitors  etc.  in  1877.  London,  1878;  K*'. 
Lombard,   Alexandre:    Pauliciens  Bulgares  et  Bons-Hommes  en   Orient  et 
en  Occident.  Geneve  et  Bäle.  Paris,  1879;  8^. 


503 

Mittheilnn^en   aua  Jnstus  Perthes*    geogpraphischer    Anstalt   yon   Dr.    A. 

Petermann.    XXV.  Band,  1879.  VII,  VIII  and  IX.  —  ErgSnzangsheft 

Nr.  68.  Gotha;  4^ 
3^vae  politique  et  litt^raire*   et    ,Reyne  scientifiqne    de    la  France    et   de 

FEtranger*.    IX*  Ann^e,  2*  S^rie.    Nr.  3—14.    Paris,  1879;  4^ 
Societk  italiana  di  Antropologia,  Etnologia  e  Psicolog^a  comparata:  Archivio. 

VoL  IX,  Fascicolo  II.     Firenze,  1879;  8". 
Society,    the  royal   geographica! :  Proceedings  and  monthly  Record  of  Geo- 

graphy.  VoL  I.    Nros.  8  et  9.    London,  1879;  8^ 
Verein    fiir  Hamburgische    Geschichte:    Mittheilungen.    IL   Jahrgang    1879. 

Nr  7,  8  und  9.  Mai,  Juni,  Juli.  Hamburg;  8». 

—  historischer,  für  Steiermark:  Beiträge  zur  Kunde  steiermärkischer  Ge- 
schichtsquellen. XVI.  Jahrgang.  Graz,  1879;  8**.  —  Mittheiinngen. 
XXVII.  Heft.  Graz,  1879;  4». 

—  historischer,  für  das  Grossherzog^hum  Hessen:  Archiv  für  hessische  Ge- 
schichte und  Alterthumskunde.  XIV.  Band.  3.  Heft.  Darmstadt  ,1879;  80. 


XX-  SITZUNG  VOM  15.  OCTOBER  1879. 


Herr  Giovanni  Prato  in  Trient  übersendet  mit  Begleit- 
schreiben seine  italienische  Uebersetzung  des  von  weiland  Carl 
Ritter  von  Gebier  verfassten  Werkes:  ^Galilei  und  die  rö- 
mische Curie'. 

Das  w.  M.  HeiT  Hofrath  Ritter  von  Höfler  in  Prag  über- 
mittelt fUr  die  Sitzungsberichte  die  sechste  der  ^Abhandlungen 
aus  dem  Gebiete  der  alten  Geschichte.  Kritische  Bemerkungen 
über  den  Zosimos^ 

Von  Herrn  August  Hausdorf  in  Prag  wird  eine  Ab- 
handlung unter  dem  Titel:  ^Beiträge  zur£xegese  des  biblischen 
Paradieses  Eden'  eingesendet. 


Herr  Dr.  Adalbert  Horawitz,  Docent  der  Wiener  Uni- 
versität, legt  eine  Abhandlung  ,£rasmiana  II'  vor  und  ersucht 
um  deren  Aufnahme  in  die  Sitzungsberichte. 


rm 


An  Druckschriften  wurden  vorgelegt. 

Academia  real  da«  Sciencian:  Supplemento  a  Collcc^ao  dos  Trat&dos,  CVr- 
▼cn^oe«,  (üontratoR  e  Actos  pnblicoR  cplebrados  cntre  a  CorAn  de  Portn^sl 
as  mais  potonoia»  desde  1640;  polo  Visconde  de  Borges  de  Castro  et 
continnada  por  Julio  Firmino  Judice  Rikor.  Tome  IX— XIII.  LL>b«,i, 
1872—1878;    8". 

Academie  des  Inscriptions  et  Bellcs-Lettres :  Comptes  rendu«.  IV.  Stm. 
Tome  VII.  BulleUn  d'Avril,  Mai  k  Juin.  Pari»,  1879;  8". 

—  royale  des  Sciences,  des  Lettre«  et  des  Beaux-Arts  de  Belg'iqne:  Bulletin. 
48«  Annee,  2«^  Serie.  Tome  48.  Nr.  8.  Bnixelles,  1879;  8'\ 

—  royale,  de  Copenbague :  Oversigt  over  det  Forliandlingar  og  dcta  Mpdlem- 
mers  Arbejder  i  Aaret  1879.  Nr.  2.    Kjöbenhavn;  8^ 

Akademie  der  Wissenschaften,  königl.  preussische,  zu  Berlin:  Abhandlun- 
gen, 1878.  Berlin,  1879;  4^  —  Politische  Correspondenz  Friedrirb 
des  Grossen.  II.  Band.  Berlin,  1879;  4«.  —  Kitai  und  Karakitai:  eic 
Beitrag  zur  Geschichte  Ost-  und  Inncrasicns  von  W.  Schott.  Berlin. 
1879;  4^ 

Akademija  jugoslavenska  znanostl  i  nmjetnosti:  Rad.  Knjiga  XLVÜl 
U  Zagrebu,  1879;  8'». 

Biblioth^que  de  l'Ecole  des  Chartes:  XL''  Annee,  3«  Lirraison.  Pari? 
1879;  8t'. 

—  des  Ecolcs    fran(;aises    d'Athones   et   de   Rome:    Fascicules   IIP  k  VII'. 
Paris,  1879;  8^ 

Ferdinande  um     für     Tirol     und     Vorarlberg:     Zeitschrift.    Dritte   Kf%. 

XXIII.  Heft.  Innsbruck,  1879;  8". 

Gesellschaft,  königliche,  der  Wissenschaften  zu  Göttingen.  Abhandinngen. 

XXIV.  Band  vom  Jahre  1879.    Göttingen;  4^ 

Institute,    Anthropological    of   Great    Britain    and    Ireland:    The  Jonnal. 

Vol.  VIU.  Nr.  4.  Mai,  1879.  London;  8^ 
Roumont,  Alfredo:  La  Biblioteca  Corvina.  Memoria.   Firenxo,  1879;  S^ 
Socicte  des  Sciences  de  Finlande:    üfversigt  of  Förhandlingar.  XIX  et  XX 

187G/77,  1877/78.  Helsingfors.  1878;  8^'. 
ITpsala,  Universität:  Schriften  pro  1877.  41  Stück.  8«  und  12^ 
Verein,  historischer  für  Schwaben  und  Ncnburg:    Zeitschrift.  V.  Jahren?. 

1.— 3.  Heft.  Augsburg,  1878;  8". 

—  kroatisch*archHologischer:  Viestnik.  Godina  I.  Sv.  4.  ü  Zagrebu,  1879;  > . 

—  historischer,  in  St.  Gallen :  Urkundenbuch  der  Abtei  SL  Gallen.  Theil  III. 
Lieferung  4  und  5.  129G  — 1330.  Bearbeitet  von  Hermann  Wartmano. 
St.  Gallen,  1878;  4^  —  Aus  alten  und  neuen  Zeiten.  Culturgeschichtliche 
Skizzen.  St.  Gallen,  1879;  4^  —  Continuatio  Casuum  sancti  Galli  Con- 
rad! de  Fabaria;  herausgegeben  durch  Gerold  Meyer  von  Knonan. 
St.  Gallen,  1879;  8^ 


Gebaaer.  Nominale  Forttfen  des  altböhmiirlieii  Comparatirs.  505 


Nominale  Formen  des  altböhmischen  Comparativs. 


Von 

Dr.  Joh.  Gebauer. 


Oas  slavische  Adjectivum  ist  der  oominalen  und  zu- 
sammengesetzten Declination  fähig  und  der  Unterschied  zwischen 
beiden  Formen  ist  ein  syntaktischer;  vgl.  Miklosich,  Gramm. 
IV.  132  ff.  Das  Böhmische  stimmt  hierin  mit  dem  Altslove- 
nischen  im  Ganzen  überein,  obwohl  mit  Einschränkungen,  die 
mit  der  Zeit  immer  grösser  werden,  indem  nominale  Formen 
immer  mehr  und  mehr  durch  zusammengesetzte  ersetzt  werden. 

Für  den  Nominativ  finden  sich  die  häufigsten  Beispiele 
im  Prädicat,  wo  nominale  Adjectivformen  Regel  sind;  z.  B. 
jsa  kjrpr  *a  crstv  Stit.  uö.  ^  105%  tam  ijeden  chud  nenie,  ani 
ölep,  ani  belhav,  ani  kterym  neduhem  nezdräv,  ani  proö  truchel 


^  Die  meisten  der  hier  berücksichtigten  Sprachdenkmäler  sind  in  der  Er- 
klärung der  Abkürzungen  bei  meiner  Abhandlung  ^Ueber  die  weichen 
a-,  o-  und  tf -Silben  im  AltbÖhmischenS  Sitzungvber.,  phil.-hist.  Cl.  XCIIIBd. 
S.  299—301  (S.-A.  S.  1—3)  angeführt,  namentlich:  Alx.  =  altböhm. 
Aiexandreis  und  AlzB.,  AlxBM.,  Alx§.,  AlxY.  =  handscbrifUiche 
Fragmente  derselben;  —  AnS.  =  Marien-(Anna-)Legende ;  —  Ap.  = 
Apostellegende;  —  OEvang.  =  Ötenie  evangelii,  Winterperikopen ;  — 
Dal.  =  die  Reimchronik  Dalimirs  und  DalC  =  die  Cambridger  Hand- 
schrift derselben,  DalJ.  =  die  Ausgabe  J.  Jire^ek's  1878;  —  Hrad. 
^=  mkopis  Hradeck^S  die  s.  g.  Königgrätzer  Hs.;  —  Jid.  s=  Jndas- 
legende;  —  Kat.  -=  Leben  der  heil.  Katharina;  —  Mast.  =  MastiSk&f, 
der  Quacksalber;  —  Modi.  =  Modlitby,  altböhm.  Gebete;  —  NBada 
=  der  Neue  Rath  (1459);  —  Pass.  ^=  das  älteste  böhm.  Passionale;  — 
Stit.  =  §tltn^,  Stft.  j^.  und  §tft  u«.  =  desselben  reci,  Homilien  (1392) 
und  udeni,  Lehren  (1376);  —  i^Klem.  =  der  Klementiner  Psalter. 
Ausser  diesen  werden  hier  noch  citiert: 


506  OebftttAr. 

Stit.  V.  107,  ai  stdr  a  indel  budu  129,  byv  silen  bade  medl 
Alb.  21%  jsa  stdr  a  medl  chce  jeiie  tancovati  43%  jsi  scedr 
Modi.  37^,  dnes  2iv  i  mrtv  budeä  Alx.  u.  b.  w.  Vom  Positi? 
ist  diese  Regel  bekannt;  im  Folgenden  soll  sie  vom  Com* 
parativ  (und  Superlativ)  nachgewiesen  werden. 

Sing.  masc.  Dem  asl.  mqdrtlj  und /^ory  entspricht  böhm. 
m'6d¥eji  und  hori.  Der  Unterschied  zwischen  asl.  mqdrPj  und 
aböhm.  müdröjt,  und  ebenso  zwischen  dem  verlangten  hofxixA 
dem  vorhandenen  hoH  liegt  in  der  Endung  -t.  Diese  wird 
morphologisch  verschieden  gedeutet,  aber  in  syntaktischer  B(n 
ziehung  ist  es  sicher,  dass  Formen  auf  -i  im  Altböhmischen 
regelmässig  nur  im  Prädicat  vorkommen,  also  in  einer  Stellung, 
wo  der  Positiv  deutlich  die  nominale  Form  zeigt,  und  dass  der 
zusammengesetzten  Form  des  Positivs  regelmässig  der  Coui- 
parativ  auf  -Si  entspricht:  v&^Si  Jakub  wie  veliky  Jakub,  da- 
gegen Jakub  jest  veci  wie  Jakub  jest  velik.  Auf  Grund  dieser 
syntaktischen  Geltung  will  ich  die  Formen  müdreji  Jiofi  u.  ä. 
unter  den  nominalen  anführen. 

Z.  B.  bielegi  nei  snieh  bude»  Pass.  469,  d.  i.  hielejl;  kai- 
d^mu  blizzij  jest  den,  v  üemi  m&  duSe  z  t^la  vyjiti,  neiü  j 
kdy  byl  Stit.  f.  ü6^,  d.  i.  bh'H-^  jelik2  kto  pf isel  jest  k  t^  milosti, 
s  tolik  jest  blyzy  boha  Stit.  uö.  99^;  z  nichz  ka^dy  boliatieg}'  utee 
tv6ho  jest  Kat.  30,  d.  i.  hohateji]  öim  kto  dali  jest  StitV.  7i^; 
dali  jsa  od  vody  ne  tak  brzo  utone  a  dali  jsa  od  ohnö  ne  tak 
brzo  s6  seiie  212;  6im  kde  dalsi  pravda,  tiem  dalegy  buch  Stit, 
uö.  86*^,  d.  i.  ddleji]  toho  dölnika  oko  tiem  ndm  jest  ukrutnöjse, 
$im4  ndm  pAn  bude  dobrotywyegij  Stit.  f.  110*,  d.  i.  drßhro- 
tiveji'j    £im    kto    piln^jie    beziehe    poslüchd    pfikizanie,    tiem 

Alb.    =    RAj  duse,  Alberti  Mag*!!!  ParadisUH  animae,  Codex  der  Präger 

Universitätsbibl.  17.  A.  19;  14.  Jahrb. 
Aixp.  =  Prosa-Erzählung  von  Alexander  d.  Gr.,  Pilsen  1613. 
'  Bläh.  =  Jan  Blahoslav;   seine  Grammatik  beendet   1571,   heraa^li:.  von 

'  J.  Jirecek  u.  J.  Hradil  1857. 

Bm.  =  Barlaam,  Prag.  1593. 
Mat  =  Eyangeliam  s.  Matthaei  mit  Homilien,  Pr.  Unirersitati-Bibl.  17. 

A.  4,  14.  Jahrb. 
ätftV.  =  ätftnj^'s  Knihy  nanfenf  k?est.,  nach  einer  Handschrift  v.  J.  U5(> 

berausg.  von  A.  J.  Vrt/itko,  Prag  1873. 
Troj.  =  Kronika  Trojanskä,  Prag.  1488. 
Yfh.zs:  YfhoT  z  literatury  5e0k^. 


Nominale  Formen  <1eii  altbAhmiHchen  OomparatiTS.  507 

dostoynyegij  jest  Ötit.  f.  80,  d.  i.  döstojneji'^  jeden  stav  duo- 
stoynyegy  jest  ne^li  druh;^  Stit.  uö.  97*,  sdm  sa  nade  v&e 
zlato  drazy  AlxV.  156^,  d.  i.  d/rcdi]  on  (bude)  bohu  znäm&ji  a 
hodnyegy  Alb.  6,  d.  i.  hodnSj^  ie  säm  jest  toho  vUdnuti  hod* 
niegi  Troj.  126*;  ten  (Ihdf)  jest  horzy,  neS  iSAdnV  zlodfej  Alb. 
23,  d.  i.  hoH\  by  k  tomu  hotowyegij  Stit.  r.  119%  d.  i.  hotov^ß'^ 
budef  kaidy-  hotowiegi  k  tv^mu  ctn^mu  NRada  76;  protoi  jest 
boh  nebyl  chuzi  Rada  Otce  V^b.  1.  926;  to  na  iiem  zname- 
naji,  ei  jest  vSeho  sv^ta  krassy  Kat  20,  d.  i.  kraSi]  möj  chof 
naykrassy  jest  62;  kto2  panuje  nad  svü  mysli,  lepij  jest  ne2li 
ten,  jefito  silü  m^sta  dob^^vA  Stit.  f.  129*,  d.  i.  lep{;  lepij  sem 
za  to  iivoi  dada,  nei  bych  s^  tobö  pronev^ril  Stit.  ü6.  104*; 
kto£  pHjma  (chleb)  v  svätosti  nepHjme  duchovnö,  byl  by  lepy 
i  sv&tosti  neprijimaje  32*;  lepy  mohuty  sedl&k  nei  vladyka 
chudj^  97*;  tak  by  lepy  byl  nejsa  u  mie,  nei. .  118*;  ktoÄ  by 
nepokorng  chudobu  trpöl  svi  rozdada,  ten  by  lepy  byl,  by  byl 
nikdy  nerozdival  141*;  lepy  sem  2'  ot  nich  pohynu  AlxBM.; 
lepi  stav  panensky  ne2  man^elsk^  StitV.  10;  lepi  jeden  ptik 
V  ruce  ne4  dva  letic  261;  aby  liuheji  byl  /Klem.  58*;  byl  by 
velim  viece  mdlegij  AlxB.  88,  d.  i.  mdUji\  ölovÄk  je  vidy 
mdleji^  mdleji^  proti  hfiechu  HtitV.  129;  2e  j'  menij  otce  Stit 
r.  25*,  d.  i.  ni69ii;  (Kristus)  v  tom  pfirozeni,  v  öemi^  jest  menij 
otce,  byl  poddän  sv^m  starostdm  80*;  boh  nemdi^  sebe  meni 
byti  Stit.  Vjh.  1.  669;  ubyti  f  jeho  nemö2,  by  meni  byl  eb.; 
z'  by  ani  mohl  meni  byti  eb.;  nemohl  by  meni  bj^ti  Stit  Koz- 
bor  677;  miloativSji  jest  hospodin  bojiucim  jeho  ZKlem.  82*; 
kterej  jest  kdy  mylegy  byl  kter^  chof  Kat.  130,  d.  i.  mileji'^ 
b6h  jemu  bude  mylegy  Alb.  6;  byl  sem  mlazy  a  ji2  sem  s6 
Bstaral  Stit.  uö  18*,  d.  i.  mlazi]  (diabel)  jest  mocznyegy  ne2  ty 
Pass.  358,  d.  i.  mocnSji'j  miidi^  müd^iji  bude  DalJ.  4,  ÖtltV. 
53;  by  byl  mudrzegij  Stit.  r.  81*;  mdj  najmenSi  sluha  mudrzegy 
jest  Kat  46;  am  jest  kto  pijlnyegij  Stit  f.  35*,  d.  i.  pÜnSß] 
tiem  bude  podobnyegy  ölovek  k  andölöm  Stit.  uö.  105*,  d.  i. 
podobnyi'j  svatj^  Jan  powyssenyegy  jest  nei  proroci  Pass.  277, 
d.  i.  povySeneß]  (kto)  m62  prazzdnyegij  bjHi  svötskiho  hluku 
Stit  f.  222*,  d.  i.  prdzdnSß  (prd£dnSß)]  radyegij  umfel  Stit. 
f.  9*,  d.  i.  radeß'j  radyegij  fku  32*;  radyegij  chtöl  v  isA&f 
vsazen  b^ti  165*;  radyegy  chci  umfieti  Pass.  469;  (sv.  Dominik) 
0  sya^ch  otcicb  nayradyegy  ötieäe   404;   aby   radyegy   dal  so 


508  G6b»ii«r. 

upäliti  Modi.  72*;  radyegy  s6  chcju  s  öeskä  sedlku  smieti 
DalC.  41 ;  vSak  jest  mni  sylnyegy  nei  2ena  Stit.  uö.  37*,  d.  i. 
siln^ji'j  bude  f  ka2dy  snazniegi  NRada  76,  d.  i.  snaSnijr^  tu 
v&m  spomocznyegy  budu  nei  zde  üv  jsa  Pass.  417,  d.  i.  gpo- 
mocneji;  ijeden  tak  svaty,  by . .  swyetyegij  nemohl  byti  Stit.  f.  59\ 
d.  i.  sviteß  von  svat;  ijeden  tak  svrchovany,  by  swrchowanyegij 
nemohl  bj^ti  Stit.  i\  r)9^',  d.  i.  swchovaneji',  hn&v  tobe  südneho 
dne  tiem  ka^dömu  bude  tyezij,  6im  nenie  (statt  nynie)  kto 
meue  strachuje  86  jeho  Stit.  f.  124%  d.  i.  teiti-^  kaki^  jest  z&matek 
nevinn^mu  dlov^ku  tyezy  trpöti  Alb.  3^;  (stav  vdovsky)  töh 
bude  sdrieti  StitV.  22;  m6j  najmenäi  sluha  vczenyegi  jest 
Kat  46/  d.  i.  uöenejv^  uwiechzssi  svaty  Jakub  .  .  z  jinj^ch  jest 
wieczi  mnohem  ApD.  106,  d.  i,  veöM  =  der  grössere,  und  tm 
oder  vieci  =  grösser;  svat^^  Jan  ve  mnohdm  jest  wyeczij  sva- 
t6ho  Stepäna  Stit.  f.  27%  d.  i.  veci  oder  vieci,  nicht  -^;  im 
kto  wijeczij  bude  9^;  wyeczij  plod  jejie  nez  ona  (Maria)  250*; 
(b6h)  wyeczczij  (sie)  jest  nade  vsicku  chvdlu  Stit  uö.  104^;  (boh) 
wyeczy  f  jest  103*;  jeden  hriech  jest  druh^ho  wyeczy  135^: 
Öim  ktery  hinech  jest  viece  protiv  böhu  pfirozen^mu,  tiem  jest 
wyeczy  136*;  aby  wynnyegij  nebyl  Stit.  f.  221*,  d.  i.  vinneß; 
tiem  budu  wdiecznyegy  a  wzacznyegy  Pass.  14,  d.  i.  vdeineji 
a  vzdcneji;  zrzyedlnyegij  o  masopust^  sluha  bo2i  nei  u  veliky 
p&tek  Stit.  f.  121^',  d.  i.  znedlneß]  u.  s.  w. 

Entsprechend  dem  Neutrum  müdrßj^^  neben  müdföj«> 
wäre  ein  Masculinum  mudf^j^  neben  müdf^ji  nicht  unmöglich, 
ich  kann  aber  diese  Form  nicht  sicher  stellen,  da  in  dem  ein- 
zigen Beispiele,  welches  mir  bekannt  ist:  svaty  Petr  jako  star- 
zieyss  mlazsieho  na  tom  cti  Pass.  257,  sfarejs  auch  ein  Schreib- 
fehler sein  kann. 

Sing,  neutr..  aböhm.  miidrejSe,  horSe.  Diese  Form  stimmt 
zum  asl.  hoThse,  Miklosich^  Gramm.  IIP  24.  Man  schreibt  sie 
aber  -se  und  hält  sie  für  zusammengesetzt:  -l^eje,  asl.  m^drefieje, 
woraus  durch  Zusammenziehung  -hie  und  durch  weitere  Laut- 
veränderung -86  hätte  entstehen  sollen.  Diese  Auffassung  ist 
aber  unrichtig,  denn: 

1.  Verlangt  es  in  den  hier  betrachteten  Fällen  die  pra- 
dicative  Stellung  des  Comparativs,  dass  er  in  nominaler  Casus- 
form erscheine;  wird  eine  solche  auch  von  verlässlicheD  Hand- 
schriften geboten,  so  ist  damit  ihr  Vorhandensein  nachgewiesen. 


Nominale  Pormen  de»  aUbAhmischen  Comparatirs.  tM}9 

2.  Die  zusammeDgesetzte  Form  hat  auf  der  Sprachstufe 
des  13.  und  14.  Jahrhunderts  nicht  -l^e,  sondern  -lie  gelautet 
und  der  Voeal  dieser  Endung  müsste  nach  der  Orthographie 
jener  Zeit  -ie  oder  -je  geschrieben  erscheinen;  dagegen  bieten 
die  Handschriften  und  selbst  die  genauesten  in  den  hiebet 
gehörigen  Fällen  unjotiertes  -e,  womit  die  zusammengesetzte 
Form  -§te  nicht  gemeint  sein  kann. 

3.  Will  man  aber  den  erst  später  und  nur  sporadisch  ein- 
tretenden Lautwandel  Ikie  —  »S  (z.  B.  staräeho  aus  starSteho, 
15.  und  16.  Jahrhundert)  fiir  diese  Form  anticipieren  und  das 
geschriebene  -sse,  -se  ausnahmsweise  schon  in  den  ältesten 
Denkmälern  =r  he  lesen,  so  sollte  man  diese  Annahme  durch 
solche  handschnftliche  Belege  zu  stützen  trachten,  wo  die  ver- 
meintliche Ijänge  des  Vocals  in  -Ike  graphisch  (durch  Gemination 
oder  durch  diakritische  Zeichen,  —  beide  Mittel  waren  lange 
vor  Hub  und  im  14.  Jahrhunderte  ziemlich  stark  im  Gebrauch, 
wie  dies  die  Fragmente  Pil.,  Jid.  und  svD.  aus  der  Zeit  bald 
nach  dem  Tode  Wenzels  III.,  1306,  die  Folio-Codices  Stit.  u6,  vom 
Jahre  1376,  Stit.  f.  vom  Jahre  1392  u.  a.  beweisen  — )  ange- 
deutet wäre.    Nach  meiner  Erfahrung  dürfte  dies  nicht  gelingen. 

Aus  diesen  Gründen  halte  ich  die  I^esung  -$e  für  unrichtig 
und  die  hieher  gehörigen  Comparativformen  für  nominal  und 
identisch  mit  der  asl.  Form  auf  -Se,  aböhm.  miidi-^j^g  und  horife 
=  asl.  hoThse. 

Z.  B.  jii  jest  blyzzsse  spasenie  nase,  ne2li  jsme  s^  kdy 
nadieli  ötit.  f.  66,  d.  i,  hliiSe]  vÄdy  j*  jim  to  blyzssez  blyzssez 
109^,  d.  i.  bli^Se-S]  oko  jest  czystsse  ne2  noha  Stit.  r.  62*, 
srdce  udisti  sS,  aby  jsa  czijsto  jeSfe  bylo  czystsse  196%  d.  i. 
^isüe  statt  i^iSöSe]  aus  6iS^e  wurde  (^i^fSe  (vgl.  das  Adverbium: 
bla2eni  6ist^ho  srdce,  neb  oni  uzfie  boha  .  .  velim  czysstye 
nezli  jini  Stit.  u^.  42%  d.  i.  öi«fe  aus  6iHe)  und  dieses  ging 
nntcr  dem  Einflüsse  des  Positivs  fSistj^  u.  s.  w.  in  6\st^e  über 
(vgl.  mladsi  aus  mla^Si  u.  ä.);  b^vä  f  u  pHkladiech  cos  budf  u 
pamSti  drzymyeysse  Ötit.  ud.  149^',  d.  i.  drHmSjie  von  Part, 
präs.  pass.  dr^im,  Inf.  dr26ti;  aby  tölo  bylo  tiem  hbytyeysse 
Stit.  uö.  119'*;  d.  i,  hbiteße-^  aby  (slovo)  tiem  hrubyeysse  bylo 
eb.,  d.  i.  hrubSjie;  jako%  du§e  lepsi  jest  t^la,  tak  lepsse  j' 
dachovnie  sbo^ie  neä  telesn^  Stit.  f.  67%  d.  i.  lep$e\  v  duchov- 
nich  v^cech   ut6§enie   sto    krit  jest   lepsse,    ne£li  v  sv^tskych 


510  OebAner. 

V" 

237'*;  CO  j'  toho  lepsse  Stit.  uö.  31^;  jest  lepsse  posluäenstvie 
nei  klerd  ob^t  7^',  120^;  dobr^  C  jest  ka2dy  stav  i  kaide 
femeslo  .  .,  kakikoli  lopsse  j'  jedno  druh^ho  79*;  lepsse  by  dv^ 
bylo  neÄ  jedno  118^;  ob^  lepsse  f  by  bylo,  kdyby  mohlo  b^ 
122*;  nerovnö  lepsse  jedno  druh^ho  142^;  dv^  dobr^  lepsse  j* 
ne2  jedno  157*;  nepromennä  bo2stvie  nem62  byti  ani  mensse 
ani  v6tSe  Stit.  f*  25^',  d.  i.  mefiie-^  öim  komu  dobrö  injleysse 
Stit.  uö.  17%    d.  i.  milejSe-^   ani  jest,   co   by  mohlo  slazsse  b/ti 

V 

Stit.  f.  6P,  d.  i.  slazSe*^  äensk^  pokolenie,  jeSto  j'  podl^  pHro- 
zenie  strassywyeysse  ne2li  mu2sk^  227*^  d.  i.  gtraiiveße;  slonce 
V  sob6  swyetleysse  jest  ne2  v  tech  poprslciech,  je&to  jdu  od 
äeho  250*',  d.  i.  sv&lejSe;  (panenstvie)  öim  t  jest  vieee  zprzneno 
zlym  myäenim,  tiem  f  jest .  .  tyezsse  zachovati  Stit.  uö.  44^, 
d.  i.  t&tSe',  protoi  to  sbo2ie  trpnyeysse  b^vä  Stit.  r.  63^,  d.  i. 
trpnejie;  srdee,  jenÄ  jest  twrzsse  vSeho  Modi.  160**,  d.  L  tvrzie; 
toho  dölnika  oko  tiem  nim  bude  vkrutnyeysse,  öim§^  n&m  pin 
bude  dobrotivöji  Stit.  f.  110*,  d.  i.  fiJcrfUnej§e]  oko  jest  vsslech- 
tyleysse  .  .  ne2  noha  62*,  d.  i.  uilechtilejSe]  vzytecznyeysse  jest 
to  dobr^,  coÄ  zpovddnik  obräti  za  hfiechy,  nei  .  .  Stit.  uö.  137*, 
d.  i.  uütednSjSe]  milost  svati  a  ölechetnost  samo  o  sobö  wazz- 
nyeysse  j  neÄ  p6st  Stit.  f.  207^  d.  i,  vdlnijie;  to  .  .  bylo  by 
waznyeysse  ne2  zpovöa  Stit.  uö.  131*;  nepromönne  boistv'ie 
nem62  byti  ani  menäe  ani  wyetsse  Stit.  f.  25**,  d.  i.  v^Ie  statt 
v^^öe  aus  vöcse;  kdy2  bude  to  obötovAno,  jesto  jest  nesnadno 
dobyto,  wzacznyeysse  bude  Stit.  f.  228\  d.  i.  vzdenejie;  (panen- 
stvie) öim  f  jest  vieee  zprzneno  zl^m  myllenim,  tiem  jest  bohu 
ne wzacznyeysse  Stit.  uö.  44*";  u.  s.  w. 

Seltener  trifft  man  im  Prädicat  Sing,  neutr.  die  Form 
müdrejie,  höre,  Sie  ist  von  der  vorigen  morphologisch  ver- 
schieden, indem  horSe  =  gor['B-iJj'B8-je,  d.  h.  neben  dem  Com- 
parativsuffix  -ij'bs  auch  noch  das  zweite  Suffix  -]%  enthält 
(Miklosich,  Gramm.  II.  322),  während  höre  asl.  gorje,  göre  das 
dem  Masculinum  ^hör,  asl.  *gorh  (wofür  hoH  asl.  gorij)  zuge- 
hörige Neutrum  ist  und  das  erweiternde  Suffix  -j'B  nicht  hat: 
ebenso  ist  mudJfejüe  =  *m^di'%-ij'Bs-je,  wogegen  mudi^jisy  was 
die  Endung  -ie  (geschrieben  -ie,  -ye,  -ije)  betrifft,  nicht  identisch 
ist  mit  asl.  m/qdreje  (dieses  würde  altböhmisch  müdföje  lauten), 
sondern  auf  dieselbe  Art  erklärt  werden  muss,  wie  das  masc 
asl.  gor/)',  aböhm.  hon  und  mudföj».   Die  Form  mudfejie^  höre 


Nomiiiftle  Formen  den  altböhmwchen  CompAratiTa.  51 1 

kommt  in  der  Regel  und  in  unzähligen  Fällen  als  Adverbium 
vor,  wovon  weiter  unten  die  Rede  ist  (Sing.  Acc),  manchmal 
findet  sie  sich  aber  auch  im  Prädicat.  Bei  Stitn^,  dessen 
Sprache  sich  durch  nominale  Adjectivformen  überhaupt  aus- 
zeichnet, scheint  dieser  Gebrauch  auf  den  Fall  beschränkt  zu 
sein,  wenn  das  Subject  ein  Infinitiv  ist,  z.  B.  leepe,  leepe  v 
manielstvö  piti  as  a  öistü  vodu  Stit.  f.  84^,  d.  i.  ISpe]  öim  den 
prosp^chu  vaSeho  däle  roste,  tiem  slazez,  slazez  jest,  obyöej 
jmieti  v  älechetnostech  109*^,  d.  i.  sldze-i]  kto  nemö2  vSdöti 
toho,  2e  j"  svatu  b^ti  vzzytecznyegije  nez  gerednu  226^,  d.  i. 
läiteönSße.  Bei  anderen  Schriftstellern  dagegen  finden  sich 
solche  Prädicatformen  mitunter  auch  da,  wo  das  Subject  ein 
Nomen  oder  Pronomen  ist,  z.  B.  co  jest  drase  AlxH.  2%  d.  i. 
drdiey  jeSto  jest  horze  Alb.  65^,  d.  i.  höre]  proto2  f  s^  lehcziegie 
zdÄ  jich  2alostnö  skoninie  Pass.  305,  d.  i.  lehöSjie]  co  mn6 
bylo  naymylegye  Eat.  174,  d.  i.  milejie]  nie  pföd  hohem  ska- 
rzyedy^;ye  Modi.  163**,  d.  i.  SkaHdSjie,  Manchmal  ist  ver- 
schiedene Deutung  möglich;  so  kann  hliJte  in  tiem  jest  blijzze 
spasenie  btit.  f.  Q&^  als  Adverbium  aufgefasst  werden,  wie  hliz^ 
hliz  in  nikdy  nebyl  tak  blyzz  den  südn^^  eb.  (asl.  blizb  prope), 
oder  als  Prädicat  und  Nominativ  neutr.,  wie  hlü^e  in  ji2  jest 
blyzzsse  spasenie  naSe  eb.;  und  ebenso  dr&imSjie  in:  aby  to  v 
pam^ti  bylo  drzzymyegie  218%  neben  drümSjSe  in:  b^vi  f  u 
prikladiech  cos  bud  u  pam6ti  drzymyeysse  btit.  u£.  149^. 

Sing,  fem.:  asl.  mqdrejH,  gorhU^  aböhm.  mui^SjHj  horäi. 
Die  hiehergehörigen  Comparative  schreibt  man  wiederum  -H 
und  hält  sie  für  zusammengesetzt  aus  $a-ja,  asl.  m^drSjsq/a, 
woraus  durch  Zusammenziehung  -§ia,  durch  Assimilation  -äte 
und  durch  Verengung  -hi  sich  hätte  entwickeln  sollen;  aber 
auch  hier  sprechen  die  Syntax,  die  Geschichte  der  Sprache 
und  die  Handschriften  gegen  eine  solche'  Auffassung,  indem 
diese  Form  im  Altböhmischen  nur  im  Prädicat  auftritt  und 
schon  in  den  ältesten  Denkmälern  sich  vorfindet,  in  Denk- 
mälern, in  denen  die  Verengung  des  Diphthongen  le  in  ^  noch 
nicht  stattfindet,  imd  indem  der  Vocal  dieser  Endung  nicht 
als  lang  bezeichnet  wird^  selbst  nicht  in  solchen  Handschriften, 
deren  .Schreiber  sich  an  der  Quantitätsbezeichnung  der  langen 
Vocale  ofifenbar  gelegen  sein  Hessen.  Aus  diesen  Gründen 
halte  ich  die  Auffassung  des  handschriftlichen  -si,  -sy,  >ssi,  -ssy 


512  Oebfttter. 

als  =:  -8{  für  unrichtig'  und   die  Form   für   nominaly   mii^jli 
=  asl.  m^rejst. 

Z.  B.  sukn^  kosile  (Gen.)  blyzssy  nebyva  DalC.  36,  d.  L 
bliiäi]  zda  jsi  ty  (fem.)  v  panenstvi  czystssy  nei^  ona  Stit  uc. 
47%  d.  i.  iistSi  statt  öüffei  und  6i«66i  (siehe  6i«töe  im  Sing. 
neutr.);  öim  kde  dalssy  pravda^  tiem  däleji  höh  86^,  d.  i.  daüi\ 
duäe  jest  töla  dostoynyeyssy  Stit.  f.  61%  d.  i.  doatojnefii]  leva 
ruka  nie  nezävidi,  ie  j'  pravä  hbytyeyssy  otit.  ud.  90*,  d.  L 
hbitejsi\  stali  tu,  kde2  nayhiubssy  f6ka  Stit.  f.  178%  d.  i.  hluhü] 
kdy  radost  bude  nayhodnyeyssy  118^'^  d.  i.  hodnejSi]  z  Vkh 
cöst  jednomu  jest  jedna  hodnyeyssy,  druhä  druhemu  191'; 
czijeata,  v  ni2  putujem,  aby  n&m  lehczyeyssy  byia  172^,  d.  i. 
lehiejsi]  vizina  .  .  lepsy  bude  nez  kozina  Mast.  4'',  d.  i.  lepH: 
duäe  lepsy  jest  täa  Stit.  f.  67*^;  lepssy  C  jest  pokornä  iena, 
ne2  hrdi  panna  Stit.  u6.  36^',  46^';  lepssy  t  jest  hanbidka  pred 
knäzem,  nei  hanba  vdönd  136^';  vSelikd  novina  liubssi  jest 
neili  v6c  jini  Jid.  70,  d.  i.  IjfihSi;  on  (sv.  duch)  jest  ta  milost 
jeSto  poch&zie  od  otce  k  synu  .  .  a  ta  niv6em£  nenie  menssy 
nei  otec  a  syn  Stit.  uö.  17%  d.  i.  menSi'^  prav  ji  {ien^),  kak  f 
ji  dobre  slu&ie  poöestn^  nicho  a  pokornö,  kak  f  jest  myleysßj, 
ne2  kdy2  s6  jako  bohyne  pfistroji  Stit  ud.  54^,  d.  i.  mileßi; 
by  krivda  myleyssy  byla  nei  pravda  81*;  (vdova)  donid£  jest 
byla  mlazssy  50*,  d.  i.  mlcusii]  zda  jsi  ty  (fem.)  .  .  naboznyeyssy 
47%  d.  i.  ndbo^n^jH]  (du§e)  £im  pr&zdn&jsi  bude  techto  veci, 
tiem  on6ch  plnyeyssy  bude  Stit.  r.  186%  d.  i.  plnefsi;  ac  jest 
duostojna  Slechetnost  panenstvie,  vSak  jest  pokora  potrzeb- 
nyeyssy  Stit.  uß.  46\  d.  i.  potrehnSjH]  dievka  mö2  toho  (svdta) 
prazdnyeyssy  byti  Stit.  i\  227*,  d.  i.  prdzdnejH]  (duse)  6m 
prazdnyeyssy  bude  t^hto  v6ci,  tiem  .  .  186**;  (sv.  Nötisfe)  by 
radyoyssy  smrt  trp^la  Pass.  281,  d.  i.  radejH'  neb  bych  velim 
radieyssy  ot  meö6  seäla  19;  radieysy  bych  to  zvolila  Hrad. 
59^;  6  smrti!  proö  me  radyeyssy  netiskneS  Modi.  132^;  radiegsy 
jÄ  (Katefina)  svii  öistu  öest  slibuji  nesti  Kat.  18;  ie  by  radieyssy 
k  smrti  svolila  Troj.  140^;  moc  dvojiti  sylnyeyssy  jest  nei 
jednostajnä  otit.  uö.  27%  d.  i.  silneßi]  tiem  t  m&  duchovnic 
(milost)  sylnyeyssy  byti  27**;  ona  jest  snaznyeysi  Pass.  542, 
d.  i.  8na£nejH]  jeho  matka  jest  swietleysi  nei  dennice  Kat.  IS, 
d.  i.  9vStUjii\  ta  muka  .  .  jest  tyezssy  ne2  kterä  na  sv^t^  maka 
stit.   uö.    156%    d.  i.  teitsi]   bych   umföla    utiessenyeyssy  Hrad. 


Nominale  Formen  dee  altbfihmi»chen  Comparatirs.  513 

59\  d.  i.  utiSenißU  ona  to  uslyäövsi  inhed  by  utiessenyeyBsj 
62^;  mohu  dojiti  otplaty  vdovske,  jeäto  j'  wyetssy  neä  man- 
ielskä  l§tit  u6.  48%  d.  i.  vStH  aus  ve^i,  urspr.  v^cäi;  nesnadn^ 
jest  rozsuditi,  kteri  (almu^na)  j'  od  koho  wzacznyeyssy  bohu 
141*,  d.  i.  vz€icneJ8i]  u.  s.  w. 

Im  Nominativ  Plur.  hat  der  nominale  Comparativ  im 
Altslovenischen  die  Endungen  masc.  -Se,  neutr.  -ii  und  -äa^ 
fem.  1^;  im  Altböhmischen  gilt  -se  für  alle  Genera,  ebenso  wie 
in  den  Participien  nesiiea  =  asl.  nes^ste,  -a,  '^,  und  nesse  := 
asl.  newb^ey  -a,  -(}.  Auch  diese  Form  wird  als  eine  zusammen- 
gesetzte aufgefasst  und  -he  geschrieben,  aber  die  oben  (Sing, 
neutr.)  gegen  eine  solche  Auffassung  vorgebrachten  Gründe 
haben  auch  hier  ihre  Geltung. 

Z.  B.  hyne  ndm  öas  zivota,  tak  ei  blyzzsse  jsme  smrti 
8tit.  f.  83*",  d.  i.  bliüe]  (vy  sc.  mc  dietky)  ste  sobS  nay  blyzsse 
i>tit.  uö,  25^;   z  bo2ie  milosti  byli  bychom  v  n6  (&Iechetnosti) 

bohatyeyase  Ötit.  f.  149*,   d.  i.  hohaf^jie-^   töm,  je&to  jsü  dalsse 

•f 

8v6ta  Stit.  uc.  122^,  d.  i.  dalSe'^  abychom  byli  dokonaleysse  v 
slechetnostech  Modi.  31%  d.  i.  dokonalejSe]  hlddaji  öest,  jesto 
by  Jim  hodnyeysse  byly  Ötit.  f.  190,  d.  i.  hodnSjSe,  fem.;  (döti 
a  öelecf)  aby  nebyli  horsse  Stit.  uö.  59*,  d.  i.  horSe;  aby  byl 
lid  hotowyeyso  k  däni  desätka  Alb.  90,  d.  i.  hotovijse]  jich£ 
bydlo  jest  ve  tmö,  jen  tmu  vidie  .  .  ze  tmy  jdüc  ve  tmu  nevidie, 
CO  ztratie,  a  pakli  vidie,  co  ztratie,  a  pf6s  to  tratie  a  tiem  jsü 
jesfe  hubenyeysse  Stit.  f.  119*,  d.  i.  huben^jSe;  spravedlni  .  . 
sedmkrät  nei^  slunce  yasnyeysse  budü  182%  d.  i.  jasnSße] 
ne^ehri  sh  se  sv]^mi  d^tmi,  budü  t  na  tebe  laskawyeysse  Stit. 
u6.  108^,  d.  i.  laifkavejie'^  ti  byli  by  lepse  doma  Alb.  90^,  d.  i. 
kpse]  jii  bychom  meli  mudrzeysse  b^ti  Stit.  uö.  60*,  d.  i. 
müdreße-y  aby  (vy)  pijlnyeysse  byli  Stit.  i\  132^*,  d.  i,  pilnijge] 
lide  pijlnyeysse  sehe  maji  byti  208*";  (oni)  budü  sehe  pylnyeysse 

y 

ve  vsech  svych  skutciech  Stit.  uö.  123*;  jako  mnozi  jsü  pijlny 
bohatstvie  telesndho,  aby  na  ten  den  zdili  se  z  jinych  poczest- 

y 

nyeysso,  tak  my  pijlnyeysse  mime  byti  Stit.  r.  67*,  d.  i.  poöest- 
He/«e;  (andSle)  öim  vyäSi  jsü,  tiem  jsü  pokornyeysse  149^,  d.  i. 
pokornSjäe',  ty  panny  .  .  k  bohu  jsü  psotnyeysse  neäli  zeny, 
jcöto  jii  av6  mu^e  maji  Stit.  uö.  36*',  d.  i.  psotnfße^  fem.; 
radyeyse  chcemy  zemfieti  Pass.  436,  d.  i.  rad^jSe]  radyeysse  s6 
raate  potupiti  Modi.  löS*";  radieysse  slu^te  mocnemu  Hrad.  94^; 


514  Gebaner. 

chcmy  radyeysse  boiie  k&zanie  plniti  Alb.  51^;  (p^i^Dy)  J^ 
radyeyse  snart  trpöly,  fem.,  eb.  10»;  aby  jeStö  radyeysse  6tli 
pismo  svatä  btit.  uö.  5^;  lidä  . .  by  radyeysse  abonu^ny  dayaÜ, 
nei  by  zle  dobyiä  vritili  54^;  v2dy  radyeysse  vSrime  po- 
chlebniköm  144^;  radsse  v  dobrotö  s  sebu  mluvte  ätit  f.  104\ 
d.  i.  rcuiSe'y  kto£  lid  jeho  nechtie  b^ti  radsse  jsii  lid  kr^ovstvie 
sv^tsk^ho  117^;  pini  radsse  chtie  slüti  dobr^^mi,  neili  bj^ti  iStit 
u6.  87^;  ktoi  radsse  hospodS  §kody  preji  90;  Malchns  chleb 
pfSd  nimi  poloiil;  aby  s6  pojödüc  posilili  a  tak  silnyeysse 
trp^ti  byli  Pass.  365,  d.  i.  silmße'y  budu  v  nas  sylnyeysse  ty 
täesnä  iädosti,  femin.  8tit.  f.  39^;  pakli  bycbom  neznali  sve 
slepoty  a  tiem  bychom  slepyeysse  byli  htit  uc.  104^,  d.  L 
slepSjSe]  kdyi  (dSti)  by  byly  starsse  12P,  d.  i.  starSe]  hv^dy, 
jefito  jsä  8i¥yetleysse  nei  nebe,  fem.,  77^,  d.  i.  svälqie;  by 
mohli  bj^ti  swobodnyeysse  89»,  d.  i.  svobodnijie^  u.  s.  w.  Für 
das  Neutrum,  welches  in  diesen  Beispielen  im  Nominatiy  pL 
nicht  vertreten  ist,  verweise  ich  auf  den  weiter  unten  an§^ 
führten  Accus.  pL  zdravSjSe. 

Für  den  Nominativ  des  Duals  sind  die  Belege  selten 
und  bieten  die  Endung  -Se  für  alle  Genera;  diese  ist,  gegen- 
über dem  asl.  -Sa  masc.  und  -H  fem.  neutr.,  offenbar  die 
Endung  des  Plurals,  ebenso  wie  in  den  Participien  nesäc6  und 
nes66  (Plur.  und  zugleich  Dual.).  Gegen  die  Schreibung  -se 
und  Auffassung  dieser  Form  als  einer  zusammengesetzten  wären 
die  oben  angeführten  Gründe  abermals  zu  wiederholen. 

Z.  B.  radieyse  mi  hlavu  setneta  Pass.  581,  d.  i.  radejk] 
u&i  radieyse  poslüchaji  zlych  piesni  Hrad.  97». 

Ausser  dem  Nominativ  kommen  im  Altböhmischen  nomi- 
nale Comparativformcn  auch  noch  im  Accusativ  als  Regel 
vor,  theils  in  prädicativer,  d.  h.  in  solcher  Stellung,  wo  das 
Verhältniss  des  Adjectivs  zu  seinem  im  Accusativ  stehenden  und 
von  einem  verbum  sentiendi,  dicendi,  habendi,  faciendi  u.  dgl. 
abhängigen  Nomen  ein  prädicatives  ist,   theils   als  Adverbien. 

Für  die  erstere  Art,  den  prädicativen  Accusativ,  führe 
ich  folgende  Beispiele  an:  by  byl  velim  viece  mdleji  jimito 
by  s6  mnhl  za  chzilegij  AlxB.  88,  d.  i.  SiUji]  kto2  pfijinid 
tuto  svätost,  podnet  k  hfiechu  öinf  nidlegij  Ötit.  f.  154*,  d.  i. 
mdleß'^  kter62  pak  wzacznyeysse  mämy,  ty-li,  jesto  .  .  Modi.  lU'', 
d.  i.  vzdcnejie;   troji  v6c  pismo  ukazuje,  jefito  ty  oböti . .  ^uii 


Nominale  Fonnen  des  altb6hiiiisclien  CompantiTi.  515 

y 

wzacznyeysBe  Stit.  r.  228^,  fem.;  o  tSch,  jeSto  miatruji  vina  a 
uöinie  je  nezdrawyeysse  btit.  uö.  94*,  d.  i.  nezdravSjie,  neutr. 
plur.;  CO  8v6  zd^la,  v  tom  sS  8v6  lepse  domn^la  AlxBM.,  d.  i. 
kpse  nuiBc.  du. 

Als  Adverbium  fungiert  der  Accusativ  sing,  neutr.  mvr 
drejiBy  hdfe. 

Der  Beispiele  gibt  es  eine  Unzahl  und  ich  führe  folgende 
an:  pfistup  B&m  blize  Pass.  342  (2),  d.  i.  blüe]  tiem  blijzze 
Stit.  f.  6»;  bud  ten  bj^rse  zmj^rtcy  uÄiv  AlxBM.  2^,  d.  i.  br£e, 
aby  siemß  bugnyegye  rostlo  otit.  uö.  53^,  d.  i.  bujnijie]  snad 
by  l^pe  bylo,  by  na  t6  czyestyegije  vzpominali  Stit  f.  123*^ 
d.  i.  iütijiey  mit  Umlaut  in  der  Wurzelsilbe;  fiekaji  päni: 
chlap  f  jest  jako  vrba,  cim  czestyegye  ji  obrubäi;  tiem  f  sS 
huäte  obali  Stit.  uö.  84"^;  hojnSjie  to  öiniti  mäme,  czastyegije 
zovuc  chudö  k  svämu  kvasu  Stit.  f.  74%  d.  i.  ^tSjie,  ohne 
Umlaut;  skrovn^jie  a  czystyegye  üv  jsa  Modi.  9P,  d.  i.  öistSjie] 
bla^eni  öistöho  srdce,  neb  oni  uzrie  boha,  toöiä  velim  czysstye 
ne^li  jini  Stit.  u^.  42%  d.  i.  öüfe  (nicht  diät^)  aus  öijf^e  und 
dieses  aus  -ice,  *'Stje]  dieselbe  Form  ist  auch  im  V^bor, 
2.  1114  zu  lesen:  dvefe  a  okna  velikä  vsecko  z  alabastra  a 
cistym  tesdnim  naschväle  tesäny,  jeSto  nemuo2  ,öi§tie^  (d.  i. 
eisfe)  byti;  abychom  §li  daale  od  stvofenie  k  stvoriteli  Stit.  r. 
222^,  d.  i.  däle]  ei  snad  deele  budü  hyzditi  blä^novstvie  jeho 
8tit.  f.  119^  d.  i.  dele\  nerod  deliegie  dilti  Hrad.  46»,  d.  i. 
d^lejie]  o  tom  viece  sem  mluvil  tam  dolegye  btit.  uö.  51*,  d.  i. 
dolejie  vom  Thema  dole  =  sing.  Loc.  des  Subst.  döl]  ktoi 
srdeönßjie  miluje,  domyslnyegije  poznä  Stit.  f.  6%  d.  i.  dömy- 
shiejie]  ei  sem  radost  marnü  nestydöl  se  draazze  väiiti  nad 
cest  v66nü  otit.  i*.  218%  d.  i.  drd&e;  hldze  a  pSkn^ji  Bläh. 
Gramm.  205;  t6la  nad6  .  .  hlube  v  domu  pochovaj  Pass.  375, 
d.  i.  hMbe]  öim  hlube  patrim  Stit.  uc.  132*;  (Pirrus)  bra  se  do 
lesa  hlaube  Troj.  228^;  bylo  by  ji  hodnyegije,  by  jmöla  t62k^ho 
muie  na  hrdle  svöm  Stit.  f.  36%  d.  i.  hodnSjie]  hoynyegije  to 
öinlti  m&me  74%  d.  i.  hojnejte]  bude  horze  ölov^ku  tomu  ne21i 
u  prve  137%  d.  i.  ArJfe;  musi  f  horze  b^ti  neÄli  dr^ve  138*; 
V  tfetiem  pokuSeni  to  jest  tdhl  v  hfiech  nayhrubyegije  125*, 
d.  i.  hrubSjie]  öim  öestöjie  ji  (vrbu)  obrubää,  tiem  f  s6  husstye 
obali  Stit.  uö.  84%  d.  i.  hüSfe  (nicht  hiUte),  aus  ImSSe  und  dieses 
aus  -ice,   -^(/e;   gesnyegije  jej    vidüc  Stit.  f.  64*,  d.  i.  jemSjie 

Sitxangsber.  d.  phil.-Mat.  Cl.  XCY.  Bd.  II.  Hft.  34 


516  Oeb»ti«r. 

ZU  jasn^,  mit  Umlaut  in  der  Wurzelsilbe ;  gystyegije  budem  to 
jmieti  223^,  d.  i.  jistijie]   ehudoba  so  krasse  stkvie  Pass.  539, 
d.  i.  krdie^  vSeho  kvietie  krasse  ktvuce  Modi.  133^,  o  ty  kvete 
väebo  krase  ktvüci  Hrad.  55";  mluviti  svobodnöjie,  jiesti  hojn^jie, 
piti   chutnejie,    modliti   s6    kracze    Modi.   163\   d.  i.  krdce  ael. 
kraite]   lehczyegye  t  tepe  dievöie  ruka  DalC.  4,  d.  i.  lehftju] 
öim  ktery  pfide  pozd6jie,  tiem  pracije  lehczegije  Stit.  t  109*; 
inhed   zvitözid  lepe   nei   s'   kdy  zvitözil  Pass.  282^  d.  i.  Upe] 
m6  mene  nei  jeho  pf^^^Sijes  Modi.  132^,  d.  i.  meüe',  nie  mene 
Alx8.  339;  poöne  ölovSk  raenyez  menyez  rozko§i  tbati  8tit.  r. 
108*",  d.  i.  mefie-Zj  nicht  men^;  jeliko2  ]h  dfieve  miloval^  toliko 
j6   nemylostiwiegie   muditi    k^al   Pass.   300,    d.  i.  milostivejie: 
aby  mylegije  postnie  snesli  utrpenie  Stit.  h  132^,  d.  i.  milejie\ 
taneönici  ne  mudriegie  öinie  ne2  skot  Hrad.  97^,  d.  i.  müdfeße-, 
at  by  bylo  pamyetnyegije  Stit.  f.  74**,  d.  i.  pametnyU^  aby  to 
i   pnkladem    v    srdce    veSlo    pevnyegye    150*,    d.   i.  petnejii\ 
pijlnyegije    m6l    by    na    p^di   82*",    d.    i.  piln^ße]    znamenajmy 
pylnyegije   jmeno    hodu    tohoto    172*^;    £im£    s6   kto  plDyegije 
obräti  k  bohu  133*,    d.    i.  plnejie]   kdy 2   by   pUnyegie  naplnil 
Hrad.  46^;   af   tku  podobnyegije   btit.  f.  85*,   d.  i.  podobnejit: 
öim  kterj^   pfide  pozdyegije  109*,    d.  i.  pozdSjie,   zu  pozd/b\  af 
fku  prawyegije  202*,  d.  i.  pravijie*y  tiem  rzijezze  kvas  mk  pra- 
telöm  pfipraven  bj^ti  74^,    d.  i.  fieie;  *   kto  sd  brani  nepfetieü, 
nerovnß  f  rychlege   b6ii  NRada.    110,  d.  i.  rychleje   statt  -jie; 
aby  ty  kraloval  velim  ssczestnyegije  Stit.  r.  40^,  d.  i.  Sie$tnejü. 
zu    Söastnyy    mit   Umlaut   in   der  Wurzelsilbe;    sküpö   chval  a 

^  Die  Gemimttion  zz  bezeichnet  im  Codex  Stit.  r.  den  Laut  f ;  eini^  Mal 
findet  sie  sich  aber  auch  als  Bezeichnan^  des  aus  g  and  dj  entstandenen 
und  dem  asl.  z  (vor  -c,  -i\  -b)  und  zd  entsprechenden  s  —  z.  B.  pomoM 
hospodine  53^  asl.  pomozi,  wyzz  kazdy  54^  asl.  viidhy  rzijezze  74*^  a.'^l 
wohl  rezde  u.  s.  w.  —  Aehnliches  kommt  in  analogen  Fällen  auch  bei 
a  und  c  und  auch  in  anderen  alten  Denkmälern  vor  —  z.  B.  nerie  kak 
rsechzi  koron  AlxBM.  2*,  d.  i.  r^a  statt  r6ci  asl.  reÄi,  Medea  wece  Troj. 
23'  u.  ö.  statt  vece  asl.  ve^ita,  hai  und  no^  statt  ha«  und  nos  asl.  g&-'i 
und  no«i  nach  Hus  (Slav.  Bibl.  2.  281)  u.  s.  w.,  —  und  auch  die  beotii^ 
dialektische  Aussprache  schwankt  hier  zwischen  2,  «,  c  und  Zy  ^,  i\  pomu: 
und  pomoz.  no«  und  nosy  pec  und  pec;  daraus  geht  hervor,  dass  in  die«eD 
Fällen  den  Sibilanten  z,  «,  c  eine  von  der  heutigen  harten  abweicheode 
und  etwa  zwischen  2  und  z  u.  s.  w.  liegende  Aussprache  zukam,  und  aui 
Bezeichnung  einer  solchen  hat  Safai^ik  die  Buchstaben  £,  S,  c  eingetührL 


Kominale  Formen  des  altböhminchen  ComparatiTs.  517 

sknpyegye  hyzd  Stit.  uö.  63^,  d.  i.  skupejie;  tiem  slawnyegye 
budeni  obdaroväni  182^,  d.  i.  slavnSjie]  jimi^  zmutnyegie  chodi 
ÄHw^.^  d.  i.  smntnijie]  jest  nesnaze  jeho  pfämoci  Modi.  4^^  d.  i. 
f/ioze;  abychom  Üdali  tiem  snaznyegye  31*^;  d.  L  snaznSjie'^  öim 
sprawedlnyegije  dobyto,  tiem  .  .  Stit.  r.  228^,  d.  i.  spravedlnijie] 
ktoz  srdecznyegije  miluje,  domyslnßjie  poznä  6%  d.  i.  srdeönSjie] 
aby  se  mohl  swobodnyegije  s  tiem  boSim  svötlem  obierati  222^, 
d.  i.  svobodnSjie]  ssczedrzyegije  jest  dar  käzanie  sv^ho  pfed 
nimi  vylil  144**,  d.  i.  Sdedrejie]  af  ssijrze  promluvim  o  tom  152% 
d.  i.  9ife]  (tölo)  bude  tiem  slechetnyegye  zachoväno  Mast.  5^, 
d.  i.  8lechet7iejte]  ti  hlübe  a  tijezze  padnu  fetit.  r.  78%  d.  i. 
fiez€]  museji  tyezze  trpöti  na  onom  svötö  207*;  jaki  naytwrze 
moha  Eat.  148^  d.  i.  tvrze]  matefino  nauöenie  £asto  d6ti  dr^ie 
twrdo  a  druhdy  twrze  nei  otcovo  Stit.  uö.  58*;  abychom  vdat- 

y 

nyegrje  ufali  jemu  btit.  i*.  17%  d.  i.  udatnijie\  byl  takd  v  fddu 
prorokovem  a  wiece  ne2  prorok  Pass.  279,  d.  i.  viece\  wijecze 
nez  sluSie  Ötit.  f.  155^;  öim  to  wyernyegije  öiniti  budem,  tiem  .  . 
228%  d.  i.  verwerte;  öim  ddle  v  rßku  brdieSe,  tiem  so  v2dy  voda 
wysse  prydöila  Pass.  360,  d.  i.  vyie\  naywysse  oslaveni  Modi. 
153^,  corrigiert  aus  naywyssye;  (narozenie)  bylo  zvöstovÄno 
zrziedlnyegye  Pass.  277  d.  i.  zredlnejie  u.  s.  w. 

Ausser  dem  Nominativ  und  Aecusativ  kommen  nominale 
Comparativformen  selten  vor  und  mir  sind  für  die  übrigen 
Casus  nur  folgende  Belege  bekannt:    . 

Sing.  Gen.:  jim2  z  blüse  vonie  ta  nebeskd  üt^cha  ätitV. 
272;  zdali  nenie  lestnd  sbo^ie  zdejsie  .  .  ^im  kto  md  jeho  viece, 

y 

a  wyctsse  s^  nedostävä  Stit.  r.  110*,  d.  i.  vetse  (statt  vSöSS  aus 
?fc^e),  ebenso  in  nominaler  Form  wie  das  vorhergehende  i;tece; 
vielleicht  gehört  hieher  auch  horfe  in:  maji  za  velik^  hfiech 
spolu  sh  ut^siti  i  dopustie  s6  horssye^%  ie  ukrutni  sob6  budu 
Stit.  uC.  38*,  trotz  der  späteren  Correctur;  dialektisch:  z  vätSa 
bei  den  Slowaken,  präca  je  z  veöa  hotova  in  der  Gegend  von 
Zlin  in  Mähren^  z  dcdSa  na  to  hleda  zdä  se  to  b^t  mala  eb. 
(BartoS,  Ze  iivota  lidu  moravskeho  S.  36.) 

Sing.  Dat.:  by  nudatni  (neudatni)  lep§ich  zriece  byli  take 
Icpssiu  chtiece  AlxB.  90,  d.  i.  lepSjti;  taky  vieru  drii,  naddji 
m4  V  boze  k  lepssy,  zl6ho  pyöe  .  .  Stit.  r.  192**,  d.  i.  lepSi, 

Sing.  Loc:  kto  jest  u  male  neprAv,  i  u  wieczssy  neprdv 
jest  CEvang.  22,  d.  i.  ve^H. 

34* 


518  0«bftiier. 

Sing.  Instr.:  ktoi  mälem  udini  pomoc,  jako  by  tUim 
pomohl  gtitV.  339;  kdyby  vStöem  pomohl  340. 

Am  mannigfaltigsten  sind  die  böhmischen  nominalen  Com- 
parativformen  bei  vSci  belegt  und  deshalb  eignet  es  sich  zum 
Paradigma  für  die  folgende  übersichtliche  Darstellung  derselben: 


masc. 

neatr. 

fem. 

sg.  Nom.  vSci 

vi6Se,  viece 

ü^'i 

Acc.    viel 

veöie,  viece 

— 

Gen.  .  — 

vms 

Dat. 

ve(Su 

— — 

Loc.     — 

ve6U 

— 

Inst.     — 

vi6iem 

— 

pl.  (du.)  NA.   vSdse 

vSöSe 

vS6ie. 

Die  hier  gegebene  Darstellung  des  Sachverhaltes  gründet 
sich  hauptsächlich  auf  die  Sprache  des  Pass.  und  Stitny  s  in 
Stit.  uö.  und  ätit.  r.;  sie  entspricht  aber  im  Ganzen  dem 
Sprachgebrauche  des  13.  und  14.,  ja  noch  des  15.  Jahrhunderts, 
wo  eine  sichtliche  Störung  der  alten  Regelmässigkeit  beginnt. 

Ausnahmen  gibt  es  zwar  schon  in  Denkmälern  der 
älteren  Zeit,  z.  B.  ostal  jich  (ädöv)  böh  a  jsu  hubenyeyssye 
v§eho  lidu  Stit.  f.  78^  statt  hubengj^e,  ein  Schreibfehler;  prva 
dva  bratry  byla  sta  ruczieyssie  a  druhi  dva  lenyeyssie  Mai  56 
statt  ru66jäe  und  lenßji«,  entweder  die  eigentliche  Dualform 
'M  =  asl.  '&a,  oder  die  Endung  der  zusammengesetzten  De- 
clination,  oder  abweichende  Schreibung  der  weichen  e-Silbe, 
wie  dies  in  Mat.  sehr  oft  zu  finden  ist;  dasselbe  gilt  von 
twrdssye  in:  nevörn^ch  2id6y  srdce  (statt  srdc^  jsu  twrdssye 
nei^li  kamenie  eb.  21;  u.  s.  w.  Von  denjenigen  Abweichungen, 
die  statt  der  verlangten  oder  möglichen  nominalen  Form  die 
zusammengesetzte  bieten,  dürften  sehr  viele  in  einer  eigenen 
syntaktischen  Auffassung,  die  von  der  mechanischen  Deutung 
der  Kegel  verschieden  ist,  ihren  Grund  haben;  gewiss  ist 
dies  der  Fall  in:  tak2  tu  ot  öeho  smrt  vzösta,  jei  naylepsie  z 
töch  tu  biesta  AlxB.  82,  d.  i.  najlep§i6  =  welche  die  besten 
unter  den  Gegenwärtigen  waren;    a£   wyetssij   budem  neb  s;I- 


1  -cS-  stett  -cS-,  z.  B.  fem.  y&cSi  sUtt  vecSi  für  asL  resthsi,  ist  sichergestellt 
durch  solche  Handschriften,  die  c  und  c  unterscheiden. 


NonloAla  Formen  des  altbAhmitclien  Conparativs.  519 

nvejssij,  ale  hjne  näm  ^as  iivota  .  .,  tak  e2  blyzsse  jsme  smrti 
Stit.  f.  83^,  d.  i.  vhi&i  und  siln^jä^  neben  bli£§^.  Aehnliches 
kommt  auch  im  Positiv  vor  und  sicherlich  sind  in  den  Bei- 
spielen: san  biede  ssyrssye  nei  vuol^  delssie  ne£  kuoii  a  zuby 
u  nie  ostre  Pass.  378,  proto  f  v&s  napominim,  aby,  kto£  jsü 
dobrzij,  lepssij  byli  Stit.  f.  67*,  (zlodöj)  byl-li  dr^ve  zly,  bude 
horesy  8tit.  uö.  138%  vidöti  ienu  jest  zle  .  .  a  dotkmiti  so  jie 
jest  nayhorssye  45*  u.  ä.  die  zusammengesetzten  Comparativ- 
formen  SirSie,  delHe,  lepH,  horÜ,  najhorSie  ebenso  syntaktisch 
zu  erklären,  wie  die  parallelen  zusammengesetzten  Positivformen 
oHrS,  dohH,  zl^  und  zU. 

Die  Thatsache,  deren  Nachweis  im  Vorigen  gegeben 
ist,  nämlich  der  Bestand  nominaler  Comparativformen  im 
Böhmischen  'und  namentlich  im  Altböhmischen,  wird  durch 
diese  Ausnahmen  natürlich  nicht  in  Frage  gestellt;  jene  Formen 
haben  bestanden,  sie  sind  aber  mit  der  Zeit  eingegangen. 

Die  Ursache  ihres  Verfalles  Hegt  darin,  dass  ihre 
Flexionsbedeutung,  weil  sie  fast  nur  auf  den  Nominativ  und 
Accusativ  beschränkt  waren,  aus  dem  Sprachbewusstsein  schwand 
und  sie  zu  blossen  Adverbien  herabsanken.  Das  Adverbium 
aber  fuhrt  nur  ein  syntaktisches  Leben ;  es  verdankt  zwar  sein 
Dasein  dem  morphologischen  Organismus  der  Sprache,  aber 
dieser  sein  Ursprung  ist  vergessen  und  es  liegt  aus  diesem 
Organismus  ausgeschieden,  ausserhalb  des  Stromes  seiner  all- 
gemeinen und  regelmässigen  Veränderungen,  bleibt  theils  hinter 
diesen  zurück,  theils  ändert  es  sich  in  anderen  Richtungen, 
und  erscheint  in  Folge  dessen  bei  einer  grammatischen  Form- 
analyse theils  als  erstarrter  Archaismus,  theils  als  eine  durch 
ausserordentliche  Einflüsse  und  Aenderungen  gestörte  Form. 
Im  Verfalls  der  altböhmischen  nominalen  Comparativformen 
hat  Beides  stattgefunden.  Vom  Alten  ist  freilich  sehr  wenig 
^blieben,  aber  doch  hie  und  da  ein  Zug,  z.  B.  in  rad§i,  radSe^ 
Z'vitSa  u.  ä.  Der  ausserordentlichen  Aenderungen  dagegen, 
d.  h.  solcher,  welche  die  Declination  der  übrigen  Nomina 
nicht  betroffen  haben,  hat  die  Flexionsendung  des  nominalen 
Comparativs  eine  Menge  zu  erleiden  gehabt,  zum  Theil  schon 
in  der  alten,  namentlich  aber  in  der  späteren  Zeit,  seit  dem 
15.  Jahrhunderte.  Ich  will  dies  an  einigen  Beispielen  zeigen: 
radyeyssy   byste    mohli  möj   süd  trpeti  DalC.  4,  statt  radej§«; 


520  Gehauar.  Nominale  Formen  des  altbAhroiechen  Compftrativc. 

(zdvistivy)  by  nechtöl  niöemui  dobr^mu  rad^jge,  nei  by  v  tom 
mßl  rovni  sobß  StitV.  121,  statt  rad6j/  und  wahrscheinlich  ein 
Fohler  des  späteren  Abschreibers;  Egea  bj  byla  radie^se 
polovici  krälovstvie  ztratila  Troj.  217^,  statt  radgjsi;  Alexandr 
vybral  jest  radiegije  k  boji  stare  rytiefstvo  neili  mlade  Alxp.  12, 
statt  radöji;  proö  ty  radöe  .  .  mluviS  stydce  Bläh.  Gramm.  223; 
statt  radife  und  dieses  statt  rad^'/  u.  a.;  —  ferner  -ejt  statt 
-eji  (aus  -öjte),  vömfiji,  milej/,  rad^ji  statt  vörneji,  railej*, 
radöji:  beide  Formen  waren  im  15.  und  IG.  Jahrhunderte  ge- 
bräuchlich, z.  B.  ddieji  und  ddleji,  viceji  und  viceji  Bm.  u.  s.  w., 
aber  Blahoslav  Gramm.  261  hat  -ej/  für  einen  Irrthum  erklärt 
und  man  schreibt  statt  dessen  später  allgemein  -ejt;  —  weiter 
Analogiebildungen  wie  ^nkzyi  statt  sn&ze  nach  dem  Vorbilde 
von  v^rn<5;/,  mile/«  u.  s.  w.,  lepe/e  statt  l^pe,  m6ne;e  statt  meü^,. 
\A\leji  statt  blii^e,  AiXeji  statt  däl«,  dele//  statt  d^le  u.  ä.,  z.  B. 
sndzegj  velblaud  skrze  ucho  jehly  projde  Bni.  1.  26,  Äe  t  bych 
l^pegj  neposlau^il  2.  3,  menögj  hodne  2.  3,  ti  jesto  marnosti 
Bvöta  wjce^j  sobS  ne^li  boha  va'2i  2.  3,  prisedsi  k  synu  a 
by^ßgj  SP  posadiv  2.  8;  —  Weglassung  des  Endvocals:  /e/? 
statt  lepe,  v^h  statt  vySe  u.  ä.  schon  in  der  alten  Sprache,  z.  B. 
inhed  z  nizka  nesnadno  vzhöru  tu,  kde  j'  naywyss  Stit.  r.  18S*, 
statt  najvySe;  im  Neuböhmischen  auch  -ej  statt  -eji  oder  -eJN 
v&rnejj  ddlej  u.  s.  w.;  —  dagegen  Anhängung  des  -c  im  dialek- 
tischen vSrngjc,  dälejr. 

In  einem  Falle  erheischte  es  aber  die  syntaktische  Fügung 
nach  wie  vor,  dass  das  Adjectivum  mit  dem  zugehörigen  Nomen 
oder  Pronomen  in  der  Flexion  congruiere,  nämlich  im  Prädicat: 
war  nun  die  alte  nominale  Comparativform  durch  den  mit  der 
Zeit  eingetretenen  Verfall  einer  solchen  Congruenz  unfähig 
geworden,  so  substituierte  die  Sprache  an  ihre  Stelle  eine  fähige 
Ersatzform,  und  das  war  die  Form  der  zusammengesetzten  De- 
clination,  mladH  statt  mlazi,  mlazSt,  mlazse  u.  s.  w. 

In  Folge  dieser  Störungen  ist  von  der  gewesenen  nominalen 
Comparativform  in  der  heutigen  Sprache  nur  das  Adverbiura 
moudJfejij  h^re  (moudrej,  hür,  moudrejc)  u.  ä.  •  und  das  als  Ad- 
verbium verstandene  radeji,  radni  .  .,  im  Sprachbewusstsein  aber 
nichts  übrig  geblieben,  denn  man  versteht  Tnoudfyi,  hü¥e,  radeji 
radii .  .  nicht  als  Casus,  sondern  als  indeclinable  Partikel. 


Hofier.  Abh&ndliiii((en  ans  d»m  Gebiete  der  alten  Geschichte.  VII.  521 


Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der  alten  Gresehichte. 

VII. 

Kritische  Bemerkangen  Aber  den  Zosimos  (Zcoatfioo,  K6- 

[iYpOc  xal   AicofpiOTtoa'JVYjYopoo  latoptac  vsac  ßfßXta  S$) 

nnd  den  Grad  seiner  Glanbwflrdigkeit. 

Von 

C.  V.  Hofler, 

wirklichem  Mitglfede  der  k.  Akademie  der  Winnennchaftcn. 


Lkxy  den  interessantesten  Tliatsachen  der  alten  Geschichte 
gehört  das  plötzliche  Auftauchen  einer  ueuen  Literatur  im  Laufe 
des  II.  und  III.  Jahrhundertes  nach  Christus.  Sie  ist  lateinisch, 
aber  nicht  römisch,  griechisch,  aber  nicht  hellenisch,  ja  man 
begreift  selbst  unter  dem  Namen  hellenisch,  to  iXXvjvtxöv,  den 
Gegensatz  zu  dieser  Literatur  und  ihrem  Inhalte.  Sie  stammt 
nicht  etwa  aus  einem  bestimmten  Lande  des  römischen  Reiches, 
wie  etwa  Hispanien,  Gallien,  Afrika  sich  durch  ihren  beson- 
deren Typus  in  der  römischen  Literatur  bemerklich  machten. 
Sie  hat  eine  eigenthümliche  Diction,  aber  diese  entspricht  ihrem 
besonderen  Ideenkreise,  einem  Inhalte,  von  welchem  sich  Rom 
and  Hellas  so  lange  sie  können,  abwenden.  Es  ist  ein  müh- 
samer Kampf  um  das  literarische  Bürgerrecht,  um  Anerkennung 
und  Gleichberechtigung,  ja  diese  erfolgt  eigentlich  erst  nach- 
dem auch  der  Staat  sich  dafUr  ausgesprochen  und  als  dieses 
geschehen,  der  Sieg  für  die  neuen  Ideen  errungen,  werden 
diese  erst  noch  für  alle  Uebel  verantwortlich  gemacht,  die  den 
Staat  betrafen,  der  sie  dreihundert  Jahre  rastlos  verfolgte. 

Die  christliche  Literatur  verdrängt  allmälig  die  antike; 
letztere  tritt  nur  mehr  sporadisch  auf,  sie  beweist  durch  ihr 
dünngesäetes  Erscheinen,  dass  sie  im  Absterben  begriffen  ist; 
sie  sucht  einen  Inhalt  und  findet  keinen.  Sie  klammert  sich  an 
das  Alte  an  und  dieses  ist  morsch  und  hohl;  sie  beredet  sich 
selbst,  noch  Thatsachen  zu  vertreten,  die  wie  Phantasmagorien 
verschwinden.     Sie  macht  sich  eine  eigene  Vergangenheit,  um 


522  HÄfler. 

sich  vor  sich  selbst  zu  rechtfertigen  und  gewahrt  nicht,  dass 
es  sich  eigentlich  doch  nur  um  eine  Selbstauflösung  handle, 
die  keine  Macht  der  Erde  mehr  zu  hemmen  vermochte. 

Es  ist  aber  nicht  die  Absicht  dieser  Zeilen,  sich  mit 
einem  christlichen  Schriftsteller  aus  der  Zeit  des  grossen 
Dramas  zu  beschäftigen,  das  man  den  Untei^ang  der  alten 
Welt  nennt,  und  das  in  seiner  Art  mindestens  so  gross,  lehr- 
reich und  bedeutend  ist,  als  der  Aufbau  Roms  oder  die  Anfange 
der  hellenischen  Geschichte,  sondern  mit  einem  jener  Vertreter 
der  antiken  Welt,  der  von  dem  vernichtenden  Gefühle  be- 
herrscht wird,  dass  ihm  der  Boden  unter  den  Füssen  schwinde 
und  wo  nun  die  krampfhafte  Bemühung  hervortritt,  sich  zu 
halten,  während  bereits  jeder  Anhaltspunkt  die  natürliche 
Stütze  versagt. 

Es  handelt  sich  um  die  moderne  Geschichte  des  kaiser- 
lichen Comes  und  Exadvocaten  des  Fiscus,  Zosimos,  die  dieser 
im  V.  Jahrhundeiiie  der  christlichen  Zeitrechnung  schrieb,  so 
aber  wie  sie  vor  uns  liegt,  nur  bis  zum  Jahre  410  reicht.  Nnn 
ist  längst  und  bis  zur  Uebermüdung  hervorgehoben  worden, 
wie  unbillig  derselbe  Schriftsteller  verfuhr,  der  Polybios  sich 
zum  Vorbilde  nahm  und  wie  dieser  eine  pragmatische  Ge- 
schichte zu  schreiben  beabsichtigte,  d.  h.  die  eigentlich  treiben- 
den Ursachen  der  Ereignisse  in  den  Vordergrund  zu  stellen 
sich  bemühte,  in  letzteren  aber  die  Wirkung  von  Voi^ängen 
erblickte,  die  eigentlich  ausserhalb  der  menschlichen  Thatkraft 
und  menschlicher  Selbstbestimmung  stehen,  vom  Laufe  der  Ge- 
stirne, vom  blinden  Fatum  herrühren.  Selbst  eine  göttliche 
Vorsehung,  eine  Oeta  xpovota  ist  ihm  nicht  ganz  fremd.  Eine 
Analogie  zwischen  dem  langsamen  Werden  des  römischen 
Staates,  seiner  raschen  Entwicklung  zur  Weltherrschaft,  nach- 
dem einmal  ein  gewisser  Höhepunkt  erreicht  worden,  und  ein 
ebenso  rasch  eintretender  Ruin,  scheint  der  leitende  Gedanke 
geworden  zu  sein.  Es  ist  eine  traurige  Aufgabe,  den  nnver- 
meidlichen  Verfall  eines  Gemeinwesens  beschreiben  zu  müssen^ 
das  sich  mit  der  gebildeten  Welt  identiiicirt  und,  nachdem  es 
dieselbe  vereinigt,  in  Barbarenherrschaft  auslauft;  noch  trauriger, 
sich  sagen  zu  müssen,  dass,  was  da  übles  vorgehe,  Verhängniss 
sei.  Er  muss  Tacitus  nicht  gekannt  haben,  da  dieser  lange 
vor   ihm   denselben  Gedanken   ausgesprochen   hat,   die  Schuld 


Abhftndlongen  aus  d«m  Gebiete  der  alten  Geschichte.  VII.  523 

aber,  nm  die  es  sich  handelt,  da  suchte,  wo  sie  wirklich  vor- 
handen war,  im  eigenen  Lager.  Nun  scheinen  die  Disquisitio 
in  Zosimum  ejusque  fidem  und  der  weitläufige  Commentarius 
historicus  Joh.  Friedrich  Reitemeiers  (Lipsiae  1784)  so  er- 
schöpfend zu  sein,  dass  es,  nachdem  Immanuel  Bekker  in  seiner 
Ausgabe  des  Zosimos  (Corpus  Script,  hist.  byzantinae)  Bonn  1837, 
beide  wieder  abdrucken  Hess,  einer  Rechtfertigung  bedarf,  wenn 
man  sich  Zusätze  oder  Abweichungen  erlaubt. 

Ich  werde  auf  die  Disquistio  später  zurückkommen,  für 
jetzt  sei  es  gestattet,  einige  Bemerkungen  an  den  historischen 
Commentar  zu  knüpfen. 

Er  macht  auf  den  Fehler  des  Zosimos  in  Betreff  des 
Todes  Julians  aufmerksam,  hebt  die  fälschliche  Angabe  des- 
selben in  Betreff  der  Eroberung  von  ganz  Arabien  durch  Septi- 
mius  Severus  hervor.  Gleiches  geschieht  in  Bezug  auf  Berichte 
über  Papinian,  Macrinus,  Elagabalus,  Alexander  Severus,  die 
Gordiane,  Decius,  auf  die  Verwechslung  des  Tanais  mit  der 
Donau  I  c.  23,  auf  Ariolus  I  c.  38,  auf  Odenathus  und  Postu- 
mius,  wie  dies  in  Betreff  des  Letzteren  schon  Tillemont  nach- 
gewiesen. 

Wenn  femer  Reitemeier  darthat,  dass  die  Forschung  in 
Betreff  der  Kaiser  von  Claudius  bis  Constantin  aus  Mangel  an 
Quellen  grossentheils  an  Zosimos  angewiesen  ist,  der  sich  hiebei 
auf  Eunapios  stützte,  so  entgeht  damit  auch  die  Möglichkeit, 
eine  eingehende  Kritik  in  Bezug  auf  Zosimos  zu  üben,  da 
eben  nur  aus  Mangel  an  anderen  Nachrichten  anzunehmen  ist, 
was  er  mittheilt. 

Aber  auch  hier  finden  sich  nachweisbar  nicht  unbedeutende 
Fehler  vor.  Mit  Recht  macht  Reitemeier  aufmerksam,  dass 
ein  Geschichtschreiber,  welcher  den  Verfall  des  römischen 
Reiches  darstellen  wollte,  nicht  die  Preisgebung  Daciens  durch 
Aurelian  mit  Stillschweigen  übergehen  durfte;  am  wenigsten, 
möchte  ich  hinzufügen,  wenn  die  allmälige  Barbarisirung  des 
Reiches  Hauptgegenstand  der  Darstellung  war.  Als  einmal 
das  Princip  angenommen  war,  die  Eroberungen  aufzugeben, 
war  ein  Präjudiz  der  übelsten  Art  geschaffen  worden.  Galt 
dieses  zum  Theile  schon  von  Augustus  und  Adrian,  so  war  ein 
ungeheurer  Unterschied,  ob  die  Tigrislinie  aufgegeben  ward 
und  die  des  Euphrat  noch  gehalten  wurde,  oder  ob   das  linke 


524  H<5fUr. 

DoDauufer  geräumt  und  den  Barbaren  preisgegeben  wurde. 
Nicht  blos  dass  der  Ister  Grenzscheide  wurde,  es  ward  das 
rechte  Ufer  in  den  Zustand  beständiger  Defensive  gebracht: 
das  war  eine  Neuerung  der  gelHhrlichsten  Art,  die  ein  Nach- 
treter  des  Polybios  nicht  mit  Stillschweigen  übergehen  durfte. 
Jetzt  zog  sich  der  politische  Schwerpunkt  nach  den  unteren 
Donauländern,  erfolgten  die  grossen  politischen  Veränderungen, 
welche  aus  der  Aufgebung  der  Einheit  des  Reiches  herror- 
gingen,  entstand  das  illyrische  Kaiserthum  und  endlich  die 
grösste  und  nachdrücklichste  Umwandlung  der  Dinge,  die  Ver- 
legung der  Hauptstadt  des  Reiches,  als  dasselbe  wieder  geeinigt 
worden  war,  nach  Thracien,  in  die  nächste  Nähe  des  Kriegs- 
schauplatzes, so  dass  die  Hauptstadt  auch  die  wichtigste  Festung 
des  Reiches  wurde.  Sie  hatte  den  am  meisten  bedrohten  Punkt 
desselben  zu  schützen;  das  Fortificationssjstem  des  Isters  er- 
hielt durch  Oonstantinopel  die  eigentliche  Stütze,  ja  der  Bestand 
des  Reiches  hing  seitdem  von  der  Erhaltung  der  Hauptstadt 
ab,  deren  politische  und  strategische  Bedeutung  Altrom  sehr 
bald  in  Schatten  stellte.  Durchgeht  man  nun  die  Bemerkungen 
Reitemeiers,  so  drängt  sich  von  selbst  als  Resultat  derselben 
die  Ueberzeugung  auf,  dass  die  historische  Autorität  des  Zosimos 
auch  da,  wo  von  christlichen  Dingen  und  PersönlichkeiteD 
noch  keine  Rede  ist,  -nichts  weniger  denn  unanfechtbar  ist,  dass 
man  sich  seiner  nur  mit  grosser  Vorsicht  bedienen  kann. 

Bleiben  wir  aber  noch  bei  dem  Theile  des  historischen 
Commentars  stehen,  der  sich  mit  der  Geschichte  des  Kaisers 
Constantins  I.  beschäftigt. 

Reitemeier  erklärt  sich  hiebei  gegen  die  Argumentation 
Tillemonts  zu  Gunsten  der  ehelichen  Abstammung  Constantins. 
ohne  jedoch  näher  in  dieselbe  einzugehen.  Man  kann  aber 
den  Behauptungen  der  Illegitimität  der  Geburt  des  Kaisers 
gegenüber  nicht  abstreiten,  dass  Sextus  Aurelius  Victor  de 
Caesaribus  von  Julius  Constantius,  dem  Vater  Constantins,  und 
dem  Galerius  Maximianus  (Armentarius)  redend,  von  welchen 
der  erste  die  Tochter  des  Herculius,  der  zweite  die  des  Dio- 
cletians  heirathen  musste,  diese  Thatsache  mit  den  Worten  an- 
führt: diremptis  prioribus  conjugiis,  und  Eutropius  sich  des 
Ausdruckes  bedient:  ambo  uxores  quas  habuerant  repudi&re 
compulsi. 


Abhandlnngen  ans  dem  Gabifite  der  alten  Geschichte.  VII.  •)25 

Dass  Maximian  (Herculius)  sich  selbst  entleibte^  nicht 
aber  in  Tarsus  starb,  wo  Maximin  endete^  ist  ein  Fehler  des 
Zosimos,  den  schon  die  Oxforder  Ausgabe  des  Zosimos  rügte. 
Reitemeier  aber  hat  das  Verdienst,  in  die  verworrenen  Angaben 
chronologische  Ordnung  gebracht  zu  haben.  Er  untersucht 
genau  die  Angaben  des  Zosimos  über  die  Bekehrung  Con- 
stantins  und  ob  ihm  die  von  heidnischen  Priestern  begehrte 
Sühne  verweigert  worden,  die  Verweigerung  ihn  erst  in  den 
Schooss  des  Christenthums  getrieben.  So  sehr  aber  hier  Reite- 
meier  sich  bemüht,  Zosimos  nicht  fallen  zu  lassen,  kann  er 
doch  nicht  anders  als  zuzugestehen,  dass  es  seiner  Darstellung 
an  Genauigkeit  gebreche.  Aber  auch  dem  Tadel,  welchen 
Zosimos  über  Constantins  Steuerwesen  in  so  reichem  Maasse 
ausspricht,  sah  sich  Reitemeier  gezwungen  entgegenzutreten, 
wenn  er  auch  bei  der  Wahl  von  Byzantion  als  Hauptstadt  dem 
vermeintlichen  Hasse  der  Römer  gegen  Constantin  viel  zu  viel 
einräumt.  Man  gewinnt  im  Ganzen  aus  der  Untersuchung 
Reitemeierä  in  Betreff  Constantins  die  Anschauung,  welche 
schon  in  Bezug  auf  die  vorconstantinische  Periode  gilt,  dass 
man  es  mit  einem  Schriftsteller  zu  thun  habe,  dessen  Berichte 
soi-gsamer  Prüfung  zu  unterziehen  sind,  ehe  sie  angenommen 
werden  können,  und  zwar  gilt  dieses  Resultat  dem  Zosimos  als 
solchen,  gänzlich  unabhängig  von  seinem  Glaubensbekennt- 
nisse und  seiner  zur  Schau  getragenen  Abneigung  gegen  alles 
Christliche. 

Ehe  wir  jedoch  diejenigen  Punkte  hervorheben,  die  unserer 
Meinung  nach  eine  besondere  Besprechung  verdienen,  sei  in 
Betreff  des  leitenden  Gedankens  des  Autors  bemerkt,  dass  als 
erster  Grund  des  Ruins  die  Umänderung  der  Republik  in  eine 
Monarchie  bezeichnet  wird;  der  zweite  bestand  in  den  Neue- 
rungen Kaiser  Constantins  I.,  sowohl  in  Betreff  der  militäri- 
schen als  der  politischen  Ordnung  der  Dinge  und  vor  Allem  in 
der  Annahme  des  Christenthums;  der  dritte  endlich,  in  den 
Verfiigungen  des  Theodosius,  sowohl  in  Betreff  des  Christen- 
thums als  der  Aufnahme  von  Barbaren  in  das  römische  Heer. 
Montesquieu  hat  bekanntlich  noch  einige  tiefere  Ursachen  aus- 
findig gemacht  und  Gibbon  darüber  ein  Werk  von  universal- 
historischem Werthe  verfasst.  Aber  ganz  abgesehen  von  diesen 
späteren    Werken,    lernt    man    den    successiven    Verfall    des 


526  HÄfler. 

römischen  Reiches,  seitdem  dasselbe  die  Domäne  eines  Einzigen 
geworden,  —  worin  Zosiroos  die  Ursache  des  unaufhaltsamen 
Ruines  erblickt,  während  doch  unzweifelhaft  die  Monarchie 
durch  Beendigung  der  grossen  republikanischen  Bürgerkriege 
den  Bestand  des  Staates  rettete  und  dem  Reiche  seine  grosse 
Ausdehnung  im  Norden,  Osten,  wie  im  Süden  gab,  —  die 
Stadien  des  Verfalles  und  der  Wiederaufrichtung  desselben, 
selbst  aus  Sextus  Aurelius  Victor  de  Caesaribus  besser  kennen, 
als  aus  dem  ersten  Buche  des  Zosimos. 


Gerade  die  Theilung  der  Gewalten,  die  Aufrichtung 
eines  doppelten  Imperiums,  eines  zweifachen  Cäsarenthnms, 
einer  römischen  Tetrarchie,  wie  sie  Valerius  Diocletianus  zur 
Erhaltung  des  sinkenden  Reiches  durchführte,  ergab  sich  sehr 
bald  als  eine  ihrem  Zwecke  nicht  entsprechende  Maassregel. 
Vielleicht  wäre  es  besser  geworden,  wenn  Diocletian,  welcher 
noch  die  Einheit  des  Kaiserthums  repräsentirte,  sich  den 
Mühen  der  Oberleitung  des  Ganzen  nicht  selbst  freiwillig  ent- 
zogefn  hätte.  Die  neue  Institution  sollte  aber  ihre  Probe  dadurch 
bestehen,  dass  ihre  Durchfuhrung  der  jüngeren  Generation,  den 
Cäsaren  Galerius  und  F.  Constantius  anvertraut  wurde,  die 
beiden  irdischen  Götter  Jovius  und  Herculius  (Valerius  Diocle- 
tianus und  Maximianus),  der  erstere  seiner  Neigung  entsprechend, 
der  andere  gegen  seine  Neigung  die  Leitung  irdischer  Ange- 
legenheiten den  diis  minorum  gentium  überliessen.  Da  brachte 
der  frühe  Tod  des  Kaisers  Constantius  eine  unerwartete  Kata- 
strophe hervor,  nicht  blos  indem  der  tüchtigste  Imperator  in 
das  Grab  sank,  sondern  auch  die  Frage  entstand,  ob  der  Schwer- 
punkt der  Macht  dem  Occidente  oder  dem  Oriente  zukommen 
werde.  Jetzt  gelang  es  Constantin,  dem  kühnen  thatkräftigen 
Sohne  des  Constantius,  die  Anerkennung  des  weströmischen 
(keltorömischen)  Theiles  des  Reiches  durch  die  Legionen  seines 
Vaters  und  den  Alemannenkönig  Crocus  ^  zu  gewinnen,  worauf 
ihm    die    von    Seiten     der    übrigen    Auguste    nicht    ausbleiben 


»  Sext.  Aur.  Victor,  epitome  c,  41, 
t 


Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der  alten  Geachichte.  YII.  527 

konnte.  Während  aber  der  andere  Theil  des  Reiches  unter 
Galerius^^  Severus^  Maximinus^  Maxentius  der  Vielherrschaft  ver- 
fiel, bleiben  Gallien,  Britannien,  Hispanien,  die  germanischen 
Provinzen,  nicht  blos  unter  Constantin  geeinigt,  sondern  dieser 
erlangte  nun  auch  durch  Beseitigung  des  Maxentius  Italien  und 
Afrika  und  als  dann  das  Beich  nach  dem  Tode  des  Diocletian, 
des  Maximian,  des  Maximinus,  des  Severus,  des  Maxentius  der 
Zweiherrschaft  des  Constantin  und  des  Licinnius  zufiel,  war 
denn  doch  in  Betreff  der  Grundlage  ihrer  Macht  eine  grosse 
Verschiedenheit  zu  gewahren.  Ob  Constantins  Mutter  von  vor- 
nehmer Geburt  war  oder  nicht,  und  Zosimos  legt  auf  das  letztere 
einen  grossen  Nachdinick,  er  war  denn  doch  ein  Kaisersohn, 
was  Licinnius  nicht  war,  und  wurzelte  so  seinem  Geschlechte 
nach  im  Occidente.  Hier  ruhte  auch  die  Kraft  der  römischen 
Legionen,  welche  sich  im  Kampfe  mit  der  Uebermacht  des 
Maxentius  wohl  bewährt  hatte.  90.000  Mann  —  Barbaren, 
Germanen,  Kelten,  Britannen  mit  8000  Reitern  standen  in  der 
Schlacht  an  den  rothen  Felsen  vor  Rom  den  170.000  Römern, 
Tuskern,  Sicilianern  und  Karthagern  (Afrikanern),  verstärkt 
durch  l&.OOO  Reiter,  gegenüber  und  dennoch  hatte  Constantin 
gesiegt.  Die  weströmischen  Legionen  hatten  in  gewaltiger 
Schlacht  die  südrömischen  überwunden.  Gerade  bei  den  be- 
deutenden Zahlenangaben  und  dem  numerischen  Uebergewichte 
des  feindlichen  Heeres  bleibt  aber  der  Sieg  des  Constantin  bei 
den  rothen  Felsen  (grotta  rossa),  neun  Miglien  nördlich  von  Rom, 
eine  fast  unerklärliche  Thatsache.  Freilich  erscheint  das  Räthsel 
sehr  leicht  gelöst,  wenn  man  zu  der  gewöhnlichen  Art  der 
Lösung  seine  Zuflucht  nimmt.  Maxentius  hat  an  der  Schiff- 
brücke einen  Durchlass  angebracht,^  der  als  Fallthüre  dienen 
konnte  und  alles  so  schlau  berechnet,  dass  die  Vertheidigung 
Roms  gegen  Constantin  nicht  sowohl  auf  den  18.000  Reitern  und 
170.000  Fusssoldaten  beruhte,  als  vielmehr  darauf,  dass  diese 
188.000  den  feindlichen  Imperator  gerade  auf  diese  Fallthüre 
hintrieben  und  er  somit  ertrinken  musste.  Das  ist  wirklich  so 
schlau  erdacht,   dass  es  eine  welthistorische  Bewunderung  er- 


*  Maximianua,  ArmentariuB.  Sext.  Aar.  Victor  de  Caesar. 
2  Zo».  III,  c  15. 


628  HÄfler 

regt  und  Maxentius,  der  geistreiche  Erfinder  dieses  Stratagems, 
das  Vorbild  aller  Strategen,  Hannibal,  dadurch  weit  hinter  sich 
zurückliess!  Wie  hat  man  sich  denn  nun  die  ConstantinsBchlacht 
zu  denken  ?  Das  römische  Heer  aus  der  Stadt  über  die  Tiber  zu 
führen  und  dann  den  auf  der  Via  Flaminia  vorrückenden  Con- 
stantin  mit  seinen  abgehärteten  keltoger manischen  Legionen 
so  anzugreifen,  dass  die  Armee  des  Maxentius  die  Tiber  im 
Rücken  hatte,  wenn  die  Schlacht  verloren  war,  in  den  Floss 
geworfen  wurde,  wäre  eine  so  kolossale  Thorheit  gewesen,  d&as 
sie  dem  Maxentius  nicht  zugetraut  werden  kann  und  gerade 
der  Umstand,  dass  er  oberhalb  Ponte  molle  eine  neue  Brücke 
baute,  beweist,  dass  er  sehr  wohl  daran  dachte,  die  Angriffs- 
punkte wie  die  Rückzugslinien  zu  vermehren.  Seinerseits  hatte 
sich  Constantin,  als  er  Italien  zu  erobern  versuchte,  im  Norden 
aufgehalten  und  dort  zuerst  sich  festgesetzt,  Verona  wie  Aqui- 
leja  erobert,  Mutina  genommen  und  erst,  nachdem  er  so  seine 
Verbindung  mit  Gallien  gesichert,  die  Rückzugslinie  gedeckt^ 
rückte  er  gegen  Rom  vor.  Hier  aber  bot  ihm  Maxentius  keine 
Schlacht  an,  sondern  hielt  er  das  Heer  theils  in  theils  ausser 
Rom  zusammen  und  wollte  Constantin  den  Uebergang  über 
die  Tiber  im  Angesichte  der  (von  Aurelianus)  befestigten  Stadt 
forciren,  Hess  er  sich  durch  die  Schiffbrücke  zu  einer  kühnen 
That  verleiten,  so  war  das  Misslingen  des  Angriffes  —  mit  oder 
ohne  die  Fallbrücke  ziemlich  sicher.  Anders  wurde  es,  als 
Maxentius  am  28.  Octobcr  kühn  zum  Angriffe  übei^ing  und 
zwar  mit  solchem  Ungestüme,  dass  es  auf  dem  rechten  Tiber- 
ufer zum  hartnäckigen  Treffen  kam.  Dieses  aber  kann  man 
sich  kaum  anders  vorstellen,  als  dass  Maxentius,  nachdem  er 
sein  Heer  auf  das  rechte  Tiberufer  geführt,  seine  Gegner  — 
in  ähnlicher  Art  wie  Napoleon  die  Oesterreicher  bei  Wagram  — 
zu  überflügeln,  von  ihrer  Rückzugslinie  abzudrängen  und  in 
den  Fluss  zu  werfen  suchte.  Dazu  konnte  ihm  die  Ueberzahl 
seiner  Reiterei  vortreffliche  Dienste  leisten.  Man  hat  den 
Kampf  in  das  Gebiet  der  Wunder  verlegt  und  die  unmittel- 
bare Einwirkung  höherer  Kräfte  zu  seiner  Erklärung  zu  Hülfe 
gerufen.  Constantin  habe  in  Folge  eines  Traumgesichtes  seinen 
Soldaten  befohlen,  das  Monogramm  Christi  auf  Schild  und  Helm 
zu  setzen,  Maxentius  sich  aber  nach  den  Aussprüchen  der  sibylli- 
nischen  Bücher   gerichtet.     Da   letzterer   den  Römern  verhasst 


Abhandlungen  ans  dem  Gebiete  der  alten  6e8Clüc1it<>.  YII.  529 

war  und  sein  Leben  verlor^  musste  er  in  allen  Dingen  Unrecht 
haben^  auch  ein  schlechter  Feldherr  sein,  während  er  kurz 
zuvor  den  Alexander  in  Afrika  besiegt  hatte,  welcher  sich  dort 
zum  Kaiser  aufgeworfen  hatte.  Die  Karthager  des  Zosimos, 
welche  Maxentius  im  Kampfe  mit  Constantin  verwandte,  sind 
offenbar  jene  Soldaten,  die  er  nach  Besiegung  seines  Gegners 
HUä  Afrika  nach  Italien  herüberführte.  Auch  die  Vorsicht, 
mit  der  Constantin  operirt,  beweist,  dass  er  seinen  Qegner  gar 
nicht  verachtet.  Maxentius  erwartete  ihn  vor  Rom  und  wer 
sich  die  Mühe  nimmt,  etwas  weniger  an  die  Schiffbrücke  zu 
denken  und  etwas  mehr  an  die  Stellung  Constantins  auf  dem 
rechten  Tiberufer  im  Angesichte  der  von  seinem  Gegner  be- 
setzten Stadt  und  eines  ihm  überlegenen  Heeres  wird  sagen 
müssen,  dass  es  einer  ganz  ausserordentlichen  Disciplin,  Tapfer- 
keit und  Leitung  bedurfte,  um  den  Sieg  zu  erringen.  £iner 
von  beiden  Kaisern  musste  in  die  Tiber  geworfen  werden  und 
da  traf  es  denn  statt  des  Constantin  den  Maxentius.  Uebrigens 
hat  die  epitome  des  Sextus  Aurelius  Victor  wohl  den  Schlüssel 
zu  seiner  Todesart:  Maxentius  dum  adversus  Constantinum  con- 
greditur  paullo  superius  a  ponte  Milvio  in  pontem  navigiis 
compositum  a  latere  ingredi  festinans  —  gerade  dass  die  Schiff- 
brücke oberhalb  der  Ponte  molle  gebaut  war  und  der  Angriff 
von  dieser  Seite  erfolgte,  beweist,  dass  es  sich  um  eine  Um- 
gehung Constantins  handelte  und  zwar  auf  seinem  linken  Flügel 
—  lapsu  equi  in  profundum  demersus  est  voratumque  limo 
pondere  thoracis  corpus  vix  repertum.  Er  starb  in  ähnlicher 
Weise  wie  König  Ludwig  II.  bei  Mohacs,  nicht  in  seiner 
eigenen  Falle  gefangen,  sondern  nach  einer  kühn  angelegten 
Schlacht,  die  den  Sieg  zu  verbürgen  schien,  durch  den  Sturz 
seines  Pferdes.  Sein  Tod  öffnete  dem  Sieger  Roms  Thore  und 
entschied  das  Geschick  des  Abendlandes.  Es  ist  hierin  etwa« 
weniger  Wunder,  aber  mehr  Wahrheit.  Das  erstere  behagte 
den  christlichen  Schriftstellern  mehr ;  die  Wahrheit  hätte  Con- 
stantins Verdienst  auf  den  Schäffel  gestellt  und  behagte  wieder 
dem  Comcs  und  Exadvocaten  des  Fiscus  nicht  —  das  Richtige 
dürfte  aber  denn  doch  in  dieser  Auseinandersetzung  liegen. 

Licinnius  war  durch  die  Vermählung  mit  der  Constantia 
Constantins  Schwager  geworden;  jeder  der  beiden  Schwäger 
erhob  einen   seiner    Söhne    zum    Range    eines    Cäsaren.     Als 


530  H»fl«r. 

CrispuB^  der  Sohn  ConstantinB  und  der  Minervina'  Cäsar 
wnrde/^  war  es  schon  in  der  dritten  Generation  des  flavischen 
Hauses^  dass  diese  Würde  demselben  zukam.  Als  die  beiden 
Kaiser  des  westlichen  und  östlichen  Theiles  des  Reiches  sich 
entzweiten^  siegten  die  germanisch-keltischen  Legionen  aacb 
über  die  oströmischen,  erst  bei  Kibalis  und  Sirmion,  dann  am 
HebroSy  am  Bosporos,  bei  Chalkedon  und  Nikomedien.  Licinnius 
ernannte  ausser  seinem  Sohne  Licinnianus,  ja  noch  vor  diesem 
den  Valens  3  zum  Cäsar.  Ihn  bezeichnet  Zosimos  als  die 
Ursache  der  Uebelstände,  die  über  Licinnius  sich  ei^ossen.  £r 
wurde,  als  die  beiden  Schwäger  sich  wieder  zeitweilig  ver- 
söhnten, gewaltsam  beseitiget,  als  es  aufs  neue  zum  Kampfe 
kam,  durch  Martinianus  ersetzt,  den  Licinnius  von  einem 
magister  officiorum  zum  Cäsar  erhob.  Dieser  wurde  in  den 
Sturz  des  Licinnius  verwickelt  und  als  letzterer  vor  Nikomedia 
dem  Constantinus  den  Purpur  und  sich  selbst  übergab,  aui 
Befehl  des  Siegers  hingerichtet.  Constantin  vermied,  Cäsaren 
ausserhalb  seiner  Familie  zu  ernennen  und  selbst  als  er  seinen 
Sohn  Crispus  wegen  des  Verdachtes,  dass  er  es  mit  seiner 
Stiefmutter,  der  Kaisertochter  Fausta  halte,  tödten  liess,  war 
der  Thron  dem  im  Purpur  geborenen  Oeschlechte  gesichert^ 
eine  ächte  Kaiserdynastie  vorhanden,  wenn  auch  diese,  wie 
Zosimos  die  Sache  darstellt,  Fausta  nicht  zur  Ahnfrau  hatte.^ 
Das  Gefühl  unter  einer  Kaiserdynastie  zu  stehen,  war  so  leb- 
haft, dass  nach  dem  Tode  des  grossen  Kaisers  die  Soldaten, 
welche  das  ehemalige  römische  Volk  repräsentirten,  den  Cäsar 
Dalmatius,  den  Constantius,  Bruder  des  Kaisers,  den  Anni- 
balianus,  alle  aus  dem  Oeschlechte  des  Constantius  Chloros 
tödteten,  indem  sie  keine  anderen  Herrscher  wollten  ab  die 
Söhne  Constantius. 

,  Nun  kann  man  sich  kaum  etwas  Schaleres  und  Oberfläch- 
licheres   vorstellen,    als    die    Schilderung    Constantins    durch 


1  Ex  naXXocxTJ;  auTa>  ygyovdTa  wie  Zosimos  hervorhebt     Ex  Minervina  cun- 
cubina  susceptum.  Sext.  Aur.  Victor  epit.  c.  41. 

2  Nach  Sext.  Aur.  Victor  de  Caesaribus  c.  41  auch  Constantinus  (II). 

•  OuaXTfj;, 

*  oux  «Ko  <l>aüaTT)5  TTJ;  Tou  'EpxouXlou  Ms^ifiiavou  OyyaTpd?.   II,  39.    So  wenig 
war  Zosimos  mit  den  Familienverhältnissen  der  Flavier  bekannt 


Abliandlang:«!!  ana  dem  QebiAta  d«ir  alten  Oeicbichte.  Ylf.  531 

Zosimos.    Wüssten   wir   von    dem    Begründer   ConstantiAopels; 
von  dem  Kaiser^   der  dem  Reiche  die  Einheit  wieder  gab  und 
die   Fehler    des    diocletianischen    StaatsorganiBmus    wesentlich 
verbesserte,  nur,  was  uns  Zosimos  von  ihm  mittheilte,  so  hätten 
wir  es  mit  einem    treulosen  Fürsten   zu   thun,   der  durch   dön 
Einfluss  von  Weibern   bewogen,   auf  die   ein  Spanier  Namens 
Aigyptios  einzuwirken  verstand,  in  Rom  gegen  den  alten  Götter- 
glauben auftrat,  vor  den  Flüchen  der  Römer  eine  andere  Haupt- 
stadt suchte,  diese  in  Byzanz  fand,   das  er  mit  grossen  Theils 
unsinnigen  Bauten  erfüllte;  der  das  Reich  ruinirte,^   als  er  die 
verderbliche  Neuerung  der  vier  grossen  Präfecturen  begründete, 
die  Civilgewalt  von  der  militärischen  trennte,  dem  Heere  eine 
andere  Eintheilung  gab,   die  Soldaten   von   den  Grenzen  nach 
den  Städten  verlegte  und  ein  Steuersystem   einführte,    so  dass, 
wie  Zosimos  versichert,  die  meisten  Städte  unbewohnt  wurden.^ 
Er  muss  wider  seinen  Willen  zugeben,   dass  die  Reichsgewalt 
durch    Schöpfung    des    Patricius,    des    Nobilissimus    vermehrt 
wurde;  dass  die  stärkere  Betonung  der  Reichseinheit  eine  un-^ 
bedingte    Nothwendigkeit    war,    dass    eine    Rückkehr    zu    der 
Reichstheilung    unter    Diocletian    das    grösste    Uebel    in    sich 
schloss,  ist  aber  Zosimos,   der  in  der  Monarchie  des  Augustus 
den  ersten  Grund  des  Verfalles  des  römischen  Reiches  erblickte, 
so  wenig   klar  geworden,   als   dass   die  Frage  über  die  recht- 
liche  Stellung   der   Christen   im    römischen   Reiche    nach   den 
wilden  Scenen  unter  Diocletian  und  Galerius,  noch  einer  anderen 
Lösung  harrte,  als  durch  die  brutale  Verfolgung,  von  der  Zo- 
simos 80  wenig   weiss,   als   von   den  Massregeln  Julians  gegen 
die  Christen,  die  Ammianus  tadelt.  Die  Darstellung  jenes  Actes 
von  unermesslicher  Bedeutung,   der  Wahl   einer  neuen  Haupt- 
stadt,   die    seitdem    eine   der  grossen  Weltenringe   wurde,   ist 
nur  in   so   ferne   in   das  Geschichtbuch  aufgenommen,   als  sie 
Anlass  zu  weiterem  Tadel  gewährte.    Selbst  jedem  Aberglauben 
huldigend  und  von  der  Ueberzeugung  durchdrungen,    dass  die 
Preisgebung  der   alten   Ceremonien   und   des   alten    römischen 
Götterglaubens  den  Untergang  des  Reiches   unaufhaltsam   her- 


^  ?s  xoXtu;  xaOE9tu>Ta  xivtSv. 

'  ?si}{ioi  T'jjv  otxouvTtuv  a\  TzksXoxoLi  (;cöXei;)  ysY^vaatv.  Doch  g^ewiss  eine  kolossale 
Uebertreibung. 
Ritnngül)^.  d.  phiK-bint.  C1.  XCV.  Bü.  II.  Hft.  35 


532  HÄfl#r. 

beifübrte,  fehlt  ihm  fiir  die  neue  Zeit,  die  sich  im  IV.  Jahr- 
hunderte der  christlichen  Zeitrechnung  fär  die  römische  Welt 
aufthaty  jeder  Sinn  und  jedes  Verständuiss.  Aber  auch  d&filr, 
dass  ein  neuer  politischer  Antagonismus  sich  damals  austmc^, 
die  Frage  ob  der  Orient,  ob  der  Occident  siegreich  aus  der 
Messung  der  Kräfte  hervorgehen  werde,  unter  welcher  Form 
die  Einheit  des  Reiches  durchgesetzt  werden  könne,  ob  auch 
nur  unter  der  Einheit  der  Dynastie  und  welche  Gestaltung  das 
Reich  dann  annehme,  wenn  das .  Einheitsprincip  aufgegeben 
werden  müsste,  ist  ihm  nicht  klar  geworden.  Er  ist  ein  Doctrinär 
des  V.  Jahrhundertes,  dem  es  an  wahrem  politischen  VerstäDd- 
nisse  gebricht. 

In  dem  Augenblicke,  als  die  drei  Söhne  des  grosBen 
Kaisers  das  dreifache  Imperium  durch  Bürgerkrieg  und  Bruder- 
blut zu  vereinfachen  sich  bemühen,  macht  sich  doch  mit  aller 
Gewalt  die  Frage  geltend,  was,  wenn  die  Einheit  der  Dynastie 
von  denen  selbst  aufgegeben  werde,  die  sie  vor  Allem  zu  be- 
wahren hatten,  das  Schicksal  des  Reiches  werden  müsste? 
Kaum  war  Constantin  U.  im  Streite  mit  dem  jüngsten  Bruder 
Constans  gefallen,  so  tritt  in  Gallien  Magnentius,  in  Pannonien 
Vetranio  als  Gegenkaiser  auf;  es  rührt  sich,  als  Constans  durch 
Magnentius  erschlagen  wurde,  im  Schoosse  der  flavischen  Neben- 
linien. Nepotianus,^  Sohn  einer  Schwester  Kaiser  Constantins  L, 
sucht  sich  in  Altrom  ein  Kaiserthum  zu  erwerben  und  so  ent- 
steht der  Kampf  um  die  Legitimität,  in  welchem,  nachdem 
Magnentius  bereits  den  Nepotianus  beseitigt,  die  I^egionen  des 
Constantius  erklären,  die  Auswüchse  des  Kaiserthums  beseitigen 
zu  müssen.^  Sie  zwingen  Vetranio  zur  Abdankung,  Constantius 
aber  muss  sich  denn  doch  bereits  auf  die  noch  übrige  flavische 
Nebenlinie  stützen,  erhebt  den  Sohn  eines  Bruders  Kaiser  Con- 
stantius I.  und  Bruder  Julians,  Gallus,  zum  Cäsar  und  gibt 
ihm  seine  Schwester  Constantia,  Kaiser  Constantins  Tochter, 
zur  Gemahlin,  Magnentius  aber  macht  jetzt  den  Decentius, 
seinen  Verwandten  zum  Cäsar  und  der  Kampf  zwischen  Occident 
und  Orient  entbrennt   aufs  Neue  an  der  Grenze  von  Noricum 


'  Potentianns  materna  stiq>e  Flayio  propinqnas.  Sext.  Aur.  Victor  de  Caenr. 
c.  42. 

3  TS  x{ß87]Xa  T7J(  ßaaiXeCo^  exxaOatpeaOat. 


Abhandlungen  an«:  dem  Gebiete  der  slten  Qeechichte.  VII.  53B 

und  Pannonien,  an  der  Drau  und  Sau,  wo  sich  die  Legionen 
des  Constantin  und  des  Licinnius  gemessen.  Nur  mit  äusserster 
Muhe  vermag  sich  der  flavische  Kaiser,  der  jetzt  die  römischen 
Legionen  gegen  die  barbarischen  des  Magnentius  führte,  der, 
selbst  gallischen  (keltischen)  Ursprungs,  Sieg  und  Heer  verlor, 
sich  selbst  das  Leben  nahm,  zu  erhalten.  Decentius  wurde 
erschlagen  und  so  nicht  blos  die  Einheit  des  Reichs  wieder 
aufgerichtet,  sondern  auch  dem  keltischen  Bestandtheile  des 
Reiches  eine  tödtliche  Wunde  bereitet,  der  sich  die  Germanen 
nur  freuen  konnten.  Als  aber  nun  der  Cäsar  Gallus  die  jüngere 
Linie  des  flavischen  Hauses  auf  Kosten  der  älteren  zur  Herr- 
schaft zu  erheben  suchte,  kostete  dieses  auch  ihm  das  Leben; 
an  seine  Stelle  berief  Constantius  den  Julian,  dessen  Jugend 
mit  den  blutigen  Scenen  erfüllt  war,  die  seinem  Vater,  seinen 
nächsten  Verwandten,  das  Leben  gekostet  und  der  seinen 
Wohlthäter,  den  Kaiser,  als  Mörder  seines  Bruders  bezeichnete. 
Ihm  gab  Constantius  das  von  den  Germanen  gestürmte  Gallien, 
den  der  flavischen  Monarchie  neuerdings  eingereihten  Westen 
zur  Verwaltung.  Bald  rächte  Julian  durch  seine  Empörung 
gegen  Constantius  den  blutigen  Untergang  der  Nebenlinien.  Der 
letzte  Kaiser  aus  dem  Geschlechte  Constantins  starb  auf  dem 
Zuge  gegen  den  meuterischen  Julian,  dieser  selbst,  ohne  das 
Haus  des  Constantius  Chlorus  fortführen  zu  können,  auf  dem 
unglücklichen  Zuge  gegen  die  Perser,  der  sechste  und  letzte 
Kaiser  der  flavischen  Dynastie,  der  ersten  im  römischen 
Reiche,  die  sich  bis  in  die  vierte  Generation  fortzu- 
setzen vermochte  und  doch  nicht  viel  mehr  als  ein  halbes 
Jahrhundert  regierte. 

Das  dritte  Buch  entspricht  seinem  Inhalte  nach  am 
meisten  dem  Genius  des  Autors,  der  in  diesem  den  Helden 
des  Hellenismus,  Julian,  seine  Siege  in  Gallien,  seine  Em- 
pörung g^en  Constantius,  die  Vorbereitungen  zum  Perser- 
kriege, dessen  glücklichen  Beginn  und  unglücklichen  Ausgang 
beschreibt.  Hier  tritt  Zosimos  selbst  in  so  ferne  polemisch 
auf,  als  er  den  Leser  auf  die  vielfach  verbreiteten  Reden  und 
Briefe  Julians  ^  verweist,  und  erklärt,  er  wolle  vor  allem  mit- 
theilen,  was  von  Andern  ausgelassen  worden  war. 


^  xst  {laXiTTa  oaa  toi^  oXXoi;  irapaiXsXeTfdai  ooxeT, 

3ö* 


534  Hftfler. 

Es  beweist  nicht  gerade  vielen  historischen  Sinn,  wenn 
er  den  grossen  Sieg  Julians  bei  Argentoratom  über  die  Ale- 
mannen mit  dem  Siege  Alexanders  über  Dareios  vergleicbt, 
der  den  Umsturz  eines  Weltreiches  zur  Folge  hatte.  Es  fehlt 
selbst  alle  Möglichkeit  uns  klar  zu  machen,  was  aus  GO.OCKi 
Alemannenleichen  wurde,  die  abgesehen  von  den  Massen,  welche 
der  Rhein  verschlang,  den  römischen  Schwertern  erlegen  waren, 
und  da  die  Römer  denn  doch  wohl  keinen  unblutigen  Sieg  er- 
rangen, so  muss  man  sich  wohl  das  Schlachtfeld  als  einen  Pest- 
acker ohne  Gleichen  vorstellen !  Von  grösserer  Wichtigkeit  als 
die  Erörterung  dieser  Frage,  erscheint  aber  der  Plan  Julians^  die 
Bezwingung  der  ganzen  germanischen  Welt  zu  versuchen.*  Die 
Alemannen  waren  freilich  nicht  vernichtet  und  sahen  sich  bis 
zu  ihrer  Niederlage  unter  Clovis  als  die  berufenen  Bezwinger 
GalHenB  an.  Sie  waren  aber  jedenfalls  empfindlieh  geschwächt. 
Dafür  stürmten  bereits  die  Sachsen  gegen  Gallien  und  hätten 
damals  die  Franken,  statt  sich  an  die  Römer  anzuschliessen, 
gemeinsame  Sache  mit  diesem  ,muthvollsten  und  tapfersten 
germanischen  Volke'  gemacht,  die  Dinge  hätten  für  Gallien 
eine  schlimme  Wendung  genommen.  Als  nun  Julian  den  Rhein 
überschritt  und  bis  an  den  herkynischen  Wald  vordrang,  hatte 
er  die  Zukunft  Deutschlands  in  seinen  Händen.  Die  germa- 
nische Völkerwanderung  bestand  doch  aus  zwei  sehr  getrennten 
Theilen,  einem  östlichen  und  einem  westlichen,  einem  Vorstosse 
an  der  untern  Donau  und  einem  Vorstosse  an  dem  Rheine. 
Verfolgte  der  Cäsar  die  Unternehmung  gegen  den  ersteren 
Theil,  so  war  es  möglich,  die  schon  bis  zum  Aeussersten  ge- 
brachten Westgermanen  zu  bewältigen,  ehe  die  gothischen 
Völker  vor  den  Hunnen  Wohnplätze  auf  dem  rechten  Donau- 
ufer suchten  und  die  grossen  Gothenkämpfe  des  IV.  und 
V.  Jahrhundertes  begannen.  Dann  musste  aber  der  Eine  Ge- 
danke mit  aller  Consequenz  aufgenommen  und  zu  Ende  gefuhrt 
werden  und  war  der  westliche  Flügel  der  germanischen  Völker- 
stellung bewältigt,  dann  gelang  es  wohl,  den  östlichen  zwischen 
Römer  und  Hunnen  zu  erdrücken,  mindesten  die  Gothen  zu 
romanisiren.  Das  wurde  nun  freilich  anders,  als  ,in  der  kleinen 
Stadt  Germaniens',^  in  Paris,  das  Reiterbanquet  stattfand,  die 

*  im  Tov  xaT«  tou  Fsp^aviKOu  icavTo;  rapsaxEuaCsTo  roXsiiov. 


AbhandlnoffeB  ani  dem  Gebiete  der  alten  Geeddehte.  Tu.  535 

Tribunen  anonyme  Schriften  unter  den  zum  Abzüge  bestimmten 
Truppen  verbreiteten  und  diese  nun  so  gegen  den  Kaiser, 
welcher  dem  Cäsar  die  siegreichen  Truppen  stehlen  wolle,  auf- 
gebracht wurden  y  dass  sie  mit  den  Bechern  in  der  Hand 
Julians  Hauptquartier  stürmten,  ihn  zum  Imperator  ausriefen 
und  Julian  nun,  wenn  gleich  ungerne  geschehen  liess/  was  er 
nicht  —  ändern  —  wollte.  Er  hielt  es  für  besser  den  Göttern 
als  den  Worten  des  Constantius  sich  und  sein  Leben  anzuver- 
trauen. Aber  erst  ein  Traumgesicht  in  Vienna,  das  ihm  den 
raschen  Tod  des  Constantius  verhiess,  brachte  ihm  völlige  Be- 
ruhigung und  als  er  dann  an  der  Spitze  des  meuterischen 
Heeres  nach  Naissos  gekommen  war  und  ihm  seine  Wahrsager 
riethen,  den  raschen  Zug  nicht  fortzusetzen,  sondern  hier  zu 
verweilen,  auch  wirklich  hier  die  Nachricht  eintraf,  Constantius 
sei  unterwegs  gestorben,  musste  er  in  der  Meinung,  von  den 
Göttern  als  Werkzeug  grosser  Dinge  berufen  zu  sein,  nicht 
wenig  bestärkt  werden.^  Dem  Forscher  bleibt  es  aber  unbe- 
nommen, die  (ivü)vu(i.a  Ypi[ji(i.«T(Z  von  Paris,  die  für  das  Banquet 
vorbereiteten  Pamphlete,  den  Traum  von  Vienna,  das  plötz- 
liche Verweilen  in  Naissos  und  den  unvermutheten  Tod  des 
Constantius,  der  des  Julian  Bruder,  Gallus,  hatte  tödten  lassen, 
in  einem  sehr  menschlichen  Zusammenhange  sich  zu  denken. 
Julian  nahm  jetzt  an,  was  ihm  die  Götter  gewährten,^ 
und  zog  nun  nach  Bjzantion,  Constantinopel  zu  sagen,  kann 
sich  nämlich  Zosimos  nur  sehr  ungern  entschliessen,  —  wo  denn 
auch  der  letzte  Flavier  in  seiner  Geburtsstätte  enthusiastisch 
aufgenommen  wurde.  Die  Empörung  war  in  unblutiger  Weise 
zum  Ziele  gekommen.  Zosimos  begnügt  sich  mit  wenigen  Worten 
zu  melden,  dass  durch  den  Tod  des  Constantius,  Julian  von 
dem  Heere  zur  Herrschaft  über  das  Ganze  berufen  worden  sei. 
Seine  Wahrsager  werden  wohl  Näheres  darüber  gewusst  haben. 
Erkennt  man  den  Meister  des  Stiles  in  dem,  was  der  Autor 
verschweigt,  so  muss  Zosimos  gerade  im  dritten  Buche  als 
Meister  angesehen  werden.  Wer  es  nicht  aus  Ammianus  Mar- 
cellinus  und  aus  den  Kirchenschriftstellern  jener  Tage  erfuhr. 


3  Be;a|uvo(  hl  io  Tcapa  tou  0£{ou  (ein  Lieblingsansdruck  des  Zosimos)  $tSb>pi]|xivov. 


536  HAfler. 

welche  Bedeutung  es  fiir  das  römische  Reich  hatte,  dass  nicht 
ein  Arianer  wie  ConstantiuS;  (überhaupt  kein  Christ,  soDden 
ein  vom  Christenthume  zum  Hellenismus  abgefallener  Kaiser 
(ßaaiXe6(;)  geworden  war,  aus  den  Nachrichten  über  den  Hafen- 
bau von  Byzanz,  der  Gewährung  eines  eigenen  Senates  wie  in 
der  Stadt  Rom,  des  Baues  einer  Bibliothek,  den  Streitigkeiten 
mit  den  Einwohnern  von  Antiochien,  gegen  welche  der  Kaiser 
eine  Schrift  verfasste,  ,d]e  in  der  ganzen  Welt  die  Antiocheer 
brandmarkte^,  erfahrt  man  es  nicht.  Zosimos  theilt  nun  mit 
grosser  Umständlichkeit  die  Vorbereitungen  zum  Perserkriege 
mit,  dessen  Gelingen  auf  der  gehörigen  Unterstützung  des  an 
und  über  den  Tigi*is  vordringen  Heeres  durch  die  zahlreiche 
Flotte  (mehr  als  1100  Schiffe)  beruhte  und  das  Julian  selbst 
nach  einem  glänzend  unternommenen  Vorstosse  in  Frage  stellte, 
als  er  die  Flotte  zu  verbrennen  befahl  und  nun  das  Heer  keine 
Zufuhr,  die  Menschen  so  wenig  als  die  jetzt  erst  so  noth- 
wendige  Cavallerie  und  die  zahlreichen  Lastthiere  Lebensmittel 
erlangten.  Jetzt  half  auch  die  grösste  persönliche  Tapferkeit 
nicht  mehr.  Zosimos  selbst  muss  zugestehen,  dass  das  Heer 
in  Tummara  angelangt  die  unglückselige  Massregel  beklagte. 
Als  nun  Julian  der  Muthlosigkeit  seiner  Soldaten  zu  steuern, 
selbst  am  feindlichen  Handgemenge  sich  betheiligte,  erhielt  er 
den  Schwertstreich,  1  der  ihn  niederstreckte.  Er  wurde  auf 
seinem  Schilde  in  das  Zelt  getragen,  wo  er  bis  gegen  Mitter- 
nacht lebte,  nachdem  er  die  Herrschaft  der  Perser  kurz  vorher 
bis  an  den  Rand  des  Verderbens  gebracht. 

Abgesehen,  dass  die  Darstellung  seiner  Verwundung  mit 
den  von  anderer  Seite  auf  uns  gelangten  Nachrichten  im  Zwie- 
spalte  steht,  erfahren  wir  von  Zosimos  über  Julian  nicht  mehr. 
Nichts  über  seinen  Charakter,  den  uns  Marcellinus  so  anschau 
lieh  beschreibt,  nichts  über  seine  Schriften,  nichts  über  sein 
Verfahren  gegen  die  Christen,  noch  über  seine  weiteren  PlUne. 
Es  ist  nur  der  Krieger,  der  Soldat,  den  er  uns  vorführt,  der 
römische   Alexandres,    die  einzige   Lichtgestalt  des  ilaviscben 


*  TiXi^TieTai  5^9£t  KCtpi*  aui^v  ttJ;  [xa/r^C  ttjv  ax[xv]v.  H^o^  ist  doch  d«  römifche 
Schwert.  WoUte  Zosimos  dadurch  anzeigten,  dass  Jalian  nicht  von  Persern 
verwandet  worden  war?  Im  persischen  Heere  war  man  der  Meinuug. 
die  Römer  hätten  ihren  Kaiser  erschlagen. 


Abhandlung«!!  aus  d«m  Gebiete  der  alten  Geschichte.  YII.  537 

Kaiserhauses,  das  doch  mit  einem  Fürsten  endet;  welcher  mit 
allen  Traditionen  seines  Geschlechtes  brach  und  das  römische 
Reich  in  der  grössten  inneren  Erschütterung,  nach  Aussen 
geschwächt,  ja  in  einem  so  erbärmlichen  Zustande  zurückliess, 
dass  sich  das  nunmehr  entschiedene  Uebergewicht  der  Perser 
über  die  Kömer  von  dem  heillosen  Frieden  datirt,  der  zur 
Rettung  des  römischen  Heeres,  der  Sicherung  seines  Rückzuges 
abgeschlossen  werden  musste.  Der  Antagonismus  zwischen  dem 
römischen  und  dem  •  persischen  Weltreiche  trat  jetzt  stärker 
als  früher  hervor;  der  zwischen  der  germanischen  und  der 
römischen  Welt  begann  jetzt  erst  recht  fühlbar  zu  werden; 
Hellenismus  und  Christenthum  waren  in  einen  Vernichtungs- 
kampf getreten  und  von  einer  Versöhnung,  einem  Nebenein- 
anderbestehen dieser  beiden  welthistorischen  Gegensätze  von 
nun  an  gleichfalls  keine  Rede,  Roms  WafTenehi'e  verloren  und 
ein  dreissigjähriger  Friede  gegen  bleibende  Opfer,  Kisibis  und 
fünfzehn  Bui'gen  erkauft.  Es  war  kein  Grund  vorhanden,  die 
Regierung  Julians  als  besonders  segensreich  zu  betrachten;  die 
Monarchie  Kaiser  Constantins  schien  unter  dem  letzten  Flavier 
nur  wiederhei^estellt  worden  zu  sein,  um  allen  Elementen  der 
Auflösung  Vorschub  zu  leisten. 

Das  Bild  Constantins  hat  Zosimos  absichtlich  verfehlt, 
das  Julians  nur  nach  der  einen  Seite  aufgefasst.  Es  gehörte 
zum  Ganzen,  dass,  als  Jovianus,  des  Varronianus  Sohn,  Kaiser 
geworden,  die  Bataver  in  Sirmium  den  Lucillianus,  seinen 
Schwiegervater  und  Verwandten  des  Julian  tödteten,  den  Procopius 
seine  Verwandtschaft  mit  Julian  rettete,  Valentinianus,  der  mit 
den  beiden  andern  das  pannonische  Heer  übernehmen  sollte, 
nur  durch  die  Flucht  sein  Leben  rettete,  dieser,  ein  Pannonier 
aus  Kibalis,  nachdem  Jovianus  im  bithynischen  Dadastana  auf 
dem  traurigen  Rückzuge  gestorben  war  und  Sallustius,  prae- 
fectus  praetorio,  die  hohe  Würde  nicht  annehmen  wollte,  ab- 
wesend zum  Kaiser  ausgerufen  wurde.  Valentinianus  wurde  der 
Begründer  der  zweiten  (pannonischen)  Dynastie,  die  zwischen 
der  flavischen  und  der  spanischen  (des  Theodosius)  die 
Mitte  hält 

Die  Parteien  standen  einander  so  schroff  gegenüber,  dass 
Valentinianus  nach  seiner  Erhebung  erkrankt,  besorgte,  von 
Julians    Freunden    vergiftet    worden    zu    sein    und    von 


538  HftfUr. 

Nicäa  nach   Constantinopel   eilend^   dort   seinen   Bruder  Vales 
(Valens)   zum   Mitkaiser '    ernannte ,   schon   aus   dem  Grande, 
dass^   wenn   er   selbst   sterbe,  das  Reich  nicht  aufs  Neue  dem 
Schicksale  verfalle,   das  dasselbe  durch  Julians  Tod  betroffen. 
Wider  seinen  Willen  muss  Zosimos   zugeben,   dass   das  Reich 
durch  Julian  in  die  entsetzlichste  Katastrophe  gerieth,  die  durch 
seine    Zukunftserforscher    nicht    vorausgesehen,    durch    seine 
Götter   nicht  abgehalten   wurde,    und   während   Zosimos  stets 
bereit  ist,   die   Schuld   des  Verfalles   des   Reiches   dem  neuen 
Glauben   zuzuwenden,   tritt  gerade   aus   seiner   Erzählung  am 
klarsten  hervor,  dass  derjenige,  welcher  sein  und  seines  Reiches 
Heil  den  alten  Göttern  anvertraut,  das  letztere  am  meisten  ge- 
fährdete,  wenn   es   auch  der  Geschichtschreiber  nicht  gesteht! 
Dazu  gesellt  sich  die  zweite  Thatsache.    Auch  die  EUnheit  des 
Reiches  musste  aufgegeben  werden.     Wohl   erlangt   das  Reich 
die  Einheit  einer  Dynastie,   aber  die  Monarchie  im  strictesten 
Sinne  des  Wortes  hört  auf,   aus   der  Gemeinschaft  der  Regie- 
rung entsteht  eine  formliche  Zweitheilung  und  zwar  in  der  Art, 
dass  Valentinian  sich  selbst  den  Westen,  den  lateinischen  Theil 
reservirt,   dieser   also  den  Vorrang  über  den  Osten  behauptet, 
den   er   auch   erst  bei  der  Theilung  der  dritten  Dynastie,  der 
Reichstheilung  des  Theodosius,   verliert.     Zugleich  begann  die 
Reaction  gegen  die  politisch-religiösen  Grundsätze  Julians  und 
der    hellenistischen    Partei.     Ihr   ganzes    Erscheinen    war  ein 
Anachronismus   gewesen.     Der   Staat  hatte   sie   gehoben,   der 
Staat  sagte  sich  von  ihr  wieder   los;   nur  auf  dem  Wege  von 
Aufständen   konnte  sie   noch   hoffen,   aufs  Neue  in  den  Besitz 
der  Macht   zu   kommen.     Zosimos   weiss   nicht,    warum  Julian 
seinem  Verwandten  Procopius  gestattete,  das  kaiserliche  Gewand 
zu  tragen.     Procopius   scheint  es  sehr  wohl  gewusst  zu  haben, 
als    er    erst  dem  Jovianus  sich   unterwarf,    dann    aber  einen 
Aufstand   unternahm   und   sich   hiebe!   ganz  besonders  auf  die 
Barbaren   über   der  Donau  >   stützte,   somit   die  Gothen  gegen 
das  Reich  aufwühlte.    Hiebei  verlor  aber  nicht  blos  Procopius 
sein  Leben,  sondern  auch  Marcellus,  dem  Procopius  ein  Kaiser- 
gewand  geschenkt  hatte  und   beginnt   nun  von   dieser  Zeit  an 


'  ol  ujckp  Tov  "loTpov  2Ixu0o{. 


Abhandlungen  ans  dem  Gebiete  der  alten  Gecchicbte.  VII.  539 

die  iast  ununterbrochene  Reihe  von  Aufständen,^  die  blutig  und 
mitleidlos  unterdrückt  werden,  und  durch  das  Hereinziehen  der 
Barbaren  in  die  inneren  Streitigkeiten  der  Römer  der  unauf- 
haltsame Verfall  des  Reiches,  der  mit  Julians  Politik  im  Causal- 
zusanunenhange  steht.  Julian  hatte  wohl  die  Westgermanen 
überwältigt,  aber  durch  seinen  Aufstand  gegen  Constantius  ihre 
völlige  Unterwerfung  hinausgeschoben.  Sein  Tod  und  die 
schimpfliche  Wendung  des  Eriegszuges  brachten  ganz  Ger- 
manien^ in  Aufruhr  und  der  Krieg  zwischen  Römern  und 
Deutschen  war  somit,  ehe  der  Hunnenstoss  erfolgte,  im  Westen 
wie  im  Osten  wilder  und  gefährlicher  als  je  vorher.  Das 
Mittel  aber,  dessen  sich  Valentinianus  bediente,  Germanen 
massenhaft  in  das  römische  Heer  zu  ziehen  und  dadurch  die 
Vertheidigung  des  Reiches  den  Germanen  selbst  zu  übertragen, 
mochte  wohl  für  den  Augenblick  gut  thun,  brachte  aber  zuletzt 
das  Reich  in  die  Hände  germanischer  Heerführer  und  ihrer 
Landsleute,  die  dann  im  V.  Jahrhunderte  über  dasselbe  ver- 
fugten, so  dass  die  Namen  Rufin,  Stelicho,  Alarich,  Ataulf, 
Ricimer,  Gundobald,  Odoaker  die  der  römischen  Kaiser  in  den 
Hintergrund  drängen,  endlich  das  Kaiserthum  beseitigen  und 
die  Austheilung  des  Westen  unter  deutschen  Heerkönigen  vor- 
bereiten. Nach  Zosimos  aber  muss  Theodosios  an  allem  Schuld 
sein,  während  doch  die  eigentliche  Katastrophe  des  Reiches 
mit  dem  Perserkriege  eintritt,  der  den  Verlust  der  wichtigen 
Grenzprovinzen  im  Osten  veranlasste,  ehe  im  Westen  Pro- 
vinzen in  die  Hände  der  Barbaren  gefallen  waren.  Im  Osten 
glaubte  man  selbst  zu  einem  gar  nicht  unrühmlichen  Vergleiche 
gekommen  zu  sein,  als  der  Ister  zur  Grenzlinie  zwischen  den 
Skythen  des  Zosimos,  den  Gothen  und  den  Römern  umge- 
wandelt wurde.  Im  Innern  wurde  die  Reaction  jetzt  auch 
gegen  die  Philosophen,^  die  Genossen  julianischer  Studien,  aus- 
gedehnt; sie  erschienen  nicht  minder  staatsgefährlich  als  die 
Wahrsager,  die  Leichtgläubige  durch  ihre  Vorspiegelungen  zum 
Aufruhr    verleiteten.    —    Man   begegnet,    wohin   man   sich   im 


'  Schon   unter  Valentinianus   I.    erfolgte  in  Britannien  der  Aufstand  eines 

andern  Valentinianus.  Zos.  IV.  dann  im  Oriente  der  des  Theodors. 
'  TO  FsppLavtxbv  S?cav. 


?cpb{  &7cavTa;  tou;  tn\  91X0907(01  StxßoTJiou;. 


540  H6fl«r. 

IV.  Jahrhundert  wendet,  den  Spuren  einer  absterbenden  Cdtur. 
Einst   lebensvolle   und   wirkende  Ideen   werden   sinn-  und  ge- 
haltlos, die  Carricatur  des  einst  Heiligen  verlangt  Rechte,  die 
kaum    diesem    zukamen;    die   Staatsgewalt,    thöricht   heraus- 
gefordeH,   greift  immer  mehr  in  Gebiete  des  geistigen  Lebens 
ein,   entäuBsert  sich   selbst  der  Beschützung  eines  Cultus,  der 
seit  Julian  sich  als   ohnmächtig  erwiesen   hatte,   das  Reich  zu 
regeneriren,  zugleich  als  feindlich  gegen  alles  Bessere  und  nur 
als  stark  genug,  grosse  Verwicklungen  zu  schaffen.    Nan  war 
es    aber   denn    doch   sehr   schwer   im   römischen   Reiche  eine 
Dynastie  zu  begründen,  und  die  pannonische  musste,  um  durch- 
zudringen,   beinahe   noch   ge&hrlichere  Experimente  bestehen, 
als   einst   Constantin,    um   der  flavischen   Dynastie  Boden  zu 
schaffen.  Auf  den  Versuch  eines  Valentinian  in  Britannien,  folgte 
der  Aufruhr  des  Firmus  in  Afrika;   als   um  diesen  zu  unter- 
drücken  die   römischen  Legionen   aus  Pannonien   und  Mösien 
nach  Afrika  geschickt  wurden,  der  Einbruch  der  Quaden  und 
Sarmaten  in  die  unbewachten  Provinzen,  Valentinians  I.  plötz- 
licher Tod,  erhellt  durch  den  Brand  der  Eaiserburg  in  Sirmiam, 
die   vom  Blitze   getroffen   in  Asche   sank.    Schlag   auf  Schlag 
folgen    sich   die   schwerwiegendsten   Ereignisse,   die   Theiluog 
des  Westreiches   zwischen    dem    jugendlichen    Gratianus   und 
dem  fünQährigen  Valentinian  IL,  den  Söhnen  Valentinians  L, 
der    Anprall    der    Hunnen    auf   die    Gothen,    die    Flucht   der 
letzteren  über  die  Donau,   ihre  Misshandlung  durch  die  römi- 
schen Militärbeamten,  die  Ueberschwemmung  Thraciens,  Panno- 
niens,  ja  selbst  Macedoniens  und  Thessaliens  durch  die  Oothen. 
zu  deren   Bekämpfung  jetzt   Valens   die  saracenische  Reiterei 
aus  dem  Oriente  nach  Thracien  führt;   endlich  die  Niederlage 
des   Valens    bei    Adrianopel    und    sein    Tod    auf   der   Flucht, 
dadurch  die  Erledigung  des  östlichen  Thrones  des  Kaiserreiches, 
sein  Heimfall  an  den  Augustus  Gratianus. 

Jetzt  tritt  jene  Persönlichkeit  auf,  die  Zosimos  nicht 
minder  widerwärtig  ist,  als  Constantinos,  des  Chloros  Sohn,  der 
Spanier  Theodosios  aus  der  kallegischen  (gallicischen)  Stadt 
Eauka,  ein  Mann,  wie  er  ihn  einfuhrt,  ,nicht  unkriegerisch; 
noch  unerfahren  im  militärischen  Commando',  nachdem  er 
früher  selbst  erwähnt  hatte,  dass  bei  dem  Einbrüche  der  Sar- 
maten und  Quaden  er  Mysien  gerettet  imd  durch   diesen  Sieg 


Abtuukdlnngeii  aus  dem  Gebiet«  der  alten  Geechicbte.  YU.  541 

sich  den  Weg  zum  Throne  bereitet  hattet  Jetzt  war  er  nicht 
ankriegerisch  und  im  Commando  nicht  unerfahren.  Es  war 
doch  ein  rechtes  Qlück  für  die  römische  Herrschaft,  dass,  als 
die  Fluth  gothischer  Einwanderung  das  Ostreich  von  dem  West- 
reiche schied,  der  Imperator  des  ersteren  seinen  Tod,  378, 
gefunden  hatte,  das  römische  Heer  von  den  Gothen  vernichtet 
war  und  durch  eine  eigenthümliche  Ironie  des  Geschickes  der 
Befehlshaber  der  römischen  Reiterei,  Victor,  dem  Blutbade 
entronnen,  Gratian  die  Nachricht  von  dem  Tode  seines  Oheims, 
vom  Untergange  des  römischen  Heeres  ^  in  eiliger  Flucht  über- 
brachte, das  Geschick  des  Reiches  in  die  Hände  eines  nicht 
unkriegerischen  noch  unerfahrenen  Mannes  gelegt  werden 
konnte!  Thracien  wurde  wie  gewöhnlich  zum  Oriente  ge- 
schlagen, der  Occident  zerfiel  in  die  beiden  Theile  der  panno- 
nischen  Dynastie^  aus  welcher  die  spanische  hervorwuchs,  die 
Theilung  des  Gesammtreiches  in  eine  westliche  und  eine  öst- 
liche Hälfte  war  aber  aufs  Neue  zur  Thatsache  geworden.  Als 
jetzt  Theodosius  von  Thessalonike  (dem  Hafenplatze  aus)  die 
Wiedergewinnung  von  Thracien  versucht,  statt  Eines  Befehls- 
habers der  Reiterei  und  Eines  des  Fussvolkes,  mehrere  ernennt 
und  ebenso  in  Betreff  der  übrigen  Befehlshaberstellen  verfuhr, 
offenbar  eine  wohlüberlegte  militärische  Massregel,  so  gewahrt 
Zosimos  hierin  eine  jener  Massregeln,^  die  wie  die  Vermehrung 
des  Aufwandes  am  kaiserlichen  Hofe,  den  Untergang  der  Dinge 
herbeiführten,  wie  er  überhaupt  den  Theodosius,  den  er  in  Un- 
thätigkeit  verfallen  lässt,  für  die  schlimme  Wendung  der  Dinge 
verantwortlich  machen  möchte,  welche  zum  überwiegenden 
Theile  durch  die  Zusammenwirkimg  von  Ereignissen  einge- 
treten war,  die  Theodosius,  so  weit  er  vermochte^  vom  Reiche 
abzulenken  sich  bemühte  und  auf  Julians  verunglückten  Perser- 
krieg zurückgehen,  der  den  Barbaren  die  Schwäche  des  Reiches 
vor  Augen  geführt  hatte.  Zosimos  schildert  die  Erpressungen 
sehr  lebhaft,  die  damals  bei  der  heillosen  Lage  des  Reiches 
stattfanden,  dessen  ganze  Kraft  zu  seiner  Erhaltung  verwendet 
werden   musste;    er  findet,   was  zu  seiner  Charakteristik  dient 


*  ovia  8k  p^x  a7:o)w£(jLOv  ouös  ap/ijs  aTpaiitüTixfJ;  arieipov. 
-  Tijv  Tou  TCpaiojisSoü  xai  tou  ßa^iX^co;  ocTKüXeiav. 
'  Tjjs  i^  ixs{vou  Twv  ;cpaY[xaT(ov  a7:(oXE(a(  cChia. 


542  H«fl«r. 

und  die  Absicht  der  Darstellung  zeigt;  Trost  darin,  dass  damals 
noch  der  Zugang  zu  den  Heiligthümern  ^  und  die  Verehrung  der 
Götter  nach  den  vaterländischen  Gebräuchen  erlaubt  war.  Hatte 
doch  die  Privatverehrung  des  Achilleus  in  Athen  sich  mächtig 
genug  erwiesen,  die  Stadt  vor  einem  Erdbeben  zu  bewahren, 
das  einen  grossen  Theil  von  Griechenland  betraf,  und  war  es 
doch  die  Erscheinung  der  Pallas  und  des  Achilleus  auf  den 
Mauern  der  Stadt,  welche  später  Alarich  von  einem  Angriffe 
auf  Athen  zurückschreckte.  Genau  genommen  brauchte  man 
ja  keine  militärischen  Massregeln,  wenn  Götter  und  Heroen  bei 
dem  Untergange  des  Heidenthums  sich  noch  kräftiger  erwiesen^ 
als  in  den  Tagen  seiner  Blüthe,  wo  die  Athener,  welche  die 
Burg  gegen  Xerxes  zu  vertheidigen  entschlossen  waren,  der 
Hülfe  der  jungfräulichen  Tochter  des  Zeus  entbehren  mussten. 

Interessant  ist,  welche  Verlegenheiten  schon  damab  die 
massenhafte  Aufnahme  von  Gothen  in  das  römische  Heer  her- 
vorrief, seit  der  persische  und  der  Gothenkrieg  die  röinischeo 
Heere  verschlungen;  wie  Theodosius  sich  genöthig^  sah,  diese 
nach  Aegypten  zu  entsenden,  der  Kaiser  selbst  sich  vor  den 
unbotmässigen  in  Lebensgefahr  befand,  Besatzungen  in  die 
Burgen  verlegte  und  unter  dem  Commando  zweier  Franken, 
Baudo  und  Arbogast  ein  Hülfsheer  des  Gratianus  herbeieilen 
musste,  Gratianus  aber  selbst  sein  Heil  darin  erblickte,  sich 
auf  die  Alanen  zu  stützen,  während  der  Spanier  Maximas, 
Befehlshaber  Britanniens,  dem  die  Erhebung  seines  Lands- 
mannes und  ehemaligen  CoUegen  Theodosius,  als  unerträgliche 
Zurücksetzung  erschien,  sich  gegen  Gratian  empörte,  nach  dem 
Continente  zog  und  als  nun  die  maurischen  Reiter  zu  dem 
spanischen  Augustus  übergingen,  den  Gratianus  so  lange  aas 
Gallien  nach  Rhätien,  nach  Noricum,  nach  Pannonien  und 
Mösien  verfolgen  liess,  bis  er  auf  der  Brücke  von  Singedunum 
eingeholt  und  erschli^en  wurde.  Das  Reich  gehörte  zwei 
Spaniern,  Theodosius  und  Maximus  und  dem  Knaben  Valen- 
tinian  unter  der  Leitung  seiner  Mutter  Justina,  der  Witwe 
Valentinians  I. 

Bei  Gelegenheit  der  Ermordung  Gratians  kommt  des 
Zosimos   echte    Gesinnung  zum   Vorschein.     Constantin   habe, 


Abhandliingeii  aus  d«m  G«bi»t«  der  alten  Oeechichte.  YII.  543 

obwohl  er  den  rechten  Weg  in  göttiiehen  Dingen  verlassen 
und  den  Glauben  der  Christen  angenommen^  das  Kleid  eines 
Pontifex  maximus  nicht  zurückgewiesen,  so  wenig  wie  Valen- 
tinian  oder  Valens,  wohl  aber  Gratianus,  indem  sich  dasselbe 
iiir  einen  Christianer  nicht  schicke.  Da  hätten  die  (heidnischen) 
Priester  gesagt,  wenn  der  Kaiser  nicht  pontifex  (maximus)  ge- 
nannt sein  wolle,  werde  sehr  bald  Maximus  pontifex  werden, 
Theodosius  aber  habe  den  Maximus  als  Mitregenten  anerkannt, 
selbst  aber  in  Aegypten  die  Tempel  schliessen  lassen.  Was 
aber  daraus  für  die  römische  Herrschaft  entstanden,  wolle  er 
in  seiner  Geschichte  nachweisen.  Nachdem  Maximus  den  einen 
Sohn  Valentinians  I.  beseitigt,  gedachte  er  dasselbe  mit  dem 
zweiten  zu  thun.  Bald  sah  sich  Valentinian  II.  plötzlich  von 
dem  ganzen  Heere  des  Maximus  überfallen,  keine  andere  Hülfe 
vor  sich  als  zu  Theodosius  nach  Thessalonike  zu  flüchten  und 
saromt  Mutter  und  Schwester  dessen  Hülfe  anzurufen.  Aber 
Theodosius  zögerte,  sich  zu  erklären,  mit  Recht;  als  das  Heer 
des  Maximus  ungehindert  die  Alpen  überschritten  hatte  und 
in  Italien  stand,  besorgte  er  sich  in  einen  so  gefährlichen 
Kampf  einzulassen.  Zosimos  stellt  aber  die  Sache  so  dar,  dass 
erst  die  List  der  Kaiserin  Justina  und  das  Flehen  ihrer  schönen 
Tochter  Galla  den  Theodosius  bewogen,  den  Rachekrieg  gegen 
Maximus  zu  unternehmen,  während  aus  seiner  Darstellung 
hervoi^eht,  dass  es  sich  um  einen  See-  und  einen  Landkrieg, 
um  eine  Diversion  in  Rom  handelte  und  während  Maximus 
hoffte,  die  Barbaren  im  Heere  des  Theodosius  auf  seine  Seite 
zu  ziehen,  dieser  plötzlich  vor  Aquileja  erschien,  sich  den  Ein- 
gang erkämpfte^  Maximus  gefangen  nahm  und  tödten  Hess.  Der 
Sohn  des  Getödteten,  Victor,  den  sein  Vater  zum  Cäsar  er- 
hoben, wurde  von  Arbogast,  dem  magister  militum,  auf  Befehl 
des  Theodosius  ermordet,  Andragathios,  des  Maximus  Admiral, 
stürzte  sich  selbst  in  das  Meer.  Valentinian  IL  erhielt  die 
westliche  Hälfte  des  Reiches,  die  seine  Mutter  regierte,  Theo- 
dosius aber  habe  jetzt  sich  dem  Vergnügen  zugewendet  und 
die  Regierung  dem  Gallier  Rufinus  überlassen.  Während  dieser 
angesehenen  Männern  den  Untergang  bereitete,  brachen  zwischen 
Valentinian  11.  und  dem  Arbogast,  welcher  schon  unter  Gratianus 
eine  angesehene  Stellung  bekleidet  hatte,  Zerwürfnisse  aus, 
die  endlich  so  weit  gingen,   dass  keiner  sich  vor  dem  andern 


544  HßfiPT. 

sicher  hielt,  Arbogast  aber,  ehe  Valentinian  von  Theodosias 
Hülfe  erhielt^  den  Kaiser  in  Vienna  überfiel  und  tödtete,  hierauf 
den  Eugenius^  welcher  ihm  für  das  Kaiserthum  am  passendsten 
erschien,  an  die  Stelle  des  letzten  Kaisers  aus  dem  panno- 
nischen  Hause,  zum  Beherrscher  des  westlichen  Reiches  erhob. 
Obwohl  nun  bald  nachher  die  Kaiserin  Q-alla  im  Wochenbette 
starb,  somit  Theodosius  von  der  Aufgabe  Rächer  des  Geschickes 
des  pannonischen  Kaiserhauses  zu  sein,  enthoben  zu  sein  schien, 
bereitete  sich  der  Kaiser  doch  zum  ernsthaftesten  Kampfe  ror, 
dessen  principielle  Bedeutung  freilich  Zosimos  kaum  errathen 
lässt.  Arkadios,  sein  ältester  Sohn,  wurde  Mitkaiser  und  der 
Sorge  des  Rufinus  übergeben,  Timasios  und  der  Gemahl  der 
Serena,  der  Tochter  des  altern  Bruders  des  Theodosius,  Stelicho, 
die  Barbaren  Gaines  und  Saul,  der  Armenier  Bakurios  an  die 
Spitze  des  Heeres  gestellt.  Dennoch  schwankte  der  Entscheid 
der  Waffen.  Schon  war  Bakurios  und  ein  grosser  Theil  des 
Heeres  des  Theodosius  gefallen,  als  dieser  beim  Moi^engraoeo 
die  Schlacht  erneute,  Eugenius  auf  der  Flucht  gefangen  und 
getödtet  wurde,  Arbogast  sich  selbst  den  Tod  gab. 

Die  pannonische  Dynastie  hatte  durch  die  Vermählung 
Gratians  mit  einer  nachgebornen  Tochter  des  Kaisers  Con- 
stantius  ^  die  Anrechte  der  Flavier  zu  gewinnen  gesucht,  Theo- 
dosius in  ähnlicher  Art  die  Rechte  der  pannonischen  Dynastie 
in  sein  Haus  zu  bringen  gestrebt. 

Die  mehrtägige  Alpenschlacht  sicherte  der  spanischen 
Dynastie  den  Bestand,  zugleich  den  Sieg  des  ChristenthumB. 
Der  Kaiser  ging  nach  Rom,  Hess  dort  den  jungem  seiner  Söhne, 
Honorius,  als  Augustus  anerkennen,  so  dass  die  Theilung  der 
wiedervereinigten  Monarchie  das  Werk  des  Siegers  war,  und 
forderte  nun  den  römischen  Senat  auf,  dem  Dienste  der  alten 
Götter  zu  entsagen;  darauf  hätten  die  Senatoren  Widerstand 
geleistet  und  angeführt,  dass  1200  Jahre  die  Stadt  nicht  einge- 
nommen worden  sei,  was  sicher  geschehe,  wenn  sie  andere  Sacra 
annähmen,  die  ihnen  unbekannt  seien.  Nun  habe  Theodosius 
die  Tempelgüter  verlangt,  die  andern  behauptet,^  die  Sacra  fanden 
nicht  richtig  statt,   wenn  sie  nicht  auf  Staatskosten  geschehen. 


*  Amm.  Marcell.  XXI.  15. 


Abhandlnngeo  an«  d<»m  ßebifte  iIat  alten  Geiirhtcbt^.  VH.  545 

nichts  desto  weniger  sei  das  Verbot  der  Sacra  ergangen, 
wohl  aber  auch  das  Reich  in  Stücke  gerissen,  Wohnung  der 
Barbaren  und  zwar  in  der  Art  geworden,  dass  man  jetzt  die 
Stätte,  wo  die  Städte  gestanden,  nicht  mehr  erkenne,  das 
aber  werde  die  nachfolgende  Erzählung  nachweisen.  Das  vierte 
Buch  schliesst  mit  dem  Tode  des  Theodosius,  der,  kaum  nach 
CoDstantinopel  zurückgekehrt,  daselbst  starb. 

Zosimos  sagt  es  nicht,  aber  es  ist  klar,  dass  er  den  frühen 
Tod  des  mannhaften  Imperators  in  Causalzusammenhang  mit 
seinem  Vorgehen  gegen  die  Sacra  des  römischen  Volkes  und 
Staates  setzt.  Es  ist  der  Anfang  vom  Ende.  Das  Drama  des 
Unterganges  von  Rom,  der  Eroberung  Roms  durch  die  Barbaren, 
welches  Zosimos  enthüllen  will,  ist  damit  in  den  ersten  Act 
eingetreten.  Die  Götter  sind  aus  Rom  vertrieben,  die  Heilig- 
thümer  profanirt,  da  fallt  die  unbesiegte  Stadt  *  in  die  Hände 
der  Barbaren.  Vergeblich  hat  Theodosius  auf  die  Evangelien, 
den  Glauben  der  Christen,  die  Vergebung  alles  Fehls  und  aller 
Gottlosigkeit  hingewiesen,  der  Senat  hat  die  Sache  der  alten 
Götter  verfochten,  der  Kaiser  mit  Gewalt  geantwortet.  Da 
trifft  ihn  der  Tod,  die  aikCoXsfa  beginnt  und  das  grosse  Drama 
des  Untergangs  der  unbesiegten  Weltstadt  schreitet  unauf- 
haltsam voran. 

Damit  enthüllt  sich  der  eigentliche  Gedanke  der  historia 
nova.  Die  Regierung  des  Theodosius  hatte  so  entscheidend 
eingewirkt  als  die  Constantins,  ja  vielleicht  selbst  in  noch 
höherem  Grade.  Der  Hellenismus  hatte,  was  Zosimos  ver- 
schweigt, unter  Eugenius  sein  Haupt  nochmal  emporgehoben, 
sein  Sturz  den  Sturz  des  Paganismus  herbeigeführt;  er  war 
seitdem  politisch  geächtet.  Er  konnte  vielleicht  auf  Unter- 
stützung einiger  barbarischer  Völker  rechnen^  aber  auch  ein 
grosser  Theil  der  Germanen,  die  Völker  gothischen  Stammes 
gehörten  ihm  nicht  mehr  an.  Nun  hatte  Theodosios  noch 
einen  weiteren  Schritt  unternommen,  indem  er  den  östlichen 
Theil  des  Reiches  dem  älteren  Sohne  Arkadios,  den  erst  ge- 
wonnenen westlichen  dem  jüngeren  Honorios  übergab.  Damit 
war  die  Möglichkeit  einer  Wiedervereinigung  der  beiden  Theile 


^  axoph^v}^  T^  Tzoki^.    Wie  oft  war  aber  Rom  von  den  hadernden  Kaisern, 
▼or  diesen  im  Bürgerkriege  erobert  worden  t 


546  HfifJer. 

Dicht  ausgeschlossen,  aber  vor  der  Hand  die  Theilung  and 
Trennung  des  Reiches,  wie  das  Uebergewicht  der  Primogenitur- 
linie,  entschieden.  Nun  war  es  bereits  für  die  pannonische 
Dynastie  sehr  schlimm  gewesen,  dass  nach  Valentinians  I. 
frühem  Tode,  der  jugendliche  Oratianus,  der  fünfjährige  Knabe 
Valentinian  II.  nachfolgten.  Die  vormundschaftliche  Regiernog 
—  zu  allen  Zeiten,  geschweige  in  bewegten  —  ein  grosser 
Uebelstand,  wiederholte  sich  nicht  blos  bei  der  spanischeo 
Dynastie  des  Theodosius,  sondern  wurde  Regel.  Arkadius  und 
HonoriuB,  die  Söhne  der  schönen  Qalla,  waren  eigentlich  zu 
steter  Vormundschaft  geboren  und  dasselbe  muss  von  Theo- 
dosius II«,  dem  Sohne  des  Arkadius,^  gesagt  werden.  Wenn 
das  Geschlecht  des  Theodosius  bedeutende  Persönlichkeiten 
besass,  so  muss  man  diese  unter  den  Frauen,  nicht  unter  den 
Männern  suchen. 

Zosimos  beschreibt  nun  im  fünften  Buche,  wie  die  Wen- 
dung der  Dinge  erfolgte,  so  dass  das  Reich  zur  Niederlassung 
der  Barbaren  wurde.  Erst  suchte  Rufinos  die  Herrschaft  im 
Oriente  an  sich  zu  bringen.  Aber  schon  der  Plan,  sich  zum 
Schwiegervater  des  Kaisers  Arkadios  zu  erschwingen,  miss- 
lang.  Die  Söhne  des  Promotos,  eines  angesehenen  Reichs- 
beamten,  die  mit  den  Rindern  des  Theodosios  erzogen  worden 
waren,  gewannen  ihn  für  ihre  schöne  Schwester.  Hingegen 
verlobte  Stelicho  erst  die  eine,  dann  auch  die  zweite  seiner 
Töchter  mit  Honorios  und  suchte  nun,  sich  auf  einen  münd- 
lichen Auftrag  des  verstorbenen  Kaisers  berufend,  die  Regie- 
rung des  Oesammtreiches  in  seine  Hand  zu  nehmen.  Nacb 
der  Darstellung  des  Zosimos,  begünstigte  Rufinos  den  Einbruch 
Alarichs,  des  Westgothenkönigs,  in  Griechenland  und  sorgte 
er  dafür,  dass  er  ungehindert  durch  die  Thermopylen  und  über 
den  Isthmos  kam,  Stelicho  war  es,  der  den  Alarich  zwang, 
Griechenland  wieder  zu  verlassen  und  nun  durch  Gainea  den 
Sturz  Rufins  betrieb,  der  seine  Verrätherei  mit  dem  Tode 
büsste.  Arkadios  wechselte  jedoch  nur  den  Vormünder,  indem 
an  die  Stelle  des  Rufinos  Eutropios  trat,^  der  nun  seiner  Seits 


*  Nach  einer  vielfach  verbreiteten  Anflicht  war  aber  ein   g-ewisser  Joaanes 

Vater  des  Theodosins  II.  Zos. 
2  xupteucov  ''Ap.aotou  xaO^jiEp  ßoax/^^ato^.  Zos. 


AbliandUng«n  aas  dem  Gebiete  der  alten  Oeecliichte.  VII.  547 

den  Sturz  Stelicho's  betrieb  und  den  Aufstand  des  Gildo  in 
Afrika  begünstigte,  selbst  aber  den  Gaines  und  den  Tribigildos 
in  Asien  gewähren  lassen  musste.  Freute  sich  Zosimos  von 
Gaines  sagen  zu  können ,  dass  er  auch  in  Gegenwart  des 
Arkadios  sich  zum  Götterglauben  bekannte,  so  wendet  er  sich 
jetzt  auch,  was  er  früher  beharrlich  vermied,  der  Erzählung 
kirchlicher  Streitigkeiten  zu,  der  Schlächterei  der  Mönche  durch 
die  Soldaten,  dem  Hasse  der  Augusta  Eudoxia  gegen  Johannes 
Chrysostomos,  der  Herrschaft  der  Eunuchen  unter  dem  überaus 
dummen  Kaiser,^  dem  Brande  von  Constantinopel,  der  die 
Musen  des  Helikon,  die  Constantinos  nach  der  Stadt  gebracht 
hatte,  verzehrte,  der  wunderbaren  Erhaltung  der  Statuen  des 
Zeus  und  der  Athene,  den  inneren  Unruhen,  der  Erhebung  der 
Isaurer,  endlich  dem  Einbrüche  des  Radagais,  der  die  Ca- 
lamität  jener  Tage  auf  den  Gipfel  brachte.  Der  grosse  Sieg 
Stelicho's,  der  Italien  von  der  grössten  Gefahr  befreite,  wird 
ziemlich  kurz  abgethan.  Der  Sieger,  welcher  nun  die  Einheit 
der  Monarchie  herzustellen  gedachte,  wurde  durch  den  Auf- 
stand des  Constantinus  in  Britannien  und  dessen  Einfall  in 
Gallien  davon  abgehalten.  Es  erfolgte  der  Tod  der  beiden  Töchter 
Stelicho's,  von  denen  erst  Maria  dann  Thermantia  den  Honorios 
geheirathet,  dann  der  Einbruch  Alarichs  in  Italien  und  nach 
Stelicho's  Rath  dessen  Beschwichtigung  durch  4000  Pfund 
Goldes  und  die  Verlegung  des  Eaisersitzes  von  Rom  nach 
Kavenna,  der  Tod  des  Arcadios  und  die  erneute  Nothwendigkeit, 
dass  Stelicho  sich  nach  dem  Oriente  begebe.  Nun  aber  drohte 
Alarich  einerseits  mit  einem  neuen  Einfalle  in  Italien,  ander- 
seits war  Constantinus^  schon  in  Arles  als  Kaiser  anerkannt 
und  jetzt  brach,  nicht  ohne  dass  Olympius,  der  Rathgeber  des 
Kaisers  Honorins,  daran  einen  Antheil  genommen  hätte,  ein 
Soldatenaufstand  in  Ticinum  aus,  der  von  der  Ermordung  der 
angesehensten  Beamten  begleitet  war.  Erst  aus  der  Berathung, 
welche  Stelicho  in  Bononia  mit  den  Anführern  der  germanisch- 
römischen  Truppen  hielt,  erfährt  man,  dass' diese,  die  Ermordung 
des  Honorius  durch  die  Aufständigen    voraussetzend,    über  die 


'  Schon  vor  ihm  war  erst  Marcos,  dann  Gratianus  in  Britannien  zu  Kaisern 
aoagemfen  worden.  Zos.  VI. 
9iü«ii(Bb«r.  d.  pbiU-hiBt.  €1.  XCY.  Bd.  II.  Hft  36 


548  Hsrier. 

römischen  Soldaten  herzufallen  gedachten,  dann  aber  von  Stelicho 
davon  abgehalten  wurden.  Nun  aber  betrieb  Olympins  die 
Verhaftung  Stelicho^B  in  Ravenna,  worauf  die  Ermordung  des 
Mannes  folgte,  der  23  Jahre  lang  die  Würde  eines  Feldherm  be- 
kleidet hatte.  Dieses  Ereigniss,  die  Erbärmlichkeit  des  Honorios^ 
die  Schlechtigkeit  seiner  Rathgeber,  entschieden  das  Geschick 
des  weströmischen  Reiches.  Nicht  die  Preisgebung  der  alten 
Götter,  wohl  aber  die  masslose  Thorheit  der  spanischen  Dynastie 
und  des  Honorius  zumal,  der  sich  seiner  bewährtesten  Diener 
berauben  liess,  ward  Ursache  des  Sieges  der  Barbaren.  Es 
entstand  ein  Racenkampf,  da  die  Römer  die  Weiber  und  Kinder 
der  im  römischen  Kriegsdienste  stehenden  Germanen  tödteten. 
letztere,  so  viele  sich  retten  konnten,  zu  Alarich  sich  flüchteten, 
der  nun  selbst  seinen  Neffen  Ataulf  mit  Godien  und  Hunnen 
zu  sich  berief.  Es  charakterisirt  Zosimos,  dass  er,  als  jetzt 
Alarich  vor  Rom  stand,  und  wie  der  Senat  auch  Placidia,  des 
Honorius  Schwester,  (lir  die  Ermordung  der  Serena,  Stilichos 
Witwe  stimmten,  nachdem  bereits  Honorius  deren  Tochter 
Thermantia  Verstössen,  Stelicho's  Sohn  Eucharius  hatte  ermorden 
lassen,  in  dem  tragischen  Untergange  der  Nichte  des  altem 
Theodosius  durch  dessen  Sohn,  nur  die  Rache  der  Gtötter  er- 
blickt, weil  Serena,  als  Theodosius  die  heidnischen  Priester 
und  Priesterinnen  aus  Rom  vertrieben,  sich  mit  dem  Schmucke 
der  Rhea  geschmückt  und  deshalb  von  einer  alten  Vestalin 
verflucht  worden  war.  Hatte  ja  auch  Stelicho  das  Geschick 
getroffen,  weil  er  den  goldenen  Beschlag  von  den  Thüren  des 
Capitols  weggenommen!  Noch  hielt  Laita,  des  Gratianus  Witwe, 
die  Noth  der  von  Alarich  eingeschlossenen  Römer  etwas  ab. 
Hülfe  aber  hätten  nach  Zosimos  Tusker  gebracht,^  wenn  man, 
wie  angeblich  selbst  Papst  Innocenz  gewollt,  gestattet  hätte,  nach 
den  Pontificalbüchem  öffentliche  Opfer  zu  bringen.  Niemand 
habe  aber  den  Muth  gehabt  darauf  einzugehen  und  so  sei 
nichts  anderes  übrig  geblieben,  als  auf  die  Bedingungen  Alarichs 
einzugehen,  den  Schntuck  der  Götterbilder  zu  Gunsten  Alarichs 
zu  verwenden,  selbst  goldene  und  silberne  Statuen,  die  damals 
trotz  aller  Beraubungen  vorhanden  waren,  einzuschmelzen, 
damit  auch  die  virtus  Romana,  womit  das  nun  unterging,  was 


1  Toskiflche  Wahrsager  hatten  Julian  nach  Persien  begleitet. 


Abbandlangfln  am  dem  Gebiete  der  alten  Geschicbte.  VII.  549 

noch  an  Mannheit  und  Tugend  in  Rom  vorhanden  war;^ 
40.000  Sklaven  seien  damals  zu  Alarich  geflohen.  Honorius 
masste  geschehen  lassen,  was  er  nicht  hindern  konnte,  und  er- 
kannte damals  das  dritte  Kaiserthum  des  Constantinus  in  Arles 
an,  der  nun  seinen  Sohn  Constans  zum  Cäsar  erhob.  Der 
Wechsel  der  Imperatoren  erzeugte  aber  unter  den  Kelten 
neue  Erhebungen,  die  darauf  hinausgingen,  das  römische  und 
das  barbarische  Joch  zugleich  abzuschütteln! 

Dann  wurde  Olympius  gestürzt,  nachdem  ihm  Zeit  gelassen 
worden  war,  gegen  die  Freunde  Stelicho's  zu  wüthen;  Jovius, 
der  an  seiner  Stelle  Italien  und  Honorius  regierte,  suchte  mit 
Alarich  ein  Abkommen  zu  treffen,  daran  aber  unvermuthet 
von  Honorius  gehindert,  bewog  er  diesen  zu  einem  Eide,  nie 
mit  Alarich  Frieden  zu  schliessen.  Dieser  aber  suchte  jetzt 
noch  den  Kaiser  zu  bewegen,  ihm  die  beiden  Norica  abzu- 
treten und  bot  Freundschaft  und  Waffengemeinschaft  ^  mit  den 
Römern  an.  Es  war  der  Gedanke,  der  sich  der  Ghothen  be- 
meisterte, seit  sie  Rom  und  Constantinopel  gesehen,  das  römische 
Reich  nicht  zu  zerstören,  sondern  durch  gothische  Kraft  aufzu-' 
richten.  Der  römische  Stolz  liess  aber  diese  im  Interesse  des 
Staates  so  wünschenswerthe  Wendung  nicht  zu;  jetzt  trat  auch 
der  Eid  dazwischen,  den  alle  Magistrate  wie  der  Kaiser  ge- 
schworen und  so  wurde  Alarich  gezwungen,  nochmal  gegen 
Rom  zu  ziehen.  Das  sechste  Buch  sollte  nun  die  Katastrophe 
enthalten.  Allein  der  vor  uns  liegende  Theil  beginnt  mit  der 
Aufzählung  der  Dinge,  die  sich  unter  den  Kelten  (Britanniem) 
bemerklich  machten,  mit  der  Erhebung  des  Attalus  als  west- 
römischen Kaiser  durch  Alarich,  der  hiemit  die  Politik  ein- 
leitete, die  deutsche  Heerführer  seitdem  consequent  verfolgten, 
und  der  Erwähnung  der  Anstalten,  die  Alarich  traf,  die  Herr- 
schaft auch  über  Afrika  auszudehnen.  Allein  die  Provinz  er- 
hielt sich  unabhängig  von  Alarich  und  seinem  Schützlinge, 
Honorius  wurde  durch  Truppen  gerettet,  die  schon  Stelicho 
Dach  Ravenna  beordert  hatte,  die  aber  erst  jetzt  kamen,  als 
Honorius  bereits  vor  Alarich  aus  der  Stadt  (Ravenna)  fliehen 
wollte.    Die  Zerwürfnisse  zwischen  Alarich  und  seinem  Kaiser 


'  cptXtov  xai  6|j.at)(pL(av  auTcu  xai  T(up.a{oi{. 

36» 


550  HfifUr. 

mehrten  Bich  und  führten  endlich  zur  Absetzung  des  letzteren. 
Alarich  gedachte  nun,  einen  festen  Frieden  mit  HonorioB  zu 
schliessen  und  wandte  sich  deshalb  aufs  Neue  nach  Ravenna. 
Mit  diesem  Zuge  schliesst  aber  der  uns  erhaltene  Theil  des 
Zosimos,  obwohl  eine  Stelle  zeigt,  dass  er  auch  schon  den  Tod 
Alarichs  berichtete.  Gerade  die  Einnahme  Roms  durch  den 
Westgothenkönig  fehlt  uns  und  somit  die  Darstellung  des 
Waltens  der  Nemesis  für  die  den  alten  Göttern  von  Theodosius 
zugefügten  Unthaten,  der  Hauptgegenstand  des  ganzen  Werkes. 
Man  kann  begreiflicher  Weise  die  Hoffnungen  des  Comes 
und  Exadvocatus  fisci  *  so  wenig  theilen  als  seine  Befärchtangen, 
seine  Verbissenheit  gegen  den  christlichen  Glauben  und  dessen 
Anhänger  so  wenig  als  seine  Vorliebe  für  die  alten  Götter, 
deren  Tempel  leer  standen,  deren  Altäre  verlassen  waren  und 
denen  alle  Anstrengungen  eines  mit  jedem  Jahre  sich  mehr 
lichtenden  Kreises  philosophisch  gebildeter  Männer  keinen 
Cultus  mehr  schaffen  konnten.  Man  kann  aber  vollständig  den 
Schmerz,  den  inneren  Aerger,  den  ohnmächtigen  Zorn  begreifen, 
als  sie  sich  selbst  sagen  mussten,  der  Staat  habe  sich  vom  Cultus 
zurückgezogen,  dieser  sei  dadurch  unaufhaltsam  gesunken,  die 
Götter,  nicht  mehr  angerufen  als  die  den  Staat  schützenden 
und  rettenden  Mächte,  hätten  dadurch  alle  Bedeutung  einge- 
büsst  und  ob  nun  noch  einzelne  Privatleute  sie  anriefen  oder 
nicht,  das  Wesen  des  alten  Cultus  hatte  dadurch  aufgehört 
Konnte  man  vernünftiger  Weise  hoffen,  durch  ein  kaiserliches 
Edict  Lebenskraft  zu  erlangen,  nachdem  der  Cultus  längst 
inhaltslos  geworden  war?  Der  Unterschied  des  Christenthunis 
von  dem  antiken  Cultus,  dem  Hellenismus,  wie  man  sich  jetzt 
ausdrückte,  bestand  nämlich  nicht  bloss  im  Gegensatze  des 
Monotheismus  zum  Polytheismus,  sondern  wesentlich  darin^ 
dass  das  Christenthum  Sache  des  Einzelnen  war,  sich  als  frohe 
Botschaft,  als  Erlösung  des  Einzelnen  wie  der  gesammten  Welt 
kund  that  und  von  dem  Staate  abstrahirte.  Die  neue  Religion 
bildete  die  Gemeinde,  die  Kirche  hatte  ihre  eigene  Verfassung^ 
die  sich  in  der  Zeit  der  Verfolgung  ausgebildet  hatte  und  mit 
dem  Dogma  und  Cultus  untrennbar  verwachsen  war.  Sie  ignorirte 
den  Staatscultus,   entfremdete  ihm  den  Einzelnen,  die  Sklaven 


1  Z(i><i(p.ou  xou>]tO(  xal  ano^i9xoauvy)Yopou. 


Abhandlanges  »nt  den  Oebit»!«  der  alten  Geecbicbte.  Yfl.  551 

wie  die  Freien,  die  Männer  wie  die  Frauen,  den  Soldaten  wie 
die  Magistratoperson  und  je  inniger  der  antike  Cultus  mit  dem 
antiken  Staate  zusammenhing,  desto  grösser  war  die  Wirkung 
auf  den  Staat  als  sein  Cultus  zusammenbrach,  er  noch  Tempel 
und  Priester,  die  Tempel  Ländereien  und  Einkünfte  besassen, 
die  Priester  von  diesen  lebten,  aber  die  Masse  sich  wegwandte 
und  der  Staatscultus  eine  Lüge  wurde,  da  der  veränderte  Glaube 
in  den  Staatsgöttern  nur  mehr  Dämonen  erblickte.  Die  Edicte 
des  Theodosius  zu  Gunsten  des  Christenthums  beruhten  auf 
dem  factischen  Zustande  des  Reiches,  auf  der  Veränderung  der 
Dinge,  die  das  IV.  Jahrhundert  herbeigefiihrt,  auf  dem  Miss- 
erfolge Julians  in  Betreff  der  Wiederbelebung  des  antiken 
Cultus,  auf  der  Niederwerfung  des  von  Eugenius  erneuten  Ver- 
suches. Wäre  der  Blick  des  Zosimos  nicht  durch  seine  Partei- 
Stellung  so  sehr  getrübt  worden,  er  hätte  sich  sagen  müssen, 
dass  seine  Argumentation,  weil  Rom  durch  die  antiken  Götter 
gross  geworden,  müsse  der  Cultus  derselben  beibehalten  werden, 
sich  von  selbst  widerlegte,  da  alle  Verfolgungen,  an  welchen 
es  die  römischen  Kaiser  des  IV.  Jahrhundertes  nicht  hatten 
fehlen  lassen,  die  leeren  Tempel  doch  nicht  füllten.  Die  Ge- 
meinde fehlte  und  die  Magistrate  konnten  diese  nicht  ersetzen. 
Der  antike  Staat  durfte  freilich  keinen  anderen  Cultus  aufkommen 
lassen  als  den  Staatscultus,  sonst  war  er  verloren;  das  ist  auch 
die  Ueberzeugung  des  Zosimos,  darum  zürnt  er  so  sehr  über 
die  Neuerung  Constantins.  Aber  was  im  Anfange  des  IV.  Jahr- 
hunderts Neuerung  gewesen  war,  war  es  nicht  mehr  am  Ende 
desselben,  nicht  im  V.  Jahrhunderte.  Zosimos  gewahrt  nicht, 
dass  er  auf  einem  ganz  veralteten  Standpunkte  stehe,  für 
welchen  er  fortwährend  Geltung  verlangt,  als  wären  noch  alle 
Prämissen  der  früheren  Zeit  vorhanden.  Gerade  die  eigent^ 
liehe  Bedeutung  des  Christenthums  war  ihm  unbekannt  ge- 
blieben. Vom  ersten  Momente  hatte  sich  das  Christenthum 
als  welterlösende  That  bezeichnet  und  nicht  etwa  auf  Rom  und 
den  römischen  Staat  beschränkt,  die  Apostel  hatten  den  Auf- 
trag erhalten,  alle  Völker  zu  lehren  und  zu  taufen  und  die- 
jenigen, welche  sich  nach  Rom  gewandt,  hatten  dort  den  Tod 
erlitten;  diejenigen,  welche  als  Staatsverbrecher  hingerichtet 
worden  waren,  waren  die  Begründer  der  Kirche  Roms  geworden, 
wurden  als  Märtyrer  verehrt,  im  Kampfe  mit  dem  Staatscultus 


552  H«fl«r. 

angerufen,  sie  dienten  in  der  Zeit  der  Verfolgung  als  Vorbilder 
und  Muster,  wurden  als  die  Auserwählten  Gottes  bezeichnet 
Da  war  zwischen  Christenthum  und  Staatscultus  kein  Tractiren 
möglich,  kein  Ausgleich  denkbar,  höchstens  ein  gegenseitiges 
Ignoriren,  eine  vorübergehende  Waffenruhe,  eine  Pause  im  Ver- 
folgen und  im  Verfolgtwerden,  eine  Sammlung  der  Kräfte  zam 
Einen  wie  zum  Ausharren  im  Andern.  So  konnte  aber  die 
Sache  nicht  bleiben,  die  Verfolgung  nicht  ein  Staatsinstitut 
werden,  ohne  dass  der  Staat  selbst  darunter  am  meisten  ge- 
litten, am  ärgsten  Schaden  gehabt  hätte.  Es  war  in  der  Ver- 
folgung durch  Diocletian  und  Galerius  das  Aeusserste  geschehea 
bis  auf  das  verruchte  Mittel  Julians,  die  christliche  Bevölkerung 
der  Wohlthat  des  Unterrichtes  zu  berauben.  Und  dennoch 
war  jeder  Stillstand  in  der  Verfolgung,  jedes  Einlenken  in  die 
Anerkennung  eines  Rechtes  ausserhalb  des  Staatscultus  eine 
Zerstörung  des  antiken  Rechtsbodens,  ein  Attentat  gegen  den 
Götterstaat. 

Da  erfolgte  zuerst  die  Pause  in  der  Verfolgung,  als 
Galerius  seine  eigenen  Massregeln  zurücknahm.  Dann  der 
Hauptschlag,  als  die  beiden  Imperatoren  Licinnius  und  Con- 
stantinus  den  bisher  auf  Leben  und  Tod  verfolgten  Cultus  zur 
religio  licita  erhoben,  die  Exclusivität  der  antiken  Staatsreligion 
brachen  und  factisch  erklärten,  die  gesammte  Lehre  mit  ihrem 
Cultus,  ihrem  Dogma,  das  den  Staatscultus  verwirft,  ihn  ver- 
abscheut und  als  das  Werk  finsterer  Geister  bezeichnet,  hat 
ein  Recht  zu  existiren,  kann  somit  ihr  stilles  Zerstgrungswerk 
fortsetzen  und  keine  Bestrafung  ist  für  den  vorhanden,  welcher 
den  Staatscultus  als  profane  Sache  ansieht,  diesen  von  sieb 
stösst.  Eine  viel  weiter  gehende  Theilung  des  Reiches  war 
dadurch  erfolgt,  als  jede  der  vorausgegangenen  oder  nach- 
folgenden Liändertheilungen  in  sich  schloss.  Constantin  erklärte 
sich  auf  dem  Concil  zu  Nikäa  zum  eTvioxoxo^  -ctov  exTO^,^  er 
behielt  die  Gewalt  bei,  die  ihm  als  pontifex  raaximus  zukam, 
wie  denn  auch  erst  zur  grossen  Betrübniss  des  Zosimos  Gra- 
tianus  das  Kleid  eines  pontifex  mäximus  nicht  annahm,  und 
vor  Gratianus  Julian  auch  geistliche  Ceremonien  und  zwar  wie 
Ammianus  Marcellinus  die  Sache  darstellt,  bis  zum  Lächerlichen 


1  lieber  diese  Bedeutang'  siebe  Hof  ler,  Eaisertbum  und  Papstihnin  S.  7. 


▲bluuidlaBgen  au  dem  Gebiete  der  alten  Gesdiichte.  VIL  553 

verrichtete  und  dadurch  seiner  Sache  am  meisten  schadete. 
Ein  weiteres  und  sehr  wichtiges  Stadium  bestand  in  dem  Bau 
der  Oonstantinstadt,  angeblich  im  Verdrusse  mit  dem  römischen 
Senate,  dem  Vertreter  des  Staatscultus^  wie  Zosimos  die  Sache 
darstellen  möchte,  in  Wahrheit  aber  weil  sich  längst  heraus- 
gestellt hatte,  dass  das  Reich  ebensowenig  von  Rom  als  von 
einer  der  Kaiserstädte  aus  regiert  werden  könne,  in  welchen 
Diocletianus  und  seine  Auguste  und  Cäsaren  ihre  Residenzen 
aufgeschlagen;  die  Rückwirkung  auf  Rom  war  aber  ganz 
ungemein.  An  Rom,  den  Tempel  des  capitolinischen  Jupiter, 
das  Capitol,  den  Palatin,  knüpfte  sich  die  ganze  religiös-poli- 
tische Vergangenheit  des  römischen  Staates,  die  Begründung 
der  Weltherrschaft,  der  Sieg  der  römischen  Götter  an,  denen  zu 
Ehren  die  im  Triumphe  aufgeführten  Könige  und  Fürsten  ihren 
Tod  fanden.  Als  jetzt  eine  Hauptstadt  gewählt  wurde,  die 
nicht  nach  Beobachtung  des  Vögelfluges,  der  Augurien,  dazu 
bestimmt  wurde,  wohl  aber  die  höchstverehrten  Götterbilder 
der  griechischen  Welt  als  Trophäen  erblickte,  die  selbst  sich 
nach  dem  Willen  des  Imperators  eine  Verstümmlung,  eine 
Anpassung  an  den  neuen  Ideenkreis  gefallen  lassen  ^mussten, 
wie  Zosimos  gelegentlich  ausführt,  so  war  ein  weiterer  sehr 
nachhaltiger  Bruch  mit  dem  Staatscultus  erfolgt.  Jetzt  war 
es  fiir  die  alten  Götter  Zeit  sich  zu  rühren,  ihre  Sache  gegen 
den  Neuerer  zu  vertheidigen;  sie  Hessen  geschehen,  was  sie 
nicht  ändern  konnten.  Selbst  die  grossen  Götter  von  Samo- 
thrake  halfen  nicht,  obwohl  man  sie  damals  noch  anrief.  Es  ist 
eine  grosse  Lächerlichkeit,  fortwährend  zu  behaupten,  Con- 
Btantin  habe  die  christliche  Religion  zur  Staatsreligion  erhoben. 
Der  Arianismus  sollte  es  werden  und  ward  es  vorübergehend 
unter  den  Söhnen  Constantins,  das  Christenthum  schlug  aber 
unter  Constantin  die  freie  Bahn  ein,  die  ihm  durch  das  Mai- 
länderedict  eröffnet  worden  war.  Die  Pönalgesetze  schwanden 
and  da  das  Christenthum  die  Religion  der  Majorität  des  römi- 
schen Volkes  durch  sich  selbst  geworden  war,  bedurfte  es 
keiner  weiteren  staatlichen  Erklärung.  Es  war  so  gefestigt, 
dass  es  nur  durch  Streitigkeiten  im  eigenen  Schoosse  erschüttert 
werden  konnte  und  gerade  diese  so  wichtigen  und  tiefgreifen- 
den Bewegungen,  welche  der  Reaction  unter  Julian  Vorschub  be- 
reiteten, entgingen  Zosimos  gänzlich.  Abgesehen  vom  Mailänder- 


554  n«fler. 

edicte,  ist  die  Frage^  ob  die  Periode  der  Flayier  dem  Cfari&teD- 
thum  mehr  Nachtheile  als  Vortheile  brachte^  gar  nicht  müssig. 
Das  Mailänderedict  aber^  wie  die  zu  Ounsten  der  Christen 
nachfolgenden  Veränderungen  in  der  Gesetzgebung  waren 
nicht  Gnadengeschenke  auf  Ruf  und  Widerruf ,  sondern  die 
unausbleiblichen  Folgen  vorausgegangener  haltloser  Zustände 
und  des  erwähnten  Culturkampfes,  in  welchen  sich  die  römische 
Staats-  und  Cultusverwaltung  eingelassen  hatte  und  der  ein 
ganz  anderes  Resultat  erzeugte,  als  man  beabsichtigt  hatte. 
Es  war  aber  das  hervorragende  Verdienst  Constantins,  dass  er 
bei  den  Einrichtungen  des  Diocletianus  nicht  stehen  blieb, 
nicht  die  Verfolgungsperiode  erneute,  nicht  das  doppelte  Kaiser- 
thum  länger  duldete  als  es  unbedingt  nothwendig  war,  nicht 
vier  Kaiserstädte  erhielt,  sondern  die  unterdessen  gross  ge- 
wordenen Bedürfnisse  berücksichtigte.  Volk  und  Staat  waren 
in  das  Heer  aufgegangen;  längst  entschied  nicht  mehr  der 
Senat,  sondern  das  Heer.  Indem  Constantin  die  Civilgewak 
von  der  Militärgewalt  schied,  brach  er  das  Uebergewicht  des 
Heeres  so  weit  es  noch  möglich  war,  dem  Organismus  des 
Heeres  wurde  der  Organismus  der  Beamten  gegenüber  gestellt 
Offenbar  war  es  auch  der  Charakter  des  Heeres,  der  die 
Lösung  der  christlichen  Frage  im  Sinne  der  Gleichberechtigung 
möglich,  ja  nothwendig  machte.  Das  Heer  entschied  den  Sieg 
der  flavischen  Dynastie,  das  Heer  entschied,  dass  nach  Julian 
nicht  dessen  Verwandte  und  Freunde  den  Thron  erlangten, 
sondern  Männer  einer  entgegengesetzten  Richtung,  wenn  auch 
erst  Gratian  wagen  konnte,  ganz  und  gar  mit  den  Traditionen 
der  Vorzeit  zu  brechen,  was  Zosimos  Anlass  gab,  seine  eigen- 
thümlichen  archäologischen  Kenntnisse  auszukramen,  und  nach- 
dem Versuche  gemacht  worden  waren,  dem  rechtmässigen  und 
christlichen  Kaiserthum  ein  usurpatorisches  und  heidnisches 
entgegenzustellen,  die  übrigens,  weil  sie  misslangen,  Zosimos 
in  ihrer  wahren  Bedeutung  nicht  hervorhebt,  war  endlich  auch 
der  Moment  gekommen,  in  welchem  der  Sieger,  Theodosius, 
mit  dem  Hoidenthume  aufräumen  konnte,  die  Gleichberechtigung 
sich  in  die  Ausschliesslichkeit  einer  herrschenden  Religion 
umwandelte  und  gegen  das  Ende  des  IV.  Jahrhundertes  voll- 
endet wurde,  was  Constantin  in  der  ersten  Hälfte  begonnen 
hatte.     Traurig,   dass,   als  jetzt  das  Reich  die  Wohlthaten  der 


AbhaodlnngeD  atii  dem  Gebiete  der  alten  Oeeehiehte.  VIT.  555 

Christianisirung  erlangen  sollte^  das  Geschick  desselben  in  den 
Händen  eines  so  unfähigen  Geschlechtes  lag,  wie  die  spanische 
Dynastie  bezeichnet  werden  muss. 

Es  war  für  ein  Gemüth,  welches  sich  der  Erkenntniss 
der  christlichen  Heils  Wahrheiten  verschloss^  eine  Sache  von 
unsäglicher  Trauer,  sehen  zu  müssen,  wie  der  Staat  sich  immer 
mehr  den  antiken  Principien  entwand.  Die  grossen  Fehler, 
welche  von  den  Herrschenden  gemacht  wurden,  ihre  blutige 
Willkür,  die  vielen  Empörungen,  die  Härte  der  Gesetze,  als 
Alles  der  Erhaltung  des  von  allen  Seiten  angegriffenen  Reiches 
dienen  musste,  die  gesteigerte  Lebenslust,  welche  so  seltsam 
mit  den  christlichen  Principien  in  Contrast  stand,  die  Spiel- 
wuth,  in  der  sich  das  Volk  wie  der  Herrscher  gefielen,  die 
Streitigkeiten  imter  den  Christen,  ^  die  dem  antiken  Reiche  ganz 
fremd  waren,  die  Finanzverhältnisse,  deren  Druck  in  keinem 
Verhältnisse  zu  der  Entwicklung  des  Nationalwohlstandes  war, 
Tausende  von  Einrichtungen  aus  alter  Zeit,  welche  sich  über- 
lebt hatten  und  die  Neuerungen,  welche  die  christliche  Aera 
mit  sich  brachte,  das  Alles  mochte  eine  Verstimmung  erzeugen, 
wie  sie  in  dem  Hasse  Julian's  sich  ausprägte,  in  der  Verbitterung 
des  Zosimos  ihren  Ausdruck  fand,  wie  in  den  Staatsschriften, 
die  sich  auf  die  Wiedereinsetzung  der  Statue  der  custos  imperii 
virgo  bezogen,  deren  Entfernung  aus  der  Senatshalle  der  christ- 
liche Theil  der  Senatoren  dm^chsetzte  und  deren  wechselndes 
Geschick  das  Symbol  der  Wechselfalle  des  grossen  Streites 
wurde,  der  die  Welt  seit  vier  Jahrhunderten  bewegte  und  das 
römische  Reich  deshalb  nicht  mehr  zu  Athem  kommen  Hess, 
weil  es  300  Jahre  lang  mit  verderblicher  Consequenz  im  Cultur- 
kampfe  begriffen,  die  günstige  Zeit  friedlicher  Auseinander- 
setzung, von  dem  Nimbus  der  Gewalt  berauscht,  unbenutzt 
batte  vorüber  gehen  lassen. 

Nun  ist  es  von  grossem  Interesse,  mit  dem  griechischen 
Geschichtschreiber  der  römischen  Kaiser,  den  lateinischen, 
Ammianus  Marcellinus  aus  Antiochia  zu  vergleichen.  Beide 
verfolgten  im  Ganzen  Ein  Ziel,  nur  beginnt  Ammianus  mit 
Nerva  und  endet  mit  dem  Tode  des  Valens.  Seine  Geschichte 
umfasste  somit  282  Jahre  (von  96 — 378)  und  wurde  selbst  um 
das  Jahr    390    geschrieben;    leider    gingen    aber    die    ersten 


556  Hftfler. 

13  Bücher  verloren  und  hebt  das  14.  *   mit  dem  Cäsar  Gallos 
353,  an,  das  31.  aber   endet  mit   dem  Tode  des  Valens,  378. 
Zosimos  greift  noch  weiter  aus,    da   er  mit  der  Thatsache  be- 
ginnt, dass  die  Römer  die  ersten  600  Jahre  nur  zur  flrobenuig 
Italiens  verwandten,   dann   in  53  Jahren  Afrika,  Spanien  und 
Macedonien  eroberten,  was  entweder  eine  Schicksalsnothwendig- 
keit,   oder   der  Bewegung  der  Sterne  oder  dem  Willen  eines 
Gottes    zuzuschreiben    sei.     Rasch    kommt    dann    Zosimos  zu 
Octavianus  Augustus   und   durchgeht  nun  von  ihm  an  die  Re- 
gierungen  der  Kaiser,   wobei   aber   die  Erzählung  bei  Probos 
abbricht  und  im  zweiten  Buche  mit  dem  Tode  Diocletians  an- 
hebt.   Dann  wird  sie  in  diesem  bis  zur  Hinrichtung  des  Gallus 
fortgeführt,  so  dass  also  Ammianus  vom  vierzehnten  Buche  an 
und  Zosimos  vom  Ende  des  zweiten  sich   decken.     Das  dritte 
Buch  des  Zosimos  ist  Julian  gewidmet,  dem  die  Bücher  XXII, 
XXin,   XXR^,   XXV  des  Ammianus   angehören,    das  vierte 
Buch  des  Zosimos  reicht  bis  zum  Tode  des  Theodosius,  über- 
schreitet somit  den  Ammianus  bereits  um  17  Jahre  (378 — 395), 
das   fünfte  und   sechste   aber  enthält    die    KatastFophe    Roms 
unter  Alarich. 

Beide  Schriftsteller  gehören  jener  geistigen  Bewegung  an, 
die  durch  das  Christenthum  überwunden  und  zurückgedrängt 
worden  war,  jedoch  in  der  Art,  dass  Zosimos  nicht  blos  ganz 
entschieden  den  Parteistandpunkt  vertritt,  sondern  seiner  Dar- 
stellung geradezu  einen  apologetischen  Charakter  verleiht.  Er 
verschweigt,  was  nicht  in  seinen  Kram  passt  und  während  ihn 
die  Verruchtheit  der  Imperatoren  belehren  sollte,  dass,  als  die 
gesammte  Welt  römisch  geworden  war,  den  römischen  Göttern 
huldigte,  am  Untergange  des  Alterthums  mit  aller  Consequenz 
gearbeitet  und  die  Auflösung  der  heidnischen  Ordnung  der 
Dinge  unaufhaltsam  vorbereitet  wurde,  will  er  die  Schänd- 
lichkeiten der  römischen  Imperatoren  nicht  schildern  und  gibt 
er  sich  alle  erdenkliche  Mühe,  die  welthistorische  Veränderung, 
die  zur  Rettung  der  Menschheit  vor  den  römischen  Staats- 
göttem,  den  incarnirten  Gottheiten  des  Staates  eine  Noth- 
wendigkeit    wurde,    mit  der   Aufgebung    der   alten  Götter   in 

1   Ammiani  Marcellini  rerum  gestarum  libri  qui  supersunt  Recensuit  notis- 
que  selectis  instruxit  Y.  Gardthansen  I,  II.  Lipsiae  1874. 


Abhandlungen  auB  dem  Gebiete  der  alten  Gescbichte.  YII.  557 

Beziehung  zu  bringen,  nicht  bedenkend,  welche  Schwäche  er 
diesen  zuerkennt,  wenn  sie  sich  durch  einige  kaiserliche  Ver- 
ordnungen überwinden  liessen,  während  eine  dreihundertjährige 
Verfolgung  und  das  Aufgebot  der  gesammten  Staatskraft  zu- 
letzt nur  den  Triumph  des  Christenthums  herbeiführte.  Un- 
streitig ist  Ammianus  viel  objectiver,  viel  weniger  tendenziös; 
ihm  ist  es  nicht  um  den  Sieg  seiner  Götter,  sondern  um  die 
Thaten  der  Menschen  zu  thun,  die  er  vom  allgemeinen  Stand- 
punkte des  Rechtes  und  der  Billigkeit  beurtheilt,  somit  von 
einem  Standpunkte,  der  Christen  und  Heiden  gemeinsam  ist 
and  jedem  das  gleiche  Recht  zuerkennt.  Ganz  abgesehen  von 
dieser  Verschiedenheit,  treten  bei  Ammianus  die  historischen 
Charaktere  viel  prägnanter  hervor.  Er  gibt  sie  nicht  blos  in 
scharfen  Umrissen,  sondern  zeichnet  sie  auch  lebensvoll,  so 
dass  sich  die  Handlungsweise  vollkommen  aus  den  Eigen- 
schaften und  Eigenthümlichkeiten  der  Charaktere  erklärt.  Dieses 
ist  aber  um  so  wichtiger,  als  z.  B.  eine  Berechtigung  Julian's 
zum  Aufstande  gegen  Constantius  sich  wohl  ergibt,  wenn 
letzterer  wirklich  der  unversöhnlich  nachtragende,  heimtückisch- 
grausame, hinterlistige  Charakter  war,  als  welchen  ihn  Ammianus 
darstellt.  Dieses  fuhrt  aber  von  selbst  zur  Erörterung  von  Ein- 
zelnheiten, welche  die  Frage  löst,  in  wie  ferne  man  des  Einen 
Schriftstellers  durch  den  andern  entrathen  kann.  Beginnt  man 
nun  mit  der  zunächstliegenden  Darstellung  des  Zosimos,  womit 
das  XIV.  Buch  Ammians  anhebt,  dem  Sturze  des  Cäsar  Gallus 
(Julian's  Bruder),  so  waren  es  zwei  Eunuchen,  Höflinge  des 
Constantius,  Dynamius  und  Picentius,  die  den  Imperator  über- 
redeten, Gallus  trachte  nach  der  HeiTschaft,  und  den  praefectus 
praetorio  Lampadius  auf  ihre  Seite  zogen.  Constantius  entzog 
sich  diesen  Verläumdungen  ^  nicht,  Hess  den  Gallus,  der  hievon 
keine  Ahnung  hatte,  zu  sich  kommen,  beraubte  ihn  zuerst 
seiner  Würde  als  Cäsar  und  übergab  ihn  endlich  den  Henkern. 
Mit  dem  einen  Verwandtenmorde  nicht  zufrieden,  wandte  sich 
dann  Constantius  auch  noch  anderen  zu  und  zwang  Julian 
zum  Aufstande. 

Die  Absicht  ist   klar,   Constantius   als   den  Mann   darzu- 
stellen, der  das  Blut  seiner  Verwandten   nicht  schonte;   damit 

^  otsßoXat<;. 


558  Hftfler. 

BchliesBt  das  zweite  Bach  des  Zosimos.  Das  Sechsundzwanzigste 
des  Ammianus  beginnt  mit  der  Darstellung  der  Wildheit,  saevitia, 
des  GallnS;  den  die  eigene  Gemahlin,  die  Tochter  Constantins, 
zu  Grausamkeiten  antrieb.  Ammianus  erzählt  Beispiele  der 
Willkür  und  Grausamkeit  des  Gallus,  die  ihn  als  einen  schnöden 
Tyrannen  in  der  Weise  des  Gallienus  erscheinen  lassen.  Im 
siebenten  Capitel  greift  Ammianus  den  Gegenstand  au£s  Neue 
auf,  um  den  Blutdurst  des  Gallus,  sowie  die  Bedrückungen 
nachzuweisen,  die  er  sich  in  Antiochia  erlaubte.  Er  verschweigt 
ebensowenig  das  dem  Gallus  feindliche  Auftreten  vornehmer 
kaiserlicher  Beamter,  seine  Citation  an  das  kaiserliche  Hof- 
lager, die  blutigen  Zerwürfnisse,  zu  denen  es  bereits  gekommen 
war,  die  Entdeckung  der  Fabrication  eines  Purpurgewandes 
in  Tyrus,  die  wahrheitsgetreuen  Berichte,  welche  Herculanns 
über  das  Treiben  des  Gallus  dem  Augustus  machte,  die  drohende 
Soldatenempörung,  die  den  Nachstellungen  des  Gallus  zuge- 
schrieben wurden  (XIV.  c.  10).  Dann  werden  die  Anstalten 
geschildert,  die  Constantius  zur  eigenen,  Sicherung  traf,  die 
Citation  der  Schwester,  des  Gallus  Gemahlin,  die  in  Bithynien 
plötzlich  dem  Fieber  erlag,  die  wiederholten  AufForderongen, 
die  an  Gallus  ergingen  sich  zum  Augustus  zu  begeben,  die 
Absendung  von  Vertrauten^  ihn  zur  Reise  zu  vermögen  und 
wie  sich  daraus  ein  Netz  bildete,  dem  Gallus  nicht  zu  ent- 
rinnen vermochte,  endlich  seine  gewaltsame  Deportation  von 
Petobia,  der  norischen  Stadt,  nach  Pola,  wo  einst  CrispuS; 
Kaiser  Constantins  Sohn  geendet.  Hier  wurde  ihm  auf  Befehl 
des  Augustus  der  Process  gemacht,  er  hatte  sich  über  jeden 
von  ihm  in  Antiochia  vollbrachten  Mord  zu  verantworten  und 
als  er  die  Schuld  der  meisten  auf  seine  Gemahlin  geschoben, 
beschleunigte  dieses  nur  seinen  Untergang.  Während  sich 
Constantius  in  Mailand  aufhielt,  erfolgte  in  Pola  die  Hinrich- 
tung des  Cäsars,  dem  die  Hände  auf  den  Rücken  gebunden 
und  wie  einem  gemeinen  Verbrecher  das  Haupt  abgeschlagen 
wurde.  Bald  traf  diejenigen,  welche  die  Sentenz  in  Ausführung 
gebracht,  gleichfalls  ein  blutiges  Schicksal  und  so  wachte  nach 
zwei  Seiten  hin  die  Gerechtigkeit  des  obersten  Wesens,  was 
Ammian  ebenso  Anlass  gibt  das  Wirken  der  Adrasteia  zu  be- 
messen  als  den  Charakter  des  Gallus   zu  schildern,   der  sich 


Abhandlungen  ani  dem  Gebiete  der  alten  Qeschichte.  VIL  559 

von  seinem  Bruder  Julian  unterschied,  wie  einst  Domitian  von 
Titus.  (XIV.  11.) 

Es  ist  nicht  nothwendig  auseinanderzusetzen ,  dass  die 
Darstellung  der  Katastrophe  des  Gallus  durch  Ammian  sich 
Ton  der  des  Zosimos  unterscheidet  wie  die  eines  Historikers 
von  einem  Novellisten. 

Wenden  wir  uns  der  Erhebung  Julians  zu. 

Zosimos  bezieht  sich,  als  er  auf  Julian  zu  sprechen  kommt, 
auf  die  ausgedehnten  Werke  der  Schriftsteller  (Historiker) 
und  die  Poeten/  obwohl  keiner  ihn  würdig  genug  darstellte; 
auf  seine  eigenen  Reden  und  Briefe,  die  über  den  ganzen  Erd- 
kreis verbreitet  seien.  Er  aber  wolle  vor  Allem  mittheilen, 
was  von  anderen  umgangen  worden  war.  Interessant  ist  nun 
besonders  die  Schilderung  des  Pariser  Banquetes,  wobei  das 
Signal  zum  Aufstande  gegeben  wurde,  nachdem  anonyme 
Schriften  unter  den  Soldaten^  die  nur  wider¥rillig  den  Abmarsch 
nach  dem  Oriente  antraten,  verbreitet  worden  waren.  Ammianus 
bezeichnet  gleichfalls  XX,  9,^  einen  Unbekannten  als  den  Ver- 
breiter einer  derartigen  Schrift,  was  eine  höhere  Anstiftung 
nicht  ausschliesst.  Er  erwähnt  auch,  dass  Julian,  nachdem 
er  eine  Rede  an  die  Truppen  gehalten,  die  Officiere  (proceres) 
zu  einem  Banquete  lud,  bei  welchem  der  Aufstand  zum  Aus- 
bruche kam.  Während  er  aber  beschreibt,  wie  man  hiebei  zu 
den  Waffen  griff,  erwähnt  Zosimos,  dass  diejenigen,  welche 
den  Cäsar  zum  Augustus  ausriefen,  noch  die  Weinkelche  in 
den  Händen  trugen,  als  sie  sich  zum  Hauptquartier  begaben. 
Ammianus  theilt  das  officielle  Schreiben,  welches  Julian  an 
Constantius  richtete,  mit,  erwähnt  aber,  dass  er  noch  ganz 
andere  voll  Bissigkeit  und  Anklagen  an  den  Kaiser  absandte, 
die  nicht  mitgetheilt  wenden  können  (XX,  8).  Julian  reizte 
somit  den  Constantius,  während  er  sich  die  Miene  gab,  als  sei 
ihm  von  den  Soldaten  der  Purpur  aufgenöthigt  worden.  Ammian 
f6hrt  die  Ankunft  des  Leonas  an,  den  Constantius  an  Julian 
abgesandt  und  der  Zeuge  der  Stimmung  der  Soldaten  ward. 
Zosimos  aber  schiebt  die  Schuld  auf  Constantius  und  lässt 
Julian    erst    durch    das  Traumgesicht    in   Vienna    zum    festen 


*  ^'jyYpofewai  x«i  TroiijxaT?. 

^  Apud  Petalantiuin  signa  quidam  übellam  hami  projecit  occulte. 


560  Hftfler. 

Entschlüsse  kommen.  Ammianus  weiss,  dass  bereits  in  Vienna 
Julian  der  Tod  des  Constantius  verkündet  wurde,  sucht  auch 
diesen  Hang  zur  Erforschung  der  Zukunft  zu  erklären,  ver- 
schweigt aber  nicht,  dass,  während  Julian  schon  früher  voii 
dem  christlichen  Cultus  abgefallen  war  und  die  Mngeweide 
der  Thiere  befragte,  heidnische  Opfer  verrichtete,  er  äusserlich 
sich  als  Christ  benahm,  und  um  seinen  Abfall  zu  bemänteln,  noch 
am  hohen  Feste  Epiphania  in  die  christliche  Kirche  zog  and 
dort  betete.  Zosimos,  in  dessen  Darstellung  diess  nicht  passte 
und  dessen  Held  durch  das,  was  Ammian  eine  Täuschnog 
nennt,  gelitten  hätte.  Verschweigt  diesen  charakteristischen  Zug 
im  Leben  Julians,  der  jedenfalls  den  Christen  gerechten  Grund 
gab,  sich  über  die  Heuchelei  des  neuen  Augustus  zu  beklagen, 
dem  das  Mittel  gleicbgiltig  war,  wenn  es  nur  zum  Zwecke 
führte.  Zosimos  erwähnt  femer,  dass  Julian  an  den  römischen 
Senat  schrieb;  Ammian,  dass  es  vom  Naissos  aus  geschah  und 
Julian  hiebei  den  Kaiser  Constantin  als  einen  Beseitiger  der 
alten  Gesetze  ^  —  eigentlich  als  den  Verwirrer  des  Staates  be- 
zeichnete. Zosimos  verschweigt  den  Abfall  der  zwei  constan- 
tinischen  Legionen,  die  sich  nach  Aquileja  begaben  und  die 
wichtige  Stadt  für  Constantius  besetzt  hielten;  der  Tod  ie& 
letzteren  in  Mobsucienae  wird  von  Zosimos  nur  im  Vorbei- 
gehen erwähnt,  von  Ammianus  ausfuhrlich  behandelt,  die  Cha- 
rakteristik des  Kaisers  gegeben  und  bemerkt,  dass  seine 
Gemahlin  in  gesegneten  Umständen  gewesen,  seine  nachgeborne 
Tochter  die  Gemahlin  des  Gratianus  geworden.  Während 
durch  die  Schilderung  Ammians  das  Bild  des  Constantius  in 
den  lebhaftesten  Farben  vorgeführt  wird,  lässt  sich  Zosimos 
nicht  einmal  auf  einen  Versuch  ein  dies  zu  thun.  Von  dem 
Aufenthalte  Julians  in  Constantinope^  weiss  er  nur  günstiges 
zu  berichten,  während  Ammianus  die  Verfolgungen  aufzahlt, 
die  damals  stattfanden,  und  mehr  wie  eine  Schattenseite  des 
Kaisers  aufdeckt.  Es  ist  kein  Grund  Kaiser  Constantin  wegen 
seines  Verhaltens  zu  den  Gothen  zu  tadeln,  während  Julian 
die  grösste  Gefahr,  welche  dem  Reiche  in  der  nächsten  Zeit 
von  diesen  drohte,  geradezu  misskannte;  dass  er  nun  die 
Tempel  wieder  öffnen   Hess  und  den  Göttercultus  wieder  auf- 


1  Novatoris  torbatorisque  priscarum  le^m  XXL  10. 


Abhandlungen  ans  dem  Gebiete  der  alten  Geacbichte.  TII.  561 

richtete;  lernen  wir  aus  Ammianus  kennen.  Auch  der  Auf- 
enthalt des  Kaisers  in  Antiochia^  wo  er  den  Göttern  masslos 
Opferthiere  schlachtete^  die  christliche  Eärche  schliessen  liess, 
weil  der  Apollotempel  in  Daphne  in  Flammen  aufginge  ge- 
staltet sich  bei  Ammianus  ganz  anders  als  bei  Zosimos^  der 
für  den  Misopogon^  die  Schrift  schwärmt;  welche  Julian  selbst 
gegen  die  Spottsucht  der  Antiochener  verfasste.  Den  Versuch, 
den  Tempel  von  Jerusalem  wiederherzustellen^  der  durch  die 
ans  dem  Boden  hervortretenden  Flammen  vereitelt  wurde, 
lernen  wir  nur  aus  Ammian,  nicht  aus  Zosimos  kennen.  Es 
erübrigt  nun,  den  Kri^szug  gegen  Persien  zur  Untersuchung 
der  Glaubwürdigkeit  beider  Autoren  kurz  zu  durchgehen. 

Ammian  beginnt  die  Darstellung,  indem  er  erwähnt,  Julian 
sei  von  dem  praefectus  Galliarum  Sallustus  auf  das  Dringendste 
gebeten  worden,  den  Krieg  nicht  zu  unternehmen;  Zosimos, 
indem  er  die  Gründe  verschweigt,  warum  in  Antiochia  bei 
dem  Ausmarsche  ungünstige  Zeichen  stattfanden.  Ammianus 
lässt  keine  Gelegenheit  vorübergehen,  den  Leser  mit  den 
geographischen  Verhältnissen  bekannt  zu  machen,  ehe  er  an 
die  historische  Darstellung  kommt;  Zosimos  hat  es  vor  Allem 
mit  Vorhersagungen  und  ähnlichen  Dingen  zu  thun,  bis  sich 
seine  Darstellung  in  der  Person  Julians  und  seiner  militärischen 
Energie  concentrirt.  Er  lässt  das  Heer  über  Zautha^  nach 
Dure  vorrücken,  wo  das  Grab  des  Kaisers  Gordianus  gezeigt 
wurde,  während  Ammian  dieses  bei  Zaitha  sah  (XXIII.  5.). 
Er  erwähnt  dann  noch  Phatusa  —  bei  Ammianus  Thilutha  — 
der  Stadt  Dakira  —  bei  Ammianus  Diacira,  Sitha,  Megia 
und  Zaragardia,  das  Ammianus  Ozogardana  nennt,  verschweigt 
Hacepracta,  nennt  Pirisabora,  BiQpaoßuipa,  übergeht  die  Juden- 
stadt,^  erwähnt  Fissenia,  Bithra  und  Besuchis,  wie  er  Ammians 
Maiozamalcha  nennt.  Es  ist  wohl  kein  Zweifel,  dass  Zosimos 
ungeachtet  der  Verschiedenheit  der  Namen,  den  Bericht  Ammians 
vor  sich  hatte.  Coche  (Seleucia)  ist  bei  ihm  Zochasa,  den 
Kampf  von  Narmalaches  (Naarmalcha,  Ammianus),  beschreibt 
er  selbst  ausfuhrlicher,  und  nennt  namentlich  die  Gothen  (ot 
r:6oc),  welche  mit  den   Römern  die  Perser  verfolgten.    Dass 


*  III.  c.  13. 

'  Ammianus  XXXIII.  4. 


562  HRfler. 

aber  JuliaO;  aufgebracht  über  das  Benehmen  der  zehn  achönsten 
Stiere,  den  Jupiter  versicherte,  er  werde  dem  Mars  kein 
Opfer  mehr  bringen  (XXXIV.  6),  wird,  so  charakteristisch  es 
ist,  von  Zosimos  umgangen.  Ammian  erwähnt  nun,  dass  der 
Plan,  Etesiphon  zu  belagern,  aufgegeben  wurde,  und  nachdem 
die  Flotte  den  Flammen  überliefert  worden,  das  Heer  (infaostis 
ductoribus  praeviis)  in  das  Innere  des  Landes  eindrang.  Als 
der  BeschluBs  die  Flotte  zu  verbrennen,  zurückgenommen 
wurde,  war  es  zu  spät.  Julian  hoffte  durch  Vereinigung  des 
bisher  getrennten  Heeres  den  Sieg  zu  erlangen,  als  gerade 
dieser  Plan  durch  die  freiwillige  Verwüstung  ihres  Landes  von 
den  Persern  zum  Scheitern  gebracht  wurde.  Gerade  in  dieser 
Beziehung  ist  Ammianus  ungemein  lehrreich.  Die  Sängeweide 
der  Thiere  wurden  befragt,  um  zu  erfahren,  was  jetzt  zu  ge- 
schehen habe!  Man  musste  sich  entschliessen,  den  Rückzog 
anzutreten,  um  womöglich  Corduena  zu  erreichen.  Zosimos 
übei^eht  diesen  wichtigen  Umstand.  Er  erwähnt,  das  Heer 
sei  nach  Noorda,  nach  Barophthä,  nach  Sjmbra  zwischen 
Nisbara  und  Nischanale,  zwischen  Danabe  und  Synka  nach 
Maronsa,  nach  Akketes  und  Tummara  gekommen,  wo  Alle  Reue 
in  Betreff  des  Schiffsbrandes  befiel.^  Ammian  erwähnt  den 
zweitägigen  Aufenthalt  in  Hucumbra,  den  Kampf  mit  der 
schweren  Reiterei  der  Perser  bei  Maranga,  die  entsetzliche 
Noth,  die  das  Heer  litt,  die  Erscheinung  des  Genius,  den  Julian 
schon  in  Gallien  erblickt,  jetzt  mit  verhülltem  Haupte,  die 
ängstliche  Befragung  etrurischer  Zeichendeuter,  als  eine  Stern- 
schnuppe gefallen  und  ihren  Rath  den  Aufbruch  zu  verschieben, 
die  Betheiligung  Julian's  am  Gefechte,  seine  Verwundung  durch 
den  Wurfspiess  eines  Reiters  ohne  dass  man  wusste,  woher  er 
kam,  seinen  Tod,  seine  Charakteristik.  XXXV.  3.  4.  Ammian's 
Darstellung  des  Todes  Julian's  ist  von  hohem  dramatischen 
Interesse.  Es  ist  nichts  gespart,  den  Helden  mit  der  Gloriole 
antiker  Tugend  zu  umziehen  und  den  Untergang  des  jugend- 
lichen Kaisers  in  den  lebhaftesten  Farben  darzustellen.  Wie 
dem  Vorkämpfer  der  römischen  Republik,  Marcus  Brutus,  zwei 
Male  der  Geist  des  grossen  Julius  erschien,  der  dem  römischen 
Staate    die    entscheidende    Wendung    zur   Monarchie  gab   und 

J  m.  c.  28. 


▲bhandlangen  ans  dem  Gebiete  der  alten  Qeechiohte.  YII.  563 

dessen  Namen  sich  zur  Bezeichnung  der  höchsten  Würde 
bleibend  erschwang,  erscheint  dem  Cäsar  Julian  in  Q-allien, 
dem  Augustus  Julian  im  Lager  der  Genius  der  antiken  Welt. 
£truri8che  Wahrsager  verkünden  Unheil  auf  persischem  Boden, 
der  Kaiser  aber  denkt  nur  an  seine  Pflicht,  als  die  Perser  das 
Heer  anfailen,  eilt  ohne  Panzer  in  das  Treffen,  erhält  dort  die 
tödtliche  Wunde  und  zwar  wie  Zosimos  berichtet,  durch  ein 
Schwert,  also  im  Einzelnkampfe,  nach  Ammian  durch  den 
Wiirfspiess,  den  vielleicht  eine  römische  Faust  geschleudert,  er 
zerschneidet  sich  die  Finger,  als  er  die  Mordwaffe  herausziehen 
will,  fkllt,  vom  Blutverluste  erschöpft,  besinnungslos  vom  Pferde, 
wird  in  das  Zelt  getragen,  verlangt,  als  die  Besinnung  wieder- 
kehrt, Pferd  und  Waffen,  muss  aber  regungslos  zurückbleiben 
und  vernimmt  nun,  dass  der  Ort,  wo  sich  das  Unheil  begeben, 
Phrygia  heisse,  so  wie  ihm  verkündet  worden,  dass  er  daselbst 
sterben  werde.  Mühsam  vertheidigen  sich  unterdessen  die 
Seinen  gegen  die  gesteigerten  Angriffe  der  Perser,  er  aber 
rafft  seine  Kraft  zusammen,  hält  eine  Anrede  an  die  trauern- 
den Freunde,  in  welcher  er  sich  glücklich  preist  zu  sterben, 
eich  rühmte  stets  für  Milde  gesinnt  gewesen  zu  sein  und  die 
Willkür  in  allen  seinen  Handlungen  ferne  gehalten  zu  haben, 
Hess  aber  die  wichtigste  Frage,  einen  Nachfolger  zu  bestimmen, 
gleich  Alexander  ungelöst,  verlangt,  nachdem  er  mit  zwei 
Philosophen  über  die  Erhabenheit  der  Seele  ein  Gespräch  be- 
gonnen, zu  trinken  und  stirbt,  als  er  den  kalten  Trunk  zu 
sich  genommen  im  einunddreissigsten  Lebensjahre.  Während 
Ammian  dann  sorgfältig  seine  Tugenden  wie  seine  Fehler  durch- 
geht und  unter  diesen  namentlich  hervorhebt,  dass  er  den 
Christen  die  Möglichkeit  der  literarischen  Bildung  entzogen, 
beschränkt  sich  Zosimos  auf  zehn  Zeilen,  in  welche  er  die 
Erzählung  von  der  Verwundung  und  dem  Tode  zusammen- 
drängt und  erwähnt  bei  seinem  Ende  nur,  er  habe  beinahe 
den  Untergang  des  persischen  Reiches  herbeigeführt. 

Unstreitig  besitzt  Ammianus  nicht  blos  den  grossen  Vorzug 
umständlicher  und  genauer  Darstellung  vor  Zosimos;  seine 
SchUderungen  sind  lebhaft,  seine  Charakteristik  gewissenhaft, 
er  weiss  sich  über  die  Ereignisse  imd  Personen  zu  stellen,  ein 
dramatisches  Interesse  zu  erregen.  Es  ist  aber  nicht  blos  diese 
Eigenächaft,  welche  Ammian  einen  hervorragenden  Platz  unter 

gitsaBgtber.  d.  phil.-hUt.  Ci.  XCY.  Bd.  IL  Uft.  37 


564  HftfUr. 

den  römiBchen  GeBchichtschreibern  anweist.  Elr  huldigt  der 
Ueberzeugung  von  dein  Walten  der  Adrasteia,  einer  vergelten- 
den Gerechtigkeit  auf  Erden,  die  sich  an  die  freien  Thaten 
der  Menschen  anknüpft,  während  Zosimos  aus  der  Be&ngen- 
heit  eines  Cultus  nicht  herauskommt,  der  im  Absterben  be- 
griffen, sich  an  Zeichendeuterei,  an  trügerische  ProphezeiuDgen 
anklammert  und  im  Untergange  der  alten  Welt  nicht  das 
natürliche  Ende  eines  langen  Processes,  der  endlichen  Aas- 
geisterung  erkennt,  sondern  nur  das  Werk  einer  Usurpation, 
der  Verdrängung  legitimer  Gatter.  Die  Verbissenheit,  welche 
Julian  charakterisirt  und  ihn  verleitete,  im  Christenthume  nar 
das  Werk  der  Schlechtigkeit  zu  erblicken,  hat  sich  nicht  nur 
des  Zosimos  bemächtigt,  sie  trübt  seinen  Blick  in  Bezug  aa{ 
die  Ereignisse  seiner  Umgebung  wie  der  jüngsten  und  ent- 
fernteren Vergangenheit.  Kaiser  Constantin  erscheint  ihm  nur 
in  dem  grellen  Lichte  eines  Neuerers,  das  Julian  angezündet 
Der  falsche  Grundton  klingt  durch  und  erzeugt  eine  Miss- 
Stimmung,  die  nicht  mehr  aufhört.  Schon  bei  der  Erörterung 
der  diocletianischen  Zeit  kommt  Namensverwechslung  und  Irr- 
thum  vor.  Keltisch  und  germanisch  wird  regelmässig  unter- 
einandergeworfen, so  dass  Paris  selbst  eine  germanische  Stadt 
wurde.  Aehnliche  Fehler,  Mangel  an  Genauigkeit  und  Sach- 
kenntniss,  begegnet  uns,  wie  oben  gezeigt,  häufig.  Ich  glaube 
auf  keinen  Widerspruch  zu  stossen,  wenn  ich  sage,  so  weit  als 
Ammianus  reicht,  bleibt  er  auch  die  Hauptquelle  und  wenn 
dieser  zum  Schlüsse  seines  378  endenden  Werkes  sagt,  er  habe 
die  Wahrheit  bekannt,  niemals  wissentlich  verschwiegen  oder 
gelogen,  so  muss  ihm  die  Beistimmung  des  Lesers  folgen.  Der 
Werth  der  letzten  Bücher  des  Zosimos  besteht  wesentlich 
darin,  dass  über  die  ersten  Jahre  des  Honorius  die  Quellen 
so  sparsam  fliessen  und  er  die  Person  Stelicho's  in  den  Vor- 
dergrund stellt,  mit  Recht  die  Aufrechthaltung  des  Reiches  an 
die  Erhaltung  dieser  ausgezeichneten  Persönlichkeit  anknüpft. 
Grösseres  Verdienst  wird  ihm  wohl  kaum  zuerkannt  werden. 
Ungeachtet  aller  Verkleinerung,  die  sich  Zosimos  erlaubt,  be- 
stand der  grösste  Fehler,  den  Theodosius  beging,  in  seiner  kurzen 
Regierung  und  obwohl  ihm  ein  sehr  erbärmliches  Geschlecht 
nachfolgte,  war  noch  immer  die  Frage,  was  besser  sei,  der 
Mangel  an  einer  Dynastie  mit  all  den  Schwankungen  und  Er- 


AbhandUngen  aus  dem  Gebiete  der  alten  Geschichte.  VII.  565 

Schütterungen  des  Reiches,  die  sich  daran  anknüpften,  oder 
eine  wenn  auch  schwache  Dynastie,  welche  noch  immer  eine 
Einheit  des  Reiches  repräsentirte  und  den  Bestand  desselben 
verbürgte.  Die  Auflösung  des  Reiches,  die  Umwandlung  des- 
selben in  Barbarenländer  trat  denn  doch  erst  ein,  als  es  im 
römischen  Reiche  keine  Dynastie,  keine  Vertretung  ererbter 
Grundsätze  mehr  gab;  dass  aber  das  römische  Reich,  wenn 
auch  in  seiner  Umänderung  als  romäisches  sich  erhielt,  ver- 
dankt es  vor  Allem  dem  Umstände,  dass  durch  Dynastien,  die 
seit  dem  VII.  Jahrhunderte  nicht  mehr  so  raschem  Wechsel 
unterlagen,  eine  politische  Stetigkeit  in  dasselbe  gekommen 
war.  Die  ganze  Entwicklung  der  römischen  Kaisergeschichte 
beweist  somit  die  Falschheit  der  Grundanschauung  des  Zosimos, 
der  selbst  zwar  kein  psychologisches  Räthsel  war,  aber  wohl  ein 
psychologisches  Denkmal  aus  einer  Uebergangsperiode,  die  alle 
bedeutenden  Geister  in  Aufregung  versetzte,  mittelmässige  ver- 
wirrte und  bei  dem  Umstürze  des  Alten,  dem  Emporkommen 
einer  neuen  Ordnung  der  Dinge,  Umwälzungen  hervorrief, 
welche  das  dem  Untergange  geweihte  noch  im  rosigen  Schimmer 
einer  gewissen  Verklärung  erscheinen  Hessen  und  zwar  in  dem 
Maasse,  in  welchem  die  Gegenwart  selbst  wenig  Befriedigung 
erzeugte,  ja  selbst  düster  und  grauenvoll  sich  entwickelte. 


37* 


XXI.  SITZUNG  VOM  22.  OCTOBER  1879. 


Die  Uoiversität  in  Kopenhagen  übersendet  die  aus  An- 
lasB  ihrer  vierhundertjährigen  Stiftungsfeier  geprägte  Medaille 
und  erschienenen  Festschriften. 


Herr  J.  Rockiewicz^  k.  k.  Oberst  und  Vorstand  der 
topographischen  Abtheilung  im  militär-geographischen  Institute 
überreicht  mit  Zuschrift  seine  als  Manuscript  gedruckte  Schrift: 
;Directe  Reduction  der  Militärmappen  zu  Karten  kleineren 
Maassstabes  unter  Anwendung  der  gekörnten  Zeichnung  am 
Papier/ 


An  Druoksohriften  wurden  vorgelegt: 

Accademia  reale  deUe  Scienze  di  Torino:  Memorie.   Ser.  11%  Tomo  XXX. 

Torino,  1878;  4«.    —    Atti.  Vol.  XIV.  Disp.  6*  et  7*  (Mag^o  et  Oiagno 

1879).    Torino;  8». 
Ackerbau-Ministerium,  k.  k.:  Statistisches  Jahrbuch  für  1878.  III.  Heft: 

Der    Berg^werksbetrieb    Oesterreichs    im    Jahre  1878.    I.  Lieferung:  Di<^ 

Bergwerksprodnction.  Wien,  1879;  80. 
CentraUCommission,   k.    k.    statistische :    Statistisches  Jahrbuch  far  Au 

Jahr  1877.  V.  und  VI.  Heft.  Wien,  1879;  8«.  Jahr  1878.  I.  Heft  Wien, 

1879;  80.  Jahr  1876.   X.  Heft.   Wien,  1879;  8«.    —    Ausweise  über  den 

auswärtigen  Handel  der  österreichisch -ungarischen  Monarchie  im  Sonoen- 

jahre    1878.    XXXIX.    Jahrgang.    IV.,    V.    und    VI.    Abtheilung.  Wien, 

1879;  gr.  40. 
—  zur  Erforschung  und  Erhaltung  der  Kunst-  und  historischen  Denkmale: 

Mittheilungen.  V.  Band.  3.  Heft.  Wien,  1879;  gr.  4<'. 
Copenhague,  Universit^:  Aper9U  sur  TOrganisation.  Copenhague,  1878;  4^'- 

—    Kjöbenhavns    Universitets    Retohistorie    1479  —  1879    af    Henning 

Matzen.    1.  et  2.  Del.   Kjöbenhavn,   1879;   i^.    —    GedachtnissmedjuUe 

des  vierhundertjährigen  Bestandes  der  Universität. 


567 

Harzverein  fSr  Geschichte  und  Alterthamskande :  Zeitschrift.  XII.  Jahr- 
gang 1879.  1.  und  2.  Heft.  Wernigerode,  1879;  80. 

Mtfttschappij  der  Nederlandsche  Letterkunde  te  Leiden:  Handelingen  en 
Mededeelingen  over  hetJaarl878.  Leiden,  1878;  8".  —  Levensberichten 
der  afgestorrene  Medeleden.  Leiden,  1878 ;  8^.  —  Catalogus  der  Bibliothek. 
Derde  gedeelte  Nederlandsch  Tooneel.  Leiden,  1877;  8°. 

Mose  um  Francisco-Carolinnm:  XXXVII.  Bericht  nebst  der  XXXI.  Lieferung 
der  Beiträge  zur  Landeskunde  von  Oesterreich  ob  der  Ens.  Linz,  1879;  8^. 

Nnmismatische  BIfitter:  Organ  für  Numismatik  und  Alterthumskunde. 
L  Jahrgang,  Nr.  7—9.  Wien,  1879;  40. 

iRerue  politique  et  litt^raire'  et  ^Revue  scientifique  de  la  France  et  de 
l'lßtranger».    IX«  Ann^e,  2«  S^rie.    Nr.  16.    Paris,  1879;  4». 

RoSkiewicz,  J.,  k.  k.  Oberst:  Directe  Reduction  der  Militfirmappen  zu 
Karten  kleineren  Maassstabes  unter  Anwendung  der  gekörnten  Zeichnung 
(Schummerung)  am  Papier;  mit  XH  Beilagen.  Wien,  1879;  8^ 

Soci^t^  d*Histoire   et  d* Archäologie   de  Oen^ve:  M^moires   et  Docnments. 

Tome  XX.  Livraison  1.  Gen^ve,  Paris,  1879;  8^ 
~  de  Biologie:  Compte  rendu  des  s^ances.  Fascicules  Nr.  1 — 3  de  Janvier 
k  fin  D^cembre  1873.  Paris,  1873/4 ;  80.  Fascicule  Nr.  1  de  Janvier 
k  fin  Avril  1874.  Paris,  1874;  SK  Fascicule  Nr.  1  de  Janvier  k  fin 
Ayril  1875.  Paris,  1875;  8».  Fascicule  Nr.  3  d'Octobre  k  fin  D^cem- 
bre  1875.  Paris,  1876;  S^  Fascicules  Nr.  1  ji  3  de  Janvier  &  fin  De- 
cembre  1876.  Paris,  1876/77;  8^.  —  M^moires.  Fascicule  de  Tann^e  1873. 
Paris,  1874;  8°.  Fascicule  de  Tann^e  1875.  Paris,  1876;  8^.  Fascicule 
de  Janvier  k  D^cembre  1876.  Paris,  1877 ;  8^.  Comptes-rendus  des  S^ances 
et  M^moires.  Tome  L  de  la  VI«  S^rie,  Annie  1874.  Paris,  1875;  8^ 
Tome  IV  de  la  VP  S^rie,  Ann^e  1877,  Paris,  1879;  80. 

Society,  the  Royal,  of  London:  The  Council  of  the  rojal  Societj.  30th  No- 
vember, 1878;  40.  Catalogue  of  scientific  Papers  (1864— 1873),  Vol.  VIII. 
London,  1879;  gr.  4*^.  —  Philosophical  Transactions ;  for  the  jear  1877. 
Vol.  167.  Part  II.  London,  1878;  4«.  Vol.  168  (Extra  Volume).  London, 
40.  for  thejear  1878.  Vol.  169.  Parti.  London,  1878;  4*^.  —  Proceedings. 
Vol.  XXVI.  Nr.  184.  London,  1877;  8«.  Vol.  XXVII,  Nr.  185-189. 
London,  1878;  8«.  Vol.  XXVIU,  Nr.  190—195.  London  1878/79;  80. 
VoL  XXIX,  Nr.  196.  London,  1879;  8^ 

Verein,   Militftr- wissenschaftlicher,   in  Wien:    Organ.  XIX.   Band.    3.  Heft 

1879,  Wien;  8«. 

—  historischer,  von  Unterfranken  und  Aschaffenburg:  Archiv.  XXV.  Band, 

1.  Heft.   Würzbnrg,   1879;  S^,   —   Die  Geschichte  des  Bauernkrieges  in 

Ostfranken  von  Magister  Lorenz  Fries.  III.  Lieferung.  Wtirzburg,  1878;  8^ 


SITZUNGSBERICHTE 


DER 


KAISERLICHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE  CLASSE. 


XCV.  BAND.  III.  HEFT. 


JAHRGANG  1879.  —  NOVEMBER. 


XXn.  SITZUNG  VOM  5.  NOVEMBER  1879 


Die   Direction   des   k.  k.  Staatsgymnasiums   zu   Marburg 
dankt  für  die  Betheilung  mit  dem  ,Anzeiger^ 


Das  k.  k.  Reichs -Kriegsministerium  übermittelt  die  in 
der  dritten  Section  des  technischen  und  administrativen  Militär- 
Comite  bearbeitete  Zusammenstellung  der  ^Verluste  der  im 
Jahre  1878  mobilisirten  k.  k.  Truppen,  vom  Beginn*  der  Mobi- 
lisirung  bis  zum  Jahresschlüsse,  vor  dem  Feinde  und  in  Folge 
von  Krankheiten'. 


Für  die  akademische  Bibliothek  werden  ferner  eingesendet: 

Von  Herrn  Major  F.  Jaitner  in  Wien  die  von  dem  k.  k. 
Oberlieutenant  C.  Balog  von  Mankobück  gefertigten  ,Krieg8- 
BUder-Skizzen  aus  dem  bosnisch-herzegovinischen  Occupations- 
feldzuge  1878'; 

von  dem  c.  M.  Herrn  Professor  Dr.  von  Inama-Sternegg 
in  Innsbruck  sein  eben  erschienenes  Werk:  ^Deutsche  Wirth- 
schaftsgeschichte  bis  zum  Schlüsse  der  Karolingerperiode'; 


572 

von  der  Bibliotheca  civica  in  Novara  die  von  Herrn  Ä. 
Ceruti  gesammelten  und  mit  Noten  herausgegebenen  ,Statata 
communitatis  Novariae  anno  1277  lata^ 


Herr  Dr.  Heinrich  St.  Sedimayer^  Supplent  am  k.  k. 
akademischen  Gymnasium^  übergibt  seinen  ^Bericht  über  die 
im  Auftrage  der  Kirchenväter-Commission  unternommene  Durch- 
forschung der  Handschriften  lateinischer  Kirchenväter  in  den 
Bibliotheken  Londons  und  Cheltenhams^ 


Von  dem  w.  M.  Herrn  Dr.  Pfizmaier  wird  eine  für  die 
Denkschriften  bestimmte  Abhandlung:  ^Darlegung  der  chine- 
sischen Aemter,  II.  Abtheilung;  Schluss^  vorgelegt. 


Von  Herrn  Dr.  phil.  Richard  Müller  in  Wien  wird 
mit  der  Bitte  um  Veröffentlichung  in  den  akademischen 
Schriften  eine  Abhandlung,  welche  betitelt  ist:  ^Oesterreich. 
Die  EntwickeluDg  des  Namens  aus  dem  Appellativurn',  ein- 
gesendet. 

Die  Abhandlung  wird  einer  Commission  zur  Begutachtung 
zugewiesen. 


Das  w.  M.  Herr  Professor  Dr.  Harte  1  übergibt  eine 
Abhandlung  des  Herrn  Docenten  Dr.  Alois  Rzach  in  Prag, 
welche  ^Studien  zur  Technik  des  nachhomerischen  heroischen 
Verses^  enthält  und  um  deren  Aufnahme  in  die  Sitzungsberichte 
ersucht  wird. 

Die  vorgelegte  Abhandlung  wird  einer  Commission  zur 
Begutachtung  überwiesen. 


573 


An  Druoksohriften  wurden  vorgelegt: 

Academia  real  de  la  Historia:  Boletin.  Tomo.  I.  Goaderno  IV.  Setiembre, 
1879.     Madrid,  1879;  80. 

Accademia  delle  Scienze  deir  Istituto  di  Bologna:  Memorie.  Serie  III.  Tomo  X. 
Fascicolo  1°»<>— 4°.  Bologna,  1879;  40. 

—  reale  delle   Scienze   di  Torino:    Atti.  Vol.  XIV.  Disp.  5«  (Aprile  1879). 
Torino;  8^. 

Akademie  der  Wissenschaften,  kÖnigl.  baierische:  Abhandlungen  der  philos.- 
philologischen  Classe.  XIV.  Band.  3.  Abtheilnng.  München,  1878;  4^.  — 
Sitzungsberichte  1879.  Heft  1  und  3.  München,  1879;  8^.  —  Abhandinngen 
der  historischen  Classe.  XIV.  Band.  2.  Abtheilnng.  München,  1878;  4^. 
Vita  Adae  et  Evae,  von  Wilh.  Meyer  ans  Speyer.  München,  1879;  4^.  — 

—  Das  Taufbuch  der  Aethiopischen  Kirche,  von  Ernst  Trnmpp.  München, 
1878 ;  40.  —  Der  Tractat  des  David  von  Augsburg  über  die  Waldesier,  von 
Dr.  H.  Preger.  München,  1878;  4^.  —  Kaiser  Friedrich  II.  Kampf  um 
Cypem,  von  Franz  v.  L  ö  h  e  r.  München,  1878 ;  4^.  —  Busiris  und  Osyman- 
dias,  von  Prof.  Dr.  Lauth.  München,  1878;  4^.  Baierische  Urkunden  aus 
dem  XI.  und  XII.  Jahrhundert.  Die  Schirmvogte  Freisings.  Seine  Bischöfe 
bis  zum  Ende  des  XII.  Jahrhunderts,  von  Friedrich  Hector  Grafen  Hundt. 
München,  1878 ;  4^.  —  Die  rhytmische  Continuität  der  griechischen  Chor^ 
gesänge,  von  W.  Christ.  München,  1878;  4^.  —  Die  musikalischen 
Handschriften  der  k.  Hof-  und  Staatsbibliothek  in  München,  beschrieben 
von  Jul.  Jos.  Maier.  I.  Theil.  Die  Handschriften  bis  zum  Ende  des 
XVII.  Jahrhunderts.  München,  1879;  80. 

Gesellschaft,  deutsche  morgenländische:  Zeitschrift  XXXIII.  Band.  III.  Heft. 
Leipzig,  1879;  8». 

—  Oberlausitzische    der    Wissenschaften:     Neues    Lausitzisches    Magazin. 
XXV.  Band.  1.  und  2.  Heft.  Görlitz,  1878;  8^. 

Inama-Sternegg,  Dr.  Karl  Theodor:  Deutsche  Wirtfaschaftsgeschichte  bis 
zum  Schlüsse  der  Karolingerperiode.  Leipzig,  1879;  8^. 

Istituto  reale  Lombarde:  Classe  di  Lettere  et  Scienze  morali  e  politiche. 
Vol.  XIII,  XIV  della  Serie  III.  MiUno,  Pisa,  Napoli,  1878 ;  gr.  4«.  — 
RendicontL  Serie  H.  Vol.  XI.  Mihino,  Pisa,  Napoli,  1878;  SK 

Lund,  Universitftt:  Acta.  Philosophi,  Spr£kvetenskap  och  Historia.  Tom.  XII. 
1875/76,  Lund;  gr.  40..  Tom.  XIII.  1876/77,  Lund;  gr.  40.  Tom.  XIV. 
1877/78,    Lund;   gr.   40.    Tom.  XIII.    1876/77.    Theologi.   Lund;    gr.  40. 

—  Lunds  Universitets-Biblioteks  Accessions-Katalog  1876/77  und  1878. 
Lund;  8^. 

»Revue  politique  et  litt^raire'  et  ,Revue  scientifique  de  la  France  et  de 
rttranger*.  IX«  Annie,  2«  S6rie.    Nr.  17  et  18.  Paris,  1879;  40. 


574 

Rostock,  üniversitftt :  Akademische  Schriften  ans  dem  Jahre  1878,79. 
24  Stücke  Folio,  4^  nnd  80. 

Society,  the  American  ^ographical:  Bulletin.  1878.  Nr.  5.  New  York.  1879; 
80.  1879.  Nr.  1.  New  York;  8©. 

—  the  rojal  ^eographical:    Proceedings  and  monthly  Record  of  Geognpbj. 
Vol.  I.  Nr.  10.  London,  1879;  8^ 

Verein,  historischer,  der  fünf  Orte  Lazem,  Uri,  Schwyz,  Unterwalden  und 
Zug:  Mittheilungen.  Der  Geschichtsfreund.  XXXIV.  Band.  Etnsiedeln, 
New  York,  Cincinnati  und  St.  Louis,  1879;  8^ 

—  historischer,  der  Pfalz:  Mittheilungen.  VII  und  VUI.  Speyer,  1878, 1879;  ^. 


Horawitz.  ErMmiana.  11.  575 


^      Erasmiana.  11. 

Von 

Adalbert  Horawitz. 


Aufs  Neue  wird  es  mir  möglich,  gefördert  durch  die  so 
dankenswerthe  Unterstützung  der  Herren  Director  Dr.  Karl 
V.  Halm  in  München^  Pfarrer  Dr.  Kawerau  in  Berlin,  und  Herrn 
Director  Dr.  Oeorges  in  Gotha,  einige  bisher  unedirte  Briefe 
des  Erasmus  herauszugeben,  denen  noch  einiges  andere  auf 
ihn  Bezügliche  angeschlossen  werden  mag. 

Die  Briefe  sind  dem  Codex  chartaceus  Gothanus  399, 
dem  Cod.  Pal.  Vindobon.  8987,  dem  Cod.  Seidel.  Berolinensis, 
dem  Cod.  lat.  Monacensis  10358  (CoUatio  Camerariana)  und 
der  Autographensammlung  Director  Halm's  entlehnt.  Sie  be- 
handeln verschiedene  wichtige  und  minder  wichtige  religiöse 
und  wissenschaftliche  Fragen;  der  Brief  Stromer's  an  Spala- 
tinus  gibt  eine  Nachricht  über  den  Tod  des  Erasmus,  die 
unter  dem  frischen  Eindruck  des  Ereignisses  geschrieben  ist. 
Vor  Allem  interessiren  uns  die  Beziehungen  des  grossen  Ge- 
lehrten zur  religiösen  Frage.  Neues  habe  ich  allerdings  zu 
meiner  (Erasmiana  I.  geäusserten)  Anschauung  über  die  Stel- 
lung des  Erasmus  zu  Luther  und  seiner  Lehre  nichts  hinzu- 
zufügen, doch  findet  sich  Einzelnes,  das  Beachtung  verdienen 
möchte.  * 

Die  vorliegende  Sammlung  wird  durch  einen  Brief  des 
Erasmus  an  Johannes  Lange,  den  bekannten  Erfurter  Huma- 
nisten und  Theologen,  eröffnet. 

*  Hie  und  da  werde  ich  mir  fttr  die  breite  Darstellung  wohl  Nachsicht 
erbitten  müssen,  doch  verlangte  die  Stellung  zu  Luther  eingehendere 
Betrachtung. 


576  Horawits. 

Der  Brief  ist  in  mehr  als  einer  Hinsicht  merkwürdig. 
Erstlich  dadurch^  weil  er  die  hohe  Achtung  zeigt,  die  Eraamus 
für  den  Theologen  an  den  Tag  legt,  sodann  aher  wegen  des 
Urtheiles  über  Luther,  von  dessen  Freimüthigkeit  die  Besten 
erbaut  seien,  von  dessen  Klugheit  Erasmus  erwartet,  sie  werde 
Zweiungen  und  Parteiungen  —  ihm  so  sehr  verhasst  — 
vermeiden.  Sehr  scharf  ist  dabei  die  Aeusserung  über  die 
,Tyrannis'  des  römischen  Stuhles  und  seiner  Satelliten:  der 
Dominikaner,  Carmeliter  und  Minoriten.  Nur  durch  die  Ent- 
fernung jener  Tyrannis  und  der  schlechten  (setzt  er  vomchtig 
hinzu)  Mitglieder  jener  Orden  könne  ein  Sieg  für  die  wahr- 
haft Geistlichen  errungen  werden.  Erasmus  gab  es  damab 
übrigens  selbst  zu,  dass  ohne  schwere  Unruhe  dergleichen 
nicht  in  Angriff  genommen  werden  könne. 

Auch  der  zweite  Brief  der  Sammlung  ist  wieder  ein 
Schreiben  an  Johannes  Lange,  an  den  sich  in  den  bisherigen 
CoUectionen  kein  Brief  vorfand.  *  Die  vorliegende  Epistel 
wurde  durch  Echan  Hesse  dem  Adressaten  übersandt  als  Ant- 
wort auf  einen  von  demselben  dem  Erasmus  überreichten  Brief.  - 
Nach  einem  auch  an  anderen  Orten  gleichen  Lobe  Eoban 
Hessens '  wendet  sich  Erasmus  sofort  zur  wichtigsten  Tages- 
irage,  zu  Luther's  Thesen,  spricht  seine  Achtung  vor  Staupitz 
aus  und  führt  einen  Seitenhieb  gegen  die  verächtlichen  Syk(h 
phanten,  denen  er  über  seine  Ueberzeugung  nicht  Rechenschaft 
schuldig  sei.  Es  sei  ihm  genug,  allen  Bischöfen  und  den 
Ersten  und  Besten  der  Theologen  zu  gefallen;  wüsste  er  eine 
Lebensführung,  in  der  er  Christus  mehr  gefallen  könnte,  so 
würde  er  dieselbe  sofort  ergreifen.  Denn  ihn  fessele  weder 
Ruhm,  noch  Geld,  noch  Vergnügen,  noch  Begier  nach  Leben. 
Luther  höre  er  von  allen  Guten  loben^  aber  man  sage  er  sehe 
sich  in  seinen  Schriften  nicht  gleich.  Er  meine,  dass  seine 
Thesen  bei  Allen  Gefallen  fanden  mit  Ausnahme  derer  über 
das  Fegefeuer,  was  sich  Jene  nicht  entreissen  lassen  wollten. 
Der  darauffolgende  Passus,   sowie  der  Ausfall  gegen  den  Syl- 


^  Der  erste  Brief  des   Erasmus  an  Lange,  der  von  mir  in  ErasmiAna  I. 

pablicirt  ward  (S.  456),  kann  am  Schiasse  dieser  GoUection  durch  eine 

in  Gotha  befindliche  Abschrift  ergänzt  werden. 
2  Cf.  Krause,  Eoban  Hesse.  I.  296. 
'  Cf.  die  Bemerkungen  über  Eoban  Hesse  unten. 


BrMmiana.  IT.       '  577 

vester  Prierias  —  der  übrigens  oft  und  noch  um  1527  wieder- 
kehrt —  sind  stark,  werden  aber  weit  überboten  durch  die 
gewaltigen  Worte  über  das  Papstthum  —  ,die  Pest  der  Christen- 
heit' — y  das  durch  die  Fürsten  gebessert  werden  solle,  die 
aber  wie  er  furchte,  mit  dem  Papste  unter  einer  Decke  spielen 
and  die  Beute  theilen.  Nach  diesen  Proben  kräftiger  Ausdrucks- 
weise  —  vielleicht  möchte  sie  desshalb  Jemand  fiir  Interpola- 
tionen halten  —  kann  die  Bemerkung  über  Eck  nicht  be- 
fremden, dasB  er  aus  Ruhmsucht  sich  gegen  Luther  erhoben 
habe.  Erasmus  stand  mit  Eck  in  Correspondenz ;  eben  aus 
dem  Jahre  1518  ist  ein  Brief  erhalten,  in  dem  Eck  in  gutem 
Latein,  aber  ziemlich  servil  und  süsslich  seine  Ansichten  über 
des  Erasmus  Bemerkungen  zum  Matthäus  VI.  ausspricht.  ^  In 
der  Antwort  vom  23.  April,  die  Erasmus  dem  Ingolstädter 
Theologen  zukommen  lässt,  geht  er  in  spöttischer  Weise  auf 
dessen  Bemerkungen  ein.  ^  In  Briefen  aus  jenem  Jahre,  z.  B. 
an  Hermann  von  dem  Busche,  ^  zeigt  sich  Erasmus  ziemlich 
gegen  Luther  eingenommen,  damals  schon  tauchte  aber  das 
Gerücht  auf,  er  habe  Luthern  bei  der  Ausarbeitung  seiner 
Schriften  geholfen.  ^  Eine  freundlichere  Stimmung  zeigt  — 
aas  mannigfachen  begreiflichen  Ursachen  allerdings  —  der 
Brief  an  den  Rector  der  Universität  Erfurt,  in  dem  er  Luther 
nur  dessen  Heftigkeit  vorwirft.^  Objectiv  und  ruhig  schreibt 
er  in  einem  anderen  Briefe  des  Jahres  1518:  Ego  Lutherum 
nee  accttso,  nee  defendo.  Sic  esse  res  ipsa  docebit.^  Schärfer 
äussert  sich  Erasmus,  wenn  auch  in  versteckten  Ausfällen  und 
nicht  ohne  herben  Tadel  über  die  Geistlichkeit,  wie  sie  eben 
ist,  7  in  Briefen  an  Jodocus  Jonas,  den  früheren  Juristen 
und  jetzigen  Theologen  zu  Erfurt,  dem  Erasmus  auch  eine 
kurze  Biographie  des  Job.  Vitrarius  und  Coletus  niederschrieb.  ^ 
An  Jonas,  der  1519  über  die  Eorintherbriefe  las,   richtet  sich 


'  Clericas  l.  c.  296. 

>  Ibidem  397. 

*  Ibidem  316. 

*  Ibidem  322. 

>  Ibidem  324. 

*  Ibidem  376. 
'  Ibidem  446. 
^  Ibidem  451. 


578  Horawits. 

denn  auch  jener  Brief,  der  Nr.  III  unserer  Sammlung  bildet 
Er  fordert  darin  den  Erfurter  Kreis  auf,  g^en  den  so  yiel&ch 
bekämpften  Lee  zu  Felde  zu  ziehen,  was  denn  auch  wiridich 
durch  die  Epigrammata  in  Eduardum  Leum  quorundame  sodali- 
tate  literaria  Erphurdien.  Erasmici  nominis  studiosorum  geBchah, 
gibt  Notizen  über  den  Streit  gegen  Lee  und  endlich  die  be- 
merkenswerthe  Aeusserung  über  die  Löwner  Universität  und 
über  die  Dominikaner.  Er  wisse  nicht,  welche  Gesinnung  die 
Dominikaner  Luther  entgegenbrächten.  Diese  Aeusserung  fahrt 
wieder  zur  Betrachtung  der  Stellung  Erasmus'  Luther  gegen- 
über, wie  er  sie  in  anderen  Briefen  an  Jonas  kundgibt  Man 
zürne  ihm,  sagt  er  unter  Anderem  (am  IL  November  1520), 
nicht  weniger  als  Luther,  ihm  allein  lege  man  es  zur  Last, 
dass  Luther  noch  nicht  vernichtet  sei.  Er  habe  sich  aber  aus 
vielen  Gründen  in  die  lutherische  Angelegenheit  nicht  ein- 
gemengt. 1  Von  höchstem  Interesse  ist  der  Brief  an  Jonas 
vom  Jahre  1521  (datirt  10.  Mai),  ^  in  dem  Erasmus  die  Er- 
gebnisse des  Wormser  Tages  bespricht  und  seinen  so  ent- 
schieden irenistischen  Standpunkt  offenbart:  Quid  enim  est 
aliud  nostra  religio,  quam  pax  in  Spiritu  sancto!  Und  nun  legt  er 
dar,  wie  sehr  reformbedürftig  die  gegenwärtige  Kirche  sei,  und 
wie  allgemein  desshalb  der  Beifall  gewesen,  den  Luther  bei 
seinem  Auftreten  gefunden,  ein  Beifall,  wie  ihn  wohl  seit  Jahr- 
hunderten kein  Mensch  gehabt.  Aber  er  selbst  habe  schon 
bei  den  ersten  Schriften  Luther^s  die  Besorgniss  nicht  unter- 
drücken können,  dass  sie  zu  Bewegungen  und  Zweiungen 
führen  würden.  Desshalb  habe  er  Luther  sowohl  als  die  Freunde 
desselben,  die  auf  ihn  Einfluss  nähmen,  gemahnt.  Aber  wobl 
ohne  Erfolg ;  aggressiv  sei  jener  gegen  den  Papst,  die  Schulen, 
die  Mönche  vorgegangen,  sei  es  da  ein  Wunder,  wenn  der 
Erfolg  ein  solcher  sei,  wie  er  nun  wäre?  Eine  so  heikle  Sache 
müsse  zart  und  fein  angefasst  werden,  nicht  mit  Schmähungen. 
Die  Art  des  Vorganges,  wie  sie  Erasmus  gewünscht  hätte, 
beschreibt  er  in  einer  für  ihn  so  charakteristischen  Weise, 
dass  ich  den  Wortlaut  folgen  lasse:  Porro  quum  prudentis 
oeconomi  sit  dispensare   ueritatem,    hoc  est,    promere  cum  res 


1  GleriüQB  III.  092. 

2  Ibidem  639. 


ErasnUn«.  II.  579 

postuIat  et  promere  quod  satis  est  et  cuique  promere  quod  sit 
accommodam,  ille  tot  libellis  praecipitatisy  simul  e£fadit  omnia^ 
nihil  non  euulgans  ac  cerdonibus  etiam  commonia  facienS;  quae 
solent  inter  eruditos  ceu  [Auorixa  xal  axoppYjTa  tractari,  ac  frequenter 
impetu  qaodam  immoderato,  mea  quidem  sententia  fertar  ultra 
iustum.  —  Durch  zahlreiche  Beispiele  aus  der  Schrift,  an  dem 
Vorgange  der  Apostel,  Kirchenväter  u.  A.  bemüht  sich  Erasmus 
sodann  zu  zeigen,  welchen  Unterschied  man  bei  der  Aeusserung 
derWahrheit  machen  müsse.  Uebrigens  ehrliche  Aerzte  schreiten 
auch  nicht  sogleich  zu  dem  äussersten  Mittel,  sondern  ver* 
suchten  zuerst  den  kranken  Körper  mit  leichteren  Arzneien 
vorzubereiten  und  bemessen  die  Dosis  so,  dass  sie  gesund 
machen,  nicht  dass  sie  zu  Qrunde  richten.  Auf  Jene  aber 
wolle  er  nicht  hören,  die  da  behaupten,  die  Krankheit  dieses 
Zeitalters  sei  allzu  schwer,  als  dass  sie  mit  leichten  Mitteln 
geheilt  werden  könnte.  —  In  Luther's  Worten  liege  aber  viel 
Gefahr,  um  so  mehr,  als  so  Viele  nach  den  Gütern  der  Geist- 
lichen gierig  seien.  Sind  die  Kirchengüter  aber  nicht  mehr 
sicher,  so  seien  auch  die  der  Büi^er  und  Adeligen  bedroht. 

Auch  auf  Jene  wolle  er  nicht  hören,  welche  meinen, 
Luther  werde  durch  die  unerträgliche  Frechheit  der  Gegner 
gereizt  und  sei  dann  unvermögend,  die  christliche  Bescheiden- 
heit zu  beachten.  Er  hätte  sich  nicht  um  die  Anderen  küm- 
mein  sollen,  wer  eine  solche  Rolle  übernehmen  wollte,  müsste 
sich  gefragt  haben,  ob  er  sie  auch  durchführen  könne.  Warum 
habe  Luther  lieber  den  Rathschlägen  gewisser  Freunde  geglaubt, 
als  sich  dem  Schiedssprüche  des  so  gütigen  Papstes  —  Leo  X. 
—  und  des  trefflichen  milden  Kaisers  unterworfen? 

Sich  selbst  wohl  und  die  Gesinnungsgenossen  meint  Eras- 
mus, wenn  er  fortfkhi-t,  darüber  zu  klagen,  dass  jene  ,teme- 
ritas'  Viele  entfremdet  habe,  die  Luthern  anfänglich  ,wenig 
ungünstig'  gesinnt  waren,  theils  weil  sie  hofften,  dass  er  die 
Sache  nicht  anders  durchführen  würde,  theils  wegen  der  ^eben' 
gemeinsamen  Gegner.  —  Die  folgende  Darstellung  ist  eine 
oratio  pro  domo,  jedes  Wort  genau  erwogen,  kein  Ausdruck' 
darf  als  günstig  für  Luther  erscheinen,  jede  freundliche  Aeusse- 
rung wird  sofort  stark  sordinirt.  Es  geschah  —  sagt  Erasmus 
~  ich  weiss  nicht  durch  welchen  Zufall,  dass  jene, 
die  Luther  anfänglich   zu   schaffen  machten,   auch  Feinde  der 

Siteugilwr.  d.  phU.-hkt.  Ol.  XCV.  Bd.  U.  Hft.  38 


580  Horawitx. 

schönen  Wissenschaften  waren,  und  desshalb  waren  die  Pfleger 
der  letzteren  Luthem   ^weniger  abgeneigt',   obwohl  die  Sorge 
für  die  Religion  der  fiir  die  Studien  vorausgehen  musste.  Aber 
er  vermisse  öfter  das  Muster  eines  christlichen  Herzens,  wenn 
er  sähe,  wie  Luther  und  noch  mehr  seine  G-önner  sich  listiger- 
weise anstellten,   als  ob  Andere  mit  ihren  Bestrebungen  sym- 
pathisirten.    Wozu  habe  man  denn  dem  Capnio,   der  ohnedem 
schon  hinlänglich  belastet  war,  einen  noch  viel  grösseren  Haas 
erregt?  War  es  denn  nothwendig,  seines  (des  Erasmus)  Namens 
häufig  in  so  gefährdender  Weise  Erwähnung  zu  thun,    da  die 
Sache  selbst  es  so  gar  nicht  verlangte?    Er  habe  Lutheni  in 
einem    privaten    und   versiegelten   Briefe  ermahnt,    gleich  sei 
dieser  in  Leipzig  gedruckt  worden,  so  sei  es  auch  in  anderen 
Fällen  geschehen.    Den  eigentlichen  Anlass  zu  seinem  Aerger 
aber  spricht  Erasmus  in  folgenden  höchst  bezeichnenden  Worten 
aus:    E  meis  libris  quos  scripsi,    priusquam    somniarem 
exoriturum  Lutherum  odiosa  quaedam  decerpserunt  et  in 
G-ermanicam  uersa  linguam  publicarunt,  quae  uiderentur  affinia 
quibusdam  Lutheri  dogmatis.   Et  uideri  uolunt,  qui  haec  facioiit, 
quum  capitalis  inimicus  nihil  possit  hostilius  . . .  Hoc  telum  Uli 
porrexerunt  inimicis  meis,  ut  iam  in  publicis  concionibus  prae- 
dicent,  quae  mihi  congruant  cum  Luthero.  Und  nun  bemüht  sich 
Erasmus,    die  Verschiedenheit   zwischen   seinen   Aeusserungen 
und  denen  Luther's    darzulegen.    Er  räumt   ein,   dass  er  vor 
vorschneller  Ablegung  der  Gelübde  gewarnt,  und  das  Verfahren 
Jener  nicht  gebilligt  habe,  die  ihr  Weib  und  ihre  Kinder,  für 
deren  Keuschheit  und  Lebensunterhalt  zu  sorgen  sie  verpflichtet 
wären,  daheim  gelassen  hätten,  und  zum  heiligen  Jacobus  oder 
nach  Jerusalem  gelaufen  wären,  wo  sie  nichts  zu  suchen  hatten. 
Er  habe   gemahnt,   man  solle  Jünglinge   nicht  früher  zu  den 
,Banden   der  Religion'  verlocken,   bevor   sie   sich  nicht  selbst 
kennen    und   wissen,    was  die  ,religio'  sei.    Das  habe  er  aller- 
dings  ausgesprochen,   Luther  aber   —   wie   man  sagt  —  ver- 
dammt alle  Qelübde  sammt  und  sonders.   —   Anderswo  klage 
er  darüber,   dass  die  Bürde  der  Beichte  durch  die  Fallstricke 
gewisser  Leute   noch  beschwerlicher   werde.     Luther  verwirft 
—  wie  man  sagt  —  jede  Beichte  als  etwas  Verderbliches  u.  s.  w. 
Kurz  es  sei  eine  schöne  Uebereinstimmung,   wenn  Jener,  das 
was  er  gelegentlich  wahr   und  gemässigt  ausgesprochen  habe^ 


Erasmiana.  IL  581 

verdürbe,  ^ultra  septa  transiliens^  So  sehr  erregt  ihn  der  ,Miss- 
brauch^;  der  mit  seinen  Schriften  getrieben  werde,  dasB  er 
erklärt:  er  würde,  wenn  er  gewusst  hätte,  dasB  ein  solches 
Zeitalter  kommen  werde,  Manches  entweder  gar  nicht  oder 
anders  geschrieben  haben.  Und  aufs  Neue  beklagt  er  sich 
über  den  Missbrauch  seines  Namens:  Sparguptur  libelli  con- 
juratorum,  in  quibus  pingitur  et  Erasmus.  Mihi  uero  nuUum 
Qomen  inuisius  quam  coniurationis,  aut  schismatis  aut  factionis. 
Er  habe  stets  Allen  nützen  und  Niemanden  schädigen  wollen, 
er  wünsche  mit  seiner  Begabung  nicht  allein  die  Deutschen^ 
sondern  auch  die  Franzosen,  Spanier,  Engländer,  Böhmen, 
Russen,  ja  selbst  die  Türken  und  Saracenen  zu  fördern,  wenn 
er  könne.  Fern  sei  er  von  jeder  Parteiung;  jene  schienen  ihm 
aber  auch  wenig  klug  zu  handeln,  die  mit  solchen  Kniffen 
Jemanden  in  ihr  Lager  locken  wollten,  dadurch  entfremde  man 
einen  verständigen  Mann  am  sichersten.  Und  am  meisten  zu 
rdrehten  sei,  dass  diese  Sache  ,unserem^  Deutschland  bei  den 
übrigen  Völkern  grosse  Schande  bereite,  wie  ja  die  Masse  stets 
gewohnt  sei,  die  Unvernunft  Weniger  der  ganzen  Nation  bei- 
zumessen. 

Was  hätte  doch  Luther  leisten  können?!  Mit  grossem 
Nutzen  für  die  Christenheit  konnte  er  eine  ,evangelische  Phi- 
losophie' lehren,  er  konnte  durch  Bücher  der  Welt  nützen, 
wenn  er  sich  von  jenen  Dingen  zurückgehalten  hätte,  die  zur 
Unordnung  führen  mussten.  Trotz  alledem,  dass  seinen  Be- 
mühungen durch  Luther  ein  guter  Theil  des  Erfolges  ent- 
zogen worden  sei  und  die  Lutheraner  ihm  genug  geschadet 
hätten,  wünsche  er  doch,  dass  jener  unversehrt  bleibe,  die 
höchst  verderbliche  Zweiung  völlig  behoben  werde.  Uebrigens 
wäre  dies  ja  doch  noch  immer  möglich,  Jonas  solle  dazu  mit- 
wirken, der  Papst  und  der  Kaiser  seien  ja  so  milde.  Schliess- 
lich spricht  er  sein  Bedauern  darüber  aus,  dass  alte  Freunde, 
wie  der  hochbegabte  Hütten,  durch  diese  Unordnungen  ihm 
entrissen  seien  und  bittet  Jonas,  Alles  aufzuwenden,  dass  ein 
Jüngling  von  so  herrlichen  Anlagen  wie  Melanchthon  durch 
diesen  Sturm  den  Wünschen  der  Gelehrten  nicht  abwendig 
gemacht  werde.  Er  möge  diesem  und  dessen  Gesinnungsge- 
nossen auch  seine  Ansicht  mittheilen,  die  er  in  folgende  be- 
zeichnende Worte  kleidet:    Ante  omnia  censeo  uitandum  esse 

38» 


582  Horawits. 

diBsidium,  nuUi  bono  non  pernicioBum.  Et  ita  sancta  qnadam 
uafritie  tempori  seruieDdum  (!)  ac  tarnen  prodatur  theaaunis 
Euangelicae  ueritatiB,  unde  corrupti  mores  publici  possent 
reBtitui.  —  FortasBe  rogabit  aliquis^  nom  alio  sim  animo  io 
Lutherum  quam  fuerim  olim.  Imo  eodem  sum  animo,  semper 
optaui,  ut  mutatis  quibusdam,  quae  mihi  diBplicebant, 
pure  tractaret  Euangelicam  Philosophiam,  a  quo  nostri  secoli 
moreB  heu  nimium  degenerarunt.  Semper  correctum  malui, 
quam  oppressum.  Optabam  illum  sie  tractare  Christi  negotiam, 
ut  Ecclesiae  Proceribus  aut  probaretur  aut  carte 
non  reprobaretur.  Sic  amari  cupiebam  Lutherum,  ut 
pal  am  ac  tuto  poBset  amari. 

DiesB  ist  doch  ein  klar  ausgesprochenes  Programm !  Era»- 
mus  will  die  Reform  der  Kirche,  aber  in  und  mit  der  Kirche; 
er  billigt  Luther's  Ansichten  im  Ganzen  und  G-rossen,  nicht 
aber  die  Art  seiner  Aeusserungen,  am  wenigsten  will  er  durch 
ihn  ins  Gedränge  und  in  Unannehmlichkeiten  gebracht  werden, 
er  will  endlich  Luther  in  seinen  eigenen  Fusstapfen  wandeln 
sehen;  tadeln  mag  er  so  viel  er  will,  aber  nur  den  Gelehrten 
gegenüber,  die  grosse  Masse  soll  nichts  davon  erfahren,  mag 
er  noch  so  scharf  die  Gebrechen  der  Kirche  geissein,  es  soll 
diess  doch  so  vorsichtig,  so  fein  und  so  allgemein  gehalten 
sein,  dass  es  die  Kirchenfiirsten  nicht  erbittert,  am  allerwenig- 
sten aber  dürfe  es  zu  dem  verhassten  und  höchst  gefährlichen 
,dissidium'  führen,  das  des  Erasmus  gewohnte  Lebenskreise 
perturbire.  Erasmus  forderte  damit  freilich  von  Luther's  kraft- 
strotzender rücksichtsloser  Natur  etwas  dieser  Unmögliches. 
Wenn  er  aber  solche  Briefe  schrieb,  wie  den  vorliegenden 
hochwichtigen  an  Jonas,  hatte  er  ein  schwieriges  Stück  Arbeit 
zu  leisten.  Wie  leicht  konnte  doch  der  Brief  aufgefangen  und 
edirt  werden!  Es  durfte  sich  dann  nichts  darin  finden  lassen^ 
das  die  eifernden  Gegner  gegen  ihn  verwenden  könnten,  Lu- 
ther's  Werk  durfte  nie  eine  Billigung  erfahren,  Erasmus  sich 
gegen  diesen  stets  möglichst  kühl  und  ablehnend  verhalten. 
Andererseits  ging  der  Brief  aber  an  Geistesverwandte  Lnther's, 
an  gelehrte  Freunde,  die  mehr  oder  minder  im  Gedanken- 
kreise des  Reformators  standen;  es  durfte  nicht  an  einigen 
freundlichen  —  freilich  sorgfältig  verclausulirten  Worten  fehlen. 
—  Wie  stets  hat  auch  hier  Erasmus  ein  Meisterwerk  geliefert, 


ErMmUn»  II.  583 

seine  Rede  schreitet  in  seltsam  gewundenen  hypothetischen 
Sätzen  einher^  der  Conjunctiv  waltet  vor^  und  so  erreicht 
denn  der  Schreiber  wirklich  den  Zweck;  sich  nichts  zu  ver- 
geben. —  Aber  auch  den:  beiden  Parteien  nicht  oder  wenig 
zu  gefallen.  < 

Die  lutherische  Angelegenheit  ist  es  auch^  die  in  den 
Briefen  an  den  bekannten  Johann  Fabri  die  Hauptsache 
bildet.  Johannes  Faber/  Doctor  der  Theologie,  Mitglied  des 
Dominikaner- Ordens,  wurde  frühzeitig  mit  den  humanistischen 
Strebungen  bekannt  und  Freund  vieler  Humanisten,  was  er  auch 
als  Official  des  Basler  Bischofs,  wie  als  Vicar  des  Bischofs  von 
CoDstanz  (von  1518  ab)  blieb.  Seine  strengkatholische  und 
antilutherische  Gesinnung  hob  ihn  von  Stufe  zu  Stufe,  er  ward 
Rath  und  Beichtvater  König  Ferdinands  I.,  dann  Bischof  von 
Wien  und  war  einer  der  fruchtbarsten  und  hitzigsten  Schrift- 
steller für  den  Katholicismus.  ^  1541  starb  er,  63  Jahre  alt. 
Wir  besitzen  ziemlich  viele  Briefe  desselben  an  Erasmus  und 
des  Letzteren  an  ihn,  wie  es  denn  auch  an  gelegentlichen  No- 
tizen über  ihn  in  den  Werken  des  Erasmus  nicht  fehlt.  Schon 
1516  lässt  ihn  Erasmus  durch  Capito  als  einen  Bekannten 
grüssen,  ^  1519  schreibt  Faber  an  denselben  voll  der  grössten 
Verehrung  einen  schwunghaften  Panegyricus.  ^  Erasmus  dankte 
dafar  in  einem  mit  Neuigkeiten  aller  Art  erfüllten  Schreiben.  ^ 

^  ErasmuB  hutte  an  Jonas  ausser  den  hier  benutzten  auch  einen  kurzen 
Brief  über  sein  Enchiridion,  sowie  über  die  Schmähungen,  durch  die  er 
von  Seiten  der  Mönche  und  Theologen  seines  Neuen  Testaments  wegen 
gesteinigt  werde  —  sed  hactenus  in  absentem  omnia,  coram  nemo,  uerbum 
—  geschrieben.  Bei  Clericus  steht  er  III.  1843  ohne  weitere  ^Datirung 
als  Lonanio  19.  Oetobris,  obwohl  das  Jahr  zu  bestimmen  leicht  gewesen 
wjire.  Denn  das  Novum  Testamentum  erschien  1519,  in  demselben  Jahre 
kam  bei  Frohen  das  Enchiridion  heraus;  am  19.  October  dieses  Jahres 
war  aber  Erasmus  nachweislich  in  Löwen,  wie  sein  an  diesem  Tage 
an  Eoban  Hesse  geschriebener  Brief  (Clericus  III.  513)  beweist. 

'  Spicileginm  von  Burscher,  wo  auch  auf  Luther*s  Werke,  die  Briefe  des 
ürbanus  Rhegius,  Seckeudorf  s  Historla  Lutheranismi  und  J.  Quetif  et 
Jac.  Erhardi  S.  S.  Ordinis  Praedicatorum  II.  p.  III  sq.  verwiesen  wird. 
Cf.  auch  Kettner,  Diss.  de  Joannis  Fabri  uita  et  scriptis.  Lips.  1737. 

3  Clericus  III.  189. 

<  Ibidem  435. 

^  Ibidem  533. 


584  Horawitz. 

Eben  der  grosse  Gelehrte  war  es,  der  Faber  auch  bei  einigeii 
Käthen  am  Hofe  aufs  wäimste  empfahl.  So  nennt  er  ihn  in 
seinem  Briefe  an  Johannes  Villinger  (Romani  et  Hispan.  Reg:is 
Thesaurarius)  vom  3.  October  1520  ^  als  einen  Mann,  dessen 
Bitten  oder  vielmehr  Verdienste  ihn  zwängen,  an  Villinger 
ein  Ansuchen  zu  richten.  Er  rühmt  dessen  ausgezeichnete  An- 
lagen, seine  seltene  Unbescholtenheit,  nicht  gewöhnliche  Ge- 
lehrsamkeit, sein  scharfes  Urtheil,  seine  Verlässlichkeit  und 
unglaubliche  Humanität;  nennt  ihn  eine  ausserordentliche  Zier 
seines  Ordens,  der  sich  wohl  selbst  empfehlen  werde.  Er  lässt 
auch  durchleuchten,  dass  Faber  Einer  von  denen  sei,  durch 
deren  Tüchtigkeit  die  Monarchien  gestützt  und  geziert  würden. 
Nicht  weniger  warm  empfahl  er  ihn  auch  an  Peutinger^  am 
9.  November  1520.  Er  sei  sehr  verschieden  von  gewissen  Mit- 
gliedern seines  Ordens,  schreibt  da  Erasmus,  besitze  gründ- 
liche Gelehrsamkeit,  Unbescholtenheit  und  Leutseligkeit,  sei 
von  klarem  Urtheile  und  Ueberlegung.  Oft  habe  er  mit  ihm 
die  Mittel  berathen  zur  Beilegung  der  lutherischen  Tragödie. 
In  Folgendem  lässt  sodann  Erasmus  eine  Charakteristik 
der  Ansichten  Faber's  folgen.  Faber,  sagt  er,  schrecke  nicht 
so  sehr  vor  Strenge  zurück,  aber  er  bezweifle  ihren  Erfolg,^ 
früher  müsse  man  Alles  überlegen,  bevor  man  das  angreife, 
wozu  der  Wille  treibe.  Man  müsse  auf  die  Würde  und  das 
Ansehen  des  Papstes  Rücksicht  haben.  Nicht  darauf,  meine 
Faber,  komme  es  an,  was  Luther  verdiene  und  dass  ihm  Einige 
anhängen,  sondern  auf  die  Ruhe  der  Welt.  Es  handle  sich 
sehr  darum,  wer  an  dieses  Unheil  die  Hand  anlege  und  durch 
welches  Mittel  es  geheilt  werde.  Es  drängten  sich  zu  diesem 
Geschäfte  auch  Solche^  die  durch  ihre  Lässigkeit  das  Uebel 
verschlimmern  und  verdoppeln  und  nicht  so  sehr  für  das  An- 
sehen des  Papstes  al«  vielmehr  für  ihren  Vortheil  sorgen.  Es 
sei  ja  nicht  nöthig,  Luther's  wegen  auch  die  schönen  Wissen- 
schaften zu  schädigen.  Aus  dem  Hasse  gegen  diese  schönen 
Wissenschaften   sei  ja   die    ganze   Bewegung   hervorgegangen, 

1  Clericua  III.  583. 

2  Ibidem  590. 

'  Ibidem:  Quibiisdam  uidetur  optimum  factu,  ut  res  omnis  saeuitia  coer- 
ceatur,  a  quibus  nee  Faber  admodum  dissentit,  nisi  mctueret,  ue  parum 
fcliciter  cedat  austeritas.  ^ 


Erasmiana.  11.  585 

durch  böswillige  Verschlagenheit  mische  man  jene  in  den 
Streit,  um  sie  mit  demselben  Geschosse  zu  vernichten.  So 
seien  manche  zu  Luther  übergegangen,  die  ihm  sonst  gewiss 
nicht  freundlich  gesinnt  gewesen  wären.  Man  müsse  staunen, 
wie  schnell  sich  dieses  Contagium  verbreitet  habe,  aber  auch 
die  deutsche  Natur  berücksichtigen,  die  sich  wohl  leiten,  aber 
nicht  zwingen  lasse,  vor  Allem  aber  sich  hüten,  dass  nicht  die 
angeborene  Wildheit  (ferocitas)  dieses  Volkes  durch  das  Wüthen 
Einiger  zum  Ausbruch  komme.  Man  blicke  doch  auf  Böhmen 
und  die  Nachbarländer.  Der  Hass  des  römischen  Namens  sei 
bei  vielen  Völkern  verbreitet  wegen  der  Erzählungen  von  dem 
Lebenswandel  der  Stadt  Rom  und  dem  Benehmen  Jener,  die 
im  Namen  des  Papstes  ihre  Interessen  verfolgen  .... 

Bis  hieher  war  es  Erasmus  schon  schwer  geworden,  über 
Faber's  Ansichten,  die  übrigens  fast  keine  anderen,  als  die 
seinen  sind,  zu  referiren,  er  mischte  stets  seine  Gedanken 
ein,  hier  fällt  er  nun  völlig  aus  dem  Texte  und  spricht  über 
Luther  in  der  Weise,  wie  in  einem  später  vorzuführenden 
Briefe  an  Faber.  Hier  wie  dort  treffen  wir  ganz  Aehnliches, 
am  Schlüsse  des  vorliegenden  Briefes  bringt  er  als  angeblichen 
Vorechlag  Faber's  den  Plan  eines  Schiedsgerichtes  aus  ge- 
lehrten und  unbescholtenen,  völlig  verdachtsfreien  Männern. 
Näheres  werde  —  der  überaus  gelobte  —  Faber  selbst  mit- 
theilen, Erasmus  wünscht,  dass  davon  in  Worms  Gebrauch 
gemacht  werde ;  gewiss  hat  er  sich  selbst  als  einen  der  Schieds- 
richter gesehen. 

Zweifellos  zeigt  aber  dieser  Brief,  wie  einig  sich  Eras- 
mus mit  Faber  fühlte,  den  er  auch  um  1524  seinen  alten  Freund 
nennt.  ^  Des  Erasmus  warme  Empfehlungen  —  allerdings 
unterstützt  durch  viele  andere  Umstände  und  vor  Allem  durch 
Faber's  Brauchbarkeit  in  dem  Kampfe  gegen  Luther  und 
dessen  Gesinnungsgenossen  —  hatten  Erfolg.  Am  25.  Septem- 
ber 1523  konnte  Erasmus  dem  Goclenius  melden,  sein  Faber 
sei  am  Hofe  Ferdinands,  der  ausserordentlich  gegen  die  Luthe- 
raner wüthe,  2  mit  einem  sehr  bedeutenden  Gehalte  angestellt 
worden. 


^  Clericus  III.  764. 

^  Ibidem  773.    Saeuit  et  Ferdinandus  mire  in  Lutheranos. 


586  Hortwits. 

In  den  Zasanimenhang  dieser,  Faber's  Charakter  und 
Strebungen  schildernden  Briefe  passt  das  Schreiben,  das  hier 
publicirt  wird,  gut  hinein,  auch  dieses  berührt  natürlich  die 
grosse  Frage  jener  Tage.  * 

Unser  Brief  (Nr.  V  aus  dem  Jahre  1523)  unterhält  den 
Constanzer  Vicar  von  dem  Erfolge  der  ,Spongia'  und  eifert 
gegen  Jene,  die  den  armen  Hütten,  dem  er  nicht  besonders 
zürne,  gegen  ihn  gehetzt  hätten  ,non  ob  aliud  nisi  ob  praedam'(!}, 
er  hofft  bald  zu  erfahren,  wer  sie  seien,  wirft  einen  Seitenblick 
auf  Strassburg  (nam  rursus  aliquid  monstri  alitur  Aigento- 
rati)  und  berichtet  Aeusserungen  Luther's  über  die  Spongia. 
Den  Brief  Luther's  habe  er  an  ihn  geschickt;  ^  die  Aeasse- 
rungen  Luther's  nennt  er  die  ,praeludia  belli',  ein  um  so  zu- 
treffenderes Wort,  als  er  ja  selbst  schon  daran  war,  die  Schrift 
,de  libero  arbitrio'  zu  beginnen,  wie  der  vorliegende  Brief,  der 
auch  über  andere  literarische  Arbeiten  des  Erasmus  Bericht 
erstattet,  verkündet.  Er  spricht  endlich  sein  Vertrauen  auf 
Faber  aus,  dass  dieser  die  Reinheit  des  Evangeliums  nicht 
an  die  Pharisäer,  Schreiber  und  Bischöfe  (Päpste?)  verrathen 
werde  (!).  So  würde  er  bleibenden  Ruhm  bei  der  Nachwelt 
gewinnen.  Er  beklagt  den  Tod  des  Papstes  Hadrian,  bittet 
den  Faber,  seinem  begabten  Fürsten  ein  guter  Rathgeber 
zu  bleiben,  ihn  selbst  demselben  wie  Pirkheimem  zu  empfehlen 
und  ein  evangelisch  ^  gesinnter  Mann  sein  zu  wollen.  Die 
Schlussbemerkung  ist  gegen  Mumer  gerichtet.  —  Von  den 
,praeludia  belli'  hatte  Erasmus  gesprochen,   mittlerweile  hatte 


1  Ich  kann  nicht  beweisen,  daas  diess  der  Brief  sei,  von  dem  Erasmus  in 
dem  Schreiben  an  Melanchthon  behauptet  (Clericns  III.  817):  Addidernnt 
epistolam  meam  ad  Joannem  Fabmm,  plnsqnam  ex  tempore  scriptam, 
quae  tarnen  declarat,  quam  non  incitem  quemdam  ad  saenitiami  ant  ad 
prodendnm  Enangelium. 

2  Die  Notiz,  dass  er  Luther^s  Brief  an  ihn  geschickt,  Kusammengehalten 
mit  den  Angaben  Über  seine  literarischen  Novitfiten  und  dem  am  14.  Sep- 
tember 1523  eingetretenen  Ableben  Papst  Iladrian's  zeigt  anfs  Nene  die 
unrichtige  Datimng  bei  Clericns,  der  Lnther^s  Brief  über  die  Spongia 
(p.  846)  ins  Jahr  1524  staU  1623  ansetzt. 

3  Die  Bezeichnung  evangelisch  bedeutet  einem  Adressaten  wie  Faber  gegen- 
über natürlich  nicht  lutherisch,  sondern  ,im  Sinne  des  Evangeliums^  in 
welcher  Bedeutung  Erasmus  es  stets  braucht. 


Erumiuift.  II.  587 

die  Fehde  begonnen,  ^  was  die  Gegner  Lather's  gewollt,  war 
geschehen,  Luther  war  ebenfalls  auf  den  Plan  getreten,  der 
Conflict  war  nicht  mehr  hinwegzuleugnen.  Unter  dem  Ein- 
drucke dieses  Kampfes  und  in  gewaltiger  Erregung  schreibt 
£ra8mus  an  Faber,  ^  und  wehrt  dessen  Lob  ab,  da  dadurch  jene 
mächtige  Partei  noch  mehr  gegen  ihn  gehetzt  werde.  Er  sähe 
doch,  wie  feindselig  Luther,  ohne  durch  Schmähungen  gereizt 
zu  sein,  ihn  angegriffen  habe.  Dessen  Buch  —  es  ist  die 
Schrift  de  serup  arbitrio  —  sei  schon  zehnmal  gedruckt,  damit 
nur  ja  seine  Vergehungen  nicht  unbekannt  blieben.  Und  welche 
Vorwürfe  schleudere  Luther  gegen  ihn;  er  glaube  —  wie  Lu- 
kian  —  nicht  an  einen  Gott,  er  leugne  mit  Epicur,  dass  Gott 
für  die  Menschen  Sorge  trage,  er  verspotte  die  heilige  Schrift, 
und  sei  ein  Feind  der  christlichen  Religion.  Und  doch  be- 
haupten er  und  seine  Freunde  bei  einer  solchen  Sprache,  er 
habe  seinen  Stil  gemässigt.  Sehr  besorgt  denkt  Erasmus  an 
das  Urtheil  der  Nachwelt,  etwas  bleibe  ja  doch  stets  hängen, 
je  schwerer  und  unverschämter  eine  Erdichtung  sei,  desto 
schneller  werde  sie  ja  geglaubt,  etwas  müsse  doch  dahinter 
sein.  Was  aber  wird  die  Nachwelt  sagen,  welche  die  Ver- 
leumdung lesen  wird,  ohne  ihn  zu  kennen.  Luther  habe  die 
Diatribe  ignoriren  wollen,  aber  seine  Freunde^  hätten  ihn  ge- 
drängt, den  Erasmus  niederzuschmettern,  wenn  er  die  Partei 
erhalten  wissen  wolle,  u.  s.  w. 

Man  merkt  es  dem  gereizten  Tone  des  Schreibers  an, 
dass  er  es  herzlich  bereut,  in  die  Arena  geschritten  zu  sein. 
Aus  keiner  anderen  Ursache,  ruft  er  aus,  habe  ich 
die  Diatribe  geschrieben,  als  um  den  Willen  der 
Fürsten  Genüge  zu  leisten,  dann,  damit  Jedermann 
wisse,  dass  ich  von  der  lutherischen  Partei  so  weit  als  möglich 
fern  sei.  Aber  er  wusste,  dass  die  Sache  nur  ärger  gemacht 
würde.  Gleich  im  Anfange  habe  er  ausgerufen,  die  Theologen 
und  Mönche  unterstützten  die  Sache  Luther's,  aber  er  sei 
nicht  gehört  worden.  Bald  darauf  habe  er  einen  Weg  zur 
Beendigung   des  Unheils  gezeigt,   der   Rath   wurde   zurückge- 

^  Cf.  meine  ,ErasiiiiaDa.  I.*  Einleitung;. 
»  Clericns  IIF.  960. 

^  Inter  hos  fait,  ut  ferunt,  qnidam  olim  tibi  charigsimus  ac  tuae  benigni- 
tatis  alumnns. 


588  Hortwits. 

wiesen.  Zum  dritten  Male  habe  er  sich  an  Papst  Hadrian  ge- 
wendet; dass  sein  Rath  nicht  gefallen  habe,  schliesse  er  daraus, 
dass  er  bisher  nicht  geantwortet.  Wir  sehen  nun,  wohin  man 
gekommen  sei!  £r  schildert  sodann  im  Folgenden  den  Sach- 
verhalt und  spricht  dabei  die  Befürchtung  aus,  dass,  wenn 
man  fortfahre,  das  Uebel  durch  bissige  Büchlein,  Einkerke- 
rungen und  Hinrichtungen  zu  verschärfen,  eine  allgemeine 
beklagenswerthe  Verwirrung  entstehen  werde.  Der  Papst  habe 
die  Seinen  von  den  literarischen  Invectiven  gegen  Luther 
zurückgehalten  und  zwar  mit  Recht.  Die  Italiener  lassen  uns 
unter  einander  zerfleischen  und  ziehen  von  unserem  Wahnsinn 
Nutzen,  es  ist  Zeit,  dass  wir  klug  werden.  Ein  so  schweres 
und  weit  verbreitetes  Uebol  lasse  sich  nicht  mit  gewöhnlichen 
Heilmitteln  heilen ;  er  sei  bereit  ein  Mittel  zur  Abhilfe  zu  nennen, 
wenn  es  die  Fürsten  verlangen,  ,modo  id  fiat  occulte'.  Und 
worin  liegt  denn  nun  dieses  Heilmittel?  fragen  wir  uns.  Den 
Grund  zur  Zweiung  sucht  Erasmus  in  den  Lutherischen  Schriften, 
nicht  minder  in  denen  gewisser  Theologen,  aus  dem  Zusammen- 
stoss  solcher  Schriften  entsteht  der  Brand,  nicht  minder  aus 
den  Versammlungen  der  fanatischen  Parteigenossen  und  dem 
Wirken  einseitiger  Eiferer  in  den  Schulen.  Diese  müsse  man, 
so  wie  die  untauglichen  Prediger  entfernen  und  durch  bessere 
ersetzen,  durch  völlig  parteilose,  nur  auf  das  Wohl  der  ihnen 
Anvertrauten  sehende  Männer. 

Statt  dessen  erfüllen  sich  so  Viele  mit  unmächtigem  Hasse 
gegen  Luther,  bereiten  den  schönen  Wissenschaften  und  ihren 
Verehrern  den  Untergang,  und  treiben  Viele  in  Luther's  Lager, 
welche  man  hätte  anlocken  sollen.  Ja  man  wüthet  gegen  Un- 
schuldige unter  dem  Verwände  des  Glaubens.  Gegen  die  Ur- 
heber der  Verwirrung  müsse  man  freilich  einschreiten,  doch 
so,  dass  die  Unschuldigen  nicht  verletzt,  die  noch  Heilbaren 
nicht  entfremdet  und  die  Masse  geschont  würden.  Von  den 
Staaten,  in  denen  jenes  Uebel  um  sich  gegriffen,  müsse  man 
so  viel  verlangen,  dass  beiden  Parteien  ihr  Ort  und  Jedem 
seine  Ueberzeugung  gelassen  werde,  bis  eine  günstige 
Gelegenheit  die  Einigung  herbeiführe.  Für  die,  welche  wäh- 
rend dieser  Zeit  eine  Unruhe  erregen,  müsse  eine  harte  Strafe 
vorbereitet  werden,  wir  aber  sollten  unterdessen  sofort  Einiges 
verbessern,    woher   jenes   Uebel    hervorsprosste,    das   üebrige 


Erasmiima.  II.  589 

aber  einem  allgemeinen  Concile  überlassen.  Doch  davon  wolle 
er  ein  andermal  ausführlicher  sprechen,  wenn  er  sehen  würde, 
dass  die  Sache  Fabern  am  Herzen  liege,  jetzt  beschwöre  er 
ihn  nur,  dass  er  nicht  jene  Hornisse  gegen  ihn  errege ;  gerade 
die  Freunde  brächten  ihn  in  die  grössten  Unannehmlichkeiten.  ^ 
Diesen  Brief  schickte  Faber,  wie  es  scheint,  nach  Rom.  ^ 
Vom  Reichstage  zu  Speier  (1526)  schreibt  Faber  (am  28.  August), 
dass  der  Verlauf  des  Tages  sich  besser  anlasse,  als  der  Anfang;  ^ 
einige  andere  Briefe  enthalten  nichts  zur  Reformationsbewe- 
gung Gehöriges,  ^  dagegen  bietet  ein  Schreiben  Faber's  vom 
17.  Juni  1528  (aus  Prag)  und  eines  vom  4.  Februar  1529  (aus 
Innsbruck)  an  Erasmus  vieles  wahrhaft  Interessante  und  Er- 
wähnenswerthe.  Das  erstere  handelt  von  dem  Antrage  König 
Ferdinands,  Erasmus  solle  nach  Wien  übersiedeln!  Welche 
Aussicht  bot  diess  für  das  österreichische  Geistesleben !  Faber 
erkennt  diess  sehr  wohl,  wenn  er  schildert,  wie  die  blosse 
Anwesenheit  des  gewaltigen  Gelehrten  —  auch  ohne  dessen 
Lehrthätigkeit  —  des  Königs  Majestät,  dem  Adel,  der  Wissen- 
schaft und  der  Universität  zu  unschätzbarer  Zier  gereichen 
werde.  Er  bemüht  sich  denn  auch  Gründe  zu  finden,  die 
Erasmus    sein    Basel    verleiden    könnten:    er    habe  ja   durch 

^  Dass  anter  deu  Crabrones  katholische  Theologen  gemeint  sind,  zeigt  die 
Bemerkung  (p.  962) :  Qnidam,  mei  parum  prudenter  studiosi  impetrarunt 
a  Caesare  senerum  ac  minax  interdictnm  aduersus  qaosdam  rabnlas 
Lonanienses.    Atqui  nuUa  re  poterant  magis  in  me  prouocari. 

Der  Schluss  des  Briefes  ist  wenig  erbaulich,  gehört  aber  auch 
nicht  zur  Sache.  Auch  in  den  zwei  bei  Burscher  abgedruckten  Schreiben 
des  Faber  an  Erasmus  vom  19.  Mai  und  28.  August  1526  ist  fast  nur 
von  anderen  Angelegenheiten,  von  der  Dedication  des  Irenfius  an  Bern- 
hard von  Trient  und  König  Ferdinands  Belohnung  die  Rede. 

^  Literas  quoque  tuas  Romam  missurus  sum  heisst  es  wenigstens  in  dem 
ersten  Briefe  Faber's  bei  Burscher  (vom  19.  Mai  1526).  Die  Bemerkung 
,£ckium  Salutaui,  rem  ait  gratissimam  esse*  mag  hier  ebenfalls  angeführt 
werden. 

3  Barscher  Spicil.  VI.  p.  VII.  Proiude  Comicia  illa,  quae  prima  fronte 
neacio  quam  ruinam  crudellus  religioui  reliquisque  nostris  minata  fuerant, 
finem  foeliciorem,  rebusque  omnium  commodiorem  adepta  sunt. 

*  Einer  davon  (von  Faber)  erzählt  von  den  Belohnungen  für  den  Irenäus 
cf.  Burscher  Spie.  VI.  p.  VIII,  in  dem  anderen  (Clericus  1809)  handelt 
Erasmus  über  Morus  und  Plato  (cf.  über  diesen  Stoff  einen  Aufsatz  in 
Scbäffle's  Zeitschrift  für  Staats  Wissenschaft.  1878). 


590  Horawits. 

Oecolampad  und  die  Zwinglianer  genug  Aerger,  auch  Frobens 
Tod  müsse  ihm  dort  schwerer  fallen,  dagegen  preist  er  Wiem 
Vorzüge  an:  das  gesunde  Klima,  das  Wien  empfehlenswerther 
mache,  als  Platon's  Akademie,  dazu  komme  der  Zufiuas  von 
allen  möglichen  Dingen  und  die  Billigkeit  des  Getreides.  Und 
was  könne  man  daselbst  durch  die  Freigebigkeit  der  ungari- 
schen und  polnischen  Bischöfe  gewinnen ;  Ferdinand  zahle  seine 
Professoren  sehr  gut,  damit  Latein,  Griechisch  und  Hebräisch 
recht  in  Flor  kämen.  Schliesslich  wird  ein  eigenhändiges 
Schreiben  König  Ferdinands  in  Aussicht  gestellt. 

Aber  Erasmus  kam  nicht  nach  Wien,  er  übersiedelte  1529 
nach  Freiburg.  Aus  diesem  Jahre  besitzen  wir  einen  Brief 
Faber's  an  ihn,  in  welchem  er  ihm  Recht  gibt,  dass  er  sicli 
den  aufrührerischen  Menschen  entziehen  wolle  *  und  aufs  Neue 
Anträge  Bernhards  von  Trient  zu  ihm  zu  reisen  und  sich  in 
Trient  anzusiedeln  ausrichtet. 

Der  letzte  Brief  Faber's^  datirt  vom  15.  Mai  1535;  er 
berichtet  über  die  Gesandtschaft  der  Türken  und  des  Woi- 
woden,  entschuldigt  das  lange  Stillschweigen  und  wünscht  dem 
Erasmus  langes  Leben,  damit  man  sich  der  reichen  Früchte 
seiner  Studien  erfreuen  könne.  ^  Er  beweist  aber  auch,  dass 
der  Verkehr  der  beiden  Männer  trotz  mannigfachen  Unter- 
brechungen der  Correspondenz  bis  zum  Tode  des  Einen  vor- 
gehalten habe. 

Faber  stand  —  wie  bekannt  —  der  lutherischen  Bewegung 
als  Gegner  gegenüber;  weniger  prononcirt  war  dagegen  die 
Haltung  eines  anderen  Correspondenten,  des  Braunschweigers 
Martin  Hunus  (Hüne),  der  dem  Erfurter  Kreise  angehörte 
und  seinen  Ansichten  nach  ein  Geistesverwandter  des  Erasmus 
war,  den  er  auch  1524  in  Basel  besuchte.  Später  wendete  er 
sich  nach  Italien,  betrieb  wie  Eoban  Hesse  die  medicinischen 


1  Non  parum  enim  tibi  timeo,  ne  quid  praeter  spem  atqne  expectationeoi 
in  te  machinentnr.  Verum  id  consilii,  qnod  cepisti  lobens  audio,  seeepi 
enim  fnga  te  consultamm  nitae  tnae,  qnod  in  primis  operae  pretiom  esse 
nideo. 

>  Bnrscher,  Spicileg.  VI.  p.  XII  f. 

3  Anf  diesen  Brief  und  die  darin  enthaltenen  Nachrichten  nimmt  Erasmos 
in  seinem  Schreiben  Yom  31.  August  1535  Bezug.  Cf.  Clerieus  HI.  l^i^ 


Erftamiana.  IL  691 

Stadien,  wurde  zu  Padua  Doctor  der  Medicin  und  blieb  endlich 
als  Arzt  zu  Qraz.  ^ 

Der  hier  mitgetheilte  Brief  nimmt  auf  seine  Anwesenheit 
in  Basel  Bezug,  spricht  von  dem  Schicksale  eines  an  Herzog 
Georg  gesandten  Schreibens,  dem  Tode  des  Mosellanus  und 
davon,  dass  dieser  vor  seinem  Sterben  befohlen  habe,  des 
Erasmus  Briefe  zu  verbrennen;  zugleich  beklagt  Erasmus  die 
unglaubliche  Undankbarkeit  und  Niedertracht,  die  er  erfahren, 
und  versichert,  er  aber  wolle  sich  stets  gleich  bleiben.  In 
einem  Briefe  aus  dem  Jahre  1525^  dankt  Erasmus  für  die 
Bemühungen  des  Hunus,  seine  Briefe  zu  überbringen,  er  hätte 
durch  den  Ceratinus,  den  Nachfolger  des  Mosellanus,  gerne 
ein  Geschenk  geschickt,  spricht  seinen  Aerger  über  die  Er- 
öffnung von  Briefen  —  wie  sie  gegenwärtig  Sitte  sei  —  aus 
und  hofft  auf  die  Lucubrationes  des  Eobanus  Hessus. 

In  dem  nächsten  Briefe  dieser  Sammlung  in  dem  an 
Eoban  Hesse  ^  lässt  Erasmus  den  Hunus  ,Hominem  prudentem 
et  candidum'  grässen.  Auch  hier  spricht  der  Basler  Philolog 
von  den  Pseudolutheranern ,  die  dort  Alles  in  Verwirrung 
brächten  und  Luther  wie  die  schönen  Wissenschaften  zu  Grunde 
richten  werden,  wenn  nicht  ein  Gott  zu  Hilfe  käme.  Auch  die 
Buchhändler  suchen  lieber  das,  was  Absatz  verspricht,  als  das 
Gute,  desshalb  wisse  er  nicht,  was  Proben  mit  Eoban's  Ge- 
dichten, die  Beatus  Rhenanus  habe,  thun  werde ;  wenn  er  wolle, 
werde  er  sich  an  französische  Buchhändler  wenden. 

In  den  in  meinen  Erasmiana  I.  dargelegten  Zusammen- 
hang gehört  ein  Brief  des  Erasmus  an  Simon  Pistorius,  den 
Kanzler  Herzog  Georgs,  später  Moriz's.  Pistorius  war  1489  zu 
Leipzig  geboren  als  Sohn  des  herzoglichen  Leibarztes,  studirte 
im  Vaterlande  und  in  Pavia  die  Rechte,  wurde  Professor  in 
der  juridischen  Facultät  zu  Leipzig,  sodann  aber  Kanzler  und 
öfters  Gesandter  der  Herzoge  von  Sachsen.  Pistorius  starb  am 
3.  December  1562.  * 


^  Gute  Notizen  über  ihn  in  Kraase,   Eobanus  HessuB  passim. 

2  Clericns  III.  857. 

'  Ueber  Eoban  Hesse   and  die  Beziehungen  zn  Erasmus   siehe  das  Bach 

▼on  Krause,  Helius  Eobanus  Hessus.    Gotha.  Perthes  1879.  2  Bde. 
*  SpieUegium  XY.  19. 


592  Horawitz. 

Wir  besitzen  mehrere  Briefe  des  Pistorius  an  Erasmus, 
in  einem  vom  Jahre  1525  berichtet  er  über  seine  Fehde  mit 
Leo  lud  und  seine  Ansichten  über  Luther  (cf.  Erasmiana  L). 
In  unserem  Schreiben  nun  vom  Jahre  1528  spricht  Erasmus 
seinen  Aerger  darüber  aus,  dass  Pistorius  Manches  in  seinen 
Werken  finde,  das  den  Decreten  der  Alten  widerspricht  Er 
wisse  nicht,  was  Pistorius  meine  und  wünsche,  dass  er  ihm 
die  Stellen  angebe,  er  wisse  nur,  dass  Vieles  den  verkehrten 
Meinungen  der  Menschen  und  ihren  lasterhaften  Sitten  wider- 
spreche. Die  Welt  sei  erfüllt  von  einem  verhängnissvollen 
Zuge  nach  Veränderung.  Und  bisher  haben  wir  erfahren,  was 
durch  die  Artikel  und  das  Geschrei  der  Theologen,  was  durch 
das  Wüthen  Einiger  erreicht  wurde.  ,Glaube  mir,  diese  Seuche 
fordert  ein  anderes  Mittel!  Am  Anfange  dieses  Uebels  ward 
ich,  der  ich  Gutes  rieth,  nicht  gehört ;  auph  im  Fortgange  wurde 
ich  nicht  gehört,  als  ich  wiederum  mahnte.  Nun  höre  ich^ 
dass  Einige  härtere  Massregeln  vorbereiten,  ich  furchte,  dass 
diess  schlecht  ausgehe.  Nur  durch  Abschaffung  und  Verbesse- 
rung gewisser  Sachen  könne  dieser  Sturm  gebändigt  werden, 
es  gebe  kein  anderes  Mittel.  Wenn  der  Frieden  zwischen  den 
Regenten  nicht  sofort  hergestellt  werden  könne,  so  doch  for 
einige  Jahre  Waffenstillstand,  unterdessen  wird  sich  für  alle 
Pläne  ein  Mittel  finden.  ,Du  siehst,  mein  Pistorius,  welchen 
Hass  von  ganz  Deutschland  ich  mir  zugezogen,  da  ich  doch 
früher  der  beliebteste  war.  Die  Gelehrten  habe  ich  mir  ent- 
•  fremdet,  von  denen  ein  guter  Theil  den  neuen  Glaubenssätzen 
huldigt.  Und  doch  wusste  ich,  dass  einige  beschränkte  Theo- 
logen mit  schlechten  Mönchen  mich  mit  Gladiatorengesinnnng 
angreifen  würden.'  Mit  den  frommen  Mönchen  und  Theologen 
sei  er  nie  in  Streit  gerathen,  sondern  immer  in  höchster  Ein- 
tracht gewesen.  Nun  konnte  mich  vor  der  Wuth  der  Mönche 
nicht  einmal  der  Kaiser  in  Spanien,  noch  der  König  von  Frank- 
reich vor  den  Rasereien  der  Beda  und  Sutor  schützen,  so  sehr 
sie  mir  hold  waren.'  Alles  das  treibe  ihn  zu  dem  Entschlüsse, 
Deutschland  zu  verlassen,  das  von  schleichender  Gehässigkeit 
und  immer  stärker  werdenden  Secten  voll  sei.  Schliesslich 
empfiehlt  er  ihm  einen  Jüngling. 

Auch   in   den  Briefen   an   den   hochadeligen  Karl  von 
Utenhoven,   dem   er   die   Chrysostomus- Ausgabe   von  1529 


Erasmiana.  II.  593 

gewidmet,  ^  erwähnt  er  Luther's.  So  in  dem  hochwichtigen 
Briefe  von  1529,  in  dem  Erasmus  über  den  Märtyrertod  des 
Ludwig  Berquin  berichtet.  Unter  anderen  Zügen  zur  Charak- 
teristik bemerkt  er :  Ab  instituto  Lutheri  plurimum  abhorrebat. 
Er  selbst  hatte  ihn  stets  zur  Vorsicht  gemahnt^  doch  vergebens . . . 
In  Deutschland  freilich  herrsche  jetzt  zügellose  Frechheit,  welche 
den  Papst  Antichrist,  die  Cardinäle  Creaturen  des  Antichrist, 
die  Bischöfe  Fratzen,  die  Priester  Schweine,  die  Klöster  Ver- 
sammlungsorte des  Satans,  die  Fürsten  Tyrannen  nenne.  Die 
Entscheidung  liege  nunmehr  beim  evangelischen  bewaffneten 
Pöbel,  der  zum  Kämpfen  bereiter,  als  zum  Disputiren  sei.  ^ 
In  einem  anderen  Schreiben  mahnt  er  ihn  zur  Vorsicht  in  einer 
Zeit,  in  welcher  hinter  jedem  Steine  ein  Skorpion  lauere,  er 
sei  zu  freimüthig  in  seinen  Briefen.  ^  Am  9.  August  1523  ^ 
beklagt  er  sich  bei  Utenhoven  über  die  Angriffe  gewisser 
Franciscaner ;  aus  der  sehr  eingehenden  Darlegung  ersieht  man 
leicht,  welchen  Verdächtigungen  und  welchem  Hasse  Erasmus 
ausgesetzt  war.  Auch  in  dem  nächsten  —  unserem  sub  X  mit- 
getheilten  —  Briefe  klagt  er  über  die  Abnahme  seiner  Freudig- 
keit, entschuldigt  sein  langes  Stillschweigen,  dankt  ihm  für 
einen  geschenkten  Seidenstoff  und  erzählt  Neuigkeiten  mit 
heiterem  Humor  und  mehr  oder  minder  wichtige  Personalien. 
£r  äussert  dabei  seine  Verwunderung,  dass  ihm  die  Franzosen 
gegenwärtig  weniger  geneigt  seien,  es  schade  ihm  der  Name 
des  Deutschen. 

Nr.  IX  der  vorliegenden  Sammlung  ist  an  Hieronymus 
Frobenius,  ^  den  Basler  Buchdrucker  gerichtet,  aus  dem  Jahre 
1530  datirt  und  handelt  von  intimen  Verlagsangelegenheiten. 
Froben's  schmeichelhafte  Aeusserung,   seine  Officin  hänge  von 

1  Cf.  Clericas  Briefsammlnng  II.  p.  1153.  Er  rühmt  darin  das  Utenhoven^sche 
Geschlecht  und  den  Adressaten  besonders. 

>  Clericua  III.  1206. 

3  Ibidem  1278. 

*  Ibidem  1449. 

^  Briefe  von  Eraamns  an  Hieronymus  Frobenius:  Clericus  659,  in  welchem 
derselbe  zwischen  Vater  und  Sohn  vermittelt,  ihm  gute  Lehren  gibt  und 
Grass  an  den  Erasmiolus  puer  nt  audio  spei  optimae  sendet  Cf.  auch 
an  Johannes  Erasmius  (der.  1240),  dem  er  die  CoUoquia  schickt,  cf. 
Briefe  Erasmus'  an  Johannes  Frobenius  (Gier.  1626,  1655,  1674,  1692) 
und  Job.  Frobenius  an  Erasmus  (Gier.  1539). 


594  Horawits. 

Erasmus  ab^  erwiedert  dieser  mit  der  Bemerkung,  dann  hänge 
sie  an  einem  morschen  Tau;  wenn  übrigens  Krieg  herein- 
breche, müsse  er  seines  Alters  halber  fliehen.  Dann  folgen 
Bemerkungen  über  Bebe],  Qoclenius,  die  Typen  des  Proben 
und  den  Knaben  firasmius  Frobenius,  über  dessen  künftige 
Bestimmung  Erasmus  Rathschläge  gibt,  über  Grynäus  und  die 
Evangelischen,  denen  er  sehr  verbitterte  Worte  widmet 

Nr.  IV  enthält  einen  Brief  des  Erasmus  an  König  Franz  I.; 
zur  Uebersetzung  der  Paraphrase  in  Marcum.  Ein  anderes 
Schreiben  desselben  klagt  über  den  Streit  der  grössten  Mon- 
archen der  Welt,  wünscht  ihm  Glück  zu  seiner  Rückkehr  nach 
Frankreich  und  freut  sich,  dass  der  Türke  nun  im  Zaume  ge- 
halten werde,  beschwert  sich  über  Bedda  und  Sutor.  Dabei 
kann  er  sich's  nicht  versagen,  diese  Leute  und  ihren  Anhang 
als  Feinde  der  Fürsten  zu  schildern,  und  darzulegen,  welche 
Schlachtopfer  ihnen  bisher  fielen.  Schliesslich  bittet  er  den 
König,  den  Sutor  entweder  zu  hemmen  oder  ihm  zu  erlaaben, 
seine  Entgegnung  zu  Paris  drucken  zu  lassen.  ^ 


Der  Bericht  über  den  Tod  des  Erasmus  rührt  von  einem 
Correspondenten  desselben,  von  dem  Arzte  Heinrich  Stromer 
her,  an  den  Erasmus  schon  1517  einen  Brief  bezüglich  der 
Dedication  seines  Suetonius  geschrieben  hatte  ^  und  den  er 
1519  als  eine  Ausnahme  von  den  Hofleuten  nennt.  ^  Auch  in 
einem  Briefe  an  Herzog  Georg  rühmt  er  ihn  sehr,  nennt  ihn 
einen  hochgelehrten  Arzt,  eine  Zierde  der  Leipziger  Univer- 
sität u.  s.  w.  ^  Stromer  wird  wohl  ein  Vermittler  zwischen 
Herzog  Geoi^  und  Erasmus  gewesen  sein,  wie  aus  eimem  Briefe 
des  Letzteren  an  den  gelehrten  Arzt  hervorgeht.*  Wohl  da« 
werthvoUste  Schreiben  aber  ist  das,  in  welchem  er  über  die 
Stellung  zu  Luther  an  Stromer   schrieb.    Er  beklagt  es  darin^ 


1  ClericuB  943.  Andere  Briefe  an  König  Franz  I.  ans  dem  Jahre  1516  bei 
ClericuB  (18d)  and  einen  von  König  Frans  an  Erasmua  (bei  Vi  sc  her 
Eraamiana  31). 

3  ClericuB  III.  260  f. 

3  Ibidem  477  C. 

<  Ibidem  567  et  cinitatis  Senator  granissimns. 

^  Ibidem  737  (vom  6.  December  1522). 


Eraamiaiu.  II.  595 

dasB  er  habe  Stellung  nehmen  müssen^  nachdem  er  geglaubt, 
ZuBchauer  bleiben  zu  können;  nun  müsse  er  aus  einem  Mann 
der  Wissenschaft  Gladiator  (retiarius)  werden,  er  der  immer 
in  den  Gefilden  der  Musen  verweilte,  werde  in  diese  blutige 
Schlacht  hineingestossen  —  anderes  sei  nicht  gestattet  worden. 
Die  Sophisten  wie  Lutheraner  hätten  ihn  immer  mehr  hinein- 
gedrängt und  so:  iacta  est  alea.  Dass  Luther  nicht  hoch  von 
ihm  denke,  sei  aus  den  Aeusserungen  desselben  in  seinen 
Briefen  zu  erkennen;  in  denen  er  ihn  Kind,  bedauerungswürdig; 
ohne  Kenntniss  Christi;  fem  vom  Verständnisse  des  Christen- 
thumS;  ohne  geistige  Auffassung  nur  am  Worte  klebend  nenne. 
Das  sei  übrigens  kein  Wunder,  da  er  ja  von  jedem  der  Alten 
gering  denke.  Der  Friede  der  Kirche  ist  es,  was  Erasmus 
wünsche  und  was  er  auf  jede  Weise  zu  bewirken  anstrebe. 
Aber  die  Partei  Luther's  erbittert  die  Fürsten  von  Tag  zu  Tag 
mehr.  Mit  den  gewöhnlichen  Mitteln,  Kerker,  Widerrufen, 
Gütereinziehungen,  Hinrichtungen  sei  nichts  gethan,  was  schon 
80  weit  fortgeschritten  sei,  wird  sich  täglich  mehr  verbreiten. 
Wenn  er  nicht  wüsste,  dass  Gott  die  menschlichen  Angelegen- 
heiten leite  und  zum  Besten  führe,  könnte  er  keinen  anderen 
als  einen  höchst  blutigen  Ausgang  prophezeien. 

Nachdem  er  ihm  ^Nachrichten  über  die  Schweizer  Reli- 
gionsänderungen gegeben,  bekämpft  er  den  Vorwurf,  er  scheue 
das  Martyrium:  er  in  seinem  hohen  Alter,  mit  einem  Leiden 
behaftet,  das  den  Tod  erwünscht  machte,  er  der  offen  bekenne; 
was  er  denke !  Was  Jene  lehreU;  ist  nicht  sofort  Evangelium; 
häufig  aber  erregte  die  Art,  wie  einer  lehrte  oder  die  Sitten 
des  Lehrenden  Tumulte.  Er  wünsche  nichts  Anderes,  als  Allen 
zu  nützen,  den  Fürsten  und  Bischöfen,  wie  den  Pharisäern  und 
(Sophisten  —  wenn  sie  ihm  auch  feindselig  gesinnt  seien  — 
und  auch  den  evangelischen  Zungendreschern  (rabulis).  Viel- 
leicht werde  der  Dank,  der  dem  Lebenden  verweigert  ward, 
seinem  Andenken  zu  Theil.  In  einer  Kachschrift  zu  diesem 
Schreiben  müht  er  sich,  seine  entschiedene  Abneigung  gegen 
die  lutherische  Partei  zum  Ausdi'uck  zu  bringen.  Dieses  neue 
evangelische  Geschlecht  habe  eine  neue  Menschengattung  er- 
zeugt: hart;  unverschämt,  verfälscht,  schmähsüchtig,  lügnerisch, 
Ränke  schmiedend,  unter  sich  uneins.  Niemandem  bequem. 
Allen  unbequem,  aufi-ühreriscb,   unsinnig;   schwatzsüchtig;  dem 

SiUaiigsber.  d.  phil.-hüt.  Cl.  XCV.  Bd.  U.  Bit.  39 


596  Horawits. 

Erasmus  so  verhasst^  dass  wenn  er  eine  Stadt  wüsste,  in  der 
Keiner  von  Jenen  lebe,  er  dahin  wandern  würde.  —  So  mtheilte 
Erasmus,  der  dabei  nichts  so  sehr  fürchtete^  als  dass  er  för 
lutherisch  gesinnt  gehalten  werde.  Warf  man  ihm  diess  ja 
damals  schon  vor  mit  der  boshaften  Bemerkung,  er  verheim- 
liche es  nur  aus  Furcht.  > 

Diess  über  Erasmus'  Beziehungen  zu  Stromer.  Der  Be- 
richt über  das  Ableben  des  Erasmus  bestätigt  die  bisher  be- 
kannten Angaben  über  den  Besitz  und  die  näheren  Umstände 
beim  Tode. 


Löwen.  L  30.  Mal 

Reuerendo  patri  Joanni  Lango,  Vicario  Augustinensi^ 
Domino  ac  fratri  sinceriter  obseroando. 

Reuerende  pater !  Illud  etiam  atque  etiam  peto,  ne  meum 
in  te  animum  aestimes  officio  literarum;  tot  undique  Uteris 
obruor;  ut  uix  sit  ocium  legere.  Maiorem  in  modum  deamo 
tuum  istum  animum  uere  Christianum  et  Christianae  pietatis 
assertorem.  Spero  fore,  ut  CHRISTVS  adspiret  sanctissimis 
tuis  tuique  similium  conatibus.  Hie  hactenus  mire  saeuiunt 
Papistae  nunc  demum  ad  ludendum  concordes  .  .  sed  sunt  ali- 
quando  mitiores,  speroque  futurum,  ut  illos  aliquando  suae 
pudeat  insaniae.  Optimi  quique  amant  libertatem  LVTHERl, 
cuius  prudentia  noA  dubito  quin  cautura  sit,  ne  res  exeat  in 
factionem  ac  dissidium,  siquidem  hinc  potius  annitendum  arbi- 
tror,  ut  instillemus  Christum  hominum  mentibus,  quam  ut  cum 
personatis  Christianis  digladiemur,  a  quibus  nunquam  referator 
gloria  uel  uictoria,  nisi  sublata  Romanae  sedis  tyrannide  et 
huius  satellitibus,   Praedicatoribus,  Carmeiitis  et  Minoritis:  de 


1  Es  ist  nicht  nninteressant,  auch  diese  Aeusseningen  zu  betrachten:  Post- 
remo,  considerans  nitam  Christianomm  undique  cormptiBsinuun  etiamsi 
pessime  sensissem  de  Luthero,  tarnen  propemodum  iudicatMm  illam 
ava^xatov  xaxbv  £?vat,  qnod  qui  toUeret,  toUeret  id  quod  hoc  statn  tempo- 
rum  esset  Optimum  ....  und  Sunt  apud  nostrates  plurimi,  qni  hJienX 
Luthero,  quod  si  praescissem  huiusmodi  rabulas  prodituros,  statim  initio 
professus  fuissem  me  factionis  hujus  hostem.    Ciericus  HI.  893. 


ErMmiana.  11.  597 

improbis  dumtaxat  loquor.  Id  non  video,  quid  absque  graui 
tamulta  tcntare  queat.  Bene  uale^  pater  optime;  cuius  huma- 
Ditati  non  sum  nescius  quantum  debeam.  Louanii  3.  Calend. 
Junias. 

Atu  dem  Cod.  Gothan.  A.  399.  Fol.  222  b. 


Löwen.  IL  17.  October  1518. 

Erasmus  an  Johannes  Iiange. 

Integerrimo  Patri  D.  JOANNI  LANQO  Theologo 

insigni. 

Boni  consulas,  Theologorum  candidissime,  si  me  uincis 
epistola^  modo  ne  cedam  amore.  Nam  offendit  nos  Hessus, 
homo  dotibuB  omnibus  cumulatissimus;  primum  aegrotum,  deinde 
occupatiBsimum.  ^  Staupitium  uero  magnum  adamo^  sjcophantes 
istos  iam  olim  negligo.  Quid  enim  aliud  faciam?  Quasi  uero 
debeam  istis  conscientiae  meae  rationem  reddere.  Mihi  satis 
est,  quod  Episcopis  omnibus  placeo^  quod  Theologorum  primis 
ac  optimis;  si  quod  uitae  genus  uiderem^  in  quo  crederem 
CHRISTO  magis  placiturum^  protinus  amplecterer.  Nam  ani- 
mum  meum  iam  nee  fama^  nee  pecunia,  nee  uoluptas,  nee 
uitae  cupiditas  tenet.  Munusculum  tuum  inter  xoc  (/.i^Xia  (sie!)  ^ 
fflea  reponam  et  quidem  chariora.  De  Cleopa  ^  iam  ipse  Egra- 
nus  *  erudite  respondit.  Eleutherium  ^  audio  probari  ab  optimis 
quibusque.  Sed  aiunt  iilum  in  suis  seriptis  sui  dissimilem  esse. 
PutO;  illae  conclusiones  placuerunt  omnibus,  exceptis  paucis  de 

1  Genau  dieselben  Worte  gebraucht  firasmus  an  Mutian  cf.  Clericus  III.  352, 
wo  auch  das  Lob  des  Eoban  Hesse  ausgesprochen  wird.    Cf.  auch  364. 

2  Natürlich  ist  xei|xi{Xia  su  lesen. 
^  Die  Us.  hat  cleopa. 

*  Cf.  Contra  Calumniatores  suos  Apologia  in  qua  diuam  Annam  nupsisse 
Cleophae  1518.  Weller,  Altes  und  Neues  I.  S.  183.  Ueber  diesen  An- 
bänger des  £rasmu8  vgl.  auch  Seidemann,  Thomas  Mttnzer  1842; 
Schmidt,  Nicolaus  Hausmann  1860;  Herzog,  Chronik  von  Zwickau.  II. 
AUg.  deutsche  Biographie. 

^  Wie  bekannt  Bezeichnung  für  Luther. 

39* 


598  Horawiti. 

purgatorio,  quod  isti  nolont  sibi  eripi,  ut  xpb^  t2  oXf  c-ra  fftciens. ' 
Uidi  Sjluestri  insulsissimam  responsionem.  >  Uideo  tT|V  r^j 
^fa>|AdEvou  du^jLt^iia^  (ut  nuDc  est  ea  sedes)  (Jiovapxi'o^  pestem  esse 
Christianismiy  cui  per  omnia  adulantar  praedicatores  facie 
prorsus  perfricta.  Sed  tarnen  haud  scio,  an  expediat  hoc  olcos 
aperte  tangere :  principom  hoc  erat  negociom.  Sed  uereor,  ne 
hi  cum  Pontifice  colladant  in  praedae  partem  uenturi.  Demiror 
quid  Eccio  in  mentem  uenerit,  ut  aduersus  ELEVTHERIVM 
pugnam  capesseret.  Sed  quid  non  mortalia  pectora  cogis,  Famae' 
Sacra  fames? 

Inclyto  duci;  cuius  ad  me  nomisma  misisti,  Suetonium  a  me 
recognitum  inscripsi.  ^  Bene  uale,  uir  eximie,  nosque  CHRISTO 
tuis  uotis  commenda. 

Louanii  16.  Calend.  Novemb.  [1518].^ 

Erasmus  Roterodamus. 

Ans  dem  Cod.  chart.  399.    Bibl.  Gothanae  Fol.  222«. 


LOwen.  III.  9.  April  152<). 

Sraamus  an  Jodoous  Jonas. 

Eximio  D.  Jodoco  Jonae  Erasmus  Roterodamus  S. 

Accepi  postremas  literas  tuas  amantissimas.  Leo  respon- 
sum  est;  ut  ille  non  habeat  posthac  quod  hiscat,  nisi  uelit 
conuitia  congerere,  quod  in  promptu  est  et  meretricibus.  Nqbc 
superest  alter  actus,  ut  amici  scribant  literas  censorias  in  Lenin, 


1  Cf.  Erasmi  Adag.  IIL  6.  31. 

>  Sylvester  Prieras  magister  sacrl  palatii  f  1623.  Ueber  diesen  Feiod 
Renchlin^s  cf.  Cler.  III.  516  f.  und  besonders  600.  Cf.  Boking,  Opert 
Hatteni  Supp.  II.  471  und  Köstlin,  Leben  Lnther^s  passim.  Noch  ihil 
schreibt  er  über  ihn  (Clericus  III.  1016):  Lnthenu  opposoit  articalas, 
Sylaester  inepte  respondit.  Oder  (Cler.  1042)  Respondlt  Sylnester  Priera« 
tarn  feliciter,  ut  ipse  Pontifex  indixerit  iUi  silentiain. 

>  In  der  Handschrift  steht  erst  Ann  wie  bei  Virgil  Aen.  IIL  56,  daim 
wurde  diess  ausgestrichen  und  Famae  fibergeschrieben. 

«  Cf.  Clericus  IIL  324,  wo  die  Dedicationsepistel  an  Friedrich  den  Weisen 

und  Georg  von  Sachsen  abgedruckt  ist. 
^  Die  Jahreszahl  ist  tou  einer  anderen  Hand  dazugeschrieben. 


ErMmiuA.  U.  599 

aed  ita,  ut  laudent  et  doctos  et  principe»  Angliae  doctis  fauentes, 
Leum  unoin  onerent;  et  hunc  magis  rideant^  ut  stultulam;  ut 
gloriosolam^  ut  fucatulum,  quam  ut  insectentur.  Cuperem  col* 
ligi  multas  epistolas  tales,  quo  magis  obruatur.  Colligantur  a 
doctis  et  ad  me  mittantur  per  certos  homises ;  ipse  recognoscam 
et  curabo  aedendas.  ^  Sit  in  bis  magna  uarietas.  Dedi  Wil- 
helmo  NesenO;^  quo  uos  instituat.  Nolim  scire  praedicatores 
qualem  amicum^  praestiterint  LVTHERO.  Haec  Academia 
coDcepit  immedicabilem  insaniam,  periit  Atensis^  sed  odiosius 
agunt  Egmondensis  et  LatomuS;  alter  lippus^  alter  claudus.^ 
Saluta  amicos  omnes;  et  si  quid  amant  Erasmum,  bunc  Leum 
tractenty  ut  dignus  est.  Bene  uale.  Louanii  postridie  Pascbae 
Anno  1520. 


Erasmus  tuus. 


Aus  dem  Cod.  Oothan.  399.  Fol.  231. 


Basel  IV.  17.  Mai  1523. 

Erasmus  an  Koni«  Frans  I. 


Christianissime  Rex,  equidem  magnopere  cupiebam  ista 
naturae  tuae  benignitate  uere  Regia  et  singulari  erga  me  fauore 
toae  maiestatis^  quem  non  promereor,  propius  uti,  nisi  haec 
temponim  tempestas  obsisteret  uotis  nostris.   Sed  spero  futurum, 


^  Erasmus  UesB  erscheinen:  Liber  qao  respondet  annotationibns  Ednardi 
Lei,  qnibns  ille  locos  aliqaot  taxare  conatus  est  in  quatnor  enangeliis  und 
liber  alter  qno  respondet  reliqms  annotationibns  Ednardi  Lei.  Opera  IX. 
123.  c.  199.  Cf.  auch  die  Basler  Ausgabe  von  1520,  in  der  Briefe  ali- 
quot emditomm  uiromm  beigegeben  sind  ex  quibns  perspieuum  quanta 
sit  Ed.  Lei  uirulentia. 

3  Ueber  W.  Nesen  cf.  die  eingehende  Arbeit  von  Steitz  (zuerst  erschienen 
im  Archiv  für  Frankfurt,  Geschichte  und  Kunst.  VI.  Band.  1877.  8.  36 
bis  160).  Bnrckhardt,  Zeitschrift  für  historische  Theologie.  1874.  S.  567. 

'  Wird  doch  wohl  animum  heissen! 

*  Johannes  Atensis,  Kanzler  der  Löwener  Universität  (cf.  besonders  Opera 
III.  865  f.),  war  eine  Zeit  lang  Erasmus'  Gegner,  doch  nicht  so  wie  sein 
erbitterter  Feind  der  Carmeliter  Nicolaus  Egmond  (cf.  Hess,  Leben  des 
Erasmns  I.  299  flf.).  Auch  der  Löwenef  Professor  der  Theologie  Jacob 
Lotomns  (Hess  1.  c.  350  ff.)  war  mit  Erasmus  in  eine  Fehde  gekommen. 
Er  schrieb:  Adnersus  libmm  Erasmi  de  sarciendae  Ecclesiae  Concordia. 


600  Horawitz. 

ut  deu8  propitius  det  nobis  aliquam  serenitatem,  post  hos  tu- 
multus  idque  breui.  Interim  pignuB  quoddam  haios  mei  in  t« 
animi  mitto  Paraphrasim  in  Marcum  Euangelistani;  ut  qoataor 
Euangelia  fusius^  per  nos  explicata,  titulo  qaatuor  praecipaomm 
orbis  Monarcharum  quatuor  mundi  partibus  commendentur. 
Nam  Matthaeum  iam  pridem  dicaram  Caesari,  Tibi  nnnc  Har- 
cuni;  Lucam  dicaui  Regi  Anglorum,  Joannem  Ferdinando  Caroli 
germano.  Opto  autem  uotis  ardentissimis  a  domino  Jean,  in 
cuiuB  manu  sunt  corda  Regum  omnium,  ut  quemadmodam 
Codex  EuangelicuB  iam  iungit  uestra  nomina^  ita  breoi  spiritns 
EuangelicuB  aeterna  concordia  iungat  animos  ueBtros.  Scio  tun 
ingenio  nihil  esBe  clementius,  Bed  bellum  per  se  res  est  parum 
Clemens.  Scio  per  te  non  stare,  quominus  coeat  paX;  quam 
Buspirant  omnes  boni,  sed  bona  spes  est  futurum^  ut  Caesaris 
animum  deus  flectat  ad  moderatiora  consilia.  Id  expedit  et 
uestrae  felicitati,  quae  magis  constabilitur  et  efflörescit  mutiia 
concordia^  et  totius  orbis  tranquillitati. 

Nos  nihil  aliud  possumuS;  quam  optare  quae  sunt  optima. 
Quae  uota  si  ualerent,  omnibus  bonis  floreret  tua  Maiestas  et 
sub  te  Regnum  longo  florentissimum.  Codicem  recentem  ad- 
huc  ab  Officina  statim  misi  ad  Christianissimam  Maiestateni 
Tuam  per  Hilarium  famulum  meum^  fidelem  et  in  bonis  litteris 
non  uulgariter  doctum,  qui  olim  Tolosae  diu  professus :  per  hunc 
si  cognovero  meum  Studium  tibi  fuisse  gratum,  uehementer 
gaudebo.  Dominus  Jesus  Maiestatem  tuam  diu  seruet  incola- 
mem  ac  florentem.    Basileae  XVI.  Calend.  Junias  Anno  1523. 

Folgt  darauf  die  Translatio  per  Claadiam  Cantiancnlara  in  fransösischer 
Sprache. 

Ans  dem  Cod.  Pal.    Abschrift  Vindob.  8987.  Fol.  36  f. 


Basel.  V.  21.  NoTember  1523. 

Erasmua  an  Johannes  Faber. 

Reuerendo  Domino  Johanni  Fabro  Canonico  et  Vicario 
Constantiensi  Domino  meo  plurimum  obseruando  NORI- 
BERGAB, 


EiMmüna.  H.  601 

Salue  uir  optime.  Ex  tua  salutatione,  quam  mihi  per 
Oporinum  >  misisti,  melius  habui.  Erat  enim  accurata  et  uenie- 
bat  ab  amico  et  per  amicum  hominem.  Spongiarum  rursus 
tria  millia  sunt  excusa.  Sic  uisum  est  Frobenio.  Odi  ego  tales 
libelloB,  nee  multum  irascor  H VTTENO ;  irascor  bis^  qui  mise- 
nun  hunc  instigarunt  non  ob  aliud  nisi  ob  praedam;  non  du- 
bito  quin  se  breni  prodituri  sint.  Nam  rursus  aliquid  monstri 
alitur  Argentorati.  LVTHERV8  uehementer  execratur  Spon- 
giam:  eins  epistolam  ad  te  misi.  Scripsit  et  Oecolampadio  me 
esse  Mosen  sepeliendum  in  campestribus,  nee  multum  tribuen- 
dum  Erasmo  in  his;  quae  sunt  Spiritus.  Haec  sunt  belli  prae- 
ludia.  Absolui  Marcum,  absolui  dominicam  praedicationem,  et, 
nt  intelligas  me  repuerascere  Nucem  Ouidii.  ^  Aggredior  Apo* 
stolorum  Acta ;  coeptus  est  libellus  de  libero  arbitrio.  Non  est 
opus,  mi  Faber;  ut  admoneam  prudentiam  tuam.  Scio  te 
CHRISTI  negocium  ea  moderatione  tracturum,  ut  non  prodas 
Euangelii  sinceritatem  Pharisaeis  scribis  et  pontificibus.  Ita 
solidam  laudem  referes  apud  posteros.  Habes  principem  indolis 
optimae.  Tu  fac  agas  fidelem  consiliarium.  ^  BILLIBALD VM  ^ 
nosti  hominem  eximiae]|prudentiae :  ei  me  commendabis  assiduo. 
Expectamus  aurulam  pacis.  Sed  uides  quäle  sit  coelum,  periit 
modo  Adrianus,  qui  si  gessit  suum  pontificium^CHRISTO;  nunc 
habet  gloriam  suam'^apud  DEVM;  ;habet  suum  iudicem.  Tu 
fac  agas  uirum  Euangelicum,  mi  Faber.  Erasmum  tuum  com- 
mendabis illustrissimo  principi^Ferdinando,  cui  omnia  precor 
foelicia.  D.  Mornarum  diuitem  remisit  Anglia.  Quam  multos 
ditat  pauper  ille;  LVTHERVS.  <  Bene  uale.  Basileae  XL 
Calend.  Decembr.  M.D.XXIII. 

Erasmus  uere  tuus. 

Ana  dem  Cod.  Gothanus  399.  Fol.  232. 


^  Der  bekannte  Basler  Verleger. 

^  1624  erschien   Commentarius   Erosmi   Roter,   in  Nucem  Ooidii    et  duos 

Hymnos  Pradentii   Basileae  Jo.  Proben.  8^. 
3  Willibald  Pirkheimer  in  Nürnberg. 
*  Der  Momams  ist  der  Th.  Marner  (vgl.  über  ihn  Lappenberg,  Ulen- 

Spiegel). 


1 


602  Horawits. 

BAsel.  VI.  •     3.  Juü  1524. 

Martino  Huno  medioo  Erasmus  Boterodamus  S. 

Quid   actum   ait   de  literis;   quas  absque  titulo  miBi  dnci 

GeorgiO;   nondum   potui   liquido   cognoscere.    Scribunt   Mosel- 

lanum  ^   e    aiuis   excessisse,  iussisse,   ut   meae   ad   ipsum  epi- 

stolae  exurentur.   Hie  sunt  uarii  tumultus  et  romores  atrociores 

in  amicis,  quibas  profui  et  confisus  sum.   Elxperior  ineredibilem 

et   iDgratitudinem  et  perfidiam.    Ego   tarnen   mei   aimilis  esse 

non   desinam.    Qni  te  huc  comitatus  est,   co^t  me  haec  scri- 

be^  post  decimam  noctis.  Johannes  Moldenneldius^  capit  tibi 

esse   commendatus.    Bene   uale.    Postridie  Visitationis  Hariae. 

Basileae   1524.    A  discessu  tue  nihil   abs  te  literamm  aceepi, 

nee  ab  Eobano. 

Erasmus  tuus. 

Aas  dem  Codex  Gothanus  399.  Fol.  231  *>. 


Basel.  VII.  6.  September  1524. 

Emditissinio  Eobano  Hesse  Erasmus  Boterodamus. 

S.  Eruditissime  Eobane.  Juuenis  hie  Johannes  Moldenuel- 
dius  enixe  rogauit,  ut  uel  duobus  te  salutarem  uerbis  ac  totidem 
se  commendarem.  Utrumque  facio.  Vicissim  te  rogo,  salutabis 
nostnim  Hunum,  hominem  prudentem  et  candidum.  Opinor 
uos  isthic  esse  moderatiores  quid?  uel  tua  causa  uelim. 
Hie  pseudolutherani  magnifice  tumultuantur,  subuersuri  et 
LVTHERVM  et  bonas  literas^  ni  Deus .  aliquis  subueniat.  Bene 
uale^  uir  optime.    Basileae  postridie  Nonas  septemb.  1524. 

De  libris  tuis  scripsi ;  nondum  scio,  quid  Frobenius  ^erit 
cum  Beat 0,3    nam   is   habet   tua   carmina.  ^    Typographi  quae- 

^  Petrus  Mosellanus  war  am  19.  April  1524  in  Leipzif^  gestorben,  rf.  Ca- 
4  merarins,  Vita  Melanchthonis  91  (Edit.  Lips.  1723). 

'  Der  Jüngling  Johannes  Moldenfeld  wurde  von  Erasmqs  an  Eoban  Hes«? 

empfohlen. 
^  Beatns  Rhenanns  ans  8chlettstadt. 
*  Es  sind  die  dorch  die  Captina  vermehrten  Herolden  gemeint,  wegen  der 

er  sich  auch  an  Melanchthon  wandte.  Cf.  Krause,  Eobanus  Hessns  I.  4^^< 


Ensmiftiift.  n.  603 

ront  nunc   uendibilia   potiuS;  quam   optima.    6i  uoleB;  tentabo 

Gallos. 

Erasmua  uere  tuus. 

Aus  dem  Codex  Gothanus  399.  Fol.  231  b. 


Basel.  VIII.  5.  Febnuur  1528. 

Ornatissimo  D.  Simon!  Pistorio  illustrissiino  Saxoniae  Duois 

Cancellario  S.  p. 

Post  incredibiles  tragoedias,  quas  hic  excitauit  Henri- 
CU8  EpphendorpiuB;  per  bonos  uiros  res  inter  nos  composita 
est,  conditionibuS;  quaa  ex  hoc  Francisco  Dilfo,  iuuene  nobili 
apad  suoB  loco  et  ingenii  candidissimi,  poteris  cognoscere^ 
qoae  an  tibi  uideantur  aequa  nescio,  ego  quietem  hanc 
paruo  emptam  arbitror.  Accenderat  illum  epistbla  ducis.  Id 
fore  diuinabam,  quum  ex  tuis  litteris  intelligerem  ciuiliter 
scriptam.  Pro  tuo  tarnen  studio,  mi  Pistori,  gratiam  habeo 
maximam ;  cupiebam  relegere  litteras  tuäs,  sed  ad  manum  non 
ueniebant.  In  bis,  si  memini,  uideris  parum  magnifice  de  meis 
scriptis  sentirc;  in  quibus  ais  multa  reperiri  contra  ueterum 
decreta  atque  hoc  colore  me  excusas,  quod  non  sim  Montani 
aut  Lutheri  similis  pertinacia.  Omitto  pertinaciam.  Vellem 
indicares  mihi;  quae  sint  illa  dogmata  mea  pugnantia  cum 
priscis  orthodoxorum  dogmatibus.  Nam  ipse  nondum  inue- 
nire  potui,  quamquam  multa  insunt,  quae  pugnant  cum  prae- 
posteris  hominum  opinionibus  ac  uiciosis  moribus.  Videmus 
mundum  fatali  motu  tendere  ad  permutationem.  Et  hactenus 
experti  sumus,  quid  profectum  sit  Theologorum  articulis 
et  clamoribus,  quid  quorundam  saeuicia.  Aliud,  mihi  crede, 
remedium  haec  lues  postulat.  In  exortu  huius  mali  non  audio- 
bar  bene  monens.  Nee  in  progressu  sum  auditus  iterum  ad- 
monens.  Nunc  audio  quosdam  moliri  sseuiora  consilia  ac  uereor, 
ne  deterius  etiam  succedant  Monarcharum  consensu  et  qua- 
rundam  rerum  uel  abolitione  uel  correctione  sedari  poterit  haec 
teinpestas.  Nee  aliud  uideo  remedium.  Haec  scribo  non  in 
fauorem  istorum,  qui  sibi  perniciem  accersunt,  mihi  Optant 
plerique,  sed  in  principum  reique  publicae  fauorem.   Ac  uereor, 


604  Horawiti. 

ne  serio  dicas  nateS;  Dimiam  uerax.  Si  inier  monarchas  subito 
pax  coire  non  potest^  saltem  in  annos  aliquot  induciae  con- 
Btitui  poBsunt.  Interea  cunctis  consiliis  inueniretur  remediom. 
Vides,  mi  Pistori;  quantum  odium  totius  Germaniae  mihi  con- 
flarim,  quam  antea  fuerim  gratioBissimus.  Doctos  a  me  alie- 
naui;  quorum  bona  pars  fauet  nouis  dogmatibus.  Et  tarnen  non 
ignorabam  futurum^  ut  stolidi  quidam  Theologi  cum  improbii 
monachis  me  adorirentur  animo  gladiatorio.  Neque  enim  mihi 
unquam  cum  piis  monachis  aut  synceris  Theologis  fuit  unqaam 
dissidium^  sed  summa  concordia.  Nunc  a  monachorum  rabie 
nee  Caesar;  licet  ex  animo  fauens,  potuit  tueri  in  Hispaniis, 
nee  a  Bedarum  ac  Sutorom  furoribus  ipse  rex  Galliarum,  mihi 
toto  pectore  bene  cupiens.  Video  migrandum  e  Germania, 
gliscentibus  odiis  et  inualescentibus  sectis.  Quod  si  mihi  pilus 
esset  illiuB  animi,  quem  tu  uidere  suspicari^  non  haec  peqo- 
terer.  Nee  adhuc  me  poenitet.  Verum  de  his  nimis  multa. 
Tu  me  serenissimo  principi  commendare  ne  desinas.  Bene 
uale.  Datum  Basileae  Nonis  febr.  An.  1528.  Rogo  sentiat  hie 
iuuenis  se  tibi  per  me  non  uulgari  more  commendatum. 

Erasmus  uere  tuus  mea  manu. 

Aatog^phon  aus  dem  Cod.  Seidel.  Berolinenois. 


Fr  ei  barg.  IX.  15.  December  1530. 

Erasmus  an  HieronymuB  Frobenioa. 

S.  p.  Si  paraphrasim  in  Vallam  iudicassem  editione 
dignam,  ultro  tibi  detulissem.  Ordo  litterarum  ab  asino  inductus 
facit  opus  inemendabile :  praeterea  multa  sunt  a  stolidissimo 
Alardo.  Emmeo  committam  non  in  alind ,  nisi  ut  Colinenm 
doceam  desinere,  quem  arbitror  mihi  inimicum.  Nam  et  Pan- 
talabi  alterum  librum  iam  denuo  excudit.  Cum  dabitur  ocium, 
opus  illud  retexam  omisso  litterarum  ordine. 

Non  sunt  Laconica  tantum,  sed  alia  innumera  non  edita 
hactenus.  Si  excudetis  opus  ea  forma,  qua  excudisti  de  liberali 
institutione,  erunt  quaterniones  plus  quadraginta.  Nee  semper 
uacat  uobiS;   nee  semper  habetis  Chartas  paratas.    Et  superest 


BranniftDA.  II.  605 

quod  parat  GlareanuB,  nee  supersant  nisi  duo  menses.  Eis 
feriis  nataliciis  mittam  operis  partem,  ut  possitis  incipere.  Si 
fieri  posset,  cuperem  maiuBCulis.  Nam  aut  me  Fallit  in  totam 
animuSy  aut  opus  erit  ueodibile. 

Si  officina  nestra  pendet  a  me,  pendet  a  putri  funiculo. 
Si  inciderit  hie  bellum^  mihi  fugiendum  est:  ut  non  iocidat, 
haec  aetas  requirit  ocium.  Alius  uobis  quaerendus  est.  Animo 
certe  uobis  non  deero.  Attamen  inhumanum  sit,  si  per  uos 
non  liceat  cuiquam  humanum  esse,  praesertim  si  id  fiat  nuUo 
uestro  detrimento.  Epistolas  graecas  noluisti  committi  Bebellio 
sed  uestri  typi  iam  annis  deeem  parantur,  patiar  ut  me  plusquam 
amico  utamini,  modo  ne  ut  serico.  Goclenium  non  poenitet 
Erasmi,  scribit  enim  se  mea  causa  paratum  facere  omnia.  Et 
hoc  nomine  libenter  illi  debeo,  quod  puerum  destitutum  ad  se 
recepit.  Ibi  declarauit  se  esse  uere  amicum.  De  eruditione 
quid  sperandum  sit  nescio,  tarnen  sie  arbitror  melius  perire 
operam  et  impensam,  quam  si  sordido  seruiat  negociatori.  Et 
Louanii  poterit  uiuere,  etiamsi  non  uiuat  apud  Qoclenium. 
Quamquam  Qoclenius  de  eo  nihil  adhuc  questus  est. 

Quod  si  uocandus  esset  ad  artem  sedentariam,  malim  illum 
fieri  Bcriniarium,  opificium  est  mundum  (f.  1  b.)  et  domi  per- 
agitur  et  discipulum  nunquam  sinit  esse  ociosum,  et  quouis 
loco  ars  est  in  precio.  Apud  negociatores  summa  est  adulescen- 
tulorum  corruptela,  donec  ueniant  ad  scabiem  gallicam. 

Quirinum  meum  dimitto  in  HoUandiam  in  Aprili,  fortasse 
non  rediturum.  Si  uultis  Erasmium  esse  apud  me  aestatem  hanc, 
donec  despiciatur,  minus  impendet  apud  me  et  discet  quantum 
discunt  famuli.  Consultius  tamen  arbitror,  ut  Louanii  maneat. 
Non  est  pessimus  famulus,    etiamsi  discipulus  est  permolestus. 

Grynaeus  misit  ad  me  Claudium  adolescentem,  addens  se 
audisse  ex  te,  quod  cuperem  famulum.  At  ego  suspicor  illum 
esse  erronem  Euangelicum.  Nam  apud  Quirinum  fassus  est, 
se  petere  Wittenbergam,  nee  huc  uenit  ut  famularetur,  sed 
ut  uiaticum  acciperet.  Dedi  illi  supra  duos  florenos  aureos. 
Scripsi  Grynaeo,  ut  eum  seruaret  Basileae  treis  menses,  in  sin- 
gulos  menses  pollicitus  coronatum,  si  id  nollet,  adderet  duos 
florenos  pro  uiatico;  sed,  ut  uideo,  Euangelicus  erro,  recta 
contulit  se  Argentoratum  dein  Wittenbergam.  Non  indignor 
Grynaeo.    Nam  et  illum,  opinor,  fefellit.    Malus  genius  auferat 


606  HorAwits. 

istoB  EaangelicoB.    Gaudeo   tarnen  me  ab  iUo  liberatam  esse. 

Bene  aale  com  amicis  communibus  et  salata  BonifaciamJ 

Friburgi  18.  Cal.  Januarias  1Ö30. 

Responde  quam  primom  licebit. 

Erasmus  uere  tnos. 
M.  Hieronymo  Frob(enio)  Basileae. 

Von  anderer  Hand: 

Luther  18.  Cal.  Janu.  Anno  1530. 

Fol.  2  a.  leer. 

AuB  dem  Cod.  lat.  Monac.  10358  =  CoUectio  Camerariana  VIII  Fol  1. 


Freibnrg  im  Breisgan.  X.  1533. 

EraamuB  an  Karl  [toh  UtenhOTen]«  ^ 

S.  At  no8  hie  tot  molestiis  obruimur,  ut  uix  ipsa  hila- 
ritas  poBsit  exhilarare,  quo  magis  admiror,  si  meae  Ktterae 
tan  tum  hilaritatis  attulerunt  animo  tuo.  Qaudeo  tarnen ,  mi 
Carole,  si  modo  tu  uera  scribis.  Quod  si  quando  rarius  ad 
te  scribo,  quam  tu  uellea,  noli  putare  uel  pilum  meae  in  te 
beneuolentiae  decesBisse.  Habes  inter  ^aXacoveou^  satis  prolixam 
ad  te  epistolam. 

Scripsi  pridem  per  huius  ciultatis  publicum  nuncium.  Ait 
se  litteras  reddidisse  Scheto.  An  ad  te  peruenerint  nescio. 
Scripsi  simul  ad  quaestorem  Flandriae,  cuius  filius  nomine  Flo- 
rentius  agit  Patauii. 

^  Ueber  Alardus  aus  Amsterdam  spricht  sich  Erasmns  (Clericns  III.  1024.  E.) 
wenig  günstig  ans;  ein  Brief  des  Alardus  an  Erasmns  findet  sich  daselbst 
S.  1660  f.,  des  Emmeus  geschieht  eb.  1291  D.  Erwähnung.  Von  Panta- 
labns  schreibt  Erasmns  (1169):  Misi  totam  epistolam  meam  ad  Begen 
Franciscum  nnde  Pantalabns  snmsit  ansam  calumniandi,  quod  me  auetore 
Rex  defecisset  a  pactis.  Der  Colinfius,  der  erwähnt  wird,  ist  der  bekannte 
Pariser  Typograph  (1-  c.  1014),  Konrad  Goclenius  (1456—1639)  war  Pw- 
fessor  der  lateinischen  Sprache  an  dem  Collegium  trilingue  zu  L5wen; 
Erasmus  nennt  ihn  (569)  eine  Zierde  des  Collegium  Buslidianum.  Cf. 
Neu^,  Le  College  des  trois  langnes  (143—149).  Ueber  den  Grieistes 
Simon  GrynäuB  (1493—1541)  cf.  Bursian  in  der  AUg.  deutsch.  Biographie. 
QuirinuB  (Talesius)  war  des  Erasmus  Amanuensis,  den  er  n.  A.  1529 
(p.  1222)  sehr  anrtihmt.    (Brief  an  ihn  1065). 

3  Dass  dieser  Brief,  dessen  Adresse  fehlt,  an  Karl  von  Utenhoven  gerichtet 
ist,  zeigen  der  Zusammenhang  und  die  darin  vorkommenden  Namen. 


Ensmima.  II.  607 

Non  erat  necesse^  ut  te  tuo  serico  spoliares.  Animus  i8te(?) 
taos  mihi  moximi  muneriB  loco  est. 

De  nouis  rebus,  quae  hie  iactantur,  cognosces  partim  e 
BchediS;  quas  Qairino  tradidi,  partim  ex  ipsius  relatione.  Hol- 
landuB  est :  mentiri  si  uellet,  non  posset.  Jaetantur  et  hie  pro- 
digiosa  quaedam  de  periuro  quodam  a  duobus  daemonibus 
discerptO;  de  uico  a  daemonibus  incenso.  Risi  mutoniatos  istos 
daemones. 

Admonueram  Liuinum  ut  aut  uenaretur  opimum  saeerdo- 
tium  aut  duceret  uxorem,  sed  exemplo  Seepperi  bene  dotatam. 
Miror  quomodo  iuuenis  ille  abijciat  sese,  de  quo  ego  spes  am- 
plissimas  conceperam.    Sed  nondum  abjeci  spem  omnem. 

Fuit  apud  nos  Martinus  (sie !)  Joaehimus,  iuuenis  egregie 
doctus:  uacillare  uidebatur  animo.  Tandem  aiebat  se  uelle 
redire  Gandauum,  causans  matris  aetatem  ac  ualetudinem. 
Quid  agat,  scire  cupio. 

Fuit  apud  D.  Joannes  Molendinus,  mire  ErasmicuS;  sed 
ille  interim  coUudit  cum  Barbirio,  interuertente  mihi  pensio- 
nem.  Suspicor  rem  geri  instructu  Alexandri  et  Latomi;  Galli 
sunt,  et  nescio  quo  fato,  Gallos  habeo  nunc  minus  propitios« 
Officit  mihi  Germaniae  nomen. 

Resalutat  te  Glareanus,  tibi  ex  animo  bene  cupiens.  Amer- 
bachius  rarius  hie  est,  recepta  iam  uxore.  Vix  eredas,  quam 
mihi  doleat  Carolum  Sucquetum  summae  spei  iuuenem  sie 
nobis  ante  diem  ereptum.  Ego  Uli  metuebam  ob  praecoces  in 
eo  uirtutes.  De  te  melius  spero,  qui  gradatim  ad  summum 
tendis  gloriae  fastigium.    D.  Guilelmo  Walae  uiro  humanissimo 

S.  P.    Tibi  mi  Carole  precor  omn interim   tibi   paro 

epithalamium. 

Datum  Friburgi  .  .  Brisgoae  1533. 

Ammonii  epistola  noluit  uenira;  quam  omnino  an  acce- 
perim   nescio.    Rogo  ut  illum  et  Edingum  meis  uerbis  salutes 

°       ^'  Erasmus  Rot.  mea  manu. 

Antograph  ans  der  Sammlang  des  Herrn  Directors  der  Münchner  Hof- 
bibliothek Prof.  D.  K.  ▼.  Halm,  der  die  besondere  Gttte  hatte,  mir  die  Ver- 
wendung der  Abschrift  zur  Edition  zu  gestatten. 


^  LiuinuB,   Amanuensis  des  Erasmus,   mit  dem  Beinamen  Alg^tius,    wird 
▼on  ihm  (Clericus  IH.  938  f.)  bestens  empfohlen,  über  seine  Fähigkeiten 


608  HorAwits. 


Basel.  XI.  U.  JqH  1536.^ 

Stromer  an  Georg  Spalatinus. 

Georgio  Spalatino. 
DomiDUB  ErasmuB  nuper  morbo  correptus^  XI.  Jalii 
uitam  fininit,  agens  iam  annum  septuagesimom  secundam. 
Quicqnid  reliquit  facultatum,  illud  omne  partim  pauperum  8tu- 
diosorum  commodis  et  usibus  promouendis  legauit,  partim  egenis 
et  innuptis  puellis  honeste  elocandis  testamento  consecrauit. 
Sunt  qui  illum  ^  circa  septena  millia  aureorum  (ne  dicam  plus) 
reliquisse  feruDt.  £x  uiuentis  adhuc  ore  me  audire  comme- 
mini:  pradentis  et  circumspecti  uiri  esse^  parare  et  reseniare 
nummum  litis  quo  scilicet  quamcunque  fortunam  et  iniuriam 
molestiamque  faciliuB  ferre  possit.  Hunc  nummum  et  ipse  eibi, 
tot  magnorum  heroum  liberalitate  adiutus  comparauit,  quem 
nunc  post  se  relictum  in  sanctissimos  usus  erogandum  statuit 
Thesaurum  omnium  librorum  suorum  praesuli  cuipiam  am- 
plissimo  legauit,  cui  id  ante  aliquot  annos  (ut  mihi  dicit  Fro- 
benius)  promiserat.  Reliquit  aureorum  et  argenteorum  pocu- 
lorum  fere  regium  apparatum.  Ad  hoc  numismatum  aureorum, 
quorum  aliqua  uiginti,  aliqua  decem,  aliqua  centum  ducatos 
ualeant,  non  uulgarem  aceruum.  Totus  erat  [omnium]  nir 
doctissimus  in  restituendo  Graeco  Origine,  cui  sie  erat,  etiam 
ui  morbi  iam  quam  maxime  urgente^  addictus,  ut  ab  illo  non 
citius  discesserit,  quam  mors  ipsa  e  manibus  scribentis  calamum 
extorserit.    Ultima  uerba,  quibus  iterum  atque  iterum  repetitis 


spricht  er  u.  A.  902.  Martianus  Joachimus,  ein  Genter  Arzt  und  Freund 
des  Erasmns,  Brief  an  ihn  1.  c.  1137;  Johannes  Molendinus  —  Erasmns 
nennt  ihn  1.  c.  366  Hominem  naris  emunctae  —  wird  auch  305,  901  und 
1577  g^enannt,  Karl  Sucqnetus  war  wohl  ein  Verwandter  der  Brüder 
Anton  und  Johannes  Sucquetns,  der  Freunde  des  Erasmus  (1.  c.  739,  752, 
909,  1329,  1746).  Petrus  Barbirius  (v^L  den  Brief  des  Erasmus  an  ihn 
649  f.),  ein  Correspondent  des  Erasmus,  den  dieser  mit  sehr  wechselnden 
Gefühlen  betrachtete.  1529  (p.  1176)  hielt  er  ihn  für  fShig,  ihn  um  die 
pensio  Curtracensis  gebracht  zu  haben.  Des  Rathes  Wilhelm  Vala  wird 
oft  (160,  684,  1154,  1065)  lobend  gedacht,  den  Andomarus  Eding  nennt 
er  1529  einen  Menschen  niueis  moribus. 

^  Datum  offenbar  falsch,  vielleicht  soll  es  XV.  heissen. 

3  Die  Hs.  hat  iUod. 


EnsmiaM.  ü.  609 

ac  magnis  sttspiriis  (ut  animam  uere  Cfaristianum  agnosceres) 
editisy  terram  reliquit,  haec  fuerunt:  0  Jesu  Christen  fili  Dei 
miserere  mei,  misericordias  Domini  et  iudiciam  caotabo.  Haec 
dicentem  mors  illico  oppressit.  Funus  honorifica  ac  magnifica 
sepaltura  coratum  est,  in  summi  templi  aedito  loco,  iuxta  ritus 
Christianae  Ecclesiae.  Prodierunt  in  funus  singuli  Senatoriae 
dignitatis  Ordines  ac  totius  Reipublicae  Basileensis  maximi 
qaique  proceres.  Quicquid  denique  Basilea  habuit  literarum 
ac  tdrtutis  scientissimum  ac  studiosissimum,  illud  omne  maximo 
dolore  confectum  defuncto  corpori  hoc  officio  gratificati  sunt. 
Ex  Basilea  XI.  Julii.   Anno  Christianorum  MDXXXVI. 

StromeruB  sen. 

Abschrift  aus  dem  Ende  des  XVII.  Jahrhunderts  im  Cod.  chart.  B.  187 
d.  BibL  Gotban.  Fol  270. 


610  HorAwits.  BrMBiMW.  U. 


Emendation  des  In  meinen  Engnüana  I.  abgredmekten  Briefes 

des  Erasmos  an  Johannes  Ijanfpe. 


S.  456,  Z.  2  rem  gessiBset,  ita  etiam  tractatar.  ^ 

Z.  3  Znniga  qnidam  edidit  librnm. 

Z.  5  sna  uenena. ' 
S.  467,  Z.  4  certa  a  me  proficisci  nolim? 

Z.  6  Oecolampadioque. 

Z.  9  Louanii. 

Die  gesperrten  Worte  sind  im  Apograph  des  Codex  Grothaniu  enthalten. 


1  ita  tractatar  nahm  ich  sehon  in  Erasmiana  I.  466,  Nr.  IV  an. 
^  snum  nenenum  nahm  ich  Nr.  VIII  an. 


XXm.  SITZUNG  VOM  12.  NOVEMBER  1879. 


Die  Direction  des  k.  k.  Staatsgymnasiums  zu  Freistadt 
spricht  den  Dank  ans  ftir  die  Ueberlassucg  akademischer  Pabli- 
cationen. 

Herr  Dr.  Gastav  Winter,  k.  k.  Archivs-Concipist  in 
Wien,  überreicht  ein  Manuscript:  ,Da8  Wiener-Neustädter  Stadt- 
recht des  13.  Jahrhunderts.  Kritik  und  Ausgabe^  Der  Herr 
Verfasser  ersucht  um  Veröffentlichung  desselben  in  dem  ,Archiy^ 


An  Drucksohriften  wurden  vorgelegt: 

Accademia  Reale  dei  Lincei:  Atti.  Anno  CCLXXV.  1877/78.  Serie  ^I^ 
Memorie  della  Classe  di  scienze  morali,  storiche  e  filologiche.  Volumo  II. 
Roms,  1878;  4^. 

Commission  imperiale  arch^olo^que :  Compte-renda  ponr  Tann^e  1876  et 
Atlas.  St-P6tersboarg,  1879;  Folio. 

OoAellschafti  fürstlich  Jablonowski*8che,  zu  Leipzig:  Preisschriften.  XXL, 
Dr.  Po  hl  mann,  Die  Wirthschaftspolitik  der  Florentiner  Renaissance  und 
das  Princip  der  Yerkehrsfreiheit.  Leipzig,  1878;  4^.  —  Jahresberichte  im 
März  1878  und  1879.  Leipzig;  8». 

—  der  Wissenschaften,  köuigl.  sächsische,  zu  Leipzig :  Berichte  Über  die  Ver- 
handlungen. Philologisch- historische  Classe.  1875,  IL  Leipzig,  1876;  80. 
1876.  Leipzig,  1877;  8«.  1877,  L  IL  Leipzig,  1878;  S».  1878,  I.  Abthei- 
lung, I.  II.  Leipzig,  1879;  8».  IL  Abtheilung,  IIL  Leipzig,  1879;  8«. 
—  Abhandlungen  des  VII.  Bandes,  Nr.  V:  Der  Graltempel,  von  Friedr. 
Zarncke.  Leipzig,  1876;  ^^,  Nr.  VI:  Ueber  die  Leges  regiae,  von  Moriz 
Voigt.  I.  Bestand  und  Inhalt  der  Leges  regiae.  Leipzig.  1876;  4^.  Nr.  VII: 
II.  Quellen  und  Authentie  der  Leges  regiae.  Leipzig,  1877;  4^.  Nr.  VIII: 
Sitivikpber.  d.  phiL-hist.  Gl.  XOY.  Bd.  U.  Hft.  40 


612 

Der  Priester  Johannes.  I.  Abhandlung,  von  Friedr.  Zarncke.  LeipBg. 
1879;  4^  Des  VIII.  Bandes,  Nr.  I:  Der  Priester  Johannes.  IL  Abhand- 
long.  Leipzig,  1879;  4^ 

Istitnto  Veneto  di  scienze,  lettere  et  arti:  Atti.  Tomo  tereo,  lerie  qnioüL 
Dispensa  8*— 10*.  Venezia,  1876/77;  8^  Tomo  qnarto,  serie  qnints.  Dis- 
pensa  l*-9*.  Venezia,  1877/78;  80. 

Mittheilnngen  ans  Justos  Perthes*  geographischer  Anstalt  tob  Dr.  A. 
Petermann.    XXV.  Band,  1879.    X.  OoÜia,  1879;  4<>. 

Museum  - Ve  rein  in  Bregenz :  XVIIL  Rechenschaftsbericht  über  den  Vereins- 
jahrgang 1878.  Bregenz;  8«. 

tRevue  politique  et  litt^raire'  et  ,Revue  scientifique  de  la  France  et  d« 
rÄtranger*.  IX«  Ann6e,  2«  SÄrie.  Nr.  19.  Paris,  1879 ;  4«. 

Sanpere  j  Miguel,  Salvador:  Origens  j  Fonts  de  la  Nado  Ctlslua 
Barcelona,  1878;  8^ 

Smithsonian  Institutxon:  Annual  Report  for  the  year  1877.  Washington, 
1878;  80.  ~  Misceilaneous  CoUections.  Volnmes  XIII,  XIV  and  XV. 
Washington,  1878;  8». 

United  States:  Oeological  and  geographica!  Survey  of  the  territories.  Tenth 
annual  Report  Washington,  1878;  8^.  —  Bulletin.  VoL  IV,  Kumber  4. 
Washington,  1878;  8^ 

Verein,  historischer,  zu  Bamberg:  41.  Bericht  über  Bestand  und  Wirken  im 
Jahre  1878.  Bamberg,  1879;  80. 


Vntb.  Ubinrieh  ▼.  Veldeke  a.  d.  Oeneais  d.  romuit.  a.  heroisch.  Epik  nm  1190.      613 


Heinrich  von  Veldeke  und  die  Genesis  der  roman- 
tischen und  heroischen  Epik  um  1190. 


Eine  kritisohe  Abhandlung 

Ton 

Bichard  von  Mutlu 


Jus  soll  im  Folgenden  der  Versuch  gemacht  werden,  nach- 
zuprüfen, inwiefern  die  Ergebnisse  der  vielen  Einzelnunter- 
suchungen  und  die  aus  derselben  resultirende  Auffassung  der 
litterarischen  Verhältnisse  noch  übereinstimmt  mit  dem  Bilde, 
das  wir,  Volk  und  Gelehrte,  Schule  und  Litteratur,  von  den 
Zuständen  der  neunziger  Jahre  des  XII.  Jahrhunderts  und  zu 
Beginne  des  folgenden;  der  gerne  sogenannten  ersten  classischen 
Periode  des  deutschen  Volkes,  zu  entwerfen  pflegen.  Eine  der- 
artige Einkehr  und  Umschau  ist  bei  historischen  Untersuchungen 
jeder  Art  gerathen,  weil  sonst  leicht  gewisse  Vorstellungen 
typisch  werden  und  der  Forscher  Gefahr  läuft,  unter  die  Herr- 
schaft eines  Schlagwortes  zu  kommen,  das  die  Unkundigen 
natürlich  um  so  lieber  aufnehmen,  je  bequemer  dasselbe  ist. 
In  dem  speciellen  Falle  ist  ein  neuer  kritischer  Sondengang 
um  so  dringender  geboten,  als  durch  einige  unerwartete  Funde 
eine  nicht  mehr  zu  gewärtigende  und  daher  desto  überraschen- 
dere Bereicherung  unserer  Kenntnisse  eingetreten  ist.  So 
natürlich  es  demnach  scheinen  mag,  wenn  man  erklärt,  dass 
solche  erfreuliche  Funde  nicht  nur  eine  ästhetische  Würdigung 
finden  müssen,  sondern  dass  es  nothwendig  sei,  dieselben  auch 
ihrer,  man  möchte  sagen,  individuellen  Natur  nach,  das  heisst 
als  historische  Documente  in  Betracht  zu  ziehen,  so  wenig  ist 
dies  bisher  noch  der  Fall  gewesen. 

Selbst  ein  älterer  Fund,  der  vor  unge&hr  einem  Viertel- 
jahrhundert gemacht  wurde  und  von  welchem  wir  unten  aus- 
zugehen  haben    werden,    eine   Dichtung,    durch    die    derselbe 

40* 


614  Math. 

Mann  an  die  Spitze  der  Litteraturgeschichte  zweier  in  ihrer 
sprachlichen  und  politischen  Entwicklung  seither  geschiedenen 
Nationen  tritt^  der  Servatius  Heinrichs  von  Veldeke  hat  zwar 
durch  Gervinus  und  seither  aurch  Jonckbloet  eine  eingehende 
ästhetische  Würdigung  erfahren,  in  Beziehung  auf  seine  chrono- 
logische Bestimmung  dagegen  ist  dem  ersteren  Forscher  ein 
Versehen  begegnet,  das  die  litterarhistorische  Darstellung  seit- 
her zu  berichtigen  noch  keine  Gelegenheit  gefunden  hat  Ist 
also  hier  Stoff  zur  Nachprüfung  gegeben,  so  drängten  noch 
mehr  hiezu  neuere  Handschriften;  nicht  so  sehr  das  auf  Schloss 
Spiez  entdeckte  Manuscript  von  Hartmanns  Gregorius  mit  der 
vollständigen,  bisher  unbekannten  Einleitung,  obwohl  andert- 
halbhundert Verse  eines  alten  Classikers  eine  wichtige  Be- 
reicherung unseres  Materiales  sind,  um  so  wichtiger,  als  dieselben^ 
wie  sie  von  roher  Schreiberhand  überliefert  vorliegen,  dennoch 
ohne  jede  Emendation  sich  zwanglos  und  ganz  den  aufgestellten 
und   anerkannten   metrischen    Grundsätzen   und  Regeln   fugen. 

Höheres  Interesse  durfte  der  Trierer  Fund  in  Ansprach 
nehmen,  der  ein  Jahrzehnt  früher,  als  wir  anzunehmen  sonst 
wohl  gewagt  hätten,  in  ^iner  Handschrift  vereinigt  zeigt  ein 
höfisches  Rittergedicht  nach  französischem  Muster  mit  zwei 
Legenden  desselben  Stiles,  deren  eine  aber  an  Dichtungen  etwas 
älterer  Richtung,    die  uns  erhalten  sind,  unmittelbar  anknüpft 

Sehen  wir  aber  ab  von  diesen  geistlichen  Epen,  dem 
Aegidius  und  Silvester,  dem  mitteldeutschen  Pilatus,  dem  bai- 
rischen  (?)  Servatius,  auf  den  übrigens  noch  zurückzukommen  ist, 
und  einigen  andern,  so  besitzen  wir  allerdings  nur  in  Ueber- 
arbeitung  oder  Bruchstücken  der  Originale  nicht  weniger  als 
drei  Dichtungen  ritterlichen  Inhaltes,  die  an  grösserer  oder 
geringerer  Formenstrenge  genau  dem  Zeitpunkte  ihrer  Ent* 
stehung  entsprechen:  diesen  Flore  neben  den  räthselhafien 
Fragmenten  der  halb  heroischen,  halb  romantischen  G-eschichte 
vom  Grafen  Rudolf,  der  im  folgenden  Jahrhundert  in  freilich 
stark  veränderter  Gestalt  als  Crane  wieder  auftaucht,  und  die 
Reste  der  ältesten  deutschen  Tristanbearbeitung  Eilharts  von 
Oberge,  von  der  wir  uns  aber  mit  Hilfe  der  wohl  erhaltenen 
Bearbeitung  ein  völlig  zureichendes  Bild  machen  können. 

Es  ist  klar,  dass  diese  Fragmente  zufällig  erhaltene 
Trümmer  einer  zu  Grunde  gegangenen  Litteratur  sind. 


Heinrich  v.  Voldeke  n.  d.  Genesis  der  romantischen  n.  heroischen  Epik  nm  1190.       615 

Auch  die  Ursachen  sind  durchsichtig  und  darlegbar,  aus 
denen  die  Erzeugnisse  jener  Tage  keine  dauernde  Geltung  ge- 
winnen konnten. 

Unmittelbar  nach  dem  Auftreten  dieser,  noch  mit  der 
Form  ringenden  Männer,  von  denen  wir  einen  einzigen  mit 
Namen  kennen,  trat  die  Periode  ein  der  classischen  Form- 
strenge und  demonstrativ  ward  jedes  Werk  perhorrescirt,  das 
dieser  ersten  und  unausweichlichen  Anforderung  nicht  zu  ge- 
nügen vermochte  —  mit  desto  grösserer  Entschiedenheit,  je  jünger 
es  war.  Dass  die  Männer  der  jüngeren  Periode  auf  den  Schultern 
jener  stehen,  haben  sie  vergessen  oder  nie  eingesehen.  Heinrich 
von  Veldeke,  im  strengsten  und  engsten  Sinne  ein  Zeitgenosse 
Eilharts,  ist  erst  als  Greis  geworden,  was  wir  einen  Classiker 
nennen.  Wir  müssen  uns  das  Verhältniss  ähnlich  denken,  wie 
die  Stellung  des  classischen,  zwischen  1780  und  1795  sich  auch 
erst  sehr  allmählich  abrundenden  und  abschliessenden  Kreises 
von  Weimar  zu  den  Stürmern  und  Drängern;  nur  dass  es  sich 
ein  halbes  Jahrtausend  früher  nicht  um  Principien  und  deren 
Ausdruck  handelte,  sondern  nur  um  die  Form  des  Ausdruckes, 
die  Form  ganz  allein,  und  nicht  um  die  Absichten,  sondern  nur 
um  die  Fähigkeit  des  Autors. 

Und  wie  im  XVIII.,  ist  auch  im  XII.  Jahrhunderte  ein 
Fürstenhof  Mittelpunkt  und  Ausgang  jener  tyrannischen  Be- 
wegung. Allerdings  lassen  sich  hieran  einige  offene  Fragen 
knüpfen. 

Wenn  von  Fürstenhöfen,  an  denen  die  litterarische  Be- 
wegung culminirt,  die  Rede  ist,  denkt  man  zunächst  an  den 
thüringischen  imd  den  österreichischen  ,Mu8enhof*,  eine  Be- 
zeichnung, die  durch  die  Romantiker,  zuvörderst  August  Wilhelm 
Schlegel,  in  die  Litteraturgeschichte  eingeführt  worden  sein 
dürfte.  Offen  ist  nun  die  Frage,  worauf  sich  die  vorwiegende 
Werthscbätzung  dieser  beiden  Höfe  gründe;  wie  dieselben  zu 
ihrem  Rufe  gelangt  seien  und  in  welcher  Weise  sich  ihr  Ein- 
flass  geäussert  habe?  Die  erste  Frage  erledigt  sich  wohl  damit, 
dass  neben  den  bekannten  Aeusserungen  Walthers  der  Umstand, 
dass  zwei  Menschenalter  später  eine  sagenhafte  Verherrlichung 
der  beiden  Höfe  im  Gedichte  vom  Wartburgkriege  möglich 
war,  genugsam  Zeugniss  gibt  von  dem  in  dieser  unbestimmten 
Allgemeinheit  wohl   unanfechtbaren  Urtheile  der  Zeii^enosseu. 


616  Math. 

Der  dritte  Punkt  wird  sich  auch  in  präciser  Weise  dahin  er- 
ledigen lassen,  dass  während  wir  in  Thüringen  eine  Reihe  der 
Hauptvertreter  der  romantischen  Richtung  in  ununterbrochener 
Folge  verkehren  sehen,  der  Hof  von  Wien  vorwiegend  der 
Pflege  volksthümlicher  Epik  zugewandt  war. 

Nur  80  kann  der  Hof  der  Babenberger  solche  Bedeutung 
erlangt  haben. 

Denn  während  wir  auf  der  Wartbui^  6inen  Mann  im 
Mittelpunkte  der  litterarischen  Bewegung  sehen,  den  Landgrafen 
Hermann,  dem  sich  in  Folge  familiärer  Beziehung  jener  Dichter 
zuwendet,  den  schon  die  nächste  Folgezeit  als  den  Begründer 
der  streng  classischen  Richtung  ansieht,  Heinrich  von  Veldeke, 
dem  wieder  eine  ganze  Reihe  namhafter  Männer  folgt,  sehen 
wir  in  Wien  den  Thron  in  rascher  Folge  von  drei  Fürsten 
eingenommen,  die  einer  in  des  andren  Fussstapfen  tretend, 
doch  keinen  gleich  erlesenen  Kreis  um  sich  sammeln  und 
dessenungeachtet  und  mit  vollem  Rechte  nicht  geringeren 
Ruhmes  sich  erfreuen.  £s  waren  demnach  zumeist  fahrende 
Leute  und  einheimische  Ritter,  deren  Namen  verklungen  sind, 
die  den  hohen  Ruf  des  babenbergi sehen  Hofes  begründet  haben. 

Den  äusseren  Anstoss  aber  für  diese  mit  einem  Male  so 
mächtig  emporquellende  litterarische  Bewegung  pflegt  man  in 
dem  Unternehmen  zu  sehen,  das  überhaupt  in  jenen  Tagen  die 
Gemüther  in  die  höchst«  Erregung  versetzte,  dem  Kreuzzuge 
Friedrich  Rothbarts. 

Die  Richtigkeit  und  Stichhältigkeit  dieser  Behauptungen 
war  zu  untersuchen. 

Es  wird  sich  zeigen,  dass  in  der  That  die  Bedeutung  des 
dritten  Kreuzzuges,  der  noch  einmal  die  gesammte  abendlän- 
dische Christenheit  in  allen  Schichten  auf  das  tiefiste  err^e, 
nicht  überschätzt  worden  ist;  es  lassen  sich  aber  auch  die 
Fäden  nachweisen,  die  den  Zusammenhang  der  litterarischen 
Centren  jener  Zeit,  der  nicht  ganz  so  lose  war,  als  es  wohl 
den  Anschein  hat,  vermitteln;  wir  werden  auf  Beziehungen 
stossen,  die  zwischen  den  Häuptern  der  litterarischen  Kreise 
obwalten  und  die  zumeist  während  jener  Kreuzfahrt  angeknüpft 
scheinen. 

So  wird  sich  auch  der  sonst  unerklärliche  litterarische  Erfolg 
der  Eneit  Heinrichs  von  Veldeke  erklären  ohne  allen  Zwang, 


Heinrich  t.  Veldeke  n.  d.  Gtonesis  d.  romantischen  n.  heroischen  Epik  um  1190.      617 

einmal  aus  der  allgemeinen;  mächtigen  Erregung  der  Geister, 
dann  aus  seinen  ausgebreiteten  Verbindungen  an  einflussreicher; 
ja  maassgebender  Stelle;  wenn  sich  aber  nichts  desto  weniger 
herausstellen  wird,  dass  heute  wie  damals  dieser  Dichter  sowohl 
als  seine  Dichtung,  nicht  so  sehr  in  Bezug  auf  inneren  Werth 
als  vielmehr  die  litterarhistorische  Bedeutung,  wesentlich  über- 
schätzt worden  sind,  ist  dies  Resultat,  wenn  damit  wirklich 
eine  falsche  Grösse  aus  unserer  Litteraturgeschichte  beseitigt 
oder  vielmehr  auf  ihr  richtiges  Maass  zurückgeführt  werden 
sollte,  nicht,  wie  Anhänger  einer  bestimmten  Schule  unter  der 
harmlosen  Maske  statistischer  Controle  jüngst  wollten,  als.  ein 
Ausfluss  modernes  Pessimismus  zu  betrachten,  sondern  ganz 
einfach  als  gefunden  und  errungen  als  das,  was  sein  Autor  (är 
wahr  hält,  ausgehend  von  jener  gesunden  Skepsis,  die  nach 
Herbart  der  Anfang  alles  Forschens,  wie  nach  Lessing  die 
höchste  Befriedigung  des  Forschers  selbst  ist. 


Vorbemerkung  über  die  Litteratur. 

Da  die  Aufsätze  und  Abhandlungen,  die  Heinrich  von 
Veldeke  betreffen,  nicht  so  allgemein  bekannt  und,  da  seine 
Dichtungen  vornehmlich  Object  der  sprachlichen  Untersuchung 
gewesen  sind,  viel  zerstreuter  sind,  als  die  über  andere  höfische 
Epiker,  dürfte  es  am  Platze  sein,  eine  Bemerkung  über  das 
zu  dieser  Abhandlung  benützte  Materiale  —  ohne  Anspruch  auf 
kritische  Vollständigkeit  —  vorauszuschicken. 

Von  allgemeineren  Werken  wurden  neben  den  bekannten 
und  geläufigen  Litteraturgeschichten,  in  denen  nur  eine  Be- 
merkung Martins  in  Wackernagels  Littg.  §.  56,  7  wichtig  ist, 
angezogen  Jonckbloets  Geschichte  der  niederländischen  Litte- 
ratur und  Cholevius'  Geschichte  der  deutschen  Poesie  nach 
ihren  antiken  Elementen. 

Von  Veldeke's  Werken  sind  nur  die  Lieder  wiederholt 
herausgegeben  (von  Ettmüller  und  in  den  bekannten  Samm- 
lungen); auf  Myllers  Abdruck  zurückzugehen  war  keine  Ver- 
anlassung; ebensowenig  boten  die  Fragmente  in  Pfeiffers 
Qaellenmaterial  Neues;  desto  mehr  die  vom  Verfasser  zum 
erstenmale  verglichene  Wiener  Handschrift  Nr.  286  L  —  Die 


618  sfuth. 

Einleitungen  von  Ettmüller  zur  Eneit  und  in  höherem  Haasse 
die  von  Bormans  zum  Servatius  stellen  wichtiges  Matmale 
in  übersichtlicher  Form  zusammen.  Die  Geschichte  der  Grafen 
von  Loz  ist  von  Mantelius  (s.  im  Texte)  behandelt.  —  Ser- 
vatius'  Vita  und  Translatio  stehen  Mon.  Germ.  SS.  Xu.  87 
— 126,  VII.  161 — 189;  der  hochdeutsche  Servatias  ist  von 
Haupt  im  V.  Bande  seiner  Zeitschrift  herausgegeben. 

Den  Ausgangspunkt  für  die  chronologische  Untersuchung 
bildet  die  Note  Lachmanns  zu  Iw.  6943;  för  die  sprachliche 
Gramm.  1,  453 — 455;  in  v.  d.  Hagens  Minnesingern  er- 
scheint Veldeke  4,  72—79. 

Leicht  zu  übersehen  ist  der  reiche  StoflF,  den  Pfeiffer 
bietet  in  seiner  Anzeige  des  Minnesangsfrühlings,  Germ.  3,  484  f., 
insbesondere  S.  492 — 496;  sehr  unglücklich  ist  dagegen  ein 
Aufsatz  Bartsc h's  über  den  Servatius,  worin  er  gegen  die  Echt- 
heit einzelner  Theile  polemisirt,  Germ.  5,  406  -  431 ;  gegen  ihn 
kehrt  sich  vielfach  W.  Braune  in  seiner  eingehenden  Ab- 
handlung über  Veldeke  in  Zachers  ZfdPhil.  4,  249—304,  der 
ein  Aufsatz  desselben  Autors  zur  Kritik  der  Eneide  ZfdAlt 
16,  420—436  vorangieng,  worin  er  jedoch  ausschliesslich  über 
das  Handschriftenverhältniss  handelt.  Von  Belang  ist  ausser- 
dem eine  Abhandlung  Müllenhoffs  zu  BViedrich  von  Hausen 
ZfdAlt.  14,  133  f.  (insb.  S.  136),  gegen  den  sich  Lehrfeld 
richtet,  Paul-Braune  1,  345  f.  (insb.  S.  356). 

Von  gröBster  Wichtigkeit  für  unsere  Zwecke  ist  endlich 
die  von  Alex.  Pey  durchgeführte  Vei-gleichung  der  Eneit  mit 
ihrem  französischen  Original:  L'En^ide  de  Henri  de  Veldeke 
et  le  roman  d'Enöas,  attribuä  k  Benoit  de  Sainte  More  in 
Wolfs   und  Eberts  Jahrbuch  f.  roman.  u.  engl.  Lit.   2,  1 — 45. 

Heranzuziehen  ist  mit  den  Autoren  der  gleichen  Periode 
vom  gräven  Rudolf  bis  auf  Hartman  und  Herbort  das  dieselben 
betreffende  Materiale,  vornehmlich  die  Einleitung  Lichten- 
Sterns  zu  Eilharts  von  Oberge  Tristan  und  einige  Bemer- 
kungen zu  Lamprechts  Alexander^  dann  alles  die  Trierer 
Fragmente  Betreffende. 

Dass  der  Umfang  den  Werth  der  Arbeit  nicht  bestimmt, 
tritt  nicht  leicht  wieder  so  hervor;  die  höchste  Bedeutung  be- 
sitzen noch  immer  und  Grundlage  und  Ausgangspunkt  der 
Untersuchung  bilden  noch  heute  die  citirten  Stellen  von  GWmm 


Heiniiob  t.  Yeldeke  a.  d.  Genesis  d.  roman tischen  n.  heroischen  Epih  um  1190.      619 

und  Lachmann;  nach  ihnen  besitzen  für  das  vorliegende 
Thema  speciellen  Werth  nur  die  Aufsätze  von  Pfeiffer,  Pey 
und  Braune. 


I.  Heinrich  yon  Yeldeke  und  seine  Werke. 

Ueber  wenige  Männer  war  man  zu  allen  Zeiten  gleich 
einig  im  günstigen  Urtheil,  wie  über  Heinrich  von  Veldeke: 
seine  litterarische  Stellung  scheint  so  determinirt^  sein  Einfluss 
so  epochemachend,  sein  Ruhm  so  festgegründet,  dass  es  guter 
Gründe  bedarf,  gegen  eine  derartige  Einstimmigkeit  ein  neues 
und  abweichendes  Urtheil  zu  entwickeln.  Leider  hat  sich  die 
Forschung  mit  diesem  Dichter  nicht  in  gleichem  Maasse  be- 
schäftigt, wie  mit  dem  liebenswürdigeren  Hartmann  oder 
Walther,  die  unserem  Gefühle  minder  fremdartig  sind,  und  die 
wenigen  Arbeiten,  die  ihm  gewidmet  wurden,  behandeln  seine 
Werke  beinahe  ausschliesslich  nach  der  sprachlichen  Seite, 
die  des  Interessanten  und  Strittigen  allerdings  genug  bietet. 
In  litterarhistorischer  Beziehung  war  man  so  einig,  wie  gesagt, 
und  schien  sich  so  wenig  Neues  beibringen  zu  lassen,  dass 
man  selbst  die  grossen  Funde,  den  Servatius,  die  Trierer  Epen 
einfach  ein-  oder  richtiger  in  der  Reihe  vorschob  —  der  Zeit 
nach,  ohne  eine  üeberprüfung  des  Qesammtresultates  für 
nothwendig  zu  halten  und  sich  die  Frage  vorzulegen,  ob  die 
herkömmliche  Darstellung  noch  zu  den  Resultaten  der  Gegen- 
wart stimme?  Fehler,  die  einmal  in  die  litterarhistorische  Tra- 
dition eindringen,  herrschen  durch  Menschenalter  —  und  so 
ging  es  auch  mit  der  Chronologie  der  Werke  Heinrichs.  Ger- 
viuus,  der  dem  Servatius  eine  eingehende  litterarisch-ästhetische 
Würdigung  zu  Theil  werden  Hess,  das  rein  historische  Moment 
aber  völlig  vernachlässigte,  hat  zuerst  arge  Verwirrung  in 
diese  Frage  gebracht,  ohne  dass  dieselbe  bisher  auch  nur  be- 
merkt, geschweige  denn  berichtigt  worden  wäre.  (Gesch.  d.  d. 
Dicht.  I.*,  453.) 

Von  Heinrich  von  Veldeke  sind  uns  ausser  einer  Anzahl 
(etwa  50  Strophen)  '  lyrischer  Gedichte  zwei  vollständige  Epen 

*  MSP.  Nr.   IX.   8.  56 — 68;  versuchte  Herstellung   einer  niederdeutschen 
Urform  vor  Ettmiillers  Ausgabe  der  Eneit,  8.  3 — 14. 


620  Math 

und  von  einem  dritten  nur  der  Titel  erhalten.  Sein  Hauptwerk 
ist  die  Eneit,  in  fünf  vollständigen  Handschriften  (abgesehen 
von  einigen,  genau  classificirbaren,  nicht  allzu  werthvoUen 
Fragmenten  in  Pfeiffers  Quellenmaterial)  erhalten,  von  denen 
eine  der  heute  nicht  mehr  brauchbaren  ersten  Ausgabe  in 
Myllers  ^Gedichten  des  XII.  und  XIII.  Jahrhunderts'  zu  Gründe 
liegt;  zwei,  die  zusammen  die  dem  Urtexte  fernest  stehende 
Gruppe  bilden,  von  Ettmüller  für  seine  Bearbeitung  herange- 
zogen  wurde;  eine  gar  erst  zu  den  Zwecken  dieses  Aufsatzes 
zum  erstenmale  verglichen  worden  ist,  so  dass  wir  thatsächlich 
noch  keine  kritische  Ausgabe  dieses  Werkes  besitzen.  Einer 
solchen  stellen  sich  auch,  wie  sich  noch  zeigen  wird,  unge- 
wöhnliche Hindernisse  in  den  Weg,  denn  während  bei  anderen, 
Hartmann  etwa,  die  Ueberlieferung  so  reichlich  und  sicher 
fliesst,  dass  wir  Sprache  und  Stil,  Reim  und  Brauch  des  Dichten 
auf  das  genaueste  kennen  und  mit  apodiktischer  Sicherheit 
sagen  können,  ob  eine  Stelle  apokryph  ist  oder  nicht,  maogelt 
bei  Heinrich  derartige  Beglaubigung  gänzlich,  da  uns  das 
Original  jedenfalls  verloren  ist  imd  die  beiden  Gruppen  be- 
denklich differiren;  dennoch  ist  mit  Hilfe  der  dem  Originale 
näher  stehenden  Sippe  GH  (Gothaer  und  Heidelberger  Hand- 
schrift), die  Ettmüller  mit  Unrecht  gegen  die  freier  redigirende 
BM  (Berlin-Münchcner)  hintangesetzt  hat,  ein  leidlicher  Text 
herzustellen.  Im  Folgenden  ist  stets  nach  Ettmüller  citirt  W, 
die  Wiener  Handschrift  (cod.  pal.  2681),  die  schon  dadurch 
überaus  merkwürdig  ist,  dass  sie  einen  um  wenigstens  2000 
Verse  gekürzten  Text  bietet  und  dessenungeachtet,  und  wie- 
wohl sie  schon  im  ältesten  kritischen  Handschriftenkataloge 
der  Wiener  Hofbibliothek  von  Hofmann  aufgenommen  ist,  von 
den  Veldeke-Forschern  bisher  völlig  ignorirt  wurde,  steht  der 
Gruppe  BM  nahe,  aber  nicht  ohne  Eigenthümliches  zu  bieten 
und  stellenweise  vielleicht  das  Echte  zu  retten.  ^  Ueber  die 
Mundart  der  Stammhandschrift  ist  noch  zu  handeln. 

Dagegen  liegt  der  Servatius,  von  dem  wir  lange  nur  aus 
Püterichs  Ehrenbriefe  Kenntniss  hatten,  nur  in  einer  HAndschrift 
vor,  die  unzweifelhaft  den  Orginaltext  wiedergibt,  wenngleich 
sie  selbst  erst  aus  dem  XV.  Jahrhunderte  stammt,  und  zwar  in 

i  S.  Beilage  I. 


H«tBrieh  t  Veld^ke  n.  d.  Oeaesis  d.  ronantisclieB  q.  heroiseheii  Epik  um  1190.      621 

niederdeutscher  oder,  genauer  ausgedrückt^  niederfränkischer 
Sprache  und  zwar  speciell  in  der  (der  Kölner  nächstverwandten) 
Mundart  des  Limburger  Ländchens.  Sinte  Servaes  ward  1858 
au%efunden  und  sowohl  in  den  Annales  de  la  socUte  historique 
et  archiologique  de  Maestrichi  als  selbständig  (Sinte  Servatius 
legende  wn  Heynrijk  van  Veldeken  uitg.  d.  J.  H.  Bormans, 
Maestrieht,  1858,  285  S.,  8^)  herausgegeben.  Das  dritte,  nach 
den  Angaben  eher  höfisch-erotisch,  als,  was  wohl  auch  möglich 
wäre,  biblisch-legendarisch  angelegte  grössere  Qedicht  handelte 
von  Salomon  und  Venus;  es  wird  Heinrich  zugeschrieben  von 
dem  uns  leider  unbekannten  Verfasser  des  Moriz  von  Craon, 
dessen  Nachricht  aber  durchaus  nicht  anzuzweifeln  ist,  da  sich 
derselbe  als  ein  nicht  nur  im  Sinne  der  Zeit  geisti-eicher, 
sondern  auch  belesener  Autor  zeigt  (er  kennt  die  Kaiserchronik, 
das  Rolandslied,  ein  Gedicht  über  den  trojanischen  Krieg  — 
vielleicht  jenes,  das  der  abrupte  Anfang  der  Eneit,  die  hierin 
ihrer  französischen  Vorlage  folgt,  vorauszusetzen  scheint:  also 
ein  französisches?  —  für  den  ihm  gleich  Herbort  Dares  als 
Hauptautorität  erscheint  v.  37).  Die  ganze  merkwürdige  Stelle, 
die  übrigens  überdies  noch  dem  XH.  Jahrhunderte  angehören 
mag,  lautet:  ^ 

1156     daz  bette  mohte  wol  sin  — 

sd  kan  ab  ich  niht  sagen  baz, 

wan  l&t  ez  sin  alse  daz, 

an  siner  güete  gelicb, 

daz  von  Veldek  meister  Heinrieb 

machte  harte  schöne 

dem  künege  Salomöne, 

da  er  üf  lac  unde  slief, 

da  er  inne  Venus  ane  rief, 

biz  daz  si  in  erwakte: 

mit  ir  bogen  si  in  erschrakte, 

si  schdz  in  an  sin  herze 

daz  in  der  selbe  smerze 

drukte  nnz  an  sin  ende: 

er  muste  in  ir  gebende; 


^  Aaftnerksam  gemacht  zu  haben  auf  diese  SteUe,  ist  das  Verdienst  des 
Mannes,  der  auch  den  Moriz  von  Craon  gleich  vielen  anderen  gleich- 
zeitigen Werken  aus  der  wüstesten  Form  auf  das  glänzendste  hergestellt 
hat,  M.  Haupt  MSF.  S.  258  zu  66,  23. 


622  Hnth. 

■wie  wis  86  er  wttre, 
81  machte  in  witse  l«re.i 

Heinrich  selbst  scheint  einmal  MSF.  66,  23  diu  mmne 
iwanc  e  Salomone  anzuspielen ,  so  dass  der  den  Inhalt  an- 
deutende Titel  vielleicht  ähnlich  lautete,  etwa  wie  der  nunne 
kraft  den  künec  Salomone  twane.  Interessant  wäre  uns  der 
Besitz  dieses  Gedichtes  schon  darum,  weil  es  möglicherweise 
zwischen  den  beiden  Werken  Heinrichs,  von  denen  ihn  d&s 
eine  noch  im  Ringen  mit  der  Form,  das  andere  als  den  voll- 
endeten Beherrscher  derselben  zeigt,  eine  Mittelstellung  ein- 
nahm. 

Ueber  das  Leben  Heinrichs  sind  wir  seit  Auffindung  deB 
Servatius  genügend  unterrichtet,  besser  als  über  das  aller  übrigen 
epischen  Dichter  jener  Zeit. 

Heinrich  von  Veldeke  hat  den  Servatius  gedichtet  in  der 
Mundart  seiner  Heimat;  Veldeke  ist  ein  Dörflein  in  der  Nähe 
der  Abtei  S.  Truyden  (Trond)  bei  Maestricht,  der  Stadt,  die 
nächst  Utrecht  zumeist  jenen  Heiligen,  den  sich  auch  Heinrich 
zum  Patron  gewählt,  verehrt  hat;  Schutzherren  der  Truydener 
Abtei  waren  die  Grafen  von  Loen  (Loz);  auf  Bitten  der  Gräfin 
Agnes  und  des  Castellans  Hessel  hat  Heinrich  das  Gedicht  ver- 
fasst.  Leider  besitzen  wir  neben  diesen  Umständen,  die  er 
selbst  uns  angibt,  Serv.  1,  141—200.  3225—3254.  2,  2920- 
2974,  kein  urkundliches  Zeugniss  fiir  die  Person  des  Dichters. 
Veldeker  kommen  dann  im  XHI.  Jahrhunderte  mehrfach  vor 
als  milites  in  den  Urkunden  von  S.  Trond.  Wir  haben  also 
in  Heinrich,  wie  in  Hartmann,  einen  Ministerialen,  der  in  enger 
Beziehung  zum  Herrenhause  steht.  Nur  beiläufig,  weil  Bormans 
ernstlich  daran  gedacht  zu  haben  scheint  (.  .  .,'si  j'^tais  plus 
certain  qu*il  ne  fut  pas  clerc  lui-mgme'  S.  2),  erinnere  ich, 
dass  Heinrich  kein  Geistlicher  war,  wiewohl  er  Latein  kannte, 
da  er  nach  der  translatio  S.  Servatii  ^  gleich  seinem  oberdeutschen 
Concurrenten,  allerdings  einem  Cleriker,   und   Französisch,  da 


1  Das  Bild,  worauf  1166  angespielt  ist,  von  der  ininne  (Cnpidos)  bogen, 
findet  sich,  wie  mich  Heinael  gütigst  aufmerksam  macht,  £n.  38,  38. 
267,  24.  Dennoch  kann  ich  nicht  glauben,  dass  dem  Dichter  des  Craon 
des  Veldekers  Eneit  bekannt  war. 

2  SS.  XII.  87—126. 


Heinrich  t.  Veldeice  n.  d.  Genesis  d.  romantisclien  n.  heroiochen  Epik  um  1190.      623 

er  nach  Benoits  roman  d'En^as  dichtete,  und  ob  er  auch  aus- 
drücklich für  Laien,  zu  denen  man  ihn  also  als  im  Gegensatze 
befindlich  auffassen  könnte,  seine  Arbeit  bestimmt  Serv.  1, 
3231;  weil  ihn  sonst  Männer  —  hier  genügt  der  negative 
Umstand  — ,  die  in  Eisenach  noch  persönlich  mit  ihm  zu- 
sammengetroffen sein  mögen  wie  Herbort,  oder  doch  wie  Wolfram 
den  regsten  persönlichen  Antheil  an  ihm  nahmen,  die  also 
über  seine  Verhältnisse  informirt  waren,  als  Geistlichen  be- 
zeichnet, gleich  Conrad,  Lamprecht  als  Pfaffen  Heinrich  in  die 
Litteratur  eingeführt  hätten;  nun  aber  heisst  er  ihnen  (s.  und 
die  Zeugnisse)  wiederholt  meister  und  zwar  sowohl  den  Zeit- 
genossen, wie  Wolfram  und  dem  Dichter  des  Moriz  von  Craon, 
als  auch  noch  dem  Redactor  der  Weingartner  Liederhandschrift 
(dass  er  353,  15  so  bezeichnet  ist,  möchte  nichts  entscheiden,  da 
hieselbst  das  Wort  in  ähnlichem  Sinne  gebraucht  sein  kann, 
wie  etwa  in  den  bekannten  Stellen  der  Klage  u.  ä. :  der 
rede  meister  sprach  daz  e,  d.  h.  kurzweg  der  Verfasser  oder 
noch  schärfer  in  seinem  ursprünglichen  Sinne:  auctor).  Mini- 
steriale war  er  der  Loöner:  Agnes  nennt  er  sine  vroutoe  Serv. 
1,  3237;  nicht  einmal,  ob  Veldeke  nur  Orts-  oder  auch  Ge- 
schlechtsname ist,  lässt  sich  entscheiden,  obwohl  sehr  lebhaft 
für  das  eine  wie  für  das  andere  plaidirt  worden  ist  (vgl.  hier- 
über Braune,  ZfdPhil.  4,  249);  er  selbst  nennt  sich  nur 
Serv.  2,  2920  Heynryck,  die  van  Veldeken  was  gheboren. 

Was  nun  das  Verhältniss  zur  Gräfin  Agnes  von  Loz  be- 
trifft, so  wird  dieses  durch  eine  andere  Beziehung  wichtig,  die 
schon  Bormans  S.  16  hervorgehoben,  die  aber  seither  nicht 
die  Würdigung  gefunden  hat,  die  sie  verdient.  Es  sind  nicht 
weniger  als  drei  Frauen  gleichen  Namens,  ohne  dass  sich  mit 
Sicherheit  entscheiden  liesse,  welche  Heinrich  in  seiner  zwei- 
maligen Anfuhrung  als  Veranlasserin  seines  Unternehmens  meint. 
Agnes  heisst  die  Frau  Arnulf  V.  von  Loz;  ebendenselben  Namen 
soll  die  Gattin  und  Witwe  seines  Sohnes  Ludwig  I.  geführt 
haben,  der  1171  starb,  und  ebenso  nannte  sich  deren  Tochter, 
die  im't  Otto  V.  von  Baiern  vermählt  war  und  deren  Tochter 
hinwiederum  jene  berühmte  Sophie  ist,  die  Hermann  von  Thü- 
ringen ihre  Hand  reichte.  Arge  Verwirrung  richtet  Gervinus 
an  (Gesch.  d.  d.  Dichtg.  L^,  453),  wenn  er  kurzweg  die  mittlere 
Agnes   als   die  Herrin  Veldekes,    der   er   sein  Epos  gleichsam 


624  Muth. 

widmete,  ansieht  und  dennoch  die  Möglichkeit  offen  lässt,  dass 
der  ServatiuB,  jünger  als  die  Eneit,  von  Heinrich  in  hohem 
Alter  ,in  dem  halb  verlernten  Dialekte  seiner  Heimat  zu 
schreiben  unternommen  worden  sein  könnte'.  Die  Eneit  er- 
wähnt eine  Thatsache  aus  dem  Jahre  1184,  jene  Agnes  starb 
1175,  und  welche  sprachliche  oder  vielmehr  stilistische  Kluft 
trennt  überdies  —  unbeschadet  der  Identität  des  Dialekts,  in  dem 
beide  ursprünglich  abgefasst  sind  —  unter  allen  Umständen  diese 
beiden  Werke,  von  denen  das  umfangreichere  nach  Gervinns 
zwischen  1175 — 1184  entstand.  Und  der  Servatius  soll  doch 
jünger  sein  und  der  1175  verstorbenen  Agnes  gewidmet  sein 
können!  Die  jüngste  Agnes  ist  nun  zwar  nicht*  auBgeschlossenj 
aber  ich  denke,  alle  Jene,  die  gleich  dem  Verfasser  dieser 
Abhandlung,  nicht  nur  die  allgemeine  Ueberzeugung  theUen, 
dass  der  Servatius  älter  sei  als  die  Eneit,  sondern  auch  der 
Ansicht  sind,  dass  zwischen  diesen  beiden  bei  vieler  Ueber 
einstimmung  und  Aehnlichkeit  im  Einzelnen  so  grundverschie- 
denen Werken,  die  ganz  in  dem  Sinne  wie  etwa  Schillers 
,Räuber'  oder,  besser,  selbst  der  ,Don  Carlos'  und  sein  ,Wallen- 
stein'  zwei  verschiedenen  Perioden  angehören,  eine  erkleckliche 
Zeit  verstrichen  sein  müsse,  sollten  die  älteste  Agnes  als 
wenigstens  gleichüdls  in  Frage  kommend  ansehen.  Die  mittlere 
Agnes  fuhrt  den  Namen  nicht  unbestritten:  sie  eine  Gräfia 
von  Reineck  (bei  Würzburg),  erscheint  auch  als  Ermelinde 
von  Loen-Reineck  —  und  ich  glaube,  dies  dürfte  trotz  Bor- 
maus'  Zweifel  (a.  a.  O.  6.  15,  16)  das  Richtige  sein:  es  wäre 
zu  auffallend,  wenn  in  einem  Qeschleohte  bei  ganz  gewöhn- 
lichem Wechsel  der  Männernamen,  ganz  zufallig  die  Frauen- 
namen  übereinstimmten  —  durch  drei  Menschenalter  1  Dass 
hingegen  im  anderen  Falle  die  Enkelin  nach  der  Grossmatter 
benannt  ist,  ist  ebenso  gewöhnlich,  als  eine  Namensverwechslong 
oder  vielleicht  Verschiebung  der  Persönlichkeiten,  die  ein  ob- 
soleter Genealoge  verschuldet  hat.  Zudem  ist  das  Zeugniss  für 
den  Namen  Ermelinde  aus  dem  Jahre  1168,  also  bei  Lebzeiten 
der  betreffenden  Person  abgegeben.  ^    Ich  gebe  zur  besseren 

1  Ob  die  betreffenden  Urkanden,  aus  denen  jeder  deatsche  (belehrte  die 
endgültige  Entscheidung  treffen  würde,  existiren,  weiss  ich  nicht;  gUabe 
es  jedoch,  da  sonst  des  sehr  yerlässlichen  Mantelios  Daten  nicht  so 
exact  sein  könnten. 


Htiarieb  v.  Veldeke  n.  d.  Genesis  d.  romantUchen  n.  heroischen  Epik  um  1190.      625 

Ueberaicht  eine  Stammtafel,  wie  sich  nach  Joan  Mantelius 
historiae  LoBBensis  libr.  X,  p.  57,  sq.  die  Familie,  Boweit  sie 
uns  hier  bekümmert,  verzweigt. 

Arnulf  V.  von  Lon, 

t  nm  1150. 

Oem.  Agnes  v.  Baiem, 

t  um  1160. 

Ludwig  L, 

t  1171. 

Oem.  Ermelinde  (oder 
Agnes)  V.  Reineck, 

t  1176. 


Agnes        Otto  V.  v.  Scheuern- 
(t  vor  1182).  Witteisbach, 

t  1183. 

Sophie  Hermann,  Pfalzgraf  v.  Sachsen, 

später  Landgraf  v.  Thüringen. 

Otto  y.  hinterlies  1183  bereits  einen  Sohn  zweiter  Ehe; 
der  jüngsten  Agnes  war  also  jedenfalls  nm*  ein  kurzes  Leben 
bescheert  und  dennoch  werden  sie  diejenigen  als  die  Oönnerin 
Heinrichs  ansehen  müssen,  denen  es  unwahrscheinlich  erscheint, 
dass  derselbe  Mann  vier,  wenn  auch  rasch  aufeinanderfolgenden 
Generationen  gedient  haben  sollte,  und  denen  überhaupt  durch 
ein  Hinaufrücken  in  die  Zeit  der  ersten  Agnes  dem  Servatius 
ein  zu  hohes  Alter  zugeschrieben  wird.  Entscheidend  dürfte 
sein,  waB  Jonckbloet  (Qesch.  d.  niedl.  Litt  übs.  v.  W.  Berg, 
I,  93)  anführt,  dass  eine  in  Baiem  geborene  Fürstin  wohl 
kaum  ein  Gedicht  in  limburgischem  Dialekte  habe  schreiben 
lassen.  Hiezu  kann  man  beifügen,  dass  dagegen  eine  Fürstin, 
die  die  Heimat  verlässt,  wie  die  jüngste  Agnes,  im  Sinne  der 
Zeit  desto  mehr  Veranlassung  hat,  eine  Erinnerung  an  die 
Schutzheiligen  der  Heimat  zu  wünschen.  So  entscheide  ich 
mich,  nachdem  absichtlich  für  die  Erwägung  die  breiteste 
Schranke  gezogen  wurde,  für  die  dritte  Agnes:  der  Gemahlin 
Ottos  von  Baiem  verdankte  Heinrich  von  Veldeke  die  An- 
regung zu  seinem  ersten  grösseren  Werke  —  denn  den  An- 
sager in  der  Kunst  des  Verses  und  Reimes  zeigt  der  Servatius 


626  Müth. 

auf  jeder  Seite.     Jonckbloet  hat  übrigens  (a.  a.  0.  §.  50)  die 
Autorschaft  Veldeke^s   schlechtweg  geläugnet:   ,der  Schreiber 
war  sicher  kein  Edelmann,   sondern  bestimmt  ein  Qeistlicher'. 
Weit  richtiger  hatte  schon  Bormans  den  richtigen  Sachverhalt 
erkannt,   wenn  er  Veldeke  den  ersten  Ritter  nannte,  der  sich 
mit  geistlichen  Stoffen  befasste,  obwohl  ihn,   wie   wir  gesehen 
haben,  gleichfalls,  wenn  auch  nur  vorübergehend,  der  Gedanke 
an    eine   geistliche  Autorschaft  beunruhigte.     Während  es  zur 
Signatur  der  ersten  Hälfte  und  noch  in  der  Mitte  des  XII.  Jahr- 
hunderts   in    Deutschland    gehört,     dass   die    Pfaffheit    welt- 
liche, ritterliche,  romantische  Stoffe  behandelt,   wendet  sich  in 
der   zweiten  Hälfte    des  Säculums   zuerst  die  niederrheinische 
Ritterschaft^   der  zunächst  die  schwäbische  sich  anschloss,  wie 
der   weltlichen,   so   auch   der  geistlichen  Romantik   zu  und  es 
ist  einem  Zweifel  gegenüber,  wie  ihn  Jonckbloet  ausgesprochen, 
von    der    höchsten    Bedeutung,    dass    der  Trierer   Codex,   bei 
welchem  die  Schrift  nicht  am  Alter  zu  zweifeln  gestattet,  Le- 
genden  und  Rittergedicht,   zwei   Heiligenleben,   Aegidius  und 
Silvester,    mit   einer   romantischen  Erzählung   aus  dem  kerlin- 
gischen  Kreise,  Floris,  vereinigt  zeigt,  vereinigt  in  6inem  Bande, 
zu   einem    höfischen    Unterhaltungsbuche   (Steinmeyer,  ZfdAlt 
21,  310).  Was  Jonckbloet  sonst  über  Sprache,  Stil   und  Reim, 
ohne   Untersuchung   und  Beweis   im   Einzelnen   vorbringt,  ist 
durch   die   namentlich   auf  die   sorgfältigsten  Reimforschungen 
gegründeten    Arbeiten    von   Pfeiffer ,    Bartsch ,    Braune    u.   A. 
(s.  Beilage  I)  längst  zum  Theil  im  vorhinein  widerlegt  * 

Wenn  wir  in  Bezug  auf  das  Alter  des  Servatius,  da  auch 
die  zweite  von  Heinrich  genannte  Person,  Hessel,  der  Schloss- 
custos  —  Bormans'  Bedenken,  ob  custenaer  Personenname  oder 
Appellativum   ist,    das  er  zu   1,   3240   aufwirft,    wird  erledigt 

^  Dass  sich  der  Dichter  des  Servatius  nicht  H.  v.  Veldeke  nenne,  sondern 
nur  von  einem  Dichter  H.  v.  V,  spreche  (a.  a.  O.  S.  92),  ist  ebenso 
unrichtig,  wie,  dass  H.  v.  V.  von  dem  RÖmersEUge  Kaiser  Friedrichs  L, 
,wie  von  einer  Sache,  deren  er  sich  persönlich  erinnert^  spreche;  ersagl 
vielmehr  von  der  Thats&che,  die  er  ans  dem  Jahre  1156  erztihlt,  gani 
ausdrücklich  226,  4  nd  ir  ez  verneinen  aoU,  aU  ich  ez  gelerei  bin.  Er  will 
also  nur  als  Ohrenzouge  gelten:  Augenzeuge  war  er  nicht.  Den  Römer- 
zug  könnte  er  dessenungeachtet  immerhin  mitgemacht  haben,  ohne  eben 
jenem  Acte  der  Graberöffnnng  beigezogen  worden  zn  sein  —  aber  wir 
Iiaben  dafür  keinen  Anhaltspunkt  oder  gar  Beweis. 


Hsinrich  ▼.  Veldeke  n.  d.  Oenesü  d.  romantischen  n.  heroischen  Epik  um  1190.      627 

durch  2,  2944  die  doen  der  coateiyen  plach  —  nicht  urkundlich 
oder  überhaupt  irgendwie  nachweisbar  ist,  immer  auf  ziemlich 
weite  Grenzen,  die  wir  höchstens  durch  formale  Untersuchungen 
einigermaassen  verengen  können,  angewiesen  sein  werden,  lässt 
sich  das  Alter  der  Eneit  mit  aller  wünschenswerthen  Genauig- 
keit bestimmen. 

Zwei  äussere  Momente  bilden  immer  die  Grandlage  dieser 
Zeitbestimmung:   das  Fest,   das   Kaiser  Friedrich  I.  1184  bei 
der  Vermählung  seines  Sohnes   und  Nachfolgers  Heinrich  mit 
der  Erbtochter  von   Sicilien   feierte   und   das   so   vielfach  auf 
beiden  Seiten  des  Rheines,  wie  der  Alpen,  als  die  glänzendste 
Feier,  die  jemals  Abendland   oder  Christenheit   begangen,   ge- 
priesen wurde,  ist  von  Heinrich  in  der  Eneit,  nahe  dem  Schlüsse 
(sie   zählt    13268,    nach    EttmüUers    fataler   Zählung    in  354 
weniger  16  Spalten)  347,  13 — 348,  4.  Das  gibt  einen  terminus 
a  quo:   nicht  vor  1184  kann  das  Epos  vollendet  worden  sein. 
Ob   eine   nähere   Bestimmung   möglich   ist,   bleibt  eine   offene 
Frage.  Zum  Schlüsse  wird  erzählt,  Heinrich  habe  das  jbuchelm^ 
der  Gräfin   von   Cleve   ,zö  lesene  und  ze  schouwen^  —  er   legte 
sich  also  im  Autograph  eine  Bilderhandschrift  an  —  geliehen; 
da  sie  sich  mit  dem  Landgrafen  (Ludwig  von  Thüringen)  ver- 
mählte,  wurde   das   unvollendete  Gedicht   zu  Cleve   einer    der 
Frauen,    der    es    anvertraut   war,    vom    Grafen   Heinrich    von 
Schwarzburg  gestohlen:  neun  Jahre  blieb  es  dem  Dichter  ent- 
wendet.    Demgemäss  geschah  dies  frühestens   im  Jahre   1175. 
Der  Pfalzgraf  Hermann   zu  Neuburg  an   der  Unstrut   (das   ist 
der  nachmalige  Landgraf)  verschaffte  Veldeke  das  Buch;  ihm, 
des  Landgrafen  Ludwig  leiblichem   Bruder,   und   dem   dritten 
Bruder,   dem   Grafen   Friedrich   (von  Ziegenhain),    widmet   er 
dann  in  der  üblichen  Weise  das  Gedicht  En.  352,  19—354,  1. 
Die  hieran  sich  knüpfenden  Fragen  sind  oft  erörtert,  ohne  dass 
zu  EttmüUers  Zusammenstellung  S.  XIV — XIX  etwas  Nennens- 
werthes  beigebracht  worden  wäre.    Von  dieser  hier  genannten 
Oräfin  von  Cleve  schied  sich  Ludwig  um  1186;  wenn  er  des- 
halb aus  zarter  Rücksicht  für  die  Frau,   wie  Heinzel  fein  und 
treffend  bemerkt,  nicht  mit  den  anderen  Brüdern  in  die  Dedi* 
cation  eingeschlossen  ist,   ist   etwas  Näheres   für   die  Datirung 
gewonnen.     Wir    werden    sehen,    ob    die    anderen    Umstände 
stimmen;  Gewicht  darf  hierauf  nicht  gelegt  werden ;  ja  Ettmüller 

Bttnogsber.  d.  phil.-hint.  CL  XCV.  Bd.  III.  Hft.  41 


628  Math. 

meint  umgekehrt,  die  Stelle  müsse  vor  1186  abgefasst  am, 
sonst  hätte  Heinrich  die  Gräfin  nicht  erwähnt.  Dass  £ttniüller 
Unrecht  hat,  geht  einfach  daraus  hervor,  dass  Veldeke  su  dieser 
Frau,  wie  ja  die  Stelle  selbst  besagt,  nicht  erst  durch  ihren 
Mann  in  Beseiehung  getreten  ist,  und  dass  bei  diesen  mittel- 
alterlichen Ehescheidungen,  bei  denen  zu  nahe  Verwandtschaft 
und  die  dadurch  entstandenen  Qewissensscrupeln  den  Verwand 
abgeben  mussten,  der  sociale  Verkehr  der  beiden  Eheleute  oder 
wenigstens  ihrer  Geschlechter,  insbesondere  wenn  die  Kirche 
vermittelnd  dazwischen  trat,  nicht  nothwendig  abgebrochen  wurde. 
Dass  ein  Vorgang  aus  dem  Jahre  1155  im  Verlaufe  der  Er- 
zählung berührt  wird,  ist  ziemlich  irrelevant;  dass  aber  Heinrich 
von  Schwarzburg  am  26.  Juli  1183  starb,  ist  wichtig,  da 
die  letztere  Jahreszahl  einen  terminus  a  quo  abgeben  kann: 
vor  1183  hat  der  Schwarzburger  seinen  Raub  ausgefiihrt;  neun 
Jahre  später  vollendete  der  Dichter  sein  Werk  oder  erhielt  es 
wenigstens  zurück,  das  ist  also  vor  1192.  Damit  sind  uns  nun 
zwei  Grenzpunkte  gesteckt,  innerhalb  deren  sich  die  Unter- 
suchung fernerhin  bewegen  muss:  zwischen  1175  und  1192  ist 
die  Eneit  entstanden  —  vorausgesetzt,  dass  der  Dichter  un- 
mittelbar nach  Wiederempfang  seines  Werkes  dasselbe  auch 
zu  Ende  geführt  hat. 

So  setzen  auch  alle  Litterarhistoriker  diese  Daten  an; 
nur  dass  die  meisten  —  ganz  willkürlich  —  annehmen  1184, 
das  Jahr  des  Festes  von  Mainz  sei  auch  das  Vollendungsjahr, 
und  demgemäsB  mit  grosser  Sicherheit  erklären,  die  Eneit  sei 
zwischen  1175  und  1184  entstanden;  das  ist  aber  jene  Zeit, 
in  der  nach  ihnen  selbst  der  Dichter  sein  Werk  gar  nicht 
besass.  Lachmann  und  seine  Schüler  datirten  vorsichtiger.  Der 
Minnesinger  Friedrich  von  Hausen  nahm  Theil  am  dritten 
Kreuzzuge  und  fiel,  -noch  vor  seinem  Kaiser,  6.  Mai  1190.  Der- 
selbe kam  wiederholt,  ich  möchte  fast  sagen,  auch  in  diplo- 
matischen Missionen,  an  den  Niederrhein,*  woselbst  er  natürlicher- 


1  Müllenhoff,  ZfdAlt.  14,  135,  der  S.  136  annimmt,  dass  die  Eneit  an- 
mittelbar  nach  dem  Feste  von  1184,  also  nach  Pfingsten,  in  Thuringeu 
yollendet  wurde.  VJ^r  werden  unten  sehen,  dass  dem  der  Text  wider- 
spricht, der  vielmehr  voraussetzt,  dass  seit  dem  Feste  Ifingere  Zeit  ver- 
strichen ist.  En.  347,  34.  Wenn  für  Müllenhoff,  wie  es  scheint,  der 
Eindruck  bestimmend  ist,   von  dem  wir  Veldeke  beherrscht  sebeo,  deon 


Hunrieh  t.  Yeldelce  n.  d.  Oenesis  der  romaitischen  a.  heroiscben  Epik  um  1190.      629 

weise  mit  den  vornehmsten  Kreisen  verkehrte.  Dass  er  hier, 
wo  Veldeke  in  den  ersten  Qeschlechtem  seine  Gönner  hatte, 
Gelegenheit  fand,  Heinrichs  Dichtung  kennen  zu  lernen,  wäre 
begreiflich.  Eine  Erwähnung  von  seiner  Seite  aber  kann  man 
seines  Abzuges  und  Todes  halber  nicht  später  als  1188  an- 
setzen. Da  er  nun  einmal  deutlich  auf  die  Aenaeassage  anspielt, 
gewöhnte  man  sich  anzunehmen,  die  Eneit  sei  zwischen  1184 
and  1188  abgefasst,  obwohl  Friedrich  nothwendig  nur  den 
ersten  Theil  gekannt  haben  müsste,  ^  der  ja,  wie  der  Dichter 
selbst  klagt  353,  11/12,  selbständige  Verbreitung  gefunden  hat. 
Lachmann,  der  zuerst  hierauf  aufmerksam  machte  (zu  Iw. 
4341,  Note  zu  Beneke's  Anm.  zu  6943),  drückte  sich  viel  vor- 
sichtiger aus:  die  Hochzeit  der  Gräfin  von  Cleve  war  dem- 
gemäss  nicht  nach  1179  und,  wie  wir  bereits  wissen,  nicht  vor 
1175.  Damach  setzt  auch  Scherer  QP.  7,  60  das  ,£r8cheinen^ 
der  Eneit  zwischen  1184  und  1188.  Mir  scheinen  da  die 
Grenzen  rechnungsmässig  zu  eng:  Hausens  Vers  scheint  mir 
zunächst  die  Bekanntschaft  mit  dem  zweiten  Theile  der  Eneit 
geradezu  auszuschliessen  und  könnte  auch  aus  dem  Jahre  1189 
noch  stammen;  schon  darnach  könnte  die  Hochzeit  der  Cle- 
verin  auch  1180  fallen.  Aber  es  ist  mir  hier  nicht  darum  zu 
thun,  die  Unrichtigkeit  jener  Zahl  darzuthun,  als  vielmehr 
diese  Berechnung  überhaupt  abzulehnen;  denn,  wenn  Friedrich 
von  Hliusen  nur  den  ersten  Theil  kannte,  kann  er  ihn  ja  wäh- 
rend jener  Zeit  kennen  gelernt  haben,  da  er  Veldeken  ent- 
rissen war.  Und  dem  Poeten  selbst  müssen  wir  etwa  ein  Jahr 
Spielraum  geben  für  die  Vollendung  seiner  Arbeit.  So  werden 
wir  zufallig  auf  das  richtige  Jahr  geleitet:  1190,  wird  sich 
zeigen,  vollendet  Heinrich  seine  Eneit,  1180  oder  1181  war 
demnach  die  Hochzeit  der  Cleverin.  Die  Stelle  Friedrichs  muss 
jedoch  erörtert  werden,   um  ihi*e  Gleichgiltigkeit  zu  beweisen: 

MF.  (VIII)  42,  1     Ich  mnoE  von  schulden  sin  unfro, 

Sit  fli  jach,  dd  ich  bi  ir  was, 

wir  besitzen  von  ihm,  keine  SteUe  von  gleicher  oder  ähnlicher  Emphase, 
so  war  es  eben  nicht  der  Eindruck  jenes  Festes,  sondern  einer  viel  ge- 
waltigeren Thatsache,  der  ihn  so  warm  reden  liess. 
^  Immer  unter  der  Voraussetzung,  dass  fVH.  nicht  doch  aus  einem  fran- 
zösischen Gedichte,  oder,  wofür,  wie  Heinzel  bemerkt,  das  Unpassende 
des  Vergleiches  zu  sprechen  scheint,  nur  aus  ungefährer  Kenntniss  der 
Sage  schöpft 

41» 


630  MntL. 

ich  mOhte  heizen  fineas, 
und  solte  ab  des  wol  sicher  sin, 
si  wurde  niemer  m!n  Tido. 

Friedrich  will  hier  gewiss  nicht  sagen,  dass  die  Dame  seine 
Dido  nicht  werden  wolle,  d.  h.  sich  einer  Abweisung  von 
seiner  Seite  nicht  aussetzen  wolle,  sondern  er  vergleicht  nach 
Sitte  der  Zeit  sich  und  seine  Dame  einem  berühmten  Liebes- 
paare; 1  dann  ist  der  Sinn  der  Stelle:  möge  er  sich  immer 
Aeneas  dünken,  sie  wird  ihm  nie  Dido.  Nun  hätte  der  Dichter, 
kam  ihm  einmal  aus  eben  gewonnener  Lecture  (1187  und 
1188  war  Hausen,  wie  Haupt  S.  249  zeigt,  am  Niederrhein) 
Aeneas  in  den  Sinn  oder  wurde  eine  diesbezügliche  Anspie- 
lung von  ihm  bereits  mündlich  gewagt,  die  Geliebte,  wenn  er 
das  ganze  Gedicht  gekannt  hätte,  tactvoU  nur  mit  Lavinia,  nie 
mit  der  unglücklichen,  zurückgestossenen,  verlassenen  Dido  ver- 
gleichen dürfen.  Kannte  er  nur  den  ersten  Theil,  weil  nur  dieser 
ihm  und  seiner  Dame  vorlag,  so  war  ihm  damit  entweder 
Lavinia,  deren  Rolle  erst  an  der  Unterbrechungsstelle  beginnt^ 
unbekannt,  oder  erschien  ihm  doch  zu  unbedeutend  zum  Ver- 
gleiche, während  dadurch,  dass  Dido  im  ersten  Theile  die  einzige 
nennenswerthe  Frauengestalt  ist,  der  Leser  des  Fragmentes  zu 
dem  Glauben  veranlasst  werden  konnte,  Aeneas  und  Dido  sei 
eine  geläufige  Zusammenstellung  —  er  dachte  vielleicht  an  eine 
noch  vorauszusetzende,  entsprechende  Schlussentwicklung  — 
auch  für  ein  glückliches  Liebespaar.  Dass  aber  dem  so  sei 
und  dass  eine  scharfe  Pointe  —  von  Seite  Hausens  wäre  eine  . 
solche  auch  eine  umuht  —  in  dem  kleinen  Gedichte  nicht  ge- 
sucht werden  darf,  zeigt  sich  darin,  dass  er  unmöglich  sonst 
in  völliger  Harmlosigkeit  fortfahren  könnte: 

MSF.  42,  6     wie  sprach  sie  so? 

aleine  frömdet  mich  ir  lip, 
si  h&t  iedoch  des  herzen  mich 
beroubet  gar  für  elliu  wip. 

Jedenfalls  ist  es  unbegründet  anzunehmen,  Friedrich  von 
Hausen  habe  die  vollständige  Eneit  gelesen;  war  aber  1187  oder 
1188  überhaupt  nur  der  erste  Theil  bekannt  (ihm  und  allen?). 


>  Sich  und  die  Geliebte  vergleicht  MSF.  74,  23  Uolrich  von  Guotenburc 
mit  Flore  und  Blancheflur;  112,  2  Bernger  von  Horheim  mit  Tristan  and 
Isalde  (vgl.  ebd.  S.  283/4). 


Heinricli  v.  Yeldeke  n.  d.  Genesis  der  romautischen  a.  heroischen  Epik  am  1190.      631 

waren  mithin  neun  Jahre  seit  Hochzeit  und  Raub  noch  nicht 
verstrichen,  so  fallen  somit  diese  nach  1178  oder  1179. 
Diese  Datirung  wird  sich  zwar  als  richtig  herausstellen ,  kann 
jedoch  auf  diese  Weise  noch  nicht  als  kritisch  erwiesen  gelten  ; 
nur  die  Möglichkeit  dieser  Datirung  ist  dargethan,  die  jene 
bestreiten  müssen,  die  etwa  behaupten  wollten,  Friedrich  habe 
das  vollendete  Epos  in  Händen  gehabt,  wofür  auch  nicht  der 
Schatten  eines  Beweises  vorhanden  ist,  und,  was  anzunehmen, 
man  durch  die  vorliegende  Stelle  auch  gar  nicht  genöthigt  wird. 
Da  die  Hochzeit  vor  dem  Tode  des  Grafen  von  Schwarzburg 
fällt,  ergäbe  sich  somit  die  Grenze  von  1178/9—1183  für  den 
ersten  Theil. 

Noch  eine  andere  Datierungsstütze  muss  abgebrochen 
werden,  bevor  wir  an  unseren  selbständigen  Beweis  gehen. 
Im  sogenannten  Basler  Alexander,  d.  i.  in  der  jüngsten  Re- 
daction  des  Alexanderliedes  vom  Pfaffen  Lamprecht,  findet 
sich,  wie  J.  Harczyk,  ZfdPhil.  4,  29  f.  zeigte,  eine  Parallel- 
stelle zur  Eneit.  Nun  ist  bekanntlich  der  Basler  Alexander, 
was  wir  an  den  Handschriften  meist  so  schmerzlich  vermissen, 
datirbar;  er  ist  geschrieben  im  Jahre  1187.  Damit  wäre  also  ein 
fester  Anhaltspunkt  gegeben,  wenn  der  Weg  der  Parallelstelle 
eruirt  werden  kann.  Dieselbe  besitzt  ihre  kleine  Litteratur: 
Harczyk  a.  a.  O. ;  Scherer  QF.  7,  60;  Rödiger,  AnzfdAlt. 
1,  78;  Lichtenstern,  ZfdAlt.  21,  473.  Sehr  unnütz,  denn  aus 
der  Stelle  ist  nichts  zu  gewinnen.  Harczyk  nahm  Einfluss 
des  Veldekers  an;  Scherer  meinte,  da  die  Eneit  zwischen 
1184  und  1188  vollendet  sei  und  die  Basler  Handschrift  nur 
Abschrift  einer  Bearbeitung,  werde  wohl  Veldeke  der  Ent- 
lehner sein.  Entscheidend  war  diese  Bemerkung  nicht;  es 
kam  auf  innere  Gründe  an  und  Rödiger  erhob  den  gewich- 
tigeren Einwand,  ein  Einfluss  Heinrichs  hätte  sich  zunächst 
in  Durchfährung  reinerer  Reime  geäussert,  da  ,die  neue  Be- 
arbeitung den  Zweck  der  Modernisirung  verfolgte  Lichtenstern 
aber  verglich  das  französische  Original  und  das  war  allerdings 
der  Weg,  auf  dem  man  sicher  zur  Entscheidung  zu  kommen 
hätte  meinen  müssen:  stand  da  die  Stelle,  so  war  Veldeke 
gegen  Scherer  gerechtfertigt;  fehlte  sie,  so  war  er  der  Plagiator. 
Das8  ihm  ein  solches  Plagiat  zuzutrauen  sei,  war,  nachdem 
Lichtenstern   die   viel   umfangreicher^  Enlehnung  aus  Eilharts 


632  Muth. 

Tristan  (En.  268,  12—276,  20  nahezu  gleich  Trist.  2398- 
2598)  nachgewiesen,  nicht  fraglich.  Aber  die  Stelle  ist  so  ?ag, 
dass  nicht  einmal  das  französische  Original  volle  Sicherheit 
brachte.  Sie  lautet  bei  Benoit  (Anchises  wird  von  seinem  Sohne 
geborgen) : 

od  lai  en  fist  porter  so  fe 
ancises  qui  bien  vieU  hom  ere. 

Das  erweitert  nun  Heinrich  in  einer  Weise,   die   ihm  geläufig 
ist,  fast  ein  wenig  beschaulich: 

En.  20,  33.     sinen  vater  hiez  er  d&nne  tragen; 
der  was  so  kernen  se  sinen  tagen, 
daz  er  niht  mohte  gAn. 
daz  het  ime  daz  alter  getftn. 

Ganz  ähnlich  heisst  es  nun  bei  Lamprecht  von  einem  alten 
Juden,  der  vor  den  König  gerufen  wird: 

AI.  6928    dö  der  alte  daz  vemam, 

dd  hiez  er  daz  man  im  gewan 

lüte,  di  in  solden  tragen. 

er  was  so  komen  ze  sinen  tagen, 

daz  er  niht  mohte  gän 

daz  hatt  im  daz  alter  getan. 

Auf  Grundlage  des  Vorliegenden  war  offenbar  nur  Scherers 
Ansicht  haltbar;  denn  bei  Lamprecht  sind  die  drei  Verse 
6931—34  wesentlich  zur  Erklärung  von  6929/30;  Veldeke, 
wenn  er  sie  kannte,  ward  dadurch,  dass  ihm  der  erste  (6931) 
zur  Uebersetzung  der  französischen  Wendung  taugte  (bien 
viele  home),  veranlasst,  die  ganze  Phrase  anzuknüpfen  und  so 
wurde,  was  im  französischen  Texte  das  subordinirte  Glied  der 
Periode  war,  aus  derselben  ausgeschieden,  der  regierende  Theil 
eines  neuen  Satzgefüges.  Das  Entscheidende  brachte  aber  ^rst 
Martin,  indem  er  in  der  zweiten  Auflage  von  Wackernagels 
Litteraturgeschichte,  durch  den  Hinweis  auf  eine  weit  ältere 
Stelle,  aus  dem  Rother  nämlich,  den  formelhaften  Charakter 
der  Phrase  feststellte  (Wckngl  §.  56,  7).  Die  Formel  liegt 
eigentlich  im  Schlussverse;  wenn  aber  dieser  und  die  Nöthi- 
gung  zum  Tragen  gegeben  sind,  liegt  durch  die  Reim  werte 
gdn  und  tagen  die  ganze  Phrase  so  nahe,  dass  der  Verfasser 
des  Basler  Alexander  und  Heinrich  auch  unabhängig  von 
einander  auf  diese  Verse  yerfallen  sein  können,   ze  sinen  tagen 


H«inricb  t.  Yeldeke  q.  d.  Oenens  der  ronantuchen  u.  heroiBChta  Epik  «m  1190.      6d3 

kernen  ^n  ist  eben  auch  formelhafter  Ausdruck.  Die  Stelle  im 
Rother  lautet  (ed.  Rückert): 

6080    dö  kam  gestrichin  over  lant 
ein  sndwtEer  wigant 
das  hete  daz  alter  getftn. 

Wenn  Jemand  von  dieser  Erklärung  nicht  befriedigt  ist,  steht 
es  ihm  frei  anzunehmen,  dass  Heinrich  von  Veldeke  die  drei 
Verse  entwendet  hat;  für  unser  Resultat  ist  diese  sowohl  als 
die  andere  Annahme  ganz  gleichgiltig.  Da  wir  sehen  werden, 
dass  jener  Theil  der  £neit  —  die  Stelle  liegt  ganz  zu  Beginn 
des  Epos,  ist  daher  vielleicht  noch  einige  Jahre  älter  als  die 
Partie,  mit  der  der  erste  Theil  abbricht  (ca.  V.  10800)  —  1181 
vollendet  war,  ergeben  sich  daraus  nur  Consequenzen  für  den 
Alexander,  die  mit  den  gewöhnlichen  Annahmen,  da  die  Basler 
Handschrift,  wie  ja  auch  Scherer  erinnerte,  nur  Abschrift  ist, 
nicht  in  Widerspruch  stehen. 

Da  wir  aber  unseren  Beweis  gleichfalls  auf  die  Schluss- 
stelle des  Epos  stützen,  haben  wir  uns  noch  mit  einer  andern 
Ansicht  auseinanderzusetzen,  nach  welcher  nämlich  die  Schluss- 
abschnitte der  Eneit  von  347,  13  an  gar  nicht  von  Heinrich 
herrühren. 

In  der  That,  man  könnte  an  vier  Stellen  das  Epos  fUr 
beendet  halten:  347,  12;  352,  18;  354,  1  eben  so  gut  als 
354,  39. 

347,  12  bricht  ab  mit  der  Schilderung  der  Vermählung 
zwischen  Aeneas  und  Lavinia  und  347*,  13  hebt  ebenso  an, 
dass  in  diesem  Zusammenhange  die  Stelle  unerträglich  ist: 

V.  13021  davon  sprach  man  dd  witen. 

V.  13018    ichn  friesch  in  dem  lande  lehn  yemam  von  hdhefte 

nie  dehein  hohzlt  so  gröz  in  allen  wilen  m&re, 

wand  ir  maneger  wol  genoe.  diu  also  gros  w&re. 

Mit  vollem  Rechte  bemerkt  Heinzel,  diese  beiden  Stellen 
nebeneinander  seien  nicht  zu  dulden;  nur  fragt  sich,  ob  es 
kurzweg  die  zweite  ist,  die  wir  streichen  dürfen.  Entschei- 
dend ist,  dass  W  die  Verse  347,  1 — 12  nicht  hat:  diese 
sind  der  Zusatz  und  müssen  gestrichen  werden.  Hier  ist  eben 
eine  jener  Stellen,  wo,  was  in  der  betreffenden  Beilage  ein- 
gehend erörtert  ist,  W  neben  vielen  leichtfertigen  Auslassungen 


634  Much. 

und  unberechtigten  Kürzungen  das  Richtige  und  Ursprüng- 
liche rettet.  Man  muss  diese  zwölf  Verse  nur  genauer  an- 
sehen,  um  sofort  zu  erkennen,  dass  sie  das  Machwerk  eines 
gabenheischenden  Fahrenden  sind,  die  sich  leider  in  eine  sehr 
alte  Handschrift  bereits  eingeschlichen  haben.  Auch  in  den 
Nibelungenredactionen  erkennt  man  häufig  Zusätze  am  Preise 
der  Milde,  an  der  Schilderung  der  Begabung;  in  dieser  Be- 
ziehung sind  besonders  Vers  7  und  12  bezeichnend.  Die  ganze 
nichtssagende  Stelle,  der  dann  eine  so  gehaltvolle  und  eigen- 
thümliche  folgt,  lautet: 

£n.  347,  1     dA  wftren  voraten  hSre, 
die  dorch  ir  selber  Sre 
nnde  dorch  den  knnich  gAven. 
herzogen  nnde  grftven 
nnd  die  kirnege  riche 
die  gäben  herliche, 
die  wenich  achten  den  schaden, 
si  g&ben  soamftr  al  geladen 
mit  schätze  und  mit  gewande 
ichn  friesch  in  dem  lande    n.  s.  f. 

Man  sieht:  nur  Bettelei.  Eine  Verbindung,  wie  V.  4,  5  fallt 
bei  Veldeke  auf:  er  lässt  bei  dreigliedrigen  Formeln  gewöhnlich 
das  einzelne  Olied  vorausgehen.  Aeussere  und  innere  Gründe 
vereinigen  sich  für  die  Atethese  und  damit  fällt  die  Möglich- 
keit, hier  den  Schluss  des  Epos  anzunehmen. 

Auch  sind  die  folgenden  Abschnitte  ganz  im  Stile  des 
Ganzen  gehalten;  in  Sprache  und  Reim  nicht  der  geringste 
Unterschied  —  und  «s  handelt  sich  doch  um  dreihundert 
Verse.  Endlich,  was  besonders  merkwürdig  wäre,  müsste 
dieser  hinzugedichtete  Schluss  die  Schicksale  des  Ganzen: 
niederdeutsche  Abfassung  und  hochdeutsche  Bearbeitung  gleich- 
falls erfahren  haben.  Wenn  ein  Freund  Veldeke's  —  nur  ein 
solcher  ist  dann  als  Verfasser  denkbar  —  diese  Verse  gedichtet 
hat,  war  es  ein  Nieder-  oder  ein  Mitteldeutscher,  ein  Mastrichter 
oder  Eisenaoher?  Aber,  wendet  Heinzel  ein,  354,  2  scheidet 
sich  der  Autor  des  Schlusses  scharf  von  Heinrich  von  Veldeke, 
von  dem  er  bisher  gesprochen  und  nimmt  fiir  sich  nur  die 
Autorschaft  des  Schlusses  in  Anspruch  (cf.  S.  67.  353,  11. 12)- 

En.  354,  2    ich  habe  gesaget  rehte 

des  herm  fineft  geslehte    etc. 


H«iBrich  t.  ?eldeke  n.  d.  Gttnesis  der  romantischen  n.  heroischen  Kpik  nm  1190.      635 

Auf  den  ersten  Anblick  erscheint  dieser  Grund  unwiderleg- 
lich; genauere  Untersuchung  ergibt  das  Gegentheil;  im  Ser- 
vatius  sehen  wir  Veldeke  in  ganz  ähnlicher  Weise  schliessen : 
er  kann  kein  Ende  finden;  nachdem  das  Amen  längst  ange- 
bracht ist,  das  in  so  vielen  andern  Dichtungen  auch  Weltlicher 
das  Schlusswort  bildet,  nimmt  er  den  Faden  der  Erzählung 
noch  einmal  auf,  spricht  voa  sich,  kommt  wiederum  auf  den 
Gegenstand  zurück  —  und  das  am  Schlüsse  jeden  Buches 
(Serv.  1,  3224  Amen !,  3254  abermaliges  Amen !  '  2,  2883— 
2912  Schluss: 

dattet  OXIS  in  staden  stac 

ten  eweliken  lyve 

ende  ons  te  troeste  blyre 

2913—2919  Recapitulation  über  Servatius,  2320—2344  Namen 
und  Persönliches,  2375—2974  abermals  der  Name  und  Für- 
bitte). 

Es  ist  aber  ausser  dieser  Parallele,  die  uns  mit  der 
Manier  des  Dichters  bekannt  macht,  noch  ein  zwingender 
Grund  vorhanden,  Heinrich  die  Autorschaft  dieses  genealogi- 
schen Schlusses  nicht  zu  bestreiten.  Die  genaue  Vergleichung 
des  Textes  der  Eneit  mit  dem  roman  d'En^as  von  Benoit 
zeigt  denn  doch  neben  vielfachem  mechanischen  Zutappen 
auch  stellenweise  verständiges,  planvolles  Vorgehen.  So  hat 
Heinrich  das  Buchstabenspiel  mit  dem  Namen  Eneas,  das 
Benoit  der  Dido  beilegt,  für  die  Lavinia  aufgespart  (Pey, 
Wolfs  Jahrb.  2,  8);  ebenso  hat  er  die  Genealogie  und  einiges 
Detail  auf  den  Schluss  verschoben,  so  die  Stellen,  die  bei 
Vergil  und  Benoit  ungef&hr  Heinrichs  4.  Tausend  entsprechend 
erscheinen,  Pey  S.  1 1 : 

Süvius^  Albanum  iiomeii,  tua  posthuma  proles: 
Quem  tibi  longaevo  seruni  LaviniA  conjux 
Educet  »ilvM    etc. 

En  une  Hlve  ci  naistra 
Et  Silvius  k  nom  ara. 

£n.  108,  22     Silvios  sal  her  genant  sin 
da  obene  üf  der  erden 
und  sal  geboren  werden 
in  einer  wiltnisse. 


636  Muth 

Aber,  was  Pey  entgieng,  350;  2 

einen  sun  her  bi  ir  gewan, 

der  wart  geheizen  Silvioa 

nud  wart  in  neheone  h^ 

her  wart  in  einem  toalde  geboren. 

Das  ist  die  absichtlich  aufgesparte  Stelle:  wir  dürfen  also  die 
Autorschaft  des  Schlusses  niemandem  Andern  zuschreiben  als 
dem  Dichter  des  Ganzen  und  können  unsere  Folgerung  ohne 
weiteres  auf  den  Text  gründen. 

Betrachten  wir  genau  die  Verse  347,  13 — 348,  4,  die 
Schilderung  des  Mainzer  Festes;  ist  dieselbe,  wie  die  MeiBten 
annehmen,  unter  dem  frischen  Eindrucke  des  Ereignisses,  etwa 
gar  im  selben  Jahre  geschrieben  ?  Für  die  lebende  Generation 
reclamirt  er  die  Begebenheit: 

19     die  wir  selbe  flügen  (diu  hohsite) 
26    icb  wftne  alle  die  nÜ  leben 
deheine  gruzer  haben  gesehen. 

Aber  welchen  Sinn  hätten  die  Verse: 

34     ir  lebet  genüch  noch  hüte, 
diez  wizzen  wllrliche, 

wenn  nicht  seit  dem  Feste  g;eraume  Zeit,  so  lange  Zeit,  dass 
schon  Mancher  der  Theilnehmer  gestorben  ist,  verstrichen  wäre? 
Das  Fest  gehört  nach  diesen  und  den  folgenden  Versen  der 
Geschichte  und  der  Sage  an  —  wir  müssen  also  eine  möglichst 
lange  Zeit  seit  dem  Ereignisse  verflossen  denken ;  aber  ebenso 
der  Kaiser.  Wie  hier  von  Friedrich  Rothbart  gesprochen  ist, 
spricht  man  von  keinem  Lebenden.  Hier  hat  sich  der  Dichter 
zur  höchsten  Emphase  erhoben,  deren  er  überhaupt  fthig  ist: 

ez  wirt  noch  über  hundert  jär 
von  ime  gesaget  nnd  gescriben, 
daz  noch  allez  ist  beliben. 

Die  letzte  Zeile  ist  offenbar  corrumpirt;  in  W  fehlen  die 
Verse  1 — 5,  wodurch  der  folgende  348,  6  ohne  Reim  ist; 
eine  sichere  Emendation  weiss  ich  nicht:  wahrscheinlich  ge- 
hören zwei  Verse  fort  und  sind  4  und  6  zusammenzuziehen  zu 

fjfiw  rede  wcere  haz  helihm 

oder  einer  ähnlich  lautenden  Entschuldigung. 


Heiarich  t.  Yeldeke  n.  d.  Genesis  der  romantischen  n.  heroischen  Epik  um  1190.     637 

Beim  Lebenden  müsste  doch  vom  Schalten  und  Walten, 
nicht  vom  Fortleben  im  Gesänge  die  Rede  sein.  Die  hundert 
Jahre  sind  grosse  Zahl,  vgl. 

Roseng.  631  war  ez  daz  ans  gelange, 
her  n&ch  über  tasent  jär 
man  von  nns  seit  and  sänge. 

An  Barbarossa  hat  sich  allerdings  schon  bei  Lebzeiten  eine 
Vagantenpoesie  geknüpft,  aber  die  kann  doch  hier  der  Dichter 
unmöglich  im  Sinne  haben;  was  er  meint,  ist  die  Dankbarkeit 
der  Nachwelt  und  der  Nachruhm.  Da  wir  überdies  die  Stelle 
möglichst  lange  nach  1184  ansetzen  sollen,  hindert  uns  nichts, 
dieselbe,  wie  der  Wortlaut  mit  zwingender  Gewalt  fordert, 
nach  dem  Tode  Friedrichs  gedichtet  zu  erklären;  es  erklärt 
die  bei  Heinrich  ungewöhnliche  Wärme,  wenn  wir  annehmen, 
dass  selbe  unter  dem  frischen  Eindrucke  der  Todeskunde  ge- 
dichtet ist.  1 

Kaiser  Friedrich  L  ertrank  im  Kalykadnos  am  10.  Juni 
1190.  Nach  Deutschland  gelangte  eine  derartige  Nachricht 
etwa  in  Monatsfrist,  also  im  Juli.  Sie  machte  den  tiefsten 
Eindruck.  Wie  der  alte  Rothbart  vielfach  für  verschwunden, 
entrückt  galt,  ist  bekannt.  Ich  hebe  hier,  um  diesen  Eindruck 
zu  beweisen,  eine  Stelle  aus  einem  Gedichte  des  XIII.  Jahr- 
hunderts über  den  Kaiser  heraus,  wo  von  ihm  ganz  Aehnliches 
gesagt  wird,  wie  in  einer  Recension  der  Klage  von  Etzel 
(Einltg.  ind.  Niblied.  S.  167  f.)  J.  Grimm,  Ged.  d.  MA.  auf 
Friedrich  I.  den  Staufen,  KlSchr.  3,  90: 

Also  ward  der  hochgepom 
keiser  Friderich  do  verlorn, 


'  Wenn  man  wissen  will,  wie  ein  mittelalterlicher,  höfischer  Dichter  vom 
lebenden  Fürsten  spricht,  wie  da  stets  das  Gefühl  der  Ehrfurcht  vor  dem 
der    Begeistemng   vorwiegt,   auch   wo  gepriesen   werden    soll,    der    lese 

—  and  am  wie  Vieles  ist  sonst  Wolfram  leidenschaftlicher  als  Heinrich  I 

-  WiUehahBi  393,  30 

du  der  keiser  Otte 

ze  Rome  triioc  die  krdne, 

kom  der  also  schone 

gevaren  nÄch  siner  wihe, 

minc  volge  ich  darzno  lihe 

daz  ich  im  gihe  des  weere  genaoc. 


638  Mnth. 

wo  er  dar  luich  ye  hin  kam, 

ob  er  den  end  da  nam, 

das  kund  nyeman  ges&geu  mir, 

oder  ob  yne  die  wilden  tir 

vreosen  habn  oder  zerissen. 

es  kan  die  warheit  nyemand  wissen 

oder  ob  er  noch  lebentig  si? 

So  unter  dem  frischen  Eindrucke  der  Todeskunde,  die 
so  jäh  und  überraschend  kam,  beschioss  Heinrich  dem  Kaiser 
und  seinem  Glänze  dies  Denkmal  zu  setzen,  obwohl  es  mit 
dem  Stoffe  in  gar  keinem  Zusammenhange  stellt^  und  auch  die 
Persönlichkeit  einzuflechten  kein  Anlass  vorhanden  war.  ^ 

Wir  haben  nämlich  auch  einen  sicheren  terminus  ad  quem, 
von  dem  bisher  nur  niemals  Gebrauch  gemacht  wurde,  weil 
man  sich  scheute,  die  Vollendung  der  Eneit  später  anzusetzen 
als  ca.  1188. 

Man  kennt  die  Genauigkeit,  ja  Aengstlichkeit  der  mittel 
alterlichen  Dichter  in  der  Titulatur;  jedem  den  gebührendeo 
Ilang,  auch  in  der  Ansprache,  zu  lassen,  ist  eine  der  ersten 
Forderungen  höfischer  Zucht. 

Nun  erscheint  hier  der  spätere  Landgraf  Hermann  von 
Thüringen,  noch  als  Pfalzgraf  von  Sachsen,  was  er  von  11*^ 
an  war,  bis  er  seinem  Bruder  Ludwig  succedirte. 

Ludwig  starb  auf  Cypern  am  16.  oder  26.  October  lli^J 
(Vn.  vel  XVIL  cal.  Nov.  —  Wilken,  Kreuzz.  4,  287,  89);  die 
Nachricht  gelangte  nach  Deutschland  im  Spätherbst,  wohl  noch 
vor  Weihnachten. 

Nach  dem  Eintreffen  der  Nachricht  vom  Tode  des  Kaisers 
und  vor  der  Kunde  von  dem  Ende  des  Landgrafen  hat  Hein- 
rich von  Veldeke  seine  Eneit  vollendet.    Das  war  also  in  der 
zweiten  Hälfte   des   Jahres  1190,    in    den  Monaten  August  bis 
^ 

1  Die  hier  ausgesprochene  Meinung  hat  vorlängst,  wie  ich  erst  nach- 
träglich, aber  zu  grosser  Freude  sehe,  Uhland  Schriften  2,  104  fg.  aas- 
gesprochen. Namentlich  Müllenhoff  gegenüber  ist  Uhlands  Ansicht 
wichtig  in  einer  Sache,  wo  feines  Qefühl  entscheidend  ist;  und  Ufalaiid 
sagt  S.  104:  ,üie  angeführten  Worte  der  Aeneis  (347,  13  f.)  sprechen 
von  dem  Feste  zu  Mainz  als  einer  längst  vergangenen  Sacfa^'- 
Darum  rückt  er  das  Epos  möglichst  weit  ab  vom  Jahre  1184,  gewiimt 
aber  den  terminus  ad  quem  durch  die  Benennung  Hermanns  als  P&If^raf. 


Hdorich  T.  Yeldeke  n.  d.  Oenesis  der  romantischen  n.  heroischen  Epik  van  1190,      639 

November;  denn  das  Gedicht  ist  noch  dem  Pfalzgrafen  Her- 
mann überreicht. 

Prüfen  wir,,  inwieferne  die  übrigen  Daten  dazu  stimmen; 
das  Resultat  ist  ein  völlig  befriedigendes.  Nur  so  erhalten 
wir  einen  möglichst  grossen  Abstand  vom  Servatius. 

Die  Hochzeit  der  Gräfin  von  Cleve,  bei  der  Heinrich  von 
Schwarzburg  (f  1183)  das  Buch  entwendete,  war  1181;  wenn 
Veldeke  aus  der  Alexander-Bearbeitung  entlehnte,  war  diese 
1181  schon  vollendet;  Friedrich  von  Hausen  konnte  1187/8 
nur  die  erste  Hälfte  des  Gedichtes  kennen  lernen.  Nehmen 
wir  aber  einen  Spielraum  von  etwa  einem  Jahre  für  den 
Dichter  als  Abfassungszeit  in  Anspruch,  so  dass  er  1189  das 
Buch  zurückerhalten  hätte,  so  erhöhen  sich  dem  entsprechend 
die  Fristen:  die  Hochzeit  wäre  sonach  bereits  1180  zu  setzen. 

In  der  That:  sofort  in  den  Neunziger  Jahren  häufen  sich 
die  Zeugnisse  för  den  Meister  und  sein  Werk;  im  voraus- 
gehenden Decennium  würden  wir  vergebens  forschen. 

II.  Verbreitung  und  Wirkung. 

Beinahe  kein  einziger  grosser  Dichter  der  nächsten  Folge- 
zeit, der  nicht  Heinrichs  von  Veldeke  in  seinen  Epen  gedächte, 
sei  es  in  persönlicher,  unmittelbarer  Anspielung,  sei  ^  in 
sachlicher  Beziehung  auf  den  Inhalt  seines  Werkes. 

Weitaus  das  wichtigste  Zeugniss  scheint  mir  das  Hart- 
manns  im  Erec.  In  der  bekannten  Schilderung  des  Pracht- 
(jereites  nimmt  er  Anlass,  auf  die  Fabel  der  Eneit  zu  kommen, 
und  zeigt  unzweifelhafte  Bekanntschaft  mit  Heinrichs  Gedicht. 
Auf  dem  gereite  war  dargestellt  dctz  lange  liet  von  Troyä^  von 
dessen  Inhalt  er  uns  aber  nichts  mittheilt;  er  scheint  keine 
deutsche  Dichtung  gekannt  zu  haben,  wenn  auch  die  Worte 
Herboiis  von  Fritslar  im  Eingange  seines  Gedichtes,  der  nicht 
neben  dem  lateinischen,  welschen  und  ursprünglichen  griechi- 
schen Epos  als  fünftes  Rad,  sondern  als  viertes  angesehen  zu 
Werden  hofft,  doch  nur  den  Sinn  haben  können,  dass  er  eine 
ältere,  wahrscheinlich  im  Stile  des  Alexander  gehaltene  und 
darum  veraltete  Dichtung  zu  überbieten  hoffe.  (Herb.  79 — 83. 
60  f.)  Auch  dem  Dichter  des  Moriz  von  Craon  ist  ein  Tro- 
janerepoB  in  deutscher  Sprache  vorgelegen  und  ich  weiss  nicht. 


640  Math. 

ob  dieses  kleine  vorsügliche  Gedicht  jünger  oder  älter  ist  als 
Herborts  liet  von  Troye;  jedenfalls  verschweigt  er  im  ersteren 
Falle  aus  unbegreiflichem  Grunde  den  Nameu;  während  er 
doch  selbst  Dares  nennt  V.  37  f.^  nach  Ansicht  der  Zeit  den 
Hauptgewährsmann.  Der  Name  des  Dichters  jenen  2ciFijen 
Uedes  scheint  unbekannt  geblieben  zu  sein^  sonst  würde  er  bei 
der  Ueberlieferung  von  so  verschiedener  Seite  wohl  auch  ein- 
mal genannt  sein;  dass  Veldeke's  Eneit  nicht,  wie  man  ihres 
abgerissenen,  stillosen  Beginnes  halber  wohl  meinte,  bestimmt 
war,  an  ein  anderes  Buch  anzuschliessen,  steht  jetzt  fest,  seit 
man  weiss,  dass  dieser  ungewöhnliche  Anfang  sich  eng  anlehnt 
an  die  französische  Vorlage,  die  allerdings  in  gewissem  Sinne 
und  auch  in  der  Handschrift  als  Fortsetzung  eines  Trojaner- 
krieges von  Benoit  erscheint.  Die  Eneit  hat  nun  Hartmann 
so  sicher  gelesen,  als  es  ungewiss  ist,  dass  er  von  jenem  pro- 
blematischen Epos  mehr  als  den  Namen  kannte;  bei  dem  hohea 
Alter  des  Ereo,  der  —  ich  folge  in  der  Datirung  der  Werke 
Hartmanns  der  Anordnung  Naumanns,  so  weit  dieselbe  nicht 
in  diesem  Aufsatze  selbst  berichtigt  wird  —  um  1192,  ganz 
sicher  im  Beginne  der  Neunziger  Jahre  entstanden  ist,  ist  es 
nun  von  höchster  Wichtigkeit,  dass  Hartmann  nicht  etwa,  wie 
Friedrich  von  Hausen  nur  den  ersten,  wider  Willen  des  Dich- 
ters verbreiteten  Theil,  sondern  das  ganze,  erst  zum  Schlüsse 
des  Jahres  1190  vollendete  Werk  kannte.  Er  erzählt  die  Be- 
gebenheiten in  ihrer  Folge: 

Erec.  7552     d&  engegen  ergrabou  was 
wie  der  herre  Eaeas, 
der  yU  listige  man, 
über  se  fuor  von  dan, 
und  wier  ze  KartÄgo  kam, 
und  wie  in  in  ir  gnAde  nam 
diu  riche  frouwe  Didö, 
unde  wie  er  si  do 
7560    vil  ungeselleclichen  liez 

und  leiste  ir  nicht  des  er  gehies: 
8U8  wart  diu  frouwe  betrogen, 
an  dem  hintern  satelbog^n 
86  was  einhalp  ergraben, 
ir  vil  starkes  missehaben 
und  wie  si  im  boten  sande, 
swie  lütsel  si  ins  erwande, 


Heinrich  t.  Yeldeke  o.  d.  GeneBis  der  romantisclien  u.  beroiacken  Epik  nm  1190.      641 

besoheidenliche  Btuont  hie, 

swaz  er  dinges  begie« 
7570    daz  sagebsere  wesen  xnac, 

von  der  zit  unz  an  den  tac 

daz  er  Lanrente  betwanc, 

daz  wier  ze  sagenne  ze  lanc 

wi  ers  in  stnen  gwalt  gewan. 

jenhalp  stuont  daz  an 

wie  er  die  frowen  Laviniam 

ze  elichem  wibe  nam 

nnd  wie  da  ze  lande  was 

gewalteger  h^rre  flneaa 
7580    An  alle  misse  wende 

unz  an  sines  libes  ende 

Kein  Wort,  keine  Thatsache,  die  nicht  der  Veldekischen  Eneide 
entnommen  wäre;  die  Anordnung  recapitulirt  mit  jener  etwas 
breiten  Behaglichkeit,  die  Hartmann  im  Erec  noch  nicht 
überwunden  bat,  aber  auch  mit  sehr  sicherem  Tacte  die  Haupt- 
punkte der  Handlung:  in  der  That  das  Interessanteste  und 
Wichtigste.  Der  Schluss  aber  ist  eine  Reminiscenz  an  die 
Schlussverse  Heinrichs  von  Veldeke,  die  zugleich  gegenüber 
der  hier  läppischen  Entstellung  in  W  (s.  u.)  gesichert  werden : 

En.  354,  37     als  is  ez  welscb  und  latln 
äne  missewende. 
hie  si  der  rede  ein  ende.  ^ 

Man  sieht,  Hartmann  steht  unter  dem  frischen  Einflüsse  eben 
genossener  Lecture;  wichtig  wäre  es  zu  wissen,  ob  er  damals 
die  ganze  Eneit  auf  einmal  erst  habe  kennen  gelernt  oder  ob 
der  erste  Theil  schon  früher,  noch  als  Torso,  nach  Schwaben 
gedrungen?  Kur  in  dem  letzteren,  gar  nicht  erweislichen 
Falle  —  den  Basler  Alexander  möge  man  nicht  als  Argument 
gebrauchen:  Rödiger,  Auz.  1,  78  ist  nicht  zu  widerlegen  — 
wäre  der  Nachruhm,  den  Heinrich  seit  Gottfried  genossen, 
wenigstens  einigermaassen  verdient. 

Bei  Erörterung  der  Frage  nun,  inwiefeme  die  hohe  Ansicht 
der  nächsten  Epigonen  von  Veldeke  nicht  auf  einer  der  knapp 


'  Dass  missewende  an  beiden  Stellen  wesentlich  verschiedenen  Sinn  hat, 
scheint  mir  nicht  von  besonderem  Belang:  das  ist  eben  das  Wesen  der 
Reminiscenz,  dass  sie  an  Aeusserlichkeiten  haftet. 


642  Moth. 

vorhergehenden  älteren  Epik  gegenüber  nicht  ganz  unbewussten 
Ueberschätzung  beruhe,  müssen  wir  auf  die  Vorfrage  ebgehen, 
in  welcher  Mundart  Heinrich  von  Veldeke  gedichtet  habe? 
Hinsichtlich  des  Servatius  ist  keine  Discussion  nothwendig; 
den  hat  er  in  der  Sprache  seiner  Jugend  und  Heimat  abge- 
fasst.  In  Bezug  auf  die  Lieder  und  die  Eneit  war  man  stets 
in  zwei  Lager  getheilt.  Grimm  hat  Gramm.  1,  453  f.  die 
Frage  übersichtlich  erörtert:  hat  Heinrich  niederdeutsch  ge- 
dichtet und  ist  sein  Werk  ins  hoch-  (mittel-)  deutsche  umge- 
schrieben worden  oder  hat  er  hochdeutsch  mit  Dialekteigen- 
thümlichkeiten  geschrieben?  Aber  die  Gründe,  die  Grimin 
mit  peinlicher  Gewissenhaftigkeit  und  Objectivitat  auch  für 
die  letztere  Ansicht  geltend  gemacht,  dass  hochdeutsch  damak 
schon  Hof-  und  Litteratursprache  war  (MSD.^  XXVHI) ;  dass 
keine  rein  niederdeutsche  Handschrift  vorhanden  ist;  dsss 
die  Reimgenauigkeit  eine  übergrosse  ist^  wenn  man  nieder- 
deutsche Abfassung  annimmt,  gegenüber  seinen  Vorgängern; 
dass  hochdeutsche  Einflüsse  unverkennbar  seien;  lassen  sich 
nicht  nur  sammt  und  sonders  widerlegen,  sondern  auch  durch 
Gründe  für  die  andere  Ansicht  völlig  abweisen.  Veldeke  hat 
seinen  Servatius  niederdeutsch  gedichtet;  niederdeutsche  Ele- 
mente drangen  damals  selbst  in  die  höfische  Umgangssprache^ 
es  galt  fUr  vornehm  zu  vlcemen;  ich  erinnere  an  die  Stelle  aus 
Meier  Helmbrecht,  also  Decennien  später  zur  Zeit  der  unbe- 
dingtesten Herrschaft  der  stauiischen  Hofsprache,  wie  Helm- 
brecht (ed.  Lambel)  die  Schwester  susterkindekSn  (717),  den 
Vater  ,e^  %oaz  sakent  ir  gebürtkinP  (764)  anspricht,  so  dass 
der  Knecht,  A.qv  friman,  von  ihm  sagt: 

744     als  ich  vou  im  veniomen  h&n, 
so  izt  er  se  Sahseu 
od  ze  Brabant  gewahseu: 
er  sprach  ,Uebe  susterkindekin' ; 
er  mac  wol  ein  Sahse  sin. 

Der  Gang,  den  die  romantische  Dichtung  einschlug,  führte  sie 
rheinaufwärts :  es  heisst  die  Verhältnisse  auf  den  Kopf  stellen, 
wenn  man  meinte,  Heinrich  habe  hochdeutsche  Poesie  nach  Lim- 
burg getragen;  aber  es  liegt  ganz  im  Charakter  der  damaligen 
Gesellschaft,  die  in  Anerkennung  der  Ueberlegenheit  der  nieder- 
rheinischen  Ritterschaft  an  courtoisem  Wesen  eine  niederdeutsche 


Heinrich  t.  Yeldeke  n.  d.  OenMis  der  romantiiiehen  q.  keroischen  Epik  am  1190.      643 

Dichtung  durchaus  vornehm  finden  musste,  sich  selbst  Schwie- 
rigkeiten gefallen  zu  lassen ;  und  so  weit  diese  unüberwindlich 
schienen^  trat  eben  die  Bearbeitung  durch  die  Schreiber  ein, 
die  der  Dichter  bitter  genug  beklagt  —  denn  keinen  anderen 
Sinn  können  die  oft  citirten  Worte  haben: 

353,  11    da  wart  daz  m&re  dft  gescriben 
ander»  dan  obz  im  war  bliben. 

Die  Bearbeitung  liess  des  Niederdeutschen  genug  übrig,  um 
den  vornehmen  Charakter  nicht  zu  zerstören;  und  mag  uns 
heute  Manches,  was  natürlich  und  ungezwungen  aus  des  Dich- 
ters Munde  kam,  in  der  ins  Hochdeutsche  umgeschriebenen 
Fassung  manirirt  und  gewagt  erscheinen,  dem  Geschmacke  der 
damaligen  Zeit  sagte  es  so  und  gerade  so  zu.  Daher  aber  auch 
der  Mangel  einer  niederdeutschen  Handschrift;  nur  Heinrichs 
Autograph  war  niederdeutsch,  verbreitet  wurde  die  thüringische 
—  wir  sollten  schärfer  immer  sagen :  mitteldeutsche  Fassung. 
Und  wie  hätte  anders  Heinrich,  als  der  Vater  der  höfischen 
Epik,  erscheinen  können,  wenn  er  nicht  die  höchste  Reim- 
genauigkeit besässe.  In  1000  Versen  aus  der  Mitte  des  Werkes 
Bind  4  in  irgend  einer  Beziehung  anstössige  Reime  —  bei  An- 
legung des  strengsten  Maassstabes,  der  nicht  die  geringste 
mundartliche  oder  andere  Freiheit  duldet  — ,  also  nicht  einmal 
V2  Procent.  Legen  wir  aber  an  dieselben  1000  Verse  den 
Maassstab  eines  hochdeutschen  Gedichtes,  so  haben  wir  eine 
Fehlerzahl  von  36  Procent!  Um  nun  zu  zeigen,  welche  Ge- 
nauigkeit damals  herrschte  (Walther  bringt  es  noch  unter  ^2  P^^' 
Cent,  die  Nibelunge  auf  1  Procent  Fehlerzahl),  ziehe  ich  zum 
Vergleiche  einen  anderen  höfischen  Epiker  an,  Wolfram.  Ich 
habe  3000  Verse  von  Wolfram  auf  die  Reimgenauigkeit  ge- 
prüft, das  2.  und  21.  Tausend  des  Parzivals  und  das  7.  Tau- 
send des  Willehalms.  Wir  müssen  nun  unterscheiden  zwischen 
solchen  Verstössen  und  Freiheiten,  die  immer  und  überall  als 
Fehler  gelten  würden  und  zwischen  Unregelmässigkeiten,  deren 
Quelle  die  Mundart  ist,  und  von  denen  endlich  manche  so  zur 
allgemeinen  Gewohnheit  werden  (so  auf  bairisch- österreichi- 
schem Gebiete,  aber  beim  Franken  Wolfram  so  gut  als  in  den 
Nibelungen,  der  Reim  an  :  an),  -dass  man  sie  nicht  mehr  als 
fehlerhaft,  sondern  als  landläufig   richtig  aufzufassen  hat.     Ich 

SHiufsber.  d.  phU.-hkl.  Cl.  XCV.  Bd.  UI.  Hft.  42 


644  Mvtii. 

stelle  also  zuvörderst  dar,  wie  viele  Fehler  Wolfram  b^ht 
bei  strengstem  Maasse ;  wie  viele  davon  auf  dialektische  Eigen- 
thümlichkeiten  kommen  (naht :  hrdht,  nach  :  aach,  mir  :  Oagehitr^ 
hörte  :  worte,  nuo  :  zuo,  das  häufige  —  4  Hai  in  500  Reim- 
paaren —  8un  :  tuan)  und  ziehe  vorweg  noch  die  Fälle  an :  d» 
besonders  ab. 


alles  dialek- 

■lao 

Fehler 

an :  an  ab 

tische  ab 

Dialektfebler 

Im  2. 

Tausend  (Pz.) 

3-6«/o 

l-20/o 

0-B% 

2-8% 

„21. 

»            » 

2-8  „ 

2    „ 

0-4  „ 

2-4  „ 

.   7. 

r,           (W.) 

1-5  „ 

0-8  „ 

0-6  „ 

0-9, 

Also  ein  Dichter,  der  zu  den  Meistern  schon  bei  Lebzeiten  ge- 
zählt wurde,   der  aber  andrerseits  so  .frei  verfahrt,  dass  er  ab 
und  zu   einen  Reim  wie  gäbe  :  möge  nicht   scheut,    emancipirt 
sich   zwar   immer  mehr  von    der  Herrschaft   seiner  Mundart; 
während  aber   die  Zahl  jener  Freiheiten,    die  er  sich  erlaubt, 
äusserst  gering  ist,   kann   er  • —  man  vergesse   übrigens  nicht, 
dass    ein  Mann,    der  nicht  lesen   kann,    nothgedrungen  mehr 
unter  dem  Drucke  des  gesprochenen  Wortes  steht,  als  ein  so- 
derer  —  die  landschaftlichen  Eigenheiten  nie  ganz  überwinden. 
So  ist  es  denn  ganz  natürlich,  dass  auch  Veldeke  im  Tone  der 
Heimat  dichtete,  und  eine  Genauigkeitsgrenze  von  0*5  Procent 
erscheint  nicht  zu  hoch  bei  einem  Manne,  der  als  Muster  gilt, 
was  doch  Wolfram,  trotz  einem  Exponenten  von  06  Procent, 
also  nicht  viel  ungünstiger  als  Veldeke,  hinsichtlich  der  Form 
niemals  war.  Entscheidend  wie  diese  Verhäitnisszahlen  —  denn 
mit   einem   Ansätze   von   35  Procent  Reimfehlem  kämen  wir, 
wie  jeder  sehen  muss,   über  die  Trierer  Stücke  zurück  —  ist 
auch   der  Umstand,   dass,   während   so   viele  Reimpaare  hoch- 
deutsch  ungenau,    niederdeutsch   genau    sind,    für  den  umge- 
kehrten Fall  beinahe  kein  Beispiel  aufzutreiben  ist,  was  denn 
doch   der  Fall   sein  müsste,   wenn  der  Dichter  sich  der  hoch- 
deutschen  Sprache   bedient   hätte,   da  ja  das  Verhältniss  der 
beiden  Mundarten  ein  constantes  ist.    Das  einzige  sichere  Bei- 
spiel, das  Grimm  beibringt,  betrifft  ein  ganz  vereinzeltes  Wort: 
wiz  :  vernizj  woraus  nd.  t^t :  vemiZf  also  eine  richtige  Assonanz; 
ebenso  7W»t2m  :  tun  (md.) ;  dass  ei  :  twei  zulässig,  gibt  Grimm 
selbst   zu   —   und   das   sind  alle   bedenkliche  Fälle  in  nahezu 
7000  Reimpaaren! 


Haiarieh  r.  Yeldeka  n.  d.  OeneRis  der  xomtatischeii  n.  heroiiohan  Epik  nm  1190.      645 

Die  AbfaBBung  der  Eneit  in  niederdeutscher  Sprache  ist 
also  m  unseren  Augen  eine  feststehende  Thatsache  und  dieser 
Annahme  wird  Jeder  beipflichten  müssen,  der  nicht  den  Ein- 
flusB  Veldeke's  auf  seine  Zeitgenossen  ganz  leugnet.  Und  das 
ist  doch  noch  Niemandem  beigefallen,  weil  es  ja  leider  nicht 
einmal  noch  irgend  ein  Kritiker  oder  Litterarhistoriker  der  Mühe 
werth  gefunden  hat;  zu  prüfen,  inwieweit  die  überschwänglichen 
Ausdrücke  der  höfischen  Epiker  den  Thatsachen  entsprechen. 

Nur  durch  sein  Alter,  ^  sonst  weder  durch  Form  noch  In- 
halt kann  Herborts  Lob,  eigentlich  eine  nackte  litterarische 
Angabe,  unsere  Aufmerksamkeit  erregen ;  denn  es  mangelt  uns 
jeder  Anhaltspunkt  fUr  die  genauere  Zeitbestimmung  des  liedes 
wm  Troyi;  und  so  wäre  es  denn  möglich,  ja  ich  halte  es  sogar 
für  wahrscheinlich,  dass  es  noch  im  Xu.  Jahrhunderte  abge- 
fasst  ist,  weil  Herbort  im  Auftrage  des  Landgrafen  dichtete  und 
dieser  bei  stets  gesteigerter  Kenntniss  und  Verständniss  dieses 
Gebietes,  umgeben  von  den  Koryphäen  der  Litteratur,  in  späteren 
Jahren  kaum  mehr  auf  einen  so  ungelenken  Poeten  verfallen  und 
von  solcher  Lösung  seiner  Aufgabe,  wie  sie  hier  vorliegt,  neben 
Walthers  Liedern  und  Wolframs  Büchern  auch  wohl  wenig  be- 
friedigt gewesen  wäre.  QehÖrt  Herbort  schon  einmal  unzweifel- 
haft in  das  classische  Zeitalter,  so  gebührt  ihm  doch  sein  Platz 
noch  zu  Beginne  desselben.  Die  Stelle  über  Heinrichs  Eneit  lautet: 

lietvTr.  17379    £n^  vuor  dannoch  sider 

manig«n  tac  vür  sich; 
von  Veldiche^  meister  Heinrich 
hat  an  stme  bnoche  gelart 
▼on  En^as  vart, 

wfi  er  unde  di  stnen  hin  karten, 
sie  hüben  ze  Lamparten. 

Nach  diesem  ist  kein  anderes  Zeugniss  mehr  durch  sein  Alter 
wichtig ;  der  Zeit  nach  folgt  von  den  Autoren,  die  des  Meisters 

1  Undatierbar,  wohl  anf  Kenntniss  der  Veldekischen  Eneit  beruhend,  ist  die 
Erw&hnnng  Turnus^  und  der  Lavinia  bei  Uolrich  von  Gtiotenburc  MSF. 
77,  12—19. 

^  Frommanns  Ausgabe  ist  nur  Abdruck  einer  Handschrift.  Die  letzten  drei 
Verse  müssen  etwa  gelautet  haben: 

,  von  fipeas  und  der  sinen  vart, 

w&  st  hin  karten:  ' 

sie  bliben  ze  Lamparten. 

42* 


646  Mnth. 

£r wähnung  thun  (doch  vgl.  S.  660),  Wolfram^  der  an  nicht 
weniger  als  drei  SteUen  Heinricha,  und  zwar  als  eines  —  man 
sollte  meinen  kürzlich  (um  1206)  —  Verstorbenen  gedenkt 
Er  spricht  die  Frau  Minne  an: 

Pars.  292,  18    hör  Heinrich  ron  Veldeke  stnen  boom 

mit  konst  gein  iwerm  arde  maz: 
het  er  uns  do  bescheiden  hai 
wie  man  inch  süle  behalten! 
er  hftt  her  dan  gespalten 
wie  man  inch  sol  erwerben. 

Eis  ist  sehr  bemerkenswerth,  wie  Wolfram  seinen  Vorgänger 
auffasst;  er  ist  ihm,  so  zu  sagen,  ein  Meister  der  Minne,  die 
er  mit  seiner  Kunst  zu  beherrschen,  zu  bewältigen  Buchte, 
wobei  aber  auch  ihm  nur  gelang  zu  sagen,  wie  man  Liebe 
erwerbe,  nicht  wie  man  sie  behaupte  (die  Antwort  könnte  ein- 
fach scheinen:  durch  Treue;  aber  Wolfram  meint  hier  die 
Fähigkeit,  immer  wieder  Gegenliebe  zu  finden,  also  etwa,  was 
wir  Liebenswürdigkeit  nennen  und  der  höfische  Dichter  ge- 
nauer als  den  wünsch  von  minnen  bezeichnen  würde)?  Diese 
Stelle  war  aus  dem  VI.  Buche;  der  Satz  steht  im  hypotheti- 
schen Falle  vom  Gegen theil  der  Wirklichkeit,  nicht:  würde 
er  oder  wollte  er  doch  so  thun,  sondern  hätte  er  doch  gethan; 
also  wohl  nach  Heinrichs  Lebzeiten  verfasst;  dies  wird  desto 
wahrscheinlicher,  als  im  VIIL  Buche  ausdrücklich  und  ohne 
besondere  Veranlassung  des  Dichters  Tod  beklagt  wird.  Nach 
dem  Lobe   der   schönen  Antikonie  sagt  Wolfram  schmerzlich: 

404,  28    owS  daz  so  fmo  erstarp 

von  Veldeke  der  wiiie  man! 
der  künde  se  bas  gelobet  hfin. 

80  fruo  kann  sich  nur  auf  die  Zeit  im  Allgemeinen  —  also  zu 
früh  für  die  Kunst  und  seine  Freunde  —  beziehen,  denn  Vel- 
deke sagt  von  sich  selbst: 

MSF.  62,  11     Man  seit  al  ffir  w&r, 

na  manic  jAr 

din  wip  haEsen  grawes  h&r. 
daz  ist  mir  swftr 

18     Din  mS  noch  diu  min, 
daz  ich  grd  birif 
ich  hazze  an  wiben  kranken  sin 


Heiflrich  r.  Yeldeke  n.  d.  Oenesis  der  rornftutlBchen  o.  heroüchen  Epik  nm  1190.      647 

and  überdies  sehen  wir  ihn  wenigstens  ein  Mensehenalter  lang 
in  poetischer  Thätigkeit.  Aehnlich  wie  bei  Antikonie  knüpft 
Wolfram  an  einer  Stelle  des  Willehalm  an,  indem  er  seine 
eigene  UnvoUkommenheit  gegenüber  dem  todten  Meister  be- 
klagty  dem  er  hier  ausdrücklich  diesen  Titel  gibt: 

76,  22    Bold  ich  gar  in  allen  wis 
von  ir  zimierde  sagen, 
80  müese  ich  minen  meinter  klagen 
▼on  Veldeke:  der  kundez  baz. 
der  wffire  der  witze  onch  nicht  86  laz, 
er  nand  in  baz  denne  al  min  sin, 
wie  des  iewedem  friwendin 
mit  spsecheit  an  si  leite  kost. 

Es  liegt  eine  ungewöhnliche  Wärme  in  dieser  dreimaligen 
Klage,  und  man  darf  sich  mit  Recht  fragen,  ob  da  nicht  per- 
sönliche Motive,  zarte  Rücksichten  bestimmend  sein  mochten: 
es  mag  zum  guten  Tone  am  Thüringer  Hofe  gehört  haben,  wie 
am  österreichischen  um  Reinmar,  dem  gar  sein  persönlicher 
Feind  nachsingen  muss,  so  hier  um  Veldeke  zu  klagen.  Durch 
die  Gräfin  von  Cleve  schon  längst  an  den  Thüringer  Hof  ge- 
zogen, war  er  unter  allen  Umständen  bereits  ein  Gast  des- 
selben in  Hermanns  jungen  Tagen,  und  da  liegt  die  Vermuthung 
nahe,  dass  der  Mann,  der  ihm  später  durch  die  Wahl  seiner 
Gemahlin  vielleicht  noch  näher  trat  —  man  erinnere  sich,  dass 
Agnez  von  Loz  Sophiens  Mutter  war  — ,  der  nach  aussen  als 
der  Vater  der  höfischen  Epik  galt,  in  dem  jungen  Fürsten 
jene  Neigung  für  romantische  Dichtung  weckte,  die  ihn,  indem 
er  immer  wieder  mit  seinen  Mitteln  und  Verbindungen  eintritt, 
als  den  Hauptförderer  der  neuen  Richtung  erscheinen  lässt. 

Die  wichtigste  Stelle  für  Veldeke  und  seinen  Ruhm 
bleibt  aber  immer  Gottfrieds  bekanntes  geflügeltes  Wort:  en* 
impete  daz  erste  ris  in  tiutescher  zungen  (Trist.  4736).  Er 
fugt  bei: 

4733    ine  hftn  sin  selbe  niht  gesehen; 

nü  hoere  ich  aber  die  besten  jehen, 

die  d6  bi  sinen  jftren 

nnd  tU  her  meister  wären    n.  s.  f. 

Sein  Tod  wird  also  als  lang  verstrichen  bezeichnet:  wenn  wir 
selbst   annehmen,    dass    er    ein    hohes   Alter    erreicht,    hat   er 


648  Mntb. 

keinesfalls   die  Grenzscheide   des  Jahrhundertes,   wenn  er  ne 
überhaupt  erlebt  hat,  weit  überschritten. 

Nüchtemeri  kürzer,  trockener,  aber  daher  auch  richtiger^ 
drückt  sich  Rudolf  von  Ems  aus  im  Alexander;  er  nennt  ihn: 

von  Veldeke  den  wiaen  man        (=  Pars.  404,  29)^ 
der  rehte  rime  allererste  began. 

Im  Willehalm  geht  er  nicht  über  eine  allgemeine  Phrase  hin- 
aus; er  heisst  ihn: 

von  Veldeke,  den  wisen, 
der  in  wol  knnde  prSaen 
lobeliehin  m»re. 

Auffallend  ist,  dass  ihn  Heinrich  von  Türlin  nicht  nennt,  der 
einzige,  der  in  seiner  litterarischen  Stelle  einen  älteren  Dichter 
beibringt :  Dietmar  von  Aist.  ^ 

Das  Ansehen,  das  Veldekes  Name  genoss,  gründete  sich 
aber  dennoch  nach  meiner  Ansicht  auf  den  rein  negativen 
Umstand,  dass  man  ältere  Dichtungen  nicht  kannte,  oder  rich- 
tiger, nicht  kennen  mochte,  nicht  gelten  Hess.  Ihn  den  Vater 
der  höfischen  Epik  noch  heute  zu  nennen  oder  gar  anzunehmen, 
dass  von  ihm  ein  epochemachender  Einfluss  ausgegangen,  gebt 
zu  weit.  Nicht  einmal  Wolfram  hat  Recht,  wenn  seine  An- 
spielungen dahin  richtig  erklärt  sind,  dass  er  in  Veldeke  den 
ersten  Dichter  sah,  der  höfische  Minne  in  courtoiser  Form  in 
die  deutsche  Epik  —  wenn  auch  nach  französischem  Master 
—  einführte.     Die   Hauptstelle    lehnt    sich    eng   an   £il- 

*  Nicht  ohne  Interesse  ist  auch  die  Art  nnd  Weise,  wie  Wirnt  im  Wiga- 
lois  der  Eneit  Erwähnung  thut,  weil  sie  zeigt,  dass  die  Lecture  diesei 
Werkes  wirklich  ssnm  gnten  Tone  in  der  damaligen  Gesellschaft  gehorte: 
Wig.  73,  6     des  küneges  tocliter  von  Persift, 

diu  saz  in  ir  gezelte  dft 

mit  fröuden,  als  ir  site  was. 

ein  schceniu  maget  vor  ir  las 

an  einem  buoche  ein  msere, 

wie  Troye  zerftieret  wsere 

nnd  wie  jsemerliche 

fln^s  der  rtche 

sich  dannen  stal  mit  sinem  her 

vor  den  Kriechen  üf  daz  mer, 

wie  in  vrou  Didö  enpfie 

und  wie  ez  im  dar  ni\ch  ergie, 

als  ez  iu  oftt  ist  geseit. 


Hunrich  t.  Yeldeke  u.  d.  Oenesiti  der  romantiachen  n.  heroischen  Epik  um  1190.      649 

harte  Tristan.  Und  in  der  That,  im  alten  Tristan  und  Flore, 
im  Grafen  Rudolf  ist  der  höfische  Minnedienst  entschiedener 
darchgebrochen  als  in  den  dreissig  und  mehr  Jahre  jüngeren 
heroischen  Epen  aus  Oesterreich,  die  man  bisher  Decennien 
nach  der  Eneit  ansetzen  zu  müssen  glaubte. 

Auch  sonst  hat  Heinrich  von  Veldeke  auf  den  Stil  des 
höfischen  Epos  nicht  jenen  hohen  Einfluss  ausgeübt,  den  man 
ihm  allgemein  zuschreibt;  ich  wüsste  wenigstens  nicht,  was  in 
Hartmanns  Dichtung  auf  Veldekes  Einfluss  zurückzufuhren  wäre? 
Ja,  der  Stil  der  romantischen  Dichtung  hatte  sich  schon  über 
ihn  hinweg  am  Ausgange  der  Achtziger  Jahre  ausgebildet;  man 
beachte,  was  wir  sofort  belegen  werden,  die  rasche  Entwick- 
lung aller  poetischen  Gattungen  im  letzten  Viertel  des  Jahr- 
hundertes.  Ein  Werk  der  Siebziger,  Achtziger,  Neunziger 
Jahre  ist  sofort  an  der  Form  kenntlich.  Welcher  Fortschritt 
vom  Sinte  Servaes  zur  Eneit  t  Aber  der  erste  und  der  zweite 
Theil  dieses  Werkes  zeigen  gar  keinen  Unterschied;  als  alter 
Mann  ist  Veldeke  stehen  geblieben  und  hat  keinen  Fortschritt 
mehr  gemacht.  So  kam  es,  dass  er,  der  auf  dem  Qebiete  des 
Reimes  epochemachend  war,  in  anderer  Beziehung  bei  Voll- 
endung seines  Hauptwerkes  schon  überholt  war.  Finden  wir  aber 
am  1190  andere  genau  reimende  Dichtungen,  so  muss  der  be* 
schränkte  Einfluss,  der  Heinrich  überhaupt  zugestanden  werden 
kann,  grösstentheils  von  dem  1181  so  rücksichtslos  in  die 
Oeffentlichkeit  gebrachten  Fragmente,  dem  Torso,  dem  ersten 
Theile,  ausgegangen  sein. 

Als  Stilist  steht  Heinrich,  da  er  einmal  mit  dem  Maass- 
stabe eines  Classikers  gemessen  werden  muss,  nicht  hoch. 
Seine  Uebersetzung  ist  oft  recht  stümperhaft.  Pey  hat  (S.  17) 
an  einem  Beispiele  gezeigt,  wie  aus  Vergils  Vers : 

paciferaeqne  mann  ramam  praetendit  olivae 

bei  Benoit  4,  bei  Veldeke  10  und  leider  möglichst  platte  Verse 
werden,  En.  169,  24—33.  Platt  und  breit,  diese  loeiden  Epi- 
theta können  wir  ihm  leider  nicht  entziehen.  Er  kennt  die 
richtigen  Kunstmittel,  aber  er  wendet  sie  unrichtig  an;  da 
Turnus  und  Aeneas  Zweikampf  bevorsteht,  lässt  Benoit  beim 
Erscheinen  des  Geliebten  die  Lavinia  ihrem  Gefühle  in  fünf- 
zehn. Versen  Ausdruck  geben ;  Heinrich  verlegt  den  Monolog 
auf  den  Moment   unmittelbar  vor  dem  Kampfe,   also   psycho- 


650  Mnth. 

logisch  ebenso  richtig  in  seiner  Weise  wie  Benoit  —  bei  diesem 
der  erste  Anstoss^  bei  jenem  die  höchste  Spannung ;  —  er  will 
durch  diese  Verzögerung  das  Interesse  des  Lesers  erhöhen,  — 
aber  er  martert  ihn  mit  87  Versen.  Ganz  beherrscht  vA  er 
von  der  Formel.  Von  zweigliedrigen  Formeln,  zu  hunderten, 
wimmelt  das  Gedicht;  aber  nicht  immer  wendet  er  sie  ge- 
schickt an :  Nisus  und  Euiyalus  une  äme  et  un  corps;  dem  ent- 
spräche mhd. :  ein  herze  und  ein  muot,  oder  näher  dem  Wort- 
laute ein  lip  und  ein  muot;  Veldeke  übersetzt  zuerst  wörtlich 
181,  20  ein  W>  und  ein  geist;  dann  aber  verbreitert  er,  nennt 
sie  nicht  unzutreffend  ein  fleisch  und  ein  bluot  182,  10;  wieder- 
holt aber  dazu  die  schon  oben  einmal  181,  1  g^ebene  höchst 
unnütze  Versicherung  ihrer  moralischen  Uebereinstimmung:  nü 
uns  got  hat  ein  lib  gegeben  182,  17.  Wimmelt  es  von  zweigliedrigen 
Formeln,  so  erscheinen  auch  dreigliedrige  nicht  selten,  oder  die 
ersten  durch  Reihen  von  Versen  in  endloser,  monotoner  Kette 
gezogen,  so  dass  dieses  Eunstmittel  der  Verstärkung  mitunter 
den  allerschwächlichsten  Eindruck  hervorruft.  Das  nachgesetzte 
Epitheton  ornans,  aber  überwiegend  beim  Personennamen,  ist 
ihm  stets  willkommen  den  Vers  zu  füllen :  wie  oft  heisst  Entns 
der  mcere,  Dido  diu  riche]  sogar  einmal  Turnus  der  gemeide\^ 
selten  bezeichnender  Anchises  der  aide  und  der  wisel  Präpo- 
sitionalverbindungen  in  formelhafter  Weise  sind  überaus  häufig, 
stets  mit  Wiederholung  der  Präposition,  auch  oft  mehr  als  zwei- 
gliedrig ;  Verstärkung  der  Negation  dagegen  selten  niht  ein  blaU 
ein  hast,  ein  ei.  Ueberhaupt  zeigen  seine  Bilder  wenig  Schwung 
oder  Phantasie;  kein  ausgeführtes  Gleichniss  ist  im  ganzen 
Gedichte;  die  wenigen  Vergleiche  sind  die  allgemein  üblichen, 
volksthümlichen :  vAz  als  ein  sne,  ein  is,  ein  härm  61,  27,  ein 
swane;  swarz  als  ein  rabe;  brün  als  ein  bere;  r8t  sam  ein  Uuot; 
grüene  als  ein  gras;  aphelgrdwe  rehte  als  ein  lebart  148,  35; 
ziemlich  selten  ein  Oxymoron:  si  was  heiz  und  si  fr6s;  rouwick 
unde  fro;  der  leide  liebe  man  74,  29;  irföre  is  dne  lieht  102,  23. 
Volksthümliche  Worte  und  Wendungen,  besonders  so  weit  es 
den  heroischen  Ausdruck  des  Kampfes  angeht,  bemüht  er  sieb 
auch  noch  gar  nicht  zu  vermeiden:  helt  milde,  märe,  snd,  ver- 


1  Zu  Haupts  Zosammenstellangen  der  Adj.  auf  sam  ist  beizufügen '/an^- 
sam  130,  9. 


Heinridi  ▼.  Veldeke  u.  d.  Genesis  dor  romantisehen  n.  heroischen  Epik  tun  1190.      651 

tnezzen,  gemeit,  halt  ist  häufig;  gSr  wohl  ein  dutzendmal;  guter 
kneht,  sogar  knehtliche  fortiter  193^  7;  magedin,  harn,  vrUmge 
(neatr.),  vorhüge;  grünez  gras,  rötez  golt,  sfarkez  märe,  eines 
lewen  muot,  ze  stürme  harde  wol  gar  144^  18,  kiesen  den  tSt, 
des  libes  ein  degen,  waz  mannes,  waz  tüfels  304,  36 ;  helme  hotiwen, 
icröten,  schilde  stechen,  schefte  brechen  (häufig  pars  pro  toto 
schaß  fiir  sper,  aber  nie  das  andere  rant  für  schiU),  rümen  daz 
lantf  sarrinc,  sperwehsel,  wichüs  einunc;  daz  ist  toizzenlich  genüch; 
geliche  c.  dat.:  allen,  manne,  degenen,  rittergeUche,  Man  sieht, 
dass  der  Dichter  vor  volksthümlichem  Ausdruck  noch  nicht 
zurückschreckt;  nicht  etwa  Heinrich,  Hartmann  ist  der  erste 
Epiker,  der  gewisse  Ausdrücke,  seien  sie  nun  formelhaft  oder 
vulgär,  besonders  wenn  ein  synonymes  jüngeres  Wort  zu  Ge- 
bote steht,  namentlich  wieder,  wo  es  sich  um  ritterlichen  Kampf 
im  Gegensatze  zur  älteren,  roheren  Weise  des  Streites  handelt, 
vermeidet.  Im  Allgemeinen  begründet  der  Umstand,  dass  eine 
Dichtung,  wie  die  Eneit,  reich  ist  an  formelhaften  Wendungen, 
Doch  kein  endgiltiges  Urtheil  über  den  Stil.  Wenn  wir  ältere 
oder  volksthümliche  Gedichte  in  das  Auge  fassen,  werden  wir 
in  dieser  Beziehung  die  conträrsten  Urtheile  fällen  müssen. 
Die  Judith  (MSD.  Nr.  XXXVÜ)  zeigt  unverhältnissmässig 
viele  Formeln  und  Phrasen,  wie  wir  sie  von  den  Auffingen 
deutscher  Epik  bis  zu  den  Nibelungen  im  unausgesetzten  Ge- 
brauche finden,  und  dessenungeachtet  muss  der  Stil  des  Ge- 
dichtes als  durchaus  angemessen,  ja  edel  bezeichnet  werden; 
vielleicht  das  formelreichste  Denkmal  jener  Zeit  aber  ist  der 
Oswald:  neben  zahllosen,  allgemein  üblichen  Phrasen  hat  er 
eine  ganze  Menge  eigenthümlicher,  sonst  wenig  oder  gar  nicht 
nachweisbarer  Formeln  bewahrt  und  gerettet  —  und  wie  roh 
und  ungefüge  erscheint  dieses  Epos!  Und  ähnlich  ist  es  mit 
Veldekes  Eneit:  die  zweigliedrigen  Formeln,  oft  durch  ein  Halb- 
dutzend Verse  fortgezogen,  selten  zu  dreigliedrigen  erweitert, 
die  massenhaft  gehäuften  Präpositionalverbindungen,  die  im 
deutschen  Epos  so  übel  die  antiken  Participialconstructionen 
vertreten,  erscheinen  als  Lückenbüsser,  die  nur  leider  den 
grössten  Raum  des  allzu  umfangreich  gerathenen  Gedichtes  — 
es  ist  ein  Dritttheil  länger  als  der  roman  d'Eneas  —  einnehmen. 
Wir  wissen,  wie  eben  erwähnt,  dass  die  höfischen  Dichter 
gewisse  Ausdrücke,   die   der  Volksepik  intcgrirend    sind,    ver- 


652  uotta. 

meiden;  aber  es  ist  fast  unmöglich  zu  sagen,  wie  diese  still- 
schweigende^  rein  oonventioneile  Vereinbarung  möglich  wurde 
und  zum  Durchbruche  gelangte.  Die  Frage  aber  ut  von  der 
grössten  Wichtigkeit^  denn  der  Gebrauch  oder  vielmehr  der 
Grad  des  Gebrauches  derartiger  Ausdrücke  und  Formeln  ist 
für  uns  das  äussere  und  untrügliche  Kriterium  des  höfischen 
Stiles.  Die  Kategorien,  um  welche  es  sich  handelt,  sind  mit 
ziemlicher  Vollständigkeit  zusammengestellt  in  Jänicke's  Ab- 
handlung über  den  Stil  Wolframs  (de  dicendi  usu  Wolframi 
de  Eschenbach.  Diss.  Halle  1860.  34  pp.  8^,  vgl.  de  usu  di- 
cendi Ulrici  de  Zatzikhoven  aut.  G.  Schilling,  ibid.  1866. 
41  pp.  8^);  aber  wir  wissen  auch,  dass  das  Haupt  der  Roman- 
tiker,  dass  Wolfram  sich  die  Enthaltsamkeit,  zu  der  sich  Hart- 
mann allmälig  emporringt,  nicht  auferlegt  hat;  endlich  sehen 
wir  im  heroischen  Epos  ähnliche  Neigungen:  die  Nibelunge 
sind,  wenn  man  das  Wort  brauchen  darf,  im  Ausdrucke  viel 
moderner  als  der  Lanzelet  oder  die  Klage.  Worte  wie  ver- 
mezzerif  vrevele,  vruot,  vrech;  dietdegen,  dietzage;  nitspü, 
sperwehsel;  sarwdt,  zahlreiche  Zusammensetzungen  mit  wie 
(Gottfried  töte,  eintmc,  totcgar^  *)  die  in  den  beiden  genannten 
Gedichten  erscheinen,  würde  man  in  den  Nibelungen  vergebens 
suchen.  Und  könnte  man  beim  Lanzelt  vielleicht  noch  auf 
landschaftliche  Unterschiede  reflectiren,  so  fällt  der  Klage 
gegenüber  auch  dieses  Moment  hinweg  und  es  erübrigt  nur 
die  Annahme,  dass  in  der  Periode  der  classischen  Epik  das 
Leben  der  Sprache,  wie  unmittelbar  vorher  als  Vorbedingung 
der  Möglichkeit  einer  reichen  Litteratur  die  Abschleifung  der 
letzten  vollen  Flexionsformen  stattgefunden  hat,  sich  vornehm- 
lich in  rascher  Entwicklung  der  Bedeutungen  äusserte,  so  da&s 
der  Wortschatz  des  conventioneilen  Verkehrs  sich  unmerklich, 
aber  stetig  veränderte.  Andererseits  trifft  diese  letzte  Bemerkoog 
nicht  völlig  zu.    Hartmann  m^iss   sich  mit  vollem  Bewusstsein 


1  Merkwürdig  ist  namentlich  die  Bezeichnung  der  Waffen:  das  VoUcsepo» 
liebt  —  pars  pro  toto  —  ecke,  rant^  aehafi;  Veldeke  hat  nur  das  letiter« 
häufig,  rarU  ein  einsigesmal  and  da  in  der  Verbindong»  die  in  den  Nib. 
tautologisch  erscheint  »childes  raril;  dann  werden  diese  Ansdrficke  roo 
den  höfischen  Dichtem  vemüeden,  aber  die  Oewalt  der  Formel  iit 
so  überm&chtigy  dass  sich  selbst  bei  Gottfried  noch  je  einmal  findet 
€»Mner  schaft  und  »ehiezen  den  schaß. 


Qeinrieh  r.  Veldeke  n.  d.  Genesis  der  romftntiBclien  n.  heroitchen  Epik  nm  1190.      653 

von  den  unhöfischen  Schlacken  emancipirt  haben,  die  im  Erec 
noch  wahrnehmbar  sind.  Und  ausserdem  muss  eben  mit  Rück- 
sicht auf  Wolfram  angenommen  werden^  dass  einzelne  Land- 
schaften oder  Mundarten  dieser  Bewegung  sich  entzogen  oder 
doch  sie  nur  langsamer  mitmachten.  Dass  viele  Worte  sehr 
schnell  obsolet  geworden  sind,  zeigt  die  Vergleichung  jedes 
beliebigen  Gedichtes  aus  der  Mitte  des  XII.  mit  einem  Werke 
aus  der  Mitte  des  XIII.  Jahrhunderts.  Aber  Heinrich  von 
Veldeke  hat  darauf  keinen  Einfluss  geübt  und;  so  wenig 
als  Wolfram,  wenngleich  dieser  seinen  Stil  —  wohl  nur  seinen 
Periodenbau  und  die  gesuchte  Dunkelheit  der  Darstellung,  nicht 
aber  den  Wortschatz  —  zu  vertheidigen  hatte,  ist  ihm  hieraus  ein 
Vorwurf  erwachsen;  er  nimmt  zwischen  älteren  und  modernen 
Stilisten  eine  Mittelstellung  ein;  die  altheroischen  Ausdrücke 
vermag  er  nicht  zu  entbehren,  die  courtoise  Sprache  des  Minne- 
gesangs aber  ist  ihm  bereits  geläufig: 

£n.  61,  21  Sie  bestreich  ir  ougen 
mit  den  lieben  bougen 
unde  kngte  ir  vingerltn. 

Dido  gebahrt  in  diesen  Versen  ganz  im  Sinne  der  fal- 
schen, höfischen  Sentimentalität;  aber  für  den  Ring  findet  sich 
der  altepische  neben  "dem  üblichen  Modeausdruck. ' 

Die  Ansicht  also,  dass  Heinrich  von  Veldeke  den  Stil 
des  höfischen  Epos  begründet,  ist  somit  unbegründet;  in  dieser 
Beziehung  ist  auch  zu  beachten,  dass  Gottfried,  der  die  Poeten 
nach  ihrer  Bedeutung  anordnet.  Hartmann  den  ersten  und 
Heinrich  erst  den  dritten  Platz  zugesteht  (zwischen  beide  stellt 
er  BlickSr);  aber  auch  die  Ansicht  Wolframs  ist  unhaltbar, 
von  dem  wir  nie  vergessen  dürfen,  dass  er  nicht  lesen  konnte, 
also  auch  nicht  belesen  war,  wie  einzelne  Autoren,  so  der  des 
Moriz    von    Craon,    wirklich    erscheinen.     Wolfram    erblickte 


^  Es  ist  mir  aufgefallen,  dass  sich  ausser  den  von  Lachmann  und  Haupt 
aufgfestellten  Verbindungen  und  Zusammensetsnngen  noch  einige  andere 
Momente  für  die  Unterscheidung  des  Stiles  beibringen  lassen.  Alle  pichter, 
mit  Auimahme  Wolframs,  meiden  die  Zusammensetzungen  mit  -beere  (die 
helden  fobebcere  in  Nib.  1,  2  stehen  ganz  yereinzelt).  Man  wird  in  jedem 
Oedichte  nur  wenige,  vereinzelte  derartige  Adjectiva  finden.  Ebenso 
werden  gemieden  die  Deminutiva  auf  -Rn,  bis  sie  durch  Gottfried  volleis 
Hofrecht  erhalten.    Vgl.  Sitzungsber.  XCI.  13. 


(354  Math. 

in  Veldeke,  wie  es  scheint,  unbefangen  den  Vater  der  höfiscben 
Minnepoesie  im  grossen  Stile.  Auch  diesen  Ruf  können  wir 
Heinrich  unmöglich  zugestehen.  Dass  er  der  erste  nicht  war, 
der  ein  französisches  Epos  auf  deutschen  Boden  verpflanzte, 
ist  längst  bekannt.  Eilharts  Tristan  ist  um  1175,  der  Graf 
Rudolf  zwischen  1170  und  1173,  der  Trierer  Flore  noch  froher 
gedichtet.  Aber  auch  die  höfische  Auffassung  des  Minne- 
dienstes,  die  Terminologie  der  ritterlichen  Liebespoesie  werden 
wir  nicht  mehr  auf  Heinrich  zurückführen,  seit  wir  wissen, 
dass  er  seine  Hauptstelle  aus  Eilharts  ^Tristan'  entnommen  hat. 
Die  Wahrscheinlichkeit,  dass  er  noch  manches  aus  uns  ver- 
lorenen Quellen  geschöpft,  wächst,  wenn  wir  ihn  auf  falscher 
Angabe  ertappen,  dass  er  Vergils  Aeneide  an  Stellen  benutzt, 
wo  dies,  wie  Pey  ausführlich  gezeigt  hat  (Jahrb.  f.  rom.  u. 
engl.  Litt  2,  S.  4,  7),  entschieden  nicht  der  Fall  war. 

So  sehen  wir  denn,  wenn  wir  das  Facit  ziehen,  Hein- 
rich kaum  mit  Recht  jenen  hervorragenden  Platz  behaupten, 
den  ihm  seine  Zeitgenossen  einräumten;  was  die  modernen 
Litterarhistoriker  aus  ihm  wohl  gemacht  haben :  der  Vater  der 
höfischen  Epik,  der  subjectiven  Darstellungsweise,  der  conr- 
toisen  Minnepoesie  —  das  alles  war  er  nie!  Den  ungewöhn- 
lichen litterarischen  Erfolg  verdankte  er  der  Verbindung  mit 
den  Fürstenhöfen  des  Niederrheins  und  Mitteldeutschlands; 
dann  der  Gunst  der  Zeit,  da  seine  Eneit  bekannt  geworden, 
zum  Theile  vor,  zum  Theile  nach  dem  dritten  Kreuzzuge,  ge- 
rade in  die  Jahre  höchster  geistiger  Erregung,  mächtigster 
Bewegung  der  Qemüther,  lebendigsten  Aufschwunges  der  Phan- 
tasie fiel.  Was  die  Versammlung  von  Clermont  und  der  erste 
Kreuzzug  dem  romanischen  Westen,  das  war  für  Deutschland 
das  Mainzer  Fest  von  1184  und  die  Kreuzfahrt  des  alten 
Rothbart.  Endlich  aber,  das  eine,  wirkliche  Verdienst  mußs 
Veldeke  ungeschmälert  gelassen  werden,  war  er  das  Master 
der  Formglätte  für  alle  Folgezeit.  Das  Lob  gebührt  ihm, 
das  Rudolf  von  Ems  ihm,  Gottfrieds  Emphase  ein  wenig 
dämpfend,  gespendet  hat.  Es  ist  nun  bezeichnend,  dass  wäh- 
rend der  unhöfische  Ausdruck,  obsolete  Worte,  vulgäre  For- 
meln Heinrich,  wie  späterhin  Wolfram,  nicht  verübelt  werden, 
sofort  mit  dem  Durchdringen  des  reinen  Reimes  die  älteren 
Werke  bei  Seite  geworfen,  mehr  oder  minder  absichtlich  igno* 


L 


Heiiirich  v.  Veldeke  n.  d.  GeiiMit  d«r  romaatUchan  a.  heroiichen  Epik  am  1190.      655 

rirt^  wie  wir  aus  der  kümmerlichen  Ueberlieferung  schlieBBen 
dürfen^  kaum  mehr  abgeschrieben  werden;  je  näher  sie  der 
Zeit  nach  den  Classikern  standen,  um  so  entschiedener  ist  die 
hochmüthige  Verachtung  der  Vorgänger:  Flore,  Tristan ,  der 
Graf  Rudolf  (Crane)  werden  neu  behandelt,  die  früheren  Ver- 
suche nicht  einmal  der  Erwähnung  werth  gefunden  —  die 
Cüassiker  des  vorigen  Jahrhunderts  haben  über  die  Stürmer 
und  Dränger  milder  geurtheilt  als  diese  Hofpoeten  über  die 
manchen  unter  ihnen  an  geistiger  Gewalt  und  allen  wahren 
Gaben  des  Dichters  geradezu  überlegenen  Vorfahren  aus  dem 
dritten  Viertel  des  XII.  Jahrhunderts. 

Und  dennoch  haben  diese  in  der  Folge  so  schmählich 
ignorirten  Dichtungen  den  grössten  Einfluss  geübt  und  wäre 
die  classische  Romantik  ohne  sie  gar  nicht  denkbar.  Denn, 
wenn  wir  gezeigt  haben,  dass  Heinrich  von  Veldeke  als  der 
Begründer  der  romantischen  Epik  nicht  gefeiert  werden  darf, 
wenn  aber  1192  der  Erec  vollendet  war  und  noch  in  den 
ersten  Neunziger  Jahren  die  geistige  Bewegung,  die  den  Weg 
vom  Niederrhein  über  Thüringen  nach  Schwaben  und  dann 
erst  gegen  Osten  eingeschlagen  hat,  in  das  Donauthal  nach 
Oesterreich  vorgedrungen  ist,  müssen  es  eben  jene  älteren  Dichter 
sein,  die  als  Träger  der  Richtung  die  eigentliche  Anregung 
gaben,  indem  sie  zuerst  den  Oberdeutschen  die  Kenntniss  der 
französischen  Epik  vermittelten. 

In  der  That  seheu  wir  fast  gleichzeitig  oder  vielmehr, 
der  Wortschatz  deutet  darauf  hin,  noch  vor  Veldeke's  Eneit  in 
Oberdeutschlancl  eine  Epik  entwickelt,  die  bereits  die  höchste 
Stufe  der  Vollendung  erreicht  hat.  Merkwürdigerweise  behandelt 
das  Oedicht  eines  unbekannten  Mannes,  das  wir  hier  im  Auge 
haben,  denselben  Stoff,  dem  auch  Veldeke  in  der  Jugend  oder 
wenigstens  als  Anßinger  sich  zugewandt  hatte,  das  Leben  des 
heiligen  Servatius,  sogar  nach  derselben  Quelle,  aber  ohne  jede 
Kenntniss  des  niederdeutschen  Gedichtes.  Mit  Recht  hat  nun 
der  Herausgeber  dieses  Gedichtes,  Moriz  Haupt  (ZfdAlt. 
5,  75— -192)  geschwankt,  ob  dies  Gedicht  nach  der  Reinheit 
semer  Reime  in  die  Achtziger  oder  nach  der  Alterthümlichkeit 
der  Sprache  in  die  Siebziger  Jahre  des  XII.  Jahrhunderts  ge- 
setzt werden  solle.  Auch  wir  werden  eine  Entscheidung  nicht 
treffen.     Das  Gedicht   ist   durchaus  eigenthümlich  und  hat  ~« 


656  Moth. 

der  einzige  Gervinus  hat  es  wenigstens  mit  dem  Senratios  des 
Veldekers  verglichen  —  nicht  die  verdiente  Beachtung  und 
Würdigung  gefunden.  Es  gibt  keine  mittelalterliche  Legende, 
die  in  Behandlung  des  Stoffes  unserem  G-eschmacke  so  nalie 
stünde,  wie  dies  Werk.  Der  leider  unbekannte  Dichter  darf 
seinen  Platz  kühn  neben  den  ersten  Meistern  suchen;  nur 
Wolfram  ist  ihm  an  Kühnheit  der  Bilder  und  Tiefe  der  Ge- 
danken überlegen.  Jedem  anderen  mittelhochdeutschen  Gedichte 
aus  dem  Kreise  der  höfischen  und  religiösen  Dichtung  aber 
glaube  ich  dieses  Werk  entschieden  voransteUen  zu  müssen. 
Ob  nun  diese  Dichtung  vereinzelt  gestanden  oder  ob  uns  neben 
ihr  noch  andere  ebenso  bedeutende  Denkmäler  verloren  gegangen 
sind;  lässt  sich  nicht  entscheiden.  Unter  allen  Umständen 
aber  sehen  wir,  dass  sich  die  Blüthe  der  oberdeutschen  Poesie 
auch  entwickelt  hätte  und  vielleicht  schöner  entfaltet  hätte 
ohne  das  Dazwischentreten  Veldekes.  Zunächst  aber  obliegt 
es  uns,  das  so  ungewöhnliche  Urtheil  über  den  Verfasser  des 
Servatius  zu  begründen. 

Haupt  hat  bemerkt,  dass  der  Verfasser  klingende  Zeilen 
zu  drei  und  vier  Hebungen  bindet  und  Abschnitte  zuweilen 
mit  daktylischen  Versen  schliesst.  Der  Reim  <  ist  genau  bis 
auf  eine  vereinzelte  Eigenheit^  den  Reim  o  :  ö  oberosten  :  koHen 
103;  im  Präteritum  gote  :  vestenSte  u.  ä.  201.  837.  2053,  boU: 
gesamndte  u.  ä.  869.  1597 ;  boten  :  rSten  575 ;  porU  :  hdrU  1429. 
Das  ergäbe,  den  einen  unreinen  tribrachyschen  Reim  beigezählt^ 
bei  3548  Versen  beinahe  zwei  Percent  unreiner  Reime:  bei 
der  consequenten  Durchführung  werden  wir  jedoch  diese  Reime 
ebensogut  als  rein  ansehen  müssen,  als  die  auf  an  :  dn  der 
Nibelunge :  der  Dichter  sprach  eben  die  Silbe  als  anceps,  d.  b. 
weder  lang  noch  kui*z:  bei  Niederdeutschen  wäre  die  Ver- 
wendung von  zweisilbigen  Worten  mit  kurzer  Stammsilbe  für 
klingenden  Reim  keine  Seltenheit  (Pfeiffer,  Gkrm.  3,  502}  und 
die  Verkürzung  des  schon  dem  Absterben  nahen  Bindevoc&k 
ist  auch  kaum  anstössig.  Ich  halte  es  sogar  für  überflüssig 
und  unzulässig,  diese  Reime  auf  niederdeutschen  Einfluss  zurück- 
zuführen.   Unter  den  3000  oben  untersuchten  Versen  Wolframs 


*  Tribrachyci:  ebene  :  vergebene  799,  belegenen :  degenen  1487.  210S,  geri- 
gene  :  gedigene  2123  UDd  ein  anstössiger  engegene  :  gedigene  923;  tMnegiu  : 
diu  923  (nur  bei  Gottfried  hfiafig,  veraolasst  durch  den  Namen  PiUeriu). 


Heinrich  v.  Yeldeke  a.  d.  Genesis  der  romantischen  n.  heroischen  Epik  nm  1190.      657 

kam  hArte  :  warte,  hört :  wort,  hört :  dort  vor ;  nun  ist  aber  der 
Parzival  wenigstens  ein  Menschenalter  jünger  als  der  Servatius; 
wir  werden  also  ungescheat  den  Verfasser  des  letzteren^  um- 
soniehr  da  er  aus  Schwaben  nicht  sein  kann^  weil  daselbst 
die  Länge  des  Binde-6  am  längsten  gewahrt  wurdC;  nach  Baiern 
aber  gleichfalls  keine  Eigenthümlichkeit  weist,  für  einen  Lands- 
mann Wolframs,  für  einen  Ost-Franken  erklären  dürfen.  En- 
jambement erscheint  zweimal: 

2776    eines  nahts  er  einen  grftwen 
althSrren  vor  im  stSn  sach. 

1182    inner  din  do  wart  er  füre 
den  rihtffire  selben  bräht. 

biren  für  1.  Plural,  btrt  3.  Sing. ;  aber  daneben  seltene,  ja 
ganz  vereinzelt  vorkommende,  dem  höfischen  Epos  sodann 
längst  entfremdete  Worte  wie  framspuot,  froneaal^  vergoumaaln^ 
gehilwe,  gehilgen,  gemuotvagn,  unzot]  auf  -sam  nur  hbesam  263 
and  dreimal  rasch  nacheinander  hiasam  2542.  2619.  2684;  auf 
-Kn  nur  mngerltn  597,  kind-elin  3088,  swihogelSn  579;  dagegen 
mehrere  auf  -hcBre:  ahtbcere  2497,  erbcere  3324,  lobebare  2550, 
wandelbcBre  1 121,  unwandelbcere  295.  741.  Nominalcomposita,  die 
fast  stets  (immer  im  cas.  obl.)  zwei  Hebungen  ohne  Senkung 
in  Anspruch  nehmen,  in  grosser  Menge:  altgris  sturmgite; 
aliherre  iwart  Ustwürhte  lipnar  meintat  mithabe  trützunge  trüt- 
JdfU  u.  V.  a.  Zu  heroischen  Ausdrücken  bietet  die  Legende 
nicht  eben  grossen  Spielraum,  dessenungeachtet:  liehtiu  brünne 
2029,  biHnne  glam  2062,  vikrbüege  2918,  eilen  2017.  2043,  aar- 
wai  2130,  urlonc  (neutr.)  91,  wie  1766  wichus  81  uAcgerUste 
1775  uncwer  3267.  —  Häufig  heU;  helt  balt  130.  2535,  helde 
vermezzen  1737;  erweüe  degene  2103,  Servatius  sehr  ofl  der 
gotes  degen,  gedigene  437  u.  ö. ;  guot  kneht  1770.  2374;  Itbes 
ynd  guotes  ein  helt  2345 ;  i^men  daz  laut  3048 ;  rotez  galt  sehr 
häufig;  allertegelich,  engel  geUch;  eines  lewen  muot  2013;  diu 
itarken  mcare  vAten  vlugen  459,  vgl.  2393.  Mehr  als  hundert 
Eweigliedrige  Formeln,  wenige  dreigliedrige.  Mögliche  Nach- 
ahmung des  Annoliedes  2035  f.  Aber  weit  auffälliger  als 
alles  dies  ist,  dass  der  Verfasser  Vers  und  Rede  durch  äussere 
Mittel  zu  schmücken  versteht;  er  handhabt  gewandt  die  AUit- 
teration  und  er  ist  unter  allen  mittelhochdeutschen 
Dichtern  der  erste  Meister  des  Gleichnisses. 


658  Math. 

Nicht  nur  die  üblichen  allitterirenden  Formeln  trifft  man 
bei  ihm,  als  Hute  unde  lantj  toitewen  unde  weisefi^  die  noch 
heute  gäng  und  gäbe  sind,  oder  das  in  geistlichen  Gedichten 
auch  sonst  belegte  züeiti  und  zanklaffen  2446,  got  der  gvaU 
oder  das  heroische  tounden  wtte ;  kleine  Veränderungen  zeigen, 
dasB  er  den  Gleichklang  sucht:  wüefen  unde  weinen  943  statt 
des  üblicheren  durch  die  gansse  mittelhochdeutsche  Dichtung 
gehenden  weinen  unde  klagen^  ebenso  ir  klage  und  ir  kam  245; 
mit  ganz  moderner  Emphase  sagt  er:  ezn  was  nochn  wart 
880;  Jierze  unde  houbet  2602,  ein  gebet  lüter  unde  lanc  1150, 
8t6le  unde  etap  2534;  2449  muoter  unde  mdgen  ist  sogar  etwas 
manirirt;  er  hebt  sich  aber  bis  zur  Onomatopöe:  phnehen  und^ 
phnurren  168;  auch  eine  Bildung  wie  wdcgewitere  gehört  hieher. 

Recht  auffallend  ist  die  Anwendung  des  Vergleiches  and 
Gleichnisses.  Der  Dichter  ist  sehr  sparsam  mit  Bildern  und 
Vergleichen;  nicht  einmal  die  formelhaft  gewordenen,  selbst 
dem  trockenen  Veldeke  geläufigen  Bilder  bei  Farbenschilderung 
begegnen  uns,  nur  einmal  grd  ah  ein  tübe  2622;  fast  als  Ma- 
nier muss  man  es  betrachten,  dass  der  sonst  so  Enthaltsame 
beim  Verbum  brinnen  stets  ein  Bild  anwendet:  als  ein  rose  290, 
als  ein  gluot  605,  ausführend  als  ein  isen,  daz  gUlet  2237  vgl 
3509.  Es  ist  schwer  zu  sagen,  warum  sich  der  Dichter  solche 
Zurückhaltung  auferlegt;  dass  es  bei  ihm  nicht  Aermlichkeit 
des  Stiles  ist,  werden  wir  sofort  sehen;  er  muss  die  heiteren 
Vergleiche  der  Würde  des  Gegenstandes  nicht  angemessen  be- 
funden haben,  wie  uns  überhaupt  aus  diesem  Gedichte  ein  fast 
Wolframischer  Ernst  entgegentritt  —  wohl  neben  der  wenig 
romantischen  Beschaffenheit  des  Stoffes  der  Grund,  weshalb  es 
zu  allen  Zeiten  wenig  Leser  fand.  Das  höchst  Bemerkenswerthe 
ist  nämlich  an  diesem  Manne,  dass  er,  der  weniger  Bilder 
und  Vergleiche  einflicht  und  anbringt  als  irgend  ein  L^enden- 
dichter,  der  einzige  Dichter  seiner  Zeit  ist,  der  das  richtige 
Verständniss  für  das  Wesen  des  Gleichnisses  hat.  Er  hebt 
nicht  nur  das  tertium  comparationis  streng  hervor  —  das  ist 
auch  bei  Wolfram  und  in  den  Nibelungen  der  Fall  — 

843     daz  himelkint  reine 
ledic  aller  meine 
wonet  in  der  cellen  eng^e. 
mit  micfaelre  streng^ 


Heinrich  t.  Yeldeka  u.  d.  Oonesis  der  romantiichen  a.  heroiftchen  Epik  nm  1190.      659 

nuingdl  er  dohe. 

im  geschaoh  als  in  der  molte 

dem  kome,  das  ertoetet  wird 

durch  den  künftigen  wnocher  den  iz  birL 

sondern  er  steht  geradezu  einzig  da  mit  einem  ausführlich 
entwickelten  Bilde,  einem  homerischen  Gleichnisse,  das  seines 
gleichen  in  der  gesammten  mittelhochdeutschen  Litteratar  nicht 
hat.  Es  war  ausführlich  die  Rede  von  Irrlehren,  die  zu  Ser- 
vatius'  Zeit  den  Glaubenskämrpfern  ihre  liebe  Noth  gemacht, 
Arriw  det*  widerwarte,  Manicheus  der  half  im  harte  u.  s.  w. 
(611—644);  dann  f&hrt  der  Dichter  fort: 

646    fiber  den  glonben  gie  ein  tnft, 
sam  fld  den  heiteren  Inft 
der  trüebe  nebel  irret 
nnt  als  den  sterren  wirret 
diu  welken  diu  vor  swebent 
das  si  uns  des  liehtes  niht  engebent, 
unt  als  diu  verrinnent 
die  Sterne  aber  brinnent, 
die  daz  gehilwe  6  undersneit. 
alsd  schein  in  der  kristenheit 
manec  liebte  Inceme. 

£in  treffendes  Bild,  im  Detail  ganz  reizend  ausgefiihrt  und 
bis  zur  Gestalt  einer  kleinen,  vom  Flusse  der  eigentlichen 
Fabel  selbständig  sich  abzweigenden  Erzählung  erhoben  — 
die  eigentliche  Form  des  homerischen  Gleichnisses. 

Und  diese  Dichtung  ist  entstanden,  dieser  Mann  hat  ge- 
dichtet, ohne  Veldekes  Werke,  ja  vermuthlicb,  da  er  sonst 
kaum  auf  denselben  Stoff  verfallen  wäre,  ohne  Veldekes  Namen 
zu  kennen.  Es  geht  absolut  nicht  an,  das  Gedicht  mit  seinem 
allerthümlichen  Wortschatze  tiefer  zu  setzen  als  in  die  Acht- 
ziger Jahre  des  XII.  Jahrhunderts,  und  selbst  das  ist  nur 
möglich  unter  der  Voraussetzung,  dass  der  Verfasser  eben  ein 
Behr  alter  Mann  war,  dessen  Jugend  werke  wir  nicht  kennen 
—  denn  der  Servatius  ist  kein  Versuch  eines  Erstlings  — 
und  der  sich  vom  Brauche  und  der  einmal  angeeigneten  Rede- 
weise seiner  Jugend  nicht  mehr  zu  emancipiren  vermochte. 
Der,  wenn  wir,  wie  erörtert,  von  6iner  Eigenthümlichkeit,  die 
jedoch  bewusste  Handhabung  ist,    absehen,    völlig   reine  Reim 

Utnnpber.  4.  phil.-hiat.  Gl.  XCV.  Bd.  III.  Hft.  43 


660  Math. 

aber  schmälert  Veldeke's  Verdienst  auch  in  dieser  Beziehung. 
Wir  sehen:  die  Hochdeutschen  waren  selbständig  bereits  so 
weit  gekommen,  dass  es  nur  eines  Beispieles,  eines  dorch- 
schlagenden  litterarischen  Erfolges  bedurfte,  um  die  volle  Rein- 
heit der  Form  d.  h.  des  Reimes  zur  allgemein  und  allein  giltigen 
Norm  zu  machen.  Der  Servatius  hatte  offenbar  keinen  Erfolg; 
da  kam  der  dritte  Ereuzzug:  Ritter  aller  Landschaften  traten 
in  unmittelbaren  Verkehr;  die  Höfe  interessirten  sich  auf  das 
Lebhafteste  für  die  Litteratur ;  nicht  mehr  bettelhaft  heischende 
Vaganten,  sondern  vornehme  Ministerialen  zogen  von  Barg  za 
Burg:  da  mochte  nun  Heinrichs  Eneit,  das  hohe  Lied  Ton 
der  Minne  —  wer  nahm  Änstoss  an  den  entlehnten  Versen? 
—  das  so  anmuthig  vlämend  geschrieben  war,  immerhin  jenen 
entscheidenden  Erfolg  erzielen! 

Doch  das  ist  genugsam  erörtert.  Aber  wichtig  ist,  da» 
der  Servatius  nicht  allein  steht,  *  und  wichtig  wäre  es  zu  wissen, 
woher  Hartmann  die  erste  Anregung  geschöpft? 


^  Von  vielen  Dichtunfifen  gering^eren  Umfang^s,  die  zn  den  cUssiBehen 
nach  Form  nnd  Stil  gerechnet  werden  müssen,  ist  die  merkwürdig 
MoriE  von  Craon.  Der  Dichter  kennt  Heinrich  von  Veldeke,  ob  aber 
als  Dichter  der  Eneit?  er  nennt  Aeneas  neben  anderen  Trojanern  V.  50, 
aber  er  nennt  auch  die  Dido  V.  1162  nnd  bald  darauf  V.  1160  Veldeke. 
Das  Einfachste  wäre,  dies  für  eine  sehr  naheliegende  IdeenassociatioD 
zu  halten;  und  dennoch  meine  ich,  dass  der  Dichter  des  Moris  En^ 
imd  Dido  nur  aus  französischen  Gedichten  kannte.  Er  miisste  «n  d«r 
Stelle  1150/ 60  sonst  unausweichlich  Heinrich  als  VerCuser  eines  Ge- 
dichtes von  der  Dido  nennen.  Zudem  ftlhrt  er  sie  an  nach  der  Cassandrd 
und  identificirt  die  Länder  KaHdyo  und  Marroch  1148,  wahrend  bei  Hein- 
rich das  Land  der  Dido  LibiA  heisst  und  Marrok  200,  21  ihm  ein  anderes, 
fremdes  Reich  ist.  Was  Haupt  als  möglichen  Elnfluss  Heinrichs  ansehen 
konntp,  das  lässt  sich  alles,  wie  z.  B.  das  stichische  GesprICch,  einfacher  «os 
der  französischen  Vorlage  erklären;  auch  das  «Selbstgespräch*  (S.  31)  hs^ 
nicht  erst  Veldeke  in  unsere  Epik  eingeführt.  Desto  auffallender  H 
dass  diese  formglatte  Erzählung  (nur  eine  Reihe  Reime  nach  dem  Schema 
vani  :  am)  nicht  den  geringsten  Einfluss  Hartmanns  zeigt,  wie  Haapt 
hervorhebt.  Und  doch  ist  das  Gedicht  alt;  denn  bei  aller  höfiseber 
Formstrenge  zeigt  es  volkstbümliche  Formeln  und  Wendungen,  wie  ne 
selbst  im  Erec  und  Lanzelet  nicht  mehr  vorkommen.  Es  ist  gedichtet 
nach  einer  französischen  Vorlage,  die  eine  wahre  Geschichte  behandelt, 
eine  Lichtensteinartige  Fahrt  des  Herrn  von  (^raon  zu  Ehren  der  Gräfin 
von  Beaumout.  Moriz  von  Craon  nun  erscheint  1156  in  engliw^hen 
Urkunden,    oü    il    paie    k    l'echjquier    trois    gerfanz    et    un   epervier  de 


Heinrich  v.  Yvldoke  o.  d.  Oeuesia  der  romuitiecheu  u.  heroittchen  Epik  om  IISH).      661 

Wir  sind  über  Hartmanns  Lebensumstände  so  weit  unter- 
richtet, dass  man  es  neuerdings  unternehmen  konnte,  eine 
vollständige  chronologische  Tabelle  seiner  Werke  zu  entwerfen, 
Naumann,  ZfdA.  22.  73.  74.  Nun  wäre  eine  so  genaue  Be- 
stimmung, wie  sie  a.  a.  O.  gelungen  scheint,  vom  höchsten 
Werthe,  weil  wir  in  den  dadurch  gewonnenen  festen  Rahmen 
nach  Massgabe  der  sonstigen  Ei^ebnisse  der  Specialforschung 
Datum  um  Datum  einreihen  und  so  endlich  zu  einer  wirklichen 
Litteraturgeschichte  gelangen  könnten,  deren  Voraussetzung  es 
ja  ist,  dass  man  die  Reihenfolge  der  Werke  kenne,  um  fest- 
zustellen, wie  sich  die  Autoren  nach  einander  oder  neben  ein- 
ander beeinflussen.  Es  ist  nicht  im  Rahmen  dieser  Abhandlung 
gelegen,  die  Biographie  Hartmanns  zu  behandeln,  aber  da  wir 
bei  diesem  Gegenstande  angelangt  sind,  will  ich  zwei  Bedenken 
gegen  die  gegenwärtig  übliche  Datirung  der  Werke  Hartmanns 
nicht  unterdrücken,  damit  vielleicht  Anregung  zu  nochmaliger 

Norwege;  gestorben  aber  ist  er  1216  (de  la  Rue,  ess.  histor.  aar  les  bardea, 
l.  jongl.  et  1.  troavires  Norm,  et  Angionorm.  Caen  1834.  III.  192,  193; 
eltirt  übrij^üB  Litt.  pat.  17.  Johann  [Jean-sans-tenre]  Reg.  Nr.  24),  hat 
also  ein  nngewöhnUch  hohes  Alter  erreicht;  denn  die  Identit&t  der  beiden 
PersönUchkeiten,  der  1166  und  1216  erwähnten,  steht  ausser  Frage.  Er 
lebte  demnach  noch,  als  das  deutsche  Gedieht  entstand,  was  dem  Ver- 
fasser desselben  nach  Vers  263  f.  nicht  bekannt  gewesen  zu  sein  scheint. 
Znr  Charakteristik  des  Stiles  bemerke  ich :  Anlehnung  an  die  Kaiser- 
chronik 133  f.;  Erwähnung  Slterer  Dichtungen  (s.  o.);  a,ui Kriechen  derselbe 
Reim,  wie  bei  Veldeke,  Lamprecht,  Kl.  1109,  also  formelhaft:  Bteehen  27. 
Es  erscheint  nicht  nur  hell,  heldea  werCf  heU  balt,  mü,  geaieU,  nuers;  bam, 
wiganf  59;  wagtdxn  1258.  1289;  garwe  1649;  keutr  in  volksthümlicher  An- 
wendung 315;  sondern  das  seltene,  hochheroische  baldez  dien  244;  in  yolks- 
thümlicher  Prägnanz:  Ronie  waa  diu  mctre  (vgl.  Nib.  1958,  1.  Eitel  wat 
der  itöene);  kieeen  den  tot  158.  568:  anstaunen  cd»  ein  wildex  Her  772  (vgL 
Nib.  1700,  1) ;  auch  sonst  Ausdrücke,  die  wir  nicht  einmal  im  heroischen 
Kpos  finden:  1418  do  kam  si  rehte  als  ein  aXp  ikf  micA  gulichfn\  noch 
merkwürdiger  1561  f.  der  tiufel  oder  daz  loüetende  her,  ein  classisches 
Zengpaiss  des  Volksglaubens.  Sonst  ganz  im  Stile  classischer  Epik:  auf 
'Sam  nur  gehoream  318;  auf  'beere  nur  offenbeere  696,  Uuterbcere  1637;  auf 
-im  nur  vingettin  605.  Enjambement;  Klage  um  die  Armuth  der  deut- 
schen Sprache  1778,  wozu  Haupt  den  Eingang  des  Pilatus  (vor  1187!) 
vergleicht  und  die  doch  nach  Hartmann  kaum  mehr  zulässig  war;  der 
Dichter  spricht,  als  hätte  er  sich  einer  seltenen  und  schwierigen  Unter- 
nehmung unterzogen  1779.  Also  auch  hier  dieselbe  Erscheinung  wie 
beim  Hervatius:  die  Oberdeutschen  schon  zu  Veldeke's  Zeit  ebenso  weit, 
als  dieser  sie  erst  gebracht  haben  soll! 

4ü* 


662  Moth. 

Untersuchung  gegeben  werde  und  unter  allen  ümstladen  die 
gewonnenen  Daten^  die  doch  noch  sehr  problematisch  sind, 
nicht  in  kritiklosen  Litteraturgeschichten  inveteriren. 

Es  ist  eine  wiederholt  ausgesprochene  Vermuthiingy  daai 
Hartmann  awei  Kreuzfahrten  unternommen  habe  und  jedes 
seiner  beiden  Kreuzlieder  (dem  hritue  zimt  wol  reiner  muol 
MSF.  209,  25  und  ich  vor  mit  iwem  htUden  he»Te  unde  m&gt 
218,  5)  sich  auf  eine  von  diesen  beziehe.  Neuestens  hat  diese 
Ansicht  A.  Baier,  Germ.  24,  72  f.  mit  Geschick  vertreten.* 
Durch  dieselbe  würde  sich  manche  Schwierigkeit  beheben: 
man  könnte  die  Autopsie  des  Meeres  zugeben,  wenngleich  gegen 
Naumanns  Einwendungen  a.  a.  O.  S.  36  nicht  viel  zu  sagen 
ist ;  dagegen  wird  mich  nie  Jemand  von  meiner  Ueberzeugong 
abwendig  machen,  dass  das  erste  Büchlein  (V.  358  daz  üt 
aUen  den  wol  kunt  die  da  mite  ge^eeeen  sint)  nach  einer  See- 
fahrt gedichtet  ist,  ob  nun  Hartmann  einmal  oder  zweimal  im 
heiligen  Lande  war:  jede  andere  Auslegung  ist  gezwungen 
und  leidet  an  innerer  Unwahrheit.  V.  1687  wcer  ich  im  artende 
ist  meiner  Meinung  nach  vor  einem  Kreuzzuge  gesprochen  — 
man  sehe  Naumanns  richtige  Argumentation  S.  öl  — ,  also  das 
erste  Büchlein  gedichtet,  da  Hartmann,  längst  von  der  ersten 
Fahrt  heimgekehrt,  zum  zweitenmale  das  Kreuz  genommen 
hatte.  Ich  würde  dies  fiir  unbedenklich  sicher  halten;  denn 
Hartmann  könnte  als  Knappe  des  Rothbarts  Kreuzzug,  wie  als 
Ritter  den  von  1197  mitgemacht  haben,  wenn  mich  nicht  ein 
Umstand  abhielte,  ein  endgiltiges  Urtheil  zu  fallen.  Häufig 
genug  mögen  Ritter  gezwungen  gewesen  sein,  zweimal  in  das 
heilige  Land  zu  ziehen.  Junge  Pilger  wollten  erprobte  Führer, 
die  den  Weg  schon  einmal  gemacht  In  Oesterreich,  wo  inner- 
halb eines  Decenniums  drei  babenbergische  Fürsten  nach  ein- 
ander das  Kreuz  nehmen,  mag  mancher  Ritter  den  W^  mehr 
als    einmal    gemacht    haben.     Ein    Wechsel    des    Lehensherm 


*  ObwcAl,  wie  ich  gUabe,  die  SteUe  von  Saladtn  sich  einfacher  erkliren 
ISsst:  Selbst  wenn  Saladin  in  voller  Macht  noch  lebte  [aelbstverstSndlicbe 
Ellipse:  den  zn  bekämpfen  jedes  Ritters  Pflicht],  wäre  ich  nicht  fort- 
zabringen  ans  Franken.  Nennt  so  mit  dem  Orientalen,  der  in  Orient 
Seewesen,  den  Oocident,  speciell  Deutschland?  Es  ist  fibrigens  för  die 
Frage  gleichgiltig:  das  Herrengescblecht  der  Aner  könnte  ja  aneb  Guter 
in  Franken  besessen  haben! 


Hnnrieli  t.  Yeldeke  n.  d.  Oenetis  der  romantischen  n.  heroischen  Epik  am  1190.      663 

konnte  da  für  den  Vasallen  unbedingt  massgebend  sein.  Einen 
solchen  Wechsel  nun  hat  Hartmann  auch  erfahren ;  bitter 
beklagt  er  den  Tod  des  Herrn;  dass  er  den  Nachkommen  ein 
treuer  Vasall  blieb,  bezeugt,  dass  er  viel  später  die  Dichtung 
abfasste,  die  das  Haus  der  Auer  verherrlicht :  aber  bei  seinem 
ersten  Ereuzzuge  war  der  Herr  schon  todt:  gerade  in  dem 
Liede  dem  kriuze  zimt  etc.  trauert  er  um  den  Herrn.  Damit 
ist  der  äussere  Umstand  weggefallen,  der  mir  eine  zweimalige 
Kreuzfahrt  Hartnianns  motiviren  würde  —  denn  dass  sich  beide 
Kreaziieder  auf  die  zweite  Reise  beziehen  könnten,  wird  wohl 
Niemand  behaupten  wollen  —  und  die  Frage  bleibt  offen. 

Eine  zweite  Frage   ist  die  um   das  Alter  des  Oregorius. 
Man  hat  die  Epen  Hartmanns  nach   seinem  Sprachgebrauche 
in  zwei  Gruppen  geschieden:  Erec  und  G-regorius  —  Heinrich 
und  Iwein.    Die  hiezu  angewandte  Methode,   die  Reinheit  der 
Sprache  und  des  Reimes  zu  prüfen   und  nach  fortschreitender 
Kunstfertigkeit  anzuordnen,  ist  sicherlich  richtig,  aber  sie  be- 
darf zweier  Cautelen :  erstens  darf  sie  sich  nicht  in  Subtilitäten 
verlieren,  denn  grosse  Percentzahlen  mögen  sicher  sein;  wenn 
aber  bei   ausserordentlicher   Sorgfalt  die   Zahl   der   Verstösse 
eine  äusserst  geringe  ist,   lässt  sich  nach  solchen  Bruchzahlen 
eine  Anordnung   in   chronologischer  Folge  nicht   geben,   denn 
da  kann  der  Zufall  seine  Hand  im  Spiele   haben.    Solch'  eine 
Subtilität   aber    ist  die   Scheidung    des    armen   Heinrich   vom 
Iwein :  wir  müssen  einfach  unser  Unvermögen  eingestehen,  ein 
genaueres  Resultat  zu   erzielen,    als  das,   dass  beide  Gedichte 
derselben  Periode  der  litterarischen  Thätigkeit  Hartmanns  an- 
gehören,   das   heisst   ungefähr  gleichzeitig   scheinen.     Da   wir 
überdies  wissen,  dass  der  Iwein  um  1202  entstanden  ist,   sind 
wir   zu    alledem    hinlänglich    unterrichtet.     Naumanns   Beweis 
8.  42  f.   ist   unzulänglich;    betreffs    des  Stiles   haben    er  und 
Andere  vor  ihm  vergessen,   dass  der  Iwein  eine  Uebersetzung 
ist,    der   arme  Heinrich   eine  freie  Dichtung  nicht  ganz   ohne 
populären  Anstrich.    Müsste  ich  demnach  nach  dem  Stile  allein 
urtheilen,  so  würde  ich  den  armen  Heinrich  für  jünger  halten 
aU   den   Iwein.     Was    aber    den    Gregorius    betrifft,    ist    die 
zweite  Voraussetzung  jener  Methode  in  Erwägung  zu   ziehen: 
eine  derartige  genaue  Stilprüfung  hat  ununterbrochene  Kunst- 
übung zur  Voraussetzung.    Ist  es  nicht  nachweisbar,   dass  der 


664  M«tb. 

Dichter  ununterbrochen,  das  heisst  ohne  grosse  Pansen  der 
Unthätigkeit  oder  Unproductivität,  die  wie  z.  B.  bei  Schiller 
eine  völlige  Umwandlung  des  Stiles  mit  sich  bringen^  gewirkt 
hat,  so  sind  Unebenheiten,  RtickfUUe,  Schwankungen  denkbar, 
möglich,  ja  wahrscheinlich. 

Nun  stehen  bei  scharfer  Betrachtung  nicht  £rec  und  Ore- 
gorius  den  übrigen  Werken,  sondern  der  Elrec  allein  steht 
allen  anderen  Dichtungen  Hartmanns  gegenüber;  er  allein  hat 
einen  etwas  abweichenden  Wortschatz  und  grob  populäre  Formen, 
die  Hartmann  später  meidet.  Diese  Entäusserung  ist  aber  nicht 
zufällig  oder  unabsichtlich  vor  sich  gegangen,  sondern  berobt 
auf  einem  Willensacte,  einer  Einkehr,  Selbsterkenntniss,  die 
wieder  nur  durch  einen  äusseren  Anstoss  hervorgerufen  sein 
kann,  der  nicht  leicht  etwas  anderes  gewesen  sein  kann,  als 
der  Besuch  eines  Fürstenhofes,  an  dem  bereits  die  Regeln  det 
neuen  Tones  zur  Herrschaft  gelangt  waren.  Das  würde  dazu 
verlocken,  nach  dem  Erec  eine  längere  Pause  in  der  Eunstübnng 
anzunehmen,  bis  der  Poöt  wieder  mit  neuer,  mit  voller  Kraft  auf 
dem  Platze  erscheint.  Aber  das  ist  eine  unerweisliche  Vermuthung. 

Auf  Schloss  Spiez  am  Thuner  See  ist  aber  der  Eingang 
des  Qregorius  entdeckt  worden  (Paul  u.  Braune,  Beitr.  3, 
90—132)  und  der  scheint  nun  allerdings  seinem  Inhalte  nach 
kaum  von  einem  jungen  Manne  gedichtet  sein  zu  können,  so  dass 
eine  etwas  vorschnelle  und  im  Ausdrucke  jedenfalls  übertriebene 
Aeusserung  Becks  plötzlich  Bedeutung  gewinnt,  der  meinte, 
die  ,tumben  jär'  Greg.  5  deuteten  auf  ,Reue  über  ein  im 
Dienste  der  Welt  verbrachtes  Leben'.  Wenn  dies  auch  nicht 
wörtlich  zu  halten  sein  wird,  wird  man  sich  doch,  es  sei  denn, 
dass  es  gelänge,  den  Eingang  des  Oregorius  als  ganz  unselb- 
ständig nachzuweisen  (vgl.  Scherer,  ZfdA.  20,  349 — 354),  dazu 
bequemen  müssen,  den  Qregorius  fbr  ein  Werk  des  alten 
Hartmanns  zu  halten.  ^  Dass  er  entgegen  seiner  Eunstübung  im 
Iwein  und  den  gleichzeitigen  Werken  wieder  einen  Rückfall  in 
den  Stil  seiner  Jugend   zeigt,   das  wäre   zu  erklären  ans  der 

^  Die  Uebereinstimmung  zwischen  der  Einleitung  des  Oregorius  und  dem 
iTrost*  ist  zwar,  wie  der  Spiezer  Fund  beweist,  noch  enger,  als  Scherer  diri- 
natorisch  ahnte ;  aber  dabei  bleibt  zu  erwägen,  ob  die  Stelle  einem  jnngeu 
Autor  zugesagt  h&tte:  dass  mittelalterlichen  Autoren  bei  Entlehnung  bSo% 
genug  wenig  Passendes  mitunterlXuft,  soll  freilich  nicht  gelSugnet  werden. 


Heinrich  t.  V«ldeke  n.  d.  Genesis  der  romanti^hen  u.  heroischen  Epik  nm  1190.      665 

Unterbrechung  seiner  Thätigkeit  und  vielleicht  aus  der  Betrach- 
tung der  gleichzeitigen  Litteratur.  Wenn  der  gefeiertste  Zeit- 
genosse Wolfram  ungescheut  all'  das  in  seine  Dichtung  einschob 
and  verflocht;  was  Hartmann  mühsam  abgestreift  und  peinlich 
ferngehalten;  mochte  er  sich,  und  besonders  bei  einem  nicht 
streng  romantischen  Stoffe  imftierhin  wieder  gehen  lassen. 

Und  zu  alledem  kommt;  dass  der  Gregorius  in  der  That 
stilistische  Eigen thümlichkeiten  bietet;  die  ihn  vom  EreC;  wie 
von  der  Iweingruppe  trennen;  die  aber  Herr  Naumann  nicht 
bemerkt  hat  Zudem,  was  Naumann  a.  a.  O.  S.  34  f.  bei- 
bringt; ist  noch  zu  bemerken:  eüen  1821;  ellenthaft  1998;  ur- 
liuges,  also  neutr.  1702.  1726.  —  ez  loaz  ein  8un  daz  si  gebar 
498  (cf.  Nib.  1688,  1;  2);  ein  der  hertiste  strit  1983.  mcere 
2086,  Rome  diu  mcBre  3615;  brot  unde  brunnen  2740,  vrevel 
unde  wo  3796.  Für  all'  das  bietet  der  Erec  keine  Parallele. 
Ich  habe  Sitzungsber.  XCI  Bd.  S.  13  gezeigt,  wie  sorgsam 
Hartmann  Deminutiva  auf  -Ua  meidet;  im  Qregorius  sucht  er 
sie  beinahe:  väzzelln  533.  826,  Inuselin  2603.  2861.  3079.  3529. 
3540.  3549,  kindeUn  302.  514.  536.  879.  957,  tohterlln  14.  Es 
iBt  das  der  Stil,    der  mit  Gottfried  zum  Durchbruche  gelangt. 

Ich  will  aber  auch  diese  Frage  nur  angeregt  haben  und 
masse  mir  nicht  an,  hier  im  Vorbeigehen  die  letzte  Entschei- 
dung zu  fällen.  Die  Berechtigung  wiederholter  Discussion  glaube 
ich  hinlänglich  dargethan  zu  haben. 

Alles  in  allem  werden  wir  darin  übereinstimmen,  dass 
Hartmann  in  selbständigem,  zielbewusstem  Ringen  geworden 
ist,  was  er  war;  dass  er  hochdeutsche  Vorbilder  vorfand,  an 
denen  er  sich  bereits  bilden  konnte,  und  dass  auf  ihn  und 
seinen  unmittelbaren  Einfluss  die  Reinheit  des  höfisch-romanti- 
schen  Stiles  in  Oberdeutschland  zurückzuführen  ist. 

111.  Das  heroische  Epos  in  Oesterreich. 

Nur  ein  landschaftliches  Gebiet  hat  unsere  Discussion 
bisher  nicht  berührt  und  zwar  gerade  dasjenige,  das  von  den 
hochgehenden  Wogen  der  Zeit  am  gewaltigsten  durchrüttelt 
wurde,  das  österreichische  Donauthal. 

Nach  Oesterreich  musste  die  von  Nordwesten  ausgehende 
Bewegung  zuletzt  gelangen;    in  der  That,    so  thöricht   es  ist, 


666  Math. 

läugnen  zu  wollen,  dass  auch  in  Oesterreich  einmal  Ritterthum 
und  Minnedienst  geblüht  habe,  und  so  wenig  haltbar,  zu  be- 
haupten, dass  sich  damals  Oesterreich,  indem  es  den  geist^n 
Fortschritt  des  übrigen  Deutschlands  nicht  mitmachte,  gesondert 
habe  für  alle  Folgezeit,  so  richtig  ist  es,  dass  die  litterarische  Be- 
wegung  erst  spät  nach  Oesterreich  gelangt.  Aber  die  Romantik 
hat  die  österreichische  Ritterschaft  doch  mitgemacht:  freilich 
blüht  Ulrich  von  Lichtenstein  achtzig  Jahre  nach  der  Blüthe 
Moriz*  von  Craon.  Aber  gerade  in  litterarischer  Beziehung 
hat  Oesterreich,  während  die  Ritterschaft  sich  erst  langsam 
bequemt  zu  haben  scheint,  courtoise  Formen  anzunehmen^  ver- 
hältnissmässig  rasch  Schritt  gehalten.  Denn  gleichzeitig  mit  dem 
Thüringer  —  ich  nehme  nur  auf  die  Vollendung  der  Eneit 
Rücksicht  — ,  also  dem  Thüringer  Veldeke,  dem  Schwaben 
Hartmann,  singt  auch  bereits  der  Oesterreicher  Walther. 

Aber   der   erzählenden  Dichtung  wandte  sich  die  Ritter- 
schaft Oesterreichs  erst  zu  unter  dem  Eindrucke  des  dritten 
Ereuzzuges   und   des  Lebens   und  Treibens  an   einem   kunst- 
sinnigen Fürstenhofe.    Hier  war  man*  nicht  wie  am  Rheine  im 
steten   Verkehr  und  Austausch    mit    dem    welschen   Nachbar; 
wenn  man  nach  neuen  Stoffen  greifen  wollte,   fand   man   eben 
nur  alte   und,   wie    der  Minnesang   in   Oest-erreich    damit  be- 
gonnen   hatte,    dass    die    Ritter    volksthümliche   Weisen    mo- 
delten, so  begann  die  epische  Dichtung  damit,  dass  man  nach 
den  volksthümlichen  Sagen   griff,   die   seit  Menschengedenken 
von  den  Fahrenden  gesungen.  Allen  kundig,   in  Aller  Munde, 
einen  flüssigen,  der  Bearbeitung  werthen  und  die  Mühe  lohnen- 
den  Stoff  der  Behandlung  boten.    Doch   ist   vor  1190  keine 
Spur  einer  umfangreicheren  Dichtung  nachweisbar.   Lieder  von 
den  Amelungen  und  Nibelungen,  von  Kudrun  und  Hilde  müssen 
unausgesetzt  gesungen  worden  sein ;   die  Reinheit  des  -Reimes 
in  unseren  Nibelungenliedern   erlaubt   bekanntKch  nicht,  die- 
selben über  1190  oder   doch  beträchtlich  über  1190  hinaufzu- 
rücken ;  das  aber  ist  unmöglich,  den  Zeitpunkt  mit  voller  Ge- 
nauigkeit  zu  bestimmen,   wann   die   Behandlung  dieser  Stoffe 
aus    den   Händen    der    professionsmässigen    Spielleute    in    die 
der    Herren    selbst    überging;    denn   das   geschah  vermathlich 
gerade    so    beiläufig    und    allmählich    und,    seit    einmal   damit 
begonnen    war,    so   noth wendig,    als    dann    wenige   Decennien 


Heinrieh  v.  Yvldeka  n.  d.  Oenesis  dur  romuitischeii  n.  heroiitelien  Epik  am  1190.      667 

später  die  Sammlung  und  Vereinigung  dieser  Lieder  zu  einem 
zusammenhangenden  Epos  erfolgte. 

Dem  Kreuzzuge  des  Kaisers  schloss  sich  Herzog  Leopold  V. 
von  Oesterreich  ^  mit  glänzendem  Gefolge  langsam  an ;  es  ist 
bekannt;  wie  die  Oesterreicher  vor  Accon  lagen,  mit  den  Eng- 
ländern in  Streit  gerietheu ,  endlich  wieder  missmuthig  heim- 
kehrten. So  übel  sie  mit  den  Welschen  standen,  mit  den  deutschen 
Herren  anderen  Stammes  scheinen  sie  das  beste  Vernehmen 
gehalten  zu  haben;  ja  die  Freundschaft  der  Oesterreicher  und 
Thüringer  wurde  geradezu  sagenhaft.  Wie  wir  der  Sage  vom 
Wartbergkriege  das  mit  Sicherheit  entnehmen,  dass  die  Höfe 
von  Eisenach  und  Wien  als  die  vornehmsten  Pflegestätten  der 
Litteratur  galten,  so  belehrt  uns  eine  andere  Dichtung,  das 
Epos  von  des  Landgrafen  Ludwig  Kreuzfahrt,  das  mehr  als 
zwei  Menschenalter  später  ein  Thüringer  angeblich  noch  nach 
Angaben  eines  Augenzeugen  abfasste  (sehr  schlechte  Ausgabe 
von  van  der  Hagen,  Leipzig  1854,  300  S.  8*^.),  über  die  Freund- 
schaft der  beiderseitigen  Ritterschaft.  So  wenig  man  sich  bei- 
kommen lassen  dürfte,  dieses  Erzeugniss  thüringischen  Local- 
Patriotismus  als  historische  Quelle  benützen  zu  wollen  —  der 
Herzog  von  Oesterreich  führt  beständig  den  Namen  Friedrich  — , 
so  bezeichnend  ist  doch,  wie  nachdrücklich  die  Innigkeit  der 
Beziehungen  zwischen  den  Fürsten  und  ihrer  Umgebung  betont 
wird.  Ich  nehme  unbedenklich  an,  dass  hier  insoferne  echte 
und  gute  Tradition  zu  Grunde  liegt,  als  wenn  auch  das  Detail 
(insb.  V.  5034  ff.)  ganz  unbeglaubigt  ist,  doch  das  gute  Ein- 
vernehmen im  allgemeinen  anzuzweifeln,  kein  Grund  vorhanden 
ist  und  die  hervorragende  Rolle  des  Herzog  Leopolds  während 
dieser  Episode  des  Kreuzzuges  auch  sonst  feststeht. 

So  enge  Berührung  fremder  Landsmannschaften  konnte 
nicht  ohne  Folge  bleiben:  Oesterreicher  und  Thüringer  hatten 
sich  gegenseitig  eine  Gabe  zu  bieten ;  jene  waren  in  der  Lyrik, 
diese  in  der  Epik  überlegene  Meister.   Damals  mögen  die  ersten 


^  Zar  Orientirnng  für  nichtösterreichische  Leser: 

Leopold  V.  (,der  Tagendhafte') 
t  31.  December  1194. 

Friedrich  I.  (,der  Katholische')         Leopold  VI.  (,der  Glorreiche*) 
t  16.  April  1198.  1198—1230. 


668  Mutb. 

Fäden  angesponnen  worden  sein,  die  viele  Jahre  später,  nach 
seines  Gönners  Friedrich  Tode,  Walther  auf  die  Wartbai^ 
führten;  damals  mögen  es  zuerst  die  österreichischen  Herren 
als  courtois  erkannt  haben,  auch  umfangreiche  Werke  sa  um- 
fassen, zu  redigiren,  dem  fahrenden  Schüler  oder  Hauscaplan 
sfiu  dictiren. 

Wenigstens  erklärt  uns  das  einigermassen  den  sonst  eben 
über  die  Maassen  auffallenden  Umstand,  dass  unmittelbar  nach 
der  Heimkunft  der  Orientpilger  in  Oesterreich  eine  rege  epische 
Dichtung  beginnt,  so  zwar,  dass  im  Lande  Reinmars  und  Wal- 
thers der  höfische  Minnesang   eine  Zeit   lang  fast   zurücktritt. 

Dass  es  in  Oesterreich  Lieder  gegeben  volksthümlichen 
Inhaltes,  ist,  wie  bereits  erwähnt,  zweifellos ;  es  gab  aber  auch 
historische  Lieder:  eine  Spur  eines  solchen  Liedes  erhält  uns 
eine  eher  dem  XIV.  als  dem  XIIL  Jahrhunderte  entstammende 
poetische  Zwettler  Haus-  und  Klosterchronik,  in  der  die  Schick- 
sale der  Kuenringe  verherrlicht  werden  (Fontes  RRÄA.  IL  Abth. 
3.  Bd.  über  fundat.  monast.  Zwettl.  S.  1 — 22);  unter  dem  Schatt 
des  XIV.  Jahrhunderts  schimmert  doch  noch  das  Werk  des 
Sängers  aus  dem  XU.  hervor,  freilich  nicht  mehr  so  deutlich, 
dass  man  sich  ein  Bild  von  Form  und  Inhalt  —  am  ehesten 
noch  von  Anlage  und  Sprache  —  machen  kann.  Ich  citire 
ganz  beiläufig  der  Reihe  nach  Ausdrücke  und  Formeln,  wie 
sie  der  classischen  Volkspoesie  eigen  sind:  V.  18  fruoty  Mdaz 
hat  es  den  vollen  gar  (Nib.  2077,  2);  53  anwigen;  55  schaden 
Wide  schände;  218  daz  vrlevg  (neutr.);  274  vor  der  tceyganden 
ellenhaften  handen ;  284  brvffeti  gr6zev  umnder  (s.  h.  v.  Jänicke 
zu  Bit.);  289  bem  unde  ehersuAn'^  482  wüten  mcere  allerding« 
arg  verballhornt:  (2^*  so  weiten  ist  zemir,  dagegen  ganz  richtig 
667  witen  mare  :  weiten  mer\  546  gemeit  Es  wird  sich  wohl 
Niemand  der  Ueberzeugung  verschliessen,  da  den  übertünchten 
Rest  eines  historischen  Volksliedes,  das  im  XII.  Jahrhundert 
im  österreichischen  Wald  viertel,  das  ist  dem  nordwestlichen 
Theile  Niederösterreichs,   abgefasst  wurde,   vor  sich  zu  haben. 

Aber  die  Männer  der  Neunziger  Jahre  wandten  sich  heroi- 
schen Stoffen  zu  und  zwar  wurde,  bevor  man  sich  noch  daran 
wagte,  die  vielen  rasch  entstehenden  gefälligen  Lieder  zu  einem 
grossen,  cyclischen  Ganzen  zu  vereinigen,  der  Versuch  gemach^ 
den   etwas  ungefügen,   volksthümlichr^n  Stoff  der  überlieferten 


Heinrich  t.  Veldeke  n.  d.  Genesii  der  romk&tischen  n.  heroischen  Epik  um  1190.      669 

Form  zu  entkleiden  und  für  die  ritterlichen  Kreise,  speciell 
wahrscheinlich  für  den  Herzogshof  —  denn  die  Ritter  dich- 
teten ja  wacker  in  der  Nibelungenstrophe  —  in  höfische  Kurz- 
zeilen umzugiessen. 

So  entstanden  Epen  yolksthümlichen  Inhaltes  in 
höfischer  Form. 

Zuerst  begnügte  man  sich,  den  Inhalt  überlieferter  Lieder 
wohl  oder  übel  in  die  Kurzzeile  zu  zwängen  (Klage);  bald 
aber  wagte  man  es,  den  Stoff  freier  zu  behandeln^  den  Recken 
Thaten  der  Courtoisie,  deren  Erfindung  bei  aller  Treue  gegen 
die  Ueberlieferung  zulässig  gefunden  wurde,  anzudichten:  das 
Volksepos  lieferte  in  Namen  und  Formeln  nur  das  Skelet  des 
Qedichtes  (Biterolf);  späterhin  suchten,  nachdem  die  Ritter 
schon  bis  zur  Sammlung  der  epischen  Lieder  vorgeschritten 
waren,  die  Spielleute  sich  selbst  auch  in  der  neuen  höfischen 
Form  zu  üben  und  trugen  so  das  kurzzeilige  Epos  in  die 
niederen  Kreise  (Tjaurin). 

Diese  Bewegung  aber  begann  unmittelbar  nach  der 
Heimkehr  vom  Kreuzzuge.  Ich  habe  bewiesen  (ZfdA.  19, 183  f.), 
dass  der  Biterolf  am  Wiener  Hofe  zwischen  1195  und,  wohl 
noch  zu  Lebzeiten  Friedrichs  I.,  denn  Leopold  VI.  zeigte  sich, 
wie  bekannt,  zu  Anfang  seiner  Regierung,  wohl  durch  den  zu 
kostspieligen  Hof  halt  seines  eben  verstorbenen  Bruders  irritirt, 
den  Dichtern  und  Sängern  nicht  allzu  gewogen,  also  vor  1198 
vollendet  wurde.  Gegen  Wilhelm  Grimms  Vermuthung,  dass 
Klage  und  Biterolf  von  ^inem  Verfasser  seien,  hat  wohl  Jänicke 
schon  entschieden  genug  polemisirt  (DHB.  I,  8  f.);  aber  es 
lässt  sich  auch  zeigen,  dass  die  Klage  beträchtlich  älter  sein 
mu38  als  der  Biterolf,  wenn  sie  doch,  und  dafür  spricht  wieder 
vielfache  Uebereinstimmung  im  Einzelnen,  genau  derselben 
Landschaft  angehören. 

In  Biterolf  erscheinen  zahlreiche  Ausdrücke,  die  in  den 
Nibelungenliedern  vermieden  oder  selten  sind:  wigant  (überaus 
häufig,  Nib.  nur  942,  4),  gotes  degen,  degenliche,  degenheit, 
getelinc  (häufig),  erneiiden  877,  genende  12955;  urliuge  3409. 
4739;  mc  3924,  sahs  12269;  die  ganze  Reihe  oben  (S.  652) 
angeführter  Wörter:  vermezzen,  vermezzenltche,  vrevel,  vreveU 
ßci«,  viri  (häufig),  vruot;  baltlichea  13004.  Wörter  auf  -«am: 
getiozsam  313.    lobesam  2164.    gennhtsam  5607.   13336;    hierin 


670  Math. 

stimmt  also  der  Biterolf  zu  den  strengsteii  höfischen  Epen,  ebenso 
bezüglich  derer  auf  4in  nur  kindeltn  siebenmal  und  tohterlin^XA: 
häufiger  dagegen  die  sonst  gemiedenen  auf  -beere :  erb.  dreimal, 
freudenb.  6894,  lobeb,  neunmal,  redeb,  dreimal.  A^ele  Nominal- 
composita,  die  im  casus  obliquus  nothwendig  zwei  Hebun^n 
ohne  dazwischenfallende  Senkung  tragen  müssen  (vgl.  S.657),  aber 
nicht  Wörter  von  altem,  sondern  mehr  realistischem  Gepräge: 
armgrSz,  epertief,  loucvar  10384,  urvar  3531;  hurcwer,  einhorUf 
ertrich,  füstla/c,  goüerz,  gräfschaft,  herban,  jeiihof,  Itpnar,  Urzvl, 
marcman,  ndchhuot,  wartman,  schiltkneht,  velistrit  u.  v.  a. 

Für  jeden  Nibelungenkenner  genügt  diese  Zusammen- 
stellung ;  ich  füge  nur  bei,  dass  alle  diese  Worte  in  den  Nibe- 
lungenliedern unerhört  sind,  zum  grössten  Theile  ganz  aus  dem 
Stile  fallen  würden. 

Aber  auch  die  Klage  hebt  sich  deutlich  genug  ab. 

Die  Klage  —  nach  unseren  Ijitteraturgeschichten  ein  volks- 
thümliches  Epos  von  rohen  Formen  —  hat  kein  einziges  Wort 
auf  -mm;  *  auf  -lin  nur  kindelin  viermal;  auf  -bcßre:  «rb.  2115, 
redeb,  1.  Also  gleich  dem  feinsten  und  vornehmsten  schwä- 
bischen oder  thüringischen  Dichter.  Nominalcomposita  können 
wir  nicht  in  so  grosser  Zahl  beibringen  als  aus  dem  fünfmal 
so  langen  Biterolf,  aber  die  vorhandenen  tragen,  zum  Theile 
wenigstens,  einen  viel  alterthüm lieberen  Charakter:  volcdeyen, 
nitalac,  sarwät  —  sperschaft,  mürstein,  grunttoaU,  kriuz^f, 
burcgräve,  amptman,  marcman  —  getelinc,  vÄgant;  zornmuoteSf 
vrech  844.  —  oxigenweide,  das  angeblich  nicht  vor  Hartmann 
vorkommen  soll,  Bit.  3260.  Kl.  795.  1878  und  hochd.  Servatius 
562,   auch  bei  Reinmar  u.  zw.  datierbar  1195,   MSF.  168,  131 

Man  sieht  bei  vielem  Gemeinsamen  auch  vielfache  Ver- 
schiedenheit. Noch  entscheidender  ist  eine  Vergleichung  des 
Metrums.  Vergleicht  man  beide  Gedichte  in  Bezug  auf  die 
Ausfüllung  der  Senkung  —  wobei  man  jedoch  die  Vorsicht 
anwenden  muss,  die  Eigennamen,  die  fast  ausschlieeslich  in 
die  Zahl  jener   oben   charakterisirten  Nominalcomposita  fallen, 


^  Der  Laurin  hat  (um  die  Schwierigkeit  solcher  Kunstfertigkeit  darauthon!) 
in  seinen  1200  Versen  allerdings  nur  drei  Worte  auf  -»am^  aber  die  zn- 
sammen  19  mal !  Volksthümliche  Ausdrücke,  die  sich  nicht  auf  Heldeu- 
thum  und  Kampf  beziehen,  nur  fUrgebüegej  megetki,  mete. 


68 

18 

40(=3-337o)  ö 

12 

6 

7                        1 

16 

8 

7                      — 

29 

17 

12                       1 

UeiDricK  t.  Yeldek«  o.  d.  Oenesis  der  romantiachen  n.  heroiiclieii  Epik  am  1190.      671 

abzurechnen  —  und   auf  tonloBes  e  in  der  Hebung,    so  ergibt 
8ich,  tabellarisch  dargestellt: 

Klage       166—216  24  12  12  1 

1089— 11S8  19  6  14  X  {27 :  rAochünde) 

1266--1316  16  1  14  3 

also  in  300  Kunzeilen 

Biterolf  1001-1100 
6109—6208 
7676—7774 

also  in  300  KnnsseUen  66  30  26  (=  2-16  %)  2 

Man  sieht  in  Bezug  auf  Wortschatz  und  Behandlung 
des  Metrums  ist  die  Klage  alterthümlicher  als  der 
Biterolf;  beider  Dichter  aber  strebten  darnach;  der  der  Klage- 
mit  grösserem  Erfolge,  den  Anforderungen  des  besten  höfischen 
Stiles  gerecht  zu  werden. 

Ist  der  Biterolf  um  1195  gedichtet,  die  Klage  aber 
älter  und  zudem  nach  jener  Schichte  von  Nibelungenliedern 
gearbeitet,  die  denen  vorausgingen,  aus  denen  sich  unser  Epos 
zusammensetzt  (Sitzungsber.  LXXXIX.  Bd.  S.  633  f.),  so  muss 
sie  nothwendigerweise,  da  die  Reinheit  des  Reimes  verbietet, 
sie  viel  weiter  hinauf  zu  setzen,  spätestens  unmittelbar  nach 
dem  Kreuzzuge  entstanden  sein.  ^ 

Fassen  wir  demnach  in  Kürze  das  Resultat  unserer  Ab- 
handlung zusammen,  so  sehen  wir  Oberdeutschland  in  den 
letzten  Jahren  Kaiser  Friedrichs  I.  in  voller  Gährung:  eine 
gewaltige  Spannung  hat  sich  der  Gemüther  bemächtigt;  es  ist 
nothwendig,  dass  sie  sich  nach  einer  bestimmten  Richtung  entlade. 

An  den  Hof  eines  kunstsinnigen  und  freigebigen  Fürsten 
im  mittleren  Deutschland  ist  der  Mann  gezogen,  dem  es  zuerst 
gelangen,  eine  umfangreiche  französische  Dichtung  in  strengen 
Reimen,  allerdings  in  seiner  rheinischen  Mundart,  nachzubilden. 

'  Die  Klage  hat  unter  den  Amelungen  Ritschart  nicht,  dessen  Name  viel- 
leicht erst  in  Folge  der  Haft  des  Engländers  Richard,  den  man  eben 
Ritschert  nannte,  denn  Mi  im  Namen  Richart,  wie  ihn  noch  der  Alphart 
bietet,  ist  durchaus  nicht  österreichisch,  in  das  Epos  eingedrungen  ist. 
Mnth,  Einltg.  i.  d.  Niblied.  S.  332,  Note. 


672  Math. 

Da  wälzt  sich  die  ungeheure  Menschenwelle  dahin  an  den 
Füssen  der  Berge  durch  das  Donauthal ;  die  herrlich  geputzte, 
in  allen  Genüssen  des  Lebens  verwöhnte^  in  den  strengsten 
Formen  sich  bewegende  normannische;  auch  Theile  der  pro- 
yen9alischen  Ritterschaft  erscheinen  in  Deutschland;  die  deut- 
schen Stämme  selbst  kommen  in  engen  und  dauernden  Contact: 
sie  bewundern  die  Welschen  und  ahmen  sie  nach;  Reibungen 
und  Conflicte  aber  erwecken  ein  starkes  nationales  Gef&U. 

Der  zumeist  beleidigte  Fürst,  der  als  Vertreter  der  natio- 
nalen Ehre  dem  Könige  von  England  sich  entgegenstellt, 
herrscht  über  die  deutsche  Landschaft,  die  das  Bild  und  die 
Pracht,  die  Vortheile  und  die  Lasten  des  Zuges  am  deut- 
lichsten und  längsten  empfunden. 

Im  Oriente  unter  Anspannung  aller  Kräfte  erregt  eine 
Folge  grosser  Begebenheiten:  ungewöhnliche  Schwierigkeiten, 
heisse  Kämpfe,  der  Verlust  des  greisen  Fürsten  die  Gemüther 
in  noch  weit  höherem  Grade ;  empfänglich  für  alle  Eindrücke, 
ob  sie  noch  so  phantastisch  wären,  in  ihrem  Gesichtskreise 
freier,  abenteuerlustig  kehren  die  Pilger  heim:  eine  höchste 
Blüthe  der  Poesie  ist  die  Frucht  dieser  tiefgehenden  Bewegung 
und  Erregung  der  Gemüther. 

So  sehen  wir  als  den  Motor  der  Begebenheiten  nicht 
einen  einzelnen  Mann,  nicht  ein  zufalliges  Gedicht  als  Aus- 
gangspunkt der  litterarischen  Blüthe,  sondern  grosse  historische 
Ereignisse,  die  für  das  Leben  des  Einzelnen,  wie  für  die  Ent- 
wickelung  der  Gesammtheit  maassgebend  sind  und  es  ist  ein 
bestimmter  Ausdruck  dafür  gewonnen,  in  ganz  bestimmter  Weise 
gesagt  und  nachweisbar,  von  wie  grosser  Bedeutung  für  die 
Entfaltung  der  deutschen  Litteratur  der  dritte  Kreuzzug  war: 
an  ihn  knüpft  sich  die  Blüthe  der  romantischen,  und  heroi- 
schen Epik! 


Heinrieh  t.  Teldeke  o.  d.  0«n6iii  der  romftiitifeliett  o.  heroUchen  Epik  nm  1190.      673 


BEILAGE. 


Die  Wiener  Yeldeke-Handschrift. 

Cod.  pal.  Nr.  2861  (hißt.  prof.  534,  Hoffmann  Nr.  XII); 
cod.  ms.  saec.  XV;  klein  Fol.,  zwei  Spalten  zu  meist  je  37  Zeilen; 
nnmerirt  209  Blätter;  la  bis  95a  Veldekes  Eneit;  die  beiden 
äusseren  und  die  zwei  innersten  Blätter  jedes  Doppelquaternios 
Bind  —  in  der  Regel  ganz  —  mit  Bildern  rohester  Sorte  be- 
deckt; die  Sprache  weist  nach  Schwaben;  Blatt  97,  la  fährt 
fort :  Das  puch  hebt  an  wie  rotn  geetift  ward  und  auch  von  aUen 
päpsten  kauern  und  küngen  zu  rom^  schliesst  209,  Ib  mit 
Friedrich  IV:  Amen  iWÄ  an  fant  manfetag  v/geschrieben  zu 
Vf^ff^^^^^/^n]  der  Schreiber  heisst  Jörg  von  Eisbach. 

Der  Text  der  Eneit  ist  schlecht  conservirt,  die  Formen 
abgeschleift,  namentlich  Niederdeutsches  aus  Missverständniss 
oft  getilgt;  Auslassungen  im  Anfange  selten;  von  der  Grenze 
des  ersten  und  zweiten  Theiles  an  wird  der  Text,  der  sich 
bis  dahin,  so  weit,  als  dies  die  Beispiele  unten  darthun,  an 
BM  lehnt,  selbständiger  und  gibt  zwischen  circa  V.  10800  und 
13200  kaum  den  halben  Umfang:  im  Ganzen  circa  2000  Verse 
weniger  als  die  Vulgata.  Obwohl  viele  Auslassungen  willkürlich 
sind  und  man  sieht,  der  Schreiber  strebe  vornehmlich  nach 
Abkürzung  der,  Hauptbestandtheile  der  zweiten  Hälfte  bilden- 
dcD^  erotischen  Gespräche,  ist  doch  erstens  der  Umstand  auf- 
fallend, dass  die  erste  grosse  Lücke  gerade  an  jenem  Punkt 
fällt,  wo  Heinrich  1181  seine  Arbeit  aufgeben,  abbrechen 
mnsste  und  liegt  somit   die  Vermuthung   nahe,   dass   entweder 


674  ic«th. 

eine  kürzere  Redaction  existirt  hat  oder  wenigstens  die  Ein- 
richtung der  Stammhandschrift,  an  der  die  neunjährige  Unter- 
brechung nicht  spurlos  vorüber  gegangen  sein  kann,  AnUss 
zu  Auslassungen  gab,  und  sind  zweitens,  während  der  Schreiber 
den  ärgsten  Ungeschmack  und  das  grösste  Ungeschick  bei 
seinen  offenbar  willkürlichen  Kürzungen  zeigt,  einzelne  bin- 
wider  so  wohl  angebracht,  so  einfache  und  textverbessemde 
Emendationen ,  dass  dem  Gedanken  Raum  gegeben  werden 
muss,  dass  jene  Schreiber,  die  mit  fortschreitender  Tendenz 
Veldekes  Arbeit  ins  Hochdeutsche  umschrieben,  auch  nach  Art 
ihrer  Zeit  und  Zunft  Zusätze  gewagt  haben,  so  dass  W  mit- 
unter, wie  oben  bei  347,  1 — 13  vermuthet  wurde,  das  Ur- 
sprüngliche gerettet  hat. 

Um  die  Stellung  der  Handschrift  im  Diagramm  (GH  — BM) 
klarzumachen,  soll  hier,  bevor  Proben  aus  dem  Texte  selbst 
gegeben  werden,  eine  Vergleichung  der  von  Braune  ZfdAli 
16,  420 — 436  zusammengestellten,  entscheidenden  Stellen  ge- 
geben werden. 

261,  10-13.  W  =  BM. 

312,  38.  39.  W  =  BM. 

314,  6.  W=  H  (und  Benoit!). 

26,  32.  W  4,  2a  =  B. 

40,  23  fehlt  W  8,  1  b  =  BM ;  zeigt  aber  möglicherweise 
die  Ursache  des  Fehlers  in  der  Stammhandschrift: 

troy  was  vaTt  grof 
dreier  tagwaid  waid  ^  wit 

dreier  stand  also  in  der  Vorlage  und  der  Schreiber  irrte  bei 
dem  gleichlautenden  Worte  tage  ab ;  vielleicht  auch,  wie  das 
Durchstreichen,  das  fast  nie  vorkommt,  wahrscheinlich  macht^ 
schwer  lesbar  durch  eine  Lücke  o.  dgl. 

47,  8.  W  11,  la  =  B. 

51,  5.  25.  W  12,  Ib  =:B. 

53,  29.  W  13,  la  ^xj  GH  vnd  klagt  do  jr  mgenuicL- 


^  waid  durchstrichen. 

2  c\5  drückt  ungefähre,   nicht  wörtliche  oder  buchstSbliche  Uebereinstim- 
mang,  >  yölliges  Abweichen  ans. 


H«iiirieli  ▼.  Yeldeke  a.  d.  OoieBit  der  romantischen  n.  heroiicheB  Kpik  «m  1190.      675 

55,  29—35.  W  13,  2a 

jr  sprecht  v5  dS  mane  =  B 

den  ich  mit  augS  ie  gefach  -^_ 

fo  ich  mich  verdencken  mag 

der  irt  kaine^  To  wol  getan  ~  _. 

er  ift  ein  edler  troian  -^  -D 

von  edlem  gefchlechte. 

72,  18.  W  19,  la>  do^y  trächerte  jnÄjf(8ic). 
94,  5.  W  26,  la 

er  WZ  ein  grttUch  yathgnof 

fnr  WZ  im  auch  der  mnnd 

▼fi  het  ein  fchwätz  alf  ein  hüd 

fraifchlich  wz  fein  geperd 

eneas  der  werd 

Yorcht  in  do  er  in  fach 

dz  man  wol  globen  mag. 

Die  Ausdrücke  zagel  eigislich  sind  entfernt;  den  Reim  geberde : 
werde  für  gebäre  :  märe  hat  der  Schreiber  gewiss  vorgefunden. 
Wir  sehen  hier  die  Thätigkeit  eines  jener  Zeitgenossen,  die 
das  Gedicht  mit  aller  Gewalt  ins  Hochdeutsche  umgiessen 
wollten :  warum  freilich  dabei  dslich  zu  fraialich  werden  muss, 
ist  heute  nicht  mehr  klar. 

113,  40  (Braune  S.  423).  W  32,  Ib  Verwirrung  im  Arche- 
typus:  do  er  zu  troyan  dz  sand  (sie). 

123,  37.  W  36,  1  a  gewönne  (~  BMG). 

124,  28.  29.  W  36,  lb=BM. 

133,  32.  W  38,  2b  daz  plüt  fliefen  began  (=  GHH. 

134,  16. 17.  W  39,  la  =  BM  (Urverderbniss  im  Archetypus) 

e  fy  fein  red  recht 
warü  fy  es  betten  getan. 

157,  5.  W  46,  2  a  >  t?/  ain  hocken  stain, 

160,  8.  W  47,  lb  =  BM. 

167,  40.  W  49,  1  b  =  BM. 

177,  8.  W  53,  1  a  =  GHEP  der  in  der  grab  der  was. 

184,  24.  W  55,  la  =  BM. 

Siti«n(il«r.  d.  phil.-hist.  Cl.  XCV.  Bd.  III.  Hft.  44 


676  H.tk. 

204,  34.  W  62,  2a  =  BM. 

205,  19.  W  62,  2a,  b  > 

2  a    die  zwen  te^en  reiche 
2  b     ^ar  vermerfenliche 

tacten  aich  ritterliche 

helden  zwain  geliche 

fy  griffen  zu  den  fchwerten    (29) 

der  fy  beide  gerten    (28). 

Hiezu  halte  ich  W  70,  2b,  das  ist  240,  11,  wo  W  =  GH  und 
BM  dasselbe  einschiebt,  was  hier  W,  nach  seiner  Vorlage  na- 
türlich, denn  Jörg  von  EUsbach  ist  nicht  für  unnütze  Erweite- 
rungen. Wir  sehen,  wie  sorglos  froh  die  Schreiber  Formeln 
einschalten,  wenn  sie  ihnen  eben  zu  passen  scheinen. 

209,  6.  7.  W  63,  2b  =  BM. 

212,  3.  W  64,  2a  =  BM. 

216,  30.  W  65, 2b  zimber  nun  waf^u  (sie);  29, 31  =  Ettmüller. 

257,  27.  W  75,  lb  =  BM. 

308,  40.  W  79,  la  =  BM. 

318,  31.  W  83,  2a  ~  GH. 

320,  16.  W  84,  la  rv;  GH  t0(i8  zwischen  irs  mur  wz, 

340,  24.  W  89,  2a  >  offenlich  er  fy  kueU]  dürfte  die 
echte  Lesart  sein. 

Braune  ZfdPhil.  4,  262  bespricht  die  merkwürdige  Stelle 
144,  35  —  145,  12;  W  42,  2b  =  BM;  nur  die  vier  Verse  weichen 
ab,  die  unmittelbar  vorhergehen: 

144,  80    er  vn  als  fein  hör 

betten  felich  farwe  grif 

fj  lepten  aber  *in  kain  weif 

lenger  wen  vier  jar  etc. 

Man  kann  aus  diesen  Beispielen  deutlich  sehen,  wie  W  zur 
Gruppe  BM  steht;  W  stammt  von  einer  besseren,  dem  Arche- 
typus näher  liegenden  Handschrift  ab;  zwischen  dieser  Hand- 
schrift und  W  aber  liegt  bereits  eine  Stufe  der  Verschlechte- 
rung.   Also  schematisch: 


Heiarieli  ▼.  Yeldeke  n.  d.  OenesiB  der  roBuntiichen  n.  heroischen  Epik  am  1190.      677 


E 


£2   (hochdeutsche  Ueherarheitung) 


£;  £2,  Xy  Yy  ¥2;  Z  sind  supponirte  Handschriften,  die  uns 
verloren  gegangen  sind ;  die  Fragmente  lassen  sich  den  beiden 
Haaptgnippen  leicht  einreihen;  eine  Handschrift  von  beson- 
derem Alter  oder  Werthe  ist  nicht  unter  ihnen. 

Das  Epos  beginnt  in  W: 

Er  hapt  wol  ynumS  dz 
wie  der  künig  menelfts 
troye  die  reichen 
besaß  gewalticlichen 
das  er  fy  zerfären  wolte 
durch  parifen  fchnlde  etc. 

Zur  Probe  auch  eine  vollständige  Vergleichung  einer  zu- 
fJülig  gewählten  Spalte  und  zwar  Ettm.  103,  5  quelen  vn  nifn> 
—  7  öbnan  —  9  mit  schänden  fehlt  der  mufent  —  10  wan  — 
12  ne]keins  —  13  ge]be  —  15  =  G  ge]be  —  17  ain  yhel  — 
18  der  sorgen  dan  nit  püfi  —  19  =  G  enhebet  —  20  wan  —  23  tun 
25  dem  sckmertze  mit  liden  \  dife  habet  anoaide  —  27  zweites 
den  fehlt 

E^  erübrigt;  die  hauptsächlichsten  Lücken  und  lücken- 
ausfQlIenden  Zusätze  aufzuzählen. 

148^  21—149,  21.  W  44;  2a  fehlen  diese  40  Verse,  dafür 
sehr  unklar: 

es  f&gt  keiDns  toren 
jr  rofstuck  wz  famit. 

W  71;  Ib  bricht  ab  mit  Vers  267;  24;  die  nächste  Seite 

^2,  la  &hrt  sodann  ganz  abweichend  fort;  wie  folgt: 

44« 


678  Math. 

Do  ds  alfo  WS  f(«tan 

Do  bet  der  edel  iroyun 

die  jonkfrawen  ach  ^sechen 

Da  mnst  er  veijeehen 
5  Dz  fy  fchöner  nit  ni((cht  fein 

Da  mit  im  ds  herU  fein 

yQ  fraide  hoch  yf  gefchwal 

yfi  laid  doch  grofe  qaal 

Ds  er  ir  moTt  enbom 
10  Die  fein  herts  fach  g^m 

Unde  die  nacht  kam 

Ir  baid*  herts  in  minn  enpran 

Vast  gen  ainander 

Als  im  für  der  falamide* 
16  vnts  er  doch  an  fein  pet  kam 

eneas  der  Inftfam 

yfi  er  daran  lag 

keines  fchlafes  e\  pflag 

▼fi  dr  jnngS  küniginne 
20  die  im  in  feinfi  Iinne 

fo  rtaticliche  lag 

es  wirt  mir  wile  got  pAs 

08  nacht  do  ich  rechte  m&f 

mit  ds  konen  tomum 
25  das  ich  gern*  wil  tAn 

yfi  wil  willicliehe 

yechtem  ym  ds  reiche 

yfi  ym  ds  schon  mag^tein 

ob  alle  die  weit  wer  mein 
30  fo  gewafi  ich  nim*  Sde^  wib 

ds  angemach  fol  mir  den  IIb 

fchier  krank  machen 

fol  ich  yaften  yfi  wachen 

wie  fol  ich  mein  lebe  behalden 
86  yor  tumfi  dem  balden 

alfo  lag  er  die  nacht 

mit  strengt  lieb  bewacht.' 

Bei  Beurtheilung  der  Stelle  wird  man  gut  thuD,  sich  za  erinnern, 
dass  wir  die  zerrüttetste  Stelle  der  Hs.  vor  uns  haben,  die  in 


1  Ansdrttcke,  wie  in  V.  16,  28,  35  n.  K.  sind  doch  merkwürdig  und  Usaeo 
sich  unmöglich  auf  den  Schreiber  sarückfohren.  Die  Frage  iit  nnr: 
stammen  sie  —  nach  unserer  Beseichnung  —  aus  Y  oder  sind  ds  dorch 
den  merkwürdigsten  Zufall  yerstflmmelte  Trümmer  einer  vom  Antor 
schliesslich  selbst  yerworfenen,  yielleicht  swischen  1182  und  1190  cos- 
cipirten  Redaction  enthalten? 


Hoinrieh  t.  Yeldeke  a.  d.  Qeoesis  der  ronuuitiiichen  q.  heroisehen  Epik  tim  1190       679 

der  Vorlage  schon  übel  zugerichtet  gewesen  sein  muss.  Es 
folgt  267,  32—268,  2,  doch  fehlt  V.  35.  36;  268,  3—269,  2 
fehlt  (40  Verse),  dafür: 

da  Bpracb  die  maget  frey 
ich  förcht  dz  es  de  kftm^  fej 
do  mich  min  müt^  troft  zu 
er  ist  mir  kumen  zd  M 
dz  mir  nnküt  vor  wz, 

88  folgt  269,  4  f. 

Blatt  76  bricht  ab  mit  dem  9115.  Verse  (Ettmüller  266,  34) 
und  es  folgt  eine  Lücke  von  circa  1200  Versen ;  erst  300,  9  wird 
wieder  angeknüpft.  Es  geht  aber  von  da  an  lückenhaft,  so  dass 
bis  zum  Schlüsse  noch  gewiss  mehr  als  500  Verse  ausfallen. 

Es  folgen  300,  9—301,  10.   301,  11  —  303,  33  fehlt,  dafür: 

nnn  wz  es  iber  mitten  tag 
dz  eueas  dennacht  lag 
vii  fein  hertz  oft  erkracht 
jn  dem  er  erwacht 
vnd  wolt  trösten  feine  man 
do  hief  er  im  geben  dan 
ein  gewSd  dz  im  wol  zam; 

nun  folgt  303,  34  —  304,  12;  dann  heisst  es: 

die  minn  zwig  fy  baide 
nun  merkt  wz  eneas  td 
er  rait  zh  der  pag  z&; 

es  folgt  305,  23  u.  s.  w.  So  ungefähr  ist  von  da  an  durch- 
gehend die   Erzählung;   erst  der  Schluss  wird  wieder  treuer. 

353,  11.  12,  die  merkwürdigen  Verse  lauten: 

da  wftd  ef  vollgefchriben 
anders  dan  wgf  ds  meift^plibs. 

353,  39.  354,  1  sind  die  Namen  Friedrich  und  Heinrich  ver- 
wechselt; 354,  16 — 19  fehlt,  schon  V.  20  zeigt,  dass  wir  nur 
mit  Nachlässigkeit  kämpfen.  Der  eigentliche  Schluss,  dessen 
Echtheit  uns  im  Erec  so  schön  verbürgt  ist,  ist  von  V.  31  ab  ver- 
kürzt und  ein  paar  salbungsvolle  neue  Reime,  wie  sie  Schreibern 
und  Liebhabern  geläufig  waren,  höchst  unnützer  Weise  beigesetzt: 


680     Mnth.  H.  T.  Veldake  n.  d.  0«BMii  d.  ronuatisehen  a.  ktro!tehM  Epik  vm  1190. 

854,  81    wan  als  er  das  vand 

damit  hant  ds  p&ch  end 
Oot  von  TDB  weDd 
aller  hand  mifftat 
vad  das  YnTer  fei  rat 
allenthalbe  werde 
im  himel  ▼&  vf  der  erden 
ds  vns  dz  allen  widerfiar 
rprechet  alle  ds  werd  war. 


Bzaeh.   Stndien  snr  Technik  dee  aachhomerisehen  heroischen  Verse«.  681 


Studien  zur  Technik  des  nachhomerischen 

heroischen  Verses. 

Ton 

Alois  Bzaoh. 


O.  Hermann's  glänzende  orphiache  Untersuchungen  lenkten 
zuerst  die  Aufmerksamkeit  der  Philologen  in  nachdrücklicher 
Weise  auf  die  Technik  des  griechischen  heroischen  Verses. 
Nehen  vielem  Anderen,  das  dem  Scharfsinn  jenes  bedeutenden 
Mannes  sich  erschloss,  war  es  die  Frage  nach  den  Längungen 
kurzer  vocalisch -auslautender  Silben,  welche  er  zum  ersten 
Male  in  umfassender  Weise  mit  Erfolg  einer  speciellen  Er- 
forschung unterwarf.  Die  richtige  Lösung  dieser  Probleme  ist 
darnach  angethan,  eine  Menge  falscher  Vorstellungen,  die  in 
früherer  Zeit  gang  und  gäbe  waren,  zu  beseitigen  und  neue 
Einblicke  in  das  Wesen  des  heroischen  Verses  zu  gewähren. 
Es  ist  daher  natürlich,  wenn  das  Interesse  für  die  von  Hermann 
aufgeworfenen  Fragen  nicht  erkaltete.  Und  gerade  in  unserer 
Zeit  ist  es  intensiver  denn  je  geworden.  Auch  die  nachfolgen- 
den Blätter  sollen  einen  geringen  Beitrag  zur  Untersuchung 
der  erwähnten  Fragen  liefern. 

Unter  den  obgenannten  vocalisch-auslautenden  Silben  im 
Hexameter  nehmen  diejenigen,  deren  Längung  durch  die  Be- 
schaffenheit des  folgenden  einfachen  consonantischen  Anlautes 
bedmgt  ist,  die  bedeutendste  Stellung  ein.  In  den  weitaus 
meisten  Fällen  ist  diese  einfache  Consonanz  einer  der  liquiden 
Laute  (im  weiteren  Sinne)  X  [jl  v  oder  p.  Da  gerade  diese  Art 
von  Längungen  im  heroischen  Hexameter  so  bedeutend  hervor- 
tritt, fand  sie  ganz  besonders  in  jüngster  Zeit,  speciell,  was 
das  Material  in  den  homerischen  Qedichten  betrifft,  eine  neue 
überaus  gediegene  und  eingehende  Bearbeitung.  Ich  meine  die 
vortrefflichen  Untersuchungen  HarteFs  in  seinen  Homerischen 


682  BBftcii. 

Studien  I,  die  überaus  dankenswerthen  Forschungen  von  Knöt 
in  den  Quaestiones  de  digammo  homerico  III  und  das  feine 
in  dieser  Frage  abgegebene  Ui-theil  von  Curtius  in  seinem 
offenen  Briefe  an  Hartel  (Studien  IV  471  sqq.)  und  in  den  Er- 
läuterungen zur  griechischen  Grammatik  ^42  sqq.  Wenn  die 
genannten  Gelehrten  auch  namentlich,  was  die  Art  der  fkit- 
stehung  solcher  Längungen  betrifft,  in  ihren  Ansichten  aus- 
einander gehen,  so  bleibt  doch  die  Thatsache  aufrecht,  dass 
zur  Zeit  der  Blüte  des  homerischen  Gesanges  Fälle  vorliegen, 
wo  vor  einer  einfachen  Liquida  Längung  auslautenden  kurzen 
Vocals  eintritt.  Hier  konnte  der  Grund  davon  nur  in  dem 
folgenden  Anlaute  liegen,  dieser  war  es,  der  als  tönender  Laut 
eine  vollere  Aussprache  unter  der  Beihilfe  der  Arsis  ermög- 
lichte, so  dass  thatsächlich  eine  Art  von  Doppelung  der  Liquida 
im  Zusammenhange  der  Rede  sich  ergab,  z.  B.  himi£r(dpoiQi. 
Gewiss  wird  man  jedoch  auch  zugeben  müssen,  dass  in  Fällen, 
wo  ursprünglich  eine  doppelte  Consonanz  (z.  B.  av  in  ^cwifdq) 
den  Anlaut  gebildet  hatte,  sich  in  der  Längung  vor  dem  be- 
treffenden Worte  eine  gewisse  Erinnerung  an  den  ursprüng- 
lichen Lautbestand  erhielt.  Beide  Gruppen  flössen  aber  zu- 
sammen, und  so  erscheint  in  der  uns  vorliegenden  Gestalt  der 
homerischen  Gedichte  die  flüssige  Natur  der  Dauerlaute  als 
die  Ursache  der  Längung  kurzer  vocalischer  Silben,  die  ihnen 
in  der  Arsis  vorausgehen.  Wie  Hartel  trefflich  nachgewiesen 
hat,  steht  das  vorausgehende  Wort  zumeist  in  engstem  Contact 
mit  dem  folgenden  und  fliesst  daher  mit  diesem  förmlich  in 
ein  Ganzes  zusammen,  fast  ebenso,  wie  wir  das  in  der  That 
bei  Compositis  oder  aber  bei  Verben  hinter  dem  Augmente 
erblicken  können,  wo  die  Liquiden  wesentlich  dieselbe  Wirk- 
samkeit im  Inlaute  zeigen  wie  sonst  im  Anlaute  (vgl.  s.  B. 
xoXuXXioTo;  und  IXXaße). 

Die  angeführten  durch  die  liquiden  Laute  hervorgerufenen 
Längungen  (resp.  ihre  Doppelung  im  Inlaute)  wurden,  mochtcD 
sie  nun  an  Stämmen  erscheinen,  die  ursprünglich  doppel- 
consonantischen  Anlaut  besassen,  oder  aber  an  solchen  mit 
einfacher  Liquida,  so  sehr  als  in  der  Natur  des  folgenden  An- 
lautes begründet  gefühlt,  dass  auch  die  nachhomerischen  Dichter 
sie  beibehielten,  ja  die  Zahl  der  Fälle  auch  aus  Eigenem  ver- 
mehrten,  indem   sie,   wie  Hartel    (Hom.  Stud.  I  239)   treffend 


Stndian  inr  Technik  dea  nacbbomeriBCheD  heroiachen  YeriiM.  boO 

bemerkt,  ^sich  aus  den  homeriBchen  Fällen  Regeln  abstrahirten, 
die  oothwendig  zu  Anwendungen  über  den  Kreis  der  vorlie- 
genden Induction  hinaus  führen  mussten^  In  welcher  Aus- 
dehnung dies  im  nachhomerischen  Hexameter  und  Pentameter 
geschehen  ist  und  wie  sich  die  späteren  Dichter  hiezu  ver- 
halten haben,  das  zu  untersuchen  bildet  Zweck  und  Ziel  der 
vorliegenden  Arbeit.  Da  die  Längung  kurzer  Vocale  vor  Li- 
quiden im  Inlaute  (mit  anderen  Worten:  die  Doppelung  der 
Liquida)  wesentlich  dieselbe  Erscheinung  repräsentirt  wie  im 
Anlaute,  so  werden  wir  auch  die  diesbezüglichen  Fälle  in  den 
Bereich  unserer  Untersuchung  zu  ziehen  haben,  so  dass  jene 
beiden  Formen  eines  und  desselben  lautlichen  Vorganges  ein- 
ander gegenseitig  erläutern  können. 

Auf  diese  Weise  gliedert  sich  unsere  Untersuchung  von 
selbst  in  zwei  Haupttheile,  deren  erster  die  Wirkung  der  Li- 
quiden im  nachhomerischen  Hexameter  und  Pentameter  im 
Anlaute,  deren  zweiter  ihre  Wirkung  im  Inlaute  behandeln  soll. 


I. 

Unter  den  nachhomerischen  Dichtern,  die  sich  des  epischen 
oder  elegischen  Versmasses  bedienten,  werden  wir  zwei  Gruppen 
zu  unterscheiden  haben :  eine  archaische,  welche  die  hesiodischen 
Dichtungen,  die  homerischen  Hymnen  und  die  Ueberreste  der 
kyklischen  Epiker  umfasst,  eine  Gruppe,  die  doch  theilweise 
noch  Selbständigkeit  und  originelles  Schaffen  aufweist,  und 
eine  jüngere,  die  späteren  Dichter  in  sich  begreifende,  die 
nur  mehr  mit  dem  Materiale  des  alten  Epos  arbeitet  oder  nur 
nach  daraus  gezogenen  Normen  eigenes  Neue  hervorbringt. 
Speciell  in  unserer  Frage  waltet  zwischen  den  beiden  Gruppen 
ein  wesentlicher  Unterschied  ob.  Gerade  hier  befleissen  sich 
die  archaischen  Dichter  besonderer  Mässigung,  sie  begnügen 
sich  fast  nur  mit  den  aus  der  homerischen  Poesie  ihnen  über- 
kommenen Fällen  und  verwenden  ausser  geringen  Neubildungen 
beinahe  nur  die  der  alten  Sängersprache  eigenthümlichen  Län- 
gUDgen  bei  bestimmten  Wortstämmen.  Die  jüngeren  Dichter 
hingegen  gehen  über  diese  Grenze  hinaus  und  lassen,  freilich 
von  selbständig   abstrahirten   Gesetzen   geleitet,    die   sie   sich 


684  Bisch. 

auB  dem  homeriBchen  Materiale  gebildet,  solche  Lfftngangeii  bei 
einer  weit  grösseren  Zabl  von  Stämmen  zu.  Hiebei  treten 
namentlich  gewisse  Dichter  in  den  Vordergrond,  wie  z,  B.  Äpol- 
lonios  Rhodios,  Quintus  Smyrnaeus  u.  a,  Waa  aber  diese 
einmal  neugeschaffen  haben,  das  gilt  ihren  Nachfolgern  vieUich 
ebenso  als  Kanon  wie  die  homerischen  Fälle  und  so  können 
wir  beobachten,  dass  von  diesen  jene  Neubildungen  nicht  minder 
recipirt  werden  wie  die  alten  homerischen  Formeln. 

Bei  Homer  ist  das  flüssige  Wesen  der  Liquida  noch 
lebendig  zu  fühlen,  wenn  es  auch  nur  in  einer  Beihe  von 
Stämmen  begegnet.  Diese  Vollkraft  der  Liquida  können  wir 
aber  gleich  in  der  nächsten  Periode  —  in  der  Zeit  der  Ent» 
stehung  der  hesiodischen  Dichtungen  und  der  homerischen 
Hymnen  —  nicht  mehr  ganz  voraussetzen,  es  sind  schon  ge- 
wisse starre  Verbindungen  und  Formeln  vorhanden,  in  denen 
sich  die  Längung  vor  den  Liquiden  zeigt,  und  auch  diese 
nicht  gerade  sehr  häufig,  obwol  es  doch,  worauf  Hartel  richtig 
hinwies,  nicht  ohne  Vortheil  und  Bequemlichkeit  für  die  be- 
treffenden Dichter  war,  sich  derlei  Längungen  zu  gestatten 
(Hom.  Stud.  I  237  sq.).  Neue  Fälle  begegnen  nur  wenige, 
meist  Eigennamen.  Daneben  macht  sich  eine  Beschränkung 
bemerkbar^  die  man  bei  Homer  noch  nicht,  wenigstens  in 
diesem  Masse  nicht,  wahrnehmen  kann.  Durch  Hartel  ist  an- 
zweifelhaft erwiesen,  dass  Längungen  vor  liquidem  Anlaute 
nur  in  der  Arsis  stattfinden  können.  Am  zahlreichsten  ist  dies 
(vgl.  Enös  m  254)  der  Fall  in  der  H.  und  IV.  Arsis,  aber 
auch  die  anderen  Hebungen  im  Verse  sind  betheiligt:  anden 
wird  die  Sache  bei  den  nachhomerischen  Epikern;  «chon  bei 
Hesiodos  beschränkt  sich  die  Längung  fast  allein  auf  die  U. 
oder  IV.  Arsis,  und  Nonnos  z.  B.  kennt  mit  Ausnahme  einer 
directen  Nachahmung  in  einem  dem  Homer  entnommenen 
Hemistichion  gar  keine  andere  Längung  als  nur  in  der  ein- 
zigen IV.  Arsis.  Auch  der  rhythmische  Werth  der  Aosdrficke, 
deren  auslautende  Silbe  durch  die  folgende  Liquida  gelängt 
wird,  kommt  in  der  nachhomerischen  Poesie  in  besondsrer 
Weise  in  Betracht.  Während  bei  Homer  sowol  einsilbige 
Wörtchen  wie  xe  [AeY^Oog  B  58  als  aucb  pyrrhichische  Wort- 
formen wie  hl  [keydpoiq  £  435,  daneben  aber  auch  Ausdrucke 
von  dei'  rhythmischen  Form    -  --  (6^p«  Xeitpovre  Q  285)   ^--^ 


ätadien  xor  Teehnik  des  naehkomcrischeo  heroischen  Yenes.  685 

(b7c6fK  ve^ea  A  306,  xphoia  (x^Yotv  1  344) ^  (IpBouaa  [Ufa  2pYov 

T  92)  -www  (i^piaoTO  piy'  5vetap  8  444,  ■fltiv«  pte^flO^^«^  H  462) 
w  —  w  (ü^vaaa  [a^y*^  ^^^^  **  l^*^)  ^  —  ^  ^  w  (eucrpe^ea  veopi^v 
0  463),  also  mannigfaltige  Wortarten  vorkommen,  wird  auch 
dies  in  der  späteren  Poesie  anders:  Die  Längung  wird  all- 
mälig  nur  zugelassen  bei  einsilbigen  Wörtchen  (fast  nur  xi  ii 
Ye)  und  pjrrhichischen,  ausnahmsweise  (in  unveränderlichen 
Wörtern)  auch  bei  trochäischen  Wortformen.  Was  sich  von 
anderen  rhythmischen  Wortformen  findet,  sind  directe  home- 
rische Reminiscenzen.  Bei  gewissen  Dichtem  können  wir  noch 
engere  Beschränkung  beobachten.  So  lässt  unter  den  Dichtern 
vor  Nonnos  z.  B.  Manethon  Längnng  nur  bei  pyrrhichischen 
Präpositionen  und  in  einem  Falle  beim  Wörtchen  xi  zu ;  Maxi- 
mo8  gar  nur  bei  der  einzigen  pyrrhichischen  Präposition  Ivi. 
Nonnos  selbst  zeigt  die  strengste  Norm,  bei  ihm  dürfen  auch 
die  einsilbigen  Wörtchen  nicht  mehr  in  einer  Längung  er- 
scheinen. Es  hängt  dieser  Umstand  mit  dem  Verwitterungs- 
processe  der  griechischen  Endsilben  zusammen,  wie  wir  ihn 
aus  den  von  Hilberg  in  seinem  Buche  über  ,das  Princip  der 
Silbenwägung  und  die  daraus  entspringenden  Gesetze  der  End- 
silben in  der  griechischen  Poesie'  und  aus  den  diese  Arbeit 
vervollständigenden  Ergänzungen  von  Scheindler  (in  der  An- 
zeige des  genannten  Buches,  Oesterr.  Gymnasialzeitschr.  1879, 
p.  412  sqq.)  kennen  lernen. 

Wir  werden  also  bei  unserer  Darstellung  Folgendes  zu 
beachten  haben: 

1.  Die  Wortstämme  (resp.  Wörter)  mit  liquidem  Anlaute, 
vor  denen  Längung  eines  kurzen  Vocales  zugelassen  wird. 

2.  Die  Stellung  der  gelängten  Silbe  im  Verse. 

3.  Den  rhythmischen  Werth  des  betreffenden  Wortes. 

4.  Ob  in  dem  jeweiligen  Falle  eine  Reception  homerischer 
oder  anderer  Vorlagen  erfolgt  ist  oder  aber  eine  selbständige 
neue  Bildung  vorliegt. 

Um  ein  deutliches  Bild  von  dem  thatsächlichen  Bestände 
geben  zu  können,  werden  wir  im  Folgenden  bei  der  Anführung 
Bämmtlicher  Detailfälle  (nach  den  Schriftstellern  geordnet)  in 
der  Weise  verfahren,  dass  zunächst  die  den  homerischen  Vor- 
lagen entnommenen  Beispiele  nebst  diesen  selbst  dargelegt 
werden,  dann  die  von  anderen  älteren  Dichtern  überkommenen, 


686  Rxttch. 

endlich  die  von  jedem  Schriftsteller  selbst  geschaffenen  neuen 
Oebilde.  Auf  die  von  den  sich  ergebenden  Gesetzen  abwei- 
chenden Fälle  wird  jedesmal  besonders  hingewiesen  werden. 

A.  Archaische  naehhomerische  Poesie. 

(Hesiodofl,  HomeiiBche  Hymnen,  Kyklos.) 

Die  weitaus  meisten  Wortstämme,  vor  denen  Längang 
vorkommt,  zeigen  dieselbe  auch  schon  in  den  homerischen 
Gedichten;  neue  Bildungen  begegnen  nur  sieben;  wovon  fünf 
bei  Hesiod  (hierunter  drei  Eigennamen)  und  je  eine  in  den 
homerischen  Hymnen  und  den  Kyklikern  sich  findet.  Als  wei- 
tere Norm  ergibt  sich:  Die  Längping  vor  liquidem  Anlaute  ist 
gestattet:  1.  bei  einsilbigen  Wörtchen  in  der  II.  und  IV.,  aus- 
nahmsweise in  der  III.  und  V.  Hebung;  2.  bei  pyrrhichischen 
Wortformen  in  der  II.  und  IV.  Hebung;  3.  in  Wörtern  anderer 

rhythmischer  Messung  bei  Verszwang  (und  zwar  ^  w  w,  ^ , 

—  www  u.   8.,    im   Versanfange   auch w)    in    der  H.  und 

IV.  Hebung,  dann  in  der  III.  Hebung,  wenn  ein  entsprechendes 
homerisches  Muster  vorliegt.  Niemals  aber  darf  in  der  Verssen- 
kung eine  Silbe  vor  folgender  Liquida  gelängt  werden.' 

Heaiodos. 

a)   Nach   homerischen  Vorlagen: 

Xi'^Mpiq:  TOI  [x^v  uwb  Xt^upöv  oupC^Y*»*^  XeaoN  ouSi^v  A.  278  II 

Hom.  xvoifS  &TO  Xrfupi]  N  590  W  215  II 
Xt-jcapo;:    BsüTSpov   i^^d^Z'zo   Xiiraptjv    6i{jL(V,   ^   Tsxev  "üpaq   Th. 

901  III 
Hom.  iizb  le  XtxapY)v  eppi^s  xaXuT;pv]v  X  406  m 
XiJY^'   öu8e  X0T6  XiJYOüffi  Oeal  Betvoio  x^Xoio  Th.  221  II 

Hom.  ij  TOI  5t6  XY556tev  0  87  II' 
jjLeY«?:    äeiVT^v  Te  |i,eYiXr}v  le  TCO$a)%ei  t6  xporepi^v  ts  Th.  320  II 

Hom.  xaXt}  TS  1*6^*^^  ts  $  7  H 
•j|jL€T?   Ik  Ixe^aXtiv  ts  ß't;v  xal  "^sipaq  aohcrou?   Th.  649  11 

Hom.    TQixeT^  Ih  |xsYiXoto  Ai6?  M  241  II 
ü)^  8'  ox'  awb  jxsYaXou  Tzizpr^  •::pTQü)Vo^  opouatj  A.  437  II 
Hom.  §(i)p(i)  Ixt  [AE^iXü)  K  304  II 

^  Die  römiichen  Ziffern  hinter  den  Verszahlen  bedeuten  die  Vershebaogen. 


Stadien  m  Teohaik  des  neehhomeriechen  heroieclieii  Yereei.  687 

[JL^Y*?'   ^  9d%t'(  {xe^iXo) '  dncb  ik  YXauxum?  'AOt^viq  A.  455  II 

Beim  Dichter  der  Aspis  werden  wir  die  Länge 
des  dativischen  t  nicht  mehr  annehmen  können. 
icavTi  [jiivec  axe68ü)v,  Sta  ^k  [kiyoL  aocpxb^  äpo^a  A.  364  IV 

Hom.  ol  8^  iie-faXa  cxevöExovre^  5  354  IV 

Kato(xiyv],  Xixe  8'  «fx^i  xupi  pteYcfX'  (Soxsto?  üXtj  Th.  694 IV 

In  ?cup(,   wo  das  t  als  Dativausgang  die  einstige 

lange  Quantität  erhalten  haben  könnte,  werden  wir 

im  Hinblicke  auf  das  homerische  i[»j^\  ^ept  pteYötX^  to^roy 

4>  10  III  eher   eine  Nachbildung  dieser  Stelle   mit 

Längung  vor  der  Liquida  zu  sehen  haben. 

Tp^Tiöv  eüpußfoj(;  Y^vexo  fx^Y«??  ^^  ^akdmri^  Th.  931  IV 

Hom.  §iceTo  [ur(dX(^  5pu(xorf8(j)  4>  256  IV 
eTBef  xe   (a$y^^s(  "fe'   v6ov  y^  |a^  ofrci^  IpiCs  A.  (Eöen- 
fragment)  5  H 
Hom.  £?86c  T$  (iiYe06(  xs  B  58  II 
[ki-^apo^:  *ImcdTt)v  li  oi  ulbv  evi  [AeY^potaiv  Itixtev  Fr.  LXXXIII 
3  (Goettl.)  IV 

Hom.  Itixtsv  ivl  [i^y^P^^^^  '{ir^aiyu&q  Q  497  IV 
l^aXaxö^:  x^aw(fv  te  (xaXaxYjv  xal  T6p(xi6evTa  xiföva  E.  537  II 

Die  schlechteren  Hdschr.  bieten  (xsv  statt  ts.  Hom. 
oiex  ik  (laXocxotTt  a  56  II 
|i6eoc:   dtXXov  t£6w](0Ta  xata  [aöOgv  IXxe  woSouv  A.  158  IV 

Homerischer  Vers  2  537. 
vsupij:    (CA  dwb  veup^i;,  auibi;  8'  dncaXi^aeTai  oXXyj  A.  409  II 

Schlechte  Variante:    dhcat.    Homerisches  Hemisti- 
chion  10)  d^b  v£upi;(;  A  476.  664  II 
'Ps^a:   eetav  xe  T6(av  xs  Qiim  xe  Mvt)|ao(j6vy)v  xe  Th.  135  II 

Hom.  oD?  x^exo  'Pia  O  187  VI  (schlechtere   Le- 
sung xixe  Tsta). 
'PoJto?:  Ni(j(Jov  X6  ToSiov  0'  'AXtotxjxova  6'  'Ercxöhcopöv  xe  Th.341  II 

Hom.  Kapt)a6(;  xe  ToSfa?  xe  M  20  V 
p'.vo;:    xai  xe  8ia  ^tvoö  &oo^  ^PX^'^«'?  o^^e  |jliv  faxet  E.  515  II 

Hom.  owe  8'  dbcb  ^tvöv  E  308  II 
auxäftv,  6ffxia  8i  g^i  xept  ^tvoto  aaice{<rQ?  A.  152  IV 
Hom.  icepi  8e  (^evot  [juvu^uaiv  (j.  46  IV 
P^i^iivwp:   Yßtvorr'  lAxtXXija  prj^i^vop«  euixoXiovxa  Th.  1007  III 

Homerischer  Vers:  xal  {xex'  AxiXXija  piQ^vopa  öü|j.o- 
Xeovxa  H  428  m 


688  Biaeli. 

b)  Ohne  homerische  Vorlage. 

Aax69(^:  KXa>6(i>  le  Adxe9(v  t£  xal  *Atpoicov,  aht  StSoOffi  Th.90ön 

Darnach  auch  an  einer  zweifelsohne  interpolirten 
Stelle : 
KXu>6(i>   xe    A-d/eatv   tc  xat   "Atponov,    alte   ßporcT^i  TL 
218  II 
At{j.6(;:   Ai^6v]v  ts  At(x6v  xe  xal  'AXyea  Sac)ipu6€VTa  Th.  227  II 
v6(j.o<;:    lp$ci)v  Ispa  xaX&  xaide  v6(aov  (XaoxiQTat  Th.  417  IV 
Ttjffo?:   Oariv  xe  Tii^iv  x\  A/eXwcdv  V  op^poÄCvijv  Th.  340  II 

Eine  homerische  Analogie  haben  wir  (vgl.  Harte! 

Hom.  Stud.  I  ^36)  in  M  20 :  T^oo?  0'  'Eicxahwps^  tc 

KipiQ96^  xe  To8tO(;  xe  und  in  dem  erwähnten  hesiodi- 

schen  Verse  Th.  341  Neajov  xe  'Po8iov  xe  11 

{ia8tv6?:  ::oafftv  özo  {iaBtvotffiv  ai^txo-  xijv  8'  A9po8{tTQv  Th.  19511 

Bemerkenswerth   ist,   dass   nach   La  Roche  alle 
Hdschr.  an  der  homerischen  Stelle  W  583  II  xsp?» 
ly^e  ^OLhvfyi  (IfxioOXiQv)  bieten. 
Alle  f&nf  neuen  Stämme,  vor  denen  Längung  stattfindet, 
stehen  in  der  Theogonie;  dies  stimmt  vortrefflich  zu  den  son- 
stigen Alterthümlichkeiten  dieses  Qedichtes.   Ein  HinausgreifoD 
über  das  Hergebrachte  ist  also  im  Ganzen  bei  der  hesiodiscben 
Poesie  nicht  wahrzunehmen.    In  den   genannten   f&nf  Fällen, 
von   denen   auch  noch  die  Mehrzahl  Eigennamen  repräsentirt^ 
lässt   sich   mit   Hartel   (Hom.   Stud.   I   ^38)   recht   wol  Nach- 
ahmung   resp.   Festhalten    älterer   uns   nicht   mehr    erhaltener 
Muster  erblicken. 

Bei  drei  Stämmen  (^a8tv6^  ^^vu>p  und  ^ev6;)  ist  streng  ge- 
nommen ein  doppeltconsonantischer  Anlaut  zu  statuiren,  indem 
der  ursprüngliche  Anfangsconsonant  F  gewiss  noch  lebendig  war. 
Die  zwei  einzigen  Fälle,  welche  Längung  in  der  HI.  Anis 
aufweisen;  entbehren  homerischer  Vorbilder  nicht,  ja  der  eine 
davon  'Ax^^^'ä«  (^t}5>5vopa  Th.  1007  gehört  geradezu  einem  aus 
Homer  entnommenen  Verse  an. 

Nicht  unerwähnt  mag  bleiben,  dass  die  Erga  in  entschie- 
denem Gegensatze  zur  Theogonie  fast  gar  keine  Längongen 
vor  Liquiden  enthalten  —  im  Qanzen  bei  828  Versen  zwei 
(E.  515.  537)  — ,  wogegen  wir  in  der  Theogonie  in  1022  Versen 
vierzehn  Fälle  zählen. 


Studien  xnr  Technik  des  nechhomeriechen  heroischen  Vereee.  689 

Homerisobo  Hymnen. 

a)  Nach  homerischen  Vorlagen: 

XtY^?'   4>oißoü  'Aic6XXto)voq  •  tox«  ^k  Xi^iw^  x(8ap(((i>v  III  425  IV 

Hom.  xXotov  ik  XiY^ü)^  %  201  II 
\Li^oi^:   &[uoQt   ^k  i^iya^  3pxov,  Z  dv]  xeT^XeaiJL^vo^  iorCv  IV  26  II 

Hom.  OuiJLb<;   U   \kirfa(;   sorC   B   196  II   und   bd   ik 
IJLiYov  5pxov  I  132  IV 
xpb^  ik  T68e  [i>iya  Oaufjuz,  5ou  yiXioq  ouicot'  öXetTat  I  156  II 

Hom.  vuv  a^  T6ae  (x^'  (£pioTov  B  274  II 
XdNpd  f{X(ov  Y^v^Mv  •  Tov;  ^k  \t*iya  öaafji'  eteTuxTO  V  240  IV 
Hom.  tb  Be  jxefa  xerai  oeOXov  X  163  IV 

iXXoe  {i.iXa  pL€Y^^^  '^^  ^^^^^  ^  ^^^^<  ^hfT^  II  ^  II 

Hom.  dXXa  |X(3£Xa  (jlsy^^^  XP^ui>  K  172  II 
l^axpe^ia^  (asY^^^^?  '^^P^  OYpiov,  i^  xotxa  TcoXXi  H  124  II 

Hom.  eu^u^a  [xeYocXiQv  4>  243  II 
eT36^  T6  (x^Y^^^^  '^^  ^(  et(jLaTa  (Tt^aXösvia  IV  85  H 
Homerisches  Hemisticfaion  z.  B.  B  58. 
pis^apov:  owtw  8'  out'  atCtaXXev  svl  [ASY^poi^iv  iypDGa  IV  231  IV 
TOXt8a  91X0V,  TOV  dteXicTov  ^vi  fjLeYapotariv  ^Tixxe  V252IV 
•njXÖYCToq  8£  Ol  ülb^  svi  pLEY^pw  eiwci^XTw  V  164  IV 

Homerisches  Hemistichion  I  144. 
xiXva;  Iv6a  f^vaixe?  ava  [ki^(apa  oxtdevxa  V  115  IV 
Homerisches  Hemistichion  a  365. 
piaXax6q:   äfp<p  Ive  pLaXaxcp  -  tvjv  8^  xpuffifJL^xe<;  ^Opat  VI  5  II 

Hom.  thrf^  evt  (xaXaxi}  z.  B.  I  618  II 
Xe((X(dvt   (xaX«x(p  '    (JietBv]9e  Be  y^^  incdvspOev  I  118  II 
Die  Länge  des  t  wird   natürlich  nicht  mehr  auf 
Rechnung  der  ursprünglichen    Quantität  des   dati- 
vischen  c  zu  setzen  sein. 
^\i^^Tt:   xoXXai  tk  vupifai  xal  xopO^oi  aXq>6ff(ßotat  IV  119  H 

Hom.  &paav  Zk  v6[jifa(  i  154  II 
ve9o;:   i>|;t  (ast^  ve^^eaffi  Ood)^  xpi{ffcrou(7a  xiXsuOov  IV  67  II 

Hom.    ^l    V    uicb    ve(p^v    V   874   H,    vgl.    xora 
vef^a«  P  594  IV 
'Pstt;:   [Kf^p  TS  Te^Yj-  Zsbc;  8'  (ÄpOiTa  jJLTJSea  etew?  IV  43  II 
Sovat  äpcotat  lo»t  &i(i>w)  te  *P£tY}  Te  I  93  V 
Hom.  O  187  VI     Hesiod  Th.  135  II 


690  Riaeh. 

^YjlfpLCv:   %a\  ßü)|jLbv  Tcoti^aorr'  eTct  ^tj^f*'^«  6aXda(n;(;  11  312  IV 

ex  8^  xal  oirol  ßaivov  iicl  ^TQYfxivt  OaXioor^?  11  327  IV 
xai  ß<i)[ibv  Tco(7)aav  ewt  ^YiYJAtvt  OaXoffOTji;  11  330  IV 
Homerisches  Hemistichion  z.  B.  A  437  FV 
^Tjffaw:   xaXi  xat  G^j/t  ßißi?  •  ol  Ik  ^i^aaovTfi?  Iicovto  II  338  IV 

So  My  die  übrige  Ueberiieferung  f pCaffovte;.  Hom. 
Tol  ik  ^oaovre?  ÄlAOptSj  2  57  IV 
^i!|(d:   lepa  t6  ^^^ouac  %a\  orffOjiowji  8^{JitoTa^  II  213  II 

Hom.  lepd  xe  ^^(^ouoi  e  102  U 
^(ov:  ^  xat  i%\  ^{ov  &aev  dEvo^  ixi€pYo<;  'Aic^XXtov  II  204  H 
ijv^a'  fa>^  $Te  T(  ^(ov  oCp€o^  dtvOeoiv  GXr,^  I  139  lü 

Die  Hdschr.  t£  ^lov.  Hom.  xept  ^bv  OuX6{mcoio  6  25 IV 
Es  ist  der  einzige  Fall^  wo  ein  einsilbiges  Wort  in 
der  III.  Arsis  in  der  älteren  nachhomerischen  Poesie 
gelängt  wird. 
^i^d:  Tou  xal  anb  ^l^ti^  exorbv  xipa  e^erre^uxei  V  12  H 

Hom.  £xt  84  f){!;av  ßdXe  ictxpi^v  A  846  IV 
^(ici'j:   ^^otßou  Oicb  ^i^ijc  {x^ya  y^  8^o^  eTXsv  ixaorov  II  269  II 

Hom.  Xao;  Cncb  piic^^  M  462  U 
^o86?:y3x^?*  'Hco  TCpoBÖTCYj/uv,  eu?;X6xa(iiv  te  ZeXif  vtjV  XXXI  6 II 

Hom.  Tasto  f>oSo8ötxTuXo<;   Hw;  e  121  IV 
^üiTc/jiov:   ^o'.TÖe  8*  IvOa  xat  Iv6a  8ia  ^(oxi^ta  Tnixvi  XIX  8  IV 

Homerisches  Hemistichion  W  122  IV 

b)  Ohne  homerisches  Vorbild: 

jjLepo^:   xXi^Tpci)   exetpi^tl^e   xata    (i.epo^  *  tj  8'  Grcb  /eip^^  III  53. 
419.  501  IV  (dreimal  derselbe  Vers). 
Zweifelhaft  ist 
vv)6(:   £ups  8^  evt  vt](J)  Av)|jLi^epa  xuavoxeicXov  V  319  II 

So  hat  Ruhnken  statt  der  von  M  gebotenen  Ueber- 
iieferung eupe  8*  ev   vt)u)   conjicirt.     Da  jedoch  auch 
eupev  8'  h  vir]<7)  geschrieben  werden  kann   (vgl.  &ach 
Hartel  Hom.  Stud.  I  ^36)^  so  muss  dieser  Fall  ausser 
Betracht  bleiben. 
Im  Ganzen  findet  sich  demnach  in  den  homerischen  HymBeo 
nur  ein  verbürgter  neuer  Fall  in  der  Formel   xota  \upo(;,  die 
wol  einem  uns  nicht  mehr  vorliegenden  älteren  epischen  Stücke 
entnommen  sein  kann.     Die  Wörter  piqy[a(v  ^rfyma  p^l^o»  ^'&v  pw^ 
^oSöicTiXu^    hatten    Digammaanlaut ,    gehören    also    nur  bedingt 


btudien  zur  Technik  des  nacbhomerlschen  heroiBchen  Veroef«.  691 

hieher,  vgl.  Flach;  das  nachhesiod.  Digamma  in  Bezzenbergers 
Beitr,  11  29,  33,  34. 

Fragmente  der  KykHker. 
a)  Homerisch. 

[jLc-f  (xXiQTcop:  1^81  MevsffO^t  [i.€YaXv5Topt  xoipLevt  Xawv  Hiu  Persis 

Fr.  III  2  (Kinkel)  III 

Hom.  'OSuaoTjt  jiicYaXi^opt  e  233  III ,  für  Homer 
liegt  in  diesem  Falle  der  Grund  der  Länge 
des  i  in  der  ursprünglichen  Quantität  dieses 
Dativausganges,  während  der  Verfasser  der 
kyklischen  Iliu  Persis  die  Längung  offenbar 
als  durch  die  Liquida  veranlasst  ansah. 

b)  Ohne  unmittelbares  homerisches  Vorbild. 

pü>o[X(zt;   6^  5XiY0u    Bcaßo^    ^cpo^öpto   ico8{,    S^p'   ol   ^la 

Tsivofxeva  ^(iioixo  xal  euoOevsi;  zt^oq  ^xj^fsi  Iliu  Pers.  Fr. 
IV  2  U 

Luzac  conjicirte  unnöthig  Tsivoix^vci) :  bei  Homer 
haben  wir  wenigstens  Doppelung  der  Liquida  hinter 
dem  Augmente :  x'^vzai  V  ippducsvno  W  367  H. 

B.  Jüngere  Poesie. 

I.  Mit  Ausschluss  der  nonnischen  Schule. 

Diese  Periode  charakterisirt  sich  dadurch,  dass  die  Dichter 
sich  nicht  mehr  damit  begnügen,  die  aus  der  archaischen  Poesie 
überkommenen  Fälle  von  Längungen  vor  Liquiden  zu  reci- 
piren,  vielmehr  greifen  sie  weiter  aus  und  gestatten  sich  eine 
Reihe  neuer  Fälle,  wobei  jedoch  allerdings  zunächst  von  dem 
bereits  vorgefundenen  Materialc  der  Ausgangspunkt  genommen 
wird.  Die  nach  diesen  Mustern  neu  gewonnenen  Schöpfungen 
übernehmen  dann  wieder  die  jüngeren  Dichter,  meist  ohne  es 
zu  verabsäumen  auch  ihr  eigenes  Scherflein  beizutragen.  Trotz 
der  Neuerungen  aber  kommen  Längungen  vor  Liquiden  keines- 
wegs etwa  gesetz-  und  regellos  zum  Vorschein.  Es  lässt  sich 
vielmehr  auch  in  dieser  Periode  ein  klares  Gesetz  formuliren: 

Längung  vor  liquidem  Anlaute  erfolgt  nur  in  der  II. 
und  IV.,   seltener  I.   und   V.  Vershebung    und   zwar:    1.   bei 

8itnuiffBb«r.  d.  phiL-liist.  Ol.  XCY.  Bd.  IIL  Hft  45 


692  Biaeh. 

einsilbigen  Wörtchen  (zumeist  H  und  xi) ;  2.  bei  pyrrhichischen 
und;  im  Falle  es  unveränderliche  Wörter  (Conjunctionen  a.dgl.) 
sind,  auch  bei  trochäischen  Wortformen;  3.  auch  bei  anderen 
längeren  Wörtern^  wenn  Verszwang  vorhanden  ist  (bei  Wörtern  too 

der  Messung  www,  —  w  w  w  u.  dgl.,  dann im  Versanfang).* 

Die  von  dieser  Norm  abweichenden  Fälle  werden  sich 
entweder  als  bestimmte  Reminiscenzen  an  Homer  oder  als 
durch  den  Unverstand  der  Verfasser  verschuldete  Misbildongen 
oder  endlich  als  schlechte  Ueberlieferung  darstellen.  Bei  all' 
den  Dichtern,  die  nicht  eigens  genannt  werden,  finden  sich 
überhaupt  keinerlei  hieher  gehörige  Fälle  von  Längungen  vor. 

Solon. 

Homerisch: 
[t.i'^a^:  tij  8i  TexapTTj  wa^  xt^  iv  £ß8o{jii8(  [x^f'  ^lorog  Fr.  XXVII 
'  7  V  B.  * 

Nach  der  richtigen  Ueberlieferung  bei  Clemens 
Alex.  Str.  VI  814.  Bei  Homer  lesen  wir  ein  Wort 
von  derselben  rhythmischen  Messung  mit  Längong 
in  derselben  Arsis  8  444  l^piaato  {Ji^f"  Sveiap. 

Theognis. 

Bergk  schreibt  V.  660: 

8eol  Y^p  Te  v£[X£9(oa\  oTacv  Sireori  'ziko^  nach  AO.  Allein  der 
Umstand,  dass  die  Elegiker  sich  sonst  (mit  Ausnahme  des 
erwähnten  aus  Homer  erklärlichen  Beispiels  bei  Solon)  dieser 
Längungen  enthielten  und  speciell  fiir  diesen  Fall  kein  Vor- 
bild in  der  archaischen  Poesie  vorliegt,  muss  Vorsicht  gebieten. 
Wir  werden  uns  daher  dem  Vorschlage  Hermann's  ,Yip  T9t' 
anschliessen  müssen. 

Empedokles. 

a)  Homerische  Fälle. 

[jL^Xo^:  aÜTÄp  Iwel  pii^«  veXxo^  ivi  [jLeX^eafftv  ISp^^Ov]  —  Dspi^^-jc. 
177  IV 

Hom.  i%b  [xsXiwv  H  131  II  aSOt  8ta  iLtktiav.  a  339 IV 
^  T)  Y  [A  ( V :  xXdiieTai  av8ix'  Ixaora  w  e  p  i  ^ t)  y  J*  i  v  i  ß(oto  —  Ilepi  <Wc.  186 IV 

Hom.  xapa  ^iqyIaivi  OaXaffarY]^  B  773  IV 

1  Vgl.  Hilberg,  Silbenwägung,  6.  Gesets,  p.  38  sq. 


Stadien  snr  Technik  des  naebhomeriechen  heroischen  Yersee.  693 

b)  Ohne  homerisches  Muster. 

(Aixap:   xpl;  [jiiv  (jiupCa^  (opo^  &%h  [xaxapu>v  ÄXiXtjoOai  —  Ilept  ^69. 
6  IV 

Früher  schrieb  man  gegen  die  hdschr.  Ueber- 
lieferung  &%ai   Mullach  stellte  äm6  wieder  her. 

vwxov:  00  ptiv  aicb  vdjxoio  860  xXaSoi  itocovrat  —  Ilept  *6ff.  393  II 

So  ist  überliefert  bei  Hippolyt.  alpea.  ^X^*fx*  P-  ^^} 
wogegen  Tzetzes  Chiliad.  XIII  79  corrupt  ou  piiv 
äxal  v(i)T(i>v  Y^  bietet.  Es  ist  wol  nicht  zu  gewagt; 
daran  zu  denken,  dass  Empedokles  nach  der  äusser- 
lichen  Analogie  des  homerischen  ^XSe  8*  i%\  v6to^  cjxa 
|x  427  II  auch   ein   wkI  vojtoio   für  berechtigt  ansah. 

Timon  von  PhliiiB. 

An  Homer  lehnt  sich  wenigstens  an: 
p{xTo>:   ex  8^  ^ut^c  pi^Taaxcv  dbcXigoToivou^  t*  dpuaava^  64  11 

Hom.  8(app{'jcTaax6v  bvnhv  t  575  IV  zeigt  wenigstens 
die  Liquida  im  Inlaute  gedoppelt ;  für  die  U.  Arsis : 
Tpü>€^  hidppi^a^  e  310. 

Eleanthes. 

Homerisch: 
^el^co:    icXtjv  6x6aa    ^^(ou9e    xoxaI  9(peT^pY]9iv   avotai;   Hymn.   auf 
Zeus  17  n 

Hom.  5(7a  ^^i^eoxov  'Ax^toi  x  ^  I^  G^P^  ^^  ^^l^ouat 
e  102  H). 

Asios  von  Samos. 

Homerisch: 
iASYspov:   Aiou  evl   [Ke^dpotq  x^xev  sueiSt]^  MeXavi^nn;  Fr.  H  in 
IL  Arsis. 
Hom.  xeiTac  evl  {Arfapoi^  2  435  11  u.  s. 

Feisandros. 

Homerisch: 

pr,YiJL(v:   roCee  OepjjLa  XoETpds  Tcap«   ^YjYfAtvt   6aXic9T](;  Herakl.  Fr. 

vn  2  IV 

Homerisches  Hemistichion  B  773   8  449  IV 

46* 


694  Uz  ach. 

AntimaohoB. 

Homerisch: 
jJL^Yapov:   owiv    svl   [Lt^dpoi^  xeixott    [f,£knoq  Tre^ATjÖD?  Theb.  Fr. 

XIX  3  II 
Hom.  1  435  II  u.  B. 

^6o^:  "ASpTjaTO?  7:oTa|jiow  zapi  ^6ov  Atoi^icoio  Theb.  Fr.  XLIHSIV 

Hom.  TzoLpä  ^oov  ^Qxeovoio  IT  151  IV 

t6  fa:   t6  ^d  ol  a^x^^s)^^?   xpifxaTO  •    (wol   xpdfiÄiai)   wspi  Trawa)»:» 
«et  Inc.  sed.  Fr.  LXVI.  I 

Hom.  t6  fia  t6t'  ex  yyikoio  Xaßdjv  0  228  I 

Arohestratos. 

Ohne  directes  altes  Master: 
^aivb):   5^ei  ts  ^aivovTs^  uYpc^  xal  otX^iou  &X{jit]^  Fr.  XLII  1411 
(Bussem.). 

Im  alten  Epos  ist  dieser  Fall  nicht  belegt,  denn 
die  homerische  Stelle  A  282  a^pecv  ^k  arffiea,  ^iivsvr: 
ii^  wo  £a  Synizese  bildet,  ist  ohne  Belang.  Giuiz 
entfällt 

d-ptöfft  Xtj^O^vO'  lepot?  •  xiv  tyJ  ?:epcxXuoT(i)  Fr.  XLVUI, 
denn  hier  muss  v  ephelk.  eintreten,  weshalb  Busse- 
maker's  Schreibung  die  richtige  ist,  vgl.  Hilberg, 
Princip  der  Silbenwägung  48. 

TheokritoB.  ^ 

a)  Nach  homerischen  Mustern. 

v^fo^:    i^   Tpl(;    uicb    ve^icüv    [utfOLq   oie'ioq   araco^   5pvt^   Id.  XVII 
72  II 

Hom.  txj/i  8'  üTCb  veipewv   eTSe  W  874  11   Der  Cod. 
Ambros.    (222,    Ziegler   k)    hat    01:6,    Vatic.   (915, 
Ziegler  m)  67:6. 
vt'U:   ^  iiSati  v{i;etv  OoXepav  SiastS^i  tcXivOov  Id.  XVI  62  II 

Hom.  aXX'  DSort  v{^ovt6(;  dtico  ßpoibv  at{jiär:6£VTa  H 
425  II,  wo  fiir  die  homerische  Zeit  natürlich  das 
dativische  (  lang  ist ;   doch   gibt  es  auch  sonst  eine 


^  Zfihlung  nach  Ahrens. 


Stadien  snr  Technik  äw  nachhomerischen  heroischen  Yenes.  695 

Längung   bei    Homer:   ouiot  S'  ISpai  icoXXbv   dxevfi^ovro 

6aXi^<rr;  K  572  IV 
psijü):   ijTOt  oye  ^i^ai  xt  XiXaioixevo?  [x^Y*  ^PY^^  Id.  XX  118  II 

Hom.  o3ts  Tiv3t  pe;a5  8  690  II 
poSov:   liv  jjiav  KOxpi?  I^^c,    tov  8'  6  ^oSöwax'^?  %.8(i)vt(;   Id.  XV 

128  IV 

Hom.  gXeTo  ^oSo8flaTuXo<;  'Hdi?  e  121  IV,  vgl.  Hom. 
Hymn.  'Hw  ts  ^o8c7n;xuv  XXXI  6  TL 
iFipono  8*  cu  [xaXoc?  ouS^   ^68(0  ou8e  xtxtvvoi?  Id.  XI  10  IV 
Ueber  die  trochäische  Wortform  ou8i  in  der  Län- 
gUDg  vgl.  Hilberg,  Silbenwägung  82. 
Ta  ^6 8a  Ta  8po76evTa  xat  a  xorocTnjxTo^  exefva  Epigr.  III 
Längungen   in  I.  Arsis   sind   ausser  dem   schon 
erwähnten  t9  ^a  beim  Artikel   und  Interrogativpro- 
nomen nur  selten  angewendet  worden,  fast  nur  von 
den  Bukolikern  und  Epigrammatikern,  so  to  ^örcaXov 
Rhianos    Anth.   Pal.   VI   34.    1.   I  xi  ^i^tiq  Incert. 
Id.  VII  47. 
paB». vo^:    evrt    Bofva».    tyjvsT,    svtI    ^a8eval    xüxaptwot    Id.    XI 
45  IV 

Hom.  /epfftv  l/e  ^«BtviQv  (nach  allen  Hdschr.)  M[^ 
583  II,  vgl.  Hesiod.  Th.  195  wocralv  feo  ^aStvoTciv. 
Die  trochäische  Wortform  evr^,  die  eine  Abweichung 
von  der  Regel  repräsentirt,  erklärt  sich,  wie  Hil- 
berg, Silbenwägung  90  erkannt  hat,  hier  aus  der 
Anaphora  und  der  Analogie  mit  den  Verbslformen 
auf  V  ephelkystikon. 

b)  Ohne  homerisches  Muster. 

XaY(«)v:  86§tTepYj(;  ^vsyxsv  stcI  Xot^S^aq  tcXotu  Y'^Tov  Id.  XX  121  IV 

Es  liegt  nahe  anzunehmen,  dass  Theokrit  die 
Längungen  vorX(Yu<;  bei  Homer  zum  nächsten  äusseren 
Anlass  nahm,  sich  diesen  neuen  Fall  zu  gestatten. 
Vgl.  wo  \ort6saq  Inc.  Idyll.  IX  246  IV. 

MosohoB. 

Ohne  älteres  Vorbild: 
Xeijjiwv:    dv6o86xov   xaXapov  •    'JCOti    8s    Xsipicova;    Ißaivov    Id.  I 
34  IV 


696  Biaeb. 

Inoertorom  Idyllia  (Ahrens). 
a)  Nach  Homer. 

Xf)f<^?*  ^wTorat  xXaJouca  fi.iXa  \\yh  «örvt«  [xi^xiQp  Id.  VIII  (Mosch. 
IV)  24  IV 

Hom.  xXote  [k£ka  Xiy^u>(  7  56  II 
Wq:   aurip    ixel   fov   X<^po^9   ^^^   ^"^5   ^1^^?    «tovov   Id.  IX  211  IV 
(Theokr.  XXV). 

Hom.  ivrpoicaXtCöjjLEvo?  ö^  ts  XT?  ijuYiveio?  P  109  IV 
{jL^Xo^:   Ov]pb<;  Te6v£(a)To^  ätcö   [jLeX^cov   ipu(7a(|JLi]v  Id.  IX  273  FV 
(Theokr.  XXV). 

Hom.  6u[JLbv  dbcb  {jlsX^oiv  H  131  H     aSOt  Sts  [leXfiirr! 
a  339  IV 
veupi^:  TÄ  8'  if***  dcXXov  itorbv  Ä«b  veupi^q  npotaXXcv  Id.  IX  235 IV 
(Theokr.  XXV). 

Hom.  t(p  dnrb  veupt]^  A  476  II     4J  ^a  Kai  oXXov  hm*i 
«:b  vsupYJ^iv  raXXsv  6  300  IV 
^60?:   at  5'  lepbv  Ostoto  wapi  ^oov  'AX^eioto  Id.  IX  10  IV 

Hom.  irop^  ^6ov  *Qx£xvoio  X  21  IV 
piljw:    t(  ^dljet?  coTüpCoxsj  t{  8'  IvSoöev  &]/ao  {Jia^cjv^  Id.  VII  47  I 
(Theokr.  XXVH). 

Hom.  SOi  päCouff'  ^ai6ii.ßa<;  W  206  IV.    Bezüglich 
der  Stellung  des   tt   in   I.  Arsis  vgl.   oben  Tot  p:ca 
Theokr.  Epigr.  I  1. 
p68ov:  ä  TTOfuXi^  ora^l^  lax\  ohik  ^68ov  auov  oXeTtan  Id.  VU9IV 

Conjectur  von  Ahrens  ftlr  icrrl  %oi  cu;  das  tro- 
chäische  ohli  wie  Theokr.  XI  10  IV  ou8^  psSw,  vgl. 
dort  das  homerische  Muster. 

b)  Ohne  homerisches  Vorbild. 

Xdfa^:  Tob?  p-^v  S^s  Xateffciv  Äxb  x^®^^^>  5otov  ä£tpo)v  Id.  IX  73 II 

Heimann  verglich   (Orph.  699)  nicht  unpassend 
das   homerische   xXate   8*  S^e   XtYswc   X  391  II;  vgl. 
auch  Tziae  Ik  XtOo?  eiffw  M  459. 
XaYt»>v:  -rcavTcOev  6iXr|6evTO^  uxb  Xa^^va?  ts  xal  t§uv  Id.  IX  246 IV 

Vgl.  Theokr.  Id.  XX  121  IV  sxl  Xorr^vo«. 
XiaiO(;:    auxou  irA  Xaaioio  xapT^axo?  db/pi^Xaiov  Id.  IX  257  II 

Hermann   stellte  in   Parallele   ßyjXw   hA  Xiöiw  V 
202  II  (Orph.  701). 


Stadien  sur  Technik  des  Dachhoaerischeii  heroischen  Verses.  697 

^eOo^:   acül^ST^  i^l   peO^e^ffc;   xi  (jloi  t69ov  i^vCiQaat   Id.  VIII  3  II 
(Mosch.  IV). 

Aratos. 

a)  Homerische  Fälle. 

pL^Y«;:   t)  B'.B6(jLiQ  HJwae  8ta  [i-^Y«^  oupovbv  Tpi^  Phaen.  940  IV 

Hom.  8ta  [JL6Yflc6u[xov  'AeT^vYjv  6  520  IV 
vs^o^:  '^{vo\t.i'fo\j  xaT6K(90s  Tcept  vi^ea  9)coicl6G6ai  Phaen.  852  IV 

Hom.  wotI  ve^ea  oxtdevTa  6  374  IV 
5  ^a:  Gü))jLcc  ts  xal  xe^aXi^v,  xal  6T]p(ov,  5  ^'  ev!  x^^P^  Phaen.  662  V 

Hom.  5  ^'  'Ay^Xoo^  dncoTcpo^xe  x^l^^^  X^^*^  H- 
Nicht  in  denselben  Wörtern,  aber  doch  in  solchen,  die  von 
demselben  Stamme  gebildet  sind,  liegen  die  Muster  bei  Homer 
vor  in  folgenden  Fällen: 
T^o^ii^:   Ta6p(i)  oufj-^op^ovrat,  8t£  Xo^tvJ  ts  xal  oupYJ  Phaen.  719  IV 

Hom.  /aXxov  xe  l^k  X6<pov  Z  469  IV 
X(Oa§:   Saxvwotv  TOJxtvtjai  xeXeuo(Jilv(x  XtOaxscaiv  Phaen.  1112  V 

Hermann  Orph.  703  conjicirte  xsXeuspievoi  ohne 
Noth,  vielmehr  schwebte  dem  Aratos  offenbar  vor 
das  homerische:  ici^e  ik  XiOo«;  eXcia  M  459  V 

b)  Ohne  homerisches  Master. 

lievw:  ou  [xJv  (JStjv,  6X(yov  hl  SuwäexöcSa  jjtävet  dcXXr^v  Phaen.  703  V 

Doch  ist   dieser  Fall   nicht  ganz  sicher,   da  als 
Variante  SucüBexceS'  di[x(jLdvet  überliefert  ist,  was  Koechly 
in  den  Text  setzte. 
p4X'?'  ^^^^  1^^  Sxefovo?,  86v6t  Se  xaxa  ^axtv  'Ix^*^^  Phaen.  572  V 

Vielleicht  lag  dem  Dichter   ein   uns  nicht  mehr 
erhaltenes  älteres  Vorbild  vor. 

KallimaohoB. 

a)  Homerische  Fälle. 

Xiicapö^:    vj^aw  Ivt  Atwfltptj  (AiTcapt)  v^ov,  dXXa  t6t'  Soxev 
oüvo|jLd  Ol  MsXiYOüvt'^)  Hymn.  III  47  II 

Der  Schol.  zu  Apoll.  Rhod.  F  41  überliefert 
falsch  vi^oü)  6v  Aixdptj;  vgl.  Hom.  Y^po?  xe  Xiitapov 
T  368  II     Y^p«t  üTCO  Xtxapü»  X  136  H 


G98  Rxaefa. 

[Li'^aq:   Towpov  5t*  ex  iUpoto   jJtaXa   |jl^y*^  ^  ^^  x^®^^  Hymn. 

m  150  IV 

Hom.  £tSo^  3^  091  iJiaXa  (trfa^  ^v  6paao6ai  c  4  IV 
ax.ixovog   i^/i5^avTo?    e^rt    [Li-^a  :couXu   t'  arjpL«   Hymn.  III 
65  IV 

Hdschr.  ist  theilweise  überliefert  sttsC,  was  schon 
Bentley   emendirte;   Hom.  50'  ext  [U'^a  ßa)j^o  »wi; 
T  58  IV 
a[jLßoXa8i?  Tewrdvre?  erl  [i.ef  a  jjioxOijaetav  Hymn.  HI  61 IV 

Die  richtige  Lesung  von  Stephanus  und  Bentley 
hergestellt^  aus  Homer  vgl.  ausser  der  angeführten 
Stelle:  i'jA  [U-^oc*  5pxov  5|xoy[i.ai  A  233  IV 

NoTO^:    ijXOs  8*  irA  N6to?  wxib?  ai^pisvai  Fr.  anon.  347  11 

Schneider  schreibt  dies  Fragment  ^dubitanter 
dem  Kallimachos  zu ;  der  erste  Verstheil  ist  home- 
risch: ?SXOe  8'  ext  Noro?  ixa  [l  427  II 

p6oq:  icavcü$(Y;  ^oßeovxo  y-axa  ^öov,  i^vTiva  TetfJiot  Hymn.  IV  159  IV 

Hom.  o^  3'  e^epev   (x^y^  ^^(^^   ^^^^  p^^  ^  ^^  I^^ 
6?6To  5'  'Iv(i)woTo  xapa  {b6ov,  Svre  ßöEOKnov  Hymn.  IV  206  IV 
Hom.  ßo9xo(ii^vrj  Xetpuovi  xapa  poov  'Qxeovoio  Q  151 IV 
ii^daaq  8'  a^orciv  xt  xotI  ^6ov  "^XuOe  xfovo«;  Hymn.  V  77  IV 
Hom.  ß^ßpu^ev  jj^^y*  ^l**  ^ori  ^6ov  P  264  IV 
Unrichtig   ist   in   der  überlieferten  Fassung  der 
Vers 
aimxa  8(2^iqto  ^6ov  t>8aT0^,  o)  xe  t6xo!o  Hymn.  I  16  ÜI, 
wo  also   eine   Längimg   in  der  III.   Arsis   möglich 
sein  sollte.    Dieser  Vers  stimmt  nicht  mit  Hilber^'s 
sechstem  Gesetze,  daher  er  p.  92  wdyC  iliJ^rtXO  schrieb. 
Da  der  Vers  aber  auch  gegen  das  Gesetz  der  Längung 
vor   Liquiden   verstösst,   so   muss   er  noch   weiters 
geändert  werden.    Ich  vermuthe 
ii8aTo^  ouTiV  eSil^iQ'ro  ^6ov,  u)  %e  t6xoio;  damit  stimmt  auch 
der  Umstand^  dass  bei  Homer  überhaupt  nur  in  der 
IV.  Arsis   eine  Längung  vor  ^oq  Platz  greift,  vgl. 
Knös  de  dig.  hom.  quaest.  III  306. 

pdlja):  lepat  xe  ^eljoucf  to  81  crrl^o;  'JJpLan  xeivco  Hymn.  11120011 

Hom.  Hemistichion  lepi  xe  pi^ouat  s  102  II;  vgl. 
Hom.  Hymn.  II  213  lepi  xe  jbd^ouai  11 


ßtndi«n  tnr  Tecluiik  des  nAchhomeiuelien  heroiscben  YeraM.  699 

f  iicT^:   Tsi^ea  pi^v  xat  Xae^  Grb  ^itcyj;  xe  wiaotev  Hymn.  IV  25  IV 

So  schreibt  Meineke  nach  Brunck  und  Blomfield, 
Schneider  dageg^en   \mai  nach  den    Hdschr.    Allein 
die  Schreibung  u^cocC  hat  sich  offenbar  nur  nach  den 
Schwankungen  in  den  Honierhandschriften,  wo  bald 
uTco   bald   uTCoC  begegnet,   eingeschlichen.    La  Roche 
Hom.  Unters.  62  und  Knös  de  dig.  III  303  erkannten 
richtig,    dass   die   Form    \jmai   entschieden    nur    der 
auffälligen  Längung  wegen   eingesetzt  ward.    Wir 
werden  daher,  da  bei  Homer  directe  Vorbilder  exi- 
stiren,   hier   gegen   die  Hdschr.  uxo   schreiben,   vgl. 
Hom.  Xao<;  ikb  ^nr^q  M  462    0  192  II 
poBov:    To   Tp(Tov   T^vtx'    Iwve  •    t3c   ^k   ^6$a    ^uXXoßoXeuvr«   Epigr. 
XLIV  3  IV  (Schneid.)  =  Anth.  Pal.  XII  134 
Hom.  £  121  IV    Theokr.  Id.  XI  10  IV 
pißSo?:  xat  Tbv  iwl  ^dEßBw  [xuOov  u^atvöiAsvov  Fr.  138.  1  U 

Hom.  eiXeto  Ik  ^ißSov  Q  343  II 
Nicht  unmittelbare  Vorlagen,   aber  doch  Analo- 
gien bietet  Homer  flir  folgende  Wörter: 
voL'jz-qq:  jASdcov  ii:\  vauxaK;  Fr.  515  (II?) 

So  muss  wol  dies  nur  aus  drei  Worten  beste- 
hende und  daher  schwer  zu  beurtheilende  Fragment 
aus  dem  im  Schol.  zu  II.  0  628  im  Victorianus 
erhaltenen  {Ji^aov  im  va6Tat^  hergestellt  werden,  vgl. 
Schneider  Callimach.  TL  666.  Homer  bietet  wenig- 
stens von  demselben  Wortstamme  ij  xev  ^vl  vT^ewi 
N  742  II 
pataTi^p:  eW  o?  y^  ^ataxtjpa^   dieipapievoe   uicep  u(jki)v   Hymn.  III 

59  II 

Bei  Homer  haben  wir  wenigstens  Doppelung  der 
Liquida  im  Inlaute  xti^iaot'  iTzoppalaet  a  404  H 

b)  Ohne  homerisches  Muster. 

Ao§a):    Oi%iq  ts  Ao^ci  xe  xal  eüatb>v  'ExalpfiQ   Hymn.  IV  292  II 

Entweder  selbst  eine  alte  von  Kallimachos  über- 
nommene Sängerformel,  oder  aber  solchen  nach- 
gebildet,  vgl.  Hesiod.    Ati56t|V  t£   A'.[jl6v   ts,   KXwOu)  ts 


700  Bsaok. 


ApolloniOB  BhodioB. 

a)  Nach  homerischen  Mustern: 

Xanapt]:   oSxa  BtavniSao  xokt3(  Xaxipvjv  TaXoöio  B  111  IV 

Hom.  OUT«  %aezä  Xancipv]v  Z  64  U  u.  s. 
X(ap6^:    oMToi  xe  Xcapolviv  efaiSpuvovro  Xoerpot;  F  300  II 
oTt2  Si  XtapoTfftv  if'  &8aot  DoKp6ev(oeo  T  876  II 
Hom.  &8aT{  t£  Xtapcp  ci)  45  11 
Xiicap6^:    Xo§3(  9cap3i  Xt9capv)v  oxcfi.^  ^stxo  xaXuinpfisv  F  445  II 

Hom.  TEoofft  8^  Iko  Xtropotciv  K  22  11,   wo  Ven.  Ä 
\yR6  hat;  Var.  inroC. 
X6f  o;:    8s(vbv  Xa[jLi70(Ji£va(,  lict  Si  X6foc  icoetovro  B  1070  IV 

Hom.  Tapßi^ffa<;  xaXx6v  xe  t8^  Xo^ov  t-KicioxaCiTiV  Z  469 IV 
XtY«:  iiA[Ji.6Xiii)(;,  'Opf^o?  uicb  Xtya  ^opixC^ovro?  A  1159  IV 

Die  hdschr.  Ueberlieferung  bietet  zwar  vxd  (so 
L  und  G)y  aber  mit  Rücksicht  auf  die  in  den  Hdschr. 
(namentlich  bei  Homer)  oft  vorkommende  Verwechs- 
lung zwischen  \n:6  und  x/Kai^  weiter  auf  die  besondere 
Vorliebe  des  Apollonios  für  solche  Längungen,  deren 
er  sich  zahlreiche  auch  ohne  alle  alten  Muster  ge- 
stattet; endlich  im  Hinblicke  auf  die  homerischen 
Längungen  vor  Xt-f^?,  werden  wir  berechtigt  sein, 
auch  gegen  L  und  G  utto  Xi'^a  zu  schreiben^  vgl. 
Hom.  i^  8'  5t'  üicb  Xi^im  äv^ijlwv  N  334  H 
[kifaq:    8ii{  ^a  t6t6  {Ji^^av  l^rbv  htar^cocno  (Jie968(JiT)  A  563  II 

Hom.  vijv  84  t686  [jl^y'  «P^^o^  B  274  II  und  ot  l\ 
6^  T6  (Aeya  xufAa  O  381  II 
dx6o[JLivT)v  Si^ot?,  ou  84  [J^^Y*  TrjXe66wffav  A  1191  IV 

Hom.  ot  84  [xrfa  xü8t6ö)VT6(;  ^  519  FV 
xdivte?  6[jUü^  •  86tvbv  ^^  iicl  |Ai*f  «^  Sßpox^v  «t^p  A  642  IV 

Hom.  tiA  (ji^Y^v  5pxov  ^{JioGpLai  A  233  FV 
ij  y.al  ivaf^a^at  ext  [ki^a  8a)[JLa  v^ovro  F  36  IV 
Hom.  36'  eicl  jji^a  ßaXXsxo  xwo«;  t  58  IV 
a|JLep8aXiov  •  Tzdyn^  84  icepi  [ki^aq  eßpefxev  aiöi^p  B  567  IV 
6vt)T0tfftv  •   icovrr)  84  xept  jasy«  wewraxat  epxo^  A  1036  IV 

Hom.  ifJL^l  wepi  fiÄ^iX'  Ta^ov  <I>  10  III 
{jiio6bv  (i£tp6[A6voi  Tp(wo8a  \Li'^a'f  'AicoXXwvo^  A  528  IV 
XExXex'  At:6XXü)vo^  Tpl^roSa  jjtsvav  2xto6j  rqoq  A  1548  H 


Studien  nur  Teclmik  dea  nAclihomerischen  heroischen  Yenee.  701 

jjL^Y«^:   Tp{T(«)v  dvO^jAsvo^  Tp(wo8a  (x^y*^?  efearo  XifxvYjv  A  1589  IV 

Hom.   ÄiAfl   xupl    ori^aac    xpf'icoSa   jjl^y^   "^  ^^  ^^; 
wiederkehrend  X  443,  W  40  und  0  434,  wozu  noch  v  13 
hinzukommt  iW"  Sr^e  o\  Sa>{ji.ev  ^pkoSa  \ki^ocf  i^k  X^ßv;!«. 
^Xa  «eXeiifa>v  i^k  i^dya  icoiü  X^ovre^  A  486  IV 

Hom.  Tcepi  S^  (iti^^z  ß^XXsTo  (papo^  B  43  IV.  Die 
Längung  bei  einem  trochäischen  Worte  (i^i)  erklärt 
sich  durch  die  Ausnahmestellung,  welche  derlei  Wört- 
chen (freie  Wörter  bei  Hilberg)  in  der  griechischen 
Poesie  einnehmen,  vgl.  Hilberg  Silbenwägung  p.  74. 
|i^Y*pov:  'rij<;  [jlsv  axb  [».e^dpoio  xata  orißov  ivOdS*  i6vt6(;  F  534  II 
x^^paSev  £ut'  sv67)csv   ÄTcb   |jL£Y(xpoto   xiivta^  A  754  IV 

Hom.  derb  [xsYipoto  S(sa6a(  p  398  IV 
Tor  äp*  Ivt  [jLeY(3lpo(<;i  Kuratso?  Ai-ZjTao  T  228  II 
S^öat  evl  [jLSYötpotatv  ifloriov,  3?  xspt  wdtvrwv  F  585  II 

Hom.  c^owiv  Ivi  pLeYapoujtv  A  76  II 
Yvi^ai'  ^vl  [xsYapot?,  (7XOt(y3  B'  Äv^reXXe  YevdOXT)  A  810  U 
oaaa  8'ivt  jxsYapot?  TceTcov/jfxsOa,  xsTva  06pa2^e  B  1021  II 
oTatv  Ivl  pLEY^^Pöi?}  cTUYepcp  exi  Oüfibv  di^OXci)  A  8  II 

Hom.  y.£tTae  dvl  (AEY^poi^  Z  435  II 
ouTop  äwsi  lA^Y«  $6pTCov  evi  jjLeYötpoidtv  IOsvto  B  304  IV 
5e(vü)v  T^fjLST^poiaiv  ivl  [ASY^potctv  extaa  F  305  IV 
xoüpt5tr;v  OT^ceffOai  Ivt  |jieY*Po^^'''  obtomv  A  1085  IV 
Hom.  xorpb?  bn  iw^dpoiav*  dbwuaa  A  396  IV 
Unmöglich    richtig   überliefert    scheint    für    den 
ersten  Blick 
•j:flCTpy)v  Te  %kia  te  [t.e'^dpidv  owtou^  ts  TOXYJa^  A  361, 
wo  die  Längung  von   le   unerhörter  Weise   in   die 
III.  Arsis  fällt.   Allein  Apollonios,  der  bekanntlich 
gern    archaisirt,    hat   hier   offenbar   —   falls  nicht 
etwa  xXia  t'  au  da  stand  —  den  einen  homerischen 
Fall  vor  Augen  gehabt,  wo  eine  Längung  vor  {xe- 
Yapov  in  der  III.  Arsis  vorliegt :  x  299  ol  8'  i^i^orto 
xaToc  [xdYapov  ß6s?  ö;  ÄY^Xatai,  für  Te  \kt(<xpo>f  liegt  ein 
Beispiel  vor  Hom.  x  341  =  p  604  V  XCxe  8'  §p/£a  ze 
[Lh(ap6'i  T6. 
{Asvea(v(i>:  ßflbttpw  lpet8o[Aivrj  •  xspl  8e  [Asv^aiv'  aYopeuaat  A  670  IV 

Apollonios   sah   offenbar  als  ebenso  gelängt  an: 
vT^TTto«,  ot  ZtjvI  [i,evea{vo|ji.£v  a^pov^ovie?  Hom.  0  104  III 


702  Kiaeh. 

und  Ou{jkoß6pci>  IpiSi  |uvei^a|uv  efyexoc  xoupY;^  T  58 III^ 
wo   das  Dativ-(   lang   erhalten  ist;    und  liess  d^r- 
nach  ein  ik  [Aevdaiv^  zu. 
V690(:    aXXa  8ia  ve^dcov  dc^b>  'tt^Xoc;  atvffouaat  B  187  II 

Hom.    5ta    V6ipiü)v    epeßevvwv    X    309    IV,   für  die 
II.  ArBiB  Xaßpov  urcb  ve^^cov  av£{ji,0Tp€^^  O  625 
Xu^atoi^  eSa[Aa9ae  icepc  ve^^e^at  xaX6<|/a^  A  218  IV 
Hom.  %(xxk  vef^ecjat  xaXu^pe  P  594  IV 
v69iXYj:    ßißXtjTO,  v£(p^Xt|3  ^vaX(Y>ttov,  ^t'  ivivioi;  A  125  11 

Hom.   T6XET0   v6(peXT)Y6peTa  Zeu;  T  215  IV,  sxi  :£ 
vs^eXtqv  iaffovTo  2  350  IV 
pTQYlA^v:   üXoTcjjtot  5Toix>;5bv  Iwt  ftjYfjLivi  ßiX(i>atv  A  1004  IV 
5ppa  Osa  ^pa)£g  ItzI  ^tj^ixTatv  IBstpiav  A  251  IV 
Hom.  ^Tci  ^T;Ypi.Tvi  OaXacoiQi;  0  501  IV 
p6o?:   xXeiouffiv  zotay.oio  -jrapa  foov  'EpfCvoto  A  217  IV 

Hom.  'KOLpa  ^6oy  'QxsavoTo  II  151  IV 
oreivbv  8'  oSt*  dYxwva  tcotI  {b6ov  •  dtjji^l  ii  Soiai  A  311  IV 
Hom.  ß^ßpu^sv  [A^Y*  '^'^H'*  '^^  ^^ö^  P  264  IV 
^i(a:   t)  5x^  iSv  aut6(JMrra  §6ava  ^iig  tBpcoovTa  A  1284  IV 

Hier  haben  wir  eine  äusserliche  Analogie  zu 
constatiren ;  unserem  Dichter  schwebte  offenbar 
Hom.  M  159  vor:  S^  twv  sx  y^ti^^  ßsXea  pisv,  i5,ih 
Axaitov  (IV) ;  in  diesem  Falle  erklärt  sich  zwar  die 
Länge  des  a  in  ß^Xea  aus  dessen  grammatisch-rhythmi- 
schem Werthe  selbst,  vgl.  Hartel  Hom.  Stud.  V  ^ 
und  Knös  de  dig.  III  305,  Apollonios  aber  nahm 
offenbar  die  Länge  des  a  als  durch  die  folgende 
Liquida  p  bedingt  an. 
^iljü):  dtt{;£Y^(i>(;  jxdffOTjfftv  ivl  ^di^oucrtv  dr]futaiq  B  1022  IV 

Homer  ähnlich:  At6i67ni)v  ^?  ^dior*^  o6t  pi^ow'  tm^- 
ßa<;  W  206  IV 
^(!|a:   oü  fdp  xe  ^t^ij^iv  ipi^ipeivrai  v£aTY)a(v  B  320  II 

Hom.  £ici  8^  ^a;av  ßaXe  xixfiiv  A  846  IV 

^ivo;:    SoroT)  8^  ^ivb^  ßcb^  "i^vco^  ^  sXi^oio  A  174  II 

Hom.  aXXot  8e  ^tvot^,  aXXot  8'  ourjiffi  ßoecrciv  H  474 II 
^iiz-fii   vuxtb?  Iti  fiTCTj  jjiivev  l|jwc68ov,  aXXa  OueXXat  A  1016  II 

vr|Ve|jLiY)  •  [xeii  8'  owxt?  6 wo  ^iic^?  Av^jjioto  F  970  IV  ('-«^  L 
und  G). 


Stadien  zur  Technik  des  naohboraerischen  heroischen  Verses.  703 

Hom.  Xao^  uiub  ^itr^^  M  462  II  (sonst  noch  Cncb 
ptT«]?  e  192  0  171  T  358  ^  12),  überall  findet  sich 
bei  Homer  aber  auch  die  Var.  iniai.  Die  erste  der 
angeführten  Stellen  bei  ApoUonios  aber  ist  die  beste 
Gewähr  dafür,  dass  er  selbst  im  Homer  mo  las, 
da  die  Längung  in  It(  keinerlei  Zweifel  und  Va- 
rianten zulässt^  auch  haben  an  der  zweiten  Stelle 
die  beiden  massgebenden  Codd.  L  und  G  überein- 
stimmend uTco.  Dieser  Umstand  wird  für  eine  dritte 
Stelle  entscheidend,  wo  die  Ueberlieferung  uicai  bietet, 
das  nunmehr  in  urcö  zu  ändern  ist,  nämlich: 
hxioL  8'  ^etpov,  xa  8'  uxb  Jiix^q  dtveiiÄto  B  1229  IV 
poS^tj:  Tt]xo|jiivir;,  di6v  te  «epl  ^oS^tjatv  edpcnj  F  1020  IV 

So   schreibt  man   seit  Schaefer;    L  hat  corrupt 
oTövie  iceptppSdotaiv    G  xept^^oSieoacv ;   die   Längung   ist 
homerisch,  vgl.  die  obcitirte  Stelle  e  121  IV 
pi  (Sppa):    cppa  Oea  %(i)S(;  iiA  ^[uai^  ^Ssi)ji.av  A  251  I 

KOrcpiBo^,  Sppa  xd  ol  Betpiev  xöffi^  Ä{jL9t7ui4£i;  F  37  H 
Das  doppelte  p  ist  ausdrücklich  bezeugt,  sowohl 
L  als  G  bieten  es  und  der  Schol.  zu  d.  St.  sagt: 
3ppa  td  ol  8ia  8uo  pp,  ot  8i  'Apicratpxeiot  [8t'  ^xdpou  p] 
Ypi^ouatv,  d)?  xat  wapa  tw  tioitqttJ  ,t6  ^a  t6t  sx  xTi^^^^ 
Xaß(i)v'  ^r^atv  'HpoxXdcov. 
9oep|xaxov,   Sppa   ts  ^act  Ilpcfxii^Seiov  xaXdeoOai  F  845  II 
8e5tT6p9)  8'  gXev  l^xo;  ^XYjßoXov,  Spp'  'ÄTaXivTY)  A  769  V 
Schol.    ol    8^   'AptcTötp/etoi    8t'   hipoo    p   l^o^i    '^^ 
Toia6Ta^  TP*P«?5  <*>?  'HpaxX^wv  ^rph  bt  ttj  i:  xriq  'IXiöE- 
8o?  ,t6  ^a  tot'  ex  yr^öio  Xaßdbv'. 
xeV  'OfxovotTQ;   lepbv   ^[juppovo?   (vgl.   meine  Grammat. 

Stud.  zu  Apollon.  32)  Spp'  lxi|i.ovTo  B  718  V 
avTfnsptjv  XeOcffoufft  iwpb?  a^Xoq,  Sppa  t'  diOXou  A  68  V 
Das  homerische  Vorbild  für  alle  diese  Fälle  ist 
xe([x£vov,  S  ^'  A^iXae«;  oTcoxpofifjxe  X'^P'^^  X  327  II. 
Wegen  der  Fälle,  wo  Sppa  in  V.  Arsis  steht,  ist 
zu  vergleichen  Arat.  Phaen.  662  V  S  f)'  dvi  y^^Kpi^ 
wegen  Sppa  in  I.  Arsis  vgl.  das  Folgende. 
?a  (Toppa):  T6pp'  ^f'  d^ovsXouffa  Ou(i>8sV  x4t6sto  pLfTpij  F  867  I 

Hom.    t6    ^a   tot'    i%  yrikdio  Xaß()i)v   exidr^pe   Oeeiw 
n  228  I;   vgl.  auch  Antimach.  t6  ^d  ol  irf/Ck&x^i; 


704  Biaeh. 

Fr.  ine.  sed.  LXVI.  I.    Wie  Sppo,   so  gebraucht 
Apollonios  auch  töppa  in  V.  Arsis: 
h  'xdp  ol  86pu  SeXov  Skfjkaczo^  '^^pp'  ^^  (Jieaov^v  A  526  V 
ocuS^ev  yXo^p^^  w]b^  86pu,  tipp"  dcv^c  piioovjv  A  582  V 
Nicht  nach  directen  homerischen  Mustern,   aber  mit  An- 
lehnung an  Homer  hat  Apollonios  sich  folgende  neue  Bildungen 
gestattet : 

Xtßi^:   dcpSeoOat  Xeuxijotv  bth  XtßiSeaac  Y^^XoncTog  A  1735  IV 

Die  Ueberlieferung  von  L  und  G  ist  vRcdj  aber 
unser  Dichter  hat  selbst  A  1133  AbonOti^  y^^^^ 
exiXXe(ßu>v  Upotatv  (IV);  so  dass  auch  vor  Xtßi^  Län- 
gung eines  kurzen  Vocals  zu  vermuthen  ist;  vgl. 
Homer  i^ps,  Xet^avxe  xto(Tt]v  Q  288  IV 

MeXCTt):   viQiiSa  MsXCttjv  •  i^  8^  oOevapbv  Texev  TXXov  A  543  II 

Insoferne  der  Eigenname  zusammenhängt  mit 
dem  St.  (JieXiT-  haben  wir  bei  Homer  ein  Muster: 
|jiif  ae  ßiXb),  \jk6  ik  [kekvfßia,  Oupibv  ^(i>(Aai  P  17  III; 
äusserlich  ist  unser  Fall  nachgebildet  dem  homeri- 
schen ntjXtiSa  lAsXftjv  n  143   T  390   <l>  162  H 

^acvTi^pioi;:    9ip[ji.a)ue    ol^   Ta   {xiv   d^OXi,    Ta    8e    ^aic7Xi^pe^   exsit: 

r  803  rv 

Bei  Homer  findet  Doppelung  der  Liquida 
statt  nach  dem  Augmente:  ippaia^  U  339  II, 
dann  im  Compos.  SioppaTaai  piepLacoTe^  B  473  IV, 
vgl.  Eallim.  süi6*  oT  y^  ^oLVjvqpdq  Hymn.  III 59 II 

^afi^:   )(fUT7al  ik  ^a^ai  slaiv  *  IXe^  S*  iin$dSpo{Jie  icaffOEt^  F  139  II 

Vorlagen  bietet  auch  hiefür  Homer  in  den  Gom- 
positis:  IpBeiv  IpY«  ßtaia  xaxoppa(f(v)9t  vöoio  ß  236  (vgl. 
0  16    (A  26)  euppofäeacTt  Sopoioiv  ß  354.  380. 

^T^v:   S^  t6t6  KivÖov   Jwe^vev   äici  pi^veaaiv   4owtv  A  1497  IV  (L 
iicippi^veaatv). 

Bei  Homer  im  Compositum  icoXupprjVe;  I  154  IV 
Doppelung  der  Liquida. 
^66iov:  tc6vtou  Xißpov  oScop,  iicl  Ik  ^60ta  xX62^ovto  A  541  IV 

Bei  Homer  findet  sich  wenigstens  die  Variante 
ß%uxs  ^66iov  (neben  ev)  e  412  II;  xaXipp66toy  U  {iiv 
auTi(  e  430  IV  beweist  nichts^  da  man  auch 
milation  aus  niXiv — ^66tov  annehmen  kann. 


Studton  rar  Technik  dai  naehliomeriiehaD  heroifchen  YerMs*  705 

^(i>X(Jtc^:  Xi(iLX£Tat  S^pa  jjlux^v  ik  St 3c  ^(oxi^t^oto  iuT)Tat  A  1545  IV 

Vom  selben  Stamme  gebildet  findet  sich  ^  bei 
Homer  mit  Längang:  k^  6aXi(jLou^  '08uoi)o^  div3e  ^(o^o^ 
[KVfdfOio  X  143  IV. 

b)  Ohne  homerische  Muster. 

XxYcov:   obiop   uicb   Xa^övcov   iCxpatpde  ol  Iv6a  mal  Iv8a  A  1613  11 

L  vnuat,  aber  G  uico  corr.  (ma.  pr.?)  urcat  nach 
Merkels  Angabe.  In  der  ersten  Schreibung  des 
Guelf.  ist  die  genuine  des  Dichters  zu  vermuthen, 
zumal  dieselbe  Längung  bei  Theokr.  Id.  XX  121 IV 
vorliegt:  -^jvstxsv  i%\  Xoy^v«^;  Inc.  Id.  uicb  Xo^ivoe^  IX 
246  IV 
Xix^^:  oloiv  ivl  Xex^ewt  iia  xvifa^ '  oia  V  dbbo(Tif)v  A  1071  11 
OMTot  (A^v  orevixouvtv  evi  Xe/^efffft  xsvövtc^  B  1012  IV 

Bei  Homer  ist  Längung  vor  "kiyipq  nicht  sicher  zu 
erweisen ;   a  213  hat  Cod.  Ven.  457  (I  bei  La  Roche) 
allein  xapx  Xe/ieoai  xXiOiJvat,  alle  anderen  Hdschr.  xopon, 
was  a  366  allgemein  überliefert  ist.   Vielleicht  stand 
auch  im  Hom.  Hymn.  IV  126,  wo  die  Ueberlieferung 
"A^x^ffso)  ii  |ji8  ^ioxe  icapoi  X^eariv  xaXdeo^ac  lautet,  ur- 
sprünglich icoEpa  X^x^^^*    Wol  aber  findet  sich  das 
stammverwandte  Xdxipoy:   Keifxai   dv2  X^ctpci)  t  516  II 
und  oxb  XexTpcio  Oopouaa  (j'  32  IV 
'^i<saoq:  ydrxxa  Sia  (ji.daaT)v  ^Xoy(JL(J)  ^cupo^ '   i){AaTa  S'  aure  A  870  II 
OTij  8'  op'  evt  |ji£ffGifj  oYopij,  dv«  B*  eo^cös  Seipifv  A  673  H 
oSBa  evi  {xearaoiare  Tebv  v6ov  *  i^d  ae  SafAva  A  464  II 
OEuxCxa  S'  Ol)  {Aexa  Sujpbv   dvt   {xdaffoi^   oYÖpeuorev  B  879  IV 
Wahrscheinlich  entnahm  ApoUonios   diese   öfter 
vorkommende  Längung,  wie  auch  Hermann  Orph.703 
vermuthetC;   einem  uns  nicht  erhaltenen  Theile  der 
archaischen  Poesie. 
piiYai?:   'RÖp  incdvepöev  Ist?,    eicl  Be  ixt^aSa?  X^s  Xwßa?  T  1210  IV 

Aeusserliche   Analogie    etwa   nach:    xbv   ik   [kt(a 
xufjLa  xiXi^ev  e  435  IV 
1^6X1^;  tax  Td^ov.   ocuTop  6  ToTot  {xiXa  (aoak;  £§  urcitoto  B  207  IV 

Aeusserliche  Analogien  bietet  1^  ydp  xi  a^i  [idka 
|jk^a  xuSoi;  apoto  Hom.  I  303 ;  anderseits  klingt  [Ji6Xi^  an 
(AiXat  an,  z.  B.  6  hi  |xe  ixoXa  icoXX"  Ixixeuev  Hom.  X  530. 


706  Riiich. 

[JLuOo;:  au3i^  xt  |X'jOo{  xe  {xeXi^pove^,  ou^  ayöpeu^sv  T  458  11 

Die  Verbindung  zweier  Wörter  am  Anfang  des 
Verses  durch  te  unter  Längung  dieses  Wörtchens 
in  IL  Arsis  findet  sich  bei  Homer  ziemlich  oft,  so 
dass  es  gern  von  den  Späteren  auch  bei  neuen  Wör- 
tern nachgeahmt  ward,  vgl.  auch  Hermann  Orph.  710 
zu  Dion.  Perieg.  Aeusserlich  ähnlich  ist  bei  Homer 
[i.s6o;,  wovon  Längung  2^  159  0  310. 
MsXavtTciCT):  Iv8a  wore  wpo|xoXoüaav  'Apr|Ttd8a  MeXavtxzTiV  B  966  V 

Die  Längung  vor  den  Eigennamen  erinnert  &n 
vT)ti8a  MeXfriQv  Apoll.  A  543  H  und  das  hom.  Dr,- 
XtiSa  (jieXiv)v  11  143  u.  s.  II 
vdo?:   xi&Xü)v  teXXojJievoü^,  toü;  Si  veov  kGvriCi'zo^  T  1384  IV 

Diese   Neubildung  klingt   äusserlich   an  an  d^ 
hom.  iik  vuol  cbBupovro  Q  166  IV 
voo^:    o5t'  iid  -pjOecuva^  xpaweto  v6o?  •   aXX'  äpa  'zov^z  A  620  IV 

Hermann  wollte  statt  dessen  v6o^  izpxxf:  ge- 
schrieben wissen  mit  Berufung  auf  P  546  ^  ^^ 
v6o^  etpabcet'  auTw  (Orph.  708).  Wir  haben  aber  nicht 
den  geringsten  Grund,  die  Ueberlieferung  für  cor- 
rupt  zu  halten.  Wenn  der  Dichter  Längung  vor 
v^o^  zuliess,  so  konnte  er  sie  sich  mit  demselbeo 
Rechte  auch  vor  v6o^  gestatten. 
vaaffeoOat:   Niaoioi  Me^apf^e^,   Sts  vicascSoti  sfipeXXov  B  747  IV 

Spitzner's   Vermuthung   de   versu  Ghraec.  he- 
roico   39   5t'   iwacceoOai   e(ji.£}vXov,   ist  überflüssig, 
da  die  hdschr.  Ueberlieferung  durch  die  übrigen 
Fälle,  die  ApoUonios  ohne  ältere  Vorlage  neu  ge- 
schaffen hat;  hinreichend  geschützt  erscheint 
Wie  wir  sehen^  lässt  ApoUonios  Längungen  vor  Liquiden 
ohne  ältere  Muster  in  grösserem  Massstabe  zu.   Es  hängt  dies 
mit  seinem  bekannten  Streben,  die  beim  archaischen  Epos  wahr- 
genommenen Alterthümlichkeiten  auch  seineraeits  anzuwenden, 
eng   zusammen.    Er  sah^   dass   bei   Homer   vor   verschiedenen 
mit  einer  Liquida  anlautenden  Stämmen  sich  solche  Längungen 
fanden,    daraus   abstrahirte   er  die   Regel,    dass   die  Liquidae 
Position  bilden.  Indem  er  zunächst  nach  äusserlichen  Analogien 
vorgeht,   zieht  er  auch  andere  Wörter  ohne   eine  Aebnlicbkeit 
mit  den  vorgefundenen  heran.    Doch  erscheinen  auch  bei  ihm 


Stadien  wnt  Ttchnik  des  nMhhonerMclien  heroisolien  Yen««.  707 

jene  Längungen  auf  gewisse  Hebungen  und  bestimmt  rhyth- 
misch gestaltete  Wortformen  beschränkt.  Niemals  aber  hätte 
er  es  gewagt^  eine  solche  Positionslänge  vor  einer  Liquida  in 
der  Senkung  zuzulassen.  Der  einzige  etwa  in  Frage  kommende 
Fall  betrifft  eine  Corruptel  der  Ueberlieferung  des  einen  Haupt- 
codex L: 

^  t'  Iv  8y'  out£  ^Y)xxb?  2ot  xaXißjciio  wjrijariv  T  848. 

So  schrieb  auch  Merkel  nach  L.  Wir  hätten  dann  eine 
Längung  vor  pvpiT6(;  in  der  2.  Thesis.  Ein  Blick  in  die  zweite 
fiir  die  Textesconstruction  der  Argonautika  massgebende  Hand- 
schrift G  aber  zeigt  sofort  das  Richtige: 

^5  t'  iv  Sf'  o6t€  yC  eoi  ^Y)XTbq  xakMio  Tuicijfftv. 

Offenbar  nahm  der  Schreiber  von  L  oder  seiner  Vorlage 
Anstoss  an  dem  gleichzeitigen  Vorhandensein  der  Partikeln  av 
und  tU  und  so  entstand  durch  Umstellung  der  Worte  die  Ueber- 
lieferung von  L.  Doch  vgl.  Hom.  N  127  5^  out'  av  y.6v  "ApYj? 
cvccdKTo  pieTsXBcov.  Selbstverständlich  steht  bei  Homer  vor  ^t]xt6{ 
eine  Längung  nur  in  der  Hebung:   N  323  x^^^  '^^  ^v)x>'^^  H. 

NikandroB. 

a)  Nach  homerischen  Mustern. 

V  1^661^:   ToO  (liv  uTcb  v(f6evTa  t.tpda'za  Soia  [uxtiiTt^  Ther.  291  TL 

Hom.  TpuoXco  !ko  viföevxi  Y  385  TL 
voTsiav:   o))rpaiv(i)v   ^i^Mu;  «[XfC?  *    6   5e    vot^wv    icepi   "^(ot^  Ther. 
254  IV 

Hom.  xoT^c  8^  vÖTto^  ^£ev  iSpo)^  A  811  IV 
pi^Oi;:   YXeöxo^  dikiq  SaCvüvxai  ivl  ^a^itcai  iceaoöa«  Alex.  184  IV 

Da  ^0^  nur  andere  Schreibung  für  ^axo^  ist,  so 
haben    wir  bei  Homer   ein  Muster   in   ouXy)v  31  xorra 
^0X66991  xaXu4«  T  507  IV 
pilja:  OEUTüi^  B^  pf^av  xo-cuXiqBovo^,  ^  V  dva  xpujjLOV  Ther.  681  II 

Einige  Hdschr.  oi^.  Hom.  £7:1  3^  ^t^ov  ßiXe  xtxpi^v 
A  846  IV,  als  Var.  auch  (von  Apoll.  Soph.  30,  12 
überliefert)  W  190  x6pjxov  ^k  ^fl;r,<;  H  neben  Ix  föir|<;; 
vgl.  auch  Hom.  Hymn.  Smh  ^fi^t);  V  12  II 
a{jL(jitYa  $i  ^((«^  iQpuYY^B^  ^  ^^  l^capxi^  Alex.  564  II 
öpertbv  jjLi^Ti  x^H-^^o^  «'c^  P*'C^?  icpoToljAoto  Fr.  78.  7  IV 
(Georg.  11  und  12,  p.  113  Schneid.). 

Bitouiggber.  d.  phil.-biflt.  Gl.  XCY.  Bd.  111.  Hft.  40 


708  Rsseh. 

po(I^T;Si:   Tu>  |xev  te  poi^^r^Sa  9i\ai[Lonoq  iy^KsXdonaoL  Alex.  498  II 

II  hat  tot,   alle  übrigen  Hdschr.  te,  vgl.  Hom. 
tcoXXy]  hk  ^otl^ü)  i  315  n 
x£{povTe^  6X{ßü)7(V,    Sxe  ^oil^YjSa   pieXtffffa'.  Alex.  182  IV 
^6x6o(;:   5j(ja  xe  icerpT^e'/xe;  uicb  ^6/00 tai   OaXi9aT)<;  Alex.  390  IV 

Der  beste  Cod.  11  hat  Oxoppö/Sot^i,   woraus  offen- 
bar die  falsche  Schreibung  uxep  in  einzelne  Hdschr. 
hineingerieth.    Hom.  xOiaoc  [Uya  ^oyßei  [x  60  H 
Sppa:   "Ayp«  xal  ravoxÄ^  OXeYw^wv,  Spp«  t€  TcpSnoq  Ther.  685  V 

Hom.  X  327  II,  für  die  V.  Arsis  aber  Arat  Phaen. 
662    Apolion.  Rhod.  A  769   B  718    A  68 
d(XXoT6  ßcuxdpoo^  /(XtjYOvou,  Sppa  xepaio^  Alex.  424  V 
n  5ppa. 
Unrichtig  überliefert  ist 
5pYi^b>v  XiiceV  ^oSecp  Opova,  xoXXix,c  XP<^^®'^  Alex.  155  III 

In    der    III.    Arsis     kann    die    Längung    nicht 
stehen,  es  ist  zu  ändern:  opYai^cov  ^o$£b>  Xiicti  Bpsva. 
womit  diese  Stelle  entfällt. 
Nicht  ganz  dieselben  Wörter,  aber  doch  vom  selben  Stamme 
gebildete  begegnen  als  Vorlage  in  folgenden  Fällen: 
^T^tpt):    0ptj((jar,5  aWpoiatv  öicb  ^T^TpYjariv  'lijxßiQ?  Alex.  132  IV 

Hom.    [i.u6(i)v    Te    pT)T>5p'    ^pf^^vai   wpriXtijpa    T£    !p^^ 
I  443  II 
^{xTw:  yi&ip&aai  Suo^iTCTstJxe  ßiXejxv«  Fr.  26.  4  IV  (p.  36  Schneid.: 

Nicht  ganz  sicher,  da  leicht  auch  Süco  da  stehen 
konnte ;  bei  Homer  haben  wir  nicht  Längung  vor 
dem  Anlaute  selbst,  aber  Doppelung  der  Liquida  in 
Äiapptxcaoxev  iioröv  x  575  IV 

b)  Sonstige  Vorlagen. 

v^(i,ü):  ^eia  '^'kiiTfLh  v6{|xe(a^  iXuxpdrepov  Seicieaat  Alex.  386  II 

Der  Vers  ist  nicht  ganz  sicher  überliefert.   Vgl. 

Hesiod.  epSwv  Upa  xaXi  xora  vijxov  Th.  417  IV,  da  v£|aw 

und  v6(i.o;  zum  selben  Stamme  gehören. 

[LiGoq:  dtXYSffiv  ifAßapudouda  xaT«  [xeaov  ofx^aXbv  ijei  Ther.  468  H 

TToXXa  8'  IvepOe  xaxa  |xdffov  ijji^otXbv  t^et  Alex.  26  IV 

•Mti  xXoepoü  vipÖY;xo<;  awb  jxeaov  tjTpov  oX6',j^a5  Ther.  595 IV 

Die  Codd.  BGP  und  die  Aid.  haben  zwar  k^xi 

was  jedoch   gegen  fl  und  die   anderen   nichts  g:ilt' 


Studien  zor  Taelinik  dM  nielihoiDeriichen  heroischen  Yeraes.  709 

V  hat  Ghcb(i.  ix^jov.  f^r  die  Längung  vor  (JLeco^  hat 
man  eine  Parallele  bei  Apoll.  Rhod.,  z.  B.  v6xTa  Sia 
|4.d(j(«)v  A  870  II  evl  [Kiwou;  oYopeudev  B  879  IV.  Eb 
ist  daher  auch  der  Vorschlag  Hermanns  Orph.  709 
für  xata  [aegov  ipi^aXov  Ther.  468  xor'  ifA^iXiov  (x^jov 
zu  schreiben;  überflüssig. 
pavTTJp:   xovOcü  evi  pavxijpt  Tud^^v  avsSd^öfc'  eX^Svt);  Ther.  673  II 

P  und  Aid.  falsch  xor^öw  ev  ^ovO^jp'.;  Vorbild  konnte 

für   den   Dichter  sein   Archestratos    5^ef  ts  .^«(vovtsi; 

Fr.  XLU  14  II 

peöo^:  aOpi^oY),   v<ji)6pT]  [a^v  cticb  peOso;  ßaXev  ürvov  Ther.  165  IV 

«T^a  Se  TÖv  y'  STWtTepOs  Sia  ^^öo^  ^YP^®  wX-iJadCöv  Alex.  456 IV 

Vgl.  Incert.  Idyll.  iz\  pee^swi  Id.  VIII  3  (Mosch. 

IV)  II 

c)  Ohne  ältere  Muster. 

Xi|JLvato;:  Kwxat  T£  XtfAvaTov  irtcsöpe^l/avTo  xop'  liSwp  Ther.  888  II 
Aoßc;:   zoXXflcx,'.   o'  ev  x.at   cirdpixa  t6   ts    Xoßb?   aH^'fU  «^S^t  Ther. 
536  IV 

Hermann  vermuthete  Orph.  737  x6  ol  (gegen  die 
beste  Ueberlieferung). 
piSi^:    asai  Se  ^oeSixa  x,a>ioxXo{vo(o  xovul^ri^  Alex.  331  II 

So  IIGM,  sonst  falsch  Si^,  was  Lehrs  geschrieben 
hatte. 
owt?  6'  ipwOXXoio  «epi  paSixocc;  ae§et  Ther.  533  IV 

Die  Wurzel  ist  Fpa8,  vor  dem  stammverwandten 
p(z§iv6^    haben    wir    bei    Hesiod.    Tb.    195    Längung 
kennen  gelernt. 
Zwei  Stellen^    bei   denen   nunmehr    die    richtige   Lesung 
hei^estellt  ist,  entfallen,  und  zwar: 

creixovTS^  NowrraxTOv  iq  'A[ji9i8ü|i.v)v  xe  xeXaliov  Fr.  109.  3,  wo 
früher  aretxovrö  gelesen  ward  (vgl.  Düntzer,  Fragm.  der  ep. 
Poesie  82).    Ebenso 

YOYY^Xßo;  8iooT|  -^ap  tSe  pa^avoio  y^^^^^^J  Fr.  70.  4  (Georg. 
Fr.  III  4  bei  Lehrs),  wo  die  Hdschr.  des  Athenaios,  der  dies 
Fragment  bewahrte,  durchaus  ix  haben,  womach  dann  Schnei- 
der restituirte:  yorf^Xi^o^  Swaij  ^kp  W  i%  ^«©avoio  y^v^öXt)  (vgl. 
pag.  83). 

46* 


710  Ksach. 

Ifl'unienios. 

Der  einzige  Fall,  welcher  sich  vorfindet^  lehnt  an  ältere 
Vorlagen  an: 

^66iov:    aXXoTfi   xapxocpiV?    öts    Sc    pöÖtov    WocpLoOiSa   Fr.  IX  in 
IV.  Arsis  (Bussem.). 

Bei  Homer  schreiben  die  Hdschr.  ßeßpu^e  ^i^j:n 
e  412  II,  unmittelbares  Muster  aber  ist  Apollon. 
Rhod.  eicl  Se  f^^Oia  xXu^ovto  A  541  IV. 

Manethon. 

a)  Nach  homerischen  Mustern. 

\Li^apoy:   fi  £va  -nQXuYfiTov  icsp   evt  [jieYapotciv    eScoxsv  III  58  IV 

(Koechly) 
XÄi  Zk  xat  euTexvty;  «i^iv  evi  (AeY^potatv  cxijSeT  III  313 IV 
Hom.  A  396  u.  s. 
[Lolpa:  iß^  &p    I'rX  pLoiptjai  xaT(i)^ep6£(jart  xoXoto  III  411  II 

avTÄXei,  xeivwv  te  xepl  [AOipiov  JeSaafföat  III  418  IV 

Vgl.  Koechly  ed.  Paris,  praef.  XXXIV  zu  d.  St 
Hom.  ri*/Ta  xaxa  ixotpov  xoriXeS«  x  16  IV  u.  s. 

b)  Nach  anderen  Vorlagen. 

Xe^o?:   ^19667  oLizo  Xs/dwv,  Itepou  5'  iwb  x^lp^ci  öpe^ösv  VI  58  II 

So  Koechly,  Gronow  ura(.  Axt-Rigler  arat,  aber 
vgl.  Hom.  dhrb  Xexipoio  Oopcuaa  '>j/  32  und  Apoll.  Rhod. 
hn  Xs/eeoat  1  1071  II 
\^  96010;  Xi^Yo^^^  xapa  Xe^^e^fft  Y^voaxiSv  IH  390  IV 
Apoll.  Rhod.  evi  Xe^^ewi  icecovrei;  B  1012  IV 
Dagegen  entföUt  IH  330,  wo  jetzt  richtig  ogptJTji 
Xexeü)v    statt   des   einstigen   &ßpet^  re  X^inän  gelesen 
wird  (vgl.  Hermann  Orph.  716). 

c)  Neu. 

Ixi/Xo^:    aüToC  te   [Aa^^öt  "^^  xat  €<;  ^iXctyjt'  dx6p6(Trot  VI  209  H 

So  schrieb  Koechly,  während  die  frühere  Vul- 
gata  auTo».  S'  au  war;  Koechly  ed.  Paris,  praef. 
p.  XXXV  bemerkt  hiezu :  ,quod  aperte  falsum  est, 
cum  nihil  novi  adiciatur  sed  quae  iam  dicta  saot, 


Stadien  sar  Technik  de«  naclihomeriaehen  heroischen  Yenee.  711 

acouratius  explicentur.  Quare  ourot  le  scripsi^  Ich 
füge  hinzu^  dass  V  oSj  offenbar  aus  dem  voraus- 
gehenden Verse  ol  S'  otS  rm  8ea(ji.bv  StXv)7x/  hinein- 
gerieth.  Auf  die  Beliebtheit  ähnlicher  Fügungen 
wie  die  vorliegende  verwies  Hermann  Orph.  710. 

MaximoB. 

Längung  vor  Liquiden  findet  sich  bei  diesem  Schriftsteller 
einzig  bei  der  Präposition  Ivt. 

a)  Homerische  Fälle. 

XexTpov:   •J^ixor'  exl  Tp(a  ixoövov  M  XixTpotat  [KOffifiot^  185  IV 

Hom.  xeTixat  ivl  Xexipci)  t  516  II 
{Asvapov:    oixoaoov  y«P  äxoitiv  ^vl  [le^dpoifii  >to|i.t?ot;  98  IV 

otTS  y'  ^0^?   Xeticovre^    evl   jAeYaepoiaiv    ovoxt«;  321  IV 
Bptjapwijuvr^i;  •  e5poi?  8'  av  evl  |jL6Yapotff{  jxiv  dvSp6^  351  IV 
Hom.  A  396  IV 
;jieXo?:   oii  y'  ^^''  [AeXdedori  Bop^toi  uU^  S/soxov  416  II 

Hom.  üixeV  dicb  [iieXicov  N  672  II  vgl.  Empedokl. 
evl  |JieX^6ff(Jiv  eöp^^Oif)  177  IV 

b)  Nach  anderer  Vorlage. 

Xe^Oi;:    vr^ctv,  8r|pöv  8'  äv  dvi  Xe^^e^fft  xXiÖ6{t)  181  IV 

Apoll.  Rhod.  h\  Xe^dscdt  wea6vT6<;  B  1012  IV 
Es  entfkllt  jedoch  250,  bei  Ludwich  richtig :  SOcnXr^tcv  * 
To{r,v  Y^p  £w  aTUYspY)v  äy^i  «ttqv,  wo  man  vor  Hermann,  welcher 
das  von  Koechly  aufgenommene  ojxuy^P^''  conjicirte  (vgl.  Orph. 
715),  jjLOYßpT^jV  schrieb.  Lud  wich  hat  ffxuYepT^v  aus  der  ursprüng- 
lichen Schreibung  des  Cod.  L  restituirt.  Maxim.  286  ist  e^el 
pLOY£poT(jtv  Id^ti  die  einzig  richtige  Leseart  für  das  ehedem  be- 
liebte, vom  Cod.  L  (siehe  Ludwich  p.  24)  gebotene  6ic{,  her- 
gestellt von  Hermann  Orph.  715. 

Simmias  von  Bhodos. 

Der    einzige   homerische   Fall  ist   unrichtig   überliefert 
(Düntzer,  Fragm.  der  ep.  Poesie  der  Gr.  p.  4): 


712  &saeh. 

p6o(:    Oeov^ffiov   le   i:£p(   poov   fJXuOcv  ividoio  (Ka|&xa9su),  Fr&gm. 
des  'A76XX<i>v  5  lU 

Man  hätte  hier  eine  Längung  in  der  III.  Arsis; 
es  ist  zu  schreiben 
^XOov  0eoiceai6v  ts  ^ept  ^6ov  aevdoto, 

vgl.  Hom.  xcTt  ^6ov,  apift  li  z  oxpat  P  264  IV;  an 
anderer  Versstelle  findet  sich  überhaupt  nii^gends 
Längung  vor  ^6o^. 

Moiro  von  Bysantion. 

Homerisch: 
pisv«^:    Zeu?  y  op*  evt  Kpi^iY)  Tpe^exo  11.^7«^  ou8*  ipa  v^  vtv 

i^£{Set  {jLoxapaiv.    V.  1   eines   bei  Athen.  V.  XI  AB  er- 
haltenen Fragmentes  der  Dichterin  in  IV.  Arsis. 

Hom.  bietet  eine  deutliche  Analogie  epicu  l'  us:z 
\kt{orf  5pxov  Z  746  IV  (vgl.  auch  ot^oq  Ysverc  iat;! 
<f  412  IV);  unmittelbares  Muster  scheint  zu  sein 
Hesiod.  TpCxwv  supüßiiQ?  ^evsTO  ij-sy«;  Th.  931  IV 

Eratosthenes. 

a)  Nach  Homer. 

Hieher  gehört  nur  das  eine  nicht  ganz  sichere  Fragment  VII 
bei  Düntzer: 

i7iX{Jia  icoTi  ^axTevxev  eXoc^pou  ^^atxatfftoto  II 

Annehmbare  Verbesserungs vorschlage  wurden  ge- 
macht von  Salmasius  ÄCTippiircsoxev,  vgl.  Hom.  0  1^5 
xaxoppa^iV,;  aktyeiyq^  und  Düntzer  xoBl  fiwreoxfiv;  ich 
denke  an  ?:oTt  f  i'^Taotev  wegen  der  homer.  Analogie 
ätappirraoxev  t  575  IV 

b)  Ohne  älteres  Muster. 
(jLOY^ü):  aiel  xpufJLaXeat,  atel  8'  üSaxi  [jlcy^oüciv  Fr.  I  8  V 

Bhianoa. 

Nur  homerische  Fälle. 

^oBev;:  y.a{  ffs  ttctI  ^oSitjciv  £r»)j(6v«vT0  yript^v*  Fr.  IV  bei  Mei- 
neke  p.  210  =  Anth.  Pal.  XII  121.  3  in  IL  Arsis. 


Studien  zur  Tecluük  dM  naehhomerUcheii  heroischen  Versee.  713 

Hom.  ekexQ  ^oSoBoxtuXo^  'Htlx;  e  121  IV;  unmittel- 
bares  Muster  ist  Apoll.  Rhod.   ol6v   xe  icepl   ^c§iY)(7(v 
eepcnj  T  1020  IV 
pi?raXov:    to    ^oxocXov    to)    Ilavt    xal    loßoXov   UoXuxivo^    Fr.  VII 
Meineke  (p.  210)  =  Anth.  Pal.  VI  34.  1.  I 

Hom.  KuxX(i)xo^  '^ap  exeiio  [U-^a  ^5icaXcv  xapa  oy)xco 
i  319  IV 

Ifl'ikaixietos. 

Neue  Bildung. 

pa5aX6(;:  fsivaxo  Bs  paSaXtj<;  evaXtYxtov  apxe66oiJt  4  II  (Düntzer 
pag.  77) 

Zu  vei^leichen  ist  die  Längung  mit  der  vor 
jbaStv6^  vorkommenden,  das  zum  selben  Stamme 
gehört  (Hom.  ouiap  l[i.aff6Xif)v  ye,p7hf  s^e  ^aStvi^v  W  583) 
Hesiod.  toociv  wo  ^aStvoToiv  Th.  195  II 

Theodotos. 

Homerisch: 

p{ija:   vspöev  uxb  ^Ufl  BsojjLr^ixevov,  dfji^i  ts  "zvr/p^  Düntzer  p.  94  II 

Ausser  den  erwähnten  hom.  Beispielen  vgl.  Hom. 
Hymn.  tou  xat  hto  pi^iQ<;  V  12  II 

IiGsbi  Etisis  inoerti  auctoris. 

Homerisch: 

fi'lu):    Tot  ps^siv,  sXow  V  iTzoc^daaa'zo  TZOL-zpiZo^  oito)  18  I 

Hom.  aXXa  {xs^a  ps^a^  X  305  II;  in  I.  Arsis  Inc. 
Idyll.  Ti  ^s^iet?  ffcrcüp(cx£;  Id.  VII  47 

Dionysios  Feriegetes. 

a)  Nach  homerischem  Muster. 

Xtic«p6^:   xoXXt^  t6  Xtrapi^  le  xal  eußoTo^,  ^?  iiwep  "IByj  502  II 

Hom.  ^ipiq  T6  XtTcapov  t  368  II 
[Asvapov:    iJLOuvot  5'  aoirsTOv  oXßov  evt  ixe^apouiv  «öevio   1057  IV 

Hom.  z.  B  Q  497  IV 


714  Bsach. 

v6xO(;:    jjLoxpb?  iizl  vöxov  eTot,  «iXtv  8'  dYxöva<;  ^Xi^aq  979  II 

Hom.  ^XOe  r  evt  v^oq  Axa  {x  427  II 
Xaßpöratov  p6ov  wxiiv  ewl  votov  ipObv  sXauvcov  1090  IV 

Ausser  der  angeführten  hom.  Stelle  vgl.  wegen 

der  IV.  Arsis  auch  xora  8^  vörto?  ^iev  t8pw$  A  811 IV. 

Demgemäss  ist  wol  auch  bei  Dionys.  51  zu  schreiben 

Twv  8'  oXXiov,  ot  t'  elffiv  &i:h  voT(r^?  aXbq  dqjtfu>  und  nicht 

ontaL 

^6o^:    ioTa(7(v,  Trupioeroio  ^apa  ^6ov  'Qxeovoto  624  IV 

Hom.   Hemistichion   n   151    IV.     Damach  sind 
gebildet : 
stKXoLi  8'  'Qxeovöio  'icapic  ^6ov  ^^e^ivcovrat  555  IV 

'Agx£v8ov  ^otapLoto  xapa  ^6ov  Eupu)A^8ovTo;  852  IV 
6UTS  vip  'AxTÄiotG  ««pa  ^6ov  IXwaoto  1023  FV 

piü):    Iv6a  MsXaq,  o6(  KpaOe^,  tva  ^iei  'JYpb^  'lihiv  416  IV 

Hom.  ß^Xea  f>iov  M  159  IV,  ApoUon.  Rhod.  lixu 
^drj  1  1284  IV;  darnach: 
ekyi.iti^f  lv8bv  t>8(i)p  zapd  t£  ^e((ov  xOova  ^cu9iov  1074  IV 

f'.::!}:    6pT)iy.(ou  •  tou  8'  an«  xotI  ^ixyjv  JJe^upoio  429  IV 

Hom.  z.  B.  Xao^  \Mb  ^iTcfj;  M  462  U  vgl.  ApoUon. 
vüxxb?  ^Tt  fwcT^  A  1016  II 
(2XV  -JiToi  AtXüßt)  jjlJv  Ixt  f>txV  ^e^poto  470  IV 
avepe^,  oT  xeCvrjffiv  uxb  ^ixYJai  [A^voiev  674  IV 

Hier  besteht,  wie  bei  Homer,  auch  die  Var.  J^af; 
ebenso  auch  in 
Tij;  8^  T:po^  dvTwcipotiav,  uxb  ^ixtjv  l^e^Opoto  962  IV 

Doch  ist  in  beiden  Fällen  0x6  durch  die  erst- 
genannten zwei  Stellen  empfohlen,  wo  hl  und  &d  vor 
^(xi^  stehen. 

S  ^a:   5  ^d  xe  xixXiioxouatv  Ax^vvtov.  ex  8^  ßcpetv;^  343  I 

Hom.  X  327  H;  directes  Vorbild  aber  ist  ApoUon. 
cppa  ösa  ^pa>e^  ext  ^yjYPi'Wiv  ISsijJLav  A  251'  I 

Von  demselben  Stamme  wie  ein  hom.  Wort,  vor  dem  sicii 
Längung  findet,  ist 

jba)i|/:   ipi{j.|ji.o)  xexXT]Ouiav,  i8e  pditxeajc  8a9eiav  1100  IV 

Vgl.  Hom.  xaxa  te  ^dtxi^ta  86u>  ^  559  IV 


Stadien  ni  Technik  dee  naeUtomeriichen  iMroiBchen  YerM«.  715 

b)  Nach  anderen  älteren  Mustern. 

vspio^:   dpvu{Aeyat  TeXeouci  %azk  v6{xov  lepa  Bixxcp  572  IV 

Hesiod.  Ip2(i>v   lepa  xaXa  xceta   v6pLov   tXdbxiQTai  Th. 
417  IV 
2X6  990 (:  auTop  evl  {x^actjaiv  'Ana)xeiir]^  xcoXteBpov  918  11 

Apoll.  Rhod.  au3a  ^vi  (xdaaoiai  xebv  v6ov  A  464  II  u.  s. 

c)  Neubildungen. 

Diese  beschränken  sich  bei  Dionysios  Perieg.  ausschliess- 
lich auf  Eigennamen : 

AiX6ßT]:   oxf«  ii  ol  Ilix^vö^  xe  üeXcopi^  te  AiXußv]  xe  469  V 
MipaOoq:  xal  TpdcoXtv  Xtwapi^v,  'OpOwaCSa  xe  MapaOov  xe  914  V 
Map3ot:   Tr^oi  xe  MötpSoi  xe  xal  ktipe^  AxpowoxiQvoi  1019  II 
NofJiaSe^:  xotat  8'  ei:c  NofJidSwv  irapoTräirraxa'.  aoicexa  ^OXa  186  II 

Die  letzterwähnte  Längung  hat  eine  ganz  äusserliche  Pa- 
rallele an  xaxs  v6fjL0v  (s.  oben),  die  drei  erstgenannten  repräsen- 
tiren  wiederum  die  schon  berührte  Verbindung  zweier  Wörter 
durch  xe,  wobei  oft  I^ängung  Platz  greift  (vgl.  Hermann Orph.  710). 

OppianoB  Syros, 

a)  Nach  homerischem  Muster. 

fivoq:  t)rvia  TwpceuOevxa  8ia  ^tvoto  xexovxai  Kyneg.  III  390  IV 

Hom.  izepl  8e  pcvoi  {xivyÖcuciv  jx  46  IV;  Hesiod  hat 
dieselbe  Formel  xai  xe  Sia  ^ivoö  ßob?  Ipxetai  E.  515  II 

pt?:   yjiked  xe  ^Tvd^  xe  /.al  2|X|xaxa  [Jiapixaipovxa  Kyneg.  IV  157  II 

Hom.  äv  cTÖfjLa  xe  pTvic  0'  e  456  II 

b)  Neue  Bildung. 
Mi^Jeta:  Kok/iia  xe  Mi^Sstav,   apilJiQXdv  xe   6e(Atax(b  Kyneg.  III 

248  n 

Diese  neue  Längung  vor  einem  Eigennamen  ist 

gar  nichts  Auffälliges,  so  dass  Hermann's  Vorschlag 

(Orph.  712),  im  Verse  vorher  AxötS«  xe  np6)ivr^v  und 

dann  KoXxtia  xat  Mi^Seiav  zu  schreiben,  unnöthig  war. 

Beseitigt  werden   durch   Antreten   eines  v  ephelkyst.   an 

den    Auslaut    folgende    Stellen    (vgl.    Hilberg,    Silbenwägung 

p.  40  sq.) : 


716  Rsach. 

TTiOfTfli  Xißpoictv  e7eXx6(Jt,evo(;  i:ct(  S^ptv  Kyneg.  11  239  II 
«(^{itjai  \Uya,  -jrijixa  raXiorpo^ov  iQepnQTat  Kyneg.  II  99  II 
Äv  2xuO{if]v  "lorpo?  XeXoexe  jxeYa  icivTode  tcowq  Kyneg.  11 141 IV 
aXXotat  ^(vot;  yusxextiza  ii  xptaev  eXato)  Kyneg.  I  251  II 

Oppianos  EilJz. 

Nach  homerischen  Mustern. 

[i.^Xoc:   xplv  [Lh   i'Ko   [i.eX6u>v   icpoXiirv]  oO^oq  ÄSpav^o'/xa  Hslieut. 
I  539  II 

Hom.  OupLov  obb  {jL£Xeu)v  H  131  II 
l^pa  xept  ixeXi^eaai  v^ov  oxe^a;  «[x^ticoYeti}  Hai.  Q  297  II 
^aa^ova  x^^>^t3*'  "^s   '^spi  |Jt,eX^ecc(  xvcta^^eq  Hai.  II  24  IV 
Vgl.   Empedokles    evl  lAeXesoraiv    177   IV   Maxim. 
ev!  [uXi&oGi  416  II 

f  YjYfAtv:    cri^  8'  ap'  £7:1  ^Tj^piivo;  Ibv  vopiov  sppoi^Tiae  Hai.  I  563  II 

Hom.  axpov  h:\  ftjf|Atvo<;  IT  229  II 
eiÜTe  Y*^  dtYpovo|xr^e;  exi  ^Yjfjjitvo;  OYWffi  Hai.  IV  313  IV 

Hom.  iiA  fr^YP'-Tv'.  OaXocffOY;;  A  437  IV 
)iapxtvo{  ou  <];Y2fT3ot  Trapa  ^iqyplTvo;  dsCpo^  Hai.  II  174  IV 

Hom.  Tzapdi  fTf)Y|Mvt  öaXatJCY)!;  ß  773  IV 
danaaib)^,    xoXXy;v    5s    ::otj    ^YjYjxivaq    «youciv   Hai.  IV 
493  IV 

Die  Formel  nov,  ^.  ist  selbst  nicht  homerisch. 

^t::!^:   7C0|i.wf;  t£  ^iictj  ts  xai  ou  iraXivoortjxo^  6p|XT^  Hai.  I  616  II 
x,ovT(ii)V  TS  fiwtjct  xai  d(xt](7tv  ip£T|Xü)v  Hai.  IV  651  11 
woXXrj  Sfi  pi?:^  t£  xal  aXjxorci  x.ü[jLa{vovTa'.  Hai.  IV  676  II 
•^  Se  jiiv  c^uTOfJLoiaiv  uro  ^irtjffiv  656vtwv  Hai.  II  284  IV 
xoTuofA^vrj  Bst^stsv  ü«b  ^iiri^ai  OaXa^va  Hai.  IH  456  IV 
Ö£Xy6|jl£voi  XiopYJGtv  uTco  ^tictj?  'A^poBtTT^?  Hai.  IV  141  IV 
Hom.  z.  B.  <J/uxrt  ^^  f*''^?  ^  1^1  n 
^^ü):   XiJYfii  pi-^v  iTfiTflEXwv,  vtora  Be  pd£t  t^ut£  vouatj)  Hai.  H  494  IV 

Hom.  i%  x6tp<Siv  ßiXfia  ^^cv  M  159  IV  Apollon. 
=6ava  f^t)  A  1284  IV  Dionys.  Perieg.  Iva  w  pewrfv 
Xe6va  2o6(jü)v  1074  IV 

^i^a:  HpHiv  uxb  ^i!^t]9(v  dvatSit  Tu{jL{j.or7i  xetvcü  Hai.  II  492  II 

Hom.  iiA  Gk  f^ö;«/  A  846  IV,  vgl.  Hom.  Hymn. 
ToO  %a\  ixb  ^fi^Y)?  V  12  II 


Studien  zvx  Teduiik  de«  naehlioineriBclien  heroiBchen  Venes.  717 

pst^o^:  ic6pSaX(v  otarpvjBetaav  dvl  ^ot(o(9tv  IjAaoOXv]^  Hai.  II  352  IV 

Hom.  icoXXi)  Ik  ^0(^(0  i  315  II 

ToSavo^:    Seuxipa   hk   To3avoTo   ?capa   0T6{xa   Oripr^ti^pe;   Hai.  III 

625  II 

Hom.  izoL^  ^oSocvbv  Bovoxi^a  Z  576  IV.  Dem  Dichter 
schwebte  wol  vor  das  homerische  Kapir]a6^  xt  ToS(0(; 
TS  M  20  V  und  das  hesiodische  N^aaov  ts  'PoBiov 
6'  'AXiflbtixova  Th.  341  II 

Zweifelhaft  ist  die  Stelle 

aXX'  auToO  Xo^^wci  :capai   [xu/iv,   5<;  xs  ^reXdffffY)  Hai.  149  IV. 

Schneider  schrieb  xapce,  aber  mit  Rücksicht  auf  den  Um- 
stand, dass  sich  sonst  keinerlei  verbürgte  Längung  findet,  die 
nicht  nach  homerischem  Muster  angewendet  wäre,  werden  wir 
bei  der  überlieferten  Leseart  icapai  bleiben  müssen.  Nur  Quintus 
hat  Ivt  iJur/fliToiffi  VI  477  IV  und  XIII  385  IV  mit  Längung. 

Absichtlich  weggelassen  ist  Hai.  I  737,  wo  neben 

ev   xdvTü),   töte  luaTSöK;   law   XaYÖveoaiv   sSexio  die  Variante    evi 

XoYÖvsffct  besteht;   doch   ist  jene   Lesung  jetzt  als   die   besser 

überlieferte  allgemein  angenommen.  Dasselbe  gilt  von  Hai.  U  70 

xeiTat  8'  aaTS{jupy]i;  ow)   v^xu^  *   S?   8^   xev    ix^uq,   wo   früher  die 

Variante  ots  vixu;  gelesen  ward. 

Durch  Anfügung  eines  v  ephelkyst.  entfallen  folgende 
Stellen : 

tl  8'  08  9f(  (jLaxdpwv  T«;  dlXt^Xorpcxcov  v£|jLedJ9ei  Hai.  IV  582  II 

eiXeuct  V67c68wv  ZtCKo^q  aTix«?  ei<;  Iva  x<»>pov  Hai.  IV  652  II 
(vgl.  Hilberg,  Silbenwägung  p.  41). 

e^&7ci6e  pwnflffiv  £Xauv6|i.evot  jAo^eoucxiv  Hai.  III  65  II. 

Anonymi  Theriaka. 

Falsch  überliefert: 

1^  8^  Xa\Lavrdvjoq  xai  (puXXa  [JLOcXaßaOpoio  8 

9}i.6pvv;c  0'  ^  8pax[xa{  xai  ^uXXa  (AaXaßiOpoio  38 

An  beiden  Stellen  käme  eine  Längung  in  der  vierten  Thesis 
zu  Stande,  was  unerhört  ist.  Da  diese  Verse  auch  gegen  Hil- 
berg's  drittes  Gesetz  (Silbenwägung  p.  19)  Verstössen,  so  ver- 
muthet  er,  es  sei  ^uXXa  [ta]  [xaXotßaOpoio  zu  schreiben. 


718  Risch. 

Eademos  (Antioohos)  Theriaka. 

Ein  einziger  homerischer  Fall: 
^  { ^  « :  Mi)ou  iico  ^ i^iQq  6XxY2v  Sßpoxfjiov  &p6^a;  3 II  (Bussemaker  p. 93) 
Hom.  Hymn.  toO  xai  öbcb  ^(Ct;?  V  12  II 

Anonymus  ?cepi  ßoTivu>v. 

Homerisch: 

X(ap6^:   ev  i*  liSatTt  Xtapco  ^poaxXul^O{Afvt}  '7caXd(Aat9t  50  II 

Hom.  vtr  Mflfci  Xiapw  A  830.  846  II 

Quintua  Smymaeua. 

a)  Nach  homerischen  Mustern. 
XazapT):  tut^v  uzb  Xa^apr^v,  3ia  8'  ijXaffev  iq  jjl^oov  ^ap  («XP^^v) 

XI  34  n 

Vulg.  xj^ai^  Pauw  und  Eoechly  urip,  aber  auch 
wenn  die  Lanze  ein  wenig  unter  den  Weichen 
eindrang;  konnte  sie  doch  die  Mitte  der  Leber  durch- 
bohren je  nach  der  Richtung  des  Stosses.  Die  Län- 
gung haben  wir  bei  Homer  in  t6  ol  uicb  XoTcipr^v  xixgen 
[t.ir(a  xe  ortßapöv  xe  X  307  II 

Tu^  uxb  Xaxipr^v  Tovaoi^  Cncb  x^^^^^v  otoxpo^  XI  209 11 
Hergestellt  von  Eoechly  statt  der  früheren  Vul- 
gata  OxaC. 
Xt^u?:   eSpoü  uwb  Xt^eo?  xas  dtretp^o^  i^eXioio  VU  230  II 

Die  ehedem  beliebte  Schreibung  j^oi  (vgl.  auch 
Spitzner ;  de  vers.  her.  53)  ist  von  Koechly  auf 
Grund  von  V  richtig  in  irtc6  hergestellt  worden. 

Hom.  0)^  3'  56*  \mh  Xiy^cj^v   dvi)jua)v   oxipxcoffcv  oeXXjt 
N  334  II 
T/o(a{  Te  XtYS(*>v  av^fJLcov  d|j.eYapToy  aevTa)v  HI  640  11 

Hom.  xXaTov   8^  Xiy^w?  x  201  II.    Pauw  hatte  an 
der  Längung  Anstoss  genommen  und  die  verkehrte 
Conjectur  xat  ^cvoiat  Xt^^cov  avd{A(ov  gemacht. 
XiYup^?:  auXo(  tt  XiYupoTffiv  dipr^paixevot  xxXaiJioiatv  VI  171  II 

Hom.  Ävoi^  ÖTCO  XiYupfi  N  590  II 
Xtap6^:    9UV  (A^XtTt  Xiapü)  *  }xi)TQp  8d  cl  ^{A^ifop^a  HI  736  II 

Hom.  vtT  f>8aTt  Xiapw  A  830  II,  vgl.  auch  yBar!  k 
Xtopco  (I)  45  II 


Stadien  nr  Technik  des  nachhomeriscfaen  heroischen  Verses.  719 

(x66o^:  öv  Mefjivcjv  eBdiSs  tholiol  ijl68ov,  i[i/^\  8'  ap'  auT(j)  11295  IV 
vexpou  haq  aeuovxa  xata  {xoOov  -  6^  S^eXiv  (ji.o(  II  323  IV 
^äCy)?  X£  ffT0v6evTa  xata  |x6öov  ^(aot*.  xeCvco  II  517  IV 
Twv  [i.£v  YO'ivarr*  €kwa  xata  jxoÖov,  oI>(;  8'  e^ößtjara  V  296  IV 
aipxa  T6i)v  xxafjidvoio  xotxa  |x6öov"  i)  ix*  UXicr^  VI  418  IV 
Tou?  xt^ev  al{xaT66VTa  xata  j;.66ov  •  ot  8'  üicdtXü^ov  VII 123 IV 
ceTo  xcrra^Oe(ji.evo(o  xata  {jl^Oov*  ou  yap  i((i>  VII  270  IV 
oXXo^  8'  <2XXov  sire^vs  xat«  fJLoeov  •  £v  8'  dpa  Totoiv  VIII 108 IV 
aXXov  Itc'  iXX(i)  öce^ve  xaTa  {x66ov  •  ot  8'  dficiövre?  XI 227  IV 
Xoa  ßaXwv  STapoto  xata  pi6öov  •  ot  8'  Äxe  Öi3pe(;  XIII  156  IV 
OufjLOv  'AX65iv8poio  xaxa  |i.6Öov  dvTtöwvre^  XIII  365  IV 

Hom.    oXXot'   sTcot^aoxe   xaxa   (a66ov,   dtXXote   8'   oute 
2  159  IV  (vgl.  1  537  <^  310).   Nach  xori  jjuSöov  bildet 
Quintus  auch  noch  dva  und  e?ri  {xoOcv  und  zwar  eben- 
falls nur  in  IV.  Arsis: 
sxteXeaetv  auTy){Aap  ava  (jlöOov  oxpuosvia  I  133  IV 
6^pa^  &ic6>^  OuvovTaq  dva  (jl60ov  oxpuöevxa  I  539  IV 

8^X0VT0   XTfitVOVCO^   dvd   [JLOOOV    iXXufJLEVOü?   T6   III    95   IV 

8ua)jLsy£<i>v  Sre  ff'  dXXoi  dva  |x60ov  otcoO^vra  V  204  IV 
ou  YOp  gfJLOtY*  eicdjjLüva?  dvd  (jlöOov^  dXXd  aot  o^co  V  273  IV 
8ua(ji€veü)v  icaXd(Aio<ytv   dva  |x66ov,    dXXd  col  ouro)  V  533  IV 
ö;  dpa  Tp<iioi  üte?  dvd  iJi.6öov  atvbv  'Aptjo^  VIII  271  IV 
8etvo<;''ApYj^-  6X^xovTo8'dvd  11.680 v  dXXo<;  4TC'dcXX<pVin276IV 
ou  *fOLp  st'  at9((xov  ^ev  dvd  {xoOov  dvepe  xsivcp  XI  292  IV 
Tpcoa^  eroTp'jvcvcc;  dvd  |jl60ov  •  oT  8€  xat  autoi  XI  350  IV 
xal  t6t£  Tu8do;  woq  dvd  (jloOov  d^mocovra  XIII  168  IV 
&?  8'  ae  nevSecfAeiav  dvd  ijl68ov,  fix;  t  e8d|Jiaffa6v  XIV 134 IV 
w?  To  wdpo;  |Jie(jLaä>T&;  i%i  fJL68ov,  ou  vu  ti?  upiea?  VII  519  IV 
xdpTwtot  8^  tot'  dv8p6?  i%\  |x68ov,  ^Tncore  8u|x6v  XII  62  IV 
{AsXo^:  {4.1^  a^iv  dxb  {JieXecov  ^uyjtq  ^dipiivotfft  xeXdaao)  I  334  II 

8u{jLb^  dxb  {AsXeo)v,  IXt^ev  8e  [aiv  d|xßpoTO^  otcov  III  319  II 
Xjjcre  8'  dnb  ixsXicov  o8uva(;,  e^i  8e  a8ivo<;  äpasv  IV  73  II  ^ 
fjnj^pb^  dl  TCO  (jL6Xi(i>v '  xot  |xtv  fszpt^btna  9ep£a8ae  VI  583  II 
d8pcov  *  al^a  8'  dvaXxi^  dicb  (jieXicov  ^u-^e  8u(a6(  I  746  IV 
xat  xipa^  '  h.  Zi  oi  atvb(;  aich  (i.eX^ü)v  ^dsv  i8p(0^  VIII  288  IV 
8e^i5v,  i%  8e  ol  ^Top  ii:o  (ji.eXi<i)v  Ixi8aa9e  X  124  IV 


*  V^i.  Koechly,  Grössere  Ausgabe  zu  der  Steile  uad  kleinere  (Teubner*sche) 
Ausgabe  (1863)  praef.  XXV  su  dem  Verse,  dann  Hermann  Orpb.  712. 


720  Rzach. 

(jLsXo;:  oua6'  6(jui>q  xat  ^haq  axb  |jl£A6(i>v  iTiiAcvro  XII  367  IV 

Hom.  Ou(Abv  SeKb  (JieXecdv  Suvat  86(aov  '\e3o^  slsii)  H 131 11 
5q  ^a  Ol  hLOL[dnovsi  xepl  (xeX^effacv  dpifpse  III  242  IV 
ßXvjtJiivou  ev  xoviy]9i,  zepl  {xeXeeaffi  S^  Bcopt;^  III  316  IV 
'H^aioTOu  raXiiAV^ai  xspl  jAsX^eaffi  y^ti&^a  XIII  111  IV 
Die  Formel  xepl  (jieX^effae  hat  Homer  selbst  nickt, 
zuerst  findet  sie  sich  in  den  erhaltenen  Werken  bei 
Oppianos  Kil.  Halieut.  II  24  IV 
\f.i'^a^:  b)^  $'  5t^  oltzo  {asy^Xcov  5pib)v  TraTajAC^  ßaOu§tw]c  11  345  II 

Hom.  B<i>p(i)  h:i  (JLeyiXo)  K  304  II 
1^8'  5a<J0üi;  ^sÄ^ovro?  uicb  lAs^a  fsi/o?  BXswev  I  12  IV 

(Spitzner  de  versa  her.  52  noch  •jxa{)    Hom.  56' 
ixt  |i.ifa  ßiXXeTO  xcäa^  t  58  IV 
3^  Aüx(t;6€v  Txovev  uxb  {X6Y«XiJTopt  D^auxc«)  III  232  IV 
Hom.  oYpiov  £v  ovffitaT.  Östo  [Lt-^oCkfyzopa  8u|jl5vI629IV 
[xeYapov:   (a{)av£  B'  evl  [A&Y^po^^^  xocOi^^iJLevo^,  otuTop  o(  iXXoi  H  73  II 
abrap  dvt  (XEYipoiat  Atb^  orspowQYepsrao  II  164  II 
x66(>€t'  evt|JL£Yapoifftvo8'  aijxflrco;  ex/uiiivoto  XIHSoTII 
elpYOv   evt   (xeYapoiai  waptJYopeovre^  exeaffi  XIV  161  II 
dXX«  jjLtv  6ia€Ti  lATl^pb?  £vt  (jL£Yapoifftv  Ipuxe  Vn  315 IV 
yuxi  pa  t68'  uxviiovTo?   ivl  [L&'^dpoi^i  xox^o^  X  438  IV 
E\ip\j[Ldc/jo  iiiTaXXev  evi  [Leyipoiai^  axo ixiv  XIV  323  IV 
xa{  fxot  xiXXtxe  TutObv  £vl  jjtfiYapoi^  Iti  xaTBa  XIII 278 ß'^ 

Hom.  A  396  IV  u.  s. 
aXX(o  5'  coj  ^fi'JYOVTi  8ta  jAfiYÄpoio  fjL£a6$(i.Y]  XIII  451 IV 

Vgl.  Hom.  arrb  jX£Yipoio  5i€o6«'.  p  398  IV 
iQ{jixTipt]g  dX6xo(o  xapd  [A£YdpO(C(  BoqiivTa  XIII  363  ß 
Koechly  sehrieb  in  der  edit.  mai.  mit  Rhodomann 
xopd  XIxTpoiat,  was  Quintus  keinesfalls  gesagt  hatte, 
da  er  nur  vor  Xdxo^  Längung  zulässt.    Die  Formel 
Tcapd  [ker^dpoiiTi  findet  sich  bei  Homer  nicht 
jjia^o^:  xaXat  xdptis^  ^i<jav  uxb  ixa^oT^tv  lojaat  IV   182  IV 

Hom.  TiD  o«p  eirl  |iAC<^  ?  483  II 
[AeXtY]:  Toö  Y*P  ^^^^  l^^^^Tl  ^^o^^'^?  orpatb?  ev  xovtvjjt  IX  184  II 

Hom.   ffT»)   8'  ap'  Itcj   i^eXir/^   /aXxoYXw/^^^s  sps^s^si; 
X  225  II 
{AupixY):  icTwffffov  uxb  |JLüp(x7)<jtv  dX£uafJL£voi  ßapu  x^pta  V  434  II 

Die  frühere  Vulg.   (nzoLi  ist  durch   Koechly  be- 
seitigt worden ;  Hom.  diix£v  dva  piupixiQv  K  466  II 


Stadien  znr  Technik  des  nftckkomerisclien  heroischen  Verses.  721 

ve^o;:  otov  ös  vs^oj;  ewi  8f  igdpo;  a^XniToto  VIII  49  II 

Falsch   ^  Rhodomann   und  Tychsen,    Hom.  a(Aa 
84  "ii^oq  enceto  ^e^cov  \  274  IV 
SXto  Bta  ve^ewv*  lix«  ^e  o^eoq  elffa^inavev  XII  203  II 
Hom.  Xißpov  urcb  ve^ltov  0  625  11,  Spitzner's  uic^ 
(Observ.  285)  unnütz. 
at6^po^  dfA^ipaY^vro^  uxb  ve^icov  epiBouTrcov  I  39  FV 

Die  frühere  Vulg.  Orcot  von  Hermann  und  Koeehly 
beseitigt. 
SK  At6?,  s5t'  aXia<jTOv  £xl  ve^ea  XTvi:i(i)9(  II  223  IV 
Hom.  izozi  vetpea  oxioevta  0  374  IV 
vsupi^:    Iffour'  «rb   vsupiji;-    5Aob<;  8s  oi  ioicsio   i:6z[io<;  XI  464  II 

Hom.  tu)  orcb  veupiji;  A  476  II 
fy.&  8'  awb  veüp>i9i  Oobv  ß^o;  •  -fl  8'  loxtl'Jev  X  210  II 
Hom.  ^  p«  xal  oXXov  oiaibv  drcb  veupfj^iv  laXXev  6  300  IV 
vi^öetq:  'I{/.ßp(i)  U7C0  vi^osvti  xapal  tcoitI  Tapßi^Xoto  VIII  80  II 

uw6  E  1,  Vulg.  urcai,  Hom.  TixwXw  Diuo  viföevri  T  385  II 
poo^:  *Eo^6p{8£?  Opi'J/ovTO  i:apä  ^oov  'QxsovsTo  II  419  IV 

Hom.   Hemistichion   11    151    X  21    IV.    Darnach 
bildete  der  Dichter: 
(i.up6(i.€va(  {xe-fdiXo(o  Tcapa  poov  'Hp(8avoio  V  628  IV 
N^OTov  8^  oüe'  kepwSt  wapot  fioov  EutjvoTo  VI  283  IV 
rptjvtxoü  TCOtaiioTo  wapa  pöov*    dcjx^l  8'  ap'  aurw  III  302  IV 
2aYY«pioü  TCorafAoTo  xapa  ^6ov-  oü86  vü  t6vy6  XI  38  IV 
^vce  ßit;  iroTa|AoTo  y.3tTa  ^6ov  i^i^evta  VI  379  IV 

Hom.   Tou^    'AxiXXeuc;  eScal^e   xAxa  ^6ov  ou8'    eX^aipev 
^  147  IV 
'KOt^Koi^ijiy  aXsffiivbv  ava  poov,  i[tj^\  8s  ::flivT|[)  VII  118  IV 
ohy  Iti  Ol  |i.e[ji.aaatv  ava  poov  r^yjiena  VII  548  IV 
SV  84  ßiYj  ^aieovTO?  ava  ^6ov  ^Hpt8avoTo  X  192  IV 
Die  Formel  ava  ^6ov  hat  Homer  nicht. 
ptici^:  xoTT^oO  urb  piicij«;  i^8'  avdpoq,  aXX'  äpa  xal  &^  III  225  II 

Daneben  besteht  die  Var.  uicat,   aber  M  hat  (fj:6. 
Xißpov  uTCb  ^tWTj;  ßapüT)xso<;  aXXü8i?  oXXa  XI  123  II 
Hom.  M  462  II  u.  s. 
pi^jYVüjxt:    8^v8pefli  ts  ^t^y^^'^  ^^  oupsa  icamaXosvra  VIII  226  II 

Hom.  Tsixo?  TS  M^stv  M  198  II 
ouv  vdfsa  pi({^ü)a(  Atbq  (asy«  y((i)o\ki^oio  VIU  72  II 
Hom.  hf  y  auToT?  IptSa  ^i^y^üvto  ßopsTov  Y  55  IV 


722  Biach. 

ptov:    dffGru(x^v(«>^  AexxoTo,  TÖÖt  ptov  t>ataTGv  'l^ijq  XIV  415  IV 

Hom.  icepl  ^(ov  ObX6|A'^io  6  26  IV 
^(1)^1^ (ov:    ikrfib'f  TCuMrffouaat  &va  ^(d^ifea  icuxvi  I  7  IV 

Hom.  Hemistichion  N  199  IV 
An  Homer  klingt  an 
[l6 poq:  xal  [jivo^ '  örpaA^at  B^  tcotI  )A6pov  etat  x^XeuOot  XI 107  IV 

Ausser  den  Längungen  vor  dem  derselben  Wurzel 
angehörigen  [txiipa  z.  B.  tcovt^c  xora  jAoTpov  7  457  II 
yLonk  (Aoipav  xoetCXs^o^  ^  ^^^  ^^  haben  wir  im  Inlaute 
bei  d[(i.(Aopo(   und   §uai(X{jLopo^  Doppelung  der  Liquida. 

b)  Nach  anderen  Mustern. 

Kiy^o^:  OiXyei  ^vt  Xe/^eaviv  oSiqv  ^xtxlptOjAa  ßal^cov  I  136  11 

M  Ivt,  frühere  Vulgata  falsch  ev. 
yßi^o^  evl  "kej^i^Q ci  ita  xve^a^  uwvwovTt  XIV  237  II 

Apollon.  Rhod.  oTffiv  ^vt  X€y(ieaai  ha  rM^aq  A  1071 II 
aXX'  6  (jiev  oüv  ett  tuxöo^  evi  Xtyi^aci  AeXeiTcro  V  528  IV 

Apollon.  Rhod.  evl  \eyjiemi  %ia6^eq  B  1012  IV 
Totn]^  ^i;  aXö^ow  irapa  Xexee^fftv  touffai  I  670  IV 

Die  Hdschr.  M  hat  ?cap(x,  die  anderen  «ixpat;  bei 
Homer  hat  a  213,   wie  oben  erwähnt,  eine  Hdachr. 
(Ven.   457)   auch  izapk  Xex^ewiv,    sonst   wapai.    Vgl. 
Manethon  III  390  IV 
ot(«)Vfa)v  rrepa  xoXXa  wept  \z'/^is,(sai  xi^uvw  IX  358  IV 
X{|/vr|:  Tov  ^a  wapa  Xi|AVt)  TuYatt)  ysivaTO  ixi^'^lp  XI  68  II 

Koechly    Tzapd^   Vulg.   xapa(;    ein   Vorbild  bietet 
Nikandros:    xÄrcai    le    XtjjLvatov    uxeöp^^ovto    z«p'  üSw: 
Ther.  888  II 
|X6ffGro<;:  to6v6x'  evl  (jidffaoiaiv  dö^pov«  NtiptjivYjv  IV  128  II 
ioxTi  Ivl  {A^ 970 (9t  xai  a|jL90t^pot9t  [i.6TY]uSa  IV  265  II 

Früher  iv,  6v{  hergestellt  von  Struve  und  Spitzner. 
TW  S'  äp*  evl  |i.daaot<ri  8^Tt^  T:6psv  5pp.«  xal  wcrcoü^  IV 288 11 
Oijxev  evl  [xiffcrotffi  Öei  0dTi;  *  afx^i  ^e  xivnj  V  3  II 
6^xev  ivl  [xeffcotfftv  erewv  Si-ct?  apyop^e^a  V  233  H 
So  Koechly  in  der  Ed.  mai.,  in  der  kleineren  Außgabe 
schreibt  er  evl  [ki<jooi<;  nach  C  mit  Tychsen  und  Lehr». 
8i)  t6t'  Ivl  |jL^990iaiv  OYetpojxivoiai  jxexTrjGSa  VI  8  II 
[laCvet'  evl  [jl^99019iv,   E(o<;  x'  s'KidvTa  SapiacoTU  VI  397  11 
BijpK;  ävl  ixdffffotoiv  eir'  «XXw  5'  aXXo^  5pwpetVI438II 


Stndif^n  znr  Technik  dos  Dachhomerisehen  beroiflchen  VertteK.  723 

\kicGoq:  fi  5'  ap'  evl  |X6<jcT|3fftv  io)  xept  xoi^l  xü6ewa  11  607  11 

Conjector  RhodomanB's  für  {/.^moifftv. 
Totciv  8Jj  MeveXao?  4vl  jAsaffoiai  >tal  aüxö^  XIV  17  IV 
Vorbild  für  diese  Fälle  ist  ÄpoUon.  Rhod.  aSBa 
evl  |jii990(9t  lebv  v6ov  A  464  II  und  evt  {A^oaotc  d-fopeuaev 
B  879  IV 
^iX^^*  ^  viq86v  *  atx|A^  d^  tcotI  ^oeX'^  i^eir^pir;aey  IX  189  IV 

Arat.  Suvet   [Jiiv  Ztifavoq,   $6v6(  3^  )caTa  ^cxyip  *Ix^ 
Phaen.  572  V 

c)  Neubildungen. 

[xuxaxo^:  xpuoriXXo)  deriXovTOv  dvl  fjLuxfl^fot^'  8^  wivrj)  VI  477  IV 
h^  Se  B^  MeviXao^  evl  {Aux^'coiai  S6{i.oio  XIII  385  IV 
piucov:  i9(JU|A£yb>^  devieipev  u?cb  {jlucovo^  dpebo^  IV  228  IV 

Die  Vulgata  war  \mip, 
{XU  1^(1):  j^  ik  \ki^a  (i.62^ouaa  )wX{v8eTo  iioXXbv  dx'  a!av  XIII  244  II 

Gerhard  Leett.  Apoll.  120  schrieb  nach  Rhode - 

mann   (a^'  oiijud^ouaa   ,de  productione  inutiliter  solli- 

citus^;  [tAr(OL  [xul^ouffa  ist  wohlbezeugte  Ueberlieferung 

(von  VEiCj.j)  und  schon  von  Tychsen  angenommen. 

vexu;:  &Oei  dticb  vixuo^*   TOt  i'  oux  incdXiQYOv  6(JiQxXv2g  III  219  U 

xte{vfa>v  5v  xe  kCx*?!«  wept  v^xüv,  «XXd  jaw  "AXxcov  HI  308  IV 

8e6eTO  8&  x^^^  icSaa,  ireptv^xuv  AioxiSoo  (Sixpumv)  III  602 IV 

ßatbv  dficcoOe  xiovro  icepl  v^xuv,  3^  8'  ivl  )Ai990i^  III  728  IV 

drfp6|iievo(  xorr^  &axo  %ep\  v^xua^  Tcoviovro  XIV  400  FV 

Möglicherweise  entstammt  diese  wiederholte  Län- 
gung  vor  vdxui;  der   Nachahmung   eines    alten    uns 
nicht  mehr  erhaltenen  Musters. 
Xips6^:  di  26|AV)6ev  Txovov  uicb  Ntp^Jt  avaxti  XI  61  IV 

So  Koechly,  frühere  Vulg.  Cncot,  aber  vgl.  den 
folgenden  Fall: 
N'ffao^:  Zü)p6v  t6  Nia^ov  xe  wepixXetiöv  t'  'EpOjxavra  III  231  11^ 
Ausser  den  genannten  Längungen  finden  sich  bei  Quintus 
noch  verschiedene  scheinbare,  die  sich  alle  durch  Anfügung 
des  V  ephelk.  erledigen.  Dieses  ist  hdschr.  theilweise  über- 
liefert, teilweise  nicht,  Koechly  schrieb  es  durchweg. 


'  Absichtlich  weggelassen  ist  to  3^  avrixpu  piAav  3»p  II  543,  wo  der  Grand 
der  Llinge  des  Anslauts  in  der  Schlosssilbe  de»  Wortes  selbst  liegt. 
Sitnagtb«.  d.  pUI.-hisi  Cl.  XCY.  Bd.  HL  Hft  47 


724  Rtacli. 

ouv  ^'  l^ee  XaffiYjocv  {nc'  ^^paiv  Spt)!.«!«  fwtög  XII  402  II 
Te6xouat  |A^a  xuSo^ '  3  S'  dfx^dTdpoeat  x^oro  VTI  566  II 
Te6xou9(  jA^ya  icilpia  icape9au|j.iyoi9t  ßporoivtv  VIII  44  U 
icvonjat  |j.6YflcX'y]oiv  eXauv6(X€vov  Bopiao  VIII  ÖO  II 
dlf^ouat  *  \t.t(a  T  d[(J4JL(  ^ ioq  TcdEvreom  icsXocovet  VI  67  II 
xaCcooi  lA^ya  dbru,  xatancteCvaiat  Ss  Xao6q  III  415  II 
s^^pc  (A£YaXu>  Tcepi  xipTet  oTg  icovi  %ta^  IV  584  II 
|j.(|jLVM|jLev  '  Tpa>9iv  vjcp  ev^euas  [ji^'  dv^Y^^y)  XII  60  IV 
ToO  l"  dfpa  ßaibv  aficii>6€v  SXe  |UYiOu[AO<;  *AY^v*»p  VIII  310  IV 
9 atTjg  x£  [j(.€Yapoio  xoriQpe^^^  S)A{jievai  epxo^  XI  362  II 
ili  8*  &c€ff€  (AsXiY)  evaX(YKto^,  ^v  t'  Iv  5peaat  I  249  II 
f&axp9ia(  (AeXiY)9tv  -  dir^XorY/dev  H  o\  atx|Aa{  II  289  II 
e!jpYouvt  (jiiXa  «oXXbv  iicl  XP^vov,  oT  8'  «Xe^etvoi  VII  458  II 
"S^uae  [jboXa  (i.axp6v,  !\pY}^  d^  oi  dvreßöiQffe  VIII  386  Q 
xXaCouot  (laXa  Tepicv6v  -  b  5'  l(McaXt  iraial  xal  awr^^  XIII  540  II 
IXxAJoi  (Ao-f^ovreg  Ivo)  dXb^  i^t)^oiQ^  XII  429  II 
aeio  icati)p  xeCvoio  iceXe  jAo^epoto  toxijo^  VII  666  IV 
aeusoKS  [AiariYt  xotI  xX6vov  *  ot  8*  iicfrovro  IX  216  11 
TCO  xa(  OTf  t  lACT^vctoOev  '£pty6e^  dfXYß«  tsu/ov  XIII  382  II 
Sobcpua  •    XeuY«Xiov  y^P  ^X^  H*'^^  «IvOeort  «^vOo^  XIV  303  IV 
oü8^  xußspvifTt)9t  iräXc  |Aivo(;  eld^  vy)wv  XIV  Ö02  IV 
ouv  8*  i^ce  ve^^Xoe^  xe  xat  i^a  xouacv  thcepOe  XIV  461  11 
ouv  8*  l^ee  v6ov  dvSpö^  •   iicl  x^^vl  8*  ö[xiJ«Ta  in^c^  V  328  II 

Orphika. 

1.  Argonautika. 

a)   Homerische  Nachahmungen. 

Xixtpov:   yeCvot'  ^vl  Xdxtpot^  fjieYaX^Topo^  Oldrfpoio  1384  11 

Die  Vulgata  war  vor  Hermann  '^s.hono  ev  Xcxxpi;; 
Hom.  xeT[ji.ae  ivl  X^xtpci)  t  516  II 
{A^Y^^^^*   xiXXo^  xe  (jl^y^^^^  '^^  ^^  ^yopir^v  urcipoxXov  811  II 

Hom.  6l86^  xe  (Ji^e06{  xe  B  58  II  u.  s. 
[A^Y^P^^*  TCopdevou,  ^v  dxCxaXXev  ivl  {A6Y^pot(7(v  ioi9tv  782  IV 

Hom.  z.  B.  A  396  IV 
vi 90^:  Aifpiv]xpog*  izipi  8'  0(3x6  {a^y^  v^^o;  £ffX6^(i)xo  1195  IV 

Hom.  &axe  vi^oi;  ^^  e6€XXa  W  366  IV.  Pierson  8 
Vorschlag  {liXav  vi^o^  nach  8  180  ist  awar  nicht 
übel|  aber  nnnöthig. 


Stadien  zur  Technik  des  nachhomerischen  heroischen  Verses.  725 

psi^ü):   oXatiui  te  pi^£iv  ?cexvu)Adva  t^  e^oY^psueiv  1123  II 

Hom.  0eoT<7(v  t£  p^^etv  auTotd  te  Soha  7;ev&a0ai  ^  251 II 

pTfjYl^^v:  vi^jöoü  iicl  pTjYfx'iv«  xai  atf^^T^^vra  T6pe[xva  1203  II 

Hom.  dcxpov  STcl  ^Xi^iiX'^oq  äXoq  Tcokmo  Oeeoxpv  T  229 II 

*  b)  Ohne  ältere  Muster. 

Xu-)fp6^:   xoiX(j)  eicl  Xu^pc^  ^e  iceptarpo^aSirjy  deXdXiQTO  1264  II 

Hermann:  .Productionem  in  praepositione  iid  nop 
habeo,  qua  auctoritate  antiquiorum  muniam.    Quare 
haec  quoque  verba  ex  veteri  quopiam  carmine  sumpta 
arbitror'.    Es  scheint  hier  die  äusserliche  Analogie 
von  XiYup6q,   das  oft  Längung  vor  sich  aufweist^  zu 
dieser  Neubildung  beigetragen  zu  haben^  wenn  nicht 
thatsächlichi  wie  Hermann  meinti   die  Längung  vor 
Xuyp^  in  einem  verlorenen  Stücke  vorlag. 
Durch  Anfügung  eines  v  ephelk.  erledigt  sich 
(AY)Tp6^,  &  X*  ^v  KußiXoi^  5pea(  fjiiQTtaaxo  xo6piQy  22  IV 
So  die  Ueberlieferung,  Hermann  setzte  v  ephelk.  hinzu. 

2.  Orphische  Hymnen. 
a)  tlomerisch. 

Xi^upo^:    |xaaTtYt  Xt^upfj  TSTpiopov  &p\ka  S((i»ui)v  VIII  19  II 

Die  alte  Vulgata  war  das  grundfalsche  ixicrueYi  ouv 
Xt^upfJ.  Homerischer  Versanfang  A  532^  wo  freilich  i 
als  Dativausgang  an  und  fiir  sich  lang  ist;  doch 
vgl.  auch  icvotij  &7C0  Xi^upfl  N  590  II 

b)  Ohne  älteres  Vorbild. 

jAUffTi^piov:  eufepöv  T6  TpiTCs^ÄV  t8e  [xuöTi^piot  0'  arffd  XLIV  9  IV 
Unmöglich  ist  (vgl.  Hilberg,  Silbenwägung  123) 
Bpöt^xis  ^«t  At8ü|jLeü,  IxaepYe,  AoSta,  ^i  XXXIV  7 
Da  hier  eine  Längung   in   der  4.  Thesis  Statt  hätte,   so 

ward  von  Hermann  geändert  4xi6pYo<;,  was  aber  gegen  Hilberg's 

10.  Qesetz  b.  verstösst;   ich   schlage  vor   hd&f^s,  [A]  Ao^la  zu 

schreiben. 

3.  Lithika. 
Homerisch: 

piftYapov:  ohH  k  voüoro<;  d'xixu^  ^vl  {xe-fipoi^t  Saiiiioaee  22  IV 

Hom.  z.  B.  A  396  IV 

47* 


kJ 


726  KiAcb. 

Zweifelhaft  ist 
oT  y  äfi*  incal  {xo^otot  xop6oai(i.6vot  ^aXo^vot  217  IV 
Gesner     schrieb    0x6,    der    von    Abel    verglichene   Cod. 
Ambrosianas  aber  hat  Oxa{,    obzwar  vor  \»aQb^  auch  bei  Homer 
sich  Längung  vorfindet:  Ta>  otj»  liA  \ta)il^  t  483  II 

Durch  die  von  demselben  Cod.  Ambrosianus  überlieferte 
Schreibung  entfällt  Vers  498  der  Lithika  in  der  Hermann'schen 
Fassung,  wo  Längung  vor  ^oSöei;  wäre: 
ic^pov  8*  5^  )iev  {jl{^  ivi  ^o866VTt  eXoCo) 
Dieser  Vers  lautet  nunmehr   (vgl.  Abel  Epistula  de  cod. 
Ambros.  Lithicorum,  Budapestini  1879) 

(jL^Tpci)    S*   5?    xev    taw    (Cod.   [Lhpio  —  lata)   (xtSy)  (Cod.  |it;e:) 
^o86eno^  iXafeu. 
Falsch   überliefert  ist  im  Vers  152  b,   den  Ambr.  allein 
bietet  (Abel  p.  21),  eine  Längung  vor  {xtv  in  IIL  Arsis: 
aut3tp  eicel  [Jiotpa  {xtv  onnJYOYev  ^sXtoio^ 
Abel  hat  gleich  das  Richtige  hergestellt,    indem  er  \iai^T. 
jjitv  aicfj[^orfo^  schrieb. 

4.  Fragment«. 
Homerisch: 

y.i^(xq:   ^  xpiroc;,   v.^  Bai)jui>v   -^iytxo^   (a^Y^^   ^^^<   oxivriov  Fr. 

VI  16  IV 

Hom.  jAVYjoxijpfftv  8'  dip'  «x»?  y^^'^®  R^T*^  '^''^  ^  ^P^ 
Xp<&«  ?  412  IV 
jA^Yapov:  5v0*  ouv  'Qxeovb^  |i^v  sv't  [jLSY^poi^tv  €|ii|i.V£v  Fr.  VIII 

31  IV 

Hom.  z.  B.  A  396  FV 
•Pedf):  <I>o(ßr)v  te  *Pe(r)v  ts,  Atb^  y^^^^'P^  ovontTo^  Fr.  VIII  25  II 

Ausser  Hom.  O  187  VI  vgl.  Hesiod.  öew  ts 
TeCov  te  Th.  135  II  Hom.  Hymn.  fxij'njp  u  Tcti; 
IV  43  II 

Oracula  Qraeca  ed.  Hendess. 

Homerisch: 

[Li^OLq:  &OXOU  Tov  icpouxovT«  ic68a,  [kiya  fiprzocze  Xacäv  XX  1  IV 

In  der  Anthol.  XIV  150  findet  sich  die  Fasstug 
7co$ai6va,  ^OwToie  Xau5v,  doch  vgl.  Hesiod.  A.  330 
(xsY^  fipTOTe  Xaü)v;  die  Längung  ist  homerisch:  2;^?: 

iwpt  cTijffat  TpfeoS«  {xi^av  Z  344  IV 


Stadien  rar  Teehnik  des  nachhomeriscbas  haroiaeheii  Vene«.  727 

^e((o:  5;  xe  TiSe^d^v)  xetvou  xpdxo^  lovetac  ats{  CLVII  61  II 

(Cod.  ^i^ei,  VerbeBserung  von  Nauck)   Hom.  Upa 
T6  ^^^ouat  £  102  II  (und  ^  5x1  woaoiv  xe  ^^  xal  xsp<y'«v 

4i3(jiv  e  148  in). 

SibyUinisohe  Orakel.  ^ 

a)  Nach  homerischem  Muster. 

\>,i^<xq:  ßcdjJM^  lict  (xeYOcXü)  iY^ax;  6Xoxapx£6ovTe^  III  579  II 

Hom.  Bb>po)  lT:t  [Ae^aXco  K  304  II 
Effrai  8i  otOTÖfjiÄiva  Tcepl  [kiya^f  oupavbv  ouröv  V  480  IV 
Hom.   a[x<pi   wspi   (jicya^)*'  ^oe/o^   4>    10   HI    und   Ircl 
{xr^av  5pxov  ä(Aou|Aai  A  233  IV 
xal  wiXtv  i-ptöpaoüfft  ::o8i  1*67«  vTxo?  ex^vxe^  XII  338  IV 
Conjectur  von  Mai  für  das  corr.  ::aT8a,  Alexandre 
(XIV  339)  1:6X615  Hom.  xoXXbv  iwcb  tpfeoSi  ixeY(£Xü)  t359  III 
ATYüWTe  jxeYfl^ÖuH'S?  ^"^^P  ^^'  towt«  ßoi^vh)  IX  119  II 
Hom.  tirikia  xe  (acy^^^'O^  0  229  II 
Unrichtig  überliefert  ist 

9U0[jLivv)  xepi  9^,  (ASY^Xv}  xaXXiotoxu  Y<xta  IX  118  III 
In   in.  Arsis   kann   die  Längung  nicht  stehen,  es  ist  zu 
schreiben  %ep\  aou. 
\L{ap6^:  ^ov  apa  {xiapoi,  xexopuO(Aivoi  a(p.aTi  ^(OTüiv  I  77  II 

Hom.  obli  1:06t  fji.iap6^  •  ouv  3'  gXxsa  xivra  p.eiJiüX£v  Q 
420  n  Die  Aenderung  von  Opsopoeus  iiaav  8'  ap  jjLiotpoC, 
der  auch  Volkmann  (Specim.  novae  Sibyll.  oracc. 
editionis  p.  20)  und  Alexandre  zustimmt,  ist  wegen 
des  homerischen  Musters  nicht  nöthig. 
pifa):  alfjux  lüoXl)  ^£uffe(  xöte  ßipßapov  iv  xov(y)9(  XII  304  II 

Hom.  h,  xstpöv  ßdXe«  ^^ov  M  159  IV,  vgl.  icepippefi 
t  388  IV 
pT,Yvu|jn:  iCTjYflk  'fe  ^i^5si  Y^^^P^  Xeuxöio  Y^Xaxio?  III  748  II 

Hom.  xetxöi;  xe  fii55eiv  M  198  II 
pui:ap6(;:  Xeuxbv  Iti  ^üxapcj)  (xi^x'  eiiQV  [at^xs  y^^^^V-^^  V  188  II 

Hom.   vuv  8'  5xxi  ^uiuoci)  (j;  115  U,   vgl.  auch  auxap 
4w6i  wXüviv  X6  xi6v]piv  xe  ^ika  i:avxa  ^  93  V 


*  In  der  Z&hlung  folge  ich  Friedlieb. 


728  RiÄch. 

b)  Ohne  alte  Vorlagen* 

fx £ |JL a (i) ; :    y\T/ii  Te  [jiEfjiawTe;*  tcw;  8ia8T;Xi^aovTai  XII  65  II 
ix^vii;:  xT£tv6|JL£vov  xaxinr)-«  Jii  |x>5vtv  ßa^O^^cov  XII  30  IV 
[A£(AavY)[ji^voq:    Ol;   xotxsv    £v   arfipvo'.ctv    Iv.    {jL£{xavT;{A£vsc  oic:p&: 

ni  39  IV 
{jL£XaOpov:  aot;  7ap  £vl  {;.£Xa6poici  xxcoiXK^cgi  ^p6|jL0(;  x/Bpwv  XI 61 II 

Aeusserliche    Analogie    von    c^owiv    Ivt   iJi£fipci5r; 
Hom.  A  76  II 
vöjTo;:  ü^o\yv.o\i  apyroji.£vcto,  cxi  v6ctc'j  Troi^'^i^s'.  IX  142  IV 

Friedlieb  vdaxoio  nach  den  Hdschr.  Besser  empfiehlt 
sich    übrigens    die   Conjectur   Alexandre's  (XI  142) 
h:\  vocrro'j  [5*  aiu/ijcfit]. 
T(i[JLrj:   ^£15  TiOTs,  'Pwjjly;,  -rraciv  II  [x£h\.TZ7.  Aativoic  VIII  152  II 
tc6!  t6t£  Twjjir^;  SXobv  Opcvov  rffj;  id'/ra  X  224  11 

Absichtlich  weggelassen  ward 
Ol  Ol  Tcavx*  a7.(xOapT£  7:6X1  AonviBo;  «ir^;  V  168  IV 

Die  Längung  ist  hier  nicht  durch  den  Liquidaanlaut  be- 
wirkt, sondern  ihr  Grund  ist  in  dem  Vocativ  wöXt  selbst  zu 
suchen,  wie  bei  Homer  z.  B.  T{'jr:£  Bin  z(r*vr.t7i\t^  vgl.  das  Nähere 
bei  Hartel,  Hom.  Stud.  P  64;  ein  anderes  Beispiel  in  den 
sibyllinischen  Orakeln  bietet  gleich  die  unten  folgende  Stelle  f 
Ol  col  Mfijji^l,  ol  ai  xtX. 

Corrupt  ist  die  Ueberlieferung  in  folgenden  Fällen: 
Tüp£  cu  V  iikK-m  X-ffyr^  [Aovr,  •  £U(7£ßewv  ^op  VII  62  IH 

So  Cod.  Vindob.  und  Bodl.  (A  und  B  bei  Friedlieb),  Laur. 
(F)  T^Xixov.  Die  Conjectur  von  Alexandre  ou  V  fp^za  Xe(^  '^% 
behebt  den  metrischen  Fehler  auch  nicht,  da  in  IH.  Arsis  eine 
Längung  vor  einer  Liquida,   noch  dasu  bei  einem  Worte  von 

der  Messung w  nicht  stehen  kann;  vgL  auch  Hilberg,  Silben- 

wägung  p.  96. 

dX  al  (TU  M^p4»i,  ol  al  ^v^(£kr^  ßa(7iXs{a  IX  33  H 

Es  ist  mit  Alexandre  (XI  33)  ffot  yii\ij^\  su  schreiben. 
%a\  <p6apT9i  (jopxl  fjiopf^v  xal  icicrttv  dcTttoroi?  VIII  268  10 

Dieser  auch  von  Hilberg  verworfene  Vers  (Silben  w.  p.  282) 
bietet  die  Var.  (pOapTYJi;  (japxo?,  die  aber  dem  Sinne  nach  nicht 
befriedigt.  Es  ist  wol  zu  schreiben  ^Oap-cai^  jap^w;  der  Plural 
kann   keinen   Anstoss   erregen,'   vgl.   II   223   in   der  Fassung 


Stadira  zur  Technik  dM  naebhomaiiielien  heroischen  Veriee.  729 

Volkmann'B  (Specimen  novae  Sibyllinorum  oraculorum  editionis, 
p.  4),  der  das  von  den  HdBchr.  Pr  A  gebotene  ip(i.o^  i:aYcoioi^ 
sap^l  Gripxeg  xat  vsupa  Tcepl  yipot  restituirte  in  der  Form  dpiAoT^  icav- 
Toioi^  vap^lv  adpux^  xai  vsupa ;  Friedlieb  schrieb :  aop^ev  ii  le  za(7ai^ 
ffipxo^,  Alexandre  (224)  aop^tv  3'  sv  TtioraKg  aipxe^- 
s^  tS((i)v  d(vBp(ü)V  *  t6t€  9ol  iciXi,  ^^la  piGexf  a  IX  259 
Wir  hätten  in  der  ö.Thesis  eine  Längung  vor  (a;  diese  Unzu- 
kömmlichkeit  wird  beseitigt;  indem  wir  entweder  yata  schreiben; 
oder  ein  &  einschieben  (ool  ^iXtv,  &  -^oia  [LooLpd).  Die  Correption 
von  ai  im  Inlaut  ist  in  den  sibyllinischen  Orakeln  durchaus 
keine  Seltenheit;  z.  B.  dcfA^i  -^alr^  bpiaa^  I  323,  xai  ourb^  d{jLoißaia 
X^eiat  IpY«  ni  432  a?ii.afftv  divSpofJieotg  tcoXX^v  Y^Xav  dpSeuovTs^  I  156 
TcuKüv  iqS^  'fißpauov  *  Ssivbg  3'  au  toT^  X^'ko^  ^^ei  II  170  (und  so 
I  346.  362.  395  u.  a.).  Alexandre  conjicirte  (XI  259)  yaKa 
[{iixatpa]. 

xal  TC6Xtsg  dbcXvjaTOi  S'  i^ed  xe  (juipioevra  IX  2 

Der  corrupte  Vers  lässt  sich  heilen,  wenn  man  entweder 

mit   Alexandre   (XI    2)   schreibt   xai    7c6Xt£^   dhcXY^oroi    [iS']  lOvsa 

pptöevra  oder  aber  emendirt  äicXig^roc  T:6X(e;  t€  xal  lOvea  [Auptöevra. 

Durch   Anfügung   eines   v   ephelkystikon    erledigen    sich 

folgende  Stellen: 

oXaoiKi  [LV{d'koio  6sou '  xoiix  ecaerat  oXXoii;  III  772  II 
B<o9ouai  \tßipoiq  ßaotXföo^  eivexev  dpx^^  IX  101  II 
xjtl  oTcpiaffi  {i.tapot<  sxxcOafjuera  fap[Jiax66VTa  VIII  289  II 
^5owi  Mtxat;X  raßpttjX  TacpoTJX  t^  Oupi>5X  II  215  II 
a^ouct  {JiCT^copov,  liaq  eotScooi  le  navieg  V  217  II 
ip^ou?:  )A£TsxeiT'  oXXoc  xora  ^uXov  SxaoTov  IX  224  II 
pe^ouo!  {AeT^xeiTa,  xat  oXXo^  a>Aov  SX^aaei  IX  249  II 
2p^ou9i  [AST^xeit'  dlXXot  3uo  ^öats^  i^axiei;  X  117  II 
ap;ouai  (Asr^TcstT'  oXXot  B6o  füixei;  ih^axte^  XII  21  II 
op^ouac  {jLeta  t6vS6  Bu(o  ßaoiXY)£i;  ovoxts^  XII  105  II  (Friedl.  8uo) 
xal  ßovtXei^  äXovro  xal  ev  totat  (xivev  dip^i^  V  153  V 
xXa69Süai  v^pi^ai,  Sri  $7]  6ebv  oux  £voY]9av  VII  53  11 
IffTiQGe  vixY}^  i?cal6Xiov  -  ol  8c  Xaßovie^  II  152  II 
9Tep^ou9t  'P(i)(AY)  ouToi  xal  xoqxov  &icavTa  XII  249  II. 
Hier   sei   auch   hinzugefügt   ein  Vers   aus  den  Orakeln 
der  PhaennO;  bei  Alexandre  Excurs.  ad  Sibyll.  132 
^ay^v:  xal  [ut^a  olSifoei,  xaxu  3e  ^a-f€v  atixopoifoei  B  21  IV 
Die  Längung  ist  homerisch  8id  ts  ^i^a^Ooi  M  308  IV 


730  Rcftch. 


Porphyrios'  Orakel.  ^ 

a)  Nach  homerischen  Mustern. 

XtY^po^t   icvoitj  U1C0  AtYupTj  )iexaXup.[jifvov  iiipoq  ärptcfij  210  II 

Homerisches  Hemistichion  N  590. 
{xiffTt^:    ÄxajAfleTOü   3i|jLvavTa(   uxc   [AadTtY«   ösoio   328  IV  (p.  ISfi 

Wolff). 

Wolff  schrieb   i^oi,   wie  Lactantius  überlieferte, 

aber  es  ist  mit  Sedolius  M  zu  schreiben,  vgl.  Hom. 
3  3'  apa  piiffTtYt  xiXsüev  U'  642  (bei  \idav.^  noch  fünf- 
mal Längung). 
Nuii^oct:  yvjt  {xiXi  Nu[a^oii?c  Aicovuaoid  tc  3b>pa  13  II 

Hom.  v(i  li  6'  &fi.a  vijjKpai  C  105  II 

b)  Nach  anderweitigen  Vorlagen. 

(jLixap:   iaxi   3'  dvt   (Aaxapevaiv   a{jii^x^^^'>   ^^  l^^i  iautov  Append. 
oracc.  3  II  (p,  232). 

Vgl.  Empedokles  inb  |Jiaxip(i»v  Ilepl  <^.  6  IV 

c)  Neu. 

X{ßavo^:  d(T)Ao6g  te  Xtßdvoto  xal  oüXoxOta^  eirißaXXe  18  II 

Es  entfällt  jedoch  durch  Anfügen  des  v  ephelk.  die  Stelle 
2^(ootffiv  XexroTffi  xoroexidioe^  %aka(^aiq  77  II 

Zoroaatris  oracula  magica. 

Ohne  jedes  Muster  (ein  elender  Vers): 
(AoX6v<i):   {AV]  TcvEuixa  [jioXuvy)^  ^rfik  ßaOuvt)^  ib  ImircSov  26  II 

Grieohiaohe  Anthologie. 

a)  Nachbildung  homerischer  Fälle. 

Xiapo^:  cupbv  Sv]  'icpo^vjxev  dcTn^fAcva  xe  Xiapov  ts  IX  361.  6  V 

Leon  PhilosopboB. 
Einem   Homercento    ,et;  ^copO^ov    ^opetoav'  ent- 
nommen.   Der  letzte   Vers  stammt  aus  e  268  oipcv 


1  Porphyrii  de  philosopbia  ex  oracaliB   haurienda   libroram   reliqviae  ed. 
Guflt.  Wolff. 


Stttdi«n  mr  Teohnik  des  nacbhomeriseben  h«roüeben  VerN«.  731 

Be  'xpoirjfiu^  dhn^{jovd  tc  Xtapöv  t£  (=  Tf  266),  es  ist  nur 
statt  des   oupo^  des  Originals  oup6^  (hier  in  der  Be- 
deutung ,Same')  gesetzt;  81^  Schneidewin. 
jA^YOtpov:  et  tiv'  iy(ti^  Aiövuoov  ivl  (Ae^ipoiai  tsowi  XI  295.  1  IV 

Lukillios. 
Der  Versschluss  entnommen  aus  Hom.  a  296  = 
K  119. 
(ji2Aax6q:  aupa{  xe  {xaXaxbv  aupiY[ji.a9t  x(o{i.a  ^dpouaai  VIII  129.  311 

Gregorios  Naz. 
Hdschr.  Ueberlieferung  aupaitdc,    wo  £  durch  die 
Sehreibung  at  ausgedrückt  ist;  Hom.  aiei  ^k  ixaXa- 
xoTfft  xal  al|JU)X{o(9t  Xo^otaiv  a  56  II 
vt^i;:  )ial  Irea  vi^iBsc^tv  soixötä  /ctixspitjaiv  XV  40.  24  II 

Kometas. 
Homerischer  Vers  F  222,  wo  natürlich  das  a  in 
zT:za  als  natura  lang  aufzufassen  ist. 
fr^YlAtv:  aXXfli  7£  vuv  'Ax^povTO?  iwt  pYjYJxict  Yc^wcrov  HI  8.  3  IV 

Epigr.  iv  Kul^ixfo. 
Hom.  iiA  ^iQYiiTvc  6aXda<n;^  A  437  IV 
pi^a:  <I>o(ßou  dirb  piCv;;  dOotvirou  Y£Yaci>q  VII  135.  2  (Pentam.)  II 

Unbekannt. 
Cod.   dhrb   pptl^v;^;   Hom.  Hymn.   toO  xat  dxb   p{l^r|(; 
V  12  II 
pscov:  id  ^63a  xd  Spoaöevxa  xal  d  xordbcuxio^  £X£tva  VI  336.  11  = 
Theokrit.  Epigr.  III 

To  ^6dov   dx)ji.dl^£t  ßatbv  xp^vov  -   "S^v  ik  %api\^  XI  53.  1  I 

Unbekannt. 
Vgl.  Theokr.  a.  a.  O. 

Tb  ipiTov  ^v{x'  2«iv€  •  xd  B^  f»6Sa  ^uXXoßoXfiuyra  XII 134.  3 IV 
=  Kallimach.  Epigr.  44  Schneid. 

e!ptd  T€  ^o86£VTa  xal  £^  xuavörptxoe  X^*^^  VI  250.  5  II 
'  Äntiphilos. 

1^  id  p6Sa  j^o86£aoav  l/eeg  X^P^^'  ^^^^  '^^  ^(oXfitc;  V81.1  II 

Dionysios  Sophista. 

xat  ffe  «otI  ^oJctjatv  £iwjx^^*^ö  x^9^^^^  XII  121.  3  II  = 
Rhianos  Fr.  IV  Meineke. 

Vorbilder  Hom.  £  121.  IV    Hom.  Hymn.  XXXI 
6  II  u.  s. 


732  Biaeb. 

^oil^o^:  [xivTiY«,  ^oil^ou  |AV)Tepa  OflEpaoX^v  VI  246.  6  (Pentam.)  II 

ArgentarioB  od.  Philodemos? 
Hom.  ^oXXji  Zi  po{((p  i  31ö  11 

poxaXov:   xb  ^ÖTcaXov  t^  Iloevi  xai  toß6Xov  noX6atvo^  VI  34.  1  1 

=  BhianoB  Fr.  VH  Meineke 

ovrfo?  ex  xXoY^wv  Te8'  •  6  8^  ^oTuiXo)  VI  255.  6  (Penta- 
meter) V  ErykioB. 

x^x  Ztiv6?-   06pcjw   86iv6q,   6   H   foTraXw  XVI  185.2 
(Pentameter)  V  Unbekannt 

Hom.  K6xX(i>:rog  y^  Ituvzo  [Ltfoi  ^6::aXcv  ?»ps  n;)uj) 
t  319  IV 

pu;cq:  x^^^'*  '^^  puoa{  xe  ::apaßXü)x^  t   c^OaX^ju«)  XI  361.  3  II 

Automedon. 
Homerischer  Vers  I  503. 

p a : a T i5 p :  ex  wpbq  6  p a t attj p  xat  6  xopxivo^,  ^  xe  icupoYp^i  VI  117. III 

Pankrates. 

0Ü5'  £?  |Ae  xpyaetcv  a:cb  ^«lorTtjpo;  "Oixtjpov  VII  5.  1  IV 

Alkaios  Messen.? 
Cod.  omo  ^paiotfjpo^. 

Nicht  direct  homerisch,  aber  vgl.  xat  dboppotffi! 

91X0V  ^jxop  w  428  IV;  Kallimach.  e56'  61 -^  paistr^«: 

Hymn.  III  59  II 

ciTTtw:  ß{ßXov  8e  ^i^«;  ezl  Yijv  xep{,  tout'  eß6iQ(7a  IX  361.  3  11 

Markos  Argentarios. 

Nach  Homer:  Tpcoeq  exeppt^ov  nepl  IIif;Xeiu)Vi  Osvdvn 
€  310  II,  vgl.  Timon  von  Phlius  i%  ik  puii  pisrasxsv 
64  II 

pu7:6ei?:  SXnj  xe  ^üxoeorca  xoXurpijToio  xe  w^pa?  VI  293.  3  II 

Leonidas. 
Hom.   xofOiQpav   xe    ^6««  xoevxa   ?   93  V,   vöv  2'  h:t 
^u?c6<i)  ^  115  II 

püx6?:  xiv8e  x'  ewtwXi^xxeipav  a«b  puxoTo  8iu>Y[i.d5  VI '233.  3  IV 

Maikios. 
Cod.  aicop^jxoio.    Jacobs  ,scripsi   ann   ^-jxotb  id  est 
dirb    ^ux^poq  .  .'     Hom.    i^ixiv    dxovxioxa^    i^Je   p^pj* 
itoxwv  (j  262  IV 
^üx{^:    i^   xai    exi    ^uxiSwv   6   y^^?   ^tfi'f'   "Epioq   VII  217.  2 

(Pentam.)  H  Asklepiades. 


Studien  lar  Technik  de«  naehhomerisehen  heroischen  Yenes.  733 

Cod.  i^ctpiniScov  ^superposito  altero  p^  Die  Län- 
guDg  vor  ^\Mq  hat  sich  Asklepiades  nach  Analogie 
von  ^un^p  (vgl.  puT6g)  gestattet,  mit  dem  es  desselben 
Stammes  ist,  vgl.  das  vorangehende  Wort. 

b)  Nach  sonstigen  Vorlagen. 

Xaa'.o^:  l[k\La  y.ata  Xaatav  vaupov  s/ei  ^tvdid'f  1X745.  2  (Penta- 
meter) II  Anyte. 
Vgl.  Incert.  Idyll.  IX  257  aürou  izi  Xactcic  %(xprf^aioq 
aYptsXaiov. 
6tt6ts  |Ji'.v  x*/Y]{i.ouq  T£%aTaXa<7toü?T£  /apa$pa?  VI  255.  3  IV 

£rykio8. 
[liioLZO^:  'ExßaTovwv  -ffsBiw  xsifAcO^  evt  pie^aTCi)  VII  256.  2  (Penta- 
meter j  V  Piaton. 

Der  Cod.  Pal.  hat  xst|jLsOa  h  jjieciTU),  aber  Paris.  1696 

%zi[kzb^  £v{[A[Jic9(7aT(i).     Jacobs  wollte   xeCjjLsOa   (AsaGraiiCi). 

Aber  vgl.  ApoUon.  Rhod.  svi  [Lhaoiq  «Yopeuwv  B  879  V 

sa$'. voc:  Tip'i/C|JL'  a?:©    paB'.vwv   sOc^f^ov   Ui^  rrspyYwv  VII  200.  2 

(Pentameter)  II 

Cod.  iwGp^aSivwv ;  (Hom.  l(jiao6Xr|V  yspjtv  r/e  paStvi^v 
n-  583  II)  Hesiod.  Th.  195  II 

Dem  Sinne  nach  unrichtig  ist  überliefert 
xsXfJiae  $e  ^aSivav  TdtvBs  ::ap'  i^idva  VII  215.  6  II        Anyte. 
^aSiva  1^10)7   kann   Nichts    heissen.    Von   den  Ver- 
besserungsvorschlägeni  welche  hier  gemacht  worden 
sind,    scheint  mir  Keiner  das  Richtige   getroffen  zu 
haben.    Am    annehmbarsten    ist    noch    die    Ansicht 
Geistes,  der  in  i^ji6va  den  Namen  eines  Baumes  ver- 
derbt sieht,  wozu  das  Epitheton  ^aStviv  trefflich  passen 
würde.    Die  Längung  vor  ^a8iv6<;  bleibt  nach  wie  vor. 
paivw:  TOiO^fiÄvai  tdo  xijpaj  ou  8^  ^aivouc«  xapei«?  VII  464.  5  FV 

Antipatros. 

So  lese  ich  mit  Wakefield,   Hecker,   Bothe   und 

Dübner;   Jacobs  ^aivouaa.    Die  Längung  liegt  zuerst 

vor  bei  Archestratos  S^sf  ts  ^«(vovce;  Fr.  XLII  14  II 

MOc::  y,  iw  xaXbv  afJUiSe  xa^ai  fiOo?  'Afpo^sveta  VII  218.  11  IV 

Antipatros  Sidonios. 
Vgl.  Incert.  Id.  «i^sV  i^l  ^ce^ewt  VIII  3  IL    Ni- 
kandros  vwOp^j  jxev  dbtb  ^^6eo<;  ßiXev  Swvov  Ther.  165  IV 


734  Bs»cb. 

c)  Neue  Bildungen. 

Xaß6p(v6o^:    etvaXu   Xaß6ptvO£,  tO  [tai  Xi^t  'dq  d  dni^xst  VI 

224.  1  II  Theodoridas. 

Dorville  und  Bothe  etvcEXc'  &  XaßOpcvOe,  was 
unnöthig  ist^  da  gerade  bei  solchen  VocatiTen 
im  Versanfang  Längungen  vor  Liquiden  auch 
sonst  sich  finden,  vgl.  AT-/uicTe  pLrjfiOuiu  Orac. 
Sibyll.  IX  119  II    TepTcv^rars  MocKn^otv  Anth.  VII 

31.  3  n 

XaXii^^:    töuvai  x£{w]v  euxüXtxa  XaXti^v  VII  440.  8  (Pentam.)  V 

Leonidas  Tarent. 
Cod.  iOiiv  6X£i*n}v  s^X{xy]v  Xooivjv;  Plan.  iSuvok  wm;* 
tlmikoia  XaX{Y]v. 

A^YXTj:    naiov{3a  X6yx^^  ^^  ^^*  xporoffou  IX  300.  4  (Penta- 
meter) II  Addaios. 

Nachgebildet  dem  homerischen  IlriXcaBx  {jieXiV 
ü  143  II 

X(p.ev{Ta^:  xau8'  6  Upir^oq  ivojv  ixiTeXXo|JMti  b  X(|jLeviTa^  X  1.  7  V 

Leonidas. 
Eine  Parallele  findet   diese  Längung  an   dem 
folgenden  Beispiel: 

Xt|xsvop(A  {ty};:  6  Xi|xevop|x{Tir3^  vaurtXitjv  Ypfl^ojxat  X  5.  8  (Penta- 
meter) I  ThyilloB. 
Der  Cod.  hat  corrupt  loXqjisvopiJLi^trii;. 

Mouaa:    TspzvÖTate    Mou9V)otv    'Avobipeov,    h)    '^    Bct66XX(i>    VII 
31.  3  II  Dioskorides. 

Dies  ist  die  Ueberlieferung,  beibehalten  von 
Brunck  und  Boissonade;  Hermann  wollte  lep^srarT^ 
iv  M.,  Jacobs  und  Meineke  TepTcvdtar"  &  M.,  Hecker 
endlich  TepTcvötato^  M.,  was  alles  nicht  nothwendig 
ist,  da  diese  Längung  ganz  und  gar  regelmässig 
ist,  vgl.  unter  Xaß6pivOo^. 

Toitiq(<;:  ari\ux  icap'  AiivTeiov  eict  Toittjiatv  ix.Tai(;  VII  146. 1  IV 

Antipatros  Sidonios. 
Cod.   emppotTYjfaiv ;   dieselbe   Längung   findet  sich 
auch  bei  Triphiodoros  dncb  TottetaSo;  ax'ri3<;  216  IV, 
vgl.  Wernicke  p.  216  und  224. 


Studien  tut  Technik  de«  nnchhomeriiehen  heroischen  Venee.  735 


• 


Abgesehen  ward  von  zwei  Stellen,  wo  im  ägyptischen 
Monatsnamen  (i£(7op(  der  Auslaut  vor  Liquidae  zu  stehen  kommt, 
da  hier  der  Qrand  der  Länge  in  der  Quantität  der  Auslaut- 
silbe selbst  zu  suchen  ist. 

Tcl>  pL£90pc  Xoi>9ac '  xve^  Y^P  ^^  Bop^ai;  IX  617.  8  II 
xat  {uoopl  NeCXoto  f^pec  fuaCCoov  &8ü>p  IX  383.  12  II 

Bei  einzelnen  Stellen  muss  das  hdscbr.  fehlende  v  ephelk. 
hinzugefügt  werden,  wie  z.  B.  in 

a3cv  l^irfs,  ^cofiAv  xovSafJLircop  \tha^  XVI  213.  4  II 

In  einigen  Fällen  erscheinen  vocalisch  auslautende  Kürzen 
in  der  III.  Arsis  des  Pentameters  vor  folgender  Liquida  ge- 
längty  was  eben  im  Baue  dieses  Verses  seine  Erklärung  findet, 
so  in 

o&r(i><;  Xourpa  xiSe  (j.txfa  (j.ev  Sikka  (ptXa  IX  612.  2  III 

(Jacobs'  (7}jLiiipd  ist  nicht  nothwendig.) 
fj  Opu<|;i^,  Xfoq  au  Mapruai  Scopa  <pcpet(;  VIII  166.  4  III 

Gregorios  Naz. 
T^^  ot)(;  dv^pofove,  (jLaivofjL^W)^  icaXafjirj^  VIII  177.  6  III 

Gregorios  Naz. 
eu^pa(v£(  TcaT^a  voO^  Oebv  ctaopdcov  I  68.  2  III 
Die  UeberlieferuDg  ist  corrupt  in 

'^s'jYiJi^  Bta  TsXaxio^  toOB*  IßaXev  icoraixou  IX  147.  3 

Antagoras  von  Rhodos. 

Das  Wörtchen  6  erschiene  hier  in  3.  Thesis  gelängt 
vor  AtvSio^!  Jacobs  bemühte  sich  vei^blich,  die  Längung 
durch  Anfuhrung  von  Beispielen  (vor  X)  zu  stützen,  sie  stehen 
alle  in  der  Arsis.  Plan,  toiov  SevoxXi);  ^op  6,  wornach  Brodaeus 
und  Brunck  SeevoxXrj^  setzten;  Meineke  suchte  durch  x6^t  A(v- 
Bio«;  abzuhelfen.  Mir  scheint  Bothe's  Vorschlag  S8e  der  annehm- 
barste zu  sein,  nur  setzt  er  voraus,  dass  die  Statue  des  Xeno- 
kies,  der  die  in  dem  Epigramme  erwähnte  Brücke  baute,  sich 
an  derselben  befand,  was  gar  nicht  zu  den  Unmöglichkeiten 
gehört. 

Gleichfalls  eine  Corruptel  in  der  Ueberlieferung  liegt  vor 
in  dem  Verse 

dcXXa  T(j»{i.ir]{  xofpovo^  6::X6T£poq  lüKKvviQq  App.  336.  10 

Doch  ist  die  unmögliche  Längung  in  der  1.  Thesis  be- 
seitigt durch  Jacobs'  richtige  Conjectur  dcXX'  Spa. 


736  Rsach. 


Epigrammata  Grraeoa 

(ed.  KAibel). 

a)  Nach  homerischen  Mustern. 

Xi'icapfa)^:    xXi^aavta   AtzapAq   xuxXov   eiuv   ^xoröv  Nro.  451.  6 

(Pentameter)  II     Römische  Zeit. 
Hom.  Tcooci  8'  &^o  AtTCopoTffiv  B  44  II 
(AeY^P^^-  ^*  ^>-cixw  TO«v68uptov  evt  jxeYapotctv  ÄvdiQy  Nro.  151.  3  IV 

Römische  Zeit. 
yPoetam  valde   recentem  argoit  oratio  vulgaris' 
Kaibel.    Hom.  z.  B.  A  396  IV 
Ttx]T€   xat   iii^ov*   evi   [Leydpotq   [icoXu6)^i?  Nro.  403. 
12  IV 
NufJLfai:  ßatbv  e^jie  Nufjifai;  Sp^ov  vd[i[sv  Nr.  599.  1  II  =  C.I.G. 

5649  h.    Aus  dem  3.  oder  4.  Jahrh. 
Hom.  autixa  Ik  Nu{x^^  i^pi^aoro  v  355  II 
Mit  Anlehnung  an  Homer: 
po!>o{JLat:   (ä^ii^jvSe   pcoevSe   iroXuora^Xov  xot'  aXan^f[v  Nro.  1046. 

68  II  =  Anth.  Pal.  App.  50.  9 
Bei  Homer  Doppeluxig  der  Liquida  eppcdovio  9^367  U, 
Längung  in  der  archaischen  Poesie:  T6ivo{jiva  pu^otzz 
Iliu  Pers.  Fr.  III  2  IL    Wegen  der  trochaischen 
Wortform  vgl.  Hilberg,  Silbenwägung  p.  79. 

b)  Nach  anderen  Mustern. 

hiyioq:   Toio<  xal  v6u><;  (bv  x[ei9o]   xata  [X]ex^<^v  ^ro*  243.  13 

(Pentameter)  V,  ungefähr  2.  Jahrh.  n.  Chr. 

ApoUonios  evt  Xe/J&avi  B   1012  IV,  Manet^on  dbrb 

X6y>v  VI  58  II 
[Lo^itii:  )ca{  iroT[e  Texp(z]ic6Sü)v,  ^^öaa  [aoysovtoc  SopieiT]  Nro.  1068. 

4  IV 

^Haud  paullo  Justiniano  antiquior  tituIniB  xnidetur 

esse'  Kaibel.    Analog  ist  ein  Fall  bei  Eratostfayenes: 

oiel  8'  &8ocri  jjLOY^ouatv  Fr.  I  8  V 
voü?:   xpfli5et<;   Tcovra   xaxa   vouv*    (jiiQxett  tpO^s   aeauriv  Nro*   1041 

2  ai 

Ein  schlechter  Vers^   worin  neben  anderen  pro- 
sodisch-metrischen  Mängeln   auch  die  LSagiiag    in 


Stadien  zur  Technik  des  naehliomerieelieii  heroischen  Verses.  737 

der  ni.  Hebung  begeg'net,  welche  gegen  die  Regel 
ist.    Zu   vergleichen   ist   übrigens   Apollon.   out'   hA 
•pjOoouva^  TpöhcsTO  v6o^  A  620  IV 
v£t6;;:    o^vaO',    Ste   vetbv  AY](JLii^T£po;    d^aXaiua^ev    Nro.  1046.  96  II 

(=  C.I.G.  6280  =  Anth.  Pal.  Append,  50) 

Vgl.    ApollonioB    X(i>X(ov    TeXXoixivou^,    toix;   8s   viov 
imtmaq  F  1384  IV 
In  gewisser  Beziehung  ist  auch  hieher  zu  ziehen  der  Vers : 
Maxoep(<;:    uTe    S6o    Miicaptv    Torreavöv   t€   xaatv    Supplem.  epigr. 

gr.  Rhein.  Mus.  XXXIV  p.  190  zu  Nro.  611.  2 
(Pentameter)  II 
Wofern  hier  nicht  8u(i)  zu  lesen  ist,  vgl.  oexo  (xa- 
)utp(i>v  Emped.  Ilspi  4>ua.  6  IV  Orakel  des  Porphyr. 
svt  (juzxipeaaiv  Append.  3  11^  da  der  Name  mit  (xoxap 
zusammenhängen  kann. 

c)  Neue  Bildungen. 

Auxaßa<;:   tpiaabv   ui:bXXuxoeßav   rpa{ji{xaTtxb^  t&X^u   Nro.  828.   8 

(Pentameter)  II  =  C.I.G.  2169.  2.  Jahrh.  n.  Chr. 
Dieser  Fall  ist  sehr  bemerkenswerth,  weil  hier 
inschriftlich  die  Liquida  in  der  Längung  ge- 
doppelt erscheint,  wie  sich  dies  öfter  in  den  Hand- 
schriften vorfindet. 
N '.  xo{i.i^Sy)(;:  Kü>[{]  (jiv  (lot  icocrpiq  iffitv,  t(^  V  SvojjLa  Netxo[j.i^i§Y][c 

Nro.  101.  2  V  =  C.LG.  863  b. 

Vielleicht  ist  an  das  homer.  Oux^  fyoiy  Svofiia ' 
OuTiv  ii  (xe  xtxXi^oxoufftv  gedacht   worden    (c  366). 
Zu&Uig  ist  der  Todte,  dem  die  Grabschrift  gilt, 
ein  ,Mouai(i)v  Oepiicojv,  a8(i)v  8u(iiX(xt9iv  ''0(Arjpo[v^. 
Abzusehen  ist  von  dem  zweifelhaften  Verse 
dcoTol  8^  &^t  t686  [MevaoYJ^;]  fipoi  iixfaXtj)  <i[|A](p(  Nro.  461.  9 
Der  Stein  hat  T01£r£PAC  ohne  Zwischenraum  zwischen 
den  beiden  Wörtern;   Kaibel   ergänzte  M^-^oipriq^   was  aber  un- 
sicher ist. 

Durch  Hinzufügen  eines  v  ephelkystikon  erledigt  sich 
o?T)v  Gfc  viqX^  %aczk  (xigTspa  x6T(i.o^  l{i.ap(|;6   Nro.  1046.  17  II  = 
C.I.G.  6280. 
Aehnlich  müsste  im  Verse 
pi({xve  8ö(jui)v  hd  «rojv  -  iciXi  {Ay}8'  ä[Xk]o^t  ßotve  Nro.  1038.  30  IV 


738  Riaehu 

wenigsteoB  die  Form  icxXiv  eintreten.  Der  stümperhafte  Yen 
mit  dem  prosodischen  Fehler  in  «atXt  ist  übrigens  eine  schlechte 
Nachbildung  von  Anth.  Pal.  VII  393  pii^  {xe  x6vt  xp^lngre  -  ?!  ^if ; 

Ganz  verfehlte  Verse  mit  Längangen  vor  Liqaida  in  der 
Thesis,  also  gänzlicher  Verkennung  dieser  Art  von  PositionB> 
bildung  sind: 

3]^  xirpav  te  Xetxcov  ^xe  wV  bA  x<>^P^  ^^o*  71^-  ^  I^*  Thesis 

(i}x€v  Hilbeiy  18.) 
Zyivcos^  pM^'CTjp  te  icanfp  'ci  [(i]oi  Neix6[ST)|A0<;  Nro.  511.  7  IV.Thesis 
vOv  8'  &oxep  C]<i>o(,  {j.cexip(i)v  te  {jLotpav  l^ovie^  Nro.  253. 5  IV.Thesis 
Eaibel :  Videtur  poeta  xa(  dedisse,  quod  postponi 
cum  non   novisset   lapicida,  t£  substituit    Cf.  Hermes 
X  199. 
r/6i$c  7oi  Ao|jLvetva  [l]TSAe9[6iQ]  zaaa  lAotpv)  Nro.  720.  1  V.  Thesis 
=  C.I.G.  6762 

Vgl.  Hilbergy  Silbenwägung  p.  14. 

GregorioB  von  KaiianB. 

a)  Homerisch. 

[ki^a^:  xaXi^v  te  (ACYiXiQv  te  xal  elr^evit^v  ßaatXi^cdv  II  1.  1.  230 II 

Hom.  xaXif  te  \kvfakr^  ts  ^  7  II 
oWtv  £vl  {j.eY^^o(^^  voit{jLaGert  xoo|AOYivo^  vou<  I  1.  4.  68  II 
Hom.  &p(jt  V  hA  iLh(a  xu(Aa  e  366  II  (vgl.  ^v  b/\ 
(UY^poici  bei  Homer) 
xxl  Tcx^v,  Te(Avs(  8i  tcoXu  \Li*(a  XarcpL«  ßtoto  I  2.  1.  286  IV 
Hom.  &XXa  icoXu   (liiCdv  te  8  698  II,    vgl.  ^l  Bsp 
[kt^a  v^tov  P  744  in 
eT86(  te  (jl^y^^^^  ^^^  Tcakoaof^dczovsvi  6(aoio^  II  2.  4.  122  II 
eT86{  le  [t.i^t^6q  t€  *  X^yo^  8'  ouxdSSpopto^  i^tv  n2.3.335n 
xiXXef  T£  {jicY^Oet  te  xal  thhoq  lpißaoiXeu|Aa  I  1.  4.  99  II 
Hom.  eT86<;  t£  (A^ee6«  t£  z.  B.  B  58  II 

|A  ^  X  C  ^  :  Xai  TpO|A£pÖl^  &  T£  ßaCXXpOV  6xb  {A£X££99tV  ^£{8£IV  II 1. 1. 112 IV 

Hom.  Oufiibv  iicb  [kekim  H  131  II  Oppian.  Eil  ^'^ 
{xfiX^ffot  Hai.  II  24  rV 
v6(7aa:    oii  x'  dcicö  väaarj^  ico&Xo^  dfOXo^öpo^  11  2.  1.  106  (Penta- 
meter) n 

Hom.  Touji  r  dbcb  vuootji;  V  758   6  121  II 


8tndi«B  mr  Technik  Am  nachhomenflclieD  heroischen  Terees.  739 

b)  Nach  anderen  Mustern. 

jx^aaTog:  xi^puxoi;  ßoöwvro?  ^vi  [xeaiTOiaiv  dnwueiv  II  1.  13.  74  IV 

ApoUonios  hl  [kimoi^  de^ipeuoev  B  879  IV,  Antho- 
logie xEiM'  ivl  [L&fjdxt^  VII  256.  2  (Pentam.)  II 
^^Oo^:   xai  (i.aXacxouq  amcikdioi  nepl  ^eOdeaai  x^'^^^^  I  ^-  1*  ^^^  ^^ 
ou8i  X(vou  (iaXomoTo  xept  ^e6^ea9i  x^*^^^^  ^^  1^*  ^^*  ^^^  ^ 
xal  Tptjx«?  ixaXotfft  «epl  ^eö^eaat  xeTicOo)  II  1.  46.  33  IV 
Vgl.  Incert.  Idyll,  (st^e-e  iicl  ^eO^wi  Id.  VIII  3  II, 
Nikandr.  vwepij  p-lv  dicb  ^^öeo<;  ßiXev  ikvov  Ther.  165  IV 
An  einen  früher  erwähnten  Fall  schliesst  sich  an: 
V  0  e  p  6  (; :  dbcXoT  t£  vo £ po t  te,  Siou^^e^ '  out*  <ixb  aopxoAv  1 2. 1.  48  II  und 
1  1.  7.  17  II  (wo  der  Vers  unverändert  wiederkehrt). 
Vgl.  ApoUon.  dk'  h:\  77)60067«^  TpdbcsTO  v6o?  A  620 IV 

c)  Selbständige  Bildungen. 

Xuicp6^:  Tspr^v  xt  Xuxpcov  tc  Xö^ov  8'  4x1  xaaiv  Taaciv  II  1.50. 93 II 
IXiuov  ![(i)ii^v  TS  XuxpV  ^  Y^P^^  dfoupöv  II  1.  43.  10  III 
Hiefür  ist  zu   schreiben  ^i»yfyf  t£   Xuxp^v   gXxcov, 
so  dass  die  Längung  in  die  11.  Arsis  tritt;   äusser- 
liches  Analogen  in  den  Orph.  Argon.  %oCk(^  ixt  Xu^p«;) 
1264  II 
v65:    ^pwcri   te  vunta?   te  StY)V£xi(;  s?^  Iv  ocYSipetv  II  2.  4.  184  II 
Nicht  hieher  gehören  jedoch 
3£px£o  ta  (jL£p6x£aai  Y^pio^  x6p9uvcv  lx^?P<*'^  I  2.  1.  248 
cX)ii  Ti  {AOi  6aX(a(  t£  %a\  a  v£6Ty)'ci  (JL^fjLigXev  II  1.  45.  303 
Wir  finden  bei  solchen  Pronomina  auch  vor  stummen  Lauten 
Längang  bei  Qregorios  z.  B.  xk  V  ap*  Äxr)8oX?  II  1.  17.  69,    so 
dass  sich  hier  (wie  auch  in  anderen  Punkten)  ein  Zurückgreifen 
auf  homerische  Vorbilder  ergibt,  wie  ta  xcpt  icaX3(  ^i£6pa  <t>  352.  In 

kiydfKXou  yvit^  vüxtJ  |j.nj  •  Äq  xal  Ifwcye  II  1.  9.  90 
li^  derselbe  Fall  vor  vgl.  jjlCyvüvto?  \U\m  t£  x^^^^  I  2.  2.  418, 
Nachahmung  der  bom.  Dative  mit  c,  vrie  xop  vt]{  t£  [jiiv£tv  t  194. 
Unrichtig  ward  früher  geschrieben 
dtXXa  ou  tb  |jiv  l\»a^OK;^  l  B'  §Xx£c,  touS'  ixtßa(V£  I  2.  2.  27  II, 
bei  Caillau  jetzt  richtig  tou. 

Fälschlich  erschienen  früher  Längungen  in  der  Thesis: 
TouTO  Xa{Axp6v  901  '{i'^o^  ioTtv,  ot  xpoxiXaiot  I  2.  36.  19.  I.  Thesis ; 
zu  schreiben  ist  mit  Cod.  Coisl.  toiho  ^e  wie  Caillau. 

SitzuBffsber.  d.  phil.-hist.  H   XCT.  Bd.  III.  Hft.  48 


740  Rsaeh. 

£1  Tt  \»ki  xaxiVi  Y^  Bü(jü)Vü|i.{r^  8'  a^eys^vK^  II  2.  3.  68.  I.  Thesis;  zu 
schreiben  ei  li  yi  oder  wie  Caillau  nach  Reg.  990  toc.  In  dem  Verse 

icoXXa  |x^  Sr,  icädtv  ^tci/OgvCoio  OeoTo  II  1.  45.  187.  I.  Thesis 
findet  die  Längung  in  der  I.  Thesis  Entschuldigung  durch  die 
Nachahmung  von  homerischen  Versen  wie  iroXXa  Xtcoojisvrj  E  358 
TcoXXi  Xcffc70[j.^(i>  X  91  u-  a.  (Hartel,  Hom.  Stud.  I  ^61),  wo  das 
neutrale  a  seine  ursprüngliche  Länge  bewahrte,  daher  der  Grand 
seiner  Quantität  in  ihm  selbst  liegt. 

Eudokia. 

a)  Homerisch. 

^^!^u>:   T6aaa  xaxa  pe^ai;;  TztÜ^q  S'  d^  6ebv  £ÜXoYeoc[At  I  247  II 

Hom.   aXXa  [ki-^a   ^i^a^  X  305  II    oure  Ttva   p£^z; 
8  690  II 

b)  Nach  anderem  Muster. 

[kiaQoq:   xeTiai  Ivl  ixiaaotaiv  axkp  o^eSov  ^v  Tt?  ipiiptoi  I  199  H 

Apollon.  Rhod.  a58a  ^vl  \UaGOiai  Tsbv  v6cv  A  464  ü, 
vgl.  Quintus  IV  128  II  u.  s. 
Sonstige  Fälle: 
TOOTi?  ^uapOevtxYj;  t^S'  aBpav^a  |jliv  lOtjxev  H  308  IV 

Dieser  Fall  ist  nicht  mit  Sicherheit  zu  den  Längungen 
vor  Liquiden  zu  zählen,  da  sich  Eudokia  auch  sonst  Längung 
des  a  im  Accusativausgange  an  derselben  Versstelle  gestattete^ 
vgl.  Xiaoö^vTÄ  TciXiv  auT6<;  I  75  IV. 

Unrichtige  Ueberlieferung  liegt  vor  in  dem  Verse 
dXX'  576  Xuxdßa;  t^Xo(;  IXXaßev,  IXXoxe  6a)xoy  I  306 

Hier  ist  nicht  etwa  aXX'  &kx6z&  Xuxaßob;  oder  dcXX«  §t£  Xu- 
xaßoc^,  woran  man  bei  £udokia  denken  könnte,  mit  Längung 
vor  Xüxaßa^  zu  schreiben,  sondern  dXX'  ote  [8t}]  Xuxaßai;  vgl.  I  59 
dXX^  Sre  $y)  irponciBcov  (i.ea?ov  ireXefjit^eTO  xo6pir]  und  I  252  oX//  §t£ 
8^  ^o86^Xuq  eiryjXuOev  opY^xii;  ^(i>^.  Damit  enträllt  der  genannte 
Vers  ganz. 

Endlich  ist  ein  schlechter  Vers  anzuführen,  in  welchem 
Eudokia  Längung  der  auslautenden  Kürze  in  der  4.  Thesis 
zugelassen  hat,  offenbar  veranlasst  durch  die  starke  Inter> 
punction : 

svvewe  S*  ovrixaXo?  cif  a  Tcavta  *  fAi^  [istiXXa  I  100 


Studien  zur  Technik  des  naehhomerischen  heroiselien  Tanei.  741 


Anekdota  Paris,  vol.  IV  ed.  Cramer. 

Was  zunächst  die  hier  enthaltenen  Gedichte  des  Joannes 
Geometres  betrifft  (vgl.  Cramer,  p.  383  Note),  so  lassen  diese 
Längungen  vor  Liquiden  nur  in  der  Hebung  des  dritten  Fusses 
im  Pentameter  zu,  also  an  einer  Stelle,  wo  auch  sonst  die 
Längung  erfolgt,  so  dass  sie  eigentlich  ausser  Betracht  kommen. 
Die  Stellen  sind: 

IdoL^iM  Oepfjia  xie,  [iLpeo  aaq  dvCa^  Cramer  p.  288.  16 
B(ox£v  api'Rpe'xia^  ^ifyuao  [JuoiAoq  dnca^  p.  333.  13 
uBorco?  avTt  Bdbipü  peuaar'  'Iwovvtj  p.  317.  19 

Ausserdem  ist  eine  Stelle  zu  nennen,  wo  ein  v  ephelk., 
das  im  Cod.  nicht  steht,  hinzuzufügen  ist: 

o^Oopo?  2TTt  T^6(v)  X6yov  dt^Oopov,  oxpovov  ma  p.  286.  17 

Aus  den  übrigen  hier  veröffentlichten  Gedichten  (ausser 
denen  des  Joannes  Geom.)  sind  folgende  Stellen  zu  beachten: 

IxXouae  {xopfi]^  etx^va^  dvTciuTcou^  p.  386.  21 

Zu  IxXouae  ist  ein  v  ephelk.  hinzuzusetzen.  Corrupt  ist 
der  Vers 

aXX'  ha  töv5*  atv(i><;  $et8ta  [xk^ti  lüaOotpic  p,  293.  25 

Hilberg  corrigirte  ihn,  indem  er  [(xoeXa]  Sei^ta  schrieb 
(Silbenwägung  p.  20).    Ebenfalls  für  verderbt  halte  ich 

dikXd  (A*  iSv  iXiaipe  xai  £ix6va  Oeiov  b^edoiq  p.  294.   18 

Ich  vermuthe  aXXa  {X£  (2v  eXdatpe;  der  so  entstehende  Hiatus 
ist  nicht  anstössig,  da  er  sich  in  demselben  Gedichte  an  der- 
selben Versstelle  sonst  auch  findet:  eiSea  datpaTCOfAop^oi  p.  294.  21 
ßioxava  dcYpioOufjL«  p.  294.  6,  vgl.  auch  T/iOfJLpKrra  euXc^ir^^  p.  318.  12 
loßero  oia  Xüxvo<;  p,  330.  17.   Es  bleibt  nur  übrig  der  Pentameter 

oYX^M'^ov  T^vSs  [t.iipoLYjx  (jLoxpoßoXoi;  p.  296.  11 

Auch  dieser  Vers  ist  ohne  weiteren  Belang,  da  hier  in 
der  Mitte  des  Pentameters  (III.  Arsis)  die  Längung  erfolgt. 
Es  ergibt  sich  hieraus,  dass  auch  in  den  in  den  Anekdota 
Paris,  vereinigten  poetischen  Denkmälern  die  Längungen  vor 
Liquiden  nicht  mehr  vorhanden  sind. 


48< 


742  Rtftch. 


Joanne«  TieteM« 
a)  Nach  homerischem  Muster. 

XtY^^:  xXatouao  "ki^iia^  Soupcxxi^  icep  iouoa  Posthorn.  449  II 

Hom.  xXotCovTa  Xry^  T  5  11 
(A^YOtq:  OEunV  dlpa  [a^y^^  (Ktpovbv  uipae  f spioßioc ''Hpv]  Hom.  276  II 

Hom.  Skxo  V  iiA  \»jirfa:9  ou86v  x  ^  ^ 
dcXXa  T^  |jiiv  taxO^a  x6xXa  {acy^Xuiv  IvtoRiTbiv  PosthooL 
767  IV 

Hom.   likk  ik  [kfrfikiaK  oaux^^ißi^  v  432  IV.    Die 

Längung  bei  dem  trochäischen  K6xXa  kann  bei  der 

stümperhaften  Verskunst  des  Tzetzes  nicht  aufTallen, 

vgl.  Hilberg,  Silbenwägung  p.  91. 

[ki^apo"*:  Tov  Z*  b  ^ip^a^  fiXdeoxev  ^vt  [ktydpoiat^^  lototv  Posthorn. 

29  IV 
Hom.  A  396  IV  u.  s. 
(jlIXo^:  ouxiTi  Oupibv  §x^oxov  Ivt  {j.eX^e9aiv  eotocv  Posthom.  187  IV 
YUjAvbv   Ivl    |AeX^e99tv    huoü^a  xpct&yuon    Jt/p^na  Postiiom. 

681  n 

Hom.  OufAbv  dicb  [ukim  H  131  II    oSOi  Sca  liieXetoti 
9   339   IV,    vgl.   Empedokles    h\   \i£ki&s<jt   177  IV, 
Maxim.  416  II 
{jLOtpriYSvi^ji;:  dXX'  \>[ui^  T^xva  pLotpiQ^cvicüv  Y^vetifpciiv  Posthom. 

759  in 

Ein  durchaus  schlechter  Vers,  da  dieLängung 

in  III.  Arsis  und  bei  einem  trochäischen  Worte 

erfolgt;  sonst  vgl.  Hom.  xchrza  tmcv^l  piöipotv  t  245 

(siehe  auch  Hilberg,  Silbenwägung  p.  91). 

^ieOpov:  HavOou  M  ^e^Opot^  ^(^y^vor  nev869{Xe(av  Posthom.  210  II 

hi  seit  Bekker  (vulgo  hsl) ;  Homer  bietet  freilich 
nur   ev  XtjAivt  TeCBpo)  a  186  II,   wo  das  dativische  : 
an  und  für  sich  lang  sein  kann. 
^66(ov:   {vOa  k  t^v  XCice  Oujxb^  Ivl  ^oOIotat  £xa[i.iv8pou  Posthom. 
208  IV 

Ein  directes  Vorbild  hat  Homer  zwar  nicht,  aber 
es  besteht  doch  e  412  die  Variante  ß^ßpux^  ^^^ 
neben  ßißpux^v,  vgl.  xaXcpp66co(  e  430  t  485;  nnd 
ApoUonios  i%\  ik  ^66(a  xX6Covto  A  541  IV 


Stadien  sur  Technik  de«  naehhoaerisdiaB  haroiBcbeB  Verses.  743 

pu9?6^:  '/tak^^  '^^  ^u99o6{  te  TcapaßXciMci^  V  &96aX{JuS»  Hom.  139  II 

(Die  Späteren  schrieben  aus  Missverständniss  der 
Quantität  ^uoaö^  für   jbu96^).    Hom.  x'^^^^  '^^  ^^^  '^^ 
icapaßXu>ic£{  t'  i<p6aX[A(d  I  503  II 
Vielleicht  gehören  hieher  auch: 
pia^6^:    dtXXa  3*  bvh  (ia^otatv  ifAupero  S^  xai  Toiha  Hom.  431  II 

wo  (mal  überliefert  ist^   doch   vgl.  Hom.   tco  aä  exl 
(jiaCc^  T  483  in  derselben  Hebung. 
^i^oq:  (i>xpt6(i>v  2"  ^paorai  uicb  vef^(i)v  lpt8o6i7u>v  Hom.  372  IV 

Hdschr.  gleichfalls  &icat,  Hom.  Sia  vs9^(i)v  ^peߣW(5v 
X  309  IV    %  8'  uicb  vef^v  W  874  II 

b)  Nach  anderen  Vorbildern. 

vexuq:  iq  weSfov  xorcaßivre^,  80t  vixu^  "Extopo?  Ijev  Hom.  456  IV 

Quintus   Smyrn.    SsueTo    8^    x^a>v    xaca    xept    v^xuv 
AJflotßao  m  602  IV 
Möglicherweise  ist  auch  hieherzuziehen: 
xoqjn^ffavTe^  eü  ISxxopo,  2v  Xex^effoe  "ce  Sivre^  Hom.  483 
wo   geschrieben  werden  könnte: 

''ExTop'  £vt   Xexsefffft   tc  ö£vTe(;  vgl.  Apoll.  Rhod.  4vl  Xex^eovi 
xeadvTe?  B  1012  IV 
Endlich  bleibt  noch  zu  nennen: 
p <»>  o  VT 0 :  uk;  ep^sivev  dvi^p •  ot  8i  ^c^ovto  -Kpo^  fp^ov  Posthom.  634  IV 

Vgl.  Iliu  Pers.  xstvofji^^a  ^(i)0(To  Fragm.  IV  2  II  und 
Epigr.  Gr.  ed.  Kaibel  <!^  TTJvSe  f^tieoOe  Nro.  1046.  68  II. 
Doch  wird  hier  im  Hinblick  auf  das  homerische 
XoiTat  8^  ipp<i»ovTo  V  367  wol  ol  8'  ippcttovxo  zu  ändern 
seiu;  dessen  Spuren  die  Ueberlieferung  des  Vat.  zeigt. 

c)  Ohne  ältere  Muster. 

Mu  ao  (:  oeuroW  te  Mu^oiv,  ^oXXol  8^  xpo^vro  ^Axotio{  Antehom.  272  H 

Vgl.  z.  B.  FyiXoi  t6  Mip8oi  ts  bei  Dionys.  Perieg. 
1019  II 

{xeToeßiXXü):  ici^uffiv  tiSora  Xeuxa  xal  i^  x^^^^  (AetaßaXXei  Posthom. 

106  V. 

d)  Schlechte  Verse  mit  Längungen  in  Thesi: 

Der  Dichterling  Tzetzes  weicht  in  Bezug  auf  metrische 
und   prosodische  Normen   so  sehr  von  seinen  Vorgängern  ab; 


744  Bsseli« 

dasB  man  ihm  sehr  wohl  zutrauen  könnte,  er  habe  auch  L&n- 
gungen  vor  Liquiden  in  der  Thesis  zugelassen»  Thatsfichlich 
finden  sich  denn  auch  einige  diesbezügliche  Stellen.  Da  sie 
sich  jedoch  leicht  in  eine  geniessbarere  Form  bringen  lasaen, 
so  dünkt  es  mir  mindestens  zweifelhaft,  ob  sie  in  der  ans 
überkommenen  Qestalt  von  Tzetzes  selbst  herrühren,  und  zwar 
TcpGna  McvioOtjv  te  xat  A^x'*^©^  o^apdrfiavct  Hom.  88 

Hier  ist  wol  mit  Benützung  der  Vermuthung  des  Tryllit- 
schiuB  (eTta  für  Te)  zu  lesen:  zpüfZOL  M6v£c6i;v  eTta  xai  ^k^iatk&'t 
o^piYt99£v,  so  dasB  die  sonst  in  der  I.  Thesis  eintretende  Län- 
gung wegfiele. 

iq  vt]bv  xaXdovxa  *  b  l'  al<)/a  [xoXa  'Ki^tfjct^  Posthorn.  393 

Der  Vers  ist  unerträglich,  da  auch  {liXa  zu  lesen  ist.  Im 
Hinblicke  auf  Hom.  A  378  6  Se  (jiiXa  ißh  Y^Xoaaaq  ist  vielleicht 
zu  schreiben  6  $£  fjLaXot  aT^a  xt^^ffa^,  womit  dieser  Vers  auch 
aus  der  Zahl  der  gegen  Hilberg's  (p.  19)  drittes  Gesetz  ver- 
stossenden  schwinden  würde.  Der  Hiatus  in  der  bukolischen 
Diärese  ist  bei  Tzetzes  ganz  gewöhnlich,  vgl.  Antehom«  15. 
164.  191.  221.  234.  261.  269.  354  Hom.  53.  129.  142.  153. 
186.  197.  198.  285.  296.  314.  341.  376.  479  Posthorn.  67.  144 
204.  230.  307.  323.  487.  530.  545.  691  u.  a. 

aXX^  •fjfzoi  )UE(  ToOS'  fipttioq  axo'je  (i,op^|V  Posthom.  492 
Die  unerträgliche  Längung    in  der  V.  Thesis   von  piopfvjv 
würde  behoben  durch  die  Schreibung  dxouere,   doch   darf  nicht 
übersehen   werden,   dass  sonst  der  Singular  in  ähnlichen  Aus- 
drücken steht:  Posthom.  361.  468.  504. 

5p9V7)  3'  auxe  iohq  ^xorepOe  xiavro  vexpou<;  Posthom.  344 
Die  letzten  Worte  sind  nicht  sicher,  im  Paris,  fehlen  sie, 
in  anderen  Hdschr.  finden  sich  verschiedene  Lesearten.  Die 
Längung  in  der  V.  Thesis  schwindet,  indem  man  mit  Jacobs 
ixaTcpOe  vcxpob;  xi^ano  herstellt.  Durch  die  Aenderung  von 
Posthom.  492  und  344  schwinden  weitere  zwei  der  von  Hil- 
berg,  Silbenwägung  p.  14  angeführten  monströsen  Verse  aua  der 
griechischen  Poesie. 

Durch  Anfügung  eines  v  ephelk.,  das  nicht  überliefert  ist. 
erledigen  sich  endlich  folgende  Stellen: 

x637)ve  Xeicpoj^  t£  xal  Saoot  vefxeo^  »?&;  Posthom.  288 
w[jL'::£7eTr|V  V  «XX^^Xot^i,  \it(x  o*  sRsto  IpYov  Posthom.  318 


Stadien  tat  Technik  des  n»ch)ioiBeri8chen  beroiseben  Verees.  745 

ijXuOe  xuSioiiiv  naai  [jLoxapevTt  fae{v(i)v  Hom.  292 
aXX'  Ste  TOix;  ai;4xoR)9E  vu^  avSpoxiaaiacov  Hom.  184 
Toü3e  WpYjv  xXi^iae  •  pi^'^«  S'  eßeto  ep^a  Posthorn.  675 

Ueberblicken  wir  die  bisherigen  Resultate  in  Bezug  auf 
die  Art,  in  wie  weit  sich  die  einzelnen  Längungen  auf  die  ver- 
schiedenen Versarten  vertheilen  unter  gleichzeitiger  Rücksicht- 
nahme auf  die  rhythmische  Beschaffenheit  des  dem  liquiden 
Anlaute  vorangehenden  Wortes  (bei  dessen  letzter  Silbe  also 
die  Längung  erfolgt),  so  lassen  sich  innerhalb  jener  oben  p.  686 
und  691  angeführten  allgemeinen  Normen  eine  Reihe  Special- 
observationen  feststellen : 

1.  Die  weitaus  gewöhnlichste  rhythmische  Form  des  dem 
liquiden  Anlaute  vorangehenden  Wortes  ist  die  pjrrhichische; 
von  60  Beobachtungsfallen  in  der  archaischen  nachhomerischen 
Poesie  kommen  auf  sie  30,  also  die  Hälfte  aller,  in  der  jün- 
geren Dichtung  (mit  Ausschluss  der  spitter  zu  betrachtenden 
Schule  des  Nonnos)  von  4^6  Fällen  gar  307,  also  fast  drei 
Viertel  der  Qesammtzahl,  zusammen  von  506  Fällen  337. 

Nur  zwei  Vershebungen  ergeben  sich  als  legitime  Sitze 
der  Längungen  bei  dieser  rhythmischen  Form,  die  IV.  und  die 
n.  Arsis.  Wir  zählen  nämlich  in  der  archaischen  Poesie  16 
(von  30),  in  der  jüngeren  191  (von  307)  in  der  IV.  Arsis ; 
dann  14  (von  30)  bei  den  älteren  Dichtern  und  111  (von  307) 
bei  den  jüngeren  in  der  II.  Arsis.  In  anderen  Hebungen  finden 
sich  Längungen  dieser  Art  in  der  älteren  Periode  gar  nicht,  in 
der  jüngeren  nur  ausnahmsweise.  Hieher  gehören  zunächst 
3  Fälle  in  der  V.  Arsis,  wovon  2  in  Pentametern  vorkommen 
hl  jxecjorrw  Anthol.  VII  256.  2  und  xorra  Xex^wv  Epigr.  ed.  Kaibel 
Nr.  243.  13;  das  3.  Beispiel  ist  Arat  8uvet  [xiv  Zt^^ovo;,  86vet 
8*  xaczä  ^iyj>f  'l/j^(;  Pbaen.  572,  ein  Fall,  der  wegen  der  Anar 
phora  des  2uvei  entschuldigt  werden  muss.  Gar  keine  Beach- 
tung verdient  dagegen  das  schlechte  inschriftliche  Epigramm 
bei  Eaibel  Nr.  1041.  2  xpa^eii;  -rcovra  xota  vouv,  wo  die  pyrrhi- 
chische  Präposition  Längung  in  der  IH.  Arsis  aufweist.  Eine 
andere  derartige  Stelle  bei  Simmias  ist  oben  p.  712  rectificirt 
worden. 

2.  Die  nächst  wichtige  Stellung  nehmen  die  aus  einsilbigen 
Kürzen  bestehenden  Wörtchen  ein.    Die  Gesammtzahl  beträgt 


746  »"ch. 

in  der  älteren  Dichtung  22  (von  60  im  Ganzen)^  in  der  jün- 
geren 98  (von  446).  Ihre  Längung  erfolgt  gleichfalls  zumeist 
in  der  II.  und  IV.  Arsis  (jedoch  nimmt  diesmal  die  erstere 
Hebung  die  wichtigste  Stelle  ein). 

Auf  die  II.  Arsis  entfallen  in  der  archaischen  Poesie 
16  Längungen  (13  bei  t^,  3  bei  $d),  in  der  jüngeren  55  (39  bei 
Te,  12  bei  U^  1  bei  ^e,  dann  2  bei  5ppa  ApoUon.  Rhod.  T  37. 
845  und  1  bei  6  ^aicr^^p  Anthol.  VI  117.  1),  auf  die  IV.  Arsis 
in  jener  4  (bei  Zi)^  in  dieser  18  (15  bei  $e,  2  bei  xe,  1  bei 
b  ^c363cax^;  Theokr.  Id.  XV  128).  Ausserdem  participiren  aber 
auch  andere  Hebungen  u.  zw.  in  der  älteren  Poesie  mit  einem 
einzigen  Falle  die  III.  (&^  bxe  xt  ^lov  Hom.  Hymn.  I  139),  in 
der  jüngeren  ebenso  (die  archaisirende  Stelle  bei  Apoll.  Rhod. 
'rrirpiQv  le  vLKia  xe  [w^dptii'^  A  361,  vgl.  p.  699);  dann  in  der  älteren 
Dichtung  mit  einem  Beispiele  die  V.  (Auovti  xe  Tett;  te  Hom.  Hymn. 
I  93),  wogegen  in  der  jüngeren  diese  letztgenannte  (V.)  Hebung 
eine  grössere  Reihe  von  Fällen  aufweist:  ts  zweimal  beiDionysios 
Perieg.  in  den  arcbaisirenden  Formeln  neA(i>p{^  xe  AcXOßi;  Te  469 
und  'Op6u>9{Sa  t&  Mipa66v  le  914  (vgl.  jenes  Beispiel  aus  dem 
hom.  Hymn.  I);  ausserdem  in  der  Anthol.  xe  Xiopov  xe  in  einem 
Homercento  IX  361.  6;  S^  in  zwei  Pentametern  b  3e  ^i>^ 
Anthol.  VI  255.  6  und  XVI  185.  2;  5  sechsmal  in  oppa  Arat 
Phaen.  662  Apoll.  Rhod.  A  769  B  718  A  68  Nikandr.  Ther. 
685  Alex.  424;  x6  zweimal  in  x6ppa  Apoll.  Rhod.  A  526  A  582; 
endlich  einmal  6  Xifuvixaq  Anthol.  X  1.  7.  Im  Ganzen  sind  es 
in  der  V.  Arsis  14  Fälle.  Endlich  participirt  in  der  jüngeren 
Poesie  auch  noch  die  I.  Arsis  u.  zw.  nur  in  den  Pronominal- 
formen (resp.  Artikel)  x6  (in  x6  ^a  Antim.  Fr.  LXVI  1  Apoll. 
Rhod.  r  867,  xb  ^6zaXov  Rhian.  Fr.  VII  xb  ^8ov  Anthol.  XI 
53.  1)  xi  (in  xa  p6Sa  Theokr.  Epigr.  I  1  xa  ^e^etv  Lesbi  Ktis. 
18)  5  (in  5ppa  Apoll.  Rhod.  A  251  Dion.  Perieg.  343)  6  Art  (in 
b  Xtji£vopiA£xYj(;  Anthol.  X  5.  8)  xi  (xi  ^Cet?  Inc.  Id.  VU  47),  im 
Ganzen  10  Beispiele. 

3.  a.  Auch  bei  den  Wörtern,  deren  rhythmische  Form  einen 
Tribrachys  darstellt,  sind  die  IV.  und  IL  Arsis  allein  an  den 
Längungen  betheiligt ;  in  der  älteren  Dichtung  entfiült  auf  jede 
der  beiden  je  ein  Beispiel,  in  der  jüngeren  zählen  wir  in  der 
IV.  Arsis  8,  in  der  II.  6.  Die  drei  FäUe,  wo  die  Längung  in 
der  V.  Arsis  erfolgt,  gehören  alle  schlechten  Versen  an:  t)2ff:i 


Studien  iv  TeoliBik  dm  naolüiOBmitelian  booMcli«!  Y«nea.  747 

f&oY^ouacv  Eratosth.  Fr.  I  8  5vo|jl«  Necxo|j.i^,8ri;  Epigr.  ed.  Kai  bei 
Nr.  101.  2  and  &;  x^^^^  |j.eTaß(£XX£(  Tzetzes  Posthorn.  106.  Bezüge 
lieh  Nikandr.  Alex.  155,  wo  nach  der  Ueberlieferung  eine 
Längong  in  der  III.  Arsis  vorkäme,  vgl.  p.  708. 

3.  b.  Bei  Wörtern  mit  der  Form  —  w  w  ist  die  legitime 
SteUe  der  Längang  in  der  IL  Arsis  und  zwar  in  der  älteren 
Poesie  in  2,  in  der  jüngeren  in  4  Fällen  (letztere  sind:  vi^tiSa 
xM£X{tv)v  Apoll.  Rhod.  A  543  HatoviSa  Xd^yr^v  Anthol.  IX  300.  4 
£tv<zXt£  Xaß6ptv0e  Anthol.  VI.  224.  1  tep^oTare  MoOoT^atv  Anthol. 
VII  31.  3).  Ausnahmsweise  steht  die  Längung  in  der  V.  Arsis 
in  2  Fällen  (bei  Selon  ev  k^o\uiii  [it^'  lp(OTo<;  Fr.  27.  7  und  in 
einem  Pentameter  euwGXtxa  XaXtr^v  Anthol.  VII  440.  8).  Die 
hesiodische  Theogonie  weist  in  älterer  freierer  Weise  auch  eine 
Längung  in  der  III.  Hebung  auf  (1^^707610  Xixaptjv  ö^fjitv  Th.  901). 

3.  c.  Längungen  bei  Wörtern  von  der  Messung  w  —  w  w  w 
sind  als  Raritäten  zu  bezeichnen,  sie  begegnen  nur  zwei  Mal 
bei  Aratos,  der  überhaupt  mit  seinem  Verhalten  gegenüber  den 
behandelten  Fragen  der  Verstechnik  eine  Sonderstellung  ein- 
nimmt (Suu>Sexi8a  |Adv£t  ^Xy)v[?]  Phaen.  703  und  xeXeuo(j.dva 
XtBoxeoaev  Phaen.  1112),  dann  einmal  bei  ApoUonios  beim  Zu- 
sammentreffen zweier  Eigennamen  (*ApT}Tti3a  MeXavt^ncr^v  B  966). 

4.  Für  die  Messung  w bietet  die  archaische  Poesie 

zwei  Fälle  homerischer  Nachahmung  in  III.  Arsis  (Hesiod. 
A/tXXiJa  ir^^opa  Th.  1007  Iliu  Pers.  MeveoO^t  jxsfaXiiTopt  Fr. 
III  2),  in  der  jüngeren  Dichtung  ergibt  sich  nur  ein  Beispiel 
und  auch  dies  nur  durch  Conjectur:  Kallimachos  &8aT0^  ourCx" 
£3ß;»3T0  ^v  Hymn.  I  16  in  der  IV.  Arsis  (vgl.  p.  696). 

5.  Da  die  Wortform w  nur  im  Versanfang  einen  Vers- 
zwang repräsentirt,  so  dürfen  Längungen  in  Wörtern  dieser 
Art  nur  in  der  II.  Arsis  erfolgen.  Wir  zählen  in  der  archai- 
schen Poesie  nach  Homer  ^in  Beispiel  (Xetfjuovt  [takcatM  Hom. 
Hymn.  I  118),  bei  den  späteren  Dichtem  ergeben  sich  6  Fälle: 
ßeßXiQTo  vef^Xv]  Apoll.  Rhod.  A  125  {Aaorrfi  XcYupfj  Orph.  Hymn. 
Vni  19  Ar-^8  [u-(i%[t.i  Sibyll.  Orak.  IX  119  [Ldmi-(OL  loify\j 
Anthol.  VI  246.  6  'xkiaana  XcicafNÜ^  Epigr.  ed.  Eaibel  Nr.  541.  6 
xkaloMca  Xcyiox;  Tzetzes  Posthom.  449. 

6.  Eine  Ausnahmestellung  nehmen  die  wenigen  nur  bei 
den  jüngeren  Dichtem  begegnenden  trochäischen  Formen  ein, 
im  Qanzen  8.     Sie  dürfen  regelrecht  nur  in  unveränderlichen 


748  Rtftch« 

Wörtern,  und  zwar  wieder  entweder  in  der  IV.  oder  IL  Arsis 
stehen  (vgl.  p.  692).  Eff  sind  in  IV.  Arsis:  ouSe  poSw  Theokr.  Id. 
XI 10,  oMe  ^68ov  Inc.  Id.  VII  49  (Conjectur),  iik  jx^a  Apoll.  Rhod. 
A  486,  endlich  ivA  f>a8ivat  Theokr.  Id.  XI  45  (worüber  p.  695 
zu  vergleichen);  in  IL  Arsis:  rfyfit  ^(oecOe  Epigr.  ed.  Kaibel 
1046.  68.  Gegen  die  Norm  Verstössen  die  ganz  verkehrten 
Gebilde  zveufj.«  (aoau^/t,^  Zoroaster  Orac.  mag.  26  und  x^m^i 
{As^aXcov  Tzetzes  Posthorn.  767,  jenes  in  II.,  dieses  in  IV.  Arsis, 
wobei  die  beti*effenden  Wörter  nicht  unveränderlich  sind,  und 
endlich  T^v«  lAotpr^Yevecov  Tzetzes  Posthorn.  759,  wo  die  Längnng 
auch  noch  in  der  Ill.f/^rsis  erfolgt. 

Wesentlich  abgewichen  von  den  bisher  erörterten  Normen 
ist  Nonnos  mit  seinen  Nachahmern,  zu  dem  wir  uns  nunmehr 
wenden  wollen. 

n.  Nonnos  und  seine  Schule. 

Es  hat  zwar  die  Nonnos  betreffenden  Fälle  schon  Scheindler 
in  seinen  trefflichen  Quaest.  Nonnian.  I  p.  7  und  8  erörtert, 
doch  sei  es  mir  gestattet,  der  Vollständigkeit  halber  sie  hier 
neuerlich  anzuführen. 

Nonnos,  der  in  so  mancher  Beziehung  reformatorisch  vor- 
ging, bleibt  auch  in  Betreff  der  Längungen  vocalischer  Kürzen 
vor  Liquiden  nicht  auf  dem  Standpunkte  seiner  Vorgänger, 
sondern  schafft  sich  sein  eigenes  Gesetz,  an  dem  auch  seine 
Schule  festhält.  Längungen  vor  Liquiden  im  Anlaute  sind  bei 
ihm  und  seinen  Anhängern  nur  mehr  gestattet  bei  pjrrhichi- 
schen  Wortformen  und  zwar  nur  in  der  IV.  Arsis  —  ausge- 
nommen directe  homerische  Nachahmung,  die  sich  im  Ganzen 
zweimal  (einmal  bei  Nonnos  selbst,  einmal  bei  Triphiodoros) 
findet.  Die  Wörter  selbst,  vor  deren  liquidem  Anlaute  nun- 
mehr Längung  erfolgt,  dürfen  keine  neuen  Bildungen  sein, 
vielmehr  sind  durchaus  ältere  Muster  nachgeahmt  Dies  Gesetz 
ist  eigentlich  eine  Restriction  des  für  die  Dichter  der  jüngeren 
Epoche  geltenden,  da  die  vocalischen  Endsilben  allmälig  immer 
mehr  an  Kraft  verloren  hatten.  Gerade  nur  die  FV.  Versbebimg 
gilt  noch  als  fähig  die  Längung  zu  stützen,  weil  es  die  erste 
Arsis  nach  der  trochäischen  Cäsur  ist  und  der  Ansatz  der 
Stimme  hier  besonders  kräftig  hervortritt  am  Beginne  des 
neuen  Verskolons.   Mehr  weniger  mu8s  übrigens  diese  Längung 


Stndlaii  rar  Technik  dM  nftchhonerischeii  herolfleben  YeiMs.  749 

vor  Liquiden  im  Anlaute  dem  Nonnos  nur  mehr  als  Antiquität 
erschienen  sein  —  Beweis  hiefür  ist  die  verschwindend  geringe 
Anzahl  der  betreffenden  Fälle  bei  der  grossen  Masse  von  Versen 
in  den  Dionysiaka  und  das  vollständige  Verschwinden  jener 
Erscheinung  in  der  Metaphrase^  wo  der  Dichter  die  letzte  Con- 
seqaenz  seines  prosodisch- metrischen  Gefühles  in  dieser  Be- 
ziehung gezogen  hat.  Daher  gehen  auch  seine  Nachahmer 
Längungen  dieser  Art  ängstlich  aus  dem  Wege  und  geben  sie 
endlich  ganz  auf. 

Nonnos. 
I.  Dionysiaka. 

a)  Homerische  Fälle. 

1.  Pyrrhichische  Wortformen. 

^ioq:    t{  yjpio^  'Aocimüoio  jjLeta  ^6ov  'QxeovoToj  VII  242  IV 

L  hat  nach  Ludwich,  Hermes  XII  289,  (xeioppsov. 

'AffToxßo?  xsXiBo^/T«  icepl  p6ov  tctoro  X{|xviq^  XIV  327  IV 

^avöbv  aXü7xi!Io*rc6^  iizi  ^6ov  ^xkotam  'Iv8o(  XXIX  296  IV 

Homer.  Vorbilder:  wapa  poov  'OxeovoTo  ü  151  IV 

xora  p6cv  *  l^exo  8'  owtou  {jl  204  IV  ?:oti  ^öcv,    «1*91  $£ 

t'  x^oii  P  264  IV 

piov:   eJps  Ss  jxtv  /pucioeo  7:spl  p{ov  axpov  ^Oauiatmü  XXXIll  64  IV 

Hom.  wept  ^lov  OuXujjlzoio  6  25  IV 

2.  Nichtpyrrhichische  Wortform. 

'fti'faq:   i^pafJLeOa  ixe^a  xu8oq  *  ex^^vojAsv  5pxoe|jiov  'IvSwv  XL  217  II 

Homerisches   Hemistichion :   ^pifjisOa   \Ki'^a  xu3o<; ' 
iTcifvojAsv  'ExTopa  Siov  X  393  II 

b)  Nach  anderer  Vorlage. 
Nur  pyrrhichische  Wortformen. 

piX^^'  ?«t8pb(;  depfftXo^oto  irspt  jbix«^  ^lJ>^vo<;  Twjcou  III  185  IV 

&;  6  |X£v  lv5<ioto  luepl   ^axtv   eößoTov  DXij;  XXV  271   IV 
2)v   ö   jjiv   dvTiwöpoto    wept    ^i/^^    atöowo;    Eupou   XXXIX 

349  IV  (Koechly  II  p.  201) 

iXXa  xa  {JL6V  ßaOuBevBpov  6irb  {>4xiv  «rOoxoq  Eupou  XLI  18  IV 

Ein    Vorbild  für   diese   Längung   vor   ^ixt^   bot 

Quintus    Sm jrnaeus :    i^   vr^Büv  •  oix[>M    ^^    ^^'i    p^X^^ 

e^e^^pigaev   IX    189  IV.     Viel    früher    hatte    Aratos 


750  Biftcb. 

bereits  geschrieben:  S^et  li  xot^k  pixtv  'Ix^  Phaen. 
572  V. 
Bei  folgenden  Fällen  muss  v  ephelkystikon,  wie  es  auch 
die   Ueberlieferong   bietet,   geschrieben   werden,    so   dass  sie 
ausser  Betracht  stehen: 

ei  TÖcrov  ü^  Ntxaia,  TcdXev  X£u)Ui>X6vo^  *Hpr|  XV  240  IV 
|AY}8i  X(t»)^  kxipoioi  xualv  ^kihnfipa  Yev£o6ai  V  521  IV 
%a\  ^{Xe^  |juv  (2va^  [utk  Moppia  •  icoXXdbu  3'  aurv]  XXXVI  284 
So  ist  dieser  Vers  nach  Scheindler's  Vermuthang  Quaest. 
Nonn.  I  69  hensustellen  (hdschr.  xai  )Atv  ava^  ^iXeot,  von  Graefe 
in  ^eev  geändert,  was  dem  nonnianischen  Gebrauche  der  An- 
wendung des  V  ephelk.  bei  Längung  kurzer  Silben  widerstreitet^ 
wie  Scheindler  nachwies  a.  a.  O.). 

et  (JLt;  ipfy:oht  |A£  a^ßag  icotpcdtov  oiSou^  XVI  50  III 
Laur.  epiQT6e{,   der  Vers  ist  nicht  richtig  überliefert,  vgl. 
Scheindler,  Quaest.  Nonn.  I  68. 

u>TeiXa^  iic^euev,  56ev  v^og  elSo^  ifjisC^a^  XI  242  IV 

et  yXww^  uRvaX^Tjv  \u  Xteev  veo?,  Ävtt  3e  xeCvou  XL VIII  538  IV 

i)ep68ev  v6oxv}ae  *  mipt^Xi^vou  V  eXorrijpo^  XII  8  11 

ek£,  t{  xev  ^^eta^,  Srov  9^0  Ouniov  Äet^b)  I  487  11 

NetXe,  ti  xev  ^^ai(JLt  xaXuTnopiw}^  Ape6G6oigg  VI  346  II 

Vgl.  Scheindler,  Quaest.  Nonn.  I  67. 
xal  xXov^et  icupöevxa,  tt  xev  ^i§ai|jit  9t8i{p(*>  XXXIV  64  IV 
«ree  xal  ivOiSe,  xoupe,  xdXev  ^60^  'HptSovoto  XI  32  IV 
iQep60ev  ^o{!^T}oe  *  xat  *A9Cup{T)  Tcopiie  ^^Tpv)  XLII  12  II 

II.  Mstaphrasis. 

Diese  Dichtung  zeigt  eine  noch  weitere  Einschrankiiog 
—  Nonnos  hat  sich  hier  gar  nicht  mehr  eine  Längung  vor 
Liquiden  gestattet,  denn  die  Schreibung 

oivuyni  ^c^d[urf(i  SeSeufAivov  dlforpov  ^icioab)  N  110  ist  längst  als 
falsch  erkannt,  es  muss  otviDin)  ^oAi^ift^  heissen,  wie  Cod.  Pal. 
noch  zu  lesen  verstattet  und  wie  es  Dion.  XII  325  XV  63 
geschrieben  steht.  Vgl.  Wemicke,  Tryph.  p.  226;  Scheindler, 
Quaest.  Nonn.  I  8;  Hilberg  p.  97. 

Die  Verse  P  85  und  2  134,  die  ebenfalls  Längungen  ent* 
halten  würden,  sind  unecht. 

Das  V  ephelk.  muss,   wie  auch  überliefert  ist,  stehen  in 
thi^  Tt  xev  ^i^<i){Aev,  &ic<i>(;  OeorepTc^i  OeaiJuj)  Z  120  II 


StodiM  rar  TMlmik  dM  musItltooifritohMi  heroiaohen  Ywtet.  751 

TriphiodoroB. 

1.  Pyirhichiflche  Wortform. 
*PotTeti(:  VTjualv  dcvancX(i>69xov  dii?b  'PotxeeaSo^  ixTijg  216  IV 

Vgl.  Antipatros  in  der  Anth.  Pal.  07}(jia  noep*  *Aiav- 
Tetov  fad  ToeTiQ(fftv  dtxTai^  VII  146.  1  IV,  dann  auch 
Wernicke  p.  224  sq.  Dass  Triphiodoros  eine  Län- 
gung wagte,  die  weder  bei  Homer  noch  bei  Nonnos 
vorkoounty  findet  seine  Entschuldigung  in  dem 
Eigennamen. 

2.  Bei  emem  einBilbigeii  Worte. 
puTi^p:  Tp<i)ci)v  Se  ^uTiJpa  %ai  ibreo^ '  eT  \kE  aoK^ee^  266  II 

Dieser  Fall  ist  homerisch :  die  unmittelbare  Vor- 
lage war  oT6v  xe,  ^urvjpa  ßtou  x^  Ifjievac  xat  5toT(i>v  ^  173  II 

KollathOB. 

ptov:  alba  li  Opyjcxtoto  (JL£Ta  ^la  üayfatoio  212  IV 

Homerisch  und  nonnisch :  Hom.  6  25  und  Nonn. 
Dion.  XXXIII  64  xepl  ^(ov  IV. 

MusaiOB. 
OYjYlA^v:  d6p6ov  ijjLwticTOümv  l^i  ^t|Yptivt  OaXaacnfjg  311  IV 

Homerisches  Hemistichion  z.  B.  A  437  IV 
Die  Nonnianer  Christodoros,  Paulos  Silentiarios, 
Joannes  Gazaeos  haben  sich  jeder  Längung  vor  Liquiden 
im  Anlaute  gänzlich  enthalten  und  repräsentiren  die  letzte  Con- 
sequenz  des  nonnischen  Gesetzes,  wie  sie  der  Meister  selbst 
bereits  in  der  Metaphrasis  hervortreten  lässt.  Eben  dasselbe 
können  wir  von  ApoUinarios  behaupten,  wenngleich  sich  bei 
diesem  scheinbar  derlei  Längungen  vorfinden. 

ApollinariOB.  < 

Alle  bei  diesem  Metaphrasten  begegnenden  Längungen 
vocaliacher  Kürzen  vor  liquidem  Anlaute  gehören  nur  dem 
Anscheine  nach  dieser  Gruppe  von  Längungen  an,  thatsächlich 
erklären  sie  sich  auf  andere  Weise.  Zunächst  erwähne  ich 
den  Vers 

lOvei  tot  K6X«po(ax*  Si:^aW6[t£'*a  {AoX'niJoiv  LXVI  7 


1  Nach  der  Auslebe  in  der  Biblioth.  veteram  patram  von  GallandioB,  Tom.  V. 


752  Rsaeh. 

Hier  würde  Längung  vor  (i.  in  der  V.  Hebung  eintreten. 
Allein  dieser  Vers  ist,  wie  Ludwich  im  Hermes  XIII  349 
nachgewiesen  hat;  da  er  in  den  Hdschr.  D  L  und  M  nicht 
enthalten  ist,  eine  Interpolation,  ja  selbst  der  Corrector  von  L 
kannte  ihn  nicht,  er  entfällt  also  ganz.  In  corrupter  Gestalt 
ist  überliefert  ein  zweiter  hieher  gehöriger  Vers 

5tt£  [XIV  uVo{;  ts^&'sipfiq  d^^Xocae  ic^rpr^;  CXLII  Argum.  2 
wo   also   gar  Längung   in   der   I.  Thesis  Platz   greifen  sollte. 
Das  Richtige  vermuthete   Hilberg,   Silbenwägung  33,  nämlich 
&9nccT6.    Nach  Abzug  der  genannten  bleiben   noch  eine  Beihe 
gleichartiger  Fälle  übrig  und  zwar  zunächst  solche,  bei  denen 
der  gelängte  kurze  Vocal  der  Dativausgang  i  ist: 
ouX^  £V  thorfit  Xtxaveuoare  7C0(|jiva  %6a\M\i  XCV  16  III 
aijOtg  8*  sudxaö^i  fjieiXioasTO  rxiyuona  atfj]  CVI  59  III 
Tzpoi;  TpioxaiBEXöExt)  $sxaBi  Xt-p  ißSopwv  trt{  CXXXVII  Argum.2IV 
TC^fjixTov  Itz*  iY^ooTY)  8exaSt  [UXoq  ioOXbv  aeiSwv  LXXXV  Aigum.  I IV 
icili-rtTOv  i(f'  ivSsKÄTj)  SexiBt  |x^Xo<;  aXXr/Aouta  CXV  Argum.  IV 
exTov  £9'  IvSexaTY)  BexaBt  [xsXo?  aXXtj/^ouia  CXVI  Argum.  IV 
aXX'  £7C'.8apa^^Gaq  o^^veV  [LV{(xKO^to  tcoiijltijv  XX  26  IV 
Alle  diese  Längungen  sind  nicht  als  solche  vor  Liquiden 
aufzufassen,  da  Apollinarios  auch  vor  anderen    einfachen  Con- 
sonanten  sich  deren  gestattet  hat  beim  Dativausgang,  z.  B. 
[XTj  xv^^aV  Or^TjTot  tiat  izpo^aYficfzai  Ip^OL  LXXXVII  27  11 
euflCY^t  8'  f^XenJ/a  ^ilol^  TcepixaXXe^  eXoicp  LXXXVIII  41  II 
Iv  oTüiizai  ßafftXYjo?  cwoupavioio  Stauet  XC  2  II 
xfltprsV  TcavoBcv^t  xal  ojxbv  0p6vov  «(jL^nroXsuov  Praef.  56  HI  (Lud- 
wich im  Hermes  XIII  338) 
x£ü06[jL£vo?  xvi^aV  •  xb  vap  ^öfiXev  oXxap  iXio^ai  XVII  24  IH 
0^  8a|i.ap  i^pisptSt  i:avo|i.oi'o?  oTxov  £pi^]/£t  CXXVII  5  III 
cTov  Zk  SiT]vcx^i  TÄir&p  2Bpaa£v  outo^  dvü>YY]  CXLVIII  12  III 
oeto  Oeorcpoic^cov  dexet  xarati^xoiJLai  oixii)v  CXVIII  iy;'  4  IV 
Diese  Längungen  des   i  sind  mit  den   früher  genannten 
vollständig  parallel,   so  dass  sich  aus  ihrer  Vergleichung  der 
Schluss   ergeben   muss:   der  Grund  der  Längung  des  i  ist  bei 
jenen  erst  angeführten  nicht  in  der  nachfolgenden  Liquida  zu 
suchen,  zumal  auch  in  der  HI.  Arsis  Längung  erfolgt  Vielmehr 
haben  wir  es  hier  offenbar  mit  äusserlichen  Nachahmungen  der 
Langerhaltung  des  dativischen  t  bei  Homer  zu  thun  (vgl.  Harte!, 
Hom.  Stud.  I  ^56  sq.).    Apollinarios  griff  ja  auch  in  anderen 


Stadien  zur  Technik  den  nftctahomerischen  heroischen  Venes.  753 

Dingen  bis  auf  Homer  zurück,    so  dass  uns  die  berührte  pro- 

sodische  Erscheinung  bei  einem  so  späten  Poeten  nicht  Wunder 

nehmen  wird.    Schliesslich  bleibt  noch  ein  Vers  zu  erwähnen : 

^  f'  oüx'  2)v  e(puT£jff£v,  hl  |i.e|i.VT(jaeTat  auiöq  LXXVI  15  IV 

Auch  hier  ist  die  Längung  des  i  in  ixt  nicht  auf  Rech- 
nung der  nachfolgenden  Liquida  zu  setzen,  denn  wir  lesen 
ebenso  vor  anderen  Consonanten  (resp.  auch  einem  Vocal) 
dieselbe  Längung: 

T^txpa  v6(i>  ircdbovreq  hi  xorca  tc6vtov  epuöpov  CV  16  III 

•:rtaXdou  izk'ifioYZ&q  ett  xspl  "pipao?  fi>pYj  XCI  26  IV 

elSe^  ova?  [l  ÄT^XeoTov  lit  ev't  •^aaxpi  TexouoY)?  CXXXVIII  30  IV 

Betreffs  der  Längungen  vor  Liquiden  folgt  also  Apolli- 
narios  den  Nonnianern,  indem  er  sie  vermeidet,  da  die 
scheinbar  einschlägigen  Fälle  sich  zumeist  als  Nachahmungen 
homerischer  Längungen  anderer  Art  erweisen. 


Nachdem  wir  auf  diese  Weise  die  sämmtlichen  im  nach- 
homerischen Hexameter  und  Pentameter  begegnenden  Fälle 
im  Einzelnen  betrachtet  haben ,  wollen  wir  nunmehr  alle 
Wortstämme,  vor  denen  sich  Längungen  ergeben,  in  einer 
Uebersicht  vereinigen. 

1.  Stämme  mit  dem  Anlaute  X. 

a)  Homerische  Fälle. 

XoxapTj    recipirt   von  ApoUonios  Rhodios,    Quintus  Smyrn. 

XsxTpov  rec.  von  Maxinios,  den  Orphischen  Argon. 

Xti^T***  rec.  von  Hesiodos. 

\iOLp6q  rec.  von  ApoUonios,  dem  Anonymes  «£pl  ßoxdvwv,  Quintus 

und  der  Anthologie. 
XiY*>po?  rec.  von  Hesiodos,  Quintus,  den  Orphischen  Hymnen, 

den  Orakeln  des  Porphyrios. 
Xrf6(;    rec.   von   den   Homer.   Hymnen,  von  den  Idyll.  Incert., 

ApoUonios,  Quintus,  Tzetzes. 
Xixapo^  rec.  von  Hesiodos,  Kallimachos,  ApoUonios,   Dionysios 

Periegetes,  den  Epigrammen  ed.  Eaibel. 
XT^  rec.  von  Idyll.  Incert. 
Xd^o^  rec.  von  ApoUonios. 


754  Biaek. 

b)  Anlehnung  an  Homer. 

X(OaS  bei  Aratos  (Homer  X{0o^). 
Xo^  bei  Aratos  (Homer  X6fo<). 

c)  Neue  Bildungen. 
"k&oiq  Incert.  Idyll. 
XoßuptvOo;  Anthologie. 

XaY(i>v  TheokritoB,  Incert.  Idyll.,  Apollonios. 
XaXti^  Anthologie. 
Xdcno^  Incert.  Idyll.,  Anthologie. 
Ai/t^ii  Hesiodos. 
Xe((jLcov  MoBchos. 
X^o<;  Apollonios,  Manethon,  Maximos,  Quintus,  Epigr.  ed.  Kaibel 

(Tzetzes  durch  Conjectur). 
XCßovo?  Porphyrios'  Orakel. 
Xtßdg  Apollonios? 
AtX6ßY)  Dionysios  Perieg. 
XtiAevCta^  (X(|jL€vop|i.{TiQg)  Anthologie. 
Xt{Avato(  Nikandros,  (XCfivr^)  Quintus. 
At[jb6^  Hesiodos. 
Xoß6^  Nikandros. 
X6yxiq  Anthologie. 
Ao^(i>  Kallimachos. 
XuYp6^  Orphische  Argonaut. 
Xuxißo^  Epigr.  ed.^Kaibel. 
Xuicpöc  Gregorios  von  Nazianz. 

2.  Stämme  mit  dem  Anlaute  \l, 
a)  Homerische  Fälle. 

[jLa(6{  Quintus  (Orphische  Lithika?,  Tzetzes  durch  Conjectarl. 

|jiaXax6<  Hesiodos,  Homer.  Hymnen,  Anthologie. 

jjLiartS  Porphyrios'  Orakel. 

[Ktfapo^*  Hesiodos,  Homer.  Hymnen,  Asios,  Antimachos,  Apollo- 
nios, Manethon,  Maximos,  Dionysios  Perieg.,  Quintus, 
Orphische  Argonaut.,  Orphische  Lithika,  Orphische  Frag- 
mente, Anthologie,  Epigramm,  ed.  Kaibel,  Tzetzes. 

(xiY«{  Hesiodos,  Homer.  Hymnen,  Iliu  Persis,  Solon,  Aratos, 
Kallimachos,  Apollonios,  Moiro  von  Byzantion,  QuintoB, 
Orphische    Argonaut.,    Orphische    Fragm.,    Orakel   ed. 


Studien  lar  Technik  des  naobhomeriseheB  heroischen  Yeraes.  755 

Heudess,  Sibyllin.  Orakel,  NonnoS;  Gregor,  von  Nazianz, 
Tzetzes. 
[uXCtj  Quintus. 

4  

\kiXoq    Empedokles;    Incert.   Idyll,    Maximos,    Oppianos    Kil., 

Quintus,  Gregor.  Naz.,  Tzetzes. 
{ievea{v(i>  Apollonios. 
{xiap6^  Sibyllin.  Orakel. 
{xdOo(;  Hesiodos,  Quintus. 
(loipa  Manethon,  Tzetzes  ((Aoipvrfevi^;). 
(AupixT]  Quintus. 

b)  Anlehnung  an  Homer. 

MeXttv)  Apollonios  (Homer  {A$Xiv)8i^g). 
{Aspoq  Quintus  (Homer  (xoTpa). 

c)  Neue  Bildungen. 

\kxMLp  Empedokles,  Porphyrios'  Orakel,  Epigramm,  ed.  Eaibel 
(MdoLopiq  Eigenn.). 

MipoOo^  Dionysios  Perieg. 

MipSoi  Dionysios  Perieg. 

piX^'O^  Manethon. 

{jL^XoOpov  Sibyllin.  Orakel. 

MeXovCinDf]  Apollonios. 

{jLe)i.aviQ|jisvo^  (und  (^.^vt;)  Sibyllin.  Orakel. 

\u[iMii^  Sibyllin.  Orakel. 

|xivü>  Aratos. 

pipo^  Homer.  Hymnen. 

\Umoi;  Apollonios,  Nikandros,  Dionysios  Perieg.,  Quintus,  Antho- 
logie ((jtiaorrO(;),    Gregor,  von  Nazianz    (yiaonoq)^   Eudokia. 

{jLeTaßi>A(i)  Tzetzes. 

Mifieia  Oppianos  Syr. 

\»'i'^dq  Apollonios. 

picY^  Elratosthenes,  Epigr.  ed.  Eaibel. 

|a6Xi^  Apollonios. 

(AoX6vfD  Orakel  des  Zoroaster. 

Moi)9a  Anthologie. 

pu^fa)  Quintus. 

|AuOo^  Apollonios. 

Muao{  Tzetzes. 

(Aucn^ptov  Orphische  Hymn. 

Bitnagtbw.  d.  phfl.-hiit.  G.  ZCV.  Bd.  m.  Hfk.  49 


756  Eift«b. 

{i^^oTO^  Quintus. 
{juMJv  Quintus. 

3«  Stämme  mit  dem  Anlaute  v. 

a)  Homerische  Fälle. 
veupi^  Hesiodos,  Incert.  Idyll.;  Quintus. 
v£(pdXT3  ApoUonios. 
v^90(;  Homer.  Hymnen,  Theokritos,  Aratos,  ApoUonios,  Quintus, 

Orphische  Argonaut.,  Tzetzes. 
v^Cü)  Theokritos. 

vKpii;  Anthologie,  Nikandros  (vt^ei;),  Quintus. 
v5to^  KallimachoB,   Nikandros   (votecdv),   Dionysios  Perieg. 
vufjL^T)  Homer.  Hymnen^  Orakel  des  PorphyrioS;  Epigr.  ed.  Kaibel. 
vuaaa  Gregor,  von  Nazianz. 

b)  Neue  Bildungen. 
va((i>  (vaaaeoOai)  ApoUonios. 
vauTy)<;  Kallimachos? 
v^xu<;  Quintus,  Tzetzes. 
v^fjio)  Nikandros. 
v^o{  ApoUonios. 
Veto;  Epigr.  ed.  Kaibel. 
vTj6<;  (durch  Conjectur)  Homer.  Hymnen. 
Nixcixi^Bt];  Epigr.  ed.  Kaibel. 
Ntpeu;  Quintus. 
Nioffoi;  Quintus. 
v6(JL0(;  Hesiodos. 
Nop.(je$e(;  Dionysios  Perieg. 
v6oc  ApoUonios,  Epigr.  ed.  Kaibel  (vou;). 
voep6<;  Gregor,  von  Nazianz 
v6oTO<;  Sibyllin.  Orakel? 
v6^  Gregor,  von  Nazianz. 
vü)TOv  Empedokles. 

4.  Stämme  mit  dem  Anlaute  p. 

a)  Homerische  Fälle. 

^d  und  zwar  5  ^a:   Aratos,    ApoUonios,   Nikandros,   Dionysios 

Perieg.;  t6  pa:  Antimachos,  ApoUonios. 
paßSo;  Kallimachos. 
po^c;  Nikandros. 


Stadien  lur  Technik  des  nachhomeriiicben  heroischen  Verses.  757 

^^eOpov  Tzetzes  (Hom.  'PeTSpov). 

^ii^ta»  Homer.  Hymnen^  Eleanthes,  Theokritos,  Incert.  Idyll, 
ElallimachoB,  ApoUonios,  Lesbi  Ktisis  incert.  auct.,  Or- 
phische  Argonaut.,  Orakel  ed.  Hendess,  Eudokia. 

TeiiQ  Hesiodos,  Homer.  Hymnen,  Orphische  Fragm. 

^e(i>  ApoUonioB,  Dionysios  Perieg.,  Oppianos  Eil.,  Sibyllin. 
Orakel. 

pT;7{ji(v  Homer.  Hymnen,  Empedokles,  Peisandros,  ApoUonios, 
Oppianos  Kil.,  Orphische  Argonaut.,  Anthologie,  Musaios. 

^i^Yvu|jit  Hesiodos  (^tj^vcdp),  Quintus,  Sibyllin.  Orakel. 

^iffOü>  Homer.  Hymnen. 

^pv]  Nikandros  (Hom.  ^t]ti^p). 

pis«  Homer.  Hymnen,  ApoUonios,  Nikandros,  Theodotos,  Oppia- 
nos KU.,  Eudemos  (Theriaka),  Anthologie. 

pcv6^  Hesiodos,  ApoUonios,  Oppianos  Syr. 

picv  Homer.  Hymnen,  Quintus,  Nonnos,  KoUuthos. 

piici^  Homer.  Hymnen,  E^Uimachos,  ApoUonios,  Dionysios  Pe- 
rieg.,  Oppianos  Kil.,  Quintus. 

p^;  Oppianos  Syr. 

ToBav6^  Oppianos  Kil.  (bei  Homer  jedoch  nicht  als  Eigen- 
name). 

ToSto^  Hesiodos. 

p68ov  Homer.  Hymnen,  Theokritos,  Incert.  IdyU.  (durch  Con- 
jectur),  Kallimachos,  ApoUonios,  Rhianos,  Anthologie. 

foil^c;  Nikandros  (potl^v^Ba),  Oppianos  Elil.,  Anthologie. 

pooq  AntimachoB,  Incert.  Idyll.,  Kallimachos,  ApoUonios,  Sim- 
mias,  Dionysios  Perieg.,  Quintus,  Nonnos. 

poxaXov  Rhianos,  Anthologie. 

po/6og  Nikandros  (Homer  ^oyfiita). 

^6<;  Anthologie,  Tzetzes. 

pwfjp  Triphiodoros. 

p<i)^iov  Homer.  Hymnen,  Dionysios  Perieg.  (^(>h|/),  Quintus. 

b)  Mit  Anlehnung  an  Homer. 

paton^p  KaUimachoB,  ApoUonios  (^aiTn^pio;),  Anthologie. 

^0^  ApoUonios. 

pi^v  ApoUonios. 

piTtb)  Timon,  Nikandros,  Eratosthenes  (?),  Anthologie. 

po6eov  ApoUonios. 

49* 


758  Rxach. 

^uTCap6<;  Sibyllin.  Orakel. 
^üxset?  Anthologie  (Hoin.  furcöw). 
^üTtg  Anthologie  (Hom.  f>üTiip). 
^ut6^  Anthologie  (Hom.  ^ur/ip). 
^ü)X(iL6^  Apollonios. 

c)  Neue  Bildungen. 

^aSaXö^  NikainetoB. 

^adtv6<  HesiodoSy  Theokritos,  Anthologie. 

^dii^  NikandroB. 

^a(v(i)  ArchestratoBy  Nikandros  (j^ovD^p),  Anthologie. 

^oc/i^  AratoSy  QuintUB^  Nonnos. 

^i^oq  Incert.  Idyll.,  NikandroB,  Anthologie,  Gregor,  von  Nazianz. 

'Pf|TO?  Hesiodos. 

TotTYjC?  Anthologie,  TotTeta<;  Triphiodoros. 

•Pwfjir^  Sibyllin.  Orakel. 

pta)0|jLa(  Iliu  PersiB,  Epigr.  ed.  Kaibel,  Tzetzes. 

Aus  dieser  Uebersicht  ergibt  Bich,  wie  erheblich  die  Neue- 
rungen der  nachhomeriBchen  Dichter  sich  darstellen.  Während 
wir  nämlich  55  Ausdrücke  vorfinden,  die  bereits  bei  Homer 
Längung  aufweisen,  kommen  an  neuen  hinzu:  1.  14,  die  im 
engen  Anschlüsse  an  homerische  Fälle  gebildet  sind;  2.  71  ganz 
selbständige.  Als  bedeutendsten  Neubildner  müssen  wir  Apol- 
lonios  Rhodios  bezeichnen,  den  Hauptrepräsentanten  des 
jüngeren  alexandrinischen  Epos.  Die  zweite  Stelle  nimmt  (wenn 
wir  von  den  Sammelpoesien,  wie  die  Sibyll.  Orakel,  Antho- 
logie etc.  absehen)  sein  Nachahmer  Quintus  ein.  Bedeutsam 
treten  auch  andere  Alexandriner  neben  Apollonios  hervor,  so 
Eallimachos  und  die  Idyllendichter,  weiter  Aratos  und 
Nikandros.  Eine  bemerkenswerthe  Erscheinung  ist  Dionysios 
Periegetes,  der  als  Nachahmer  des  Apollonios  gleichfalls  mehr- 
fach Neubildungen  sich  gestattet,  doch  mit  der  Beschränkong 
auf  Eigennamen,  die  in  seinem  Werke  eine  so  grosse  Rolle 
spielen.  Nur  mit  dem  überkommenen  Materiale  arbeiten,  so 
weit  uns  die  erhaltenen  Stücke  belehren  können,  Kleanthes, 
Asios,  Peisandros,  Antimachos,  Numenios,  Maximos,  Simmias, 
Moiro,  Rhianos,  Theodotos,  der  Dichter  der  Lesbi  EtisiB, 
Oppianos   Kilix,   Eudemos,   die  Verfasser  der  Oracula  graeca 


Studien  snr  Technik  de^  naehhomeriscben  heroischen  Verses.  759 

ed.  Hendess,  die  nonnische  Schule  (Nonnos,  Triphiodoros  [wenn 
wir  den  auch  in  der  Anthologie  mit  einer  Längung  begegnenden 
Eigennamen  ToiTeei;  ausser  Betracht  lassen],  KoUuthos,  Mu- 
saios);  dann  Eudokia.  Im  Ganzen  also  sind  es,  mit  Ausnahme 
der  nonnischen  Schule,  nur  Dichter,  von  denen  uns  verhältniss- 
massig  geringe  Reste  erhalten  sind,  so  dass  weitere  Schlüsse 
misslich  werden.  Besonders  klar  aber  wird  auch  aus  diesem 
Umstände  die  Sonderstellung,  welche  Nonnos  mit  seiner  Schule 
einnimmt.  Da  es  bei  ihm  zuerst  deutlich  zum  Bewusstsein 
kommt,  dass  die  vocalisch  auslautenden  kurzen  Silben  im  Laufe 
der  Zeit  nicht  mehr  die  Kraft  behielten  gelängt  zu  werden, 
so  beschränkt  er  die  Längungen  vor  Liquiden  auf  wenige  her- 
gebrachte Fälle,  ohne  selbst  irgend  Neues  zu  wagen.  Alle 
übrigen  nicht  eigens  genannten  Dichter,  deren  Erzeugnisse  in 
hexametrischer  Form  oder  in  Distichen  abgefasst  sind,  haben 
sich  der  Längungen  vor  Liquiden  im  Inlaute  enthalten ;  nament- 
lich gehört  hieher  fast  die  ganze  Gruppe  der  Elegiker. 


Der  Längung  vor  Liquiden  im  Anlaute,  die  wir  bis  jetzt 
betrachtet  haben,  entspricht  eine  solche  im  Inlaute,  die  im 
Wesen  nicht  von  jener  unterschieden  ist.  Sind  es  doch  die- 
selben Stämme,  bei  denen  sie  begegnet,  nur  sind  diesmal  die 
beiden  Wörter,  die  in  jenem  ersten  Falle  noch  neben  einander 
standen  (ivl  iLS-^ipoiaisi)  noch  fester  zu  einem  Ganzen  zusammen- 
geflossen (xoTSvsöü^).  Diese  Längung  im  Inlaute  können  wir 
an  zwei  Gruppen  von  Ausdrücken  wahrnehmen :  an  zusammen- 
gesetzten Wörtern  (ifKOpprii^aq)  und  an  augmentirten  Verbal- 
formen (ippTi^t),  Da  aber  das  Augment  wesentlich  auch  als  ein 
Wortbestandtheil  gefasst  werden  kann,  wie  ich  mit  Hartel 
(Hom.  Stud.  I  ^17.  18)  annehme,  so  ist  es  begreiflich,  warum 
die  Sprache  in  Bezug  auf  unsere  Frage  zwischen  wirklichen 
Compositis  und  Augmentformen  keinen  Unterschied  machte. 
Da  wir  es  hier  mit  den  nachhomerischen  Dichtern  zu  thun 
haben,  so  kann  es  nicht  unsere  Sache  sein,  Erörterungen  über 
die  Entstehung  der  Längungen  resp.  Doppelungen  der  Liquiden 
im  Inlaute  anzustellen,  zumal  die  Frage  von  den  oben  genannten 


760  Rsacb. 

Forsehern  in  scharfsinniger  Weise  discutirt  worden  ist.  Wesent- 
liche Unterschiede  zwischen  den  älteren  und  jüngeren  Dichtem 
ergeben  sich  nicht,  daher  betrachten  wir  sie  zusammen. 

Wie  bemerkt^  ist  die  Doppelung  der  Liquida  im  Inlaute 
(wie  wir  kurzweg  sagen  wollen)  ebenso  wie  die  Längung  im 
Anlaute  an  bestimmte  Wortstämme  geknüpft.  Während  aber 
die  letztere  ausnahmslos  nur  in  der  Arsis  eintreten  kann^  erhält 
sich  die  Doppelung  im  Inneren  der  Zusammensetzung  unter 
besonderen  Umständen  bei  gewissen  Stämmen  auch  in  der  Thesis. 
(Ueber  die  homerischen  Fälle  vgl.  jetzt  besonders  Knös,  de  dig. 
hom.  quaest.  III  240).  Beide  Arten  begegnen  uns  sowol  in 
der  homerischen  Poesie,  als  auch  bei  den  späteren  Dichtem 
in  äusserst  zahlreichen  Beispielen.  Diese  letzteren  folgen,  wie 
wir  das  auch  bei  den  Längungen  im  Anlaut  gesehen  haben, 
theils  den  homerischen  Vorlagen,  theils  schaffen  sie  selbst  neue 
analoge  Fälle.  Doch  nicht  dies  Moment  allein  werden  wir  bei 
der  Detail  Untersuchung  zu  beachten  haben,  wir  müssen  aueb 
Rücksicht  nehmen  auf  die  rhythmische  Beschaffenheit  des  ersten 
Wortbestandtheiles^  indem  hieraus  gewisse  Normen  resultiren. 
Diese  sind: 

1.  Bei  Compositis  (resp.  augmentirten  Verbalformen), 
deren  erstes  Wortglied  einsilbig  ist  (also  z.  B.  oXXtjxtoc  IXa2^£ 
afXfJLopoq  avv^f  £Xo^  (xppr^xTO<;  SppYj^e),  steht  die  gelängte  Silbe  in  einer 
der  Hebungen,  mit  Ausnahme  der  IIL  und  VI.,  oder  aber  in 
der  2.,  resp.  4.  Thesis. 

2.  Bei  Compositis,  deren  erster  Bestandtheil  pyrrhichisch 
ist,  steht  die  genannte  Silbe  in  einer  der  Hebungen,  mit  Aus- 
nahme der  I.  und  III.  (gewöhnlich  in  II.  oder  IV.,  selten 
in  V.,  noch  seltener  in  VI).  Nur  in  der  archaischen  Poesie 
ist  dies  auch  in  der  IIL  Arsis  gestattet. 

3.  Bei  Compositis  mit  trochäischem  ersten  WortgHede 
steht  die  gelängte  Silbe  in  der  2.  oder  4.  Thesis,  seltener  auch 
in  der  IV.  oder  V,  Arsis. 

4.  Ist  der  erste  Wortbestandtheil  rhythmisch  ein  Tri- 
brachys,  so  wird  das  Compositum  so  behandelt  wie  eines  mit 
pyrrhichischem  ersten  Gliede,  repräsentirt  er  aber  einen  Amphi- 
brachys  ( —  -  z.  B.  >ieXatvSpivo^),  so  kann  die  Längung  nur 
in  der  2.  oder  4.  Thesis  erfolgen.  Andere  rhythmische  Formen 
kommen  nicht  vor. 


Studien  snr  Teehnik  duB  aachhomeriachen  heroischen  Verses.  761 

Hiernacli  kann  die  gelängte  Silbe  in  der  Vers  Senkung  nur 
stehen,  wenn  der  erste  Compositionstheil  einsilbig  oder  tro- 
chäisch ist  oder  aber  einen  Amphibrachys  ausmacht.  Zugleich 
erscheint  diese  Stellung  auf  die  2.  und  4.  Thesis  beschränkt. 
Was  etwa  sonst  von  Fällen  in  anderen  Senkungen  begegnet, 
stellt  sich  entweder  als  homerische  Reminiscenz  oder  aber  als 
schlechte  Ueberlieferung  oder  endlich  als  Mangel  metrischen 
Gefühles  seitens  des  betreffenden  Versemachers  heraus. 

Um  die  Längungen,  respective  Doppelungen  in  der  Arsis 
von  denen  in  der  Thesis  auch  äusserlich  scharf  zu  scheiden, 
werden  wir  sie  getrennt  nach  einander  betrachten. 

A.  Doppelte  Liquida  im  Inlaute  In  der  Arsis. 

Wir  werden  hier  mehrere  Gruppen  unterscheiden,  und  zwar : 

P:  Aus  Homer  entnommene  Fälle. 

P :  Fälle,  die  zwar  bei  Homer  vorliegen,  doch  mit  anderem 
ersten  Bestandtheil ;  so  z.  B.  gebraucht  Aratos  die  Längung 
xacTSjxeXeVoTt ,  während  bei  Homer  die  Verbindung  SiaixeXeVcTi 
begegnet. 

II.  Längungen,  respective  Doppelungen  der  Liquida  im 
Inlaute  bei  Wörtern,  die  bei  Homer  nur  im  Anlaute  Längung 
zeigen,  z.  B.  ApoUonios:  iroXuppivov  vw^a«  aaxo^  F  1231,  während 
wir  bei  Homer  ias  5'  d^rb  ptv6v  E  308  lesen. 

III.  Längungen  im  Inlaute,  die  in  den  homerischen  Ge- 
dichten weder  im  In-  noch  im  Anlaute  nachweisbar  sind.  In 
dieser  Gruppe  fassen  wir  in  der  Abtheilung 

in^  alle  die  Fälle  zusammen,  bei  denen  andere  nicht- 
homerische Vorbilder  nachgeahmt  erscheinen;  so  bildet  z.  B. 
ApoUonios  die  Form  TaXoxov  B  881  dem  Homer.  Hymn.  V  87 
nach.     Die  zweite  Unterabtheilung 

IIP  endlich  umfasst  die  selbständigen  neuen  Bildungen 
eines  jeden  nachhomerischen  Poeten. 

Die  erwähnten  Bezeichnungen  I*,  P,  II,  HP,  HP  sind 
in  den  folgenden  Detailausfuhrungen  beibehalten. 


762  Hiaeh. 


HesiodOB. 

IXXaßev:  oxait]   Se^nepi^   ik  iteXc^iov   IXXaßev  fipinjv  Th.  179  V 

Hom.  V7CS  Te  xpqAog  iXXoße  YuXa  F  34  V 
eu  [ApLeXCt]^:  dl>^  Iforc'  ouB'  ipa  Kuxvo^  6U{A(jl6Xiv3^  ifjievotva  A.  368  IV 

Hom.  üavOöou  ulb^  eujAiJieXtij^  a\U'hiüVf  P  9  IV 

4>rAXov  iu)A[jLeXiT3V  Tdxe  xi)  MeXißoia  Fr.  134  G.  II 

Hom.  Tcop  3'  ap'  iu[A|AeXiT]v  IletatoTparcov  v  400 II 

^iXofAfJLeiSi^^:  rXo»xov6(i.r|Te 9 iXo [A(jl6 tdt; ; xal novTOic6p£taTh.256III 

icotS*  drraXa  ^pov^vra  ^cXofAiJiecdvj^  Af^poStTv;  Th.  9891 V 
tjjaiv  8^  9tXo(ji|jie(3^|(;  AfpoWtT;  Fr.  206.  1  IV 
Homer.  Formel  ^iXofAfjLstdv]^  'A^poStTTi  A  10  IV 
appiQXTo^:  (ji.o6vv|  V  ouröOt  iXm^  iv  appi^xTotat  Söpiotffcy  £.  96  IV 

Hom.  Tv'  (£ppt)XTO(;  icdXtg  ew;  *  447  IV 
ancppaCd):  (ai^  ttv'  axoppaCcetv  Ysp^<*>v, '^tfAYjv  ^^  ^°^oy  Th.  393 11 

Hom.  xn^iAor'  dhcoppaCast  a  404  II 
deppiQto^:  ^Tc{  t    appiQtoi  ts  Acbg  {aeyoIXoio  exiqtc  E.  4  II 

Bei  Homer  steht  die  erste  Silbe  von  d^pi^to; 

nur  in  der  IV.  Senkung  und  zwar  §  466  0  7:ip  V  oppr,- 

Tov  apietvov;  doch  vgl.  TC0Epippif2To{  t  eic^eaotv  I  526  IV 

ive^{ppexTO(:  [krfi*  omb xutpowöSwv dveTctpp^xTcov aveX6vTa E. 748 IV 

Hom.  56{  TCfltvre?  ewippi^eoxov  65iTat  p  211  IV 
Ippeov:  {ppeov  ex  xe^aX^cov,  tj/iXcaxo  $£  xaX3(  xopr^va  Fr.  42.  3  I 

Hom.  Sppeev  Ix  (ieX^ci>v  X  600  I 
d();6ppoog:  SecvY]  Stu^  OuYobgp  di();opp6ou  'OxeacvoXo  Th.  776  IV 

Hom.  Hemistichion  u  65 IV  (dagegen  ist  nicht 

hieher  zu  ziehen  dl^oppov  Th.   658,   das  zu   einer 

ganz  anderen  Wurzel  gehört,  vgl.  Curtius,  Qrdz.^546). 

xaXXtppoo^:  yi-rfii  tcot'  aevoicov  i:oTa{juI)v  xaXX{ppoov  t>dfa)p  K  737  V 

5oT6  AiXadfjOev  wpox^si  xaXXCppoov  &8(i>p  Fr.  202  V 
Hom.  Hemistichion  z.  B.  B  752  V 
i:ep{ppuTO{:  ßoumv  stc^  etXncöSeaai  ipep t p puxo)  £tv 'EpuOeCv) Th. 290 IV 

IwXt;t'  2vÖev  licewa  weptppuTov  TxeTO  K6i:pov  TL  193 IV 
Hom.  xaXt]  xac  TcCeipa,  Tcepipputo;  t  173  IV 
ßaOuppc{Tir]g:  6a6(jLa^  8'  X2xeavoTo  ßa6uppe(Tao  Guyarpa  TL  265 IV 

Hom.    doik    ßaOuppetToo   \kVfa    oOdvo^    Dxsovstb 
O  195  II 


Studien  znt  Technik  den  nachbomerischen  hnroiselien  Verses.  763 

iuppeCTiQ^:  n/jvse6v  te  xat ''Eppiov  duppeCxiQV  Te  Kiixov  Th.  343  II 

Hom.  nepixcoiot  Ä'  Af)füi"ov  iüppeiTYjv  ix6(i.£96a  $  257  IV 
e pp CO ovTo:  FopY^ve?   dcTcXi^Tot  t6  xal   ou  ^orcat  IppwovTO  A.  230  V 

Hom.  x«iTai  S'lppc&ovro  W  367  II 
i^rsppioffavTc:  xaXou?  i|A6p6evTag  •  d7cepp<«)aavT0  5^  ::oaa{v  Th.  8  IV 

Hom.  xpLvion  ^pp4i)9avTo  avax.To^  A  529  IV 
::oX6ppr|V:  sv  5'  dtvops^  vatouci  TCoX6ppYjvs^  woXußourai  Fr.  80.  3 IV 

Homer.  Vers  I  154.  296  IV 
2170 pp {^T(i>:  lyßdai'i  ap.f{ßXv2aTpov  aicoppid/ovTt   eocxcü^  A.   215  IV 

Hom.  jJLijviv  dbroppiipovra  xeXofp.Tiv  I  517  IV 
i^tppoOog:  dLp(JiaX(^(;  *  {Mcxpat  y^cp  inCppoOot  eufp6vai  eioi  £•  560  IV 

Hom.  To(iQ  dl  swippoSo?  9jev  AÖi^vtq  A  390  FV 

P. 

2(1.9  (ppuTo^:  ß^^^  ^^^^^  e!X(?c63ci>v  dfA^ippOTO)  etv  "EpuOefv]  Th.  983 IV 

Bei  Homer   steht   dfji^ipuTo^   nur   ohne  Längung 
im  Inlaute;    respective  Doppelung   der  Liquida^ 
z.  B.  vifjaü)  h  djA^ipOTV]  a  50 
aTToppuTO?:  xpT^vrj^T'  aeviou  xai  dicoppuxou,  ^  V  a86X(«)TO{  E.  595 IV 

Vgl.  Hom.  TcspippuTo^  T  173  IV 
Tavuppt^o^:  aiYStpoi  ts  Tav6ppi?oi   ^i^YvuvTai  uoc'  auxoSv  A.  377  III 

Hom.  hat  wpöppi^ot  irfircoufftv  A  157  I 

II. 

aT5Xe((J;aq:  5?  xev  Tt)v  eiHopxov  aitöXeCd^aq   eTCSfJLCjaT)  Th.  793  IV 

Hom.  59pa  XeitpovTe  xioit7)v  Q  285  IV. 

m 

A  |jts iXo^t « t:  N£()ceöi  ts  ^6ü8^a<;  le  Aö^ouc;  Afjif  iXoy^'^«;  te  Th.  229  V 
9'.Xo(JL|Jiir]8i4c:  i^il  ^tXofjLfivjS^a,  Sri  [jLT}3iu>v  e^e^adivOiQ  Th.  200  II 

Bekannte  nüchterne  Interpolation^  durch  ety- 
mologische Spielerei  aus  dem  echten  Epitheton 
^iko[L[L&ii^q  veranlasst. 

Homerisohe  Hymnen. 

I\ 

eXXaßev:  &^  H  (i.tv  xpaSCvjv  i^oi;  IXXaßsv,  OL[k^\  ik  yiakoL^  Y  40  IV 

Hom.  z.  B.  e  371  IV 


764  Rift  eh. 

|j.£TatXXi^^ete:  i^OaXfiotatv   {Souaa  fjLCTaXX/j^ece  yßXoio  V  339  IV 

Hom.  ixeTaXXi5$avn  x^Xoto  I  157.  261.  299  IV 

ccoXuXXta70<;:  aXX'  ^7'  sv  vYjowt  xoXuXXiatoiffi  (jievouja  II 169  IV 

^OTO  Oeöv  iicaveuöe  TcoXuXXtaTW  evl  vtjw  V  28  IV 
Hom.  woX6XXiaTov  H  a   Ixivw  e  28  IV 

f  tXo(ji.p.et8i{g:  di(jLvaTa(  €v  ^iXott^t'.  (PiXofJLiietSv];  "A^poBtTi;  IV  17 IV 

ifih  *fz\oviiQa(ja   9tXo{JL{xeiSt;;   A®po8iTrj    IV  49  IV 
Tdv  8^  IwsiT«  iSoOaa  f(Xo[X)Jiei8T]^  'A^poJiTtj  IV  56 IV 
yUp\^io  %oa[i.rfisXQa  9iXo)jip.ei8i3g  A^po^iTi;  IV  65  IV 
S^  eixwv  Xiße  y/ipa  •  fiXo(JL{jLet8Yjq  8'  'A^ccJit»;  IV 
155  IV 
Homer.  Formel  z.  B.  A  10  IV 
Schlecht   ist   die    Ueberlieferung    von  Cod. 
BC  (piXojjietSda  III  481  statt   ^tXoxuS^o,   da  die 
Liquida  immer  doppelt  erscheint. 

a[A(jiopo(:  IqV  aTeXT)^  Upcov,  5;  t'  dl)ji)Jiopo<;,  ovncoO'  ^(loiw^  V481  IV 

Hom.  xal  2|x'  ^jxiJLopov  Z  408  IV 

«Yöfvvifo^:  6u8(tq  8'  Ix'  'ö^yH''''^ov  äy*^^'?®^?  oOivaToi 8d  III  325 IV 

aijwppot  xpb? 'OXufA'TCOv  ÄY^^^^f®^  ippci)ffavTO  III  505  lA^ 
Hom.  wpbi;  'OXufiwov  aY^^^^^^o*'  -^  ^20  IV.  Das 
Wort  ist  nicht  aus  oYor;  und  St.  vifo  zusammeo- 
gesetzt,  sondern  or^a-  und  W.  ovt^ ;  r/ov  kommt 
bei  Homer  noch  gar  nicht  vor,  Composita  wie 
dtYaxXuTÖi;  zeigen  den  richtigen  Sachverhalt  klar, 
vgl.  Knös,  dedig.  III  231;  Curtius,  Grdz.  *318. 

^ p u  j 6 p  p a z  1? :  vüv 8^ |i.*  dvifpica^e  •/^p\jtj6ppcc'j:i^  'Ap^eif övnj^;  IV 1 17 IV 

Iv8ev  fji'  ijpica^ß  XP^^^PP*'^^?  *ApYsVf6vTiQg  IV  121 IV 
etg  *Epeßo^  wdfx^e  xp'^^^ppa'tiv  ApYet96YXYjv  V535ß 
xat  ou  KaoiYvv)Te  xP'<J9^pp«^()  l^i^  [xexiXeue  III 539 IV 
dcYYsXe  Ta>v  |Aoex0lpu>v,  XP^^^PP^''^')  8ü>T0p  ^occuv  XXIX 

8  IV 
XaTp£  Kp6vou  MYOtrep,  06  xe  xat  xp'^^^^PP^^'^  '^1^^^ 
XXIX  13  V 

Hom.  'Ep(jie{a^  xp^^^PP*'^^  avTeß6Xr<a6v  x  277  IV 
'Epfiieia  xP^^PP^^t  e  87  IV 
i^ dp p 00^:  Xeuwe  Oei,  xat  tuovtov  dcY^ppoov  ix^uöevia  V  34  IV 

Hom.  xop*  ÄYappoov  *EXXi^,otcovt3v  M  30 IV;  wepen 
der  Zusammensetzung  vgl.  oben  arfcmifoq 


Studien  nir  Technik  dM  ttaehhomeriBclien  beroisehen  Tezses.  765 

ßjeOuppooq:  bjpviir^ dnc' "QxeovoTo  ßa 6upp6ou -  aütop *Ax6XXü)v III 185 IV 

Hom.  e§  axaXapps(Tao  ßa0upp6ou  ttxeovoTo  H  422 IV 
xaXXtppoo;:  4^X00  84  xpi^VTj  xaXXippoo^,  svOa  Spixatvov  II 122 IV 

oüvexi  (JLiv  xf^vY)  xaXX{ppooc,  d^onci^igae  II  198  IV 
Sr^\  [xaXa  xpi^vYj?  xaXXipp6ou  •  svOa  8'  avoxTt  II 207  IV 
Xwpov  IfQMd  ipoTOv  icpopieiv  xaXX(ppoov  Mwp  II  202  V 
(5aT6  AiXa{Y)66v  Tcpox^et  xoeXXCppoov  t>8a)p  II  63  V) 
Interpolation. 

Hom.   xpouvo)   8'  Txavov  xaXX(pp6(i)  X    147  IV; 
xaXXtppoov  &8ü)p  B  752  V 
ippwcravTo:  aij'oppoi  'rcpb^  T^Xüfxicov  «y^^'^'^ov  eppcocavTO  III  505  V 

xa(  TS  |jl6t'  diOavdToiGi  xaXbv  x^^po'^  ippii>aavTo  IV  261  V 
Hom.    alt'    afx^'  'AxeX<Ji)tov    ippcdaavTO   Q  616  V 
(a|jL;3p6aiat  8'  apa  x*^*^*'  STCspptJJcavTo  avocxToq  XXXIV 
14  IV)  Interpolation 
Hom.  Vers  A  529. 

l\ 
o:appi^8iQv:  aurap  STce*  la  ^xaaTa  8tappi^8iQv  ep(8aivov   III  313  IV 

Hom.  iropfltppiQTOt  t'  eic^ecciv  I  526  IV 

II. 

Xt6oppivoq:  TCStpT^vaq  8i3t  vwTa  XiOoppCvoio  x£^<*>^^  III  48  IV 

Conjectur  Pierson's  für  das  hdschr.  8ia  ^ivow. 
Bei  Hom.  ocepl  84  ^ivoi  [xtv60oucrtv  [x  46  IV 

IIP. 
sXXax^-  IXXaxev,  w^  toc  TupcoT«  8tiTpixa  Saafxb^  stux^  V  86  I 
Töi^  jX6Tavat6T4st,  Twv  IXXaxe  xoCpovoq  elvai  V  87  IV 

Diese  Form  ist  dem  homerischen  und  hesiodi- 
Bchen  IXXaße  nachgebildet,  und  zwar  der  erste 
Fall  in  I.  Arsis:  DwXoße  xop96peo^  Oivoero^  xtX. 
£  83,  der  zweite  in  IV.  Arsis,  z.  B.  xat  IXXaße 
Xeipi  Y£V£(oü  0  371  IV 
veoXXoüTo?:  ^  ^a  vsoXXoüto^,  TCpoxaX66fjiÄVoq  f|8ü{Jtov  &cvov  III 241 II 

Kykliker. 

W 
IXXaße:   IXXaße  ^op^Opeo^  Oivoro^  xal  [xoipa  xpaiatY^   Ilias   mikra 

Fr.  XVIII  5  I 

Hom.  Vers  E  83  T  477 


766  Bxack. 

9(Xo[jL[jL£tdi^{:  fl  8i  ow  ifju^wriXoi«  fiXo{ji[jLei8r|(;  'A^poBfnj  Kypr. 

Fr.  IV  1  ly 

Hom.  Formel  z.  B.  A  10  IV 

DanaiB. 

l\ 

&upp£i^^:  xp6oOev  iuppeio^  xotocijlou  Ne(Xoio  dcvoxTO^  Fr.  I  2  11 

Hom.  euppeTo^  tcotojjloIo  z.  B.  ^  1  IV  (wie  in 
IL  Arsis,  immer  in  IV  Z  508  S  433  0  265 
Q  692). 

Naupaktia. 

I». 

TCoXüppY;v:    otxia   vaieToaoxe  roXXupp/jv  xouXußowTYj?   Fr.  IV  2 IV 

Hom.  Iv  3'  avBpe^  vaioufft  icoX6ppT]ve^  iraXuß^ihz! 
I  154  IV 

MinyaB. 

I\ 
IXXaßov:  xop6pieu{  j^e  Xiptov,  oux  IXXaßov  !vSo6ev  5p[jiou  Fr.  12 IV 

Hom.  z.  B.  e  374  IV 

AriBteas  von  ProkoxmeBOB. 

I». 

::cXüppY)v:  ä^veiob^   wnroioi   ?coX6ppT2va{  xoXüßoOro^  Fr.  IH  3  IV 

Hom.  I  154  IV 

PBeudophokylidea. 

P. 

e^ifxoipaaOai:   FocTav  iTctjjLOipacrOat  deropxuTQ«;  v£x;k99iv   99  B.  II 

Hom.  xocvta  3(€[JioipizTo  8a{l^u>v  ^  434  IV 

Theognis. 

I\ 

dwoppi^?*^-    ßpox/ov   aicoppT^j$a^  •    ob    8'    ifxij^    9(X6ty)to^   ojAOpw^' 

1099  II 
ou§'    oY^upai  S^ouaiv  *  ^Tcoppif^aaa  S^  Se^pd  459  IV 
Hom.  8ea|ji.bv  d7;opp'/|^a{  Z  507  II 
eictppe'jcb):  Zeu^  ^dp  Tot  fo  TiXovrov  eTcippdwet  oXXote  aXX(i>^  157 IV 

Hom.  i^jMV  oticus  SXsöpo^  ewippixtj  S  99  IV 


Stndiaii  mr  Technik  das  BachhomeriMliaii  heroiacben  VenM.  767 

P. 

itapp-f^^a^:  tcoXXoxi  8'  i^(jbiXXv]ffa  8tappi^5*ff«  xaXv^S^  259  IV 

Statt   deqjLOv   deroppif^a^   existirte  Z  507   auch 
die  Variante  Beq^dc  Siapp4^^<  S-  ^'  ^^9  ^^^ 

IL 
xotxaiJ.d^p^'a^:  ^coavt  xaTajjLip^'aq  a7(jLaToqouxSmov950(Pentam.)II 

Hom.  ouTix*  §va  [Aip«];«^  x  116  II 

AisohylOB. 

P. 

roXuppiQvo^:  [Jioipa  xoXuppiQvov  ^caTpiSa  ^uofA^vou^  Fr.  III  2  (Pen- 
tameter) II 

Hom.  vote  icoX6ppiQvo^  X  257  II 


n. 

TirepCppuxo^:  xaXY)  xal  metpa,  xep(ppu7co{,  ouSlv  ^ouaa  Fr.VII2IV 

So  StephanuB,  vulgo  icep(pputo(.  Hom.  xiOiQpoev 
TS  ^uxa  Tcivra  !^  93  V.  Den  Vers  selbst  hat  Krates 
nachgebildet  dem  homerischen  t  173  ytak^  xat 
Tcfsipa,  xepCppuTO^  xtX. 

Empedokles. 

aToppa{b>:  ^[xbv  dxoppaiaavTa^  ^Sfjievai  i^ea  Y^ia  426  II 

6u{jibv  ä'iwCppaicacvTe  ^(Xa^  xora  crotpxaq  ISouffiv  447  II 
Hom.  Yx/iiLox   diroppatoet  a  404  II 

P. 

axoppoi^:  Y^a>8'  5ti  xavrwv  eifflv  dxoppoa{,  5aa'  Iy^vovto  337  IV 

Hom.  exippiet  i^6t'  IXatov  B  754  IV 

n. 

Xi06ppivo{:   x(xl   iiA  xv]p6)Ui>v  Te   Xi6opp{vb>v  ts  x^^^^^^  3^1^  ^^ 

Hom.  xept  8^  ^ivol  {Auv66ouatv  [jl  46  IV.  Das 
jetzt  im  Texte  des  hom.  Hymn.  III  48  stehende 
Xi6opp(voto  xeX(i>vt)^  ist  Conjectur  Pierson's. 

dxopp6xTe(T6at:  xp^  (^«v  dixopp6xTea6at 453  II 

Hom.  vuv  8'  5tti  ^ux6u)  ({;  115  II 


768  Riach. 

Timon. 

dippiQTO^:   xaaiv   Saoiq  SafJLvaftai,  li\k    dcppi^Toe^   t£  foioti;  te   123  IV 

Hom.  dIfppiQTOv  ^  466  in  der  4.  Thesis,  Hesiod. 
fiQToC  T*  d!ppY)To(  te  E.  4  II 
Ippei:  wdvTwv  {{jieCpouaav  *  6  8'  Ippst  "ppYaOo?  oirrij^  89  IV 

Hom.  ^pei  S'  aV«  P  86  II  xocvröSev  ix  {te/iuv 
TCoXü?  Ippeev  (»pÄi;)  D  110  IV 

Kleanthes. 

ippt^Äfftv:  Tou  fop  urcb  wXtjifii^  9656(1)^  xivt'  ippi^aatv  11  V 

Hom.  dcicepptY«^  v^£oOat  ß  52  IV 

Iiinos. 

HI». 
IXXa/e:  atei  ic6{pflrc'  ^x^v  iroiov  y^€  IXXa^e  tout^  5v  20  V 

Hom.  Hym.  V  87  IV 

Thaokritos. 

l\ 

IXXaße:  oxait]  (jl^v  axatT)v  IloXuSeuxeo^  IWot^t  x^^  ^^»  ^^  119  V 

Hom.  r  34  V 
ÄTccXi^Y^*  ^^4'^  ^^  dtTcoXi^Y^^'^'  av6[i.oc,  XiTcapY;  8e  y^Xi^w;  Id.  XX 19 II 

Hom.  ouxir'  dbcoXXi^^eiq  t  166  II 
dfppiQXTO^:  xo9rro(jiviQ   ?cvoiaiq  xe  xal  appi^xTOtai   x^Xa^at^  Id.  XX 

16  IV 

Hom.  Tv'  dfpprjxTO^  icöXi;  ewj  <t>  447  IV 
dvappif^ag:   T6{ji.ßou  dvappt^^a^  Tax^(i><-   M£aaiJvioq   *l§a^  Id.  XX 

208  II 

Hom.  Tet^o^  dvoppif^a^  H  461  II 
veTxo^   avappi^^ocvTsq   6[xo((Ov   ^YX^^   Xoikrat   Id.  XX 
172  II 

Hom.  Tc»>  (JL^  avappt^^avre  S  582  II 
i%  xo(Xt)v  lppw}/av  avippY)§av  8' dlpa  to(xoü<;  Id.  XX 12 IV 
licipp^^ü):  ZiQvt   8'    i%\.^pi\ai   xodurepTdpo)  apaeva  X^V^^  ^^*  "^'^ 

99  H 


Studien  snr  Technik  des  nacbhomeriiohen  hMroischen  Venei.  769 

^xcppi!|(a):  Ksl»Ol>{  licippd^eiv  x^H>>^pov  xaX6v  *  üjv  V  dpa  veuavj  Epigr. 
^  XVII  (dub.)  15  II 

Hom.   vujx^icov,   56t  xivre^   ^irtppdi^eoxov  68TTai  p 
211  IV 
sppeuv:  Ippeuv  Z*  i%  xß^aXaq  xa^at  Tpi/e^,  out^e  BI  Xotica  Id.  II  88  I 

Hom.  Ippesv  1%  [xeXicov  X  600  I 
6  7c  i  p  p  s  t :  £x  irat86<;  •  oiceuSwfxe^  •  5xXo?  tcoXü?  ifxtv  e  x  i  p  p  e  i  Id.  XV  59  VI 

Hom.  iizippUi  ifii'  eXaiov  B  754  IV 
xaTappeT:  afx«  8'  alya  XdißY)  -rijvo?  Y^P*?j  ^'^  "^^  xatappet  Id.  15  VI 

Hom.  xscrapp^ov  i§  bkeiXi}^  A  149  IV 

1\ 

ixtppaCvsiv:    OaXXo)    ^iccppaCvstv     d(rre[X(JLdvo>    d^ßXaß^^    &S(i>p     Id. 

XIX  98  II 

Bei  Homer  nur  ippd^ax"   M  431  I   und  ^ppa- 
BatoR  u  354  II  vom  Verbum  simpIex,  vgl.  auch 
KnöB  de  dig.  quaest.  III  257 
dicoppet:  «toi  ^ovrl  ^iXTvs  x6  xot  xaXbv  «vöo^  axoppsT  Id.  VII 120  VI 

Hom.  excppdet  B  754  IV,  vgl.  oben  iTcippsi  Id. 
XV  59  VI  otoToppeT  Id.  I  5  VI 
6(1.6 ppoOo^:  ovTpov  laco  oreixovTS^  6[j.6ppo6ot '  aXXa  tu  ^cuy^  ^pigi** 

dub.  XI  5  IV 

Hom.  iictppoeo?  W  770  IV 

III». 
eXXaxov:  owXordpoi?,  Ttfxa;  B^  xal  (bxie^  IXXaxov  nnuo'.  Id.  XVI  46  V 

Hom.  Hymn.  V  87  IV 

Bion. 

xatappeT:   xoXXbv    s(xeu  xp^acrcDV,   Tb  8^  xov  xaXbv  i^  ak  xaTappei 

Epitaph.  Adon.  55  VI 

Hom.   xaToppdov   A    149   IV,    vgl.    Theokrit 
xoToppet  Id.  I  5  VI 

MoBohos. 

I\ 
iXippoOo<;:  ^aiveTO  2'  out'  axTv}  ti^  aX(ppo6o^  oSr"  5po^  aiicu  Id.  I 

132  IV 

Hom.  xaXtpp66tov  Be  (xtv  auri^  e  430  IV 


770  KsAcb. 

Inoertoram  Idyllia. 

dUppiQXToq:  Ev6a xai  appT]XT6v  'irep  ^(ov  Iv  onfOeat  0u(a6v  Id. IX 11211 

oSjTjKjtio^  appi^xTOio  icep"  tvtov  ^^^jjLoaa  i:pof0i^Id.IX264II 

Hom.  xP'^ffeov  d!ppY;xTOv  0  20  11 
7oX6ppT]v:  oTxe  TcoXuppirjve^  'jcdmov  laav  ex  ßoe9tXi(u)v  Id. IX  11711 

Hom.  I  154  IV 

P. 

xoX6ppa?CTo<:   ^{(|^    t6^ov    Spo^e    icoXuppafft6v   xe    ^apix^  Id 

IX  265  IV 

Hom.  duppop^eoot  Sopöiviv  B  354  IV 
äppr^v^^:  vOv  8i  X(y)v  !^ixoT6v  xi  xat  dppvjve^  y^^*  oEUTuiq  Id. IX 83 R^ 

Hom.  icoX6ppTQve?  I  154  IV 

III*. 

IXXax^^*  ÄicveüOTOV,  ^jrtix^v  ^k  TceXiSapio^  IWay^^^  "AtBijq  Id.IX271V 

Hom.  Hymn.  V  87  IV,  vgl.  Theokr.  Id.  XVI 
46  V 

HP. 

'KtpxXiXl/iäto:  on^Oei  Te,  ^Xd^cv)  il  itepiXcxfAdto  y^^^^^  I^*  ^ 

226  IV 

iictjjLüffff^at:  xÄv  iX{YovvuxT6^  ti^  eirijxüffatjfft,  tbv  &icvovId.ni4IV 

AratoB. 

I*. 

dvi^eXoq:  Suvoi S'  dv e^ eXo^  [j[.aXacx,^v  u7;o8e(6Xo^  atyXiQv  Phaen. 826 II 
et  V  b  [jL^y  dv^9eXo(;  ßixToi  ^6ov  ioxepioto  Phaen.  858 II 
ourb  (xiv  dv^^eXöv  tc  xal  äqfXaöv,  &|n  S^  (aoXXcv  Phaen. 

415  U 

Hom.  x^oToct  dv^eXo^  !^  45  II 
dfppiQtOi;:   dKpprjTOv  *   ptearal  ik  Aib^  icdcffat  (jl£v   dc^utai   Phaen.  2  I 
a&rcog   dUppiQTOv   xorcocxetoeTOt  *   dXX'  opa   xal  x^v  Phaen. 

180  n 

Hom.  dtppY)Tov  5  466  in  4.  Thesis 
dvappY^^aq:  vi^oou  dvappif^ava (jLeaa^ixixep06xoXiiAviz^PhaeD.642II 

Hom.  H  461  II 

d'2coppa>§:  T3t^  Se  8t'  dix^or^pa^  ofv)  icoTafJioto  di?oppa>|  Phaen.  45  VI 

Hom.  £tuy6^  DSoTög  eoriv  dicoppo»^  B  755  VI 


Stadien  lur  Techai)[  dM  BMlüiomvriMhen  heroischen  Venei.  771 

iuppoo^:  ZxopTciou  efjLicficrotev  iupp6ou  d)xeav9io  Phaen.  635  IV 

Hom.  iuppoov  i\ijf\  £xa[jLav8pov  H  329  IV 

e'sctppi^acrd):  tyjfjio^  licippi^acrou9t  v6T0t,  Mt' Ai^o^^sp^ii  Phaen.  292 II 

Hom.  xbv  Tpei?  [x^v  d-jctppi^aaeffxov  'Axaw'  Ü  454 IV 

7aXcpp66io{:  v^a,  xaXtppo6{iQ  ik  xaOaTrretoi  i^ice{poio  Phaen.  347 II 

ouS^  ?caXipp60to(  )(£v  urceöSioi  fop^oiyto Phaen.  1012 II 
Hom.  icaXtpp66tov  ^^pe  xiüfjLa  i  485  IV 

P. 

xaTa{ji£XeV9T{:  dXX'  6   [iJk^   &q  '^P^X^   ^ivroc   xaTafjLeXeVcrxt   ^opeTTOci 

Phaen.  624  IV 
Hom.  Iva  d*  oSOi  StafJLeXeiorl  Toe[XY)atv  a  339  IV 
dcppotvTo^:  dlppavToi  Y^vovrat  e?c'  'SJfJLOTc  xeivo)  opoupai  Phaen. 868  I 

Homer.  Vorbilder  repräsentiren  die  Formen 
eppiSor'  M  431  I  und  eppiSaiai  u  534  II,  vgl.  swtppat- 
vetv  Theokr.  Id.  XIX  98  II 
iictppifSiQv:  oordpe?,  oTfxtv  iraaov  l^eppi^Svjv  onxöcixjtv  Phaen.  191 IV 

elperat.  imk  8'&teTvat  iicippi^Sijv  xaX^ovrat  Phaen.  261 IV 
(Tif^ltJxioL  3'  £u  ixiXa  xaaav  exippi^SiQv  TcepixsiTot  Phaen. 
465  IV 

Hom.  vom  selben  Stamme  icopoppiQTo^  I  526 IV, 
vgl.  StappTJSYjv  Hom.  Hymn.  III  313  IV 
7:oXupp60to(:  (i^[Mn\  iTcotxTetpouaa  TcoXuppoStou^  div6pu»couq  Phaen. 

412  IV 

Hom.  xaX(pp66iov  ^ipe  lujfxa  i  485  IV 

II. 

iicippoiC^d):  (MMpbv  eTcippoi^eucri  Tcva^dpLsvo'.  xuspa  xjxvd  Phaen. 

969  II 

Hom.  woXXtj  Se  ^ofi;c|>  i  315  II 

HP. 

(AoviXuxo^:   xal  X6xo^   6inc6Te   (juxxpa   [xov6Xux.O(;   d>puY]Tat  Phaen. 

1124  IV 

Cod.  EL  bei  Bekker  (JLova)Xux9<;,  die  meisten 
anderen  (Jiov6XXuxo(;.  Bei  Homer  hat  das  einzig  vor- 
kommende  Compositum  AutoXuxo^  stets  kurzes  o. 
Möglieh,  dass  sich  in  ixov6Xuxo(;  noch  eine  Er- 
innerung an  den  alten  Anlaut  des  zweiten  Wort- 
bestand theiles  (FXüxo?  skt.  vrkas)  erhielt. 

Ippioaev:  xat  ta  jjiev  gppwcyev,  iciv  Be  ^Xiov  wXsds  TTovra Phaen. 335 II 

Biteugeber.  d.  phil.-hiit.  Gl.  XCY.  Bd.  111.  Hft.  ÖO 


772  R.Äch. 

KallimachoB. 

I». 

dtXXif)XTO?:   dfXXtjKTOv   y^Xöco^i,    ixiXtTca   hk  icevOepTj    awn^    Hjmn. 

III  149  I 

Hom.  xapB{Y)  dtXXiQXTOv  7coXe(j.tXsev  B  452  II 

xoXuXXiToq:  (^  (ij  Kapvete  tcoXuXXkts,    atio  Se  ßu>(xo{  Hymn.  II 

80  IV 
Aorep^v]  TOXuß(i>(jLe,  iroXuXXtTc,  ti^  8i  ae  vourv}^  Hymn. 
IV  316  IV 
Homer  hat  zwar  nicht  icoXuXXtTo^;,  doch  aber 
das  damit  fast  gleiche   7roX6XXtaTO^:   xXuOt  drva^ 
5ti?  eaa(,  TcoXGXXtarov  8^  a'  bucvu)  e  445  IV 

Ippeev:    AiScov   dXX'   oimo   {xd-fa«;   Ippeev   oi>S'   "EpupLovBo^   Hymn. 

I  18  IV 

Hom.  II  110  IV 
T£tpo|i.^vY)  •  v6Tto?  8^  8ta  xpoo?  ippet"^  lSp<iK;  Hymn.  IV211V 

Hom.  N  539  V 
Ypwstö  Ik  xpox^ewa  irovT^iJiepo^  Ippes  Xijavy;  Hymn.  IV  261V 
Hom.  W  34 

xaxdppeEv:    aXeixirco^   ic^dpioxa    xaT^ppeev    etSaTa   Tcivroc    Hymn. 

VI  91  IV 

Hom.  xaToppdov  A  149  IV 

aTcoppü)^:  ^caca  S'  Äwoppco^  Fragm.  anon.  VII  1  (VI) 

Hom.  B  755  VI 
KpeTov  3po{ '  ak  §e  Soifxov  airoppc^Ys^^iv  l6T]xev  Hymn. 
V  41  IV 

Hom.  dexTai  dicoppoiYe^  v  198  H 

d p p { 2^ ü)(7 e :   xpu(j.v66ev  e p p 1 2^ <i) j e  *  ae   §'  oux   I6X(({/£V  avarpci;  Hymn. 

IV  35  H 

Hom.  ^p(2^a)aev  IvepOev  v  163  IV 

P. 

xaTappel^co:   913    ik  xatappdi^cov,   Sre   pioi   Totoura   O^sivae   Hymu. 

III  29  II 

Hom.  "KTntq  ^ippi^eoxov  ^Sitoct  p  211  IV 

'/,Xet|/{ppuTO(;:  xXe^^ippuTov  uBcop  Fragm.  anon.  183  (wol  V) 

Vgl.  Hom.  iteptppüTo?  t  173  IV 


Studien  rar  Technik  des  nMbhomerischen  heroischen  Verses.  773 

TfLOLxappe'jciq:   ivOiSe  V  aurix"  SicetToe  xatappe^^q   loouxo  xujjia  Fr. 

anon.  116  IV 
Hom.  iwipp^  a  99  IV 

^pucjoppaY^?'  Xpwffopp«Y^?  ^''oq  Fr.  anon.  251  (wol  V) 

Hom.  üTceppo^Yt)  aoTC£To?  aiöi^p  11  300  IV 

7:o8opp(a)pT]:   fivYjffa^  8'  Iti  icat^X^   TcoSoppcipiQV  'ATaXflcvnjv  Hymn. 

III  215  IV 

So  Schneider  nach  der  besten  Ueberliefe- 
rung;  vgl.  Hesychios  pü)p6i;  =:  a^oSpo;,  offenbar, 
wie  schon  Lobeck  Rhem.  286  sah,  zu  ^(oojjiai 
gehörig ;  es  ist  also  die  Doppelung  der  Liquida 
richtige  Analogie  zu  eppil^ovro  W  367  II;  vgl. 
Callim.  Schneider  p.  241. 

IIK 

IXXotx^:  IWoLyeq   ou  au  y'  ^l*^^  T^'^^i  '^po^^q^  ouSe  Ksöatpwv  Hymn. 

IV  97  I 

Hom.  Hymn.  IXXoxsv,  dx;  xa  7cpü)xa  V  86  I 

XY;Tetpai  xai'etv  IXXa^®^  'Hdu^iBe^  Fr.  123.  2  (Pentam.)  IV 

Hom.  Hymn.  twv  SXXox^  xoipavoi;  sTvat  V  87  IV 

dXXa  6sf^;,  t^^i;  [xe  BtatxTopov   ^XXa/e  IlaXXoc^  Fr.  164  V 

Vgl.  Theokr.  wxde;  sXXaxov  twcot  Id.  XVI  46  V 

IIP. 

eXXtice:  ''HXiv  oviaseoeai  Aib?  oixiov,  sXXiws  4>üX6i  Fr.   198.  2  V 

Dem  homerischen  IXXoße  nachgebildet,   wie 
IXXoxe. 

ApoUonioB  Bhodios. 

I». 

SXXaße:  V6t68ev  diJi^OTdpY)«  icepl  oröwoi;  SXXaße  x¥^^  ^  l^^*^  V 

Hom.  r  34  V 

xax^XXaße:    ^vrai    dixi^v,    ircei   ou   a^e    xaxeXXaßs    x^^H^'^ö?    ^P^ 

B  1086  IV 

Hom.  e  371  IV 

äXXtqxto?:  ^XXyjxtov  8axp6ou(jt  •  xi  8'  eppsev  doraY^?  outü)?  T  805  I 

Hom.    xapSiv)    aXXY)x.Tov    TCoXe{jL(!^€ev   B   452    II, 

Kallim.  d(XXY)XTov  YsX6(i>at  Hymn.  III  149  I 

TCO  vu  [xoi  äXXyjxtov  TceptxCerai  •  ou  8d  xe  XcJißifjv  F  74  II 

60» 


774  Rc»eh. 

ärsXXi^iY^^''*  ^^<  diroXXi^i^ete  icavuarotTO^ '  i[Uf\^i^  cdUfi  Allbill 

Hom.  ouxif  ohcoXXif^ei^  t  166  II 
(jLi^ote  |jLaaTe6ovTec  dxoXXif^£tv  xa|iixoio  A  13&3  IV 
Hom.  Tv*  iKokM^  dTCorriwv  O  31  IV 

r  951  II 

X(i)0|JLivT;  9^  ?cai8{  *  [ACTocXXi^^et  ^ap  6ic{omii  F  110IV 
ouvex^;,  M  S'oÜTc  {xexaXXi^Y^^  xa(jLdcTotoA1271IV 
Hom.  (jLexoXXi^^avti  x^^oio  I  157  IV 
eu(j.fi.eX{Ti^:  xocT^  aYoOou  TeXeovro^  eu{ji|AeX(iQ{  ts  4>iXiQpo;  A  96 IV 

cMzxp  ^u(j.(AeX{v;^  TcXajJubv  BaotXi^a  xot^Ta  A  1043 II 
Hom.  \Ah<;  h[K[ukir^<;  P  9  IV 
SiafXfxoipvjSa:  8y)  t6t€  (jL^ffor^v  vuxta  dia(JL[xoipv]8a  ^uXi^o^  F 1029 IV 

Hom.  ytai  Ta  [j.^  Sictox^  xivta  8ie)ji.oipdcTO  SatCwv 
5  434  IV 
Su9i[j.(jLopo^:  Ai(7ü>v  ou  (A^a  8i^  ti  Su9äl(j.{xopo^  '  ^  xi  oi  ^vA253IV 

ff 610  x66ü)  (jLivuOouaa  Suai)ji[xopo{,^e3c(  xoXXif v  A 286 IV 
xo)^  t^(AO^  ßcoffecOe  Suffi[x{xopo(;  ifs  ßoBeCai^  A  685 IV 
Xpa{qji£T£  (jLOi,  p6aaa6e  SucdtpLfxopov  dcvepa  X6(ir|^B218IV 
e^eXseiv  [uiJLauTa  8üffa[x[jLopo^.  aXXi  ot  dc^vci)  F 809 IV 
ex  {xs^iXot  puaaoOe  Suaa(A[xopov,(!^^  Ik  xat  auTo6^A83IV 

Hom.  [AI^TIQp  0\    fj  (JLIV  ItUCTC  Su7a|JL|X9pO^  X  428 IV 

ippaYV]:  aimxa  3^  dppaY*T)  Sp-ßpo^  ad^o^srco^,  ue  8^  x6vtov  B  111511 

Hom.  uxeppoEYTi  dbxero^  ot^p  11  300  IV 
ippr^KTO^:   (xijvteq,   appi^xTOiffi  8'  dvi^eu^o^  1^^  5pxo(^  A  1205  II 

Hom.  xpdaeo"^  oppvjXTOv  0  20  II 
avappi^^a«;:  %pu)Jibv  avappi^^a^  XocvCiq^  xa06xep0e  xoXcovi]^  F  581  II 

Hom.  H  461  II 
dxopp(i)§:    OTY)  octxeXiY)  xdXocav  .  ^^pe  y^  '^^  axoppco^  A  637  VI 

Hom.  z.  B.  t  539  VI 
IppatcSY):  ^GT^ov  ippa(a6iQ.6  V  h\  ({^afiiOotacv  eXuo6e{^  A  1034  II 

Hom.  ^iffY^vov  ippaCoOv]  IT  339  II 
liappaitti:  ^etve  Bc^ppaiaev,  xptv  RoX/tda  y^^^  IxioOot  A  33  II 

Hom.  xd^YX^  Sioppdaei  ß  49  II 
{xif  995  xaxi)  tko  xtjpt  8iappatia6dvTa^  {SeoOat  F  702  IV 

Hom.  tdt/a  V  fy[u  StoppocCaeoOai  iun  Q  355  IV 
apptjTO^:  dppi^TOuq  oYccv^fft  TeXec^optv^at  Oipitara^  A  917  I 

Hom.   in  der  4.  Thesis   ^  466,   Hesiod.  £« 
4  II,  Arat.  Phaen.  2  I. 


Stadien  inr  Teehnik  d«s  iiMlihomaiiiekMi  heroiaehan  YerMf.  775 

^ppeev:  aXXT]x,TOv   daxpöouct  *  xa  d'  Ippeev  ioxcr^h^  aSru)^  F  805  IV 

Hom.  n  110 
^69oea6ai  xaXdcov  *  xora  8*  Sppeev  doxaX6a>vn  A  1703  IV 
tb^  ^ocP)  (JLuSc<i>oa  V  dhcb  xpob^  Ippee  Xa/vr;  A  1531  V 
Hom.  N  539 
ß  a  Ouppe{(i>v:   oupa  ßaOuppeCovto^  119*  slafjLevoT^  ^Xidoio  B  795  II 

i^i^vo^  iC£8(ov  Te  ßa6uppe{ovTd  Te  KiX7n)v  B  659  IV 
Hom.    ou8£    ßoOuppetTao    [Ji^a    oOdvo;   'Qxeavoio 
<I>  195  II 
1^  6  p  p  o  0  ^ :    xat   ^corafAbq  Tp{T(i>v   i^  6  p  p  0  0  ^    (Merkel    eupuppoo;    nach 

Meineke),  2)  &jco  Tcaaa  A  269  IV 
sireppoi^:  TUfO|Jilvou  4>a^0ovTO^  i^ippoai  'HptSocvoTo  A  623  IV 

Hom.  i%ippüi  i^6t'  JXaiov  B  754  IV 
e '3C  ep  pcoovTo:  '^cXo/t^oi  ßoTpu^evreg  l7C6ppa>ovTo  xtdvri  B  677  IV 

vi^vefjiov  axa[JLcrnf)9tv  ^?cepp(i>ovT*  IXityiatv  B  661  IV 
^({A^a  8i  v^*  ^ictßivre^  eiceppd^ovV  ^Xirgatv  A  504  IV 
IcTov  •  iü5^aTt)ffiv   dx€pp(i>ovT*   ^XatTtjffiv  A   1633  IV 
Hom.   T^iv  2(i>8exa  icacai   e?rspp(i>ovTO  Y^vouie^  u 
107  IV 
Xetpe^  ^X6pp(i>9avT0  7:ept  aO^veV  cr^pt^öuiaat  F  1258  U 

Hom.  ^o()'f<xiQ(,  3'  ^ppu)aavTo  4»  3  II 
vEt66ev  £5  SSpr^q,  ^wl  3'  epp(ji>aavTo  TcöSewiv  A  385  IV 
Hom.  ^weppt&ffovTo  A  529  IV 
•:;spcppir)8i^^:  i^piice  S*  apL^or^potai  icepippY)^^^  xepieaTtv  A  431  IV 

Iot'  äv  dfvü)  T6(vT)ai  •  icepippYj^Yjv  8*  iTipcooe  A  1581  IV 
Hom.  7:6pippt)87j?  8^  xponcdllt)  x  84  IV 
xoXuppTQv:  df^X*  ^^  vatetioüai  woX6ppT)V£(;  TtßapT)vo(  B  377  IV 

Hom.  h  8*  dcv8p6^  vaCoucri   xoX6ppT)ve{  TcoXußouxai 
I  154  IV 

SppiY^'  *^<P  ^PP'yTI^'^  dlpefova  9(5Ta  [xeTeXdetv  F  438  II 

Hom.  5(ppa  ti^  ^ppt^TJ^^t  F  353  II 
l[i.Tqq  V  ip-f  a{8v]Xa  xaxepptYiQCjev  !8io6a(  F  1132  IV 
Hom.  Ata?  8'  eppfr^ae  0  436  II 
i,  pp  i^^^^"*'  vü)Xe(jLi?  epp(!^(i)6ev  '3  8y)  xai   (A6pai(Aov  ^ev  B  605  II 

Hom.  xal  IppC^co^ev  IvepOev  v  163  IV 
XiovdSe?  ipp{((i>VTai  dtXCßpoxoi  *  i\xi^\  ik  Ti)(nv  B  731  II 
aT  ^i  TS  xa9iü)v  'jcavuiu^pTarae  ^ppC^coYTa»*  A  1122  V 
arce  icopcEoaov  £xt;Xoi  Iv  oSpeviv  lpp{!^(i>vTat  F  969  V 

Hom.  Svöa  8^  ol  woXOxapico?  aXcÄ)T)  ippOitaxai  yj  122  V 


776  RBick. 

dTcoppCzTw:  SlW  tfpeaV  elq  Ipyov,  iTcoppC^J^avTeq  hioQ  B  884 IV 

Hom.  iicoppi^TTza  xeXoCixT^v  I  517  IV 

ixCppoOo^:  [atJti^  eTctppoOo^  Sorat  ^epfOfjiivoc^tv  diuri;^  T  184  11 

öq  ^'  l^rj  •  TCflEyrsoat  J'  ewCppoÖo?  -^^ave  (tiTTt^  B  1068 IV 
loxo)  8'  ouTiva  jjLijTiv  Äic(ppoÖov  dXXi  xe  ^eia  B  225  IV 
[jL?)Ttv  xop96va)(jLev  l7c{ppo6ov,  eix^  hcauikcoa.  B  1050 IV 
0?  K6TCp(v  xaXeoufftv  i^(ppo6ov  a(A(Ai  irO^eaBai  F  559  IV 
ou  wjou^,  Ol»  ic6pY0v  e^cippoSov,  oux  dXsu>pi^v  A  1045  IV 
xfiia^  dryscv  xp'^<7eiov  e^ippoOoe  d[jL)jii  :7eXsa6e  B  1193  IV 
Hom.  To(tj  ol  licCppsOo?  ^ev  'Ae^vr^  A  390  IV 

l\ 

^uxoppaY^<i)v:  TbvS'  Irapoi  eici  vv)a  ^äpov  tl^u^oppaY^^^'^*  B833  V 

Vgl.  Hom.  ilwcepparpj  6  558  IV 
^YX^PP®®^'  8etvbv  epeu^ovrai  •  [xsid  xbv  8'  ^yX^PP^o?  Tp*'?  B  367  V 

Xeixov  "AXüv  Tcotcqjiiv,  Xeilcov  8'  ÄYX^Ppoov  Iptv  B  963  V 
Hom.  xocXXippoov  OScop  B  752  V 
eic(ppi^8v;v:  xexXopiivcDV,  xa{  ^' ourt^  eTctppi^SiQV  ixer^encev  B  640  IV 

Niffflttoici  xe  ^oißo(;  dicippYSBijv  IXieaOac  B  847  IV 

Hom.  vom  selben  Stamme  ::apappr|TOc  I  526  IV 
vgl.  StappT^Stjv  Hom.  Hymn.  III  13  IV,  izipp^li^ 
Arat.  Phaen.  191.  261.  465  IV 
xaxapp^l^ü):  x^^p't  xaxapp^^affa  SoXofpoauvrjatv  ovoJYev  A  687  II 

Hom.  50t  xivreq  exipp^^^ecxov  68tTae  p  211  IV, 
Eallim.  xoroppdl^cov  Hymn.  III  29  II 
xaxoppixTT)?:  ul^ai;  ^pC^oio  xaxoppixTTjaiv  6icy)8o6(;  F  595  IV 

Vgl.  das  oben  erwähnte  hom.  emppiCs^^- 
xaxappeTci;:    IvSev    S'    autCx'    Ixetxa    xaxappe^^^    looino   )^|u 

B  593  IV 
Hom.   happiTf^  S  99  IV,    Kallim.   raxapps:^ 
IffouTo  xüfxa  Fr.  anon.  116  IV 
ßa66ppiCo(;:  eu  Siaßd«; '  ice^deev  8^  ßaOuppi^öv  ^epioOaov  A  1199IV 

Hom.  7cp6ppt2^o(  A  157  I 
e6ppT)vo^:  Tcip^icotv  iuppY] v 6q  xe  xal  eußoxo;,  Iv6a  npo)JiiQOeu^  F  1086 H 
0^  86  ^epou;   ''A8|jly)xo?   düppYJveaaiv   oviooiDv  A  49  IV 
Hom.  icoX6ppTQV6^  I  154  IV 

II. 

äTctXXsißw:  AtcjovtSri;  Y^^val^ex'  iztXXstßwv  lepswiv  A  1133  IV 

L  ixtXetßwv. 


Studien  znr  Technik  des  nacbbomerlschen  beroiechen  Verses.  777 

exiXXetßoi):  Mwp  alOoiievototv  ewiXXsCßovxaq  Rovto  A  1721  IV 

Hom.  S^pa  X£(i|/av^e  xtoC-njv  0  285  IV  Hesiod. 

5q  xev  T7)v  fewCcpxov  dxoXeC^'a^  iTuo(ji.6oG7)  Th.  793  IV 

Eupptvo?:  (1)5  y  5t'  Ivl  TpTQTOiaiv  süpptvoi  /odvotatv  (^ucai  x«^'^'''5wv) 

r  1299  IV 

Hom.   TCfipl   8e   ftvot   [xtvuöouatv    [x   46   IV,   vgl. 
Eraped.  Xiöopptvo)v  ts  xekia^^ib't  301  IV 
^oX'ippivo?:    äv   5e   xoX6pptvov   vwiia   aaxoc,  Äv   8^   xal    efx®?   '^ 

1231  II 

Hom.  w(j6  8'  ÄTub  f)tv6v  E  308  II 
eupptv:  XdeOpig  eupp(vb)v  xs  )cuv(i)v  aÜTb>v  t£  voijltqwv  B  125  II 

Hom.  azi^e  xora  ^tvaiv  T  39  II 

IIP. 

iXXaxov:  o?|x^v  ^ap  itoöt  toOtov,  8v  IXXa/ov,  oTtovSXovto  B  881 IV 

Hom.  Hymn.  V  87  IV 
iXXtwe:  T^ixiriot  •  Xtap^   yap  uwb  xv^^o^  IXXiwev  aupt)  B  1032  V 
9i  ^a  >tat  ^XXiws  6ü)xov  •  e^wfxipnfjffs  8'  Aötijvy)  F  111  II 
£V£XXii:6:  xY)Xif]6[ju^  •  to(y)v  c^iv  dvdXXiicE  öeXxtuv  aoilfiq  A  515  IV 

Ausser  Kallimachos,  der  Fr.  198.  2  IXXt7£ 
4>uX£t  V  bietet,  ist  Äpollonios  der  erste,  der 
sich  nach  Analogie  von  IXXaßf  diese  Bildung 
gestattet. 

Nikandros. 

£XXtTav€ü£:  ouXobv  iXXixivfiüfi  xaxtj  diraXaXx^|jL£v  aTt;  Ther.  352  II 

n  G  dXtTiv£ü€5  bei  Homer  haben  wir  X  414 
xivT«^  Sfi  XtTavEU£  II  im  Vrat.  b,  aber  8'  £XtTiv£U£ 
bieten  D  E  H  L  S  Lips.  Cant.  Townl.Vrat.  d;  t)  145 
haben  8'  aiTiv£U£v  ACLMQV,  dagegen  DIK 
8^  XtTiv£U£v;  Aristarch  schrieb  das  letztere. 
avapp/|§(Z(;:  Xat^i^g,  %hßa<;  dvappi^^ai;  lxo(T£p6cv  Ther.  477  IV 

kom.  H  481  II 
a::oppü)s**   «Ypsuffst?  S^fiXo?  ^€pM»)ctov  •  ?v6£v  anoppci)^   Th.  518  VI 

Hom.  t  539  VI 

::cXuppaY>5<;J  "^[J^?  8y)  woTafxow  xoXuppaY^o?  xata  8iva?  Th.  59  IV 

Hom.  r:eppdr(r^  U  300  IV 


n 


778  Bitcii. 

Th.  828  IV 

Hom.  Stoppat^ai  {UfAObha  B  473  IV 

dlicoppe{(i>:  adpxeq   aicoppefouat  «eXcSvaC  Te  l^ofepoi  te  Th.  404  II 

Hom.  atfJLa  icep(pp£e  t  388  IV 

a((A6ppoo{:  cfjpia  S^  TOt  8ixeo<  ai(jLopp6ou  olxtzi^  evioTcw  Th.  282  IV 

Hom.  ßa0upp6ou  \hceacvoXo  S  311  IV 

«({Jioppof^:  |xi^  iroT^  tot  Oi^Xet'  aljxoppoU  ^'ov  sveir,  Th.  305  IV 

Dem  angeführten  Adjectiv  analog  gebildet 

laoppeic^^:  ^tl[ea  Xecifvaio,  f^pot^  S'  iffoppex^^   ctxßoq  Th.  646  V 

Hom.  Iicipp^  S  99  IV 

eupuppil^o^:   Kcaaou  8'  ofXXore  xXiÜiv^  eupupp((ou  xoExfrotoi   Fr.  74. 

17  IV 

Hom.  xpöppci^ot  A  157  I 

H. 

(jL6X{XX(i>xo^:   Guv    ^k    [k&'kiWiii'zoio    v^ov   GT^^dc,   ^8'    5^9   xxj^: 

Ther.  897  II 

Hom.  xa{6To  8^  Xcoid?  4>  351  II 
Xi^spp(vO(;:  f|V  Se  XixoppCvoio  Tcorbv  SuciXuxTov  ii^  Alex.  537  II 

Hom.  &c€  3'  OL-Ko  piv6v  E  308  II,  vgl.  XiOoppivur* 
Emped.  301  IV  xoXupptvov  Apoll.  Rhod.  F  1231 II 
eOpptvoi  Apoll,  r  1299  IV 
appuTCio^:  1^6  xai  dpp6i?T(i)v,  6i76Tav  Xo^tq  ou^iBa  xponvyj  Alex.  469  II 

Hom.  vuv  8'  Sttc  ^incdo)  <{»  115  11,  vgl.  icep{pp/s^ 
Krates  Fr.  VII  2  IV,  dwoppwtecOai  Emped.  Depi 
<I>6<;.  453  II 

IIP. 

6  7[eXX6l^(i>:  ^pa  §^  stciXXu^^cdv  iXofJ  x^^^^*^^  ^  Alex.  81 II 

So  V,  und  dies  conjicirte  auch  Bentlej;  (die 
meisten  übrigen  Hdschr.  lmXXQ[a>v).  Nikandros 
hat  sich  die  Doppelung  der  Liquida  im  Inlante 
offenbar  gestattet  nach  der  ganz  äusserlichen 
Analogie  von  stc-iXXQ^u)  bei  Homer,  das  er  selbst 
Ther.  161  braucht. 

7Uvepp3  6iY^<^^^*    §apSairrci)v,    bkodiq   8e    auveppaSiY^i^^^   ^^^ 

Th.  194  IV 
i\)ppT^•/oc:  fi[L\j^vi^  y.ai  y.ap7:c^  suppT^j'/^'^  zaXtoupou  Th.  868  IV 


Studitn  zur  Technik  des  nacUiomMiiiclieB  heroiiohen  VersM.  779 

Corrupt  ist: 
xipSoiJLOv  dfppivov  Tc  (uXipii^uXX^v  te  ^tvrpcu  Fr.  84  11^ 
wahrscheinlich  ist  die  Correctur  von  Casaubonus  xip3a(A\  ovip- 

p(VCV    TS    XtX. 

IfumenioB. 

I». 

epp(l^ca>Tat:  fuXX(a>v  8'  ood*    itmapza  xd  V    IppCl^coiat   apo6pai;  Fr. 

XX  1  IV 

Hom.  Yj  122  V 

Manethon. 

I». 
iXXTjxTO^:  d!XXr|Xtov  xafjiaTOtctv  it^upot^  f6tvu6ovTe{  III  252  I 

Hom.  B  452  II  Apoll.  Rhod    r  805  I 
:coX6XXcTO{:  ti}  [x' dbcb  yäo^o? 2?iQV6  woX6XXtTo^  ElXeCOut«  VI  741 IV 

Hom.   ':coX6XXt9Tov  e  445  IV  Kallim.  Kapvete 
1C0X6XX1T6  Hymn.  II  80  IV 
B(9(jieXeVaT{:  vt]86o;  d^^Xxouoi  8ia(ieXeioTc  ToqjiovTe^  VI  42  IV 

Hom.  8ia{jLeXeVoTl  Td(jLY]<7iv  a  339  IV 
£jvvir)To^:  iffTOüp^oü^  Teuxoufftv  duvvT^Toiat  j^koiatv  VI  132  IV 

Hom.  iuvvtjTÖv  T€  xi'föva  0  580  IV 
ippi^xTO^:  Moipo)V  dippifxTOtot  {jl(to(c  OeqiioTai  t'  'Avi^xi;^  I  7  II 

xXb>qjia(9iv   ippi^jXToiai  aiSiQpefeect  t'  irpixTOic  I  202  II 

Hom.  B  490  II 
SeqAOtatv   \Kh   SSiQaov  Ibv  Sifjia^   ippifxTOtaiv   I  240  V 
epp aC^OiQv:  x6|iiaatv  ippaC^OYjaav  f)  h  ?coX^{Mi)  xpu6evT(  III  256  II 

Hom.  ^äloYavov  IpporfoOv]  11  339  II 
xppiQTO<:   xal  Si  xat  d^ppi^Tcov  [auoto^  TeXsTt&v  (Aoxipcov  Te  II  197  II 
i)  (xi^oi  dl  ppi^T 01(71  ^ou^  xocX^ovreq  d^oiSai^  VI  475  II 
dppi^TOt^  IpYOtai  (Aia{v£Tai,  1^'  I1?'  ^Y^^^  ^  ^^^  ^ 

Hom.     dtppT^Tov    ^    466    in    4.  Thesis,    vgl. 
Hesiod.  E.  4  II  Arat.  Phaen.  2  I 

1\ 

Bix&ppaf  (t;:  xal  8i  it%oppa^lri^  deSon^x^req  elv  «YOpi^Tiv  II  296 II 

Hom.  xaxoppaf(7jg  dXeYetvi}^  0  16  IV 

ixdpp^co:  ^  xxl  df"  'Epjjidcovo^  cc^oppdi],  S{x7c«Xc  8'  i^^  II  461  IV 
evoiv^o^  Te  tt^atv  *  dicoppeCouaa  8i  to6tou  II  445  IV 
'rcXvjai^j;  8*  oxTicrtv  ai:opp6(oyffa  Rp6voto  V  115  IV 


780  Rzftch. 

oLTzoppiiii:  ijfJLog  8'  äv   Ilupdevro^   Ä::oppeioüffa   SeXi^  VI  665  TV 
Taa   ik  xai  ouvioucy)  d^oppeCouG^  denb  6o6pou  II  473  lY 
el  8d  t'  dwoppe{t)  |x4v  die'  *Apeo<;,  sTt«  cuvöbrnj  II  474  II 
Hom.  z.  B.   ETcipplei  B  754  IV,  vgl.  jedoch 
Nikandr.  crdpxeg  dbcoppeCouat  Th.  404  II 
Darnach  ist  auch  gebildet: 
div6ppoia:  ^i^ei  4v  SioffYjgtv  axoppotaig  oirva^aig  te  II  439  IV 

Vgl.  Emped.  dTCOppoaf,  Ilepi  4>6c7.  337  FV 
iGOppoTTO?:  *Ep[Ji€(a?  8'  ^)v  toiaiv  tffdppoTCO?  dv-njoetcv  I  24  IV 

Hom.    eicipp^^   S  99  IV,   aber  tooppszi^  Ni- 
kandr. Ther.  646  V 
xaTappiTUTeo):  YeiTOVtt)  OovctToio  xaTappixTOüvtag  eourou^ IV288 IV 

Hom.  dcvappCicreiv  dXa  ^S(j)  y}  328 

IIK 
exiX^Yh):   oaaa  B'  exiXe^(i>9(  OeoC,  Ti8'  t((a  adfa  Xi^u)  III  233  II 

Vgl.  Hesiod.  'AjjupiXoYfaq  tc  Th.  229  IV 

im. 

i'jppuöjAoq:  ^  {Jto'JOYj^  STTcovr«  Iüppü0|xoio  XGpt;;  te  l  60  IV 

DorotheoB. 

IIK 
IXXa^e:  öxtü)  8'  eXXaxe  fd?  xpdkag  |Ao{pa<;  RuOipeia  26  11 

iv  to6tci)  •  S-rfXßwv  Ik  jAer'  our^v  IXXa^e  pwCpo^  27  V 
ZT{Xß(i)v  Iv  TouTw  xpoTepot;  S5  ^XXa^s  (xoipa^  30  V 
S5  8'  £xet  'EpjJieCa^;,  xu|xiTa<;  8'  S§  IXXaxev  "ipt;?  39  V 
T£(jffapa<;,  irrd  8'  'Aptjq  •  xuiAdrai;  86o  8'  IXXa^s  4>a{vwv42  V 
xivre  Zeu;  faeOcov,  xüfxdxaq  8*  ^5  eXXaxe  ^ivwv  49  V 
Hom.  Hymn.  V  87  IV  Theokr.  Id.  XVI 46  V 

Maximos. 

I\ 

extppi^aab):  dnfjpd?  xaXdfxag  f,  ^TCippiiffffOüaa  yjxCi^aq  112  IV 

Hom.  exippT^^affeaxs  xai  oTo?  Q  456  IV 
exippexh):  if^^v  8^  tiq  oXXyj  vouao^  dxippswY),  el  [Jilv  4v  i^oi  179  IV 

Conjectur  Ludwich's  für  das  verderbte  exi- 
ßpd(jLX£(  [kh  des  Cod.  L;  Koechly  schrieb  ^tßp^{^Tn 
doch  verwies  Lud  wich  mit  Recht  auf  Oppiao.  Hai. 
II  620.   Hom.  V^^  *'  «^-^?  SXeöpo;  £xtppewj  2  99 IV 


Stadien  zur  Technik  des  nachbomerUch«!!  heroiachen  Vene«.  781 

Euphorion. 
l\ 

CLVm.  IV  (Mein.) 

Hom.  TcepippüTo?  t  173  IV 

I\ 
aXXtaio?:  [Aouva?  ÄXXtaioto  -rcuXa?  Sßov  'Ai8ov?jo?  Fr.  L  4  II 

CoDJectur  von  Meineke  statt  des  herge- 
brachten aXi^oTOto  nach  Anth.  Pal.  &  dXXijr'  AfBi] 
VII  643.  3;  vgl.  Meineke  Anal.  Alex.  91.  Hom. 
TCoX6XXwTov  e  445  IV 

BhianoB. 

l\ 

eppiyijiq:    ippi^üiq,  56i  t'  ov^ps^  lye-MioNOi  xopecoatv  Fr.  ine.  7  I 

Hom.  ippi^si  ij;  216  I 

P. 

kxzp6ppoi:o^:    dcvOpuyicoe,   ^ipo\kv*   ii  OecSv    iTepdppoxa    Scopa   Fr. 

ine.  loc.  2  V  (p.  199  Mein.) 

Hom.  iicippiTf^  H  99  IV  vgl.  Nikandr.  idcroppe^^^ 
Ther.  646  v/Maneth.  Wppwco;  I  24  IV 

Farthenios. 

I\ 

£ppi^5«VTo:  ßc68ea  xapOevixal  MiXtjffCSeg  ^ppi^ 5« ^f o  Fr.  XXXII  6  V 

Hom.  Ts(/60<;  ippi^^ovro  icOXob;  M  291  II 

III». 
Conjectur  von  Meineke: 
zWiTzt:  TYjv  ItA  FaSetpa   IXXiwe   OtqjxooOvtjv  Fr.  XXV  2  (Penta- 
meter) IV 

KalHm.  IXXwce  ^uXeT  Fr.  198.  2  V 

Alexandros  Ephesios. 

II. 
Conjectur  von  Meineke: 
c'jpp  IV :  ^pov6(AO^  wdxXtjOev  luppCvwv  iXs^devrcov,  Meineke  p.  375 IV 

Hom.   xora   ^iv(5v   T  39   11^   vgl.  ApoUonios 
XdfOpiQ  eupp{va)v  te  xuvü>v  B  125  II 


782  BsAoh. 

IIK 
iWax^i  u4«0  V  dfXXoOev  SkXoq  uicipTotrov  IXXaxe  xiixXov  1  V  anf 

p.  372  Meineke. 

Hom.  Hymn.  V  87 IV,  Theokr.  lA  XVI 46  V 


eX X a/ e V :  Raoicecpoc  [uta  fuXa  xi  t  de^rroq  IXXax^^  4<>><  Fr.  XI  SV 

Vgl.  Theokr.  Id.  XVI  46  V 

Fhilon. 

IIP. 
IXXaxs:   l^Y^vo?   «(voy^voio   7coX6(i.veov    EXXoex^   x58o^  Fr.   I  7  V 

(Düntzer  II  93) 

Vgl.  Theokr.  Id.  XVI  46  V 

TheodotOB. 

I\ 

SXXaße:  xdfpa   ik  xal  Aeulv   (jivo^   £ox^^^   iXXoeße  x^*^^  ^  ^ 

(Düntzer  II  96) 

Hom.  r  34  V 
xaxoppocftrj:    SXXoOev  aXX'  Mr,^  xoexoppa^CriV  xat  eSexTo  23  IV 

(Düntzer  ^aOev) 

Hom.  xaxoppaf{Y}{  AXe^etvisq  0  16  IV 

IIP. 
IXXaOev:  iXXoeOev  dXX*  iv6iQoe  xaiioppaf(i]v  xal  ESemo  23  I 

Nach  SXXaße  neu  gebildet 

Fhüetas. 

ni\ 

iWay^t:  eXXax^  ^  ^vO^ojv  foEpiAoxa  {Aouvog  ^ee  Demet.  Fr.  12 

(Pentameter)  I  (Bach  p.  25) 

Gigantomaohie. ' 

l\ 

avappij^ai:    oreuto  Bl  yoiov  SXtjv  piev  avappi}§ai  xeved^vwv  61  IV 

Hom.  ßNopp^fyiq  H  461  II 

1  Nacli  der  Edition  Koechlj's  im  Index  lection.  von  Zürich  1861,  i».  19  sqq. 


Stadien  nr  TwbBik  des  nachhomonsohaii  berouehan  Yen«.  783 

a^oppi^i^a^:  Tdipov  awoppi^la?  JXow  ixsOiQX£  ^fyocni  74  II 

Hom.  (koppi^gag  Z  507  II 
icp6pp(2^og:  TCp6ppt(ov  TcoXiemtv  epstSo|jiivv]v  bpieo^i  59  I 

Hom.  TCp6pptCo<  2  415  I 

DionysioB  Feriegetes. 

Tp{XXi9Xo^:  &inc6Te  TpiXXCaTcov  [xeTexCoOev  lOvo^  lßi4p(i)v  485  II 

Hom.  nur  in  der  Senkung  ianoatri  tp(XXtoTo< 
iir^XuOe  vug  ipeßevvi^  6  488. 
av^^eXo^:  oTov  St'  ÄvsfiXoio  iC  i^ipo^  slSerot  deorpa  531  H 

Hom.  xditTOTae  avi9eXog  C  45  H 
i\)ppa^'^^:  Zeuq  odtrbv  Ai6vu<7ov  luppa^ioq  xapa  (JLiQpou  940  IV 

luppoe^^eaat  SopoTaev  ß  354  IV 
Irtppiio:  ^aux^  xo^Xi^ovro^  exippiei  dr^Xacv  t»Bü)p  838  IV 

Hom.  iwippiei  B  754  IV 
xaTappib):   ev  vop^, ,auT6(jLaToc  ik  xaxippeov  5$aoi  X((JLvat  943  IV 

Hom.  xorappdov  e§  fa>T6tXiJ^  E  870  IV 
oL^dppooq:  l^eir^^  S'  liui  Z6pTt<;  dcYoEppoov  6Xxbv  ^XCoaei  198  IV 

ot  8'  öxip  'EXXi^aTcovTov  ÄYappoov,  ol  8'  inc^p  owrij?  325 IV 

Hom.  Saoou^  'EXXi^oxovro^  d^^PP^^^  ^^^<  i^et 
B  845  IV 
ßaOuppoog:  (JLvi^<70(JLa(  'Q)ceavoTo  ßa0upp6ou-  Iv  ^of  ixe(v<i)  3  IV 

Hom.  ßaOuppöou  'Qxeavoio  z.  B.  H  422  IV 
x(zXX{ppoo{:  dcYx^öi  iniYiwv  xaXXtpp6oü  ^HptSovotö  289  IV 

Hom.  xaXXtpp6(i)  X  147  IV 
eupp£{TiQ(:  66(xßptg  i u p p e (tiq q ,  icoTa[ji.cii)v  ßaacXe^rorro^  d(XXü)v  353  II 

TiYpt?  £üppstTY]^  ^opiei  p6ov  Taov  iXauvcov  984  H 

SoevOoU    llCC  lUpOXO^OCV    £upp6(T0U   1COTa{JLÖtO    848    IV 

fort  ii  Ti?  ÖTfjTjTb?  euppefxYjv  irapa  rä^YT'l^  1152  IV 

Hom.  irepircoiot  ATyuwtov  6upp€{T>)v  Ix6{ua6a  5  257 1 V 
roXuppnjv:    Soupai^ou?  •  töv  8*  acf/i  xoXuppijve^  TtßapY)vo(  767  IV 

Hom.   I   154   IV,   direct  nachgebildet   dem 
Apoll.  Rhod.  B  377  IV  ccf/i  ik  vaeeTioucri  xoX6ppr|V€^ 
TißapT)vo(. 
ippH^tnxai:  4)  ^d  t£  ZexeXivjg  ixt  xopOpißog  lpp(C<i>Tat  80  V 

I5s(r<(;  y  4x1  t^üi  Atßupvße?  Ippf^covtat  491  V 
Hom.  ippC^taxai  iq  122  V 


784  BsaclL 

ippayfl^i  teCx^aiv  äppayi&aai  Ze(Aipa(Ai^  eot6favb>9Sv  1006  11 

Hom.  ime^drfri  Q  300  IV 
xaTC^ppuToq:  aevöeot^  7COTa(&oifft  xatippuToq  Iv6a  xal  IvOa  1124  IT 

Hom.  'icepippoTo^  t  173 

ni». 

IXXaxe:    oü  jjl^v  e^nüvupitTjv  |x(av  IXXax?^?  ^^'  ^^  öcoorij  647  IV 
At6Xou,  5a  6iQt;Ta  [jist"  dcvSpiatv  IXXa^e  ScÄpa  463  V 
ävt'  Äpet^q  •  opeTi;  y*P  ÄXT^porov  SXXaxs  tijii^v  548  V 
AtY«tt)  2ix£Xtj  T*  •  ovefxov  8^  xot  fXXa^'  ^»«aiYj  401  V 
UepoiSt  t'  *Apaß{t)  x'  •  ävefjusv  8^  xot  IXXax'  ^xim;  929  V 
oXXo  8£  TOI  xai  6au(Aa  jjl^y'  ^S^X®^  äWay^  äietviQ  935  V 
TG)  pa  xat  aXXotTjv  ^uapLOu  ^uaiv  IXXax'  huim^  1175  V 
^ircflnc6poü  NeiXoto  vevaqiivov  sXXaxov  ocru  264  V 

Hom.  Hymn.  V  87  IV,  Apoll.  Rhod.  B  881 1\^ 
Theokr.  Id.  XVI  46  V 

OppianoB  Syros. 

I\ 

eXXiaaovTo:   '^pvKiav;   iXXCaaovTO  ßuOob^   oxiTOtoc   tctpri^ai  Kjneg. 

rv^259  n 

Hom.  £XX{<x(Tov6\  b  ii  {jloXXov  ovaCvsro  I  585  I 
iu{jL(jLeX(iQc:  Nipia  xal  Nipxioaov  lufjLfjieXtiQv  6^  Tixtv6ov  Eyneg.  I 

362  IV 

Hom.  iu(jL(jLeX(Y}v  Eu^opßov  P  59  IV 
dexoppi^^«^:  8eqjLi  V  dicoppi^^avTe^  ?tiqv  [uyiXa  xpeiiiOovre^  Eyneg. 

I  263  II 

Hom.  8e9[jibv  dbcoppi^^a^  Z  507  U 
eupeCTY;^:  oorcdip  iupeiToeo  icop*  Sx^ot^  Eu^pi^Tso  Eyneg.  IV  112  II 

Hom.   voie   8e  Zotviösvto^   iuppeiToo   i»p'  5^^ 
Z  34  IV 
ÄppiQTo^:  x^^')^  ^'  ^ippi^'fiQV  lepb?  X®P^?  i&ipoiaaa.  Kyneg.  IV  255  ü 

Hom.  in  Thesi  (ippr^TOv  5  466;  vgl.  jedoch 
Arat.  180  II  Maneth.  II  197  II 
Ippt^a :  ou8^  icot'  ippt^afftv  kr^q  ev  «y^vi  YevdOXt)?  Kyneg.  H  134  ü 

Hom.  ipptYD^t  T  353  II 
xat  f6t(jievat  y^P  ^(^  ^OifJievov  Xuxov   IppfY^^t   Kyn^.  III 
287  V 


Stadien  snr  Technik  de«  nnehbomerisehen  beroischen  Yanes.  78o 

ipptl^cotac   ov}(jia   3'  l^iQixepioeaiv  ipi^paik^  ipp{!^(i)Ta(  Kyneg.  III 

381  V 

Hom.  t)  122  V 
eppt^ev:  hf^k  8'  iX(i)9Y2(rav  •  tou^  §'  Ippt^ev  deXXov  eic'  oXXo)  Kyneg. 

IV  350  IV 

Bei  Homer  im  Simplex  nicht  in  der  Arsis, 
z.  B.  Sffoov  Tt?  V  Sppt^j'e  5t  845;  dagegen  in  Com- 
positis,  z.  B.  dvepp(Tcoüv  v  78  IV 

I\ 

icpü>T6ppuTog:    [toJ^O"^   ipe^oepiivY}    xpcoiöppuTov   uldt  Zy;v6^  Kyneg. 

IV  234  IV 
Hom.  TCep(ppuTo<;  t  173  IV 

n. 

iupptvo^:  xat  icaffov  ortßeeaotv  lupp(voiat  xüvewtv  Kyneg.  I  463  IV 
l'jpptv:  Rpts;,  aüToXuToig  cuv  lüpfveaat  x6v£wiv  Kyneg.  rV357IV 

Hom.  ori^s  xorjc  ^iv(ov  T  39  II  Apoll.  Rhod. 

Xi6pY]   SUpp{vb)V  TS  XUVü)V   B    125   II 

Tavopoit^o?:  ßaXX6[xsvo?  TTJXtvYJoi  Tavupofl^Yjaiv  axcoxaX^  Kyneg.  IV 

195  IV         ' 

Hom.  TCoXX^  8^  ^ofi^o)  e  315  ü 

ni». 

IWaxe:   BwrovfSo?  9pY)>tY]q  •  dtop   IXXajro^   sßs«   toT«  Kyneg.   II 

161  IV    * 
aXX'  iXi^ov  Tou'wwv  yi^oq   IXXax«   jAupto^  o!«  Kyneg.  III 

34  IV 
auxap  6  •^v^uHmtd^  6e66ev  xo-jcep  eXXa^e  Söpov  Kyneg.  II 

284  V 
5uv3t  li  T    5affa  icdXouatv,   6|jio&q<;   IXXaxev   ciS^?  Kyneg. 
IV  42  V 

Hom.  Hymn.  V  87  IV  Theoki-.  Id.  XVI  46  V 

£7:T|jLuo>:  ci)TeiXal  8'  IxiTepOev  dTCijJLioüoiv  486vt(i)v  Kyn.  U  290  IV 

tot  8'  1^01  o6(jL7a9av  eici(JL6ou9(  (xlvovre^  Kyneg.  II  575  IV 

fi^  xat  ÖTJpe?  dfvsncTe^  iTCi[i.6ouatv  iiccoicd^  Kyneg.  IV 144 IV 

Ineert.  Idyll.  xÄv  iXC^ov  vuitTo^  ti?  6TCt|jL6aat)<n  HI  4  IV 

iroXuppaOtfYO?:    tou?    [a£v    vuv    icpoxöfjci    woXuppaöiYOw    icoxafxoTo 

Kyneg.  III  21  IV 

Nikandr.    iXoo^?    8^    auveppaOiyiQffev    Mouoi 
Ther.  194  IV 


J 


786  Rxaeh. 

Oppianos  Kilix. 

iico'k'k'^^eiv:  i^i  V  ÄTcoXXi^^aaa  xac  &(JL<3cve6aaaa  (JisOoto  Hal.I466n 

Hom.  oOx^'  dbcoXXif^eig  x  166  II 
appiQxxoq:  ippi^^to)   9uv^8v)aa(,  dcvorpurft]  S^  exdpetao;  Hai.  1 146 1 

Hom.  dppifxtouq  dX6Tou^  0  275  I 
dicoppi^^eie:  ^ixaXia^,  (at)8'  I0i>{  Äicopp'^^ees  oßv^pov  Hai.  V  144 IV 

Hom.  8e9|jibv  iacopfrffyiq  Z  507  II 
3iappa((ii:   S^cya  i\   67nc6xe  vija  dcappacaOeiaav  dcfXXoo^  Hai.  IV 

406  IV 

Hom.  x^x«  a^  {A£  Stoppocicooa'.  xat  auxsv  a  251  IV 
xaxappifa):  xoO  Se  3ai![o|jiyoio  xotxapp^si  &({»ca  SeapLOJ  Hai. III 538 IV 

Hom.  xotoppiov  d§  (i>x£tX^{  1  149  IV 
icepipp^co:  ^pTcu^^ei,  icivxv)  8^  iceptppiec  dbcp€)jiivea9ev  Hai.  IV  295 IV 

Hom.  cA[ka  ^epippse  (  388  IV 
e^ippi^fa):  xotov  ^op  8ixo^  aivbv  dxippsTcet,  ou3*  ceviijac  Hai.  II  520 IV 

Hom.  ^ipp^  S  99  IV 
eictppifa^ci»:  o7  (jliv  iictppi^aaouaiv  u(jL€pf{aXo(  x^  iXoof  xe  Hai.  163411 

Hom.  ^iRppiio9e(Txov  Q  454  IV 
Ipptl^covxoei   Zeu   ?cixep,    ^   $£   os   xivxa   xat    äi  oiOev   ippd^cavTs: 

Hai.  I  409  V 

Hom.  €ppi((i>xati  vj  122  V 
ipptl^üiaev:  iXX'  5xe  (aiv  xai  SdvSpov  ixci)vu(&ov  eppiCcoaev  Hai.  III 

406  V 

Hom.  IppB^iOdet  ivepOev  v  163  IV 

P. 

Stapp<«>S:  dvxpo^uetc,  xeuOjAiocrt  iiappiaya^  OoqxiEovt  Hai.  III  212  IV 

Hom.  dmxoel  dhcopp^Ye^  v  98  II 
TupoiQvou  i?6vx9to   |JiioT)   7cop8[jbOio  Siappo)^  Hai.  V  216  VI 
Hom.  lotiv  i7coppci>§  B  755  VI 
[Accoppavi^«;:  dvipöEa'.v,  8;  xat  rpona  [i-ecoppaY^«?  xeveuva^  II 31 IV 

Vgl.  Hom.  appYixxo?  4»  447  IV,  rg\,  Nikandr. 
xoxaixoTo  xoXüppoY^o?  xaxa  8(va<  Ther.  59  IV 
xoXuppatffXT)^:   b)^  Se  xoXuppaicxao   v^^^  noXejJLOto  fu^ouffa  Hai. 

I  463  II 

Hom.  xxY^pLocx'  dicoppxbei  a  404  II,  vgl.  Nikaodr. 
iXeppoRffXTjv  x£  8p4xovxa  Ther.  828  IV 


Stndiea  zur  Technik  dea  iwchhomeriMkeD  beroischea  Vers«t.  787 

dicc  ppatvfa):   Tpeß6(i£vot  Oopbv   uypbv   (xxcppaivou9(v  SiaoOev  Hai.  I 

494  IV 

Hom.  ippolSor'  M  431  I ;  vgl.  Theokrit  OaXXw 
iicepponvetv  Id.  XIX  98  II 
doXoppafi^^:  |jiiUp{a  V  oi6\a  ^ola  SoXoppaficov  Xiva  xöXtcoiv  Hai. 

m  84  IV 

Hom.  iuppofieaat  Sopotjtv  ß  354  IV 
^totppita:   dvTovuec,   jjtdavo^  ik  iiappiti  i^uxe  XaifO^  Hai.  I  346  IV 

irpaX^  (jLupaiva  8  tapp  sei  oTdnu£p  &3(i)p  Hai.  I  273  IV 
Hom.  dwippiei  ^6t'  IXatov  B  754  IV 
OsoppuTO^:  eiT^  dcpa  xal  XuOpoio  66opp6TOu  Ix^^^^H^^^  Hai.  V  9  IV 

Hom.  w6p(ppvno;  t  173  IV 
xaXippota:  eÜTS  Y«p  ^v  8(vY)ai  icaXeppoCtjat  ÖaXaccnj?  Hai.  I  778  IV 

Vgl.  xixXipp6o)  X  147  IV 
xarapp^t^b):  ^a  xaiapp^^euv  iicixXCvo'.  ts  miC(*>^  Hai.  IV  611  II 

^xa  xaxappdl^eaxe  f'.Xofpoauvv)a(v  SToipov  Hai. V 481 II 
Hom.   i^cipp^i^eoxov   68tTat  p  211    IV   ApoUon. 
xorroppi^aaa  A  687  II 
xaToeppexe^:  oxepx6[A£vov,  pioXißci)  ts  xaTappe^c^^  i^Se  aiSn^po)  Hai. 

IV  543  IV 

Hom.   £TCtpp£7CY)  2   99  IV   Apollon.   xaroppewi? 
IowTo  xufxa  B  593  IV 
icaX{ppo  iß$o<;:    iXxo|x^vY]   Sivt]9t   TcaXippotßSoKTi  XapußSi^  Hai.  V 

220  IV  ' 

Hom.  divoppotßSeT  piiXav  DScop  (jl  104  IV 

IL 
ippoll^yiat:   orig  8'  äp'  kiA   ^yjjiTvo?   föv   v6jjlov   ippoi^t^at  Hai.  I 

563  V 

Hom.  xoXXt)   B^   ^oßjcp   t  315  II,  vgl.   Aratos 
happoil^&Joi  Phaen.  969  II 

III». 
IXXaxsv:  IXXaxev,  i^i  [xtv  auTb<;  ^Xü)v  iToptacjaTo  Oupu^  Hai.  V  93  I 

Hom,  Hymn.  V  86  I 
iici|A6«»:  5(&|Aarc'  lxi[jL6et,  auv  8^  oröfiLa  xafjiTcav  epeiSei  Hai.  II  110  U 

Incert.  Idyll.  eicijAüaoYjfft  III  4  IV,  vgl.  Oppian. 
Syr.  Kyneg.  ^irifjLÖoixrt  11  290.  575  IV  144  IV 
TQoXitppd^ayoq:    Sova     icoXuppaOc^Y^^^'^    ^^''    oxtXiSeoat    f6ovTa( 

Hai.  V  652  n 

Bitawifftbtr.  d.  phll.-hift  Gl.  ZCY.  Bd.  UL  Hft.  51 


^88  Biach. 

Hai.  I  383  IV 
Nikandr.  wntppaAdrffiae^  biown  Ther.  194  IV 
Oppian.  Syr.  izohjppaMrpu  votoliuHo  Kyneg.  III 21 IV 

IIP. 

deXXuTO^:  i^ipa  ts  oxtiouct  xal  aXXuTov  5y(jiov  ix^uciv  Hai.  I  625  IV 

Homer  hat  nur  £k\rzo^ :  ippi^xTou^  dcXuiou^  (xtSa;) 
N  37,  appr^xiöv  V  5Xut6v  xe  (weipap)  N  360,  opp^t- 
xou^  dX6xou^  (SecTfjboug)  0  275. 

Markellos  Sideta. 

8  tapp «((!>:  ac^pxa  Seappaiouaiv,  oel  S'  dTfcevomv  dfrparrov  80  II 

Hom.  vija  3tappa{oi>9t  (jl  290  H 

EudemoB  (Antioohos)  Theriaka« 

P. 

{aoppexi^^:  ouv  xcd  B'  ^picuXXou  xXcovo^  taoppeic^a^  4  (Pentam.)  V 

Hom.  ixippiirv]  S  99  IV,  vgl.  Nikandr.  hoppszk 
(JxOo?  Ther.  646  V 

AndromaohOB  Theriaka. 

P. 

iicoppeio):  ijyi%a  ik  axoXiat  |jiiv  d??oppe{ü)9tv  oxavOoi  97  IV 

Hom.  dxippeei  B  754  IV,  vgl.  Nikandr.  aipxs; 
diEoppebuat  Ther.  404  II 

II. 

dicoppOicTb):  epm)9t6v  x"  i6€vxa;  iicopp6ij;eeev  dcxivOa^  101  IV 

Hom.  vuv  8*  3xxt  pu?c6ü>  t}'  115  U  Emped.  xpT 

}Aiv  dbcoppurrsoOac  453  II 

AnonymoB  Tcept  ßoxivcov. 

P. 

Äic6ppv]xo^:  ^  xai  SüJ(jLa  fuXotoffet  <iTC6ppv;x6v  x^  dncoic^<:ce'.  205  IX 

Hom.  icopdeppvjxot  I  526  FV 
taoppeir^q:  7ivd[xevov  ixiOuo^  xoXtou  xpbg  (ffoppeic^^  ofX^^  ^^  ^ 

Hom.    Ixtppiiw)   S   99  FV,   Nikandr.   Icoppe:^; 
ot/ßoq  Th.  646  II 


Stadien  snr  Technik  dee  nneUiomerisclien  heroiichen  Verses.  789 


Qnintus  Smymaeus. 

e  X  X  a  ß  6 :  ä^xsp^«^^  Aavaöv  •  \uüa  yotp  iio^  IXXaße  icdcvT«;  VI  600  V 

oT^fJ^evoei  iv  icoXd|Kj>  *  (iiXa  ydcp  Sio^  IXXaße  ??ivTa(  IX  7  V 
III6[iL6voi  axorcCa^ov,  licet  ^ößog  IXXaße  wöEvro?  II  6  V 
XeuY«?^^?  'co^  5'  1^1)  xal  dtYXobv  iXXaße  x^^Pl*«  11  513  V 
Hom.  r  34  V 
«XXtjxTO?:  äXXtjxtoi  vi^ölSecroiv  doixÄte?  i^^X^ov'^o  V  107  I 

vuv  H  [jLot  aXXi^xTOuq  58uva^  cveOi^orco  Ba([jui>v  VI  16  II 

Hom.   B  452  II,   wegen   der  I.  Arsis   vgl. 

KalUm.  Hymn.  III  149  I  Apollon.  Rhod.  T  805  I 

$  ca|iLeXei9Ti:  de(jL9iT6(xot^  ^i^ieaat  S(ot|jLeXet9Tt  xiSoaaov  V  208  IV 

Hom.  Sia|jLeX£C9Tl  Tdi|jLY)atv  a  339  IV 
2u|A|iLeX{i3^:  £1x9(0  lu[i.[i.eX{T]v  {jl£v  "AxiXXia  xuSaCveoxov  UI  632  II 

Teuxpo^   iu|A[jieX(iQ<;  •  Toi>  8'    oü  xp^oc   xaXbv    taij;ev  VI 

546  n 

Teuxpo«;  Iü|x[x6X{yj<;  •  oXXt)  8'  l/ev  dfXXo?  6i!;6v  XI 357 II 
ouv  S*  op'    eu|X[i.£X{iQ{  noSaX€tpio<;  E&p6(jLax6^  ^e    XH 

321  II 
YajjLßpbv    iu|ji{JLeXiY}v  'A.VTi{vopo^,  5^   ^a    |ji.iX(9Ta   XIII 

179  II 
rXauicov  iufJLfJLeXiTjv,  1^$'  ox;  IptxuBea  ^ma  XIV  136  II 
Hom.   z.    B.   ic3ip   8*  &p^   iu(jL[jieX{iQv  neeaiorparov 

Y  400  II 
nouXuSifAovra  V  eu(jL[jL£Xtv]v  xal  nc^|i.[jLova  S'iovVI317III 
Diese   Abweichung  vom   Gesetze   (Stellung 

der  gelängten  Silbe  in   HI.  Arsis)  wird   durch 

den  langen  Eigennamen  IIouXuSi[i.avTa  entschuldigt. 

VtJTCftQ  •  053^  Tl  fl^   £U|X|JL6X(lQV   'A^tX^j«  I   96  IV 

£^  V  ouTCü^  dbr6poi>a£v  du|jL|jL£XtY]^  Qpam)[i'ffir^q  II 342 IV 
xodcep  uTCOxpo|JiioyT£^  du[i.|jL£X(iQv  "A^tX^ia  III  12  IV 
icd[vTU)v  'Apyefwv,  (a^y'  i'^lAlAeX^Tj?  'AYafx^fAVwv  IV 127  IV 
M/Kciaq^  xwq  xp6o6ev  Iu[jl|j.sX(v)  'AxtXtjt  IV  173  IV 
Töv  8'  äpa   tTQX6ffe   6t)x£V   iu(jL[i.£X{Y]v   'AYafx^li-vwv   IV 

407  IV 
S^  ^^[jievov  icpoff^etmv  iu(JL|JL£X{v](;  'AYafAi{JLV(i>v  V  165  IV 
öq  fdjACvov  Tcpoffieiwev  iu{JL(ji.eX(iQ^  'AYapiiAvwv  V  427  IV 

61* 


790  Rzach. 

6u)jL(JLeXtT2q:  tjoa  xporrepbv  [lepCXoov   eu|j.|i.eX(v]v   xe  MevdfXxip»  YIU 

294  IV 
Tu8ef8if]q  3'  §Tipu>0£v  lu(JL)jLeX{Y]g  V  'Ay^Ia^vwvIX  203IV 
S^  TÖte  (juv  xpoadencev  €U(ji.(AeX{iQq  'Ay^'K^''^^  ^^  ^^  ^^^ 
rXouxou  S'  loOXbv  ^Toetpov  2u(A(AeX{v}v  ZxuXaoi^a  X 147 IV 
•ffi*  'Avn^vopo?  üibv  lufJLfJieXtYjv  *A%di\Lxrca  X  168  IN' 
xXeup^i  8te^(i)t^ev  iu(JL(JLeX(Y)  inc*  "Eicetcd  XIII  41  IV 
KoffaivSpiQV  B'  dSYe  Siov  eofJLfJLeXCr^^  'AYaii>S{jLvciiv  XIV 
20  IV 

Hom.  nav66ou  uib^  2upL(jL£X(r|^  ifiiXijaev  P  9  IV 
dc{jL(Aopoq:  aiAjAopo^*  eXiaopy;  3e  x^ei  xal  Bo6X(ov  j^iiap  I  430  I 

xoh^  piiv  dncof6(|jLivou(;,  tbv  B'  äpLfJLopov  i)eX{o(o  XII 499  IV 
Hom.  oTv)  df{jL)j.op6<  ^9Tt  Xoerpi^v  ^Qx£avoio  £48911, 
?ja'  oilAlJwjpov,  fl  Tix«  Xi9^  Z  408  IV 
8u9i(A[i.opo^:  4  ;c69tv  dqx^oYdhnQaa  SuadtpLiAopov,   u)  ouv  &ii>XicEcv  X 

425  IV 
drfxöOt    S'  ou^  Sivtova   SuaifApLopov    etaey6iQ7av   XII 

360  IV 
aiSo»  dcTCexputl'^TO  SuaafJLfjLopoi  '  at  $*  ^Xe^eivc^  XIII 

116  IV 
xtetvov  yafi*  ^X^atpe  SuaipL^Aopov  *  ou  y^  f^^oYS  XIII 
227  IV 

XIII  256  IV 
Xstpag  ioX(  xexiecat  Suaat[i.)j.opoi  *  ccT  $^  oXsYetvi  XIV 

543  IV 
di(jL9exfieXu^ev   ivoxta   SuoifJLpiopov   oSpeo^  dcxpi;  XIV 
586  IV 
Hom.  iJLi^ip  6\  4)  (Aiv  extxTe  Suffijj^jLopo^  X  428  IV 
avvdf  eXo'^:  avv^^eXov,  x^^^^^  ^^  tipo^  (liYot  Oau|AäB^eaxov  IX  5  I 

d^Xb^  intj^etj£k\)<^t  xal  dvvsf  dXou  luep  i6vTo^  XII  515  I\ 
Hom.  Tinoezai  a^fi^tkoq  II  45  H 
appvjxTO^:  appTixTOv  *  Nupk^at  8e  iceptßXu^ov  lepbv  GSiop  IV  9  I 

appvjxTOv  ßp(ap6v  te,  to  x^^^^  IIiQXeiiova  V  111  I 
ÄppYjxTov  ßptopT^v  xe  xat  aOoviroifftv  «YT^^  XIV  453  I 
SeojAü)  dv  Äppi^xtc;),  Ste  cl  {i^Y^  oierb^  ^op  V343  II 
Seapu^  iv  ippi^xKp  *  xetpev  ii  ol  oteTO^  Jpsatp  X  201  II 
YtveTai,  ou  icepl  SäfJLa  xal  Äpp^xTOu^  in)Xefa>va{  II  598  l\ 
Hom.  N  37  I  0  20  II  O  447  IV 


Studien  zar  Tacbaik  d«8  nacbhoBierisehan  heroischeo  Veraea.  791 

318  n 

ei^  hi  ivappi^^a^  oSO'  ulcov  oSt£  ^onp&^  XII  210  II 
auTjj^  ouv  icixpjifftv  avappi^S«?  dpaputai?  VI  270  IV 
xat  S|X(i>6)v  ?i:uX£(i>va<;  avappi^i^aoa  pLsXaOpcov  X  439  IV 
AiTTO)  Si'  ovi^iQVCv,  dtvappi^§aaa  xiptoci  XI  23  IV 
Hom.  Tet^o?  ovappi^S«;  H  461  11 
axoppi^^aq:  x^P^''^  ax^ppi^^avTe^  a?c'  Gupeo^  "ISatoto  XII  186  II 

Xißpog  6{JL(5(;  div^|xot9(v  di^oppi^i^Y]  Aeb^  8(Aßpog  I  697  IV 
Hom.  Z  507  n 
aTcoppu)^:  foCvetai  oixiQecraa  ^ixpiQ  Z»c6Xot6  t^  d?uopp(i>^  I  304  VI 

Hom.  z.  B.  t  359  VI 
ixoppa((i):  aircij  ouv  fi^|{JLY)  pitv  dxoppaiaec  xdxa  6u{x6v  III  452  IV 

(80  M) 

Hom.  xTi^(jLaT^  dheoppaCase  a  404  II 
Biappoetb):   a7()^  Siappatouffi,   vixuv  8'  ou  y^^^  xaX6t|^e(  X  403  II 

Hom.  vt]«  StoppaCoufft  pi  290  II 
woXXbv  yap  wpoß^ßiQxe  *  SiappaCaet  8e  [jwi  ^jxop  IV  492  IV 
Hom.  'Kdrf/jj  3(appat9£i  ß  49  H 
lpp£e:   lpp££  fo{viov  oS.[ia  icori  x^^^^}  Ssu£  S%  oijpia  XIV  279  I 

xoXXaxt  8'  lpp£ov  oTov  5t£  otu9£X%  dicb  Tc^piQ?  XH  409  H 
a{ji9£X£  ߣßpux<i>^  "  TOpl  5'  £pp££v  alfJLa  Y^vuoai  XI  30  IV 
ou7a7£  8£^iT£poto  *  {jiiXav  ii  o\  ippee^^  aT{jLa  I  595  V 
[i.atv£TO  XfiirfaXio)?  •  5icX£to?  8^  ot  lpp£€v  di^pi?  V  391  V 
ßaXXo{iivü>v  '  irdcvTV]  V  de7C£p£io(ov  lpp££v  at(Aa  XI  305  V 
[jLioYÖjJLfivov  •  xoTapij)  yop  dcXf^xio^  fpp€£v  aiOi^p  XIV  600  V 
Hom.*X  600  I  A  140  U  n  110  rV  N  539  V 
xaTipp££v:   ^tvoTg  '  atfjuz   Si   icouXu   xaT£pp££v  *  ^x  ik  (jLftunnüv  IV 

354  IV 
ifftiov  *  i%  li  ot  oipLa  xaTipp££v  5f6aX{JLoio  IV  362  IV 
Hom.    xorapp^ov    i5   <«>t£tX))^    A   149   IV   vgl. 
Kallim.  Hymn.  VI  91  IV  (xaT£pp€£v) 
^YflEppoo?:  a^va6g  7C£p  Iü)v  xai  äy^PP^ö??  ^^^  ^  t6vy£  X  174  IV 

Hom.  B  845  rV 
ßsSuppoo^:  j)0^  im:^p  (i)X£av6to  ßa6upp6ou  dvriXXvjotv  I  148  IV 

MaiivBpou  T£  ^££6pa  ßa0upp6ou,  5g  ^'  iiut  y^'uev  1 284  IV 
TT]66og  (i)X£avou  t£   ßa6upp6ou  Upbv  oTS{JLa  H  117  FV 
icop  xoToptob  ^d£Opa  ßa0upp6ou  Mo'fyKoto  II  587  IV 
T[3(p  ippoxoY]^  ?:oTa(A6io   ßaOuppöou   Eupayroo  X  121  FV 


792  Bs»«k. 

ßa86ppoo^:  wrffoi  x'  anieavoto  ßaOuppoou,  £v8'  axi|iavTi  X  197  IV 

Hom.  ßa0upp6ou  'Qxeovöto  S  311  IV 
döppoo?:  rXflwwv  iwtxXefoüciv  iOppoov  •  äXX4  ti  fiiv  «ou  FV  11 IV 
xetTo  8'  ^xt  wpoxo^oiv  euppöou  *EXXiQCic6vTou  VIII  488  IV 

Hom.  d6ppoov  dqjLfl  ZxifAavSpov  H  329  IV 
xaXX{ppoo(:  ic6vxov  iic'  Eu^etvov  icpox^(i>v  xaXXCppoov  &8ü>pVI467V 

Hom.  Hemistichion  B  752  V 
^uppeCTV]^:  A(vSou  cuppetiao,  jx£V£ictoX^}jui)v  50t  Ko^v  VIII  83  II 

Yfiivorco  wap  xpoxo^l^w   lupp e(Tao  Kafxoü  Vlll  120  IV 

Hom.  £orwi6evTO^  iuppeCToco  xap*  S^Oo^  Z  34  IV 
Ippit^ovTo:  ticxot  8'  epptoovTo  *  ßoi]  8'  Äva  Xobv  op<i»pet  IV  561  11 

Hom.  W  367  II 
oih  lx£pp(i)0VT0  *  ßov)  2'  d()Xf(axev  dbru  XIII  460  II 

Hom.  ü  107  IV 
ippclt>9avTo:  xe^ol  3^».^  linn^£99i  ouv  evremv  ippdjgavTo  III  695  V 

Hom.  Q  616  V 
xoX6ppY]vo^:  3vte  x6fa>v  9TaO|i.oio  xoXuppifvoio  litfcai  II  331  IV 

Hom.  voie  xoXuppYjvo^  X  257  II 
Ippi^a:  lppt*f(ü(;,  ixvj  8i{  tc  xapi^Xttsv  di9pai{Y)aiv  XII  417  I 

Hom.  gpptY'  devTißoXTjaat  H  114  I 
ocivo[jb6pu>  *  Tcimq  V  \k   ÄaoxeTOv  ippi^aai  X  398  V 
eppd^cotai:  xoadca^v  {AdcXa  xoXXbv  uzeprary;  ipptl^coTat  V  462  V 

dt^  Sioai  86vaTat,  B  ^^  IjatcsSov  Ippi^coTai  VIII  169  V 

Hom.  Yj  122  V 
äxoppCxTh):   oT  {jL^v   dixopp{<|/avTe{   hA  x^^^?   TeO^e'  db:'  b^{iii)v  I 

482  n 

OBir:hq  i'KOppitba^  lepbv  väfO(;,  si  (jlv]  ^A^vtj  VHI  342 11 
Hom.  {Jiijvev  dhcoppC^oera  xeXoifAYjv  I  517  IV 
excppixTO):   xa(v(i)  exfppi^av  xoXd(jui)  ivl  Boxfuöevct  XIII  332  11 

XstpoE^  ^xepp(<{^avTo,  XiXat6{Jisvoi  )jl(v  dcYeodat  XIII 50411 
Hom.  Tpue^  ix^pi^j^ov  e  310  II 
6x(ppo6o?:  ^Y*Yo^  'Atpstttjaiv  ixCpp oBo v  •  ijv  84  xat  dIfXXou  V 257 IV 

8^  vuv  ^(JLiv  Txavev  extppoOo^  *  ikXk  xat  OMXot  VHI 265 IV 
9^  Oeb{  i)  8a{|jL(i>v  Tt^  iizippo^oq  '  am^  ABi^vi]  XIV 628 IV 
Hom.  to{yj  ol  ixippoeö?  JJcv  'Adi^vr^  A  390  IV 

P. 

Jxtpp^JYVüjjit:    ol^v   Ixeppi^YvuvTO  •x6vo<;  S'  äxpTjxTO^  ip<i>pei   XIV 

518  n 


Studien  snr  T«eluiik  das  nachhomeritchen  heroiachon  Verses.  793 

^ceptppi^Y^^i*'*  IxTCoOev  iXXi^Xotcri  zepippr^^^Tj^-^zq  d^XXa^  VIII 61  IV 

Wegen  hom.  Composita  siehe  unter  I^.  Zur 
selben  Wurzel  ^07,  die  bei  Homer  so  oft  Po- 
sition bildet,  gehört 

ßa66pp(i>xP>'0^:    ^hfX^^   xivuTO   {jiaxp^c    ßaOOppcdXiAOi   'ce   x^^^P^^  I 

687  IV 
ixicipp£ev:  ex  [leX^uv  ctg  ouSa^  ax^ppeev  alfiia  xallSpcix;  II53irV 

=  V  37  IV 

Vgl.  Nikandr.  Ther.  404  IV 
e^^ppeev:   xaivou^  etoopötoa« -roXu^  3'  i^ipptt  3axpu   XII  507  V 
uTc^ppeev:   (ov    dcicXexov  (jl6t3(  x^P^^  uicippeev,   ai(ji.a  xeXaivov  VIII 

434  IV 
xivtv)   8'  otfjMe  xeXaevbv   uTC^ppse,    3e6eT0  8c  ^^v  XIII 
86  IV 

Wegen  der  hom.  Composita  siehe  I\ 
ßaOuppti^o^:   Sl^ov   iq  aX^ivöevT«  ßaOupptl^oto   (Auptxi]^  IV  202  IV 

Hom.  icpoppil^ot  Tnircouacv  A  157  I,  vgl.  ApoUon. 
ßae6ppt2;6v  icep  ioudov  A  1199  IV 

'Rtpippi'KXisi:  x^'^^  ''^^P^PP^^^Ti  ^^o<  ^^0^9  ^^  ^'  '^^^  ^^Trn  VIII 

332  II 

Hom.  Composita  siehe  unter  I^. 
zoXüppdOio?:  TurObv  ixi^j'ÄüOüaa  iuoXüppoO{oio  OaXioov]^  VII  395  IV 

So  hat  nach  N  Rhod.  den  Vers  hergestellt, 
A  V  xoXup^6oio  C  uoXuppoCoto.  Hom.  ?caXtpp66iov 
f  spe  xufjMc  i  485  IV ;  schon  Arat.  hat  unser  Com- 
positum: xoXuppo6{ou^  dvOp<i»rou(;  Phaen.  412  FV 

II. 

TToXOppoil^o?:  itk  xoXuppoCI^cov  dv^pKov  ÄXrjxTov  twi^v  I  156  II 

Vgl.  TovüppotCoi;  Kyneg.  IV.  195  IV 
In tppo(2^iü>:    Xaipiü)   ^xeppotl^Yjffs  •  8(e0p(os   8*   au^^vo^  Iva?    VIII 

322  II 

Letzteres  Conjectur  Koechly's  für  das  her- 
gebrachte i7ceppo{ß8iQ(;e.  Vgl.  Hom.  TcoXXfj  3^  ^ofl^o) 
t  315,  Oppian.  Kil.  eppo{!Ir^(;e  Hai.  563  V,  beson- 
ders aber  Arat.  (Ji.axpbv  InippotC^uai  Phaen.  969  H 

m». 

iXXax^:  ow8i  Oswv  aXi^ou^aj  Tdaov  oOevo;  IXXa^e  lAO'ivY)  III  651  V 

Hom.  Hymn.  V  86  I  Theokr.  Id.  XVI  46  V 


794  Bs»e1i. 


QrpbIkA. 
1.  ArgOAaiitikt. 

I\ 

IXXaße:    ourap    I|a'    ifi^    hipooq   Tp6|io^    IXXotße  '  vovft   ^   {lojvr, 

1001  IV 

Hom.  xnch  ik  Tp6{xo(;  iXXaße  xivro^  'A^^^'^  ta>49IV 
IXX(ai(jLY)v:  xfo6a)v  eXXtaifjiYjv  *  al  S*  irpaX^^  Oxixouoav  969  II 

^^a  xott  eXX(9a(AiQV  y^^^oxov  "EwooiYatov  1375  II 
HoiD.  2XXt(7i(Av;v  X  35   v  273  I 
AXiQxta>:  Tiai^dvT]  te  xai  "AXtjXTo)  xal  Sia  M^-fatpoc  971  HI 

Die  Stellung  der  ersten  Silbe  bei  *AXr|Xiu 
in  der  III.  Arsis  findet  ihre  flntschuldigung  in 
dem  Gebrauche  des  Wortes  als  Eigennamen.  Bei 
Homer  und  Hesiod  findet  sich  der  Name  nicht, 
das  Adjectiv  iXXiQxto^  steht  in  den  homerischeo 
Gedichten  mit  der  ersten  Silbe  nur  in  U.  (z.  E 
B  452)  oder  IV.  Arsis  (z.  B.  I  636).  Dieselbe 
Formel  kehrt  wieder  Hymn.  Orph.  LXIX  2. 
iu)jL{JLeX(r^^:  "ApYO^  eu{jL(jLeX(i3^,   4>p{§ou  ^ot^,   $v  A  fRxtev  864  II 

4>p($o?  lupLjAcXir^i;,  5t*  Ißr,  SdjjLOv  Aii^^TOO  875  11 

Hom.  zap  $'  afp*  Iu)X|ieX(t)v  üetat^tpaTov  y  ^^  U 
dfpLlAopoq:  aT^XTi^  dl|X}Aopo{  eiot  mtptdpiptou  i^eXCoeo  1127  II 

fpoupai;  T*  dbqjii^ot^  ixtfjiaCeTOR  dtpLiJLOpo^  uicvou  935  V 
Hom.  S  489  H    Z  408  IV 
iüvvTjTo?:  x^aCva^  t*  i^8^  Tflfcr»)xa^  Iuvvi^toü?  xe  x^covo^  511  IV 

Hom.  l6wY)t6v  T6  x**"^"^*  ^  580  IV 
appvjXTog:  äppYjxTOi  t*  *A(Sao  idjXoci  xat  Sijiiog  'OveCpcav  1147  I 

Hom.  N  37  I 
dicoppu)^:  ^poßXv^Ta  ox^TueXov  *  ic^Tpr^  8*  ifuicepOev  ano ppco^  1271  VI 

Hom.  z.  B.  t  359  VI 
Siappa((i):  &(Ace  iY(i>v,  S^eXdv  (u  StappociaOetffav  iXioOai  1164  IV 

Hom.  Stoppotaat  |jLe(ii.ao>Te^  B  473  IV 
Xpuffippaici^:  KuXXi^vi]^  {leS^cov  xpuff6ppaict{  *ApYet^vTf|(  138  IV 

Hom.  X  277  IV 
ipptjTo?:   xp^ffixoi?  T*  ÄppiJTOüg  NüXTog  luepl  Bocx^ou  ivoxTo;  28  II 

Hom.   Äppt)Tov    5   466   in   4.  Thesis,  wegen 
II.  Arsis  vgl.  Hesiod.  E.  4  U 


9hidi«B  xw  Tflelmik  des  niehlMnieritelien  li«roise1i«B  YenM.  795 

1055  IV 

Rom.  1^  dbcaXoppedao  ßa%pp6ou  'Qxsavoio  H  422 
T  434  n 

dcxaXappoo^:  ei  piY)  eic^  doxocrtaX^  dixaXapp6ou  ^Qxeoevöio  1192  IV 

Nach  Analogie  von  hia'kappeivfiq. 
£*jpp€tTt](:  ^x£  fdpoutr*  et^  x^^P^'^'  eupps^xou  i?oTa(Aoio  786  IV 

Hom.   vaTs    ik   ZorcvtöevTO^   euppeixao  xap'  S^Bo«; 
Z  34  IV 
spp(2>ovTo:  xa{  ^*  aT  )ji^v  'TcpöppiCoi  stc'  oSXtov  Ippcoovto  437  V 

Nach   Hermann's   Herstellung^;   die  hdschr. 
Ueberlieferung  lautet  i6p<2»axovTo.  Hom.  W  367  II 
7oX6ppt]vo;:  BioTovCtj  Kcxovea^t  icoXüppi^^votaiv  dcvaoGcov  78  IV 

Hom.  vaTe  i:oX6ppifjvo<  X  257  II,  vgl.  xoX6ppt)ve< 
xoXüßoijrat  I  154  IV 
eppe(ouvTo:    ßu9966£v   ippil^ouvto  xal  l)jii?£8ov  mh  I)M)jivov  713  II 

Hom.  epp{((i>9sv  IvepOev  v  163  IV 
irepp60eev:  Xab^  iirepp66eev  Mivuat^  iTct  xoCpovov  eTvai  296  H 

Hom.  d^aOii  jxot  sirfppoeoi;  eXe^  xoSottv  W  770  IV 

P. 

avappcAvaffOat:  icpoxpoO^eiv,  ouB*  ouTiq  dvappci>9aa6ai  M99(i>  1263  IV 

Seit  Schneider.  Hom.  iiQi^Gomo  A  529  IV. 
Auch  Vers  1209  haben  Schneider  und  Her- 
mann diesVerbum  geschrieben,  allein  die  Con- 
jectur  bleibt  zweifelhaft,  da  es  als  Activam 
erschiene;  Hermann's  Fassung  lautet:  lOuvnop 
'A*piaio^,  ovappciMDV  S'iverpe^^e,  dieVuIgata:  anixptye, 
V  aTt|»'  dvopo6<i)v. 
iXcpp60to(:  i^  ßuoobv  Siaxeuffov  dXippo6Coio  OaXotaoY)^  1296  IV 

Hom.  xaXippdOiov    ^ipe   xSpia    i   485   IV,   vgl. 
Moschos  iXCppoOcx;  Id.  I  132  IV 
6pLoppo0i(i>:  ßpt9a6'  ipioppoO^dvTe^,  JpebotTe  S*  T/vta  y^?)  ^^^  ^I 

Hom,    CT(ppoeo<;   W   770   IV,    vgl.  Theokrit. 
6|A6ppoöoi  Epigr.  Dub.  XI  5  IV 

n. 

dvappox^^to:  >u(Aa  S'  dveppdx^Tjffe  *  ßuOb^  S'  incoetxa6£  vt]f  709  II 

Hom.  xu(jia  (ACYa  ^ox6ei  }jl  60  II 


796  Bzaeh. 

dwoppOxTb»:  Ripxis^  IvveciDcnv  dt7opp6^effOai  Epie/xXov  (ipi^?^  Ai^cs«^ 

xal  vYjXi-cÖTOtvov  'Epiv6v)  1372  IV 

Nach  Schneider's  Verbesserung  des  herge- 
brachten dbcoppttl^eoOat.  Hom.  KoOijpdev  t£  ^s  <sina 
;  93  V,  vgl.  Empedokl.  d^ppur^eoeai  453  II 

2.  UthlluL 

■ 

iXXTjxTog:  iXXTjxTov  xo6pT]  i^(e{iivK;  ^iXÖDQtog  36  I 

Hom.  B  452  II  Eallim.  Hjmn.  III  149  I 
ApoUon.  r  805  I 
StapieXeVvTi:  tou  ik  SiapicXeVffTt  Saf^eiv  ivv^a  (xsipa^  706  IT  (so 

auch  Cod.  Ambr.,  Abel  19). 

Hom.  Tou^  ik  StojAeXetotl  tafjuov  i  291  II 
dcppiQXTO^:   Xaov  5  8'  dippi^xT0i9tv  6|ji,Ofpoouyv27{v  Si{l    a^tj^    255  II 

Hom.  0  20  n 
Xpu96ppa7t(:  i^jMV  8'  iv  ^cdr^  xdXeiai  Xpu96ppa?c{q  oXßo>  15  V 

Hora.  X  277  IV  Hom.  Hymn.  XXIX  13  V 

P. 
dicöppota:  Xaav  dic6ppo(av  mipt^f/^o^  ifi^pöiou  at^XTf^  171  H 
fdEppLox"  exetv  VTjiAepr^^  diTcoppotiv  }jLtv  dbtSoi  658  IV 

Hom.  iic^p£ov  A  724  IV;  vgl.  Emped.  -p^' 
Srt  9rivT(i>v  etotv  dbcoppoa{  337  IV  Maneth.  (l::cppot2i; 
cuvof 01^  T6  n  439  IV 

3.  Orphitcht  Hymiitii. 

1\ 
*AXir)XTCi>:   Tiai96vr|  tt  xat  AXtjxtci)  xat  Sia  M^y^tpa  LXIX  2  III 

Vgl.  Argon.  971  ffl 

ffoXOXXtaio^:  '^Xolumo^^  eupeotTexve,  icoXuXX{9tv]  ßocciXeta  XXXII 

14  IV 
RotavT{^,   )jLeYa^{Ae,    xoXuXXtGit;   ßoaCXcia    XXXV 

2  IV 
aXXfli,   6ei,  X(TopLai   ae,   7oXuXXt9TY)   ßaoiXeta   XLI 
9  IV 

Hom.  tcoXuXXkjtov  ii  a'  Ixöh^w  e  28  IV.  Nur 
eine  andere  Bildung  stellt  dar  tcoXuXXcto^. 
TtoXüXXiTo;:  Sppfjfz*  aYp(ÄOu{ji£,  icoXuXXits,  wovroSuviffra  XII  4  IV 

Vgl.  Kallim.  Kopveis  •jroX6XXtT6  Hymn.  II  80 IV 


stadial  SV  Technik  dee  nMhhomerieeheD  btroisebeB  ¥•»•■.  797 

9iXo|A)jLSi8i{(:  oupovtY),  iroX6ü|AV6,  9(Xo}jl)jl£i8^^  'A^poSCrij  LV  1  IV 

Hom.  z.  B.  A  10  IV 

appt^x^o^:  dcpptjXTOv,  ßopuOufJiov,  di|xai[MbceTOv,  icptjOTYipo^  XIX  11  I 

d!ppt]XT\  ißpt|jL60upL€,  lu-fooOev^^,  j!Xxi[Ji6  3ai)jLoy  LXV  1  I 
869(iou^  dppi^XTOuq,   Zq  Sx£t(  xor*  iice(pova  x^qxcv  XIII 

4  II 

Hom.  N  37  I  0  20  II 
ap pv]TO(:  appiQTov  xpu^tov  ^il^i^opa  xaiA^asq  !pvo^  VI  5  I 
depptjT*  dc7pi60u|jL£,  ?coX6XXiTe,  icovToSuvaota  XII  4  I 
dippi^Tou;  X^xtpotcn  T£xv(i)6e(^,   afißpotf  8aT[ji.ov   XXX  7  I 
OYpiov  dlppT}Tov  xp6fiov  Six^xa  Stixop^ov  XXX  3  II 
^  Zebq   dippi^Toifft   Y^^^^?  T£xvci)9oeTO  xQ6pT]v  XXIX  7  II 
8pY(ov  dcppTjTov,  Tptfui^,  xpufiov  Aeb{  lpvo(  LII  5  II 

Hom.  §  466  in  der  4.  Senkung;  Hesiod.  E.  4  II 
ßaOuppoo^:  £?x£(  8'  Sat,oi\idno\i  x6vtou  tb  ßa06ppoov  uScop  XI  14  V 

Hom.  z.  B.  H  422  IV 

I\ 

liapp'ft^a^i  ai6ipo^  iv  -fuiXocai '  Siappi^^a^  3^  yviCi'ia  XIX  16  IV 

Hom.   dvceppijSaq  H   461   II   (Z  507   II  Var. 
8'.appi4§a<;), 
7:r<Y6ppüT0?:  xal  x^^viot  Y**'^?  XYjYÖppUTot  ix|AaS£(;  opai  LXXXIIl 

5  IV 

Hom.  w£p{ppüTo<;  t  173  IV 
icroppoxCTj:  a^ov  29oppox(t]9iv  di£t  ßto^  io6Xb{  68£6oi  LXIII  13  II 

Hom.    ixtpplTCY)  S  99  rV    Nikandr.   t9opp£x^ 
Th.  646  V 
diXtpp60(O{:  icovToxXavoi   SfiX^Tve^,   iX(pp66io(,   xuavauY£i{   XXIV 

8  IV 

Hom.  xaX(pp66tov  e  430  IV,  vgl.  Orph.  Argon. 
1296  IV 

4.  FragmMto. 

xaXXCppoog:  l}x£avb? xpöto?  xaXXippöou  IjpSfi vijxoio Fr. XIV 1 IV 

x6xXov  dbtajjwrtou  xaXXtppooü  i«)X€avow  Fr.  XLIV 1 IV 

Hom.  xaXXippöw  X  147  IV 
Ä«opp65:  61  |A^  jAOuvoYfivij?  Ti?  ixoppw?  f6Xou  dtvwöev  Fr.  II  23  IV 

Hom.  B  755  VI  v  198  II 


798  Riaeb. 


ProklOB. 

K 

üXXtjXTO^:   aiti  utc'   dcXX^xiotat   xal  dbucpiitoi9i   yopeia^   Hymii. 

Helios  9  II 

Hom.  B  452  II 

icoXuXX(9TO(:   xixXu6i,  xixXuO'   oyaaaa,   icoX6XXi9tov  Se  9'  bunw 

Hymn.  Athen.  Polym.  51  IV 
Hom.  Hemistichion  e  445  IV 
ipp ir)TO(:  &|Jivü)v  ippi^Totfft  xa^pi|Jievoi  xeXeTi^at  Hymn.  Mus.  21  II 
^auffOTO,    aeio    ^vivxoq    dnc'    dippi^|Tou    y^^^^ip^    Hymn. 

Helios  14  IV 
S^pa  v^o^  ßouXiJoiv  urc"  dipp-i^TOiai  tox^o^  Hymn«  Athen. 
Polym.  14  IV 

Hom.   ^  466   4.  Thesis,   vgl.  Orph.  Hymn. 
XXIX  7  II  und  Timon  123  IV 

Oraoula  graeca  ed.  Hendess. 

I*. 

iuppeiTt]^:   pLtoY6[JL€vov  ^y^^^^   euppe(TT2{  'Ape6o6oY;^  LXII  3  IV 

Hom.  Z  34  IV 
Ipp  iicToei:  {ppi^tai  8'  6  ß6Xo{,  tb  Si  &{xtuov  sxiceicsTotGrai  C  1  I 

Hom.   Ippt^e   nur  in  Thesi,   z.  B.  T  130  in 
2.  Thesis,  aber  dv^pptt)»av  x  130  III 

P. 

icoXuppou^:  4>atOTOu xa2  Tippa^  vo^Toit  Atou  xe  xoX u p p ou  CLXXXI V 

1  VI 

Hom.  ß<x0upp6ou  £  311  IV 
eXixöppoo^:  eure  xpcEyc^  «(vv)9(  N^Siq^  iXtx6ppoov  u§ü>p  LXVH  IV 

Hom.  xaXX{ppoov  &8ü)p  B  752  V 

Sibylliniflohe  Orakel. 

K 

IXXaßc:  xai  tdre  S'  de^vb^  ovo^,  3^  t'  IXXaße  xpauji^o^  ^^  XII 

204  IV 
'Eßpaioi  t|;eu(rovTat,  8  |a^  y^^o«  ?XX«ßov  owtof  VH  135  V 
Hom,  e  371  IV  r  34  V 


Studien  xor  Teduik  das  nachhoaerischen  heroiich«n  YarsM.  799 

eXXiTdveue:  Xaou?  eXXtTiveue,  Xö^wv  S'  i^ipr/exo  toiwv  I  149  II 

Hom.  Vulgata  X  414  icovto^  3'  iXXixiveue,  aber 
t]  145  las  Aristarch  6  8^  Xixiveuev,  vgl.  Nikandr. 
ouXobv  IXXtToveue  Ther.  352  II 
ofppiQXTO^:  Se9iJioi{  appifxTO(<;  TC£fuXxf)jL£voi  i^aicoTiaae  I  102  II 

SeafJLoT^  dippi^xTOtfft  iceptOfiY^ovteq  D^epOev  II  290  II 
xai  t6t'  d(|AeiX{xTOio  xat  dppi^XTOU  a8i|ii.ayT0<  11  228  IV 
Hom.  0  20  n  *  447  IV 
axsppi^^ee:  K6!|txe  xai  90t  ic6vtO(;  dtico ppi^ §e i  ßopuv  SXßov  III  436  IV 

Hom.  t  481  II 
ßad6ppoo^:  &xjpi^  i%  EüfpiTT]v  ts  ßa6uppoov  apYupo8(vt;v  XI  17  IV 

*Ioß6Xou^  IIdEp6ou^  TS  ßa6upp6ou  Eufpirao  XII  66  IV 
Hom.  H  311  IV 
Ippt^e^:  xauTiQv  eppKJ^ev  xal  dvoiKo86|jLT}Tov  a^tjxe  V  409  II 

Bei  Homer  steht  die  erste  Silbe  von  £ppt^ev 
stets  in  Thesi,  z.  B  x  845  3ovov  Tt^  x*  lpptt|»e. 
ava ppiXTO):  xpO^^ei  xse(Jiep(Y2<7tv  avappt^OsTaav  adXXai^   IV  144  IV 

Hom.  d^oppirceiv  £Xa  mj^^i^  iQ  328  IV 

P. 

t96ppoxo(:  (Jiapvdijievoi  *  tb  8e  veTxo^  { 96 p p oi?o v  diXXifXotatv  IV  85 IV 

Hom.  impphcf^  S  99  FV,  vgl.  Manethon  ta6p- 

poTO<;  dtvT^(j6i6v  I  24  IV  (Nikandr.  Ther.  646  V). 

xaxopp^xTetpa:    oü  Xifjib^  xapiciov  xe  xaxoppixxeipa  x^Xa^a  III 

753  IV 

Hom.    icoevTs^    dictppd2^e(7xov    p   211    IV    Apoll. 
Rhod.  xaMopp^xTV)9(v  i^8o6^  T  595  IV 

Unrichtig  überliefert 

iXXaxev:  ibv  {x^xa  xpitjxoaicov  dp(6|JUi>v  ol^  IXXa/ev  ap^ifv  XII 126  V 

Ebenfalls  schlecht  überliefert: 

ir^iorfyfAY:'*  diptOfJuov,  3^  IXXax^^  Ivturcov  dipx^v  XII  226 IV 

Zu  lesen  ist  beide  Male  5^  V  IXXax«Vy  wie  Alexandre  schrieb. 

Hom.  Hymn.  87  IV  Theokr.  Id.  XVI  46  V 

IXXoovto:  Tcdmtq  xai  uSorcov  fXdße^  eXXuovto  Jbcaaai  I  221  IV 

Vgl.  Oppian.  Kil.  dfXXuxov  Syiaov  £x^^^  K^*  I 

625  IV 

IIP. 

:roXi7|Ai^XiQ:  um  4>püY(rj  ffeiajjLowi  icoXupLifXv]  aTovaxi^ffei  X  279  IV 

Bei  Homer  findet  sich  nur  icoX6}jly)Xo{  mit  \i. 


800  Biftab. 


Orakel  dee  Porphyrioe. 

jppiQXTO^:  !)jlice8o(  dppi^xToiffi  piivet  Xorfioiai  ßeßota  36  11 

Hom.  O  20  n 
ippiq^o^:  xciOoi  t'  dpp^Tcov  iicicov,  ol^  M)  fp^a  T^pxciv  185  II 

Hom.  ^  466  in  der  Theais ;  Heaiod.  K  4  11 

P. 

dic6ppv)to^:  Tol>^  (Aiv  diicoppi^TOu^  ^u(i>v  tu^tv  dbc'  alBpi}^  191  II 

deiroppi^Toi^  Wolff  nach  Lobeck  AgI.  730  statt 

i.'Kttpfycotq  Hom.  luopappiQTOi  t'  Meoarv    I  526  IV; 

vgl.   Anon.    icepl    ßorcEv.  :   oncöppvjröv    t'  dncoi^^ii^Ksi 

205  IV 

d(vapp(5aai:   DuOcoov  8'  oux  Soriv  dvappu>9ai  XoXov  6|jLfi^  296  IV 

Vgl.  AratoB  xai  T3e  (lev  Ippoxrev  Phaen.  335  II, 
Anthol.  ic^vt'  IBev  dippdlKrrou«;  XI  122.  2  U 

QrieohiBche  Anthologie. 

{XXaße:  &^  Te  SMt>3exa  f(5Ta(;  itA6{jLova^  IXXaß^  ^OEtpou^  1 119.  13  V 

Epigr.  chrial 
Hom.  n  599  V 
9(&|iiaTC   V  olm   iicdXaoaev,   dic£t  v6ov   IXXaßev  ociS<i>^  XVI 
285.  3  V  Leontios  Scholastikoa. 

iXXiqxTo^:   xai  Tcupb^  dXXi^xTou  xi^iiuxTO^   5<|/iv   ^a>   XVI   87.   2 

(Pentameter)  II  Julianos. 

Hom.  B  452  U 
xpiWloxtdq:  Ol  TCOxe  TptXXtato)^  dvrtov  ip^ropLevot  V271.4(Pentam.) 

U  (Cod.  tpiXtcmi)^)     Makedonios  Hypatikoa. 

Hom.    dwTcootT)    TptXXtoTo^  eic^Xu8e  vu§    Ipeßewif 

6  488  in  der  2.  Thesis,  in  der  Arsis  aber  Dionys. 

Perieg.  485  U  6inc6x£  TpiXXiotcov  (xersiuaScv  lOvo^ 

Ißi^v. 

dHXXofO«;:   aXXo^oq,   oute   ^^vm   xpav6ev   dcpiQpe  aobto^  VI    163.   4 

(Pentameter)  I  Meleagros. 

Hom.  ipaX6v  xe  xal  dfXXofov  K  258  IV,  Plan. 
cSXo^o;  an  unBerer  Stelle,   was  nichts  heisst,   da 


Stadien  inr  TeelmOc  des  DMhhoiDeriielieB  beroiaclieii  Venea.  801 

der  Ejiegsgott  durchaus  Waffen  haben  will,  die 
die  Spuren  des  Kampfes  an  sich  tragen. 

2i>pLpLeX(T2^:  uib^  lujjLjjLeXta  AatAorpiou  '  i  ik  4>iX(incou  XVI  6.  5  II 

Unbekannt 
Hom.  Y  400  II 

XVI  177.  1  n  Philippos. 

Hom.  z.  B.  A  10  IV 

dvvif  eXoq:  ^{AOp  V  dvvi^eXov  xöSe  ai{(jiepov,  o&8*  Irt  noXXcov  XIV 

136.  2  U  Metrodoros. 

Hom  ti  45  II 

S  p  p  Y]  ^  a V :  SppiQ^av  Moi3aai  Sixpua  DiepCSe^  VII 10.  6  (Pentameter)  I 

Unbekannt. 
Hom.  Ippt]§ev  S^  icuXo^  N  124  I 

dtppi}xTO^:   dtppTjxTov  IltYpTj?  livSe  Sepaioic^Bov  VI  14.  4  (Penta- 
meter) I  Antipatros  Sidonios. 

appT}KTO(  Moipcav  ^(jLaTyjv  h^drfiaoc^  Spfioi  IX  236.  1  I 

Bassos  Lollios. 
Hom.  N  37  I 

x(ovs^  dppifxTOcq  iict  xiootv  larn)ÖTe(  I  10.  56  H 

Epigr.  Christ 
xae  To^  dppifxTouq  dfjißiSa^  a>(Aoßo£i^  VI  21.  4  (Penta- 
meter) II  Unbekannt. 
Hom.  0  20  II 

dvappi^Y^^I^^'   'CUfjLßov   diveppi^^(i>,   vta^  iaiieq  vexuo^  VIII  204.  2 

(Pentameter)  11  Qregorios  Naz. 

T^fjißov   d(veppi4^av6',   3v  xal  TpO|Ji^ouai  fovtjc^  VIII 
219.  4  II  Gregorios  Naz. 

Hom.  dlvappii^^eie  T  63  H 

dxoppif^aq:  evOiS'  diicoppi^^;«^  ^Wx^v  ßapuBotfjLova  x£i|JLat  VU  313. 1 H 

[Timon] 

Kcncpo^  y  'HpixX£(0(  dxoppi^^a^  ocko  S£a|JUi>vIX240.3IV 

Philippos. 
Hom.  z.  B.  0  264  n 

dxoppo)^:   4^    Y^P   ^^  %poTdp<Dv    (jieX^<idv    5Xiyv}   'ctq    dicopp<l^^    VII 

571.  3  VI  Leontios  Scholastikos. 

Hom.  t  359  VI 


802  Bi»eh. 

ippataBr^:  ippaCaOv]  ZtjXMV  \uaa6bi  xat  XifA^pac  VII  529.  4  (Penta* 

meter)  I  Theodoridas. 

Hom.  n  339  II 
Eppava:  Ippavav  ^ov^  (ju§ot|Aevot  jji^XiTt  VII  55.  4  (Pentameter)  I 

AlkaioB. 
Hom.    eppiSarr*   M   431    I    lirtppatvecv  Theokr. 

XIX  98  n 

euppafif^:  xv)(Abv  xal  y<vu<iiv  or^Y^top*  luppafca  VI  233.  2  (Penta- 
meter) V  MaikioB. 
Hom.  iuppa9i£99t  SopoTotv  ß  354  IV 
dfppiQTo;:  dppi^TOt^  ^aeOovTO^  uica9rpiTCii>v  diiapu^d^t^  I  10.  54  I 

Epigr.  chriat. 
appi^TCDV  iic^v  yXioootj  ^fpoqfi^  ixexeio6(i>  X  42.  1  I 

Lokianoa. 
dtppiQTov  8^  ^iXoiffi  Y^^  ^  ic^vOo^  IOtjxev  XV  40.  9  I 

Kometaa. 
5|JivupL6v  dppi^Tou  8i}jLvia  nepae96vT2(  VII  352.  2  (Penta- 
meter) II  (Meleagroa?) 
o^v  otifftv  *  dippi^TO)  Touia  (ji€|Ar^Xe  fuoet  IX  73.  6  (Penta- 
meter) II                 Antiphilos  von  Byzantion. 
«YYsXowti?  ircepiYeaaw  Iv  ippi^TOiat  6aaooci>v  I  19.  10  IV 

Epigr.  chriat 
Hom.  ^  466  in  der  4.  Thesis,  Arat.  Phaen.  2  I 
Hesiod.  E.  4  II  Prokl.  Hymn.  HeUos  14  IV 
Ippcev:  aptt  Xnco<|/ux^v  lpp££v  ei^  «(Stjv  IX  23.2  (Pentameter)  IV 


Hom.  n  110  IV 

Sppeuaev    %anor(iyxoq   '   Ijßpi^    ic6pe    icoXXobu    xipSo^    XVI 
187.  3  I  Unbekannt 

Hom.  Ippe£v  ix  (jl£X^ü)v  X  600  I 
^Sv)  &*  aoicfitov  olSpia  xaT^pp££v  *  ola  ik  Xi|i^t  XI  64. 3  IV 

Agathiaa  Scholastikoa. 
Hom.  Korrappiov  A  249  IV 
i^dppooq:    louXiovb^    (uta   TCyptv    diYippoov    iv6i8£    ^vzai    VII 

747.  1  IV  Libanios. 

Hom.  B  845  IV 
idppooq:   aXX'  6   )ji£v   £x  X£x^<i)v   vtv   duppoo^  i^  fp£va  O^y^^  ^^ 

343.  3  IV  Unbekannt 

Hom.  H  329  IV 


BladiflB  nr  Technik  das  ii«ehh«meriMh«n  ItMoiMbra  ?«nM.  803 

xaXXtppoo;:  N6(ji^0[t NiQidSe^  )caXX(ppoov  aTT68e  va)&aIX328. 1  IV 

Damostratos. 
Hom.  X  147  IV 

iuppeCxiQi;:  fincov  iuppe(Tt]v  xP^vCy)  [tdavr^  SoE^iivta  IX  628.  1  11 

Joannes  Grammat. 
Hom.  5  257  IV 

extpp<S»o|Aac:    Xeu)Ui>oat    x68a    y^^^?    iicippco^at    &i    X^P^^^^    IX 

403.  3  IV  MakkioB. 

Hom.  liücppciwvTo  u  107  IV 

I p  p e  ^  a V :  Ippe^av  xaC  ot  ScoSexiScopa  %ipa  VI  96. 4  I       Erjkios. 

Hom.  nur  in  Thesi,  5ov'  l^uLvap  Ippe^c  K  49 
(2.  Thesis)  vgl.  I  536 
i'Kippi^iAi  xot  aoi  iicippd^et  F^p^o^  x'M'^^^^  vopLa(t]q  VI  157.  3  II 

Theodoridas. 
Hom.  I^ipp^l^eoicov  p  211  IV 

7oX6ppijvo^:   {Aoipa,   icoX^ppTjvov   icotrpßa   ^{a^vou^  VII   255.  2 

(Pentameter)  H  AeschyloB. 

Hom.  X  257  II 
xp6ppi(o(:   TCp6ppil^ov  yoAr^  2§£x6Xi9e   v6to^  IX  131.  2  (Penta- 
meter) I  Unbekannt. 
Hom.  S  415  icpöpptlio^  I 
^(icTo»:  lpp(4^ev  X(i)Tou^  Toia  (ji£Xi2^o(jiiviQ  IX  517.  4  (Pentameter)  I 

Antipatros  von  Thessalonike. 
{ppitpev  teiact^  OiQpb^  t|jLavtoiri8t]v  IX  94.  2  (Pentameter)  I 

IsidoroB  AegaeateB. 
Ippi^a^j  Scfuf)  Totpobv  ävsl^  xcepÖYcov  XH  144.  2  (Penta- 
meter) I  MeleagroB. 

Bei  Homer   ippu|«  mit  der  ersten  Silbe  nur 
in  Thesiy  z,  B.  o^tpov  ficett'  Ippitj^e  2^  115,  aber  in  den 
Compositis  in  Arsi,  z.  B.  dcicoppl^^ai  11  282 
avappCictcii:   irffib^   dvappi^ei^    &X(Aa  icap3c  oxo^Ccov   VH  214.   4 

(Pentameter)  11  Archias. 

fl^x^v*  avapp(t|»u>  ßwaööcv  ipv6jji£vo<;  VII  215. 2  (Penta- 
meter) n  Anyte. 
Hom.  devappfxcecv  &Xa  tv))«^  v)  328  FV 
ixoppCicTo):  «x^^  dicoppC^l^a^  oTx&toi  ei^  'AßavVII  19.  4  (Penta- 
meter) II                                            Leonidas. 
)jLV}viv  iicopp(t|;a(  fOioi^vopa  x^^^  xop69a£t  IX  473.  3  TL 

Unbekannt. 

Sitnagi^r.  d.  plül.-]ütt.  Cl.  XCY.  Bd.  m.  Hft  52 


"^01  Rsacb. 

irsppiTCTü):  (Jid/Oov  dicoppi^aja  Yt^avtstou  touctoio  IV  3.  64  ü 

Agathias  Schokst. 
ixilvtv  axoppT^j/ai  xal  Xotftov  Ix^oi;  'Axaiot«  IX  467. 3  IT 

unbekannt. 
6ufpoo6vir]^  To  XosTpbv  axoppC^tei  tJLeXeBüiva^  IX  815. 
2  IV  Unbekannt 

Hom.  jjiijviv  ohcoppt^ovra  x£Xo{(jiy)v  I  517  IV 
sictppiwTw:    x^V*    ^^  ^«^ppitj^ev  •  tb  B*  eweaTcidot^  i^  ßudbv  IXfit;: 

IX  84.  3  II  Antiphanes. 

Hom.  Tpoiec  i%ippv^(x^  e  310  U 
licfppoOog:  Xe{Y;  |jl4v  y«P  öctv  xoi  exCppoSo?  •  ■Jjv  8^  tc^  our^v  VII 

50.  3  IV  Archimelos. 

Hom.  V  770  IV 
icaXepp66io{:   oltXofJidvY]^  i;ev{T}(;    )ü)|i.a    icaX(pp66iov   IX   367.  12 

(Pentameter)  V 
Hom.  iraXipp60iov  H  pitv  coku;  e  430  IV 

P. 

!XXT2|e:  IXXtj^cv  Oe  (jiiXaOpa  Aia)v6(7oio  x^P^^^  ^U  412.  7  I 

Alkaios  von  Messens. 
Hom.  deXXiqxToq  B  452  TL 
iXXiTdfvcüTo^:  'Ai$tj  ÄXXitacvcuTe  tm  orpoire,  twcte  toi  otkw  VII 

483.  1  II  Unbekannt. 

Hom.  Vulg.  X  414TCCKVTac  2*  dXXtxivsue,  was  dem 

Verfasser  des  Epigramms  vorgeschwebt  haben 

mag;  vgl  icoXuXXwro^  £  445 IV,  aXXtoroto  zuXa;  Ißav 

'Ai8ov^O(;  bei  Euphorien  Fr.  L  4  II  nach  Mein. 

Siappvj^ac   wi;  8^  8iapp^5«t  o^^vo?  ooy.  I^®^?    lorevov  iJSt;  V  230 

5  II  Paulos  Silentiar. 

Hom.  Var.  Z  507  II  SttzppiJ^o;  neben  iv<xppi{;a;. 
ippotY^i^:  8ouporca  xal  Ta(uxa<;  appay^^^  xopuOoc^  IX  323.  2  (Penta- 
meter) IV  Antipatros. 
Für  den  corrupt  überlieferten  Vers 
icovia,  xepTaato?  ToucSe  icorip  ^i^ea^  VI  288.  6 

in  einem  Epigr.  des  Leonidas  scheint  mir  die  von 
Dübner  erwähnte  hdschr.  Note  von  Jacobs  ,fort 
xat  TaXopoü;  touaSe  tcot*  dppOYi«^*  beachtenswerth. 
Hom.  OiccppiYTj  0  300  IV   ap^xvx;  ^  447  IV, 
Dionys.  Perieg.  Tet/eotv  apporfuaffi  1006  II 


Stndivn  sor  Technik  des  nichhonifliiBchsn  h«roi8Ch«ii  TTenas.  805 

iXippa^iiq:  oicapibv  a.'ktppoL^iiji^  lxxu(Aevov  oxoic£Xu>v   VII  383.  2 

(Pentameter)  II    Philippos  von  Thessalonike. 

Vgl.  ausser  dem  hom.  uTceppoc'p)  bei  ApoUon. 
^^opporfio'txa  B  833  V  und  bei  Nikandros  xoXuppa- 
Yfo?  Ther.  59  IV 

Tzoioppa^'^q:    krou  %oä.   icoTa[jLou   Süipa  icoioppa^ia  IX   225.   2 

(Pentameter)  V  Onestas. 

Vgl.  das  vorausgehende  Skipparff^q, 

iXCpptjXTO^:    ^  Y^   deXippi^xToi^   incb   Setpiotv  dcY)^69(  ic6vxou  VII 

278.  3  n  Archias. 

Hom.  appY)XTo^  O  20  II 

^tXoppci)^:   xat  icixaXov  lucrrri   6iXXoi   ^6Sov  ^   xe   ftXoppci)^   VII 

22.  3  VI  Simmias. 

Hom.  axopp^^  i  359  VI,  vgl.  B(app<i>^  Oppian. 
Kil.  Hai.  V  216  VI 

3oXoppa9{T2:    Seapia   xai  'H^aCorou  icaaa    fioXoppa^tt;   V   286.   6 

(Pentameter)  11  Joannes  Gramm. 

Oppian.  Kil.  SoXoppa^^cov  Xiva  x^Xicu>v  Hai. 
III  84  IVy  bei  Homer  xocMppa^ir^  dXeY^iv^^ 
0  16  IV 

pLtTOppa^i^«;:    äicX6TaT0v  3'  aXl  touxo   ixiTOppa^e^   a{i.9{ßXT}atpov  VI 

185.  3  IV  Zosimos  Thasios. 

Hom.  hppoi^hm  SopoTotv  ß  354  IV 
ÄXippavToq:  9T(0(jiev  iXippdvTOio  icapoe  xOaiAoX^cv  x^6va  ic6vtou  IX 

331.  1  n  Mnasalkas. 

3^  t6t'  or^iDv  icapä  6tva^   äXippocvTOu^  ts  nop"  dbcri^ 
XIV  72.  4  IV  (Orakel) 

(iup6ppavT0(:   o2)  to   }jLup6ppavT0v   ATjiAopiou  xp6^pov  V   198.  2 

(Pentameter)  U  Meleagros. 

Hom.  ^piSoToi  u  354  U,  vgl.  Aratos  oppavxoi 
Y^Y^ovr«  Phaen.  868  I 
XuxoppaCaTt]^:    xoci    ae   Xuxoppatffxat    3eTnvov    S6evto    x6ve{    VII 

44  2  (Pentameter)  U  Unbekannt. 

iip[ia  Xuxoppa{9TiQ^  ixpipLoeffcv  TeXd9u>y  VI  106.  2 

(Pentameter)  U  Zenas. 

Hom.  z.  B.  xTifiAOT*  oicoppaCoet  a  404  II,  vgl. 
Oppian.  Kil.  xoXuppaCoroo   vdfo^   ?coX£pio(o  Hai. 

I  463  n 

62* 


806  Uiach. 

Oeoppiqto^:  Xpt^d,  6eoppi^|Toio  ß(ou  fjoil^oe  inj^  I  19.  3  II 

Epigr.  chriBt 
oupoviv)  <{n^io  Oeoppi^Tco  tcvI  iiirpci)  IX  505.  13  IV 

Unb^annt 
Hom.  appvj'cov   ^  466   in  der  Senkung;  vgl. 
Orakel  des  Porphyr,  docoppi^u^  191  II 
dX(ppuTO(:   Av^tofSri   au   jjlsv   2oxe^   dX(ppuTOv   ou^^a  Ai^,Xsu  XQ 

55.  1  IV  Arlemon? 

aÜTÖppuTo^:   x^^P^^  ^^  icXotoevbiv  auT^ppuTov  i(  (liffov  t»Sci»p  IX 

669.  3  IV  Marianos  SchoL 

veippuTO^:  Xeuxa  xoXurpi^Toto  ve6ppu la  xdEXXea  xiQpoü  IX 363. 15 IV 

MeleagroB. 
Hom.   xeptppuTO^  t  173  IV;   Nonno»  vedpputj 
'/ß.i[taxai  Dion.  II  144  IV 
axopp£2^ci):   KeuOu^   a^poppi^ai  ^^ixopov   xaXov  *  i^   5*  ovoveui]  IX 

437.  15  II 

Vgl.  Hom.   p  211   IV  und  Theokr.  Epigr. 

(dub.)  xvn  15 

26ppiQVO(:  ^p^otav iroXuicXoYXtov  euppijvou  cncb)i6pov]^XIV149.3IV 

(Orakel) 
Hom.  icoXuppiQvo^  X  257  II  «oX^ppiQve^  1 154 IV, 
vgl.  Apollon.  I6ppv]vi^  te  F  1086  II  und  euppi^vs^tv 
divaaaiov  A  49  IV 
appi'YtjTO?:  Tov  8i  |jl6t'  Sippi^r^xoq  eicetoBope  taupo^ovo^  dijp  VI  219. 

7  n  AntipatroB. 

Hom.  XuYpi,  to^t'  dtXXowCv  yt  xoraepcYQ^^  iceXon» 

5  226  rv 

ßa06pp(I^O(:  oToi;  }jLiv  xpoß^ßY)X£  ßaOuppil^otat  6eiiiOXot<  I  10.  51 IV 

Epigr.  chrifit 
Hom.  icp6ppi2^oi  mxtouotv  A  157  I  vgl.  Apollon. 
ßa8uppt!^6v  icep  eouaav  A  1199  FV 
xaT£pp{l^(i>9e:  Xaa  ßoöb  ffn^piYl*«  xateppdlwae  Tr^Xwpov  IX7085IV 

Philippos. 
Hom.  eppiC(i>9ev  IvepOcv  v  163  IV 
wapapp(wTtt):  öijita  8^  ffoi  TÄe  ^6wTpa  wapappit^aa«    8i  xiouiv  VI 

74.  7  IV  Agathias  Scholastikos. 

Hom.  |A^viv  cncoppC^JMcvra  xeXo()M)v  I  517  IV 
ÄX{pp66ioc:    xovxb^   aXtppoOCa,    S^Tve,    xexeuOe   x6vk;    VII  6.  4 

(Pentameter)  H  Antipatroa  Sidonios. 


Stodira  rar  Technik  des  nichhomariielifln  b«roiiehen  Ysnes.  807 

i\ipp6^ioq:  vif)f  xe  obv  «ototj  ßp6$a<;  aXtppoO(t)  VH  624.  6  (Penta- 
meter) V  DiodoroB. 

Hom.   icaXipp60tov   li  (xtv  auriq  £  430  IV,  vgl. 
Orph.  Argon.  diXippo6{oio  OaXflbor];  1296  IV 
c|jiopp66to^:  dncvouv  oüMatq  O^xev  6|Aopp66iov  VII  374.  4  (Penta- 
meter) V  Markos  Argentarios. 
Vgl.  Orph.  Argon.  ßpiaoO'  6(jioppo6lovT£g  258  11 
6|jL6ppo6o(:  d^^pov   lo(i>   creixovTcq   6tA6ppo6oi,   dXX3e  tI   ^eirfe  IX 

338.  5  IV  =  Theokritos  Epigr.  dub.  XI  5  IV 
:7oXuppo(ß8t]TO{:   t6v   T£   xapiQßaplovta   9roXuppo(ß&y)Tov   itpoxTOv 

VI  160.  3  IV  Antipatros  Sidonios. 

Rom.  divappotßSei  {ji^Xav  ljSo>p  )jl  104  IV 
icoppoxo^:   oinc   iSXXo)   t68s  xv)8o^  ia6ppoirov,   ä«;  ou  [iiv  ul6v  VII 

298.  5  rV  Unbekannt. 

Hom.   iTctpp^    S  99  IV,    böppoirov  Maneth. 
I  24  IV 

IL 

i:oXuXXe6o{:  *HpobcXee(  TpKjxwa  7coX6XXt6ov   5?  xe  xal  OJnjv  VI 

3.  1  IV  DionysioB. 

Hom.  ßY)Xq^   h:i  XiHtd  W  202  II  und  vht  Ik 
X(6o^  etdii)  M  459  V.    Trachis  heisst  auch  sonst 
steinig,  Seneca  Troad.  818  lapidosa  Trachin. 
eppotC^iTo:   %ai   tox'   ^   ippoi^riio   iC  atO^po^,    et  }jlv]  dcpoE/vv)   XI 

106.  3  II  LukiUios. 

Hom.  xoXXfj  ik  ^il^id  i  315  11^  vgl.  Oppian. 
Eil.  eppotl^Tjae  Hai.  I  563  V 
appuT{3(i>To^:   xai   XP^^  dpp ut^Bcoto^   St*  di(Jißpoo(Y)v,   Sti  ireiOc«)  V 

13.  5  II  Philodemos. 

aoictXov  appuiCBo^Tov  ta6xvoov  ipTty^votatv  VI  252. 

3  II  Antiphilos. 

Des  Wortes  erster  Bestandtheil  hängt  mit  W. 
Pepua  (ziehen)  zusammen,  deren  Ableitungen  bei 
Homer  mehrfach  Positionsbildung  zeigen  z.  B* 

T6  ^uri^pa  9  173  II  u.  s. 

IXXaxe:    IXXax^^  ^^*  Xox&v  xai  tdlBe  rptjYopfw    I  86.  2  (Penta- 
meter) I  Spigi**  Christ. 


808  Bsach. 

SXXaxe:    IXXa/^^)   i^^kAptv^  xäq  ooßap€uo[ji^va^  V  280.  8  (Penta- 
meter) I  Agathias  SchoUst 
a^   dXb^  txei>6ev  y^o^   IXXaxov  •  e!<;   U  y:  desOXo;  XIV 
28.  1  IV  Unbekannt 

et  8'   Äpa  xai   4*^^  ^^   IXXa^^j   1*^4  '^^^  "^TB  ^^ 
130.  3  IV  JulianoB  Aegypt 

S(  OeoO  ex  ftovi)^  IWa^e^  toGto  *)flpa^  I  78.  2  (Penta- 
meter) rV  Epigr.  Christ 
oux  (iperae  vixov  IXXaxev  iXXac  SöXo(;  VII  146.  4  (P^ta- 

meter)  FV  Antipatros  Sidonios. 

TßJjioq    dbc'    «(A^ot^v    SXXax^v    Oupflh^eo^    XVI   376.  2 

(Pentameter)  IV  Unbekannt 

ou  xot'  iini>vu)ji(T}v  AtT^wriov  IXXax^  ^*^^  I  85  IV 

Epigr.  Christ 
%a\  TpiTocTY^v  ßaXßiSa  vei^viSoi;  TAXax«  ßtßXou  IV  3. 121  V 

Agathias  Scholast 
icorr^piov  Xcy^iauOov  Iflniporov  SXXax^  Tijxßo?  VII  343. 1  V 

Unbekannt 

TOü  xat  xiXXea  icivra,   Toxep  xrdXt^   IXXax^^   ^^  VII 

679.  11  V 
rpt)Y6pi6  övTjTÖv  jjt^v  Cwceipoxov  JXXaxe?  uJ«  VIII  86.  IV 

Oregorios  Naz. 
TOi^   B'  h:i  NCxovSpo^  Tcpo^ep^orepov   SXXax^'^   ^^  ^^ 

211.  2  V  Unbekannt 

X^ipov    ^xsiv   icoX6oXßov,   3v   ou   xipo^   IXXaxev  ovi^  IX 

469.  2  V  Unbekannt 

oSre  Y^vaTxe«;  Saai,    iicel  f69tv    IXXax^^   ovBpcov  XI  272. 

3  V  Unbekannt 

Hom.  Hymn.  V  86  I,  V  87  IV  Theokr.  Id. 

XVI  46  V 

IXXiice:  iXXticov   i^Bu^aou^  i^cXCoto  cr^Xo;  XV  29.  2  (Pentam.)  I 

Ignatios. 
XpioTo^  SfiQ,   •Kp6[KoV  &Se '  xat  SXXiice  Ail^opo^  aii]v  I  49. 

1  IV  Epigr!  Christ 

•rtpaV  8'  ^  vo6ot5>  ßtov  2XXtw6(;;  iJXueov  a8av  VE  470  5  IV 

Meleagros. 
piouvov  5^  ßpoToXotY^v  dxifpiov  SXXt^ev  oStjv  I  56.  2  V 

Epigr.  Christ 


Stadien  tut  Technik  deg  nachhomeriscben  heroischen  Verseü.  809 

SXXcTce:  oövexev  i^onrivr^^  EvwT6pYto<;  ?XXt«e  |ji.o09av  VII  589.   3  V 

Ag^athias  Scholast. 
IvOa  Tcow'  z\jf/o\LiYti^  ^/yi  ^i[Lx^  eXXizs  N6vvr|(;  VIII  72  IV 

GregorioB  Naz. 
A(iJ^ctpoq  «(jLjjLt  f(Xo^  fio^  IXXtTcev  i^eXbio  XV  40.  4  V 

Kometas. 
8£ut'  &;  BT3eav(t)v,  oOt  Ai^apov  IXXiire  eujAÖ?  XV  40.  28  V 

Kometas. 
ApoUonios   !XXticev   aupv]   B   1032   V    eviXXnce 
6eXxTuv  dioi3iJ^  A  515  IV 
aXXuTo;:  aXXuTOi;  i^ßaoxei  TueoTaxrj^;  icevir^  VI  30.  6  (Pentam.)  I 

MakedonioB  Hypatos. 
Vg^l.  Oppian.  Kil.   oXXurov  Syiitov  l/^uotv  Hai. 
I   625  IV    SibyU.  Orak.   Oaircov  <pXißei;   eXXOovro 
äbcotaai  I  221  IV 

IIP. 

9:Xopp(ibO(i)y:  xivxpa  Sico^ixiXeuOa  9(Xopp(i)0u>vae  xe  xy;(a6v  VI  246. 

1  IV  Philodemos  oder  Argentarios. 

pa>0(ov  hängt  zusammen  mit  jb{q,  das  bei  Homer 

Position   bildet;   z.  B.  «rca^e  xaToc  ^tvoiv  T  39  H; 

vgl.   auch   die    Compos.   z.    B.    2upp{va)v  te  xuvu>v 

ApoUon.  B  125  II 

ippiaaToq:  xevT*  Bev  ipp(»)(jTou(;,  zM  hiy[jpiQt  xdtXiv    XI  122.  2 

(Pentameter)  II  Kallikter. 

Arat.  xod  toc  [xev  lppü)9ev  Phaen.  335  11 
{ASTappuOiJiil^ü):  ou  X(Oov  dXX^  ^pevcov  iüveu{Aa  (Ji€TappuO[x(Gra^  XII 

57.  6  (Pentameter)  V  Meleagros. 

Vgl.  iupp60[ji.o(o  XOpYj;  Te  bei  Manethon  I  60  IV 

Epigrammata  graeoa  ed.  Kaibel. 

I\ 
IXXaße:  h  x*  auroT«;  uTciroi;  %kioq  SXXaße^  ^oxov  aXXü)v  Nr.  590 

=  C.  I.  G.  6779.  7  IV 
ai[i]Sa<  8'  dncXtjara   T;aX(v8po[jLoy   IXXaßs  ir6^6o(  Nr.  233 
=  C.  I.  G.  2240.  7  V 

Hom.  e  371  IV  r  34  V 
s'j(jLeX(v)(;:  «oru  xeptxXi^taTov  ^ujjieXCao  Tö[x[oig  Nr.  537.  5  IV 

Hom.  eu[ji{A£X(ci>  IIpiifAoto  Z  449  IV 


810  Black. 

apptjXTo;:  appv) xTov  xpy)m8a  atSv^poSitoiae  6e|utXoi(  Nr.  1078.  3  I 

Hom.  S  56  I 

8ea]|jL0u^  dppifxTou^  dtX6xou^  SiaoiWiety  Nr.  170. 

6  III  =  EumanudiB  3535 

Die  erste  Silbe  von  dppi^Tou;  steht  gegen  die 
Regel  in  der  III.  Arsis,  indem  der  Verfasser 
der  Qi-abschrift  den  homerischen  Versanfang 
ip(rfyft,iow;  dXuxou^  N  37  0  275  in  den  Vers 
hineinschob. 
dicoppi^^a^:  Iicr3(  tk  dicoppiQ^ag  X6*]fx^<  ^^^  ouiiaoti  htjä-mif  Nr.  26. 

3  II  =  Eumanudis  16.   Vor  Mitte  des  4  vor- 
christl.  Jahrh. 
Hom.  0  264  n 
i(>ppooq:  Mdwi  {xot  d()jL)[9]l  £xi(Aav8pov  i^p(p)[oo]v  ap^opiat  deßetv 

Suppl.  epigr.  gr.  Rhein.  Mus.  XXXIV  Nr.  1133s 

I  IV 

Hom.  iuppoov  dfxfl  ZxajjiavSpov  H  329  IV 
zepCppuTog:   T(xTe   3^  Zap8ov(t]  (u  ['rce]p{ ppuTO^,   Iv   3^  d^sa  Tipou 

Nr.  622.  3  IV  =  C.  I.  G.  6299 
äavj     ^oiot]    Auxoio    ':;eptppuTo[v    iXX*    tn]    xu{Aßt^ 
Nr.  673.  5  IV.  3.  oder  4.  Jahrh. 
Hom.  'jceptppuTo;  t  173  IV 
ofppijTo;:  dppi^TOu  TeX[eTY3^  SpYi«  3]epxo|ji^vT3  Nr.  972.  4  (Pentam.)  I 
i/jpoNzoi  appi^Tcov  S^apita  KexpomSai^   Nr.  97  a.  6  ü  = 
C.  I.  G.  401 

Hom.    ^   466    in    Thesi,   Hesiod.   £.  4  ü, 
Arat.  2  I 
epp(!^(i)Tai:  aol  3*  utt^  Ä<|;t^v  aulbvio^  dppil^uTat  Nr.  1078.  7  V 

Hom.  ippC^tiixai  t;  122  V 

P. 

eveppitj/avTo:    xbv    3^    xal    AtveiSai   ic[ot']    iveppi^C^^'^o  icsSiXb) 

Nr.  1046.  28  IV  =  C.  L  G.  6280 
Hom.  hjppofissai  SopoXotv  ß  354  IV 
dvTippo^cog:  xaSieq  A^vauAV,  ^X^  ^*  ÄvT{ppo[i7a  OivTK  Nr.  21. 

II  V  =  C.I.  A.  442 

Hom.  ^tpp^  ä  99  IVy  vgl.  ta6ppo70(  HanetL 
I  24  IV,  besonders  aber  Nonnos  dtvxCppoicov  b^uf^f 
Dion.  HI  292  V 


Stadi»  SV  Technik  des  DMbhom«ri«eht&  htroUebm  YtrsM.  811 

n. 

äOpiev^TiQ^:  7c[a]9(v  eupieveTiQ^  TeXiSo)  ....  Nr.  328.  1  II 

Homer  bietet  wenigstens  scheinbar  eine  Län- 
gang  vor  dem  stammverwandten  luveoCvo) :  ^rfyctot^ 
oi  ZiQVt  {uvea{vo|Asv  0  104  III  und  OutJioß6p<i>  lptd( 
{Aevsi^voqjLev  T  58  III,  wo  das  dativische  i  die  ur- 
sprüngliche Länge  bewahrt  hat  Aber  schon 
ApoUonioB  bildete  darnach  icepl  ik  (Acv^atv'  dqfo- 
peuaat  A  670  IV,  so  dass  die  Längung  im  In- 
laute von  to(Aev^^  hinreichende  Entschuldigung 
findet. 

in». 

IXXax^'   ^^(^)<'X^^    koxor^iiz  *  oSvoiAa  V  *Iinc6XuTo^   Nr.  939.   2 

(Pentameter)  I 
Toug  ¥  dl(Af<i>  xotpU'f  xiTjoq  ^XXaxev,  oD^  xxep^e^e  Nr.  647. 

7  IV  =  C.  L  G.  6203 
o^tov,    S>   OtXdSeXf^    apeT[^    7c6]t|aov    SXXa^^^    >Iot)[{ 

Nr.  243.  9  V 
^  8v2  xal  v^u^   ouoa  Ioiqv   ß(ou  IXXa^^  xctpii^v  Nr.  609. 

7  V  =  C.  I.  G.  6750 
Tfa>v   8^    op"    6   |A^v    ÜToXeiAOiov    iicii)VU|Aov    SXXax^   fuXo^ 
Nr.  957.  5  V 

Hom.  Hymn.  V  86  I  87  IV,  Anthol.  I  85. 1 V 
sXXtxe:  £XX(re  xat  xvfjpt^  xal  xX^o;  dSflb^atov  Nr.  187.  4  (Penta- 
meter) I  =r  C.  I.  G.  1925  Alexandrin.  Zeit 
oXyc«   V  SXXiice  itorrp{,  tcoXu  icXeTov  Ik  Texo6oY;(  Nr.  574. 
3  II  =  C.  I.  G.  6858 

Vgl.  Kallim.  Fr.  198.  2  €kXmt  4>uXeT  V, 
Apoll.  Rhod.  IXXtice  Oä)xov  T  111  II,  wegen  der 
I.  Arsis  Ignatios  in  der  Anthol.  XV  29.  2  IXXncov 
f|8ufaou(  i^eXCoco  aiXoE^. 

NonnoB.  > 
1.  Dionytiakt. 

I\ 
IXXaße:  xat  ?cX^ov  IXXaße  Oipoo^  *  divaC^aoa  8i  8a{|ACi>v  XX  261  II 
[juaObv  dYiQvop{v};  fiXorcopSevog  IXXaße  S6p(Y^  XLII  384  V 


1  Die  hier  berührten  FSUe  hat  snerst  Scheindler  Quaest.  Nonn.  1  9  sqq. 
behandelt. 


812  Riftcb. 

IXXaße:  iinrore  xotpovCi^v  TraTpuxov  IXXaße  DevOeu^  XLIV  50  V 

Hom.   aXX*   ixet  ^XXotße  tiS^ov  s6;oov  x  71  H ; 
?cuxivbv  3'  o^o^  SXXoß"  Axato6^  11  599  V 
iu)ii|jL$XiY)<:  %a\  6p5v(o^  xat  "Xpvjro^  eu|jL|A£X(Y;g  xe  MoXuvoq  XXXQ 

188  IV 

Hom.  IlavOoou  utb^  iu|J4A£Xtv2(  P  9  IV 
f  tXo)A(Aei8ii{(:  ZiiQ^exopv]  IlpoOdv}  Te  *f  iXo|A(AetSi3;  3^  T^stCr^  ^IV 

226  IV 
ifidta  pT<|;e  y^^<*>^>  ^iXopkiAetSi]^  t^^poSiTV]  XXXIII 
56  IV 

eTic£  [jl60ou^  YeX6(i>aa  ftXo|j.)iistSY;^  'A^Biti]  XXXV 
184  IV 
ifidia  ic^piue  -f^Xioxa  ftXo|A|JLet8t]^   "A^pcSiTiQ   XLl 
205  IV 

£txa6ev  ei^  xptoiv  )Jxa  ftXoiAi&etSi]^  ^kfpolirr^  XLVII 
316  IV 

Hom.  z.  B.  A  10  IV 
dl(ji(jiopo^:  a(A)jLOpov  ei^^pocuvr^^  ^Tredeixvue  o6vTpofO^  Aicov  VII  10  I 
GC)ii{Aopov  i^ieXtoeo  %a\  suxuxXoto  aeXi^iViQ^  XXVI  109  I 
defjipiopog  eort  ic60u)v,  dtXXdtpeö^  eortv  epcaTu>v  XXIX  1451 
s9iq  x^ktvTf^  d^CBooiTov  ^  api{Aopov  ifiio(;  oTvou  XIX  39  IV 
y(js,pah  (iSomn^totatv  ^Oiqijlovo^  df|j,|j.opo(  i^oG^  I  433  V 
xal  ot6Xo^  ouTOx^XeuOo^   ^xep   tcoSo^,   dc)ii(&opo^  Sptioii  VI 

369  V 
ei(  icX6ov  ifepi^oiTov  IxoO^taev  de|j.)iiopov  &p(Aou  XH  63  V 
oloTpoiAonn^^,  MpiQ  3^  xor'  aux^vo^  dl[(A[Jiopa  6eoiA£!)v  XIV 

344  V 
evW8e   ßoüx6Xo?  T|avo?,   öv  IxTovev   i2[A.|jLopov  euv^?   XV 

360  V 
xal  3691V  i^iAOTitjy  4>ae6oyti8o<  de{A(Aopov  «17X1;^  XXXVIII 

52  V 
düpiueXog  i^ß<i)(oaa  Treicatvsxai  aiAfiiopog  fipm;^  XLH  296  V 
SwjjLto?,  ipitapivoio  Xii:6ircoXt?  afAjJiopoq  SXßou  XLV118  V 
Ri|j.)iiäp(ov  iAt|j,if]|jLa  3uaixßaET0v,  a(A)jLopov  i^ou^XLV269V 
Hom.    z.  B.  xal   l\k    ajAjwpov   dtxvujiivi;  xijp  ß 
773   IV;   wegen  I.  Arsis   vgl.  Qoint  Smjrn.  I 
430. 
ivve^eXo^:   dvve^iXoü  ih  Tl'^ano^  h\  ^poiortv  0700x01?  I  299  I 

avve^^Xci)  xeXalJuovt  ^aea^dpa  voyxa  {JioxaipiQ?  III  2  I 


Studien  lar  Technik  des  uehhemeriselien  heroinchen  Venee.  813 

334  I 

Ävve^iXou  SaxeSotc  8s[As(Xtov,  o?t'  I^^v  »[a^w  XXVI  86  I 
divve^^Xoug  dncxiva^  6(9Te6ou7a  vsXi^iVt;  XLI  257  I 
dvvi^eXo«;  9aX?7(l^e  |Ji^Xo^  xoXeiJiifiov  aiOifjp  XLIII  17  I 
dvve^iXou^  dcxTiva^  6(0Te6ou9a  ZeXi^jViQ  XL VIII  322  I 
oibipoq  dvve^IXoto  xaTd9X£7:ev  dcpfu^ov  aX^'kr^  1  186  II 
dl[<|/o^^  dvve^dXoto   {jLsXaCvexo  xävo^  5|JiixXt](  XXXIII 

267  II 
j^BiQ  B"  divv6f  ^Xoio  iC  iiipo^  8|Ji{Aa  ttxaivtov  XXXIV  5  II 
(tK  d'  6:c6t'  dvve^^Xotc  Bf  aiB^po^  &^(;  6StTif]^  XLII  6  II 
atO^a  3aiBdXXou9a  *  iial  dvve^ ^Xcp  xapd  NeiXo»  II 167 IV 
dfAfl   Yovi)  BpoiJL{oio   xal   dvvef^Xuv   Im  X^xTpa)v  VII 

347  iv 
icffiLzi^Q^  ujAsxipTjg  ^TctSeOexat  dvvi^eXo«;  Z£6g  I  434  V 
d'/x(  xsXaive^io^  xtxXi^oxexat  dvvä^eXo^  Ze6^  VIII 278  V 
ob^Ofo^  et^  ifjkd  X^xpa  xoxepxexai  dvvif  eXoq  Zeu;  VIII 

326  V 
[A({ji7)Xau;  XtßiSeaai  v60o^  ':7iX£v  dvve^eXo^  ZeOq  XXVIII 

199  V 

£116  lApomiq  s^U(;,  At'|i>xTio<;  dw^^eXo«;  Zeu^  XL  399  V 

Hom.  xtooxae  dv^^eXo^  ^  45  11;  in  I.  Arsis 

Quint.   Smyrn.   IX  5  I^   in   IV.  derselbe   XII 

515  IV 

appTjxxo^:  dppi^xxotq  ve^^eaoiv  5Xov  9:6pY(i>9Sv  AOi^vt]  XXII  258  I 

foixdSe^  dppi^xToio  icuXoc^  'i^paoarov  'OXu(xicou  I  141  II 
xal  Aib^  dppi^xxo(0  xaxtjx^vxel^e  '^rpocrttMcou  II  458  11 
xat  xO^ev  dppi^xxoio  9t3v)pe(oto  xt'^<»>vo<;  XXVIII  47  II 
veßp(8o^  dppi^xxoio  SteoxG^ovxo  xoXcavat  XL VIII  76  II 
xopvcDaflc^  xor/6vec9tv  *  lit'  dppi^xTot^  S^  io[iaioi^  V  63  IV 
Hom.  N  37  I    0  20  H    4>  447  IV 
kppif^y^tu'^xo:  oxK^iiAve^  ipp-i^y^u^io  icax^vopidvoto xifövo^ XXIV 258 II 

XaiXonte^  ippif^avxo  xal  dbOfAoxt  Xat^o^  IXC^a^  XXXII 
157  II 

Hom.  xeixeo^  ippi^j^ovxo  injXa;  M  291  H 
jL^app-fi^^Dlki:   B{jud€g   dveppT^^avxo   xaxi  ox^pvoto  yixihvciq  XVHI 

330  II 
xa6poi^   7fa!^o(&^vot9tv,    dvappi^^atiJLt   8^  ictxpou   XI 
268  IV 


814  BiAek. 

Jivappi^Y^^P^^*  O)ji£tepov  in{xupTOv  dvappi{^a(|iii  xepoitpr  XX 324 IV 

lAapvioOdD  (JL0E)Uepe99fv,  dvappif^ece  S^xeTpa(n267IV 
\L^  ßuMov  fXdßaicäoav  dvappi^^^Ksv  iva6Xwv XXXVI 
103  IV 

Hom.  divapp^^ete  T  63  II 
iictppii)9aia:  Txvo^  dcpaiX^^otatv  fittppi^offovta  xoXuvot^  Xlt195IV 

xat  Y'"^^«^   'Opf9}0(    iictppi^aaoiv  xMva  Topo^  XIX 

111  IV 
KÖvTov  di|Aoißa(ot9(V   iicippi^aaovTeq   ipexpiot;  XXXIX 

9  IV 
xal  Zirupo^  ßap68ouicov   i'Kipp'^aaid^  yfi&ia  xapaü  XL 

241  IV 
xai    Tpox^Xot^    ßap68ouicov    £xipp;^90fa>y    icdSov    5icXaT; 

xLi  189  rv 

Hom.  *AxtXeu(  8'  op"  lictppi^aoeoxs  mai   oloq  Ü 

456  rv 

Stappadn:    ißSotAiru    Xuxißovrt    dtappaCaei^    ic6X(v    Iv&dv    XXV 

367  iv 

Hom.  Stoppoiffat  (ujAociixe^  B  473 
iuppa^i^;:  nf)  piiv  luppa^^cDV  TcoSbg  ^xvia  Y^väc  ^eStXcav  XXXIV 

*  311  n 

Hom.  iuppof^e^m  Sopototv  ß  354  IV 
^puoröppaxt^:  «{jsueXdee;  A(6vu90{,  &te  xpu9^pp>^t<*Ep{jii}^Vn  104IV 

Hom.  *Ep)ii£ia^  yjpwtipppnaq  x  277  IV 
{ppee:  Ippee  |Aupo|Jiiyv)^  'Kozaivf^ta  Bixpua  yoit;^  II  643  I 

^ppeov  l^fioq  «xpt  xom^XuSe^  *  eTxe  Se  ^ipi^v  XIH  422  I 
Ippeev  dxXav£(i>v  2oX(x^io(  ^I^ßpo^  itorcüv  XXXIX  313  I 

(II  p.  202  Koechly) 
OioxeXov  {ppeev  aT|iia,  OaXa990ic6pou^  8i  xoXxbva^  XL  531 II 
Ofjxe  vbuiv  '  ^^OL^ofi^  Ik  xor'  oeiix^o;  Ippee  x^*^  I^  363  V 
)Au8aX^  lAuxTiJpt  xaTioouTO^  {ppeev  ix<<^p  IV  376  V 
dc{Aft  S^  ol  Xarf6veo9t  KuSiüvta^  Ippee  iMTpv)  VIII  119  V 

oifXfOT^v  xoqAaTOto  npodqffeXo^  Ippeev  ISpil^  X  372  V 
ex  yipohq  l8p<i)ovTo<  iinfpato^  Ippeev  affXY]  X  382  V 
xiXXo;  *  itoteuovTo;  ^igßöXo^  Ippeev  atY^i)  XI  376  V 
oupav60ev  fep£xapi:og  'CXuiAitioi;  ippeev  !x^  XII  295  V 
Sp8to(  «fxfi^XtxTo;  onc'  t^6o<  Ippeev  oupi^  XIV  142  V 
ifAftXa^^  Xa9{oto  xor'  o^^vo^  Ippee  x^*^  ^^^  ^^^  ^ 


Stadien  sor  Teebaik  des  iiAdilioiBcritolieii  heroischen  Venes.  815 

eppee:  mal  Bpopiio)  ouvieOXoi;  oXo^  orparb^  Ippee  Bixx<i»v  XVII  23  V 
To»v  oico  |Jiap{AO(pdY)  icoXuSaCSaXo^  ^ppeev  «Ty^ii]  XVIII  71  V 
6i  ik  M«;  <iwvT6<;   4x1  xX6vov   eppeov.  lv8o(  XXII  250  V 

(I  p.  327  Koechly) 
SetXtjvcu  Xaoioto  xoct'  our^i^oq  Sppee  x^^'^  XXIII  214  V 
a\u^(ka^eiq  hcirepOev  dpiAißaSe^  Sppeov  58pat  XXV  208  V 
xsxXo|Aevou  ßa9tXi]o^  iicl  xX6vov  Eppeov  lvdc{  XXIX  9  V 
^[AOTt  Ai^piiSoo  ouvi^XuSeg  Ippeov  "IvSoi  XXXIV  127  V 
d^XoTs   xu{i.aiy(i)v   dnratifXtov   Ippeev   u8<i»p   XXXVI  298  V 

(II  p.  150) 

xal  icoXu^  Imcetoio  Sf  aux^vog  Sppeev  t$pü>^  XXXVII  455  V 

6Xtßo[JLiv(i>v  xaiAGCToic  icpodcf^cXo^  lppe£v  ISpco^  XXXVII 567  V 

ffffiXo;  da70(Aiva)v  ßp^oc^  *Apso^  ^PP^^  XuOptp  XLIV  45  V 

Hom.  Ippesv  ex  |j.eXiü)v  X  600  I;  ovitCxa  8'  Sppeev 

aT|Aa  A  140  II,  Ippee  8'  tSpcbg  W  688  V 

iic^ppeov:  ßoTpue^  afAxeXösvte^  ^iceppeov  o^dvt  vu(jt^^  XI  516  IV 

Boui)T(dv   ik  f£korf{e^  ex^ppeov,   ot  x66vac  Bi^ßt]^  XIII 

56  IV 
Au8(i>v  8'  ißpb;  3(i.tXo^  dic^ppeev,  o?  x'  Ix^  ^l^<*^  XIII 

464  IV  ' 

KuxXüyiciov  ik  fiXa^Y^g  l?c^ppeov  *  lov  4vl  x^(A72  XIV 52 IV 
Ba99ap{8a>v   Se  fiXo^Y^^   efreppeov  *  d^YP^P^^^^  ^^  XIV 

340  IV 
b);  9a|j.ivou  ve^eXigSov  4ic ippeov  aTBoTce;  IvSoi  XV  1  IV 
a(Afl  8i  |Jitv  YeXcojvxe^  e?cippeov  aüBoice^  IvBot  XXI 209 IV 
xol  Toxtvbv  [Utk  Sipicov  exippeov  doxtSecatat  XXII 127 IV 
ai^i  ii  (Atv  orevaxovre^  iz ippeov  dcXXo^  ix*  aXX({>  XXX VII 

39  IV 
6Xxde9t  Bax.xeiv}9tv  ixippeov  6Xxa$e^  lv3u)v XXXIX 224  V 

(II  p.  20*2  Koechly) 
i[u^\  ii  (jiiv  aT£9oevir]8bv   ix  ippeov   alBoxe^  'lv8o{   XLIII 

227  IV 
£e(Xif]V(5v  8e  fiXorf/e^  ixippeov,  2^v  6  [Jb^  autu)V  XLIII 

343  IV 
dxXexie^  xXoxapiiSe^    ixippeov    ouxi'^c   xoupv]^    XLVELI 
117  IV 

Hiezu  kommt  noch  nach  Ludwich'e  an- 
sprechender Conjectar  für  das  früher  herge- 
brachte ixixpoov  (Koechly  ixi8pa[i.ov)  der  Vers 


816  Riach. 

HacK/iÜB^  ik  ^iXorf^e^  iicippeov  oIBori  Xotc^  XXXIX  300 
Vgl«  Ladwichy  Beitr.  zur  Kritik  des  Noiinos94. 
Hom.  xh  V  iicippcov  {Ovea  ice^öv  A  724  IV 
xaiippeev:  xP<^7so^  2^  ip6^(o  xsTippeev  &^to^  Z«5^  Vlll  259  IV 

5pO(og  otvoic6TO(o  xaTdppesv  öXxö^  ^^pcng^  XIV  242  IV 

Tou  Si  xtvupo|Jiivoto  xat^ppee  Sixpua  (a68(i>  XXX  149 IV 

Hom.  in   der  Composition  im   Partie,  ca^ 

xoTopp^ov  e^  ^ccXii<;  A  149    E  870  IV 

ßa66ppoo{:  AeuxoO^g   !x^    8&|ia    ßaOuppoov,    eivdxe  ic6vtou    XX 

378  IV  ' 

Hom.  e^  i:0Ta{Abv   etXeimo   ßa66ppoov  dp*)fupoSiyv;v 
•l»  8  IV 
luppeiTtjC  ^'Eppio^  euppetTt]^  Mpot^  Zorupotffi  {uXeoSn»  XI  40  II 

Hom.  ice(i,iCTaiot    2*  AT^uictov    euppetTv^v    txo|A£s6a 
5  267  IV 
^ppctfovTo:  XuoaiSe^  ippu)ovTo  ouv  eu06poo(9(  [Mc/riftal^  XTV  207  H 

oTotxiScq  ippc^ovxo  *  xal  $p€)uv  a5Xb^  'Evuou^  XX  111 H 
etg  fföXtv  ippciovto  icefu|^6te^,  lvBo8t  icup^t^v  XXTVIT?  H 
et(  (liaov   ippuisvTO  xaXu^MEixcvot  ii[uc^  «(moi  XXX VÜ 

763  n 

ButiBe^  eppcoovtc  *  xavuxpotipoto  d^  toupou  XLHI  42  H 
3(jui){de;  ipp(i>ovTo  ouvifXuSe;  loxeatpq  XLVlll  314  H 
Hom.  x'^'^^  S'  £pp<i)ovTo  V  367  II 
lxepp«»ovTo:  ipcl^  (lev  eiceppioovto  icoScW  ÄveiicoS^t  icaXpi^XXXVII 

646  II 
wyj^itq  li  SpixovTe^  €9:epp(dovTo  npoouncoi^  I  158  PV^ 
TIA  S*  &(jia  Odtpoi^evTe^  eiceppctfCVTO  iME^Y^ai  Xm  562 IV 
BlAcofftv    dt{j.c(ßa{ot9cv  *  £7reppu»ovTO  ik  xoXX'ot   XVDl 

97  IV 
&^  fipievo^  OopovvEv  *  exeppcoovTo  Se  Box^«'*  XXVH 

221  IV 
XoiTat    S'   i^eptTjatv    iiceppcoovTo    OuiXXat^    XXXVII 

286  IV 
aux|AV)pat   ^oOiiJLtYYs;    i?cepp(i>ovTo    xovctj;    XXXVII 

457  IV 
&fxf(  S^  (jicv  SaoxX^e^   iTcsppuovTO   -^fuvotxs^    XL  VI 
210  IV 

Hom.   tijotv    Scl^Bexa    itooai    ^icEppcibovro    ^^scixe; 
i>  107  IV 


Stadien  sar  Technik  de»  naekhoverischen  heroischen  Venei.  817 

l:7spp(2»9avto:  eiXiicöSigv  Gpiivaiov  iwsppciaavTO  itoXtrat  V  284  IV 

6i»p9o(Aav^A(övuoov  liceppciiaavTo  (iiatxv2Ta{XLV232IX 
HoiD.    dpißp6acat   8'    apa   x^'^'^^^   liceppdbaovro   A 
529  IV 
I  p  p  i  Y  « :  S^pa  Ttc  £  p p  { YTl  ^ «  >wkI  i<}^iY^^w^  orpaTbi;  «v^pöv  XXXVI 159 11 

Hom.   5fpa  t(<;   epptY^i^i  xal   5<|^tY6v(i>v  avOp(i>ic(i>v 
r  353  II 
lpp{^ii>7e:  8t  Y^vG^  Ippil^(i)a6  xebv  ?cpa>t6aicopo^  *Idl>  III  360  II 

xai  x6ia^  Ipptl^coaev  *  d(vocxpo*xt>v  8^  xepa(ag XXXVI 311 U 
xdtl  x6^  ipp{2^o)aev  6{jioCtiY^(i)v  IXe^ocvtcov  XXXVI 366 II 
t{^  oicoxiXou^  ovdstpe  xal  dpp{!^(A9C  OoXiovv)  XL  425  IV 

Hom.  xat  ipp(l^<i>9ev  IvepOev  v  163  IV 
xal  fwi?  ippi2^ü)T0  Ti6iQvi^T6ipa  Y^viöXifj?  VII  4  II 
^ip^iOKOv  epptl^coto  ß(oa96cv  *  oupaviov  ^ap  VII  56  II 
xal  fuxbv  ipp{l^u)TOTb  SeOrepov  -  i{L^\  ik  y^I'!)  XXV 52011 
Hom.  dXurv;  eppfi^cdTae  v)  122  V 
eppttpavTo:  MacviSe^   epp(<|;avTo   XoOCfpova  Xuoaov   di^Tati;   XLVH 

741  U 

Hom.  Ippv^vi   nur   in  Thesi,   z.  B.  T  130  in 
2.  Thesis. 
a':coppt7CT<i>:  ^oXXal  8'  a'jxoxOXearov  (x?ceppi4'avT0  xoviv}  XX  331  IV 

iQcpiot^  l|jibv  olffTpov  a'icoppt^j/eia^  dh^Tat^  XVI  164  IV 
ovTUY«  8'  diaTep6^trov  deicopp(4/e(ev  Y)X6|jlicou  H  262  IV 
xaixev  ai:opp{'^a^  itaXcviYps'coy  SYxovdnc£tXti^XXIV60II 
xai  pitv  a^oppi^avTa  [Atat96vov  olorpov  'Evuou^  XXVI 6  H 
'Iv8bv   di7cpp(t{;a{  Ipibv  o3vo|jLa  Au8b;  dxoOao)  XXXIII 

256  U 

66p90v  d^oppt^j/avTa  *Tavi/;cXoxi(A(i)v  8i  Y^vatxü>v  XXXVI 

155  II 

Baxyoq  dicopp((|/a^  deicaXoxp6a  8dexTuXa  xoupv);  XLVUI 

128  II 

XSipl  8^  8sv8pi4e99av  dicopp(^aaa  xaXtkrpvjv  II  554  IV 
avOopev  5{i^£VTog  ixofpl^a^  xrepbv  C^ou  V  535  IV 
9e{(0v  oTvoxa  6ip90v,  d7ucpp{t|;a^  8^  OuiXXat^  XV  126  IV 
icoXXol8^ivi;poxo^aiv  dicoppCtI'avte;  in((i>xi^yXXn372rV 
2op  ibv  YU|jLVü)9ev,  i7opp{t{^a^  8i  x^^^^  XXHI  61  IV 
xa(  [AtTov  YjiJLtTAecTov  aicoppC^aff«  x^'^^^^  XXIV  322 IV 
Ar|{j.vt^^  dbitpT^86[ji.vo?  •  izoppif^aq  Ik  icupotYpiQv  XXVH 
122  IV 


818  Black. 

inoppiicxia:  [kifKOXt  SuoiACveeoaiv  iicoppi^^avT«  ßoeb;y  XXX  189  IV 

Konnubou  iv  xopufi^ocv  iicoppCtl^a^  icrepbv  thcvou  XXXV 

263  IV 
iXXJt  xri^v  dvovtjxov  dxoppCtpaaa  fatp£tpi]v  XXXVI 75 IV 
Bixxot  8*  ixpotiXtliov  dicoppftpavTe^  iw&  XL  215  IV 
xae  icXoKi|Mi>v  dni6|AtOTOv  dicoppC^^aaa  xaXuKTpijv  XLV 

50  rv 

|jLvi)9Ttv  5Xv;v  TY)pv]o^  dicoppitpaaa  Ou^XXoct^  XLVJ133IV 

|i.Wi9Ttv  5Xy)v  6v)oiio^  änoppitpaaaSoEXioot)  XLVII454K 

Hom.  cKjvl  ov  £7«irfi  ae  {a^v(v  dhcopp(t|MevTa  x£Xo((u;> 

I  517  rv 

StarppticTO):  xufAßaXa  S'  ^i^evra  StappCtl^avte;  dh^t;  XLIV  139  IV 

Hom.  Stappiicraoxev  ieordv  t  575  IV 

ipp6ovTo:  xal  86|aov  ipp6ovTo  «epCtpoxov  sucöv«  xöcfiou  XLI  281 II 

Mi  |JL(V  ippOaavTO  Atb^  TaR>p(^8K  ^^^^  XXVII  81  ü 

Bei  Homer  findet  sich  ippuaoio  mit  der  ersten 

Silbe   in   der  3.   Senkung:    äXXi   ti^   <äxe   Oeüi 

2pp6aotto  xal  loduMVf  0  290;  vgl«  Y  194  a  6 

I\ 

appaY^;:  ippcL^i^i  oTocxv)3bv  eicupYiMvjaov  ipiicvat  11  373  I 
ippa^io^  liMoto  909<j>  crn]p(CeTo  Seojjt^  XTII  486  I 
dppaY^^^  T^<^ive^  i8ox(M2»0iQ9av  ;ix6vxb»v  XVII  348  I 
dppaY^üiv  aitvaxto^  dXuxioiceSt^ot  icen^Xuiv  XXI  56  I 
ippaY^^)  euicoivjTOv  iuxXoioToiat  6e|jLi6Xotc  XXVI  59  I 
ippoL'^ieq  xvY)|M3e{  hcexXCvovro  xo^pvoi^  XXX  29  I 
dcppa-f^^(  xaXapit)9(v  £|jiiTp(S>0i29av  \\idntq  XXXFV  225  I 
ippa^iq   ü^  aixo(   e^x^  :  xal   "ApteiM^  iXXov   Ix'  oXmi 

XXXVI  32  I 
ippa^^o;  xtoaoto'xal  ou  t690v  6Xxd$a  i:6vtou   XXXVI 

367  I 
ÄppaY^O(;  xXttMtfipo^  dcxapiicda  vi^pLora  Moipvj^  XL  2  I 
ippa^k^  ^pire  tet^o^  lpLi){  x^^^  *  ^^^  ^^  aoj/rfyt  XL  2001 
dppa^^e^  icio6p£(r9(y  iiAtxpiiiOv^oav  Ujfsmq  XLI  280  I 
dippaY^^^^  dvixoxTe  icaXCXXuxov  6Xxbv  i(JLivTii)v  XLV  276 1 
XiXxtov   dppaY^d^   xe^aXi]^  oxixag,  aXXa  xxpi^  XIV 

233  U 
ipxemv  dppdtY^699cv  ivaDffx^XXouocv  iXuoet  XXII  174  II 
dfpeo^  dcppttY^C  ^^<)  iXe^vjrispa  ßeX^vcov  XXIII  62  11 


Studien  sar  Technik  den  naclüiomerieelien  herolselien  Yenee.  819 

ap  p«Y^  ^:  'Apea  S'dppaY^evfftv  dXuxToi:^Sv]9i  xeB'/j7U)  XXXV  293  II 

5<|;eac  appayitaai^  i[ko\q  eixovra  xo^pvoi^  XL VII  640  II 
acTctoi  um  |if se99i  xai  deppa ydeaat  icer^Xoi^  XXVII 146 IV 
cr]f)fi  Tupou  TCopa  ic6vtov  '  eic'  deppaY^eoai  S^  ic^pat^  XL 
'  533  IV 

Vgl.  Hom.   apptixTo;  N  37  I  0  20  H  ^  447 
IVy  DioD.  Per.  teCx^fftv  dippaYce^fft  1006  II  Anthol. 
dppoYea;  x6pu0a^  IX  323.  2  IV 
Stsppi^YVuvTo:  uSpvjXat^  ve9^Xv}9t  Bieppi^YVüVTo  xoXiovat  II  474  IV 

Hom.  eppt^^avTo  M  291  11 
ü)  oxo?c£X(i>  Xo^evTiy    Seappii^eee  8^  X^^^^<  XLIII 
113  iV 

Hom.  dvappi^^ete  T  63  11 
Y«ia  ^k  werpT^evT«   StappT^S«^«  X'*^***^*   II  637  IV 
xevOaX^ov  xifpu)ia  Stappi^^aaa  »X^xüiva   IX  254  IV 
vijffov  oXtqv  TptoSovTt   StappT^5«?  'Evoa{x6u)v   XVIII 

37  IV 
oXXo;   dXi((i)voto   Seappi^^a;   ^iv  to6|AOu  XLVIII 
37  IV 

Hom.   SeofAbv  dbcoppi^^a;  Z  507  II,  vgl.  Theo- 
gnis  itappiil^aaoL  x^Xtvöv  259  IV 
ETcepp'j^YVüVTo:  xfove^  üBoroevre?  iweppi^Y^^^'^®  xopi^voc;  II  428  IV 

Quintus:  at^v  eiceppT^Y^üvro  XIV  518  II 
^eppcpaCvu):  x^^pi  iteptppatvcdv   iSuvi^foiov   ix|AiSa  Bixxou   XVII 

372  II 
i&[kx  '7:eptppa(vovTe(;  aXe^ixiiioiat  ^edOpot;  XLV  35011 
^offt  TapTap(oi9i  icepcppatvovxe^  opoupo^  XIV  48  IV 
icai8GY6vü>  ^dtfjbtYY^  icsptppaivcov  rcux«  (xtjpou  XXV 

317  IV 
aljAaXiT)  ^aOfliiJLtYYi  w  €  p  i  p  p  a  ( v  o  u  c  a  xovCtjV  XX  VIII 95 IV 
oTvov  aXe^Tijpa  Tcepippatvcov  TiJievafw  XXIX  156 IV 
IXxeV  fotvi^evTi  7r€p<ppaiva)v  T:6[kOL  Xtjvou  XXIX  272  IV 
ta\  wp6jJio^   6i<;   x^^^*  tcTx:6,  TceptppaCviov   86   xovCtjv 

XXX  144  IV 
oßpoj^ov  uSoTÖevTt  ic€p(ppa{vü)y  x^va  tapaü)  XLU  4441 V 
aipLOTi  fcivi^evTi  Tcepippatvouaa  xoXcovo^  XLVIII  688 IV 
tbv  6xi8vi^evTa  TueptppatvovTO  xoXb)va(  I  509  IV 
Sil^iTfe?  IvOa  xat  Sv6a  luepippaivovTo  xepaiat  V  7  IV 
oca  ßöe^  xat  {i-t^Xa,  icepippaCvovTO  8e  ßü>(i.o(  XX  178 IV 

Sitzangeber  d.  phiL-hist.  Cl.  XCV.  Bd.  III.  Hft.  58 


820  fix  a  eh. 

Bei  Homer  nur  die  Formen  ippdSkon  M  431 1 
IppiSotai  u  354  II;  vgl.  OaXXcp  Ixtppotvscy  bei 
Theokr.  Id.  XIX  98  II 

SoXoppdtf  1^1^:  oü8'  ^oOei;,  Atövuae,  SoXoppa^eo^  f06vov ''Hpi;;  XX 

182  IV 
xal  xpufCuv  dbf6peue  SoXoppaf^cov  X^^ov  lv3uv  XXII 

122  IV 

[kirffocvot.  xexv^svra  BoXoppaf^oc  Atovuoou  XL  60  IV 
{ppeT^  (jLOt,  v^  T^Kva  SoXoppa^^o;  y^^^^^P^  XLVm 
896  IV 

Hom.   ^ppoE^ieaoi   Bopot^tv    ß  354  IV  Oppian. 
Kil.  8oXoppo(f^a)v  Xtva  x6Xx(i)v  Hai.  HI  84  IV 
X  t V  0 p p a 9 if  g :  xai  ßuOtv}^  oux  oT3a  Xivoppa f  ^o^  SoXov drjfpiQgXX 377IV 

evSobrtov oxifo^ el^e  Xtvoppa^^cdv  iXii^ü>v XXHI 131 IV 
•  Vgl.  das  Vorangehende. 
i:oXuppaf  1^^:  ^av03(  icoXuppa^ ^cdv  diveXOcrato  SeqAa  ice8i>.iov  XYÜT 

199  II 

ocuTO|Airv}  icIXe  (lata  icoXuppa^^o^  Toxerotö  IX  6  IV 

Bixxov  ftt  xvefovra  icoXuppa^eog  ioxetoio  XIV 149 IV 

Vgl.    Inc.  Id.   icoX6ppairT5v  t£  fapixpvjv  Id.  IX 

265  IV.  Nach  dem  homeriechen   iuppoff^  and 

xoscoppo^fv}  0  16  (A  26  ß  236  gestattet  sich  Nonnoe 

Doppelung  der  Liquida  auch  im  Verbum: 

l%ippd^a^:  T^xviQV f appLox^eovov  iTippd^a^  Acov6a(i> XXXVI 352 IV 

Vgl.  Epigr.  Gr.  ed.  Kaibel  eveppit]^avio  Nr.  1046. 
28  IV 
licdppafev:  Se^iiJievo^   Ai6vu90v    ^Tuippa^ev    iporsvt    (Atjpco  IX  3  IV 

iXkk   B6Xci>   86Xov  oO^Xov   dic^ppa^ev  Etpa^tum]^  XLII 
315  IV 
9uvdppafsv:   SexTO   Xaßdbv,   (Aigpä    8^   auv^ppa^ev  *  dhrti   S^   xap^ 

VII  152  IV 
iuppaTci?:  ö?  etwbv  e;  "DXujjlwov  eOppaici?  ^tev  'Epjjii;^  IV  I  IV 
AiQtf^v  2'  licl   8f3piv   iuppaict;  ^Xo8ey  *Ep(A^^  XXXVI 
'  11  IV 

Hom.  *£p(Ae{a^  XP^^PP^"*^^^  ^  ^'^  ^^ 
divxfppoico;:   üipfou  8a(8aX^^  dvttppoxov  elx6va  (Aopf^^  XXXFII 

70  rv 

v6aot);    Xatv^^    avxtppoicov,    laov    ixstvci)    XXXVII 

112  rv 


Studien  zu  Technik  des  nachhomeriflclien  heroischen  Veriee.  821 

avTCppowo?:  xal  Aib<  'Affßuorao  v6f)v  av-cippoicov  ö{ji^v  III  292  V 

Ol   §e    Tovuxfotpüiv    IXifii>v    d(VT(ppo7rov    aorpov    XIV 

133  V 
TC^|jL7C£Tat  5p8pivi)9t  ßoXai?  ÄvxCppoico?  i^oä;  XXVI209  V 
^HsXbu    aeXo^il^e    ßoXai^    divxtppoicoq    ar^Xv)    XXVII 

18  V 
Zeu^    yibi'^toq^    Z'zzpi^q    ik    v^v    dvT{ppoicov    af^^igv 

XXVII  93  V 
Xeuxbv  ipeuO(6«i>aa,   ßoXoi^   B'  dvT(ppoicog  i^cuq  XLII 
422  V 

Hom.    bnppixfi   S   99    IV,    vgl.   Epigr.   Gr. 
ed.   Eaibel    dtvT{ppo[wa    ö^rce?    Nr.  21   11  V  = 
C.  I.  A.  442 
loop  poTzo^i  ^wv^  B'  dtiJi^otipoiaiv  Ja6ppowo^  ijsv  sviki)  II  475  IV 

aXXrjv  itl/iTeXeoTOv   t<j6ppoxov  eßev  ^ü(i)  XXV  25  IV 
et^   ^cv   aiA^YjpioTov    ta6ppo?cov   elxe  icopetiQV  XXXVH 

250  IV 
vöxxa    xaXavTcöouaav    ladppoicov    i^pt^eveit)    XXXVIII 
271  IV 

Hom.  vgl.  das  vorausgehende  dinCppo^o^ ;  vgl. 
ta6ppoTCov  dXXiiXoKJtv  Sibyll.  Orak.  IV  85  IV 
6e6ppY3TO^:  xXeicropL^vT}^  *  aUl  ik  6eoppi^Tü)v  icepl  (Ji.66(t>v  XXXVIII 

53  IV 

Hom.  icopcEppigTot  x^   ix^ea^iv  I  526   IV,   vgl. 
Anthol.  Oeoppi^xcj)  xivt  piixpcp  IX  505.  13  IV 
^vepp(Cb>ae:    xat    oxoxbv    deoiu^iXDixov    dveppil^coaev    dvi-pcY)    XHI 

495  IV 
x6|A0C9tv  dmufdXtxxov  ivepp{l^(07ev  'Aic6XX(^v  XXXIH 

340  IV 
TcopSevixv^v  §'£&ßotav  lveppil^a>ae  6aXia<n)XLn411  IV 
Hom.  eppil^a)76  v  163  IV 
evepp(2^(i>xo:  deXXo^  ivepp(!^(i)xo  Be8ux6xo^  dc^pt  y^^^^^^  XXUI  43  H 

<xxp€(JL6v6{  ßXoeoTiQaav,  Ivepptl^üivxo  ik  xopaot  XII 178  IV 
Hom.  dpp(!^u)xat  tj  122  V;  darnach 
aveppi(<i>9e:  xat  4»XeYua(  5xe  icivxaq  dvspp(l^(i)7£  OaXcEooY)  XVUI 

36  IV 
£7epp(|^ü>9e:  Batpi^fac^  XißceSeafftv  iicepp(l^u)9e  8aXd99|]  XL  532  IV 
(i.exepp(2^a>9£:    v£pTep{a)v    x£u6{JMi>va    )i.£X£pptl^(i)9£v    £vauXa)v    XXI 

104  IV 

68* 


822  Bisch. 

142  IV 
Sämmtlich  nach  Homer  Ipp^bKJE  v  163  IV 
&ppotß3t]9ev:  6io)i£Xov  eppoißSigaey  Sico^  ^iXciceuO^  Bix,x<!*  ^^^^^ 

104  II 
dcoxoicov  eppoißSi^ae  ixepLT^vdrt  X^^'^^  ^r/jy  XLV  7  11 
Hom.  av£ppo{ß8v2a6  (&  236  II 
ax€ppo{ß8tj<je:  toiov  azeppoißSigaev  eiro;  !^rjXi^(jLovt  ^(Dyfi  X V 256 D 

Toiov  «ÄcppofßStjaev  drffyfopa  |jlööov  'Axflrni;  XXXMI 

422  n 

fpixtbv  diiceppotß8iQ9ey  licog  icoXupLefAf ^c  fit>vi] XL  lOII 
toiov  aiC€ppo(ßSif]aev  liuo^  >.uaa(i»S6i  XaijAc^  XL  VI  911 
TOIOV   äreppo{ß8t]oev    lico^   Xuooc&^t   Xaquö  XLVI 

220  n 

Zi]vb^  dnretXi^cpav  &i;6ppo(ßSv2a£v  uir^  H  257  IV 
xal  |xoY^v  dcxaXivov  dreppotßdvjaev  mi>i^XXI132K 
xaC  ol  dbceiXi^etpav  dTceppoißSigoev  tdn^v  XXX  40  IV 
ta\  0T0(AdiTCtfv  «xiXivov  «iceppotßBY^crev  tüyfjv  XXXIII 

117  IV 
xuS(6a>v   3'  dexiXevov   dxeppo{ß8t]a£v   liorfyt   XXXI\' 

195  IV 
2k£X)i.i^  dbc€(Xi^epav  diic£ppoiß8y;a£y  tor^v  XXXMI 

306  IV 
d9poK6|AO(^   9T0|AiT£99(v   du£ppo(ßBv20£v   tunfv  XLVI 

161  IV 
Hom.    dcv£ppo{ß8iQa£    pi   431    II    and   Xd[puß8'4 
dvappocßSft  {JL^Xav  DBcop  {a  104  IV 
ffüv^ppfiov:  wdvT£(;  M  otc£ü8ovti  auv^pp£ov  i^Y^jjiov^t  XTTI  231  TV 

6py;ix(if]^  Ik  Sd^Aoio  ouv£pp£ov  GbiutSecuT»  XUI  393  IV 

TOU    8^    wt£5o[Ji4voco     CüV^ppfiOV    hl^ii    XaLk[tM    XXXVII 

602  IV 

Hom.  z.  B.  ew^pfiov  löv£a  i:t^iä^  A  724  IV 

dw^ppuTo?:  icüi<   8^   ouvowrcofAivij   xai   dic6ppuT0?   dpoEvi  rjpou  I\ 

282  IV 

Hom.  icfipCppuTo?   T   173   IV;   di:6ppuToq   saerst 
bei  Hesiod  E.  595  IV 
xaTdppüTO?:  £1  wdXiv  5|jißpov  Ixfiufi  xatdppuTOv  u^toq  Z£6^ II 537  IV 

X0u>v  5t£  x£u6£to   icäaa   xaTdppuTO(;y   dxpa  8^  '^sexpi;; 
UI  206  IV 


Studien  rar  Technik  des  nAchhomeriechen  heroischen  Yersee.  823 

xxTippuTOg:  '^ßvjT^v  eBCiQve  xaTdepputo<;  txfjijc^  ^^p9t)<;   XI  163  IV 

6inc6Te  Y^  Y0v6eaaa   xaTipputo^   dEpaevc  Xu6pü)  XIII 

439  IV 
5(Jißpu)    SaxpuöevTt    xaTippuxo^  *  oxvufjiew}    8d    XVI 

345  IV 
Foia    xsXatviöüxxa    xaxdppuTC^    atfJiaToq    6X)uo    XXII 

274  IV 
d^pt  (Ji^ffou  oT^pvoio  xatceppUTO^,  S^  3^  Sta{v(i>v  XXIII 

47  IV 
al|JLaX^   ^ttOipLiffi  xaTdppuTa  XeCtj/ova  x6poir]^  XXV 

45  iv 
OT^XXeTOci  £u6S(A0tart  xaxdpputo^  ijBacrt  Tdrffr^^  XXVII 

163  IV 
§acv6a   8iaoT((ouara    xatdlpputa    vtara   xov{y;g   XXVIII 

130  IV 
x6{juxatv   igXtßarotac    xaTdpputov    i^ipa   v{fii>v   XXXII 

155  IV 
{weicev    '   o(YO[xdvo)    81    xaiocppuTa    yißitikcezcf.    Xat(|juo 

XXXIV  247  iv 
SvOov    dbcoxTuovxa    xaiceppuTov    iv0spsa)vo^   XXXVII 

666  IV 
fipptoTO^ oupovtoio  xaTdppuTo^  '  dcxpa  8^  y^^^( XXXVIII 

22  IV 

ifidia  ?c6vTOV  EnwyK^  xocTdeppuTov  atfAom  Nv)peug  XXXIX 
296  IV  (II  p.  209  K.) 

Hom.  'REpCpputo^  T  173  IV,  xoroEppuro^  IvOa  xal 
!vOa  Dion.  Per.  1124  IV 
;jL£ AtppuTo^:  xal  icorajAog  xeXdpu2^£  {JieXippuTa  y&jyMXOL  a6p(i)v   XIV 

414  IV 
Tep<|;(v6<i)   pa8i)JL(YY(   {AsXtppuTov    (Syxov)  67(i)pv2g  XIX 

20  iv 

8iv8p€a  x*'*^^^*  jjieXCppuTov,  di;  dbcb  dfjJißXwv  XXVI 

186  IV 
XaporipYjv  aiVßXoco  (xsXCppuicv  ^icue  ^cdvi^v  XLI251 IV 
oü  Y^P  dvaßX6^ou9(  [AeXippuxa  x^^pi^^^cra  7cy)y<3e^  XL VII 

81  IV 
'IXiaarou  Ik  ^ieOpa   [jieXCppuTa   Bdcx^o^  UaoL^  XL VII 

265  IV 
v£oppuTO^:  TcaTpcüxi)  xfipdaaffa  v£6ppüTa   xs^fxara  x6Xtc(i)  II  144  IV 


824  &s»eh. 

ve6ppuTo;:  xopfup^^  Mffjye  ve6ppuTcv  S-piov  iicidpri^  XII  200  IV 

iXX3(    9cd((   4»o{ßoio    veöpputa   x^^|a^>    at{A^>iiyv   XIII 

259  IV 
xoct  xepoffoc^  )^^pt  veöppuTov  l^tdix  Xi^vou  XVII 72 IV 
OapaaX^ai  '  xTOjjLdvcov  Se  veöpputov  aifia  Frfivniyv  XLJII 

134  IV 

FopY^vo;  dprt^voto    vedppuiov    oipia    MeSo^oti^   XLIY 

275  IV 

XsiXsffc  vrjiKioiyiptvi  veöpputov  utpe^e  ^Xi^XLV302IV 

XuOpov  dpeuOo|Advoio  veipputov  avOepeävo^  XL VII 159 IV 

Anthol.  veöppura  xiXXeo  xv;pou  IX  363.  15  IV 

auv€pp(i)oyTo:   sht    xat    e{^    tA66ov    a)pTO   *  auvcppctfOVTo    Ss    Xis: 

XXXIX  74  IV 
Hom.  27r£ppb>ovTO  Tuvatxeg  u  107  IV 

II. 

Xtit6pptvo^:  fJiL^at^  5Xa  *fjla  Xii;opp(yo(o  vojjiijo^  I  44  FV 

Hom.  ^pl  8i  ^tvol  tJL(v68ouGtv  |jl  46  IV;  XRusppcv:; 
begegnet  schon  bei  Nikandros :  ijv  3^  Xnnppcvc'x 
icotbv  SucrceXuxTOV  (flct{nq  Alex.  537  II,  aber  es  ist 
dort  anders  zusammengesetzt,  8t.  XtT»  fett,  also 
mit  fettglänzender  Haut,  wogegen  es  bei  Nonnos 
mit  dem  St.  Xt?;o  von  W.  Xn;  lassen  (also  ,oime 
Hattt^  zusammenhängt ;  vgl.  auch  Xt^ppivuiv  bei 
Empedokles  301  IV 
xavupptvo;:  axpoTxnjv  TpCxa  TajAve   TavuppCvoto  xopri^vou  V  10  IV 

Die  Ueberlieferung  von  M  hat  Tovuppi^vou, 
Tovuppivoto  nach  Falkenburg's  Emend.  Oraefe; 
wogegen  Koechly  nach  Graefe*s  VermuthaDg 
tavuxpatpoto.  Hom.  ourixa  V  auXb^  dcv3i  ^tvo^  :;2x^: 
^XOev  X  18  IV ;  vgl.  Oppian.  Syr.  euppCvowt  xüvscctj 
Kyneg.  I  463  IV 
eppo{(v27e:  XoiXoics^  eppoil^Yjvav,  eTo^suovro  8^  Xo^ct  I  248  II 

xai  ßdXo;  £ppo{(^T396v,  lic'  5;jLfaX6€VTi  8e  xuxXcu  V44II 

Xa{Xa9C6{  Eppo{I^v]9av  oxoiijli^toio  (xep{|jLViQ^  V  590  II 

Boxxia^  2ppoi2^i]96  8f  i^^po^  ^TX^^^  «xiiif  XXX  308 II 

Hom.  icoXXiJ  3^  ^(l^b)  e  315  H,   Oppian.  Eil. 

ibv  v6|xov  ^ppoiCtjae  Hai.  I  563  V 

aveppo{l^iQ9av:  i^jsp66€v  Tciepöevtsg  iveppoCsVj^CKv  icaTo(XXIX289IV 


Stadien  zar  Technik  des  naohhomerieoheB  heroiBchen  Verses.  825 

B  i£ppo{l^Yjff  e:  i^iepCvjv  if^Xia  8isppo(l^v)ae  xedCXb)  XLI  276  IV 
exeppoi(v)as:  s(^  evo^v  vsXceYt^ov  '•  licepp o (l^iQa 6  ^l  'Tcupau)  I  226  IV 

i^urepTQV  [xdoriYO^  diceppoiCt)(jav  Jwi^v XXXVII 288 IV 

Doch  wird  wol  in  diesem  Verse  mit  Ludwich 

(Beiträge  zur  Kritik  des  Nonnos  88)  dTceppoCßSigvav 

zu  schreiben  sein. 

xal  aoXo^  i^ep{Y]acy   exeppoiCiQaev   i^XXat^  XXXVII 

688  IV 
xal  dövonie;  -^vfamt^   ixeppo(2[v)9av  5ioto(  XL VIII 
940  IV 
xocTeppoil^iQve:  ToupiDv Xeux3[  X^adva  KaTeppo(2lY29e  OeatviQ;I217IV 

ÖTQpovofjMi)  |xion"fi  xaieppo'Il^tj^s  Bopijo?  VI  116  IV 
xXtppotl^o^:  xocl  iflbceSov  yvjffoiov  aXtppotCoco  Dox^ou  XIII  322  IV 

EupuaXoq  8^  dXoEXa^sv,  dXippo(l^ü)  hk  xu8oi(ji.6)  XXXIX 

220  IV  (II  p.  207  K.) 
X^p^aiiQV  [UTot  SYjptv,  dXippoCI^b)  3'  diXocXY)T(o  XXXIX 

223  IV  (II  p.  202  K.) 
Xepai  daXaaoov6fJLOt9tv,  dXtppotCü)  Si  xuSotfiij^  XXXIX 

370  IV  (II  p.  206  K.) 
xal   Zaiupou^   IS{<i)X6y.    dXippo^Cb)  Bi  xu3o({aco   XLIII 
213  IV 

Hom.  xoXXi)  ik  ^o{((i)  i  315  II,  vgl.  Oppian. 
Syr.  Tavüpo{?y)fftv  dxcDxatg  Kyn.  IV  195  IV,  Quint. 
:;oXuppo(2^(i)v  dve[jui)v  I  156  II 

IIK 

IXXax^'  eXXaxev  —  ixÖuöev  "f«P    ^X^'  B6|jLa<;  —  dvrl  8e  YUjjLvij;  I 

101  I 
IXXax^v  ouvofJLa  touto  *  Bepaicvaiou  Bs  xai  ourou  XI  259  I 
SXXaxev  'AxTafwv  •  &  84  fipiaxo^  eiq  8p6[4ÄV  eor»)  XXXVII 

234  I 
IXXaxsv  gSpova  ToOra  tsvJ^  iXdxeipa  Texo6aiQ^  XL VII  604  I 
90^  izdtq  iXXaxs  7c6vrov,  ipib^  töxog  aiOdpa  va(u>y  X  134  II 
TTiXixov  IXXaxs  xaXXo(;  6  ßoux6Xo<;,  ov  ou  xpoPKiQf^  X  312  II 
3<;  t690v   2XXaxe   xaXXoq,   S  |jLtj  ßpito^   SXXoxev   dvi^p  XI 

386  n 

xiQXfxov  ^XXaxsv  eT8o^,  iizti  vu  ot  dpi^l  icpo9(jmi>  XLI  261 II 
9b?  icit?  IXXaxe  Xixipo,  xi  [xtj  Xoxev  'öro?  dY^vwp  XLIV 

304  II 


826  Biaeh. 

IXXaxc:  si  Aibg   SXXax^^   aS.[UL^   {xeripx^  xuxXov  'OXjiiscou  XLVI 

42  n 

et  Atb^   IXXax^^   olpia,    xe^v   ävofatve   Y^sOXr^v   XL VII 

598  II 
xoiov  IroctpeCri^  T^P^^  ^XXax^^;  ou  oii  Auotou  XI  119  IV 
3tti  jAiiJ  icoXtcikv,  wv  IXXa^ov,  ey)(vaX£56i  XLI  327  IV 
oh  divev  *AxTa{(i)v,  oüx  IXXa^e  ^pb?  iroeiwn^v  XLIV  287  IV 
&JJL01    epLOu    OtjO^o^,   8y   SXXax^v   devepa  ^oa^pTi   XLVIII 

536  IV 
el^oET^  {jioi  *  SepiO^v)  ^^  ^  ^^(^  SXXax^  (aouw)  IX  235  V 
3;  T6aov  IXXac^e  xoXXo^,   8  (xt)  ßpöto;   IXXa^ev  ovi^  XI 

386  V 
xal    oxoxia<;   "Oocvoto  xai   oT  ^oov   IXXaxov   '£p(i.ou   XIII 

471  V 
IvSbv  owrerpi^vtSev,  SOev  ^i^Kx;  IXXaxov  'lv8ot  XVIII  271  V 
xal   4>a66»v   Scov   söx©^   inc^prepov    IXXa^s   Mi^vr,5  XXV 

103  V 
dx^ujüivif]  •  xo6pt)v  81  (aoyootöxov  IXXaxs  Atjiw  XLI  413  V 

Vj  Y^{^^  ^<^^^^*  ^^^^  Y^^^  IXXax^  (Jiai^oii^  XLVIII 
833  V 

Hom.  Hymn.  V  86  I,  V  87  IV;  Theokrit 
Id.  XVI  46  V;  Dorotheos  h%w  V  IXX«xe  '^ 
TZpfjiiaq  |jLoCpa^  KuO^eca  26  II 

Scheindler  schrieb  Quaest.  Nonn.  I  9  auch 

eXXiice^  £v  (jLSYOcpotTtv  dnceipi^v  TOxeTOio  XL  114  I 

Allein  die  Ueberlieferung  lautet  xiXXtxeq;  der  Umfitand, 
dass  dies  Hemistichion  dem  homerischen  Xei'^sig  ev  yLS^apcis'. 
Q  726  (den  vorausgehenden  Vers  XL  113  nahm  Nonnos  ganz 
aus  Q  725)  nachgebildet  ist,  lässt  noch  nicht  darauf  schliesseO; 
dass  eXXiite^  und  nicht  xiXXexe^  dastand. 

in\ 

£uppaOa{jLiY§:  icpcoro^    duppaOapnyY^^    iXetfoto;    supsv    eep^v  V 

258  n 

Xoipo'*  iuppadapiiYYO?   apieXYeto  v^xtop  ^Riiipi;;  XII 

320  n 

5{Jißp(i>    euppaOi(JLiYYt    voov  Tepirovre^   oxo^pr,;  XIII 
266  II 


Stadien  nr  T«ckni1c  det  naclilioiiieriseh«B  httroUehen  Venet.  827 

^uppaOapiiY^:  Y^auxbv  i\ippa^d\ki^^o^  oveCpuffe  OaXXbv  sXaCv]^  XV 

61  II 
e!X€v  duppaOapic-fY^  zaXaCTOTov  Byxov   eepor;;   XIX 

160  n 

xoiai  jA£v  ap/o(jLevo(aiv    JüppaSafjiiYYO?   ispoY)^   XIX 

243  IV 
SeXVüjxevov  yyzbf  S-ptov  euppocOifjLiYY^^  6in«)pt)?  XX 

131  IV 

XXIX  116  IV 
8iwX6ov  eT^ev  dfsdXov  £üppaOd|JLiYY®?  oyövo?  XXXIII 

101  IV 
oToxpov  lx<*>^  JxöpvjTOV  ^uppaOd|xiYYO?  s^poY)^  XL VII 
59  IV 
lJL£Xtppadd(jicY§:   5fpa    (jLsXtppaOdfjLeYYo^    de^ojxevou    a^Oev    oTvou 

XII  168  II 
Zeu^  ih  [AsXcppaOdpiiYYO^  dbu^oniYSv  ^y^  [uXb- 

ot)?  XIII  271  II 
2fpa  pLsXtppaOdfjLCYYO^  dcuaad{Aeyo^?coTa(A6to  XIV 

432  II 
Xapa   (JLeXcppaOd(JL(YY^^  eXeißexo  Scopa  {jieX(o9iQ^ 

xxn  23  II 

iXka  [AeXippaOdjxCYYO^   i[LYiq   dbc6pi|T0^   i7Rft>pY]g 

XLVn  184  II 
oivoicoc  ta^O"^  b/iynoL  pLsXcppaOdfjLiYYo^   ImC^^^ 

XVI  33  IV 
dvri  A(ü>v6aoio   pisXtppaOd(Ji(YYO^   i^uipiQ;   XXI 

158  IV 

xoXuppaOd{Ji(Y^-  ^i>(''^^  'luoXuppocOdfjLtYf^   8e8eupiiva   ^dpea   X60p(i) 

VII  174  II 

dXXa  Tef/^,  ^iXe  Bdxxs,  noXuppaOdfJLCYfO^  ^<<>* 
pY)s  XIX  12  IV 
IppiTZiX^t:  SpOpcov  ^pp{icil^e  x6piYjv  euo8[jiO(;  dh^q  III  149  II 
aveppineCe:  vewcojiivwv  wrspoevtej;  aveppi'Tct^ov  d^at  XFV  139  IV 

dzXexia^  xXoxaixiBo^  dvepp(ni^ev  di^Tri^  XIV  347  IV 
)ucl  Rp6yo<;  eupu^^eio^  dvepptxt^evi  evuco  XVIII  239  IV 
Xo§^v  oüToeXixTov  dvepp(xti;ov  evud)  XVIII  239  IV 
•ML\  wpoxoa<;  ApxTb)o;  dvepp txtCev  db^Tig^  XXFV  63  IV 
vtxi;^  3'  eXzßa  %aactt  dvepp ticcCcv  dtjTai  XXV  307  IV 


828  Biftek. 

aveppixil^e:  nXoxfxob^ ßoTpuoevra^  aveppt^c^ovdnjrat XXXIV 308 IV 

icupxa'tYjv    ^XoYOsaaov    avgppiwtl^ev    dh^i;    XXXVII 
78  IV 
eiceppdctl^ev:  xal    3i36(jiat^    axporrnjatv     £?EepptTCt2[ev    evjw    XXX 

187  IV 
|jLeTepp(mCov:  aoO|ji.aacv  ayTtic6poi9t  {Ji€Tepp(n((ov  de^ai  11  408  FV 

2.  Httab^l«  d«t  JohtiiiiM*Evaiig«liunt. 

I*. 

-noXüXXiTO^:  tepRCdXY]  TtrÄeffTO  xoXuXXiToq*  ^^j^^^  l*^v  F  148  IV 

x«t  Osbv  «iTi^aTfjTe  TCoXuXXtTov  • 'Jjjwrct  xeCvb)   11  97  IV 
Ilom.  TcoXuXXtaTov  3d  ff'  Ixivu)  e  445  IV;  Eallim. 
Kapve^e  xoXOXXiie  IV  316  IV 
a[A{jiopo^:  a{Ji(jLopot  dpixXaxtrjg  xaOopot  v6ov  ior^  xal  ouroC  N  48  I 
dEcTcopo^  dcxpifioTO^  ovifpOTo;  ä[t.[LOpoq  Spirv^^  M  97  V 
Hom.  Q  773  IV 
appt)XTo;:  irforeo^  dppi^xToc^tv  inrexX(yovTO  XeiciBvot^  6  76  11 

Hom.  O  20  II 
ipp iQTo;:  ixP^voq  ^iv,  dcx(xtjTo?,  Iv  appi^TO)  Xd^o^  dfepxft  A  1  IV 
5t|/{Yovo5  icpoY^eOXo?,  iv  dcppi^xci)  Tivt  ^eo\ud  A  40  IV 

Hom.  (xppvjTov  ^  466  in  4.  Thesis,  vgl.  Timon 
123  IV  Proklos  Hymn.  Helios  14  IV  AnthoL 
I  19.  10  IV 
Ippet:  |ju»p{o{  ^99^^  |au6o^  aTt^i^Tiov  dncb  Xat{jui>v  H  40  U 

oS  x^^^  devTi6<i)v  icoXli^  Ippeev  da|Jbb^  68tTv;^  M  78  IV 

Hom.  A  140  II    oMxa   S'  Ippeev   aTpia   D  110 
IV  TCovTÖOev  Ix  (jLeXI<i)v  xoXb^  Ippeev 
ewippee:  Xaa?  I^wv  SacxXijTa?  Iiclppee  Xab?  dqfj^vcap  6  188  IV 
lv)90uv  31  fepovxe^  iTcIppeov  acxiSccatai  S  69  IV 
kq  861JLOV  oux'i^jSVTO?  exippeov  tJYeixovijo^  T  163  IV 

Hom.  t3[  8'  enlppeov  I6vea  xe^uv  A  724  IV 
eweppwovTo:  tc6vtov  e^  tf/i%iKe\Ao**  exepp6ovto  [jiaOriTäEi  Z  63  IV 

Hom.  ü  107  IV 
a7copp{t|/a^:  5aaot  Xuotov  dficiarov  dicopp{<JavTe?  db^xai^  P  64  IV 

Hom.  dncoppti]«vTa  I  517  IV 

P. 

appaYi);:  appaylo;  fiXiigc  aXutcp  ^tofforce  Oeoiup  6  119  I 

icCoTto^  appaylo«;  fftjpM^tov  •  aXX'  Ske  ^ß^'^iav  A  167  II 


Studien  zur  TAchnilc  des  nachhomerischen  heroischen  Yersei.  829 

appaY^i?«  ^^w?  OLppa^izaci^  iirupYwcavro  Oe(jL^OXot(;  A  183  II 

Hom.  apprjXTo<;  N  37  I  0  20  II,  oppoYeeaot 
Dion.  Per.  1006  II,  vgl.  auch  Nonn.  Dion.  XIII 
486  I,  XIV  232  II 

TceptppaCvo):  Spißpco  3axpu6svTi  icspippafvovxo  icopeeaC  A  120  IV 

•^eiTovo?  aiYiaXoio  TCspippavO^vTo?  i^p^  4>  54  IV 
Hom.   ^ppdSatoct  u  354  II,   vgl.   Nonn.  Dion. 
I  509  IV 

BoXoppa^i^?:  Ip^a  SoXoppa^^o?  Ii.evea{veT6  Tcorpbq  j^aCvetv  0  1 12  II 

tcXtqOuV  xr^pO^sie    SoXoppa^^wv  ^apt9a(a)v  A  236  IV 

TToXuppa^i^^:    ^aiSpa    xoXuppa^icov    7cpoazT6^aTO    Tapa3(    TCe3iXü)v 

I  174  II 

Hom.  iuppocfieaac  Sopöiatv  ß  354  IV,  vgl.  übri- 
gens unter  Nonn.  Dion. 

8e5ppYjTO^:  ^poncxa  Oeoppi^TOiv  lAa^rsueie  ^icfocza  ß{ßX(DV  E  154  II 

et  ii  Oeoppi^Tü)  pie  aofo)  'xv^fSiaifi^e  |jl60({)  H  25  II 
Vgl.  unter  Dionysiaka. 

5{jL5ppT]TO(;:  eSpo|jLsv,   Sv  (ju[jiwavTe<;  6(jLopp/jT(i)   itvl  [x60(i)  A  180  IV 

Hom.  oppTQTov  $  466  in  der  4.  Tfaesis;  vgl. 
0e6ppii]Toq. 

£V€pp{Cü)To:  o(k(i>  Y^p  xpoxetjaiv   JveppdJwTO   {jLevotvai^   H  152  IV 

Hom.   lpp{l^<i)Ta(  Y)   122  V,   vgl.   Nonn.   Dion. 

XII 178  rv 

a'i^sppotßäiQffe:  xal  IIiXaTO?  ßap6(i.rjViv  dweppotßSirjoev  JcmJv  T45IV 

Hom.  diveppoCßSrjcre  (jl  236  H  ovappoißSei  (jl  104 
IV,  vgl.  Nonn.  ÄTueppoCßStjaev  Dion.  II  257  IV 

5  üveppeov:  sTxev  dcvo^-Xaoi  Se  auv^ppeov  •  ex  locKiZou  li  K  108  IV 

Hom.  Ixippeov  A  724  IV,  cuvippeov  Nonn. 
Dion.  XIII  231  IV 

OcippüTO?:  -{kijiGQr^^  devöioio  ÖeöppuTov  5pißpov  JaXXwv  0  10  IV 

Oppian.  Kil.  Hai.  V  9  IV 

{xeXipputo;:  (ü))};  devaoio  (i.eX(ppuTa  yitu[kona  [iLuOu>v  Z  217  IV 

otOepo^  apxov  oxai^e  [xeXCppuTov  elXaxivflc2[e(v  Z  133  IV 
Hom.  icep(ppuT05  i  173  FV,   vgl.  Nonn.  Dion. 
(i.eX(ppüTa  ytdiiaxa   ctipwv   XIV  414  IV,    [xsXtppuTOv 
f/iw€  ^wvyJv  XLI  251  IV 


830  R»ch. 

III*. 

84  n 

!8|X£v  ort  ßpoTO?  ouro^  5?  IXXa^ev  5[A[xizto^  aTfXtiv  I  100  IV 
l^caTjv  dlOav(fn)v,  t^^v  IXXax^  oOvSpoixo^  aiuv  M  198  IV 
vuv  icit^  av6pü>TC0U  ^eotpißpacov  IXXa^e  ti(jli{v  N  128  V 
i^fA^xepoi;  ^ev^Ti;?  {4^'*^®^  IXXa^e  ti[xt^v  0  31  V 

Hom.  Hymn.  V  87  IV,  Doroth.  26  11  (Nonn. 
Dion.   XLVI  42  II),  Theokr.   Id.   XVI  46  V 
(Nonn.  Dion.  IX  235  V). 
ivaXXi^a;:  xa(  [mv  avaXXe^avxo;  e9u>  ßiXXouat  xapitvou  0  24  II 

Hesiod.  'A)jifiXoY(a(;  xe  Th.  229  V,  Manethon 
59(ja  S^  ItcxX^^uxtc  Osot  III  233  II 

IIP. 

iuppaOflc|JLiY^:  ou  Y^p  iuppaSaiACYY^^  Ix^i  X^^^  4^^  ^^"^^^ ^  ^ ^ 

Vgl.  Nonn.  Dion.  XU  320  II 

avepptict^e:   y&po'f   aveppiTci^ev,    Stciq  zaXoLZprfoq  ^h^^  T  220  11 

Yoiav  IxttJ^xovTe?  av6pp(7ri!Jov  dcijrac  2  88  IV 

Vgl.  Nonn.  Dion.  IH  149  U  und  XIV  139 IV 

TiiphiodoroB. 

I*. 

appvjXTO^:  appi^xToi^  xop60e97t,  xat  aoTdsi  xuxXa)aavT£^  623  I 

[xiaioxa  d'  dppifjxTOiatv   diXuxTOTceBY^oi  (jLe{Aap7Ri>;  480  11 
Hom.   N  37  I  0  20  II,    Nonn.  Dion.  XXÜ 

258  I,  I  141  II 

Ippeev:  xat  Bis  |jLuxTi^pu>v  ^uaC^oo^  ippeev  oi^p  77  V 

ol  8'  Siepot  Y^öc^up^?  dbcb  ^oLoxi^q  Ippeov  ?jc7coü  533  V 

Hom.  z.  B.  W  688  V  Nonn.  Dion.  IV  365  V 
eTceppes:  SXxevt  icotijtowiv  iicippee  vtf/iyzo'i  ai\ka  229  IV 

Hom.   ex^ppsov  A  724  IV  Nonn.  Dion.  XIV 
52  IV 
xaTippeov:  Xu£TO  xäqj.icOXa  T6§a  *  xaxippsov  ü>x^e;  loC  13  IV 

Hom.  xoToppeoy  A  149  IV  Nonn.  Dion.  VIII 

259  IV 

P. 
Stapp^^ac:  vOxxa  Siappi^^aaa  pitai^dvov,  fanc6Ti^  'Hcik  670  II 

1^^  xai  a\»j^vt6\uoi(si  Seapp^qat  TreXexeanv  254  IV 


Stadien  xnr  Technik  dee  ntchhoBerischen  heroischen  Versee.  831 

^lappri^an  ^OeXev  Iv  OaXipiocvi '  Stappi^i^aaa  d'  ^^^  359  IV 

Hom.  <ii:oppi^^a;  Z  507  II;  wo  auch  die  Var. 
Siappi^^a^  bestand.  Nonn.  Stappi^§a<;  'EvooCx^v  Dion. 

xvni  37  IV 

ßooppaiGTY]^:  xivTpov  dvsxcG{rja£  ßooppocCaTao  (Auo^iro^  361  IV 

Hom.  dbcoppataat  ^(Xov  ^op  ic  428  FV 
SIT t ppatvb):  ^av6(p  icop^up^xe^av  i^reppi^vac  '<^p^X^  XP^^  6^  ^^ 

Hom.  eppaSaTac  u  354  TL,  Tfaeokr.  lictppaCvecv 
Id.  XIX  98  II,  Nonn.  nepippa{vü>v  ^Oöva  Totpau» 
Dion.  XLII  444  IV 

KoUuthos. 
K 

£'77epp<i>ovTo:  fOfnjTvipe^  ^'Eparrs^  s^eppciiovTo  Tt&i^vv)  100  IV 

Hom.  ü  107  IV  Nonn.  Dion.I  158  IV 
aTzoppi^aq:  y^Xov  aicoppi<|/oc;  nuau  ^eoc  xaXäc  )xe6i{aa^  127  II 

*Ep(ii6viQ  8'  dvep^catv   Äxoppi<|/ocaa  xaXäTcprjV  326  IV 
Hom.    aropp((|«vTa    I    517    IV,    Nonn.    IvSbv 
dmoppi^a^  Dion.  XXXIII  256  II,  ifKoppi^wa  )ucX6- 
Tcptjv  Dion.  II  564  IV 

m». 

IXXax^:  &;  1^  (xb  xroXticopdov  düOXcov  SXXaxe  P^opf^^  190  V 

Hom.  Hymn.  V  87  IV;  Theokr.  Id.  XVI 
46  V  Nonn.  IXXoxe  [Jw6v»j  Dion.  IX  235  V 

MuBalos. 

I- 
7oX6XXtaTo;:  {AapTuptViV  Xuxvoto  xoXuXXiaToio  Soxcmov  236  IV 

Conjectur  von  Diltbey   f&r  das  überlieferte 
aber  unpassende  noXuxXoOxoio;  Hom.  xoX6XX(otov 
ii  d'  tx(ivo)  £  445  IV 
i[k[kopoq:  oux  lOeXe^  (caeiv  xeptxaXXdo^  ä|jL|jLOpo^  'Hpou^  89  V 

Hom.  Z  408  IV   Nonn.   depip^po^  ^ou;  Dion. 
XLV  118  V 
Xpuaoppaicc^:  &^  Opoobv  'HpcmXvja  6eb;  y(^p\)a6ppai:i^  'Kpi^^^  150  V 

Hom.  'Ep|JLe(a<;  xp^^PP^"^^?  ^  2*^*^  ^  Hom. 
Hymn.  yjp\j<:6ppom\q  'EpiAYjc  XXIX  13  V  Nonn. 
dieselbe  Formel  Dion.  VII  104  V 


832  Riftch. 

eppee:  woXXt)  8'  auTijiwrco^  x'^?  ^Soto^  Ippes  XatjjL^  327  V 

Hom.  V  688  V  Nonn.  Dion.*  z.  B.  X  372  V 

oL^dppoo^:  vi^^otiai  *EXXi^cwovTov  d^appoGv-oiix  &ta6ev  Y«p208IV 

Hom.  Swou^  TXXt^owovtc?  iyaEppoo?   evrb;  i^'fr. 
B  845  IV,  vgl.  M  30. 

Ohrifltodoros. 

dffApiopo^:  a(Ji(JLopov,   oure  v6ou  xexp^|x^ov,   dXX*  ipa  [taim^fi  312  I 

Hom.  z.  B.  Q  773  IV;  Nonn.  VII  10  I 
ippTjKTo;:  eTpuaev  dcpp^xTG)  neice8Y}(ji^ov  &|ji4JLar(  N(xv);  402  II 

Hom.  6  20  II  Nonn.  Dion.  I  141  H 
Xpu96ppax(<:  ^vS^xal  *Ep|JLs{a;  XP^^^PP^'^'^  '  laTijxevo^  Be  297 IV 

Hom.  Formel  '£p(jt£(a{  XP^^PP^^^  ^  ^'^  ^^) 
Nonn.  xp'^^^PP«'^*?  'Epfjiii?  Dion.  VH  104  V 
deppii]TO^:  AuGOvl^  dppi^Tou  909113^  ibpif^o  ZeipY)v  305  U 

Hom.    ippigrov   ^   466   in   4.  Thesis;    Nonn. 
Metaphr.  A  1  IV 
iuppe(ci>v:  BdoxeXov  uTa  M^Xvjto^  duppe(ovTo^  d(a>  408  IV 

Hom.    Ar^UTcov   iuppetiiQv   lx6(Aeo6aE    ^   257  IV 
Nonn.  '^piAO^  duppeCrriC  Dion.  XI  40  U 

Fatdos  Silentiarios. 

divv^^eXo^:  &q  il*  Srov  dvve^iXoeo  St'  ^epo^  ovSps;  oSitor  Ekphr. 

Meg.  Ekkl.  II  479  II 

Hom.  Tzimanm  dvi^eXo;  (  45  II   Nonn.  u>q  B' 

Mt'  dvve^iXoio  IC  aiOipo^  i^u^  ^Sitiq;  Dion.XLII6II 

a^oppcS)^:  fci>Tb^  oY^n^X^evro^,  56ev  ^oXuupivo^  dicoppü)!  Ekphr.  Heg. 

Ekkl.  II  18  VI 

Hom.  z.  B.  t  359  VI 
eppt21(i>ffe:  ?cu6|xdva^   epp(2^a)ae   [x^aou  x6puq   d{jLßpoTO^   orxou  Ekpbr. 

Meg.  Ekkl.  I  271  n 
^6(iiva^  lppi2^u>ffav  *  i^hp^aao^i  ik  ^air^  Ekphr.  Heg. 
Ekkl.  II  143  II 

Hom.    Ipp{((i>9£v  V   163   IV   Nonn.  xai  xiti; 
dpptXaxrev  Dion.  XXXVI  311  II 
Äxopp{(j/a^:  Beupö  (AOt  oxXuöeaGov  axoppt^ocvTe^  liviiQv  Ekphr.  Heg. 

Ekkl.  I  35  IV 


Stadien  lar  Technik  des  nMlihomerieehen  heroleehen  Veraee.  833 

Hom.  oPKoppl^ocnoL  I  517  IV,  Nonn.  z.  ß. 
acKoppi^ane^  dxcoxi^v  Dion.  XXII  372  IV 

^eptppuTo?:    ^i^ysaiv    eu^Ai^voifft    xepCppuiov    'Hpi^eveiij?    Ekphr. 

Meg.  Ekkl.  II  200  IV 
Hom.  t  173  IV 

P. 

Ekkl.  II  38  n 
icp6o0sv,  iiA  luXeupo^  S^  xai  appaylo^  icep:  vd^TOU  Ekphr. 
Meg.  Ekkl.  II  35  IV 

Hom.  (ippt)XTO(;  0  20  II  ^  447  IV;  Nonn. 
epxsaiv  oppoYeeoaiv  Dion.  XXII  174  H  und  iic' 
oippoqf^eaac  Si  nlTpa((;  Dion.  XL  533  IV 

Tzepippayiiq:  on^Oeatv  i^fjieTipotai  xepippaY^^  IXxo;  dv(oxe(  Ekphr. 

Meg.  Ekkl.  I  90  IV 

Vgl.  das  vorausgehende  apporff^  und  Quint 
iceptpptJTvuvre^  d^XXa^  VIII  61  IV 

cuvepf  eov:  e^onaw2(;   i'  exirepOe  auvippeov   aXXoOev  aXXoc  Ekphr. 

Meg.  Ekkl.  I  129  IV 

Hom.  ixippeov  A  724  IV  Nonn.  auvdppeov  z.  B. 
Dion.  XIII  231  IV 

eicCpf  uTo;:  &^  xev  epiot^  xexieooiv   exippuiov   SXßov  hpi^ta   Ekphr. 

Meg.  Ekkl.  I  101  IV 

::oTa|A6ppuT0^:  Ixxurov    1%  xaXiiAY]^  xoTaiAÖppuTov   SXßov  5ica(2[(i)v 

Ekphr.  Meg.  Ekkl.  H  597  IV 

Die  Vulgata  war  vor  Graefe  TcorapLi^ppuTov; 
dagegen  ist  wol  kaum  TcoroqjLOppuSöv  mit  Be- 
ziehung auf  ^i2i<i>v  zu  schreiben,  wie  Graefe 
auch  vermuthete. 

Xpua6ppuTo^:  cüv  dhco  |JLap|jLa(pou9a  x^^^^  XP^^^PP^*^^^  ^'^^  Ekphr. 

Meg.  Ekkl.  II  253  V 
Hom.  icep(ppüT05  x  173  IV 

iXepp60(o;:  dcXX"  düpa  (jiaXXov  Soixev   deXtppoOCo)   xtvi  y^^T2  Ekphr. 

Ambon.  205  IV 

Hom.  icaXipp60(ov    e  430  IV,    Orph.   Argon. 
dXtppoObio  eoXdffoi];  1296  IV 


834  Brach. 

Joannee  Gktfaeos. 

I». 

dvv^^eXo^:  Oep{Ab{  eoiv,  i^outo,  xac  dvvefeXci>v  yxkp  &\uai  Ekphr. 

Kosm.  Pin.  II  315  IV 

Hom.  ^  45  II,   NonnoB  dvve^iXcov  m  X»:puv 
VII  347  IV 
deppr^ To^:  dppi^TOu  009(72^  voepbv  ^Xov  Ipi^povog  5^ou  I  310  I 

Hom.  i  466  in  4.  Thesis;    Noimos  Metab. 
A  140  IV 
£ppt(b>ffs:  xal  fuotv  ipp{2^ii>9e  xai  ovdpo^ftjv  t^e  ^^Xyjv  U  341 II 

Hom.   eppS^idOE  v   163  IV  Nonnos  xoü  ^3i: 
£ppQia>aev  Dion.  XXXVI  311  II,  ygl.  aach  xoi  fxpj; 
lpp{?<DTo  Dion.  VII  4  II 
deTcoppCicTCt):  x69[jiov  dxoppCxTouaa  x^fJUKfOciJiivoto  renfXoi»  II  291 11 

Hom.   I  517   IV,   Nonnos  Supaov  anoop^Mf^x 
Dion.  XXXVI  155  II 

avappocßS^ü):  ipißpr^p^v  reXorfe^aiv  av ep poißSvjffev  eipovjv  I  297  IV 

Hom.  decvbv  aveppoißBvjffe  (jl  236  II^  i^i.  Nonnos 
Totov  Ä7csppoiß8T]Grsv  S:co^  z.  B.  Dion.  XV  256  II 

xspCppuTO^:  Xlbioyi'Md  oiccvO^pi  xepCppuxa,  xivta  ^uXiooei  I  129  IV 

Hom.  T  173  IV,  vgl.  Paulos  Silent.  Ekphr. 
Meg.  Ekkl.  II  200  IV 

P. 

8iappT^5«?5  "h  54  ^öw  (3if>ptYÖci)vn  8iappi^$aaa  x^övo?  II  127  IV 

Hom.  airoppnj^a^  Z  507  11    Nonnos  iio^^isj 
XiTÖva  Dion.  II  637  IV  und  IX  254  IV 

iroXuppa^i^q:  oSre  icoXuppaf  do;  (leOeRSi  oxeipr^ixa  ^c^vo^  H  152  II 

Hom.  bippoi^iesai   Bopouitv  ß  354  IV,  Nonnos 
^ovdd  xoXuppa9^b>v  dveXuaoto  deopid  xeSiXciiv  Dion. 

XXIII  199  n 

6e6ppii]TO^:  {jLota  Oeoppifjxcav  xafjL[jL£iXtxo^  euexiaciiv  I  75  U 

Hom.    xopippv^oc   I  526   IV   Nonnos  yP^^rt:^ 
Oeoppi^Tcov  (AOffTeuete  O^c^orra  ß(ßXa)v  Metab.  E  154 II 

taoppoxo^:  xai  'noLkd[tJ2^  I^Xü)aey  ta6ppoxo^,  Sm  StxaCot^  I  64 IV 

de^ü)v  doTU^^XcKTO^,  L96ppoxoq,  opOs^  6B£ua>v  I  110  IV 
BaKtuXo^,  Sv  xaXdouffiv  i a6 p p  0x0 v  S{i4A£vai  aXXii>vI165lV 


Stodi«n  zur  Teehnik  des  nftChhomerisclieii  heroiachen  Vene«.  835 

Hom.    iictpp^   H  99   rV   Nonnos    taöppowoi; 
Dion.  n  475  IV,  XXV  25  IV,  XXXVII  250 

IV,  XXXVIII  271  rv 

eirippüTOi;:  ufpbv  8e9{Acv  Ix^vre?  eitipputov  •  2)V  dhco  'pCwv  II  115 IV 

Hom.  icepippuTo;  t  173  IV,  vgl.  Paalos  Silent. 
^puTov  «Xßov  Ekphr.  Meg.  Ekkl.  I  101  IV 

II  41  n 

Nonnos  9T(kt3(  xoXuppaOiiACfft  BeBsui^iva  ^ oepea 
XüOpw  Dion.  VII  174  H 
dJLveppdcc^e:  xat  ve^dcov  xXov^ovre^  aveppiVtl^ov  ^vocuXou^  II  139  IV 

Nonnos  z.  B.  v€toao[jiivb>v  icrepöevre^  dEV£pp(xt!^ov 
dnärat  Dion.  XIV  139  IV 
iicsppCxil^ev:  vouaaX^Tj^  xaxinQio^   IneppiTcillev   di^Ta^  II  294  IV 

Nonnos  xal  Si86(i.ai^  arpaTti^acv  Jiceppktl^sv  Ivuci» 

Dion.  XXX  187  IV,  vgl.  Ävepptictijev  ocfyrriq  Vers- 

schluss  Dion.  XIV  347  XXIV  63  XXXVII  78 

£'7ccpp<i>aa;:  ^uvbv  dxcppb)ffa^  ne^uXoYlJ^vov  OEUX^va  x6ff(Aou  I  172  II 

Vgl.  Arat.  Ipp(i)9sv  Phaen.  335  II   Porphyr. 
Orakel  avappü)9ai  XiXov  6{i^v  296  IV 

Apolllnarios« 

I\ 
dXi^xTO^:  aXi^xT(p  xpadiv]  ßaoiXeu  Tebv  aTvov  de{a(i>  Hymn.  IX  1  I 

diXif^xr  (i)  )(pa8tv)  9e  [kdcxap  icovuTcipToxs  {jicX<{/b>  Hymn.LXXXV 

21  I 
i'k-f^x'zoiq  or^o^lfft  aiOev  xoraOuixia  ^il^ti  CII  9  I 
iXi^xToi^  ßa9tXt]oq  ^v  e^poouvy^crt  xope^GU)  CIII  74  I 
aXi^xTCi)  xpa8(T)  ßoaiXeu  Tsbv  aTvov  ietacd  CX  1  I 
dXi^xTb)  xpaB(T}  XtT6(i.Yjv  ßoaiXYjo;  h^iawf^q  CXVIII  v]  2  I 
dXi^xTü)  xpa${Y)  ßoaiXeO  xebv  aTvov  debo)  CXXXVU  1  I 
dXi^xTü)   xpaStT)  OS  (jLaxdpTaie  Ip^a  ßoi^oei  CXLIV  21  I 
Bei   Homer   in   II.   Arsis  B  452,   in   I.  bei 

Kallimacfa.  Hymn.  HI  149   ApoUon.  Rhod.  T  805 

Quintus  V  107 
IvSgv  &[jiou  xat  hz&vza  %ai  deXi^xTotoi  ^ev^OXai?  XLIV42 IV 
aivcTbv  o5vo|jLa  OeTov  iic'  dXi^xTotot  yevÄXai?  LXXI  35  IV 

*  SiUDBffBber.  d.  pbiL-hist.  Cl.  XCY.  Bd.  III.  Hft.  Ö4 


836  Bs»eh. 

dcXrjXTo;:  xa(  v^tat  (Ab>{jLOv  ISomev  iic^  iXi^xioiae  ^eviOXi;;  LXXVII 

148  IV 
dqA|At  {AdExocp  ylvoo  Ipxo^  Ix*  aXi^xTOiat  y^v^Xat^  LXXXIX 

1  IV 
tout6  (AOt  Sot'  dcvdhcau{Aa  (xex^  ä\i^%iotai  fViiVkm^  CXXXI 

28  IV 
h,  Y6V6^c  Y^s^^8*  P^*^'  dtXi^xToifft  Y£v^6Xat^  CXLIV45IV 
Hom.  90t  y  dtXXvjXTÖv  te  mex^  Te  I  636  IV 
dicoXXi^  ^ecav:  7cdi|X7cav  ÄxoXXi^^etav  dkaoOaXtt);  uxofi^xi  CIII 75 II 

oSx  ol  aicoXXi^§€i€  86{JLCi)v  df^Evo^  Te  xal  dixo^CXIÖII 
oSxox'  «TcoXXii^^eie  tei}^  uicepi^i&evov  Bpij^  CXXXI 

25  n 

Hom.  oux^'  denoXX/j^ei^  t  166  11 
icoX6XXtTO^:   aOflcvoTov    ßoaiXija    icoXuXXetov    u(jLVoicoX8i7aa    PneL 

108  IV  bei  Ludwich  im  Herm.  XUI  341 
suepxTTJ  ßocoiXYjt  70X6XX1TOV  l>|jivov  oetou  XII  12  IV 
OYjv  {X£T*  dXYjOe(if)v  (Ae  i:oX6XXitov  ir^e{jioveuot^  XXIV 

8  IV 
i^jxeT^pYjv  S^  uiceSexTo  xoXuXXcxov  oüaacv  ^i^v  XXXIX 

2  IV 
dcvra  Beou  Sivo^vSe  xoXuXXitov  oSdog  dbiouoc  LXVIl 

23  rv 

ex  V  *Apflcßa)v   Soßiuv   te   xoXuXXiTa   Sa>pa   fepes6i* 

LXXI  20  IV 

o&vofjLa  y  ou  2(ävt  xoXuXXtTov  e^ovo^vig  CI  41  IV 
dOivaETOv   (iiX(po{t(Jic   icoXGXXitov,    etaöxev   §pnü  CHI 

72  IV 
dcOoviTou    S^   ixiXeaaa    icoXuXXctov    oüvoijl^   dcvoxTs; 

CXIV  7  IV 
ei^  8*  eXO&v  ßaacXr^i  icoXuXXtTov  &{jivoy  äeiofa)  CXVII 

37  IV 
ufAViioKi)  ßaoiXija  tcoX6XX(tov  ei96xev  Ipnaa  CXLV2 IV 
Homer  bietet  die  Form  xoXOXXtorov  H  9*  hutm 
e  445  IV;  Kallimach.  Kopveie  xoXuXXere  Hymn. 
IV  316  IV;  NonnoB  Metab.  xai  6ebv  «Ti^siiTs 
woXOXXtTov  n  97  IV 
i[A(jiopo{:  Ytv6|jLevo(  -  ao^tig^  y^P  ^«^^Xio^  afjLpiopoi  etat  XXXI  19  V 

Hom.  0  773  IV,  Nonn.  Dion.  z.  B.  I  433  V, 

Metab.  M  97  V 


Stadien  lor  Technik  dee  naehliomerisehen  heroischen  Venee.  837 

Geppv}XTO(:  ippYjxTOV  ßcdroto  tipaq  %a\  \yKip\LOc^oq  aXxi^   XVII  4  I 

Hom.  N  37  I  Nonn.  Dion.  XXH  258  I 
avappi^^a^:  d>;  icoxi  SexOa  OdtXafforov  dcvappi^^a^  «Y^  Xaou^  LXXVII 

32  IV 

Hom.  H  461  II;   dcvappif^atfu   Ik  xexpoO  Nonn. 
Dion.  XI  268  IV 
eppaCoOv):  Stxiuov  eppaioOv),  (p^YoiJiev  S*  dncpYjxxov  dtviYXYjv  CXXIII 

12  n 

Hom.  fioYOEvov  ^ppdoOv)  II  339  II 
dxoppa(c£(e:  e^weßdo^  V  &(AdK  xavxo^  aicoppataeie  xeXe6dou  II 24 IV 

xa(xoXib>v  xoera  yoüa^  dicoppa{aeie  xdpiQva  CIX  13  IV 

Hom.  dncoppotaac  fiXov  ^Jiop  n  428  IV 
xaxoppa^Cv):    ^euYe    xaxoppaftvjv,    oyoc^v    B'    Äva9a{y£0    t^xtiov 

xxxin  27  II 

fsuYS     xaxoppoe^CiQV,     aYoAdv     3'     ^(xicil^eo     2pY<>>v 

XXXVI  57  II 
Sx  T£  xaxoppaf{ii]^  dXoäv   xox^nQtog  ipiOcov   CXL 

22  II 
dväpo;   e§  iXooto  xaxoppa^Cv)^    (le    9a(i>ooi^    XVII 

106  IV 
|Aii]8i  (ji£t'  ipYorrivvjgt  xaxoppacf  (yjc  |^  iaixdoot)^ XXVH 

7  IV  ' 

Soaa  xore^^Y^ovro  xaxoppa^ (yjv  60(010  XXX  42  IV 
xal    xebv    &^    ß^ptOe    xaxoppaf{T)     0T6|xa    Xißpov 

XUX  39  IV 
dXXa    Y^    ^^*    ^^^    ^'^^^    xacxoppaf (t)^    dXocOovro 

Lxxvn  74  IV 

9cavto{i]c  divotiJieXxe  xaxoppa^Cv;;  iXorvJpa   CH  5  IV 
(jiii]8e   iXsYX'^^^A  xaxoppafiv)   {Jis  TC£8i^ai|]   CXVIH 
tC  10  IV 

Hom.  nur  in  IV  xoxoppa^Cij^  diXeYsivTj^  0  16 
(vgl.  ß  236  |x  26),  vgl.  NonnoB  hppoufim  Dion. 
XXXIV  311  II 

Hieher  gehört  auch  das  zugehörige  Adjeetiv 
(das  sich  selbst  bei  Hom.  nicht  findet): 
xaxoppa^iQ^:  (JUi>|jLV)Tbv  ßoatX^i  xaxoppa^e^  IicXcto  9ÖX0V  XFV  8  IV 
X(XTdppeov:xa(  fiou  IvOsxal  Iv6a  xoci^ppeov  T^vca ic^^^iq^  LXXII 3 IV 

Hom.   xorapp^cv   €§   ü)T€iX^(  A   149    IV,    vgl. 
Nonn.  Dion.  XIV  242  IV 

Ö4* 


838  Riacb. 

•Ktpippiia:  i^  §Tspou B' iT€p6v ^s  reptppiet  aoicsTov uScop CXLIII32IV 

Hom.  TÖv  S'  aijiA  icepippes  i  388  IV 
a(|/6ppoo;:  eiffoxev  €axor7it;v  d(|/opp6ou  cbxeoyöio  Praef.  82  IV  bei 

Ludwich,  Hermes  XIII  339. 

Homer.  Hemisticbion  Z  399  IV 
ßoc6uppoo{:  di[Af{  pie  xüx)xii)9uat  ßa06pp9ov  oti  9cep  DSo^p  LXXXVII 

37  IV 
dvTtßioo^  ^xiXixj/e  ßaOuppoov  oT8|Aa  OocXiaor^q  CV  23  IV 
Hom.  ^  8  IV  Nonn.  Dion.  XX  378  IV 
^uppei^?:  "Xji^iui  pi^Y    eSovferixev  JüppeToq  icoTa|x6io  CVI  66  IV 

Homer.  Hemistichion  Z  508  IV 
Xeii^ippoo^:  xai  c^eo^  su^^pocuw)^  oyovo^  ^r s ifAOtpp oo^  apSoe  XXXY 

18  V 
oTix  v6tcu  rvoii)  orp^eTat  x^i[kdppoQ^  aiv6^  CXXV9  V 
Hom.  N  138  V 
izippiT^ia:  Sv;  t6t'  eTctpp^^ou^c  Teco  (A6a)rou^  i:ept  ß(i){ixü  L  38  II 

Hom.  linpp^I^effxov  SSTtor  p  211  IV 
^pp  (l!ii>9e:  x^ip  ^^^^"v  a>XeGS  fuXa  xac  Ipp(2^hi9e  YOvi;a^  XLIH  4  IV 

Hom.  £pp{!^(i>9ey  SvepOsv  v  163  IV  Nonn.  Dion. 
XL  425  IV 
iMti  \u  StTivexid);  aeu  dvuMCOESbv   ipptl^a>9a^   XL  25  V 
lpp(((i)6ev:  oupovoc  dpptl^cdOev   i^TjiAOGuvig  ßaaiXi;o^   XXXII  11  11 

Vgl.  Nonn.  f  dEpiAoxov  ippl^ino  Dion.  Vn  56  II 
^5  8' üwo^il4.C3uvj)asv  dxafXTC^atv  £pp{!^a>Oev  CXLVIII 11 V 
Hom.  ippti^ctfiot  Tj  122  V 
d7copp{t|/£ee:  outcot'  äicoppi^Eie  ^{Xov  xal  ivTi^a   Xosv   XCIV  7  II 

|jLi^  (JLS  tei^^  dn;aveu6ev  d70ppti|/£ia{  ämimsi;  L  21  IV 
ou  Y^  ^^4?  '^^^  ^*^^  dxoppi^eiev  iicfan:^^  XCHI 26 1\ 
Hom.  flncopp{^avca  I  517  IV  Nonn.  xRop^^v.sy 
Dion.  II  262  IV 
diuippoBo;:  tC^  Tcopot  ex  2iwvo<;  dw(ppo8ov  lapon^Xou  XJII  15  IV 

alh   dXs^|TY]p   %a\   i^t'ppoOoq   InXeu    d{jieio   XVIII  32 
(naoh  Ludwich's  Herstellung  des  Hymn.,  Herrn. 
XIII  346,  Gallandius  Vers  30)  IV 
ou8'  e7ciBeuo{jL^(i)  [xot  intppoOog  dtXXog  iTu^^«  XXI  21  IV 
liq  %6pOi  i%  Ztdvo^  dxfppoOov  Iffpon^Xou  LH  19  IV 
5< X^övl wouXußoxeCpT)  eic{ppoöov  tMcaa£  {jw8ov CXL VII 7 1 V 
€t?afü>v  [K  eX^Tjcev  dva$  xal  €?ctppoÖo?  foTKj  XXIX  17  V 
Hom.  A  390  IV 


Studien  sur  Technik  des  nacbhomerischen  heroischen  Versee.  839 

P. 

'^capfiXi^Yü):  ev  atovaxoi?  t'  evtaüiot  napaX-ft^ouai  ßii^VY]«;  XXX 23 

Metrisch  corrupt,  ich  vermuthe:  4v  tsxo^ayjxiq 
ßtiroto  (ßtoToq  vgl.  V.  719)  TzctpaX-f^'^o'jd*  evtaüTo(, 
wenn  nicht  vielleicht  der  Vers  eine  Interpolation 
ist.  Hilberg,  Silbenwägung,  p.  12  a^ap  X-fyfOMQi. 
Für  xocpsXi^Y^uai  ist  z.  B.  homerisches  [k&zakX-fi^ocnt. 
XÖXoio  I  157  IV  eine  Parallele. 
xaxoppdxTY]?:  Ttwre  xaxoppexTYj?  epdOet  öebv  at^v  66vTa  IX  68  11 

aelo  xaxopp^xTttt  x^Boaov  Cü)apxia  OeqjLÖv    CXVIII 

i?'  12  II 
xXs^afjt,evoi  'Ka\d[Lrpi  xaxoppextoi^  dO^pnora  L  VII 4 IV 
Hom.    i7cipp£?earxov   p  211  IV;   vgl.    Apoll. 
Rhod.  x(XxoppexTf)atv  bTnfioxiq  T  595  IV 
aeptppatvci):  Ovaco'Tuo)  xoSapov  \u  7;6peppa{v(i)v  ToXuxeO^et^  L  13  IV 

Hom.   ippiBarat   u  354  11  Nonn.   z.  B.  xepip- 
paivcdv  7CTUX*  lAT)pou  Dion.  XXV  317  IV 

Qregorios  von  Nasianz. 
I». 

aXiQXTO^:  xat  ^JwYJ?  xocOap^;  te  xal  aXnJxToio  Tuxo'fAi  II  2.  4.  83  IV 

Hom.  I  636  IV  Apollin.  z.  B.  XLIV  42  IV 
Bu9d{JL(JLopoq:  ^pieO'  eict  axeB{v)9e  8uaa{JL(JLopoi '  ouS'  ^Xt^aq  Tcep  11  2.  3. 

149  IV 
xXstovlT^i^Tbxaipo(0eSuGi[iL(jLOpoqaEilv6Se6ü)vI2.9.62IV 
Hom.  X  458  IV 
sijvviQToq:  5aaov lü vvTijf ^^ ^oiveO'urcex ^ocpicov II  1.45.248 (Pentam.) H 

Hom.  eior'  euwi^iou^  S  596  IV 
dxoppi^Y^^I^'*   xpT](AVOu    di;oppi^^aq   {jieaiTacq  ivl  xißßaXe  Sivatq  II 

1.  1.  535  II 
auBtq  aicoppi^^ecq  ä0p6ov  ixirpopeffse  II  1.  34.  144  II 
[jisaffYJYU  rrficocntq  dlnoppi^^coiiiev  avoxTa  1 1.  2.  25 IV 
[x^ {Jt^Y^^? ^H*?'^ idxsa^tv  dicoppi^^e'.e Toxvjaq II 2. 5. 26 IV 
Sfpa  xe  piY)  Opiffoq  aivbv  dxoppi^^eeev  IXeyxoq  II«  2.  3. 
309 IV 

ü)q  orporrcv  ^x  ßacrtXtJoq  axoppi^^aq  Tcq  dXixpoq  I  1.  7. 
70  IV 
Hom.  Z  507  II  Quintus  I  697  IV 


840  RiftCb. 

iicoppo)^:  Tveufiia,  ib  Stj  0e6TT;to^  ietS^o^  eotlv  dicoppo)^  I  2. 1.  % 

VI  und  I  1.  8.  73  VI  (wiederkehrend), 
^t]  xat  SetAO^  el\kl  *  tb  pi^  OeöxiQTO^  dcicoppco ^  1 1. 4. 32 VI 
Hom.  2.  B.  t  359  IV 
Siappa((i):  ^  lAe^iXTiV  fpocYiAoTo  StappatffOevto;  dXiiii^vIIl.  1.189IV 

Hom.  Q  355 IV  Apollon.  SiappatGe^vt«;  T  702 IV 
xaxoppaf  (ti:  b>;  iSov  alouXa  Ip^ot  xaxcppsf  (r|V  t^  aXe^ecvi^  11 1. 17. 

43  IV 
Qp(£(;,  ou  Y^  ^<>>  T^cSe  xaxcppa^iY;^  I  2.  29.  142 
(Pentam.)  V 

Hom.  0  16  rV,  Tgl.  ApoUinarioB  z.  B.  XVII 
106  IV 
Ivlppo^oq:  dal  xaXo'j,  xal  (auOov  £?c(ppoOo v  dfp^  ^ovt£^ 1 2. 2. 644 IV 
i:c(ppoico^:  icoXXol  Y^ )^tpo^^v  lirtpponcv  ^op  ^ouffcvII1.43.91IV 

Hom.  il^)xTv  aixjg  SXeOpo^  ^ictpp^  £  99  IV 
SpptY«:  dl:vToXiY)  lo^poto,  xbv  IppCYtfffi  |Ju£X(OTa  II  1.  1.  310  IV 

Hom.  oncepp(Yaa(  v^ea6at  ß  52  FV 
diroppticTO):  ^^Tpov  diueppttj^avTo,  A{xy]  B'  lOeTa  zapiavr^  II 2.  4. 167 11 

ou  |Jiiv  d7opp{4'a{,  oSrt  Si  x^P^  ^^oiv  H  1.  50.  30  II 
Hom.  izoppl^ccna  xeXo()XT]v  I  517  IV 
fppee  v:  auräcp  i{xol  oroiiLOTb^v  Tpia^  Sppeev  ilj  fAovöaeicxo^  II 1. 16.  29  IV 

Hom.  n  110  IV 
n£pippuxo(:  üixeavoux6X?coiatirep{ppuTOv.  fa^Siia^ivTa  12. 1.751V 

Hom.  T  173  IV 
ippo(>aavTo:  YO'^vorra  i*  dppcoaavTO  xal  iSpovtv]^  XeXiOovto  U  2.  1. 

238  n 

Homer.  Hemistichion  4^  3  H 

1\ 

appa^if^:  Tcixprri^  dppaY^oq  Y^^^?  xXt)i8a  Xoxövro^  I  2.  1  489  II 

Nonn.  ^OTto^  otppar(ioq  Metab.  A  167  II 

ippoTco^:  ipp oTCov,  db(Xo7cov,  laov,  diotStpiov.  ÄXX^  fiptote  H  2.  2.  7  I 

Vgl.  l(j6ppo7co(;  Sib.  Orak.  IV  85  IV  Nonn. 
Dion.  n  475  rV 

OeöppuTo^:  XptoTou  ^bixoÜtzao  Oe6ppuio^  &q  x£v  dX6§a^  I  1.  9.  93  IV 

Vgl.  Nonnos   Oeöppuxov  8|Aßpov  {oEXXcav    Metab. 

e  10  IV 

IIP. 

iOXaXo^:  YXcoaaav  l^^^^v  d$a{j.aaTOv  ^uXaXov,  i^  |jis  tö<7oia(  II 1.  34. 177 

IV  Doch  ist  wohl  de(XaXov  eu  schreiben. 


r 


Stadi«B  m  Tachnik  des  nachlioaMriiclien  hcrolaelian  TenM.  841 

Sudolda. 

!•. 
XXaßev:  iW  &te   [^]   Xuxdcßa<;  xi\o<;    £XXaߣV,   SXXa^e  Ocmov  I 

306  IV 

Hom.  e  371  IV  ^ 

TCoXuXXtxoq:  x'^^l^^o^  *  XptOTÖ^   ^e   icoX6XXeTO^  oSre   aa(i)aet   II 

462  IV 

Hom.  i7oX6XXtoTov  U  c'  txotvo)  e  445  IV,  Kallim. 
Kapv£i£  woXOXXtxe  Hymn.  IV  316  IV 
e(X{xa6ov:  vuxtI  ^ap  d^TpexCiQV  Ti]S'  l(jL(Aa6ov  dx  7^0  icobov  I  210  IV 

Hom.  dXX'  licti  o3v  S^  Ip^a  xobt*   S(i4JLa0ev,   o&x 
eeeXijffsi  p  226  IV  (vgl.  7  362) 
xaxoppaf  (iq:  tijat  xaxoppaf  (ifjffiv  *  ^^cb  xotipY]^  tc60ov  oföa  H  355  II 

Hom.  IpSeiv  Sp^a  ß{ata  xaxoppa^CY^at  v6o(o  ß  236 
IV,  ApoUinarios  z.  B.  CXL  22  Ü 
fjvxep  ir(b^  xor^Xe^e  xaxoppaf  iv)^  uTCoOi^puov  II  210  IV 
Hom.  xoxoppa^iTjq   dXfYsiviiq  0  16  IV   ApoUi- 
narios xoxoppofdr]^  ^XiOovTo  LXXVII  74  IV 

P. 

extv£u(i):  napO^ov  oux  eOeXouaav  eicivsOffai  f(X6TT]T(  I  20  IV 

Hom.  xpOTi  xorrsveucov  i  490  H 
xaxoppdxTY]^:  Sipct  xaxoppdxTT)^  8a£pui>v  *  tox£s^  S*  d!p^  IxeCw]^  II 

374  II 

Hom.  xivreq  dxtpp^l^eoxov  p  211  IV  Apoll. 
Rhod.  xaxopp6(.Tr2fftv  i^8o6(;  F  595  IV,  Tgl.  auch 
ApoUinarios  T{TCTe  xoxoppsxxiQ^  ipiOec  6e6v  IX  68 II 

m». 

iXXax«-  «^^'    5t6    [8tj]    Xuxißa?  t^o?  IXXaßev,    IXXax«   ^*o^    I 

306  V 

Hom.  Hymn.  V  87  IV  Theokr.  Id.  XVI  46  V 
eXXcice:  iXkd  y'  ^|a^  '^vftvf^pi  x$7ct0{jiivo^,  SXXtic^  devoexTa  I  32  V 

Apoll.  Rhod.  gXXtwev  aSpt;  B  1032  V 

Anekdota  Paris,  ed.  Gramer  vol.  IV. 

In  den  dem  Joannes  Geometres  zuzuzählenden  Gedichten 
begegnen  zunächst  folgende  Fälle: 

K 

uzeppoE^^i^  ^^^  l*^^  ^^  icoXuo7rro(;  u^eppi^l  a^iceio^ otOi^p  p. 349. 6 IV 


842  Biach. 

HdBchr.  ist  dnceppc^pQ  überliefert,  allein  es  ist 
uiceppip]   herzuBtellen   nach  Hom.  n  300  xm  vzsai, 

oüpav60ev   B'  ip*  jxeppdhpf;  aaxexo?  atöijp  (vgl.  6  K8); 
in  der  gleich  zu  erwähnenden  Stelle  p.  335.  28  ist 
uiceppipj  in  den  Anekd.  richtig  bewahrt. 
uneppiY^-  oup«v66ev  8'  ip"  uic£p;paYr|  sx  cdo  dbxsTO?  aSdi^p  p.  335. 

28  m 

An  dieser  Stelle  hat  der  Verfasser  mit  Ver- 
kennung der  über  den  Gebrauch  der  Doppd- 
liquida  aus  der  griechischen  Poesie  sich  ergebenden 
Normen  ungeschickter  Weise  in  den  oben  citirten 
homerischen  Vers  ein  In  (do  eingeschoben,  so  dass 
die  Silbe  mit  der  Doppelliquida  in  die  III.  Arsis 
gerieth. 
Ipptt:  xal  X^^^  ^  0T0{JLaTü)v  §ppe£  TiJ  TptiSi  p.  317.  27  (Pentam.)  IV 

Hom.  n  110  IV 
xal  f^vo;  oux  hXiyo^  Sppeov  ix  otojjmEkov  p.  317.  33  (Pent)  IV 

Honi.  X  343  IV 

P. 

Stappat9Ti^p:  iK.vfi\Mcza  S' ix^p^ou^i  SiappataT^pe^  dvd^Y]  p.  351. 

13  IV 

Hom.    Siappoiffai    |A£[jLao>Te^    B   473    IV^    vgl. 
iXippaioTT^v  TS  Spocxovra  Oppian.  Ther.  828  IV 

ra\ 

IXXaxe:  ouSiv  (j^üxijq  ß^Xxepov  o&povbq  SXXax«  t^?  ^?  p.  310.  25  V 
5Xßiog  ouTO^  6  Xü>po^,  ^  aiOipo^  IXXaxe  xpana  p.  311.  2  V 
Vgl.  (ausser  Hom.  Hymn.  V  87  IV)  Theo- 
kritos  Idyll.  XVI  46  V 
Aus  den  übrigen  Gedichten  ist  zu  erwähnen: 

in». 

SXXtwov:  ouS'  SlIIym^  üi%aat  Sixtj.  t{  Y^tp  SXXticov  a!av  p.  340.  29  V 

Apoll.  Rhod.  uTcb  xv^fo^  SXXcnev  aSpY]  B  1032 IV 

Joannes  TietBes. 

Sppeov:   lOvea   V  Ippeov  IvBoiv  xat   'Apiß(i>v   |AeY^[^<*>^   Posthom. 

252  n 

Hom.  X  393  IV 


Stadien  siir  Technik  dea  nftchhomerischen  heroiachen  Yenet.  843 

II. 

Posthorn.  658  IV 
X£ux6g,   dbcXo'jOpi^  ii^h  xaTdcppiv  y^>u>^(^(i)v  xe  Posthorn. 
673  IV 
pLaxp6pptg:  Xeux6(;,  ^av6ox6[ji.r^^,  [jLaxp6pptv,  etSeV  Xe7rc6^  Posthorn. 

374  IV 

^Toi     [x^v     np{a|Ao^     (Tuvofpvx;     {Aeya^    i^^Si     {jLocxpöpptq 
Posthorn.  363  VI 

svr^Xt?,    eua6xTjv,    X6uxb(;    Iy;v,    [xaxpoppt^    Posthorn. 
478  VI 

Hom.  ara^e  xora  pivöv  T  39  II;  vgl.  Apollo- 
nios  XiOpr^  lupp(v(i)v  Te  xuvcov  B  125  II  Oppian  Sjr. 
ouv  süppivscat  xüveoaiv  Kyneg.  IV  357  IV.  Die 
Stellung  der  gelängten  Silbe  in  der  VI.  Arsis 
bei  [LocuLpoppu;  Posthorn.  478,  dessen  erster  Wort- 
bestandtheil  einen  Trochäus  repräsentirt,  wider- 
streitet dem  oberwähnten  Gesetze.  Sie  ist  natür- 
lich auf  Rechnung  der  kläglichen  Verskunst  des 
Tzetzes  zu  setzen.  Im  Verse  Posthorn.  363  da- 
gegen stellt  in  demselben  Worte  das  erste  Glied 
einen  Pyrrhichius  dar,  ißk  |Aaxf6pp^,  so  dass  hier 
keine  Störung  der  Norm  vorliegt 


Indem  wir  die  Ergebnisse  überblicken,   erhalten  wir  fol- 
gendes Gesammtbild: 

I\ 

Den    homerischen    Gedichten    unmittelbar    entnommene 
Fälle  von  Doppelungen  der  Liquida  im  Inlaute: 

!•  Stämme  mit  dem  Anlaute  X. 

X  a  ß :  IXXaßev  recipirt  von  Hesiodos^  Hom.  Hyihn.,  Ilias  mikra, 
MinyaS;  Theokritos^  ApoUonios,  Theodotos,  Quintus, 
Orphische  Argon.,  Sibyllin.  Orakel;  Anthologie,  Epigr. 
ed.  Eaibel,  Nonnos,  Eudokia. 

XtiY:  aXXY)XTO(;  Kallimachos,  Apollonios,  Manethon,  Quintus, 
Orphische  Lithika,  Proklos,  Anthologie,  ApoUinarios, 
Gregor,  von  Naz. 


844  Riaeh. 

Xtqy*.   'AXiqxtw  Orphische  Argon.,  Orphiscbe  Hymn. 

dhcoXXi^TU)  TheokritoB,   Apollonios,   Oppianos  KiL,  ApoUi- 

narioB. 
{AeTaXXi{')fftD  Hom.  Hymn.,  ApollonioB. 
Xct:  IXXiTflcveue  Nikandros,  Sibyll.  Orakel. 
IXXiffoovTo  Oppian.  Syr. 
iXXtffipLTjv  OrphiBche  Argon. 
'KokuWvno^  Hom.  Hymn.,  Orphische  Hymn.,  Proklos'  Hymn., 

MusaioB  (durch  Conjector). 
:coX6XXiTO^  KallimachoB,  Manethon,  Orphische  Hymn.,  Non- 

noB,  ApoUinarioB,  Eudokia. 
tp{XXtoTO{  DionysioB  Perieg.,  Anthologie. 
Xof :   aXXofoc  Anthologie. 

2.  Stämme  mit  dem  Anlaute  }x. 

(jiaO:  {(jipLaOov  Eudokia. 

{A^Xo^:  StapieXetW  Manethon,  QuintuB,  Orphische  Lithika. 
(jl£X(iq:  iu(ii|AeX(v;(;  Hesiodos,  Apollonios,  Oppian.  Syr.,   Quintns, 
Orphische    Argon.,    Anthologie,   Epigr.  ed   Eadbel, 
Nonnos. 
(jLeiSdb):  ftXo(jL|AetSi^{  Hesiodos,  Hom.  Hymn.,  Ilias  mikra,  Orphi- 
sche Hymn.,  Ainthologie,  Nonnos. 
[xop:  SioqjL)xo(pi]Sd  ApoUonios. 

ämiopoq  Hom.  Hymn.,  Quintus,  Orphische  Argon.,  Nonnos, 

Musaios^  Christodoros,  ApoUinarios. 
iuaa|jL(xopo<  ApoUonios,  Quintus,  Gr^;or.  von  Naz. 

8.  Stämme  mit  dem  Anlaute  v. 

vef :  dw^fsXo^  Aratos,  Dionysios  Ferieg.,  Quintus,  Anthologie, 

Nonnos,  Paulos  Silent.,  Joannes  von  Gaza. 
ve:  duw7)to^  Manethon,  Orphische  Argon.,  Gregor,  von  Naz. 
V19:  &Y<xwtfoq  Hom.  Hymn. 

4,  Stämme  mit  dem  Anlaute  p. 

p  a  Y :  £ppv]^a  ippdrff^  u.  ä.  ApoUonios,  Parthenios,  Anthol.,  Anekd.  Far. 
(Sppv)XTo^  Hesiod.,  Theokrit.,  Incert  Idyll.,  ApoUonios,  Haoe- 
thon,  Oppian.  Eil.,  Quintus,  Orphische  Argon.,  Orphi- 
sche Lithika,  Orph.  Hymn.,  Sibyll.  Orakel,  Orakel  des 
Porphyr.,  Anthologie,  Epigr.  ed  Eaibel,  Nonnos,  Tri- 
phiodoros,  Christodoros,  ApoUinarios. 


Stediaa  iiir  Technik  de«  nMhhomeriecheii  beroiachea  Vene«.  84d 

(bdcY:  ovappi^Y^ufxi  (und  Deriv.)  Tbeokrit,  Aratos,  ApoUonioS;  Ni- 
kandroSy  Gigantomachie,  Quintus,  Anthologie^   Nonnos, 
ApollinarioB. 
dh;oppi4Y^u[M  (und  Deriv.)  TbeogniS;  Gigantomacbie,  Oppian. 
Syr.,  Oppian.  Eil.,  Quintus,  Sibyll.  Orakel,  Spigr.    ed. 
Eaibely  Gregor,  y.  Naz. 
dhcoppci)^  Aratos,  Eallimacbos,  Apollonios,  Nikandros,  QuintuB, 
Orphische   Argon.,   Orpb.  Fragm.,   Anthologie,    Paulos 
Silentiar.,  Gregor,  v.  Naz. 
^  a  i  b> :   dppaCoOr]  ApoIlonioB,  Manethon,  Anthologie,  Apollinarios. 
dhcoppa(ci>   Hesiodos,   Empedokles,    Quintus,   ApoUinarios. 
3eoEppa((i)    ApollonioB,    Oppian.    Eil.,    Markellos    Sideta, 
Quintus,  Orpb.  Argon.,  Nonnos,  Gregor,  von  Naz. 
patvci):  gppoeva  Anthologie. 
pa'sc:  euppofi^^  Dionysios  Perieg.,  Anthologie,  Nonnos. 

xaxoppofiif]  Theodotos,  Apollinarios  (xoMoppa^^),  Gregor,  von 
Naz.,  Eudokia. 
p  e    (urspr.  Fep,  Fpe) :  appYjTog  Hesiod.,  Timon,  Aratos,  ApoUonios, 
Manethon,   Oppianos  Syr.,  Orpb.  Argon.,    Orpb.  Hymn., 
Proklos,  Porphyrios*  Orakel,  Anthologie,  Epigr.  ed.  Eaibel, 
Nonnos,  Christodoros,  Joannes  von  Gaza. 
psY*  ^ps^^  Anthologie. 

i'KippiZjta  Theokritos,  Anthologie,  Apollinarios. 
dveiappexTO(;  Hesiodos. 
p  e  ?; :  l^ipp^xu)  Theognis,  Maximos  (durch  Conjeetur),  Oppian.  Eil., 
Gregor,  von  Naz.  (jhdppvxoq). 
Xpufföpponcu;  Hom.  Hymn.,  Orpb.  Argon.,  Orpb.  Litb.,  Nonnos, 
Musaios,  Christodoros. 
Tzepipp-qiil^:  (W.  fpa8?)  ApoUonios. 

p  v]  V :  ':;oX6ppT2v  (i?oX6ppv)vo<;)  Hesiod.,  Naupaktia,  Aristeas,  Aischylos, 
Incert.   Idyll.,   ApoUonios,    Dionys.    Perieg.,    Quintus, 
Orpb.  Argon.,  Anthologie, 
intppifffao):  Aratos,  Maximos,  Oppian.  Eil.,  Nonnos. 
p t y:  Ipptr^oL  Eleanthes,  ApoUonios,  Rhianos,  Oppian.  Syr.,  Quintus, 

Nonnos,  Gregor,  von  Naz. 
pi^a:  (und  Deriv.)  ippl^tMt  u.  ä.  Eallimachos,  ApoUonios,  Nume- 
nios,   Dionysios  Perieg.,    Oppian.   Syr.,   Oppian.   Eil., 
Quintus,   Orpb.   Argon.,    Epigr.   ed.   Eaibel,   Nonnos, 
Paulos  Silent.,  Joannes  von  Gaza,  Apollinarios. 


846  Biacb. 

^i^a:  (und  Deriv.)  xp6ppi2^oq  Gigantomachie,  Anthologie. 
^it::   Ipptt^e    u.    ä.    Oppian.   Syr.^    Sibyll.   Orak.,  Orakel   ed. 
Hendess,  Anthologie,  Nonnos. 
ivappC-RTU)  u.  dgl.  Sibyll.  Orak.,  Anthologie. 
oxoppCrcii)  Hesiod.y  Apollon.,  Quintus,  Anthologie,  Nonnos. 
EolluthoB,   Paulos  Silent.,   Joannes   von  Oaza,  ApoUi- 
narios;  Gregor  von  Naz. 
i7ctpp{icT(i>  Quintus,  Anthologie. 
^eO:  e^CppoOo^  Hosiod.,  Apollonios,  Quintus,  Orph.  Ai^n.  {t:^^' 
O^u)),  Anthologie,  Apollinarios,  Gregor  von  Naz. 
xaXtpp66(o^  Aratos,  Anthologie. 
potßSoi;:  dh^appotß3^b>  Joannes  von  Gaza. 
pu:  ipp6ovTO  Nonnos. 

^u(ffpu):  gppee  Hesiod.,   Timon,   Theokrit.,  Kallimach.,  ApoIIon^ 

Quintus,  Anthologie,  Nonnos,  Triphiodoros,  Mosaios, 

Gregor  von  Naz.,  Anekd.  Par.  ed.  Gramer,  Tzetses. 

entpp^o)  Theokrit,  Apollonios  (e^cippoi^),  Dionys.  Perieg.; 

Nonnos,  Triphiod. 
ytjxxappii^  Theokrit.,   Bion,  Eallimach.,  Dionys.  Ferieg., 
Oppian.  Eil.,  Quintus,  Nonnos,  Triphiod.  Apollinarios. 
neptppdb)  Oppian.  Eil.,  Apollinarios. 
Sc^dppoo^  Hom.  Hymn.,  Dionys.  Ferieg.,  Quintus,  Anthol., 

Musaios. 
kßokdppooq  Orph.  Argon. 
dmaXappe{TiQ^  Orph.  Argon. 
dct|;6ppoo(;  Hesiod.,  Apollinarios. 
ßoOuppoo^  Dionys.  Perieg.,  Quintus,  Orph.  Hymn.,  SibylL 

Orak.,  Nonnos,  Apollinar. 
ßac6uppe{T)Q^  Hesiod. 
ßaOupp£{ü>v  Apollonios. 

suppoc^  Aratos,  ApoUon.,  Quintus,  Anthol.,  Epigr.ed.Eaibel. 
iuppei^i;  Danais,  Apollinarios. 

bjppehr^q  Hesiod.,  Dionys.  Perieg.,  Oppian.  Syr«,  Quintus, 
Orph.  Argon.,  Orakel  ed.  Hendess,  Anthol.,  Nonnos. 
£uppeiü)v  Christodoros. 

XÄXX£ppoo$  Hesiod.,  Hom.  Hymn.,  Dionys.  Perieg.,  Quin- 
tus, Orph.  Fragm.,  Anthol. 
xepippuTo;  Hesiod.  Euphorien,  Epigr.  ed.  Eaibel,  Paolos 
Silent.,  Joannes  Gaz.  Gregor,  von  Naz., 


8tadi«o  inr  Technik  des  naclihomerisehen  heroUchen  Verses.  847 

pu(9pu):  y^tiitdppooi;  Apollinarios. 

£ppü>ovTo   u.   ä.   Hesiod.,   Hom.  Hymn.,   Quintus,   Orph. 

Argon.,  NonnoSy  Gregor  von  Naz. 
eicepp(2)ovxo  u.  ä.  Hesiod.,   ApoUonios,   Anthol.,   Nonnos, 
KoUuthos. 
Im  Ganzen  30  Stämme  mit  72  verschiedenen  Wörtern. 

I\ 
Die   inlautende  Doppelung  findet  sich   zwar   bei  Homer 
bei    denselben  Stämmen,   doch   ist  der   erste  Wortbestandtheil 
ein  anderer. 

1.  Bei  Stämmen  mit  dem  Anlaute  X. 

ATQ-jf:  IXXTQ^e  Anthol. 

^opeeXi^b)  Apollinarios. 
Xct:  oXXeoToq  Euphorion. 
dXXiTiveuTo^  Anthol. 

2.  Bei  Stämmen  mit  dem  Anlaute  [a. 

\ß.e\oq:  xorapLeXsi^rC  Aratos. 

(jLotpa:  2ici(xo(paa6at  Pseudophokylidea. 

8.  Bei  Stämmen  mit  dem  Anlaute  v. 
V  e  6  o) :  Ixiveuu)  Eudokia. 

4.  Bei  Stämmen  mit  dem  Anlaute  p. 

^ay:  äppoc^q:  Dionys.  Perieg.,  Anthol.,  Nonnos,  Paulos  Silent«, 
Gregor  von  Naz. 
dXippiaqpf^  Anthol. 
iXCppTjXTo^  Anthol. 
8(appi^Y^u|Ae  Theognis,  Orph.  Hymn.,  Anthol.,  Nonnbs,  Tri- 

phiodor.,  Joannes  von  Gaza. 
8tapp<A>^  Oppianos  KU. 
iKipprfyfvo^ki  Quintus,  Nonnos. 
(Jieaoppa-jp^;  Oppianos  Eil. 
^6p(ppi^Y^u(At  Quintus. 
TCeptppoqf^^  Paul.  Silent 
TcoSopporp^i;  Anthol. 
i:ok\jpparff^q  Nikandros. 
^{koppÜ^  Anthol. 
XpuooppoqpQ^  Kallimach. 


848  Rsaeb. 

^^T*  ^oppor(i^^  Apoll onios. 

ßac06ppu)xi^  Quintus. 
^a((i>:  iXtppotoDQ^  Nikandros. 
ßooppaCoTvj^  Triphiodor. 
StappatoTi^p  Anekd.  Par.  ed.  Cramer. 
XimoppoCoTiQc  Anthol. 
icoXuppa{oT7];  OppianoB  Kil. 
^«(vo):  oppcEVTo^  AratOB. 
iXCppovto^  Anthol. 
oxoppaCvb)  OppianoB  Kil. 
£ictppa{va)  Theokr.,  Triphiodor. 
pLupöppoEvto^  Anthol. 
^epcppaCvb)  NonnoB,  ApollinarioB. 
^iiCTu):  d^oEfo^  NonnoB. 

StxoppofCY]  Manethon. 

BoXoppofi^^  OppianoB  Kil.,  Anthol.  (SoXoppocfii]),  Nonnos. 
Iveppi<|^orro  Epigr.  ed.  Kaibel. 
ix^pof  ev  (^^ippdRJ^a^)  Nonnos. 
Xivoppafi^^  NonnoB. 
lAtTOppofi^^  Anthol. 
icoXuppo^^  NonnoB,  JoannoB  Qaas. 
iroXupparro^  Incert  Idyll, 
fe  (Pep):  dbc6pptiTo?  Anonym,  wepi  ßorav.,  Orakel  deB  Porphyr. 
^UpfT^o^  Anthol.,  NonnoB,  JoanneB  von  Gaza. 
6|A6ppv)'co^  NonnoB. 
Sioppi^BiQv  Hom.  Hymn. 
iiceppi^SiQv  AratoB,  ApoUonios. 
^eY:  dhcoppil^ü)  Anthol. 

xarapp^u)  Kallimach.,  ApollonioB,  OppianoB  Kil. 
xoxopp^cTrj^  ApoUonioB,  ApoUinarioB,  Eudokia ;  fMOfphze^ 
Sibyll.  Orakel. 
^eic:  ^pponct^  NonnoB. 

dvxCppoico^  Epigr.  ed.  Kaibel,  Nonnos. 
ippo^Ko^  Gregor,  von  Naz. 
^p6ppoiuoq  RhianoB. 

laopptTfiq  roBp.  ta6ppoTO<;  Nikandros,  Eudemos  (Ther.),  Ano- 
nymos  icepl   ßorav.,   Manethon,   Sibyll.  Orakel,  Anthol., 
NonnoB,  Joannes  von  Gaza;  hoppoidii  Orph.  Hymn. 
xorappein^C  Kallimach.,  ApoUon.,  Oppianos  Kil. 


Stadien  sw  Technik  des  nnehhomericclien  beroieehen  Yenes.  849 

piQv:  oppiQvi^q  Incert.  Idyll. 

euppvjvo^  Apollon.;  Anthol. 

^lY-  ^pfTT^o?  Anthol. 
(^(^a  (und  Deriv.):  dlvepp{l[ci>ae  Nonnos. 
^V£ppfi^ü)ae  NonnoB.  , 

ii7epp((u>a£  NonnoB. 
(jL£T£pptX(i>9e  Nonnos. 
ßaOuppiI^o^  ApoUon.,  Quintus,  Anthol. 
£up6ppi2^o^  Nikandros. 
Tavuppil^O(;  Hesiod. 
^fsc:    xaxappt?rr^(o  Manethon. 
TcapapplTua  Anthol. 
i:ep(pp{icT(i>  Qointus. 
p  £  0 :  iXippoOo^  Moschos,  aAtpp60to^  Orph.  Argon.,  Orph.  Hymn., 
Anthol.,  Paulos  Silent. 
6[iippo6o^  Theokrit.,    (6(jioppo0^a))  Orph.   Argon.,  (5(xopp60toq) 

Anthol. 
7coXupp60to^  Quintus. 
^otßSo^:  dppo{ßST]ff£  Nonnos. 
dhc£ppo(ß$Y)a£  Nonnos. 
naXtppotßSo^  Oppianos  Kil. 
?coXuppo{ß8iQTo^  Anthol. 
^u(apu):  dhcoppiü)  Theokrit,  Nikandr.,  Manethon,  Andromachos 

(Ther.),  Quintus. 
Sioppico  Oppianos  Kil. 
ij^ippte  Quintus. 

ouvipp££v  Nonnos,  Paulos  Silent. 
inclpp€£  Quintus. 
dqfx^ppoo^  Apollonios. 
al(jL6ppooq  Nikandros  ((i\iJOppoU  ders.). 
£kippnno^  Anthol. 
ä[ij^lppnr:oq  Hesiod. 

oiroppoi^  Empedokl.,  Manethon,  Orph.  Lith. 
än:6pp[noq  Hesiod.,  Nonnos. 
auT6pputo{  Anthol. 
£Xtx6ppoo(;  Orakel  ed.  Hendess. 
iiiippoxoq  Paulos  Silent.,  Joannes  von  Ghiza. 
6e6ppuTo^  Oppianos  Eil.,  Nonnos,  Gregor,  von  Naz. 
raxdppmoq  Dionys.  Perieg.,  Nonnos. 


850  Bsach. 

pu(ffpu):  xXsi|;(ppuTO{  KallimachoB. 
(AsXippuTo^  NonnoB. 
vedpputo^  Anthol.y  NonnoB. 
naXippoea  Oppianos  KU. 
icoX6ppoo(;  Orakel  ed.  Hen^ess. 
TOr;Y6ppuTo?  Orph.  Hymn. 
'2coTa|ji6ppuTo<  Paulos  Silent. 
7cpu)T6ppuToc  Oppianos  Syr. 
Xpu96ppuT0{  Paulos  Silent. 
&vapp(i>9ao6ai  Orph.  Argon. 
ouvepp(i>ovTO  NonnoB. 
icoSoppü>pY)  Kallimachos. 
Im  Ganzen   19  Stämme  mit  104  verschiedenen  Wörteni 

II. 

Doppelte  Liquida  steht  im  Inlaute  eines  Compositums, 
während  bei  Homer  nur  vor  dem  Anlaute  des  zweiten  Wort- 
gliedes Längung  begegnet. 

1«  Stämme  mit  dem  Anlaute  X. 

Xe{ß(i>:  dhcöXeCßb)  Hesiod. 

^inXXe(ß(i>  Apollonios. 
XiOo^:  ^coXuXXtOo^  Anthol. 
X(i)t6^:  (xeXCXXuKco^  Nikandros. 

2.  Stämme  mit  dem  Anlaute  (jl. 
[jLapicT(i>:  TMezöt\idp^aq  Theognis. 
[x^vo^:  iDpisv^TY]^  Epigr.  ed.  Kai  bei. 

3.  Stämme  mit  dem  Anlaute  v 
gehören  keine  in  diese  Gruppe. 

4.  Stämme  mit  dem  Anlaute  p. 

^(v:  eupptv  Apollonios,  Alexander  Ephes.;  Oppian.  Syr.;  supp^^^' 
(mit  guter  Nase)  Oppian.  Syr. 
xorippiq  Tzetzes. 
[LoaLp6pp\q  Tzetzes. 

Tdcv6pptvoc  (mit  vorgestreckter  Nase)  Nonnos. 
^  i  V  0 :  (Haut)  ^ppivo^  Apollonios. 

Xi66ppivo(;  Hom.  Hymn.  (durch  Conjectur),  Empedokl. 
X(ic6pp(vo(;  Nikandr.y  Nonnos. 
'roXupptvdq  Apollonios. 


Stadien  rar  Technik  dee  nMhhomerischen  heroiitchen  Tersee.  851 

poT2^o<;:  eppcC^Yjae  Oppian.  Kil.;  AnthoL^  NonnoB. 

diveppoCI^iQaav  Nonnos. 

8(£ppoiI^iQ9e  Nonnos. 

dictppoi2^ia>  Aratosi  Quintus,  Nonnos. 

xoreppoCCiQve  Nonnos. 

iX{ppo(!io;  Nonnos. 

icoX6ppo(!^o^  Quintus. 

Tav6ppotCo(;  Oppian.  Syr. 
pox^iüi:  dcvappoxO^ci)  Orph.  Argon. 
pWiZ:  ippinrro^  Nikandros. 

dbcoppGicre^Oai  Empedokl.,  Andromachos  (Ther.)|  Orph.  Argon. 

(durch  Conjectur). 
'icspippuxo^  Erates. 
puT{(;:  appu'c{S(i>TO(;  Anthol. 

Im  Ganzen  11  Stämme  mit  27  verschiedenen  Wörtern. 

m»  und  ^ 
Die  Doppelung  der  Liquida  erfolgt  im  Inlaute  bei  Stämmen^ 
die  bei  Homer  weder  Längung  im  Anlaute,  noch  auch  im  In- 
laute Doppelsetzung  der  Liquida  aufweisen. 

1.  Stämme  mit  anlautendem  X. 
XaO:  SXXa6£  Theodotos. 
XaXo:  iuXaXo^  Gregor,  von  Naz.  (?) 

X  ax:  l/wXoxe  Hom.  Hymn.,  LinoS;  Theokrit.,  Incert.  Idyll.,  Ealli- 
macbos,  ApoUonios,  Dorotheos,  Alexandres  Ephes.,  Bassa- 
rika,  Philon,  Philetas,  Dionys.  Perieg.,  Oppianos  Syr., 
Oppianos  Kil.,  Quintus,  Sibyllin.  Orakel,  Anthologie, 
Epigr.  ed.  Kaibel,  Nonnos,  EoUuthos,  Eudokia,  Anek- 
dota  Paris. 
XcY*  'AjA^iXoY^ai  Hesiod. 

avaXXs^a^  Nonnos  (Metab.). 
siciXe^cüffi  Manethon. 
Xm:  IXXi^e  Eallimach.?   ApoUonios,    Parthenios   (durch   Con- 
jectur), Anthologie,  Epigr.  ed.  Kaibel,  Nonnos,  Eudokia, 
Anekd.  Par. 
eveXXtice  ApoUonios. 
Xix-  «epiXtxiAOTO  Incert.  Idyll. 
Xou:  v66XXouTo<;  Hom.  Hymn. 
Xul^iji):  £^iXX6l^a)  Nikandros. 

Sitenngsber.  d.  phiL-Ust.  Cl.  XCT.  Bd.  m.  Hft  56 


852  Rzach. 

X'jxc:  lAsviX'jKo;  Aratos. 

Xu:  sXXuovro  Sibyllin.  Orakel. 

oXX'JTo;  Oppian.  Kil.,  Anthologie. 

2.  Stämme  mit  dem  Anlaute  (i. 

PL  TT)  5:  ftXo{ji4AY]SYj;   Hesiod.    (durch    eine    etymologische  Spielerei 

veranlasst). 
[xtqXo:  xoX6|jit;Xo;  Orak.  Sibyll. 
[xuu):  €77i[ji.uu)  Incert.  Idyll.,  Oppian.  Syr.,  Oppian.  KU. 

8.  Stftmme  mit  dem  Anlaute  v 
finden  sich  in  dieser  Gruppe  keine. 

4«  Stämme  mit  dem  Anlaute  p. 

paOaYo?:  iroXuppaOaYO^  Oppian.  Syr.,  Oppian.  Kil. 

(juv6ppa6a-p;(jev  Nikandros. 
^aOilACY^'  luppa6i[ji.tY^  Nonnos. 

[AeXippoOapiiY^  Nonnos. 
uoXuppaOatAtY^  Nonnos,  Joann.  Qaz. 
^ixoq  (j^7(ßi;)i  iuppT;xo(;  Nikandros. 
^iic(!^(i):  ippvKil^e  Nonnos. 

Äveppixt![6  Nonnos,  Joann.  Oaz. 
l'^eppiizO^e,  Nonnos,  Joann.  Gaz. 
{iisTepp(i;t2^ov  Nonnos. 
^u6|Ac:  ejppu6[ji.9^  Manethon. 

tJLetappuO(x(!^(o  Anthologie. 
^(i)8o)v:  9iXoppa>0a>v  Anthologie. 
^(Dwupic  Sppü)aev  Aratos. 
xppcooTo;  Anthol. 
dvappo)ffai  Porphyr.  Orakel. 
STiippoWa^  Joann.  Gaz. 

Im  Ganzen  20  Stämme  mit  34  verschiedenen  Wörtern  mit 
bei  Homer  nicht  vorhandener  Längung.  Auf  diesem  Gebiete 
finden  wir  die  meisten  Neubildungen  bei  Nonnos;  von  Slteren 
Dichtern  sind  (ausser  den  Hom.  Hymnen)  besonders  Aratos, 
Nikandros  und  Manethon  nebst  den  beiden  Oppianeo  zQ 
nennen.  Dagegen  tritt  Apollonios  merklich  zurück,  uodsem 
Nachahmer  Quintus,  der  doch  auch  zahlreiche  Fälle  beiden 
Längungen  vor  Liquiden  im  Anlaute  neu  einführt,  ist  diesmAi 
mit  keiner  einzigen  Neubildung  betheiligt. 


Stsdien  zar  Technik  des  nsehhomerisehen  heroischen  Verses.  853 

B.  Doppelte  Liquida  im  Inlaute  in  der  Thesis, 

Die  Zahl  der  unter  diese  Gruppe  eiuzubeziehenden  Fälle 
ist  eine  verhältniBsmässig  nicht  bedeutende.  Gewisse  Wort- 
stämme zeigen  sich  besonders  fähig  die  Doppelung  der  Liquida 
im  Inlaute  auch  in  der  Thesis  festzuhalten^  während  sonst  in 
diesem  Falle  der  einfache  Consonant  erBcheint,  z.  B.  bei  Homer 
£ppe^e  I  ^36  in  der  2.  Thesis,  aber  Spe^e  B  400  in  2.  Thesis. 
Wie  früher  auseinander  gesetzt  ward,  kann  nur  bei  einer  ge- 
wissen rhythmischen  Form  der  Zusammensetzung  (wenn  das 
erste  Wortglied  einsilbig,  oder  aber  ein  Pyrrhichius,  Trochäus 
oder  Amphibrachys  ist)  die  Längung  in  der  Thesis  erscheinen. 
Besonders  zahlreich  treten  die  augmentirten  Verbalformen  hervor. 
Auch  hier  können  wir  die  Beobachtung  machen,  dass  die  ein- 
zelnen Dichter  zunächst  an  Homer  anknüpfen  und  die  homeri- 
schen Muster  annehmen,  dann  aber  selbständig  neue  Gebilde 
einführen.  Wir  werden  hauptsächlich  drei  Gruppen  von  Fällen 
unterscheiden  können:  1.  Homerische  Bildungen  2.  anderen  Vor- 
gsingem  entnommene,  3.  selbständig  geschaffene  Gebilde.  Die 
archaischen  Dichtungen  (Hesiodos,  Homer.  Hymnen,  Batracho- 
myomachie)  halten  sich  streng  an  Homer,  die  Neuschöpfungen 
beginnen  mit  den  Alexandrinern,  vor  allem  mit  ApoUonios. 

HeBiodOB. 

Homerische   Fälle: 
Ipp  T]  ^e:  oSt'  lppv)^E  ßaX(i)v  out'  eOXave,  Oajfxa  lliahoa,  A.  140  1.  Thes. 
ou3^  ?ppv]qev  xaXxov  *  epuro  3e  Scopa  OeoTo  A.  415  1.  Thes. 
(wohl  interpolirt) 

Hom.  ohV  IppYiSev  yak%6^  T  348  u.  s.  1.  Thes. 
Die  Stellung  der  betreffenden  Silbe  in  der  1.  Thes. 
ist  also  homerische  Reminiscenz. 
Ippifbe:  eaau(jL6vo>^  ^R^s,  -rcaXtv  8'  lppi(|;€  f^peoOoci  Th.  181  4.  Thes. 

Hom.  Xaß&v  Ipp^e  Oupd^e  |a  254  4.  Thes. 

HomeriBohe  Hymnen. 

Homerische   Fälle: 

£ppit{;ev:    ffovSaXa   S'    oSr'   Ippitj^ev    lice  ^a[di^i^    iX(T]atv    IH   79 

2.  Thes.  (Conjectur  Schneidewins). 

Hom.  (T^otpav  eTcetV  Ippv^i  !^  115  2.  Thes. 

66* 


854  Biach. 

Bedenklich  ist  der  Vers 
%oi  i*   eppüGaxo  Xabv  lovra  xe  vtffc6jx€v6v  te  XI  4  1,  Thes. 

Die  erste  Silbe  von  dppuaärro  steht  hier  m 
der  1 .  Thes.,  wogegen  dies  bei  demselben  Worte 
in  den  homer.  Gedichten  nur  in  der  3.  Th^ 
der  Fall  ist-  (0  290  T  194  a  6).  Der  Yen  ist 
jedoch  zweifelsohne  eine  Interpolation^  denn  er 
steht  mit  den  vorausgehenden  drei  Versen  des 
Hymnus  in  keinem  Zusammenhang,  zudem  wäre 
die  Satzconstruction  und  Satzverbindung  eine 
ganz  wunderliche. 

Batrachomyomaohie. 

Homerische   Fälle. 

Sppvj^e:  ouS'  sppvj^e  ^oxo^,  c^sto  B'  aüroO  louphq  axii)xi^  254  1.  Thes. 

Hora.  Oü8'  £ppY;$6v  xaXxov  T  348  1.  Thes. 
ippifbaq:  et^  u3u)p  [l    Ippi^a^.  lyei  Osbq  IxStxov  5(i{jLa  97  2.  Thes. 

Hom.  Si^  6t7Cü)v  epptij/ev  dm'*  oupavoü  T  130  2.  Thes. 

Timon. 

Offenbar  unrichtig  überliefert: 
5^  ^a  At(i>vuaou  deppuOiAOicoTaq  i'Kiyuorct  63  3.  Thes. 
Ich  schlage  vor  zu  schreiben:  Aui>v6aoto  ipu^iuyROxaq.    Der 
Hiatus  ist  durch  die  trochäische  Cäsur  entschuldigt. 

TheokritoB. 

Homerische   Fälle. 

i^ipp-q^Ei    IvÄ)    B'  eS^pprjSe   cuv   d>{Ji9TCAdTa  |jL^av  wfxov  Id.  XXI 

22  2.  Thes. 

Hom.  veupTjv  S'  e^eppr^Sev  0  469  2.  Thes. 
Ippn|/av:    d^  xo{Xv)v  Ippt^av,    «vsppifj^av  5'  apa  loixoy?  Id.  XX  12 

2.  Thes. 

Hom.  5affov  t(<;  t'  IppnJ/e  x  485  2.  Thes. 

Inoertorum  Idyllia. 

Neue  Bildung. 

Sppeuffs:   [xiXcov  oüx   Ippeuae  xaXbv  y^«Y®?9  ®^  I*^*  oijiißXwv  I  33 

2.  Thes. 


Sfcndiea  zur  Technik  des  nftchhomerlAchen  heroitichen  Verses.  855 

KallimaohoB. 

Homerische  Fälle. 
TpiXXtaToq:  iXa6{  jxot   TpiXXtcTc  jAey«  xpefotca  6eiü)v   Hyinn.  VI 

139  2.  Thes. 

Hom.    dc7:aa{T;   xpiXXicrof;    ero^jXuOs    vu5    epeßevvt^ 
e  488  2.  Thes. 
appiQTOt;:    evvews^.   f^  8'  appiQTOV   aXr|C  ovexxjaaTO  Xir^p^ji;    IV  205 

2.  Thes. 

So  lese  ich  mit  Schneider  (Callim.  I  208). 
Hom.  5xep  t'  appYjTov  «[xeivov  $  466  4.  Thes. 

ApollonioB  BhodioB. 

Homerische  Fälle. 

aXXr, xTo^:    ex.  xopi^;    aXXr^xTOv.    'Ir|<70v(Yjv    B'    evexoüciv  A    1148 

2.  Thes. 
vuxTt  8'  ETCstT     aXXr^xTov   sxrapoTcpwffs  OdovTc?  B  940 
2.  Thes. 

Hom.  pt-v^a  Se  Tuivt'  aXXrjy,To?  «yj  Noto?,  ou5^  tk; 
oXXo;  fjL  325  2.  Thes. 

Apollonios  lässt  die  erste  Silbe  von  aXXY;xTO<; 

auch  in  4.  Thes.  zu : 

XaiTjjia  ßiy]aa(ji.evot  avdpiou  aXXrjxTov  twT^v  A  1299  4.  Thes. 

sppe^ev:  Upi  V  eu  Sppe^ev  ^v  oupeotv  dtcrr^pi  xeivw  B  523  2.  Thes. 

Tov  [UV  Iwett'  ^pps^ev  laT(;  uiroOrjjJioaüVYjciv  B  1146  2.  Thes. 

Hom.  oiT]  $'  oux  EppE^e  Aibq  xo6pT]  [t,sr(£koio  I  536 

2.*  Thes.,  ebenso  K  49. 

Neue  Bildungen. 

IXXtjs«^-  aoTreToq,  ob  B'  IXXt)5av  iicioraBbv  o{>T(i!IovTe<;  B  84  2.  Thes. 

Ausgegangen  ist  der  Dichter  bei  dieser  Neu- 
bildung offenbar  von  iXXrjKToq,  das  bei  Homer 
die  erste  Silbe  in  2.  Thesis  zeigt  ({x  325) ;  hiezu 
kam  noch;  dass  er  im  archaischen  Epos  auch 
£ppY)56v  r  348  1.  Thes.  und  ^^ippr^vt  0  469 
2.  Thes.  vorfand,  so  dass  er  auch  bei  IXXvj^av 
Doppelung  der  Liquida  nach  dem  Augmente 
sich  gestatten  konnte,  obzwar  die  Silbe  in  die 
Senkung  kam. 


856  Bsaeh. 

deppY]KTo<;:  aXX'  ap pT] xt o g  SaiayLXtoq  eSuosTO  vetoOt  Yatr^g  A  63  1. Thes. 

Die  Anlehnung  an  das  homerische  oliS*  eppi]^» 
)raXx6v  F  348  1.  Thes.  ist   nicht   zu   verkennen. 
yjxkiuo^  •ffi''  dtppTjKTog  *  'jKOLi  li  o\  laue  t^vto;  A  1646 
2.  Thes. 

Eine  Parallele  bietet  das  homerische  ve;^;/ 
V  i5^pt}5e  0  469  2.  Thes. 
ajjif  tppco^:  z^pocg  «(A^ippöiiYa?  aepti^cvte;  IßaXXov  A  995  2.  Thes. 

Bei  Homer  die  betreffende  Silbe  des  ebzigeo 
derartigen  Compositums  (aroppo»^)  nur  in  der  II. 
(dcxiai  oPKoppQ'xt^  V  98)  oder  VI.  Hebung, 
sppaiaav:  oux  oTov  oyv  Tf^ctv  Icu?  Ippaicav  axÄiTog  A  617  4.  Thes. 

Homer  nur  ippdc^t  IT  339  in  IL  Arsis. 

KikandroB. 

Homerische  Fälle. 

e^^ppiQ^e:  i(AfaXbv  i^ippr^^e,  yjr^  S"  \yxepar/fiia  ^opxov  Ther.  342 

2.  Thes. 

Hom.  veupY)v  B'  i^^piQ^e  veorrpofov  0  469  2.  Thes. 

Manethon. 
Homerische  Fälle. 

aXXtjKTO(;:  iq  Y^pag,  xevitj  8^  xoaifl  dtXXTjXT«  fj^ysii^tv  lU  2064,  Thes. 

Hom.  ixTJva  8^  rivr'  deXXir;xTo<  atj   Noto?  ji  325 
2.   Thes.     Apoll.    Rhod.   aXXt)XTov    twi5v   A    1299 
4.  Thes. 
appTjToq:  Tu)  Btj  T6v8e  -/e  ji.06ov  Ijrcov  dtpptjxov  eicco  VI  737  4.  Thes. 

Hom.   xat    ti    h:oz   -Kpoetjxev    o   ci£p   t'  apcT;T:v 
dHiJiÄivov  5  466  4.  Thes. 
5ppe§£:  pr<i8((i)q    ^ppeSc,    Ji.ivüv0flf8i6v   t£   jrp^voioriv   I   248   2.  Thes. 
aXXoTptwv  Ippe^e  xal  daxepfjiou;  6^to  t^xvwv  II  185  2.  Thes. 
Hom.  [  536    K  49  2.  Thes. 

Sonstige  Nachahmung. 
Ippatcev:   i:aiJLirav    vriWioxo^?    xXf^pov    t'  sppaiaev    äicrwc    III  28 

4.  Thes. 
d>{xoT6xot(;  (bSTfft  yovtjv  eppataav  öbracav  VI  245  4.  Thes. 
ApoUon.  Rhod.  oux  oTov,  ouv  itj^tv  i:^^  lppaiw> 
d/.oaa;  A  617  4.  Thes. 


Stadien  zur  Technik  des  nachhomeriBchen  heroischen  Versea.  857 

OppianoB  SyroB. 

Homerische  Fälle. 

eppt^t^:  xac  ijlsXeVotI  Ti(i.ev,  vdxua^  B'  Ippi^s^f  ipo^e  Kyneg.  IV  281 

4.  Thes. 

Hom.  Xaßb)v  eppi^e  Oupal^e  (jl  254  4.  Thes. 

Neue  Bildungen. 

auToppexToq:  ßsvOeortv  autöppexta  ^Oet  xac  (i[Jt.i^Topa  f uXa  Kyneg.  II 

567  2.  Thes. 

Zum  Muster  nahm  sich  Oppianos  offenbar 
das    hom.    o»)    3'  oux   epps^e   I   536    2.   Thes. 
vgl.  K  49. 
'zp6ppi^oq:  foivtxwv  7üp6ppcCa  xorca  x^ovcx;    s^sTavuccev   Kyneg.  II 

534  2.  Thes. 

Hom.  hat  xp6ppt^o<;   mit  der   ersten  Silbe  in 
I.  Arsis  A  157  2  415. 


Oppianos 

Homerische  Fälle. 

eppifj^av:   wTsiXtjv   Ippr^S«^?    äiroxcuouat   5'    axwxi^v   Hai.    III.    137 

2.  Thes. 

Hom.    veüptjv   5'  i^eppYj^e  0  469   in   2.  Thes. 
(vgl.  ou3'  Ippyj^sv  yyÄx6v  T  348  in  1.  Thes.). 
Ippt^t:  TO'/TO?  6[jui5?  i)  Xdqfv  ^Xu)v  eppnj^c   xotO"  uBcop    Hai.  HI  264 

4.  Thes. 

Hom.  Xaß(i)v  Sppi^e  OupaCe  (x  254  4.  Thes. 

Nichthomerisch. 

auTÖppsxToq:  iixTCTat  aurot^XeOT«  xal  «utippexT«  Y^^^OXa   Hai.  I 

763  4.  Thes. 

Vgl.  Oppian.  Syr.  Kyneg.  II  567  in  2.  Thes., 
nach  dem  Muster  des   hom.  ippe^s.  in  Thesi  I 
536  K  49  2.  Thes. 
oL\)x6ppi}^o<;:    5p6tov,    auTcppilJov,    axoxP-^^o^    o^   acSi^pou   Hai.  II 

465  2.  Thes. 

Vgl.   Oppian.   Syr.   Kyneg.   II    534   ^otvCxwv 
irp6ppi!^a  in  2.  Thes. 


858  Bzach. 

xeXatvöpivo^:  8^pa  xeXatvopivov   uTcdpßiov  Syfio^  ivrpcv^  Hai.  Y 

18  2.  Thes. 

Bei  Homer  findet  sich  überhaupt  kein  Com- 
positum von  diesem  Stamme.  Das  erste 
sicher  bezeugte  bietet  Empedoklea  XtOoppivuv 
xe  xeXwvwv  301  in  IV.  Ärsis  (Homer.  Hymn. 
III  48  ist  XtOopp{voio  Conjectur  von  Pierson). 

AndromachoB  Theriaka. 

Ohne  Vorbild. 

Corrupt  ist  offenbar: 

al(i.6ppoug,  to{(i)  Sa|JLva|Aivv}  icdpiari  18  1.  Thes. 

Das  Wort  steht  an  dieser  Stelle  in  der  Be- 
deutung ^Giftschlange^  In  1.  Thesis  darf  ohne 
directe  homerische  Nachahmung  die  Silbe  vor 
der  Doppelliquida  nie  stehen,  es  ist  daher  za 
emendiren  atfxopoog,  vgl.  Maximos  198  ai{i,opksi;tv 
und  besonders  Nikandros  Ther.  321  al{jLdpc<i>  321 
al|j[ipoo(  318  al|jLopo{q  315;  ausserdem  Philon 
Antidot.   X6^f]fa  xe  xat  xoripouv  10  (Bussemaker). 

Quintus  SmymaeuB. 

Homerische  Fälle. 

dcXXvjKTo^:  Müp(i.i56ve?  8'  aXXrjxTov  ivsoxsvaxovr'  'AxiXf^a  III  422 

2.  Thes. 
{ju>po|jiivb)v  öEXXtjxtov  dropß^a  niQXe{(i>va  HI  5132.  Thes. 
l^i  wep  •  oT  8'  aXXtjxTov  Sif  gpxeo(;  aiicetvow  VII  144 

2.  Thes. 
&<;  fafA^VT;;    aXXiQXta   xora   ßXecapotiv  S^uvio  (8flbtp:t) 

XIV  302  2.  Thes. 
Apyewi  8'  oiXXiqxtov  evl  ^peci  xaT/aXowvTe^  XIV  403 

2,  Thes. 
1^^  7;oXuppo{!^(i)v  avi)AU)v  IXXyjxtov  »odt^v  I  156  4.  Thes. 
xai  ^6oq  Al(jifyKoio  .  y^o?   ^*  aXXr^xxo?  ip<ope!  II  606 

4.  Thes. 
Beffiie   Y<3tp   87;  Zujvbg   aSrjv    aXXrjXTcv    ivtw{v   III  662 

4.  Thes. 


Stadien  snr  Technik  des  nachhonierischen  heroiiehen  Vene«.  859 

aXXr,xTo?:    Ic6ev6v,  aW  d^coveuOe  Oeiiiv  aXXtjXTOv  s6vtu)v  III  132 

4.  Thes. 

oupupepsr'  «Xysat  jjloXXov,    l/st  o'  deXXtjx.TOv  oiljuv  XIV 
431  4.  Thes. 

Hom.  |Ji^va  Se  xavr'  oXXtjXTo;  atj  Nsto?  pi  325 
2.  Thes.;  für  die  4.  Thes.  lag  für  Quintus  das 
Muster  bei  Apollonios  vor:  XaiT|juz  ß(Y]<7i(JLevoc  av£[jLO'j 
oXXtjXtov  iwtjv  A  1299,  welchen  Vers  er  direet 
nachahmt  I  156. 

zppTi^e:  ßpuyTOjjievYj  diXe^etvot  •  ßitj  8'  Spptj^e  xoXcivijv  XIV  484 4. Thes. 

Hom.  r  348  H  259  P  44  in  1.  Thes.,  ^ipp-q^e 
0  469  in  2.  Thes. 

ippt^s:   aa/aX6a)v    5'  ?pp i<j;e   ßeXo(;  •  to  8'   op'    ol^j/a  xiouaat  III  86 

2.  Thes. 

Hom.  <j<paipav  ^tcsit'  eppnj/e  C  115  2.  Thes. 

Nach  anderweitigem  Vorbilde. 

appTjxToq:   xai   ^ap   t'   T^XCßorov   TT^Tprjv    apptjXTov    eoöaav    V   243 

4.  Thes. 

Das  Muster  hiefür  bot  Apoll.  Rhod.,  dem 
Quintus  so  viel  nachgebildet  hat:  x^^^^^  ^^' 
appv)XTO(;  *  urcat  8d  oi  ^oxe  t^vovto^  A  1646  2.  Thes. 

Orphika. 

1.  Argonautlka. 

Homerische  Fälle. 

appr^Toq:  Iv6a  xat  SpYia  fpcxta  8eä>v,  dlppTjTa  ßporotaiv  469  4,  Thes. 

Hom.  xa{  ti  eiro^  icpoivjxev  &7cep  t'  appTjiov  a|JL£tvov 
5  466  4.  Thes. 

IppitJ's:  wapOeviYjv  IppttJ/E,  ^i[t.b>^  t'  eui^vopa  6£(JiJt6v  888  2.  Thes. 

Hom.  (7(paipav  Iiceit'  Ippi^t  C  115  2.  Thes. 

Nach   anderem   Muster. 

Tcpöppi^o^:  xa(  ^'  aT  {aIv  xp6ppil^ci  hz'  a3X(ov  lpp(!>ovTo  437  2. Thes. 

Vgl.  Oppian.  Syr.  foivCxcov  icpöppilja  Ejneg. 
II  534  2.  Thes. 


860  Riaeh. 

Gans  ent&Ilt  V.  125,  der  vor  Gessner  and  G.  Hermann 
in  der  Fassung  ßcf/p\}po^  Xootoc  ^aeoaCppeiOpov  opieißev  geduldet,  von 
Hermann  aber  nach  Gessner's  Vorgang  in  der  Form  X23'4 
Sifdeffi  ^etBpov  depieißev  hergestellt  ward. 

2.  Litbika. 
Homerische  Fälle. 

ippYjTO^:  T6fpa  $^  xixXi^(7xetv  (Aoxapcov  appvjTov  ^xioTuv  719  4.Tbes. 

Hom.  5  466  4.  Thes. 

Nach  anderem   Muster. 

ippYjxiog:  xal  tutctcov  appT]XTOv  ipeoxcooto  xapiQVov  139  2.  The«. 

ApoUon.  Rhod.  x'ihiLBo^  i)3'  dcppv]xTO^  A  1&46 
2,  Thes. 

3.  Oiphlsche  Hymnen. 

Homerisch. 

ÄpptjTO?:  iyvii^  "^^  eWepiv  ts  M(otqv  dfppvjTov  ovoffaov  LXII  3  4. Thes. 

Hom.  k  466  4.  Thes. 

SibylliniBohe  OrakeL 

Homerische  Fälle« 

Ippe^e:   tou^   'EXXaq  t*  Ippe^s,   ßoü>v   taupcov  t*  lpi|xux(i>v  HI  564 

2.  Thes. 

Hom.  Bfjfj'  "ExTcop  Ippe^e  K  49  2.  Thes. 
2ppn}/e:   0u{A(i>6et^  8'  lppttj;s  xaroncpv^veT^  exl  foiav  V  529  2.  The». 

Hom.  c^;  ei7co)v  Sppt^e  u  299  2.  Thes. 

Orakel  des  Porphyrios. 

Homerisch. 

appY]To^:  dOoeviTiuv  appY]T£  Tcori^ip,  ata>vte  [ujoxa  145  2.  Thes. 

Hom.  I  466  4.  Thes.,  vgl.  Kallim.  £vv£::£;. 
1^  8'  appTjTov  akr^q  aTcewaucorro  Xuyp^?  Hymn.  IV 
205  2.  Thes. 

ZoroastriB  oraoula  magioa. 

Schlechter  Vers: 
dppurjq:  aa>(JiaTt  ÖTQxeOaa?  ewi  xa^iv  Ä^'  ^;  ippuT)?  2  5.  Thes. 


dtadien  zur  Technik  des  nachhomeriBChen  heroischeo  Verses.  861 

Grieohiflohe  Anthologie. 

Homerische   Fälle. 

aXArjXTO^:  oTS«  y^P  ^?  dtXXiQXTOv  djiij?  ISpärc  fjLspipiVY]^  IV  3.  111 

2.  Thes.  Agathias  Scholast. 

Hom.  li.  326  2.  Thes. 
£ppT}^6:  Sctxpüa  5'  oük  epptjS'  szt  TcivOeotv  dXXa  t68'  sTtccv  VII  434. 

3  2.  Thes.  Dioskorides. 

Hom.  veupt}v  8'  i§^ppt)5sv  0  469  2.  Thes.,  vgl. 
oüS'  lppr,$6v  xaXxov  T  348  I.  Thes. 
i  ppij^aio:  oü  pisv  piqiBicoq  lp^i^|5«'^o  äXX' dzor^Xe  VIII  182  3.  Thes. 

Gregor  von  Nazianz. 
Der  Gebrauch   der  Silbe  mit  Doppelliquida 
in  3.  Thes.  erklärt  sich  durch  ein  directes  ho- 
merisches Muster:  lorou  il  xporövou^  ^pfi^^  devi(i.oic 
e6sXXa  fjL  409  3.  Thes. 
£ppti{/ev:  Bs^eTepTjV  8'  Ippnj^ev  Ixi  yfi6'^(x  mi  XtOov  Jjxev  IX  159.  3 

2.  Thes.  Unbekannt. 

Hom.   z.   B.   W  842  2.  Thes.    Darnach  ist 
auch  gebildet 
g8va  Y<^P^^  IpptTüTe«;,  i!)  apißoXCriV  toxü'riJTO?  XVI  144.  1 

2.  Thes.  Arabios  Scholast. 

Der  corrupte  Vers 
aXX'  IppiTiiat   yux[im   TUflivror'  dzaipö[i.evo^  XI  109.  2   ist 
am  besten  von  Jacobs  hergestellt  worden:  SppiTcrai 
8e  yjx[Kixi  xxX. 
ipp 6 caTo:   ou8£   xd  ae  xTeavwv  eppu(7aT0*  ^eu  eXestve  VII  286.  5 

3.  Thes.  Antipatros  von  Thessalonike. 
eppuaao:   v.  Z*  o)^  ex   TueXoYOu^   epp6oao   Aa[jLiv  avaaaa  VI  231.  7 

3,  Thes.  Philippos. 

Die  Stellung  der  durch  die  Liquidadoppelung 
ausgezeichneten  Silbe  in  der  dritten  Thesis  ist 
auch  hier  durch  die  Reminiscenz  an  die  homer. 
Fälle  0  290  r  194  a  6,  wo  ippdaano  mit  der 
Änfangssilbe  in  der  3.  Thes.  steht,  zu  erklären: 
z.  B.  0  290  dcXXce  x«;  onixe  Oeojv  Ippu^axo  xai  dfficoaev. 
Nicht  direct  aus  Homer  entnommen,  aber  doch  mit  An- 
lehnung an  einen  homerischen  Fall  gebildet  ist 


862  Riacli. 

ÄXXiatoq:  fjpicacÄ^,  &  aXXidT'  'Aßtj  •  v,  xpöiopcv  i^ir^  VII  643.  3 

2.  Thes.  Erinagoras. 

SalmasiuB  vermuthete  dXiaor*  i.  e.  ajASTf:p€7c. 
doch  vgl.  Vn  483  'Aßt;  iXXtTöEvcurc,  worauf  auch 
bei  Dübner  mit  Recht  verwiesen  wird.  Die 
homerische  Vorlage  ist  TpiXXiCTo<;:  decxoair^  tpO^- 
XtoTo?  sm^XüOe  vb$  epeßcvvtj  6  488  2.  Thes. 
Gleichfalls   an    ein    homerisches   Muster  würde  sich   an- 

schliessen 

wp6ppiQ(iig:   xa(   jas  tov  iKjTpbv  TcpoppT^^ato?  sjvsxev  ic6Xf,?  XI  382. 

21  3.  Thes.  Agathias  Scholast. 

Es  Hesse  sich  nämlich  auf  dl^pT]Tcv  q  466 
4.  Thes.  hinweisen^  aber  die  erste  Silbe  von 
7:poppT^5tO(;  steht  in  der  3.  Thes.  Wir  werden 
daher  eine  Corruptel  annehmen  müssen.  Ver- 
muthlich  stand  Tzpoy^moq  ursprünglich  da,  ein 
Ausdruck;  der  als  der  technische  hier  im  Munde 
des  Arztes  vorzüglich  angezeigt  ist,  zumal  ihn 
der  Verfasser  des  Epigrammes  selbst  zweimal 
vorher  schon  braucht  in  V.  7  und  13. 

Nach  anderem  Muster. 

diJL^tppci)^:    KXcoßoui;   t'    ä[L^ipp(a^(xq   avaoxaTrou^   T£   Bzpdrf/jxq   VI 

109.  3  2.  Thes.  Antipatros. 

Apoll.  Rhod.  TC^ipaq  i\u^tppCi^a<;  A  996  2.  Thes. 
ixiappt^o?:  Or^xTCü  aaüpcot^pi  •  xa  8'  öxtappilja  (i.eTti»r(i)v  VI  110.  3 

4.  Thes.  Leonidas  oder  Mnasalkas. 

Oppian.  Kil.  op6tov,  outöppirov,  oauxx}i^yoy  Hai. 

II   465   2.    Thes.;    vgl.    Oppian.    Syr.    foivtxwv 

TzpoppüioL  Kyneg.  II   534  2.  Thes.   Orph.  Argon. 

xa(  ^'  aT  |ji^v  -rpoppi^^oi  437  2.  Thes. 

e^sppeucag:   t^v  x<3^pi^  e^^ppeuaaq  Sctqv  sjre?  *  oux  dhw  ^nj^ij?  XI 

374.  5  2.  Thes.  Makedonios  Hypatos. 

Incert.  Idyll.  piiXcov    oux   eppeuae  xaXbv  y'^^^ 
I  33  2.  Thes. 

Schlechte  Bildungen. 

Es    sind    nur   zwei    Composita    eines    Stammes   zu   ver- 
zeichnen^ die  aber  bemerkenswerth  sind. 


Stadien  sar  Tochnik  des  nachhomtriBelieii  heroiechen  Yenes.  863 

::yxvoppd5:  wopftipeov  ts  ßirpuv  (xeOuxiSaxa  ituxvoppÄY«  VI  22.  3 

5.  Thes.  Unbekannt. 

Cod.  TajxvoppciilYa  Suidas  ^xvoppoYa  Plan.  :ajx- 
voppÖYOv. 

TTsvTacppaYO;:    xsüoivou   crofjX^i;    ^'    aTcooicaJa   wevTocppaYOV  VI 

300.  5  5.  Thes.  Leonidas. 

Beide  angeführten  Fälle  verstosgen  gegen 
das  oben  aufgestellte  Gesetz,  indem  die  Silbe 
mit  der  Doppelliquida  in  der  fünften  Thesis 
erscheint.  Dennoch  ist  keineswegs  eine  Cor- 
ruptel  anzunehmen;  da  die  beiden  Fälle  ein- 
ander vortrefiflich  stützen  und  auch  der  Sinn 
ganz  passend  ist.  Vielmehr  liegt  diesmal 
die  Schuld  an  den  Verfassern,  welche  die 
im  Laufe  der  Zeit  entstandenen  Normen 
nicht  genau  beachteten. 

KonnoB.  * 
I.  Dionysiaka. 

Homerische  Fälle. 

Ipptj^e:  Xi^oiKivri  8'  Ippr^Js  —  fjiaxi^^fAOVs?    sfeaTe  Moucat    XXI  73 

2.  Thes. 
XaXxbv  S/wv  lppY)56  Xtvo^Aaivcöv  orix«   wip^wv    XXVI  58 
2.  Thes. 

Hom.  veuptjv  8'  l^^pptj^e  0  649  2.  Thes, 
%oA  icXoxa|jLou<;  Üoliljsv,  5Xov  8'  SppYj^e  ynma,  V  375  4.  Thes. 
Vgl.  neben  Hom.  ^ppiQ^e  ix  409  3.  Thes.  auch 
Quint.   Smyrn.   ßiY)   3'   sppt)§6  xoX«I)vy)v    XIV  484 
4.  Thes.     Darnach  ist  auch  gebildet 
ccna  Atö^'itoXX^^  8^  Xörfwv  eppi^Y^^'^^  T*^^?  ^-^  390  4.  Thes. 
£;6ppr<5e-  ^XP^<S  ^'l^  ßaOuxoXwo^,  5v  e^ippr^^e  xeXeuOoü  XXXVII 

397  4.  Thes. 

Hom.  veuprjv  8*  I5eppr,$e  0  469  2.  Thes. 
appTjTO?:  xat    !^(x6^ü)v    dtppY)TOv   d|jLsXY6[jL€vo;   ^iXa   ß(ßX(i)v   IV  267 

2.  Thes.        • 
Hom.  5  466  4.  Thes. 

1  Vgl.  Scheindler,  Qoaest.  Nonn.  I  9  sqq. 


SM  Biaek. 

Hielier  gehört  auch  der  Eigenname  "Appi;?:^;: 
obik    Y^^^    "ApptjTog    iXeksxo    Ar,p(ix3^o;    XXVI    250 

2.  Thes. 

racBo  y6voi;  *A  p  p  r,  t  o  <;  6(jLiXy|!7a(;  i>|xsva(o({  XXVI 265  2.  Thes. 

?pp'<j/ev:  cupoEViv  Ippn^ev  e?  dcvroya  ::b)Xov  aXi^v  I  210  2.  Thes. 

extaSCv^v  lppit|/e  ^i/^^  xupTO'j(X€vo^  ^^^v  VII  26  2.  Thes. 

Ts^ov  ^'Epd»;  lppt<)^e  xal  opxiov  «i|ji09s  ßouTVjv  XV  383  2. Thes. 

(jLuSaXeri^   8'   lpp((|/ev    ^q   TeXa|iJi5va   ßostt;;   XXXV   157 

2.  Thes. 
xae    Xadou«;    lppi<)^6v    öncb    oripvoco    /itövo«;    XLVI    277 

2.  Thes. 

xat  GxoiriT;v  Ippi^ev  ivoun^u  Aiovuoou  XL VIII  75  2.  Thes. 

Hom.  z.  B.  tsfoüpoN  I^(t'  £pp(t|«  ^  115  2.  Thes. 

'£p(jLi^q   ^dßBsv   I6ii)xe,   XupiQv  d'  Ippttj/ev  'AziXXu^v   II  218 

4.  Thes. 
w6'mo<;  'EwoffC^ato?  itjv  eppt^j^cv  dbuimi^v  VI  290  4.  Thes. 
SeiXaCou  KaXafjioTo  ^68ou^  £ppi<);a<;  orfyiOLt^  XI  445  4.  Thes. 
SvveiTs  XJuSi6(i>v,  «^poiepag  3'  lppi<I;e  (i.epi|jLva^  XII 290  4.  Thes. 
^lYsäav^v  avd|xoiffiv  dt;v  eppt'j^e  ^apeTpr^v  XV  74  4,  Thes. 
apYupeov  xpiQti^pa  Xaßb)v  Sppt^^e  ^edSpotg  XIX  296  4.  Thes. 
xat   6ebg   äfjiicsXÖEig   zp&xipaq   Ippi^s   {jLspi{i.v«;    XXI   285 

4.  Thes. 
XiXx€ov  etxo^TOQxy,   'f^Sci)  B'  ^ppttj'e   ßoeitjv   XXVIII  215 

4.  Thes. 
yjxl  aöXov  euJtvtjxov  IX(i)v  Ippttpe  MeXtffaeu<;  XXXVII  679 

4.  Thes. 
e?$  ^poxoo?  axopLiTcov  eY;v  eppit|;£   ^apstpijv   XLVTII  932 
4.  Thes. 

Hom.  XiicapYjv  Ippw^e  xaXur:pir;v  X  406  4.  Thes. 
IppuaaTo:  iXXa  t6xov  Ze|jiiXiQ{  ^\o^tpCyt  ippuffSTC   zup^üjv    XXXI 

45  4.  Thes. 
BiQffeoq    i|X6tpoiwav    £t;v    ippucaTO    v6|jl^|V    XLVII   515 

4.  Thes. 
ou  ff£  T£^^  na^tr^q  EppuaaTO  vujxfiog  "Apt;;   XXXII  214 

3.  Thes. 

Zweimal  erscheint  also  die  erste  Silbe  des 
Wortes  in  der  4.,  einmal  aber  auch  in  der 
3.  ThesiS;  welches  überhaupt  der  einzige  Fall 
unter    den   vielen   Beispielen   bei   Nonnos   ist 


Stadien  zar  Technik  des  nacUiomeriachen  beroischen  Veries.  866 

Dennoch  ist  nicht  wol  eine  Verderbnis  der 
Stelle  anzunehmen^  da  Nonnos  direct  den  ho- 
merischen Gtebrauch  nachgeahmt  hat;  in  den 
homerischen  Gedichten  steht  nämlich  ippuaonro, 
wie  schon  früher  erwähnt  worden,  dreimal  mit 
der  ersten  Silbe  in  der  3.  Thesis: 

iXkd  xiq  oejxe  de(ü>v  eppufforro  xai  s9io)ffev  0  290 
^ov  *  droep  96  Zeu^  eppuaoro  xai  deol  dcXXot  Y  194 
olW  ohV  S)^  kxdpoi)^  epp'jaoTO  lepievoi;  7C£p  a  6 

Obzwar  Nonnos  selbst  auch  ippOcoro  dreimal 
in  den  Dionysiaka  vei*wendet;  so  wagte  er  doch 
nicht,  es  immer  mit  der  ersten  Silbe  in  die 
3.  Thesis  zu  setzen,  sondern  nur  ein  einziges 
Mal,  ein  Beweis,  wie  abnorm  ihm  diese  Stellung 
im  Verse  erscheinen  musste. 

Nach  anderen  Mustern. 

appTjx-TO?:  xtwbv  ^j^wv  appyjxxov  ibv  86pu  •  %ai  (xtv  §Xiorau>v  XVII 

17  2.  Thes. 

Sa(|jLOv{T]^  apptjXTov  l^^v  ßXioTiQ(xa  xspaCv]^   XVII  241 
2.  Thes. 

J)taäC|jLY]v  appTjXTcv  dväcox^cffat  xeveo>va  XXX  35  2.  Thes. 

xaJ    ve^dXtjv    dfppyjxTOV   5Xt;v    sTOJxalJev    iioroX?  XXXVI 
36  2.  Thes. 

£5poic6x(i)v    appYjxxa    SiiTfAOYe   Tuwea   (xi^|Xwv    XLV   291 
2.  Thes. 

Apoll.  Rhod.  xaXxeoq  >58'  appYjxTo?  A 1646  2.  Thes. 

^\jz6ppi^oq:  xal  7nTü<;  autoppt^o?  sxexXiTO  ysiTovi  «euxr^  XXI  102  c 

2.  Thes. 

Einer  der  drei  neuen  Verse,  die  L  allein 
bietet,  vgl.  Ludwich,  Hermes  XII  284. 

actoTOv    a()T6ppiCov  wo  ^oijiffiv  M6vt(i)v   XXV  475 

2.  Thes. 
^X(xo<;   aüT6pptliov   6|ji6?üyov   Spvo?    iXairjg    XL  470 

2.  Thes. 
irpufAVoOev  auToppd^ov  Exo6^t9s  OocfAVov  iXatvjq  XLV  201 

2.  Thes. 


866  Rtaeh. 

auTopptCo^;:  xpupivöOev  aÜTcpptl^ov    avsaxawc  56v8pov  ^k'^ouT^  XLVI 

185  2.  Thes. 

Oppian.  Kil.  SpOtov,   ouiöppt^ov  abüzxi^Levov   HaL 
II  465  2.  Thes. 

rp6pp(t[oq:  OdE|Avov   5Xov   Tcpöppttjov,    5  Bs  npt}<tfVo^   dipo^o;  XXX 

228  2.  Thes. 

Oppian.  Syr.  90(v{xfa>v  icp6ppiCa  Kynegp.  II  534 
2.  Thes.;  vgl.  Orph.  Argon,  x«  p'  «T  ptev  icpsp- 
piliot  437  2.  Thes. 

xsXa(v6pp(vo^:   ^pa    iceXaiv6ppivov   ^pecria^   ^Xact   BzxxTi    XV 

158  2.  Thea. 

Oppian.  Kil.  ^pa  xeXotvoptvov  uir£pß»v  dr)r^; 
«viYxtj  Hai.  V  18  2.  Thes. 

Neue  Bildungen. 

Ippa(v£v:  al(i,aX^Y;<;  Ippocivev  ixYjßoXog  6X^6^  ^^p^^  XXVIII  137 

2.  Thes. 
xac  oxo77ci;v  Ippaivov  dpY)(i.aSa  7{3ax£;  tou   XXXTI    106 

2.  Thes. 
aTfJLaTi  x6Xxov  ISeu9€,  f6v(i>  B'  ^ppatveto  xoupv]  VII  168 

4.  Thes. 
JavÖTjv  XuoMcövoco  [JL^Or^q  Ippaivsv  sipor^v  XXV 283  4. Thes. 
Iw7ce{r<v  ^ap.a6ot(;cv  oXrjv   Sppaivev  oxtiwn;v   XXXVI   225 

4.  Thes. 
(jLuSaXio)  8'  iSpcoTi  x^<^  sppatve  xoviYiV   XXXVII    598 

4.  Thes. 
xat  x6ov(t)  ^a8i(xtYY'  86(xoü(;  eppaivsv  'AYauTj;  XLIV  263 

4.  Thes. 

Bei  Homer  finden  sich  nur  die  Perfectformen 

ippiSorai  u  354  ^pdBorro  M  431  in  der  U,,  reap. 

I.  Arsis  des  Verses. 

Ippdtj/aTo:  Srrt  |jliv  sua>B(V(  itorrvjp  eppoctj^axo  {xiQp<o  IX  24  4.  Thes. 

6XxaT^  [i.t)x.€Bavoioi  ^dpwv   eppitpato  täitwv  XXIV  248 
4.  Thes. 

Homer  hat  Doppelung  der  Liquida  nur  in 
den  Compositis  luppoc^^^  (ß  354.  380)  und  xanop- 
pofCT]  (0  16  ß  236  |A  26)  in  der  Arsis.  Das 
augmentirte    Verbum   erscheint  nur   mit    einer 


Stadien  iv  Technik  deit  oMhliomeriicben  heroitieheii  VarMt.  867 

Liquida  in  der  Thesis :  o&vexa  oi  ^övov  aliü^  Ipdano- 
jjLsv  ou8'  ex{/v2|ji£v  w  379. 

2.  Metabole  des  Johannes*Evangeliums. 
Nach   einem  epischen  (nichthomerischen)  Muster. 

auTÖppic^o^:  IvStov  aÜTÖppi^ov  &pe99a6Xoto  pieXocOpou  A  64  2.  Thes. 

a^(jia  xop'  auTÖpptt^ov,  dpiipTupov  Ipyov  u^atvcov  T  224 
2.  Thes. 

Oppian.  Kil.  5p6tov,  auröppil^ov  oxoxia^vov  Hai. 
II  465  2.  Thes. 

TriphiodoroB. 

Homerisch : 
aXX-ijxTO?:   vife^^^o   B'  aiJAaTt   -^oaa  '  ßot;   8'   dtXXtjXTO?   ip<i)psi  542 

4.  Thes. 

Hom.  |JLijva  ik  xivr'  aXXrjxTO^  dnj  N6to^  (a  325 
2.  Thes.,  Apollon.  Rhod.  äv^{jLou  dtXXv^xTov  tuii^iv  A 
1299  4.  Thes.,  so  öfter  bei  Quintus  z.  B.  7601; 
S*  (zXXt]XTO^  ipü>pei  II  606,  was  neben  dem  homeri- 
schen ßoT}  8'  (SffßeoTo^  5pa>pe(  z.  B.  A  500  unserem 
Dichter  wohl  vorschwebte. 

KoUuthos. 

Homerisch: 
IppiQ^e:  «uxvdc  8*  iiiXXe  x6(at;v,   xpiKj^iv   8^  SppTj^s   xaX67rcpT]v   389 

4.  Thes. 

Hom.  r  348  in  1.  Thes.  Nonnos  SXov  8*  ipp^^e 
XtTöva  Dion.  V  375  4.  Thes. 
Ippi^e:   6^  OaXiT^v  £ppi(|«e,  •/ofib'^  ^'  &p(ve  Oeicov  63  2.  Thes. 

Hom.  z.  B.  T  130  (^<;  ebb»v  Sppt^ev  2.  Thes. 
Nonnos  z.  B.  xal  oxorciiQy  Ippitj/ev  Dion.  XLVHI 
75  2.  Thes. 

MnsaioB. 

Homerisch: 
eppc4^e:  i^iiivoi;  8*  s^uipro,  8s)xa^  8^  Ippi^e  BaXacqi;  253  4.  Thes. 

Hom.  X(7apT;v  eppri/e  xaX^pv;v  X  406  4.  Thes. 
Nonnos  z.  B.  iviv  Ippi^e  ^opiTpv^v  Dion.  XLVHI 
932  4.  Thes. 

Sitzwifsber.  d.  tUt-Uit.  H   XCY.  Bd.  III.  HA.  66 


Paulos  SilentiariOB. 

Homerisch: 

TpfXXicTo;:    Oji.£T6pr^?   afcvra    ceßa?,    TpiXAtcTs,    yctkfyrri^  Ekphr. 

Meg.  Ekkl.  II  570  4.  Thes. 

Hom.  aaraffir^  Tp{XXt(rTo;  6  488  2.  Thes.,  vgL 
Kallimach.  TXaOC  {xot  TpaXcote  Hymn.  VI  239  2.Thes. 

ApoIlinarioB. 

Homerisch: 

ippTi^ai;:  voKTspa;  Ippr^^oi^  ihjmxoKiiaq  aXe^eiva?  CXV  10  2.  Thes. 

Hom.  ou8*  Ip^^e^  xaXxov  F  348  1.  Thes.  vgl. 

Nonnos  -/iaQ^tÄrr^  l'  ^prti^  Dion.  XXI  73  2.  Thes. 

eppuaao:  xa(   a^eoc^   iXzofx^vou«;    oruYSpcuv    eppöcao    fii^^'^  XXI  7 

4.  Thes. 
YJYOv  sei  ßasiXtji,    öeb;   8'  JppuaaTO  [lixOwv  LX  Äi^om. 
6  4.  Thes. 

Hom.  z.  B.  YJYov  •  aratp  ce  Zeuq  eppwaacro  V  194 

3.  Thes.  Nonnos  z.  B.  BYja^o;  l{j£{psuaav  n]v  £fp> 
aorro  v6ji.9r;v  Dion.  XL VII  515  4.  Thes. 

Nicht  selbst  begegnet  bei  Homer  das  Compositum 
a[j.feppe^a:    Oeir^v   a,\L^ipp&^a   Ouo;   3^v(9tY;v    dXaXisiDV   XXVI  15 

2.  Thes. 

Doch  ist  es  unmittelbar  dem  homerischen 
oltj  8'  oux  IppeSs  I  536  2.  Thes.  (K  49  2.  Thes.) 
nachgebildet. 

Nach  nonnischem  Muster. 
appTjXToq:  7:üpY0V  £ic£i  c'  dtppYjxtov    aei    7:£^oßr|ji.£vo?    £up£v  CXLII 

24  2.  Thes. 
£u  8'  avarexraoöwv  luuX^cov   appYjxiot    ix'J^?   XXIH  15 

4.  Thes. 

Derselbe  Vers  kehrt  wieder  XXIH  21 
auTo;    £ctai   ßtr^v    X«ot<    appt)XTOv    oiriCot    XXVIH    22 
4  Thes.  i 

Nonnos  z.  B.  xtaabv  Ejrwv  apprjxiov  lov  85p 
Dion.  XVII  17  2.  Thes.,  ftxr  die  4.  Thes.  vgl. 
Quintus  7:£TpYjv  appt)XTOv  ioGaav  V  243  4.  Thes. 

1  Bei  Gallandius  ist  hier  Xact;  im  griechischen  Text  aosgefallen. 


Stadien  rar  Technik  des  naehhomerischen  heroischen  Verees.  .   869 

Ippatj/ev:  Si;  x.axbv  ou  tix-njvev,  l<5  8'  Ippa^ev  ^laipo)  XIV  6  4.  Thes. 

Nonnos    zotyjp    ippd^ono    {AY}p<|>   Dion.  TK   24 
4.  Thes. 

Joannes  Tzetzes. 

Ohne  Vorbilder. 
jjt.axp6ppi(;:  \f,a%p6ppi<;^  |jLeX(YYjpu;,  xoupYjc;  8' sTx^v  iicwi;«^  Posthorn. 

472  1.  Thes. 
7TpeßX6pptv:  Xsuxö^,  9TpsßX6ppiv,  sutccoycov^  eüpufjL^Tcorco^  Posthorn, 

663  2.  Thes. 

Joannes  Tzetzes  geht,  wie  sonst,  auch 
hier  seine  eigenen  Wege,  ohne  sich  an  die 
früheren  Normen  zu  halten. 

Bei  allen  nicht  eigens  angeführten  Dichtem  fehlen  Län- 
g^ungen  im  Inlaute  in  der  Thesis. 

Fassen  wir  die  dargestellten  Fälle  übersichtlich  zusammen, 
so  ei^ibt  sich  folgendes  Resultat: 

I.  Homerische  Fälle 

(mit  Angabe  der  Nachahmungen). 

dtXXiQx,To<;  recipirt  von  Apollonios,  Manethon,  Quintus,  Antho- 
logie, Triphiodoros. 

TptXX(OTo^  Eallimachos,  Paulos  Silentiarios. 

ippiQ^e  Hesiodos,  Batrachomyomachie,  Oppianos  Eil.,  Quintus, 
Anthologie,  Nonnos,  Kolluthos,  Apollinarios. 

e^ippT^z  Theokritos,  Nikandros,  Nonnos. 

dtppiQTo^  Eallimachos,  Manethon,  Orphische  Argon.,  Orphischo 
Lithika,  Orph.  Hymnen,  Porphyrios'  Orakel,  Nonnos. 

Sppe^e  Apollonios,  Manethon,  Sibyllinische  Orakel. 

Ifpc(j/e  Hesiodos,  Homer.  Hymn.,  Batrachomyomachie,  Theo- 
kritos, Oppianos  Syr.,  Oppianos  Eil.,  Quintus,  Orphische 
Argon.,  Sibyllin.  Orakel,  Anthologie,  Nonnos,  Eolluthos, 
Musaios. 

eppuffOTo  Anthologie,  Nonnos,  Apollinarios. 

IL  Mit  Anlehnung  an  Homer. 

äXXioTo^  Anthologie  (Homer  TpCXXiorog). 
a[tjfippe^a  Apollinarios  (Homer  epps^a). 

56* 


H70  Riftoh. 

III.  Neue  Bildungen. 

eXXvj^ov  ApoUonios. 

dfppriXToq  ApoIIoniÖBy  Quintus,  Orphische  Lithika,  Nonnos,  Apolli- 

narioB. 
afjk^ippü)^  ApoIlonioSy  Anthologie. 
Sppataav  ApollonioB,  Manethon. 
Ippaivev  NonnoB. 

ippdt^azo  NonnoSy  ApoUinarios  (Ippo^e). 
ouTÖppsxTc^  OppianoB  Sjr.,  Oppianos  Kil. 
lpp&J9e  Incert.  Idyll. 
i^ippvjaa^  Anthologie. 
epp6r|(;  Zorastris  Orac.  mag. 
auT6ppisO(;  Oppianos  Kil.,  NonnoB. 
ixTappii^o^  Anthologie. 

xp6ppc!^0(;  OppianoB  Syr.,  Orphische  Argon.,  Nonnos. 
xeXatvoppivoi;  Oppianos  Kil.,  Nonnos. 
(xocxp6ppt{  Tzetzes. 
orpeßXdpptv  Tzetzes. 

Hieran  sind  die  oben  näher  charakterisirten  zwei  Fälle 
aus  der  Anthologie  ^jxvoppd^  und  xevTipporfo^  anzufögen. 

Absichtlich  weggelassen  ward  x^^I^P^^y  dessen  zweite 
Silbe  öfter  in  Thesi  erscheint  (so  Apoll.  F  71  Quintus  VII  547 
XIV  5.  643  u.  8.  in  1.  Thesi),  da  dies  Wort  nicht  mehr  als 
Compositum  gefühlt  ward. 

Auch  in  der  Verwendung  der  Doppelsetzung  der  Liquida 
in  der  Thesis  zeigen  sich  also  die  späteren  Dichter  nicht  zurück- 
haltend. Während  sie  den  homerischen  Qedichten  8  Fälle  (bei 
7  Stämmen)  entnehmen,  lassen  sie  in  16  neuen  (bei  10  ver- 
schiedenen Stämmen)  Doppelung  in  der  Thesis  zu  (Troxv&ppi^ 
und  TcevTippocYoq  eingerechnet).  Hiebei  sind  die  zwei  an  homeri- 
sche Vorbilder  sich  anlehnenden  Wörter  aXXioro^  und  a{jL^ppeE2 
nicht  gezählt.  Bei  6  von  diesen  10  Stämmen  erscheint  die 
Liquidadoppelung  in  der  Thesis  bei  Homer  noch  gar  nicht, 
während  wir  sie  von  den  übrigen  4  in  der  hom.  Poesie  vor- 
finden, jedoch  in  anderen  Ableitungen.  Als  Schöpfer  neuer 
einschlägiger  Bildungen  steht  auch  hier  ApoUonios  im  Vorder- 
grunde, neben  ihm  sind  zu  nennen  die  beiden  Oppiane  and 
Nonnos. 


StvdiM  nr  Technik  dM  luicbboinerucben  hwoisehen  Y«rte«.  871 

Was  die  Stellung  der  Doppelliqoida  in  den  einzelnen 
Yerssenkungen  betrifft,  so  kommen  auf  die  2.  Tbesis  73,  auf 
die  4.  52  Fälle.  Ausserdem  begegnen  an  illegitimen  Stellen 
einzelne  Beispiele,  und  zwar  in  der  1.  Thesis  zunächst  einige, 
die  sich  als  directe  homerische  Nachbildungen  erweisen :  epptj^e 
Hesiod.  A.  140.  415  Batrachomyom.  254  (also  in  archaischen 
Dichtungen),  wornach  auch  lippirjXTo^  Apollon.  A  63  geb]14et  ist. 
Die  sonstigen  Stellen  (Ippctj/e  Hom.  Hymn.  XI  4  al(jL6ppou( 
Andrem.  Ther.  18  ippnc^ai  Anthol.  XI  109.  2)  sind  schlecht 
überliefert.  Endlich  ist  der  Stümper  Tzetzes  mit  einem  Bei- 
spiel [jLoxpoppt^  Posthom.  472  betheiligt.  Auch  in  der  3.  Thesis 
finden  sich  einzelne  homerische  Reminiscenzen  ippi^j^oto  Anthol. 
VIII  182.  3  £pp6(jaTo  Anthol.  VH  286.  5  Nonnos  XXXII  214 
epp6cas  Anthol.  VI  231.  7.  Die  noch  übrigen  2  Fälle  sind  corrupt 
(Timon  63  Anthol.  XI  382.  21).  Die  5.  Thesis  endlich  ist  mit 
3  Beispielen  vertreten,  die  alle  stümperhaften  Versen  angehören, 
«TTuxvcppa^  Anthol.  VI  22.  3  TcevrappaYo^  Anthol.  VI  300.  5  epp^<; 
Zoroast.  Or.  mag.  2. 


Berichtigung. 

Der  Artikel  ^aSivd^  auf  Seite  695  steht  falschlich  in  der  Rubrik  ,1*  n^ch 
homerischen  Mustern*,  da  das  Vorbild  hiexu  eigentlich  nur  Hesiod.  Th.  195  ist. 


872  Bzach.  Studien  svr  Tecknik  des  lUkclihemeriaekeik  keFoiMhea  Yenes. 


Index  criticns. 

Sät« 

Andromach.  Ther.  18 858 

Anekd.  Par.  ed.  Gramer  vol.  IV  p.  294.  18 741 

p.  349«  6      • •  841 

Anthol.  Pal.  IX  147.  3 735 

XI  109.  2 : 861 

XI  382.  21 862 

ApoUinarios  XXX  23 839 

ApoUonios  Rhod.  B  1229 703 

r  848 707 

A  1159 700 

A  1735 704 

Dionysios  Perieg.  51 714 

Eratosthenes  Fr.  VII  (Düntzer) 712 

Eudokia  I  806 740 

Gregorios  von  Nas.  n  1.  34.  177 840 

II  1.  43.  10 739 

n  2.  3.  68 740 

Homer.  Hymn.  XI  4 854 

KallimachoB  Hymn.  I  16 698 

Nikandros  Alex.  155 708 

Orphiflche  Hymn.  XLIV  9 725 

Quintus  Smym.  XI  34 718 

Sibyllin.  Orakel  Vin  258 728 

IX  118 727 

IX  2          729 

IX  259 729 

Simmias  Fragm.  des  Apoll.  5 712 

Timon  63 864 

Tzetzes  Hom.  88 744 

Hom.  372 743 

Hom.  431 743 

Hom.  483 743 

PoBthom.  344 744 

Poflthom.  393 744 

Posthom.  492 744 


XXIV.  SITZUNG  VOM  19.  NOVEMBER  1879. 


Herr  M.  Ritter  von  Becker,  Hofrath  und  Director  der 
k.  k.  Familienfideicommiss- Bibliothek,  übersendet  das  dritte  Heft 
der  von   ihm  bearbeiteten  ^Topographie  von  Niederösterreich ^ 


Herr  Dr.  Johann  Huemer,  Gyranasial-Professor  in  Wien, 
erstattet  Bericht  über  die  Durchforschung  von  Handschriften 
lateinischer  Kirchenväter  in  Bibliotheken  der  Schweiz  und 
Süddeutschlands. 

Von  dem  w.  M.  Herrn  Hofrath  Dr.  C.  Ritter  von  Höfler  in 
Prag  werden  für  die  Sitzungsberichte  zwei  weitere  Nummern 
der  ,Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der  slavischen  Geschichte' 
eingesendet. 

Herr  Raphael  Pavel^  Stifts-Capitular  und  Bibliothekar 
des  Stiftes  Hohenfurth  legt  einen  druckfertigen  ,  Handschriften- 
Katalog  der  Hohenfiirther  Stiftsbibliothek'  mit  dem  Ersuchen 
um  seine  Veröffentlichung  in  den  Schriften  der  historischen 
Commission  vor. 


An  Druoksohriften  wurden  vorgelegt: 

Akademija  Umiejetnosci  w  Krakowie:  Zbi6r  Wiadomosci  do  Antropolog^i 
Krokow6j  Tom.  III.  Krakow,  1879;  8».  —  Bocznik  zarzadu.  Rok.  1878. 
W  Krakowie,  1879;  8<'.  —  Katalog  R^kopisou  Biblioteki  Universitetu 
JagielloQskiego.  Zeszyt  4.  Krakow,  1879;  8".  —  Literarische  Mittkeilungen 


874 

und  bibliographische  Berichte  über  die  Pablicatioaen.  JuiiiAr,  Februar, 
Milrz  1789.  Krakau;  4*\  —  Sprawosdania  Konusyi  do  badania  Hiitorji 
sztuki  w  Polflce.  Zeszyt  III.  Krakow,  1879;  4^.  —  Rozprawy  i  Sprawo»- 
dania  z  posiedzeii  wydziahi  histoiycmo-filosoficsnego  Tom.  X.  W  En- 
kowie.  1879;  8«. 

Becker,  M.  A. :  Topographie  von  Niederösterreich.  11.  Band.  6.  Heft. 
Der  alphabetischen  Reihenfolge  der  Ortschaften  IIL  Heft.  Wien,  1879;  4*. 

Bare  an,  königl.  statistisch-topographisches:  Württembergische  Jahrbadier 
für  Statistik  nnd  Landeskunde.  Jahrgang  1879.  I.  Band,  1.  Hälfte  nod 
II.  Band,  1.  HSlfte.  Stuttgart,  1879;  4<>. 

Gesellschaft,  k.  k.  geographische,  in  Wien:  Mittheiinngen.  Band  XXII. 
(N.  P.  XII.)  Nr.  10.  Wien,  1879;  4«. 

—  kurlSndische  für  Literatur  und  Kunst:    Sitzungsberichte  aus  dem  Jahre 
1878.  Mitau,  1879;  8«. 

Istituto  di  Corrispondenza  archeologica :  Annali.  Volume  L.  Roma,  1878;  ä^. 
—  Bullettino  per  Tanno  1878.  Roma,  1878;  8». 

—  archeologico-germanico :  Storia  1829— 1879,  Roma,  1879;  8<*.  —  Monumenti 
inediti  per  Tanno  1879.  Volume  X.  Roma,  1874-1878;  Folio. 

Kasan,  üniversitfit :    Sitzungsberichte    und   Denkschriften.    1878.   Nr.   1— €. 

Kasan,  1878;  4". 
Museum,  British:  A  Catalogue  of  the  Qreek  Coins.  Macedonia,  etc.  London, 

1879;  8». 
Remembrancia   presenred   among   the  Archives   of   the  City   of  London. 

A.  D.  1579—1664.  Analytical  Index.  London,  1878;  80. 
,Revue    politique   et   litt&raire*    et   ,Reyue  scientifique  de  la  France  et  de 

ritranger*.  IX«  Ann^,  2«  Serie.  Nr.  20.  Paris,  1879 ;  4«. 
Society,   the    American    geographical :    Bulletin.    1878,    Nr.  6.    New  York, 

1879;  80. 

—  the  royal  of  Victoria:  Transactions  and  Proceedings.  Vol.  XV.  Melbounie, 
1879;  80. 

Statistisches  Departement  im  k.  k.  Handelsministerium:  Nachrichten  tod 

den    österreichisch-ungarischen  Eisenbahnen   ftlr   das    Betriebsjahr  1876. 

Wien,  1879;  FoUo. 
Upsala,  Universität:  Arsskrift  1877.  Upsala;  80.   Festskriften  1877.  üpsal»; 

80.     -  UniversitÄtsschriften  pro  1877/78.  12  Stücke,  8«. 
Wissenschaftlicher   Club:    Monatsblfitter.   I.   Jahrgang,    Nr.    1   und  2. 

Wien,  1879;  4«. 


BOfUr.    AbhandlQBg«n  auf  dem  6«bi«ta  der  slaTitcben  Oeechiehte.  II.  875 


Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der  slavischen 

Geschichte. 

Von 

Constantin  B.  von  Hof  ler» 

wirkl.  MitgUede  der  kais.  Akademie  der  WineoeeliafleB. 


II. 

Der  Streit  der  Polen  und  der  Deutschen  Yor  dem 

Constanzer  Coneil. 

JDer  Streit  zwischen  den  Czechen  und  den  Deutschen, 
welcher  sich  am  Ende  des  XIV.  Jahrhunderts  aus  einem  Uni- 
versitätszwiste in  Prag  entzündete,  steht  in  der  Oeschichte  der 
zahlreichen  Misshelligkeiten  zwischen  Slaven  und  Deutschen 
nicht  vereinzelt  da.  Viel  heftiger  als  an  der  Moldau  wüthete 
an  dem  östlichen  Winkel  des  deutschen  Meeres  der  Kampf 
der  Deutschherren  mit  den  Polen  und  den  Litthauern,  das 
Gegenstück  zum  Streite  der  Hanseaten  mit  den  Skandinaviern. 
Mit  scharfem  Blicke  hatte  Kaiser  Karl  in  den  letzten  Jahren 
seiner  Regierung  sich  der  Anordnung  Niederdeutschlands  zu- 
gewendet, als  fühle  er  heraus,  dass  der  Schwerpunkt  mittel- 
europäischer Geschichte  von  dem  oberdeutschen  Centrum  nach 
der  Peripherie  verlegt  werde.  Seine  Massregeln,  wie  überhaupt 
das  Auftreten  der  Luxemburger  in  Böhmen,  hatten  die  Fort- 
schritte Polens  nach  der  deutschen  Seite  zu  aufgehalten, 
Brandenburg  und  die  nordöstlichen  Marken  gegen  die  polnische 
Uebermacht  sichergestellt.  Es  war  dieses  um  so  bedeutender, 
als  die  freilich  nur  kurze  Zeit  andauernde  Vereinigung  der 
Kronen  von  Ungarn  und  Polen  1370  erfolgte,  und  als  sie  sich 
nach  König  Ludwigs  Tode  (1382)  löste,  die  engen  Beziehungen 


876  H«fler. 

Litthauens  mit  Polen  an  ihre  Stelle  traten.  Es  mag  d^i  Ver- 
tretern der  Blavischen  Sache  keine  geringe  Freude  bereitet  haben^ 
als  gerade  unter  dem  (zweiten)  Rectorate  des  Johann  von  Husi- 
netz  die  Nachricht  von  dem  grossen  Siege  der  Polen  und  Lit- 
thauer über  den  Deutschherrenorden  bei  Tanneberg  15.  Juli 
1410  anlangte.  Böhmische  Ritter  hatten  angeblich  den  Aus- 
schlag gegeben.  Ihrem  unvermutheten  Anprall  war  der  Hoch- 
meister Ulrich  von  Jungiugen  erlegen^  ein  Tatare  hatte  ihn  ge- 
tödtet.  Von  diesem  Tage,  der  hunderttausend  Menschen  das 
Leben  gekostet  haben  soll,  richteten  die  slavischen  Partei- 
häupter ihre  Augen  auf  Wladislaus  Jagello,  auf  den  von  Wla- 
dislaus  eingesetzten  Grossfiirsten  von  Litthauen,  Witold,  auf 
die  Dynastie  der  Jagellouen,  die  durch  den  Frieden  von  Thom 
1.  Februar  1411  das  Uebergcwicht  Polens  über  den  deutschen 
Orden  besiegelte,  unter  den  Slaven  einen  ebenso  hohen  Ruhm 
erntete,  als  sie  den  Deutschen  verhasst  war.  Schon  im  Juli 
1414  war  es  zu  einem  neuen  Kriege  zwischen  dem  Polenkönige 
und  dem  Orden  gekommen,  und  als  nun  Ende  1414  das  Concil 
von  Constanz  eröffnet  wurde,  rief  einerseits  der  Orden  dasselbe 
gegen  den  Polenkönig  auf,  andererseits  zog  der  Führer  der 
czechischen  Nationalpartei  gleichfalls  dahin,  sich  vor  dem  Concil 
zu  vertheidigen  und  dessen  Urtheil  zu  vernehmen.  Zu  den 
religiösen  Streitigkeiten  des  XV.  Jahrhunderts  war  somit  noch 
eine  gewaltige  nationale  gekommen  und  Hessen  die  ersten  keine 
Vereinigung  zu,  so  war  diese  von  einem  Streite,  der  schon  auf 
den  blutigsten  Schlachtfeldern  gefuhrt  worden  war  und  wobei 
jede  Nachgiebigkeit  die  Preisgebung  des  eigenen  Interesses, 
ja  des  socialen  Daseins  in  sich  schloss,  noch  viel  weniger  zu 
erwarten.  Der  Angriff  erfolgte  diesmal  von  Seite  der  Deutschen, 
uud  zwar  durch  eine  Schrift,  die  an  nationaler  Oehässigkeit 
Alles  überbot,  was  die  mittelalterliche  Literatur  bisher  auf 
diesem  Gebiete  geleistet  hatte. 

Der  Ankläger  der  Polen,  Johann  von  Falkenberg^  ein 
Dominikaner,  hatte  sich  schon  dadurch  bemerklich  gemacht, 
dass  er  die  extremen  Sätze  des  Jean  le  petit  (Johannes  parvus) 
vertheidigte,  der  im  Anschluss  an  die  auf  offener  Strasse  von 
Paris  erfolgte  Ermordung  des  Herzogs  Ludwig  von  Orleans, 
jüngeren  Bruders  König  Karls  VI.  von  Frankreich,  durch  den 
Herzog  Johann   von   Orleans   (1407)   die  Rechtmässigkeit   des 


Abhandlangen  aiiH  dmn  Gebiet«  der  BUyischeii  Geschichte.  II.  87  i 

Tyrannenmordes  in  gewissen  Fällen  ausgesprochen  hatte.  ^ 
Falkenberg  trog  kein  Bedenken,  einen  ähnlichen  Satz  gegen 
die  ganze  ^verpestete  polnische  Nation'  auszusprechen  und  die 
Verpflichtung  der  weltlichen  Fürsten  zu  betonen,  ohne  Unter- 
schied alle  Polen  oder  doch  die  Mehrzahl  derselben  mit  ihrem 
Könige  zu  vertilgen  oder  doch  ihre  Fürsten  und  alle  ihre  Ade- 
ligen an  Galgen,  die  der  Sonne  zugewendet  sind,  aufzuhängen ;  ^ 
das  Todesurtheil  sei  aber  ganz  besonders  an  dem  Könige  Jaghel 
zu  vollstrecken.  Ja  alle  weltliche  Fürsten,  die  den  Verbrechen 
der  Polen  beipflichteten,  seien  des  ewigen  Todes  würdig.  Es 
sei  verdienstlicher,  die  Polen  und  ihren  König  Jaghel  im  Treffen 
zu  tödten,  als  Heiden  zu  erschlagen.  Die  weltlichen  Fürsten, 
welche  für  Gott  die  Polen  und  ihren  König  Jaghel  erschlügen, 
verrichteten  ein  gutes  Werk,  verdienten  sich  dadurch  das  ewige 
Leben,  ja  nicht  blos  die  Fürsten,  sondern  auch  alle  von  unter- 
geordnetem Range.  ^  Die  masslose  Erbitterung  der  Deutschen 
gegen  die  Polen  konnte  keinen  stärkeren  Ausdruck  finden. 

Wie  sich  später,  als  die  Sache  zur  Austragung  vor  das 
üoncil  gekommen  war,  herausstellte,  hatte  Falkenberg  seine 
Schrift  nicht  blos  in  Preussen  verfasst,  sondern  auch  dem 
Hochmeister  Heinrich  von  Plauen  vorgelegt.^  Dieser  übergab 
sie  dem  Propste  zu  Braunsberg  zur  Beurtheilung;  allein  der 
Propst  rieth,  sie  nicht  anzunehmen,  weil  sie  scandalöse  und  un- 
juriöse  Sätze  enthalte.    Auf  dieses  habe  der  Hochmeister  dem 


*  Unicnique  licitum  est  honestom  et  meritoriom  occidere  et  faci  occidere  — 
tyrannnm.  Opp.  Gersoni  V,  p.  31,  Schwab,  Job.  Oerson  S.  665. 

2  Starodawne  prawa  polskiego  pomniki.  T.  V.  Monamenta  literaria  ed.  Mi- 
chael Bobrzynski  p.  lol.  Herr  Bobrzynski  hat  sich  durch  Herausgabe 
des  tractatus  de  potestate  Papae  et  Imperatoris  respcctu  infidelium  nee 
non  de  ordine  cruciferomm  et  de  hello  Polonorum  contra  dictos  fratres 
traditi  occnmenico  Gonstantiensi  concilio  (Magistrl  Pauli  Wladimiri),  dann 
des  Liber  de  doctrina  potestatia  papae  et  imperatoris  editus  contra  Paulum 
Wladimiri  per  Johannem  Falkenberg  (Cracoviae  1878)  ein  grosses  Verdienst 
erworben. 

3  Nach  J.  Voigt,  der  die  Schrift  nur  ans  Dlngoss  kannte,  kam  es  im  Winter 
1417  zu  einer  Correspondenz  über  Falkenbergs  Schrift  zwischen  dem 
Könige  yon  Polen  und  dem  Hochmeister,  der  beweisen  konnte,  dass  die- 
selbe ungefähr  £ude  1416  bekannt  geworden  war.  Bd.  VII,  Note  6.  Sie 
war  aber,  wie  sich  herausstellt,  schon  früher  erschienen. 

*  Voigt  VII,  S.  32, 


878  HSrier. 

Verfasser  geboten,  mit  seiner  Schrift  das  Land  zu  meiden^ 
Falkenberg  aber  habe  sich  nun  nach  Paris  gewendet  und  die 
Schrift  den  dortigen  Magistei*n  vorgelegt;  von  diesen  h&tte  sie 
der  Erzbischof  von  Qnesen,  Nicolaus  Traba,  erhalten  ^  und 
hierauf  dem  Concil  übergeben. 

Sie  war  jedenfalls  ein  Beweis  des  tiefen  und  schreck- 
lichen Hasses,  der  die  Preussen  von  den  Polen  schied;^  wenn 
auch  der  Hochmeister  sich  nicht  berufen  f&hlte,  sich  mit  den 
Argumentationen  des  Predigermönches  zu  identificiren ,  so 
nahmen  die  Tractate  Falkenbergs  dennoch  den  Anschein  von 
Staatsschriften  an  und  wollte  der  König  von  Polen  wiss^Ei,  der 
Verfasser  habe  für  seine  Schrift  vom  Orden  Geld  erhalten, 
wenn  auch  dieser  den  Vorwurf  von  sich  abwies.  Er  mag  wohl 
nicht  ohne  Orund  erhoben  worden  sein! 

Der  literarische  Streit  hatte  in  seiner  gehässigsten  Art 
begonnen.  Der  König  von  Polen,  das  Haus  der  Jagellonen,  die 
ganze  polnische  Nation  waren  angegriffen,  waren  vor  dem 
Concil  geschmäht,  vor  dem  höchsten  christlichen  Tribunal 
moralisch  gebrandmarkt  worden;  die  polnischen  Bischöfe  bei 
dem  Concil  befanden  sich  in  der  grössten  Aufregung^  sie 
theilte  sich  der  jagellonischen  Universität,  dem  polnischen  Adel 
mit,  der  Kampf  war  unausbleiblich. 

Der  erste,  welcher  für  die  polnische  Nation  in  die 
Schranken  trat,  war  Paul  Wladimiri,  Doctor  der  Decrete, 
Custos  und  Canon icus  der  Kirche  von  fia*akau,  Rector  des 
dortigen  Generalstudiums  und  Botschafter  des  Königs  Wladis- 
laus  Jagello.  £r  übergab  dem  Constanzer  Concil  unter  dem 
Titel:  Tractat  über  die  Macht  des  Papstes  und  des  Kaisers  in 
Betreff  der  Ungläubigen,  eine  Schrift,  in  welcher  die  Politik 
des  deutschen  Ordens  einer  scharfen  Kritik  unterzogen  wurde« 
Als  die  heidnischen  Preussen  so  sehr  gegen  die  Polen  wuthe- 
ten,   hätten    die  polnischen  Fürsten  den  Orden  zu  ihrer  Hülfe 


>  Bei  (Gelegenheit  eines  Symposion«,  das  der  Ersbischof  der  Pariser  Uni- 
▼ersität  gab. 

>  Nach  Caro,  der  sich  hiebei  auf  WUsniewski,  bist  lit.  Pols.  III,  1S4, 
Anm.  91,  bemft,  war  das  Werk  Falkenbergs  im  Wesentlichen  ana  der 
Feder  des  Wormser  Bischofs  MatthKus  von  Krakan  geflossen.  Gesch. 
Polens  III,  S.  465.  Welches  Werk  des  berühmten  Bischofs  hiebei  gemeint 
war,  ist  nicht  angegeben.    Das  Wiszniewski^s  steht  mir  nicht  xu  Gebot 


Abhaadlangmi  »lu  dem  Gebiete  der  tUTischen  (Seecbichfte.  11.  879 

aufgenommen  und  ihm  Besitzungen  eingeräumt,  der  Orden  aber 
habe  sich  allmälig  eine  grosse  und  gewaltige  Macht  geschaffen 
und  nun  nicht  blos  mit  blutdürstigen  Heiden,  sondern,  nach- 
dem die  heidnische  Grausamkeit  aufgehört,  mit  ruhigen  und 
sanften  Völkern  Kriege  gefUhrt.  Zwei  Male  im  Jahre,  auf 
Maria  Hinmielfahrt  (15.  August)  und  Maria  Heimsuchung,  * 
träten  die  Ritter  ihre  resas,  ihre  Kriegsfahrt  an,  mordeten  und 
bereicherten  sich  auf  Kosten  von  Christen  und  Heiden.  Sie 
verscbafften  sich  päpstliche  und  kaiserliche  Briefe,  durch 
welche  die  eroberten  Länder  ihnen  zugeschlagen  wurden.  Nun 
hätten  sich  aber  die  Verhältnisse  durch  die  Bekehrung  der 
Litthauer  und  dass  einer  der  Jagelionen  Polen  regiere,  der 
andere  Schismatiker  und  Heiden  beherrsche,  haufenweise  die 
Bekehrung,  derer  erfolge,  die  früher  Polen,  Preussen  und 
Livland  Furcht  und  Entsejtzen  eingejagt,  von  Orund  aus  ver- 
ändert. Das  sei  jetzt  dem  Orden  sehr  unangenehm,  da  er  nicht 
mehr  sich  nach  Gefallen  ausdehnen  könne;  um  so  wüthender 
fielen  die  Deutschherren  diese  Länder  an,  mordeten  Priester 
und  Nenbekehrte,  griffen  den  König  von  Polen  an  und  er- 
laubten sich  die  grössten  Frevelthaten,  so  dass  es  fortwährend 
zum  blutigen  Kampfe  zwischen  dem  Orden  und  den  Polen 
komme.  Der  Rector  von  Krakau  spricht  eigentlich  ziemlich 
unverholen  den  Satz  aus,  dass  der  Orden  sich  überlebt  habe,^ 
indem  kein  Grund  fUr  weitere  Kämpfe  vorhanden  sei  und  es 
sich  nur  noch  darum  handeln  könne,  ob  päpstliche  oder  kaiser- 
liche Erlässe  den  Orden  ermächtigen  könnten,  alle  Länder 
von  Ungläubigen,  die  sie  erobern  oder  deren  sie  sich  be- 
mächtigen würden,  auch  zu  behalten.  Nun  habe  sich  der  Geist 
Gottes  des  Dienstes  der  Polen  bedient,  die  einst  mächtigsten 
Heidenfürsten  zu  bekehren ;  der  Orden  aber  zwinge  Polen  zum 
Widerstände  und  so  erfolge  Kampf  auf  Kampf,  Blutvergiessen 
auf  Blutvergiessen. 

Der  Tractat,  in  ermüdender  scholastischer  Form  gehalten, 
zerfiel  in  zwei  Theile,  indem  in  dem  einen  die  Macht  des 
Papstes  in  Betreff  der  Ungläubigen  und  ihrer  Güter  und  Be- 
sitzungen erörtert  wurde,   und  in  dem  anderen  dieselbe  Frage 


*  Du  wSre  2.  Juli,  zweifelsohne  ist  der  2.  Febrnar  gemeint. 

'  Cessayit  dndum  in  Ulis  partibas  eorandem  Hospitaliorum  pagnandi  officium. 


880  Höfler. 

iii  Betreff  des  KaiBers  aufgeworfen  wurde.  Er  trat  der  praten- 
dirten  Weltmacht  des  letzteren  entgegen,  da  ja  auch  der  König 
von  Frankreich  den  Kaiser  nicht  als  seinen  Herrn  anerkenne, 
limitirte  aber  auch  die  des  Papstes  und  stützte  sich  hiebei 
auf  Dante^  wie  auf  MarsUius  von  Padua;  im  Ganzen  aber 
stellt  er  das  päpstliche  Ansehen  weit  über  das  der  Kaiser. 
Er  bekämpft  die  dem  Orden  günstigen  Erlässe  des  Kaisers 
durch  die  Macht  des  Papstes,  bestreitet  die  RechtmäS8i|:keit 
der  Kriegführung  des  Ordens  mit  friedfertigen  Ungläubigen. 
Er  tritt  der  Meinung  gewaltsamer  Bekehrungen  entschieden 
ent^gen,  nennt  es  eine  neue  und  unerhörte  Predigt,  welche 
den  Glauben  mit  Schlägen  vertritt,  und  beruft  sich  hiebei  auf 
das  allgemeine  Concil  von  Toledo.  Diejenigen,  welche  Beiatand 
leisteten  zur  Bekämpfung  Friedfertiger,  befanden  sich  im 
Stande  einer  Todsünde,  während  der  Krieg  mit  den  Saracenen, 
der  Kampf  um  das  heilige  Land  erlaubt  sei.  Aus  der  E^r- 
terung,  wann  ein  Krieg  erlaubt  sei,  folgert  er,  dass  ,die  Resas' 
der  Kreuzherren,  die  sie  zwei  Male  im  Jahre  unternähmen, 
höchst  unerlaubt  seien.  Seine  Anschauungen  weiter  za  er- 
härten, stellte  endlich  am  6.  Juli  1415  Paulus  Wladimiri,  zwar 
nicht  in  seiner  Eigenschaft  als  Botschafter  des  Königs  von 
Polen,  aber  wohl  als  Doctor  der  Decrete,  52  Propositionen  auf,^ 
die  er  übrigens  dem  Urtheile  des  Concils  unterwarf.^  Es  war 
dies  an  demselben  Tage,  an  welchem  der  Czeche  Johanines  Hus 
dem  Holzstosse  übergeben  wurde,  so  dass  somit  gerade  an 
diesem  verhängnissvollen  Tage  der  Streit  zwischen  den  Polen 
und  den  Deutschherren  in  Constanz  auf  das  Heftigste  ent- 
brannte. Er  verwarf  den  Satz,  dass  man  Türken  und  anderen 


'  Am  5.  Juli  concipirte  er  sie,  am  6.  übergab  er  sie  in  convocatioue  pa- 
blica  una  cum  conclnuionibus  de  qaibus  sit  mentio  in  nno  sextemo. 
p.   187. 

'  Caro  (Gesch.  Polens  Bd.  III),  dem  das  Concil  zn  Constanz  nur  ^die 
inchtlose  Versammlung  zu  Constanz'  ist,  die  Jedes  frischen  Geistes  haar, 
in  einer  blossen  Restauration  des  erwiesen  unmöglichen  scholastisch  roman- 
tischen Kirchenthums  sich  versuchte,  auf  Unbefangene  diesen  abschrecken- 
den Eindruck  machen  musste,'  S.  444  —  kennt  nur  die  demonstratio  in- 
fidelium  terras  praetextu  conversionis  non  esse  occupandas,  tfaeilweise 
abgedruckt  bei  v.  d.  Hardt  III,  p.  II,  9.  Sie  dürfe  jedoch  nicht  mit  der 
eigentlichen  Anklageschrift  yerwechselt  werden. 


Abhukdlnngen  ana  dem  Gebiete  der  eUvischen  Oeschichte.  II.  881 

Ungläubigen  ihre  Habe  (dominia)  nehmen  dürfe.  *  Er  behauptete; 
dass  dem  Papste  die  Jurisdiction  über  Christen  und  Nicht- 
Christen  zustehe^  aber  nur  aus  besonderen  Gründen^  dürfe 
er  NichtChristen  ihrer  Besitzungen  berauben;  die  Ungläubigen 
dürften  nicht  zum  Glauben  gezwungen  werden,  und  nur  dem 
Papste  stehe  es  zu^  ihnen  Krieg  anzukündigen.  Päpstliche 
Briefe,  die  gestatteten,  Ungläubigen  das  Ihrige  wegzunehmen, 
seien  als  falsch  und  rechtlos  zu  betrachten.  Dem  Papste  komme 
die  weltliche  und  geistliche  Jurisdiction  zu,  der  Kaiser  aber 
habe  kein  Recht,  anderen  zu  gestatten,  die  Länder  denen  weg- 
zunehmen, die  sein  Kaiserthum  nicht  anerkennen.  Es  sei  ein 
unerträglicher  Irrthum,  den  Kreuzherren  in  ihrem  Kampfe  mit 
ruhigen  Ungläubigen  zu  Hilfe  zu  kommen,  und  diejenigen, 
welche  in  diesem  Kampfe  ohne  Busse  ihr  Leben  verlören, 
seien  mit  Recht  den  Verdammten  zuzugesellen,  ihre  Unter- 
thanen,  die  an  den  resas  sich  betheiligten,  von  der  Sünde 
nicht  frei  zu  sprechen.  Die  mit  Gewalt  abgenommenen  Din^e 
dürften  nicht  behalten  werden;  es  sei  gottlos  und  absurd,  zu 
behaupten,  dass  die  Ungläubigen  keine  Jurisdiction,  keine  Ehre, 
keine  Macht,  keine  Herrschaft  besitzen  könnten. ' 

Der  Angriff  gegen  die  Deutschherren  und  ihre  Doctrin 
war  stark  genug,  um  eine  Entgegnung  herauszufordern.  Sie 
erfolgte  aufs  Neue  von  dem  Predigermönche  Johann  Falken- 
berg, und  zwar  indem  dem  einen  der  zwei  Tractate,  der  mit: 
veteres  relegentes  historias  anfing,  ein  anderer,  der  mit:  accipe 
gladium  begann,  beigesellt  wurde.  Beide  hatten  aber  im  We- 
sentlichen denselben  Inhalt.  Der  Dominikaner  begann  mit  einer 
heftigen  Anklage  gegen  die  Polen,  die  zwei  Male  den  Glauben 
verläugnet  hätten,  einmal  als  sie  dem  litthauischen  Könige 
Mindova^  den  Weg  bis  zur  Oder  (gegen  die  Sachsen)  eröffneten, 

*  y.  Kmainsky,  Hist.  religiease  de«  peuples  slaves,  Paris  1863,  p.  116,  117, 
scheint  den  Tractat  P.  Wladimiris  nur  ganz  oberflfichlich  gekannt  zu 
haben.  Er  citirt  nur  den  Satz :  que  les  chrötiens  ^taient  en  droit  de  con- 
▼ertir  les  infidMes  par  la  force  des  armes  et  qne  les  terres  des  infid^Ies 
appartenaient  legalement  anx  chrMiens,  als  Hauptpunkt  ,der  Controverse. 

2  nisi  magna  causa  hoc  exigat,  n.  56. 

3  nee  infidelitas  repugnat  dominio. 

*  Er  war  bereits  vom  apostolischen  Stuhle  als  König  anerkannt.  Als  er, 
wie  es  in  dem  Schreiben  Papst  Clemens  IV.  an  König  Ottokar  II.  von 
Böhmen    ddo.  III  cal.  Feb.  1268    hiess,    von   Verrfithcni   des    Glaubens 


882  Höfler. 

das  andere  Mal,  als  sie  unter  König  Kasimir  den  Deutscfa- 
herrenorden  mitten  unter  seinen  Kämpfen  überfielen.  Das  dritte 
Mal  geschehe  dieses  aber  jetzt,  da  Paul  Wladimiri  behaupte, 
dass  ein  christlicher  Fürst  mit  Hilfe  von  Ungläubigen  die  Ge- 
biete der  Gläubigen  verwüsten  dürfe.  Aus  seinen  Folgenmgra 
gehe  hervor,  dass  derselbe  Mensch  Papst  und  Kaiser  sei.  Der 
Kaiser  sei  der  allgemeine  Stellvertreter  Gottes  im  Welt- 
lichen^ und  habe  statt  Gottes  das  Recht,  den  ganzen  Erdkreis 
im  Weltlichen  zu  richten.  Er  könne  denjenigen  ihre  Länder  weg- 
nehmeUi  die  dieselben  unrechtmässig  besässen,  mit  Recht  die- 
jenigen Ungläubigen,  die  ruhig  lebten,  mit  Krieg  überziehen.* 
Es  sei  ein  unerträglicher  Irrthum  Pauls,  zu  behaupten,  dass 
die  Ungläubigen  ihrem  freien  Ermessen  überlassen  bleiben 
sollten,  da  daraus  nur  hervorgehe,  es  sollen  ihnen  Frieden  ge- 
währt  werden,  damit,  durch  ihn  gestärkt,  der  König  and  die 
Herzoge  von  Polen  die  Kirche  aufs  Neue  desto  ärger  und 
sicher  verwüsten  könnten.  Man  verdiene  sich  den  Hiounel, 
wenn  man  zum  Schutze  des  Glaubens  aus  Carität  gegen  die 
Ungläubigen  kämpfe.  Kaiser  Ludwig  IV.  habe  den  Orden  als 
kaiserliche  Pflanzung  und  kaiserliches  Werk  bezeichnet; '  er 
sei  gebaut  zum  Kampfe  gegen  die  Ungläubigen  und  werde 
ewig  dem  deutschen  Reiche  treu  bleiben.^  Die  Deutsch- 
herren seien  eigentlich  die  Wohlthäter  der  Polen,  da  sie  fiir 
dieselben  ihr  Leben  in  die  Schanze  geschlagen;  niemals  aber 
hätten  die  Polen  sich  ihnen  als  Geber  erwiesen.  Wenn  die 
Deutschherren  wahre  Christen  unter  der  Tyrannei  der  Un- 
gläubigen ftnden,  so  befreiten  sie  sie  wohl  aus  ihren  Schweine- 
reien, tödteten  aber  Niemanden  von  ihnen.  Da  aber  die  mthe- 
nischen  Priester,   offene  Häretiker,    Verdientermassen   getödtet 


graasam  ermordet  worden  war,  gestattete  der  Papst  dem  Böhmenkonige, 
über  das  Königreich  (regni  soliam)  sa  verfügen  und  einen  ihm  beliebigen 
König  einsasetzen.  J.  Voigt,  cod.  diplom.  Pmss.  I,  p.  162,  n.  CLVI. 

*  Imperator  est  generalis  vicarius  Dei  in  temporalibns,  p.  204;  super  omnia 
temporalia  dispensata  a  Deo  institatas  est 

'  debellare. 

3  imperatoris  plantula  et  factura. 

^  in  aevom  permanebont  devoti  sacro  imperio?! 

^  dotatores. 

*  de  spnrcitiis  erannt 


Abhandlnni^en  ans  dorn  Oobiete  der  RlaTischen  Qptcbirhte.  II.  883 

werden  könnten,  so  g^ut  wie  die  Heiden,  seien  auch  solche  in 
Litthauen  und  Russland  getödtet  worden;  die  Polen  aber  setzten 
ihre  Hoffnung  auf  die  Hülfe  der  Ruthenen  und  anderer  Un- 
gläubigen. Paulus  dulde  auch  dieses  Morden  nicht  und  werfe  es 
dem  Orden  nicht  aus  Carität,  sondern  aus  Neid  vor,  dass  die 
Ritter  weder  das  Alter  noch  den  Stand  verschonten.  *  Eben  des- 
halb könnten  die  Ordensbiiider  mit  Recht  die  Polen  bekämpfen, 
da  diese  die  Kirche  mehr  verwüsteten  als  die  Ungläubigen, 
somit  der  Kirche  zur  Geissei  gereichten,  beständig  den  Un- 
gläubigen Rath  und  Hülfe  gewährten,  während  der  Orden  sich 
auf  die  wahren  Christen  stütze  und  mit  vollem  Rechte  die 
falschen  Christen,  d.  h.  die  Herzoge  und  den  König  von  Polen 
bekämpfe.  Letzterer  sei  ein  Abgefallener,  Verfolger  der  Kirche 
und  Thor,  der  sich  fär  einen  wahren  Christen  halte.  Man  wisse 
ja  ohnehin,  dass  Wladislaus  Jagello  nicht  früher  Christ  ge- 
worden sei,  als  nachdem  er  der  Erlangung  der  polnischen 
Krone  sicher  geworden;  er  und  die  Heiden,  die  ihm  folgten, 
seien  nur  falsche  Christen.  Wenn  es  ihm  gefalle,  würden  die 
Litthauer  in  den  Flnss  oder  in  einen  Teich  getrieben  (zur 
Taufe),  häufen wei so,  wie  das  Vieh,  ohne  allen  Unterricht,^  und 
80  würden  sie  Christen  und  wüthende  Bundesgenossen  des 
Königs  im  Kampfe  gegen  die  Kirche.  Wenn  Paulus  sich  be- 
klage, dass  man  ihre  Kirchen  verbrenne,  frage  er,  wie  man 
Hütten  (casae),  mit  welchen  man  die  Christen  täusche,  als  Kirchen 
ansehen  könne?  Als  der  Teufel  gewahrte,  dass  der  Norden  sich 
bekehre,  habe  er  den  König  und  Witold  bewogen,  das  christ- 
liche Volk  zu  morden.  Sie  verrichteten  somit  W.erke  des 
Teufels.  Die  Christen  aber,  die  dem  Orden  Unterstützung  ge- 
währten, verdienten  sich  das  ewige  Leben;  ihr  Krieg  sei  ge- 
recht und  erlaubt.  Wer  bestreite,  dass  der  Kaiser  dem  Orden 
Ländereien  zum  ewigen  Besitze  geben  könne,  sei  Feind  und 
Schmäler  der  kaiserlichen  Freiheit.  Wenn  die  Brüder  in  ihren 
(gerechten)  Kriegen,  die  sie  fiihrten,  um  den  Ungläubigen  ihre 
Länder  zu  entreissen,  Menschen  tödten,  so  begehen  sie  keinen 
Mord.'*  Wenn  sie  auf  dem  Feste  der  Reinigung  aufbrechen,  so 


»  8.  214. 

2  Nach  msfliRchem  Vorbilde. 
'  non  tarnen  committant  homicidiiim.  B.  222. 
Sitanngsber.  d.  phiU-hlst.  Ci.  XCV.  Bd.  lU.  Hft.  57 


884  HftfUr. 

geschehe  es,  weil  dann  die  Wasser  zugefroren  sind  und  einen 
leichten  Zugang  zu  den  Feinden  gewähren.  Krieg  fiihren  und 
die  eroberten  Länder  zu  behalten,  *  sei  fiir  die  Brüder  ein 
geistliches  Werk  und  keine  Sabathschändung,  wohl  aber  hätten 
die  Polen  am  Frauentage^  viele  tausende  von  Christen  ge- 
tödtety  noch  mehrere  von  den  Pferden  zertreten  lassen,  fünf- 
hundert Ritter  erschlagen,  Priester  ermordet,  geistliche  Gefasse 
zu  profanem  Gebrauche  verwendet,  Kirchen  verbrannt,  Re- 
liquien zertreten,  die  Eucharistie  in  den  Koth  geworfen.  Ihre 
christlichen  Bundesgenossen  hätten  sich  der  ewigen  Vcrdammniss 
würdig  gemacht,  seien  in  einer  Todsünde  gestorben,  der  König 
und  die  Herzoge  verdienten  deshalb  ihre  Krone  zu 
verlieren,  ja  sie  verdienten  von  Rechtswegen  die  Todes- 
strafe. Bereits  sei  durch  die  Verbindung  der  Polen  mit  ihren 
(ungläubigen)  Bundesgenossen  die  Sache  dahin  gekommen,  dass 
die  Eroberung  des  Ordenslandes  nicht  mehr  genüge.  W^itold. 
dessen  Ahnherr  ein  Schuster  gewesen,  sei  durch  die  Besiegung 
des  Ordens  zu  solchem  Uebcrmuthe  gekommen,  dass  er  geprahlt 
habe,  er  wolle  sein  Pferd  im  Rheine  tränken.^  Man  möge  bei 
Zeiten  vorbeugen  und  den  Polen,  ihrem  Könige  und  ihren 
Herzogen  die  Strafe  zu  Theil  werden  lassen,  die  sie  fiir  ihr 
Verbrechen  verdienten. 

So  dreist  und  herausfordernd,  rücksichtslos  und  keck  die 
Anklagen  lauteten,  die  Schrift  konnte  eine  grosse  Wirkung 
nicht  verfehlen.  Sie  war  in  ihrer  Art  ganz  klug  verfasst.  Sie 
Hess  den  nation.alen  Antagonismus  kaum  durchblicken,  ver- 
theidigte  nur  die  Sache  der  Christenheit,  zog  Papst  und  Kaiser 
auf  ihre  Seite,  indem  sie  ihre  Prärogativen,  und  zwar  in  sehr 
excentrischer  Auffassung  geltend  machte,  statt  der  deutschen 
Nationalität  wurden  das  Reich  und  die  Kaiserrechte  in  den 
Vordergrund  gestellt,  die  Sache  des  Ordens  war  die  Sache  der 
ganzen  Christenheit,  seine  Feinde  die  der  Kirche  und  des 
Kaiserthums,  die  Schwäche  des  Ordens  erzeugte  die  Schwäche 
des  Reiches,  und  der  litthauische  Fürst,  der  die  Burgen  des 
Ordens   brach,    vermass   sich,   sein    Pferd   im  Rheine    tränken 


*  sub  Romana  ecrlesia  et  monarchia  Bacri  imperii. 

2  lö,  Juli  (?)  UIO. 

3  sese  in  Beno  equum  sunm  adaquatnrnm. 


Abhandlangpn  aas  dem  Gebiete  der  sla vischen  GeschicLte.  II.  885 

lassen  zu  wollen!  Die  Gefahr  vor  den  falschen  Christen,  vor 
den  Ungläubigen  war  somit  dringend.  Sie  drohte  nicht  sowohl 
von  den  Flussiten,  den  Czechen,  als  vielmehr  von  den  Polen 
und  ihren  Bundesgenossen,  den  nur  zum  Scheine  bekehrten  Lit- 
thauern, und  wenn  das  Concil  sich  nachher  gegen  die  Czechen 
kehrte,  eher  Massregeln  gegen  diese  nothwendig  erschienen, 
waren  im  Interesse  des  Reiches  und  der  Kirche  vor  Allem  Mass- 
regeln gegen  die  Polen  nothwendig!  Es  mag,  da  auf  den  Tod 
des  Johannes  Hus  der  Process  des  Hieronjmus  von  Prag 
folgte,  auf  dessen  Tod  aber  die  Berathung  über  die  Massregeln 
gegen  die  Anhänger  beider,  die  Anklageschrift  gegen  die  Polen 
nicht  gleich  durchgedrungen  sein.  Allein  die  Polen  waren  da- 
durch auf  das  Tiefste  verletzt,  sie  waren  vor  dem  öcumenischen 
Concil,  vor  den  Vertretern  der  ganzen  Christenheit  als  falsche 
Christen,  als  Begünstiger  der  Häresie  und  des  Unglaubens,  als 
in  Todsünde  begriffen  und  des  Todes  würdig  dargestellt  worden. 
Man  konnte  gar  nicht  weiter  gehen.  Die  Ehre  der  Nation,  des 
Königs,  der  Herzoge,  des  Episcopates,  das  solches  duldete,  war 
verletzt,  mit  Füssen  getreten!  Dagegen  trat  das  Zerwürfniss 
mit  den  Czechen  in  den  Hintergrund;  das  bezog  sich  vorder- 
hand nur  auf  zwei  Persönlichkeiten.  Dort  war  die  ganze  Nation 
angeklagt. 

Wie  lange  Paul  Wladimiri  mit  seiner  Entgegnung  warten 
Hess,  ist  uns  nicht  bekannt,  da  sie  kein  Datum  trägt.  Allein 
der  Umfang  der  Anklageschrift  Falkenbergs  und  dann  der  des 
Tractates  Paul  Wladimiris  über  den  Kreuzherrenorden  und  den 
Krieg  der  Polen  gegen  die  erwähnten  Brüder,  um  die  Schrift 
des  Johann  von  Bamberg  ^  (Johann  Falkenberg)  zu  widerlegen, 
lässt  schliessen,  dass  die  letzterwähnte  Entgegnung  frühestens 
in  das  Jahr  1416  zu  setzen  ist.  Auch  Paulus  gebraucht  die 
scolastische  Form,  nämlich  der  polemischen  Erörterung,  um  die 
eigentliche  Entscheidung  dem  Concil  zu  überlassen.  Er  ging 
hiebei  von  der  Thatsache  aus,  dass  der  König  Wladislaus  von 
Polen  und  der  Orden  ihren  Streit  bereits  vor  König  Sigmund 
gebracht  und  sich  hiebei  der  Orden  auf  die  Schenkungsurkunde 
Kaiser    Friedrichs    II.    in    Betreff    Preussens,    Kurlands    und 


^  Johannes  de  Bomberga  wird  er   regelmfissig   im  Context  genannt;  viel- 
leicht nur  ein  Druckfehler.  Nach  Dlugoss  war  er  Predigermönch  von  Kamin. 

67* 


886  HöfUr. 

Litthanena,  dann  Litthauens,  Samagitiens  und  Russlands  stutzte, 
endlich  auf  die  Schenkungen  Alexanders  IV.  und  Clemens  IV., 
welche  aber  das  Eigenthum  der  zu  erobernden  Länder  der 
römischen  Kirche  vorbehielten.  Es  sollte  dadurch  der  christ- 
liche Glaube  ausgebreitet  werden;  die  Schenkung  sei  aber 
den  Hospitalitern  vom  deutschen  Hause  der  heiligen  Maria  in 
Jerusalem  geschehen,  wahrend  von  den  jetzigen  Kreuzherren 
Niemand  wisse^  dass  sie  sich  mit  einem  Hospital  abgaben; 
endlich  behaupteten  sie,  alle  Feinde  Christi  bekämpfen  und 
ihre  Länder  sich  aneignen  zu  dürfen;  der  Krieg  mit  den  Un- 
gläubigen aber  und  ihre  Vertreibung  sei  ihre  eigentliche  Auf- 
gabe. 1  Paul  wandte  sich  deshalb  der  Erörterung  zu,  ob  die 
erhaltenen  Schenkungsbriefe  rechtliche  Giltigkeit  besässen,  oh 
die  Brüder  ein  Recht  besässen,  fremdes  Eigenthum  (domininm 
zu  erwerben;  ob  überhaupt  der  Orden  als  ein  religiöser  zd 
betrachten  sei  und  von  der  Kirche  bestätigt  werden  könne. 

Es  handelte  sich  somit  um  nichts  Geringeres,  als  dem 
Orden  den  rechtlichen  Bestand  abzusprechen,  die  kaiserlichen 
und  päpstlichen  Urkunden  als  nichtig  darzustellen,  die  Ordens- 
kriege  als  ungerecht,  ihre  Besitznahme  von  Kurland,  Livland, 
Samagitiens,  wie  von  Preussen  als  nichtig,  die  Herausgabe 
dieser  iJinder  zu  verlangen,  ihnen  die  Schuld  des  vergossenen 
Blutes  zuzuschreiben,  jedes  Kecht  eines  dominium  ihnen  za 
bestreiten,  jede  Schenkung,  jeden  Vertrag  mit  ihnen  für  nichtig 
zu  erklären,  nicht  minder  die  Verpfändung  der  Neumarkt,  ihr 
Recht  auf  Pommern,  Chulm  und  Michalow;  die  ihnen  geleisteten 
Gelübde  von  Clcrikern  und  Laien  als  ungiltig,  ja  den  ganzen 
Orden,  der  nur  einen  Zweck  in  Bezug  auf  das  heilige  I^nd 
habe,  als  zwecklos  und  gegen  den  Glauben  gerichtet  zu  be- 
zeichnen. ^  Die  vorgebrachten  Urkunden  beruhten  selbst  auf 
Häresie,  die  ganze  Miliz  widerstreite  den  göttlichen  Gesetzen, 
und  der  Orden  müsse  deshalb  verhalten  werden,  Alles,  was 
er  für  sich  genommen,  herauszugeben. 

Wir  erfahren  nun  aus  der  Einleitung  in  den  zweiten 
Tractat  Pauls,  dass  der  eine  Tractat  Johanns  von  Falkenbei^ 
damals  bereits  von  dem  ConcÜ  verurtheilt  worden  war  und  in 


*  Thema. 
>  S.  263. 


AbhaDdluDgeii  uu  dem  Oebiete  der  gUTischen  Geschichte.  U.  887 

Betreff  eines  andern  das  Urtheil  erwartet  wurde,  auch  in 
Form  von  Rathschlägen  den  vier  Nationen  des  Concils  ein 
Reformationsplan  des  Ordens  übergeben  worden  war.  ^  Dies 
veranlasste  Paul,  den  neuen  Traetat  zu  schreiben,  um  sich  zu 
rechtfertigen,  als  wenn  der  seine  die  päpstliche  oder  kaiser- 
liche Autorität  benachtheiligen  wollte.  Man  erfährt,  dass  auch 
der  bekannte  Magister  Mauritius  von  Prag  ^  sich  an  dem  Streite 
betheiligte,  und  zwar  auf  Seite  der  Polen,  indem  er  dem  Papste 
den  Besitz  der  beiden  Schwerter,  des  geistlichen  imd  des 
weltlichen,  zuerkannte  und  namentlich  das  Bündniss  des  Königs 
mit  Ungläubigen  als  einen  Act  der  Nothwendigkeit  darzustellen 
sachte.  Die  Brüder  seien  der  angreifende  Theil  gewesen,  von 
ihnen  die  offenen  Briefe  ausgegangen,  sie  hatten  Schlösser, 
Dörfer  und  Städte  verbrannt,  das  Herzogthum  Dobrin  einge- 
nommen, den  König,  dessen  Reich  sie  umzustürzen  beabsich- 
tigton, zum  Kampfe  gezwungen,  und  während  er  selbst  noch  den 
Frieden  unterhandelte,  ihm  und  seinem  Bruder  zwei  Schwerter 
mit  der  Aufforderung  geschickt,  eine  Wahlstatt  zu  bestimmen, 
worauf  sie  den  Angriff  begonnen  hätten. 

Die  Sache  hatte  bereits  eine  eigenthümliche  Wendung 
genommen.  Der  Erzbischof  von  Gnesen  hatte,  da  Johann  von 
Falkenberg  sich  früher  als  Vertheidiger  der  Sätze  des  Jean 
le  Petit  gegen  die  Pariser  Doctoren  bemerkbar  gemacht  hatte,  ^ 
einen  Theil  der  Franzosen  für  sich.  Der  Erzbischof  brachte 
die  Sache  vor  König  Sigismund  und  das  Concil  und  der  Do- 
minikaner, welcher  sich  für  die  Unfehlbarkeit  der  Aus- 
sprüche des  Papstes  in  Glaubenssachen  erklärt  hatte,  *  sah  sich 
in  die  unangenehme  Lage  versetzt,  dass  seine  Schutzschrift  für 
den  Orden  als  verdammenswerth  erkannt  wurde. 

Die  Verwin'ung  der  Begriffe  war  im  Steigen.  Der  Streit 
hatte  eine  Menge  von  Fragen  in  die  Debatte  gezogen,  die 
eigentlich  dem  Gegenstande  fem  lagen,  wohl  aber  nicht  blos 
die  Rechte  des  Königs  von  Polen  oder  des  Deutscbherrenordens, 
sondern  auch  die  des  Papstes   und   des  Kaisers   betrafen.    Es 


»  S.  267. 

2  S.  268. 

'  Joh.  Gerson,  opera  V.  (2.  p.  1014). 

*  Schwab,  Johannes  Gerson  S.  66ö. 


888  nöfisr. 

war  jedenfalls  sehr  eigenthümlich^  wenn  das  Concil  eine  Schrift 
als  häretisch  bezeichnen  würde,  die  sich  für  die  Unfehlbarkeit 
des  Papstes  in  Olaubenssachen  ausgesprochen  hatte.*  £s  war 
natürlich,  dass  der  Dominikaner  bei  den  Berathungen  über 
seine  Schrift  auch  Personen  fand,  die  nicht  unbedingt  för  ihre 
Bezeichnung  als  häretisch  waren,  wenn  andererseits  auch,  so- 
bald eine  derartige  Untersuchung  begonnen  hatte,  die  Ver- 
haftung des  Verfassers  erfolgte.  Bei  der  Heftigkeit  der  An- 
klagen gegen  eine  ganze  Nation,  der  im  Augenblicke  der 
Zerwürfnisse  mit  den  Czechen  die  schärfste  Anklage  in  du 
Gesicht  geschleudert,  ja  der  rechtliche  Bestand  abgesprocheD 
wurde,  konnten  sich  die  Polen  mit  halben  Massregeln  nicht 
zufrieden  geben.  In  ihrem  Interesse  lag  es,  dass  ein  £xempel 
statuirt  werde,  und  so  lag  denn  die  Möglichkeit  gar  nicht  ferne, 
dass,  nachdem  die  eifrigen  Slaven,  Johannes  Hus  und  Ilie- 
ronymus  von  Prag,  als  Häretiker  auf  dem  Holzstosse  geendet, 
ihnen  der  übereifrige  Deutsche  Johann  Falkenbei^  nachge- 
sendet werde.  Sicher  hatten  die  Polen  gegen  eine  solche  Pro- 
Cedur  nichts  einzuwenden.  Es  konnte  ihnen  aber  zu  diej^^m 
Zwecke  nicht  genügen,  dass  Falkenbergs  Schriften  als  8canda^l^ 
und  irrthümlich  bezeichnet  wurden;  er  selbst  musste  als  Häre- 
tiker verurtheilt  werden,  was  nur  geschehen  konnte,  wenn 
Falkenbergs  literarisches  Auftreten  durchwegs  als  mit  Häiesie 
•erfüllt  dargethan  wurde.  Allein  der  Urtheilsspruch  der  Ver- 
ordneten der  Nationen  auf  dem  Concil  vom  7.  Juni  1417  lautete 
wohl  dahin,  dass  seine  Schrift  gegen  den  Glauben  und  die 
gute  Sitte  Verstösse,  schändlich,  aufrührerisch  und  grausam  sei,- 
jedoch  nicht  häretisch,  worauf  es  vor  Allem  ankam,  und  das 
Urtheil  selbst  war  nur  mit  Majorität  gcfasst,  aber  nicht  der 
Ausspruch  sämmtlicher  Richter.  ^  Die  Polen  waren  jedoch  ent- 
schlossen, die  Sache  bis  zum  Aeussersten  zu  treiben;  dem  sla- 
vischen  Häretiker  sollte  ein  deutscher  an  die  Seite  gestellt, 
Falkenberg  als  Irrlehrer  und  Ketzer  verurtheilt  werden.  Aber 
auch  die  Cardinäle,  geschweige  P.  Martin,  waren  nicht  für 
diese    Ansicht    zu    gewinnen,    was    den    polnischen    Bischöfen 


1  Schwab,  Johannes  Gersun  S.  663. 

2  Caro  HI,  S.  455,  n.  3. 

5  Von  der  Hardt  IV,  S.  1502. 


Abliftnd]iingeii  ans  dem  Gebiete  der  slaTiichen  Geschichte.  II.  889 

Anläse  gab,  sich  am  19.  Februar  1418  darüber  zu  beklagen,  dass 
die  Cardinäle  die  Sache  zu  lau  behandelten.  Noch  unange- 
nehmer gestaltete  sich  die  Sache,  als  auch  die  polnischen  In- 
quisitoren keinen  Auftrag  erhielten,  gegen  Falkenberg  besonders 
einzuschreiten.  Mochte  seinerseits  der  Papst  das  Mögliche  auf- 
bieten, den  Polen  die  kirchliche  Anerkennung  zu  gewähren, 
die  (vom  Papst  Johann  XXIII.  datirte)  Ernennung  des  Königs 
Wladislaus  Jagello  und  des  Grossfiirsten  Witold  zu  Vicaren 
der  römischen  Kirche  in  den  Ländern  Pskovv,  Nowgorod  und 
Samagitien  erneuern,  Witold  zum  Schutzherrn  des  Bisthums 
Dorpat  ernennen,  ^  es  genügte  alles  den  Polen  nicht,  die,  ihren 
Vortheil  erkennend,  noch  weiter  gehen  und  einen  feierlichen 
Beschluss  des  Concils  gegen  die  Doctrinen  Falkenbergs  ver- 
anlassen wollten.  Das  hiess  aber  nichts  Geringeres,  als  einen 
neuen  Conäict  herbeifuhren,  und  insbesondere  den  unter  der 
Decke  glimmenden  Nationalitätenhader  zur  Sache  des  Concils 
machen.  Dieses  hatte  aber,  wenn  in  der  Angelegenheit  des 
Johannes  Hus  der  Prager  Universitätsstreit,  diese  Quintessenz 
des  Nationalitätenhaders,  berührt  Avorden  war,  schnell  über 
ihn  hin  wegzugleiten  gestrebt.  Es  stand  zu  viel  auf  dem 
Spiele,  als  dass  Papst  Martin  V.,  bereits  nach  Entfernung  von 
drei  Päpsten  einziges  rechtmässiges  Haupt  der  Christenheit, 
nicht  sein  ganzes  Ansehen  hätte  aufbieten  sollen,  die  Sache 
nicht  auf  das  Aousserste  kommen  zu  lassen.  Die  französischen 
Doctoren,  welche  Falkenberg  grollten,  weil  er  sich  an  ihre 
französischen  Gegner  angeschlossen,  machten  in  dem  Ordens- 
streite gemeinsame  Sache  mit  den  Polen.  Beide  verlangten 
eine  Entscheidung  wegen  Ausrottung  der  üäresie,  und  unter 
Häretikern  konnte  man  jetzt  nicht  nur  die  Husiten,  sondern, 
je  nachdem  mau  sich  auf  den  Standpunkt  Falkenbergs  oder 
Paul  Wladimiri's  stellte,  den  Deutschherrenorden  oder  den 
König  von  Polen  verstehen.  Das  war  zu  viel  und  Papst 
Martin  hatte  daher  vollkommen  Recht,  als  er  am  10.  März  1418 
verlangte,  man  habe  sich  in  Glaubenssachen  seiner  Ent- 
scheidung zu  unterwerfen  und  nicht,  wie  Polen  und  Franzosen 
wollten,    an    ein   künftiges   allgemeines  Concil   zu   appelliren,  ^ 


>  Caro  S.  471,  472. 

^  Hefele,  Conciliengeschichte,  VlI,  1. 


890  Höfler. 

wenn  die  Entscheidung  nicht  nach  Wunsch  ausfiel.  Dadurch 
war  es  um  so  leichter,  aber  auch  um  so  gebotener,  g^en  die 
Häresie  in  Böhmen  aufzutreten.  Es  geschah  dieses  durch  die 
24  Artikel  des  Concils,  in  welchen  unter  Andern  auch  die 
Nothwendigkeit  ausgesprochen  war,  die  Universität  Prag  zo 
reform iren  und  die  Wiciefiten,  die  sich  nach  dem  Absuge  der 
Deutschen  in  den  Besitz  derselben  gesetzt,  zu  entfernen.  Papst 
Martin  erliess  schon  am  22.  Februar  1418  nicht  blos  die  Balle 
inter  cunctas,  welche  sich  ^egen  die  Häresie  in  Böhmen  richtete, 
sondern  stellte  auch  39  Fragen  auf,  die  an  die  der  Häresie 
des  Hus  und  Wicliff  Verdächtigen  gerichtet  werden  sollten, 
um  herauszubringen,  in  wieferne  Jemand  dieser  zugethan  sei. 
Er  bestätigte  die  iSentenzen  des  Concils,  das  nun  zur  Veröffent- 
lichung der  (7)  Keformdecrete  schritt  (21.  März  1418).  Je  unum- 
wundener aber  das  Concil  gegen  Häresie,  Häresiarchen,  Begünsti- 
ger und  Theilnehmer  der  Häresie  einschritt,  desto  unangenehmer 
musste  es  dem  Könige  von  Polen  und  den  Polen  überhaupt 
fallen,  dass  sie  in  der  den  vier  Nationen  übergebenea  An- 
klageschrift Johanns  von  Falkenberg  der  Häresie  beschuldigt 
worden  waren,  und  wenn  dieselbe  auch  zurückgewiesen  und 
zum  Feuer  verurtheilt  worden  war,  so  war  das  Urtheil  weder 
einstimmig  erfolgt,  noch  feierlich  von  dem  Concil  bestätigt 
worden.  Es  blieb  noch  immer  der  Vorwurf  auf  den  Polen, 
sich  mit  den  Czechen  in  einer,  wenn  auch  nicht  gleichen, 
doch  ähnliehen  Stellung  zu  befinden,  und  es  war  sehr  natürlich, 
dass  von  Seiten  der  Polen  alles  aufgeboten  wurde,  den  öffent- 
lich ausgesprochenen  Verdacht  durch  das  Concil  abzuwenden 
und  dieses  zu  einem  ihnen  günstigen  Beschlüsse  zu  vermögen. 
Bereits  hatte  am  22.  April  1418  die  fUnfund vierzigste 
allgemeine  Sitzung  des  Concils  begonnen.  Sie  war  die  letzte 
und  sollte  mit  dem  Friedensgebete  schliossen.  Bereits  hatte  im 
Auftrage  des  Concils  und  Papstes  der  Cardinaldiacon  die 
Worte:  gehet  nun  in  Frieden,  gesprochen,  die  Versammlung 
mit  Amen  geantwortet,  der  Bischof  von  Catania  sich  erhoben, 
die  Schlussrede  zu  halten,  als  sich  Caspar  von  Perugia,  Advocat 
des  Concils,  die  Gesandten  von  Polen  und  Litthauen  erhoben 
und  verlangten,  dass,  nachdem  alle  Cardinäle,  auch  Papst 
Martin,  als  Oddo  Colonna,  und  die  ,fünf^  Nationen  sich  gegen 
die   Schrift  Johanns   von   Falkenberg    erklärt,    die    feierliche 


AbbandluDgen  aas  dem  Gebiete  der  eiaTiecben  Oeaohichte.  IL  891 

Verurtheilung  derselben  durch  das  Concil  erfolge.  Geschehe 
dieses  nicht,  nachdem  doch  das  Concil  zur  Ausrottung  der  Hä- 
resie versammelt  sei,  so  müssten  die  Botschafter  Protest  ein- 
legen und  au  ein  künftiges  Concil  appelliren.  Das  öcumenische 
Concil  schien  sich  in  ein  gefahrliches  Schisma  aufzulösen.  Die 
Botschafter  CalixtuB,  Sancius,  PeterBoleste  und  Paul  Wladimiri  * 
standen  dafür  ein,  während  Johann,  Patriarch  von  Constantinopel, 
Johann,  Patriarch  von  Antiochia  aus  der  französischen  Nation, 
und  ein  spanischer  Dominikanermönch  die  behauptete  Ein- 
stimmigkeit des  Beschlusses  der  fünf  Nationen  läugneten.  Es 
konnte  aber  nicht  geläugnet  werden,  dass  die  Verurtheilung 
der  Anklageschrift  im  Juni  1417  erfolgt  war,  wenn  auch  in 
Folge  dieser  Verurtheilung  Johann  von  Falkenberg  nicht  dem- 
selben Schicksale  wie  Hus  verfallen,  aber  der  Häresie  an- 
geklagt, wie  dieser  gefangen  gesetzt  worden  war.^'  Aber  auch 
die  Behauptung  der  Patriarchen  stiess  auf  Widerspruch,  und 
zwar  durch  einen  spanischen  und  einen  italienischen  Procurator, 
Simon  von  Teramo  und  Augustinus  de  Lance  von  Pisa.  Der 
Streit  erhitzte  sich,  als  nun  auch  Peter  Wladimiri  das  Wort 
verlangte,  ein  Papier  herauszog  und  erklärte,  da  der  Procu- 
rator, der  im  Namen  Polens  und  Litthauens  gesprochen,  nicht 
Alles  gesagt  habe,  bitte  er  deshalb  um  die  Erlaubniss,  das 
Fehlende  ergänzen  zu  dürfen.  Er  fing  nun  an,  seinen  Tractat 
vorzulesen,  als  ihm  Papst  Martin,  mit  Recht  die  Auflösung 
des  Concil s  in  Hader  und  Streit  besorgend,  Schweigen  gebot 
und  nun  selbst  erklärte,  er  wolle  alles,  was  von  dem  Concil 
in  dessen  Versammlungen  (conciliariter)  in  Glaubenssachen  be- 
schlossen worden,  unverletzlich  halten.  Dieselbe  Erklärung  liess 
er  auch  durch  den  Consistorialadvocaten  Augustin  von  Pisa 
abgeben,  als  sich  Paul  Wladimiri  nochmal  erhob,  um  in  seiner 
Entgegnung  im  Namen  der  Botschafter  fortzufahren ;  der  Papst 
aber  liess  ihm  bei  Strafe  der  Excommunication  durch  den  Pro- 


^  Lenfant,  bist,  da  concile  de  Constauce,  Amsterdam  1714.  4*^.  II,  p.  579. 

2  captum  et  super  haeresi  delatum.  V.  d.  Hardt,  rerum  conciUi  Constan- 
tiensis  Actorum  T.  IV,  p.  loö2.  Job.  Dlugossi,  bist.  Polonica,  Francof. 
1711.  F.  il,  375.  Man  ersiebt  daraus,  dass  das  Concil  bei  der  Verhaftung 
des  Hus  nicbt  nach  Willkür  sondern  nach  Recbtsprincipieu  yerfabren 
war,  da  auf  die  Anklage  in  Betreff  der  Häresie  die  Personalbaft  erfolgte. 


892  H«fler 

curator  Augustin  befehlen,  zu  schweigen.  ^  Nichts  desto  weniger 
übergab  Paul  im  Namen  der  Abgesandten  von  Polen  und  Lit- 
thauen einen  Protest,^  da  das  Concil  gerade  die  grausamsten 
Häresien  (crudelissimae  haereses)  des  Johann  von  Falkenberg 
nicht  verurtheilt  habe.  £rst  nach  dieser  peinlichen  Seene, 
nach  Beendigung  eines  Tumultes,  der  in  Gegenwart  des  Papstes 
entstanden  war,  und  nachdem  Peter  Wladimiri  in  seinem  Eifer 
so  weit  gegangen  war,  ^  dem  Concil  gegenüber  zu  behaupten, 
man  müsse  Gott  mehr  gehorchen,  als  den  Menschen  und,  damit 
der  Papst  und  das  Concil  sich  nicht  mit  Unwissenheit  ent- 
schuldigen könnten,  jetzt  der  Protest  und  die  Appellation  an 
ein  neues  Concil  erfolge,  nachdem  man  selbst  zur  Verhaftung 
der  Renitenten  geschritten  war,  konnte  endlich  das  Constanzer 
Concil  geschlossen  werden. 

Es  war  von  äusserster  Bedeutung,  dass  die  Massregeln^ 
welche  es  getroffen,  die  husitische  Häresie  zu  bewältigen,  die 
Folge  hatten,  dass  der  böhmische  Adel  jetzt  auf  das  Ent- 
schiedenste Partei  nahm  fUr  die  von  dem  Concil  geächtete 
Sache.  Das  andere  slavische  Königreich  aber  befand  sich  in 
Aufregung,  weil  das  Concil  nicht  weit  genug  gegangen  war, 
die  Kechtgläubigkeit  Polens  und  Litthauens  zu  constatiren. 
Aus  ganz  entgegengesetzten  Ursachen  in  Böhmen  wie  in  Polen 
die  grösste  Unzufriedenheit  mit  dem  Vorgehen  des  Concils, 
die  slavische  Welt  somit  in  grösster  Erregung! 

Mag  man  nun  das  Verfahren  Papst  Martins  in  der  pol- 
nischen Angelegenheit  dogmatischen  Bedenken  zuschreiben, 
die  sich  auf  seine  Stellung  zum  Concil  bezogen,  so  ist  doch 
anderseits  klar,  dass  er  Alles  vermeiden  musste,  was  zu  den 
vorhandenen  Streitigkeiten  neue  und  wolil  unabsehbare  Wirren 
hinzufügen  konnte.  In  den  Klagen  der  Polen  gegen  die  Deutsch- 
herren,  der   letzteren   gegen    die  Polen    stellte  sich  doch  wohl 

1  Lenfant  II,  p.  610. 

2  Im  Proteste  (V,  d.  Hardt  IV,  p.  1556)  heisst  es :  Nicolaus  Archiepiacopus 
Gnesnensis,  Jacobus  Eplscopus  Cloconsis,  Petrus  Boleste  Protouotanus 
apostoUcus,  praepositus  ecclesiac  B.  M.  Lacateusis,  Gnesn.  dioces.,  Paalus 
Wladimiri  canoiiicus  et  custos  ecclesiae  Cracoviensis,  Johauues  de  Tol- 
lischove  castellanus  Calisicnsis  et  Zavisius  Niger  de  Sturbaso  capitaueos 
Gnesieusis  milites,  oratores  et  ambasi'iatores.  Siehe  auch  Voigt,  Gesch. 
Preussens,  VII,  8.  320. 

9  Lenfaut  II,  p.  610. 


Abhandlung«!!  anf  dem  Oehieie  der  slaTi^ckeB  Geschkhte.  11.  893 

heraus,  dass  Recht  und  Unrecht  auf  beiden  Seiten  lagen.  Der 
Streit   hatte  aber  durch  die  Parteischriften  eine  Wendung  ge* 
nonimen,  dass  es  sich  um  die  Giltigkeit  päpstlicher  Bullen  und 
kaiserlicher  Urkunden  handelte,  wie  um  das  ganze  bisher  einge- 
schlagene System  in    Betreff  des   Ordens.     Fragen   von  ganz 
ungemeiner  Tragweite  waren  aufgeworfen  worden,    die  denen, 
welche  sich  auf  Böhmen  bezogen,  an  Wichtigkeit  nicht   nach- 
standen.    König  Sigmund   war  hiebei  nicht  weniger  betheiligt 
als    der  Papst   selbst   und   kein  Verständiger,   scheint  es  mir, 
kann  es  Martin  V.  verübeln,   wenn   er   die  heikele  und  unan- 
genehme  Angelegenheit,    die    die   Gemüther   aufs   Aeusserste 
erregt  hatte,   dem  Concil  zu  entziehen  suchte,   das   bei  einem 
weiteren  Eingehen   in   den  Streit   noch   die  längste  Zeit  hätte 
versammelt  bleiben  müssen,  um  zuletzt  doch  im  grössten  Hader 
auseinander  zu  gehen.  Papst  Martin  suchte  eben  deshalb  wie  der 
römische  König  ausserhalb  des  Concils  die  Sachen  beizulegen. 
Er  nahm  auch  den  Urheber  des  Streites,  Johann  von  Falken- 
bei^,    mit   nach  Rom,   um  durch  seine  Entfernung  den  Hader 
niederzuhalten,  nachdem  derselbe,  wie  Dlugoss  behauptet,  von 
dem  Concil  zur  ewigen  Haft  verurtheilt  worden   war,  ^   einem 
Schicksale,  das  Johann  von  Husinetz  bevorstand,   und  dem  er 
sich  durch  seine  Erklärung:  volo  mori,  ich  will  sterben,  entzog. 
Die  späteren  Schicksale  Johannes  von  Falkenberg,  welcher 
nach    einiger  Zeit  aus   Rom    nach    Deutschland  zurückkehrte, 
endlich    selbst    mit    dem  Deutschherrenorden    in    Zerwürfniss 
gerieth,  bieten  kein  weiteres  Interesse  für  uns  dar.   Wichtiger 
zur  Kenntnissnahme  des  inneren  Verlaufes  der  Dinge  ist,  dass, 
während  in  Böhmen  die  Dinge  sich  immer  mehr  zum  Bürger- 
kriege,   zur  Auflösung   aller   kirchlichen   und  politischen  Ver- 
hältnisse anliessen,  in  Polen  der  Erzbischof  Nicolaus  (H.  Traba) 
von  Gncsen   bereits    1420   eine   grosse  Nationalsynode  erst  in 
Vielau,    dann    in  Kaiisch  mit  seinen  Suffraganen  von  Krakau, 
Plocz,  Posen,  Wilna,  Breslau  und  Lublin  hielt,    um   im  Ange- 
sichte  der   aus  Böhmen   drohenden  Gefahr  eine  Consolidirung 
der  Verhältnisse   zu   erwirken,   und   zwar  auf  Grundlage   der 
von    dem  Constanzer  Concil   eingeleiteten  Reform.  2     Die  Ver- 

*  Diugosfiufl  p.  377. 

^  Statuta  toti  proviiiciae  Giiesiieiisi  valentia  coudita  praeside  Nicoiao  II. 
Traba  Archiepiscopo  Gnesnensi  in  syuoudo  provinciali  VielaDo-CaliuienBi 


894  H«fler. 

urtheilung  des  Wiciiff,  dos  Johannes  Hus,  ihrer  Anhänger,  sowie 
des  Satzes  von  der  Nothwendigkeit  des  Laienkelches  wurden 
an  die  Spitze  gestellt;  die  Synode  regelte  die  Wahlen  der 
Prälaten,  das  Verhältniss  zu  den  weltliehen  Gerichten,  gab  ge- 
naue  Vorschriften  in  Betreff  des  Lebens  der  Geistlichen,  ihrer 
Kleidung,  ihres  Zusammenlebens  mit  Frauenspersonen,  über  Kauf 
und  Verkauf,  Testamente  und  Begräbniss,  Zehenten  und  Pa- 
tronatsrechte,  Immunitäten,  Fernehaltung  der  Cieriker  und 
Mönche  von  Einmischung  in  weltliche  Geschäfte,  Streitigkeiten 
und  Vergnügungen.  Sie  regelte  die  ehelichen  Verhältnisse, 
trat  der  Simonie  und  dem  Judenwucher  entgegen,  wie  der 
Häresie,  wobei  namentlich  Böhmen  in  das  Auge  gefasst  wurde,' 
dem  Raube,  dem  Wucher,  der  Zauberei,  und  gab  so  dem  Clems 
ein  Gesetzbuch,  an  das  er  sich  in  «chweren  Zeiten  halten 
konnte.  Schon  1423  folgte  Bischof  Albert  Jastrzabiec  von 
Krakau  mit  einer  Synode  nach,'^  welche  insbesondere  Wesen 
und  Bedeutung  der  Sacramente  und  von  diesen  in  ausfuhr- 
licher, der  böhmischen  Anschauung  entgegengestellter  Ausein- 
andersetzung, das  Wesen  der  Eucharistie  betonte.  Die  Synode 
regelte  das  Predigtamt,  trat  hiebei  den  Laienpredigten  ent- 
gegen und  legte  selbst  den  Grund  zu  dem  weiteren  Vorgehen 
des  berühmten  Bischofs  Sbigneus  Olesnicki  von  Krakau  und 
der  Oppositionsstellung,  die  Polen  dem  hussitischen  Böhmen 
gegenüber  einnahm. 

Polen  und  Böhmen  traten  im  wichtigsten  Momente  der 
slavischen  Geschichte  einander  feindlich  gegenüber  und  nur 
darin  fand  eine  Vereinigung  der  orthodoxen  Polen  und  schis- 
matischen  Czechen  statt,  dass  sie  beide  eine  Verfolgung  der 
deutschen  Sprache  und  des  deutschen  Elementes  in  Scene 
setzten.  3     Das  aber  war   für  jeden  Theil  gleich  schlimm,  da 

a°    1420   (Wydawnictwa  Komisyi  historycsnej   akademii   omiejetnosci  w 
Krakowie.  K.  6.  1875),  Editionem  ouravit  Prof.  Dr.  üdalrirus  HeynDann. 

1  Heysmann  S.  241. 

2  Heyzmann  8.  60. 

'  Jetzt  erscheinen  Cirulus  et  Metudns  confessores  als  patroni  et  apoatoli 
hujus  regni  (Poloniae)  1436.  Heyzmann  S.  32.  Von  grossem  Interesse 
sind  noch  die  concordata  dominorum  laicorum  cum  praelatis  eccleaÄe 
a.  1440  (Ed.  Heyzmann  8.  53)  und  der  tractatus  de  natura  juriam  et 
bonorum  regis  et  de  reformatione  regni  ac  ejus  reipublicae  regiDune, 
0d.  M.  Bobrzynski  (Cnicoviae  1877),  sowie  des  darissimi  Baronis  Jotnnis 


AbhandliiB^ii  an«  dem  Gebiete  der  sleTiseheii  Geechichte.  II.  895 

hiedurch  ein  natürlicher  Process  in  seiner  Entwicklung  aufge- 
halten wurde,  den  die  früheren  Jahrhunderte  eingeleitet  hatten, 
als  die  Colonisation  der  Niederdeutschen  nach  den  Slaven- 
ländern  durch  die  der  Oberdeutschen  einen  eigenthümlichen 
Gegenhalt  erlangte.  Flamänder  mit  niederdeutschem  Rechte, 
Franken  mit  oberdeutschem  stürzten  sich  über  Böhmen  und 
Mähren,  wie  über  das  Königreich  Polen.  Vor  dem  Jahre  1197 
ist  das  deutsche  Recht  in  den  böhmischen  und  mährischen 
Territorien  ungewohnt  und  unbekannt.  Zweihundert  Jahre 
reichen  hin,  es  einzubürgern.  Das  Magdeburger  Recht,  wie 
der  Schwabenspiegcl  gewinnen  Boden,  der  Weinbau  wird  nach 
deutscher  Sitte  gepflegt,  nach  deutschem  Rechte,  Purkrecht, 
werden  Dörfer  angelegt.  Wo  es  sich  um  volkswirthschaftliche 
Besserung  handelt,  werden  Deutsche  berufen  und  ihnen  ihr 
Recht  gewährleistet.  Die  Verwüstungen  im  Gefolge  des  Mon- 
goleneinfalles 1241  begünstigen  die  deutsche  Colonisation  in 
Ungarn  wie  in  Polen.  Die  Macht  des  deutschen  Kaiserthums 
sinkt  seit  der  Mitte  des  XIII.  Jahrhundertes,  aber  die  Aus- 
breitung des  deutschen  Volkes  ist  im  Osten  im  steten  Wachs- 
thum  begriffen.  *  Zu  den  königlichen  Städten  in  Böhmen  ge- 
sellen sich  die  befestigten  Marktflecken  der  grossen  Herren, 
welche   die  Landleute,   die   sich   dahin   begeben,    mit   grossen 


Ofltrorog  juris  ntrinsqne  doctoris  monnmentnm  pro  comitiifl  generAlibns 
reg^i  sab  rege  Casimiro  pro  reipnblicae  ordinatione  eongestom  (1477), 
gleichfalls  Ton  Michael  Bobrzynski  1877  heraasgegeben.  Ich  ftlhre  zum 
Schlüsse  ans  diesem  (§.  XXII)  eine  Stelle  an.  De  concionibas  (in)  lingua 
Alemanornm.  O  rem  indignam,  omnibns  Polonis  ignominiosam  I  In 
templis  nostris  lingna  Thentonica  mnltis  in  locis  praedicatnr  et  quod 
iniqnins  in  loco  snggesto  ac  dig^iori,  ubi  una  tantam  anns  dnaeve  anscnl- 
tant,  plnrimis  Polonis  in  angnlo  qnopiam  com  sno  concionatore  con- 
Btrictis.  Qaoniam  antem  sicnt  intor  quaedam  alia  fit,  ita  inter  has  dnas 
lingnas  natnra  yeliiti  qnandamperpetuamdiscordiamodiQmqne 
inseniit  naturale,  hortor  ne  in  Polonia  sermo  iste  praedicetur.  Discant  Polone 
loqni  si  qni  Poloniam  habitare  contend^unt,  nisi  adeo  stupidi  eane  yolumus 
nt  yel  ab  ipsis  Alemanis  de  nostro  idiomate  idem  fieri  non  percipiamus. 
Quod  si  utiqne  adyenamm  gratia  tali  opus  sit  concione,  id  aliqno  in 
private  fiat  loco,   ubi  Polonorum  dignitati  non  officiat   p.  126. 

^  Der  Codex  diplomaticus  Poloniae    von    Rzyszczewskj    und  Muczkowski 
(Varsariae  1848)  enthält  die  zahlreichsten  Beispiele  über  Verleihung  des 
deutschen  Rechtes  an  die  villac   tentonicales   (II,    1,   n.   106.  144.  156. 
266.  271.  272  etc.  Wnttke,  Stüdtebuch  des  Landes  Posen.  I,  186. 


896  UAfUr. 

Freiheiten  begaben.  Die  geistlichen  Orden  erwirken  für  ihre 
Städte  die  Freiheiten  des  deutschen  Rechtes.  In  Polen  be- 
förderten gerade  sie  die  deutschen  Ansiedlungen.  Dörfer  mit 
ganz  polnischen  Namen  erhalten  (1223)  durch  Ziemomysl, 
Herzog  von  Cujavien,  das  Privilegium  des  deutschen  Rechtes. 
Die  Könige  von  Polen  wie  die  von  Böhmen  verleihen  deo 
Städten  das  deutsche  Recht.  Wenn  König  Casimir  1347  eine 
villa  bessern  will,  wandelt  er  das  polnische  Recht  in  das  denteche 
um«  *  Krakau,  Sendomir,  Neumarkt,  Korsyn,  Plock,  Posen^  Pi> 
biedziska,  Zdunkow,  Sandomirz,  Miechow,  Sieradz,  Kaiisch. 
Lublin,  Slupca,  Gnesen,  Nakel,  Mosyna,  Inowraclaw,  Brzedc, 
Radziezewo  genossen  schon  im  XIII.  Jahrhunderte  die  Frei- 
heiten des  deutschen  Rechtes.  ^  Das  Land  bedeckte  sich  mit 
dem  kleinen  flämischen  Besitzthum.^  Ueberall  tritt  der  deutsche 
Scultctus  auf,  dem  mit  seinen  Nachkommen  auf  ewige  Zeiten 
gewisse  Güter  ^  gegeben  werden.  Das  polnische  Recht,  welches 
das  deutsche  verwirren  könnte,  wird  durch  königlichen  Be- 
schluss  entfernt.''  Alle  Citationen,  wie  polnische  Palatino,  Ca* 
stellane,  Richter,  Unterrichter  und  ihre  Ministerialen  werden 
dadurch  abgethan,  der  Schultheiss  ist  der  deutsche  Richter, 
der  vor  seinem  Herrn,  oder  wenn  dieser  nachlässig  ist  in 
Ausübung  der  Gerechtigkeit,  vor  dem  Könige  sich  zu  verant- 
worten hat.  ^ 

Es  ist  nun  bekannt,  welchen  Riegel  der  Ausbreitung  pol- 
nischer Herrschaft  nach  dem  Westen  die  Erwerbung  der  Mark 
Brandenburg  durch  Kaiser  Karl,  wie  überhaupt  dessen  Mass- 
regeln in  Niederdeutschland,  vorschoben.   Die  Stellung  Polen? 


^  cupientes  yiUas  nontri  regni  meliorare  et  iiberiun  locnre)  villam  nostrjiiD 
dictam  Smilovicze  de  jure  polonicn  in  jus  tentonicnm  qnod  Magdebor- 
(^reiiiie  dicitnr  qiin  civitas  BreAtenaiR  est  locata  trausferertes  perp'tuo 
dnraturam.  Cod.  dipl.  Polon.  II,  1,  n.  27i). 

*  Roepel,  Gesch.  Polens,  I,  Beilage  XIX. 

'  agri  flaminßciti,  mansi  parri  flnmingici,  %n  2  Mansen,  selbst  zu  einem. 

*  ratione  locationis. 

*  removentes  omnia  jura  polonicalia  modos  et  consnetndines  qnae  ip^nm 
jus  teutonicnm  pertiirbare  consueverunt.  Urk.  KOnig  Casimirs  (nr  die 
villa  Orszewice. 

*  Die  ofBciales  dürfen  eine  derartige  villa  gar  nicht  betreten.  Cod.  Hipl. 
11.  319  u.   1378.  n.  338  n.  1399. 


Abhandlnngen  aus  dem  Gebiete  der  sUvischen  Oeechichte.  11.  897 

wird  allmälig  eine  andere.  Im  Innern  aber  gehen  auch  mannig- 
fache Veränderungen  vor.  Gegen  das  Ende  des  XIV.  Jahr- 
hundertes  werden  die  Scultetiae  vorkanft.  ^  Es  muss  bestimmt 
werden,  dass  die  Sculteti  im  Dorfe  wohnen,  drei  Male  im  Jahre 
ein  allgemeines  CoUoquium  (Sprache)  halten  müssen.  Die  alten 
Privilegien  gehen  durch  die  Kriege  im  Anfange  des  XV.  Jahr- 
hundertes  allmälig  verloren.  Der  Grundbesitz  wechselt  durch 
Pfand   oder  Verkauf.     Es    wird   nothwendig,    das    Privilegium 

scultetiae  zu  reformiren.  Da  findet  man  in  den  alten  Urkunden 

• 

nichts  davon,  sondern  nur,  dass  die  villa  begründet  worden; 
das  andere  verstand  sich  von  selbst.  Hatte  das  Dorf  (a  pri- 
maeva  locacione)  41  Mansos  an  Ackerland,  so  erhielt  der  scul- 
tetus  davon  4  feine  Mausen  mit  einem  Theile  des  See's.  Daraus 
scheint  eine  Art  Herrschaft  entstanden  zu  sein,  vor  welcher 
die  ursprüngliche  Verpflichtung  schwand.  Doch  gewährte  noch 
immer  die  Verleihung  des  deutschen  Rechtes  Vortheile,  die 
man  durch  das  polnische  nicht  erlangte.  Als  1412  die  Stadt 
Grabow  gegründet  wurde,  erhielt  sie  mit  Ausschluss  des  pol- 
nischen Rechtes  das  Magdeburger.  Ebenso  1425  Drzowa.^ 

Es  war  aber  immer  bemerkenswerth,  dass  das  Bürger- 
thum,  wie  der  freie  Bauernstand,  dessen  Eigenthum  und  Person 
durch  Rechtsverleihungen  gesichert  waren,  durch  eine  fremde 
Nationalitat  getragen  war,  somit  nicht  blos  etwas  Fremdartiges, 
Importirtes  war  und  blieb,  sondern  auch  den  Fluctuationen 
verfiel,  die  im  politischen  Leben  entstanden.  Das  Königreich 
Polen  konnte  nicht  mit  den  Deutschherren  einen  Kampf  auf 
Leben  und  Tod  bestehen,  ohne  dass  im  Innern  ein  Rückschlag 
gegen  das  Deutschthum  erfolgt  wäre.  Nur  erfolgte  derselbe, 
als  die  Polen  Sieger  im  Kampfe  blieben,  nicht  in  der  grellen 
Weise,  wie  dies  in  Böhmen  geschah,  wo  auf  einmal  die  deutsche 
Bevölkerung,  in  Prag  von  Haus  und  Hof  vertrieben,  zu  ver- 
schwinden beginnt,  weil,  um  das  eigene  ßesitzthum.  Habe  und 
Gut  nicht  zu  verlieren,  nur  der  eine  Ausweg  übrig  blieb,  sich 
zu  czechisiren. 

Es  war  unter  diesen  Verhältnissen  keine  Kleinigkeit^  dass 
die    polnischen   Bischöfe    und    Grossen    von    dem   Constanzer 

»  Cod.  dipl.  n.  323.  1380. 

>  Cod.  dipl.  n.  355.  371.  416.  Cod,  dipl.  civit  CracoY.  T.  I.  n.  88,  91  etc. 


898  HSfUr. 

Concil,  welches  die  Nationen  vereinigen  sollte,  mit  dem  Stachel 
im  Herzen  nach  Hanse  kehrten.  Der  ganze  nationale  Antapv 
nismus  war  zum  Vorschein  gekommen  und  wenn  in  nächster 
Zeit  eine  Partei  sich  an  den  Hussitismus  —  die  Erhebung  des 
exdnsiv  slavischen  Elementes  in  Böhmen  —  anschloss,  durfte 
man,  um  den  Grund  dieser  Erscheinung  sich  klar  zu  machen, 
nicht  lange  Umfrage  halten.  Es  ist  eine  grosse  und  bemerkeD?- 
werthe  Thatsachci  diese  Oppositionsstellung;  die  das  slaTische 
Element  am  Schlüsse  des  grossen  allgemeinen  Reichstages,  den 
man  das  Constanzer  Concil  nennt^  in  Polen  und  in  Böhmen 
einnahm,  und  dass  die  grosse  kirchliche  Versammlung  an 
schwäbischen  Meere  wohl  eine  Annäherung  zwischen  Romanen 
und  Germanen  anbahnte,  aber  den  Streit  zwischen  Slaven  und 
Deutschen,  welcher  durch  die  Germanisirung  Niederdeutsch- 
lands  beendet  schien,  jetzt  erst  in  ein  deutsches  Reichsland 
trug,  das  im  XIV.  Jahrhunderte  die  Basis  des  Kaiserthams 
gewesen  war,  nun  aber  die  Polen  auf  die  Seite  der  Czechen 
zu  treiben,  sich  die  Aufgabe  zu  stellen  schien. 

Gerade  das  Concil,  welches  sich  die  Pacification  der 
christlichen  Welt  zur  Aufgabe  gestellt  hatte,  wurde  der  Aus- 
gangspunkt des  heftigsten  Streites  zweier  christlicher  Völker, 
die  bisher  in  kirchlichen  Dingen  auf  das  Innigste  vereinigt 
waren. 


AbhM41aDg0ii  aot  4«ib  Oebtete  dar  •UTlsebeo  Oeaebiebtei  III.  899 


m. 

Die  Schlacht  am  Zlzkaberge  TOr  Prag. 

14.  Juli  1420. 
Mit  BenütsEang  eines  bisher  anbekannten  gleichzeitigen  Berichtes. 

Das  Verdienst,  auf  die  hohe  Bedeutung  des  hussitischen 
Geschichtschreibers  Lanrentius  von  Brezina  hingewiesen  und 
die  Forscher  wenigstens  mit  einem  Theile  der  fär  die  ersten 
Kämpfe  der  Hussiten  wichtigen  Chronik  bekannt  gemacht  zu 
haben,  gebührt  einem  Deutschen,  Ludewig,  welcher  in  den  re- 
liquiis  manuscriptorum  c.  VI,  p,  124.  216  einen  Theil  der- 
selben, und  zwar  in  einer  wenig  brauchbaren  Weise  abdrucken 
liess.  Als  Palacky  seine  Würdigung  der  alten  böhmischen 
Geschichtschreiber  herausgab,  erwähnte  er  eines  Papiercodex 
als  der  wichtigsten  Handschrift,  von  welcher  andere  Abschriften, 
die  er  (Palacky)  eingesehen,  in  späterer  Zeit  genommen  waren. 
Von  einem  in  Breslau  befindlichen  Exemplare  habe  er  nur 
mündliche  Nachricht,  Dobner  eine  alte  Pergamenthandschrift 
gekannt.  Das  ganze  Werk,  soweit  wir  es  nämlich  besitzen,  sei 
bis  auf  den  heutigen  Tag  noch  nirgends  gedruckt  worden. 
(S.  204—209.) 

Da  Palacky  bei  seiner  Benützung  des  Laurentius  dem 
Codex  üniv.  Prag.  I,  S.  10,  die  von  ihm  erwähnte  Papier- 
handschrift zu  Grunde  legte,  glaubte  ich  bei  der  Herausgabe 
des  Laurentius  dasselbe  thun  zu  müssen.  Ich  benützte  femer 
die  in  der  fürstlich  Lobkowitz'schen  Bibliothek  zu  Prag  be- 
findliche Handschrift:  magistri  Laurentii  Brezina  chronica  Bo- 
hemiae  ex  antiquissimo  manuscripto  desumtum  (Bibl.  Principum 
de  Lobkow.  n.  363),  wobei  man  an  Dobner*s  Pergament- 
handschrift denken  mag,  die  sich  aber  noch  nicht  auffinden 
liess  und  schwerlich  je  gefunden  wird.  Von  dem  Breslauer 
Codex  verschaffte  ich  mir  durch  Herrn  Professor  Gindely 
Eenntniss  und  aus  ihm  stammt  das  in  den  Geschichtschreibern 
der  hussitischen  Bewegung  B.  I,  S.  303  abgedruckte  prooemium, 
wobei  der  Autor  als  Laurentius  de  Brezina  bezeichnet  wurde. 

SitxsBgsber.  d.  phü.-hisi.  Gl.  ICY.  Bd.  III.  Hft.  68 


900  HSf1«r. 

Nur  mu88  man  gänzlich  dahingestellt  lassen,  ob  diejenige 
Handschrift  des  Laurentius,  welche  Falacky  fär  die  reichhal- 
tigste hielt,  es  auch  wirklich  ist,  wenn  auch  nicht  gezweifdt 
werden  kann,  dass  sie  von  den  bisher  aufgefundenen  die  am 
besten  erhaltene  ist  Daneben  hat  sich  aber  in  der  Prager 
Universitätsbibliothek  noch  eine  andere  gefunden,  die^  wie  ich 
nachwies.  Vieles  enthält,  was  der  bisher  benützte  Universitäts- 
codex  nicht  enthält,  somit  wirklich  die  reichhaltigste,  leider 
auch  die  am  meisten  verstümmelte  ist.  Sie  folgt  auf  ebe 
andere  Chronik,  in  der  es  heisst:  obiit  Serenissimus  rex  La- 
dislaus  1457,  est  clam  suffocatus.  Da  im  Zeugenverhör  über 
König  Ladislaus'  Tod  dieser  Chronik  nicht  gedacht  wurde,  ist 
wohl  anzunehmen,  dass  sie  Palacky  überhaupt  nicht  kannte. 
Freilich  hat  er  auch  die  Rosenbergische  Chronik  darin  nicht 
erwähnt,  in  der  es  heisst:  intoxicatus  (Ladislaus)  per  Oirzi- 
konem  de  Podiebrad  gubematorem  regni,  worauf  noch  in  Betreff 
der  neuen  Königswahl  gesagt  wurde:  et  alii  Barones  oportebant 
assentire  coacti  habuitque  (Girziko)  in  praetorio  tres  tortores 
aptos  astantes.    (Cod.  Univ.  Prag.  XI.  D.  8.) 

Ob  er  aber  diese  Handschrift,  ehe  ich  davon  Ghebraach 
machte,  kannte  oder  nicht,  mir  wurde  dadurch  klar^  warum 
Franticek  Palacky  gar  so  übler  Laune  wurde,  als  ich  den 
Codex  XI.  D.  8  benützte,  während  ich  mir  eher  darüber  dnen 
Vorwurf  mache,  dass  ich  nicht  alle  Varianten  mittheilte.  Pa- 
lacky selbst  hat  uns  den  Laurentius  in  der  Würdig^ung  als 
einen  ehrlichen  Ultracalixtiner  vorgefiihrt,  an  dem  nichts  aus- 
zusetzen ist,  als  seine  Abneigung  gegen  —  die  Taboriten.  Er 
trage,  heisst  es  in  der  Würdigung,  einen  nicht  geringen  Theil 
an  der  Schuld,  dass  an  die  Namen  der  Taboriten  und  eines 
Zizka's  alle  Gräuel  menschlicher  Vorstellungskraft  sich  an- 
knüpfen, während  es  nichts  Geschichts widrigeres  gebe  (S.  244). 

Andere  Personen  werden  sagen,  dass  Laurentius,  der  die 
Taboriten  entstehen  sah,  ihr  Treiben  persönlich  gewahrte  und 
wie  jede  edlere  Natur  von  diesem  mit  Eckel  und  Widerwillen 
erfüllt  wurde,  ein  zwar  sehr  lebhaftes,  aber  auch  sehr  treues 
Bild  von  ihnen  entwarf.  Doch  davon  soll  hier  nicht  weiter  die 
Rede  sein,  wohl  aber  von  einer  Schlacht,  bei  welcher  wir  uns 
ganz  besonders  auf  Laurentius  stützen  müssen  und  die  selbst 
zu  einem  grossen  Ereignisse  künstlich  aufgebauscht  wurde.  Es 


Abbmndlmigen  wxis  dem  Gebiete  der  slaTiecben  Geicbiebte.  11 1. 


901 


ist  die  Schlacht  am  Zizkaberge  vor  Prag,  14.  Juli  1420;  welche 
wir  durch  einen  gleichzeitigen  Bericht  zu  ergänzen  vermögen; 
der  bisher  allen  Forschern  unbekannt  war  und  den  ich  Herrn 
Professor  Dr.  Pauli  in  Göttingen  verdanke.  Ich  bringe  nun  zuerst 
auf  der  einen  Seite  den  Bericht  des  Laurentius,  auf  der  andern 
die  Darstellung  Franticek  Palacky's  und  führe  nur  aU;  dass 
nach  dem  eigentlichen  Eriegsplane  erst  das  Vorwerk  auf  dem 
GalgenbergC;  das  Zizka  erbaut  hatte,  angegriffen  und  ge- 
nommen werden  sollte,  dann  aber  sollte  Prag  selbst  von  dem 
Wissehrad  im  Süden,  im  Westen  von  dem  Hradschin,  und 
endlich  vom  Osten,  dem  Spitalfelde,  somit  von  drei  Seiten  an- 
gegriffen werden,  wobei  immer  noch  die  Frage  blieb,  in  wie- 
feme  eine  Reiterarmee,  und  König  Sigmunds  Heer,  das  auf 
dem  linken  Moldauufer  stand,  war  nach  der  schlechten  Art 
der  damaligen  Zeit  vorzugsweise  aus  Cavallerie  zusammen- 
gefügt, gegen  eine  durch  Mauern,  Thürme,  Gräben,  Ver- 
schanzungen  aller  Art  wohlgeschützte  und  zur  Vertheidigung 
entschlossene  Bevölkerung  irgend  etwas  Nachdrückliches  aus- 
zurichten im  Stande  war. 


Laurentius  p.  377.  378. 

1.  Misnenses  vero  cum 
suis  et  sibi  VII  aut  VIH  milli- 
bus  junctis  equestribus  montem 
ascendunt  cum  impetu  et  tubici- 
nis  praetactum  ligneum  inva- 
dunt  propugnaculum  fossatum  et 
turrim  vineae  obtinentes  et  cum 
murum  ex  terra  et  lapidibus 
factum  vellent  ascendere  duae 
mulieres  cum  una  vii^ine  et 
XXVI  forte  viris  qui  pro  tunc 
in  propugnando  remanserunt 
viriliter  lapidibus  (et  cuspidi- 
bus.  Cod.  XL  D.  8)  resistentes 
defendebant,  telis  enim  et  pixi- 
dum  pulvere  carentes.  Una 
igitur  ex  praetactis  mulieribus 
licet  inermis  virorum  vincebat 


Palacky. 

Als  nun  die  Deutschen 
mit  einigen  tausend  Reitern  den 
Berg  von  allen  Seiten  unter 
Trompetenklang  und  grossem 
Lärm  umringten  und  sich  dort 
im  Weinberge  eines  festen 
Thurmes  im  Sturme  bemäch- 
tigten, Hess  sie  Zizka  ohne 
grossen  Widerstand  zu  dem 
neuen  Bollwerke  herankommen, 
in  welchem  sich  26  Männer, 
2  Frauen  und  ein  Mädchen 
mannhaft  wehrten.  Auch  Zizka 
schwebte  zu  dieser  Zeit  in 
solcher  Gefahr,  dass  ihn  seine 
Krieger  nur  mühsam  mit 
Dreschflegeln  aus  den  Händen 
der  Feinde  herausschlugen.  In 

68* 


902 


H5f1«r. 


animum  nolens  a  loco  sno  pedem 
retrahere,  antichristo,  inquit, 
non  licet  Christiano  cedere  et 
sie  animose  pugnang  interfecta 
spiritam  exhalavit. 

2.  Ziska  quoque  veniens 
et  ipse  prostratUB  esset  nisi  sui 
cam  trituris  eum  de  hostium 
manibus  eraissent  Et  cam  jam 
tota  fere  civitas  de  perdi- 
tione  sua  formidaret,  orationes 
et  lacrimas  cum  parvulis  fundeDB 
Bolum  auxilium  de  coelo  prae- 
stolabatur. 

3.  Advenit  interim  pres- 
byter  com  corporis  Christi  sa- 
cramento  et  post  eum  50  forte 
sagittarii  et  ceteri  rustici  in- 
ermes  cum  trituris 

4.  et  statim  inimici  viso 
sacramento  et  audito  campa- 
nulae  sono  magnoque  populi 
clamore  vebementi  timore  pro- 
strati  terga  vertunt  citius  fu- 
gientes  alter  alterum  cupiens 
in  cursu  praevenire. 

5.  Quo  impetu  se  conti- 
nere  non  valentes  multi  de  rupe 
alta  decidentes  coUa  confrin- 
gunt  plurimis  per  insequentes 
caesis,  sie  quod  spatio  unius  ho- 
rae  trecenti  fuere  interempti 
(Cod.  XI.  D.  8  trecenta)  aliis, 
letabiliter  vulneratis  et  ab- 
ductis. 


dem  hitzigsten  Zeitpunkte,  als 
schon  fast  die  ganze  Stadt  an 
der  Behauptung  des  Berge  b(!) 
zu  verzweifeln  begami,  stürzte 
aus  ihren  Thoren  Unter 
einem  Priester,  der  in  der  Hud 
das  Allerheiligste  trog,  eise 
Schaar  beherzter  Krieger  und 
drang  durch  die  Feinde  bis  zu 
dem  Berge,  wo  sie  sich  mit 
Zizka  verband,  die  DentscbeD 
angriff,  die  alsbald  in  Ver- 
wirrung gebracht  wurden,  and 
mit  solcher  Heftigkeit  aaf  sie 
losschlug,  dass  über  fünfhan- 
dert  Todte  auf  dem  Schlacht- 
felde  blieben;  andere  wieder 
flüchtend  vom  Abhänge  des 
Berges  sammt  ihren  Pferden 
über  einander  kollerten,  so 
dass  ihrer  eine  grosse  An- 
zahl zu  Grunde  ging. 


Der  bisher  unbekannte  Brief,  die  einzige  Mittheilong,  die 
wir  königlicher  Seits  von  der  Schlacht  haben^  lautet  in  genauer 
Wiedergabe: 


AbhandliiBgen  »oi  dem  Q«bi«t«  der  sUTiBchen  QMcliieliie.  III.  903 

(London.  Record  office.  Oleichzeitige  Abschrift.)  Copie 
d'une  lettre  envoie  a  monseigneur  de  Baviere  faite  de  tyois 
en  fransoiz  depar  le  Marquis  de  Misse. 

Nostre  amiable  serwice  precedent  Hault  prince  chier 
Cousin  nous  vous  fusons  savoir  pour  nouvellez  qui  cest  van- 
redy  passe  sont  oncourrues  cest  assavoir  que  monseigneur  le 
roy  dez  romains  envoya  les  hungrez  ver  lez  heritez  lez  praga 
enpiez  les  chartreurs  et  les  (des?)  dits  heritez  en  occirent  plus  de 
centy  et  prirent  CLVI.  fernes  qui  avoient  rog^iez  leur  cheveux 
come  homes  et  avoient  ceinstez  espees  et  pierres  en  leur  mains 
et  hoseaulz  chassiez  entre  icelies  partie  furent  aize  (?)  ^ 

Apres  le  sambedy  ensuyvant  notre  dit  signeur  le  roy  en- 
voia  de  cez  gens  ver  les  diz  heritez  et  illuec  furent  occis  plus 
de  cinquante  ausy  lez  dis  herites  ont  enfosciez  vnne  montaigne 
les  präge  et  fönt  dez  bollewerg  et  y  sont  logiez,  a  quoy  mon- 
seigneur le  roy  laissa  asaillir  les  gens  dautres  princez  et  lez 
noBtrez  et  passerent  nous  gens  dens  de  lour  fosseiz  et  entre- 
prirent  de  gaignier  le  tier  fossei  donkez  ysserent  tant  dez 
heritez  hors  de  la  cite  ie  präge  qui  adoient  ceulz  de  la  mon- 
taigne, quil  covint  retraire  nous  gens  et  furent  fort  blissiez  et 
perderent  belcop  de  lor  chevaulz.  Et  le  duc  Loys  de  Brige  ait 
gaigniet  unne  tours  en  la  m  .  .  .  e  ^  cite  de  Präge  et  en  icelle 
priz  plus  de  Cent  heritez  auctres  certaines  novelles  ne  sont 
avenues  et  si  aucune  autrez  sorvenoient  nous  le  vous  escriprons 
tout  le  plesir  que  nous  vous  porrons  faire  tous  dis  le  ferons 
de  boin  euer.  Escript  a  chaves  devant  präge  le  diemenge  apres 
Saint  amoul. 

Ich  wende  mich,  ehe  ich  das  Muster,  wie  eine  Schlacht 
nicht  beschrieben  werden  darf,  näher  untersuche,  und  vorder- 
hand nur  bemerkend,  dass  Franticek  Palacky  die  Erschlagenen 
g^en  den  Text  und  auf  eigene  Faust  von  dreihundert  über 
fünfhundert  erhöhte  und  diesen  dann  noch,  wieder  auf  dem  Wege 
der  Inspiration,  eine  grosse  Anzahl  nachschickte,  der  gemein- 
samen Quelle,  dem  ehrlichen  Utraquisten  Laurentius  zu. 

Das  kurze  Gefecht,  denn  von  einer  Schlacht  kann  ja  doch 
keine  Rede  sein^  hatte  mehrere  Momente. 


^  arze,  verbrannt? 
>  Minenre? 


904  Horur. 

Es  handelte  sich  BunUchst  daram,  das  Blockhaus  aixf  dem 
Zizkaberge  xu  erobern.  Dieser  selbst  ist  das  GegenstOck  lom 
Hradschin^  dem  Ausläufer  des  weissen  Beiges;  er  ragt  über 
die  eigentliche  Stadt  empor,  die  der  Klrümmung  der  Moldau 
folgend,  zu  seinen  Füssen  liegt,  wie  die  SLleinseite  asu  den 
Füssen  des  Hradschin.  Der  Zizkaberg  fiült  gegen  die  MoUaa 
steil  ab,  lässt  zwar  nach  dem  Flusse  hin  fär  eine  kleine  Ebene 
Raum,  ist  aber  in  seiner  Längenstreckung  nach  dieser  Seite 
unnahbar,  für  Reiter  geradezu,  für  Fussgänger  nur  auf  dem 
Wege  des  Klettems  zu  erklimmen.  Gegen  das  östliche  Thor 
der  Altstadt  senkt  sich  der  Berg  etwas  und  von  dieser  Seite 
allein  wird  er  bestiegen  und  konnte  er  bestiegen  werden. 
Von  einer  Umringung  des  Bei^s,  welcher  selbst  der  Aus- 
läufer eines  Höhenzuges  ist,  kann  vemünftiger  Weise  gar 
keine  Rede  sein.  Ein  derartiges  Unternehmen  wäre  nicht  nur 
sinnlos,  sondern  auch  geradezu  unmöglich,  da  es  die  ganze 
Lage  und  Natur  des  Berges  gar  nicht  gestattet  Das  Blockhaus 
war  wohl  da  angelegt,  wo  noch  heute  das  alterthümliche  Ge- 
bäude steht,  mit  Mauern  und  dreifachem  Erdwalle  versehen 
und  somit  gegen  einen  Handstreich,  der  im  Angesichte  der 
Stadt  geschehen  sollte,  wohl  verwahrt. 

Das  erste  Gefechtsmoment  bestand  also  darin,  einen  Theil 
des  königlichen  Heeres  von  dem  linken  Moldauufer  auf  das 
rechte  zu  bringen,  wenn  das  nicht  schon  geschehen  war,  und 
dasselbe,  Meissner  —  Palacky  sagt,  wie  natürlich,  wo  es  sich 
um  etwas  den  Deutschen  Nachtheiliges  handelt,  —  Deutsche  — 
in  der  Art  den  Berg  erklimmen  zu  lassen,  dass  sie  hiebei  der 
Stadt  den  Rücken  kehrten  und  somit  nicht  gewahr  worden, 
was  daselbst  vor  sich  ging.  Jetzt  erfolgte  der  Sturm  auf  das 
Blockhaus  und,  wofern  die  Reiter  nicht  abstiegen  und  Graben 
für  Graben  stürmten,  im  blossen  Anlauf  und  durch  Reiter 
zumal  konnte  es  nicht  genommen  werden,  wohl  aber  konnte 
es  eine  handvoU  Leute  gegen  die  Ritter  auf  hohen  Rossen 
vertheidigen.  Das  ist  wohl  in  der  Kriegsgeschichte  schon  öfter 
vorgekommen.  Je  mehr  aber  die  Ritter  in  ihren  Massen  den 
langsam  sich  nach  Osten  erhebenden  Berg  hinanstürmten, 
desto'  mehr  trennten  sie  sich  von  ihrer  Rückzugslinie  und  be- 
fanden sie  sich  endlich  wie  auf  einer  Erdzunge,  von  welcfaer 
weder   nach   rechts   noch   nach   links  ein  Entweichen  möglieb 


Abbaadlnng«!!  Mi  dem  Q«bi«t«  d«r  •UTiMli«&  OMoblehU.  II L  906 

war;  vor  ihnen  auf  der  Höhe  war  das  Blockhaus,  hinter  ihnen 
die  Stadt,  seitwärta  der  steile  Abhang,  ihre  Lage  somit  der  einer 
Sackgasse  sehr  ähnlich.  Drängte  nun  in  diesem  Augenblicke 
aus  der  Stadt  in  Folge  eines  gut  geleiteten  Ausfalles  eine 
Masse  nach,  die  den  Zugang  von  der  Stadt  zu  dem  Berge 
besetzte,  so  waren  die  Ritter,  welche  hinaufgestiegen  waren, 
wie  in  einem  Sacke  gefangen  und  es  blieb  ihnen  dann  kein 
anderer  Ausweg  übrig,  als  den  halsbrecherischen  Pfad  gegen 
das  jetzige  Karolinenthal  herunter  zu  rasen  und  zu  sehen,  wie 
sie  an  dem  Anstieg  wieder  ankamen. 

2.  In  der  That  erschien  jetzt  Zizka,  um  den  Seinen  auf  dem 
Berge  zu  Hülfe  zu  eilen  und  das  Blockhaus  zu  retten.  Hier 
ist  Laurentius  ungemein  kurz.  Wir  erfahren  nur,  dass  Zizka 
selbst  umgekommen  wäre,  hätten  ihn  nicht  die  Seinen,  d.  h.  die 
taboritischen  Bauern,  mit  ihren  eisenbeschlagenen  Dreschflegeln 
herausgehaut.  Das  Gefecht  ging  schief  und  die  Stadt  hielt  sich 
bereits  für  verloren,  nicht  die  Stadt  den  Berg. 

3.  Jetzt  trat  die  Wendung  ein.  Zizka  erhielt  aus  der  Stadt 
Unterstützung,  und  zwar  indem  die  übrigen  Bauern  —  Palacky 
sagt,  wenn  von  Zizka's  Schaaren  die  Rede  ist,  Krieger  — 
ceteri  rustici,  ihrem  Führer  nacheilten,  der  offenbar  in  seinem 
kriegerischen  Ungestüm  mit  zu  wenig  ,Kriegern'  den  ersten 
Ausfall  gewagt  hatte.  Die  ceteri  rustici  sind  aber  nicht  etwa 
einige  wenige,  sondern  der  ganze  Schlachthaufen,  über  welchen 
Zizka  verfügte  und  mit  dem  er  in  die  Stadt  gedrungen  war,  an 
ihrer  Vertheidigung  Antheil  zu  nehmen.  Inermes  waren  sie,  in 
wie  ferne  sie  keine  Schutzwaffen  hatten,  zum  Angriffe  aber 
trugen  sie  die  gefürchteten  Dreschflegel,  mit  welchen  sie  die 
Ritter  vom  Pferde  schlugen,  eine  Kampfweise,  auf  die  der 
Ritter  nicht  eingerichtet  war  und  mit  der  er  sich  nicht  abzu- 
geben verstand.  Dazu  kamen  aber  noch,  was  Palacky  aus- 
lässt,.  an  fünfzig  Bogenschützen,  die  von  Weitem  ihre  tod- 
bringenden Geschosse  auf  die  Ritter  sandten,  die  verloren 
waren,  wenn  ihre  Pferde,  verwundet  oder  getödtet  den  Reiter 
abwarfen,  und  endlich  der  Leiter  des  Ganzen,  einer  der  un- 
genannten Geistlichen,  mit  dem  AUerheiligsten,  wie  Palacky 
sagt,  wobei  man  sich  nur  wundern  muss,  dass  diessmal  nicht, 
wie  gewöhnlich,  wenn  es  sich  um  Blutvergiessen  handelte,  der 
Kelch  vorgetragen   wurde.    Die   Krieger  stürzten  aber   nicht 


906  Hdfl«r. 


• 


dem  Priester  aus  denThoren  der  Stadt  nach^  was  ja  ge- 
radezu einen  Unsinn  in  sich  schloss,  sondern  der  Aosfall 
konnte  nur  von  dem  gegen  den  Berg  gerichteten  Thore  statt- 
finden. Ausfallende,  welche  noch  dazu  ein  bestimmtes  Kampf- 
object  zu  retten  haben,  pflegen  nicht  einen  weiten  Umweg  sa 
machen,  sondern  den  kürzesten  Weg  einzuschlagen  und  aach 
dieser  beträgt  vom  östlichen  Thore  (dem  Pulverthurme)  bis 
zum  Zizkaberge  eine  gute  Viertelstunde;  in  einer  Stunde  war 
aber  das  ganze  Gefecht  in  seinen  verschiedenen  Momenten 
vorüber. 

Augenscheinlich  war  jetzt  der  Zeitpunkt  zum  combinirten 
Angriffe  auf  die  Kleinseite,  auf  die  Neustadt,  wie  auf  die  Alt- 
stadt gekommen.  In  Prag  fiihlte  man  die  Gefahr,  welche 
drohte,  vollkommen;  alle  Glocken  ertönten.  Nicht  ein  Taborit. 
der  mit  dem  Kelche  gekommen  wäre,  ein  presbyter  cum  cor- 
poris Christi  sacramento,  ein  czechischer  Geistlicher  hatte 
sich  an  die  Spitze  des  Ausfalles  gestellt  und  als  nun  die  gegen 
das  Blockhaus  vorrückenden  Kitter  rückwärts  blickten,  das 
ungeheuere  Getöse,  den  Glockensturm  vernahmen,  musste  sich 
bei  ihnen  die  gerechte  Besorgniss  einstellen,  durch  den  Ausfail, 
an  welchem  die  ganze  Stadt  Theil  zu  nehmen  schien,  die 
einzige  Rückzugslinie  verlegt  zu  sehen.  Wäre  damals  eb 
ordentlicher  Feldhauptmann  an  der  Spitze  der  Meissner  ge- 
standen, so  hätte  er  einen  Theil  seiner  verfügbaren  Streit- 
kräfte dem  Ausfall  gegenüber  gestellt  und  in  dichten  Reihen 
aufreitend  ihn  zurückgeworfen  und  in  die  Stadt  getrieben.  So 
aber  ohne  gehörige  Führung  und  als  auch  der  combinirte 
Angriff  auf  die  verschiedenen  Stadttheile  nicht  stattfand,  trat 
ein,  was  bei  kopflosen  Unternehmungen  einzutreten  pflegt, 
panischer  Schrecken,  verwirrte  Flucht,  das  sauve  qui  peut,  um 
so  rasch  als  möglich  über  den  Berg  herunter  zu  kommen  und 
dem  Sacke  zu  entrinnen,  ehe  derselbe  zusammen  geschnürt 
wurdiB.  Das  war  freilich  ein  wunderbarer  Triumph  (facto  mi* 
raculoso  de  hostium  triumpho),  zugleich  aber  auch  etwas  un- 
endlich Einfaches  und  Natürliches. 

Damit  vergleiche  man  nun  das  Bild,  das  Franticek  Pa- 
lacky  enthüllt.  Als  die  Deutschen  angriffen,  umringten  sie  den 
Berg  von  allen  Seiten,  was  geradezu  komisch  ist,  unter  Trom- 
petenklang  und  grossem  Lärm;  als  die  Prager  ausfallen,  machen 


Abb»ndlttng«n  »as  dam  Qebtot«  der  •UviiebAn  Oetchichte.  III.  907 

sie  keinen,  man  hört  nicht  einmal  das  Stürmen  der  Glocken, 
noch  viel  weniger  das  grosse  Geschrei  des  Volkes,  das  heraus- 
stürmt; das  andito  campanulae  sono  magnoque  populi  clamore, 
welches  Verwin-ung  und  Schrecken  unter  die  Kitter  trägt,  ist 
für  Palacky  nicht  vorhanden.  Eine  Schaar  beherzter  Krieger 
drängt  durch  die  Feinde  bis  zu  dem  Berge,  wo  sie  sich 
mit  Zizka  verband,  die  Deutschen  angriff  —  nachdem  sie 
durch  die  Feinde,  nämlich  die  Deutschen  gedrungen  sind, 
greifen  sie  dieselben  an;  alsbald  werden  diese  in  Verwirrung 
gebracht.  Die  Schaar  beherzter  Krieger  schlug  aber  mit  solcher 
Heftigkeit  auf  die  Deutschen,  dass  über  fünfhundert  Todte  auf 
dem  Schlachtfelde  blieben  —  Laurentius  sagt  CCC,  d.  h.  drei- 
hundert Es  genügt  aber  Palacky  nicht  aus  den  dreihundert, 
fünfhundert  zu  machen,  jetzt  kollern  erst  noch  Pferde  und 
Reiter  übereinander,  so  dass  ihrer  eine  grosse  Anzahl  zu 
Grunde  ging. 

Das  ist  wirklich  weniger  Zizka's  als  Palacky's  Schlacht 
und  der  Berg,  an  oder  auf  welchem  diese  stattfand,  trägt  sehr 
uneigentlich  Zizka's  Namen!  Dieser  war  jedoch  klug  genug, 
am  andern  Tage,  offenbar  eine  Erneuerung  des  Angriffes 
fürchtend,  das  Blockhaus  mit  neuen  Befestigungen  zu  ver- 
sehen, es  uneinnehmbar  zu  machen.  Die  Masse  aber  erfreute 
sich  an  dem  Gedanken,  dass  ein  Bauernsieg  erfochten  worden 
sei.  Nicht  Krieger,  wie  Palacky  darstellt,  hatten  mit  den  Rittern 
gefochten,  sondern  die  rusticana  gens,  wie  Laurentius  aus- 
drücklich hervorhebt,  und  die  armen  Bauern  in  der  Umgebung 
Prags  mussten  es  jetzt  schwer  büssen,  dass  Bauern  mit  Rittern 
gekämpft  und  diese  zurückgeworfen  hatten.  Trägt  denn  doch 
die  hussitische  Bewegung  durch  und  durch  das  Gepräge  einer 
socialen  Erhebung,  der  czechischen  Handwerker  in  der  Neustadt 
gegen  den  vermöglichen  (deutschen)  Bürger  der  Altstadt,  der 
Bauern  gegen  den  Adel,  der  Bürger  und  des  Adels  gegen  den 
besitzenden  Clerus.  Sie  ist  nur  ein  Glied  im  grossen  Ganzen  der 
von  Westeuropa,  Frankreich,  England  und  den  Niederlanden 
ausgehenden  Erhebung  der  niederen  Stände  gegen  die  höheren, 
Wat  Tylers,  der  Jacquerie,  der  Artevelde.  An  die  Jacquerie 
schloss  sich  die  Praguerie  an,  wie  Commines  die  Sache  nennt, 
freilich  in  einem  Sinne,  der  so  ziemlich  dem  Shakespeare'schen 
;Viel  Lärmen  um  Nichts^  gleich  kommt,  während  die  umfassende 


906  H»rur. 

Sftcolarisation  der  Kirchen-  und  ELlostergäter  und  die  sjste- 
matiBohe  Beranbong  der  deutschen  Bürger  in  Prag,  denen  man 
ihre  Häuser,  Keller,  Weinberge,  Felder  wegnahm,  ein  «gen- 
thümliches  Licht  auf  die  civilisatorische  Idee  warfen,  fnr 
welche  angeblich  die  Hussiten  kämpften. 

Es  ist  nun  zu  bemerken,  dass  in  Bezug  auf  die  Schlacht 
am  Zizkaberge  bisher  nur  der  Bericht  eines  Utraquistsi  vor- 
lag, aus  welchem  in  mehr  als  seltsamer  Weise  eine  Sdilacht 
zusammengestellt  wurde,  während  es  sich  um  ein  Gefecht 
handelt,  das  nur  deshalb  von  Bedeutung  wurde,  weil  in  Folge 
desselben  die  Unmöglichkeit  eintrat,  Prag  von  der  Seite  zu 
nehmen,  von  welcher  es  einst  König  Heinrich  HI.  genonunen, 
von  seiner  schwächsten  Seite. 

Es  kömmt  nun  das  Schreiben  aus  dem  deutschen  Lager 
in  Betracht,  das  von  dem  Markgrafen  von  Meissen  an  den 
Herzog  von  Baiem  gerichtet  und  aus  dem  Deutschen  in  das 
Französische  übersetzt  nach  England  geschickt  wurde.  Es  lautet: 

Unsem  freundlichen  Dienst  zuvor.  Hochgebomer  Fürst, 
lieber  Oheim.  Wir  thun  euch  zu  wissen  die  Neuigkeiten,  die 
seit  letztem  Freitag  sich  zugetragen  haben  (12.  Juli),  zu  wissen, 
dasB  unser  Herr,  der  römische  König,  die  Ungarn  gegen  die 
Häretiker  nach  Prag  bei  der  Karthause  (entbot),  und  die  ge- 
nannten Hussen,^  sie  tödteten  von  ihnen  mehr  als  100  und  fingen 
156  Weiber,  die  ihr  Haar  wie  die  Männer  rund  abgeschnitten, 
Schwerter  umgehängt  und  Steine  in  ihren  Händen  hatten,  Hoeen 
und  Männerstiefel,   von  diesen  wurde  ein  Theil  (verbrannt?!). 

Nach  dem  folgenden  Samstag  sandte  unser  genannter 
Herr  der  König  von  diesen  Leuten  gegen  die  Häretiker  und 
wurden  mehr  als  50  getödtet.  Auch  haben  die  Häretiker  einen 
Berg  (bei)  Prag  befestigt  und  machen  BoUwerg  und  setsen 
sich  dort  fest,  ^  weshalb  sie  unser  Herr,  der  König,  durch  die 
Leute  der  andern  Fürsten  und  die  unsem  angreifen  liess  und 
diese  Leute  drangen  in  einige  Gräben  und  versuchten  den 
dritten  Graben  zu  nehmen,  da  kamen  so  viele  Häretiker  aus 
der  Stadt  Prag,    die   denen  auf  dem  Berge  halfen,   dass   sich 

'  Ich  möchte  nicht  zweifeln,  dass  es  eigentlich  heissen  soll:  and  sie    (die 

Ungarn)  tödteten  von  den  erwähnten  Hfiretikem. 
'  Auch   mit  dem  Sinn:  unter  Zelten  campiren,  wie  mir  Herr  Prol  Comn 

mittheilty  der  so  freundlich  war,  die  Uebersetanng  sn  revidireu« 


AbhMdlufMt  MS  d*m  Qebitto  4tr  slftTtMlMiB  GMohlohtt.  III  909 

unsere  Leute  zurückziehen  muBsten  und  wurden  schwer  ver- 
wundet und  verloren  viele  von  ihren  Pferden.  Und  der 
Herzog  Ludwig  von  Burg  gewann  einen  Thurm  in  (???)  ^  von 
Prag  und  in  diesem  fing  er  mehr  als  100  Häretiker.  Andere 
Neuigkeiten  sind  nicht  vorgekommen^  und  wenn  einige  vor- 
kommen, so  werden  wir  sie  euch  schreiben,  um  des  Ver- 
gnügens, das  wir  euch  machen  und  das  thun  wir  ymer  gerne. 

Geschrieben  in  Chaves  (?)  vor  Prag,  Sonntag  nach  Sanct 
Arnulf  (21.  Juli  1420). 

Offenbar  legte  man  deutscher  Seits  dem  Gefechte  als 
solchem  wenig  Bedeutung  zu.  Strategisch  war  es  aber  von 
Wichtigkeit,  dass  der  Verkehr  Prags  nach  dem  Osten  nicht 
gehemmt,  die  Einschliessung  somit  nicht  vollständig  wurde. 

Dass  unter  dem  von  dem  Herzoge  von  Brieg  genomme- 
nen Thurm  der  Thurm  des  Bollwerkes  zu  verstehen  sei  und 
hundert  Vertheidiger  dabei  gefangen  wurden,  wird  wohl  nicht 
angenommen  werden  dürfen.  Hingegen  ist  es  von  Wichtigkeit, 
zu  erfahren,  dass  die  Stürmenden  bereits  bis  zum  dritten 
Graben  vorgedrungen  waren,  als  das  Gefecht  in  ihrem  Rücken 
begann  und  sie  zur  Flucht  genöthigt  wurden.  Dadurch  werden 
die  Angaben  des  Lauren tius  eigen thümlich  commentirt.  Er 
hat  offenbar  Mehreres  verschwiegen.  An  die  Stelle  der  drei- 
hundert erschlagenen  Deutschen  tritt  jetzt  eine  bedeutende 
Zahl  getödteter  Rosse,  von  denen  wohl  eine  Anzahl  den  von 
Palacky  vergessenen  Bogenschützen  erlag  und  der  grössere  Theil 
bei  dem  Heruntersetzen  über  den  steilen  Abhang  zu  Grunde 
ging.  Abgesehen  davon  war  es  in  jenen  Tagen  Tactik,  vor  Allem 
den  Pferden  der  schwergewappneten  Ritter  zu  Leibe  zu  gehen, 
und  waren  einmal  jene  getödtet,  so  war  der  Ritter  wehrlos 
gemacht  und  die  Schlacht  verloren.  Das  war  der  Kunstgriff 
gewesen^  dessen  sich  schon  1322  die  Baiern  bei  Ampfing  gegen 
die  Oesterreicher  bedient  hatten.  Die  grossen  Siege  der 
Engländer  über  die  Franzosen  wurden  aber  wesentlich  durch 
die  englischen  Bogenschützen  gewonnen,  die  aus  gedeckter 
Stellung,  namentlich  Wagenburgen,  ihre  tödtlichen  Geschosse 
entsandten.     Auch  diese  fehlten  hiebei  nicht. 


^  minenre,  majeure?? 


910  UAfler. 

Das  Gefecht  auf  der  Witkowaren  '  war  nur  in  Beiner 
Wirkung  von  Bedeutung^  da  es  als  Teutonicorum  inopinaU 
strages  galt,  ^  und  dann,  weil  König  Sigmund  durch  Nidit- 
einnähme  des  Blockhauses  auf  dem  rechten  Moldauufer  keinen 
festen  Stützpunkt  gegen  Prag  besass,  den  entlegenen  Wissehnd 
ausgenommen.  Wurde  aber  das  ^Bollwerk'  erobert,  dann  war  Prag 
von  drei  Seiten  bedroht,  dem  Falle  nahe  und  auch  das  blutige 
Gericht  nahe,  das  König  Sigmund  damals  im  Falle  seines 
Sieges  über  die  Häretiker  zu  verhängen  gedachte.  Statt  dessen 
erfolgte  in  Prag  am  22.  Juli  der  Epilog  des  Dramas  vom  14. 
Die  Taboriten  drangen  in  Verbindung  mit  den  Pragern  in  das 
Magistratsgebäude  und  verlangten  Auslieferung  der  Gefangenen, 
um  sie  zu  verbrennen.  Bereits  hatten  sich  diese  —  ihr  Leben 
zu  retten  —  dem  Utraquismus,  den  man  in  Prag  als  ,die 
Wahrheit'  bezeichnete,  zugewendet.  Die  von  den  Leitern  der 
Stadt  widerwillig  ausgelieferten,  sechzehn  an  der  Zahl,  wurden 
vor  die  Stadt  gefuhrt,  im  Angesichte  des  deutschen  Heeres 
in  Fässer  gesteckt,  in  diesen  verbrannt.  Es  ist  bezeichnend, 
dass  Palacky  bei  der  Erzählung  dieser  Gräuelthat  verschwdgt, 
dass  die  Unglücklichen  bereits  übergetreten  waren:  ad  veri- 
tatem  accesserant.  ^  Sie  konnten  dadurch  ihr  Leben  nicht  rett^. 


*  Laarentiiu  p.  375. 

'  L  c  p.  380. 

'  Lanrentias  gibt  S.  366  bei  der  Union  der  Prager  mit  den  benaehbarten 
Städten  die  Grundlage  der  nacbherigen  vier  Prager  ArtikeL  Hiebei 
verpflichten  sich  diese:  ■imoniam  avaritiam  dotationem  pumpamqne  et 
alias  cleri  ipsius  deordinationes  zu  lerstören.  Palacky  hielt  es  nicht  for 
nothwendig,  der  Abschaffung  der  Dotation,  gerade  das  Wichtigste,  zn 
erwähnen.  Wo  er  auf  die  vier  Artikel  zu  sprechen  kommt  und  es  in  dem 
Texte  heisst:  quod  verbum  Dei  per  regnum  Bohemiae  Ubere  et  sine  im- 
pedimento  ordinate  a  sacerdotibus  Domini  praedicetur,  ISsst  er  das  o^ 
dinate  aus,  was,  wie  natürlich,  der  Stelle  einen  ganz  anderen  Sian 
gibt.  Im  zweiten  Punkt  heisst:  omnibus  Christi  fidelibus  nicht  allen 
getreuen  Christen,  sondern  allen  Christgläubigen.  Den  dritten  Artikel 
gibt  Palacky  so:  Da  viele  Priester  und  Mönche  in  weltlicher  Weise 
über  vieles  irdisches  Gut  herrschten,  gegen  Christi  Gebot  und  zum  Ab- 
bruche ihres  heiligen  Amtes,  sowie  zum  Nachtheile  der  weltlichen  Ständet 
dass  solchen  Priestern  diese  ordnungswidrige  Herrschaft  genommoi  und 
eingestellt  werde,  und  dass  sie  gemäss  der  heiligen  Schrift  moBtot- 
haft  leben  und  zum  Wandel  Christi.  —  Bei  Laurentius  lautet  er:  qnod 
dominium  saeculare  super  divitiis  et  bonis  temporalibns,   quod  contn 


AbhuidlBBg«n  am  dwa  0«bi«te  der  ■laTitchaa  GMchiehtt.  III.  911 

Bereits  hatten  sich  die  Revolution,  die  Plünderung  der  Kirchen 
und  der  Privatwohnungen,  Mord  und  Schreckensscenen  mit 
der  kirchlichen  Reform  verbunden,  war  diese  dadurch  alles 
ethischen  Grundes  beraubt,  ehe  sie  in  das  Leben  trat,  schon 
gehaltlos  geworden.  Was  nützten  da  die  vier  Prager  Artikel 
von  geordneter  Predigt,  von  Aufhebung  des  kirchlichen  Demi- 
niums?  Qleich  anfänglich  war  die  Spaltung  zwischen  den 
Prägern  und  den  Taboriten  eingetreten  und  hatte  somit  die 
sogenannte  hussitische  Bewegung  einen  Riss  erhalten,  der  mit 
jedem  Jahre  mehr  klaffte.  Und  als  nun  dazu  die  Bekämpfung 
von  Aussen  sich  gesellte,  Böhmen  in  der  nächsten  Zeit  um 
sein  Dasein  kämpfte,  aus  der  Defensive  in  die  mit  Mord  und 
Brand  erfüllte  Offensive  überging,  war  .von  einer  Reform 
vollends  keine  Rede.  Man  hing  sich  mit  aller  Gewalt  an  den 
Utraquismus  und  als  er  errungen  war,  zeigte  sich  erst,  dass 
man  nicht  wusste,  was  man  mit  ihm  anfangen  sollte.  Man  hatte 
die  Deutschen  vertrieben,  dafür  aber  die  schlimmste  innere 
Spaltung  geemtet,  ganz  Böhmen  —  Cechia  —  zerfiel  in  zwei 
Theile,  die  sich  grimmig  hassten,  die  sub  una  und  sub  utraque. 
Der  nationale  Dualismus  hatte  einem  anderen  noch  schlimmem 
Platz  gemacht,  der  dann  zuletzt  doch  zur  Rückkehr  der  Deut- 
schen und  selbst  zur  Beseitigung  des  dominium  saeculare  des 
einheimischen  Adels  führte.  Es  ist  ein  Kreislauf  in  dieser 
czechischen  Bewegung!  Was  im  fünfzehnten  Jahrhunderte 
gegen  den  Clerus  und  gegen  die  Deutschen  gebraut  worden 
war,    kehrte   sich  im  siebenzehnten  gegen  den  Adel,    der  von 

pneceptam  Christi  clerns  occupat,  in  praejndicium  sni  officii  et  damnam 
bnchii  saecolaris,  ab  ipsis  aufferatar  et  tollatar  et  ipse  clerns  ad  re- 
gulam  evangelicam  et  vitam  apostolicam  qua  Christas  Tizit  cnm  apostolis 
redneatnr.  —  Die  Uebersetzang  Palacky's  entstellt  den  Sinn  geradem, 
der  Artikel  enthielt  ein  Einlenken  in  die  Anschannngen  des  XIV.  Jahr- 
hnnderts  und  der  Fratricellen  nnd  besog  sich  nicht  auf  Tiele  Priester 
und  Mönche,  sondern  anf  den  ganzen  Clerns  und  dessen  Besitzthom, 
respective  Eigenthum.  Er  ist  eine  ErlSntemng  des  obenangeführten 
Beschlnsses  der  Wegnahme  der  dotatio.  Palacky  hat  somit  weder  die 
Tragweite  noch  den  Sinn  dieses  Artikels  verstanden,  somit  gerade  das, 
was  im  Hnssitismns  das  Bezeichnende  ist,  missrerstanden  and  demselben 
somit  eine  ganz  andere  Bedeatang  nntergebreitet.  Seinen  dentschen 
Kachbetem  aber,  ist  es  nicht  eingefallen,  einen  willkürlichen  Text  mit 
dem  Original  zn  vergleichen  nnd  die  Worte  in  ihrem  historisch  ge- 
gebenen Sinne  anfsafassen. 


912  HBfUr.  AUuadlBiic»B  ui  dmn  0«bi«te  in  •terlMliMi  OuMkiekte.  in. 

der  Bewegung  der  Massen  nur  Vortheile  f&r  sich  gesogen. 
jene  im  Standesinteresse  ausgebeutet  hatte.  Alles  war  ihm 
dienstbar  geworden.  £r  verfügte  über  das  Königthom  nKk 
Belieben^  setzte  Einen  der  Seinigen  1457  ein,  schloss  die 
Habsburger  aus,  setzte  Rudolf  II.  ab,  beseitigte  Ferdinand  IL 
und  erhob  Friedrich  von  der  Pfalz.  Er  that,  was  er  wollte^ 
bis  das  Geschick  auch  ihn  erreichte,  freilich  dann  auch  du 
czechische  Volk,  das  ihm  blindlings  verfallen  war. 


SITZUNGSBERICHTE 


DRR 


KAISERLICHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE  CLA8SE. 


XCV.  BAND  IV.  HEFT. 


JAHRGANG  1879.  —  DECEMBER. 


XXV.  SITZUNG  VOM  3.  DECEMBER  1879, 


Herr  Dr.  Franz  Martin  Mayer  in  Graz  sendet  ^Unter- 
suchungen  über  die  österreichische  Chronik  des  Matthäus  oder 
Gregor  Hagen^  ein. 

Die  Abhandlung  wird  der  historischen  Commission  über- 
geben. 

Herr  Johann  Freiberger  in  Messern  überschickt  eine 
Abhandlung  unter  dem  Titel:  ;Der  Nachfolger  des  Papstes 
Gregor  VII.  Victor  III.*  mit  dem  Ersuchen  um  ihre  Veröffent- 
lichung in  den  akademischen  Schriften. 

Die  Vorlage  wird  einer  Commission  zur  Begutachtung 
überwiesen. 


An  Drueksohriften  wurden  vorgelegt: 

Acad^mie  royale  des  Sciences,  des  Lettres  et  des  Beaoz-Arts  de  Belgiqae; 
Bulletin.  48«  Ann^e,  2«  Serie.  Tome  48.  Nrs.  9  et  10.  Broxelles,  1879;  8». 

Akademie  der  Wissenschaften,  k.  bairische  zu  München:  Sitzungsberichte 
der  philosophisch-philologischen  and  historischen  Classe.  1879.  Heft  IV. 
München;  80. 

Biker,  Julio  Firmino  Judice:  Supplemento  k  CoUec^ao  dos  Tratados,  Con- 
▼en^oes,  Contratos  e  Actos  pnblicos  celebrados  entre  a  Coroa  de  Portugal 
e  as  mais  potencias  desde  1840.  Tomo  XIV,  XV,  XVI  et  XVIII.  Lisboa, 
1878/79;  8^.  —  Memoria  sobre  o  Estabelecimento  de  Maaau.  Lisboa, 
1879;  8^.  —  Documentos  ineditos  para  subsidio  k  Historia  ecdesiastica 
de  Portugal.  Lisboa,  1875;  4^ 
Sitsangsber.  d.  phU.-hist  Cl.  XCY.  Bd.  IV.  HU.  59 


916 

(Jentral-Commisflioni  k.  k.  statistische :  Statistisches  Jahrbach  für  da« 
Jahr  1876.  ni.  and  IV.  Heft.  Wien,  1879;  8». 

Institute,  the  Anthropological,  of  Great  Britain  and  Ireland:  Tbe  Jonrn&l 
Vol.  IX.  Nr.  1.  London,  1879;  8^. 

Mittheiluugen  aus  Justus  Perthes*  geographischer  Anstalt  von  Dr.  A.  Peter- 
mann. 25.  Band,  1879.  XI.  Gotha,  1879;  4». 

,ReTue  politique  et  litt<^raire*  et  ,IteTUe  scientifique  de  la  France  et  de 
r^tranger«.  IX«  Ann6e,  2«  S^rie.  Nr.  21  et  22.  Paris,  1879;  i^. 

Soei^tä  des  Sciences  de  Nancy:  Bulletin.  Sdrie  IL  Tome  IV.  Faseicale  VIIL 
XI«  Annde.  1878.  Paris,  1878;  8^ 

Society,  the  royal  geographica! :  The  Journal.  Vol.  XLVIIL  1878.  London ;  8' 

—  and  monthly  Record  of  Geography:  Proceedings.  Vol.  I.  Nr.  U.  NoTem- 
ber,  1879.  London;  8«. 

—  the  American  philosophical :    Proceedings.  Vol.  XVTIL  Nr.  102.  Jnlj  U' 
December  1878.  Philadelphia,  1878;  8«. 

Verein,  militSr« wissenschaftlicher,  in  Wien:  Organ.  XIX.  Band.  4.  Hrfl 
1879,  Wien;  8". 


XXVI.  SITZUNG  VOM  10.  DECEMBEB  1879. 


Von  dem  Geheimrath  und  Reichsarchiv-Director  Herrn 
Dr.  Franz  von  Löher  in  München  wird  der  IV.  Band  seiner 
yArchivalischen  Zeitschrift^  eingesendet. 


Von  dem  w.  M.  Herrn  Dr.  Pfiz maier  wird  eine  flir 
die  Sitzungsberichte  bestimmte  Abhandlung :  ,Die  Sammelhäuser 
der  Lehenkönige  China's'  voi^elegt. 


An  Drueksohriften  worden  vorgelegt: 

Acad^mie  imperiale  des  Sciences  de  St.-P6ter8boarg :  M^moires  (Zapiski). 
Tome  XXXII.  Nr.  1  et  2.  St.  P^tersbourg,  1878;  8».  Tome  XXXIII  et 
XXXIV.  St-P^tersbourg,  1879;  8».  —  Concilium  Constantiense  MCDXIV— 
MCDXVIII.  St.-Pötersbourg,  1874;  gr.  4». 

Accademia,  B.  della  Crusca:  Atti.  Adonanza  publica  del  7  die  Settembre 
1879.  In  Firenze;  8». 

Akademie  der  Wissenschaften,  königlich  preussischei  zu  Berlin:  Monats- 
bericht. Juli  und  August  1879.  Berlin;  8». 

Gesellschaft,  antiquarische,  in  Zürich:  Mittheilungen.  Band  XX.  Abthei- 
lung I,  Heft  2.  Zürich,  1879;  4». 

—  deutsche,  für  Natur-  und  Völkerkunde  Ost- Asiens :  Mittheilungen.  12.  und 
18.  Heft.  Yokohama,  1877-1879;  4". 

—  allgemeine  geschichtforschende,  der  Schweiz:  Jahrbuch  für  Schweizerische 
Geschichte.  IV.  Band.  Zürich,  1879;  8». 

69* 


918 

Heidelberg,  Universitlit:  AkAdemische Schriften  pro  1878/79.  12  Stück  S« iL 4'. 
Henry,  James:    Aeneidea,  or  critical,  ezegetical  and  aestheiical  remarki  ob 

the  Aeneis.  Vol.  H.  Dublin,  1879;  8». 
Ynynboll,   A.  W.  T.:    Jus  Shafiiticom.  At-Tanb!h  anctore  Abu  Ish&k  A«- 

Shiräsi.  Lngdoni  Batayomm,  1879;  8». 
Mittheilnngen,  archXologisch-epigraphiBche,  ans  Oesterreich,  Jahqpuig  III, 

Heft  2.  Wien,  1879;  8». 
»Revae  politiqne  et  litt^raire*  et  ,BeTae   scientifiqae   de   la  France   et  de 

r^tranger".  IX«  Ann6e.  2«  S^rie.  Nr.  23.  Paris,  1879;  4». 
Bivet-Carnac,  J.  H.  Esq.:  Archaeological  Notes  on  ancient  scnlptnrings 

on  rocks  in  Komaon,  India  similar  to  those  found  on  Monoliths  and  Rocks 

in  Eorope.   Calcatta,    1879;  S^,    Roagh  Notes  on  the  Suake  sjuibol  in 

India  in  eonnection  with  the  worship  of  Siva.  Calcntta,  1879;  8*.   Pre- 

historic  remains  in  Central-India.  Calcntta,  1879;  8^ 
Society,  the  Asiatic  of  Japan:  Transactions.  VoL  VI,  part  III.  Tokohama, 

Shanghai,  London,  New- York,  1878;  8«.  Vol.  VII,  parts  1—3.  Yokohama, 

Shanghai,  London,  New- York,  1879;  8«. 
Zeitschrift,  archivalische,  von  Dr.  Frans  von  Löher.  IV.  Band.  Stuttgart, 

1879;  80. 


Ffismaier.    Die  SammelhteMr  der  LehenkÖnige  ChiiiA*«.  919 


Die  Saminelhäuser  der  Lehenkönige  China's. 


Von 


Dr.  A.  Pflzmaier» 

wirkl.  Mitgliede  der  k.  Akademie  der  WiBsenschafteii. 


Am  Schlüsse  der  in  dem  Buche  der  Thang  enthaltenen 
Nachrichten  von  den  zahlreichen  damals  bestandenen  Aemtem 
findet  sich  als  Ergänzung  noch  ein  Buch,  welches  von  den 
Aemtem  der  Sammelhäuser  der  Könige  und  von  den  äusseren 
Aemtem  handelt. 

Die  Könige  (^^E  ^^'^''^9))  ^^^  welchen  seit  den  Zeiten  der 
Han  die  Rede  ist,  sind  eigentlich  Lehenkönige  und  beinahe 
ausschliesslich  Verwandte,  Brüder  oder  Söhne  des  Himmels- 
sohnes,  wobei  auch  die  in  Lehen  eingesetzten  Kaisertöchter 
mitgezählt  werden. 

,Sammelhaus^  (^J^  fu)  ist  der  Ort,  an  welchem  die  Schriften 
und  Urkunden  eines  Reiches  oder  eines  Landstriches  gesammelt 
und  aufbewahrt  werden.  Es  ist  der  Hauptsitz  der  Verwaltung 
der  Lehen  oder  Landstriche. 

Die  äusseren  Aemter  sind  die  nicht  zu  dem  Hofe  ge- 
hörenden, sondern  für  die  Landstriche  besonders  geschaffenen 
Aemter.  Dieselben  werden  mit  Angabe  der  im  Laufe  der 
Zeiten  vorkommenden  Veränderungen,  der  bisweilen  wechselnden 
Namen  und  der  betreffenden  Verrichtungen  ausfuhrlich  dargelegt. 

Nebst  der  Wichtigkeit  des  Gegenstandes  selbst  hatte  der 
Verfasser  die  seit  den  Büchern  der  späteren  Han  ohne  alle 
Erklärungen  veröffentlichten  Geschichtsschreiber,  in  welchen 
die  hier  verzeichneten  Namen  überall  eingemengt  sind  und 
Dunkelheit,  selbst  Un Verständlichkeit  verursachen,  im  Auge, 
wodurch,  wie  in  zwei  früheren  Arbeiten,  zur  Lösung  von 
Schwierigkeiten  dieser  Art  wesentlich  beigetragen  sein  dürfte. 


920  PfisBaier. 

Für  die  gewöhnlich  sehr  zusammengesetzten  und  eigen- 
thümlichen  Namen  wurde,  wie  bereits  an  einem  Orte  gesagt 
worden,  nicht  die  Aufstellung  allenfalls  gleichartiger,  in  Europa 
gebräuchlicher  Namen  versucht,  sondern,  zum  Theil  auf  Grand 
der  vorgefundenen  näheren  Andeutungen,  eine  möglichst  genaue 
Uebersetzung  des  chinesischen  Ausdrucks  geliefert. 

Die  öfters  beobachteten  Wiederholungen  beziehen  sich 
zwar  auf  Angestellte  derselben  Benennung,  aber  aus  verschie- 
denen Abtheilungen,  mit  verschiedenen  Verrichtungen,  in  ver- 
schiedener Anzahl  und  von  verschiedenen  Rangclassen. 


Die  Obrigkeiten  der  Sammelhänser  der  Konige. 

^A  Fu  ,der  Hinzugegebene^  Derselbe  ist  ein  Einziger 
und  gehört  zu  der  nachfolgenden  dritten  Classe. 

Dieser  Würdenträger  befasst  sich  mit  der  Stützung,  mit 
der  Berichtigung  der  Fehler  und  Irrthümer. 

^  ^i  ^  $*  ^  T'A^e-t  thsan-hiün  sse  ,der  fragende 
und  berathende  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 
Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile  der 
richtigen  fünften  Classe. 

Dieser  Würdenträger  befasst  sich  mit  den  grossen  Ent- 
würfen und  den  Sachen  der  Berathung. 

^  Yeu  ,der  Freund'.  Derselbe  ist  ein  Einziger  und  ge- 
hört zu  dem  unteren  Theile  der  nachfolgenden  fünften  Clause. 

Dieser  Würdenträger  befasst  sich  mit  Aufwarten  an  den 
Orten  der  Wanderungen,  mit  Bemessen  und  Belehren  über  das 
Angemessene  des  Weges. 

^  S  >Ss€-/^  ,Aufwartende  für  das  Lesend  Dieselben 
sind  von  keiner  bestimmten  Zahl. 

^  ^  Wen-hiÖ  ,der  Angestellte  des  Lernens  des  Schrift- 
schmucksS  Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen 
Theile  der  nachfolgenden  sechsten  Classe. 

Dieser  Würdenträger  befasst  sich  mit  der  Vergleichung 
der  Vorbilder  und  Schrifttafeln,  mit  Aufwarten  und  Begleiten. 


Die  Sftmmelhiiuer  der  Lehenkönige  China's.  921 

^  MM^(f^+^X^M  Wen^tschang  tung-n- 
kÖ  tsi-thsieu  ^der  Opferer  des  Weines  von  dem  östlichen  und 
westlichen  kleinen  Thore  des  Schriftschmucks^  Derselbe  ist 
je  Einer  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile  der  nachfolgenden 
siebenten  Classe. 

Dieser  Angestellte  befasst  sich  mit  der  ehrenvollen  Be- 
handlung der  weisen  und  vortrefflichen  Männer  und  mit  der 
Führung  der  Oäste. 

Die  Aemter  von  dem  Opferer  des  Weines  (tsi-thsieu)  auf- 
wärts sind  königliche  Aemter. 

In  dem  Zeiträume  Wu-te  (618  bis  626  n.  Chr.)  wurden 
eingesetzt: 

010  Sse  ,der  Lehrmeister'.     Derselbe  war  ein  Einziger. 

^  ^  Tachang-sse  , beständige  Aufwartende'  zwei. 

^  ß|J  Sse-lxing  ^aufwartende  Leibwächter*  vier. 

^  >\  Sche-jin  ^Hausgenossen'  vier. 

^  ^  Ngö'tsche  ^zum  Besuche  Anmeldende'  zwei. 

Sche-jin  ^Hausgenossen'  nochmals  zwei. 

Der  fragende  und  berathende  an  den  Sachen  des  Kriegs- 
heeres Theilnehmende  (ihse-i  thsan-kiün'sse)  und  der  Freund  (yeu) 
gehörten  beide  zu  dem  unteren  Theile  der  richtigen  fünften  Classe. 

Die  Angestellten  des  Lernens  des  Schriftschmucks  (wen- 
hiÖ)  imd  der  Opferer  des  Weines  (tsi-thsieu)  gehörten  zu  dem 
unteren  Theile  der  richtigen  sechsten  Classe. 

Zu  den  Zeiten  der  Kaiser  Kao-tsung  und  Tschung-tsung 
war  der  älteste  Vermerker  (tschang-sse)  des  Sammelhauses  des 
Königs  von  ijfQ  Siang  bei  dem  Vorgesetzten  und  Gehilfen  (tsai" 
siang  mit  inbegriffen. 

Die  Sammelhäuser  der  Könige  von  ^  Wei,  i||  Yung 
und  H^  Wei  waren  in  dem  Amte  des  obersten  Buchfährers 
(schang-schu)  mit  inbegriffen.    • 

Die  Könige  von  ^  Siü  und  ^  Han  waren  stechende 
Vermerker  (thse-sse).  Die  Aemter  ihres  Sammelhauses  waren 
den  äusseren  Aemtern  gleich.  Ihre  Ausgaben  und  Aussichten 
wurden  immer  geringer. 

Vor  dem  Zeiträume  Yung-tschün  (682  n.  Chr.)  wurde, 
wenn  der  König  noch  nicht  aus  dem  kleinen  Thore  getreten 
war,  kein  Sammelhaus  eröffnet. 


922  Pfisnaier. 

Im  zweiten  Jahre  des  Zeitraumes  Thien-scheu  (691  n.  Chr.) 
setzte  man  Obrigkeiten  des  Sammelhauses  des  küserlichen 
Enkels  ein. 

Die  Söhne  des  Kaisers  Hiuen-tsung  traten  häufig  nicht 
aus  dem  kleinen  Thore.  Die  königlichen  Aemter  wurden  immer 
unbedeutender  und  ihre  Zahl  wurde  auch  verringert. 

Im  zweiten  Jahre  des  Zeitraumes  EiDg-yün  (711  n.  Chr."! 
veränderte  man  den  Namen  sse  ^Lehrmeister^  zu  ^&  fu  ,Hinza- 
gegebener ^  Im  zweiten  Jahre  des  Zeitraumes  Khai-yaen  (714 
n.  Chr.)  schaffte  man  diesen  Würdenträger  ab.  Unvermuthet 
setzte  man  ihn  wieder  ein.  Man  schaffte  die  beständigen  Auf- 
wartenden (tschang-sse),  die  aufwartenden  Leibwächter  (9s&-langj, 
die  zum  Besuche  Anmeldenden  (khiS-tsche)  und  die  Hausge- 
nossen (sche-jin)  ab. 

Im  ersten  Jahre  des. Zeitraumes  Khai-tsch'ing  (836  n.  Chr.) 
veränderte  man  den  Namen  ,der  Aufwartende  fiir  das  Lesen 
der  Könige^  (tschü-wang  sse-tÖ)  zu  ^  ^  ^E  ^^  ^R  f^ 
ischü-wang  kiang-tÖ  ^der  den  Königen  die  Erklärung  des  Lesens 
Darbietende^  Im  Anfange  des  Zeitraumes  Ta-tschung  (847 
n.  Chr.)   kehrte   man   wieder  zu  der  alten  Benennung  zurück. 


^  ^  Tachang-sse  ,der  älteste  Vermerker^  Derselbe  ist 
ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile  der  nachfolgenden 
vierten  Ciasse. 

HJ  J|  Sse-ma  ,der  Vorsteher  der  Pferde*.  Derselbe  ist 
ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  unteren  Theile  der  nach- 
folgenden vierten  Classe. 

Diese  Würdenträger  befassen  sich  mit  der  Leitung  der 
Genossen  des  Sammelhauses  und  der  Anordnung  der  Ver- 
richtungen und  Bestrebungen. 

r  i?  4-  4tA  Yuen  ,der  Zugeselltet  Derselbe  ist  ein  Ein- 
ziger und  befasst  sich  mit  der  durchgängigen  BeurtheiluDg  der 
Sachen  des  Richters  der  Verdienste  (^  ^  kung-thscto),  des 
Richters  der  Scheunen  (^  ^  thsang-thsoo)  und  des  Richters 
der  Thüren  (^  ^  hu-thsao). 

JB  Schö  ,der  Zugetheilte'.  Derselbe  ist  ein  Einziger. 
Die   obigen  Angestellten   gehören   zu   dem   oberen  Theile  der 


Die  SammeUiftiuer  der  Lehenkönige  Chinft*«.  923 

richtigen  sechsten  Classe.  Sie  befassen  sich  mit  der  durch- 
gängigen Beurtheilang  der  Sachen  des  Richters  der  Waffen 
(  ^  1^  ping-thsao),  des  Richters  der  Reiter  \f^  ^  hhi-thsoo), 
des  Richters  der  Vorschrift  ^^  "^  fä-thsoo)  und  des  Richters 

der  vorzüglichen  Männer  (i  ^  sse-thsao). 

^  ^t  TschU-pu  ;der  Vorgesetzte  der  Register^.  Derselbe 
ist  ein  Einziger  und  befasst  sich  mit  der  Untersuchung  der 
Bücher  der  verschlossenen  Abtheilung  und  mit  den  belehrenden 
Verzeichnungen. 

g^  ^  ^  $  ^  £t-5cAi  ihaan-kUln-ase  ^die  das  innere 
Haus  berechnenden  und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theil- 
nehmenden^  Dieselben  sind  zwei  und  befassen  sich  mit  Denk- 
schriften, eröffnenden  Büchern  und  weiteren  Erklärungen. 

^Sk  ^  ^  $  ^  Lo-sae  thsan-ktün-sse  ^der  die  Sachen 
Verzeichnende  und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilneh- 
mendc^    Derselbe  ist  ein  Einziger. 

Die  obigen  Angestellten  gehören  zu  dem  oberen  Theile 
der  nachfolgenden  sechsten  Classe.  Sie  befassen  sich  mit  der 
Hinzufügung  der  Sachen  und  mit  der  vorläufigen  Untersuchung 
der  Aufzeichnungen  der  verschlossenen  Abtheilungen. 

^  ^  Lö-88e  ,der  die  Sachen  Verzeichnende^  Derselbe 
ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  unteren  Theile  der  nach- 
folgenden neunten  Classe. 

^  W  W^  $  ^  Kung-thsao  thsan-kiün-sse  ,der  Richter 
der  Verdienste  und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theil- 
nehmende^  Derselbe  befasst  sich  mit  den  Registern  und  Büchern 
der  Obrigkeiten  der  Schrift,  mit  Untersuchen,  Prüfen  und 
Hinstellen. 

^  Thsang-ihsao  thsan-kiün^ase  ,der  Richter  der  Scheunen 
und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'.  Der- 
selbe befasst  sich  mit  Verleihungen  des  Gehaltes,  mit  der 
Küche  und  den  Speisen^  mit  Herauskommen  und  Hereinbringen, 
mit  Tauschhandel  auf  dem  Markte,  mit  Feldbau,  Fischfang, 
Futtergras  und  Stroh. 

J^  Hu-ihüixo  tksan-kiün-sse  jder  Richter  der  Thüren  und 
mit  den  Sachen  des  Kriegsheeres  sich  Befassende^  Derselbe 
befasst  sich  mit  den  Knechten  der  zu  einem  Lehen  gehörenden 
Thüren  des  Volkes  und  den  Orten,  zu  welchen  mit  Wurf- 
pfeilen und  jagend  gegangen  wird. 


924  Pfismaier. 

-^  Ping'ihsao  thsan-kiiln-sse  ,der  Richter  der  Waffen  and 
an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^  Derselb« 
befasst  sich  mit  den  Registern  und  Büchern  der  Obrigkeiten 
des  Krieges,  mit  Untersuchen^  Prüfen  und  den  rorläafigeo 
Abgesandten  der  angemessenen  Leibwache. 

&  Khi'thsao  thsan-kiUn-sse  ,der  Richter  der  Reiter  and 
an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'.  Derselbe 
befasst  sich  mit  den  Ställen,  Hirten,  Reitern,  Gespannen,  mit 
geschmückten  Sachen,  Geräthschaften  und  Waffen. 

Mb  Fä'ihsao  thsan-kiün-sse  ,der  Richter  der  Vorschrift 
und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'.  Derselbe 
befasst  sich  mit  der  Untersuchung,  Befragung  und  mit  der 
Entscheidung  über  die  Strafe. 

"f^  Sse^thsao  ihsan-kiUnase  ,der  Richter  der  vorzüglichen 
Männer  und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 
Derselbe  befasst  sich  mit  den  Verdiensten  um  den  Boden  und 
mit  den  öffentlichen  Gebäuden. 

Diese  Angestellten,  von  dem  Richter  der  Verdienste  (kmg- 
thsao)  angefangen,  sind  je  Einer  und  gehören  zu  dem  oberen 
Tlieile  der  richtigen  siebenten  Classe. 

j^  ^  'A  TTisan-ktün-sse  ,an  den  Sachen  des  Kriege- 
heeres  Theilnehmende^  Dieselben  sind  zwei  und  gehören  zu 
dem  unteren  Theile  der  richtigen  achten  Classe. 

^  Hang  thsan-kiün-sse  ,die  an  den  Sachen  des  Kri^- 
heeres  Theilnehmonden  des  Gangbaren^  Dieselben  sind  vier 
und  gehören  zu  dem  oberen  Theile  der  nachfolgenden  achten 
Classe. 

Die  obigen  Angestellten  befassen  sich  mit  dem  Aussenden 
von  Abgesandten  und  mit  vermischten  Prüfungen  und  Ver- 
gleichungen. 

J^  ^  Tien-thsien  ,die  der  Bestätigung  Vorgesetzten^ 
Dieselben  sind  zwei  und  gehören  zu  dem  unteren  Theile  der 
nachfolgenden  achten  Classe.  Sie  befassen  sich  mit  der  Ver- 
breitung und  Ueberlieferung  der  Lehre  der  Bücher. 

In  dem  Zeiträume  Wu-te  (618  bis  626  n.  Chr.)  veränderte 
man  die  Namen  von  dem  Richter  der  Verdienste  (kufig-thsaGj 
angefangen  und  sagte  bei  ^  4"^  schu-tso  ,Gehilfe  der  SchrifiS 
färthsao  ,  Richter  der  Vorschrift',  hang^schu^tso  ,Gehilfe  der 
gangbaren  Schrift',  sse-tksao  ,Richter  der  voraüglichen  Männer* 


Die  Sammelhinser  der  Lehenkönige  China*s.  925 

für  4^  iso  ,Qehilfe^  überall  thsan-Mün-sse  .der  an  den  Sachen 
des  Kriegsheeres  Theilnehmende'.  Man  bezog  beständig  den 
Gehilfen  der  gangbaren  Schrift  (hang-schu-tso)  in  den  Namen 
^PX  ^  $  hang-thsan-kiUn  ,der  dem  Kriegsheere  Zugetheilte 
des  Gangbaren^  Man  schaffte  die  Stelle  ^  J^  tsckHng-khiÖ 
tTisan-kiün-tase  ;der  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theil- 
nehmende  von  dem  Gemache  der  Feste'  ab.  Ferner  gab  es: 
1^  Khai'ihsao  thsan-kiUn-sse  ^Richter  der  Panzer  und  an 
den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^  Dieselben  waren 
zwei  und  befassten  sich  mit  den  Waffen  der  angemessenen 
Leibwache. 

J5  Thien-thsao  thsan-Mün-sse  ,der  Richter  der  Felder  und 
an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende/  Derselbe 
war  ein  Einziger  und  befasste  sich  mit  den  öffentlichen  Fel- 
dern, den  Verrichtungen  auf  den  Feldern,  Schiessen  mit  Wurf- 
pfeilen und  Jagen. 

^  Schui-thsao  thsan-ktiki-sse  ,die  Richter  der  Gewässer 
und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'.  Dieselben 
waren  zwei  und  befassten  sich  mit  den  Schiffen,  mit  Fischfang, 
Futtergras  und  Pflanzen. 

Die  obigen  Angestellten  gehörten  zu  dem  unteren  Theile 
der  richtigen  siebenten  Classe. 

^  ^  Kia-U  ^Angestellte  des  Hausest  Dieselben 
waren  zwei. 

W  ^  ffi  ^  ^  ^  Pe-sse  wen-sse  ngö-tsche  ,der  in 
Sachen  der  Anfragen  der  hundert  Vorsteher  zum  Besuche 
Anmeldende'.  Derselbe  war  ein  Einziger  und'  gehörte  zu  dem 
unteren  Theile  der  richtigen  siebenten  Classe. 

"^  (  P^  +  >^)  Sse-hö  ,der  Vorsteher  des  kleinen  Thores'. 
Derselbe  war  ein  Einziger  und  gehörte  zu  dem  unteren  Theile 
der  richtigen  neunten  Classe. 

In  dem  Zeiträume  Tsching-kuan  (627  bis  649  n.  Chr.) 
schaffte  man  den  Richter  der  Panzer  (khai-thaao),  den  Richter 
der  Felder  (thien-thsaa)  und  den  Richter  der  Gewässer  (schui- 
thsao)  ab. 

Zu  den  Zeiten  der  Kaiserin  von  dem  Geschlechte  Wu 
wurden  die  Angestellten  von  den  Angestellten  des  Hauses 
(kia-ll)  abwärts  abgeschafft. 

Tschii'pu  ,der  den  Registern  Vorgesetzte'. 


926  Pfisnaier. 

Kx'schl  ,die  das  innere  Haus  Berechnenden^  Es  gab 
ferner : 

^    Sie  jVermerker'  zwei. 

Lö-sse  ;die  Sachen  Verzeichnende'. 

Kung-ihsoo  ^Richter  der  Verdienste^ 

Thsang-thsoo  ^Richter  der  Scheunen^ 

Ping^thsoo  ^Richter  der  Waffen^ 

Khi'thsao  ^Richter  der  Reiter^ 

Färthsiio  ^Richter  der  Vor8chrift^ 

Sse-thsao  ,Richter  der  vorsüglichen  Männer^ 

Die  obigen  Angestellten  waren  in  jedem  Sammelhaose  zwei. 

Hurihscuhfu  886  ,Vernierker  der  Sammelhäuser  der  Richter 
der  Thüren*  je  zwei. 

Die  Angestellten  von  den  der  Bestätigang  Vorgesetzten 
(tien-th8ten)  aufwärts  sind  Obrigkeiten  der  Sammelhäuser. 

Bei  den  Königen  der  Landschaften  (kiün-toang)  und  den 
Königen  der  Nachfolge  (j^  ^  88e'icang)  wurden  keine  ältesten 
Vermerker  (t8chang-88e)  eingesetzt. 


^  ^  j^  ^  ^  Th8in'88e'fu  tien-kiUn , die  dem  KnegB- 
beere  Vorgesetzten  des  Sammelhauses  der  Sachen  der  Ver- 
wandten^  Dieselben  sind  zwei  und  gehören  zu  dem  oberen 
Theile  der  richtigen  fünften  Classe. 

^  ^  $  Feu-tien-ktüH  ,die  zugetheilten  dem  Krieg5- 
beere  Vorgesetzten^  Dieselben  sind  zwei  und  gehören  zu  dem 
oberen  Theile  der  nachfolgenden  fünften  Classe. 

Dieses  Amt  befasst  sich  mit  den  Angestellten  von  dem 
vergleichenden  Beruhiger  (hiao-wei)  abwärts,  mit  der  bewah- 
renden Leibwache,  mit  Nachfolgen  und  Anschliessen.  Zugleich 
besorgt  es  die  gesattelten  Pferde. 

jjd^  ^  Hiao-wei  ^vergleichende  Beruhiger^  Dieselben 
sind  fünf  und  gehören  zu  dem  oberen  Theile  der  nachfolgenden 
sechsten  Classe. 

Jl^  ^  LiiJrSÖ  , Vorderste  der  Scharen*.  Dieselben  ge- 
hören zu  dem  unteren  Theile  der  nachfolgenden  siebenten  Classe. 

^  iE  "Tai-tsching  ^Richtige  der  Reihend  Dieselben  ge- 
hören zu  dem  unteren  Theile  der  nachfolgenden  achten  Classe. 


Die  BunmeUiftMer  der  Lehenkftnige  Chiii«*f .  927 

^  ^  Tui-feu  ,Zugetheilte  der  Reihend  Dieselben 
gehören  zu  dem  unteren  Theile  der  nachfolgenden  neunten 
Classe. 

Die  obigen  Angestellten  befassen  sich  mit  der  Leitung  der 
Sachen  innerhalb  der  Zelte,  mit  Nachfolgen  und  Anschliessen. 

Die  Angestellten  von  den  Vordersten  der  Scharen  (liilrsö) 
abwärts  sahen  die  Anzahl  der  Geschäfte  der  Verwandten  (thsin- 
88e).  Man  errichtete  jetzt  ein  Sammelhaus  innerhalb  der  Zelte 
(4^   P^   ff^   ^^'ong-nei-fu).    Die  Angestellten  sind: 

^  ^  Tien-ktün  ,dem  Kriegsheere  Vorgesetzte^  Die- 
selben sind  zwei  und  gehören  zu  dem  oberen  Theile  der  rich- 
tigen fünften  Classe. 

^  -^  $  FeU'tien-Jdiin  ^zugetheilte  dem  Kriegsheere 
Vorgesetzte^  Dieselben  sind  zwei  und  gehören  zu  dem  oberen 
Theile  der  nachfolgenden  fünften  Classe« 

Von  den  vergleichenden  Beruhigern  (hiao-wei)  abwärts 
sind  die  Zahl  und  die  Classen  wie  bei  dem  Sammelhause  der 
Sachen  der  Verwandten  (thsin-sse-fu). 

Anfänglich  nahm  man  die  dem  Kriegsheere  Vorgesetzten 
(tien-kiün)  aus  der  Zahl  der  Obrigkeiten  des  Krieges  und  der 
Menschen  von  fremder  Abstammung  (^^  ^  Heu-wai).  Sie 
leiteten  die  Waffenträger  (^  "^  tscKl-Uch'ang)^  die  Ange- 
stellten des  Inneren  der  Zelte  (tsch'ang-nei)  und  Andere. 

In  den  Sammelhäusem  des  Königs  von  Thsin  imd  des 
Königs  von  Thsi  wurden  in  den  sechs  Sammelhäusern  der  das 
Kriegsheer  Beschützenden  (hu-kiün-fu)  zur  Linken  und  Rechten^ 
in  dem  Sammelhause  des  nahestehenden  Kriegsheeres  (^  ^  Jf^ 
tkgin'kiün'fu)  zur  Linken  und  Rechten,  und  in  dem  Sammel- 
hause innerhalb  der  Zelte  (tsck^ang-nei-fu)  zur  Linken  und 
Rechten,  in  einem  Sammelhause  der  das  Kriegsheer  Beschützen- 
den (hu-kiihi'fv)  zur  Linken  und  in  einem  zur  Rechten  ein- 
gesetzt : 

^  ^  Hvr-kiiln  ,der  das  Kriegsheer  Beschützende^  Der- 
selbe war  je  Einer. 

@(|  ^  $  Feu'hU'kiiln  ,zugetheilte  das  Kriegsheer  Be- 
schützende' je  zwei. 

Tschang-sse  ,der  älteste  Vermerker'. 

Lb-Bse  tksan-kiün-sse  ,der  die  Sachen  Verzeichnende  und 
an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theiluehmende'. 


928  Pfismaier. 

Thsang-thsaoy  der  Richter  der  Scheunen^ 

Ping-thsao  ,der  Richter  der  Waffen'. 

Khai'ihsao  thsan'kiün-sse  ,der  Richter  der  Panzer  und  an 
den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theünehmende'.  Die  obigen  An- 
gestellten sind  je  Einer. 

)||^  ^    Thung-kiün  ^das  Kriegsheer  Leitende'  je  ßnf. 

J||J  ^    Pi^'tdang  ,der  besonders  Anführende'  je  Einer. 

In  zwei  Sammelhäusem  der  das  Kriegsheer  BeschützendeD 
(hu-kiünrfu)  zur  Linken  und  in  zweien  zur  Rechten,  dann  in 
drei  Sammelhäusern  der  das  Kriegsheer  Beschützenden  (hu- 
taün-fu)  zur  Linken  und  in  dreien  zur  Rechten  wurde  die  Zahl 
der  das  Kriegsheer  Leitenden  (thung-hiün)  vermindert.  Dieselben 
waren  jetzt  drei. 

Die  besonders  Anföhrenden  (pi^-tsiang)  waren  jetzt  sechs. 

In  dem  Sammelhause  des  nahestehenden  Kriegsheeres 
(^jß  $>  Ü^  ^A^Vfc»ttn-yti)  zur  Linken  und  Rechten  waren 
angestellt : 

Thung-kiUn  ,der  das  Kriegsheer  Leitende'  je  Eüner. 

Tschang-sse  ,der  älteste  Vermerker'  je  Einer. 

Lö-Bse  ihsan-ldün-sae  ,der  die  Sachen  Verzeichnende  und 
an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^. 

Ping-ihaoo  ,dei'  Richter  der  Waffen'. 

Khai-ihsao  thsan-ldün-sse  ;der  Richter  der  Panzer  und  an 
den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'. 

2^  j^J  ^  TsO'pi^'tsiang  ,der  besonders  Anfahrende  zur 
Linken'. 

y£r  J||J  M.  Yetirpi^'tsiang  ,der  besonders  Anfuhrende  zur 
Rechten.    Die  obigen  Angestellten  waren  je  Einer. 

Die  Verrichtungen  und  die  Zahl  der  AngesteDten  des 
Sammelhauses  innerhalb  der  Zelte  (tscKang-nei-fu)  sind  die- 
selben wie  diejenigen  des  Sammelhauses  der  das  Kriegsheer 
Beschützenden  (hu-kiün-fu). 

Ferner  gab  es  die  Angestellten; 

tf  i|[  Khu'tscKi  ,Gerade  der  Rüstkammer'.  Dieselben 
waren  dem  Sammelhause  der  Sachen  der  Verwandten  (Ü^n- 
sae-fu)  zugesellt. 

Qb  l§l  [S  ( Khtiirtschi'tschl)  ,im  Nachjagen  innehaltende 
Gerade'.     Dieselben   waren   dem   Sammelhause  innerhalb  der 


Die  SMiimeUitaMr  der  Lehenkftnige  China*«.  929 

Zelte  (tschang-nei'fu)  zugesellt.  Man  wählte  zu  diesen  Stellen 
die  Begabten  und  Muthigen. 

In  dem  Zeiträume  Tsching-kuan  (627  bis  649  n.  Chr.) 
schaffte  man  die  Geraden  der  Rüstkammer  (khu-tscht)  und  die 
nächsten  Angestellten  ab. 

In  dem  Sammelhause  der  Sachen  der  Verwandten  (thsin- 
sse-fu)  waren: 

ff^  Fu  ,der  Angestellte  des  Sammelhauses'.  Derselbe  war 
ein  Einziger. 

^  Sse  jVermerker'  zwei. 

^  "^  ^  ^  'TseK'i'UcVang  thsinrsse  ,die  Waffen  fest- 
haltende Angestellte  der  Sachen  der  Verwandten^  sechzehn. 

^  ^  ^  ^  ^  ^  ^  Tsch'l'kiung'tsch^ang  Uchl- 
sching  thsin-sse  ,die  Bogen  und  Waffen  festhaltende,  die  Ge- 
spanne festhaltende  Angestellte  der  Sachen  der  Verwandten' 
sechzehn.  Diese  Angestellten  befassen  sich  mit  dem  Anbieten 
von  Reitern  imd  Gespannen. 

^  ^  7^n-««6  ;  Angestellte  der  Sachen  der  Verwandten, 
dreihundert  dreissig. 

In '  dem  Sammelhause  innerhalb  der  Zelte  (Uch'ang-nei'fu) 
waren: 

Fu  ,der  Angestellte  des  Sammelhauses'  Einer. 

Sse  ,Vermerker'  Einer. 

||^  ^  Tschang-nei , Angestellte  innerhalb  der  Zelte'  sechs- 
hundert sieben  und  sechzig. 


WL  £  H  '^  Thsin-wang-kue  ling  ,der  Gebietende  der 
Reiche  der  verwandten  Könige'.  Derselbe  ist  ein  Einziger  und 
gehört  zu  dem  unteren  Theile  der  nachfolgenden  siebenten 
Classe. 

"i^  ^  Ta-nung  ,der  Angestellte  des  grossen  Ackerbaues'. 
Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehöii;  zu  dem  unteren  Theile 
der  nachfolgenden  achten  Classe.  Er  befasst  sich  mit  der 
Beurtheilung  der  Vorsteher  des  Reiches  (kuS-ase). 

^  Wei  jder  Beruhiger'.  Derselbe  ist  ein  Einziger  und 
gehört  zu  dem  unteren  Theile   der   richtigen  neunten  Classe. 


930  Pfitmaier. 

^  Sehing  ,der  Gehilfe*.  Derselbe  ißt  ein  Einziger  and 
gehört  zu  dem  unteren  Theile  der  nachfolgenden  neunten  Classe. 

A  ^  ^  Hiö'kuan  tschang  ;der  Aelteste  der  Obrigkeiten 
des  Lernens^ 

^  Sching  yder  Gehilfe'.  Diese  zwei  Angestellten  sind 
je  Einer.  Sie  befassen  sich  mit  der  Belehrung  und  dem  Unter- 
richte der  Menschen  des  Inneren. 

^  ^  ^  Schi'kuan  tschang  ,der  Aelteste  der  Obrig- 
keiten der  Speisend 

Sching  ,der  Gehilfe^  Diese  zwei  Angestellten  sind  je  Einer. 
Sie  befassen  sich  mit  der  Herstellung  der  Speisetafeln  und 
Speisen. 

]^  ^  ^  J^ieu-mä  tschang  ,der  Aelteste  der  Ställe  und 

der  Hirten^ 

Sching  ,der  Gehilfe^     Diese   zwei   Angestellten   sind  je 

zwei.    Sie  befassen  sich  mit  den  Hausthieren  und  Hirten. 

^  Ü^  ^  7t6n-/u  tschang  ,der  Aelteste  der  dem  Sammel- 
hause Vorgesetzten'. 

Sching  yder  Gehilfe'.  Diese  zwei  Angestellten  sind  je 
zwei.  Sie  befassen  sich  mit  vermischten  Sachen  innerhalb  des 
Sammelhauses. 

Die  hier  verzeichneten  Aeltesten  (tschang)  gehören  zu 
dem  unteren  Theile  der  richtigen  neunten  Classe.  Die  Ge- 
hilfen (sching)  gehören  zu  dem  unteren  Theile  der  nachfol- 
genden neunten  Classe. 

Zu  diesem  Amte  werden  noch  gezählt: 

^  ^  7ten-t£?et  ,der  Leibwache  Vorgesetzte'  acht  Die- 
selben befassen  sich  mit  der  bewachenden  Leibwache  (^S^  |^ 
scheu-wei),  mit  Nachfolgen  und  Anschliessen. 

^    A    Sche-jin  ^Hausgenossen'  vier. 

Lb-sse  ,der  die  Sachen  Verzeichnende'  Einer. 

Fu  ^Angestellte  des  Sammelhausos'  vier. 

Sse  ,Vcrnierker'  acht. 


St  "^  ^  ^  ^  Kung-tschilL-yi  ss^Ung  ,der  Vorsteher 
der  Gebote  der  Lehenstadt  der  Kaisertöchter'.  Derselbe  ist 
ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  unteren  Theile  der  nachfol- 
genden siebenten  Classe. 


Die  SammelhiaMr  4er  Lehenkönige  China^s.  931 

^  Sching  ,der  Gehilfe'.  Derselbe  ist  ein  Einziger  und 
gehört  zu  dem  unteren  Theile  der  nachfolgenden  achten  Classe. 

Diese  Angestellten  befassen  sich  mit  den  Gütern^  Waaren, 
Aufspeicherungen,  Feldern  und  Gärten  der  Kaisertöchter. 

dp  ^  Tschü-pu  ,der  den  Registern  Vorgesetzte^  Der- 
selbe ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  unteren  Theile  der 
richtigen  neunten  Classe. 

^  A,  LÖ-sse  ,der  die  Sachen  Verzeichnende^  Derselbe 
ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  unteren  Theile  der  nach- 
folgenden neunten  Classe. 

Diese  Angestellten  beaufsichtigen  die  Abgaben  der  Lehen 
und  sind  dem  Herauskommen  und  Hereinkommen  der  Güter 
und  Waaren  der  Häuser  vorgesetzt. 

Bei  diesem  Amte  werden  noch  verzeichnet: 

Sse  ,Vermerker'  acht. 

^  ^  Ngö-tsche  ,zum  Besuche  Anmeldende'  zwei. 
.Sche-jin  ,Hausgenossen'  zwei. 

Kia-H  , Angestellte  des  Hauses'  zwei. 


Die  äusseren  Aemter. 

^  "7^  :^  iS|  7C  |)|j  Thien-hia  ping-ma  yuen-sö  ,der 
ursprüngliche  Vorderste  der  WaflFen  und  Pferde  der  Welt'. 

^  7C  @l|)  Feti-yuen-«^  ,der  zugetheilte  ursprüngliche 
Vorderste', 

^  )j^    Ttz-^Aiin^  ,der  allgemeine  Leitende'. 

SQ  ^  i^  Feu-tU'ttmg  ;der  zugesellte  allgemeine  Lei- 
tende'. 

^  ^  ^  ^  Hang-kiUn  tschang-sse  ,der  älteste  Ver- 
merker des  wandernden  Kriegsheeres'. 

^  $  ^  iS|  Hang4ciün  sse-ma  ,der  Vorsteher  der 
Pferde  bei  dem  wandernden  Kriegsheere'. 

^  $  i  ^  J§  Hang-Tdün  teo-sse-ma  ,der  Vorsteher 
der  Pferde  zur  Linken  von  dem  wandernden  Kriegsheere'. 

^  ^  >^  €]  J§  Hang-kitin  yeu-sse-ma  ,der  Vorsteher 
der  Pferde  zur  Rechten  von  dem  wandernden  Kriegsheere'. 

Sitrongsber.  d.  pkil.-hist.  Cl.  XCV.  Bd.  IV.  Hfl.  60 


932  Pfitniaier. 

^  ^    Puan-knan  ,der  beartheilende  Amtsfuhrer^ 
Diese  Würdenträger  befassen  sich  mit  den  Verzeichnangen 
der  Bücher  und  der  Theilnahme  an  den  Berathungen  des  wan- 
dernden Kriegsheeres. 

"f^    ^    ^    M   'ffl^    Thsien-kiün  ping-ma   sse    ,der  Ab- 
gesandte für  die  Waffen  und  Pferde  des  vorderen  Kriegsheeres'. 

^   £  -^   S^  ^ß    Tschung-kiün  ping-ma   sse  ,der  Ab- 
gesandte für  die  Waffen  und  Pferde  des  mittleren  Kriegsfaeeres'. 

^  ^  Jp^  M  ^R  Heu^ktiln  ping-ma  sse  , der  AhgesBudi^ 
flir  die  Waffen  und  Pferde  des  rückwärtigen  Kriegsheeres'. 

^    $   ^  i^  "1^    Tschung-kiUn  tu-yü-heu    ,der  allge- 
meine Bemessende  und  Erspähende  des  mittleren  Kriegsheeres'. 
j^   ^    Yu^n-sÖ  ,der  ursprüngliche  Vorderste'. 

^  ^    Tu'thung  ,der  allgemeine  Leitende'. 

^  i^  ^  'I'^^^^o-ihao  sse  ,der  herbeirufende  und  Strafe 
verhängende  Abgesandte'. 

Diese  Würdenträger  befassen  sich  mit  Eroberungszügen 
und  Angriffen.  Wenn  die  Kriegsmacht  aufgelöst  wird,  so 
werden  sie  an  Zahl  verringert.  Der  allgemeine  Leitende  (hi- 
thung)  leitet  die  Waffen  und  Pferde  sämmtlicher  Wege.  Ihm 
werden  keine  Fahnen  und  Abschnittsröhre  verliehen. 

Als  Kaiser  Kao-tsu  zu  den  Waffen  griff,  wurden  eingesetzt: 

Tso-yeu  ^  ^  ling-kiün  ,der  das  Kriegsheer  Leitende^ 
zur  Linken  und  Rechten. 

-^  ^  ^  Tri- fii-f^  , der  grosse  allgemeine  Beaufsichtiger'. 

Diese  Angestellten  leiteten  je  die  drei  Kriegsheere. 

Als  man  die  Mutterstadt  beruhigt  hatte,  wurden  eingesetzt : 

Tso-yeu  jq  ^  yum-sÖ  ,der  ursprüngliche  Vorderste'  zur 
Linken  und  Rechten. 

3ÄC  ^  ^  ^  ^  7C  ßlB  Thai'yuen-taohang'kiiinyuefhMi 
,der  ursprüngliche  Vorderste  des  auf  den  Wegen  von  Thai- 
yuen  wandelnden  Kriegsheeres'. 

Bi  ^^  7C  ßlll  f^i'^^o  yuen-sö  ,der  im  Westen  Strafe 
verhängende  ursprüngliche  Vorderste'. 

Diese  Würdenträger  wurden  von  den  verwandten  Königen 
geleitet. 

Gegen  das  Ende  des  Zeitraumes  Thien-pao  (755  n.  Chr.) 
wurden  eingesetzt: 


Die  Sammelhäaser  dor  Lehenköuige  Chiiia*ä.  90t> 

Thien-hia  ping-ma  yuensö  ,der  ursprüngliche  Vorderste 
der  WaflFen  und  Pferde  der  Welt'. 

Tu'thung  ^der  allgemeine  Leitende^ 

SÖ-fang  ho-tung  ha-pe  ^  ^  ping  lu  ^jf  ]^  ^^  tsie- 
tU'Sse  ybemessende  Abgesandte  des  Abschnittsrohres  fiir  Sö- 
fang,  Ho-tung,  Ho-pe,  die  Landstriche  Ping  und  Lu'. 

Die  Namen  tachao-thao  ;der  Herbeirufende  und  Strafe 
Verhängende'  und  tu-thung  ,der  allgemeine  Leitende'  stammen 
aus  dieser  Zeit. 

Im  achten  Jahre  des  Zeitraumes  Ta-ll  (773  n.  Chr.)  wurde 
der  ursprüngliche  Vorderste  der  WaflFen  und  Pferde  der  Welt 
(thien-hia  ping-ma  yuensÖ)  entlassen. 

Im  vierten  Jahre  des  Zeitraumes  Eien-tschung  (783  n.  Chr.) 
wurde  aus  Anlass  der  Empörung  ^  ^  ^  Li-hi-li6*s  ein- 
gesetzt : 

^^tfü^ÄifilllSTCßlll  tschü-Jdün  hang-ying 
ping-ma  tu-yuen-sÖ  ,der  allgemeine  ursprüngliche  Vorderste  der 
WaflFen   und  Pferde   der   wandelnden  Lager   der  Kriegsheere'. 

Im  ersten  Jahre  des  Zeitraumes  Hing-yuen  (784  n.  Chr.) 
setzte  man  den  zugesellten  allgemeinen  Leitenden  (feu-tu- 
thung)  ein. 

In  dem  Zeiträume  Hoei-tschang  (841  bis  846  n.  Chr.) 
setzte  man  einen  ursprünglichen  Vordersten  (yuen-sÖ)  der  sechs 
Wege  der  Landstriche  ^  Ling  und  W  Hia  ein. 

Bei  dem  Unglück  durch  den  Empörer  ^  ^  Hoang- 
thsao  setzte  man  allgemeine  Leitende  (tu-thung)  der  wandelnden 
Lager  sämmtlicher  Wege  (tschü-tao  hang-ying)  ein. 

Im  zweiten  Jahre  des  Zeitraumes  Thien-fö  (902  n.  Chr.) 
setzte  man  einen  ursprünglichen  Vordersten  der  WaflFen  und  der 
Pferde  sämmtlicher  Wege  (tschü-too  ping-ma  yuen-sÖ)  ein.  Un- 
vermuthet  veränderte  man  wieder  den  Namen  und  sagte  thienr 
hia  ping-Toa  yuensö  ,der  ursprüngliche  Vorderste  der  WaflFen 
und  Pferde  der  Welt'. 


^  $  ^  4^1  Hang-kiUn  sse-m^  ,der  Vorsteher  der 
Pferde  von  dem  wandelnden  Eriegsheere'.  Derselbe  befasst 
sich  mit  der  Einrichtung  der  Bogenwinden  und  WaflFen.    Wenn 

man  an  einem  Orte   weilt,   veranstaltet   er  Einübungen  in  der 

60» 


934  Pfismaier. 

Jagd.  Wenn  man  Dienstleistungen  hat,  legt  er  die  Vorschriften 
für  Kampf  und  Vertheidigung  dar.  Geräthschaften,  Mondvor- 
räthe,  Schrifttafeln  des  Kriegsheeres,  Geschenke  und  Gabeo 
gehören  ausschliesslich  in  sein  Bereich. 

Im  ersten  Jahre  des  Zeitraumes  Wu-te  (618  n.  Chr.)  ver- 
änderte man  den  bisher  üblichen  Namen  ^  yj^  tsan-tichi 
,der  die  Einrichtung  Darreichende'  zu  y^  dl  tschi-tachung  ^der 
Mittlere  der  Einrichtung. 

Als  Kaiser  Kao-tsung  zu  seiner  Stufe  gelangte,  sagte  man 
ase-ma  ^Vorsteher  der  Pferde'.  Ein  solcher  wurde  auch  in  den 
unteren  Landstrichen  eingesetzt. 

Im  zweiten  Jahre  des  Zeitraumes  Hien-khing  (657  n.  Chr. 
setzte  man  einen  Vorsteher  der  Pferde  (sse-ma)  für  f^  LkV 
tscheu  ein. 

Zu  den  Zeiten  der  Kaiserin  von  dem  Geschlechte  Wu, 
im  ersten  Jahre  des  Zeitraumes  Ta-tsö  (701  n.  Chr.)  setzte 
man  in  der  östlichen  Hauptstadt  (tung-tu),  in  der  nördlichen 
Hauptstadt  (pe-tu)  und  in  den  Landstrichen  Yung,  King,  Yang 
und  Yt  Vorsteher  der  Pferde  (sse-ma)  zur  Linken  und  Rechten 
ein.  Im  zweiten  Jahre  des  Zeitraumes  Schin-lung  (706  d.  Chr.; 
verminderte  man  sie. 

Im  ersten  Jahre  des  Zeitraumes  Thai-kl  (712  n.  Chr.) 
vermehrte  man  in  den  vier  Sammelhäusern  der  grossen  allge- 
meinen Beaufsichtiger  (^  ^  ^  ta-tu-tö)  in  den  Landstrichen 
^  Yung  und  ^  Lö  die  Vorsteher  der  Pferde  (sse-ma)  m 
Einen.    Man  theilte  sie  auch  in  solche  zur  Linken  und  Rechtes. 


g^  Tschang-schu'ki  ,der  mit  den  Verzeichnungen 
der  Bücher  sich  Befassende^  Derselbe  befasst  sich  mit  dem 
Erscheinen  an  dem  Hofc;  mit  Erkundigung,  Fragen,  Trösten,  mit 
dem  Texte  des  Opfergebetes  und  mit  der  Sache  der  Erlässe, 
des  Aufsteigens  und  der  Zurücksetzung. 

^  ^  ^  ^  Hang-kiün  thsan-meu  ,der  an  den  B^ 
rathuugen  des  wandernden  Kriegsheeres  Theilnehmende'.  Der- 
selbe verschliesst  und  bereitet  das  Geheime  der  Triebwerke  in 
dem  Kriegsheere  vor. 

Im  ersten  Jahre  des  Zeitraumes  King-lung  (707  n.  Chr.) 
setzte  man  einen  mit  den  Verzeichnungen  der  Bücher  sich  Be- 
fassenden (tschang-schu'ki)  ein. 


Die  Sammelhioser  der  LeheokSnige  China*».  935 

Im  zwölften  Jahre  des  Zeitraumes  Ehai-yuen  (724  n.  Chr.) 
schaffte  man  den  an  den  Berathungen  des  wandelnden  Kriegs- 
heeres Theilnehmenden  (hang-kiün  iksan-meu)  ab.  Plötzlich 
setzte  man  einen  solchen  wieder  ein. 


|[{f  1^  ^  TsW'tU'Sse  ;der  bemessende  Abgesandte  des 
AbschnittsrohresS 

Sil   >^  ^  Feu-tonsse  ,der  zugetheilte  grosse  Abgesandte'. 

^  ^{f  1^  ^  Tschi  tsie-tu  sse  ^der  den  Sachen  des  Be- 
messenden des  Abschnittsrohres  Vorgesetzte^ 

^  £  ^  iSI  Hang-kiün  sse-ma  ,der  Vorsteher  der 
Pferde  von  dem  wandelnden  Kriegsheere. 

^  ^  Feti-^^e  ,der  zugetheilte  Abgesandte'. 

^J  W  ^^^^'^^^^  }^^^  beurtheilende  Amtsführer'. 

^  ^  §6  Tschang-schu'ki  ,der  mit  den  Verzeichnungen 
der  Bücher  sich  Befassende'. 

"jf^    ^    Tui'kuan  ,der  darbietende  Amtsführer'. 

^    ^    Siün-kuan  ;der  umherwandelnde  Amtsfiihrer'. 

^    H^    Fa-^m'  ;der  Darbietende  des  hohen  Wohnsitzes'. 

Die  obigen  Würdenträger  sind  je  Einer. 

^  ^ß  i^  Sil  ^  TTiung-tsie-tu  feu-sse  ^mit  dem  Be- 
niessenden des  Abschnittsrohres  gleichstehende  zugetheilte  Ab- 
gesandte.    Dieselben  sind  zehn. 

^  €1  j(^  W  ^^^^''^'V^  siün-kuan  ^umherziehende  Amts- 
führer der  Gebäude  und  Posten'.    Dieselben  sind  vier. 

jj^  ^  j^  |j|[  ^  Fu-yuen  fä  t8ch%kuan  ,gerade  Amts- 
führer der  Vorschrift  der  Sammelhäuser  und  Gebäude'. 

Yao'tf^  ;die  Schrifttafeln  Untersuchende'. 

j^  ^  TacKÖ-yao  thsin-ase  ^wetteifernd  die  Sache 
der  Verwandten  Untersuchende'. 

Die  obigen  Würdenträger  sind  je  Einer. 

^  ^  Suukiün  ydem  Kriegsheere  Nachfolgende'.  Die- 
selben sind  vier. 

Wenn  der  bemessende  Abgesandte  des  Abschnittsrohres 
(tsi^'tu-sse)  die  Könige  der  Landschaften  in  ihr  Lehen  einsetzt^ 
80  ist  dabei  der  Würdenträger: 


j 


936  Pfismaier. 


^  Tseu'ki  ,der  an  dem  Hofe  Meldende  und  Ver- 
zeichnende^  Derselbe  ist  ein  Einziger.  Zugleich  mit  diesem 
ist  dabei: 

ffl  ^  ^  Kuan-tsch'ärsse  ,der  beobachtende  und  unter- 
suchende Abgesandte^     Ferner  sind  dabei: 

^J  W   ^^'*-^«<*^  jder  beurtheilende  Amtsfuhrer'. 
^C  ^   TscKi'Sse  ,der  bemessende  Abgesandte^ 
ij^  ^   Tui'kuan  ,der  darbietende  Amtsfuhrer^ 
]{GS   ^   Siün-kuan  ^der  umherziehende  Amtsführer^ 
^  ^  Ya^tui  ,der  Darbietende   des  hohen  Wohnsitzes^ 
Diese  Würdenträger  sind  je  Einer.    Ferner  ist    dabei: 

^  Wi  ^  A^^an-/u-««e  ,der  beruhigende  Abgesandte^. 
Bei  demselben  sind  dann: 

Ftf(-88e  ,der  zugetheilte  Abgesandte^ 

Puan-kuan  yder  beurtheilende  Amtsfiihrer^  Diese  Würden- 
träger sind  je  Einer. 

Hinzugegeben  werden  noch: 

^C    ^    TscJii'tu  ,der  bemessende  Abgesandte  ^ 

^    09     Ying-thien  ^der  die  Felder  bauende  Abgesandte'. 

"^  0^  Tschao-thao  ,der  herbeirufende  und  Strafe  ver- 
hängende Abgesandte^ 

j^  PS*  ^  ^ing-^io-sse  ,der  vorbeigehende  und  durch- 
streifende Abgesandte^ 

Zu  diesen  Würdenträgern  gehören  dann: 
FeU'Sse  ,der  zugetheilte  Abgesandte'. 
Puan-kuan   ^der   beurtheilende   Amtsfiihrer'.     Diese   zwei 
Angestellten  sind  je  Einer. 

Zu  dem  bemessenden  Abgesandten  (tscVi-tu-sse)  gehören 
wieder: 

Wi  )£  Khmi-yün  puan-kuan  ,der  beurtheilende  Amts- 
flihrer  des  Versendens'. 

Siün-kuan  ,der  umherziehende  Amtsfuhrer'.  Dieselben 
sind  je  Einer. 

Der  bemessende  Abgesandte  des  Abschnittsrohres  (tm?- 
tU'Sse)  befasst  sich  mit  der  Leitung  der  Schaaren  des  Kriegs- 
heeres und  ausschliesslichem  Hinrichten  und  Tödten.  Er  über- 
gibt  anfänglich  die  Oeräthe,  fasst  die  Waffen  zusammen,  erscheint 


Die  Sammelbiiuer  d«r  Leheokfinige  China*s.  937 

zum  Besuche  in  der  Abtheilung  der  Waffen  (pi'^^g-p^)  und 
verabschiedet  sich.  Wenn  er  den  beobachtenden  und  unter- 
suchenden Abgesandten  (kuan-iscVü^sse)  besucht,  ist  es  eben- 
falls so.  An  dem  Tage,  wo  er  sich  verabschiedet,  schenkt  man 
ihm  ein  Paar  Fahnen  und  ein  Paar  Abschnittsröhre. 

Wenn  er  auf  der  Reise  ist,  stellt  er  ein  Abschnittsrohr 
auf  und  pflanzt  sechs  Federnfahnen.  Die  Obrigkeiten,  die  er 
trifft,  begleiten  ihn  nach  der  Vorschrift  zu  der  Haltstelle  einer 
Post  und  bringen  es  sofort  nach  oben  zu  Ohren. 

Wenn  er  eine  Gränze  überschreitet,  bauen  die  Landstriche 
und  Kreise  einen  Söller  des  Abschnittsrohres  und  ziehen  ihm 
mit  Trommeln  und  Hörnern  entgegen.  Die  Waffen  des  hohen 
Wohnsitzes  befinden  sich  vor  ihm.  Fahnen  und  Wimpeln  be- 
finden sich  in  der  Mitte.  Cymbeln  von  Agatgold  (^  ^  kho- 
lein),  welche  der  grossen  Anführer  ertönen  lässt,  Trommeln 
und  Hörner  befinden  sich  rückwärts.  Die  Landstriche  und 
Kreise  beschenken  ihn  mit  Siegeln  und  empfangen  ihn  zur 
Linken  des  Weges. 

An  dem  Tage,  wo  er  die  Sachen  betrachtet,  stellt  man 
ehrende  Bänke  {jjM  ^  li-ngan),  welche  einen  Schuh  zwei 
Zoll  Höhe  und  acht  Schuh  im  Umfange  haben,  und  drei  Bänke 
der  Beurtheilung  auf.  Der  bemessende  Abgesandte  des  Ab- 
schnittsrohres (tsiS-tU'Sae)  beurtheilt  die  Vorgesetzten  und  Reichs- 
gehilfen (tsai-siang).  Der  beobachtende  und  untersuchende 
Abgesandte  (kuan-tscVä-sse)  beurtheilt  den  bemessenden  Ab- 
gesandten des  Abschnittsrohres  (tde-tu-sse).  Der  ausschliesslich 
läuternde  Abgesandte  (^  j|A  ^  tuan-lien-sse)  beurtheilt 
den  beobachtenden  und  untersuchenden  Abgesandten  (ktian- 
UcKorSse).  Am  dritten  Tage  wäscht  man  das  Siegel  und  sieht, 
ob  es  zerschnitten  oder  eingebrochen  ist. 

Im  ersten  Monate  jedes  Jahres  untersucht  man^  ob  £in- 
richtungen  getroffen  wurden  oder  nicht.  Waffen  giessen  ist 
Gegenstand  der  oberen  Untersuchung.  Hinreichende  Nahrungs- 
mittel ist  Gegenstand  der  mittleren  Untersuchung.  Verdienste 
an  den  Gränzen  ist  Gegenstand  der  unteren  Untersuchung. 

Der  beobachtende  und  untersuchende  Abgesandte  (kuan- 
Uch*ä-88e)  macht  Ueberfluss  und  Reife  des  Getreides  zum 
Gegenstände  der  oberen  Untersuchung.  Die  Verringerung  der 
Strafen  macht  er  zum  Gegenstande  der  mittleren  Untersuchung. 


938  Pfiiaaier. 

Die  Unterscheidung   der  Abgaben   macht  er  zum  Gegenstände 
der  unteren  Untersuchung. 

Der  ausschliesslich  läuternde  Abgesandte  (tuan-Uen-ue) 
macht  die  Zufriedenstellung  des  Volkes  zum  Gegenstande  der 
oberen  Untersuchung.  Die  Warnung  vor  Ränken  macht  er 
zum  Gegenstande  der  mittleren  Untersuchung.  Die  Gewinnimg 
der  Neigung  macht  er  zum  Gegenstande  der  unteren  Unter- 
suchung. 

Der  abwehrende  und  vertheidigende  Abgesandte  (^  ^ 
'ffl^  fang-yü-ase)  macht  das  Unvermuthete  zum  Gegenstände 
der  oberen  Untersuchung.  Die  Klärung  des  Ungemachs  macht 
er  zum  Gegenstande  der  mittleren  Untersuchung.  Die  Voll- 
endung der  Lenkung  macht  er  zum  Gegenstande  der  unteren 
Untersuchung. 

Der  vorbeigehende  und  durchstreifende  Abgesandte  (king- 
Uö-sae)  macht  Berechnung  und  Bemessung  zum  Gegenstande 
der  oberen  Untersuchung.  Die  gesammelten  Sachen  macht  er 
zum  Gegenstande  der  mittleren  Untersuchung.  Uebung  der  Be- 
gründung macht  er  zum  Gegenstande  der  unteren  Untersuchung. 

Wenn  man  von  den  Verrichtungen  ablässt,  so  kommt 
man  in  dem  Gerichtshause  zusammen.  Das  Siegel  des  be- 
messenden Abgesandten  dos  Abschnittsrohres  (tsie-tu-ase)  behält 
man  nach  Umständen  zurück.  Dem  Siegel  des  beobachtenden 
und  untersuchenden  Abgesandten  (kuan-tsch'ä-sse),  des  die 
Felder  Bauenden  (ying  -  thien)  und  Anderer,  lässt  man  die 
Obrigkeiten  der  Leibwächter  (lang-kuan)  vorgesetzt  sein.  Man 
legt  ein  Schloss  an  den  Söller  der  Abschnittsröhre  (tsi^-leu),  an 
die  Halle  der  Abschnittsröhre  (tsi^-thang)  und  lässt  ihnen  den 
Abgesandten  des  Gebäudes  der  Abschnittsröhre  ("^  ^  ^ 
tsie-yuen-sse)  vorgesetzt  sein. 

Der  Darbietende  des  Opfers  (^^  ^  tsi-thien)  tritt  recht- 
zeitig bei  dem  Hofe  ein.  Wenn  er  noch  nicht  erschienen,  tritt 
er  nicht  in  das  eigene  Wohnhaus  ein. 

Die  Landpfleger  (^  mö)  des  Kreises  der  Mutterstadt 
und  von  Ho-nan,  der  grosse  allgemeine  Beaufsichtiger  (ta-tu- 
tö)  und  der  grosse  allgemeine  Beschützende  (^  ^  ^  ^' 
turhu)  sind  verwandte  Könige.  Sie  lenken  in  der  Ferne  die 
beiden  Sammelhüuser.  Man  lässt  ihnen  den  Richtigen  (^  yün) 
vorgesetzt  sein. 


Die  SammelhftaMr  dar  Lehenköaige  ChinaV.  939 

Der  Lenkung  des  Sammelhauses  des  grossen  allgemeinen 
Beaufsichtigers  (ta-tu-tö)  lässt  man  den  ältesten  Vermerker 
(tsckang-sae)  vorgesetzt  sein. 

Der  Lenkung  des  grossen  allgemeinen  Beschützenden  (ta- 
fU'hu)  lässt  man  den  zugetheilten  grossen  allgemeinen  Be- 
schützenden (feu-ta-tu-hu)  vorgesetzt  sein.  Der  zugetheilte 
grosse  allgemeine  Beschützende  ist  zugleich  ältester  Vermerker 
(tschang-sse)  des  Sammelhauses  der  Könige. 

Später  werden  unter  den  Würdenträgern  genannt: 

^  fßS  TscKi'tsie  ,der  das  Abschnittsrohr  Erfassende'. 
Es  ist  der  Bemessende  des  Äbschnittsrohres  (^^ff    ||^  tsi^-tu). 

Der  zugetheilte  grosse  Abgesandte  (feu-tasse)  und  der 
den  Sachen  des  Bemessenden  des  Abschnittsrohres  Vorgesetzte 
(tschi  tsii-tu  88e)  sind  richtige  Bemessende  des  Äbschnitts- 
rohres (jj^   ^Jf   H^  tsching-tgiS'tu), 

Die  Könige,  welche  zu  grossen  Abgesandten  der  Be- 
messung des  Abschnittsrohres  (tsie-tu  ta-sse)  ernannt  werden, 
bleiben  in  der  Mutterstadt  zurück. 

Ein  Einziger  ist: 

Der  beobachtende  und  untersuchende  Abgesandte  (kuan- 
tscVa-sse). 

Je  Einer   sind    ferner  die  zu  dessen  Amte  Gehörenden: 

Feu'Sse  ,der  zugetheilte  Abgesandte'. 

TscVi'Sse  ;der  bemessende  Abgesandte'. 

Puan-kuan  ,der  beurtheilende  Amtsführer'. 

Tschang-schu-ki  ,der  mit  den  Verzeichnungen  der  Bücher 
sich  Befassende'. 

Tui-kuan  ,der  darbietende  Amtsfuhrer'. 

Siün-lctuin  .der  umherziehende  Amtsführer'. 

Ya-tui  ,der  Darbietende  des  hohen  Wohnsitzes'. 

Sui'kiün  ,der  dem  Kriegsheere  Nachfolgende'. 

Yao-ttÜ  ,der  die  Schrifttafeln  Untersuchende'. 

^  ^  ^  Tsin-tseu-kuan  ,der  darreichende  und  an  dem 
Hofe  meldende  Amtsfuhrer'. 

Ein  Einziger  ist: 

Der  ausschliesslich   läuternde  Abgesandte   (tuan-lien-ifae). 

Je  Einer   sind   ferner   die  zu  dessen  Amte  Gehörenden : 


940  Pfismftier. 

Feursse  ,der  zugesellte  Abgesandte^ 
Pfian-ktian  ;der  beurtheilende  Amtsfuhrer'. 
Tui'kuan  ,der  darbieteDde  Amtsführer^ 
Siiln-kuan  ,der  umherziehende  Amtsf&hrer^ 
Ya-tui  ,der  Darbietende  des  hohen  Wohnsitzes^ 


K^  ^S  'ffl^  Fang-yü'sse  ,der  abwehrende  und  vertheidi- 
gen  de  Abgesandte^ 

j^  ^S  Feu-sse  ,der  zugetheilte  Abgesandte'. 

^J   1^  Puan-kuan  ,der  beurtheilende  Amtsfuhrer^ 

:j^  ^    Tui'kuan  ,dor  darbietende  Amtsfuhrer*. 

](^  ^  SUn-kuan  ;der  umherziehende  Amtsfuhrer'. 

Die  obigen  Würdenträger  sind  je  Einer. 

^  ^  1^  S  ^  Knan-tach'ä  tscli'u-tschl  sse  ^beobach- 
tende  und  untersuchende  Abgesandte  des  Verbleibens  und  der 
Einsetzung^  Diese  Würdenträger  befassen  sich  mit  der  Unter- 
suchung des  Guten  und  Schlechten  der  Eingesetzten  und  erheben 
die  grosse  Leitung.  Was  sie  an  dem  Hofe  melden  und  am 
was   sie  bitten,  gehört  zu  den  Landstrichen. 

Im  Anfange  des  Zeitraumes  Tsching-kuan  (627  n.  Chr.) 
schickte  man  dreizehn  grosse  Abgesandte  (ta-sse)  aus.  Die- 
selben durchzogen  und  untersuchten  sämmtliche  Landstriche 
der  Welt.  Wenn  Wassersnoth  oder  Dürre  war,  schickte  man 
Abgesandte,   welche   die   Namen    ^    |^    siün-tsdiä  ^Umher- 

ziehende  und  Untersuchende',  ^  ^  ngan-fu  ,Bei*uhigende', 
^    ^    tsün-fu  ,Erhaltende  und  Beruhigende'  führten. 

Im  zweiten  Jahre  des  Zeitraumes  Schin-Iung  (706  n.  Chr.) 
machte  man  zwanzig  Menschen  von  der  fünften  Ciasse  auf- 
wärts zu  umherziehenden  und  untersuchenden  Abgesandten 
der  zehn  Wege  (-|-  ^  "^  ^  ^^  schi-tcu)  siünrUdCärSui). 
Dieselben  untersuchten  die  Landstriche  und  Kreise,  reisten 
zweimal  umher  und  wechselten  dann. 

Im  zweiten  Jahre  des  Zeitraumes  Eing-yün  (711  n.Chr.) 
setzte  man  ein: 

^  ^  Tu'tÖ  ,allgemeine  Beaufsichtiger'.  Dieselben  waren 
vier  und  zwanzig  und  untersuchten  das  Gute  und  Schlechte 
der  Würdenträger  von  dem  stechenden  Vermerker  (thsessej 
abwärts.    Ferner  setzte  man  ein: 


Die  Sammelh&aser  der  Lebenk&nige  Chioft^s.  941 

^  JfiL  ^  ^  Sse-khiü  tsung-sse  ,der  Erhebung  Vor- 
stehende, den  Geschäften  sich  Anschliessende^  Dieselben  waren 
zwei  und  im  Range  den  kaiserlichen  Vermerkern  (yü-sse)  gleich. 

Für  die  vier  Landstriche  Yang,  Yl,  Fing  und  King  er- 
nannte man  grosse  allgemeine  Beaufsichtiger  (ta-tu-tÖ). 

Für  die  zehn  Landstriche  Pien,  Yuen,  Wei;  Ki,  P'u,  Mien, 
Thsin,  Hung,  Jün  und  Yu$  ernannte  man  mittlere  allgemeine 
Beaufsichtiger  (tschung-tu-tö).  Diese  und  die  grossen  allgemeinen 
Beaufsichtiger  gehörten  zu  der  richtigen  dritten  Classe. 

Für  die  zehn  Landstriche  Thsi,  Lö,  King,  Siang,  Ngan, 
Tan,  Sui,  Thung,  Liang  und  Wei  ernannte  man  untere  allge- 
meine Beaufsichtiger  (hia-tu-tÖ).  Dieselben  gehörten  zu  der 
nachfolgenden  dritten  Classe. 

Um  diese  Zeit  hielt  man  dafür,  dass  Macht  und  Ansehen 
schwer  zu  beschränken  seien,  und  man  schaffte  diese  Beauf- 
sichtiger ab.  Bloss  die  vier  Sammelhäuser  der  grossen  allge- 
meinen Beaufsichtiger  (ta-tu-tö)  blieben  wie  fiiiher. 

Ferner  setzte  man  ein: 

"P  ^  ^  ^  fi^  '^^^'^^^  f^gdn-tsch'ä  886  ,untersuchende 
Abgesandte  der  zehnWege^  Dieselben  waren  für  jeden  Weg  Einer. 

Im  zweiten  Jahre  des  Zeitraumes  Khai-yuen  (714  n.  Chr.) 
sagte  man  '\^^^^^^J^^^  8cht'tao  ngan- 
iscKa  thsai'-fang  tsch'u-tscVl  88e  ,untersuchende,  erfassende  und 
befragende  Abgesandte  des  Verbleibens  und  der  Einsetzung 
für  die  zehn  Wege^  Im  vierten  Jahre  desselben  Zeitraumes 
(716  n.  Chr.)  schaffte  man  sie  ab. 

Im  achten  Jahre  des  Zeitraumes  Khai-yuen  (720  n.  Chr.) 
setzte  man  wieder  ein: 

"f*  ^  ^  ^  ^  Schl'tao  ngan-tscKä  8se  ,untersuchende 
Abgesandte  der  zehn  Wege^  Dieselben  durchzogen  und  be- 
sichtigten im  Herbst  und  Winter  die  Landstriche  und  Kreise. 
Im  zehnten  Jahre  desselben  Zeitraumes  (722  n.  Chr.)  schaffte 
man  sie  ebenfalls  ab. 

Im  siebzehnten  Jahre  des  Zeitraumes  Khai-yuen  (729 
n.  Chr.)  setzte  man  wieder  ein: 

liang-khi  ngan-tscVä  sse  ,die  untersuchenden  Abgesandten  der 
zehn  Wege  und  der  beiden  Qränzgebiete  der  Mutterstadt  und 
der  Hauptstadt^ 


942  Pfiim»i«r. 

Im  zwanzigsteu  Jahre  des  Zeitraumes  Khai-yuen  (732 
D.  Chr.)  sagte  man: 

#  1^  M  i^  "^  rA«af-/aH9  tscht-tsch'u  sse  ,die  er- 
fassenden und  befragenden  Abgesandten  der  Bünsetzong  und 
des  Verbleibens^     Man  vertheilte  sie  auf  fünfzehn  W^e. 

Gegen  das  Ende  des  Zeitraumes  Thien-pao  (755  n.  Chr.) 
war  wieder  zugleich  Entsetzung  und  Beförderung. 

Im  ersten  Jahre  des  Zeitraumes  Ehien-yuen  (758  n.  Chr.) 
veränderte  man  den  Namen,  zu  kuan-iscKä  tsch'u-tsch'i  sse  ,be- 
obachtende  und  untersuchende  Abgesandte  des  Verbleibens  und 
der  Einsetzung^ 

^  ^  M  ^  ^t  ^  ^  ^'^^  ^^ng-tu  pe-tu  mö  ,die 
Landpfleger  der  westlichen  Hauptstadt,  der  östlichen  Haupt- 
stadt, der  nördlichen  Hauptstadt^  Dieselben  sind  je  Einer  und 
gehören  zu  der  nachfolgenden  zweiten  Classe. 

Si-tu  tung-tu  pe-tu  fung-tsiang  tsdiing-tn  ko-tschung  kiang- 
ling  hing-yuen  te-hing  J^  fu  ^  yän  ,die  Richtigen  der  Sammel- 
häuser der  westlichen  Hauptstadt,  der  östlichen  Hauptstadt,  der 
nördlichen  Hauptstadt,  von  Fung-tsiang,  Tsch'ing-tu,  Ho-tschung, 
Eiang-ling,  Hing-yuen  und  Te-hing'.  Dieselben  sind  je  Einer 
und  gehören  zu  der  nachfolgenden  dritten  Classe. 

Diese  Würdenträger  befassen  sich  mit  den  Umgestaltungen 
durch  die  Tugend.  Sie  ziehen  alljährlich  in  den  abhängigen 
Kreisen  umher,  beobachten  Sitten  und  Gewohnheiten,  ver- 
zeichnen die  Gefangenen  und  kümmern  sich  um  Witwer  und 
Witwen.  Wenn  verwandte  Könige  den  Landstrichen  vorge- 
setzt sind,  so  machen  sie  alljährlich  die  Meldung  nach  oben 
und  stehen  bei  dem  Umherziehen  in  den  Kreisen  zur  Seite. 

Im  ersten  Jahre  des  Zeitraumes  Wu-te  (618  n.  Chr.)  setzte 
man  in  ^  Yung-tscheu  einen  Landpfieger  (mÖ)  ein.  Man  er- 
nannte zu  diesem  Amte  einen  verwandten  König.  Gewöhnlieh 
Hess  man  jedoch  durch  einen  besonders  Fahrenden  (^J||J  j| 
pü-kia)  die  Sachen  des  Landstriches  leiten. 

In  dem  Zeiträume  Yung-hoei  (650  bis  655  n.  Chr.)  ver- 
änderte man  den  Namen  Yün  ^Richtiger'  zu  tschang-ase  ^ältester 
Vermerker'. 

Als  Kaiser  Thai-tsung  den  Angriff  auf  Kao-li  unternahm; 
setzte  er  einen  zurückbleibenden  Wächter  der  Feste  der  Mutter- 


k^ 


Die  Sammelhftnser  der  Lehenkönige  China*».  943 

Stadt  (^  ^  If  ^  king-tsch'ing  lieu-scheu)  ein.  Als  später 
Wagen  und  Gespanne  sich  nicht  in  der  Hauptstadt  befanden, 
setzte  man  einen  zurückbleibenden  Wächter  ^^  n^  lieti-scheu) 

ein  und  machte  den  grossen  Heerführer  des  ^  ^  Rin-ngu 
zur  Rechten  zum  zugesellten  zurückbleibenden  Wächter  (feu- 
Ueu-scheu). 

Im  ersten  Jahre  des  Zeitraumes  Ehai-yuen  (713  n.  Chr.) 
veränderte  man  für  die  Sammelhäuser  des  Kreises  der  Mutter- 
stadt und  von  Ho-nan  den  Namen  tschang-sse  ^ältester  Ver- 
merker' wieder  zu  ^  yün  ^Richtiger^  Derselbe  beurtheilte 
durchgängig  die  Bestrebungen  des  Sammelhauses.  Wenn  die 
Stelle  des  Landpflegers  (mö)  leer  war,  fUhrte  er  dessen  Geschäfte. 

Im  eilften  Jahre  des  Zeitraumes  Khai-yuen  (723  n.  Chr.) 
setzte  man  in  dem  Sammelhause  von  Thai-yuen  ebenfalls  einen 
Richtigen  (yün)  und  einen  kleinen  Richtigen  (achao-^iln)  ein. 
Man  machte  den  Richtigen  (yün)  zum  verbleibenden  Wächter 
(lieu-scheu).  Den  kleinen  Richtigen  (schao-yün)  machte  man 
zum  zugetheilten  zurückbleibenden  Wächter  (feu-Heu-scheu).  Man 
nannte  sie  die  zurückbleibenden  Wächter  der  drei  Hauptstädte. 

In  den  drei  Hauptstädten  (san^tu)  gehören  zu  dem  Sammel- 
hause des  grossen  allgemeinen  Beaufsichtigers  (ta-tu-tö)  die 
Angestellten : 

^  ^   Tien-yÖ  ,den  Gefängnissen  Vorgesetzte'  achtzehn. 

^    ^   Wen-sse  ^nach  den  Sachen  Fragende'  zwölf. 

}ä    l£  P^'tacKi  ,die  meldenden  Geraden'  vier  und  zwanzig. 

Unter  diesen  Angestellten  verschliesst  und  bewacht  der 
den  Gefangnissen  Vorgesetzte  (tien-yÖ)  die  Gefangenen.  Der 
nach  den  Sachen  Fragende  (wen-sae)  vollzieht  die  kleinen  Strafen. 

Im  mittleren  Sammelhause   (tschung-fu)   gehören   zu   den 
oberen  Landstrichen  (schang-tscheu)  die  Angestellten: 
Tien-yö  ,den  Gefängnissen  Vorgesetzte'  vierzehn. 
Wen'Sse  ,nach  den  Sachen  Fragende'  acht. 
Pe-tschl  ,die  meldenden  Geraden'  zwanzig. 

In   dem   unteren  Sammelhause   (hia-fu)   gehören   zu   den 
mittleren  Landstrichen  (tachung-tscheu)  die  Angestellten: 
Tien-yö  ,den  Gefängnissen  Voi^esetzte'  zwölf. 
Wen-aae  ,nach  den  Sachen  Fragende'  sechs. 
Pe-facVl  ydie  meldenden  Geraden'  sechzehn. 


044  Pfixmaier. 

Zu  den    unteren  Landstrichen  gehören   die  Angestellten: 
Tien-yö  ,den  Gefängnissen  Vorgesetzte'  acht. 
Wen-sse  ,nach  den  Sachen  Fragende'  vier. 
Pe-tsch't  ;die  meldenden  Geraden'  sechzehn. 

In  allen  Äemtern,   von  denjenigen   der  drei  Hauptstädte 
(san-tu)  abwärts,  gibt  es: 

ä^  JJ  T8ch!l'tao   ,das  Schwert  Ergreifende',     Dieselben 
sind  fünfzehn. 


^  ^  Schao-tfiln  ,die  kleinen  Richtigen'.  Dieselben  sind 
zwei  und  gehören  zu  dem  unteren  Theile  der  nachfolgenden 
vierten  Classe. 

Diese  Würdenträger  befassen  sich  als  Zweite  mit  den 
Sachen  der  Sammelhäuser  und  der  Landstriche.  Am  Elnde  des 
Jahres  bringen  sie  in  abwechselnder  Ordnung  die  Rechnungen  ein. 


^  ^  ^  $  $*  iiS«^^^  thaan-kiUn'Sse  ^die  den  Ver- 
zeichnissen Vorstehenden  und  an  den  Sachen  des  Kri^;sbeere8 
Theilnehmenden'.  Dieselben  sind  zwei  und  gehören  zu  dem 
oberen  Theile  der  richtigen  siebenten  Classe. 

^&  A  Lö'Sse  ,die  Sachen  Verzeichnende'.  Dieselben  sind 
vier  und  gehören  zu  dem  oberen  Theile  der  nachfolgenden 
neunten  Classe. 

Kung-thsao  thsang-iksao  hvrthsao  thien-thsoo  ping-thsao  fä- 
thsao  sae^thaao  tksan'kiiin'Sse  ^Richter  der  Verdienste,  Richter  der 
Scheunen,  Richter  der  Thüren  des  Volkes,  Richter  der  Felder, 
Richter  der  WaflFen,  Richter  der  Vorschriften,  Richter  der  vor- 
züglichen Männer  und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theil- 
nehmende'.  Dieselben  sind  je  zwei  und  gehören  sämmtlich  zu 
dem  unteren  Theile  der  richtigen  siebenten  Classe. 

^  $  $>  Thsan-kiUn-sse  ,an  den  Sachen  des  Erie^- 
heeres  Theilnehmende'.  Dieselben  sind  sechs  und  gehören  zu 
dem  unteren  Theile  der  richtigen  achten  Classe. 

In  den  sechs  Sammelhäusem  wurden  die  Angestellten^ 
von   dem   die  Sachen  Verzeichnenden  und  an  den  Sachen  des 


Die  Sammelh&QMr  der  Lebenkönige  China*s.  945 

Eriegsheeres  Theilnehmenden  (lö-sse  thaan-küln-sse) '  abwärts, 
um  Einen  vermindert. 

^  ^  ^  ^  ^  L&-88e  thsan-kiün-aae  ,der  die  Sachen 
Verzeichnende  und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theil- 
nehmende^  Derselbe  befasst  sich  mit  der  Berichtigung  der 
Gegensätze  und  Versehen.  Er  überwacht  die  Abschnittsröhre 
und  Siegel. 

Im  Anfange  des  Zeitraumes  Wu-te  (618  n.  Chr.)  ver- 
änderte man  den  Namen  (j^  ^  ^  tscheu-tachU-pu)  , Vor- 
gesetzter der  Register  der  Landstriche'  zu  lö-sse  thsan-kiün-sse 
;der  die  Sachen  Verzeichnende  und  an  den  Sachen  des  Kriegs- 
heeres Theilnehmende'.  Im  ersten  Jahre  des  Zeitraumes  Khai- 
yuen  (713  n.  Chr.)  veränderte  man  den  Namen  zu  fj  ^  »se-lö 
,der  den  Verzeichnissen  Vorstehende'.  Zu  dem  Amte  gehören 
zehn  Vermerker  (sse). 

Zu  dem  Sammelhause  des  grossen  allgemeinen  Beauf- 
sichtigers (ta-tu-tÖ)  gehören  vier  Vermerker. 

Das  mittlere  Sammelhaus  (tschung-fu)  hat  drei  Vermerker. 

In  dem  unteren  Sammelhause  (hia-fu)  und  in  dem  Sammel- 
hause des  allgemeinen  Beschützers  (J^  ^  tu-hu)  haben  die 
oberen  Landstriche  (schang-tscheu),  die  mittleren  Landstriche 
(tschung-tacheu)  und  die  unteren  Landstriche  (hia-Ucheu)  je 
zwei  Vermerker. 


"A  W  "jl^  ^  Kung-thscLO  sae-kung  thsan-kiün-sse  ,der 
Richter  der  Verdienste,  der  den  Verdiensten  Vorstehende  und 
an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'.  Derselbe 
befasst  sich  mit  Untersuchen  und  Prüfen,  mit  den  vorläufigen 
Abgesandten,  mit  den  Opfern,  Gebräuchen  und  Musik,  mit 
den  Gebäuden  des  Lernens,  mit  Denkschriften  und  Schriften 
der  weiteren  Erklärungen,  mit  der  Eröffnung  der  glücklichen 
Vorbedeutungen  und  des  Seltsamen  bei  Gehalten,  mit  Aerzten, 
Arzneien,  Wahrsagen  und  stellt  Trauer  und  Bestattung  her. 

Im  Anfange  des  Zeitraumes  Wu-te  (618  n.  Chr.)  hiessen 
die   bisher   üblichen   Namen   sse-kung  sse-thsang  sse-hu  sse-ping 


*  Dieser  Angestellte  ist  derselbe  wie  der  oben  genannte  ,den  Verzeich- 
nissen Vorstehende  und  an  den  Sachen  des  Eriegsheeres  Theilnehmende' 
(fse'lö  thtan-kuin-s^e). 


946  rriBMfticr. 


»se-fä  sse-sne  ^  4h  schu-tso  ,der  den  Verdiensten  vorstehende, 
der  den  Scheunen  vorstehende,  der  den  Thüren  des  Volkes 
vorstehende,  der  den  Waffen  vorstehende,  der  den  Vorschnften 
vorstehende,  der  den  vorzüglichen  Männern  vorstehende  Gdiilfe 
der  Bücher'  sämmtlich  sse-kung  thsan-kiün-sse  ,der  den  Ver- 
diensten Vorstehende  und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres 
Theilnehmende'  sse-thsang  ttuan-lciün-sse  ,der  den  Scheuneo 
Vorstehende  und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilneh- 
mende'  u.  s.  w. 

In  diesem  Amte  gibt  es: 

Jf^    Fu  , Angestellte  des  Sammelhauses'  vier. 

^    Sse  ,  Vermerk  er'  zehn. 

In  dem  Sammelhause  des  grossen  allgemeinen  Beauf- 
sichtigers (ta-tU'tö)  gibt  es: 

Fu  ,Angestellte  des  Sammelhauses'  drei. 
4S«e  jVermerker'  sechs. 

In  dem  mittleren  Sammelhause  (tschung-fu)  gibt  es: 
Fu  ,Angestellte  des  Sammelhauses'  zwei. 
Sse  ,Vermerker'  drei. 

Zu  dem  unteren  Sammelhause  (hia-fu)  gehören: 
Fu  ,der  Angestellte  des  Sammelhauses'.    Derselbe  ist  ein 
Einziger. 

Sse  ,Vermerker'  drei. 

Zu  dem  Sammelhause  des  grossen  allgemeinen  Beschützers 
(ta-tU'hu)  gehören: 

Fu  ,der  Angestellte  des  Sammelhauses'.  Derselbe  ist  ein 
Einziger. 

Sse  jVermerker'  zwei. 

In  dem  oberen  Sammelhause  (schmig-fn)  gibt  es: 

Fu  , Angestellte  des  Sammelhauses'. 

Sse  ,Vermerker'.     Diese  zwei  Angestellten  sind  je  zwei. 

In  den  oberen  Landstrichen  (schang-tscheu)  gibt  es: 
^    Tso  jQehilfen'  zwei. 
iSse  , Vermerker'  fünf. 

In  den  mittleren  Landstrichen  (tschung-tscheu)  sind  zwei 
Vermerker  (sse)  weniger. 


Die  S&mmelbftuser  der  LehenkSnige  China*s.  947 

^  W  ^  ^  Thsang-ihsoo  sse-thsang  thsan-kiün-sse 
yder  Richter  der  Scheunen,  der  den  Scheunen  Vorstehende  und 
an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theihiehmende^  Derselbe 
befasst  sich  mit  der  Einrichtung  der  Abgaben,  mit  den  öffent- 
lichen Feldern;  mit  den  Küchen,  Scheunen,  Rüstkammern  und 
den  Buden  der  Märkte. 

Bei  diesem  Amte  gibt  es: 

Fti  ,Angestellte  des  Sammelhauses'  fünf. 

Sse  ,Vermerker*  dreizehn. 

In  dem  Sammelhause  des  grossen  allgemeinen  Beauf- 
sichtigers (ta-tU'tÖ)  sind: 

Fu  ,Angestellte  des  Sammelhauses^  vier. 
Sse  ,Vermerker'  sechs. 

In  dem  mittleren  Sammelhause  (tschung-fu)  und  dem 
unteren  Sammelhause  (hia-fu)  sind  je: 

Fu  ,Angestellte  des  Sammelhauses'  drei. 
Sse  jVermerker'  fünf. 

In  dem  Sammelhause  des  grossen  allgemeinen  Beschützers 
(ta-tiirliu)  sind: 

Fti  ,Angestellte  des  Sammelhauses'. 

Sse ,  Vermerker'.  Dieser  und  der  obige  Angestellte  sind  je  zwei. 

In  den  oberen  Landstrichen  (schang-tscheu)  gibt  es: 
4^    Tso  ,Gehilfen'  zwei. 
Sse  jVermerker'  fünf. 

In  den  mittleren  Landstrichen  (tschung-tscheu)  und  in  den 
unteren  Landstrichen  (hia-tscheu)  sind  zwei  Vermerker  weniger. 


6  W  9  ^  Hu'thsao  sse 'hu  thsan-hUln-sse  ,der 
Richter  der  Thüren  des  Volkes,  der  den  Thüren  des  Volkes 
Vorstehende  und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilneh- 
mende'.  Derselbe  befasst  sich  mit  den  Schrifttafeln  für  die 
Thüren  des  Volkes,  den  Rechnungen,  mit  den  beim  Vorüber- 
gehen auf  den  Wegen  ins  Licht  gestellten  Abschnittsröhren, 
mit  den  bei  vermischten  Dienstleistungen  Entlaufenden  und 
Widerspänstigen,  mit  den  Vortrefflichen  und  Gemeinen,  mit 
Futtergras   und   Stroh,    mit    den   entgegenziehenden    Schaaren, 

Sitznngsber.  d.  phil.-hist.  Cl.  XCT.  Bd.  IV.  Hft.  61 


948  PfUmftier. 

mit  Heiraten^  mit  Streitigkeiten  um  die  Felder,  mit  Erkennen 
und  Unterscheiden  der  Kindlichkeit  und  Brüderlichkeit. 

Zu  diesem  Amte  gehören: 

ff^  Fu  ^Angestellte  des  Sammelhauses'  acht. 

^  Sse  ,Vermerker'  sechzehn. 

||^  ^  TscVang-sBe  ,Vermerker  der  Rechnungen'  zwei. 
Dieselben  sind  den  Schrifttafeln  vorgesetzt^  untersuchen  die 
Rechnungen  und  fassen  die  Gblder  zusammen. 

In  dem  Sammelhause  des  grossen  allgemeinen  Beaufsich- 
tigers  (ta-tv-tÖ)  sind: 

Fu  ^Angestellte  des  Sammelhauses'  vier. 

Sse  ,Vermerker'  sieben. 

Tsch'ang-sse  ,Vermerker  der  Rechnungen'  zwei. 

In  dem  mittleren  Sammelhause  (Uchung-fu)  sind: 

Fu  ^Angestellte  des  Sammelhauses'  drei. 

Sse  ,Vermerker'  fünf. 

TscKang-ssB  ,der  Vermerker  der  Rechnungen'  £iner. 

In  dem  unteren  Sammelhause  (hia-fu)  sind: 
Fu  ^Angestellte  des  Sanmielhauses'  zwei. 
Sse  jVermerker'  fünf. 

TscVang-sse  ,der  Vermerker  der  Rechnungen'.  Derselbe 
ist  ein  Einziger. 

In  den  oberen  Landstrichen  (schang-tscheu)  sind: 

^  Tso  ,Gehilfen'  vier. 
Sse  ,Vermerker'  sechs. 

Tscha'ng-sse  ,der  Vermerker  der  Rechnungen'.  Derselbe 
ist  ein  Einziger. 

In  den  mittleren  Landstrichen  (tschung-tscheu)  sind: 
j^  Tso  ,Qehilfen'  drei. 
Sse  ,Vermerker'  fünf. 

Tseh'ang-sse  ^der  Vermerker  der  Rechnungen'.  Derselbe 
ist  ein  Einziger. 

In  den  unteren  Landstrichen  (hia-tscheu)  sind: 
Tso  ,Gehilfen'  zwei. 
Sse  ,Vermerker'  vier. 

Tsch'ang-sse  ,der  Vermerker  der  Rechnungen'.  Derselbe 
ist  ein  Einziger. 


Die  Sammelh&Qser  der  Lehenk&nige  China's.  949 

In  dem  Sammelhause  des  grossen  allgemeinen  Beschützers 
(({A-tu-hu)  sind: 

Fu  ^Angestellte  des  Sammelhauses^ 

Sse  ,Vermerker'.    Diese   zwei  Angestellten   sind  je  zwei. 

T8ch!ang-88e  ,der  Vermerker  der  Rechnungen^  Derselbe 
ist  ein  Einziger. 


E9  W  ^  BB  Thien^thsao  sse-thien  thsan-ktün-sse  ,der 
Richter  der  Felder,  der  den  Feldern  Vorstehende  und  an  den 
Sachen  des  Eriegsheeres  Theilnehmende^  Derselbe  befasst  sich 
mit  den  Qärten  und  Wohnhäusern.  Er  vertheilt  unter  die  Ein- 
wohner die  zu  beständiger  Beschäftigung  dienenden  und  die 
schattigen  Felder. 

Im  dritten  Jahre  des  Zeitraumes  Eing-lung  (709  n.  Chr.) 
setzte  man  zum  ersten  Male  einen  den  Feldern  Vorstehenden 
und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmenden  (sse-thien 
thsan-kiüfi'Sae)  ein.  Im  ersten  Jahre  des  Zeitraumes  Thang- 
lung  (710  n.  Chr.)  ^  liess  man  ihn  weg.  Im  zweiten  Jahre  des 
Zeitraumes  Schang-yuen  (761  n.  Chr.)  setzte  man  einen  solchen 
wieder  ein. 

Zu  dem  Amte  gehören: 

Fu  ^Angestellte  des  Sammelhauses'  vier. 

Sse  ,Vermerker*  zehn. 

Zu  dem  Sammelhause  des  grossen  allgemeinen  Beauf- 
sichtigers (tortu-tö)  gehören: 

Fu  ^Angestellte  des  Sammelhauses'  zwei. 

Sse  jVermerker'  sechs. 

Zu  dem  mittleren  Sammelhause  (tschung-fu)  gehören: 

Fu  ^Angestellte  des  Sammelhauses'. 

Sse  ,Vermerker*.    Diese   zwei  Angestellten   sind  je  zwei. 

Zu  dem  unteren  Sammelhause  (hia-fu)  gehören : 

Fu  ,der  Angestellte  des  Sammelhauses'  Einer. 

Sse  ,Vermerker'  zwei. 

Zu  den  oberen  Landstrichen  (schang-tscheu)  gehören: 

^   Tso  jQehilfen*  zwei. 

Sse  jVermerker'  fünf. 


^  Dieser  Zeitraum  heisst  sonst  gewölmlich  King-yün. 

61* 


9r)0  Pficmaier. 

In  den  mittleren  Landstrichen  (tachnng-tseheu)  und  den 
unteren  Landstrichen  (hia-fscheu)  sind  zwei  Vermerker  (ssej 
weniger. 

^  W  ^  ^  Ping-thsao  sae-ping  tkaan-kiün-sse  ,der 
Richter  der  Waffen,  der  den  Waffen  Vorstehende  und  an  den 
Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'.  Derselbe  befasst  sich 
mit  den  Obrigkeiten  des  Ejieges,  mit  der  Wahl  der  Waffen. 
Panzer  und  Geräthe,  mit  dem  Verbieten  der  Schlüssel  bei  den 
Thoren,  dem  Verwehren  der  Leuchtfeuer  und  Späher  bei  dem 
Kriegsheerc;  mit  den  Posten  und  mit  den  Jagden. 

Bei  diesem  Amte  gibt  es: 

^tt  ^Angestellte  des  Sammelhauses'  sechs. 

S$e  ,Vermerker'  vierzehn. 

Bei  dem  grossen  allgemeinen  Beaufsichtiger  (ta-tu-töi 
gibt  es: 

Fu  ^Angestellte  des  Sammelhauses'  vier. 

Sse  ,Vermerker'  acht. 

In  dem  mittleren  Sammelhause  (Uchung-fu)  gibt  es: 

F\i  ^Angestellte  des  Sammelhauses'  drei. 

Sse  jVermerker'  sechs. 

In  dem  unteren  Sammelhause  (hia-fu)  gibt  es: 

Fu  ^Angestellte  des  Sammelhauses'  zwei. 

Sse  jVermerker'  fünf. 

In  dem  Sammelhause  des  allgemeinen  Beschützenden  (?»4n/ 
gibt  es: 

Fu  ^Angestellte  des  Sammelhauses'  drei. 

Sse  ,Vermerker'  vier. 

In  den  oberen  Landstrichen  (schang-tscheu)  gibt  es: 

^  Tso  jGehilfen'  zwei. 

Sse  ,Vermerker'  fünf. 

In  den  mittleren  Landstrichen  (t^hung-tscheu)  sind  zwei 
Vermerker  (sse)  weniger. 


tt»  ]Bf  H^  1^  Fä'thsao  sse-fä  thsan-ktün-sse  ,der  Richter 
der  Vorschriften,  der  den  Vorschriften  Vorstehende  und  an  den 
Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'.    Derselbe  befasst  sich 


Die  SanmelhftaMr  der  Lebenkönige  China*f.  951 

mit  der  Beendigung  der  Streitigkeiten,  mit  der  Anwendung  der 
Vorschriften  und  der  Beaufsichtigung  der  Diebe  und  Räuber. 
£r  kennt  die  yersteckten  Güter  und  zieht  sie  ein. 

Zu  diesem  Amte  gehören: 

Fu  ^Angestellte  des  Sammelhauses'  sechs. 

See  ,Vermerker'  vierzehn. 

Zu  dem  grossen  allgemeinen  Beaufsichtiger  (ta-tu-tö) 
gehören : 

Fu  ^Angestellte  des  Sammelhauses'  drei. 

Sse  , Vermerker'  acht. 

Zu  dem  mittleren  Sammelhause  (tschung-fu)  gehören: 

Fu  , Angestellte  des  Sammelhauses'  drei. 

Sse  jVermerker'  sechs. 

Zu  dem  unteren  Sammelhause  (hia-fu)  gehören: 

Fu  ^Angestellte  des  Sammelhauses'  zwei. 

Sse  ,Vermerker'  fünf. 

Zu  den  oberen  Landstrichen  (schang-tscheti)  gehören: 

^  Tso  ,Qehilfen'  vier. 

Sse  ,Vermerker'  sieben. 

Zu   den   mittleren  Landstrichen  (tschung-tscheu)  gehören : 

Tso  ,der  Gehilfe'.    Derselbe  ist  ein  Einziger. 

Sse  ,Vermerker'  vier. 

Zu  den  unteren  Landstrichen  (hiortscheu)  gehören: 

Tso  ,der  Gehilfe'.    Derselbe  ist  ein  Einziger. 

Sse  jVermerker'  drei. 


i  W  ^  it  Sse-thsao  sse-sse  than-kiUn-sse  ,der  Richter 
der  vorzüglichen  Männer,  der  den  vorzüglichen  Männern  Vor- 
stehende und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'. 
Derselbe  befasst  sich  mit  den  Ueberfahrten,  Brücken,  Schiffen, 
Wegen,  Hütten,  Wohnhäusern,  Handwerken  und  Künsten. 

Bei  diesem  Amte  gibt  es: 

Fu  , Angestellte  des  Sammelhauses'  fünf. 

Sse  ,  Vermerker'  eilf. 

In  dem  Sammelhause  des  grossen  allgemeinen  Beaufsich- 
tigers (ta-tu-tÖ)  gibt  es: 

Fu  ,Angestellte  des  Sammelhauses'  vier. 

Sse  jVermerker'  acht. 


952  Pfismaier. 

In    dem    mittleren    Sammelhause    (tschnng-fu)    und   dem 
unteren  Sammelhause  (hia-fu)  gibt  es: 

Fu  yAngestellte  des  Sammelhauses'  drei. 

Sse  , Vermerker*  sechs. 

In  den  oberen  Landstrichen  (scfiang-ischeu)  gibt  es: 

Tso  , Gehilfen*  zwei. 

See  jVermerker*  fünf. 

Zu  den  mittleren  Landstrichen    (tschung-tscheu)   gehören: 

Tso  ,der  Gehilfe'.    Derselbe  ist  ein  Einziger. 

Sse  jVermerker*  vier. 


y  ^  TJuan-ktün-aae  ,der  -an  den  Sachen  des 
Kriegsheeres  Theilnehmende*.  Derselbe  befasst  sich  mit  dem 
Geleite  der  ausziehenden  Abgesandten. 

Im  Anfange  des  Zeitraumes  Wu-te  (618  n.  Chr.)  ver- 
änderte  man   den  bisher  üblichen  Namen    ^    ^    4^  hang- 

schu-tso  ,der  ausübende  Gehilfe  der  Bücher'  zu  ^  ^  || 
hang-thsan-kiün  ^der  ausübende  dem  Kriegsheere  Zugesellte^. 
Plötzlich  veränderte  man  den  Namen  wieder  zu  thsan-Jdün-sse 
,der  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'. 

Anfänglich  hatte  man: 

"gfe  ^  Kl'Sse  ^schnelle  Abgesandte'.  Dieselben  waren 
fünfzehn.    Später  Hess  man  sie  weg. 


^  ^  Wen-MÖ  ,der  Angestellte  des  Lernens  der  Schrift'. 
Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile 
der  nachfolgenden  achten  Classe. 

Dieser  Angestellte  befasst  sich  mit  dem  Unterrichte  der 
Schüler  in  den  fünf  mustergiltigen  Büchern.  In  den  Kreisen 
helfen  die  Landstriche  aus.  In  den  Landstrichen  unterrichtet 
er  die  Abtheilung  der  Angestellten  (^  ^^  li-pu).  Gleich- 
wohl besitzt  er  nicht  die  Sachen  seines  Amtes.  Seiner  Kleider 
und  Mützen  schämt  er  sich. 

Im  Anfange  des  Zeitraumes  Wu*te  (618  n.  Chr.)  wurden 
zum  ersten  Male  eingesetzt: 


Die  SammeUi&aaer  dar  LehealcSnige  China's.  953 

j^  ^  fA  it  ^i^'^i^  pö-sse  ;der  vielseitige  Gelehrte 
des  Lernens  der  mustergiltigen  Bücher'. 

fßj    Mjt    Tsu'kicu)  jbei  der  Belehrung  Helfende^ 

>y    i^    Hiö-seng  ^Beflissene  des  Lernens^ 

Als  Kaiser  Te-tsung  zu  seiner  Stufe  gelangte^  veränderte 
er  pö-88e  ^vielseitiger  Gelehrter'  zu  wen-hiÖ  ^Angestellter  des 
Lernens  der  Schrift'. 

Im  sechsten  Jahre  des  Zeitraumes  Yuen-ho  (811  n.  Chr.) 
schaffte  man  in  den  mittleren  Landstrichen  (tschung-tscheu)  und 
in  den  unteren  Landstrichen  (hia-Ucheu)  den  Angestellten  des 
Lernens  der  Schrift  (wen-hiÖ)  ab.  Ferner  hatte  man  in  den  drei 
Sammelhäusern  des  Kreises  der  Mutterstadt  und  anderer  Orte : 

Tsur-kiao  ,bei  der  Belehrung  Helfende'  zwei. 

HiÖ-seng  ^Beflissene  des  Lernens'  achtzig. 

In  dem  Sammelhause  des  grossen  allgemeinen  Beaufsichtigers 
fta-tU'tÖ)  und  in  den  oberen  Landstrichen  (^«c^n^-fscAeu^jederseits: 

TsU'kiao  ,bei  der  Belehrung  Helfende'  Einen. 

In  dem  Sammelhause  des  mittleren  allgemeinen  Beauf- 
sichtigers (iSchung-tu-tÖ) : 

Hid-seng  ^Beflissene  des  Lernens'  fünfzig. 

In  dem  unteren  Sammelhause  (hia-fu)  und  in  den  unteren 
Landstrichen  (hia-tscheu)  jederseits: 

Hiö'seng  ^Beflissene  des  Lernens'  vierzig. 


S  ^  i$  it  ^'^^^  pö-sse  ,der  vielseitige  Gelehrte  des 
Lernens  der  Aerzte'.  Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zu 
dem  oberen  Theile  der  nachfolgenden  neunten  Classe.  Er  be- 
fasst  sich  mit  der  Heilung  der  Krankheiten  des  Volkes. 

Im  dritten  Jahre  des  Zeitraumes  Tsching-kuan  (629  n.  Chr.) 
setzte  man  Angestellte  des  Lernens  der  Aerzte  (i-hiÖ)  ein. 
Man  hatte  vielseitige  Gelehrte  der  Arzneien  der  Aerzte  {J^  ^ 
i-yö  pö'sse)  und  Beflissene  des  Lernens  (hiÖ-seng), 

Im  ersten  Jahre  des  Zeitraumes  Khai-yuen  (713  n.  Chr.) 
veränderte  man  den  Namen  i-yö  pö-sse  ^vielseitiger  Gelehrter 
der  Arzneien  der  Aerzte'  zu  i-hiö  pÖsse  ^vielseitiger  Gelehrter 
des  Lernens  der  Aerzte'.  In  den  Landstrichen  setzte  man  ,bei 
der  Belehrung  Helfende'   (Uu-kiao)  ein  und  liess  hundert  und 


954  PfiBaaier. 

eine  Sammlung  von  Pflanzenbüchern  abschreiben.  Die  erprobten 
Heilmittel  verwahrte  man.  Nach  nicht  h&nger  Zeit  worden  der 
vielseitige  Gelehrte  des  Lernens  der  Aerzte  (i-hiö  pÖ-ne)  und 
die  Beflissenen  des  Lernens  (hiÖ-seng)  weggelassen.  In  den  ab- 
seits gel^^enen  Landstrichen  waren  wie  früher  wenige  Aente 
und  Arzneien. 

Im  sieben  und  zwanzigsten  Jahre  des  Zeitraumes  Khai- 
yuen  (739  n.  Chr.)  setzte  man  wieder  Beflissene  des  LeraenB 
der  Aerzte  (i-hiö-seng)  ein.  Dieselben  befassten  sich  damit, 
an  den  Gränzen  der  Landstriche  umherzuziehen  und  Krank- 
heiten zu  heilen. 

Im  ersten  Jahre  des  Zeitraumes  Yung-thai  (765  n.  Chr.; 
setzte  man  wieder  den  vielseitigen  Gelehrten  des  Lernens  der 
Aerzte  (i-hiÖ  pö-sse)  ein. 

In  den  drei  Hauptstädten  (^  ^  san-tn),  in  dem 
Sammelhause  des  allgemeinen  Beaufsichtigers  (tu-tö)^  in  den 
oberen  Landstrichen  (schang-tscheu)  und  in  den  mittleren  Land- 
strichen (tschung-tscheu)  war  jederseits: 

&J  ^t  Tsyrkiao  ,der  bei  der  Belehrung  HeHende^  Der- 
selbe war  ein  Einziger. 

In  den  drei  Hauptstädten  (san-tu)  waren: 

A  if;  HiÖ'Seng  ^Beflissene  des  Lernens'  zwanzig. 

In  dem  Sammelhause  des  allgemeinen  Beaufsichtigen 
(tU'tÖ),  in  den  oberen  Landstrichen  waren  deren  zwanzig. 

In  den  mittleren  Landstrichen  (tschung-tacheu)  und  den 
unteren  Landstrichen  (hia-tscheu)  waren  deren  zehn. 


A  IK  '^  ißP  IB5  '^  Ta-tu-tö-fu  tU'tÖ  ,der  allgenaeine 
Beaufsichtiger  des  Sammolhauses  des  grossen  allgemeinen  Beauf- 
sichtigers^  Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  der  nach- 
folgenden zweiten  Classe. 

"M  i  Tschang-sae  ,der  älteste  Vermerker^  Derselbe  ist 
ein  Einziger   und  gehört  zu  der  nachfolgenden  dritten  Classe. 

HJ  iS|  Sse-ma  ,Vorsteher  der  Pferde^  Dieselben  sind 
zwei  und  gehören  zu  dem  unteren  Theile  der  nachfolgenden 
vierten  Classe. 

^  ^  Lö'sse  thsan-ktün-sse  ^der  die  Sachen  Verzeich- 
nende und   an   den  Sachen   des  Kriegsheeres  Theilnehmende*. 


Die  Sammelhiuer  der  LehenMnige  China*8.  955 

Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile 
der  richtigen  siebenten  Classe. 

^  A  L6-88e  ,die  Sachen  Verzeichnende'.  Dieselben 
sind  zwei  und  gehören  zu  dem  oberen  Theile  der  nachfolgenden 
neunten  Classe. 

"A  ]Bf  Kung-thsao  thsan-kiün'Sse  ,der  Richter  der  Ver- 
dienste und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 

^  'fif  Thsang-thsao  thsan-ktUn-ase  ,der  Richter  der 
Scheunen  und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 

G  'fif  Hvrihsao  thsan-ktün-sse  ,der  Richter  der  Thüren 
des  Volkes  und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'. 

P3  W  Thi&n-thsao  ihsan-kiUn-sse  ,der  Richter  der  Felder 
und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'. 

J^  W  Piiy-ihsno  ihsan-kiün-sse  ,der  Richter  der  Waffen 
und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 

jjb.  "Öf  Fä'thsao  thsan-ktUn-sse  ,der  Richter  der  Vor- 
schriften und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 

-|-  W  Sse-thaao  thsan-ktün-sse  ,der  Richter  der  vorzüglichen 
Männer  und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 

Die  oben  verzeichneten  sieben  Würdenträger  sind  je  Einer 
und  gehören  zu  dem  unteren  Theile  der  richtigen  siebenten  Classe. 

^  IP!  ^  Thsan-kiUn-sse  ^an  den  Sachen  des  Kriegs- 
heeres Theilnehmende.'  Dieselben  sind  fünf  und  gehören  zu 
dem  unteren  Theile  der  richtigen  achten  Classe. 

"^  ^  Schi-ling  ,der  Gebietende  des  Marktest  Der- 
selbe ist  ein  Einzigei^  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile  der 
nachfolgenden  neunten  Classe. 

^  ^  Wen-hiö  ,der  Angestellte  des  Lernens  der  Schrift^ 
Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  unteren  Theile 
der  richtigen  achten  Classe. 

§  &^  jÄ  it  ^'^^^  pö-sse  ,der  vielseitige  Qelehrte 
des  Lernens  der  Aerzte'.  Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört 
zu  dem  oberen  Theile  der  nachfolgenden  achten  Classe. 


^  IK  '^  i^  IB5  '^  Tsckungtu-tö-fu  tu-tÖ  ,der  allge- 
meine Beaufsichtiger  des  Sammelhauses  des  mittleren  allge- 
meinen Beaufsichtigers^  Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört 
zu  der  richtigen  dritten  Classe. 


956  Pftzmaier. 

J9IJ  ii|  Pif'lcia  ,der  besonders  Fahrende^  Derselbe  ist 
ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  unteren  Theile  der  richtigen 
vierten  Classe. 

^  ^  Tschang-sse  ,der  älteste  Verinerker^.  Derselbe 
ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile  der  richtigen 
fünften  Classe. 

^  jH  Sse-ma  ,der  Vorsteher  der  Pferde^  Derselbe  nt 
ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  unteren  Theile  der  richtigen 
fünften  Classe. 

^^  Sß,  Lö-sse  thsan-kiün-sse  ,der  die  Sachen  Verzeich- 
nende und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'. 
Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  unteren  Theile 
der  richtigen  siebenten  Classe. 

^  ^  Lö-8se,  die  Sachen  Verzeichnende^  Dieselben 
sind  zwei  und  gehören  zu  dem  oberen  Theile  der  nachfolgenden 
neunten  Classe. 

Kung-thsao  thsan-kiün-sse  ^der  Richter  der  Verdienste  and 
an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 

Thaang-thsao  thsan-kiün-sse  ^der  Richter  der  Scheunen  und 
an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 

Hu'thsao  thsan-kiiln-sse  ,der  Richter  der  Thüren  des 
Volkes   und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 

Thienrthaao  thaan-kiün-ese  ^der  Richter  der  Felder  und  an 
den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'. 

Ping-ihsao  thsanrkiün^sse  ,der  Richter  der  Waffen  und  an 
den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 

Färthsao  ihsan-kiün-Bse  ,der  Richter  der  Vorschriften  und 
an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'. 

Sse-thsao  thsan-kiUn-sse  ^der  Richter  der  vorzüglichen 
Männer  und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 

Die  oben  verzeichneten  sieben  Würdenträger  sind  je  ein 
Einziger  und  gehören  zu  dem  oberen  Theile  der  nachfolgenden 
siebenten  Classe. 

^  IP!  $  Thsan-kiUn-sse  ,an  den  Sachen  des  Kriegs- 
heeres Theilnehmende^  Dieselben  sind  vier  und  gehören  zu 
dem  oberen  Theile  der  nachfolgenden  achten  Classe'. 

"iIJ  ^  Schilling  ,der  Gebietende  des  Marktes'.  Derselbe 
ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile  der  nach- 
folgenden neunten  Classe. 


Die  SammelhiQMr  der  LehenkOnige  Chiaa*».  957 

Tjr  ^  Wen-hiö  ,der  Angestellte  des  Lernens  der  Schrift^ 
Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile 
der  nachfolgenden  achten  Classe. 

I'hiö  pö-sse  ,der  vielseitige  Gelehrte  des  Lernens  der  Aerzte*. 
Derselbe  ist  Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile  der 
richtigen  neunten  Classe. 


T^  fR  'l?  iß^  fR  'l?  Hia-tu-tÖ-fu  tU'td  ,der  allge- 
meine Beaufsichtiger  des  Sammelhauses  des  unteren  allgemeinen 
Beaufsichtigers^  Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  der 
nachfolgenden  dritten  Classe. 

J||J  ^  Pie-kiä  ,der  besonders  Fahrende^  Derselbe  ist 
ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  unteren  Theile  der  nachfol- 
genden vierten  Classe. 

^  Ä  Tschang^sse  ,der  älteste  Vermerker'.  Derselbe 
ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile  der  nach- 
folgenden fünften  Classe. 

BFJ  ,B|  Sse-ma  ,der  Vorsteher  der  Pferde'.  Derselbe 
ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  unteren  Theile  der  nach- 
folgenden fünften  Classe. 

LÖ'Sse  thsan-kiün-sae  |der  die  Sachen  Verzeichnende  und 
an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Thoilnehmende'.  Derselbe 
ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile  der  nach- 
folgenden siebenten  Classe. 

Lö-sse  jdie  Sachen  Verzeichnende'.  Dieselben  sind  zwei 
und  gehören  zu  dem  oberen  Theile  der  nachfolgenden  neunten 
Classe. 

Kung-thsao  thsan-kiUn-sse  yder  Richter  der  Verdienste  und 
an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'. 

Thsang-thsao  thsan-ktün-sae  ,der  Richter  der  Scheunen  und 
an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'. 

Hu'ihsao  thsan-kuin-ase  ,der  Richter  der  Thüren  des 
Volkes   und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'. 

Thien-thsao  thsan-kiün^sse  ,der  Richter  der  Felder  und  an 
den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'. 

Ping-thscu)  thsan-kiUn-sse  ^der  Richter  der  Waffen  und  an 
den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'. 


958  Pfifwaier. 

Fä'thsao  thsafi'kiün'Me  ^der  Richter  der  Vorschriften  nnd 
an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 

Sse-thaao  thsan-lciiln-sse  ,der  Richter  der  vorztlglicheD 
Männer  und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 

Die  oben  verzeichneten  sieben  Würdenträger  sind  je  Einer 
und  gehören  zu  dem  unteren  Theile  der  nachfolgenden  siebenten 
Classe. 

Thsan-kiän-sse  ^an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theil- 
nehmende^  Dieselben  sind  drei  und  gehören  zu  dem  unteren 
Theile  der  nachfolgenden  achten  Classe. 

Wen-hiÖ  ,der  Angestellte  des  Lernens  der  Schrift^  Der- 
selbe ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  unteren  Theile  der 
nachfolgenden  achten  Classe. 

I-hid  pö'Sse  ,der  vielseitige  Gelehrte  des  Lernens  der 
Aerzte^  Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen 
Theile  der  richtigen  neunten  Classe. 

Der  allgemeine  Beaufsichtiger  (tu-tö)  befasst  sich  mit 
der  Beaufsichtigung  der  Waffen,  Pferde,  Panzer,  der  Festunga- 
gräben^  der  Niederhaltungen  (^  tscKin)^  Besatzungen  (j^ 
schü),  der  Mundvorräthe  und  Reiskammem  in  den  Landstrichen. 
Er  leitet  und  beurtheilt  die  Sachen  des  Sammelhauses. 


3^  IK  ^  1^  3^  ^  ^  '^^'^^'^^'f^  to-/tt-Äu  ,der 
grosse  allgemeine  Beschützer  des  Sammelhauses  des  grossen 
allgemeinen  Beschützers^  Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört 
zu  der  nachfolgenden  zweiten  Classe. 

^  "^  ^  ^  Feu-ta-tu-hii  ,die  zugetheilten  grossen 
allgemeinen  Beschützer^  Dieselben  sind  zwei  und  gehören  zu 
der  nachfolgenden  dritten  Classe. 

lU  il5  ^  Feu'fU'hu  ,die  zugetheilten  allgemeinen  Be- 
schützer'. Dieselben  sind  zwei  und  gehören  zu  dem  oberen 
Theile  der  richtigen  vierten  Classe. 

^  ^  Tschang-sse  ,der  älteste  Vermerker^  Derselbe 
ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile  der  richtigen 
fünften  Classe. 

^3  4^1  Sse-ma  ,der  Vorsteher  der  Pferde*.  Derselbe 
ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  unteren  Theile  der  rich- 
tigen fünften  Classe. 


l>ie  Sammelhiuier  der  Lehenkdiiige  China*».  959 

Ld-88e  thsan-kiün-sse  ^der  die  Sachen  Verzeichnende  und 
an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^  Derselbe  ist 
ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile  der  richtigen 
siebenten  Classe. 

LÖ-sse  ,die  Sachen  Verzeichnende'.  Dieselben  sind  zwei 
und  gehören  zu  dem  oberen  Theile  der  nachfolgenden  neunten 
Classe. 

Kung-thsaQ  thsan-kiHn-sse  ,der  Richter  der  Verdienste  und 
an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 

Thaang-ihsoo  ihsan-kiün-sse  ;der  Richter  der  Scheunen  und 
an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 

Hu'thsao  thsan-ktün-aae  ,der  Richter  der  Thüren  des  Volkes 
und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 

Ping-thsao  thsan-kUln-sse  ,der  Richter  der  Waffen  und  an 
den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'. 

Färihsao  thsan-kiünsse  ,der  Richter  der  Vorschriften  und 
an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 

Die  oben  verzeichneten  sechs  Würdenträger  sind  je  Einer 
und  gehören  zu  dem  unteren  Theile  der  richtigen  siebenten 
Classe. 

Thsan-kiiln-sse  ,an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theil- 
nehmende^  Dieselben  sind  drei  und  gehören  zu  dem  unteren 
Theile  der  richtigen  achten  Classe. 


Jb  il5  ^  Schang-tU'hu  ,der  obere  allgemeine  Beschützer^ 
Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  der  richtigen  dritten 
Classe. 

^  ^  ^  ^et/-<u-Aii  ydie  zugetheilten  allgemeinen  Be- 
schützer^ Dieselben  sind  zwei  und  gehören  zu  dem  oberen 
Theile  der  nachfolgenden  vierten  Classe. 

•^  ^  Tschang-sse  ,der  älteste  Vermerker'.  Derselbe 
ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile  der  richtigen 
fünften  Classe. 

^  J|  Sse-ma  ,der  Vorsteher  der  Pferde*.  Derselbe 
ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  unteren  Theile  der  rich- 
tigen fünften  Classe'. 

LÖ'Sse  ihaan-hiün-sse  ,der  die  Sachen  Verzeichnende  und 
an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'.   Derselbe  ist 


9tX)  Pfiimaier. 

ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  unteren  Theile  der  richtigen 
aiebenten  ClasBe. 

Kung-thsao  thaan-hiün-sse  ^der  Richter  der  Verdienste  und 
an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 

Th$ang-th$ao  thsan-kiün-Bse  ,der  Richter  der  Scheunen 
und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'. 

Hu'thsao  thsan-ktün-ase  ,der  Richter  der  Thüren  des  Volkes 
und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'. 

Ping-thscu)  thsan-küln-sse  ^der  Richter  der  Waffen  und  an 
den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 

Die  oben  verzeichneten  vier  Würdenträger  sind  je  Einer 
und  gehören  zu  dem  oberen  Theile  der  nachfolgenden  siebenten 
Classe^ 

ITisan^kiüii'Sse  ,an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theil- 
nehmende^  Dieselben  sind  drei  und  gehören  zu  dem  oberen 
Theile  der  nachfolgenden  achten  Classe. 

Der  allgemeine  Beschützer  (turhu)  befasst  sich  mit  der 
Leitung  der  Gehäge,  mit  Beruhigen  und  Trösten,  mit  Erobe- 
rungszügen und  Zügen  zur  Verhängung  von  Strafe,  mit  An- 
ordnung der  Verdienste  und  Bestrafung  der  Fehler.  Er  leitet 
und  beurtheilt  die  Sachen  des  Sammelhauses. 


Jt  ^  Wi  -i  Schang-tscheu  thse-sse  ,der  stechende  Ver- 
merker der  oberen  Landstriche'.  Derselbe  ist  ein  Einziger 
und  gehört  zu  der  nachfolgenden  dritten  Classe.  Seine  Amts- 
verrichtung ist  mit  derjenigen  des  Landpflegers  (ß^  mö)  und 
des  Richtigen    (^   yün)  gleich. 

J||J  ^  Pii-kia  ,der  besonders  Fahrende^  Derselbe  ist 
ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  unteren  Theile  der  nachfol- 
genden vierten  Classe. 

Im  ersten  Jahre  des  Zeitraumes  Wu-te  (618  n.  Chr.)  ver- 
änderte man  den  Kamen  H^  ^  thai-scheu  , Statthalter'  zu 
ihse-sse  ^stechender  Vermerker'.  Man  fügte  hierzu  die  Stelle 
eines  als  Abgesandter  das  Abschnittsrohr  Haltenden  (^  ^  f 
sse-tschÜ-tsie). 

Für  sching  ^Gehilfe'  sagte  man  piS-kia  ^besonders  Fah- 
render'. 


Die  Sammelhiiiser  der  LeheBkdnige  Ghiiia*a.  961 

Im  zehnten  Jabi*e  des  Zeitraumes  Wu-te  (627  n.  Chr.) 
veränderte  man  den  Namen  yung-tscheu  pi^-kia  ,der  besonders 
Fahrende'  von  Yung-tscheu  zu  -j^  ^  tschang-sse  ^ältester 
Vermerker^  Als  Kaiser  Kao-tsung  zu  seiner  Stufe  gelangte^ 
veränderte  er  überall  den  Namen  pü-kia  ^besonders  Fahrender' 
zu  tschang-sse  ^ältester  Vermerker'. 

Im  zweiten  Jahre  des  Zeitraumes  Schang-yuen  (675 
D.  Chr.)  setzte  man  in  allen  Landstrichen  wieder  ^besonders 
Fahrende'  (piS-kia)  ein.  Man  ernannte  zu  solchen  die  Königs- 
söhne. Im  ersten  Jahre  des  Zeitraumes  Yung-lung  (680  n.  Chr.) 
liesB  man  diese  Würdenträger  weg.  Im  ersten  Jahre  des  Zeit- 
raumes Yung-tschün  (682  n.  Chr.)  setzte  man  sie  wieder  ein. 
Im  zweiten  Jahre  des  Zeitraumes  £[ing-yün  (711  n.  Chr.)  be- 
gann  maU;   dazwischen  gemeine   Geschlechter  zu   verwenden. 

Im  ersten  Jahre  des  Zeitraumes  Thien-pao  (742  n.  Chr.) 
veränderte  man  den  Namen  thse-sse  , stechender  Vermerker'  zu 
■jj^   ^    thai'scheu  ^Statthalter'. 


^  ^  'i^^ckang-sae  ,der  älteste  Vermerker'.  Derselbe 
ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile  der  nach- 
folgenden fünften  Classe. 

HJ  j||  Sse-ma  ,der  Vorsteher  der  Pferde'.  Derselbe  ist 
ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  unteren  Theile  der  nachfol- 
genden fünften  Classe. 

Lö'Sse  thsan-kiUn-^ae  ,der  die  Sachen  Verzeichnende  und 
an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'.  Derselbe  ist 
ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile  der  nachfol- 
genden siebenten  Classe. 

Lö-ase  ydie  Sachen  Verzeichnende'.  Dieselben  sind  zwei 
und  gehören  zu  dem  unteren  Theile  der  nachfolgenden  neunten 
Classe. 

^  "A  Sse-kang  thsan-kiiin-sae  ,der  den  Verdiensten  Vor- 
stehende und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende.' 
Derselbe  ist  ein  Einziger. 

^  ^  Sse-ihsang  thsanrkiUn'Sse  ,der  den  Scheunen  Vor- 
stehende und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'. 
Derselbe  ist  ein  Einziger. 


•4      ^ 


fl|     Qiy    .?«<'*A^    tiL—  öiMt  mm    .üir 

Vh:r%^\tpt  ftft  eiA  Kdoxit^' 

1.^:11»  YoniK^h*:nd^  und  aA  d^n  2^-LrrA  ie»  iL:^«c:ütfi£c<s  Tli'^L- 

\j\0i  obeo  irtru:u:lineitn  «eben  Wir  £-«Lirk£»r  £^i«>refl  z. 
d<mi  uoUrren  TLeile  der  oachf^Ij^endeA  s-tiPff^^sa  L^  iiinr 

ThM^iti-kinn-tJ^^  Ai*i  Ao  den  «Sacbea  dt«  Krii:rÄ»cre»  Th«*!:- 
DekmeiiideD^  Die<»e!r>eo  feiiid  vier  and  e^-*-r'£A  is  i-dm  onfienrn 
Tkeile  der  lUichfolg^eaden  achten  Classe. 

f|p'  ^  HrJä'li/uj  ,der  Gebietende  des  llarkfies".  Daselbe 
ist  «in  Einziger  und  gebort  zu  dem  oberen  Tbeile  der  nach- 
folf^nden  neunten  Cla&6e. 

^  Schlug  ,der  Gebilfe'.  Derselbe  ist  ein  Einz%er  und 
f^chütt  zu  dem  unteren  Theile  der  nAchfolpenden  Aeontem  Classe. 

^  äj^  Wenkio  ,der  Angestellte  des  Lernens  der  Schrift*. 
Derik^lbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  anteren  Theile 
der  nachfolgenden  achten  Classe. 

m  äj^  I'hiö  pö-sse  yder  vielseitige  Gelehrte  des  Lernens 
der  Aerzte^  Derselbe  ist  ein  Elinziger  und  gehört  an  dem 
unteren  Theile  der  nachfolgenden  neunten  Classe. 


^  ^  iM  ^  Tschung-tscheu  thM-sse  ,der  stehende  Ver- 
merker der  mittleren  Landstriche'.  Derselbe  ist  ein  Einziger 
und  gehört  zu  dem  unteren  Theile  der  richtigen  vierten  Classe. 

Lö-sse  thsan-hiün-sse  ,der  die  Sachen  Verzeichnende  und 
an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'.   Derselbe  ist 


Die  SamiuelhättBer  der  Lehenkönige  ChinaV.  963 

ein  Einziger    und   gehört  zu  dem  oberen  Theile  der  richtigen 
achten  Classe. 

Lö-sse  ,der  die  Sachen  Verzeichnende*.  Derselbe  ist  ein 
Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile  der  richtigen  neunten 
Classe. 

^  "A  Sae-kung  ihsan-kiUn-sHe  ,der  den  Verdiensten  Vor- 
stehende und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 

"3  ^  Sse-thsang  thsan-kiiin-sse  ,der  den  Scheunen  Vor- 
stehende und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 

^  S  Ssehu  ihaan-kiün-sse  ,der  den  Thüren  des  Volkes 
Vorstehende  und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theil nehmende. 

^  EB  iSse-ihien  thsan-kiün-sse  ,der  den  Feldern  Vor- 
stehende und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'. 

BJ  J^  Sse-ping  thsan-kiün-sse  ,der  den  Waffen  Vorste- 
hende  und   an   den  Sachen   des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 

^  j^  Sse-fä  thsan-kiün-sse  ,der  den  Vorschriften  Vor- 
stehende und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 

^  ^  Sse-sse  thsan-kiUn-sse  ,der  den  vorzüglichen  Män- 
nern Vorstehende  und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theil- 
nehmende'. 

Die  oben  verzeichneten  sieben  Angestellten  sind  je  Einer 
und  gehören  zu  dem  unteren  Theile  der  richtigen  achten  Classe. 

Thsan-kiiln-sse  ,die  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theil- 
nehmenden^  Dieselben  sind  drei  und  gehören  zu  dem  unteren 
Theile  der  richtigen  neunten  Classe. 

I-hiö  pö'sse  ,der  vielseitige  Gelehrte  des  Lernens  der  Aerzte'. 
Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  unteren  Theile 
der  nachfolgenden  neunten  Classe. 


1^  >W  )^l  Ä  flia-f»cAett  thse-sse  ,der  stechende  Ver- 
merker der  unteren  Landstriche^  Derselbe  ist  ein  Einziger 
und  gehört  zu  dem  unteren  Theile  der  richtigen  vierten  Classe. 

JJl]  ^  Pie-kia  ,der  besonders  Fahrende'.  Derselbe  ist 
ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile  der  nachfolgenden 
fünften  Classe. 

Sse-ma  ,der  Vorsteher  der  Pferde^  Derselbe  ist  ein 
Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile  der  nachfolgenden 
sechsten  Classe. 

SitnngBber.  d.  phil.-hiet.  OL  XCY.  Bd.  IV.  Hft.  62 


9(>2  Pfiimaier. 

fQ  ^  See-hu  thsaji-kiün^sse  ^der  den  Thüren  des  Volkes 
VorBtehende  und  an  den  Sachen  des  Eriegsheeres  Theilneh- 
mende^    Derselbe  ist  ein  Einziger. 

fQ  09  ^9^'^i^^  thsan-ktün-sse  ,der  den  Feldern  Vor- 
stehende und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 
Derselbe  ist  ein  Einziger. 

fQ  ^  Sse-ping  thsan-kiün-sse  ^der  den  Waffen  Vor- 
stehende und  an  den  Sachen  des  Eriegsheeres  Theilnehmende^ 
Derselbe  ist  ein  Einziger. 

BQ  j^  Sse-fä  thsan^hiün-sse  ^der  den  Vorschriften  Vor- 
stehende und  an  den  Sachen  des  Eriegsheeres  Theilnehmende^ 
Derselbe  ist  ein  Einziger. 

ÄQ  "i^  '^^^'^^^  thsan-kUln-sse  ^der  den  vorzüglichen  Män- 
nern Vorstehende  und  an  den  Sachen  des  Eriegsheeres  Theil- 
nehmende^    Derselbe  ist  ein  Einziger. 

Die  oben  verzeichneten  sieben  Würdenträger  gehören  zu 
dem  unteren  Theile  der  nachfolgenden  siebenten  Classe. 

TTisan-ktün-sBe  ,die  an  den  Sachen  des  Eriegsheeres  Theil- 
nehmenden'.  Dieselben  sind  vier  und  gehören  zu  dem  unteren 
Theile  der  nachfolgenden  achten  Classe. 

7^  ^  Schilling  ,der  Gebietende  des  Marktest  Derselbe 
ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile  der  nach- 
folgenden neunten  Classe. 

jj^  Sching  ^der  Qehilfe^  Derselbe  ist  ein  Einziger  und 
gehört  zu  dem  unteren  Theile  der  nachfolgenden  neunten  Classe. 

^  fjt  ^eti'hiö  ,der  Angestellte  des  Lernens  der  Schrift'. 
Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  unteren  Theile 
der  nachfolgenden  achten  Classe. 

fH  ^  ^-Atd  pö'S$e  ,der  vielseitige  Qelehrte  des  Lernens 
der  Aerzte^  Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem 
unteren  Theile  der  nachfolgenden  neunten  Classe. 


^  itl  ^1  ^  ^^^^^^''^9'^^^^^  ^kae-sse  ,der  stehende  Ver- 
merker der  mittleren  Landstriche^  Derselbe  ist  ein  Einziger 
und  gehört  zu  dem  unteren  Theile  der  richtigen  vierten  Classe. 

Lö-sas  thsan-kiün-ase  ^der  die  Sachen  Verzeichnende  und 
an  den  Sachen  des  Eriegsheeres  Theilnehmende^    Derselbe  ist 


Die  SammelhüQser  der  LeheukÖnige  China*».  963 

ein  fliiiziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theilc  der  richtigen 
achten  Classe. 

Lö-88e  ,der  die  Sachen  Verzeichnende'.  Derselbe  ißt  ein 
Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile  der  richtigen  neunten 
Classe. 

^  "A  Sse-kung  thsan-kiibi-sse  ,der  den  Verdiensten  Vor- 
stehende und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 

BJ  ^  Sse-ihsang  ihsan-kiün-ase  ,der  den  Scheunen  Vor- 
stehende und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theil  nehmende'. 

^  S  Sse-hu  thsan-kiün-sse  ,der  den  Thüren  des  Volkes 
Vorstehende  und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende. 

B^  EB  Sse-thien  thsan-kiUn-sse  ,der  den  Feldern  Vor- 
stehende und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'. 

flj  J^  Sse-ping  thsan-kiün-sse  ,der  den  WaflFen  Vorste- 
hende   und   an   den  Sachen   des  Kriegsheeres  Theilnehmende'. 

BJ  j^  Sse-fä  thsan-kiün-sse  ,der  den  Vorschriften  Vor- 
stehende und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'. 

^  ^  S»e-88e  thsan-kiün^sse  ,der  den  vorzüglichen  Män- 
nern Vorstehende  und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theil- 
nehmende'. 

Die  oben  verzeichneten  sieben  Angestellten  sind  je  Einer 
und  gehören  zu  dem  unteren  Theile  der  richtigen  achten  Classe. 

Th8an'kiiin-88e  ,die  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theil- 
nehmenden'.  Dieselben  sind  drei  und  gehören  zu  dem  unteren 
Theile  der  richtigen  neunten  Classe. 

I'hiö  pö'Sse  ,der  vielseitige  Gelehrte  des  Lernens  der  Aerzte'. 
Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  unteren  Theile 
der  nachfolgenden  neunten  Classe. 


'^  MI  j&lj  ^  Hia-tscheu  th8e'88e  ,der  stechende  Ver- 
merker der  unteren  Landstriche'.  Derselbe  ist  ein  Einziger 
und  gehört  zu  dem  unteren  Theile  der  richtigen  vierten  Classe. 

JJl]  ^  Pie-kia  ,der  besonders  Fahrende'.  Derselbe  ist 
ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile  der  nachfolgenden 
fünften  Classe. 

Sse-ma  ,der  Vorsteher  der  Pferde'.  Derselbe  ist  ein 
Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile  der  nachfolgenden 
sechsten  Classe. 

Sitznngsber.  d.  phU.-hist.  a  XCY.  Bd.  IV.  Hfl.  62 


964  Pfizmaier. 

Lb-sse  thsan-kiiln'Sse  ,der  die  Sachen  Verzeichnende  nnd 
an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehinende'.  Derselbe  vA 
ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  unteren  Tfaeile  der  nach- 
folgenden neunten  Classe. 

Sse-thsang  thsan-kitln-sse  ,der  den  Scheunen  Vorstehende 
und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'. 

Sse-hu  th^an-ktün-sse  ^der  den  Thüren  des  Volkes  Vor- 
gesetzte und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 

Sse-thien  thaan-kiUn-sse  ,der  den  Feldern  Vorstehende  und 
an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 

Sse-fä  thsan-kiün-sse  ,der  den  Vorschriften  Vorstehende 
und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 

Die  oben  verzeichneten  Angestellten  sind  je  Einer  und 
gehören  zu  dem  unteren  Theile  der  nachfolgenden  achten  Classe. 

Thsankiün-sse  ,an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  TheQ- 
nehmende^  Dieselbon  sind  zwei  und  gehören  zu  dem  unteren 
Theile  der  nachfolgenden  neunten  Classe. 

I'hiö  pö-sse  ,der  vielseitige  Gelehrte  des  Lernens  der 
Aerzte'.  Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  unteren 
Theile  der  nachfolgenden  neunten  Classe. 


Im  sämmtlichen  Kriegsheeren  wurde  je  eingesetzt: 
'ffi^  Sse  ,der  Abgesandte*.     Derselbe  ist  ein  Einziger. 
Für  fünftausend  Menschen  und  darüber  ist: 
^  ^    ^^^^'^^^   A^^'   zugetheilte  Abgesandte^     Derselbe 

ist  ein  Einziger. 

Für  zehntausend  Menschen  und  darüber  ist: 

üf   Bö   ^  'ß^   Fiwgr-eAtm  feu-sse  ,der  die  Felder  bauende 

zugetheilte  Abgesandte^     Derselbe  ist  ein  Einziger. 

In  allen  Kriegsheeren  gibt  es  drei  Richter,  diejenigen  der 

Scheunen,  der  Waffen  und    der  Panzer    (ihsang,  ping,  tseh'eni 

und   an    den   Sachen    des  Kriegsheeres  Theilnehmende   (thsatt- 

klün-sse). 

Wenn  der  stechende  Vermerker  (thse-sse)  den  Abgesandten 

(sse)  leitet,  werden  eingesetzt: 

Feu-sse  ,der  zugetheilte  Abgesandte^ 

jjjlj^  ^    Tui-kuan  ,der  darbietende  Amtsführer'. 

^  ^    Ya-kuan  ,der  Amtsführer  des  hohen  Wohnsitzes^. 


Die  SammelbfcOMr  dar  LeheokOuige  China*8.  965 

j^  f^  ^  $   Tscheu-ya  tui-Jäün    ,der    für  den   hohen 
Wohnsitz  der  Landstriche  das  Kriegsheer  Darbietende^ 

^  ^    Ya-tui  ,der  Darbietende  des  hohen  Wohnsitzes*. 


Ä  iB  "^  King-hien-Kng  ,der  Befehlhaber  der  Kreise  der 
Mutterstadt^  Derselbe  ist  je  £iner  und  gehört  zu  dem  oberen 
Theile  der  richtigen  fünften  Classe. 

^  Sching  ,Gehilfen^  Dieselben  sind  zwei  und  gehören 
zu  dem  oberen  Theile  der  nachfolgenden  siebenten  Classe. 

i  ^  r«cAtf-j?t4  ,den  Registern  Vorgesetzte'.  Dieselben 
sind  zwei  und  gehören  zu  dem  oberen  Theile  der  nachfolgen- 
den achten  Classe. 

^  ^  Lö'sse  ydie  Sachen  Verzeichnende^  Dieselben 
sind  zwei  und  gehören  zu  dem  unteren  Theile  der  nachfolgen- 
den neunten  Classe. 

^  Wei  jBeruhiger^  Dieselben  sind  sechs  und  gehören 
zu  dem  unteren  Theile  der  nachfolgenden  achten  Classe. 


jp[  ^  Khi-hien-Ung  ,der  Befehlshaber  der  Kreise 
des  Umkreises  der  Mutterstadt^  Derselbe  ist  je  Einer  und 
gehört  zu  dem  oberen  Theile  der  richtigen  sechsten  Classe. 

^  Sching  ,der  Gehilfe'.  Derselbe  ist  ein  Einziger  und 
gehört  zu  dem  unteren  Theile  der  richtigen  achten  Classe. 

Tackil'pu  ,der  den  Registern  Vorgesetzte*.  Derselbe  ist 
ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile  der  richtigen 
neunten  Classe. 

^  Wei  , Beruhiger*.  Dieselben  sind  zwei  und  gehören 
zu  dem  unteren  Theile  der  richtigen  neunten  Classe. 


Jt  ä^  ^  Schafig  "kien-ling  ,der  Befehlshaber  des 
oberen  Kreises*.  Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem 
oberen  Theile  der  nachfolgenden  sechsten  Classe. 

Sching  ^der  Gehilfe*.     Derselbe   ist  ein  Einziger  und  ge* 

hört  zu  dem  unteren  Theile   der  nachfolgenden  achten  Classe. 

62* 


96B  Pfismaier. 

TschU'pu  ,der  den  Registern  Vorgesetzte*.  Derselbe  ist 
ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  unteren  Theile  der  richtigen 
neunten  Classe. 

Wei  , Beruhiger'.  Dieselben  sind  zwei  und  gehören  zu 
dem  oberen  Theile  der  nachfolgenden  neunten  Classe. 


Xb  jp^  ^  Tschtnig-hien-Ung  ,der  Befehlshaber  des 
mittleren  Kreises'.  Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zu 
dem  oberen  Theile  der  richtigen  siebenten  Classe. 

Sching  ,dcr  Gehilfe'.  Derselbe  ist  ein  Einziger  und  ge- 
hört zu   dem  unteren  Theile  der  nachfolgenden  achten  Classe. 

Tschil-pu  ,der  den  Registern  Vorgesetzte'.  Derselbe  ist 
ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile  der  nachfolgen- 
den neunten  Classe. 

Wei  ,der  Beruhiger'.  Derselbe  ist  ein  Einziger  und  ge- 
hört zu  dem  unteren  Theile  der  nachfolgenden  neunten  Classe. 


fb  "TC  jpS  ^  Tschimg-hia-hten-ling  ,der  Befehlshaber 
des  mittleren  unteren  Kreises'.  Derselbe  ist  ein  Einziger  und 
gehört  zu  dem  oberen  Theile  der  nachfolgenden  siebenten  Classe. 

Schi7ig  , Gehilfen'.  Dieselben  sind  zwei  und  gehören  zu 
dem  oberen  Theile  der  richtigen  neunten  Classe. 

Tachü'pu  ,der  Vorgesetzte  der  Register'.  Derselbe  ist 
ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile  der  nachfolgen- 
den neunten  Classe. 

Wei  ,der  Gehilfe'.  Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört 
zu  dem  unteren  Theile  der  nachfolgenden  neunten  Classe. 


T^  jp^  ^  Hia-hien-Ung  ,der  Befehlshaber  des  unteren 
Kreises'.  Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  unteren 
Theile  der  nachfolgenden  siebenten  Classe. 

ScJiing  ,der  Gehilfe'.  Derselbe  ist  ein  Einziger  und  ge- 
hört zu  dem  unteren  Theile  der  richtigen  neunten  Classe. 

Tschü-pu  ,der  den  Registern  Vorgesetzte'.  Derselbe  ist 
ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile  der  nachfolgen- 
den neunten  Classe. 


Die  Sammelh&nser  dar  Lahmkönige  China*8.  967 

Wei  ,der  Beruhiger^  Derselbe  ist  ein  Einziger  und  ge- 
hört zu  dem  unteren  Theile  der  nachfolgenden  neunten  Classe. 

Der  Befehlshaber  des  Kreises  (hien-ling)  befasst  sich  mit 
der  Leitung  der  Sitten  und  Gewohnheiten,  er  untersucht  die 
Anschuldigungen  und  Aufhaltungen,  hört  die  Streitigkeiten. 
Alles,  was  auf  den  Feldern  des  Volkes  gesammelt  und  über- 
geben wird,  verleiht  der  Befehlshaber  des  Kreises.  In  jedem 
Jahre,  im  letzten  Monate  des  Winters,  übt  er  die  Gebräuche 
des  Weintrinkens  in  den  Bezirken.  Obgleich  es  für  die  Schrift- 
tafeln und  Rechnungen,  für  die  Posten,  die  Scheunen,  die  Rüst- 
kammern, für  Diebe  und  Räuber,  für  Dämme  und  Wege  aus- 
schliessliche Obrigkeiten  gibt,  wird  dieses  alles  durchgängig 
dem  Kreise  zur  Kenntniss  gebracht.  Der  Gehilfe  (sching)  steht 
dabei  als  Zweiter  zur  Seite.  Die  Beruhiger  (wei)  des  Kreises 
vertheilen  sich  und  beurtheilen  die  Gesammtheit  der  Richter 
(thsao),  Sie  fassen  zusammen  und  gehen  bei  den  Prüfungen 
und  Einrichtungen  voran. 

Im  ersten  Jahre  des  Zeitraumes  Wu-te  (618  n.  Chr.)  ver- 
änderte man  den  bisher  üblichen  Namen  ^^  ^tt^  schu  -  tso 
, Gehilfe  der  Bücher'  zu  i^  ^j*  kien-tcei  , Beruhiger  des 
Kreisest  Plötzlich  veränderte  man  ihn  zu  j£  tsching  , Rich- 
tiger'. In  sämmtlichen  Kreisen  setzte  man  den  Registern  Vor- 
gesetzte {tschü'pu)  ein.  Man  wählte  sie  aus  der  Zahl  der 
nach  aussen  Verbannten    {^jj^    ^(*    liea-wai). 

Die  Gehilfen  (schmg)  der  Kreise  der  Mutterstadt  (hing- 
hien)  und  der  oberen  Kreise  (sckang-hien)  waren  überall  ein 
Einziger.  Die  Richtigen  (tsching)  der  Kreise  des  Umkreises 
der  Mutterstadt  (khi-hien)  und  der  oberen  Kreise  waren  überall 
vier.  Im  siebenten  Jahre  des  Zeitraumes  Wu-te  (624  n.  Chr.) 
veränderte  man  den  Namen  kien-tsching  ,Richtiger  des  Kreises' 
wieder  zu  ^  wei  ,Beruhiger'. 

Im  Anfange  des  Zeitraumes  Tsching-kuan  (627  n.  Chr.) 
setzte  man  in  sämmtlichen  Kreisen  ,die  Sachen  Verzeichnende' 
(lÖ-sse)  ein. 

In  dem  Zeiträume  Khai-yuen  (713  bis  741  n.  Chr.)  ver- 
mehrte man,  wenn  in  den  oberen  Kreisen  (schang-hien)  zehn- 
tausend Thüren  des  Volkes,  in  den  mittleren  Kreisen  (tachung- 
hien)  viertausend  Thüren  des  Volkes  waren,  die  Zahl  der  Beruhiger 
(toei)  um  Einen.     In   dem  Kreise  der  Mutterstadt  und  in  dem 


^ 


968  Pfiimaier. 

Sammelhause  von  Ho-nan  setzte  man  in  sämmtlichen  Kreisen, 
wenn  die  Thüren  des  Volkes  dreitausend  und  darüber  waren, 
einen  Qebietenden  des  Marktes  (7^    ^    schi-Ung)  ein. 

Wenn  die  Thüren  des  Volkes  zehntausend  und  darüber 
waren,  wurden  eingesetzt: 

ife  ^  ^  I-thaang-tö  ,Beauf8ichtiger  der  angemessenen 
Scheunen^  Dieselben  waren  dreL  Wenn  später  in  den  Kreisen 
des  Umkreises  der  Mutterstadt  (khi-hien)  die  Zahl  der  Thüren 
des  Volkes  nicht  viertausend  erreichte,  setzte  man  ebenfalls 
zwei  Beruhiger  (wei)  ein.  Waren  es  zehntausend  Thüren  des 
Volkes,  so  gab  man  einen  Beruhiger  (xcei)  hinzu. 

In  den  Kreisen  gab  es: 

^  ^  ^  Sse-kung-tso  ,Qehilfen  des  den  Verdiensten 
Vorstehenden'. 

^  ^  ^  Sse-thaang-tso  ,Gehilfen  des  den  Scheunen 
Vorstehenden^ 

BJ  ^  ^h  See-hu'tso  ,Gehilfen  des  den  Thüren  des 
Volkes  Vorstehenden*. 

^  ^  ^h^  Sse-pitig-tso  ,Qehilfen  des  den  Waffen  Vor- 
stehenden'. 

^  j^  ^  Sae-fä-tso  ,Qehilfen  des  den  Vorschriften 
Vorstehenden'. 

^  -^  ^h  Sse-sae-tso  ,Gehilfen  des  den  vorzüglichen 
Männern  Vorstehenden'. 

Dieselben  waren  den  Sachen  des  Thores  des  Gefängnisses 
'  und  Anderem  voi^esetzt. 

In  den  Kreisen  des  Umkreises  der  Mutterstadt  (khi-hien) 
liess  man  den  ,den  Waffen  Vorstehenden'  (sae-ping)  weg. 

In  den  oberen  Kreisen  (achang-hien)  gab  es  bloss  einen 
den  Thüren  des  Volkes  Vorstehenden  (sse-hu)  und  einen  den 
Vorschriften  Vorstehenden  (sse-fä). 

In  allen  Kreisen  waren  angestellt: 

jj^  ^  |fi  i  King-hiÖ  pÖ-sse  ,der  vielseitige  Gelehrte 
der  mustergiltigen  Bücher'. 

^  Rj^  Tsu-kiao  ,der  bei  den  Belehrungen  Helfende'. 
Diese  zwei  Angestellten  waren  je  Einer. 


r 


Die  Sammelhinser  der  LehenkOnige  China*8.  969 

In  den  Kreisen  der  Mutterstadt  (king-hien)  gab  es: 
^    jtjl     HiÖ-seng    ^Beflissene    des   Lernens^     Dieselben 
waren  fünfzig.   In  den  Kreisen  des  Umkreises  der  Mutterstadt 
(khi'hien)   waren   es  je   vierzig.     Von    den    mittleren   Kreisen 
(Ufchung-hien)  abwärts  waren  es  fünf  und  zwanzig. 


Jt  ^  ^  Schang-tschin-tsiang  ,der  Anführer  der  oberen 
Niederhaltungen^  Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem 
unteren  Theile  der  richtigen  sechsten  Classe. 

^  P^  Tschin-feu  ^Zugetheilte  der  Niederhaltungen'. 
Dieselben  sind  zwei  und  gehören  zu  dem  unteren  Theile  der 
richtigen  siebenten  Classe. 

Thsang-thsao  thsan-kHin-sse  ,der  Richter  der  Scheunen  und 
an  den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 

Ping-thsao  thsan-kiün-sse  ,der  Richter  der  Waflfen  und  an 
den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^ 

Die  obigen  zwei  Angestellten  sind  je  £iner  und  gehören 
zu  dem  unteren  Theile  der  nachfolgenden  achten  Classe. 


fit  ^^  ^  Tsckung 'tschin-tsiang  ,der  Anführer  der 
mittleren  Niederhaltungen'.  Derselbe  ist  ein  Einziger  und  ge- 
hört zu  dem  oberen  Theile  der  richtigen  siebenten  Classe. 

^  ^  Tschin-feu  ,der  Zugetheilte  der  Niederhaltungen'. 
Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile  der 
nachfolgenden  siebenten  Classe. 

Ping'thaao  thsan-kiün-sse  ,der  Richter  der  Waffen  und  an 
den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende'.  Derselbe  ist 
ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  unteren  Theile  der  richtigen 
neunten  Classe. 


~TC  ^  ^  Hia-tschin-tsiang  ,der  Anführer  der  unteren 
Niederhaltungen'.  Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem 
unteren  Theile  der  richtigen  siebenten  Classe. 

^  lU  Tschin-feu  ,der  Zugetheilte  der  Niederhaltungen'. 
Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  unteren  Theile 
der  nachfolgenden  siebenten  Classe. 


970  Pfismaier. 

Ping-thsao  thsan-ktün-sse  ,der  Richter  der  Waffen  und  an 
den  Sachen  des  Kriegsheeres  Theilnehmende^  Derselbe  ist 
ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  unteren  TheUe  der  nachfol- 
genden neunten  Classe. 

Bei  jeder  Niederhaltung  (Uchin)  sind  angestellt: 

^   Sse  ,der  Abgesandte'.     Derselbe  ist  ein  Einziger. 

]^  /^6u-M6  yder  zugetheilte  Abgesandte'.  Derselbe  ist 
ein  Einziger. 

Bei  allen  Niederhaltungen  des  Kriegsheeres  (Idün-Uchinj 
wird,  wenn  es  zweimals  zehntausend  Menschen  oder  mehr  sind^ 
ferner  eingesetzt: 

B)  M  Sse-ma  ,der  Vorsteher  der  Pferde'.  Derselbe  ist 
ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  oberen  Theile  der  richtiges 
sechsten  Classe. 

Man  vermehrt  die  Angestellten  um  den  Richter  der 
Scheunen,  den  Richter  der  Waffen,  und  an  den  Sachen  des 
Kriegsheeres  Theilnehmenden  (thsang-thsao,  ping-thsao  thscBi" 
kiün-sse).  Dieselben  sind  je  Einer  und  gehören  zu  dem  unteren 
Theile  der  nachfolgenden  siebenten  Classe. 

Wenn  die  Zahl  zwei  Zehntausende  nicht  erreicht,  gehört 
der  Vorsteher  der  Pferde  (sse-ma)  zu  dem  oberen  Theile  der 
nachfolgenden  sechsten  Classe.  Der  Richter  der  Scheunen, 
der  Richter  der  Waffen  und  an  den  Sachen  des  Kriegsheeres 
Theilnehmende  (ihsang-ihsao,  ping-thsao,  thsan-kiün-sse)  gehören 
zu  dem  oberen  Theile  der  richtigen  achten  Classe. 


I*  j^  ^  Schang-schü-t^chil  ,der  Vorgesetzte  der  oberen 
Besatzungen'.  Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem 
unteren  Theile  der  richtigen  achten  Classe. 

J^  @()  jSchü-feti  ,der  Zugetheilte  der  Besatzungen'.  Der- 
selbe ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem  unteren  Theile  der 
nachfolgenden  achten  Classe. 

fit  J^  ^  Tschung-schü-fschü  ,der  Voi^esetzte  der  mitt- 
leren Besatzungen'.  Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zn 
dem  unteren  Theile  der  nachfolgenden  achten  Classe. 

Jt  J^  i  Hia-schü-tschU  ,der  Vorgesetzte  der  unteren 
Besatzungen'.  Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zu  dem 
unteren  Theile  der  richtigen  neunten  Classe. 


Die  SammelbKuBer  der  Lehenkftnige  Chins*!.  971 

Der  Anfiihrer  der  Niederhaltungen  (tschin~tnang)f  die  Zu- 
getheilten  der  Niederhaltungen  (tschin-feu),  der  Vorgesetzte  der 
Besatzungen  (achiirUchii)  und  der  Zugetheilte  der  Besatzungen 
(schü-feu)  befassen  sich  mit  Abwehren,  Bewachen  und  Ver- 
theidigen. 

Die  oberen  Niederhaltungen  (achang-tschin)  sind  zwanzig. 

Die  mittleren  Niederhaltungen  (tschung-tschin)  sind  neunzig. 

Die  unteren  Niederhaltungen  (hia-tschin)  sind  einhundert 
fünf  und  dreissig. 

Die  oberen  Besatzungen  (schang-schü)  sind  eilf. 

Die  mittleren  Besatzungen  (tschung-schü)  sind  sechs  und 
achtzig. 

Die  unteren  Besatzungen  (hia-schü)  sind  zweihundert  fünf 
und  vierzig. 

Der  Richter  der  Scheunen  und  an  den  Sachen  des  Kriegs- 
heeres Theilnehmende  (thsang-ihsno  thsan-kiün-sse)  befasst  sich 
mit  den  angemessenen  Mustern,  mit  den  Scheunen,  Rüst- 
kammern^ mit  Getränken,  Speisen  und  den  Arzneien  der  Aerzte. 
Wenn  er  die  Sachen  nahe  bringt,  untersucht  er  vorläufig  die 
Aufzeichnungen  der  verschlossenen  Abtheilungen.  Er  beauf- 
sichtigt die  Siegel,  reicht  Papier  und  Pinsel  und  marktet  und 
treibt  Tauschhandel  auf  den  öffentlichen  Feldern. 

Bei  den  Niederhaltungen  (fschin)  befasst  sich  damit  zu- 
gleich der  Richter  der  Waffen  (pmg-tJisao).  Der  Richter  der 
Waffen  und  an  den  Sachen  des  Eriegsheeres  Theilnehmende 
(ping-thsao  thsan-kiün-sse)  befasst  sich  mit  der  Abschliessung 
der  namhaften  Rechnungen  der  Menschen,  mit  den  Eriegs- 
geräthen,  Schlüsseln,  Pferden  und  Eseln,  mit  Erde,  Holz  und 
mit  der  Sache  der  Verweise  und  leichten  Strafen. 

Zu  den  oberen  Niederhaltungen  (schang-Uchin)  gehören 
die  Angestellten: 

^  ^  LÖ'Sse  ,der  die  Sachen  Verzeichnende'  Einer. 

Sse  ,Vermerker*  Einer. 

^  W  üc.    Thaang-ihaaO'Uo    ,der  Gehilfe   des   Richters 
der  Scheunen'.  Derselbe  ist  ein  Einziger.  Zu  ihm  gehören  noch : 
8se  jVermerker'  zwei. 

^  W  "fe  Ping-thsao-tso  ,der  Gehilfe  des  Richters  der 
Waffen'. 


972  Pfixmaiar. 

^  Sae  ,  Vermerker'.  Dieser  und  der  vorher  genannte 
Angestellte  sind  je  zwei. 

^  ^  Thsang-tö  ^der  Beaufsichtiger  der  Scheunen'.  Der- 
selbe ist  ein  Einziger.    Zu  ihm  gehören  noch: 

Sse  ,Vermerker'  zwei. 

Zu  den  mittleren  Niederhaltungen  (tschwig-tsckin)  gehören 
die  Angestellten: 

Lö-sse  ;der  die  Sachen  Verzeichnende'  Einer. 

Ping-thsaO'tso  ,der  Gehilfe  des  Richters  derWaflTen'  Einer. 
Zu  ihm  gehören  noch: 

Sse  ,  Vermerker'  vier. 

Thsang-tÖ  ,der  Beaufsichtiger  der  Scheunen'  Einer.  Zu 
ihm  gehören  noch: 

Sse  ,Vermerker'  zwei. 

Zu  den  unteren  Niederhaltungen  (hia-tschin)  gehören  die 
Angestellten : 

Di-sse  ,der  die  Sachen  Verzeichnende'  Ejner. 

Ping-thsoo-Uo  ,der  Gehilfe  des  Richters  der  Waffen'  Einer. 

Sse  ,Vermerker'  zwei. 

Thsang-tÖ  ,der  Beaufsichtiger  der  Scheunen'  Einer.  Zu 
ihm  gehört  noch: 

Sse  ,der  Vermerker'  Einer. 

In  allen  Niederhaltungen  des  Kriegsheeres  (kiUn-Uckin) 
befindet  sich  bei  fünfhundert  Menschen: 

M  ^  Kiä'kuan  ,der  niederdrückende  Amtsfiihrer'.  Der- 
selbe ist  ein  Einziger. 

Bei  tausend  Menschen  befindet  sich: 

-7*  )||ä[  ij^  Tse-tsung-kuan  ,der  als  Sohn  Leitende  und 
Besorgende'.     Derselbe  ist  ein  Einziger. 

Bei  fünftausend  Menschen  befinden  sich  femer: 

ff^  Fu  ^Angestellte  des  Sammelhauses'  drei. 

Sse  ,Vermerker'  vier. 

Jl  J^  Ül  Schang-schü-tso  ,der  Gehilfe  der  oberen  Be- 
satzung.    Derselbe  ist  ein  Einziger.     Zu  ihm  gehören: 

Sse  jVermerker'  zwei. 

d|  1^  ^  Tschung-schU-sse  ,Vermerker  der  mittleren  Be- 
satzung.    Dieselben  sind  zwei. 


Die  SunmeUi&nMr  der  LehenUoige  China*!.  973 

T^  J!$  ^  Hta-schilrsse  ,der  Vermerker  der  unteren  Be- 
satzung^  Derselbe  ist  ein  Einziger. 

Thang  schaffte  die  Söhne  der  Besatzung  (^j^  -^  schü- 
tse)  *  ab. 

Fünfhundert  Menschen^  welche  Vertheidiger  {^  ^  f^'f^g- 
jin)  sind;  bilden  eine  obere  Niederhaltung  (schang-tsehin). 

Zweihundert  Menschen  bilden  eine  mittlere  Niederhaltung 
( Uchung-tschin) . 

Die  Menschen,  welche  den  letzteren  an  Zahl  nicht  gleich 
kommen,  bilden  eine  untere  Niederhaltung  (hia-tachin). 

Fünfzig  Menschen  bilden  eine  obere  Besatzung  (schang- 
schil). 

Dreissig  Menschen  bilden  eine  mittlere  Besatzung  (tschung- 
schii). 

Die  Menschen,  welche  den  letzteren  an  Zahl  nicht  gleich 
kommen,  bilden  eine  untere  Besatzung  (hia-schü). 

Im  fünfzehnten  Jahre  des  Zeitraumes  Khai-yuen  (727 
n.  Chr.)  setzte  man  in  den  fünf  Festen  von  Sö-fang  je  einen 
Richter  der  Felder  und  an  den  Sachen  des  Eriegsheeres  Theil- 
nehmenden  (thien-ihsoo  thaan-kiün-sse)  ein.  Dessen  Rangclasse 
war  mit  derjenigen  des  beurtheilenden  Vorstehers  T^j  ^ 
puan-ase)  sämmtlicher  Eriegsheere  gleich.  Er  beaufsichtigte 
aasschli  esslich  den  Bau  der  Felder. 

Nach  dem  Zeiträume  Yung-thai  (665  n.  Ch.)  vermehrte 
und  verminderte  man  ziemlich  die  Aemter  sämmtlicher  Nieder- 
haltungen im  Verhältnisse  zu  der  alten  Einrichtung  des  Zeit- 
raumes Ehai-yuen. 


i  -^  P3  üS  '^  ^'V^  sse-tö  ling  ,die  Gebietenden 
der  fünf  Berghöhen,  der  vier  Ausflüsse^  Dieselben  sind  je 
Einer  und  gehören  zu  dem  oberen  Theile  der  richtigen  neunten 
Classe.    Sie  befassen  sich  mit  den  Opfern. 


^  ySöhne  der  Besatzung'  wurden  früher  nicht  erwähnt.  Es  ist  hiermit  das 
obige  lae-tfung-huan  ,der  als  Sohn  Leitende  und  Besorgende*  zu  ver- 
gleichen. 


974  Pfiimaier. 

Bei  diesem  Amte  gibt  es: 
/nE    Jt    Sse-sse  ,Vermerker  des  Opfers*  drei, 
^a    ß|J    Tschai-lang  ,Leib Wächter  der  Verehrung^    Die- 
selben sind  je  dreizehn. 


-t  BB  ^  Schang 'kuan-ling  ,der  Befehlshaber  des 
oberen  Qränzpasses^  Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  zu 
dem  unteren  Theile  der  nachfolgenden  achten  Classe. 

^^  Schlug  ^Gehilfen^  Dieselben  sind  zwei  und  gehören 
zu  dem  unteren  Theile  der  richtigen  neunten  Classe. 

itl  BB  ^  Tschung 'kuan-ling  ,der  Befehlshaber  des 
mittleren  Oränzpasses^  Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört 
zu  dem  unteren  Theile  der  richtigen  neunten  Classe. 

^  Schlug  ,der  Gehilfe'.  Derselbe  ist  ein  Einziger  und 
gehört  zu  dem  unteren  Theile  der  nachfolgenden  neunten  Classe. 

"T^  BB  ^  Hia-kuan-ling  ,der  Befehlshaber  des  unteren 
Gränzpasses'.  Derselbe  ist  ein  Einziger  und  gehört  ebenfalls 
zu  dem  unteren  Theile  der  nachfolgenden  neunten  Classe. 

Diese  Angestellten  befassen  sich  mit  dem  Verbieten  des 
Umherwandelns  in  der  Ferne,  mit  Untersuchung  der  List  und 
Heimtücke.  Wenn  Wagen  und  Pferde  der  Reisenden  heraus- 
kommen und  hereinkommen,  halten  sich  diese  Angestellten  an 
den  Ort,  wo  man  vorübergeht  und  bilden  Zeitabschnitte  für 
das  Gehen  und  Kommen. 

Die  Gränzpässe  sind  sechs  und  zwanzig.  Die  Gränzpä^se 
an  den  vier  Seiten  der  Mutterstadt,  wo  es  Wege  der  Posten 
gibt,  sind  die  oberen  Gränzpässe  (schang-kuan). 

Diejenigen,  bei  welchen  es  keine  Wege  der  Posten  gibt 
sind  mittlere  Gränzpässe  (tschung-kuan).  Die  übrigen  sind 
untere  Gränzpässe  (hia-kuan). 

Der  Gehilfe  (^  sching)  befasst  sich  mit  der  Anbringung 
der  Sachen,  mit  vorläufiger  Untersuchung  der  Siegel  und  der 
Aufzeichnungen  der  verschlossenen  Abtheilungen.  Er  beurtheilt 
durchgängig  die  Sachen  des  Gränzpasses. 

Zu  den  oberen  Engpässen  (schang-kuan)  gehören: 
^    A    Lö-88e  ,der  die  Sachen  Verzeichnende*.  Derselbe 
ist  ein  Einziger. 


Die  Sammelbäoser  der  Lehenkönige  Chin&'fi.  975 

^    Si/e  »Vermerker'  vier. 

^    ^    Tieu-sse  ,den  Sachen  Vorgesetzte'  sechs. 

Zu  den  mittleren  Engpässen  (tschnng-kuan)  gehören: 

Lö-sse  ,der  die  Sachen  Verzeichnende'.  Derselbe  ist  ein 
Einziger. 

jjfip  Fu  ,der  Angestellte  des  Sammelhauses'.  Derselbe 
ist  ein  Einziger. 

Sse  ,Vermerker'  zwei. 

Tien-sse  ,den  Sachen  Vorgesetzte'  vier. 

Zu  den  unteren  Engpässen  (hia-kuan)  gehören: 

Fu  ,der  Angestellte  des  Sammelhauses'.  Derselbe  ist  ein 
Einziger. 

Sse  ,  Vermerker'. 

Tien-sse  ,den  Sachen  Vorgesetzte'.  Dieser  und  der  obige 
Angestellte  sind  je  zwei. 

Der  den  Sachen  Vorgesetzte  (tien-ase)  befasst  sich  mit 
Ausreutungen  im  Umherwandeln  und  vermischten  Obliegen- 
heiten. 

Anfänglich  setzte  man  in  sämmtlichen  Gränzpässen  all- 
gemeine Beruhiger  {JlSf^  ^  tu-wei)  ein.  Es  gab  auch  andere 
Obrigkeiten,  welche  zur  Beaufsichtigung  ermahnten. 

In  den  oberen  Ueberfahrten  (^  J^  '^ßt  schang-tsin)  wurden 
eingesetzt : 

^  Wei  ,der  Beruhiger'.  Derselbe  war  ein  Einziger  und 
befasste  sich  mit  den  Sachen  der  Schiffe  und  Brücken. 

j^  Fu  ,der  Angestellte  des  Sammelhauses'.  Derselbe  war 
ein  Einziger. 

^  Sse  ,  Vermerk  er'  zwei. 

^    -^    Tsin-tschang  ,Aelteste  der  Ueberfahit'  vier. 
In   den  unteren  Ueberfahrten   ("fC    Ä    hia-tsin)  wurden 
eingesetzt: 

^   Wei  ,der  Beruhiger'.     Derselbe  war  ein  Einziger. 

jjfip  Fu  ,der  Angestellte  des  Sammelhauses'.  Derselbe 
war  ein  Einziger. 

^    Sse  , Vermerker'  zwei. 

^    -^    Tsin-tschang  ,Aelteste  der  Ueberfahrt'  zwei. 
In  dem  Zeiträume  Yung-hoei  (650  bis  655  n.  Chr.)  schaffte 
man  den  Beruhiger  (wei)  der  Ueberfahrt  ab. 


976  PfismaUr.  Die  SamaeUi&aMr  dar  LekMikftiügfl  China*«. 

In  dem  oberen  Gränzpasse  (schang-huan)  setzte  man  ein: 
^ßk    ^    Tsin-li  ^Angestellte  der  Ueberfahrt^  acht. 

Im  ersten  Jahre  des  Zeitraumes  Yung-thai  (765  n.  Chr.' 
wurden  in  dem  mittleren  Gränzpasse  (Tschung-kaan)  eingesetzt: 

^ßt  ^  Tsin-li  ^Angestellte  der  Ueberfahrt'  sechs,  b 
dem  unteren  Gränzpasse  (hta-ktian)  waren  es  vier.  Wo  sieb 
keine  [Jeberfahrt  befand;  wurden  sie  nicht  eingesetzt. 


XXVn.  SITZUNG  VOM  17.  DECEMBER  1879. 


Das  k.  k.  MiniBterium  für  Cultus  und  UDterricht  über- 
mittelt mehrere  AbhandlungeD  des  Chefs  des  indischen  Agri- 
cultar-  und  Commerz -Departements  Herrn  Rivett-Carnac, 
welche  in  der  Zeitschrift  der  asiatischen  Q^sellschaft  von  Bengal 
erschienen  sind  und  von  dem  Herrn  Verfasser  eingesendet 
wurden. 

Der  Bibliothekar  und  Archivar  des  Stiftes  Reichersberg^ 
Herr  Konrad  Meindl,  legt:  ^Bartholomaei  Hoyer,  dicti  Schirmer, 
cellerarii  (1462 — 1469)  registrum  procurationis  rei  domesticae 
pro  familia  Reichersperg*  unter  dem  Ersuchen  um  Veröffent- 
lichung in  dem  Archiv  vor. 


An  Druckschriften  wurden  vorgelegt: 

Akademie  der  Wissenschaften,  königl.  schwedische:  Ofversigt  af  Förhand- 
lingar.  36*«  Arg.  Nr.  1—6.  Stockholm,  1879;  8^ 

Breslau,  Universitfit:  Akademische  Schriften  pro  1878/79.  4»  und  8^. 

Central -Commission,  k.  k.  statistische:  Statistisches  Jahrbnch  für  das 
Jahr  1877.  XI.  Heft.  Wien,  1879;  8».  Ausweise  über  den  auswärtigen 
Handel  der  österreichisch-ungarischen  Monarchie  im  Sonnenjahr  1878. 
XXXIX.  Jahrgang,  III.  Abtheilung.  Wien,  1879;  4<).  Nachrichten  über 
Industrie,  Handel  und  Verkehr.  XVU.  Band.  I.  und  II.  Heft.  Wien, 
1879;  80. 


978 

CTesellschAft,  archüolo^sche,  zu  Berlin:  Thamitos.  XXXIX.  Programic 
Kam  Winckelmaunsfeste  von  Carl  Robert.  Berlin,  1879;  4*. 

Marteus,  F.  Professor:  Recueil  des  Trattes  et  ConTentions  concliu  park 
Russic  avec  les  puissances  etrangeres.  Tome  II.  Trait^  avec  TAntrifhe 
1772—1808.  Öt-Petersbonrg,  I87ö;40.  Tome  III,  1808-1815.  St-Petew 
bourg,  1876;  4^  Tome  IV,  l"  Partie,  1815—1849.  St-Petersbourg,  1«7S; 
4».  Tome  IV,  2«  Partie,  1849-1878.  St-Pitersboui^,  1878;  4«. 

,Revue  politiqne  et  litt^raire*  et  ,Revae  scientifique  de  la  Fnace  et  de 
TEtranger*.  IX«  Ann^e,  2«  Serie,  Nr.  24.  Paris,  1879;  4». 

Society,  the  rojal  geograpbical :  Proceedings  and  Montbly  Record  of  Geo- 
graphie. Vol.  I.  Nr.  12.  December  1879,  London;  8^ 


Die  Sitzungsberichte  dieser  Classe  der  kais.  Akademie 
der  Wissenschaften  bilden  jährlich  10  Hefte,  von  wel- 
chen nach  Maassgabe  ihrer  'Stärke  zwei  oder  mehrere 
einen  Band  bilden,  so  dass  jährlich  nach  Bedürfniss 
2  oder  3  Bände  Sitzungsberichte  mit  besonderen  Titeln 
erscheinen. 

Von  allen  grösseren,  sowohl  in  den  Sitzungsberich- 
ten als  in  den  Denkschriften  enthaltenen  Aufsätzen 
befinden  sich  Separatabdrücke  im  Buchhandel. 


•vo^a^i«-' 


y^4 


WIBN,  1880. 


DRUCK    VON   ADOLF    H0LZHAÜ8BN 

S.  K.  HOP-  UND  UNIVKR8ITAT8.BUCIIDBUCKraU 


y 
5 
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— ^f&^c^- 


Ans^egeben  am  20.  April  1880.